Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen: Eine rechtsvergleichende Analyse des deutschen und spanischen Beteiligungssystems unter besonderer Berücksichtigung der idealistischen Pflichtverletzungslehre [1 ed.] 9783428587629, 9783428187621

Die Beteiligungslehre ist der Zentralkern der Verbrechenslehre. Strafrechtsgeschichtlich war die Beteiligungslehre stets

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German Pages 614 Year 2023

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Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen: Eine rechtsvergleichende Analyse des deutschen und spanischen Beteiligungssystems unter besonderer Berücksichtigung der idealistischen Pflichtverletzungslehre [1 ed.]
 9783428587629, 9783428187621

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Schriften zum Strafrechtsvergleich Band 18

Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen Eine rechtsvergleichende Analyse des deutschen und spanischen Beteiligungssystems unter besonderer Berücksichtigung der idealistischen Pflichtverletzungslehre

Von

Nelson Salazar Sánchez

Duncker & Humblot · Berlin

NELSON SALAZAR SÁNCHEZ

Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen

Schriften zum Strafrechtsvergleich Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf, Würzburg und Prof. Dr. Brian Valerius, Bayreuth

Band 18

Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen Eine rechtsvergleichende Analyse des deutschen und spanischen Beteiligungssystems unter besonderer Berücksichtigung der idealistischen Pflichtverletzungslehre

Von

Nelson Salazar Sánchez

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2022 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany

ISSN 2364-8155 ISBN 978-3-428-18762-1 (Print) ISBN 978-3-428-58762-9 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Mutter gewidmet

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist als Dissertation an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Dezember 2021 angenommen worden. Die mündliche Prüfung fand am 31. Januar 2022 statt. Literatur und Rechtsprechung sind auf dem Stand der Einreichung der Dissertation. Sehr herzlich bedanke ich mich bei meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Walter Perron für seine egagierte Betreuung und Erstbegutachtung sowie für seine positiv-kritischen Anmerkungen, Anregungen und ständige Bereitschaft zum Meinungsaustausch, die zur Verbesserung des wissenschaftlichen Gehalts dieser Arbeit beigetragen haben. Ich danke auch Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Michael Pawlik für das Zweitgutachten, seine Anmerkungen und Empfehlungen, die in die veröffentlichte Version dieses Buches eingeflossen sind. Ebenfalls möchte ich dem Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht (ehemaliges Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht) danken, welches die Erstellung der Arbeit durch die Doktorandenfinanzierung von 2015 bis 2019 ermöglicht hat. Posthum danken möchte ich Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Klaus Tiedemann für seine wissenschaftliche Begleitung und seine persönliche Unterstützung, welche für mich und diese Untersuchung von besonderer Bedeutung waren. Mein herzlicher Dank gilt weiter Frau Dr. Theda Schlageter für ihre egagierten und unschätzbaren sprachlichen Korrekturen, ohne die es schwierig gewesen wäre, die Arbeit erfolgreich abzuschließen. Gleichfalls bedanken möchte ich mich bei Herrn Stefan Uhl, Herrn Nico Schmid und Herrn Sebastian Heni, die zur sprachlichen Korrektur ebenfalls großzügig beigetragen haben. Besonderen Dank schulde ich meinen früheren Kollegen am Lehrstuhl von Herrn Professor Perron, deren Beiträge für das Gelingen der Arbeit wesentlich waren. In diesem Sinne danke ich zunächst Herrn Dr. Björn Boerger, mit dem ich während seiner Zeit am Lehrstuhl zahlreiche Diskussionen über den Inhalt meiner Dissertation geführt habe. Darüber hinaus danke ich Herrn Daniel Loy für seine großzügige Unterstützung zu Beginn des Promotionsvorhabens. Nicht unerwähnt lassen möchte ich die Lehrstuhlsekretärin Frau Andrea Friedrich, die mich in vielfältiger Weise praktisch unterstützt hat. Danke möchte ich in ferner meiner Mutter Zulema Sánchez Alvarado für ihre bedingungslose Unterstützung und dafür, dass sie mich gelehrt hat, diesen Weg zu gehen. Ich möchte mich auch bei meinen Geschwistern Wiltman Huaripata Sánchez und Petronila Huaripata Sánchez bedanken, die mir jederzeit geholfen haben und meiner Mutter während meines Aufenthalts in Deutschland zur Seite standen.

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Vorwort

Bedanken möchte ich mich besonders bei Herrn Dr. Manuel Abanto Vásquez, der mir stets mit persönlicher Unterstützung und vielen hilfreichen Anregungen beistand. Frau Giuliana Flor de María Llamoja Hilares danke ich für die zahlreichen akademischen Diskussionen während unserer gleichzeitigen Aufenthalte in Freiburg, die es mir ermöglicht haben, mich mit den Inhalten dieser Arbeit und weiteren wissenschaftlichen Themen vertieft auseinanderzusetzen und meine Gedanken in Worte zu fassen. Abschließend danke ich Herrn Professor Dr. José Urquizo Olaechea, der mir die Möglichkeit gegeben hat, als Assistent an seinem Lehrstuhl für Strafrecht Allgemeiner Teil an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universidad Nacional Mayor de San Marcos (Peru) zu arbeiten, und der mich ermutigt hat, Deutsch zu lernen, um in Deutschland zu promovieren. Freiburg im Breisgau, im Januar 2023

Nelson Salazar Sánchez

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 § 1 Methodologische Voraussetzungen und Grundbegriffe der Untersuchung . . . . . . . . 29 A. Methodologische Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 III. Ziele der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 IV. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 V. Angewendete Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 VI. Theoretische Grundlagen dieser Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 B. Bestimmung der Grundbegriffe dieser Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 I. Definition der Pflichtdeliktslehre und des „Sonderpflichtdelikts“ . . . . . . . . . 34 II. Definition des Begriffs „Wirtschaftsunternehmen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 III. Definition des Begriffs „Gremium oder Kollegialorgan“ . . . . . . . . . . . . . . . . 35 IV. Definition des Begriffs „Kollektiventscheidung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 C. Verlauf der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

1. Abschnitt Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme von Deutschland und Spanien als Grundvoraussetzung der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen

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§ 2 Theoretische Grundlagen der Beteiligungssysteme im deutschen und spanischen Strafrecht als Ausgangspunkt der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 A. Der Empirismus als Stützpfeiler der kausal-naturalistischen Strafrechtswissenschaft und Verbrechenslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 I. Methodologischer Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 II. Konsequenzen der naturalistisch-kausalen Methode für den Verbrechensaufbau und für die Begründung des Beteiligungssystems . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Konsequenzen für den Verbrechensaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Konsequenzen für das Beteiligungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 a) Objektiv-kausale Einheitstätertheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 b) Subjektiv-kausale Zurechnungstrennungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

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Inhaltsverzeichnis III. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 B. Der Idealismus als Stützpfeiler der kausal-normativen Strafrechtswissenschaft und der Verbrechenslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 I. Methodologischer Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 II. Konsequenzen der teleologisch normativ-kausalen Methode für den Verbrechensaufbau und für die Begründung des Beteiligungssystems . . . . . . . . . . . 51 1. Konsequenzen für den Verbrechensaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Konsequenzen für das Beteiligungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a) Objektive normativ-kausale Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 aa) Objektiv-formale „Täterschaftstheorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 bb) Objektiv-materielle „Unentbehrlichkeitstheorie“ . . . . . . . . . . . . . . 55 cc) Objektiv-materielle „Gleichzeitigkeitstheorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . 56 b) Subjektive normativ-kausale Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 aa) Subjektive normativ-kausale „Überordnungs- und Unterordnungstheorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 bb) Subjektive normativ-kausale „Tatherrschaftstheorie“ . . . . . . . . . . . 58 III. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 C. Der Ontologische Realismus als Stützpfeiler der Neubegründung des Strafrechtssystems und der Strafrechtswissenschaft in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 I. Methodologischer Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 II. Der Gegenstand des Strafrechts zwischen „Sein“ und „Sollen“ . . . . . . . . . . . 63 III. Konsequenzen der angewendeten Methode für den Aufbau der Verbrechenslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 IV. Konsequenzen der angewendeten Methode für die Konstruktion des Beteiligungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Konsequenzen der angewendeten Methode für das aus dem klassischen Finalismus errichtete Beteiligungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Konsequenzen der angewendeten Methode für das aus einer modernen offenen finalistischen Perspektive aufgebaute Beteiligungssystem . . . . . . 73 a) Die juridische Bedeutung des materiellen Ausdrucks des Verhaltens der Beteiligten als Eckpfeiler des Beteiligungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Begründung der Verantwortung aller Beteiligungsformen (erste Ebene) 74 c) Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme (zweite Ebene) . . . . . 77 V. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 D. Der Neukantianismus und der Neuhegelianismus als Stützpfeiler der Strafrechtslehre in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . 82 I. Methodologischer Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 II. Neubegründung der Zwecke des Strafrechtssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 III. Konsequenzen der angewendeten Methode für den Aufbau der Verbrechenslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

Inhaltsverzeichnis

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IV. Konsequenzen der angewendeten Methode für das Beteiligungssystem . . . . 89 1. Die gesetzgeberischen Formulierungen der Straftatbestände als Grundstein des Täterschafts- und Teilnahmesystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Wesen und Begründung der Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3. Wesen und Begründung der Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 V. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 E. Der soziologisch-funktionalistische Konstruktivismus als Stützpfeiler der bis hier entwickelten jüngsten Neuorientierung der Strafrechtslehre . . . . . . . . . . . . . . . . 100 I. Methodologischer Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 II. Neuformulierung der Zwecke und Aufgaben des Strafrechtssystems . . . . . . 103 III. Konsequenzen der angewendeten Methode für den Aufbau der Verbrechenslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 IV. Konsequenzen der angewendeten Methode für die Begründung des Beteiligungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Die unterschiedliche Natur des Organisations- im Gegensatz zum Pflichtstrafunrecht als Grundstein des Täterschafts- und Teilnahmesystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Wesen und Begründung der Täterschaft und Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . 109 V. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 F. Zusammenfassung und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 § 3 Gesetzliche Grundlagen und Erscheinungsformen der Täterschaft im Strafrechtssystem Deutschlands und Spaniens und dogmatische Entwicklung des Täterunrechts 119 A. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 B. Gesetzliche Grundlagen des Täterunrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 I. Grundlage des Täterunrechts gemäß § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB 120 II. Grundlage des Täterunrechts gemäß § 14 dStGB und Art. 31 sStGB . . . . . . 122 III. Der schwerwiegende Strafunwert der Tatbestandsverwirklichung entweder mittels Tatherrschaft oder mittels Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 C. Der Strafunwert der phänotypischen Erscheinungsformen der Tatherrschaft und der Sonderpflichtverletzung als begründendes Kriterium der Täterschaftsformen bei den Herrschafts- bzw. Pflichtdelikten in Deutschland und Spanien . . . . . . . . 124 I. Unmittelbare Täterschaft entweder wegen unmittelbarer Tatherrschaft oder wegen unmittelbarer Pflichtverletzung (§ 25 Abs. 1, 1. Alt. dStGB; Art. 28 Abs. 1, 1. Alt. sStGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 II. Mittäterschaft entweder infolge funktioneller Tatherrschaft (Arbeitsteilung) oder infolge gemeinsamer Pflichtverletzung (§ 25 Abs. 2 dStGB und Art. 28 Abs. 1, 2. Alt. sStGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 III. Mittelbare Täterschaft wegen der traditionellen Willensherrschaft des Vordermannes (§ 25 Abs. 1, 2. Alt. dStGB und Art. 28 Abs. 1, 3. Alt. sStGB) 131 IV. Mittelbare Täterschaft wegen Tatherrschaft kraft organisatorischen Machtapparats (§ 25 Abs. 1, 2. Alt. dStGB; Art. 28 Abs. 1, 3. Alt. sStGB) . . . . . . 135

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Inhaltsverzeichnis V. Sonstige Mittäterschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 1. Nebentäterschaft (Alleintäterschaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Alternative Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Sukzessive Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 4. Additive Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 D. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

§ 4 Gesetzliche Grundlagen und Erscheinungsformen der Teilnahme im Strafrechtssystem Deutschlands und Spaniens und dogmatische Entwicklung des Teilnehmerunrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 A. Gesetzliche Grundlagen des Teilnehmerunrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 I. Allgemeine Grundlage des Teilnehmerunrechts gem. §§ 26, 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 II. Besondere Grundlage des Teilnehmerunrechts gem. §§ 28, 29 dStGB und Art. 65 Abs. 1, 3 sStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 III. Grundlage des Teilnehmerunrechts gem. § 30 dStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 IV. Der geringere Strafunwert der Tatbestandsverwirklichung entweder wegen des Fehlens der Tatherrschaft oder wegen der Abwesenheit einer Sonderpflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Theorie der autonomen Rechtsgutverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 2. Theorie der materiellen Gerechtigkeit (Schuld- und Unrechtsteilnahme) 151 3. Theorie der akzessorietätsorientierten Haupttatverursachung (Tätertatverursachung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 4. Theorie der mittelbaren Verletzung der fremden Täterverhaltensnorm . . . 153 5. Theorie der unmittelbaren autonomen Teilnahmenormverletzung . . . . . . 155 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 B. Strukturelemente und Erscheinungsformen der Teilnahme bei den Beteiligungssystemen Deutschlands und Spaniens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 I. Strukturelemente und Erscheinungsformen der Anstiftung im deutschen Strafrechtssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1. Strukturelemente: Anstiftung als vorsätzliche Veranlassung eines anderen zur Verwirklichung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Straftat (§ 26 dStGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 a) Begriff der Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 b) Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 aa) Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat . . . . . . 161 bb) Bestimmen zur Haupttat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 c) Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Dogmatische Erscheinungsformen der Anstiftung im deutschen Strafrechtssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3. Sonstiges zur Anstiftung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

Inhaltsverzeichnis

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II. Strukturelemente und Erscheinungsformen der Anstiftung im spanischen Strafrechtssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. Strukturelemente: Anstiftung als „Veranlassung“ eines anderen zur Verwirklichung einer rechtswidrigen Straftat (Art. 28 Abs. 2a sStGB) . . . . . . 168 a) Begriff der Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 aa) Vorliegen einer tatbestandmäßigen und rechtswidrigen Haupttat 170 bb) Bestimmen zur Haupttat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 c) Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Dogmatische Erscheinungsformen der Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 3. Sonstiges zur Anstiftung in Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 III. Strukturelemente und Erscheinungsformen der Beihilfe im deutschen Strafrechtssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Strukturelemente: Beihilfe als vorsätzliche Hilfeleistung für einen anderen zur Verwirklichung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Straftat (§ 27 dStGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 a) Begriff der Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 aa) Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat . . . . . . 178 bb) Beginn der Verwirklichung einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 cc) Hilfeleistung zur Verwirklichung der Täterhaupttat . . . . . . . . . . . . 179 c) Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 aa) Vorsatz bezüglich der vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat 181 bb) Vorsatz bezüglich der Förderung der vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 2. Dogmatische Erscheinungsformen der Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3. Sonstiges zur Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 IV. Strukturelemente und Erscheinungsformen der Beihilfe im spanischen Strafrechtssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 2. Gesetzliche Erscheinungsformen der Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 a) „Erforderliche Beihilfe“ kraft maßgeblicher Mitwirkung an einer rechtswidrigen Tatbestandsherbeiführung (Art. 28 Abs. 2b StGB) . . . . 187 b) „Bloße Beihilfe“ kraft maßgeblicher Mitwirkung an der rechtswidrigen Tatbestandsherbeiführung (Art. 29 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3. Strukturelemente der „erforderlichen“ und „einfachen“ Beihilfe . . . . . . . 190 a) Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 aa) Hilfeleistung zur Verwirklichung der Haupttat . . . . . . . . . . . . . . . . 190 bb) Vorliegen einer tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Haupttat 191 cc) Versuchsbeginn der Haupttat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b) Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

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Inhaltsverzeichnis 4. Dogmatische Erscheinungsformen der „erforderlichen“ und „einfachen“ Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

2. Abschnitt Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen in den Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens

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§ 5 Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen in der Rechtsprechung Deutschlands und Spaniens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 A. Mittelbare Täterschaft wegen Organisationsherrschaft aus Sicht des deutschen BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 I. Lieferantenbetrug-Fall (BGH, Urteil v. 11. 12. 1997 – 4StR 323/97) . . . . . . . 200 II. Tierarztpraxis-Fall (BGH, Urteil v. 3. 7. 2003 – 1 StR 453/02) . . . . . . . . . . . . 202 III. Kapitalanlage-Fall (BGHSt 48, 331) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 IV. Kanzlei-Fall (BGH 5 StR 268/99) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 V. Weitere Fälle mittelbarer Täterschaft wegen Organisationsherrschaft . . . . . . 205 B. Mittelbare Täterschaft wegen Organisationsherrschaft aus Sicht des spanischen TS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 C. Mittäterschaft wegen funktioneller Arbeitsteilung aus Sicht des deutschen BGH 207 I. Lederspray-Fall (BGHSt 37, 106) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 II. Immobiliengesellschaft-Fall (BGH, Beschluss v. 2. 11. 2007 – 2 StR 384/07) 209 III. Bremer Vulkan-Fall (BGHSt 49, 147) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 IV. Mannesmann-Fall (BGHSt 50, 331) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 V. Weitere Fälle der Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 D. Mittäterschaft wegen funktioneller Arbeitsteilung aus Sicht des spanischen TS 215 I. Colza-Fall (STS 3654/1992 v. 23. 04. 1992) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 II. ANESVAD-Fall (STS 1825/2013 v. 11. 04. 2013) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 III. Faktischer Geschäftsführer-Fall (STS 279/2019 v. 07. 02. 2019) . . . . . . . . . . 216 IV. Steuerhinterziehungs-Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 E. Anwendung der „Erforderlichen Beihilfe“ in Spanien bei vorsätzlicher Handlung des nichtqualifizierten Vordermannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 F. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 G. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 § 6 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre zu Täterschaft und Teilnahme in vertikalen Unternehmensstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 A. Unmittelbare Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

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B. Klassische mittelbare Täterschaft bei unverantwortlich handelndem Vordermann (§ 25 Abs. 1, 2. Alt. dStGB, Art. 28 Satz 1, 3. Alt. sStGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 I. Mittelbare Täterschaft des Unternehmensleiters kraft Herrschaft über den Irrtum oder Unkenntnis des handelnden Vordermannes . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 II. Mittelbare Täterschaft des Unternehmensleiters kraft Nötigung des ausführenden Untergebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 III. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 C. Mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft bei verantwortlich handelndem Vordermann (§ 25 Abs. 1, 2. Alt. dStGB und Art. 28 Satz 1, 3. Alt. sStGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 I. Dogmatische Grundlagen: Verwandtschaft zwischen kriminellen Organisationsstrukturen in Wirtschaftsunternehmen und organisatorischen Machtapparaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Vertikale Struktur der Wirtschaftsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 2. Privilegierte Stellung der Unternehmensleiter in der Organisationsstruktur der Wirtschaftsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 3. Fungibilität des handelnden Vordermannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 4. Freie Handlung des handelnden Vordermannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 II. Kriminalpolitische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 1. Zerstörerische Rechtsgelöstheit der Wirtschaftsunternehmen . . . . . . . . . . 243 2. Kriminalpolitischer Zweck des Strafrechts gegenüber krimineller Organisation der Wirtschaftsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 III. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 D. Entwicklung weiterer strafrechtlicher Beteiligungsformen bei vollverantwortlich handelndem Vordermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 I. Mittäterschaft statt Organisationsherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 II. Mittäterschaft und sukzessive Mittäterschaft des Hinter- bzw. Vordermannes (Deutschland) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 III. Anstiftung und unmittelbare Täterschaft des Hinter- bzw. Vordermannes (Deutschland und Spanien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 IV. Unmittelbare Täterschaft und „erforderliche Beihilfe“ des Hinter- bzw. Vordermannes (in Spanien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 V. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 E. Zusammenfassung und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

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§ 7 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre zu Täterschaft und Teilnahme in horizontalen Organisationsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 A. Begründung der Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 dStGB und Art. 28 Satz 1, 2. Alt. sStGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 I. Dogmatische Begründung der Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 1. Begründung der Mittäterschaft ausgehend von der Kausalverbrechenslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 a) Dogmatische Begründung der Mittäterschaft nach der „conditio sine qua non-Formel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 aa) Kumulative Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 bb) Alternative Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 cc) Additive Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 b) Dogmatische Begründung der Mittäterschaft nach der „gesetzmäßigen Bedingungstheorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 c) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 2. Begründung der ontologisch-normativen Mittäterschaft aus Sicht der Tatherrschaftslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 a) Materielle Bestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 aa) Gemeinsamer Tatentschluss der Beteiligten zur mittäterschaftlichen Kollektiventscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 bb) Funktionelle Arbeitsteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 cc) Wesentlicher Beitrag zur Tatbestandsherbeiführung . . . . . . . . . . . . 280 b) Normative Bestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 c) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 3. Begründung der normativen Mittäterschaft nach dem Gedanken der normativen Täterschaftslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 a) Mittäterschaft als gemeinsame Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 b) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 II. Kriminalpolitische Standpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 1. Erreichung präventiver kriminalpolitischer Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 2. Erreichung einer verhältnismäßigen Strafhaftung von Führungskräften und Außenstehenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 3. Erreichung strafprozessualer kriminalpolitischer Zwecke . . . . . . . . . . . . . 289 4. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 B. Anwendung weiterer Beteiligungsformen in Ausnahmefällen . . . . . . . . . . . . . . . 290 I. Mittäterschaftliche Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 II. Beihilfeformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 1. „Erforderliche Beihilfe“ (Art. 28 Satz 2.b sStGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 2. Einfache Beihilfe (§ 27 dStGB und Art. 29 sStGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 C. Zusammenfassung und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292

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3. Abschnitt Entwicklung eines alternativen Verständnisses von Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen, ausgehend von der in beiden Ländern vertretenen Pflichtdeliktslehre

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§ 8 Die Unterscheidung zwischen „allgemeinen Pflichtdelikten“ (Herrschafts- oder Organisationsdelikten) und „Sonderpflichtdelikten“ (Pflichtdelikten) als geeigneter Ausgangpunkt für die theoretische Begründung der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen in Deutschland und Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 A. Natur und theoretische Grundlagen des Strafunrechts bei den negativen „Allgemeinpflichtdelikten“ (Herrschafts- oder Organisationsdelikte) . . . . . . . . . . . . . . . 296 I. Der liberale Staat als bloßer Beschützer der individuellen Freiheitssphäre und des privaten Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 II. Die Person als Trägerin negativer Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 III. Der negative Rechtsbegriff aus Sicht der zum liberalen Rechtsstaatsverständnis gehörenden Rechtsphilosophie als Quelle der allgemeinen negativen Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 IV. Das Recht als System allgemeiner negativer Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 V. Übertragung des negativen Rechtsverständnisses auf das Strafrecht: Der strafrechtliche Unrechtsbegriff als Verletzung der fundamentalen „allgemeinen negativen Pflichten“ der liberalen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 B. Natur und theoretische Grundlagen des Strafunrechts bei den „positiven Sonderpflichtdelikten“ (Pflichtdelikte oder Delikte wegen institutioneller Zuständigkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 I. Der soziale Verfassungsstaat als Schöpfer der positiven Bedingungen zur Verwirklichung der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 II. Die Person als Trägerin negativer und positiver Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . 308 III. Der positive Rechtsbegriff aus Sicht der im sozialen Rechtsstaatsverständnis entstandenen Rechtsphilosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 IV. Das Recht als System negativer allgemeiner Pflichten und positiver Sonderpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 V. Übertragung des positiven Rechtsverständnisses auf das Strafrecht: Der strafrechtliche Unrechtsbegriff als Verstoß gegen die zur modernen Gesellschaft gehörenden „allgemeinen negativen Pflichten“ und „positiven Sonderpflichten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319

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§ 9 Verfassungs- und strafrechtliche Begründung des Täter- und Teilnehmerunrechts in den Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 A. Verfassungsrechtliche Begründung des Täter- und Teilnehmerunrechts in den Rechtssystemen Deutschlands und Spaniens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 I. Die Menschenwürde als Grundlage und Zweck des Aufbaus des deutschen und spanischen Strafrechts- und Beteiligungssystems (Art. 1 Abs. 1 dGG und Art. 10 Abs. 1 sConst.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 II. Der „Verantwortungsgrundsatz für das eigene Strafunrecht“ als Zentralelement für die Begründung und Abgrenzung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit in Deutschland und Spanien (Art. 1 Abs. 1 dGG und Art. 10 Abs. 1 sConst.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 III. Der „Verantwortungsgrundsatz für das eigene Strafunrecht“ als Zentralelement für die Begründung und Abgrenzung des Täter- und Teilnehmerunrechts bei den Allgemein- und Sonderpflichtdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . 324 B. Strafrechtliche Begründung des Täter- und Teilnehmerunrechts im Rechtssystem Deutschlands und Spaniens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 I. Strafrechtliche Begründung des Täterunrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 1. Erste Grundlage: Die Verletzung der in § 25 dStGB und Art. 28 Satz 1 sStGB geregelten „negativen Allgemeinpflichten“ und „positiven Sonderpflichten“ als Grundlage des Täterunrechts bei „Allgemein- bzw. „Sonderpflichtdelikten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 2. Zweite Grundlage: Die Verletzung der in § 14 dStGB und Art. 31, 31bis sStGB geregelten „positiven Sonderpflichten“ als Grundlage des Täterunrechts bei den „Sonderpflichtdelikten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 II. Erscheinungsform der Täterschaft, die sich aus der unmittelbaren Verletzung der den in §§ 25, 14 dStGB und den in Art. 28 Abs. 1, 31, „31 bis“ sStGB geregelten Pflichten herleitet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 III. Strafrechtliche Begründung des Teilnehmerunrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 1. Erste Grundlage: Die Übertretung der in den §§ 26, 27 dStGB und in den Art. 28 Satz 2, 29 sStGB geregelten „Allgemeinpflichten“ als Grundlage des Teilnehmerunrechts an den „negativen Allgemeinpflichtdelikten“ und „positiven Sonderpflichtdelikten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 2. Zweite Grundlage: Die Übertretung der in § 28 Abs. 1 dStGB und Art. 65 Abs. 3 sStGB geregelten „Pflichten“ als Grundlage des Teilnehmerunrechts eines „positiven Sonderpflichtdelikts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 IV. Erscheinungsformen der Teilnahme, die sich aus der unmittelbaren Verletzung der in den §§ 26, 27 dStGB und in den Art. 28 Satz 2, 29 sStGB verankerten Pflichten ergeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 1. Anstiftung (§ 26 dStGB, Art. 28 Abs. 2a sStGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 2. Beihilfe (§ 27 dStGB, Art. 29 sStGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 3. „Erforderliche“ Beihilfe (Art. 28 Abs. 2b sStGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 C. Materielle Strafbarkeitserfordernisse der Täterschaft und Teilnahme . . . . . . . . . 340 I. Materielle Strafbarkeitserfordernisse der Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340

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II. Materielle Strafbarkeitserfordernisse der Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 1. Objektive Strafbarkeitserfordernisse der Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 a) Vorliegen einer tatbestandsmäßig-rechtswidrigen Straftat des Täters 342 b) Versuchsbeginn der Straftat des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 2. Subjektive Strafbarkeitserfordernisse der Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 D. Stelle und Betrachtung von „Tatherrschaft“ und „Rechtsgutsverletzung“ in der Struktur der hier vertretenen Verbrechenslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 I. Die „Tatherrschaft“ als Grundelement des allgemeinen rechtlichen Verhaltensbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 II. Das „Quantum“ des Beitrags (der Tatherrschaft) als wesentliches Element der Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 1. Bewertung des Quantums der Tatherrschaft bei den Allgemeinpflichtdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 2. Bewertung des Quantums der Tatherrschaft bei den Sonderpflichtdelikten 350 III. Die materielle Rechtsgutsverletzung und die Rechtsgutsgefährdung als maßgeblicher Bestandteil der Strafschärfung bzw. Strafmilderung . . . . . . . . 352 E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 § 10 Spezifische Begründungs-, Auslegungs- und Bestimmungselemente der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 A. Hauptpflichtspezifische Begründungselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 I. Verletzung der unmittelbar in § 14 dStGB und in Art. 31 sStGB festgelegten negativen Allgemein- und positiven Sonderpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 II. Verletzung der in § 13 dStGB und in Art. 11 sStGB geregelten Garantenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 III. Verletzung der in §§ 9, 30, 130 OWiG und in Art. 31bis ff. sStGB geregelten negativen Allgemein- und positiven Sonderpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 B. Spezifische ergänzende Begründungselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 I. Spezifische ergänzende Begründungselemente, die im jeweiligen GmbHG Deutschlands und Spaniens geregelt sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 1. Zuständigkeit der GmbH-Gesellschafter für die Pflichterfüllung und Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 2. Pflichtzuständigkeit und Pflichtverletzung bei Geschäftsführern . . . . . . . 376 3. Pflichtzuständigkeit und Pflichtverletzung des Aufsichtsrats einer GmbH 378 II. Spezifische ergänzende Begründungselemente, die in den Rechtsordnungen Deutschlands und Spaniens geregelt sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 1. Pflichtzuständigkeit und Pflichtverletzung von Aktionären . . . . . . . . . . . . 379 2. Pflichtzuständigkeit und Pflichtverletzung von Aufsichtsratsmitgliedern

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3. Pflichtzuständigkeit und Pflichtverletzung von Vorstandsmitgliedern . . . . 381 III. Strafrechtliche Bedeutung des Verstoßes gegen die im Gesellschaftsrecht und anderen Gesetzen enthaltenen Rechtspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383

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Inhaltsverzeichnis C. Spezifische normative Bestimmungselemente der Pflichtverletzung . . . . . . . . . . 384 I. Anwendung normativer Kriterien der objektiven Zurechnung zur Bestimmung des unerlaubten strafrechtlichen Risikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 1. Erlaubter Vertrauensgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 2. Regressverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 3. Zurechnung zu dem Zuständigkeitsbereich des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . 389 II. Anwendung normativer Kriterien der subjektiven Zurechnung . . . . . . . . . . . 390 D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391

4. Abschnitt Erscheinungsformen der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen innerhalb des normativen Verständnisses des Delikts als Pflichtverletzung

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§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 A. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 B. Täterschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 II. Konkrete phänotypische Täterschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 1. Unmittelbare Einzeltäterschaft von Unternehmensleitern wegen eigenhändiger Verletzung der unternehmerischen negativen Allgemeinpflichten 398 2. Unmittelbare Einzeltäterschaft von Unternehmensleitern kraft Verletzung der ontologisch gemeinschaftlich von mehreren Unternehmensleitern ausgeführten unternehmerischen negativen Allgemeinpflichten . . . . . . . . 402 3. Unmittelbare Einzeltäterschaft von Unternehmensleitern kraft Verletzung ontologisch mit Mitherrschaft von Unternehmensleitungsmitgliedern und Nichtverpflichteten auszuführenden unternehmerischen negativen Allgemeinpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unmittelbare Einzeltäterschaft von Unternehmensleitern und Untergebenen aufgrund der Verletzung unternehmerischer negativer Allgemeinpflichten, die ontologisch durch individuelle und unabhängige Herrschaft von Geschäftsführern und Untergebenen ausgeführt werden . . . . . . . . . . . 5. Unmittelbare Einzeltäterschaft von Unternehmensleitern kraft Verletzung unternehmerischer negativer Allgemeinpflichten, die ontologisch durch die Ausnutzung eines vorsatzlos handelnden Vordermanns ausgeführt werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Unmittelbare Einzeltäterschaft von Unternehmensleitern kraft Verletzung negativer Allgemeinpflichten mit ausschließlicher Herrschaft der vorsätzlich handelnden Untergebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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7. Einzeltäterschaft wegen Verletzung der unternehmerischen negativen Allgemeinpflichten, welche ausschließlich durch die Untergebenen vorsätzlich und mit Herrschaft verwirklicht werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 C. Teilnahmeformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 I. Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 II. Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 1. Beihilfe von unternehmensbezogenen Personen wegen der Verletzung ihrer in § 27 dStGB und Art. 29 sStGB normierten negativen Allgemeinpflichten ohne Tatherrschaft über die Deliktsausführung . . . . . . . . . . . . . . 441 2. Beihilfe von Außenstehenden wegen der Verletzung ihrer in § 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2b sStGB normierten negativen Allgemeinpflichten mit wesentlichem ontologischen Beitrag zur Deliktsverwirklichung . . . . . . . . 443 3. Beihilfe von Außenstehenden wegen der Verletzung ihrer in § 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2b sStGB normierten negativen Allgemeinpflichten mit ontologischer Tatherrschaft über die Deliktsverwirklichung . . . . . . . . . . . 444 4. Beihilfe der Mitarbeiter wegen der Verletzung ihrer in § 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2b sStGB normierten negativen Allgemeinpflichten durch neutrale oder berufsbezogene Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 5. Beihilfe von Unternehmensleitern wegen der Verletzung ihrer in § 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2b sStGB enthaltenen negativen Allgemeinpflichten, die ontologisch durch aktives Tun verwirklicht werden . . . . . . 450 D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 § 12 Täterschaft und Teilnahme bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten . . . . . . . . 455 A. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 B. Täterschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 II. Phänotypische Täterschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 1. Unmittelbare und parallele Einzeltäterschaften der Unternehmensleitungsmitglieder aufgrund der parallelen Verletzung ihrer positiven Sonderpflichten durch ein aktives Tun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 2. Unmittelbare parallele Einzeltäterschaften von Mitgliedern der Unternehmensleitung aufgrund ihrer gemeinsamen arbeitsteiligen Verletzung ihrer positiven Sonderpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 3. Unmittelbare parallele Einzeltäterschaften von Mitgliedern der Unternehmensleitung kraft Verletzung ihrer ontologisch mit Mittatherrschaft von ihnen und Nichtverpflichteten ausgeführten positiven Sonderpflichten 463 4. Unmittelbare parallele Einzeltäterschaften von Mitgliedern der Unternehmensleitung kraft Verletzung ihrer positiven Sonderpflichten durch Anstiftung bei Tatherrschaft der Untergebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 5. Unmittelbare parallele Einzeltäterschaften von Mitgliedern der Unternehmensleitung kraft Verletzung ihrer positiven Sonderpflichten durch Unterlassung und Herrschaft des Außenstehenden über die Begehung . . . 470

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Inhaltsverzeichnis 6. Unmittelbare parallele Einzeltäterschaften der Mitglieder der Unternehmensleitung kraft Verletzung ihrer positiven Sonderpflichten, welche ontologisch durch die Benutzung eines nichtqualifizierten vorsatzlos handelnden Vordermannes verwirklicht werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 7. Unmittelbare parallele Einzeltäterschaften von Mitgliedern der Unternehmensleitung kraft Verletzung ihrer ontologisch durch die Instrumentalisierung eines qualifizierten vorsatzlosen Werkzeugs verwirklichten positiven Sonderpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 8. Unmittelbare parallele Alleintäterschaften von Mitgliedern der Unternehmensleitung kraft Verletzung ihrer ontologisch mittels des Einsatzes eines qualifikationslosen dolosen Werkzeugs verwirklichten positiven Sonderpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 9. Scheinbar problematische Formen unmittelbarer Täterschaft von Unternehmensleitern bei von der Mehrheit der Unternehmensleitungsmitglieder getroffenen vorsätzlichen Kollegialentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 C. Teilnahme an den unternehmerischen Sonderpflichtdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . 488 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 II. Phänotypische Erscheinungsformen der Teilnahme an den unternehmerischen Sonderpflichtdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 1. Haftung des Extraneus als Anstifter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 a) Klassische Anstiftungsform ohne Tatherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 b) Besondere und „scheinbare“ Anstiftungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 aa) Scheinbare Anstiftung durch den Extraneus aufgrund seiner Beteiligung an der Verwirklichung eines vorsatzlosen Sonderpflichtdelikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 bb) Scheinbare Anstiftung des Extraneus aufgrund seiner Beteiligung an der Verwirklichung eines gerechtfertigten Sonderstrafunrechts 499 cc) Anstiftung des Extraneus aufgrund seiner Beteiligung an einem Sonderpflichtunrecht, bei dessen Verwirklichung ein Schuldausschließungs- oder Entschuldigungsgrund vorlag . . . . . . . . . . . . . . . 504 2. Haftung des Extraneus als Gehilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 a) Klassische Beihilfeform des „bloßen“ Hilfeleistens ohne Tatherrschaft 508 b) Besondere Beihilfeformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 aa) Beihilfe des Außenstehenden kraft seines Beitrags zur Verletzung positiver Sonderpflichten, die ontologisch mit Mitherrschaft von ihm und sonderpflichtigen Unternehmensleitern durchgeführt werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 bb) Beihilfe des Extraneus kraft seiner Beteiligung an der Verletzung einer positiven Sonderunternehmenspflicht, die mit ausschließlicher Tatherrschaft von ihm und Hilfeleistung des Unternehmenssonderpflichtträgers verwirklicht wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514

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cc) Beihilfe des Extraneus wegen seiner Beteiligung an der Verletzung einer positiven Sonderunternehmenspflicht, die mit seiner ausschließlichen Tatherrschaft und durch Bestimmen des Unternehmenssonderpflichtträgers verwirklicht wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 dd) Beihilfe des Extraneus kraft seiner Beteiligung an der Verletzung der ontologisch mit ausschließlicher und ausschließender Herrschaft des Außenstehenden verwirklichten positiven besonderen Unternehmenspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 ee) Scheinbare Beihilfe des Extraneus wegen seiner unvorsätzlichen Beteiligung an der Verletzung positiver Sonderunternehmenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 ff) Beihilfe des Extraneus wegen seiner tatbestandlichen – aber „scheinbar gerechtfertigten“ – Beteiligung an der vorsätzlichen und rechtswidrigen Verletzung der positiven Sonderunternehmenspflicht eines Unternehmensleitungsmitglieds . . . . . . . . . . . . . 522 D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604

Abkürzungsverzeichnis a. a. O. Abs. ADPCP a. F. AG AJA AktG AktG-K AktG-MK AMG Anm. AnwaltKo-StGB AO AP ArbG ARSP AT Aufl. BauGB Bd. Beschl. BGH BGHSt BT BVerfG BverfGE BVV-AG bzw. CCo CCP CCPP CDJ CPC DDR ders. dGG dHGB dInsO DLL D&S dStGB

am angegebenen Ort Absatz Anuario de Derecho Penal y Ciencias Penales alte Fassung Aktiengesellschaft Actualidad Jurídica Aranzadi Aktiengesetz Kommentar zum Aktiengesetz Münchener Kommentar zum Aktiengesetz Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz) Anmerkung AnwaltKommentar zum StGB Abgabenordnung vom 16. 3. 1976 (BGBI. I, 613) Actualidad Penal Arbeitsgesetze Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Allgemeiner Teil/Strafrecht Allgemeiner Teil Auflage Baugesetzbuch Band Beschluss Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Besonderer Teil Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bremer Vulkan Verbund Aktiengesellschaft beziehungsweise Código de Comercio Comentarios al Código Penal Comentarios al Código Penal peruano Cuadernos de Derecho Judicial Cuadernos de Política Criminal Deutsche Demokratische Republik derselbe deutsches Grundgesetz deutsches Handelsgesetzbuch deutsche Insolvenzordnung Diario La Ley Derecho & Sociedad deutsches Strafgesetzbuch

Abkürzungsverzeichnis DZPhil EPC EStDV EStG EWIV-Ausführungsgesetz f. ff. F.J. FF.JJ. FS GA gem. Gen GewO GG GG-Kommentar GmbH GmbH & Co. KG GmbHG GmbHG-K GmbHG-Scholz GP&PP GrossKoAG GwG HCL-GmbHG h. L. h. M. HRR-StrafR Hrsg. i. d. R. InDret InsO-K InsO-MK i. Ü. m. i. V. m. JA JCSW JR Jura JuS JZ KG KGG KK-OWiG KStG

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Deutsche Zeitschrift für Philosophie Estudios Penales y Criminológicos Einkommenssteuer-Durchführungsverordnung Einkommenssteuergesetz Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung folgende/folgender fortfolgende Fundamento Jurídico Fundamentos Jurídicos Festschrift Goltdammer’s Archiv für Strafrecht gemäß Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Gewerbeordnung Grundgesetz Berliner Kommentar zum Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Kommentar zum GmbH-Gesetz Scholz Kommentar zum GmbH-Gesetz Gaceta Penal & Procesal Penal Großkommentar zum AktG Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten Habersack/Casper/Löbbe Großkommentar zum GmbHG herrschende Lehre herrschende Meinung Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht Herausgeber in der Regel Revista para el Análisis del Derecho Kommentar zur Insolvenzordnung Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung in Übereinstimmung mit in Verbindung mit Juristische Arbeitsbläter Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaften Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Kommanditgesellschaft Kapitalgesellschaftsgesetz Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Körperschaftsteuergesetz

26 LC Lfg. LH LK LL LLP LPK-StGB LSC LSRL m. a. W. MFC MRK-StGB MschrKrim MüKoAktG MüKoHGB MüKoStGB NCP n. F. NFP NJW NK-StGB Nr. NStZ NStZ-RR NZG NZWiSt OGH OHG OWiG PD PG RCJ RDP RDPC RDPP RDS RECPC RFDdPUCP RGLJ RIPhil RJCL Rn. RPCP RW

Abkürzungsverzeichnis Ley Concursal Lieferung Libro Homenaje Leipziger Kommentar zum StGB La Ley: Revista jurídica española de doctrina, jurisprudencia y bibliografía. La Ley Penal: Revista de Derecho penal, Procesal y Penitenciario Lehr- und Praxiskommentar zum StGB Ley de Sociedades de Capital Ley de Sociedades de Responsabilidad Limitada mit anderen Worten Manuales de formación continuada Matt/Renzikowski Kommentar zum StGB Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Münchener Kommentar zum AktG Münchener Kommentar zum HGB Münchener Kommentar zum StGB Nuevo Código Penal neue Fassung Nuevo Foro Penal Neue Juristische Wochenschrift Nomos Kommentar zum StGB Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht Oberster Gerichtshof Offene Handelsgesellschaft Ordnungswidrigkeit Persona y Derecho: Revista de fundamentación de las instituciones jurídicas y de Derechos Humanos Parte General Revista de ciencias jurídicas Revista de Derecho penal Revista de Derecho Penal y Criminología Revista de Derecho y proceso penal Revista de Derecho de Sociedades Revista Electrónica de Ciencia Penal y Criminológía Revista de la Facultad de Derecho de la Pontificia Universidad Católica del Perú Revista General de Legislación y Jurisprudencia Revue Internationale de Philosophie Revista Jurídica de Castilla y León Randnummer Revista Peruana de Ciencias Penales Zeitschrift für rechtswissenschaftliche Forschung

Abkürzungsverzeichnis S. SchwZStr/SchwZStrR sConst. SE sGG sHGB sInsO SK-StGB SSK-StGB sStGB SSTS SSWK-StGB STC StGB-Fischer StGB-Lackner/Kuhl StGB-LK StPO StraFo STS StV/StrV TS TuG TuT u. a. UmwG Urt. UStG UWG v. vgl. Vor. Wistra WiVerw WM z. B. ZfMR ZGR ZIS ZJS ZKredW ZStW

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Einführung § 1 Methodologische Voraussetzungen und Grundbegriffe der Untersuchung Unter dem Titel „Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen“ beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit der rechtsvergleichenden Analyse der normativen Grundlagen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der gemeinsam an einer rechtswidrigen Entscheidungsfindung beteiligten Unternehmensleitungsmitglieder sowie der nichtqualifizierten Außenstehenden im deutschen und spanischen Strafrechtssystem.

A. Methodologische Betrachtungsweise I. Fragestellung Die Strafrechtswissenschaft sowie die deutsche und spanische Rechtsprechung haben verschiedene theoretischen Standpunkte zu den Voraussetzungen entwickelt, unter denen ein Straftatbestand Führungskräften und außenstehenden Dritten zugerechnet werden kann, der sich auf eine rechtswidrige Entscheidung eines aus mehreren gleichberechtigen Mitgliedern bestehenden Kollektivgremiums stützt. Gemeinsames Element dieser theoretischen Sichtweisen ist die große Schwierigkeit, ausgehend von der Auslegung der in den positiven Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens geregelten Strafvorschriften über die Täterschaft und Teilnahme dogmatische Kategorien aufzubauen, mithilfe derer konsistent festgestellt werden kann, wann und warum einem sonderpflichtigen Unternehmensleiter und nichtqualifizierten Dritten wegen ihrer Beteiligung an einer vorsätzlichen Kollektiventscheidung des Unternehmens eine Straftat zugerechnet werden darf. Solche Probleme manifestieren sich unter anderem in drei Fallkonstellationen: Zum einen in Fällen, in denen der Nachweis des gemeinsamen Tatentschlusses und der funktionellen Arbeitsteilung der Beteiligten aufgrund ihres vorher vereinbarten Verschleierungspakts sehr kompliziert ist, so dass es problematisch oder unmöglich ist, die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beteiligten als Täter oder Teilnehmer zu begründen; zum anderen in Fällen, in denen der Kausalzusammenhang zwischen den einzelnen Beiträgen der Beteiligten (etwa der Inhaber, Gremiumsmitglieder, Geschäftsführer, Außenstehende etc.) und der vorsätzlich-rechtwidrigen Kollektiventscheidung nicht bestimmt werden kann, weil das strafrechtlich relevante

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Verhalten des Sonderpflichtträgers und Außenstehenden durch Unterlassung verwirklicht wird; und schließlich in jenen Fällen, in denen die Bestrafung des nichtqualifizierten Vordermannes als Mittäter (als „notwendiger Gehilfe“ nach spanischem Recht) gesetzlich und dogmatisch sehr umstritten ist, da er keine zu den Geschäftsführungs- oder Vorstandsmitgliedern zuzuordnende Sonderpflicht trägt. In diesem Zusammenhang, in dem die durch die Strafrechtslehre und die deutsche und spanische Rechtsprechung entwickelte Dogmatik der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen zu umstrittenen Lösungen führt, stellen sich neben der bereits gestellten Hauptfrage folgende Probleme: a) Warum sind die durch die Strafrechtslehre und die deutsche und spanische Rechtsprechung entwickelten Formen der Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen inkonsistent? b) Mit Hilfe welchen theoretischen Modells ist es möglich, ein konsistentes allgemeines Beteiligungssystem aufzubauen und daher eine kohärente Zurechnung für Fälle der Beteiligung an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen zu begründen, welche nicht nur mit den in §§ 23, 14, 25, 26, 27, 28, 29, 30 dStGB und in Art. 11, 28, 29, 30, 31, 65 (Abs. 1, 3) sStGB geregelten Täterschafts- und Teilnahmenormen vereinbar, sondern auch konsistenter als das durch die herrschende Strafrechtslehre und die Rechtsprechung vertretene Modell sein soll? c) Welche normativen Voraussetzungen müssen in den Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens erfüllt werden, um sowohl das allgemeine Täter- und Teilnehmerunrecht als auch die Täterschaft und Teilnahme bei Kollektivgremienentscheidungen in Wirtschaftsunternehmen zu begründen? d) Welche allgemeinen Täterschafts- und Teilnahmeformen und insbesondere welche Täterschafts- und Teilnahmeformen bei Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen regulieren die Strafgesetzbücher Deutschlands und Spaniens, die mit der hier vertretenen Pflichtdeliktslehre vereinbar sind? Diese und andere Fragen werden in den folgenden Abschnitten beantwortet.

II. Untersuchungsgegenstand In Übereinstimmung mit dem Inhalt der Fragestellung besteht der Untersuchungsgegenstand aus zwei Bestandteilen: normativen Vorschriften und theoretischen Standpunkten der Rechtsphilosophie und Strafrechtswissenschaft sowie der deutschen und spanischen Rechtsprechung. Im positiven Strafrecht befinden sich §§ 13, 14, 25, 26, 27, 28 Abs. 1, 29 dStGB und Art. 11, 28, 29, 30, 31, 65 Abs. 3 sStGB, welche die gesetzlichen Grundlagen des allgemeinen Strafunrechts von Täterschaft und Teilnahme enthalten. Indem solche Vorschriften festlegen, wer Täter und wer Teilnehmer ist, konstituieren sie auch das

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Täter- und Teilnehmerunrecht bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen und legen in beiden Ländern die entsprechenden strafrechtlichen Verhaltensnormen fest. Ebenfalls von Bedeutung sind bestimmte Verfassungsgrundsätze (etwa der Selbstbestimmungsgrundsatz und das Gesetzlichkeitsprinzip), die mit der Begründung des Täters- und Teilnehmerunrechts verknüpft sind. Innerhalb der durch die Strafrechtslehre und die deutsche und spanische Rechtsprechung vertretenen theoretischen Gesichtspunkte sind diejenigen von besonderer Bedeutung, die durch den deutschen Bundesgerichtshof (BGH) und das spanische Tribunal Supremo (TS) bezüglich des allgemeinen Beteiligungssystems und der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen entwickelt wurden.

III. Ziele der Untersuchung Das Ziel dieser Dissertation ist es, die bereits eingangs (§ 1 A.I.) aufgeworfenen Fragen zu beantworten. Deshalb ist Aufgabe dieser Arbeit unter anderem: a) Sowohl die theoretischen Voraussetzungen normativer Natur als auch die Erscheinungsformen des allgemeinen Beteiligungssystems und der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen festzustellen, welche durch das dStGB und das sStGB geregelt sind; b) Die Ähnlichkeiten, die Unterschiede und die Unvereinbarkeiten der gesetzlichen Beteiligungssysteme von Deutschland und Spanien aus einer Perspektive de lege lata zu analysieren, um die Auslegung der Strafvorschriften beider Strafrechtssysteme über Täterschaft und Teilnahme zu verbessern; c) Die Standpunkte der Strafrechtswissenschaft sowie der deutschen und spanischen Rechtsprechung bezüglich des allgemeinen Beteiligungssystems und insbesondere hinsichtlich der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen kritisch zu überprüfen, um ausgehend von diesem Vergleich die den genannten dogmatischen Gesichtspunkten zugrundeliegenden unterschiedlichen, ähnlichen oder identischen Grundlagen der jeweiligen theoretischen Beteiligungssysteme zu verstehen; d) Die Inkonsistenzen der Standpunkte der Strafrechtswissenschaft und der deutschen und spanischen Rechtsprechung hinsichtlich des allgemeinen Beteiligungssystems und somit der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen im Wirtschaftsunternehmen zu zeigen; e) Ein dogmatisches Zurechnungsmodell auf Grundlage der Pflichtdeliktslehre zu entwickeln, welches ausgehend von einer idealistischen und konstruktivistischen Erkenntnistheorie zu einer konsistenten Begründung (Abgrenzung) und kohärenten Rechtsanwendung der Täterschaft und Teilnahme bei dolosen Kollek-

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tiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen im Rahmen des geltenden deutschen und spanischen Strafrechts führen kann.

IV. Abgrenzung Der Untersuchungsgegenstand wird folgendermaßen begrenzt und theoretisch fundiert: Erstens beschränkt sich die vorliegende Untersuchung auf die Analyse der die im Allgemeinen Teil des deutschen und spanischen Strafgesetzbuches geregelten „Täterschaft und Teilnahme“ der Unternehmer, Unternehmensleiter und Außenstehenden. Dies bedeutet, dass sich die vorliegende Untersuchung nicht mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der juristischen Personen befasst – mit Ausnahme bestimmter Fallkonstellationen, in denen eine mögliche täterschaftliche und teilnehmerische Mitverantwortlichkeit von Einzelnen und Unternehmen im spanischen Strafrechtsystem untersucht wird. Zweitens beschäftigt sich die vorliegende Untersuchung nicht mit den normativen Grundlagen der Täterschaft und Teilnahme aller durch Kollektivgremien jeglicher Art getroffenen rechtswidrigen Kollektiventscheidungen, sondern – obwohl die hier festgestellten dogmatischen Zurechnungsregeln prinzipiell auf alle durch Kollegialorgane getroffenen Kollektiventscheidungen anwendbar sind – nur mit den Grundlagen der durch ein Kollektivorgan eines Wirtschaftsunternehmens gefassten Kollektivbeschlüssen. Drittens greift diese Arbeit sowohl zur Erklärung der Ansätze der Strafrechtswissenschaft und der deutschen und spanischen Rechtsprechung bezüglich des allgemeinen Beteiligungssystems und insbesondere der Täterschaft und Teilnahme an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen, als auch zum Aufbau des hier entwickelten alternativen Verständnisses auf die Analyse einiger philosophischer und erkenntnistheoretischer Strömungen zurück.

V. Angewendete Methode Die vorliegende Untersuchung wurde unter der Anwendung von drei miteinander vereinbaren Methoden entwickelt: Nämlich die deduktive Methode, die synthetische Methode und die rechtsvergleichende, systematisch-teleologische Methode. Im Wege der Anwendung der deduktiven Methode erfolgt die Bildung der Rechtsbegriffe und die Begründung der strafrechtlichen Zurechnungsregeln des hier untersuchten Themas ausgehend vom Allgemeinen zum Einzelnen. Dies bedeutet, dass die allgemeinen Rechtsbegriffe und Zurechnungslegeln dann inhaltlich erschlossen und mit konkreten Entsprechungen verbunden werden. Auf diese Weise sind sowohl die dem Täter- und Teilnehmerunrecht zugrundeliegende Begriffe und Kategorien als auch die sich aus der Verwirklichung eines Straftatbestandes ergebenden Rechtskonsequenzen miteinander verbunden; denn eine solche Verbindung

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bestätigt die Übereinstimmung des Allgemeinen (Begriffe und Zurechnungsregeln des allgemeinen Systems der Täterschaft und Teilnahme) mit dem Besonderen (Begriffe und Zurechnungsregeln der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen). Der Grund für die Anwendung der erkenntnistheoretischen, synthetischen Methode liegt dagegen darin, dass nach einer solchen Betrachtungsweise das Begreifen der Realität und daher die Begriffsbildung den bewertenden und ontologischen Kategorien unterworfen ist; d. h. die Begriffe sind eine Synthese von „Sollen“ und „Sein“. Mittels der Anwendung dieser Methode wird die strafrechtsvergleichende Studie des allgemeinen deutschen und spanischen Beteiligungssystems – und somit die Begründung des spezifischen Täter- und Teilnahmeunrechts bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen – nach der „Sollenskategorie“ analysiert bzw. entwickelt. Ihrerseits wird die „Seinskategorie“ zur Bestimmung des in beiden gesetzlichen Strafrechtssystemen vorhergesehenen konkreten Quantums der Strafe berücksichtigt. Die Anwendung der rechtsvergleichenden, systematisch-teleologischen Methode gründet sich darauf, dass sie eine richtige Auslegung sowohl der in den Strafgesetzbüchern Deutschlands und Spaniens festgelegten echten Strafvorschriften über Täterschaft und Teilnahme (bei vorsätzlichen Kollektivbeschlüssen in Wirtschaftsunternehmen) als auch der in dieser Untersuchung als wesentliche Auslegungselemente benutzten verfassungs- und außerstrafrechtlichen Rechtsnormen ermöglicht.

VI. Theoretische Grundlagen dieser Untersuchung Die in dieser Untersuchung als „Pflichtdeliktslehre“ bezeichneten Thesen, Begriffe und Kategorien wurden ausgehend von der erkenntnistheoretischen Strömung des objektiven Idealismus in Übereinstimmung mit dem Konstruktivismus entwickelt. Dies spiegelt sich insbesondere in der Entwicklung eines in dieser Untersuchung vorgeschlagenen alternativen Verständnisses der Grundlagen der Verbrechenslehre, des allgemeinen Beteiligungssystems und somit des spezifischen Untersystems der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen wider. Der Idealismus und Konstruktivismus als methodologische Ausgangspunkte des in dieser Untersuchung vorgeschlagenen alternativen Verständnisses der Täterschaft und Teilnahme gründet sich darauf, dass solche epistemologischen Strömungen im Vergleich zu anderen erkenntnistheoretischen Paradigmen nicht nur eine konsistente Begründung des Täter- und Teilnehmerunrechts ermöglichen, sondern auch besser mit den Grundwerten übereinstimmen, die dem demokratischen Verfassungsstaat zugrundeliegenden.

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B. Bestimmung der Grundbegriffe dieser Untersuchung Die Klärung der in dieser Untersuchung benutzten Grundbegriffe ist von besonderer Bedeutung für die richtige Abgrenzung des untersuchten Themas. Im Folgenden sollen als Begriffe erläutert werden: „Pflichtdeliktslehre“, „Allgemeinpflichtdelikt“, „Sonderpflichtdelikt“, „Wirtschaftsunternehmen“, „Gremium oder Kollegialorgan“, und „Kollektiventscheidung“.

I. Definition der Pflichtdeliktslehre und des „Sonderpflichtdelikts“ Der Begriff „Pflichtdeliktslehre“ wird in der vorliegenden Untersuchung als die strafrechtsdogmatische Sicht konzipiert, die ein neues Verständnis der Verbrechenslehre und daher eine neue Begründung des Täter- und Teilnehmerunrechts anbietet. Nach der hier vertretenen „Pflichtdeliktslehre“ gründet sich das Strafunrecht (sowohl des Täters als auch des Teilnehmers) aller Delikte nicht auf ontologische, sondern auf normative Kategorien. Das bedeutet, dass sich das Täter- und Teilnehmerunrecht nicht auf die Tatherrschaft, sondern auf die „Verletzung einer strafrechtlichen Pflicht“ stützt. Daraus ergibt sich, dass normativ keine Herrschafts-, sondern nur Pflichtdelikte vorliegen, weil der Gesetzgeber in allen Straftatbeständen den Verstoß gegen eine strafrechtliche Pflicht oder Verhaltensnorm kriminalisiert. Sodann sind alle Verbrechen aus Sicht der Pflichtdeliktslehre Pflichtdelikte, die sich ihrerseits in „Allgemeinpflichtdelikte“ und „Sonderpflichtdelikte“1 unterteilen. Das „Sonderpflichtdelikt“ wird in dieser Untersuchung als ein Strafunrecht definiert, das gegenüber dem „Allgemeinpflichtdelikt“ eine andere normative Grundlage darstellt. Denn so wie das Strafunrecht bei den „Allgemeinpflichtdelikten“ – bei der h. L. die sog. Herrschafts- oder Organisationsdelikte – auf der Verletzung der negativen Allgemeinpflichten des „Nicht-Schädigens“ fremder Freiheitssphäre beruht, so stützt sich das Strafunecht bei den „Sonderpflichtdelikten“ – bei der h. L. die Pflichtdelikte oder Delikte wegen institutioneller Zuständigkeit – auf den Verstoß gegen eine positive Sonderpflicht. Daraus ergibt sich, dass bei den „Allgemeinpflichtdelikten“ Täter ist, wer die Allgemeinpflicht „neminem laedere“ verletzt; in Betracht kommen also alle Bürger. Im Gegensatz dazu ist Täter bei den „Sonderpflichtdelikten“, wer gegen eine gerade ihn treffende positive Sonderpflicht verstößt; in Betracht kommen also nur die Sonderpflichtträger. Diese unterschiedliche Begründung liegt darin, dass gegen die negativen Allgemeinpflichten alle Bürger verstoßen können, denn diese Pflichten obliegen allen Subjekten. Hingegen können die positiven Sonderpflichten nur von den Intranei übertreten werden, weil diese Pflichten nur die Sonderpflichtträger betreffen.

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In diesem Sinne Putzke, Roxin-FS II, S. 434; Rotsch, Joecks-FS, S. 153, 158.

§ 1 Methodologische Voraussetzungen u. Grundbegriffe der Untersuchung

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II. Definition des Begriffs „Wirtschaftsunternehmen“ Im Rahmen dieser Untersuchung wird der Begriff „Wirtschaftsunternehmen“ als eine private, selbständige und institutionelle Vereinigung definiert, deren Organisation und Entscheidungsfindungen auf die Erreichung ihrer eigenen wirtschaftlichen Gewinnzwecke ausgerichtet sind. Diese Voraussetzungen erfüllen nur diejenigen juristischen Personen, welche gemäß ihren gewinnorientierten eigenen Zwecken oder den Unternehmenszielen eines oder mehrerer Betriebe handeln – etwa eine Aktiengesellschaft oder eine GmbH. Die anderen Unternehmensformen – etwa gemeinnützige Unternehmen oder staatliche Unternehmen, die nicht in privatrechtlicher Rechtsform organisiert sind – sind dagegen aus der Kategorie „Wirtschaftsunternehmen“ ausgeschlossen, da sie infolge ihrer unterschiedlichen Zwecke und Unterwerfung unter anderen Rechtsvorschriften die genannten normativen Erfordernisse der „Wirtschaftsunternehmen“ nicht erfüllen.

III. Definition des Begriffs „Gremium oder Kollegialorgan“ Ein „Gremium oder Kollegialorgan“ ist eine zur Erfüllung bestimmter Sonderpflichten gebildete beschlussfassende Körperschaft oder Expertengruppe, die ihre Entscheidungen nach den gesetzlichen Pflichten treffen müssen. In Bezug darauf sind Gremiumsorgane diejenigen Körperschaften, bei denen der Beschluss von gleichgeordneten Sonderpflichtträgern und nach dem Mehrheitsprinzip gefasst wird. Beispiele dafür sind die Gemeinderäte, die Kollegialgerichte und jede staatliche oder private Körperschaft, deren Mitglieder aufgrund ihrer besonderen Zuständigkeit verpflichtet sind, politische und rechtliche Kollegialbeschlüsse zu fassen. Bei den Wirtschaftsunternehmen werden als Gremiumsorgane die für die Entscheidungsfindung über die Unternehmensführung zuständigen institutionellen Körperschaften betrachtet. Dazu gehören etwa der Vorstand, der Aufsichtsrat, usw.

IV. Definition des Begriffs „Kollektiventscheidung“ In Übereinstimmung mit dem oben (§ 1 B.III.) bereits definierten Gremiumsbegriff wird in dieser Untersuchung das Konzept „Kollektiventscheidung“ vom Begriff Gremien- oder Kollegialentscheidung unterschieden. Kollektiv- und Gremienentscheidung sind Ober- bzw. Unterbegriff, die sich in einem Verhältnis von Allgemeinem zu Spezifischem befinden. In dieser Untersuchung wird als „Kollektiventscheidung“ der Beschluss verstanden, der im materiellen Sinne nicht nur von den Mitgliedern des Unternehmensleitungsorgans, sondern auch von den außenstehenden Untergeordneten getroffen wird. Demgegenüber wird als „Kollegial- oder Gremienbeschluss“ diejenige Entscheidung definiert, welche aus einer normativen Sicht – trotz der materiellen Beteiligung der Außenstehenden – nur von den Füh-

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rungskräften des Unternehmens gefasst werden darf, weil sie die ausschließlichen und ausschließenden Träger der gesetzlichen Sonderzuständigkeit für die Entscheidungsfindung sind.

C. Verlauf der Untersuchung Die vorliegende Untersuchung ist in vier Grundabschnitte gegliedert: In den zwei ersten Abschnitten werden die Ansätze analysiert, die durch die Lehre und die deutsche und spanische Rechtsprechung zu diesem Thema entwickelt worden sind. In den zwei nächsten Abschnitten werden zwei zentrale Punkte entwickelt: Einerseits ein alternatives theoretisches Begründungsmodell des allgemeinen Beteiligungssystems und der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen; andererseits die Täterschafts- und Teilnahmeformen bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen, die in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Strafvorschriften der Strafrechtssysteme Deutschlands und Spaniens und den in dieser Untersuchung entwickelten theoretischen Ausgangspunkten sind. Unter dem Titel „Grundlagen der Beteiligungssysteme Deutschlands und Spaniens als Grundvoraussetzung der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen“ ist der erste Abschnitt in drei sich auf die theoretischen und gesetzlichen Grundlagen der deutschen und spanischen Täterschafts- und Teilnahmesysteme beziehenden wesentlichen Schwerpunkte unterteilt. Der erste Schwerpunkt beginnt mit der Analyse der dem Täterschafts- und Teilnahmesystem Deutschlands und Spaniens zugrundeliegenden erkenntnis- und rechtstheoretischen Kategorien (§ 2). Im darauffolgenden zweiten Schwerpunkt (§ 3) geht es um zweierlei: einerseits die gesetzlichen Grundlagen des Täterunrechts und die in den Strafgesetzbüchern Deutschlands und Spaniens vorgesehenen Täterschaftsformen; andererseits die dogmatischen Ansichten der deutschen und spanischen Strafrechtswissenschaft über Täterunrecht und Täterschaftsformen. Daran anschließend beschäftigt sich der dritte Schwerpunkt (§ 4) sowohl mit der Erläuterung der gesetzlichen Grundlagen des Teilnahmeunrechts und der im deutschen und spanischen Gesetzbuch geregelten Teilnahmeformen als auch mit der kritischen Analyse der durch die Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens über dieses Thema entwickelten dogmatischen Gesichtspunkte. Der in drei Schwerpunkte gegliederte zweite Abschnitt befasst sich mit der kritischen Analyse der durch die Strafrechtswissenschaft und die deutsche und spanische Rechtsprechung ausgehend von dem deutschen bzw. spanischen Strafgesetzbuch entwickelten Gesichtspunkte über Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen. Dieser Abschnitt beginnt mit der Erläuterung konkreter Fälle über Täterschaft und Teilnahme in Wirtschaftsunternehmen, die durch den deutschen BGH und spanischen TS behandelt wurden (§ 5). Danach werden die durch die deutsche und spanische Strafrechtswissenschaft im Bereich der

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Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen entwickelten dogmatischen Standpunkte analysiert. Dabei werden zwei verschiedene theoretische Zurechnungsmodelle dargestellt – nämlich die Ansichten zu Täterschaft und Teilnahme in vertikalen unternehmerischen Organisationsstrukturen (§ 6) sowie die Ansichten zu Täterschaft und Teilnahme bei Wirtschaftsunternehmen mit horizontaler Struktur (§ 7). Im dritten Abschnitt wird die theoretische Skizzierung des Verständnisses des Rechts und des Strafunrechts dieser Arbeit entwickelt, welche zur Entwicklung einer neuen dogmatischen Begründung und eines Verständnisses der in den Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens geregelten Täterschaft und Teilnahme führt. So behandelt der erste Schwerpunkt (§ 8) die philosophische Unterscheidung zwischen „Allgemein-“ und „Sonderpflichtdelikten“, die nach der hier vertretenen Auffassung ein geeigneter Ausgangpunkt für die theoretische Begründung des allgemeinen Beteiligungssystems und daher der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen in Deutschland und Spanien ist. Danach werden im zweiten Schwerpunkt (§ 9) die verfassungs- und strafrechtlichen Kategorien entwickelt, die aus meiner Sicht das allgemeine Beteiligungssystem in Deutschland und Spanien begründen. Im dritten Schwerpunkt (§ 10) werden seinerseits die spezifischen normativen Elemente erläutert, die zur Begründung, Auslegung und Bestimmung der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen wesentlich sind. Daran anschließend befasst sich der vierte Abschnitt mit der Erläuterung der Erscheinungsformen der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen, die sich aus den in den vorhergehenden Schwerpunkten (§§ 8, 9, 10) erläuterten theoretischen und normativen Grundlagen ergeben. In diesem Abschnitt werden im ersten Schwerpunkt (§ 11) die im Bereich der „negativen Allgemeinpflichtdelikte“ vorkommenden Erscheinungsformen der Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen erklärt. In ähnlicher Weise werden im zweiten Schwerpunkt (§ 12) die im Rahmen der „positiven Sonderpflichtdelikte“ verwirklichten Erscheinungsformen der Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen erläutert. Die Arbeit endet mit einer Zusammenfassung der in der Untersuchung entwickelten bzw. erlangten Kategorien und Erkenntnisse und den sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen.

1. Abschnitt

Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme von Deutschland und Spanien als Grundvoraussetzung der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen § 2 Theoretische Grundlagen der Beteiligungssysteme im deutschen und spanischen Strafrecht als Ausgangspunkt der Untersuchung In diesem Abschnitt werden die erkenntnis- und rechtstheoretischen Grundlagen erläutert, die den vom Gesetzgeber bzw. der Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens entwickelten verschiedenen gesetzlichen und strafrechtstheoretischen Beteiligungsmodellen zugrunde liegen. Denn nach der in dieser Untersuchung vertretenen Auffassung ist jede theoretische Gedankenströmung und jedes gesetzliche (Straf-)Rechtssystem Ausdruck einer bestimmten erkenntnistheoretischen und kulturellen1 Weltanschauung, d. h. Ausdruck einer bestimmten epistemologischen Vorgehens- und kulturellen Bewertungsweise, die Umwelt und die Realität zu erfassen und zu verstehen2. Grund dafür ist, dass die Frage, welche Methode zur Konstruktion des Rechtsgedankens angewendet werden soll, zur Epistemologie oder Erkenntnistheorie gehört3. Aus diesem Grund werden in diesem Abschnitt sowohl die den gesetzlichen und dogmatischen Beteiligungssystemen Deutschlands und Spaniens zugrundeliegenden erkenntnistheoretischen Grundlagen als auch die auf diesen epistemologischen Ansätzen fußenden wichtigsten Zurechnungsmodelle der Täterschaft und Teilnahme erläutert. Es handelt sich um einerseits die Erklärung des Empirismus, Idealismus, 1

Dazu vgl. Perron, Rechtfertigung und Entschuldigung, S. 17. Dies bedeutet aber nicht, dass eine bestimmte erkenntnistheoretische oder philosophische Strömung zum Gesetz wird, oder genauer gesagt, dass erkenntnistheoretische oder philosophische Kategorien automatisch zu Rechtskategorien werden. Hingegen wird hier nur versucht, das deutsche und spanische (Straf-)Rechtssystem mit Hilfe von erkenntnistheoretischen und rechtsphilosophischen Kategorien richtig auszulegen, weil sie es ermöglichen, die soziale Realität und damit die Rechtskategorien zu verstehen. 3 So Mittasch, Die Auswirkungen, S. 5, 8, 22 ff., 84 ff.; Schwinge, Teleologische Begriffsbildung, S. 8 ff., 19 ff.; Wolf, Strafrechtliche Schuldlehre I, S. 2, 73 ff.; Würtenberger, Das System der Rechtsgüterordnung, S. 1 ff. 2

§ 2 Theoretische Grundlagen der Beteiligungssysteme

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ontologischen Realismus, Neuidealismus und Konstruktivismus und andererseits um die Erläuterung der sich daraus ergebenden entsprechenden Beteiligungssysteme: das naturalistisch-kausale4, das normativ-kausale5, das finalistische6, das rationalteleologische (kriminalpolitisch-funktionalistische)7 sowie das konstruktivistischfunktionalistische8 Beteiligungssystem.

A. Der Empirismus als Stützpfeiler der kausal-naturalistischen Strafrechtswissenschaft und Verbrechenslehre I. Methodologischer Ausgangspunkt Die Entstehung der systematischen Entwicklung der Verbrechenslehre – und daher die ersten Formulierungen des Täter- und Teilnehmerunrechts – zeichnen sich durch die Unselbständigkeit der Strafrechtswissenschaft gegenüber den Naturwissenschaften aus, da sie, wie alle Sozial- und Geisteswissenschaften, der methodologischen Betrachtungsweise der Naturwissenschaften unterworfen wurden. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde in Großbritannien und Frankreich der „erkenntnistheoretische Empirismus“9 entwickelt, welcher im Gegensatz zum Idealismus und dem Rationalismus die epistemologischen Grundlinien der damaligen Natur- und Geisteswissenschaften ausgehend von der Erfahrung und dem Experiment skizzierte10. Demnach sei erstens das „wissenschaftliche Wissen“ nur ein „Abbild der empirischen Außenwelt“11, da die objektive Begriffsbildung sich auf die Sinneserfahrung oder Sinneswahrnehmung12 stütze, die sich ihrerseits auf Beobachtung und 4

Siehe unten (§ 2 A.). Hierfür siehe unten (§ 2 B.). 6 Vgl. unten (§ 2 C.). 7 Siehe unten (§ 2 D.). 8 Vgl. unten (§ 2 E.). 9 Hauptvertreter der empiristischen Erkenntnistheorie sind vor allem Bacon, Berkeley, Hobbes, Hume, Locke; vgl. dazu Grimm, Zur Geschichte des Erkenntnisproblems, S. 3 ff.; Krüger, Der Begriff des Empirismus, S. 6 ff.; Panknin, Kraft der Erkenntnislehre Lockes und Humes, S. 1 ff.; Pfeil, Der Psychologismus im Empirismus, S. 17 ff.; Seidel, Von Bacon bis Rousseau, S. 61 ff.; Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 2. 10 Über die Gegenüberstellung zwischen dem Empirismus und Rationalismus bezüglich des Erkenntnisbegriffs und der anwendbaren Methode für die Erkenntnisgewinnung siehe Pfeil, Der Psychologismus im Empirismus, S. 29; Seidel, Von Bacon bis Rousseau, S. 178. 11 Dies liege darin begründet, dass der Mensch (Beobachter) auf die Welt als ein unbeschriebenes Blatt komme, sodass er das Wissen mit seinen aus der Außenwelt (Objekt) stammenden Erfahrungen und Eindrücken zusammenbaue. Siehe hierfür Locke und Hume, in: Seidel, Von Bacon bis Rousseau, S. 175, 184 f.; Simon, Einführung in Systemtheorie, S. 10 f. 12 So Bacon, Locke, in: Seidel, Von Bacon bis Rousseau, S. 70, 166, 175; Hume, Untersuchung über die Prinzipien, S. 9; Hope, Handeln und Erkennen, S. 3 ff. 5

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

Experimente zurückführen lasse13. Zweitens sei der Untersuchungsgegenstand der Naturwissenschaften die Veränderungen in der Außenwelt14, d. h. die in der „Natur“ vorliegende belebte und unbelebte „Materie“, welche in der natürlichen Welt durch unsere Sinne messbar, erklärbar, und vorhersagbar werden könne15. Drittens sei deswegen die Aufgabe der Naturwissenschaften, auf zwei Fragestellungen zu antworten: Wie funktioniert die Natur? Und: Warum funktioniert die Natur auf eine bestimmte Weise? Folglich beschäftigten Naturwissenschaften sich nicht mit der Frage: Wozu funktioniert die Natur auf eine bestimmte Weise? Denn ihre Aufgabe sei nicht die teleologische Sinngewinnung16 der in der natürlichen Wirklichkeit vorkommenden Zusammenhänge, sondern die Erklärung des natürlichen Vorgangs selbst. Viertens könne der naturwissenschaftliche Erkenntnisgewinn durch die Anwendung der induktiven Methode erreicht werden, wonach man von einer endlichen Beobachtungsmenge in einem Generalisierungsschritt auf allgemeine Gesetze schließen könne (Ursache-Wirkungs-Schema)17. So bedeutete die erfolgreiche Entwicklung der Naturwissenschaften in 17. und 18. Jahrhunderten eine geradezu kopernikanische Wende für die Weiterentwicklung der Sozial- und Geisteswissenschaften, denn die gerade beschriebene naturwissenschaftliche Methodologie wurde auch auf die Geistes- und Sozialwissenschaften übertragen. Eine solche methodologische Übertragung spiegelte sich insbesondere in dem an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert entwickelten „naturalistischen Positivismus“18 wider, der die Sozial- und Geisteswissenschaften dem Exaktheitsideal der Naturwissenschaften unterjochte19: Z. B. beschränkte der „naturalistische Positivismus“ die Erlangung sozial- und geisteswissenschaftlicher Erkenntnis und die Begriffsbildung auf die Interpretation von „positiven“ Befunden, Mathematik oder Logik20, die im Experiment unter vorab definierten kausalen Bedingungen einen erwarteten Nachweis erbrachten21. Dies bedeutete, den Sinn sozialer Phänomene gemäß dem empirisch Sicht- und Messbaren zu bestimmen22. In gleichem Sinne führte die Unterwerfung der (Straf-)Rechtswissenschaft unter das naturwissenschaftliche Denken zu der Annahme, dass das strafrechtswissenschaftliche Wissen 13 Siehe Pfeil, Der Psychologismus im Empirismus, S. 29; Seidel, Von Bacon bis Rousseau, S. 184 f.; Stephanitz, Exakte Wissenschaft und Recht, S. 4. 14 Radbruch, Die Lehre von Verursachung, S. 326 (2). 15 Vgl. Hume, Untersuchung über die Prinzipien, S. 5. 16 Stephanitz, Exakte Wissenschaft und Recht, S. 4. 17 So Genzmer, Der Begriff des Wirkens, S. 9; Kanitscheider, Wissenschaftstheorie der Naturwissenschaft, S. 7; Stephanitz, Exakte Wissenschaft und Recht, S. 4 f. 18 Zum naturalistischen Positivismus gehören Comte, Stuart Mill, Spenzer. Siehe hierfür Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 2. 19 Vgl. Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 3. 20 Vgl. Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie, 2. Aufl., S. 58. 21 Siehe Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 4. 22 Schneider, Hendrik: Kann die Einübung in Normanerkennung leiten?, S. 22; Jescheck/ Weigend, AT, S. 203 ff.

§ 2 Theoretische Grundlagen der Beteiligungssysteme

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eine reine Abbildung der sich in der Gesellschaft verwirklichenden ontologischen Ereignisse sei23, welche gemäß der Überprüfung naturwissenschaftlicher Kausalabläufe und verschieden gearteter Kausalverknüpfungen gewonnen werden könne24. In der (Straf-)Rechtswissenschaft wurde diese naturwissenschaftliche Vorgehensweise durch das am Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte „klassische oder kausale Verbrechenssystem“ rezipiert, welches die Kategorien des Strafrechts gemäß formallogischen Abstraktionen und empirischen kausalen Betrachtungen bildete25.

II. Konsequenzen der naturalistisch-kausalen Methode für den Verbrechensaufbau und für die Begründung des Beteiligungssystems 1. Konsequenzen für den Verbrechensaufbau Aus der beschriebenen Rezeption der naturwissenschaftlichen Vorgehensweise in der Strafrechtswissenschaft ergaben sich zwei bedeutsamen Konsequenzen: zum einen für die Aufgabe des gesetzlichen Strafrechtssystems und zum anderen für den theoretischen Verbrechensaufbau. Im Anschluss an den Rechtsgedanken Jherings26 und im Gegensatz zur Normentheorie Bindings27 postulierte der naturalistische Positivismus, dass das Ziel oder die Aufgabe des gesetzlichen Strafrechts der Rechtsgüterschutz sei28 und daher die Verhängung einer Strafe auf den Schutz der Rechtsgüter ziele29. Bezüglich der Verbrechensstrukturierung stellte das „kausale Verbrechenssystem“ zwei Thesen auf: Einerseits verstand es das Verbrechen als das Ursache-Wirkungs-Schema30, in dem Ursache und Wirkung dem menschlichen Verhalten bzw. dem Erfolg entsprechen. Anderseits unterteilte der „Kausalismus“ die Struktur des Verbrechens in objektive und subjektive Bestandteile, welche eine in objektive und subjektive Elemente zweigeteilte Konstruktion des Verbrechenssys23

Bergbohm, Jurisprudenz und Rechtsphilosophie, S. 84; Merkel, Verhältnis der Rechtsphilosophie zur „positiven“, S. 319. 24 Siehe hierfür Bergbohm, Jurisprudenz und Rechtsphilosophie, S. 84; Jhering, Der Zweck im Recht II, S. 128; Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 1 – 40; Roxin, TuT, 4. Aufl., § 2, S. 4. 25 Unter dieser methodologischen Konstruktion finden sich die Ansätze von Beling, Die Lehre von Verbrechen, 1906; ders., Die Lehre vom Tatbestand, 1930; ders., Grundzüge des Strafrechts, 1930; Horn, Der Kausalbegriff in Philosophie, 1893; Huther, Der Kausalzusammenhang, 1893; Mayer, Der Kausalzusammenhang, 1899; Liszt, Lehrbuch, 1900; ders., Strafrechtliche Aufsätze, Band 2, 1970; Rohland, Kausallehre des Strafrechts, 1903. 26 Zum Jherings Auffassung zum Zweck (zur Aufgabe) des Strafrechts vgl. Jhering, Der Zweck im Recht, Band II, 3. Aufl., S. 229 ff. 27 Binding, Normen, Band I, S. 286. 28 Liszt, ZStW 3 (1883), 6 f. 29 Liszt, ZStW 3 (1883), 31 f. 30 Liszt, Lehrbuch, S. 102 ff.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

tems begründete. Nach diesem Strafrechtsverständnis entsprachen Strafunrecht und Schuld den Außen- bzw. Innenbestandteilen des Verbrechens: Das Unrecht umfasste alle objektiven Voraussetzungen der Straftat31, hingegen enthielt die Schuld alle subjektiven Verbrechenselemente32. Das Unrecht enthielt die Handlung, den Tatbestand und die Rechtswidrigkeit. Die menschliche Handlung wurde als „willkürliche Verursachung oder Nichtverhinderung einer Veränderung in der Außenwelt“33 definiert, da aus Sicht der Kausalisten die Körperbewegung oder Nichtbewegung, welche den Erfolg verursache, durch den freien Willen beherrscht werde34. In ähnlichem Sinne wurde der Tatbestand als objektive und wertfreie Kategorie35 konzipiert, d. h. als bloße Beschreibung objektiver Tatsachen. Folglich wurde die Erfüllung des Tatbestands (die Verwirklichung einer tatbestandsmäßigen Handlung) gemäß kausalen Kriterien festgestellt, nämlich durch die Festlegung eines Ursachenzusammenhangs zwischen Handlung und Änderung der Außenwelt (Erfolgseintritt)36. Die Rechtswidrigkeit wurde im Gegensatz zum Tatbestand als eine wertende Ebene des Strafunrechts begriffen, denn dort fand die Bewertung des Tatbestands statt37. Der Schuldkategorie waren, wie bereits erwähnt, alle subjektiven Elemente des Verbrechens zuzuordnen. Dies führte zum einen psychologischen Schuldbegriff38: Einerseits wurde die Schuld als das vorsätzliche oder fahrlässige Kausalverhältnis zwischen dem Täter und dem Erfolg konzipiert, denn Vorsatz und Fahrlässigkeit wurden als Kernbestandteile der Schuld verstanden39. Andererseits waren der Vorsatz- und Fahrlässigkeitsinhalt nur mit dem Vorliegen bzw. Fehlen volitiver Wil-

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Beling, Grundzüge des Strafrechts, § 16, S. 24 ff.; Liszt, Lehrbuch, S. 96 – 134. Beling, Grundzüge des Strafrechts, § 16, S. 24; Liszt, Lehrbuch, S. 135 – 169. 33 Abrahamsohn, Strafrechtliche Studie, S. 5 f.; Beling, Lehre von Verbrechen, S. 17, 45; Liszt, Lehrbuch, S. 102, 105, 111; Rohland, Kausallehre des Strafrechts, S. 45. 34 Beling, Lehre von Verbrechen, S. 14 f., 17; ders., Grundzüge des Strafrechts, S. 12; Hartmann, Das Kausalproblem im Strafrecht, S. 5; Liszt, Lehrbuch, S. 105. 35 Beling, Lehre von Verbrechen, S. 112, 145, 147; ders., Die Lehre vom Tatbestand, Tübingen, S. 9 f.; ders., Grundzüge des Strafrechts, § 20, S. 34 ff. 36 Hierfür siehe Beling, Grundzüge des Strafrechts, S. 34 ff.; Buri, Beiträge zur Theorie des Strafrechts, S. 69 ff.; Liszt, Lehrbuch, S. 130. 37 Vgl. dazu Beling, Die Lehre vom Tatbestand, S. 9 ff.; ders., Grundzüge des Strafrechts, S. 13 ff.; Liszt, Lehrbuch, S. 118 ff. 38 Vgl. dazu Beling, Grundzüge des Strafrechts, S. 13 ff.; ders., Die Lehre vom Tatbestand, S. 9 ff.; Buri, Ueber Causalität und deren Verantwortung, S. 13 ff.; Liszt, Lehrbuch, § 37, III, S. 118 ff. 39 So Beling, Grundzüge des Strafrechts, § 14 (S. 20 f.), § 23 (S. 40 ff.), § 24 (S. 43 ff.); Buri, Ueber Causalität und deren Verantwortung, S. 13 ff.; Liszt, Lehrbuch, S. 135 ff. (insbesondere S. 37). Über die wechselnden Formulierungen seines Schuldbegriffs in den verschiedenen Auflagen seines Lehrbuches vgl. Radbruch, ZStW 24 (1904), 333 ff. 32

§ 2 Theoretische Grundlagen der Beteiligungssysteme

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lenselemente verknüpft40. Darüber hinaus wurde die Zurechnungsfähigkeit meist als „Schuldvoraussetzung“ oder „Strafvoraussetzung“ berücksichtigt41. In der spanischen Strafrechtswissenschaft rezipierten Ballvé42, Saldaña und insbesondere Jiménez de Asúa die kausale Verbrechenslehre43. Ersterer führte die kausale Tatbestandslehre in den spanischen Strafrechtsdiskurs ein44; Saldaña verbreitete seinerseits die Lisztsche Straf- und Verbrechenslehre sowohl mittels der Entwicklung seiner eigenen Strafrechtsdogmatik45 als auch durch die Übersetzung des Lisztschen Lehrbuches46. Seinerseits entwickelte Jiménez de Asúa in seiner „Verbrechenslehre“ (Teoría jurídica del delito) von 1931 die Grundbegriffe der LisztBelingschen kausalen Strafrechtsdogmatik47. So trennte Jiménez de Asúa – im Anschluss an den deutschen „naturalistischen Kausalismus“ – die Deliktsstruktur in Unrecht und Schuld, die den Außen- bzw. Innenbestandteil des Verbrechens darstellen. Auch im naturalistisch-kausalen Sinne definierte Jiménez de Asúa die menschliche Handlung und den Tatbestand als die durch Begehung oder Unterlassung die Außenwelt verändernde Willensäußerung48 bzw. die objektive Beschreibung der vom Mensch verwirklichten Tatsachen49. Die Rechtswidrigkeit wurde ihrerseits als bewertender Verstoß gegen das Recht konzipiert50. Schließlich verstand Jiménez de Asúa den Vorsatz und die Fahrlässigkeit als Grundelemente der Schuld51. 2. Konsequenzen für das Beteiligungssystem Bezüglich der Beteiligungslehre implizierte diese Übertragung der erkenntnistheoretischen Methode der Naturwissenschaften für die deutsche und spanische Strafrechtswissenschaft, die strafrechtliche Verantwortlichkeit der an einer Straftat beteiligten Subjekte mit ihren jeweiligen kausalen Beiträgen zum Erfolgseintritt zu begründen, denn der Kausalzusammenhang und der Täter (oder Teilnehmer) wurden

40 Dazu vgl. Beling, Grundzüge des Strafrechts, § 25, S. 48 (zur Definition des Vorsatzes), § 26, S. 52 (zur Definition der Fahrlässigkeit). 41 Vgl. Roxin, AT I, § 19, S. 855, Rn. 10. 42 Ballvé, Función de la tipicidad, S. 7 f. 43 Vgl. dazu Jiménez de Azúa, Liszt-FS, S. 143. 44 So Ballvé, Función de la tipicidad, 1951; ders., La teoría jurídica del delito, 1913. 45 Zwischen den Schriften von Saldaña, in denen er die naturalistisch-kausale Straf- und Verbrechenslehre unterstützt, findet sich: Moderne Strafrechtsauffassungen in Spanien, 1923. 46 1914 wurde in Madrid eine mit Zusätzen versehene Saldañas-Übersetzung des Litsztschen Lehrbuches veröffentlicht. 47 Vgl. Cerezo Mir, Die deutsche Strafrechtswissenschaft, S. 255. 48 Jiménez de Asúa, La teoría jurídica del delito, S. 31. 49 Jiménez de Asúa, La teoría jurídica del delito, S. 35 f., 38 f. 50 Jiménez de Asúa, La teoría jurídica del delito, S. 66. 51 Jiménez de Asúa, La teoría jurídica del delito, S. 87.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

als Baustein des Täter- und Teilnehmerunrechts52 bzw. als kausalwissenschaftliches (d. h. biologisch-psychologisch) Individuum53 konzipiert. Anschaulicher Ausdruck dieses Gedankens sind die Stellungnahmen der Hauptanhänger des deutschen und spanischen naturalistisch-kausalen Verbrechenssystems. So sei die Kausalitätslehre nach v. Buris54 Auffassung für die Begründung der Täterschaft und Teilnahme von entschiedenster Bedeutung. In die gleiche Richtung ging der Standpunkt Birkmeyers55, nach dem die Beteiligungslehre wissenschaftlich auf der Lehre der Kausalität fuße, weil sie auf den Grundlagen des Kausalzusammenhangsgedankens aufgebaut und weiterentwickelt wurde. Auch v. Bar56 stellte fest, dass die Lehre der Täterschaft und Teilnahme als besondere Anwendung der Grundanschauung der naturwissenschaftlichen Kausalität betrachtet werden könne. In der spanischen Strafrechtswissenschaft ist die Ansicht von Jiménez de Asúa57 von besonderer Bedeutung: Ihm zufolge sei die Kausalität als philosophische Kategorie absolut unerlässlich für die Bestimmung des Kausalzusammenhangs zwischen den menschlichen Handlungen der an einer Straftat beteiligten Subjekte und dem Erfolg. Aus diesem methodologischen Grundverständnis heraus wurden verschiedene Auffassungen über die Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme formuliert, die in zwei Theorien eingeteilt werden können: Die „objektive Zurechnungseinheitslehre“ und die „subjektive Zurechnungstrennungslehre“. Im Folgenden sollen diese Auffassungen erläutert werden. a) Objektiv-kausale Einheitstätertheorie58 Die objektiv-kausale Einheitstätertheorie zeichnet sich durch die Strafwürdigkeit aller an einem Strafunrecht beteiligten Personen als Täter aus und gründet sich auf 52 Dafür sprachen etwa v. Bar, Die Lehre vom Kausalzusammenhänge, 1871, S. 4 ff.; Buri, vor allem in: Ueber Causalität und deren Verantwortung, S. 1 ff., 13 ff., 101 ff.; Genzmer, Der Begriff des Wirkens, S. 12, 20 ff.; Hartmann, Das Kausalproblem im Strafrecht, S. 5; Liszt, Lehrbuch, S. 195 ff.; Rohland, Die Kausallehre des Strafrechts, S. 1 ff., 44 ff.; Samson, Rudolphi-FS, 2004, 26; Spendet, 1948, 14 – 26. 53 Wolf, Vom Wesen des Täters, S. 9. 54 Buri, Ueber die Causalität und deren Verantwortung, S. 102. 55 Vgl. Birkmeyer, Die Lehre von der Teilnahme, S. 5 f. 56 Dazu vgl. v. Bar, Die Lehre vom Kausalzusammenhänge, S. 7; ders., Zur Lehre vom Versuch und Theilnahme, S. 1 ff.; Buri, Ueber die Kausalität und deren Verantwortung, S. 65; Liszt, Lehrbuch, S. 106. 57 Vgl. Jiménez de Asúa, Principios de Derecho penal, S. 224. 58 Bezüglich der Bezeichnung dieser Theorie ist es notwendig klarzustellen, dass die herrschende Strafrechtslehre andere Bezeichnungen benutzt, wenn sie sich auf die objektivkausale Einheitstätertheorie bezieht. Dazu gehören Bezeichnungen wie etwa „formal-objektive Theorie“ oder „materiell-extensive Theorie“. Solchen Bezeichnungen werden in dieser Arbeit nicht übernommen, da solche Theorien nicht nur innerhalb des unitarischen, sondern auch im Rahmen des dualistischen Beteiligungssystems entwickelt wurden. Hingegen gründet sich die

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die strafrechtliche Gleichwertigkeit aller bei dem Erfolgseintritt mitwirkenden logischen Bedingungen59. Die Theorie der „Gleichwertigkeit aller Bedingungen“ berücksichtigte nicht, welche Bedeutung die Mitwirkung des Beteiligten im Rahmen des Gesamtgeschehens zukam60. Für sie war unerlässliches Element zur Begründung der Täterschaft das bloße Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen Handlung und Erfolg. Ein solcher Kausalzusammenhang wurde angenommen, „wenn die Handlung des Beteiligten nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Eintritt des eingetretenen Erfolges entfallen müsste“ (conditio sine qua non)61. In diesem Sinne sagte v. Liszt wörtlich: „Aus dem Begriff der Ursache folgt, dass jeder, der an dessen Herbeiführung sich beteiligt, den Erfolg verursacht hat; dass alle Bedingungen des Erfolges gleichwertig sind, zwischen den einzelnen bei der Herbeiführung des Erfolges mitwirkenden Beteiligten ein begrifflicher Unterschied nicht besteht; dass mithin nur ihre verschiedene Bestrafung innerhalb desselben Strafrahmens gerechtfertigt ist“62. Diesen Standpunkt vertraten u. a. v. Bar, Beling, Birkmeyer, Buri, Heimberger, Liszt und Stübel. Ihnen zufolge war Täter jeder, dessen Verhalten nach einer kausalen Beurteilung zur tatbestandmäßigen Erfolgsverursachung beitrug oder derjenige, dessen Handlung die Ursache des Erfolges gewesen war63. Anders ausgedrückt wurden alle an einem Verbrechen beteiligten Personen als Täter betrachtet, deren Beitrag zu dieser Straftatherbeiführung nicht fehlen dürfte, ohne dass damit der Erfolg selbst entfiele64. Dieser kausale Täterbegriff entspricht der die Täterschaft durch Anwendung der „Conditio sine qua non-Formel“ bestimmenden berühmten „Äquivalenztheorie“, nach der – mit Renzikowskis Worten65 – Täter nicht nur ist, „wer die Tatbestandmerkmale selbst verwirklicht, sondern auch, wer einen anderen zur Tat geneigt macht oder wer ihn dabei unterstützt“. Die spanische Minderheitslehre ist auch der Meinung, dass das spanische StGB von 1848 das unitarische hier festgestellte Bezeichnung darauf, dass die objektiv-kausale Einheitstätertheorie nur die Gesichtspunkte umfasst, welche nach ihrer natürlich-kausalen Betrachtungsweise einen unitarischen Täterbegriff vertreten. Die anderen formal-objektiven und materiell-extensiven Auffassungen, die sich auf normative Elemente stützen, werden später erläutert. 59 Nach Rohland (Kausallehre des Strafrechts, S. 46) „Die Theorie von der Gleichwertigkeit aller Bedingungen geht aus von dem logischen Ursachenbegriff. Für die Logik als Lehre vom abstrakten Denken, welches von der wirklichen Beschaffenheit der Dinge und ihrer Verschiedenheit ganz absieht sind alle Bedingungen gleich und gleichwertig, weil jede von ihnen für den Eintritt des Erfolgs notwendig ist, deshalb kann auch jede von ihnen als Ursache aufgefasst werden.“ Über diesen Tätergedanken siehe auch Beling, Die Lehre vom Verbrechen, S. 408 ff.; ders., Grundzüge des Strafrechts, 10. Aufl., S. 29 ff.; Liszt, Lehrbuch, S. 195 f. 60 Jescheck/Weigend, Lehrbuch, 5. Aufl., § 61, S. 645. 61 Dazu vgl. Buri, Zur Lehre von der Teilnahme, 1860; Glaser, Abhandlungen aus dem österreichischen Strafrecht, Bd. I, 2. Abhandlung, S. 298; Liszt, Lehrbuch, S. 130 f. 62 Liszt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, S. 204. 63 Abrahamsohn, Strafrechtliche Studie, S. 6; Liszt, Lehrbuch, S. 122 f., 204. 64 Vgl. dazu Liszt, Lehrbuch, S. 120 ff.; Wiechowski, Die Unterbrechung des Kausalzusammenhanges, S. 4. 65 Renzikowski, Maurach-AT II, § 47, S. 377 f., Rn. 7.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

Tätersystem enthielt66, denn aus ihrer Sicht ist die Verhängung gleicher Strafe über den Anstifter und notwendigen Beihilfe eindeutig Ausdruck der impliziten Anerkennung des unitarischen Beteiligungssystems. b) Subjektiv-kausale Zurechnungstrennungstheorie Im Gegensatz zur objektiven Einheitstätertheorie unterschieden die subjektiven Trennungstätertheorien zwischen Tätern und Teilnehmern nach der im Willen der Beteiligten vorliegenden psychologischen Elemente67. Ausgehend von diesem psychologischen Ansatzpunkt wurden grundsätzlich zwei Theorien gebildet: die „Dolus-“ und die „Interessentheorie“. Die „Dolustheorie“ unterscheidet Täter und Teilnehmer kraft der verschiedenen Willensnatur oder Willensart der Beteiligten, weil sich das Täterverhalten im Gegensatz zur Teilnehmerhandlung, die die bloße Unterstützung des fremden Täterwillens bezwecke, durch einen selbständigen Willen68 auszeichne. Der Grund liege darin, dass der Teilnehmer – insofern er dem Täter die Herbeiführung der Straftat anheimstelle – abhängig vom Täter sei. Mit Hälschners Worten: Der Gehilfe „ordnet sich also mit seiner Absicht dem Täter insofern unter, als er seine helfende Tätigkeit nur beabsichtigt unter der Voraussetzung, dass der Täter das Verbrechen aus eigener, freier Entschließung verüben werde“69. Prägnant gesagt, unterwerfe der Teilnehmer seinen Willen dem absichtlichen Willen des Täters70. So gesehen kommt dem autonomen und dem abhängigen Willen ein erhöhter bzw. geringerer Strafunwert (Schuldgrad) zu71, die zur Begründung der Täterschaft und Teilnahme führen. Daher seien Täter und Teilnehmer, wer sich an der Straftatverwirklichung mit animus auctoris (Täterwillen72) bzw. animus Socci (Teilnehmerwillen73) beteiligt74. Konsequenterweise müssten die als Täter und als Teilnehmer gehandelten Beteiligten an einer Straftatverwirklichung verschärft bzw. gemildert bestraft werden. 66

Vgl. dazu Bacigalupo Zapater, Principios II, S. 131 f.; Gómez Benítez, PG, S. 118 f. Dazu vgl. Birkmeyer, Die Lehre von der Teilnahme, S. 8 f.; Buri, Beiträge zur Theorie des Strafrechts, S. 69; Forke, Begriffliche Unterscheidung zwischen Urheberschaft und Beihülfe, S. 1 f.; Hälschner, Deutsches Strafrecht I, S. 371. 68 Siehe Berner, Teilnahme am Verbrechen, S. 171 ff.; Buri, Die Kausalität und ihre strafrechtlichen Beziehungen, S. 41; Hälschner, Deutsches Strafrecht I, S. 371, 374 ff. 69 Hälschner, Deutsches Strafrecht, S. 376. Hierzu vgl. auch Janka, Österreich. Strafrecht, 2. Aufl., S. 138 f.; Wächter, Lehrbuch I, S. 147. 70 Vgl. dazu Binding, Grundriss des deutschen Strafrechts, 8. Aufl., S. 149 ff., 159 – 162; Nagler, Die Teilnahme am Sonderverbrechen, S. 125; Buri, Die Kausalität und ihre strafrechtlichen Beziehungen, S. 41; ders., Abhandlungen, S. 117. 71 Vgl. Wegner, Teilnahme, S. 105. 72 So etwa Berner, Teilnahme am Verbrechen, S. 171 f.; Köstlin, System des deutschen Strafrechts, § 90, S. 257 ff. 73 Binding, Grundriss des deutschen Strafrechts, S. 162 ff.; Berner, Teilnahme am Verbrechen, S. 207 ff., 252 ff. 74 Vgl. Hippel, Deutsches Strafrecht II, S. 456. 67

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Die „Interessentheorie“ ist letztlich eine Ergänzung der „Dolustheorie“, da der Ausgangspunkt ihrer Vertreter75 ebenfalls die innerpsychischen Kriterien der bei einer Straftat mitwirkenden Beteiligten sind. Der Unterschied besteht darin, dass nach Auffassung der „Interessetheorie“ das maßgebliche Kriterium zur Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme die Absicht (das Interesse) der Beteiligten ist: Die Mitwirkung bei der Herbeiführung des Verbrechens mit eigenem Interesse am Erfolgseintritt begründe die Täterschaft; dagegen fundiert die Beteiligung an der Unrechtsverwirklichung mit fremdem Interesse die Teilnahme.

III. Kritische Würdigung Gegen das auf dem Empirismus gründende naturalistisch-kausale Beteiligungssystem trägt die gegenwärtige Strafrechtswissenschaft verschiedene Einwände vor. Diese werden hier in zwei Bereiche gegliedert: Einerseits die sich gegen den Empirismus richtende allgemeine Kritik und andererseits die sich sowohl auf die „objektiv-kausale Zurechnungseinheitstheorie“ als auch auf die „subjektiv-kausale Zurechnungstrennungstheorie“ der Täterschaft beziehenden spezifischen Einwände. Bezüglich der allgemeinen Einwände gegen den Empirismus ist mit der h. L. zu bejahen, dass die vom Empirismus formulierte naturwissenschaftliche Seinsmethode nicht – wie es bei der objektiv-kausalen „Einheitstätertheorie“ stattfindet – bewertungsfrei auf den Bereich des „Sollens“ übertragen werden darf/kann76, weil das (Straf-)Recht keine kausale und wertungsfreie, sondern eine bewertende Wissenschaft ist77. Denn Gegenstand, Erkenntnis, Methode, Aufgabe usw. der Rechtswissenschaft gehören nicht zur „Seins-“, sondern zur „Sollenskategorie“. Dementsprechend dürfen/sollen/müssen die rechtswissenschaftlichen Kategorien nicht durch die Anwendung der naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise gebildet werden78. Hinsichtlich der spezifischen Anmerkungen gegen die objektiv-kausale „Einheitstätertheorie“ lässt sich sagen, dass die objektiv-kausale „Einheitstätertheorie“ den unterschiedlichen Strafunwert des Täter- und Teilnehmerunrechts aufhob79, denn sie verkannte den Unterschied zwischen der Ausführung einer Straftat und der 75

Siehe hierfür Feuerbach, Neue Revision II, S. 245; Geib, Lehrbuch II, S. 318; Henke, Handbuch des Criminalrechts und der Criminalpolitik I, S. 288; Köstlin, Neue Revision der Grundbegriffe des Kriminalrechts, § 130, S. 448 ff.; § 135, S. 465 ff.; ders., System des deutschen Strafrechts, § 93, S. 275 ff. 76 Wolf, Von Wesen des Täters, S. 10. 77 Zur Kritik der Übertragung der naturwissenschaftlichen kausalen Methode auf die (Straf-)Rechtswissenschaft siehe Kollmann, Die Bedeutung der metaphysischen Kausaltheorie, S. 12 – 30. 78 Vgl. Stephanitz, Exakte Wissenschaft und Recht, S. 4. 79 Vgl. Roxin, TuT, 10. Aufl., § 2, S. 6.

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Mitwirkung bei der Straftat eines anderen80. So berücksichtigte diese Theorie der Täterschaft alle heutzutage bestehenden Täterschafts- (Mittäterschaft, mittelbare Mittäterschaft81 und unmittelbare Täterschaft) und Teilnahmeformen (Beihilfe und Anstiftung) als reine unmittelbare Täterschaft. Zudem führt die „Einheitstätertheorie“ zu einer exzessiven Ausdehnung der Strafbarkeit der Täterschaft auf lediglich versuchte Beihilfe und versuchte Anstiftung zu einem Vergehen82. Schließlich hat die objektiv-kausale „Einheitstätertheorie“ große Schwierigkeiten, die Beteiligungsformen an den bekannten Sonderdelikten – nach hier vertretener Auffassung „Sonderpflichtdelikten“ – richtig zu begründen. Grund dafür ist, dass einerseits der Extraneus trotz der nicht in seiner Person zusammenkommenden besonderen Tätereigenschaft als Täter eines „Sonderpflichtdelikts betrachtet wurde und andererseits der Intraneus trotzt seiner Sonderpflichtverletzung straflos bliebe, wenn er seine Sonderpflicht durch die Benutzung eines „qualifikationslosen Werkzeugs“ (durch Unterlassung) verletzte. Gegen die subjektiv-kausale „Zurechnungstrennungstheorie“ werden im Wesentlichen dieselben Einwände erhoben, denn die Errichtung der subjektiven Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme ging ebenfalls von der gleichen empirisch-kausalen Methode aus. So erkannte auch die subjektive „Dolus- und Interessentheorie“ (wie die objektive Einheitslehre) die objektive Gleichwertigkeit aller kausalen Mitwirkungen bei der Verursachung des tatbestandmäßigen Erfolgs an83. Darauf gründete sich die sogenannte subjektive Täterschafts- und Teilnahmeunterscheidung, sodass die objektive Äquivalenz aller Beiträge der Beteiligten zur Verhängung ungerechter Strafen führte. Deswegen wurde versucht, diesen Fehler im subjektiven Moment der Schuld zu korrigieren84. Daneben ist hervorzuheben, dass die Art der subjektiven Verknüpfung zwischen den Beteiligten und der Straftat, welche der Täterschafts- und Teilnahmeunterscheidung zugrunde liegt, auch durch keine normativen Zurechnungskriterien darstellende empirisch-kausale Gesetze festgelegt wurde. Schließlich sind die als maßgebliches Unterscheidungskriterium der Täterschaft und Teilnahme genutzten psychologischen Elemente (Absicht, Interesse, usw.) nicht nachweisbar und willkürlich. Ausgehend von dieser Betrachtung lässt sich folgern, dass die hier kritisierte Lehre ebenfalls an den oben bereits genannten materiellen Ungerechtigkeitsproblemen und ungewollten Strafbarkeitslücken krankt.

80 Auf diese Weise Bloy, Schmitt-FS, 47 ff.; Krey/Esser, Rn. 784; Renzikowski, MaurachAT II, § 47, S. 378, Rn. 12. 81 Vgl. Roxin, TuT, 9. Aufl., § 7, S. 36. 82 Siehe Jakobs, AT, 21/6; Jescheck/Weigend, 646; Klesczewski, Puppe-FS, S. 618; LKSchünemann, Vor § 25, Rn. 9; Roxin, AT II, § 25 Rn. 3. 83 Eine detaillierte Darstellung der Unmöglichkeit einer objektiven Unterscheidung zwischen den verschiedenen Formen von Täterschaft und Teilnahme findet sich in Birkmeyer, Die Lehre von der Teilnahme, S. 22 – 30. 84 Wiechowski, Die Unterbrechung des Kausalzusammenhanges, S. 4.

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B. Der Idealismus als Stützpfeiler der kausal-normativen Strafrechtswissenschaft und der Verbrechenslehre I. Methodologischer Ausgangspunkt Im Unterschied zum naturalistisch-kausalen Beteiligungsmodell liegt die methodologische Grundlage des in Deutschland und Spanien entwickelten normativkausalen Beteiligungssystems in dem Selbstständigkeitsideal der Sozial- und Geisteswissenschaften gegenüber den Naturwissenschaften. Dieses kommt aus der Erkenntnistheorie Kants, der im Gegensatz zur empiristischen Erkenntnistheorie feststellte, dass zwei unterschiedliche Wirklichkeiten vorliegen: „Sein“ und „Sollen“. Erstere fasse alle in der Natur geschehenden Ereignisse auf und unterwerfe die Erkenntnisgewinnung der formallogischen Methode. Im Gegensatz dazu begreife letztere die in der Geisteswirklichkeit vorkommenden Kulturerscheinungen und unterjoche die Erkenntniserlangung der wertbezogenen (zwecksetzenden) Betrachtung, weil die Kulturphänomene – welche der Erkenntnisgegenstand der Geisteswissenschaften sind – ein aus der Umformung der wertfreien Wirklichkeit durch die menschliche Vernunft kommendes Konstrukt ist. Kurz formuliert sei die Kulturerkenntnis eine Schöpfung des vernünftigen Verstandesvermögens des Menschen. Die Vertreter des Neukantianismus – etwa Lask85, Mittasch86, Radbruch87, Rickert88, Schwinge89 und Windelband90 – entwickelten diesen Gedanken weiter. Wie Kant unterschieden sie die zur Begriffs- und Systembildung der Natur- und Kulturwissenschaften verwendeten Arbeitsmethoden; denn aus ihrer Kantischen Sicht würden die „Welt des Seins“ und die „Welt der Werte“ – welche die jeweiligen Gegenstände der Natur- und Kulturwissenschaften konstituieren – durch verschiedene Vorgehensweise ergriffen91. Während nämlich die Seins- oder Naturwissenschaften die empirische Wirklichkeit „wertblind“ erfassten, verstanden die Sollensoder Kulturwissenschaften die kulturellen Phänomene wertend und wertbeziehend92. Hieraus ergaben sich zwei Schlussfolgerungen: Einerseits begründeten die Neukantianer eine eigenständige kulturwissenschaftliche Methode zum Erkenntnisgewinn sowie zur Begriffs- und Systembildung der Geisteswissenschaften; es handelt

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Lask, Philosophie, S. 33. Mittasch, Auswirkungen, 1939. 87 Radbruch, Rechtsphilosophie, 1956. 88 Rickert, Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft, 1899. 89 Schwinge, Teleologische Begriffsbildung, 1930. 90 Windelband, Geschichte und Naturwissenschaft, 5. Aufl., 1915. 91 Mittasch, Auswirkungen, S. 10; Rickert, Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft, S. 27 ff., 170 ff. 92 Mittasch, Auswirkungen, S. 10. 86

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sich um die wertbeziehende, teleologische Methode93 ; andererseits ist die kulturwissenschaftliche Erkenntnis – ähnlich wie bei Kant – keine Abbildung der empirischen Realität, sondern Ausdruck der Kulturwerte, d. h. eine Schöpfung des menschlichen Verstandes. Die Übertragung der Erkenntnislehre Kants auf die (Straf-)Rechtswissenschaft implizierte, das (Straf-)Rechtssystem nach teleologischer Methode aufzubauen. Daraus leitete sich ab, dass alle Grundsätze, Begriffe usw. des (Straf-)Rechts kein aus dem „Sein“ herauszulesendes ontologisches Abbild seien, sondern eine gedankliche Konstruktion, die vom Menschengeist im Bereich des Sollens und in Bezug auf die Kulturwerte gebildet werde94. Deswegen schlugen die Neukantianer vor, das Strafrecht unter Berücksichtigung konkreter und relevanter Sozialwerte zu errichten. Dazu kam die Frage, welcher Wert, bzw. welche Werte bei der Bildung und Auslegung der Strafrechtsbegriffe entscheidend sein sollten. Die Antwort auf diese Frage müsse sich dem Ziel des Strafrechts unterordnen: Oberstes Ziel des Strafrechts sei der Schutz eines Systems „primärer abstraktallgemeiner Zweckideen“ oder kultureller Grundwerte (etwa Rechtssicherheit, Rechtsgleichheit, Billigkeit, Praktikabilität, Verständlichkeit, Kontinuität95), welche dem gesetzlichen Strafrecht zugrunde lägen und überall eine entscheidende Rolle für die Gesellschaft spielten. Zudem sei komplementärer Zweck des Strafrechts die Bewahrung eines Systems „sekundär-konkreter Werte“, die sich in materiellem Sinne vor allem in den Rechtsgütern verkörperten und eine wesentliche Bedeutung für die praktischen Lebensverhältnisse der Gesellschaft hätten, weil sie die Konkretisierung der abstrakten grundlegenden Sozialwerte darstellten96. Zwecks der Erreichung solcher dichotomen Schutzfunktion habe das Strafrecht die vorgeformten „abstrakt-kulturellen Grundwerte“ grundsätzlich mittels der Systematisierung konkreter Rechtsgüter in den Tatbeständen des Besonderen Teils festgelegt, insoweit der unmittelbare strafrechtliche Schutz des sekundären Rechtsgütersystems der Gewährleistung des primären Systems von „abstrakt-allgemeinen Grundwerte“ diene97. Im Anschluss an solche Ziele des Strafrechts sei Aufgabe der Strafrechtswissenschaft das Erkennen der im Gesetz vorgeformten Grundbegriffe (insbesondere die hierarchische Einordnung der geschützten Rechtsgüter), da solche Bestimmung zu einer richtigen Auslegung der in einem wertbezogenen Strafrechtssystem vorliegenden Begriffe und dadurch zu einer erfolgreichen Bewahrung der sozialen Grundwerte führe. In diesem Zusammenhang sei die normativ-teleologische Methode die strafrechtliche Vorgehensweise, welche auf die Bildung und auf die 93 Mittasch, Auswirkungen, S. 11; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 118, 123; Rickert, Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft, S. 4, 24, 50; Schwinge, Teleologische Begriffsbildung, S. 7 ff., 25, 68, 72. 94 Mittasch, Auswirkungen, S. 3 f., 11, 30 ff.; Rickert, Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft, S. 24; Schwinge, Teleologische Begriffsbildung, S. 21. 95 Hegler, ZStW 36 (1915), 21 ff.; Mittasch, Auswirkungen, S. 31. 96 Siehe Mittasch, Auswirkungen, S. 76; Schwinge, Teleologische Begriffsbildung, S. 22. 97 Vgl. Mittasch, Auswirkungen, S. 76 f., 86.

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Auslegung aller (Straf-)Rechtsbegriffe im Sinne der materiellen Sozialwertungen – d. h. der geschützten Rechtsgüter – gerichtet ist, um die in den realen sozialen Lebensverhältnissen bestehenden pragmatischen Sozialwerte zu schützen98.

II. Konsequenzen der teleologisch normativ-kausalen Methode für den Verbrechensaufbau und für die Begründung des Beteiligungssystems 1. Konsequenzen für den Verbrechensaufbau Das aus dem Idealismus entwickelte kausal-normative Strafrechtsverständnis konzipierte das Verbrechen unter der teleologischen Erkenntnistheorie als Ausschnitt aus der wertbezogenen Sozialwelt. Somit wurde seine Rechtsnatur als in der Außenwelt auftretendes „Unwertsubstrat“ betrachtet99. Dies führte zunächst zur Entdeckung subjektiver Elemente in der Rechtswidrigkeit und dadurch zu einer teilweisen normativen Umformulierung des Verbrechensinhalts100. Diese spiegelte sich in der Platzierung subjektiver Elemente im (Straf-)Unrecht101 und objektiver Bestandteile in der Schuld wider102. Ebenfalls zeigt sich das teleologische Verbrechensverständnis deutlich in der neuen Stellungnahme zu bewertender Differenzierung zwischen Unrecht und Schuld einerseits und in der „normativen“ Neuformulierung des Schuldbegriffs andererseits. Zu ersterer gehört die Charakterisierung des Unrechts und der Schuld nach dem Bewertungskriterium der Sozialschädlichkeit bzw. Vorwerfbarkeit103 ; der zweiten entspricht die von Frank104 zum ersten Mal in der Strafrechtsdogmatik eingeführte Betrachtung der Schuld als „normativem Vorwurf“ gegen den Täter wegen seiner rechtswidrigen Handlung. Dieses theoretische Verbrechensverständnis wurde in Deutschland neben anderen Strafrechtswissenschaftlern von Hegler, M. E. Mayer, Merkel, Mezger, Radbruch und Sauer aufgebaut. In gleicher Weise wurde in Spanien eine ganze Generation von Strafrechtlern unter dem Einfluss dieser Verbrechenslehre ausgebildet, die ausge98 Siehe hierfür Lask, Rechtsphilosophie, S. 306 ff.; Mittasch, Auswirkungen, S. 3; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 117; Rickert, Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft, S. 24, 50; Schwinge, Teleologische Begriffsbildung, 1930, S. 8, 23. 99 Mittasch, Auswirkungen, S. 127. 100 Über den Beitrag der teleologischen Methode zur Normativierung der Verbrechenslehre siehe Hegler, ZStW 36 (1915), 19 ff.; Mittasch, Auswirkungen, S. 129, 146. Ebenso siehe hierfür Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 78. 101 Zu nennen sind H. A. Fischer, 1911; Hegler, ZStW 36 (1915), 19, 1; Mezger, Die subjektiven Unrechtselemente, GS 89 (1924), S. 207 ff. 102 Mezger, Strafrecht, 3. Aufl., S. 162 ff., 168 f. 103 Vgl. Hegler ZStW 36 (1915), 184 ff. Im Anschluss an Frank und Hegler siehe auch Mittasch, Auswirkungen, S. 127, 129, 145 ff.; Sauer, Grundlagen des Strafrechts, S. 532 ff. 104 Frank, Juristische Fakultät-FS, S. 529; ders., Schuldbegriff, S. 12; darüber hinaus vgl. Goldschmidt, Normativer Schuldbegriff, S. 428 ff.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

hend von der wertbezogenen Methodik dieser deutschen Strafrechtsdogmatik später eine teleologisch-kausale Verbrechenslehre weiterentwickelte und bei der Auslegung des spanischen Strafrechts anwendete105. Dies zeigte sich einerseits in der maßgeblichen Betonung der Generalprävention und in der politischen Orientierung der Neufassung der Delikte gegen die Staatssicherheit im Zuge der Teilreform des spanischen Strafgesetzbuches im Jahr 1944106 und andererseits in der nachhaltigen Verbrechenslehre von Antón Oneca107, Cuello Calón108, Del Rosal109 und Rodríguez Devesa110, die die spanische Strafrechtsdogmatik in den 50er und 60er Jahren beherrschte. 2. Konsequenzen für das Beteiligungssystem Das wertbezogene Verständnis des Strafrechts und Verbrechensbegriffs zeigte sich deutlich im Bereich der Beteiligungslehre, wo sich ausgehend von der Übernahme der normativ-teleologischen Methode ein neuer Blickwinkel auf die Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme entwickelte. So wurde die natürliche Kausalität wegen ihrer Untauglichkeit zur Differenzierung zwischen Tätern und Teilnehmern durch die in den Tatbeständen festgelegten kulturellen Werturteile ersetzt111. Dies liege darin begründet, dass der Gesetzgeber die Tatbestände des Besonderen Teils formuliere, um seine Stellungnahme sowohl zum Rechtsgüterschutz als auch zur Rechtsgüterverletzung als Mittel der Gewährleitung „abstraktallgemeiner Grundwerte“ der Gesellschaft abzugeben112. Damit schützten die Tatbestände unmittelbar die Rechtsgüter gegen willkürliche Angriffe aller an einer Straftat beteiligen Personen, sodass die Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme mittels der teleologischen Tatbestandsinterpretation anhand des Gefährlichkeitsgrades der Handlungen der Beteiligten für die geschützten Rechtsgüter bestimmt werden sollte. So gesehen hätten strafrechtliche Relevanz im Sinne der Täterschaft und Teilnahme nur jene kausalen Beiträge, welche eine „adäquate Kausalität“ oder „ob105

Cerezo Mir, Die deutsche Strafrechtswissenschaft, S. 255. Cerezo Mir, Die deutsche Strafrechtswissenschaft, S. 256. 107 Antón Oneca, PG, 1. Aufl., 1949. 108 Cuello Calón, PG, 18. Aufl., 1980. 109 Del Rosal, Tratado de Derecho penal, Band I (1968), Band II (1973); ders., Nuevo sentido del Derecho penal, 1942. 110 Rodríguez Devesa, Derecho Penal Español, 1. Aufl. 1969. 111 Zur Ersetzung der Kausalität durch die teleologische Betrachtungsweise als maßgebliches Unterscheidungskriterium der Täterschaft und Teilnahme vgl. Mayer, Der Allgemeine Teil des deutschen Strafrechts, 2. Aufl., S. 390; Merkel, Zur Abgrenzung von Täterschaft und Beihilfe, S. 16; ders., Grundriss, S. 173; Mezger, Strafrecht, 1. Aufl., S. 411 f.; Schmidt, FrankFestgabe, Band II, S. 108 ff., 114 ff., 117; Wegner, Teilnahme, in: Reform des Strafrechts, S. 105 f.; Hippel, Deutsches Strafrecht, S. 455 f. 112 Schmidt, Frank-Festgabe, S. 117. 106

§ 2 Theoretische Grundlagen der Beteiligungssysteme

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jektive Gefährlichkeit“ für die Verursachung des tatbestandsmäßigen Erfolges darstellen113 ; dagegen seien alle anderen Kausalzusammenhänge strafrechtlich irrelevant. Grund dafür sei, dass sich die Strafbarkeit der Täterschaft und Teilnahme nicht auf die Frage beziehe, wann ein Beitrag zu einem Erfolg kausal sei, sondern auf die Frage, welche kausalen Mitwirkungen die Voraussetzungen des strafrechtlichen Tatbestandes erfüllten und wann sie somit einem Beteiligten zugerechnet werden sollten/dürften. Die Gefahr des Beitrags für Erfolgsherbeiführung wurde durch die Anwendung der berühmten Formel der „objektiv-nachträglichen Prognose“ bestimmt, nach der sich der Richter nachträglich auf den Standpunkt eines vor der Tat urteilenden objektiven Beobachters versetzen müsse, der über die Kenntnisse eines einsichtigen Menschen des betreffenden Verkehrskreises und zusätzlich über das spezielle Sonderwissen des Täters verfüge114. Die erwähnten auf dem normativ-teleologischen Ausgangspunkt aufbauenden Täter- und Teilnehmeransätze werden im Folgenden näher beleuchtet. a) Objektive normativ-kausale Theorien aa) Objektiv-formale „Täterschaftstheorie“ Die Vertreter dieser Theorie – z. B. Hegler115, M. E. Mayer116, Mittermaier117, Merkel118, Mezger119 und Thomsen120 – begründen die Täterschaft auf der bloßen objektiv-formalen Verwirklichung der Tatbestandselemente. Nach dieser Theorie ist die Ausführung aller oder einiger Tatbestandelemente für die Begründung der Täterschaft ausreichend; deshalb definiert sie den Täter als denjenigen, der die in den Straftatbeständen beschriebene verbotene Handlung ausführt. Daraus leitet sich ab, dass die bloße Mitwirkung während der Ausführung des tatbestandmäßigen Verhaltens das begründende Element der Täterschaft ist. Grund dafür sei, dass der Gesetzgeber die Strafbarkeit der Täterschaft auf dem Strafunwert der Ausführungsakte begründe. Der von Merkel und Mezger formulierte Täter- und Teilnehmerbegriff stellt deutlich das Verständnis dieser Täterschaftslehre klar. Bei Merkel121 ist Täter „derjenige, auf welchen die gesetzliche Definition einer Deliktsart und das mit ihr 113 Radbruch, Lehre von der adäquaten Verursachung, S. 333 ff. (9 ff.); Liepmann, Einleitung in das Strafrecht, S. 70; Wiechowski, Die Unterbrechung des Kausalzusammenhanges, S. 6 ff. 114 Vgl. dazu Roxin, AT I, § 7 Rn. 40, S. 369. 115 Hegler, Mittelbare Täterschaft, S. 23 ff. 116 Mayer, Der allgemeine Teil, S. 388, Fn. 8. 117 Mittermaier, ZStW 21 (1901), 243. 118 Merkel, Zur Abgrenzung von Täterschaft und Beihilfe, S. 8, 18. 119 Mezger, Lehrbuch II, S. 340. 120 Thomsen, AT, S. 144, 147. 121 Merkel, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 2. Aufl., S. 137.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

verbundene Strafmaß unmittelbar Bezug haben, welcher sich also mit seinem Thun oder Unterlassen jener Definition unmittelbar subsumieren lässt oder, was dasselbe ist, derjenige, der die … ,Haupthandlung‘ oder ,Ausführungshandlung‘ vornimmt“. In gleiche Richtung geht Mezger122, wenn er postuliert, dass Täter sei, wer durch seine Handlung die Verwirklichung des Tatbestandes verursache. Zur Begründung der Teilnahme unterscheidet diese Theorie die an einer Straftatherbeiführung zusammentreffenden verschiedenen kausalen Bedingungen. Aus diesem Grund schreibt der Gesetzgeber dem Verhalten des Teilnehmers und Täters einen geringeren bzw. höheren Strafunwert zu, wozu er sich auf den Gefährlichkeitsgrad des Beitrags für die Verletzung der geschützten Rechtsgüter stützt123. Danach kann Teilnehmer sowohl derjenige sein, der mittels vorsätzlichen Hervorrufens des Tatentschlusses eines vollverantwortlichen Täters den tatbestandmäßigen Erfolg verursacht124, als auch, wer durch Hilfeleistung zu dem Verbrechen eines vollverantwortlichen Täters zur Erfolgsverursachung beiträgt125. In der spanischen Strafrechtswissenschaft fand diese Täterschafts- und Teilnahmedifferenzierung bedeutsamen Widerhall, sodass sie die herrschende Beteiligungslehre der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde. Neben anderen Autoren sind dabei besonders hervorzuheben: Antón Oneca126, Gimbernat Ordeig127, Octavio de Toledo128, Quintano Ripolles129, Rodríguez Devesa130 Rodríguez Mourullo131 und Rodríguez Muñoz132. Diese Autoren – in radikalerer Form als die deutschen Verfechter – definieren den Täter als denjenigen, dessen ausführendes Verhalten ohne Weiteres unter dem Tatbestand des Besonderen Teils subsumiert werden kann; d. h. Täter ist, wer die im Gesetz normierte tatbestandmäßige Handlung verwirklicht133.

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Mezger, Strafrecht, 2. Aufl., S. 415. Vgl. Mezger, Strafrecht, S. 443 f. 124 Mezger, Strafrecht, 2. Aufl., S. 432. 125 Mezger, Strafrecht, 2. Aufl., S. 439. 126 Antón Oneca, Derecho Penal, 2. Aufl., S. 454. 127 Gimbernat Ordeig, Autor y cómplice, S. 215 ff. 128 Octavio de Toledo, Prevaricación, S. 189. 129 Quintano Ripolles, Comentarios, 2. Aufl., S. 258; ders., Curso I, S. 245 f.; ders., Compendio I, S. 393 f. 130 Rodríguez Devesa, Derecho Penal español, S. 642. 131 Rodríguez Mourullo, PG, S. 538; ders., Delitos especiales, S. 74 ff. 132 Antón Oneca/Rodríguez Muñoz, Derecho Penal I, S. 421 f. 133 Vgl. dazu etwa Gimbernat Ordeig, Autor y cómplice, S. 221; Quintero Olivares, Delitos especiales, S. 74 – 77; Rodríguez Mourullo, Omisión, S. 287; ders., ADP, 1969, 461 f.; ders., Cometarios I, S. 801 f., 811 f.; Rodríguez Devesa, PG, 9. Aufl., S. 796 ff. 123

§ 2 Theoretische Grundlagen der Beteiligungssysteme

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bb) Objektiv-materielle „Unentbehrlichkeitstheorie“ Die durch die herrschende Strafrechtslehre als „Notwendigkeitstheorie“ bezeichnete „Unentbehrlichkeitstheorie“ begründet die Täterschaft – entsprechend ihrem Namen – mit dem „unentbehrlichen Beitragsquantum“ der Handlung der Beteiligten zur Verwirklichung des tatbestandmäßigen Erfolgs134. Denn nach der von ihr vertretenen objektiv-materiellen Betrachtung sind Ursache der Verletzung der durch die Straftatbestände geschützten Rechtsgüter nicht alle kausale Bedingungen, sondern nur die Beiträge, deren Zusammentreffen „unerlässlich“ für die Verursachung des verbotenen Erfolgs sind. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen: zum einen sei es zur Begründung der Täterschaft irrelevant, ob die Mitwirkung in der Vorbereitungs- oder während der Durchführungsphase des Verbrechens stattfinde; zum anderen sei Stützpfeiler der Täterschaft die „Unmittelbarkeit“ und die „Unentbehrlichkeit“ der Mitwirkung. In diesem Sinne ist Täter eines Strafunrechts, wer selbst – nämlich mit seinen eigenen Händen – eine unerlässliche Mitwirkung bei der Tatbestandherbeiführung leistet, sodass der tatbestandmäßige Erfolgseintritt unmöglich gewesen wäre, wenn ein solcher Beitrag nicht vorgelegen hätte135. Die Begründung der Teilnahme liege hingegen darin, dass die „mittelbare Mitwirkung“ des Teilnehmers nur eine „notwendige oder sekundäre Bedingung“ – nicht „unerlässliche Ursache“ – für die Ausführung des Verbrechens sei. Ausgehend davon betrachtet diese Theorie die „Mittelbarkeit“ und die „Notwendigkeit“ der Mitwirkung als Strukturelemente der Teilnahme, weil sie im Gegensatz zu den „unmittelbaren“ und „unentbehrlichen“ Mitwirkungen einen geringeren Gefährlichkeitsgrad für die von den Tatbeständen geschützte Rechtsgüter darstellen. Denn aus ihrer Sicht verstärkt der Teilnehmer mittels seines veranlassenden oder hilfeleistenden Verhaltens nur die Ausführungsmöglichkeit des Verbrechens durch einen anderen (Täter)136. Deswegen werde derjenige Beteiligte als Teilnehmer berücksichtigt, dessen Verhalten für die Erfolgsverwirklichung nicht entscheidend sei, sodass die Rechtsgüterverletzung auch bei Wegfall seines Beitrags eingetreten wäre137. Diese in Deutschland von Baumgarten, Feuerbach, Stübel, Grolman etc. entwickelte Beteiligungslehre wurde von den damaligen spanischen Strafrechtlern rezipiert – unter den herausragenden spanischen Strafrechtsdogmatikern dieser Zeit lassen sich De Castro Orozco, Montes, Puig Peña und Pacheco nennen, die auf die eine oder andere Weise diese Beteiligungslehre unterstützten. Ebenfalls wurden die Ansätze der „Unentbehrlichkeitstheorie“ vom spanischen Gesetzgeber im StGB vom 1944 und insbesondere im aktuellen StGB von 1995 in Form der Rechtsfigur der „notwendigen Beihilfe“ in Gesetzesform gegossen (vgl. § 4 B.IV.2.a), 3., 4.). 134 Hierfür siehe Feuerbach, Lehrbuch, 12. Aufl., § 44, S. 74 f.; Kohlrausch, ZStW 55 (1936), 394; Liepmann, Einleitung in das Strafrecht, S. 77. 135 Siehe hierfür Baumgarten, ZStW 37 (1916), 526 ff.; Mezger, Strafrecht, S. 415. 136 Liepmann, Einleitung in das Strafrecht, S. 77. 137 Vgl. Feuerbach, Lehrbuch, § 45, S. 76 f.; Liepmann, Einleitung in das Strafrecht, S. 70.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

cc) Objektiv-materielle „Gleichzeitigkeitstheorie“ Die sogenannte „Gleichzeitigkeitstheorie“ wird in Deutschland von Binding138, Birkmeyer139, Frank140, Fuchs141, Wachenfeld142 usw. vertreten. In Spanien fand die „Gleichzeitigkeitstheorie“ bedeutsame Rezeption in der Beteiligungslehre von Benito y Curto143, Groiszard144, Luzón Domingo145, Rueda146 und Silvela147. Wie bei der „objektiv-formalen Täterschaftstheorie“ steht die Phase der Straftatausführung im Mittelpunkt der Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme. In Übereinstimmung mit dieser postuliert die „Gleichzeitigkeitstheorie“, dass die Mitwirkungen an der Ausführungs- und Vorbereitungsphase des Verbrechens wegen ihres unterschiedlichen Gefährlichkeitsgrades einen höheren bzw. geringeren Strafunwert hätten. Zugleich – ebenfalls wie die objektiv-formale Täterschaftstheorie – vertritt die „Gleichzeitigkeitstheorie“ die These, dass die gleichzeitig im selben Verbrechensstadium durchgeführten Mitwirkungen den gleichen strafrechtlichen Unwert enthalten, da sie gleichwertige materielle Beiträge zur Herbeiführung der Straftat leisten. Der Unterschied zwischen diesen Theorien liege darin, dass diese Gleichwertigkeit der in der Durchführungsphase des Verbrechens zusammentreffenden Mitwirkungshandlungen nicht mit dem rein formalen Kriterium der Erfüllung eines bestimmten Tatbestandsmerkmals verknüpft ist, sondern mit dem Begriff der einverständlichen „gemeinsamen Ausführung“ des Verbrechens. So umfasse die Täterschaft alle in der Durchführungsphase des Verbrechens zusammentreffenden Beiträge, da alle in diesem Verbrechensstadium mithelfenden Leistungen eine „große Gefahr“ für den Rechtsgüterschutz darstellen und somit gleich schwerwiegenden Strafunwert enthalten. Dies sei unabhängig davon, ob der Beitrag des Beteiligten mit großem oder geringerem „Quantum“ ausgeübt werde. Wesentliches Erfordernis zur Begründung der Täterschaft sei nur die Hilfeleistung während der Tatausführung. Aus diesem Grund werde als Täter (Mittäter)148 derjenige angesehen, welcher bei der Ausführung der ihm zurechenbaren strafbaren Handlung mitwirkte oder ihre Ausführung durch einen anderen bewirke. Die Teilnahme beinhalte ihrerseits die in der Vorbereitungsphase verwirklichten relevanten Mitwirkungen. Nach diesem gleichzeitigkeitstheoretischen Gesichts138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148

Binding, Abhandlungen I, S. 357 f. Birkmeyer, Teilnahme am Verbrechen, S. 21. Frank, StGB, 1931, Vor § 47 II. Fuchs, GA 1881, 175 ff. Wachenfeld, Lehrbuch, S. 187 f. Benito y Curto, Elementos, S. 146. Groizard, El Código Penal I, S. 593, 595, 677. Luzón Domingo, Derecho penal del TS, Parte General II, S. 171. Rueda Neira, Elementos, S. 192. Silvela, El Derecho penal I, S. 186, 187, 188. So etwa Birkmeyer, Darstellung, S. 19 f., 59 f., 150 – 152; Fuchs, GA 1881, 175.

§ 2 Theoretische Grundlagen der Beteiligungssysteme

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punkt spielten die im Vorbereitungsstadium vollbringenden Handlungen nur eine sekundäre Rolle für die Straftatbegehung, denn die tatbestandmäßige Verletzung der Rechtsgüter hänge nicht von den Mitwirkungen in der Vorbereitungsphase ab, sondern von den Beiträgen während der Durchführungsstufe des Verbrechens149. Es komme darauf an, dass die Straftatherbeiführung – d. h. der Erfolgseintritt oder die Rechtsgüterverletzung – oder ihr Nichtzustandekommen in den Händen der an der Ausführungsphase beteiligten Subjekte (Täter)150 liege. Mit anderen Worten begründen die in der verbrecherischen Vorbereitungsstufe verwirklichten Mitwirkungen die Teilnahme, weil sie im Unterschied zu den in der Ausführungsphase stattfindenden Beiträgen, welche eine direkte Rechtsgüterverletzung darstellen, nur eine mittelbare Rechtsgütergefährdung enthalten. b) Subjektive normativ-kausale Theorien aa) Subjektive normativ-kausale „Überordnungs- und Unterordnungstheorie“ Die subjektive normativ-kausale „Überordnungs- und Unterordnungstheorie“ wurde in Deutschland von Dahm151 und Schmidt152 entwickelt und hat in Spanien kaum Anhänger153. Die methodologische Besonderheit dieser Theorie liegt darin, dass Täterschaft und Teilnahme nicht nach generell festgelegten Regeln, sondern anhand konkreter Anhaltspunkte bei der Tatbegehung unterschieden werden154. Diese spezifischen Elemente beziehen sich auf die objektive und subjektive Stellung, welche die Beteiligten während der Straftatausführung innehaben und die sich in einem „Gleichheits-, Überlegenheits- und Unterlegenheitsverhältnis“ äußert. Wie im Folgenden dargelegt werden wird, begründen diese konkreten Stellungen die Mittäterschaft, die unmittelbare Täterschaft und die Teilnahme. Mittäterschaft liegt nach dieser Lehre vor, wenn einerseits die Mitwirkungen der Beteiligten nach einer objektiven Betrachtung eines außenstehenden Beobachters in einem Gleichstellungsverhältnis stattfinden und andererseits der Entschluss zur Straftatbegehung nach der eigenen subjektiven Bewertung der Beteiligten ein Ausdruck ihres gemeinsamen Gleichordnungsverhältnisses ist155. Demnach soll Mittäter sein, wer sich mit einem anderen zusammen an einer Rechtsverletzung beteiligt, in der sein Verhalten nach Bewertung aller zusammentreffenden Umstände als gleichwertige Ursache der Rechtsgutverletzung zu berücksichtigen sei156. Die unmittelbare Täterschaft liege ihrerseits in den Fällen vor, in denen einer (oder ei149 150 151 152 153 154 155 156

Vgl. Fuchs, GA 1881, 177. A. a. O. Dahm, Täterschaft, S. 41 – 50. Schmidt, Grundriss, 2. Aufl., S. 161 ff. Vgl. dazu Díaz y García Conlledo, La autoría, S. 543. Vgl. Schmidt, Grundriss, 2. Aufl., S. 161. Schmidt, Grundriss, 2. Aufl., S. 161. Dahm, Täterschaft und Teilnahme, S. 43.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

nige) der Beteiligten im Vergleich zu den anderen Mitwirkenden eine übergeordnete Stellung bei der Rechtsgutverletzung hätten. Im Gegensatz dazu liege Teilnahme – vor allem die Beihilfe – vor, wenn sich der Beitrag eines bestimmten Beteiligten zur Rechtsgutverletzung aus dem Blickwinkel eines objektiven Betrachters und des eigenen Handelnden (Teilnehmers) der Tätigkeit des Hauptbeteiligten (des Täters) unterordne157. Der Teilnehmer stehe also in einem Unterordnungs- oder Unterlegenheitsverhältnis zum Täter. bb) Subjektive normativ-kausale „Tatherrschaftstheorie“ Die verschiedenen Auffassungen, die von den Vertretern der subjektiven normativ-kausalen „Tatherrschaftstheorie“ formuliert wurden, stimmten ungeachtet aller Unterschiede darin überein, dass sich Täterschaft und Teilnahme durch ihre selbständige bzw. unselbständige Geeignetheit für die Rechtsgutverletzung unterscheiden158. Diese Lehre sprach der autonomen Fähigkeit eine „ausschließliche“ Beherrschung über die Straftatausführung zu, aus der sich eine „direkte“ und „echte“ Gefährlichkeit für den Rechtsgüterschutz ergebe. Der unselbständigen Tauglichkeit gewährt diese Lehre hingegen keine Herrschaft über den Kausalzusammenhang zwischen Ursache und Erfolg, sodass sich von ihr kaum ein „indirekter“ und „unechter“ Gefährlichkeitsgrad für die Erfolgsverursachung ableiten lasse. Mit anderen Worten verkörpere ein Verhalten, welches in einer unmittelbaren und autonomen Weise das Rechtsgut verletzt, die ausschließliche und ausschließende objektivsubjektive Beherrschung der Verwirklichung der Straftat oder der Erfolgsverursachung. Ausgehend davon wurden verschiedene, hier nur in aller Kürze dargestellte Ansätze über den Täter- und Teilnehmerbegriff skizziert, welche an die sog. „selbständige“ bzw. „unselbständige“ Geeignetheit der Verhaltensgefahr für die Rechtsgüterverletzung anzuknüpfen waren. So wird als Urheber und demzufolge als Täter angesehen, wer durch die freie Ausübung seines Willens die Entfesselung der tatbestandmäßigen Erfolgsverursachung dominiert. Daraus ergeben sich drei Konsequenzen für die Täterschaft: Erstens wird ein Subjekt als unmittelbarer Täter bewertet, wenn sich seine freie Willensbildung in einer unmittelbaren Verursachung – d. h. nicht durch Arbeitsteilung oder nicht durch die Nutzung eines unzurechnungsfähigen Tatmittlers – manifestiert159. Zweitens wird die kausale Herrschaft über die Ausführung der Straftat mittels eines anderen unzurechnungsfähig handelnden oder irrenden Menschen – also nicht bei Benutzung eines dolosen Werkzeugs – als mittelbare Täterschaft 157

Finger, Lehrbuch, S. 342 f.; Schmidt, Grundriss, 2. Aufl., S. 161. So Feuerbach, Revision, Zweiter Teil, S. 244; Goetz, Grenzziehung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe, S. 45 ff.; Loening, Grundriss, S. 94; Wuttig, Fahrlässige Teilnahme, S. 97 ff. 159 Vgl. Hergt, Die Lehre von der Teilnahme, S. 141. 158

§ 2 Theoretische Grundlagen der Beteiligungssysteme

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betrachtet160. Drittens fußt die Mittäterschaft auf mehreren gleichzeitigen vorsätzlichen Mitwirksamkeiten161 oder „Kollateralmitwirksamkeiten“162, welche bei gemeinsamer Berücksichtigung die kausale Rechtsgutverletzung beherrschen. Im Gegensatz zur Täterschaft sieht diese Lehre alle Handlungen als Teilnahme an, bei denen sich die Beteiligten selbst bewusst seien, dass sie nach den objektiven Umständen eines konkreten Falls weder direkt causa (naturale) noch dominus causae seien. Die Teilnehmer wüssten vielmehr, dass die kausale Verknüpfung und das dominium causae jemand anderem zuzuordnen seien163. Unter dieser Prämisse wäre die Beihilfe im Unterschied zur (Mit-)Täterschaft keine Kollateral-, sondern nur „Deszendenzmitwirksamkeit“164. Darin liege der geringere Verhaltensunwert des Teilnehmers im Unterschied zum Verhalten des Täters: Dass der Teilnehmer allein keine Möglichkeit hätte, das geschützte Rechtsgut zu verletzen.

III. Kritische Würdigung Gegen das ausgehend von begrifflichen und methodologischen Prämissen aufgebaute normativ-kausale Verbrechens- und Beteiligungssystem werden auch zahlreiche Einwände vorgebracht. Die Kritik an diesem System und den nach dessen Prämissen aufgebauten Theorien ist zweigeteilt: einerseits die allgemeinen Einwände gegen die auf die Bildung und Auslegung der Strafrechtskategorien angewendete idealistische abstrakte Methode und andererseits die spezifische Kritik an den Beteiligungstheorien, die auf der idealistischen Erkenntnistheorie fußen. Allgemein wird gegen das normativ-kausale Verbrechens- und Beteiligungssystem eingewandt, dass alle Erkenntnis und Begriffe der Kulturwissenschaften – und somit die (straf-)rechtliche Erkenntnis und die (Straf-)Rechtsbegriffe – keine reinen Kategorien seien, die durch abstrakte Wertvorstellungen oder metaphysische „Wertideen“ geschaffen werden. Vielmehr seien die (straf-)rechtliche Erkenntnis und daher die (Straf-)Rechtsbegriffe eine Konstruktion der Gesellschaft; daher müssen solche Rechtskategorien – etwa die Verbrechenslehre und Zurechnungsmodelle der Täterschaft und Teilnahme – nach der in einer Gesellschaft geltenden konkreten Wertwirklichkeit und den verfolgten Sozialzwecken gebildet werden. Die spezifischen Einwände sind ihrerseits zweigeteilt: Diejenigen, die sich auf die objektiven normativ-kausalen Theorien (nämlich die objektiv-formale Täterschaftstheorie, die objektiv-materielle „Unentbehrlichkeitstheorie“ und die objektivmaterielle „Gleichzeitigkeitstheorie“) beziehen und diejenigen, die sich gegen die 160 In diesem Sinne Hergt, Die Lehre von der Teilnahme, S. 141; Horn, Der Kausalbegriff in Philosophie, S. 352. 161 Hergt, Die Lehre von der Teilnahme, S. 106. 162 Gerald, Lehrbuch, 2. Aufl., S. 191 f. 163 Horn, Der Kausalbegriff in Philosophie, S. 375. 164 Gerald, Lehrbuch, S. 190 f.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

subjektiven normativ-kausalen Theorien (die subjektive normativ-kausale „Überordnungs- oder Unterordnungstheorie“ und die subjektive normativ-kausale „Tatherrschaftstheorie“) richten. Bezüglich der Kritik gegen die objektiven normativ-kausalen Theorien ist Folgendes zu beachten: Gegen die objektiv-formale Täterschaftstheorie liegen im Wesentlichen dieselben Einwände vor, die sich gegen die naturalistische objektiv-kausale „Einheitstätertheorie“ richten, weil diese die Täterschaft und Teilnahme auf der bloßen objektivformalen Verwirklichung der im Straftatbestand festgelegten Elemente begründet. Diese Einwände sollen hier nicht wiederholt werden. Die Standpunkte der objektiv-materiellen „Unentbehrlichkeitstheorie“ zur Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme stellen einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Beteiligungslehre dar, denn die dem „notwendigkeitstheoretischen“ Unterscheidungskriterium der Täterschaft und Teilnahme zugrundeliegende Tatherrschaftskategorie ist der Stützpfeiler der gegenwärtig herrschenden Tatherrschaftslehre165. Im Anschluss an das dargestellte Beteiligungsverständnis befindet sich zugleich eine geeignete Lösung für das damals diskutierte Problem der Strafbarkeitslücken bei Mitwirkungshandlungen, weil die „Notwendigkeitstheorie“ solche Beteiligungsformen, in denen eine unentbehrliche Zusammenschaltung zwischen den verschiedenen Verhaltensweisen vorlag, als Mittäterschaft betrachtete. Gegen die „Notwendigkeitslehre“ werden dennoch verschiedene Einwände geltend gemacht, von denen hier nur die wichtigsten dargestellt werden können. Zunächst ist festzustellen, dass der Begriff „notwendige Kausalität“ oder „kausale Notwendigkeit“ im Rahmen einer echten normativen Beteiligungslehre keinen Beitrag zur Unterscheidung zwischen Täterschaft – unmittelbare, mittelbare und (Mit-)Täterschaft – und Teilnahme – Anstiftung und Beihilfe – leistet166: Denn einerseits ist es bei vielen Fallkonstellationen (etwa bei den Unterlassungsdelikten) unmöglich, eine „kausale Notwendigkeit“ zwischen dem Täterhandeln und der Tatbestandsherbeiführung festzustellen; andererseits können alle Erscheinungsformen der Täterschaft und Teilnahme ohne bzw. mit Vorliegen der „notwendigen Kausalität“ begründet werden. Der Grund dafür liegt darin, dass weder der Täter immer eine „notwendige kausalen Mitwirkung“ leisten müsse167, noch der Teilnehmer verpflichtet sei, sich an einem Delikt immer mit einem „schwächeren kausalen Beitrag“ zu beteiligen. Über die objektiv-materielle „Gleichzeitigkeitstheorie“ kann man einerseits sagen, dass die erstmals durch diese Theorie entwickelte Tatherrschaftskategorie als zentrales Unterscheidungskriterium zwischen Täterschaft und Teilnahme noch heute wesentlicher Anhaltspunkt der herrschenden Beteiligungslehre ist. Beispielsweise werden die von der „Gleichzeitigkeitstheorie“ als Teilnahme eingeordneten hilfe165 166 167

Siehe hierfür Gallas, Gutachten, S. 128; Maurach, AT, 2. Aufl., S. 492, 517. Dafür sprechen Roxin, TuT, 10. Aufl., § 8, S. 45 f. Roxin, TuT, 10. Aufl., § 8, S. 46.

§ 2 Theoretische Grundlagen der Beteiligungssysteme

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leistenden Handlungen während der Vorbereitungsphase durch die aktuelle Tatherrschaftslehre als Beihilfe beurteilt. Gleichfalls betrachtet die gegenwärtige Strafrechtsdogmatik die im Ausführungsstadium der Straftat stattfindenden wesentlichen Mitwirkungen als Mittäterschaft, welche durch die „Gleichheitstheorie“ ebenfalls als täterschaftliche Beteiligung beurteilt wurden. Letztlich entscheidet sich im deutschen und spanischen StGB die Strafbarkeit der Täterschaft heutzutage – ebenso wie bei der „Gleichzeitigkeitstheorie“ – in der Ausführungsphase des Verbrechens (vgl. unten § 3 B.III.; § 3 C.). Andererseits kann die Gleichzeitigkeitstheorie die Strafbarkeitslücken bei der mittelbaren Täterschaft nicht überwinden, denn der Hintermann wurde aus dem Kreis der Beteiligten ausgeschlossen, wenn er die Straftat durch die Instrumentalisierung eines vorsatzlosen Handelnden beging. Daneben führte die Gleichzeitigkeitslehre zu schweren Problemen materieller Ungerechtigkeit, da sie aufgrund der Gleichbehandlung aller bei der Durchführungsstufe der Straftat mitwirkenden Handlungen keine normativ-teleologische Unterscheidung zwischen den verschiedenen Verhaltensweisen ermöglichte, die während der Tatbestandsausführung stattfanden: Alle an der Straftatausführung Beteiligten wurden ohne nähere Begründung als Täter betrachtet. Demzufolge ist die Gleichheitstheorie ein ungeeignetes generelles Kriterium zur Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme. Hinsichtlich der subjektiven normativ-kausalen Theorien kommen insbesondere zwei wichtige Einwände im Betracht. Die subjektive normativ-kausale „Über- und Unterordnungstheorie“ kann als eine Vorreiterin der Tatherrschaftslehre betrachtet werden, denn die damaligen Begriffe „Überordnung“, „Gleichwertigkeit mehrerer Mitbeteiligungen“ und „Unterordnung“ entsprechen den aktuellen Kategorien „Tatherrschaft“, „Mitherrschaft“ (funktionelle Tatherrschaft) bzw. „Teilnahme“. Jedoch ist es zweifellos so, dass die rein kausalen Erscheinungsformen der Überordnung – weder die Alleinherrschaft noch die bloße Mitherrschaft – die Strafbarkeitserfordernisse der unmittelbaren und mittelbaren Täterschaft (§ 25 StGB) nicht erfüllen. Ebenso erreicht die bloße Unterordnung nicht die Voraussetzungen der Teilnahme (§§ 26, 27 und 28 StGB). Dies ist von besonderer Relevanz im Bereich der Sonderpflichtdelikte, bei denen die Täterschaft und die Teilnahme nicht über die Herrschaftsausübung (Überordnung) bzw. Herrschaftsabwesenheit (Unterordnung) begründet werden. Gegen die Subjektive normativ-kausale „Tatherrschaftstheorie“ wird ihrerseits eingewendet, dass sie wegen des Rückgriffs auf die „direkte“ und „indirekte“, „physische“ und „psychische“ Kausalität zur Bestimmung der Zugehörigkeit der Tatherrschaft sowohl zu einer unklaren Erläuterung der mittelbaren Täterschaft als auch zu einer unbefriedigenden Differenzierung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe führt, welche eine gefährliche Rechtsunsicherheit auslösen kann. Aber neben dieser negativen Betrachtung findet sich auch die positive Berücksichtigung ihres Beitrags zur Entwicklung der aktuellen Beteiligungslehre. So konstituiert der von ihr formulierte subjektive Herrschaftsbegriff das zentrale Täterschaftskriterium der fi-

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

nalen ontologischen Tatherrschaftslehre (unten § 2 C.IV.), welche vor allem von Welzel, Gallas und Jescheck entwickelt wurde. Gleichfalls geht von ihren Überlegungen über die Teilnahme eine wesentliche Überlegung der aktuellen Tatherrschaftslehre aus, die lautet, dass Teilnahme Beteiligung an fremdem Unrecht sei (unten § 4 B.I.1.a); § 4 B.III.1.a)).

C. Der Ontologische Realismus als Stützpfeiler der Neubegründung des Strafrechtssystems und der Strafrechtswissenschaft in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts I. Methodologischer Ausgangspunkt Mit dem Niedergang des neukantianischen Erkenntnisparadigmas im Verlauf der Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts wurde im Bereich der Natur- und Kulturwissenschaften ein anderes epistemologisches Modell gesucht, um die Realität zu erfassen, die sich daraus ergebenden wissenschaftlichen Begriffe zu bilden und wissenschaftliche Erkenntnis zu gewinnen. Dieses als „ontologisch-rationalistischer Realismus“ oder „rationalistischer Ontologismus“168 bezeichnete neue epistemologische Paradigma ordnete den Erkenntnisgewinn und die Begriffsbildung der Naturund Kulturwissenschaften den „ontologisch-rationalen Kategorien“ unter. Daraus leitete sich zuerst die Frage ab, ob eine den Erkenntnisgegenstand konstituierende Wirklichkeit unabhängig vom menschlichen Verstand existiert oder dagegen die Existenz einer solchen Realität vom Erkenntnisvermögen des Menschen abhängig ist. Im Gegensatz zu den idealistischen Erkenntnistheorien, nach denen die Erscheinung der Weltwirklichkeit vorrangig und ursprünglich durch die menschliche Vernunft konstruiert wird, vertritt der „ontologische Realismus“ die These, dass eine denkunabhängige Realität vorliegt, welche als Substanz der Erkenntnis betrachtet wird. Sodann sei die Erkenntnis im Gegensatz zum idealistischen Denken weder eine durch die menschliche Vernunft unabhängig vom Sein konstruierte aprioristische Schöpfung, noch in Gegenüberstellung zu den Empiristen eine Abbildung der in der Natur bestehenden Materie. Die Erkenntnis sei für den „ontologischen Realismus“ nämlich eine Synthese von „sein“ und „sollen“, eine Synthese der dynamischen Wechselwirkung von „Bezugsobjekt“ und beobachtendem „Subjekt“, d. h. eine Synthese der Wechselwirkung zwischen der Einwirkung des Seienden auf die Vernunft des Menschen und der Rückwirkung des Menschen auf einen solchen 168

Diese Erkenntnistheorie wurde in verschiedenen Zeiträumen der Philosophiegeschichte entwickelt: im Altertum befassen sich mit ihr vor allem Aristoteles und Parmenides; im Verlauf des Hochmittelalters wurde der aristotelische Ontologismus von Thomas von Aquin übernommen; zum Beginn der Neuzeit entwickelte Pufendorf den Ontologismus weiter; im 20. Jahrhundert ist der von Nikolai Hartmann und Heidegger weiterentwickelte Ontologismus hervorzuheben. Zu dieser Entwicklung siehe Eickhoff, Ontologismus und Realismus, S. 163 ff.; Hartmann, Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis, 2. Aufl., S. 16 ff., 22 ff.; Heidegger, Sein und Zeit, insbesondere § 5 (S. 15 ff.), § 7 (27 ff.).

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Reiz169. Deswegen postuliert der „ontologische Realismus“, dass die Erkenntnis im linguistischen Sinne nichts anderes als Prädikat des Subjekts (nämlich des Seienden oder Bezugsobjekts) sei. Mit einfachen Worten sei die Erkenntnis, was das beobachtende Subjekt über das Bezugsobjekt (Sein) beschreibt und nicht, was das Subjekt unabhängig vom Sein (Bezugsobjekt) erschafft170. Methodologisch ist der „ontologischen Realismus“ durch die Anwendung der vereinigten (synthetischen) Methode zum Erkenntnisgewinn charakterisiert. Diese Methode wurde etwa von Descartes, Galilei171, Newton172 usw. entwickelt und fusioniert die durch den Empirismus geschaffene induktive Betrachtungsweise mit den durch den reinen Rationalismus formulierten deduktiven Axiomen173. Die Vereinigung dieser zwei Betrachtungsweisen konstituiert die „synthetische“ oder „dualistische Methode“, welche die Besonderheiten der Phänomene und die besonderen Erkenntnisse einer Wissenschaft aus einem einzigen obersten Prinzip heraus systematisch aufbaut174. Ausgangspunkt dieses neuen methodologischen Paradigmas war (ist) die Bewertung des interaktiven Verhältnisses zwischen Bezugsobjekt (Sein) und Beobachter (Subjekt) als ausschließliche und ausschließende Bestandteile der Quelle aller Erkenntnis. Aus dieser Sicht – wie bereits erwähnt – wirkt das unveränderbare Sein auf die Sinne und den Verstand des Menschen ein und auf diese Weise kann es vom Mensch durch seine Vernunft und mit Hilfe seiner Sinne in der Form sprachlicher Bilder erfasst werden175. Diese semantischen Ausdrücke seien demzufolge Symbole, Zeichen oder Eindrücke des menschlichen Geistes, welche die vernünftige Dekodierung der dialektischen Wechselwirkung zwischen der Objektsform und dem Bewusstsein des Subjekts verkörpern, sodass sie Sprache und Spracherwerb Bestandteile der Erkenntnis seien.

II. Der Gegenstand des Strafrechts zwischen „Sein“ und „Sollen“ Die vom „ontologischen Realismus“ formulierte Erkenntnistheorie wurde in der (Straf-)Rechtswissenschaft von dem sogenannten „finalistischen Verbrechenssystem“ übernommen. D. h. die finalistischen Strafrechtstheoretiker – im Anschluss an die ontologisch-erkenntnistheoretischen Gesichtspunkte von Aristoteles176, Des169

So Aristoteles, Die Kategorien, Reclam, 1998. Vgl. Hartmann, Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis, 2. Aufl. S. 1; Knittermeyer, Zur Metaphysik der Erkenntnis, 2. Aufl., S. 525 ff.; Friedemann, Nicolai Hartmanns „Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis“, S. 64 f. 171 Hierfür siehe Bubert, Kreative Gegensätze, S. 459. 172 Dazu vgl. De Angelis, Von Newton zu Haller, 2003. 173 Eine eindeutige Erklärung der synthetischen Methode findet sich in Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, S. 13 ff. 174 Dazu Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, S. 14 f. 175 Vgl. Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, S. 17. 176 Siehe Welzel, Naturrecht und materielle Gerechtigkeit, S. 29 ff. 170

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

cartes177, Pufendorf178, Nicolai Hartmann179, usw. – bildeten die (Straf-)Rechtsbegriffe nach der Betrachtung phänomenologisch-ontologischer Kategorien, welche ein vorrechtliches Wesen oder ontisches Substrat darstellen180. So postuliert der Finalismus, im Gegensatz zum reinen rationalistischen Seins- oder Naturzustandsbegriff von Thomas Hobbes und in Übereinstimmung mit einer historischen Seinsoder Unordnungsdefinition Heideggers und Carl Schmitts181: „Das Sein hat vom Ursprung an Ordnung und Gestalt in sich und bekommt diese nicht erst von irrealen Formen geborgt; und ebenso steht das Gemeinschaftsdasein des Menschen in ursprünglichen Ordnungen und Bedingungen, die nicht erst durch umformende theoretische Begriffsbildungsakte an ein ungestaltetes Dasein herangetragen werden.“ Demensprechend seien die (Straf-)Rechtsbegriffe „keine methodologischen Umformungen eines amorphen Materials, sondern Deskriptionen eines gestalteten ontischen Seins“182, denn die Rechtsbegriffe sowie alles Erkennen sei für den Finalismus – wie bei Nikolai Hartmann – „nicht ein Erschaffen, Erzeugen oder Hervorbringen des Gegenstands, sondern ein Erfassen von Etwas, das auch vor aller Erkenntnis und unabhängig von ihr vorhanden ist“183. Daraus ergebe sich, dass der Erkenntnisgegenstand nicht durch die Methode bestimmt werde, sondern dass sich umgekehrt die Methode wesensnotwendig nach dem Gegenstand als dem ontischen Seinsstück richten müsse, das es zu erforschen gelte184. Dieser ontologische Ausganspunkt führte den Finalismus zunächst zur Entpolitisierung oder Neutralität der (Straf-)Rechtswissenschaft, denn die (Straf-)Rechtsdogmatik wurde von der kriminalpolitischen Ideologie des Gesetzgebers getrennt185, sodass der Aufbau des positiven Strafrechts und die theoretische Begründung des Verbrechenssystems als ausschließliche und ausschließende Aufgaben der Kriminalpolitik bzw. Strafrechtwissenschaft betrachtet wurden. Aufgabe des positiven Strafrechtssystems sei nämlich der Schutz sozialethischer Grundwerte des Gemeinschaftslebens186. Im Unterschied dazu sei Funktion der Strafrechtswissenschaft die prädikative Beschreibung oder das deskriptive Prädikat des im natürlichen bestehenden Sosein, welches vom Gesetzgeber ohne Umformung in das Gesetz auf-

177

Uehleke, Der Rationalismus von Descartes, 2014. Dazu Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, S. 18 – 30, 84 ff. 179 Vgl. dazu Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, S. 36; LK-Schünemann, § 25, Rn. 39 (Fn. 54); Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 75 (Fn. 55); ders., Maurach-FS, S. 7. 180 Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 62. 181 Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 74. 182 Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 74. 183 Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 75. 184 Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 50. 185 Vgl. insbesondere Welzel, Maurach-FS, S. 5. Darüber hinaus siehe hierfür Hassemer, Strafrechtswissenschaft, S. 21 ff.; Maurach, Schmidt-FS, 301 ff.; Pawlik, Lebendiges und Totes, S. 5. 186 Welzel, Das Deutsche Strafrecht, S. 5; vgl. auch Pawlik, Lebendiges und Totes, S. 49. 178

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genommen wird187. Ebenfalls – im Anschluss an das Wesen und auf die Aufgabe der Strafrechtswissenschaft – wurde die (straf-)rechtliche Erkenntnis als „deskriptive Begriffe“ oder „begriffliche Deskriptionen“ der sachlogischen Seinsstrukturen verstanden, deren Bildung zwar nicht von den im Gesetz festgestellten kriminalpolitischen Zwecken abhängt, aber die sich nicht nur auf wertfreie Seinsmerkmale, sondern auch auf konkrete Wertbeziehungen eines stehenden seienden Seins beziehe188. Mit anderen Worten sei die (straf-)rechtliche Erkenntnis keine rein intellektuelle Schaffung des (Straf-)Rechtstheoretikers, sondern eine emotional-werterfühlende Erkenntniseinstellung von dessen Wesensstruktur, d. h. die Haltung des konkreten (Straf-)Rechtswissenschaftlers gegenüber der durch den Gesetzgeber erfassten ontischen Welt189. Aus diesem Verständnis von Strafrechtswissenschaft und Kriminalpolitik durch den Finalismus ergeben sich zwei allgemeine Schlussfolgerungen zur methodologischen Vorgehensweise und zum Wissensbegriff, welche die Bausteine des Aufbaus seiner Verbrechens- und Beteiligungslehre sind: Erstens greift der Finalismus auf die durch ihr „ontologisch-axiologisches“ oder „real-normatives“ Wesen gekennzeichnete „synthetische Methode“190 zurück, um die Verbrechenslehre – und somit die Beteiligungslehre – zu erreichen. Zweitens ist die (straf-)rechtliche Erkenntnis im Anschluss an die angewendete Methode weder bloße Abbildung des Seins, noch rein vernünftige Schöpfung oder methodologische Umformung der amorphen Materie; hingegen ist die (straf-)rechtliche Erkenntnis – wie alles Erkennen – eine Synthese der dialektischen Wechselwirkung von „Sein“ und „Sollen“, nämlich eine Synthese der Interaktion zwischen ontischen Phänomenen einerseits und gesellschaftlichen Werten andererseits. Diese Stellungnahme des Finalismus zur Erkenntnisgewinnung und zum Erkenntniswesen spiegelt sich in der Konstruktion seines Verbrechens- und Beteiligungssystems wider.

III. Konsequenzen der angewendeten Methode für den Aufbau der Verbrechenslehre Die sich aus der beschriebenen wesensmäßigen Seinsbezogenheit der (Straf-) Rechtsdogmatik ergebende erste Konsequenz ist ein Umstrukturierung des Ver-

187

Vgl. Welzel, Abhandlungen zum Strafrecht und zur Rechtsphilosophie, S. 284. Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 75. In Spanien vertreten diese These u. a: Cerezo Mir, Curso de Derecho penal español, Bände I, II, III; Gracia Martín, El actuar en lugar de otro, Bände I, II; ders., Fundamentos de dogmática penal, 2006; Hernández Plasencia, La autoría mediata, 1996; Rueda Martín, Delitos especiales de dominio, 2010; ders., La teoría de la imputación objetiva, 2001. 189 Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 75. 190 Auf diese Weise Gracia Martín, El horizonte del finalismo, S. 42 f.; ders., El finalismo como método, S. 95 ff. 188

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brechenssystems191. Die deutsche Strafrechtswissenschaft war die Vorreiterin der revolutionären Umwandlung der zweiteiligen Verbrechenseinteilung in eine dreiteilige Einstufung, welche die Struktur des Verbrechens in Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld gliederte. Zentrum dieser Neueinstufung war die Bewertung der final-ontologischen Struktur der menschlichen Handlung192, die sich einerseits – im Sinne der aristotelischen zwecktätigen „Seinskategorien“193 – auf die sachlogischen Strukturgesetze des menschlichen Seins gründet und andererseits als vom Menschen nach gedanklicher Antizipation und Mittelauswahl zur Erreichung eines bestimmten Ziels beschlossene Steuerung eines Kausalverlaufes definiert wurde194. Mit anderen Worten wurde die menschliche Handlung durch den Finalismus nicht mehr als blinder Kausalverlauf definiert, sondern – so wie bei Aristoteles jeder Gegenstand auf jeder Stufe des Seins seinen eigenen spezifischen Zweck hat195 – als ein sich in einem äußeren objektiven Geschehen ausdrückender finaler Willensakt196. Die Stellung der finalen Handlung im Gravitationszentrum der neuen Einordnung der Verbrechenskategorien führte die deutschen Verfechter des Finalismus197 dahin, die Verbrechenslehre auf ontologische Kategorien des Seins aufzubauen – nämlich auf ein System von sachlogischen Handlungsstrukturen. Mehr noch band dieses neue Handlungsverständnis auch den Gesetzgeber, die sachlogischen Grundstrukturen der menschlichen Handlung in den Gebots- und Verbotsnormen der jeweiligen strafrechtlichen Tatbestände umzusetzen198, d. h. die „Normen können nur ein zwecktätiges Verhalten gebieten oder verbieten“199. Diese Ontologisierung der Gesetzgebung und Strafrechtsdogmatik implizierte sowohl die final-ontologische Errichtung der Verbrechenslehre als auch die Berücksichtigung des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit als strukturelle Bestandteile des Tatbestands. Daher mussten diese von der Schuld in den Tatbestand verschoben werden, da aus Sicht des Finalismus der finale Wille und die Verletzung der Sorgfaltspflicht – welche die sachlogische Gestalt der Handlung konstituieren – die vom Gesetzgeber festgestellten subjektive Tatbe191

So Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 77. Schünemann, El sistema moderno, S. 55; Sanchez-Ostiz, El Derecho penal entre la filosofía, S. 262. 193 Welzel, Naturrecht und materielle Gerechtigkeit, S. 29 f. 194 Siehe Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 79 f., 83; ders., Das neue Bild des Strafrechtssystems, S. 2; Feijóo Sánchez, ADPCP 2014, 96. 195 Welzel, Naturrecht und materielle Gerechtigkeit, S. 30; Hirsch, Acerca de la crítica al finalismo, S. 8. 196 Siehe Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 78. 197 Neben Welzels Werke befinden sich die systematischen Lehrbücher von Jescheck/ Weigend, AT, 5. Aufl., 1996; Maurach/Gössel/Zipf, AT I, II, 7. Aufl., 1989; Stratenwerth/ Kuhlen, AT I, 6. Aufl., 2011. 198 Vgl. Welzel, Abhandlungen, S. 285. In der spanischen Strafrechtswissenschaft siehe Cerezo Mir, Eser-FS, S. 102. 199 Welzel, Das neue Bild des Strafrechtssystems, S. 5. 192

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standselemente der Vorsatz- bzw. Fahrlässigkeitsdelikte sind200. Anders ausgedrückt: Was der Gesetzgeber als begründende Elemente des strafrechtlichen Tatbestandes formuliere, seien nicht mehr und nicht weniger als die Erfassung der sachlogischen Strukturen des ontologischen Wesens des Menschen201, nämlich die subjektive und objektive Gestalt der menschlichen Handlung. Diese Umformulierung der Verbrechensstrukturen führte den Finalismus im Vergleich zu früheren Systemen der Verbrechenslehre sowohl zu einer wesentlichen normativen Objektivierung der Schuld202 als auch zu einer normativen Subjektivierung des Strafunrechts203. In der spanischsprachigen Strafrechtswissenschaft wurde die finalistische Neusystematisierung der Verbrechenslehre zum ersten Mal von Rodríguez Muñoz204 eingeführt. Wenige Jahre später begann Cerezo Mir205 die große Unternehmung einer systematischen Weiterentwicklung des finalen Strafrechtssystems seines Lehrers Hans Welzel. Parallel stellte Cordoba Roda206 die finale Handlungslehre im Hinblick auf Maurachs Auslegung dar. In der aktuellen spanischen Strafrechtswissenschaft stechen insbesondere die systematische Weiterentwicklung der „finalen Verbrechenslehre“ von Cuello Contreras207, Gracia Martín208, Hernández Plasencia209, Rueda Martín210 etc. hervor. Methodologisch gehen die spanischen Finalisten – ebenso wie die deutschen Gleichgesinnten – von der Betrachtung des finalen Handlungsbegriffs als Zentrum der Konstruktion des positiven Strafrechts und der theoretischen Begründung des Verbrechenssystems aus. Denn aus ihrer Sicht – wie bei Stratenwerth211 – impliziert die Anerkennung des bindenden Charakters der sachlogischen Strukturen der finalen Handlung das Verständnis vom Menschen als freies Wesen, nämlich als ein verantwortliches Subjekt212. 200

Vgl. Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 78. Vgl. Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 84. 202 Eine Darstellung der finalistischen Normativierung des Schuldbegriffs in der spanischen Strafrechtswissenschaft steht in Feijóo Sánchez, ADPCP 2014, 96. 203 Cerezo Mir, Eser-FS, S. 104. 204 Rodríguez Muñoz, La doctrina de la acción finalista, in: ADPCP 1953, 207 ff. 205 Cerezo Mir, ZStW 71 (1959), 144 ff.; ders., ZStW 84 (1972), 1033 ff.; ders., Curso de Derecho penal español. Parte General, tomos I, II, III; ders., Eser-FS, 2005, S. 101 ff.; ders., ZIS 5 (2009), 212 ff.; ders., RDPC 12 (2003), 45 ff.; ders., ADPCP 1961, 66 ff.; ders., ADPCP 1959, 561 ff.; ders., RGLJ 1961, 72 ff. 206 Córdoba Roda, El conocimiento de la antijuridicidad en la teoría del delito, 2. Aufl., Montevideo 2014; ders., Una nueva concepción del delito, Barcelona 1963. 207 Cuello Contreras, PG, 3. Aufl. 2002 (Band II, 2009). 208 Gracia Martín, Fundamentos, 2005; ders., El horizonte del finalismo, S. 41 – 88; ders., RECPC 6 (2004), 95 ff. 209 Hernández Plasencia, La autoría mediata, 1996. 210 Rueda Martín, La teoría de la imputación objetiva, 2001. 211 Siehe Stratenwerth, Das rechtstheoretische Problem der „Natur der Sache“, S. 13 ff. 212 Vgl. Cerezo Mir, ZIS 5 (2009), 214; Gracia Martín, El horizonte del finalismo, S. 46; Welzel, Introducción a la filosofía del derecho, S. 9. 201

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

Darauf gründete sich die damals durch die deutsche und spanische Strafrechtswissenschaft verwirklichte Umformulierung der Verbrechenskategorien. Beispiele dafür sind: a) die Neukonzeption wesentlicher Strafrechtsbegriffe (etwa die Aktion als finale Steuerung einer tatbestandmäßigen Erfolgsverwirklichung und nicht als bloßer blinder Kausalverlauf, die Unterlassung als finale Nichtverwirklichung, die Täterschaft als finale Tatherrschaft, usw.)213, b) die Umstrukturierung des Straftatbestandes mit neuen Elementen (mit dem Vorsatz bei dolosen Delikten und mit der Verletzung der Sorgfaltspflicht bei den Fahrlässigkeitsdelikten214), c) die Erschöpfung der Begründung des Strafunrechts mit dem aus einer ex anteSicht bestimmten bloßen Verhaltensunwert215, d) die Neugestaltung der Rechtswidrigkeit und Rechtfertigungsgründe216 und e) die Umformulierung und Normativierung des Schuldinhalts217.

IV. Konsequenzen der angewendeten Methode für die Konstruktion des Beteiligungssystems 1. Konsequenzen der angewendeten Methode für das aus dem klassischen Finalismus errichtete Beteiligungssystem Die Vollendung und der Prüfstein des finalistisch-ontologischen Verbrechensaufbaus ist – wie Welzel selbst sagte218 – die Täterschafts- und Teilnahmelehre. Im Anschluss an die Beteiligungslehre Pufendorfs219, deren Begründung in der ihrerseits auf der bewussten und wollenden Handlung des Menschen errichteten Imputationstheorie lag, postulieren die deutschen Vertreter des Finalismus, dass die strukturelle Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme nicht durch die Überprüfung des Gesetzeszwecks, sondern durch den Rückgriff auf die dem 213

Vgl. Cerezo Mir, ZIS 5 (2009), 216. Siehe Feijóo Sánchez, Lebendiges und Totes, S. 183; ders., ADPCP 2014, 97. 215 Siehe Lesch, JA 2001, 189; Cuello Contreras, PG, S. 768 f., 785 ff., 1007 f. 216 Vgl. Huerta Tocildo, Sobre el contenido de la antijuridicidad, S. 17 ff.; Luzón Peña, Curso de Derecho penal, PG I, S. 331. 217 Vertreten die von Welzel entwickelte Schuldtheorie: Cerezo Mir, ZStW 108 (1996), S. 9 ff.; ders., ZStW 71 (1959), 136 ff.; ders., Kaufmann-FS, S. 473 ff.; Cuello Contreras, PG, S. 1033 f., 1080, 1094, 1097 f.; Diez Ripollés, JZ 1984, 561; Gracia Martín, AP 18 (1994), 378; Huerta Tocildo, Sobre el contenido de la antijuridicidad, S. 131 ff., 145 ff.; Maqueda Abreu, CPC 31 (1987), 260 f.; Romeo Casabona, ADPCP 1981, 761 ff. 218 Welzel, ZStW 58 (1939), 537. 219 Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, S. 92. 214

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Rechtssystem vorgelagerte Ordnung ontologischer Strukturen der finalen Handlung innerhalb der sozialen Welt bestimmt werden soll220. In gleicher Weise sind die spanischen Finalisten der Meinung, dass die Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme nicht durch die Auslegung irgendeines gesetzlichen Begriffes, sondern von dem auf einer ontischen vorjuristischen Ebene entwickelten Handlungsbegriff abgeleitet werde221. Hierfür führen die Verfechter des Finalismus in Deutschland und Spanien zweierlei ins Feld: Zum einen könne der Gesetzgeber – und daher das positive Gesetz – die in der Handlung der Beteiligten bestehenden ontologischen Grundstrukturen nicht ändern222, denn sie seien nicht Produkte des Willens des Gesetzgebers, sondern reale Erscheinungsformen des vorgegebenen Gemeinschaftsdaseins223. Daher solle der Gesetzgeber die Täterschafts- und Teilnahmeformen in Bezug auf das finale Handeln der Menschen festlegen224. Zum anderen äußern sich die sachlogischen Grundstrukturen des finalen Handelns der an der Straftatausführung beteiligten Subjekte entweder in Form der Tatherrschaft über die Tatbestandsverwirklichung oder darin, einem anderen (ohne Tatherrschaft) Hilfe zur Tatbestandsherbeiführung zu leisten. Daraus folge, dass die Lehre der Täterschaftsund Teilnahmedifferenzierung im Wesentlichen eine „Seinsfrage“ sei225 und sie daher nach den zwei bereits genannten ontologischen Ausdrucksformender finalen Handlung bestimmt werden solle. Ausgehend davon hat der Finalismus die Täterschaft und Teilnahme bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten in unterschiedlicher Weise begriffen. Bei den Vorsatzdelikten definiert der von Welzel angeführte Finalismus die Täterschaft als „umfassendste Form finaler Tatherrschaft“226 oder als „finale Herrschaft über die Tat“227. Diese Definition der Täterschaft rührt daher, dass die Strafrechtskategorie der „Täterschaft“ nur eine sprachliche Bezeichnung der phänomenologischen Äußerung sachlogischer Grundstrukturen der finalen Handlung sei. Sei die finale Handlung die von einem Menschen nach gedanklicher Antizipation und Mittelauswahl zur Erreichung eines bestimmten Zwecks geplante Beherrschung eines Kausalverlaufes, so sei die Täterschaft nach diesem Verständnis des Finalismus die bloße prädikative Erfassung der finalen „Herrschaft über den Grund des Erfol220

Vgl. LK-Schünemann, § 25, Rn. 38; Welzel, ZStW 58 (1939), 539. Siehe hierfür Bacigalupo Zapater, La noción de autor en el Código Penal, S. 43 ff., 53 ff.; Cordoba Roda, Anmerkungen, S. 310, Fn. 3; Gracia Martín, El horizonte del finalismo, S. 48. 222 In der deutschen Strafrechtsdogmatik siehe zwischen anderen Seelmann, Lebendiges und Totes, S. 10; Welzel, Abhandlungen, S. 285. Innerhalb der spanischen Finalisten vgl. Cerezo Mir, Eser-FS, S. 102. 223 Vgl. Welzel, ZStW 58 (1939), 540. 224 Siehe Cerezo Mir, Eser-FS, S. 102. 225 Vgl. Murmann, Lebendiges und Totes, S. 121. 226 Welzel, ZStW 58 (1939), 539. 227 Welzel, Das deutsche Strafrecht, S. 100. 221

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ges“228. Deswegen sei der finale Täter – nämlich der vorsätzliche Täter – „Herr über seinen Entschluss und dessen Durchführung und damit Herr über seine Tat, die er in seinem Dasein und Sosein zweckbewusst gestaltet … Der Täter ist der Herr über die Tat, indem er Herr über den Entschluss und dessen Durchführung ist“229. Nach Schünemanns und Chens Auffassung normiert der Gesetzgeber im Strafgesetzbuch ausgehend vom Erkennen der unterschiedlichen Erscheinungsformen ontologischer Herrschaft des Menschen über sein eigenes Verhalten vier Deliktskategorien („Begehungs-Gemeindelikte“, „unechte Unterlassungsdelikte“, „Sonderdelikte“ und „eigenhändige Delikte“230), bei denen sich die Begründung der Täterschaft auf das Universalprinzip „Herrschaft über den Grund des Erfolges“231 stützt. So wäre die „Beherrschung der eigenen Körperbewegung“ das begründende Kriterium der Täterstellung232 bei den Begehungs-Gemeindelikten, da eine solche Herrschaft über das Verhalten besteht, das der Verwirklichung des tatbestandsmäßigen Erfolges zugrunde liegt. Bei den „Garantensonderdelikten“ und „unechten Unterlassungsdelikten“ – wegen ihrer gleichartigen Strukturen233 – äußere sich die „Tatherrschaftsbeziehung über den Grund des Erfolges“ in zwei gleichartigen Formen: einerseits als „Herrschaft über die Hilflosigkeit des Rechtsguts (also des Objektes)“ (mit den einzelnen Garantenstellungen der Lebensgemeinschaft und Obhutsübernahme)234 und andererseits235 als „Herrschaft über eine wesentliche Erfolgsursache“ (mit den einzelnen Garantenstellungen der Verpflichteten und der Herrschaft über gefährliche Personen oder Verrichtungen einschließlich der Geschäftsherrenhaltung). Bei eigenhändigem Strafunrecht trete die Herrschaft über den Grund des tatbestandsmäßigen Erfolgs in gleicher Weise wie in der unmittelbaren Täterschaft der „Begehungs-Gemeindelikte“ auf, d. h. in der Herrschaft über die eigene Körperbewegung“236. Die zu den Vorsatzdelikten formulierte finale Täterschaftslehre wurde von wichtigen deutschen und spanischen Strafrechtstheoretikern weiterentwickelt. Im Bereich der deutschen Finalisten befinden sich vor allem die Auffassungen von Gallas, Grünwald237, Jescheck/Weigend238, Lange, Maurach239, Schünemann240 und 228

Siehe Schünemann, Grund und Grenzen der unechten Unterlassungsdelikte, S. 235 f.; ders., Unternehmenskriminalität, S. 84 f. 229 Welzel, ZStW 58 (1939), 539; ders., Das deutsche Strafrecht, S. 99 f. 230 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 39. 231 LK-Schünemann, § 25, Rn. 39; ders., Roxin-FS, 2001, S. 3. 232 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 39. 233 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 42. 234 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 41. 235 A. a. O. 236 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 45, 48. 237 Vgl. Samson, Grünwald-FS, S. 585 ff. 238 Überall Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl. 239 Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, 7. Aufl., § 47, Rn. 85 ff.

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Stratenwerth241. In der spanischen Strafrechtswissenschaft von großer Bedeutung sind die unter dem Einfluss des Finalismus entstandenen Ansichten zur Täterschaft und Teilnahme von Bacigalupo Zapater242, Cerezo Mir243, Cuello Contreras, Gómez Benítez244, Luzón Peña245, Maqueda Abreu246, Mir Puig247, Silva Sánchez248 und insbesondere die monographischen Untersuchungen von Díaz y García Conlledo249, Gracia Martín250, Hernández Plasencia251, Rueda Martín252 etc. Im Gegensatz zum Täter sei der Teilnehmer dagegen nicht Herr über die Tat: Der Anstifter und der Gehilfe hätten zwar auch eine gewisse Tatherrschaft, aber nur eine solche über ihre Beteiligung. Anders gesagt zeige sich die ontologische Struktur der finalen Teilnehmerhandlung in der Beteiligung an der Straftat ohne Tatherrschaft über die Tatbestandverwirklichung. Mit Welzels Worten: „Der Anstifter regt zwar die fremde Tat an und der Gehilfe unterstützt sie, aber die finale Herrschaft über sie, die Herrschaft über den Entschluss und seine reale Durchführung hat allein der Täter“253. Infolgedessen liege der Strafgrund der Teilnahme darin, dass sie sowohl durch das Hervorrufen des Entschlusses als auch durch die Hilfeleistung zur Verwirklichung einer strafrechtlich-relevanten Hauptstraftat ein „sozial-ethisches unerträgliches Geschehen“ verwirkliche254. Davon leitet sich ein wesentliches Merkmal der auf dem Finalismus beruhenden Teilnahme ab: ihre limitierte akzessorische Natur. Demnach setzt die Strafbarkeit der Teilnahme einerseits das Vorliegen einer vom Haupttäter verwirklichten Straftat voraus, die zumindest „tatbestandmäßig“ und „rechtswidrig“ sein muss. Die Abwesenheit einer Hauptstraftat des Täters bedeutet somit die Straflosigkeit der Teilnahme. Darauf gründet sich der Aphorismus: „Die Teilnahme ist nur Beteiligung an fremder Tat“255. Dennoch soll die Teilnahme unabhängig von der Schuld des Täters 240

Schünemann, GA 1986, 327 ff.; ders., Unternehmenskriminalität, 1979; ders., Grund und Grenzen der unechten Unterlassungsdelikte, S. 235 f. 241 Stratenwerth/Kuhlen, AT I, 5. Aufl., Rn. 15 ff. 242 Bacigalupo Zapater, La noción de autor, S. 45 ff. 243 Cerezo Mir, Problemas fundamentales, S. 167 ff. 244 Gómez Benítez, ADPCP 1984, 103 ff. 245 Luzón Peña, ADPCP 1989, 894 ff. 246 Maqueda Abreu, Los delitos de propia mano, S. 21. 247 Mir Puig, PG, S. 395 ff. 248 Silva Sánchez, ADPCP 1989, 459. 249 Díaz y García Conlledo, La autoría, S. 639 ff. 250 Gracia Martín, El actuar en lugar de otro, Bände I, II. 251 Hernández Plasencia, La autoría mediata, S. 63. 252 Rueda Martín, ¿Participación por omisión?, 2013; ders., Delitos especiales de dominio; ders., RDPC 8 (2001), 139 ff. 253 Welzel, ZStW 58 (1939), 539. 254 Welzel, Das Deutsche Strafrecht, § 16, S. 112. 255 Vgl. Welzel, ZStW 58 (1939), 539.

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strafbar sein, weil sich die ontologischen Kernelemente des finalen Verhaltens (Vorsatz und Fahrlässigkeit), welche das Täter- und Teilnehmerunrecht begründen, nicht in der Schuld, sondern im Strafunrecht äußern. Bei den Fahrlässigkeitsdelikten gibt es zwei unterschiedliche Ansichten bezüglich der Täterschaft: Auf der einen Seite begreift die ursprüngliche finalistische These einerseits die fahrlässige Täterschaft als Verletzung der im Verkehr geltenden Sorgfaltspflicht und postuliert andererseits die strafrechtliche Gleichwertigkeit aller Mitwirkungen an der Sorgfaltspflichtverletzung. Sodann, im Gegensatz zu den Vorsatzdelikten, gäbe es bei den Fahrlässigkeitsdelikten keinen Unterschied zwischen Täterschaft und Teilnahme256, denn jede Art der Mitursächlichkeit an der unvorsätzlichen Erfolgsherbeiführung wird aufgrund der Gleichwertigkeit aller Mitwirkungen als Täterschaft betrachtet257. Als Grund dafür wird angesehen, dass es keine Möglichkeit gebe, jedes sorgfaltswidrige (vorsatzlose) Verhalten unabhängig von seinem Gewicht für die Verwirklichung des Tatbestandes als Erscheinungsformen der Teilnahme zu betrachten, da „Bestimmen“ und „Hilfeleisten“ finale Begriffe seien258. Demnach gäbe es bei Fahrlässigkeitsdelikten weder fahrlässige Anstiftung noch fahrlässige Beihilfe, sondern nur Täterschaft259. Auf diese Weise sei Täter einer fahrlässigen Straftat jeder, der unter Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfaltspflicht dazu beitrage, den Tatbestand zu verwirklichen260. Auf der anderen Seite steht die Ansicht, die die Täterschaft bei den Fahrlässigkeitsdelikten mit der finalen Tatherrschaft begründet. Diese in Deutschland von Bloy261, Maurach/Gössel/Zipf262, Meyer263, Schumann264, Stratenwerth265 und in Spanien von Luzón Pena266 sowie Díaz y García Conlledo267 entwickelte Auffassung definiert die fahrlässige Täterschaft als „finale Beherrschbarkeit“ eines freien Subjekts über den den tatbestandmäßigen Erfolg verursachenden Kausalverlauf268. Finale Beherrschbarkeit bedeute, dass das handelnde Subjekt ex ante mittels der Erfüllung oder Nichterfüllung der Sorgfaltspflicht die Möglichkeit habe, die Ver256

Siehe Welzel, ZStW 58 (1939), 539; ders., Das deutsche Strafrecht, S. 99. Welzel, ZStW 58 (1939), 538 f. 258 Welzel, ZStW 58 (1939), 539; vgl. dazu auch Murmann, Welzels Beteiligungslehre, S. 132 (insb. Fn. 32). 259 So Welzel, Das deutsche Strafrecht, S. 99; ders., ZStW 58 (1939), 540. 260 Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 61, S. 655. 261 Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus, S. 142, 145. 262 Maurach/Gössel/Zipf, AT, S. 251. 263 Meyer, Ausschluss der Autonomie, S. 67. 264 Schumann, Selbstverantwortung, S. 111. 265 Vgl. Stratenwerth, AT, Rn. 149. 266 Luzón Peña, Derecho penal de la circulación, S. 80, 95; ders., ADPCP 1989, 894 ff. 267 Díaz y García Conlledo, La autoría, S. 631 – 696. 268 Vgl. Stratenwerth, AT, Rn. 149. 257

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meidung bzw. Verwirklichung des strafrechtlich relevanten Erfolgs zu beherrschen. Denn der fahrlässig Handelnde habe zwar keine vorsätzliche Herrschaft über den nachträglichen fahrlässigen Erfolg, aber er besitze die Herrschaft über die finale Handlung269, d. h. die Herrschaft über den Grund des Erfolges. Aus diesem Grund stütze sich die Täterschaft bei den Fahrlässigkeitsdelikten auf die „potenzielle Tatherrschaft“270. 2. Konsequenzen der angewendeten Methode für das aus einer modernen offenen finalistischen Perspektive aufgebaute Beteiligungssystem Innerhalb dieses hier als offenes ontologisches Beteiligungssystem bezeichneten Täterschafts- und Teilnahmeparadigmas sind alle dogmatischen Auffassungen verortet, in denen sich ein un- oder mittelbarer methodologischer Einfluss des ontologischen Realismus widerspiegelt. So werden in diesem Beteiligungsparadigma u. a. die subjektive Auffassung von Haas271, das Modell der „Zurechnungstypen“ von Bloy272, das ganzheitliche Beteiligungsmodell von Klesczewski273 und Schmidhäuser274, das an Verhaltensnormen quantitativer Natur orientierte offene Beteiligungssystem von Stein275 und insbesondere das ontologische offene Beteiligungsmodell von Orosco276 eingeordnet. a) Die juridische Bedeutung des materiellen Ausdrucks des Verhaltens der Beteiligten als Eckpfeiler des Beteiligungssystems Ähnlich dem klassischen Finalismus baut das offene ontologische Beteiligungssystem die Begründung und Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme auf der Anwendung der synkretistischen Methode und der Bewertung ontologischer Kategorien auf. Methodologisch greifen die Verfechter dieses Beteiligungsparadigmas auf die Einigkeit von Seins- und Sollenskategorien als angemessene Betrachtungsweise für die Errichtung des Beteiligungssystems zurück. Genauer gesagt sei eine geeignete und überzeugende Konstruktion der Beteiligungslehre nur aus der Anwendung einer synkretistischen Methode möglich, die zwischen einer unsystematischen Topik und 269

So Otto, Grundkurs, S. 277. Vgl. Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT, S. 251. 271 Haas, ZStW 119 (2007), 519 ff.; ders., Theorie der Tatherrschaft, 2008. 272 Bloy, Zurechnungstypus, S. 313. 273 Klesczewski, Selbständigkeit der Beteiligung, S. 154 ff. 274 Schmidhäuser, AT, 2. Aufl., § 14, Rn. 152 ff., 156 ff.; ders., Studienbuch, 2. Aufl., § 10, Rn. 163 ff. 275 Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 50 ff. 276 Orosco López, Beteiligung an Machtapparaten, S. 237 ff., 246 ff., 293 ff. 270

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einer streng axiomatisch-deduktiven Systematisierung277, zwischen einer individualistischen und einer kollektivistischen Perspektive278, zwischen einem qualitativen und einem quantitativen Ansatz, zwischen einem abstrakt-allgemeinen und einem konkreten Begriff279 einen Mittelweg zu nehmen habe. So sei diese synkretistische methologische Betrachtungsweise in der Lage, die Besonderheiten und ontologischen Strukturelemente der deliktischen Beteiligung tatsächlich und vollständig zum Ausdruck zu bringen und somit die unterschiedlichen Beteiligungsformen angemessen zu begründen und zu differenzieren. Inhaltlich drückt sich der Rückgriff auf die Bewertung der Seinskategorien sowohl in der Begründung und Struktur der Verantwortlichkeit der Tatbeteiligten (erste Analysestufe) als auch in der Unterscheidung zwischen den verschiedenen Beteiligungsformen (zweite Prüfungsstufe) aus. Zugunsten der Begründung und Differenzierung der verschiedenen Beteiligungsformen anhand ontologischer Elemente werden drei Argumente vorgebracht. Erstens seien der strafrechtliche Inhalt und die Grundlage des Strafunrechts mit der phänotypischen Äußerung des vorsätzlichen (finalen) Verhaltens verbunden; zweitens sei die Straftat als Ausdruck der gemeinsamen vorsätzlichen (finalen) Handlungen jedes der Mitwirkenden ein Werk aller Beteiligten; drittens sei die phänotypische Ausprägung des vorsätzlichen (finalen) Verhaltens im Sinne der zwei vorangegangenen Argumente der Grundstein des gesamten Strafrechtssystems und daher auch Eckpfeiler der Begründung deliktischer Beteiligung und der Differenzierung von Täterschaft und Teilnahme. Ausgehend von den bereits genannten Prämissen wurden die Begründung des Beteiligungssystems und die Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme auf zwei Ebenen aufgebaut: Auf der ersten Ebene wird die Verantwortung der Beteiligten begründet; auf der zweiten Ebene wird die Unterscheidung der Beteiligungsformen verwirklicht. b) Begründung der Verantwortung aller Beteiligungsformen (erste Ebene) Auf der ersten Ebene erfolgt die Begründung der gemeinsamen Verantwortung oder Mitverantwortung der Mitwirkenden. Mit anderen Worten wird im ersten Moment die Frage beantwortet, warum jeder der Beteiligten für die Deliktsverwirklichung verantwortlich ist oder warum jedem der Mitwirkenden die Verbrechensausführung zugerechnet wird. Die Antwort auf diese Frage sei mit dem wechselseitigen Zusammenwirken dreier ontologischer Elemente verknüpft: Die freie Mitwirkung jedes Beteiligten, das von Beteiligten verfolgte gemeinsame deliktische Ziel und die Materialisierung der freien Mitwirkung sowie des gemeinsamen deliktischen Ziels in einem konkreten arbeitsteiligen Beitrag zur Deliktsherbeiführung. 277

Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 56 ff. Orosco López, Beteiligung an Machtapparaten, S. 291. 279 Vgl. Klesczewski, Selbständigkeit der Beteiligung, S. 154 ff.; Schmidhäuser, Studienbuch, § 10, Rn. 163 ff. 278

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Die freiverantwortliche Mitwirkung als eine der ontologischen Voraussetzungen der Begründung der Verantwortung der Beteiligten bedeutet, dass das kriminelle Zusammenwirken aller Beteiligten Ausdruck der Ausübung ihrer Organisationsfähigkeit und Organisationsfreiheit ist (oder sein muss). Dafür gebe es zwei Gründe: Einerseits stünden freie fehlerhafte Freiheitsausübung und Strafverantwortung in einem untrennbaren Zusammenhang280 ; andererseits seien die Verhältnisse zwischen den Beteiligten an einer Straftatausführung, wie alle Handlungen strafrechtlicher Relevanz, Beziehungen zwischen frei verantwortlichen Personen281. Im Übrigen bedeute eine solche freiverantwortliche Mitwirkung an der Straftatausführung jedoch nicht, dass zwischen den Beteiligten keine Abhängigkeitsverhältnisse bestünden oder dass einige der Mitwirkenden von anderen beeinflusst würden282. Freiverantwortliche Mitwirkung nach dem analysierten Beteiligungsmodell bedeute nur, dass die an der Straftatherbeiführung mitwirkenden Subjekte fehler- und zwangsfrei handeln. Das gemeinsame deliktische Ziel der Beteiligten wird als konstitutives Element der Begründung der Verantwortung der Mitwirkenden angesehen, da der vom Subjekt verfolgte kriminelle Zweck nach der dargestellten theoretischen Perspektive eine grundlegende Rolle bei der Auslegung des Verhaltens der Beteiligten und damit bei der Bestimmung seiner strafrechtlichen Bedeutung spiele. Der objektiv zu bewertende gemeinsame Zweck ermögliche nämlich die Feststellung zweier Dinge: Erstens, dass bei einer Beteiligung an der Deliktsherbeiführung die Beiträge jedes der Mitwirkenden objektiv untrennbar mit dem durch einen anderen vorgenommenen Ausführungsverhalten verbunden sind283 ; zweitens, dass sich die Beteiligten nicht von dem sich aus der Deliktsdurchführung herleitenden Strafunwert distanzieren können, da der eigentliche Grund der Verbindung ihrer Handlungen ein gemeinsames Gesamtstraftatprojekt sei284 und daher die strafrechtliche Relevanz solcher Beiträge durch den gemeinsamen Zweck bestimmt werde285. Folglich führe die Bewertung solcher Elemente dazu, den Mitwirkenden die von einem anderen selbstverantwortlichen Subjekt durchgeführten Ausführungshandlungen zuzurech280

In diesem Sinne siehe aus einer allgemeinen Perspektive u. a. Heidbrink, Autonomie und Lebenskunst, S. 270 ff.; Mohr, Welche Freiheit braucht das Strafrecht?, S. 72 f.; Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, S. 219 f.; Prinz, Willensfreiheit als soziale Institution, S. 53 f., 61 ff.; Ströker, Mitverantwortung, S. 9, 11; Zaczyk, Strafrechtliches Unrecht, S. 19 f., 23 f. 281 Zur Erklärung freiverantwortlicher Handlung als Voraussetzung der Verantwortung aller Beteiligungsformen vgl. u. a. Hruschka, ZStW 110 (1998), 584; Orosco López, Beteiligung an Machtapparaten, S. 150 ff., 317; Zürcher, Legitimation von Strafe, S. 121 ff. 282 Im Gegenteil ist es möglich, dass im Rahmen freier Wechselwirkungsverhältnisse Fallkonstellationen vorliegen, in denen einer der Mitwirkenden Druck auf einen anderen ausübt, sodass das unter Druck stehende Subjekt in Ausnahmefällen in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Druck ausübenden Mitwirkende steht, ohne es jedoch von seiner Strafverantwortung befreien zu können. 283 Orosco López, Beteiligung an Machtapparaten, S. 268. 284 In diesem Sinne Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 132, 148 ff., 159, 233; Orosco López, Beteiligung an Machtapparaten, S. 256, 269. 285 Lesch, Das Problem der sukzessiven Beihilfe, S. 190.

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nen. Auf diese Weise sei ein Beteiligter an der Verwirklichung einer Straftat für diese Straftat mitverantwortlich, wenn seine Mitwirkung auf die Verfolgung eines gemeinsamen deliktischen Zwecks gerichtet sei. So sei die Verfolgung eines gemeinsamen deliktischen Ziels das Element, das die Zurechnung fremden vollverantwortlichen Ausführungsverhaltens als eigenes legitimiere286. Die Äußerung der freien Organisation und des gemeinsamen deliktischen Zwecks der Beteiligten in der arbeitsteiligen Ausführung einer tatsächlichen Straftat sei ihrerseits eine Forderung des demokratischen Strafrechts, das bloße intellektuelle Vorstellungen oder psychologische Begehren, die in der internen Sphäre des Subjekts verbleiben, nicht kriminalisiert, sondern nur konkrete Verhaltensweisen mit sozialer Relevanz, die sich in der sozialen Welt nur durch die Externalisierung der Organisationsfreiheit und der verfolgten Ziele ausdrückten. Bei der deliktischen Beteiligung werden die freie Organisation und der gemeinsame kriminelle Zweck der Beteiligten objektiv externalisiert und haben daher nur dann strafrechtliche Relevanz, wenn die gemeinsame Straftat arbeitsteilig ausgeführt wird, entweder in ihrer Ausführungs- oder in ihrer Vollendungsphase. Ausgehend vom Vorstehenden kommen die Vertreter des analysierten Beteiligungsmodells zu zwei Schlussfolgerungen: Einerseits wird den an der Deliktsausführung mitwirkenden Personen, die keines der konstitutiven Tatbestandselemente selbst oder nur einen Teil davon ausführen, die Mitverantwortung für die Straftatausführung zugerechnet287, wenn ihrer Mitwirkung die Bedeutung zukommt, dass sie mit den Ausführungshandlungen ihrer freiverantwortlichen Tatgenossen zusammenhängt, was nach der dargestellten Auffassung nur dann vorliegt, wenn die Beteiligten mittels einer freien Ausübung ihrer Freiheitsorganisation ein gemeinsames deliktisches Ziel verfolgen, welches in der Vornahme eines Delikts besteht288. Andererseits ist die Grundlage der Strafverantwortung bei allen strafrechtlichen Beteiligungsformen, d. h. bei der Mittäterschaft, Anstiftung und Beihilfe, dieselbe289, nämlich quantitativer und nicht qualitativer Natur. Aus diesem Grund sind alle an einer Straftat beteiligten Mitwirkenden, unabhängig von dem quantitativen Ausmaß ihres individuellen Beitrags, für ein und dasselbe Objekt, nämlich für dieselbe Gesamtstraftat, (mit-)verantwortlich290.

286

Orosco López, Beteiligung an Machtapparaten, S. 292. Eine ausführliche Erläuterung der Bedeutung der Beziehung zwischen den Beteiligten an der Ausführung einer Straftat und der daraus resultierenden Strafhaftung findet sich u. a. in Aichele, ARSP 126 (2011), S. 34, 51. 288 Orosco López, Beteiligung an Machtapparaten, S. 294. 289 In diesem Sinne Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 263 ff.; ders., FS-Lüderssen, S. 525 ff.; Frister, FS-Dencker, S. 131. 290 Orosco López, Beteiligung an Machtapparaten, S. 294. 287

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c) Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme (zweite Ebene) Auf dieser Ebene findet die Differenzierung der Beteiligungsformen statt. Wie bereits erwähnt erfolgt diese Differenzierung der Beteiligungsformen – ebenso wie die Begründung der Verantwortungszuschreibung – auch anhand ontologischer Kategorien. Allerdings wird auf dieser Ebene nicht auf die Frage geantwortet, warum jemandem die Verantwortung zugeschrieben wird, der keines der Straftatelemente eigenhändig oder nur einen Teil davon ausführt hat, sondern vielmehr auf die Frage, wie (als Täter, Anstifter oder Gehilfe) jeder Mitwirkende für seinen Beitrag verantwortlich ist oder sein muss. In diesem Zusammenhang werden auf der zweiten Ebene die ontologischen Elemente nicht in Bezug auf den Verantwortungsgrund jedes Beteiligten für die Gesamtstraftat (was im ersten Moment stattfindet) bewertet, sondern in Bezug auf die Verantwortungsart für das materielle oder intellektuelle Quantum des Beitrags jedes Mitwirkenden zur Straftatausführung. Dies liege daran, dass in der gemeinsamen Ausführung einer Gesamtstraftat die Beiträge der Beteiligten quantitativ messbar seien und daher strafrechtlich graduiert und berücksichtigt werden müssten, um den Verantwortungsgrad jedes Mitbeteiligten zu bestimmen291. Im Rahmen dieser ontologischen Begründung und Strukturierung des Täter- und Teilnehmerunrechts besteht die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Beteiligungsformen sowohl in der Erfassung der unterschiedlichen quantitativen Verantwortungsgrade der Beteiligten an einem konkreten Strafunrecht als auch in der unterschiedlichen strafrechtlichen Bewertung solcher quantitativen Beteiligungsgrade zur Strafzumessung292. Solche unterschiedlichen phänomenologischen Intensitätsgrade der Mitwirkungen fassen sich aus Sicht des dargestellten Beteiligungsmodells in drei Arten (schwere, mittlere und leichte Tatprägung) zusammen, die jeweils einen unterschiedlichen Strafunwert enthalten und daher jeweils einem unterschiedlichen Strafmaß entsprechen. Diese drei phänotypischen Äußerungsformen der beteiligungsbezogenen Mitverantwortungsgrade entsprächen den vom Gesetzgeber als (Mit-)Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe geregelten Erscheinungsformen der Mitverantwortung293. D. h. die in den Strafgesetzbüchern geregelten Beteiligungsweisen seien – wie bei dem klassischen Finalismus – nur ein synthetisches Abbild der unterschiedlichen phänotypischen Ausdrucksformen, in denen sich das ontologische Wesen und die ontologische Struktur der Handlungen der an einer Straftat mitwirkenden Beteiligten äußere. In diesem Zusammenhang erfülle die Einordnung der Beteiligungsformen die Funktion, die unterschiedliche Beitrags- oder Unrechtsquanten jedes der Mitwirkenden im Moment der Strafzumessung widerzuspiegeln294, sodass die konkrete Strafe die unterschiedlichen quantitativen Intensitätsgrade der Beiträge der Personen reflektie291 Siehe hierfür Lübbe, Verantwortung, 139 ff.; Maring, Verantwortung, S. 120 ff.; Orosco López, Beteiligung an Machtapparaten, S. 295; Ströker, Mitverantwortung, S. 26 f. 292 In diesem Sinne Frisch, FS-Müller-Dietz, S. 247 f.; Jakobs, ZIS 11 (2009), 573. 293 Vgl. dazu Orosco López, Beteiligung an Machtapparaten, S. 344 f., 373. 294 Orosco López, Beteiligung an Machtapparaten, S. 293, 297, 313.

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ren295 könne, zu denen die Mitverantwortung für die Straftat zugerechnet werde. Daraus würden sich die folgenden Formeln zur Strafzumessung ergeben: (1) Je größer das quantitative Ausmaß des Beitrags, desto weiter der Strafrahmen und desto höher die konkrete Strafe; (2) Je leichter der Intensitätsgrad des Beitrags, desto geringer die abstrakte gesetzliche Strafe und desto niedriger das Ausmaß der konkreten Strafe. Dies führe zur folgenden Schlussfolgerung: (Mit-)Täter seien die Beteiligten, deren Beiträge quantitativ hoch seien und daher mit einer schweren Strafe sanktioniert werden müssten296 ; Anstifter seien die Mitwirkenden, deren Beiträge die Tat mittelmäßig prägten und somit mit einer nicht sehr schweren Strafe bestraft werden müssten; Gehilfen seien Beteiligten, deren Mitwirkungshandlungen eine geringe Bedeutung hätten und die folglich mit einer gemilderten Strafe bestraft werden müssten.

V. Kritische Würdigung Die Kritik an beiden Verbrechens- und Beteiligungssystemen, nämlich dem klassisch finalistischen Verbrechens- und Beteiligungssystem einerseits und dem modernen finalistischen Beteiligungsmodell andererseits, die aus der ontologischen realistischen Erkenntnistheorie aufgebaut wurden, ist einerseits methodologischer und andererseits strafrechtlicher Natur: Auf methodischer Ebene waren bzw. sind die ontologisch-finalistischen Verbrechens- und Beteiligungssysteme – insbesondere das klassische System –, wie bereits erläutert, eine Antwort auf die damals herrschende physisch-natürliche Strafrechtsdogmatik. Es ging dabei nicht darum, das Objekt der strafrechtlichen Beurteilung auf den bloßen naturalistischen Kausalprozess zu beschränken (wie bei dem kausal-naturalistischen Verbrechenssystem) oder auf die abstrakten metaphysischen Wertideen (wie bei der kausal-normativen Verbrechenslehre), sondern es aus der sozialen Realität abzuleiten. Dazu griffen bzw. greifen die finalistischen Verbrechens- und Beteiligungssysteme auf die Anwendung der synthetischen Methode zurück sowie auf die Beobachtung der dem Rechtssystem vorausgehenden ontologischen Strukturen und der von ihnen ausgehenden logisch-objektiven Kategorien. Im strafrechtsdogmatischen Bereich führte die von den finalistischen Verbrechens- bzw. Beteiligungsmodellen angewendete synthetische Methode zur Überwindung verschiedener von den kausalen Verbrechenssystemen nicht gelöster Hindernisse. Beispiele dafür sind die Umformulierungen der Verbrechens- und Beteiligungskategorien: In der Verbrechenslehre finden sich unter anderem: a) die überzeugende Begründung der dreigliedrigen Einstufung der Verbrechensstruktur, b) die Unterscheidung zwischen Strafunrecht und Schuld, welche die Berücksichtigung des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit als strukturelle Elemente des Tatbestands und ihre Übertragung von der Schuld auf den Tatbestand bedeutete, c) die Unter295 296

So u. a. Jakobs, FS-Lampe, S. 570 f.; ders., ZIS 11 (2009), 573; Lesch, JA 2000, 77. Orosco López, Beteiligung an Machtapparaten, S. 348.

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scheidung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, d) die Neubegründung des Versuches sowie e) die Weiterentwicklung der Normativierung des Schuldbegriffs. Im Bereich des Beteiligungssystems ist die Neubegründung der nach dem Tatherrschaftskriterium aufgebauten Täterschafts- und Teilnahmelehre hervorzuheben. Dies bedeutete einerseits einen Bruch mit dem empiristischen Kausalismus und dem idealistischen Teleologismus und andererseits einen großen Beitrag zur Entwicklung der gegenwärtigen Strafrechtswissenschaft, insbesondere zur Konstruktion der sowohl vom funktional-neuidealistischen als auch vom funktional-konstruktivistischen Verbrechenssystem her aufgebauten aktuellen Beteiligungslehre. Schließlich leisten die finalistischen Beteiligungsmodelle, vor allem die hier unter dem offenen ontologischen Beteiligungsparadigma eingestuften modernen finalistischen Sichtweisen, auch wertvolle Beiträge im Bereich der Täterschafts- und Teilnahmelehre. Zu diesen Beiträgen gehören etwa das freie Handeln der Mitwirkenden als ontologische Voraussetzung der Verantwortungsbegründung derer, die sich gemeinsam an der Verwirklichung einer Gesamtstraftat beteiligen; die strafrechtliche Verantwortlichkeit aller Mitwirkenden für dieselbe Straftat, nämlich für das Gesamtstrafunrecht; das Vorliegen der funktionellen Arbeitsverteilung nicht nur in der Mittäterschaft, sondern in allen Beteiligungsformen, nämlich in der sog. (Mit-)Täterschaft, in der Anstiftung und in der Beihilfe; die Berücksichtigung des Quantums des Beitrags jedes Mitwirkenden als Element der Strafzumessung. Trotz der genannten Beiträge wurden die finalistischen Beteiligungssysteme von der spanischen und deutschen Strafrechtswissenschaft scharf kritisiert. Einer der Hauptkritikpunkte, wenn nicht sogar der wichtigste, betrifft den methodologischen Ausgangspunkt. Auf dieser Ebene kommen alle Fragen in Betracht, die an die erkenntnistheoretische Strömung des ontologischen Realismus hinsichtlich der Betrachtung ontologischer Kategorien und Anwendung der synthetischen Methode zur Begründung seiner Anschauung auf den Erkenntnisbegriff, auf den Erkenntnisgenstand, auf die Möglichkeit zum Erkenntniszugriff und auf die Form des Erkenntnisgewinns gestellt wurden. Gegen die Berücksichtigung der Seinskategorien wird der Einwand erhoben, dass es nicht möglich sei, Wertkategorien mit ontologischen Elementen der Seinswelt zu konstruieren; d. h. es ist unmöglich, bewertende wissenschaftliche Erkenntnis aus ontologischen Kategorien zu erzeugen. Dies bedeutet, dass es im Bereich des Rechts nicht möglich ist, normative Kategorien – etwa die strafrechtlichen Zurechnungskategorien – aus ontologischen Seinskategorien herauszuarbeiten – etwa aus den logisch-objektiven Kategorien, die dem menschlichen Willen zugrunde liegen oder aus den unterschiedlichen phänotypischen Ausdrücken, in denen sich das menschliche Verhalten äußert. Die Kritik an der synthetischen Methode liegt darin, dass ein solches methodologisches Vorgehen streng genommen eine monistische Methode ontologischen Charakters ist, weil sie, soweit die soziokulturellen Institutionen aus ontologischen Kategorien konfiguriert sind, von den gesellschaftlichen Wertungen gelöst ist. In diesem Zusammenhang ist die synthetische Methode wertfrei und als solche ungeeignet, um die wertende so-

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ziale Wirklichkeit zu erfassen. Die geeignete Methode zur Interpretation der soziokulturellen Wirklichkeit ist teleologischer Natur. In direktem Zusammenhang mit der methodologischen Kritik stehen verschiedene dogmatische Einwände. Die Hauptkritik liegt zunächst im Gebiet des Unterlassens und der Fahrlässigkeit. In Bezug auf das Unterlassen wird angemerkt, dass die finalistischen Systeme nicht – zumindest nicht überzeugend – erklären können, wo dort die ontologische Herrschaft des Täters über die Tatbestandsverwirklichung liegt, welche das Strafunrecht des Täters stützt. Dies gründet sich darauf, dass der Täter keine tatsächliche, normativ nachweisbare Kontrolle oder ontologische Herrschaft über die Straftatherbeiführung hat, sondern nur eine Pflicht verletzt, die dem ontologischen Wesen der Tatherrschaft zuwiderläuft. Der Einwand gegen das Vorliegen der Tatherrschaft bei den Fahrlässigkeitsdelikten liegt in der eigenen Prämisse der zentralen Tatherrschaftsthese des Finalismus, nach der die Herrschaft über das Verhalten und daher die Herrschaft über die Tatbestandsherbeiführung in der finalen (vorsätzlichen) Handlung des Subjekts besteht. Aus Sicht der deutschen und spanischen Strafrechtswissenschaft würde genau das jedoch bei der Fahrlässigkeit fehlen, da das Subjekt in solchen Fallkonstellationen ohne tatbestandmäßige Absicht (Finalität) und folglich ohne Herrschaft über die Verwirklichung des Strafunrechts handelt. Ebenso wurde die Vorsatzlehre ernsthaft kritisiert. Gegen die finalistische Vorsatzlehre hat die Strafrechtsdogmatik in Deutschland und Spanien vorgebracht, dass der vom Finalismus entwickelte Vorsatzbegriff große Schwierigkeiten hat, den subjektiven Tatbestand der modernen und komplexen Delikte zu begründen. Grund dafür sei, dass der Inhalt des Vorsatzes nach einer normativen Sicht nicht mehr durch den psychologischen oder finalen Willen des Menschen, sondern durch die Kenntnis der Verwirklichung der objektiven Tatbestandselemente und der in diesem Wissen ausgeführten Handlung gebildet wird. D. h. es ist strafrechtlich irrelevant, was das Subjekt psychologisch will; entscheidend ist nur, was das Subjekt normativ kommuniziert. Ein Beispiel der Unfähigkeit des finalistischen Vorsatzbegriffs, konsistente und kohärente Antworten auf die komplexen Fallkonstellationen der modernen Kriminalität zu liefern, ist die Unternehmenskriminalität, weil der Vorsatz bei solchem Strafunrecht kein psychologisches, sondern ein normatives Element enthält, welches durch den Besitz von Spezialkenntnissen oder das Wissen über Firmeninterna konstituiert ist. Von besonderer Bedeutung sind die Kritiken an den ontologischen Kategorien gemeinsamer Mitbeteiligung und quantitativer Intensitätsgrade der Beiträge der Beteiligten, die von den aus der ontologischen Erkenntnistheorie konstruierten Beteiligungssystemen als einzige zentrale Elemente zur Begründung und Abgrenzung der Beteiligungsformen herangezogen werden. Solche theoretischen Perspektiven geraten in den bekannten naturalistischen Fehlschluss297, weil sie die 297 Dazu vgl. Hare, The Language of Morals, S. 80, 84; Mackie, Ethics; inventing right and wrong, 1977; Moore, Principia Ethica, Kapitel II, Rn. 25; Prior, Logic and the Basis of Ethics,

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natürlichen Eigenschaften (des „Seins“) mit den kulturellen Eigenschaften (des „Sollens“) gleichsetzen; denn die finalistischen Beteiligungssysteme – in gleicher Weise wie die naturalistischen Philosophen – homologieren die ontologischen Eigenschaften naturalistischer Natur (etwa die faktische Mitbeteiligung und das Quantum der Beiträge) mit den Kultureigenschaften (etwa die Begründung sowohl der Strafhaftung als auch der Verantwortungsart). Dies ist aus Sicht eines demokratischen Verfassungsstaates unzulässig, weil eine solche Gleichstellung die Annahme des Aufbaus von Verbotenem und Erlaubtem nach natürlichen Kategorien und nicht nach verfassungsrechtlichen Werten impliziert. Dies führt die Verfechter der finalistischen Systeme zur Formulierung einer falschen These298, nach der etwas strafrechtliche Gültigkeit hat, nur weil es eine natürliche Existenz hat, zum Beispiel die Behauptung, dass das sexuelle Vergnügen eine Natureigenschaft sei, die an sich unbeschränkt und gut sei; aus diesem Grund müsste eine Vergewaltigung als erlaubte (richtige) Handlung qualifiziert werden, weil sie lustvoll und damit gut und richtig sei. Folglich könne nach diesen Gesichtspunkten das strafrechtliche Bewusstsein der Gesellschaft die Vergewaltigung nicht als verbotene Handlung qualifizieren, weil die Gesellschaft diese natürlichen Tatsachen nicht leugnen könne; d. h. die Natur legt fest, was richtig und falsch, erlaubt und verboten ist299. Den gleichen Fehler begehen die analysierten Beteiligungsmodelle, wenn sie die strafrechtliche Zuschreibung und die Beteiligungsformen auf ontologische Kategorien wie die gemeinsame Mitherrschaft bzw. auf quantitative Beitragsgrade stützen. Zu Recht behauptet die deutsche und spanische Strafrechtswissenschaft, dass die (Mit-)Tatherrschaft und die quantitativen Intensitätsgrade der Mitwirkungen Natureigenschaften sind und als solche weder auf das positive Strafrecht noch auf die Strafrechtswissenschaft übertragen werden sollen. Dies bedeutet, dass solche ontologischen Kategorien weder begründen können, warum die Mitwirkenden an einer Straftat für die Ausführung des Strafunrechts verantwortlich sind, noch die Art der diesen Subjekten zugeschriebenen Zurechnung (Täterschaft oder Teilnahme). Grund dafür ist, dass die Grundlage sowohl der Zurechnung als auch des Zurechnungstitels nicht natürlicher, sondern kultureller, nicht wertfreier, sondern wertbezogener, nicht quantitativer, sondern qualitativer Natur ist. Denn hinter jeder strafrechtlichen Zurechnung steht immer eine normative Institution300, die erklärt und bestimmt, warum eine Person für die Herbeiführung eines Strafunrechts zuständig ist bzw. wann gegen sie eine Strafe verhängt werden muss. Wie unten301 ausführlich S. 95; Weatch, Rational man, S. 50. Eine ausführliche Erklärung des naturalistischen Fehlschlusses im Bereich des Rechts findet sich in Steffen, ARSP 94 (2008), S. 461 ff. 298 Auf philosophischem Gebiet steht Moore der These der naturalistischen Philosophen sehr kritisch gegenüber, die behauptet, dass „a thing it is good because it is natural, or bad because it is unnatural“, siehe hierfür Moore, Principia Ethica, Kapitel II, Rn. 29. 299 Mit Moores Worten: „Nature may be said to fix and decide what shall be good, just as she fixes and decides what shall exist“, vgl. Moore, Principia Ethica, Kapitel II, Rn. 27. 300 Cancio Meliá, El sistema funcionalista del Derecho Penal, p. 89. 301 Vgl. unten §§ 8 – 12.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

erklärt wird, stützt sich die Begründung der Strafverantwortung auf die Antwort der Frage, ob die Beteiligten gegen eine strafrechtliche Pflicht verstoßt haben. In ähnlicher Weise stützt sich die Differenzierung der Beteiligungsformen auf die Antwort der Frage, welche strafrechtliche Pflicht die Beteiligten verletzt haben. Schließlich verkörpern die Strafvorschriften, welche die Täterschaft und Teilnahme regeln – im Gegensatz zur Auffassung der finalistischen Beteiligungssysteme – keine ontologische, sondern eine normative Beteiligungstheorie. Darüber hinaus ist der Ansatz auch nicht zutreffend, nach dem der Verantwortungsgrundsatz für das eigene Strafunrecht, auf den sich die qualitativen Beteiligungstheorien gründen, um die Täterschaft und Teilnahme zu unterscheiden, die Strafhaftung aller Mitwirkenden für die Gesamtstraftat nicht ermögliche. Denn der Verantwortungsgrundsatz für das eigene Strafunrecht erlaube es nicht, jedem der Beteiligten die Gesamtstraftat zuzurechnen, wenn sie faktisch nur einen Teil der Straftat ausführen oder sich nicht an der Deliktsherbeiführung beteiligen. Gegenüber diesem Gesichtspunkt ist zu präzisieren, dass eine solche Auffassung nur dann sinnvoll ist, wenn der Verantwortungsgrundsatz für das eigene Strafunrecht als bloße quantitative oder ontologische Kategorie aufgefasst wird, wobei das genannte Prinzip mit der faktischen Mitwirkung – also mit der eigenhändigen Straftatausführung – gleichgesetzt wird. Eine solche Sichtweise ist jedoch irrig, weil das Verantwortungsprinzip für das eigene Strafunrecht qualitativ und nicht quantitativ, normativ und nicht ontologisch ist. In diesem Zusammenhang begründet der Verantwortungsgrundsatz für das eigene Strafunrecht – entgegen der kritisierten These – die Verantwortlichkeit jedes Beteiligten für die Gesamtstraftat, weil auf der normativen Ebene die Gesamtstraftat Werk jedes der Mitwirkenden ist, obwohl sie aus einer faktischen Sicht nur teilweise oder nicht beteiligt sind.

D. Der Neukantianismus und der Neuhegelianismus als Stützpfeiler der Strafrechtslehre in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts I. Methodologischer Ausgangspunkt Die Grundlage des kriminalpolitisch-funktionalistischen, zweckrationalen oder normativ-teleologischen Beteiligungssystems liegt in der Anwendung der wertbeziehenden Methode302 der Erkenntnistheorie, die sowohl durch den Neukantianismus303 als auch durch den Neuhegelianismus304 ausgehend von den „Seins- und Sol302 Siehe Roxin, TuT, 10. Aufl., § 5, 22 ff.; ders., AT I, § 7, Rn. 27, 28; Schneider, Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten?, S. 25 ff., 251 ff. 303 Zum Strafrechtsgedanke des Neukantianismus vgl. Lask, Philosophie, 1905; Mittasch, Auswirkungen, 1939; Radbruch, Rechtsphilosophie, 1956; Rickert, Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft, 1899; Schwinge, Teleologische Begriffsbildung, 1930; Windelband, Ge-

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lenskategorien“ formuliert wird. Das zweckrationale Beteiligungssystem geht auch von der Unterscheidung zwischen der Welt des „Seins“ und der Welt des „Sollens“ aus und akzeptiert daher das Bestehen der zum Erkenntnisgewinn im Bereich der Seins- oder Naturwissenschaften bzw. Sollens- oder Kulturwissenschaften angewendeten empiristisch-formallogischen und teleologischen Methoden. Aber trotz dieses ähnlichen methodologischen Ausgangspunkts verneint das zweckrationale Beteiligungssystem die Hauptthese des normativ-kausalen Beteiligungsmodells, nach der die strafrechtliche Erkenntnis und somit die (Straf-)Rechtsbegriffe – wie alle Erkenntnis und alle Begriffe der Kulturwissenschaften – reine durch die abstrakten „Wertvorstellungen“ oder metaphysischen „Wertideen“ geschaffene Kategorien sind305. Demgegenüber spiegelten die strafrechtliche Erkenntnis und daher die (Straf-)Rechtsbegriffe die in der sozialen Gesellschaft geltende „konkrete Wertwirklichkeit“ wider306. In Unterschied sowohl zum naturalistisch-kausalen als auch zum ontologischen Beteiligungsmodell postuliert das normativ-teleologische Beteiligungssystem, dass die Erkenntnis und die Begriffe der Geisteswissenschaften – und somit das rechtswissenschaftliche Wissen, die Bildung des (Straf-)Rechtssystems und der (Straf-) Rechtsbegriffe – weder eine reine Abbildung der in der Gesellschaft geschehenden faktischen Ereignisse307, noch bloße Beschreibung oder reines Prädikat der in der „Seinswelt“ bestehenden vorrechtlich-sachlogischen Strukturen oder ontischen Vorgegebenheiten seien308. Trotz dieser entgegengesetzten Standpunkte versucht das normativ-teleologische Beteiligungssystem in ähnlicher Weise wie der Ontologismus, die strafrechtswissenschaftliche Erkenntnis und alle (Straf-)Rechtsbegriffe in Bezug auf die soziale Realität zu bilden, da die geisteswissenschaftliche Erkenntnis und somit alle Kategorien und Begriffe der Strafrechtswissenschaft ein Produkt der kulturwissenschaftlichen Begriffsbildung seien309, die ihrerseits nach den konkreten Zielen einer bestimmten Gesellschaft festgelegt werden.

schichte und Naturwissenschaft, 5. Aufl., 1915. Zum Einfluss des Neukantianismus auf das normativ-teleologische Beteiligungssystem vgl. Roxin, AT I, § 7, Rn. 27. 304 Über die Rezeption der Hegelschen Rechtsphilosophie durch die neuhegelianische Rechtswissenschaft und die strafrechtlichen Implikationen des Neuhegelianismus siehe insbesondere Abegg, Untersuchungen aus dem Gebiete der Strafrechtswissenschaft, 1830; ders., Die verschiedenen Straftheorien, 1969; ders., System der Kriminal-Rechtswissenschaft, 1996; Berner, Lehrbuch, 1895; Köstlin, System des deutschen Strafrechts; Larenz, Methodenlehre, 3. Aufl., 1995; ders., Hegels Zurechnungslehre, 1927; Ramb, Strafbegründung, 2005. Bezüglich des Rückgriffs des normativ-teleologischen Beteiligungssystems auf die methodologische Betrachtungsweise des Neuhegelianismus siehe Roxin, AT I, § 7, S. 206, Rn. 28. 305 Siehe Roxin, TuT, 10. Aufl., § 5, S. 22 ff. 306 Roxin, Tatherrschaft, S. 8. 307 So Roxin, TuT, 10. Aufl., § 3, S. 9 f. 308 Roxin, AT I, § 7, Rn. 26. 309 Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 75; Roxin, TuT, 10. Aufl., § 5, S. 26; ders., AT I, 4. Aufl., § 7, Rn. 27.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

Ausgehend von diesen gegensätzlichen Bemerkungen strebt das zweckrationale oder funktionale (Straf-)Rechtssystem an, die methodologische Vorgehensweise des Neukantianismus, Neuhegelianismus und Ontologismus in einer Synthese der „Seins- und Sollenskategorien“ zusammenzuführen310, um die sich aus solchen monistischen Strafrechtssystemansätzen ableitenden Schwierigkeiten zu überwinden. Die Unentbehrlichkeit der Synthese des polarisierten Methodendualismus zwischen der teleologischen Vorgehensweise des Neukantianismus und Neuhegelianismus einerseits und der strukturerfassenden Methode des Ontologismus andererseits gründe sich darauf, dass sowohl der Bildungsvorgang des (Straf-)Rechtssystems als auch der (Straf-)Rechtsstoff selbst kein Ausdruck der einen oder der anderen einseitigen methodologische Denkrichtung – nämlich weder ein durch den Begriff und die Zweckbeziehung erst zu formendes gestaltloses Material, noch ein vorgegebener, in sich selbst sinnvoll gegliederter Bedeutungszusammenhang –, sondern ein synthetisches Konstrukt beider Methoden sei311. Deswegen sei die Integration beider methodologischen Vorgehensweisen im Vergleich zu anderen dogmatischen Zurechnungssystemen die bessere Möglichkeit zur Überwindung der sich aus den monistischen Beteiligungsmodellen ergebenden Probleme und damit zum Erreichen einer korrekten theoretischen Begründung des wissenschaftlichen (Straf-)Rechtssystems312. Diese Synthese beider Erkenntnistheorien in einem neuen methodologischen Paradigma der (Straf-)Rechtswissenschaft wird vom normativ-teleologischen Beteiligungssystem mittels einer Umorientierung der wertbeziehenden Zwecke der Strafrechtsbegriffe des Neukantianismus und des Neuhegelianismus sowie durch die Neubetrachtung der Seinskategorien des Ontologismus zu erreichen gesucht.

II. Neubegründung der Zwecke des Strafrechtssystems Die Neuorientierung der abstrakten Begründung der neukantianischen und neuhegelianischen (Straf-)Rechtsdogmatik, welche im Rahmen des normativ-kausalen (Straf-)Rechtssystems nach den metaphysischen Wertideen gebildet wird, findet bei dem normativ-teleologischen Beteiligungssystem auf einer konkret (straf-)rechtlichen Systematisierungsgrundlage statt313. So treten an die Stelle der abstrakten 310

Roxin, TuT, 10. Aufl., § 5, S. 22. Roxin, TuT, 10. Aufl., § 5, S. 22. 312 Vgl. dazu Roxin, Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, S. 10 f.; ders., TuT, 10. Aufl., § 5, S. 28. 313 Ausdruck dafür ist die Stellungnahme des Hauptvertreters (Roxin) des normativteleologischen Beteiligungssystems zur teleologischen Methode des Neukantianismus, der wörtlich sagt: „die wertbeziehende Methode des Neukantianismus, die in den Zwanzigerjahren zur Vorherrschaft kam, hätte von der normativen Seite her zu einem ganz neuen ,Bild des Strafrechtssystems‘ führen können, wenn man als Kriterium, auf das alle dogmatischen Erscheinungen zu beziehen gewesen wären, kriminalpolitische Leitentscheidungen gewählt 311

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Wertideen des Neukantianismus (etwa „Wert“ und „Wertentscheidungen“) und des Neuhegelianismus (z. B. „Wertvorstellungen“) konkrete kriminalpolitische Zielsetzungen der modernen Strafzwecklehre (Rechtsgüterschutz314, spezialpräventiver Resozialisierungszweck315, positiv generalpräventives Integrationsziel316, usw.), auf welche sich die (straf-)rechtliche Grundbegriffe und die Kategorien des Verbrechenssystems stützen. Die teilweise Weiterführung der erkenntnistheoretischen Methode des finalen Ontologismus äußert sich sowohl in der Neubewertung der in der sozialen Wirklichkeit bestehenden Kulturwerte317 als auch im Beibehalten der ontologischen Seinskategorien – etwa der Tatherrschaft318 – zur Neubegründung des positiven (Straf-)Rechtssystems und zur neuen Ausarbeitung der (Straf-)Rechtsdogmatik. Der Unterschied liegt darin, dass das normativ-teleologische Beteiligungssystem – wie beim Neukantianismus und Neuhegelianismus – die sachlogischen Seinsstrukturen des ontologischen Finalismus durch die kriminalpolitischen Zielsetzungen der Strafzwecke ersetzt319. Im Übrigen wendet sich das hier dargestellte Beteiligungsmodell zwar gegen die monistische Methode des Naturalismus, Neukantianismus und Ontologismus, es verzichtet aber nicht vollständig – sondern nur teilweise – auf die empirische und ontologische Begründung der (Straf-) Rechtsbegriffe320. Zugunsten der Einführung der am Rechtsgüterschutz und am Erreichen spezialund generalpräventiver Strafzwecke orientierten kriminalpolitischen Zielsetzungen sowohl in der Bildung des gesetzlichen (Straf-)Rechtssystems als auch in der Konstruktion der Strafrechtswissenschaft vertritt das normativ-teleologische Beteiligungssystem zwei Thesen. Erstens: Aufgabe des Strafrechts eines Verfashätte“, siehe hierfür wörtlich Roxin, Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, S. 12; vgl. darüber hinaus ders., AT I, § 7, Rn. 27. 314 Roxin, AT I, § 2, Rn. 7; ders., ZStW 116 (2004), 929 ff. 315 Roxin, AT I, § 7, Rn. 34. 316 Vgl. Roxin, AT I, 4. Aufl., § 3, Rn. 34, 36 ff. 317 Vgl. Roxin, ZStW 74 (1962), 548 f. 318 Trotz dieser Ähnlichkeiten unterscheiden sich solche Beteiligungssysteme grundsätzlich in diesem Punkt: Erstens stellen die sowohl durch das ontologische als auch durch das normativ-teleologische Beteiligungssystem als Zentralkern der Konstruktion der (Straf-) Rechtswissenschaft betrachteten kulturellen Grundwerte einen unterschiedlichen Inhalt dar, nämlich während die ontologische Beteiligungslehre den Kulturwerten eine sozialethische Natur gewährt, schreibt das kriminalpolitische Beteiligungssystem derselben kulturellen Grundwerten ein kriminalpolitisches Wesen zu. Zweitens benutzen das normativ-teleologische Beteiligungsmodell und das final-ontologische Beteiligungssystem eine synkretistisch-teleologische bzw. axiomatisch-deduktive Methode. Drittens verneint das kriminalpolitisch-teleologische Beteiligungssystem die durch die ontologische Beteiligungslehre formulierte Unterscheidung zwischen dem Objekt der Wertung und dem Vorgang der Wertung. Bezüglich dieser Unterschiede siehe Roxin, Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, S. 13; ebenso Schneider, Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten?, S. 33 f. 319 Roxin, ZStW 74 (1962), 549. 320 Schneider, Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten?, S. 252.

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sungsstaats sei sowohl der aus dem liberalen Rechtstaat stammende Schutz des Einzelnen vor Übergriffen anderer in seine Persönlichkeitssphäre321, der die funktionellen Bedingungen für die Verwirklichung der in Art. 2 Abs. 1 GG festgelegten freien Entfaltung der Persönlichkeit schafft, als auch der aus dem sozialen Rechtsstaat erwachsende Schutz der Gesellschaft gegenüber willkürlichen Angriffen eines Verbrechers322, da das Strafrecht auch ein „höchst bedeutsames Instrument des sozialen Friedens und der Sozialgestaltung“323 sei. Zweitens: Die Entwicklung einer „fruchtbaren (Straf-)Rechtsdogmatik wäre nur möglich, wenn sie ständig mit den wertbeziehenden Anforderungen der Kriminalpolitik des genannten Verfassungsstaats konfrontiert würde“324. Sodann dürften das positive (Straf-)Rechtssystem und die Strafrechtsdogmatik weder nach rein abstrakt-ethischen Werten noch nach bloßen sachlogischen Strukturen der Seinswelt, sondern im Sinne der vom Gesetzgeber getroffenen strafrechtlichen Wertentscheidungen des Verfassungsstaates (darunter etwa der Rechtsgüterschutz, die positive Generalprävention und die Resozialisierung des Verbrechers) bestimmt werden325. Daraus ist zu schließen, dass die für das kriminalpolitisch-funktionalistische Beteiligungssystem entwickelte synkretistisch-teleologische Methode eine praktische Anwendung erkenntnistheoretischer und rechtsphilosophischer Ansätze des Neukantianismus und Ontologismus zur Bildung des positiven (Straf-)Rechtssystems und zur Neubegründung der (Straf-)Rechtswissenschaft darstellt326. Denn sie richtet sich auf die Überwindung der vom Naturalismus, normativen Kausalismus und finalen Ontologismus formulierten Trennung zwischen Kriminalpolitik und Strafrechtsdogmatik und dadurch auf den Einlass der vom Gesetzgeber festgesetzten kriminalpolitischen Zielsetzungen sowohl in die Auslegung des geltenden positiven (Straf-)Rechts als auch in die Begründung der allgemeinen Verbrechenslehre327 328.

III. Konsequenzen der angewendeten Methode für den Aufbau der Verbrechenslehre Im Rahmen des Verbrechensaufbaus äußern sich die von den Vertretern des „zweckrationalen“ oder „funktionalen“ (Straf-)Rechtssystem seit Ende der 60er 321

Roxin, JuS 1966, 377 ff., 381 ff.; ders., AT I, § 2, Rn. 7. Vgl. dazu Roxin, ZStW 81 (1969), 613 ff.; ders., JA 1980, 546 ff.; ders., JA 1980, 221 ff. 323 Roxin, Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, S. 8. 324 Vgl. Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, S. 48; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 22. 325 Siehe Roxin, SchwZStrR 104 (1987), 356 f. D. h. weder darf das positive Strafrecht den Freiheitsraum des Einzelnen unter Strafe stellen, wenn sein Verhalten lediglich einfache Werte der Sittlichkeit aber kein Grundrechtsgut eines Dritten oder der Allgemeinheit verletzt, noch soll die Strafrechtswissenschaft ihre Begriffe nach sittlichen Vorstellungen bestimmen. 326 Roxin, Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, S. 10 f. 327 Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, S. 49; Roxin, Kriminalpolitik, S. 1 ff. 328 Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, S. 49; Roxin, Kriminalpolitik, S. 8. 322

§ 2 Theoretische Grundlagen der Beteiligungssysteme

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Jahre des 20. Jahrhunderts entwickelten Auswirkungen der strafrechtsteleologischen Methode insbesondere in der Inhaltsbildung der Kategorien der Verbrechenslehre. Strafrechtsbegriffe wie Handlung, Tatbestand, Unrecht, Verantwortlichkeit, usw. bilden ihren Inhalt aus Sicht der Befürworter dieses Strafrechtsverständnisses durch die dialektische Synthese von „Sein“ und „Sollen“329, welche in der Form kriminalpolitischer Zwecksetzungen sowohl in den generellen Zurechnungsregeln des Allgemeinen Teils als auch in den Tatbeständen des Besonderen Teils festgelegt werden. Zunächst konzipiert das kriminalpolitisch-zweckrationale (Straf-)Rechtssystem den Handlungsbegriff als Äußerung der menschlichen Persönlichkeit330. Es bedeutet, dass die Handlung nicht unter Berücksichtigung empirischer Kriterien – wie Kausalität, Willensverhalten oder Finalität –, sondern in Bezug auf die Identität eines Wertungsaspekts definiert wird, d. h. nach einer bewertend-rechtlichen Entscheidung. Daraus folge, dass die Handlung durch den Willen und das Bewusstsein der Person beherrscht wird oder beherrschbar ist, sodass der Täter vorsätzlich oder fahrlässig und durch Begehen oder Unterlassen handeln könne331. Aus dieser Definition und Charakterisierung ergäben sich drei dem Handlungsbegriff zuzuschreibende grundlegende Funktionen: a) die Lieferung eines Oberbegriffs, welcher sämtliche Erscheinungsformen strafbaren Verhaltens – etwa vorsätzliche und fahrlässige Taten, Begehungs- und Unterlassungsdelikte – erfassen könne332 ; b) die Verbindung verschiedener einzelnen Verbrechenskategorien und die Bildung des ganzen (Straf-)Rechtssystems333, sodass ein Verhalten als tatbestandmäßige, rechtswidrige, schuldhafte und strafbare Handlung angesehen werden könne; und c) die Abgrenzung zwischen Handlung und Nichthandlung334. Die Neuformulierung des Tatbestandsinhalts besteht in der Einführung der weit verbreiteten Theorie der objektiven Zurechnung in die Struktur des Tatbestands und somit in die Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit bei den Erfolgsdelikten. Im Gegensatz sowohl zu den klassischen und neoklassischen Verbrechenssystemen, bei denen die Erfüllung des Tatbestandes auf die Feststellung rein natürlich-objektiver Kausalität bzw. Ausführung subjektiv-psychologischer Tatbestandselemente reduziert wurde, als auch zum ontologisch-finalen Verbrechensmodell, das den Vorsatz und die Fahrlässigkeit zur Struktur der Tatbestandsmäßigkeit hinzufügte, schließt das zweckrationale Verbrechenssystem die strafrechtliche Zurechnung eines tatbestandmäßigen Erfolges an die normative Verwirklichung einer unter den Tatbestand zu subsumierenden unerlaubten Gefahr an335. Daraus folgt die 329 330 331 332 333 334 335

Roxin, Radbruch-FS, S. 262 f. Roxin, Radbruch-FS, S. 263 f. Roxin, AT I, § 8 C, Rn. 44. Roxin, AT I, § 8 A, Rn. 1. Roxin, AT I, § 8 A, Rn. 2. Roxin, AT I, § 8 C, Rn. 4. Roxin, ZStW 116 (2004), 931.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

Formulierung verschiedener Prinzipien oder normativer Regeln, die nach in den entsprechenden Tatbeständen enthaltenen kriminalpolitischen Zielsetzungen bestimmt werden, und deren An- oder Abwesenheit die objektive Zurechnung eines Strafunrechts begründet bzw. ausschließt. Zu diesen Prinzipien der objektiven Zurechnung (normative Tatbestandselemente) gehören die Schaffung eines unerlaubten Risikos336, die Verwirklichung des unerlaubten Risikos337 und die Reichweite des Straftatbestandes338. Die dritte Strafrechtsinstitution, deren Inhalt anhand der kriminalpolitischen Zielsetzungen gebildet wird, ist das Strafunrecht, welches wegen seiner Bestimmung gemäß den Bewertungskriterien der Erlaubheit oder Verbotenheit als „Verwirklichung eines unerlaubten Risikos innerhalb der Reichweite des Tatbestandes oder als unerlaubte Rechtsgüterverletzung oder Rechtsgütergefährdung“339 definiert wird. Mittels dieser Neubewertung verlasse das Strafunrecht seine vom Finalismus vertretenen neutrale Strafrechtsnatur und erhalte drei funktionelle Aufgaben, welche konkrete gegensätzliche Fallkonstellationen nach den kriminalpolitischen Wertenscheidungen lösen, wie den Schutz der Rechtsgüter und die positive Spezial- und Generalprävention. Die erste wesentliche kriminalpolitische Funktion des Strafunrechts äußere sich im Bewertungsurteil der in der Verletzung geschützter Rechtsgüter zusammentreffenden Interessenkonflikte, um die Notwehr (§ 32 StGB), die Rettung eines anderen (§ 904 BGB), das Festnahmerecht (§ 127 StPO) usw. zu begründen und daher das Bestehen eines Strafunrechts auszuschließen340. Die zweite bedeutsame kriminalpolitische Funktion des Strafunrechts bestehe in dem Anwendungsgrund sämtlicher Sicherheitsmaßnahmen, weil die Ausübung solcher sichernden Maßregeln durch den Staat das Vorliegen eines Strafunrechts – welches eine untragbare Sozialschädlichkeit darstellt – und eine fortdauernde Gefährlichkeit des Täters oder Teilnehmers fordere. Auf diese Funktion des Strafrechts gründen sich auch sowohl die Begünstigung (§ 257 StGB) als auch der Verbotsirrtum (§ 17). Schließlich liege die dritte kriminalpolitische Funktion des Strafunrechts in der Gewährleistung der Einheit und in der Widerspruchsfreiheit des gesamten Rechtssystems. Schließlich ist die Erneuerung der Schuld zu erwähnen, wobei neue Gesichtspunkte in ihre inhaltliche Struktur aufgenommen wurden. Das kriminalpolitische Verbrechenssystem fügt zum klassischen Schuldverständnis341 die spezial- und/oder 336

Roxin, Honig-FS, S. 136 ff. Roxin, Honig-FS, S. 138 ff. 338 Roxin, Honig-FS, S. 140 ff. 339 Roxin, ZStW 116 (2004), 932; ders., Radbruch-FS, S. 263. 340 Roxin, Henkel-FS, S. 175. 341 Das klassisch-normative Strafrechtsverständnis (Frank, „Über den Aufbau des Schuldbegriffs“, in: Juristische Fakultät-FS, S. 519 ff.) definiert die Schuld als „Vorwerfbarkeit eines durch Tun oder Unterlassen verwirklichenden verbotenen Verhaltens“. Sodann handelt der Täter schuldhaft, „wenn er ein strafrechtliches Unrecht verwirklicht, obwohl er in der konkreten Situation von der Appellwirkung der Norm (noch) erreicht werden konnte und eine 337

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generalpräventive Notwendigkeit der Strafsanktion als unentbehrlicher Bestandteil der Verhängung einer Strafe über einen Täter oder Teilnehmer hinzu342. Dies liege darin begründet, dass die klassische Schuldkategorie zwar eine unentbehrliche Voraussetzung, aber nicht in allen Fällen eine ausreichende Grundlage der Bestrafung sei343 : In Ausnahmefällen sei die Bestrafung eines Beteiligten trotz seiner schuldhaften Handlung nicht notwendig, weil eine solche Strafverhängung nicht zum Erreichen der vom Gesetzgeber festgelegten kriminalpolitischen Zwecke – weder Spezial- noch Generalprävention – beiträgt344. Ein Beispiel dafür sei der entschuldigende Notstand (§ 35 Abs. 1. Satz 1 StGB), bei dem der Gesetzgeber auf den Anspruch der Verhängung einer Strafe verzichtet, obwohl der Beteiligte schuldhaft – wenn auch mit verminderter Schuld – handelt345. Dies zeige deutlich, dass die Strafverhängung nicht nur von der Schuld, sondern auch von spezial- und/ oder generalpräventiver Bestrafungsnotwendigkeit abhängig sei. Dieser novellierte Schuldbegriff, welcher zur Bestrafung des Täters und Teilnehmers das Zusammentreffen sowohl der Schuld der Beteiligten als auch die aus dem Gesetz zu entnehmenden präventive Notwendigkeit strafrechtlicher Ahndung fordert346, wird durch das zweckrationale Verbrechenssystem als „Verantwortlichkeit“347 bezeichnet.

IV. Konsequenzen der angewendeten Methode für das Beteiligungssystem 1. Die gesetzgeberischen Formulierungen der Straftatbestände als Grundstein des Täterschafts- und Teilnahmesystems Die durch das zweckrationale oder funktionale (Straf-)Rechtssystem formulierte Synthese der erkenntnistheoretischen Methodologie des Neukantianismus, Neuhegelianismus und Ontologismus mittels einer Integration der „Seins- und Sollenskategorien“ äußert sich im Beteiligungssystem in einem neuen Unterscheidungsoder Begründungsparadigma der Täterschaft und Teilnahme, welches sich auf die Anerkennung des Vorliegens zweier unterschiedlicher Deliktsarten begründet. Diese hinreichende Fähigkeit zur Selbststeuerung besaß, so dass eine rechtmäßige Verhaltensalternative ihm psychisch zugänglich war.“, vgl. Roxin, AT I, § 19, Rn. 3. Zum Verständnis des normativen Schuldbegriffs vgl. auch Freudental, Schuld, S. 7; Goldschmidt, Der Notstand, S. 12 ff.; ders., Frank-FS, Band I, S. 442. 342 Roxin, AT I, § 19, Rn. 3; ders., Henkel-FS, S. 182 f. 343 Roxin, Henkel-FS, S. 183. 344 Roxin, AT I, § 19, Rn. 3; ders., Henkel-FS, S. 183. 345 Roxin, Henkel-FS, S. 184. 346 So Roxin, AT I, § 19, Rn. 3. 347 Zur detaillierten Erklärung der Kategorie „Verantwortlichkeit“ und zur Form, wie die wechselseitige Begrenzung zwischen den Schuldelementen und den Präventionserfordernissen eine verhältnismäßige Strafe über die Beteiligten an einem konkreten Fall begründen kann, vgl. Roxin, AT I, 4. Aufl., § 7E (Rn. 71 f.), § 19 (Rn. 3 ff.); ders., Henkel-FS, S. 183 – 197.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

Unterscheidung wird nämlich nach dem ontologischen Tatherrschaftskriterium und der normativen Rechtsfigur der Pflichtverletzung vorgenommen, die zur Differenzierung zwischen Täter- und Teilnehmerunrecht bei den Herrschafts- bzw. Pflichtdelikten anwendbar sind. Aus Sicht des kriminalpolitischen Funktionalismus haben die Pflichtdelikte im Vergleich zu den Herrschaftsdelikten eine besondere Natur, die eine wesentliche Rolle zur Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme spielt. Der entscheidende Unterschied zwischen den Pflicht- und Herrschaftsdelikten liegt gemäß dieser Lehre in zwei verschiedenen vom Gesetzgeber zur Erfüllung der Anforderungen des Gesetzlichkeitsprinzips (Art. 103 Abs. 2 GG) angewendeten Methoden348. So wird die Unterscheidung zwischen Herrschafts- und Pflichtdelikten wegen der zwei verschiedenen Formulierungen des strafrechtlichen Unrechts durch den jeweiligen gesetzlichen Tatbestand selbst bestimmt. Der Grund dafür bestehe in der teleologischen Orientierung des Gesetzgebers am jeweils erfassten Täterverhalten349. In diesem Sinne ergäbe sich die Verschiedenartigkeit der beiden Deliktkategorien aus der gesetzgeberischen Wertentscheidung bezüglich des Verhaltensunwerts: Herrschaftsdelikte lägen nämlich vor, wenn der Tatherrschaft über den Geschehensablauf eine entscheidende Bedeutung zur Begründung des tatbestandlichen Verhaltens zukomme350. Dagegen handele es sich um Pflichtdelikte, wenn die Verletzung der Sonderpflicht der Grund der Strafwürdigkeit sei351. Diese unterschiedliche Bewertung des Verhaltens durch den Gesetzgeber äußert sich gemäß der kriminalpolitischen Beteiligungslehre in der strafrechtlichen Gesetzgebungsmethodik, welche durch die Bildung unterschiedlicher Tatbestandsstrukturen der jeweiligen Herrschafts- und Pflichttatbestände verkörpert wird. So sei der Gesetzgeber verpflichtet, im Bereich der Herrschaftsdelikte den internen und externen Aspekt der tatbestandlichen Handlungen, die unerträglich und sozialschädlich seien352, konkret und deutlich zu beschreiben353, weil er die Herrschaft über den Geschehensablauf als maßgebliches Kriterium für die Begründung der Täterschaft betrachte. Demgegenüber sei die Beschreibung der normativen positiven Institutionen im Bereich der Pflichttatbestände irrelevant, weil in solchen Straftatbeständen das grundlegende Kernelement des Strafunrechts nicht die phänomenologische Beschaffenheit der Handlungen, sondern die rechtswidrige Kommunikation 348

Roxin, Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, § VII, S. 16; ders., AT II, § 25, Rn. 267; ders., Schünemann-FS, S. 512. 349 Roxin, Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, § VII, S. 16 ff. 350 Vgl. Chen, Das Garantensonderdelikt, S. 29; Häcker, in: Gugenberger (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht, 6. Aufl., § 19, R. 5; Kindhäuser, AT, § 8, Rn. 15. 351 Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 395; neben Roxin und seinen Schülern vertreten diese These grundsätzlich Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 32 f.; ders., Die Unterlassung im Strafrecht, S. 49 ff.; Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus, S. 229 ff.; Wessels/ Beulke, AT, 35. Aufl., § 13 II 2; Langer, Sonderverbrechen, S. 223 ff. 352 Roxin, AT II, § 25, Rn. 267. 353 Roxin, Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, § VII, S. 16; ders., AT II, § 25, Rn. 267.

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sei. Aus diesem Grund habe der Gesetzgeber die Verletzung der an die Leistungsforderungen anknüpfenden besonderen Pflicht in einigen Tatbeständen (den Pflichttatbeständen) zur Grundlage der Strafwürdigkeit gemacht354. Diese Delikte werden von Roxin als „Pflichtdelikte“ bezeichnet, da die Begründung für ihre Strafbarkeit darin liege, dass jemand gegen die Leistungsforderungen aus einer von ihm übernommenen sozialen Rolle verstoße355. 2. Wesen und Begründung der Täterschaft Im Anschluss an diese methodologische Unterscheidung von Herrschafts- und Pflichtdelikten hat der kriminalpolitische Funktionalismus bestimmte Begriffe entwickelt, welche die Täterschaft sowohl der Herrschafts- als auch der Pflichtdelikte kennzeichnen. Das Wesen der Täterschaft bei beiden Deliktsarten wird an die Begriffe „Zentralgestalt“356 und „Primärkategorie“ angeknüpft. Die „Zentralgestalt“357 oder „Zentralfigur“ sei ein allgemeines Täterschaftsprinzip, nach dem sich die Täterschaft sowohl bei den Herrschafts- als auch bei den Pflichtdelikten gründet. Mit dem Begriff „Zentralgestalt“ beziehen sich die Vertreter des kriminalpolitischen Beteiligungssystems auf die zentrale Stellung der Beteiligten bei der Vornahme eines Strafunrechts, sodass die Verwirklichung des entsprechenden Herrschafts- und Pflichtdelikts ohne das Vorliegen eines während des Ausführungsstadiums des Verbrechens als „Zentralfigur“ handelnden Subjekts unmöglich ist. In Bezug darauf werde als Täter eines Herrschafts- und Pflichtdeliktes betrachtet, wer die „Zentralgestalt“ bei der Verwirklichung der tatbestandmäßigen Ausführungshandlung ist358. Unter dem Begriff „Primärkategorie“ versteht der kriminalpolitische Funktionalismus, dass die Täterschaft das Gravitationszentrum oder das Rückgrat des ganzen Beteiligungssystems sei; d. h. die Täterschaft sei die Ursprungsquelle, aus welcher sich die anderen Beteiligungsformen ergäben. Bei den Herrschaftsdelikten bezieht das kriminalpolitische Beteiligungssystem die Begründung der Täterschaft auf die Bestimmung des Begriffs „Zentralgestalt“, der sich seinerseits auf die methodologische Betrachtung der „Seinskategorie“ als maßgebliche Erkenntnisquelle der (Straf-)Rechtswissenschaft stützt. Dies führt den kriminalpolitischen Funktionalismus – aber auch die Vertreter der finalistischen Tatherrschaftslehre359 – zur Festlegung der ontologischen Tatherrschaftskategorie als 354

Rotsch, Joecks-FS, S. 152; Roxin, AT II, § 25, Rn. 268. Roxin, AT II, § 25, Rn. 268; ders., Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, § VII, S. 17; ders., TuT, 10. Aufl., § 34, S. 395; ders., LK, § 25, Rn. 37. 356 So Roxin, TuT, 10. Aufl., Vor § 15 (S. 120), § 34 (S. 395). 357 Hierzu siehe Roxin, TuT, § 33, S. 337; Pariona, Roxin-FS, S. 854; Chen, Das Garantensonderdelikt, S. 29. 358 Roxin, AT II, § 25, Rn. 10; ders., TuT, 10. Aufl., § 33, S. 375 f. 359 In Spanien etwa Hernández Plasencia, La autoría Mediata, S. 63 ff. 355

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wesentliches Kriterium des Begriffs „Zentralgestalt“ einerseits und als Gravitationszentrum der Täterschaftslehre bei den Allgemeindelikten andererseits360. Daher sei „Zentralgestalt“ der Tatbestandsherbeiführung – und somit Täter – eines Herrschaftsdelikts nämlich, wer das tatbestandmäßige Verhalten objektiv und subjektiv beherrscht361. In diesem Sinne ist es erforderlich für die Begründung der Täterschaft eines Tatherrschaftsdelikts, dass der Beteiligte „Herr“ oder „Zentralgestalt“ der Ausführung des in einer Strafvorschrift des Besonderen Teiles des StGB als verbotenes Verhalten festgesetzten externen Geschehensablaufs sein muss; denn der Gesetzgeber kennzeichne das zentrale Subjekt (Täter) der tatbestandmäßigen Handlung durch das Wort „wer“, welches „Tatherr“ bedeute362. Sodann ist „Zentralgestalt“ und damit Täter eines Herrschaftsdelikts, wer allein363, durch einen anderen364 oder mit anderen365 das zur Deliktsverwirklichung führende Geschehen beherrscht. Bei den Pflichtdelikten bestimmt das kriminalpolitische Beteiligungssystem den Begriff der „Zentralgestalt“ und damit die Begründung der Täterschaft im Unterschied zu den Herrschaftsdelikten nach der methodologischen Betrachtungsweise der „Sollenskategorie“. Es führt den kriminalpolitischen Funktionalismus zunächst zum Ausschluss der Tatbeherrschung aus der Begründung der Täterschaft bei den Pflichtdelikten366, weil das Tatherrschaftskriterium nur zur Erfüllung der tatbestandsmäßigen Täterschaftserfordernisse der ausgehend von der „Seinswelt“ gebildeten Allgemein- oder Herrschaftsdelikte diene. Hingegen stehe im Zentrum der Bestimmung der „Zentralgestalt“ und daher der Grundlage der Täterschaft bei den Pflichtdelikten tatsächlich nur die Verletzung einer trotz Herkunft aus dem bürgerlichen oder öffentlichen Recht für die Tatbestandserfüllung erforderlichen außerstrafrechtlichen Pflicht367 durch den zuständigen Sonderpflichtträger. Sodann 360 Roxin, TuT, § 15 (S. 119 f.), § 33 (S. 373 ff.); ders., AT II, § 25, Rn. 13; Rotsch, JoecksFS, S. 150. 361 Vgl. Roxin, AT II, § 25, Rn. 13, 267; Häcker, in: Gugenberger (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht, 6. Aufl., § 19, Rn. 5. Für Spanien siehe Bacigalupo Saggese, Autoría y participación, S. 57. 362 Roxin, TuT, 10. Aufl., § 15, S. 120. 363 Roxin, TuT, 10. Aufl., § 18, S. 141 ff. 364 Roxin, TuT, 10. Aufl., § 21, S. 157 ff. 365 Roxin, TuT, 10. Aufl., § 17, S. 307 ff. 366 Roxin, Schünemann-FS, S. 509; ders., JZ 1966, 293. 367 In diesem Sinn erfasse Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 394 f.; ders., JZ, 1966, 295; ders., Schünemann-FS, S. 512 f.; Chen, Das Garantensonderpflicht, S. 30; in der spanischen Strafrechtslehre vgl. Bacigalupo Saggese, Autoría y participación, S. 53 ff. (insbesondere S. 56 f.); Figueroa Ortega, Delitos de infracción de deber, S. 27 ff., 30 ff.; Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 76 ff. (insbesondere 32 ff.); ders., Delito de infracción de deber y participación delictiva, S. 101 ff.; Rotsch ist der gegenteiligen Meinung, denn aus seiner Sicht begründet Roxin die Täterschaft bei den Pflichtdelikten nicht auf der Verletzung einer außerstrafrechtlichen Pflicht, sondern auf dem Verstoß gegen eine straftatbestandsmäßige Sonderpflicht, vgl. Rotsch, Joecks-FS, S. 152.

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wäre „Zentralgestalt“ der Tatbestandsausführung eines Pflichtdelikts und somit Täter solchen Strafunrechts nur der Intraneus368, weil nur er sich wegen seiner Verknüpfung mit einer vorher bestehenden und übernommenen sozialen Sonderpflicht als Täter eines Sonderunrechtstatbestands Täter verhalten könne369. Daraus folge, dass der positiv Verpflichtete immer als Täter eines Pflichtdelikts hafte, wenn er seine besondere Pflicht verletze. Dafür sei unerheblich, ob ein Dritter – mit oder ohne Tatherrschaft – die faktische Begehung des Tatbestands verwirkliche. Aus der in dieser Untersuchung vertretenen Sicht liegt diese durch das kriminalpolitische Beteiligungssystem formulierte Begründung der Täterschaft bei den Pflichtdelikten in der Betrachtung der Kategorie des „Sollens“ als zweite wesentliche Erkenntnisquelle der Geisteswissenschaften wie etwa der (Straf-)Rechtswissenschaft. Sodann leitet sich die Bildung der (Straf-)Rechtsbegriffe – vor allem die Schaffung der Kategorien der Beteiligungslehre – von der in der sozialen Gesellschaft geltenden „konkreten Wertwirklichkeit“ ab. Bei den Pflichtdelikten führt dieses erkenntnistheoretische Strafrechtsverständnis zur Begründung der Täterschaft auf Grund der Verletzung bestimmter Sonderpflichten, da sie wesentliche rechtliche Wertideen enthalten. 3. Wesen und Begründung der Teilnahme Die Natur der Teilnahme wird dagegen mit den Begriffen „Randfigur“370 und „gemischte Kategorie“371 beschrieben. Als bloße „Randfigur“ wird der Teilnehmer betrachtet, da er in der Vornahme der Tatbestandverwirklichung sowohl bei den Herrschafts- als auch bei den Pflichtdelikten keine entscheidende, sondern nur eine schwache Rolle spiele. Die Aufgabe des Teilnehmers bestehe nur in einer Bestimmung oder einer Hilfeleistung zur Verwirklichung eines fremden tatbestandmäßigrechtswidrigen Strafunrechts372, nämlich eine Mitwirkung an der Ausführung des Strafunrechts des Täters. Zugleich wird die Teilnahme als „gemischter Begriff“ gekennzeichnet, denn sie sei weder rein selbständig, noch absolut abgeleitet373. Aus der Sicht des Teilnehmers gebe es zwei Gründe dafür: Auf der einen Seite habe das Teilnahmeunrecht wegen seiner Abhängigkeit vom Bestehen eines vorsätzlichrechtswidrigen Hauptstrafunrechts des Täters ein abgeleitetes Wesen374 ; auf der 368 Nach Roxin (AT II, § 25, Rn. 14, 268; ders., TuT, 10. Aufl., § 34, S. 394) sei Täter – d. h. Zentralgestalt des Deliktsvorgans – eines Pflichtdelikts, wer eine außerstrafrechtliche Sonderpflicht verletzt. Er sei ein Zentrum der Tatbestandsverwirklichung des Pflichtdelikts. Ähnlich Bacigalupo, Tiedemann-FS, S. 255; Pariona, Roxin-FS, S. 862; Tiedemann, Wirtschaftsrecht, S. 140. 369 So Holthausen, NStZ 1993, 571; Langer, Die Straftat, 2. Aufl., S. 389. 370 Roxin, AT II, § 25, Rn. 10. 371 Roxin, AT II, § 26, Rn. 11. 372 Roxin, AT II, § 25 (Rn. 10), § 26 (Rn. 4, 5). 373 Roxin, Stree- und Wessels-FS, S. 365 ff. 374 Roxin, Stree- und Wessels-FS, S. 380 – 382; ders., AT II, § 26, Rn. 11.

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anderen Seite sei das Teilnehmerunrecht aber autonom, denn es konstituiere auch selbst einen eigenen Rechtsgutsangriff375. Im Übrigen komme die Anwendung der Teilnahme nur in Betracht, wenn der primäre Begriff (Täterschaft) nicht anwendbar sei376. Aus diesem Grund sei die Kategorie auch ein lediglich sekundärer Begriff377. In diesem Zusammenhang liege der maßgebliche Unterschied zwischen den Begründungs- oder Abgrenzungskriterien der Täterschaft und Teilnahme bei den Herrschafts- und Pflichtdelikten nur darin, dass sowohl die „Zentralgestalt“ als auch die „Randfigur“ bei solchen Strafunrechten in unterschiedlicher Weise bestimmt werden378. Im Folgenden werden diese unterschiedlichen Bestimmungsformen erläutert. Bei den Herrschaftsdelikten liegt das Bestimmungskriterium der „Randfigur“ – und demzufolge die Grundlage der Teilnahme – nach dem Beteiligungsverständnis des kriminalpolitischen Funktionalismus im Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung ohne Tatherrschaft. Grund dafür sei, dass der Teilnehmer die Ausführung des Strafunrechts nie beherrschen könne, da die Tatherrschaft zur Täterschaft gehöre. Daher sei die Teilnahme als „negatives Spiegelbild“ des Täterbegriffs Mitwirkung ohne Täterschaft379. Diese Beteiligung (ohne Tatherrschaft) des Teilnehmers an der Verwirklichung des Strafunrechts äußere sich nämlich in einer Aufforderung des Täters zur Ausführung eines Delikts und in einer bloßen Hilfeleistung zur Straftatverwirklichung des Täters. Auf der anderen Seite definiert das kriminalpolitische Beteiligungssystem die Teilnahme an den Pflichtdelikten als „Beteiligung ohne Sonderpflichtverletzung“380, die ihrerseits als bloße Kausalbeteiligung an der objektiven Verletzung einer fremden institutionellen Pflicht verstanden wird, weil die Teilnahme an solchen Delikten ohne vorsätzliche Beteiligung des Verpflichteten (Täters) begründet wird381. Tatsächlich könne die Teilnahme an einer vorsatzlosen Haupttat bei den Pflichtdelikten im Gegensatz zu den Herrschaftsdelikten, an denen niemand Teilnehmer ohne tatherrschaftliche und vorsätzliche Mitwirkung des Täters sein kann382, ohne Probleme begründet werden383, da bei den Pflichtdelikten nicht der Vorsatz, sondern die Anoder die Abwesenheit der Sonderpflicht die maßgebliche Unterscheidungseigen375

Roxin, Stree- und Wessels-FS, S. 369 – 380. Roxin, AT II, § 26, Rn. 10. 377 Roxin, AT II, § 26, Rn. 10; ders., Stree- und Wessels-FS, S. 365 ff.; ders., JZ 1966, 297. 378 Roxin, TuT, 10. Aufl., § 15, S. 126 f. 379 Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 407. 380 Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 409. 381 Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 409, 412. 382 Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 407. 383 In diesem Sinne Roxin, JZ 1966, 297, der behauptet, dass im Bereich der Pflichtdelikte, wenn der unmittelbare Intraneus ohne Vorsatz handelt, der qualifikationslose Hintermann wegen einer Teilnahme bestraft werden kann, obwohl er nicht Täter sein kann; siehe auch LKRoxin, 11. Aufl., § 25, Rn. 209; auch Stratenwerth, AT, Rn. 1079. 376

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schaft zwischen Täterschaft und Teilnahme ist384. Dafür geben die Vertreter des kriminalpolitischen Funktionalismus drei Argumente: erstens sei die Verwirklichung des Pflichtunrechts, obwohl der Täter manchmal ohne Vorsatz handelt, auch Werk des Teilnehmers385 ; zweitens seien die Begründung und die Strafbarkeit der Teilnahme nicht abhängig davon, ob der Teilnehmer (z. B. der Extraneus bei den Pflichtdelikten) die tatbestandmäßige Täterqualität (hier eine positive Sonderpflicht) besitzt386 ; drittens seien die Begründung und die Strafbarkeit der Teilnahme des Extraneus nicht von der dolosen Beteiligung des intranen Täter abhängig, sondern nur von der bloßen objektiven Verletzung einer außerstrafrechtlichen Sonderpflicht. Daraus ergebe sich, dass der Extraneus wegen der nicht in seiner Person zusammenkommenden besonderen Eigenschaft immer nur als Teilnehmer – und nie als Täter – haften dürfe387, sogar wenn er die Tatherrschaft über die Tatbestandverwirklichung ausübt388. Dies liege darin begründet, dass einerseits das entscheidende Kriterium für die Begründung der Täterschaft bei den Pflichtdelikten nicht die Tatherrschaft, sondern allein die Verletzung einer speziellen institutionellen Pflicht sei389. D. h. es sei sowohl zur Begründung der Täterschaft des Intraneus als auch zur Beurteilung der Haftung des Extraneus als Teilnehmer unwichtig, wer (Extraneus oder Intraneus) die Tatbestandsverwirklichung beherrscht390. Demgegenüber sei zur Abgrenzung der Beteiligungsformen maßgeblich, wer eine positive Pflicht trägt und wer eine solche Pflicht verletzt. Anderseits verletze der Extraneus wegen seines Status als Nichtpflichtträger keine besondere positive Pflicht, da er keine besondere positive Pflicht trägt. Darüber 384

Roxin, TuT, 9. Aufl., § 34, S. 370. Vgl. Jakobs, AT, § 22, Rn. 8. 386 So Beling: „Der Tatbestand im eigentlichen Sinne braucht deshalb auf den Teilnehmer in keinem Punkte zuzutreffen; das Teilnehmerschaftsverhältnis bleibt also von dem ,Mangel am Tatbestand‘ beim Teilnehmer ganz unberührt. Ob der Teilnehmer überhaupt – faktisch und rechtlich – imstande wäre, die Tat als Haupttäter zu begehen, ist ganz gleichgültig. Deshalb ist namentlich auch belanglos, ob die höchstpersönlichen Tatbestandserfordernisse auf den Teilnehmer zutreffen, ob bei ihm die zeitlich-räumlichen Beziehungen des Typus gewahrt sind. Anstiftung und Beihilfe nehmen an der Höchstpersönlichkeit von Elementen des Tatbestandskerns nicht teil. So wie das Vorliegen solcher Elemente beim Teilnehmer ihr Fehlen beim Täter nicht zu ersetzen vermag, so wenig ist es umgekehrt notwendig, dass auch der Teilnehmer dem Höchstpersönlichkeitserfordernis entspricht, es genügt, um ihn als Teilnehmer haftbar zu machen, das Gegebensein beim Täter“, vgl. Beling, Die Lehre vom Verbrechen, S. 421; s. a. Merkel, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, § 52, S. 148. Heutzutage äußert sich in diesem Sinn Küper, Jakobs-FS, S. 317. 387 Vgl. Holthausen, NStZ 1993, 571; auch Perron nimmt diese These an, wenn er die Täterschaft und die Teilnahme bei der Untreue abgrenzt, vgl. SSK-Perron, § 266, Rn. 52. 388 Vgl. Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 401. 389 Vgl. Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 401 ff.; Pariona behauptet, dass es zur Bestimmung der Täterschaft bei Pflichtdelikten auf die Täterschaft nicht ankomme, die Täterschaft werde ausschließlich mit der Verletzung der Sonderpflicht begründet, siehe Pariona, Roxin-FS, S. 862 f. 390 Vgl. Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, § 2, S. 31. 385

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hinaus verbietet das Gesetzlichkeitsprinzip, den Extraneus als Täter eines Pflichtdelikts zu bestrafen, weil der Gesetzgeber ausdrücklich (oft durch die Tatbestände des Besonderen Teils391 und allgemein durch § 28 Abs. 1 StGB) festgelegt hat, dass der Extraneus aufgrund des Fehlens der besonderen persönlichen Merkmale, die die Strafbarkeit des Täters begründen, als Täter nicht bestraft werden darf. Vielmehr legen die Tatbestände durch die ausdrückliche Beschränkung des Täterkreises im Bereich der Pflichtdelikte die Begründung der Teilnahme als einfache Beteiligung des Extraneus ohne Verletzung irgendeiner (eigenen) institutionellen Pflicht392 fest.

V. Kritische Würdigung Zweifellos hat das durch den kriminalpolitischen Funktionalismus entwickelte Beteiligungssystem, das von der Anerkennung zweier unterschiedlicher Gegenstände der wissenschaftlichen Erkenntnis einerseits und damit zweier verschiedener methodologischer Vorgehensweisen der Erkenntnisgewinnung andererseits ausgeht, gegenüber dem vorher formulierten ontologisch-finalistischen Zurechnungsmodell wichtige Vorteile. Zu nennen ist hier die kriminalpolitisch-funktionalistische Definition des Täterbegriffs, der sich gegenüber dem durch die ontologisch-finale Strafrechtsdogmatik aufgebauten Täterkonzept als vorzugswürdig darstellt, sodass dieser Lösungsansatz auch von der herrschenden Strafrechtsdogmatik angenommen wurde: Aus Sicht der h. M. – wie nach Auffassung des kriminalpolitischen Funktionalismus – ist Täter sowohl im Bereich der Herrschafts- als auch im Bereich der Pflichtdelikte, wer als „Zentralfigur“ bei der Verwirklichung der Straftat handelt. Sowohl bei dem kriminalpolitischen Funktionalismus als auch bei der h. L. ist das Vorliegen einer Straftat nicht nur bei den Herrschafts-, sondern auch bei den Pflichtdelikten unmöglich, wenn der Täter keine Zentralfigur dieser Straftat ist. Ein anderer Vorteil des kriminalpolitisch-funktionalistischen Beteiligungssystems bezüglich der Täterschaft bei den Pflichtdelikten besteht darin, dass sich die Täterschaft auf der Verletzung einer außerstrafrechtlichen Pflicht gründet. Mit diesem Ansatz können viele durch die Tatherrschaftslehre nicht gelöste problematische Fälle richtig behandelt werden. Beispielweise kann die bekannte „Mittelbare Täterschaft kraft der Benutzung eines qualifikationslosen dolosen Werkzeugs“ kriminalpolitisch befriedigend gelöst werden, weil sie eine Bestrafung von Intraneus und Extraneus zulässt. Demgegenüber führt der Ansatz der Tatherrschaftslehre mit dem zentralen Kriterium der Tatherrschaft zu unerwünschten Ergebnissen: Entweder der Straflosigkeit für Extraneus und Intraneus oder der gesetzeswidrigen Bestrafung 391

Beispielweise ergebe sich aus den §§ 81a GmbHG und 266 StGB, dass der Außenstehende nicht Täter im Sinne der Sondervorschrift sein könne, sondern nur Anstifter oder Gehilfe; vgl. Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 404. 392 Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 409.

§ 2 Theoretische Grundlagen der Beteiligungssysteme

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des Extraneus als Täter und des Intraneus als Teilnehmer. Diese Probleme werden durch die Pflichtdeliktslehre gelöst. Darüber hinaus ist die Gleichwertigkeit von Begehen und Unterlassen im Bereich der Pflichtdelikte hervorzuheben. Der Grund dafür ist, dass das strafrechtliche Täteroder Teilnehmerunrecht nicht durch ontologische Elemente, sondern durch normative Kriterien begründet wird. Unter diesem Gesichtspunkt sind sowohl die Begründung als auch die Bestimmung und Abgrenzung der zwei strafrechtlichen Haftungsformen (Strafhaftung als Täter und Strafhaftung als Teilnehmer) von Wertungsfragen abhängig. Deshalb ist es zutreffend, die Haftungsbegründung nicht an aktives oder passives Verhalten zu knüpfen, sondern an die Verletzung einer Pflicht. Trotz dieser Vorteile gibt es jedoch auch bedeutsame kritische Stimmen, die Einwände gegen die methodologische Vorgehensweise, den Angriff auf die Grundsätze des Rechtsstaats, die dogmatischen Inkonsistenzen und die ungewollten kriminalpolitischen Konsequenzen eines solchen Täterschafts- und Teilnahmesystems vorbringen. Methodologisch ist unter anderen die folgende Bemerkung hervorzuheben: In der Epistemologie sei es unmöglich, die Kategorien „Sein“ und „Sollen“ zum Erfassen der sozialen Wirklichkeit miteinander zu verschmelzen. Daher sei es auch unmöglich, ein normatives Beteiligungssystem mit den Kategorien von „Sein“ und „Sollen“ aufzubauen. Grund dafür sei, dass „Sein“ und „Sollen“ unterschiedlicher Natur sind: Die „Seinskategorie“ habe ein quantitatives Wesen, weshalb sie nur den quantitativen Aspekt der empirisch messbaren Dinge erfassen könne. Demgegenüber könne die „Sollenskategorie“ – im Gegensatz zum „Sein“ – die qualitative Seite der Welt begreifen. Mit anderen Worten könne die „Seinskategorie“ nur zum Erfassen der Eigenschaften der zur natürlichen Welt gehörenden materiellen Dinge verwendet werden; hingegen könnten die Eigenschaften der sozialen Realität nur durch die Anwendung der Kategorie des „Sollens“ ergriffen werden, weil das Erfassen der Wertewelt nur mittels der Anwendung einer wertbezogenen Methode erreicht werden könne. Deshalb ist die Methode des kriminalpolitischen Beteiligungssystems, welches weder die allgemeine bewertende Wirklichkeit der Gesellschaft erfasst noch ein Täterschafts- und Teilnahmesystem aufzubaut, das sich sowohl auf das „Sein“ (etwa die Begründung der Täterschaft und Teilnahme bei den genannten „Herrschaftsdelikten“) als auch auf das „Sollen“ (wie die Begründung der Täterschaft und Teilnahme bei den Pflichtdelikten) stützt, nicht vertretbar. So stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, wie ein Beteiligungssystem ausgehend von der Verschmelzung von „Sein“ und „Sollen“ aufgebaut werden kann. Bezüglich der sich auf die Überschreitung der rechtsstaatlichen Grundsätze beziehenden Kritik stechen insbesondere die übermäßige Beschränkung der individuellen Freiheitssphäre und der Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzips393 hervor. 393 Hierfür siehe Stratenwerth/Kühlen, AT, § 12, Rn. 40; Bottke, Täterschaft und Gestaltungsherrschaft, S. 115 ff.; Krey/Esser, AT, 4. Aufl., § 25, Rn. 870; Krey, AT II, 2. Aufl., § 26,

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

Die ungerechtfertigte Beschränkung der Freiheitssphäre des Einzelnen gründe sich darauf, dass es in einem Rechtsstaats ungerechtfertigt sei, den individuellen Freiheitsraum kraft Haftung für Verletzung der Unterlassungspflichten zu beschränken.394 Aus Sicht der Kritiker sei die Freiheit des Einzelnen die maßgebliche Grundlage des Rechtsstaats, daher dürfe in die Freiheitssphäre des Einzelnen nur eingegriffen werden, um diesen von aktivem Tun abzuhalten, nicht aber, um diesen vom Unterlassen einer Pflichterfüllung abzuhalten. Dies führt die Gegner des kriminalpolitischen Beteiligungssystems dazu zu behaupten, dass eine solche strafrechtliche Haftungsbegründung wegen Verletzung einer Gebotspflicht eine unerträgliche Moralisierung des Strafrechts darstelle.395 D. h. die Unrechtmäßigkeit liege darin, dass die Beeinträchtigung der individuellen Freiheit in einem Rechtsstaat nicht durch eine Gebotspflicht – wie bei dem kritisierten Beteiligungssystem –, sondern nur durch eine Verbotspflicht ausgedrückt werden könne. Die Verletzung des Gesetzlichkeitsprinzips liegt wiederum darin, dass das kriminalpolitische Beteiligungssystem die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Täters bei den Pflichtdelikten mit der Verletzung einer außerstrafrechtlichen Pflicht begründet396. Zu Recht behaupten die Kritiker, dass die außerstrafrechtlichen Pflichten mangels einer „echten“ Verknüpfung zwischen diesen und der Strafrechtsdogmatik keine strafrechtliche Verantwortlichkeit begründen könnten397. Die außerstrafrechtlichen Pflichten hätten nur nach ihrer Umformung in Straftatbestände strafrechtliche Relevanz. Vor dieser Umformung hätten solche Pflichten keine Gültigkeit im Bereich des Strafrechts und somit wären sie keine verbindliche Quelle für einen strafrechtlichen Haftungsgrund. Darüber hinaus sei das Ziel der außerstrafrechtlichen Pflichten die Sicherheit des Rechtsverkehrs – im Gegensatz zu den strafrechtlichen Pflichten, deren Zweck die Sicherung des gesellschaftlichen Friedens ist. Die kritisierten dogmatischen Inkonsistenzen liegen in der widersprüchlichen Begründung der Teilnahme an den Pflichtdelikten gegenüber der Teilnahme an den Herrschaftsdelikten. Im Zusammenhang mit diesem dogmatischen Einwand stehen darüber hinaus die Bestrafung des Extraneus ohne rechtfertigende und überzeugende Begründung seiner Verantwortlichkeit, die Verletzung des Grundsatzes, wonach die bloß objektive Begründung der Teilnahme unzulässig sei, und der Verstoß gegen den Akzessorietätsgrundsatz der Teilnahme, der das Vorliegen eines Täterunrechts als Voraussetzung der Bestrafung der Teilnahme erfordert.

Rn. 93; Pizarro Beleza, Coimbra-Symposium, S. 271 ff.; Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, § 7, S. 102 ff. 394 Hierfür siehe Gallas, Täterschaft und Teilnahme, S. 121 ff. 395 Eine philosophische und strafrechtliche Darstellung dieser Kritik wurde von SánchezVera geliefert, vgl. ders., Pflichtdelikt und Beteiligung, § 7, S. 102 ff.). 396 Siehe hierfür Vogel, Norm und Pflicht, S. 125; Kühl, AT, § 18, Rn. 41; Pariona, RoxinFS, S. 858. 397 Vgl. dazu u. a. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 42.

§ 2 Theoretische Grundlagen der Beteiligungssysteme

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Die Begründung der Strafhaftung des Extraneus bei den Pflichtdelikten ist deshalb umstritten, weil die Vertreter des kriminalpolitischen Beteiligungssystems nicht erläutern, warum der Extraneus als Teilnehmer eines Pflichtdelikts verantwortlich sein soll, wenn er sich mit einem Intraneus an der Verletzung einer institutionellen Pflicht beteiligt. Die kriminalpolitische Strafrechtsdogmatik erklärt in Wahrheit nur die normative Unmöglichkeit, die Täterschaft eines Pflichtdelikts dem Extraneus zuzurechnen. Aus diesem Ansatz folgert sie ohne weiteres Argument, dass diese Unmöglichkeit zur Bestrafung des Extraneus als Teilnehmer des Pflichtdelikts führt. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob die Mitwirkung einer Person an der Tatbestandherbeiführung allein bereits deshalb als Teilnahme gewertet werden kann, weil sie gerade nicht als Täter bestraft werden kann? Gründet sich die Bestrafung des Extraneus als Teilnehmer eines Pflichtdelikts darauf, dass er selbst nicht Täter sein kann? Vorerst kann man also sagen, dass die die kriminalpolitische Strafrechtsdogmatik die Teilnahme des Extraneus an den Pflichtdelikten nicht zutreffend begründen kann. Die Kritik, wonach das kriminalpolitische Beteiligungssystem das subjektive Verantwortungsprinzip ausheble, stützt sich ihrerseits darauf, dass es für die Begründung der Teilnahme des Extraneus an den Pflichtdelikten beim Haupttäter auf den Vorsatz verzichtet398. Folgt man dem, reicht zur Begründung der Teilnahme des Extraneus an den Pflichtdelikten die faktische Verbindung zwischen dem Außenstehenden und dem Pflichtträger aus. So haftet der Extraneus als Teilnehmer eines Pflichtdelikts, obwohl der Intraneus ohne Vorsatz handelt. Nach hier vertretener Auffassung ist diese Strafhaftung des Extraneus jedoch zu weitgehend399, da sonst alle kausalen Beiträge des Teilnehmers ohne vorsätzliche Tatbestandsverwirklichung des Täters (grundsätzlich) strafbar wären. Eine solche Begründungsform verstieße gegen das subjektive Haftungsprinzip der Teilnahme400, das die vorsätzliche401 Haupttat des intranen Täters als Voraussetzung der Strafbarkeit des extranen Teilnehmers fordert (§§ 26 ff. StGB). Ebenfalls sieht § 15 StGB ausdrücklich nur die Strafbarkeit für vorsätzliche und fahrlässige Handlungen vor. Unter diesen gesetz398 Zur Begründung der Teilnahme des Extraneus an den Pflichtdelikten ohne vorsätzliches Handeln des Täters vgl. Roxin, AT II, § 26, Rn. 37 – 40; ders., TuT, 10. Aufl., § 34, S. 409 ff.; ders., JZ 1966, 297. 399 In diesem Sinn fragt sich Pizarro Beleza, ob es möglich ist, zu behaupten, dass die Pflichtdeliktslehre von Roxin gleichzeitig zu weit gehend und unzureichend sei: Zu weit gehend, weil er eine Teilnahme ohne vorsätzliche Täterschaft annimmt; unzureichend, weil diese Theorie auf die mittelbare und die Mittäterschaft nicht verzichtet, die wegen der Pflichtverletzung als entscheidendes Kriterium zur Begründung und Abgrenzung der Täterschaft überflüssig seien, vgl. Pizarro Beleza, Roxin-FS, S. 345. 400 Hierfür vertritt Gimbernat die Idee, dass Roxins Lehre bezüglich der Teilnahme bei den Pflichtdelikten die Grenze des Gesetzlichkeitsprinzips verletzt, siehe Gimbernat, Autor y cómplice en Derecho penal, S. 296 f.; Pizarro Beleza, Roxin-FS, S. 346. 401 Dazu behauptet Jakobs (La autoría mediata con instrumentos que actúan por error como problema de imputación objetiva, S. 12), dass die im StGB geregelte Teilnahme eine vorsätzliche Hauptstraftat des Täters voraussetzt.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

lichen und dogmatischen Regeln setzt die Teilnahmebegründung des Extraneus bei den Pflichtdelikten ein vorsätzliches Verhalten des Intraneus voraus, da ohne vorsätzliche Handlung des Intraneus keine strafbare Pflichtverletzung besteht402 und folglich kein strafrechtlich relevanter Anknüpfungspunkt für die Teilnahme des Extraneus vorliegt403. In diesem Zusammenhang muss der bloße faktische Beitrag des Extraneus zur objektiven Pflichtverletzung straffrei bleiben, da die Bestrafung der einfachen Kausalbeiträge im Rahmen eines Rechtsstaats sowohl gesetzlich als auch verfassungsmäßig verboten ist. Die Verletzung des Akzessorietätsgrundsatzes der Teilnahme hängt eng mit den beiden vorangegangenen Bemerkungen zu den dogmatischen Inkonsistenzen zusammen. Der Grund dafür ist, dass die kriminalpolitische Lehre ohne strafbaren Haupttatbestand des Täters die Beteiligung des Extraneus an einem Pflichtdelikt kriminalisiert. Es wird die Strafbarkeit der Teilnahme des Extraneus behauptet, obwohl eine Strafbarkeit des Intraneus gleichzeitig abzulehnen ist. Eine aus der richtigen Anwendung des Akzessorietätsprinzips der Teilnahme zu folgernde logische Konsequenz ist die Annahme der Strafbarkeit des extranen Teilnehmerunrechts, wenn das Vorliegen einer tatbestandmäßigen und rechtswidrigen Haupttat des Intraneus behauptet wird. Hingegen führt die Verneinung des Täterunrechts zu einer unvermeidlichen Straflosigkeit des Extraneus.

E. Der soziologisch-funktionalistische Konstruktivismus als Stützpfeiler der bis hier entwickelten jüngsten Neuorientierung der Strafrechtslehre I. Methodologischer Ausgangspunkt Die methodologischen Grundlagen des systemisch-funktionalistischen Beteiligungssystems bestehen in der konstruktivistischen Erkenntnistheorie. Daher sollte dieser Abschnitt mit der Erläuterung des dieser Beteiligungslehre zugrundeliegenden epistemologischen Paradigmenwechsels beginnen, da dieser erkenntnistheoretische Ausgangspunkt eine wesentliche Rolle für das richtige Verständnis der systemischfunktionalistischen Beteiligungslehre spielt. Der epistemologische Konstruktivismus ist ein selbstbezügliches Paradigma der Erkenntnistheorie, welches die Erkenntnisgewinnung und das Erkenntniswesen ausgehend von in der sozialen Realität stattfindenden Operationen wissenschaftlicher Beobachtungsprozesse erklärt404. Der Konstruktivismus beschäftigt sich näm402 Hierzu Vertritt Roxin selbst die These, dass die Handlungen und Pflichtverletzungen im Rahmen eines Rechtsstaats nicht als reine Kausalvorgänge beschrieben werden können, weil erst der Vorsatz einem Geschehen begrenzende Konturen verleihe, vgl. Roxin, Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, S. 21 f. 403 So etwa Jakobs, AT, 2. Aufl., § 22, Rn. 7. 404 Jensen, Erkenntnis-Konstruktivismus-Systemtheorie, 1999, S. 171.

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lich mit dem Verhältnis von Wissen und sozialer Wirklichkeit und insbesondere mit den Fragen „Wie kommt das wissenschaftliche Wissen zustande?“405 „Was ist die Erkenntnis“? und „Was wissen wir?“ bzw. „Was können wir wissen?“406. Die Voraussetzung der Antworten auf diese Fragen findet sich in der Verneinung der Prämisse der vorhergehenden Erkenntnistheorien. So klammert der Konstruktivismus auf der einen Seite die bei der Epistemologie des ontologischen Realismus im Quellzentrum der Erkenntnis stehende Wechselwirkung von „Sein“ und „Sollen“407 aus. Auf der anderen Seite lehnt er die durch den Idealismus – im Sinne Kants – vertretene Stellungnahme zur Erkenntnisgewinnung ab, nach der die Erkenntnis von einem „transzendentalen selbstbewussten Erkenntnissubjekt“ hergestellt wird, weil die Erkenntnis nach dem konstruktivistischen Verständnis nicht aus den aprioristischen formalen Kategorien des individuellen Bewusstseins, sondern aus der kontingenten Gestaltung der sozialen Systeme komme. Aus Sicht des Konstruktivismus wird die Erkenntnis durch Ausdifferenzierungsprozesse eines „autopoietischen operativen Beobachters“ gegenüber seiner Umwelt gewonnen. Ein solcher Beobachter sei aber keine Person, sondern ein soziales Untersystem, welches die Realität gemäß seinem entsprechenden systematischen Beobachtungscode ergreife, um sich von seiner Umwelt (von anderen Untersystemen) zu unterscheiden. Deshalb sei die Erkenntnis weder reiner Ausdruck des ontologischen Wesens des beobachteten Objekts408 – wie beim Empirismus – noch eine Harmonie zwischen psychologischem Bewusstsein des Subjekts und ontologischem, beobachtetem Objekt409 – wie beim Realismus. Die Erkenntnis sei vielmehr die Konstruktion eines sozialen Untersystems410, nämlich eine innerhalb desselben Beobachtungsuntersystems ordnende „selbständige Organisation von Erfahrungen eines sozialen Untersystems“411. D. h. jedes soziale System (und/oder jedes soziale Untersystem) konstruiert seine eigene Realität, und stellt daher seine eigene Erkenntnis her, welche nach den sozialen Wahrnehmungen und gesammelten empirischen Daten aufgebaut werden.

405

Jensen, Erkenntnis-Konstruktivismus-Systemtheorie, S. 88, 98. Jensen, Erkenntnis-Konstruktivismus-Systemtheorie, S. 99. 407 Vgl. dazu Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, S. 911. 408 Die Unmöglichkeit zur Erkenntnisgewinnung des beobachteten Objekts an sich sei die mittelbare Auslegung der Wirklichkeit, welche durch den inneren Interpretationscode des Untersystems ergriffen werde, vgl. dazu Luhmann, Soziale Systeme, S. 284. 409 Roth, Autopoiese und Kognition, in: Schmidt (Hrsg.), Der Diskurs des radikalen Konstruktivismus, S. 253 f. 410 Frieß, Wissen in der differenzierten Gesellschaft, S. 45; Jensen, Erkenntnis-Konstruktivismus-Systemtheorie, S. 99. 411 Frieß, Wissen in der differenzierten Gesellschaft, S. 46; Luhmann, Soziologische Aufklärung 5, S. 33. 406

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

Dies bedeutet eine Relativierung der Erkenntnis412 : Weil jedes soziale Untersystem seine eigene Erkenntnis konstruiert, gilt die Erkenntnis nur im Bereich des jeweiligen Untersystems, in dem sie hergestellt wird413. Das bedeutet, dass was wir wissen nur ein Ausdruck der Beobachtungsfähigkeit und des Ausdifferenzierungscodes eines sozialen Untersystems oder eines systematischen Beobachters ist. Dies führt zu einer Pragmatisierung des Wahrheitskriteriums der Erkenntnis, da ihre Validierung nicht in der Übereinstimmung einer wissenschaftlichen Aussage mit einer ontologischen Wirklichkeit an sich, sondern in der allgemeinen Akzeptierbarkeit – der Kohärenz einer Aussage mit anderen Aussagen und Aussagensystemen – einer bestimmten Gesellschaft liegt, welche die abstrakte Wahrheit durch die Adäquatheit einer wissenschaftlichen These zur Problemlösungals Gültigkeitskriterium der Erkenntnis ersetzt414. Bezüglich des Ziels dieser Untersuchung sticht von allen Richtungen des Konstruktivismus415 der „operative“, „philosophisch-soziologische“ oder „systemische“ „Konstruktivismus“ hervor, der drei selbstbezügliche soziale Kategorien von ausschlaggebender Bedeutung für den Aufbau der Verbrechens- und insbesondere Beteiligungslehre entwickelt hat: Die Begriffe von Gesellschaft, (Straf-)Rechtsystem und Person. Die Gesellschaft wird als ein ausdifferenziertes kommunikatives System definiert, die nicht durch bloße Menschen, sondern nur durch Kommunikationen konstituiert sei416. Dieser Gesellschaftsbegriff gründet sich auf das Entstehungs- und Entwicklungsverständnis der Gesellschaft. Nach Auffassung des systemischen Konstruktivismus gäbe es nämlich vor dem Bestehen der Gesellschaft nur „Komplexität“ und „doppelte Kontingenz“. Als Komplexität wird die Welt als Ansammlung unbegrenzter chaotischer Ereignisse417 begriffen, in der noch keine Erwartun412 Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 23, 24; ders., Soziologische Aufklärung 2, S. 92 ff. 413 Luhmann, Ausdifferenzierung des Rechts, S. 337. 414 Während in den vergangenen Erkenntnistheorien der Binärcode „wahr/unwahr“ als Legitimationskriterium des Wissenschaftssystems galt, ist ein solches wissenschaftliches Validierungskriterium im Rahmen des „operativen Konstruktivismus“ durch den Binärcode „Akzeptierbarkeit/Unzumutbarkeit“ konstituiert, vgl. dazu Frieß, Wissen in der differenzierten Gesellschaft, S. 45; Fuchs, Die Theorie der Systemtheorie, S. 210; Luhmann, Systemtheorie der Gesellschaft, S. 90 ff.; ders., Soziale Systeme, S. 647. 415 Neben dem „operativen“ „Konstruktivismus“ gehören zum „radikalen Konstruktivismus“ der „biologisch-neurowissenschaftliche Konstruktivismus“, der „kybernetische Konstruktivismus“. Bezüglich des „philosophisch-soziologischen Konstruktivismus“ siehe Lohmann, Beobachtung und Konstruktion von Wirklichkeit, in: Rusch/Schmidt (Hrsg.), Piaget und der radikale Konstruktivismus, S. 205 ff. Zum „biologisch-neurowissenschaftlichen Konstruktivismus“ vgl. Maturana, Der Baum der Erkenntnis, S. 51. Hinsichtlich des „kybernetischen Konstruktivismus“ siehe Foerster, Sicht und Einsicht. Versuche zu einer operativen Erkenntnistheorie, S. 29; Foerster/Glasersfeld, Wie wir uns erfinden. Eine Autobiographie des radikalen Konstruktivismus, 4. Aufl., 2010. 416 Luhmann, Rechtssoziologie, 2. Aufl., S. 356. 417 Vgl. Luhmann, Soziologische Aufklärung 1, S. 115.

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gen und keine Kommunikation vorliegen, weil in einem solchen Ursprungszustand wegen der Abwesenheit von sozialen Ordnungsprinzipien keine soziale Verhaltensnorm bestehe und somit eigenes und fremdes Verhalten nicht vorauszusehen sei. Als Kontingenz wird ihrerseits verstanden, was es im Rahmen der Komplexität weder notwendig noch unmöglich ist, d. h. alles, was möglich ist. Daher sei die „doppelte Kontingenz“ der innerhalb der ungeordneten Komplexität stattfindende erste Kontakt zwischen zwei Subjekten, in dem sich beide Subjekte – Ego und Alter Ego – einander verweigern. In diesem Sinne entstehe die Gesellschaft in dem Moment, in dem der Komplexitätszustand überwunden oder reduziert wird, nämlich wenn ein Subjekt (Ego) eine bestimmte Handlungsmöglichkeit auswählt und das andere Subjekt (Alter Ego) diese Möglichkeitsauswahl akzeptiert oder ablehnt. Unabhängig von der Antwort des Alter Ego werde in diesem Moment die Kommunikation gebildet, denn ein solches Ereignis konstituiere den Anschlusswert oder Bezugsparameter der Handlungen beider Subjekte. Diese erste Kommunikation schafft die Gesellschaft, welche einerseits die Überwindung der „Komplexität“ und „Kontingenz“ ermögliche und andererseits selbstreferenzielle sukzessive Kommunikationen produziere418. Aus diesem Grund sei die Kommunikation zentrales Strukturelement aller Sozialsysteme und daher sei die Gesellschaft ein geschlossenes, selbstreflexives, kommunikatives System.

II. Neuformulierung der Zwecke und Aufgaben des Strafrechtssystems Die mit dem ersten Kontakt entstehende Gesellschaft als ursprüngliches, vollständiges Kommunikationssystem schafft neue soziale Kommunikationssysteme, um sowohl eine durch die Zunahme beteiligter Personen an diesem primären Kommunikationssystem419 und durch die sich daraus ergebenden vielfältigen Kommunikationen hergestellte neue paralysierende Komplexität zu überwinden, als auch die Entwicklung der Gesellschaft zu ermöglichen. Diese neuen Unterkommunikationssysteme unterscheiden sich durch ihre spezifischen Funktionen, die sich an die ausdifferenzierte Behandlung eines bestimmten Bereichs der innerhalb des Sozialsystems vorliegenden Komplexität richten. Deswegen seien die sozialen Untersysteme trotz ihrer gemeinsamen kommunikativen Struktur autonomer Natur und der eigenen Selbstregulation dienende Teilsysteme der Gesellschaft420. Die Struktur solcher sozialen Untersysteme werde durch ihre jeweiligen kommunikativen Funktionen bestimmt. Das (Straf-)Rechtssystem sei nämlich eines dieser Untersysteme. Seine Selbstreflexivität begründe sich damit, dass es seine rechtliche Kommunikation nur ausgehend von seiner eigenen rechtlichen Kommunikation421 418 419 420 421

Siehe Luhmann, Information Philosophie 15 (1987), S. 4 ff. Dazu Luhmann, Soziologie der Moral, S. 43. Dazu Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, S. 311. Siehe Luhmann, Information Philosophie 15 (1987), S. 4 ff.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

und von der Anwendung seines eigenen Binärcodes – richtig/unrichtig422 – aufbaue; deswegen gebe es weder (Straf-)Recht noch Herstellung der (Straf-)Rechtsnormen außerhalb des (Straf-)Rechts423. Im Anschluss daran sei das (Straf-)Rechtssystem auch geschlossener – nicht ausschließender424 – Natur, weil es zum einen keine Rechtsnormen aus seiner Umwelt – etwa Wirtschaft, Politik, Religion – importiere und zum anderen seine Rechtsnormen außerhalb seines Bereichs keine Geltung hätten425. Das ausdifferenzierte Wesen gegenüber anderen sozialen Untersystemen ist seinerseits durch seine ausschließliche Funktion426 gekennzeichnet, welche an die Bildung und Reproduktion genereller Verhaltenserwartungen427 ausgehend von der Dekodierung rechtlicher Kontingenzen richte428. Anders ausgedrückt, sei Funktion des (Straf-)Rechtssystems und der Gültigkeit ihrer Normen die kontrafaktische Stabilisierung normativer Verhaltenserwartungen429. Im Sinne der dargestellten Begriffe von Gesellschafts- und (Straf-)Rechtsystem wird die Person nicht als in der Natur mit Vernunft, Freiheit und Rechten erscheinendes bloßes menschliches Subjekt konzipiert, sondern als eine Schöpfung des Rechtssystems430. Der Mensch sei nämlich ein selbstreferenzielles psychisches Untersystem – d. h. ein autopoietisches Bewusstseinssystem –, denn er weise ein hinreichendes Maß an Rekursivität und Reflexionsfähigkeit auf. Die einzige Ähnlichkeit des psychischen Bewusstseinssystems mit den sozialen Untersystemen – 422

Die Anwendung dieses Binärcodes ermögliche das Rechtssystem, die zum ihm gehörenden selbstreferenzielle Kommunikation von den innerhalb der externen Umwelt stehenden fremdreferenziellen Phänomenen zu unterscheiden. Eine eindeutige Erläuterung der Handhabung des Binärcode zur Differenzierung zwischen selbstbezüglichen und fremdreferenziellen Kommunikationen im Bereich des (Straf-)Rechtssystems findet sich in: Luhmann, Gesellschaftsstruktur und Semantik 3, S. 11 ff.; ders., Beobachtungen der Moderne, S. 101 ff.; ders., Das Recht der Gesellschaft, S. 165 ff.; ders., in: Neidhardt (Hrsg.), Kultur und Gesellschaft, S. 145 ff.; ders., Rechtstheorie, S. 171 ff. 423 Luhmann, Die soziologische Beobachtung des Rechts, S. 30. 424 Grund dafür sei, dass das geschlossene Wesen des (Straf-)Rechts keinesfalls Isolierung des Rechts von seiner Umwelt, sondern nur die Selbstregulierung seiner Abhängigkeit und Unabhängigkeit von seiner Umwelt bedeute. Vgl. dazu Luhmann, Die soziologische Beobachtung des Rechts, S. 14; ders., Soziale Systeme, S. 63, 624; ders., Selbstlegitimation des Staates, ARSP 15 (1981), 69. 425 Luhmann, Die Einheit des Rechtssystems, S. 136; ders., Die soziologische Beobachtung des Rechts, S. 26 f. 426 So Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 133. 427 Luhmann, Rechtssoziologie, S. 31 ff. 428 Luhmann, Die Einheit des Rechtssystems, S. 148. 429 Luhmann, Ausdifferenzierung des Rechts, S. 43, 117. 430 Im Bereich der Rechtsphilosophie vertreten diesen Gesichtspunkt Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., S. 176; Radbruch, Rechtsphilosophie, § 17, S. 127. In der Rechtssoziologie spricht dafür Luhmann, Gesellschaft der Gesellschaft, S. 102 ff.; ders., Die Wissenschaft der Gesellschaft, S. 33 f.; ders., Soziologische Aufklärung, S. 142 ff., 237 ff. In der Strafrechtswissenschaft finden sich Gómez-Jara Díez, ZStW 119 (2007), 307 ff.; Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2. Aufl., S. 29 ff.; ders., Roxin-FS, S. 795; Müssig, Rudolphi-FS, S. 175 ff.

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etwa mi dem (Straf-)Rechtssystem –, liege darin, dass Bewusstseins- und Kommunikationssysteme dieselbe Rekursivität und Reflexionsfähigkeit haben. Während das Bewusstsein biologische selbstreflexive Operationen reproduziere, stellen die sozialen Untersysteme sinnorientierte Kommunikationen her431. Trotzdem sei das Individuum weder Bestandteil der Struktur des allgemeinen Sozialsystems noch des Inhaltes des spezifischen (Straf-)Rechtssystems, da die Strukturelemente des psychologischen Systems im Unterschied zu den sozialen Untersystemen, deren Strukturen durch Kommunikationen gebildet werden, durch das Bewusstsein konstituiert seien. Daher gehöre das psychologische System nur zur Umwelt des Sozialsystems. Somit befinde sich der Mensch außerhalb der Struktur des (Straf-) Rechtssystems432. Die Person wird hingegen als durch das Rechtssystem gebildetes Zurechnungszentrum rechtlicher Erwartungen und normativer Verhaltensweisen begriffen433. Diese Definition kommt aus der im Anschluss an Hegels Ansatz entwickelten Objektivierung des Personenbegriffs, nach dem die Person kein ontologisches, sondern ein sollensmäßiges Wesen darstelle. Person sei nämlich nur der Mensch, der in der Sollenswelt, also im Rechtssystem, Träger bestimmter kommunikativen Rollen ist, welche durch die Erfüllung von Rechtspflichten und Rechten verwirklicht werden. Daher werde die Person mittels ihrer sinnorientierten Kommunikationsprozesse mit anderen Personen bestimmt434.

III. Konsequenzen der angewendeten Methode für den Aufbau der Verbrechenslehre Die Rezeption der „systemisch-konstruktivistischen“ Erkenntnistheorie in der (Straf-)Rechtswissenschaft begann in den Siebzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts, als Jakobs anfing, die Strafrechtsdogmatik ausgehend von der Rechtsphilosophie Hegels und der sozialen Systemtheorie Luhmanns zu entwickeln435. Diese Rezeption hat vor allem die Normativierung aller Kategorien der Verbrechenslehre zur Folge, denn der Aufbau der Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit, Schuld und des Strafunrechts wird der methodologischen Vorgehensweise des systemisch-soziologischen Konstruktivismus unterworfen. Aus diesem Grund bestimme das Strafrecht einer Kommunikationsgesellschaft – dessen Aufgabe die „Sta-

431

Auf diese Weise Luhmann, Soziale Systeme, S. 92 ff. Luhmann, Soziale Systeme, S. 234, 244. 433 Luhmann, Soziale Systeme, S. 176; ders., Gesellschaftsstruktur und Semantik 2, S. 278 ff. 434 Jakobs, Person, Subjekt, Gesellschaft, S. 38. 435 Eine ausführliche Erklärung findet sich in Pawlik, Strafrecht und Gesellschaft, S. 217 ff.; Seelmann, Strafrecht und Gesellschaft, S. 85 ff. 432

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

bilisierung von Verhaltenserwartungen“ oder die „Reduktion der Komplexität sei436 – sowohl das Wesen als auch den Inhalt jedes Strukturbauteiles der Verbrechenslehre. In der Tatbestandsmäßigkeit werden die Begriffe Handlung, objektive Zurechnung, Vorsatz und Fahrlässigkeit durch systemisch-funktionalen Bewertungen begründet. Der Handlungsbegriff sei nicht gemäß kausal-naturalistischen oder psychologisch-finalen Kriterien, sondern nach der in einer komplexen Gesellschaft zu erfüllenden kommunikativen Funktion des Strafrechts437 zu bestimmen. Auf dieser Grundlage wird die verbrecherische Handlung als die von einer Person verwirklichte kommunikative Nichtanerkennung der Normgeltung definiert, weil die Person der Gesellschaft durch ihr Verhalten mitteilt, dass die Norm für sie aktuell keine Verhaltensmaxime konstituiere438. Kurz formuliert, sei die Handlung ein vermeidbarer Sinnausdruck439 des Täters (oder Teilnehmers) gegen die Geltung der Rechtsnormen. In ähnlichem Sinne wird die Begründung der objektiven Zurechnung nach dem sich an die Gewährleistung normativer gesellschaftlicher Erwartungen oder an die Wiederherstellung der verletzten Verhaltensnormen richtenden Zweck des Strafrechts bestimmt440. Ausgehend davon wird die objektive Zurechnung als die sich mit der Bestimmung der einer Person zuzurechnenden objektiv-generellen Eigenschaften des Verhaltens beschäftigende Zuschreibungslehre verstanden441. Demnach muss ein Verhalten einer Person objektiv zugerechnet werden, wenn durch die Anwendung normativer Kategorien – nämlich des erlaubten Risikos, des Vertrauensgrundsatzes, des Rückkehrverbots und der Opferzurechnung – gezeigt wird, dass die Person mittels ihrer durch die Gesellschaft erteilten fehlerhaften Organisationsfreiheit den Geltungsanspruch der verhaltenssteuernden Norm verletze442. Die Konstruktion der Tatbestandmäßigkeit gemäß der Funktion des in einer kommunikativen Gesellschaft vorliegenden Strafrechts wird mit der normativen Formulierung des Vorsatz- und Fahrlässigkeitsbegriffs443 ergänzt. So wird der Vorsatz als „Kenntnis der Verwirklichung eines tatbestandmäßigen Verhaltens“444 begriffen, welche sich in der gewollten fehlerhaften Bereichsorganisation und in der freiwilligen Annahme der sich daraus ergebenden Enttäuschung gesellschaftlicher Erwartungen445 widerspiegelt. Daher handele vorsätzlich nach konstruktivistischer 436

Luhmann, Recht der Gesellschaft, 1993; ders., Rechtssoziologie, 3. Aufl., 1987; ders., Grundrechte, 1965. 437 Jakobs, Handlungsbegriff, S. 11 ff. 438 Jakobs, Handlungsbegriff, S. 34. 439 Jakobs, Rechtswissenschaft, S. 284. 440 Jakobs, AT, 2. Aufl., S. 225, Rn. 4b. 441 Jakobs, AT, 2. Aufl., S. 224, Rn. 4. 442 Jakobs, Handlungsbegriff, S. 33 f. 443 Jakobs, AT, § 8, Rn. 5; ders., Rechtswissenschaft, S. 289. 444 Vgl. Jakobs, AT, § 8, Rn. 8; ders., Rechtswissenschaft, S. 297. 445 A. a. O.

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Ansicht, wer trotz der Kenntnis der Schaffung eines mit einer fehlerhaften Ausübung seines Freiheitsraums verknüpften unerlaubten Risikos der Tatbestandsverwirklichung446 sein Verhalten auf die in einem bestimmten Straftatbestand enthaltene Enttäuschung der Erwartungen der Gesellschaft richte. Im Gegensatz dazu wird die Fahrlässigkeit als Unkenntnis der vermeidbaren Tatbestandsverwirklichung447 definiert; denn die Fahrlässigkeit sei diejenige Form der Vermeidbarkeit bei der die aktuelle Kenntnis hinsichtlich der Ausführung eines vermeidbaren verbotenen Risikos fehlt448. In Einklang mit den dargestellten Begriffen werden auch die Kategorien „Unrecht“ und „Schuld“ ausgehend von gesellschaftlichen Betrachtungen definiert. So wird das Strafunrecht aus einer abstrakten Anschauung – in Übereinstimmung mit Hegels Ansicht – als Rechtsuntreue oder Negation des Rechts begriffen, welche stattfindet, wenn der verwirklichte Tatbestand ohne Vorliegen von Rechtsfertigungsgründen449 ausgeführt wird. Im Vergleich dazu habe der Unrechtsinhalt nach einer konkreten Betrachtung zwei unterschiedliche Bestandteile: Einerseits werde der Inhalt des Unrechts nur durch den Verhaltensunwert (etwa beim Versuchsunrecht) gebildet; andererseits sei er durch den Handlungs- und Erfolgsunwert (z. B. beim Vollendungsunrecht, Fahrlässigkeitsunrecht) gekennzeichnet. In diesem Sinne ergänze der Erfolg die Versuchshandlung zur Vollendungshandlung und das Versuchsunrecht zum Vollendungsunrecht450. Schließlich wird das systemische Schuldkonzept nicht auf traditionelle Kategorien wie „Vorwerfbarkeit“, „Unrechtsbewusstsein“ und „Schuldfähigkeit“ aufgebaut, die sich auf das psychologische Wesen der Person beziehen451. Die Schuld wird vielmehr in Bezug auf die generalpräventiven Bedürfnisse des gesellschaftlichen Untersystems „Strafrecht“ oder in Bezug auf die generalpräventiven Zwecke der Strafe konstruiert452. In diesem Sinne stütze sich die Schuld auf die Erfordernisse positiver Generalprävention und wird nach dieser im Einzelfall bemessen453. Mit anderen Worten werden die personalen Elemente aus dem Inhalt der Schuldkategorie ausgeschlossen und durch die generalpräventiven Strafzwecke ersetzt454. Daher sei Funktion der Schuld, die Notwendigkeit der Verhängung einer Strafe über den Täter

446

Jakobs, AT, § 8, Rn. 6; ders., Rechtswissenschaft, S. 291. Jakobs, AT, § 9, Rn. 3. 448 Jakobs, AT, § 9, Rn. 4. 449 Jakobs, AT, § 6, Rn. 59. 450 Jakobs, AT, § 6, Rn. 75. 451 Zur Erläuterung des Jakobsschen funktionalen Schuldbegriffs vgl. Perron, Strafrecht und Gesellschaft, S. 545 ff. 452 Perron, Strafrecht und Gesellschaft, S. 545 f., 560. 453 Schneider, Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten?, S. 55. 454 Jakobs, AT, 2. Aufl., S. 225, Rn. 4b. 447

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

oder Teilnehmer eines Strafunrechts zur Bestätigung der Verbindlichkeit der Ordnung gegenüber dem rechtstreuen Bürger in bestimmten Maß zu bestimmen455.

IV. Konsequenzen der angewendeten Methode für die Begründung des Beteiligungssystems 1. Die unterschiedliche Natur des Organisationsim Gegensatz zum Pflichtstrafunrecht als Grundstein des Täterschafts- und Teilnahmesystems Die Begründung des Beteiligungssystems ist nach dem Verständnis des systemischen Funktionalismus von der Rechtsnatur der im Strafrecht vorliegenden Strafhaftungsformen abhängig, weil die Fragestellung nach der Täterschaft und Teilnahme die Fragestellung nach der Strafhaftung sei. Nun ergäben sich diese strafrechtlichen Verantwortungen aus der in der Basis aller Gesellschaften liegenden Enttäuschung normativer Grunderwartungen. Mittels der Anwendung der deduktiven Methode werden zunächst die Grundwerte der Gesellschaft in zwei Gruppen systematisiert, deren entsprechende Verletzungen die zwei genannten unterschiedlichen Strafhaftungen begründen. Diese Grundwerte seien der Respekt der individuellen Organisationsfreiheit einerseits und die Geltung kollektiv-sozialer oder kollektiv-staatlicher Institutionen andererseits. Folglich begründe der Verstoß gegen die Organisationsfreiheit und die positiven Institutionen der Gesellschaft oder des Staats zwei unterschiedlichen Strafhaftungsformen, welche vom Gesetzgeber in den entsprechenden Organisations- bzw. Pflichtstrafunrechten festgesetzt werden. In diesem Zusammenhang hätten die Organisationsdelikte, die sich auf den Verstoß gegen die aus dem liberalen Staat stammende fremde individuelle Freiheitssphäre gründen, eine andere (Straf-)Rechtsnatur als die Pflichtdelikte, die sich auf die im Rahmen des Sozialstaats entwickelte Verletzung sozialer Institutionen stützen456 : Die „Haftung kraft fehlerhafter Organisationszuständigkeit“ oder Organisationsdelikte wird nämlich gebildet, wenn eine Person ihre Organisationsfreiheit willkürlich ausübt und dadurch anderen fremden Freiheitssphären verletzt457, die eine Verneinung der Normgeltung darstellt. Die Pflichtdelikte werden hingegen verwirklicht, wenn ein Bürger die positiven Institutionen des Staats angreift, welche die reale Verwirklichung der individuellen Freiheit und die Konkretisierung der 455

S. 55.

Schneider, Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten?,

456 Zum Unterschied zwischen Haftung wegen Organisationsfreiheit und Haftung kraft institutioneller Zuständigkeit vgl. Jakobs, AT, § 1 (Rn. 7), § 7 (Rn. 57, 68, 70), § 21 (Rn. 2 ff., Rn. 16, 116); ders., Die strafrechtliche Zurechnung, S. 29 ff.; Lesch, Das Problem der sukzessiven Beihilfe, S. 129 ff., 288 ff.; Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 29 ff. 457 Hierfür siehe Müssig, Jakobs-FS, S. 427; Jakobs, AT, § 1 (Rn. 7), § 21 (Rn. 16); ders., Staatliche Strafe, S. 32 ff.; ders., Die strafrechtliche Zurechnung, S. 29; ders., Der strafrechtliche Handlungsbegriff, S. 31; Lesch, Das Problem der sukzessiven Beihilfe, S. 265.

§ 2 Theoretische Grundlagen der Beteiligungssysteme

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Grundrechte ermöglichen458. Aus diesem Grund errichtet der systemische Funktionalismus sowohl das Wesen als auch die Erscheinungsweisen der Täterschaft und Teilnahme in Bezug auf diese zwei unterschiedlichen Strafhaftungsformen. Im Folgenden wird diese Problematik erläutert. 2. Wesen und Begründung der Täterschaft und Teilnahme In ähnlichem Sinne wie das durch den kriminalpolitischen Funktionalismus entwickelte kriminalpolitische Beteiligungssystem charakterisiert die konstruktivistische Strafrechtswissenschaft in Deutschland und Spanien den Täter auch als „Zentralgestalt“ der Tatbestandverwirklichung. Die „Zentralgestalt“ gilt als „Primärkategorie“ aller Strafhaftungsformen. Diese Kennzeichnung der Täterschaft gilt sowohl für die Organisationsdelikte als auch für die Pflichtdelikte. Die Charakterisierung des Täters als „Zentralgestalt“ der Tatbestandherbeiführung gründet sich darauf, dass der Täter im Unterschied zu anderen Beteiligten selbst die normativen Tatbestandelemente verwirklicht. So sei „Zentralfigur“ bei den „Organisationsdelikten“ jede Person, die ihre individuelle Zuständigkeit fehlerhaft organisiere; demgegenüber sei „Zentralgestalt“ bei den Pflichtdelikten nur der Sonderpflichtträger. Die Einordnung der Täterschaft als „Primärkategorie“ der strafrechtlichen Verantwortlichkeit hat zwei Gründe: Einerseits hänge die Begründung der Strafhaftung der Täterschaft nicht vom Vorliegen anderer Strafhaftungsformen ab – etwa die Anstiftung oder Beihilfe; vielmehr habe die Täterschaft eine selbständige Natur, sodass die im Strafgesetzbuch festgelegten Begründungen anderer Strafhaftungsformen von ihrer Existenz abhängig seien. Andererseits wird, wenn sich mehrere Personen an der Verwirklichung eines Strafunrechts beteiligen, zunächst die Strafbarkeit dieser Beteiligter als Täter (z. B. Mittäter) geprüft. Erst wenn dieser vorgeschaltete Test die Abwesenheit der zur Begründung der Täterschaft dienenden Merkmale bezüglich einiger Beteiligter zeigt, kann analysiert werden, ob stattdessen eine Teilnahme gegeben ist. Im Anschluss an ihre (Straf-)Rechtsnatur wird die Täterschaft bei den Organisationsdelikten und bei den Pflichtdelikten in unterschiedlichen Kategorien begründet. So liege die Begründung der Täterschaft im Bereich der Organisationsdelikte in der fehlerhaften Organisation der individuellen Zuständigkeit. Denn das die Grundinstitution jeder Gesellschaft konstituierende Synallagma Verhaltensfreiheit und Folgenverantwortung459 fordere die Ausübung der eigenen Organisationsfreiheit ohne willkürliches Eindringen in Freiheitssphären anderer Personen460. Daher begründe ein solches gesellschaftliche Grundprinzip die Strafverantwortung 458

Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, § 7, S. 119. Jakobs, Tatherrschaftsdämmerung, S. 90. 460 Jakobs, Theorie der Beteiligung, S. 1, 30; ders., System der strafrechtlichen Zurechnung, S. 27 f., 38, 85 f., 89. 459

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

einer Person in Täterschaftsform, wenn sich aus der freien fehlerhaften Ausübung ihrer persönlichen Organisationszuständigkeit tatbestandsmäßige Konsequenzen für fremde Freiheitsräume ergäben. Kurz formuliert sei die Täterschaft bei den Organisationsdelikten nicht „Tatherrschaft über die Tatbestandverwirklichung“, sondern „Zuständigkeit für die Schlechterstellung anderer Freiheitsräume“461. Im Vergleich dazu gründe sich die Täterschaft bei den Pflichtdelikten auf die Verletzung einer außerstrafrechtlichen institutionellen positiven Sonderpflicht462, welche an die Verbesserung anderer individuellen Freiheitsräume oder an die richtige Erfüllung der Funktionen staatlicher Institutionen richteten. Es bedeute, dass der Pflichtträger zwecks der Verbesserung des Zustandes anderer Personen oder der richtigen Erfüllung der Funktionen des Staats positiv handeln müsse; d. h. der Intraneus sei verpflichtet, nicht nur seine individuelle Organisationsfreiheit richtig auszuüben, sondern auch dafür Sorge zu tragen, dass die staatlichen Institutionen den individuellen Ansprüchen der Bürger in gesetzmäßiger Weise begegnen. Folglich sei die Täterschaft bei den Pflichtdelikten nichts anderes als die Zuständigkeit des Sonderpflichtträgers für die Nichtverbesserung anderer Organisationsfreiheiten bzw. Nichterfüllung der positiven Aufgaben staatlicher Institutionen463. Im Unterschied zur Täterschaft wird die Teilnahme sowohl bei den Organisationsdelikten als auch bei den Pflichtdelikten als „unselbständige Institution“ konzipiert. Der Ausgangpunkt dieser Auffassung ist die Zielsetzung der in den Straftatbeständen des Besonderen Teils festgelegten Verhaltensnormen, welche nach dem konstruktivistischen Gedanken nur das normwidrige Verhalten – Handlung oder Unterlassen – des Täters als Strafunrecht qualifizieren. Die Vertreter des konstruktivistischen Funktionalismus führen dafür zwei Argumente an: Zum einen enthalten sowohl die Gemein- als auch die Sondertatbestände einen unmittelbaren und starken Strafgrund nur hinsichtlich der unzulänglichen Handlungen des Täters, aber keineswegs bezüglich des unrichtigen Verhaltens des Teilnehmers. Zum anderen ist das Verhältnis zwischen den Tatbeständen und dem Teilnehmer mittelbar und schwach, denn die strafrechtliche Beziehung zwischen dem Verhalten des Teilnehmers und der tatbestandmäßigen Haupttat werde nicht durch den Text der Tatbestände, sondern durch die allgemeinen Regeln der Teilnahme (§§ 26 und 27 StGB) festgesetzt464, welche die in den Tatbeständen festgesetzte ursprüngliche 461

Jakobs, Tatherrschaftsdämmerung, S. 119. Lesch, Das Problem der sukzessiven Beihilfe, S. 128, 139 f., 298 ff.; ders., ZStW 105 (2009), 287 f.; ders., GA 1994, 126; Sanchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, § 2, S. 30; Caro John, ADP 2003, S. 49 ff. Diese These wird in der Strafrechtswissenschaft erörtert. So vertritt Pariona Arana die Auffassung, dass die täterschaftsbegründende Pflichten strafrechtlich (und nicht außerstrafrechtlich) seien. Täterschaftsbegründende Pflichten sind nach seiner Auffassung strafrechtliche Sonderpflichten, vgl. Pariona Arana, Roxin-FS, S. 857 f. 463 Jakobs, Tatherrschaftsdämmerung, S. 119. 464 Auf diese Weise Jakobs, AT, § 22, Rn. 7; Stratenwerth und Kühlen (AT, 2011, 6. Aufl., § 12, Rn. 121) behaupten, dass der Teilnehmer … nicht selbst die im Besonderen Teil des StGB umschriebenen Straftatbestände erfülle, sondern durch die Übertretung des in den §§ 26 und 27 462

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Strafbarkeit des Täters auf den Bereich des Teilnehmers erweitern465. Daraus ergebe sich, dass die Begründung des Teilnahmeunrechts von einer fremden Haupttat – nämlich vom Strafunrecht des Täters – abhänge. Mit anderen Worten sei die Teilnahme sowohl bei den Organisationsdelikten als auch bei den Pflichtdelikten nur eine Erweiterung der Strafbarkeit, weil sie ohne Verhältnis zum Unrecht der Täterschaft in Wahrheit nicht strafrechtlich relevant sei466. Ausgehend von dieser Charakterisierung des Wesens der Teilnahme unterscheidet der konstruktivistische Funktionalismus zwischen der Begründung des Teilnahmeunrechts bei den Organisationsdelikten und der Begründung des Unrechts der Teilnahme bei den Pflichtdelikten. Bei den Delikten wegen fehlerhafter Organisation der individuellen Zuständigkeit gründe sich die Teilnahme im Unterschied zur Täterschaft auf den geringeren quantitativen Beitrag zur Tatbestandherbeiführung. Denn die Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme sei die Frage nach dem Zurechnungstitel der strafrechtlichen Verantwortung, welcher sich einerseits sich nur auf das Quantum der Freiheitsorganisation und nicht auf das (Nicht-)Vorhandensein der qualitativen Zuständigkeit der Beteiligten stütze467 und andererseits keine Strafzurechnung begründe, sondern nur die Strafzumessung bestimme468. Dies zeigt deutlich, dass nach dem konstruktivistischen Beteiligungsverständnis die Täterschaft und die Teilnahme bei den Delikten wegen normwidriger Organisation individueller Zuständigkeit keinen qualitativen, sondern nur einen quantitativen Unterscheid darstellen469, der nicht im Bereich der Sollens-, sondern der Seinswelt stattfindet. Aus diesem Grund besteht die Teilnahme bei den Organisationsdelikten trotz Arbeitsteilung zwischen den Beteiligten470. In unterschiedlicher Weise stütze sich die Teilnahme an den Delikten wegen „institutioneller Zuständigkeit“ nicht auf die geringere ontologische Tatmitwirkung, sondern auf die Übertretung der allgemeinen, strafbarkeitserweiternden Teilnahmeregelungen, welche im Vergleich zur durch den Intraneus verletzten Sonderpflicht eine andere Rechtsnatur haben. In diesem Zusammenhang spiele der geringere oder größere phänomenologische Tatbeitrag keine Rolle zur Begründung der Teilnahme an den Pflichtdelikten; wesentlich für die Begründung der Teilnahme an den Delikten wegen institutioneller Zuständigkeit sei vielmehr die Mitwirkung an der Verletzung der positiven Sonderpflicht ohne Tätereigenschaft. Deswegen hafte der Extraneus immer als Teilkodifizierten Verbots, einen anderen zur Verwirklichung einer tatbestandmäßigen Tat zu veranlassen oder zu unterstützen. 465 Jakobs, AT, § 22, Rn. 6. 466 Jakobs, AT, § 21 (Rn. 8a), § 22 (Rn. 6, 8); ders., GA 1996, 258 f.; ders., Miyazawa-FS, S. 425 f.; Lesch, Das Problem der sukzessiven Beihilfe, S. 174, 199, 224, 231 f. 467 Jakobs, Tatherrschaftsdämmerung, S. 93, 103. 468 Jakobs, Tatherrschaftsdämmerung, S. 103. 469 Genauer gesagt, ist die Tatherrschaft nach Jakobs Auffassung ein quantitatives Element, welches nicht die Strafhaftung der Beteiligten begründet, sondern nur den Zurechnungstitel (als Täter oder Teilnehmer) bestimmt, siehe Jakobs, Tatherrschaftsdämmerung, S. 93. 470 A. a. O.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

nehmer – und als Täter – eines Sonderpflichtdelikts, wenn er einem Intraneus helfe, seine positive Sonderpflicht zu verletzen.

V. Kritische Würdigung Anders als der kriminalpolitische Funktionalismus und der ontologische Finalismus versteht der systemische Funktionalismus die Pflichtdelikte als Tatbestände, bei denen die Strafbarkeitsbegründung sich von derjenigen der Organisationszuständigkeitsdelikte (Herrschaftsdelikte) unterscheidet. Unter diesem Gesichtspunkt begründet ein Verstoß gegen den neminem laedere-Grundsatz ein Organisationszuständigkeitsdelikt, während die Verletzung einer institutionellen positiven Pflicht ein Pflichtdelikt darstellt. Nach dieser Auffassung besitzt der Intraneus eine institutionelle Pflicht, sich auf positive Weise zu verhalten, um die entsprechenden institutionellen Rechtserwartungen zu schützen. Deswegen begeht der institutionell Verpflichtete ein Pflichtdelikt, wenn er seine institutionelle Pflicht verletzt. Also liegt der Unterschied zwischen Organisations- und Pflichtdelikten gemäß der systemischen Ausfassung nicht – wie Roxin und seine Anhänger vertreten – in der unterschiedlichen Struktur der Delikte des Besonderen Teils, welche die tatbestandlichen Voraussetzungen der Täterschaft regeln, sondern in der unterschiedlichen Natur der Strafbarkeitsbegründung, nämlich der Verletzung einer institutionellen Pflicht. Auf diese Weise werden viele scheinbare Tatherrschaftsdelikte (scheinbare Organisationsdelikte) durch die systemische Auffassung als Pflichtdelikte definiert, nämlich dann, wenn die Strafbarkeitsbegründung dieser Tatbestände mit der Verletzung einer institutionellen Pflicht verbunden ist. In diesem Sinn sind Pflichtdelikte nicht nur diejenigen Tatbestände, bei denen die Täterschaft sich aus der Verletzung einer außerstrafrechtlichen Pflicht ergibt, sondern auch all jene, bei denen das Subjekt gegen eine institutionelle Pflicht verstößt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Tatbestand als Herrschaftsdelikt formuliert wurde. Entscheidend für die Qualifizierung eines Delikts als Pflichtdelikt ist nur die außerstrafrechtliche institutionelle Beziehung zwischen dem Pflichtträger und dem geschützten Rechtsgut. Aus diesem systemischen Verständnis ergeben sich zunächst zwei paradoxe Konsequenzen im Bereich der Pflichtdelikte, nämlich eine Beschränkung und eine Erweiterung. Die Beschränkung liegt darin, dass nicht alle Sonderdelikte (beispielweise alle Unterlassungsdelikte, alle eigenhändigen Delikte und alle Fahrlässigkeitsdelikte) aus Sicht des systemischen Funktionalismus Pflichtdelikte sind. Diese Erwägung wird durch die folgenden Fälle illustriert: Fall 1 Der Schuldner (ein fünfköpfiger Vorstand einer AG) veräußert bei drohender Zwangsvollstreckung Bestandteile des Vermögens des von ihm geleiteten Wirtschaftsunternehmens bzw. schafft diese beiseite, um die Befriedigung des Gläubigers zu vereiteln.

§ 2 Theoretische Grundlagen der Beteiligungssysteme

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Fall 2 Der Schuldner (wieder der fünfköpfige Vorstand einer AG) lässt zu, dass ein nichtqualifizierter Untergeordneter das Schuldnervermögen (des Wirtschaftsunternehmens) veräußert bzw. beiseiteschafft.

In beiden Fällen begeht der Schuldner (die Vorstandsmitglieder) aus Sicht des systemischen Funktionalismus ein Herrschaftsdelikt, weil die genannten Führungskräfte des Unternehmens keine institutionelle Pflicht verletzt haben, obwohl sie Schuldnerstatus gegenüber dem Gläubiger haben. Bei der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO macht die bloße Schuldnereigenschaft als isolierte Anzeige- und Zahlungspflicht das Delikt nicht zum Sonderdelikt471. Hingegen haften die Vorstandsmitglieder nach der Auffassung des kriminalpolitischen Funktionalismus als Täter eines in § 288 dStGB typisierten Pflichtdelikts, da sie ihre außerstrafrechtliche Pflicht verletzt haben472. Die Erweiterung ist mit der (Um-)Klassifizierung von Herrschaftsdelikten in Pflichtdelikte verknüpft. Wie schon erklärt wurde, bezeichnet der systemische Funktionalismus als Pflichtdelikte sowohl die Straftaten, die unter den Wortlaut eines positivierten Pflichtdelikts (z. B. ein Amtsdelikt) subsumiert werden können, als auch die scheinbaren Organisationszuständigkeitsdelikte, bei denen der Verpflichtete eine positive Institutionspflicht verletzt. Am folgenden Beispiel lässt sich diese Auffassung erläutern: Ein Vorstandsmitglied leistet einem außenstehenden Dritten Beihilfe zur Störung oder Wegnahme des Vermögens des von ihm geführten Unternehmens. In diesem Fall soll das Vorstandsmitglied Täter einer Untreue sein, da es durch die Beihilfe gegen seine institutionelle Pflicht, das Vermögen des von ihm geleiteten Wirtschaftsunternehmens vor Gefahr zu schützen, verstoßen habe. Im Gegensatz dazu haftet das Vorstandsmitglied aus Sicht des kriminalpolitischen Funktionalismus nur als Gehilfe der Untreue oder eines anderen Vermögensdelikts. Mit der h. L. ist diese These sehr gefährlich, weil alle Herrschaftsdelikte in Pflichtdelikte umgewandelt473 werden könnten, wenn sich die Begründung des Straftatbestandes nur auf die Verletzung einer außerstrafrechtlichen Rechtspflicht beschränkt. Diese ungewollte Möglichkeit wurde von Jakobs selbst in der ersten Formulierung seiner Pflichtdeliktslehre akzeptiert474. Auf diese Weise kann das durch den systemischen Funktionalismus aufgebaute theoretische Beteiligungssys471

Jakobs, AT, § 25, Rn. 46. Siehe hierfür mehrere von Roxins Werken, aber insbesondere seine Monographie TuT, 8. Aufl., § 34, S. 356. 473 Wohlers meint, dass Normen, die – wie z. B. § 324 StGB – grundsätzlich als Herrschaftsdelikte konstruiert seien, damit für bestimmte Personenkreise zu Pflichtdelikte umfunktioniert würden, ohne dass – anders als bei den gemeinhin als Pflichtdelikt bezeichneten Normen, wie z. B. § 266 StGB – aus dem Straftatbestand selbst zu entnehmen wäre, dass der Gesetzgeber eine (allein) an eine außerstrafrechtliche Pflichtenstellung anknüpfende Verantwortlichkeitsstruktur schaffen wollte, vgl. Wohlers, ZStW 108 (1988), 83. 474 Jakobs, AT, § 29, Rn. 62; ders., Dogmática del Derecho penal, S. 136 f.; ders., Sobre la normativización de la dogmática, S. 127 ff. 472

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

tem trotz der Abwesenheit einer institutionellen Pflicht zur Qualifizierung von Blankettstrafgesetzen als Pflichtdelikte führen. In diesem Sinn behauptet Wohlers475, dass die hier kritisierte Auffassung nicht nur die Täterschaft bei den Pflichtdelikten auf Außenstehende erweitert, sondern auch erlaubte Handlungsweisen – die nicht durch das Strafgesetzbuch als Delikt gekennzeichnet werden – in strafrechtlich relevantes Verhalten umwandelt. Dieser Einwand spiegelt sich in der neuen Pflichtdeliktslehre von Jakobs wider, in der er von seiner ersten, früheren Auffassung abgerückt ist. Beispiel dafür ist der Ehegattenfall, in dem Jakobs476 behauptete, dass die Ehe keine positiven Pflichten zwischen den Ehegatten begründe. Vielmehr hat er die Ehe aus dem Bereich der die Pflichtdelikte begründenden Sonderpflichten ausgeschlossen477. Ein anderer Einwand gegen das systemische Beteiligungssystem liegt in seiner widersprüchlichen Behandlung von Begehen und Unterlassen. Obwohl der systemische Funktionalismus die normative Gleichwertigkeit von Begehen und Unterlassen als Ausgangpunkt seiner Haftungsbegründung der Herrschafts- und Pflichtdelikte annimmt, weist er diesen zwei ontologischen Kategorien dann einen unterschiedlichen strafrechtlichen Unwertgehalt zu. So kann das aktive Handeln des Intraneus im Bereich der „unechten“ Pflichtdelikte sowohl die Haftung kraft „institutioneller Zuständigkeit“ als auch parallel die Haftung wegen fehlerhafter Organisation begründen. Hingegen könnte die Pflichtverletzung durch Unterlassen nur die Haftung aufgrund institutioneller Zuständigkeit, nicht aber kraft fehlerhafter Organisation begründen. Diese widersprüchliche und sinnlose Differenzierung zwischen Begehen und Unterlassen wird augenfällig, wenn beispielweise ein Gefängnisaufseher nach Auffassung des systemischen Funktionalismus das Delikt „Gefangenenbefreiung“ verwirklicht. So würde die aktive Pflichtverletzung – z. B. indem der Gefängnisaufseher die Tür der Haftanstalt zur Befreiung der Häftlinge öffnet – nicht nur das Pflichtdelikt „Gefangenenbefreiung im Amt“ (§ 120 Abs. 2 dStGB, Art. 471 sStGB) begründen, sondern auch das einfache Organisationsdelikt „Gefangenenbefreiung“ (§ 120 Abs. 1 StGB). Demgegenüber könnte die in einem Unterlassen liegende Pflichtverletzung des Gefängnisaufsehers – z. B. indem er die Tür der Haftanstalt nicht schließt – nur eine „Gefangenenbefreiung im Amt“ (§ 120 Abs. 2 dStGB, Art. 471 sStGB) darstellen, aber nicht die allgemeine „Gefangenenbefreiung“ (§ 120 Abs. 1 dStGB, Art. 470 Abs. 1 sStGB). Nach hier vertretener Auffassung ist es zwar korrekt, bei der konkreten Strafzumessung zwischen Begehen und Unterlassen – kraft der Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 dStGB bzw. Art. 66 Abs. 1 sStGB – zu differenzieren. Diese Differenzierung hat jedoch nicht bereits beim Haftungsgrund als solchem anzusetzen. Die von den Vertretern des systemischen Funktionalismus formulierte Teilnahmebegründung des Extraneus an den Pflichtdelikten ist ebenfalls angreifbar. Man 475 476 477

Wohlers, ZStW 108 (1988), 83 f. Siehe Jakobs, La imputación objetiva, S. 145 ff. Hierfür siehe Jakobs, AT, § 29, Rn. 63.

§ 2 Theoretische Grundlagen der Beteiligungssysteme

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kann eine übermäßige Bewertung des Täterunrechts darin sehen, dass sich die Begründung der Teilnahme des Extraneus aus dem Unrecht des Intraneus ergeben soll. Es darf nicht vergessen werden, dass der Extraneus nach der kritisierten Auffassung ohne Haupttatunrecht des Intraneus keine durch die Pflichttatbestände garantierte Erwartung enttäuscht478. Vielmehr wäre die Pflichtverletzung des Intraneus das Nadelöhr für die Begründung der Strafbarkeit der Teilnahme des Extraneus am Pflichtdelikt. Eine solche Begründung führt – wie alle extrem akzessorietätsorientierten Lehren der Teilnahme – zu einem Verstoß gegen das Selbstverantwortungsprinzip, da die Verantwortlichkeit des Extraneus nicht mit dem Unwert seines eigenen Unrechts, sondern auf dem Unwert des Pflichtträgerunrechts begründet wird. Schließlich sind noch die aus der Tatherrschaftslehre kommenden Einwände gegen die systemische Pflichtdeliktlehre hervorzuheben. Die Einwände – die hier zwar genannt, nicht aber detailliert erklärt werden sollen – sind wie folgt: Zunächst wird der Begriff „institutionelle Zuständigkeit“ bemängelt479. Dann wird die Bedeutung der Verletzung der außerstrafrechtlichen Pflicht kritisiert480, insofern die Pflichtverletzung durch das systematische Beteiligungssystem nicht nur als strukturelles Kriterium der Täterschaft, sondern auch als Grundlage der Strafhaftung berücksichtigt wird, wie sie in den Tatbeständen zum Ausdruck kommt. Ebenso wären das versuchte Verbrechen und das vollendete Delikt gleichwertig, da sich der Versuch immer in eine vollendete Straftat verwandeln481 würde. Der Grund besteht darin, dass der Strafgrund des Unrechts aus Sicht des systemischen Beteiligungssystems482 im Unterschied zu einem Täterschafts- und Teilnahmesystem, das auf die Verletzung der Rechtsgüter abstellt, „das Offensichtlich-Werden eines Normbruchs“ ist: D. h. Versuch und Vollendung bedeuten somit gleichermaßen „einen perfekten Angriff auf die Normgeltung“483.

F. Zusammenfassung und Zwischenergebnis Die in diesem Abschnitt angestellten Überlegungen haben gezeigt, dass den dogmatischen und gesetzlichen Beteiligungssystemen in Deutschland und Spanien bestimmte erkenntnistheoretische Paradigmen zugrunde liegen, die sich im Bereich 478

Siehe unten § 4 B.IV.1. Nach Schünemanns Auffassung (Roxin-FS, S. 19) ist dieser Begriff nicht besser, sondern fragwürdig. Darüber hinaus stellt dieser Begriff (soweit Jakobs damit an außerstrafrechtliche, namentlich zivilrechtliche Rechtsregeln anknüpft) eine doppelte Kritik dar, die sowohl mit der methodologischen als auch mit der inhaltlichen Ebene verknüpft ist. 480 Witteck, Der Betreiber im Umweltstrafrecht, S. 151; Langer, Das Sonderverbrechen, S. 223 ff. 481 Roxin, ZStW 116 (2004), 942. 482 Jakobs, AT, § 25, Rn. 21. 483 Jakobs, AT, § 25, Rn. 17. 479

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

der Strafrechtswissenschaft in den kausal-naturalistischen, kausal-normativen, ontologisch-finalistischen, rational-teleologischen (kriminalpolitisch-funktionalistischen) und konstruktivistisch-funktionalen Zurechnungssystemen ausdrücken. Dies bedeutet, dass sich Begriffe wie Person, Verhalten (Handlung), Schuld, Verbrechen, Zurechnung, Unterlassung, Täter- und Teilnehmerunrecht, strafrechtliche Verantwortlichkeit, Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe, usw. auf philosophische Bauteile stützen. Jedes dieser Systeme wendet eine bestimmte Methode an, um sowohl die normative Realität der Gesellschaft zu erfassen als auch die strafrechtlichen Zurechnungsmodelle aufzubauen. So wendete das kausal-naturalistische Verbrechenssystem die von der empiristischen Erkenntnistheorie formulierte induktive Methode und die sich daraus ergebende „conditio-sine-qua-non-Formel“ an. Ausgehend davon definierte es das Delikt als ein kausal-naturalistisches Ursache-Wirkungs-Schema. Somit wurde die Strafhaftung mit der bloßen Festlegung eines faktischen Kausalzusammenhangs zwischen Ursache (Verhalten) und Wirkung (Erfolg) begründet. Dies führte die deutschen und spanischen Vertreter der kausal-naturalistischen Strafrechtswissenschaft einerseits zum zweiteiligen Aufbau des Verbrechens, nach der Strafunrecht und Schuld den Außen- bzw. Innenbestandteil des Verbrechens konstituieren und andererseits zur Entwicklung eines extensiven und unitarischen Beteiligungssystems, welches wegen des Aufbaus der Täterschafts- und Teilnahmelehre mittels der Anwendung der „conditio-sine-qua-non-Formel“ in Wahrheit nicht zwischen Tätern und Teilnehmern unterschied; d. h. alle aus kausal-naturalistischer Sicht mit der Verwirklichung des Verbrechens verbundenen Beteiligten wurden als Täter beurteilt. Mit dem Wiederaufleben des neukantianischen und neuhegelianischen Gedankens im Bereich der (Straf-)Rechtswissenschaft wurde das kausal-naturalistische Verbrechenssystem durch das kausal-normative Zurechnungsmodell ersetzt, nach dem die (Straf-)Rechtskategorien nicht mehr nach der kausal-naturalistischen Vorgehensweise, sondern nach einer wertbezogenen teleologischen Methode gebildet wurden. Grund dafür war, dass die Kulturwissenschaften und daher die Strafrechtswissenschaft die Erkenntnisgewinnung den reinen abstrakten „Wertvorstellungen“ oder metaphysischen „Wertideen“ unterordneten. Daraus ergaben sich die ersten Skizzen einer Normativierung der Verbrechens- und Beteiligungslehre, in welchen versucht wurde, einen neuen Blickwinkel zur Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme zu entwickeln, welcher in der Begründung der Täterschaft und Teilnahme gemäß der teleologischen Auslegung des in den Tatbeständen festgelegten Willens des Gesetzgebers bestand. In Bezug darauf wurden als Erscheinungsformen der Täterschaft und Teilnahme nur die kausal-normative Mitwirkungen betrachtet, welche eine „adäquate Kausalität“ oder „objektive Gefährlichkeit“ für die Verursachung des tatbestandsmäßigen Erfolges darstellten Die Entstehung des „ontologisch-rationalistischen Realismus“ oder „real-rationalistischen Ontologismus“ als neue epistemologische Methode zur Erkenntnisge-

§ 2 Theoretische Grundlagen der Beteiligungssysteme

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winnung bedeutete eine Neubegründung des Strafrechtssystems und der (Straf-) Rechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens, die sich in der Ersetzung der dargestellten „kausal-naturalistischen“ und „kausal-normativen Kausalverbrechenssysteme“ durch das „finalistische Zurechnungsmodell“ widerspiegelte. Im Gegensatz zum kausalen Modell bildete das finalistische Zurechnungssystem die (Straf-) Rechtsbegriffe – im Anschluss an die ontologisch-rationalen erkenntnistheoretischen Prämissen – nach dem vorrechtlichen Wesen oder ontischen Substrat der phänomenologisch-ontologischen Kategorien. So griff der Finalismus auf die durch den ontologisch-rationalistischen Realismus formulierte „synthetische Methode“ zurück, um ein neues dogmatisches Verbrechens- und Beteiligungssystem aufzubauen. Dies äußerte sich erstens in einer Neueinstufung der Verbrechenslehre, welche nicht mehr auf der Kategorie des bloßen Kausalverlaufs, sondern auf der als von einem Menschen nach gedanklicher Antizipation und Mittelauswahl zur Erreichung eines bestimmten Ziels beschlossene Steuerung eines Kausalverlaufes definierten finalen Handlung begründet wurde. Zweitens spiegelte sich die Anwendung der „synthetischen Methode“ auf die (Straf-)Rechtswissenschaft in der Begründung der Täterschaft und Teilnahme auf der vom Gesetzgeber im gesetzlichen Rechtssystem festgestellte Ordnung ontologischer Strukturen der finalen Handlung innerhalb der sozialen Welt wider. In Bezug darauf postuliert der Finalismus, dass sich die genannten sachlogischen Grundstrukturen der finalen Handlung der an der Straftatausführung beteiligten Subjekte entweder in der Tatherrschaft über die Tatbestandverwirklichung oder in der Hilfeleistung (ohne Tatherrschaft) zur Tatbestandsherbeiführung eines anderen äußert. Aus diesem Grund definiert der Finalismus die Täterschaft und Teilnahme als „umfassendste Form finaler Tatherrschaft“ oder als „finale Herrschaft über die Tat“ bzw. „Hilfeleistung ohne Tatherrschaft“. Seit der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts hat die Strafrechtswissenschaft in Deutschland und Spanien wieder auf die von der Erkenntnistheorie des Neukantianismus und Neuhegelianismus entwickelte wertbeziehende Methode zurückgegriffen, um die normative Wirklichkeit der Gesellschaft zu begreifen, die (Straf-)Rechtsbegriffe zu bilden und ein normativ-teleologisches Verbrechenssystem aufzubauen. Die Voraussetzung dieses methodologischen Paradigmenwechsels ist die Anerkennung des Vorliegens zweier Welten – nämlich der Welt des „Seins“ und der Welt des „Sollens“ – und folglich die Annahme zweier unterschiedlicher Erkenntnisgegenstände, die Gegenstand der Wissenschaft entweder der Natur- oder der Geisteswissenschaft sind. In diesem Zusammenhang werden die neukantischen und neuhegelianischen abstrakten Wertideen sowie die sachlogischen Seinstrukturen des Verhaltens, auf welche sich das kausale bzw. finalistische Verbrechenssystem gründete, durch die konkreten kriminalpolitischen Zwecksetzungen der Strafzwecklehre (Rechtsgüterschutz, spezialpräventiver Resozialisierungszweck, positiv-generalpräventives Integrationsziel) ersetzt. Dieser methodologische Paradigmenwechsel ist von wesentlicher Bedeutung für die gegenwärtige Weiterentwicklung der Verbrechenslehre und insbesondere für den

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

Aufbau des Beteiligungssystems. In Übereinstimmung mit der Unterscheidung von „Sein“ und „Sollen“ schuf das zweckrationale Zurechnungsmodell ein neues Begründungs- oder Unterscheidungsparadigma von Täterschaft und Teilnahme, welches sich auf die Differenzierung zwischen Herrschafts- und Pflichtdelikten stützt. Daraus folgert das eben dargestellte theoretische Verbrechenssystem, dass die Begründung der Täterschaft und Teilnahme bei den Herrschafts- und Pflichtdelikten nach dem Kriterium der ontologischen Tatherrschaft bzw. normativen Pflichtverletzung bestimmt wird. Unter dieser Voraussetzung seien Täter und Teilnehmer bei den Herrschaftsdelikten diejenigen, die die Tatbestandsherbeiführung objektiv und subjektiv beherrschen bzw. sich an der Tatbestandsverwirklichung ohne Herrschaft beteiligen. Im Unterscheid dazu seien Täter und Teilnehmer im Bereich der Pflichtdelikte diejenigen, die eine außerstrafrechtliche Pflicht verletzen bzw. an der Herbeiführung des Delikts ohne Pflichtverletzung teilnehmen. Übrigens hat das kriminalpolitisch-funktionale Beteiligungssystem nicht nur die zuerst vom Finalismus entwickelten Täterschafts- und Teilnahmeerscheinungsformen bei den Herrschaftsdelikten bewahrt, sondern auch neue Formen der Täterschaft und Teilnahme sowohl bei den Herrschafts- als auch bei den Pflichtdelikten entwickelt. In den 70er Jahren traten die Vertreter des funktionalistischen Verbrechenssystems mit einem neuen Verständnisvorschlag des (Straf-)Rechts und der Verbrechenslehre auf den Plan. Die methodologischen Prämissen und theoretischen Grundlagen dieses Zurechnungssystems liegen in dem hegelianischen Idealismus und „philosophisch-soziologischen“ oder „systemischen“ „Konstruktivismus“. Diese lauten, dass die Erkenntnis der Realität eine teilweise vom sozialen Betrachter „erfundene“ Konstruktion ist. Die Übernahme der „systemisch-konstruktivistischen“ Methode führte die Strafrechtstheoretiker dazu, das Strafrecht als ein soziales Untersystem zu definieren, welches mittels seiner kommunikativen Selbstreflexivität und der Anwendung seines Binärcodes – richtig/unrichtig – seine eigene strafrechtliche Erkenntnis (re-)produziert. Auf diese Weise werden die Bildung aller Kategorien der Verbrechenslehre und damit der Aufbau des Beteiligungssystems der methodologischen Vorgehensweise des systemisch-soziologischen Konstruktivismus untergeworfen. Mittels der Anwendung der konstruktivistischen Methode auf die Erfassung der normativen sozialen Wirklichkeit teilt das funktionalistische Beteiligungsmodell die sozialen Grundwerte in den Respekt der individuellen Organisationsfreiheit und in die Erfüllung besonderer institutioneller Zuständigkeiten. Der Angriff auf den fremden Organisationsbereich begründe die Organisationsdelikte (Herrschaftsdelikte), in denen sich Täterschaft und Teilnahme auf die maßgeblich fehlerhafte Organisation der individuellen Freiheit bzw. auf den geringeren quantitativen Beitrag zur Tatbestandsausführung stützen. Der Angriff auf die institutionelle Sonderzuständigkeit begründe seinerseits die Pflichtdelikte, bei denen die Grundlage der Täterschaft und Teilnahme in der Nichterfüllung einer außerstrafrechtlichen institutionellen positiven Sonderpflicht liegt. Die Teilnahme stütze sich ihrerseits auf den

§ 3 Gesetzliche Grundlagen und Erscheinungsformen der Täterschaft

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Verstoß gegen die im Allgemeinen Teil festgestellten allgemeinen erweiternden Strafbarkeitsregelungen. Diese allgemeinen Zurechnungssysteme drücken sich sowohl in den theoretischen und gesetzlichen Grundlagen des allgemeinen Beteiligungssystems in Deutschland und Spanien aus (§§ 3, 4) als auch in der dogmatischen Begründung der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen (§§ 5, 6, 7).

§ 3 Gesetzliche Grundlagen und Erscheinungsformen der Täterschaft im Strafrechtssystem Deutschlands und Spaniens und dogmatische Entwicklung des Täterunrechts A. Allgemein Nach der Erläuterung der sowohl dem allgemein positiven Strafrechtssystem als auch dem spezifisch gesetzlichen Zurechnungsmodell der Täterschaft und Teilnahme in Deutschland und Spanien zugrundeliegenden (erkenntnis-)theoretischen Kategorien werden in diesem Abschnitt zum einen die allgemeinen gesetzlichen Grundlagen und Erscheinungsformen der Täterschaft behandelt und zum anderen die durch die Strafrechtswissenschaft aus der Auslegung der im dStGB und sStGB enthaltenen Vorschriften entwickelte dogmatische Entwicklung des Täterunrechts analysiert. Dies muss an dieser Stelle geschehen, da keine rechtsvergleichende Analyse der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen im deutschen und spanischen Strafrechtssystem ohne Rückgriff auf die im gesetzlichen Strafrechtssystem in Deutschland und Spanien geregelten Gesamtstrukturen und Formen der Täterschaft und Teilnahme vorgenommen werden kann484. In diesem Sinne werden in diesem Abschnitt zwei Fragen beantwortet: Wie sich die in § 2 bereits erklärten erkenntnis- und rechtstheoretischen Standpunkte sowohl in den gesetzlichen Strafvorschriften als auch in den dogmatischen Standpunkten über die Täterschaft und Teilnahme widerspiegeln und welche Täterschaftsformen aus einem solchen gesetzlichen und theoretischen (Straf-) Rechtsverständnis folgen. In Deutschland und Spanien sind die gesetzlichen Grundlagen und die Erscheinungsformen der Täterschaft grundsätzlich durch das dStGB bzw. sStGB geregelt. Denn beide Strafgesetzbücher enthalten bestimmte Vorschriften, welche unmittelbar oder mittelbar die normativen Voraussetzungen des deutschen und des spanischen 484 Ähnliches vertritt Eser bezüglich der Notwendigkeit, zunächst die Gesamtstrukturen der verschiedenen Strafrechtssysteme zu analysieren, um danach die Rechtfertigungs- und Entschuldigungsstrukturen solcher Strafrechtssysteme richtig zu verstehen und zu entwickeln, vgl. Eser, in: Eser/Perron (Hrsg.), Strukturvergleich, S. 14.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

Beteiligungssystems festlegen. So sind die Grundlage und die Formen der Täterschaft im dStGB durch §§ 14 und 25 geregelt. Die entsprechenden spanischen Vorschriften finden sich in Art. 28 Abs. 1, 30, 31 und 31 bis sStGB. Im Folgenden werden zunächst die gesetzlichen Grundlagen und danach die sich daraus ergebenden Erscheinungsformen der Täterschaft erklärt.

B. Gesetzliche Grundlagen des Täterunrechts I. Grundlage des Täterunrechts gemäß § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB Wie bereits erwähnt ist die Täterschaft in Deutschland in § 25 dStGB geregelt. Diese Vorschrift lautet einerseits, dass „[…] als Täter […] bestraft [wird], wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht“ (§ 25 Abs. 1). Daneben legt Absatz 2 fest, dass „jeder als [Mit]täter bestraft [wird]“, wenn „mehrere die Straftat gemeinschaftlich [begehen]“. Von gleicher Rechtsnatur und gleichem Rechtssinn ist die im sStGB geregelte Täterschaft, denn Art. 28 Abs. 1 dieses Gesetzes ordnet an, dass „Täter die Beteiligten sind, welche die Straftat selbst, gemeinschaftlich oder durch die Nutzung eines Drittens als Werkzeug verwirklichen“. Ausgehend von der Auslegung der genannten Vorschriften hat die deutsche und spanische Strafrechtslehre drei sich mit den gesetzlichen Grundlagen der Täterschaft befassende wesentliche Ansätze entwickelt. Erstens beziehen § 25 Abs. 1 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB keine monistische theoretische Stellung zur Begründung der Täterschaft, nämlich weder für die objektive noch die subjektive Theorie; hingegen übernehmen die Beteiligungssysteme dieser Länder den synthetischen Ansatz, der die Aspekte der subjektiven und objektiven Lehren kombiniert485. Dieser Ansatz konstituiert das Leitprinzip der Begründung der Täterschaft sowohl bei den Herrschafts- als auch bei den Pflichtdelikten. Daher sei unbedingt zur Begründung der Täterschaft bei den Herrschaftsdelikten die objektive und subjektive Herrschaft des Ausführenden über die „täterschaftsbegründenden Tatbestandselemente zu verlangen486 ; denn wer von der eigenen Tatbestandserfüllung oder von seiner dominierenden Rolle nichts wisse, könne trotz des Vorliegens eines Kausalzusammenhangs zwischen seinem Verhalten und der tatbestandsmäßigen Erfolgsverwirklichung auch keine Herrschaft über das Geschehen ausüben und somit kein Täter sein. In gleicher Weise brauche die Begründung der Täterschaft bei den Pflichtdelikten nicht nur eine objektive Übertretung der geschützten positiven Sonderpflicht, sondern auch eine vorsätzliche oder

485 Eine detaillierte Darstellung dieser Theorie findet sich in Roxin, TuT, S. 60 ff.; LKSchünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 7. 486 Dazu vgl. insbesondere die oben (§ 2 C., D.) erklärte Begründung der Täterschaft.

§ 3 Gesetzliche Grundlagen und Erscheinungsformen der Täterschaft

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zumindest fahrlässige Handlung des Sonderpflichtträgers487, weil gemäß § 15 dStGB und Art. 10 sStGB nur solche Handlungen die Sonderpflicht verletzen und daher nur sie die Täterschaft bei den Pflichtdelikten begründen können. Zweitens wird der extensive oder unitarische Täterbegriff vom deutschen488 und spanischen489 Strafrechtssystemen ausgeschlossen, denn gemäß den Strafgesetzbüchern beider Länder begründet nicht jede Verletzung eines tatbestandlich geschützten Rechtsgutes, welche entweder nach objektivem oder nach subjektivem Kausalzusammenhang bestimmt wird, eine Täterschaft. Im Gegensatz zu den Beteiligungssystemen Dänemarks, Norwegens, Italiens und Österreichs – in denen die Beteiligung nach dem Einheitstäterprinzip geregelt ist – gilt im deutschen490 und spanischen491 Strafrecht ein dualistisches Beteiligungssystem492. Diesem liegt ein restriktiver Täterbegriff zugrunde, denn die gesetzlichen Beteiligungssysteme in Deutschland und Spanien unterscheiden zwischen Täterschaft und Teilnahme als strafbare Beteiligungsformen493. Daraus ergäben sich sowohl die Betrachtung der Ausführung eines tatbestandmäßigen Verhaltens als auch die Unterstützung einer solchen Tatbestandsverwirklichung als begründende Zentralkriterien der Täterschaft bzw. Teilnahme. Aus diesem Grund seien Anstiftung und Beihilfe nach der Auslegung der herrschenden Lehre Strafausdehnungsgründe und bedeuten eine Ausweitung der Strafbarkeit auf einen von Tatbestand und Täterschaft nicht erfassten Bereich494. Drittens regeln die genannten Vorschriften nur, wer Täter ist bzw. sein kann, aber nicht, wer als Täter bestraft werden muss. Denn die Begründung sowohl des Täterschafts- als auch des Teilnahmeunrechts fordert nicht die Erfüllung aller Voraussetzungen eines schuldhaften Strafunrechts, sondern nur die Strukturelemente

487

Hierzu vgl. oben § 2 D.IV.2. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 11. 489 Dazu vgl. Bacigalupo Saggese, Autoría y participación, S. 16 f.; Díaz y García Conlledo, La autoría, S. 253 ff., 259 ff., 289 ff., 333 ff.; Peñaranda Ramos, La participación en el delito, 1990. 490 Zum Wesen des restriktiven Täterbegriffs und seiner Geltung im deutschen Strafrechtssystem vgl. Zimmerl, ZStW 54 (1935), 576 f. 491 Zu dieser Problematik siehe Díaz y García Conlledo, La autoría, S. 206. 492 Vgl. dazu Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 8, Rn. 422. 493 Hinsichtlich des Vorliegens eines dualistischen Beteiligungssystems in Spanien siehe unter anderem folgende Autoren: Bolea Bardón, Autoría mediata, S. 42 ff.; Gómez Rivero, La inducción, S. 42 ff.; Górriz Royo, El Concepto de autor, S. 181 ff.; Del Castillo Codes, La imprudencia, S. 17 ff.; De Oliveira Monteiro, La autoría mediata, S. 174 ff.; Hernández Plasencia, La autoría mediata, S. 62 ff.; López Peregrín, La complicidad, S. 60 ff.; Pérez Alonso, La coautoría y la complicidad, S. 15 ff.; Robles Planas, Garantes y cómplices, S. 29 f.; Sánchez Lázaro, Intervención delictiva e imprudencia, S. 8 ff.; Sánchez-Ostiz, ¿Encubridores o cómplices?, 2004. 494 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 11. 488

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einer tatbestandmäßigen und rechtswidrigen Straftat, sodass im Sine des § 25 Abs. 1 dStGB und Art. 28 Abs.1 sStGB ein schuldlos495 Handelnder auch Täter sein kann496.

II. Grundlage des Täterunrechts gemäß § 14 dStGB und Art. 31 sStGB Der andere Bestandteil der gesetzlichen Grundlage der Täterschaft im deutschen und spanischen Strafrechtssystem ist in § 14 dStGB und in Art. 31 sStGB497 geregelt. Diese Strafvorschriften enthalten besondere normative Eigenschaften der Täterschaft von Organmitgliedern, Vertretern und Beauftragten eines Unternehmens498. Es handelt sich um die sehr bekannte Strafrechtsfigur „Handeln für einen anderen“499, deren Anwendung aus Sicht der deutschen und spanischen h. L. zur Begründung der Täterschaft im Bereich der Unterlassungs-500 und Sonderpflichtdelikte501 (etwa im Wirtschaftsstrafrecht502) in Betracht kommt, wenn die ursprünglichen Adressaten der Erfüllung der unternehmerischen Strafrechtsnormen ihre entsprechenden Sonderpflichten aufgrund der modernen und komplexen Wirtschafts- und Unternehmensorganisation selbst nicht erfüllen oder nicht erfüllen können und daher andere stellvertretend für sie handeln müssen503. Aus Sicht der vorherrschenden Strafrechtslehre in Deutschland und Spanien werden durch diese Strafrechtsfigur daher die besonderen unternehmerischen „Tätermerkmale“ der primären Normadressaten auf die Organe und Vertreter eines Wirtschaftsunternehmens übertragen. Somit müssen sie als Täter504 eines Unternehmerdelikts bestraft werden, wenn sie ihre besonderen Strafrechtspflichten verletzen, die sich aus ihrer Organ- und Vertreterhaftung ergeben505. Diese Ansicht ist nicht vertretbar, da sie den Anwendungsbereich der vorgenannten gesetzlichen Strafvorschriften nur auf die Täterschaft beschränkt. § 14 bzw. Art. 31 des deutschen bzw. spanischen Strafgesetzbuchs begründen – wie im Folgenden (§ 9 B.I.2.; 495

LK-Roxin, 11. Aufl., § 25, Rn. 49; ders., Lange-FS, S. 183; ders., AT II, § 25, Rn. 43 f. MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 25, Rn. 30. 497 Siehe Quintero Olivares, PG, 4. Aufl., S. 676. 498 MüKoStGB-Radtke, Band 1, 3. Aufl., § 14, Rn. 1, 3. 499 Dazu Quintero Olivares, PG, 4. Aufl., S. 673 ff. 500 SSK-Perron, 29. Aufl., § 14, Rn. 24; MüKoStGB-Radtke, Band 1, 3. Aufl., § 14, Rn. 41 f., 72 f.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 14, Rn. 24. 501 Hierfür siehe SSWK-Bosch, 2. Aufl. § 14, Rn. 1; SK-Hoyer, 9. Aufl., § 14, Rn. 1; SSKPerron, 29. Aufl., § 14, Rn. 8, 13. In der spanischen Literatur siehe CCP-Silva Sánchez, Band III, Art. 31, S. 389. 502 CCP-Silva Sánchez, Band III, Art. 31, S. 390 f. 503 Hierfür siehe SSK-Perron, 29. Aufl., § 14, Rn. 1; MüKoStGB-Radtke, Band 1, 3. Aufl., § 14, Rn. 5. 504 MüKoStGB-Radtke, 3. Aufl., § 14, Rn. 5; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 14, Rn. 8. 505 MüKoStGB-Radtke, Band 1, 3. Aufl., § 14, Rn. 23 ff. 496

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§ 10 A.I.) festgestellt werden wird – nicht nur die Täterschaft, sondern auch die verschiedenen Teilnahmeformen, die in Wirtschaftsunternehmen ausgeführt werden.

III. Der schwerwiegende Strafunwert der Tatbestandsverwirklichung entweder mittels Tatherrschaft oder mittels Pflichtverletzung Ausgehend von der Auslegung der bereits dargestellten Strafvorschriften des deutschen und spanischen Strafgesetzbuches hat die deutsche bzw. spanische Strafrechtswissenschaft wesentliche theoretische Ansätze entwickelt, die versuchen, eine überzeugende Erklärung bezüglich der Grundlage des Täterunrechts zu geben. Demnach besteht die Grundlage des Täterunrechts bei Herrschaftsdelikten in dem schwerwiegenden Strafunwert der Tatherrschaft über den Geschehensablauf506, welcher vom deutschen und spanischen Gesetzgeber sowohl im Allgemeinen Teil (§ 25 dStGB, Art. 28 Abs. 1 sStGB) als auch in den Gemeintatbeständen des Besonderen Teils der jeweiligen Strafgesetzbücher normiert wurde. Dies ergebe sich daraus, dass die Gesetzgeber beider Nationen den Eingriff in die individuelle Freiheitssphäre bei willkürlicher fehlerhafter Organisation des eigenen Verhaltens (mit Tatherrschaft) als schwerwiegender einordne als bei anderen Organisationsformen (ohne Tatherrschaft), sodass er alle willkürlichen Handlungen, welche mit Tatherrschaft in fremde Freiheitssphären eindringen, in der Form der Täterschaft verbietet507. Der Hintergrund dieses schweren Strafvorwurfs der Tatherrschaft ist das rechtspolitische Wesen des freiheitlichen Rechtsstaats, der von jedem Bürger, der keine Herrschaftsdefekte über sein eigenes Verhalten aufweist, fordert, seinen Freiheitsraum so zu organisieren, dass er keine fremde Freiheitssphäre beeinträchtigt508 und dadurch das friedliche Zusammenleben der Bürger nicht stört. Demgegenüber besteht die Grundlage des Täterunrechts bei den Pflichtdelikten im Gegensatz zu den Herrschaftsdelikten nicht im Strafvorwurf der Tatherrschaft, sondern im schweren Strafunwert der „Sonderpflichtverletzung“509. Der Grund der Höherbewertung der positiven Sonderpflichten im Vergleich zur niedrigeren Bewertung der Tatherrschaft wurzelt, wie bereits erwähnt, in den Anforderungen des neuen Verfassungsstaats510 : Dieser stütze die Leistung seiner in der Verfassung 506

Dazu vgl. oben § 2 D.IV.1., 2. In der spanischen Strafrechtswissenschaft vgl. Bacigalupo Saggese, Autoría y participación, S. 55. 508 Vgl. dazu in der deutschen Strafrechtslehre Jakobs, AT, 2. Aufl., § 21, Rn. 16; Roxin, Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, S. 18; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 39; für Spanien siehe Sánchez-Vera, Delito de infracción de deber, S. 101. 509 Hierfür siehe oben § 2 D.IV.1., 2. 510 Salazar Sánchez, Autoría en los delitos de infracción de deber, S. 553 f.; Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, § 2, S. 31 ff.; ders., Delito de infracción de deber, S. 40 ff. 507

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festgelegten rechtspolitischen positiven Aufgaben511 nicht auf die bloße richtige Organisation der individuellen Freiheit (oder Herrschaft über das eigene Verhalten), sondern auf die Erfüllung der aus dem demokratischen sozialen Rechtstaat kommenden positiven Sonderpflichten512. Zuständig für die Erfüllung – und daher für die Verletzung – der Sonderpflichten sind nur diejenigen qualifizierten Bürger (Intranei), die eine besondere Rechte verleihende Sonderstellung in einem bestimmten Bereich der rechtlichen Realität innehaben. Daher gründen sich sowohl der schwerwiegende Strafunwert der Verletzung positiver Sonderpflichten als auch die Kriminalisierung einer entsprechenden Sonderpflichtverletzung als Täterschaft eines besonderen Pflichttatbestands darauf, dass die Verletzung der genannten Sonderpflichten nach der kriminalpolitischen Wertentscheidung des Gesetzgebers nicht nur die tatsächliche Ausübung der Grundrechte verhindert, sondern auch die Grundlagen und Institutionen des Staates untergräbt513.

C. Der Strafunwert der phänotypischen Erscheinungsformen der Tatherrschaft und der Sonderpflichtverletzung als begründendes Kriterium der Täterschaftsformen bei den Herrschafts- bzw. Pflichtdelikten in Deutschland und Spanien I. Unmittelbare Täterschaft entweder wegen unmittelbarer Tatherrschaft oder wegen unmittelbarer Pflichtverletzung (§ 25 Abs. 1, 1. Alt. dStGB; Art. 28 Abs. 1, 1. Alt. sStGB) Die unmittelbare Täterschaft ist im deutschen Strafrecht durch § 25 Abs. 1, 1. Alt. dStGB geregelt. Diese Vorschrift legt fest, dass „Täter [ist], wer die Straftat selbst […] begeht“. Art. 28 1. Alt. des spanischen CP legt fest, dass „Täter die Beteiligten sind, welche die Straftat selbst ausführen“. Ausgehend von diesen Strafvorschriften hat die Strafrechtswissenschaft in Deutschland und Spanien zwei unterschiedliche Begriffe unmittelbarer Täterschaft entwickelt, nämlich bei den „Herrschafts-“ oder „Gemeindelikten“ einen anderen als bei den „Pflichtdelikten“. Bei den Herrschaftsdelikten gründe sich die unmittelbare Täterschaft auf die direkte Herrschaft des Handelnden über die Ausführung der Straftat, denn die unmittelbare Täterschaft bei den Herrschaftsdelikten liegt aus Sicht der deutschen514 511 Hinsichtlich des Wesens und der Reichweite der positiven Aufgaben des Verfassungsstaats siehe unten § 9 B. 512 Vgl. dazu unten § 9 B. 513 So Salazar Sánchez, Autoría en los delitos de infracción de deber, S. 555 ff.; SánchezVera, Pflichtdelikt und Beteiligung, § 2, S. 30; ders., Delito de infracción de deber, S. 38. 514 Zur Problematik der unmittelbaren Täterschaft bei den Herrschaftsdelikten in der deutschen Strafrechtslehre vgl. Freund, AT, § 10, Rn. 40; Gropp, AT, 4. Aufl., § 10, Rn. 91 f.; Herzberg, GA 1971, 2; ders., JuS 1974, 238; SK-Hoyer, Rn. 32 ff.; Jakobs, AT, 2. Aufl., § 21,

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und spanischen515 Strafrechtslehre vor, wenn der Ausführende die Herrschaft über die Verwirklichung des gesamten Tatbestandes selbst – d. h. durch eigenkörperliche Aktivität oder mit eigenen Händen – ausübt. Mit Jakobs’ Worten zeichnet sich die unmittelbare Täterschaft dadurch aus, dass ihre Eigenhändigkeit das Verhalten umfasst, welches die Tatbestandsverwirklichung ohne nachfolgendes Zutun eines anderen Menschen bringt516. Denn der eigenhändig Handelnde entscheidet nicht nur, ob das Delikt begangen wird, sondern auch wann und wie es verwirklicht werden soll517. Daraus leiten sich die zwei wesentlichen Bezeichnungen her, anhand derer die unmittelbare Täterschaft charakterisiert wird: einerseits die Betrachtung der direkten Tatherrschaft als deutlichste Herrschaftsäußerung aller Tatherrschafts- und Täterschaftsformen518 und andererseits die Bezeichnung der unmittelbaren Täterschaft als „Handlungsherrschaft“519. Bei den Pflichtdelikten stützt sich die unmittelbare Täterschaft hingegen auf die direkte Verletzung der positiven Sonderpflicht520, wenn also der Intraneus seine positive Sonderpflicht selbst bzw. persönlich verletzt521. Diese unmittelbare Täterschaftsform äußert sich aus Sicht der herrschenden Strafrechtslehre in drei unterschiedlichen Fallkonstellationen:

Rn. 36; MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 25, Rn. 37 ff.; Kindhäuser, AT, 5. Aufl., § 39, Rn. 1; Krey, AT II, § 27, Rn. 94 f.; Kühl, AT, § 20, Rn. 22 f.; LK-Roxin, 11. Aufl., § 25, Rn. 47 ff.; ders., AT II, § 25, Rn. 38; ders., TuT, S. 546 f.; Sax, ZStW 69 (1957), 432; ders., JZ 1963, 329 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12, Rn. 14, 28. 515 In der spanischen Strafrechtswissenschaft siehe Bacigalupo Zapater, Principios, S. 218; Cerezo Mir, Problemas, S. 172 f.; Cuello Contreras, PG II, S. 194 ff., Rn. 63 ff.; Cuello Contreras/Mapelli Caffarena, PG, 3. Aufl., S. 159; Díaz y García Conlledo, La autoría, S. 639; Gil Gil/Lacruz López/Melendo Pardos/Nuñez Fernández, PG, 2. Aufl., S. 366 f.; Gómez Benítez, El dominio del hecho, S. 108 ff.; ders., Teoría jurídica, S. 127 ff.; Gracia Martín, El actuar en lugar de otro I, S. 265 ff.; Hernández Plasencia, La autoría mediata, S. 36 ff., 62 ff.; Jaén Vallejo, La autoría, S. 188; Landecho Velasco/Molina Blázquez, PG, 7. Aufl., S. 479; López Barja, Autoría y participación, S. 45 f.; Muñoz Conde/García Arán, PG, S. 462 f.; Pérez Alonso, La coautoría y la complicidad, S. 192, 200; CCP-Quintero Olivares, 5. Aufl., Art. 28, S. 405; Roldán Barbero, Manual de Derecho penal, S. 156; Téllez Aguilera, PG, S. 506; Zárate Conde/ González Campo, PG, S. 368; Zugaldía Espinar, Lecciones, S. 200. 516 Vgl. Jakobs, AT, 2. Aufl., § 21, Rn. 37; Häcker, in: Gugenberger (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht, 6. Aufl., § 19, S. 539; vgl. auch Quintero Olivares, PG, 4. Aufl., S. 648. 517 Gil Gil/Lacruz López/Melendo Pardos/Nuñez Fernández, PG, 2. Aufl., S. 366; Jakobs, AT, 2. Aufl., § 21, Rn. 38. 518 Roxin, AT II, § 25, Rn. 38. 519 Dafür sprechen sich aus Ebert, AT, 2. Aufl., S. 190; Freund, AT, § 10, Rn. 42; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, § 3, III 3; Jakobs, AT, 2. Aufl., § 21, Rn. 35; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 61, V 2; Roxin, AT II, § 25, Rn. 38; ders., TuT, § 18, S. 127 ff.; in der spanischen Strafrechtslehre vgl. Gómez Benítez, ADPCP (1984), 108 ff.; Pérez Alonso, La coautoría y la complicidad, S. 192. 520 Siehe etwa Roxin, TuT, § 34, S. 358 ff., 360; Lesch, Das Problem der sukzessiven Beihilfe, S. 269. 521 Bacigalupo Saggese, Autoría y participación, S. 53 ff.

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a) Fälle, in denen der Intraneus seine besondere Pflicht allein verletzt, d. h. ohne Mitwirkung eines Anderen, z. B. ein deutscher (oder europäischer) Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter fordert, läßt sich versprechen oder nimmt einen Vorteil für sich oder einen anderen an für seine Dienstausübung; in diesem Fall soll der Amtsträger unmittelbarer Täter einer Vorteilsannahme sein (§ 331 Abs. 1 dStGB, Art. 420 sStGB)522. b) Fälle, in denen der Intraneus die Verletzung seiner institutionellen Sonderpflicht durch eine gemeinsame und funktionelle Beteiligung mit anderen außenstehenden Subjekten verwirklicht, etwa die gemeinschaftliche Unterdrückung eines Briefs oder eines Pakets, in der die Sonderpflichtverletzung vom zuständigen Postbeamten und von einem Extraneus verwirklicht wird; in einem solchen Fall haften der Postbeamte und der außenstehende Dritte als unmittelbarer Täter bzw. Gehilfe bezüglich der Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses (§ 206 dStGB, Art. 535 sStGB)523 sowie c) Fälle, in denen der Extraneus die Tatherrschaft der Pflichtverletzung ausübt, während der Intraneus bei einer solchen Tatbestandserfüllung nur eine sekundäre ontologische Mitwirkung hat, z. B. hilft ein Amtsträger einem Außenstehenden, einen Bürger zu schlagen; in diesen Fällen sollen Amtsträger und Extraneus unmittelbarer Täter bzw. Gehilfe (erforderlicher Gehilfe in Spanien) des Sonderpflichtdelikts „Körperverletzung im Amt“ sein (§ 340 dStGB und Art. 147 ff. sStGB).

II. Mittäterschaft entweder infolge funktioneller Tatherrschaft (Arbeitsteilung) oder infolge gemeinsamer Pflichtverletzung (§ 25 Abs. 2 dStGB und Art. 28 Abs. 1, 2. Alt. sStGB) In Deutschland und Spanien ist die Mittäterschaft durch § 25 Abs. 2 dStGB und Art. 28 2. Alt des sStGB geregelt. § 25 Abs. 2 dStGB stellt fest: „Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter)“. In gleichem Sinne lautet Art. 28 2. Alt. des spanischen CP: „Täter sind Beteiligte, welche die Straftat gemeinschaftlich verwirklichen“. Ausgehend von diesen Strafvorschriften wird die Mittäterschaft bei den Herrschafts- und Pflichtdelikten in Übereinstimmung mit den festgestellten Ansätzen über die unmittelbare Täterschaft in unterschiedlicher Weise begründet.

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Zu einer ausführlichen Erklärung des Wesens und der Täterschaft dieses Delikts vgl. LKSowada, Band 13, 12. Aufl., Vor § 331, Rn. 2, 12 f. 523 Dieses Verbrechen wurde durch § 354 a. F. des dStGB geregelt, vgl. Roxin, TuT, § 34, S. 358 ff.

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Bei den vorsätzlichen Gemein- oder Herrschaftsdelikten definieren nämlich sowohl die deutsche524 als auch die spanische525 Strafrechtswissenschaft die Mittäterschaft als funktionelle Tatherrschaft oder funktionelle Arbeitsteilung der Beteiligten bei der Tatbestandsausführung. Die an der Verwirklichung eines Strafunrechtes Beteiligten führen also jeweils eine bestimmte Aufgabe aus, welche von entscheidender Bedeutung für die Verwirklichung des geplanten Strafunrechts ist526. Daher liege Mittäterschaft vor, wenn nach dem gemeinsamen Tatplan der Beteiligten die zur Straftatausführung erforderlichen Leistungen entweder in allen Stadien des Delikts gleichmäßig oder zwischen den einzelnen Stadien der Deliktsausführung so verteilt sind, dass auch nicht an der eigentlichen Ausführung Beteiligte die Gestaltung der Ausführung oder das „Ob“ der Ausführung mitbestimmen527. In diesem Sinne seien Strukturelemente der Mittäterschaft bei den Herrschaftsdelikten der gemeinsame Tatplan528, die funktionelle Mittatherrschaft529 oder gemeinsame Ausführung des tatbestandsmäßigen Verhaltens und die wesentliche Mitwirkung am Ausführungsstadium530 des Delikts531. Der „gemeinsame Tatentschluss oder Tatplan“ wird durch die deutsche und spanische Strafrechtswissenschaft als das ausdrückliche oder konkludente Einverständnis532 zur Verbindung einzelner Beiträge zu einer Tat definiert, gemäß dem zur Bildung der Mittäterschaft jeder Beteiligte wissen muss, dass die anderen Beteiligten

524 Dafür sprechen Börner, ZIS 7 (2007), 275 f.; Freund, AT, § 10, Rn. 42; Jakobs, AT, 2. Aufl., § 21, Rn. 40; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 63, S. 674; Rotsch, Joecks-FS, S. 158; Roxin, TuT, § 27, S. 277 ff., 282 ff.; ders., JR 1991, 206; ders., Frisch-FS, S. 629 ff.; ders., AT II, § 25, Rn. 188; ders., JA 1979, 522; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 156; Stratenwerth/ Kuhlen, AT, 6. Aufl., § 12, Rn. 93. 525 Neben anderen siehe Cuello Contreras, PG II, S. 226 f., Rn. 163; Cuello Contreras/ Mapelli Caffarena, PG, 3. Aufl., S. 166; Muñoz Conde/García Arán, PG, S. 466; Pérez Alonso, La coautoría y la complicidad, S. 8, 165 ff., 195, 200 ff., 212 ff., 216; Roldán Barbero, Manual, S. 156; Téllez Aguilera, PG, S. 506; Zárate Conde/González Campo, PG, S. 368; Zugaldía Espinar, Lecciones, S. 200. 526 Stratenwerth/Kuhlen, AT, 6. Aufl., § 12, Rn. 93. 527 Jakobs, AT, 2. Aufl., § 21, Rn. 40, S. 616. 528 Roxin, TuT, § 27, S. 285 ff.; ders., JA 1979, 519 f.; Stratenwerth/Kuhlen, AT, 6. Aufl., § 12, Rn. 80 f. In der spanischen Strafrechtslehre siehe Pérez Alonso, La coautoría y la complicidad, S. 204. 529 Pérez Alonso, La coautoría y la complicidad, S. 204; Rotsch, Joecks-FS, S. 158; Roxin, TuT, § 27, S. 282 ff.; ders., JA 1979, 522; ders., AT II, § 25, Rn. 188. 530 Roxin, TuT, § 27 (S. 275 ff.), § 28 (S. 292 ff.); ders., JA 1979, 522 f. 531 Roxin, AT II, § 25, Rn. 189. 532 Cuello Contreras/Mapelli Caffarena, PG, 3. Aufl., S. 167; Gil Gil/Lacruz López/Melendo Pardos/Nuñez Fernández, PG, 2. Aufl., S. 373; Jakobs, AT, 2. Aufl., § 21, Rn. 41; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 63, S. 674; Stratenwerth/Kuhlen, AT, 6. Aufl., § 12, Rn. 82; Téllez Aguilera, PG, S. 506; Zárate Conde/González Campo, PG, S. 368; Zugaldía Espinar, Lecciones, S. 200.

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bei der Bestimmung des Tatentschlusses vorsätzlich mitwirken533. Daraus ergebe sich, dass keine vorsätzliche Mittäterschaft bei Herrschafts- oder Organisationsdelikten begründet werde, wenn die Beteiligten an der Bildung des Entschlusses zur Tatbestandverwirklichung nur fahrlässig mitwirkten. Dies sei der Fall, wenn die auf dasselbe Ziel hinarbeitenden Personen nichts voneinander wissen534, sodass keine Mitherrschaft bei der Bestimmung eines gemeinsamen Tatentschlusses bestehe und somit das Vorliegen der Mittäterschaft verneint werden müsse. In diesem Sinne bestehe aufgrund des Fehlens eines gemeinsamen Tatplans auch keine Mittäterschaft, wenn ein Mittäter allein weiterhandelt, nachdem beide die gemeinsame Tat als beendet angesehen hatten535. Diese Ansicht wurde von der deutschen Rechtsprechung536 übernommen, die feststellte, dass keine Mittäterschaft in solchen Fallkonstellationen vorliegt, in denen nur ein einseitiges Einverständnis mit der Tat eines anderen oder nur eine Betätigung eines solchen Einverständnisses besteht; denn erforderlich für die Begründung der Mittäterschaft sei das bewusste und gewollte Zusammenwirken aller Beteiligten beim Tatbestandsvollzug537. Die funktionelle Tatherrschaft oder „gemeinsame Ausführung“ als Voraussetzung der Mittäterschaft bedeutet aus Sicht der herrschenden Strafrechtslehre in Deutschland und Spanien, dass die Beteiligten an einer Straftat in der Regel eine arbeitsteilige Mitwirkung während des Vollzugsstadiums538 des Delikts ausüben müssen. Denn gemäß dem die Bildung aller Formen der Täterschaft bei den Herrschaftsdelikten bestimmenden Tatherrschaftsprinzip kann eine Mitherrschaft über die Tatbestandverwirklichung und daher eine Mittäterschaft begründet werden, wenn bei der Ausführungsphase des Delikts jeder Beteiligte eine mitgestaltende Rolle spielt539; d. h. die Beteiligten müssen die Mitbeherrschung der Verwirklichung der Straftat durch ein unbedingt im Ausführungsstadium540 des Delikts auszuführendes 533 Cuello Contreras, PG II, S. 226, Rn. 162; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 63, II, S. 678; Renzikowski, Maurach-AT II, § 49, Rn. 21 ff. 534 Roxin, AT II, § 25, Rn. 191. 535 Roxin, AT II, § 25, Rn. 193; in diesem Sinne auch BGHSt 9, 180. 536 BGHR StGB, § 25, Abs. 2, Mittäter, Nr. 29; BGHSt 6, 248, 249. 537 Dazu Herzberg, JZ 1991, 856, 860 f.; Jakobs, AT, 2. Aufl., § 21, Rn. 49; Stratenwerth/ Kuhlen, AT, 6. Aufl., § 12, Rn. 94. 538 Bacigalupo Zapater, Principios, S. 228; Landecho Velasco/Molina Blázquez, PG, 7. Aufl., S. 481; Jakobs, AT, 2. Aufl., § 21, Rn. 49; Pérez Alonso, La coautoría y la complicidad, S. 210 ff., 220 ff.; LK-Schünemann, § 25, Rn. 156; Téllez Aguilera, PG, S. 507; Zárate Conde/González Campo, PG, S. 369; Zugaldía Espinar, Lecciones, S. 200. 539 Gil Gil/Lacruz López/Melendo Pardos/Nuñez Fernández, PG, 2. Aufl., S. 373 ff.; Jakobs, AT, 2. Aufl., § 21, Rn. 49; Pérez Alonso, La coautoría y la complicidad, S. 220; Roxin, AT II, § 25, Rn. 198. 540 Vgl. dazu in der deutschen Strafrechtslehre Bloy, Beteiligungsform als Zurechnungstypus, S. 196 ff.; Bottke, Täterschaft und Gestaltungsherrschaft, S. 88, 90; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 64 ff.; ders., ZStW 99 (1987), 58 ff.; Roxin, AT II, § 25, Rn. 199; ders., TuT, § 27, S. 305; ders., „Sobre la autoría y participación en el Derecho penal“, S. 65 ff.; ders., JA 1979, 522 f.; Rudolphi, Bockelmann-FS, S. 732 ff.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 156. In der spanischen Strafrechtswissenschaft siehe insbesondere Bacigalupo Zapater,

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arbeitsteiliges Zusammenwirken ausüben. Daraus folgt, dass die in der Vorbereitungsphase verwirklichten arbeitsteiligen Mitwirkungshandlungen im deutschen und spanischen Strafrechtssystem regelmäßig nur als Beihilfe (Deutschland)541 bzw. „erforderliche Beihilfe“542 (Spanien) bestraft werden. Dies besagt dennoch nicht, dass die Bildung der Mittäterschaft stets die gleichzeitige Mitwirkung jedes Mittäters543 und die Anwesenheit aller Mittäter am Tatort544 fordert. Vielmehr genügen zur Erreichung einer gemeinsamen Verwirklichung des Vollzugsstadiums die Beiträge der Mittäter während der Vornahme des Delikts, d. h. die von Versuchsbeginn545 (§ 22 dStGB, Art. 16 Abs. 1 sStGB) bis zur Vollendung der Straftat stattfindenden Mitwirkungshandlungen546. Bezüglich der „Bedeutsamkeit des Beitrags“ zur Tatbestandsverwirklichung haben die Strafrechtswissenschaft in Deutschland und Spanien grundsätzlich zwei unterschiedliche Standpunkte entwickelt. Auf der einen Seite beschränke sich der wesentliche Beitrag der Beteiligten und somit die Begründung der Mittäterschaft nicht nur auf die Ausführungsphase, sondern umfasse auch das Vorbereitungsstadium. In diesem Sinne betrachtet ein Teil der Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens die in der Vorbereitungsphase geleisteten Beiträge, die zur Straftatverwirklichung wesentlich sind, auch als Mittäterschaft547. Auf der anderen Seite548 soll Grundelement der Mittäterschaft nur die im Ausführungsstadium des Delikts geleistete Mitwirkung eines Beteiligten sein. Denn „Unentbehrlichkeit des Beitrags“ als Strukturelement der Mittäterschaft bedeute, dass der Mitwirkung jedes mittäterschaftlich Handelnden während des Tatbestandsvollzuges eine entscheidende

Probleme der Täter- und Teilnahmelehre, S. 91 f.; ders., Principios, S. 229, 239 f.; Cerezo Mir, La polémica en torno al concepto finalista de autor, S. 176 ff.; Choclan Montalvo, La Ley (1996), S. 1644 f.; Gómez Benítez, El dominio del hecho, S. 110 ff., 130; ders., Teoría jurídica, S. 128 f., 131; Gómez Rivero, La Ley (1996), 1627; Hernández Plasencia, La autoría mediata, S. 65; Mir Puig, PG, 3. Aufl., S. 386 f., 406; Pérez Alonso, La coautoría y la complicidad, S. 220 ff., 236. 541 Hinsichtlich dieser Problematik verficht die Gegenmeinung der deutschen Strafrechtslehre, dass die an der Vorbereitungsphase stattfindenden wesentlichen Mitwirkungen ausnahmsweise auch Mittäterschaft bilden können, vgl. Jakobs, AT, 2. Aufl., § 21, Rn. 48; Maurach/Gössel, PG II, S. 373 ff.; Seelmann, JuS 1980, 573; Welzel, ZStW 58 (1939), 551 f. 542 Auf diese Weise Pérez Alonso, La coautoría y la complicidad, S. 220 ff. 543 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 183. 544 Roxin, AT II, § 25, Rn. 200; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 184. 545 Pérez Alonso, La coautoría y la complicidad, S. 221. 546 MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 25, Rn. 168; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 183. 547 Etwa Jakobs, AT, 2. Aufl., § 21, Rn. 49. 548 Hierfür siehe u. a. Bloy, Beteiligungsform als Zurechnungstypus, S. 197 ff.; Bottke, Täterschaft und Gestaltungsherrschaft, S. 88, 90; Herzberg, Täterschaft, S. 64 ff.; ders., JZ 1991, 859; Köhler, AT, S. 5118; LK-Roxin, 11. Aufl., § 25, Rn. 154; ders., TuT, S. 292 ff., 615 ff.; Rudolphi, Bockelmann-FS, S. 372 ff.; Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 319 ff.

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Bedeutung549 für das Gelingen des Deliktsplanes zukomme, sodass ex ante550 die Ausführung der Straftat ohne diesen Beitrag nicht möglich sei. Dies bedeute nämlich, dass das „Ob“ und „Wie“ der Tatbestandsvornahme von der Mitwirkung jedes Mittäters abhängig sei551. Aus diesem Grund bestehe keine Mittäterschaft, sondern nur Teilnahme, wenn sich mehrere Personen mit geringeren ontologischen Beiträgen am Ausführungsstadium beteiligen552. Das wäre der Fall, wenn eine Person einer anderen zur Begehung eines Strafunrechts bloße Hilfe leistet. Im Gegensatz zur im Bereich der Tatherrschaftsdelikte entwickelten Mittäterschaft habe die Mittäterschaft bei den Pflichtdelikten nicht nur ein anderes Wesen, sondern auch eine andere Struktur. So wird die Mittäterschaft bei den Pflichtdelikten als von mehreren Sonderpflichtträgern ausgeführte „gemeinsame Sonderpflichtverletzung“553 554 konzipiert, denn an die Stelle des Ineinandergreifens der Tatbeiträge im Ausführungsstadium trete die Erfolgsbewirkung unter gemeinsamer Verletzung einer gemeinsamen außerstrafrechtlichen Sonderpflicht. Wie bereits erläutert, wird die Mittäterschaft bei den Pflichtdelikten unabhängig davon gebildet, ob der Intraneus einen wesentlichen faktischen Tatbeitrag im Ausführungsstadium leistet555, auf den es bei den Herrschaftsdelikten ankäme556. Entsprechend könne Mittäter auch nur sein, wer als Intraneus mit einem anderen in der Pflicht stehe und

549 Cuello Contreras, PG II, S. 224, Rn. 159; Muñoz Conde/García Arán, PG, S. 46 f.; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 63, S. 674; Mir Puig, PG, S. 403; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 156; Téllez Aguilera, PG, S. 507; Zugaldía Espinar, Lecciones, S. 200. 550 Roxin, AT II, § 25, Rn. 212. 551 Jescheck/Weigend, AT, § 63, III, S. 680; Zugaldía Espinar, Lecciones, S. 200. 552 Jakobs, AT, 2. Aufl., § 21, Rn. 49. 553 Dazu vgl. Kuhlen, NStZ 1990, 570; Jescheck/Weigend, AT, § 63 IV/5; MüKoStGBJoecks, Band 1, 3. Aufl., § 25, Rn. 162; Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch mit Erläuterungen, 22. Aufl., § 27, Rn. 5; Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 47, Rn. 108 ff.; Rotsch, Joecks-FS, S. 158; Roxin, TuT, § 34, S. 357; Stratenwerth, AT, Rn. 1068; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 162. In ähnlichem Sinne behauptet der BGH, dass die Unterlassungsmittäterschaft durch Annahme „mittäterschaftlicher Garantenpflichten“ begründen kann. Nach seiner Ansicht liege die Mittäterschaft bei den Unterlassungsdelikten vor – wie bei Gremienentscheidungen im Unternehmen –, wenn mehrere Garanten, die eine ihnen gemeinsam obliegende Pflicht nur gemeinsam erfüllen könnten, gemeinschaftlich den Entschluss fassen würden, dies nicht zu tuen. Vgl. BGHSt, 37, 106. In Spanien vgl. Bacigalupo Saggese, Autoría y participación, S. 58 ff.; Sánchez-Vera, Delito de infracción de deber, S. 203 ff.; Téllez Aguilera, PG, S. 506. 554 Ein Teil der Strafrechtswissenschaft von Deutschland und Spanien verneint die Mittäterschaft bei den Sonderpflichtdelikten. Hierfür siehe Deichmann, Grenzfälle der Sonderstraftat, S. 20; Jakobs, AT, § 21, Rn. 22; Lesch, Das Problem der sukzessiven Beihilfe, S. 299 f.; Schwab, Täterschaft und Teilnahme bei Unterlassungen, S. 52, 213 f.; Vogel, Norm und Pflicht, S. 286 f. In Spanien lehnen die Mittäterschaft neben anderen López Barja, Autoría y participación, S. 71 f.; Portilla Contreras, Práctica de detención ilegal de funcionario, S. 404; Ramos Tapia, Prevaricación judicial, S. 437, 444 f.; Sanchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 202 ff. 555 MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 25, Rn. 162. 556 Roxin, AT II, § 25, Rn. 272.

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sie mit ihm verletze557. Hingegen seien die Extranei unabhängig von ihren wesentlichen quantitativen Mitwirkungen beim Tatbestandsvollzug lediglich Teilnehmer558. Dies führe zu einer erheblichen Einschränkung des Erstreckungsbereichs der Mittäterschaft, da man von einer Gemeinsamkeit nur sprechen könne, wenn mehrere Verpflichtete in ein und derselben Pflichtbindung stünden559. Im Bereich der fahrlässigen Beteiligung unterscheiden sich das deutsche und das spanische Beteiligungssystem in einem wesentlichen Aspekt. Bei der fahrlässigen Beteiligung mehrerer Personen an den Herrschafts- oder Gemeindelikten verzichtet das dStGB nicht nur auf eine Differenzierung ontologischer Beiträge (selbst, durch andere, mit anderen, teilnehmend), sondern auch auf die Kriminalisierung der fährlässigen Teilnahme. Denn während alle fahrlässigen, strafrechtlich relevanten Verursachungen (bei den Begehungsdelikten) oder Nichtverhinderungen (bei den Unterlassungsdelikten) eines Erfolgs, die die normativen Voraussetzungen der fahrlässigen Täterschaft erfüllen, durch das dStGB als Täter (Nebentäter) eines Fahrlässigkeitsdelikts bestraft werden, bleiben die anderen fahrlässigen Mitwirkungen, welche im Bereich der vorsätzlichen Beteiligung als strafbare Anstiftung oder Beihilfe betrachtet werden, straffrei. Im Gegensatz dazu unterscheidet das sStGB zwischen den verschiedenen fahrlässigen Mitwirkungen an der Tatbestandsverwirklichung, sodass solche fahrlässigen Beiträge sowohl eine fahrlässige Mittäterschaft560, mehrere fahrlässige Nebentäterschaften als auch fahrlässige Teilnahme561 (Anstiftung und Beihilfe) darstellen können. Grund dafür ist, dass das sStGB im Unterschied zum dStGB, welches das Vorliegen verschiedener Täterschafts- und Teilnahmeformen nur auf einem vorsätzlich-rechtswidrigen Verhalten begründet, die Täterschafts- und Teilnahmeformen nicht nur an eine vorsätzliche, sondern auch an eine fahrlässige Handlung knüpft.

III. Mittelbare Täterschaft wegen der traditionellen Willensherrschaft des Vordermannes (§ 25 Abs. 1, 2. Alt. dStGB und Art. 28 Abs. 1, 3. Alt. sStGB) In Deutschland ist die mittelbare Täterschaft in § 25 Abs. 1, 2. Alt. dStGB geregelt. Diese Vorschrift legt fest, dass mittelbarer Täter ist, „wer die Straftat […] durch einen anderen begeht“. Im sStGB schreibt Art. 28 3. Alt. vor, dass „mittelbare Täter die Beteiligten sind, welche die Straftat durch die Nutzung eines Dritten als Werkzeug verwirklichen“. In Bezug auf die in diesen Vorschriften enthaltenen nor557

A. a. O. MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 25, Rn. 162; Roxin, AT II, § 25, Rn. 272. 559 Roxin, TuT, § 34, S. 357; Sanchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 159. 560 So Mir Puig, PG, S. 406. Dagegen sprechen Gil Gil/Lacruz López/Melendo Pardos/ Nuñez Fernández, PG, 2. Aufl., S. 376. 561 Dazu unten § 4 A.I.; § 4 B.II.1.c); § 4 B.IV.3.b). 558

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

mativen Verhaltensnormen gründet die deutsche und spanische Strafrechtswissenschaft die mittelbare Täterschaft bei den Gemein- und Sonderpflichtdelikten ebenfalls auf der Seins- bzw. Sollenskategorie. So wird die mittelbare Täterschaft bei den Gemeindelikten gemäß dem Tatherrschaftskriterium bestimmt; im Unterschied dazu wird die mittelbare Täterschaft bei den Pflichtdelikten nach der Berücksichtigung der Verletzung einer außerstrafrechtlichen Sonderpflicht gebildet. Die Betrachtung der mittelbaren Herrschaft des Hintermannes über die Tatbestandsverwirklichung einerseits und des Eigenverantwortungsprinzips als Grundvoraussetzungen der Strafwürdigkeit der mittelbaren Täterschaft bei den Gemeindelikten andererseits führt die Strafrechtswissenschaft in Deutschland562 und Spanien563 dazu, die mittelbare Täterschaft bei den Herrschaftsdelikten als Tatbestandsausführung durch die Nutzung eines Dritten als „Werkzeug“ zu definieren. Denn der Hintermann beherrsche die Verwirklichung des tatbestandsmäßigen Strafunrechts durch die „Willensherrschaft“564 oder Instrumentalisierung des ausführenden Vordermannes, der in der Regel ohne Vorsatz565, oder aber vorsätzlich und gerechtfertigt566 oder schuldunfähig567 handelt und somit als Werkzeug des Hintermannes zur Tatbestandsverwirklichung dient568. Daher müsse das Handeln des unmittelbaren Ausführenden wegen der Geltung des Eigenverantwortungsprinzips dem Hintermann zugerechnet werden569, als ob dieser selbst gehandelt hätte. Eine solche 562 Innerhalb der deutschen Strafrechtslehre siehe Gropp, AT, 4. Aufl., § 10., Rn. 100 ff.; Jeschek/Weigend, AT, 5. Aufl., § 62, S. 664; Kühl, AT, § 20, Rn. 52; Renzikowski, Maurach-AT II, § 48, Rn. 17; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 78; Roxin-LK, 11. Aufl., § 25, Rn. 53 ff.; ders., AT II, § 25, Rn. 46. 563 In der spanischen Strafrechtswissenschaft siehe Cuello Contreras, PG II, S. 201, Rn. 73; Gil Gil/Lacruz López/Melendo Pardos/Nuñez Fernández, PG, 2. Aufl., S. 367; Gimbernat Ordeig, Autor y cómplice en Derecho penal, S. 222; Hernández Plasencia, La autoría mediata, S. 80; Landecho Velasco/Molina Blázquez, PG, 7. Aufl. S. 479; Mir Puig, PG, S. 388; Muñoz Conde/García Arán, PG, S. 463; Pérez del Valle, Lecciones, S. 283; CCP-Quintero Olivares, 5. Aufl., Art. 28, S. 407; Roldán Barbero, PG, S. 157; Zárate Conde/González Campo, PG, S. 369; Zugaldía Espinar, Lecciones, S. 201. 564 Cuello Contreras, PG II, S. 206, Rn. 81; Cuello Contreras/Mapelli Caffarena, PG, 3. Aufl., S. 160; Gómez-Jara Diez, CPC 88 (2006), 124; Hernández Plasencia, La autoría mediata, S. 80, 99; Muñoz Conde/García Arán, PG, S. 463; Pérez Alonso, La coautoría y la complicidad, S. 194, 200; Quintero Olivares, PG, 4. Aufl., S. 649; Roldán Barbero, Manual de Derecho penal, S. 157. 565 Cuello Contreras, PG II, S. 207, Rn. 86 ff.; Hernández Plasencia, La autoría mediata, S. 80; Mir Puig, PG, S. 388, 391; Zugaldía Espinar, Lecciones, S. 202. 566 Cuello Contreras, PG II, S. 202, Rn. 74; Mir Puig, PG, S. 392. 567 Cuello Contreras, PG II, S. 202, Rn. 74. 568 Auf diese Weise Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 62, S. 664; Jakobs, GA 1997, 553 ff.; Kindhäuser, Bemmann-FS, S. 341; Neumann, GA 1985, S. 476; Rotsch, ZStW 112 (2000), 525; Spendel, Lüderssen-FS, S. 610 f.; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 69 ff. 569 Bloy, Beteiligungsform als Zurechnungstypus, S. 345 ff.; Bottke, Täterschaft und Gestaltungsherrschaft, S. 51 ff.; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, § 3, III 2; MüKoStGBJoecks, Band 1, 3. Aufl., § 25, Rn. 54; SK-Hoyer, § 25, Rn. 42; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 69; Roxin, TuT, S. 143; ders., AT II, § 25, Rn. 48.

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Beherrschung des Hintermannes über die Tatbestandsverwirklichung äußere sich in der Form einer „Willens- und Wissensherrschaft“570, welche sich in der Bildung „mittelbarer Täterschaft kraft Nötigung“571, „mittelbarer Täterschaft kraft Irrtum“572, und „mittelbarer Täterschaft wegen Benutzung eines Schuldunfähigen“573 widerspiegelt. Mittelbare Täterschaft kraft Willensherrschaft liegt vor, wenn der Hintermann den Willen des handelnden Vordermannes durch die Nötigung beherrscht und dadurch die Strukturelemente des Straftatbestandes erfüllt574. Es handelt sich um die Fallkonstellation, in der der Vordermann durch einen entschuldigenden Notstand (§ 35 dStGB und Art. 20 Abs. 5 sStGB) exkulpiert ist575, denn die Herrschaft des Hintermannes über den Willen des Vordermanns ist Herrschaft über eine Person, die ihrem Willen wegen des übermächtigen Druckes des Hintermannes nicht nachgehen kann. Daraus ergebe sich, dass der Hintermann Täter hinter dem entschuldigten Täter sei576. Die mittelbare Täterschaft wegen Irrtumsherrschaft gründet sich ihrerseits auf das Wissensdefizit des Vordermannes577, welches regelmäßig die strafrechtliche Verantwortung des unmittelbaren Ausführenden ausschließt und oder zumindest mindert. Dazu gehören die Fallkonstellationen, in denen der unmittelbare Ausführende über die Verwirklichung der Tatbestands-578, Rechtswidrigkeits-579 oder 570

Vgl. Roxin, AT II, § 25, Rn. 45; Schünemann, ZIS 7 (2006), 302. Bolea Bardon, Autoría mediata, S. 253 ff.; Hernández Plasencia, La autoría mediata, S. 138 ff. 572 Bolea Bardon, Autoría mediata, S. 135 ff.; Hernández Plasencia, La autoría mediata, S. 167 ff.; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 62, S. 669; Köhler, AT, S. 509; Otto, Roxin-FS, S. 483, 489 ff.; Quintero Olivares, PG, 4. Aufl., S. 649; Roxin, AT II, § 25, Rn. 76 ff.; LKSchünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 80. 573 Bolea Bardon, Autoría mediata, S. 311 ff.; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 62, S. 668; Mir Puig, PG, S. 392; Quintero Olivares, PG, 4. Aufl., S. 649 f.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 113 ff. 574 So Brammsen, ZJS 3 (2008), 256; LK-Roxin, 11. Aufl., § 25, Rn. 61 ff. 575 Bolea Bardon, Autoría mediata, S. 261 ff.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 71. 576 MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 25, Rn. 58; SK-Hoyer, 9. Aufl., § 25, Rn. 42; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 69. 577 Dazu vgl. Brammsen, ZJS 3 (2008), S. 256 f.; Otto, Grundkurs, 7. Aufl., § 21, Rn. 69 f.; Roxin, Lange-FS, S. 184 – 192; ders., LK, § 25, Rn. 72 ff. 578 Bottke, Täterschaft und Gestaltungsherrschaft, S. 66; Cuello Contreras, PG II, S. 207, Rn. 85 ff.; Cuello Contreras/Mapelli Caffarena, PG, 3. Aufl., S. 160 f.; Freund, AT, § 10, Rn. 58; Frister, AT, 7. Aufl., § 27, Rn. 19 ff.; Hoyer, Herzberg-FS, S. 390; Küper, JZ 1986, 220; Jakobs, GA 1997, 565; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 62, S. 665 ff.; MRK-StGB-Haas, § 25, Rn. 20; Muñoz Conde/García Arán, PG, S. 463; Roxin, AT II, § 25, Rn. 64; ders., TuT, § 22, S. 172 ff.; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 79 f., 94. 579 Bolea Bardon, Autoría mediata, S. 268 ff.; Cuello Contreras, PG II, S. 209, Rn. 97 ff.; Cuello Contreras/Mapelli Caffarena, PG, 3. Aufl., S. 161 f.; Herzberg, Mittelbare Täterschaft, S. 11; SK-Hoyer, 9. Aufl., § 25, Rn. 71; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., S. 667 f.; MüKoStGBJoecks, Band 1, 3. Aufl., § 25, Rn. 83; Muñoz Conde/García Arán, PG, S. 464; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 93; Roxin, AT II, § 25, Rn. 67 f.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 88. 571

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

Schuldelemente580 im Gegensatz zum Hintermann nichts oder weniger weiß. Schließlich komme die mittelbare Täterschaft kraft „Benutzung von Schuldunfähigen“581 in Betracht, wenn der Hintermann das Strafunrecht durch die Handlungen von strafunverantwortlichen Kindern582, Jugendlichen583 und Geisteskranken584 ausführt. Bei den Sonderpflichtdelikten gründe sich die mittelbare Täterschaft auf die mittelbare Verletzung der Sonderpflicht585, welche nur derjenige übertreten kann, der selbst dieser Sonderpflicht unterworfen ist. In diesem Sinne wird die Bildung der mittelbaren Täterschaft bei den Pflichtdelikten an zwei unterschiedliche Fallkonstellationen angeknüpft: Die erste (klassische) Erscheinungsform der mittelbaren Täterschaft komme in Betracht, wenn der Sonderpflichtträger seine ihn betreffende Pflicht durch eine instrumentalisierte Person verletzt, denn der Intraneus führe den Verbrechenserfolg des Sonderverbrechens – wie bei den Herrschaftsdelikten – auch durch einen Deliktsunfähigen586 (etwa durch einen Geisteskranken, durch ein Kind oder auch durch ein unqualifiziertes absichtsloses Werkzeug) herbei. Daher begründet sich die traditionelle mittelbare Täterschaft bei den Pflichtdelikten auf die von dem Verpflichteten kraft Irrtums oder Bedrohung eines vorsatzlos handelnden Werkzeugs beherrschte Sonderpflichtverletzung. Die zweite (atypische) mittelbare Täterschaftsform kommt hingegen in Fallkonstellationen zum Tragen, in denen der intrane Hintermann seine positive Sonderpflicht durch die Instrumentalisierung eines „dolosen Extraneus“587 verletzt; es handelt sich um die „mittelbare Täterschaft wegen der Benutzung eines qualifikationslos-dolosen Werkzeugs“588, die zu ihrer 580 In der deutschen Strafrechtswissenschaft vgl. dazu Frister, AT, § 27, Rn. 11 f.; MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 25, Rn. 61, 92; Kühl, AT, § 20, Rn. 71; MRK-StGB-Haas, § 25, Rn. 20; Murmann, GA 1998, S. 83 ff.; Renzikowski, Maurach-AT II, § 48, Rn. 36 ff., 41 ff., 44; Roxin, TuT, S. 196 ff.; ders., AT II, § 25, Rn. 88; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 78; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12, Rn. 53 f. In Spanien siehe Cuello Contreras, PG II, S. 210, Rn. 101 ff. 581 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 113. 582 A. a. O. 583 A. a. O. 584 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 113; Zugaldía Espinar, Lecciones, S. 202. 585 Roxin, TuT, S. 361 ff.; Bacigalupo Saggese, Autoría y participación, S. 61 ff. 586 Siehe Sanchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, § 9, S. 161. 587 Hierfür siehe Gómez Benítez, PG, S. 155; Köhler, AT, S. 506; Hernández Plasencia, Autoría mediata, S. 316 f.; Portilla Contreras, Práctica ilegal de detención por funcionario, S. 402; Roxin, TuT, § 34, S. 360 ff.; ders., AT II, § 25, Rn. 275 ff.; Vogel, Norm und Pflicht, S. 288. 588 Dazu vgl. Cuello Contreras/Mapelli Caffarena, PG, 3. Aufl., S. 164; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 32 f.; ders., JuS 1974, 377; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 62, S. 669 f.; Merkel, Lehrbuch, S. 141; Nagler, Die Teilnahme an Sonderverbrechen, S. 70 f.; LKRoxin, 11. Aufl., § 25, Rn. 134 ff.; ders., TuT, 10. Aufl., § 44, Rn. 510, S. 361; ders., AT II, § 25, Rn. 275, 279; Schünemann, Jura 1980, 570; Spendel, Lange-FS, S. 155 f. In der spanischen Strafrechtslehre siehe Hernández Plasencia, Autoría mediata, S. 309 ff.; Gimbernat Ordeig, Autor y cómplice, S. 228 ff.; Gracia Martín, El actuar en lugar de otro, Band I, S. 110 ff., 338, 350 f., 356; Mir Puig, Adiciones, S. 934; ders., PG, S. 428.

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Begründung nur erfordert, dass der Sonderpflichtträger einem Außenstehenden den Vollzug des tatbestandmäßigen Verhaltens überlässt589. Durch die Anwendung dieser Erscheinungsform mittelbarer Täterschaft bleibt der sonderverpflichtete Hintermann nicht straflos; vielmehr haftet der Intraneus als mittelbarer Täter590.

IV. Mittelbare Täterschaft wegen Tatherrschaft kraft organisatorischen Machtapparats (§ 25 Abs. 1, 2. Alt. dStGB; Art. 28 Abs. 1, 3. Alt. sStGB) Spezielle Aufmerksamkeit verdient die mittelbare Täterschaft kraft „organisatorischer Machtapparate“ oder „wegen Organisationsherrschaft“591, die im Gegensatz zu den anderen Erscheinungsformen der mittelbaren Täterschaft unterschiedliche Strukturelemente enthält. Es handelt sich um eine Fallkonstellation, in der der einzelne Ausführende für den Hintermann und seine Zwecke eine anonyme, austauschbare Figur ist592, d. h. ein in jedem Augenblick ersetzbares Rädchen im Getriebe des Machtapparates593. Daraus ergebe sich, dass die Tatherrschaft des Hintermannes über die Tatbestandsherbeiführung und daher die Begründung dieser mittelbaren Täterschaftsform gegenüber der Nötigungs- und Irrtumsherrschaft nicht in der „Willens- bzw. Wissensherrschaft“, sondern in der Fungibilität des Ausführenden594 und damit in der Macht des Hintermannes über die Tatbestandsverwirklichung liege595. Dies führe folglich zur Bestrafung des handelnden Vordermannes als unmittelbarer und des Leiters des Machtapparates als mittelbarer Täter trotz voller Verantwortlichkeit des Tatmittlers596. 589

Köhler, AT, S. 506; Roeder, ZStW 69 (1957), 226; Roxin, TuT, § 34, S. 360 ff.; SanchezVera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 162; ders., Delito de infracción de deber, S. 206. 590 Mir Puig, PG, S. 403; Roxin, AT II, § 25, Rn. 275; ders., Stree/Wessels-FS, S. 366. Kritisch mit dieser Theorie Fernández Pantoja, Delito de falsedad, S. 320; Sanchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 162 ff.; ders., Delito de infracción de deber, S. 207 ff. 591 Dazu vgl. etwa Ambos, GA 1998, 238 ff.; ders., ZIS 11 (2009), 564 ff.; ders., Roxin-FS, S. 837 ff.; Börner, ZIS 7 (2007), 272; Bremmsen, ZJS 3 (2008), 257; Gropp, AT, 4. Aufl., § 10, Rn. 107; Rotsch, ZIS 11 (2009), 549 ff.; ders., NStZ, 1998, 491 ff.; Roxin, TuT, § 24, S. 242 ff.; ders., GA 2012, 395; ders., GA 1963, 200; ders., ZStrR 125 (2007), 1; ders., LK, 11. Aufl., § 25, Rn. 128 ff.; ders., AT II, § 25, Rn. 46; ders., Grünwald-FS, S. 549 ff.; ders., Schroeder-FS, S. 387 ff., 394 f.; ders., JZ 1995, 49 ff.; ders., ZIS 7 (2006), 293 ff.; ders., Krey-FS, S. 456 ff.; Schlösser, GA 2007, 161 ff.; Schroeder, Der Täter hinter dem Täter, 1965; Schünemann, Unternehmenskriminalität, 101 ff.; ders., ZStW 96 (1984), 287, 318; ders., LK, § 25, Rn. 122 ff. 592 Roxin, GA 1963, 201. 593 Roxin, Grünwald-FS, S. 550. 594 Renzikowski, Schünemann-FS, 2014, S. 505; Roxin, AT II, § 25, Rn. 46; ders., Grünwald-FS, S. 549 ff.; ders., Schroeder-FS, S. 394 f.; ders., LK, § 25, 11. Aufl., Rn. 128; ders., ZIS 7 (2006), 296 f.; ders., ZIS 11 (2009), 567; ders., TuT, S. 245. 595 Roxin, Schroeder-FS, S. 394 f., 399. 596 Vgl. dazu Roxin, TuT, 10. Aufl. 1963, S. 273; ders., Lange-FS, S. 192 – 195; ders., GA 1963, 200 f.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

Aus Sicht der h. L. in Deutschland597 und Spanien598 fordert die „mittelbare Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate“ drei strukturelle Bestandteile: Die erste Voraussetzung sei die „Fungibilität“ oder „Austauschbarkeit“599 des ausführenden Vordermannes, die dem Hintermann eine unbegrenzte Ersetzbarkeit des unmittelbar Ausführeden ermöglicht, sodass die Verweigerung des handelnden Vordermannes keinen Einfluss auf die Erfüllung des vom Hintermann angeordneten Befehls und damit auf die Tatbestandsverwirklichung hat – das heißt, die Ausführung des Befehls hängt überhaupt nicht von dem konkreten Verhalten des unmittelbaren Vollstreckers ab600. Der zweite Bestandteil sei die „Rechtsgelöstheit“601 des Machtapparates: Zur Annahme mittelbarer Täterschaft wegen Organisationsherrschaft sei nötig, dass sich der Machtapparat von den Rechtsnormen löse602 ; denn das Verbleiben der Leitung und Ausführungsorgane eines Machtapparates in der Rechtsordnung schließt die Organisationsherrschaft aufgrund des Befehls aus, da die im (Straf-)Rechtssystem vorliegenden Gesetze den Vollzug rechtswidriger Anordnungen des Hintermannes verbieten. Das dritte Strukturelement sei die in der Sonderstruktur des Machtapparates bestehende „sichere Ausführung des Straftatbestandes“603, welche den vom Hintermann angeordneten Befehlsvollzug unabhängig von der Verhaltungsweise des unmittelbaren Ausführenden garantiert. Die 1963 von Roxin604 zum ersten Mal begründete „mittelbare Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate“ wurde auch von der deutschen und spanischen Rechtsprechung weiterentwickelt, denn sowohl der deutsche BGH als auch der spanische Oberste Gerichtshof (TS) haben die „mittelbare Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate“ auf verschiedene Fällen angewendet. 597 Neben anderen Autoren finden sich Ambos, GA 1998, 233 f.; Bloy, GA 1996, 441; Bottke, Täterschaft und Gestaltungsherrschaft, S. 71 ff.; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, § 3, III 3; Hünerfeld, ZStW 99 (1987), 244; Kühl, AT, § 20, Rn. 122 f.; Küpper, GA 1998, 523 ff.; Lampe, ZStW 106 (1994), 743; Schulz, JuS 1997, 111; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 122 f.; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 12, Rn. 541; Urban, Mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, S. 27 ff. 598 So Bacigalupo Zapater, DLL 2008, S. 5, 10; Bolea Bardón, Autoría mediata, S. 366 ff., 393 ff.; Caruso Fontán, RDP (2003), S. 48, 65; Cuello Contreras/Mapelli Caffarena, PG, 3. Aufl., S. 164 f.; Faraldo Cabana, Responsabilidad penal del dirigente, S. 195; Fernández Ibáñez, La autoría mediata en aparatos organizados de poder, S. 119 f.; Gil Gil/Lacruz López/ Melendo Pardos/Nuñez Fernández, PG, 2. Aufl., S. 371; Gómez Benítez, ADPCP (1984), S. 121 f.; Muñoz Conde, Modernas tendencias en la ciencia, S. 505 f.; Muñoz Conde/García Arán, PG, S. 464; Núñez Castaño, Responsabilidad penal de la empresa, S. 178. 599 Dazu vgl. Cuello Contreras, PG II, S. 217, Rn. 145; Fernández Ibáñez, Aparatos organizados de poder, 2005; Roxin, GA 1963, 199 ff.; ders., AT II, § 25, Rn. 107; ders., ZIS 7 (2006), S. 296 f. 600 Hierfür siehe Gómez-Jara Diez, CPC 88 (2006), 125. 601 Siehe Cuello Contreras, PG II, S. 217, Rn. 145; Rotsch, ZIS 11 (2009), 551; Roxin, ZIS 7 (2006), 297 f.; ders., Grünwald-FS, 1999; ders., GA, 1963, 193, 205. 602 LK-Roxin, 11. Aufl., § 25, Rn. 129. 603 MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 25, Rn. 138; LK-Roxin, 11. Aufl., § 25, Rn. 128. 604 Siehe Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, 1. Aufl., S. 619.

§ 3 Gesetzliche Grundlagen und Erscheinungsformen der Täterschaft

137

Die deutsche Rechtsprechung hat die sog. mittelbare Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate häufiger angewendet. Ein Beispiel dafür ist der Mauerschützenfall. Hierbei wurden unter den Voraussetzungen der Täterschaft wegen Organisationsherrschaft die Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates der DDR, welche für die Befehle oder die Genehmigungen der Todesschüsse auf die Flüchtlinge an der Berliner Mauer zuständig waren, als mittelbare Täter eines Mordes oder Totschlags bestraft. Die Grenzpolizisten oder -soldaten, welche in Ausübung des von höchster Stelle der zuvor erlassenen Befehls auf die Flüchtlinge schossen, wurden ihrerseits als unmittelbare Täter für dasselbe Strafunrecht verurteilt. Die spanische Rechtsprechung hat die mittelbare Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate ebenfalls angewendet. Dies spiegelt sich in verschieden Urteilen des spanischen Obersten Gerichtshofes (TS) wider, in denen die Grundvoraussetzungen der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft entwickelt wurden, obwohl der spanische OGH die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft zur Bestrafung der Beteiligten nicht angewendet hatte und somit der Hintermann und der verantwortliche unmittelbar Handelnde nicht als mittelbarer bzw. unmittelbarer Täter verurteilt wurden605. Die Urteile gegen einen rassistischen Bürgermeister606 und über ein Dschihad-Attentat607 enthalten die Stellungnahme des spanischen OGH zur mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate. In diesen Urteilen hat der spanische OGH im Sinne von Roxins Ansatz vier Strukturelemente der mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate festgelegt: a) die „Rechtsgelöstheit der Organisation“, b) die Sonderherrschaft des Hintermannes über die Organisation, c) die „Fungibilität“ oder „Austauschbarkeit“ des ausführenden Vordermannes, d) die strafrechtliche Verantwortlichkeit des handelnden Vordermannes für die von ihm begangene Straftat.

V. Sonstige Mittäterschaftsformen Bei den Herrschaftsdelikten haben die deutsche und die spanische Strafrechtswissenschaft andere Erscheinungsformen der Mittäterschaft entwickelt, welche wegen ihrer ontologischen Berücksichtigung nicht in den gesetzlichen Beteili605 Aus Sicht des spanischen OGH war der Grund für die Nichtanwendung der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, dass die ihm vorliegenden Fälle die Voraussetzungen dieser Täterschaftsform nicht erfüllten. 606 Urteil (STS v. 02. 07. 1994). Der spanische Oberste Gerichtshof verurteilte einen Bürgermeister als mittelbaren Täter des Delikts der Sachbeschädigung (Art. 263 des spanischen CP, vgl. § 303 dStGB). Der TS gibt dafür zwei Argumente an: Erstens sei der Bürgermeister kein Anstifter, weil nicht nachgewiesen wurde, dass er den vorsätzlichen Entschluss der Demonstranten zur Tatbestandsverwirklichung der Sachbeschädigung hervorgerufen habe. Zweitens habe der Bürgermeister wegen seiner staatlichen Sonderstellung die höchste Herrschaft über die Entscheidungsfindung, welche zur Sachbeschädigung führe. 607 DA-Urteil (Urteil über das Dschihad-Attentat) von 17. 07. 2008.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

gungssystemen in Deutschland und Spanien geregelt sind608. Von diesen Mittäterschaftsformen sind insbesondere die Nebentäterschaft, die sukzessive Mittäterschaft, die alternative Mittäterschaft und die additive Mittäterschaft hervorzuheben.

1. Nebentäterschaft (Alleintäterschaft) Als Nebentäterschaft definieren die deutsche609 und die spanische610 Strafrechtswissenschaft das zufällige Zusammentreffen mehrerer Personen bei dem Vollzug eines Straftatbestands, in dem die Beteiligten zwar gleichzeitig, aber unabhängig voneinander handeln611. Grundelemente der Nebentäterschaft seien einerseits die Verwirklichung eines Strafunrechts ohne subjektive Mitherrschaft über das Fassen eines gemeinsamen Tatentschlusses612 und andererseits die plötzliche613 gleichzeitige Vornahme des Tatbestands ohne objektive Mitherrschaft über den Verlauf der tatbestandmäßigen Ereignisse614. Denn hätten die Beteiligten die Mitherrschaft über den Tatentschluss in der Vorbereitungs- und Vollzugsphase der Straftat, wären sie einfache Mittäter. Ausgehend davon lässt sich behaupten, dass nachträglich handelnde Nebentäter entweder wegen der Abwesenheit einer Mitherrschaft über die Straftatherbeiführung keine Mittäter sind und daher die Nebentäterschaft keine Erscheinungsform der Mittäterschaft, sondern nur eine bloße Form unmittelbarer Täterschaft ist, oder dass sie aufgrund eines nachträglich feststellbaren Eintritts in den gemeinsamen Tatplan der Täter Mittäter sind. Mit anderen Worten sind unabhängig von anderen, auf eigene freie Entscheidung hin eingreifende Nebentäter letztlich echte unmittelbare Täter, weil bei der Nebentäterschaft mehrere Personen ohne Mitherrschaft (Mittäterschaft) denselben Erfolg herbeiführen615, welcher mit dem Verhalten der Beteiligten nur kausal verknüpft ist616. Zur Veranschaulichung der Nebentäterschaft haben die deutsche und die spanische Strafrechtslehre einige Beispielsfälle gebildet, von denen hier drei dargestellt werden: 1. der Fall, in dem eine Mutter und ihre Tochter unabhängig voneinander den Familienvater durch selbständige Verletzungshandlungen töten; 2. der Fall, in dem 608

Dazu Renzikowski, Maurach-AT II, S. 508 ff. In der deutschen Strafrechtslehre beziehen sich auf die Nebentäterschaft Blochwitz, Nebentäterschaft, 1929; Fincke, GA 1975, 161 ff.; Gallas, ZStW 67 (1945), 47; Igel, Die Nebentäterschaft; Jakobs, AT, § 21, Rn. 43, 109; Jescheck, AT, 5. Aufl., 615; Köhler, AT, S. 492; Meyer, Das Zusammentreffen mehrerer voneinander unabhängiger Thätigkeiten, 1900; Nowak, Nebentäterschaft Quasitäterschaft, 1912; Roxin, AT II, § 25, Rn. 265 f.; Wolff, Die Tatherrschaft, S. 99, Fn. 2. 610 Köhler, AT, S. 492, 520. 611 Vgl. Murmann, Die Nebentäterschaft im Strafrecht, S. 139. 612 So Köhler, AT, S. 520; Murmann, Die Nebentäterschaft im Strafrecht, S. 139. 613 Köhler, AT, S. 520. 614 So Murmann, Die Nebentäterschaft im Strafrecht, S. 140 ff. 615 Roxin, AT II, § 25, Rn. 219. 616 Hierfür siehe Murmann, Die Nebentäterschaft im Strafrecht, S. 137 f., 141 ff. 609

§ 3 Gesetzliche Grundlagen und Erscheinungsformen der Täterschaft

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zwei Personen unabhängig voneinander gleichzeitig ein Haus abbrennen617; 3. der Fall, in dem ein Schauspieler an der Theatergarderobe einen Mantel abgibt, in dessen Tasche sich ein geladener Revolver befindet, welchen der Garderobenmitarbeiter entdeckt, für ungeladen hält und zum Scherz, aber mit tödlicher Wirkung, auf einen Dritten abfeuert. Nach den Voraussetzungen der Nebentäterschaft werden den Beteiligten dieser Fälle die Nebentäterschaft eines vorsätzlichen Totschlags/Mordes (§§ 212, 211 dStGB und Art. 138, 139, 140 sStGB), einer vorsätzlichen Sachbeschädigung (§ 303 dStGB, Art. 263 sStGB) bzw. eines fahrlässigen Totschlags (§ 222 dStGB, Art. 152 sStGB) zugerechnet. 2. Alternative Mittäterschaft Die alternative Mittäterschaft wird durch die Strafrechtswissenschaft in Deutschland und Spanien als von mehreren Beteiligten aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses und vorheriger formeller Arbeitsteilung verwirklichte Herbeiführung eines Strafunrechts definiert. Es handelt sich um eine besondere Fallkonstellation, in der zwar alle Beteiligten infolge des zuvor gefassten gemeinsamen Tatentschlusses die abstrakte Fähigkeit zur Erreichung des tatbestandsmäßigen Unrechtserfolges haben, aber tatsächlich von vornherein jeweils nur das Handeln des einen oder des anderen Beteiligten das Strafunrecht verwirklichen kann618. Dies zeigt deutlich, dass bei der alternativen Mittäterschaft ein Grundelement fehlt, das gewöhnlich Mittäterschaft konstituiert: der erhebliche Tatbeitrag aller Beteiligten. Denn bei der alternativen Mittäterschaft handeln die Tatbeteiligten, welche während der Ausführung der Straftat geringere Beiträge leisten, nicht in der Weise, dass ihre Mitwirkungshandlungen wesentliche Tatbeiträgen bei der Tatbestandsherbeiführung darstellen. Die alternativen Mittäter handeln vielmehr in der Form, dass nur einer von ihnen, der ex post den tatbestandmäßigen Erfolg erreicht, allein und unabhängig von den anderen die durch den entsprechenden Straftatbestand verbotene tatbestandliche Handlung vornehmen kann. Unter dieser Strafrechtskategorie haben sowohl die deutsche als auch die spanische Strafrechtswissenschaft einen großen Teil alter Probleme der alternativen Kausalität eingeordnet. Daher werden solche Fälle als Erscheinungsformen der alternativen Mittäterschaft behandelt. So soll die Möglichkeit existieren, die alternativen Beiträge der Tatbeteiligten als Mittäterschaft zu bestrafen, wenn z. B. zwei Mörder nach ihrem gemeinsamen Tatentschluss an verschieden Wegen dem Opfer auflauern, um es zu töten. Gleiches gilt, wenn zwei Attentäter infolge ihres gemeinsamen Entschlusses zum Tod des Opfers jeweils auf ein anderes Fenster eines Gebäudes zielen, in dem sich das auserwählte Opfer befindet. Der eine zielt umsonst, während der andere Erfolg hat, denn er schießt und trifft. Die durch die deutsche und spanische Strafrechtswissenschaft vorgeschlagenen Lösungen für diese Fallkon617 618

Jakobs, AT, § 21, Rn. 109. Siehe Rudolphi, Bockelmann-FS, S. 379 f.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

stellation sind sehr umstritten: Manche nehmen die Bestrafung aller Beteiligter als alternativen Mittäter an619, andere wiederum fordern lediglich die Bestrafung derjenigen Beteiligten, die das Opfer eigenhändig getötet haben, als unmittelbare Täter620. Die Vertreter der ersten These behaupten, dass die Tatbeteiligten, welche den Erfolg nicht eigenhändig herbeiführen, in Wahrheit wegen des gemeinsamen Tatentschlusses die Tötung des Opfers beherrschen und daher ihnen das Verhalten des anderen als alternative Mittäterschaft eines Totschlags zugerechnet werden soll. Die Verfechter der zweiten These argumentieren hingegen, dass trotzt des Vorliegens einer formellen gemeinsamen Tatverabredung eine funktionelle Mitherrschaft aller Beteiligten über die konkrete Tatbestandsherbeiführung fehlt621; folglich sei Täter eines Totschlags (Mordes), wer das jeweilige Opfer erschossen hat. 3. Sukzessive Mittäterschaft Die sukzessive Mittäterschaft wird als nachträglicher Eintritt eines oder mehrerer Beteiligten in eine schon von anderen Subjekten begonnene Tatbestandsvornahme622 begriffen. Diese Definition enthält wesentliche Bestandteile, die eine maßgebliche Auswirkung auf die Begrenzung strafrechtlicher Mitverantwortlichkeit wegen sukzessiver Mittäterschaft haben. So liege sukzessive Mittäterschaft vor, sobald die Verwirklichung eines Straftatbestandes ins Versuchsstadium eingetreten sei623. Danach sei sukzessive Mittäterschaft nur bis zur formellen Vollendung des Delikts möglich624. Ein Beispiel dieser Mittäterschaftsform sei der Fall, in dem A sieht, wie B und C die Z vergewaltigen. B und C fragen nun den A, ob er sich daran beteiligen wolle. Daraufhin hält auch A die Z fest und vollzieht danach mit Hilfe von B und C den Geschlechtsverkehr. Aus Sicht eines Teils der deutschen und spanischen Strafrechtslehre soll der nachträglich Beteiligte (A) sukzessiver Mittäter des Sexualdelikts sein. 4. Additive Mittäterschaft Die deutsche und die spanische Strafrechtswissenschaft Spanien konzipieren die additive Mittäterschaft als den von mehreren Beteiligten arbeitsgemeinschaftlich herbeigeführten Tatbestandsvollzug, in dem sich die Herrschaft aller Beteiligten über die Verwirklichung des Strafunrechts nicht auf die Bedeutsamkeit der quantitativen 619 Hierfür siehe MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 25, Rn. 225; Kühl, AT, § 20, Rn. 109; Renzikowski, Maurach-AT II, § 49, Rn. 73; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 193. 620 Dazu vgl. Puppe, ZIS 6 (2007), 241; Rudolphi, Bockelmann-FS, S. 380. 621 Siehe Rudolphi, Bockelmann-FS, S. 380. 622 Dazu Köhler, AT, S. 520; Roxin, AT II, § 25, Rn. 219; Stratenwerth/Kuhlen, AT, 6. Aufl., § 12, Rn. 88. 623 Roxin, AT II, § 25, Rn. 220. 624 Auf diese Weise Köhler, AT, S. 520; Roxin, AT II, § 25, Rn. 221.

§ 3 Gesetzliche Grundlagen und Erscheinungsformen der Täterschaft

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Beiträge oder faktischen Arbeitsteilung, sondern auf die gesamte normative Betrachtung der Gleichwertigkeit625 aller Mitwirkungshandlungen stützt. Der Unterschied in der Struktur der additiven Mittäterschaft im Vergleich zur traditionellen Mittäterschaft soll darin liegen, dass die individuellen Tatbeiträge aller Beteiligten unwesentlich und unerheblich seien626. Demgegenüber besitze die gemeinschaftliche Tatausführung infolge der Beteiligung mehrerer Personen eine höhere Gefährlichkeit627, weil sie – zumindest aus einer ex-ante-Perspektive – die Erreichung des von allen Beteiligten gewollten tatbestandsmäßigen Erfolgs gewährleistet628. Infolgedessen sei es gerechtfertigt, alle Beteiligten als additive Mittäter zu bestrafen629. Ein durch die deutsche und die spanische Strafrechtslehre formuliertes klassisches Beispiel der additiven Mittäterschaft ist der Fall, in dem zwanzig Verschwörer gleichzeitig auf ihr Opfer schießen. Zwar gelingt das Attentat, doch es kann nicht mehr rekonstruiert werden, von welchen Schützen die tödlichen Kugeln stammen630. Trotz des Vorliegens eines vollendeten Totschlags (Mordes) führe die Anwendung der herkömmlich funktionellen Mittäterschaft i. V. m. dem Grundsatz „in dubio pro reo“ aus Sicht der Verfechter der additiven Mittäterschaft zu einer ungewollten Bestrafung aller Beteiligten als bloße Mittäter eines versuchten Tötungsdelikts. Die Anwendung der additiven Mittäterschaft fordere hingegen, alle Verschwörer als Mittäter eines vollendeten Totschlags oder Mordes zu bestrafen; denn der Strafunwert bei der additiven Mittäterschaft gründe sich darauf, dass die einzelnen Beiträge nicht, wie meist, ineinandergreifen, sondern – wie unten detailliert erläutert wird631 – durch Kumulierung nebeneinander herlaufender Handlungen die Erfolgsaussichten verstärken.

D. Kritische Würdigung Die durch die deutsche und die spanische Strafrechtswissenschaft entwickelte Dogmatik der Täterschaft hat zwar plausible Lösungen zahlreicher konkreter Fälle ermöglicht. Sie leiden jedoch alle an denselben oder ähnlichen schwerwiegenden Mängeln, da sie die den dogmatischen und gesetzlichen Beteiligungszurechnungsmodellen in Deutschland und Spanien zugrundeliegenden theoretischen Paradigmen in Frage stellen. Denn die gerade dargestellte strafrechtsdogmatische Analyse dieser Gebiete der Täterschaft wurde aus den in § 2 dargestellten allgemeinen theoretischen Zurechnungsprämissen entwickelt. Deshalb richtet sich die allgemeine Kritik an den 625 Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 70; ders., ZStW 49 (1987), 54; Puppe, ZIS 6 (2007), 234 ff. 626 Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 70. 627 Puppe, ZIS 6 (2007), 236. 628 Dazu MüKoStGB-Joecks, § 25, Rn. 224; Roxin, AT II, § 25, Rn. 230. 629 Puppe, GA 1984, 119. 630 Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 56 ff. 631 Dazu vgl. unten § 7 A.I.1.a)cc).

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

theoretischen Paradigmen auch gegen die bereits erklärten dogmatischen Ansätze über die Grundlagen und Erscheinungsformen der Täterschaft. Diesbezüglich werden hier nur einige spezifische Einwände erläutert, deren Erklärung für die richtige Betrachtung der kritisierten dogmatischen Gesichtspunkte unabdingbar ist. Zu Beginn ist es angebracht, einen Einwand hervorzuheben, der die methodologische Betrachtungsweise dieser theoretischen Ansätze in Frage stellt. Aus der in dieser Untersuchung entwickelten Sicht kann die durch die Strafrechtslehre in Deutschland und Spanien zur Auslegung des deutschen und spanischen Gesetzes und zur Begründung der Täterschaft bei den Herrschafts- und Pflichtdelikten angewendete gemischte Methode – wie oben632 bereits erklärt wurde – die Kategorien „Sein“ und „Sollen“ zum Begreifen normativer Wirklichkeit miteinander nicht verschmelzen. Verfassungstheoretisch kann man vertreten, dass die unterschiedliche Begründung der Täterschaft bei den Herrschaftsdelikten gegenüber der Begründung der Täterschaft bei den Pflichtdelikten zum Verstoß gegen die Grundsätze des Verfassungsstaats führt. Unter den verletzten Prinzipien befinden sich das Gesetzlichkeitsprinzip633, das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz634 und der Rechtssicherheitsgrundsatz. Dogmatisch fragwürdig ist das Vorliegen der Mittäterschaft, mittelbaren Mittäterschaft, kumulativen Mittäterschaft, sukzessiven Mittäterschaft, alternativen Mittäterschaft und additiven Mittäterschaft. Denn nach der hier entwickelten Auffassung gibt es auf normativer Ebene – wie unten (§ 9) erläutert wird – solche Täterschaftsformen gar nicht, sondern nur die unmittelbare Täterschaft. Die erwähnten dogmatischen Formen der Täterschaft bestehen nur auf ontologischer Ebene. Aber wie bereits erwähnt, spielt das Ontologische bei der Begründung normativer Kategorien (etwa die Täterschaft) keine Rolle. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Einwände einiger Autoren gegen die mittelbare Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate, welche sich in zwei verschieden Bereichen äußert. Zum einen gibt es Ansichten, welche die Struktur und Tragfähigkeit der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft in Frage stellen635 ; zum anderen finden sich Einwände, die sich gegen ihre Anwendung auf den Bereich der Täterschaft und Teilnahme in Wirtschaftsunternehmen richten636.

632

Vgl. oben § 2 D.V. A. a. O. 634 A. a. O. 635 So etwa Herzberg, in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung, S. 33 ff., 47 ff.; Murmann, GA 1996, S. 269; Rotsch, ZIS 7 (2007), 260 ff.; ders., NStZ 2005, 13; ders., ZStW 112 (2000), S. 518; Zaczyk, GA, 414. 636 Vgl. unten § 5 F.; § 6 C.III. 633

§ 3 Gesetzliche Grundlagen und Erscheinungsformen der Täterschaft

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Gegen die Figur der Tatherrschaft kraft Organisationsherrschaft als solche werden u. a. vorgebracht: a) Der Verstoß gegen das Eigenverantwortungsprinzip637, denn dieser Grundsatz fordere, entweder Hinter- und Vordermann als Teilnehmer bzw. unmittelbaren Täter zu bestrafen, wenn der Vordermann vollständig strafrechtsverantwortlich handelt, oder dem Hintermann die mittelbare Täterschaft zuzurechnen638 und den Vordermann straflos zu lassen, wenn der Vordermann ohne Kenntnis der Tatbestands- und Rechtswidrigkeitselemente oder ohne Schuld handelt. Dies bedeute, dass das Eigenverantwortungsprinzip keine mittelbare Täterschaft des Hintermannes zulasse, wenn der Vordermann – wie bei der Fallkonstellation organisatorischer Machtapparate – vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft handelt639. Mit anderen Worten komme unter Achtung des Eigenverantwortungsprinzips die mittelbare Täterschaft des Hintermannes nur in Frage, wenn der unmittelbar handelnde Vordermann das tatbestandliche Verhalten ohne Entscheidungs- oder Handlungsfreiheit verwirklicht640. b) Die Austauschbarkeit, der tragende Stützpfeiler der kritisierten Täterschaftsform, reiche als Begründung der Tatherrschaft des Hintermannes nicht aus, weil sie und die Befehle des Leiters eines organisatorischen Machtapparats den frei handelnden Vordermann nicht ohne weiteres instrumentalisierten641. c) Die Auswechselbarkeit als Grundkriterium zur Bildung der Tatherrschaft (und daher der Täterschaft) des Hintermannes sei nicht gegeben, wenn entweder nur eine begrenzte Anzahl austauschbarer Subjekte642 vorliegt, die bereit sind, die Straftat vorzunehmen, oder der Vordermann ein Spezialist ist643.

637 In der deutschen Strafrechtswissenschaft vgl. dazu u. a. Korn, NJW 1965, 1208; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff und fahrlässige Begehung, S. 146 ff.; Schünemann-LK, 12. Aufl., § 25, Rn. 58. Ebenfalls siehe in der Strafrechtslehre Spaniens Bolea Bardón, Autoría mediata, S. 350 ff.; Gómez-Jara Diez, CPC 88 (2006), 121; Hernández Plasencia, La autoría mediata en Derecho penal, S. 275. 638 Ähnlich MüKoStGB-Joecks, § 25, Rn. 58; Marín de Espinosa Cevallos, Criminalidad de empresa, S. 94 ff.; Meini Mendez, Responsabilidad penal del empresario, S. 117 ff. 639 Renzikowski, Maurach-AT II, § 48, Rn. 69. 640 Siehe hierfür Bottke, Täterschaft und Gestaltungsherrschaft, S. 64 ff.; Gómez-Jara Diez, CPC 88 (2006), 121; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 30. 641 Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 89. In der spanischen Literatur vgl. Faraldo Cabana, Responsabilidad penal del dirigente, S. 91; Gutierrez Rodríguez, La responsabilidad penal del coautor, S. 382 f.; Hernández Plasencia, La autoría mediata en Derecho penal, S. 274; Olmedo Cardenete, La inducción como forma de participación accesoria, S. 457. 642 Vgl. Köhler, AT, 2. Aufl., S. 510; Jakobs, NStZ 1996, 27; Murmann, GA 1996, 273 f. In Spanien sprechen für diese Kritik unter anderen Faraldo Cabana, Responsabilidad penal del dirigente, S. 89. 643 Renzikowski, Maurach-AT II, § 48, Rn. 71.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

d) Die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft verstoße gegen das Gesetzlichkeitsprinzip, weil eine solche Täterschaftsform in § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB nicht vorgesehen sei.

E. Zwischenergebnis Der vorliegende Abschnitt bestätigt, dass die in Deutschland und Spanien entwickelten gesetzlichen und dogmatischen Zurechnungssysteme der Täterschaft auf bestimmten, bereits in § 2 erläuterten erkenntnistheoretischen Paradigmen beruhen. Dies spiegelt sich sowohl in der von der Strafrechtswissenschaft in Deutschland und Spanien vorgenommenen Auslegung der Strafvorschriften über die Täterschaft als auch in der dogmatischen Begründung jeder der Erscheinungsformen der Täterschaft wider. Zur Verdeutlichung kommen insbesondere zwei Beispiele in Betracht: Zum einen die Begründung des Täterunrechts und die Bestimmung der Täterschaftserscheinungsformen bei den Herrschaftsdelikten nach der „Seinskategorie“ der Tatherrschaft, die durch das finalistische Beteiligungssystem in die deutsche Strafrechtswissenschaft eingeführt und durch das kriminalpolitische Beteiligungszurechnungsmodell weiterentwickelt wurden. Zum anderen die Begründung der Täterschaft und die Bestimmung ihrer Erscheinungsformen bei den Pflichtdelikten gemäß der „Sollenskategie“ der Pflichtverletzung, welche sowohl durch das kriminalpolitisch neuidealistische Beteiligungsparadigma als auch durch das systemisch konstruktivistische Beteiligungssystem vertreten ist. Diese gemeinsamen theoretischen Prämissen äußern sich zunächst in allgemeinen Ähnlichkeiten der gesetzlichen Beteiligungssysteme in Deutschland und Spanien. Zu diesen Ähnlichkeiten gehören etwa die Geltung eines dualistischen Beteiligungssystems in beiden Ländern, das zwischen Täterschaft und Teilnahme unterscheidet; zudem die Ablehnung der sich entweder nur auf die objektive oder ausschließlich auf die subjektive Seite des Verhaltens konzentrierenden monistischen Ansichten und die Übernahme des synthetischen Ansatzes, welcher zur Begründung der Täterschaft objektive und subjektive Aspekte des Verhaltens heranzieht; und zuletzt die Übernahme eines „restriktives“ Zurechnungssystems der Täterschaft, das zur Begründung des Täterunrechts – und daher der Täterschaft – nicht die Erfüllung aller Voraussetzungen eines schuldhaften Strafunrechts, sondern nur die Strukturelemente einer tatbestandmäßigen und rechtswidrigen Straftat erfordert. Ebenfalls haben Strafrechtswissenschaft und Rechtsprechung in Deutschland und Spanien aus der Auslegung der Strafvorschriften des dStGB und sStGB, welche die Täterschaft regeln, Folgendes geschlossen: Erstens ist der Täter die „Zentralgestalt“ oder „Zentralfigur“ der Tatbestandsverwirklichung. Zweitens ist „Zentralfigur“ (und somit Täter) bei den Herrschaftsdelikten, wer die Verwirklichung der Straftat beherrscht, weil sich die Täterschaft bei solchen Delikten auf die Tatherrschaft gründet. Drittens ist „Zentralgestalt“ (und daher Täter) bei den Pflichtdelikten, wer eine außerstrafrechtliche Pflicht verletzt, denn die Täterschaft bei den Pflichtdelikten

§ 3 Gesetzliche Grundlagen und Erscheinungsformen der Täterschaft

145

gründet sich auf die Pflichtverletzung. Viertens enthalten beide Strafrechtssysteme die unmittelbare Täterschaft, die mittelbare Täterschaft und die Mittäterschaft, deren Vorliegen bei den Herrschafts- und Pflichtdelikten mit der unmittelbaren, mittelbaren und gemeinsamen Tatherrschaft bzw. Pflichtverletzung verknüpft ist. Fünftens enthalten die Strafrechtssysteme in Deutschland und Spanien weitere Täterschaftsformen, etwa die Nebentäterschaft (Alleintäterschaft), die alternative Mittäterschaft, die sukzessive Mittäterschaft, die additive Mittäterschaft und die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft. Im Speziellen steht die im deutschen und spanischen Strafrechtssystem geregelte Kategorie der Täterschaft auf der gleichen normativen Grundlage und hat dieselben phänomenologischen Erscheinungsformen. Dies findet sich sowohl in § 25 dStGB als auch in Art. 27, 28 Abs. 1 sStGB, welche die Täterschaft bei herkömmlichen Fallkonstellationen regeln, in denen die Begründung und Zurechnung der Täterschaft keine Sondereigenschaft des Täters brauchen. Ihrerseits schreiben § 14 dStGB und Art. 31 sStGB besondere normative Eigenschaften vor, welche die Täterschaft von Führungskräften eines Wirtschaftsunternehmens begründen. Es handelt sich um die Strafrechtsfigur „Handeln für einen anderen“, deren Anwendung eine entscheidende Rolle im Bereich der Sonderpflichtdelikte (z. B. in den Unternehmensdelikten) spielt. Demgegenüber liegt in Art. 31 bis sStGB ein wesentlicher Unterscheid zwischen dem deutschen und dem spanischen Täterschaftssystem: Diese Vorschrift regelt die Täterschaft der juristischen Person im spanischen Strafrechtssystem. Dies bedeutet, dass eine spezielle Täterschaftsform (Mittäterschaft) von Unternehmensleitern und derselben juristischen Person begründet werden kann. Gegen diese theoretischen Ansichten werden verschiedene Kritikpunkte vorgebracht, die sich einerseits – wie oben644 bereits erläutert wurde – auf ihre Grundlagen und methodologische Vorgehensweise beziehen und andererseits die dogmatischen Inkonsistenzen und die ungewünschten kriminalpolitischen Konsequenzen in Frage stellen.

644

Vgl. dazu insbesondere § 3, D.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

§ 4 Gesetzliche Grundlagen und Erscheinungsformen der Teilnahme im Strafrechtssystem Deutschlands und Spaniens und dogmatische Entwicklung des Teilnehmerunrechts A. Gesetzliche Grundlagen des Teilnehmerunrechts I. Allgemeine Grundlage des Teilnehmerunrechts gem. §§ 26, 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB In Deutschland wird der allgemeine Strafgrund der Teilnahme durch die §§ 26, 27 dStGB normiert. So ist Anstifter nach § 26 dStGB, „wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt“. In gleichem Sinne legt § 27 dStGB fest, dass Gehilfe ist, „wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet“. In Spanien befassen sich mit der Teilnahme die Art. 28 Abs. 2 und 29 sStGB. Art. 28 Abs. 2 sStGB regelt die gemäß derselben Vorschrift als Täterschaft betrachteten Erscheinungsformen der Teilnahme. Die Anstiftung (Art. 28 Abs. 2a sStGB) ist den deutschen Normen vergleichbar geregelt, während die „erforderliche Beihilfe“ (Art. 28 Abs. 2b sStGB) in Deutschland nicht existiert. Das sStGB definiert in Art. 28 Abs. 2a den Anstifter als denjenigen, der einen anderen oder mehrere andere dazu veranlasst, eine Straftat auszuführen. Dagegen konzipiert das sStGB in Art. 28 Abs. 2b den „erforderlichen Gehilfen“ als denjenigen, der an der Verwirklichung der Straftat durch einen wesentlichen Beitrag teilnimmt, ohne den die Straftat nicht ausgeführt werden kann. Darüber hinaus regelt Art. 29 sStGB die einfache Beihilfe und legt fest, dass bloße Gehilfen diejenigen sind, die nicht durch Art. 28 erfasst werden und sich an der Herbeiführung des Straftatbestandes durch vorherige oder gleichzeitige Beiträge beteiligen. Wie unten (§ 4 C.) in detaillierter Weise zu sehen sein wird, weisen die gesetzlichen Teilnahmesysteme von Deutschland und Spanien wesentliche Unterschiede auf, von denen im Folgenden nur die wichtigsten hervorgehoben werden sollen: Namentlich knüpfen die strafrechtlichen Zurechnungsnormen des deutschen Teilnahmesystems (§§ 26, 27 dStGB) die Strafbarkeit des Anstifters und Gehilfen an ein – mindestens versuchtes – vorsätzliches und rechtswidriges Hauptunrecht645. Im Gegensatz dazu binden die Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB die Strafhaftung des Anstifters und Gehilfen nicht nur an die Verwirklichung einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat, sondern auch an die Herbeiführung eines fahrlässigen Strafunrechts. Dies zeigt, dass in Deutschland ein restriktives, dagegen in Spanien ein extensives Teilnahmesystem gilt, da sowohl die fahrlässige Anstiftung als auch die fahrlässige Beihilfe, die beide nach dem spanischen Beteiligungssystem strafbar sind, in Deutschland straflos bleiben. 645

Renzikowski, Maurach-AT II, § 50, Rn. 25.

§ 4 Gesetzliche Grundlagen und Erscheinungsformen der Teilnahme

147

II. Besondere Grundlage des Teilnehmerunrechts gem. §§ 28, 29 dStGB und Art. 65 Abs. 1, 3 sStGB Die gesetzliche Begründung der Teilnahme in den positiven Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens wird mit den §§ 28, 29 dStGB bzw. Art. 65 sStGB ergänzt, da diese Vorschriften den Strafgrund und die Strafbarkeit der Teilnahme an Sondern- oder Pflichtdelikten normieren. Mit den Worten Schünemanns646 setzen diese Vorschriften den Schlussstein in die Architektur des Systems von Täterschaft und Teilnahme. § 28 Abs. 1 dStGB legt fest, dass das Fehlen besonderer persönlicher Merkmale beim Teilnehmer (etwa beim Extraneus), welche die Täterschaft des Intraneus begründen, keine Straflosigkeit des nichtqualifizierten Anstifters oder Gehilfen zur Folge hat, sondern nur eine Milderung der Strafe647 nach § 49 Abs. 1 dStGB begründet. Seinerseits schreibt § 28 Abs. 2 dStGB die Unübertragbarkeit der die Strafe des Täters oder Teilnehmers schärfenden648, mildernden649 oder ausschließenden650 persönlichen Elemente (§ 28 Abs. 2 dStGB)vor, denn diese Vorschrift besagt eindeutig, dass „besondere persönliche Merkmale“, welche die Strafe mildern, schärfen oder ausschließen, für denjenigen Beteiligten, bei dem sie nicht vorliegen, nicht zum Tragen kommen dürfen651. In ähnlichem Sinne legt § 29 dStGB die selbständige Strafbarkeit eines jeden Beteiligten fest, nach der die die Strafbarkeit begründenden und ausschließenden Bestandteile der Schuld des Täters oder Teilnehmers nicht auf andere Täter bzw. Teilnehmer übertragen werden dürfen652. Aus diesem Grund kann eine Teilnahme ohne schuldigen Täter existieren653, weil das Gesetz (§ 29 dStGB) für die Strafwürdigkeit der Teilnahme dem Wortlaut nach auf das Vorliegen einer schuldhaften Täterhaupttat verzichtet654. Das spanische Beteiligungssystem regelt die Strafbarkeit der Teilnahme an den Sondern- und Pflichtdelikten in Art. 65 Abs. 3 sStGB, der – in Übereinstimmung mit § 28 Abs. 1 dStGB – einerseits die Strafhaftung des Außenstehenden (Anstifter oder notwendiger Gehilfe) für dasselbe Strafunrecht des qualifizierten Täters begründet 646

LK-Schünemann, 12. Aufl., § 28, Rn. 1. Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, 1977, S. 117 ff.; Rengier, AT, 3. Aufl., § 46, Rn. 2, 11; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 28, Rn. 1. 648 Es handelt sich um den mit Abstand häufigsten Fall, bei dem das Fehlen oder Vorliegen des besonderen persönlichen Merkmals über den Schritt entweder von der Qualifikation zum Grunddelikt oder umgekehrt von Grunddelikt zur Qualifikation entscheidet, hierzu Rengier, AT, 3. Aufl., § 46, Rn. 5. 649 Dazu gehören nach der herrschenden Lehre die Eigenschaft als Schwangere (§ 218 III dStGB), die Mitleidsmotivation (§ 216 dStGB), siehe hierfür Rengier, AT, 3. Aufl., § 46, Rn. 8 f.; Roxin, AT II, § 27, Rn. 77. 650 Im diesen Bereich befinden sich §§ 173 III, 257 III, 258 V, VI, vgl. Rengier, AT, 3. Aufl., § 46, Rn. 10. 651 Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 115 ff.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 28, Rn. 1. 652 Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 120 ff. 653 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 29, Rn. 2. 654 Renzikowski, Maurach-AT II, § 53, Rn. 19 ff. 647

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

und andererseits für die Bestrafung solcher Teilnehmer eine gemilderte Strafe vorsieht. Art. 65 Abs. 1 sStGB – wie § 28 Abs. 2 dStGB – legt die Unübertragbarkeit persönlicher Merkmale auf andere Beteiligte fest, wenn diese Merkmale das tatbestandsmäßige Strafunrecht des jeweiligen Sonder- oder Pflichtdelikts nicht begründen, sondern nur die strafrechtliche Verantwortlichkeit der betroffenen Beteiligten schärfen oder mildern.

III. Grundlage des Teilnehmerunrechts gem. § 30 dStGB Im Unterschied zum spanischen Beteiligungssystem, in dem keine entsprechende Rechtsfigur existiert, kriminalisiert das deutsche Strafrechtssystem einige im Vorbereitungsstadium stattfindende Erscheinungsformen der versuchten Teilnahme655, welche nach allgemeinen Strafwürdigkeitsgrundsätzen in der Regel straflos sein müssten656. § 30 dStGB enthält also eine Zurechnungsnorm, die bestimmte Vorbereitungshandlungen bestraft, die das Stadium des Versuchs noch nicht erreicht haben657. § 30 dStGB erstreckt die Strafbarkeit auf zwei bestimmte Fallkonstellationen der versuchten Beteiligung an einem Verbrechen658 : nämlich auf die versuchte Anstiftung und auf die versuchte Verabredung der Beteiligten659. Die Konstellation660 der versuchten Anstiftung (§ 30 Abs. 1 dStGB) wird unter Strafe gestellt, wenn jemand „einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften“. Daraus lassen sich zwei Aussagen bezüglich der versuchten Anstiftung treffen: einerseits geht es um eine versuchte Anstiftung, wenn die Tat des präsumtiven Haupttäters die Schwelle des § 22 dStGB nicht erreicht hat661; andererseits erfasst § 30 Abs. 1 dStGB als strafbare versuchte Anstiftung nur die vorsätzliche662 versuchte Veranlassung zu einer Verbrechensherbeiführung sowie die versuchte Kettenanstiftung hierzu, nicht jedoch die versuchte Anstiftung zur Beihilfe663. Dagegen erfasst die Verabredung (§ 30 Abs. 2 dStGB) das Sichbereiterklären664, die 655

Renzikowski, Maurach-AT II, § 53, Rn. 95; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn. 1. SSK-Heine/Weißer, 30. Aufl., § 30, Rn. 1. 657 Rengier, AT, 3. Aufl., § 47, Rn. 1. 658 StGB-Fischer, 68. Aufl., § 26, Rn. 2; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn. 34. 659 StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., § 30, Rn. 2. 660 Im theoretischen Bereich werden neben anderen die folgenden Erscheinungsformen der versuchten Anstiftung unterschieden: die misslungene Anstiftung, die erfolglose Anstiftung, die untaugliche Anstiftung, die unwirksame Anstiftung, die unvollkommene Anstiftung, der qualitative Täterexzess und die teilweise vollendete Anstiftung, vgl. dazu LK-Roxin, 11. Aufl., § 30, Rn. 12; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 13. 661 Rengier, AT, 3. Aufl., § 47, Rn. 3, 6. 662 LK-Roxin, 11. Aufl., § 30, Rn. 18. 663 Renzikowski, Maurach-AT II, § 53, Rn. 96. 664 Renzikowski, Maurach-AT II, § 53, Rn. 135 f. 656

§ 4 Gesetzliche Grundlagen und Erscheinungsformen der Teilnahme

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Annahme eines Erbietens665 und die Verabredung666, wobei sich diese Formen der Vorbereitung auf ein Verbrechen oder die Anstiftung zu einem Verbrechen beziehen müssen. Im Übrigen ist es für die Strafwürdigkeit der versuchten Teilnahme erforderlich, dass die Beteiligten wie bei den normalen Versuchsdelikten vorsätzlich handeln667. Diese Kriminalisierung der in das Vorbereitungsstadium fallenden genannten Handlungen (Veranlassungen, Annahme eines Erbietens, Verabredung, usw.) ist im Rahmen eines Verfassungsstaats eine Ausnahme. Denn die Strafbarkeit der Teilnahme ist allgemein vom Beginn des Versuchsstadiums des Haupttatbestandes abhängig. Daher muss § 30 dStGB wenigstens – de lege lata – extrem restriktiv interpretiert und besser noch – de lege ferenda – aufgehoben werden. In die letzte Richtung geht der spanische Gesetzgeber, deswegen ist der Versuch der Teilnahme im spanischen Strafrechtssystem straflos.

IV. Der geringere Strafunwert der Tatbestandsverwirklichung entweder wegen des Fehlens der Tatherrschaft oder wegen der Abwesenheit einer Sonderpflichtverletzung Bezüglich des geringeren Strafunrechts mancher Beteiligter, der den Gesetzgeber zur Einordnung dieser Beteiligten als Teilnehmer eines Delikts veranlasst, haben die deutsche und spanische Strafrechtslehre verschiedene Ansätze entwickelt, die den Versuch unternehmen, den geringeren Strafunwert des Teilnehmerunrechts im Bereich der Herrschafts- und Sonderpflichtdelikte kohärent zu erläutern. Diese im Folgenden darzustellenden Ansätze werden in vier Theorien eingeteilt. 1. Theorie der autonomen Rechtsgutverletzung Die Theorie der „autonomen Rechtsgutverletzung“ oder „autonomen Erfolgsverursachung“668 interpretiert die Vorschriften der Teilnahme ausgehend von der faktischen Kausalität. So sei das Bindeglied zwischen dem Beitrag des Teilnehmers und dem Erfolg der Rechtsgutsverletzung, der darzustellende Ursachenzusammenhang, das zentrale Element der Grundlage des Teilnehmerunrechts669. Dem liegt 665

Renzikowski, Maurach-AT II, § 53, Rn. 138 f. Dazu vgl. Becker, Der Strafgrund der Verbrechensverabredung, S. 38 ff., 73 ff.; Renzikowski, Maurach-AT II, § 53, Rn. 128 ff. 667 Rengier, AT, 3. Aufl., § 47, Rn. 10, 25; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn. 19. 668 Hierfür siehe Lüderssen, Zum Strafgrund der Teilnahme, S. 119 ff.; Schmidhäuser, AT, Studienbuch, 2. Aufl., § 10, Rn. 8, 9 ff.; Langer, Das Sonderverbrechen, S. 246 ff.; Dahm, Täterschaft, S. 66 f. 669 Zu einer detaillierten Erklärung dieses durch die Verursachungstheorie formulierten Ansatzes siehe Schmidhäuser, AT, Studienbuch, 2. Aufl., § 10, Rn. 8.ff.; ders., AT, 1975, § 14, 666

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

die Anwendung der Äquivalenz- oder Bedingungstheorie zu Grunde, nach der das Verhalten des Teilnehmers als Mitursache der Rechtsgutverletzung betrachtet wird, da dieser Beitrag nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele670. Daher sei der Teilnehmer selbst Mitverursacher des fremden Unrechts. In Deutschland wurde diese Theorie neben anderen Strafrechtslehren insbesondere von Lüderssen und Schmidhäuser entwickelt. Nach Lüderssens Auffassung verletzt der Teilnehmer durch seinen eigenen kausalen Beitrag selbst das Rechtsgut, denn alle Tatbestände erfordern, das Rechtsgut auch gegen den kausalen Angriff des Teilnehmers zu schützen671. In vergleichbarer Weise existiert das Teilnehmerdelikt bei Schmidhäusers Gedanke auch unabhängig672 vom Täterunrecht, weil der Teilnehmer selbst das Rechtsgut schädige. Dies bedeutet, dass sich die Strafwürdigkeit der Teilnahme trotz der durch die gesetzliche Teilnahmeschilderung festgelegten Verknüpfung der Strafbarkeit des Teilnehmerunrechts mit der tatbestandlichrechtswidrigen Tat des Täters auf den eigenen Verhaltensunwert des Teilnehmers gründet673. D. h. das Teilnehmerunrecht liegt nicht in der Teilnahme am fremden unerlaubten Täterdelikt, sondern im Unwert des eigenen unerlaubten Verhaltens, das die Herbeiführung des vom Täter beabsichtigten Unrechts ermöglicht674. Diese Ansicht geht nicht mit einem restriktiven Täterbegriff, sondern vielmehr mit einem extensiven Täterbegriff einher, denn die von dieser Lehre zur Unterscheidung zwischen Teilnehmer- und Täterunrecht angewandte Äquivalenz- oder Bedingungstheorie führt tatsächlich zum unitarischen Beteiligungssystem675; Grund dafür ist, dass sowohl das Teilnehmer- als auch das Täterverhalten im naturwissenschaftlichen Sinn für den Erfolg gleichermaßen kausal ist676 und es daher unmöglich ist, das Strafunrecht der Teilnahme vom Strafunrecht der Täterschaft zu unterscheiden677. Ebenfalls missachtet die Theorie der autonomen Rechtsgutsverletzung die Erfordernisse der Strafwürdigkeit der Teilnahme, die durch die TeilRn. 5; Lüderssen, Zum Strafgrund der Teilnahme, S. 119 ff.; Jescheck/Weigend, AT, S. 456, Fn. 4; Geppert, ZStW 82 (1970), 62. 670 Geppert, ZStW 82 (1970), 62. 671 Nach dieser Auffassung besteht der Unterschied zwischen dem Täter- und Teilnehmerangriff darin, dass ein und dasselbe Rechtsgut manchmal dem Täter gegenüber stärker geschützt sei als gegenüber dem Teilnehmer, vgl. Lüderssen, Zum Strafgrund der Teilnahme, S. 161. 672 Aus diesem Grund spricht Schmidhäuser bezüglich der Teilnahme nicht von einer „Teilnahme am Delikt“, sondern von einem „Teilnehmerdelikt“, siehe Schmidhäuser, AT, Lehrbuch, 2. Aufl., § 14, Rn. 2, 55; ders., AT, Studienbuch, 2. Aufl., § 10, Rn. 8 ff. 673 Schmidhäuser, AT, Lehrbuch, 2. Aufl., § 14, Rn. 57; ders., AT, Studienbuch, 2. Aufl., § 10, Rn. 9. 674 Schmidhäuser, AT, Studienbuch, 2. Aufl., § 10, Rn. 9. 675 Renzikowski, Maurach-AT II, § 50, Rn. 16. 676 So LK-Roxin, 11. Aufl., § 25, Rn. 30. 677 Ähnlich Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 42.

§ 4 Gesetzliche Grundlagen und Erscheinungsformen der Teilnahme

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nehmerverhaltensnormen verlangt werden, denn der Strafunwert des Teilnehmerunrechts und daher die Strafwürdigkeit der Teilnahme wird nicht auf dem eigenen Strafvorwurf des Teilnehmerverhaltens begründet, sondern auf faktischen Umständen, welche die normative Bedeutung der Verletzung oder Nichtverletzung der Teilnehmerverhaltensnormen vernachlässigen. Schließlich hat diese Teilnahmetheorie große Schwierigkeiten, die Strafwürdigkeit des Teilnehmerunrechts an den Sonder- und Pflichtdelikten zu begründen678, da in diesen Delikten die faktische Kausalität keine Rolle für die Begründung der Strafwürdigkeit der Teilnahme spielt. 2. Theorie der materiellen Gerechtigkeit (Schuld- und Unrechtsteilnahme) Die Theorie der materiellen Gerechtigkeit679 geht von einer Unterscheidung zwischen Täter- und Teilnehmerunrecht einerseits und zwischen Täter- und Teilnehmerschuld andererseits aus, die sich ihrerseits aus der Geltung des Selbstverantwortungsgrundsatzes ergibt. Von diesem Ausgangspunkt haben sowohl das Strafunrecht als auch die Schuld des Teilnehmers einen gemilderten Strafrechtsunwert gegenüber dem verschärften Täterunrecht bzw. der verschärften Täterschuld. Dies gründe sich darauf, dass der Teilnehmer den Täter nur in schuldhafte Handlungen verstricke680 ; im Unterschied dazu besitze der handlungs- und schuldfähige Täter selbst die tatsächliche autonome Zuständigkeit, zu entscheiden, ob die Straftat verwirklicht wird oder nicht. Anders formuliert, sei der Angriff des Teilnehmers auf das Rechtsgut nicht so intensiv wie der Eingriff des Täters681, da die konkrete Gefährdung oder die tatsächliche Verletzung des geschützten Strafrechtsguts vom Täterunrecht abhängt. Aus diesem Grund fordere die materielle Gerechtigkeit, einerseits den Teilnehmer und den Täter gemäß ihrer jeweiligen Strafwürdigkeit (und das heißt zugleich: nach eigener Schuld und eigenem Unrecht) zu bestrafen682 und andererseits, eine gemilderte Strafe für den Teilnehmer und eine verschärfte Strafe für den Täter zu verhängen. Gegen die Theorie der materiellen Gerechtigkeit sind grundsätzlich drei Einwände zu erheben. Zunächst verletzt diese Theorie die in § 29 dStGB und Art. 65 Abs. 1 sStGB anerkannte Unabhängigkeit der Strafwürdigkeit der Teilnahme von der Täterschuld, da die Schuldteilnahmetheorie im Widerspruch zu den genannten Vorschriften den niedrigen Strafunwert der Teilnahme auf die Verstrickung des Teilnehmers in die schuldhafte Handlung des Täters stützt683. Ebenso ergibt sich 678

Renzikowski, Maurach-AT II, § 50, Rn. 16. Mayer, AT, S. 154 ff.; Langer, Das Sonderverbrechen, S. 465 f.; Deichmann, Grenzfälle der Sonderstraftat, S. 5 ff. 680 Vgl. Mayer, AT, 301, 319; ders., Rittler-FS, S. 244 ff.; Roxin, AT II, § 26, Rn. 16. 681 Theile, Tatkonkretisierung und Gehilfenvorsatz, S. 35. 682 Langer, Das Sonderverbrechen, S. 465 f. 683 Renzikowski, Maurach-AT II, § 50, Rn. 12; Roxin, AT II, § 26, Rn. 16. 679

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

daraus, dass die Schuldtheorie gegen den Eigenverantwortungsgrundsatz verstößt, denn die Theorie begründet die Strafwürdigkeit des Teilnehmers nicht mit seiner eigenen rechtswidrigen Freiheitsorganisation, sondern mit einer fremden fehlerhaften Freiheitsverwaltung, nämlich dem pflichtwidrigen Täterverhalten. Im Übrigen übertritt die Schuldteilnahmetheorie das in den §§ 26, 27 dStGB und in den Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB festgelegte Akzessorietätsprinzip der Teilnahme, das zur Begründung der Strafwürdigkeit der Teilnahme nur eine rechtswidrige und gerade keine schuldhafte Haupttat fordert684. 3. Theorie der akzessorietätsorientierten Haupttatverursachung (Tätertatverursachung) Aus Sicht der Vertreter dieser Theorie liegt der geringere Strafunwert des Teilnahmeunrechts in der mittelbaren Verletzung des geschützten Rechtsguts685. Denn der Teilnehmer habe keinen direkten Zugang und damit keine unmittelbare Möglichkeit zur Verletzung des von dem Tatbestand gegenüber dem Täter geschützten Rechtsguts. So könne der Teilnehmer das geschützte Rechtsgut nämlich nur durch die Haupttat des Täters verletzen, weil nur der Täter – nicht der Teilnehmer – Adressat der in dem Besonderen Teil des dStGB und sStGB geregelten Tatbestände sei. Dies bedeute, dass sich sowohl die Anstiftung als auch die Beihilfe nicht auf den direkten Ursachenzusammenhang zwischen der Teilnehmerhandlung und dem Tatbestand, sondern auf die kausale Verknüpfung der Verletzung der entsprechenden Teilnahmenormen (§§ 26, 27, 28 dStGB und Art. 28 Abs. 2, 29, 65 sStGB) mit der fremden Täterhandlung686 gründen. Auf dieser Abhängigkeit und vor allem aus der mittelbaren Verletzung des geschützten Rechtsgutes folge der geringere Strafunwert des Teilnehmerunrechts687. Die mit der Theorie der akzessorietätsorientierten Haupttatverursachung vertretenen Thesen führen zu einer übermäßigen Betonung des Akzessorietätsprinzips der Teilnahme. Dass sich die strafrechtliche Relevanz des Teilnehmerunrechts aus einer Übereinstimmung von kausalem Beitrag des Teilnehmers und unerlaubter Handlung des Täters im Erfolgsunwert ergibt, zeigt deutlich – wie Renzikowski688 684

Renzikowski, Maurach-AT II, § 53, Rn. 3, 19 ff., 26 ff., 51 ff.; Roxin, AT II, § 26, Rn. 16. In diesem Sinn Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 64, S. 685; Stratenwerth, AT, 2. Aufl., § 12, Rn. 852; Wessels/Beulke/Satzger, AT, 43. Aufl., Rn. 551. 686 Vertreter dieser Auffassung sind Baumann, JuS 1963, 136; Baumann/Weber/Mitsch, AT, 11. Aufl., § 28, Rn. 27; Bockelmann, Untersuchungen, S. 93 f.; Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 50, Rn. 55 ff.; Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten, S. 239 f.; Jescheck/Weigend, AT, § 64, Rn. 685; Wessels/Beulke/Satzger, AT, 43. Aufl., Rn. 551 f.; Kühl, AT, 7. Aufl., § 20, Rn. 130; Hauf, AT, 2. Aufl., S. 94; Ebert, AT, 3. Aufl., S. 204; Gropp, AT, 3. Aufl., § 10, Rn. 102. 687 Gómez Rivero, La inducción, S. 164. 688 Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 42; ders., Maurach-AT II, § 50 (Rn. 6), § 52 (Rn. 15). 685

§ 4 Gesetzliche Grundlagen und Erscheinungsformen der Teilnahme

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festgestellt hat –, dass die Bestrafung des Teilnehmers im Rahmen dieser Theorie keine normative Begründung hat. Denn aus Sicht der Theorie spielt nicht der Verhaltensunwert des Anstifters oder des Gehilfen eine entscheidende Rolle zur Begründung des Teilnahmeunrechts, sondern der Erfolgsunwert des Täterunrechts. Eine solche Auslegung führt zum Verstoß gegen zwei Prinzipien: einerseits wird der Selbstverantwortungsgrundsatz verletzt, weil der Teilnehmer nicht für sein eigenes Unrecht, sondern für das Unrecht des Täters verantwortlich gemacht wird; andererseits wird gegen das Tatprinzip verstoßen, da die Verantwortlichkeit des Teilnehmers nicht mit dem Verhaltensunwert, sondern mit dem Erfolgsunwert begründet wird. Außerdem zeigt dieser Gesichtspunkt, dass sich die akzessorietätsorientierte Verursachungstheorie noch nicht wirklich vom extensiven Täterbegriff entfernt hat. Dies wird darin ersichtlich, dass es für die Theorie problematisch ist, zwischen Teilnahme- und Täterschaftsunrecht zu unterscheiden689, weil sowohl die Handlung des Teilnehmers als auch das Verhalten des Täters im naturwissenschaftlichen Sinn für den Erfolg gleichermaßen kausal sind690. 4. Theorie der mittelbaren Verletzung der fremden Täterverhaltensnorm Die Anhänger dieser Theorie – in Deutschland z. B. Vogel, Kindhäuser und Hake, in Spanien etwa Pérez Alonso, Díaz y García Conlledo, Gómez Rivero – begründen den geringeren Unwert des Teilnehmerunrechts mit der Verletzung einer fremden Verhaltensnorm, nämlich über den mittelbaren Verstoß gegen die Täternorm. D. h. der Teilnehmer verletze die sekundäre strafrechtliche Verhaltensnorm und dadurch die primäre Strafnorm des Täters691. Innerhalb dieser Theorie verdienen zwei Auffassungen besondere Aufmerksamkeit: Eine von ihnen knüpft den geringeren Strafunwert des Teilnehmerunrechts an das norm- und rechtswidrige Verhalten des Beteiligten. Die Normwidrigkeit als objektivontologische Kategorie692 zeige nur, dass der Adressat der Teilnehmerverhaltensnorm mit tatsächlicher Handlungsfähigkeit693 eine bloße faktische Rechtsgutsverletzung durch eine fremde Haupthandlung – nämlich durch die Handlung des Täters – verursacht habe694. Die Rechtswidrigkeit als subjektiv-normative Kategorie695 gibt ihrerseits die von einer (handlungsfähigen) Person herbeigeführte Verletzung einer teilnehmerischen Strafverhaltensnorm wieder. Denn die in den §§ 26, 27, 28, 30 689 690 691

S. 13. 692 693 694 695

Ähnlich Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 42. So LK-Roxin, 11. Aufl., § 25, Rn. 30. Vgl. Vogel, Norm und Pflicht, S. 27 f.; früher Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, Vogel, Norm und Pflicht, S. 85. Vogel, Norm und Pflicht, S. 96. Vogel, Norm und Pflicht, S. 96, 116 f. Siehe Vogel, Norm und Pflicht, S. 85.

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dStGB und in den Art. 28 Abs. 2, 29, 65 sStGB festgelegten allgemeinen Teilnehmerzurechnungsnormen enthalten eine Pflicht, die nach der genannten Auffassung lauten würde: „Du sollest die Teilnehmerverhaltensnorm handlungswirksam anerkennen und dadurch die Täterverhaltensnorm respektieren!“. In diesem Sinne wäre die norm- und rechtswidrige Beteiligung des Teilnehmers an der vom Täter verwirklichten Straftat als Gegenstand des strafrechtlichen Unrechtsvorwurfs folglich die geringere sanktionsrelevante unmittelbare Nichtanerkennung der strafrechtlichen Teilnehmerverhaltensnorm oder die niedrige sanktionsrelevante mittelbare Nichtanerkennung der strafrechtlichen Täterverhaltensnorm696. Die andere Auffassung knüpft den geringeren Strafunwert des Teilnehmerunrechts an die unterschiedliche Betrachtung des Handlungs- und Erfolgsvorwurfs697: Im Unterschied zur rechtswidrigen Handlung, die einen niedrigen Strafunwert darstelle, habe der tatbestandsmäßige Erfolg einen erhöhten Strafvorwurf. Der schwerwiegende Erfolgsunwert entspreche dem vom Täter verwirklichten unmittelbaren Rechtsgutsangriff, weil der Eintritt des tatbestandmäßigen Erfolges (Tatvollendung) ausschließlich vom Täterverhalten abhänge. Der geringere Handlungsunwert reflektiere hingegen nur den mittelbaren rechtswidrigen Angriff des Teilnehmers auf das gegenüber dem Täter geschützte Rechtsgut, denn die Mitwirkung des Teilnehmers betreffe nicht den tatbestandlichen Erfolg, sondern nur die Unterstützung bei der Verletzung der Täterverhaltensnorm. Auf einem solchen mittelbaren Beitrag zu dem vom Täter verwirklichten Angriff auf das Rechtsgut (= Verstoß gegen das Normverbot sich „am fremden Unrecht nicht zu beteiligen“698) fußt die gemilderte Bestrafung des Teilnehmers im Vergleich zum Täter. Die Theorie der mittelbaren Verletzung der fremden Täterverhaltensnorm ist umstritten, denn sie, ähnlich der Verursachungstheorie, gründet die Bestrafung der Teilnahme auf ein fremdes Unrecht, nämlich auf das Unrecht des Täters. Nach ihr verletzt der Teilnehmer durch seine Anstiftungs- oder Beihilfehandlung die Täternorm. Diese Konstruktion des Teilnahmeunrechts ist nicht überzeugend, weil die Verantwortlichkeit des Teilnehmers kraft eines fremden Normbruchs in Wahrheit eine Strafbarkeit ohne eigenen Verhaltensunwert ist. Darüber hinaus sollte man überlegen, dass die Handlung des Teilnehmers nach Auffassung der Vertreter dieser Theorie per se nicht rechtswidrig ist. Aus ihrer Sicht ist das Verhalten des Teilnehmers per se nur normwidrig, aber nicht rechtswidrig. Das bedeutet, dass die Handlung des Teilnehmers, die durch §§ 26 27, 28 dStGB und Art. 28 Abs. 2, 29, 65 sStGB als strafbare Anstiftung oder Beihilfe konzipiert ist, selbst kein unerlaubtes Verhalten ist. In diesem Zusammenhang wären die genannten Strafvorschriften verfassungswidrig, weil sie die Wahrnehmung der sowohl durch Art. 2 Abs. 1 des 696

Zu dieser Begründung des Täters-und Teilnehmerunrechts vgl. u. a. Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 122 f., 159 ff.; Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 13 ff.; ders., GA 1994, 200 f.; Vogel, Norm und Pflicht, S. 42. 697 Hake, Beteiligtenstrafbarkeit und „besondere persönliche Merkmale“, S. 70 ff. 698 A. a. O.

§ 4 Gesetzliche Grundlagen und Erscheinungsformen der Teilnahme

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deutschen Grundgesetzes als auch durch Art. 1 Abs. 1 der spanischen Verfassung garantierten Handlungsfreiheit bestrafen würden. Demnach wäre eine solche Auslegung nicht richtig, denn der deutsche (und spanische) Gesetzgeber bestraft durch die Anwendung der §§ 26, 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2, 29, 65 sStGB nur die aus der rechtswidrigen Freiheitsausübung kommenden Handlungen699. 5. Theorie der unmittelbaren autonomen Teilnahmenormverletzung Nach dieser Theorie gründet sich der verminderte Unwert des Teilnehmerunrechts nicht auf die mittelbare Verletzung der Täterverhaltensnorm, sondern auf die unmittelbare autonome700 Verletzung der Teilnehmerverhaltenspflicht. Dafür lassen sich vier Argumente anführen: Erstens besitzt die vom Teilnehmer verletzte Verhaltensnorm im Gegensatz zur vom Täter übertretenen Verhaltensnorm einen anderen Zweck701. So laute der Zweck der Teilnehmer- im Vergleich zum Zweck der Täterverhaltensnorm: Du sollest keine Hilfe dazu leisten, dass ein anderer durch sein gefährliches Handeln das tatbestandsmäßige und nicht gerechtfertigte Risiko des tatbestandsmäßigen Erfolgseintritts vorsätzlich schaffe702. Daraus ergäbe sich die strafrechtliche Verbotsnorm, die dem Teilnehmer (z. B. dem Gehilfen) verbietet, dem Täter bei der unerlaubten Verletzung des Rechtsguts zu helfen703. In diesem Zusammenhang habe das Strafunrecht des Gehilfen (aber auch des Anstifters) im Unterschied zum Strafunrecht des Täters folglich einen niedrigeren Strafunwert, da der Teilnehmer im Vergleich zum Täter, der über die Verletzung oder Nichtverletzung der das Rechtsgut schützenden Verhaltensnorm entscheide, nur zur Verstärkung der Übertretung der Haupttäterverhaltens beiträgt704. Zweitens greift der Teilnehmer das geschützte Rechtsgut durch die Verletzung einer strafrechtlichen Verhaltensnorm an705. Dem liegt zu Grunde, dass die sich an den Täter (den Vordermann) richtende Verhaltensnorm das Verbot einer unmittelbaren und großen Gefahr enthält, während die sich an den Teilnehmer (den Hintermann) richtende Verhaltensnorm das Verbot eines mittelbaren und verminderten Risikos706 umfasst. Dies bedeute, dass sich der minderwertige Strafunwert des 699

Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 41. So Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 43, 48, 51; Stein, Beteiligungslehre, S. 235 ff.; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 129; Rudolphi, Jescheck-FS, S. 567 ff. 701 Rudolphi, Jescheck-FS, S. 570 ff. 702 Rudolphi, Jescheck-FS, S. 270 (aber insbesondere S. 572). 703 Vgl. Rudolphi, Jescheck-FS, S. 571. 704 Siehe Rudolphi, Jescheck-FS, S. 572 f. 705 Stein, Beteiligungslehre, S. 235 ff. 706 Anders formuliert: Die Teilnehmerverhaltensnormen verbieten einen mittelbaren Angriff gegen das geschützte Rechtsgut, womit gemeint ist, dass sie an die Gefährlichkeit des 700

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

Teilnehmerunrechts und der schwerwiegende Strafvorwurf des Täterunrechts auf ihren jeweiligen Gefährlichkeits- oder Dringlichkeitsgrad707 gründen. So gesehen besitzen die Teilnehmerverhaltensnormen eine geringere Dringlichkeit und Reichweite708; im Gegensatz dazu haben Täterverhaltensnormen eine größere Dringlichkeit und Reichweite. Daher sind die Teilnehmer- gegenüber den Täterverhaltensnormen „sekundärer“ Natur und somit entspricht ihrer Verletzung ein geringerer Strafunwert709. Drittens ist es Aufgabe des Strafrechts, das Rechtsgut sowohl gegen den Täter als auch gegen den Teilnehmer zu schützen710. Aus diesem Grund wird nicht nur die unmittelbare, sondern auch die mittelbare Risikoschaffung durch die jeweiligen Täter- und Teilnehmerverhaltensnormen verboten711. Das besondere Merkmal dieser Ansicht liegt in der Unterscheidung zwischen Rechtsgutsgefährdung, die einen geringeren Unwert hat, und Rechtsgutsverletzung, die einen größeren Unwert darstellt712. Rechtsgutsgefährdung und Rechtsgutsverletzung seien durch die jeweiligen Teilnehmer- und Täterverhaltensnormen verboten713. Daraus folge, dass die rechtswidrige Rechtsgutsgefährdung (Verletzung einer Teilnehmerverhaltensnorm) einen niedrigen Strafunwert enthalte und allein die Rechtswidrigkeit der Teilnahme714 begründe; die rechtswidrige Rechtsgutsverletzung (Verletzung einer Täterverhaltensnorm) beinhalte hingegen einen schwerwiegenden Strafvorwurf und bilde die Strafwürdigkeit der Täterschaft. Viertens fordere der Selbstverantwortungsgrundsatz die Beschränkung des Verantwortungsbereichs jedes Beteiligten auf sein eigenes Verhalten715. Dies bedeutet, dass der Anstifter und der Gehilfe nicht für das Unrecht des Täters, sondern für ihr eigenes Unrecht verantwortlich716 sind. So liege der geringere Strafunwert des Teilnehmerunrechts darin begründet, dass zwar die Verletzung der Teilnehmerverhaltensnorm eine sozialpsychologische Gefahr für die Geltungskraft des Rechts

künftigen pflichtwidrigen Verhaltens eines anderen (des Täters) anknüpfen, wobei dieses Verhalten des Vordermanns (Täters) durch eine vollwertige Verhaltenspflicht verboten ist und er die vollständige Pflichtbefolgungsfähigkeit besitzt. Siehe Stein, Die strafrechtliche Beteiligungslehre, S. 241, 263 ff. 707 Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 238 ff. 708 Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 237 f. 709 Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 243. 710 Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 123. 711 Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 123, 125 f. 712 Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 130. 713 Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 129 f. 714 Nach Renzikowski stellt sich die Akzessorietät in diesem Zusammenhang nur als eine eigenständige Sanktionsbedingung der Teilnahme dar, vgl. Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 128, 131. 715 Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 42. 716 Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 43.

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darstellt717 und somit „einen sozial unerträglichen Angriff“ auf die Grundwerte rechtlicher Gesinnung konstituiert718, dies aber bedeute keineswegs, dass eine solche fehlerhafte Handlung die schwerwiegendste strafrechtlich relevante Freiheitsausübung in einer Rechtsgemeinschaft sei. Der schwerste Strafunwert entspreche nämlich dem Täterunrecht. Von den Einwänden, die gegen die Theorie der unmittelbaren autonomen Teilnahmenormverletzung zu erheben sind, werden hier insbesondere zwei herausgearbeitet: Zum einen ist zu erwähnen, dass sich die durch die Anhänger der Theorie der unmittelbaren autonomen Teilnahmenormverletzung vertretenen normtheoretischen Ansätze auf das Naturrecht gründen. Deswegen stützen sie sowohl das Täter- als auch das Teilnehmerunrecht auf eine ex-post-Bewertung der Rechtsgutsverletzung bzw. Rechtsgutsgefährdung719. Denn nur im Bereich einer naturwissenschaftlichen Konzeption des Täter- und Teilnehmerunrechts können die Täterschaft und die Teilnahme durch den Unwert der ex-post bestimmten Rechtsgutverletzung (= unmittelbare Rechtsgutverletzung) und Rechtsgutgefährdung (= mittelbare Rechtsgutverletzung)720 begründet werden. Hingegen werden die Strafrechtsnormen (wie das Täter- und das Teilnehmerunrecht) im Rahmen einer normativen Strafrechtsdogmatik nicht mit ontologischen Elementen begründet, sondern mit der Enttäuschung der sozialen Erwartungen721. Dies liegt daran, dass aus Sicht des modernen Strafrechts Mittelpunkt des Strafrechtsnormeninhalts die Verletzung der entsprechenden Pflichten ist, die die wichtigsten Erwartungen der Gesellschaft garantieren. Zwar werden die ontologischen Begriffe (wie Aktion, Unterlassung, Erfolgsverursachung, Kausalität, mittelbare- oder unmittelbare Gefährdungsschaffung, usw.) nicht völlig ausgeschlossen, aber sie begründen nicht die Normen des Strafrechts. Zum anderen ist es notwendig hervorzuheben, dass die Theorie der unmittelbaren autonomen Teilnahmenormverletzung große Schwierigkeiten hat, die Strafwürdigkeit des extranen Teilnehmers an den Sonder- und Pflichtdelikten richtig zu be717

Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 50. Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 50. 719 Diese auf den normtheoretischen Ansätzen des Naturrechts beruhende Beteiligungslehre wird von verschiedenen Rechtswissenschaftlern kritisiert: Beispielweise Küper, ZStW 105 (1993), 482, nimmt an, dass das neue Bild der kritisierten Teilnahmelehre (z. B. Steins Beteiligungsformenlehre) trotz seines Beitrags zur Rehabilitierung des alten Systems keine Überzeugungskraft besitzt, weil zweifelhaft ist, ob durch das auf den Grundlagen der Normtheorie konstruierte Beteiligungssystem das spezifische Unrecht der Teilnahme an einer fremden Tat – und der Beteiligung allgemein – ausreichend erfasst werden kann. Genauso Roxin, Täterschaft und Teilnahme, § 44, S. 661; Lesch, Das Problem der sukzessiven Beihilfe, S. 224 ff.; ders., Intervención delictiva, S. 42, 43; Struensee, Actuar y omitir, S. 23. 720 Bezüglich der normtheoretischen Auffassung, die die jeweilige Begründung der Täterschaft und Teilnahme mit der Rechtsgutverletzung (oder unmittelbaren Rechtsgutverletzung) und Rechtsgutsgefährdung (oder mittelbaren Rechtsgutverletzung) verknüpft, siehe oben (§ 4 A.IV.5.) die Ansätze von Stein, Renzikowski und Rudolphi. 721 So Lesch, Intervención delictiva, S. 44 f. 718

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gründen. Denn diese Lehre schlägt keine richtige Lösung vor, um Strafbarkeitslücken bei Intraneus und Extraneus zu vermeiden, wenn sich Intraneus und Extraneus am Unterlassen der Verletzung einer Sonderpflicht beteiligen.

V. Zwischenergebnis Die Auslegung der sowohl in den §§ 26, 27, 28 dStGB als auch in den Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB enthaltenen Zurechnungsnormen der Anstiftung und Beihilfe führt die deutsche und spanische herrschende Strafrechtslehre zu der Definition von Teilnahme als Handlung einer „Randfigur“722 der Tatbestandsherbeiführung. Diese dogmatische Beurteilung der Teilnahme – wie oben bereits erwähnt – liegt in der durch die h. L. Deutschlands und Spaniens vertretenen sekundären Bedeutsamkeit des Beitrags des Teilnehmers zur Tatbestandsverwirklichung begründet. Bei den Herrschafts- oder Organisationsdelikten gründe sich die sekundäre Rolle des Teilnehmers auf das geringere Quantum seiner Mitwirkung an der Vornahme des Strafunrechts. Denn der schwache Beitrag des Teilnehmers habe keine ausreichende Kraft, nicht nur zu entscheiden, wann und wie der Straftatbestand herbeigeführt wird, sondern auch ob die Straftat begangen wird oder nicht. Die tatsächliche Entscheidungsfähigkeit über die Ausführung oder Nichtausführung des Delikts liege nämlich im Zuständigkeitsraum des Täters, weil er die ausschließliche Herrschaft über die Tatbestandsherbeiführung innehabe. Nur dann habe die schwache quantitative Mitwirkung (Beteiligung ohne Tatherrschaft) im Vergleich zum wesentlichen quantitativen Beitrag (Beteiligung mit Tatherrschaft) einen geringeren Strafunwert. Auf diese kriminalpolitische Bewertung des Gesetzgebers stützen sich sowohl die Kriminalisierung der Beteiligung ohne Herrschaft als Teilnahme als auch die Verhängung einer gemilderten Strafe für solche Formen strafrechtlicher Verantwortlichkeit. Bei den Pflichtdelikten liege der nebensächliche Beitrag des Teilnehmers zur Tatbestandsverwirklichung hingegen in der Abwesenheit einer Sonderpflicht in seiner Person, deren Verletzung die Täterschaft bei solchen Delikten begründet. Diese Unzuständigkeit des Außenstehenden für die Erfüllung einer positiven Sonderpflicht verhindere es, solche Sonderpflichten zu verletzen. Der Nichtqualifizierte verstoße daher nur gegen die allgemeinen, strafbarkeitserweiternden Zurechnungsnormen, die im Unterschied zu den vom Sonderpflichtträger zu verletzenden Sonderpflichten eine andere Rechtsnatur aufweisen. In diesem Zusammenhang enthalte die Übertretung der genannten Zurechnungsnormen – d. h. die rechtswidrige Mitwirkung eines Extraneus an der Verletzung einer positiven Sonderpflicht – einen niedrigen Strafunwert; die Verletzung der positiven Sonderpflichten habe hingegen einen schweren Strafvorwurf. Daher haftet der Extraneus immer für die Teilnahme –

722

Roxin, AT II, § 25, Rn. 10.

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und nie für die Täterschaft – eines Sonderpflichtdelikts, wenn er einem Intraneus hilft, seine positive Sonderpflicht zu verletzen.

B. Strukturelemente und Erscheinungsformen der Teilnahme bei den Beteiligungssystemen Deutschlands und Spaniens I. Strukturelemente und Erscheinungsformen der Anstiftung im deutschen Strafrechtssystem 1. Strukturelemente: Anstiftung als vorsätzliche Veranlassung eines anderen zur Verwirklichung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Straftat (§ 26 dStGB) a) Begriff der Anstiftung Wie oben (§ 4 A.I.) bereits erwähnt, definiert § 26 dStGB die Anstiftung als vorsätzliches Bestimmen zur vorsätzlichen und rechtswidrigen Verwirklichung eines fremden Strafunrechts723. Ausgehend davon wurden in der deutschen Strafrechtswissenschaft verschiedene Standpunkte bezüglich des Anstiftungsbegriffs entwickelt, von denen hier nur drei Ansätze in zusammengefasster Form dargestellt werden können. Die erste These lautet, dass die Anstiftung eine zur Herbeiführung eines Hauptstrafunrechts getroffene „kollusive geistige Kommunikation“724 zwischen Anstifter und Täter ist. In ähnlicher Weise definiert der zweite Standpunkt die Anstiftung als „Unrechtspakt725 zwischen Täter und Anstifter“, durch den der Täter sich gegenüber dem Anstifter verpflichtet, die Straftat auszuführen. Schließlich begreift der dritte Ansatz die Anstiftung als „strafrechtlich unerlaubte Verursachung“ des Tatentschlusses des Täters zur Ausführung eines Hauptstrafunrechts726, da das veranlassende Verhalten des Anstifters den Tatentschluss des Täters rechtswidrig hervorruft727. 723

Hierfür siehe StGB-Fischer, 68. Aufl., § 26, Rn. 2; MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 26, Rn. 1; Roxin, AT II, § 26, Rn. 57, 65. 724 Neben anderen vertreten diese These oder ähnliche Ansätze SSK-Heine/Weißer, 30. Aufl., § 26, Rn. 4; Jescheck/Weigend, AT, § 64 II 1; Krey/Esser, AT, 6. Aufl., § 31, Rn. 1036 ff.; Otto, JuS 1982, 560; LK-Roxin, 11. Aufl., § 26, Rn. 3; ders., AT II, § 26, Rn. 74 ff.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26, Rn. 3, 15; Schlüchter/Duttge, NStZ (1967), 595; Schulz, JuS 1986, 938 f.; Stratenwerth/Kühlen, AT, § 12, Rn. 14 f.; Wessels/Beulke/Satzger, AT, 43. Aufl., Rn. 568. 725 Dafür sprechen Jakobs, AT, § 22, Rn. 22, Fn. 33; Köhler, AT, S. 521, 525 f.; Puppe, GA 1984, 113, 118; ders., NStZ 2006, 424; ders., GA 2013, 517 ff.; Schulz, JuS 1986, 933 ff. 726 Amelung, Schroeder-FS, 2006, S. 156 ff.; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 49 ff., 52 ff.; Stein, Beteiligungsformenlehre, 1988, S. 271. 727 Dazu vgl. Heghmanns, GA 2000, 473, 480; SSK-Heine/Weißer, 30. Aufl., § 26, Rn. 2; Renzikowski, Maurach-AT II, § 51, Rn. 3, 10; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26, Rn. 17; Roxin, AT II, § 26, Rn. 65.

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Bezüglich des ersten Ansatzes ist zutreffend, dass aus einer normativen Betrachtung heraus das Bestimmen eines anderen zur Verwirklichung eines Strafunrechts eine Kommunikation zwischen Anstifter und Täter erfordert, da die Bildung des vom Anstifter gewünschten Tatentschlusses des Täters zumindest ein Verstehen des Anstifterverhaltens voraussetzt728. Dennoch ist gegen diese These einzuwenden, dass die bloße Kommunikation wegen ihrer erlaubten Rechtsnatur ohne Weiteres keine Anstiftung im Sinne des § 26 dStGB sein kann729. Dagegen wird gegen die „Unrechtspakttheorie“ eine Übertretung des im § 26 dStGB geregelten Gesetzlichkeitsprinzips730 eingewendet, weil § 26 dStGB nicht verlangt, dass der Täter gegenüber dem Anstifter eine Verpflichtung eingeht731. Schließlich liegt in dem dritten Standpunkt ein Widerspruch darin, dass der Anstifter im normativen Sinne weder den Tatentschluss des Täters noch die Haupttat verursacht. Der Tatentschluss und die Ausführung der Haupttat sind Werk des Täters und nicht des Anstifters. Im Übrigen kann der Anstifter per definitionem kein normativer Mitverursacher des Tatentschlusses oder der Haupttat sein, weil dies zur Begründung einer Strafhaftung als Täter (Mittäter)732 führen würde. Die Anstiftung – wie auch die Beihilfe – lässt sich sowohl innerhalb eines ontologischen Umkreises als auch im Rahmen eines normativen Bereichs begreifen. Bei einer ontologischen Betrachtung erscheint die Anstiftung als vorsätzliche Zurverfügungstellung eines Handlungsmotivs zur Verwirklichung eines Hauptstrafunrechts733, da sie – soweit der Täter seinen Tatentschluss in Bezug auf das Bestimmen des Anstifters fasst – die psychischen Voraussetzungen zur Ausführung der Hauptstraftat schafft. Hingegen ist die Anstiftung im normativen Sinne eine Verletzung der in § 26 und in den jeweiligen Straftatbeständen des Besonderen Teils dStGB festgelegten strafrechtlichen Gemein- und Sonderpflichten734, welche da lauten: „Niemand darf vorsätzlich und rechtswidrig einen Gemeinpflichtträger zum vorsätzlichen und rechtswidrigen Verstoß gegen seine negative Gemeinpflicht veranlassen“ bzw. „Niemand darf vorsätzlich und rechtswidrig einen Sonderpflichtträger zur vorsätzlichen und rechtswidrigen Verletzung seiner positiven Sonderpflicht bestimmen“.

728

Amelung, Schroeder-FS, S. 147, 163 f.; Renzikowski, Maurach-AT II, § 51, Rn. 16; Roxin, AT II, § 26, Rn. 74. 729 Renzikowski, Maurach-AT II, § 51, Rn. 17. 730 Krey/Esser, AT, 6. Aufl., § 31, Rn. 141; Roxin, AT II, § 26, Rn. 89. 731 Kritisch mit der „Unrechtspakttheorie“ SSK-Heine/Weißer, 30. Aufl., § 26, Rn. 2; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 146 f.; Hilgendorf, Jura 1996, S. 10; MüKoStGBJoecks, Band 1, 3. Aufl., § 26, Rn. 3 ff.; Kühl, AT, § 20, Rn. 169 ff.; Roxin, Stree/Wessels-FS, S. 376 f.; Weßlau, ZStW 104 (1992), 105. 732 Dazu Renzikowski, Maurach-AT II, § 51, Rn. 3, 10; Roxin, AT II, § 26, Rn. 65. 733 Ähnlich MRK-StGB-Haas, 2. Aufl., § 26, Rn. 23; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 125 f.; ders., in: Maurach/Gössel/Zipf, AT II, 8. Aufl., § 52, Rn. 3. 734 Dazu unten § 9 B.III.1.; § 9 B.IV.1.

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b) Objektiver Tatbestand Die Strafbarkeit der Anstiftung setzt nach § 26 dStGB voraus, dass der Anstifter den Täter zur Verwirklichung einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat bestimmt735. Daraus lässt sich ableiten, dass der objektive Tatbestand der Anstiftung durch zwei Elemente konstituiert ist: zum einen durch das Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat und zum anderen durch das Bestimmen zu dieser Haupttat. aa) Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat Dieses objektive Tatbestandselement der Anstiftung enthält seinerseits zwei Bestandteile: Das vorsätzliche und rechtswidrige Verhalten des angestifteten Täters und den Beginn des Versuchs der Haupttat. Unter dem ersten Bestandteil ist zu verstehen, dass die Strafbarkeit der Anstiftung eine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat des Täters voraussetzt736. Dies bedeutet einerseits, dass fahrlässige Handlungen des Haupttäters zur Straflosigkeit der Anstiftung führen. Andererseits ist eine schuldhafte Handlung des Täters zur Begründung der Zurechnung der Haupttat zum Anstifter nicht erforderlich, da nach den §§ 26, 29 dStGB – welche sowohl die Zurechnung als auch die akzessorische Strafbarkeit der Anstiftung normieren – die Schuldfähigkeit des Täters keine Voraussetzung der Strafbarkeit der Anstiftung ist737 und daher die Schuldunfähigkeit des Täters das Vorliegen der strafbaren Anstiftung nicht ausschließt. Natürlich gilt dies nur, wenn der Anstifter den Schuldunfähigkeitszustand des Täters nicht kennt. In den anderen Fällen, in denen der angestiftete Täter schuldunfähig handelt und der anstiftende Hintermann diese Schuldunfähigkeit kennt, wird der „Anstifter“ als mittelbarer Täter bestraft. Im Übrigen wird die vorsätzliche und rechtswidrige Handlung des Täters als wesentlicher Bestandteil des objektiven Tatbestands der strafbaren Anstiftung sowohl bei dem Gemein- und Sonderpflichtunrecht als auch bei dem eigenhändig verwirklichten Strafunrecht sowie den Begehungs- und Unterlassungsdelikten verlangt. Der zweite Bestandteil bedeutet, dass der Beginn des Versuchs der Haupttat eine unerlässliche Voraussetzung der strafbaren Anstiftung ist738. Dies folgt aus zwei gesetzlichen Wertungen: Zum einen sind die im Vorbereitungsstadium stattfindenden täterschaftlichen und teilnehmerischen Einwirkungen allgemein straflos739, denn solche Handlungen können nach § 23 Abs. 1 i. V. m. § 22 dStGB prinzipiell keine 735 In diesem Sinne MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 26, Rn. 6; Rengier, AT, § 45, Rn. 23. 736 Krey/Esser, AT, 6. Aufl., § 31, Rn. 1033; Rengier, AT, § 45, Rn. 23 f. 737 Hierzu siehe oben § 4 A.II. 738 StGB-Fischer, 68. Aufl., § 26, Rn. 2; MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 26, Rn. 8. 739 Hierfür siehe oben § 4 A.III.

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strafrechtliche Relevanz haben. Zum anderen fordert der Akzessorietätsgrundsatz der Teilnahme die Straflosigkeit der Anstiftung, wenn der Täter den Versuch der Haupttat noch nicht begonnen hat, denn das Gesetz bedroht die Vorbereitungshandlungen des Täters nicht mit Strafe und daher muss der Anstifter als akzessorischer Beteiligter an solchen Handlungen ebenfalls straflos bleiben. Zwar begründet der Mangel des Versuchsbeginns der Haupttat die Straflosigkeit der Anstiftung bezüglich der versuchten Hauptstraftat; indes schließt er nicht die Bestrafung des Verhaltens der anstiftenden Person als versuchte Anstiftung aus, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 30, 31 dStGB vorliegen, so z. B., wenn der in Aussicht genommene Adressat keine Neigung gezeigt hat sich auf die Aufforderung einzulassen, oder wenn der Haupttäter die Aufforderung zurückgewiesen hat. bb) Bestimmen zur Haupttat In enger Anknüpfung an den Anstiftungsbegriff hat die deutsche Strafrechtslehre auch Interpretationsansätze bezüglich des Bestimmens entwickelt, deren Anzahl den unterschiedlichen Anstiftungsbegriffen nahezu entspricht, sodass die beiden Kategorien oft miteinander verwechselt werden. In Hinblick darauf werden hier nur diejenigen Interpretationsansätze dargestellt, die den bereits oben erläuterten Anstiftungsbegriffen entsprechen. Der erste Ansatz betrachtet das Bestimmen zur Haupttat als zwischen Anstifter und Täter stattfindende „ausdrückliche oder konkludente Kommunikation“740. Der zweite Ansatz begreift das Bestimmen dagegen als „Vereinbarung“ zwischen Täter und Anstifter zu der nachfolgend durch den Täter zu verwirklichenden Straftatbegehung741. Die dritte These schließlich definiert das Bestimmen als „Auffordern“742, denn der Anstifter gebe dem Täter eine unrechte Verhaltensmaxime (ein rechtswidriges Ziel)743 vor, die wegen ihrer Aufnahme durch den Täter eine erhebliche Gefahr744 der nachfolgenden Tatbegehung darstelle. Neben diesen theoretischen Ansätzen findet sich die Stellungnahme des BGH, der das Bestimmen zur Straftatausführung als Schaffung eines (mit-)kausalen Hervorrufens des Tatentschlusses745 definiert. 740 Dazu vgl. StGB-Fischer, 68. Aufl., § 26, Rn. 3; SSK-Heine/Weißer, 30. Aufl., § 26, Rn. 4; SK-Hoyer, 9. Aufl., § 26, Rn. 10; Jescheck/Weigend, AT, § 64 II 1; Krey/Esser, AT, 6. Aufl., 2016, § 31, Rn. 1036 ff.; Otto, JuS 1982, 560; Roxin, Stree/Wessels-FS, S. 376; ders., LK, 11. Aufl., § 26, Rn. 3; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26, Rn. 3, 15; Schlüchter/Duttge, NStZ 1997, 595; Schluz, JuS 1986, 938 f.; Stratenwerth/Kühlen, AT, § 12, Rn. 143. 741 Dazu Jakobs, AT, § 22, Rn. 22 f.; Puppe, GA 1984, 112 ff., 118; ders., NStZ 2006, 425 f.; ders., GA 2013, 517 ff.; Schulz, JuS 1986, 933 ff. 742 Roxin, AT II, § 26, Rn. 74. 743 Amelung, Schroeder-FS, S. 156 ff. 744 Vgl. Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 49 ff., 52 ff.; Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 271. 745 BGHSt 45, 373 (374); BGH NStZ 1994, 30; NJW 2002, 2727; NStZ 1994, 29 f. In der Strafrechtslehre siehe MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 26, Rn. 21; StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., § 26, Rn. 2; Rengier, § 45, Rn. 24.

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Gegen diese Interpretationsansätze werden dieselben oder jedenfalls ähnliche Einwände formuliert, die sich auch gegen die Anstiftungsbegriffe richten746; deswegen wird darauf verzichtet, jene Einwände in diesem Schwerpunkt nochmals darzustellen. Bezüglich der Interpretation durch den BGH ist hervorzuheben, dass dieser Ansatz die strafrechtliche Bedeutung des „Bestimmens zur Tatverwirklichung“ und daher die Strafbarkeit der Anstiftung so unbegrenzt erweitert, dass an sich erlaubte Handlungen als strafbaren Anstiftungsformen betrachtet werden könnten, was mit einem restriktiven Täterbegriff nicht zu vereinbaren wäre747. Nach der hier vertretenen Auffassung muss das „Bestimmen zur Straftatausführung“ teleologisch im Sinne der normativen Bedeutung der Zurechnungskategorie festgelegt werden, weil es sich bei diesem Tatbestandselement um eine strafrechtliche „Sinn-Deutung des Verhaltens“ handelt748. Von diesem Ausgangspunkt wird das „Bestimmen zur Straftatherbeiführung“ in der Forschung als verbotene Schaffung psychischer Voraussetzungen zur Verwirklichung des Hauptunrechts verstanden. Der Anstifter liefert nämlich ein unerlaubtes Verhaltensmotiv für die Verwirklichung des Delikts749, d. h. der Anstifter verletzt eine strafrechtliche Pflicht. Daraus leitet sich ab, dass kein „Bestimmen zur Straftatverwirklichung“ und somit keine Anstiftung vorliegt, wenn das anstiftende Subjekt trotz des Bestehens eines ontologischen Elements (z. B. einer ausdrücklichen oder konkludenten Kommunikation zwischen Anstifter und Täter, eines wesentlichen quantitativen Aufforderns, eines Unrechtspakts zwischen Täter und Anstifter, der Schaffung eines mitkausalen Hervorrufens des Tatentschlusses) die genannten Pflichten nicht verletzt. Dies wäre etwa der Fall, wenn eine Person eine andere zu einer Straftatausführung veranlasst, ohne zu wissen, dass der Täter zu ihrer Ausführung schon entschlossen war.750. In diesem Fall dürfte das Verhalten des Veranlassers nicht unter die Voraussetzungen einer vollendeten Anstiftung (§ 26 dStGB) subsumiert werden, denn der Anstifter hat nicht gegen die in § 26 dStGB normierten strafrechtlichen Pflichten verstoßen. Vielmehr müsste diese Konstellation wegen des Verstoßes gegen die in § 30 Abs. 1 dStGB normierten Pflichten als versuchte Anstiftung aufgefasst werden751. c) Subjektiver Tatbestand Nach § 26 dStGB setzt die Erfüllung des subjektiven Tatbestands der Anstiftung voraus, dass der Anstifter den Täter „vorsätzlich“ bestimmt, eine „vorsätzliche“ und 746

Dazu vgl. oben § 4 B.I.1.a). MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 26, Rn. 16. 748 Hierfür siehe StGB-Fischer, 68. Aufl., Vor § 13, Rn. 22; Renzikowski, Maurach-AT II, § 51, Rn. 12; ders., Puppe-FS, S. 212 ff. 749 Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 124 ff. 750 Roxin, AT II, § 26, Rn. 58, 66, 67. 751 Roxin, AT II, § 26, Rn. 65, 119 f. 747

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

„rechtswidrige“ Straftat zu verwirklichen. Diese gesetzliche Normierung des subjektiven Tatbestands der Anstiftung enthält zwei Anforderungen: Einerseits erfordert der subjektive Tatbestand der Anstiftung den Vorsatz, denn Fahrlässigkeit ist durch den Tatbestand nicht erfasst752. Andererseits enthält der subjektive Tatbestand der Anstiftung – in Übereinstimmung mit dem subjektiven Erfordernis der Strafbarkeit der Teilnahme753 – einen doppelten Vorsatz754 : nämlich den Vorsatz bezüglich des Vorliegens einer vorsätzlichen Haupttat755 und den Vorsatz hinsichtlich des Bestimmens des Täters zur Herbeiführung eines vorsätzlichen und rechtswidrigen Hauptstrafunrechts756. Mit der h. L. und der deutschen Rechtsprechung lässt sich festhalten, dass der Vorsatz des Anstifters hinsichtlich des Bestehens einer vorsätzlichen Haupttat dann vorliegt, wenn der Anstifter die Haupttat des Täters zumindest in ihren wesentlichen objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen oder Grundzügen kennt757. Aber dies bedeutet nicht, dass an den Anstiftervorsatz immer die gleichen Anforderungen zu stellen sind; vielmehr ändern sich die Anforderungen an den Anstiftervorsatz je nach Art des Delikts. So muss etwa der Anstiftervorsatz bei den Tötungsdelikten die drei folgenden Tatbestandselemente umfassen758 : die Individualisierung des Opfers, die Kenntnis der bevorstehenden Tötung des Opfers und die Kenntnis des vorsätzlichen Tatentschlusses des Täters; die Kenntnis anderer Einzelheiten (z. B. Ort, Zeit und Tötungsweise des Opfers) sind entbehrlich759. Im Gegensatz dazu muss der Anstifter bei anderen Delikten – bei denen die Begründung des Hauptunrechts die Erfüllung besonderer subjektiver Merkmale fordert – wissen, dass der Haupttäter mit der entsprechenden Zielrichtung handelt760. Beispielweise muss der Anstifter beim Mord, Diebstahl und Betrug wissen, dass der

752

Dazu Hruschka, ZStW 110 (1998), 609; StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., § 26, Rn. 1; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26, Rn. 58. 753 Vgl. unten § 9 C.II.2. 754 StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., § 26, Rn. 4; StGB-Fischer, 68. Aufl., § 26, Rn. 7; SSKHeine/Weißer, 30. Aufl., § 26, Rn. 4; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26, Rn. 3, 57. 755 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26, Rn. 57. 756 A. a. O. 757 StGB-Fischer, 68. Aufl., § 26, Rn. 8; Ingelfinger, Anstiftervorsatz und Tatbestimmtheit, S. 89 ff., 105; Jakobs, AT, 1983, § 22, Rn. 27; StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., § 26, Rn. 4; Puppe, NStZ 1991, 124; Renzikowski, Maurach-AT II, § 51, Rn. 51, 56; LK-Roxin, 11. Aufl., § 26, Rn. 9; ders., JZ 1991, 680; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26, Rn. 57. 758 Ähnlich Renzikowski, Maurach-AT II, § 51, Rn. 56. 759 Dazu StGB-Fischer, 68. Aufl., § 26, Rn. 8; SSK-Heine/Weißer, 30. Aufl., § 26, Rn. 17; Ingelfinger, Anstiftervorsatz und Tatbestimmtheit, S. 31; MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 26, Rn. 53; LK-Roxin, 11. Aufl., § 26, Rn. 86; ders., JZ 1986, S. 908; ders., Salger-FS, S. 133. 760 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26, Rn. 3, 59.

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Täter mit Habgier, Zueignungs- bzw. Bereicherungsabsicht handelt761. Die Unkenntnis des Anstifters bezüglich dieser besonderen subjektiven Tatbestandselemente schließt die strafbare Anstiftung wegen vollendeten (oder versuchten) Diebstahls bzw. Betrugs aus. Entsprechende Regeln gelten für die erfolgsqualifizierten Delikte, in denen wegen der Geltung des § 18 dStGB der Anstifter nicht nur mit Absicht oder „dolus directus ersten Grades“ hinsichtlich des Grunddelikts, sondern auch wenigstens mit Fahrlässigkeit bezüglich der schweren Folge oder der Qualifikationsmerkmale handeln muss762. Nur unter diesen Voraussetzungen kann normativ behauptet werden, dass die schwere Folge auch dem Anstifter zugerechnet werden darf. Ferner erfordert der Anstiftervorsatz hinsichtlich des Verhaltens des Anstifters, dass dieser wissen muss, dass sein ausdrückliches oder konkludentes Bestimmen eine ausreichende Aufforderung zur Bildung des Tatentschlusses des Haupttäters ist763. Im Übrigen genügt „dolus eventualis“764 für die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands der Anstiftung. Fahrlässigkeit ist durch den Tatbestand nicht erfasst. 2. Dogmatische Erscheinungsformen der Anstiftung im deutschen Strafrechtssystem Die deutsche Strafrechtslehre hat verschiedene Sonderformen der Anstiftung entwickelt. Neben anderen sind in diesem Zusammenhang insbesondere die sukzessive Anstiftung, die Auf-, Um-, Ab-, Neben- und Mitanstiftung zu nennen. Als sukzessive „Anstiftung“765 wird das Bestimmen zur Verwirklichung einer Hauptstraftat verstanden, die zwei Voraussetzungen erfüllen muss: einerseits zielt das Bestimmen auf eine weitere tatbestandsmäßige Ausführungshandlung ab, die nur als unselbständiger und zusätzlicher (End-)Teil einer schon begonnenen Tatbestandsverwirklichung zu bewerten ist766 ; andererseits soll das Bestimmen eine wesentliche Modifizierung der gesamten Haupttat bedeuten767.

761

Vgl. Renzikowski, Maurach-AT II, § 50, Rn. 31, § 51, Rn. 51. StGB-Fischer, 68. Aufl., § 26, Rn. 16. 763 Renzikowski, Maurach-AT II, § 51, Rn. 58. 764 In die ähnliche Richtung BGHSt 44, 99 (100 f.); BGHSt 2, 279 (281 f.); BGH NStZ 1996, 434 f.; in der Strafrechtslehre vgl. StGB-Fischer, 68. Aufl., § 26, Rn. 7; SSK-Heine/Weißer, 30. Aufl., § 26, Rn. 16; StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., § 26, Rn. 4; Rengier, AT, § 45, Rn. 44; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26, Rn. 58. 765 Börner, Jura 2006, 415; Grabow, Jura 2009, 408 ff.; StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., § 26, Rn. 2b. 766 Grabow, Jura 2009, 409. 767 A. a. O. 762

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

Unter der „Aufstiftung“768 wird die Veranlassung zu einer schwereren Herbeiführungsform desselben Strafunrechts bezeichnet. Dies wäre etwa der Fall, in dem Z fest entschlossen war, einen Diebstahl zu begehen. X empfiehlt Z „auf Nummer Sicher zu gehen“ und einen Knüppel mitzunehmen, um das Opfer niederzuschlagen und dadurch die Beute zu sichern. In diesem Fall liegt aus Sicht der Rechtsprechung und eines Teils der Lehre769 eine Anstiftung – nämlich eine Aufstiftung – zum qualifizierten Straftatbestand des Raubes770 vor, während die meisten Autoren nur eine Beihilfe zum Raub und eine Anstiftung nur insoweit annehmen, als die schwerere Modalität einen eigenen Tatbestand verwirklicht (z. B. im Fall des Raubes eine Körperverletzung). Hingegen definiert die Strafrechtswissenschaft die „Umstiftung“771 als Bestimmen zur Ausführung einer qualitativ anderen Strafhaupttat. So liegt eine Umstiftung vor, wenn ein gänzlich anderer Tatbestand verwirklicht wird. Im Gegensatz dazu wird als „Abstiftung“772 das Bestimmen zur Ausführung einer weniger schweren Straftat bezeichnet; so etwa wenn J die Verwirklichung eines schweren Raubdelikts plant, aber K ihn überzeugt, auf die Mitnahme einer Schusswaffe zu verzichten. In diesem Fall liegt eine Abstiftung des K vor, die aus Sicht der h. L. straflos bleibt, da sich J bereits zur in § 250 Abs. 1 Nr. 1a dStGB kriminalisierten Deliktsverwirklichung entschieden habe und daher auch im Hinblick auf § 249 dStGB „omnimodo facturus773 sei. Die „Nebenanstiftung“ bezeichnet ein unabhängiges Nebeneinander mehrerer Anstifter774 ; diese Anstiftungsform liegt vor, wenn jeder von mehreren nicht einvernehmlich handelnden Anstiftern darauf zielt, durch sein jeweiliges Bestimmen den Täter zu veranlassen, das Hauptunrecht herbeizuführen775. Im Unterschied dazu ist unter der „Mitanstiftung“ das nach mittäterschaftlichen Grundsätzen verwirklichte Bestimmen zur Ausführung einer Strafhaupttat zu verstehen776. Dies betrifft die Fallkonstellation, in der mehrere einverständlich tätige Anstifter durch arbeitsteiliges Zusammenwirken unmittelbar die bestimmende Einwirkung auf den Täter vornehmen. Schließlich wird als „Kettenanstiftung“ entweder die „Anstiftung zur 768 Dazu Bemmann, Gallas-FS, S. 273; StGB-Fischer, 68. Aufl., § 26, Rn. 5; SK-Hoyer, 9. Aufl., § 26, Rn. 18; Ingelfinger, JuS 1995, 321 ff.; Küpper, JuS 1996, 23 f.; StGB-Lackner/ Kühl, 29. Aufl., § 26, Rn. 2a; Roxin, AT II, § 26, Rn. 104; Stree, Heinitz-FS, S. 277. 769 Etwa Rengier, AT, § 45, Rn. 35 ff. 770 So BGHSt 19, 339 ff. 771 Vgl. StGB-Fischer, 68. Aufl., § 26, Rn. 5; SK-Hoyer, 9. Aufl., § 26, Rn. 21; Roxin, AT II, § 26, Rn. 91; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26, Rn. 22. 772 StGB-Fischer, 68. Aufl., § 26, Rn. 5; SK-Hoyer, 9. Aufl., § 26, Rn. 17; StGB-Lackner/ Kühl, 29. Aufl., § 26, Rn. 2a. 773 Hierfür siehe Frister, AT, § 28, Rn. 20; Geppert, Jura 1997, 304, SK-Hoyer, § 26, Rn. 24; MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 26, Rn. 17; Kühl, AT, § 20, Rn. 185; Küpper, JuS 1996, 24. 774 Selter, Kettenanstiftung und Kettenbeihilfe, S. 39. 775 Selter, Kettenanstiftung und Kettenbeihilfe, S. 38 f. 776 Selter, Kettenanstiftung und Kettenbeihilfe, S. 38.

§ 4 Gesetzliche Grundlagen und Erscheinungsformen der Teilnahme

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Anstiftung“777 oder die Beteiligung mehrerer Anstifter bezeichnet, in der derjenige, dessen Verhalten als Anstiftung betrachtet wird, nicht unmittelbar den Entschluss des Haupttäters auf die Verwirklichung eines vorsätzlich-rechtswidrigen Hauptstrafunrechts richtet, sondern einen Dritten vorsätzlich veranlasst, den Haupttäter zur Herbeiführung einer Hauptstraftat zu bestimmen778. Mit Selters Worten beschreibt die „Kettenanstiftung“ die Beteiligung Mehrerer nacheinander und in Abhängigkeit von einander779. Besondere Bedeutung hat die Anstiftung zu den (Sonder-)Pflichtdelikten. Nach der deutschen Strafrechtslehre ist die Anstiftung im Bereich der Pflichtdelikte problemlos möglich780, da es für die Begründung dieser Teilnahmeform ausreicht, dass der Außenstehende den Sonderpflichtträger zur Verletzung seiner zuständigen Sonderpflicht veranlasst. Etwa wenn ein Außenstehender einen an einem Strafverfahren mitwirkenden Beamten dazu bestimmt, den Angeklagten zu misshandeln, um diesen zu nötigen, sich in dem Verfahren schuldig zu bekennen. In diesem Fall muss der Außenstehende aufgrund seines Bestimmens zur Misshandlung des Angeklagten als Anstifter einer Aussageerpressung (§ 343 Abs. 2 dStGB) bestraft werden. Hingegen ist eine Anstiftung nicht möglich, wenn der Sonderpflichtträger vorsatzlos handelt781, denn die Teilnahme (und daher die Anstiftung) an fahrlässigen Haupttaten werden durch das deutsche positive Strafrechtssystem nicht bestraft. 3. Sonstiges zur Anstiftung in Deutschland Neben den bereits dargestellten Schwerpunkten gibt es andere Bereiche der Anstiftung, die eine wesentliche Bedeutung im deutschen Strafrechtssystem haben. Diese sind die fahrlässige Anstiftung, die Anstiftung zum Versuch, die versuchte Anstiftung, der Rücktritt von der Anstiftung, der Zeitpunkt der Anstiftung, die Zeit und der Ort der Anstiftung, die Verwirklichung der Anstiftung durch Unterlassen, die Bestrafung der Anstiftung usw. Die fahrlässige Anstiftung hat wegen des in § 26 dStGB festgelegten Gesetzbefehls keine strafrechtliche Relevanz782, m. a. W. die fahrlässige Anstiftung ist nicht strafbar. Die Anstiftung zum versuchten Hauptstrafunrecht wird im Unterschied zur versuchten Anstiftung, deren Strafbarkeit in § 30783 dStGB normiert wird, gemäß 777

Dazu StGB-Fischer, 68. Aufl., § 26, Rn. 19; Krell, Jura 2011, 499. Hierfür siehe Küpper, JuS 1996, 25; Geppert, Jura 1997, 364; Kretschmer, NStZ 1998, 401; Selter, Kettenanstiftung und Kettenbeihilfe, S. 35. 779 Selter, Kettenanstiftung und Kettenbeihilfe, S. 39. 780 Vg. Roxin, AT II, § 26, Rn. 168. 781 Dagegen argumentiert Roxin, der das Vorliegen einer Anstiftung des Außenstehenden an einem Sonderpflichtdelikt annimmt, wenn der Sonderpflichtträger seine zuständige Sonderpflicht verletzt; hierzu vgl. Roxin, AT II, § 26, Rn. 37 f., 170; ders., TuT, § 34, S. 409, 412 f. 782 StGB-Fischer, 68. Aufl., § 26, Rn. 7; Hruschka, ZStW 110 (1998), 609. 783 StGB-Fischer, 68. Aufl., § 30, Rn. 9; SSK-Heine/Weißer, 28. Aufl., § 30, Rn. 1 ff. 778

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

§§ 22, 23 dStGB bestraft. Im Falle des Rücktritts von der Anstiftung richtet sich die Strafbarkeit nach § 31 dStGB784. Zeitpunkt der Anstiftung ist das Vorbereitungsstadium, weil sie aufgrund ihres Rechtswesens nicht in der Vollendungsphase verwirklicht werden kann. Die Tatzeit der Anstiftung, welche den Verjährungsbeginn bestimmt785, ist nach § 8 dStGB die Zeit der Anstiftertätigkeit786 ; d. h. die Zeit, in der der Anstifter gehandelt hat oder – im Falle des Unterlassens – hätte handeln müssen. Im Vergleich dazu wird als Tatort der Anstiftung nach § 9 Abs. 2 dStGB sowohl der Ort betrachtet, an dem die Tat begangen ist, als auch derjenige Ort, an dem der Anstifter gehandelt hat oder – im Falle des Unterlassens – hätte handeln müssen oder an dem nach seiner Vorstellung die Tat begangen werden sollte. Dies spielt eine entscheidende Rolle für die Bestimmung des auf die Anstiftung anwendbaren Rechtssystems787. Anstiftung durch Unterlassen wird nur ausnahmsweise788 vorliegen, wenn das beredte Nichtstun eines Garanten (etwa eines Sonderpflichtträgers) zum Tatentschluss des Täters führe789. Schließlich wird der Anstifter gemäß § 26 dStGB nach dem abstrakten Strafrahmen bestraft790, der für den Haupttäter in den jeweiligen Straftatbeständen des Besonderen Teils festgesetzt wird. Fehlen beim Anstifter allerdings besondere Merkmale, welche die Strafbarkeit des Täters begründen, muss die Strafe des Anstifters nach §§ 28 Abs. 1, 49 Abs. 1 dStGB gemildert werden.

II. Strukturelemente und Erscheinungsformen der Anstiftung im spanischen Strafrechtssystem 1. Strukturelemente: Anstiftung als „Veranlassung“ eines anderen zur Verwirklichung einer rechtswidrigen Straftat (Art. 28 Abs. 2a sStGB) a) Begriff der Anstiftung Gem. Art. 28 Abs. 2a sStGB ist Anstifter derjenige, der einen anderen oder mehrere andere zur Verwirklichung einer Tat verleitet. Ausgehend von dieser gesetzlichen Formel hat die spanische Strafrechtslehre verschiedene Anstiftungsbegriffe entwickelt, von denen drei besondere Aufmerksamkeit verdienen. Der erste Ansatz definiert die Anstiftung als „subjektiv-objektive zurechenbare Verursachung 784

SSK-Heine/Weißer, 28. Aufl., § 31, Rn. 3. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26, Rn. 105. 786 SSK-Heine/Weißer, 28. Aufl., § 26, Rn. 32. 787 Dazu LK-Werle/Jeßberger, 12. Aufl., § 9, Rn. 43. 788 Dagegen Otto, JuS 1982, 560; StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., § 26, Rn. 3; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26, Rn. 54. 789 Jakobs, AT, § 29, Rn. 104. 790 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26, Rn. 106. 785

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des Tatentschlusses des Täters, die den Angestifteten zur Verwirklichung einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Straftat führt791; d. h. die Bestimmung durch den Anstifter müsse die „conditio sine qua non“ des Tatentschlusses des Täters sein792, denn vorher liege ein solcher Tatentschluss beim Täter nicht vor793. Der zweite Ansatz definiert die Anstiftung als wissentliche und absichtliche Bestimmung einer anderen Person, eine Straftat zu verwirklichen794. Die dritte Auffassung begreift die Anstiftung als einen ein strafrechtlich unerlaubtes Risiko darstellenden psychischen Anreiz, weil die Handlung des Anstifters aus einer abstrakten und ex ante erfolgenden Betrachtung die Fähigkeit besitze, den angestifteten Täter von der Verwirklichung eines Strafunrechts zu überzeugen795. Nach der hier vertretenen Auffassung kann die im spanischen Strafrechtssystem geregelte Anstiftung – wie im deutschen Strafrecht – sowohl aus einer ontologischen Betrachtung als auch aus einem normativen Blickwinkel definiert werden. Ontologisch ist die Anstiftung die Zurverfügungstellung eines Handlungsmotivs für die Verwirklichung einer bestimmten Straftat796, denn sie schafft die psychischen Voraussetzungen des Täterentschlusses zur Verwirklichung eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Strafunrechts. Normativ ist die Anstiftung ihrerseits ein Verstoß gegen die in Art. 28 Abs. 2a und in den entsprechenden Straftatbeständen des Besonderen Teils sStGB enthaltenen strafrechtlichen Gemein- und Sonderpflichten797, die allen Bürgern verbieten, einen Gemein- und Sonderpflichtträger zur Verletzung seiner negativen Gemeinpflicht bzw. positiven Sonderpflicht zu bestimmen. b) Objektiver Tatbestand Wie bereits erwähnt, setzt die Strafbarkeit der Anstiftung gem. Art. 28 Abs. 2a sStGB voraus, dass der Anstifter den Täter zur Verwirklichung einer tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Haupttat veranlasst798. Daraus ergibt sich, dass der objektive Tatbestand der Anstiftung im spanischen Strafrecht auch – wie beim deutschen Strafrechtssystem – zwei Komponenten beinhaltet: nämlich die Veranlassung des Täters zur Verwirklichung einer Hauptstraftat und das Bestehen eines tatbestandmäßigen und rechtswidrigen Hauptstrafunrechts.

791

Hierfür Mir Puig, PG, 6. Aufl., S. 395, Rn. 51. Baldó Lavilla, ADPCP 1989, S. 1096 ff.; Mir Puig, PG, 6. Aufl., S. 396, Rn. 54. 793 Pérez Alonso, ZStW 117 (2005), 441. 794 Quintero Olivares, PG, 2. Aufl., S. 631. 795 Gómez Rivero, La inducción, S. 169 f. 796 Ähnlich MRK-StGB-Haas, § 26, Rn. 23; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 125 f.; ders., in: Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 52, Rn. 3. 797 Dazu unten § 9 B.III.1.; § 9 B.IV.1. 798 In diesem Sinne MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 26, Rn. 6; Rengier, AT, § 45, Rn. 23. 792

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aa) Vorliegen einer tatbestandmäßigen und rechtswidrigen Haupttat Die spanische Strafrechtslehre – ähnlich der deutschen Strafrechtswissenschaft – nennt ebenfalls zwei Komponenten der Struktur des objektiven Grundelements der Strafbarkeit der Anstiftung: die Verwirklichung eines tatbestandmäßig-rechtswidrigen Verhaltens durch den angestifteten Täter einerseits und den Beginn des Versuchs der Haupttat andererseits. Bezüglich des Vorliegens eines tatbestandmäßigen und rechtswidrigen Verhaltens des Täters wurden in der spanischen Strafrechtslehre zwei unterschiedliche Auffassungen entwickelt. Auf der einen Seite nimmt die h. L.799 an, dass die Strafbarkeit der Anstiftung nach gesetzlichem Auftrag nur mit der Verwirklichung einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat des Täters begründet wird, weil das durch Art. 28 Abs. 2a sStGB festgelegte Verb „anstiften“ (inducir) per se nur vorsätzliche Handlungen enthalte800. Dies bedeutet, dass fahrlässiges Strafunrecht des Täters aus Sicht der h. L. Spaniens keine strafbare Anstiftung begründet801. Auf der anderen Seite vertritt ein Teil der Strafrechtslehre die Annahme strafbarer Anstiftung auch in den Fällen, in denen der Täter fahrlässiges Strafunrecht begeht802. Aus der hier vertretenen Sicht knüpft Art. 28 Abs. 2a sStGB die Strafbarkeit der Anstiftung nicht nur an ein vorsätzliches und rechtswidriges Hauptstrafunrecht, sondern auch an einen fährlässig und rechtswidrig verwirklichten Hauptstraftatbestand. Denn bei Art. 28 Abs. 2a sStGB ist im Unterschied zu § 26 dStGB – der ausdrücklich die Strafbarkeit der Anstiftung nur auf die Verwirklichung einer „vorsätzlichen“ und rechtswidrigen Hauptstraftat begrenzt ermöglicht – die Strafbarkeit der Anstiftung sowohl bei der Verwirklichung eines vorsätzlichen Strafunrechts als auch bei der Herbeiführung einer fahrlässigen Hauptstraftat anzunehmen. Grund dafür ist, dass der Hinweis auf ein tatbestandmäßiges Hauptverhalten des Täters als objektive Grundvoraussetzung der Strafbarkeit der Anstiftung nicht nur das vorsätzliche Hauptunrecht, sondern auch die fahrlässigen Straftaten des Haupttäters umfasst. Aus dem Gesagten wird auch abgeleitet, dass Art. 28 Abs. 2a sStGB keine schuldhafte Handlung des Täters als zwingende Voraussetzung für die Zurechnung der Haupttat zum Anstifter verlangt. Diesbezüglich sind die Strafrechtswissenschaft803 und Rechtsprechung804 Spaniens zu Recht der Auffassung, dass Art. 28 Abs. 2a sStGB weder eine vollständige noch eine Hyperakzessorietät der Strafbar799

Z. B. Gómez Rivero, La inducción, S. 172. Del Rosal Blasco, CPC 1990, S. 101 ff.; Gómez Rivero, La inducción, S. 172. 801 Gómez Rivero, La inducción, S. 348 f. 802 Mir Puig, PG, 10. Aufl., § 15, Rn. 75. 803 Etwa Cobo del Rosal/Vives Antón, PG, S. 682; Mir Puig, PG, 10. Aufl., § 15, Rn. 34; ders., ADPCP 1973, S. 326; Rodríguez Devesa, PG, S. 759; Rodríguez Muñoz, Notas, S. 294. 804 Siehe hierfür STS 1197/2001 v. 20. 6. 2001; 539/2003 v. 30. 4. 2003; 1014/2006 v. 14. 11. 2006. 800

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keit der Anstiftung festlegt; d. h. um den Anstifter zu bestrafen, sei weder eine schuldhafte Handlung des Täters noch seine Strafbarkeit erforderlich. Diese These der spanischen Strafrechtswissenschaft und Rechtsprechung stützt sich nicht auf den Wortlaut des Art. 28 sStGB, sondern auf eine systematische und teleologische Auslegung dieser Vorschrift und der dem spanischen Strafrechtssystem zugrunde liegenden Verfassungsgrundsätze. Dass der Versuchsbeginn der Haupttat weiterer Bestandteil des objektiven Tatbestands der Anstiftung ist, ist in der gesamten spanischen Strafrechtswissenschaft anerkannt805. Dies folgt daraus, dass einerseits die im Vorbereitungsstadium verwirklichten Täter- und Teilnehmerhandlungen nach Art. 15 und 16 Abs. 1 sStGB strafrechtlich irrelevant sind806 und andererseits aus der Geltung des in Art. 28 Abs. 2a sStGB geregelten Akzessorietätsprinzips der Anstiftung. Dieses verlangt die Straflosigkeit des Anstifters, wenn der Täter nicht in das Versuchsstadium des Verbrechens eintritt807. Das Gesetz (Art. 28 Satz 1, 15 und 16 Abs. 1 sStGB) kriminalisiert nämlich die Vorbereitungshandlungen des Täters nicht, sodass folglich das veranlassende Verhalten des Anstifters straffrei bleiben muss, weil die Haupttat des Täters, an der der Anstifter teilnimmt, keine strafrechtliche Relevanz besitzt. Im Gegensatz zum deutschen Strafrechtssystem, in dem das Nichtvorliegen des Versuchsbeginns bei Verbrechen eine versuchte Anstiftung ermöglicht (§ 30 I dStGB), kann im spanischen Strafrecht das Nichtvorliegen des Versuchsbeginns der Hauptstraftat nur ausnahmsweise zur Bestrafung des Anstifters führen, wenn sein Verhalten die gesetzlichen Erfordernisse sowohl der Art. 17, 18 (entsprechen teilweise § 30 Abs. 2 dStGB) als auch der auf diese verweisenden Tatbestände des Besonderen Teils sStGB erfüllt. Im Übrigen normiert Art. 28 Abs. 2a sStGB nur die direkte Anstiftung808. Eine sich daraus ergebende erste Konsequenz ist das Erfordernis, dass sich die Anstiftung – wie bei deutschem Strafrechtssystem – auf die Verwirklichung einer konkreten Straftat809 und auf einen bestimmten Täter810 beziehen muss; dies bedeutet, dass die Veranlassung eines unbestimmten und nicht individualisierbaren Personenkreises strafrechtlich irrelevant ist, da solche Handlungen wegen ihrer Unbestimmtheit die objektiven Voraussetzungen der Strafbarkeit der Anstiftung nicht erfüllen. Eine andere aus Art. 28 Abs. 2a sStGB abzuleitende Folge ist die Straflosigkeit der Kettenanstiftung811, denn die genannte Vorschrift kriminalisiert nur die 805

Hierfür siehe Diez Ripollés, PG, 4. Aufl., S. 386. Diez Ripollés, PG, 4. Aufl., S. 381. 807 Diez Ripollés, PG, 4. Aufl., S. 386. 808 Diez Ripollés, PG, 4. Aufl., S. 387. 809 Quintero Olivares, PG, 2. Aufl., S. 632. 810 Diez Ripollés, PG, 4. Aufl., S. 387. 811 Dafür sprechen unter anderen: Cobo del Rosal/Vives Antón, PG, 5. Aufl., S. 758; Diez Ripollés, PG, 4. Aufl., S. 381; Mir Puig, PG, 9. Aufl., § 15, Rn. 62, Rn. 62; ders., ADPCP 1973, S. 362 f. Gegen die Strafbarkeit der Kettenanstiftung sprechen neben anderen Bacigalupo 806

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Anstiftung eines Täters zur Verwirklichung eines konkreten Strafunrechts812, nicht aber die Anstiftung zur Anstiftung813. Der Anstifter des Anstifters (Kettenanstiftung) muss nach der spanischen Strafrechtslehre814 als erforderlicher Gehilfe bestraft werden, wenn die Straftat, an die die Kettenanstiftung anknüpft, verwirklicht wird. bb) Bestimmen zur Haupttat Nach der herrschenden spanischen Strafrechtsdogmatik fordert dieses objektive Tatbestandselement der Anstiftung, dass das sich auf die Hervorrufung des Tatentschlusses des Täters richtende Verhalten des Anstifters – welches sich entweder in der die Umsetzung des Planes besonders suggestiv darstellenden Einführung objektiver Elemente oder durch die Feststellung, dass der Täter die Vorteile, welche die Ausführung mit sich bringt, subjektiv höher bewertet, zeigt – einen quantitativ bedeutsamen Intensitäts- oder Gefährlichkeitsgrad besitzt. Denn das Verhalten des Anstifters müsse die kriminelle Entschlossenheit des Täters verursachen, sodass die Handlung des Anstifters eine Conditio sine qua non des Täterentschlusses sein soll. Aus diesem Grund – wie im deutschen Strafrechtssystem – sei nicht nur kein Anstifter, wer jemanden beeinflusst, der bereits zuvor dazu bestimmt war, die Straftat zu begehen („omnimodo facturus“)815, sondern auch, wer einem bereits zur Straftatverwirklichung Entschlossenen lediglich Ratschläge gibt. Nach der hier vertretenen Auffassung ist es zur Begründung der Strafbarkeit der Anstiftung erforderlich, dass das anstiftende Verhalten im Sinne des normativen Anstiftungsbegriffs eine strafrechtlich unerlaubte Natur aufweist. Der Anstifter muss gegen eine strafrechtliche Pflicht verstoßen, weil der Grund der Kriminalisierung der Anstiftung und aller Beteiligungsformen nach der hier vertretenen normativen Auffassung die Verletzung einer bestimmten strafrechtlichen Gemein- oder Sonderpflicht ist. Dies führt zur Straflosigkeit des Anstifters in den Fällen, in denen das veranlassende Verhalten trotz des Vorliegens eines seienden Elements (etwa das Bestehen eines wesentlichen quantitativen Aufforderns oder ein mitkausales Hervorrufen der Tatentschlossenheit des Täters) die normativen Voraussetzungen der objektiven Zurechnung nicht erfüllt, d. h. wenn die Handlung des Veranlassers entweder kein strafrechtlich verbotenes Risiko schafft oder sich daraus trotz der Schaffung eines strafrechtlich unerlaubten Risikos keine strafrechtlich verbotene Risikoverwirklichung ergibt. Wie oben dargelegt, kann ein Bestimmen, das sich nur in der Schaffung eines unerlaubten Risikos (es verursacht den Tatentschluss des Täters) aber nicht in der Verwirklichung eines solchen Risikos (der Täter verwirkZapater, Principios, S. 386; López Barja de Quiroga, Autoría y participación, S. 133 f.; Sainz Cantero, Lecciones, S. 822. 812 Pérez Alonso, ZStW 117 (2005), 442. 813 Mir Puig, PG, 6. Aufl., S. 398, Rn. 64; Pérez Alonso, ZStW 117 (2005), 442. 814 Vgl. dazu Gimbernat Ordeig, Autor y cómplice en Derecho penal, S. 329 ff.; Rodríguez Mourullo, Comentarios I, S. 862. 815 Mir Puig, PG, 6. Aufl., S. 396, Rn. 54; Pérez Alonso, ZStW 117 (2005), 441.

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licht das Strafunrecht nicht) manifestiert, als Provokation oder als Vorschlag bestraft werden816, wenn das bestimmende Verhalten die normativen Voraussetzungen der Art. 17, 18 sStGB erfüllt. c) Subjektiver Tatbestand Ein Teil der spanischen Strafrechtslehre behauptet, dass der subjektive Tatbestand der Anstiftung ein vorsätzliches bestimmendes Verhalten des Anstifters fordert817, um die Strafbarkeit der Anstiftung als Vorsatzdelikt zu begründen. Daraus haben die Verfechter dieses Verständnisses die Schlussfolgerung gezogen, dass der subjektive Tatbestand der Anstiftung wie im deutschen Strafrecht einen doppelten Vorsatz818 enthält: nämlich den Vorsatz bezüglich des Vorliegens einer vorsätzlichen Haupttat819 und der Vorsatz hinsichtlich der Veranlassung des Täters zur Herbeiführung eines vorsätzlichen und rechtswidrigen Hauptstrafunrechts820. Dies bedeutet, dass aus Sicht der spanischen Strafrechtslehre das fahrlässige Bestimmen straflos bleibt821, weil dieses das normative Element des subjektiven Tatbestands nicht erfüllt. Dieser Ansatz ist indes nicht zutreffend, denn er verstößt gegen den in Art. 28 Abs. 2a sStGB festgelegten Gesetzlichkeitsgrundsatz, welcher nicht für die Straflosigkeit (oder gegen die Strafbarkeit) des fahrlässigen Bestimmens spricht. Nach der hier vertretenen Auffassung umfasst der subjektive Tatbestand der im spanischen Strafrecht geregelten Anstiftung sowohl das vorsätzliche als auch das fahrlässige Bestimmen durch den Anstifter; denn im Unterschied zu § 26 dStGB, der die Anstiftung als vorsätzlich-rechtswidrige Veranlassung zur vorsätzlich-rechtswidrigen Verwirklichung eines vom Täter begangenen Strafunrechts definiert, bezeichnet Art. 28 Abs. 2a sStGB die Anstiftung nur als tatbestandmäßiges und rechtswidriges Bestimmen zur Verwirklichung einer tatbestandmäßig-rechtswidrigen Hauptstraftat822. Aus diesen unterschiedlichen Definitionen leitet sich ab, dass im spanischen Strafrechtssystem – im Gegensatz zum deutschen Strafrecht, in dem nur die vorsätzliche Veranlassung strafbar ist – nicht nur das vorsätzliche, sondern auch das fahrlässige Bestimmen eine strafbare Anstiftung begründen kann. D. h. weder das fahrlässige Bestimmen durch den Anstifter noch das fahrlässige Verhalten des Haupttäters führen zur Straflosigkeit der Anstiftung, da solche fahrlässigen 816

Dazu vgl. Diez Ripollés, PG, 4. Aufl., S. 382. Im gleichen Sinne Diez Ripollés, PG, 4. Aufl., S. 387; Mir Puig, PG, 6. Aufl., S. 399, Rn. 69; Pérez Alonso, ZStW 117 (2005), 442; Quintero Olivares, PG, S. 628, 232. 818 Mir Puig, PG, 6. Aufl., S. 399, Rn. 69; Pérez Alonso, ZStW 117 (2005), 442. 819 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26, Rn. 57. 820 Siehe García Valdés, El agente provocador, 1996; Muñoz Sánchez, El agente provocador, S. 169; Ruiz Antón, El agente provocador, 1982. 821 Vgl. Mir Puig, PG, 6. Aufl., S. 400, Rn. 75. 822 Vgl. dazu u. a. Cobo del Rosal/Vives Antón, PG, 4. Aufl., S. 755; Diez Ripollés, PG, 4. Aufl., S. 386; Mir Puig, PG, 10. Aufl., § 15, Rn. 52, 75. 817

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

Handlungen des Anstifters und Täters unter der fahrlässigen Anstiftungs- bzw. Täterschaftsform zu bestrafen sind. Im Übrigen verlangt Art. 28 Abs. 2a sStGB – wie oben bereits ausgefüht823 – kein schuldhaftes Verhalten des Täters für die Strafbarkeit der Anstiftung. Art. 28 Abs. 2a sStGB verlangt nur das Bestehen eines tatbestandmäßigen (vorsätzlichen oder fahrlässigen) und rechtswidrigen Strafunrechts des Täters. 2. Dogmatische Erscheinungsformen der Anstiftung Die spanische Strafrechtslehre hat verschiedene Kategorien der Anstiftung entwickelt, um alle ontologischen Äußerungen des Anstifterverhaltens zu erfassen. So hat sich die spanische Strafrechtswissenschaft – ähnlich der deutschen Strafrechtslehre – auch mit der Umstiftung, Abstiftung, Aufstiftung, Nebenanstiftung, Mitanstiftung824, sukzessiven Anstiftung und mittelbaren Anstiftung825 beschäftigt. Die Dogmatik dieser Anstiftungsformen wurde schon oben (§ 4 B.II.2.) erklärt, wo die Ansätze der deutschen Strafrechtswissenschaft über die ontologischen Erscheinungsformen der im dStGB geregelten Anstiftung dargestellt wurden. Dies bedeutet, dass die dort dargestellten theoretischen Standpunkte auch auf die phänomenologischen Formen der im Art. 28 Abs. 2a sStGB festgelegten Anstiftung übertragen werden können. Die Problematik muss deshalb hier nicht nochmals erläutert werden. 3. Sonstiges zur Anstiftung in Spanien Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Figuren der „versuchten Anstiftung“ und der „Anstiftung zum Versuch“. Die versuchte Anstiftung ist prinzipiell straffrei826, denn im spanischen Strafrecht fehlt eine § 30 dStGB entsprechende Strafvorschrift, welche die versuchte Anstiftung kriminalisiert. Deswegen ist nur die „Anstiftung zum Versuch“ strafbar. Diese Konstellation liegt vor, wenn der Anstiftung eine tatbestandmäßige und rechtswidrige Tat (mindestens der Versuch der Tat) folgt; dies ergibt sich aus dem limitierten Akzessorietätsprinzip der Teilnahme, das für die Strafbarkeit der Teilnahme (und somit der Anstiftung) den Straftatvollzug fordert827.

823 824 825 826 827

Vgl. oben § 4 B.II.1.b)aa). López Barja de Quiroga, Autoría y Participación, S. 164. Vgl. Mir Puig, PG, 6. Aufl., S. 397, Rn. 62 f. Auf diese Weise Diez Ripollés, PG, 4. Aufl., S. 386. Diez Ripollés, PG, 4. Aufl., S. 381.

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III. Strukturelemente und Erscheinungsformen der Beihilfe im deutschen Strafrechtssystem 1. Strukturelemente: Beihilfe als vorsätzliche Hilfeleistung für einen anderen zur Verwirklichung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Straftat (§ 27 dStGB) a) Begriff der Beihilfe Das deutsche positive Beteiligungssystem (§ 27 dStGB) definiert die Beihilfe als vorsätzliche Hilfeleistung zu einer tatbestandsmäßig-rechtswidrigen Straftat. Ausgehend davon hat die deutsche Strafrechtswissenschaft verschiedene Begriffe der Beihilfe entwickelt, von denen hier nur drei in einer zusammengefassten Form dargestellt werden sollen. Zunächst wird die Beihilfe als eine für den tatbestandsmäßigen Erfolg kausale, rechtlich missbilligte Risikosteigerung828 begriffen. Ein zweiter Ansatz bezeichnet die Beihilfe als vorsätzliche Solidarisierung829 mit der Verwirklichung einer fremden Straftat. Die Bestrafung der Beihilfe wird mit dem Handlungsunwert begründet, der dem vorsätzlichen Beitrag zur Herbeiführung eines fremden vorsätzlichen Strafunrechts innewohnt830. Schließlich wird die Beihilfe als ein Gefährdungsdelikt831 definiert; demzufolge liegt der Grund für die Strafbarkeit der Beihilfe darin begründet, dass der Gehilfe durch seinen Beitrag eine abstrakte832, abstrakt-konkrete833 oder konkrete Gefährdung834 für das geschützte Rechtsgut hervorgerufen hat. Unabhängig von diesen unterschiedlichen Ausgangspunkten sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Beihilfebegriffe entwickelt worden: ein Beihilfebegriff für die sog. Herrschafts- oder Organisationsdelikte und ein anderer Beihilfebegriff für die Pflichtdelikte oder Delikte kraft institutioneller Zuständigkeit. Die Beihilfe zu Herrschaftsdelikten – wie auch die Anstiftung – wird als Beteiligung an einem Herrschaftsunrecht ohne Tatherrschaft definiert, denn die Mitwir828 Roxin, Stree/Wessels-FS, S. 378 ff.; ders., AT II, § 26, Rn. 183; ders., Miyazawa-FS, S. 501 ff., 509 ff. In die gleiche Richtung im Bereich des Völkerstrafrechts geht Ambos, Der allgemeine Teil des Völkerstrafrechts, S. 609 ff.; ders., LK, 11. Aufl., § 27, Rn. 22. 829 Dazu SSK-Heine/Weißer, 30. Aufl., § 27, Rn. 6; Jakobs, AT, § 22, Rn. 33 ff.; Jescheck/ Weigend, AT, § 64, S. 694; MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 27, Rn. 32; Kühl, AT, § 20, Rn. 214; Schild Trappe, Harmlose Gehilfenschaft?, 1995; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 49 ff. 830 Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 50 f. 831 Herzberg, GA 1971, 5 ff.; Krey/Esser, AT, § 32, Rn. 1079; Salamon, Vollendete und versuchte Beihilfe, 1968; Schaffstein, Honig-FS, S. 174, 184; Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 237 ff.; Vogler, Heinitz-FS, S. 295 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, AT, 43. Aufl., Rn. 582. 832 Herzberg, GA 1971, 7. 833 Schröder, JZ 1967, 522; ders., ZStW 81 (1969), 22; Vogler, Heinitz-FS, S. 309 ff. 834 Salamon, Vollendete und versuchte Beihilfe, S. 170 ff.; Schaffstein, Honig-FS, S. 169 ff.

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kung des Gehilfen beschränke sich nur auf die Hilfeleistung zur Herbeiführung eines fremden Strafunrechts, welches nicht unter der Tatherrschaft des Gehilfen, sondern unter der Beherrschung des Täters verwirklicht werde835. Von diesem Ausgangspunkt aus wird die Beihilfe (insb. die psychische Beihilfe) gegenüber Anstiftung und Mittäterschaft836 abgegrenzt. Die psychische Beihilfe soll sich von der Anstiftung dadurch unterscheiden, dass der Beitrag des Gehilfen zur Tatbestandsausführung im Gegensatz zur Mitwirkung des Anstifters, die vor dem Tatentschluss837 des Täters erfolgt, stattfindet, nachdem der Täter seinen Tatentschluss gefasst hat;838 der Beitrag des Gehilfen dient nur dazu, den Tatentschluss des Täters zu stärken839. Hingegen liege der wesentliche Unterschied zwischen Beihilfe und Mittäterschaft darin, dass das Bestehen der mittäterschaftlichen Beteiligung im Gegensatz zum Vorliegen der hilfeleistenden Mitwirkung die funktionale Tatherrschaft der Beteiligten bei der Erfüllung der Tatbestandselemente voraussetzt840. Im Unterschied dazu wird die Beihilfe zu den Pflichtdelikten als Beteiligung an einem Pflichtunrecht ohne Pflichtverletzung begriffen, da der Extraneus unabhängig vom Quantum seines Beitrags einem Sonderpflichtträger bei einer tatbestandserfüllenden Verletzung seiner außerstrafrechtlichen Sonderpflicht hilft841. Daraus ergebe sich, dass weder unmittelbare Täterschaft noch Mittäterschaft des Extraneus vorliege, wenn er mit ausschließlicher Herrschaft bzw. Mitherrschaft an einer vom Sonderpflichtträger verwirklichten tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Sonderpflichtverletzung teilnimmt. Dies sei etwa der Fall, wenn ein Intraneus einem dolosen Außenstehenden dient, um seine Sonderpflicht zu verletzen. Qualifikationslos ist in diesem Zusammenhang der unmittelbar handelnde Außenstehende, der wegen des Fehlens der besonderen persönlichen Eigenschaft nicht Täter eines Pflichtdelikts sein kann. Die Anwendung dieses Beihilfebegriffs führt zur Bestrafung des außenstehenden Vordermanns und des verpflichteten Hintermanns als Gehilfe bzw. mittelbarer Täter eines Pflichtdelikts842. Gegen die dargestellten Beihilfebegriffe gibt es mehrere Einwände, von denen nur die wesentlichen im Folgenden erläutert werden. Die Einwände gegen den ersten Beihilfebegriff, der die Beihilfe als rechtlich missbilligte Risikosteigerung versteht, wurden schon oben allgemein und indirekt erläutert, sodass hier nicht mehr detailliert darauf eingegangen zu werden braucht. Es 835

Roxin, AT II, § 26, Rn. 191. Hierfür siehe Cohn, Wie scheiden sich Mittäterschaft und Beihilfe, S. 23 ff.; Roxin, AT II, § 26, Rn. 191. 837 Dazu vgl. Puppe, GA 1984, 112 f.; Stein, Beteiligungslehre, S. 171 ff. 838 Hierzu siehe Osnabrügge, Die Beihilfe und ihr Erfolg, S. 161 ff.; Phelps, Psychische Beihilfe, S. 59 ff. 839 Tolsma, Beihilfe durch neutrale Handlungen, S. 12 f. 840 So Roxin, Miyazawa-FS, S. 505 ff.; ders., LK, § 27, Rn. 22. 841 LK-Roxin, 11. Aufl., § 27, Rn. 52. 842 Roxin, AT II, § 25, Rn. 275. 836

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sei allerdings darauf hingewiesen843, dass dieser Beihilfebegriff aus Sicht der Kritiker gegen die Grundlagen eines rechtsstaatlichen Strafrechts verstößt, da er neben anderen Nachteilen die individuelle Freiheit ungerechtfertigt beeinträchtigt. Der zweite Beihilfebegriff ist auch nicht zielführend, weil dieser Ansatz auf eine Rechtsgüterverletzung und Rechtsgefährdung verzichtet844, die Grundvoraussetzungen der Strafhaftung darstellen. Dies führt nach der Gegenmeinung zu einer gewaltigen Ausdehnung der Strafbarkeit der Teilnahme und verlasse den Boden des Strafrechts845. Gegen den Ansatz, der Beihilfe als Schaffung einer Gefährdung für ein Rechtsgut versteht, lässt sich einwenden, dass dieser Gesichtspunkt ebenso wenig mit dem Gesetz vereinbar ist846, da er bei allen Unterschieden im Einzelnen dazu neigt, „die versuchte Beihilfe“ als „vollendete Beihilfe“ zu bestrafen847. Dies sei gesetzwidrig, weil eine vorsätzliche Gefährdung, bei der der Vorsatz auf die Herbeiführung des Erfolges gerichtet ist, nichts anderes als eine versuchte Beihilfe sei. Aber diese ist im deutschen Strafrechtssystem straflos848. Besondere Bedeutung haben zwei Einwände849 gegen die von einzelnen Autoren im Bereich der Herrschafts- und Pflichtdelikte entwickelten zwei unterschiedlichen Beihilfebegriffe. Einerseits ist hervorzuheben, dass die Entwicklung zweier unterschiedlicher Beihilfebegriffe für die Herrschafts- und Pflichtdelikte gegen die in den §§ 27, 28 Abs. 1 dStGB geregelte gesetzliche Grundlage der Beihilfe verstößt, weil diese Strafvorschriften – die Zurechnungsnormen für alle Beihilfeformen enthalten – nicht zwischen dem Strafgrund der Beihilfe an den Herrschaftsdelikten und dem Strafgrund der Beihilfe an den Pflichtdelikten unterscheiden. Andererseits verletzt der bei den Pflichtdelikten entwickelte Beihilfebegriff den Grundsatz der subjektiven Verantwortlichkeit der Beihilfe, denn die Beihilfe des Extraneus an den Pflichtdelikten wird von diesen Autoren ohne das Vorliegen von Vorsatz beim Sonderpflichtträger (Haupttäter) begründet850. Nach der hier vertretenen Auffassung kann die Beihilfe – wie die Anstiftung – sowohl aus einem materiellen (ontologischen) Gesichtspunkt, als auch und vor allem aus einer normativen Betrachtung definiert werden. Im materiellen Sinne sei die Beihilfe die vorsätzliche Schaffung praktischer Voraussetzungen, welche die Be843

Ambos, JA 2000, 722; Wohlleben, Beihilfe durch äußerlich neutrale Handlungen, S. 96 ff. 844 Roxin, AT II, § 26, Rn. 195. 845 A. a. O. 846 Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 153. 847 Siehe Jakobs, AT, 2. Aufl., § 22, Rn. 35; Samson, Peters-FS, S. 132; Stein, Beteiligungslehre, S. 147 ff. 848 Renzikowski, Maurach-AT II, § 52, Rn. 1. 849 Eine ausführliche Erklärung dieser Einwände findet sich oben § 2 D.V. 850 Hinsichtlich der Begründung der Beihilfe des Extraneus an den Pflichtdelikten ohne das Vorliegen von Vorsatz beim Sonderpflichtträger vgl. Roxin, AT II, § 26, Rn. 37 – 40; ders., TuT, 10. Aufl., § 34, S. 409 ff.; LK, 11. Aufl., § 25, Rn. 209; ders., JZ 1966, 297; Stratenwerth, AT, Rn. 1079.

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gehung der Haupttat erleichtern oder unterstützen, denn der Gehilfe stellt gewissermaßen das „Material“ zur Deliktsausführung bereit851. Ihrerseits ist die Beihilfe aus einer normativen Sicht eine verhaltenspflichtwidrige Handlung852, nämlich ein eine Strafrechtspflicht verletzendes Verhalten (siehe unten § 9 B.III.; § 9 B.IV.). Dieser normative Beihilfebegriff hat viele Vorteile, da er nicht nur das Strafunrecht des Gehilfen kohärent und konsistent begründet, sondern auch eine deutliche Unterscheidung zwischen tatbestandsmäßigen (verbotenen) und nicht-tatbestandsmäßigen (erlaubten) Verhaltensweisen ermöglicht. b) Objektiver Tatbestand § 27 dStGB verlangt drei Komponenten zur Erfüllung des objektiven Beihilfetatbestands: das Vorliegen einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Haupttat, den Versuchsbeginn der Haupttat und die Hilfeleistung853. aa) Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat Diese Komponente des objektiven Beihilfetatbestands erfordert, dass der Haupttäter eine vorsätzlich begangene rechtswidrige Straftat i. S. v. § 11 Abs. 1 Nr. 5 dStGB verwirklichen muss. Dies bedeutet – wie bei der Anstiftung –, dass einerseits das fahrlässig-rechtswidrige Strafunrecht des Täters zur Straflosigkeit der Beihilfe führt854 und andererseits eine schuldhafte Handlung des Täters für die Begründung der Strafbarkeit der Beihilfe nicht erforderlich ist855; denn die §§ 27, 28 dStGB legen limitierte Voraussetzungen für die Strafbarkeit der Beihilfe fest, nämlich (nur) das Vorliegen eines vorsätzlich begangenen und rechtswidrigen Hauptunrechts, nicht dagegen aber ein schuldhaftes Verhaltens des Täters. An dieser Stelle sei angemerkt, dass es für die Strafbarkeit der Beihilfe unerheblich ist, ob der Täter den Beitrag des Gehilfen kennt856.

851 Auf diese Weise Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 125 f.; ders., Maurach-AT II, § 52, Rn. 3. 852 Ähnlich Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 259 ff., 262 ff., 269 ff. 853 Rengier, AT, § 45, Rn. 81; Renzikowski, Maurach-AT II, § 52, Rn. 3. 854 In gleichem Sinne Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 292; ders., Maurach-AT II, § 52, Rn. 1. Hingegen wird das Vorliegen einer strafbaren fahrlässigen Beihilfe durch die h. L. angenommen, vgl. Baumann/Weber/Mitsch, AT, 9. Aufl., § 8, Rn. 74; Haft, AT, 7. Aufl., S. 167; Gössel, Lange-FS, S. 224; Maurach/Gössel/Zipf, AT II, 7. Aufl., § 43, Rn. 117, § 47, Rn. 107. 855 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 29, Rn. 2; Renzikowski, Maurach-AT II, § 52, Rn. 3; LKRoxin, 11. Aufl., § 29, Rn. 1. 856 Heghmanns, GA 2000, 479; Roxin, Miyazawa-FS, S. 511; Schild Trappe, Harmlose Gehilfenschaft?, S. 137.

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bb) Beginn der Verwirklichung einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat Ebenso setzt der objektive Tatbestand der Beihilfe voraus, dass der Haupttäter den Versuch der Tatbestandsverwirklichung schon begonnen hat. Dies folgt aus dem Akzessorietätsprinzip der Beihilfe (Teilnahme857), das dem Bürger verbietet, Hilfe zu einem fremden Verhalten zu leisten, wenn dieses Verhalten selbst gegen strafrechtliche Pflichten verstößt, d. h., wenn der Versuch der Haupttat schon begonnen ist. Wie bei der Anstiftung liegt die gesetzliche Grundlage dieses Erfordernisses in den §§ 23 Abs. 1, 22 dStGB, nach denen im Vorbereitungsstadium stattfindende täterschaftliche und hilfeleistende Einwirkungen keine strafrechtliche Relevanz haben und daher straffrei sind. cc) Hilfeleistung zur Verwirklichung der Täterhaupttat In Übereinstimmung mit dem oben (§ 4 B.III.1.a)) bereits dargestellten Beihilfebegriff sind hier zwei Interpretationsansätze der Hilfeleistung zur Verwirklichung der Hauptstraftat zu erwähnen. Der erste Ansatz bezeichnet die Hilfeleistung als bloße Erleichterung oder Förderung der Hauptstraftat, denn aus Sicht der Rechtsprechung858 und eines Teils der deutschen Strafrechtslehre859 liegt der Strafunwert des Gehilfenverhaltens darin begründet, dass der erleichternde oder fordernde Beitrag des Gehilfen eine abstrakte Gefährdung für das geschützte Rechtsgut schafft. Dagegen definiert der zweite Standpunkt die Hilfeleistung als „rechtlich missbilligte kausale Solidarisierung860 des Gehilfen mit der Haupttat“ oder als „rechtlich missbilligte kausale Verursachung des Taterfolgs“861. Grundlage dieses Ansatzes ist, dass die Solidarisierung des Gehilfen mit dem Täterverhalten das Risiko der Haupttatherbeiführung auf rechtlich missbilligte Weise steigert862. Gegen den ersten Begriff der Hilfeleistung wenden die Kritiker zu Recht ein, dass dieser Ansatz auf eine Unterscheidung zwischen versuchter Beihilfe, Beihilfe zum Versuch und Beihilfe zur vollendeten Tat verzichtet863, was durch das Gesetz verboten ist. Denn der dargestellte Ansatz führt zu einer gesetzeswidrigen Erweiterung der Strafbarkeit der Beihilfe, da wegen der Konzentration auf die bloße Kausalität 857

Hierzu Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 103. Vgl. BGHSt 2, 129 (131); BGHSt 46, 107 (109); BGHSt 54, 140 (142 f.); NJW 2001, 2409 (2410); NJW 2004, 499 (500); BGH NJW 2007, 384 (388); NStZ 2012, 316. 859 Dazu vgl. Herzberg, GA 1971, 5 ff.; Krey/Esser, AT, § 32, Rn. 1079; Theile, Tatkonkretisierung und Gehilfenvorsatz, S. 50; Wessels/Beulke/Satzger, AT, 43. Aufl., Rn. 582. 860 Siehe Schild/Trappe, Harmlose Gehilfenschaft?, 199; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 51 ff. 861 Vgl. StGB-Fischer, 68. Aufl., § 27, Rn. 14a; SSK-Heine/Weißer, 30. Aufl., § 27, Rn. 6; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 64, S. 694; MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 27, Rn. 32; Kühl, AT, § 20, Rn. 214; Samson, Peters-FS, S. 132 ff.; Spendel, Dreher-FS, S. 169. 862 Jescheck/Weigend, AT, 694. 863 Renzikowski, Maurach-AT II, § 52, Rn. 2; Rogat, Die Zurechnung bei der Beihilfe, S. 24; Roxin, AT II, § 26, Rn. 190. 858

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des Beitrags viele durch das dStGB als straflose Handlungsformen zu bewertende Beihilfeformen strafbar wären864. Auch der zweite Interpretationsansatz ist nicht zielführend, da dieser wegen des Erfordernisses eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten des Gehilfen und der Verwirklichung der Haupttat nur auf Begehungsdelikte865 angewendet werden kann. M. a. W. ist es nicht möglich, den zweiten Hilfeleistungsbegriff auf die Unterlassungsdelikte anzuwenden, weil im Bereich der Unterlassungsdelikte entweder keine Kausalität besteht oder die vorliegende vermutete Kausalität normativ nicht nachzuweisen ist. Nach dem in dieser Forschung eingenommenen normativen Standpunkt muss die Betrachtung des hilfeleistenden Verhaltens des Gehilfen nicht an einen empirischobjektiven Kausalzusammenhang866, sondern an eine normativ teleologische Bewertung geknüpft werden. Anders formuliert ist es erforderlich, die Bestimmung der Hilfeleistung den normativen Kriterien der objektiven Zurechnung zu unterwerfen867. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Hilfeleistung als ein unerlaubtes oder verbotenes Verhalten begreifen, denn es trägt pflichtwidrig zur Erreichung der Unrechtsverwirklichung bei. Daraus resultieren zwei Schlussfolgerungen: einerseits liegt keine Hilfeleistung im Sinne der §§ 27, 28 Abs. 1 dStGB vor, wenn die die Verwirklichung der Hauptstraftat unterstützenden Handlungen die normativen Voraussetzungen der objektiven Zurechnung nicht erfüllen – etwa wenn solche Beiträge im Rahmen des erlaubten Risikos868, der so genannten neutralen Handlungen869, des Vertrauensgrundsatzes, der Ausübung beruflicher Tätigkeiten870 usw. liegen. Andererseits besteht eine strafrechtlich verbotene Hilfeleistung, wenn die Mitwirkung trotz Nichtvorliegens eines empirischen Kausalzusammenhangs die normativen Merkmale der objektiven Zurechnung erfüllt. c) Subjektiver Tatbestand Wie bei dem subjektiven Tatbestand der Anstiftung verlangt das deutsche Beteiligungssystem auch beim subjektiven Tatbestand der Beihilfe einen doppelten 864

So SSK-Heine/Weißer, 30. Aufl., § 27, Rn. 6; Kühl, AT, § 20, Rn. 220; Roxin, AT II, § 26, Rn. 190. 865 Andere Einwände gegen diesen Ansatz finden sich oben (§ 4 B.III.1.a)), denn die dort gegen die „akzessorietätsorientierte kausale Verursachungstheorie der Teilnahme“ formulierten Einwände sind auch auf den kausalen Begriff der Hilfeleistung auszuweiten. 866 So Osnabrügge, Die Beihilfe und ihr Erfolg, S. 25. 867 Ähnlich StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., § 27, Rn. 2a; Rogat, Die Zurechnung bei der Beihilfe, S. 23 ff. 868 Auf diese Weise Otto, ZKredW 1994, S. 775 f.; ders., Lenckner-FS, S. 193, 200; Schmoller, Triffterer-FS, S. 223, 246; Wohlers, NStZ 2000, 169, 173. 869 Hinsichtlich dieser Problematik siehe Amelung, Grünwald-FS, S. 9 ff.; Beckemper, Jura 2001, 163 ff.; Ambos, JA 2000, 721 ff.; Renzikowski, Maurach-AT II, § 52, Rn. 30 ff.; Tolsma, Beihilfe durch neutrale Handlungen, S. 3 ff. 870 StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., § 27, Rn. 2a; Otto, Amelung-FS, S. 225, 232; Puppe, Die Erfolgszurechnung, S. 151.

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Vorsatz871, nämlich die Kenntnis von der Herbeiführung eines vorsätzlichen und rechtswidrigen Hauptunrechts und die Kenntnis, dass das eigene Verhalten zur Verwirklichung der vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat beiträgt. Dabei reicht der „dolus eventualis“872 zur Annahme des Gehilfenvorsatzes aus; d. h., gemäß § 27 dStGB ist es strafrechtlich irrelevant, wenn der Gehilfe ohne Absicht oder ohne besondere Billigung der Tat handelt. aa) Vorsatz bezüglich der vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat Dieses Merkmal des subjektiven Beihilfetatbestands unterwirft die Strafbarkeit der Beihilfe der Kenntnis des Gehilfen hinsichtlich des Vorliegens einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat873. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 dStGB, der verlangt, dass der Gehilfe das vorsätzlich-rechtswidrige Hauptunrecht kennen muss, um seinen Beitrag zur Verwirklichung der Haupttat als strafrechtlich relevant zu bewerten. Wie bei der Anstiftung bezieht sich die Kenntnis des Gehilfen nicht auf alle Merkmale der Haupttat, sondern nur auf die wesentlichen objektiven und subjektiven Tatbestandselemente des Hauptunrechts874, die die jeweiligen Straftatbestände begründen oder die Strafe verschärfen. Allerdings sind die Anforderungen an die Kenntnis der Details der Haupttat nach Auffassung der deutschen Rechtsprechung875 und eines Sektors der Strafrechtswissenschaft876 bei der Beihilfe geringer als bei der Anstiftung. Dies bedeutet indes nicht, dass der Vorsatz des Gehilfen sich auch darauf zu erstrecken braucht, wer, an wem, wann, wo und wie die Hauptstraftat begangen wird877. Daraus ergibt sich, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Gehilfen nur so weit geht, wie seine Kenntnisse von der Haupttat

871 Dazu vgl. Geppert, Jura 1999, 266, 273; SK-Hoyer, 9. Aufl., § 27, Rn. 34; StGBLackner/Kühl, 29. Aufl., § 26, Rn. 7; Roxin, AT II, § 26, Rn. 270; Satzger, Jura 2008, 514; LKSchünemann, 12. Aufl., § 27, Rn. 54. 872 In die gleiche Richtung BGHSt 2, 279 (280); BGH NJW 1996, 677, wistra 1993, S. 181 f. In der deutschen Strafrechtslehre vertreten diese These SSK-Heine/Weißer, 30. Aufl., § 27, Rn. 19; StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., § 27, Rn. 7; Rogat, Die Zurechnung bei der Beihilfe, S. 164; Roxin, AT II, § 26, Rn. 268; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 27, Rn. 54. 873 Theile, Tatkonkretisierung und Gehilfenvorsatz, S. 74 ff. 874 Bay, NJW 1991, S. 2582; MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 27, Rn. 96; Kühl, AT, § 20, Rn. 242; Wild, JuS 1992, 911. 875 Vgl. dazu etwa BGH 13. 5. 1966 – 4 StR 156/66 (= GA 1967, 115); BayObLG 27. 3. 1991 – Rreg 4 St 198/90 (= NJW 1991, 2582); BGHSt 42, 135. Eine Analyse und teilweise Bejahung dieser Rechtsprechung findet sich u. a. in: Büscher, JuS 1998, 384; Fahl, JA, 1997, 11; Kindhäuser, NStZ 1997, 273; Kretschmer, Jura 2008, 268; Roxin, JZ 1997, 210. 876 Etwa LK-Schünemann, 12. Aufl., Band 1, § 27, Rn. 56. 877 So SK-Hoyer, 9. Aufl., § 27, Rn. 34; MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 27, Rn. 96; Roxin, AT II, § 26, Rn. 272; LK-Schünemann, 12. Aufl., Band 1, § 27, Rn. 56. Im Bereich der deutschen Rechtsprechung siehe BGH 13. 5. 1966 – 4 StR 156/66 (= GA 1967, 115); BayObLG 27. 3. 1991 – Rreg 4 St 198/90 (= NJW 1991, 2582); BGHSt 42, 135.

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reichen878, so dass seine Strafhaftung ausgeschlossen ist, wenn er die objektiven oder subjektiven Tatbestandselemente des Hauptunrechts nicht kennt879. Der Gehilfenvorsatz (Gehilfenkenntnis) in Bezug auf das Vorliegen des vorsätzlichen und rechtswidrigen Hauptunrechts spielt eine besondere Rolle im Bereich der erfolgsqualifizierten Delikte, der mehraktigen Delikte und der Delikte mit rechtsbezogenen Absichtsmerkmalen. Bei den erfolgsqualifizierten Delikten fordern die §§ 27 Abs. 1, 18 dStGB, dass der Gehilfe wenigstens mit „Fahrlässigkeit“880 bezüglich der schweren Folge handelt, um ihm die qualifizierte Folge zurechnen zu können; anderenfalls, nämlich bei mangelnder Voraussehbarkeit der schweren Folge, ist die Zurechnung des erfolgsqualifizierten Delikts ausgeschlossen und der Gehilfe ist nur für das Grunddelikt verantwortlich881. Gleiches gilt für den Beitrag des Gehilfen zur Verwirklichung eines mehraktigen Hauptunrechts, d. h., der Gehilfe muss mit Vorsatz im Hinblick auf alle Akte des Hauptunrechts handeln, um ihm alle Akte der Haupttat zuzurechnen; die Kenntnis des Gehilfen nur hinsichtlich eines Teilaktes verhindert, dem Gehilfe diejenigen Teilakte zuzurechnen, die ihm unbekannt waren. Schließlich ist es bei den Delikten mit rechtsbezogenen Absichtsmerkmalen – etwa §§ 242, 263 und 211 3. Alt. – erforderlich, dass die Mitwirkung des Gehilfen an der Haupttat in Kenntnis der Zueignungsabsicht, Bereicherungsabsicht bzw. Habgier des Haupttäters erfolgt. Das Erfordernis des bedingten Vorsatzes als Mindestvoraussetzung des subjektiven Tatbestandes der Beihilfe impliziert die Verneinung der Strafbarkeit der dolosen Beihilfe zu einer fahrlässigen Haupttat. Grund dafür ist, dass das deutsche Beihilfesystem (§§ 27, 28 dStGB) die genannte Beihilfeform nicht kriminalisiert. Darüber hinaus kommt mittelbare Täterschaft in Betracht, wenn der Hintermann den Tatbestandsirrtum des Vordermannes kennt und durch deren Ausnutzung in der Person des Vordermannes eines Strafunrechts verwirklicht. bb) Vorsatz bezüglich der Förderung der vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat Im Unterschied zum bereits dargestellten anderen subjektiven Tatbestandselement der Beihilfe unterwirft das hier darzustellende subjektive Tatbestandsmerkmal die Strafbarkeit der Beihilfe der Kenntnis des Gehilfen darüber, dass sein Verhalten zur Herbeiführung des vorsätzlich-rechtswidrigen Hauptunrechts beiträgt. M. a. W. ist es zur Strafbarkeit der Beihilfe unerlässlich, dass der Gehilfe sein Verhalten als 878

Renzikowski, Maurach-AT II, § 52, Rn. 54. Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 64, S. 695; Roxin, AT II, § 26, Rn. 268. 880 Vgl. Rengier, AT, § 55, Rn. 1 ff.; Renzikowski, Maurach-AT II, § 52, Rn. 53; Roxin, AT I, 5. Aufl., § 10, Rn. 108. 881 Hierfür siehe MüKoStGB-Hardtung, Band 1, 3. Aufl., § 18, Rn. 63; Jakobs, AT, § 22, Rn. 29; Kudlich, JA 2000, 514 ff.; MRK-StGB-Haas, § 26, Rn. 21; Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 255 f. 879

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Förderung der Verwirklichung der Haupttat einschätzt, so dass kein Förderungsvorsatz und daher keine strafbare Beihilfe vorliegen, wenn der Gehilfe den Beitrag seines Verhaltens zur Ausführung der Haupttat nicht kennt; denn das dStGB sieht die Strafbarkeit der fahrlässigen Beihilfe nicht vor. Um die sich aus der gesetzlichen Straflosigkeit fahrlässiger Beihilfe ergebenden Strafbarkeitslücken zu vermeiden, greift die h. L. zum Teil auf die umstrittene Anwendung fahrlässiger Täterschaft zurück. Im Hinblick darauf betrachtet die Strafrechtslehre den fahrlässigen Gehilfen in manchen Fällen – ausnahmweise – als Täter eines Fahrlässigkeitsdelikts882. Bei allen anderen Fällen vorsätzlich handelnder Täter ist der fahrlässig Beiträge Leistende dagegen straflos, da die Zurechnung zu dem Gehilfen dann an dem ausschließlichen Verantwortungsbereich des unmittelbar vorsätzlich handelnden Schädigers scheitert. 2. Dogmatische Erscheinungsformen der Beihilfe Es gibt Fallkonstellationen, in denen sich die Beihilfe in unterschiedlichen ontologischen Formen äußert, die indes wegen bestimmter gesetzlicher Regelungen normativ gleich behandelt werden müssen. Zu nennen ist die Beihilfe in Tateinheit (§ 52 dStGB) und Tatmehrheit (§ 53 dStGB), die mittäterschaftliche Beihilfe, die Nebenbeihilfe, die mittelbare Beihilfe, die physische Beihilfe, die psychische Beihilfe, die sukzessive Beihilfe883 und insbesondere die Beihilfe an den Sonderpflichtdelikten. Die Annahme von Tateinheit bzw. Tatmehrheit hängt von der Anzahl der Beihilfehandlungen und dem jeweiligen Hauptunrecht ab884. So liegt Tateinheit vor, wenn der Gehilfe entweder mit einer einzigen Hilfeleistung zur Verwirklichung mehrerer rechtswidriger Haupttaten beiträgt885 oder mit mehreren Beiträgen die Ausführung einer einzigen Haupttat unterstützt886. Dies ergibt sich daraus, dass sich die Strafbarkeit der Beihilfe wegen ihrer akzessorischen Rechtsnatur887 sowohl bei einem einzigen Beitrag zur Herbeiführung mehrerer Haupttaten als auch bei meh882 Siehe hierfür Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 64, III 2d, S. 695; MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 27, Rn. 95; LK-Schünemann, 12. Aufl., Band 1, § 27, Rn. 55. 883 Vgl. dazu ausführlich Lesch, Das Problem der sukzessiven Beihilfe, S. 19 ff., 69 ff., 263 ff. 884 LK-Roxin, 11. Aufl., § 27, Rn. 54; ders., AT II, § 26, Rn. 285. 885 Heghmanns, Roxin-FS II, S. 868; SSK-Heine/Weißer, 30. Aufl., § 27, Rn. 42; SKHoyer, § 27, Rn. 38; MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 27, Rn. 110; LK-Roxin, 11. Aufl., § 27, Rn. 54; ders., AT II, § 26, Rn. 285. Hierfür siehe auch die deutsche Rechtsprechung: wistra 2006, S. 226; wistra 2004, S. 417; NStZ 2000, 83; NStZ 1999, 451. 886 Baumann/Weber/Mitsch, AT, 9. Aufl., § 31, Rn. 41; Heghmanns, Roxin-FS II, S. 876 ff.; SK-Hoyer, § 27, Rn. 38; MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 27, Rn. 111; Roxin, AT II, § 26, Rn. 285. Auch der BGH vertritt diese These, vgl.: NStZ 2015, 226; NStZ-RR 2015, 113; NStZ 2014, 180; wistra 2014, S. 309; wistra 2014, S. 437; NStZ 2013, 102; NStZ-RR 2008, 386, S. 147. 887 LK-Roxin, 11. Aufl., § 27, Rn. 54; ders., AT II, § 26, Rn. 285.

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reren Beihilfehandlungen zur Verwirklichung einer einzigen Strafhaupttat auf das Hauptunrecht des Täters bezieht. Genannt sei etwa der Fall, in dem eine Person an eine andere vorsätzlich eine Kiste Einbruchswerkzeuge verkauft, welches sofort an Einbrecherbanden verteilt wird888. In diesem Fall liegt nur eine Beihilfe vor, da der Gehilfe gemäß den Regeln der „Idealkonkurrenz“ (§ 52 dStGB) nur eine einzige strafrechtliche Handlung unternommen hat. Die Tatmehrheit liegt dagegen vor, wenn der Gehilfe mit mehreren Hilfeleistungen mehrere Haupttaten oder unabhängig voneinander agierende Nebentäter unterstützt889. Im Gegensatz dazu liegt nur eine Beihilfe vor, wenn sich mehrere Unterstützungshandlungen des Gehilfen auf die Verwirklichung eines einzigen Hauptunrechts in Form der Mittäterschaft beziehen890. Die mittäterschaftliche Beihilfe (Beihilfe in Mittäterschaft) liegt vor, wenn die Hilfeleistungen der Beteiligten die allgemeinen Voraussetzungen der Mittäterschaft erfüllen891. Etwa liegt eine mittäterschaftliche Beihilfe in dem Fall vor, in dem mehrere Gehilfen durch arbeitsteiliges Zusammenwirken die Herbeiführung des vorsätzlich-rechtswidrigen Hauptunrechts fördern892. Hingegen handelt es sich um eine nebentäterschaftliche Beihilfe (Beihilfe in Nebentäterschaft), wenn mehrere Gehilfen unabhängig voneinander zur Haupttatausführung Hilfe leisten893. Schließlich wird eine Beihilfe in mittelbarer Täterschaft (nämlich strafbare Beihilfe) angenommen, wenn das Verhalten des Gehilfen aus einer ontologischen Betrachtung die konstituierenden Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft erfüllt, d. h. wenn der Gehilfe seinen Beitrag zur Herbeiführung der Hauptstraftat durch ein instrumentalisiertes vorsatzloses Werkzeug leistet. Etwa fördert A einen Diebstahl des B, indem das Verhalten des A darin besteht, dass er dem Nachwächter C mit dem Tode droht, wenn dieser dem B nicht seinen Nachschlüssel zum Kaufhaus überlässt. In diesem Fall ist A wegen Beihilfe in mittelbarer Täterschaft zum Diebstahl zu bestrafen894. Hinsichtlich der mittelbaren Beihilfe ist zu erwähnen, dass ebenso auch eine strafbare Beihilfe in mittelbarer Nebentäterschaft, in mittelbarer Mittäterschaft usw. möglich ist. Hinsichtlich der „physischen“ und „psychischen Beihilfe“ lässt sich festhalten, dass diese Beihilfeformen wie folgt charakterisiert sind: als „physische Beihilfe“ werden hilfeleistenden Handlungen verstanden, in denen entweder ein der Verwirklichung der Haupttat dienliches Bewirkungsverhalten oder eine Veränderung der die Hauptstraftat konstituierenden oder fördernden Bedingungen vorliegt895 ; die „psychische Beihilfe“ wird hingegen als unterstützende Bestärkung von Tatplan, 888

Roxin, AT II, § 26, Rn. 285. MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 27, Rn. 120; Roxin, AT II, § 26, Rn. 286; LKSchünemann, 12. Aufl., § 27, Rn. 68. 890 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 27, Rn. 68. 891 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 27, Rn. 70. 892 LK-Roxin, 11. Aufl., § 27, Rn. 58. 893 LK-Roxin, 11. Aufl., § 27, Rn. 59; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 27, Rn. 71. 894 LK-Roxin, 11. Aufl., § 27, Rn. 560; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 27, Rn. 72. 895 StGB-Fischer, 68. Aufl., § 27, Rn. 10. 889

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Tatentschluss oder Tatausführungswillen des Täters896 begriffen, da sich die „psychische Beihilfe“ auf das subjektive Verhältnis des Haupttäters zu der Verwirklichung des Hauptunrechts bezieht. Zum Schluss soll die Beihilfe an (Sonder-)Pflichtdelikten erläutert werden. In Bezug auf diese Problematik lässt sich festhalten, dass Beihilfe angenommen wird, wenn ein Extraneus einem positiv Verpflichteten Hilfe zur tatbestandserfüllenden Verletzung seiner Sonderpflicht leistet897. Die Annahme strafbarer Teilnahme an Sonderpflichtdelikten ist unabhängig davon, ob die ontologische Herrschaft während der Tatbestandsverwirklichung vom Extranen oder Intranen ausgeübt wird. Dem ist so, weil es irrelevant ist, ob der Extraneus einen untergeordneten Beitrag zum Erfolg leistet oder im Dienste des Sonderpflichtträgers den gesamten äußeren Erfolg verursacht898. Dies bedeutet, dass der Extraneus stets als Gehilfe (und nie als Mittäter) haftet, wenn er mit einem Intraneus den Tatbestand eines Pflichtdelikts verwirklicht. So wäre der Extraneus Gehilfe einer Aussageerpressung (§ 343 dStGB)899, wenn er ohne Herrschaft bei der Tatbestandsverwirklichung einem Beamten die Pistole besorgt, die dieser einsetzt, um einen Bürger zu nötigen, in einem Verfahren etwas auszusagen, zu erklären oder dies zu unterlassen. Ebenso wäre der Extraneus Gehilfe zu einer Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses (§ 206 dStGB)900, wenn er sich mit dem zuständigen Postbeamten und in arbeitsteiliger Mitherrschaft an der Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses beteiligt. Schließlich wäre der Extraneus Gehilfe zu einer Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 Abs. 1 dStGB), wenn er mit Hilfe von einem Arzt – d. h. mit unmittelbarer und ausschließlicher Herrschaft – das Wissen um gesundheitliche Probleme eines durch den Arzt behandelten Patienten verbreitet. Die Sonderpflichtträger wären ihrerseits Täter einer Aussageerpressung, Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses bzw. einer Verletzung von Privatgeheimnissen901. 3. Sonstiges zur Beihilfe Eine umstrittene Problematik der Beihilfe ist zweifellos der Zeitraum, in dem die Beiträge des Gehilfen erbracht werden müssen. Die Strafrechtswissenschaft lässt strafbare Hilfeleistungen grundsätzlich in der Vorbereitungs-, Vollendungs- und Beendigungsphase der Straftat zu. Es gibt kaum Widerstand gegen die Annahme

896

Hierfür siehe Otto, Lenckner-FS, S. 198; Charalambakis, Roxin-FS, S. 625, 633 ff. LK-Roxin, 11. Aufl., § 27, Rn. 52. 898 Vgl. Nagler, Die Teilnahme an Sonderverbrechen, S. 129; Sanchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, § 9, S. 149. 899 Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 393. 900 Dieses Delikt wurde durch § 354 a. F. des StGB geregelt. Vgl. Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 400; Sanchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, § 10, S. 178. 901 Sanchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, § 9, S. 149. 897

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einer strafbaren Beihilfe im Falle von im Vorbereitungs-902 und Vollendungsstadium verwirklichten Beiträgen. Allgemein lässt sich festhalten, dass für die in der Vorbereitungsphase erfolgende Beihilfe verlangt wird, dass die Wirkung der Hilfeleistung wenigstens bis ins Vollendungsstadium andauert, d. h. bis zum Beginn des Versuchs903. Dagegen werden die während der Ausführung der Strafhaupttat vorgenommenen Beiträge auch dann als Beihilfe betrachtet, wenn die Beiträge wenig bedeutsam für die Verwirklichung des Hauptunrechts sind904. Problematisch ist hingegen das Vorliegen einer Beihilfe, wenn die Beiträge erst während des Beendigungsstadiums erbracht werden. Sowohl die deutsche Rechtsprechung905 als auch ein Teil der deutschen Strafrechtslehre906, nehmen auch hier eine strafbare Beihilfe an. Von Gesetzes ist es wegen unmöglich, die nach der Tatbestandsverwirklichung (Tatbestandsvollendung) zugunsten des Täters vorgenommenen Handlungen des Gehilfen als Beihilfe zu bewerten. M. a. W. kann Beihilfe nur im Vorbereitungs- und Vollendungsstadium erfolgen907; daher müssen/dürfen die in der Beendigungsphase erfolgten Hilfeleistungen nur gemäß den §§ 257, 258 dStGB (Art. 298, 300 sStGB) bestraft werden. Schließlich kann in Bezug auf die im deutschen Strafrechtssystem geregelte Beihilfe das Folgende konstatiert werden: a) Es ist möglich, Beihilfe durch Unterlassen908 zu verwirklichen, b) die Beihilfe zum Versuch ist strafbar,909 c) die versuchte Beihilfe ist straflos910, d) Beihilfe zur Anstiftung und Beihilfe zur Beihilfe sind strafbare Formen der Beihilfe zur Haupttat911, e) die Bestimmung von Tatzeit und Tatort der Beihilfe werden entsprechend den oben (§ 4 B.I.3.) bereits dargestellten Grundsätzen ermittelt, welche in den §§ 8, 9 Abs. 2 dStGB geregelt sind.

902

StGB-Fischer, 68. Aufl., § 27, Rn. 5. MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 27, Rn. 17. 904 Roxin, AT II, § 26, Rn. 255. 905 BGH 6, 248; NStZ 1999, 609; NStZ 2003, 33, 85; NJW 1985, 2014; wistra 1996, 184; wistra 2002, 255; wistra 2008, 21. 906 Bottke, Täterschaft und Gestaltungsherrschaft, 1992; ders., JA 1980, 379; Jescheck/ Weigend, AT, § 64 II 2; SK-Hoyer, § 27, Rn. 17; Krey/Esser, AT, § 32, Rn. 1088; Kindhäuser, AT, § 42, Rn. 27; Kühl, Roxin-FS, S. 679 f.; Roxin, AT II, § 26, Rn. 263; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 27, Rn. 8 ff.; Vogler, ZStW 98 (1986), 339. 907 Rengier, AT, § 45, Rn. 124; Renzikowski, Maurach-AT II, § 52, Rn. 47; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 27, Rn. 38 ff. 908 Hierfür siehe Cortes Rosa, ZStW 90 (1978), 413 ff.; Haake, Die Handlungs-Beihilfe, S. 65 ff.; SSK-Heine/Weißer, 30. Aufl., § 27, Rn. 34; StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., § 27, Rn. 5; Ranft, ZStW 97 (1985), 283 ff.; SK-StGB-Rudolphi, § 13, (Vor) Rn. 16; Schünemann, StV 1985, 232; Sering, Beihilfe durch Unterlassen, S. 133 ff. 909 Renzikowski, Maurach-AT II, § 52, Rn. 21. 910 SSK-Heine/Weißer, 30. Aufl., § 27, Rn. 40; StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., § 26, Rn. 9. 911 StGB-Fischer, 68. Aufl., § 26, Rn. 19. 903

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IV. Strukturelemente und Erscheinungsformen der Beihilfe im spanischen Strafrechtssystem 1. Allgemein Das sStGB differenziert zwischen „erforderlicher“ und „einfacher“ Beihilfe. Diese Unterscheidung ergibt sich aus dem unterschiedlichen Quantum des Beitrags zur Verwirklichung des Haupttatbestandes, was den spanischen Gesetzgeber zur Bestrafung des „erforderlichen“ bzw. „einfachen“ Gehilfen mit einer schweren bzw. gemilderten Strafe veranlasst. 2. Gesetzliche Erscheinungsformen der Beihilfe a) „Erforderliche Beihilfe“ kraft maßgeblicher Mitwirkung an einer rechtswidrigen Tatbestandsherbeiführung (Art. 28 Abs. 2b StGB) Das sStGB definiert die „erforderliche Beihilfe“ als wesentliche Mitwirkung an der Ausführung einer Straftat, ohne die das Strafunrecht nicht verwirklicht worden wäre912. Daraus schließt die spanische Strafrechtswissenschaft, dass eine erforderliche Beihilfe anzunehmen ist, wenn die Mitwirkung des Gehilfen eine maßgebliche Rolle für die Begehung der Straftat spielt913, so dass die Mitwirkung des Gehilfen das Risiko der Rechtsgutsverletzung im erhöhten Maße intensiviert914. Sodann ist „erforderlicher“ Gehilfe sowohl, wer einen Beitrag in der Vorbereitungsphase915 des Delikts leistet, der aus einer ex ante Betrachtung916 eine bedeutsame Rolle für die Verwirklichung der Hauptstraftat spielt917, als auch, wer einen Beitrag im Vollendungsstadium erbringt, der weder die Voraussetzungen der Mittäterschaft noch die Erfordernisse der „einfachen Beihilfe“ erfüllt918. Vor diesem Hintergrund konzipiert der spanische Gesetzgeber den „erforderlichen Gehilfen“ als Täter und begründet dessen entsprechend verschärfte Bestrafung gegenüber dem einfachen Gehilfen. Dies und insbesondere die Anwendung desselben abstrakten Strafrahmens für die Täterschaft und die „erforderliche Beihilfe“ bedeutet jedoch nicht, dass die „erforderliche Beihilfe“ eine Täterschaftsform ist, denn Täterschaft und „erforderliche Beihilfe“ weisen unterschiedliche Charakteristika auf. Die „erforderliche Beihilfe“ ist eine zwischen der Täterschaft und der einfachen Beihilfe einzuordnende Betei912 Diez Ripollés, PG, 4. Aufl., S. 390; Pérez Alonso, ZStW 117 (2005), 446; Stein, Regelungen von Täterschaft und Teilnahme, S. 162. 913 Diez Ripollés, PG, 4. Aufl., S. 390; Pérez Alonso, ZStW 117 (2005), 446. 914 Pérez Alonso, ZStW 117 (2005), 447. 915 Gómez Rivero, LL (1996), 1627; López Barja, Autoría y participación, S. 80 f.; Munoz Conde/Gracía Arán, PG, S. 455 f.; Pérez Alonso, La coautoría, S. 236 ff. 916 Diez Ripollés, PG, 4. Aufl., S. 393; Pérez Alonso, ZStW 117 (2005), 444. 917 Pérez Alonso, La coautoría y la complicidad necesaria, S. 431. 918 Pérez Alonso, La coautoría y la complicidad necesaria, S. 431 f.

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

ligungsform, die weder die Voraussetzungen der Täterschaft noch die Erfordernisse der einfachen Beihilfe erfüllt. Im Gegensatz zum Täter, der in der Regel eine arbeitsteilige und entscheidende Tätigkeit während der Straftatherbeiführung ausübt, leistet der „erforderliche Gehilfe“ seine maßgebliche Mitwirkung zur Tatbestandsverwirklichung allgemein im Vorbereitungsstadium und nur ausnahmsweise in der Ausführungsphase. Dies zeigt, dass dem „erforderlichen“ Gehilfen keine täterschaftliche Mitwirkung an der Straftatverwirklichung zukommt, denn er bestimmt nur das „Ob“ aber nicht das „Wie“ und das „Wann“ der Tatausführung“919. Zur Unterscheidung von erforderlicher Beihilfe und Mittäterschaft haben die spanische Strafrechtswissenschaft920 und Rechtsprechung921 drei Theorien entwickelt: Die Theorie der conditio sine qua non behauptet, dass die „erforderliche Beihilfe“ gebildet wird, wenn ein Verhalten zur Straftatverwirklichung beiträgt, ohne das die Straftat nicht begangen worden wäre. Die Theorie der knappen Güter geht davon aus, dass die „erforderliche Beihilfe“ dann erfolgt, wenn der Beteiligte mit einem für den Täter nur schwer zu erlangenden Beitrag zur Deliktsverwirklichung beiträgt. Schließlich liegt erforderliche Beihilfe nach der Tatherrschaftslehre vor, wenn der Beteiligte durch den Entzug seines Tatbeitrags die Verwirklichung der Straftat verhindern kann. Diese Ansätze spiegeln sich im folgenden Fall wider: L hatte die faktische Kontrolle über eine Unternehmensgruppe, darunter die Firma SIMOB. Die von L geführte Unternehmensgruppe kaufte das Unternehmen TALLERES AGO. Durch diesen Kauf leitete L tatsächlich die Firma TALLERES AGO und G, die Gesellschafterin und Geschäftsführerin von SIMOB war, hatte im Auftrag von L Zugriff auf das TALLERES AGO-Konto. Als solche übte G Buchhaltungsfunktionen aus, nahm die von den Ago-Mitarbeitern versandten Rechnungen entgegen, stellte auf den Namen von SIMOB Rechnungen aus und stellte diese CAF922 in Rechnung. Durch diese Handlungen wurden 5 Prozent der von AGO in Rechnung gestellten Rechnungen auf das Bankkonto der Firma SIMOB umgeleitet. Aus Sicht des sTS hätte G aufgrund ihrer herausragenden Stellung als alleinige Geschäftsführerin des Unternehmens SIMOB die Verwirklichung des Unterschlagungstatbestands verhindern können und tat dies nicht, sondern trug hingegen wesentlich zu dessen Verwirklichung bei. Ausgehend davon behauptet der sTS, dass der Beitrag von G für die Ausführung der Unterschlagung erforderlich war und daher die strafrechtliche 919

Pérez Alonso, ZStW 117 (2005), 446. Gimbernat, Autor y cómplice, S. 151 ff., 167 ff. 921 Zu den verschiedenen genannten Theorien, die der sTS verwendet, um die „erforderliche“ Beihilfe von anderen Beteiligungsformen zu unterscheiden, siehe STS 245/2003 v. 21. 2. 2003; 590/2004 v. 6. 5. 2004; 1159/2004 v. 28.10. 2004; 699/2005 v. 6. 6. 2005; 1315/2005 v. 10. 11. 2005; 891/2006 v. 22. 9. 2006; 575/2007 v. 9. 6. 2007; 856/2007 v. 25. 10. 2007; 786/2011 v. 20. 7. 2011; 927/2013 v. 11. 12. 2013; 23/2015 v. 4. 2. 2015; 487/2015 v. 20. 7. 2015; 519/2015 v. 23. 9. 2015; 415/2016 v. 17. 5. 2016; 1144/2018 v. 20. 3. 2018. 922 CAF war der Hauptkunde der Firma TALLERES AGO S.L., gl. dazu STS 1144/2018 v. 20. 3. 2018. 920

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Verantwortlichkeit von G als „erforderliche“ Gehilfin zur Unterschlagung begründete923. b) „Bloße Beihilfe“ kraft maßgeblicher Mitwirkung an der rechtswidrigen Tatbestandsherbeiführung (Art. 29 StGB) Im Unterschied zu Art. 28 Abs. 2b normiert Art. 29 sStGB die einfache Beihilfe als die Mitwirkung am Straftatvollzug, die einerseits durch frühere oder gleichzeitige Beiträge erfolgen kann und andererseits nicht wesentlich für die Tatbestandsherbeiführung ist924. Daher sind „einfache Gehilfen“ diejenigen, deren Mitwirkungshandlungen im Gegensatz zu denen der „erforderlichen Gehilfen“ keine unentbehrliche Bedeutung aufweisen, sondern letztlich ersetzbar sind925. Denn diese Beiträge entscheiden weder über das „Ob“, noch über das „Wann“ und das „Wie“ der Tatbestandsverwirklichung; die Beiträge des „einfachen Gehilfen“ intensivieren die Tatbestandsverwirklichung oder sichern diese lediglich ab. Vor diesem Hintergrund begründet der spanische Gesetzgeber die gemilderte Bestrafung des einfachen Gehilfen damit, dass die Beiträge des einfachen Gehilfen das geschützte Rechtsgut mit einer geringeren Intensität verletzen, so dass das Risiko einer Rechtsgutverletzung weniger verstärkt wird926. Angesichts dessen hat die spanische Strafrechtslehre die „bloße Beihilfe“ als diejenige Mitwirkung an der Verwirklichung des Delikts definiert, die nicht als „erforderliche Beihilfe“ betrachtet werden kann. Beispiele dafür sind die von Gimbernat Ordeig, Rodríguez Mourullo und López Peregrín formulierten Beihilfebegriffe. So begreift Gimbernat die „einfache Beihilfe“ als jene Hilfeleistungsform zur Herbeiführung der Hauptstraftat, welche einerseits regelmäßig im Vorbereitungsstadium verwirklicht wird und andererseits weder in einer wesentlichen Mitwirkung noch in der Ausübung einer entscheidenden Aktivität besteht. Dagegen definiert Rodríguez Mourullo die „einfache“ Beihilfe als effektiven, aber nicht erforderlichen Beitrag zur Tatbestandsausführung. Schließlich konzipiert López Peregrín die „einfache“ Beihilfe als für den tatbestandlichen Erfolg kausales Verhalten, welches zwar aus einer ex ante Perspektive die Wahrscheinlichkeit der Strafunrechtsverwirklichung erhöht, aber nicht die objektiven Elemente der „erforderlichen Beihilfe“ aufweist. Die Thesen der spanischen Strafrechtswissenschaft wurden auch vom sTS in verschiedenen Urteilen übernommen927. Beispiel dafür ist der Fall, in dem der sTS Frau M als bloße Gehilfin eines Betrugsdelikts verurteilte, weil sie J geholfen hatte, 923

Vgl. dazu STS 1144/2018 v. 20. 3. 2018. Pérez Alonso, La coautoría y la complicidad necesaria, S. 432. 925 Pérez Alonso, ZStW 117 (2005), 446. 926 Pérez Alonso, ZStW 117 (2005), 447. 927 Siehe hierfür u. a. STS 3684/2016 v. 21. 7. 2016; 1144/2018 v. 20. 3. 2018; 435/2010 v. 15. 10. 2010; 185/2005 de 21. 2. 2005. 924

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Dritte durch Täuschung zu Zahlungen zu veranlassen. J war Eigentümer des Unternehmens SU CHALET HOSPITALET SL, das sich mit dem Bau von Fertighäusern beschäftigte. Dieses Unternehmen geriet 2002 in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten, die zum Konkurs des Unternehmens führten. Im Jahr 2003 teilte M den Mitarbeitern der Firma SU CHALET HOSPITALET SL die Anweisungen von J mit, dass sie weiterhin Zahlungen von Kunden entgegennehmen sollten; darüber hinaus trug M persönlich zur Umsetzung der Anweisungen von J bei, obwohl ihr bewusst war, dass die Firma SU CHALET HOSPITALET die beauftragten Häuser nicht bauen konnte928. In Anlehnung an die theoretischen Leitlinien der spanischen Strafrechtswissenschaft begründete der sTS die einfache Beihilfe von M damit, dass die Handlungen von M zwar zur Verwirklichung des Betrugstatbestands beitrugen, aber keine entscheideinde Rolle spielten, sondern eine bloße Hilfestellung bei der Tatbestandsausführung darstellten, da die Übermittlung der Anweisungen von J an die Mitarbeiter und die Ausstellung und Unterzeichnung von Quitungen weder wesentlich waren noch sie den Anforderungen der Theorien des „erforderlichen“ Gehilfen genügten929. 3. Strukturelemente der „erforderlichen“ und „einfachen“ Beihilfe a) Objektiver Tatbestand Die Voraussetzungen objektiver Tatbestandsmäßigkeit der „erforderlichen“ und „einfachen“ Beihilfe werden durch die Art. 28 Abs. 2b bzw. 29 sStGB festgelegt. Diese Strafvorschriften verlangen in objektiver Hinsicht drei Elemente. Diese sind das Vorliegen eines tatbestandsmäßig-rechtswidrigen Hauptstrafunrechts930, der Versuchsbeginn der Hauptstraftat und die Hilfeleistung. aa) Hilfeleistung zur Verwirklichung der Haupttat Die oben dargestellte gesetzliche Konzeption der Beihilfe verpflichtet dazu, das Wesen der Hilfeleistung zur Haupttatherbeiführung normativ zu bestimmen; d. h. die Mitwirkung des Gehilfen muss die normativen Grundelemente der objektiven Zurechnung erfüllen. In diesem Sinne muss die Hilfeleistung zur Verwirklichung der Haupttat als Schaffung eines sich seinerseits in einer unerlaubten Erfolgsherbeiführung widerspiegelnden verbotenen Risikos begriffen werden. So verstanden, muss der Beitrag des Gehilfen zunächst eine nicht durch das erlaubte Risiko gedeckte Gefahr schaffen. Dies erfüllt das erste objektive Strafbarkeitserfordernis der Beihilfe, wenn die hilfeleistende Handlung eine strafrechtliche 928

STS 435/2010 v. 15. 10. 2010. A. a. O. 930 Cobo del Rosal/Vives Antón, PG, S. 682; Rodríguez Dvesa, PG, S. 759; Rodríguez Muñoz, Notas, S. 294. SSTS 1197/2001 v. 20. 6. 2001; 539/2003 v. 30. 4. 2003; 1114/2006 v. 14. 11. 2006; 1179/2006 v. 5. 12. 2006. 929

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Pflicht oder eine strafrechtliche Verhaltensnorm verletzt. Dagegen fehlt es an einem unerlaubten Risiko und damit an der Strafbarkeit einer Mitwirkung als „erforderliche“ oder „einfache“ Beihilfe, wenn der Gehilfe an der Tatbestandsverwirklichung mit bestimmten Beiträgen mitwirkt, die sich trotzt ihres faktischen Kausalzusammenhangs mit der Haupttat des Täters innerhalb des erlaubten Risikos931, der neutralen Handlungen932, des Vertrauensgrundsatzes, des Rahmens der Ausübung beruflicher Tätigkeiten933 usw. bewegen. Ebenfalls muss sich die durch den Gehilfen geschaffene missbilligte Gefahr in einem verbotenen Erfolgseintritt widerspiegeln, der sich im Bereich der Beihilfe als Ermöglichung oder Absicherung der Tatbestandsverwirklichung darstellt. Die Verwirklichung eines unerlaubten Risikos (Beitrag des Gehilfen) in einem verbotenen Erfolg (Ermöglichung der Tatbestandsherbeiführung) begründet dann die Bestrafung der „erforderlichen“ und „einfachen“ Mitwirkung. Hingegen ist die Strafbarkeit der Beihilfe ausgeschlossen, wenn der Gehilfe zwar an der Verwirklichung der Hauptstraftat mitwirkt (Schaffung eines unerlaubten Risikos), sich diese Gefahr aber nicht in einem Erfolg realisiert934 (keine Verwirklichung des verbotenen Risikos). bb) Vorliegen einer tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Haupttat Dieses objektive Element verlangt die Verwirklichung eines tatbestandsmäßigrechtswidrigen Hauptstrafunrechts. Wie bei der Anstiftung hat die spanische Strafrechtswissenschaft hierfür grundsätzlich zwei unterschiedliche Interpretationsansätze entwickelt. Einerseits nimmt die herrschende spanische Strafrechtslehre an, dass nur das vom Täter verwirklichte vorsätzliche und rechtswidrige Strafunrecht die Strafbarkeitsvoraussetzungen der „erforderlichen“ und der „einfachen“ Beihilfe erfüllt, denn aus dieser Sicht kriminalisieren Art. 28 Abs. 2b und 29 sStGB nur die vorsätzlichen Straftaten des Täters. D. h. das fahrlässige Hauptstrafunrecht erfüllt die objektiven Strafbarkeitsvoraussetzungen „erforderlicher“ und „einfacher“ Beihilfe nicht; vielmehr führen fahrlässige Straftaten des Täters zur Straflosigkeit beider Beihilfeformen. Andererseits ist es nach einigen Autoren der spanischen Strafrechtswissenschaft möglich, die Strafbarkeit der „erforderlichen“ und „einfachen“ Beihilfe auch mit fahrlässigem Hauptstrafunrecht zu begründen. Die objektiven Voraussetzungen der Strafbarkeit „erforderlicher“ und „einfacher“ Beihilfe sind nach der hier vertretenen Auffassung nicht nur bei vorsätzlichen, sondern auch bei fahrlässigen Hauptstraftaten gegeben. Dies folgt daraus, dass 931 Auf diese Weise Otto, ZKredW (1994), 775 f.; ders., Lenckner-FS, S. 193, 200; Schmoller, Triffterer-FS, S. 223, 246; Wohlers, NStZ 2000, 169, 173. 932 Hinsichtlich dieser Problematik siehe Amelung, Grünwald-FS, S. 9 ff.; Beckemper, Jura 2001, 163 ff.; Ambos, JA 2000, 721 ff.; Renzikowski, Maurach-AT II, § 52, Rn. 30 ff.; Tolsma, Beihilfe durch neutrale Handlungen, S. 3 ff. 933 StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., § 27, Rn. 2a; Otto, Amelung-FS, S. 225, 232; Puppe, Die Erfolgszurechnung, S. 151. 934 Diez Ripollés, PG, 4. Aufl., S. 382.

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Art. 28 Abs. 2b und 29 sStGB, die Strafbarkeit beider Beihilfeformen sowohl bei einer vorsätzlichen Hauptstraftat als auch bei einem fahrlässigen Hauptstrafunrecht annehmen. Das gesetzlich festgelegte Erfordernis eines „tatbestandmäßigen“ Hauptverhaltens des Täters als Grundvoraussetzung der Strafbarkeit der „erforderlichen“ und „einfachen“ Beihilfe umfasst sowohl das Vorsatz- als auch das Fahrlässigkeitsunrecht des Täters, denn nach dem Art. 12 sStGB sind tatbestandmäßige Handlungen nicht nur das vorsätzliche, sondern auch das fahrlässige Verhalten. cc) Versuchsbeginn der Haupttat Das spanische Strafrechtssystem fordert ferner den Versuchsbeginn der Haupttat als objektives Strukturelement der Strafbarkeit der „erforderlichen“ und „einfachen“ Beihilfe935. Dies folgt aus zwei gesetzlichen Vorgaben. Aus den Art. 15 und 16 Abs. 1 sStGB ergibt sich zunächst, dass nur die in der Vollzugsphase des Delikts ausgeführten Täterhandlungen strafrechtlich relevant sind, weil nur solche Handlungen die strafrechtlichen Pflichten oder die strafrechtlich geschützten Rechtsgüter verletzen oder jedenfalls eine Verletzungsgefahr für diese schaffen. Daneben folgt aus dem in den Art. 28 Abs. 2b und 29 sStGB geregelten Akzessorietätsprinzip der Strafbarkeit „erforderlicher“ bzw. „einfacher“ Beihilfe, dass die im Vorbereitungsstadium geleisteten Beihilfeformen ihre strafrechtliche Relevanz und somit ihre Strafbarkeit durch den Versuchsbeginn der Haupttat verdienen. Daraus folgt die Straflosigkeit der Beihilfeformen, wenn der Täter zur Verwirklichung des Unrechts der Haupttat gar nicht ansetzt. Der Grund liegt darin, dass die nur im Vorbereitungsstadium gebliebene Haupttat des Täters, an der sowohl der „erforderliche“ als auch der „einfache“ Gehilfe teilnehmen, keine strafrechtliche Relevanz besitzt. Ebenfalls straflos bleiben die Hilfeleistungen des „erforderlichen“ und „einfachen“ Gehilfen, welcher die Voraussetzungen des Rücktritts erfüllt. Dies ist der Fall, wenn der „erforderliche“ und „einfache“ Gehilfe nach Art. 16 Abs. 3 sStGB seine Tatausführung freiwillig aufgibt und entweder die Vollendung verhindert oder sich ernsthaft und endgültig um die Verhinderung bemüht. Im Gegensatz dazu sind die zum Versuch des Hauptstrafunrechts beitragenden „erforderlichen“ und „einfachen“ Mitwirkungen als Beihilfe zum Versuch strafbar. b) Subjektiver Tatbestand Die überwiegende spanische Strafrechtslehre nimmt – wie bei der Anstiftung – an, dass nur die vorsätzlichen Hilfeleistungen strafbare Beihilfeformen sind936 ; die fahrlässigen Hilfeleistungen seien strafrechtlich irrelevant937. Dafür sprechen drei 935

Mir Puig, PG, 9. Aufl., S. 423, § 15, Rn. 91. Pérez Manzano, Autoría y participación, S. 93. 937 Cobo del Rosal/Vives Antón, PG, 5. Aufl., S. 684 f.; Quintero Olivares, Curso de Derecho penal español, S. 489, 498 f.; ders., Comentarios, S. 310. 936

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Argumente: Zunächst enthalten die Art. 28 Abs. 2b und 29 sStGB, welche sowohl die Strafwürdigkeitsgrundlage als auch die Strafbarkeitserfordernisse der Beihilfe festlegen, keinen ausdrücklichen Verweis auf die Fahrlässigkeit als subjektiven Tatbestand der „erforderlichen“ und „einfachen“ Beihilfe938. Ebenfalls sei die fahrlässige Teilnahme mit dem Akzessorietätsprinzip unvereinbar, da die Teilnahme das Bewusstsein erfordert, an einer vorsätzlichen Straftat mitzuwirken939. Darüber hinaus lege Art. 12 sStGB in Anknüpfung an Art. 28 Abs. 2b und 29 desselben positiven Strafrechtssystems fest, dass fahrlässige Hilfeleistungen nur strafbar sind, wenn sie durch das Gesetz ausdrücklich vorgesehen sind940. Daraus schließen die Vertreter der dargestellten Auffassung, dass fahrlässige Hilfeleistungen nach dem sStGB keine strafrechtliche Relevanz haben und somit straflos sind941. Gegen diesen Standpunkt sind insbesondere drei Einwände anzubringen: Erstens bezieht sich Art. 12 sStGB nur auf die fahrlässigen Straftatbestände des Besonderen Teils und keinesfalls auf die im Allgemeinen Teil geregelten allgemeinen Zurechnungsregeln942. Zweitens verstößt dieser Ansatz gegen das in den Art. 28 Abs. 2b und 29 sStGB festgelegte Gesetzlichkeitsprinzip der Beihilfe, welches die Fahrlässigkeit nicht aus dem subjektiven Tatbestand der „erforderlichen“ und „einfachen“ Beihilfe ausschließt. Drittens führt der kritisierte Standpunkt zur Vernachlässigung der durch die Fahrlässigkeitstatbestände geschützten Rechtsgüter, denn der Ansatz begründet viele Strafbarkeitslücken943, etwa wenn die Rechtsgutsverletzung oder die Gefahr für das Rechtsgut durch Unterlassung verwirklicht wird. Nach der hier vertretenen Auffassung verlangen die Art. 28 Abs. 2b, 29 sStGB entweder eine vorsätzliche Mitwirkung oder zumindest eine fahrlässige Hilfeleistung als subjektive Voraussetzung für die Strafbarkeit „erforderlicher“ und „einfacher“ Beihilfe, wenn ein entsprechender Fahrlässigkeitstatbestand im Besonderen Teil vorliegt. Während die vorsätzliche Mitwirkung des Gehilfen für die Erfüllung des subjektiven Strafbarkeitserfordernisses der Beihilfe bei den Vorsatzdelikten gefordert wird, wird im Bereich der Fahrlässigkeits- und Vorsatzdelikte ein fahrlässiger Beitrag für die Wahrung der subjektiven Strafbarkeitsvoraussetzung der fahrlässigen Beihilfe verlangt. Dies folgt daraus, dass Art. 28 Abs. 2b und 29 sStGB die fahrlässige Mitwirkung nicht aus der Struktur des subjektiven Tatbestands der fahrlässigen Beihilfe ausschließen; hingegen legen solche Vorschriften die fahr938

Luzón Peña, Derecho penal de la circulación, S. 97. Quintero Olivares, PG, 2. Aufl., S. 629. 940 Dazu vgl. Díaz y García Conlledo, La autoría, S. 283; Gómez Gónzalez, Participación criminal, S. 14 f.; López Peregrín, La complicidad, S. 405 ff.; Luzón Peña, PG, S. 507; Peñaranda Ramos, La participación, S. 294 f.; Pérez Manzano, Autoría y Participación, S. 109 f.; ders., RDPC (2000), 165; Silva Sánchez, Cuestiones fundamentales, S. 105 f. 941 Luzón Peña, PG, S. 507; Pérez Manzano, Autoría y participación, S. 94; ders., RDCP (2000), 155. 942 Feijóo Sánchez, CPC 62 (1997), 312 f.; ders., LL (2000), 1606 f. 943 Diez Ripollés, RDPC (1998), 40; Feijóo Sánchez, CPC 62 (1997), 329; ders., LL (2000), 1607 f. 939

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lässige Hilfeleistung als Kernelement des subjektiven Tatbestands sowohl der fahrlässigen Beihilfe bei Fahrlässigkeitsdelikten als auch der fahrlässigen Beihilfe bei Vorsatzdelikten944 fest, weil Art. 28 Abs. 2b und 29 sStGB die subjektiven Tatbestandsmäßigkeitserfordernisse der Beihilfe an eine bloße (jede) tatbestandsmäßige Hilfehandlung (d. h. sowohl an vorsätzliche als auch an fahrlässigen Mitwirkungen) knüpfen. Darüber hinaus ist es aus einem kriminalpolitischen Blickwinkel negativ zu bewerten, fahrlässige Hilfehandlungen, die vom spanischen Gesetzgeber ausdrücklich als strafrechtlich relevant und damit strafbar erachtet werden, straffrei zu lassen945. Die Strafbarkeit „erforderlicher“ und „einfacher“ Beihilfe bei den Vorsatzdelikten setzt – wie bei der Anstiftung – das Vorliegen eines doppelten Vorsatzes des Gehilfen voraus: einerseits Vorsatz hinsichtlich des Bestehens einer vorsätzlichen Haupttat946 des Täters und andererseits Vorsatz bezüglich der Mitwirkung an der Verwirklichung eines vorsätzlichen Strafunrechts947. Diese Ansätze wurden durch die spanische Rechtsprechung948 rezipiert. Ihrerseits fordert die Erfüllung des subjektiven Tatbestands der fahrlässigen Beihilfe an den Fahrlässigkeitsdelikten, dass der „erforderliche“ oder „einfache“ Gehilfe seine Mitwirkung mit Kenntnis über die Nichteinhaltung der Sorgfaltspflicht leistet949. 4. Dogmatische Erscheinungsformen der „erforderlichen“ und „einfachen“ Beihilfe Als Erscheinungsformen „erforderlicher“ und „einfacher“ Beihilfe werden die „erforderlichen“ und „einfachen“ Mitwirkungshandlungen des Gehilfen an der Haupttatverwirklichung bezeichnet, die sich auf phänomenologisch unterschiedliche Weise äußern. Dazu gehören – wie im deutschen Strafrecht – die Beihilfe in der Form der Tateinheit (Art. 77 Abs. 1, 1. Alt. sStGB) und Tatmehrheit (Art. 77 Abs. 1, 2. Alt. sStGB), die mittäterschaftliche Beihilfe, die Nebenbeihilfe, die mittebare Beihilfe, die psychische Beihilfe und insbesondere die Beihilfe an den Sonderpflichtdelikten. Diese Problematik wurde schon oben (§ 4 B.III.2.) analysiert, deshalb ist es nicht notwendig, sie in diesem Abschnitt wieder darzustellen. Umstritten in der spanischen Strafrechtslehre ist die Begründung der Beihilfe durch Unterlassen. Die herrschende spanische Lehre verneint diese Möglichkeit. Ausgangspunkte dieses Ansatzes sind die in den Art. 28 Abs. 2b bzw. 29 sStGB 944 Mir Puig, Estudios penales, S. 503; ders., PG, S. 369; Sánchez Lázaro, Intervención delictiva, S. 463. 945 Sánchez Lázaro, Intervención delictiva, S. 464. 946 Mir Puig, PG, 9. Aufl., S. 423, § 15, Rn. 90. 947 A. a. O. 948 Dazu vgl. SSTS 627/2006 von 8.06, 988/2006 von 10.10, 1226/2006 von 15.12, 432/ 2007 von 24.05, 627/2006 von 8.06, 258/2007 von 19.07. 949 Silva Sánchez, Cuestiones fundamentales, S. 109.

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verwendeten Wörter „Akt“ und „Akten“, mit denen sich der spanische Gesetzgeber auf die strafrechtlichen Hilfehandlungen bezieht. Aus Sicht dieser Lehre ermöglichen die genannten Vokabeln nicht, die Strafbarkeit der Beihilfe durch Unterlassen anzunehmen, weil diese Wörter nur aktive Handlungen beschreiben. Diese These wird hier abgelehnt, da sie die Bedeutung der genannten Vokabel verkennt. Nach der hier vertretenen Auffassung enthalten „Akt“ und „Akten“ sowohl aktive als auch passive (unterlassende) Handlungen, denn die Bedeutung des Wortes „Akt“ ist Verhalten. Mit anderen Worten: einen „Akt“ zu verwirklichen bedeutet, ein Verhalten vorzunehmen, welches Begehung oder Unterlassen sein kann. Somit gibt es kein Hindernis, die Strafbarkeit der Beihilfe durch Unterlassen anzunehmen.

C. Zwischenergebnis Als Ergebnisse dieses Schwerpunktes lassen sich einige wesentliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Teilnahmesysteme Deutschlands und Spaniens festhalten, die unter anderem mit der Natur oder Art des in den jeweiligen Ländern geltenden gesetzlichen Teilnahmesystems, den Strafbarkeitserfordernissen und Erscheinungsformen der Teilnahme, der theoretischen Begründung des Teilnehmerunrechts und den inneren gesetzlichen Widersprüchen zusammenhängen. Im Folgenden werden zunächst die Gemeinsamkeiten und danach die Unterschiede dargestellt. Im Bereich der Gemeinsamkeiten sticht insbesondere die Geltung eines gesetzlichen „akzessorischen“ und „beschränkten“ Teilnahmesystems in Deutschland und Spanien hervor. Die Akzessorietät liegt darin, dass sowohl das dStGB (§§ 26, 27, 28 Abs. 1) als auch das sStGB (Art. 28 Abs. 2, 65 Abs. 3) die Strafwürdigkeit der Teilnahme an den Herrschafts- und Pflichtdelikten an das Vorliegen einer Hauptstraftat knüpfen. Dies bedeutet, dass der Mangel eines Hauptunrechts zur Straflosigkeit des Anstifters oder Gehilfen führt, auch wenn die übrigen strafbarkeitsbegründenden Elemente des Teilnehmerunrechts erfüllt sind. Der beschränkte Charakter der deutschen und spanischen Teilnahmesysteme liegt darin, dass die genannten Strafvorschriften des dStGB und sStGB wörtlich bzw. implizit festlegen, dass es zur Bestrafung des Teilnehmers keines schuldhaften Verhaltens des Täters bedarf, sondern nur ein typisches und rechtswidriges Täterunrecht erforderlich ist. Eine andere gesetzliche Gemeinsamkeit der deutschen und spanischen Teilnahmesysteme liegt in den materiellen Strafbarkeitserfordernissen der Teilnahme, da beide gesetzliche Strafrechtssysteme – aber auch die Strafrechtswissenschaft beider Länder – das Vorliegen objektiver und subjektiver Strukturelemente fordern, um die Bestrafung der Anstifter und Gehilfen zu begründen. Als objektive Bestandteile finden sich das Vorliegen einer tatbestandsmäßig-rechtswidrigen Straftat des Täters und der Versuchsbeginn der Straftat des Täters. Dagegen ist das subjektive Element durch die subjektive Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens des Täters und Teilnehmers konstituiert, die in Deutschland nur die vorsätzliche Handlung des Täters und

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

Teilnehmers umfasst, während in Spanien sowohl vorsätzliche als auch fahrlässige Handlungen des Täters und Teilnehmers subsumiert werden. Besondere Bedeutung haben die sowohl von der deutschen als auch von der spanischen Strafrechtswissenschaft bezüglich der Grundlage des Teilnehmerunrechts und der Erscheinungsformen der Anstiftung entwickelten dogmatischen Gesichtspunkte. Hinsichtlich der Grundlage des Unrechts des Teilnehmers wurden innerhalb der Strafrechtswissenschaft beider Länder u. a. die Theorie der autonomen Rechtsgutsverletzung, die Theorie der materiellen Gerechtigkeit (Schuld- und Unrechtsteilnahme), die Theorie der akzessorietätsorientierten Haupttatverursachung (Tätertatverursachung), die Theorie der mittelbaren Verletzung der fremden Täterverhaltensnorm und die Theorie der unmittelbaren autonomen Teilnahmenormverletzung entwickelt, deren gemeinsamer Standpunkt ist, dass das Teilnehmerunrecht gegenüber dem Täterunrecht einen geringeren Strafunwert darstellt, weil aus Sicht der deutschen und spanischen Strafrechtsdogmatik der Teilnehmer im Vergleich zum Täter an der Tatbestandsverwirklichung entweder ohne Tatherrschaft (bei den Herrschafts-, Gemein- oder Organisationsdelikten) oder ohne Sonderpflichtverletzung (bei den besonderen Herrschafts- oder Pflichtdelikten = Delikten wegen institutioneller Zuständigkeit) beteiligt ist. Im Bereich der Erscheinungsformen der Anstiftung haben die deutsche und die spanische Strafrechtswissenschaft dieselben phänotypischen Sonderformen der Anstiftung entwickelt, um alle ontologischen Äußerungen des Anstifterverhaltens zu erfassen. Dazu gehören u. a. die Umstiftung, die Abstiftung, die Aufstiftung, die Nebenanstiftung, Mitanstiftung, die sukzessive Anstiftung und die mittelbare Anstiftung. Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Regelung derselben (ähnlichen) Teilnahmeformen. Mehr noch spiegelt sich diese Gemeinsamkeit in der formellen Struktur der Teilnahmeformen wider, weil sowohl das dStGB als auch das sStGB die gleichen formellen objektiven und subjektiven Bestandteile als Strukturelemente der Anstiftung und Beihilfe kennen. So sind objektive Elemente der Anstiftung gemäß dem dStGB und sStGB das Vorliegen einer tatbestandsmäßig-rechtswidrigen Haupttat des Täters und das Bestimmen zur Haupttat. Dagegen ist das subjektive Element durch den normativen Inhalt des Verhaltens des Anstifters konstituiert, welches die Erfordernisse der subjektiven Zurechnung erfüllen muss. In ähnlicher Weise enthalten die im dStGB und sStGB geregelten Beihilfeformen dieselben objektiven und subjektiven Strukturelemente. Einerseits nämlich werden als Bestandteile des objektiven Tatbestandes der Beihilfe die Verwirklichung einer tatbestandlich-rechtswidrigen Hauptstraftat des Täters, der Verwirklichungsbeginn der tatbestandsmäßig-rechtswidrigen Täterhaupttat und die Hilfeleistung zur Verwirklichung der Strafhaupttat des Täters normiert; andererseits wird das vorsätzliche (in Deutschland) und/oder fahrlässige (in Spanien) Verhalten des Gehilfen als subjektiver Bestandteil der Teilnahmeform gefordert. Neben diesen Gemeinsamkeiten liegen aber wesentliche materielle Unterschiede vor, die ein Teilnahmesystem gegenüber dem anderen differenzieren. Zunächst ist der unterschiedliche Inhalt sowohl der objektiven als auch der subjektiven Strukturele-

§ 4 Gesetzliche Grundlagen und Erscheinungsformen der Teilnahme

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mente der Strafbarkeitserfordernisse der Anstiftung und Beihilfe zu nennen. Bezüglich der objektiven Elemente beschränken die §§ 26, 27 dStGB die Strafbarkeit der Anstiftung und Beihilfe auf das Bestehen eines vorsätzlichen Unrechts des Täters. Hingegen knüpfen die Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB die Strafwürdigkeit der Anstiftung und Beihilfe an das Vorliegen sowohl eines vorsätzlichen als auch eines fahrlässigen Täterunrechts. In Übereinstimmung mit dem Inhalt der objektiven Elemente fordern die §§ 26, 27 dStGB einen doppelten Vorsatz des Teilnehmers als subjektives Erfordernis der Strafbarkeit des Anstifters und Gehilfen, nach dem der Teilnehmer sowohl das Vorliegen der vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat des Täters als auch seine eigene vorsätzlich-rechtswidrige Mitwirkung zur Haupttat kennen muss, weil die Strafbarkeit der Anstiftung und Beihilfe von §§ 26, 27 dStGB als „vorsätzliche Beteiligung an einer vorsätzlichen Haupttat“ definiert wird. Im Gegensatz zum dStGB bindet das sStGB die Strafbarkeit der Teilnahme nicht nur an eine vorsätzliche Täter- und Teilnehmerhandlung, sondern auch an ein fahrlässiges Täter- und Teilnehmerverhalten. Dies liegt darin begründet, dass die Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB die Anstiftung und Beihilfe als „Teilnahme an der Verwirklichung eines tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Strafunrechts“ definieren950. In diesem Zusammenhang sind fahrlässige Teilnahme an vorsätzlichen Delikten, vorsätzliche Teilnahme an fahrlässigem Strafunrecht und fahrlässige Teilnahme an fahrlässigen Delikten im deutschen Strafrechtssystem straflos. Hingegen sind diese Beteiligungsformen im spanischen Strafrechtssystem strafbar. Besondere Bedeutung hat die vom sStGB und nicht vom dStGB geregelte Teilnahmeform der „erforderlichen Beihilfe“, da sich aus dieser gesetzlichen Strafrechtsfigur bedeutsame Auswirkungen für die an der in Spanien stattfindenden Straftatbestandsverwirklichung beteiligten Teilnehmer ergeben. Dies folgt aus dem Wesen dieses teilnehmerischen Rechtsinstituts, das durch Art. 28 Abs. 2b sStGB als „wesentliche Mitwirkung an der Ausführung einer Straftat, ohne die das Strafunrecht nicht verwirklicht worden wäre“ definiert wird. So umfasst diese Strafrechtsfigur einigen vom deutschen Strafrechtssystem entweder als Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 dStGB) oder „bloße Beihilfe“ (§§ 27, 28 Abs. 1 dStGB) erfassten Beteiligungsformen. Dafür sind zwei Beispiele zu nennen: Zum einen den Fall, in dem eine Person nicht an der Tatbestandsverwirklichung, sondern nur im Vorbereitungsstadium hinsichtlich der Planung des „Wie“ der Tatbestandsherbeiführung beteiligt ist; zum anderen den Fall, in dem eine Person ohne Beteiligung in der Vollendungsphase während der Tatbestandsverwirklichung den Räubern hilft, die Beute zu sichern oder vom Tatort zu fliehen. Während die Beteiligten nach dem sStGB als „erforderliche Gehilfen“ bestraft werden müssen, müssen sie nach dem dStGB entweder als Mittäter oder als „bloße Gehilfen“ sanktioniert werden.

950 Obwohl diese Definition in den Art. 28 und 29 sStGB nicht ausdrücklich geregelt ist, wird sie von der Lehre und Rechtsprechung Spaniens einstimmig vertreten, vgl. dazu oben § 4 B.II.1.b)aa); § 4 B.IV.3.a).

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1. Abschn.: Die Täterschafts- und Teilnahmesysteme

Darüber hinaus differenzieren sich die Teilnahmesysteme Deutschlands und Spaniens über ihre unterschiedlichen inneren Widersprüche. So legt das deutsche Strafrecht auf der einen Seite ein restriktives Teilnahmesystem fest, da es die Strafbarkeit der Teilnahme nur auf die vorsätzliche Handlung des Täters und Teilnehmers stützt; d. h. sowohl die fahrlässige Teilnahme an vorsätzlichem und fahrlässigem Strafunrecht als auch die vorsätzliche Teilnahme an fahrlässigen Delikten sind straflos. Aber auf der anderen Seite normiert das deutsche Strafrecht ein extensives teilnehmerisches Zurechnungsmodell, denn § 30 des dStGB kriminalisiert bei Verbrechen die im Vorbereitungsstadium des Delikts stattfindende versuchte Teilnahme, welche im Rahmen eines restriktiven Beteiligungssystems keine strafrechtliche Relevanz hat. Demgegenüber befinden sich die mit seinem restriktiven und extensiven Charakter verbundenen inneren Widersprüchen des spanischen Teilnahmesystems im Gegensatz zum deutschen Strafrecht. Denn einerseits, im Gegensatz zum deutschen Modell, stützt sich das extensive Wesen des spanischen Teilnahmezurechnungsmodells auf die Strafbarkeitserfordernisse der Anstiftung und Beihilfe, weil Art. 28 Abs. 2b, 29 sStGB die Strafbarkeit der Teilnahme nicht nur an das fahrlässige Täter- und Teilnehmerverhalten, sondern auch an die fahrlässige Täter- und Teilnehmerhandlung knüpfen; dies bedeutet nichts anders als die Kriminalisierung bestimmter Teilnahmeformen, die beim deutschen Strafrechtssystem straffrei bleiben. Andererseits folgt die restriktive Natur der Teilnahme im spanischen Strafrecht aus der Straflosigkeit der versuchten Teilnahme (Art. 17, 18 sStGB), welche im deutschen Strafrechtssystem strafbar ist (§ 30 dStGB). Schließlich sollte erwähnt werden, dass die limitierte Akzessorietät der Teilnahme in den Beteiligungssystemen Deutschlands und Spaniens unterschiedlich geregelt ist. Während im dStGB (§§ 26 27) nämlich das Prinzip der limitierten Teilnahmeakzessorietät ausdrücklich festgeschrieben ist – da diese Vorschriften die Strafbarkeit der Teilnahme an eine „vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat“ knüpfen –, ist dies im sStGB nicht der Fall, da dieses die Strafbarkeit der Teilnahme anhand der Ausführung der Tat (ejecución del hecho) begründet.

2. Abschnitt

Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen in den Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens § 5 Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen in der Rechtsprechung Deutschlands und Spaniens A. Mittelbare Täterschaft wegen Organisationsherrschaft aus Sicht des deutschen BGH Der BGH vertritt die These, dass die durch die deutsche Rechtsprechung und die deutsche Strafrechtslehre zur Begründung strafrechtlicher Verantwortlichkeit des Hintermannes bei organisatorischen Machtapparaten (etwa die Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrats der DDR1) entwickelten Grundsätze mittelbarer Täterschaft kraft Organisationsherrschaft2 auch auf die Beteiligten an Wirtschaftsunternehmen anwendbar sind3, um eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Führungskräfte von Wirtschaftsunternehmen annehmen zu können4. Die Gründe für die Übertragung der Rechtsfigur sind dogmatischer und kriminalpolitischer Natur. Dogmatisch wird angeführt, die Strafrechtsfigur mittelbarer Täterschaft kraft Organisationsherrschaft sei die geeignete Kategorie, um die täterschaftliche Verant1

Zur Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Mitgliedern des Nationalen Verteidigungsrates der DDR als mittelbare Täter vgl. unter anderen Entscheidungen BGHSt 40, 218 ff. (= NStZ 1994, 537). 2 Der BGH hat die mittelbare Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate (oder wegen Organisationsherrschaft) u. a. in den folgenden Urteilen entwickelt: BGHSt 40, 218 (Urt. v. 26. 7. 1994 – 5 StR 98/94); BGHSt 42, 65 (Urt. v. 4. 3. 1996 – 5 StR 494/95); BGHSt 44, 204 (Urt. v. 28. 10. 1998 – 5 StR 176/98); BGHSt 40, 257 (Urt. v. 13. 9. 1994 – 5 StR 357/94); BGHSt 40, 307 (Urt. v. 3. 11. 1994 – 3 StR 62/94); BGHSt 45, 270 (Urt. v. 08. 11. 1999 – 5 StR 632/98); BGHSt 43, 219 (Urt. v. 6. 6. 1997 – 2 StR 339/96); BGH NStZ 1998, 569 (Urt. v. 11. 12. 1997 – 4 StR 323/97). 3 Siehe hierfür grundsätzlich BGH, Urt. v. 11. 12. 1997 – 4 StR 323/97 (= NStZ 1998, 568; NJW 1998, 767); BGHSt 40, 307; BGHSt 44, 204; BGHSt 45, 270; BGHSt 40, 218 (236 ff.) (= NJW 1994, 2703 – Mauerschützen); BGHSt 48, 331 (342) (= NJW 2004, 375); BGHSt, 49, 147 (163) (= NJW 2004, S. 2248 – Bremer Vulkan); BGH, JR 2004, 246. 4 Eine vom BGH angewandte kritische Erklärung der unmittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft befindet sich in Schünemann, ZIS 7 (2006), 304 ff.

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

wortlichkeit der Unternehmensleitungsorgane ohne Verstoß gegen die durch die Beteiligungslehre festgelegten theoretischen Grundsätze begründen zu können5, weil Beiträge von Unternehmensleitungsorganen zur Verwirklichung von Wirtschaftsdelikten die Grundvoraussetzungen strafrechtlicher Verantwortlichkeit kraft Organisationsstrukturen oder Machtapparate erfüllen6. Kriminalpolitisch sei es ferner angezeigt, nicht nur die mittelbare Täterschaft auf formelle Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane und faktische Geschäftsführer anzuwenden, sondern auch den vorsätzlich handelnden nichtqualifizierten Vordermann als unmittelbaren Täter zu bestrafen7. Unter den weiteren Fällen, in denen sich der BGH mit der Anwendung der mittelbaren Mittäterschaft kraft Organisationsherrschaft auf die Beteiligung in Wirtschaftsunternehmen befasst hat, sind hier insbesondere das Lieferantenbetrug-8, Tierarztpraxis-9, Kapitalanlage-10 und das Kanzleiurteil11 hervorzuheben.

I. Lieferantenbetrug-Fall (BGH, Urteil v. 11. 12. 1997 – 4StR 323/97) Der Lieferantenbetrug-Fall handelt von zwei faktischen Geschäftsführern, die die in unterschiedlichen Formen rechtlich verbundenen Firmen KMM-C. GmbH, die Holzverarbeitung S. GmbH und die SI-Holz GmbH12 tatsächlich beherrschten. Nach Auffassung des BGH kontrollierte der Angeklagte RB faktisch die Firma KMM-C. GmbH. Am 24. Juni 1993 gründete RB die Firma SI-Holz GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die Firma Holzverarbeitung S. GmbH war. Somit war RB auch hier die bestimmende Persönlichkeit. Gleichzeitig wurde ein Treuhandvertrag geschlossen, der festlegte, dass die Firma S. GmbH die Gesellschaftsanteile für die Firma KMM-C. GmbH hielt. Danach – im August 1994 – stellte RB seinen auch als Täter verurteilten Bruder JB durch einen Beratervertrag als Unternehmensberater der Firma SI-Holz GmbH ein, was JB ermöglichte, die wirtschaftliche Situation der Firma zu überprüfen und zu dem Ergebnis zu kommen, dass das Unternehmen ab Anfang September 1994 endgültig zahlungsunfähig war13. Angesichts dieser wirtschaftlichen Notlage des Unternehmens SI-Holz GmbH übernahm JB in Absprache 5

Vgl. dazu Entscheidung BGH NStZ 1996, 296 f. So etwa BGH 40, 218, 236, 237; BGH NStZ 1998, 568 f. 7 Etwa BGH, Urt. v. 11. 12. 1997 – 4 StR 323/97 (= NJW 1998, 767; NStZ 1998, 568 ff.). 8 A. a. O. 9 BGH, Urt. v. 06. 06. 1997 – 2 StR 339/96. 10 BGH, Urt. v. 11. 12. 1997 – 4 StR 323/97 (= NJW 1998, 767); NStZ 1998, 568; wistra 1998, 148. 11 BGH, Urt. v. 22. 06. 2000 – 5 StR 268/99. 12 BGH, Urt. v. 11. 12. 1997 – 4 StR 323/97 (NStZ 1998, 568). 13 A. a. O. 6

§ 5 Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

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mit seinem Bruder RB am 15. September 1994 aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses als „Quasi-Geschäftsführer“ (UA 12) die faktische Leitung der Firma SIHolz GmbH, während der formelle Geschäftsführer F dem JB gegenüber im Innenverhältnis weisungsgebunden war. Obwohl RB und JB die Zahlungsunfähigkeit der Firma SI-Holz GmbH in der folgenden Zeit kannten, trafen sie zwei Entschlüsse: einerseits, den Geschäftsbetrieb fortzuführen14. Andererseits begründeten die zwei faktischen Geschäftsführer RB und JB zwischen dem 15. September 1994 und der am 7. Dezember 1994 stattfindenden Konkursantragsstellung im Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebes durch den formellen Geschäftsführer F sowie die Angestellten FJB und S durch 35 Bestellungen bei verschiedenen Zulieferern Verbindlichkeiten in Höhe von über 41.000,00 DM, die später nicht mehr erfüllt wurden15. Auf diesen Tatsachen begründete der BGH die Verurteilung der Angeklagten RB und JB wegen Betruges in mittelbarer Mittäterschaft an Betrugstaten ihrer Angestellten. Ontologisch wurde die mittelbare Täterschaft weder auf direkte und konkrete Einwirkungen noch – mangels Feststellbarkeit – auf aktuelle Kenntnis der Angeklagten in Bezug auf die einzelnen Warenbestellungen gestützt16. Vielmehr wurde auf die gesamte Herrschaft der angeklagten Geschäftsführer über die Organisation der Unternehmen abgestellt17. Denn bei Wirtschaftsunternehmen – wie bei organisatorischen Machtapparaten – sei Täter derjenige, der durch die Organisationsstrukturen des Unternehmens bestimmte Rahmenbedingungen ausnutze, die regelhafte Abläufe auslösen, die ihrerseits wiederum zur Tatbestandsverwirklichung führen. Im angeführten Fall nutzten die faktischen Geschäftsführer die Organisationsstrukturen der Firmen KMM-C. GmbH, Holzverarbeitung S. GmbH und SI-Holz GmbH aus, um Warenbestellungen zugunsten der von ihnen ebenfalls beherrschten GmbH realisieren zu können18. Normativ begründet der BGH die Strafhaftung der faktischen Geschäftsführer als mittelbare Täter auf den Verstoß gegen eine aus deren Sonderstellung als faktische Sonderpflichtträger abzuleitende besondere Garantenpflicht. Der Geschäftsführer sei verpflichtet gewesen, sowohl rechtmäßige Entscheidungen über die Tätigkeitsorganisation seiner Unternehmen zu treffen als auch die Geschäftstätigkeit seiner Angestellten zu beaufsichtigen. Ab dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nämlich habe eine besondere, unmittelbar aus der Garantestellung für organisationsbedingte Gefährdungspotentiale abgeleitete Tatverantwortung des Betriebsinhabers zur Abwehr der sich aus der Zahlungsunfähigkeit ergebenden Risiken bestanden19. In 14

A. a. O. BGH, Urt. v. 11. 12. 1997 – 4 StR 323/97 (NStZ 1998, 569). 16 A. a. O. 17 A. a. O. 18 A. a. O. 19 Dazu, in Übereinstimmung mit der Auffassung des BGH, vgl. Bosch, Organisationsverschulden, S. 255. 15

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

diesem Sinne waren die faktischen Geschäftsführer nicht nur für den die Fortführung der Warenbestellungen zu Gunsten seines Unternehmens trotz seiner endgültigen Zahlungsunfähigkeit genehmigten Beschluss strafrechtlich verantwortlich, sondern auch für die unmittelbaren (vorsätzlichen oder fahrlässigen) Handlungen ihrer Angestellten20, welche die von den Geschäftsführern gegebenen Anweisungen ausführten. Aus diesem Grund galt der faktische Geschäftsführer als mittelbarer Täter eines Betrugs unabhängig davon, ob die unmittelbar handelnden Angestellten Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der GmbH hatten oder hinsichtlich dieser gutgläubig waren21.

II. Tierarztpraxis-Fall (BGH, Urteil v. 3. 7. 2003 – 1 StR 453/02) Im Tierarztpraxis-Fall veranlasste ein selbständiger Tierarzt22 die Verletzung der im Arzneimittelgesetz festgesetzten straftatbestandlichen Verhaltensnormen durch die Ausnutzung mehrerer angestellter Tierärzte und des Praxispersonals23. Es handelte sich um einen Fall, in dem durch einen qualifizierten Hintermann (Tierarzt) in einer streng hierarchisch organisierten Tierarztpraxis von zwölf angestellten Tierärzten und weiterem nichttierärztlichen Personal Medikamente ohne vorherige tierärztliche Untersuchung ausgegeben wurden24. Der 1. Strafsenat des BGH verurteilte den Tierarzt als mittelbaren Täter (§ 25 Abs. 1, 2. Alt. dStGB), weil er aus Sicht des BGH – obwohl nicht er selbst, sondern die angestellten Tierärzte und das Praxispersonal unmittelbar gehandelt hatten – den Verstoß gegen die im Arzneimittelgesetz festgelegten Strafrechtspflichten beherrschte. Unter anderem rechnete der BGH dem angeklagten Inhaber der Tierarztpraxis das Inverkehrbringen von Arzneimitteln ohne Zulassung (§ 96 Abs. 1 Nr. 5 AMG), die unerlaubte Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Tierhalter (§ 95 Abs. 1, Nr. 8 AMG) in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Inverkehrbringen von Arzneimitteln mit irreführender Bezeichnung (§ 96 Nr. 3 AMG) zu. Denn aus Sicht des BGH erfüllte der Angeklagte bestimmte die strafrechtliche Verantwortlichkeit durch Ausnutzung von Organisationsstrukturen begründende Rahmenbedingungen. Zur Begründung der mittelbaren Täterschaft des Tierarztes griff der BGH auf Argumente zurück, die in der ontologischen Kategorie der „Tatherrschaft“ verwurzelt sind. So argumentierte der BGH, dass der Tierarzt durch die streng hierarchische Organisation seiner Praxis, durch die Umbenennung der Medikamente und die Anweisungen an die bei ihm angestellten Tierärzte die Rahmenbedingungen für 20

BGH, Urt. v. 11. 12. 1997 – 4 StR 323/97, Rn. 19 (= NStZ 1998, 569). A. a. O. 22 Der selbständige Tierarzt war Inhaber einer überregional tätigen Praxis mit Tierklinik und angestellten Tierärzten sowie weiterem nicht tierärztlichen Personal. 23 Vgl. dazu BGH, Urt. v. 3. 7. 2003 – 1 StR 453/02 (= NStZ 2004, 457). 24 A. a. O. 21

§ 5 Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

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die verbotene Medikamentenabgabe geschaffen habe25. In diesem Zusammenhang sei es entsprechend den Vorgaben des Tierarztes zu dem von ihm gewünschten Medikamentenverkauf gekommen26. Aus Sicht des BGH hatte der Tierarzt nicht nur die dafür notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen, sondern er nutzte diese auch bewusst aus, um zu erreichen, dass seine angestellten Tierärzte die Arzneimittel für Tiere abgaben, obwohl die Medikamente zu deren Behandlung nicht zugelassen gewesen seien27. Daraus ergebe sich, dass der Tierarzt gegenüber seinen angestellten Tierärzten bei wertender Betrachtung Tatherrschaft gehabt habe, denn aufgrund seiner Sonderstellung als Arbeitsgeber seien diese rein faktisch an seine Weisungen gebunden gewesen und auf die Medikamentenentnahme aus der Hausapotheke angewiesen28. Diese Beherrschung der Tatbestandsverwirklichung sei durch Verschleierungsmaßnahmen noch verstärkt worden, auch wenn der Vorsatz der angestellten Tierärzte damit nicht ausgeschlossen sei, da davon ausgegangen werden könne, dass diese gewusst hätten, welche Medikamente zugelassen gewesen seien und dass den Produkten des Angeklagten die Zulassung gefehlt habe29.

III. Kapitalanlage-Fall (BGHSt 48, 33130) In diesem Fall hatten drei Mitgesellschafter der Handelsgesellschaft FSBG über die Gesellschaft rechtswidrig Kapitalanlagemittel beschafft31. Die Tätigkeit der Gesellschafter belief sich dabei auf die Vermittlung von Versicherungen, Bausparverträgen und Darlehen, sowie Maklertätigkeit32. Zu der für den Ankauf von Immobilien unentbehrlichen Kapitalerlangung beschlossen die angeklagten Gesellschafter trotz des Fehlens einer für die Einwerbung von Anlagen erforderlichen Genehmigung33 durch das zuständige „Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen“, Kleinanleger zu veranlassen, stille Beteiligungen an der Gesellschaft zu erwerben34. Die jeweiligen Angebote hatten die Gesellschafter durch von ihnen eingestellte freie Handelsvertreter organisiert, wobei die Handelsvertreter von einem der angeklagten Gesellschafter geschult wurden35.

25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

BGH, Urt. v. 03. 07.2003 – 1 StR 453/02, S. 30 f. A. a. O. A. a. O. A. a. O. A. a. O. Urt. v. 26. 08. 2003 – 5 StR 145/03 (= BGHSt, Band 48, S. 331 ff.). BGHSt 48, 331 (= BGHSt, Band 48, S. 331 f.). A. a. O. BGHSt 48, 331 (= BGHSt, Band 48, S. 341). BGHSt 48, 331 (= BGHSt, Band 48, S. 331). A. a. O.

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

Davon ausgehend fasste das Landgericht die Gesellschafter als Mittäter eines Betrugs auf. Demgegenüber verurteilte der 5. Strafsenat des BGH die Angeklagten als mittelbare Täter kraft Organisationsherrschaft, denn eine solche mittelbare Täterschaft lag nach seiner Ansicht vor, wenn die Tatbestandsherbeiführung von einem Hintermann gelenkt wird36. Der Hintermann besitze die Tatherrschaft, wenn er mit den durch die Organisationsstrukturen geschaffenen Rahmenbedingungen das deliktische Geschehen maßgeblich beeinflussen könne37. In diesem Zusammenhang sei es unerheblich, ob der Tatmittler vorsätzlich handelt oder gutgläubig sei. In dem dargestellten Fall habe sich die Leitungsmacht der Gesellschafter durch die von einem der angeklagten Gesellschafter durchgeführten Schulungen ergeben. Aus Sicht des BGH hatten die Gesellschafter durch die Schulungen nicht nur die Rahmendaten hinsichtlich der abzuschließenden Verträge vorgegeben, sondern dadurch auch das Verkaufsverhalten und die Art und Weise des Umgangs mit dem Kunden geprägt. Damit konnten die Gesellschafter nicht nur das Verhalten ihrer Angestellten positiv beeinflussen, sie ersparten sich auch besondere Sicherungsmaßnahmen, die ansonsten in einer dolosen Organisationsstruktur notwendig gewesen wären38.

IV. Kanzlei-Fall (BGH 5 StR 268/9939) 1. Das Kanzlei-Urteil, in dem der 5. Strafsenat des BGH auf die mittelbare Täterschaft kraft Organisationherrschaft zurückgriff, um sowohl den Teilfreispruch eines Rechtsanwalts vom Vorwurf der Bestechung und der Anstiftung zum Verstoß gegen das Datenschutzgesetz aufzuheben40 sowie auch diesen Rechtsanwalt als mittelbaren Täter eines Bestechungsdelikts (§ 332 dStGB) zu verurteilen41. Nach Auffassung des BGH organisierte der Rechtsanwalt als Leiter seiner Kanzlei und durch eine generelle Anweisung an seine Mitarbeiter die Rahmenbedingungen für die rechtswidrige Aktivität seines Kanzleipersonals, wodurch er die mittelbare Herrschaft über die von seinen Angestellten unmittelbar verwirklichten Bestechlichkeitsakte hatte. Diese Akte bestanden darin, dass der angeklagte Rechtsanwalt einen Polizeibeamten des Bundesgrenzschutzes über sein Kanzleipersonal in mehreren Fällen gegen Zahlung von Schmiergeldern mit der Ermittlung ungeklärter Wohn- oder Geschäftsanschriften beauftragt hatte.

36 37 38 39 40 41

BGHSt 48, 331 (= BGHSt, Band 48, S. 342). A. a. O. A. a. O. BGH, Urt. v. 22. 06. 2000 – 5 StR 268/99. NStZ 2000, 596; StV 2002, 26 ff. NStZ 2000, 596 f.

§ 5 Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

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V. Weitere Fälle mittelbarer Täterschaft wegen Organisationsherrschaft Neben den bereits erläuterten Fällen existieren weitere Entscheidungen oder Beschlüsse der deutschen Rechtsprechung, in denen der BGH die Anwendung mittelbarer Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auf die Beteiligung an Wirtschaftsunternehmen bestätigt hat. Beispiele dafür sind: 1. Das Urteil gegen Egon Krenz (BGHSt 45, 27042), den letzten Staatsratsvorsitzenden der DDR, der wegen seiner Mitgliedschaft im Nationalen Verteidigungsrat der DDR als mittelbarer Täter der an der Berliner Mauer begangenen Morde verurteilt wurde. In diesem Urteil akzeptierte der BGH die Anwendung der mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate auf die Beteiligung an Wirtschaftsunternehmen, um diejenigen Führungskräfte von Unternehmen zu bestrafen, die aus Sicht der BGH ihre Untergebenen und die organisierten Strukturen des Unternehmens ausnutzen, um Verbrechen zu begehen43. 2. Die Sterbehilfe-Entscheidung (BGHSt 40, 25744), in der der 1. Strafsenat des BGH den behandelnden Arzt (Hintermann) als mittelbaren Täter eines (versuchten) Tötungsdelikts verurteilte. Faktisch begründete der BGH das Urteil mit der schriftlichen Anweisung des Arztes an das Pflegepersonal, das Opfer nicht mehr mittels Sonde, sondern nur noch mit Tee zu ernähren, was wegen des damit verbundenen Mangels an Nährstoffen zum Tod des Opfers innerhalb von zwei oder drei Wochen führen musste. Dogmatisch griff der BGH auf das theoretische Rechtsinstitut der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft zurück, deren Voraussetzungen aus Sicht des BGH durch die Anweisung des Arztes erfüllt waren.

B. Mittelbare Täterschaft wegen Organisationsherrschaft aus Sicht des spanischen TS Bis heute hat der TS die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft ausdrücklich nicht auf die Beteiligung an den Wirtschaftsunternehmen angewendet. Es ist davon auszugehen, dass er dies insbesondere aus zwei Gründen bislang vermieden hat. Zum einen enthält das sStGB andere Beteiligungsformen – etwa die Anstiftung, die erforderliche Beihilfe und die Mittäterschaft45–, die es dem TS ermöglichen, komplexe Fallkonstellationen der Beteiligung an hierarchischen Unternehmensorganisationen plausibel zu lösen. Zum anderen ist der TS nicht – zumindest nicht völlig – davon überzeugt, dass die Anwendung der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auf die Beteiligung an den Wirtschaftsbe42 43 44 45

Urt. v. 08. 11. 1999 – 5 StR 632/98. BGHSt 40, 218 (236 ff.). Urt. v. 13. 9. 1994 – 1 StR 357/94. In die gleiche Richtung geht Gil Gil, ADPCP 2008, S. 84.

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trieben dogmatisch richtig ist und sich aus dem Gesetz ableiten lässt, insbesondere weil diese Täterschaftsform weder im spanischen Strafgesetzbuch geregelt ist, noch durch die spanische Strafrechtswissenschaft einstimmig anerkannt ist. Trotz der Nichtanwendung der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft zur Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Beteiligten an den Wirtschaftsdelikten existieren mehrere Urteile46, in denen der spanische TS die Anwendung der mittelbaren Täterschaft auf die Unternehmensdelikte akzeptiert. In diesen Urteilen begründet der TS die strafrechtliche Verantwortlichkeit der juristischen Personen mit der „funktionalen“ und „sozialen“ Herrschaft der Unternehmensleiter über die Organisationsstruktur des Unternehmens und seiner Mitglieder, die nach dem TS die Annahme einer Täterschaft der Unternehmensleitung stützt47. Dies bedeutet, dass auch der TS das Kriterium der Organisationsherrschaft48 oder Herrschaft über die aus der Unternehmensorganisation abzuleitende Gefährdungsquelle49 als Kernelement der Begründung täterschaftlicher Verantwortlichkeit der Führungskräfte der Wirtschaftsunternehmen betrachtet, obwohl er die genannte Kategorie nicht wörtlich in der Begründung der Täterschaft der Unternehmensleiter nennt. Ein Beispiel dafür ist die vom spanischen TS systematisch entwickelte sozialfunktionale Täterschaft, nach der die in unternehmerischen Organisationsbereichen verwirklichten Straftaten normalerweise keine individuellen fehlerhaften Verhaltensweisen, sondern das Zusammentreffen zahlreicher Handlungen und insbesondere die Beteiligung verschiedener Personen widerspiegeln, die unter sich Entscheidungen und Unterlassungen aufteilen50. In diesem Sinne soll für ein Unternehmensdelikt strafrechtlich verantwortlich sein, wer die Organisation des Betriebs, in der ein solches Strafunrecht verwirklicht wird, tatsächlich beherrscht51. Genauer gesagt, müsse die Täterschaft an dem in Wirtschaftsunternehmen verwirklichten Strafurecht vor allem den Führungskräften des betroffenen Unternehmens und nur in Ausnahmefällen52 den untergeordneten Vordermännern zugerechnet werden53.

46

2010. 47

Vgl. dazu SSTS 4033/2018 v. 15. 10. 2018; 481/2017 v. 16. 02. 2017; 3322/2010 v. 30. 06.

SSTS 481/2017 v. 16. 02. 2017, S. 13; 3322/2010 v. 30. 06. 2010, S. 4. STS 4033/2018 v. 15. 10. 2018. 49 SSTS 234/2010 v. 11. 03. 2010; 257/2009 v. 30. 03. 2009; 1828/2002 v. 25. 10. 2002. 50 STS 481/2017 v. 16. 02. 2017. 51 SSTS 481/2017 v. 16. 02. 2017; 3322/2010 v. 30. 06. 2010. 52 Die Annahme einer Täterschaft von Unternehmensführern müsse nur ausgeschlossen werden, wenn es sich um eine echte (formelle und tatsächliche) Delegation der Garantepflicht handelt, die von den Führungskräften auf die Untergeordneten übertragen werden müsse. Dies setze voraus, dass die Garantepflicht nur auf Personen übertragen werden dürfe, die für die Funktion qualifiziert sind und über die erforderlichen Mittel verfügen, um die entsprechenden Handlungspflichten zu erfüllen, vgl. STS 1828/2002 v. 25. 10. 2002. 53 STS 481/2017 v. 16. 02. 2017. 48

§ 5 Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

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Neben anderen Fällen, in denen sich der TS mit der Anwendung der mittelbaren Mittäterschaft kraft Organisationsherrschaft auf die Beteiligung in Wirtschaftsunternehmen befasst hat, sind hier insbesondere das GESFINSA-54, Umweltdelikte-55, Schredder-56 und Kapitalanlageurteil57 zu nennen.

C. Mittäterschaft wegen funktioneller Arbeitsteilung aus Sicht des deutschen BGH Die bereits oben (§ 3 C.II.) erläuterte Mittäterschaft wird auch durch die deutsche Rechtsprechung auf den Bereich des Wirtschaftsstrafrechts angewandt, um eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beteiligten an Unternehmensdelikten zu begründen. Aus Sicht des BGH – wie auch aus Sicht der Tatherrschaftslehre – kommt die Anwendung der Mittäterschaft auf die Beteiligung an Unternehmensstraftaten in Betracht, wenn ein gemeinsamer Tatplan58, eine funktionelle Mittatherrschaft59 oder Arbeitsteilung bei der Tatbestandsverwirklichung und eine wesentliche Mitwirkung im Ausführungsstadium des Delikts gegeben sind. Mit dieser Täterschaftsform beschäftigte sich der BGH insbesondere in vier Fällen: der Lederspray-Entscheidung, dem Immobiliengesellschaft-Beschluss, dem Bremer Vulkan-Fall und dem Mannesmann-Fall.

I. Lederspray-Fall (BGHSt 37, 10660) Im Lederspray-Fall hatten die Geschäftsführer einer Mutter-GmbH und die Geschäftsführer zweier Vertriebsgesellschaften die Herstellung bzw. den Vertrieb eines Ledersprays veranlasst, dessen Gebrauch Gesundheitsschäden bei den Verbrauchern verursacht hatte61. Bei den Leitungsorganen der produzierenden W-GmbH-Mutterfirma und den Vertriebsunternehmen waren nämlich seit Herbst 1981 Meldungen über beim Gebrauch der Ledersprays aufgetretene Gesundheitsschäden eingegangen62. Angesichts dieser Meldungen hatten die Leitungsorgane der genannten 54

STS 234/2010 v. 11. 03. 2010. Etwa STS 1828/2002 v. 25. 10. 2002. 56 BGHSt 43, 219 (BGH, Urteil v. 6. 6. 1997 – 2 StR 339/96). 57 BGHSt 48, 331 (Urt. v. 26. 08. 2003 – 5 StR 145/03). 58 CCP-López Barja, Band III, Art. 28, S. 139; Roxin, TuT, § 27, S. 285 ff.; ders., JA 1979, 519 f.; Stratenwerth/Kuhlen, AT, 6. Aufl., § 12, Rn. 80 f. In der spanischen Strafrechtslehre siehe Perez Alonso, La complicidad necesaria, S. 204. 59 CCP-López Barja, Band III, Art. 28, S. 140; Perez Alonso, La complicidad necesaria, S. 204; Roxin, TuT, 10. Aufl., § 27, S. 310 ff.; ders., JA 1979, S. 522; ders., AT II, S. 25, Rn. 188. 60 Urt. v. 06. Juli 1990 – 2 StR 549/89. 61 BGHSt 37, 106 (= BGHSt, Band 37, S. 108 ff.). 62 BGHSt 37, 106 (= BGHSt, Band 37, S. 108). 55

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

Wirtschaftsunternehmen versucht, die Ursache der Gesundheitsschäden herauszufinden; dies war jedoch nicht erfolgreich gewesen63. Nachdem die Geschäftsführer der Muttergesellschaft Kenntnis über weitere Schadensmeldungen erlangt hatten, hatten die Geschäftsführer eine Sondersitzung einberufen, in der sie beschlossen, die Sprays nicht vom Markt zu nehmen64. Die Geschäftsführer der Vertriebsunternehmen übernahmen die durch die Leitungsorgane der Produktionsfirma getroffene Entscheidung65; daher wurde das Lederspray nicht nur nicht zurückgezogen, sondern weiter vertrieben. Diese Entscheidungen hatten zur Verursachung gefährlicher Körperverletzungen bei den Verbrauchern des Ledersprays geführt. Der BGH verurteilte die Geschäftsführer der das Lederspray produzierenden WGmbH-Mutterfirma und zweier Betriebsgesellschaften wegen mittäterschaftlich begangener fahrlässiger und gefährlicher Körperverletzung. Wie bei der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft gründete der BGH seine Entscheidung auf ontologische und normative Kriterien. Im ontologischen Bereich nannte der BGH drei Kernelemente, anhand derer er die Herrschaft der Geschäftsführer der Mutter- und Tochtergesellschaften an der Verwirklichung der Körperverletzungstatbestände begründete. Zum einen rekurrierte er auf die vor der Sondersitzung getroffenen Entscheidungen der Geschäftsführer der Muttergesellschaft, welche die Herstellung des zwar schon in den Handel gelangten Ledersprays zum Inhalt hatten66. Zum anderen bezog er sich auf die Entscheidungen der Geschäftsführer, die erst in der bzw. nach der Sondersitzung getroffen wurden67. Letztlich nahmen die Führungskräfte sowohl der herstellenden Muttergesellschaft als auch der vertreibenden Tochterunternehmen das Produkt nicht vom Markt68 zurück, um Gesundheitsschäden der Verbraucher zu vermeiden. Aus diesen ontologischen Tatsachen und mittels der Anwendung der „conditio sine qua non-Formel“ folgerte der BGH, dass die Geschäftsführer der Herstellungsgesellschaft und zweier Betriebsunternehmen durch ihre Entscheidungen Tatherrschaft an der Verursachung der Gesundheitsschäden hatten. In normativer Hinsicht führte der BGH fünf Argumente für die mittäterschaftliche Verantwortung der Geschäftsführer der herstellenden Mutter- und der vertreibenden Tochtergesellschaften an. Erstens seien Hersteller und Vertriebshändler eines Produkts, dessen bestimmungsgemäße Verwendung eine Gefahr des Schadenseintritts für die Gesundheit der Verbraucher darstelle, dazu verpflichtet, diesen Schaden oder die Schadengefahr abzuwenden; denn die besondere Garantenstellung des Herstellers oder Vertriebshändlers schaffe eine Verpflichtung zum Rückruf bereits in den 63 64 65 66 67 68

A. a. O. BGHSt 37, 106 (= BGHSt, Band 37, S. 109). BGHSt 37, 106 (= BGHSt, Band 37, S. 129 f.). BGHSt 37, 106 (= BGHSt, Band 37, S. 110, 113 f.). BGHSt 37, 106 (= BGHSt, Band 37, S. 110). BGHSt 37, 106 (= BGHSt, Band 37, S. 109).

§ 5 Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

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Handel gelangter, gesundheitsgefährdender Produkte69. Zweitens sei in einer GmbH – wie bei den Herstellungs- und Vertriebsunternehmen – für den Fall, dass mehrere Geschäftsführer gemeinsam über die Anordnung des Rückrufs zu entscheiden hätten, jeder Geschäftsführer verpflichtet, „alles ihm Mögliche und Zumutbare“ zu tun, um diese Entscheidung herbeizuführen70. Drittens folge aus dem Unterlassen des Geschäftsführers, seinen Beitrag zum Zustandekommen der gebotenen Rückrufentscheidung zu leisten, eine Ursache für das Unterbleiben der Maßnahme71. Viertens haften die Geschäftsführer einer GmbH, wenn diese – wie bei den genannten Mutter- und Tochtergesellschaften – einstimmig beschließen, den gebotenen Rückruf zu unterlassen72, für die Schadensfolgen der Unterlassung als Mittäter73. Fünftens hätten die Geschäftsführer der Herstellungsgesellschaft und ihrer Tochterfirmen ihre Garantenpflichten gemeinsam nicht erfüllt, die sie dazu verpflichtet hätten, das Produkt zurückzuziehen und dadurch Schaden für die Gesundheit der Verbraucher zu vermeiden74. Dies begründe Mittäterschaft der genannten Geschäftsführer an einer fahrlässigen (§ 229 dStGB) und gefährlichen (§ 224 dStGB) Körperverletzung.

II. Immobiliengesellschaft-Fall (BGH, Beschluss v. 2. 11. 2007 – 2 StR 384/07) Den Immobiliengesellschaft-Fall75 kennzeichnet nach dem Verständnis des BGH die Mittatherrschaft eines Unternehmensgründers und seines Geschäftsführers an der Verwirklichung eines Betrugstatbestands. Der von den Angeklagten faktisch und rechtlich kontrollierte Geschäftsbetrieb wurde nur durch Kredite aufrechterhalten76. Nachdem die Gesellschaft keine weiteren regulären Bankkredite mehr bekommen hatte, warben der Geschäftsführer und der mitangeklagte Firmengründer Immobilieneigentümer an, die gegen Entgelt der Gesellschaft ein Darlehen zur Verfügung stellten77. Ihrerseits nahmen die Immobilieneigentümer dafür Darlehen bei Banken auf und gewährten als Sicherheit Grundpfandrechte auf ihre Immobilien. Der Ge69

BGHSt 37, 106, Leitsatz 2 (= BGHSt, Band 37, S. 106 f.). Vgl. dazu BGHSt 37, 106, Leitsatz 4 (= BGHSt, Band 37, S. 107, 126, 128). 71 Siehe BGHSt 37, 106 (= BGHSt, Band 37, S. 131 f.). 72 BGH, BGHSt 37, 106 (= BGHSt, Band 37, S. 129, 131 f.). 73 So BGHSt 37, 106, Leitsatz 5 (= BGHSt, Band 37, S. 129). Dieselbe Betrachtung nimmt der BGH im Weinpanscher-Fall (BGH NJW 1995, S. 2933 ff.) vor. In beiden Entscheidungen hat der BGH festgestellt, dass die Unternehmensleiter für jene schädlichen Ergebnisse verantwortlich sind, die sich aus der Entscheidung ergeben, das Produkt weiter zu verkaufen, obwohl sie wissen, dass es fehlerhaft ist. 74 BGHSt 37, 106 (= BGHSt, Band 37, S. 114). 75 Vgl. auch NStZ 2008, S. 90 f. 76 BGH, Beschl. v. 02. 11. 2007 – 2 StR 384/07 (= NStZ 2008, 89). 77 BGH, Beschl. v. 02. 11. 2007 – 2 StR 384/07 (= NStZ 2008, 90). 70

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schäftsführer und der Firmengründer hatten die Immobilieneigentümer bis zur Kreditgewährung nicht über die desolate finanzielle Lage der Gesellschaft informiert und die Kreditzinsen nur teilweise und unregelmäßig gezahlt78. Von diesem Sachverhalt ausgehend rechnete der BGH dem Geschäftsführer die vom Firmengründer verübten Täuschungshandlungen zu. Folglich verurteilte der BGH die Angeklagten als Mittäter wegen Betrugs. Der BGH begründete die Mitherrschaft und daher die Mittäterschaft mit rein ontologischen Erwägungen, nämlich mit dem gemeinsamen Tatentschluss und mit einem arbeitsteiligen Vorgehen. Denn für die tatmehrheitliche mittäterschaftliche Mitwirkung an mehreren Betrugstaten bedürfe es nicht unbedingt der Vornahme einer Täuschungshandlung. Es genügen vielmehr jeweils Handlungen, durch die der Täter im Rahmen des gemeinsamen Tatplans zur mehrfachen Tatbestandsverwirklichung beitrage. Daraus schloss der BGH, dass der Geschäftsführer kein mittelbarer Täter wegen Organisationsherrschaft sei, weil er nicht kraft Organisationsherrschaft Anstoß zu den Betrügereien gegeben, sondern die Taten gemeinsam mit dem Firmengründer verübt habe.

III. Bremer Vulkan-Fall (BGHSt 49, 14779) Im Bremer Vulkan-Fall beschäftigte sich der BGH mit der Mittäterschaft eines Vorstandsvorsitzenden und der Geschäftsführer der Bremer Vulkan Verbund AG (BVV-AG). Die BVV-AG hatte über die Tochterunternehmen MTW und VWS Werften in Ostdeutschland betrieben80. Die BVV-AG hatte diese SchiffswerftGmbHs zuvor von der damaligen Treuhandanstalt (THA81) durch einen Kauf- und Übertragungsvertrag erworben82. Zum Zweck der Standort- und Arbeitsplatzsicherung hatte die Treuhandanstalt zugunsten der MTW und VWS erhebliche Investitionsbeihilfen zugesichert und schließlich auch ausgezahlt83. Mit den Erwerbsverträgen wurden die Geschäftsanteile der MTW und VWS auf die BVV-AG übertragen, daher hatte die BVV-AG das Recht, die Tochter-GmbHs unter eigener Verantwortung zu führen und deren Gewinne zu vereinnahmen84. Aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Schiffbau befand sich die BVV-AG in der 78

BGH, Beschl. v. 02. 11. 2007 – 2 StR 384/07. Urt. v. 13. 5. 2004 – 5 StR 73/03. 80 BGHSt 49, 147 (= BGHSt, Band 49, S. 148 f.). 81 Die THA war eine in der Spätphase der DDR gegründete Anstalt des öffentlichen Rechts in Deutschland mit der Aufgabe, die volkseigenen Betriebe der DDR nach den Grundsätzen der Sozialen Marktwirtschaft zu privatisieren und die „Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu sichern“ (§ 8 Treuhandgesetz) oder, wenn das nicht möglich war, stillzulegen, vgl. dazu das Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens, insbesondere § 8. 82 BGHSt 49, 147 (= BGHSt, Band 49, S. 149 f.). 83 A. a. O. 84 BGHSt 49, 147, Rn. 30. 79

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Folgezeit ständig in einer angespannten finanziellen Situation85. Angesichts dessen wurden die aus den Investitionsbeihilfen stammenden Liquiditätsreserven beider Tochter-GmbHs von der Konzernspitze in ein konzernweites „Cash-ManagementSystem“ einbezogen86, um den wirtschaftlichen Fortbestand des Gesamtkonzerns gewährleisten zu können. Die wirtschaftlichen Verluste, die sich aus den Forderungsausfällen ergaben, führten in der Folge zu unüberwindbaren Rückschlägen87, sodass im Jahr 1996 das Konkursverfahren eröffnet werden musste88. Der BGH verurteilte die Vorstandsmitglieder der Mutteraktiengesellschaft wegen Untreue in Mittäterschaft. In der Begründung des Urteils wurden sowohl ontologische als auch normative Erwägungen angestellt. Aus einem ontologischen Strafrechtsverständnis heraus nahm der BGH an, dass sich die Mittäterschaft der Vorstandsmitglieder der BVV-AG auf die dominierende faktische Stellung des Alleingesellschafters stütze, der empirisch das erworbene Unternehmen gelenkt habe89. Die Tatherrschaft der Vorstandsmitglieder der BVVAG folgte aus dem Umstand, dass die Vermögenswerte der Ostwerften entweder als Festgeldanlagen dem Konzern bzw. seinen Tochtergesellschaften zur Verfügung gestanden hatten oder in das Cash-Management-System einbezogen wurden, was materiell der Gewährung eines Darlehens gleich kam. Die Vorstandsmitglieder hatten durch ihre Entscheidungen sowohl die Festanlagen größerer Gelder als auch insbesondere das Cash-Management-System in seinen wesentlichen Grundsätzen installiert. Diese Entscheidungen des Konzernvorstands der BVV-AG, die letztlich zum Konkursverfahren der Tochtergesellschaften geführt hatten, habe die Mittäterschaft der Vorstandsmitglieder der Konzernmutter begründet, unabhängig davon, ob ihnen die einzelnen Kapitaltransfers bekannt waren oder nicht90. Normativ begründete der BGH die Mittäterschaft der Angeklagten mit allgemeinen und spezifischen Erwägungen; diese bezogen sich in allgemeiner Hinsicht auf die abstrakten Grundvoraussetzungen der Täterschaft von Vorstandsmitgliedern einer AG und in spezieller Hinsicht auf die konkreten Voraussetzungen einer Täterschaft der Vorstandsmitglieder der BVV-AG. Auf einer abstrakten normativen Ebene führte der BGH vier Argumente an. Erstens sei jede Gesellschaft wegen ihrer besonderen Rechtsstellung im Geschäftsverkehr Trägerin von Schutzpflichten, die sicherstellen, dass die Gesellschaft die Essentialien einhalte, die für das Funktionieren des Wirtschaftskreislaufs unerlässlich seien und auf die der Rechtsverkehr vertrauen können müsse91. Zweitens 85 86 87 88 89 90 91

BGHSt 49, 147 (= BGHSt, Band 49, S. 150). BGHSt 49, 147, Rn. 12 f. BGHSt 49, 147, Rn. 14. BGHSt 49, 147 (= BGHSt, Band 49, S. 152). BGHSt 49, 147, Rn. 36. BGHSt 49, 147; BGH 37, 106 (123 ff.); BGH 48, 77 (89 ff.). BGHSt 49 (= BGHSt, Band 49, S. 158).

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treffe die Muttergesellschaft eine Vermögensbetreuungspflicht dahingehend, die Rückzahlung der Gelder – etwa durch ausreichende Besicherung – zu gewährleisten, wenn der Vermögenstransfer ein solches Ausmaß erreicht, dass die Erfüllung der eigenen Verbindlichkeiten des Konzernmitglieds im Falle eines Verlusts der Gelder gefährdet wäre92. Drittens treffen solche Pflichten nicht nur den Geschäftsführer als das vertretungsberechtigte Organ, sondern in gleicher Weise den beherrschenden Alleingesellschafter93. Viertens verletzen die Vorstandsmitglieder der beherrschenden Aktiengesellschaft jedenfalls dann ihre Vermögensbetreuungspflicht gegenüber einer abhängigen GmbH, wenn deren Vermögenswerte in einem solchen Umfang ungesichert im Konzern angelegt werden, dass im Fall ihres Verlustes die Erfüllung von Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft oder deren Existenz gefährdet wäre94. Fünftens begründet die Verletzung der bereits genannten Pflichten die Täterschaft sowohl der Geschäftsführer einer GmbH als auch der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft. Im konkreten Fall stützte der BGH die Mittäterschaft der Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft insbesondere auf die folgenden Kriterien. Zunächst seien die Vorstandsmitglieder des Konzerns Träger einer sich aus ihrer dominierenden faktischen Stellung in der Organisation der erworbenen Tochterunternehmen ergebenden besonderen Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 i. V. m. 14 Abs. 1 Nr. 1 dStGB, die auf die Wahrung der Vermögensinteressen der Tochtergesellschaften gerichtet ist95. Insoweit sei die BVV-AG ebenfalls dazu verpflichtet gewesen, einerseits als Alleingesellschafterin über die Gelder der Tochtergesellschaften nur in den oben erläuterten Schranken zu verfügen und andererseits eine andauernde Sicherung der Gelder zu gewährleisten96. In Einklang damit müsste der Vorstand der Muttergesellschaft BVV-AG dann die wirtschaftlichen Eigeninteressen der Tochtergesellschaften (und ihrer Gläubiger) wahren97. Diese besondere Vermögensbetreuungspflicht, die der BGH den Angeklagten nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 dStGB als Mitglieder des Organs der Muttergesellschaft zurechnete, wurden im konkreten Fall verletzt. Daher wurden die Angeklagten durch den BGH wegen Untreue in Mittäterschaft verurteilt, soweit die von ihnen geleitete Konzernmutter eine ordnungsmäße Sicherung der Gelder der Tochtergesellschaften VWS und MTW unterlassen habe98.

92 93 94 95 96 97 98

BGHSt 49, 147 (= BGHSt, Band 49, S. 161). BGHSt 49, 147 (= BGHSt, Band 49, S. 158). BGHSt 49, 147, Leitsatz 2. BGHSt 49, 147 (= BGHSt, Band 49, S. 161). BGHSt 49, 147 (= BGHSt, Band 49, S. 160). BGHSt 49 (= BGHSt, Band 49, S. 161). A. a. O.

§ 5 Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

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IV. Mannesmann-Fall (BGHSt 50, 33199) Im März 2000 wurde die deutsche Mannesmann AG von der britischen Vodafone AG übernommen. Das Präsidium der Mannesmann AG – ein Ausschuss des Aufsichtsrats – bestand aus vier Aufsichtsratsmitgliedern und war u. a. für die Festsetzung der Bezüge der Vorstandsmitglieder zuständig. Dieses Präsidium beschloss zwei nicht vorgesehene Sonderzahlungen für Esser (E) und Funk (F): zum einen beschloss das Präsidium am 4. Februar 2000, dem Vorstandsvorsitzenden E eine Sonderzahlung von circa 16 Millionen Euro als Anerkennung für seinen Einsatz in der Auseinandersetzung mit der Vodafone AG zu gewähren. An der Beschlussfassung waren drei der vier Präsidiumsmitglieder beteiligt, was für die Beschlussfähigkeit erforderlich war. Von diesen drei Präsidiumsmitgliedern stimmten dem Beschluss zwei von ihnen – A und F – zu100, was auch unerlässlich für die rechtliche Gültigkeit der Entscheidung war. Zwickel (Z) – der als Arbeitnehmervertreter telefonisch an der Abstimmung teilnahm – war seinerseits mit der Bewilligung der Prämie einverstanden, enthielt sich aber der Stimme, weil er die Prämienzahlungen nicht als Angelegenheit der von ihm im Aufsichtsrat vertretenen Arbeitnehmer betrachtete101. Zum anderen entschied das Präsidium am 17. April 2000, dem früheren Vorstandsmitglied F wegen seiner früheren Verdienste eine Prämie in Höhe von 3 Millionen Euro zu zahlen. Wie bei der ersten Sonderzahlung wurde die Entscheidung wiederum von drei Präsidiumsmitgliedern getroffen. So wurde dieser Sonderzahlung von A und vom anderen Präsidiumsmitglied zugestimmt; dagegen enthielt Z sich erneut seiner Stimme. Die Geschäftsleitung der Vodafone AG war jeweils mit den Prämienzahlungen einverstanden102. Das LG ging in der Lösung dieses Falls davon aus, dass die von dem Aufsichtsrat getroffene Entscheidung die aktienrechtliche Rechtsordnung verletzte, denn der Beschluss zugunsten der Vergabe der Anerkennungsprämien wurde gegen das Interesse des Unternehmens und zugunsten der Aufsichtsratsmitglieder gefasst. Dies folgte aus der objektiven Minderung des Vermögens des Unternehmens infolge der Prämienauszahlung. Dennoch verneinte das LG die Verwirklichung des Untreuetatbestandes, weil aus seiner Sicht eine gravierende tatbestandliche Pflichtverletzung fehlte. Der BGH kam zum gegenteiligen Ergebnis; d. h., er bejahte die Verwirklichung des Untreuetatbestandes sowohl vor dem Gesichtspunkt der Täterschaft als auch der Teilnahme. Der BGH begründete seine Entscheidung insbesondere mit drei normativen Argumenten: Erstens sei bei fehlender Rechtsgrundlage im Dienstvertrag die Bewilligung einer nachträglichen Anerkennungsprämie zwar zulässig, soweit dem Unternehmen gleichzeitig Vorteile zufließen, die in einem angemessenen 99

Urt. v. 21. 12. 2005 — 3 StR 470/04 (BGHSt, Band 50, S. 331 ff.). BGHSt 50, 331 (BGHSt, Band 50, S. 333). 101 BGHSt 50, 331 (BGHSt, Band 50, S. 334). 102 BGHSt 50, 331 (BGHSt, Band 50, S. 333). 100

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

Verhältnis zu der mit der freiwilligen Zusatzvergütung verbundenen Minderung des Gesellschaftsvermögens stehen. Dies komme insbesondere in Betracht, wenn die freiwillige Sonderzahlung entweder dem begünstigten Vorstandsmitglied selbst oder zumindest anderen aktiven oder potentiellen Führungskräften signalisiere, dass sich außergewöhnliche Leistungen lohnen, von ihr also eine für das Unternehmen vorteilhafte Anreizwirkung ausgehe103. Zweitens sei dagegen eine im Dienstvertrag nicht vereinbarte Sonderzahlung für eine geschuldete Leistung, die ausschließlich belohnenden Charakter habe und der Gesellschaft keinen zukunftsbezogenen Nutzen bringen könne (kompensationslose Anerkennungsprämie), als treupflichtwidrige Verschwendung des anvertrauten Gesellschaftsvermögens zu bewerten104. Drittens hätten die Aufsichtsratsmitglieder gegen ihre besondere Vermögensbetreuungspflicht verstoßen, da die von ihnen getroffenen Entscheidungen der bereits in Auflösung befindlichen Mannesmann AG keine Vorteile mehr verschaffen konnten und die rechtsgrundlose Zahlung der Anerkennungsprämien das anvertraute Gesellschaftsvermögen schädigten

V. Weitere Fälle der Mittäterschaft Es gibt weitere Fälle, in denen der BGH sich mit der Unterscheidung der Verantwortungsbereiche und mit den strafrechtlichen Verantwortungsformen der Beteiligten bei Kollektiventscheidungen im Wirtschaftsunternehmen beschäftigte. Beispiel dafür ist der Strohmann-Gesellschafter-Fall105. In diesem Fall bestätigte der BGH das Urteil des LG Hamburg, bei dem ein Strohmann-Gesellschafter und der Geschäftsführer eines Unternehmens als Mittäter verurteilt wurden. Dies wurde damit begründet, dass der Geschäftsführer durch die Verantwortung für die „Unternehmensorganisation“ und durch Maßnahmen zur Beutesicherung eine Stellung als Mittäter eingenommen habe106. Nach Auffassung des BGH waren die Organisationstätigkeiten in diesem Fall bereits unmittelbar Bestandteile der Betrugshandlungen, weswegen der Vergleich mit den Fällen der Ausnutzung organisatorischer Machtapparate nicht überzeugen könne107. Daneben finden sich Fälle wie z. B. der Holzschutzmittel-108 und der Kreditvergabe-Fall109. In diesen Fällen legte der BGH Voraussetzungen fest, welche von den Leitern eines Wirtschaftsunternehmens – etwa den Mitgliedern eines Aktiengesellschaftsorgans oder den Geschäftsführern einer GmbH – bei Kollektiventschei103 104 105 106 107 108 109

BGHSt 50, 331 (BGHSt, Band 50, S. 337). BGHSt 50, 331 (BGHSt, Band 50, S. 331 f., 337 f.). BGH, Beschl. v. 21. 12. 1995 – 5 StR 392/95 (= NStZ 1996, 296 f.). BGH, Beschl. v. 21. 12. 1995 – 5 StR 392/95, Rn. 7. Bosch, N., Organisationsverschulden in Unternehmen, S. 254, Fn. 810. BGHSt 41, 206 (208), Urt. v. 02. 08. 1995 – 2 StR 221/94. BGHSt 46, 30 (35), Urt. v. 6. 4. 2000 – 1 StR 280/99 (= NJW 2000, 2364 ff.).

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dungen erfüllt werden müssen, um eine täterschaftliche oder teilnehmerische Verantwortung110 der zuständigen Sonderpflichtträger wegen Untreue (§ 266 dStGB) zu begründen. Unter dem gleichen Gesichtspunkt stellte der BGH im WeinpanscherFall111 fest, dass die Leiter eines Unternehmens auch als Mittäter für den Verkauf fehlerhafter Produkte verantwortlich sind, wenn sie das Produkt in Kenntnis seiner Fehlerhaftigkeit weiter verkaufen.

D. Mittäterschaft wegen funktioneller Arbeitsteilung aus Sicht des spanischen TS I. Colza-Fall (STS 3654/1992 v. 23. 04. 1992) In diesem Fall beschlossen die Geschäftsführer des Ölherstellungsunternehmens „Rapsa“, das mit Anilin behandelte Rapsöl zum Verzehr zu verkaufen, obwohl Herstellung und der Vertrieb dieses Produkts nur für den industriellen Gebrauch vorgesehen waren. Die Folge waren 330 Tote und um die 15.000 Verletzte, die das Rapsöl konsumiert hatten. In seinem Urteil übernahm der TS die durch den BGH in den Fällen „Lederspray“, „Contergan“ und „Holzschutzmittel“ als Grundvoraussetzung der Mittäterschaft festgelegte Kausalitätsthese112, um die mittäterschaftliche Verantwortlichkeit der Geschäftsführer des Unternehmens „Rapsa“ wegen Betrugs (Art. 528 i. V. m. 529 Nr. 1 und Art. 69 bis sStGB a. F.), vorsätzlichen Totschlags (Art. 407 i. V. m. 565 sStGB a. F.), vorsätzlicher Körperverletzung (§ 420 i.V. m. 422 und 582 sStGB a. F.) und vorsätzlicher Gefährdung der Verbraucher durch Inverkehrbringen von gesundheitsschädigenden Lebensmitteln mit Todesfolge (Art. 348 i. V. m. 346 sStGB a. F.) zu begründen. Die Anwendung der Kausalitätstheorie ermöglichte es dem TS, das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen der Ursache (Einnahme des Öls) und dem Erfolg (Tod von 330 Menschen und Verletzung von 10.000 Betroffenen) festzustellen. Dieser Kausalzusammenhang habe sich in der Ähnlichkeit der Symptome, die die Verbraucher des Rapsöls bekommen hatten geäußert. Diese Begründung einer Täterschaft der Führungskräfte des Ölherstellungsunternehmens mit der bloßen Feststellung des Kausalzusammenhangs zwischen den fehlerhaften Entscheidungen der Unternehmensleiter und den Auswirkungen auf die Opfer bedeutet, dass der TS, wie der BGH, auf die „conditio sine qua non-Formel“ zurückgriff, nach der die Pflichtverletzung nur dann für einen Erfolg kausal ist, wenn die pflichtgemäße Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfällt. Beim 110 Zur Klarstellung der rechtswidrigen Natur der Sonderpflichtverletzung, welche die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Untreueunrechts begründet, siehe unter anderem die Urteile: BGHSt 47, 148, Urt. v. 15. 11. 2001 – 1 StR 185/101 (= NStZ 2002, 262 ff.); BGHSt 47, 187, Urt. v. 15. 11. 2001 – 1 StR 185/01 (= NJW 2002, 1211). 111 BGH, Urt. v. 21. 06. 1995, Az.: 2 StR 758/94 (= NJW 1995, 2933 ff.). 112 Vgl. dazu Perez del Valle, ADPCP 1996, S. 980.

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Colza-Fall sei es nicht möglich, die rechtswidrigen Entscheidungen der Geschäftsführer des Unternehmens Rapsa hinwegzudenken, ohne dass die Verletzungen und Todesfälle entfielen.

II. ANESVAD-Fall (STS 1825/2013 v. 11. 04. 2013) ANESVAD war eine in den 1970er Jahren als Stiftung gegründete gemeinnützige Nichtregierungsorganisation für Entwicklung (NGOD), die dem Protektorat der Regierung des Königreichs Spanien anvertraut war. Zum Zeitpunkt der Straftatbegehung waren der Angeklagte N und der Angeklagte C General- bzw. Finanzdirektor der Stiftung. Dagegen war der Angeklagte F seit der Gründung von ANESVAD in den 1970er Jahren bis zum 8. Mai 2007 Vorsitzender des Wohlfahrtsverbands. Von 1996 bis 2006 eigneten sich die angeklagten N, C und F große e Geldsummen, die dem Betrieb gehörten, an. Zur Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Beteiligten griff der TS auf die traditionelle Mittäterschaft zurück, weil aus seiner Sicht jeder Angeklagte wegen seiner Sonderstellung in der Organisationsstruktur der Stiftung ANESVAD das den Straftatbestand einer Unterschlagung verwirklichende Verhalten funktional beherrschte. Dies führte den spanischen TS zur Verurteilung des Vorsitzenden, des General- und Finanzdirektors von ANESVAD als Mittäter u. a. eines Unterschlagungsdelikts (Art. 252 sStGB) nach dem im sStGB geregelten Prinzip der „Mittelkonkurrenz“ (concurso medial) mit Fälschung im Handelsdokument (Art. 392 sStGB).

III. Faktischer Geschäftsführer-Fall (STS 279/2019 v. 07. 02. 2019) Forrajes Anies S.L. und Almacenes Anies S.L. waren zwei GmbHs, deren tatsächlicher Geschäftsführer der Angeklagte L war. Im Rahmen der Erfüllung seiner Aufgaben beauftragte der faktische Geschäftsführer seine Mitangeklagten damit, seiner zur Gruppe „Banca Civica“ gehörenden Gläubigerin „Caja de Ahorros de Navarra“ falsche Verträge vorzuzeigen, um einen neuen Kredit zugunsten der von ihm vertretenen Unternehmen „Forrajes Anies S.L.“ und „Almacenes Anies S.L.“ zu erreichen. Durch diese Vorgehensweise erhielt der Geschäftsführer eine Finanzierung für die genannten Wirtschaftsunternehmen, weshalb diese ihre Geschäftstätigkeit weiter ausbauen konnten. Ausgehend davon verurteilte der spanische TS beide Wirtschaftsbetriebe wegen Betruges in Mittäterschaft (Art. 258, 250 Abs. 1 Nr. 5 und 251 bis sStGB). Zur Begründung der Mittäterschaft der Unternehmen hat der TS sowohl ontologische als auch normative Erwägungen angestellt.

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Ontologisch begründete der TS die mittäterschaftliche Strafhaftung der Wirtschaftsunternehmen mit der absichtlichen Täuschung des Gläubigerunternehmens durch den Geschäftsführer, der die Organisation beider Wirtschaftsbetriebe tatsächlich kontrollierte113. Der Geschäftsführer beherrschte nämlich die Vorlage der falschen Verträge und Quittungen, mit denen die Gläubigerfirma „Caja de Ahorros de Navarra“ getäuscht wurde; der dadurch erlangte Kredit führte zu einem Vermögensvorteil für die Schuldnerunternehmen und zu einer Vermögensbeschädigung für die Gläubigerfirma. Normativ begründete der spanische TS die Mittäterschaft der angeklagten Wirtschaftsbetriebe mit zwei Argumenten. Einerseits erfülle das einen Missbrauch sowohl der Erlaubnis zur Entscheidungsfindung als auch der Zuständigkeit zur inneren Organisation und Kontrolle beider Unternehmen darstellende betrügerische Verhalten des tatsächlichen Geschäftsführers die in Art. 31 bis Abs. 1 Nr. a sStGB festgelegten gesetzlichen Voraussetzungen114. Andererseits seien die juristischen Personen für die Straftaten verantwortlich, die in ihrem Namen und zu ihren Gunsten sowohl von ihren gesetzlichen Vertretern als auch von denjenigen Personen begangen werden, die entweder individuell oder als Organmitglied des Wirtschaftsunternehmens berechtigt sind, Entscheidungen im Namen des Wirtschaftsbetriebs zu treffen oder eine solche juristische Person zu organisieren und zu kontrollieren115.

IV. Steuerhinterziehungs-Fälle In diesem Bereich liegen viele Fälle vor116, in denen der TS die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft zur Begründung der Strafverantwortung des qualifizierten Hintermannes anwandte, wenn dieser den Straftatbestand durch einen untergeordnet handelnden Vordermann verwirklicht hat. Zur Erklärung dieser Fallkonstellation werden hier zwei im Folgenden darzustellende Beispiele angeführt. Zunächst findet sich der Fall, in dem ein Unternehmer (U) die unmittelbar von nichtqualifizierten Personen vorgenommenen rechtswidrigen ökonomischen Investitionstätigkeiten seines Wirtschaftsunternehmens kontrollierte, welche auf eine Steuerhinterziehung zielten. U beauftragte den untergeordneten Vordermann (V) mit der wirtschaftlichen Leitung seines Wirtschaftsunternehmens; daraufhin entwickelte V vorsätzlich einen Vermögensverschleierungsplan gegenüber der spanischen Steuerbehörde, um auf diese Weise Steuern von U zu hinterziehen117. Der Plan bestand nämlich darin, durch unzuständige Finanzintermediäre zahlreiche komplexe unerlaubte Geldinvestitionen vorzunehmen; dies führte nicht nur zu einem wirt113 114 115 116 117

STS 279/2019 v. 07. 02. 2019. A. a. O. A. a. O. Vgl. SSTS 274/1996 v. 20. 05. 1996; 1336/2002 v. 15. 07. 2002. STS 274/1996 v. 20. 05. 1996.

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

schaftlichen Gewinn zugunsten des U, sondern stellte auch eine Steuerhinterziehung dar, da U wegen der teilweisen Verschleierung seines Vermögens und der rechtswidrigen Geldinvestitionen einerseits hohe Beträge verdiente und andererseits niedrigere Steuern bezahlte118. Ausgehend von diesem Sachverhalt verurteilte der TS den U als Täter eines Steuerhinterziehungsdelikts. Das Urteil wurde auf ontologische und normative Erwägungen gestützt. Ontologisch behauptet der TS, dass U die Organisation der rechtswidrigen Geldinvestitionen sowie die Vermögensverschleierung und somit die Steuerhinterziehung mittelbar beherrschte. Denn aus Sicht des TS hatte U als Vorstandsvorsitzender die Entscheidungsmacht über die Durchführung der genannten ökonomischen Operationen und über die daraus hergeleiteten Gewinne. Dies werde durch die Verwendung falscher Dokumente zur Erreichung der rechtswidrigen Investitionen bewiesen, aus denen das vor der spanischen Steuerbehörde versteckte Geld stammte. Die vorsätzliche Handlung des qualifizierten Hintermannes bestehe darin, dass er durch den unmittelbar handelnden Vordermann das Eigentum an den Investitionen Personen zuordnete, die wirtschaftlich nicht an „ihren“ vorgeblichen Investitionen beteiligt waren und denen die strafrechtliche Relevanz der Investitionen nicht bekannt war. Neben U wurde V als erforderlicher Gehilfe zu zwei Steuerhinterziehungsdelikten (Art. 349 f. sStGB) in Idelkonkurrenz mit dem Delikt der Verfälschung privater Unterlagen (§ 306 sStGB) verurteilt.

E. Anwendung der „Erforderlichen Beihilfe“ in Spanien bei vorsätzlicher Handlung des nichtqualifizierten Vordermannes Im Unterschied zum BGH, der bei den Unternehmensdelikten Mittäterschaft anwendet, um die strafrechtliche Verantwortlichkeit des vorsätzlich handelnden untergeordneten Vordermannes zu begründen, greift der spanische TS auf die Strafrechtsfigur der „erforderlichen Beihilfe“ zurück, um den in seiner Person keine besondere Tätereigenschaft tragenden dolosen Vordermann zu bestrafen. Die Grundvoraussetzungen der Anwendung dieser Beteiligungsform sind einerseits die in Art. 28 und 29 sStGB geregelten Vorschriften über Täterschaft, „erforderliche Beihilfe“ und „bloße Beihilfe“ und andererseits die dogmatischen Standpunkte der Tatherrschaftslehre. Ausgehend von diesen Prämissen entwickelt der TS drei Thesen bezüglich der Mittäterschaft, der „erforderlichen Beihilfe“ und der „einfachen Beihilfe“. Der TS begreift die Täterschaft als eine Strafrechtskategorie, in der Täter derjenige ist, der die dafür vorgesehenen Straftatbestände des Besonderen Teils als seine

118

A. a. O.

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eigene Tat verwirklicht119. Ausgehend von dieser allgemeinen Prämisse definiert der TS Mittäterschaft im Sinne des Art. 28 Abs. 1 sStGB als die Beteiligungsform, die in dem gemeinsamen Vollzug der in der strafrechtlichen Rechtsnorm beschriebenen Straftat durch alle Beteiligten besteht, unabhängig von der jeder von ihnen zugewiesenen individuellen Rolle, da keiner der Beteiligten das tatbestandliche Verhalten vollständig ausführt, so dass das Akzessorietätsprinzip der Teilnahme keine Rolle spielt120. Im Gegensatz dazu wird der Gehilfe – nämlich der „erforderliche“ und der „bloße“ Gehilfe – als ein Beteiligter begriffen, der sich an einer durch den Täter verwirklichten fremden Straftat beteiligt121. In Bezug darauf und in Übereinstimmung mit Art. 28 Abs. 2b sStGB charakterisiert der TS die erforderliche Beihilfe als den Beitrag zur Straftatherbeiführung, ohne den die Tatbestandsverwirklichung nicht möglich gewesen wäre122. So unterscheide sich die „erforderliche Beihilfe“ von der Mittäterschaft dadurch, dass der „erforderliche Gehilfe“ das Strafunrecht nicht ausführt, sondern nur eine angrenzende, kollaterale und davon zu unterscheidende Tätigkeit entfaltet, die jedoch so eng mit dem Verhalten des Täters zusammenhängt, dass sie zur Erreichung des von allen Beteiligten im Rahmen des vorherigen Tatentschlusses vereinbarten gemeinsamen verbrecherischen Zwecks unentbehrlich ist123. Seinerseits konzipiert der TS die „bloße Beihilfe“ im Verhältnis zu Art. 29 sStGB als die zur Tatbestandsverwirklichung in einer akzessorischen Form beitragenden vorherigen oder gleichzeitigen Handlungen124 ; d. h., „bloße Beihilfe“ sei die akzessorische, peripherische oder sekundäre Hilfeleistung zur Ausführung eines Strafunrechts125. In diesem Zusammenhang würden sich „einfache und erforderliche Beihilfe“ darin unterscheiden, dass die Mitwirkung des einfachen Gehilfen im Vergleich zum unentbehrlichen Beitrag des erforderlichen Gehilfen zur Straftatherbeiführung oder Erfolgsverursachung126 nur eine sekundäre, periphere oder akzessorische Bedeutung für die Unrechtsverwirklichung darstelle. Daher fordere die bloße Beihilfe nur eine akzessorische Beteiligung an der Straftatausführung127, die trotz ihrer nur sekundären Rolle im Unrechtsvollzug die Verwirklichung des durch den Täter verwirklichten Verbrechens wirksam erleichtere128. Aus diesem Grund

119 120 121 122 123 124 125 126 127 128

SSTS 3114/2003 v. 07. 05. 2003; 1338/2000 v. 24. 07. 2000. SSTS 464/2019 v. 12. 02. 2019; SSTS 3114/2003 v. 07. 05. 2003. SSTS 3114/2003 v. 07. 05. 2003. SSTS 1338/2000 v. 24. 07. 2000. SSTS 464/2019 v. 12. 02. 2019; 3114/2003 v. 07. 05. 2003; 1338/2000 v. 24. 07. 2000. SSTS 3114/2003 v. 07. 05. 2003. SSTS 464/2019 v. 12. 02. 2019; 6142/1996 v. 06. 11. 1996. SSTS 464/2019 v. 12. 02. 2019; 4125/1999 v. 11. 06. 1999. SSTS 4818/2002 v. 28. 06. 2002; 464/2019 v. 12. 02. 2019. SSTS 185/2005 v. 21. 02. 2005; 464/2019 v. 12. 02. 2019.

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

betrachtet der TS den bloßen Gehilfen als einen zur Verwirklichung eines fremden Strafunrechts beitragenden Beteiligten129. Ausgehend von diesen die „erforderliche Beihilfe“ von der Mittäterschaft und „bloßen Beihilfe“ unterscheidenden allgemeinen Kriterien beschloss der TS unter anderen in zwei Urteilen über Unternehmensdelikte, die außenstehenden untergeordneten Vordermännern als „erforderlichen Gehilfen“ zu bestrafen. Das erste Urteil betrifft den oben (§ 5 D.IV.) bereits zitierten Steuerhinterziehungsfall, in dem ein nichtqualifizierter Untergeordnete (V) einen Steuerhinterziehungsplan faktisch organisierte. V wurde von dem Besitzer (U) eines Unternehmens damit beauftragt, die Wirtschaftsbetriebe von U zu leiten. Vorganisierte die Verschleierung eines Teils des Vermögens von U vor der spanischen Steuerbehörde, damit U die ihm obliegenden gesetzlichen Steuern nicht bezahlen musste. Der TS verurteilte den V als „erforderlichen Gehilfen“ eines Betrugs (Art. 248 ff. sStGB). Der TS begründete die „erforderliche Beihilfe“ im Wesentlichen mit drei Argumenten. Erstens verlange das Gesetz für die Teilnehmer an echten Sonderdelikten – nämlich bei Straftaten, bei denen der Tatbestand eine Täterschaft ausschließlich eines Subjekts mit besonderer Qualifikation vorsieht – nicht, denselben rechtlichen Status wie der Täter zu haben. Daher verhindere das Gesetz nicht, den Extraneus als Teilnehmer am Sonderdelikt des Intraneus zu bestrafen. Zweitens verstoße der Teilnehmer (etwa der „erforderliche Gehilfe“) nicht gegen die Strafverhaltensnorm, die im Sondertatbestand des Besonderen Teils festgesetzt ist, sondern gegen das in den Teilnahmeregeln des Allgemeinen Teils enthaltene Verbot, das den Strafbarkeitsbereich des Straftatbestandes erweitert. Obwohl der Extraneus die Sonderpflicht des Intraneus nicht verletze, greife er das durch den Sondertatbestand geschützte Rechtsgut mittelbar an. Deswegen sei der Extraneus wegen seiner Beteiligung an den Sonderdelikten unter normativen Gesichtspunkten zu bestrafen. Drittens habe V den Straftatbestand der Steuerhinterziehung nicht verwirklicht, weil er die besondere Tätereigenschaft des Intraneus nicht besessen habe. Daraus leite sich ab, dass V als Extraneus die im Sondertatbestand enthaltene besondere Strafrechtsnorm nicht verletzt habe. V habe sich eigentlich nur in einer entscheidenden Weise an der fremden Verletzung der zum Zuständigkeitsbereich des Täters (Intraneus) gehörenden besonderen Strafrechtsnorm beteiligt, so dass ohne diesen Beitrag der Unternehmer seine Sonderpflicht nicht verletzt hätte und somit die Verwirklichung des Steuerhinterziehungstatbestandes unmöglich gewesen wäre. Diese Beteiligungsform des Extraneus sei nach Auffassung des TS in Art. 28 Abs. 2b – in Übereinstimmung mit Art. 65 Abs. 3 – sStGB als „erforderliche Beihilfe“ geregelt.

129

SSTS 6142/1996 v. 06. 11. 1996.

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F. Kritische Würdigung Die vom BGH und TS auf die Beteiligung bei Unternehmensdelikten – etwa bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen – angewandten Täterschaftsformen sind prinzipiell positiv zu bewerten, weil diese dogmatischen Rechtsinstitute das Interesse des BGH und TS widerspiegeln, eine Straflosigkeit der Unternehmensleitungsorgane und ihrer Untergebenen zu vermeiden130, wenn diese ihre sich aus ihren entsprechenden Allgemein- oder Sonderstellungen ergebenden Rechtspflichten verletzen. Ziel des BGH und TS ist nämlich die Bestrafung der Unternehmensführer wegen der Übertretung ihrer Pflichten, die sich auf eine richtige Entscheidungsfindung zur Verhinderung der Straftatbegehung von Untergebenen richten. Auf diese Weise hat die Rechtsprechung Deutschlands und Spaniens versucht, das Wirtschaftsstrafrecht nicht im Sinne des alten Sprichworts „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“131 anzuwenden. Aber trotz der Notwendigkeit, präventive kriminalpolitische Ziele zu erreichen, darf nicht jedes theoretische Täterschaftsmodell auf die Beteiligung an Wirtschaftsunternehmen angewendet werden, sondern nur dasjenige, das mit den Grundsätzen, die dem Strafrecht eines demokratischen Verfassungsstaats zugrundeliegen, vereinbar ist. Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden einige Einwände gegen die durch den deutschen BGH und den spanischen TS auf die Beteiligung an Wirtschaftsunternehmen – insbesondere an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen – angewandten Täterschaftsformen dargestellt. Im methodologischen Bereich verwechseln der deutsche BGH und der spanische TS die Herrschaft der Beteiligten über die faktische Tatbestandsverwirklichung mit der normativen Strafverantwortung132 für diesen. Dies ergibt sich daraus, dass der BGH und der TS die Täterschaft der Beteiligten an Unternehmensdelikten auf die ontologischen Kategorien der Kausalität und Tatherrschaft133 stützen; denn aus ihrer 130

Auf diese Weise Schünemann, ADPCP 2002, 10 ff. Zum Stand der Frage nach dem Paradigmenwechsel vom Strafrecht der unteren Klasse zum Strafrecht der oberen Klasse vgl. Schünemann, ADPCP 2002, 11; ders., in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Alte Strafrechtsstrukturen und neue gesellschaftliche Herausforderungen, S. 15 ff.; ders., Temas actuales, S. 185 ff. 132 Zur Verwechslung vgl. in der deutschen Rechtsprechung etwa: Lieferantenbetrugsfall (BGH, Urt. v. 11. Dez. 1997 – 4StR 323/97); Tierarztpraxis-Fall (BGH, Urt. v. 3. Juli 2003 – 1 StR 453/02); Schredder-Fall (BGHSt, 43, 219); Kapitalanlage-Fall (BGHSt 48, 331). In der Rechtsprechung Spaniens befinden sich: SSTS 4033/2018 v. 15. 10. 2018; 481/2017 v. 16. 02. 2017; 3322/2010 v. 30. 06. 2010.; 481/2017 v. 16. 02. 2017, S. 13; 3322/2010 v. 30. 06. 2010, S. 4. 133 Beispiele in der deutschen Rechtsprechung sind etwa: Lederspray-Fall (BGHSt 37, 106); Immobiliengesellschaft-Fall (BGH, Beschluss v. 2. 11. 2007 – 2 StR 384/07); Bremer Vulkan-Fall (BGHSt 49, 147); Lieferantenbetrug-Fall (BGH, Urteil v. 11. 12. 1997 – 4StR 323/ 97); Tierarztpraxis-Fall (BGH, Urteil v. 3. 7. 2003 – 1 StR 453/02); Schredder-Fall (BGHSt 43, 219); Sterbehilfe-Fall (BGHSt 40, 257). Außerhalb des Wirtschaftsstrafrechts hat der BGH in zahlreichen Fällen auf die Anwendung (oder Fortentwicklung) der Tatherrschaft zurückgegriffen, um die Täterschaft zu begründen; dafür stehen u. a. die folgenden Fälle: Staschynskij131

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

Sicht sind die Tatherrschaft und die Kausalität zentrale Elemente zur Begründung der Täterschaft bei Unternehmensdelikten134, sogar in den Fällen, in denen der Straftatbestand zur Bildung der Täterschaft die Verletzung einer Sonderpflicht135 fordert. So ist Täter eines Unternehmensdelikts nach einer kausal-naturalistischen Sicht, wer die Ursache des Erfolgseintritts setzt; in ähnlichem Sinne ist Täter aus einem herrschaftsorientierten Gesichtspunkt, wer den Erfolgseintritt oder die Ursache des Erfolgseintritts faktisch beherrscht. Diesem Ansatz lässt sich entgegenhalten, dass im Rahmen eines normativen Strafrechtssystems die bloße Kausalität und die faktische Tatherrschaft – etwa die bloßen Stimmen der Unternehmensleiter oder die einfachen Anweisungen der Geschäftsführer an den Untergebenen – ohne Bewertung in normativer Hinsicht keineswegs die Strafverantwortung der Unternehmensleitungsorgane begründen können (dürfen)136, weil es im Rahmen eines Verfassungsstaates verpflichtend ist, alle Strafhaftungsformen – wie die Täterschaft und Teilnahme – mit normativen Elementen zu begründen137. Deshalb sind die Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane nach der hier vertretenen Auffassung nur für diejenigen faktisch von ihren Untergebenen vorgenommenen Tatbestandsverwirklichungen strafrechtlich verantwortlich, deren tatbestandliche Risiken unabhängig von ihrem Handeln oder Unterlassen in ihren betrieblichen Verantwortungsbereich fallen. Dagegen können die Vertreter der Tatherrschaftslehre zwar erwidern, dass sich die Täterschaft wegen des Erfordernisses eines faktischen Kausalzusammenhangs zwischen den verschiedenen Stimmen der Unternehmensleiter und des Vorliegens einer Organisationsherrschaft nicht nur auf die Seinskategorie der Tatherrschaft, sondern auch auf die Sollensinstitution der Verletzung einer Garantenpflicht gründet. Gegen eine solche These ist mit Boschs Worten aber anzumerken, dass diese doppelgleisige Begründung (Kausalität und Tatherrschaft einerseits und Verletzung der Garantenstellung anFall (BGHSt 18, 87 ff.); BGHSt, Urt. v. 26. 11. 1986 – 3 StR 107/86 (= NStZ 1987, 24 ff.); BGHSt 38, 315 (Urt. v. 22. 7. 1992 – 3. StR 35/92); BGH, Urt. v. 14. 10. 1992 – 3 StR 311/92 (= NStZ 1993, 138 ff.). In der spanischen Rechtsprechung vgl. z. B. Colza-Fall (STS 3654/1992 v. 23. 04. 1992); Faktischer Geschäftsführer-Fall (STS 279/2019 v. 07. 02. 2019). 134 Dazu etwa der Lederspray-Fall (BGHSt 37, 106). Der TS hat die Kausalität zur Begründung der Täterschaft der Unternehmensleiter u. a. im Colza-Fall (STS 3654/1992 v. 23. 04. 1992) angeführt. 135 Dies wäre der Fall bei Unterlassungsdelikten, in denen sich die Täterschaft auf die Herrschaft über die Erfolgsverursachung stützt. 136 Vgl. dazu Bosch, Organisationsverschulden, S. 258; García Cavero, GP&PP 95 (2017), S. 140 ff. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Sicht von Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 48 f., der hervorhebt, dass sich die täterschaftliche Verantwortlichkeit der Unternehmensleiter auf die Verletzung bestimmter Strafrechtspflichten gründen muss; außerdem siehe Schild, Täterschaft, S. 22 f.. 137 Kritisch gegen die kausale Argumentation des BGH Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 105 ff., 119 f.; Schünemann, ADPCP 2002, 21. Bezüglich einer anderen kritischen Sicht gegen die vom BGH vertretene ontologische Begründung der Mittäterschaft vgl. auch Hoyer, GA 1996, 173; Puppe, JR 1992, 31 ff.; Rotsch, wistra 1999, 324 f.; Samson, StV 1991, S. 184.

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dererseits) tatsächlich nur die Schwächen einer ausschließlich auf Organisationsherrschaft abzielenden Betrachtungsweise im betrieblichen Bereich aufdeckt138. Diese ontologische Konstruktion der Beteiligungslehre führt zu einer umstrittenen Konzeption der Täterschaft und Teilnahme bei Wirtschaftsunternehmen, weil sie infolge ihrer rein objektiven139 oder rein subjektiven140 Begründung gegen grundlegende Prinzipien eines demokratischen Strafrechts verstößt. Die objektive Begründungsform verletzt das „Prinzip der subjektiven Strafverantwortung“ der Täterschaft und Teilnahme, da sowohl der BGH als auch der TS die Täterschaft der Mitglieder von Unternehmensleitungsorganen und Untergebenen nur auf die bloße objektive Kausalität und ohne Berücksichtigung der subjektiven Seite des Verhaltens141 stützen, was die Strafgesetzbücher Deutschlands (u. a. §§ 15, 16, 22 f., 25, 26, 27 dStGB) und Spaniens (u. a. Art. 5, 10, 14, 16, 28, 29 sStGB) verbieten. Dagegen verstößt das subjektivistische Begründungsmodell gegen den Grundsatz der Tatverantwortung, da es das Täter- und Teilnehmerunrecht der Führungskräfte bzw. Untergebenen nur mit dem Strafunwert des Willens eines jeden einzelnen Beteiligten begründet. Beispiel dafür ist Annahme mittelbarer Täterschaft von Unternehmensleitern und der Beihilfe von Untergebenen, wenn die Unternehmensführer den Untergebenen zur Verwirklichung eines Strafunrechts anstiften und die angestifteten Untergebenen die Straftat vorsätzlich und rechtswidrig verwirklichen142. Kurz formuliert sollen Führungskräfte und Untergebene immer Täter bzw. Teilnehmer eines innerhalb eines Wirtschaftsunternehmens verwirklichten Strafunrechts sein. Daher lässt sich die Kritik an der ontologischen Konstruktion der Beteiligungslehre mit zwei Argumenten zusammenfassen: erstens zeigt die rein objektive Konzeption der Täterschaft und Teilnahme das Wiederaufleben veralteter naturalistischer, objektiv-kausaler Gedanken; zweitens kommen in der rein subjektiven Begründung der Täterschaft und Teilnahme die derzeit gesetzeswidrigen alten Kategorien „animus auctoris“ und „animus socii“ zum Ausdruck, weil die Beteiligungsformen nach den psychologischen Kriterien des Täter- und Teilnehmerwillens143 bestimmt werden. 138

Auf diese Weise Bosch, Organisationsverschulden, S. 257. Siehe hiefür BGH, Urt. v. 01. 07. 1997 – 1 StR 244/97. Eine mit der hier vertretenen Auffassung zu vereinbarende Meinung findet sich bei Rotsch, NStZ 2005, 17; ders., ZStW 112 (2000), 554. 140 Vgl. dazu etwa Schredder-Fall (BGH, Urt. v. 06. 06. 1997 – 2 StR 339/96 = BGHSt, Band 43, S. 232). 141 Beispiel hierfür ist das Urteil des BGH v. 3. 7. 2003, in dem der 1. Senat die Bestrafung des Angeklagten (eines Arztes) als mittelbarer Täter kraft Organisationsherrschaft allein auf objektive Erwägungen stützte. Zur ausführlichen Erläuterung dieses Urteiles siehe oben § 5 A.II. 142 Zur Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Teilnahme gemäß dem psychologischen Begriff des Tatinteresses vgl. BGH StV 2001, 462. 143 In einem ähnlichen Sinne Küpper, GA 1986, 437 ff.; Rotsch, ZStW 112 (2000), 561. Im Gegensatz dazu ist Roxin der Meinung, dass die Rechtsprechung des BGH eine zunehmende Tendenz dahingehend aufweist, die subjektive Theorie durch die Tatherrschaftslehre zu er139

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

Im dogmatischen Bereich sind insbesondere die Kritik gegen die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, die Einwände gegen die Mittäterschaft und die intrasystematischen Inkonsistenzen darzustellen Hauptsächlich sind dabei gegen die von den Obersten Gerichten Deutschlands und Spaniens für den Bereich der Beteiligung an Wirtschaftsunternehmen angewandte mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft drei Erwägungen anzuführen: Zunächst erläutern sowohl der BGH als auch der TS nicht, warum die Unternehmensleiter als mittelbare Täter eines Unternehmensdelikts verantwortlich sein müssen, wenn sie sich durch ihre Anweisungen oder Entscheidungen an einem von ihren Untergebenen freiwillig und vorsätzlich herbeigeführten Unternehmensstrafunrecht beteiligen. Der BGH und der TS stellen tatsächlich nur die normative Unmöglichkeit dar, die Täterschaft von Mitgliedern der Unternehmensleitungsorgane an einem Unternehmensdelikt durch die Anwendung der traditionellen Täterschaftsformen (etwa mittelbare Täterschaft oder Mittäterschaft) zu begründen, weil das Verhalten der Führungskräfte der Wirtschaftsunternehmen weder die Voraussetzungen der Mittäterschaft – nämlich gemeinsamen Tatentschluss und gemeinsame Tatausführung – noch die Erfordernisse herkömmlicher mittelbarer Täterschaft erfüllt144. Davon ausgehend folgern der BGH und der TS ohne Weiteres, dass dies die Bestrafung der Mitglieder der Leitungsorgane eines Wirtschaftsunternehmens als mittelbare Täter legitimiert145. Gegenüber dieser These muss die folgende Frage gestellt werden: Kann die bloße faktische Mitwirkung eines Mitglieds der Unternehmensleitungsorgane an der Tatbestandherbeiführung allein bereits deshalb als mittelbare Täterschaft angesehen werden, weil dieses Verhalten durch die traditionellen Erscheinungsformen der Täterschaft gerade nicht erfasst werden kann und daher die präventiv kriminalpolitischen Ziele nicht erreicht werden können? Begründet sich die normative Strafverantwortung der Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane als mittelbare Täter eines Unternehmensdelikts damit, dass sie den freiwillig handelnden Vordermännern rechtswidrige Anweisungen erteilen? Zunächst lässt sich festhalten, dass die durch den BGH und ST vorgenommene Bestrafung der Unternehmensleitungsorgane als mittelbare Täter kraft Organisationsherrschaft nicht zutreffend ist. Dafür sprechen zwei Argumente: Zum einen rechtfertigen die sich aus der Unmöglichkeit der Anwendung traditioneller Täterschaftsformen zur Bestrafung der Führungskräfte ergebenden präventiv-kriminalpolitische Nachteile keinesfalls die Annahme einer mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft der qualifizierten Mitglieder setzen; vgl. Roxin, TuT, 10. Aufl., § 43, Rn. 186, vgl. Roxin, TuT, 10. Aufl., § 43, Rn. 186. Zur subjektivistischen Begründung der vom BGH selbst entwickelte Täterschaft und Teilnahme vgl. etwa BGHSt 40, 257 (Rn. 35, 36); BGHSt 40, 267. 144 Vgl. dazu BGH, Urt. v. 03. 07. 2003 – 1 StR 453/02; Rübenstahl, HRR-StrafR 10 (2003), 215. 145 Rotsch, NStZ 2005, 13.

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der Unternehmensleitungsorgane; denn diese Zurechnungsform verstößt gegen die das Strafrecht einschränkenden Grundsätze, die fordern, alle Mitglieder der Gesellschaft (und somit auch die Mitglieder der Leitungsorgane der Wirtschaftsunternehmen) nicht nur mit dem Strafrecht, sondern auch vor dem Strafrecht zu schützen146. Zum anderen darf ein nachvollziehbares kriminalpolitisches Ziel die Annahme mittelbarer Täterschaft der Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane nicht begründen, wenn hinter diesem Ziel die Lösung des Problems von Beweismängeln147 steckt. Ebenfalls weist die Anwendung „mittelbarer Täterschaft kraft Organisationsherrschaft“ auf die Beteiligung an Wirtschaftsunternehmen innere Widersprüche auf, da diese Täterschaftsform ihre eigenen Anwendungsvoraussetzungen nicht erfüllt. Die von BGH und TS auf die Beteiligung an Wirtschaftsunternehmen angewandte mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft hält die Erfordernisse der Rechtsgelöstheit, der Austauschbarkeit des Vordermannes und der hierarchischen Organisationsstruktur nicht ein148, die Ausgangpunkte und Strukturelemente der Begründung – und somit der Anwendung – mittelbarer Täterschaft hinter der Täterschaft sind. Gründet sich die Anwendung der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auf diese Voraussetzungen, dann darf sie nicht auf Wirtschaftsunternehmen angewendet werden, denn die unternehmerischen Organisationen sind einerseits rechtskonforme Institutionen und andererseits existieren in Wirtschaftsunternehmen sowohl dauerhaft angestellte Untergebene als auch eine horizontale Organisationsstruktur. Mit anderen Worten, prüft man die „mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft“ im Hinblick auf ihre eigenen methodologischen Ausgangspunkte, dann ist das Fehlen ihrer Voraussetzungen ein unüberwindbares Hindernis für die Anwendung auf die Beteiligung an Wirtschaftsunternehmen; sie muss daher abgelehnt werden. Zur Bewältigung dieser Einwände haben der BGH und der TS die von Roxin entwickelte ursprüngliche Struktur der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft umformuliert149. So sind die Austauschbarkeit des Vordermannes, die Rechtsgelöstheit der Organisation und die hierarchische Struktur der (Unternehmens-)Organisation nicht mehr zentrale Elemente dieser erneuerten Täterschaftsform. Es handelt sich vielmehr um eine von BGH und TS zur Lösung der Beteiligungsprobleme im Bereich der Wirtschaftsunternehmen etablierte neue Form der mittelbaren Täterschaft, die allein mit der Ausnutzung bestimmter Rahmenbedin-

146

Roxin, AT I, 4. Aufl., § 5, Rn. 1. Zum tatsächlich hinter der Anwendung mittelbarer Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auf die Beteiligung an Wirtschaftsunternehmen stehenden Problem des Mangels an Beweisen, siehe u. a. Rotsch, NStZ 2005, 13; Rübenstahl, HHR-StrafR 10 (2003), 210 ff. 148 Zu dieser Problematik – und insbesondere zur Nichterfüllung des Erfordernisses der Rechtsgelöstheit – siehe Rübenstahl, HHR-StrafR, 10 (2003), 212. 149 In diesem Sinne Brammsen, ZJS 3 (2008), 262; Rotsch, NStZ 2005, 18. 147

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gungen der Organisationsstruktur des Unternehmens150 und mit der Sicherheit151 der Unternehmensleiter bezüglich der Tatbestandsverwirklichung begründet wird. Ausgehend davon hat die höchstrichterliche Rechtsprechung Deutschlands und Spaniens angenommen, dass im Bereich der Wirtschaftsbetriebe mittelbare Täter eines Unternehmensdelikts die Unternehmensleiter sind, die einerseits in Kenntnis die Rahmenbedingungen der Organisationsstruktur des Unternehmens – etwa die unbedingte verbrecherische Bereitschaft des unmittelbar Untergebenen – zur Verwirklichung des Straftatbestandes ausnutzen und andererseits wissen und wollen, dass dieses Strafunrecht von ihren Untergebenen herbeigeführt werde. Diese neue Fassung der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft – wie oben bereits erklärt – wurde u. a. in der sog. Tierarztpraxis-Entscheidung152, im Fall betrügerischer Einwerbung von Kapitaleinlagen153, im Bremer Vulkan-Fall154, in der Anwaltskanzlei-Entscheidung155, im Lieferantenbetrug-Fall156 und im Schredder-Fall157 entwickelt. Gegen diese neue Version der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft lässt sich viererlei einwenden: Erstens ist sie eine Verformung der umstrittenen Kategorie mittelbarer Täterschaft kraft Ausnutzung organisatorischer Machtapparate; als solche stellt sie eine Verletzung der schon durch die mittelbare Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate angegriffenen Schutzgarantien dar. Zweitens gibt es keine Gewissheit der Tatbestandsausführung bei der sog. mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, denn der untergebene Vordermann kann sich tatsächlich weigern, das Strafunrecht herbeizuführen158 und somit die vermeintliche Gewissheit des Hintermannes beseitigen159. Drittens ist der vom BGH und TS vertretene Begründungsansatz mittelbarer Täterschaft kraft Organisationsherrschaft nicht mit den normativen Kategorien vereinbar, die dem demokratischen Strafrecht zugrundeliegenden. Denn die mittelbare Täterschaft bestraft nicht die Unternehmensleiter, die gegen strafrechtliche Normen oder strafrechtliche 150 Unter anderen Urteilen, in denen der BGH auf die Verwendung des Arguments der „Ausnutzung der Rahmenbedingungen der unternehmerischen Organisationsstruktur“ zurückgriff, um die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft bei Wirtschaftsunternehmen zu begründen, sind etwa anzuführen BGH, Urt. v. 22. 06. 2000 – 5 StR 268/99 (NStZ 2000, 596; StV 2002, 26); BGH, Urteil v. 11. 12. 1997 – 4StR 323/97 (NJW 1998, 767; MDR 1998, 423; NStZ 1998, 568; StV 1998, 416); BGHSt 43, 219 (= NStZ, 1997, 544); BGHSt 40, 357 (266); BGH, Urt. v. 22. 6. 2000 – 5 StR 268/99. 151 Eine kritische Analyse findet sich in Rotsch, NStZ 2005, 18. 152 Oben § 5, A. II. 153 BGHSt 48, 331 (342). 154 Oben § 5, C. III. 155 BGH, Urt. v. 22. 06. 2000 – 5 StR 268/99. 156 Oben § 5, A. I. 157 Oben § 5, A. III. 158 Vgl. dazu Herzberg, Mittelbare Täterschaft und Anstiftung, in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung, S. 39; Rotsch, NStZ 2005, 14. 159 Rotsch, NStZ 2005, 17.

§ 5 Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

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Pflichten verstoßen, sondern die Unternehmensleitungsorgane, die die Organisation des Unternehmens beherrschen, unabhängig davon, ob diese Organisation rechtswidrig oder rechtmäßig ist. Viertens ist die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung Deutschlands und Spaniens entwickelte mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft gesetzeswidrig, da sie im Gegensatz zum Wortlaut des § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB eine neue mittelbare Täterschaftsform bei der Beteiligung an unternehmerischen Wirtschaftsdelikten darstellt, welche nicht mehr auf die Instrumentalisierung eines vorsatzlos handelnden Vordermannes, sondern auf die Ausnutzung der Organisationsstruktur des Wirtschaftsunternehmens und die Gewissheit der Tatbestandsverwirklichung gestützt wird. In vergleichbarer Weise sprechen gegen die durch den BGH und TS zur Bestrafung von Unternehmensleitungsorganen und Untergebenen in Ansatz gebrachte dogmatische Begründung der Mittäterschaft zwei Argumente. Einerseits betrachteten der BGH und der TS weder die gemeinschaftliche Mitwirkung der Beteiligten an der Tatbestandsverwirklichung160 noch den gemeinsamen Tatentschluss161 als Strukturelemente der Mittäterschaft bei Unternehmensdelikten; denn aus ihrer Sicht legitimiert sich die Annahme von Mittäterschaft bei Wirtschaftsunternehmen allein durch die faktische Arbeitsteilung162. Dies verstößt gegen rechtsdogmatische Prinzipien, weil diese Annahme die von der h. L. und den obersten Gerichten als Zentralelement der Mittäterschaft entwickelte wesentliche Mitwirkung der Beteiligten während der Tatbestandsverwirklichung ohne Grund ausschließt. Andererseits begründen sowohl der BGH als auch der TS die Mittäterschaft der Unternehmensleitungsorgane und Untergebenen ohne Berücksichtigung der positiven Sonderpflichten, die nur die Mitglieder der Führungskräfte eines Wirtschaftsunternehmens treffen und deren Verletzung die Täterschaft konstituiert. Daraus folgt, dass die Untergebenen keine Mittäter bei den Unternehmensdelikten sein können (dürfen), bei denen sich die Täterschaft auf die Verletzung besonderer positiver Pflichten stützt, denn die Untergeordneten können – wegen der in ihren Personen fehlenden Täterqualität – die Sonderpflichten nicht verletzen. Entscheidend für die Ablehnung der von BGH und TS vertretenen Standpunkte bezüglich der Bestrafung der Führungskräfte eines Wirtschaftsunternehmens als mittelbare Täter oder Mittäter163 ist der Verstoß gegen das in § 25 dStGB und 28 dStGB StGB geregelte Gesetzlichkeitsprinzips der Täterschaft, denn die obersten 160

So u. a. Bloy, GA 1996, 434, 443; Brammsen, ZJS 3 (2008), 263. So u. a. Brammsen, ZJS 3 (2008), 262 f.; Küpper, JR 1996, 524; Rotsch, NStZ 2005, 14 ff.; Roxin, Grünwald-FS, S. 553. 162 Dies wäre der Tierarztpraxis-Fall, in dem aus Sicht des BGH die Anwesenheit des Tierarztes während der Abgabe von Medikamenten nicht erforderlich ist, um dessen Täterschaft zu begründen; vgl. dazu NStZ 1995, 122. 163 In der deutschen Strafrechtwissenschaft sprechen sich gegen die Begründung der fahrlässigen mittelbaren Täterschaft der Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane unter anderem aus: Bosch, Organisationsverschulden in Unternehmen, S. 256; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 108 £. 161

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

Gerichte unterscheiden nicht zwischen fahrlässiger und vorsätzlicher Tatbestandsverwirklichung164. Aus Sicht des BGH und TS ist es für die Strafverantwortung der Unternehmensführer als mittelbare Täter oder Mittäter nämlich irrelevant, ob die untergeordneten Vordermänner fahrlässig, vorsätzlich oder schuldhaft165 handeln. Deswegen nehmen sowohl der BGH als auch der TS die Strafhaftung der Führungskräfte als mittelbare Täter wegen Organisationsherrschaft nicht nur in den Fällen an, bei denen die Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane und die untergeordneten Vordermänner vorsätzlich bzw. vorsatzlos handeln166, sondern auch in den Fällen, in denen die Unternehmensleiter und die untergenordneten Vordermänner fahrlässig bzw. vorsätzlich agieren. Wie bereits festgestellt wurde, ist dies jedoch unzulässig, weil § 25 dStGB und Art. 28 sStGB einerseits die mittelbare Täterschaft nur auf das vorsätzliche Verhalten des Hintermannes stützen und andererseits das dolose Verhalten des Anweisenden und die vorsätzliche Handlung des Angewiesenen mangels Instrumentalisierung des Vordermannes167 – im Gegensatz zum deutschen BGH und spanischen TS – als Anstiftung168 bzw. unmittelbare Täterschaft169 konzipieren. Von besonderer Bedeutung sind ferner die intrasystematischen Inkonsistenzen, welche die durch die obersten Gerichte Deutschlands und Spaniens formulierten Ansätze von Täterschaft und Teilnahme bei den Unternehmensdelikten betreffen. Beispielhaft hierfür sind vier Widersprüche darzustellen. Zunächst ist die von beiden obersten Gerichten formulierte und ungerechtfertigt unterschiedliche Begründung170 der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft in den Blick zu nehmen. Der BGH und der TS begründen nämlich – wie bereits erläutert – ohne vernünftige Erklärung die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft oftmals mit der bloßen Tatherrschaft171 und teilweise sowohl mit der Tatherrschaft als auch mit der Verletzung einer Garantenpflicht172. Ebenfalls wird die „mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft“ nur auf Fallkonstellationen angewandt, in denen die Mit164

Etwa BGH, Arzttierpraxis-Fall. Vgl. dazu BGH, Urt. v. 03. 07. 2003 – 1 StR 453/02; BGH, Urt. v. 22. 06. 2000 – 5 StR 268/99; BGH, Urt. v. 06. 06. 1997 – 2 StR 339/96; BGH, Urt. v. 11. 12. 1997 – 4 StR 323/97. 166 Vgl. dazu BGH, Urt. v. 03. 07. 2003 – 1 StR 453/02; Rübenstahl, HHR-StrafR 10 (2003), 215. 167 Bezüglich der Nichtinstrumentalisierung des Vordermannes siehe u. a. Ransiek, ZGR 1999, S. 634; Rudolphi, Lackner-FS, S. 863, 870 f. 168 Brammsen, ZJS 3 (2008), 263. 169 Siehe hierfür in der deutschen Strafrechtswissenschaft u. a. Freund, AT, § 10, Rn. 92; Rotsch, NStZ 2005, 14 f.; Schröder, JR 1995, 178. 170 Nach Schünemanns Auffassung kombiniert der BGH möglichst viele dogmatische Ansätze, um die mittelbare Täterschaft der Führungskräfte von Wirtschaftsunternehmen kraft Organisationsherrschaft zu begründen, vgl. Schünemann, ZIS 2006, S. 304. 171 Beispiele dafür sind BGH, Beschl. v. 26. 08. 2003 – 5 StR 145/03; BGH, Urt. v. 11. 12. 1997 – 4 StR 323/97. 172 Etwa BGH, Urt. v. 06. 06.1997 – 2 StR 339/96 (BGHSt, Band 43, S. 232); BGH, Urt. v. 03. 07. 2003 – 1 StR 453/02. 165

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glieder der Unternehmensleitungsorgane einen qualifikationslosen dolosen Vordermann zur Verwirklichung eines Unternehmensdelikts anstiften; hingegen wenden der deutsche BGH und der spanische TS die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft nicht auf jene Fälle an, in denen die Führungskräfte der Wirtschaftsunternehmen den untergeordneten Vordermännern bei der Verletzung von deren Pflichten helfen oder ihre Sonderpflichten durch Unterlassung verletzen. Darüber hinaus ist auch fraglich, warum die obersten Gerichte Deutschlands und Spaniens auf gleichartige Fälle teilweise mittelbare Täterschaft und teilweise Mittäterschaft anwenden. Dies ist beispielweise in den bereits oben dargestellten zwei Fällen geschehen. Im ersten Fall173 nämlich griff der 2. Senat des BGH auf die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft zurück, um die Mitglieder der Leitungsorgane der GmbH & CoKG als mittelbare Täter einer vorsätzlichen umweltgefährdenden Abfallbeseitigung (§ 326 Abs. 1 Nr. 3 dStGB a. F.) zu bestrafen. Im Gegensatz dazu hat derselbe 2. Senat des BGH in einem ähnlich gelagerten weiteren Fall174 Mittäterschaft angenommen, um die Führungskräfte und die Untergebenen eines Wirtschaftsunternehmens als Mittäter unter anderem an demselben umweltgefährdenden Abfallbeseitigungsdelikt zu verurteilen. Schließlich können die Täterschaftsformen, die sich auf die Herrschaftskategorie stützen, nur auf die Herrschaftsdelikte – aber niemals auf Pflichtdelikte – angewandt werden, weil das Herrschaftsprinzip als Begründungs- oder Abgrenzungskriterium von Täterschaft und Teilnahme wegen der in den Tatbeständen enthaltenen gesetzlichen Voraussetzungen nur bei Herrschaftsdelikten (Handlungsdelikten) anwendbar ist. In kriminalpolitischer Hinsicht bedeuten die von BGH und TS entwickelten Standpunkte wesentliche Nachteile. Diesbezüglich können insbesondere zwei Argumente angeführt werden: Zum einen kann (darf) die mittebare Täterschaft wegen Organisationsherrschaft – wie unten (§ 6 C.I., II.) ausführlich erläutert – nur auf Fallkonstellationen angewandt werden, die sich mit Organisationen außerhalb des Rechts befassen, oder auf Organisationen, die trotz ihrer formell rechtmäßigen Existenz nur rechtswidrige Zwecke verfolgen175. Dies bedeutet, dass die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft nicht auf die Beteiligung bei Wirtschaftsunternehmen angewendet werden kann, da Wirtschaftsbetriebe im Gegensatz zu Machtapparaten nicht nur innerhalb des Rechts und gemäß dem Recht geschaffenen werden, sondern auch rechtmäßige Zwecke verfolgen. So sollte eine kohärente Anwendung dieser Theorie zur Straflosigkeit der Führungskräfte und untergeordneten Vordermänner führen, weil die innerhalb der genannten Wirtschaftsunternehmen verwirklichten Wirtschaftsdelikte die Voraussetzungen für eine Anwendung der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft nicht erfüllen. Würde auch die Beteiligung an Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen die Anwendungserfordernisse der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft 173 174 175

BGH, Urt. v. 06. 06. 1997 – 2 StR 339/96. BGH, Urt. v. 03. 11. 1993 – 2 StR 331/93, Rn. 15, 17. Bosch, Organisationsverschulden in Unternehmen, S. 255.

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

erfüllen, könnte diese sodann nur auf die Fälle angewendet werden, in denen die Führungskräfte ihre Sonderpflichten durch ein Tun übertreten, aber keinesfalls auf die Fallkonstellationen, in denen – wie oben bereits erläutert – die Mitglieder der Unternehmensleitung ihre zuständigen Sonderpflichten durch Unterlassen verletzen. D. h., auch in solchen Fallkonstellationen würden Führungskräfte und Untergeordneten straflos bleiben.

G. Zwischenergebnis Die hier vorgenommene Analyse hat nachgewiesen, dass die Rechtsprechung in Deutschland und Spanien auf besondere Täterschafts- und Teilnahmeformen zurückgegriffen hat, um die Strafverantwortung von Leitungspersonen eines Wirtschaftsbetriebes und außenstehenden Dritten zu begründen, wenn diese sich mit (oder ohne) einem gemeinsamen Tatentschluss an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen beteiligen. Diese zuerst durch den deutschen BGH angewandten und danach durch den spanischen TS übernommenen Täterschaftsformen sind neue Fassungen der mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate und der klassischen Mittäterschaft: es handelt sich nämlich um die „mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft“, die „Mittäterschaft kraft faktischer Arbeitsverteilung und trotz des Fehlens eines gemeinsamen Tatentschlusses“ und die „kumulative Mittäterschaft“, die zur Anwendung kamen, wenn das Verhalten entweder die gesetzlichen Erfordernisse der traditionellen Täterschaftsformen nicht erfüllte oder trotz der formellen Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen der Täterschaft – etwa dem gemeinsamen Tatentschluss im Sinne § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB176 – wegen Beweisnot die tatsächliche Verwirklichung der Strukturelemente nicht nachgewiesen werden konnte177. Daneben hat der spanische TS die „erforderliche Beihilfe“ angewandt, um den wesentlichen Beitrag der Außenstehenden zu bestrafen, wenn deren Mitwirkung nach dem sStGB weder eine mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft noch bloße Beihilfe darstellt. Ebenso wurde gezeigt, dass sich in den theoretischen Grundlagen und in der Struktur dieser Täterschafts- und Teilnahmeformen der Einfluss der oben dargestellten epistemologischen Methoden, die den dogmatischen und gesetzlichen Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens zugrunde liegen, deutlich zum Ausdruck kommt. Beispielweise stützen beide oberste Gerichte (BGH und TS) die mittelbare Täterschaft der Unternehmensleiter entweder auf die aus dem ontologischen Realismus kommende einfache Tatherrschaft178 oder auf die aus dem neukantianischen und neohegelianischen Idealismus abgeleitete Tatherrschaft und 176 177 178

Rotsch, NStZ 2005, 13. Auf diese Weise Rübenstahl, HHR-StrafR 10 (2003), 210. Vgl. Schünemann, ZIS 7 (2006), S. 304 ff.

§ 5 Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

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Pflichtverletzung179. Dasselbe gilt für die Annahme der Mittäterschaft von Unternehmensleitern und Untergeordneten, die öfter auf das einzige ontologische Tatherrschaftskriterium der funktionellen Arbeitsverteilung180 und manchmal sowohl auf die faktische Funktionsverteilung als auch auf die Pflichtverletzung181 gestützt wird. Der Einfluss des ontologischen Realismus spiegelt sich auch in der in Art. 28 Satz 2b sStGB geregelten Strafrechtsfigur der „erforderlichen Beihilfe“ wider. Dies führt den spanischen TS im Gegensatz zum BGH weder zur Anwendung der unmittelbaren Täterschaft noch zur Anwendung der Mittäterschaft, um die strafrechtliche Verantwortlichkeit außenstehender Vordermänner zu begründen, wenn sie vorsätzlich einen materiell unentbehrlichen Beitrag bei der Entscheidungsfindung oder Entscheidungsvollstreckung leisten, ohne den die rechtswidrige Entscheidung nicht getroffen oder nicht vollstreckt worden wäre. Aber wie oben (§ 5 F.) bereits festgestellt, weisen die genannten Figuren wesentliche methodologische, dogmatische und kriminalpolitische Inkonsistenzen auf, die es nicht ermöglichen, die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Führungskräften und Außenstehenden mittels der Anwendung der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft oder Mittäterschaft zu begründen, wenn Unternehmensführer und Untergebene an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen beteiligt sind. Trotzdem hat die Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens versucht, die Beteiligung an rechtswidrigen Kollektiventscheidungen durch die Anwendung derselben oder zumindest ähnlichen Täterschafts- oder Teilnahmeformen zu lösen. Mit der Analyse dieser strafrechtsdogmatischen Figuren beschäftigen sich die folgenden Kapitel (§§ 6, 7).

179 Dazu vgl. die in § 5 A. angeführten Fälle: Lieferantenbetrug-Fall (BGH, Urteil v. 11. 12. 1997 – 4StR 323/97); Tierarztpraxis-Fall (BGH, Urteil v. 3. 7. 2003 – 1 StR 453/02); Kapitalanlage-Fall (BGHSt. 48, 331); Kanzlei-Fall (BGH 5 StR 268/99). In der spanischen Rechtsprechung finden sich unter anderem die im § 5, B. erläuterten Fälle: STS 234/2010 v. 11. 03. 2010; 257/2009 v. 30. 03. 2009; 1828/2002 v. 25. 10. 2002; STS 481/2017 v. 16. 02. 2017, S. 13; 3322/2010 v. 30. 06. 2010, S. 4. 180 In diesem Sinne siehe oben § 5 C.II. (Immobiliengesellschaft-Fall); § 5 D.I. (ColzaFall); § 5 D.II. („ANESVAD“-Fall). 181 Siehe hierzu einerseits die vom BGH entschiedenen Fälle: § 5 C.I. (Lederspray-Fall); § 5 C.III. (Bremer Vulkan-Fall); § 5 C.IIV. (Mannesmann-Fall). Andererseits vgl. die vom TS verurteilten Fälle: § 5 D.III. (Faktischer Geschäftsführer-Fall); § 5 D.IV. (SteuerhinterziehungFälle).

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

§ 6 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre zu Täterschaft und Teilnahme in vertikalen Unternehmensstrukturen Seit dem letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wurden in der Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens zahlreiche monographische Untersuchungen182 durchgeführt, die neue dogmatische Lösungsalternativen entwickelt haben, um die Täterschaft und Teilnahme von Inhabern, Leitungsorganmitgliedern und Untergebenen im Bereich komplexer Wirtschaftsunternehmen zu begründen. Der Ansatz dieser Begründungsvorschläge rekurriert auf die Organisationsformen der Wirtschaftsunternehmen, was bedeutet, dass die strukturelle Organisation des Unternehmens für die dogmatische Konstruktion der Beteiligung eine entscheidende Rolle gespielt hat, sodass alle Begründungsansätze von Täterschaft und Teilnahme bei Wirtschaftsunternehmen entweder gemäß der vertikalen oder der horizontalen Organisation eines Unternehmens183 entwickelt wurden. In diesem Abschnitt werden nur die durch die Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens zur Täterschaft und Teilnahme in vertikalen184 Unternehmensstrukturen entwickelten Ansätze dargestellt. Um eine Bewertung vornehmen zu können, wird im Folgenden jedes dieser theoretischen Modelle kritisch analysiert. Zunächst wird die unmittelbare Täterschaft bewertet (§ 6 A.). Im Anschluss hieran werden die verschiedenen Erscheinungsformen der klassischen mittelbaren Täterschaft betrachtet (§ 6 B.). Danach wird die mittelbare Täterschaft kraft 182 Vgl. dazu etwa Bosch, Organisationsverschulden in Unternehmen, 2002; Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, 2007; Eidam, Straftäter Unternehmen, 1997; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz und Unternehmensstrafe, 1994; Knauer, Kollegialentscheidung im Strafrecht, 2001; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, 1996; Rotsch, Individuelle Haftung in Großunternehmen, 1998; Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Gremienentscheidungen in Unternehmen, 2001; Schünemann, Unternehmenskriminalität, 1984; Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, 1995; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., 2017. 183 In der deutschen Strafrechtswissenschaft sind Beispiele dafür u. a. Bosch, Organisationsverschulden, S. 142 ff., 226 ff., 264 ff.; Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 23 ff., 116 ff.; Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 27 ff., 31 ff., 47 ff., 96 ff., 108 ff., 135 ff.; Knauer, Kollegialentscheidung, S. 49 ff., 89 ff.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, 1996, überall; Rotsch, Individuelle Haftung in Großunternehmen, 1998, S. 89 ff., 131 ff., 187 ff., 205 ff.; Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Gremienentscheidungen, S. 164 ff., 169 ff., 209 ff.; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 95 ff. In der spanischen Strafrechtsdogmatik befinden sich etwa Faraldo Cabana, Posibilidades de aplicación de la autoría mediata, S. 89 ff.; Feijóo Sánchez, Derecho penal de la empresa, S. 125 ff., 184 ff., 200 ff., 211 ff.; García Cavero, D&S 39 (2012), 73; Gómez Tomillo, Introducción a la responsabilidad penal de las personas jurídicas, 2015, S. 201 ff.; Gracia Martín, Responsabilidad de directivos, órganos y representantes de una persona jurídica por delitos especiales, 1986; ders., El actuar en lugar de otro, 1985; Núñez Castaño, Responsabilidad penal en la empresa, S. 177 ff.; Silva Sánchez, Derecho penal de la empresa, 2016, S. 85 ff., 193 ff. 184 Die dogmatischen Ansätze zur ausgehend von der horizontalen Unternehmensstruktur konzipierten Täterschaft und Teilnahme werden im Abschnitt § 7 analysiert.

§ 6 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre in vertikalen Unternehmensstrukturen 233

Organisationsherrschaft bei verantwortlich handelndem Vordermann erläutert (§ 6 C.). Im folgenden Schwerpunkt (§ 6 D.) sind dann die bei der Fallkonstellation des vollverantwortlich handelnden Vordermannes entwickelten weiteren strafrechtlichen Beteiligungsformen darzustellen. Dabei wird zuerst (§ 6 D.I.) auf die Mittäterschaft von Unternehmensleitern und Untergebenen trotzt der Organisationsherrschaft des Hintermannes eingegangen; anschließend wird das für die Bestrafung der Unternehmensführer und Untergebenen als Mittäter bzw. sukzessive Mittäter sprechende Täterschaftsmodell beurteilt (§ 6 D.II.). Daraufhin wird die Ansicht überprüft, die vorschlägt, die Unternehmensführer und Untergebenen als Anstifter bzw. unmittelbare Täter zu bestrafen (§ 6 D.III.). Darüber hinaus wird ein nur im spanischen Strafrechtssystem vorliegendes besonderes dogmatisches Beteiligungsmodell analysiert, welches die Mittäterschaft von Führungskräften und die „erforderliche Beihilfe“ von Untergebenen annimmt (§ 6 D.IV.). Zum Abschluss werden die sich aus den zuvor formulierten kritischen Betrachtungen ergebenden Ergebnisse zusammengefasst dargestellt (§ 6 E.).

A. Unmittelbare Täterschaft In Ansehung des bereits oben (§ 3 C.I.) erläuterten Begriffs der unmittelbaren Täterschaft begrenzen die deutsche und spanische Strafrechtswissenschaft diese in Wirtschaftsunternehmen auf die Fälle, in denen ein Unternehmensleiter – sei es allein, sei es unter Beteiligung mehrerer185 – alle Tatbestandselemente selbst oder unmittelbar erfüllt. Unter diesen Voraussetzungen stütze sich die unmittelbare Täterschaft bei den wirtschaftsbetrieblichen Herrschaftstatbeständen auf die unmittelbare Herrschaft des handelnden Betriebsleiters über die Erfüllung aller tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Elemente der jeweiligen Wirtschaftsdelikte186. Dies sei mit der materiellen Fähigkeit und rechtlichen Zuständigkeit des eigenhändig handelnden Unternehmensleiters begründet, nicht nur zu entscheiden, ob die Straftat begangen wird oder nicht, sondern auch wann, wo und wie das Wirtschaftsstrafunrecht ausgeführt werden soll187. Im Bereich der Wirtschaftspflichtdelikte erfülle die Voraussetzungen unmittelbarer Täterschaft ausschließlich ein für die betriebliche Entscheidungsfindung zuständiger Unternehmensleiter188, da nur er wegen seiner sich aus dem betriebsbezogenen Verhältnis ergebenden Sonderzuständigkeit die positive Sonderpflicht unmittelbar verletzen kann189. 185

Roxin, AT II, § 25, Rn. 38. Über das Wesen und die Merkmale der auch das Wirtschaftsstrafunrecht betreffenden Herrschaftsdelikte siehe oben § 3 (B., C.). 187 Zu dieser Problematik vgl. allgemein unter anderen Jakobs, AT, 2. Aufl., § 21, Rn. 38; Jescheck/Weigend, AT, § 63, III, S. 680; Zugaldía Espinar, Lecciones, S. 200. 188 Roxin, AT II, § 25, Rn. 141. 189 Roxin, Schünemann-FS, S. 510 ff.; Pariona Arana, Schünemann-FS, S. 472 ff. 186

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

Als Beispiel dafür kann hier der unkomplizierte Fall genannt werden, in dem ein Unternehmensleiter mit dem Ziel, Geld zu gewinnen, eine vorsätzlich-rechtswidrige Entscheidung dahingehend trifft, gesundheitsgefährdende Produkte – etwa Parfümeriewaren – herzustellen und in Verkehr zu bringen, die schwere Hautschäden der Verbraucher verursachen. In diesem Fall wäre die Führungskraft unmittelbarer Täter einer schweren Körperverletzung, da er die in § 226 dStGB und Art. 147, 148 sStGB enthaltene negative strafrechtliche Allgemeinpflicht durch den Verstoß gegen seine positive unternehmerische Sonderpflicht persönlich und unmittelbar verletzt hätte190.

B. Klassische mittelbare Täterschaft bei unverantwortlich handelndem Vordermann (§ 25 Abs. 1, 2. Alt. dStGB, Art. 28 Satz 1, 3. Alt. sStGB) Als mittelbare Täterschaft werden Fallkonstellationen erfasst, die durch die Nötigung eines voll verantwortlichen Ausführenden, die Hervorrufung eines Irrtums bei diesem durch den Unternehmensleiter oder durch die Ausnutzung eines schuldunfähig Handelnden gekennzeichnet sind.

I. Mittelbare Täterschaft des Unternehmensleiters kraft Herrschaft über den Irrtum oder Unkenntnis des handelnden Vordermannes Zwei Elemente sollen die Willensherrschaft und daher die mittelbare Täterschaft des Unternehmensleiters kraft Irrtums des unmittelbar Ausführenden kennzeichnen: zum einen das Kenntnis- oder Informationsdefizit191 des Vordermannes, zum anderen das überlegene Wissen192 des Betriebsleiters. Das Vorliegen dieser Elemente führe zur Straflosigkeit des handelnden Vordermannes193 einerseits und zur mittelbaren Täterschaft des Unternehmensleiters194 andererseits. Grundlage der Straflosigkeit des instrumentalisierten Vordermannes sei seine vorsatzlose Handlung195, weil der Vordermann wegen seines Informationsdefizits hinsichtlich des Geschehensablaufs die Tatbestandsverwirklichung verkenne196 und 190

Eine detaillierte Behandlung dieser Fallkonstellation findet sich unter § 11, B. II. 1. Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 23. 192 Schall, Probleme der Zurechnung, S. 103. 193 Auf diese Weise Hilgers, Verantwortlichkeit von Führungskräften, S. 109; Ransiek, ZGR 1999, 635; Rogall, ZStW 98 (1986), 577. 194 Ransiek, ZGR 1999, 635; ders., wistra 1997, 41 ff.; Roxin, LK, § 25, 11. Aufl., Rn. 72 ff. 195 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 23; Donna, in: Gössel-FS, S. 267. 196 Siehe hierfür Donna, Gössel-FS, S. 267; Kühl, AT, § 20, Rn. 52; LK-Roxin, 11. Aufl., § 25, Rn. 77; Sanson, SK, § 25, Stand 1993, Rn. 91; SK-Hoyer, § 25, Stand 2000, Rn. 65. 191

§ 6 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre in vertikalen Unternehmensstrukturen 235

daher nicht in der Lage sei, die sich daraus197 ableitenden strafrechtlichen Konsequenzen zu realisieren198. Daraus folge das Fehlen der Verpflichtung des in einem Irrtum handelnden Untergebenen, die Verwirklichung des durch den Unternehmensleiter beherrschten tatbestandsmäßig-rechtswidrigen Verhaltens zu vermeiden199. Dagegen stütze sich die Strafhaftung des Unternehmensleiters darauf, dass er im Unterschied zum unmittelbaren Vordermann durch seine mit straftatbestandsbezogenem Verwirklichungsvorsatz getroffene Entscheidung200 die erforderlichen Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft erfülle201. So wären Umweltdelikts- oder Produktkriminalitätskonstellationen strafrechtlich relevant, in denen ein mehrköpfiges Kollegialgremium eines Wirtschaftsunternehmens entscheidet, durch die Instrumentalisierung eines Dritten bestimmtes Strafunrecht zu verwirklichen. Dafür kommen zwei oftmals durch die Strafrechtswissenschaft zitierte Fälle in Betracht: Der Fall, in dem ein Vorstand eines AG-Unternehmens vorsätzlich beschließt, in seiner Buchhaltung falsche Belege auszuhändigen, woraufhin letztere gutgläubig eine falsche Umsatzsteuervoranmeldung beim Finanzamt abgibt202 ; oder der Fall, in dem die Mitglieder eines Kollegialorgans einem unwissenden untergeordneten Arbeiter zur Inbetriebnahme einer angeblich reparierten Abwasserreinigungslage anweisen, obwohl sie genau um einen fortbestehenden, eine Umweltverschmutzung bewirkenden Defekt wissen203. So hätten die Leiter des Wirtschaftsunternehmens in beiden Fällen mangels Tatbestandsvorsatzes bei den ausführenden Vordermännern und wegen der Wissensüberlegenheit der Unternehmensleiter die Herrschaft über das tatbestandsverwirklichende Geschehen, weil sie vorsätzlich die Entscheidungen getroffen hätten. Aus diesem Grund seien die Entscheidungsfinder der Unternehmensleitungsorgane (nach § 25 Abs. 1, 2. Alt. dStGB und Art. 28 Satz 1, 3. Alt. sStGB) mittelbare Täter204 eines Steuerhinterziehungs- (§§ 370 ff. dAO, Art. 305 ff. sStGB) und eines Umweltdelikts (§§ 24, 25 ff. dStGB und Art. 325 ff. sStGB).

197

Urban, Organisationsherrschaft, S. 225 ff. Siehe Kühl, AT, § 20, Rn. 52; LK-Roxin, § 25, 11. Aufl., Rn. 77; SK-Hoyer, § 25, Stand 2017, Rn. 65. 199 Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 56; ders., ZGR 1999, 635. 200 Gropp, AT, § 5, Rn. 60 ff.; Kühl, AT, § 5, Rn. 6 ff. 201 Vgl. Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 25. 202 Eidam, Unternehmen und Strafe, S. 119. 203 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 26 f.; Kuhlen, Individuelle Verantwortung, S. 79. 204 Dazu vgl. Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 25 ff.; Gropp, JuS 1996, 16; Hilgers, Verantwortlichkeit von Führungskräften, S. 109; Kuhlen, Individuelle Verantwortung, S. 79; Rogall, ZStW 98 (1986), 577; Roxin, JZ 1995, 52. In der spanischen Strafrechtswissenschaft siehe Muñoz Conde, Roxin-FS, S. 622. 198

236

2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

II. Mittelbare Täterschaft des Unternehmensleiters kraft Nötigung des ausführenden Untergebenen In Übereinstimmung mit der oben (§ 3 C.III.) erläuterten allgemeinen Strafrechtslehre der mittelbaren Täterschaft kraft Nötigungsherrschaft soll sich diese mittelbare Täterschaftsform bei den Unternehmensdelikten auf die aus einer Drohung (§ 35 dStGB, Art. 20 Abs. 5 sStGB) gegenüber dem ausführenden Vordermann resultierende Herrschaft des Unternehmensleiters über das tatbestandsmäßige Geschehen stützen205. In diesen Situationen hätten die untergeordneten Mitarbeiter aufgrund der hierarchischen Unternehmensorganisation praktisch keine andere Verhaltensmöglichkeit, als die durch das Leitungsorgan erteilten Anweisungen zu befolgen206. Im Übrigen müsse die Intensität der Gefährlichkeit der Drohung in jeder konkreten Situation überprüft werden, um die mittelbare Täterschaft der Unternehmensleiter auf Fallkonstellationen zu beschränken, in denen die Drohung auf die Vordermänner zum strafrechtlichen unerlaubten Risiko gehört207. Nur auf diese Weise könnten die mittelbare Täterschaft der Führungskräfte einerseits und die Straflosigkeit des Vordermannes andererseits begründet werden. Als Beispiele für mittelbare Täterschaft kraft Nötigungsherrschaft sind diejenigen Fälle anzuführen, in denen die Leitungsorgane bestimmter Unternehmen ihre Arbeitnehmer durch Drohung mit Arbeitsplatzverlust208 oder etwa dem Tod ihrer Verwandten dazu zwingen, durch Entsorgung unbehandelten Abwassers oder Verkauf gefährlicher Produkte Umwelt- oder Gesundheitsdelikte zu verwirklichen. Die Mitglieder eines Unternehmensleitungsorganes nötigen ihre Mitarbeiter, zur Realisierung eines rechtswidrigen Beschlusses zwecks Kostenersparnis Abfälle unbehandelt zu entsorgen209. Ein Unternehmensleitungsorgan zwingt die Produktionsund Verkaufsabteilungen, gefährliche Produkte für die Gesundheit210 aus Gründen der Gewinnrealisierung weiter zu produzieren bzw. zu verkaufen211. In diesen Fällen seien die Mitglieder der genannten mehrköpfigen Unternehmensleitungsorgane mittelbare Täter, weil sie durch Nötigung den Willen der unmittelbaren Ausführenden beherrscht und daher die gesetzlich erforderlichen Tatbestandsvorausset-

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Schall, Probleme der Zurechnung, S. 103. So Schmid, SchwZStR 105 (1988), 170 f. 207 Bosch, Organisationsverschulden, 253. 208 In diesem Sinne Schmid, SchwZStR, 105 (1988), 170 f. Eine Gegenmeinung vertritt Schall, Probleme der Zurechnung, S. 102. Nach Schalls Ansicht hat der Angewiesene immer einen eigenen Entscheidungsspielraum, obwohl er lediglich aus Angst um den Verlust seines Arbeitsplatzes handelt. 209 Nappert, Haftung im Umweltstrafrecht, S. 41 ff. 210 Für diese Fallkonstellation findet sich die Holzschutzmittelentscheidung des BGH, in der die Mitglieder der Betriebsleitungsorgane als mittelbare Täter wegen Nötigung bestraft wurden. 211 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 27. 206

§ 6 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre in vertikalen Unternehmensstrukturen 237

zungen erfüllt hätten212. Die infolge eines Entschuldigungsgrundes schuldlos handelnden unmittelbar Ausführenden bleiben hingegen wegen ihres unfreiwilligen Verhaltens straflos213.

III. Kritische Würdigung Gegen die Anwendung der erläuterten mittelbaren Täterschaftsformen auf die Beteiligung an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen richten sich dieselben Einwände, die schon oben (§ 2 C.V.; § 2 D.V.; § 3 D.) gegen den allgemeinen ontologischen Aufbau der Täterschaft formuliert wurden. Deshalb genügt hier die kurze Klarstellung, dass nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung nicht zugestimmt werden kann, alle sich auf ontologische Elemente stützende Täterschaftsformen auf die Beteiligung an Wirtschaftsunternehmen anzuwenden. Dies folgt daraus, dass alle auf Seinskategorien begründeten (Straf-) Rechtsinstitutionen und daher alle Täterschafts- und Teilnahmeerscheinungsformen wegen ihrer außerstrafrechtlichen Natur und ihrer sich daraus ergebenden Willkürlichkeit nicht nur gegen die durch die moderne Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens entwickelten, sondern auch und vor allem in den positiven Strafrechtsordnungen beider Länder verankerte wesentliche Strafrechtsprinzipien verstoßen.

C. Mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft bei verantwortlich handelndem Vordermann (§ 25 Abs. 1, 2. Alt. dStGB und Art. 28 Satz 1, 3. Alt. sStGB) Es wurde der Versuch unternommen, die mittelbare Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate oder kraft Organisationsherrschaft auch auf die Beteiligung am Bereich der Wirtschaftsunternehmen anzuwenden214. Im Bereich der Straf212 Vgl. dazu Ransiek, ZGR 1999, 638. In der spanischen Rechtswissenschaft siehe Rodríguez Montañés, Roxin-FS, S. 328. 213 Vgl. Herzberg, Verantwortung für Arbeitsschutz, S. 198. 214 Eine ausführliche Erläuterung dieses Themas findet sich u. a. in Ambos, GA 1998, 234; ders., RDPC 3 (1999), 147; Bloy, Grenzen, S. 438, 440 f.; ders., Die Beteiligungsform, S. 244, 247, 249, 250; Bock, Criminal Compliance, 1. Aufl., S. 290 ff.; Bolea Bardón, Autoría mediata, S. 350 ff., 388 ff.; Bosch, Organisationsverschulden, S. 226 ff.; Díaz y García Conlledo, NFP 71 (2007), 137; Faraldo Cabana, Posibilidades de aplicación de la autoría mediata, S. 89 ff.; Feijóo Sánchez, Autoría y participación, S. 291 ff.; Gómez-Jara Diez, CPC 88 (2006), 120 ff.; Hefendehl, GA 2004, 575 ff.; Herzberg, Individuelle Verantwortung, S. 39; Kretschmer, StraFo, S. 259 ff.; Kühl, AT, 5. Aufl., § 20, Rn. 73b f.; Kuhlen, Individuelle Verantwortung, S. 71, 82 f.; StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., § 25, Rn. 2; Marín de Espinosa Ceballos, Criminalidad de empresa, S. 94 ff.; Meier, NJW 1992, 3193 ff.; Meini Méndez, Responsabilidad penal del empresario, S. 117 ff.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 46 f.; Rissing-van Saan, Tiede-

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

rechtswissenschaft wurde die Übertragbarkeit der Konstruktion nur teilweise angenommen215, wobei die h. L. dies ablehnt216. Im Gegensatz dazu nimmt die Rechtsprechung217 beider Länder die Anwendung der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auf Unternehmensdelikte unproblematisch an. Grundlage der Übertragbarkeit seien insbesondere zwei Erwägungen. Dogmatisch weisen die Beteiligung in organisierten Machtapparaten und die Beteiligung in hierarchisch strukturierten Wirtschaftsunternehmen einen ähnlichen Inhalt und eine ähnliche Struktur auf, welche eine parallele dogmatische Behandlung beider Beteiligungsweisen erfordern. Kriminalpolitisch biete die genannte Lehre in komplexen Fallkonstellationen, in denen die traditionellen Täterschafts- und Teilnahmeformen zu ungewollten Strafbarkeitslücken führen, eine erfolgreiche Lösung. Die im Folgenden dargestellten Absätze befassen sich mit den dogmatischen Elementen und kriminalpolitischen Erwägungen, die der Übertragbarkeit der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auf die Beteiligung im Wirtschaftsunternehmensbereich zugrundeliegen.

mann-FS, S. 401 ff.; Rogall, ZStW 98 (1986), 573, 617 f.; Rotsch, ZIS 7 (2007), 260 ff.; ders., NStZ 2005, S. 13 ff.; ders., Einheitstäterschaft statt Tatherrschaft, S. 384 ff.; ders., NStZ 1998, 491 ff.; Roxin, AT II, § 25, Rn. 129 ff., 138; ders., SchwZStrR 125 (2007), 17 ff.; Schünemann, ADPCP 2002, 11; ders., Unternehmenskriminalität, S. 103 ff.; Stein, Die Regelungen von Täterschaft, S. 48 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 8, Rn. 432 ff.; ders., JZ 2005, 47; Tiedemann/Walter, Jura 2002, 712; Urban, Mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, S. 216. 215 Etwa Krekeler, Hanack-FS, S. 651; Kuhlen, Individuelle Verantwortung, S. 79 ff.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 46 f.; NK-StGB-Schild, 5. Aufl., § 25, Rn. 42 – 44. 216 So Ambos, GA 1998, 239; Bock, Criminal Compliance, S. 290 ff.; Bolea Bardón, Autoría mediata, S. 388 ff., 393 f., 400 f.; Bosch, Organisationsverschulden, S. 251 ff.; Bottke, Gestaltungsherrschaft, S. 73; Díaz y García Conlledo, NFP 71 (2007), 137 ff.; Faraldo Cabana, Posibilidades de aplicación de la autoría mediata, S. 89 ff.; Feijóo Sánchez, Autoría y participación, S. 291 ff.; Gómez-Jara Diez, CPC 88 (2006), 120 ff.; Hefendehl, GA 2004, 575 ff.; Heine, Grenzüberschreitungen, S. 61 ff.; Heinrich, Krey-FS, S. 147 ff.; Kühl, AT, 8. Aufl., § 20, Rn. 73c; Küpper, GA 1998, 525; Merkel, ZStW 107 (1995), 555; Morizinis, Dogmatik der Organisationsdelikte, S. 355 ff.; Murmann, GA 1996, 278 ff.; Otto, Jura 2001, 759; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 90 ff.; Rissing-van Saan, Tiedemann-FS, S. 403 ff.; Rotsch, ZIS 7 (2007), 260 ff.; ders., NStZ 2005, 14 ff.; ders., ZStW 112 (2000), 561; ders., Einheitstäterschaft statt Tatherrschaft, S. 384 ff.; ders., NStZ 1998, 493 ff.; Roxin, AT II, § 25, Rn. 129 ff., 138; Schünemann, Roxin-FS II, S. 803 ff.; ders., LK, 12. Aufl., § 25, Rn. 131; ders., ADPCP 2002, 18 f.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 8, Rn. 433; ders., JZ 2005, 47; Urban, Mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, S. 239 ff., 250 ff. 217 Als Beispiele der deutschen Rechtsprechung, in der sich der BGH für die Übertragbarkeit der mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate ausspricht, finden sich u. a. in BGH 40, 218 (236 ff.) = NJW 1994, 2703 – Mauerschützen; BGH 48, 331 (342) = NJW 2004, 375; BGH 49, 147 (163 f.) = NJW 2004, 2248 – Bremer Vulkan; BGHSt 37, 106 (114); BGH NJW 1995, 2933 ff.; BGH wistra 1998, 225; BGH wistra 1999, 179 f.; BGH 43, 219; BGH 453, 02; BGH 323, 97. Zur spanischen Rechtsprechung vgl. oben § 5 B.

§ 6 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre in vertikalen Unternehmensstrukturen 239

I. Dogmatische Grundlagen: Verwandtschaft zwischen kriminellen Organisationsstrukturen in Wirtschaftsunternehmen und organisatorischen Machtapparaten Die dogmatische inhaltliche Verwandtschaft von mittelbarer Täterschaft durch Ausnutzung organisatorischer Machtapparate und mittelbarer Täterschaft kraft Instrumentalisierung wirtschaftlicher Unternehmensorganisationen beruht auf drei strukturellen Grundelementen, die zur Begründung dieser mittelbaren Täterschaftsform vollständig erfüllt werden müssen218. Diese Grundbestandteile sind die vertikale Struktur der Wirtschaftsunternehmen, die privilegierte Stellung des Hintermannes in der Organisation der Wirtschaftsunternehmen und die Fungibilität des handelnden Vordermannes. 1. Vertikale Struktur der Wirtschaftsunternehmen Ein erster Stützpfeiler der Übertragbarkeit mittelbarer Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate auf die Beteiligung im wirtschaftsbetrieblichen Bereich soll die hierarchische Struktur des Unternehmens sein219. Nach dem hier dargestellten Standpunkt existieren Wirtschaftsunternehmen, deren Struktur an sich – anstatt die Verwirklichung von Straftaten innerhalb der Betriebstätigkeit zu verhindern – die Straftatbestandsverwirklichung ermöglicht und unterstützt220 ; denn die hierarchische Unternehmensstruktur verbirgt oft eine bei formaler Betrachtung legal operierende straftatbestandmäßige und rechtswidrige Betriebsaktivität221. Die komplexe und hierarchische Unternehmensstruktur erleichtert – mittels der Weiterverbreitung der die objektive und subjektive Zurechnung begründenden Elemente222 – unter anderem die sich in der willkürlichen Auswechselbarkeit von untergeordneten Kettengliedern (etwa Arbeitnehmern) widerspiegelnde Herrschaft der Leitungsorgane über die Organisation und Tätigkeit des Unternehmens, über die unbedingte Bereitschaft der vollverantwortlichen handelnden Vordermänner zu der von den Betriebsführungsmitgliedern vorher und absichtlich geplanten Tatbestandsverwirklichung und über die daraus folgende Gewissheit der Tatbestandsverwirklichung. Kurz gesagt, die hierarchische Organisation des Unternehmens

218

Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 93. Dazu vgl. u. a. Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 94; Gómez-Jara Diez, CPC 88 (2006), 132. 220 Eine ausführliche Erklärung dieser dogmatischen Auseinandersetzung findet sich in Feijóo Sánchez, Sanciones, S. 36 ff.; Gómez-Jara, in: Bajo/Feijóo/Gómez-Jara (Mitautoren), Tratado, S. 100; Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 198 f. 221 Dazu Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 94; Knauer, Kollegialentscheidung, S. 79; Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 189 f. 222 Gómez-Jara Diez, in: Bajo/Feijóo/Gómez-Jara (Mitautoren), Tratado, S. 100; Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 198. 219

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

fördert die organisierte Verantwortungslosigkeit223 der Unternehmensleiter und Untergeordneten. Aufgrund der Existenz derartiger Unternehmensstrukturen, die deutlich zeigen, dass die im betrieblichen Bereich verwirklichten Tatbestände der rechtlichen Entscheidungsstruktur des Unternehmens unterworfen seien224, solle die mittelbarer Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate auf die Straftaten angewandt werden, die auf der Grundlage von durch Leitungsorgane getroffenen vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen ausgeführt wurden. Auf diese Weise sei es möglich, sowohl den Vordermann für das durch ihn faktisch begangene Unrecht als auch die Unternehmensleiter für die straftatgerichtete Konzeption organisationsstruktureller Möglichkeiten als unmittelbare bzw. mittelbare Täter zu bestrafen. 2. Privilegierte Stellung der Unternehmensleiter in der Organisationsstruktur der Wirtschaftsunternehmen Die Einordnung der Stellung der Unternehmensleiter innerhalb der Struktur des Unternehmens als Eckepunkt für die Anwendung mittelbarer Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate auf die Beteiligung bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen liege darin begründet, dass die Unternehmensleitungsorgane durch ihre privilegierte Stellung die formelle Zuständigkeit – und dadurch die materielle Fähigkeit – hätten225, nicht nur für oder gegen die Tatbestandsverwirklichung zu entscheiden, sondern auch über die Form, die Zeit und den Ort der Verwirklichung der Straftat226. Dies zeige, dass in der Struktur der Wirtschaftsunternehmen die Unternehmensleitungsorgane das Nervenzentrum des Betriebs seien227, sodass die Betriebsführungsorgane mittels ihrer Sonderstellung und unabhängig von der konkreten Verhaltensform des einzelnen Vordermannes die zur Anwendung der mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate erforderliche Herrschaft über das ganze Wirtschaftsunternehmen228 und dadurch 223 So Beck, Gegengifte. Organisierte Unverantwortlichkeit, S. 96 ff.; Feijóo Sánchez, Autoría y participación, S. 295; García Cavero, La posición de garantía del directivo, S. 146; Gómez-Jara Diez, CPC 88 (2006), 143; Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 41 ff., 199; Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 144; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 34; Stratenwerth, Schmitt-FS, S. 301. 224 Bosch, Organisationsverschulden, S. 260; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 49. 225 Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 49; ders., ZGR 1199, 637; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 90, 95, 108 f. 226 Siehe hierfür Brammsen, ZJS 3 (2008), 258. 227 Vgl. Schünemann, Umweltschutz und technische Sicherheit im Unternehmen, S. 141; ders., wistra 1982, 42 ff.; ders., Plädoyer zur Einführung einer Unternehmenskuratel, in: Deutsche Wiedervereinigung, S. 35, 127. 228 Schünemann spricht von zweiartigen Herrschaftsformen: von sachlich radizierter Herrschaft (Herrschaft über gefährliche Sachen) einerseits und von personaler Herrschaft

§ 6 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre in vertikalen Unternehmensstrukturen 241

über die Verwirklichung des Tatbestandes besitzen229. Privilegierte Stellung der Unternehmensführer bedeute somit Entscheidungszuständigkeit230 für die Verwirklichung oder Nichtverhinderung des Straftatbestandes. Deswegen seien die Unternehmensführer unentbehrliche Bestandteile der Tatbestandsverwirklichung231, da sie die Rechtsgüter durch ihre von einem vollverantwortlichen Dritten umgesetzten Anweisungen verletzten. Daher müssen die im Bereich der Wirtschaftsunternehmen tatsächlich von vollverantwortlich handelnden Vordermännern verwirklichten Straftaten nach dieser Täterschaftstheorie den entsprechenden Anweisungsabsendern und den ausführenden Anweisungsempfängern durch „mittelbare Täterschaft kraft Entscheidungszuständigkeit“232 bzw. „unmittelbare Täterschaft wegen faktischer Tatherrschaft über den Tatbestandsvollzug“ zugerechnet werden233, weil Unternehmensleiter und handelnde Vordermänner wegen ihrer privilegierten Sonderstellung bzw. fehlerhaften Organisationsfreiheitsausübung für die Verwirklichung der verbotenen Handlungen strafrechtlich verantwortlich seien234. 3. Fungibilität des handelnden Vordermannes Das Kriterium der Fungibilität des Vordermannes als Voraussetzung für die Anwendbarkeit mittelbarer Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate auf die durch vorsätzliche Kollektiventscheidungen von Unternehmensleitern und Untergeordneten erfolgte Beteiligung an Wirtschaftsdelikten stützt sich auf die unbegrenzten Möglichkeiten der Betriebsleiter, die handelnden Vordermänner frei zu ersetzen235 und die Straftatausführung sicherzustellen236. D. h., es besteht die Gewissheit, dass der vom Hintermann gegebene Auftrag unbedingt erfüllt werden wird237. Ein Beispiel dafür ist die Abwasserbeseitigung im Bereich großer Unter(Herrschaft über partiell unmündige Personen), vgl. dazu Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 88 f., 102 f.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 48 f. 229 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 94; StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., § 25, Rn. 2; Ransiek, ZGR 1999, 638. 230 Vgl. dazu Mir Puig, Die Zurechnung im Strafrecht, in: Jahrbuch für Recht und Ethik, S. 235. 231 Bosch, Organisationsverschulden, S. 260. 232 Hierfür siehe Mir Puig, Jahrbuch für Recht und Ethik, S. 235; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 49. 233 Dazu vgl. Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 103. 234 Bosch, Organisationsverschulden, S. 260; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 5, 6, 31, 40. 235 Zur Analyse dieses Themas vgl. Gómez-Jara Diez, CPC 88 (2006), 145; Rogall, ZStW 98 (1986), 616; Roxin, TuT, 10. Aufl., § 24, S. 272; Urban, Mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, S. 228 (Fn. 26). 236 Vgl. Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 95; Kuhlen, Individuelle Verantwortung, S. 83. 237 Dazu vgl. Gómez-Jara Diez, CPC 88 (2006), 132.

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

nehmen; in diesen könne die Unternehmensleitungsspitze etwa entscheiden, ihre rechtswidrigen Anweisungen durch den einen oder anderen „potenziellen“ Arbeitnehmer ausführen zu lassen. Dieser sei bereit, die durch die Unternehmensleiter erteilten Aufträge zu befolgen. Dieser Umstand weise auf die nur geringere Bedeutung des Beitrags des Untergeordneten zur Tatbestandsverwirklichung hin, weil sowohl die Herbeiführung des Strafunrechts als auch seine Beteiligung an der Straftatverwirklichung nicht von seinem Willen, sondern von der Entscheidungsbefugnis der Unternehmensleiter abhänge. Der unmittelbar handelnde Vordermann sei nämlich ein auswechselbares „Rädchen“ im gesamten Unternehmensgetriebe. So liege die Tatherrschaft der Betriebsführer nicht in der personenbezogenen Beherrschung des unmittelbar handelnden Untergeordneten, sondern in der auf eine verbrecherische Betriebstätigkeit gerichteten Herrschaft über die Unternehmensorganisation und somit über die Ersetzbarkeit des Angewiesenen238. Die Unternehmensführer hätten ein Entscheidungsübergewicht, so dass sie die Tatmittler ohne Probleme austauschen könnten. Anknüpfend daran sei es gerechtfertigt, die mittelbare Täterschaft kraft Unternehmensorganisationsherrschaft auf die Unternehmensführer anzuwenden239, da bei ihnen die ausschließliche Entscheidungsbefugnis liegt, den das Strafunrecht tatsächlich ausführenden Vordermann willkürlich zu ersetzen. Dies gelte, obwohl der unmittelbar handelnde Untergeordnete strafrechtlich der Tatverantwortliche bleibe. 4. Freie Handlung des handelnden Vordermannes Die letzte Voraussetzung für die Übertragbarkeit mittelbarer Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auf die Beteiligung bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen sei das freie Verhalten des tatsächlich unmittelbar ausführenden Vordermannes240, da er durch seine freiwillige Entscheidung zur Erfüllung der vom Unternehmensleiter erhaltenen deliktischen Anweisung maßgeblich zur Straftatherbeiführung beiträgt241. Eine derartige Tatherrschaft des Angewiesenen über seine rechtswidrige Handlung bestehe sowohl in den Fällen, in denen er sich über die Rechtsmäßigkeit einer Anordnung keine Gedanken mache, als auch in den Situationen, bei denen er die rechtswidrige Anweisung lediglich aus Angst um den Verlust seines Arbeitsplatzes befolge. Dies resultiere daraus, dass der Untergeordnete in diesen Fällen immer eine eigene freie Entscheidungssphäre besitze, die von ihm dahingehend ausgeübt werden könne, rechtmäßig oder rechtswidrig zu handeln. Der Untergeordnete entscheide schließlich bewusst und freiwillig, sein Verhalten auf die Rechtsverletzung zu 238

Siehe Bottke, JuS 2002, 321. Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 96; Knauer, Kollegialentscheidung, S. 79; Tiedemann/Walter, Jura 2002, 713. 240 Herzberg, Individuelle Verantwortung, S. 37 f. 241 Dazu Schmid, ZStrR 105 (1988), 160. 239

§ 6 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre in vertikalen Unternehmensstrukturen 243

richten. Dies zeige sich etwa im erläuterten Abwasserbeseitigungsfall, in dem Werkleiter und sonstige Arbeitsnehmer sich frei dazu entscheiden, die Entsorgung unbehandelten Abwassers zu planen bzw. auszuführen. Deshalb sollen auf die Werkleiter – wie auf die Vorstandsmitglieder – aufgrund ihrer Anweisung, ihrer Planungsherrschaft und ihrer unverzichtbaren Rollen als Bindeglieder zwischen Straftatausführung und Unternehmensvorstand die mittelbare Täterschaft angewandt werden242. Die tatsächlich das unbehandelte Abwasser in den Fluss leitenden Mitarbeiter seien ihrerseits als unmittelbare Täter zu bestrafen.

II. Kriminalpolitische Grundlagen Die Übertragbarkeit mittelbarer Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auf die Beteiligung an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen hat nach deutscher und spanischer Strafrechtslehre zwei Voraussetzungen: die sich aus der Rechtsgelöstheit der Wirtschaftsunternehmen ergebenden schädlichen Auswirkungen einerseits und die präventiv-kriminalpolitischen Zwecke des Strafrechts andererseits. 1. Zerstörerische Rechtsgelöstheit der Wirtschaftsunternehmen Unter zerstörerischer Rechtsgelöstheit eines Wirtschaftsunternehmens verstehen die deutsche und die spanische Strafrechtswissenschaft das Vorliegen eines Unternehmens, welches als Ganzes (Struktur, Organisation und Tätigkeit) außerhalb der Rechtsordnung steht243 und damit die Voraussetzung der Rechtsgelöstheit erfüllt244. Es soll sich dabei um Wirtschaftsunternehmen handeln, die entweder zur Verfolgung rechtswidriger Zwecke gegründet werden und bei denen sich daher alle Unternehmensangehörigen der Erfüllung strafrechtlich verbotener Ansprüche untergeordnet hätten245 oder die trotz ihrer gesetzmäßigen Gründung eine dauerhaft rechtswidrige Tätigkeit ausüben. Aufgrund dieser Gründungszwecke und Tätigkeitsweisen der Wirtschaftsunternehmen wäre es sehr schwierig, die Beteiligten an der Straftatbestandsverwirklichung zu identifizieren246, was nicht nur die Individualisierung strafrechtlicher Zurechnungen erschwert, sondern auch die Bestrafung der Verantwortlichen verhindern würde. Wie bei den organisatorischen Machtapparaten entstehe aus der Rechtsgelöstheit des Unternehmens eine große Gefahr, die an sich nicht nur die essenziellen Strukturelemente und spezifischen Funktionsvoraussetzungen 242 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 110; Heine, SchwZStrR 119 (2001), 119; Kühlen, Individuelle Verantwortung, S. 83; Ransiek, ZGR 1999, 638. 243 Dazu Rotsch, ZStW 112 (2000), 533 ff., Roxin, AT II, § 25, Rn. 129. 244 So Brammsen, ZJS 3 (2008), 258. 245 Bosch, Organisationsverschulden, S. 255. 246 Vgl. dazu Schünemann, ADPCP 2002, 22.

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

des Wirtschaftssystems247, sondern auch die Existenz des (Rechts-)Staats an sich gefährde248. Eine derartige unternehmerische Wirtschaftskriminalität könne durch die traditionellen Täterschafts- und Teilnahmeformen nicht erfasst werden, da die an die Rechtsgelöstheit der Wirtschaftsunternehmen und an die Überordnung der Unternehmensleiter knüpfende Fungibilität sowie das Kriterium vollverantwortlicher Handlungen weisungsabhängiger Untergebener (etwa der Mitarbeiter) nicht die Voraussetzungen herkömmlicher Täterschaftsformen, sondern vielmehr die Voraussetzungen organisatorischer Machtapparate249 erfüllen. Denn die Herrschaft über die Verwirklichung des Wirtschaftsstraftatbestandes werde von Anweisungsgebern und Anweisungsnehmern mittelbar bzw. unmittelbar ausgeübt. Dies veranlasst einen Teil der deutschen und spanischen Strafrechtswissenschaft dazu, die mittelbare Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate auf die Beteiligung an betriebsbezogenen Straftatbeständen anzuwenden, um eine doppelte Verantwortungszuweisung250 in Wirtschaftsunternehmen zu rechtfertigen, nach der Unternehmensleiter und Untergebener als mittelbarer Täter bzw. unmittelbarer Täter bestrafen werden können. 2. Kriminalpolitischer Zweck des Strafrechts gegenüber krimineller Organisation der Wirtschaftsunternehmen Das zweite Erfordernis für die Übertragbarkeit mittelbarer Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auf die Wirtschaftskriminalität und daher auf die Beteiligung an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen soll nach der deutschen und spanischen Strafrechtswissenschaft das Erreichen präventiver kriminalpolitischer Zwecke sein. Diese Zwecke bestehen im Schutz der Gesellschaft vor der Wirtschaftskriminalität durch die Bestrafung sowohl der Mitglieder der Leitungsorgane (oder Führungskräfte) der Wirtschaftsunternehmen als auch der unmittelbar handelnden Untergebenen251. Mit anderen Worten wird durch die Anwendung des Rechtsinstituts „mittelbare Täterschaft kraft organisierter Machtapparate“ auf den Bereich der Beteiligung an Wirtschaftsunternehmen versucht, nicht nur die unmittelbar handelnden Untergeordneten, sondern auch und vor allem die Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane und Unternehmensinhaber zu bestrafen252. 247

Dazu Bottke, wistra 1991, 201 ff.; ders., JuS 2002, 321. Dies wäre der Fall bei Wirtschaftsunternehmen, die kriminelle Aktivitäten von Terrororganisationen, Drogenkartelle, usw. finanzieren. 249 Vgl. dazu Bottke, JuS 2002, 321; ders., Haftung aus Nichtverhütung von Straftaten, S. 12; Brammsen, ZJS 3 (2008), 258; Rogall, ZStW 98 (1986), 573, 616. 250 Vgl. dazu Brammsen, ZJS 3 (2008), 258. 251 Schünemann, ADPCP 1998, 533. 252 Dazu Gómez-Jara Diez, CPC 88 (2006), 123; Schünemann, ADPCP 1998, 533; ders., ADPCP 2002, 10 ff.; Núñez Castaño, Responsabilidad penal en la empresa, S. 177 ff. 248

§ 6 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre in vertikalen Unternehmensstrukturen 245

Im Sinne dieses Ansatzes müssten die innerhalb komplexer Gesellschaften entstehenden Wirtschaftsunternehmen in neue Leistungsbereiche eintreten, um die sozialen Bedürfnisse durch Herstellung und Vertrieb neuer Produkte zu befriedigen. Die Tätigkeit dieser Wirtschaftsbetriebe führe nämlich zur Entstehung komplexer Produktionsprozesse, deren erfolgreicher Verlauf einerseits von einer Funktionalisierung253, Differenzierung254, Dezentralisierung255, Diversifizierung256 und Divisionalisierung257 der Unternehmensorganisation und Unternehmensstruktur abhängt und andererseits eine Spezialisierung des betriebsbezogenen Personenkreises258 erfordert. Allerdings bewirkt die Entwicklung neuer Herstellungs- und Vertriebsprozesse in den Wirtschaftsunternehmen auch die Schaffung neuer Risiken für die geschützten Strafrechtsgüter, die nicht mit den herkömmlichen dogmatischen Strafrechtsfiguren, sondern mit neuen theoretischen Strafrechtsinstituten erfasst und vermieden werden können. In diesem Zusammenhang sei es unentbehrlich, die modernen dogmatischen Strafrechtsansätze auf die Wirtschaftskriminalität anzuwenden. Eine dieser modernen dogmatischen Strafrechtskategorien, welche die aus der Beteiligung an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsbetrieben resultierenden Problematiken erfolgreich löse, sei die mittelbare Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate, weil sie die fundamentalen Strafrechtsgüter vor den aus der wirtschaftlichen Unternehmenstätigkeit kommenden Risiken schütze. Dies rechtfertige die Anwendbarkeit mittelbarer Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auf die Beteiligung bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen.

III. Kritische Würdigung Wie oben (§ 3 D.) gesehen, wird die Anwendung der „mittelbaren Täterschaft wegen organisatorischer Machtapparate“ auf Staatsverbrechen und Delikte krimineller Organisationen von der Strafrechtswissenschaft stark in Frage gestellt. Dies wird noch verschärft, wenn versucht wird, diese Theorie auf die Beteiligung an Wirtschaftsunternehmen anzuwenden259. Die Kritiken gegen die Anwendung dieses Strafrechtsinstituts auf die Täterschaft und Teilnahme im Unternehmensstrafrecht – etwa bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen – sind hier in vier Bereichen gegliedert: dogmatisch, methodologisch, kriminalpolitisch und gesetzlich. 253 Auf diese Weise Gómez-Jara Diez, CPC 88 (2006), 143; Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 35 ff.; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 34. 254 Rotsch, ZIS 7 (2007), 260. 255 Gómez-Jara Diez, CPC 88 (2006), 143. 256 Rotsch, ZIS 7 (2007), 260. 257 A. a. O. 258 A. a. O. 259 Rotsch, NStZ 1998, 493.

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

Methodologisch erfüllt die mittelbare Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate – wie alle sich auf die ontologischen Kategorien faktischer Herrschaft und natürlicher Kausalität gründenden theoretischen Ansätze – nicht die allen Strafhaftungsformen innewohnenden normativen Erfordernisse. Denn die faktische Entscheidungsgewalt der Unternehmensleiter und die materielle Koordination zwischen den Mitgliedern verschiedener Abteilungen eines Unternehmens begründen nicht die Herrschaft der Führungskräfte über ihre Unternehmensangehörigen260 und noch weniger die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Unternehmensleiter für die von den Untergebenen freiwillig begangenen betriebsbezogenen Straftaten. Sogar innerhalb eines ontologischen (Straf-)Rechtsverständnisses beruhen die Hierarchie- und Herrschaftsbeziehungen zwischen Anweisendem und Tatausführendem auch auf dem zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnis oder auf der Garantenstellung des Hintermannes bezüglich des ausführenden Vordermannes261. So zeigt der Vorschlag zur Übertragung mittelbarer Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate auf die Beteiligung an den mittels vorsätzlicher Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen verwirklichten Straftatbeständen aus der Sicht des Verfassers den methodologischen Irrweg der Vertreter der Herrschaftslehre, die theoretischen Zurechnungsinstitute ausgehend von den Seinskategorien aufzubauen. Es wurde jedoch bereits dargelegt, dass ontologische Kategorien kein adäquater Ausgangspunkt zur Konstruktion der (Straf-)Rechtskategorien sind, da eine solche methodologische Vorgehensweise nicht nur das normative Wesen gesellschaftlicher Institutionen – etwa der Wirtschaftsunternehmen – verfälscht, sondern zur Begründung illegaler Formen der Strafverantwortung führt. Ein Beispiel hierfür ist die Anwendung mittelbarer Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate zur Bestrafung der Führungskräfte und Untergebenen von Wirtschaftsunternehmen: Eine derartige Täterschaftsform durch Gleichsetzung der Leitungsaufgaben mit der Täterstrafhaftung262 und durch Zuweisung gleicher strafrechtlicher Bedeutung an die Zuständigkeiten von Unternehmensleitern und Untergebenen verfälscht nicht nur die normative Natur der Organisation und des Betriebs der Wirtschaftsunternehmen, sondern begründet auch – wie unten gezeigt wird – eine gesetzwidrige Strafhaftung von Unternehmensleitern und Untergebenen als mittelbare Täter bzw. unmittelbare Täter. In dogmatischer Hinsicht sind insbesondere vier Einwände hervorzuheben, die zeigen, dass die Beteiligung an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen mit vertikaler Struktur die Erfordernisse der umstrittenen „mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate“ nicht erfüllt263. 260

Bosch, Organisationsverschulden, S. 258. Dies wird auch von Ransiek hervorgehoben, der deshalb den zutreffenden Schluss zieht, zur Zurechnung fremder Tatbeiträge müsse „noch etwas hinzukommen“, vgl. Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 48 f. 261 Bosch, Organisationsverschulden, S. 258. 262 Bosch, Organisationsverschulden, S. 264. 263 In diesem Sinne Meini Méndez, Responsabilidad penal del empresario, S. 183 ff.

§ 6 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre in vertikalen Unternehmensstrukturen 247

Zunächst erfüllt die Beteiligung von Mitgliedern der Unternehmensleitungsorgane und Untergebenen an der Verwirklichung eines Allgemein- oder Sonderpflichtdelikts nicht die Anforderung an die hierarchische vertikale Struktur organisatorischer Machtapparate264. Dies liegt darin begründet, dass organisierte Machtapparate eine diktatorische Natur haben und somit durch Machtkonzentration und willkürliche Beschlussbefassung gekennzeichnet sind265. Im Unterschied dazu sind große Wirtschaftsunternehmen durch ihre demokratische Organisationsstruktur266 charakterisiert, welche in der in einem System wechselseitiger Abhängigkeit einzelner spezialisierter Abteilungen vorliegenden Dezentralisierung und Kompetenzaufteilung der verschiedenen Aufgaben zum Ausdruck kommt267. Mit Rotschs Worten ist an die Stelle des klassischen Gliederungssystems des Unternehmens eine moderne Organisationsstruktur getreten, welche durch zahllose betriebliche Systemen gekennzeichnet ist, die mit der Vielfalt an betrieblichen Aktivitäten korrespondieren268. Die Behauptung, dass Wirtschaftsunternehmen eine vertikale und hierarchische Struktur haben, spiegelt nicht die tatsächliche komplexe Organisation heutiger Wirtschaftsunternehmen wider269, sondern vielmehr die Unkenntnis über deren Struktur, Organisation und Funktionsweise; denn die Vertreter der hier kritisierten These verstehen die großen Wirtschaftsunternehmen weiterhin als Organisationen mit einer hierarchischen Struktur, die aber in Wahrheit nur auf kleine rudimentäre Unternehmen zutrifft270. In diesem Zusammenhang, in dem organisatorische Machtapparate und Wirtschaftsunternehmen wesentliche Unterschiede in ihrer Struktur und Organisation aufweisen271, entpuppt sich dasjenige Kriterium, das konstitutives Merkmal der Täterschaft hinter dem Täter sein soll, bei genauerem Hinsehen als wesentliches Begründungshindernis272 für die Anwendung der „mit264 Vgl. Feijóo Sánchez, Autoría y participación, S. 294 f.; Gómez-Jara Diez, CPC 88 (2006), 146 f.; Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 30 ff.; Rotsch, NStZ 1998, 491 ff.; ders., ZStW 112 (2000), 561 f.; ders., wistra 1999, 372 ff.; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 632; ders., ADPCP, 2002, 9 ff., 18 ff. 265 Hoffmann, Naturwissenschaft und Technik in der DDR, S. 11; Friedrich, Totalitäre Diktatur, S. 234. 266 Vgl. dazu u. a. Dörre, Das demokratische Unternehmen, in: Sattelberger/Welpe/Boes (Hrsg.), 2015, S. 95 ff.; Lind, Demokratie beginnt in mir, in: Sattelberger/Welpe/Boes (Hrsg.), 2015, S. 211 ff. 267 Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 31; Rotsch, NStZ 1998, 493; Schünemann, ADPCP 2002, 16. 268 Rotsch, NStZ 1998, 494. 269 In diesem Sinne siehe Schünemann, ADPCP 2002, 16. 270 Siehe hierfür Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 30; Rotsch, NStZ 2005, 14; ders., NStZ 1998, 493. 271 In die gleiche Richtung geht Feijóo Sánchez, Autoría y participación, S. 292; Heine, ZStrR 2001, 29 ff.; ders., Modelos de responsabilidad jurídico-penal, in: Gómez-Jara Diez (Hrsg.), Modelos de autorresponsabilidad penal empresarial, S. 27 ff.; Marín de Espinosa Ceballos, Criminalidad de la empresa, S. 128, 130. Dagegen spricht Schlösser, Soziale Tatherrschaft, S. 196. 272 Rotsch, NStZ 1998, 493.

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

telbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate auf die Beteiligung an Wirtschaftsunternehmen273. Ebenfalls besteht in Wirtschaftsunternehmen keine sogenannte freie Auswechselbarkeit274 der Untergebenen, welche als Zentralelement für die Begründung der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft betrachtet wird. Tatsächlich sind die Untergebenen in Wirtschaftsunternehmen keine anonymen austauschbaren Randfiguren, sondern konkrete Personen, die durch willkürliche Entscheidungen der Führungskräfte oder Leitungsorgane eines Unternehmens nicht jederzeit ausgewechselt werden können275. Dafür sprechen zwei Argumente: Zum einen sind die Untergebenen, welche die unteren Ebenen der Unternehmensorganisation besetzen und unmittelbar die durch die Unternehmensleiter getroffenen Entscheidungen umsetzen, vollverantwortlich handelnde Personen, die nicht nur zum Zeitpunkt der tatsächlichen Ausführung des Straftatbestandes nicht ausgetauscht werden können, sondern auch durch die Weigerung, die von den höheren Unternehmensleitungsorganen getroffenen Entscheidungen auszuführen, die Verwirklichung von Strafunrecht verhindern können276. Zum anderen haben alle betriebsbezogenen Angehörigen – einschließlich derjenigen, die die unteren Stufen besetzen – besondere berufliche Eigenschaften277, die zur Optimierung der Leistung des Unternehmens unentbehrlich sind; d. h. die Untergebenen sind keine bloßen austauschbaren Randfiguren, sondern wichtige Bestandteile der Unternehmensstruktur und spielen eine entscheidende Rolle für den Betrieb des Unternehmens, weshalb sie von den Unternehmensleitern nicht leicht auswechselt werden können278. Im Übrigen ist die Fungibilität – wie Jakobs zu Recht behauptet279 – ein bloßes naturalistisches Element ohne strafrechtliche Relevanz. Dies führt folglich zur Verneinung der Austauschbarkeit der betriebsbezogenen Untergebenen und dadurch zur Ablehnung einer 273 So Gómez-Jara Diez, ¿Responsabilidad penal de los directivos de empresa …?, S. 144; Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 104 ff.; Rotsch, NStZ 1998, 492. 274 Unter den gegen dieses Strukturelement formulierten zahlreichen Kritiken finden sich die Anmerkungen von Brammsen, ZJS 3 (2008), 262 f.; Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 104 ff.; Gómez-Jara Diez ¿Responsabilidad penal de los directivos de empresa …?, S. 144; Rotsch, NStZ 2005, 14 f.; ders., ZStW 112 (2000), 518 ff.; ders., Rotsch, Individuelle Haftung in Großunternehmen, S. 145; ders., NStZ 1998, 491 ff.; Schröder, JR 1995, 178. 275 Rotsch, NStZ 1998, 493. 276 Hierfür siehe Herzberg, Individuelle Verantwortung, S. 39; Díaz y García Conlledo, NFP 71 (2007), 135 ff.; Hernández Plasencia, La autoría mediata, S. 275; Ransiek, ZGR 1999, 635. 277 Gómez-Jara Diez, ¿Responsabilidad penal de los directivos de empresa …?, S. 145. 278 Dafür sprechen Ambos, GA 1998, 239; Baecker, Organisation und Management, S. 179 ff.; Freund, AT, § 10, Rn. 92; Meini Méndez, Responsabilidad penal del empresario, S. 193 ff.; Rotsch, NStZ 2005, 14 f.; ders., NStZ 1998; ders., wistra 1999, 327; Schröder, JR 1995, 178 f. 279 Jakobs, AT, § 21, Rn. 40; ders., NStZ 1995, 26 ff.

§ 6 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre in vertikalen Unternehmensstrukturen 249

Übertragung der mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate auf die Beteiligung an Delikten in Wirtschaftsunternehmen. Ebenso haben die Führungskräfte oder Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane weder Herrschaft über die Aktivitäten der Untergebenen noch über die konkrete Tatbestandsverwirklichung280. Dies gründet sich auf Folgendem: Die Dezentralisierung, Spezialisierung und Funktionalisierung der modernen Wirtschaftsunternehmen setzt – wie bereits erläutert – zumindest die Flexibilisierung der hierarchischen Organisation voraus281. Denn als Gegenstück der Flexibilisierung der starren faktischen Hierarchie wird die formelle Organisation verstärkt282, welche die traditionelle hierarchische Organisation kleiner Unternehmen283 entweder durch eine horizontale oder durch eine vertikale flexible Organisation ersetzt284. Die sich aus der betrieblichen Tätigkeitsdiversifizierung und Spezialisierung der Aufgaben ergebende Aufteilung unternehmerischer Zuständigkeiten bedeutet, dass die Unternehmensleiter nur für allgemeine Entscheidungen zuständig sind285, während die spezifischen Entscheidungen im Verantwortungsbereich einer jeden zur komplexen Struktur des Wirtschaftsunternehmens gehörenden autonomen Sonderabteilung286 liegen. In diesem Zusammenhang führt die Dezentralisierung, Spezialisierung, Funktionalisierung und komplexe Interaktion der modernen Wirtschaftsunternehmen zum Verschwinden des Beherrschungspotentials der obersten Unternehmensleiter287, so dass nicht mehr von einer allmächtigen Beherrschung der Führungskräfte über das Unternehmen und die Untergebenen gesprochen werden kann, „als wären diese Götter, ohne deren Willen kein Spatz auf die Erde herabsteigt“288. Diese Entmachtung von Unternehmensleitern ist so wichtig, dass einige Autoren sogar 280

Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 30 ff.; Rotsch, NStZ 2005, 16; ders., NStZ 1998, 494. 281 In der deutschen Strafrechtswissenschaft vgl. Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 35 ff.; ders., ZStrR 119 (2001), 24 ff. In der spanischen Strafrechtsdogmatik siehe Gómez-Jara Diez, ¿Responsabilidad penal de los directivos de empresa …?, S. 146. 282 Rotsch, NStZ 1998, 494. 283 Nur im Rahmen eines kleinen Unternehmens könnten sowohl eine hierarchische Organisation als auch eine faktische Herrschaft des obersten Leiters über das Unternehmen und die Arbeitnehmer vorliegen, weil es nur in einer solchen Unternehmensart möglich wäre, dass der oberste Chef faktisch alles kontrolliert und daher alle wesentlichen Entscheidungen trifft, vgl. Bosch, Organisationsverschulden, S. 12; Gómez-Jara Diez, CPC 88 (2006), 146 ff.; Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 30, 35 ff.; ders., ZStrR, 2001, 24 ff., Rotsch, Individuelle Haftung in Großunternehmen, S. 71 ff.; ders., NStZ 1998, 494; ders., wistra 1999, 372 ff. 284 Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 30, 35 ff.; Rotsch, NStZ 1998, 494. 285 Feijóo Sánchez, Autoría y participación, S. 296. 286 Feijóo Sánchez, Autoría y participación, S. 301. 287 Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 30; Rotsch, NStZ 1998, 494. 288 Dazu Schünemann, ADPCP 2002, 16.

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

behaupten, dass auf den nutzlosen Versuch verzichtet werden muss, die Verwirklichung von Unternehmensdelikten durch Formen individueller strafrechtlicher Verantwortlichkeit zu verhindern289. Im Übrigen lässt sich sagen, dass einerseits die bloße formale Stellung der Leitungsorgane an der Spitze der unternehmerischen Struktur an sich kein zur Tatbestandsverwirklichung instrumentalisierbarer und beherrschbarer Automatismus290 ist und andererseits das hypothetische Vorliegen einer hierarchischen Unternehmensstruktur per se keinesfalls die Tatherrschaft der Unternehmensleiter begründen kann291. Aus diesen Gründen muss das Vorliegen einer Kette „mittelbarer Täter“ im unternehmerischen Bereich verneint werden und daher darf die „mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft“ nicht auf die Beteiligung in Wirtschaftsunternehmen angewendet werden. Darüber hinaus verstößt die Übertragung mittelbarer Täterschaft kraft organisatorischen Machtapparates auf die Beteiligung an Wirtschaftsunternehmen gegen das Prinzip der Verantwortung für das eigene Strafunrecht292, welches fordert, ein Verbrechen einer Person zuzurechnen, wenn sie eine bestimmte strafrechtliche Pflicht vollverantwortlich verletzt293. Der Verstoß gegen dieses Prinzip folgt aus der Tatsache, dass die kritisierte Rechtskategorie dem Unternehmensleiter die mittelbare Täterschaft zuschreibt, obwohl der Untergebene die tatbestandsmäßige Straftat vollverantwortlich ausführt294. Nach der in Frage gestellten Täterschaftsform seien Führungskräfte und Untergebene mittelbare Täter bzw. unmittelbare Täter295. Aber 289

So etwa Rotsch, wistra 1999, 321 ff.; ders., wistra 1999, 368 ff. Rotsch, Individuelle Haftung in Großunternehmen, S. 146; ders., NStZ 1998, 494. 291 Die Schaffung der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft hätte als echten Zweck, die kriminalpolitisch nachteilige Bestrafung von Unternehmensleitern als bloße Teilnehmer zu vermeiden, vgl. dazu Brammsen, ZJS 3 (2008), 261; Ebert, Hanack-FS, S. 534; Gropp, JuS 1996, 17; MüKoStGB-Joecks, § 25, Rn. 129; Rotsch, NStZ 2005, 15; Roxin, GA 1963, 200. 292 Etwa Jakobs, NStZ 1995, 26 f.; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 82 II. 8, S. 670; Korn, NJW 1965, 1208; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff; S. 146 ff., 151 f.; Rotsch, Individuelle Haftung in Großunternehmen, S. 145; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 69 ff.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 58; in der Strafrechtslehre Spaniens siehe Bolea Bardón, Autoría mediata, S. 350 ff.; Díaz y García Conlledo, NFP 71 (2007), 135 ff.; Gómez-Jara Diez, ¿Responsabilidad penal de los directivos de empresa …?, S. 121; Hernández Plasencia, La autoría mediata, S. 275; Marín de Espinosa Ceballos, Criminalidad de empresa, S. 94 ff. Zu einer ausführlichen Betrachtung sowohl der philosophischen und konstitutionellen Grundlagen als auch der (straf-)rechtlichen Auswirkungen des Selbstverantwortungsprinzips – und daher des Verantwortungsgrundsatzes für das eigene Strafunrecht – vgl. Murmann, Die Selbstverantwortung des Opfers im Strafrecht, 2005. 293 Eine ausführliche Erläuterung dieses Themas befindet sich unten § 9 A.III. 294 Kritisch mit dieser Lösung des BGH Brammsen, ZJS 3 (2008), 263. 295 Diese Täterschaftsform wurde aus unterschiedlichen dogmatischen Gesichtspunkten erklärt. Aus der Sicht des sozialen Herrschaftsmodells erklären sich die Ansätze von Schild, Täterschaft als Tatherrschaft, S. 17, 22, 24; Gropp, JuS 1996, 13 ff., 16. Innerhalb des Zurechnungsmodells des Organisationsunrechts zu verorten ist der Standpunkt von Ambos, GA 1998, 226 ff., 234; Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus, 1985; ders., GA 1996, 424 ff., 441. 290

§ 6 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre in vertikalen Unternehmensstrukturen 251

gemäß dem Eigenverantwortungsprinzip und der Terminologie der traditionellen Strafrechtsdogmatik sind nur die folgenden Lösungsalternativen rechtmäßig: Erstens sind Hinter- und Vordermann Anstifter bzw. unmittelbarer Täter, wenn beide Subjekte frei handeln296 und die verletzten Pflichten allgemeiner negativer Natur sind. Zweitens ist der Hintermann mittelbarer Täter und der Vordermann ein bloßes Instrument ohne strafrechtliche Verantwortung297 in den Fällen, in denen der Hintermann den Willen des Vordermannes beherrscht, unabhängig davon, ob die durch den Hintermann verletzten Pflichten allgemeines negatives oder besonderes positives Wesen haben. Drittens sind Hinter- und Vordermann Täter bzw. Gehilfe, wenn sie sich an der Verletzung einer positiven Sonderpflicht freiwillig und voll verantwortlich beteiligen. Diese Verantwortungsformen begründen sich damit, dass im ersten und dritten Fall die Entscheidung der Untergebenen, die rechtswidrige Anweisung der übergeordneten Unternehmensleitungsorgane auszuführen, weder Auswirkung eines Nötigungsdruckes noch einer Irrtumsausnutzung ist298; vielmehr haben die Untergebenen wegen der Geltung des Arbeits- und Kündigungsschutzrechts299 einen selbstständigen Organisationsbereich, in dem sie frei entscheiden können, ob sie den Anweisungen ihrer Vorgesetzten Folge leisten oder nicht300. Nur im zweiten Fall hat (hätte) der Hintermann die Herrschaft über den Willen des handelnden Vordermannes und dadurch über die Tatbestandsverwirklichung, während der Untergebene weder sein Verhalten noch die Tatbestandsausführung beherrscht. Daraus leitet sich ab, dass die von den Vertretern der Tatherrschaftslehre vorgeschlagene mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft – nach der Hintermann (etwa die Vorstandsmitglieder einer AG) und Zwischenmann (z. B. der Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft solcher AG) als mittelbare Täter verantwortlich sind und der Vordermann (etwa der bloße Mitarbeiter) als unmittelbarer Täter zu bestrafen ist – nicht auf die Beteiligung an Straftaten in Wirtschaftsunternehmen übertragen werden darf, weil dies mit dem Eigenverantwortungsgrundsatz kollidiert. Schließlich besteht ein sich aus der Nichterfüllung des Erfordernisses der Rechtsgelöstheit301 ergebendes Hindernis. Wie oben bereits erläutert, ist das Vor296 So etwa Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus, S. 347 ff.; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 82 ff.; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 62 ff.; Rotsch, ZStW 112 (2000), 525. 297 Die Begründungselemente dieser Form strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind dieselben wie bei der traditionellen mittelbaren Täterschaft, vgl. dazu oben § 3 C.III.; § 6 B. 298 Hierfür siehe Herzberg, Individuelle Verantwortung, S. 58; Rudolphi, Lackner-FS, S. 871. 299 Dazu Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 104; Herzberg, Individuelle Verantwortung, S. 58; LK-Roxin, 11. Aufl., § 25, Rn. 88; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 1 ff. 300 Hierfür siehe Herzberg, Individuelle Verantwortung, S. 39, 58. 301 Dazu Brammsen, ZJS 3 (2008), 261; Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 104; Gómez-Jara Diez, CPC 88 (2006), 140 ff.; Roxin, JZ 1995, 51 f.; ders., Gründwald-FS, S. 558 ff.

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

liegen eines außerhalb des Gesetzes handelnden organisierten Machtapparats302 eine Grundvoraussetzung der Anwendung der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft. Im Gegenteil dazu bestehen alle Wirtschaftsunternehmen nur innerhalb (und nicht außerhalb) des Rechtssystems, weil die Existenz aller Wirtschaftsunternehmen – insoweit ihre Gründung, ihr Betrieb, ihr Verlauf und ihr Erlöschen durch die Rechtsordnung geregelt werden – an sich auf Rechtsakten basiert303. Organisierte Vereinigungen oder kriminelle Organisationen, die durch die Ausnutzung einer scheinbar wirtschaftlichen Tätigkeit Verbrechen begehen, sind keine Wirtschaftsunternehmen, sondern echte Kriminalorganisationen304. Werden Verbrechen durch die Ausnutzung solcher Organisationen begangen, kann die Betrachtung solcher organisierter Deliktsverwirklichungsformen nicht dazu verwendet werden, organisierte Machtapparate mit Wirtschaftsunternehmen strafrechtlich gleichzusetzen305 und dadurch die Übertragbarkeit der kritisierten Täterschaftsform auf die gemäß dem Recht organisierten Wirtschaftsunternehmen zu rechtfertigen. Die Nichteinhaltung dieser Anforderung ist vielmehr ein unüberwindbares Hindernis für die Anwendung dieser Täterschaftsform auf die vorsätzliche Beteiligung in wirtschaftlichen Unternehmensorganisationen306. In kriminalpolitischer Hinsicht ist die Frage zu stellen, inwiefern die Anwendung mittelbarer Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate auf die Beteiligung in Wirtschaftsunternehmen die verfolgten präventiv-kriminalpolitischen Zwecke erreicht. Aus der hier vertretenen Auffassung kann die genannte Täterschaftsform diese Ziele nicht erreichen, da sie die Probleme der Strafbarkeitslücken, welche die herkömmlichen Täterschaftsformen betreffen, nicht überwinden kann. Dies folgt aus zwei Erwägungen: Erstens sind Struktur und Organisation der Unternehmen – zumindest der komplexen Großunternehmen – normativer Natur, da innerhalb der Unternehmen die Grundlage aller betriebsbezogenen Zuständigkeiten mit der Erfüllung bestimmter, in formalen Vorschriften geregelten Rechtspflichten verknüpft ist. Dies bedeutet, dass die verschiedenen Zuständigkeiten von Leitungsorganen, Angestellten und Untergebenen – wie unten dargelegt werden wird – auf der Geltung der Rechtspflichten gründen, die in formalen Vorschriften der vorliegenden Rechtsordnung – etwa §§ 14, 30, 130 OWiG – enthalten sind. Daher, um die ge302

Siehe hierfür oben § 3 C.IV. Vgl. dazu Bottke, Responsabilidad por la no evitación, S. 172, 182; Gómez-Jara Diez, CPC 88 (2006), 141; Heine, ZStrR 119 (2001), 30; ders., Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 104; Roxin, AT II, § 25, Rn. 130; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 76. 304 Zu den Merkmalen krimineller Organisationen, die sie von prinzipiell legalen Wirtschaftsunternehmen unterscheiden, siehe Bögel, Strukturen und Systemanalyse, S. 88 ff. 305 Wegen der unterschiedlichen Natur, Organisation und Struktur von organisatorischen Machtapparaten und Wirtschaftsunternehmen wäre es nicht möglich, eine Parallele zwischen beiden Organisationen anzunehmen. Siehe dazu vgl. Feijóo Sánchez, Autoría y participación, S. 292 f.; Marín de Espinosa Ceballos, Criminalidad de empresa, S. 128, 130; Rotsch, NStZ 2005, 13 ff.; ders., NStZ 1998, 494 f.; ders., wistra 1999, 327. 306 Dafür spricht sich aus: Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 74 f. 303

§ 6 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre in vertikalen Unternehmensstrukturen 253

wünschten kriminalpolitisch-präventiven Zwecke zu erreichen, muss die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Unternehmensleitungsorgane und Untergebenen auf der Pflichtverletzung beruhen; denn nur die auf normativen Erwägungen basierende Strafe enthält eine präventive kommunikative Botschaft, die durch das normative Bewusstsein der Unternehmensleitungsorgane und Unternehmen selbst internalisiert werden kann. Zweitens versucht die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, die Erreichung der dargestellten kriminalpolitischen Zwecke auf dieselben Grundlagen der Herrschaftslehre zu begründen, nämlich auf den ontologischen Kategorien der Tatherrschaft und Kausalität. Aber dogmatischen Begründungsformen steht das Problem des Kommunikationsdefizits, welches die ontologischen Kategorien an sich selbst enthalten, entgegen. Werden diese Überlegungen berücksichtigt, dann verliert die Anwendung der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auf die Beteiligung an Wirtschaftsunternehmen auch ihre kriminalpolitische Rechtfertigung307. In gesetzlicher Hinsicht verstößt die Anwendung mittelbarer Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate auf die Beteiligung in Wirtschaftsunternehmen gegen den Gesetzlichkeitsgrundsatz, der hinsichtlich der Beteiligung verbietet, einem Bürger eine Täterschafts- oder Teilnahmeform zuzusprechen, die im Gesetz nicht als solche festgelegt ist. Die Straftatbestände des Besonderen Teils i. V. m. den die Täterschaft und Teilnahme normierenden Vorschriften des Allgemeinen Teils (§§ 25, 26, 27 und 28 Abs. 1) verbieten es nämlich, dem ausführenden nichtqualifizierten Untergebenen die Täterschaft zuzusprechen, wenn er sich an der Verwirklichung eines Sonderpflichtdelikts mit oder ohne Tatherrschaft beteiligt308, welches täterschaftlich nur von demjenigen verwirklicht werden kann, der eine positive Sonderpflicht verletzt309. Ein Beispiel für diesen Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip der Täterschaft und Teilnahme ist die Anwendung der unmittelbaren Täterschaft an einem Untreuedelikt auf einen extranen Vordermann; denn die Theorie der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft fordert, dem Extraneus und dem qualifizierten Geschäftsführer eines Unternehmens die unmittelbare Täterschaft bzw. mittelbare Täterschaft des Untreuestrafunrechts zuzusprechen, obwohl die in § 266 dStGB und Art. 252 f. sStGB geregelten Straftatbestände der Untreue wörtlich festlegen, dass die Täterschaft solcher Straftatbestände nicht dem Extraneus – sondern nur den Inhabern der Vermögensbetreuungspflicht – zugesprochen werden darf. Zum Schluss lässt sich konstatieren, dass eine hypothetische – und umstrittene – Anwendung der mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate nur bei Straftaten stattfinden könnte,310 die zum einen innerhalb eines staatlichen 307

Ähnlich Rotsch, NStZ 1998, 495. Brammsen, Individuelle Verantwortung, S. 112. 309 Vgl. dazu ausführlich unten § 8 B.; § 9 B.I. sowie insbesondere § 12 B. 310 So Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 104; Schulz, JuS 1997, 109 ff., 111. 308

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

Machtmissbrauchs begangen werden. Zu denken ist etwa an die in der NS-Zeit des Dritten Reichs311 oder im Rahmen einiger Strukturen des früheren SED-Staates DDR312 verwirklichten Straftaten. Ebenso trifft dies zu auf die Straftaten, die innerhalb einer repressiv-totalitär organisierten Staatsführung wie etwa der früheren argentinischen Generalsjunta oder der chilenischen Diktatur von Pinochet begangen wurden.313 Auch bei einer korrupten Staatsausgestaltung314, wie sie z. B. die peruanische Regierung Fujimoris darstellte – man denke an die Fälle „Cantuta“ und „Barrios Altos“315 – ist die Rechtsfigur anwendbar. Zweitens sind diejenigen Straftaten erfasst, die durch Terrororganisationen316 wie etwa ETA, RAF, Al Qaida, usw. oder durch Großverbrecherbanden317 wie die kolumbianischen Drogenkartelle begangen werden. Drittens kommt von großen Mafia-Organisationen318 wie etwa der sizilianische Mafia verwirklichtes Strafunrecht in Betracht. Ausgehend davon lässt sich festhalten, dass die Übertragbarkeit mittelbarer Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate auf die Beteiligung an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen abzulehnen ist319. Denn die täterschaftliche und teilnehmerische Verantwortlichkeit der an einer betrieblichen Entscheidungsfindung beteiligten Personen gründet sich nicht auf die Tatherrschaft, sondern ausschließlich auf die Verletzung unterschiedlicher Strafrechtspflichten (Sonder- und Gemeinpflicht)320. Dies folgt daraus, dass sich Täterschaft und Teilnahme (bei Kollektiv-

311

Ambos, GA 1998, 235 ff.; Ransiek, ZGR 1999, 634. Ambos, JuS 2000, 465 ff. 313 Auf diese Weise Feijóo Sánchez, Autoría y participación, S. 293; Roxin, TuT, 10. Aufl., § 24 (S. 269 f.), § 44 (Rn. 360 ff.); ders., ZIS 11 (2009), 565 ff. 314 Ambos, GA 1998, 242 f.; Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 104; LK-Roxin, § 25, 11. Aufl., Rn. 12; ders., TuT, 10. Aufl., § 24 (S. 270), § 44 (Rn. 369 ff.). 315 Vgl. dazu Abanto Vásquez, Roxin-FS, S. 828 ff.; Ambos, Roxin-FS, S. 844 ff.; ders., ZIS 11 (2009), 563 ff.; Herzberg, ZIS 11 (2009), 576 ff.; Rotsch, ZIS 11 (2009), 551; Roxin, ZIS 11 (2009), 565 ff.; Schroeder, ZIS 11 (2009), 569 ff.; Jakobs kritisiert die Anwendung mittelbarer Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate zur Bestrafung des peruanischen Präsidenten Alberto Fujimori Fujimori wegen Mordes in mittelbarer Täterschaft an peruanischen Bürgern, die unmittelbar durch das militärische Sonderkommando „Grupo Colina“ begangen wurden, vgl. dazu Jakobs, ZIS 11 (2009), S. 572 ff. 316 Ambos, GA 1998, 239 f.; Krämer, Individuelle und kollektive Zurechnung, 279; Rengier, Strafrecht AT, § 43, Rn. 63; Urban, Mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, S. 102. 317 Vgl. dazu Bottke, Gössel-FS, S. 248 f., 250 f.; Dierlamm, NStZ 1998, 569; Ransiek, ZGR 1999, 634; Roxin, GA 1963, 206. 318 Siehe hierfür Mansdörfer, Zur Theorie des Wirtschaftsrechts, S. 311; Ransiek, ZGR 1999, 634. Im Bereich der Rechtsprechung vgl. BGH NJW 1994, 2073 (= BGHSt 40, 218), 2706; BGH 5 StR 42/97 (39. 04. 1997). 319 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 78. 320 So die Pflichtdeliktslehre, etwa LK-Roxin, 11. Aufl., § 25 StGB, Rn. 37 ff. 312

§ 6 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre in vertikalen Unternehmensstrukturen 255

entscheidungen in Wirtschaftsunternehmen) nicht quantitativ, sondern qualitativ unterscheiden321.

D. Entwicklung weiterer strafrechtlicher Beteiligungsformen bei vollverantwortlich handelndem Vordermann I. Mittäterschaft statt Organisationsherrschaft Ein Teil der deutschen und spanischen Strafrechtswissenschaft lehnt die Übertragbarkeit der mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate auf die Beteiligung an Wirtschaftsunternehmen ab. Im Gegensatz dazu greift der erwähnte Teil der Wissenschaft auf die Anwendung der Mittäterschaft322 zurück, um die Probleme der Täterschaft und Teilnahme bei von Gremienmitgliedern und Untergebenen getroffenen vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsbetrieben zu lösen. Es handele sich um Sonderfallkonstellationen, in denen die komplexen Dimensionen oder strukturellen Differenzierungen der Wirtschaftsunternehmen die Herrschaft der Unternehmensleiter über die betriebsbezogenen Arbeitsnehmer ausschließe und daher die Fungibilität unmittelbar ausführender Vorderleute auszuschließen sei323. Die funktionellen Differenzierungen der jeweiligen Zuständigkeiten und die strukturellen Untergliederungen, welche im Zuge weitreichender Spezialisierung in allen Betriebsabteilungen stattfinden, führten zur Unersetzbarkeit und damit zu einer unfreiwilligen Unauswechselbarkeit der Untergebenen324, die ihrerseits die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft ausschließe und eine Sondermittäterschaft325 begründe. Deswegen seien sowohl die Leitungsentscheidungsträger als auch die Angewiesenen nach den Voraussetzungen dieser neuen Mittäterschaftsform für die gesamte rechtswidrige Entscheidung mitverantwortlich; 321

Bosch, Organisationsverschulden, S. 264. So Ambos, JuS 2000, 467; Bloy, GA 1996, 427 ff.; Brammsen, ZJS 3 (2008), 258; Derksen, GA 1993, 163 ff.; Dierlamm, NStZ 1998, 569 ff.; Jakobs, AT, 2. Aufl., § 21/40, Rn. 103, (Fn. 42); ders., GA 1996, 253 (259 Fn. 14); ders., GA 1997, 553 (560 Fn. 22, 561 Fn. 23); ders., NStZ 1995, 26 f.; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 62 II, S. 670; Kuhlen, Individuelle Verantwortung, S. 76, 79, 80; Lesch, ZStW 105 (1993), 271 ff.; Meier, NJW 1992, 3199; Otto, Jura 2001, 757 ff.; Marín de Espinosa Cabellos, Criminalidad de empresa, S. 137 ff.; Muñoz Conde, RP 6 (2000), 113; Murmann, GA 1996, 269 ff.; Ransiek, ZGR 1999, 636; Schlösser, Soziale Tatherrschaft, S. 196; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 69 ff.; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 632; ders., ADPCP, 2002, 9 ff., 18 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 8, Rn. 433. 323 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 203. 324 Bosch, Organisationsverschulden, S. 237 f.; Langneff, Beteiligtenstrafbarkeit, S. 112 f.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 179, 241; ders., JZ 2005, 47. 325 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 96; dazu Bosch, Organisationsverschulden, S. 264 ff.; Dierlamm, NStZ 1998, 569 f.; Muñoz Conde, Roxin-FS, S. 623 f.; Schünemann, 50 Jahre BGH-FS, S. 630 f.; ders., Schroeder-FS, S. 412 f.; ders., LK, § 25, Rn. 132; ders., ADPCP, 2002, 19; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 240. 322

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

d. h. sowohl jedes Mitglied des Unternehmensleitungsorganes326 als auch jeder ausführende Untergebene sei als Mittäter zu bestrafen327. Zum Ausschluss der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft solle zunächst überprüft werden, ob bei den vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsbetrieben keine Fungibilität der ausführenden Untergeordneten vorliege. In diesem Sinne gründe sich die Unersetzbarkeit betriebsbezogener Untergebener bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen trotz der Herrschaft der Betriebsleitungsorgane über die Organisation des Unternehmens darauf, dass in den ihnen unterstellten Stufen der Wirtschaftsbetriebe oftmals hochqualifizierte Personen arbeiten, die wegen ihrer im Verlauf ihrer berufsqualifizierenden Ausbildung erworbenen oder durch das Ausmaß der vorherigen betriebsinternen Informationen, Absprachen, Anleitungen und gegebenenfalls weiterbildenden Maßnahmen erlangten Spezialkenntnisse oder Vorgesetzteneigenschaften eine entscheidende Aufgabe im Planungsstab oder Produktionsprozess erfüllten. Dies zeige ohne Zweifel, dass die Unternehmensangehörigen – wie etwa die Arbeitnehmer – keine austauschbare Stellung einer Randfigur328, sondern in Wahrheit eine zentrale Sonderposition besäßen, sodass sie sich faktisch auf gleicher Bedeutungsstufe mit den anweisungsgebenden Unternehmensführern befänden und daher nicht einfach ersetzt werden könnten. Ihrerseits erfordere die Annahme von Mittäterschaft das Vorliegen von drei Kernelementen, die auch zu der für die Bestrafung der Beteiligten an gewöhnlichen Straftaten entwickelten und bereits an anderer Stelle erläuterten Mittäterschaft gehören. Es müsse nämlich erstens nachgewiesen werden, dass die Untergebenen an dem gemeinsamen Tatentschluss einer vorsätzlichen Kollektiventscheidung in Wirtschaftsunternehmen beteiligt waren329. Zweitens sei es erforderlich zu bestimmen, ob aufgrund der in der internen Struktur des Unternehmens erfolgenden Kompetenz- oder Spezialisierungsunterscheidung eine funktionelle Arbeitsteilung bestehe. Schließlich müsse – sofern die oben genannten Elemente gegeben sind – betrachtet werden, ob die verschiedenen Handlungen von Unternehmensleitungsorganen und Untergebenen wesentliche Beiträge zur Entscheidungsfindung und zur Tatbestandsverwirklichung seien, so dass alle Beteiligten als Mittäter bestraft werden müssen330.

326 Nach Kuhlens Ansicht sind Vorgesetzte (Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane) unmittelbare (Mit-)Täter, vgl. dazu Kuhlen, WiVerw 1991, 181 (249). 327 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 203. 328 Ransiek, ZGR 1999, 635. 329 Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 64. 330 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 96; Cramer, Bockelmann-FS, S. 390, 401; MüKoStGB-Joecks, § 25, Rn. 65; Kühl, AT, § 20, Rn. 110; Küpper, GA 1986, 444; Zieschang, ZStW 107 (1995), 361.

§ 6 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre in vertikalen Unternehmensstrukturen 257

Der gemeinsame Tatentschluss331 zu den jeweiligen vorsätzlichen Kollektivleitungsentscheidungen in vertikalen Wirtschaftsunternehmen liegt nach Auffassung der deutschen und spanischen Strafrechtswissenschaft darin, dass Anweisungsgeber und Anweisungsnehmer von vorneherein funktionell zur Planungs- und Durchführungsphase beitragen332. Dies zeige sich beispielweise in dem Fall, in dem eine gemeinschaftliche Vereinbarung von Unternehmensleitern und Untergebenen vorliege333, die sich sowohl in der Entscheidungsfindung334 als auch in der Erfüllung arbeitsteiliger Funktionen während der Tatbestandsverwirklichung335 widerspiegele. Ebenfalls sei die Fallkonstellation zu nennen, in der anweisende Betriebsleitungsorgane und nicht ersetzbare Kettenglieder zur Deliktsverwirklichung einen wechselwirkenden Kontakt etablieren336, in welchem eine wechselseitige Beratung über die bestmögliche Planung und die sichere Ausführung der durch die Betriebsleitungsorgane geplanten Straftaten337 stattfindet. Für die funktionelle Arbeitsteilung der Beteiligten an der Begehung eines durch eine vorsätzliche Kollektiventscheidung von Unternehmensleitungsorganen und Untergebenen verwirklichten Betriebstatbestandes sprechen insbesondere zwei Erwägungen, die mit den hierarchischen und horizontalen Betriebsverhältnissen zusammenhängen. Bei den hierarchischen Betriebsverhältnissen bestehe eine funktionelle Arbeitsteilung der Beteiligten und daher eine Mittäterschaft338, obwohl die Unternehmensangehörigen unterschiedlichen Hierarchiestufen angehören und sich der Tatbeitrag der Leitungsperson im Wesentlichen auf eine rechtswidrige Anordnung zur Deliktsbegehung beschränkt339. Dies wäre der Fall, in dem die Geschäftsleitung und die Vertriebsabteilung gemeinsam beschließen, ein Produkt herzustellen bzw. zu vertreiben, obwohl sie die gesundheits- oder lebensgefährlichen Wirkungen des Produkts kennen340. Bei einer Gleichordnung – und hier vor allem bei Kollektiventscheidungen in Betriebsgremien – liege dagegen eine mittäterschaftliche Arbeitsteilung der Beteiligten vor, wenn die Unternehmensleitungsmitglieder unterschiedliche Aufgaben erfüllen, die gemeinsam sowohl in der Entscheidungs-

331

Hierfür siehe Brammsen, ZJS 2008, 258. Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 97. 333 Beulke, JuS 1992, 743; Maurach/Gössel/Zipf, AT II, 7. Aufl., § 49, Rn. 77; Stratenwerth, AT I, 3. Aufl., Rn. 1067. 334 Brammsen, ZJS 3 (2008), 258. 335 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 97; Puppe, NStZ 1991, 571; LK-Roxin, § 25, 11. Aufl., Rn. 173; Zieschang, ZStW 107 (1995), 361. 336 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 97. 337 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 97. 338 Bosch, Organisationsverschulden, S. 265. So ausdrücklich Dierlamm, NStZ 1998, 569 f.; Jakobs, NStZ 1995, 27; Otto, JURA 1998, 410 f.; Schünemann, 50 Jahre BGH-FS, S. 631; StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., § 25, Rn. 11. 339 Bosch, Organisationsverschulden, S. 265. 340 Bosch, Organisationsverschulden, S. 264. 332

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

findung als auch bei der Tatbestandsherbeiführung eine entscheidende Rolle spielen341. Schließlich zeige sich die wesentliche Natur des Beitrags eines jeden Beteiligten zur Entscheidungsfindung und zur Tatbestandsherbeiführung in der Ersetzung der faktischen Tatunmittelbarkeit durch die entscheidende Bedeutung der geplanten Mitwirkung an der Tatverwirklichung und durch die Herrschaftsstellung der Leitungsmitglieder innerhalb der Gesamtunternehmensorganisation. Denn im Vergleich zu anderen Beteiligungsformen, in denen auch gemeinsamer Tatentschluss und funktionelle Mitwirkung vorliegen können, sei Grundvoraussetzung der Mittäterschaft bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen das Gewicht des Beitrags von Unternehmensleitungsmitgliedern und Untergebenen zur Entscheidungsfindung und zur sich daraus ableitenden Tatbestandsverwirklichung. Ausdruck der bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen stattfindenden Mittäterschaft sei der im akademischen Bereich öfter zitierte bekannte Abwasserbeseitigungsfall, in dem der Vorstand einer Chemie-AG den Leiter des Werkes anweist, giftige Produktionsabwässer zwecks Kosteneinsparung künftig in einen werksangrenzenden Fluss einzuleiten342. Der Leiter gibt diese Aufforderung an den zuständigen Werkmeister weiter, der seinerseits drei seiner ihm unterstellten Arbeiter damit beauftragt, die dafür notwendige Umleitung vorzunehmen343. Trotzt der Existenz zahlreicher Untergeordneter, welche wegen ihrer Spezialkenntnisse dafür zuständig seien, die an ihre Abwasserentsorgungsfunktion knüpfenden vielfältigen Sonderaufgaben des Unternehmens zu erfüllen, fehlt die das Zentralelement mittelbarer Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate konstituierende Fungibilität der hierarchisch Untergeordneten344. Im Gegensatz dazu erfüllen die Anweisungsgeber und Anweisungsempfänger alle erforderlichen Voraussetzungen der in § 25 Abs. 2 i. V. m. § 324 ff. dStGB und in Art. 28 Abs. 1 2. Alt. i. V. m. Art. 325 ff. sStGB normierten unmittelbaren Mittäterschaft, weil sich alle Beteiligten durch die Kontrolle ihres Beitrags im Zentrum345 der Tatbestandsverwirklichung befinden, sodass sie die materielle Fähigkeit haben, den Gesamtplan zunichtezumachen.

341

Bosch, Organisationsverschulden, S. 265. Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 108 f.; Kuhlen, Individuelle Verantwortung, 78; Rudolphi, Lackner-FS, S. 870 f. 343 A. a. O. 344 Etwa Feijó Sánchez, Derecho penal de la empresa, S. 220 ff. 345 Siehe Jakobs, GA 1996, 259 (Fn. 14); ders., GA 1997, 560 (Fn. 22), 561 (Fn. 23); Lesch, Beihilfe, S. 267; ders., GA 1994, 124; Schild, Täterschaft, S. 44 ff. 342

§ 6 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre in vertikalen Unternehmensstrukturen 259

II. Mittäterschaft und sukzessive Mittäterschaft des Hinter- bzw. Vordermannes (Deutschland) Ein anderer Teil der deutschen und spanischen Strafrechtswissenschaft346 wendet Mittäterschaft und sukzessive Mittäterschaft auf die Beteiligten in Wirtschaftsunternehmen an, um die Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane und die diesen hierarchisch Untergebenen als Mittäter bzw. sukzessive Mittäter zu bestrafen. Die Anwendbarkeit dieser Täterschaftsformen komme in Betracht, wenn die Handlungen der betriebsbezogenen Untergebenen weder die Voraussetzungen mittelbarer Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate noch die Erfordernisse herkömmlicher Mittäterschaft erfüllen. Es handele sich nämlich um Fallkonstellationen, in denen die Beiträge der Untergebenen zur rechtswidrigen Unternehmensentscheidungsfindung oder zur daraus folgenden Tatbestandsherbeiführung den Voraussetzungen der sukzessiven Mittäterschaft entsprechen, welche verlange, die wesentlichen Mitwirkungshandlungen entsprechend den gleichartigen Beiträgen (Anweisungen) der Unternehmensleitungsorgane vorzunehmen. Auf der Grundlage dieser Prämisse wären die Mittäterschaft und die sukzessive Mittäterschaft auf den durch die Strafrechtslehre im akademischen Bereich öfter zitierten Abwasserentsorgungsfall anwendbar. Nach diesen mittäterschaftlichen Betrachtungen seien die Vorstandsmitglieder, die den Werkleiter anweisen, Abwässer unbefugt in einen Fluss einzuleiten, bloße Mittäter. Im Gegensatz dazu seien Werkleiter und Werkmeister, welche die rechtswidrige Anweisung entsprechend der Anweisungskette an die jeweils hierarchisch Untergebenen weitergeben, sukzessive Mittäter an demselben Tatbestande, da sie durch die Weitergabe der rechtswidrigen Anweisung an die Kettenmitglieder die in die Unternehmensorganisation eingebundenen Vordermänner (etwa die Arbeitsnehmer) beherrschen. Demzufolge hätten alle Beteiligten eine gleichrangige Mitverantwortlichkeit für dieselbe Tat; alle Beteiligten seien nämlich für die funktionelle Verteilung der Pflichtverletzung als Mittäter zu bestrafen347.

III. Anstiftung und unmittelbare Täterschaft des Hinter- bzw. Vordermannes (Deutschland und Spanien) Die ursprünglich durch die deutsche Strafrechtswissenschaft348 und Rechtsprechung349 zur Bestrafung des Hintermannes in Fallkonstellationen organisatorischer Machtapparate entwickelte Anwendung der Anstiftung und unmittelbaren Täterschaft auf Leitungsorgane eines Wirtschaftsunternehmens bzw. deren Untergeord346 347 348 349

Bosch, Organisationsverschulden, S. 265. So Ransiek, ZGR 1999, 637; Bosch, Organisationsverschulden, S. 253, Fn. 807. Dazu vgl. oben § 3 C.IV. Siehe hierfür BGHSt 40, 218.

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

nete wird auch in der deutschen und spanischen Strafrechtswissenschaft angenommen. Aus Sicht der Strafrechtsdogmatik Deutschlands350 und Spaniens351 komme die Anwendung dieser Teilnahmefigur in Betracht, wenn die Beiträge der Unternehmensleitungsorgane zur Tatbestandsverwirklichung weder die Erfordernisse traditioneller mittelbarer Täterschaft noch die Voraussetzungen der Mittäterschaft erfüllen, weil entweder die Hintermänner wegen des freiwilligen Verhaltens des Ausführenden keine Herrschaft über diesen besitzen352 oder sie über die Anweisungsempfänger aufgrund des Übergewichts des Verhaltens des Untergebenen bei der Straftatausführung keine Mitherrschaft ausüben353. In diesem Zusammenhang sollen die Unternehmensführer nicht als mittelbare Täter, sondern – wie einige Beteiligten an den Tötungsdelikten in den Mauerschützen-Fällen – als Anstifter bestraft werden; d. h. Unternehmensleiter und Untergebene seien als Anstifter354 bzw. unmittelbare Mittäter355 für die Verwirklichung eines Straftatbestandes mittels einer durch die zuständigen Betriebsleitungspersonen getroffenen vorsätzlichen Kollektiventscheidung verantwortlich. Grund dafür sei, dass die Beteiligung der Hintermänner an der Tatbestandsherbeiführung nicht durch eine Herrschaftsausübung, sondern durch eine bloße Veranlassung stattfinden würde. Nach diesem theoretischen Ansatz seien die drei Arbeitsnehmer, welche im oben zitierten Abwasserentsorgungsfall die von dem Werkmeister erteilte rechtswidrige Anweisung zur Einleitung unbehandelten Abwassers in einen Fluss ausführen, unmittelbare (Mit-)Täter356. Die anweisenden Vorgesetzten seien dagegen bloße Anstifter357.

IV. Unmittelbare Täterschaft und „erforderliche Beihilfe“ des Hinter- bzw. Vordermannes (in Spanien) Alle Beteiligungsfälle von Hinter- und Vordermännern an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen, die wegen der Vollverantwortlichkeit des unmittelbar handelnden Vordermannes und der besonderen Tätereigenschaft bei den Betriebsstraftatbeständen weder die Voraussetzungen mittelbarer 350 Dafür sprechen etwa Gropp, JuS 1996, 13, 16; Herzberg, Individuelle Verantwortung, S. 48; Köhler, AT, S. 510; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 90; Rotsch, ZStW 112 (2000), 562; Rudolphi, Lackner-FS, S. 871; Schall, Probleme der Zurechnung, S. 102 ff. 351 In der spanischen Strafrechtswissenschaft vertritt diesen Gesichtspunkt u. a. Díaz y García Conlledo, NFP 71 (2007), 137 ff. Eine kritische Erklärung dieser Problematik findet sich in Bolea Bardón, Autoría mediatia, S. 323 ff.; Hernández Plasencia, La autoría mediata, S. 275. 352 Schall, Probleme der Zurechnung, S. 102. 353 Schall, Probleme der Zurechnung, S. 103. 354 Schall, Probleme der Zurechnung, S. 102. 355 Schall, Probleme der Zurechnung, S. 102 f. 356 Rudolphi, Lackner-FS, S. 871. 357 Rudolphi, Lackner-FS, S. 871; ders., Fälle zum Strafrecht, Fall 16, S. 219 f.

§ 6 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre in vertikalen Unternehmensstrukturen 261

Täterschaft noch die Anforderungen der Mittäterschaft erfüllen, werden im sStGB durch die Strafrechtsfiguren der unmittelbaren Täterschaft und „erforderlichen Beihilfe“ gelöst. So werden die Sonderpflichtträger des Leistungsorganes eines Unternehmens und der vollverantwortlich handelnde Vordermann als unmittelbarer Täter bzw. „erforderlicher Gehilfe“ bestraft. Die Bestrafung des Hintermannes als unmittelbarer Täter begründet sich damit, dass Art. 28 Abs. 1 sStGB die durch den Hintermann geschaffenen verbotenen Strafrisiken als Täterschaft normiert; denn diese Strafvorschrift legt fest, dass „unmittelbarer Täter ist, wer die Straftat selbst verwirklicht“. In diesem Sinne schaffe die Herrschaft des qualifizierten Hintermannes über die Tatbestandsverwirklichung in den genannten Fallkonstellationen weder ein Risiko der Mittäterschaft bzw. mittelbaren Täterschaft noch ein Risiko der Anstiftung. Vielmehr handele es sich um eine echte unmittelbare Täterschaft, da der Hintermann die Tatbestandsherbeiführung selbst beherrsche. Im Gegensatz dazu wird der handelnde Vordermann als „erforderlicher Gehilfe“ sanktioniert, weil nach Art. 28 Satz 2.b sStGB die „erforderliche Beihilfe“ angenommen wird, wenn der Beitrag des Beteiligten eine entscheidende Rolle zur Tatbestandsausführung spielt, so dass die Straftat ohne diesen nicht verwirklicht worden wäre. Daneben legt Art. 65 Abs. 3 sStGB fest, dass die ohne besondere Tätereigenschaft an der Verwirklichung eines unternehmerischen Strafunrechts beteiligten Untergebenen als Gehilfen – nämlich als „erforderliche Gehilfen“ – bestraft werden müssen. Ausgehend davon sei „erforderlicher Gehilfe“ nicht nur, wer eine wesentliche Mitwirkung im Vorbereitungsstadium des Delikts verwirklicht, sondern auch der das Strafunrecht tatsächlich herbeiführende Vordermann, weil seine Mitwirkung die Erfordernisse der „erforderlichen Beihilfe“ erfülle.

V. Kritische Würdigung Dem für die Bestrafung von Unternehmensleitern und Untergebenen als Mittäter (§ 6 D.I.) plädierenden Ansatz lässt sich nicht zustimmen, weil die Anwendung der Mittäterschaft auf die Beteiligungskonstellationen bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen sowohl gegen die dogmatischen Voraussetzungen als auch gegen die in § 25 dStGB und in Art. 28 Abs. 1 sStGB verankerten gesetzlichen Erfordernisse verstößt. So ist es erstens herauszuheben, dass die gemeinschaftliche Beteiligung von unternehmerischen Anweisungsgebern und untergeordneten Anweisungsnehmern die Erfordernisse der traditionellen Mittäterschaft nicht erfüllt, weil keine quantitative Beherrschungsgleichwertigkeit zwischen den Beiträgen von Unternehmensführungsebenen und Untergebenen an der vorsätzlichen Unternehmensentscheidungsfindung358 vorliegt. Zweitens besitzen die 358 Eine Gegenmeinung Schünemann, nach der ein enges objektives Verhältnis zwischen den Beiträgen der Unternehmensleiter und den Beiträgen der Untergebenen vorliegen kann, vgl. Schünemann, ADPCP 2002, 18.

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

Tatmitwirkungen von Übergeordneten und Unterordneten unüberwindbare qualitative Unterschiede359, die logischerweise zur Anwendung der Täterschaft bzw. Teilnahme auf den Unternehmensleiter bzw. den Untergebenen führen. Drittens normieren § 25 und Art. 28 Abs. 1 des deutschen bzw. spanischen Strafgesetzbuchs die Beteiligung der betriebsbezogenen Untergebenen nicht als Mittäterschaft, wenn sich diese an der Verwirklichung eines Wirtschaftsdelikts beteiligen, das an eine durch die Unternehmensleitungsmitglieder getroffene vorsätzliche Kollektiventscheidung knüpft. Nach einer sich am § 28 Abs. 1 dStGB und am Art. 65 Abs. 3 sStGB orientierenden Betrachtung kommt den Mitwirkungshandlungen der Anweisungsnehmer an Entscheidungen, die von qualifizierten Betriebsleitern in Wirtschaftsunternehmen vorsätzlich getroffen werden, das Wesen von Beihilfehandlungen zu360. Viertens ist darüber hinaus einem Teil der Strafrechtswissenschaft dahingehend zuzustimmen, dass für die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft wegen des räumlichen, zeitlichen und hierarchischen Abstands zwischen der Organisationsspitze des Unternehmens, welche die rechtswidrigen Befehle gibt, und den unmittelbar handelnden Vordermännern nur selten ein gemeinsamer Tatentschluss361 und ein arbeitsteiliges Vorgehen362 im Sinne der herkömmlichen Mittäterschaft (§ 25 dStGB und Art. 28 Abs.1 sStGB) vorliegt. Die gerade vorgenommenen Betrachtungen führen daher zur Ablehnung der Bestrafung von Führungskräften eines Unternehmens und Untergebenen als Mittäter; denn wie Brammsen zu Recht behauptet, ist die Mittäterschaft zur Haftungsbegründung in legalen Wirtschaftsunternehmen weder eine zweckmäßig-praktikable noch eine dogmatisch tragfähige Lösung363. Die bereits gegen die Mittäterschaft eingewandten Erwägungen betreffen auch die Anwendung herkömmlicher Mittäterschaft und sukzessiver Mittäterschaft (§ 6 D.II.) auf die Beteiligung an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen zur Bestrafung von Unternehmensleitern und Untergebenen als Mittäter (nämlich die Führungskräfte als unmittelbare Mittäter und die Untergebene als sukzessive Mittäter). Aus diesem Grund wird den Rückgriff auf die Verwendung der sukzessiven Mittäterschaft zur Begründung strafrechtlicher Verantwortlichkeit der Beteiligten an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen abgelehnt. Gegen die Theorie, welche für eine Bestrafung von Unternehmensleitern als Anstifter und Untergebenen als unmittelbare Täter eintritt, sprechen insbesondere drei Einwände. Zunächst gibt es Fallkonstellationen, in denen die Anweisungsgeber 359

Dazu Dencker, Individuelle Verantwortung, S. 64. Bosch, Organisationsverschulden, S. 265. 361 Siehe hierfür u. a. Derksen, GA 1993, 163, 169 ff.; Jakobs, NStZ 1995, 27; Lesch, ZStW 105 (1993), 271; Puppe, NStZ 1991, 571 f.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 50; LK-Roxin, 11. Aufl., § 25, Rn. 173; Stein, Die strafrechtliche Beteiligungsformenlehre, S. 326 f. Dagegen spricht Schünemann, ADPCP 2002, 18. 362 In diesem Sinne Rotsch, NStZ 1998, 492; Roxin, JZ 1995, 50 f. 363 Brammsen, ZJS 3 (2008), 263. 360

§ 6 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre in vertikalen Unternehmensstrukturen 263

(etwa die Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates der DDR bei den Befehlen zu den Todesschüssen auf die Flüchtlinge an der Berliner Mauer oder die Vorstandsmitglieder eines Unternehmens bei den Anweisungen zur Entsorgung unbehandelten Abwassers) die Tatbestandverwirklichung durch die Steuerung des Machtapparates bzw. des Wirtschaftsunternehmens364 beherrschen, was die Rechtsfigur der herkömmlichen mittelbaren Täterschaft der Unternehmensleiter begründet365 und daher die Anstiftung ausschließt. Ebenso widerspricht die Bestrafung der Hintermänner als bloße Anstifter den sozialen, historischen und vor allem strafrechtlichen Voraussetzungen der der Täterschaft zugrundeliegenden Prinzipien366. Drittens begünstigt die in Frage gestellte Theorie auf kriminalpolitischer Ebene rechtswidrige Handlungen der Unternehmensleiter, da sie durch die Bestrafung der Unternehmer als bloße Anstifter und der Untergebenen als Täter eine Verinnerlichung der Strafrechtsnorm im Rechtsbewusstsein sowohl der Unternehmensleiter als auch der Untergebenen verhindert. Aus diesen Gründen wird in der vorliegenden Abhandlung eine übermäßige Verwendung der Anstiftung dahingehend abgelehnt, die Unternehmensleiter in allen Fällen als bloße Anstifter zu bestrafen.

E. Zusammenfassung und Zwischenergebnis Aus den in diesem Abschnitt vorgenommenen Betrachtungen folgt, dass die deutsche und die spanische Strafrechtswissenschaft verschiedene Täterschafts- und Teilnahmeformen entwickelt haben, um die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmensleitern und Außenstehenden zu begründen, wenn sie sich zusammen an der Verwirklichung eines Strafunrecht beteiligen, das sich auf eine vorher im Rahmen einer vertikalen Wirtschaftsunternehmensorganisation getroffene rechtswidrige Entscheidungsfindung stützt. Diese Beteiligungsweisen sind die klassische Mittäterschaft, die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, die Mittäterschaft statt Organisationsherrschaft, die sukzessive Mittäterschaft, die Anstiftung, die unmittelbare Täterschaft und die erforderliche Beihilfe. Nach der deutschen und spanischen Strafrechtswissenschaft können die oben (§ 6 B.) erläuterten traditionellen mittelbaren Täterschaftsformen auf diejenigen Fallkonstellationen angewandt werden, in denen ein (oder mehrere) Unternehmensleiter sich eines Tatmittlers (etwa eines anderen Unternehmensleiters oder eines Untergebenen) bedient und dessen Person für seine eigenen rechtswidrigen Ziele einsetzt. Es handelt sich um eine ontologische mittelbare Tatbestandsverwirklichung des Betriebsleiters durch Instrumentalisierung eines ausführenden Vordermannes, welche aus Sicht der deutschen und spanischen Strafrechtslehre die phänomenologischen Voraussetzungen der im Bereich der Herrschaftsdelikte entwickelten her364 365 366

Roxin, AT II, § 25, Rn. 126. Murmann, GA 1996, 273 f. Roxin, AT II, § 25, Rn. 126.

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

kömmlichen mittelbaren Täterschaft erfüllt. Ausgehend von diesen Betrachtungen folgern die deutsche und spanische Strafrechtslehre, dass bei der Beteiligung an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen eine Herrschaft des Betriebsleiters über den unmittelbar handelnden Vordermann vorliegt und daher der tatbeherrschende Unternehmensleiter als mittelbarer Täter bestraft werden muss367, wenn er sowohl durch Nötigung oder durch Erregung eines Irrtums bei einem vollverantwortlich Ausführenden als auch durch die Ausnutzung eines Schuldunfähigen den Betriebsstraftatbestand verwirklicht. Bei anderen Fällen, in denen sich die Tatherrschaft des Unternehmensführers nicht auf ein Wissens- oder Freiheitsdefizit des Vordermannes, sondern auf Organisationsherrschaft stützt, sei die mittelbare Täterschaft aus den genannten Gründen nicht anwendbar. Die Figur der mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate, die bei Staatsverbrechen und Delikten krimineller Organisationen zur Bestrafung sowohl der Hinter- als auch der Vordermänner als mittelbare bzw. unmittelbare Täter entwickelt wurde, ist aus Sicht der deutschen und spanischen Strafrechtswissenschaft eine andere leistungsfähige Strafrechtsfigur, die auch auf die Beteiligung an Wirtschaftsunternehmen angewandt werden kann, um die betriebsbezogenen Straftaten, die unmittelbar von vollverantwortlichen Untergebenen verwirklicht werden, den Mitgliedern der Betriebsleitungsorgane als Täterschaftsformen erfolgreich zuzurechnen368. Die Übertragbarkeit dieser mittelbaren Täterschaftsform auf die Beteiligung an von Unternehmensleitern und Untergebenen getroffenen vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen beruhe auf der täterschaftlichen Strafhaftung wegen organisatorischer Machtapparate zugrundeliegenden Erfüllung zweier Voraussetzungen: nämlich dogmatischen und kriminalpolitischen Voraussetzungen369. In dogmatischer Hinsicht sind dies die vertikale Struktur der Wirtschaftsunternehmen, die privilegierte Stellung der Unternehmensleiter in der Betriebsorganisationsstruktur, die Fungibilität des handelnden Vordermannes und die freie Handlung des tatsächlich ausführenden Vordermannes. Dagegen sind dies in kriminalpolitischer Hinsicht die zerstörerische Rechtsgelöstheit der Wirtschaftsunternehmen und die sich gegen die kriminelle Organisation der Wirtschaftsunternehmen richtenden teleologisch-kriminalpolitischen Zwecke der Strafrechtsordnung. Unter diesen Prämissen dürfe die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft nicht auf alle Konstellationen von Organisationsverantwortlichkeit, die innerhalb vorsätzlicher Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen vorkommen, angewandt werden, sondern nur auf bestimmte Fallgruppen, welche die Anforderungen der mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate

367 368 369

Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 202. Roxin, AT II, § 25, Rn. 138. Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 76.

§ 6 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre in vertikalen Unternehmensstrukturen 265

erfüllen370. In dieser Fallgruppe würde dieselbe strafrechtliche Verantwortungsform für alle an der vorsätzlichen Kollektiventscheidungsfindung beteiligten Subjekte371 gelten; d. h. Führungskräfte (Hintermänner), Vermittler (Mittelsmänner) und ausführende Untergeordnete (Vordermänner) sind als Täter für die rechtswidrige Entscheidungsfindung verantwortlich. Alle anderen Fälle, in denen der Bestandteil täterschaftlicher Verantwortlichkeit bei Organisationsherrschaft fehlt, finden sich außerhalb des Anwendungsbereichs der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft oder organisatorischer Machtapparate. Dies bedeute, dass für diese Fälle die Regeln der herkömmlichen Täterschafts- und Teilnahmeformen gelten. Damit sei etwa derjenige Fall gemeint, in dem die Unternehmensleiter ihre rechtswidrigen betrieblichen Leitungsentscheidungen durch einen freien und nicht fungiblen Untergebenen durchführen372. Daneben finden sich die Sondermittäterschaft statt Organisationsherrschaft und die sukzessive Mittäterschaft. Gemeinsame Strukturelemente dieser beiden Mittäterschaftsformen – welche die bei dem nichtqualifizierten Vordermann fehlende qualitative Sondereigenschaft der Täterschaft nicht berücksichtigen – seien die Mitbeteiligung der Untergebenen am gemeinsamen Tatentschluss und die sich auf die Kompetenz- oder Spezialisierungsunterscheidung der inneren Struktur des Wirtschaftsunternehmens gründende funktionelle Arbeitsteilung sowie die wesentlichen Beiträge von Unternehmensleitern und Untergebenen zur Entscheidungsfindung und daher zur Tatbestandsverwirklichung. Die Sondermittäterschaft wird auf die Beteiligung an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsbetrieben angewandt, wenn die Handlungen der Beteiligten die Erfordernisse der mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate oder wegen Organisationsherrschaft nicht erfüllen. Sodann sollten Unternehmensleiter und Außenstehende als Mittäter bestraft werden. Dagegen käme die parallele Anwendung der herkömmlichen Mittäterschaft und sukzessiven Mittäterschaft in Betracht, wenn die sich in der vorsätzlichen rechtswidrigen Kollektiventscheidung wiederspiegelnde unrichtige Organisation von Führungskräften und Außenstehenden weder die Voraussetzungen mittelbarer Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate noch die Erfordernisse herkömmlicher Mittäterschaft erfüllt. Folglich seien die Führungskräfte und die unmittelbar handelnden Vordermänner als Mittäter bzw. sukzessive Mittäter zu bestrafen. Schließlich werden Anstiftung und mittelbare Täterschaft auf vorsätzliche Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen angewandt, um die Strafhaftung von übergeordneten Führungskräften und untergeordneten Außenstehenden als Anstifter bzw. unmittelbare Täter zu begründen. Wie bei der Anwendung der besonderen Täterschaftsformen – etwa der sukzessiven Mittäterschaft – kommt die 370 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 95; Küpper, GA 1998, 525; Rotsch, NStZ 2005, 14. 371 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 167. 372 Küpper, GA 1998, 524 f.

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

Anwendung von Anstiftung und unmittelbarer Täterschaft auf vorsätzliche Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen in Betracht, wenn einerseits die Beiträge der Unternehmensleiter zur Tatbestandsverwirklichung weder die Erfordernisse traditioneller mittelbarer Täterschaft noch die Voraussetzungen der Mittäterschaft erfüllen, und andererseits die Beteiligung des handelnden Vordermannes keinen Schuldausschließungsgrund beinhaltet, weil entweder die Führungskräfte infolge des dolosen Verhaltens des untergeordneten Ausführenden keine Herrschaft über ihn haben oder sie über den Anweisungsempfänger aufgrund des Übergewichts des Verhaltens des Untergebenen bei der Straftatausführung keine Mitherrschaft ausüben. Letztlich ist hervorzuheben, dass die herrschende spanische Strafrechtswissenschaft im Sinne der Art. 28 Abs. 2, 29 und 65 Abs. 3 die (Mit-)Täterschaft und die „erforderliche Beihilfe“ entwickelt hat, um die Strafhaftung des qualifizierten Hinter- bzw. außenstehenden Vordermannes zu begründen, wenn diese sich an einer rechtswidrigen Kollektiventscheidung im Wirtschaftsunternehmen beteiligen. Ein Rückgriff auf diese Beteiligungsformen findet statt, wenn die Handlungen der Führungskräfte und Außenstehenden aufgrund der Vollverantwortlichkeit des unmittelbar handelnden nichtqualifizierten Vordermannes und des Mangels an Sondereigenschaften in der Person des Außenstehenden, welche die Täterschaft bei den besonderen Betriebstatbeständen begründenden, durch die mittelbare Täterschaft bzw. Mittäterschaft nicht erfasst werden.

§ 7 Ansichten der jeweiligen Strafrechtslehre zu Täterschaft und Teilnahme in horizontalen Organisationsstrukturen Gegenstand dieses Teilbereichs ist die Analyse der durch die herrschende Strafrechtslehre Deutschlands und Spaniens entwickelten dogmatischen Täterschafts- und Teilnahmeformen, um die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmensleitungsorganen, Untergeordneten und Außenstehenden zu begründen, wenn sie an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in horizontalen Wirtschaftsunternehmen beteiligt sind. Diese zur Lösung der genannten Fallkonstellationen herangezogenen Täterschafts- und Teilnahmeformen sind vor allem die Mittäterschaft, die Anstiftung und die Beihilfe.

A. Begründung der Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 dStGB und Art. 28 Satz 1, 2. Alt. sStGB) Die Mittäterschaft als Rechtskategorie, welche die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Mitglieder der Unternehmensorgane eines horizontalen Wirtschafts-

§ 7 Ansichten d. jew. Strafrechtslehre in horizontalen Organisationsstrukturen

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unternehmens begründet, wurde ausgehend von verschiedenen theoretischen Ausgangspunkten herausgebildet. Besondere Aufmerksamkeit verdienen in diesem Zusammenhang die auf den Kausalverbrechenstheorien, der Tatherrschaftslehre und dem Funktionalismus basierenden Begründungsansätze. Solche Mittäterschaftsformen wurden unter Zugrundelegung von dogmatischen (§ 7 A.I.) und kriminalpolitischen (§ 7 A.II.) Ansätzen gebildet.

I. Dogmatische Begründung der Mittäterschaft 1. Begründung der Mittäterschaft ausgehend von der Kausalverbrechenslehre Nach den allgemeinen Prämissen der naturalistischen Kausalverbrechenslehre werden alle an die Straftatherbeiführung anknüpfenden Bedingungen als gleichwertige Ursachen zur Begründung des tatbestandlichen Erfolgs berücksichtigt. Dementsprechend stützt die kausale Beteiligungsstrafrechtsdogmatik die Mittäterschaft der Führungskräfte eines Wirtschaftsunternehmens auf die Feststellung des empirischen Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten jedes Mitglieds der Unternehmensleitungsorgane und der entsprechenden rechtswidrigen Kollektiventscheidungsfindung, welcher unter Zuhilfenahme von gesicherten Naturgesetzen und „verlässlichem“ Erfahrungswissen beantwortet werde373. Unter den anderen innerhalb dieses allgemeinen kausalnaturalistischen Strafrechtsverständnisses formulierten Mittäterschaftsbegründungen treten insbesondere die auf den Voraussetzungen der „conditio sine qua non-Formel“ und der „gesetzmäßigen Bedingungstheorie“ begründeten Mittäterschaftsmodelle hervor. a) Dogmatische Begründung der Mittäterschaft nach der „conditio sine qua non-Formel“ Mittelpunkt der durch die Anwendung der zur Äquivalenz- oder Bedingungstheorie gehörenden „conditio sine qua non-Formel“ entwickelten Mittäterschaftsmodelle ist die Feststellung des Ursachenzusammenhangs, welcher das Bindeglied zwischen der Mitwirkung des Beteiligten und dem tatbestandlichen Erfolg der Rechtsgutsverletzung darstellt374. Nach diesem ursprünglich von Julius Glaser375 und 373 Für eine deutliche Erläuterung der methodischen Vorgehensweise der Kausaltheorien siehe unter anderem Kühl, AT, § 4, Rn. 6; Satzger, Jura 2014, 186 f. In der Rechtsprechung befindet sich die kausale Begründung der Mittäterschaft insbesondere in der LedersprayEntscheidung (BGHSt 37, 106). 374 Zu einer detaillierten Erklärung dieses von der Verursachungstheorie formulierten Ansatzes siehe Geppert, ZStW 82 (1970), 62; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., S. 456, Fn. 4; Lüderssen, Zum Strafgrund der Teilnahme, S. 119 ff.; Schmidhäuser, AT, Studienbuch, 2. Aufl., § 10, Rn. 8 ff.; ders., AT, 1975, § 14, Rn. 5. 375 Dazu Glaser, Abhandlungen I, S. 298.

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

Maximilian v. Buri376 entwickelten Strafrechtsverständnis sei der Beitrag eines jeden Mitwirkenden Ursache der Rechtsgutverletzung, da dieser Beitrag nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele377. Unter dieser Prämisse wird als Mittäterschaft bei der Beteiligung an den im Rahmen der Wirtschaftsunternehmen mit horizontaler Organisation stattfindenden vorsätzlichen Kollektiventscheidungen jedes Votum betrachtet, ohne welches weder die vorsätzlich-rechtswidrige Entscheidung getroffen werden könnte noch das daraus resultierende Strafunrecht verwirklicht würde. Im Sinne der „conditio sine qua non-Formel“ soll Mittäter bei den vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen jedes Unternehmensleitungsmitglied sein, dessen Stimme nicht hinweggedacht werden könnte, ohne dass die rechtswidrige Entscheidungsfindung entfiele. Grund dafür ist, dass jedes zur Entscheidungsfindung beitragende Votum der Unternehmensleiter äquivalent als kausal anerkannt wird378 ; d. h. alle Stimmen werden als Mitursache des Gesamtbeschlusses betrachtet, ohne danach zu differenzieren, ob eine Einzelstimme möglicherweise mehr oder weniger Gewicht für die Entscheidungsfindung hatte als andere379. Auf der Grundlage der Äquivalenz- oder Bedingungstheorie wurden zwei Mittäterschaftsmodelle entwickelt, die sich mit der Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der an der vorsätzlichen und rechtswidrigen Kollektiventscheidungsfindung beteiligten Mitglieder der Leitungsorgane eines Wirtschaftsunternehmens befassen. Solche Mittäterschaftsmodelle sind die kumulative Mittäterschaft und die alternative Mittäterschaft.

376

Siehe hierfür durchgängig Buri, Über Causalität und deren Verantwortung, 2873; ders., Die Causalität und ihre strafrechtlichen Beziehungen, 1885. 377 Beispiel dafür ist der von Glaser formulierte Ansatz: „Es gibt […] für die Prüfung des Kausalzusammenhangs einen sicheren Anhaltspunkt; versucht man es, den angeblichen Urheber ganz aus der Summe der Ergebnisse hinwegzudenken, und zeigt sich dann, dass nichtsdestoweniger der Erfolg eintritt, dass nichtsdestoweniger die Reihenfolge der Zwischenursachen dieselbe bleibt, so ist klar, dass die Tat und deren Erfolg nicht auf die Wirksamkeit dieses Menschen zurückgeführt werden können. Zeigt sich dagegen, dass, diesen Menschen einmal vom Schauplatz des Ergebnisses hinweggedacht, der Erfolg gar nicht eintreten konnte, oder dass er doch auf ganz anderem Wege hätte eintreten müssen: dann ist man gewiss vollkommen berechtigt, ihn als Wirkung einer Tätigkeit zu erklären“, vgl. dazu Glaser, Abhandlungen aus dem österreichischen Strafrecht, Band I, 2. Abhandlung, S. 298; im gleichen Sinne durchgängig Buri, Zur Lehre von der Teilnahme an dem Verbrechen und der Begünstigung, 1860; ders., Über Causalität und deren Verantwortung, 1873; ders., Die Causalität und ihre strafrechtlichen Beziehungen, 1885; Mezger, Strafrecht, 3. Aufl., S. 114. Eine anschauliche Darstellung dieses kausalen Rechtsgedankens findet sich u. a. in Geppert, ZStW 82 (1970), 62; Roxin, AT I, § 11, Rn. 5. In der deutschen Rechtsprechung vgl. BGHSt 1, 332. 378 Im Rahmen eines allgemeinen Ausblicks siehe Satzger, Jura 2014, 188. 379 Dazu vgl. Roxin AT I, § 11, Rn. 7; Satzger, Jura 2014, 188.

§ 7 Ansichten d. jew. Strafrechtslehre in horizontalen Organisationsstrukturen

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aa) Kumulative Mittäterschaft Die Annahme einer kumulativen Mittäterschaft zur Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Führungskräfte eines Wirtschaftsunternehmens setze zweierlei voraus. Erstens sollen mehrere unabhängig voneinander von verschiedenen Mitgliedern des Führungsorgans abgegebene Stimmen vorliegen380, die durch ihr Zusammenwirken zur vorsätzlich-rechtswidrigen Entscheidungsfindung führen381; denn die kumulative Mittäterschaft liege darin begründet, dass die von mehreren Beteiligten unabhängig voneinander gesetzten Bedingungen erst durch ihr Zusammenwirken den Erfolg herbeiführen382. Zweitens sei es aber erforderlich, dass jede Stimme für sich allein nicht in der Lage wäre, die rechtswidrige Kollektiventscheidungsfindung zu verursachen383. In diesem Zusammenhang stelle jedes Votum einen ontologischen Mindestfaktor zur rechtswidrigen Entscheidungsfindung dar, weshalb jede Stimme mitursächlich für die tatbestandsmäßige Kollektiventscheidung sei, welche daher den Votierenden über die Mittäterschaft zugerechnet werden müsse. Ein Beispiel für eine kumulative Mittäterschaft wegen kumulativer Kausalität sei der Fall, in dem der Beschluss mit allen für eine solche Entscheidungsfindung unentbehrlichen Stimmen der Gremienmitglieder gefasst wird384. Votieren fünf Vorstandsmitglieder (V1, V2, V3, V4 und V5) einstimmig für die rechtswidrige Gremienentscheidung385, so sei jeder der für die rechtswidrige Entscheidung stimmenden fünf Führungskräfte mitursächlich für die Verwirklichung des sich darauf stützenden Straftatbestandes (und somit Täter). Die Lösung dieses Beispiels sei ähnlich wie die des in der Strafrechtswissenschaft sehr bekannten Falls, in dem jeder Beteiligte eine bestimmte Menge Gift in das Glas gibt, die alleine nicht zum Todeseintritt führt, wohl aber in der Kombination mit den weiteren Zugaben der anderen Beteiligten386. Wie beim Giftfall, in dem jede einzelne Dosis Gift nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass der Todeseintritt entfiele, so könne auch bei der genannten Kollegialentscheidung jede Einzelstimme nicht hinweggedacht werden, ohne dass die rechtswidrige Entscheidungsfindung entfiele. Infolgedessen seien die für den tatbestandlichen Kollegialentschluss votierenden fünf Gremienmitglieder (V1, V2 und V3) – wie bei dem Giftfall – auch kumulative Mittäter. 380 StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., Vor § 13, Rn. 11; SSK-Eisele, 30. Aufl., Vor §§ 13 ff., Rn. 83; Satzger, Jura 2014, 190. 381 Zu einer allgemein kritischen Sicht der kumulativen Kausalität als wesentliches Element der Mittäterschaft vgl. Bock, Produktkriminalität, S. 79 f.; MüKoStGB-Freund, Band 1, 3. Aufl., Vor § 13, Rn. 342; Jakobs, Minaya-FS, S. 422. 382 Dazu vgl. Kühl, AT, 3. Aufl., § 4, Rn. 21; StGB-Lackner/Kühl, Vor § 13, Rn 11. 383 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 130; Kühl, AT, § 4, Rn. 21; Jakobs, AT, § 7, Rn. 20. 384 In diese Richtung geht unter anderem Roxin, AT I, § 11, Rn. 18. 385 Satzger, Jura 2014, 191. 386 So Knauer, Kollegialentscheidung, S. 94.

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

bb) Alternative Mittäterschaft Der Rückgriff auf die alternative Mittäterschaft zur Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane kommt ihrerseits in Betracht, wenn mehrere völlig unabhängig voneinander abgegebenen Stimmen zur Kollektiventscheidungsfindung führen387, indem zwar jede einzelne der Stimmen (wegen der dann immer noch gegebenen Mehrheit der anderen Zustimmenden) alternativ hinweggedacht werden könnte, ohne dass die Kollektiventscheidung entfiele388, nicht aber alle zustimmenden Voten kumulativ, weil dann kein für die Rechtsgutsverletzung kausaler Beschluss zustande gekommen wäre389. Diese Begründungsform der alternativen Mittäterschaft bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen stützt sich darauf, dass die alternative Kausalität in den Fällen vorliege, in denen zwei oder mehrere Beteiligte unabhängig voneinander eine Bedingung setzen, die alternativ den Erfolg verursachen kann390; d. h. jede von mehreren Bedingungen könne alternativ – aber nicht kumulativ – hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolgseintritt entfiele391; daher ist jede auf die Tatverwirklichung gerichtete Bedingung für den Erfolgseintritt ursächlich. Der Unterschied zwischen alternativer und kumulativer Mittäterschaft soll in dieser Fallkonstellation in zwei grundlegenden Aspekten liegen: Einerseits wirke im Bereich der alternativen Mittäterschaft im Gegensatz zu der kumulativen Mittäterschaft – wonach erst durch das Zusammenwirken mehrerer Bedingungen der Erfolg erreicht werde – jede der Bedingungen alternativ, nämlich bei dem Wegdenken der anderen Bedingungen könnte die Einzelstimme selbst zum Erfolg (etwa die Kollektiventscheidungsfindung in Wirtschaftsunternehmen) führen392. Andererseits seien bei der alternativen Mittäterschaft im Gegensatz zur kumulativen Mittäterschaft, bei der alle Stimmen für die rechtswidrige Entscheidung unerlässlich sind, nur die Stimmen entscheidend, welche die erforderliche Mindestmehrheit bildeten; d. h. die auch für die Entscheidungsfindung stimmenden anderen Voten seien wegen ihrer scheinbaren Überflüssigkeit irrelevant. In Bezug darauf liege eine alternative Mitursächlichkeit der Führungskräfte, welche zu einer rechtswidrigen Kollektiventscheidungsfindung führe393 und somit die Bestrafung aller Mitglieder der Unter-

387 Zur alternativen Kausalität, auf welche sich die alternative Mittäterschaft bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen beruft, vgl. Kindhäuser, AT, § 10, Rn. 31; Lackner/Kühl, Vor § 13, Rn. 11; Rengier, AT, § 13, Rn. 26. 388 Knauer, Kollegialentscheidung, S. 95. 389 Auf diese Weise Kindhäuser, AT, § 10, Rn. 34; Wessels/Beulke/Satzger, AT, 43. Aufl., Rn. 157. 390 So etwa Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 50. 391 Knauer, Kollegialentscheidung, S. 96; Wessels/Beulke, AT, 28. Aufl., Rn. 159. 392 Vgl. dazu Beulke/Bachmann, JuS 1992, 743; SSK-Eisele, Vor §§ 13 ff., Rn. 83a; Satzger, Jura 2014, 193. 393 So Beulke/Bachmann, JuS 1992, 743; SSK-Eisele, Vor §§ 13 ff., Rn. 83a.

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nehmensleitungsorgane als Mittäter begründe, in den Fällen vor, in denen die Gremienentscheidungen mit mehr als nur einer Stimme Mehrheit getroffen würden394. Dieser Standpunkt spiegelt sich im theoretischen Beispiel eines dreiköpfigen Gremiums wider, bei dem ein rechtswidriger Beschluss einstimmig – nämlich mit den Ja-Stimmen der drei Gremiumsmitglieder (S1, S2 und S3) – gefasst wird395. In diesem Beispiel seien nur die Stimmen S1 und S2 für die rechtswidrige Entscheidungsfindung unentbehrlich; dagegen sei die Stimme S3 überflüssig. Aber trotz solcher scheinbaren Überflüssigkeit der Stimme S3 sei sie geeignet, entweder die Stimme S1 oder S2 alternativ zu ersetzen396. Dies liege darin begründet, dass die Stimme S3 nicht überflüssig397, sondern unerlässlich für die rechtswidrige Entscheidungsfindung wäre, wenn S1 oder S2 gegen den rechtswidrigen Beschluss stimmen würden. Der dargestellte Standpunkt führt zu einer doppelten Schlussfolgerung: Zum einen seien die Stimmen S1 und S2 für das Erreichen der rechtswidrigen Entscheidung unentbehrlich398; zum anderen sei S3 ebenfalls für die genannte Entscheidungsfindung von wesentlicher Bedeutung. Aus diesem Grund solle die scheinbare Überflüssigkeit der Stimme S3 nicht negativ beurteilt werden, um ihre strafrechtliche Verantwortlichkeit auszuschließen, weil eine positive Beurteilung – wie bereits erwähnt – die strafrechtliche Verantwortlichkeit der zuständigen Führungskraft als Mittäter begründe. Wie bei der für die Stimmen S1 und S2 geltenden rechtlichen Betrachtung399 sind die drei Votierenden nach diesem Gesichtspunkt Mittäter, genauer alternative Mittäter. cc) Additive Mittäterschaft Schließlich wird die sich aus der Kombination von zwei Teilaspekten der bereits erläuterten kumulativen und alternativen Kausalitätstheorien ergebende additive Kausalität zur Begründung der Mittäterschaft der Führungskräfte eines Wirtschaftsunternehmens400 angewandt, wenn die Fallkonstellationen weder durch die kumulative noch durch die alternative Kausalität gelöst werden können: Die alternative Kausalität könne dort nicht angewandt werden, weil jede der einzelnen Ja-Stimmen unabhängig voneinander die Kollektiventscheidung nicht bewirken 394

Etwa Dreher, JuS 2004, 17 f. Ähnliche Beispiele finden sich in Knauer, Kollegialentscheidung, S. 96; Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 97 f. 396 Ähnlich Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 97. 397 Eine überflüssige Stimme sei diejenige, die aus dem Bedingungskomplex ausgeschlossen werden kann, ohne dass die rechtswidrige Gremienentscheidung entfiele; vgl. dazu Puppe, Die Erfolgszurechnung, S. 67. 398 Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 97. 399 Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 98. 400 Zur additiven Mittäterschaft, insbesondere zur Heranziehung der additiven Mittäterschaft bei Todesschüssen an der innerdeutschen Grenze (BGHSt 42, 65), vgl. Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 56; Rotsch, ZStW 12 (2000), 543. 395

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könne401 und daher keine alternative Kausalität bestehe; kumulative Kausalität könne in diesen Fällen wiederum aus dem Grund nicht angenommen werden, dass zwar eine Mindestmehrheit der abgegebenen einzelnen Ja-Stimmen für die tatbestandliche Entscheidungsfindung ausreichend sei – weil sie nicht kumulativ hinweggedacht werden könne, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele –, aber mehrere aus dem Überhang zustimmender Voten resultierende Möglichkeiten existierten, was zur teilweisen Anwendung der alternativen Kausalität führe402. Als Beispiel soll eine Variante des oben bereits dargestellten Falls dienen, in dem alle fünf Vorstandsmitglieder einer AG (V1, V2, V3, V4 und V5) zugunsten der rechtswidrigen Kollektiventscheidung abstimmen. In diesem Fall seien die Stimmen V4 und V5 überzählig, weil sich die erforderliche Mindestmehrheit nur aus den Voten V1, V2 und V3 zusammensetze; im Gegensatz dazu könnten die Einzelvoten von V4 und V5 hinweggedacht werden, ohne dass die Mehrheitsabstimmung für die tatbestandliche Gremienentscheidung entfiele; im gleichen Sinne könnte auch das einzelne Votum von V3 hinweggedacht werden, ohne dass die Mindestmehrheit der Stimmen zugunsten des tatbestandsmäßigen Beschlusses entfiele; aber trotzdem könnten ebenso die Stimmen von V3, V4 und V5 als Mitursache der Entscheidungsfindung betrachtet werden403, weil sie kumulativ nicht hinweggedacht werden könnten, ohne dass der Kollektiventschluss ausbliebe. Daraus folge die Berücksichtigung der Stimmen von V3, V4 und V5 als alternativ-kausale Mitursachen der rechtswidrigen Gremienentscheidung des Unternehmens. b) Dogmatische Begründung der Mittäterschaft nach der „gesetzmäßigen Bedingungstheorie“ Zentraler Punkt der gesetzmäßigen Bedingungstheorie ist die Feststellung einer gesetzmäßigen Verbindung zwischen Verhalten und tatbestandlichem Erfolg404, wobei die strafrechtliche Relevanz der Handlungen jedes Beteiligten – in Übereinstimmung mit den kausal-naturalistischen methodologischen Wurzeln der Theorie – durch die Anwendung empirischer Naturgesetze und Erfahrungssätze bestimmt wird405. Folglich sei ein einzelner Beitrag als ursächlich für einen tatbestandlichen Erfolgseintritt anzusehen, wenn die Erfolgsverwirklichung mit dem dazu beitragenden Verhalten durch eine Reihe von Veränderungen gesetzmäßig verbunden sei406, d. h. wenn ein naturgesetzmäßiger Kausalzusammenhang zwischen dem

401

Satzger, Jura 2014, 193. A. a. O. 403 A. a. O. 404 Vgl. dazu u. a. Dencker, Individuelle Verantwortung, S. 64; Engisch, Die Kausalität, S. 21; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., S. 283; Kühl, AT, 7. Aufl., § 4, Rn. 22. 405 Puppe, Die Erfolgszurechnung, S. 67. 406 Puppe, ZStW 92 (1980), 874. 402

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Beitrag und den mit ihm verbundenen nachfolgenden tatbestandsmäßigen Auswirkungen vorliege407. Die Übertragung dieses Ansatzes auf die Beteiligung der Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane an einer vorsätzlichen Kollektiventscheidungsfindung führe zur Feststellung des Kausalzusammenhangs zwischen jeder einzelnen Stimme und dem an ihn anknüpfenden tatbestandsmäßigen Kollektivbeschluss, wenn nach den kausalen Naturgesetzen die sich aus dem Abstimmungsergebnis ableitende Kollektiventscheidung untrennbar mit jedem einzelnen Votum verbunden sei. Im Bereich der gesetzmäßigen Kausaltheorie wurden auch – wie bei der „conditio sine qua non-Formel“ – verschiedene Ansichten entwickelt, von denen die Risikoerhöhungsoder probabilistische Kausaltheorie besondere Aufmerksamkeit verdient. Nach der die strafrechtliche Relevanz eines Verhaltens auf Wahrscheinlichkeitsprognosen bezüglich der Straftatherbeiführung stützenden Risikoerhöhungstheorie sei eine Mitwirkung Ursache eines Erfolgseintritts, wenn sie ex post einerseits das Eintrittsrisiko maßgeblich steigere408 und andererseits die Bedeutung anders bedingter Risikosteigerungen entfalle409. So würden die durch die Risikoerhöhungstheorie aufgestellten Voraussetzungen für eine Mittäterschaft von Führungskräften bei der Beteiligung an der Entscheidungsfindung in einem Wirtschaftsunternehmens erfüllt, wenn jede Stimme aus einer ex-ante-Perspektive die Wahrscheinlichkeit einer Entscheidungsfindung wesentlich erhöhe410 und dadurch die sich aus den Stimmen der anderen Mitglieder des Unternehmensleitungsorgans ergebenden weiteren potenziellen Risikoerhöhungen für das Zustandekommen der Kollektiventscheidung überflüssig gemacht würden411. Ihrerseits behauptet die gesetzmäßige Bedingungstheorie im Sinne ihres methodologischen empirischen Ausgangspunkts, dass eine menschliche Handlung Einzelursache eines relevanten Rechtserfolgs sei, wenn das Verhalten gemäß der generellen kausalen Naturgesetze eine ausreichende Mindestbedingung für den Erfolgseintritt konstituiere412; mit anderen Worten wird ein Verhalten als Ursache eines strafrechtlichen Erfolgseintritts betrachtet, wenn das Einzelverhalten (V) zusammen mit anderen individuellen Beiträgen (etwa A + B + C + D) die gemeinsame 407

Puppe, GA 1994, 299; ders., ZStW 92 (1980), 874; ders., ZStrR 107 (1990), 148 Fn. 9. Dazu vgl. Hoyer, GA, 1996, 169. Ausgehend von der Tatherrschaftslehre wird die Risikoerhöhung als Grundelement der Mittäterschaft übernommen, hierfür siehe unter anderen Knauer, Kollegialentscheidung, S. 149. Aus einer allgemeinen Perspektive Roxin, AT I, § 11, Rn. 88b f.; Schünemann, ADPCP 2002, 21; ders., GA 1999, 225 ff.; ders., StV 1985, 229 ff.; ders., GA 1985, 341 f.; ders., JA 1975, 582 ff., 647 ff. 409 Roxin, AT I, § 11, Rn. 88 ff. 410 Dazu vgl. Otto, Maurach-FS, S. 91; Schünemann, ADPCP 2002, 21. 411 Hoyer, GA 1996, 176. 412 Siehe hierfür Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 150; Neudecker, Mitglieder von Kollegialorganen, S. 224; Puppe, ZStW 92, 876 ff.; ders., JR 1992, 32; ders., GA 1994, 315; ders., Jura 1997, 415; Scholl, Verantwortlichkeit im Umweltrecht, S. 225. 408

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Ursache (U) bildet, die letztlich das Ergebnis (E) hervorbringt413. Die Übertragung dieses Gedankens auf die Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane führt die Vertreter eines solchen Strafrechtsverständnisses zu dem Schluss, dass alle für das Erreichen der jeweiligen Entscheidungsmehrheit stimmenden Voten Mitursache der Kollektiventscheidungsfindung seien414, so dass die entsprechend Votierenden Mittäter seien. c) Kritische Würdigung Gegen die bereits dargestellten kausalen Beteiligungstheorien können methodologische, kriminalpolitische und dogmatische Einwände formuliert werden, die aufgrund der naturalistischen Herkunft aller Kausaltheorien sowohl die Theorie der „conditio sine qua non-Formel“ als auch die sich daraus ergebende „gesetzmäßige Bedingungstheorie“ betreffen415. Im Folgenden werden diese in einer zusammengefassten Form dargestellt. Im methodologischen Bereich findet sich der allgemeine Einwand gegen die durch die „conditio sine qua non-Formel“ zur Bestimmung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten und dem Erfolgseintritt angewandte „WegdenkMethode“. Zunächst trägt die Wegdenk-Methode nichts zur Bestimmung der Kausalität bei, da die Formel vom Hinwegdenken nur dann auf die Frage, ob ein Verhalten Ursache des Erfolgseintritts ist, antworten kann, wenn man schon weiß, dass das Verhalten für den Erfolgseintritt ursächlich ist; d. h. die „Wegdenk-Methode“ – mit Roxins Worten – „setzt bereits voraus, was durch sie erst ermittelt werden soll“416. Ebenfalls führt die Formel vom Hinwegdenken zu einer absurden doppelten These, nach der sowohl bei der alternativen als auch bei der kumulativen Kausalität entweder jeder der Beiträge der Beteiligten zur Tat nicht ursächlich für den Erfolgseintritt gewesen wäre417 oder alle Bedingungen unabhängig von ihrer quantitativen und qualitativen Bedeutung Ursache für die Erfolgsverwirklichung wären418. Dies liegt darin begründet, dass das Verhalten jedes alternativ oder kumulativ Beteiligten hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfällt419. Daneben liefert die von der „gesetzmäßigen Bedingungstheorie“ vertretene Beschreibung der statistischen Wahrscheinlichkeit nicht nur keine Erkenntnisse für die Bildung normativer Rechtskonzepte420, sondern verstößt gegen die das Strafrecht eines Verfas413

Schulz, Lackner-FS, S. 39 f. Dazu vgl. Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 150. 415 In diesem Sinne besteht nach Satzgers Auffassung kein wesentlicher Unterschied zwischen den Ansätzen der „conditio sine qua non-Formel“ und der „gesetzmäßigen Bedingungstheorie“, vgl. Satzger, Jura 2014, 189. 416 Roxin, AT I, 2. Aufl., § 11, Rn. 11. 417 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., § 6, Rn. 46. 418 In diesem Sinne Roxin, AT I, 2. Aufl., § 11, Rn. 12. 419 Roxin, AT I, 2. Aufl., § 11, Rn. 12. 420 So Knauer, Kollegialentscheidung, S. 124. 414

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sungsstaats bindenden Grundsätze, weil durch die Unterwerfung der Rechtsbegriffsbildung unter die Kategorie der Wahrscheinlichkeit die Verletzungsdelikte in Gefährdungsdelikte umgewandelt würden421. Darüber hinaus ist es unmöglich, den Kausalzusammenhang zwischen Handlung und Erfolgseintritt im naturwissenschaftlichen Sinne festzustellen, weil dies umfassende Kenntnis der Naturgesetze und die Gliederung konkreter und endlicher Teilabschnitte voraussetzt422. Kriminalpolitisch führen die Kausaltheorien zu einer unendlichen Kette ungewünschter strafrechtlicher Verantwortlichkeit, weil alle Kausalbeiträge der Beteiligten unabhängig von ihrer normativen strafrechtlichen Irrelevanz und ohne Rücksicht auf ihre soziale Bedeutung als Mitursachen (und daher als Mittäterschaftsformen) eines Verbrechens betrachtet würden. Im konkreten Bereich der verbrecherischen Beteiligung an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen berücksichtigten die Kausaltheorien als Mittäterschaftsformen nicht nur die Einzelstimmen, die in der Entscheidungsfindung eine fundamentale Rolle spielen, sondern auch die Einzelstimmen, die weder notwendige Bestandteile des Zwischenstadiums der Mehrheitserreichung noch Grundelemente des Tatbestandserfolges seien423. Zur letzten Konstellation kommen zwei Fälle als Beispiele in Betracht: Einerseits der Fall, indem sich die Unternehmensleiter ihrer Stimmen enthalten424 oder mit ihren Voten gegen die rechtswidrige Entscheidungsfindung abstimmen425 ; andererseits der Fall, bei dem deutlich mehr Unternehmensleiter bei der Abstimmung anwesend sind als für die Beschlussfassung erforderlich426. Nach dem Ansatz der Kausaltheorien wären die Mitglieder des Unternehmensleitungsorgans, die sich der Stimmabgabe enthalten, Mittäter der tatbestandlichen Gremienentscheidung, weil aus ihrer Sicht nicht nur die Wirkung der Stimmenthaltung objektiv und subjektiv einer Ja-Stimme gleich komme, sondern auch der sich Enthaltende mit dem Inhalt des Beschlusses einverstanden sei427. Im gleichen Sinne sei jeder einzelne an der Abstimmung des zweiten Falls Teilnehmende Mittäter, da mittels kombinierter, kumulativer und alternativer Kausalitätserwägungen ein faktischer Kausalzusammenhang zwischen den schlichten Anwesenden und der Mindestmehrheit zugunsten der rechtswidrigen Entscheidung festgestellt werden

421

Roxin, AT I, § 31, Rn. 51. Colussi, Produzentenkriminalität, S. 112 f.; Toepel, Kausalität und Pflichtwidrigkeitszusammenhang, S. 58. 423 Vgl. dazu Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 123; Röckrath, NStZ, 2003, 645. 424 Dieses Beispiel hat seine Entsprechung in dem durch die deutsche Rechtsprechung behandelten Mannesmann-Fall, in dem der BGH die Stimmenthaltung ebenfalls als mögliche Grundlage einer Mittäterschaft angesehen hat und im Ergebnis dazu kam, dem sich der Stimme Enthaltenden die Ja-Stimmen der anderen Abstimmenden als Mittäter (über § 25 II StGB) zuzurechnen. 425 Siehe hierfür Dencker, Individuelle Verantwortung, S. 69. 426 Satzger, Jura 2014, 194. 427 BGH JZ 2006, 565. 422

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könne428. Gegen diese Lösungsmodelle der Kausaltheorien ist auch einzuwenden, dass die reine Kausalität – nämlich die Stimmenthaltung im ersten Fall und die Anwesenheit und die ggf. daraus folgende Herbeiführung der Beschlussfähigkeit des Gremiums im zweiten Fall – per se nicht als Grundlage einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit dienen dürfen. Denn sowohl die einfache Stimmenthaltung als auch die bloße kausale Beteiligung enthalten kein rechtlich missbilligtes Risiko429, sondern vielmehr handelt es sich um die gesetzmäßige Ausübung eines geschützten berufstypischen Verhaltens430. Daher sollen Gegenstimmen und Stimmenthaltungen prinzipiell straflos bleiben431. Ebenfalls verstoßen die Ansätze der Kausaltheorien gegen den Grundsatz „in dubio pro reo“, da sie den Führungskräften eines Unternehmens die Mittäterschaft zuschreiben, obwohl die Pro-Stimmen der angeklagten Unternehmensleiter für den rechtswidrigen Kollektivbeschluss – infolge der Anwendung der zweifelhaften naturwissenschaftlichen Erfahrungssätze432 auf die Beteiligung an den Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen zur Feststellung des Kausalzusammenhangs – nicht sicher nachgewiesen werden kann433. Sodann darf den Führungskräften, angesichts der Unmöglichkeit einer sicheren Prognose und weil sich der Grundsatz in dubio pro reo zugunsten des Angeklagten auswirkt, die rechtswidrige Entscheidung im Gegensatz zur Ansicht der Kausaltheorien nicht zugerechnet werden. Darüber hinaus sei die Bestrafung der Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane wegen vorsätzlichen Handelns sinnlos434. Wegen der Nichtverwirklichung eines Strafunrechts liege keine präventive Notwendigkeit vor, eine Freiheitsstrafe über die genannten Führungskräfte zu verhängen. Schließlich ist in Bezug darauf festzustellen, dass das Strafrechtsverständnis der Kausaltheorien den Zielen des Strafrechts eines demokratischen Verfassungsstaats widerspricht, da die von der Anwendung der Naturgesetze abgeleitete uneingeschränkte Zurechnung strafrechtlicher Verantwortlichkeit die Rechtsfreiheit nicht mehr schützen (sondern vernichten) würde. Auf dogmatischer Ebene ist zunächst zu behaupten, dass die Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit (wie bei der Mittäterschaft) im Gegensatz zur Auffassung der Kausaltheorien nicht in der Feststellung eines faktischen Kausalzusammenhangs zwischen Verhalten und Erfolgseintritt435, sondern in den der Gültigkeit der in den Straftatbeständen festgelegten Verhaltensnormen zugrunde428

Satzger, Jura 2014, 194. So Vogel/Hocke, JZ 2006, 568 f. 430 Hombrecher, JA 2012, 535 f.; Ransiek, NJW 2006, 816. 431 Siehe Dencker, Individuelle Verantwortung, S. 69. 432 Zur Fehlbarkeit der Erfahrungssätze, um die Wahrscheinlichkeit des Erreichens der rechtswidrigen Entscheidung zu bestimmen, vgl. Dencker, Individuelle Verantwortung, S. 66. 433 Hierfür siehe StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., Vor § 13, Rn. 11. 434 Auf diese Weise Bottke, JR 1981, 343. 435 In diesem Sinne Schünemann, ADPCP 2002, 21. 429

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liegenden normativen Kategorien liegt436. In diesem Sinne ist die Feststellung des sog. Kausalzusammenhangs nicht für die Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit entscheidend, sondern die Verletzung der die Sonderbeziehung zwischen den Beteiligten und den Straftatbeständen enthaltenden Strafrechtspflichten. Dies bedeutet, dass sich die strafrechtliche Zurechnung nicht aus der kausalen Erfolgsverursachung, sondern aus einer rechtlich missbilligten Risikoschaffung bzw. verbotenen Risikoverwirklichung ergibt437, die in dem Verantwortungsbereich des Handelnden liegt438. Im Einklang mit einer solchen ontologischen Begründungsform kann die vorsätzliche Kollektiventscheidung den Führungskräften des Unternehmens normativ nicht über die Kausaltheorien – nämlich sowohl die conditio sine qua non-Formel als auch die Theorie der gesetzmäßigen Bedingung – zugerechnet werden, wenn der Kausalzusammenhang zwischen der Stimmabgabe zugunsten einer erforderlichen Mindestmehrheit und der entsprechenden Entscheidungsfindung durch ein Drittverhalten unterbrochen wird439. Grund dafür ist, dass sich die dogmatischen Grundlagen der Kausaltheorien in Übereinstimmung mit ihren methodologischen Grundlinien auf eine naturwissenschaftliche Basis stützen440 und daher keine normative Begründung bilden können. Ebenfalls führen die Kausaltheorien sowohl zu einer ungerechten Strafbarkeit wegen der gegen die rechtswidrige Entscheidungsfindung votierenden rechtmäßigen Stimme441 als auch zu einer unvernünftigen Straflosigkeit bei für die tatbestandsmäßige Kollektiventscheidung sprechenden rechtlich missbilligten Stimmen. Dies ist nicht zutreffend, denn einerseits schaffen die Stimmen und Enthaltungen, die rechtmäßig gegen die rechtswidrige Kollektiventscheidungsfindung abgegeben werden, kein strafrechtlich missbilligtes Risiko,442 weshalb die an ein rechtmäßiges Votum anknüpfende strafrechtliche Verantwortlichkeit im Gegensatz zum Ansatz dem Kausaltheorien entfallen muss443 ; andererseits sind die zugunsten der unerlaubten Kollektiventscheidungsfindung stimmenden Voten vielmehr prinzipiell den 436

Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 124; SK-Rudolphi, Vor § 1, Stand 1997, Rn. 59; Kühl, AT, § 4, Rn. 37. 437 Kühl, AT, § 4, Rn. 43; Roxin, AT I, § 11, Rn. 47 ff., 69 ff. 438 Hierfür siehe Roxin, AT I, § 11, Rn. 47, 69; Satzger, Jura 2014, 187. 439 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 123. 440 Alexander, Verkehrssicherungspflichten, S. 151; Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 121; Hilgendorf, NStZ 1994, 564; Satzger, Jura 2014, 186 ff.; Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 46. 441 Aufgrund solcher inneren Inkonsistenz bedarf die Kausallehre für die sogenannte Zurechnung weiterer Filter und greift dafür auf den Vorsatz als Korrektiv für eine engere subjektive Zurechnung zurück, vgl. dazu Satzger, Jura 2014, 187. In eine ähnliche Richtung geht Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 164. 442 So Bottke, JR 1981, 343; Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 164; Franke, JZ 1982, 582; Jakobs, Miyazawa-FS, 430; Knauer, Kollegialentscheidung, 206 f.; Neudecker, Mitglieder von Kollegialorganen, 235, 245; Ransiek, NJW 2006, 816. 443 In diesem Sinne Schmid, SchwZStr, 105, 159.

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Führungskräften des Unternehmens zurechenbar, weil solche Stimmen die den Strafunrechten zugrundeliegenden rechtlichen Sonderpflichten verletzen. Außerdem enthalten die Kausaltheorien unüberwindbare innere Widersprüche, die nicht nur den Aufbau konsistenter dogmatischer Kategorien verhindern, sondern auch ein wesentliches demokratisches Element in den Bereich kriminellen Verhaltens rücken444. 2. Begründung der ontologisch-normativen Mittäterschaft aus Sicht der Tatherrschaftslehre Die Vertreter der Tatherrschaftslehre – etwa Knauer445, Corell446, Di Lorenzo447, Schaal448 und Roxin449 – stützen die Mittäterschaft bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen – wie bei der klassischen Mittäterschaft – auf materielle und normative Elemente. a) Materielle Bestandteile Im Bereich der, ausgehend von einem ontologischen Verständnis des Strafrechts und der Verbrechenslehre entwickelten, materiellen Bestandteile befinden sich der auf die Herbeiführung einer vorsätzlichen Kollektiventscheidung gerichtete gemeinsame Tatentschluss450, die funktionelle Arbeitsteilung451 der Beteiligten bei der Herbeiführung der Kollektiventscheidung und der wesentliche Beitrag452 jedes Mitglieds des Unternehmensleitungsorgans zum Vollzug der zuvor geplanten Tatbestandsverwirklichung.

444

Siehe hierfür Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 164. Knauer, Kollegialentscheidung, S. 158 ff. 446 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 173 ff. 447 Di Lorenzo, Probleme der strafrechtlichen Produkthaftung, S. 77 ff. 448 Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 164 ff. 449 Allgemein Roxin, AT II, § 25 III, Rn. 188 ff.; ders., TuT, 10. Aufl., § 27, S. 307 ff. 450 Knauer, Kollegialentscheidung, S. 159; Di Lorenzo, Probleme der strafrechtlichen Produkthaftung, S. 78; Weißer, Pflichtwidrige Kollegialentscheidung, S. 90, 170. 451 Zur arbeitsteiligen Tatbestandsverwirklichung als wesentliches Element aller Mittäterschaftsformen und daher der Mittäterschaft bei Wirtschaftsunternehmen vgl. Jakobs, AT, 2. Aufl., § 21, Rn. 49; Pérez Alonso, La coautoría y la complicidad, S. 210 ff., 220 ff.; Roxin, TuT, 10. Aufl., § 27 III (S. 315); LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 156. 452 Knauer, Kollegialentscheidung, S. 159. 445

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aa) Gemeinsamer Tatentschluss der Beteiligten zur mittäterschaftlichen Kollektiventscheidung Der gemeinsame Tatentschluss wird als Grundelement der Mittäterschaft bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in horizontalen Unternehmensorganisationen betrachtet, da die Beteiligung an der vorsätzlichen Kollektiventscheidungsfindung nur zur Begründung einer Mittäterschaft führe, wenn dies auf der Grundlage eines gemeinsamen Entscheidungsplanes erfolge453. Mit anderen Worten sei es unmöglich, die Mittäterschaft der Führungskräfte bei horizontalen Wirtschaftsunternehmen ohne Betrachtung ihres gemeinschaftlichen Entschlusses zur rechtswidrigen Kollektiventscheidungsfindung zu begründen454, denn jedes der das tatbestandlichrechtswidrige Gesamtergebnis bildenden einzelnen Voten der Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane stütze sich auf den von ihnen zuvor gefassten gemeinsamen Tatentschluss455. Kurz formuliert setzen sowohl die Arbeitsteilung456 als auch die wesentlichen Beiträge (Abstimmen) der Führungskräfte – und daher die Mittäterschaft bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in horizontalen Unternehmensorganisationen – das Bestehen eines Tatentschlusses der Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane voraus457. Für die Berücksichtigung des gemeinsamen Tatentschlusses als Grundelement der Mittäterschaft bei Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen sprechen insbesondere drei Argumente. Einerseits erfordere das Vorliegen des Tatentschlusses, dass jeder Sonderpflichtträger im Sinne eines zumindest konkludent gefassten gemeinschaftlichen Willensentschlusses seine eigene Aufgabe durch die Handlung des anderen ergänzen und auch diese sich zurechnen lassen will, sodass alle Beteiligten im bewussten und gewollten Zusammenwirken handeln458. Andererseits enthalte der gemeinsame Tatentschluss die vorsätzliche Absprache der Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane über die Richtung ihrer sich in der gemeinsamen rechtswidrigen Kollektiventscheidungsfindung widerspiegelnden späteren fehlerhaften Einzelabstimmungen459. In Bezug darauf werde die Mittäterschaft bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in horizontalen unternehmerischen Wirtschaftsorganisationen in allen Fällen begründet, in denen jedes der mitwirkenden Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane weiß (sich bewusst ist), dass neben ihm noch ein anderer oder andere Sonderpflichtträger mitwirken (Mitbewusstsein eines

453

Dazu vgl. Knauer, Kollegialentscheidung, S. 148 f. Di Lorenzo, Probleme der strafrechtlichen Produkthaftung, S. 78; Roxin, AT II, § 25, Rn. 190. 455 Vgl. Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 164; Knauer, Kollegialentscheidung, S. 162. 456 Knauer, Kollegialentscheidung, S. 160. 457 Dazu vgl. Knauer, Kollegialentscheidung, S. 158. 458 Knauer, Kollegialentscheidung, S. 161. 459 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 175. 454

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Gesamtvorsatzes aller Mittäter460) und diese von dem gleichen Bewusstsein erfüllt sind461. bb) Funktionelle Arbeitsteilung Die funktionelle Arbeitsteilung der Führungskräfte wird von den Verfechtern der Tatherrschaftslehre als Grundbaustein der Mittäterschaft bei der Beteiligung an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen berücksichtigt, weil aus ihrer Sicht das Täter- und Teilnehmerunrecht von der entweder in der Tatplanerstellung oder im Abstimmungsprozess stattfindenden Rollenverteilung zwischen den Leitungsmitgliedern bei der betreffenden rechtswidrigen Entscheidungsfindung abhängt. Sachlich hieran anknüpfend finde eine absprachegemäße abstimmende funktionelle Arbeitsteilung sowohl der zum Zwecke der Erreichung einer Mehrheit für ein rechtswidriges Vorgehen abzugebenden Pro-Stimmen als auch der für die Verschleierung der rechtswidrigen Motivationslage votierenden Contra-Stimmen statt462. Dies bedeute, dass nach der Vorstellung aller tatplangemäß Zusammenwirkenden eine jede der Pro- und Contra-Stimmen als Teil der Tätigkeit aller wirken solle und die Voten der anderen als zweckgerechte Ergänzung des betreffenden Einzelvotums fungieren sollten463. Ausgehend davon wird geschlossen, dass bei einer Gleichordnung – wie bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Leitungsorganen eines horizontalen Wirtschaftsunternehmen – eine mittäterschaftliche Arbeitsteilung der Führungskräfte vorliege, wenn die Unternehmensleitungsmitglieder entweder unterschiedliche oder gleiche geplante Aufgaben erfüllen, die wegen ihres gemeinsamen Beitrags eine entscheidende Rolle sowohl in der vorherigen rechtswidrigen Abstimmungsabsprache als auch in der tatbestandlichen Entscheidungsfindung spielen464. cc) Wesentlicher Beitrag zur Tatbestandsherbeiführung Gemäß diesem Erfordernis wird der Mittäter allgemein als ein Beteiligter definiert, der eine Funktion ausübe, die bei der Deliktsverwirklichung von wesentlicher Bedeutung sei465. In Bezug darauf liege die Berücksichtigung des wesentlichen Beitrags als Grundpfeiler der Mittäterschaft bei Kollektiventscheidungen in horizontalen Wirtschaftsunternehmen darin begründet, dass die Mitwirkung jedes Lei460

Knauer, Kollegialentscheidung, S. 161; Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 214. Knauer, Kollegialentscheidung, S. 161 f. 462 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 175. 463 Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 176. 464 Bosch, Organisationsverschulden, S. 265. 465 In diesem Sinne behauptet Roxin, dass Mittäter derjenige sei, mit dessen „funktionsgerechtem Verhalten das ganze Unternehmen steht oder fällt“, vgl. dazu Roxin, TuT, 10. Aufl., § 27 II (S. 310 ff.), III (314 ff.). 461

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tungsmitgliedes von großer Bedeutung oder Wesentlichkeit für den tatbestandlichen Erfolgseintritt sei, sodass die rechtswidrige Kollektiventscheidungsfindung von jedem der einzelnen Beiträge abhänge. D. h. die Mitwirkung jedes Unternehmensleitungsmitgliedes sei für das Erreichen einer Abstimmungsmehrheit zugunsten eines vorsätzlichen Kollektiventscheidungsbeschlusses so erheblich, dass sie für die Verwirklichung des Strafunrechts unerlässlich werde466. In Übereinstimmung mit der oben (§ 7 A.I.2.a)bb)) bereits dargestellten Natur der funktionellen Arbeitsteilung werden die wesentlichen Beiträge sowohl in der Vorbereitungs- als auch in der Abstimmungsphase geleistet; denn die Wesentlichkeit der für rechtswidrige Entscheidungsfindung unentbehrlichen Einzelbeiträge sei nicht vom Zeitraum in dem der entsprechende Beitrag geleistet wurde abhängig467, sondern von dem aus einer ex ante-Sicht des gemeinsamen Tatentschlusses bestimmten unerlässlichen Wesen des Beitragsgewichts468 selbst. So sei es für die Begründung der Mittäterschaft irrelevant, ob die Mitwirkungen der Führungskräfte in allen Stadien der Entscheidungsfindung gleichmäßig oder doch nur zwischen den Stadien so verteilt werden, dass auch nicht an der Ausführung Beteiligte die Gestaltung der Ausführung oder das Ob der Ausführung mitbestimmen469. Dieses Beitragsverständnis führt die Vertreter der Tatherrschaftslehre zu dem Schluss, dass die wesentliche Beitragsbedeutung jedes Unternehmensleitungsmitglieds zur Kollektiventscheidung ein erforderliches Strukturelement der Mitbeherrschung der Tatbestandsverwirklichung ist und daher ein Grundmerkmal der Mittäterschaft bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen darstellt. b) Normative Bestandteile Als normative Strukturelemente der Mittäterschaft bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in horizontalen Wirtschaftsunternehmen hebt die Tatherrschaftslehre470 das Innehaben einer Sonderpflicht hervor; denn aus ihrer Sicht sind die an rechtswidrige Entscheidungsfindungen anknüpfenden Straftatbestände keine allge466 Vgl. dazu unter anderen Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 177; Stratenwerth, AT, § 12, Rn. 93 f. 467 Knauer, Kollegialentscheidung, S. 161. 468 Knauer, Kollegialentscheidung, S. 158. 469 Jakobs, AT, 2. Aufl., § 21, Rn. 40, S. 616. 470 Als Vertreter der Tatherrschaftslehre, die sich für die Existenz der besonderen Tatherrschaftsdelikte aussprechen, können genannt werden: Baumann/Weber/Mitsch, AT, 11. Aufl., § 8, Rn. 31; Deichmann, Grenzfälle der Sonderstraftat, S. 14 ff.; Hoberg, Der Begriff der Anstiftung, 1977, S. 77 ff.; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 62 II/7; Kühl, AT, 7. Aufl., § 20, Rn. 55 ff.; Langer, Die Sonderstraftat, S. 352, 389; Lüderssen, Zum Strafgrund der Teilnahme, S. 167 ff.; Maurach/Gössel/Zipf, AT II, 7. Aufl., § 47, Rn. 116 ff.; Roeder, ZStW 69 (1957), 239 ff.; Rudolphi, Jescheck-FS, S. 567 ff.; Schmidhäuser, AT, Studienbuch, 2. Aufl., § 5, Rn. 88 ff.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 14, Rn. 17; Stein, Die strafrechtliche Beteiligungslehre, S. 235 ff.; Welzel, ZStW 58 (1939), 543; Wessels/Beulke, AT, 35. Aufl., Rn. 39.

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meinen Herrschaftsdelikte, bei denen die Mittäterschaft nur auf der bloßen Mitherrschaft fußt, sondern besondere Herrschaftsunrechte, bei denen die Begründung der Mittäterschaft sowohl die Ausübung der Mittatherrschaft als auch das Vorliegen einer besonderen Tätereigenschaft erfordert. In Bezug darauf können „besondere Herrschaftsdelikte“ –insbesondere Wirtschaftsdelikte – nur von den unternehmerischen Sonderpflichtträgern täterschaftlich471 begangen werden. D. h. die Möglichkeit der Täterschaft ist auf die Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane begrenzt. Dieses allgemeine Verständnis der besonderen Herrschaftsdelikte führt die Vertreter der Tatherrschaftslehre dazu, zwei Voraussetzungen aufzustellen, um eine Mittäterschaft bei den besonderen wirtschaftlichen Herrschaftsdelikten zu begründen, nämlich die Mittatherrschaft über die Tat einerseits und die Sondereigenschaft andererseits. Anders formuliert: Weil die Begründung der Mittäterschaft bei den besonderen Herrschaftsdelikten nach dem Verständnis der Tatherrschaftslehre sowohl die „besondere Täterqualität“ (Inhaberschaft einer besonderen Pflicht) als auch das „generelle Tätermerkmal“ (Mittatherrschaft) verlangt, kann daher die Mittäterschaft bei den besonderen wirtschaftlichen Herrschaftsdelikten nicht alternativ mit der bloßen faktischen Tatherrschaft oder allein der Sonderpflichtverletzung begründet werden. Stattdessen müssen beide Elemente kumulativ vorliegen. Die entscheidende Rolle der Mittatherrschaft zur Bestimmung der Mittäterschaft bei den „besonderen wirtschaftlichen Herrschaftsdelikten“ besteht darin, dass auch bei solchen Straftatbeständen die faktische Herrschaft Grundlage der tatbestandsmäßigen Täterschaft ist. Deswegen kann Täter bei solchen „besonderen Herrschaftsdelikten“ (etwa bei besonderen Wirtschaftsdelikten) – wie bei den „allgemeinen Herrschaftsdelikten“ – nur sein, wer mindestens objektiv und subjektiv das tatbestandliche Verhalten beherrscht. Gleiche Bedeutung hat aber das „besondere Tätermerkmal“ (Sonderpflichtträger oder Unternehmensleitungsmitglied zu sein), weil dieses objektive Element den Täterkreis begrenzt. D. h. die bloße Mittatherrschaft macht nicht aus jedem Beteiligten an einem besonderen Wirtschaftsdelikt einen tauglichen Mittäter; vielmehr kann als Mittäter eines besonderen Wirtschaftsunrecht nur handeln, wer gleichzeitig Mitträger der besonderen positiven Führungspflicht des Unternehmens ist und die Tatbestandsherbeiführung materiell und funktionell mitbeherrscht.

471 Aus diesem Verständnis wurden die Pflichtdelikte in verschiedenen Formen definiert. So definieren z. B. Kühl (AT, § 20, Rn. 13) als „Delikte, die eine bestimmte Subjektqualität des Täters verlangen“; Langer (Die Sonderstraftat, 2007, S. 352) als „Verbrechen, das wegen seines besonderen tatbestandlichen Unrechts nur von bestimmten Personen begehbar sei“; Maurach/ Gössel/Zipf (AT II, § 47, Rn. 116) als „Verbrechen mit einem vom Gesetz begrenzten Täterkreis“; Schönke/Schöder (SSK, 12. Aufl., § 48, Anm. 18) als „Delikte, die nur bestimmte Personen als Täter begehen können“; Wessels/Beulke (AT, 35. Aufl., Rn. 39) als „Straftaten, bei denen die im gesetzlichen Tatbestand umschriebene Eigenschaft des Handlungssubjekts den Täterkreis begrenze“.

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c) Kritische Würdigung Die Tatherrschaft ist zum heiligen Gral der herrschenden Beteiligungslehre geworden, denn seit ihren von Welzel472, Gallas473 und Maurach474 formulierten ersten Entwürfen bis zu ihrer von Roxin und seinen Nachfolgen erreichten Systematisierung und Konsolidierung ist die Tatherrschaft das Leitkriterium zur Begründung der Täterschaft der an der Verwirklichung eines Strafunrechts beteiligen Subjekte. Die entscheidende Bedeutung dieses dogmatischen Begründungskriteriums der Täterschaft spiegelt sich, wie bereits oben erklärt, insbesondere in der Heranziehung der Mittäterschaft im Rahmen von vorsätzlichen Gremienentscheidungen in Wirtschaftsunternehmen wider. Angesichts eines solchen Szenarios ist zu fragen, ob die Tatherrschaft ein geeignetes Leitkriterium für die Begründung der Mittäterschaft der Unternehmensleitungsmitglieder ist oder sein sollte, wenn Führungskräfte sich an einer vorsätzlichen Kollegialentscheidungsfindung beteiligen. Nach der hier vertretenen Meinung spielt die Tatherrschaft für die Begründung der (Mit-)Täterschaft bei keinem Delikt eine Rolle. Die Hauptgründe, welche gegen die Tatherrschaft als begründendes Kriterium der (Mit-)Täterschaft sprechen, werden im Folgenden dargestellt. Prinzipiell können gegen die auf dem Tatherrschaftskriterium basierende Mittäterschaft bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen dieselben methodologischen Einwände vorgebracht werden, wie gegen die methodologische Vorgehensweise der Tatherrschaftslehre und gegen das daraus folgende ontologische Wesen der gewöhnlichen Mittäterschaft. Aus diesem Grund – in Übereinstimmung mit der oben (§ 7 A.I.1.c)) zu den Kausaltheorien abgegebenen Stellungnahme – muss die durch die Tatherrschaftslehre entwickelte Mittäterschaft bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen abgelehnt werden. Denn ebenso wie an der von den Kausaltheorien formulierten Mittäterschaft kritisiert wird, dass die Straftatbestände keine Feststellung eines faktischen Zusammenhangs zwischen Handlung und Erfolgseintritt kriminalisieren, kann gegen die von der Tatherrschaftslehre entwickelte Mittäterschaft eingewandt werden, dass die Strafunrechte nicht auf der bloßen Ausübung einer quantitativen Tatherrschaft, sondern auf dem Verstoß gegen strafrechtliche Verhaltensnormen beruhen. Hiergegen könnten die Verfechter der kritisierten Theorie argumentieren, dass bei den von ihnen genannten besonderen Herrschaftsdelikten – wie den sich aus den vorsätzlichen Gremienentscheidungen der Unternehmensleitung ergebenden Wirtschaftsstraftatbestände – die bloße Mitherrschaft über die Tat keine Mittäterschaft begründet, da es aus ihrer Sicht für die Begründung der Mittäterschaft erforderlich ist, dass neben der Tatherrschaft eine positive Sonderpflicht verletzt werden muss. Dieses Argument verliert jedoch seine Gültigkeit, sobald man versucht, die Begriffe 472 473 474

Welzel, Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl., § 15 I 1; ders., ZStW 58 (1939), 491 ff., 543. Gallas, Materiallien zur Strafrechtsreform, Band I, S. 121 ff., 128, 133, 137. Maurach/Gössel, AT II, 7. Aufl., § 47, Rn. 85.

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„Tatherrschaft“ und „Pflichtverletzung“ in Beziehung zu setzen. Dies liegt daran, dass – wie bereits erwähnt – die Pflichtverletzung eine qualitative (Straf-)Rechtskategorie ist, welche die Zurechnung des strafrechtlichen Verhaltens begründet, während die Tatherrschaft eine quantitative Kategorie ist, welche die Intensität des Verhaltensvorwurfs misst und damit für die Bestimmung des Quantums der konkreten Strafe berücksichtigt wird. Im Übrigen besitzt die Tatherrschaft eine ontologische Natur und ist daher mit der Welt des „Seins“ verknüpft; die Pflichtverletzung hat demgegenüber ein normatives Wesen und gehört somit zur Welt des „Sollens“. Geht man von dieser Perspektive aus, dann wäre das Zusammentreffen von Tatherrschaft und Pflichtverletzung als Grundelemente der Täterschaft nur in zwei Zusammenhängen möglich: Erstens nur dann, wenn angenommen wird, dass Tatherrschaft und Pflichtverletzung trotz ihrer unterschiedlichen Natur gleichermaßen bestehen können. Zweitens nur in Fällen, in denen die Pflichtverletzung durch ein aktives Verhalten erfolgt (Begehungsdelikte), nicht jedoch in Fällen, in denen die Pflichtverletzung durch unterlassendes Verhalten verwirklicht wird (unechte Unterlassungsdelikte). Dies liegt daran, dass die Tatherrschaft nur in den Begehungsdelikten zum Ausdruck kommt, nicht aber in den Unterlassungsdelikten denn der phänotypische Ausdruck der Tatherrschaft als ontologische Kategorie ist nur ein Tun, aber nicht ein Unterlassen. Daneben sind die materiellen Strukturelemente der Mittäterschaft – insbesondere das Vorliegen des gemeinsamen Tatentschlusses und die damit verknüpfte Arbeitsteilung – in Frage zu stellen. Das Bestehen des gemeinsamen Entschlusses der Führungskräfte zur rechtswidrigen Entscheidungsfindung ist in Frage zu stellen, da bei den in einem offenen Abstimmungsprozess getroffenen vorsätzlichen Gremienentscheidungen kein vorher gefasster gemeinsamer Tatplan, sondern nur ein bloßes vorsätzliches Zusammenwirken aller votierenden Unternehmensleiter bei der Abstimmung vorliegt475. Hiermit im Zusammenhang steht das zweifelhafte Bestehen der funktionellen Arbeitsteilung zwischen den Mitgliedern des Unternehmensleitungsorgans, denn sie setzt in der Regel einen gemeinsamen Tatplan voraus, was in den rechtswidrigen Entscheidungsfindungen bei offenen Abstimmungsprozessen fehlt. Folglich ist (wäre) es unmöglich (oder zumindest zu schwierig), die Mittäterschaft ohne Vorliegen der genannten Strukturelemente zu begründen. Ebenfalls besteht der sich gegen die Bewertung der bei nichtgeheimen Abstimmungen stattfindenden einseitigen Mitwirkungen als Erscheinungsformen der Mittäterschaft gerichtete Einwand. Genauer gesagt, verstößt diese Begründungsform der Mittäterschaft gegen die in § 25 Abs. 2 dStGB und in Art. 28 Satz 1, 2. Alt. sStGB festgelegte normative Voraussetzung dieser Strafrechtskategorie; denn der Wortlaut dieser gesetzlichen Strafvorschriften begründet die Mittäterschaft gerade nicht mit dem einseitigen Zusammenwirken der Beteiligten bei der

475

Dazu vgl. Knauer, Kollegialentscheidung, S. 159 ff.

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Durchführung der Straftat, sondern mit der gemeinschaftlichen Tatbestandsverwirklichung476. Letztlich lassen sich gegen die durch die Tatherrschaftslehre bei der Beteiligung an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen entwickelten Mittäterschaft die gleichen vielfältigen Kritikpunkte einwenden, welche gegen die von der Tatherrschaftslehre bei den allgemeinen Herrschafts- und besonderen Pflichtdelikten entwickelten (Mit)-Täterschaft gerichtet werden477. Darunter findet sich die Unfähigkeit, bei den Unterlassungsdelikten richtige Lösungen zu liefern; die große Schwierigkeit (Unmöglichkeit), die tatsächliche Tatherrschaft der Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane über die Tatbestandsverwirklichung nachzuweisen, wenn sie ihre Sonderpflichten durch die Instrumentalisierung eines nichtqualifizierten dolosen Werkzeugs verletzen; die unlogische normative Gleichwertigkeit zwischen der Trägerschaft einer Sonderpflicht und der Verletzung einer solchen Pflicht.

3. Begründung der normativen Mittäterschaft nach dem Gedanken der normativen Täterschaftslehre a) Mittäterschaft als gemeinsame Pflichtverletzung Im Rahmen der normativen Beteiligungslehre sind insbesondere die sowohl durch den kriminalpolitischen als auch durch den systemischen Funktionalismus entwickelten Ansätze hervorzuheben. Beide dogmatischen Strömungen haben denselben zweigliedrigen Ausgangspunkt, denn sie bauen die (Mit-)Täterschaft ausgehend von zwei Grundbestandteilen auf: nämlich der Unterscheidung zwischen Delikten kraft Tatherrschaft und Delikten wegen Pflichtverletzung einerseits und die Berücksichtigung der sich auf rechtswidrige Entscheidungen der Unternehmensleiter stützenden Wirtschaftsdelikte als Pflichtunrechte andererseits. Bezüglich des ersten Bestandteiles wird behauptet, dass Herrschaftsdelikte jedes Strafunrecht seien, bei dem Täter nur derjenige sein könne, wer die Verwirklichung des im Straftatbestand beschriebenen externen Verhaltens beherrsche, so dass der Täter „Zentralgestalt“ der Ausführung des verbotenen Verhaltens sei. Im Unterschied dazu seien Pflichtdelikte alle Straftaten, bei denen Täter derjenige sei, der „Herr“ oder „Zentralfigur“ des Verstoßes gegen die außerstrafrechtliche Pflicht sei478 ; d. h. Täter ist, wer die positive Sonderpflicht verletzt. Hinsichtlich der an vorsätzliche Gremienentscheidungen anknüpfenden wirtschaftlichen Straftatbestände wird hervorgehoben, dass solche Strafunrechte keine Herrschafts-, sondern Pflichtdelikte seien. In Bezug darauf erfordere die Begründung der Mittäterschaft bei den Pflichtdelikten eine gemeinsame Verletzung der Sonderpflicht. Denn nach den funktiona476 477 478

Roxin, TuT, 7. Aufl., S. 686. Dazu vgl. § 3, D. Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 395 ff.

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listischen Auffassungen trete an die Stelle des Ineinandergreifens der materiellen Tatbeiträge im Ausführungsstadium die Erfolgsherbeiführung unter gemeinsamer Verletzung einer gemeinsamen Pflicht479. In diesem Sinne könne in entsprechender Weise auch Mittäter eines sich auf die rechtswidrige Entscheidungsfindung der Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane stützenden Wirtschaftsdelikts nur sein, wer als Unternehmensleitungsmitglied mit einer anderen Führungskraft in der Pflicht stehe und sie mit ihm verletze480. Deshalb dürften Mittäter bei den im Rahmen eines horizontalen Wirtschaftsunternehmens stattfindenden vorsätzlichen Kollektiventscheidungen nur die Unternehmensleiter sein, da nur sie – wegen ihrer Sonderstellung in der Organisation des Unternehmens und unabhängig von ihren wesentlichen faktischen Beiträgen481 – in der Rechtslage seien, die Sonderpflichten zu verletzen. Dies führt zu einer erheblichen Schrumpfung des Anwendungsbereichs der Mittäterschaft bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in horizontalen Wirtschaftsunternehmen; denn von einer Gemeinsamkeit könne man in diesem Sinne nur sprechen, wenn mehrere Unternehmensleiter in ein und derselben Sonderpflichtbindung stehen würden482. Zu diesem besonderen Personenkreis gehören unter anderem die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einer AG, die Geschäftsführer und alle Personen, die infolge ihrer Sonderzuständigkeit zur ordnungsgemäßen Führung einer juristischen Person verpflichtet sind. Im Gegensatz dazu werden Außenstehende nicht durch das Täterunrecht erfasst, weil sie aufgrund der nicht in ihrer Person zusammenkommenden besonderen Tätereigenschaft nicht gegen die Sonderpflicht verstoßen können. Als Beispiel einer solchen Mittäterschaft diene der Fall, in dem fünf Vorstandsmitglieder eine gemeinsame Gremienentscheidung treffen, das Kapital der von ihnen geleiteten juristischen Person in ihre eigene Tasche fließen zu lassen. Die tatbestandliche Entscheidungsfindung wird aber nur von drei Unternehmensleitern gefasst, während die anderen beiden Mitglieder nur vorbereitend tätig werden oder den Plan durch Ratschläge fördern483. Gemäß der vom kriminalpolitischen bzw. systemischen Funktionalismus vertretenen Pflichtdeliktstheorie sind die fünf Vor479 In diesem Sinne siehe Roxin, TuT, S. 355 ff.; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 63 IV/5; Kuhlen, NStZ 1990, 570; Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch mit Erläuterungen, 22. Aufl., § 27, Rn. 5; Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 47, Rn. 108 ff.; Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, II, S. 398; Stratenwerth, AT, Rn. 1068. In ähnlichem Sinne behauptet der BGHSt, dass eine Mittäterschaft durch Unterlassen über die Annahme „mittäterschaftlicher Garantenpflichten“ begründet werden könne. Nach dem BGHSt lieg Mittäterschaft im Rahmen eines Unterlassungsdelikts vor – wie bei Gremienentscheidungen in Unternehmen –, wenn mehrere Garanten, die eine ihnen gemeinsam obliegende Pflicht nur gemeinsam erfüllen könnten, gemeinschaftlich den Entschluss fassen würden, dies nicht zu tun, vgl. BGHSt 37, 106, NJW 1990, 2566. 480 Roxin, AT II, § 25, Rn. 272. 481 Roxin, AT II, § 25, Rn. 272. 482 Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, II, S. 398; Sanchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 159. 483 Im gleichen Sine Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, II, S. 396.

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standsmitglieder Mittäter eines die von den Führungskräften getroffenen rechtswidrigen Gremienentscheidungen kriminalisierenden Pflichttatbestands. So sind alle Vorstandsmitglieder als Mittäter der Untreue (§ 266 dStGB, Art. 252 sStGB) zu bestrafen484, weil sie ihre institutionelle positive Pflicht gemeinsam und gleichseitig verletzt haben und dadurch – obwohl zwei von ihnen die Tatbestandsverwirklichung nicht beherrschen – als Führungskräfte alle Zentralgestalt485 des Pflichtdelikts sind. b) Kritische Würdigung Der vom Funktionalismus entwickelte Begriff der Mittäterschaft ist nicht zutreffend, weil die eigene normative Natur der positiven Sonderpflicht die Begründung der Mittäterschaft ausschließt. Denn nach der hier vertretenen Auffassung ist nicht nur unzweifelhaft, dass die Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane die positive Sonderpflicht nicht gemeinsam verletzen können, sondern vielmehr, dass überhaupt keine gemeinsame Pflicht vorliegt, die von den Führungskräften gemeinsam verletzt werden könnte. Zwar verlangen die positiven Sonderpflichten von allen zuständigen Vorstandsmitgliedern gleichzeitig, das Wirtschaftsunternehmen richtig zu leiten, aber solche Pflichten sind stets individuell (höchstpersönlich) und nie gemeinschaftlich. Folglich liegen in diesem Fall nur fünf parallele Einzeltäterschaften vor, weil jede Pflichtverletzung jeweils in der Person eines einzelnen Vorstandsmitglieds vollständig und unabhängig von den anderen vorliegt. Daher scheidet die Annahme einer Mittäterschaft infolge der persönlichen Natur der Sonderpflicht, d. h. infolge der unmittelbaren Beziehung des Beteiligten zum Rechtsgut, aus.

II. Kriminalpolitische Standpunkte Die Strafrechtslehre Deutschlands und Spaniens hat unter anderem zwei kriminalpolitische Argumente zugunsten der Anwendung der Mittäterschaft auf vorsätzliche Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen vorgetragen.

484 Auf diese Weise etwa Bacigalupo Saggese, Tiedemann-FS, S. 256; Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, II, S. 396 ff.; ders., AT II, § 25, Rn. 272. In diesem Sinne wurden im Urteil der emblematischen Lederspray-Entscheidung vier Geschäftsführer der das Spray produzierenden Muttergesellschaft (W-GmbH) – aufgrund ihrer gemeinschaftlichen Gremiumsentscheidung bezüglich der Nichterfüllung der Schadensabwendungspflicht – sowie zwei Geschäftsführer von Vertriebstochtergesellschaften als Mittäter wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, vgl. BGHSt 37, 106, NJW 1990, 2560 ff. 485 Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, II, S. 396 ff.

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1. Erreichung präventiver kriminalpolitischer Zwecke Zunächst ermögliche die Anwendung der Mittäterschaft auf die Beteiligung an vorsätzlichen Gremienentscheidungen in horizontalen Wirtschaftsunternehmen das Erreichen präventiver kriminalpolitischer Zwecke, welche die Straflosigkeit der Unternehmensleiter in verschiedenen Fallkonstellationen verhindere, in denen die Anwendung anderer Beteiligungsformen nicht möglich ist, weil die Kontrolle über das Vorgehen des Abstimmungsprozesses und damit über die vorsätzliche Gremienentscheidungsfindung nicht unmittelbar und vollständig von einem einzelnen Mitglied der Unternehmensleitung, sondern mittelbar und von mehreren Führungskräften ausgeübt wird. Zu dieser Fallkonstellation gehören: a) Fälle, in denen die Unternehmensleiter den Abstimmungsprozess und die Entscheidungsfindung durch ein unterlassendes Verhalten beherrschen; b) Fälle, in denen die funktionelle Arbeitsteilung und der wesentliche Beitrag nicht immer während des Abstimmungsprozesses oder der Entscheidungsfindung, sondern auch in der Vorbereitungsphase – nämlich bei dem gemeinsamen Tatentschluss zur Tatbestandsverwirklichung – stattfinden; c) Fälle, in denen die Einzelstimmen der Unternehmensleiter für die rechtswidrige Entscheidung nicht ausdrücklich, sondern versteckt abgegeben werden. 2. Erreichung einer verhältnismäßigen Strafhaftung von Führungskräften und Außenstehenden Des Weiteren vermeide die Anwendung der Mittäterschaft auf die Beteiligung mehrerer Subjekte an der rechtswidrigen Kollektiventscheidungsfindung eine Überund Unterbewertung des Strafunwerts des Verhaltens jedes einzelnen Beteiligten; d. h. die Mittäterschaft führe zu einer vernünftigen Begründung und Abgrenzung der verschiedenen Bereiche der strafrechtlichen Verantwortung derjenigen, die an der rechtswidrigen Entscheidungsfindung eines Wirtschaftsunternehmens beteiligt sind. Dies spiegele sich in der unterschiedlichen Strafverantwortung jeder Person, die gemäß ihrer entsprechenden individuellen Rechtsstellung vor und während der tatbestandlichen Kollektiventscheidungsfindung bestimmt werde. Dementsprechend verhindere die Nichtüberbewertung der materiellen Beiträge von Außenstehenden, Nichtqualifizierte als Täter eines Wirtschaftsdelikts zu bestrafen, dessen Grundlage die von den Unternehmensleitern getroffene rechtswidrige Kollektiventscheidung sei. Im gleichen Sinne vermeide die Nichtunterbewertung der Mitwirkungen der Untergeordneten bei der Entscheidungsfindung, dass diese Beteiligten straflos bleiben, wenn sie den Führungskräften Hilfe bei der verbrecherischen Entscheidungsfindung leisten.

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3. Erreichung strafprozessualer kriminalpolitischer Zwecke Zudem würden strafprozessuale Gründe vorliegen, welche für die Bestrafung der Führungskräfte eines Wirtschaftsunternehmens als Mittäter sprächen. Solche prozessualen Erwägungen seien mit der Erleichterung der Anklage und Verurteilung derjenigen Unternehmensleiter verknüpft, die gemäß dem zuvor vereinbarten gemeinsamen Tatentschluss ihre vorsätzlichen Stimmen zugunsten der rechtswidrigen Entscheidung verschleiern. Dies würde auf der Tatsache beruhen, dass es nicht erforderlich sei, einen vorsätzlichen und wesentlichen Beitrag eines jeden Unternehmensleiters zu der rechtswidrigen Entscheidung nachzuweisen, sondern nur, dass solche Sonderpflichtträger objektiv für die rechtswidrige Entscheidung gestimmt haben. Auf diese Weise sei es möglich, die Beweislast erheblich zu vereinfachen und dadurch die strafrechtliche Verantwortlichkeit der sog. Sonderpflichtträger ohne große Schwierigkeiten zu begründen. 4. Kritische Würdigung Diesen den bereits dargestellten theoretischen Standpunkten hinsichtlich der Begründung der Mittäterschaft und ihrer Anwendung auf die Beteiligung an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen zur Bestrafung der Unternehmensleiter zugrundeliegenden kriminalpolitischen Argumenten könnte hier prinzipiell zugestimmt werden, aber nur soweit die Verfolgung und Erreichung solcher kriminalpolitischeren Zwecke auf verfassungskonforme Weise gelänge. Würden sie hingegen auf eine Weise – wie bei den dargestellten Mittäterschaftsmodellen – verfolgt, in der gegen verschiedene dogmatische, gesetzliche und rechtsstaatliche Grundsätze verstoßen wird, so müssen solche Argumente abgelehnt werden. Genauso liegt es jedoch bei den erläuterten, den Unternehmensführern die Mittäterschaft zurechnenden kriminalpolitischen Gesichtspunkten, weil die von ihnen befürwortete Vorgehensweise zur Erreichung kriminalpolitischer Zwecke nicht nur zu einer inkonsistenten Begründung der Mittäterschaft der Unternehmensleiter führen, sondern auch gegen die Grundsätze verstoßen würde, die dem Strafrecht eines demokratischen Verfassungsstaats zugrunde liegen. Insbesondere verstoßen die kriminalpolitischen Argumente unter anderem gegen das Gesetzlichkeitsprinzip der Täterschaft, das Selbstverantwortungsprinzip, das Strafverantwortungsprinzip für das eigene Strafunrecht, das Akzessorietätsprinzip der Teilnahme, den in dubio pro reo-Grundsatz, das Gleichheitsprinzip vor dem Gesetz, usw.

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B. Anwendung weiterer Beteiligungsformen in Ausnahmefällen I. Mittäterschaftliche Anstiftung Die mittäterschaftliche Anstiftung ist eine von Deutschlands und Spaniens Strafrechtswissenschaft für die Lösung einer besonderen Anstiftungsform an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen geschaffene dogmatische Teilnahmeform. Es handelt sich um eine Sonderkonstellation, in der sich die von den qualifizierten Unternehmensleitern gefasste rechtswidrige Kollegialentscheidung in der Verwirklichung eines faktisch oder unmittelbar durch ein von einem vollverantwortlich handelnden Untergeordneten verwirklichten Wirtschaftsstrafunrechts äußert. Voraussetzungen der Anwendung dieser Anstiftungsform sind einerseits dieselben ontologischen Bestandteile der Mittäterschaft, d. h. der gemeinsame Tatentschluss, die funktionelle Arbeitsteilung und die wesentliche Natur des Beitrags zur Überzeugung des angestifteten Außenstehenden. Wegen der Erfüllung dieser Erfordernisse erfolgt die Kennzeichnung einer solcher Anstiftungsform als „mittäterschaftlich“. Andererseits müssen die Entscheidungen der Unternehmensleiter die Erfordernisse der Anstiftung erfüllen. So muss der vom Kollegialgremium gefasste rechtswidrige Beschluss die tatsächlich handelnden Außenstehenden zur Tatbestandsverwirklichung bestimmen, aber keineswegs die Tatbestandsverwirklichung beherrschen. Sodann, wenn die genannten Erfordernisse erfüllt werden, werden die Führungskräfte und die handelnden Vordermänner als Anstifter bzw. unmittelbare Täter bestraft. Beispielhaft dafür ist der Fall, in dem der Vorstand eines als AG aufgebauten Wirtschaftsunternehmens (AG-WU) einstimmig beschließt, die Vorstandsmitglieder eines anderen AG-Wirtschaftsbetriebs (AG-WB) dazu zu bestimmen, sich das Vermögen des von ihnen geleiteten Unternehmens rechtwidrig anzueignen. Zwei Tage später verwirklichen die angestifteten Vorstandsmitglieder das vereinbarte Strafunrecht mittels einer Geldüberweisung vom Bankkonto des AG-WB auf ihre entsprechenden persönlichen Bankkonten. Nun sei der vom Kollegialvorstand des AG-WU gefasste Beschluss als mittäterschaftliche Anstiftung zu beurteilen, weil jede der Einzelstimmen der anstiftenden Vorstandsmitglieder nur die Veranlassung der Angestifteten mitbeherrscht habe; die gemeinschaftliche (Mit-)Herrschaft über die Tatbestandsverwirklichung liege hingegen im Verantwortungsbereich der angestifteten Vorstandsmitglieder des AG-WB, da sie durch ihre freiwillige Stimmabgabe entschieden hätten, das Strafunrecht zu verwirklichen. Daher seien die anstiftenden und angestifteten Vorstandsmitglieder als mittäterschaftliche Anstifter (Mitanstifter) bzw. unmittelbare Mittäter des entsprechenden Strafunrechts verantwortlich.

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II. Beihilfeformen Allgemein kann gesagt werden, dass in Deutschland und Spanien auch die Beihilfe auf die Beteiligung an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in horizontalen Wirtschaftsunternehmen zur Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit sowohl der Unternehmensleiter als auch der Außenstehenden angewandt wurde. Auf diese Teilnahmeform wird zurückgegriffen, um insbesondere zwei Sonderkonstellationen zu lösen: Einerseits die einstimmige vorsätzliche Entscheidung der Unternehmensleiter, anderen Dritten (etwa anderen Unternehmensleitern oder Außenstehenden) Hilfe zu einer Tatbestandsverwirklichung zu leisten; andererseits die Mitwirkung von Außenstehenden bei der von den Mitgliedern der Unternehmensleitungsorgane getroffenen rechtswidrigen Kollektiventscheidung. Im Sinne des geltenden gesetzlichen Beteiligungssystems Deutschlands und Spaniens hat die Strafrechtswissenschaft dieser Länder die im Folgenden dargestellte „erforderliche Beihilfe“ (in Spanien) und „einfache Beihilfe“ (in Deutschland und Spanien) entwickelt.

1. „Erforderliche Beihilfe“ (Art. 28 Satz 2.b sStGB) Die „erforderliche Beihilfe“ – wie oben festgestellt – wurde nur von der spanischen Strafrechtswissenschaft entwickelt, weil diese Teilnahmeform nur im spanischen Strafgesetzbuch geregelt ist. In Übereinstimmung mit dem die analysierte Teilnahmeform regelnden Art. 28 Abs. 2.b sStGB definiert die spanische Strafrechtsdogmatik die „erforderliche Beihilfe“ zu einer vorsätzlichen Kollektiventscheidung in Wirtschaftsunternehmen als einen „wesentlichen Beitrag zur von den Unternehmensführern getroffenen rechtswidrigen Entscheidung oder zum Vollzug einer solchen Entscheidungsfindung, ohne den die Gremienentscheidung und das Strafunrecht nicht getroffen bzw. nicht verwirklicht worden wäre“. Unter dem Grundbegriff der „erforderlichen Beihilfe“ wäre diese Strafrechtskategorie auf zwei Fallgruppen anzuwenden: Erstens auf den Fall, in dem die Vorstandsmitglieder eines Wirtschaftsunternehmens einen rechtswidrigen Kollegialbeschluss fassen, den Führungskräften eines anderen Unternehmens bei der Verwirklichung eines Wirtschaftsstrafunrechts – etwa Steuerhinterziehung – ohne Tatherrschaft eine wesentliche Hilfe zu leisten. Zweitens auf den Fall, in dem die Unternehmensführer während ihrer Entscheidungsfindung hinsichtlich der Herbeiführung eines Umweltdelikts eine unentbehrliche materielle Hilfeleistung von Außenstehenden – etwa von Beratern – bekommen. Aus einer materiellen oder ontologischen Sicht würden die in beiden Fällen geleisteten Tatbeiträge eine unerhebliche Rolle spielen, sodass sowohl die Verwirklichung des Steuerhinterziehungstatbestands – im ersten Fall – als auch die Ausführung des Umweltstrafunrechts – im zweiten Fall – nicht begangen worden wäre. Infolgedessen sollen die Hilfe leistenden Unternehmensführer und Außenstehenden als „erforderliche Gehilfen“ zu einem Steuerhinterziehungs- bzw. Umweltverschmutzungstatbestand verantwortlich sein.

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2. Einfache Beihilfe (§ 27 dStGB und Art. 29 sStGB) Die einfache Beihilfe ist, im Vergleich zur „erforderlichen Beihilfe“, sowohl durch das dStGB als auch durch das sStGB geregelt. Ausgehend davon vertritt ein Teil der deutschen und spanischen Strafrechtsdogmatik die Anwendung dieser Teilnahmeform auf die Beteiligung an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen, wenn eine entweder in der Vorbereitungs- oder der Vollendungsphase geleistete Hilfe keine wesentliche Bedeutung für die rechtswidrige Entscheidungsfindung oder für die sich daraus ergebende Verwirklichung des Strafunrechts hatte. So gesehen würde eine einfache Beihilfe vorliegen, wenn etwa ein untergeordneter Angestellter eines Wirtschaftsunternehmens den von den Führungskräften gefassten rechtswidrigen Beschluss freiwillig und ohne Risiko für die Erhaltung seines Arbeitsplatzes vollzieht. In einem solchen Fall wäre der untergeordnete Vordermann keine Zentralgestalt, sondern nur eine Randfigur, weil sein Beitrag weder für das „Ob“ noch für das „Wann“ und „Wie“ der Tatbestandsverwirklichung entscheidend wäre. Denn die Mitwirkung des untergeordneten Nichtqualifizierten (Nichtleitungspersonen) trägt nur zur Verstärkung oder Versicherung der Straftatbegehung bei. Daher muss der Vordermann als einfacher Gehilfe bestraft werden.

C. Zusammenfassung und Zwischenergebnis Die in diesem Abschnitt vorgenommene Analyse zeigt, dass verschiede dogmatische Täterschafts- und Teilnahmeformen durch die Strafrechtswissenschaft in Deutschland und Spanien zur Begründung und Erklärung der strafrechtlichen Verantwortung von Unternehmensleitern und Außenstehenden herangezogen werden, wenn sie sich gemeinschaftlich an einer vorsätzlichen Kollektiventscheidungsfindung in horizontalen Wirtschaftsunternehmen beteiligen. Solche Beteiligungsformen sind die Mittäterschaft, die Anstiftung, die „erforderliche Beihilfe“ und die „einfache Beihilfe“. Die Mittäterschaft wurde insbesondere ausgehend von der Kausalverbrechenslehre, der Tatherrschaftsstrafrechtsdogmatik und der normativ-funktionalistischen Beteiligungslehre entwickelt. Nach dem Täterschaftsverständnis der Kausaltheorien stützt sich die mittäterschaftliche Verantwortlichkeit der Unternehmensleitungsorgane für eine vorsätzliche und rechtswidrige Gremienentscheidungsfindung darauf, dass jedes Mitglied des Unternehmensleitungsorgans durch sein bloßes Mitstimmen eine Mitursache für die erforderliche Mindestmehrheit setzt und daher zum Mittäter des tatbestandlichen Gremienbeschlusses wird486. Dies gilt unabhängig von der normativen Bedeutung ihres Stimmverhaltens; d. h. es ist zur Begründung der Strafbarkeit der Unterneh486

Vgl. dazu Dencker, Gesamttat, S. 183; Schmidt-Salzer, Produkthaftung I, S. 185 f.

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mensleiter irrelevant, ob sie für oder gegen die rechtswidrige Entscheidung gestimmt haben, ob sie vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben, usw. In allen Fällen, in denen der Kausalzusammenhang festgestellt werden kann, ist der Unternehmensleiter Mittäter. Dieselbe methodologische Vorgehensweise greift für die Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der an einer von Führungskräften getroffenen vorsätzlichen Kollektiventscheidung beteiligen Außenstehenden. Aus diesem Grund wird den Nichtqualifizierten das besondere Wirtschaftsstrafunrecht entweder als Täter oder Teilnehmer zugerechnet, wenn ein faktischer Kausalzusammenhang zwischen ihrem Verhalten und der rechtswidrigen Kollektiventscheidungsfindung festgestellt wird. Die Kausaltheorien weisen jedoch, wie oben bereits erwähnt, mehrere methodologische, dogmatische und kriminalpolitische Mängel auf, die nicht nur eine kohärente und konsistente Begründung der Mittäterschaft der Unternehmensleiter verhindern, sondern auch gegen die dem Strafrechtssystem eines demokratischen Verfassungsstaats zugrundeliegenden Grundsätze verstoßen. Dies zeigt sich darin, dass die Ansätze der Kausaltheorien nicht auf sozionormativen Institutionen, sondern auf gemäß naturwissenschaftlichen Gesetzen bestimmten ontologischen Kategorien beruhen. Aus diesem Grund sind die Standpunkte der Kausaltheorien abzulehnen; denn nach der hier vertretenen Auffassung darf die strafrechtliche Zurechnung nicht allein auf die Feststellung eines bloßen Kausalzusammenhangs zwischen der Stimmabgabe und der tatbestandlichen Entscheidungsfindung gestützt werden. Vielmehr ist hierfür – wie unter (§§ 8, 9 ff.) erklärt wird – die Verletzung der den Straftatbeständen zugrundeliegenden Rechtspflichten der Unternehmensleiter erforderlich. Angesichts dieser Kritik gegen den kausalen Mittäterschaftsbegriff hat die Tatherrschaftslehre ein neues Konzept der Mittäterschaft entwickelt, welches nicht nur auf die Überwindung der genannten Kritikpunkte, sondern auch auf die rechtmäßige Begründung strafrechtlicher Verantwortlichkeit der Unternehmensleiter und Nichtqualifizierten gerichtet ist. Aus diesem Grund hat die Tatherrschaftslehre auf eine Kombination von ontologischen Elementen (Tatherrschaft) und normativen Bestandteilen (Trägerschaft einer besonderen Führungspflicht des Unternehmens) zurückgegriffen. Die ontologischen Elemente sind der gemeinsame Tatentschluss der Beteiligten zur mittäterschaftlichen Kollektiventscheidung, die funktionelle Arbeitsteilung und die wesentliche Mitwirkung bei der Tatbestandsverwirklichung; die normativen Bestandteile wären ihrerseits die Sondereigenschaft oder die besondere positive Pflicht von Unternehmensleitern. Dieses Verständnis der Mittäterschaft führt in den Fällen zur Bestrafung der Führungskräfte eines Wirtschaftsunternehmens als Mittäter, in denen die Mitglieder eines Unternehmensleitungsorgans als Sonderpflichtträger die Herrschaft über die rechtswidrige Entscheidungsfindung ausüben. Diese dogmatische Konstruktion hat zweifellos einen großen Vorteil im Vergleich zur durch die Kausaltheorien entwickelten Mittäterschaft, trotzdem wird sie in dieser Untersuchung wegen der oben (§ 7 A.I.2.c)) bereits vorgebrachten Einwände abgelehnt.

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2. Abschn.: Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen

Gegenüber den unüberwindbaren Einwänden gegen die Tatherrschaftslehre haben die Vertreter und Nachfolger der funktionalistischen Strafrechtsdogmatik Deutschlands und Spaniens einen speziellen Mittäterschaftsbegriff entwickelt, um die strafrechtliche Verantwortlichkeit mehrerer Mitglieder von Unternehmensleitungsorganen zu begründen, wenn solche Sonderpflichtträger durch die Nichterfüllung ihrer positiven Pflichten ein Wirtschaftsdelikt begehen. In der Struktur dieser umformulierten Mittäterschaft werden die „faktische Tatherrschaft“ und die „gemeinsame Tatbegehung“ der durch die Tatherrschaftslehre festgestellten herkömmlichen Mittäterschaft durch die „rechtswidrige Organisation“ bzw. „gemeinsame Pflichtverletzung“ ersetzt. So plädiert der normativ funktionalistische Mittäterschaftsbegriff für die Mittäterschaft aller Führungskräfte eines Wirtschaftsunternehmens, die ihre positiven Sonderpflichten bei einer rechtswidrigen Entscheidungsfindung gemeinsam verletzen. Trotz ihrer unbestreitbaren Vorteile gegenüber der durch die Kausal- und Tatherrschaftslehre entwickelten traditionellen Mittäterschaft wird der normativen Mittäterschaft hier nicht gefolgt, weil die Rechtsnatur der Sonderpflichten, auf deren Verletzung sich das Täterunrecht stützt, deren gemeinsamen Verstoß verhindert und dadurch die Annahme von Mittäterschaft unmöglich macht. Die auch ausgehend von der Tatherrschaftslehre entwickelte „Mitanstiftung“ rechnet den Unternehmensleitern und Nichtqualifizierten die „mittäterschaftliche“ Anstiftung bzw. unmittelbare Täterschaft eines Wirtschaftsdelikts in der Sonderkonstellation zu, in der der handelnde außenstehende Vordermann die von den qualifizierten Unternehmensleitern gefasste rechtswidrige Kollegialentscheidung freiwillig oder vollverantwortlich ausführt. In Spanien wurde die „erforderliche Beihilfe“ zur Begründung der Strafbarkeit einiger Beteiligten eingeführt, wenn sie entweder wegen des wesentlichen Quantums ihrer materiellen Beiträge zur Tatbestandsverwirklichung oder aufgrund der in ihren Personen fehlenden Tätereigenschaft keine Täter werden können, weil die Annahme einer Täterschaft die Tatherrschaft – bei den Herrschaftsdelikten – bzw. die Übertretung einer Sonderpflicht – bei den Pflichtdelikten – erfordern würde. Schließlich findet sich die „einfache Beihilfe“, die zur Bestrafung der entweder im Vorbereitungs- oder Vollendungsstadium geleisteten unwesentlichen Beiträge zur rechtswidrigen Entscheidungsfindung (zum Tatbestandsvollzug) angewandt wird.

3. Abschnitt

Entwicklung eines alternativen Verständnisses von Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen, ausgehend von der in beiden Ländern vertretenen Pflichtdeliktslehre § 8 Die Unterscheidung zwischen „allgemeinen Pflichtdelikten“ (Herrschafts- oder Organisationsdelikten) und „Sonderpflichtdelikten“ (Pflichtdelikten) als geeigneter Ausgangpunkt für die theoretische Begründung der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen in Deutschland und Spanien Mit diesem Abschnitt beginnt die Entwicklung meines unter besonderer Berücksichtigung der Pflichtverletzungslehre aufgebauten persönlichen Verständnisses von Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen. Diese rechtsphilosophischen und rechtstheoretischen Grundlagen beziehen sich auf die folgende Frage: Warum sind Bürger als Täter oder Teilnehmer für ein Allgemein- oder Sonderpflichtdelikt verantwortlich, wenn sie an der Verletzung einer negativen Gemeinpflicht oder einer positiven Sonderpflicht mitwirken? So gliedert sich dieser Abschnitt in zwei Unterabschnitte. Im ersten Unterabschnitt (A.) werden die Natur und Begründung der Allgemeinpflichtdelikte – Delikte wegen der Verletzung allgemeiner negativer Pflichten – ausgehend von der Rechtsphilosophie des liberalen Rechtsstaates erläutert. Im Gegensatz dazu beschäftigt sich der zweite Unterabschnitt (B.) mit dem Wesen und den Grundlagen der Sonderpflichtdelikte – Delikte kraft Verletzung positiver Sonderpflichten – innerhalb der Rechtsphilosophie und Rechtstheorie des sozialen demokratischen Verfassungsstaates1. Im Folgenden werden die im Rahmen der genannten rechtsphiloso1 Der „sozialdemokratische Verfassungsstaat“ wird als die existenzielle rechtspolitische Einheit definiert, in der sowohl die individuellen, sozialen und politischen Grundrechte als auch

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

phischen und rechtspolitischen Strömungen entwickelten Begriffe Staat, Person, Recht, Strafrecht, Strafunrecht und Pflicht erläutert, denn aus meiner Sicht sind diese Kategorien die Grundvoraussetzungen sowohl des allgemeinen Unrechts von Täterschaft und Teilnahme als auch des spezifischen Täter- und Teilnehmerunrechts bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen.

A. Natur und theoretische Grundlagen des Strafunrechts bei den negativen „Allgemeinpflichtdelikten“ (Herrschafts- oder Organisationsdelikte) I. Der liberale Staat als bloßer Beschützer der individuellen Freiheitssphäre und des privaten Vermögens Einer der Eckpfeiler, auf den sich die unterschiedlichen theoretischen Grundlagen des Täter- und Teilnehmerunrechts bei den Allgemeinpflichtdelikten oder Delikten wegen Verletzung negativer Allgemeinpflichten stützen, ist der Staatsbegriff und dessen Funktionen, wie sie zum Zeitpunkt der Entstehung solcher Rechtspflichten verstanden wurden. Ein solcher Staatsbegriff ist der des liberalen Staates, dessen im Gesellschaftsvertrag (Verfassung) festgestellte damalige Aufgaben im Schutz des Lebens, der persönlichen Freiheit und des Privateigentums gegenüber den willkürlichen Angriffen eines Dritten2 bestanden. Aus diesem Grund wurde der liberale Staat als eine Rechtsschutzanstalt oder Gesellschaft unabhängiger Subjekte definiert, der sich mit seinem Rechtssystem auf die Garantie eines äußerlich reibungslosen

die Rechtspflichten nach den in der Verfassung festgeschriebenen Prinzipien und Grundwerten ausgeübt bzw. erfüllt werden. Dies setzt voraus, dass zumindest eine geschriebene Verfassung vorliegen muss, die eine Reihe von Grundsätzen, Grundrechten und Grundpflichten demokratischer Natur festlegt, welche eine zwingende und unmittelbare Anwendung sowohl auf das soziale und rechtspolitische Gesamtsystem als auch auf die Verhaltensweisen der Bürger, Beamten und Behörden hat. Zum demokratischen Verfassungsstaat vgl. unter anderen Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 234, 237 f., 244 ff.; Comanducci, Formas de Neoconstitucionalismo, S. 81 ff.; Guastini, La constitucionalización del ordenamiento jurídico, S. 50 ff.; Häberle, Der kooperative Verfassungsstaat, Berlin, 2013; Heller, Staatslehre, 1983; Zacher, Freiheits- und Sozialrechte im modernen Verfassungsstaat, S. 75 ff. 2 In diesem Sinne soll es Zweck des Gesellschaftsvertrags sein, eine Form der Gemeinschaft zu finden, in der einerseits die Person und das Eigentum eines jeden Teilhabers durch die gemeinsame Kraft geschützt und verteidigt werden und andererseits jeder, der sich mit der Gesamtheit verbindet, nur sich selbst gehorcht und seine frühere Freiheit bewahrt, vgl. Hobbes, Leviathan, Siebzehntes Kapitel, S. 141 ff.; Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung, Kapitel 9, Rn. 124 ff.; Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, Erstes Buch, 6. Kapitel, S. 28 f.; Rinaldi, Hegel und das philosophische Verständnis der Person, S. 18, 20. Im Bereich der Strafrechtswissenschaft beschäftigt sich mit dieser Problematik Lesch, Das Problem der sukzessiven Beihilfe, S. 135.

§ 8 Unterscheidung zw. „allgemeinen Pflichtdelikten“ u. „Sonderpflichtdelikten“ 297

Nebeneinanderlebens dieser Individuen beschränkte und Überbegriffe nicht voll angepasster Individuen in die Freiheitssphäre der anderen zu verhindern suchte3. Diese Definition des liberalen Staates und damit der Bedeutung seiner Aufgaben und seines Zweckes ist im Wesentlichen auf einen Bruch mit den bis zum 17. und 18. Jahrhundert geltenden politischen und kulturellen Paradigmen zurückzuführen4. Denn seit Beginn des 16. Jahrhunderts gab es einen Säkularisierungsprozess der Kultur5, der nicht nur zum Sturz der absoluten Monarchien als Formen existenzieller politischer Organisation der Gesellschaft und des Staats, sondern auch zur Entmachtung der katholischen Kirche (Gott) als einziger Quelle der Wahrheit und des Wissens6 führte. Es handelte sich um einen kulturellen und politischen Paradigmenwechsel, der zum einen zur Herausbildung des liberalen Staates als Form der politischen Organisation der Gesellschaft7 führte und zum anderen die Entstehung der Unabhängigkeitsvorstellung der Existenz des Menschen und seiner Freiheit vom politischen und göttlichen Willen8 bedeutete. Der Mensch wurde nämlich als vernünftiges und freies Subjekt begriffen, welches als einzige kreative Quelle des Wissens und aller Formen politischer und sozialer Organisation betrachtet wurde. Auf diese Weise liegt die Basis oder Legitimation des Staates nicht in seiner göttlichen Stiftung oder göttlichen Ordnung9, sondern in der Bezogenheit auf die freie selbstbestimmte Einzelpersönlichkeit, d. h. im Menschen als Mensch10. Der Staat als Ausdruck der Vernunftprinzipien wird daher im Interesse des Wohls aller einzelnen gebildet. In diesem neuen Zusammenhang wird der liberale Staat in Übereinstimmung mit dem aufgeklärten Menschbegriff als Schöpfung der dem Menschen innewohnenden Vernunft und dessen natürlicher Freiheit definiert11. Zweck und Funktion des Staates konzentrieren sich daher nur auf den Schutz der Individualität des Menschen. Entsprechend der allgemeinen Prämisse, nach der der Mensch Inhaber von unendlicher Freiheit und daher unendlichen Naturrechten ist, wird dem liberalen Staat – als Schaffung der natürlichen Freiheit – nur die Funktion des Schutzes von Leben, in3 Vgl. dazu Kindhäuser, GA 1989, S. 494; Lesch, Das Problem der sukzessiven Beihilfe, S. 136; Salomon, ZStW 33 (1912), 5; ders., MschrKrim 15 (1924), 171 ff. 4 Rinaldi, Hegel und das philosophische Verständnis der Person, S. 18 f., 20 ff. 5 Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 92 ff. 6 In diese Richtung geht Lockes These bezüglich der Begründung des Staats, wenn er einerseits die Idee einer göttlichen Legitimation politischer Herrschaft kritisiert und andererseits die Gesellschaftsvertragstheorie auf der Grundlage der irdischen Interessen und Zwecke des freien Menschen begründet, vgl. dazu Mahlmann, Rechtsphilosophie und Rechtstheorie, § 3, Rn. 26; vgl. dazu auch Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 93 f., 58; Rousseau, Du contrat social, S. 52 f. 7 Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 94. 8 Vgl. dazu Discours sur l’inégalité, S. 88 ff., 98 ff. 9 Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 145. 10 Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 145. 11 Locke, Zweite Abhandlung über die Regierung, Kapitel 8, Rn. 95.

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

dividueller Freiheit und Privateigentum übertragen12; d. h. der Staat durfte (musste) die natürliche Freiheit des Menschen als unabdingbare Voraussetzung für den Schutz derselben Freiheit einschränken. Deswegen bestehe ein Recht auf Widerstand, wenn der Staat (die Regierung) das Leben, das Eigentum, und die Freiheit nicht schütze13. Seinerseits ist das soziale Interesse von der Funktionskompetenz des Staates ausgeschlossen14. Es ist nämlich keine Aufgabe des liberalen Staates, die Interessen der Gemeinschaft zu schützen, geschweige denn das Wohl des Individuums und des Kollektivs zu fördern. Sowohl der Schutz der kollektiven Interessen als auch die Förderung des individuellen und sozialen Wohlergehens wurden den individuellen bzw. sozialen Institutionen überlassen. Zur Erfüllung dieser elementaren Aufgaben erlegte der Staat den Bürgern nur negative allgemeine Rechtspflichten15 auf.

II. Die Person als Trägerin negativer Pflichten Innerhalb der liberalen (Rechts-)Philosophie wurde der Mensch als freies und vernünftiges Wesen verstanden. Diese Ansicht wurde schon von Hobbes im 17. Jahrhundert vertreten, der behauptete, dass „die Natur die Menschen sowohl in Hinsicht der Körperkräfte als der Geistesfähigkeiten einen wie den andern gleichmäßig begabt habe“16. In diese Richtung geht auch der Lockesche Gesichtspunkt, nach dem die Menschen von Natur aus frei und gleich sind17; denn nach Lockes Auffassung ist die Person „ein denkendes, verständiges Wesen, das Vernunft und Überlegung besitzt und sich selbst als sich selbst betrachten kann“18. Anders formuliert liege die unbegrenzte natürliche Freiheit aller Menschen darin begründet, dass sie sich in vollkommenem Selbstbewusstsein19, vollkommener Vernunft20 und daher vollkommener Freiheit21 befinden, innerhalb der Grenzen des Gesetzes der Natur ihre Handlungen zu regeln und über ihren Besitz und ihre Person so zu verfügen, wie es ihnen am besten scheine, ohne dabei jemanden um Erlaubnis zu bitten

12 Locke, Zweite Abhandlung über die Regierung, Kapitel 8, Rn. 95 ff., Kapitel 19 (Rn. 222 ff.). 13 Locke, Zweite Abhandlung über die Regierung, Kapitel 18 (Rn. 207 ff.), Kapitel 19 (Rn. 230 ff.); García-Pelayo, Las transformaciones del Estado contemporáneo, S. 156. 14 Lancheros-Gámez, Dikaion 18 (2009), 251. 15 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 2. Aufl., S. 56 ff., 69 f. 16 Hobbes, Leviathan, Dreizehntes Kapitel, S. 115. 17 Locke, Zweite Abhandlung über die Regierung, Kapitel 2 (Rn. 4 ff.), 8. Kapitel (Rn. 119). 18 Locke, Über den menschlichen Verstand, Buch II, Kap. 27, Rn. 9; Quante, Person, S. 38 ff.; Thiel, Lockes Theorie der personalen Identität, S. 44 ff. 19 Vgl. dazu Wolff, Die Definition einer Person, § 924, S. 750. 20 Siehe hierzu Müller, Einleitung in die philosophischen Wissenschaften, Teilband 2, S. 61. 21 Heydenreich, System des Naturrechts nach kritischen Prinzipien, Erster Teil, S. 214.

§ 8 Unterscheidung zw. „allgemeinen Pflichtdelikten“ u. „Sonderpflichtdelikten“ 299

oder vom Willen eines anderen abhängig zu sein22. Im gleichen Sinne fuße die natürliche Gleichheit aller Subjekte darauf, dass alle Macht und Gerichtsbarkeit wechselzeitig sind, indem niemand mehr als ein anderer besitze; d. h. alle Subjekte hätten das gleiche Maß an Vernunft und den gleichen Rang, um ohne Unterschied derselben die Vorteile der Natur zu genießen und derselben Fähigkeiten zu gebrauchen23. Rousseau entwickelte einen ähnlichen Menschbegriff, denn nach seinem rechtsphilosophischen Gedanken sei der Mensch von Natur aus frei24 ; d. h. der Mensch und seine Freiheit lägen auch vorstaatlich, vorsozial und vorkulturell vor25. Genauer gesagt seien die Menschen im Naturzustand26 isoliert lebende Wesen, sodass sie nur Freiheit aber keine Pflichten vor anderen Menschen hätten27. Die Menschen seien erst innerhalb eines Rechtszustands Träger von Rechtspflichten28. Unter dem Einfluss von Locke und Rousseau entwickelten Kant und Fichte den Personenbegriff29, wenn sie den Mensch als eine vernünftige Einheit von Materie und Geist definieren, in der zwischen beiden Bestandteilen eine „metaphysische Verbindung“ bestehen soll30, die bewirke, dass Seele und Körper ein Zugrundeliegendes oder das Vernunftwesen bilden, was „Person“ genannt wird31. Der ontologische Aspekt würde dem „Homo Phänomenon“ und der bewertende Aspekt dem „Homo Noumenon“ entsprechen. Das „Homo Phänomenon“ würde das endliche, sensible und körperliche Sein darstellen und wäre an Naturgesetze gebunden und von diesen beherrscht; andererseits wäre das „Homo Noumenon“ das rationale und geistige Wesen, welches rationalen oder geistigen Gesetzen (z. B. Rechtsnormen und ethischen Normen) unterliegt. Dies bedeutet, dass der Mensch bei den liberalen Philosophen – vor allem bei Kant und Fichte – eine unteilbare Einheit von Geist und Materie ist, nämlich eine denkende materielle Einheit (menschliche Figur), die sich durch die natürliche Vernunft von der instinktiven Welt emanzipiert und sich von Tieren unterscheidet32. Daher wäre der Mensch aufgrund des Vorherrschens von „Homo Noumenon“ über „Homo Phänomenon“ überaus ethisch und überaus ratio22 23 24 25 26

S. 21. 27

Locke, Zweite Abhandlung über die Regierung, Kapitel 2, Rn. 4. A. a. O. Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, 1. Kapitel, S. 14. Herb, Rousseaus Theorie legitimer Herrschaft, S. 77. Vgl. zum Wesen und zu den Merkmalen des Naturzustandes Kant, Zum ewigen Frieden,

Für dieses Personsverständnis spricht das Axiom „Ich bin ein Individuum – eine für mich bestehende Einzel-Person“, siehe hierzu Stübinger, Hegel und das moderne Verständnis der Person, S. 87. 28 Siehe hierfür Kant, Die Metaphysik der Sitten, Einleitung in die Rechtslehre (§ C.), § 40 (S. 323); ders., Zum ewigen Frieden, S. 22. 29 Zum Einfluss des Lockeschen Personsbegriffs auf Kant und damit auf Fichte vgl. Siep, Praktische Philosophie im deutschen Idealismus, S. 83 ff. 30 Siehe hierfür Kant, Kritik der reinen Vernunft (Einleitung de Transzendentalphilosophie II, S. 57 ff.); ders., Kritik der praktischen Vernunft, § 5. 31 Siehe hierfür Stübinger, Hegel und das moderne Verständnis der Person, S. 75. 32 Vgl. Rousseau, Discours sur l’inégalité, S. 98 ff.

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

nal; d. h. der Mensch wäre (ist) rational und frei in sich33. In diesem Zusammenhang würden Vernunft und Freiheit vor dem Recht und Staat existieren. Daher führen sie zu gegenseitiger und gleichursprünglicher Anerkennung der autonomen Persönlichkeit in sich und im anderen, was damit zur Voraussetzung jedes rechtlichen Verhältnisses wird34. Dieses Konzept ist transzendentaler Natur35, weil es dem Menschen einen vom Rechtssystem losgelösten metaphysischen Personsbegriff zuschreibt. Die Prinzipien, welche die Anerkennung und den Respekt des anderen als rational, frei und gleichberechtigt begründen, entspringen der angeborenen abstrakten und natürlichen Freiheit zu ihrem eigenen Wesen. Dies führte Kant36 und einen seiner Nachfolger (Schmalz37) zur Formulierung der These, dass jeder Mensch (Person) „die Menschheit“ in sich trage, weshalb der Mensch sich selbst und alle anderen immer nur als Zweck und niemals nur als Mittel gebrauchen dürfe. Gleiche Bedeutung hat Kants Aphorismus über den Personenbegriff, nach dem Person „dasjenige Subjekt“ sei, dem Handlungen zugerechnet werden können38. Auf ein solches Personsverständnis gründen sich die drei Versionen des von Kant formulierten kategorischen Imperativs, welches somit zur Säule seines Rechtsbegriffs wird39. In die gleiche Richtung geht Fichtes Gedanke, der darauf hinweist, dass Person im Rechtszustand zu sein bedeutet, dass ich von einem rationalen Wesen verlangen kann, mich als ein anderes rationales Wesen (als Person) anzuerkennen, aber nur wenn ich ihn wie mich selbst behandle40, d. h. als rationales und freies Wesen (als Person). Daraus ist zu schließen, dass die Person im Rahmen des liberalen Staats der Aufklärung als eine Einheit von Materie und Vernunft begriffen wurde, die Trägerin nur negativer allgemeiner Pflichten41 war. Aus diesem theoretischen Axiom entstand das Prinzip „neminem laede“ als einzige grundlegende Institution der liberalen Gesellschaft, nach der niemand Leben, Gesundheit, Freiheit und Eigentum eines 33

Hierfür siehe Rousseau, Du Contrat Social, I, 8; II, 6. Nach De Pascales Sicht ist die gleichursprüngliche Anerkennung die Grundlage des Rechtssatzes, welcher eine Person dazu zwingt, die Wesen außerhalb von ihr, in deren gerade präzisierten Bedeutung, als freie Wesen anzuerkennen. Vgl. dazu De Pascale, Kommentar von Heikki, „Fichte on Recognizing Potential Persons“, S. 61; darüber hinaus Stübinger, Hegel und das moderne Verständnis der Person, S. 89. 35 Zur Transzendentalphilosophie und insbesondere zum transzendentalen Personsbegriff vgl. unter anderen Kant, Kritik der praktischen Vernunft, S. 57 ff. 36 Vgl. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, AB, S. 65 ff.; Hruschka, JZ 1990, S. 1 ff., 10 ff.; Fries, Philosophische Rechtslehre, S. 7, 32; ders., Handbuch der praktischen Philosophie, S. 78. 37 Schmalz, Das reine Naturrecht, §§ 13, 34, 36, 38 f. 38 Zu Kants Persons- und Zurechnungsbegriff vgl. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 26, 31. Darüber hinaus siehe Baum, in: Lohmar/Peucker (Hrsg.), Subjekt als Prinzip?, S. 81 ff., 86 ff.; Geismann, Kant und kein Ende, S. 61 ff. 39 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 26, 34. 40 Schmalz, Das reine Naturrecht, §§ 13, 14, 38. 41 Schmalz, Das reine Naturrecht, §§ 42, 47. 34

§ 8 Unterscheidung zw. „allgemeinen Pflichtdelikten“ u. „Sonderpflichtdelikten“ 301

anderen verletzen durfte42. Das beste Beispiel im Rahmen der internationalen Rechtsordnung, welches das genannte liberale Personsverständnis und daher den natürlichen Freiheitsbegriff verkörpert, ist die im Jahr 1789 geschaffene Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte43, deren Art. 4 lautet: „Die Freiheit besteht darin, alles tun zu dürfen, was einem anderen nicht schadet: Die Ausübung der natürlichen Rechte eines jeden Menschen hat nur die Grenzen, die den anderen Mitgliedern der Gesellschaft den Genuss ebendieser Rechte sichern. Diese Grenzen können nur durch das Gesetz bestimmt werden.“ In Übereinstimmung mit dem bereits erläuterten theoretischen und normativen Personsbegriff war (ist) Person im Bereich des liberalen Strafrechts jeder Mensch, der in Ausübung seines freien Willens die negative Maxime des sozialen Zusammenlebens erfüllte oder verletzte und daher das Zurechnungszentrum der Erfüllung oder Verletzung einer solchen Maxime war44. Sodann wurde (wird) das Täter- und Teilnehmerunrecht bei den innerhalb der liberalen Gesellschaft der Aufklärungszeit entstandenen allgemeinen Pflichtdelikten um den liberalen Personsbegriff herum errichtet, die nur allgemeine negative Pflichten trugen.

III. Der negative Rechtsbegriff aus Sicht der zum liberalen Rechtsstaatsverständnis gehörenden Rechtsphilosophie als Quelle der allgemeinen negativen Pflichten In Einklang mit dem liberalen Staats- und Personsverständnis wurde das Recht innerhalb der liberalen Rechtsphilosophie als negatives oder einschränkendes Instrument der natürlichen Freiheit definiert. Aus dieser Sicht schafft das Recht die menschliche Freiheit nicht erst, sondern es garantiert sie nur als von der Natur dem Menschen gegebene Gabe. Dies liege darin begründet, dass der Mensch – wie bereits erwähnt – von Geburt an mit Vernunft, Freiheit und Gleichheit ausgestattet sei45. Denn der Mensch ist aus Sicht der liberalen Rechtsphilosophie per se frei und rational, sodass die menschliche Freiheit unabhängig von der Existenz des Staates, des Rechts und des Gesellschaftssystems besteht46. 42

Dazu Mahlmann, Rechtsphilosophie und Rechtstheorie, § 3, Rn. 26. In gleichem Sinne Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 59. 44 Siehe hierzu Kant, Metaphysik der Sitten, 3. Aufl., S. 27, 35 f. 45 So Locke (vgl. Seidel, Von Francis Bacon bis Jean-Jacques Rousseau, Berlin, 2010, S. 166). 46 Kant, Kritik der praktischen Vernunft, S. 85 ff., 109 ff.; ders., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 51; ders., Metaphysik der Sitten, § 42. Hobbes, Leviathan, dreizehntes Kapitel (S. 115 ff.) und siebzehntes Kapitel (S. 141 ff.) hat auch im Rahmen der Staatslehre auf die Anerkennung der Autonomie des Menschen zurückgegriffen, um das gegenseitige Misstrauen der sich vor der Schaffung des Staats in einem Naturzustand befindlichen Menschen zu überwinden. 43

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

Aus diesem Grundverständnis heraus formulierten die liberalen Philosophen ihre korrespondierenden Begriffe zur Natur des Rechts. Beispielweise sieht Kant den Zweck des Rechts in der Unabhängigkeitserhaltung der individuellen Freiheit47 von fremden willkürlichen Angriffen mit dem Ziel, dass jeder Mensch seine eigene Glückseligkeit als höchstes Gut ohne Verletzung von fremden Freiheitssphären verfolgen kann48. Deshalb definiert Kant das Recht als „de[n] Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen vereinigt werden kann“49 ; d. h. das Recht ist nach Kants Auffassung eine negative Institution, deren Gültigkeit sich im vereinigten Nebeneinanderbestehen der Freiheit eines jeden mit der Freiheit eines anderen widerspiegelt. In Übereinstimmung mit diesem Rechtsbegriff formulierte Kant seinen kategorischen, dem Recht zugrundeliegenden Imperativ in drei Versionen: (1) „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“50 oder „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne“51; (2) „Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst“52 und (3) „Handle nach Maximen, die sich selbst zugleich als allgemeine Naturgesetze zum Gegenstande haben können“53. Die Erfüllung dieser Pflichten sei die Voraussetzung des Schutzes der individuellen Freiheit. Kants Rechtsverständnis wurde von seinen Nachfolgern Fichte, Fries und Schmalz übernommen. Nach Fichtes Auffassung ergebe sich die negative Natur des Rechts auch aus seinem Zweck, der auf die Beschränkung der unbegrenzten Willkür gerichtet sei54, um so die Freiheit an sich zu bewahren55. Deswegen sei das Recht aus Sicht von Fichte ein Bedürfnis des Subjekts56, denn es ermögliche die Anerkennung des anderen als Person und führe dadurch zum Vorliegen einer freien Gemeinschaft. 47 Kant, Metaphysik der Sitten (Einleitung in die Rechtslehre/Einteilung der Rechtslehre, B), S. 38 f. 48 Kant, Kritik der praktischen Vernunft, Erste Teil (Buch I, § 3/Lehrsatz II, S. 23; Buch II, Zweites Hauptstück/Höchstes Gut, S. 134 – 136); ders., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 2. Aufl., S. 69; vgl. auch Lesch, Das Problem der sukzessiven Beihilfe, S. 135. 49 Kant, Metaphysik der Sitten (Einleitung in die Rechtslehre, § B), 3. Aufl., S. 34 f. 50 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 421; ders., Kant, Metaphysik der Sitten, 3. Aufl., S. 26. 51 Kant, Kritik der praktischen Vernunft, § 7, S. 39; ders., Metaphysik der Sitten, S. 28 f. 52 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 429. 53 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 437. 54 Fichte, Grundlage des Naturrechts, § 7/I, S. 86. 55 Fichte, Grundlage des Naturrechts, § 7/II, III, S. 87 f. 56 Der Grund dafür wäre, dass die natürlich unbegrenzte Kraft der vernünftigen Menschen – die die Zerstörung der fremden Freiheitsphäre bedeutet – nicht durch das Natur-, sondern nur durch das Rechtsgesetz limitiert werden kann. Vgl. Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, 1960, Hamburg, § 7/I (S. 85), § 10 (S. 111), § 12/I (S. 119).

§ 8 Unterscheidung zw. „allgemeinen Pflichtdelikten“ u. „Sonderpflichtdelikten“ 303

Nach dem Verständnis von Fries57 – wie bei Kant – ergebe sich die negative Natur des Rechts aus seinem eigenen Ziel – der Anerkennung der anderen Person (der Respekt der fremden Freiheit) als Zweck an und für sich. Daraus leitet sich ab, dass das Recht nach Fries Auffassung58 ein Inbegriff der negativen Rechtspflichten sei, welche die natürliche Freiheit nur durch die Pflicht zur Unterlassung schädigender Handlungen einschränke. Schmalz vollendet die negative Konzeption des Rechts, indem er betont, dass das Ziel des Rechts nicht in der Vermehrung oder Beförderung der Freiheit liege59, sondern sich nur auf die Erhaltung60 ihres natürlichen Wesens richte. So seien sowohl die subjektiven Rechte als auch die Rechtspflichten mit der Erhaltung der externen Freiheit verknüpft, die darin bestehe, seinen privaten Freiheitsraum ohne von außen kommende Eingriffe nutzen zu können61.

IV. Das Recht als System allgemeiner negativer Pflichten Im erwähnten rechtsphilosophischen Kontext, in dem die Natur und der Zweck des Rechts als negative Begriffe determiniert sind, werden auch die Rechtspflichten negativ mit dem Grundsatz des „Nicht-Schädigens“ umschrieben. Diese Maxime wurde zum ersten Mal in der Philosophie von Locke formuliert. Locke62 legte dar, dass das Vernunft-Gesetz der Menschheit befehlige, dass – wegen der rationalen und gleichen Natur aller Menschen – „niemand den anderen schädigen dürfe“; genauer: „Niemand solle Leben, Gesundheit, Freiheit und Eigentum eines anderen verletzen“63. Pufendorf verfocht denselben Gedanken und formulierte ausgehend davon, dass sich die negative Pflicht in dem Prinzip „Niemand soll dem anderen Schaden zufügen“ materialisiere64. Aus Sicht von Pufendorf sei der Grundsatz „die Sphäre des anderen nicht zu verletzen“ die wichtigste Pflicht, da ohne seine Geltung der Mensch nicht in einer Gemeinschaft leben könne65. Dieses negative Rechtsverständnis wurde 57

Fries, Philosophische Rechtslehre und Kritik aller positiven Gesetzgebung, S. 14 f. Fries, Philosophische Rechtslehre und Kritik aller positiven Gesetzgebung, S. 13 f. 59 Schmalz, Handbuch der Rechtsphilosophie, Rn. 70 (S. 54). 60 Schmalz, Handbuch der Rechtsphilosophie, Rn. 71 (S. 54), Rn. 74 (S. 57). 61 Vgl. dazu Schmalz, Handbuch der Rechtsphilosophie, Rn. 74 (S. 57), Rn. 77 (59). 62 Locke, Zweite Abhandlung der Regierung, Kapitel 2, Rn. 6 ff. 63 Wörtlich lautet die These Lockes: „Dieses Gesetz ist die Vernunft, und sie lehrt die ganze Menschheit, wenn sie sie nur befragen will, dass, da alle gleich und unabhängig sind, niemand dem anderen an seinem Leben und Besitz, seiner Gesundheit und Freiheit Schaden zufügen soll“, siehe Locke, Zweite Abhandlung der Regierung, Kapitel 2, Rn. 6. 64 Pufendorf, De officio hominis et justa legem naturalem, Band I, Kap. 6, § 2. 65 Dafür argumentiert Pufendorf (De officio hominis et justa legem naturalem, Band I, Kap. 6, § 2), dass ich mit einem anderen Menschen, der meinen Freiheitsraum willkürlich verletzt, auf gar keinen Fall in Frieden leben kann; siehe auch Schmalz, Das reine Naturrecht, §§ 40, 42. 58

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

in der kantischen Formulierung aufgegriffen. So formuliert Kant66 die negative Natur dieser Pflicht durch folgenden Grundsatz: „Tue niemandem Unrecht (neminem laede), und solltest du darüber auch aus aller Verbindung mit anderen herausgehen und alle Gesellschaft meiden müssen“. Deshalb liege aus Kants Sicht ein (Straf-) Unrecht vor, wenn eine Person diese Rechtspflicht übertrete, weil ein solcher Gebrauch der Freiheit selbst ein Hindernis der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen (d. i. Unrecht) sei67. Später wurde die das Rechtssystem als eine Einheit negativer Allgemeinpflichten konzipierende Lehre von anderen Philosophen weiterentwickelt. Schopenhauers Standpunkt geht in die gleiche Richtung. Nach seiner Auffassung68 „dürfen die Menschen alles machen, solange sie die fremde Freiheitssphäre nicht verletzen, weil ein die fremde Sphäre wahrendes Verhalten kein strafrechtliches Unrecht begründen könne“. Im gleichen Sinne spricht sich Fichte dafür aus, nach dem das sog. Prinzip des „Nicht-Schädigens“ sich durch die Maxime „musst du deine Freiheit begrenzen, sodass auch der andere neben dir frei sein kann, weil eine Gemeinschaft der freien Menschen nicht möglich ist, wenn die Willkür jedes Menschen nicht diesem Grundsatz unterliegt“69 offenbart. Daraus schließt Fichte, dass das Prinzip des „Nicht-Schädigens“ für jeden gelte, der in einer Gemeinschaft leben wolle. Ebenso ist nach Schmalz’ Auffassung das oberste Gebot (oder oberste Verbot) des Rechtssystems negativer Natur, weil die einzige Forderung für das Zusammenleben einer vernünftigen Gesellschaft sei, die anderen nicht zu schädigen; denn aus seiner Sicht „ist dies Gebot die einzige Bedingung, unter welcher vernünftige Wesen in Freiheit neben einander bestehen können“70. Aus diesem Grund seien Rechte und Pflichten nur negativ71. Aus den dargestellten philosophischen Auffassungen lassen sich zwei vorläufige Schlussfolgerungen ziehen: Erstens, die theoretische Grundlage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Verletzungen der allgemeinen negativen Pflicht des „NichtSchädigens“ stammt aus der Philosophie des liberalen Rechtsstaats. Zweitens, das Gebot des neminem-laede-Prinzips enthält keine darüber hinausgehende Pflicht zur positiven Förderung bzw. zu einem Beitrag zur Bildung einer gemeinsamen Welt. Diesbezügliche, positive Pflichten waren nicht juristischer Natur; sie wurden im Rahmen des liberalen Rechtsstaates lediglich durch allgemeingültige Vorstellungen von Moral oder Sittlichkeit konkretisiert72. 66 Kant, Metaphysik der Sitten (Einleitung in die Rechtslehre/Einteilung der Rechtslehre A), S. 37. 67 Kant, Metaphysik der Sitten (Einleitung in die Rechtslehre, § D), 3. Aufl., S. 36. 68 Schopenhauer, Parerga und Paralipomena, Kap. IX, § 121. 69 Fichte, Grundlage des Naturrechts, § 7/IV, S. 89. 70 Schmalz, Das reine Naturrecht, § 40. 71 Schmalz, Das reine Naturrecht, § 42. 72 Dazu vgl. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 3. Aufl., 1792, S. 56; Pufendorf, De officio hominis et justa legem naturalem, Band I, Kap. 6, § 2.

§ 8 Unterscheidung zw. „allgemeinen Pflichtdelikten“ u. „Sonderpflichtdelikten“ 305

V. Übertragung des negativen Rechtsverständnisses auf das Strafrecht: Der strafrechtliche Unrechtsbegriff als Verletzung der fundamentalen „allgemeinen negativen Pflichten“ der liberalen Gesellschaft Die liberalen Rechtsphilosophen begründeten also durch die Formulierung ihrer Gedanken zum Rechtszweck und zur Rechtsnatur die theoretischen Wurzeln der klassischen Formen der Strafbarkeit. Mit anderen Worten lassen sich die philosophischen Grundlagen der beiden Unrechtsformen bei der Beteiligung an Delikten wegen der Verletzung negativer Allgemeinpflichten bereits im liberalen Staats-, Personen- und Rechtsverständnis finden, da durch die negativen Definitionen dieser Kategorien zwei allgemeine Pflichten festgelegt wurden, deren Verletzung einerseits die Täterschaft und andererseits die Teilnahme begründet. Diese Leitprinzipien oder strafrechtlichen Pflichten bei der Freiheitsausübung sind „den anderen nicht zu schädigen“ und „nicht zur Schädigung eines Dritten durch einen anderen beizutragen“. Solche strafrechtlichen Haftungsformen, in denen sich Täterschaft und Teilnahme als Verstöße gegen das Prinzip des „Nicht-Schädigens“ bzw. des „NichtBeitragens zur Schädigung eines Dritten durch einen anderen“ darstellen, werden von der modernen Strafrechtslehre unrichtigerweise – wie unten (§ 9 B.I.1.) erklärt wird – entweder als Herrschaftsdelikte oder als Organisationsdelikte begriffen – ersteres z. B. im kriminalpolitischen Funktionalismus, letzteres z. B. im systemischen Funktionalismus. So kriminalisiert der Gesetzgeber im Bereich der Täterschaft nach dem Verständnis der kriminalpolitischen Strafrechtsdogmatik die Tatherrschaft über den Geschehensablauf73, d. h. die ontologische Herrschaft über die Verletzung des neminem-laede-Prinzips. Demgegenüber pönalisiert der Gesetzgeber nach dem Verständnis der systemischen Strafrechtslehre die gegen das neminem-laede-Prinzip verstoßende fehlerhafte Organisation74. Aus meiner Sicht haben die beiden genannten Rechtspflichten für die liberale Gesellschaft und daher für den liberalen Staat eine unentbehrliche Bedeutung, weil ohne sie sowohl die Gesellschaft als auch der Staat nicht existierten können. Grund dafür ist, dass ohne Geltung dieser elementaren Rechtspflichten weder sozialer Frieden herrscht, weil der Staat seine Schutzfunktion gegenüber der individuellen Freiheit und dem privaten Vermögen nicht erfüllen kann, noch die Institutionen der Gesellschaft funktionieren. Werden diese allgemeinen negativen Rechtspflichten normativ – und keinesfalls ontologisch wie im kriminalpolitischen und systemischen Funktionalismus – verstanden, lässt sich sodann mit ihrer entsprechenden Verletzung weder eine Strafhaftung wegen der Tatherrschaft über das Geschehen (Herrschaftsdelikte) noch eine Strafhaftung kraft bloßer fehlerhafter Organisation der Freiheitssphäre (Organisationsdelikte) begründen.

73 74

Vgl. oben § 2 D.IV.2. Vgl. oben § 2 E.IV.2.

306

3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

B. Natur und theoretische Grundlagen des Strafunrechts bei den „positiven Sonderpflichtdelikten“ (Pflichtdelikte oder Delikte wegen institutioneller Zuständigkeit) I. Der soziale Verfassungsstaat als Schöpfer der positiven Bedingungen zur Verwirklichung der Grundrechte Der soziale Verfassungsstaat wird als Objektivierung der dialektischen Entwicklung des dem sozialen und politischen Bewusstsein zugrundeliegenden Selbstbewusstseins verstanden75. Genauer gesagt verkörpert der soziale Verfassungsstaat die vollendete Ebene der Entwicklung der sozialen Freiheit oder des sozialen Geistes76. In Bezug darauf ist der Staat ein System von Institutionen, dessen Zweck die gleichzeitige Verwirklichung des kollektiven Wohlstandes und der individuellen Grundrechte ist77, weil sich im sozialen Verfassungsstaat soziales und individuelles Bewusstsein, soziale und individuelle Freiheit miteinander identifizieren78. Dies bedeutet, dass der Staat keine abstrakte Entelechie statischer und zeitloser Natur ist, dessen Aufgabe sich auf den bloßen Schutz der individuellen Freiheit (Funktion des liberalen Staates) beschränkt, sondern ein realer und dynamischer organischer Körper79, der in der Welt steht80 und sich im Unterschied zum liberalen Staat auf neue Herausforderungen und gesellschaftliche Verwandlungsprozesse einstellen muss81. Damit gibt der soziale Verfassungsstaat die passivrestriktive Rolle des liberalen Staates auf und übernimmt eine aktiv-fördernde

75

Als Objektivierung des Selbstbewusstseins versteht Hegel den dialektischen Prozess, in dem sich das Selbstbewusstsein von seiner rudimentären Phase bis zur höchsten Ebene entwickle. Ein solcher Entwicklungsprozess – wie alle Entwicklungsprozesse – gliedere sich in eine geschlossene Mannigfaltigkeit von Phasen, in der mindestens ein Anfang (These), eine Mittelstufe (Antithese) und ein Abschluss (Synthese) unterschieden werden können, vgl. dazu Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 291 ff., 216 ff.; ders., Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1955, § 257, S. 298 ff.; Gröschner/Henkel/Dierksmeier/Wiehart, Rechts- und Staatsphilosophie, § 11, S. 252; Rinaldi, Hegel und das philosophische Verständnis der Person, in: Autonomie und Normativität, S. 36. 76 Diese höchste Ebene des Entwicklungsprozesses des Selbstbewusstseins wird von Hegel „Sittlichkeit“ genannt, in der der Staat bestehe, siehe hierzu Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 258; Kirste, Hegel und der postnationale Verfassungsstaat, S. 249, 252; Rinaldi, Hegel und das philosophische Verständnis der Person, in: Autonomie und Normativität, S. 36. 77 Siehe hierfür Gröschner/Henkel/Dierksmeier/Wiehart, Rechts- und Staatsphilosophie, § 11, S. 252; Kirste, Hegel und der postnationale Verfassungsstaat, in: Autonomie und Normativität, S. 252. 78 Vgl. dazu Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 260. 79 Zur Lehre des Staats als Organismus vgl. Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 263 ff.; Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 269. 80 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 270. 81 Vgl. Gröschner/Henkel/Dierksmeier/Wiehart, Rechts- und Staatsphilosophie, § 11, S. 252.

§ 8 Unterscheidung zw. „allgemeinen Pflichtdelikten“ u. „Sonderpflichtdelikten“ 307

Funktion für die Entwicklung von Person und Gesellschaft82, da der demokratische soziale Verfassungsstaat verpflichtet ist, dem Bürger alles zur Verfügung zu stellen, was er zum würdigen Lebensunterhalt benötigt83. Dies zeigt, dass die Entstehung des sozialen Verfassungsstaates im Gegensatz zum liberalen Staat in einem anderen historischen, kulturellen und politischen Kontext stattgefunden hat, was die Unterschiede zwischen beiden Staatsformen erklärt. Während der liberale Staat als existenzielle Bestätigung des Menschen gegenüber der politischen Macht entstand, die seine individuelle Freiheit verletzt und seine eigene individuelle Existenz bedroht hatte84, entstand der soziale Verfassungsstaat in einem Zeitraum minimaler Freiheit85, in dem der Mensch nicht nur die Gewährleistung seiner einfachen existenziellen Selbsterhaltung verfolgte, sondern auch die Erreichung eines höheren Wohlstands suchte, d. h. die Befriedigung seiner durch das Leben in Gemeinschaft erlangten neuen Bedürfnisse nach Fortschritt und Entwicklung. In diesem Zusammenhang ist oberster Zweck des Verfassungsstaates nicht nur der Schutz der von der Natur vorgegebenen ontologischen Eigenschaften des Menschen, sondern vor allem die Förderung der Ausübung der individuellen und sozialen Grundrechte (etwa Recht auf Zugang zur Justiz, Recht auf Arbeit, Recht auf soziale Sicherheit, Recht auf Zugang zu Ausbildung, etc.86), die Verwirklichung des Gemeinwohlstandes, die Erreichung von sozialer Gerechtigkeit, usw.87. Mit Böckenfördes Worten muss der soziale demokratische Verfassungsstaat die soziale Ungleichheit, die sich angesichts der Dialektik von Freiheit und Gleichheit auf dem Boden der Gesellschaft wiederfindet, durch sozialen Ausgleich und soziale Leistungen relativieren, um dadurch einerseits die individuellen und gesellschaftlichen Grundrechte real zu konkretisieren88. Dies führte zu einem methodologischen Paradigmenwechsel in der Staatsbegründung: Der soziale Verfassungsstaat gründet sich im Gegensatz zum liberalen Staat, der aus dem individuellen subjektiven Willen zum Schutz einer solchen Freiheit aufgebaut wurde89, auf das allgemeine objektive Bewusstsein der Gesellschaft und orientiert sich nicht nur am Schutz von Leben, 82 Vgl. dazu Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 171 ff., 238 ff.; Forsthoff, Die Bundesrepublik. Versuch einer Realanalyse, in: Merkur 14 (1960), S. 813. 83 Häberle, Der kooperative Verfassungsstaat, S. 18 ff.; ders., Das Verständnis des Rechts als Problem des Verfassungsstaats, S. 161; Kirste, Hegel und der postnationale Verfassungsstaat, in: Autonomie und Normativität, S. 249. 84 Siehe hierzu Forsthoff (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, in dem sich wichtige Beiträge finden, welche den historischen, sozialen und politischen Zusammenhang der Entstehung des liberalen Rechtsstaats einleuchtend erklären; Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 42 ff., 92 ff. 85 Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 143 ff., 170 ff., 209 ff. 86 Richard, Vom liberalen zum sozialen Rechtsstaat, S. 58. 87 Vgl. dazu Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 234, 237 f.; Roßnagel/Wedde/Hammer/ Pordesch, Digitalisierung der Grundrechte, S. 4. 88 Siehe hierfür Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 234. 89 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1955, § 1.

308

3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

Vermögen oder individueller Freiheit, sondern auch an der Verwirklichung der Grundrechte erster, zweiter und dritter Generation. Als letzte Betrachtung zu dem in diesem Abschnitt in kurzer Form erläuterten Thema ist darauf hinzuweisen, dass der gegenwärtige demokratische und soziale Verfassungsstaat aus einer staatphilosophischen Perspektive eine Fortsetzung des von Hegel im 19. Jahrhundert theoretisch begründeten demokratischen Verfassungsund Sozialstaats90 ist. Denn die Struktur und die vom aktuellen Verfassungsstaat erfüllten Aufgaben sind nur Fortentwicklungen der gesellschaftlichen, rechtlichen und politischen Institutionen, die Hegel als strukturelle Grundbestandteile und Hauptzwecke seines damaligen Gesellschafts-, Rechts- und Staatsbegriffs betrachtete. D. h. nicht nur die Verwirklichung der Grundfreiheiten und die Konkretisierung der Grundrechte der ersten, zweiten und dritten Generation91, sondern auch die Förderung wirtschaftlichen Fortschritts und gesellschaftlichen Wohlergehens, welche das Wesen des vorliegenden demokratischen Verfassungsstaats sind, sind aus Hegels Theorie über den National- und Universalstaat92 entwickelt worden. Wie der gegenwärtige Verfassungsstaat zeichnet sich Hegels Konzeption des sozialen Verfassungsstaats nicht durch den Schutz des Lebens, des Eigentums und der Freiheit der Person aus, sondern auch durch die Bewahrung ihrer Freiheit und durch Gleichberechtigung93. Dies berechtigt daher, Elemente zur Erklärung sowohl des Paradigmenwechsels vom liberalen Rechtsstaat zum sozialen und demokratischen Verfassungsstaat als auch zur Erklärung der neuen Natur, Struktur und Aufgaben des heutzutage vorliegenden Verfassungsstaats in Hegels Staatskonzeption zu suchen94.

II. Die Person als Trägerin negativer und positiver Pflichten Das Aufkommen der idealistischen Philosophie des sozialen Verfassungsstaats brachte einen neuen Personsbegriff hervor. Dieser neue Personsbegriff ist weder mit der durch die liberale Philosophie vertretenen rational-ontologischen Natur des Menschen95 noch mit der atomistischen „privaten“, unsozialen Einzelheit oder Singularität des mehr oder weniger vereinzelten Individuums verbunden, sondern 90 Vgl. Gröschner/Henkel/Dierksmeier/Wiehart, Rechts- und Staatsphilosophie, § 11, S. 252. 91 Siehe hierzu Kirste, Hegel und der postnationale Verfassungsstaat, in: Autonomie und Normativität, S. 242. 92 Zur universalistischen Staatstheorie Hegels, die zum Beispiel zur Errichtung der EU beitrug, vgl. unter anderen Mäder, Kritik der Verfassung Deutschlands, 2002. 93 Vgl. Rinaldi, Hegel und das philosophische Verständnis der Person, in: Autonomie und Normativität, S. 20. 94 Kirste, Hegel und der postnationale Verfassungsstaat, in: Autonomie und Normativität, S. 247. 95 Etwa Hegels Kritik an Kants Personenbegriff, vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 29.

§ 8 Unterscheidung zw. „allgemeinen Pflichtdelikten“ u. „Sonderpflichtdelikten“ 309

mit der Allgemeinheit seiner „Gattung“96, d. h. mit einem rechtlichen Status97, der den Mitgliedern der Gesellschaft innerhalb des Sozialsystems Pflichten und Rechte zuschreibt98. Unter diesem Gesichtspunkt werden Vernunft und Freiheit – und damit die Existenz der Person – demnach nicht außerhalb der Gesellschaft, sondern als ihr immanent begriffen99; Grund dafür ist, dass sich die persönlichen Interessen und Fähigkeiten des Einzelnen nur in der Gesellschaft entwickeln können, weil nur innerhalb eines institutionellen Gesellschaftssystems echte Institutionen wie die Familie und das Rechtssystems vorliegen100, welche die Zuständigkeit haben, den Menschen als Person anzuerkennen101. Die Person ist nicht von Natur aus rational und frei, sondern muss ihre Vernunft und Freiheit innerhalb des Sozialsystems erlangen, weil nur das kollektive Bewusstsein – und nicht die Natur – Rationalität und Freiheit hervorbringen kann und daher der Personsstatus durch das jeweilige Gesellschaftssystem bestimmt wird102. Mit anderen Worten wird der Mensch in der Natur als Sklave geboren und wird in der Gesellschaft frei. Dies gründet sich darauf, dass während das Sozialsystem Sicherheit und damit Rationalität und Freiheit gewährt103, die natürliche Freiheit des Menschen im Naturzustand nur Willkür und Unsicherheit bringt104. Daher muss ein Mensch, um Rationalität zu gewinnen und dadurch den Status einer Person erreichen zu können, an der kulturellen Entwicklung der Gesellschaft teilnehmen105, was auf rechtlichem Bereich die Erfüllung von Pflichten und die Ausübung von Rechten106 voraussetzt. Diese sozial-objektive Definition des Personenbegriffs wurde zum ersten Mal von Aristoteles107 entwickelt, der die These vertrat, dass der Mensch seiner Zeit den Status eines Bürgers nur über die Partizipation an den politischen Institutionen des griechischen Staats erreichen könne108. Gegenwärtig bedeutet ein solches Postulat, dass Bürger (Person) derjenige ist, der sich in sozialen Institutionen manifestiert und 96

Rinaldi, Hegel und das philosophische Verständnis der Person, in: Autonomie und Normativität, S. 34. 97 Stübinger, Hegel und das moderne Verständnis der Person, S. 78. 98 Stübinger, Hegel und das moderne Verständnis der Person, S. 75. 99 Hobbes, Leviathan, Sechzehntes Kapitel, S. 135 ff.; Stübinger, Hegel und das moderne Verständnis der Person, S. 75. 100 Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 209. 101 Kirste, Hegel und der postnationale Verfassungsstaat, in: Autonomie und Normativität, S. 251. 102 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 29; Stübinger, Hegel und das moderne Verständnis der Person, S. 76, 79. 103 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 258, 260. 104 Dazu vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 3. 105 Stübinger, Hegel und das moderne Verständnis der Person, S. 76. 106 Vgl. Glafey, Grund-Sätze der Bürgerlichen Rechts-Gelehrsamkeit, Kap. II, § III, S. 53 (Fn. 33); Schmalz, Das reine Naturrecht, § 35; Stübinger, Hegel und das moderne Verständnis der Person, S. 77. 107 Aristoteles, Politik, 1799. 108 Aristoteles, Politik, Drittes Buch, Erstes Kapitel, S. 179 f.

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

objektiv lebt, d. h. der ein Bestandteil des sozialen Systems ist109. Im gleichen Sinne bedeutet eine Person zu sein für Hegel, dass der Mensch aufhört als bloßes Individuum zu existieren, weil er sich nicht als ein Wesen außerhalb und verschieden vom Sozialsystem sieht, sondern als Teil von ihm110. Unter diesem Gesichtspunkt sind Individuum, Mensch111 und Person112 absolut unterschiedlich und somit wird der Mensch zu einer Person, wenn sich sein Selbstbewusstsein mit dem objektiven Geist der Gesellschaft identifiziert113, was – wie bereits erwähnt – nur in der dialektischen Beziehung mit Familie, Gesellschaft und Staat stattfindet114. Denn nach Hegels Auffassung wird der Mensch durch die Verbindung mit diesen Institutionen von der die Barbarei verursachenden subjektiven Willkür befreit und erlangt einen stabilen, unabhängigen und notwendigen Status, der die ontologischen Kontingenzen und das unbegrenzte Kraftwalten der natürlichen Freiheit überwindet115. Dem ist so, weil aus Hegels Sicht das Leben in Gemeinschaft die Übernahme von Pflichten und Rechten impliziert, die – weil sie die Verhaltensweise der Person mit kategorialen Zwecken des „Sollens“ verknüpfen – einerseits die „natürliche“ Freiheit („potentielle“ und „abstrakte“ Freiheit) einschränken und andererseits Rechtsfreiheit („echte“ oder „reale“ Freiheit) schaffen116. So ist die Person keine natürliche Gegebenheit, sondern ein kulturelles Konstrukt, nämlich eine Schöpfung des (Straf-)Rechtssystems117. In diesem Sinne ist Person nur der Inhaber von Pflichten und Rechten118, weil die Zuschreibung von Pflichten und Rechten nur innerhalb eines sozialen Rechtssystems bestimmt werden kann119. Mit Böckenfördes Worten: „Erst im Recht und durch Recht wird die Freiheit als beständige, gesicherte Freiheit und als Freiheit für alle möglich“120. Dieser Wechsel des Personenverständnisses bedeutete logischerweise eine Umstrukturierung (Erweiterung) der im Rahmen des liberalen Staates entstandenen Rechtspflichten, da zur Gewährleistung der Verwirklichung der in der aktuellen Gesellschaft des Verfas109

Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1955, § 1. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 34. 111 Nach Hegels Auffassung ist „der Mensch nicht anders als die Reihe seiner Taten“, vgl. dazu Hegel, Wissenschaft der Logik, Bb. 2, S. 219 ff.; Bauer, Selbsterzeugung des Menschen?, S. 33 ff. 112 Zum hegelschen Personsbegriff vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 1 – 32, 34 – 104, 142 – 360; Stübinger, Hegel und das moderne Verständnis der Person, S. 73. 113 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 182, 270. 114 Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 158 ff., 182 ff., 257 ff.; Kirste, Hegel und der postnationale Verfassungsstaat, in: Autonomie und Normativität, S. 250 f. 115 Vgl. dazu Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 34 – 40. 116 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 149; vgl. dazu auch Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, 7. Kapitel, S. 34. 117 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 3 ff., 34 ff. 118 So Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 43; Schmalz, Das reine Naturrecht, § 43, 48. 119 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1955, §§ 142 ff., 158 ff., 182 ff., 257 ff. 120 Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 43. 110

§ 8 Unterscheidung zw. „allgemeinen Pflichtdelikten“ u. „Sonderpflichtdelikten“ 311

sungsstaats entstehenden neuen Grundrechte neue Rechtspflichten von qualitativ unterschiedlicher Natur im Vergleich zu liberalen Pflichten geschaffen werden mussten. Diese den Zuständigkeitsbereich des Bürgers erweiternden neuen Pflichten sind die sogenannten positiven Sonderpflichten. Diese werden später analysiert.

III. Der positive Rechtsbegriff aus Sicht der im sozialen Rechtsstaatsverständnis entstandenen Rechtsphilosophie Die theoretische Herleitung der besonderen positiven Pflichten kommt, im Gegensatz zur Entstehung der allgemeinen negativen Pflichten, aus der Rechtsphilosophie des sozialen Verfassungsstaats. Dieser Philosophie liegt ein von den liberalen Definitionen abweichendes Konzept über die Natur und den Zweck des Rechts zu Grunde. So wird diesen auch eine positive Bedeutung beigemessen, weil das Rechtssystem nicht nur allgemeine negative Pflichten, sondern auch besondere positive Pflichten enthalte121. Nur in einem solchen Sinne sei das Recht „das Reich der verwirklichten Freiheit“122. Als theoretische Grundlage dieses neuen Staatsmodells spielt die Rechtsphilosophie Hegels eine entscheidende Rolle, denn er formulierte die Begründung des Rechts- und Staatssystems um. Deswegen ist es zunächst notwendig, die Weiterentwicklung der besonderen positiven Pflichten innerhalb von Hegels Rechtssystem zu erklären, ohne die die hier vertretene Begründung der Lehre der Pflichtverletzungsdelikte nicht möglich ist. In Hegels Rechtssystem ist der „Gegenstand“ der Rechtsphilosophie oder der Rechtswissenschaft nicht auf die „abstrakte Definition des Rechts“ beschränkt – wie dies bei Locke, Pufendorf, Kant, Fries, Schmalz, etc. der Fall war –, sondern umfasst die gesamte „Bestimmung des Rechtsbegriffs“ und seine entsprechende „Verwirklichung“ in der sozialen Realität123. So verwirklicht sich die ganze Entwicklung der Freiheit (bzw. des Rechts) nach Hegels Systemvorstellung in drei verschiedenen Momenten des dialektischen Verhältnisses zwischen dem Subjekt und dem ganzen Rechtssystem (abstraktes Recht und Moralität sowie Sittlichkeit)124. Während die „Definition“ oder „Konkretisierung“ des abstrakten Rechtsbegriffs (und dadurch der Begriff „Person“) mit dem ersten und zweiten Moment (abstraktes Recht und Moralität) verknüpft ist, erfolgt die Verwirklichung des Rechts (bzw. der Freiheit) erst in Verbindung mit dem dritten Moment (Sittlichkeit). Aus diesem Grund lassen sich die ersten beiden Momente – in denen der abstrakte Rechtsbegriff definiert wird und seine reale Verwirklichung beginnt – als Recht des moralischen Subjekts bezeichnen; das dritte Moment – in dem sich das Recht vollständig verwirklicht – hingegen als Recht des sittlichen Subjekts. Nach Hegels Rechtsverständnis verwirklicht sich die 121 122 123 124

Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 3. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 4. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 1. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 30, 33.

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

Freiheit erst in der Einheit dieser drei dialektischen Momente125: Einerseits das Subjekt in seinem Verhältnis zu dem abstrakten Recht und zur Moralität, andererseits das Subjekt in seinem Verhältnis zur Sittlichkeit. Der im ersten Moment bestehende „abstrakte Rechtsbegriff“ wird von Hegel nur als eine „Möglichkeit“ oder „Befugnis“ zur freien Organisation des Subjekts verstanden126. Das abstrakte Recht ist eine „Erlaubnis“ oder „Anerkennung der Rechtsfähigkeit“, die dem Subjekt ermöglicht, ein richtiges Verhältnis mit den anderen zu organisieren und auf diese Weise im zweiten Moment Träger von Grundrechten und Pflichten zu werden127. Das abstrakte Recht ist also nicht anderes als die Anerkennung der „Rechtsfähigkeit“ des Subjekts128, um sein ontologisches Können auszuüben. Aus diesem Grund ist das Recht in diesem Moment ein Mittel zur Verwirklichung der Freiheit129 ; mit Hegels Worten „ist das Recht die Freiheit“, weil es „ein Dasein des freien Willens ist“130. Demzufolge werden die Begriffe „Person“ und „Freiheit“ durch das Rechtssystem immanent konkretisiert131, da das Recht dem Menschen die Gelegenheit (Möglichkeit) bietet, durch die Anerkennung des anderen (als Person) eine moralische Person zu werden und seine abstrakte Freiheit auszuüben. Dieser Gedanke wird im Rahmen des Hegelschen Rechtsverständnisses durch den folgenden abstrakten Grundsatz ausgedrückt: „sei eine Person und respektiere die anderen als Personen“132. Daraus folge sodann die Pflicht, „fremden Freiheitsraum nicht zu schädigen“133, die aus Hegels Sicht nur aus negativen Pflichten oder bloßen Verbotsnormen bestehe134. Nach hier vertretener Ansicht lässt sich diese Pflicht nun für das Strafrechtssystem durch zwei Pflichten konkretisieren: Erstens, in Ausübung seiner Organisationsmöglichkeiten „darf man nicht in die Freiheitssphäre eines anderen eingreifen“; zweitens, darf man „nicht zur Verletzung der fremden Freiheitssphäre eines Dritten durch einen anderen beitragen“.

125

Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 33. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 29, 36, 38. 127 Kley/Vallender, Grundrechtspraxis in Liechtenstein, S. 60 ff. 128 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 29, 36. 129 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 38. 130 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 29, 141. 131 Dies bedeutet, dass die Person und die Freiheit im Rahmen des Hegelschen Rechtsverständnisses – im Gegensatz zum liberalen Verständnis – nicht natürlichen Ursprungs, sondern juristische Schöpfungen sind. D. h. die (moralische) Person und die Freiheit existieren nur innerhalb eines Rechtssystems, weil Personen nur innerhalb des Rechts Pflichten und Freiheiten genießen können; umgekehrt sind die außerhalb des Rechts bestehenden Menschen keine (moralischen) Personen, da ihnen keine Pflichten und keine Freiheiten zukommen. Der Grund liegt darin, dass der Mensch nach diesem Rechtsverständnis seinen Status als (moralische) Person (und die damit verbundene Freiheit) dadurch erwirbt, dass er Träger von Rechten und Pflichten ist. 132 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 36. 133 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 38. 134 A. a. O. 126

§ 8 Unterscheidung zw. „allgemeinen Pflichtdelikten“ u. „Sonderpflichtdelikten“ 313

Die Moralität (das zweite Moment) ist die erste Phase der Verwirklichung der Freiheit, nämlich die Phase, in der sich die Freiheit in ihrer Form des subjektiven Willens äußert135. Genauer gesagt beginnt die Person in der Moralität den dialektischen Prozess der Konkretisierung der realen Freiheit. Denn so wie eine wirkliche Freiheit außerhalb, getrennt oder vor dem abstrakten Rechtsbegriff nicht existiert (und nicht existieren kann) – weil die Freiheit reales Vorhandensein ist oder Wirklichkeit wird, wenn sie durch den abstrakten Rechtsbegriff geschaffen wird –, liegt auch keine Freiheit als abstrakter Begriff vor (und kann es auch nicht geben), wenn sie sich nicht in der realen Welt ausdrückt, denn nach Hegels Moralitätsverständnis ist die abstrakte Freiheit, die sich nicht in individuellen konkreten Bestimmtheiten äußert, nicht wahre Freiheit, sondern reine abstrakte objektive Freiheit; d. h. Freiheit, die zu einer bloßen Abstraktion wird oder die alle ihre realen Bestimmtheiten vernichtet und sich daher selbst verleugnet. Sodann besteht die abstrakte universelle Freiheit nach Hegel nicht außerhalb besonderer Freiheiten oder außerhalb konkreter Bestimmtheiten, sondern nur insofern sie sich in Form dieser individuellen Freiheiten und konkreten Bestimmungen verwirklicht. Die materielle Verwirklichung dieser Freiheit beginnt in der Moralität136, weil nach Hegels Freiheitsverständnis auf dieser Ebene die abstrakte Freiheit durch die Tätigkeit jeder Individualität aufhört, reine Abstraktion zu sein, und zu wirklicher Freiheit wird. Genauer gesagt vollzieht sich in der Moralität die Anerkennung anderer als konkrete Personen, die im Moment des abstrakten Rechts nur abstrakter Natur ist. In diesem Sinne hört die Person in der Phase der Moralität auf, ein bloßer abstrakter Begriff zu sein, und wird durch ihre tägliche individuelle Bestimmtheiten zu einem konkreten Subjekt. Aus diesem Grund ist die Moralität nach Hegels Gesichtspunkt die Ebene des dialektischen Verwirklichungsprozesses der realen Freiheit, auf der die Reflexion des subjektiven Willens in sich und seine für sich seiende Identität gegen das Ansichsein und die Unmittelbarkeit und die darin sich entwickelnden Bestimmtheiten die Person zum Subjekte bestimme137. Im strafrechtlichen Sinne ist die Moralität das Moment der Hegelschen Dialektik, in dem die negativen Allgemeinpflichten, deren begriffliche Schöpfung im Moment des abstrakten Rechts stattgefunden hat, sich materiell zu verwirklichen beginnen. Die reale Erfüllung dieser Pflichten fängt in der Moralität an, weil diese die Phase ist, in der sich der 135 Nach Hegel ist das Moralische (nämlich die Moralität) „zunächst nicht schon als das dem Unmoralischen Entgegengesetzte bestimmt, wie das Recht nicht unmittelbar das dem Unrecht Entgegengesetzte, sondern es ist der allgemeine Standpunkt des Moralischen sowohl als des Unmoralischen, der auf der Subjektivität des Willens beruht“. Moralität ist die bewusste „Selbstbestimmung des Willens“, vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 107, 108, 112. 136 Vgl. dazu Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 105 – 141. Eine ausführliche Erklärung der Entwicklung der Freiheit auf der Ebene der Hegelschen Moralität findet sich u. a. in: Anzenbacher, JCSW 26 (1985), S. 251 ff.; Habermas, RIPhil 1988, S. 320 ff.; ders., DZPhil 67 (2019), S. 729 ff.; Horstmann, RIPhil 210 (1999), S. 567 ff.; Hüning, Kersting-FS, S. 287 ff.; Siep, Hegel-Studien 17 (1982), S. 75 ff. 137 Dazu Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 105.

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

konkrete subjektive Wille – der sich vom abstrakten objektiven Willen unterscheidet – beginnt, in der realen sozialen Welt in Form der Verfolgung von Interessen und Zielen jedes Einzelnen zu äußern. Dies liegt darin begründet, dass die unbegrenzte Verfolgung solcher Interessen – mit Hegels Worten „die konkreten Bestimmungen“ – durch den subjektiven Willen (Subjekt) einen Zusammenhang unbegrenzter Kontingenzen erzeugt, der nur durch die reale Erfüllung negativer Allgemeinpflichten überwunden werden kann. Im dritten Moment (das Moment der Sittlichkeit) werden das Recht und die Freiheit in Verbindung mit dem System der sittlichen Institutionen verwirklicht138. Innerhalb des abstrakten Rechts und der Moralität ist die Freiheit unvollkommen und unvollständig, da der Wille noch nicht dazu in der Lage ist, „den Widerspruch der Subjektivität und Objektivität aufzuheben“139. In diesem Zusammenhang ist die Moralität nur ein Moment in der Entwicklung der Freiheit, sie ist nur ein Übergangsmoment zur Sittlichkeit140. Nämlich die dialektische Wechselwirkung der ersten beiden Momente erzwingt die Freiheit, die einseitigen Zustände des objektiven abstrakten Rechts (These) und der subjektiven Moralität (Antithese) zu überwinden und sich zu einer höheren Verwirklichungsebene (Synthese) zu entwickeln. Diese höhere Ebene ist die Sittlichkeit, die sich aus der Dialektik von abstraktem Recht und der Moralität ergibt. Auf dieser Ebene entwickelt sich die Freiheit (Verwirklichung der Grundrechte) nicht durch die Wechselwirkung zwischen abstraktem Recht und subjektiver Moralität weiter, sondern durch die dynamische Beziehung zwischen den Bürgern und den positiven Institutionen der Gesellschaft bzw. des Staats. In diesem Moment verlässt der Bürger seinen passiven Status und übernimmt eine aktive Rolle in der Verwirklichung der sittlichen Institutionen, die wiederum der echten Verwirklichung seiner eigenen Freiheit dienen141. Das bedeutet, dass der Bürger auf der Ebene der Sittlichkeit mitverantwortlich ist für die Bedingungen, die seine Freiheit erst real konkretisieren. Nach Pawliks Auffassung ist der Bürger in diesem Zusammenhang sowohl Adressat oder „Destinatär“ als auch Mitträger der Rechtsordnung142 : einerseits schulde er jedem von seinem Verhalten betroffenen Mitbürger als solchem die Erfüllung seiner Pflichten (Adressat der Rechtsnorm); andererseits erbringe er aber auch seine Mitwirkungsleistungen gegenüber der zu einer Rechtsgemeinschaft vereinigten Gesamtheit seiner Mitbür-

138

Mit Hegels Worten: „Die Sittlichkeit ist die Idee der Freiheit, als das lebendige Gute, das in dem Selbstbewusstsein sein Wissen, Wollen und durch dessen Handeln seine Wirklichkeit, so wie dieses an dem sittlichen Sein seine an und für sich seiende Grundlage und bewegenden Zweck hat, – der zur vorhandenen Welt und zur Natur des Selbstbewusstseins gewordene Begriff der Freiheit“, vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 142. 139 Wei, Hegels Theorie des sittlichen Staates, S. 46 f.; Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 28. 140 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 141. 141 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 142 – 3.60. 142 Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 82.

§ 8 Unterscheidung zw. „allgemeinen Pflichtdelikten“ u. „Sonderpflichtdelikten“ 315

ger143. Nach der hier vertretenen Ansicht kann man sogar davon sprechen, dass sich die Person bewusst zur Erfüllung der positiven Institutionen verpflichtet, weil sie erkennt bzw. erkannt hat, dass sie wirkliche Freiheit ohne eigenen Mitwirkungsbeitrag nicht erreichen kann. Denn die vollständige Verwirklichung der Freiheit fordert nicht nur die Einhaltung des negativen „Nicht-Schädigen“-Grundsatzes, sondern auch einen aus den staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen stammenden positiven Beitrag zur Verbesserung des abstrakten Zustandes. Weil ohne Erfüllung negativer und positiver Rechtspflichten keine reale Verwirklichung der Grundrechte eintritt144, schafft der soziale und demokratische Verfassungsstaat ein (Straf-)Rechtssystem, das sowohl negative Allgemeinpflichten als auch positive Sonderpflichten enthält. Der folgende Abschnitt befasst sich mit der Erläuterung.

IV. Das Recht als System negativer allgemeiner Pflichten und positiver Sonderpflichten Das Rechtssystem eines Verfassungsstaates enthält negative allgemeine Pflichten und positive Sonderpflichten. Das Recht gibt sein von liberalen Philosophen der Aufklärung gegebenes, lediglich einschränkendes Wesen der natürlichen Freiheit auf und erhält einen positiven Charakter, aufgrund dessen die Bürger nicht nur verpflichtet sind, das „neminem laede“ zu praktizieren, sondern auch positives Verhalten zu leisten, das in der Erfüllung positiver Sonderpflichten besteht und zur Verbesserung persönlicher, sozialer oder staatlicher Institutionen beiträgt. Grund dafür ist, dass die soziale Realität, die das Bezugsobjekt für die Konstruktion des Rechts darstellt, verlangt, dass das Recht nicht nur sich in der Garantie der individuellen Freiheit erschöpfende negative allgemeine Pflichten enthält, sondern neue Pflichten schafft, um die gesamtgesellschaftlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Es handelt sich hierbei um positive Sonderrechtspflichten, die eine gemeinsame Welt des Fortschritts und der Entwicklung fördern145. Zuständig für die Erbringung dieser Leistungen sind prinzipiell die Behörden, die durch eine positive Sonderpflicht mit den Institutionen des Staates verknüpft sind (z. B. die Polizei hinsichtlich der inneren Sicherheit146, ein Richter hinsichtlich der Justizgewährleistung147, ein Beamter hinsichtlich der rechtlichen Aufgaben der 143

Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 83. Zum Verhältnis zwischen der Verwirklichung der Grundrechte und der Erfüllung der Grundpflichten vgl. Dreier, RW 2010, S. 23; Hofmann, Grundpflichten und Grundrechte, § 114 Rn. 41; Heller, Grundrechte und Grundpflichten, 1924; ders., Gesammelte Schriften, Zweiter Band, S. 281 ff. 145 Dazu vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 173 ff., 231 ff. 146 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 230 ff. 147 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 222 f., 225 f. 144

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

staatlichen Verwaltung, etc.). Aber unter der Prämisse, dass die wirkliche Konkretisierung der Freiheit auch vom positiven Beitrag des Bürgers abhängt, ist dieser mitunter auch kraft bestimmter Sonderstellungen selbst zuständig für die Erbringung eines solchen Beitrags (etwa die Eltern hinsichtlich des Schutzes und der Erziehung148 ihrer Kinder, die Leiter oder Führungskräfte bezüglich der richtigen Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens). Darüber hinaus sind alle Bürger unter der angesprochenen Prämisse verpflichtet, zur Verletzung dieser positiven Institutionen selbst nicht beizutragen. Im Rahmen eines modernen Rechtstaats ist es für die Rechtsgemeinschaft nämlich ebenso wichtig, dass alle Bürger auch die positiven Institutionen respektieren, weil erst durch diese die Freiheit aller real verwirklicht wird. Damit ergeben sich also eine positive Sonderpflicht und eine negative Gemeinpflicht, die unter (§ 9) detailliert erklärt werden: Die erste Pflicht lautet „Der zuständige Sonderpflichtträger muss die Aufgabe der positiven Institution richtig erfüllen“; die zweite stellt fest: „Kein Bürger darf an der Nichterfüllung der Aufgabe der positiven Institution durch einen zuständigen Sonderpflichtträger mitwirken.“ Im Rahmen dieses Rechtsverständnisses findet das Subjekt seine Befreiung von der natürlichen Abhängigkeit, von der Gedrücktheit und von der willkürlichen Subjektivität in der Erfüllung negativer Allgemein- und positiver Sonderpflichten149. Das Recht ist daher kein die natürliche Freiheit einschränkendes bloßes Instrument, um dieselbe Freiheit zu schützen, sondern die die Freiheit hervorbringende ursprüngliche Quelle150 ; kurz ausgedrückt schafft und verwirklicht das Recht die Freiheit151. Individuelle Freiheit und kollektive Freiheit sind daher zwei Seiten derselben als Recht bezeichneten Medaille, da das Recht phänotypisch in zwei Bereichen zum Ausdruck kommt: in der kollektiven Freiheit und in der individuellen Freiheit. Die erste Freiheitsart wird verwirklicht, wenn einerseits die Bürger negative Gemeinpflichten und positive Sonderpflichten erfüllen und andererseits der Staat und die Gesellschaft als Ausdruck organischer Wesenheiten ihre Rechte ausüben. Die zweite Freiheitsform wird erreicht, wenn die Bürger ihre Grundrechte tatsächlich ausüben und der Staat seine Rechtspflichten erfüllt. Aus diesem Grund stellt die Erfüllung negativer allgemeiner Pflichten und positiver Sonderpflichten die Schaffung und Verwirklichung der Freiheit dar.

148 149 150 151

Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 174 ff. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 149 f. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 34 ff. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 34.

§ 8 Unterscheidung zw. „allgemeinen Pflichtdelikten“ u. „Sonderpflichtdelikten“ 317

V. Übertragung des positiven Rechtsverständnisses auf das Strafrecht: Der strafrechtliche Unrechtsbegriff als Verstoß gegen die zur modernen Gesellschaft gehörenden „allgemeinen negativen Pflichten“ und „positiven Sonderpflichten“ Die Übertragung des positiven Rechtsbegriffs auf das Strafrecht bedeutet, das gesetzliche Strafrechtssystem als etwas Positives zu verstehen; d. h. das Strafrecht wird nicht mehr als ein die Freiheit der Verurteilten einschränkendes negatives Instrument begriffen, sondern als ein Mittel, das nicht nur die Freiheit schafft und schützt, sondern auch als eine Institution, die zum Fortschritt und zur Entwicklung der Person und der Gesellschaft beiträgt. Aus diesem neuen Verständnis des Strafrechts ist das Strafgesetzbuch nicht nur die negative „magna Charta des Verbrechers“ – wie Liszt vertrat –, sondern vor allem die „positive Verfassung aller Bürger“, denn durch die Einstufung bestimmter Verhaltensweisen als strafbares Unrecht schafft das Strafgesetzbuch Rechtssicherheit für die gesamte Gesellschaft und ermöglicht es den Bürgern, ihre Grundrechte ohne willkürliche Hindernisse auszuüben. Kurz gesagt ist das Strafrecht im Rahmen dieses neuen Rechtsverständnisses ein Mittel der individuellen und gesellschaftlichen Entwicklung, weil es – genauso wie die anderen Bereiche des Rechtssystems – die in der Verfassung verankerten höchsten Grundsätze und Grundwerte entwickelt. Diese positive Funktion des Strafrechts wird verwirklicht, wenn alle Bürger ihren negativen allgemeinen Pflichten und ihren positiven Sonderpflichten nachkommen. Im Gegensatz dazu stellt das Strafunrecht (Delikt) wegen seiner willkürlichen Natur die Verweigerung der kollektiven Freiheit und des allgemeinen Willens dar152. Das Verbrechen verstößt sowohl gegen die das Recht bildenden allgemeinen negativen Pflichten als auch gegen die positiven Sonderpflichten. Deswegen ist das Verbrechen innerhalb dieser das Strafunrecht als Pflichtverletzung definierenden Konzeption ein „Rechtsbruch“, „Rechtsverletzung“ oder „Rechtsverneinung“153. Aus diesem Grund 152 Dafür siehe Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Zusatz zu § 99. Dagegen meint Kelsen, dass zwischen dem eine Norm beschreibenden Satz, dass sich ein Mensch in bestimmter Weise verhalten solle, und dem Satz, dass er sich tatsächlich nicht so verhalte, sondern das gegenteilige Verhalten an den Tag lege, kein logischer Widerspruch bestehe; d. h. beide Sätze könnten nebeneinander bestehen, und gleichzeitig wahr sein. Kelsen fährt fort, dass die Existenz oder Geltung einer ein bestimmtes Verhalten gebietenden Norm durch das gegenteilige Verhalten nicht gebrochen werde, vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 216. 153 Ähnliche Begriffe des Strafunrechts wurden in der Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens entwickelt. Im Bereich der deutschen Strafrechtswissenschaft fällt vor allem der von Pawlik entwickelte Unrechtsbegriff auf, der das Strafunrecht – nämlich das Kriminalunrecht – als die Pflichtverletzung begreift, an der Aufrechterhaltung eines Zustandes der Freiheitlichkeit mitzuwirken; siehe hierfür Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, S. 258. In der spanischen Strafdogmatik sind etwa Ansätze von Gómez-Jara Diez und Feijóo Sanchez zu nennen. Der erste dieser Autoren hat aus konstruktivistischer Sicht einen interessanten Unrechtsbegriff vorgeschlagen, der das Strafunrecht als eine fehlerhafte Organisation definiert, deren Kommunikationscodes den in den strafrechtlichen Verhaltensnormen enthaltenen normativen Botschaften widersprechen, vgl. Gómez-Jara Diez, La culpabilidad penal de la em-

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

muss gegen Täter und Teilnehmer eines strafbaren Unrechts eine Strafe verhängt werden, um das Verbrechen zu verneinen und dadurch die Geltung des Rechts wiederherzustellen154. Während das Delikt eine Infragestellung strafrechtlicher Verhaltensnormen ausdrückt155, kommuniziert die Verhängung einer Strafe, dass das als Strafunrecht einzustufende Verhalten keine Geltung hat156. Die Strafverhängung verdeutlicht, dass nicht das rechtswidrige Verhalten, sondern die in den Straftatbeständen des Besonderen Teils und in den generellen Zurechnungsregeln des Allgemeinen Teils festgelegten Verhaltensmaximen oder Pflichten gelten. Daraus ergibt sich, dass eine Strafbarkeit nach dem in dieser Untersuchung vertretenen Strafrechtsverständnis nicht nur auf Verstöße gegen die – aus dem „neminem laede“-Grundsatz stammenden – zwei negativen Gemeinpflichten beschränkt bleiben muss, sondern in Fällen der Verletzung der – aus der Sittlichkeit stammenden – zwei positiven Sonderpflichten begründet werden kann, weil diese dem Schutz der positiven Institutionen des Staates, der Gesellschaft und des Bürgers dienen. So wie die Täterschaft bei den „allgemeinen Pflichtdelikten“ (den sog. Herrschaftsdelikten oder Organisationsdelikten) durch den Verstoß gegen die negativen Pflichten des „Nicht-Schädigens“ fremder Freiheitssphäre begründet wird, so folgt die Täterschaft bei den „Sonderpflichtdelikten“ aus dem Angriff des Sonderpflichtträgers auf die positiven Institutionen. Damit ist bei den „allgemeinen Pflichtdelikten“ Täter, wer (als moralisches oder abstraktes Subjekt) den anderen nicht als moralisches oder abstraktes Subjekt (Person) anerkennt, oder wer die allgemeine Pflicht neminem laede verletzt. Hingegen ist Täter eines „Sonderpflichtdeliktes“, wer (als sittliches Subjekt) eine gerade ihn treffende sittliche positive Pflicht verletzt. Im Bereich des strafrechtlichen Verständnisses ist nur der Intraneus – z. B. der Richter (kraft der Verletzung seiner positiven Pflicht im Hinblick auf die Justizgewährleistung), oder der Polizist (wegen des Verstoßes gegen seine Aufgaben hinsichtlich der inneren Sicherheit), etc. – Täter eines Sonderpflichtdelikts, weil er in einem besonderen positiven Verhältnis zu den staatlichen Institutionen steht. Demgegenüber ist der Extraneus nur Teilnehmer, da er nur die Pflicht „Kein Bürger darf an der Nichterfüllung der Aufgabe der positiven Institution durch einen zuständigen Sonderpflichtträger mitwirken“ verletzen kann.

presa, S. 131 ff.; ders., Autoría y participación, S. 263. Seinerseits – aus der sozusagen „kommunikativen Normtheorie“ – begreift Feijóo Sánchez das Strafunrecht als ein unrichtiges sozio-rechtliches Verhältnis, weil es Ausdruck der illegitimen Nutzung der vom Rechtssystem anerkannten rechtlichen Freiheit sei, siehe Feijóo Sanchez, Derecho penal de la empresa, S. 34 ff. 154 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 99. 155 Im gleichen Sinne Lesch, Das Problem der sukzessiven Beihilfe, S. 160. 156 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Zusatz zu § 97; ders., Vorlesungsnotizen, S. 201.

§ 8 Unterscheidung zw. „allgemeinen Pflichtdelikten“ u. „Sonderpflichtdelikten“ 319

C. Zwischenergebnis Was in § 8 festgestellt wurde, führt zu folgenden vorläufigen Schlussfolgerungen: Erstens ist das Verständnis der durch die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie des liberalen Staates und des sozialdemokratischen Verfassungsstaats entwickelten Staats-, Rechts-, Strafrechts-, Persons- und Pflichtbegriffe ein geeigneter Ausgangspunkt sowohl für die richtige Erfassung der theoretischen Grundlagen und des normativen Wesens der Allgemein- und Sonderpflichtdelikte als auch für eine konsistente Begründung des allgemeinen Beteiligungssystems, insbesondere von Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen. Dies zeigt, dass die theoretischen Grundlagen der „Allgemeinund „Sonderpflichtdelikte“ unterschiedlicher Natur sind, da jede der Pflichtdeliktsarten Ausdruck eines anderen Zeitraums der rechtspolitischen, rechtsphilosophischen und rechtstheoretischen Geschichte ist. So liegen die theoretischen Grundlagen der „Allgemeinpflichtdelikte“ in den Begriffen der von den liberalen Rechtsphilosophen und Rechtstheoretikern entwickelten Kategorien Staat, Person, Recht, und strafrechtliche Pflicht, was zum Verständnis des (Straf-)Rechtssystems als eine Einheit negativer Allgemeinpflichten führte. Im Gegensatz dazu sind die theoretischen Grundlagen der „Sonderpflichtdelikte“ in den von den Rechtsphilosophen und Rechtstheoretikern des sozial-demokratischen Verfassungsstaats formulierten Konzepten des Staats, des Rechts, der Person, des Strafunrechts und der Pflichten verankert, wonach die Strafrechtsordnung ein System negativer Allgemeinpflichten und positiver Sonderpflichtdelikte ist. Dies zeigt, dass strafbares Unrecht aus Sicht dieses Pflichtverletzungsgedankens kein ontologischer Angriff auf das sog. geschützte Rechtsgut ist, sondern ein Verstoß gegen die Geltung einer strafrechtlichen Pflicht oder Verhaltensnorm. Daher liegt Strafunrecht nicht in der Rechtsgutsverletzung begründet, sondern in der (Straf-) Rechtsverletzung, weil nur letztere ein kommunikativer Akt ist und daher nur diese eine Desavouierung der (Straf-)Rechtsnorm konstituiert. Die ontologischen Kategorien – etwa die Rechtsgutsverletzung, die Rechtsgefährdung, die Tatherrschaft über einen kausalen Rechtsangriff – haben hingegen weder für die Begründung des Strafunrechts noch für die strafrechtliche Zurechnung Bedeutung, da sie keine kommunikativen Handlungen sind und folglich keinen Normbruch ausdrücken. Das bedeutet, dass es im Rahmen dieser Neubegründung der Verbrechenslehre keine Herrschafts- oder Organisationsdelikte, sondern nur „Pflichtverletzungsdelikte“ gibt. Ihrerseits lassen sich die „Pflichtverletzungsdelikte“ aufgrund ihrer unterschiedlichen normativen Grundlage in zwei Deliktsarten einteilen: Zum einen „Allgemeinpflichtdelikte“ oder „Delikte kraft der Verletzung negativer Allgemeinpflichten“ und zum anderen „Sonderpflichtdelikte“ oder „Delikte wegen der Übertretung positiver Sonderpflichten“. Die Allgemeinpflichtdelikte ersetzen die vom kriminalpolitischen bzw. systemischen Beteiligungssystem entwickelten „Herrschafts-“ und „Organisationsdelikte“; die Sonderpflichtdelikte entsprechen ihrerseits den Strafunrechten, die durch die herrschende Strafrechtswissenschaft Deutschlands und

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

Spaniens als Pflichtdelikte oder Delikte wegen institutioneller Zuständigkeit bezeichnet werden. In diesem Zusammenhang ist das Neuverständnis des Strafunrechts von besonderer Bedeutung für die Begründung von Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen, welche den Kern der vorliegenden Untersuchung bildet; denn in Übereinstimmung mit dem, was zuvor vertreten wurde, stützt sich alles unternehmerische Täter- und Teilnehmerunrecht entweder auf die Verletzung negativer allgemeiner Pflichten oder auf die Verletzung positiver besonderer Pflichten. Sodann müssen Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen immer unter Heranziehung der Kategorie der Pflichtverletzung – und keinesfalls unter Zuhilfenahme ontologischer Kriterien wie der Tatherrschaft – begründet werden. Auf diese Problematik wird im Folgenden (§ 9) näher eingegangen.

§ 9 Verfassungs- und strafrechtliche Begründung des Täter- und Teilnehmerunrechts in den Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens Nach der Erläuterung der theoretischen Grundlagen von Täterschaft und Teilnahme bei Allgemein- und Sonderpflichtdelikten (§ 8) werden in diesem Abschnitt die in den (Straf-)Rechtssystemen Deutschlands und Spaniens geregelten allgemeinen verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Grundlagen von Täterschaft und Teilnahme erläutert. In diesem Sinne werden im Folgenden zunächst die dem Täterund Teilnehmerunrecht im deutschen und spanischen Rechtssystem zugrundeliegenden verfassungsrechtlichen Grundlagen (§ 9 A.) dargestellt. Danach werden die in den jeweiligen Strafgesetzbüchern Deutschlands und Spaniens normierten gesetzlichen Grundlagen erläutert (§ 9 B.). Anschließend werden die materiellen Strafbarkeitserfordernisse von Täterschaft und Teilnahme (§ 9 C.) untersucht. Und schließlich wird als Ergänzung zu den in den vorangegangenen Unterabschnitten vertretenen eigenen Thesen, die den besonderen Standpunkt dieser Arbeit zur Begründung von Täterschaft und Teilnahme umreißen, die Rolle der ontologischen Kategorien Tatherrschaft und Rechtsgutsverletzung erklärt, die sich aus der hier vertretenen Sicht in der Verbrechenslehre bzw. in der Strafzumessung auswirken (§ 9 D.).

§ 9 Verfassungs- u. strafrechtliche Begründung des Täter- u. Teilnehmerunrechts 321

A. Verfassungsrechtliche Begründung des Täterund Teilnehmerunrechts in den Rechtssystemen Deutschlands und Spaniens I. Die Menschenwürde als Grundlage und Zweck des Aufbaus des deutschen und spanischen Strafrechts- und Beteiligungssystems (Art. 1 Abs. 1 dGG und Art. 10 Abs. 1 sConst.) Aus Sicht des Verfassers basieren sowohl das deutsche als auch das spanische Strafrechts- und Beteiligungssystem auf der Würde des Menschen, da die Verfassungen beider Länder dazu verpflichten, die Bildung der gesamten rechtspolitischen Ordnung der Geltung und Achtung der Menschenwürde zu unterwerfen. Die Geltung dieses Prinzips in einem sozialdemokratischen Verfassungsstaat ist so essentiell, dass es nicht nur durch das positive Recht Deutschlands und Spaniens normiert ist, sondern auch einen Schwerpunkt in Rechtsphilosophie157, Rechtstheorie158, Rechtssoziologie159, Verfassungsrecht160- und Strafrechtsdogmatik161 darstellt. So bestimmt bereits Art. 1 Abs. 1 des GG Deutschlands: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Dieser Grundsatz wurde vom Bundesverfassungsgericht bereits mehrmals mit der folgenden Formel bestätigt: „Das Grundgesetz ist eine wertgebundene Ordnung, deren oberster Wert die Menschenwürde ist.“162 Seinerseits legt Art. 10 Abs. 1 der spanischen Verfassung fest, dass „Die Würde der Person, die ihm innewohnenden unverletzlichen Rechte, die freie Persönlichkeitsentwicklung […] Grundlagen der politischen Ordnung und des sozialen Friedens sind“. In diesem Sinne formuliert 157 Dazu vgl. etwa Fichte, Grundlage des Naturrechts, § 6/I, S. 62 ff.; Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Band 17, S. 21 f.; ders., Phänomenologie des Geistes, S. 268 ff.; Kant, Kritik der praktischen Vernunft, S. 85 ff., 109 ff.; ders., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 54 f. 158 Dazu vgl. Baranzke, ZfMR 1 (2010), 10 ff.; Herdegen, Grundgesetz, Art. 1 Abs. I, Rn. 1 – 4; Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, S. 20 ff.; Geddert-Steinacher, Menschenwürde als Verfassungsbegriff, S. 31 ff.; Schaber, ZfMR 1 (2010), 118 ff. 159 Vgl. Habermas, DZPhil 58 (2010), 343 ff.; Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 60 f., 68. 160 Etwa Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 379 ff., 389 ff.; Fischer, Die Zulässigkeit aufgedrängten staatlichen Schutzes von Selbstschädigung, 1997; Hillgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst, 1992; Höfling, GG-Kommentar, § 1, Rn. 1 ff.; Lindner, Theorie der Grundrechtsdogmatik, 2005. 161 Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 61 VII, S. 653; Jakobs, ZStW 89 (1977), 30; Murmann, Die Selbstverantwortung, S. 215 ff.; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 69; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 6 f., 42 ff.; Schünemann, Schroeder-FS, S. 401 f.; ders., Roxin-FS, S. 799, 810; Walther, Eigenverantwortlichkeit und strafrechtliche Zurechnung, 1991; Geisler, Korruptionsstrafrecht und Beteiligungslehre, S. 223 f. 162 BVerfGE 12, 45 (51); BVerfG, Urt. v. 3. 3. 2004 – BvR 2378/98 (NJW, 2004, S. 999 ff.); BVerfG, Urt. v. 21. 06. 1977 – 1 BvL 14/76 (NJW, 1977, S. 1525 ff.); BVerfG, Beschl. v. 24. 2. 1971 – 1 BvR 435/68 (NJW, 1971, S. 1645 ff.); BVerfG, Beschl. v. 19. 10. 1971 – BvR 387/65 (NJW, 1972, S. 327 ff.).

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

auch das spanische Verfassungsgericht, dass „die Menschenwürde der höchste rechtliche und moralische Wert der spanischen Verfassung ist, da sie als logischer und ontologischer Ausgangspunkt für die Existenz der Grundrechte und des sozialen Friedens dient“163. Aus diesem in der Verfassung Deutschlands und Spaniens verankerten Grundsatz ergibt sich, dass die Strafrechtssysteme beider Länder nach den Erfordernissen der Achtung und des Schutzes der Würde des Menschen aufgebaut werden müssen. Denn die Menschwürde sei nicht ein Wert unter vielen, sondern der Grund jeden Wertes, wie sie der Grund von Recht und Staat sei164. Daher bedeutet das Gebot, die gesamte rechtspolitische Gewalt oder Ordnung auf den Respekt und Schutz der Menschenwürde zu richten, dass von Verfassungs wegen die Person nicht des Staates und des (Straf-)Rechts wegen existiert, sondern der Staat und das (Straf-)Recht um des Bürgers willen konstruiert werden165. Deswegen seien das Strafrechts- und somit das Beteiligungssystem ohne Achtung der Menschenwürde entweder verfassungswidrig oder sie könnten ihrer demokratischen Inhalte nicht gerecht werden166. Deshalb sei es erforderlich, die Konstruktion des strafrechtlichen Beteiligungssystems auch an der Verwirklichung der Menschenwürde auszurichten, weil Täterschaft und Teilnahme als Bestandteil des das Strafrechtssystem konstituierenden Ganzen auf denselben Grundsätzen basieren müsse, auf denen das Ganze (Strafrechtssystem) fußt. Dieses Erfordernis gilt bei der Begründung des Täter- und Teilnehmerunrechts aller Deliktsarten – also sowohl bei Delikten wegen Verletzung negativer Allgemeinpflichten als auch bei Delikten kraft Übertretung positiver Sonderpflichten –, die im gesetzlichen Strafrechtssystem Deutschlands und Spaniens geregelt sind.

II. Der „Verantwortungsgrundsatz für das eigene Strafunrecht“ als Zentralelement für die Begründung und Abgrenzung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit in Deutschland und Spanien (Art. 1 Abs. 1 dGG und Art. 10 Abs. 1 sConst.) Aus der bereits beschriebenen Menschenwürde erwächst das Selbstbestimmungsoder Selbstorganisationsprinzip167, welches eine Grundvoraussetzung für das

163 Dazu vgl. unter anderen die folgenden Urteile des spanischen Verfassungsgerichts (Tribunal Constitucional español): STC 53/85, FF.JJ. 3, 4, 8; STC 57/1994 v. 23. 12. 1994 F.J. 4; STC 136/1996 v. 25. 06. 1994, F.J. 6. 164 Funke, Grundwerte, S. 277; Isensee, Menschenrechte, S. 71 f., 92 ff.; Murmann, Die Selbstverantwortung, S. 216. 165 Dazu vgl. Lindner, Theorie der Grundrechtsdogmatik, S. 180 ff.; Höfling, GG-Kommentar, § 1, Rn. 6. 166 Dafür siehe etwa Kaufmann, Mayer-FS, S. 81. 167 Murmann, Die Selbstverantwortung, S. 226 ff.

§ 9 Verfassungs- u. strafrechtliche Begründung des Täter- u. Teilnehmerunrechts 323

Rechtssystem eines demokratischen Verfassungsstaats ist168, weil es die individuelle Organisationsfreiheit gegen fremde willkürliche Einwirkungen schützt169. Der Selbstbestimmungsgrundsatz garantiert nämlich die Trennung der Freiheitssphären170 und vermeidet dadurch willkürliche Angriffe auf fremden Freiheitsraum. Aber die Selbstbestimmungsfreiheit beinhaltet als Gegenstück die Verantwortlichkeit für die aus einer solchen Selbstorganisationsfreiheit resultierenden Konsequenzen171. Organisationsfreiheit berechtigt nämlich nicht zu einer Organisation ohne Grenzen – da die unbegrenzte Verhaltensfreiheit zur Auflösung der Gesellschaft172 führen würde –, sondern nur zu einer Organisation, die mit der Erfüllung der in der Gesellschaft erworbenen Rechtspflichten verbunden ist173. Denn die Geltung dieses Synallagmas (Organisationsfreiheit und Folgenverantwortung für die fehlerhafte Organisation) ermöglicht einerseits die Überwindung des bellum omnium contra omnes174 und andererseits die Konstruktion einer Rechtsgemeinschaft. Die Einheit dieser beiden Bereiche (autonome Freiheitsorganisation/Folgenverantwortung) wird durch das „Eigenverantwortungsprinzip“ oder „Verantwortungsprinzip für das eigene Verhalten“ hergestellt, das von einer Person verlangt, ihre Freiheit im Rahmen der Erfüllung ihrer Pflichten zu organisieren. Aber als Gegenleistung garantiert dieses Prinzip dem Bürger gleichzeitig, dass er nicht für die aus fremden Freiheitsbereichen herrührenden Konsequenzen, sondern nur für die aus seiner eigenen Freiheitssphäre stammenden Erfolge verantwortlich ist175. Dennoch begründet der Eigenverantwortungsgrundsatz nicht ohne weiteres eine Strafbarkeitsform176, nämlich weder eine vorsätzliche Strafbarkeit noch eine fahrlässige Verantwortlichkeit, weder Täterschaft noch Teilnahme. So kommt nicht allen 168 Dazu Baldó Lavilla, Estado de necesidad y legítima defensa, S. 47; Feijóo Sánchez, El injusto penal, S. 42. 169 Kant, Kritik der praktischen Vernunft, § 8/Lehrsatz IV, S. 38. 170 Siehe hierzu Robles Planas, La participación en el delito, S. 180. 171 In der deutschen Strafrechtswissenschaft vgl. dazu etwa Jakobs, AT, 2. Aufl., § 7, Rn. 51; ders., La imputación objetiva, S. 26; Kaufmann, Strafrecht zwischen Gestern und Morgen, S. 137 ff.; Laufen, Der Wucher, S. 67 ff.; Kühl, AT, § 17, Rn. 37; Murmann, Die Nebentäterschaft, S. 240 ff.; Roxin, AT I, § 24, Rn. 22; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 10 ff., 19 ff. Ihrerseits siehe in der spanischen Strafrechtsdogmatik u. a. Baldó Lavilla, Estado de necesidad y legítima defensa, S. 47; Cancio Meliá, Conducta de la víctima, S. 277; ders., La exclusión de la tipicidad, S. 58; Feijóo Sánchez, Imputación objetiva, S. 185 ff., 197 ff. 172 Zur zerstörerischen Natur der unbegrenzten Organisationsfreiheit oder natürlichen Freiheit vgl. oben § 8 A.III.; § 8 B.II., III. 173 Vgl. dazu Lesch, Intervención delictiva, S. 67 f. 174 Hobbes, Leviathan, Teil II, Kap. XIII; Jakobs, Sociedad, norma y persona, S. 56. 175 In diesem Sinn hat Mayer (Der Causalzusammenhang, S. 104) bezüglich des Selbstverantwortungsgrundsatzes festgestellt: „Der Mensch ist dem Recht verantwortlich […] nicht für das, was ein anderer thut, sondern für das, was er thut“. Hierfür siehe auch Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 6. 176 Cancio Meliá, La exclusión de la tipicidad, S. 58 f.

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

schädigenden Erfolgen, die aus einer fehlerhaften Nutzung der Organisationsfreiheit stammenden, strafrechtliche Relevanz zu177. Vielmehr verstoßen die meisten unrichtigen Handlungen nur gegen außerstrafrechtliche Normen oder gegen moralische Regeln178. In diesem Zusammenhang führt das „Verantwortungsprinzip für das eigene Verhalten“ mit seiner Trennung der Verantwortungsbereiche zum „Verantwortungsgrundsatz für das eigene Unrecht“. Danach ist eine Person im ganzen Rechtssystem niemals für das verantwortlich, was eine andere Person unrichtig organisiert, sondern nur für das, was sie selbst fehlerhaft verwirklicht179. Im Gebiet des Strafrechts ist das „Verantwortungsprinzip für das eigene Strafunrecht“ in verschiedenen Vorschriften der Verfassungen und Strafgesetzbücher Deutschlands und Spaniens verankert, in welchen es als „Schuldprinzip“ (Art. 1 Abs. 1 und 2 deutsch. GG und Art. 10 Abs. 1 span. Const.), als „Unübertragbarkeit der die Strafe schärfenden, mildernden oder ausschließenden persönlichen Merkmale“ (§ 28 Abs. 2 dStGB und Art. 65 Abs. 1 sStGB) und als „selbständige Strafbarkeit des Beteiligten“ (§ 29 dStGB) Gesetzeskraft erlangt.

III. Der „Verantwortungsgrundsatz für das eigene Strafunrecht“ als Zentralelement für die Begründung und Abgrenzung des Täter- und Teilnehmerunrechts bei den Allgemeinund Sonderpflichtdelikten Im Bereich des Strafrechts ermöglicht der „Verantwortungsgrundsatz für das eigene Strafunrecht“ nicht nur die Trennung der Verantwortungsbereiche von Täter und Teilnehmer (negative Funktion180), sondern begründet zugleich selbst deren entsprechende strafrechtliche Verantwortung (positive Funktion181). Basierend auf diesem Prinzip ist jeder Beteiligte – Täter oder Teilnehmer – für die Rechtsguts- oder Pflichtverletzung verantwortlich, die er selbst durch seine eigene fehlerhafte Organisation herbeiführt182 ; nicht aber für die von anderen zuständigen Beteiligten verursachte Rechtsguts- oder Pflichtverletzungen183, weil letztere allein unter fremder Zuständigkeit erfolgen. Ein Teilnehmer ist folglich nicht verantwortlich für 177

Robles Planas, La participación en el delito, S. 165. Dies stützt sich auf die aus dem Gesetzlichkeitsprinzip und dem Ultima-Ratio-Prinzip folgenden Garantien, nach denen das nur gegen außerstrafrechtliche Rechtsnormen verstoßende Verhalten kein Strafunrecht darstellt. 179 So Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 6. 180 Zur negativen Aufgabe des „Verantwortungsgrundsatzes für das eigene Strafunrecht“ oder „Selbstverantwortungsgrundsatzes“ vgl. Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 6, 42; Mayer, Der Kausalzusammenhang, S. 104 f. Im Bereich der spanischen Strafrechtswissenschaft siehe etwa Baldó Lavilla, Estado de necesidad y legítima defensa, S. 47. 181 Vgl. dazu u. a. Robles Planas, La participación en el delito, S. 162 f., 180. 182 Cancio Meliá, Conducta de la víctima, S. 277 f.; Lesch, Intervención delictiva, S. 68; Robles Planas, La participación en el delito, S. 164. 183 Lesch, Intervención delictiva, S. 68. 178

§ 9 Verfassungs- u. strafrechtliche Begründung des Täter- u. Teilnehmerunrechts 325

das Täterunrecht, sondern begeht vielmehr dadurch eigenes Strafunrecht, dass er durch die Verletzung seiner eigenen Pflicht selbst die Geltung des Rechts verneint184. Dieser Ansatz, dass die unrichtige Organisation des Teilnehmers für sich genommen einen (eigenen) strafrechtlichen Unwert darstellt, spiegelt sich auch im Strafgesetzbuch Deutschlands und Spaniens wider: So knüpfen die strafrechtlichen Vorschriften der §§ 26, 27, 28 dStGB an den Handlungsunwert des anstiftenden und hilfeleistenden Verhaltens des Teilnehmers an185. Aus der Erkenntnis, dass das „Verantwortungsprinzip für das eigene Strafunrecht“ einerseits die Trennung der Verantwortungsbereiche der Beteiligten garantiert und andererseits die Verantwortung jedes Beteiligten begründet, lassen sich zwei Schlussfolgerungen zur Begründung von Täterschaft und Teilnahme bei Delikten wegen der Verletzung negativer Allgemeinpflichten und an Delikten kraft Verstoßes gegen positive Sonderpflichten treffen. Erstens sind, weil sich das Teilnahmeunrecht wegen seines unabhängigen Strafgrundes nicht aus dem Täterunrecht begründen lässt, konsequent alle Theorien abzulehnen, die die Strafbarkeit des Teilnehmers auf das Unrecht des Täters stützen. Zweitens bleibt der Teilnehmer, weil er wegen des strafrechtlichen Unwerts seiner eigenen unerlaubten Mitwirkung strafbar ist, gleichwohl nicht straflos. Dem Teilnehmer wird das Delikt, an dem er sich beteiligt, nämlich als eigenes zugerechnet. Für Täterschaft und Teilnahme bei Sonderpflichtdelikten – etwa bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen – lässt sich damit sagen, dass unter der Prämisse des Verantwortungsgrundsatzes für das eigene Unrecht“ der Extraneus – z. B. der Untergeordnete – nicht für das Unrecht des Intraneus – etwa der Unternehmensleiter – , sondern für sein eigenes Unrecht verantwortlich sein muss und umgekehrt, denn Täterschaft und Teilnahme bei Sonderpflichtdelikten basieren auf der entsprechenden Pflichtverletzung von Intraneus und Extraneus, trotz Rollentrennung zwischen ihnen186.

B. Strafrechtliche Begründung des Täterund Teilnehmerunrechts im Rechtssystem Deutschlands und Spaniens I. Strafrechtliche Begründung des Täterunrechts Die strafrechtlichen Grundlagen der Täterschaft liegen in der Erfüllung der Voraussetzungen, welche die gesetzlichen Strafrechtssysteme Deutschlands und 184 Vgl. dazu Kant, Metaphysik der Sitten (Einleitung in die Metaphysik der Sitten/IV), S. 23 f.; Zaczyk, Strafrechtliches Unrecht, S. 31; Wolff, Die Abgrenzung von Kriminalunrecht, S. 137 ff.; Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 77; Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 67 ff.; Lesch, Der Verbrechensbegriff, S. 190. 185 Siehe hierfür unten § 9 B.III.1. 186 Jakobs, AT, 2. Aufl., § 22, Rn. 7.

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

Spaniens aufstellen, denn ausgehend von den oben bereits erklärten verfassungsrechtlichen Prinzipien haben die Strafgesetzbücher Deutschlands und Spaniens zwei Anforderungen an die Begründung der Täterschaft festgelegt. Eine davon ist in den § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB geregelt; die andere ist in § 28 Abs. 1 und Art. 65 Abs. 3 derselben Strafgesetzbücher enthalten. Die Erfüllung des ersten Erfordernisses begründet die Täterschaft bei allen Deliktsarten; die Erfüllung des zweiten stützt die Täterschaft nur bei den besonderen Wirtschaftspflichtdelikten, die stets von Sonderpflichtträgern begangen werden. 1. Erste Grundlage: Die Verletzung der in § 25 dStGB und Art. 28 Satz 1 sStGB geregelten „negativen Allgemeinpflichten“ und „positiven Sonderpflichten“ als Grundlage des Täterunrechts bei „Allgemein- bzw. „Sonderpflichtdelikten“ Wie oben bereits ausgeführt, sind die normativen Grundlagen der Täterschaft mit der Verletzung strafrechtlicher Pflichten oder Verhaltensnormen verbunden. Diese Rechtspflichten oder Verhaltensnormen, deren Verletzung einerseits die Täterschaft bei den Allgemeinpflichtdelikten und andererseits die Täterschaft bei den Sonderpflichtdelikten begründet, sind sowohl in den die Täterschaft regelnden Vorschriften des Allgemeinen Teils als auch in den Straftatbeständen des Besonderen Teils verankert. Im Bereich des Allgemeinen Teils sind die der Täterschaft bei jeder der genannten Deliktsarten zugrundeliegenden negativen Gemeinpflichten und positiven Sonderpflichten in § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB geregelt. § 25 dStGB lautet: „(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter)“. Im gleichen Sinne legt Art. 28 Abs. 1 sStGB fest: „Täter sind die Beteiligten, welche die Straftat selbst, gemeinschaftlich oder durch die Nutzung eines Dritten als Werkzeug verwirklichen“. Diese Vorschriften enthalten zwei Pflichten: eine von allgemeiner negativer Natur und eine von besonderem positiven Wesen. Die allgemeine negative Pflicht lautet: „Kein Bürger darf die Freiheit anderer beeinträchtigen“ oder „Jeder Bürger muss die Freiheit anderer respektieren“. Die positive Sonderpflicht legt ihrerseits fest: „Der Sonderpflichtträger muss seine positive besondere Pflicht richtig erfüllen.“ Im gleichen Sinne regeln die Straftatbestände des Besonderen Teils die negativen allgemeinen Pflichten und die positiven besonderen Pflichten mit zwei verschiedenen Formulierungsarten. Denn während die sich an alle Bürger richtende erste Pflichtenart normalerweise durch die allgemeine Formulierung „wer“ geregelt ist, zeichnet sich die an eine bestimmte Personengruppe gerichtete zweite Pflichtenart durch die Verwendung einer spezifischen Terminologie aus, etwa mit den Begriffen „Beamte“, „Richter“, „Geschäftsführer“. Beispiele für negative allgemeine Pflichten enthaltende Straftatbestände sind der Totschlag (§ 212 dStGB und Art. 138 sStGB), der Diebstahl (§ 242 dStGB und

§ 9 Verfassungs- u. strafrechtliche Begründung des Täter- u. Teilnehmerunrechts 327

Art. 234 sStGB), die Freiheitsberaubung (§ 239 dStGB und Art. 163 sStGB), usw. Diese Straftatbestände lauten: „Wer einen Menschen tötet“, „Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen“ und „Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt“. Ihrerseits lauten die solchen Straftatbeständen zugrundeliegenden negativen allgemeinen Pflichten: „Das Leben einer anderen Person nicht zu verletzen“, „sich das in beweglichen Sachen enthaltene Eigentum einer anderen Person nicht anzueignen“ bzw. „die Bewegungsfreiheit eines anderen Bürgers nicht zu beeinträchtigen“. Beispiele für Straftatbestände, die positive Sonderpflichten aufstellen, sind unter anderem die Rechtsbeugung (§ 339 dStGB und Art. 404 sStGB), die qualifizierte Unterschlagung (§ 246 Abs. 2 dStGB und Art. 432 sStGB) und die Untreue (§ 266 Abs. 1 dStGB und 252 sStGB). Die Grundelemente der Täterschaft solcher Tatbestände werden durch die folgenden gesetzlichen Formulierungen beschrieben: „Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht“, „Wer eine ihm anvertrauten fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet“ bzw. „Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt“. Dementsprechend lauten die positiven Sonderpflichten: „Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter hat die Pflicht, das Recht bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache nicht zu beugen, um eine Partei zu begünstigen oder zu benachteiligen“; „der Beauftragte, dem eine fremde bewegliche Sache anvertraut wurde, muss diesen Auftrag korrekt ausführen“ und „wem durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft die Befugnis eingeräumt wurde, über fremdes Vermögen zu verfügen oder wer kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses verpflichtet ist, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, muss diese Befugnis bzw. Pflicht ordnungsgemäß erfüllen“. Daher begründet der Verstoß gegen die entsprechenden negativen Allgemeinpflichten und positiven Sonderpflichten die Täterschaft eines Totschlags, eines Diebstahls, einer Freiheitsberaubung, einer Rechtsbeugung, einer Unterschlagung und einer Untreue. Dies bestätigt, dass die Verletzung der sowohl in den § 25 dStGB und Art. 28 Satz 1 sStGB als auch in den Tatbeständen des Besonderen Teils solcher gesetzlichen Strafrechtssysteme verankerten negativen Allgemeinpflichten und positiven Sonderpflichten die Täterschaft bei den allgemeinen Pflichtdelikten bzw. Sonderpflichtdelikten begründet. Das liegt daran, dass der Täter bei den allgemeinen Pflichtdelikten eine allgemeine negative Pflicht verletzt, während er bei den Sonderpflichtdelikten gegen eine besondere positive Pflicht verstößt. Anders formuliert: Während die Täterschaft bei den Allgemeinpflichtdelikten mit der fehlerhaften Or-

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

ganisation des negativen Pflichtträgers begründet wird, wird die Täterschaft bei den Sonderpflichtdelikten auf die fehlerhafte Organisation des positiven Pflichtträgers gestützt. Wird der Inhalt der genannten Strafvorschriften des dStGB und sStGB normativ – und keinesfalls ontologisch – begriffen, lassen sich sodann mit der entsprechenden Verletzung nur Pflichtverletzungsdelikte begründen. Daraus ergibt sich, dass es im Rahmen eines normativen Verständnisses keinen Raum für eine ontologische Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit gibt. Denn aus meiner Sicht erwächst aus dem Verstoß gegen die negativen Allgemeinpflichten und gegen die positiven Sonderpflichten weder eine Strafbarkeit wegen der Tatherrschaft über das Geschehen (Herrschaftsdelikte) noch eine Strafbarkeit kraft bloßer fehlerhafter Organisation der Freiheitssphäre (Organisationsdelikte). Vielmehr begründen sowohl der Verstoß gegen die negativen allgemeinen Pflichten als auch die Verletzung der positiven besonderen Pflichten eine normative Strafverantwortung wegen der Verletzung negativer Allgemeinpflichten bzw. eine normative Strafbarkeit kraft der Übertretung positiver Sonderpflichten. D. h. bei dem von der h. L. als „Herrschaftsdelikte“ (Organisationsdelikte) und „Pflichtdelikte“ bezeichneten Strafunrecht handelt es sich um tatsächlich authentische „Allgemeinpflichtdelikte“ oder „Delikte wegen Verletzung negativer Allgemeinpflichten“ einerseits und „Sonderpflichtdelikte“ oder „Delikte kraft Verstoßes gegen die positiven Sonderpflichten“ andererseits. Insoweit unterscheidet sich die Auffassung des Verfassers von dem soeben dargestellten Begriffsverständnis – und zwar aus folgenden Gründen: Im Gegensatz zum Ansatzpunkt der kriminalpolitischen Beteiligungslehre kriminalisiert der Gesetzgeber im Bereich der genannten Herrschaftsdelikte nicht die Herrschaft über die phänomenologischen Äußerungen des Verhaltens, sondern die Verletzung der in der Basis des Sozialsystems liegenden allgemeinen negativen Rechtspflichten. Dies zeigt, dass die bloß ontologischen Handlungsformen selbst keinen strafrechtlichen Unwert darstellen. Erst die Übertretung der fundamentalen allgemeinen negativen Pflichten unserer Gesellschaft konstituiert einen unerträglichen Angriff auf den sozialen Frieden. In diesem Sinne besteht das Fundament der Allgemeinpflichtdelikte (Herrschaftsdelikte) nicht in der faktischen Tatherrschaft über den schädigenden Geschehensablauf, sondern vielmehr im Verstoß gegen die allgemeine Maxime (oder Pflicht) des „Nicht-Schädigens“ fremder Freiheitssphäre. In diesem Zusammenhang ist eben nicht Täter eines Allgemeinpflichtdelikts, wer objektiv und subjektiv sein unerlaubtes Verhalten beherrscht187, sondern vielmehr derjenige, welcher die sowohl in den Tatbeständen des Besonderen Teils als auch im Institut der Täterschaft des Allgemeinen Teils (etwa § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB) enthaltene allgemeine negative Pflicht verletzt. Ebenfalls ist Teilnehmer – unabhängig vom Quantum seines Beitrags – wer gegen den allgemeinen Grundsatz „du darfst nicht zur Verletzung der fremden Freiheitssphäre eines Dritten durch einen anderen beitragen“ verstößt, der einerseits in den Tatbeständen des Besonderen Teils 187

Rudolphi, Jescheck-FS, S. 573.

§ 9 Verfassungs- u. strafrechtliche Begründung des Täter- u. Teilnehmerunrechts 329

und andererseits in den Institutionen der Beihilfe und Anstiftung des Allgemeinen Teils geregelt ist. Seinerseits lässt sich gegen den Standpunkt des systemischen Beteiligungssystems – nach dem bei den allgemeinen Pflichtdelikten im Unterschied zu den Sonderpflichtdelikten die fehlerhafte individuelle Freiheitsorganisation als Täterschaft kriminalisiert wird – einwenden, dass diese These innere Widersprüche aufweist. Dies leitet sich aus einem Vergleich mit den in dieser Untersuchung als Sonderpflichtdelikte gekennzeichneten klassischen Pflichtdelikten her, bei denen aus Sicht des systemischen Beteiligungssystems die Verletzung einer institutionellen Pflicht als Täterschaft pönalisiert wird. Denn nach der hier vertretenen Auffassung gehören die vom systemischen Funktionalismus als Grundelemente der Allgemeinpflichtdelikte (Organisationsdelikte) hervorgehobenen Merkmale zu beiden Deliktsarten (zu den Allgemein- und Sonderpflichtdelikten). Bei beiden Deliktsarten liegt nämlich sowohl eine fehlerhafte Organisation als auch eine Verletzung einer institutionellen Pflicht vor; bei beiden Deliktsarten verletzt sowohl der Täter als auch der Teilnehmer eine institutionelle Pflicht und beide organisieren sich fehlerhaft. Deshalb ist auch die vom systemischen Funktionalismus formulierte Unterscheidung zwischen Organisations- und Pflichtdelikten nicht konsistent. Hingegen unterscheiden sich Organisationsdelikte (hier Gemeinpflichtdelikte) und Pflichtdelikte (hier Sonderpflichtdelikte) nach meinem Verständnis – wie bereits erklärt – nach der andersartigen Natur der Pflichten und daher nach dem Wesen ihrer Verletzung. 2. Zweite Grundlage: Die Verletzung der in § 14 dStGB und Art. 31, 31bis sStGB geregelten „positiven Sonderpflichten“ als Grundlage des Täterunrechts bei den „Sonderpflichtdelikten“ In Übereinstimmung mit der oben (§ 3 B.II.) gegebenen Erklärung ist das zweite Kernelement der gesetzlichen Grundlage der Täterschaft bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen in § 14 dStGB und in den Art. 31, 31bis sStGB geregelt. Es handelt sich um die gesetzliche Grundlage der Täterschaft bei den unternehmerischen Allgemein- und Sonderpflichtdelikten188 ; denn diese Strafvorschriften enthalten besondere Merkmale, deren Erfüllung die Täterschaft von Sonderpflichtträgern – etwa Inhabern, Organmitgliedern, Vertretern und Beauftragten eines Unternehmens – begründet. Grund dafür ist, dass sowohl § 14 dStGB als auch Art. 31 und „31bis“ sStGB die negativen Allgemein- und positiven Sonderzuständigkeiten von den primären Normadressaten – etwa den Gesellschaftern einer GmbH, den Aktionären einer AG – auf die Organmitglieder und Vertreter eines Wirtschaftsunternehmens übertragen. Wegen der Übertragung sowohl der Pflichterfüllung als auch der Strafverantwortung für die Verletzung solcher Pflichten wird die täterschaftliche Verantwortlichkeit nicht den ursprünglichen Normadressaten, sondern den nach der Gründung 188

Vgl. dazu ausführlich unten § 10 A.I.; §§ 11, 12.

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des Unternehmens als Vertreter, Geschäftsführer, Organmitglieder usw. eines (Wirtschafts-)Unternehmens bestellten Sonderpflichtträgern zugerechnet. Aus diesem Grund sind die Geschäftsführer, die Aufsichtsrats-, Vorstandsmitglieder usw. in der Regel als Täter für ein unternehmerisches Wirtschaftsdelikt verantwortlich, wenn sie gegen ihre jeweiligen Strafrechtspflichten verstoßen. Dies zeigt, dass § 14 und Art. 31, 31 bis des deutschen bzw. spanischen Strafgesetzbuchs auf die Schließung von Strafbarkeitslücken189 gerichtet sind, die infolge der Abwesenheit der Verwaltereigenschaften in der Person eines im Vordergrund stehenden Ausführenden entstehen190.

II. Erscheinungsform der Täterschaft, die sich aus der unmittelbaren Verletzung der den in §§ 25, 14 dStGB und den in Art. 28 Abs. 1, 31, „31 bis“ sStGB geregelten Pflichten herleitet Wie bereits in den vorhergehenden Abschnitten (§ 3 C.) ausgeführt, vertritt die herrschende Lehre, dass sowohl bei den Allgemein- als auch bei den Sonderpflichtdelikten grundsätzlich drei unterschiedliche Formen der Täterschaft möglich sind. Dies liege darin begründet, dass der Allgemein- bzw. Sonderpflichtträger aus einer phänomenologischen Sicht die der Täterschaft zugrundeliegende Pflicht unmittelbar, mittelbar und gemeinschaftlich verletzen könne. Aus diesen drei ontologischen Pflichtverletzungsformen würden sich daher auch drei Täterschaftsformen ableiten lassen: unmittelbare Täterschaft, wenn die Pflicht faktisch vom Pflichtträger selbst verletzt wird; mittelbare Täterschaft, wenn der Gemein- oder Sonderpflichtträger seine negative Allgemein- bzw. positive Sonderpflicht durch die Instrumentalisierung eines Drittens verletzt; und Mittäterschaft, wenn die Pflicht von mehreren Allgemein- oder Sonderpflichtträgern gemeinsam übertreten wird. Diese These ist nicht zutreffend, weil die Beziehung zwischen dem Täter und der Erfüllung (oder Nichterfüllung) der allgemeinen Negativpflicht oder positiven Sonderpflicht individuell, unmittelbar191, ausschließlich und ausschließend ist. Denn normativ hängt die Begründung der Täterschaft und ihre Form nicht von den die Pflichtverletzung verwirklichenden ontologischen Ausdruckformen ab, sondern von der normativen Natur der Pflichten und von der normativen Verbindung solcher Pflichten mit den Allgemein- oder Sonderpflichtträgern. Daher lässt sich sowohl bei den Delikten wegen der Verletzung negativer Allgemeinpflichten als auch bei Delikten kraft Verstoßes gegen positive Sonderpflichten nur eine unmittelbare Ein189 In diesem Sinne siehe MüKoStGB-Radtke, Band 1, 3. Aufl., § 14, Rn. 8; hinsichtlich des kriminalpolitischen Zwecks der Rechtsfigur des „Handelns für einen anderen“ im Bereich des spanischen Strafrechtssystems vgl. Silva Sánchez-CCP, Band III, Art. 31, S. 389 ff. 190 MüKoStGB-Radtke, Band 1, 3. Aufl., § 14, Rn. 23. 191 Auf diese Weise Sánchez-Vera, Delito de infracción de deber y participación delictiva, S. 208.

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zeltäterschaft und keinesfalls eine mittelbare Täterschaft oder Mittäterschaft annehmen. Es ist unproblematisch, von unmittelbarer Täterschaft auszugehen, wenn im Täterverhalten die normative Pflichtverletzung mit der ontologischen Form einer solchen Verletzung zusammenfällt, weil der Täter die negative Allgemeinpflicht oder die positive Sonderpflicht persönlich – d. h. eigenhändig – verletzt. Dazu zwei Beispiele: a) Ein Vater lässt zu, dass sein minderjähriges Kind im Schwimmbad ertrinkt. b) Ein Geschäftsführer einer juristischen Person bereichert sich an dem Vermögen des von ihm vertretenen Unternehmens. In diesen Fällen ist es kein Problem, die Annahme einer unmittelbaren Täterschaft zu akzeptieren, da die normative Pflichtverletzung mit der phänotypischen Ausdrucksweise dieser Verletzung zusammenfällt. Folglich ist der Vater unmittelbarer Täter eines Mordes (§ 211 dStGB, Art. 139 f. sStGB) oder eines einfachen Totschlags (§ 212 dStGB Art. 138 sStGB). Ebenso ist der Geschäftsführer unmittelbarer Täter des Untreueunrechts (§ 266 dStGB, Art. 252 sStGB). Unter demselben Gesichtspunkt liegt auch unmittelbare Täterschaft vor, wenn die Pflichtverletzung durch die Instrumentalisierung eines Dritten verwirklicht wird; mit anderen Worten ist von unmittelbarer Täterschaft auszugehen, wenn der Träger einer negativen Allgemeinpflicht oder einer positiven Sonderpflicht die ontologische Herrschaft über die Pflichtverletzung durch die Instrumentalisierung eines unter Zwang oder Irrtum handelnden Dritten ausübt. Das Vorliegen einer unmittelbaren Täterschaft – und somit keiner mittelbaren Täterschaft – stützt sich auf die Tatsache, dass in einer solchen Fallkonstellation die normative Pflichtverletzung unmittelbar ausgeführt wird; nur die phänomenologische Ausdrucksweise der Pflichtverletzung ist mittelbar, aber – wie wiederholt gesagt wurde – dieser materiellen Ausdrucksweise fehlt die strafrechtliche Relevanz, um einerseits die Täterschaft zu begründen und andererseits die Form eines solchen strafrechtlichen Instituts zu bestimmen. Nach dem in dieser Untersuchung entwickelten Standpunkt sind daher alle Formen der mittelbaren Täterschaft eigentlich Formen der unmittelbaren Täterschaft. Dies gilt auch für die Mittäterschaft. Dementsprechend liegt in den Fallkonstellationen, in denen aus Sicht der h. L. eine Mittäterschaft anzunehmen wäre, weil nach ihrem Täterschaftsverständnis entweder die Beteiligten bei der Verwirklichung eines Allgemeinpflichtdelikts während der Ausführungsphase des Strafunrechts eine funktionale Tatherrschaft haben oder die Beteiligten bei der Herbeiführung eines Sonderpflichtdelikts gegen ihre positiven Sonderpflichten gemeinschaftlich und gemeinsam verstoßen, nur unmittelbare Täterschaft vor. Als Beispiele für die von der h. L. formulierte Mittäterschaft können drei Fälle angeführt werden: einer, der sich auf Delikte kraft Verletzung allgemeiner Negativpflichten bezieht; und zwei, in denen es um Delikte aufgrund der Übertretung positiver Sonderpflichten geht. Erster Fall: Zwei Subjekte haben die funktionale Kontrolle über die Ausführung eines Sexualdelikts: Einer von ihnen hält eine Person fest und der andere nimmt sexuelle

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

Handlungen an dieser Person vor. Zweiter Fall192: Zwei Geschäftsführer einer juristischen Person planen, das Kapital des verwalteten Vermögens auf ihre persönlichen Bankkonten zu übertragen. Im Ausführungsstadium wird die Transaktion nur von einem der Geschäftsführer vorgenommen, während sich der andere Geschäftsführer nur auf die Verbesserung des Plans durch Ratschläge beschränkt. Dritter Fall193 : Einige Gefängnisbeamte, die eine gemeinschaftliche positive Sonderpflicht dahingehend haben, die Flucht von Gefangenen zu verhindern, beschließen gemeinsam, die Gefangenen fliehen zu lassen. Nach der in dieser Untersuchung vertretenen Perspektive und entgegen der h. L. sind diejenigen, die an den drei genannten Fällen beteiligt sind, unmittelbare Täter des Strafunrechts der Vergewaltigung (§ 177 dStGB, Art. 180 Abs. 1.2 sStGB), Untreue (§ 266 dStGB, Art. 252 sStGB) und „Gefangenenbefreiung im Amt“ (§ 120 Abs. 2 dStGB, Art. 471 sStGB). In diesen Fällen wurden zwei parallele unmittelbare Täterschaften konfiguriert. Im ersten Fall sind die beiden Subjekte, die sich die Aufgaben zum Vollzug der Vergewaltigung aufgeteilt haben, unmittelbare Paralleltäter, weil sie gegen ihre negative Allgemeinpflicht „die sexuelle Freiheit eines Dritten nicht zu beeinträchtigen“ unmittelbar und gleichzeitig verstoßen haben. In gleicher Weise sind die Geschäftsführer unmittelbare Paralleltäter des Untreuestrafunrechts, denn sie haben ihre positiven Sonderpflichten gleichzeitig verletzt, „das Vermögen der juristischen Person ordnungsgemäß zu verwalten“. Ebenso sind die Gefängnisaufseher unmittelbare Paralleltäter der „Gefangenenbefreiung im Amt“ (§ 120 Abs. 2 dStGB, Art. 471 StGB), da diese Beamten parallel und unmittelbar ihre besondere positive Pflicht nicht erfüllt haben, „Gefangene zu bewachen und vor der Flucht aus dem Gefängnis zu hindern“. Der Grund für die Annahme von unmittelbaren Paralleltätern bei den vorgenannten Straftaten liegt darin, dass die Verknüpfung der jeweiligen Pflichten mit deren Verletzung unmittelbar, persönlich und nicht gemeinschaftlich erfolgt.

III. Strafrechtliche Begründung des Teilnehmerunrechts In den Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens finden sich die Grundlagen des Teilnehmerunrechts insbesondere in §§ 26, 27 und 28 Abs. 1 dStGB und in Art. 29, 65 Abs. 3 sStGB, weil die genannten gesetzlichen Vorschriften strafrechtliche Pflichten enthalten, deren Verstoß eine Anstiftung oder Beihilfe begründet. Die nächsten zwei Unterabschnitte beschäftigen sich mit diesem Thema.

192

Ähnlich Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34 II, S. 396. Ein ähnliches Beispiel findet sich in Sánchez-Vera Gómez-Trelles, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 158; Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 399. 193

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1. Erste Grundlage: Die Übertretung der in den §§ 26, 27 dStGB und in den Art. 28 Satz 2, 29 sStGB geregelten „Allgemeinpflichten“ als Grundlage des Teilnehmerunrechts an den „negativen Allgemeinpflichtdelikten“ und „positiven Sonderpflichtdelikten“ Im deutschen Strafrechtssystem sind die allgemeinen Grundlagen der Teilnahme in §§ 26, 27 dStGB geregelt. Während § 26 die Anstiftung durch die Formulierung „Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat“ beschreibt, normiert § 27 die Beihilfe durch den Satz „Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat“. In ähnlicher Weise werden die Grundlagen der Teilnahme im spanischen Beteiligungssystem in den Art. 28 Absatz 2 und 29 sStGB festgelegt. Art. 28 Abs. 2a bezeichnet den Anstifter als „derjenige, der einen anderen oder mehrere andere dazu veranlasst, eine Straftat zu verwirklichen“. Art. 28 Abs. 2b definiert den „erforderlichen Gehilfen“ als „[denjenigen], der an der Verwirklichung der Straftat durch einen wesentlichen Beitrag teilnimmt, ohne den der Straftatbestand nicht verwirklicht werden kann“. Art. 29 lautet seinerseits, dass „bloßer Gehilfe“ „derjenige ist, der nicht durch Art. 28 erfasst wird und der an der Verwirklichung des Straftatbestandes durch vorherige oder gleichzeitige Beiträge beteiligt ist“. Diese Vorschriften der Strafgesetzbücher Deutschlands und Spaniens enthalten zwei verschieden Verhaltensnormen der Teilnahme: Einerseits enthalten sie die aus dem liberalen Staatsverständnis stammenden Pflichten, deren Verletzung die Teilnahme an den „allgemeinen Pflichtdelikten“ begründet. Andererseits umfassen sie zugleich die aus dem sozialen Rechtstaatsverständnis hergeleiteten Pflichten, aus deren Verletzung sich die Teilnahme an den „Sonderdelikten“194 ergibt. Die genannten Strafvorschriften verbieten im Bereich der „allgemeinen Pflichtdelikte“ allen Bürgern an der „Verletzung der neminem-laede-Pflicht teilzunehmen“. Wie oben erklärt wurde, lautet das die Teilnahme an dieser Deliktsart begründende Prinzip: „Niemand darf zur Verletzung der fremden Freiheitssphäre eines Dritten durch einen anderen beitragen“, sodass der Haftungsgrund der Teilnahme an den „allgemeinen Pflichtdelikten“ – gemäß den §§ 26 und 27 dStGB und den Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB – nicht in der Verletzung des neminem-laede-Grundsatzes selbst, sondern in der Übertretung des Prinzips „Niemand darf zum Verstoß gegen den neminem-laede-Grundsatz beitragen“ besteht. In diesem Sinne lässt sich aus dem Inhalt der genannten Vorschriften i. V. m. § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB schlussfolgern: Wie sich das Strafunrecht der Täterschaft aus der Verletzung des – durch § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB i. V. m. den entsprechenden Tatbeständen des Besonderen Teils normierten – Grundsatzes neminem laede ergibt, so 194 Vgl. die These Jakobs, nach der bei Sonderpflichtdelikten die Teilnahmeregeln nicht nur den Bereich des normwidrigen Verhaltens, sondern auch den Adressatenkreis erweitern, nämlich vom Träger eines Status auf jedermann, vgl. Jakobs, AT, 2. Aufl., § 22, Rn. 7.

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

folgt das Strafunrecht der Teilnahme bei den „allgemeinen Pflichtdelikten“ aus der Übertretung der durch die entsprechenden Strafvorschriften der Strafgesetzbücher Deutschlands (§§ 26, 27 dStGB) und Spaniens (Art. 28 Abs. 2 und 29 sStGB) i. V. m. den korrespondierenden Vorschriften des Besonderen Teils regulierten Pflicht „keinen Beitrag zur Verletzung des neminem laede durch einen Dritten zu leisten“. In ähnlicher Weise legen sowohl §§ 26 und 27 dStGB als auch Art. 28 Abs. 2 und 29 sStGB im Rahmen der „Sonderpflichtdelikte“ das an alle Personen gerichtete Verbot fest, nicht an der Verletzung einer positiven Pflicht durch einen Intraneus mitzuwirken. Der durch § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB normierten, besonderen Pflicht „Der Sonderpflichtträger darf seine positive Pflicht nicht verletzen“, steht hier die in §§ 26 und 27 dStGB und in Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB verankerte allgemeine Pflicht „Niemand darf an der Verletzung einer positiven Sonderpflicht durch einem Sonderpflichtträger mitwirken“ gegenüber. Dadurch zeigen sich die unterschiedlichen Aufgaben der Täter- und Teilnehmerpflichten deutlich: Die in § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB enthaltene Täterverhaltensnorm verbietet dem Intraneus, seine positive Sonderpflicht zu verletzen; hingegen verbieten die durch §§ 26 und 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB aufgestellten Teilnehmerverhaltensnormen dem Extraneus, an der Verletzung der die Zuständigkeit des Intraneus betreffenden positiven Sonderpflicht teilzunehmen195. Aus diesem Grund wird die vom Intraneus herbeigeführte Verletzung der positiven Sonderpflicht durch § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB als Täterschaft eingestuft, wohingegen der vom Extraneus ausgehende Angriff sowohl in den §§ 26 und 27 dStGB als auch in den Art. 28 Abs. 2 und 29 sStGB als Teilnahme (Anstiftung oder Beihilfe) kriminalisiert wird196. So gesehen übertritt der Extraneus als Teilnehmer nicht die den Intraneus treffende Sonderpflicht197, deren Verletzung die Täterschaft begründen würde, sondern vielmehr allein die an ihn gerichtete Allgemeinpflicht, der ein geringerer Strafunwert zukommt198. Denn würden die Teilnehmer die die Täterschaft begründenden Pflichten verletzen, wären sie nicht mehr Teilnehmer, sondern Täter eines Allgemein- oder Sonderpflichtdelikts199. Demzufolge lässt sich das Strafunrecht des außenstehenden Teilnehmers nicht mit der Verletzung der positiven Pflicht durch einen Intraneus begründen, sondern nur mit der Übertretung der allgemeinen Verbotsnorm „nicht an der Verletzung einer positiven Sonderpflicht teilzunehmen“. Das 195

Rudolphi, Jescheck-FS, S. 570 ff. Vgl. Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 129. 197 Jakobs, AT, 2. Aufl., § 22, Rn. 7. 198 Nach Renzikowski (Restriktiver Täterbegriff, S. 123) tragen Anstiftung und Beihilfe auf unterschiedliche Weise zum Erfolg einer Rechtsgutsverletzung bei, weshalb sie ebenfalls gegen unterschiedliche Verhaltensnormen verstoßen. Bezüglich des geringeren Strafunwerts des Teilnehmerunrechts und des höheren Strafunwerts des Täterunrechts siehe auch Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 13; Langer, Das Sonderverbrechen, S. 465 f.; Mayer, AT, 301, 319; ders., Rittler-FS, S. 244 ff.; Rudolphi, Jescheck-FS, S. 570 ff.; Theile, Tatkonkretisierung und Gehilfenvorsatz, S. 35; Vogel, Norm und Pflicht, S. 27 f. 199 Dazu vgl. Peñaranda Ramos, La participación en el delito, S. 336 f.; Sanchez-Vera Gómez-Trelles, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 174 ff., 177 ff. 196

§ 9 Verfassungs- u. strafrechtliche Begründung des Täter- u. Teilnehmerunrechts 335

ist der Grund, warum der Extraneus immer als Teilnehmer (und nie als Täter) bestraft wird, wenn er zur Verletzung einer positiven Sonderpflicht beiträgt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Strafunrecht des extranen Teilnehmers keine Verbindung mit den im Besonderen Teil enthaltenen Pflichtdelikten hätte. Es sollte bisher nur gezeigt werden, dass erstens der extrane Teilnehmer die täterschaftsbegründende positive Sonderpflicht nicht verletzt, und zweitens das Unrecht des extranen Teilnehmers gegenüber dem Unrecht des intranen Täters einen unterschiedlichen Inhalt aufweist – und demzufolge der Extraneus nicht für das intrane Täterunrecht verantwortlich gemacht werden kann, sondern stattdessen nur für sein eigenes Unrecht200. Es ist jedoch nicht möglich, das Unrecht des extranen Teilnehmers nur anhand der allgemeinen Teilnahmeregelungen (§§ 26, 27 dStGB Deutschlands und Art. 28 Abs.2, 29 sStGB Spaniens) und ohne Heranziehung der Tatbestände des Besonderen Teils zu begründen, da zwischen der Begründung des Strafunrechts des extranen Teilnehmers und den Sonderpflichtdelikten eine untrennbare Verbindung besteht201. Wegen der Geltung des Grundsatzes „nullum crimen, nulla poena sine lege“ als strukturelle Säule aller Strafbarkeitsformen bildet die Verknüpfung der allgemeinen Teilnahmeregeln mit den besonderen Pflichttatbeständen die Grundlage des extranen Teilnehmerunrechts. So begründen erstens die allgemeinen Beteiligungsregeln (etwa §§ 25, 26, 27 dStGB oder Art. 28, 29 sStGB) allein noch keine Strafbarkeit, weil sie kein tatbestandsmäßiges Verhalten vorschreiben. Die tatbestandsmäßigen Handlungen werden von den Vorschriften des Besonderen Teils erfasst. Und zweitens richten sich die durch die Sonderpflichttatbestände normierten positiven Sonderpflichten nicht immer nur an den intranen Täter, sondern in Einzelfällen auch an den extranen Teilnehmer202. Sofern Sonderpflichttatbestände die positiven Institutionen nämlich sowohl gegen den Angriff des Intraneus, als auch gegen den Angriff des Extraneus schützen, ist auch der Außenstehende – etwa bei der Vorteilsgewährung (§ 333 Abs. 1 dStGB und Art. 424 sStGB) und bei der Bestechung (§ 334 dStGB und Art. 424 Abs. 2 sStGB) – als Täter203 zu bestrafen. In diesen Fällen beeinträchtigt der Extraneus unmittelbar die geschützten besonderen Institutionen, wenn er an einem Pflichtdelikt teilnimmt. Man könnte argumentieren, dass sich die besonderen Pflichttatbestände nicht an den Extraneus richten, weil diese Vorschriften die Erfüllung des tatbestandsmäßigen Verhaltens wörtlich mit einem bestimmten Personenkreis verknüpfen. Nach hier 200

Ähnlich Lesch, Intervención delictiva, S. 68; Robles Planas, La participación en el delito, S. 164 ff.; Rudolphi, Jescheck-FS, S. 571. Aus einer allgemeinen Sicht siehe auch Cancio Meliá, Conducta de la víctima, S. 277 f. 201 Siehe hierfür u. a. Jakobs, AT, 2. Aufl., § 22, Rn. 7; Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 13; Vogel, Norm und Pflicht, S. 27 f. 202 Jescheck/Weigend, AT, 4. Aufl., § 61 VII, S. 653; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 69; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 6; Schünemann, Schroeder-FS, S. 401 f.; ders., Roxin-FS, S. 799, 810. 203 Siehe Geisler, Korruptionsstrafrecht und Beteiligungslehre, S. 241 f.

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

vertretener Ansicht ist dies jedoch nicht anzunehmen, weil sich diese Beschränkung nur auf die tatbestandsmäßigen Handlungen der Täterschaft bezieht. Hierfür sprechen vier Argumente: Erstens beschränken die Sonderpflichttatbestände nur den Täterkreis, aber nicht den Haftungsbereich der Teilnehmer, obwohl ihnen selbst die betreffenden strafbegründenden Täterschaftsmerkmale fehlen204. Die als Voraussetzung der Tatbestandsmäßigkeit vorgenommene Erwähnung bestimmter Subjekte – z. B. „Polizist“, „Richter“, „Beamter“, Geschäftsführer etc. – bedeutet zwar, dass nur diese Personen das tatbestandsmäßige Verhalten täterschaftlich erfüllen können205, schließt aber keineswegs die Begründung der Strafwürdigkeit der Teilnahme des Extraneus aus206. Zweitens legt das Relativpronomen „Wer …“ auch im Bereich der „allgemeinen Pflichtdelikte“ nur das tatbestandsmäßige Täterverhalten fest. Die tatbestandsmäßige Handlung des Teilnehmers wird also auch in diesen Vorschriften – wie bei den Sondertatbeständen – nicht wörtlich festgelegt. Trotzdem schließt dies nach allgemeiner Ansicht eine Teilnahme nicht aus. Warum also sollte dann die Teilnahme des Extraneus bei Sonderpflichtdelikten ausgeschlossen sein? Drittens verankern die Straftatbestände des Besonderen Teils nicht nur zum Zuständigkeitsbereich des Täters gehörende Rechtspflichten207, sondern auch mit der Zuständigkeit des Teilnehmers verknüpfte Rechtspflichten208. Dies bedeutet, dass auch das Verhalten des Gehilfen und des Anstifters in den Straftatbeständen enthalten ist, zwar nicht als Täterschafts-, aber als Teilnahmeformen209. Und viertens wäre es unmöglich, nicht nur die Strafwürdigkeit, sondern auch die Strafbarkeit der Teilnahme – sowohl an den Sonder-, als auch an den Allgemeinpflichtdelikten – zu begründen, wenn sich die Tatbestände des Besonderen Teils nicht auch an den Teilnehmer richten würden. Eine solche Zurechnung der Teilnahme würde nämlich gegen das Gesetzlichkeitsprinzip verstoßen, weil nach diesem Grundsatz kein Teilnehmerunrecht und daher keine Strafbarkeit der Teilnahme vorliegt, wenn die Straftatbestände nicht auch die Handlungen der Teilnehmer umfassen210. 204

MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 28, Rn. 4. MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 28, Rn. 3, insbesondere Rn. 27. 206 Nach Del Castillo Codes’ Auffassung beschränken sich die Straftatbestände auf die Beschreibung normwidriger Handlungen, die sich nicht nur auf die Täter, sondern auch auf Teilnehmer beziehen, siehe Del Castillo Codes, La imprudencia, S. 99. 207 Dafür spricht sich Lesch aus, nach dem die Straftatbestände prinzipiell nicht den Täter beschreiben, sondern lediglich festlegen, worin eine soziale Störung (Straftat) besteht, die auch von mehreren Beteiligten durchgeführt werden kann, vgl. Lesch, Intervención delictiva, S. 66. 208 In die gleiche Richtung gehen Del Castillo Codes, La imprudencia, S. 99; Quintero Olivares, Los delitos especiales, S. 49. 209 Robles Planas, La participación en el delito, S. 159, 178. 210 Dies ist (wäre) eine Konsequenz der Garantien des Gesetzlichkeitsprinzips, das lautet: „Nullum crimen (kein Täter- und Teilnehmerunrecht), nulla poena (keine Strafe) sine praevia, certa, scripta und stricta lege (ohne vorhergehenden, bestimmten, schriftlichen und präzisen Straftatbestand“. Siehe hierfür aus einer allgemeinen Sicht u. a. Frister, AT, 5. Aufl., § 4, Rn. 2 ff.; Jakobs, AT, 2. Aufl., § 4, Rn. 1 ff.; Jescheck, AT, 5. Aufl., § 15, S. 131 ff.; Krey/Esser, AT, 4. Aufl., § 3, Rn. 38 ff., 49 ff., 78 ff., 98 ff., 102 ff.; Rengier, AT, § 4, Rn. 1 ff., 9 ff.; Roxin, AT I, § 5, Rn. 1 ff., 7 ff. 205

§ 9 Verfassungs- u. strafrechtliche Begründung des Täter- u. Teilnehmerunrechts 337

In diesem Zusammenhang verletzt der Extraneus selbst und unmittelbar die durch die besonderen Pflichttatbestände geschützten positiven Erwartungen211. Allerdings ist diese Verletzung von anderer Natur als die durch den Intraneus hervorgerufene Verletzung. Der Extraneus verletzt nämlich eine Pflicht, die gegenüber der Pflichtverletzung des Intraneus eine schwächeren strafrechtlichen Unwertgehalt aufweist. Dies zeigt, dass der dem Täter und dem Teilnehmer zugerechnete Straftatbestand nicht nur Werk des Täters, sondern auch des Teilnehmers ist212. Der Unterschied liegt nur darin: Während der Extraneus lediglich gegen die Pflicht „Niemand darf an der Verletzung einer positiven Sonderpflicht durch einen Sonderpflichtträger mitwirken“ verstößt213, so übertritt der Intraneus die Pflicht, welche lautet: „Der Sonderpflichtträger darf seine positive Pflicht nicht verletzen.“ Deshalb sind die entsprechenden Pflichtverletzungen immer als Teilnahme und Täterschaft zu bestrafen. 2. Zweite Grundlage: Die Übertretung der in § 28 Abs. 1 dStGB und Art. 65 Abs. 3 sStGB geregelten „Pflichten“ als Grundlage des Teilnehmerunrechts eines „positiven Sonderpflichtdelikts“ Ebenso wie der zweite Bestandteil der Begründung der Täterschaft bei den Sonderpflichtdelikten in § 14 und Art. 31 des Strafgesetzbuchs Deutschlands bzw. Spaniens geregelt ist, ist das zweite begründende Element der Teilnahme an den Sonderpflichtdelikten in § 28 Abs. 1 dStGB und Art. 65 Abs. 3 sStGB geregelt. § 28 Abs. 1 dStGB legt fest, dass das die Täterschaft des Sonderpflichtträgers begründende Fehlen besonderer persönlicher Eigenschaften beim Teilnehmer (etwa beim Außenstehenden) keine Straflosigkeit des nichtqualifizierten Teilnehmers (Anstifters oder Gehilfe), sondern nur eine Milderung seiner Strafe214 nach § 49 Abs. 1 bedeutet. In Bezug darauf lautet § 28 Abs. 1 wörtlich: „Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern“. Im Einklang mit § 28 Abs. 1 dStGB verankert Art. 65 Abs. 3 sStGB ebenfalls zweierlei: die Strafverantwortung des nichtqualifizierten Beteiligten (Anstifter oder notwendiger Gehilfe) für dasselbe Strafunrecht des qualifizierten Täters einerseits und die Bestrafung solcher Teilnehmer mit einer gemilderten Strafe andererseits. Diesbezüglich schreibt Art. 65 Abs. 3 sStGB vor: „Wenn beim Anstifter oder beim 211

Jakobs, AT, 2. Aufl., § 22, Rn. 9; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 129. Auf diese Weise u. a. Del Castillo Codes, La imprudencia, S. 99; Jakobs, AT, 2. Aufl., § 22, Rn. 8; Mir Puig, PG, § 14, Rn. 8; Robles Planas, La participación en el delito, S. 159. 213 Im gleichen Sinne Blanco Cordero, nach dem der Teilnehmer strafbar ist, weil er ohne Verwirklichung des Täterverhaltens das geschützte Rechtsgut durch den Beitrag zur Herbeiführung des Täterunrechts verletzt, vgl. Blanco Cordero, Límites a la participación delictiva, S. 16. 214 Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 117 ff.; Rengier, AT, 3. Aufl., § 46, Rn. 2, 11; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 28, Rn. 1. 212

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erforderlichen Gehilfen die Bedingungen, Eigenschaften oder persönlichen Beziehungen fehlen, welche die Schuld des Täters begründen, können die Richter oder Gerichte eine Strafe verhängen, die geringer ist als die durch das Gesetz für eine solche Rechtsverletzung festgelegte Strafe“. Diese in § 28 Abs. 1 und Art. 65 Abs. 3 der Strafgesetzbücher Deutschlands und Spaniens geregelte Strafminderung bestätigt die in mehreren vorhergehenden Abschnitten formulierte These, nach der das Strafunrecht des Anstifters und Gehilfen einen geringeren Strafunwert als das des Täters aufweist. Mit anderen Worten spiegelt das Vorliegen dieser Strafvorschriften wider, dass sowohl das dStGB als auch das sStGB die besondere Teilnahme des Extraneus an den Sonderpflichtdelikten anders bewerten als die allgemeine Teilnahme an den Allgemeinpflichtdelikten. Denn wie schon mehrmals gezeigt, übertritt der intrane Täter die Sonderpflicht „Der zuständige Sonderpflichtträger muss die Aufgabe der positiven Institution richtig erfüllen“; hingegen verletzt der extrane Teilnehmer die allgemeine Pflicht „Niemand darf an der Verletzung einer positiven Sonderpflicht durch einen Sonderpflichtträger mitwirken“. Aufgrund dieser unterschiedlichen Berücksichtigung des Täter- und Teilnehmerunrechts bei den Sonderpflichtdelikten ergibt sich konsequenterweise eine gemilderte Strafe für den extranen Teilnehmer und eine verschärfte Strafe für den intranen Täter. Für diese Strafmilderung müssen zwei Milderungsgründe berücksichtigt werden: der unterschiedliche Strafunwert und das Quantum des Beitrags des Extraneus. Die Erklärung beider Bereiche dieser Problematik wird unten behandelt (§ 9 D.II).

IV. Erscheinungsformen der Teilnahme, die sich aus der unmittelbaren Verletzung der in den §§ 26, 27 dStGB und in den Art. 28 Satz 2, 29 sStGB verankerten Pflichten ergeben Die von den Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens geregelten Erscheinungsformen der Teilnahme sind die Anstiftung, die Beihilfe und die „erforderliche“ Beihilfe. Diese Teilnahmeformen wurden schon oben (§ 4 B.; § 9 B.III.) ausführlich erklärt, weshalb diese Beteiligungsformen hier nur kurz dargestellt werden. 1. Anstiftung (§ 26 dStGB, Art. 28 Abs. 2a sStGB) Im normativen Sinne besteht die Anstiftung aus der Verletzung der in § 26 dStGB, Art. 28 Abs. 2a sStGB und den jeweiligen Straftatbeständen des Besonderen Teils enthaltenen strafrechtlichen Gemein- und Sonderpflichten. § 26 dStGB legt bezüglich der Anstiftung bei Allgemeinpflichtdelikten fest: „Niemand darf vorsätzlich und rechtswidrig einen Gemeinpflichtträger zum vorsätzlichen und rechtswidrigen Verstoß gegen seine negative Gemeinpflicht veranlassen“; somit wird die Anstiftung

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bei den Allgemeinpflichtdelikten begründet, wenn der Pflichtträger gegen eine solche Pflicht verstößt. Hinsichtlich der Anstiftung bei Sonderpflichtdelikten setzt § 26 dStGB fest, dass als Anstifter zu bestrafen ist, wer gegen die Pflicht verstößt, „einen Sonderpflichtträger nicht vorsätzlich und rechtswidrig zur vorsätzlichen und rechtswidrigen Verletzung seiner positiven Sonderpflicht zu bestimmen“. In ähnlicher Weise regelt das sStGB die Anstiftung bei den Allgemeinpflichtdelikten in seinem Art. 28 Abs. 2a: Diese Vorschrift regelt, dass „niemand einen anderen oder mehrere andere Gemeinpflichtträger zur Verletzung ihrer negativen Allgemeinpflichten veranlassen darf“, sodass als Anstifter eines Allgemeinpflichtdelikts bestraft wird, wer diese Pflicht verletzt. In ähnlicher Weise normiert dieselbe Strafvorschrift, dass die Anstiftung bei den Sonderpflichtdelikten in dem Verstoß gegen die Pflicht besteht, die alle Bürger bindet, „nicht einen oder mehrere Sonderpflichtträger zur Verletzung ihrer positiven Sonderpflichten zu veranlassen“. 2. Beihilfe (§ 27 dStGB, Art. 29 sStGB) Im deutschen Strafrechtssystem ist die Beihilfe durch § 27 dStGB geregelt. Diese Strafvorschrift stützt die Beihilfestrafbarkeit bei den Allgemeinpflichtdelikten darauf, dass die Bürger die Pflicht verletzen, „einem Allgemeinpflichtträger zu dessen vorsätzlichen und rechtswidrigen Verletzung seiner negativen Allgemeinpflicht keine vorsätzliche Hilfe zu leisten“. In Bezug auf die Beihilfe bei Sonderpflichtdelikten verankert § 27 dStGB, dass als Gehilfe zu bestrafen ist, wer seine Pflicht verletzt, „keinem Sonderpflichtträger zu dessen vorsätzlicher und rechtswidriger Verletzung seiner positiven Sonderpflicht vorsätzlich Hilfe zu leisten“. Der Art. 29 sStGB legt seinerseits fest, dass sich die bloße Beihilfe bei den Allgemeinpflichtdelikten auf den Verstoß gegen die Pflicht stützt, welche allen Personen verbietet, „einen Allgemeinpflichtträger beim Verstoß gegen seine negative Allgemeinpflicht durch vorherige oder gleichzeitige Hilfe zu unterstützen“. Bei den Sonderpflichtdelikten besteht die einfache Beihilfe nach Art. 29 sStGB aus dem Verstoß gegen die strafrechtliche Pflicht, „nicht einem Sonderpflichtträger zur Verletzung seiner positiven Sonderpflicht vorherige oder gleichzeitige Hilfe zu leisten“. 3. „Erforderliche“ Beihilfe (Art. 28 Abs. 2b sStGB) Die „erforderliche Beihilfe“ ist eine Teilnahmeform, die nur im Strafrechtssystem Spaniens existiert. Art. 28 Abs. 2b definiert den „erforderlichen Gehilfen“ als „denjenigen, der an der Verwirklichung der Straftat durch einen wesentlichen Beitrag teilnimmt, ohne den der Straftatbestand nicht erfüllt werden kann“. Der Wortlaut dieser Strafvorschrift enthält zwei Pflichten, deren Verletzungen die „erforderliche Beihilfe“ bei den Allgemeinpflichtdelikten bzw. die „erforderliche Beihilfe“ bei den Sonderpflichtdelikten begründet. In diesem Sinne besteht die „erforderliche Beihilfe“ bei den Allgemeinpflichtdelikten in dem Verstoß gegen die strafrechtliche

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Verhaltensnorm, die allen Bürgern verbietet, „an der Verletzung der negativen strafrechtlichen Allgemeinpflicht eines Dritten so wesentlich mitzuwirken, dass ohne diese Mitwirkung der Dritte seine negative Allgemeinpflicht nicht hätte verletzen können“. Dementsprechend besteht die „erforderliche Beihilfe“ bei den Sonderpflichtdelikten aus der Übertretung der Pflicht, „nicht in derart wesentlicher Weise zur Verletzung einer positiven strafrechtlichen Sonderpflicht durch einen Sonderpflichtträger beizutragen, dass ohne diesen Beitrag die Verletzung der Sonderpflicht durch den Sonderpflichtträger nicht möglich gewesen wäre“. Im Übrigen kann die Verletzung der erwähnten Pflichten und damit die Begründung der „erforderlichen Beihilfe“ sowohl in der Vorbereitungsphase als auch im Vollendungsstadium des Delikts stattfinden. Die Strafbarkeit ist unabhängig davon, ob es sich bei dem auf den Pflichtverstoß gründenden Strafunrecht um ein Allgemein- oder ein Sonderpflichtdelikt handelt. Entscheidend für die Begründung der „erforderlichen Beihilfe“ bei Allgemein- oder Sonderpflichtdelikten ist nur die Verletzung einer der beiden erläuterten Pflichten.

C. Materielle Strafbarkeitserfordernisse der Täterschaft und Teilnahme Während die verfassungsrechtliche (§ 9 A.) und gesetzliche Begründung von Täterschaft (§ 9 B.I.) und Teilnahme (§ 9 B.III.) die Frage beantworten, warum einem Bürger das Täter- und Teilnehmerunrecht zugerechnet wird, beschäftigen sich die materiellen Strafbarkeitserfordernisse (§ 9 C.I., II.) mit der Fragestellung, wann der Täter, Anstifter oder Gehilfe Strafe verdient. Anders formuliert: Unter welchen Bedingungen muss eine Strafe über den Täter oder Teilnehmer eines Strafunrechts verhängt werden? Nach hier vertretener Auffassung lässt sich die Strafbarkeit des Täters und Teilnehmers – im Unterschied zur Begründung des durch ihn verwirklichten Unrechts, das direkt aus dem Verstoß gegen die bereits ausführlich dargelegte, allgemeine Verhaltensnorm folgt – erst aus der konkreten, strafrechtlichen Sanktionsnorm herleiten215.

I. Materielle Strafbarkeitserfordernisse der Täterschaft Wie schon erläutert, begründet die bloße Verwirklichung eines Täterstrafunrechts nicht automatisch die Strafbarkeit des Täters, denn gemäß dem in der vorliegenden Untersuchung entwickelten dreistufigen Verbrechensaufbau bedeutet die Ausführung des Täterstrafunrechts nur, dass das Verhalten des Täters die Voraussetzungen der Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit erfüllt, aber nicht, dass der Täter 215 Auf diese Weise Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 131; Stein, Die strafrechtliche Beteiligungslehre, S. 66 ff.

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auch ohne die Erfüllung weiterer Voraussetzungen bestraft werden muss. Zur Strafverhängung des Täters ist es erforderlich, dass neben den Erfordernissen der Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit auch bestimmte durch die Strafgesetzbücher Deutschlands und Spaniens verlangte materielle Strafbarkeitselemente erfüllt sind, die nicht im Strafunrecht, sondern in anderen Kategorien – wie der Schuld – geprüft werden. So wird in der Schuld geprüft, dass der Täter das Strafunrecht schuldhaft verwirklicht, da das Vorliegen von Entschuldigungsgründen (z. B. entschuldigter Notstand, Verbotsirrtum) die Strafverhängung ausschließt. Nur die Verwirklichung der Gestaltungselemente der Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld begründet die Verhängung einer Strafe über den Täter. Ein anderes materielles Erfordernis von besonderer Bedeutung für die Strafbarkeit des Täters ist der Versuchsbeginn. Das liegt daran, dass nach §§ 22, 23 dStGB und Art. 16 Abs. 1 sStGB nur die in der Ausführungsphase verwirklichten Handlungen strafbar sind. Im Unterschied dazu sind die im Vorbereitungsstadium geleisteten Mitwirkungen in der Regel straflos, während sich ihre Strafbarkeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Wann ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist in den Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens an unterschiedliche Bedingungen geknüpft: In Deutschland müssen die Handlungen die Erfordernisse des § 30 Abs. 2 Alt. 3 dStGB erfüllen, der u. a. den in der Erklärung, Annahme und Zustimmung zur Begehung eines Verbrechens bestehenden Versuch der Täterschaft kriminalisiert; in Spanien muss das Täterverhalten einerseits einen Verschwörungs- oder Vorschlagsakt zur Verwirklichung eines Delikts darstellen (Art. 30 Abs. 1, 2 sStGB) und andererseits müssen diese Verschwörungs- oder Vorschlagshandlungen in den Straftatbeständen des Besonderen Teils des sStGB ausdrücklich mit Strafe belegt sein (Art. 30 Abs. 3 sStGB). In diesem Zusammenhang führt die Nichterfüllung der Strafbarkeitserfordernisse zur Straflosigkeit des Täters oder Teilnehmers, obwohl sie ein Täter- bzw. Teilnehmerstrafunrecht begangen haben.

II. Materielle Strafbarkeitserfordernisse der Teilnahme Als materielle Strafbarkeitserfordernisse216 der Anstiftung und Beihilfe wird in dieser Untersuchung verstanden, was die Mehrheit der deutschen und spanischen Strafrechtswissenschaftler als „Akzessorietätsprinzip“217 der Teilnahme bezeichnet. In Bezug darauf ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtssysteme Deutschlands und 216

In diesem Sinne etwa Höpfner, ZStW 26 (1906), 600; Langer, Das Sonderverbrechen, S. 466; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 131; Rudolphi, Jescheck-FS, S. 576; Sax, ZStW 90 (1978), 941 f. 217 Hierzu vgl. Baumann/Weber/Mitsch, AT, 11. Aufl., § 30, Rn. 11; Frister, AT, 5. Aufl., § 25, Rn. 24; Heinrich, AT, 3. Aufl., § 36/II, Rn. 1279; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 102 ff., 113 ff.; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 61 VII, S. 655; Krey/Esser, AT, 4. Aufl., § 30, Rn. 995; Kühl, AT, 7. Aufl., § 20, Rn. 135 f.; Maurach/Gössel/Zipf, AT, § 53 II, Rn. 1 ff.; Rengier, AT, 4. Aufl., § 45, Rn. 1; Roxin, AT, § 26, Rn. 5; LK-Schünemann, 12. Aufl., Vor §§ 26, 27, Rn. 18.

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Spaniens ähnliche materielle Erfordernisse für die Strafbarkeit des Teilnehmers festlegen. So verlangen beide Strafrechtssysteme das Vorliegen objektiver und subjektiver Strafbarkeitselemente. Dazu gehören das Bestehen einer tatbestandsmäßig-rechtswidrigen Straftat des Täters, das Gelangen dieser Tat ins Stadium des Versuchs und das Bestehen eines tatbestandsmäßig-rechtswidrigen Verhaltens des Teilnehmers. Der Unterschied liegt darin, dass die durch das dStGB festgesetzten Voraussetzungen gegenüber den durch das sStGB geregelten Erfordernissen unterschiedlichen Inhalt besitzen. Diese inhaltlichen Unterschiede werden im Folgenden erläutert. 1. Objektive Strafbarkeitserfordernisse der Teilnahme a) Vorliegen einer tatbestandsmäßig-rechtswidrigen Straftat des Täters Dieses objektive Strafbarkeitserfordernis der Teilnahme ergibt sich grundsätzlich aus §§ 26, 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB. Denn der Wortlaut der genannten Vorschriften verknüpft die Legitimierung der Verhängung einer Strafe über die Teilnehmer mit einer vom Täter vorgenommenen „tatbestandlichen rechtswidrigen Tat“218. Dies bedeutet, dass in beiden Strafrechtssystemen keine strafbare Teilnahme vorliegt, wenn der Täter eine Tat verwirklicht, die die Tatbestandsmäßigkeits- oder Rechtswidrigkeitselemente nicht erfüllt. Anders formuliert gibt es keine strafbare Teilnahme, wenn der Täter entweder nicht tatbestandsmäßig oder nicht rechtswidrig handelt. Trotz dieser Gemeinsamkeit besitzt das durch das dStGB festgelegte Strafbarkeitserfordernis – im Vergleich zu der durch das sStGB geregelten Strafbarkeitsbedingung, die einen breiteren Inhalt hat – einen engeren Inhalt. Denn das deutsche gesetzliche Beteiligungssystem (§§ 26, 27 dStGB) knüpft die Strafbarkeit der Teilnahme nur an die Verwirklichung einer „vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Haupttat“; hingegen verknüpft das spanische Strafrechtssystem (Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB) die Strafbarkeit der Teilnahme nicht nur mit der Herbeiführung einer vorsätzlichen, sondern auch mit der Verwirklichung einer fahrlässigen Haupttat. Aus diesen beiden unterschiedlichen Inhalten der genannten gesetzlichen Vorschriften ergeben sich zwei Schlussfolgerungen: Zum einen kriminalisiert das spanische Strafrechtssystem sowohl die Teilnahme an Vorsatzdelikten als auch die Teilnahme an Fahrlässigkeitsunrecht. Zum anderen scheidet im deutschen Strafrechtssystem die Strafbarkeit der Teilnahme aus, wenn der Täter ein fährlässiges (aber rechtswidriges) Allgemein- oder Sonderpflichtdelikt verwirklicht219. Dieses Ergebnis wird insbesondere auch durch §§ 16 Abs. 1, 11 Abs. 1 Nr. 5 dStGB bestätigt, welche die Strafbarkeit ausschließen, wenn die Beteiligten ohne Vorsatz handeln und eine fahrlässige Tatbegehung nicht mit Strafe bedroht ist. 218 219

Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 139 ff.; Rudolphi, Jescheck-FS, S. 571. Rengier, AT, 3. Aufl., § 45, Rn. 13.

§ 9 Verfassungs- u. strafrechtliche Begründung des Täter- u. Teilnehmerunrechts 343

Trotzdem akzeptiert ein Teil der deutschen Lehre die Strafbarkeit der Teilnahme des Extraneus an einem vom intranen Täter fahrlässig herbeigeführten Sonderpflichtdelikt220. Ein solcher Fall läge vor, wenn der Intraneus wegen seiner unbewussten (vorsatzlosen) Handlung nur die objektive Tatbestandsmäßigkeit der Pflichtverletzung erfüllt. Gegen ein solches Verständnis sprechen aber die drei folgenden Argumente: Erstens knüpfen die §§ 26 (Anstiftung) und 27 (Beihilfe) die Strafbarkeit aller Teilnahmeformen – und somit auch die Strafbarkeit des extranen Teilnehmers bei den Sonderpflichtdelikten – an das Vorliegen eines vorsätzlichen und rechtswidrigen Verhaltens des Täters221. Zweitens legt § 16 Abs. 1 dStGB eindeutig fest, dass alle Beteiligten – Täter oder Teilnehmer, Intraneus oder Extraneus – kein vorsätzliches Tatunrecht verwirklichen, wenn sie bei Begehung der Straftat einen zum Tatbestand gehörenden Umstand nicht kennen222. Und drittens wird als rechtswidrige Tat im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 5 nur ein Verhalten, angesehen, das sowohl die objektive als auch die subjektive Tatbestandsmäßigkeit erfüllt223. Sodann ergibt sich aus einer systematisch-teleologischen Auslegung der genannten Vorschriften (§§ 26, 27, 16 Abs. 1 und 11 Abs. 1 Nr. 5 dStGB), dass im deutschen Strafrechtssystem eine Strafbarkeit des Extraneus als Teilnehmer eines Sonderpflichttatbestands ausscheidet, wenn der Intraneus seine positive Sonderpflicht ohne Kenntnis der Tatbestandselemente oder berechtigterweise verletzt hat224 ; denn wer kein subjektiv zurechenbares Unrecht begeht, verwirklicht stets kein kriminalrechtlich relevantes Unrecht225. Deswegen würde die Nichteinhaltung dieser Erfordernisse einen Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip bedeuten226. Dies setzt jedoch nicht voraus, dass der Täter auch mit Schuld handeln muss, damit die Strafbarkeit des Teilnehmers gemäß dem Strafrahmen des Täterunrechts bestimmt werden kann. §§ 26, 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB verlangen nämlich wörtlich in Bezug auf die Haupttat als objektive Strafbarkeitsbedingung des Teilnehmers nur ein tatbestandsmäßiges und rechtwidriges Verhalten des Täters, d. h. nur das Vorliegen von Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit227. Dies bedeutet, 220

Lampe, ZStW 77 (1965), 310 ff.; Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, 2 A, S. 409; ders., AT II, § 26, Rn. 33; Schöneborn, ZStW 87 (1975), 917. 221 Frister, AT, 5. Aufl., § 28, Rn. 1; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, 1977; Jakobs, AT, 2. Aufl., § 22, Rn. 10 f.; Heinrich, AT, 3. Aufl., § 36/II, Rn. 1279; MüKoStGB-Joecks, Band 1, 2. Aufl., §§ 26, 27, Rn. 6; Kühl, AT, 7. Aufl., § 20, Rn. 135; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26, Rn. 1. 222 MüKoStGB-Joecks, Band 1, 2. Aufl., § 16, Rn. 5; LK-Vogel, 12. Aufl., § 16, Rn. 17. 223 So StGB-Fischer, § 11, Rn. 27; LK-Hilgendorf, Band 1, 12. Aufl., §§ 11 – 12, Rn. 78; Kühl, AT, 7. Aufl., § 20, Rn. 135; StGB-Lackner/Kühl, 27. Aufl., § 11, Rn. 18; MüKoStGBRadtke, Band 1, 2. Aufl., § 11, Rn. 105 f.; Rudolphi, Jescheck-FS, S. 570. 224 In diesem Sinne Stein, Die strafrechtliche Beteiligungsformenlehre, S. 344; Jakobs, AT, 2. Aufl., § 22, Rn. 12; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 61 VII, S. 656; Rengier, AT, 4. Aufl., § 45, Rn. 13. 225 Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 79. 226 Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 140. 227 Rengier, AT, 4. Aufl., § 45, Rn. 13.

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

dass es einer Schuld des Täters nicht bedarf, da der Begriff „tatbestandlicherechtswidrige Tat“ das Vorliegen von Schuld nicht voraussetzt228. Darüber hinaus folgt dieses Ergebnis auch aus § 29 dStGB und Art. 65 Abs. 1 sStGB, die festlegen, dass jeder Beteiligte „ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner eigenen Schuld“ bestraft werden muss229. Dieser hier vertretene Standpunkt schließt zwar eine Verantwortung des Teilnehmers in den Fällen unvorsätzlichen Handelns des Täters aus, er ermöglicht aber gleichwohl eine Bestrafung des Teilnehmers in solchen Fallkonstellationen, in denen der Teilnehmer an einem entschuldigten Verhalten des Täters teilnimmt230. Zu nennen sind hier beispielsweise Fälle, in denen der Täter die Straftat unter dem Einfluss einer Nötigung, eines Erlaubnistatbestandsirrtums, eines rechtsfertigenden oder entschuldigenden Notstands, etc. verwirklicht. b) Versuchsbeginn der Straftat des Täters Das zweite objektive Erfordernis, das die Beteiligungssysteme Deutschlands und Spaniens für die Strafbarkeit der Teilnahme fordern, ist der Versuchsbeginn der Haupttat des Täters. Der Grund dafür besteht in der normativen Bedeutung des Strafunrechts. Das Täter- und Teilnehmerunrecht wird nämlich als eine Pflichtverletzung definiert, die einen unerträglichen Unwert für das Rechtsbewusstsein der Gesellschaft darstellt231. Dieser durch das positive Strafrecht Deutschlands und Spaniens kriminalisierte untragbare Angriff liegt gemäß § 22 dStGB und Art. 16 Abs. 1 sStGB erst vor, wenn die Haupttat mindestens das Versuchsstadium erreicht hat232. Dann enthält auch das Verhalten des Teilnehmers diesen notwendigen Unwert233. Daraus ergibt sich, dass der Beitrag des Teilnehmers keine strafrechtliche Relevanz hat, wenn der Täter auf der Stufe bloßer Vorbereitungshandlungen verbleibt234. Im Rahmen einer Rechtsgemeinschaft verletzt ein solches Verhalten generell keine strafrechtliche Pflicht; vielmehr handelt es sich um eine neutrale (erlaubte) Freiheitsausübung, die zum „normalen“ sozialen Interaktionsbereich

228 LK-Hilgendorf, Band 1, 12. Aufl., §§ 11 – 12, Rn. 79; LPK-StGB-Kindhäuser, 7. Aufl., § 11, Rn. 33; Krey/Esser, AT, 4. Aufl., § 30, Rn. 996; MüKoStGB-Radtke, Band 1, 2. Aufl., § 11, Rn. 107. 229 Hierfür siehe Heinrich, AT, 3. Aufl., § 36/II, Rn. 1278; MüKoStGB-Joecks, Band 1, 2. Aufl., § 29, Rn. 1. 230 Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 139. 231 Kühl, AT, 7. Aufl., § 20, Rn. 136; Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 77. 232 Jakobs, La imputación objetiva, S. 76; MüKoStGB-Joecks, Band 1, 2. Aufl., § 30, Rn. 1. 233 Ähnlich Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S. 309. 234 MüKoStGB-Joecks, Band 1, 2. Aufl., § 30, Rn. 1; Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S. 309.

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gehört235. Die für eine Strafbarkeit des Teilnehmers erforderliche objektive Strafbarkeitsbedingung tritt erst mit der Vornahme der tatbestandsmäßigen Täterhandlung ein236 und eine Bestrafung des Teilnehmers scheidet grundsätzlich aus, wenn die Haupttat nicht über das Vorbereitungsstadium hinauskommt237. Etwas anderes gilt im Rahmen der nur im deutschen Strafrechtssystem (§ 30 Abs. 1 dStGB) geregelten versuchten Anstiftung zu einem Verbrechen. Denn obwohl der angestiftete Täter nicht unmittelbar zur Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung ansetzt, bleibt der Anstifter in diesem Fall nicht straflos, sondern er kann nach § 30 Abs. 1 dStGB wegen des Versuchs der Teilnahme – nämlich als versuchter Anstifter – bestraft werden238. Wie oben bereits erwähnt (§ 4 A. III.), stellt die Bestrafung der versuchten Anstiftung nach hier vertretener Ansicht eine Ausnahme von der Akzessorietät dar, die aus umstrittenen kriminalpolitischen Gründen das Vorbereitungsverhalten ohne Vorliegen einer Haupttat bestraft239. Wenn der Täter aber von der Vorbereitungsstufe in die Tatausführung übergeht, ist der Teilnehmer sowohl in Deutschland als auch in Spanien stets als Anstifter oder Gehilfe zu bestrafen. Der Grund dafür liegt im Folgenden: Einerseits wird die Strafbarkeit des Teilnehmers im deutschen Strafrechtssystem durch die Anwendung der §§ 26, 27 i. V. m. §§ 22, 23 dStGB bestimmt240 ; andererseits wird die Strafwürdigkeit des Teilnehmers in Spanien nach den Art. 28 Abs. 2, 29 i. V. m. Art. 15, 16 sStGB festgestellt. Daher ist die Mitwirkung des Teilnehmers (Anstifter und Gehilfe) in diesem Stadium der Tatbestandverwirklichung – sowohl in Deutschland als auch in Spanien – regelmäßig strafbar, denn die Strafbarkeit der Teilnahme am Versuch (am versuchten Strafunrecht) richtet sich nach der Strafbarkeit des Haupttäters. 2. Subjektive Strafbarkeitserfordernisse der Teilnahme In diesem Bereich liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen dem deutschen und dem spanischen Beteiligungssystem, da sich das durch §§ 26, 27 dStGB geregelte subjektive Strafbarkeitserfordernis im Vergleich zur durch Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB festgelegten subjektiven Strafbarkeitsbedingung, welche sowohl die vorsätzliche als auch die fahrlässige Teilnahme umfasst, nur auf die Bestrafung vorsätzlicher Teilnahmeformen beschränkt.

235 Dazu vgl. MüKoStGB-Joecks, Band 1, 2. Aufl., §§ 26, 27, Rn. 52 ff.; Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S. 309. 236 Kühl, AT, 7. Aufl., § 20, Rn. 137; Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S. 311. 237 Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 52 I, Rn. 1 f.; Roxin, AT II, § 26, Rn. 2. 238 Jakobs, AT, 2. Aufl., § 22, Rn. 20. 239 MüKoStGB-Joecks, Band 1, 2. Aufl., § 30, Rn. 1; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn. 2. 240 Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 50 IV, Rn. 80.

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

Daraus ergibt sich, dass das deutsche Strafrechtssystem einen doppelten Vorsatz des Teilnehmers241 verlangt, um die Mitwirkungen des Teilnehmers strafbar zu machen. Der Teilnehmer muss nämlich zweierlei wissen: Einerseits, dass der Täter ein vorsätzliches und rechtswidriges Strafunrecht verwirklicht; andererseits, dass sein Verhalten zur Ausführung der vorsätzlich-rechtswidrigen Haupttat beiträgt. Dies folgt dem Umstand, dass die strafbare Teilnahme nach §§ 26, 27 dStGB als vorsätzliche Beteiligung an einer vorsätzlichen Haupttat des Täters ausgestaltet ist242. Deshalb muss der Teilnehmer nicht nur die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des Täterunrechts243, sondern auch den Beitrag seines eigenen Verhaltens kennen244. Beispielweise muss der Teilnehmervorsatz bei der Verwirklichung eines Diebstahls (§ 242 dStGB) zwei objektive Tatbestandselemente und ein subjektives Merkmal umfassen, um die Mitwirkung des Teilnehmers an der Wegnahme der beweglichen Sache als strafbare Teilnahme an einem Diebstahlsdelikt zu betrachten: Erstens muss der Teilnehmer die Fremdheit der vom Täter weggenommenen beweglichen Sache kennen; zweitens muss der Teilnehmer in dem Bewusstsein agieren, dass der Täter mit Vorsatz und Zueignungsabsicht handelt245; drittens muss der Teilnehmer wissen, dass sein Verhalten zur Wegnahme einer fremden beweglichen Sache beiträgt. Dies führt zur Straflosigkeit der Teilnahme, wenn ein Bestandteil des genannten subjektiven Erfordernisses im Verhalten des Teilnehmers fehlt246. Aus diesem Grund folgt die Straflosigkeit von fahrlässigen Mitwirkungen an fahrlässigen Haupttaten247, von vorsätzlichen Mitwirkungen an Fahrlässigkeitsdelikten248 und von fahrlässigen Beiträgen zu Vorsatzdelikten, da solche Mitwirkungen keine Teilnahmeformen im Sinne der §§ 26, 27 dStGB darstellen. Im spanischen Strafrechtssystem wird das subjektive Strafbarkeitserfordernis der Teilnahme hingegen sowohl durch das vorsätzliche als auch durch das fahrlässige Verhalten des Teilnehmers erfüllt. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass die Teilnahme durch Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB als bloße „Beteiligung an der Verwirklichung eines tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Strafunrechts“ definiert wird. Dies zeigt deutlich, dass die genannten Vorschriften des sStGB, welche die Straf241 SSK-Heine/Weißer, 29. Aufl., § 26, Rn. 17; Rengier, AT, § 45, Rn. 12, 44; Renzikowski, Maurach-AT II, § 50, Rn. 28. 242 Renzikowski, Maurach-AT II, § 50, Rn. 28. 243 MüKoStGB-Joecks, Band 1, 2. Aufl., Vor §§ 26, 27, Rn. 18; Rengier, AT, § 45, Rn. 45; LK-Roxin, 11. Aufl., Vor § 26, Rn. 24. 244 SSK-Heine/Weißer, 29. Aufl., § 26, Rn. 17 ff. 245 Das bedeutet nicht, dass die Zueignungsabsicht auch das Verhalten des Teilnehmers leiten muss, vgl. Renzikowski, Maurach-AT II, § 50, Rn. 31. Bezüglich der Notwendigkeit, dass der Teilnehmer beim Diebstahl die Zueignungsabsicht des Täters kennen muss, vgl. Krey/Esser, AT, 6. Aufl., § 30, Rn. 995, 1002; Rengier, AT, § 45, Rn. 45. 246 Renzikowski, Maurach-AT II, § 50, Rn. 28. 247 MüKoStGB-Joecks, Band 1, 2. Aufl., § 26, 3. Aufl., Rn. 75; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26, Rn. 58. 248 Dazu Renzikowski, Maurach-AT II, § 50 (Rn. 28), § 51 (Rn. 7).

§ 9 Verfassungs- u. strafrechtliche Begründung des Täter- u. Teilnehmerunrechts 347

barkeit der Teilnahme festlegen, das fahrlässige Verhalten des Teilnehmers als subjektives Erfordernis der Strafbarkeit der Teilnahme nicht ausschließen. So gesehen wird die fahrlässige Beteiligung des Teilnehmers am genannten Diebstahlsdelikt (Art. 234 sStGB) in Spanien, im Gegensatz zu Deutschland, als strafbare fahrlässige Teilnahme betrachtet.

D. Stelle und Betrachtung von „Tatherrschaft“ und „Rechtsgutsverletzung“ in der Struktur der hier vertretenen Verbrechenslehre Welche Rolle spielen die Kategorien der Tatherrschaft und Rechtsgutsverletzung in den Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens, wenn sie keine Bedeutung für die Begründung des Täter- und Teilnehmerunrechts haben? Damit ist nämlich noch nicht entschieden, ob diese Kategorien an anderen Stellen doch eine Bedeutung erlangen können. Aus dem in dieser Untersuchung entwickelten Gedanken sollen die Kriterien der Tatherrschaft und der Rechtsgutsverletzung daher zur Bestimmung anderer strafrechtlicher Institutionen berücksichtigt werden. Eine solche Betrachtung ist ein Erfolg der dieser Untersuchung zugrundeliegenden methodologischen und theoretischen Prämissen, nach denen die normativen Kategorien und ontologischen Elemente unterschiedlicher Natur sind und damit auch verschiedene Aufgaben im Strafrecht haben. Die ersten Institute – wie etwa die Pflichtverletzung – begründen das Strafunrecht und sind daher unentbehrliche normative Voraussetzungen der Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, weil die normativen Elemente erklären, warum einer Person eine der zwei Strafverantwortungsformen – Täterschaft oder Teilnahme an einem Verbrechen – zugerechnet wird. Hingegen beschränken die ontologischen Kategorien – wie die Tatherrschaft und die Rechtsgutsverletzung – das Quantum oder den Umfang der konkreten strafrechtlichen Verantwortlichkeit; d. h. die Tatherrschaft und die Rechtsgutsverletzung tragen zur Verschärfung oder Milderung einer konkreten Strafe bei.

I. Die „Tatherrschaft“ als Grundelement des allgemeinen rechtlichen Verhaltensbegriffs Die Tatherrschaft (oder Herrschaft über die Handlung) ist eine zentrale ontologische Voraussetzung des Verhaltensbegriffs. Das Verhalten wird in dieser Untersuchung als ein kommunikativer Akt begriffen, der durch alle in einem bestimmten Gesellschaftssystem zusammenlebenden Menschen benutzt wird, um die Existenz ihrer normativen Persönlichkeit durch die Beteiligung an der Entwicklung der Gesellschaft zu bestätigen. So kann das Verhalten auch als eine kommunikative Äu-

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

ßerung der Persönlichkeit249 definiert werden, die entweder einen Verstoß gegen die gültigen sozialen Werte darstellt250 oder die Achtung vor diesen Werten zum Ausdruck bringt. Dies bedeutet, dass das Verhalten keine natürliche, sondern eine soziale Kategorie ist, weil seine Bedeutung innerhalb des Gesellschaftssystems bestimmt wird. In diese Richtung gehen die durch die Rechtsphilosophie, Rechtstheorie, Rechtssoziologie und vor allem (Straf-)Rechtswissenschaft251 entwickelten modernen Handlungsbegriffe. Aber die Verwirklichung eines Verhaltens setzt – wie bereits erklärt – das Vorliegen der Tatherrschaft oder Kontrolle über die Verwirklichung oder Nichtverwirklichung des eigenen Verhaltens voraus. Dies beruht auf der Tatsache, dass nur die mit der Selbstbestimmungsfähigkeit einer Person (oder einer Personengruppe) verknüpften phänomenologischen Ausdrücke eine soziale Bedeutung haben und daher nur solche ontologischen Äußerungen die normative Natur der kommunikativen Akte erlangen. Ausgehend von dieser Voraussetzung definiert ein Teil der Strafrechtswissenschaft das Verhalten als das vermeidbare Nichtvermeiden, nach der ein Verhalten auftritt, wenn eine Person nicht vermeidet, was sie vermeiden kann, d. h. was von der Person beherrscht wird oder beherrscht werden kann. Hingegen sind keine kommunikative Akte diejenigen, sich nicht aus einer freien Organisation ergebenden ontologischen Erscheinungsweisen, weil diese Ereignisse von der Person nicht beherrscht werden – oder nicht beherrscht werden können. Kurz formuliert kommunizieren die bloßen ontologischen Phänomene nichts. Das oben Erklärte führt zur Formulierung zweier Schlussfolgerungen über die Tatherrschaftskategorie: Einerseits ist die Tatherrschaft als ontologische Kategorie eine materielle Voraussetzung des Handlungsbegriffs und muss daher analysiert werden, um festzustellen, ob ein ursächlich mit einer Person verbundener phänotypischer Ausdruck eine Handlung darstellt oder nicht. Andererseits ist die Tatherrschaft als materielle Fähigkeit der Entscheidungsfreiheit über die Verwirkli249 Diese Definition ist nicht neu, denn ein solcher Handlungsbegriff wird seit langer Zeit entwickelt. So wird eine Handlung als Persönlichkeitsäußerung u. a. vertreten von Bunster, Roxin-FS, Rn. 173; Dedes, Roxin-FS, S. 187; Kaufmann, Mayer-FS, S. 80 ff.; Maiwald, ZStW 86 (1974), 655; Roxin, AT I, 4. Aufl., § 8, Rn. 44. 250 Dazu Engisch, Vom Weltbild der Juristen, 2. Aufl., S. 38; ders., Kohlrausch-FS, S. 160 f.; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 23 VI 1; v. Liszt/Schmidt, Lehrbuch I, 26. Aufl., S. 153 f.; Maihofer, Der Handlungsbegriff, S. 72; Schmidt, JZ 1956, 190; ders., Engisch-FS, S. 339 ff. 251 Als Beispiele der durch im Rahmen der Strafrechtswissenschaft unabhängig von ihren Unterschieden im Sinne eines kommunikativen Aktes entwickelten Verhaltenskonzepte finden sich u. a. der „soziale“ Verhaltens-, der „funktionalistisch-systemische“ und der „funktionalistisch-kriminalpolitische Handlungsbegriff. Zum „sozialen Handlungsbegriff vgl. Engisch, Vom Weltbild der Juristen, 2. Aufl., S. 38; ders., Kohlrausch-FS, S. 160 f.; v. Liszt/Schmidt, Lehrbuch I, 26. Aufl., S. 153 f.; Maihofer, Der Handlungsbegriff, S. 72; Schmidt, JZ 1956, 190; ders., Engisch-FS, S. 339 ff. Zum funktionalistisch-systemischen Handlungsbegriff vgl. Herzberg, Die Unterlassung im Strafrecht, S. 173 ff.; Jakobs, Welzel-FS, S. 309; Kahrs, Das Vermeidbarkeitsprinzip, S. 36. Schließlich zum funktionalistisch-kriminalpolitischen Handlungskonzept vgl. Roxin, AT I, 4. Aufl., § 8, Rn. 44.

§ 9 Verfassungs- u. strafrechtliche Begründung des Täter- u. Teilnehmerunrechts 349

chung oder Nichtverwirklichung eines kommunikativen Aktes nicht nur mit dem Täterunrecht verknüpft, sondern mit allem Strafunrecht: etwa dem Teilnehmerunrecht, dem Unrecht der sogenannten Unterlassungs- und Begehungsdelikte, dem Unrecht des Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikts, usw. Aus diesen Gründen darf die Tatherrschaft keinesfalls als maßgebliches Kriterium zur Begründung und Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme benutzt werden, sondern als Voraussetzung des Vorliegens einer Handlung.

II. Das „Quantum“ des Beitrags (der Tatherrschaft) als wesentliches Element der Strafzumessung In Übereinstimmung mit den vorstehenden Ausführungen soll das Quantum der Tatherrschaft bei der Strafzumessung betrachtet werden. Ein solches Quantum der Tatherrschaft muss bei Allgemeinpflichtdelikten im Vergleich zu den Sonderpflichtdelikten unterschiedlich berücksichtigt werden. 1. Bewertung des Quantums der Tatherrschaft bei den Allgemeinpflichtdelikten Zur Bewertung der Größe des Quantums der Tatherrschaft bei der Strafzumessung der Beteiligten an den Allgemeinpflichtdelikten sprechen nicht nur die oben252 bereits dargestellten dogmatischen, rechtsphilosophischen und rechtstheoretischen Gründe, sondern auch gesetzliche Betrachtungen. Denn die Berücksichtigung des Quantums der Tatherrschaft ist in den Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens gesetzlich geregelt. Im deutschen Strafrechtssystem ist die Betrachtung des quantitativen Beitrags in § 46 Abs. 2 Satz 4 dStGB geregelt, indem diese Vorschrift festlegt, dass bei der Strafzumessung das Gericht die Umstände abwägt, die für und gegen den Beteiligten sprechen. In Bezug auf die mit den Täterschafts- und Teilnahmemerkmalen verknüpften begründenden Elemente der Strafzumessung verankert § 46 dStGB die Pflicht des Gerichts, bei der Strafzumessung sowohl das Maß der Pflichtwidrigkeit (Abs. 2 Satz 3) als auch die Art der Deliktsausführung (Abs. 2 Satz 4) zu betrachten. Dies bedeutet zweierlei: Auf der einen Seite muss das Gericht zunächst die Natur der verletzten Pflicht betrachten (§ 46 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. §§ 25, 26, 27 dStGB), um die Strafe auf abstrakter Ebene entsprechend der Schwere der verletzen Pflicht zuzumessen; genauer gesagt muss das Gericht vor allem bestimmen, ob die Beteiligten an der Deliktsverwirklichung eine entweder die Täterschaft oder die Teilnahme begründende negative Allgemeinpflicht verletzt haben, um danach die Strafe für die Beteiligten im Verhältnis mit der Schwere ihres Strafunrechts bestimmen zu kön252

Vgl. dazu § 8.

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

nen253, was regelmäßig zu einer härteren Strafe für die die Allgemeinpflicht der Täterschaft verletzenden Beteiligten (Täter) und einer milderen Strafe für die eine Allgemeinpflicht der Teilnahme übertretenden Beteiligten (Teilnehmer) führt. Auf der anderen Seite muss das Gericht bei der Betrachtung der Art der Verbrechensausführung u. a. das aktive Tun (oder Unterlassen), das Quantum der Tatherrschaft der Beteiligten über die Verwirklichung des Straftatbestandes berücksichtigen (§ 46 Abs. 2 Satz 2, 4 i. V. m. §§ 25, 26, 27 dStGB), um eine spezifische Strafe für den Täter und Teilnehmer festzulegen, die in einem angemessenen Verhältnis zum quantitativen Beitrag eines jeden Beteiligten stehen muss254. Ausgehend davon darf das Gericht eine härtere Strafe über die mit wesentlicher Herrschaft zur Deliktsausführung beitragenden Beteiligten verhängen; im Unterschied dazu muss das Gericht den eine geringere Tatherrschaft über die Verbrechensausführung ausübenden Beteiligten mit einer milderen Strafe verurteilen. Im spanischen Strafrechtssystem ist die Berücksichtigung des Quantums der Tatherrschaft der Beteiligten über die Verwirklichung eines Allgemeindelikts in Art. 28 Abs. 2b, 29 und 65 Abs. 2 des sStGB geregelt. Die ersten beiden Vorschriften begründen die Unterscheidung der Strafdrohung zwischen „erforderlicher“ und „einfacher“ Beihilfe mit dem unterschiedlichen Quantum der Beiträge der Gehilfen zur Tatbestandsherbeiführung. In Bezug darauf weist Art. 28 Abs. 2b der entscheidenden quantitativen Mitwirkung des Gehilfen einen höheren Strafunwert zu, weshalb ein solcher Beitrag „erforderliche Beihilfe“ genannt wird, die mit einer für die Täterschaft vorgesehenen höheren Strafe sanktioniert wird. Hingegen misst Art. 29 des sStGB dem einfachen quantitativen Beitrag einen geringeren Strafunwert bei, der gemäß dieser Strafvorschrift eine „einfache Beihilfe“ darstellt und dementsprechend eine mildere Strafe für den bloßen Gehilfen rechtfertigt. Seinerseits legt Art. 65 Abs. 2 fest, dass die in der materiellen Ausführung des Verbrechens bestehenden Umstände – wie das Quantum des Beitrags oder der Tatherrschaft – nur zur Strafschärfung oder Strafmilderung derjenigen Beteiligten dienen, deren Verhalten an solche Umstände anknüpfen. Dies bedeutet, dass aufgrund des Gebots des Art. 65 Abs. 2 des sStGB die Tatherrschaft kein Grundelement des Strafunrechts, sondern ein Bestandteil der Strafzumessung ist. 2. Bewertung des Quantums der Tatherrschaft bei den Sonderpflichtdelikten Die Strafrechtssysteme Deutschlands und Spaniens regeln auch das Quantum der Beiträge der Beteiligten zur Herbeiführung eines Sonderpflichtdelikts als ein Strafzumessungselement. Die Strafgesetzbücher beider Länder legen fest, dass zu 253

Vgl. dazu MüKoStGB-Miebach/Maier, Band 2, 3. Aufl., § 46, Rn. 198 ff.; LK-Theune, § 46, Rn. 116 ff. 254 MüKoStGB-Miebach/Maier, Band 2, 3. Aufl., § 46, Rn. 201 ff., 208; NK-StGB-Streng, § 46, Rn. 56 ff.; LK-Theune, § 46, Rn. 142.

§ 9 Verfassungs- u. strafrechtliche Begründung des Täter- u. Teilnehmerunrechts 351

einer gerechten Strafzumessung der intranen und extranen Beteiligten an der Verwirklichung eines Sonderpflichtdelikts die Natur der verletzten Pflichten und das Ausmaß jeder einzelnen materiellen Mitwirkung betrachtet werden muss. Im Deutschen Strafrechtssystem wird die unterschiedliche Betrachtung des Strafunwerts zwischen dem Unrecht des Intraneus (dem Täterunrecht) und dem Unrecht des Extraneus (dem Teilnehmerunrecht) in §§ 46 Abs. 2 Satz 3, 28 Abs. 1 festgelegt. Seinerseits verankert das sStGB die differenzierte Berücksichtigung der Pflichtwidrigkeit des Strafunrechts des Außenstehenden gegenüber dem Strafunrecht des Sonderpflichtträgers in seinem Art. 65 Abs. 3. Kraft dieser Regelung sind die deutschen Richter und Staatanwälte verpflichtet, die Strafe für den extranen Teilnehmer (nach § 49 Abs. 1) zu mildern255. Im Unterschied dazu haben die spanischen Richter und Staatanwälte gemäß Art. 65 Abs. 3 des sStGB Spaniens keine Pflicht – sondern nur die Möglichkeit–, die Strafe für den „extranen Anstifter“ und den „extranen erforderlichen Gehilfen“ zu vermindern. Diese Milderung (oder Milderungsmöglichkeit in Spanien) der Strafe erfolgt unabhängig von der Bedeutung des Quantums des Beitrags des Extraneus zur Tatbestandsverwirklichung; dabei kommt es nicht darauf an, ob der Extraneus mit oder ohne Tatherrschaft, durch Begehung oder Unterlassung, mit höchster oder niedrigster Schuld handelt. Die Verhängung einer gemilderten Strafe über den extranen Teilnehmer gemäß § 28 Abs. 1 und Art. 65 Abs. 3 des dStGB bzw. sStGB begründet sich damit, dass er eine gegenüber dem intranen Täter verschiedene Pflicht verletzt, die hinsichtlich der vom Intraneus übertretenen Pflicht einen schwächeren Strafunwert besitzt256. Der intrane Täter übertritt die Sonderpflicht „Der zuständige Sonderpflichtträger muss die Aufgabe der positiven Institution richtig erfüllen“; hingegen verletzt der extrane Teilnehmer die allgemeine Pflicht „Niemand darf an der Verletzung einer positiven Sonderpflicht durch einen Sonderpflichtträger mitwirken“. Im Unterschied dazu erfordert die Betrachtung des quantitativen Beitrags jedes Beteiligten als maßgebliches Element der Strafzumessung, die Strafe des Sonderpflichtträgers und Außenstehenden gemäß des Umfangs ihrer jeweiligen faktischen Mitwirkungen zu verschärfen bzw. zu mildern; nämlich: Je größer die Tatherrschaft des Sonderpflichtträgers oder Nichtqualifizierten über die Verletzung der besonderen Täterpflicht ist, desto geringer kann seine Strafmilderung ausfallen – bzw. je geringer die Tatherrschaft von ihnen über die Übertretung der positiven Sonderpflicht ist, desto größere Strafmilderung haben sie verdient. So sind Intraneus und Extraneus, die sich ohne Tatherrschaft an der Ausführung des Strafunrechts beteiligen, mit einer erheblichen Strafmilderung zu privilegieren; hingegen muss die Strafmilderung geringer ausfallen, wenn sie die faktische Herrschaft der Tatbestandverwirklichung ausüben. Die Größe des Quantums der Tatherrschaft als Grundelement der Strafzumessung der Beteiligten an den Sonderpflichtdelikten ist – wie bei der Strafzu255

In diesem Sinne Cortes Rosa, ZStW 90, 416 f. Ähnlich Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 123; Kühl, AT, 7. Aufl., § 20, Rn. 149 f. 256

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

messung der Beteiligten an den Allgemeinpflichtdelikten – in § 46 Abs. 2 Satz 4 dStGB und in Art. 65 Abs. 2 sStGB geregelt.

III. Die materielle Rechtsgutsverletzung und die Rechtsgutsgefährdung als maßgeblicher Bestandteil der Strafschärfung bzw. Strafmilderung Wie die Tatherrschaft ist die materielle Rechtsgutsverletzung und/oder Rechtsgutsgefährdung ein bei der Strafzumessung in Betracht zu ziehendes anderes ontologisches Element, welches in ähnlicher Weise wie das Quantum der Tatherrschaft als Bestandteil zur Verschärfung oder Milderung der konkreten Strafe berücksichtigt werden muss. In Bezug auf die sogenannten Verletzungsdelikte, bei denen die Vollendung im Allgemeinen mit dem ontologischen Eintritt des schädlichen Erfolgs zusammenfällt, führen die tatsächliche Rechtsgutsverletzung und die Rechtsgutsgefährdung zur Verhängung einer verschärften bzw. gemilderten Strafe, da die Rechtsgutsverletzung im Vergleich zur Rechtsgutsgefährdung einen erhöhten Strafunwert darstellt, weshalb sich diese strafrechtliche Berücksichtigung in der Verhängung einer verschärften Strafe widerspiegelt. Diese unterschiedliche Betrachtung der Rechtsgutsverletzung und Rechtsgutsgefährdung hat ihre gesetzliche Anerkennung in den die Kriterien der konkreten Strafzumessung festlegenden unterschiedlichen Strafvorschriften der Strafgesetzbücher Deutschlands und Spaniens. Beispiele dafür sind die im Allgemeinen Teil beider Strafrechtssysteme vorliegenden Paragraphen, die festlegen, die konkrete Strafe bei vollendetem und versuchtem Strafunrecht im Verhältnis zu der entsprechenden quantitativen Intensität der Rechtsgutsverletzung und Rechtsgutsgefährdung zuzumessen. So regelt § 23 dStGB dreierlei: Erstens legt § 23 Abs. 2 Alt. 1 die Möglichkeit fest, eine höhere Strafe für den Täter und Teilnehmer eines vollendeten Verbrechens (Beteiligung an der Rechtsgutsverletzung) zu verhängen; zweitens sieht § 23 Abs. 2 Alt. 2 die Möglichkeit vor, den Täter und Teilnehmer eines versuchten Delikts (Beteiligung an der Gefährdungsschaffung für das geschützte Rechtsgut) mit einer gemilderten Strafe zu sanktionieren; drittens ermächtigt § 23 Abs. 3 das Gericht, von der Strafe abzusehen oder den Täter mit einer gemilderten Strafe nach § 49 Abs. 2 zu verurteilen, wenn der Täter aus grobem Unverstand verkannt hat, dass sein Verhalten nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Rechtsgutsverletzung führen kann. Im sStGB ist die unterschiedliche strafrechtliche Beurteilung der Rechtsgutsverletzung und Rechtsgutsgefährdung als Bestandteil der Strafzumessung ihrerseits in den Art. 62 und 63 geregelt, welche die Strafmilderung für Täter bzw. Teilnehmer festlegen, wenn sie sich an einem versuchten Verbrechen beteiligen. In diesem Sinne verankert Art. 62 zwei Verpflichtungen: einerseits die Pflicht des Gerichts, den Tätern eines

§ 9 Verfassungs- u. strafrechtliche Begründung des Täter- u. Teilnehmerunrechts 353

versuchten Verbrechens eine Strafe aufzuerlegen, die ein oder zwei Grad niedriger als die gesetzlich festgelegte Strafe für die Täter eines vollendeten Verbrechens ist; andererseits die Verpflichtung, das Maß der Strafmilderung entsprechend dem Gefahr- und dem erreichten Ausführungsgrad zu bestimmen. Schließlich sieht Art. 63 – in Übereinstimmung mit den Art. 28, 29 und 62 – vor, dass gegen Gehilfen eines vollendeten oder versuchten Verbrechens eine gemilderte Strafe verhängt wird, die niedriger als die gesetzlich festgelegte Strafe für die Täter desselben Verbrechens ist.

E. Zwischenergebnis Aus der in § 9 untersuchten Thematik werden folgende Erkenntnisse gewonnen: Zunächst wurde gezeigt, dass dem Täter- und Teilnehmerunrecht bei den Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens verfassungsrechtliche Grundlagen zugrunde liegen, da beide Beteiligungssysteme auf dem sich aus der Menschenwürde (Artikel 1 Abs. 1 deutsch. GG und 10 Abs. 1 span. Const.) ergebenden „Selbstverantwortungsprinzip“ oder „Verantwortungsgrundsatz für das eigene Strafunrecht“ aufbauen. Dieser Grundsatz verhindert, dem Teilnehmer das Strafunrecht des Täters zuzurechnen und umgekehrt. Mit anderen Worten fordert das genannte Prinzip, dem Täter und Teilnehmer sein eigenes Strafunrecht zuzuschreiben, welches jeder von ihnen durch die Verletzung seiner in den Strafgesetzbüchern Deutschlands und Spaniens verankerten strafrechtlichen Pflichten selbst verwirklicht. Die Verantwortung für das eigene Strafunrecht ist ein Grundprinzip des ganzen (Straf-) Rechtssystems und gilt daher sowohl für die Begründung des allgemeinen Beteiligungssystems als auch für die Begründung und Zurechnung von Täterschaft und Teilnahme bei unternehmerischen Allgemein- und Sonderpflichtdelikten, zum Beispiel bei der Beteiligung an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen. In Bezug darauf wurde in § 9 auch festgestellt, dass die von der h. L. als Akzessorietät der Teilnahme gekennzeichneten Rechtskategorien in Wahrheit bloße Strafbarkeitserfordernisse sind; denn diese Kategorien befassen sich nicht mit der Frage, warum ein Bürger für ein Täter- und Teilnehmerunrecht zuständig ist, sondern mit der Frage, wann oder unter welchen Erfordernissen der Täter oder Teilnehmer eines bestimmten Strafunrechts bestraft werden darf. Diese Unterscheidung erwächst daraus, dass, während sich die Begründung eines Täter- oder Teilnehmerunrechts auf die Verletzung der strafrechtlichen Allgemein- oder Sonderpflicht (Verstoß gegen die strafrechtliche Allgemein- oder Sonderverhaltensnorm) bezieht, die Bestrafung des Täters und Teilnehmers eines Strafunrechts mit der Erfüllung der Bedingungen einer konkreten strafrechtlichen Sanktionsnorm verbunden ist. Solche materiellen Strafbarkeitserfordernisse der Teilnahme sind nämlich objektiver und subjektiver Natur.

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

Ebenfalls wurde nachgewiesen, dass sich das allgemeine Täter- und Teilnehmerunrecht und insbesondere das Strafunrecht der Täterschaft und Teilnahme bei Wirtschaftsunternehmen entweder auf die Verletzung negativer Allgemein- oder positiver Sonderpflichten stützt, die in den entsprechenden Strafgesetzbüchern Deutschlands und Spaniens verankert sind. Allgemein lässt sich sagen: Während das Täterunrecht bei den Allgemeinpflichtdelikten auf dem Verstoß gegen die negative allgemeine Pflicht des „Nicht-Schädigens“ fremder Freiheitssphäre fußt, stützt sich das Teilnehmerunrecht auf die Verletzung der Pflicht, „keinen Beitrag zur Verletzung eines fremden Freiheitsraums durch einen Dritten zu leisten“. Bei den Sonderpflichtdelikten beruht die Täterschaft auf der Übertretung der Pflicht, die positive Sonderzuständigkeit richtig zu erfüllen; im Vergleich dazu basiert die Teilnahme auf der Verletzung der Pflicht, nicht an der Verletzung einer positiven Sonderpflicht durch einen Sonderpflichtträger mitzuwirken. Daraus folgt, dass bei beiden Deliktsarten – nämlich sowohl bei Allgemein- als auch bei Sonderpflichtdelikten – der Unterschied zwischen Täter- und Teilnehmerunrecht qualitativer Natur ist, denn Täter und Teilnehmer – wie bereits erklärt – verletzen ihre eigenen strafrechtlichen Pflichten. Die die Täterschaft begründenden Pflichten sind grundsätzlich in §§ 25, 14 und Art. 28 Abs. 1, 31, 31bis des deutsch. bzw. span. Strafgesetzbuchs geregelt; die die Teilnahme begründenden Pflichten sind ihrerseits in §§ 26, 27, 28 Abs. 1 dStGB und in Art. 28 Abs. 2, 29, 65 Abs. 3 sStGB verankert. Es ist hervorzuheben, dass diese gesetzlichen Vorschriften i. V. m. den im Besonderen Teil der Strafgesetzbücher Deutschlands und Spaniens geregelten Straftatbeständen und i. V. m. den außerstrafrechtlichen Vorschriften des Gesellschaftsrechts (etwa AktG, GmbHG und Ley de Sociedades de Capital (LSC)) ausgelegt werden müssen, die die Pflichten von Unternehmen, Unternehmensleitungsorganen und anderen unternehmensbezogenen Personen festlegen. Im Zusammenhang damit wurde überzeugend erklärt, dass die ontologischen Kategorien der Tatherrschaft und Rechtsgutsverletzung keine Bestandteile der Grundlage des Täter- und Teilnehmerunrechts sind und daher keine Rolle bei der Begründung von Täterschaft und Teilnahme spielen. Denn das einzige begründende Kernelement allen Strafunrechts ist die Pflichtverletzung. Im Unterschied dazu sind Tatherrschaft und Rechtsgutsverletzung nur Bestandteile der Strafzumessung, denn die konkrete Strafe eines Täters oder Teilnehmers muss gemäß dem Quantum des Beitrags jedes Beteiligten zur Tatbestandsausführung eines Allgemein- oder Sonderpflichtdelikts und im Verhältnis mit dem Grad der Rechtsgutsverletzung und Rechtsgutsgefährdung zugemessen werden. Die Tatherrschaft ist außerdem ein zentraler Bestandteil des Handlungs- oder Verhaltensbegriffs.

§ 10 Spezifische Begründungs-, Auslegungs- u. Bestimmungselemente

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§ 10 Spezifische Begründungs-, Auslegungs- und Bestimmungselemente der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen Im Gegensatz zum vorherigen Abschnitt (§ 9), der sich mit den allgemeinen verfassungsrechtlichen und strafrechtlichen Grundlagen von Täterschaft und Teilnahme befasste, werden in diesem Abschnitt (§ 10) die spezifischen gesetzlichen Pflichten derjenigen analysiert, die rechtlich befugt sind, Entscheidungen innerhalb eines Wirtschaftsunternehmens zu treffen (etwa Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH oder Aktionäre, Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder einer AG). Dies liegt daran, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit in Wirtschaftsunternehmen – sowohl als Täter als auch als Teilnehmer – nur basierend auf der systematischen und teleologischen Auslegung zweier Normengruppen begründet werden darf: Einerseits der Gruppe der im vorherigen Abschnitt (§ 9) erklärten allgemeinen Rechtsvorschriften; andererseits der Gruppe der die Pflichten der Wirtschaftsunternehmen spezifisch regelnden gesetzlichen Sondervorschriften. Kurz gesagt, was in diesem Kapitel entwickelt wird, vervollständigt die Grundlagen von Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen. Der erste Unterabschnitt beginnt (§ 10 A.) mit einer kürzen Erläuterung der spezifischen Hauptpflichten, die gemäß dem dStGB (§§ 13, 14), sStGB (Art. 11, 31) und anderen Gesetzen Deutschlands (§ 130 OWiG) und Spaniens den Gesellschaftern, Aktionären, Geschäftsführern, Aufsichtsrats- und Vorstandsmitgliedern, usw. auferlegt sind. Seinerseits befasst sich der zweite Unterabschnitt (§ 10 B.) mit den spezifischen ergänzenden Pflichten, die in den jeweiligen Gesellschaftsrechten Deutschlands (GmbHG und AktG) und Spaniens (KGG) und anderen außerstrafrechtlichen Gesetzen normiert sind. Anschließend werden unter § 10 C. die normativen dogmatischen Kategorien der objektiven und subjektiven Zurechnung dargestellt, die eine entscheidende Rolle bei der Auslegung der spezifischen gesetzlichen Vorschriften zur Bestimmung der konkreten täterschaftlichen und teilnehmerischen Pflichtverletzung spielen.

A. Hauptpflichtspezifische Begründungselemente I. Verletzung der unmittelbar in § 14 dStGB und in Art. 31 sStGB festgelegten negativen Allgemeinund positiven Sonderpflichten Die bereits mehrfach in den vorangegangenen Unterabschnitten (§ 3 B.II.; § 9 B.I.2.) erwähnten § 14 und Art. 31 des StGB Deutschlands bzw. Spaniens sehen für Tatbestände mit besonderen persönlichen Merkmalen zweierlei vor: Einerseits die

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

Übertragung der Pflichterfüllung vom ursprünglichen Normadressaten (die juristische Person oder ihre Gründer257) auf die delegierten Normadressaten (z. B. die vertretungsberechtigten Organe der juristischen Person oder die Mitglieder solcher Organe258); andererseits die Verschiebung der strafrechtlichen Verantwortung für die Verletzung der auferlegten Pflichten, die in der Regel den vertretungsberechtigten Organen oder den Mitgliedern dieser Organe, und ausnahmsweise den ursprünglichen Normadressaten zugerechnet wird. Kurz formuliert legen § 14 dStGB und Art. 31 sStGB i. V. m. den unten erklärten gesetzlichen Vorschriften259 fest, wer innerhalb des Wirtschaftsunternehmens für die Erfüllung bestimmter Rechtspflichten zuständig ist und wer für die Verletzung solcher Pflichten strafrechtlich verantwortlich ist. § 14 dStGB regelt die Begründung der strafrechtlichen Verantwortung in drei Absätzen. § 14 Abs. 1 knüpft die Täterschaft oder Teilnahme des vertretungsberechtigten Organs260 einer juristischen Person261 – oder des Mitglieds eines solchen Organs262 – (Nr. 1), des vertretungsberechtigten Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft263 (Nr. 2) oder des gesetzlichen Vertreters eines anderen264 (Nr. 3) an die Verletzung der Rechtspflichten, die ihnen von den Gründern der juristischen Person durch eine gesetzeskonforme Bestellung übertragen wurden. In solchen Fallkonstellationen sind die ursprünglich Zuständigen für die Erfüllung der gesetzlich vorgeschriebenen Rechtspflichten juristischer Personen ebenjene juristischen Personen – etwa eine AG, eine GmbH, eine SE, ein eingetragener Verein – oder eine rechtsfähige Personengesellschaft – z. B. eine OHG oder eine KG –265. Demgegenüber sind die gegenwärtigen Normadressaten (etwa AG-Vorstand oder der Vorstand eines eigetragenen Vereins; GmbH-Geschäftsführer oder Geschäftsführer 257 Zur Betrachtung der juristischen Personen als ursprünglicher Normadressat vgl. Feijóo Sánchez, Derecho penal de la empresa, S. 184; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 8, Rn. 435. 258 Feijóo Sánchez, Derecho penal de la empresa, S. 185. 259 Vgl. dazu unten § 10 A. II.; § 10 A.III.; § 10 B. 260 Vertretungsberechtigte Organe sind dabei diejenigen, die zur Führung der Geschäfte nach außen und innen bestellt sind, vgl. dazu SSK-Perron, 29. Aufl., § 14, Rn. 16/17; Stein, Die Regelungen von Täterschaft, S. 62. 261 Hinsichtlich des Begriffs der juristischen Person vgl. SK-Hoyer, 9. Aufl., § 14, Rn. 43; SSK-Perron, 29. Aufl., § 14, Rn. 15; MüKoStGB-Radtke, Band 1, 3. Aufl., § 14, Rn. 76 ff. 262 Es handelt sich um die mehrköpfigen vertretungsberechtigten Organe einer juristischen Person, in denen jedes Mitglied unabhängig von den internen Zuständigkeiten Adressat strafrechtlicher Verhaltensnormen ist. Hierfür siehe SSWK-StGB-Bosch, 2. Aufl., § 14, Rn. 7; SSK-Perron, 29. Aufl., § 14, Rn. 18; MüKoStGB-Radtke, Band 1, 3. Aufl., § 14, Rn. 75. 263 Eine detaillierte Erklärung dieser Problematik findet sich in: SSWK-StGB-Bosch, 2. Aufl., § 14, Rn. 8; SK-Hoyer, 9. Aufl., § 14, Rn. 49 ff.; SSK-Perron, 29. Aufl., § 14, Rn. 20/ 21 ff.; MüKoStGB-Radtke, Band 1, 3. Aufl., § 14, Rn. 84 f. 264 Dazu vgl. SSWK-StGB-Bosch, 2. Aufl., § 14, Rn. 9 f.; SK-Hoyer, 9. Aufl., § 14, Rn. 56 ff.; SSK-Perron, 29. Aufl., § 14, Rn. 24 ff.; MüKoStGB-Radtke, Band 1, 3. Aufl., § 14, Rn. 89. 265 Vgl. dazu Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 8, Rn. 435.

§ 10 Spezifische Begründungs-, Auslegungs- u. Bestimmungselemente

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einer GmbH & Co. KG oder einer Europäischen Wirtschaftlichen Vereinigung; alle oHG-Gesellschafter, Komplementäre der KG, Partner der Partnerschaftsgesellschaft; Insolvenz-, Vergleichs- oder Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker, Vormund, Pfleger)266 sowohl für die Pflichterfüllung verantwortlich als auch für die sich von der Verletzung dieser Pflichten abgeleiteten Straftaten strafbar; denn sie sind zwar keine juristische Person, wohl aber tragen sie als Organ (Abs. 1 Nr. 1), vertretungsberechtigter Gesellschafter (Abs. 1 Nr. 2) oder gesetzlicher Vertreter eines Normadressaten (Abs. 1 Nr. 3) die Rechtspflichten der juristischen Person. In diesem Sinne sind die in § 14 Abs. 1 festgelegten Sonderpflichtträger auch Normadressaten der ursprünglich nur die juristische Person betreffenden Strafrechtsnormen267 und erfüllen daher auch die Erfordernisse des unternehmerischen Täter- und Teilnehmerunrechts, wenn sie gegen ihre strafrechtlichen Pflichten verstoßen. Weiterhin regelt § 14 Abs. 2 die Zurechnungsübertragung aus dem Bereich des Betriebsinhabers entweder auf den Zuständigkeitsraum des Leiters oder auf die Zuständigkeitssphäre sonstiger Beauftragter. Nach § 14 Abs. 2 dStGB findet eine solche Übertragung der strafrechtlichen Verantwortung in zwei Fallkonstellationen statt: Einerseits, wenn die Beauftragten ihre Rechtspflichten verletzen, die sich aus einer Übernahme der vollständigen oder teilweisen Leitung des Unternehmens268 ergeben (Abs. 2 Nr. 1); als Beispiele dafür sind die Fälle von Betriebs- oder kaufmännischen sowie Filialleitern zu nennen. Andererseits, wenn die Beauftragten gegen ihre Pflichten verstoßen, die ihnen schriftlich oder mündlich von dem Betriebsinhaber oder einem sonst dazu Befugten mit der Maßgabe übertragen wurden, „in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen269, die dem Inhaber des Betriebs obliegen“ (Abs. 2 Nr. 2); hierfür lassen sich etwa Personal- oder Steuersachbearbeiter270 anführen. Schließlich legt § 14 Abs. 3 fest, dass die Zurechnung der in den Absätzen 1 und 2 geregelten strafrechtlichen Verantwortung auf die sog. tatsächlichen Sonderpflichtträger (etwa dem Vertreter einer juristischen Person oder dem Beauftragten 266

A. a. O. Aus Sicht einiger Autoren sind die von § 14 erfassten Sonderpflichtträger nicht Adressaten der ursprünglich an die juristischen Personen gerichteten Strafrechtsnormen. Siehe hierfür u. a. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 8, Rn. 435. 268 SK-Hoyer, 9. Aufl., § 14, Rn. 69 ff.; SSK-Perron, 29. Aufl., § 14, Rn. 33 ff.; MüKoStGB-Radtke, Band 1, 3. Aufl., § 14, Rn. 100 ff. 269 Ausgehend von dieser Regelung vertrat die deutsche Rechtsprechung bis 2010, dass die Begründung der Strafbarkeit der Vertreter (Abs. 1) und Beauftragten (Abs. 2) ein Handeln dieser Sonderpflichtträger im Interesse des Vertretenen bzw. Auftraggebers voraussetzt. Seit 2011 fordert der BGH in Strafsachen im Übrigen nicht mehr, dass das Vertreterhandeln jedenfalls auch im Interesse der juristischen Person usw. liegen muss, sondern begnügt sich mit einem Handeln im Geschäftskreis des Vertretenen. Ihrerseits spricht sich die herrschende deutsche Strafrechtslehre für das Vorliegen eines objektiven funktionalen Zusammenhangs zwischen dem rechtswidrigen Handeln und der Organ- und Vertreterhaftung aus; siehe hierfür Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 8, Rn. 435b. 270 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 8, Rn. 435a. 267

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eines Betriebsinhabers) auch dann erfolgt, wenn das die Vertretungsbefugnis oder das Auftragsverhältnis begründende Rechtsverhältnis zivilrechtlich unwirksam ist271. Es handelt sich nämlich um die Regelung des sog. „faktischen Organs“, das sich durch die rechtliche Unbeachtlichkeit der Unwirksamkeit des Bestellungsakts auszeichnet272. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass aus § 14 Abs. 3 nicht folgt, dass jede bloße faktische Übernahme einer Aufgabe oder einer Vertreterstellung die Zurechnung der Strafverantwortung wegen „Handelns für einen anderen“ begründet273. Dies beruht auf der Tatsache, dass die reine Faktizität – wie bereits mehrfach ausgeführt wurde – keine rechtliche Haftungsform begründet, weder zivilnoch verwaltungs- oder strafrechtlich. Alle rechtlichen Haftungsformen stützen sich auf Rechtskategorien, weshalb nur solche Rechtsinstitute die strafrechtliche Verantwortlichkeit begründen. Deswegen geht es aus der Sicht des Verfassers bei dem, was die überwiegende Lehre die strafrechtliche Verantwortung eines „faktischen Vertretungsorgans“ nennt, um die Strafbarkeit eines „echten rechtlichen Vertretungsorgans“, welches seine Rechtspflichten verletzt. Art. 31 sStGB enthält grundsätzlich zwei unterschiedliche Formen der Übertragung der Strafbarkeit aus dem Zuständigkeitsraum des ursprünglichen Pflichtträgers auf den Verantwortungsbereich von Organen, Vertretern, Beauftragten usw. eines Wirtschaftsunternehmens. Zum einen sieht Art. 31 Satz 1 die Strafbarkeit des echten (rechtlichen) und unechten (tatsächlichen) Geschäftsführers274 einer juristischen Person vor, wenn er während der Vertretung der von ihm geführten juristischen Person nach innen oder außen seine Rechtspflichten275 verletzt. D. h. in normativem Sinne sind Geschäftsführer einer juristischen Person (und daher Täter oder Teilnehmer) sowohl die rechtlichen Sonderpflichtträger276, welche formell-rechtlich die Führungszuständigkeit des Unternehmens (Administradores de derecho = Rechtsverwalter277) wahrnehmen, als auch die sog. „faktischen Sonderpflichtträger“ (Administradores de hecho278 = tatsächliche Verwalter oder faktische Geschäftsführer),

271

Vgl. SSWK-StGB-Bosch, 2. Aufl., § 14, Rn. 20 ff.; Lindemann, Jura 2005, 312; SSKPerron, § 14, Rn. 42/43; MüKoStGB-Radtke, Band 1, 3. Aufl., § 14, Rn. 116 f. 272 Vgl. dazu ausführlich Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 5, Rn. 273 ff.; § 8, Rn. 435b. 273 In die gleiche Richtung geht MüKoStGB-Radtke, Band 1, 3. Aufl., § 14, Rn. 119. 274 CCP-Bacigalupo Saggese, Artículo 31, S. 268; CCP-López Barja, Artículo 31, S. 364; CCP-Silva Sánchez, Artículo 31, S. 389. 275 CCP-Bacigalupo Saggese, Artículo 31, S. 268 f.; CCP-Manzanares Samaniego, S. 166; CCP-Silva Sánchez, Artículo 31, S. 400 ff. 276 CCP-Bacigalupo Saggese, Artículo 31, S. 269; CCP-Silva Sánchez, Artículo 31, S. 400. 277 CCP-Silva Sánchez, Artículo 31, S. 400 f. 278 Zur in der spanischen Strafrechtsdogmatik über den faktischen Geschäftsführerbegriff entwickelten verschiedenen Ansätze vgl. Faraldo Cabana, Los delitos societarios, S. 140 ff., 147; García de Enterría, Los delitos societarios, S. 45 ff., 48 f.; Mata y Martín, Mata y Martín, RDS 5 (1995), 164 ff.; Nieto Martín, El delito de administración fraudulenta, S. 267 f., 269 ff.; Rodríguez Montañes, La responsabilidad penal del administrador desleal, S. 115 ff.; Sánchez

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die trotz des Fehlens formeller Verwaltereigenschaften eigentlich echte Zuständigkeiten in der Organisation des Unternehmens haben, welche prinzipiell nach dem Gesetz oder der vertraglich vereinbarten Organisationsstruktur von einem anderen Pflichtträger (etwa dem Rechtsverwalter) erfüllt werden müssten. Zum anderen rechnet Art. 31 Satz 2 sStGB allen Subjekten die Täterschaft oder Teilnahme eines unternehmerischen Strafunrechts zu, wenn sie trotz der in ihrer Person fehlenden Verwaltereigenschaft, die durch den entsprechenden Straftatbestand zur Begründung der Täterschaft gefordert wird, in einem konkreten Zusammenhang wegen gesetzlichen279 Gebots oder freiwilliger280 Stellvertretung „im Namen oder in Repräsentation“281 einer anderen natürlichen Person handeln282. Es handelt sich um einige Fallkonstellationen, in denen eine Person durch konkludente Akte eine materielle Sonderstellung einnimmt283, welche nach einer normativen Betrachtung mit der Sonderposition eines „Verwalters“ vergleichbar ist. § 14 dStGB und Art. 31 sStGB enthalten Grundelemente eines allgemeinen Rechtsgedankens, der auf alle unternehmensbezogenen Pflichten anwendbar ist und dadurch auch die Täterschaft und Teilnahme bei allen unternehmerischen Sonderund Allgemeinpflichtdelikten bestimmt. Das bedeutet, dass bei allen unternehmensbezogenen strafrechtlichen Pflichten eine Übertragung dieser Pflichten wie auch der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Pflichtverletzungen auf den in diesen Vorschriften genannten Personenkreis stattfindet. In der Strafrechtswissenschaft und Rechtsprechung besteht Einmütigkeit über die Anwendung des § 14 dStGB und Art. 31 sStGB zur Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmensleitern für die Verwirklichung von unternehmerischen Sonderpflichtdelikten. Hingegen lehnen die Strafrechtswissenschaft und Rechtsprechung die Anwendung der erwähnten Strafvorschriften zur Begründung der Strafverantwortung von Unternehmensleitern für die unternehmerischen Allgemeinpflichtdelikte ab, die im Rahmen der Geschäftstätigkeit begangen werden. Diese Nichtanwendung gründet sich auf zwei Argumente: Einerseits regeln diese Vorschriften wörtlich nur die Übertragung von Sonderpflichten, die für Träger besonderer persönlicher Merkmale gelten (z. B. Arbeitgeber in § 266a, Gemeinschuldner in § 283 dStGB); und andererseits treffen die Allgemeinpflichten, deren Verletzung eine strafrechtliche Verantwortlichkeit begründet, alle Bürger (etwa den einfachen Arbeiter wie den Vorstandsvorsitzenden oder Geschäftsführer), die im Bereich der Tätigkeit eines Unternehmens unmittelbar handeln. Daraus leite sich die Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmensleitern durch Alvarez, RDS 6 (1996), 56 ff.; CCP-Silva Sánchez, Artículo 31, S. 395 ff., 406 ff.; Terradillos Basoco, Delitos societarios, S. 57 ff. 279 CCP-Silva Sánchez, Artículo 31, S. 386, 389. 280 CCP-Bacigalupo Saggese, Artículo 31, S. 266, 269; CCP-Silva Sánchez, Artículo 31, S. 386, 389. 281 CCP-Silva Sánchez, Artículo 31, S. 386, 389. 282 CCP-López Barja, Artículo 31, S. 364; CCP-Silva Sánchez, Artículo 31, S. 386, 389. 283 CCP-Silva Sánchez, Artículo 31, S. 389 ff.

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unmittelbare Anwendung der §§ 25, 26, 27 dStGB und Art. 28, 29 sStGB her, wenn der in § 14 dStGB und § 31 sStGB genannten Personenkreis gegen negative Allgemeinpflichten des Unternehmens verstoße. Diese Sicht der herrschenden Lehre kann hier nur teilweise geteilt werden. Zutreffend ist, dass negative strafrechtliche Allgemeinpflichten im Zuständigkeitsbereich aller Bürger liegen, unabhängig davon, ob sie eine oder keine Beziehung zu einem Wirtschaftsunternehmen haben. Ausgehend davon bedarf es weder der Anwendung des § 14 dStGB noch des Art. 31 sStGB, um die strafrechtliche Verantwortlichkeit von unternehmensbezogenen Personen für die Verwirklichung eines Allgemeinpflichtsdelikts in den Fallkonstellationes zu begründen, in denen der genannte Personenkreis eine negative Allgemeinpflicht außerhalb seiner Unternehmenstätigkeit – also als einfacher Bürger – verletzt. Verstößt etwa der Geschäftsführer eines Wirtschaftsunternehmens außerhalb seiner Unternehmensführungstätigkeit gegen die negative strafrechtliche Allgemeinpflicht, die die Strafhaftung für den Straftatbestands des vorsätzlichen Totschlags begründet, dann wird seine strafrechtliche Verantwortlichkeit ohne Anwendung der vorgenannten gesetzlichen Strafvorschriften begründet, denn für eine solche Konstellation gelten unmittelbar entweder § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB – bei Verletzung der der Täterschaft zugrundeliegenden negativen Allgemeinpflicht – oder §§ 26, 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB – bei Verletzung der die Teilnahme begründenden negativen Allgemeinpflicht. Soweit die Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre. Die Meinungsverschiedenheit gegenüber der herrschenden Lehre und der Rechtsprechung entsteht bei der Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Unternehmensleiter im Bereich der unternehmerischen Allgemeinpflichtdelikte, nämlich wenn negative strafrechtliche Allgemeinpflichten des Wirtschaftsunternehmens durch mit dem Unternehmen verbundene und in Ausübung ihrer unternehmerischen Tätigkeit handelnde Personen verletzt werden. In einer solchen Fallkonstellation kann die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmensleitern entgegen der h. L. nur durch die Anwendung von § 14 dStGB und Art. 31 sStGB begründet werden, da in einer solchen Konstellation die unmittelbare Anwendung von §§ 25, 26 dStGB und Art. 28, 29 sStGB nicht möglich ist. Dafür gibt es drei Gründe: Zunächst sind die Wirtschaftsunternehmen aufgrund ihres Status als juristische Personen – ebenso wie die als natürliche Personen bezeichneten – Träger sowohl positiver Sonderpflichten als auch negativer Allgemeinpflichten, die von den Wirtschaftsunternehmen bei der Ausübung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten zu beachten sind. Ebenso liegt nach § 14 dStGB und Art. 31 sStGB die Zuständigkeit für die Erfüllung der negativen Allgemein- und positiven Sonderpflichten des Unternehmens sowie die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Verletzung dieser Pflichten in dem Verantwortungsbereich des in diesen Vorschriften beschriebenen Personenkreises. Darüber hinaus schließen § 14 dStGB und Art. 31 sStGB – weder wörtlich noch implizit – deren Anwendung auf die Begründung strafrechtlicher Verantwortlichkeit von Unternehmensleitern als Täter oder Teilnehmer für die

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Verletzung unternehmerischer negativer Allgemeinpflichten aus. Vielmehr legen die erwähnten Strafvorschriften fest, dass die Unternehmensleiter sowohl für die Erfüllung der ursprünglich dem Unternehmen obliegenden Sonder- und Allgemeinpflichten als auch für die strafrechtliche Verantwortung wegen der Verletzung dieser Pflichten zuständig sind, wenn die besonderen persönlichen Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände, welche die Strafbarkeit begründen, zwar nicht bei ihnen, aber bei den Unternehmen vorliegen. Diese Überlegungen zeigen, dass kein Hindernis vorliegt, § 14 dStGB und Art. 31 sStGB auch auf die Begründung von Täterschaft und Teilnahme von Unternehmensleitern wegen der Ausführung unternehmerischer Allgemeinpflichtdelikte ohne besondere persönliche Merkmale anzuwenden. In diesem Zusammenhang ist es entscheidend, zwei Fragen klarzustellen, damit der Pflichtverstoß nicht als eine bloße Pflichtverletzung eines einfachen Bürgers, sondern als eine Pflichtverletzung eines Wirtschaftsunternehmens einzustufen ist: Zum einen, wann oder unter welchen Voraussetzungen gehört eine negative Allgemeinpflicht zum Organisationsbereich des Unternehmens und wann nur zur individuellen Organisationsfreiheit des einfachen Bürgers? Zum anderen, wie soll die Konkretisierung der negativen strafrechtlichen Allgemeinpflichten, deren Verletzung die Täterschaft und Teilnahme begründen, in Verbindung mit der Tätigkeit und dem Zweck des Unternehmens bestimmt werden? Bezüglich der Beantwortung der Frage nach der Einstufung der Pflichtverletzung soll das Folgende gesagt werden. Erstens handelt es sich um die Verletzung negativer strafrechtlicher Allgemeinpflichten eines Wirtschaftsunternehmens, nicht aber negativer allgemeiner Pflichten, die nur den einfachen Bürger betreffen, wenn die Verletzung solcher Pflichten innerhalb der Geschäftstätigkeit verwirklicht wird. Zweitens handelt es sich nicht um eine Verletzung negativer Allgemeinpflichten, die der Zuständigkeit des Unternehmens entsprechen, sondern um eine Verletzung negativer Allgemeinpflichten, die nur zu dem Verantwortungsbereich der Bürger gehören, wenn die Verletzung dieser Pflichten trotz ihrer Ausführung im Verlauf der Tätigkeit des Unternehmens im ausschließlichen Interesse des unmittelbaren Handelnden verwirklicht wird. Drittens handelt es sich um Verletzungen negativer Allgemeinpflichten, die als Pflichtverletzungen eines Unternehmens betrachtet werden, nur bei jenen Pflichtverletzungen, die neben ihrer Verwirklichung bei der Unternehmenstätigkeit bestimmte Mindestanforderungen erfüllen. Von diesen Anforderungen sind folgende zu nennen: a) der Verstoß gegen die Pflichten muss mit der Erreichung der Zwecke des Unternehmens in Verbindung stehen, b) die Pflichtverletzung muss im Namen des Unternehmens oder in dessen Auftrag durchgeführt werden; c) der Verstoß muss zum Nutzen des Unternehmens erfolgen, d) die Pflichtverletzung muss von den Unternehmensleitern oder Angestellten verwirklicht werden, welche Entscheidungs-, Organisations-, Kontrollbefugnisse etc. tragen, e) der Pflichtverstoß wird von unter der Autorität von Führungskräften stehenden Untergebenen (etwa einfachen Arbeitern) aufgrund schwerer Verletzungen von Aufsichts-, Überwachungs- und Kontrollpflichten der Führungskräfte begangen.

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

Aus dem Vorstehendem leitet sich die Antwort auf die Frage nach den spezifischen negativen strafrechtlichen Allgemeinpflichten des Unternehmens ab, die nach § 14 dStGB und Art. 31 sStGB von diesen auf ihre Leiter übertragen werden. In Bezug darauf lässt sich feststellen, dass innerhalb der spezifischen negativen Allgemeinpflichten der Wirtschaftsunternehmen, die mit dem Handeln ihrer Leistungspersonen, ihren Zwecken, ihrer Organisation oder Tätigkeit verbunden sind, u. a. die folgenden Pflichten zu nennen sind: 1. die Pflicht, keine verbotenen Gefahren für das Leben, die körperliche Unversehrheit und Gesundheit anderer zu schaffen, 2. die Pflicht, keine missbilligten strafrechtlichen Risiken für die Umwelt zu schaffen, 3. die Pflicht, das Vermögen eines anderen nicht mittels eines durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen erregten oder unterhalten Irrtums zu beschädigen, um sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, 4. die Pflicht, keinen aus einer rechtswidrigen Tat stammenden Gegenstand zu verbergen, seine Herkunft nicht zu verschleiern, das Auffinden, die Einziehung oder die Sicherstellung eines solchen Gegenstandes nicht zu vereiteln oder nicht zu gefährden, 5. die Pflicht, bei Ausschreibungen kein Angebot zu unterbreiten, das auf einer illegalen Absprache beruht, um den Veranstalter der Ausschreibung zu veranlassen, ein bestimmtes Angebot anzunehmen. Diese Pflichten – und im Allgemeinen alle negativen Allgemeinpflichten – treffen alle Personen, nämlich sowohl die Bürger als auch die Unternehmen. Dies bedeutet, dass juristische Einzelpersonen (Bürger oder natürliche Personen) und juristische Kollektivpersonen (Unternehmen oder juristische Personen) strafrechtlich verantwortlich sind, wenn sie diese Pflichten durch fehlerhafte Verwaltung ihres individuellen bzw. unternehmerischen Organisationsbereichs verletzen. Die Verletzung dieser Pflichten begründet die Allgemeinpflichtdelikte, etwa Totschlag, Mord, Körperverletzung, Unweltdelikte, Betrug, Geldwäsche, Delikte gegen den Wettbewerb, Korruptionsdelikte usw. Wie bereits erwähnt wurde und unten erklärt wird284, ist es nicht möglich, die Beteiligung von Unternehmensleitungsorganen oder Mitgliedern solcher Organe an den vorgenannten Allgemeinpflichtdelikten und anderen unternehmerischen Straftaten ohne – direkte oder analoge – Anwendung von § 14 dStGB und Art. 31 sStGB zu begründen, da ohne Anwendung diser Vorschriften die strafrechtliche Verantwortlichkeit der juristischen Person nicht auf die Mitglieder ihrer Leitungsorgane übertragen werden kann. Aus diesem Grund gilt die Figur des „Handelns für einen anderen“ als Grundelement der Beteiligung sowohl für die im Bereich der Wirtschaftsunternehmen verwirklichten Allgemein- als auch für die Sonderpflichtdelikte. Bei den Sonderpflichtdelikten (etwa der Untreue), in denen die Straftatbestände den Täterkreis auf einen bestimmten Normadressaten beschränken, begründet die Anwendung des erwähnten Rechtsinstituts in der Regel die täterschaftliche Strafhaftung der Unternehmensleiter – etwa Vorstandsmitglieder einer AG und Geschäftsführer einer GmbH –, die 284

Vgl. dazu § 10 C. und insbesondere § 11.

§ 10 Spezifische Begründungs-, Auslegungs- u. Bestimmungselemente

363

neben oder an der Stelle des ursprünglichen Normadressaten – z. B. Aktionäre bzw. Gesellschafter – als taugliche Täter bestraft werden. Hierfür ist es erforderlich, dass der Verstoß gegen die zu ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen gehörenden positiven Sonderpflichten die in § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB geregelten Anforderungen an die Täterschaft erfüllt. Hingegen liegt eine Teilnahme vor, wenn die Übertretung der positiven Sonderpflichten nur die normativen Voraussetzungen der Anstiftung oder Beihilfe erfüllt285. Im Bereich der unternehmerischen Allgemeindelikte ermöglicht es die analoge Anwendung des Rechtsinstituts des „Handelns für einen anderen“, die Täterschaft und Teilnahme der Vertretungsorgane einer juristischen Person oder einzelner Mitglieder eines solchen Organs zu begründen. Denn – entgegen der Meinung der herrschenden Lehre286 – können die juristischen Personen (oder die Vertreter juristischer Personen in ihrer Rolle als solche) auch Allgemeindelikte287 verwirklichen, deren strafrechtliche Konsequenzen – entweder in Täterschafts- oder in Teilnahmeform – auf die Vertretungsorgane durch entsprechende Anwendung des § 14 dStGB und Art. 31 sStGB erstreckt werden288. Abschließend ist darauf hingewiesen, dass diese Auslegung von § 14 dStGB und Art. 31 sStGB einerseits analog auch auf § 9 OWiG anwendbar ist und andererseits wichtige Konsequenzen für die Auslegung des § 30 OWiG und Art. 31 sStGB hat289.

II. Verletzung der in § 13 dStGB und in Art. 11 sStGB geregelten Garantenpflichten Die Berücksichtigung der § 13 und Art. 11 des StGB Deutschlands bzw. Spaniens als Bestandteil der Grundlage von Täterschaft und Teilnahme bei Unternehmensdelikten ist ein zwingendes Gebot des Gesetzlichkeitsprinzips (§ 1 dStGB, Art. 1 sStGB), welches sich im Wortlaut der erwähnten Vorschriften widerspiegelt. § 13 und Art. 11 legen, unabhängig von einigen Unterschieden,290 fest, dass bei Erfolgsdelikten ein unterlassendes Verhalten nur strafrechtliche Relevanz hat, wenn zwei Voraussetzungen vorliegen: Zum einen muss der Unterlassende eine Rechtspflicht verletzen, die ihn zur Verwirklichung eines aktives Tun verpflichtet, um den

285

Eine ausführliche Erklärung dieser Problematik befindet sich unten in § 12 C.II.1., 2. So etwa Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 8, Rn. 436. 287 Konkrete Beispiele dieser Delikte werden ausführlich unten (§ 11) dargestellt. 288 Vgl. Ransiek, ZGR 1999, 617. 289 Vgl. dazu unten § 10 A.III. 290 Nämlich: Während § 13 dStGB die Pflicht zur Vermeidung des Erfolgseintritts an eine allgemeine Rechtsquelle knüpft, bezieht § 11 sStGB die Pflicht zur Verhinderung der Erfolgsverwirklichung auf zwei formelle Quellen – Gesetz und Vertrag – und auf eine materielle Quelle – die Risikoschaffung für das geschützte Rechtsgut durch ein vorhergehendes Verhalten. 286

364

3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

tatbestandsmäßigen Erfolgseintritt abzuwenden (Garantenstellung291); zum anderen muss das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entsprechen (Entsprechensklausel292). Aus diesen in den erwähnten § 13 und Art. 11 verankerten allgemeinen gesetzlichen Erfordernissen ergibt sich, dass die Abwendung des Erfolgseintritts bei unternehmerischen Erfolgsdelikten das Vorliegen einer sog. „Garantenstellung“ der Unternehmensleiter voraussetzt293, die ihnen die Erfüllung allgemeiner und besonderer Rechtspflichten auferlegt, um den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs zu verhindern; mit anderen Worten ist der Unterlassende dafür zuständig, dass keine von den Unternehmensaktivitäten herrührenden missbilligten Erfolge eintreten294, unabhängig davon, ob die Straftat von ihren Untergebenen verwirklicht werden könnte295. Dies zeigt, dass die Erfolgsabwendung nicht auf der bloßen faktischen Herrschaft über die Gefahrenquellen, sondern auf dem Vorhandensein einer rechtlich fundierten Zuständigkeit296 für die Vermeidung des tatbestandlichen Risikoeintritts297 beruht. Im Bereich der unternehmerischen Erfolgsdelikte ergeben sich aus dieser rechtlichen Grundlage in der Regel besondere Aufsichtspflichten für den rechtmäßigen Verlauf der Unternehmensaktivität, etwa die Pflicht zur Eindämmung von aus dem Unternehmen hervorgehenden Gefahren (wie die Beseitigung anfallender Abwässer, der Umgang mit schädlichen Stoffen, die Organisation bestimmter gefährlicher Tätigkeiten, etc.), die der strafrechtlichen Produkthaftung298 zugrundeliegenden Pflichten (etwa die Pflicht zum Rückruf gesundheitsgefährdender Produkte299), usw. Daraus folgt, dass die Garantenstellung nicht nur für die Begründung von Täterschaft und Teilnahme bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten mit missbilligtem Erfolg bedeutsam ist. Vielmehr erstreckt sich der Anwendungsbereich der Garantenstellung auf die Begründung von Täterschaft und Teilnahme bei allen Deliktsarten (nämlich Allgemein- und Sonderpflichtdelikte) und unabhängig davon, ob es sich dabei um sog. Erfolgs- oder Tätigkeits-, Begehungs- oder Unterlassungsdelikte handelt300. Grund dafür ist, dass die Garantenstellung als Voraussetzung 291 Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 1. Teil, Kap. 3, Rn. 31; MüKoStGBFreund, Band 1, 3. Aufl., § 13, Rn. 232; Rengier, KK-OWiG, § 8, Rn. 10; SK-Stein, 9. Aufl., § 13, Rn. 4. 292 A. a. O. 293 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., § 6, Rn. 56. 294 So Schwerdtfeger, Strafrechtliche Pflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats, S. 223. 295 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., § 6, Rn. 56. 296 Salazar Sánchez, Comentarios, § 13, Rn. 18 ff., 23 ff.; Schwerdtfeger, Strafrechtliche Pflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats, S. 223. 297 Ransiek, ZGR 1999, 615; CCPP-Salazar Sánchez, § 13, Rn. 18 ff., 23 ff. 298 Zu einer ausführlichen Erklärung der strafrechtlichen Produkthaftung vgl. Colussi, Produzenten-Kriminalität und strafrechtliche Verantwortlichkeit, 2003, S. 22 ff., 79 ff., 111 ff. 299 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., § 6, Rn. 53. 300 CCPP-Salazar Sánchez, § 13, Rn. 17, 51 ff.

§ 10 Spezifische Begründungs-, Auslegungs- u. Bestimmungselemente

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der richtigen Organisation eines durch die Rechtsordnung einer Person zugeschriebenen bestimmten Gebiets des Sozialsystems nicht nur den positiven besonderen, sondern auch den negativen allgemeinen Zuständigkeiten entspricht301. Dies spiegelt sich darin wider, dass bei allen Delikten die Einstufung eines Verhaltens als rechtlich missbilligte Schaffung einer Gefahr die pflichtwidrige Handlung des Normadressaten verlangt302. Dieser Gesichtspunkt steht im Einklang mit den in dieser Untersuchung vertretenen zentralen Thesen, die u. a. bejahen, dass sich Täterschaft und Teilnahme auf die Verletzung unterschiedlicher strafrechtlicher Pflichten stützen und daher alle Delikte Pflichtdelikte sind303.

III. Verletzung der in §§ 9, 30, 130 OWiG und in Art. 31bis ff. sStGB geregelten negativen Allgemeinund positiven Sonderpflichten Die Bedeutung des § 9 OWiG für das deutsche Ordnungswidrigkeitenrecht entspricht der des § 14 dStGB für das Strafrecht304. Denn beide Vorschriften erlauben durch eine Delegierung der Verantwortlichkeit nach unten305, die Organe, Vertreter oder Beauftragten eines Betriebes für das unternehmerische Unrecht verantwortlich zu machen, wenn besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände, welche die Strafbarkeit begründen, zwar nicht bei den Organen, Vertretern oder Beauftragten, aber bei dem Vertretenen bzw. dem Inhaber des Betriebs vorliegen. § 14 dStGB überträgt nämlich die strafrechtliche Verantwortung von den Unternehmensgründern oder Betriebsinhabern auf die Unternehmensleiter, wenn diese ohne Erfüllung der nur bei den Vertretenen vorliegenden Tätereigenschaft strafrechtliche Pflichten verletzen; seinerseits legt § 9 OWiG die Möglichkeit einer Ahndung auch der Vertreter einer juristischen Person fest306, wenn die persönlichen Merkmale, welche die Möglichkeit der Ahndung gegen die Vertretenen begründen, zwar nicht bei ihnen, aber bei dem Vertretenen vorliegen. Dies zeigt, dass § 14 StGB und § 9 OWiG den Anwendungsbereich von auf einen bestimmten Personenkreis bezogenen Tatbeständen auf Personen erweitern wollen, die für den eigentlichen Normadressaten handeln307. Ohne diese Erweiterung würde eine Unmöglichkeit einer Verantwortungsbegründung und dadurch eine unangemessene Sanktionslücke entstehen: weder der Normadressat (etwa Aktionäre einer AG oder Gesellschafter 301

CCPP-Salazar Sánchez, § 13, Rn. 17, 52. Jakobs, AT I, § 7, 56 ff., Rn. 78 ff.; Roxin, AT I, 4. Aufl., § 7, Rn. 6 f. 303 Siehe hierfür ausführlich oben § 8, § 9 B. 304 So Gürtler/Thoma, in: Göhler OWiG, § 9, Rn. 2; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., § 6, Rn. 76. 305 Hinsichtlich der in § 14 dStGB geregelten vertikalen Delegierung von oben nach unten siehe Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., Rn. 430. 306 Gürtler/Thoma, in: Göhler OWiG, § 9, Rn. 2. 307 A. a. O. 302

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

einer GmbH) noch der Handelnde (Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer) könnte zur Verantwortung gezogen werden; der eine nicht, weil er nicht gehandelt hat, der andere nicht, weil er nicht Normadressat ist. Schließlich ist aufgrund des Gesagten zur Ähnlichkeit von § 14 dStGB und § 9 OWiG festzustellen, dass § 9 OWiG nicht nur die Sanktionierung von Unternehmensvertretern für die Verletzung positiver Sonderpflichten der juristischen Person, sondern auch die Ahndung für die Verletzung negativer Allgemeinpflichten des Unternehmens begründen. Denn § 9 OWiG – wie § 14 StGB – enthält nur Voraussetzungen eines allgemeinen Rechtsgedankens, der auf alle unternehmensbezogenen Allgemein- und Sonderpflichten anzuwenden ist. Dies gründet sich darauf, dass nach § 9 OWiG alle das Unternehmen als Ganzes betreffenden Pflichten – nämlich positive Sonderpflichten und negative Allgemeinpflichten – durch den in diesen Vorschriften genannten Personenkreis wahrgenommen werden müssen. Zu § 30 OWiG sind zwei Klarstellungen notwendig: Einerseits verankert § 30 OWiG als Sanktions- und Zurechnungsnorm grundsätzlich zwei Rechtsfolgen: Als Sanktionsnorm legt § 30 OWiG die Festsetzung einer Geldbuße gegen juristische Personen – etwa GmbH, AG, usw. – oder ihnen gleichgestellte Personenvereinigungen308 fest, wenn die Unternehmensleiter (etwa ein vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder die Mitglieder eines solchen Organs, ein Vorstand eines nicht rechtsfähigen Vereins oder die Mitglieder eines solchen Vorstandes, ein vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft, ein Generalbevollmächtigter, ein Handlungsbevollmächtigter einer juristischen Person) eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit (sog. Anknüpfungs-, Bezugstat) begehen, durch die entweder Pflichten der juristischen Person oder Personenvereinigung verletzt werden oder die zu deren Bereicherung geführt haben oder führen sollten. Als Zurechnungsnorm309 ermöglicht § 30 OWiG, die Straf- oder Ordnungswidrigkeitshaftung für das begangene Täter- oder Teilnehmerunrecht der juristischen Person zuzurechnen; denn diese Vorschrift verknüpft die von Mitarbeitern eines Unternehmens unterhalb der Leitungsebene begangenen Zuwiderhandlungen mit der Verhängung einer Verbandsgeldbuße310. Andererseits lässt sich aufgrund einer systematischen und teleologischen Auslegung der §§ 9, 30 OWiG und § 31, 31bis sStGB feststellen, dass § 30 OWiG und § 31bis sStGB die Begründung der Ordnungswidrigkeitshaftung (in Deutschland) und strafrechtlichen Verantwortlichkeit (in Spanien) des Unternehmens ermöglichen, wenn deren Leiter im Rahmen der Unternehmenstätigkeit gegen positive 308 Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 1. Teil, Kap. 3, Rn. 38 f.; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., § 12, Rn. 1. 309 Dafür plädieren Bauer, wistra 1992, 49 f.; Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 173 ff., 184 ff.; dagegen Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 1. Teil, Kap. 3, Rn. 40; ders., Amelung-FS, S. 371 ff.; Eidam, wistra 2003, 447, 448 ff.; Rogall, KK-OWiG, § 30, Rn. 4, 8. 310 Bauer, wistra 1992, 49 f.

§ 10 Spezifische Begründungs-, Auslegungs- u. Bestimmungselemente

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Sonderpflichten und negative Allgemeinpflichten verstoßen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass § 30 OWiG und Art. 31bis sStGB gegenläufig zu § 9 OWiG und Art. 31 sStGB gelten: Anstatt nämlich eine Verantwortlichkeit der Unternehmensleiter für die Verletzung der ursprünglich dem Unternehmen obliegenden Pflichten (§ 9 OWiG und § 31 StGB) zu begründen, begründen sie die Verantwortlichkeit des Unternehmens für die rechtswidrigen Handlungen seiner Leiter (§ 30 OWiG und Art. 31bis StGB). § 130 OWiG legt im Wesentlichen dreierlei fest: Erstens die Verpflichtung der Betriebs- oder Unternehmensinhaber, den rechtmäßigen Verlauf der Tätigkeit des Betriebs bzw. Unternehmens zu beaufsichtigen und daher ihre Aufsichts- und Kontrollpflichten311 ordnungsgemäß zu erfüllen. Zweitens die Verhängung einer Geldbuße gegen die Betriebs- oder Unternehmensinhaber, wenn sie gegen ihre Aufsichts- und Kontrollpflichten verstoßen, deren Befolgung zur Verhinderung der Verletzung betriebs- bzw. unternehmensbezogener Pflichten erforderlich und zumutbar ist312. Drittens die Erweiterung des die Aufsichtspflicht treffenden Täterkreises nicht nur auf die im Wortlaut des § 130 Abs. 1 OWiG genannten Betriebsoder Unternehmensinhaber, sondern auch auf die Organe, Vertreter, Beauftragten und Strohmanngeschäftsführer313, denn die Neufassung von § 9 OWiG erweitert die Betriebs- oder Unternehmensinhaberschaft auf das vertretungsberechtigte Organ oder Mitglieder eines solchen Organs einer juristischer Person (§ 9 Abs. 1 Nr. 1), auf die vertretungsberechtigten Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 2) und auf die gesetzlichen Vertreter eines anderen (§ 9 Abs. 1 Nr. 3). Auf diese Weise bezieht § 9 Abs. 2 OWiG die genannten betriebs- oder unternehmensbezogenen Personen sowohl in den Kreis der Aufsichtspflichtigen als auch in den Kreis tauglicher Täter ein314.

311

Zu Recht sagt die Wirtschaftsstrafrechtsdogmatik, dass zu den erforderlichen Aufsichtspflichten gehört: a) die sorgfältige Auswahl geeigneter und zuverlässiger Mittarbeiter; b) die sogfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen; c) die Aufklärung, Schulung, insbesondere die wiederholte, beispielhaft verdeutlichte Unterrichtung über ihre Pflichten, d) die hinreichende Überwachung der Mitarbeiter auch durch stichprobenartige überraschende Kontrolle, e) oder die Einrichtung einer die Einhaltung der betriebsbezogenen Pflichten überwachenden eigenen Revisions- oder Compliance-Abteilung mit einer angemessenen Besetzung und Ausstattung; f) bei konkretem Anlass die Androhung arbeitsrechtlich zulässiger Sanktionen, vgl. dazu Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 1. Teil, Kap. 3, Rn. 51; Schmid, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 30, Rn. 145 ff. 312 Rogall, KK-OWiG, § 130, Rn. 36. 313 Die Aufnahme des Strohmanngeschäftsführers in den Täterkreis der Aufsichtspflichtverletzung lässt sich damit begründen, dass sie im Sinne des § 130 Abs. 1 OWiG einerseits formal die Geschäftsführerstellung innehaben und andererseits die Geschäftsführung nur in eingeschränkten Umfang oder gar nicht wahrnehmen, siehe Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 1. Teil, Kap. 3, Rn. 42; Schmid, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 30, Rn. 138; Siegmann/Vogel, ZIP 1994, 1825. 314 Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 1. Teil, Kap. 3, Rn. 42; Rogall, KKOWiG, 3. Aufl., § 130, Rn. 26; Schmid, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 30, Rn. 135.

368

3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

Zweck des § 130 OWiG ist es, sowohl Zuwiderhandlungen gegen solche den Inhaber treffenden Pflichten zu verhindern315 als auch kriminalpolitisch unerwünschte Strafbarkeitslücken zu schließen316, da diese Vorschrift auf die Ahndung der Betriebs- und Unternehmensinhaber gerichtet ist, wenn der unmittelbar Zuwiderhandelnde nicht durch §§ 9 OWiG, 14 dStGB erfasst wird317. Durch die Erweiterung der Aufsichts- und Kontrollpflicht auf den Betriebs- und Unternehmensinhaber strebt § 130 OWiG die Identifizierung, Bewertung und Überwindung von Risiken an, die mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Betriebs oder Unternehmens verbunden sind318. Dieser kriminalpolitische Zweck führt mit § 130 OWiG zu einer Lockerung des im Strafrecht geltenden Schuldprinzips319, da die Vorschrift festlegt, dass die Voraussetzungen der Zurechnung der Zuwiderhandlung zu dem Betriebsoder Unternehmensinhaber erfüllt sind, obwohl die Aufsichtspflicht fahrlässig oder ohne Gewinnerzielungsabsicht320 verletzt wird. Denn im Unterschied zu §§ 11 Abs. 1 Nr. 5 dStGB, 1 Abs. 2 OWiG fordert § 130 OWiG keine rechtswidrige Handlung der unmittelbar handelnden Person, um die Zuwiderhandlung dem Inhaber zurechnen321. Zusammenfassend kann die in den §§ 9, 30, 130 OWiG geregelte rechtliche Verantwortung in zwei Thesen formuliert werden. Einerseits ist die strafrechtliche Verantwortlichkeit der juristischen Person und anderer Personenverbände im deutschen Strafrecht gesetzlich nicht vorgesehen322. Deshalb sind die juristischen Personen für die rechtswidrige Organisation ihrer Vertreter oder Beauftragten nur im Sinne einer im Ordnungswidrigkeitenrecht festgestellten Bußgeldhaftung verantwortlich, aber keineswegs im Sine einer strafrechtlichen Verantwortung323. Andererseits sind nur Inhaber, Unternehmensleiter und andere zuständige Untergebene für das innerhalb der unternehmerischen oder betrieblichen Aktivität verwirklichte Strafunrecht verantwortlich. Dies bedeutet, dass die erwähnten Vorschriften keine gesetzliche Quelle zur Begründung von Täterschaft und Teilnahme in Wirtschaftsunternehmen sind, da sie nur für das Ordnungswidrigkeitenrecht gelten. In diesem Zusammenhang können §§ 9, 30, 130 usw. OWiG nur als ergänzende Auslegungselemente verwendet werden, um die in den Vorschriften des dStGB und anderer Normkörperschaften enthaltenen Rechtspflichten, deren Verletzung entweder die 315

Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 1. Teil, Kap. 3, Rn. 43, 45. So Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., § 6, Rn. 127. 317 König, Ordnungswidrigkeitengesetz, Kommentar, 14. Aufl., § 130, Rn. 2; Rogall, KKOWiG, 3. Aufl., § 130, Rn. 4. 318 Bock, ZIS 2 (2009), 76. 319 Alexander, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, 2. Aufl., S. 227. 320 Bohnert, Ordnungswidrigkeitengesetz, Kommentar, 2. Aufl., § 130, Rn. 4. 321 Heine, Eser-FS, S. 58. 322 Di Lorenzo, Probleme der strafrechtlichen Produkthaftung, S. 19. 323 Di Lorenzo, Probleme der strafrechtlichen Produkthaftung, S. 20; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 242. 316

§ 10 Spezifische Begründungs-, Auslegungs- u. Bestimmungselemente

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Täterschaft oder die Teilnahme in Wirtschaftsunternehmen begründen, richtig zu verstehen. Im Unterschied zum deutschen Recht regeln Art. 31bis ff. sStGB seit 2010 die gesetzlichen Grundvoraussetzungen einer selbständigen Strafbarkeit juristischer Personen324. So legt die genannte Vorschrift grundsätzlich vier Voraussetzungen zur Begründung von Täterschaft und Teilnahme durch ein (Wirtschafts-)Unternehmen fest, von denen drei objektiver Natur sind und nur eines subjektiven Ursprungs ist. Die erste objektive Voraussetzung erfordert, dass die Straftaten im Namen oder im Auftrag325 einer juristischen Person (Art. 31bis, Abs. 1a), oder im Rahmen der gesellschaftlichen Tätigkeiten im Auftrag eines Wirtschaftsunternehmens326 (Art. 31bis, Abs. 1b) verwirklicht werden. Die zweite objektive Voraussetzung verlangt, dass das Strafunrecht von gesetzlichen Vertretern oder denjenigen Personen – welche entweder einzeln oder als Mitglied eines Organs der juristischen Person zur Entscheidungsfindung im Namen der juristischen Person berechtigt sind327 bzw. Organisations- und Kontrollbefugnis derselben juristischen Person haben328 (Art. 31bis, Abs. 1a) oder der Aufsicht der genannten natürlichen Personen329 untergeordnet sind (Art. 31bis, Abs. 1b) – begangen werden. Das dritte objektive Grundelement setzt voraus, dass das geschäftsführende Organ – d. h. ein oder mehrere Geschäftsführer oder der Verwaltungsrat – der juristischen Person (Art. 31bis Abs. 2a) oder die juristische Person selbst (Art. 31bis Abs. 4) vor der 324

Auf diese Weise, Feijóo Sánchez, Características básicas de la responsabilidad penal, S. 67; Gómez-Jara Díez, NCP, S. 48 ff., 64 ff.; ders., El Tribunal Supremo ante la responsabilidad penal, S. 26. Zur Natur der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von juristischen Personen innerhalb der spanischen Strafrechtslehre vgl. u. a. Diez Ripollés, InDret 1 (2012), 1 ff.; Gómez Martín, Societas delinquere non potest, S. 207 ff.; Gómez Tomillo, Introducción, 2. Aufl., S. 66 ff.; Gracia Martín, RECPC 18 (2016), 2 ff.; Gudín Rodríguez-Magariños, RJCL 43 (2017), 104 ff.; Robles Planas, DLL 7705 (2011); Silva Sánchez, DLL 7464 (2010). 325 Gómez-Jara Díez, NCP, S. 63 ff.; ders., El sistema de imputación, S. 68; Gómez Tomillo, Introducción, 2. Aufl., S. 82 ff.; González Cussac, CRCP, S. 168; Pérez Arias, Sistema de atribución de responsabilidad penal, S. 74 f.; CCP-Manzanares Samaniego, S. 173; Zugaldía Espinar, La responsabilidad criminal, S. 225. 326 Gómez-Jara Díez, NCP, S. 66; CCP-Manzanares Samaniego, S. 169. 327 Diez Ripollés, InDret 1 (2012), 20 ff.; Gómez-Jara Díez, El sistema de imputación, S. 67 ff.; Gómez Tomillo, Introducción, 2. Aufl., S. 68 ff.; González Cussac, CRCP, S. 166; Pérez Arias, Sistema de atribución de responsabilidad penal, S. 79 f.; Zugaldía Espinar, La responsabilidad criminal, S. 224 f. 328 González Cussac, CRCP, S. 164; Pérez Arias, Sistema de atribución de responsabilidad penal, S. 82 ff. 329 Darüber hinaus legt dieses Grundelement (§ 31bis, Abs. 1b) fest, dass zur Begründung der Täterschaft der juristischen Personen eine schwerwiegende Verletzung der Aufsichts-, Überwachungs- und Kontrollpflichten durch den Sonderpflichtträger erforderlich ist, wenn das Strafunrecht von Personen ausgeführt wird, die abhängig von den genannten gesetzlichen Vertretern oder vertretungsberechtigten Mitgliedern des Organs einer juristischen Person sind. Dazu vgl. Gómez-Jara Díez, El sistema de imputación de responsabilidad penal, S. 70 ff.; Gómez Tomillo, Introducción, 2. Aufl., S. 79 ff.; González Cussac, CRCP, S. 168 ff.; Pérez Arias, Sistema de atribución de responsabilidad penal, S. 80 f.

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

Straftatverwirklichung keine ihrerseits geeigneten, Aufsichts- und Kontrollmaßnahmen einschließenden wirksamen Organisations- und Führungsrichtlinien (Compliance-Richtlinien) beschlossen bzw. umgesetzt haben, um der Verwirklichung des Strafunrechts desselben Unternehmens vorzubeugen oder das Ausführungsrisiko erheblich zu verringern. Der subjektive Bestandteil (Art. 31bis Abs. 1a, 1b) legt seinerseits fest, dass das Strafunrecht nicht nur die Voraussetzungen der subjektiven Zurechnung (Vorsatz oder Fahrlässigkeit)330 erfüllen muss, sondern die Straftat auch zur Erreichung eines direkten oder indirekten Vorteils zugunsten derselben juristischen Person331 verwirklicht werden sollte. Aus den Art. 31bis, 31ter ergeben sich u. a. drei dogmatisch bedeutsame Auswirkungen für die strafrechtliche Verantwortlichkeit der juristischen Personen und insbesondere für die Begründung von Täterschaft und Teilnahme solcher wirtschaftlichen Institutionen. Erstens verankert das spanische Strafrechtssystem ein autonomes Modell der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von juristischen Personen, das die Möglichkeit vorsieht, die Personenmehrheiten parallel zu – aber unabhängig von – den einzelnen Personen zu bestrafen. Es handelt sich um ein selbständiges Modell strafrechtlicher Verantwortlichkeit332 und Strafverfolgung333, da die strafrechtliche Verantwortlichkeit der einzelnen Personen (die sog. physischen oder natürlichen Personen) und der Personenmehrheiten (die sog. juristischen Personen) auf unterschiedlichen Gründen beruht; kurz formuliert, die strafrechtliche Verantwortlichkeit der juristischen Person hat ihre eigenen Grundelemente334. Folglich hat das Täter- und Teilnehmerunrecht der kollektiven Personenmehrheiten auch eine autonome Grundlage in Bezug auf das Täter- und Teilnehmerunrecht der einzelnen Personen335. Ein solches Täterschaftsund Teilnahmemodell ist mit dem mehrfach erwähnten „Prinzip strafrechtlicher Verantwortung für das eigene Strafunrecht“ vereinbar, nach dem jeder Beteiligte – etwa einzelne und kollektive Personen – bei der Verwirklichung einer Straftat nur für sein eigenes Strafunrecht verantwortlich ist336. Ebenfalls wird das selbständige täterschaftliche und teilnehmerische Strafhaftungsmodell der juristischen Personen

330

Gómez Tomillo, Introducción, 2. Aufl., S. 95 f., 116 ff.; Zugaldía Espinar, La responsabilidad criminal, S. 226 f. 331 Diez Ripollés, InDret 1 (2012), S. 20; Gómez-Jara Díez, NCP, S. 64 f.; ders., El sistema de imputación de responsabilidad penal, S. 69; Pérez Arias, Sistema de atribución de responsabilidad penal, S. 76; González Cussac, CRCP, S. 178 ff.; CCP-Manzanares Samaniego, S. 173; Zugaldía Espinar, La responsabilidad criminal, S. 225. 332 Feijóo Sánchez, Características básicas de la responsabilidad penal, S. 67; Gómez-Jara Diez, Autoría y participación, S. 253, 263, 266 f. 333 Gómez-Jara Diez, Autoría y participación, S. 263 ff. 334 Feijóo Sánchez, Características básicas de la responsabilidad penal, S. 67. 335 Feijóo Sánchez, Características básicas de la responsabilidad penal, S. 67. 336 Vgl. oben § 9 A.II., III.

§ 10 Spezifische Begründungs-, Auslegungs- u. Bestimmungselemente

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gesetzlich durch Art. 31 ter Abs. 2, 31 bis Abs. 2, 4 sStGB bestätigt337. Die erste Vorschrift enthält zwei Elemente zugunsten der autonomen Grundlage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Personenmehrheiten: eines materieller und eines strafprozessualer Art. Das materielle Element (Art. 31 ter Abs. 1) lautet, dass „das Vorliegen von Umständen bei den die Straftat materiell verwirklichenden Personen, welche die Schuld des Angeklagten betreffen, die strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen nicht ausschließt oder ändert“338; in ähnlichem Sinne legt das strafverfahrensrechtliche Element (Art. 31 ter Abs. 2) fest, dass „die Strafhaftung der juristischen Person erforderlich ist, sogar wenn die konkret verantwortliche natürliche Person nicht individualisiert wurde oder das Verfahren nicht gegen sie geführt werden konnte“. Seinerseits stützt die zweite Vorschrift (Art. 31 bis Abs. 2, 4) den Ausschluss der strafrechtlichen Verantwortlichkeit kollektiver Personen auf normative Betrachtungen, die nicht mit dem individuellen Verhalten zusammenhängen339. Zweitens ist die Grundlage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit – und damit auch die Grundlage der Täterschaft und der Teilnahme – von Personenmehrheiten zwar autonom. Das bedeutet aber nicht, dass diese strafrechtliche Verantwortlichkeit – entweder in Täterschafts- oder in Teilnahmeform – nicht mit der Handlung der einzelnen Person zusammenhängt. Im Gegenteil sind juristische und einzelne Person durch das von der einzelnen Person tatsächlich verwirklichte straftatbestandliche Verhalten direkt miteinander verbunden. Die von der einzelnen Person begangene strafrechtlich relevante Handlung ist nämlich die ontologische Voraussetzung der strafrechtlichen Verantwortung der Personenmehrheit340 ; deshalb ist es unmöglich, 337 Feijóo Sánchez, Características básicas de la responsabilidad penal, S. 68 ff.; GómezJara Diez, Autoría y participación, S. 255. 338 Feijóo Sánchez, Características básicas de la responsabilidad penal, S. 70. 339 Feijóo Sánchez, Características básicas de la responsabilidad penal, S. 68. 340 Als strafrechtlich relevantes Verhalten muss die Straftat verstanden werden, die mindestens die normativen Erfordernisse der objektiven und subjektiven Zurechnung erfüllt; d. h. die Schaffung des verbotenen Risikos muss entweder vorsätzlich oder fahrlässig erfolgen, weil das Wort „Delikt“, das in den § 31bis ff. sStGB benutzt wird, um sich auf die von der einzelnen Person begangene Tat zu beziehen, im Sinne des § 10 sStGB ausgelegt werden muss, der das Wort „Delikt“ als „ein vom Gesetz strafbares vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten“ definiert. In der spanischen Strafrechtswissenschaft gibt es unterschiedliche Meinungen zu den normativen Merkmalen des Verhaltens der einzelnen Person zur Begründung strafrechtlicher Verantwortlichkeit juristischer Personen. So vertritt eine Ansicht, dass es ausreichend sei, wenn das Verhalten des Einzelnen die Erfordernisse des objektiven Tatbestandes erfüllt, vgl. dazu u. a. Gómez Tomillo, Introducción, 2. Aufl., S. 74 ff.; González Sierra, La imputación penal de las personas jurídicas, S. 235 ff.; Zugaldía Espinar, LLP 76 (2010), 3. Eine andere nicht weniger wichtige Auffassung verlangt, dass die von der Einzelperson begangene Tat tatbestandlich und rechtswidrig ist, siehe hierfür Bacigalupo Saggese, DLL 7541 (2011), 6; Boldova Pasamar, EPC 33 (2013), 245; Diez Ripollés, InDret 1 (2012), 15; De la Mata Barranco/Hernández Díaz, Leyre, Sanciones previstas para las personas jurídicas, S. 235 ff.; Feijóo Sánchez, Las características básicas de la responsabilidad penal, S. 69; ders., Revista UAM, 2001, 12 ff.; Palma Herrera, Compliance, S. 200 ff.; Rodríguez Mourullo, Rodríguez Ramos-LH, S. 185. Aus der hier vertretenen Sicht verstoßen beide Ansichten gegen § 10 sStGB, weil diese Vorschrift die

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

auf der ontologischen Ebene die Strafverantwortung – und somit das Täter- und Teilnehmerunrecht – der Personenmehrheit von der Handlung der einzelnen Person zu trennen. Jedoch sollte aber eine solche materielle Voraussetzung der Strafbarkeit nicht mit ihrer Grundlage verwechselt werden, weil beides unterschiedlicher Natur ist: Die vom Einzelnen ausgeführte Tat ist ontologischer Natur; die Grundlage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist normativen Wesens341. Wie bereits erklärt, können Personenmehrheiten strafrechtlich verantwortlich sein, obwohl die Personen, die die Straftat ausführen, nicht schuldig sind, nicht identifiziert werden oder nicht strafrechtlich verfolgt werden können. Drittens sind die Personenmehrheiten – im Gegensatz zur Auffassung der h. L.342 – auch Adressaten strafrechtlicher Verhaltensnormen343, weil sie Träger sowohl negativer Allgemein- als auch positiver Sonderpflichten sind, die infolge der komplexen Organisation und Struktur der modernen Wirtschaftsunternehmen ohne Probleme eingehalten werden können344. Deshalb kann die Personenmehrheit Täter oder Teilnehmer eines Allgemein- oder Sonderpflichtdelikts sein, wenn sie ihre negativen Allgemein- und positiven Sonderpflichten verletzt. In diesem Zusammenhang, in dem die juristischen Personen autonome Adressaten der strafrechtlichen Verhaltensnormen (Träger der Allgemein- und Sonderpflichten) und daher nur für ihr eigenes Strafunrecht und absolut unabhängig vom Strafunrecht und der Schuld der einzelnen Person verantwortlich sind, kann Art. 31bis ff. i. V. m. den Art. 27, 28 und 29 des sStGB sozusagen zu einer parallelen Verantwortlichkeit oder Mitverantwortlichkeit345 von Einzelperson und Personenmehrheit führen. Diese parallele strafrechtliche Verantwortlichkeit346 kann – wie unten mit Beispielen erklärt – im Wesentlichen in drei Beteiligungsformen auftreten: a) In der Form von zwei unmittelbaren parallelen Einzeltäterschaften (eine der einzelnen Person und eine anerwähnte Tat weder als einfaches objektiv tatbestandliches Verhalten noch als tatbestandliche und rechtswidrige Handlung auffasst; im Gegenteil begreift § 10 das Delikt – wie bereits erklärt – als ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten (nämlich als eine tatbestandsmäßige Tat), was bedeutet, dass das Verhalten der einzelnen Person die Voraussetzungen des objektiven und subjektiven Straftatbestands einhalten muss. 341 Feijóo Sánchez, Características básicas de la responsabilidad penal, S. 68. 342 Aus Sicht der h. L. sind die Personenmehrheiten keine Adressaten der Strafrechtsnorm, da sie wegen ihrer Handlungsunfähigkeit die kommunikativen Botschaften der Verhaltensnormen nicht erfüllen können, siehe hierfür etwa Gracia Martín, Personas jurídicas, S. 67; Schünemann, Plädoyer, S. 137; ders., ADPCP 2002, 28 ff.; Silva Sánchez, MFC 14 (2001), S. 330 ff. 343 Dafür etwa Bottke, Assoziationsprävention, S. 49, 62 ff.; ders., wistra 1997, 247 ff.; Gómez-Jara Diez, Autoría y participación, S. 255; ders., La culpabilidad penal de la empresa, S. 258 ff., 274 ff., 286 ff.; Schroth, Unternehmen als Normadressaten, S. 19; Tiedemann, Responsabilidad penal de las personas jurídicas, S. 36 ff. 344 Schroth, Unternehmen als Normadressaten, S. 22 ff.; Tiedemann, Responsabilidad penal de personas jurídicas, S. 36 ff. 345 Bacigalupo Zapater, DLL 7442 (2010), S. 2; Feijóo Sánchez, Características básicas de la responsabilidad penal, S. 67. 346 A. a. O.

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dere der juristischen Person)347, welche durch die h. L. als Mittäterschaft angesehen wird; b) in der Form einer unmittelbaren Täterschaft und einer Teilnahme der einzelnen bzw. kollektiven Person; c) in der Form einer unmittelbaren Täterschaft der Personenmehrheit und einer Teilnahme der Einzelperson. Dies bedeutet aber nicht, dass immer eine parallele Strafhaftung (oder strafrechtliche Mitverantwortung) von Einzelpersonen und Personenmehrheiten besteht, wenn ein Strafunrecht innerhalb eines Wirtschaftsunternehmens begangen wird. Hingegen ist es möglich, dass nur die einzelne Person verantwortlich ist, nicht jedoch die Personenmehrheit und umgekehrt.

B. Spezifische ergänzende Begründungselemente Die die Führungskräfte einer GmbH und AG treffenden spezifischen ergänzenden Rechtspflichten sind in den Rechtssystemen Deutschlands und Spaniens grundsätzlich im GmbHG und AktG beider Länder geregelt. Daneben bestehen zu anderen Gebieten des deutsch. und span. Strafrechtssystems gehörende Gesetze, die weitere Pflichten sowohl der Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH als auch der Aktionäre, Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder einer AG enthalten. In Deutschland finden sich u. a. die Abgabenordnung (AO), die Arbeitsgesetze (ArbG), das Baugesetzbuch (BauGB), das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), die Einkommenssteuer-Durchführungsverordnung (EStDV), das Einkommenssteuergesetz (EStG), das Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV-Ausführungsgesetz), das Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (GenG), die Gewerbeordnung (GewO), das Handelsgesetzbuch (HGB), die Insolvenzordnung (InsO), das Körperschaftsteuergesetz (KStG), das Umwandlungsgesetz (UmwG), das Umsatzsteuergesetz (UStG), das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). In Spanien haben eine vergleichbare Funktion das Ley de Sociedades de capital (LSC/KGG), el Código de Comercio (CCo/sHGB), das Ley de Insolvencia (LC/sInsO), unw. Im Folgenden werden zunächst (§ 10 B.I.) sowohl die in einer GmbH bestehenden wesentlichen Pflichten als auch die für die Erfüllung und Verletzung dieser Pflichten zuständigen Personen bestimmt; im gleichen Sinne werden danach (§ 10 B.II.) die in einer AG geltenden Hauptpflichten sowie die Träger solcher Pflichten erklärt.

347

Etwa Bacigalupo Zapater, DLL 7442 (2010), S. 2.

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

I. Spezifische ergänzende Begründungselemente, die im jeweiligen GmbHG Deutschlands und Spaniens geregelt sind Innerhalb einer GmbH sind die Pflichten zur Entscheidungsfindung über die verschiedenen Aktivitäten eines solchen Unternehmens auf seine Organe aufgeteilt, nämlich: die Gesellschafter, die Geschäftsführung und manchmal den Aufsichtsrat. 1. Zuständigkeit der GmbH-Gesellschafter für die Pflichterfüllung und Pflichtverletzung Prinzipiell sind die Gesellschafter einer GmbH Träger der auf die ordnungsgemäße Führung des Unternehmens gerichteten konkreten unternehmerischen Pflichten. In diesem Sinne sind die Gesellschafter als Inhaber des Unternehmens nicht nur Nutznießer der durch die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens erzielten Gewinne, sondern auch für die sich aus unternehmerischen Pflichtverletzungen ergebenden verbotenen Risiken verantwortlich348. Die Diversifizierung, Spezialisierung, Aufteilung und Optimierung der komplexen Aktivitäten der modernen Wirtschaftsunternehmen führte aber die Rechtssysteme beider Länder dahin, die Pflichtenübertragung der Gesellschafter auf Dritte anzunehmen und zu ermöglichen, um die Aktivität und die wirtschaftlichen Zwecke des Unternehmens gemäß dem geltenden Recht durchzuführen bzw. zu erreichen. In Deutschland und Spanien ist eine solche Zuständigkeitsübertragung im GmbHG bzw. KGG geregelt. Die rechtliche Wirksamkeit dieser Delegierung setzt nach dem GmbHG und KGG die Einhaltung materieller und formeller Erfordernisse voraus349 : Materiell muss die Delegierung genau, speziell und zeitlich begrenzt sein (§ 6 Abs. 1 GmbHG, Art. 210 KGG); ebenfalls müssen die von Gesellschafter ernannten Geschäftsführer hinreichend sachkompetent sein – nämlich nur Fachmänner oder Fachfrauen in Deutschland (§ 6 Abs. 1 GmbHG), natürliche und juristische Personen in Spanien (Art. 212, 212bis KGG) – welche die beruflichen Eigenschaften erfüllen350 und deren Bestellung zum Geschäftsführer nicht verboten ist (§ 6 Abs. 2 GmbHG351, Art. 213 KGG). Auf formeller Ebene sehen § 46 Abs. 5 GmbHG und Art. 214 Abs. 1 KGG die Bestellung des Geschäftsführers grundsätzlich als Zuständigkeit der Gesellschafter352 vor, die in der Regel durch den Gesellschaftsvertrag (§ 6 Abs. 3 Satz 2 GmbHG, Art. 214 Abs. 1, 2 KGG)353 oder durch einen in einer Gesellschafterversammlung 348

Ransiek, ZGR 5 (1999), 626. Kleindiek, GmbHG-K, 20. Aufl., § 6, Rn. 1. 350 Erdmann, NZG 2002, 508 ff. 351 Kleindiek, GmbHG-K, 20. Aufl., § 6, Rn. 31 f., 34 f. 352 Bayer, GmbHG-K, 20. Aufl., § 46, Rn. 23 f.; Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 201; Kleindiek, GmbHG-K, 20. Aufl., § 6, Rn. 37, 39. 353 Kleindiek, GmbHG-K, 20. Aufl., § 6, Rn. 37 ff. 349

§ 10 Spezifische Begründungs-, Auslegungs- u. Bestimmungselemente

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getroffenen mehrheitlichen Gesellschafterbeschluss (§§ 47 ff. GmbHG)354 bestellt werden müssen. Die nach der Gründung der Gesellschaft durch eine rechtmäßige Delegation stattfindende formelle und tatsächliche Übernahme der Kompetenzen und Pflichten der Geschäftsführer führt im Allgemein zum Ausschluss der Strafverantwortung der Gesellschafter355, weil sie bei Nichtvorliegen entgegenstehender Anzeichen darauf vertrauen dürfen, dass die Betrauten ihre Aufgaben ordnungsgemäß ausführen werden. Denn nach der Übertragung der Pflichten ist der Geschäftsführer der Hauptpflichtige zur rechtmäßigen Organisation des Unternehmens und damit für die Eindämmung strafrechtlicher Gefahren verantwortlich356. Deshalb ist es im Prinzip übertrieben und sinnlos, den Gesellschaftern die Verantwortung für die Verletzung der übertragenen Zuständigkeiten zuzuweisen, insbesondere da einer der Zwecke der Übertragung von Zuständigkeiten für die Erfüllung unternehmerischer Pflichten auf die Geschäftsführer die Freistellung von Rechtsverantwortung – etwa von strafrechtlicher Verantwortung – der Gesellschafter ist. Die Übertragung ihrer Zuständigkeiten entbindet jedoch die Gesellschafter nicht vollständig von der Erfüllung der delegierten Aufgaben357. Denn die Delegation bedeutet zwar einerseits, dass die Delegierten Hauptnormadressaten sind, die an sie übertragenen Aufgaben der Gesellschafter zu erfüllen, andererseits besagt die Delegierung aber, dass die Gesellschafter durch Übertragung ihrer Aufgaben zu sekundären Normadressaten werden und daher gewissermaßen Residualträger der delegierten Pflichten sind358, sodass sie einerseits in der Regel für die Verletzung solcher Pflichten mitverantwortlich sind359; darüber hinaus entstehen mit der Delegierung weitere Pflichten der Gesellschafter, die u. a. in Vorschriften wie den Art. 160 KGG, § 46 dGmbHG, § 15 InSO geregelt sind. Der Verbleib der obersten Verantwortung wegen Auswahl, Aufsicht und Kontrolle bei den Gesellschaftern spiegelt sich in § 14 Abs. 1 dStGB und Art. 31 sStGB wider, der durch die Erweiterung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit auf die Vertreter der juristischen Personen stillschweigend bestätigt, dass die Vertretenen (Gesellschafter) ihre Unternehmensverantwortung nicht vollständig delegieren können360. In diesem Sinne sind die Gesellschafter einer GmbH in Übereinstimmung mit § 130 OWiG (Art. 31bis sStGB) und § 14 dStGB (Art. 31 sStGB) Residualträger u. a. der Pflicht zur Kontrolle der Erfüllung der Pflichten des Geschäftsführers, welche sich im Ergreifen von Maßnahmen zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung zeigt 354

Bayer, GmbHG-K, 20. Aufl., § 46, Rn. 29. Ransiek, ZGR 5 (1999), 621. 356 Ransiek, ZGR 5 (1999), 627. 357 A. a. O. 358 Etwa Frisch, Problemas fundamentales de la responsabilidad penal, S. 121; García Cavero, Criminal Compliance, S. 36, 42; Meini Méndez, RFDdPUCP 52 (1999), S. 908, 914. 359 Hucke, Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH, S. 108. 360 Frisch, Problemas fundamentales de la responsabilidad penal, S. 121. 355

376

3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

(§ 46 Abs. 6 GmbHG, Art. 161 KGG), der Pflicht zur Abwendung der Risikoverwirklichung, der Pflicht zum Rückruf gefährlicher Produkte für die Gesundheit oder das Leben der Verbraucher, etc. 2. Pflichtzuständigkeit und Pflichtverletzung bei Geschäftsführern Als Beispiele der im GmbHG geregelten zahlreichen Zuständigkeiten des Geschäftsführers lassen sich die folgenden Pflichten nennen. Zunächst findet sich die Organisationspflicht, die in der Vertretung der GmbH (§ 35 GmbHG361, Art. 209, 233, 234 KGG) und damit in der Verwirklichung aller mit betrieblichen Angelegenheiten verbundenen Tätigkeiten gemäß der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes besteht (§ 43 Abs. 1 GmbHG362, Art. 225 KGG). Daneben steht die Aufsichts- oder Überwachungspflicht, nach der der Geschäftsführer verpflichtet ist, sämtliche Prozesse und Abläufe im Unternehmen – etwa die von ihm an den Mitarbeiter delegierten Aufgaben – zu überwachen oder zumindest zu kontrollieren363. Zur Erfüllung dieser Pflicht muss der Geschäftsführer, in Übereinstimmung mit § 43 Abs. 1 GmbHG und Art. 225 KGG, sämtliche verfügbare Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Natur nutzen, die ein verantwortungsvoll handelnder Geschäftsleiter in der konkreten Entscheidungssituation als entscheidungserheblich ansehen und deshalb (in der zur Verfügung stehenden Zeit) beschaffen würde364. Eine solche Informationsweitergabe geht in zwei Richtungen: zum einen muss sich der Geschäftsführer selbst informieren; zum anderen muss er auch für eine entsprechende Information der Mitarbeiter über den aktuellen Stand der Rechtslage und über sonstige Aufgaben sorgen; der Geschäftsführer muss folglich sicherstellen, dass die Informationsübertragung (sowohl vom Geschäftsführer zu den Mitarbeitern als auch in die andere Richtung) ungehindert funktioniert365. In enger Verbindung mit den erwähnten Pflichten stehen: a) die Pflicht, für die ordnungsmäßige Buchführung der Gesellschaft zu sorgen (§ 43 Abs. 1 GmbHG366, Art. 225 Abs. 1 KGG); b) die Pflicht, den gesetzlich vorgeschriebenen Jahresabschluss und den Lagebericht unverzüglich nach der Erstellung den Gesellschaftern zum Zwecke der Feststellung des Jahresabschlusses vorzulegen (§ 42a Abs. 1 GmbHG367, Art. 253 KGG); c) die Pflicht, die Versammlung der Gesellschafter zu berufen (§ 49 Abs. 1 GmbHG368, Art. 166 ff. KGG); d) die Pflicht, jedem Gesell361 362 363 364 365 366

Rn. 6. 367 368

Beurskens, GmbHG-K, 22. Aufl., § 35, Rn. 2 – 4, 5 – 11. Kleindiek, GmbHG-K, 20. Aufl., § 43, Rn. 12 f. Kleindiek, GmbHG-K, 20. Aufl., § 43, Rn. 18, 28, 29, 31. Kleindiek, GmbHG-K, 20. Aufl., § 43, Rn. 26. Kleindiek, GmbHG-K, 20. Aufl., § 43, Rn. 30. Hommelhoff/Priester, ZGR 1986, 463, 465 f.; Meyer, GmbHG-Scholz, 12. Aufl., § 41, Kleindiek, GmbHG-K, 20. Aufl., § 42a, Rn. 3 ff. Bayer, GmbHG-K, 20. Aufl., § 49, Rn. 2.

§ 10 Spezifische Begründungs-, Auslegungs- u. Bestimmungselemente

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schafter auf Verlangen unverzüglich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben und Einsicht in die Bücher und Schriften zu gestatten (§ 51a Abs. 1 GmbHG369, Art. 196 KGG); e) die Pflicht, zur Eintragung der Gesellschaft und zu wahren Angaben über die Übernahme der Geschäftsanteile sowie die Leistung der Einlagen und die Verwendung eingezahlter Beträge, über Sondervorteile, Gründungsaufwand und Sacheinlagen (§ 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG370, Art. 31 ff. KGG); f) die Pflicht, die Geschäftsführung mit der Loyalität eines treuen Vertreters wahrzunehmen (Art. 227 ff. KGG); g) die Pflicht, wahre Angaben über die Zeichnung oder Einbringung des neuen Kapitals oder über Sacheinlagen zu machen, um eine Erhöhung des Stammkapitals einzutragen (§ 82 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG)371; h) die Pflicht, in der in § 57 Abs. 1 Satz 2 vorgeschriebenen Erklärung wahre Informationen zu machen (§ 82 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG)372; i) die Pflicht, eine wahre Versicherung über die Befriedigung oder Sicherstellung der Gläubiger abzugeben, um das Stammkapital herabzusetzen (§ 82 Abs. 2 Nr. 1 GmbHG)373 ; j) die Pflicht, in einer öffentlichen Mitteilung die Vermögenslage der Gesellschaft wahr darzustellen (§ 82 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG)374 ; k) die Pflicht, den Gesellschaftern einen Verlust in Höhe der Hälfte des Stammkapitals anzuzeigen (§ 84 GmbHG)375 ; l) die Pflicht, ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis der Gesellschaft nicht ohne Genehmigung zu offenbaren (§ 85 GmbHG, Art. 226 Abs. 1, 228 Abs. b, KGG)376 ; m) die Pflicht, die im GmbHG vorgesehenen Anmeldungen – etwa in § 7 Abs. 1, § 57 Abs. 1, § 57i Abs. 1, § 58 Abs. 1 Nr. 3 – zum Handelsregister zu bewirken (§ 78 GmbHG)377; n) die Pflicht, den Insolvenzantrag der Gesellschaft gemäß §§ 15a Abs. 1378, 17 Abs. 2379, 19 Abs. 2 Satz 1380 dInsO und Art. 3 sInsO zu stellen, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig wird oder in den Status der Überschuldung gerät; o) die Pflicht, die Steuern richtig zu berechnen und pünktlich und vollständig abzuführen.

369

Bayer, GmbHG-K, 20. Aufl., § 51a, Rn. 3. Südbeck/Eidam, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., Kap. 8.3, § 82, Abs. 1, 2 Nr. 1 GmbHG, Falsche Angabe, Rn. 7, 8, 9. 371 Südbeck/Eidam, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., Kap. 8.3, Rn. 9, 49. 372 Südbeck/Eidam, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., Kap. 8.3, Rn. 62 f. 373 Südbeck/Eidam, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., Kap. 8.3, Rn. 88, 90 ff. 374 Kleindiek, GmbHG-K, 20. Aufl., § 82, Rn. 1. 375 Tiedemann/Rönnau, GmbHG-Scholz, 12. Aufl., § 84, Rn. 40. 376 Tiedemann/Rönnau, GmbHG-Scholz, 12. Aufl., § 85, Rn. 8 f., 28. 377 Wicke, GmbHG-Scholz, 11. Aufl., § 78, Rn. 7 ff. 378 Klöhn, InsO-MK, Band 1, 4. Aufl., § 15, Rn. 1 – 4. 379 Mock, InsO-K, 15. Aufl., § 17, Rn. 33 f. 380 Mock, InsO-K, 15. Aufl., § 17, Rn. 48 – 50. 370

378

3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

3. Pflichtzuständigkeit und Pflichtverletzung des Aufsichtsrats einer GmbH Obwohl die Leitung einer GmbH dem Geschäftsführer obliegt, haben einige GmbH-Arten ausnahmsweise einen die Tätigkeit des Geschäftsführers kontrollierenden Aufsichtsrat. Die Bestellung eines solchen Aufsichtsrats geschieht entweder aufgrund der freien Entscheidung der Gesellschafter381 oder einer gesetzlichen Verpflichtung382. Letzteres gilt für Gesellschaften, die mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen, bzw. für GmbHs, die dem Montanmitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsgesetz bzw. dem Investmentgesetz unterliegen. Nach § 52 GmbHG bestimmen sich die Aufgaben eines solchen Aufsichtsrats – soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist – nach § 90 Abs. 3, 4, 5 Satz 1 und 2, § 93 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2, § 95 Satz 1, § 100 Abs. 1 und 2 Nr. 2 und Abs. 5, § 101 Abs. 1 Satz 1, § 103 Abs. 1 Satz 1 und 2, §§ 105, 107 Absatz 3 Satz 2 und 3 und Absatz 4, §§ 110 bis 114, 116, § 124 Abs. 3 Satz 2, §§ 170, 171, 394 und 395 des AktG, welche die Pflichten des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaften festlegen. Wie bei dem Aufsichtsrat der AG ist Ziel des GmbH-Aufsichtsrats und daher der Erfüllung seiner in diesen Vorschriften enthaltenen Pflichten die Überwachung der Rechtmäßigkeit der unternehmerischen Tätigkeit der Geschäftsführung des GmbH-Unternehmens zu stärken und die Verantwortung des Aufsichtsrats begründen383. In diesem Zusammenhang ist § 111 AktG für die Begründung der Zuständigkeiten und Abgrenzung der Aufgaben des innerhalb einer GmbH obligatorisch bestellten Aufsichtsrats384 von besonderer Bedeutung, denn solche Vorschriften verpflichten – wie bereits erklärt – den Aufsichtsrat zur Überwachung der Geschäftsführung und damit zur Kontrolle der Geschäftsführer. Bestellung und Anstellung, Abberufung und Kündigung der Geschäftsführer bleiben – sofern die Satzung nichts anderes bestimmt – in der Kompetenz der Gesellschafter wie auch deren Weisungsrecht gegenüber den Geschäftsführern385. Im spanischen Gesellschaftsrecht gibt es kein Aufsichtsrat als Kontrollorgan der Geschäftsführung einer GmbH. Aus diesem Grund ist die Hauptversammlung für die Überwachung der ordnungsgemäßen Führung der Gesellschaft von den Geschäftsführern zuständig.

381

Ein fakultativer Aufsichtsrat kann nur gebildet werden, wenn dies im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist. 382 Die zwingende Einrichtung eines Aufsichtsrats als Kontrollorgan einer GmbH ist nur mit einer GmbH und einer GmbH & Co. KG verbunden. 383 Hommelhoff/Mattheus, AG, 1998, S. 249. 384 Hommelhoff, GmbHG-K, 20. Aufl., § 52, Rn. 37. 385 A. a. O.

§ 10 Spezifische Begründungs-, Auslegungs- u. Bestimmungselemente

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II. Spezifische ergänzende Begründungselemente, die in den Rechtsordnungen Deutschlands und Spaniens geregelt sind 1. Pflichtzuständigkeit und Pflichtverletzung von Aktionären Wie alle Zuständigkeitsbereiche sind auch die Natur und das Maß der Zuständigkeit der Aktionäre einer AG normativ. Dies bedeutet, dass die Aktionäre nur dann für die AG-Risiken verantwortlich sind, wenn sie gegen die sie treffenden negativen Allgemein- oder positiven Sonderpflichten verstoßen. In Deutschland und Spanien sind die Pflichten der Aktionäre bezüglich der mit der unternehmerischen Tätigkeit der AG verbundenen Risiken im AktG bzw. KGG grundlegend geregelt; deshalb müssen die den Aktionären obliegenden Pflichten gemäß dem AktG und KGG bestimmt werden. In Bezug darauf legt das AktG fest, wie die Pflichten in einer AG entstehen und wer für die Verletzung von solchen Pflichten verantwortlich ist. Mit der Errichtung der Gesellschaft (§ 29 AktG) entstehen die nur im Verantwortungsbereich der Gründer liegenden ursprünglichen Pflichten, welche in der Bestellung des ersten Aufsichtsrats der Gesellschaft bestehen (§ 30 Abs. 1 AktG), der wiederum den ersten Verwaltungsrat wählt. Im Gegensatz dazu stellt das KGG (Art. 47 Abs. 1e KGG) fest, dass eine der ursprünglichen Rechtspflichten der Aktionäre einer AG die Bestellung des für die Leitung der Gesellschaft zuständigen Vorstands ist. Durch diese Ernennung werden die Unternehmenspflichten der Aktionäre auf den Aufsichtsrat und den Vorstand übertragen, so dass die Aktionäre in der Regel von ihren unternehmerischen Pflichten entbunden werden. Aus diesen unterschiedlichen Regelungen leiten sich zwei Schlussfolgerungen her: In Deutschland sind die Aktionäre keine Träger der Entscheidungspflichten für die Überwachung und Kontrolle der der Unternehmenstätigkeit immanenten Risiken, und sind daher nicht für diese Risiken verantwortlich. Diese allgemeine Unverantwortlichkeit gilt nicht mehr, wenn die Aktionäre Leitungsmitglieder der AG sind, denn die Nichteinhaltung der Leitungspflichten der Aktiengesellschaft ist kein faktischeres Ereignis, sondern ein normativer Kommunikationsakt, der die Verantwortung desjenigen begründet, der gegen solche Pflichten verstößt. Aus diesem Grund müssen die sich aus einer solchen Pflichtverletzung ergebenden missbilligten Risiken den Aktionären zugeschrieben werden. Im Gegensatz dazu sind die Aktionäre in Spanien Träger von Überwachungs-, Kontroll- und Aufsichtspflichten, die die Aktionäre verpflichten, die ordnungsgemäße Handlung des Vorstands zu überwachen. Grund dafür ist, dass die Aufsichtspflichten wegen des Nichtvorliegens eines Aufsichtsrats zum Verantwortungsbereich der Aktionäre gehören. Sind die Aktionäre verpflichtet, die Leitungsfunktionen des Vorstands zu überwachen, dann sind sie für die sich aus der Verletzung ihrer Überwachungspflichten ergebenden Risiken verantwortlich.

380

3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

2. Pflichtzuständigkeit und Pflichtverletzung von Aufsichtsratsmitgliedern Die Erläuterung der dem Aufsichtsrat entsprechenden Überwachungs- und Kontrollpflichten beschränkt sich auf das deutsche Rechtssystem, weil ein solches Organ der AG – wie bereits erklärt wurde – nur in Deutschland vorliegt. Was jedoch über die Zuständigkeit des Aufsichtsrats für die Einhaltung und Verletzung von Aufsichtspflichten sagen wird, ist in Spanien normalerweise auf die Hauptversammlung der Aktiengesellschaften und ausnahmsweise auf den Vorstand anzuwenden. Die Hauptpflicht der Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft besteht nach § 111 Absatz 1 S. 1 AktG in der Überwachung der unternehmerischen Tätigkeit des Vorstands386 als Kontrollmittel der ordnungsgemäßen Führung der Aktiengesellschaft. Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe müssen die Aufsichtsratsmitglieder gem. §§ 116 S. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG – ähnlich wie die Vorstandsmitglieder – bestimmte konkrete Pflichten erfüllen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Überwachers und Beraters ausgeübt werden müssen387. Zum Kernkreis der spezifischen Pflichten des Aufsichtsrates gehören u. a. a) die Wahrung der Vertraulichkeit vertraulicher Berichte und Ratschläge; b) die persönliche Erfüllung seiner unternehmerischen Pflichten, nämlich aller die innere Organisation und Arbeitsweise betreffenden Entscheidungen des Plenums (§ 111 Abs. 1, 6 AktG)388 ; c) die sorgfältige Bestellung des Vorstandes (§ 84 Abs. 1 AktG)389, was bedeutet, dass der Aufsichtsrat bei der Auswahl der Vorstandsmitglieder allen nachteiligen Hinweisen aus früheren Tätigkeiten genau nachgehen muss390 ; d) das Einschreiten gegen den Vorstand und daher die Widerrufung oder Suspendierung der Mitglieder und des Vorsitzenden dieses Organs, wenn entweder die Vorstandsmitglieder oder der Vorstandsvorsitzende bei der operativen und strategischen Führung des Unternehmens den an sie gestellten Anforderungen fahrlässig oder vorsätzlich nicht gerecht werden oder eine solche Widerrufung für die Eindämmung der die durch die rechtswidrige Organisation des Vorstands geschaffenen Unternehmensrisiken unentbehrlich ist (§ 84 Abs. 3 AktG)391; e) die Abhaltung von zwei Sitzungen oder mindestens einer Sitzung im Kalenderhalbjahr bei börsennotierten bzw. nichtbörsennotierten Gesellschaften (§ 110 Abs. 3 AktG)392 ; f) die Beratung des 386

Vgl. dazu etwa Brand/Petermann, WM 2012, 62, 63; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15, Rn. 10; Schwerdtfeger, Strafrechtliche Pflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats, S. 33 f., 81 f., 83 ff.; Tiedemann, Tröndle-FS, S. 322. 387 Habersack, AktG-MK, Band 2, 3. Aufl., § 116, Rn. 16. 388 Habersack, AktG-MK, Band 2, 3. Aufl., § 107, Rn. 134. 389 Lutter, Kommentar zum deutschen Corporate Governance Codex, 4. Aufl., Rn. 478. 390 Lutter, Kommentar zum deutschen Corporate Governance Codex, 4. Aufl., Rn. 479. 391 Siehe hierfür Schwerdtfeger, Strafrechtliche Pflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats, S. 101 f., 103 f. 392 Habersack, AktG-MK, Band 2, 5. Aufl., § 110, Rn. 41 f., 44 f.

§ 10 Spezifische Begründungs-, Auslegungs- u. Bestimmungselemente

381

Vorstands im Sinne des § 90 Abs. 1 Nr. 1, 4 AktG – der die Berichtspflichten des Vorstands an den Aufsichtsrat regelt – und des § 111 Abs. 4 S. 2 AktG – welcher festlegt, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit der Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden dürfen – über künftige Unternehmenspolitik; g) die Prüfung des Abhängigkeitsberichts des Vorstands einer abhängigen Gesellschaft (§ 314 Abs. 2 AktG)393; h) die Prüfung des Jahresabschlusses, des Lageberichts und des Vorschlags für die Verwendung des Bilanzgewinns (§ 171 Abs. 1 AktG)394, des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts (§ 171 Abs. 1 Satz 2 AktG395, § 290 Abs. 1, 2 HGB), des gesonderten nichtfinanziellen Berichts (§ 289b HGB) und des gesonderten nichtfinanziellen Konzernberichts (§ 315b HGB); i) der Erlass der Geschäftsordnung für den Vorstand (§ 77 Abs. 2 AktG)396 ; j) die schriftliche Mitteilung und der schriftliche Bericht an die Hauptversammlung über das Ergebnis seiner Prüfung des Jahresabschlusses und der sonstigen Unterlagen, in denen ausgewiesen werden muss, in welcher Art und in welchem Umfang er im abgelaufenen Geschäftsjahr die Geschäftsführung der Gesellschaft geprüft hat (§ 171 Abs. 2 AktG)397; j) die Billigung des Jahres- und Konzernabschlusses in Übereinstimmung mit dem Vorstand (§§ 171 Abs. 2 S. 5, 172 AktG); k) die Entscheidung über die Gewinnverwendung (§ 58 Abs. 2 AktG); l) das jederzeitige Verlangen gegenüber dem Vorstand, einen Bericht über Angelegenheiten der Gesellschaft, über ihre rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen sowie über geschäftliche Vorgänge bei diesen Unternehmen, die auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluss sein können, abzugeben (§ 90 Abs. 3 AktG)398. 3. Pflichtzuständigkeit und Pflichtverletzung von Vorstandsmitgliedern Der Vorstand einer AG ist unter anderem für die folgenden Aufgaben zuständig: a) die im § 76 AktG und Art. 53 KGG geregelte richtige Leitung oder Organisation der Gesellschaft unter seiner eigenen Verantwortung und mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG, Art. 225 Abs. 1 KGG)399 ; b) die Buchführung (§ 91 AktG400 ; § 38 Abs. 1 dHGB, Art. 272, 279 KGG), c) die Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen und die Ergreifung geeigneter Maßnahmen – etwa die Errichtung eines in Risikoerkennung, Risikoanalyse und Risikokommunikation unterteilten Überwachungssystems401 – 393

Koch, Aktiengesetz, 14. Aufl., § 314, Rn. 1, 4 f. Hennrichs/Pöschke, AktG-MK, 4 Aufl., § 171, Rn. 29 – 53, 54 – 61, 62 – 66. 395 Hennrichs/Pöschke, AktG-MK, 4 Aufl., § 171, Rn. 126 ff., 142 – 145, 146, 148 – 153a. 396 Koch, Aktiengesetz, 14. Aufl., § 77, Rn. 19 f. 397 Hennrichs/Pöschke, AktG-MK, 4 Aufl., § 171, Rn. 181 – 186, 187 – 208. 398 Koch, Aktiengesetz, 11. Aufl., § 90, Rn. 11 ff. 399 Hüffer, Aktiengesetz, 10. Aufl., § 91, Rn. 1; Krieger/Sailer-Coceani, AktG-Kommentar, 3. Aufl., § 93, Rn. 5. 400 Hüffer, Aktiengesetz, 10. Aufl., § 91, Rn. 2. 401 Müller-Michaels, AktG-K, 1. Aufl., § 91, Rn. 4. 394

382

3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

(§ 93 Abs. 2 AktG, Art. 225 Abs. 2 KGG), um die ordnungsgemäße Tätigkeit der Gesellschaft und daher die richtige Pflichterfüllung der Untergeordneten402 sicherzustellen (§ 91 Abs. 2 AktG, Art. 225 Abs. 2 KGG); d) die Geheimhaltung der vertraulichen Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die den Vorstandsmitgliedern durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekanntgeworden sind (§ 93 Abs. 1 S. 3 AktG)403 ; e) die Bindung der Unternehmensleitung an die Beschränkungen, die im Rahmen der Vorschriften über die Aktiengesellschaft die Satzung, der Aufsichtsrat, die Hauptversammlung und die Geschäftsordnungen des Vorstands und des Aufsichtsrats für die Geschäftsführungsbefugnis getroffen haben (§ 82 Abs. 2 AktG)404; f) die Vorbereitung und Ausführung von durch die Hauptversammlung verlangten bzw. beschlossenen Maßnahmen, welche in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen (§ 83 Abs. 1, 2 AktG)405; g) die Berichterstattung gegenüber dem Aufsichtsrat über die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung (insbesondere die Finanz-, Investitions- und Personalplanung), die Rentabilität der Gesellschaft (insbesondere die Rentabilität des Eigenkapitals), den Gang der Geschäfte (insbesondere den Umsatz) wie die Lage der Gesellschaft und die für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft bedeutsamen Geschäfte (§ 90 Abs. 1 AktG); h) die Einberufung der Hauptversammlung zur Anzeige eines Verlusts in Höhe der Hälfte des Grundkapitals, wenn er sich bei Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz ergibt oder bei pflichtmäßigem Ermessen anzunehmen ist (§ 92 Abs. 1 AktG)406 ; i) keine Zahlung nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der Gesellschaft zu leisten(§ 92 Abs. 2 AktG)407, um eine Schmälerung der Insolvenzmasse und die bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern; j) die Steuerung der Informationsflüsse408 ; k) die Auskunftserteilung in der Hauptversammlung (§ 131 AktG)409; l) Offenlegung des Jahresabschlusses (§ 325 HGB); m) die jährliche Erklärung zum Corporate Governance Kodex einer börsennotierten Aktiengesellschaft, die vom Vorstand zusammen mit dem Aufsichtsrat erstellt werden muss (§ 161 AktG)410 ; n) die Einhaltung der Loyalitätspflicht gegenüber der Gesellschaft und deren Interesse (§ 88 AktG, Art. 227 KGG)411.

402 403 404 405 406 407 408 409 410 411

Schwerdtfeger, Strafrechtliche Pflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats, S. 34. So etwa Janssen/Gercke, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., Kap. 11.2, Rn. 1 ff., 8 f. Spindler, AktG-MK, 5. Aufl., § 82, Rn. 1, 40 – 48. Spindler, AktG-MK, 5. Aufl., § 83, Rn. 6 ff., 16 ff. Spindler, AktG-MK, 5. Aufl., § 92, Rn. 1 – 7, 13 f., 15 ff., 18 ff., 21 f. Spindler, AktG-MK, 5. Aufl., § 92, Rn. 23. Hölters, 2011, § 93, Rn. 53. Kubis, AktG-MK, 4. Aufl., § 131, Rn. 74, 75 f., 81. Goette, AktG-MK, 4. Aufl., § 161, Rn. 1. Krieger/Sailer-Coceani, AktG-K, 3. Aufl., § 93, Rn. 16.

§ 10 Spezifische Begründungs-, Auslegungs- u. Bestimmungselemente

383

III. Strafrechtliche Bedeutung des Verstoßes gegen die im Gesellschaftsrecht und anderen Gesetzen enthaltenen Rechtspflichten Gemäß dem deutschen und spanischen positiven Rechtssystem können die Verstöße gegen die im GmbHG, AktG, KGG und anderen Gesetzen enthaltenen genannten Rechtspflichten nicht nur zivil- oder gesellschaftsrechtliche Tatbestände bilden, sondern auch Strafunrecht begründen. Zwar begründet die Verletzung außerstrafrechtlicher Pflichten per se keine strafrechtliche Verantwortlichkeit. So hängt die Begründung von Täterschaft und Teilnahme bei Wirtschaftsunternehmen doch weitgehend von der Verletzung spezifischer unternehmerischer Pflichten ab, die die Unternehmensinhaber oder Unternehmensleiter treffen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Verletzung strafrechtlicher Pflichten, auf welche sich Täterschaft und Teilnahme bei Wirtschaftsunternehmen stützen, nicht ohne Bewertung der zuvor im Gesellschaftsrecht und in anderen Gesetzen geregelten unternehmerischen Pflichten bestimmt werden kann. Denn ebenso wie der Verstoß gegen die in den außerstrafrechtlichen Untersystemen – etwa OWiG, GmbHG, AktG – enthaltenen Pflichten einen wesentlichen Hinweis für die Einstufung des Verhaltens als tatbestandliche Straftat bietet, führt die Übereinstimmung des Verhaltens mit den die Organisation und Tätigkeit der Wirtschaftsunternehmen regelnden Rechtsnormen der Rechtsbereiche zum Ausschluss der strafrechtlichen Natur einer vorgenommenen Handlung. Der Grund liegt darin, dass das Strafrecht keine Verhaltensweisen kriminalisieren kann, die von anderen Bereichen des Rechtssystems als erlaubt eingestuft werden. Die Verletzung von unternehmerischen Pflichten – wie die zuvor aufgezeigten – kann unter anderem folgendes Täter- und Teilnehmerunrecht begründen: Insolvenzdelikte (§§ 283 ff., 283, 14 dStGB i. V. m. §§ 15a InsO; Art. 259 ff. sStGB), Betrugstatbestände (§§ 263 ff. dStGB i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB; Art. 248 ff. sStGB), Untreuedelikte (§§ 266, 266a dStGB i. V. m. § 823, 826 BGB; Art. 252 ff. sStGB), private Korruptionsdelikte wie Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 298 f., 14 dStGB i. V. m. § 41 GmbHG; Art. 286bis ff. sStGB), Steuerdelikte wie die Straftatbestände der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 AO, Art. 305 ff. sStGB) und der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO Abs. 1), die Verletzung der Buchführungspflicht (§ 283b Abs. 1 Nr. 3b dStGB i. V. m. § 264 Abs. 1 Nr. 1, 2 HGB und § 69 AO; Art. 310 sStGB), Tötungsdelikte (§ 211 ff. dStGB, Art. 138 ff. sStGB), Körperverletzungsdelikte (§ 223 ff. dStGB, Art. 147 ff. sStGB), Umweltdelikte (§ 324 ff. dStGB, Art. 325 ff. sStGB), unlauterer Wettbewerb (§§ 17 – 19 UWG, Art. 270 ff. sStGB), Verletzung der Verlustanzeigepflicht (§ 84 GmbHG), Verletzung der Geheimhaltungspflicht (§ 85 GmbHG, § 14 EWIV-AusführungsG, § 151 GenG, § 315 UmwG), Geldwäsche (§ 261 dStGB, Art. 298 ff. sStGB), Falsche Angaben (§ 82 GmbHG), Bankrott und Gläubigerbegünstigung (§ 83 GmbHG), Verletzung der Verlustanzeigepflicht (§ 84 GmbHG), Verletzung der Geheimhaltungspflicht

384

3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

(§ 85 GmbHG i. V. m. § 333 HGB, 404 AktG); Verstöße gegen Buchführungs- und Bilanzierungspflichten (§ 331 HGB). In den nächsten beiden Abschnitten (§ 11 und § 12) werden die verschiedenen Beteiligungsformen erläutert, indem gezeigt wird, wie und wann die Verletzung der vorgenannten Pflichten i. V. m. den Vorschriften zur Täterschaft und Teilnahme die normativen Erfordernisse eines bestimmten Straftatbestandes (nämlich entweder eines Täter- oder Teilnehmerunrechts) erfüllen.

C. Spezifische normative Bestimmungselemente der Pflichtverletzung Nach der in dieser Untersuchung vertretenen Auffassung gibt es bestimmte durch die Strafrechtswissenschaft aus einer normativen Auslegung der allgemeinen Zurechnungsnormen und spezifischen Straftatbestände entwickelte normative Auslegungselemente der objektiven und subjektiven Zurechnungslehre, die auf die innerhalb der Organisation von Wirtschaftsunternehmen verwirklichten Unternehmensdelikte angewendet werden sollen, um die unterschiedlichen Täterschafts- und Teilnahmeformen konsistent abzugrenzen. Dies lässt sich damit begründen, dass diese Elemente dazu beitragen, nicht nur die Natur und den Umfang der Pflichten zu entschlüsseln, deren Verletzung die Täterschaft und die Teilnahme begründet, sondern auch, wann und wie die Unternehmensleiter und Untergebene ihre Pflichten in einem konkreten Fall verletzen. Im Folgenden werden diese Interpretationselemente kurz erläutert.

I. Anwendung normativer Kriterien der objektiven Zurechnung zur Bestimmung des unerlaubten strafrechtlichen Risikos Die Anwendung der Kriterien der objektiven Zurechnung auf die Beteiligung in Wirtschaftsunternehmen ermöglicht dreierlei: zum ersten die Bestimmung der konkreten Pflichtverletzung, die der Schaffung und Verwirklichung eines strafrechtlich verbotenen Risikos entspricht; zum zweitens die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche von Unternehmensinhabern, Unternehmensleitern und Untergebenen412, wenn solche Unternehmenszugehörige gegen ihre entweder ein Täter- oder Teilnehmerunrecht begründenden jeweiligen strafrechtlichen Unternehmenspflichten verstoßen; zum dritten den Ausschluss der Strafhaftung der Unternehmensleiter und Untergebenen in Fallkonstellationen, in denen Unternehmer, Unternehmensleiter, und Arbeitnehmer kein strafrechtlich verbotenes Risiko schaffen, weil die vorliegenden Risiken kein Ausdruck eines missbilligten Kommunikationsprozesses (Pflichtverletzung) der unternehmenszugehörigen Personen sind. 412

Bautista Pizarro, Das erlaubte Vertrauen im Strafrecht, S. 81 ff.

§ 10 Spezifische Begründungs-, Auslegungs- u. Bestimmungselemente

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Genauer gesagt gibt es keine Schaffung strafrechtlich verbotener Risiken, wenn sie Ausdruck unvorhersehbarer Naturereignisse sind oder innerhalb des erlaubten Risikos liegen. Aus der Sicht des Verfassers, nach welcher die rechtlichen Kommunikationsprozesse im Allgemeinen und die strafrechtlichen Kommunikationsprozesse im Besonderen entweder verbotener oder erlaubter Natur sind, findet die Schaffung erlaubter strafrechtlicher Risiken (nämlich die Nichtschaffung verbotener strafrechtlicher Risiken) von unternehmenszugehörigen Personen statt, wenn die Risiken durch den Vertrauensgrundsatz abgedeckt sind, zum Zuständigkeitsbereich von Dritten413 oder zur Verantwortungssphäre des Opfers414 gehören. In diesem Zusammenhang ist es zur Bestimmung der Schaffung unerlaubter strafrechtlicher Risiken wesentlich, das Vertrauensprinzip, die Zurechnung zum Opfer und das Regressverbot kurz zu klären, weil diese dogmatischen Institutionen als Unterkategorien des erlaubten Risikos415 zur Bestimmung bzw. Abgrenzung helfen, was strafrechtlich erlaubt und was verboten ist.

1. Erlaubter Vertrauensgrundsatz Der erlaubte416 Vertrauensgrundsatz als Ausdruck der Selbstbestimmungsfähigkeit417 und als Stützpfeiler des gesamten Rechtssystems418 gewährleistet, dass jeder Pflicht- oder Zuständigkeitsträger, der nicht gegen seine ihn in einem bestimmten Bereich der rechtlichen Realität treffenden gesetzlichen Pflichten verstößt (rechtmäßiges Verhalten), nicht für die Risiken oder schädlichen Erfolge verantwortlich ist, die einem bloßen kausal-naturalistischen Zusammenhang mit seiner rechtmäßigen Organisation stehen419. Denn es ist erlaubt, dass jeder unternehmensorgani413

Roxin, AT I, 4. Aufl., § 11, Rn. 137 ff. Roxin, AT I, 4. Aufl., § 11, Rn. 107 ff., 121 ff. 415 Dafür sprechen etwa Cancio Melia, Conducta de la víctima e imputación objetiva, S. 324; Herzberg, Die Verantwortung für Arbeitsschutz, S. 171; Kirschbaum, Der Vertrauensschutz, S. 208 ff.; Krümpelmann, Lackner-FS, S. 298; Romeo Casabona, El médico y el Derecho Penal I, S. 248 f.; Roxin, AT I, § 24, Rn. 22, 40; Schünemann, JA 1975, S. 719; Roxin, AT I, 4. Aufl., § 11 (Rn. 107 ff., 121 ff.), § 24 (Rn. 22, 42). 416 Unter dem erlaubten Vertrauensgrundsatz wird in dieser Untersuchung verstanden, dass man darauf vertrauen darf, dass sich andere Personen trotz immer möglicher Fehler rechtmäßig verhalten werden, vgl. dazu Bautista Pizarro, Das erlaubte Vertrauen im Strafrecht, S. 36 ff., 49 ff.; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 237 f.; Jakobs, AT, 2. Aufl., § 7, Rn. 51; Wolter, Zurechnung, S. 347. 417 So Feijóo Sánchez, Imputación objetiva, S. 294 ff.; ders., RDPC 2000, 93; Jakobs, AT, 2. Aufl., § 7, Rn. 51 ff.; ders., ZStW 89 (1977), 14, 29. 418 Dazu vgl. Derksen, Handeln auf eigene Gefahr, S. 179; Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 1, Rn. 18; Feijóo Sánchez, Imputación objetiva, S. 281 ff.; Kratzsch, Verhaltenssteuerung und Organisation im Strafrecht, S. 192 ff. 419 Bautista Pizarro, Das erlaubte Vertrauen im Strafrecht, S. 81 ff.; Kirschbaum, Der Vertrauensgsschutz, S. 118 f., 120 ff., 261 ff.; Krümpelmann, Lackner-FS, S. 298; Niewenhuis, Gefahr und Gefahrverwirklichung, S. 112 ff.; Roxin, AT I, 4. Aufl., § 11, Rn. 24; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 18; Schünemann, JA 1975, 719. 414

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

sationsbezogene Pflichtträger, der sorgfaltsgemäß handelt, davon ausgehen darf, dass andere selbstverantwortliche Pflichtträger auch die ihnen nach dem Organisationsplan des Unternehmens zugewiesenen Aufgaben richtig erfüllen, weil auch sie unter den Anforderungen der Gesellschaftsrechts stehen420. In diesem Sinne ergeben sich aus der Anwendung des Vertrauensgrundsatzes auf die Beteiligung in Wirtschaftsunternehmen drei wichtige Konsequenzen: Erstens ist es erlaubt, dass die Unternehmensleiter auf die ordnungsgemäße Pflichterfüllung durch die Untergebenen vertrauen und dass die Untergebenen auf die Rechtmäßigkeit der von den Unternehmensleitern getroffenen Entscheidungen oder auf die von den Vorgesetzten gegebenen Anweisungen vertrauen421; zweitens sind weder die Unternehmen noch deren Leiter und Untergebene für die sich nicht aus der Verletzung von Unternehmenspflichten ergebenden Risiken oder schädlichen Erfolge strafrechtlich verantwortlich422, denn in einem demokratischen Verfassungsstaat darf niemand für eine zum Verantwortungsbereich eines Drittens gehörende pflichtwidrige Handlung oder Entscheidung verantwortlich gemacht werden423; drittens wird ein Unternehmensleiter oder Untergebener zum Täter oder Teilnehmer eines Unternehmensdelikts, wenn er trotz seiner pflichtwidrigen Organisation ohne Grund darauf vertraut, dass die anderen Unternehmensangehörigen rechtmäßig handeln424. Das die strafrechtliche Verantwortung in Wirtschaftsunternehmen ausschließende erlaubte Maß an Vertrauen ist jedoch nicht für alle zur Organisation des Unternehmens gehörenden Personen gleich; denn die Reichweite des Vertrauensgrundsatzes hängt mit der Art der Kompetenzen und Pflichten zusammen, die eine Person in der Unternehmensorganisationsstruktur innehat. In Fällen vertikaler Arbeitsteilung ist nämlich der Spielraum des Vertrauensgrundsatz für den hierarchischen Vorgesetzten breiter als in Fällen horizontaler Arbeitsteilung, in denen ein Gleichheitsverhältnis besteht425. In diesem Sinne hat der Vertrauensgrundsatz einen breiteren Schutzbereich für den Untergebenen gegenüber den Vorgesetzten426, insbe420

Siehe hierfür Feijóo Sánchez, Imputación objetiva, S. 296; Jakobs, AT, § 7, Rn. 51 ff.; ders., ZStW 89 (1977), 13 f., 29; Rudolphi, Lackner-FS, S. 868 f.; Stratenwerth, Schmidt-FS, S. 392; LK-Vogel, 12. Aufl., § 15, Rn. 280; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, § 8, Rn. 424; Wehrle, Fahrlässige Beteiligung am Vorsatzdelikt-Regressverbot, S. 56 f. 421 Etwa Cerezo Mir, ADPCP 1983, p. 484; Feijóo Sánchez, Imputación objetiva, S. 305; Herzberg, Die Verantwortung für Arbeitsschutz, S. 172 f.; Körner, wistra 96, 330; Romeo Casabona, El médico y el Derecho Penal I, S. 251; Schmidt-Salzer, NJW 1988, 1939 f. 422 Dazu Burgstaller, Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht, S. 59; Choclan Montalvo, Deber de cuidado y delito imprudente, S. 171; Krümpelmann, Lackner-FS, S. 299; Puppe, Jura 1998, 22; Schmidt-Salzer, NJW 1988, S. 1940 f.; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 9. 423 So etwa Jakobs, ZStW 89 (1977), 13 ff., 29 ff.; Maiwald, JuS 1984, S. 441; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 6 ff.; Stratenwerth, Schmidt-FS, S. 389, 392 f.; Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, S. 92 ff. 424 Jakobs, ZStW 89 (1977), 13. 425 Feijóo Sánchez, Derecho penal de la empresa, S. 193 ff. 426 Feijóo Sánchez, Derecho penal de la empresa, S. 193 f.; Jakobs, AT, 2. Aufl., § 7, Rn. 54.

§ 10 Spezifische Begründungs-, Auslegungs- u. Bestimmungselemente

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sondere wenn alle Entscheidungs- oder Anweisungszuständigkeiten aufgrund normativ-qualitativer Eigenschaften in den Händen von Unternehmensleitern konzentriert sind427. Umgekehrt hat das Vertrauensprinzip in Bezug auf diejenigen, die die höchsten Ebenen der Unternehmensorganisation besetzen und die daher über normativ qualifizierte Kompetenzen für Unternehmensentscheidungen verfügen, einen geringeren Schutzumfang428. Das heißt je größer der normativ-qualitative Unterschied zwischen Vorgesetzten und Untergebenen ist, desto größer ist die dem Vorgesetzten obliegende Aufsichtspflicht, und desto geringer ist folglich der Schutzumfang des Vertrauensprinzips429. Trotzdem sind die Pflichten der Unternehmensleiter nicht unbegrenzt430. Im Gegenzug sind die Unternehmensangehörigen, die ihre Zuständigkeitsbereiche rechtswidrig organisieren, nicht mehr durch das Vertrauensprinzip geschützt431, so dass die in diesem Zusammenhang durchgeführten Kommunikationshandlungen des Vertrauenden im Allgemeinen strafbares Unrecht darstellen. Ein solches rechtswidriges und verbotenes Vertrauen liegt vor, wenn der Vertrauende weiß, dass der Beauftragte pflichtwidrig handeln wird432. Als Beispiele dafür lassen sich die folgende Fallkonstellationen nennen, in denen: a) hierarchische Vorgesetzte auf Untergebenen vertrauen, obwohl sie wissen, dass die Untergebenen nicht über die zur Wahrnehmung der delegierten Funktion erforderlichen Eigenschaften verfügen, b) einige Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder sich der bevorstehenden pflichtwidrigen Handlungen der anderen Mitglieder bewusst sind, c) Untergebene wissen, dass die von Unternehmensleitern getroffenen Entscheidungen oder die von Vorgesetzten gegebenen Anweisungen gesetzeswidrig sind, usw. Daher wurde in all diesen und in anderen Fällen, in denen die betriebszugehörigen Personen die ihnen obliegende unternehmerische Zuständigkeiten fehlerhaft ausüben, eine Pflicht verletzt, und folglich wird ein Täter- oder Teilnehmerunrecht eines bestimmten Unternehmensdelikts begründet, das den unternehmensbezogenen Vorgesetzten oder Untergebenen zugerechnet werden muss433.

427

Feijóo Sánchez, Derecho penal de la empresa, S. 196; Jakobs, AT, 2. Aufl., § 7, Rn. 54. Jakobs, AT, 2. Aufl., § 7, Rn. 54. 429 Feijóo Sánchez, Derecho penal de la empresa, S. 196 f. 430 Dafür siehe u. a. Petter, Arbeitsteilung im Krankenhaus aus strafrechtlicher Sicht, S. 119 ff.; Vogel, Norm und Pflicht, S. 207 ff. 431 Jakobs, AT, 2. Aufl., § 7, Rn. 54. 432 Siehe hierfür Burgstaller, Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht, S. 60; Deutscher/ Körner, wistra 1996, 330; Frisch, Das Fahrlässigkeitsdelikt, S. 101 f.; ders., Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 189; Jakobs, AT, 2. Aufl., § 7, Rn. 55; Kuhlen, Fragen einer strafrechtlichen Produkthaftung, S. 140 ff.; Maiwald, JuS 1984, 441; Murmann, Die Nebentäterschaft im Strafrecht, S. 242; Puppe, Jura 1998, 93; Roxin, AT I, 4. Aufl., § 24, Rn. 21; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 12 ff.; Stratenwerth, Schmidt-FS, S. 400. 433 Jakobs, ZStW 89 (1977), 13. 428

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

2. Regressverbot Das Regressverbot als Bestimmungs- und Abgrenzungskriterium der Verantwortungsbereiche der Beteiligten an einem Strafunrecht bedeutet, dass die zu einem strafbaren Verhalten führende bloße Kausalkette nicht hinter das Verhalten einer bestimmten Person zurückverfolgt werden darf und somit die früheren Kausalbeiträge anderer Personen hinsichtlich der normativen Begründung der Strafbarkeit unbeachtlich sind434. Anders ausgedrückt statuiert das Regressverbot, dass einer Person kein Strafunrecht zugerechnet wird, wenn ihr Verhalten zum Zeitpunkt seiner Ausführung aus einer ex-ante-Perspektive nicht die normativen Voraussetzungen eines Täter- oder Teilnehmerunrechts erfüllt435. Das Regressverbot zielt daher nicht darauf ab, den Kausalzusammenhang zwischen dem harmlosen Verhalten und dem verwirklichten Strafunrecht zu leugnen, sondern die Zurechnung des von einem Dritten ausgeführten Strafunrechts zu der Person, deren pflichtmäßiges Verhalten zur Ausführung eines Verbrechens verwendet wird, zu vermeiden436. Denn aus der Sicht des Verfassers ist ein solches Verhalten erlaubter Natur437 und daher verletzen die Handlungen, die an sich erlaubt sind, keine Pflicht im Sinne der §§ 25, 26, 27, 28 dStGB und Art. 28, 29, 65, Abs. 3 sStGB. Diese dogmatische Rechtsfigur wird auf die Beteiligung in Wirtschaftsunternehmen angewendet, um die strafrechtliche Zuständigkeit von Inhabern, Leitern (etwa Aufsichtsrats- und Vorstandsmitgliedern, Geschäftsführern) und Untergebenen (z. B. Arbeitnehmern) eines Unternehmens durch normative Betrachtungen zu begrenzen und dadurch eine übermäßige Erweiterung der Strafbarkeit von Inhabern, Unternehmenskräften und Arbeitnehmern zu vermeiden, wenn nur ein bloßer natürlicher Kausalzusammenhang zwischen der Verwirklichung eines Unternehmensdelikts und dem Zuständigkeitsbereich von mit dem Unternehmen beruflich verbundenen Personen vorliegt. Dies stützt sich darauf, dass die vom Beteiligten geschaffene Situation, die an sich pflichtmäßig ist und von anderen Personen zur Ausführung des Straftatbestands verwendet wird, entweder keine rechtliche Bedeutung hat oder ein erlaubtes Risiko darstellt. Wie unter (§ 11) gezeigt wird, spielt das Regressverbot im Bereich der allgemeinen Beteiligungslehre und insbesondere in der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen eine entscheidende Rolle, um eine strafrechtliche Beteiligung begründende Handlungen von einem erlaubten beruflichen Verhalten438 abzugrenzen, welches wegen seiner 434

NK-StGB-Puppe, Vor § 13, Rn. 167. Jakobs, AT I, 2. Aufl., § 24, Rn. 16. 436 Feijóo Sánchez, Imputación objetiva, S. 390; Jakobs, AT I, 2. Aufl., § 24, Rn. 16. 437 Vgl. dazu Freund, Erfolgsdelikt, S. 238; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 270 ff.; Hassemer, wistra 1995, 42 ff.; Ransiek, wistra 1997, 46 f.; Wolff-Reske, Berufsbedingtes, S. 124. 438 Zur Problematik der erlaubten Natur der beruflichen Handlungen vgl. u. a. Hassemer, wistra, 1995, 41 ff., 81 ff.; Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes 435

§ 10 Spezifische Begründungs-, Auslegungs- u. Bestimmungselemente

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Rechtsmäßigkeit und Harmlosigkeit durch die herrschende Strafrechtswissenschaft439 und Rechtsprechung440 irrtümlich als neutrale Handlungen bezeichnet wird. Auf diese Weise ist das Regressverbot ein Auslegungskriterium, das es ermöglicht, normative Grenzen für die Strafbarkeit als Teilnehmer im Unternehmensbereich festzulegen441. 3. Zurechnung zu dem Zuständigkeitsbereich des Opfers Wie das erlaubte Vertrauen leitet sich das Kriterium der „Zurechnung zum Bereich des Opfers“ aus dem Selbstverantwortungsprinzip her, welches im Rahmen eines demokratischen Verfassungsstaats verlangt, dass einer Person die sich aus ihrem zuvor anerkannten Freiheitsbereich ergebenden strafrechtlichen Risiken zugerechnet werden442. Ist dieses Prinzip ein wesentlicher Ausgangspunkt der strafrechtlichen Zurechnung, dann ist denklogische Folge davon, die eigenverantwortliche Risikoübernahme des Opfers nicht dem Zuständigkeitsraum eines anderen Handelnden zuzuschreiben443, weil der andere das Nicht-Schädigen-Prinzip nicht übertritt. Denn in diesem Zusammenhang sind Risikoschaffung und Risikoverwirklichung ausschließlicher Ausdruck der freiwilligen Ausübung der Freiheitssphäre des Opfers. Aus diesem Grund ist auch die Organisation des Freiheitsraums, welcher die auf eigenverantwortliche Weise durchgeführten Selbstverletzungen444 oder Selbstgefährdungen ermöglicht, veranlasst oder fördert, aus strafrechtlicher Sicht irrelevant445. Bei innerhalb der Wirtschaftsunternehmen verwirklichten Verbrechen spielt das Kriterium der „Zurechnung zum Bereich des Opfers“ eine entscheidende Rolle bei der sogenannten strafrechtlichen Verantwortlichkeit für fehlerhafte Produkte Verhalten, 2004; Lohmar, Steuerstrafrechtliche Risiken, S. 66 ff.; Otto, JZ 2001, 436 ff.; Pilz, Beihilfe zur Steuerhinterziehung, 2001; Wolff-Reske, Berufsbedingtes Verhalten als Problem mittelbarer Erfolgsverursachung, 1995. 439 Hassemer, wistra 1995, 41 ff., 81 ff.; Jakobs, AT, 2. Aufl., § 24, Rn. 13; Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten, 2004; Landa Gorostiza, Complicidad delictiva en la actividad laboral „cotidiana“, 2002; Lohmar, Steuerstrafrechtliche Risiken, S. 66 ff.; Otto, JZ 2001, 436 ff. 440 Vgl. dazu STS 189/2007; STS 928/2006; STS 34/2007; STS 797/2006; STS 185/20005. 441 Feijóo Sánchez, Imputación objetiva, S. 346. 442 Vgl. dazu oben § 9 A.II., III. 443 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 152; Roxin, Gallas-FS, S. 243 ff.; ders., AT I, 4. Aufl., § 11, Rn. 118, 120, 124 ff. 444 Zu verantwortungsvollen verwirklichten Selbstverletzungen oder Selbstgefährdungen siehe u. a. Feijóo Sánchez, Imputación objetiva, S. 471 ff., 486 ff.; Frisch, NStZ 1 (1992), 62; Puppe, Androulakis-FS, S. 555; Roxin, Gallas-FS, S. 243 ff.; ders., AT I, 4. Aufl., § 11, Rn. 107 ff. 445 Heinrich, AT, Rn. 252; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 237 f., 240 ff., 243 ff. usw.; Krey/Esser, AT, 4. Aufl., § 11, Rn. 355; Kühl, AT, § 4, Rn. 83 ff.; Lasson, ZJS 4 (2009) 363; Roxin, AT I, 4. Aufl., § 11, Rn. 48, 106 ff., 121 ff.

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

(strafrechtliche Produkthaftung)446. Es handelt sich um Fallkonstellationen, bei denen die Entstehung und/oder Verwirklichung der „tatbestandsmäßigen“ Risiken sowohl mit der Verletzung der den Produktherstellern und Produktvertrieben obliegenden Pflichten als auch mit der vorsätzlichen Selbstgefährdung bzw. Selbstverletzung durch den Verbraucher zusammenhängen.

II. Anwendung normativer Kriterien der subjektiven Zurechnung In Übereinstimmung mit dem Forschungsgegenstand muss die Verletzung der die Täterschaft oder Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen begründenden Pflichten vorsätzlich verwirklicht werden447. Der Vorsatz bezüglich der Pflichtverletzung umfasst sowohl die Elemente der missbilligten Risikoschaffung als auch der Risikoverwirklichung. Mit anderen Worten müssen Schaffung und Verwirklichung des nicht erlaubten strafrechtlichen Risikos vorsätzlich erfolgen. Nach dem in der vorliegenden Untersuchung vertretenen normativen Standpunkt besteht der tatbestandsmäßige Vorsatz des Täter- und Teilnehmerunrechts aus der Schaffung und (oder) Verwirklichung eines strafrechtlichen Risikos in der Kenntnis, dass der durchgeführte Kommunikationsakt krimineller Natur ist. Dies bedeutet, dass im Bereich von Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen die Inhaber, Aufsichtsrats- oder Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer usw. eines Unternehmens wissen müssen, dass sie durch ihre Entscheidungen ihre Unternehmenspflichten verletzen und dass ein solcher Verstoß ein verbotenes strafrechtliches Risiko darstellt. In diesem Sinne reicht es im Allgemeinen aus, dass die Beteiligten mit Eventualvorsatz handeln. Absicht (dolus directus 1. Grades) ist nur dann notwendig, wenn sie vom Straftatbestand wörtlich verlangt wird. In diesem Zusammenhang schließt ein Tatbestandsirrtum der Inhaber, Geschäftsführer, Aufsichtsrats- oder Vorstandsmitglieder eines Unternehmens nach dem geltenden Recht Deutschlands (§ 16 StGB) und Spaniens (Art. 14 StGB) im Allgemeinen die vorsätzliche Beteiligung aus, da diese Strafvorschriften den subjektiven Tatbestand verneinen, wenn die Beteiligten ohne Kenntnis handeln. Nur in Ausnahmefällen wird der Tatbestandsirrtum von Unternehmensleitern und untergeordneten Betriebszugehörigen als fahrlässige Täterschaft oder Teilnahme (z. B. bei Geldwäsche) eingestuft448. Im Übrigen sind die Täterschaft und Teilnahme bei fahrlässigen Kollektiventscheidungen – und damit Fallkonstellationen, in denen die Beteiligten unter einem Tatbestandsirrtum oder fahrlässig handeln – nicht Gegenstand dieser Untersuchung; aus diesem Grund werden die fahrlässigen Pflichtverletzungen, welche die Täterschaft und Teilnahme bei fahrlässigen Kollektivent446 Vgl. dazu Contreras, Normative Kriterien zur Bestimmung der Sorgfaltspflichten der Produzenten, 2012. 447 Feijóo Sánchez, InDret 2, 2009, S. 55. 448 Feijóo Sánchez, InDret 2, 2009, S. 55 f.

§ 10 Spezifische Begründungs-, Auslegungs- u. Bestimmungselemente

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scheidungen in Wirtschaftsunternehmen begründen trotz ihrer besonderen Bedeutung in dieser Untersuchung nicht näher behandelt.

D. Zwischenergebnis Was in Kapitel 10 entwickelt wurde, wird in den folgenden Ergebnissen zusammengefasst. Zunächst sind §§ 14, 13 dStGB und Art. 31, 11 sStGB hauptpflichtspezifische Begründungselemente der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen in Deutschland und Spanien, weil ohne solche Strafvorschriften die Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Unternehmer und Unternehmensleiter – weder als Täter noch als Teilnehmer – für das im Rahmen der Unternehmenstätigkeit ausgeführte Strafunrecht in vielen Fällen nicht möglich ist. So liegt die Betrachtung der § 14 dStGB und Art. 31 sStGB als unmittelbare Quelle darin, dass diese gesetzlichen Vorschriften einerseits die strafrechtliche Verantwortlichkeit vom ursprünglichen Normadressaten (die juristische Person oder ihre Gründer) auf die delegierten Normadressaten (die vertretungsberechtigten Organe der juristischen Person oder die Mitglieder solcher Organe, usw.) für die Nichterfüllung der unternehmerischen negativen Allgemein- und positiven Sonderpflichten übertragen. In gleichem Sinne sind § 13 dStGB und Art. 11 sStGB auch gesetzliche Hauptquelle der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen, da sie feststellen, dass im Bereich der Erfolgsdelikte ein unterlassendes Verhalten der Unternehmer oder Unternehmensleiter täterschaftliche oder teilnehmerische Relevanz hat, wenn zwei Erfordernisse erfüllt werden: Erstens verletzt der Unterlassende eine strafrechtliche Pflicht, die ihn zur Verwirklichung eines aktives Tun verpflichtet, um den tatbestandsmäßigen Erfolgseintritt abzuwenden; zweitens entspricht das Unterlassen der Pflichterfüllung der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein aktives Tun. Ebenfalls sind §§ 9, 30, 130 OWiG und Art. 31bis dStGB hauptspezifische negative bzw. positive Begründungselemente der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen, da solche Vorschriften die strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen ausschließen bzw. begründen. Genauer gesagt haben die Wirtschaftsunternehmen im deutschen Strafrecht keine strafrechtliche Verantwortlichkeit; nach §§ 9, 30, 130 OWiG sind die Wirtschaftsunternehmen im deutschen Rechtssystem nur im Sinne einer Bußgeldhaftung verantwortlich, wenn ihre Vertretungsorgane oder Beauftragten das Unternehmen rechtswidrig organisieren. Trotzdem wächst innerhalb der deutschen Strafrechtswissenschaft die Zahl der Befürworter einer eigenständigen strafrecht-

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3. Abschn.: Entwicklung eines alternativen Verständnisses

lichen Verantwortlichkeit der Wirtschaftsunternehmen449. Im Gegensatz dazu regeln Art. 31bis ff. sStGB seit 2010 die strafrechtliche selbständige Verantwortlichkeit der juristischen Personen und somit des Wirtschaftsunternehmens, was es i. V. m. Art. 28 Abs. 1, 31 sStGB ermöglicht, die Personenmehrheiten parallel zu – aber unabhängig von – den einzelnen Personen zu bestrafen. Die spezifische ergänzende Funktion der in dem entsprechenden Gesellschaftsrecht Deutschlands und Spaniens enthaltenen Vorschriften hinsichtlich der Begründung der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen besteht darin, dass solche Gesellschaftsrechte (insb. über GmbH und AG) ähnliche und unterschiedliche außerstrafrechtliche Pflichten der Unternehmer und Unternehmensorgane regeln, die berücksichtigt werden müssen, um sowohl die Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen zu begründen als auch i. V. m. § 14 dStGB, Art. 31 sStGB zu bestimmen, welche betriebsbezogenen Personen für die Verwirklichung solchen Täterschafts- und Teilnahmeunrechts verantwortlich sind. Ein Beispiel für die Unterschiede ist die Existenz des Aufsichtsrats als drittes Leitungsorgan aller in Deutschland bestehenden AGs und GmbHs, dessen Aufgabe die Überwachung und Kontrolle der ordnungsgemäßen Unternehmensführung vom Vorstand und somit die Sicherstellung des richtigen Funktionierens der Corporate-Governance-Richtlinien ist. Im Unterschied dazu entspricht eine solche Aufgabe im spanischen Gesellschaftsrecht aufgrund des Fehlens eines Aufsichtsrats der Hauptversammlung. Ein solcher gesetzlicher Unterschied kann in Deutschland und Spanien unterschiedliche Strafhaftungsformen von Unternehmern (Gesellschaftern und Aktionären) und Unternehmensleiter begründen, wenn sie den Vorstand oder den Aufsichtsrat bei ihren rechtswidrigen Entscheidungsfindungen beeinflussen. So begründet in Deutschland der einfache sachliche Einfluss der Aktionäre auf die Entscheidungen des Vorstands oder des Aufsichtsrats in der Regel keine täterschaftliche Strafverantwortung der Aktionäre, da die gesetzlichen Zuständigkeiten für die Entscheidungen über die Unternehmensführung und über die Überwachung und Kontrolle der ordnungsgemäßen Unternehmensleitung dem Vorstand bzw. dem Aufsichtsrat entsprechen. In Spanien kann der Einfluss der Aktionäre auf die Entscheidungen des Vorstands hingegen die Täterschaft der Aktionäre begründen, da diese – wegen der Abwesenheit eines Aufsichtsrats – verpflichtet sind, die richtige Unternehmensführung des Vorstands zu kontrollieren. Dies zeigt, dass die außerstrafrechtlichen Pflichten (z. B. das Gesellschaftsrecht) eine wesentliche ergänzende Rolle bei der Begründung der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen spielen. Schließlich ist anzumerken, dass die durch die objektive und subjektive Zurechnungslehre entwickelten dogmatischen Rechtsgrundsätze (z. B. erlaubtes Risiko, Vertrauensgrundsatz, Rückkehrverbot, Zurechnung dem Zuständigkeitsbereich 449 Vgl. dazu Perron, Strafrechtliche Verantwortung für Straftaten von Wirtschaftsunternehmen?, S. 229.

§ 10 Spezifische Begründungs-, Auslegungs- u. Bestimmungselemente

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des Opfers usw.) wesentliche normative Auslegungselemente der Vorschriften sind, die die Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen regeln. Sie ermöglichen oder vereinfachen zumindest sowohl die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme als auch die Bestimmung des Umfangs der Teilnahme. Die große Bedeutung der objektiven und subjektiven Zurechnung sowie der bereits im vorliegenden Kapitel § 10 erläuterten strafrechtlichen und außerstrafrechtlichen Normen spiegelt sich in den Kapiteln §§ 11 und 12 wider, die sich einerseits mit der Begründung und Formen der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen innerhalb der Allgemeinpflichtdelikte und andererseits mit der Begründung und Formen der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen innerhalb der Sonderpflichtdelikte befassen.

4. Abschnitt

Erscheinungsformen der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen innerhalb des normativen Verständnisses des Delikts als Pflichtverletzung In diesem Abschnitt werden die in den Strafrechtsystemen Deutschlands und Spaniens bestehenden Erscheinungsformen der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen erklärt. Diesbezüglich sollen zwei methodologische Erklärungen vorangestellt werden. Erstens wird diese Analyse der Täterschaft und Teilnahme unter den in der vorliegenden Untersuchung entwickelten normativen Gesichtspunkten durchgeführt, nämlich aus der Perspektive der Theorie der Pflichtverletzung. Zweitens beschäftigt sich Kapitel § 11 mit den Erscheinungsformen der Täterschaft und Teilnahme bei Delikten wegen Verletzung negativer Allgemeinpflichten; die Erscheinungsformen der Täterschaft und Teilnahme bei Delikten aufgrund Verletzung positiver Sonderpflichten werden im Kapitel § 12 behandelt.

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten A. Allgemein Wie bereits in den vorherigen Abschnitten erläutert, handelt es sich bei den Allgemeinpflichtdelikten um Strafunrecht, bei dem die Grundlage des Täter- und Teilnehmerunrechts in der Verletzung der alle Bürger betreffenden strafrechtlichen Pflichten oder Normen liegt. Zu dieser Deliktsart, welche durch die (oder aus den) Wirtschaftsunternehmen verwirklicht werden können, gehören etwa Delikte gegen das Leben (§§ 211 ff.), Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit (§§ 223 ff.), Straftaten gegen die persönliche Freiheit (§ 232 ff.), Betrug (§ 263 ff.), Erpressung (§ 253), Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten (§ 266b), Urkundenfälschung (§ 267), Insolvenzdelikte wie etwa Bankrott (§ 283 f.), Wucher (§ 291), wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298), Bestechung im Gesundheitswesen (§ 299b). Umweltdelikte wie Gewässerverunreinigung (§ 324), Bodenverunreinigung (§ 324a), Luftverunreinigung (§ 325), Verursachung von Lärm, Erschütterungen und nichtionisierenden Strahlen (§ 325a), unerlaubter Um-

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

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gang mit Abfällen (§ 326), unerlaubtes Betreiben von Anlagen (§ 327), unerlaubter Umgang mit radioaktiven Stoffen und anderen gefährlichen Stoffen und Gütern (§ 328), Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete (§ 329), Schwere Gefährdung durch Freisetzen von Giften (§ 330a). Die Formen der Täterschaft und Teilnahme, welche nach dem in dieser Forschung entwickelten Gesichtspunkt in den Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens vorliegen, werden hier nicht entlang der phänomenologischen Äußerungsformen erklären; denn aus der Sicht des Verfassers sollen solche Kategorien in anderen Bereichen der Verbrechenslehre überprüft werden1. Vielmehr werden die Formen der Täterschaft und Teilnahme aus den unterschiedlichen kommunikativen (normativen) Bedeutungen der Handlungen derjenigen erläutert, die an der Ausführung eines Allgemeinpflichtdelikts beteiligt sind, da solche kommunikativen Akte sich in der Verletzung negativer strafrechtlicher Pflichten äußern. Aus diesem Grund beruhen die nachstehend erläuterten Formen der Täterschaft und Teilnahme auf der Verletzung von Rechtspflichten unterschiedlicher strafrechtlicher Natur und Bedeutung. Dieser Ausgangspunkt ermöglicht es, zu unterschiedlichen Ergebnissen bei den Beteiligungsformen und vor allem zu einer unterschiedlichen Begründung der Täterschaft und Teilnahme zu gelangen als bei einer Betrachtung unter ontologischdogmatischen Gesichtspunkten.

B. Täterschaftsformen I. Einführung Im Sinne der oben bezüglich der Grundlage und Formen der Täterschaft bei den Allgemeinpflichtdelikten vertretenen allgemeinen Standpunkte sind die Täterschaftsformen bei im Rahmen des Betriebs der Wirtschaftsunternehmen getroffenen vorsätzlichen Kollektiventscheidungen mit der Natur und Verletzungsform der negativen allgemeinen Unternehmenspflichten verknüpft, die sowohl im Allgemeinen Teil als auch im Besonderen Teil der entsprechenden Strafgesetzbücher Deutschlands und Spaniens geregelt sind. Im dStGB ist die negative Allgemeinpflicht, deren Verstoß die Täterschaftsformen begründet, in den Zurechnungsnormen (§§ 25, 14) des Allgemeinen Teils und in den jeweiligen Straftatbeständen negativen Wesens des Besonderen Teils enthalten; im sStGB ist eine solche Pflicht ihrerseits in den im Allgemeinen Teil vorgeschriebenen Täterschaftsnormen (Art. 28 Abs. 1, 31, 11) und in den entsprechenden Straftatbeständen negativer Natur beinhaltet. Nach § 25 dStGB ist Täter „(1) wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so sei jeder Beteiligte Täter (Mittäter)“; Art. 28 Abs. 1 sStGB sagt: „Täter sind die Beteiligten, welche die Straftat selbst, gemeinschaftlich oder durch die Nutzung eines Drittens als Werkzeug 1

Dazu oben § 9 D.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

verwirklichen“. Die Bedeutung der in diesen Strafvorschriften geregelten negativen allgemeinen Unternehmenspflicht ist: „Die Unternehmen dürfen den anderen durch ihre Tätigkeit nicht schädigen“ oder „Die Unternehmen sind verpflichtet, den Freiheitsbereich der Bürger zu respektieren, weswegen sie ihre Geschäftsaktivitäten richtig organisieren müssen, um den anderen nicht zu beschädigen“. Folglich erfüllen die Unternehmensleiter (in Spanien auch die Unternehmen) die Täterschaft eines unternehmerischen Allgemeinpflichtdelikts, wenn sie gegen die genannte Pflicht verstoßen. Die Grundgedanken des § 14 des dStGB und der Art. 31, 31bis des sStGB legen – wie oben erklärt (unter anderem § 3 B.II.; § 9 B.I.2.; § 10 A.I.) – sowohl die Übertragung der Erfüllung der sich ursprünglich an die Wirtschaftsunternehmen (oder Unternehmer) richtenden negativen Allgemeinpflichten als auch die Verschiebung der Strafverantwortung für die Verletzung solcher Pflichten fest. D. h. anhand der genannten Vorschriften bestimmt sich, wer bei Wirtschaftsunternehmen für die Einhaltung negativer strafrechtlicher Pflichten und wer für den Verstoß gegen solche Pflichten strafrechtlich verantwortlich ist. So sind für die Nichterfüllung der Unternehmenspflichten nicht die ursprünglichen Normadressaten verantwortlich, sondern die Vertreter, Geschäftsführer, Organmitglieder, usw. des Wirtschaftsunternehmens. Aus diesem Grund wird die täterschaftliche Verantwortlichkeit für die Verwirklichung eines unternehmerischen Allgemeinpflichtdelikts zum einen den Geschäftsführern einer GmbH und dem Vorstand oder den Vorstandsmitgliedern einer AG zugerechnet, weil sie als vertretungsberechtigte Organe einer juristischen Person oder als Mitglieder solcher Organe für die Nichterfüllung der unternehmerischen negativen Allgemeinpflichten verantwortlich sind. Zum anderen sind auch die Aufsichtsratsmitglieder einer AG oder die Mitglieder des obligatorischen Aufsichtsrats einer GmbH strafrechtlich verantwortlich, wenn sie ihre Aufsichtspflichten verletzen, die zur Verwirklichung von Allgemeinpflichtdelikten führt. Denn bei einer AG und bei einem zwingenden Aufsichtsrat einer GmbH ist der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 1 AktG2, § 13 dStGB und Art. 11 sStGB zur Überwachung der Geschäftsführung und damit zur Kontrolle des Vorstands bzw. Geschäftsführer verpflichtet3. Eine systematisch-teleologische Auslegung dieser allgemeinen Strafvorschriften und der die Verletzung negativer unternehmerischen Allgemeinpflichten kriminalisierenden jeweiligen Straftatbestände des Besonderen Teils führt zum Schluss, dass die genannten gesetzlichen Paragraphen das Wesen der negativen strafrechtlichen Allgemeinpflichten der Unternehmer und Unternehmensorgane, die Form der Verletzung einer solchen Pflichten und somit die sich auf die Verletzungsform solcher Pflichten gründenden Täterschaftsformen festlegen. Die Allgemeinpflichten sind – wie zuvor (§ 9 B.II.) festgelegt wurde – persönlich, exklusiv und unmittelbar. Diese Pflichten sind persönlich, weil die Pflichtträger sich nicht einfach von ihrer Ein2 3

Zusätzliche Referenzen dazu finden sich oben in § 10 B.I.3. Dazu Ransiek, ZGR 1999, 624.

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

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haltung lösen oder ihre Einhaltung in unverantwortlicher Weise auf eine andere Person delegieren dürfen, sondern ihnen dies nur in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen möglich ist. Sie sind exklusiv, weil sie nicht mit anderen Personen geteilt werden können. Wenn dieselbe Pflicht mehrere Personen gleichzeitig verbindet, handelt es sich nicht um eine gemeinsame oder geteilte Pflicht; denn wäre es so, dann wäre die Erfüllung oder Verletzung dieser Pflicht durch einen der Pflichtträger nur möglich, wenn alle Mitträger diese Pflicht einstimmig erfüllen oder verletzen. Vielmehr hängt die Erfüllung und Verletzung negativer unternehmerischer Allgemeinpflichten nur mit dem individuellen Verhalten jedes Pflichtträgers zusammen, so dass es für die Erfüllung oder Verletzung dieser Pflichten von einem der Pflichtträger gleichgültig ist, ob die anderen Träger diese Pflichten gleichzeitig erfüllen oder verletzen. Daher betrifft die Pflichterfüllung oder Pflichtverletzung nur den Pflichtträger, der sie persönlich erfüllt oder verletzt hat; denn nur wenn ihre Natur persönlich und exklusiv ist, ist auch ihre Erfüllung oder Verletzung individuell und nicht gemeinsam oder kollektiv. Daraus folgt auch, dass die Verletzung dieser Pflichten im normativen Sinne immer unmittelbar ist; denn ist das Verhältnis des Pflichtträgers mit der Pflicht unmittelbar, so ist auch die Erfüllung und (oder) Verletzung dieser Pflicht unmittelbar. Sind die Formen der Täterschaft eine Reflektion der normativen Natur der negativen Allgemeinpflichten und deren Verletzungsformen, dann sind alle aus einer ontologischen oder phänotypischen Sicht als mittelbare Täterschaft und Mittäterschaft gekennzeichneten Täterschaftsformen eigentlich einfache Erscheinungsformen der normativen unmittelbaren Einzeltäterschaft; denn auf der normativen Ebene sind die Natur der negativen Allgemeinpflichten und die Pflichtverletzung – wie bereits ausgerückt wurde – persönlich, ausschließlich und unmittelbar. Dies bedeutet, dass die mittelbare Tatherrschaft und Mitherrschaft, auf denen die herrschende Lehre die mittelbare Täterschaft bzw. die Mittäterschaft begründet, weder normativ vorliegen, noch eine Rolle für die Begründung der Täterschaft spielen. Die Begründung aller Strafhaftungsformen und daher auch die im Rahmen der unternehmerischen Allgemeinpflichtdelikte stattfindende Täterschaft ist nicht ontologischer, sondern normativer Natur. Dies führt sodann zur Annahme nur des Vorliegens der unmittelbaren Täterschaft bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen. In der ontologischen Welt hat die normative unmittelbare Einzeltäterschaft zahlreiche unterschiedliche phänotypische Erscheinungsformen, von denen die sog. mittelbare Täterschaft und Mittäterschaft nur zwei Beispiele sind. Jede der phänomenologischen Äußerungsformen der normativen unmittelbaren Einzeltäterschaft können nicht gesetzlich beschrieben werden, da jede dieser ontologischen Erscheinungsweisen – wegen ihrer unendlichen unterschiedlichen phänotypischen Formen – nicht durch die beschränkte strafrechtliche Taxonomie erfasst werden kann. Beispielweise sollten neben der Mittäterschaft und mittelbaren Täterschaft die mittelbare Mittäterschaft, die mittäterschaftliche mittelbare Mittäterschaft und anderen zahlreichen unterschiedlichen phänotypischen Äußerungen der normativen

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

mittelbaren Täterschaft bezeichnet und erklärt werden, was auf der normativen und semantischen Ebene nicht nur unmöglich, sondern auch im strafrechtlichen Bereich nachteilig ist. Im Folgenden werden einige der zahlreichen phänotypischen Formen erklären, in denen sich die normative unmittelbare Einzeltäterschaft äußert.

II. Konkrete phänotypische Täterschaftsformen 1. Unmittelbare Einzeltäterschaft von Unternehmensleitern wegen eigenhändiger Verletzung der unternehmerischen negativen Allgemeinpflichten Wie bei allen Delikten findet die einfachste phänotypische Form der unmittelbaren normativen Täterschaft bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen statt, wenn der unternehmensbezogene Täter (etwa der Geschäftsführer einer GmbH, der Vorstand oder Aufsichtsrat einer AG) aus einer ontologischen Sicht die negative allgemeine Unternehmenspflicht selbst verletzt, d. h. wenn die normative Pflichtverletzung und ihr phänotypischer Ausdruck in der Person des Unternehmers, Geschäftsführers oder Vorstands zusammentreffen4. Diese phänotypische Ausdruckform der normativen unmittelbaren Einzeltäterschaft wird in der Begrifflichkeit der herkömmlichen Strafrechtswissenschaft als unmittelbare Täterschaft bezeichnet, da der Täter aus ihrer ontologischen Sicht alle tatbestandsmäßigen Elemente des Strafunrechts selbst (eigenhändig) erfülle5. Ausgehend von dieser phänomenologischen Ausdrucksform, in der sich die normative Pflichtverletzung äußert, hat die herkömmliche Strafrechtsdogmatik eine solche phänotypische Ausdruckform als unmittelbare Täterschaft6 bezeichnet. Obwohl die Verwirklichung der sog. „unmittelbaren Täterschaft wegen persönlicher (eigenhändiger) Verletzung der unternehmerischen negativen Allgemeinpflichten“ auf theoretischer Ebene unkompliziert ist, findet ihre Herbeiführung im Bereich der modernen Kriminalität nur selten statt, insbesondere auf dem Gebiet der heutigen hoch entwickelten wirtschaftlichen Unternehmensdelikte. Dies ist darauf zurückzuführen, dass derzeitige Unternehmen – wie oben erwähnt – eine komplexe Struktur und Organisation haben, die es den Unternehmensleitern nicht ermöglichen, das Strafunrecht eigenhändig auszuführen7. In diesem Zusammenhang lässt sich bejahen, dass die Verwirklichung dieser phänomenologischen Ausdrückform der 4

Siehe hierzu allgemein oben § 3 C.I. Allgemein etwa SSK-Heine/Weißer, 29. Aufl., § 25, Rn. 2; MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 25, Rn. 35 ff., 39 f.; Roxin, AT II, § 25, Rn. 38; ders., TuT, S. 152 ff.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 53 ff. 6 Vgl. hierzu oben § 3 C.I. 7 Feijóo Sánchez, Autoría y participación, S. 287; Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 32 f.; Landwehrmann, Organisationsstrukturen, S. 66, 96; Pereda Cepeda, RP 9 (2002), 106. 5

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

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unmittelbaren normativen Einzeltäterschaft ein Prototyp der in der Regel bei kleinen Unternehmen mit traditioneller, vertikaler Organisationsstruktur verwirklichten Täterschaft ist8; denn nur in diesen Unternehmen können die Unternehmensleiter für ihren Zuständigkeitsbereich die normative Nichterfüllung ihrer negativen allgemeinen Unternehmenspflichten entscheiden. Nur in diesen Fällen besteht die reale Möglichkeit einer tatsächlichen Durchführung dieses Verstoßes in alleiniger Täterschaft. Zur Erklärung dieser phänotypischen Erscheinungsform der unmittelbaren Einzeltäterschaft kommen zwei Beispiele in Betracht: Beispiel 1: Der Geschäftsführer (G) einer kleinen GmbH, die sich der Herstellung von Farben mit giftigen chemischen Bestandteilen widmet, beschließt, die aus der Tätigkeit des von ihm geführten Unternehmens stammenden Abfälle ohne vorherige erforderliche Reinigungsbehandlung zu entsorgen, um die Behandlungskosten der Abfälle zu sparen. G weist seine Mitarbeiter an, die Abfälle in einem Gebiet in der Nähe einer geschützten Lagune zu deponieren. Aufgrund der Weigerung seiner Mitarbeiter, diese rechtswidrige Anweisung auszuführen, leitet G den Abfall in dem oben genannten Bereich eigenhändig ab. Dies verursacht eine nachteilige Veränderung der Eigenschaften des Bodens und Lagunenwassers9. Beispiel 2: Die Gesellschafter und der Geschäftsführer (G1) einer Sportsprodukte herstellenden GmbH beschließen, den Geschäftsführer (G2) einer anderen konkurrierenden GmbH zu zwingen, ihnen einen Teil seiner Produkte kostenlos zu überlassen. G2 weigert sich, obwohl G1 ihm andernfalls mit der Veröffentlichung von bloßstellenden Aufnahmen gedroht hat, auf denen er (G2) zu sehen ist, wie er Drogen konsumiert. Angesichts der Weigerung von G2, ihnen einen Teil seiner Produkte kostenlos zu überlassen, geht G1 zu G2 und droht ihm mit einer Schusswaffe. Unter diesen Umständen hat G2 keine andere Wahl, als G1 die Waren zu überlassen, um sein Leben zu schützen.

Im Beispiel 1 besteht die das Täterunrecht des „Gewässerverunreinigungsdelikts“ bildende tatbestandsmäßige Handlung in der Verletzung der negativen Allgemeinpflicht: „Alle Bürger sind dazu verpflichtet, unbefugt ein Gewässer nicht zu verunreinigen oder seine Eigenschaften nicht nachteilig zu verändern“, welche in §§ 25, 324 f. dStGB und in Art. 28 Abs. 1, 349 f. sStGB geregelt ist. Zweifellos verpflichten diese gesetzlichen Strafvorschriften alle Bürger und damit auch die Unternehmer, Unternehmensorgane (etwa den Geschäftsführer einer GmbH, den Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder einer AG) und die Unternehmen selbst (in Spanien), eine

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Vgl. dazu oben § 6 C.III. Ähnliche Fälle von umweltgefährdender Abfallbeseitigung wurden vom BGH entschieden, vgl. dazu etwa BGHSt 43, 219; Urt. v. 06. 06. 1997 – 2 StR 339/96; BGHSt 37, 21, 24; 333, 335. 9

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

solche spezifische strafrechtliche Pflicht nicht zu verletzen10. Im Beispiel 1 wird eine solche Pflicht von G verletzt, weil er als Geschäftsführer für die Erfüllung/Nichterfüllung der Pflicht verantwortlich ist11, die die Vermeidung von unerlaubten strafrechtlichen Risikoschaffungen für die Boden- und Gewässereigenschaften im physikalischen, chemischen oder biologischen Sinne normiert12. Mit anderen Worten erfüllt Gs Verhalten alle objektiven und subjektiven tatbestandsmäßigen Elemente des Täterunrechts des Gewässerverunreinigungsdelikts13, das sich in der eine nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaften verursachenden, vorsätzlichen Abfallentsorgung ohne Durchführung der zuvor erforderlichen Reinigungsbehandlung geäußert hat. Weil die Verletzung der erwähnten negativen Allgemeinpflicht und die unmittelbare phänotypische Äußerungsform einer solchen Verletzung im Verhalten des Geschäftsführers zusammenfallen, wird eine solche Pflichtverletzungsform durch die herkömmliche herrschende Strafrechtswissenschaft als unmittelbare Täterschaft14 bezeichnet. Diese These ist mit dem in der vorliegenden Untersuchung entwickelten Standpunkt vereinbar, jedoch nur hinsichtlich der Bezeichnung solcher Strafhaftungsform als unmittelbare Täterschaft der Delikte Gewässerverunreinigung (§ 324 dStGB, Art. 324 f. sStGB) und Bodenverunreinigung (§ 324a dStGB, Art. 324 f. sStGB), nicht aber hinsichtlich der Grundlage dieser Täterschaftsform. Denn während aus Sicht der Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens die unmittelbare Täterschaft von G auf der „phänotypischen unmittelbaren Äußerungsform seines Verhaltens“ beruht15, stütze sich die unmittelbare Täterschaft des G nach der in dieser Arbeit vertretenen Position auf die „normative unmittelbare Verletzung der bereits erklärten negativen unternehmerischen Allgemeinpflicht“, die von Jedermann übertreten werden kann16. Weil die genannte Pflicht durch ein Unternehmen verletzt wird, ist der Unternehmensleiter (G im Beispiel 1) für diese

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Eine ausführliche Erläuterung dieser spezifischen Pflichten strafrechtlicher Natur, die den Geschäftsführern einer GmbH, dem Vorstand einer AG usw. entsprechen, findet sich oben in § 10 A., B. (insbesondere I., II.). 11 Aufgrund der Zuständigkeit der Unternehmensleiter für die Erfüllung bzw. Nichterfüllung dieser Pflicht wird das in § 324 dStGB (Art. 349 sStGB) geregelte Strafunrecht durch die deutsche h. L. als Sonderpflichtdelikt bezeichnet, vgl. dazu etwa SSK-Heine/Schittenhelm, 30. Aufl., Vor §§ 324 ff., Rn. 28. 12 In der traditionellen Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens wird die strafrechtliche Zuständigkeit der Unternehmensorgane für die Nichterfüllung solcher Pflichten aus der Garantenstellung der unechten Unterlassungsdelikte entwickelt, vgl. dazu SSK-Heine/ Hecker, 29. Aufl., § 324, Rn. 10; LK-Walter, Band 1, 12. Aufl., Vor § 13, Rn. 59; MüKoStGBFreund, Band 1, 3. Aufl., § 13, Rn. 123 f., 129. 13 Zu den objektiven und subjektiven Tatbestandselementen des Gewässerverunreinigungsdelikts vgl. LK-Möhrenschlager, Band 12, 12. Aufl., Rn. 25 ff., 81. 14 Zu einer allgemeinen Sicht der unmittelbaren Täterschaft vgl. oben § 3 C. I. 15 A. a. O. 16 Zur unmittelbaren Natur der Pflichtverletzung vgl. oben § 9 B. II.

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

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Pflichtverletzung als unmittelbarer Täter strafrechtlich verantwortlich17. Gleiches würde daher auch gelten, wenn die Mitarbeiter der Anweisung des G Folge leisten würden. Denn auch wenn der Pflichtverstoß aus einer phänotypischen Betrachtung sich als Anstiftung18 darstellen würde, läge die Verantwortlichkeit und damit die Täterschaft trotzdem bei dem Sonderpflichtträger G. Im Beispiel 2 gibt es zwei phänotypischen Erscheinungsformen, in denen sich die unmittelbaren normativen Verletzungen von zwei unterschiedlichen Pflichten äußern. Die in §§ 253, 25 dStGB und in Art. 243, 28 Abs. 1 sStGB geregelte und von G1 verletzte erste negative Allgemeinpflicht besteht aus der Verpflichtung aller Bürger, „die Selbstbestimmungsfreiheit anderer Menschen nicht gewaltsam oder unter Drohung eines empfindlichen Übels zu nötigen, um ein handelndes, duldendes oder unterlassendes Verhalten des Genötigten zu erreichen, durch die das die Bedrohung ausführende Subjekt dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen einen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern“. Ihrerseits besteht die gesetzlich in §§ 255, 25 dStGB und in Art. 243, 28 Abs. 1 sStGB festgelegte, von G1 übertretene zweite negative Allgemeinpflicht in der Verpflichtung aller Bürger, „gegen andere Personen keine Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anzuwenden“. Da diese Pflichten alle in der Gesellschaft zusammenlebenden Personen binden, sind Adressaten der Erfüllung solcher Pflichten nicht nur die Unternehmer und Unternehmensleiter, sondern auch – im Falle des Strafrechtssystem Spaniens – die Unternehmen selbst. In diesem Sinne hat G1 die genannten negativen Allgemeinpflichten verletzt, deswegen wird ihm die Täterschaft zugerechnet. Auf Grund des Zusammenfallens sowohl der normativen Pflichtverletzung als auch der ontologischen Form dieser Verletzung in G1s Verhalten bildet das Verhalten von G1 aus Sicht der traditionellen Strafrechtswissenschaft eine unmittelbare Täterschaft19 der versuchten Erpressung und der vollendeten räuberischen Erpressung. Nach Erachten des Verfassers stellt G1s Verhalten eine unmittelbare Täterschaft dar, aber nicht, weil G1 die phänotypischen Äußerungsformen seines Verhaltens tatsächlich ausgeführt hat, sondern weil G1 gegen die ihn als Geschäftsführer der GmbH bindende Pflicht verstoßen hat. G1 ist nämlich unmittelbarer Täter einer versuchten einfachen Erpressung (§ 253 dStGB) und einer vollendeten räuberischen Erpressung (§ 255 dStGB, Art. 243 sStGB), weil die Handlung von G1s die objektiven und subjektiven Tatbestandselemente jenes Strafunrechts erfüllt, das den Inhalt der genannten negativen Allgemeinpflichten bildet. Die objektiven Tatbestandselemente des bloßen Erpressungsversuchs werden verwirklicht, da G1 nur Druck auf G2 ausübt, aber der tatbestandliche Erfolg (nämlich die Handlung,

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Vgl. dazu SSK-Heine/Hecker, 29. Aufl., Vor §§ 324 ff., Rn. 28. Ähnlich Frisch, Rogall-FS, S. 128, 145; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 8, Rn. 431. 19 In diese Richtung geht die herrschende Strafrechtswissenschaft, vgl. dazu oben § 3 C. I. 18

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Duldung oder Unterlassung sowie der Nachteil für G2s Vermögen) nicht eintritt20, was nach § 22 dStGB21 und Art. 16 Abs. 1 sStGB22 ein objektives Zentralelement des Versuchs ist. Die objektiven tatbestandlichen Elemente der räuberischen Erpressung werden ihrerseits von G1 erfüllt, denn er setzt G2 unter Druck und dies führt den G2 sowohl zur Überlassung seiner Produkte und zur sich daraus ergebenden Vermögensverfügung23. Schließlich erfüllt G1 die Erfordernisse des subjektiven Tatbestands, weil er mit Vorsatz und Bereicherungsabsicht handelte24. 2. Unmittelbare Einzeltäterschaft von Unternehmensleitern kraft Verletzung der ontologisch gemeinschaftlich von mehreren Unternehmensleitern ausgeführten unternehmerischen negativen Allgemeinpflichten Diese ontologische Ausdrucksform der unmittelbaren Einzeltäterschaft normativer Natur wird bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen gebildet, wenn mehrere Unternehmensleiter (etwa Geschäftsführer, Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder) gegen ihre jeweiligen individuellen negativen Allgemeinpflichten parallel verstoßen. Mit den Worten der herkömmlichen Strafrechtswissenschaft handelt es sich um eine „Fallkonstellation kumulativer Pflichtverletzungen“, da mehrere Träger negativer Allgemeinpflichten gegen eine ihrer gemeinsamen Pflichten mit gemeinsamer Mitherrschaft verstoßen25. Diese phänotypische Ausdrucksform der normativen unmittelbaren Einzeltäterschaft wird durch die Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens als Mittäterschaft26 bezeichnet, was in dieser Forschung verneint wird. Der gemeinsame Tatentschluss, die funktionelle Tatherrschaft (funktionelle Arbeitsteilung) und die gemeinschaftliche Ausführung, welche durch die h. L. als Strukturelemente der Mittäterschaft betrachtet werden – die eine andere Begründung und Struktur als die unmittelbare Täterschaft aufweist –, sind nach der in der vorliegenden Untersuchung vertretenen normativen Sicht bloße phänotypische Erscheinungsformen der normativen unmittelbaren Einzeltäterschaft. 20

In diesem Sinne MüKoStGB-Sander, Band 4, 3. Aufl., § 253, Rn. 40 f. Roxin, AT II, § 29, Rn. 1 ff. 22 Mir Puig, PG, 2016, § 13, Rn. 48. 23 Siehe hierfür MüKoStGB-Sander, Band 4, 3. Aufl., § 255, Rn. 4 ff.; SSK-Eser/Bosch, 29. Aufl., § 255, Rn. 2. 24 Vgl. dazu MüKoStGB-Sander, Band 4, 3. Aufl., § 255, Rn. 9; LK-Vogel, Band 8, 12. Aufl., § 255, Rn. 5 ff., 12. 25 Zu diesem der aus der Unterlassung entwickelten Gesichtspunkt siehe Birnbacher, Tun und Unterlassen, S. 164 f., 88. 26 Vgl. dazu allgemein oben § 3 C.II. Im Bereich der Wirtschaftsunternehmen vgl. Knauer, Kollegialentscheidung, S. 208 ff.; Perron, Strafrechtliche Verantwortung für Straftaten von Wirtschaftsunternehmen?, S. 239; Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Gremienentscheidungen, S. 46 ff. 21

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Denn die normativen Kernelemente aller Täterschaftsformen (und daher der sog. Mittäterschaft) sind die durch die Pflichtverletzung verkörperte Schaffung und Verwirklichung unerlaubter strafrechtlicher Risiken27 und keinesfalls die phänotypischen Ausdruckformen des fehlerhaften Verhaltens28. Mit anderen Worten ist die Verletzung der Pflicht selbst und nicht die Form der Pflichtverletzung für die Begründung der Täterschaft und deren Erscheinungsform entscheidend29. Darüber hinaus ist die Pflichtverletzung, wie bereits oben erwähnt, immer individuell, da die den Pflichtträger bindende Rechtsnatur der Pflicht auch individuell ist30. Dies bedeutet, dass es weder gemeinsame Pflichten noch gemeinsame Pflichtverletzungen31 gibt. Daraus folgt, dass die von der herkömmlichen Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens vertretene gemeinsame Pflichtverletzung32 in Wahrheit eine parallele individuelle Pflichtverletzung ist. Folglich gibt es in der Fallkonstellation, in der die h. L. wegen des Vorliegens eines gemeinsamen Tatentschlusses, einer funktionellen Arbeitsteilung und einer gemeinschaftlichen Tatherbeiführung die Bildung der Mittäterschaft33 von Unternehmensleitern bejaht, nur mehrere parallele unmittelbare Einzeltäterschaften. Das folgende Beispiel zeigt, was bereits dargestellt wurde. Beispiel 3: A, B und C sind Geschäftsführer einer Lederwaren herstellenden P-GmbH, die sich seit einiger Zeit in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, welche die P-GmbH hindern, ihre Geschäftstätigkeit fortzusetzen. Zur Aufrechterhaltung seiner Geschäftstätigkeit muss das Unternehmen Vormaterialien unterschiedlicher Lederarten kaufen. Aufgrund der noch offenen Rechnungen weigert sich der bisherige Lederlieferant, weitere Lieferungen vorzunehmen. In dieser Situation wenden sich die Geschäftsführer der P-GmbH an das auch Lederrohstoffe liefernde Unternehmen L-GmbH. Zur Erreichung ihres Zwecks verschweigen die Geschäftsführer die Zahlungsunfähigkeit des von ihnen geleiteten Unternehmens vor den Lieferanten und bieten für den angeforderten Rohstoff an, einen höheren Preis zu zahlen. Diese Täuschung führt die L-GmbH zur Lieferung der bestellten Materialen und Stellung der entsprechenden Rechnung in Höhe von ca. 1.000.000 Euro, die nicht bezahlt werden, weil ein Monat nach der Lieferung der Waren und vor der Bezahlung ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der P-GmbH gestellt wird34.

27 Siehe hierfür oben, insbesondere § 10 C.I., II. Zu einer ausführlichen Darstellung dieses Gesichtspunkts vgl. § 6 D.I., II.; § 7 A.I.2. 28 Vgl. dazu ausführlich oben § 9 D. 29 Siehe oben § 11 B.I. 30 Siehe oben § 9 B.II. 31 Vgl. dazu oben § 7 A.I.2., 3. (insbesondere 3.b)); § 9 B.II.; § 11 B.I. 32 So oben § 7 A.I.3. 33 Siehe ausführlich oben § 7 A.I.2., 3. 34 Ein ähnlicher Fall findet sich in der deutschen Rechtsprechung, vgl. BGHSt. 48, 331.

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Im diesem dritten Beispiel sind A, B und C nach dem ontologischen Ausgangspunkt35 der überwiegenden Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens Mittäter eines Betrugstatbestands36, weil aus ihrer Sicht in der Verwirklichung des Betrugsunrechts die materiellen Strukturelemente der Mittäterschaft37 vorliegen. Erstens bestehe ein gemeinsamer Tatentschluss (eine vorsätzliche Kollektiventscheidungsfindung) der drei Geschäftsführer der P-GmbH, die Geschäftsführer der L-GmbH zu täuschen, um einen Vermögensvorteil zugunsten des von ihnen geführten Unternehmens zu erlangen38. Zweitens liege eine funktionelle Arbeitsteilung des A, B und C39 sowohl bei dem Treffen der vorsätzlichen Kollektiventscheidung als auch bei der Ausübung der Täuschung gegenüber dem Geschäftsführer der L-GmbH vor. Drittens gebe es ein wesentlicher Beitrag jedes Geschäftsführers zur tatsächlichen Herbeiführung der tatbestandsmäßigen Elemente des Betrugsdelikts40. Infolgedessen will sie auf diesen beschriebenen phänotypischen Äußerungsformen des Verhaltens von A, B und C die mittäterschaftliche Verantwortlichkeit der drei Geschäftsführer der P-GmbH begründen. Diese These und ihre Begründung wurden in dieser Arbeit abgelehnt. Gegen das ontologische Vorliegen der Mittäterschaft wurden schon oben41 ausführliche Argumente angeführt; deswegen werden hier nur einige zusätzliche Anmerkungen erklärt: a) Weder im normativen Bereich noch auf ontologischer Ebene liegt ein gemeinsamer Tatentschluss (gemeinsame Entscheidung) der Geschäftsführer vor, denn die Entscheidungen – sogar in ihrer vorsätzlichen und absichtlichen Form – sind immer individuell und nie gemeinschaftlich; die Debatte innerhalb des Unternehmensverbands kann kollektiv (nicht gemeinschaftlich) sein, aber dennoch ist die Entscheidung jedes Organmitglieds gegen oder für den rechtswidrigen Betrieb des Unternehmen immer individuell, weil sich jedes Mitglied nach seinem individuellen vernünftigen Verständnis entscheidet. b) Im ontologischen Raum gibt es auch keine Mitherrschaft oder funktionelle Herrschaft der Beteiligten weder über den Tatentschluss noch über die Ausübung der Täuschung auf das Opfer und über die sich daraus ergebende Verschaffung des Vermögensvorteils. Was tatsächlich besteht, ist 35

Zum ontologischen Ausgangspunkt der Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens vgl. oben § 3 C.; § 6 B., C.; § 7 A.I.2. 36 Allgemein etwa SSK-Perron, 29. Aufl., § 263, Rn. 180; LK-Tiedemann, Band 9/1, 12. Aufl., § 263, Rn. 283. 37 Zu den strukturellen Elementen der aus dem ontologischen Gesichtspunkt entwickelten Mittäterschaft beim Betrugstatbestand siehe u. a. MüKoStGB-Hefendehl, Band 5, 3. Aufl., § 263, Rn. 833; SSK-Perron, 30. Aufl., § 263, Rn. 180; ders., Strafrechtliche Verantwortung für Straftaten von Wirtschaftsunternehmen?, S. 239. 38 Zum gemeinsamen Tatentschluss aller Beteiligten als Zentralelement der Mittäterschaft bei dem Betrugsdelikt vgl. SSK-Perron, 29. Aufl., § 263, Rn. 180. 39 In die gleiche Richtung LK-Tiedemann, Band 9/1, 12. Aufl., § 263, Rn. 283. 40 Für das Vorliegen dieses Elements als struktureller Bestandteil der Mittäterschaft beim Betrugsunrecht spricht SSK-Perron, 29. Aufl., § 263, Rn. 180. 41 Zu diesem Element der Mittäterschaft bei den Allgemeinpflichtdelikten – und daher auch beim Betrug – vgl. dazu oben § 3 C.II. und insbesondere § 7 A.I.2.

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eine individuelle Herrschaft jedes Geschäftsführers über sein eigenes Verhalten und damit über seine eigene Entscheidung. Für das Vorliegen einer Mitherrschaft der Geschäftsführer über die Entscheidung und über die Verwirklichung der tatbestandlichen Elemente des Betrugsunrechts ist es notwendig, dass auf ontologischer Ebene jeder Geschäftsführer den persönlichen Freiheitsraum der anderen Geschäftsführer mitbeherrscht, was unmöglich ist, da dies die Verweigerung der Fähigkeit zur Selbstbestimmung – und daher die Verneinung des Selbstbestimmungsprinzips – impliziert. c) Aber sogar wenn auf ontologischer Ebene sowohl eine gemeinsame Entscheidung als auch eine Mitherrschaft der Geschäftsführer über die Verwirklichung der tatbestandlichen Elemente des Betrugsunrechts vorliegen würden, gäbe es auch in einem solchen Zusammenhang keine Mittäterschaft; denn wie bereits ausgedrückt, haben die phänotypischen Äußerungsformen keine strafrechtliche Relevanz. Nach dem in der vorliegenden Untersuchung vertretenen Standpunkt liegen im Beispiel 3 eigentlich drei parallele unmittelbare Einzeltäterschaften vor. Dafür sprechen u. a. drei normative Argumente: Zunächst enthält der Betrugstatbestand, der beim Beispiel 3 die von A, B und C verwirklichten strafrechtlich relevanten kommunikativen Akte umfasst, eine sich an alle Personen mit strafrechtlicher Verantwortungsfähigkeit richtende negative Allgemeinpflicht. Diese Pflicht lautet: „Alle Bürger sind verpflichtet, das Vermögen eines anderen mittels eines durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen erregten oder unterhalten Irrtums nicht zu beschädigen, um sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen.“ In diesem Sinne kriminalisieren die Straftatbestände §§ 263 ff. (i. V. m. § 25) des dStGB und Art. 248 ff. (i. V. m. Art. 28 Abs. 1) des sStGB als Täterschaft nicht die ontologischen Ausdrucksformen des Verhaltens derjenigen, die sich an der Schädigung des Vermögens anderer Personen beteiligen, sondern die rechtswidrige Verletzung der bereits dargestellten Pflicht42. Ebenfalls ist die durch den Betrugstatbestand geschützte negative strafrechtliche Allgemeinpflicht individueller Natur, weil das Verhältnis der Pflicht für jeden Pflichtträger (Geschäftsführer) persönlich ist43; dies bedeutet, dass eine solche Pflicht nicht geteilt werden kann, unabhängig davon, dass an einer solchen Pflicht mehrere Personen gleichzeitig beteiligt sind44. Letztlich kann die genannte negative Allgemeinpflicht in Übereinstimmung mit ihrer normativen Natur nur individuell oder persönlich verletzt werden, denn die normative Form ihrer Pflichtverletzung ist ein Reflex ihrer Natur45. Daher sind die auf diesen Pflichtverletzungen beruhenden Täterschaftsformen auch individuell. 42

Aus einer allgemeinen Sicht siehe oben § 9 B.I. In der spanischsprachigen Strafrechtswissenschaft siehe Salazar Sánchez, Dogmática actual de la autoría, S. 562 ff.; siehe auch oben § 8 B.II. 44 Salazar Sánchez, Dogmática actual de la autoría, S. 571 ff.; ders., RPCP 16 (2005), S. 546 ff.; ders., oben § 8 B.II. 45 Vgl. oben § 9 B.I., II. 43

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3. Unmittelbare Einzeltäterschaft von Unternehmensleitern kraft Verletzung ontologisch mit Mitherrschaft von Unternehmensleitungsmitgliedern und Nichtverpflichteten auszuführenden unternehmerischen negativen Allgemeinpflichten Diese phänotypische Erscheinungsform der normativen Einzeltäterschaft tritt auf, wenn die Verletzung der negativen Allgemeinpflicht, welche den Unternehmensleiter zu einer richtigen Organisation des Wirtschaftsunternehmens verpflichtet, in faktischer Hinsicht nicht vollständig von Unternehmern oder Unternehmensorganen, sondern von diesen und nichtqualifizierten Untergebenen oder Außenstehenden ausgeführt wird. Mit Worten der überwiegenden Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens kommt die dargestellte phänotypische Erscheinungsform der Einzeltäterschaft in Betracht, wenn den Tatbestand erst bei Hinzunahme des Verhaltens von Untergeordneten (wie Mitarbeitern oder Außenstehenden) ausgeführt wird46. In diesem Sinne findet die vorliegende Einzeltäterschaftsform im Unterschied zur unmittelbaren Einzeltäterschaft wegen eigenhändiger Verletzung der unternehmerischen negativen Allgemeinpflichten47 in den Fällen statt, in denen alle Elemente des Straftatbestandes aus ontologischer Sicht nicht vollständig von einem einzigen Mitglied des Unternehmensleitungsorgans, sondern von mehreren Unternehmensmitgliedern und anderen Beteiligten ausgeführt werden; d. h. die Unternehmensleiter teilen die phänotypische Ausführung des Straftatbestandes mit ihren Untergebenen48 oder Außenstehenden49. Ebenso unterscheidet sich die erklärte Täterschaftsform ontologisch von der Alleinmittäterschaft, die auf der vollständig von mehreren Unternehmensleitungsmitgliedern herbeigeführten gemeinsamen Pflichtverletzung50 beruht, darin, dass die faktische Vornahme des Verstoßes gegen die negative Allgemeinpflicht teilweise von den Unternehmensleitern und teilweise von Außenstehenden durchgeführt wird. Dies bedeutet, dass Unternehmensleiter und Außenstehenden gemäß dem Verständnis der herkömmlichen Strafrechtsdogmatik eine Mitherrschaft über den Tatbestandsvollzug ausüben. Die Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens bezeichnet diese phänotypische Ausdrucksform der unmittelbaren Einzeltäterschaft als Mittäterschaft51 aller Beteiligten, als mittäterschaftliche Anstiftung der Unternehmensleiter und Mittäterschaft der Untergebenen52, als mittelbare Mittäterschaft der Mitglieder des 46 Eine detaillierte Darstellung dieser phänotypischen von der überwiegenden Strafrechtswissenschaft entwickelten Erscheinungsform der Täterschaft findet sich in Frisch, Rogall-FS, S. 123. 47 Vgl. oben § 11 B.I. 48 Siehe hierfür unten Beispiel 5. 49 Vgl. dazu unten Beispiel 4. 50 Vgl. oben § 11 B.II. 51 Siehe hierfür oben § 6 D.I. 52 Siehe hierzu oben § 6 D.III.

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Unternehmensorgans kraft Organisationsherrschaft53 und unmittelbare Mittäterschaft der handelnden Außenstehenden54, als Mittäterschaft der Unternehmensleitungsmitglieder und sukzessive Mittäterschaft der Untergebenen55, oder als Mittäterschaft der Unternehmensorgane und „erforderliche“ Beihilfe der Untergeordneten56. Solche Bezeichnungen gründen sich darauf, dass nach ihren ontologischen Gesichtspunkten eine Mitherrschaft von Geschäftsführern und Außenstehenden über die faktische Verwirklichung des Täterunrechts57, eine Anstiftung der Vorstandsmitglieder durch aktives Tun ohne Herrschaft und eine Mitherrschaft der Außenstehenden bei der Tatbestandsverwirklichung58, eine mittelbare Mitherrschaft der Vorstandsmitglieder und eine unmittelbare Herrschaft der Untergebenen59, eine sukzessive Mitherrschaft der Hinter- und Vordermänner60, bzw. eine Mitherrschaft der Unternehmensleiter und eine wesentliche Mitwirkung ohne Herrschaft der Untergebenen61 bestehen würden. In Übereinstimmung mit den in dieser Untersuchung entwickelten theoretischen Ausgangspunkten wird das Bestehen solcher Beteiligungsformen abgelehnt; denn für die Begründung der Täterschaft und deren Formen ist dagegen entscheidend, dass das Verhalten des Unternehmers (oder Unternehmensorgans) und des Außenstehenden die mit ihren unternehmerischen bzw. bürgerlichen Zuständigkeiten verknüpfte negative Allgemeinpflicht übertritt. Stattdessen wird das Vorliegen mehrerer paralleler Einzeltäterschaften bejaht, da jeder Beteiligte – Geschäftsführer, Untergebene oder Außenstehende – nur individuell gegen seine jeweilige Pflicht verstößt, da, wie bereits erwähnt, das Verhältnis der Unternehmensleiter, Untergeordneten und bloßen Bürger zur Erfüllung oder Verletzung ihrer jeweiligen Pflichten immer individuell ist. Darüber hinaus beherrscht – auch auf ontologischer Ebene – jeder Beteiligte nur den Verstoß gegen seine eigene Pflicht (auch bei der aktiven Anstiftung), nicht aber die Verletzung der Pflichten anderer Beteiligter, so dass sogar auf der phänotypischen Ebene weder eine Mitherrschaft noch eine Mittäterschaft besteht. 53 Es ist der Fall des BGH, der die mittelbare Täterschaft von Vorgesetzten auch annimmt, wenn die Mitarbeiter voll verantwortlich handeln, also keinem Defizit (Irrtum) unterliegen, vgl. oben § 5 A. 54 Vgl. dazu oben § 6 C. 55 Diese dogmatische Benennung beschränkt sich nur auf die deutsche Strafrechtswissenschaft, siehe oben § 6 D.II. 56 Diese Strafhaftungsform wird nur innerhalb der spanischen Strafrechtswissenschaft entwickelt, da die „erforderliche“ Beihilfe“ nur im sStGB geregelt ist, vgl. dazu oben § 6 D.IV. 57 So oben § 6 D.I. 58 Vgl. oben § 6 D.III. 59 Siehe eine ausführliche Erläuterung dafür oben § 6 C. 60 Vgl. dazu oben § 6 D.II. 61 Siehe oben § 6 D.IV.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

Was über die phänotypische Äußerungsform der unmittelbaren Einzeltäterschaft erklärt wurde, kann anhand der zwei folgenden Beispiele besser verdeutlicht werden. Beispiel 4: Z, Y, X, W und V sind Vorstandsmitglieder eines internationalen Bauunternehmens, das sich neben anderen Tätigkeiten mit der Planung und dem Bau von Autobahnen und Flughäfen in verschiedenen Ländern befasst. Zur Erfüllung des Bauvertrags eines Flughafens schreibt die Baufirma die Lieferung von Tankwagen, Zement und Eisen aus. Mehrere Zulieferunternehmen nehmen an der Ausschreibung teil und reichen ihre Angebote ein, um den Zuschlag zu erhalten. Kurz vor dem Ausschreibungstermin informiert der Vorstandsvorsitzende V des Bauunternehmens den A und den J, die von den formellen Geschäftsführern (G1 und G2) der Zulieferunternehmen K-GmbH und M-GmbH nur mit der Durchführung der Verhandlungen beauftragt werden, dass die K- und M-Gesellschaften der Baufirma insgesamt 5% des Auftragswertes zahlen müssen, wenn sie den Zuschlag erhalten wollen. Diese Vereinbarung wird von den Geschäftsführern der liefernden Gesellschaften bestätigt und V erhält daher von dem vereinbarten Betrag (5 %) ein Viertel. Aufgrund der Vereinbarung manipulieren V, A, J und die Geschäftsführer der Zulieferunternehmen die Ausschreibung, sodass die Firmen K-GmbH und M-GmbH als die günstigsten Bieter gegenüber den anderen Bieterunternehmen auftreten und somit sie mit den Lieferverträgen ausgestattet werden62. Beispiel 5: Der Vorstand eines Autos produzierenden Wirtschaftsunternehmens beschließt einstimmig, Manipulationssoftware in den Motoren seiner Autos einzubauen. Dies dient zwei verschiedenen Zwecken: Erstens dem erfolgreichen Bestehen des offiziellen Ausstoßtests von Schadgasen, obwohl solche Autos unter realen Bedingungen eine Menge von Stickoxiden ausstoßen, die viel größer als die im Gesetz und in den internationalen Konventionen festgestellte erlaubte Menge ist; zweitens der Vermeidung weiterer hoher Kosten bei der Aufrüstung des Motors zur Reduzierung der Schadgasemissionen auf die erlaubte Grenze und die Überzeugung der Kunden, dass die genannten Autos von guter Qualität und günstig sind, damit die Kunden die Autos kaufen. Die von der Ingenieurabteilung vorsätzlich durchgeführte und aus dem gemeinsamen Tatentschluss von Vorstandsmitgliedern und Ingenieuren resultierende Manipulation besteht aus dem Einbau einer hoch entwickelten Software in den Motor jedes Autos, das detektiert, wann das Auto offiziellen Emissionstests unterzogen wird und dabei automatisch die Motorkontrollen ändert, um die Schadgasemissionen auf die erlaubte Menge während des Tests zu verringern.

Bei dem im vierten Beispiel dargestellte Fall handelt es sich um ein Delikt wegen Verletzung einer negativen Sonderpflicht (§ 298 dStGB, Art. 286bis i. V. m. 286 quater sStGB) und daher kann ein solches Strafunrecht nur von demjenigen als Täter begangen werden, der das Angebot für das Unternehmen abgibt. Aus Sicht der Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens gäbe es – wie bereits erklärt – fünf unterschiedliche Lösungen. Nach der ersten Auffassung sollen der Vorstandsvorsitzende, die Geschäftsführer und Außenstehenden für den Tatbestand der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen als Mittäter verantwortlich sein, denn aus ihrer Sicht hätten alle Beteiligten Mitherrschaft über die 62 Ein ähnlicher Fall findet sich bei Boerger, Zur Schutzfunktion des Wirtschaftsstrafrechts, S. 63; siehe auch BGH NJW 2006, 925.

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rechtswidrigen Verhandlungen63. Nach der zweiten Auffassung haften V, A und J als Mittäter für das Strafunrecht der Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298 dStGB, Art. 286bis i. V. m. 286quater), da sie sich mit Tatherrschaft an der Tatbestandsverwirklichung beteiligen64; im Unterschied dazu sollen G1 und G2 wegen ihrer aktiven Beteiligung ohne faktische Herrschaft nur mittäterschaftliche Anstifter65 des erwähnten Strafunrechts sein. Nach der dritten Auffassung sind V, G1 und G2 mittelbare Mittäter kraft Organisationsherrschaft66, da sie die Tatbestandsherbeiführung durch mittelbare Herrschaft über die Organisation ihrer jeweiligen Unternehmen mittelbar beherrschten; A und J sind ihrerseits unmittelbare Mittäter, da sie unmittelbare Mitherrschaft über die Herbeiführung des rechtswidrigen Strafunrechts hatten67. Nach der vierten Auffassung sollen V, G1 und G2 Mittäter sein, denn sie erfüllen die Erfordernisse der Mittäterschaft; hingegen haften A und J als sukzessive Mittäter68, weil ihre entscheidenden Mitwirkungen eine Vornahme der Anweisungen des Vorstandsvorsitzenden und der Geschäftsführer widerspiegeln, die wiederum ihrerseits als Mittäter handeln69. Schließlich würden nach der fünften Auffassung – die nur von der spanischen Strafrechtswissenschaft vertreten wird – V, G2 und G1 als Mittäter bestraft, während A und J als „notwendige“ Gehilfen für dasselbe Strafunrecht verantwortlich sein sollen, Einer der Haupteinwände70 gegen die erste These ist, dass sie gegen das Gesetzlichkeitsprinzip verstößt, weil sie die Außenstehenden als Täter des Tatbestandes der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen bestraft, obwohl sie keine Unternehmensleiter und durch § 298 dStGB und Art. 286bis i. V. m. 286quater sStGB ausdrücklich aus dem Täterkreis ausgeschlossen sind71. Darüber hinaus, in materieller Hinsicht, ist einerseits der gemeinsamer Tatentschluss häufig

63 In die gleiche Richtung geht die Rechtsprechung des deutschen BGH und des spanischen TS, vgl. oben § 5 C., D. Die gleiche Auffassung vertritt die h. L. Deutschlands und Spaniens, vgl. dazu oben § 6 D.I., II.; § 7 A.I.2. 64 Bezüglich dieses von der deutschen und spanischen Rechtsprechung vertretenen Standpunkts vgl. oben § 5 B., C.; ebenfalls vgl. zum durch einen Teil der deutschen und spanischen Strafrechtswissenschaft entwickelten dogmatischen Gesichtspunkt oben § 6 D.I., III. 65 Siehe oben § 6 D.III. 66 Zur Auffassung der Rechtsprechung hinsichtlich dieses Lösungsvorschlags siehe oben § 5 A., B. Zur Stellungnahme der Strafrechtswissenschaft zugunsten dieses Lösungsmodells siehe oben § 6 C. 67 Dieses Lösungsmodell ist mit der unmittelbaren Täterschaft vereinbar, deren Grundlage und Struktur in Bezug auf die eigenhändige Ausführung der Tatbestandselemente errichtet wird. Siehe hierzu oben § 3 C.I. 68 Aus einem allgemeinen Gesichtspunkt siehe hierfür oben § 3 C.V.3. 69 Vgl. oben § 6 D.II. 70 Zu anderen Einwänden gegen diesen Lösungsvorschlag vgl. oben § 6 D.V. 71 MüKoStGB-Hohmann, Band 5, 3. Aufl., § 298, Rn. 85, 86 ff.; MRK-StGB-Schröder/ Bergmann, 2. Aufl., § 298, Rn. 46; LK-Tiedemann, Band 10, 12. Aufl., § 298, Rn. 14, 47.

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kaum nachweisbar72 und andererseits wird die den Unternehmern oder Unternehmensorganen anzulastende konkrete Tat meist nicht arbeitsteilig, sondern allein von einem Mitarbeiter begangen73. In diesem Zusammenhang kann innerhalb desselben theoretischen Paradigmas der herkömmlichen Mittäterschaft diese Täterschaftsform den Unternehmern, Unternehmensleitern und Untergebenen zugerechnet werden. Gegen den zweiten Lösungsvorschlag gibt es grundsätzlich zwei Kritiken. Auf dogmatischer Ebene verdreht diese These die normative Grundlage der Täterschaft und Anstiftung, weil sie einerseits die Anstiftung denjenigen (den Geschäftsführern) zuschreibt, die das Gesetz als Täter betrachtet, und andererseits die Täterschaft denjenigen (Untergebenen oder Außenstehenden) zurechnet, die durch § 298 dStGB und Art. 286bis i. V. m. 286quater als bloße Teilnehmer zu betrachten sind. Aus kriminalpolitischer Sicht verhindert diese These die Verwirklichung sowohl der general- als auch der spezialpräventiven Zwecke, da sie durch die willkürliche Abschwächung und willkürliche Verschärfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Intraneus bzw. Extraneus die Internalisierung der Normen im Rechtsbewusstsein nicht ermöglicht. Zur durch den dritten Standpunkt vertretene Lösung kommen dieselben Einwände in Betracht, die bereits oben74 gegen die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft erhoben wurden, sodass dazu nichts mehr erläutert zu werden braucht. Deswegen genügt es, hier darauf hinzuweisen, dass diese These dogmatisch irrig und kriminalpolitisch nachteilig ist75. Die Einwände gegen die vierte These sind dieselben, die gegen die auf die ontologische Kategorie der Mitherrschaft begründete allgemeine Mittäterschaft gerichtet sind; daher verweise ich hinsichtlich dieser Einwände auf die zuvor76 formulierten Bemerkungen. Schließlich stimmt die vom fünften Standpunkt vorgeschlagene Lösung teilweise mit der in der vorliegenden Untersuchung entwickelten Position überein. Aus der hier entwickelten Position kommen im vierten Beispiel die Bildung zwei Einzeltäterschaften der Unternehmensleiter und drei Einzelteilnahmen der Außenstehenden in Betracht. Die zwei Einzeltäterschaften gründen sich darauf, dass die Unternehmensleiter (die Geschäftsführer der Gewinnerfirmen der Ausschreibung) aus einer normativen Sicht parallel und individuell dieselbe negative Pflicht verletzen. Ganz genau verstoßen die genannten Unternehmensführer gegen die im § 298 Abs. 1 dStGB und Art. 286bis Abs. 2 i. V. m. 286quater sStGB geschützte negative Sonderpflicht, die lautet: „Die Personen, die an einer Ausschreibung über Waren oder Dienstleistungen teilnehmen, dürfen kein Angebot unterbreiten, das auf einer illegalen Absprache 72

Dazu Bosch, Organisationsverschulden, S. 273 ff.; Frisch, Rogall-FS, S. 126; Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 32; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 50; Stratenwerth, SchwStrafrecht, AT I, S. 325 ff. 73 Frisch, Rogall-FS, S. 126. 74 Siehe hierfür oben § 6 C.III. 75 In ähnliche Richtung Frisch, Rogall-FS, S. 126 f.; Rotsch, NStZ 2005, 17 f. 76 Vgl. dazu oben § 3 D.V.

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beruht, um den Veranstalter zu veranlassen, ein bestimmtes Angebot anzunehmen“. Geht man von dieser Prämisse aus, muss man dann daraus schließen, dass es in Fall 4 zwei parallele unmittelbare Einzeltäterschaften gibt, die von G1 und G2 durch die parallele individuelle Verletzung ihrer jeweiligen, bereits zuvor erwähnten negativen Allgemeinpflichten ausgeführt werden. In diesem Zusammenhang ist es für die Begründung der (Einzel-)Täterschaft der Unternehmensleiter strafrechtlich irrelevant, ob G1 und G2 auf der phänotypischen Ebene die faktische Mitherrschaft hatten oder nicht. Wie bereits erwähnt, wird das ontologische Quantum der Beiträge der Beteiligten für die Strafzumessung der Strafe berücksichtigt, nicht jedoch für die Begründung des Täter- oder Teilnehmerunrechts77. V ist wegen der Unterschiede der im dStGB und sStGB geregelten Straftatbestände in Deutschland und Spanien als Anstifter bzw. als Täter zu bestrafen. In Deutschland muss V als Anstifter bestraft werden, weil § 298 Abs. 1 dStGB die Veranstalter der Ausschreibung aus dem Täterkreis ausschließt. Dies bedeutet, dass V nach § 298 Abs. 1 dStGB die negative Sonderpflicht, deren Verletzung die Täterschaft begründet, weder trägt noch verletzt und daher kein Täter sein kann. Träger einer solchen Pflicht ist nach Wortlaut des § 298 Abs. 1 dStGB nur die Person, die bei der Ausschreibung das Angebot abgibt, das auf einer rechtswidrigen Absprache beruht, die darauf abzielt, den Veranstalter zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen. Im vorliegenden Fall sind Träger der negativen Sonderpflicht, deren Verstoß die Täterschaft begründet, nur G1 und G2 und somit können nur sie als Täter verantwortlich sein. Aus diesem Grund muss die strafrechtliche Verantwortlichkeit von V nach den Regeln der Anstiftung begründet und bestimmt werden, da V die in § 26 dStGB enthaltene negative Allgemeinpflicht verletzt hat, die allen Bürgern verbietet, die Wettbewerber bei einer Ausschreibung zu veranlassen, gegen ihre in § 298 dStGB geregelte negative Sonderpflicht zu verstoßen. In Spanien haftet V hingegen als Täter für das in Art. 286bis Abs. 1 sStGB geregelte Delikt der Korruption bei Wirtschaftsgeschäften, denn das Verhalten von V erfüllt die normativen Erfordernisse eines solchen Straftatbestands, der als Täterschaft die Konstellationen kriminalisiert, in denen ein Geschäftsführer, Angestellter oder Mitarbeiter eines Wirtschaftsunternehmens oder einer Gesellschaft einen illegalen Vorteil als Gegenleistung erhält, fordert oder annimmt, um einen anderen beim Erwerb oder Verkauf von Waren oder bei der Vergabe von Dienstleistungen oder in Geschäftsbeziehungen unangemessen zu begünstigen. Im Übrigen bleiben die anderen Vorstandsmitglieder (A, B, C und D) des Bauunternehmens straflos, denn solange sie die von V, A und J begangenen rechtswidrigen Handlungen nicht kennen, schaffen sie keine verbotenen strafrechtlichen Risiken und verstoßen daher nicht gegen die der Täterschaft und der Teilnahme zugrundeliegenden Pflichten. A und J dürfen nicht als Täter des in § 298 dStGB und § 286bis sStGB geregelten Straftatbestands bestraft werden, weil sie durch den Wortlaut des Straftatbestands wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen ausgeschlossen 77

Siehe hierfür § 9 D.II.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

sind78. Darüber hinaus ist das vorliegende Strafunrecht weder ein Delikt wegen Verletzung positiver Sonderpflichten79 noch ein Delikt kraft Verletzung negativer Allgemeinpflichten80, das von allen Personen ausgeführt werden kann. Der Straftatbestand wettbewerbswidriger Vereinbarungen in Ausschreibungen ist gewissermaßen ein negatives Sonderpflichtdelikt oder ein negatives Allgemeinpflichtdelikt mit beschränktem Täterkreis81, da das Täterunrecht sich auf die Verletzung einer negativen Sonderpflicht stützt, die einerseits nur die Unternehmer oder Unternehmensleiter betreffen82 und sich andererseits auf die Nichtbeschädigung des Freiheitsraums anderer Wettbewerbsunternehmen beschränkt. Unter dieser normativen Voraussetzung können A und J – in der Terminologie der traditionellen Strafrechtswissenschaft – kein (Mit-)Täter des geprüften Straftatbestands sein. A und J haften – wie unten83 erklärt – nur als Teilnehmer für das Strafunrecht der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen. Während die Beihilfe von A und J auf der bloßen, in § 298 i. V. m. § 27 dStGB und in Art. 286bis i. V. m. Art. 28 Abs. 2 sStGB festgelegten Verletzung der genannten negativen Allgemeinpflichten beruht, sind für die Begründung der Täterschaft der Vorstandsmitglieder einer AG und der Geschäftsführer einer GmbH die Einhaltung weiterer zusätzlicher normativer Voraussetzungen erforderlich, da sich die Täterschaft von diesen nicht auf die alleinige Verknüpfung des Strafunrechts der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298 dStGB, Art. 286bis, 286quater sStGB) mit der Begründungsnorm der Täterschaft (§ 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB) stützt. Im deutschen Strafrechtssystem müssen neben den vorgenannten Strafvorschriften die in § 93 AktG und § 13 dStGB geregelten Pflichten verletzt werden. In ähnlicher Weise ist im spanischen Strafrechtssystem die Verletzung der in Art. 225 KGG und Art. 11, 31 sStGB enthaltenen Pflichten erforderlich. Grund dafür ist, dass jene gesetzlichen Vorschriften Deutschlands und Spaniens die „ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der

78 In diesem Sinne siehe MüKoStGB-Homann, Band 5, 3. Aufl., § 298, Rn. 85; LKTiedemann, Band 10, 12. Aufl., § 298, Rn. 14, 47. 79 Aus der traditionellen Terminologie vertreten diese Auffassung u. a. StGB-Fischer, 68. Aufl., § 298, Rn. 17; König, JR 1997, 402; MRK-StGB-Schröder/Bergmann, 2. Aufl., § 298, Rn. 46; NK-StGB-Dannecker, Band 3, 4. Aufl., § 298, Rn. 19; Otto, wistra 1999, 42. Eine ausführliche Erklärung der Natur und Merkmale der Sonderpflichtdelikte (Delikte wegen Verletzung positiver Sonderpflichten) befindet sich oben in § 8 B. (IV., V.); § 9, B. (I., II.). 80 Zur Natur der Allgemeinpflichtdelikte (Delikte kraft Verletzung negativer Allgemeinpflichten) vgl. oben § 8 A. (IV., V.); § 9 B. (I., II.). 81 Kuhlen, Lampe-FS, S. 757; NK-StGB-Dannecker, Band 3, 4. Aufl., § 298, Rn. 89; LKTiedemann, Band 10, 12. Aufl., § 298, Rn. 18, 18. 82 Dannecker, JZ 2005, 52; ders., NK-StGB, 4. Aufl., § 298, Rn. 89; MüKoStGB-Homann, Band 5, 3. Aufl., § 298, Rn. 85; Kuhlen, Lampe-FS, S. 757; LK-Tiedemann, Band 10, 12. Aufl., § 298, Rn. 18, 48. 83 Vgl. unten die Lösung des Beispiels 20.

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Vorstandsmitglieder“84, das „Begehen durch Unterlassen“85 bzw. das „Handeln für einen anderen“86 regeln. In Bezug auf das Beispiel 5 bejaht die überwiegende deutsche und spanische Strafrechtslehre die Mittäterschaft sowohl der Vorstandsmitglieder als auch der Ingenieure hinsichtlich der Straftatbestände der Luftverunreinigung (§ 325 dStGB, Art. 325 sStGB) und des Betrugs (§ 263 dStGB, Art. 249 sStGB), denn alle Beteiligten hätten die Mitherrschaft über die Verwirklichung des genannten Strafunrechts. Die Herrschaft der Vorstandsmitglieder würde sich in ihrer einstimmigen Entscheidung widerspiegeln, die den Ingenieuren den Einbau der Manipulationssoftware in den Automotoren genehmigt. Die Mitherrschaft der Ingenieure würde sich ihrerseits in dem Einbau des Manipulationssoftwareprograms in die Motoren der Autos äußern. Beide Beiträge wären nach dieser Ansicht für die Verwirklichung der erwähnten Strafunrechte entscheidend, so dass ohne das Vorliegen eines dieser Beiträge weder der Tatbestand der Luftverunreinigung noch das Strafunrecht des Betrugs verwirklicht wäre. Nach dem Verständnis eines anderen Sektors der Strafrechtswissenschaft beider Länder sollen Vorstandsmitglieder und Ingenieure (Mit-) Anstifter bzw. Mittäter sein87. Im Unterschied dazu wären die Vorstandsmitglieder und Ingenieure aus Sicht der Theorie der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft mittelbare Mittäter bzw. unmittelbare Täter88. Schließlich werden Vorstandsmitglieder und Ingenieure aus Sicht eines Teils der spanischen Strafrechtswissenschaft als Mittäter bzw. „erforderliche“ Gehilfen bestraft. Gegen die durch die h. L. entwickelte erste These, welche den Vorstandsmitgliedern und Ingenieuren die Mittäterschaft zurechnet, richten sich dieselben Einwände, die bereits gegen andere phänotypische Erscheinungsformen der Mittäterschaft in verschiedenen Unterabschnitten der vorliegenden Arbeit erhoben wurden. Aus diesem Grund sollen diese Einwände nicht nochmals im Detail erklärt werden; es genügt der Hinweis, dass diese Einwände methodologischer, dogmatischer, struktureller und normativer Natur89 sind. Gegen den die mittäterschaftliche Anstiftung der Vorstandsmitglieder und die Mittäterschaft der außenstehenden Ausführenden vertretenden zweiten Ansatz90 lässt sich Folgendes einwenden: Die Vorstandsmitglieder wären als Anstifter verantwortlich, wenn sie nicht verpflichtet wären, die sich aus der wirtschaftlichen 84

Siehe § 93 AktG und § 225 KGG. Vgl. dazu oben § 10 A.II. dieser Untersuchung, in dem das in § 13 dStGB und § 11 sStGB geregelte Begehen durch Unterlassen erläutert wurde. 86 Hierfür oben § 10 A.I. 87 Siehe oben § 7 B.I. 88 Zu dieser Auffassung in der Rechtsprechung vgl. oben § 5 A., B. Zu dem durch einen Teil der deutschen und spanischen Strafrechtswissenschaft zugunsten dieses Lösungsmodells entwickelten dogmatischen Gesichtspunkts siehe oben § 6 C. 89 Siehe oben § 5 F.; § 7 A.I.2.c). 90 Siehe oben § 7 B.I. 85

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

Tätigkeit des von ihnen geleiteten Unternehmen ergebenden strafrechtlich verbotenen Risiken zu erkennen und zu vermeiden. Aber die Vorstandsmitglieder in den Rechtssystemen Deutschlands und Spaniens sind – wie oben91 bereits erläutert – dazu verpflichtet, u. a. die Gesellschaft unter ihrer eigenen Verantwortung und mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG, Art. 225 Abs. 1 KGG) richtig zu leiten. Dies bedeutet gem. § 93 Abs. 2 AktG und Art. 225 Abs. 2 KGG, dass die Vorstandsmitglieder kraft ihrer Führungszuständigkeit die sich für das Unternehmen ergebenden Risiken frühzeitig erkennen und beseitigen müssen. Folglich dürfen die Vorstandsmitglieder trotz fehlender Herrschaft über den tatsächlichen Einbau des Softwareprograms in die Automotoren nicht bloße Anstifter sein, weil die unterlassende (oder begehende) Verletzung der genannten Pflichten keine Anstiftung weder der Luftverunreinigung noch des Betrugs bildet. Nicht weniger wichtig und noch akuter sind die Kritiken an dem von den Verfechtern der Theorie der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft vorgeschlagenen Lösungsmodell. Diese Kritikpunkte wurden bereits oben92 ausführlich dargelegt, so dass hier nur kurz auf diese Einwände Bezug genommen wird. Die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft erfüllt nämlich nicht die allen Strafhaftungsformen zugrundeliegenden Erfordernisse; ebenso halten die mittelbare Täterschaft der Vorstandsmitglieder und die unmittelbare Mittäterschaft der Ingenieure nicht die Voraussetzungen der „mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate“ ein, da es keine Auswechselbarkeit der Ingenieure in der Autoherstellerfirma, keine Herrschaft der Vorstandsmitglieder über die konkrete Tatbestandsverwirklichung und keine Rechtsgelöstheit des Autoherstellerunternehmens gibt. Der kritisierte Ansatz verstößt zudem gegen das Gesetzlichkeitsprinzip. Aus Sicht des Verfassers erfüllen die Handlungen der Vorstandsmitglieder die normativen Voraussetzungen der unmittelbaren Einzeltäterschaft des Strafunrechts der Luftverunreinigung (§ 325 ff. dStGB, Art. 325 ff. sStGB) und des Betrugs (§ 263 dStGB, Art. 249 sStGB), da die von den Beteiligten verwirklichten Handlungen gegen die in den jeweiligen (Straf-)Rechtssystemen Deutschlands und Spaniens geschützten strafrechtlichen negativen Allgemeinpflichten verstoßen. Die negative Allgemeinpflicht, die durch § 325 ff. dStGB und Art. 325 ff. sStGB geregelt ist und deren Verstoß die Einzeltäterschaft begründet, lautet „Jeder eine Industrieanlage betreibende Bürger ist verpflichtet, keine Luftveränderungen zu verursachen, die die Gesundheit Dritter, Tiere, Pflanzen oder andere Sachen von bedeutendem Wert schädigen können“. In ähnlicher Weise bürden §§ 263 ff. dStGB und Art. 249 sStGB allen Bürgern die negative Allgemeinpflicht auf, „das Vermögen eines anderen mittels eines durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen erregten oder unterhalten Irrtums nicht zu beschädigen, um sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen“. Dies 91 92

Siehe hierfür § 10 B.II.3. Siehe oben § 6 C.III.

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

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zeigt, dass nur auf ontologischer Ebene gesagt werden kann, dass die die erwähnten Pflichten auf verschiedene Weise verletzt werden, beispielsweise wie in Fall 5, in dem die Verletzung der bereits erläuterten zwei Pflichten von Vorstandsmitgliedern und Ingenieuren gemeinsam begangen wurde. Gleichwohl wurde die Verletzung dieser Pflichten aus normativer Sicht nicht kollektiv oder gemeinschaftlich von Vorstandsmitgliedern und Ingenieuren ausgeführt, sondern nur von den Vorstandsmitgliedern individuell und parallel. Folglich handelt es sich im Beispiel 5 um mehrere parallele normative Einzeltäterschaften, die von den Vorstandsmitgliedern verwirklicht werden. Ebenso wie in Fall 4 beschränkt sich die Begründung der Täterschaft der Vorstandsmitglieder des Autoherstellers nicht auf die Erfüllung der normativen Erfordernisse, die sowohl in § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB als auch in den jeweiligen Straftatbeständen der Strafgesetzbücher Deutschlands und Spaniens geregelt sind. Daneben fordern die gesetzlichen Strafrechtssysteme beider Länder zur Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder die Einhaltung normativer Anforderungen, die sowohl in verschiedenen außerstrafrechtlichen Vorschriften und in Strafnormen derselben Strafgesetzbücher festgelegt sind. In der ersten Gruppe sind etwa § 93 AktG und Art. 225 KGG zu nennen; in der zweiten Gruppe stehen §§ 13, 14 dStGB und Art. 11, 31 sStGB, welche festlegen, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit – im Fall 5 die Täterschaft – den verwaltungsrechtlichen Unternehmensleiter zugerechnet werden muss93. Im Unterschied zu den Vorstandsmitgliedern sind die Ingenieure – wie zuvor94 erklärt – als Gehilfen für die Allgemeinpflichtdelikte von Betrug und Luftverunreinigung verantwortlich. 4. Unmittelbare Einzeltäterschaft von Unternehmensleitern und Untergebenen aufgrund der Verletzung unternehmerischer negativer Allgemeinpflichten, die ontologisch durch individuelle und unabhängige Herrschaft von Geschäftsführern und Untergebenen ausgeführt werden Die vorliegende phänotypische Ausdrucksform normativer Einzeltäterschaft wird in den Fallkonstellationen relevant, in denen der Verstoß gegen die negative Allgemeinpflicht (welche sowohl alle Bürger als auch die Unternehmer oder Unternehmensleiter verpflichtet, ihre individuellen Zuständigkeitsbereiche bzw. die Unternehmensorganisation ordnungsgemäß zu organisieren und damit die Ausführung von betriebsbezogenen Allgemeinpflichtdelikten zu vermeiden) weder von Unternehmern (oder Unternehmensorganen) noch von Untergebenen (oder Außenstehenden) vollständig beherrscht wird. Vielmehr wird die faktische Tatherrschaft von 93 94

MüKoStGB-Alt, Band 5, 3. Aufl., § 325, Rn. 81. Siehe oben § 6 C.III.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

Unternehmensleitern und Außenstehenden über die Verletzung der negativen Allgemeinpflicht nur teilweise und unabhängig voneinander ausgeübt. Unter dieser ontologischen Voraussetzung unterscheidet sich die gegenwärtige phänotypische Form der normativen Einzeltäterschaft von den anderen phänotypischen Ausdrucksformen darin, dass die Herrschaft über die Tatbestandsherbeiführung weder vollständig und eigenhändig ausgeübt wird (zum Beispiel bei der traditionellen unmittelbaren Täterschaft), noch gemeinsam (wie bei der kollegialen Mittäterschaft von Unternehmern oder/und Unternehmensleitern) oder funktional (wie bei der Mittäterschaft von Unternehmern bzw. Unternehmensleitern und Untergebenen). Hingegen findet die Beherrschung von Unternehmern (und/oder Unternehmensleitern) und Angestellten über die Verletzung negativer Allgemeinpflichten (Tatbestandsherbeiführung) individuell und unabhängig voneinander statt; d. h. es gibt keinen gemeinsamen Entschluss zur Tatbestandsdurchführung, geschweige denn eine Funktionsverteilung während der Ausführung des Strafunrechts. Jeder Beteiligte beschließt autonom, gegen die negative Allgemeinpflicht zu verstoßen. Zu dieser Fallkonstellation kommen – wie bei den vorhergehenden Fällen – verschiedene durch die Strafrechtslehre Deutschlands und Spaniens vorgeschlagene Lösungen in Betracht. Eine Gruppe vertritt das Vorliegen einer Mittäterschaft von Unternehmern (oder Unternehmensleitern) und Untergebenen; eine andere Gruppe befürwortet das Bestehen von zwei parallelen Mittäterschaften: eine Mittäterschaft von Unternehmern und/oder Unternehmensleitern und eine weitere Mittäterschaft von Untergebenen; eine dritte Ansicht begünstigt die Beihilfe der Unternehmer und die Mittäterschaft der Untergeordneten. Schließlich spricht ein vierter Gesichtspunkt für die Mittäterschaft der Unternehmensleiter und die Beihilfe der Untergebenen. Eine deutlichere Erklärung des in der vorliegenden Untersuchung vorgeschlagenen andersartigen Lösungsvorschlags kann ausgehend von der Erörterung der zwei folgenden Beispiele gegeben werden: Beispiel 6: Die P-GmbH und das V-GmbH sind zwei autonome Wirtschaftsunternehmen, die Spielwaren herstellen bzw. vertreiben. Nach einiger Zeit erhalten die Geschäftsführer dieser Unternehmen Meldungen über Gesundheitsschäden bei Kindern, die durch den Gebrauch der Spielwaren aufgetretenen waren. In Kenntnis dieser gefährlichen Situation beschließen die Geschäftsführer der herstellenden Firma, dennoch weiterhin die Spielwaren herzustellen. Gleichfalls beschließen die Geschäftsführer des Vertriebsunternehmens – ohne Vereinbarung mit den Geschäftsführern der Herstellerfirma –, den Verkauf dieser Produkte fortzusetzen. Einige Wochen nach der Fortsetzung der Produktherstellung und des Produktverkaufs sterben einige Kinder und andere erleiden Gesundheitsschäden. Die Rechtsmediziner bestätigten nachträglich, dass der Tod einiger und die Gesundheitsschäden anderer Kinder durch die in den Spielzeugen enthaltenen giftigen Substanzen verursacht wurden.95 Bei der Entscheidung für die Weiterführung der Herstellung und des Verkaufs dieser Spielzeuge sahen die Geschäftsführer beider Firmen diese tatbestandlichen Erfolge voraus und nahmen sie in Kauf. 95

Frisch, Rogall-FS, S. 123.

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Beispiel 7: M-AG und T-AG sind zwei autonome Mutter- bzw. Tochtergesellschaften. Während die Muttergesellschaft (MG) sich mit der Goldgewinnung beschäftigt, befasst sich die Tochtergesellschaft (TG) mit der sich aus der Tätigkeit der MG ergebenen Abwasserentsorgung. Der Vorstand der MG entscheidet, die Investition in die Behandlung der aus dem Goldabbau stammenden Abfälle zu verringern. Der Vorstand der MG informiert das Leitungsgremium von TG darüber, dass die Investitionen in die Abwasserbehandlung auf 50% sinken werden. Trotz ihrer Kenntnis der Unmöglichkeit, das Abwasser ordnungsgemäß zu behandeln, akzeptiert die Abfallverwertungsgesellschaft das Angebot der Muttergesellschaft. Zur Kostenersparnis beschließen die Unternehmensleiter der TG, auf wesentliche Behandlungsphasen des Abwassers zu verzichten. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sieht die MG die rechtswidrige Vorgehensweise der TG vor und nimmt sie in Kauf. Die Leiter der TG weisen ihre Mitarbeiter unter Drohung mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes an, das fehlerhaft behandelte Abwasser zu entsorgen.

Aus den durch die Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens entwickelten theoretischen Lösungsmodellen ergeben sich die folgenden Lösungsmöglichkeiten: Nach den bereits erläuterten Standpunkten kommen für das Beispiel 6 die folgenden Lösungen in Betracht: Nach der ersten Ansicht stellen sowohl die Handlungen der Geschäftsführer des Spielzeugherstellers P-GmbH als auch die Handlungen der Geschäftsführer Vertriebsfirma V-GmbH eine einzige Mittäterschaft96 hinsichtlich der Tatbestände des Totschlags (§ 212 dStGB, Art. 138 sStGB) und Körperverletzung (§§ 223 ff. dStGB, Art. 147 ff. sStGB) dar. Aus der Sicht des zweiten Lösungsmodells gäbe es zwei parallele Mittäterschaften, nämlich die der Geschäftsführer der Herstellerfirma P-GmbH und die der Geschäftsführer des Vertriebsunternehmens V-GmbH. Nach dem dritten Lösungsmodell waren die Geschäftsführer der P-GmbH und die Geschäftsführer der V-GmbH mittäterschaftliche Gehilfen bzw. unmittelbare Mittäter. Nach dem vierten Modell wären die Geschäftsführer der produzierenden Firma unmittelbare Mittäter und die Geschäftsführer des verkaufenden Unternehmens einfache Gehilfen. Dem ersten Lösungsvorschlag ist zu widersprechen, da die Handlungen aller Beteiligten die allgemeinen Voraussetzungen der Mittäterschaft nicht erfüllen. Die bloße Beteiligung von mehreren Subjekten (Geschäftsführer beider Firmen) bedeutet nicht, dass eine solche ontologische mehrköpfige Beteiligungsform die Mittäterschaft begründet. Mehr noch halten die Handlungen nicht die ontologischen Voraussetzungen der Mittäterschaft ein, da weder ein gemeinsamer Tatentschluss noch eine gemeinschaftliche Tatbestandverwirklichung vorliegt. Hinsichtlich des zweiten Lösungsmodells kann ein Ergebnis akzeptiert werden, welches die Annahme von zwei parallelen Mittäterschaften befürwortet; aber was nicht akzeptabel ist, ist seine ontologische Begründung der Mittäterschaft, da auf normativer Ebene die ontolo96 In der spanischen Strafrechtswissenschaft etwa García Cavero, Administrador de hecho, S. 94 ff.; Feijóo Sánchez, Derecho penal de la empresa, S. 223 ff.; Íñigo Corrosa, Responsabilidad penal del fabricante, S. 265 ff.; Silva Sánchez, CDJ 1997, S. 17 ff.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

gischen Kategorien keine Rolle zur Begründung und Bestimmung der Täterschaftsformen spielen. Die vom dritten Ansatz als Lösung vorgeschlagene unterlassene mittäterschaftliche Beihilfe der Geschäftsführer der P-GmbH und die unmittelbare Mittäterschaft der Geschäftsführer der V-GmbH werden hier nochmals verneint, denn die kommunikative Bedeutung der Handlungen der Geschäftsführer des herstellenden Unternehmens erfüllen nicht die Erfordernisse der Beihilfe, sondern der Täterschaft. Gleiches gilt für die vierte vorgeschlagene Lösungsvariante, weil die Handlungen der Geschäftsführer der Vertriebsfirma nicht die normativen Erfordernisse der Beihilfe, sondern die Voraussetzungen der Täterschaft erfüllen. Nach Ansicht des Verfassers begründen die rechtswidrigen Handlungen der Geschäftsführer der Wirtschaftsunternehmen (P-GmbH und V-GmbH) zwei unterschiedliche strafrechtliche Verantwortungsformen: Parallele unmittelbare Einzeltäterschaften der Geschäftsführer der V-GmbH einerseits und parallele unmittelbare Beihilfen der Geschäftsführer der P-GmbH andererseits. Die täterschaftliche Verantwortlichkeit der Geschäftsführer der V-GmbH gründet sich auf die Verletzung von zwei negativen strafrechtlichen Allgemeinpflichten: Zum einen die in §§ 25, 212 ff. dStGB und Art. 28 Abs. 1, 138 ff. sStGB geregelte Pflicht, „das Leben anderer nicht willkürlich zu nehmen“; zum anderen die in §§ 25, 223 ff. dStGB und Art. 28 Abs. 1, 147 ff. sStGB festgestellte Pflicht, „die Gesundheit des anderen nicht zu schädigen“. Solche Pflichten betreffen ursprünglich das Unternehmen V-GmbH oder seine Gründer, aber entsprechend § 14 dStGB i. V. m. 43 Abs. 1 AktG und entsprechend Art. 31 sStGB i. V. m. Art. 225 Abs. 1 KGG werden diese Pflichten auf die Vertretungsorgane übertragen, so dass im vorliegenden Beispiel die Geschäftsführer für die Erfüllung und/oder Verletzung der genannten Pflichten verantwortlich sind. Da diese Pflichten von jedem Geschäftsführer unmittelbar und individuell verletzt werden, ist die auf jeder Pflichtverletzung beruhende Täterschaft jedes Geschäftsführers auch direkt und individuell. Die Verantwortlichkeit der Geschäftsführer der P-GmbH als Gehilfen wird unten (§ 11 C.II.5.) behandelt. In Bezug auf das Beispiel 7 würden die Vertreter der erläuterten theoretischen Ansätze – in Übereinstimmung mit der im Beispiel 6 zum Ausdruck gebrachten Argumentation – ähnliche Lösungen bezüglich der Form strafrechtlicher Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder der Muttergesellschaft, Vorstandsmitglieder und Mitarbeiter der Tochtergesellschaft vorschlagen. Nach der ersten Ansicht würden die Handlungen der Vorstandsmitglieder der Muttergesellschaft, der Vorstandsmitglieder der Tochtergesellschaft und der Mitarbeiter sie allesamt zu Mittätern eines Umweltdelikts (§ 324 ff. dStGB und Art. 325 ff. sStGB) machen. Nach der zweiten Ansicht wären die drei Personengruppen parallele Mittäter von unterschiedlichen mittäterschaftlich begangenen Delikten, da die Handlungen jeder Gruppe eine eigene Mittäterschaft schaffen. Ein drittes Lösungsmodell spricht sich für die Anstiftung der Unternehmensleiter der Mutter- und Tochtergesellschaft und

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die unmittelbare Täterschaft der Mitarbeiter aus. Nach einem vierten Ansatz sollen schließlich die Mitglieder der genannten mehrköpfigen Unternehmensleitungsorgane mittelbarer Täter sein, weil sie durch den Zwang gegenüber den Mitarbeitern, die Straftat auszuführen, die gesetzlichen Anforderungen der mittelbaren Täterschaft erfüllen würden97. Die unmittelbaren handelnden Mitarbeiter blieben hingegen straflos, da sie entschuldigt handeln würden98. Gegen das erste und zweite Lösungsmodell kommen prinzipiell dieselben Einwände in Betracht, wie sie bereits gegen die erste und zweite Lösungsalternative im Beispielsfalls 6 vorgebracht wurden. So spricht gegen den ersten Vorschlag die Tatsache, dass im Beispiel 7 nicht nur die ontologischen Voraussetzungen der Mittäterschaft, sondern vor allem die normativen Elemente dieser Täterschaftsform fehlen, welche nach ihren eigenen Vertretern für die Begründung der Mittäterschaft in den Fällen erforderlich sind, in denen einige Beteiligte (wie hier die Vorstandsmitglieder der Tochter- und Muttergesellschaften) zur Erfüllung positiver Sonderpflichten verbunden sind. So würde eine Mittäterschaft nach diesem Verständnis nur vorliegen, wenn beim genannten Beispiel 7 – außer dem des Vorliegens eines gemeinsamen Tatentschlusses, eines wesentlichen Beitrags und einer gemeinschaftlichen Straftatverwirklichung – alle Beteiligte als Sonderpflichtträger (nämlich als Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer) die positive Sonderpflicht zur Verhütung bestimmter Sachverhalte verletzen würden. Dies ist beim Beispiel 7 nicht möglich, weil die Mitarbeiter keine Sonderpflichtträger99 sind. In Bezug auf den Vorschlag des zweiten Ansatzes ist zu sagen, dass dieser teilweise mit dem Ergebnis der hier vorgeschlagenen Lösung übereinstimmt, da er – wie hier – die Täterschaft der Unternehmensleiter beider Unternehmen begründet. Trotzdem liegt ein wesentlicher Unterschied in der Grundlage der parallelen Mittäterschaften, da der kritisierte Ansatz und der hier entwickelte Gegenvorschlag ihre Thesen über ontologische bzw. normative Elemente begründen. Der dritte Lösungsvorschlag wird auch verworfen, denn obwohl die Begehungsaspekte der Handlungen der Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer die ontologische Struktur der Anstiftung besitzen, erfüllen die kommunikativen Akte der Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer aufgrund des Vorliegens positiver Sonderpflichten bezüglich der ordnungsgemäßen Unternehmensleitung die normativen Anforderungen der Täterschaft100. Um genauer zu sein, erfüllen die auf die Begehung von Straftaten der Mitarbeiter gerichteten aktiven Handlungen der Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer der Mutter- bzw. Tochtergesellschaft nicht die Erfordernisse einer aktiven Anstiftung, sondern die normativen Strukturelemente der Täterschaft der Allgemeinpflichtdelikte. Weiter wird auch die These verneint, die für die mittelbare Täterschaft der Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer und die Straflosigkeit der unmittelbaren Mitarbeiter spricht. Der 97 Vgl. dazu Ransiek, ZGR 1999, 638. In der spanischen Rechtswissenschaft siehe Rodríguez Montañés, Roxin-FS, S. 328. 98 Vgl. Herzberg, Verantwortung für Arbeitsschutz, S. 198. 99 Frisch, Rogall-FS, S. 145. 100 Ähnlich Frisch, Rogall-FS, S. 128, 143.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

Grund liegt darin, dass im überprüften Beispiel die Tatherrschaft des Hintermannes über die Tatbestandsverwirklichung fehlt, welche zur Begründung der Täterschaft der Unternehmensleiter herangezogen werde. Mit Frischs Worten „fordert die mittelbare Täterschaft herkömmlich die tatsächliche Herrschaft einer Person (des beherrschenden Hintermannes) über den die Weisungen des Hintermannes ausführenden Vordermann“101; aber daran fehlt es beim Beispiel 7, weil die Mitarbeiter frei handeln. Aus Sicht des Verfassers gibt es im Fall 7 zwei Gruppen paralleler unmittelbarer Einzeltäterschaften. Die erste Gruppe paralleler individueller Einzeltäterschaften sind mit dem Verstoß gegen die strafrechtlichen Pflichten verbunden, die die Vorstandsmitglieder der Tochtergesellschaft betreffen. Die zweite Gruppe paralleler unmittelbarer Einzeltäterschaften gründet sich auf die Übertretung der negativen Allgemeinpflichten, für die die Mitarbeiter (Arbeitnehmer) der Tochtergesellschaft verantwortlich sind. Bei der ersten Gruppe erfolgt die individuelle Verletzung der die parallele unmittelbare Einzeltäterschaft jedes einzelnen Vorstandsmitglieds für das Gewässer- oder Bodenverunreinigungsdelikt begründenden negativen Allgemeinpflicht durch die Verletzung einer positiven besonderen Pflicht, die darin besteht, das Unternehmen ordnungsgemäß zu führen (§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG, Art. 225 Abs. 1 KGG). In der zweiten Gruppe wird der Verstoß gegen die der parallelen unmittelbaren Einzeltäterschaft jedes Mitarbeiters für den Gewässerverunreinigungstatbestand zugrundeliegende negative Allgemeinpflicht durch die fehlerhafte Organisation des individuellen Freiheitsraums der Arbeitnehmer begangen, denn trotz der drohenden Gefahr, ihre Arbeitsplätze zu verlieren, handeln sie nicht unter dem Schutz eines Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrunds102, weil sie die Möglichkeit hatten, ordnungsgemäß zu agieren, d. h. die Anweisungen der Geschäftsführer nicht auszuführen. Die Vorstandsmitglieder der Muttergesellschaft haften nur als Gehilfen. Dies wird unten (§ 11 C.II.5.) erläutert. 5. Unmittelbare Einzeltäterschaft von Unternehmensleitern kraft Verletzung unternehmerischer negativer Allgemeinpflichten, die ontologisch durch die Ausnutzung eines vorsatzlos handelnden Vordermanns ausgeführt werden Im Unterschied zur durch die überwiegende deutsche und spanische Strafrechtslehre beim allgemeinen Beteiligungssystem und insbesondere bei vorsätzli101

Frisch, Rogall-FS, S. 145. Etwa Perron, Strafrechtliche Verantwortung für Straftaten von Wirtschaftsunternehmen?, S. 236; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., Rn. 369 ff.; bezüglich der Natur, Struktur und Konsequenzen de Rechtfertigungs- und/oder Entschuldigungsgründe vgl. SSKPerron, 30. Aufl., § 34, Rn. 41b; ders., Rechtfertigung und Entschuldigung im deutschen und spanischen Recht, Baden-Baden, S. 250. 102

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chen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen entwickelten unmittelbaren Täterschaft und Mittäterschaft, in denen aus einer phänotypischen Betrachtung die Unternehmer oder Unternehmensleiter ihre negative unternehmerische Allgemeinpflichten individuell103 bzw. gemeinschaftlich104 mit anderen Beteiligten verletzen, wird die hier erläuterte unmittelbare Täterschaftsform gebildet, wenn die Tatsachen, welche die tatbestandlichen Elemente der Pflichtverletzung erfüllen, nicht von den unternehmensbezogenen Personen (etwa Gesellschaftern und Geschäftsführern einer GmbH; Aktionären, Vorstand oder Aufsichtsrat einer AG), sondern von einem vorsatzlosen handelnden Vordermann (etwa Arbeiter) verwirklicht werden105. Es handelt sich um die Fallkonstellation, die durch die herrschende Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens in Übereinstimmung mit § 25 Abs. 1 Alt. 2 dStGB und Art. 28 Abs. 1 Alt. 3 sStGB als mittelbare Täterschaft bezeichnet wird; denn aus ihrem auf dem Tatherrschaftskriterium beruhenden Standpunkt beherrscht der Hintermann (Unternehmer oder Unternehmensleiter) die Verletzung seiner unternehmerischen negativen Allgemeinpflicht durch die Instrumentalisierung des Vordermannes, der ohne Vorsatz handelt106. Diese im Bereich der Wirtschaftsunternehmen stattfindenden Fälle sind nämlich solche, bei denen der Vorgesetzte die (berufsbedingte) Zwangslage oder Irrtümer seiner Mitarbeiter ausnutzt und durch diese dann Straftaten begangen werden107. Nach der normativen Begründung des hier entwickelten Beteiligungsmodells stellt die genannte ontologische Ausdruckform der unternehmerischen Pflichtverletzung in normativem Sinne ausschließlich eine unmittelbare Täterschaft dar. Dafür sprechen u. a. zwei Argumente: Zum einen ist die Instrumentalisierung des vorsatzlosen handelnden Vordermannes eine bloße ontologische Ausweitung der unmittelbaren Herrschaft des Hintermannes. Dies ergibt sich daraus, dass der Vordermann als bloßes Werkzeug des Hintermannes108 keine kommunikativen Akte verwirklicht und daher ist seine faktische Mitwirkung für die normative Begründung des Täterunrechts und deren Täterschaftsform strafrechtlich irrelevant. Auf der normativen Ebene ist die Bedeutung dessen, was das instrumentalisierte Subjekt tut, dieselbe wie die eines Dietrichs, falls eine Person die Tür eines Juweliergeschäfts öffnet, um den darin gefundenen Juwelen zu stehlen. So wie beim Diebstahl von Juwelen der Dieb, der den Dietrich verwendet, um die Tür öffnen, unmittelbarer Täter ist, so ist auch unmittelbarer Täter 103

§ 11 B. II. 1. § 11 B. II. 2. 105 Siehe hierzu Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, 1. Abschnitt, A; Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 103; Perron, Strafrechtliche Verantwortung für Straftaten von Wirtschaftsunternehmen?, S. 235. 106 Ausdrücke dieser ontologischen Herrschaftsform vom Hintermann über den Willen des Vordermannes sind die Beispiele 8 und 9. 107 Aus der Sicht der Organisationsherrschaftslehre vgl. Häcker, Wirtschaftsstrafrecht, § 19, Rn. 9. 108 Häcker, Wirtschaftsstrafrecht, § 19, Rn. 8. 104

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

der „Hintermann“ (hier der Unternehmer oder Unternehmensleiter), der gegen seine strafrechtliche negative Allgemeinpflicht durch die Instrumentalisierung eines vorsatzlosen handelnden Vordermannes verstößt. Denn wie die Verwendung des Dietrichs ein ontologisches Element des Verhaltens des Diebes und als solches nicht von normativer Bedeutung zur Bestimmung der Täterschaftsform ist, ist auch das instrumentalisierte Subjekt, das ohne Kontrolle seines Willens (ohne Vorsatz) handelt, ein bloßes phänotypisches Element des Verhaltens des Unternehmers oder Unternehmensleiters und spielt daher keine Rolle bei der Bestimmung der Form der Täterschaft. Zum anderen ist aus einem normativen Gesichtspunkt und in Übereinstimmung mit den vorstehenden Ausführungen die Verletzung aller Rechtspflichten und damit der Verstoß gegen die negativen unternehmerischen Allgemeinpflichten stets unmittelbar109. Dies bedeutet, dass die von dem Unternehmensleiter verwirklichte Pflichtverletzung auch dann unmittelbar ist, wenn das handelnde Vordersubjekt vorsätzlich handelt, d. h. wenn der instrumentalisierte Vordermann seine Pflicht verletzt. Dies liegt einfach darin, dass alle Pflichten persönlich und unmittelbar sind und folglich auch ihre Verletzung von gleicher Natur ist110. In diesem Zusammenhang wird hier entgegen der Strafrechtswissenschaft und Rechtsprechung Deutschlands und Spaniens das Bestehen einer unmittelbaren Täterschaft in der Fallkonstellation bejaht, in der ein Unternehmer oder Unternehmensleiter seine negativen unternehmerischen Allgemeinpflichten durch bestimmte Akte verletzen, die faktisch von instrumentalisierten vorsatzlosen handelnden Vorderpersonen ausgeübt werden. So müssen § 25 Abs. 1 Alt. 2 und Art. 28 des dStGB bzw. sStGB aus normativer Sicht nur zur Bestimmung des Quantums einer konkreten Strafe berücksichtigt werden. Um die hier entwickelten Thesen bezüglich der analysierten unmittelbaren Täterschaftsform zu erklären, werden die folgenden Beispiel verwendet: Beispiel 8: G ist Geschäftsführer eines Unternehmens, das Autos an- und verkauft. G kauft gebrauchte Autos, die von seinen Mitarbeitern K und L lackiert werden, die nichts von der weiteren Verwendung der Autos wissen. G verkauft die Autos danach als neuwertig zu Preisen, die erheblich über den für gebrauchte Autos üblichen liegen. In diesem Zusammenhang verkauft der Mitarbeiter (V) dem Kunden (K) einen dieser Gebraucht- als Neuwagen für 20.000,00 Euro, ohne zu wissen, dass es sich um einen Gebrauchtwagen handelte. Der Markpreis für ein solches gebrauchtes Auto beträgt etwa 10.000,00 Euro. Beispiel 9: Aufgrund des Auftretens eines eine tödliche Pandemie verursachenden gefährlichen Virus stellt die Aktiengesellschaft „Schwarzwald-Chemie“ einen Impfstoff gegen das Virus her. Zwecks der Produktionskostensenkung entscheidet der Vorstand des Unternehmens einstimmig, den genannten Impfstoff in großen Mengen ohne vorherige medizinische Be109 110

Zur normativen unmittelbaren Pflichtverletzung vgl. oben § 9 B.II. Dazu oben § 11 B.I.

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

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wertung und ohne Genehmigung der zuständigen Behörden herzustellen und zu vertreiben. Die Apotheker und Ärzte, die den Impfstoff verkauften bzw. anwendeten, kennen die rechtswidrige Impfstoffherstellung durch die „Schwarzwald-Chemie“ nicht. Einige Wochen nach dem Beginn des Impfstoffverkaufs und der Impfstoffanwendung treten bei vielen geimpften Patienten Flecken auf ihrer Haut auf; andere Patienten erleiden Haarausfall. Überzeugende Sachverständigengutachten zeigen nachträglich, dass die Flecken und der Haarausfall durch den Impfstoff verursacht werden. Zum Zeitpunkt seiner Entscheidungsfindung kennt der Vorstand diese und andere Auswirkungen und akzeptiert trotz dieses Wissens die sich einstellenden Folgen.

Nach Ansicht der traditionellen Strafrechtsdogmatik Deutschlands und Spaniens gäbe es in den Beispielen 8 und 9 eine mittelbare Täterschaft bzw. mittelbare Mittäterschaft. Während im Beispiel 8 der Geschäftsführer der Autoverkaufsfirma mittelbarer Täter des Betrugstatbestands sei, seien die Vorstandsmitglieder des den Impfstoff herstellenden und vertreibenden Unternehmens mittelbare Mittäter u. a. des Straftatbestands der Körperverletzung. Denn aus ihrer Sicht beruhen sowohl die mittelbare Täterschaft des Geschäftsführers der GmbH als auch die mittelbare Mittäterschaft der Vorstandsmitglieder der AG „Schwarzwald-Chemie“ auf der Beherrschung des Willens ihrer Mitarbeiter bzw. der Leiter und Mitarbeiter der Apotheken111. Hingegen würden die Mitarbeiter des Autoverkaufsunternehmens, die Miterbeiter des Unternehmens „Schwarzwald-Chemie“, die Leiter der Apotheken und deren Mitarbeiter straflos bleiben112, weil sie ohne Vorsatz handeln. Auch nach der in dieser Untersuchung vertretenen Auffassung gilt bezüglich des achten Beispiels, dass die Mitarbeiter des Autoverkaufsunternehmens straflos bleiben. Aus einer normativen Sicht liegt die Grundlage dieser Straflosigkeit darin, dass die Mitarbeiter keinen kommunikativen Akt gegen die Geltung der strafrechtlichen Verhaltensnorm verwirklichen und daher keine negative strafrechtliche Allgemeinpflicht verletzen. Die Nichtverletzung einer strafrechtlichen Pflicht von den Mitarbeitern beruht auf der Nichterfüllung der Voraussetzungen objektiver und subjektiver Zurechnung. Die normativen Erfordernisse der objektiven Zurechnung werden nicht eingehalten, weil die Mitarbeiter unter dem Schutz des Vertrauensgrundsatzes handeln, die im Unternehmensbereich gewährleistet, dass die Mitarbeiter, welche ihre jeweiligen unternehmerischen Zuständigkeitsbereiche richtig organisieren, nicht für die Risiken oder schädlichen Erfolge verantwortlich sind, die zu den Organisationsbereichen der Unternehmer oder Unternehmensleiter gehören113. Im Beispiel 8 vertrauen die Mitarbeiter vernünftigerweise darauf, dass der Geschäftsführer der Autoverkaufsfirma seine Rechtspflichten ordnungsmäßig erfüllt; nämlich, dass er gebrauchte Autos nicht als Neuwagen zu einem Preis verkauft, der über ihrem tatsächlichen Wert liegt. Die Nichterfüllung subjektiver Tatbe111

Zur durch die Rechtsprechung Deutschlands und Spaniens entwickelten mittelbaren Täterschaft der Unternehmensleitungsmitglieder wegen der Willensherrschaft über die Untergebenen mittels der Unternehmensorganisation vgl. oben § 5 A. bzw. § 5 B. 112 Ähnlich oben § 5 A. 113 Vgl. dazu oben § 10 C.I.1.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

standselemente ist ihrerseits auf das Fehlen von Vorsatz und Bereicherungsabsicht114 zurückzuführen, da die Mitarbeiter ohne Kenntnis des rechtswidrigen Verhaltens des Geschäftsführers handeln. Es gibt jedoch große Unterschiede hinsichtlich der Begründung und Form der dem Geschäftsführer der Autoverkaufsfirma zuzurechnenden Strafverantwortung. Aus der hier vertretenen Sicht ist der Geschäftsführer der Autoverkaufsfirma unmittelbarer Täter des Betrugsverbrechens; die Mitarbeiter (Lackierer und Verkäufer) des Unternehmens sind hingegen von der Strafhaftung ausgeschlossen. Die unmittelbare Täterschaft des G liegt darin, dass G alle objektiven und subjektiven tatbestandlichen Voraussetzungen des unmittelbaren Täterunrechts des Betrugsverbrechens115 ausführt. Auf normativer Ebene werden die täterschaftlichen Elemente durch die Verletzung der strafrechtlichen Pflicht erfüllt, die allen Bürgern – und damit auch den Geschäftsführern einer GmbH – auferlegt, „das Vermögen eines anderen durch einen durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen erregten oder unterhalten Irrtum nicht zu beeinträchtigen, um sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen“. Im Beispiel 8 äußern sich die tatbestandsmäßigen Elemente der erwähnten unmittelbaren Täterschaftsform des Betrugstatbestands in zwei tatsächlichen Gegebenheiten: Einerseits in dem vorsätzlichen Verkauf eines Gebraucht- als Neuwagen von dem Geschäftsführer der GmbH116, dessen realer Preis die Hälfte des Preises des verkauften Autos beträgt; andererseits in dem Vermögensschaden, der sich für den Kunden aus dem überteuerten Kauf des umlackierten Autos ergibt117. Die von der überwiegende Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens für das Beispiel 9 favorisierte Lösung und der in der vorliegenden Untersuchung entwickelte Vorschlag weisen ebenfalls eine Ähnlichkeit auf. Es handelt sich um die Straflosigkeit sowohl der Mitarbeiter des Unternehmens „Schwarzwald-Chemie“ als auch der Leiter und Mitarbeiter der Apotheken, die den Impfstoff den Verbrauchern verkauften. Zur Begründung dieser Straflosigkeit – wie beim Beispiel 8 – kommen sowohl das Fehlen von Elementen bei der objektiven Zurechnung als auch das Fehlen von Elementen bei der subjektiven Zuschreibung in Betracht, welche entweder das Täter- oder Teilnehmerunrecht begründen. Im Bereich der objektiven Zurechnung führt die Anwendung des Vertrauensgrundsatzes zum Ausschluss der Mitarbeiter von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, da sie wegen der richtigen Einhaltung ihrer beruflichen Pflichten kein verbotenes strafrechtliches Risiko schaffen118. Auf der subjektiven Ebene erfüllen die Handlungen sowohl der Mitarbeiter der den Impfstoff herstellenden Firma als auch der Leiter und Mitarbeiter der Apotheken nicht die 114

Siehe hierfür LK-Tiedemann, Band 9/1, 12. Aufl., § 263, Rn. 287 f. Vgl. dazu Wittig, 4. Aufl., Wirtschaftsstrafrecht, § 14, Rn. 132 ff.; LK-Tiedemann, Band 9/1, 12. Aufl., § 263, Rn. 239 ff. 116 LK-Tiedemann, Band 9/1, 12. Aufl., § 263, Rn. 287 f. 117 LK-Tiedemann, Band 9/1, 12. Aufl., § 263, Rn. 287 f. 118 Über die sich aus dem Vertrauensgrundsatz ergebende Straflosigkeit siehe oben § 10 I.1. 115

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

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normativen Voraussetzungen der subjektiven Zurechnung, da diesen Beteiligten die von den Vorstandsmitgliedern verwirklichte Straftat nicht bekannt ist119. Neben dieser Ähnlichkeit gibt es große Unterschiede bei der Täterschaftsbegründung und Täterschaftsform, die den Vorstandsmitgliedern der den Impfstoff herstellenden AG zugerechnet werden soll. Im Unterschied zur h. L. Deutschlands und Spaniens, welche den Vorstandsmitgliedern die mittelbare Mittäterschaft zurechnet, schreibt der in dieser Arbeit entwickelte dogmatische Standpunkt jedem der Vorstandsmitglieder die unmittelbare Täterschaft zu, denn aus der hier vertretenen Sicht bestehen im Beispiel 9 so viele parallele unmittelbare Täterschaften wie die Anzahl unmittelbarer Einzelverstöße gegen die von den Vorstandsmitgliedern durchgeführte negative Allgemeinpflicht. So gibt es im neunten Beispiel fünf parallele unmittelbare Einzeltäterschaften, da jedes Vorstandsmitglied gegen seine jeweilige individuelle Unternehmenspflicht negativer allgemeiner Natur verstößt. Die von jedem der Vorstandsmitglieder verletzte negative Allgemeinpflicht lautet, „alle Bürger dürfen eine andere Person körperlich nicht misshandeln oder nicht an der Gesundheit schädigen“; daher ist die Strafhaftungsform, die den Vorstandsmitgliedern in Übereinstimmung mit der unmittelbaren und individuellen Form der Pflichtverletzung zugerechnet werden muss, die unmittelbare Einzeltäterschaft. 6. Unmittelbare Einzeltäterschaft von Unternehmensleitern kraft Verletzung negativer Allgemeinpflichten mit ausschließlicher Herrschaft der vorsätzlich handelnden Untergebenen Diese unmittelbare Einzeltäterschaft von Unternehmensleitern und Untergebenen (etwa Mitarbeitern) wird gebildet, wenn ein Untergebener oder Außenstehender allein die faktische Tatherrschaft über die Verwirklichung eines Allgemeinpflichtdelikts ausübt, die sich aus der Verletzung einer sowohl zur Zuständigkeitssphäre der Unternehmensleiter als auch zum Organisationsbereich des Untergebenen gehörenden negativen Allgemeinpflicht ergibt. Innerhalb dieser unmittelbaren Täterschaftsform können ihrerseits drei phänotypische Fallkonstellationen unterschieden werden. Die erste „ontologische Erscheinungsform“ zeichnet sich dadurch aus, dass „phänotypisch“ die Verletzung der negativen Allgemeinpflicht mit Herrschaft des Untergebenen über die faktische Tatbestandsausführung und Hilfeleistung des Unternehmensleiters verwirklicht wird. Dies wird durch das folgende Beispiel erklärt. Beispiel 10: Der Vorstand einer Bank weist den Schaltermitarbeiter an, eine verdächtige Geldtransaktion nach Luxemburg durchzuführen. Der Schaltermitarbeiter überweist das Geld, obwohl er 119 Zum Ausschluss der subjektiven Zurechnung, wenn der Beteiligte – Täter oder Teilnehmer – bei einer vorsätzlichen Straftat ohne Kenntnis der objektiven Tatbestandselemente handelt, siehe oben § 10 C.II.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

weiß, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass diese Transaktion einer Geldwäsche oder Steuerhinterziehung dienen kann.

Die zweite ontologische Erscheinungsform umfasst Fälle, in denen der Untergebene die Verletzung der negativen Allgemeinpflicht individuell beherrscht, aber diese auf einem veranlassenden Verhalten der Unternehmensleiter oder auf einem gemeinsamen Tatentschluss von Unternehmensleitern und Untergebenen beruht. Dazu kommt das folgende Beispiel in Betracht: Beispiel 11 (erste Abwandlung des Beispiels 10): Der Schaltermitarbeiter einer Bank informiert den für die Aufdeckung der Geldwäsche zuständigen Beauftragten, dass ein Kunde eine verdächtige Geldtransaktion ins Ausland vornehmen wird. Nach der Bestätigung, dass es sich bei dieser Transaktion um Geldwäsche handelt, berichtet der Geldwäschebeauftragte dem Bankvorstand von dieser Situation. Der Vorstand beschließt vorsätzlich, diese Situation nicht der Financial Intelligence Unit zu melden. Vielmehr rät der Vorstand dem Schaltermitarbeiter, wie er die Geldtransaktion durchführen sollte, damit die Geldüberweisung durch die zuständigen Strafverfolgungsbehörden nicht aufgedeckt werden können.

Zur dritten Beispielkonstellation gehören Fälle, in denen einerseits die Untergebenen alleinige faktische Herrschaft über die Verletzung der negativen Allgemeinpflicht haben und andererseits die Unternehmensleiter und Untergebenen sich unabhängig voneinander für die Verletzung ihrer jeweiligen negativen Allgemeinpflichten entscheiden. Diese ontologische Ausdruckform der unmittelbaren Einzeltäterschaft zeigt sich im folgenden Beispiel. Beispiel 12 (zweite Abwandlung des Beispiels 10): Der Schaltermitarbeiter einer Bank informiert den für die Aufdeckung der Geldwäsche zuständigen Beauftragten vorsätzlich nicht darüber, dass ein Kunde eine verdächtige Geldtransaktion ins Ausland machen wird. Der für die Aufdeckung von Geldwäsche zuständige Beauftragte, der auch die unmittelbar bevorstehende Geldtransaktion kennt, teilt auch vorsätzlich dem Bankvorstand nichts über diese Situation mit. Der Bankvorstand, der auch weiß, dass das Geld des Kunden aus rechtswidrigen Taten kommt, beschließt ebenso vorsätzlich, sowohl diese Situation nicht der „Financial Intelligence Unit“ zu melden als auch die Geldtransaktion nicht zu verhindern. In diesem Zusammenhang, in dem alle Beteiligten unabhängig voneinander beschließen, ihre Pflichten zu verletzen, führt der Schaltermitarbeiter die Transaktion durch.

Die drei in den Fällen 10, 11 und 12 dargestellten phänotypischen Formen unmittelbarer Einzeltäterschaft der Unternehmensleiter zeichnen sich durch die faktische Herrschaft der Untergebenen über die Verletzung der negativen Allgemeinpflicht aus, was aus einer radikalen ontologischen Sicht zum Ausschluss der Vorstandsmitglieder und des zuständigen Beauftragten für Geldwäscheaufdeckung von der Zurechnung der Täterschaft führt, da sie keine faktische Herrschaft über den Verstoß gegen die negative Allgemeinpflicht haben. Aus Sicht eines Sektors der Strafrechtswissenschaft sind Vorstandsmitglieder und Untergebene (Ketten-)An-

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

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stifter bzw. unmittelbare Täter des Geldwäschedelikts120. Jedoch wird aus einem normativen Gesichtspunkt eine solche Möglichkeit ausgeschlossen, weil in diesem Bereich die Täterschaft nicht auf ontologischen Kategorien, sondern auf normativen Elementen beruht. Aus diesem Grund muss sowohl zum richtigen Ausschluss oder zur Begründung der Täterschaft der Vorstandsmitglieder und Untergebenen (Geldwäschebeauftragter und Schaltermitarbeiter) als auch zur genauen Bestimmung der den genannten Beteiligten an den Verletzungen der negativen Allgemeinpflichten zurechenbaren Täterschaftsform zunächst bestimmt werden, welche Pflicht jeder der Beteiligten verletzt: eine die Täterschaft begründende Pflicht (§ 25 dStGB, Art. 28 Abs. 1 sStGB), oder eine die Teilnahme begründende Pflicht (§§ 26, 27 dStGB; Art. 28 Abs. 2 sStGB)? Diese Fragen werden aus einer allgemeinen Sicht und aus einer spezifischen Betrachtung beantwortet. Allgemein betrachtet verletzen die Vorstandsmitglieder die in § 25 dStGB und in Art. 28 Abs. 1 sStGB festgestellten negative Allgemeinpflicht, die alle Bürger verpflichtet, ihre Bereiche der individuellen Freiheit richtig zu organisieren. Die Vorstandsmitglieder verletzen diese Pflicht – gemäß der Terminologie der traditionellen Strafrechtswissenschaft – entweder durch ein unterlassendes Verhalten121 oder durch ein aktives Tun122, welches die Grundlage der Strafhaftungsform der Täterschaft oder der Teilnahme ist. Aus einer spezifischen Betrachtung hat jedes der Vorstandsmitglieder die in §§ 25, 261 dStGB und Art. 28 Abs. 1, 301 sStGB enthaltene strafrechtliche negative Allgemeinpflicht verletzt, die alle Bürger dazu verpflichtet, „einen aus einer rechtswidrigen Tat stammenden Gegenstand nicht zu verbergen, seine Herkunft nicht zu verschleiern, das Auffinden, die Einziehung oder die Sicherstellung eines solchen Gegenstandes nicht zu vereiteln oder nicht zu gefährden“. Die strafrechtliche Betrachtung dieser Pflichtverletzung als Täterschaft ist mit dem Zweck des in § 261 dStGB und Art. 301 sStGB geregelten Straftatbestands vereinbar, welcher auf die Verfolgung der „Papierspur“ des bemakelten Vermögens bei jedermann angelegt ist123. In Bezug darauf ist anzumerken, dass bei der Bestimmung der Verletzung der den Vorstandsmitgliedern entsprechenden genannten negativen Allgemeinpflichten die §§ 14, 13, 261, dStGB und die Art. 11, 31, 301 sStGB eine grundlegende Rolle spielen. Gemäß § 261 dStGB und Art. 301 sStGB sind die Wirtschaftsunternehmen – etwa die Banken – Träger der in diesen Strafvorschriften enthaltenen negativen Allgemeinpflichten und daher dürfen sie diese Pflichten nicht verletzen. Andererseits sind die Vorstandsmitglieder entsprechend bzw. gemäß §§ 14, 13 dStGB (i. V. m. 120 Vgl. dazu Perron, Strafrechtliche Verantwortung für Straftaten von Wirtschaftsunternehmen?, S. 236. 121 Die Verletzung der negativen Allgemeinpflicht durch Unterlassen drückt sich im Verhalten der Vorstandsmitglieder (Beispiele 10 und 12) und im Verhalten des für die Aufdeckung der Geldwäsche zuständigen Beauftragten (Beispiel 12) aus. 122 Der Verstoß gegen die negative Allgemeinpflicht durch ein aktives Tun äußert sich in der Handlung des Schaltermitarbeiters (Beispiele 10, 11 und 12). 123 MüKoStGB-Neuheuser, Band 4, 3. Aufl., § 261, Rn. 102.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

§ 93 AktG, § 2 Abs. 1 GwG) und Art. 11, 31 sStGB (i.Vm. Art. 225 KGG) verpflichtet, nicht nur die erwähnte Pflicht eigenhändig oder persönlich nicht zu untergraben, sondern auch zu verhindern, dass diese Pflichten von ihren Untergebenen verletzt werden. Denn die primär an den durch § 2 Abs. 1 GwG Verpflichteten bzw. dessen Vorstand (§ 14 Abs. 1 StGB) gerichtete Garantenpflicht umfasst gemäß § 43 Abs. 1 GwG die Pflicht, Verdachtsfälle anzuzeigen und interne Sicherungsmaßnahmen im Sinne von § 9 GwG zu ergreifen124. Wenn die Unternehmensleiter einen Geldwäschebeauftragten im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 1 GwG einsetzen, geht ihre Garantenpflicht im Umgang seiner Beauftragung auf den eigesetzten Beauftragten über125. Aber dem durch § 2 Abs. 1 GwG unmittelbar Verpflichteten verbleibt noch eine Aufsichts- und Kontrollpflicht hinsichtlich der ordnungsgemäßen Pflichterfüllung des Geldwäschebeauftragten. Aus diesem Grund verletzen die Vorstandsmitglieder die negative Allgemeinpflicht – wie bereits gesagt – entweder persönlich durch ein aktives Verhalten (etwa in den Beispielen 10 und 11) oder durch ein unterlassendes Verhalten, das in der Nichtvermeidung der von dem Schaltermitarbeiter verwirklichten Geldtransaktion besteht (etwa in Fall 12). In diesem Zusammenhang führt eine systematische und teleologische Auslegung dieser Strafvorschriften dazu, die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder als unmittelbare Täter des Geldwäschetatbestands zu bejahen, wenn sie durch den Verstoß gegen ihre Vorstandspflichten (Meldung der verdächtige Geldtransaktion der Financial Intelligence Unit und Nichtvermeidung der Geldtransaktion) ein durch §§ 25, 261 dStGB und Art. 28 Abs. 1, 301 sStGB verbotenes strafrechtliches Risiko schaffen. Im Unterschied zu den Vorstandsmitgliedern haften der Geldwäschebeauftragte und der Schaltermitarbeiter als Teilnehmer am Geldwäscheverbrechen, da sie nur die negative Allgemeinpflicht verletzen, die die Beihilfe begründet (vgl. unten § 11 C.II.4.). 7. Einzeltäterschaft wegen Verletzung der unternehmerischen negativen Allgemeinpflichten, welche ausschließlich durch die Untergebenen vorsätzlich und mit Herrschaft verwirklicht werden Diese ontologische Form der unmittelbaren Einzeltäterschaft findet grundsätzlich in zwei Fallkonstellationen statt: Erstens geht es um die Fallgruppe, in der die Unternehmer (oder Unternehmensleitungsorgane) ihre negativen Allgemeinpflichten gemäß den im Gesellschaftsrecht (etwa § 93 AktG und Art. 225 KGG) festgelegten normativen Anforderungen erfüllen. Im Unterschied dazu organisieren die Untergebenen oder Außenstehenden ihre Freiheitsbereiche fehlerhaft, so dass diese Organisationsformen strafrechtlich verbotene Risiken schaffen. Mit anderen Worten wird diese ontolo124 125

MüKoStGB-Neuheuser, Band 4, 3. Aufl., § 261, Rn. 105. MüKoStGB-Neuheuser, Band 4, 3. Aufl., § 261, Rn. 105.

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

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gische Ausdrucksform der unmittelbaren Einzeltäterschaft ausgeführt, wenn die Untergebenen ihre strafrechtlichen Pflichten verletzen, welche die Täterschaft bei den Allgemeinpflichtdelikten begründen, während die Unternehmensleiter – insofern sie ordnungsgemäß handeln – ihre negativen Allgemeinpflichten weder vorsätzlich noch fahrlässig verletzen. Beispiel dieser phänotypischen Äußerungsform ist der folgende Fall. Beispiel 13: Der Geschäftsführer einer sich mit der Herstellung von Textilwaren aus Alpaka- und Vikunjawolle befassenden GmbH weist – wegen des Auftretens eines tödlichen Virus für die Arbeitnehmer – seine Untergebenen an, neue wirksamere Desinfektionsmittel zu verwenden, um strafrechtlich verbotene Risiken für das Leben oder die Gesundheit der Arbeitnehmer zu vermeiden. Die Untergebenen halten sich nicht an die Anweisung des Geschäftsführers und sterilisieren die Wolle weiterhin mit alten Desinfektionsmitteln von verminderter Wirksamkeit, obwohl sie die Infektion und den Tod der Arbeitnehmer als sehr wahrscheinlich vorhersehen. Dies führt zur Infektion und zum Tod von drei Arbeitern, die Kontakt mit der infizierten Wolle haben126.

Zweitens kommt die Fallgruppe in Betracht, in der die Unternehmensleiter zwar ohne Vorsatz, aber auch nicht mit der in § 93 AktG und Art. 225 KGG geregelten erforderlichen Sorgfalt handeln; d. h. die Unternehmensleiter verletzen ihre negativen Allgemeinpflichten durch die Verletzung der objektiven Sorgfaltspflicht. Solche fahrlässigen Handlungen der Unternehmensleiter werden von Untergebenen ausgenutzt, um ihre negativen Allgemeinpflichten vorsätzlich zu verletzen, die die vorsätzlichen Allgemeinpflichtdelikte begründen. Kurz gesagt handelt es sich um Fälle, in denen die Unternehmensleiter ihre negativen Allgemeinpflichten fahrlässig und ohne Tatherrschaft verletzen, während die Untergebenen gegen dieselben Pflichten vorsätzlich und mit Tatherrschaft verstoßen. Beispiel 14: Die Rechtsberater einer sich mit der Abwasserbehandlung beschäftigenden GmbH informieren die Geschäftsführer der GmbH darüber, dass ein neues Gesetz in Kraft getreten ist, welches die erlaubte Grenze der Abwasserverschmutzung verringert hat. Aus diesem Grund empfehlen die Rechtsberater den Geschäftsführern, erforderliche Maßnahmen zu ergreifen, um die Abwasserentsorgung mit einem verbotenem Verschmutzungsgrad zu vermeiden, und damit eine unmittelbar bevorstehende administrative und/oder strafrechtliche Haftung zu vermeiden. Die Geschäftsführer missverstehen jedoch die Rechtsberater und teilen den Zuständigen für die Abwasserbehandlung mit, dass das neue Gesetz die erlaubte Kontaminationsgrenze erweitert hat. Die Untergebenen wissen, dass die von den Geschäftsführern gegebene Anweisung irrig ist, teilen dies den Geschäftsführern jedoch nicht mit. Im Gegenteil entsorgen sie das Abwasser mit einem verbotenen Verschmutzungsgrad in Kenntnis, dass dies ein Gewässer verunreinigt oder sonst dessen Eigenschaften nachteilig verändert.

Im Beispiel 13 bleibt der Geschäftsführer straflos, weil er – in der Maß er seine Unternehmensleiterpflicht ordnungsgemäß erfüllt – innerhalb des erlaubten Risikos 126

Ein ähnliches Beispiel findet sich in Roxin, AT I, 4. Aufl., § 11, Rn. 74.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

handelt. In Bezug auf die Betrachtung des Verhaltens des Geschäftsführers als erlaubtes Risiko legt der Vertrauensgrundsatz fest, dass jeder Pflicht- oder Zuständigkeitsträger – wie oben127 bereits erklärt –, der sich selbst rechtspflichtmäßig verhält, grundsätzlich auf das pflichtmäßige Verhalten der anderen vertrauen darf128; d. h. wer seine gesetzlichen Pflichten nicht verletzt, ist nicht für die strafrechtlichen Risiken verantwortlich, die mit seiner rechtmäßigen Organisation faktisch verbunden sind, aber normativ von anderen selbstverantwortlichen Personen geschaffen werden. Daraus leitet sich her, dass der Geschäftsführer im Beispiel 13 erlaubt handelt, weil er – soweit er rechtmäßig handelt – vernünftig darauf vertraut, dass seine Untergebenen die vom ihm richtig erteilte Anweisung rechtsgemäß befolgen. Im Übrigen äußert sich das erlaubte Verhalten des Geschäftsführers in der den Untergebenen erteilten richtigen Anweisung, die darin besteht, neue Desinfektionsmittel einzusetzen, um Risiken für das Leben der Arbeitnehmer zu vermeiden. Folglich hat das Verhalten des Geschäftsführers keine strafrechtliche Relevanz. Die Untergebenen sind ihrerseits als Täter eines Totschlags verantwortlich, weil sie gegen die negative Allgemeinpflicht verstoßen, die es allen Bürgern verbietet, eine andere Person vorsätzlich zu töten. Dies bedeutet, dass die Handlungen der Untergebenen die objektiven und subjektiven normativen Elemente des Totschlags erfüllen. In objektiver Hinsicht schaffen die Untergebenen ein strafrechtlich verbotenes Risiko, das durch § 212 dStGB und Art. 138 sStGB als Totschlag kriminalisiert wird. Auf subjektiver Ebene handeln die Untergebenen mit Tötungsvorsatz129, denn sie desinfizieren die Wolle mit ungeeignetem Desinfektionsmittel und übergeben sie den Arbeitern in Kenntnis, dass sie sich mit dem Virus infizieren und sterben können. Sofern die Untergeordneten gegen ihre negative Allgemeinpflicht parallel, unmittelbar und individuell verstoßen, haften sie sodann als unmittelbare parallele Einzeltäter für das Totschlagsdelikt. Die Geschäftsführer sind im Beispiel 14 strafbar. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich die genannten Geschäftsführer im Vergleich zu dem Geschäftsführer des Textilwarenherstellungsunternehmens in einer anderen Rechtslage befinden: Während in Beispiel 13 der Geschäftsführer durch den Vertrauensgrundsatz geschützt handelt und sein Verhalten daher durch das erlaubte Risiko gedeckt wird, verletzen die Geschäftsführer des Abwasserbehandlungsunternehmens ihre Pflichten zur ordnungsgemäßen Führung des Unternehmens, was darin zum Ausdruck kommt, dass sie den Untergebenen irrige Anweisungen erteilen130. Diese fahrlässige rechtswidrige Handlung verhindert, dass die Geschäftsführer darauf vertrauen dür127

Vgl. dazu oben § 10 C.I.1. Etwa Alexander, Verantwortlichkeit, S. 127 ff.; Duttge, Bestimmtheit des Handlungsunwerts, S. 468 ff.; Otto, Schroeder-FS, S. 347; Walter, Pflichten des Geschäftsherrn, S. 135 ff. 129 Siehe hierfür SSK-Eser/Sternberg-Lieben, 30. Aufl., § 212, Rn. 5. 130 Bezüglich der Pflicht der Geschäftsführer, ihren Untergebenen richtige Anweisungen zu erteilen, und anderer Pflichten, die sich aus ihrer ordnungsmäßigen Unternehmensleitungspflicht ergeben, siehe Alexander, Verantwortlichkeit, S. 211 ff.; Eidam, Unternehmen, S. 229; Otto, Schroeder-FS, S. 345. 128

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

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fen, dass ihr rechtswidriges Verhalten von ihren Untergebenen korrigiert wird; denn der Vertrauensgrundsatz schützt nur diejenigen, die sich ordnungsgemäß organisieren, nicht jedoch diejenigen, die rechtswidrige Handlungen verwirklichen, die gegen die strafrechtlichen Pflichten verstoßen. Daraus folgt, dass die Geschäftsführer als unmittelbare parallele Einzeltäter für eine fahrlässige Gewässerverunreinigung131 haften, die in §§ 324 Abs. 3, 324a Abs. 3 dStGB und Art. 331 sStGB vorgeschrieben ist. Die Untergebenen sind auch weder durch ein die objektive oder subjektive Zurechnung des Straftatbestands ausschließendes strafrechtliches Institut noch durch einen Rechtsfertigungs- oder Entschuldigungsgrund geschützt. Die Handlungen der Untergebenen sind hingegen strafrechtlich verbotene kommunikative Akte, weil sie sowohl gegen die in §§ 25, 324 Abs. 1, 324a Abs. 1 dStGB als auch in Art. 28 Abs. 1, 325 ff. sStGB geregelte negative Allgemeinpflicht verstoßen, die allen Bürgern verbietet, die Umwelt zu verschmutzen. In diesem Zusammenhang verletzen die Untergebenen in normativer Hinsicht die genannte negative Allgemeinpflicht mit Eventualvorsatz und in unmittelbarer, paralleler und individueller Form; aus diesem Grund sind die Untergebenen unmittelbare parallele Einzeltäter eines vorsätzlichen unerlaubten Umgangs mit Abfällen132

C. Teilnahmeformen Im Bereich vorsätzlicher Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen regeln die Strafrechtssysteme Deutschlands und Spaniens zwei gemeinsame Merkmale aufweisende Teilnahmeformen. Es handelt sich bei diesen Teilnahmeerscheinungsformen um Anstiftung und Beihilfe, die im Gegensatz zur Täterschaft auf der Verletzung zweier unterschiedlicher strafrechtlicher Pflichten allgemeiner negativer Natur beruhen. Darüber hinaus normiert das sStGB die „erforderliche Beihilfe“, die sich – wie später noch zu sehen sein wird – qualitativ von der Täterschaft und quantitativ von der (bloßen) Beihilfe unterscheidet. Jede dieser Teilnahmeformen wird im Folgenden anhand konkreter Fälle erläutert, von denen einige durch die Rechtsprechung gelöst wurden und andere in dieser Forschung entwickelte theoretische Beispiele sind. 131 Perron entwickelt eine ähnliche These hinsichtlich der fahrlässigen Täterschaft von Unternehmensleitern für die Körperverletzung, wenn die Risiken für die Gesundheit der Verbraucher, Anwohner und Mitarbeiter durch die fahrlässige Verletzung der den Unternehmensleitern entsprechenden Organisations- und Kontrollpflichten geschaffen werden, vgl. dazu Perron, Strafrechtliche Verantwortung für Straftaten von Wirtschaftsunternehmen?, S. 235. 132 Ähnlich spricht sich Perron für die vorsätzliche Täterschaft einer vorsätzlichen Körperverletzung von Untergebenen (etwa Arbeitern) aus, wenn die Untergebenen die von den Unternehmensleitern gegebene fahrlässige Anordnung und die sich daraus ergebenden Folgen überblicken und dennoch die Anordnung ausführen. Siehe hierfür Perron, Strafrechtliche Verantwortung für Straftaten von Wirtschaftsunternehmen?, S. 235.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

I. Anstiftung Bei den unternehmerischen Allgemeinpflichtdelikten besteht die Anstiftung in der durch § 26 dStGB, Art. 28 Abs. 2a sStGB und die jeweiligen Straftatbestände des Besonderen Teils beider Strafrechtssysteme festgestellten Verletzung der negativen Allgemeinpflicht. Diese Pflicht verbietet einerseits allen mit einem Unternehmen verbundenen Personen, durch die Verletzung ihrer Unternehmenspflichten einen Dritten zu veranlassen, gegen das Neminem-Laede-Prinzip zu verstoßen; andererseits verpflichtet sie alle Bürger dazu, die unternehmensbezogenen Personen nicht zu veranlassen, ein Wirtschaftsverbrechen zu verwirklichen. Die erste Form handelt sich sozusagen um eine „endogen-exogene Anstiftung“, weil die die Grundlage des Anstiftungsunrechts bildende Pflichtverletzung von innen nach außen ausgeführt wird: Der Anstifter ist ein Intranus (eine betriebsbezogene Person) und der Angestiftete ein Extraneus (ein nicht betriebsbezogener Dritter). Die zweite Form ist hingegen eine „exogen-endogene Anstiftung“, da die dem Strafunrecht der Anstiftung zugrundeliegende Pflichtübertretung von außen nach innen herbeigeführt wird: Der Anstifter ist ein Extraneus (ein nicht betriebsbezogener Dritter) und der Angestiftete ein Intraneus (eine mit dem Unternehmen verbundene Person). Daraus ergibt sich, dass die Anstiftung bei unternehmerischen Allgemeinpflichtdelikten auch nicht auf dem ontologischen Kriterium der „Beteiligung ohne Herrschaft über die Tatbestandsverwirklichung“, sondern auf normativen Elementen beruht, die sich in der Verletzung der erwähnten negativen Allgemeinpflichten widerspiegeln. Daher ist Anstifter bei der Beteiligung an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen nicht derjenige, der keine Herrschaft über die Tatbestandsverwirklichung hat, sondern der im Vergleich zum Täter eine unterschiedliche qualitative Pflicht verletzt133. Dies setzt nach § 26 dStGB und Art. 28 Abs. 2a sStGB voraus, dass das Verhalten des Anstifters bestimmte objektive und subjektive Elemente erfüllen muss. Objektiv sind das Vorliegen eines vorsätzlichrechtswidrigen Verhaltens des angestifteten Täters und der Beginn des Versuchs der Haupttat erforderlich134. Subjektiv ist ein Doppelvorsatz notwendig, nämlich Vorsatz bezüglich des Vorliegens einer vorsätzlichen Haupttat und Vorsatz hinsichtlich des Bestimmens des Täters zur Herbeiführung eines vorsätzlichen und rechtswidrigen Hauptstrafunrechts135. Diese Anstiftungsformen werden anhand von drei Beispielen besser erklärt. Beispiel 15: M&F ist eine sich mit der Farbenherstellung befassende GmbH. Nach einer Besprechung mit einigen Gesellschaftern (G, H und I) des Unternehmens M&F entscheidet der Geschäftsführer dieser Firma zwecks Kostenersparnis und Gewinnrealisierung für das Unternehmen, eine Gruppe erwachsener Arbeiter zu entlassen und stellt an ihrer Stelle 16- und 133 134 135

Dazu vgl. oben § 9 B.III.1. Siehe hierfür ausführlich oben § 9 C.II.1. Vgl. dazu oben § 9 C.II.2.

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

433

17-Jährige ein, denen ein niedrigeres Gehalt als den Erwachsenen gezahlt wird und die täglich etwa 14 Stunden in dem Betrieb arbeiten. Einigen Wochen nach dem Arbeitsbeginn der Minderjährigen bei der Firma M&F wird der Geschäftsführer darüber informiert, dass die Minderjährigen von einigen Mitarbeitern des von ihm geleiteten Unternehmens sexuell ausgebeutet werden. Der Geschäftsführer teilt diese Situation nicht allen Gesellschaftern in einer Generalversammlung mit, sondern nur den Gesellschaftern G, H und I, die ihm raten, keine internen Untersuchungen durchzuführen, um die Risiken für die Minderjährigen zu erkennen und zu beseitigen. Aus diesem Grund berücksichtigt der Geschäftsführer die eingegangenen Beschwerden nicht und beschließt vielmehr, die Tätigkeit des Unternehmens fortzusetzen. Einige Monate später stellt die Staatsanwaltschaft fest, dass viele der Minderjährigen Opfer nicht nur von Arbeits-, sondern auch von sexueller Ausbeutung sind.

Im Beispiel 15 gibt es zwei Beteiligungsformen: Eine Täterschaft, die auf der Verletzung der zum Zuständigkeitsbereich des Geschäftsführers gehörenden Pflicht beruht, und eine Anstiftung, die sich auf den Verstoß gegen die den Gesellschaftern obliegenden Pflichten gründet. Der Geschäftsführer ist Täter des Delikts der Ausbeutung der Arbeitskraft von Minderjährigen und Gehilfe des sexuellen Missbrauchs von schutzbefohlenen Minderjährigen, da er gegen die strafrechtlichen Pflichten verstößt, deren Verletzungen die Täterschaft bzw. die Beihilfe der erwähnten Straftatbestände begründen. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Geschäftsführers als Täter136 für das Delikt der Ausbeutung der Arbeitskraft von Minderjährigen liegt darin, dass er die in §§ 25, 233 Abs. 2 Nr. 1 dStGB und Art. 28 Abs. 1, 311 sStGB geregelte Pflicht verletzt, die ihm obliegt, „die Selbstbestimmungsfreiheit von Minderjährigen über die Verfügung ihrer Arbeitskraft nicht zu untergraben“. Der Verstoß gegen diese Pflicht äußert sich in der vorsätzlichen Einstellung von Minderjährigen und in der entsprechend geringen Vergütung bei hoher Arbeitslast137. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Geschäftsführers als Gehilfe des Straftatbestands des sexuellen Missbrauchs von schutzbefohlenen Minderjährigen stützt sich ihrerseits darauf, dass der Geschäftsführer als Arbeitgeber von Minderjährigen zwar Adressat und Träger einer positiven Sonderpflicht ist, die im „Schutz der sexuellen Unversehrtheit von Minderjährigen gegen sexuelle Übergriffe anderer Personen“ besteht, die innerhalb des von ihm geleiteten Unternehmens verwirklicht werden, aber § 174 dStGB und Art. 182 sStGB die eigenhändige Begehung der Tat durch Vornahme sexueller Handlungen etc. verlangen138. Die Verletzung dieser Pflicht wird in der vorsätzlichen Entscheidung des Geschäftsführers zum Ausdruck gebracht, keine vorbeugenden Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass Arbeitnehmer die Minderjährige weiterhin sexuell missbrauchen.

136

SSK-Eisele, 30. Aufl., § 174, Rn. 31. Eine Gegenmeinung vertritt MRK-StGBEschelbach, 2. Aufl., § 174, Rn. 41. 137 NK-StGB-Böse, Band 3, 4. Aufl., § 233, Rn. 10 f.; SSK-Eisele, 30. Aufl., § 233, Rn. 5; LK-Kudlich, Band 7/2, 12. Aufl., § 233, Rn. 5. 138 Vgl. dazu etwa SSK-Eisele, 30. Aufl., § 174, Rn. 31.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

Im Gegensatz zum Geschäftsführer sind die Gesellschafter zwar für dieselben Straftaten verantwortlich, aber nicht als Täter, sondern als Anstifter bzw. Gehilfen. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Gesellschafter als Anstifter zur Ausbeutung der Arbeitskraft Minderjähriger beruht unter anderem auf drei Betrachtungen: Erstens begründet die faktische Herrschaftslage der Gesellschafter in der Organisation des Unternehmens keine strafrechtliche Verantwortlichkeit als Täter, da die faktische Herrschaft – wie bereits wiederholt dargelegt – keine normative Rechtskategorie ist, sondern bloße Faktizität und somit ein irrelevantes ontologisches Element, auf dem keine Täterschaft beruhen kann. Zweitens verstoßen die Gesellschafter gegen keine die Täterschaft begründenden Pflichten, weil sie keine Träger von strafrechtlichen Pflichten sind, deren Verstoß die Täterschaft der Ausbeutung der Arbeitskraft von Minderjährigen bildet. Wie bereits erwähnt, fallen die positiven Sonderpflichten in den Zuständigkeitsbereich des Geschäftsführers139 und nicht in den Zuständigkeitsbereich der Gesellschafter. Daher haften die Gesellschafter nicht als Täter für die erwähnten Straftaten. Drittens verletzen die Gesellschafter nur die strafrechtlichen Pflichten, welche die Anstiftung zu den Verbrechen der Ausbeutung der Arbeitskraft von Minderjährigen begründen. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Gesellschafter als Anstifter stützt sich auf die Verletzung der in §§ 26 und 233 Abs. 2 Nr. 1 dStGB und Art. 28 Abs. 2a, 311 sStGB normierten negativen Allgemeinpflicht, die allen Bürgern (und daher auch den Gesellschaftern) verbietet, „einen Dritten zu veranlassen, Minderjährige bei der Arbeit auszubeuten“. Phänotypisch wurde die Verletzung der genannten strafrechtlichen Pflichten im Vorschlag der Gesellschafter an den Geschäftsführer zum Ausdruck gebracht, die Verwirklichung solcher Straftaten nicht zu untersuchen und keine Maßnahmen zur Verhinderung von Arbeits- und sexueller Ausbeutung der Minderjährigen zu ergreifen. Dieser kommunikative Akt der Gesellschafter erfüllt die in § 26 dStGB und Art. 28 Abs. 2a sStGB festgestellten gesetzlichen Voraussetzungen, welche die Strukturelemente der Anstiftung bilden. Dies zeigt, dass die Handlungen der Gesellschafter sowohl die objektiven als auch die subjektiven Erfordernisse der Anstiftung erfüllen. Im objektiven Bereich gibt es sowohl eine begangene vorsätzliche rechtswidrige Hauptstraftat des Täters (im vorliegenden Beispiel eine vom Geschäftsführer begangene Ausbeutung der Arbeitskraft140), an der die Gesellschafter teilnehmen, als auch ein von den Gesellschaftern verwirklichtes Bestimmen zur Ausführung einer vorsätzlich rechtswidrigen Hauptstraftat des Geschäftsführers141. Auf der subjektiven Ebene gibt es ein durch die Anstiftung verlangten doppelten Vorsatz der Gesellschafter: Einerseits Vorsatz hinsichtlich der Vollendung des vom Geschäftsführer ausgeführten Strafunrechts der Ausbeutung der Arbeitskraft142; 139

Siehe hierzu Otto, Schroeder-FS, S. 343 f. Zum objektiven Tatbestandselement der Anstiftung zum Verbrechen der Ausbeutung der Arbeitskraft vgl. MüKoStGB-Renzikowski, Band 4, 3. Aufl., § 233, Rn. 36. 141 Siehe hierfür aus einer allgemeinen Sicht MRK-StGB-Petzsche, 2. Aufl., § 233, Rn. 19. 142 Siehe hierzu MRK-StGB-Petzsche, 2. Aufl., § 233, Rn. 19. 140

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

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andererseits Vorsatz bezüglich ihrer Bestimmungen des Geschäftsführers zur Verwirklichung dieser Straftaten. Beispiel 16: DH-GmbH ist ein Unternehmen, das sich seit 1920 mit der Herstellung von Lederwaren befasst. Zur Vermeidung kontinuierlicher Verluste, die sich aus dem Markteintritt des neuen Wettbewerberunternehmens B-GmbH ergeben, beschließen der Geschäftsführer und einige Gesellschafter der DH-GmbH, die zwei Geschäftsführer der B-GmbH zu bedrohen, um die Lederwaren des von ihnen geführten Unternehmen aus dem Verkehr zu ziehen. Der Geschäftsführer der DH-GmbH beauftragt drei Mitarbeiter der Werbeabteilung des Unternehmens mit der Ausführung dieser Aufgabe. Die Mitarbeiter bestimmen jede der Geliebten der Geschäftsführer des Unternehmens B-GmbH, von diesen ein Video mit sexuellem Inhalt zu drehen. Anschließend fordern die Mitglieder der Werbeabteilung im Namen des Geschäftsführers der DH-GmbH die Geschäftsführer des Unternehmens B-GmbH auf, die Lederwaren des von ihnen vertretenen Unternehmens unverzüglich aus dem Verkehr zu ziehen; andernfalls würden sie Videos der Geschäftsführer mit sexuellem Inhalt offenlegen. Um dieser Drohung Nachdruck zu verleihen, schicken die Mitglieder der Werbeabteilung jedem erpressten Geschäftsführer eine Kopie des genannten Videos, was die Geschäftsführer zum Produktrückruf aus dem Markt veranlasst.

Im Beispiel 16 gibt es drei Beteiligungsformen: a) die Täterschaft der Mitarbeiter der DH-GmbH bezüglich des Nötigungstatbestands, b) die Anstiftung der Mitarbeiter zur Ausführung des Tatbestands der Nötigung durch den Geschäftsführer und die Gesellschafter, c) die Beihilfe der Geliebten der Geschäftsführer zur Verwirklichung der Nötigung. Die Strafhaftung der Mitarbeiter des Unternehmens DH-GmbH als Täter für die Nötigungsstraftat liegt in dem Verstoß gegen die in §§ 25, 240 dStGB und Art. 28 Abs. 1, 172 Abs. 1 sStGB geregelte Allgemeinpflicht, die alle Bürger dazu verpflichtet, „eine andere Person nicht durch Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel rechtswidrig zu zwingen, eine Handlung auszuführen, zu dulden oder zu unterlassen“. Phänotypisch spiegelt sich diese Pflichtverletzung in der Nötigung der Mitarbeiter des Unternehmens DH-GmbH gegen die Geschäftsführer der Firma B-GmbH wider, Videos mit sexuellem Inhalt von ihnen und deren Geliebten offenzulegen, wenn sie das Produkt nicht vom Markt zurücknehmen. Auf normativer Ebene bedeuten jeder der kommunikativen Akten der Mitarbeiter die individuelle und unmittelbare Schaffung verbotener strafrechtlicher Risiken, da diese Handlungen als Ausdruck einer fehlerhaften Organisation des individuellen Freiheitsraums der Mitarbeiter gegen die im Nötigungstatbestand enthaltene allgemeine negative strafrechtliche Verhaltensnorm individuell und unmittelbar verstoßen. Mit anderen Worten sind die Handlungen der Mitarbeiter verbotene strafrechtliche Risiken, die in den §§ 25, 240 dStGB und Art. 28 Abs. 1, 172 Abs. 1 sStGB als Täterschaftsform des Strafunrechts der Nötigung kriminalisiert ist. Demzufolge sind die Mitarbeiter unmittelbare parallele Einzeltäter. Demgegenüber haften die Gesellschafter und der Geschäftsführer der DH-GmbH nur als Anstifter für den Straftatbestand von Nötigung. Dafür gibt es drei Gründe:

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

Zunächst sind die Gesellschafter und der Geschäftsführer keine Täter, weil sie keine negativen Allgemeinpflichten verletzt haben, deren Verstoß die Täterschaft beim Nötigungsdelikt begründet. Eine hypothetische faktische Herrschaftslage der Gesellschafter und des Geschäftsführers über das Unternehmen begründet nicht ohne weiteres ihre strafrechtliche Verantwortlichkeit als Täter eines Nötigungsstrafunrechts, denn als bloße Seinskategorie ist die Beherrschung strafrechtlich irrelevant. Ebenfalls sind die Gesellschafter und der Geschäftsführer keine Träger positiver Sonderpflichten, aufgrund derer sie verpflichtet wären, zu verhindern, dass ihre Mitarbeiter gegen ihre negative Allgemeinpflicht verstoßen, „die Selbstbestimmungsfreiheit der genötigten Geschäftsführer der Firma B-GmbH nicht zu verletzen“. Daher haben sowohl die Gesellschafter als auch der Geschäftsführer weder eine negative Allgemeinpflicht noch eine positive Sonderpflicht verletzt und sind somit weder Täter eines Nötigungsdelikts wegen der Verletzung einer negativen Allgemeinpflicht noch eines Nötigungsdelikts wegen der Verletzung einer positiven Sonderpflicht. Schließlich wirken die Gesellschafter und der Geschäftsführer an der Begehung eines von ihren Mitarbeitern als Täter ausgeführten vorsätzlichen rechtswidrigen Strafunrechts (Nötigung) mit, welches nach § 26 dStGB und Art. 28 Abs. 2a sStGB – i. V. m. § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB – die Anstiftung des Nötigungsstrafunrechts begründet. Kurz formuliert haben die Gesellschafter und der Geschäftsführer nur gegen die in § 26 dStGB und Art. 28 Abs. 2a sStGB geregelte negative Allgemeinpflicht verstoßen, welche allen Personen verbietet, „einen anderen zur Verwirklichung des Nötigungsstraftatbestands zu veranlassen“. Daraus leitet sich her, dass die Mitwirkungen der Gesellschafter und des Geschäftsführers die sowohl in der strafrechtlichen Zurechnungsnorm (§ 26 dStGB, Art. 28 Abs. 2a sStGB) als auch in dem entsprechenden Straftatbestand der Nötigung (§ 240 dStGB, Art. 172 Abs. 1 sStGB) festgelegten normativen Erfordernisse der Anstiftung erfüllen. Genauer gesagt erfüllen die überprüften Handlungen der Beteiligten die normativen Strukturelemente des objektiven und subjektiven Tatbestandes der Anstiftung. Objektiv liegt erstens ein von ihren Mitarbeitern begangenes, vorsätzlich und rechtswidrig vollendetes Hauptunrecht der Nötigung vor, an der die Gesellschafter und der Geschäftsführer mitwirken; zweitens veranlassen die Gesellschafter und der Geschäftsführer ihre Mitarbeiter zur Verwirklichung einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Nötigung, was die Erfüllung des zweiten objektiven Elements darstellt. Subjektiv erfüllen das Verhalten der Gesellschafter und des Geschäftsführers auch die durch § 26 dStGB und Art. 28 Abs. 2a sStGB geforderten Voraussetzungen; denn die erwähnten Beteiligten handeln in Kenntnis sowohl des Vorliegens eines von den Mitarbeitern ausgeführten vorsätzlich und rechtswidrig vollendeten Nötigungstatbestandes (Hauptstraftat) als auch ihres Bestimmens zur Begehung des Nötigungsunrechts. Im Übrigen haften die Geliebten der Geschäftsführer als Gehilfen für das Allgemeinpflichtdelikt der Nötigung143. 143

Siehe hierfür ausführlich unten Fall 19.

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

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Beispiel 17: Einige Aktionäre und die Vorstandsmitglieder einer AG beschließen, das Abwasser der AG in einen Fluss zu gießen. Diese Entscheidung wird den untergeordneten Mitarbeitern mitgeteilt, die vorsätzlich und freiwillig das Abwasser gemäß den Anweisungen der Mitglieder der Unternehmensleitung entsorgen. Diese Art der Abwasserentsorgung führt zu schweren Umweltbeeinträchtigungen, nämlich sowohl zur Flusswasserverschmutzung als auch zum Tod der im Fluss existierenden Pflanzen- und Tierwelt144.

Im vorliegenden Fall treffen zwei Beteiligungsformen zusammen: zum einen die Täterschaft von den Vorstandsmitgliedern und Arbeitnehmern, zum anderen die Anstiftung durch die Aktionäre. Wie bei den oben bereits erklärten Fällen 1 und 7 sind die Unternehmensleiter der GmbH bzw. AG unmittelbare Einzeltäter der Straftatbestände der Gewässer- bzw. Bodenverunreinigung, die in den §§ 324, 324a dStGB und in den Art. 343, 344 sStGB geregelt sind. Wasser- und Bodenverunreinigung sind zwar Allgemeinpflichtdelikte, bei denen sich die Täterschaft auf die Verletzung negativer Allgemeinpflichten stützt, dennoch verhindert dies nicht, dass solche strafrechtlichen negativen Allgemeinpflichten durch den Verstoß gegen eine positive Sonderpflicht verletzt werden. Dies ist der Fall bei den Vorstandsmitgliedern der AG, welche ihre negative Allgemeinpflicht, Wasser und Boden nicht zu verschmutzen, durch die Verletzung ihrer positiven Sonderpflicht verletzen. Aufgrund ihrer positiven Sonderpflicht, die allgemein in der ordnungsmäßigen Organisation des Unternehmens besteht, sind die Vorstandsmitglieder der AG verpflichtet, nicht nur Gewässer und Boden durch persönliche Abwasserentsorgung nicht zu verschmutzen, sondern auch zu verhindern, dass Dritte – etwa Mitarbeiter oder Arbeitnehmer des Unternehmens – Abwasser in den Fluss schütten145. Denn die Einhaltung der positiven Sonderpflicht „richtige Unternehmensleitung“, die den Vorstandsmitgliedern obliegt, umfasst unter anderem die Pflicht, Mitarbeitern (oder Arbeitnehmern) korrekte Anweisungen zu erteilen146 und zu kontrollieren, dass die von den Untergeordneten verwirklichten Aktivitäten des Unternehmens – z. B. die Abwasserentsorgung – rechtmäßig ausgeführt werden147. Die Aufsichtsratsmitglieder wären auch Täter – nämlich parallele unmittelbare Einzeltäter –, wenn sie ihre besondere Kontroll- und Überwachungspflichten hinsichtlich der ordnungsmäßigen Pflichterfüllung des Vorstands verletzt hätten. Dieser Zusammenhang würde vorliegen, wenn der Aufsichtsrat vor der Entscheidung des Vorstands oder der Straftatausführung Kenntnis von diesen Tatsachen erlangt und nichts unternommen hätte, um die Durchführung solcher rechtswidrigen Handlun144

Frisch, Rogall-FS, S. 123. Feijóo Sánchez, Derecho penal de la empresa, S. 200; Frisch, Responsabilidad penal de las empresas, S. 116 f.; Ransiek, ZGR 1999, S. 619 ff.; Walter, Pflichten des Geschäftsherrn, S. 144 ff. 146 Zur Pflicht der Unternehmensleiter, ihren Untergebenen korrekte Anweisungen zu erteilen, siehe Feijóo Sánchez, Derecho penal de la empresa, S. 200 f. 147 Siehe hierfür Feijóo Sánchez, Derecho penal de la empresa, S. 201. 145

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

gen zu verhindern. Grund dieser Strafhaftungsform der Aufsichtsratsmitglieder liegt darin, dass der Aufsichtsrat als Organ, das die Unternehmensführung des Vorstands kontrolliert, nach § 111 AktG verpflichtet ist, die notwendigen präventiven Maßnahmen zu ergreifen, um die Durchführung von Straftaten, die sich aus Missmanagement des Vorstands ergeben, zu verhindern148. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Arbeitnehmer als Täter149 für die Allgemeinpflichtdelikte der Gewässer- (§§ 23, 324 dStGB und Art. 28 Abs. 1, 343 ff. sStGB) bzw. Bodenverunreinigung (§§ 23, 324a dStGB) beruht ihrerseits auf der vorsätzlichen und freien Verletzung von zwei negativen Allgemeinpflichten: Einerseits der Pflicht, „Gewässer nicht durch das Einleiten von Abwasser in einen Fluss zu verschmutzen“ und andererseits die Pflicht, „nicht unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten Stoffe in den Boden einzubringen (oder eindringen zu lassen), die geeignet sind, die Gesundheit eines anderen, Tiere, Pflanzen oder andere Sachen von bedeutendem Wert oder ein Gewässer zu schädigen“. Im Gegensatz zu den Vorstandsmitgliedern, deren Täterschaft sich auf die Verletzung ihrer unternehmerischen negativen Allgemeinpflichten stützt, die sich aus ihren positiven Sonderpflichten zur „ordnungsgemäßen Unternehmensleitung“ herleiten, sind die Arbeitnehmer als Täter für die oben genannten Umweltdelikte wegen der Verletzung ihrer negativen Allgemeinpflichten verantwortlich, welche ein Gegenstück zur Anerkennung der freien Ausübung ihrer jeweiligen individuellen Freiheitsräume sind150. Kurz ausgedrückt, haften die Arbeitsnehmer als Täter für die Straftatbestände von Gewässer- und Bodenverunreinigung, weil sie durch eine fehlerhaft betätigte individuelle Organisationsfreiheit gegen die in §§ 324, 324a dStGB, Art. 343 ff. sStGB enthaltenen negativen strafrechtlichen Allgemeinpflichten verstoßt haben. Die Aktionäre sind – ebenso wie die Gesellschafter in Fall 16 – als Anstifter für die Delikte der Gewässer- und Bodenverunreinigung verantwortlich. Diese Strafhaftungsform der Aktionäre beruht unter anderen auf drei Überlegungen: Erstens sind die Aktionäre keine Täter, da sie keine strafrechtliche Pflicht verletzen, welche die Täterschaft bei den Straftatbeständen der Gewässer- und Bodenverunreinigung begründet. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Aktionäre einerseits nicht gegen die nach § 25 i. V. m. §§ 324, 324a dStGB und Art. 28 Abs. 1, i. V. m. Art. 343 ff. sStGB die Täterschaft bei den erwähnten Umweltdelikten begründenden strafrechtlichen Allgemeinpflichten verstoßen, weil die Aktionäre das Abwasser weder in den Fluss schütten, noch Stoffe in den Boden einbringen oder einbringen lassen. Darüber hinaus sind die Aktionäre keine Träger positiver Sonderpflichten und daher weder verpflichtet, die ordnungsmäßige Unternehmensfüh148

Vgl. dazu Schwerdtfeger, Strafrechtliche Pflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats, S. 82. Baumgarten, Strafbarkeit wegen Gewässerverunreinigung nach § 324 StGB, S. 10; Feijóo Sánchez, Derecho penal de la empresa, S. 201. 150 Ähnlich Feijóo Sánchez, Derecho penal de la empresa, S. 205; Walter, Pflichten des Geschäftsherrn, S. 139 f. Dagegen García Cavero, Administrador de hecho, S. 90 ff.; Jakobs, Sociedad, norma y persona, S. 8. 149

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

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rung des Vorstands zu kontrollieren, noch ihre Mitarbeiter oder Arbeitnehmer daran zu hindern, Abwasser in den Fluss zu schütten oder Substanzen in den Boden eindringen zu lassen. Für die besondere positive Kontroll- und Überwachungspflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung des Vorstands ist der Aufsichtsrat zuständig151, während die Kontroll- und Überwachungspflicht zur richtigen Tätigkeitsausübung der Arbeiter dem Vorstand, nicht jedoch den Aktionären obliegt152; denn soweit im Rahmen einer sog. juristischen Person der in § 14 dStGB und Art. 31 sStGB genannte Personenkreis Pflichten des Unternehmens oder Betriebs zu erfüllen hat, geht die positive Sonderpflicht in vollem Umfang auf den Vertreter über, so dass auch dieser bei einer Pflichtverletzung stets als Täter anzusehen ist153. Dies ist unabhängig davon, ob der Beitrag der Unternehmensleiter sich phänotypisch als Anstiftung oder Beihilfe darstellen würde154. Daher waren nur die Vorstandsmitglieder verpflichtet, zu verhindern, dass ihre untergebenen Miterbeiter bzw. Arbeitnehmer Abwasser in den Fluss schütten und Substanzen in den Boden einbringen oder eindringen lassen. Daraus folgt, dass die Handlungen der Aktionäre die normativen Erfordernisse der Täterschaft nicht erfüllen. Zweitens verletzen die Aktionäre die der Anstiftung zugrundeliegende negative Allgemeinpflicht, die es nach § 26 dStGB und Art. 28 Abs. 1b sStGB allen Bürgern verbietet, einen anderen zur Verwirklichung eines vorsätzlichen begangenen rechtswidrigen Strafunrechts vorsätzlich zu veranlassen. Im vorliegenden Fall verstoßen die Aktionäre gegen die in §§ 26, 324, 324a dStGB und Art. 28 Abs. 1b sStGB geregelte negative Allgemeinpflicht. Diese spezifische Allgemeinpflicht legt fest, dass „keine Person einen Dritten vorsätzlich bestimmen darf, ein vorsätzliches und rechtswidriges Strafunrecht der Gewässer- bzw. Bodenverunreinigung auszuführen“. § 14 dStGB und Art. 31 sStGB übertragen die Zuständigkeit für die richtige Erfüllung unternehmerischer positiver Sonderpflichten, nicht jedoch die Zuständigkeit für die Erfüllung negativer Allgemeinpflichten. Diese negativen Allgemeinpflichten, deren Verletzung die Anstiftung im Strafrechtssystem Deutschlands und Spaniens bildet, bleiben im Zuständigkeitsbereich der Aktionäre, da sich solche Pflichten nicht aus dem Status eines Unternehmers oder Unternehmensleiters, sondern aus dem rechtlichen Personenstatus herleiten. Drittens erfüllen die Handlungen der Aktionäre normative Erfordernisse, die für die objektive und subjektive Zurechnung der Anstiftung zu den Tatbeständen von Gewässer- und Bodenverunreinigung gefordert sind. Im vorliegenden Fall spiegelte sich die Einhaltung solcher objektiven und subjektiven tatbestandlichen Elemente der Anstiftung in der vorsätzlichen Veranlassung der Aktionäre, die die Arbeit151

Vgl. dazu Schwerdtfeger, Strafrechtliche Pflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats, S. 82. Vgl. dazu Feijóo Sánchez, Derecho penal de la empresa, S. 194; Hefendehl, JZ 2004, 19 f.; Nieto Martín, RDPP 2004, S. 259 ff. 153 So etwa Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 100 ff., 108, 135. 154 In die gleiche Richtung Frisch, Rogall-FS, S. 143; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 8, Rn. 431. 152

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

nehmer zum vorsätzlichen und rechtswidrigen Einleiten von Abwasser in den Fluss oder zur vorsätzlichen und rechtswidrigen Stoffeinbringung in den Boden bestimmten. Aufgrund dieser Pflichtverletzung, die die objektiven und subjektiven normativen Erfordernisse der Anstiftung erfüllt, haften die Aktionäre als Anstifter für die Straftatbestände der Gewässer- oder Bodenverunreinigung.

II. Beihilfe Bei Wirtschaftsdelikten wegen Verstoßes gegen negative Allgemeinpflichten liegt die Grundlage der Beihilfe in der Verletzung der negativen Allgemeinpflicht, die in § 27 dStGB, Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB und den entsprechenden Straftatbeständen des Besonderen Teils der Strafrechtssysteme Deutschlands und Spaniens vorgesehen ist. Diese strafrechtliche Pflicht legt zwei Verpflichtungen fest: Zum einen verpflichtet sie die mit dem Unternehmen verbundenen Personen, „einem außenstehenden Dritten bei der Verletzung seiner die Täterschaft begründenden negativen Allgemeinpflicht nicht zu helfen“; zum anderen verpflichtet sie alle Bürger, „Unternehmern oder Unternehmensleitungsorganen keine Hilfe zu leisten, ihre negativen allgemeinen Unternehmenspflichten zu verletzen“. In diesem Sinne fundiert der Verstoß gegen die erste negative Allgemeinpflicht die Beihilfe der Unternehmer oder Unternehmensleitungsorgane an einem negativen Allgemeinpflichtdelikt; in gleicher Weise begründet die Verletzung der zweiten Pflicht die Beihilfe von nicht unternehmensbezogenen Personen, deren Täterunrecht von den Unternehmern oder Unternehmensorganen ausgeführt wird, an einem unternehmerischen Allgemeinpflichtdelikt. Begründen die erwähnten Pflichtverletzungen die Beihilfe an Wirtschaftsdelikten kraft Verstoßes gegen negative Allgemeinpflichten, dann beruht die Beihilfe zu vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen nicht auf einer Beteiligung ohne Herrschaft über die von Unternehmern oder Unternehmensleitungsorganen getroffenen betrieblichen Entscheidungen. Denn die ontologischen Elemente und phänotypischen Erscheinungsformen der kommunikativen Akte, welche gegen strafrechtliche Pflichten verstoßen, begründen keine strafrechtlichen Zurechnungskategorien. Dies bedeutet, dass die phänotypischen Elemente – wie etwa das Vorliegen und Nichtvorliegen der Tatherrschaft oder das Begehen und Unterlassen – keine Rolle bei der Begründung der Beihilfe spielen. Die ontologischen Elemente, in denen sich der phänotypische Ausdruck der Beihilfe äußert – ebenso wie die ontologischen Bestandteile anderer Beteiligungsformen – werden in anderen Stufen der Verbrechenslehre bewertet, beispielsweise bei der Bestimmung des Handlungsbegriffs, bei der Begründung der Schuld, bei der Strafzumessung usw. Daraus folgt, dass sich bei unternehmerischen Allgemeinpflichtdelikten – und insbesondere bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen – der Gehilfe vom Täter nicht wegen seiner Beteiligung ohne Herrschaft über die Tatbestandsausführung (Entscheidungsfindung) unterscheidet, sondern weil seine

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

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Mitwirkung eine andere strafrechtliche negative Allgemeinpflicht verletzt. Der Gehilfe verstößt nämlich gegen die negative Allgemeinpflicht, „einem Dritten (etwa einem Unternehmensleiter) nicht zu helfen, ein Unternehmensdelikt (z. B. eine rechtswidrige Entscheidungsfindung) herbeizuführen“; hingegen verletzt der Täter die negative Allgemeinpflicht, „keine unternehmerische Allgemeinpflicht zu übertreten und daher kein unternehmerisches Delikt auszuführen“. Es ist offensichtlich, dass die Verletzung dieser Pflicht durch das Verhalten des Gehilfen objektive und subjektive Erfordernisse erfüllen muss: In objektiver Hinsicht sind zwei Elemente erforderlich: einerseits das Vorliegen einer vom Täter ausgeführten vorsätzlichen rechtswidrigen Hauptstraftat im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 5 dStGB und Art. 11 sStGB; andererseits die Hilfeleistung für den Täter bei der Durchführung seiner Straftat155. In subjektiver Hinsicht sind auch zwei Elemente (Doppelvorsatz des Gehilfen156) notwendig: Erstens muss der Gehilfe wissen, dass der Täter vorsätzlich handelt157; zweitens muss der Vorsatz des Gehilfen sich weiterhin darauf beziehen, dass sein eigenes Verhalten die Haupttat fördert, d. h., der Gehilfe muss also seinen Beitrag als nützlich für die Haupttat einschätzen158. In diesem Sinne ist es für die Beihilfe irrelevant, ob der Täter um die Beihilfe weiß, noch weniger muss er sie veranlasst haben159. Im Folgenden werden einige Beispiele dargestellt, in denen phänotypische Äußerungsformen der Beihilfe zu vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen bei Delikten kraft Verletzung negativer Allgemeinpflichten gezeigt werden. 1. Beihilfe von unternehmensbezogenen Personen wegen der Verletzung ihrer in § 27 dStGB und Art. 29 sStGB normierten negativen Allgemeinpflichten ohne Tatherrschaft über die Deliktsausführung Diese phänotypische Ausdrucksform der Beihilfe wird relevant, wenn eine beruflich mit einem Unternehmen verbundene Person gegen die allgemeine negative Pflicht verstößt, den Unternehmensleitern nicht bei der Ausführung von Straftaten zu helfen. Es handelt sich um eine Fallkonstellation, in der sich die Beihilfehandlung in der Form eines aktiven Tuns und ohne Herrschaft über die Verbrechensausführung äußert. Zur Erklärung dieser Beihilfeform kommt das folgende Beispiel in Betracht: Beispiel 18: G ist Geschäftsführerin der N-GmbH, die sich mit der Beratung über Vermögensanlagen und Vermittlung solcher Anlagen beschäftigt. Sie beauftragt einen ihrer untergeordneten Mit155 156 157 158 159

Renzikowski, Maurach-AT II, § 52, Rn. 3, 11 ff.; siehe hierfür auch § 9 C.II.1. Renzikowski, Maurach-AT II, § 52, Rn. 53; vgl. auch § 9 C.II.2. Siehe hierfür oben § 9 C.II.2. Renzikowski, Maurach-AT II, § 52, Rn. 59. Jakobs, AT, § 23, Rn. 42; Renzikowski, Maurach-AT II, § 52, Rn. 5.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

arbeiter (M) mit dem Besuch und der Beratung eines neuen, unerfahrenen Kunden (K). Im Zeitpunkt der Beauftragung mit der Beratungsaufgabe weiß G, dass M sich entschieden hat, strafrechtlich relevante Handlungen innerhalb der ihm übertragenen, unternehmensbezogenen Aufgaben auszuführen. Da der Kunde eilig einen Termin verlangt und ein gut informierter anderer Mitarbeiter gerade nicht zur Verfügung steht, fragt G ihren Berater (B), ob sie (G) die Beratung des Kunden an M delegieren soll oder nicht. B schlägt G vor, dass sie die Beratung an M delegieren soll, weil gerade kein anderer Mitarbeiter verfügbar ist, obwohl beide (G und B) sich der hohen Wahrscheinlichkeit bewusst sind, dass M den K täuschen könnte. Dies nehmen sie bewusst in Kauf und es kommt wie vorhergesehen: M gelingt es – wie von G und B bereits erwartet – auch in diesem Fall letztlich nur durch das Vorspiegeln falscher Tatsachen, den Kunden zum Abschluss des Geschäfts zu bewegen160.

In Fall 18 gibt es zwei unterschiedliche Strafhaftungsformen für den Betrugstatbestand (§ 263 dStGB): einerseits zwei von der Geschäftsführerin und von dem Mitarbeiter unabhängig voneinander verwirklichte unmittelbare parallele Einzeltäterschaften und andererseits eine vom Berater ausgeführte Beihilfe. Die Täterschaft der Geschäftsführerin gründet sich auf den Verstoß gegen die an alle Bürger – und daher auch einen Geschäftsführer – gerichtete negative Allgemeinpflicht, „das Vermögen eines anderen nicht durch einen mittels Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen erregten oder unterhalten Irrtum zu beschädigen, um sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen“. G hat gegen diese negative Allgemeinpflicht durch die Verletzung ihrer in § 43 Abs. 1 GmbHG und Art. 225 KGG geregelten positiven Sonderpflicht verstoßen, welche sie dazu verpflichtet, die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens rechtsgemäß zu führen. Aufgrund ihrer Verpflichtung musste G überwachen, dass die Mitarbeiter des von ihr geleiteten Unternehmens ihre Aufgaben richtig erfüllen. Dies bedeutet, dass G verpflichtet war, M daran zu hindern, Täuschung anzuwenden, um den Kunden von einem Geschäftsabschluss mit ihm zu überzeugen. Im konkreten Fall verstieß G gegen die positive Sonderpflicht – und damit gegen die negative Allgemeinpflicht, die der Täterschaft des Betrugstatbestandes zugrunde liegt –, als sie die Beratungsfunktion an M delegierte obgleich sie fest vermutete, dass M rechtswidrig handeln würde. In gleicher Weise liegt die unmittelbare Einzeltäterschaft von M auch in der Verletzung der negativen Allgemeinpflicht, das Vermögen anderer nicht durch die Täuschung zu beschädigen. Der Unterschied zwischen der Täterschaft von G und der Täterschaft von M liegt in der ontologischen Ebene, denn G verletzte die negative Allgemeinpflicht mittelbar durch die Verletzung ihrer positiven Sonderpflicht, während M unmittelbar und eigenhändig gegen die negative allgemeine Pflicht verstieß. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von B als Gehilfe für den Betrugstatbestand liegt in der Erfüllung der in § 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2 sStGB geregelten Strafhaftungsform, deren Grundlage in der Verletzung der negativen Allgemeinpflicht besteht, einem Allgemeinpflichtträger keine Hilfe zu leisten, das Vermögen eines anderen durch das Ausnutzen der Täuschung zu schädigen. Gegen die erwähnte 160

Ein ähnliches Beispiel findet sich bei Frisch, Rogall-FS, S. 129.

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

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Pflicht wird verstoßen, wenn die hilfeleistende Mitwirkung die Herbeiführung des Taterfolges durch den Hauttäter objektiv fördert oder erleichtert, ohne dass sie für die Ausführung des Hauptstraftatbestandes selbst unentbehrlich sein muss. Mit anderen Worten wird die Pflicht durch jede Handlung verletzt, welche das Strafunrecht des Täters ermöglicht, erleichtert, beschleunigt oder intensiviert161. Im vorliegenden Fall hat B gegen diese Pflicht verstoßen, weil er durch seine Beratung den Tatentschluss von G gestärkt und daher die Herbeiführung des Betrugstatbestandes ermöglicht oder erleichtert hat. Es handelt sich nämlich um eine psychische Beihilfe162, denn Bs Vorschlag hat über die Psyche von G wirkt, sodass G in ihrem schon gefassten Tatentschluss, die Verwirklichung des Betrugstatbestands weiterzuverfolgen, bestärkt. 2. Beihilfe von Außenstehenden wegen der Verletzung ihrer in § 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2b sStGB normierten negativen Allgemeinpflichten mit wesentlichem ontologischen Beitrag zur Deliktsverwirklichung In dieser phänomenologischen Äußerung der Beihilfe führt der Gehilfe – wie in der vorherigen Modalität – das strafbare Verhalten auch durch eine aktive Handlung und ohne Herrschaft über die Verwirklichung des Täterunrechts aus. Aber im Gegensatz zur vorherigen Beihilfeform ist das hilfeleistende Subjekt keine betriebsbezogene Person, sondern eine Außenstehende. Dies lässt sich anhand des folgenden Beispiels besser erklären: Beispiel 19 (zweiter Teil des Beispiels 16): Gemäß dem vom Geschäftsführer der DH-GmbH entworfenen Plan sollen die Mitarbeiter jede der Geliebten bestimmen, mit jedem der Geschäftsführer des konkurrierenden Unternehmens ein Video mit sexuellen Inhalten aufzunehmen; im Gegenzug soll jede der Geliebten 30.000 Euro erhalten, die mit Geldern der Gesellschafter und des Geschäftsführers finanziert werden. Anschließend fordern die Mitglieder der Werbeabteilung im Namen des Geschäftsführers der DH-GmbH die Geschäftsführer des Unternehmens BGmbH auf, die Lederwaren des von ihnen vertretenen Unternehmens unverzüglich aus dem Verkehr zu ziehen; andernfalls würden sie Videos mit sexuellem Inhalt der betroffenen Geschäftsführer offenlegen. Um ihrer Drohung Nachdruck zu verleihen, schicken die Mitglieder der Werbeabteilung jedem Geschäftsführer eine Kopie des kompromittierenden Videos, was die Geschäftsführer zum Rückruf der Produkte aus dem Markt veranlasst.

Im Fall 19, in dem die Mitarbeiter als unmittelbare parallele Einzeltäter einer Nötigung und die Gesellschafter/Geschäftsführer als Anstifter zur Nötigung haften163, ist jede der Geliebten der drei genötigten Geschäftsführer Gehilfe („erforderlicher“ Gehilfe in Spanien) eines Nötigungstatbestands. Im Unterschied zu den 161 162 163

Vgl. Lüderssen, Grünwald-FS, S. 337 ff. Vgl. zur psychischen Beihilfe etwa Renzikowski, Maurach-AT II, § 52, Rn. 23 ff. Siehe hierfür oben die Erklärung des Falls 16.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

anderen Beteiligten verletzen die Geliebten weder negative Allgemeinpflichten, welche die Täterschaft des Nötigungsunrechts begründet noch negative Allgemeinpflichten, welche die Anstiftung zum Nötigungstatbestand bildet. Die Geliebten übertreten dagegen andere negative Allgemeinpflicht, deren Verstoß nur die normativen Begründungselemente der Beihilfe (in Deutschland) und „erforderlichen“ Beihilfe (in Spanien) erfüllt. Wie im Fall 18 verletzen die Geliebten die durch § 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2b kriminalisierte negative Allgemeinpflicht, die es allen Bürgern verbietet, einer anderen Person bei der Ausführung eines Strafunrechts zu helfen. Genauer ausgedrückt haben die Geliebten ihre Pflicht verletzt, einem Dritten nicht zu helfen, „andere Menschen durch Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel rechtswidrig zu zwingen, eine Handlung auszuführen, zu dulden oder zu unterlassen“. Diese Pflicht wird von den Geliebten verletzt, da sie den Mitarbeitern geholfen haben, die Geschäftsführer zu zwingen, das Produkt aus dem Markt zurückzurufen. 3. Beihilfe von Außenstehenden wegen der Verletzung ihrer in § 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2b sStGB normierten negativen Allgemeinpflichten mit ontologischer Tatherrschaft über die Deliktsverwirklichung Diese Beihilfeform liegt vor, wenn nicht-unternehmensbezogene Personen (Außenstehenden), gegen ihre in § 27 dStGB und in Art. 28 Abs. 2b, 29 sStGB normierte negative Allgemeinpflicht verstoßen, nach welcher alle Bürger verpflichtet sind, Unternehmensleitern keine Hilfe beim Treffen strafrechtlich relevanter Entscheidungen zu leisten. Ein wesentliches phänotypisches Merkmal dieser Form der Beihilfe ist die faktische Herrschaft der Ausstehenden über die Tatbestandsverwirklichung. Beispiel dafür ist der folgende Fall: Beispiel 20 (zweiter Teil des Beispiels 4): A und J arbeiten für ein Unternehmen, das den Zuschlag bei einer privaten Ausschreibung im Zusammenhang mit dem Bau eines Flughafens gewonnen hat. Sie vereinbaren mit dem Vorstandsvorsitzenden (V), der das Bauunternehmen leitet, welches die Ausschreibung gemacht hat, dass sie ihm im Namen der Geschäftsführer ihrer Firma (K und M) ein Bestechungsgeld zahlen. Gemäß dieser Vereinbarung sollten K und M dem V ein Bestechungsgeld in Höhe von 5 Prozent des Gesamtwerts des Werkvertrags zahlen. Diese Vereinbarung wird danach von den Geschäftsführern bestätigt und V erhält daher den vereinbarten Betrag (5%). Aufgrund der Vereinbarung manipulierten V und die Geschäftsführer der Zulieferunternehmen die Ausschreibung, sodass die Firmen K und M als die günstigsten Bieter gegenüber den anderen Bieterunternehmen auftraten und daher mit den Lieferverträgen ausgezeichnet wurden.

Die Beteiligten A und J haften nur als Gehilfen für das Strafunrecht der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen, weil sie als Außenseiter die oben erwähnte negative Sonderpflicht, deren Übertretung die Täterschaft be-

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

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gründet, nicht übertreten können164. Dieser Ausschluss der Täterschaft liegt darin, dass der Täterkreis durch den Wortlaut des spezifischen Straftatbestands (§ 298 dStGB und Art. 286bis sStGB) beschränkt ist, nach dem Täter nur derjenige sein kann, der ein Angebot abgibt (§ 298 dStGB) oder selbst einen Vorteil erlangt oder fordert (Art. 286bis sStGB). Da das Angebot von dem Unternehmen von A und J abgegeben wurde und für diese der Vorteil gefordert wurde, kann zunächst nur dieser Täter sein165. Dies bedeutet, dass die Adressaten der in §§ 25, 298 dStGB und Art. 28 Abs. 1, 286bis sStGB enthaltenen strafrechtlichen negativen Sonderpflicht, gegen die zu verstoßen die Täterschaft begründet, nur Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen sind. Eine solche Fallkonstellation wird in Deutschland und Spanien unterschiedlich behandelt. Mangels strafrechtlicher Verantwortlichkeit der juristischen Personen im deutschen Strafrechtssystem, ist nach dem Rechtsgedanken des § 14 dStGB die täterschaftliche Strafverantwortung für die Nichterfüllung einer solchen negativen Sonderpflicht dem gesellschaftsrechtlichen Vertreter (nämlich dem formellen Geschäftsführer, den Vorstandsmitgliedern, dem sog. faktischen Geschäftsleiter, dem Beauftragten, usw.) zu übertragen. Im Unterschied dazu ist es im Strafrechtssystem Spaniens wegen des Bestehens der Strafhaftung der juristischen Personen möglich, die Unternehmer oder Unternehmerleitungsorgane als parallele Einzeltäter (oder Mittäter) zu bestrafen. Sind die Außenstehenden keine Adressaten der strafrechtlichen Pflichten und daher keine Täter166, können sie dann nur gegen die allgemeine Pflicht verstoßen, deren Verletzung gemäß der Strafrechtssysteme Deutschlands und Spaniens nur die Beihilfe begründet167. Dies leitet sich daraus her, dass A und J Adressaten und Träger der in § 27 und Art. 28 Abs. 2 des dStGB bzw. sStGB normierten negativen Allgemeinpflicht sind, die es allen Bürgern verbietet, einem Dritten zur Ausführung einer tatbestandsmäßig-rechtswidrigen und vorsätzlichen Tat Hilfe zu leisten. Beim vorliegenden Fall 20 verbieten §§ 27, 298 dStGB und Art. 28 Abs. 2, 286bis sStGB allen Bürgern, bei einer Ausschreibung über Waren oder Dienstleistungen zu helfen, ein Angebot abzugeben, das auf einer vorsätzlichen rechtswidrigen Absprache beruht, die darauf abzielt, den Veranstalter zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen. In diesem Zusammenhang sind die von A und J verwirklichten rechtswidrigen Handlungen keine missbilligten Risiken, die negative Allgemeinpflichten verletzen, welche die Täterschaft begründen. Sondern sie sind verbotene kommunikative Akte, welche gegen die negativen Allgemeinpflichten verstoßen, auf denen die Strafhaftungsform der Beihilfe zur Verwirklichung des Strafunrechts der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen beruht. 164

Vgl. dazu oben § 11 B.III. (Lösung des Falls 4). Eine Gegenmeinung haben NK-StGB-Dannecker, Band 3, 4. Aufl., § 298, Rn. 89; MüKoStGB-Hohmann, Band 5, 3. Aufl., § 298, Rn. 87; LK-Tiedemann, Band 10, 12. Aufl., § 298, Rn. 16 f. 166 LK-Tiedemann, Band 10, 12. Aufl., § 298, Rn. 14, 47; StGB-Fischer, 68. Aufl., § 298, Rn. 17c. 167 MüKoStGB-Hohmann, Band 5, 3. Aufl., § 298, Rn. 85. 165

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

Im Übrigen werden im spanischen Strafrechtssystem A und J als „erforderliche Gehilfen“ bestraft werden, da Art. 28 Absatz 2b sStGB den wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung einer Straftat – nämlich die Mitwirkung, ohne die das Strafunrecht nicht ausgeführt worden wäre – als „erforderliche Beihilfe“ qualifiziert, die mit einer schwereren Strafe als die einfache Beihilfe und mit einer milderen Strafe als die Täterschaft bestraft wird. Im Gegengensatz dazu sind A und B gemäß § 27 dStGB einfache Gehilfen, da das dStGB keine „erforderliche Beihilfe“ als Strafhaftungsform regelt. 4. Beihilfe der Mitarbeiter wegen der Verletzung ihrer in § 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2b sStGB normierten negativen Allgemeinpflichten durch neutrale oder berufsbezogene Handlungen Diese phänomenologische Form der Beteiligung findet statt, wenn der ontologische Bereich der Verwirklichung des Unrechts nicht von den Leitern des Unternehmens, sondern von den Untergebenen vollständig kontrolliert wird. Dafür gibt es viele Fallkonstellationen, von denen hier nur vier Beispiele geprüft werden: Die erste Konstellation tritt auf, wenn die Untergebenen gegen die in § 27 dStGB und Art. 28 Abs. 1b sStGB geregelte negative Allgemeinpflicht während der Vorbereitungsphase mit Tatherrschaft verstoßen. Beispiel 21 (Variante des Falls 8): G war Geschäftsführer eines Autoverkaufsunternehmens. G kaufte Gebrauchtwagen, die von seinen Mitarbeitern in dem Wissen lackiert wurden, dass G solche Autos als Neuware verkaufen wird. Trotz dieses Wissens lackierte der Mitarbeiter L ein gebrauchtes Auto, welches daraufhin von dem Mitarbeiter V einem Kunden (K) als Neuwagen für 20.000,00 Euro verkauft wurde. Der Marktpreis für ein vergleichbares gebrauchtes Auto beträgt etwa 10.000,00 Euro.

Die zweite Konstellation ergibt sich, wenn zum einen die Untergeordneten die alleinige faktische Herrschaft über die Verletzung der negativen Allgemeinpflicht haben und zum anderen die Untergebenen und Unternehmensleiter unabhängig voneinander ihre entsprechenden negativen Allgemeinpflichten verletzen. Diese phänotypische Äußerungsform der Beihilfe lässt sich durch das folgende Beispiel zeigen. Beispiel 22: Als Schaltermitarbeiter überweist S Geld eines Kunden K auf dessen Wunsch im Wege anonymen Kapitaltransfers nach Luxemburg, obwohl ihm bekannt ist, dass der Kunde nach vorheriger geheimer Absprache mit dem Vorstand der Bank die Transaktion zum Zwecke der Geldwäsche und Steuerunterziehung vornimmt168. Sowohl der Bankvorstand als auch

168

Ähnlich Kindhäuser, AT, 5. Aufl., § 42 (Fall 6), Rn. 14 ff.

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

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der Geldwäschebeauftragte G verstoßen vorsätzlich gegen ihre jeweiligen Überwachungsbzw. Meldepflichten durch Unterlassen (siehe oben Beispiel 12).

Die dritte Konstellation wird verwirklicht, wenn die Untergebenen die Verletzung der in § 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2b sStGB normierten negativen Allgemeinpflicht nicht nur individuell beherrschen, sondern auch ihre Pflichtverletzung mit einer Veranlassung der Unternehmensleiter oder mit einem gemeinsamen Tatentschluss von Unternehmensleitern und Untergebenen zusammenhängt. Ein Beispiel hierfür ist der folgende Fall: Beispiel 22a: Als Schaltermitarbeiter überweist S Geld eines Kunden K auf dessen Wunsch im Wege anonymen Kapitaltransfers nach Luxemburg, obwohl ihm bekannt ist, dass der Kunde nach vorheriger geheimer Absprache mit dem Vorstand der Bank die Transaktion zum Zwecke der Geldwäsche und Steuerunterziehung vornimmt. Der Vorstand weist S kurz zuvor an, die genannte Geldtransaktion durchzuführen (siehe oben Beispiel 10).

Schließlich wird die vierte „ontologische Erscheinungsform“ der Beihilfe dadurch charakterisiert, dass die Untergebenen gegen ihre Allgemeinpflicht mit Herrschaft über die faktische Tatbestandsausführung und bei gleichzeitiger Hilfeleistung durch den Unternehmensleiter verstoßen. Dies wird durch das folgende Beispiel erklärt: Beispiel 22b: Als Schaltermitarbeiter überweist S Geld eines Kunden K auf dessen Wunsch im Wege anonymen Kapitaltransfers nach Luxemburg, obwohl ihm bekannt ist, dass der Kunde nach vorheriger geheimer Absprache mit dem Vorstand der Bank die Transaktion zum Zwecke der Geldwäsche und Steuerunterziehung vornimmt. Vor seiner Entscheidungsfindung für oder gegen die Geldtransaktion informiert B den G über die verdächtige Geldtransaktion, der auch den Bankvorstand darüber informiert. Der Vorstand schlägt B vor, wie die Geldtransaktion durchführt werden soll, sodass die zuständigen Strafverfolgungsbehörden eine solche Geldüberweisung nicht feststellen können (siehe Beispiel 11).

Aus Sicht eines Sektors der Strafrechtswissenschaft würden sowohl L und V (im Fall 21) als auch S (in den Fällen 22, 22a und 22b) straflos169 bleiben, da die Mitwirkungen dieser Beteiligten „neutrale“ Handlungen seien. Als „neutrale“ Handlungen werden durch die Strafrechtsdogmatik Deutschlands und Spaniens diejenigen Beiträge definiert, die trotzt ihrer rechtmäßigen Natur faktisch als fördernde Beiträge in die Verwirklichung einer Straftat eingeflossen seien170. Ausdruck neutraler 169

Für diese These sprechen u. a. Jakobs, AT, 2. Aufl., § 24, Rn. 16 ff. Vgl. dazu etwa Amelung, Grünwald-FS, 1999, S. 9 ff.; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 295 ff.; ders., Lüderssen-FS, S. 539; Hassemer, wistra 1995, S. 81; Jakobs, ZStW 89 (1977), S. 1; ders., GA 1996, S. 253 ff.; ders., AT, 2. Aufl., § 24, Rn. 13 ff.; Kindhäuser, AT, 5. Aufl., § 42, Rn. 14 ff.; Lesch, JA 2001, S. 986; Lüderssen, Grünwald-FS, S. 329; Otto, JZ 2001, S. 436; Puppe, Jura 1998, S. 27; Ransiek, wistra 1997, S. 41 ff.; Roxin, AT II, § 26, Rn. 218; ders., Tröndle-FS, S. 277; Weigend, Nishihara-FS, S. 197; Wohlers, SchwZStrR, 117 (1999), S. 436; ders., NStZ 2000, S. 169. 170

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

Handlungen ohne strafrechtliche Relevanz seien Alltagshandlungen171 (wie Austauschgeschäfte des täglichen Lebens172) oder „berufstypische“ Dienstleistungen173 (wie Finanztransaktionen), welche mangels eines hinreichenden deliktischen Bezugs keine strafbare Beihilfe begründen174, obwohl sie faktisch (mit-)ursächlich für die Haupttat geworden175 und dem berufstypisch Unterstützenden die deliktischen Pläne des Täters bekannt sind176. Nach dieser Ansicht wären die Beiträge von L, V und S einfache neutrale Handlungen ohne strafrechtliche Bedeutung, da die von L, V und S ausgeführten Tätigkeiten als stereotype Verhaltensweisen zum erlaubten Berufsbereich gehören und daher nicht als strafbare Beihilfeformen betrachtet werden müssen177. Aus der hier vertretenen Sicht haften L, V und S hingegen als Gehilfen, da die strafrechtliche Bedeutung der Mitwirkungen von L, V und S – wie in den letzten drei Fällen – der Verletzung der die Beihilfe begründenden negativen Allgemeinpflicht entspricht. Anders ausgedrückt schaffen die Handlungen von L, V und S ein strafrechtliches missbilligtes Risiko, das die objektiven und subjektiven tatbestandlichen Begründungselemente strafbarer Beihilfe erfüllt, welche im dStGB als vorsätzliche Unterstützung einer von einer anderen Person vorsätzlich begangenen Straftat178 und im sStGB als Hilfeleistung zu einer von einem anderen Haupttäter begangenen Straftat definiert wird179. Im Fall 21 erfüllen die Handlungen von L und V die durch die objektive Zurechnung der strafbaren Beihilfe zum Betrugstatbestand verlangten normativen Voraussetzungen, da die Handlungen von L und V eine strafrechtlich unerlaubte Unterstützung der Haupttat des Geschäftsführers darstellen und diese Unterstützungshandlungen für die Haupttatverwirklichung qualitativ entscheidend sind. Subjektiv erfüllen die Mitwirkungshandlungen von L und V auch die für die subjektive Zurechnung der Beihilfe geforderten Grundelemente, denn L und V haben in der Kenntnis gehandelt, dass ihre Handlungen dem Täter (Geschäftsführer) Hilfe geleistet haben, den Betrugstatbestand herbeizuführen. Es handelt sich daher um die Verwirklichung der subjektiven Zurechnung der Beihilfe zur Ausführung des Betrugstatbestands durch die Verwirklichung eines Verhaltens mit Eventualvorsatz des 171

Jakobs, AT, 2. Aufl., § 24, Rn. 17; Roxin, AT II, § 26, Rn. 218. Siehe hierfür Jakobs, AT, 2. Aufl., § 24, Rn. 17; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 295 ff. In die gleiche Richtung Niedermair, ZStW 107 (1995), S. 508 ff. 173 Jakobs, AT, 2. Aufl., § 24, Rn. 16. 174 Jakobs, AT, 2. Aufl., § 24, Rn. 16. 175 Siehe hierfür Hassemer, wistra 1995, S. 43 f.; Mansdörfer, Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts, S. 677 ff.; Ransiek, wistra 1997, S. 42; Rogat, Die Zurechnung der Beihilfe, S. 47 ff.; Rotsch, Neutrale Beihilfe, Jura 2004, S. 14 ff.; Roxin, AT II, § 26, Rn. 221. 176 Hassemer, wistra 1995, S. 81, 85. 177 In diesem Sinne etwa Hassemer, wistra 1995, S. 81, 85; Jakobs, AT, 2. Aufl., § 24, Rn. 18. 178 Renzikowski, Maurach-AT II, § 52, Rn. 1. 179 Kindhäuser, AT, 5. Aufl., § 42, Rn. 16 ff. 172

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

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Gehilfen180. In diesem Zusammenhang verletzen L und V die in § 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2b sStGB normierte negative Allgemeinpflicht, einem Dritten zur Ausführung eines Betrugstatbestands Hilfe zu leisten. In den Beispielen 22, 22a und 22b erfüllen die Handlungen von S auch die normativen Erfordernisse der objektiven und subjektiven Zurechnung der strafbaren Beihilfe bei Geldwäsche- und Steuerunterziehungsdelikten181. In objektiver Hinsicht sind die Handlungen von B keine durch das erlaubte Risiko der beruflichen Tätigkeit abgedeckten Kommunikationsakte, sondern verbotene strafrechtliche Risiken182, die sowohl durch das dStGB als auch durch das sStGB kriminalisiert sind. In subjektiver Hinsicht erfüllen die genannten Handlungen die normativen Elemente der subjektiven Zurechnung der Beihilfe zur Ausführung von Geldwäsche- und Steuerhinterziehungsdelikten, da die Geldtransaktion – soweit S über das deliktische Vorgehen von K und vom Vorstand der Bank weiß – darauf abzielt, dem K bei der Durchführung des Strafunrechts der Geldwäsche und Steuervermeidung Hilfe zu leisten. Dies führt – ähnlich wie bei Fall 21 – zur Bestrafung von S als Gehilfen eines Geldwäsche- und Steuerunterziehungsdelikts183, da er gegen die negative Allgemeinpflicht verstößt, einem Dritten nicht bei der Durchführung des Geldwäschebzw. Steuerhinterziehungsunrechts zu helfen. Daraus wird geschlossen, dass die durch die Strafrechtswissenschaft als „neutrale“ Handlungen bezeichneten Beiträge gemäß den Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens nicht immer straflos bleiben. Solchen Handlungen werden zu strafbaren Beihilfeformen, wenn die hilfeleistenden Mitwirkungen im Rahmen bestimmter Umstände einen „deliktischen Sinnbezug“ aufweisen184, nämlich wenn der Handelnde den vom Täter gefassten Entschluss zur Deliktsverwirklichung kennt185. Das ist der Fall in den erwähnten Beispiele 21 und 22, 22a und 22b. Im einen Fall lackieren bzw. verkaufen L und V das Auto in Kenntnis, dass dies zu dem vom Geschäftsführer verwirklichten Betrugsdelikt beiträgt. Im anderen Fall überweisen S und G Geld eines Kunden bzw. kontrollieren die Überweisung nicht umfassend obwohl sie Kenntnis davon haben, dass der Kunde und der Vorstand die Geldtransaktion zum Zwecke der Geldwäsche und Steuerunterziehung anordnen. Es ist offensichtlich, dass die genannten Handlungen aufgrund des Wissens, dass diese Beiträge vom Geschäftsführer (Beispiel 21) und vom Kunden und Vorstand (Beispiele 22, 22a, 22b) zur Ausführung eines Strafunrechts verwendet werden, nicht mehr erlaubt sind; sie werden hingegen zu strafbaren Beihilfehandlungen. Der Grund 180 Zum Eventualvorsatz als ausreichendes subjektives Tatbestandselement der Beihilfe bei dem Betrugsunrecht siehe etwa Haft, ZStW 88 (1976), 372 ff.; MüKoStGB-Hefendehl, Band 5, 2. Aufl., § 263, Rn. 751; SSK-Perron, 30. Aufl., § 263, Rn. 165. 181 Dafür spricht Roxin, AT II, § 26, Rn. 254. 182 Ähnlich Feijóo Sánchez, InDret 2, 2009, S. 41, Fn. 107. 183 Im gleichen Sinne Roxin, AT II, § 26, Rn. 254; BGHSt 46, 107. 184 Ransiek, wistra 1997, S. 41 ff. 185 Vgl. dazu Roxin, AT II, § 26, Rn. 218, 221, 253 f.

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liegt darin, dass die Mitarbeiter des Autoverkaufsunternehmens und die Bankangestellten (S und G) – wie bereits dargelegt – gegen die in § 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2 sStGB festgelegte negative Allgemeinpflicht verstoßen, einem Dritten nicht bei der Durchführung einer Straftat zu helfen. Dies bedeutet, dass die Handlungen von L, V, S und G – wegen ihrer vorsätzlich erbrachten Hilfeleistung für die Ermöglichung oder Erleichterung eines Betrugs-, Geldwäsche- und Steuerhinterziehungsdelikts – die Bestrafung der Beteiligten als Gehilfen begründet186. Schließlich ist hervorzuheben, dass die genannten neutralen Handlungen auch zur Täterschaft werden können, wenn im Einzelfall ein deliktisches Verhalten ausgeführt wird, das gegen die in § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB normierte strafrechtliche Pflicht verstößt. Beispiele dafür sind die im Fall 17 dargestellten Mitwirkungen der Arbeitnehmer, die in der vorsätzlichen Abwasserentsorgung in einen Fluss entsprechend den von den Unternehmensleitungsmitgliedern gegebenen Anweisungen besteht. 5. Beihilfe von Unternehmensleitern wegen der Verletzung ihrer in § 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2b sStGB enthaltenen negativen Allgemeinpflichten, die ontologisch durch aktives Tun verwirklicht werden Auf ontologischer Ebene unterscheidet sich die vorliegende Beihilfeform von den vorherigen, da die erste nicht von jeder unternehmensbezogenen Person durchgeführt wird, sondern nur von den Unternehmensleitern. Auf normativer Ebene verstößt das Verhalten von Unternehmensleitern jedoch auch gegen die negative Allgemeinpflicht, die in § 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2 sStGB geregelt ist. Paradigmatische Beispiele für diese Beihilfeform sind die folgenden: Beispiel 23 (Erster Teil des Beispiels 6): Die Geschäftsführer der Muttergesellschaft (P-GmbH) beschließen, weiterhin Spielzeuge für Kinder zu produzieren, obwohl sie sich bewusst sind, dass solche Spielzeuge die Gesundheit der Verbraucher schädigen. Parallel dazu entscheiden auch die von der Produktionsfirma autonomen Geschäftsführer der Vertriebsgesellschaft (V-GmbH), die fehlerhaften Produkte mit dem Wissen zu vertreiben, dass diese Produkte die Gesundheit der Verbraucher schädigen. Diese rechtswidrigen Entscheidungen der Geschäftsführer beider Unternehmen verursachen bei vielen Kindern, die diese Produkte verwendeten, Gesundheitsschäden. Beispiel 24 (Erster Teil des Beispiels 7): Die Mutteraktiengesellschaft (K-AG), die sich der Goldgewinnung widmet, schließt ein Vertrag mit der Tochtergesellschaft der autonomen Organisation (L-AG) ab, damit diese die aus der Goldgewinnung anfallenden Abfälle behandelt. Der Vorstand der Mutteraktiengesellschaft beauftragt die Tochtergesellschaft mit dem Wissen, dass diese rechtswidrig

186

Ähnlich Lüderssen, Grünwald-FS, S. 337 ff.

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

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handeln wird, d. h. in dem Wissen, dass sie die Abfälle nicht gemäß den für diese Tätigkeit geltenden Rechtsnormen behandeln wird.

Aus Sicht der überwiegenden Strafrechtswissenschaft187 und Rechtsprechung188 sollen die Geschäftsführer der Muttergesellschaft P-GmbH mittelbare Mittäter des Köperverletzungsdelikts kraft Herrschaft über die Organisation der Mutter- und Tochtergesellschaft sein. Diese These wird hier abgelehnt. Aus der hier vertretenen Sicht sind die Geschäftsführer der P-GmbH bloße Gehilfen, weil sie nicht gegen die in §§ 25, 223 ff. dStGB und Art. 28 Abs. 1, 147 ff. sStGB geregelte negative Allgemeinpflicht verstoßen, die alle Bürger verpflichtet, die Gesundheit anderer Personen nicht zu beeinträchtigen. Was die Geschäftsführer verletzen, ist die in §§ 27, 223 ff. dStGB und Art. 28 Abs. 1, 147 ff. sStGB enthaltene negative Allgemeinpflicht, welche allen Personen verpflichtet, zur Beschädigung der Gesundheit einer anderen Person keine Hilfe zu leisten. Zur Begründung der hier befürworteten Beihilfe der Geschäftsführer kommt Folgendes in Betracht: Die Pflicht der Geschäftsführer eines Produktionsunternehmens, den Gefahrenbereich des von seiner Firma herstellenden Produkts zu überwachen und zu kontrollieren, beschränkt sich auf den räumlichen und organisatorischen Zuständigkeitsbereich des Unternehmens. In diesem Sinne sind die Geschäftsführer verpflichtet, die Auslieferung der fehlerhaften Produkte zu verhindern, wenn diese Produkte noch nicht ausgeliefert wurden189. Sind derartige Produkte jedoch bereits ausgeliefert worden und an selbständige Handelsunternehmen gelangt, so sind die sich aus dem Vertrieb ergebenden schädlichen Auswirkungen dem Zuständigkeitsbereich des Produzenten entzogen190. Eine eventuelle Haftung in der Täterschaftsform für den Verbleib dieser Produkte in der Hand der Abnehmer oder für unterlassene Warnungen beruht nicht mehr auf einer Verletzung der Garantenpflichten des Herstellers, sondern auf der Verletzung der Garantenpflichten des Vertriebsunternehmens. Hier eröffnet sich vielmehr die Haftung aus vorangegangenen Pflichtverletzungen durch ein gefährliches Tun191, was im Beispiel 23 in der Auslieferung eines fehlerhaften Produkts an ein autonomes Vertriebsunternehmen besteht. Aber wie bereits erklärt, verletzt eine solche fehlerhafte Organisation der Geschäftsführer des Unternehmens P-GmbH nur die in §§ 27, 223 ff. dStGB und Art. 28 Abs. 1, 147 ff. sStGB festgelegte negative Allgemeinpflicht, aber keineswegs die in §§ 25, 223 ff. dStGB und Art. 28 Abs. 1, 147 ff. sStGB normierte negative Allgemeinpflicht. Diese Pflicht wird von den Geschäftsführern des Vertriebsunternehmens verletzt, deswegen haften sie als Täter (siehe oben Beispiel 6). 187 188 189 190 191

Siehe hierzu oben § 6 C.; § 7 A.I.2. Vgl. dazu § 5 A., B. Otto, Schroeder-FS, S. 343. A. a. O. A. a. O.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

Im Beispiel 24 haften die Vorstandsmitglieder des Goldminenunternehmens auch als Gehilfen eines Umweltdelikts (§ 324a ff. dStGB und Art. 325 ff. sStGB). Für diese Strafhaftungsform der Vorstandsmitglieder des Goldminenunternehmens sprechen vier Argumente: Erstens sind die Vorstandsmitglieder der M-AG keine Täter, da sie nicht gegen die in §§ 25, 324 dStGB und Art. 28 Abs. 1, 325 sStGB geregelte negative Allgemeinpflicht verstoßen. Die negative Allgemeinpflicht, auf deren Verletzung sich die Täterschaft stützt, wird von den Vorstandsmitgliedern der Tochtergesellschaft verletzt, da die von ihnen angewiesenen Entsorgung fehlerhaft behandelten Abwassers – wie bereits oben dargelegt wurden – die objektiven und subjektiven tatbestandlichen Elemente des Wasser- oder Bodenverunreinigungsdelikts erfüllen. Zweitens hat der Vorstand der Muttergesellschaft keine Garantenpflicht, die durch die fehlerhafte Organisation des Vorstandes der Tochtergesellschaft geschaffenen Straftaten zu verhindern. Wegen der selbständigen Organisation der Tochtergesellschaft und der Geltung des Selbstverantwortungsprinzips für das eigene Strafunrecht im deutschen und spanischen Strafrechtssystem sind die Vorstandsmitglieder der Tochtergesellschaft als Täter für das aus ihren rechtswidrigen Entscheidungen resultierende Strafunrecht verantwortlich. Drittens konstituiert der Vertrag mit der T-AG zur Abwasserbehandlung in der Kenntnis, dass sie rechtswidrig handeln wird, ein verbotenes strafrechtliches Risiko, das gegen die in § 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2b sStGB geregelte negative Allgemeinflicht verstößt. Denn in Übereinstimmung mit der Lehre der objektiven Zurechnung werden der Vertragsabschluss mit der T-AG und die Zahlung der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft nicht durch das erlaubte Risiko abgedeckt, das sich aus der Anwendung des Vertrauensgrundsatzes zur Begründung und Abgrenzung der Verantwortungsbereiche der unternehmensbezogenen Personen im Bereich sowohl des Gesellschafts- als auch des Unternehmensstrafrecht ergibt. Mit Ottos Worten192 ermöglicht der Vertrauensgrundsatz zwar die arbeitsteilige Verwirklichung von Sachverhalten in gemeinsamer Verantwortung, weil jeder die ihm zugewiesene Verantwortung im Vertrauen darauf wahrnehmen kann, dass die anderen gleichfalls ihren Pflichten genügen; jedoch endet das Vertrauen, wo das Vertrauen in das pflichtmäßige Verhalten anderer erkennbar nicht gerechtfertigt ist. In diesem Zusammenhang werden die Vorstandsmitglieder der M-AM nicht durch den Vertrauensgrundsatz geschützt, da ihnen die rechtswidrige Organisation der Vorstandsmitglieder der T-AG bekannt ist.

D. Zwischenergebnis Die im Kapitel 11 entwickelten Lösungen erfüllen zwei Aufgaben. Zum einen antworten auf die Frage: Welche Formen der Täterschaft und Teilnahme in den 192

Otto, Schroeder-FS, S. 347.

§ 11 Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeinpflichtdelikten

453

Beteiligungssystemen Deutschlands und Spaniens und damit bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen vorliegen. Andererseits bestätigt es die in den vorhergehenden Abschnitten formulierten Thesen zu den normativen Grundlagen dieser Beteiligungsformen. In Bezug auf die Formen der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen, die Allgemeinpflichtdelikte bilden, unterscheiden sich die Ergebnisse von denen, die durch die überwiegende Strafrechtswissenschaft und die Rechtsprechung vertreten werden. So können hier u. a. die Folgenden erwähnt werden: Zum Ersten ist die unterschiedliche strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmern und Unternehmensleitern hervorzuheben, wenn sie ihre negativen unternehmerischen Allgemeinpflichten verletzen, keinen Dritten zur Durchführung von Straftaten zu veranlassen. Im Gegensatz zur Rechtsprechung und überwiegenden Strafrechtslehre, die eine mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft von Unternehmern und Unternehmensleitern befürwortet, wenn ihre rechtswidrigen Entscheidungen von Untergebenen frei ausgeführt werden, befürwortet die Pflichtverletzungstheorie die strafrechtliche Verantwortlichkeit von den Unternehmern als Anstifter (siehe Beispiel 16, 17). Zum Zweiten gilt die unterschiedliche strafrechtliche Verantwortlichkeit der Unternehmensleiter von zwei Wirtschaftsunternehmen mit autonomer Organisation (etwa Mutter- und Tochtergesellschaft), wenn sie mit ihren jeweiligen rechtswidrigen Entscheidungsfindungen bei der Ausführung vorsätzlicher Straftaten zusammenwirken Im Gegensatz zu der herkömmlichen Strafrechtswissenschaft, die die Mittäterschaft der Unternehmensleiter beider Unternehmen befürwortet, wenn die Muttergesellschaft zur Herbeiführung eines Allgemeinpflichtdelikts von Seiten der Tochtergesellschaft beiträgt, begründet die Pflichtverletzungstheorie die Beihilfe der Unternehmensleiter der Muttergesellschaft (wie in den Beispielen 6 und 7) und die Täterschaft der Unternehmensführer der Tochtergesellschaft (etwa Beispiele 23, 24). Zum Dritten begründet die Pflichtverletzungstheorie die Strafverantwortung der Unternehmer, Unternehmensleiter und Untergebenen entweder als Täter (etwa in den Beispielen 10, 11, 12) oder als Teilnehmer (etwa in den Beispielen 22, 22a, 22b) in Fällen, in denen sie durch die traditionelle Strafrechtswissenschaft in der Regel aus der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ausgeschlossen werden, weil die von den Beteiligten verwirklichten Straftaten durch das mit der Ausübung beruflicher Tätigkeiten verbundene erlaubte Risiko gedeckt sind. Zum Vierten spricht sich die Pflichtverletzungstheorie entgegen der überwiegenden Strafrechtswissenschaft, welche die Mittäterschaft von Unternehmensleitern und Untergebenen im Falle des Vorliegens eines gemeinsamen Tatentschlusses und der wesentlichen Beiträge bejaht (etwa Beispiele 4, 5), für eine differenzierte strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beteiligten aus. Dementsprechend sind Unternehmensleiter und Untergebene als Täter bzw. Gehilfen verantwortlich, weil diese unabhängig vom Vorhandensein oder Fehlen eines gemeinsamen Tatentschlusses

454

4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

und des Quantums ihrer Beiträge gegen ihre jeweiligen negativen Allgemeinpflichten verstoßen, die die Täterschaft bzw. Beihilfe begründen. Bezüglich der Begründung der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen ermöglicht es die Theorie der Pflichtverletzungsdelikte, die Strafverantwortung von Unternehmern, Geschäftsführern und Untergebenen fraglos zu begründen und abzugrenzen, unabhängig davon, ob sie in einer horizontalen Rechtsstellung stehen, in der Unternehmensinhaber und Untergebene die gleichen Rechtspflichten haben (etwa im Beispiel 3) oder in einem vertikalen Rechtsverhältnis, in dem die unternehmensbezogenen Personen unterschiedliche Rechtspflichten tragen (zum Beispiel in den Fällen 8, 9). Grund dafür ist, dass in großen, modernen Wirtschaftsunternehmen die Pflichten genau definiert sind, unabhängig davon, ob die Pflichtträger auf gleicher Ebene (horizontale Beziehung) oder in verschiedenen Rechtsstellungen (hierarchische Beziehung) stehen. Daraus ergeben sich zwei sehr wichtige vorläufige Schlussfolgerungen: Erstens sind strafrechtlich verantwortlich diejenigen, die ihre Pflicht verletzen, und aus der strafrechtlichen Verantwortlichkeit diejenigen ausgeschlossen, die ihre Pflicht nicht verletzen. Zweitens hängt die Art der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Unternehmer, Unternehmensleiter und Untergeordneten von der Art der verletzten strafrechtlichen Pflicht ab. So ist Täter nämlich derjenige, der gegen die die Täterschaft begründende strafrechtliche negative Allgemeinpflicht verstößt und Teilnehmer ist derjenige, der die die Teilnahme bildende strafrechtliche negative Allgemeinpflicht verletzt. Ebenfalls hat die vorgeschlagene Begründung der Täterschaft und Teilnahme der Unternehmer, Unternehmensleiter und Untergebenen entscheidende Vorteile gegenüber den durch die Strafrechtswissenschaft und Rechtsprechung entwickelten Standpunkten, weil das in dieser Untersuchung entwickelte Beteiligungsmodell die dogmatischen Schwierigkeiten der auf der Kategorie der Tatherrschaft beruhenden Mittäterschaft und mittelbaren Täterschaft überwindet. Der erste Vorteil liegt in der Anwendung der unmittelbaren Täterschaft statt der Mittäterschaft, um die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beteiligten in Fällen zu begründen, in denen sich einerseits mehrere Unternehmensleiter und Untergebenen an der rechtswidrigen Entscheidungsfindung oder an der Ausführung der sich daraus ergebenden Straftaten beteiligen und diese kollektive Beteiligung die Erfordernisse der Mittäterschaft nicht erfüllt, weil es unmöglich ist, den gemeinsamen Tatentschluss der Beteiligten und die gemeinschaftliche Tatbestandsausführung nachzuweisen. In Bezug darauf überwindet die unmittelbare Täterschaft die dogmatischen Schwierigkeiten der Mittäterschaft, da nach der ersten von ihnen die täterschaftliche Strafhaftung von Unternehmern, Unternehmensleitern, Untergebenen oder Außenstehenden als Täter weder auf dem gemeinsamen Tatentschluss (Entscheidungsfindung) noch auf der gemeinschaftlichen Deliktsausführung beruht, sondern nur auf dem individuellen Verstoß gegen die negativen Allgemeinpflichten, die jedem der Unternehmer, Unternehmensleiter, Untergebene oder Außenstehende obliegen.

§ 12 Täterschaft u. Teilnahme bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten

455

Ein weiterer Vorzug der vorgestellten Pflichtverletzungstheorie ist die Verwendung der unmittelbaren Täterschaft anstelle der mittelbaren Täterschaft zur Begründung der täterschaftlichen Verantwortlichkeit der Unternehmer, Unternehmensleiter und Untergebenen in Fällen, in denen einerseits die Unternehmer oder Unternehmensleiter die von den Untergebenen vorsätzlich ausgeführte Verwirklichung von Straftaten organisieren und andererseits die Unternehmer oder Unternehmensleiter keine tatsächliche Herrschaft über die Untergebenen haben, weil die letzten frei handeln. Wie oben bereits erklärt, widerspricht die Begründung der mittelbaren Täterschaft der Unternehmer oder Unternehmensleiter ohne Herrschaft des Hintermannes über den Vordermann dem Wesen dieser Täterschaftsform, da die Abwesenheit dieses Elements nur eine einfache Anstiftung begründet, so dass die Anwendung der mittelbaren Täterschaft übertrieben und ungerechtfertigt ist. Im Gegensatz dazu hat die Pflichtverletzungstheorie keine dieser Schwierigkeiten, die unmittelbare Täterschaft von Unternehmensleitern und Untergebenen zu begründen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Pflichtverletzungstheorie die Tatherrschaft aus der Begründung der Täterschaft ausschließt und stattdessen auf die Pflichtverletzung zurückgreift. Dies führt zur Begründung der Strafhaftung der Unternehmensorgane als unmittelbare Täter, da sie unabhängig von dem Fehlen der Herrschaft über die Untergebenen ihre Überwachungs- und Kontrollpflichten verletzen, die sich aus ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung ergeben. In gleicher Weise haften die Untergebenen als unmittelbare Täter, weil sie gegen ihre negative Allgemeinpflicht verstoßen, keine verbotenen strafrechtlichen Risiken zu schaffen. Schließlich zeigt § 11, dass die in dieser Untersuchung entwickelten und die von der Strafrechtswissenschaft und Rechtsprechung vertretenen Gesichtspunkte – obwohl sie in einigen Ergebnissen zu den Formen der Strafverantwortung von Unternehmern, Unternehmensleitern und Untergebenen übereinstimmen – in diametralem Gegensatz zu der Begründung dieser Strafhaftungsformen stehen: Während die Strafrechtswissenschaft und die Rechtsprechung die Täterschaft und die Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen auf dem ontologischen Kriterium der Tatherrschaft begründen, werden diese Strafhaftungsformen in der vorliegenden Untersuchung in der Verletzung von negativen strafrechtlichen Allgemeinpflichten verortet, was dazu führt, die Mittäterschaft und mittebare Täterschaft durch die unmittelbare Täterschaft als Form der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmern und Unternehmensleitern zu ersetzen.

§ 12 Täterschaft und Teilnahme bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten A. Allgemein Dieses Kapitel (§ 12) vervollständigt die Struktur dieser Untersuchung. Anders als das vorangegangene Kapitel (§ 11), in dem die Täterschafts- und Teilnahme-

456

4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

formen bei Allgemeinpflichtdelikten behandelt wurden, werden in diesem Kapitel (§ 12) die Formen der Täterschaft und Teilnahme bei Sonderpflichtdelikten nach der in dieser Untersuchung entwickelten normativen Pflichtdeliktslehre erklärt. In diese Kategorie von Straftaten, welche durch die (oder aus den) Wirtschaftsunternehmen ausgeführt werden können, finden sich u. a. die Untreue (§ 266 dStGB, Art. 252 sStGB), Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 dStGB, Art. 286bis sStGB), Unrichtige Darstellung (§ 331 HGB, § 400 Abs. 1 AktG, § 82 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG, § 17 Publg, § 313 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3. Alt. UmwG, usw.), Falsche Angaben (§ 399 AktG, 400 Abs. 2 AktG, § 82 Abs. 1, 2 Nr. 1 GmbHG, § 331 Nr. 4, 1. Alt. HGB, § 313 Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt., Abs. 1, 2 UmwG, § 17 Nr. 4, Alt. 1 PublG.), Verletzung der Berichtspflicht (§ 332 HGB, § 403 AktG, § 18 PublG, § 314 UmwG, § 150 GenG), Verletzung der Geheimhaltungspflicht (§ 333 HGB, § 404 AktG, § 85 GmbHG, § 19 PublG, § 315 UmwG, § 151 GenG). Um Einheit und Kohärenz zwischen den allgemeinen theoretisch-methodischen Ansatzpunkten und den in dieser Arbeit entwickelten spezifischen Thesen zur Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen zu halten, wird die Erläuterung der Formen der Täterschaft und Teilnahme an Sonderpflichtdelikten – wie in Kapitel 11 ausgeführt wurde – ausgehend von normativen Kategorien durchgeführt. Dies bedeutet, dass die ontologischen Seinskategorien (wie Beteiligung mit oder ohne Tatherrschaft, Beteiligung mit größerer oder geringerer Tatherrschaft, Beteiligung durch aktives Tun oder durch Unterlassung usw.) nicht betrachtet werden, um die Täterschaft und Teilnahme von Intraneus und Extraneus bei Sonderpflichtdelikten zu bestimmen, die im Bereich der vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen durchgeführt werden. Im Gegenteil werden die Begründung und Bestimmung der Täterschaftsund Beteiligungsformen von Intraneus und Extraneus bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten auf normative Kategorien der „Sollenswelt“ aufgebaut. Die dieser Forschung zugrunde liegenden normativen Prämissen führen – wie bereits in § 11 festgestellt – zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich der Formen der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen, die in dieser Forschung als Sonderpflichtdelikte bezeichnet werden.

B. Täterschaftsformen I. Einführung In Übereinstimmung mit den Prämissen, die dieser Untersuchung zugrunde liegen und oben193 hinsichtlich der Grundlage und Erscheinungsformen der Täterschaft bei den Sonderpflichtdelikten formuliert wurden, sind die Täterschaftsformen bei im 193

Dazu etwa oben § 9 B.I., II.; § 10 A., B., C.

§ 12 Täterschaft u. Teilnahme bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten

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Rahmen der vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen verwirklichenden unternehmerischen Sonderpflichtdelikten mit dem Wesen und dessen Übertretungsform der positiven Sonderpflichten verknüpft. Solche positiven Sonderpflichten sind in den Zurechnungsregeln des Allgemeinen Teils und in den entsprechenden strafrechtlichen Sonderpflichttatbeständen des Besonderen Teils der entsprechenden Strafgesetzbücher Deutschlands und Spaniens geregelt. Im deutschen Strafrechtssystem ist die positive Sonderpflicht (ebenso wie die negative Allgemeinpflicht) einerseits in §§ 25 und 14 dStGB enthalten, welche in allgemeiner Form die positiven Verhaltensnormen regeln, und andererseits in den korrespondierenden Sonderstraftatbeständen des Besonderen Teils des dStGB und der anderen Nebenstrafgesetze194, die konkret die spezifischen strafrechtlichen positiven Sonderpflichten der Unternehmensleiter festlegen. Im spanischen Strafrecht ist die positive Sonderpflicht, auf deren Verletzung sich die Täterschaft und ihre Formen begründen, sowohl in Art. 28 Abs. 1, 31, 11 als auch im Besonderen Teil des sStGB und in spezifischen Sonderstraftatbeständen weiterer Nebenstrafgesetze geregelt. § 25 dStGB lautet: „(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter)“; seinerseits legt Art. 28 Abs. 1 sStGB fest: „Täter sind die Beteiligten, welche die Straftat selbst, gemeinschaftlich oder durch die Nutzung eines Drittens als Werkzeug verwirklichen“. Diese zwei allgemeinen Strafvorschriften des deutschen und spanischen Strafgesetzbuches enthalten die positive strafrechtliche Sonderverhaltensnorm oder positive strafrechtliche Sonderpflicht, die in allgemeiner Form festlegt: „Die Unternehmen oder die sonderpflichtigen Unternehmensleiter müssen ihre positive strafrechtliche Sonderpflicht, die darin besteht, eine günstige Situation für eine staatliche, soziale oder persönliche Einrichtung zu schaffen oder zu fördern, richtig erfüllen.“ Geht man von diesem normativen strafrechtlichen Verständnis des § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB aus, auf dem die Täterschaft bei Sonderpflichtdelikten beruht, dann gründen sich die Täterschaft und ihre Ausdruckformen bei Sonderpflichtdelikten, die im Bereich der vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen stattfinden, auf die Verletzung dieser positiven strafrechtlichen Sonderpflicht oder positiven strafrechtlichen Sonderverhaltensnorm. § 14 des dStGB und Art. 31, 31bis des sStGB sind die anderen Bestandteile der Grundlage der Täterschaft bei den auf vorsätzliche Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen bezogenen Sonderpflichtdelikten, da sie zum einen die Übertragung der Erfüllung der sich ursprünglich an die Wirtschaftsunternehmen (oder Unternehmensgründer) richtenden positiven Sonderpflichten und zum anderen die Verschiebung der Strafverantwortung für den Verstoß gegen diese positive Sonderpflichten festlegen. Nach diesen Strafvorschriften sind für die Erfüllung und Nichterfüllung der den Wirtschaftsunternehmen oder ihren Gründern auferlegten positiven Sonderpflichten nicht die ursprünglichen Normadressaten verantwortlich, 194

Siehe oben § 10 B.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

sondern die Vertreter oder Organmitglieder (etwa Geschäftsführer, Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder) des jeweiligen Wirtschaftsunternehmens. Nach dieser Ansicht kommt die Zurechnung der Täterschaft eines unternehmerischen Sonderpflichtdelikts zu den Geschäftsführern einer GmbH und den Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitgliedern einer AG in Betracht, wenn sie als vertretungsberechtigte Organe einer juristischen Person oder als Organmitglieder dieser Gesellschaft für die Einhaltung der unternehmerischen Sonderpflichten und somit für den Verstoß gegen jene Pflichten verantwortlich sind. Diese allgemeinen Strafvorschriften und die sowohl in den Strafgesetzbüchern Deutschlands und Spaniens als auch in Nebenstrafgesetzen (etwa GmbHG, AktG, HGB) jener Länder geregelten Sonderstraftatbestände enthalten die normative Natur der positiven strafrechtlichen Sonderpflichten von Unternehmern und Unternehmensleitungsorganen, die Verletzungsform einer solchen Pflicht und daher die sich aus der Form des Verstoßes gegen diese Pflichten herleitenden Erscheinungsformen der Täterschaft. Wie die Allgemeinpflichten sind die positiven Sonderpflichten auch persönlich, exklusiv und unmittelbar. Wegen der persönlichen Natur dürfen die Unternehmensleitungsmitglieder weder sich von der Einhaltung der positiven Sonderpflichten ohne weiteres lösen noch die Erfüllung solcher Pflichten gesetzwidrig auf andere Personen übertragen. Aufgrund des exklusiven Wesens der positiven unternehmerischen Sonderpflichten können die Unternehmensleitungsorgane der Wirtschaftsunternehmen oder die Mitglieder dieser Organe die positiven besonderen Geschäftspflichten, die der besonderen Leitungszuständigkeit eines jeden Einzelnen innerhalb des Unternehmens entsprechen, nicht teilen. Dies bedeutet, dass – entgegen der Auffassung der h. L. – die gleichzeitige Bindung mehrerer Unternehmensleiter an dieselbe positive Sondergeschäftspflicht diese nicht in eine gemeinsame oder geteilte Pflicht umwandelt. Die positive Sondergeschäftspflicht, die jedem Unternehmensleiter obliegt, ist immer exklusiv, unabhängig davon, ob sie mehrere Unternehmensleiter gleichzeitig oder parallel verbindet. Schließlich zeigt der unmittelbare Charakter der positiven Unternehmenssonderpflichten, die den Leitungsorganen von Wirtschaftsunternehmen obliegen, dass diese Pflichten nicht mittelbar, sondern nur unmittelbar erfüllt oder verletzt werden können. Dies bedeutet, dass sich zwar auf phänotypischer Ebene die Einhaltung oder Verletzung positiver Unternehmenssonderpflichten über Dritte (also mittelbar) äußern kann, auf normativer Ebene – nämlich im Bereich, in dem die Begründung der Täterschaft und die Bestimmung ihrer Formen stattfinden – die Verletzung und Einhaltung solcher Pflichten stets unmittelbar sind. In Bezug darauf sind die normativen Ausdruckformen der Täterschaft bei den im Rahmen der vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen verwirklichten Sonderpflichtdelikten eine Spiegelung sowohl des normativen persönlichen, exklusiven und unmittelbaren Wesens der positiven Sonderunternehmenspflichten als auch der persönlichen, exklusiven und unmittelbaren Verletzungsformen. Aus diesem Grund werden in dieser Arbeit die unter einem phänotypischen Gesichtspunkt begründeten herkömmlichen Täterschaftsformen abge-

§ 12 Täterschaft u. Teilnahme bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten

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lehnt, und stattdessen wird für eine einzige Täterschaftsform plädiert, nämlich für die unmittelbare Einzeltäterschaft, weil die positiven Sonderunternehmenspflichten und deren Verletzungsformen aus der entwickelten normativen Sicht persönlich, ausschließlich und unmittelbar sind. Wie oben erläutert, äußert sich die normative Einzeltäterschaft in der ontologischen Welt in zahlreichen Formen, von denen einige im Folgenden erklärt werden.

II. Phänotypische Täterschaftsformen 1. Unmittelbare und parallele Einzeltäterschaften der Unternehmensleitungsmitglieder aufgrund der parallelen Verletzung ihrer positiven Sonderpflichten durch ein aktives Tun Diese Täterschaftsform wird gebildet, wenn die Unternehmensorgane (etwa der Vorstand oder der Aufsichtsrat) oder mehrere seiner Mitglieder parallel, kumulativ oder additiv ihre positiven Sonderpflichten verletzen. Es handelt sich um eine Fallkonstellation, die durch die traditionelle Strafrechtslehre als Mittäterschaft195 der Unternehmerleistungsmitglieder genannt wird, da aus ihrer Sicht die parallelen und kumulativen Pflichtverletzungen der Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane bei Sonderpflichtdelikten und die gemeinsame Deliktsverwirklichung von mehreren Nichtpflichtigen bei Allgemeinpflichtdelikten gleiche strafrechtliche Bedeutung haben196. Dies führt die herkömmliche Pflichtdeliktslehre zur Annahme, dass die Elemente der Mittäterschaft bei Sonderpflichtdelikten – wie bei den von Mitgliedern des Vorstandes oder Aufsichtsrates begangenen Straftaten – und die Elemente der Mittäterschaft bei den Allgemeinpflichtdelikten unterschiedlicher Natur sind197: Bei der ersten Deliktsart begründe sich die Mittäterschaft auf die gemeinsame Verletzung positiver Sonderpflichten198 ; bei der zweiten Deliktsart stütze sich die Mittäterschaft auf die gemeinsame Beherrschung über die Tatbestandsverwirklichung199. Zur Erläuterung dieser ontologischen Form der normativen Einzeltäterschaft bei den Unternehmenssonderpflichtdelikten kommt das folgende Beispiel in Betracht:

195

Vgl. dazu u. a. Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 116 ff.; Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, S. 133 ff.; Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 169 ff. Aus einer allgemeinen Sicht siehe auch Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 395 ff. 196 Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 398. 197 Vgl. dazu SSWK-StGB-Murmann, 2. Aufl., Vor § 25 ff., Rn. 14; Pariona Arana, Täterschaft und Pflichtverletzung, S. 171 ff.; ders., Roxin-FS, S. 676; Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 398 f.; ders., AT II, § 25, Rn. 274; kritisch Sanchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 160. 198 So siehe u. a. MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 25, 188 f.; SSWK-StGB-Murmann, 2. Aufl., § 25, Rn. 32; Pariona, Roxin-FS, S. 45; ders., Schünemann-FS, S. 789; Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 398; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., S. 555. 199 Vgl. dazu ausführlich oben § 3 C.II.; § 5 C.; § 7 A.I.2.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

Beispiel 25: Die fünf Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft verletzen vorsätzlich ihre Pflichten zum ordnungsgemäßen Schutz des Vermögens des von ihnen geleiteten Unternehmens. Auf phänomenologischer Ebene besteht diese Pflichtverletzung aus Kapitalinvestitionen des Unternehmens in die Fischereitätigkeit, obwohl die Vorstandsmitglieder wissen, dass solche Investitionen für das Unternehmen zu großen Verlusten führen werden. Phänotypisch beruht diese Pflichtverletzung auf einem vorherigen gemeinsamen vorsätzlichen Entschluss der Vorstandsmitglieder.

Analysiert man das genannte Beispiel aus einer die Täterschaftsformen auf die äußere Erscheinung des Geschehens anpassender phänotypischen Sicht und werden die mehreren parallelen oder kumulativen Verletzungen positiver Sonderpflichten wegen eines gemeinsamen Tatentschlusses der Vorstandsmitglieder als Mittäterschaft genannt (wie es die traditionelle Strafrechtswissenschaft versteht), dann könnte man fälschlicherweise folgern, dass im Beispiel 25 die Vorstandsmitglieder Mittäter des Untreuetatbestands (§ 266 dStGB, Art. 252 sStGB) sind, denn sie hätten sowohl einen gemeinsamen Tatentschluss getroffen als auch gegen ihre jeweiligen positiven Sonderpflichten durch eine gemeinsame Abstimmung verstoßen. Aus normativer Sicht kann diese These jedoch nicht angenommen werden, weil es in der vorliegenden Konstellation weder eine gemeinsame positive Sonderpflicht noch eine gemeinsame Pflichtverletzung gibt. Wie oben200 schon festgestellt wurde, gibt es sogar in phänotypischer Hinsicht keinen gemeinsamen Tatentschluss, sondern nur mehrere gleichzeitige Entscheidungsfindungen der Unternehmensleiter. Aber sogar wenn auf ontologischer Ebene ein gemeinsamer Tatentschluss der Vorstandsmitglieder vorliegen würde, würde auch in diesem Zusammenhang keine gemeinsame Pflichtverletzung und daher keine Mittäterschaft bestehen, weil die phänotypischen Ausdrucksformen des Geschehens strafrechtlich irrelevant sind. In diesem Sinne sind jedes der Vorstandsmitglieder, die die Pflicht haben, das Vermögen des Unternehmens zu schützen, für die Erfüllung oder Verletzung dieser Pflicht individuell und nicht gemeinsam verantwortlich. Obwohl die in §§ 93 Abs. 1 AktG geregelten positiven Sonderpflichten jedes Vorstandsmitglieds zur Schaffung, Beibehaltung oder Forderung einer gemeinsamen Welt verpflichten können, sind solche Pflichten stets individueller und nie gemeinsamer Natur. Ausgehend davon verletzt jedes der Vorstandsmitglieder seine positive Sonderpflicht autonom und unabhängig von den anderen Mitgliedern. Dies bedeutet, dass im Beispiel 25 jedes Vorstandsmitglied, welches das von ihm zu verwaltende Vermögen des Unternehmens nicht schützt, als unmittelbarer Täter für den Untreuetatbestand (in Spanien zumindest wegen Versuchs) verantwortlich ist, ohne dass es darauf ankommen kann, ob zugleich auch die anderen Vorstandsmitglieder ihre positive Sonderpflicht verletzen oder nicht. Daraus folgt, dass im vorgenannten Beispiel und in allen Fallkonstellationen gleicher normativer Natur keine gemeinsame Pflichtverletzung vorliegt und daher auch keine Mittäterschaft besteht. Statt200

Vgl. dazu § 11 B. II. 2.

§ 12 Täterschaft u. Teilnahme bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten

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dessen gibt es nach dem in dieser Untersuchung befürworteten Pflichtdeliktstheorie mehrere parallele unmittelbare Einzeltäterschaften. 2. Unmittelbare parallele Einzeltäterschaften von Mitgliedern der Unternehmensleitung aufgrund ihrer gemeinsamen arbeitsteiligen Verletzung ihrer positiven Sonderpflichten Ebenso wie in der vorherigen Täterschaftsform findet die vorliegende unmittelbare parallele Täterschaft statt, wenn die Leitungsorgane eines Unternehmens oder die Mitglieder dieser Körperschaften ihre positiven Sonderpflichten gemeinsam verletzen. Der Unterschied liegt jedoch darin, dass in der hier behandelten Täterschaftsform die Unternehmensleiter ihre positiven Sonderpflichten durch eine funktionelle Arbeitsverteilung während der Entscheidungsfindung oder des Vollzuges solcher rechtswidrigen Entscheidung verletzen. Ausgehend von der Betrachtung der Bestandsteile dieser phänomenologischen Äußerungsform des Geschehens als Grundelemente der Mittäterschaft bei den Sonderpflichtdelikten bejaht die überwiegende Strafrechtslehre auch das Vorliegen der Mittäterschaft der Unternehmensleiter bei den Fällen, in denen sie gegen ihre positiven Sonderpflichten arbeitsteilig verstoßen201. Der Grund dafür sei, dass ebenso wie die arbeitsteiligen Mehrfachbeiträge der Beteiligten die strukturellen Elemente der Mittäterschaft bei Allgemeinpflichtdelikten konstituieren202, so seien auch die arbeitsteiligen parallelen oder kumulativen Mehrfachpflichtverletzungen die strukturellen Elemente der Mittäterschaft bei Sonderpflichtdelikten203. Beispiel 26: Der Aufsichtsrat und der Vorstand einer Aktiengesellschaft beschließen einstimmig, große Geldsummen von der von ihnen geleiteten Aktiengesellschaft auf ihre persönlichen Bankkonten zu überweisen. Zu diesem Zweck führt nach der rechtswidrigen Entscheidungsfindung jedes Mitglied des Aufsichtsrats und des Vorstands eine bestimmte arbeitsteilige Aufgabe vor und während der Geldübertragung aus. Dies sieht aus wie folgt: Während die Mitglieder des Aufsichtsrats die Eröffnung von Bankkonten im Ausland verwalten, überweisen die Mitglieder des Vorstands das Geld auf diese Bankkonten.

Nach den ontologischen Grundlinien der durch die überwiegende Strafrechtswissenschaft entwickelten Mittäterschaft sollen die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der Aktiengesellschaft Mittäter des Untreuedelikts sein204, weil unter 201 Zur arbeitsteiligen Verletzung der positiven Sonderpflichten vgl. Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 396; Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 202 f. 202 Zur Mittäterschaft bei Sonderpflichtdelikten vgl. u. a. Bauer, Vorbereitung und Mittäterschaft, S. 71; Birnbacher, Tun und Unterlassen, S. 164 f., 88; Busse, Täterschaft, 76 ff.; Roxin, TuT, § 34, S. 398 f. 203 Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 398. 204 So etwa Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 396. Zur Mittäterschaft bei Gremienentscheidungen vgl. Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 196.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

ihrem phänomenologischen Gesichtspunkt die Handlungen der Unternehmensleiter die Strukturelemente der Mittäterschaft erfüllen205. Die Elemente dieser Mittäterschaftsform sollen verwirklicht werden durch die gemeinsame rechtswidrige Entscheidungsfindung, die gemeinsame Verletzung der gemeinsamen positiven Sonderpflichten und die wesentliche arbeitsteilige Aufgabenteilung zwischen den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern während der Geldtransaktion206. Gegen diese These ist aus der in dieser Untersuchung befürworteten Auffassung grundsätzlich Folgendes einzuwenden: Erstens: Die Tatsache, dass die Vorstandsund Aufsichtsratsmitglieder ihre jeweiligen positiven Sonderpflichten in Verbindung mit einer faktischen arbeitsteiligen Aufgabenteilung während der Geldtransaktion verletzen, bedeutet nicht, dass sie gegen ihre positiven Sonderpflichten gemeinsam verstoßen, geschweige denn, dass solche faktische Ausdruckform der Verletzung positiver Sonderpflichten eine Mittäterschaft begründet. Denn einerseits hat eine solche faktische arbeitsteilige Aufgabenverteilung per se keine strafrechtliche Relevanz und andererseits liegt eine solche Arbeitsteilung auch in der Beteiligung von mehreren Teilnehmern vor. Zweitens: Dass die Geldüberweisung von den Bankkonten des Unternehmens auf die persönlichen Bankkonten der Unternehmensleiter ohne funktionale Arbeitsteilung zwischen den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern nicht möglich gewesen wäre – sog. kumulative Mehrfachpflichtverletzung –, begründet an sich noch keine Mittäterschaft. Selbst bei den sogenannten Herrschaftsdelikten, bei denen die arbeitsteilige Aufgabenverteilung als wesentliches Element der Mittäterschaft betrachtet wird, spielen die einfachen kumulativen Mehrfachbeiträge der Beteiligten in der Regel keine entscheidende Rolle. Dies ist der Fall, wenn jemand das Opfer nur sexuell nötigen kann, weil die Haushälterin die Tür öffnet oder ihm die Schlüssel zum Betreten des Hauses des Opfers gibt und das Opfer im Haus ist. Es besteht kein Zweifel, dass es im vorliegenden Beispiel eine arbeitsteilige Aufgabenverteilung zwischen den Beteiligten gibt und der Beitrag der Haushälterin für die sexuelle Nötigung wesentlich ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass beide Beteiligten Mittäter sind. Hingegen ist aus der in dieser Untersuchung entwickelten normativen Pflichtverletzungslehre zu bejahen, dass die Täterschaft mit der Verknüpfung des rechtswidrigen Verhaltens jedes der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder mit der Verletzung seiner korrespondierenden positiven Sonderpflicht begründet wird. Die hier genannte Funktionsverteilung ist jedoch nicht diejenige, die zum Zeitpunkt der Geschehensausführung tatsächlich stattfindet – im Beispiel 26 die faktische arbeitsteilige Aufgabenverteilung, die von den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern bei der Geldübertragung verwirklicht wird –, sondern die normative Funktionsverteilung, die zuvor sowohl durch die Gesetze als auch durch die Unternehmenssatzung geregelt ist, welche die Organisation und den Betrieb der Unternehmen sowie die normativen Zuständigkeiten der unternehmensbezogenen Personen (etwa 205 206

Ähnlich Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 200. Zieschang, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 266, Rn. 26.

§ 12 Täterschaft u. Teilnahme bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten

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von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern, Beauftragten, Untergebenen, usw.) normieren. Dies ist nichts anderes als die Begründung der Täterschaft – wie wiederholt betont wurde – auf der Verletzung strafrechtlicher Sonderpflichten, die im Gesetz und in den Unternehmenssatzung festgelegt sind. Basierend auf dieser Prämisse beruht die Verantwortung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder als parallele unmittelbare Einzeltäter für das Untreuedelikt nicht auf der Ausübung unterschiedlicher arbeitsteiliger sachlicher Aufgaben der Unternehmensleiter während der Deliktsausführung, sondern auf der unmittelbaren Verletzung der individuellen positiven Sonderpflichten zum Schutz der Vermögenswerte des Unternehmens, die in dem Zuständigkeitsbereich jedes der Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane liegt. Diese Lösung verhindert im Gegensatz zum Lösungsmodell der überwiegenden Strafrechtswissenschaft, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit – hier die Täterschaft – auf bloßen ontologischen oder tatsächlichen Kategorien des Seins beruht – wie etwa der tatsächlichen Aufgabenverteilung bei der Geschehensausführung –, sondern in normativen Kategorien der Sollenswelt – nämlich die Pflichtverletzung. 3. Unmittelbare parallele Einzeltäterschaften von Mitgliedern der Unternehmensleitung kraft Verletzung ihrer ontologisch mit Mittatherrschaft von ihnen und Nichtverpflichteten ausgeführten positiven Sonderpflichten Diese phänomenologische Form der Täterschaft der Unternehmensleiter kommt in Betracht, wenn bei der Verletzung positiver Sonderpflichten sowohl die Herrschaft von sonderpflichtigen Unternehmensleitern – etwa Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder207, Angestellten, Beauftragten einer AG und Geschäftsführer einer GmbH – als auch die Herrschaft von Untergebenen oder Außenstehenden zusammentreffen208. Anders formuliert wird diese phänotypische Äußerungsform der Täterschaft von Unternehmensleitern bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten in der Fallkonstellation gebildet, in der der Verstoß gegen die Sonderpflichten mit Mitherrschaft von positiv sonderverpflichteten Unternehmensleitern und Nichtsonderpflichtigen ausgeführt wird209. In der Terminologie der traditionellen Strafrechtswissenschaft spielt jeder der Unternehmensleiter, Untergebenen oder Außenstehenden eine wesentliche Rolle während der Deliktsausführung, so dass auf materieller Ebene ohne Beitrag eines von ihnen das Verbrechen nicht verwirklicht würde210.

207

Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 18, Rn. 827. Allgemein Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 172 f. 209 Vgl. dazu aus einer allgemeinen Betrachtung der Sonderpflichtdelikte Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 158 ff., 172 ff. 210 Siehe hierfür Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 200. 208

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Diese phänotypische Ausdrucksform der Täterschaft von Unternehmensleitern wird durch das folgende Beispiel gezeigt: Beispiel 27 (Abwandlung eines theoretischen Falls211): Die A-GmbH plant einen Anbau an ihre bestehenden Büroräume. Der selbständig tätige Architekt B wird beauftragt, neben der technischen Planung des Baus auch die Organisation der Bautätigkeit zu übernehmen und insbesondere in Namen der A-GmbH Handwerker zu beauftragen. Für die Vornahme der umfangreichen Elektroinstallationen lagen B mehrere Angebote zu unterschiedlich hohen Preisen vor. B entscheidet sich für das im Vergleich zu den anderen Angeboten teurere Angebot des Angestellten C des Elektrikerunternehmen EGmbH, da ihm dieser zu einem erfolgreichen Vertragsabschluss eine „Provisionszahlung“ von 5.000 Euro verspricht. In den Verhandlungen ist D – der weder Angestellter noch Beauftragter beider Unternehmen ist – ein Vermittler zwischen C und B. Dazu macht D im Namen von C den Vorschlag an B; B sendet C ein Gegenangebot über D zu. C nimmt das Gegenangebot von B an. Dann treffen sich B, C und D und der Vertrag zwischen B und C wird abgeschlossen, wobei D wegen seiner B und C erteilten Beratung eine wesentliche Rolle spielt.

Wäre das Beispiel 27 eine Straftat kraft Verletzung negativer Allgemeinpflichten (Allgemeinpflichtdelikte), würde jeder der Beteiligten (B, C und D) an der Deliktsherbeiführung – gemäß dem in dieser Untersuchung entwickelten Gedanken – als unmittelbar paralleler Einzeltäter haften, weil jeder der Beteiligten gegen seine negative Allgemeinpflicht verstoßen würde212, die die Täterschaft bei den Allgemeinpflichtdelikten begründet. Aus Sicht der überwiegenden Strafrechtswissenschaft, welche die Allgemeinpflichtdelikte als Herrschafts- oder Organisationsdelikte betrachtet, wären B, C und D Mittäter, da ihre Handlungen die Strukturelemente der Mittäterschaft beinhalten213 : Nämlich den gemeinsam Tatentschluss zur Deliktsausführung, die Arbeitsverteilung während der Verbrechensdurchführung und den wesentlichen materiellen Beitrag jedes Beteiligten bei der Deliktsausführung. Da es sich bei dem im Beispiel 27 beschriebenen Geschehen jedoch um ein Delikt kraft Verletzung positiver Sonderpflichten (Sonderpflichtdelikte214) handelt, sind Täter nur diejenigen Träger (Angestellte oder Beauftragte215 eines Unternehmens) der positiven Sonderpflicht, die in § 299 i. V. m. § 25 dStGB und Art. 286bis i. V. m. 211 Das Beispiel ist eine Abwandlung eines in der Strafrechtswissenschaft gegebenen Falls von Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 26, Rn. 11. 212 Siehe hierfür ähnlich Lesch, ZStW 105 (1993), S. 289; Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 160, 173. 213 Vgl. SK-StGB-Rogall, § 299, Rn. 95. 214 In der Terminologie der h. L. werden die Bestechlichkeit und Bestechung, die hier als Sonderpflichtdelikt bezeichnet werden, als Sonderdelikt begriffen, vgl. SSK-Heine/Eisele, 30. Aufl., § 299, Rn. 5; LK-Tiedemann, Band 10, 12. Aufl., § 299, Rn. 10; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 26, Rn. 11. 215 Boerger, Zur Schutzfunktion des Wirtschaftsstrafrechts, S. 95; NK-StGB-Dannecker, Band 3, 4. Aufl., § 299, Rn. 10, 12; SSK-Heine/Eisele, 30. Aufl., § 299, Rn. 6; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 18, Rn. 827; AnwaltKo-StGB-Wollschläger, 3. Aufl., § 299, Rn. 17, 26.

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Art. 28 Abs. 1 sStGB geregelt ist. Hingegen sind die anderen Beteiligten, die keine positive Sonderpflicht tragen, deren Verletzung die Grundlage der Täterschaft begründet, nur Teilnehmer216. In diesem Sinne sind nur B und C Täter des Bestechlichkeits- und Bestechungsdelikts, weil nur sie mit den in §§ 299, 25 dStGB und Art. 286bis, 28 Abs. 1 sStGB verankerten positiven Sonderpflichten der Täterschaft verbunden sind. Die positive Sonderpflicht, die B bindet, ist in § 299 Abs. 1 Nr. 1 und Art. 286bis Abs. 1 sStGB geregelt und legt fest, dass die Angestellten oder Beauftragten eines Unternehmens verpflichtet sind, im geschäftlichen Verkehr Waren oder Dienstleistungen ordnungsgemäß zu erwerben217 und daher ein solcher Bezug nicht mit der Vorteilsgewinnung für sich oder einen Dritten als Gegenleistung für die unlautere Bevorzugung eines der Mitbewerber im inländischen oder ausländischen Wettbewerb verbunden werden darf218. Ebenso sieht die in § 299 Abs. 2 Nr. 1 dStGB und Art. 286bis Abs. 2 sStGB geregelte positive Sonderpflicht, die C bindet, vor, dass der Angestellte oder Beauftragte eines Unternehmens Waren oder Dienstleistungen im Geschäftsverkehr ordnungsgemäß erwerben muss219 und es ist daher auch verboten, einem Angestellten oder Mitarbeiter eines Unternehmens einen Vorteil für diesen oder einen Dritten anzubieten220, zu versprechen oder zu gewähren, um eine unlautere Bevorzugung beim Erwerb von Waren oder Dienstleistungen im nationalen oder ausländischen Wettbewerb zu erhalten221. Konkret haften B und C als Täter eines Bestechlichkeits- oder Bestechungsdelikts denn ihre Handlungen erfüllen die tatbestandlichen Elemente des § 299 dStGB und des Art. 286bis sStGB. Die Schaffung des in § 299 Abs. 1 Nr. 1 dStGB und Art. 286bis Abs. 1 sStGB kriminalisierten strafrechtlich missbilligten Risikos von B liegt materiell in zwei Aspekten: Einerseits nimmt B als Beauftragter222 des Unternehmens A-GmbH am Wettbewerb teil, um für die A-GmbH ordnungsgemäße

216 NK-StGB-Dannecker, Band 3, 4. Aufl., § 299, Rn. 15; StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., § 299, Rn. 2; LK-Tiedemann, Band 10, 12. Aufl., § 299, Rn. 10; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 26, Rn. 11. 217 NK-StGB-Dannecker, Band 3, 4. Aufl., § 299, Rn. 15. 218 Vgl. dazu SSK-Heine/Eisele, 30. Aufl., § 299, Rn. 27; LK-Tiedemann, Band 10, 12. Aufl., § 299, Rn. 44. 219 SSWK-StGB-Rosenau, 2. Aufl., § 299, Rn. 6 ff. 220 In diesem Sinne NK-StGB-Dannecker, Band 3, 4. Aufl., § 299, Rn. 16; LK-Tiedemann, Band 10, 12. Aufl., § 299, Rn. 20. 221 SSWK-StGB-Rosenau, 2. Aufl., § 299, Rn. 16 ff. 222 Die Strafrechtswissenschaft definiert „Beauftragter“ als die unternehmensbezogene Person, die, ohne Geschäftsinhaber oder Angestellter zu sein, zum Zeitpunkt der Tathandlung aufgrund ihrer Stellung berechtigt und verpflichtet ist, für das Unternehmen gesellschaftlich zu handeln, und auf die betrieblichen Entscheidungen, die den Waren- und Leistungsaustausch betreffen, unmittelbar oder mittelbar Einfluss nehmen kann, siehe NK-StGB-Dannecker, Band 3, 4. Aufl., § 299, Rn. 19; SSK-Heine/Eisele, 30. Aufl., § 299, Rn. 10, 12; LK-Tiedemann, Band 10, 12. Aufl., § 299, Rn. 11, 16; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 26, Rn. 19.

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Handwerkerverträge im Rahmen des Anbauprojekts abzuschließen223 ; andererseits nimmt B das Angebot des C an, ihm eine Provision zu zahlen. Es liegt also ein Sichversprechenlassen von 5.000 Euro vor, welches von B akzeptiert wird. Im Übrigen ist es unerheblich, ob es tatsächlich zur Leistung kommt224 ; denn entscheidend ist nur die Annahme des Angebots durch B, das hier sowohl faktisch als auch normativ vorliegt. Ähnlich schafft das Verhalten des C das in § 299 Abs. 2 Nr. 1 dStGB und Art. 286bis Abs. 2 sStGB enthaltene strafrechtlich verbotene Risiko. Denn zum einen nimmt C als Angestellter des Unternehmens E-GmbH am Wettbewerb teil, um in der Verhandlung mit B einen ordnungsgemäßen Handwerkervertrag zugunsten des Unternehmens E-GmbH abzuschließen; zum anderen verspricht C als Angestellter des Unternehmens E-GmbH dem Beauftragten B des Unternehmens A-GmbH einen wirtschaftlichen Vorteil von 5.000 Euro, damit er ihn im Wettbewerb unlauter bevorzugt (Unrechtsvereinbarung). Auf subjektiver Ebene erfüllen die Handlungen von B und C auch die tatbestandsmäßigen Erfordernisse des § 299 dStGB225 und Art. 286bis sStGB, da B und C die tatsächlichen Voraussetzungen des unlauteren Wettbewerbs kennen. C und B wissen nämlich, dass der von C angebotene Vorteil eine Gegenleistung für eine unlautere Vorzugsbehandlung ist. Verstoßen die Handlungen des B und C – wie erwähnt – gegen die in § 299 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 299 Abs. 2 Nr. 1 dStGB und Art. 286bis Abs. 1 bzw. 2 sStGB enthaltenen positiven Sonderpflichten, dann hafteten B und C als unmittelbarer Täter für das Bestechlichkeits- oder Bestechungsdelikts226. Außenstehende und Unternehmensinhaber können keine Täter227 dieses Delikts sein, da sie nach dem Wortlaut des § 299 dStGB und Art. 286bis sStGB weder Angestellte noch Beauftragte sind. Private Außenstehende, die nicht im Interesse eines Mitbewerbers oder als bloße Vermittler in der rechtswidrigen Vereinbarung handeln, können nur Teilnehmer sein228. So können die Unternehmensinhaber Täter anderer Straftaten sein, wenn sie Vorteile für ihr Unternehmen annehmen etc. In diesem Sinne ist D im Beispiel 27 nur Teilnehmer, da er nicht gegen die positive Sonderpflicht verstößt, die der Täterschaft zugrunde liegt.

223

Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 26, Rn. 23. Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 26, Rn. 33. 225 Zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Bestechlichkeitsdelikts vgl. SSK-Heine/Eisele, 30. Aufl., § 299, Rn. 5, 42, 48. 226 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 26, Rn. 62. 227 Vgl. dazu Boerger, Zur Schutzfunktion des Wirtschaftsstrafrechts, S. 95; SSK-Heine/ Eisele, 30. Aufl., § 299, Rn. 5 ff.; LK-Tiedemann, Band 10, 12. Aufl., § 299, Rn. 10; ders., Wirtschaftsstrafrecht, § 18, Rn. 827. 228 Sowoada, Tiedemann-FS, 296 f.; vgl. ausführlich unten § 12 C.II.2.b) aa). 224

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4. Unmittelbare parallele Einzeltäterschaften von Mitgliedern der Unternehmensleitung kraft Verletzung ihrer positiven Sonderpflichten durch Anstiftung bei Tatherrschaft der Untergebenen Im Gegensatz zum vorherigen phänotypischen Ausdruck tritt diese phänomenologische Äußerungsform der Täterschaft bei Unternehmensdelikten wegen Verletzung positiver Sonderpflichten auf, wenn die besonders Verpflichteten (etwa Unternehmensleiter oder Mitglieder der Leitungsorgane eines Unternehmens) ihre positiven Sonderpflichten durch ein anstiftendes Verhalten verletzen. Mit anderen Worten beauftragen die Sonderverpflichteten vorsätzlich die Außenstehenden, die materiellen Straftaten auszuführen, die die positiven Sonderpflichten verletzen. Dies bedeutet, dass die Außenstehenden die faktische Herrschaft über die Ausführung der tatbestandlichen Elemente haben. Es handelt sich also um eine Konstellation, in der Intraneus (z. B. Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied) und Extraneus (etwa Außenstehender und in der Regel auch Untergebener) gegen ihre jeweiligen strafrechtlichen Pflichten ohne Tatherrschaft bzw. mit Tatherrschaft verstoßen. Beispiel 28: Die Geschäftsführer einer A-GmbH & Co. KG beschließen, einen Kredit bei einer Bank zu beantragen. Zur Chancenerhöhung der Krediterlangung entscheiden die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, die Bilanz der Gesellschaft in einem möglichst guten Licht dastehen lassen. Zu diesem Zweck beauftragen die Geschäftsführer ihren Steuerberater und einen Angestellten, Jahresabschluss und Lagebericht des Unternehmens so zu ändern, dass seine Gewinne unrealistisch gesteigert werden und das Unternehmen auf diese Weise vor den Banken als zahlungsfähig erscheint229.

Wäre das Beispiel 28 ein Herrschaftsdelikt und beruhte die Bestimmung der Täterschaftsform auf der ontologischen Kategorie der Tatherrschaft – wie bei der Herrschaftsdeliktslehre –, dann müsste man schließen, dass die Geschäftsführer und die Extranei (Steuerberater und Angestellter) als Anstifter230 bzw. Mittäter231 für die falsche Darstellung (§ 331 HGB, Art. 290 sStGB) haften, weil Geschäftsführer und Extraneus zur Verwirklichung der Straftat ohne Tatherrschaft bzw. mit Tatherrschaft beigetragen hätten. Selbst wenn es sich um eine Straftat der Verletzung negativer allgemeiner Pflichten handeln würde, bei dem die Grundlage und die Formen der Beteiligung mit der Rechtsnatur und normativen Verletzungsform dieser Pflichten

229 Dieses Beispiel ist eine Abwandlung des in der Strafrechtswissenschaft von Wittig gegebenen theoretischen Falls, vgl. dazu Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 29, Rn. 11. 230 Zu den ontologischen Voraussetzungen der Anstiftung bei den sog. Herrschafts- oder Organisationsdelikten, welche im Fall 29 zur Erklärung einer möglichen Strafhaftung der Geschäftsführer in Betracht kommt, vgl. ausführlich oben § 4 A.IV. 231 Zur ontologischen Begründung der Mittäterschaft bei den Organisations- oder Herrschaftsdelikten, die im vorliegenden Fall der ontologischen Handlungsweise der Steuerberater und Angestellten entsprechen, vgl. oben § 3 C.II.; § 5 B., C., D.; § 7 A.I. (1., 2., 3.).

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verbunden sind232, wären die Geschäftsführer parallele Anstifter und die Extranei (Steuerberater und Angestellter) unmittelbare parallele Einzeltäter233. Aus Sicht der Vertreter der herkömmlichen Pflichtdeliktslehre wären die Geschäftsführer für zwei Strafunrechte verantwortlich: für die begangene Anstiftung eines Organisationsdelikts234 und für die Unterlassungstäterschaft eines – in ihrer Terminologie – Pflichtdelikts235 ; umgekehrt wären der Steuerberater und der Angestellte als Mittäter eines Organisationsdelikts236 und als Gehilfe eines Pflichtdelikts237 verantwortlich. In diesem Sinne wäre die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beteiligten in Beispiel 28 mit den Regeln der Ideal- und Scheinkonkurrenz von Täterschaft und Teilnahme verbunden238. Nach den Vertretern der Anwendung der Regeln der Idealkonkurrenz wären Intrane (Geschäftsführer) und Extranei (Steuerberater und Angestellter) mittelbare Mittäter bzw. Gehilfen des Delikts der falschen Darstellung; im Vergleich dazu wären Intranei und Extranei aus Sicht der Verfechter der Geltung der Regeln der Scheinkonkurrenz unmittelbare Mittäter bzw. Gehilfen239. Die dargestellten Lösungen werden hier abgelehnt. Die Ablehnung der ersten Lösungsmöglichkeit gründet sich darauf, dass das Beispiel 28 kein Allgemeinpflichtdelikt (Herrschafts- oder Organisationsdelikt in der Terminologie der h. L.), sondern ein Sonderpflichtdelikt240 ist und daher die Geschäftsführer keine Anstifter solcher Delikte sein können. Denn: Während bei den Allgemeinpflichtdelikten das Bestimmen eines anderen zur Deliktsverwirklichung die Anstiftung des Veranlassers begründet, begründet bei den Sonderpflichtdelikten das Bestimmen eines Außenstehenden zur Verletzung der positiven Sonderpflicht durch einen Sonderpflichtigen die Täterschaft des Sonderpflichtträgers. Die These der herkömmlichen Pflichtdeliktslehre wird ihrerseits abgelehnt, weil die Handlungen der Geschäftsführer, des Steuerberaters und des Angestellten keine Idealkonkurrenz bilden. Die Verhaltensweisen der Beteiligten bilden eigentlich nur eine Gesetzes- bzw. Scheinkonkurrenz und daher können die Regel der Tateinheit (§ 52 dStGB) und Tatmehrheit (§ 53 dStGB) nicht angewendet werden, um die täterschaftliche oder teilnehmerische Strafverantwortung der Geschäftsführer, des Steuerberaters und des Angestellten zu begründen. 232 Zu normativen Erfordernissen der Anstiftung bei Allgemeinpflichten vgl. oben § 9 B.III., IV. 233 Zu einer ausführlichen Erläuterung der Begründung mehrerer paralleler Einzeltäterschaften vgl. oben § 9 B.II.; § 11 B.II. 234 Dazu Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 162. 235 Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 161 und insbesondere § 12 A (S. 207 ff.). 236 Zu einer allgemeinen Sicht dieses Themas vgl. Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 162. 237 Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 162. 238 Etwa Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 401 ff. 239 Dazu Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 161 und insbesondere § 12 A (S. 207 ff.). 240 Etwa Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 29, Rn. 6.

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Geht man von dieser Prämisse aus, lässt sich folgern, dass das Unterlassen der Geschäftsführer, die falschen Darstellungen richtig zu stellen, die Grundlage von deren täterschaftlicher Strafhaftung für das Sonderpflichtdelikt der unrichtigen Darstellung ist. Denn sie verstoßen gegen ihre positive Sonderpflicht, die sie als Geschäftsführer verpflichtet, die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft in der Eröffnungsbilanz, im Jahresabschluss, im Lagebericht einschließlich der nichtfinanziellen Erklärung, im gesonderten nichtfinanziellen Bericht oder im Zwischenabschluss richtig wiederzugeben241; wodurch das Vertrauen in die Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen über die Vermögensverhältnisse jedes handels- und gesellschaftsrechtlich zur (öffentlichen) Rechnungslegung verpflichteten Unternehmens242 gesichert werden soll. Da die Verletzung der Sonderpflicht unmittelbar, individuell und parallel ist, ist die sich aus dieser Pflichtverletzungsform ergebende Täterschaftsform der Geschäftsführer auch unmittelbar, parallel und individuell. Die Geschäftsführer sind nämlich parallele, unmittelbare Einzeltäter, denn soweit jedem für sich die positive Sonderpflicht obliegt, verletzt jeder die Pflicht zur richtigen Bilanzwiedergabe243. Zusammenfassend ausgedrückt verletzen die Geschäftsführer die besondere positive Pflicht zur richtigen Darstellung der Informationen über das Vermögen der Gesellschaft. Es offensichtlich, dass die Begründung der Täterschaft der Geschäftsführer mit einer systematischen Auslegung der im HGB, StGB, AktG und GmbHG geregelten Vorschriften verbunden ist. Denn die in § 331 HGB und Art. 290 sStGB als taugliche Täter benannten Mitglieder eines vertretungsberechtigten Organs einer GmbH sind nach §§ 35, 44 des GmbHG die Geschäftsführer. Ebenfalls legen § 13 dStGB und Art. 11 sStGB i. V. m. fest, dass diejenigen als Täter haften, die ihre sich aus ihrer Sondergarantenstellung herleitenden besonderen positiven Pflichten verletzen. Schließlich legen die Rechtsgedanken der § 14 und Art. 31 des StGB Deutschlands bzw. Spaniens sowohl die Übertragung der Erfüllung positiver Sonderpflichten von der juristischen Person oder ihrer Gründer auf die vertretungsberechtigten Organe als auch die täterschaftliche Strafhaftung der Geschäftsführer einer GmbH fest, wenn sie durch Begehung oder Unterlassung gegen ihre positiven Sonderpflichten verstoßen, die in § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB i. V. m. §§ 35, 44 GmbHG geregelt sind. Im Übrigen, wäre das im Beispiel 28 beschriebene Unternehmen eine AG, dann wären Täter des in § 331 HGB und Art. 290 sStGB typisierten Delikts der Vorstand, der Aufsichtsrat oder die Mitglieder dieser Organe244, da sie (nach §§ 76 Abs. 2 f., 78, 241

Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., Teil 8, 1. Kap., Rn. 49. Dazu Boerger, Zur Schutzfunktion des Wirtschaftsstrafrechts, S. 106 f.; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 29, 3. 243 Ähnlich Sanchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 161. 244 Zum Täterkreis bei dem im Bereich der Aktiengesellschaften stattfindenden Delikt unrichtiger Darstellung siehe u. a. Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., Teil 8, 1. Kap., Rn. 46; ders., Puppe-FS, S. 1272; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 29, Rn. 36. 242

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94 des AktG) die Organe einer Aktiengesellschaft sind und daher die positiven Sonderpflichten erfüllen müssen, so dass sie als Täter für das in § 331 HGB und Art. 290 sStGB normierte Sonderpflichtdelikt unrichtiger Darstellung strafrechtlich verantwortlich sind, wenn sie solche positive Sonderpflichten verletzen245. Der Steuerberater und der Angestellte sind ihrerseits bloße Teilnehmer246, denn solche unternehmensbezogenen Personen sind nach dem Wortlaut des § 331 HGB und des Art. 290 sStGB von der Deliktsverwirklichung ausgeschlossen. Diese Problematik wird später behandelt247. 5. Unmittelbare parallele Einzeltäterschaften von Mitgliedern der Unternehmensleitung kraft Verletzung ihrer positiven Sonderpflichten durch Unterlassung und Herrschaft des Außenstehenden über die Begehung Diese Konstellation ist im Vergleich zu anderen phänomenologischen Ausdrucksweisen der Einzeltäterschaft der Unternehmensleiter bei Sonderpflichtdelikten durch Folgendes gekennzeichnet: Erstens haben die im Hintergrund handelnden Unternehmensleiter keine faktische Herrschaft über die Ausführung des Strafunrechts, da sie durch ihr Verhalten lediglich ermöglichen, dass ihre besondere Geschäftsführungs- Kontroll-, Schutz- oder Überwachungspflichten durch verbotene strafrechtliche Risiken verletzt werden, die ein Extraneus oder anderer paralleler Sonderpflichtträger schafft248. Zweitens hat der Extraneus (Untergebene, Außenstehende oder parallele Intraneus) nicht nur die alleinige vorsätzliche faktische Herrschaft über die Verletzung der Sonderpflicht, sondern es fehlt darüber hinaus am Bestimmen durch den Unternehmensleiter bzw. an einem gemeinsam mit diesem gefassten Tatentschluss249. Drittens fasst der im Hintergrund bleibende intrane Unternehmensleiter unabhängig von dem Außenstehenden oder dem parallelen Unternehmensleiter einen eigenen Tatentschluss zum Unterlassen der Erfüllung seiner Sonderpflicht250.

Spezifisch zur Täterschaft bei mehrköpfigen Organen vgl. u. a. Ransiek, Puppe-FS, S. 1272 f.; ders., Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., Teil 8, 1. Kap., Rn. 439 ff. 245 Vgl. dazu Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., Teil 8, 1. Kap., Rn. 46, 49; Ulmer/Habersack, in: HCL-GmbHG, 3. Aufl., § 11 GmbHG, Rn. 5 ff. 246 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 29, Rn. 16. 247 Siehe hierfür unten § 12 C.II.2.b)cc) (Fall 52). 248 Über die unterlassene Verletzung der genannten Sonderpflichten vgl. Hopt/Roth, GrossKoAG, § 111, Rn. 234; Hüffer, AktG, § 111, Rn. 6; Schwerdtfeger, Strafrechtliche Pflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats, S. 81 ff. 249 Vgl. dazu Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 401 ff. 250 A. a. O.

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Beispiel 29: Der 15-köpfiger Aufsichtsrat einer AG beschließt einstimmig, die Geschäftsführungstätigkeit des Vorstands nicht zu überwachen, obwohl die Aufsichtsratsmitglieder wissen, dass der Vorstand gegen seine in § 93 Abs. 1 AktG geregelte positive Sonderpflicht zur ordnungsgemäßen Führung der Aktiengesellschaft verstößt, die zur Schaffung strafrechtlicher Risiken wegen Geldwäsche führt. Beispiel 30: Der Vorstand einer AG beschließt vorsätzlich, die berufliche Tätigkeit des ComplianceBeauftragten C des von ihm geleiteten Unternehmens nicht zu überwachen, obwohl er weiß, dass dieser sich vorsätzlich und rechtswidrig verhält, was dem Unternehmen große wirtschaftliche Verluste verursacht.

Aus Sicht der normativen Tatherrschaftslehre, nach der die Grundlage der Täterschaft aller Delikte auf dem Prinzip der „Herrschaft über den Grund des Erfolges“251 beruht, sind die Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder in den Beispiele 29 bzw. 30 unterlassende mittelbare Mittäter, da sich die Täterschaft bei den „unechten Unterlassungsdelikte“ – wie etwa den dargestellten Beispielen – auf die „Herrschaft über die Erfolgsverursachung“ oder über die „Hilflosigkeit des geschützten Rechtsgutes“ stützt252. Im Beispiel 29 äußere sich die mittebare Herrschaft der Aufsichtsratsmitglieder über die tatbestandliche Erfolgsverursachung in der Entschlussfassung, die Tätigkeit des Vorstands nicht zu kontrollieren253. In Beispiel 30 liegt die mittelbare Herrschaft der Vorstandsmitglieder über den Grund des tatbestandlichen Erfolges ihrerseits in ihrer freien Entscheidung, den Compliance-Beauftragten verbotene strafrechtliche Risiken schaffen zu lassen254. Im gleichen Sinne sind die Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder aus Sicht der herkömmlichen Pflichtdeliktslehre auch mittelbare Täter, da sie ihre Sonderpflichten zur Überwachung der Tätigkeit des Vorstands bzw. Compliance-Beauftragten mittelbar verletzen. Ausgehend von diesen Prämissen kommen die Verfechter dieser Thesen zu dem Schluss, dass die Aufsichtsrats- und die Vorstandsmitglieder mittelbare Mittäter255 des Geldwäsche-256 (§ 261 dStGB, Art. 301 ff. sStGB) bzw. Untreuedelikts257 (§ 266 dStGB, Art. 252 sStGB) sind. 251 Zur Herrschaft des Hintermannes über die Verwirklichung des Sonderpflichtdelikts durch die Herrschaft über die Hilflosigkeit des geschützten Rechtsguts siehe u. a. Böse, NStZ 2003, 640; Roxin, AT II, § 32, Rn. 19; Schünemann, Roxin-FS, 2001, S. 3; ders., LK, § 25, Rn. 39. Im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts vgl. u. a. Schwerdtfeger, Strafrechtliche Pflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats, S. 206 ff. 252 MüKoStGB-Dierlamm, Band 5, 2. Aufl., § 266, Rn. 184; LK-Schünemann, Band 9/ Teil 1, 12. Aufl., § 266, Rn. 54; ders., Grund und Grenzen der unechten Unterlassungsdelikte, S. 341 ff.; ders., Amelung-FS, S. 311; ders., LK, 12. Aufl., § 14, Rn. 10, 17. 253 Ähnlich Schwerdtfeger, Strafrechtliche Pflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats, S. 32. 254 Siehe Helmrich, NZG 2011, 1252; Mosiek, wistra 2003, 374 f.; Ransiek, AG 2010, 148; Schwerdtfeger, Strafrechtliche Pflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats, S. 32. 255 Allgemein in der alten Strafrechtswissenschaft siehe u. a. Nagler, Die Teilnahme an Sonderverbrechen, S. 68 ff.; Beling, Die Lehre von Verbrechen, S. 239. 256 So Schwerdtfeger, Strafrechtliche Pflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats, S. 42 f.

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Gegen die These der Tatherrschaftslehre ist hauptsächlich vorzubringen, dass sie nicht zweifellos erklären kann, wo die reale ontologische Herrschaft der Aufsichtsratsmitglieder (im Beispiel 29) und des Vorstandes (im Beispiel 30) über das tatbestandliche Verhalten der unmittelbare handelnden vollverantwortlichen Vordermänner liegt; denn die Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane haben in Wahrheit keine tatsächliche nachweisbare ontologische Herrschaft über die Herbeiführung des tatbestandlichen Verhaltens weder des Vorstandes noch des Compliance-Beauftragten258, sondern verstoßen nur gegen eine Pflicht, die dem ontologischen Wesen der Tatherrschaft zuwiderläuft. Im Übrigen werden in dieser Fallkonstellation die von den eigenen Verfechtern der Herrschaftslehre formulierten Strukturelemente der mittelbaren Täterschaft nicht erfüllt, da weder die Mitglieder des Vorstands (im Beispiel 29) noch der Compliance-Beauftragte (im Beispiel 30), welche die tatbestandlichen Elemente faktisch ausführen, soweit sie vorsätzlich und mit voller strafrechtlicher Verantwortung handeln, von den sonderpflichtigen Hintermännern instrumentalisiert werden259. Als Gegenargument zu der durch die herkömmliche Pflichtverletzungstheorie skizzierten mittelbaren Täterschaft sollte angemerkt werden, dass der Phänotyp der Pflichtverletzung möglicherweise geeignet ist, um die phänomenologische Erscheinung des Strafunrechts didaktisch zu erklären, aber nicht zur Erklärung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit einer Person als Täter für die Verletzung solcher Sonderpflicht260, d. h. für die Ausführung des Strafunrechts. In den genannten Beispielen dienen das Handeln des Vorstandes (im Beispiel 29) und des ComplianceBeauftragten (in Beispiel 30) und der Sonderpflichtträger nur zur Erläuterung der faktischen Äußerungsform des Ereignisses, nicht jedoch zur Begründung der mittelbaren Täterschaft261 der Aufsichtsrats- oder der Vorstandsmitglieder. Die dargelegten Einwände zeigen, dass weder die durch die Tatherrschaftslehre formulierte mittelbare Täterschaft noch die durch die Pflichtverletzungslehre vorgeschlagene mittelbare Täterschaft geeignet sind, um die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Aufsichtsrats- und der Vorstandsmitglieder als Täter zu begründen, wenn sie einem Sonderpflichtträger oder einem Außenstehenden vorsätzlich überlassen, die tatbestandliche Handlung auszuführen. Aus diesem Grund wird hier die unmittelbare Täterschaft als Rechtsinstitut vorgeschlagen, um die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder zu stützen. Denn nach 257

AnwaltKo-StGB-Esser, 3. Aufl., § 266, Rn. 332; Schwerdtfeger, Strafrechtliche Pflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats, S. 62. 258 Vgl. dazu ausführlich oben u. a. § 6 C.III. 259 Gegen die Begründung der mittelbaren Täterschaft der Sonderpflichtträger wegen der Verletzung ihrer positiven Sonderpflichten durch die Benutzung eines qualifikationslosen Werkzeugs sprechen sich u. a. aus Otto, AT, 6. Aufl., § 21, Rn. 94; Stratenwerth/Kuhlen, AT, 6. Aufl., § 12, Rn. 40. 260 Siehe hierfür oben § 3 D., E.; § 6 C.III. 261 In die gleiche Richtung positionieren sich Stratenwerth/Kuhlen, AT, 6. Aufl., § 12, Rn. 40.

§ 12 Täterschaft u. Teilnahme bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten

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der hier vertretenen Position sind für die Begründung der Täterschaft nur die Natur der Pflicht und das Wesen ihrer Verletzung relevant. Wie bereits in anderen Teilen dieser Untersuchung erwähnt, sind sowohl das Verhältnis positiver Sonderpflichten zu den Mitgliedern des Aufsichtsrats bzw. Vorstands als auch die Verletzung dieser Pflichten stets unmittelbarer Natur. In diesem Zusammenhang ist die Form der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, die auf der Verletzung dieser Pflicht beruht, immer unmittelbar; folglich sind die Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder im Beispiel 29 parallele unmittelbare Einzeltäter eines Geldwäschedelikts, da sie ihre jeweiligen besonderen positiven Aufsichts- bzw. internen Sicherungspflichten verletzt haben, welche – gem. §§ 10 ff. GwG und §§ 14 Abs. 1, 25 StGB – die Täterschaft der Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder bei einem Geldwäschedelikt begründet. Um genau zu sein, verstoßen die Aufsichtsratsmitglieder gegen ihre besonderen positiven Aufsichtspflichten, nach denen es ihnen gem. § 2 Abs. 1 GwG und § 111 Abs. 1 AktG obliegt, die richtige Erfüllung der Geschäftsführungspflicht des Vorstands zu kontrollieren262 und damit die Verwirklichung von Geldwäschedelikten durch die Vorstandsmitglieder zu vermeiden263. Die Vorstandsmitglieder übertreten ihrerseits ihre in §§ 76 und 77 AktG festgestellte besondere positive Sonderpflicht, das Unternehmen ordnungsgemäß zu führen264 und somit richtige und geeignete interne Sicherungsmaßnahmen gegen die Geldwäscherei zu treffen. Sodann sind Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder im Beispiel 29 parallele unmittelbare Einzeltäter des Geldwäschestrafunrechts265, da sie durch Unterlassen bzw. Begehen die sich aus ihrer entsprechenden Sondergarantenstellung oder Sonderzuständigkeit herleitenden positiven Sonderpflichten zu einer ordnungsgemäßen Aufsichtsfunktion266 bzw. richtigen Durchführung interner Maßnahmen267 zur Bekämpfung der Geldwäsche verletzt haben. Im Beispiel 30 haften Hintermänner (die qualifizierten Vorstandsmitglieder) und Vordermann (Compliance-Beauftragter) hingegen für die unterlassene Verwirklichung des Untreuedelikts unterschiedlich, weil sie im Vergleich zu den Beteiligten an Beispiel 29 unterschiedliche strafrechtliche Pflichten verletzen. Die Vorstandsmitglieder verstoßen – wie im Beispiel 29 bereits erläutert wurde – gegen die positive Sonderpflicht, ordnungsgemäße und geeignete interne Sicherungsmaßnahmen zur 262

Schwerdtfeger, Strafrechtliche Pflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats, S. 33. So Neuheuser, NZWiSt 2015, 241; ders., MüKoStGB, Band 4, 3. Aufl., § 261, Rn. 107. 264 Schwerdtfeger, Strafrechtliche Pflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats, S. 33 ff. 265 Zur Täterschaft der Sonderpflichtträgers (etwa der Aufsichtsratsmitglieder) wegen ihrer unterlassenen Pflichtverletzung vgl. MRK-StGB-Dietmeier, 20. Aufl., § 261, Rn. 30; SSWKStGB-Jahn, 2. Aufl., § 261, Rn. 75. 266 Hinsichtlich der Täterschaft der Aufsichtsratsmitglieder wegen der Verletzung ihrer Aufsichtspflicht ist darauf hinzuweisen, dass nicht jede Verletzung einer Aufsichts- oder Überwachungspflicht eine strafrechtliche Verantwortlichkeit als Täter begründet, siehe hierfür Eidam, Unternehmen und Strafe, Kapitel 5, Rn. 203. 267 SSWK-StGB-Saliger, 2. Aufl., § 266, Rn. 22. 263

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

Erfüllung ihrer positiven Sondervermögensbetreuungspflicht zu treffen. Aus diesem Grund haften sie als parallele unmittelbare Einzeltäter für das Untreuedelikt (§ 266 dStGB, Art. 252 sStGB). Im Gegensatz dazu ist der Beauftragte nur als Teilnehmer268 für den Untreuestraftatbestand verantwortlich, da dieses Strafunrecht ein Sonderpflichtdelikt269 ist, das nur von Trägern besonderer positiver Vermögensbetreuungspflichten270 ausgeführt werden kann. Darauf wird unten271 noch ausführlich zurückzukommen sein.

6. Unmittelbare parallele Einzeltäterschaften der Mitglieder der Unternehmensleitung kraft Verletzung ihrer positiven Sonderpflichten, welche ontologisch durch die Benutzung eines nichtqualifizierten vorsatzlos handelnden Vordermannes verwirklicht werden Aus phänotypischer Sicht wird diese Täterschaftsform in der Fallkonstellation gebildet, in der der intrane Sonderpflichtträger gegen seine positive Sonderpflicht durch den Einsatz eines vorsatzlosen Außenstehenden verstößt272. In dieser Konstellation befürwortet die alte Strafrechtsdogmatik das Vorliegen einer mittelbaren Täterschaft des Sonderpflichtträgers273. Dies gründe sich auf zwei Aspekte: Einerseits auf die Gleichsetzung der strafrechtlichen Bedeutung der Instrumentalisierung eines vorsatzlos handelnden Außenstehenden bei Sonderpflichtdelikten und der Instrumentalisierung eines vorsatzlos handelnden gewöhnlichen Bürgers bei Allgemeinpflichtdelikten274; andererseits auf die „soziale“275, „normativ-psychologische“276 oder „normative“277 mittelbare Herrschaft des qualifizierten Hintermannes 268 Vgl. dazu MüKoStGB-Dierlamm, Band 5, 2. Aufl., § 266, Rn. 286; MRK-StGB-Matt, 2. Aufl., § 266, Rn. 165. 269 AnwaltKo-StGB-Esser, 3. Aufl., § 266, Rn. 331; MRK-StGB-Matt, 2. Aufl., § 266, Rn. 165. 270 StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., § 266, Rn. 2; AnwaltKo-StGB-Esser, 3. Aufl., § 266, Rn. 331. 271 Siehe § 12 C.II.2.b)dd) (Lösung des Beispiels 54). 272 Siehe hierfür u. a. Frister, AT, § 27, Rn. 43; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 32 f.; ders., JuS, 1974, S. 377, Anm. 25; Jescheck/Weigend, AT, § 62, S. 670; Köhler, AT, S. 511 f., 551; Krey/Esser, AT, 4. Aufl., § 26, Rn. 922; Kühl, AT, § 20, Rn. 56b; SSWK-StGBMurmann, 2. Aufl., § 25, Rn. 11; Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 401 ff.; ders., AT II, § 25, Rn. 279 ff.; ders., LK, 11. Aufl., § 25, Rn. 134 ff.; ders., Stree und Wessels-FS, S. 366; LKSchünemann, Band 1, 12. Aufl., § 25, Rn. 133; ders., Jura, 1980, S. 570, Anm. 90; Vogel, Norm und Pflicht, S. 288; Welzel, Das Deutsche Strafrecht, § 15, S. 104. 273 Vgl. dazu Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 33; Roxin, AT II, § 25, Rn. 275; ders., TuT, 10. Aufl., § 34, S. 401 ff.; ders., JZ 1966, 295; LK-Schünemann, Band 1, 12. Aufl., § 25, Rn. 133. 274 Roxin, AT II, § 25, Rn. 276. 275 Welzel, AT, 11. Aufl., S. 104. 276 Bockelmann/Volk, AT, 4. Aufl., § 22, II/1; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 62, II/7.

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(etwa die Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder einer AG und die Geschäftsführer einer GmbH) über die tatbestandsspezifische Pflichtenstellung, die sich sowohl im Zugriff des Extraneus bei der faktischen Ausführung der Straftat als auch in der Verletzung seiner positiven Sonderpflichten widerspiegele278. Beispiel 31: Die Vorstandsmitglieder einer AG geben im Rahmen einer Ad-hoc-Mitteilung unrichtige Halbjahreszahlen bekannt. Diese Halbjahreszahlen enthalten eine tabellarische Zusammenstellung von Zahlen und geben die Verhältnisse der AG und ihrer Beteiligungen im Berichtsform wieder. Diese beziehen sich auch auf den Vermögensstand, da der Bericht (Quartalsbericht über Umsätze und Erträge) so umfassend ist, dass er ein Gesamtbild über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens ermöglicht und den Eindruck der Vollständigkeit erweckt. Faktisch werden die unrichtigen Halbjahreszahlen von Untergebenen erstellt, die von den Vorstandsmitgliedern durch Zwang dazu verpflichtet werden.

Aus Sicht der alten Strafrechtslehre, die die Sonderpflichtdelikte als „besondere Herrschaftsdelikte“279 betrachtet, sind die Vorstandsmitglieder der AG mittelbare Mittäter280 des in § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG geregelten Strafunrechts unrichtiger Darstellung. Der Grund für die Zurechnung dieser Täterschaftsform zu den Vorstandsmitgliedern liege in der Erfüllung der Strukturelemente der klassischen mittelbaren Täterschaft. So komme zunächst die Instrumentalisierung von nichtqualifizierten Untergebenen281 in Betracht, welche die Berichte erstellen, mit denen die wahre wirtschaftliche Situation verschleiert wird. Zum anderen bestehe die Herrschaft der Vorstandsmitglieder über den Willen der Untergebenen, über die Erstellung von Berichten und folglich über die Verletzung ihrer Pflichten282. Eine ähnliche These vertritt ganz überwiegend die aktuelle Strafrechtswissenschaft283 Deutschlands und Spaniens, die die bekannte Pflichtdeliktstheorie entwickelt hat. Und welcher daher auch bejaht, dass die Vorstandsmitglieder mittelbare Mittäter des Delikts unrichtiger Darstellung sind, aber nicht, weil sie die Berichterstattung mit277

Roxin, AT II, § 25, Rn. 275. Roxin, AT II, § 25, Rn. 276. 279 Siehe hierfür u. a. Baumann/Weber/Mitsch, AT, 11. Aufl., § 8, Rn. 31; Deichmann, Grenzfälle der Sonderstraftat, S. 14 ff.; Hoberg, Der Begriff der Anstiftung, 1977, S. 77 ff.; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 62 II/7; Kühl, AT, 7. Aufl., § 20, Rn. 55 ff.; Langer, Die Sonderstraftat, S. 352, 389; Lüderssen, Zum Strafgrund der Teilnahme, S. 167 ff.; Maurach/ Gössel/Zipf, AT II, 7. Aufl., § 47, Rn. 116 ff.; Roeder, ZStW 69 (1957), 239 ff.; Rudolphi, Jescheck-FS, S. 567 ff.; LK-Schünemann, Band 1, 12. Aufl., § 14, Rn. 17; Stein, Die strafrechtliche Beteiligungslehre, S. 235 ff.; Welzel, ZStW 58 (1939), 543; Wessels/Beulke, AT, 35. Aufl., Rn. 39. 280 Roxin, AT II, § 25, Rn. 275. 281 Eine allgemeine Erläuterung der mittelbaren Täterschaft des qualifizierten Hintermannes wegen der Instrumentalisierung eines unqualifizierten Vordermannes befindet sich u. a. in Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 401 ff.; Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 161 ff. 282 Mit anderer Terminologie Schünemann, Roxin-FS, 2001, S. 3; ders., LK, § 25, Rn. 39. 283 Siehe hierfür u. a. Cramer, Bockelmann-FS, S. 399; Herzberg, Täterschaft, S. 31 ff.; LKRoxin, Band 1, 11. Aufl., § 25, Rn. 134 ff. 278

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beherrschen, sondern weil sie gegen ihre gemeinsame außerstrafrechtliche Pflicht gemeinsam und mittelbar verstoßen284. Die von der ersten Ansicht befürwortete Bestrafung der Sonderpflichtträger als mittelbare Täter wird in dieser Untersuchung aus verschiedenen Gründen abgelehnt285. Erstens bedeutet die Zustimmung zur ersten Ansicht die Anerkennung dessen, was in dieser Untersuchung verneint wird: das Vorhandensein unechter und echter Sonderpflichtdelikte, da nach dem in der vorliegenden Untersuchung entwickelten normativen Standpunkt im Allgemeinen weder echte noch unechte Delikte und denklogisch keine echten und unechten Sonderpflichtdelikte286 vorliegen können. Zweitens enthält die genannte Auffassung sowohl dogmatische Probleme als auch kriminalpolitische Mängel, welche in dem Verstoß gegen die dogmatischen (auch gesetzlichen) Prinzipien der Beteiligungsbegründung287 bzw. in der rechtspolitisch unerwünschten Straflosigkeit288 von Intraneus (Unternehmensleitern) und Extraneus (Untergebenen oder Außenstehenden) bestehen. In gleicher Weise ist der zweite Ansatz auch nicht zutreffend, weil die von ihm vertretene Ansicht – wie die vorherige Auffassung – wesentliche dogmatische Schwierigkeiten in ihrer Struktur aufweist. So lässt sich gegen diese Auffassung zunächst einwenden, dass sie in sich widersprüchlich ist, was sich in der Begründung der mittelbaren Täterschaft der sonderpflichtigen Vorstandsmitglieder auf den Tatherrschaftskriterium äußert, obwohl diese ontologische Kategorie von den denselben Verfechtern der Pflichtdeliktslehre aus der Begründung der Täterschaft ausgeschlossen wird289. Spielt die Tatherrschaft keine Rolle in der Täterschaftsbegründung bei Sonderpflichtdelikten und begründen sich daher alle Täterschaftsformen nicht über die Tatherrschaft, dann ist es nicht möglich, das normative Vorliegen der mittelbaren Täterschaft der Vorstandsmitglieder beim Beispiel 31 anzunehmen, weil eine solche Täterschaftsform im Widerspruch mit ihren methodologischen Prämissen steht. Im Gegensatz zu den kritisierten Thesen führen die methodologischen und theoretischen Ausgangspunkte dieser Untersuchung zur Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder als unmittelbare parallele 284 Etwa Cramer, Bockelmann-FS, S. 399; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 31 ff.; Hünerfeld, ZStW 99, 240; Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 402 ff.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25, Rn. 133 ff. 285 Kritisch mit diesem Lösungsvorschlag Jakobs, AT, § 21, Rn. 104; StGB-Lackner/Kühl, 29. Aufl., § 25, Rn. 4; Kindhäuser, LPK-StGB, 4. Aufl., § 25, Rn. 15; Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 159. 286 Salazar Sánchez, Teilnahme des Extraneus an den Pflichtdelikten, S. 11. 287 Salazar Sánchez, Teilnahme des Extraneus an den Pflichtdelikten, S. 11 f. 288 Otto, AT, 6. Aufl., § 21, Rn. 94; Salazar Sánchez, Teilnahme des Extraneus an den Pflichtdelikten, S. 13. 289 Etwa Pariona Arana, Täterschaft und Pflichtverletzung, S. 72 ff.; Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 30; ders., AT II, § 25, Rn. 40; Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 162.

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Einzeltäter290 des Strafunrechts unrichtiger Darstellung, da eine solche Täterschaftsform sowohl mit den dogmatischen Grundlinien einer normativen Beteiligungslehre als auch mit den kriminalpolitischen Zwecken des demokratischen Verfassungsstaates vereinbar ist. Grund dafür ist, dass die positiven Sonderpflichten – wie alle strafrechtlichen Pflichten – individueller und unmittelbarer Natur sind und folglich ihre Verletzung – unabhängig von ihrer phänotypischen Ausdrucksform – auch individuell und unmittelbar ist. Aus dieser normativen Natur der Sonderpflicht und ihrer Verletzung leitet sich dann die Begründung der unmittelbaren Täterschaft als strafrechtliche Haftungsform der sonderverpflichteten Vorstandsmitglieder ohne Rückgriff auf die umstrittene Kategorie der mittelbaren Tatherrschaft (und somit auf die mittelbare Täterschaft) her. Tatbestandsmäßig erfüllen die Handlungen der Vorstandsmitglieder die objektiven und subjektiven Zurechnungselemente des in § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG geregelten Sonderpflichtdelikts unrichtiger Darstellung, nach dem Täter dieses Straftatbestands derjenige ist, der als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder als Abwickler291 die Verhältnisse einer AG in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand, in Vorträgen oder Auskünften in der Hauptversammlung unrichtig wiedergibt oder verschleiert und damit über die Geschäftslage täuscht. Im Bezug darauf besteht die täterschaftliche Verwirklichung des Straftatbestands unrichtiger Darstellung im vorliegenden Beispiel aus der von den Vorstandsmitgliedern des Unternehmens ausgeführten rechtswidrigen Wiedergabe der Übersicht über den Vermögensstand. Aus diesem Grund haften die Vorstandsmitglieder der AG als unmittelbare parallele Einzeltäter des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG und nicht des § 331 Nr. 1, 1a HGB, weil die erwähnte Strafvorschrift des HGB die unrichtigen Darstellungen im Rahmen der Eröffnungsbilanz etc. kriminalisiert292. 7. Unmittelbare parallele Einzeltäterschaften von Mitgliedern der Unternehmensleitung kraft Verletzung ihrer ontologisch durch die Instrumentalisierung eines qualifizierten vorsatzlosen Werkzeugs verwirklichten positiven Sonderpflichten Phänotypisch weisen die vorliegende Form unmittelbarer Einzeltäterschaft und die im vorherigen Schwerpunkt (§ 12 B.II.6.) behandelte unmittelbare Einzeltäterschaft eine Ähnlichkeit und einen Unterschied auf. Die Ähnlichkeit besteht in der Instrumentalisierung des Vordermannes, der wegen seiner Ausnutzung durch den Hintermann ohne Vorsatz handelt. Der Unterschied liegt seinerseits im rechtlichen Status des Hinter- und Vordermannes, da im Gegensatz zur im Beispiel 31 veran290 Ähnlich Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 161 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, AT, 6. Aufl., § 12, Rn. 40. 291 Siehe hierfür Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., Teil 8, 1. Kap., Rn. 88; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 29, Rn. 33. 292 Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., Teil 8, 1. Kap., Rn. 87 f.; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 29, Rn. 34.

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schaulichten unmittelbaren Einzeltäterschaft in der vorliegenden Erscheinungsform unmittelbarer Einzeltäterschaft beide Subjekte (instrumentalisierter Vordermann und instrumentalisierender Hintermann) denselben Rechtsstatus haben: Hintermann und Vordermann sind Sonderpflichtige293, da sie durch positive Sonderpflichten mit der Unternehmensleitung verbunden sind. Wie in der vorherigen unmittelbaren Einzeltäterschaft wegen Instrumentalisierung eines qualifikationslosen vorsatzlosen Werkzeugs kann die Ausnutzung des intranen unternehmensleitenden Vordermannes in der vorliegenden Fallkonstellation durch Irrtum, Drohung oder Gewalt verwirklicht werden. Beispiel 32: Die Vorstandsmitglieder der Z-AG bieten dem Abschlussprüfer A (einem der beiden Wirtschaftsprüfer der Gesellschaft B-AG) die Zahlung von 1000.000 Euro als Gegenleistung für die Manipulation des Ergebnisses der Prüfung des Jahresabschlusses der geprüften Aktiengesellschaft. Nachdem der Abschlussprüfer das Angebot annimmt und 50% des Schmiergelds erhält, führt er den anderen Prüfer C in die Irre, so dass C den von A manipulierten Bericht unterzeichnet. Unmittelbar danach wird den Behörden der Bericht vorgelegt, der falsche Ergebnisse der Prüfung enthält.

Wie im Beispiel 31 gibt es in der Strafrechtswissenschaft grundsätzlich zwei Auffassungen bezüglich der Täterschaftsform des Abschlussprüfers A, der im Beispiel 32 den Abschlussprüfer C bei der Verletzung der Berichtspflicht instrumentalisiert. In der Tat rechnen die Verfechter der alten Tatherrschaftslehre dem Anschlussprüfer A die mittelbare Täterschaft des in § 332 Abs. 2 HGB typisierten echten Sonderherrschaftsdelikts294 „Verletzung der Berichtspflicht“ zu, weil aus ihrer Sicht das Verhalten des A wegen seiner mittelbaren Herrschaft über die Verletzung der Berichtspflicht die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der herkömmlichen mittelbaren Täterschaft erfüllt295. Anders ausgedrückt komme zur Begründung der Strafhaftung des A die Anwendung mittelbarer Täterschaft in Betracht, da der Abschlussprüfer A die Unverantwortlichkeit des anderen Abschlussprüfers C kenne und ihn in gleicher Weise wie Naturkräfte296 benutze, um die in § 332 Abs. 2 verbotenen strafrechtlichen Risiken mittelbar zu verwirklichen. In ähnlicher Weise befürworten die Verfechter der Pflichtdeliktslehre die mittelbare Täterschaft des Abschlussprüfers A, da sein Verhalten die Strukturelemente der genannten Täterschaftsform erfüllt, die sich darauf begründe, dass der Sonderpflichtträger (etwa der Abschlussprüfer A) seine positive Sonderpflicht durch den Einsatz des anderen irrenden Sonderpflichtträgers C mittelbar verletzt297. 293

Ausführlich Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 161 ff. Siehe hierfür Janssen/Gercke, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 332, Rn. 13 ff. 295 Zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Täterschaftsunrechts dieses Delikts vgl. etwa Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 39, Rn. 46 ff. 296 Vgl. dazu Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 401; Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 164. 297 Bezüglich der Begründung der mittelbaren Täterschaft des qualifizierten Hintermannes, wenn er gegen seine positive Sonderpflicht durch die Ausnutzung eines irrigen unmittelbaren 294

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Die dargestellten Auffassungen werden ebenfalls zurückgewiesen, da der Abschlussprüfer A aus phänotypischer Sicht zwar seine positive Sonderpflicht durch die Instrumentalisierung des anderen irrenden Mitabschlussprüfers C verletzt, aus normativer Sicht jedoch eine solche Pflichtverletzung unmittelbar verwirklicht wird298. Aus diesem Grund kann die Bestimmung und Bezeichnung der Täterschaftsform nicht anhand des phänotypischen Ausdrucks der faktischen Instrumentalisierung erfolgen, sondern in Bezug auf die normative Natur der Pflichtverletzung. Verstößt der instrumentalisierende Abschlussprüfer gegen seine positive Sonderpflicht unmittelbar, weil er mit seiner Sonderpflicht unmittelbar verknüpft ist, dann ist er kein mittelbarer Täter, sondern bloßer unmittelbarer Täter299 unabhängig von seiner ontologischen Herrschaft oder Überlegenheit über die faktische Ausführung der Verletzung der Berichtspflicht. Die Vorstandsmitglieder der Z-AG haften als Täter nicht, da es sich einerseits bei § 332 HGB um ein Sonderpflichtdelikt300 handelt, dessen Täterschaft nur von Abschlussprüfer oder Gehilfe eines Abschlussprüfers erfüllt werden kann301 und andererseits die Vorstandsmitglieder weder Wirtschaftsprüfer noch Gehilfen eines Abschlussprüfers im normativen Sinne des § 332 HGB sind302. Daher sind sie keine Adressaten der die Täterschaft des § 332 HGB begründenden strafrechtlichen Normen303. So haften die Vorstandsmitglieder der Z-AG nur als Anstifter für das in § 332 HGB normierte Delikt, da sie nur gegen die Begründungsnormen der Anstiftung verstoßen304. Vgl. dazu ausführlich unten (§ 12 C.II.1.a)). 8. Unmittelbare parallele Alleintäterschaften von Mitgliedern der Unternehmensleitung kraft Verletzung ihrer ontologisch mittels des Einsatzes eines qualifikationslosen dolosen Werkzeugs verwirklichten positiven Sonderpflichten Diese phänotypische Äußerungsform der unmittelbaren Einzeltäterschaft bei den Sonderpflichtdelikten wird durch die alte deutsche und spanische Strafrechtsdogmatik der ontologischen Tatherrschaftslehre als mittelbare Täterschaft des qualifihandelnden Sonderpflichtträgers verstößt, siehe Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 401 ff. Aus einer kritischen Sicht gegen die mittelbare Täterschaft des qualifizierten Hintermannes siehe Jakobs, AT, § 21, Rn. 104 f.; Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 164. 298 In gleichem Sinne Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 164. 299 So Jakobs, AT, § 21, Rn. 104; Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 164. 300 Ähnlich Janssen/Gercke, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 332, Rn. 13; MüKoHGBQuedenfeld, § 332, Rn. 4; Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., Teil 8, 1. Kap., Rn. 123 f. 301 Janssen/Gercke, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 332, Rn. 12 f. 302 Wagenpfeil, Wirtschaftsstrafrecht, 6. Aufl., § 40, Rn. 88. 303 Janssen/Gercke, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 332, Rn. 15. 304 Janssen/Gercke, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 332, Rn. 15 f.; Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., Teil 8, 1. Kap., Rn. 123 f.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

zierten Hintermannes wegen seiner Herrschaft über die Tatbestandsverwirklichung durch die „Benutzung eines qualifikationslosen dolosen Werkzeugs“305 bezeichnet. Eine ähnliche Behandlung erfährt diese phänomenologische Ausdruckweise in der normativen Tatherrschaftslehre, nach der die qualifizierten Hintermänner als mittelbare Täter haften, weil sie durch ihre vorsätzliche Veranlassung den Extraneus, die Pflichtverletzung faktisch auszuführen, die Verwirklichung des Sonderpflichtdelikts beherrschen306. Die Verfechter der Pflichtdeliktslehre befürworten ebenfalls die mittelbare Täterschaft der intranen Hintermänner, aber im Gegensatz zu den Tatherrschaftslehren begründen sie diese Täterschaftsform nicht mit der mittelbaren Herrschaft über die ontologische Deliktsverwirklichung, sondern mit der mittelbaren Verletzung der positiven Sonderpflicht307. Im Bereich des Unternehmensstrafrecht kommt diese phänotypische Ausdrucksform in der Fallkonstellation in Betracht, in der die Unternehmensleiter die Verletzung ihrer positiven Sonderpflicht durch das Verhalten eines Untergebenen beherrschen, der wegen eines vorherigen gemeinsamen von ihm und den Mitgliedern der Unternehmensorgane getroffenen Tatentschlusses die Pflichtverletzung faktisch und vorsätzlich ausführt. Beispiel 33: Der Vorstand V der M-AG weist einen seiner Angestellten A bei der Anmeldung der Gesellschaft in das Handelsregister an, die nach § 37 AktG erforderliche Aufschlüsselung der Gründungskosten zu vermeiden. Diese Aufschlüsselung wird vom Registergericht erfordert; deswegen beauftragt V seinen Angestellten, die Aufschlüsselung nachzureichen. Dabei unterlassen er und der Angestellte es jedoch vorsätzlich, anzugeben, dass der Vorstand seit der ursprünglichen Anmeldung erhebliche Verfügungen zu Lasten des Grundkapitals der Aktiengesellschaft vorgenommen hat. V zahlte sich nämlich zwischenzeitlich ein Vorstandsgehalt in Höhe von 75.000 Euro aus und gewährte der X-AG ein Darlehen von 700.000 Euro308.

Nach den Gesichtspunkten sowohl der rein ontologischen als auch der normativen Tatherrschaftstheorien haften die Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft als 305 Zu der aus der Lehre der Sonderverbrechen stammenden Figur der mittelbaren Täterschaft des qualifizierten Hintermannes kraft Instrumentalisierung eines qualifikationslosen dolosen Werkzeugs in der älteren Strafrechtswissenschaft vgl. Merkel, Lehrbuch, S. 141; Nagler, Die Teilnahme am Sonderverbrechen, S. 70 f.; in der modernen Strafrechtswissenschaft siehe u. a. Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 32 f.; ders., JuS 1974, 377; Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 401 ff.; ders., LK, Band 1, 11. Aufl., § 25, Rn. 134 ff.; Schünemann, Jura 1980, 570; Vogel, Norm und Pflicht, S. 288. 306 Siehe hierfür Cramer, Bockelmann-FS, S. 398; Gallas, Täterschaft und Teilnahme, S. 135 ff.; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 32 f.; ders., JuS 1974, 377; Jescheck/ Weigend, AT, 5. Aufl., § 62, S. 669 f.; Kühl, AT, 7. Aufl., § 20, Rn. 56b; Mitsch, JuS 2004, 323, 324 f.; Roeder, ZStW 69, S. 257; LK-Schünemann, 11. Aufl., § 14, Rn. 22 ff.; ders., Jura 1980, 570; Spendel, Lange-FS, S. 155 f.; Welzel, Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl., § 15, S. 104. 307 Pariona Arana, Täterschaft und Pflichtverletzung, S. 160 ff.; ders., Schünemann-FS, S. 786; ders., Roxin-FS, S. 865; Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 402; ders., LK, 11. Aufl., § 25, 134 ff. 308 Abwandlung des von Wittig gebildeten Falls, vgl. Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 28, Rn. 7; siehe auch BGH NStZ 1993, 442.

§ 12 Täterschaft u. Teilnahme bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten

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mittelbare Täter309 für das in § 399 Abs. 1 AktG typisierte Delikt falscher Angaben, weil sie durch die Veranlassung ihres Angestellten zum faktischen Vollzug der tatbestandlichen Elemente des § 399 Abs. 1 AktG die Verwirklichung der Tatbestandselemente des Straftatbestandes beherrschen. In gleicher Weise sind die Vorstandsmitglieder aus Sicht der Pflichtverletzungstheorie auch mittelbare Täter310 des vorgenannten Delikts, jedoch nicht, weil sie die mittelbare Herrschaft über die Unrechtsausführung haben, sondern da sie gegen ihre positive Sonderpflicht mittelbar verstoßen311, nämlich durch die vorsätzliche Handlung ihrer Angestellten. Gegen die Thesen der Tatherrschaftstheorien kommen die folgenden Einwände in Betracht. Respektiert man die ontologischen Ausgangspunkte der Tatherrschaftstheorien, dann muss man – im Widerspruch zur Behauptung ihrer Verfechter – zu dem Schluss kommen, dass die Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft keine mittelbaren Täter des § 399 Abs. 1 AktG sind312, weil sie – aus einer phänotypischen Perspektive – weder die mittelbare Herrschaft noch irgendeine andere Herrschaftsart über die Deliktsherbeiführung haben313. Das Fehlen dieser Herrschaft und damit das Nichtvorhandensein einer mittelbaren Täterschaft ist darauf zurückzuführen, dass der unmittelbare handelnde Angestellte die Tatbestandselemente frei und vorsätzlich ausführt und daher nur dieser (und nicht die dahinterstehenden Vorstandsmitglieder) die Herrschaft über die Deliktsherbeiführung hat314. Dies eliminiert die Instrumentalisierung des Angestellten und daher die mittelbare Täterschaft der Vorstandsmitglieder. Aus ontologischer Sicht sind Vorstandsmitglieder, soweit sie den Angestellten nur veranlassen oder ihm helfen, Anstifter oder Gehilfen. Aus derselben Sicht ist der Angestellte unmittelbarer Täter, da er ontologisch die Herrschaft über das Versäumen von Angaben hat; aber normativ – mangels Täterqualität – darf der Ausstehende nur als Gehilfe haften. Aus diesem Grund ist ein richtiger Ausgangspunkt zur Begründung der Täterschaft „bei der Verwirklichung eines Sonderpflichtdelikts durch den Einsatz eines qualifikationslosen dolosen Werkzeugs“ zu ermitteln, also ob der Hintermann für die Erfüllung einer positiven Sonderpflicht zuständig ist oder nicht. Ist der instrumentalisierende Hintermann Träger einer positiven Sonderpflicht, dann ist er unmittelbare Täter, wenn er gegen seine positive Sonderpflicht verstößt unabhängig davon, ob er solche Pflichtverletzung phänotypisch durch die Instrumentalisierung eines nichtqualifizierten dolosen Drittens verwirklicht. In diesem Zusammenhang sind die Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft im Beispiel 33 309

Etwa Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 401 ff. Aus einer allgemeinen Sicht u. a. Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl., § 62, S. 669 f.; Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 402; ders., ZStW 85 (1973), 102; ders., LK, 11. Aufl., § 25, Rn. 34; LKSchünemann, 12. Aufl., § 14, Rn. 22 ff.; ders., Jura 1980, 570. 311 Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 401. 312 Eine ähnliche Auffassung vertreten Jakobs, AT, § 21, Rn. 104 f.; Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 164. 313 Vgl. dazu oben § 5 A., B.; § 6 C. 314 Siehe hierfür oben § 5 F.; § 6 C.III. 310

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

bloße parallele unmittelbare Einzeltäter des Vergehens falscher Angaben (§ 399 Abs. 1 AktG), da sie Träger unmittelbarer positiver Sonderpflicht sind und – soweit die Pflichtverletzung gleicher Natur ist – diese Pflicht unmittelbar verletzen, was ihre strafrechtliche Verantwortlichkeit als unmittelbare Täter begründet. Weil der Täterkreis sich auf Gründer, Mitglieder des Vorstands und Mitglieder des Aufsichtsrats beschränkt, haftet der Angestellte A nur als Gehilfe315, weil er kein Träger der positiven Sonderpflicht ist, deren Verletzung die Täterschaft begründet316. 9. Scheinbar problematische Formen unmittelbarer Täterschaft von Unternehmensleitern bei von der Mehrheit der Unternehmensleitungsmitglieder getroffenen vorsätzlichen Kollegialentscheidungen Schließlich existiert eine Konstellation, bei der die Begründung der Täterschaft der Unternehmensleitungsmitglieder aus Sicht der herkömmlichen Strafrechtswissenschaft eine besondere Schwierigkeit aufweist, die sich grundsätzlich in fünf unterschiedlichen ontologischen Zusammenhängen stellen kann: Erstens kommt die Konstellation in Betracht, bei der die Entscheidungen nicht einstimmig, sondern mit einfacher oder qualifizierter Stimmenmehrheit getroffen wird, was die Bestimmung der strafrechtlichen Relevanz des Verhaltens der Unternehmensleiter erschwert, wenn die Stimmen der Unternehmensleiter für die rechtswidrige Entscheidung vor oder nach der Abgabe der für die Beschlussfassung erforderlichen Stimmenzahl abgegeben werden. Als Beispiel hierfür können die folgenden Fälle dienen. Beispiel 34: Eines von fünf Vorstandsmitgliedern stimmt für die rechtswidrige Vermarktung eines riskanten Produkts oder für die Beendigung der schon in die Wege geleiteten Rücknahme vom Markt. Da einfache Mehrheit nach der Satzung ausreicht, aber drei andere oder gar alle Mitglieder ebenso stimmen, würde die nach der Satzung relevante erforderliche Mehrheit auch ohne seine Stimme erreicht317. Beispiel 35: Ein Vorstandsmitglied stimmt für die rechtswidrige Entscheidung erst als das Ergebnis durch die Entscheidungen der anderen bereits feststand. Das Ergebnis war aber noch nicht – jedenfalls nicht endgültig – festgestellt worden318.

Zweitens ist die Konstellation von Interesse, bei der einige Unternehmensleitungsmitglieder gegen die rechtswidrige Entscheidung stimmen, obwohl sie einerseits wissen, dass ihre Abwesenheit bei der Abstimmung eine rechtswidrige Ent315 316 317 318

Südbeck/Eidam, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 399 AktG, Rn. 48. Dazu ausführlich unten § 12 C.II.2.b)cc) (Lösung des Beispiels 53). Ähnlich Jakobs, Miyazawa-FS, S. 419 f. Abwandlung des von Jakobs gegebenen Beispiels, vgl. Jakobs, Miyazawa-FS, S. 420.

§ 12 Täterschaft u. Teilnahme bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten

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scheidung verhindern wird und andererseits erkennen, dass ihre Beteiligung an der Abstimmung trotz ihrer Gegenstimme die rechtswidrige Entscheidung nicht verhindern wird. Die folgenden Fälle verdeutlichen diese Konstellation: Beispiel 36: Das für Finanzen zuständige Mitglied des Vorstands einer AG stimmt rechtmäßig gegen die Vermarktung eines riskanten Produkts. Das Vorstandsmitglied weiß zweierlei: einerseits, dass durch seine Weigerung, überhaupt an der Abstimmung teilzunehmen, die rechtswidrige Entscheidung verhindert wird und andererseits, dass seine Beteiligung mit einer Gegenstimme die rechtswidrige Entscheidung nicht verhindern können wird319. Beispiel 37: Ein Aufsichtsratsmitglied votiert zugunsten der rechtswidrigen Entscheidung des Aufsichtsrats, nicht aber durch eine Ja-Stimme, sondern durch eine Gegenstimme, die auf früheren rechtswidrigen Vereinbarungen zwischen dem förmlich gegen die Entscheidung stimmenden Aufsichtsratsmitglied und den Aufsichtsratsmitgliedern, welche für rechtswidrige Entscheidung votiert haben, basiert.

Drittens betrachtet die Strafrechtsdogmatik die Konstellation als komplizierten Fall, in der die Unternehmensleiter ihre positiven Sonderpflichten durch Unterlassung verletzen. Es handele sich nämlich um einen Fall, in dem die Unternehmensleiter nicht nur nichts Zweckdienliches unternehmen, sondern zudem auch noch beschließen, nichts zu unternehmen. Zur Verdeutlichung dient der folgende Fall. Beispiel 38: Der aus 15 Mitgliedern bestehende Aufsichtsrat einer AG beschließt mehrheitlich, die Tätigkeit des Vorstandes nicht zu überwachen, obwohl allen Aufsichtsratsmitgliedern bekannt ist, dass der Vorstand seit sechs Monaten Straftaten anlässlich seiner Arbeit begangen hat, was einen großen Vermögensverlust der AG verursacht. Der Beschluss des Aufsichtsrats wird mit acht Ja-Stimmen, fünf Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen angenommen.

Viertens ist die Konstellation der geheimen Abstimmung hervorzuheben. Diese Konstellation liegt vor, wenn nach der Satzung des Wirtschaftsunternehmens die Abstimmung der Mitglieder der Unternehmensleitungsorgane nicht öffentlich, sondern geheim erfolgt. Dies bedeutet, dass nur das Ergebnis bekannt ist, also die Anzahl der Stimmen für die Entscheidung und die Anzahl der Gegenstimmen. Im Gegensatz dazu bleibt geheim, wer konkret für die rechtswidrige Entscheidung und wer dagegen gestimmt hat. Dies wird durch die folgenden Fälle gezeigt. Beispiel 39: Der Vorstand einer aus fünf Mitgliedern bestehenden Kapitalgesellschaft trifft eine rechtswidrige Entscheidung, eine riskante Investition zu tätigen, die das Vermögen der Gesellschaft gefährdet. Nachträglich ist bekannt, dass einerseits die Investition dem Unternehmen große wirtschaftliche Verluste verursacht hat und andererseits die Entscheidung mit einfacher Mehrheit von drei Ja- und zwei Nein-Stimmen getroffen wurde, aber aufgrund

319

Abwandlung des von Jakobs gegebenen Beispiels, siehe a. a. O.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

des geheimen Charakters der Abstimmung ist nicht bekannt, wer dafür und wer dagegen gestimmt hat. Beispiel 40 (Variante des Beispiels 39) Im Fall 39 stimmen zwei der fünf Mitglieder des Vorstandes für die rechtswidrige Entscheidung, jedoch nicht durch Ja-, sondern durch Gegenstimmen. Diese scheinbaren NeinStimmen beruhen auf einer vorherigen rechtswidrigen Absprache aller Mitglieder des Vorstands, die darauf ausgerichtet ist, die rechtswidrige Entscheidung als rechtmäßig zu verschleiern. Aufgrund der geheimen Abstimmung ist die Beweisführung über die strafrechtliche Verantwortlichkeit der zwei Vorstandsmitglieder, die zugunsten des rechtswidrigen Beschlusses förmlich mit vorsätzlichen Gegenstimmen abgestimmt haben, nicht möglich.

Zur Lösung dieser Fallkonstellationen wurden in der Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens verschiedene theoretische Vorschläge gemacht, von denen besondere Aufmerksamkeit die durch die Kausalverbrechenslehre, das Tatherrschaftsverbrechenssystem, die herkömmliche Pflichtdeliktslehre und die Dogmatik der Delikte wegen institutioneller Zuständigkeit aufgebauten Lösungsmodelle verdienen. Innerhalb der Kausalverbrechenslehre heben insbesondere die sich auf die „conditio sine qua non-Formel“ gründenden Mittäterschaftsformen hervor, welche u. a. durch die kumulative Mittäterschaft320, die alternative Mittäterschaft321 und die additive Mittäterschaft322 verkörpert werden. Im Bereich der Tatherrschaftslehre findet sich die ontologisch-normative Mittäterschaft323. Innerhalb der Pflichtdeliktslehre verdient Bedeutung die von Roxin entwickelte normative Mittäterschaft324. Schließlich ist die im Bereich der Lehre der Zuständigkeitsdelikte von Jakobs formulierte normative Mittäterschaft325 zu nennen. Diese Theorien werden in der vorliegenden Untersuchung abgelehnt, weil sie nicht mit den hier entwickelten Standpunkten vereinbar sind. Die verschiedenen Argumente, auf die sich die Ablehnung der genannten Theorien stützt, wurden oben326 bereits ausführlich erläutert. Daher wird hier nur der Lösungsvorschlag erklärt, der in dieser Untersuchung entwickelt wird. Im Gegensatz zu den kritisierten Theorien gibt es in der vorliegenden Untersuchung kein Sonderhindernis, um die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmensleitern als Täter in den verschiedenen Fällen, in denen die rechtswidrige Entscheidung nicht einstimmig, sondern nur mehrheitlich getroffen wird, zu begründen; das heißt, wenn die Mehrheit der Unternehmensleiter für die rechtswidrige Entscheidung stimmt und die Minderheit dagegen. In Übereinstimmung mit den in dieser Untersuchung vertretenen Thesen zur Grundlage und zu den 320 321 322 323 324 325 326

Siehe § 7 A.I.1.a)aa). Vgl. § 7 A.I.1.a)bb). So § 7 A.I.1.a)cc). Vgl. § 7 A.I.2. Siehe § 7 A.I.3. Vgl. Jakobs, Miyazawa-FS, S. 419 ff. Siehe insbesondere § 7 A.I.1.c); § 7 A.I.2.c); § 7 A.I.3.b).

§ 12 Täterschaft u. Teilnahme bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten

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Formen der Täterschaft bei Sonderpflichtdelikten, die bereits in den vorstehenden Abschnitten erläutert wurden, sind die Unternehmensleiter, die für die rechtswidrige Entscheidung stimmen, in der Regel als Täter verantwortlich, während die Unternehmensleiter, die dagegen stimmen, grundsätzlich straffrei bleiben. Die Grundlage der Täterschaft der Unternehmensleiter beruht im Wesentlichen darauf: Erstens, dass die Unternehmensleiter, die für eine rechtswidrige Entscheidung stimmen, eine positive Sonderpflicht verletzen; zweitens, dass bei Sonderpflichtdelikten die Verletzung einer positiven Sonderpflicht, die den Unternehmensleitern entspricht, immer die Täterschaft (und niemals die Teilnahme) begründet. Unter diesen Prämissen haften die Unternehmensleiter in den Beispielen 34, 35, 36, 37 und 38, die für die rechtswidrige Entscheidung gestimmt haben, als Täter, während die Unternehmensleiter, die gegen die Entscheidung gestimmt haben, prinzipiell nicht strafrechtlich verantwortlich sind327. In Beispiel 34 sind nämlich die fünf Vorstandsmitglieder, die für die rechtswidrige Vermarktung gestimmt haben, Täter: Das Vorstandsmitglied, das vor den anderen Vorstandsmitgliedern für das Vermarktung gestimmt hat, ist Täter, unabhängig davon, dass seine Stimme in Bezug auf das Endergebnis ontologisch unerheblich ist, da auch die anderen Mitglieder für die rechtswidrige Entscheidung gestimmt haben. In Beispiel 35 sind Täter sowohl die Vorstandsmitglieder, deren Stimmen die rechtswidrige Entscheidung sicherstellen, als auch das Vorstandsmitglied, das für die rechtswidrige Entscheidung nach der Sicherstellung der rechtswidrigen Entscheidung durch die Stimmen der anderen Mitglieder gestimmt hat. In Beispiel 36 haftet das Vorstandsmitglied, das rechtmäßig gegen die rechtswidrige Entscheidung stimmt, weder als Täter noch als Teilnehmer, obwohl es weiß, dass seine Abwesenheit von der Sitzung eine rechtswidrige Entscheidung verhindern wird und dass seine Gegenstimme die rechtswidrige Entscheidung nicht verhindern wird. Denn die rechtmäßige Ablehnung einer rechtswidrigen Entscheidung für ein rechtswidriges Verhalten begründet auch dann keine Beteiligung, wenn der vorsätzlich-rechtswidrige Beschluss durch die Weigerung mitzuwirken hätte verhindert werden können328. In Beispiel 37 haften nicht nur die für die strafrechtlich relevante Entscheidung stimmenden Mitglieder des Aufsichtsrats, sondern auch das formell gegen die Entscheidung stimmende Aufsichtsratsmitglied als Täter. Der Grund liegt darin, dass die positive Sonderpflicht nicht nur von den Mitgliedern des Aufsichtsrats verletzt wird, deren Stimmen für die rechtswidrige Entscheidung offensichtlich ist, sondern auch von dem Mitglied des Aufsichtsrats, das nur förmlich (scheinbar) dagegen stimmt. Denn obwohl auf der phänotypischen (formalen) Ebene das Aufsichtsratsmitglied gegen die Entscheidung stimmt, stimmt er im normativen Sinne dafür, da der phänotypische Ausdruck eine Verkleidung der zuvor geplanten vorsätzlichrechtswidrigen Pflichtverletzung ist. In Beispiel 38 besteht kein wesentliches Hindernis zur Begründung der Täterschaft sowohl der ihre positive Sonderpflicht durch 327 328

Ähnlich Meini Méndez, RFDdPUCP 56 (2005), 296. Vgl. Jakobs, Miyazawa-FS, S. 429 f.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

eine Ja-Stimme verletzenden Aufsichtsratsmitglieder, als auch der gegen dieselbe Sonderpflicht durch Stimmenthaltung verstoßenden Aufsichtsratsmitglieder: In beiden Fällen wird gegen die positive Sonderpflicht verstoßen, die der Täterschaft des Untreuedelikts zugrunde liegt, unabhängig davon, ob die Pflichtverletzung durch Handeln oder Unterlassen erfolgt. Dies wurde bereits in den vorherigen Abschnitten ausführlich erläutert. Die Mitglieder des Aufsichtsrats, die dagegen stimmen, bleiben hingegen straffrei. In Beispiel 39 haften nur die für die rechtswidrige Entscheidung stimmenden Vorstandsmitglieder als Täter, weil sie ihre jeweiligen positiven Sonderpflichten verletzt haben, die sie zur rechtmäßigen Unternehmensleitung und damit zur richtigen Erfüllung der Vermögensbetreuungspflicht des Unternehmens verpflichten; im Unterschied dazu sind die gegen den Beschluss stimmenden Vorstandsmitglieder für das Untreuedelikt weder als Täter noch als Teilnehmer verantwortlich, weil sie durch ihre Gegenstimmen die positive Sondervermögensbetreuungspflicht nicht verletzt haben. Im Fall 40 haften sowohl die Vorstandsmitglieder, die für die rechtswidrige Entscheidung stimmten, als auch die Vorstandsmitglieder, die förmlich – also scheinbar – dagegen votierten, als Täter des Untreuetatbestands. Die Täterschaft der letzteren Vorstandsmitglieder beruht darauf, dass ihre Gegenstimmen nicht die rechtmäßige Natur ihres Verhaltens widerspiegeln, sondern lediglich ein bloßer phänotypischer Ausdruck ihres Manövers ist, das darauf abzielt, ihr rechtswidriges Handeln zu verschleiern. Auf strafrechtlicher Ebene handelt es sich bei den scheinbaren Gegenstimmen eigentlich um kommunikative Akte, die die positive Sondervermögensbetreuungspflicht verletzen, die allen Vorstandsmitgliedern des Unternehmens obliegt. Diese normative Begründung der im materiellen Strafrecht aufgebauten Täterschaft der Vorstandsmitglieder ist unabhängig von den spezifischen Schwierigkeiten, die im Strafprozess für die Beweisführung bestehen können. So könnte es im Fall 39 zu Beweisschwierigkeiten kommen, welche Vorstandsmitglieder für die rechtswidrige Entscheidung und welche dagegen gestimmt haben. Die Beweisschwierigkeit würde seinerseits in Beispiel 40 zweifellos in dem Nachweis liegen, dass die Vorstandsmitglieder, die förmlich gegen den rechtswidrigen Beschluss stimmten, tatsächlich auch dafür votierten und damit ihre positive Sondervermögensbetreuungspflicht verletzten. Diesbezüglich soll nur zweierlei präzisiert werden: Zum einen ist die Beweisführung der Tatsachen – also der Nachweis von Ja- und NeinStimmen – kein Problem des materiellen Strafrechts (in diesem Fall der hier entwickelten dogmatischen Kategorien und Lösungsvorschläge), sondern des Strafprozessrechts, so dass die genannte Schwierigkeit ein Thema ist, dessen Behandlung insbesondere im Bereich der Beweistheorie verwirklicht werden sollte. Zum anderen wird auch der Bereich der geheimen Abstimmungen durch verschiedene Mechanismen geregelt, beispielsweise durch Protokolle, die vor, während und nach der Abstimmung geführt werden müssen; diese Protokolle zeigen, wie die Unternehmensleiter gehandelt haben. Daher können diese und andere Elemente sowohl verwendet werden, um festzustellen, wer für die rechtswidrige Entscheidung und wer

§ 12 Täterschaft u. Teilnahme bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten

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dagegen gestimmt hat (im Beispiel 39) als auch, um nachzuweisen, dass die Gegenstimmen in Wahrheit für diese rechtswidrige Entscheidung waren (im Beispiel 40). So würde die Verletzung der positiven Sonderpflicht und damit die Täterschaft der Vorstandsmitglieder bei geheimen Abstimmungen aus einer strafprozessrechtlichen Sicht auf Indizienbeweise gestützt. In weiteren Fällen, in denen Indizien fehlen oder trotz des Vorliegens von Indizien diese keine Qualität eines Indizienbeweises haben, wäre die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder durch die Anwendung des Prinzips in dubio pro reo ausgeschlossen. Das Vorstehende zeigt, dass aus den in der vorliegenden Untersuchung entwickelten theoretischen Gesichtspunkten die Schwierigkeit, die Täterschaft der Unternehmensleiter bei den oben genannten Annahmen zu begründen, nur scheinbar existiert. Dies liegt unter anderem daran, dass die ontologischen Elemente aus der Begründung des Täterstrafunrechts ausgeschlossen sind, was es ermöglicht, die Täterschaft der Unternehmensleiter unabhängig von der ontologischen Äußerungsform der Verletzung ihrer positiven Sonderpflichten zu begründen; nämlich unabhängig davon ob die Verletzung vor (Beispiel 34) oder nach (Beispiel 35) der Sicherstellung der rechtswidrigen Entscheidung durch die Stimmen anderer Unternehmensleiter329, durch eine scheinbare (formelle) Stimme gegen die rechtswidrige Entscheidung (Beispiele 36, 37, 40), durch Handlung oder Unterlassung (Beispiel 38), heimlich oder öffentlich (Beispiel 39, 40) verwirklicht wird. In diesen und anderen Fällen gleicher normativer Natur sind die Unternehmensleiter als unmittelbar parallele Einzeltäter verantwortlich, denn sie haben ihre positiven Sonderunternehmenspflichten unmittelbar verletzt und sind somit auch unmittelbare Einzeltäter. Die Frage, ob sich die Verletzung jeder einzelnen Sonderpflicht in der rechtswidrigen Entscheidung niederschlägt oder nicht, ist nur relevant, um festzustellen, ob die Unternehmensleiter Täter eines vollendeten oder versuchten Strafunrechts sind, denn nach den Strafgesetzbüchern Deutschlands und Spaniens ist sowohl die vollendete als auch die versuchte Straftat strafbar. In diesem Zusammenhang ist der ontologische Ausdruck der Pflichtverletzung im Erfolg (in der rechtswidrigen Entscheidung) gem. §§ 22 ff. dStGB und Art. 15 f. sStGB nur für die Bestimmung des Quantums der Strafe relevant, das davon abhängt, ob es sich um eine vollendete oder eine versuchte Straftat handelt. Dieses Versuchsproblem und seine Implikationen, die sich scheinbar aus den hier vertretenen Thesen der normativen Pflichtdeliktslehre ableiten, werden nicht vertieft, da sie nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind.

329

In diesem Sinne Meini Méndez, RFDdPUCP 56 (2005), 298 f.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

C. Teilnahme an den unternehmerischen Sonderpflichtdelikten I. Einführung Oben330 wurde schon erklärt, dass §§ 26 und 27 dStGB als auch Art. 28 Abs. 2 und 29 sStGB zwei verschieden Verhaltensnormen der Teilnahme regeln: Zum einen die negativen Allgemeinpflichten, deren Verletzung die Teilnahme an den unternehmerischen „Allgemeinpflichtdelikten“ bildet; zum anderen die negativen Allgemeinpflichten, deren Übertretung die Teilnahme an den unternehmerischen „Sonderpflichtdelikten“ stützt. Die Teilnahme an unternehmerischen Allgemeinpflichtdelikten wurde bereits oben331 erörtert; aus diesem Grund wird hier nur die Teilnahme an unternehmerischen Sonderpflichtdelikten behandelt. In Bezug auf die Teilnahme an unternehmerischen Sonderpflichtdelikten enthalten §§ 26 und 27 dStGB als auch Art. 28 Abs. 2 und 29 sStGB das an alle Bürger gerichtete allgemeine Verbot, sich nicht an der Verletzung einer positiven Sonderpflicht zu beteiligen. Diese negative Allgemeinpflicht ist eine Ergänzung zu der in § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB normierten unternehmerischen positiven Sonderpflicht. Denn während § 25 dStGB die Sonderpflicht „Der unternehmensbezogene Sonderpflichtträger muss seine positive Sonderpflicht richtig erfüllen“ regelt, legen §§ 26, 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2 sStGB die negative Allgemeinpflicht „Niemand darf an der Verletzung einer positiven Sonderpflicht durch einem unternehmensbezogenen Sonderpflichtträger mitwirken“ fest332. In diesem Sinne verbieten die in §§ 26 und 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB enthaltenen Teilnehmerpflichten dem Außenstehenden, an dem Verstoß gegen die zur Zuständigkeit der intranen Unternehmensleiter gehörende positive Sonderpflicht teilzunehmen. Daraus leitet sich her, dass der Außenstehende als Teilnehmer nicht die zu den intranen Unternehmensleitern gehörende Sonderpflicht333, sondern vielmehr allein die sich an ihn richtende Allgemeinpflicht334 verletzt, welche im Vergleich zum Verstoß der die Täterschaft begründenden positiven Sonderpflicht einen geringeren Strafunwert darstellt335. Neben den genannten gesetzlichen Strafvorschriften, die die allgemeinen Zurechnungsregeln enthalten, sind die im Besonderer Teil der Strafgesetzbücher Deutschlands und Spaniens typisierten Straftatbestände unentbehrlich, um die Teilnahme von Extraneus an Unternehmensdelikten wegen Verstoßes gegen positive Sonderpflichten zu begründen, da das Gesetzlichkeitsprinzips „nullum crimen nulla 330

So § 9 B.III. Siehe hierfür § 11 C. 332 Aus einer allgemeinen Sicht siehe oben § 9 B.III. (1., 2.). 333 Jakobs, AT, § 22, Rn. 7. 334 Nach Renzikowski (Restriktiver Täterbegriff und fahrlässige Beteiligung, S. 123) tragen Anstifter und Gehilfe auf unterschiedliche Weise zum Erfolg einer Rechtsgutsverletzung bei, weshalb sie ebenfalls gegen unterschiedliche Verhaltensnormen verstoßen. 335 Siehe oben § 9 A.II., III.; § 9 B.I., III. 331

§ 12 Täterschaft u. Teilnahme bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten

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poena sine lege“ (§ 1 dStGB und Art. 1, 2 sStGB) als strukturelle Stützpfeiler aller strafrechtlichen Beteiligungsformen fordert, das Teilnehmerunrecht des Außenstehenden an Unternehmensdelikten wegen Verletzung positiver Sonderpflichten auf den allgemeinen Teilnahmezurechnungsregeln in Verbindung mit den spezifischen Sonderpflichttatbeständen beruhen zu lassen336. Dies wird damit begründet, dass einerseits die allgemeinen Zurechnungsnormen der Teilnahme (§§ 26, 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB) per se keine spezifischen Straftatbestände sind und daher an sich kein Verhalten kriminalisieren337 und andererseits die Außenstehenden auch Normadressaten der in den unternehmerischen Sonderpflichttatbeständen enthaltenen teilnehmerischen Verhaltensnormen sind338. So enttäuscht der Extraneus selbst und unmittelbar die in den unternehmerischen Sonderpflichttatbeständen enthaltenen positiven normativen Erwartungen. Allerdings ist diese Verletzung von anderer Natur als die durch die intranen Unternehmensleiter ausgeführte Verletzung. Der Außenstehende enttäuscht die an ihn gerichteten positiven Erwartungen durch die Verletzung der negativen Allgemeinpflicht, „Nicht zur Verletzung einer positiven Sonderpflicht durch einem unternehmensbezogenen Sonderpflichtträger beizutragen“; im Unterschied dazu verstößt der intrane unternehmerische Sonderpflichtträger gegen die Pflicht, „die unternehmerischen positiven Sonderpflichten richtig zu erfüllen“. Dies führt zu zwei Schlussfolgerungen: Zum einen liegt die Grundlage des Strafunrechts des extranen Teilnehmers nicht in dem Strafunwert des Strafunrechts des intranen Unternehmensleiters, sondern im Strafunwert seines eigenen Strafunrechts339 ; zum anderen haftet der Außenstehende – wie bereits erläutert – immer als Teilnehmer, wenn er sich an einem unternehmerischen Sonderpflichtdelikt beteiligt340. Darüber hinaus ist es zur Begründung der Teilnahme des Extraneus an den Unternehmensdelikten kraft Verletzung positiver Sonderpflichten erforderlich, die §§ 28 Abs. 1, 14 dStGB und Art. 65 Abs. 3, 31 sStGB anzuwenden. Zusammenfassend legen § 28 Abs. 1 dStGB und Art. 65 Abs. 3 sStGB unabhängig von ihren terminologischen Besonderheiten zweierlei fest: Einerseits haften die Außenstehenden als Teilnehmer für dasselbe Strafunrecht wie der qualifizierte Täter, wenn sie sich ohne besondere persönliche Eigenschaft, welche die Täterschaft des unternehmensbezogenen Sonderpflichtträgers begründet, an einem unternehmerischen Sonderpflichtdelikt beteiligen. Zugleich ist die Strafe der Teilnehmer gegenüber der Strafe des sonderpflichtigen Täters zu mildern. Ihrerseits verankern § 14 dStGB und Art. 31 sStGB die Übertragung sowohl der Erfüllung negativer Allgemeinpflichten und positiver Sonderpflichten als auch der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für die Nichterfüllung solcher Pflichten von der juristischen Person oder ihren Gründern auf 336 337 338 339 340

So oben § 9 B.III.1. A. a. O. A. a. O. A. a. O. Siehe hierfür insbesondere § 9 B.III.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

ihre Leitungsorgane, wie den Vorstand und den Aufsichtsrat einer AG oder die Geschäftsführer einer GmbH. Wegen dieser Übertragung haften die Sonderpflichtigen einer AG (etwa die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder) oder einer GmbH (z. B. Geschäftsführer) als Anstifter oder Gehilfen, wenn sie durch die Verletzung ihrer unternehmerischen positiven Sonderpflichten gegen die strafrechtlichen negativen Allgemeinpflichten verstoßen, die die Teilnahme an unternehmerischen Sonderpflichtdelikten begründen341. Schließlich finden sich § 13 dStGB und Art. 11 sStGB, deren Anwendung jeweils wesentlich ist, um die Teilnahme von Unternehmensleitern an Unternehmensdelikten kraft Verletzung positiver Sonderpflichten zu begründen, wenn die Verletzung negativer Allgemeinpflichten, die der Teilnahme an unternehmerischen Sonderpflichtdelikten zugrunde liegt, durch Unterlassung ausgeführt wird.

II. Phänotypische Erscheinungsformen der Teilnahme an den unternehmerischen Sonderpflichtdelikten 1. Haftung des Extraneus als Anstifter Oben342 wurde die negative Allgemeinpflicht, die ein teilnehmender Extraneus verletzt, folgendermaßen formuliert: „kein Bürger darf an der Verletzung einer unternehmerischen positiven Sonderpflicht durch einen Sonderpflichtträger eines Wirtschaftsunternehmens mitwirken“. Diese normative Maxime qualifiziert die Handlung eines extranen Anstifters als unerlaubtes Risiko, weil sie aufgrund ihrer Verletzung des normativen Rechtsbewusstseins der Gesellschaft eine unerträgliche Sozialschädlichkeit darstellt343. Das Verhalten des Extraneus motiviert nämlich die Willensbildung des intranen Sonderpflichtträgers im Hinblick auf eine Verletzung der täterschaftlichen Verhaltensnorm344 ; der intrane Täter (der Sonderpflichtträger eines Wirtschaftsunternehmens) entschließt sich wegen dieser Einwirkung zur Verletzung seiner positiven Sonderpflicht345. Dies zeigt – wie bereits erklärt wurde – dass die unternehmensbezogenen positiven Sonderpflichten auch gegen rechtswidrige Angriffe des Extraneus geschützt sind. Aus diesem Grund verbietet die Anstiftungsnorm all diejenigen Handlungen des Extraneus, die die Verletzung einer unternehmerische Sonderpflicht durch den positiven Pflichtträger bewirken. 341 Aus allgemeiner Sicht zur Begründung der Beteiligung des Intraneus an einem Allgemeinpflichtdelikt wegen Verletzung ihrer positiven Sonderpflichten vgl. Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 165 f. 342 Vgl. dazu oben § 9 A.II., III.; § 9 B.III. 343 Stein, Die strafrechtliche Beteiligungsformenlehre, § 8, S. 243. 344 Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 124; Stein, Die strafrechtliche Beteiligungsformenlehre, § 8, S. 241. 345 Ähnlich Jakobs, AT, § 22, Rn. 22; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 52 ff.; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 124.

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Aber in der strafrechtlichen Bewertung hat die Bestimmungshandlung des Außenstehenden einen geringeren Strafunwert als die täterschaftliche Handlung des Sonderpflichtträgers eines Wirtschaftsunternehmens, weil das motivierende Verhalten des Extraneus eine gemilderte Gefährlichkeit in Bezug auf die Rechtsgutsoder Pflichtverletzung darstellt346. Die unternehmerischen positiven Sonderpflichten sind nämlich gegenüber dem Extraneus durch einen zusätzlichen strafrechtlichen Schutzwall vor Einwirkungen geschützt. So kommt eine Kriminalisierung der Mitwirkung des Extraneus – selbst bei einer gegebenen Strafbarkeit des unternehmensbezogenen Sonderpflichtträgers – als Anstiftung nur dann in Betracht, wenn die bestimmende Handlung des Außenstehenden nach der Bewertung der Rechtsgemeinschaft auch diesen gegen den Extraneus gerichteten Schutzwall durchlöchert347. Diese strafrechtliche Anerkennung wird in § 26 dStGB und Art. 28 Abs. 2a sStGB durch die Festsetzung einer allgemeinen Pflicht reguliert, die konkret lautet: „Niemand darf vorsätzlich einen unternehmensbezogenen Sonderpflichtträger zur Verletzung seiner positiven Sonderpflichten veranlassen“348. Die Verletzung dieser negativen Allgemeinpflicht durch einen Anstifter kann in der ontologischen Realität verschiedene phänotypische Formen annehmen, die in dieser Untersuchung in zwei Gruppen unterteilt sind und als klassische und besondere Anstiftungsformen bezeichnet werden. Solche Anstiftungsformen werden im Folgenden behandelt. a) Klassische Anstiftungsform ohne Tatherrschaft Die bei Unternehmensdelikten wegen Verletzung positiver Sonderpflichten ausgeführten „klassische Anstiftungsform“ entspricht der phänotypischen Anstiftungsform, die im Bereich der Unternehmensdelikte kraft Verletzung negativer Allgemeinpflichtdelikte stattfindet. Mit anderen Worten findet diese Anstiftungsform ihre Entsprechung in der Anstiftung zu den genannten Herrschaftsdelikten, da der Extraneus nur den Intraneus bestimmt, aber der Intraneus die Verletzung seiner Sonderpflicht alleine beherrscht. In Bezug darauf wird diese Anstiftungsform gebildet, wenn ein Extraneus (etwa ein unternehmensbezogener Untergebener) einen Intraneus (z. B. den Vorstand/Aufsichtsrat einer AG oder den Geschäftsführer einer GmbH) zur Verletzung seiner positiven Sonderpflicht veranlasst bzw. „bestimmt“. Der Intraneus handelt bei solchen Arten der Anstiftung zweifelsohne vorsätzlich und rechtswidrig, d. h. der Intraneus beherrscht die Verwirklichung des Sonderpflichtdelikts, sodass die Bezeichnung als „klassische Anstiftungsform“ gerechtfertigt erscheint. Diese Anstiftungsform soll anhand folgender Fälle dargestellt werden: 346

Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 127 ff. Stein, Die strafrechtliche Beteiligungsformenlehre, § 8, S. 243. 348 Kühl, AT, 2012, 7. Aufl., § 20, Rn. 134; Herzberg, GA, 1991, 148; Stein, Die strafrechtliche Beteiligungsformenlehre, § 12, S. 345. 347

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Beispiel 41: Drei Gesellschafter einer GmbH und die Ehefrauen von zwei Geschäftsführern dieser GmbH veranlassen die zwei Geschäftsführer dieses Unternehmens, Geld von den Bankkonten der GmbH auf die privaten Bankkonten der Gesellschafter und Geschäftsführer umzuleiten. Die Geschäftsführer lassen sich auf den Vorschlag der Gesellschafter und ihrer Ehefrauen ein und überweisen das Geld. Beispiel 42 (Fortsetzung des Beispiels 32): Drei Aktionäre der Z-AG bieten dem Abschlussprüfer A (einem der beiden Wirtschaftsprüfer der Gesellschaft B-AG) die Zahlung von 1.000.000 Euro als Gegenleistung für die Manipulation des Ergebnisses der Prüfung des Jahresabschlusses der Aktiengesellschaft. Der Prüfer nimmt den Vorschlag an und berichtet nach der Erlangung von 50 % des Bestechungsgeldes das Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses der B-AG unrichtig.

Wie zu sehen ist, beteiligen sich im Beispiel 41 die Gesellschafter der GmbH und die Ehefrauen der Geschäftsführer an der Deliktsverwirklichung ohne Herrschaft über die Aneignung des Geldes des Unternehmens. Die unrichtige Unternehmensführung wird von den Geschäftsführern beherrscht, da sie frei entscheiden, das Geld von den Konten des Unternehmens auf ihre privaten Konten und auf die privaten Bankkonten der Gesellschafter zu überweisen. Ebenso kontrollieren in Beispiel 42 die Aktionäre der Z-AG nicht die Manipulation der Ergebnisse der Prüfung des Jahresabschlusses der geprüften B-AG, da ihre Mitwirkungen sich darauf beschränken, J zur Manipulation des Geschäftsberichts zu veranlassen. In diesem Sinne wären die Beispiele 41 und 42 Straftaten kraft Verletzung negativer Allgemeinpflichten und würde die Anstiftung auf der ontologischen Kategorie der Tatherrschaft beruhen – wie es die herrschende Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens annimmt – wäre der Schluss zu ziehen, dass sowohl die Gesellschafter und die Ehefrauen der Geschäftsführer im Beispiel 41 als auch die Aktionäre im Beispiel 42 als Anstifter für eine Untreue (§ 266 dStGB, Art. 252 sStGB) bzw. eine Verletzung der Berichtspflicht (§ 332 HGB, Art. 290 sStGB) haften, da sie sich an der Ausführung dieser Straftat beteiligen, ohne Herrschaft zu haben. Aus dem in dieser Untersuchung entwickelten normativen Beteiligungsmodell – in Übereinstimmung mit der überwiegenden Strafrechtswissenschaft – haften die Außenstehenden in den Beispielen 41 und 42 ebenfalls als Anstifter des jeweiligen unternehmerischen Sonderpflichtdelikts, an dem sie sich beteiligen. So sind die außenstehenden Gesellschafter und die Ehefrauen der Geschäftsführer als Anstifter für das Untreuedelikt verantwortlich349. In gleicher Weise haften die Aktionäre des Unternehmens Z-AG, da sie weder Abschlussprüfer noch Gehilfen eines Abschlussprüfers sind, nur als Anstifter350 zur „Verletzung der Berichtspflicht“. Der Unterschied zwischen dem in dieser Untersuchung vertretenen Gesichtspunkt und der Sicht der herrschenden Lehre liegt jedoch in der Grundlage der Anstiftung des Extraneus. Denn aus Sicht des Verfassers gründet sich die Strafhaftung des Extraneus 349 Zur Begründung der Teilnahme von Extraneus an einem Untreuedelikt vgl. Boerger, Zur Schutzfunktion des Wirtschaftsstrafrechts, S. 133 ff. 350 Ähnlich Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 29, Rn. 48.

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als Anstifter eines Sonderpflichtdelikts nicht auf die Beteiligung an der Verletzung der positiven Sonderpflicht ohne Herrschaft über diese Pflichtverletzung, sondern auf den Verstoß gegen eine strafrechtliche Pflicht, die anderer Natur351 ist als die durch den Intraneus verletzte strafrechtliche Sonderpflicht. Im Beispiel 41 verstoßen die Intranei (Geschäftsführer) gegen die in §§ 25, 266 dStGB und Art. 28 Abs. 1, 252 sStGB strafrechtlich positiv geregelte besondere Vermögensbetreuungspflicht, die lautet: Wer gesetzlich oder durch behördlichen Auftrag oder durch Rechtsgeschäft die Befugnis besitzt, über das Vermögen eines anderen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, oder wer die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht hat, fremde Vermögensinteressen zu schützen, muss diese besondere Befugnis oder Sonderpflicht richtig erfüllen352. Da es sich bei der Untreue um ein Sonderpflichtdelikt353 handelt, sind nur die Geschäftsführer Träger der genannten positiven Sonderpflicht354, so dass nur sie diese Pflicht verletzen können und folglich nur sie als Täter antworten können bzw. sich verantworten müssen355. Die anderen Beteiligten, die diese Pflicht nicht verletzen, haften nur als Teilnehmer356 oder bleiben straflos357. In diesem Sinne verstoßen die Gesellschafter und die Ehefrauen der Geschäftsführer gegen die in §§ 26, 266 dStGB und Art. 28 Abs. 2a, 252 sStGB typisierte negative strafrechtliche Allgemeinpflicht, welche lautet: Alle Bürger haben die Pflicht, die Geschäftsführer eines Wirtschaftsunternehmens nicht dazu zu veranlassen, ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Vermögens dieses Unternehmens zu verletzen358. Dies zeigt, dass die Außenstehenden keine Träger einer positiven Sonderpflicht sind, die den Intraneus verpflichtet, sondern nur Träger einer negativen Allgemeinpflicht, die darin besteht, die Geschäftsführer nicht zu veranlassen, ihre positive Sonderpflicht zu verletzen359. Daraus folgt, dass in 351 Im gleichen Sinne Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., Teil 8, 1. Kap., Rn. 115. 352 Zur normativen Bedeutung und zum Umfang der im Untreuedelikt enthaltenen positiven Sondervermögensbetreuungspflicht vgl. SSK-Perron, 30. Aufl., § 266, Rn. 11, 22 f. 353 Mit anderer Terminologie Boerger, Zur Schutzfunktion des Wirtschaftsstrafrechts, S. 131 ff.; Janssen/Gercke, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 332, Rn. 13; MRK-StGB-Matt, 2. Aufl., § 266, Rn. 3, 165. 354 Zum Umfangsbereich der Trägerschaft der Vermögensbetreuungspflicht vgl. ausführlich Boerger, Zur Schutzfunktion des Wirtschaftsstrafrechts, S. 133 ff.; auch MRK-StGB-Matt, 2. Aufl., § 266, Rn. 3; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 266, Rn. 29. 355 SSK-Perron, 30. Aufl., § 266, Rn. 52. 356 MRK-StGB-Matt, 2. Aufl., § 266, Rn. 3, 165; SSK-Perron, 30. Aufl., § 266, Rn. 52. 357 Die Straflosigkeit der Extranei liegt vor, wenn ihre Beteiligung am Sonderpflichtdelikt der Untreue die normativen Voraussetzungen der objektiven oder subjektiven Zurechnung der Anstiftung oder Beihilfe nicht erfüllt. 358 Zum strafrechtlichen Wesen der vom Teilnehmer als Extraneus verletzten negativen Allgemeinpflicht vgl. oben § 12 C.I.; § 12 C.II.1.; siehe auch unten § 12 C.II.2. 359 Radikaler ist die Auffassung der h. L., da sie behauptet, dass der Extraneus bei Sonderpflichtdelikten nicht die im entsprechenden Sonderpflichttatbestand verankerte strafrecht-

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Beispiel 41 die Gesellschafter und die Ehefrauen der Geschäftsführer nur als Anstifter für das Untreuedelikt verantwortlich sind, aber nicht, weil sie sich an der Verletzung der positiven Sonderpflicht ohne Tatherrschaft über die Pflichtverletzung beteiligen (wie die herrschende Lehre behauptet), sondern weil sie gegen die der Anstiftung zugrundeliegende negative Allgemeinpflicht verstoßen360. In ähnlicher Weise haften im Beispiel 42 die Aktionäre der Z-AG als Anstifter des Sonderpflichtdelikts361 Verletzung der Berichtspflicht (§ 332 HGB, Art. 290 sStGB), jedoch nicht, weil sie die Verbrechensausführung nicht beherrschen, sondern, da ihre Beteiligung an der Deliktsverwirklichung nur gegen die die Haftungsform der Anstiftung bildende negative Allgemeinpflicht verstößt362. Die Aktionäre der Z-AG – soweit sie hinsichtlich des Sonderpflichtdelikts Verletzung der Berichtspflicht Außenstehenden sind – verstoßen nämlich nur gegen ihre in §§ 26 dStGB, 332 HGB normierte negative Allgemeinpflicht, die alle Bürger verpflichtet, den Abschlussprüfer nicht dazu zu veranlassen, seine positive Sonderpflicht richtiger Berichterstattung über das Ergebnis der Prüfung eines Jahresabschlusses, eines Einzelabschlusses, eines Lageberichts, eines Konzernabschlusses, eines Konzernlageberichts eines Kapitalunternehmens oder eines Zwischenabschlusses zu verletzen. Der Abschlussprüfer wird seinerseits unabhängig von seiner tatsächlichen Herrschaft über die Durchführung der Straftat zum Täter des einer Verletzung der Berichtspflicht363. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Abschlussprüfer gegen die positive strafrechtliche Sonderpflicht verstößt, die der Täterschaft zugrunde liegt. Die vom Abschlussprüfer verletzte Pflicht lautet: Der Abschlussprüfer oder Gehilfe eines Abschlussprüfers muss u. a. über das Ergebnis der Prüfung eines Jahresabschlusses, eines Einzelabschlusses nach § 325 Abs. 2a, eines Lageberichts, eines Konzernabschlusses, eines Konzernlageberichts einer Kapitalgesellschaft oder eines Zwischenabschlusses richtig berichten. b) Besondere und „scheinbare“ Anstiftungsformen Außerhalb der bereits erklärten „klassischen Anstiftungsform“ ist die Möglichkeit einer Anstiftung des Extraneus zur Ausführung eines unternehmerischen Sonderpflichtdelikts sehr umstritten – insbesondere, wenn der intrane Unternehmenssonderpflichtträger seine positive Sonderpflicht unvorsätzlich, gerechtfertigt oder liche Pflicht verletzt. In diesem Sinne würden in Beispiel 40 die Frauen der Geschäftsführer nicht gegen die in § 266 dStGB enthaltene strafrechtliche Pflicht verstoßen, weshalb sie sich nur als Teilnehmerinnen verantworten müssten; vgl. dazu u. a. Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 401. 360 Aus einer allgemeinen Sicht siehe oben § 8 B.V.; § 9 B.III.; § 12 C.I. 361 Janssen/Gercke, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 332, Rn. 13. 362 Zur Begründung der Teilnahme des Intraneus an einem Allgemeinpflichtdelikt, wenn er seine positive Sonderpflicht verletzt, siehe Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 165 f. 363 Mit einer anderen Terminologie, aber mit gleicher Bedeutung siehe Janssen/Gercke, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 332, Rn. 13 ff.

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schuldlos verletzt. Die Lehre vertritt hierzu drei verschiedene Ansichten: Eine Auffassung bejaht die Bestrafung des Extraneus als Anstifter eines unternehmerischen Sonderpflichtdelikts in den Fällen364, in denen sie gleichwohl entgegen der Logik das Vorliegen eines dolosen rechtswidrigen Tatunrechts des Intraneus ablehnt365. Eine andere Auffassung verneint die Strafbarkeit des Extraneus als Anstifter eines unternehmerischen Sonderpflichtdelikts366, weil gerade kein doloses rechtswidriges Tatunrecht des intranen Sonderpflichtigen vorliege. Schließlich befürworten einigen Autoren in diesen Fällen die Bestrafung des Extraneus als mittelbaren Täter367. Zur Erläuterung dieser Problematik ist zwischen drei Fallgruppen zu unterscheiden: aa) Scheinbare Anstiftung durch den Extraneus aufgrund seiner Beteiligung an der Verwirklichung eines vorsatzlosen Sonderpflichtdelikts Diese scheinbare Anstiftung des Außenstehenden spielt eine Rolle in der Konstellation, in der ein unternehmensbezogener Sonderpflichtträger trotz der Verwirklichung des objektiven Straftatbestands des Sonderpflichtdelikts nicht strafbar ist, weil sein Handeln die normativen Erfordernisse des subjektiven Straftatbestands nicht erfüllt368. Zu dieser scheinbaren Anstiftung des Extraneus kraft seiner Veranlassung eines unternehmerischen Sonderpflichtigen zur Herbeiführung eines vorsatzlosen Sonderstraftatbestands gehören die Fälle, in denen der Außenstehende den unternehmensbezogenen Sonderpflichtträger vorsätzlich dazu anstiftet, gegen seine positive Sonderpflicht nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig oder unter dem Einfluss eines Tatbestandsirrtums zu verstoßen369. Aus einem ontologischen Gesichtspunkt gibt es in dieser Konstellation zwei Alternativen, wie sich ein Extraneus wegen eines unternehmerischen Sonderpflichtdelikts strafbar machen könnte – nämlich entweder als mittelbarer Täter oder als Anstifter. Wäre das vom Vordermann vorsatzlos begangene Delikt ein Allgemeinpflichtdelikt, würde der Extraneus aus Sicht der Vertreter der ersten Lösungsmöglichkeit als mittelbarer Täter eines solchen Delikts haften, weil der Außenstehende das Verhalten des instrumentalisierten Vordermannes vorsätzlich beherrscht

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Jakobs, AT, § 22, Rn. 11; Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 409 ff. Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, S. 409 ff. 366 Baumann/Weber, AT, S. 557. 367 Siehe aber v. Hippel, Deutsches Strafrecht, 2. Band, S. 482 f. (m. w. N. in Anm. 4); Germann, ZStW 71, S. 174 f. 368 Zur Straflosigkeit des vorsatzlos unmittelbar handelnden Vordermannes, wenn dieser vom Hintermann getäuscht wird, vgl. u. a. Jakobs, AT, § 21, Rn. 74 ff. 369 Aus einer allgemeinen Sicht vgl. Jakobs, AT, § 21, Rn. 74 f. 365

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hätte370. Im Unterschied dazu sollte der Extraneus nach den Verfechtern des zweiten Lösungsvorschlags als Anstifter des Sonderpflichtdelikts bestraft werden371. Nach dem in dieser Forschung entwickelten Standpunkt ist es jedoch erforderlich zu fragen, ob das Verhalten des intranen positiven Unternehmenspflichtigen die Strafbarkeitserfordernisse der in § 26 dStGB und Art. 28 Abs 2a sStGB geregelten Anstiftung erfüllt bzw. ob das Verhalten des Extraneus die Voraussetzungen der in § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB normierten mittelbaren Täterschaft erreicht. Die Antwort auf die gestellten Fragen ist, dass das Verhalten des Außenstehenden weder die normativen Voraussetzungen der Anstiftung noch die normativen Erfordernisse der (mittelbaren) Täterschaft erfüllt, sodass ein Außenstehender weder als Anstifter noch als mittelbarer Täter eines unternehmerischen Sonderpflichtdelikts bestraft werden kann372. Aus diesem Grund könnte man daher in diesen Fällen auch nur von einer „scheinbaren“ mittelbaren Täterschaft und einer „scheinbaren“ Anstiftung sprechen. Eine Strafverantwortung des Extraneus als mittelbarer Täter muss verneint werden, da die mittelbare Täterschaft eines Sonderpflichtdelikts – wie der Name schon sagt – generell nur begehen kann, wer die positive täterschaftliche Sonderpflicht verletzt373. So ist bei den „Allgemeinpflichtdelikten“ bereits Täter (und somit auch möglicher mittelbarer Täter), wer die allgemeine Pflicht „den anderen nicht zu schädigen“ übertritt. Hingegen ist bei den Sonderpflichtdelikten nur Täter, wer als Sonderpflichtträger seine „positive Sonderpflicht verletzt“. In diesem Zusammenhang kann der Extraneus durch seine instrumentalisierende Handlung wegen der in seiner Person fehlenden Tätereigenschaft die positive Sonderpflicht des intranen Täters nicht übertreten und demzufolge kann er mangels Täterqualität kein mittelbarer Täter des unternehmerischen Sonderpflichtdelikts sein374. Eine solche Instrumentalisierung kann in Deutschland eine versuchte Anstiftung zu einem Sonderpflichtdelikt begründen – ggf. in Konkurrenz zu einem in mittelbarer Täterschaft begangenen „Allgemeinpflichtdelikt“ (sofern ein solches existiert) – aber keineswegs ein in mittelbarer Täterschaft begangenes Sonderpflichtdelikt. Zusammenfassend dürfen die den Intraneus zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen veranlassenden Mitwirkungen des Extraneus an der Verletzung einer positiven Sonderpflicht für die Begründung einer Täterschaft an einem Sonderpflichtdelikt 370 Zur mittelbaren Täterschaft des Hintermannes wegen der Instrumentalisierung eines qualifizierten vorsatzlosen Werkezeugs vgl. etwa Welzel, Das deutsche Strafrecht, § 15, II/1. 371 So Roxin, TuT, 10. Aufl., § 34, Rn. 406, 409 ff., auch die alte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 4, 355 – 360). Eine ausführliche und kritische Erklärung dieser Begründungsform der Anstiftung des Außenstehenden an den Sonderpflichtdelikten findet sich oben u. a. in § 2 D.IV., V. 372 Dazu oben § 2 D.V. 373 Jakobs, AT, § 22, Rn. 12. 374 Sanchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 175 ff.; Heinrich, AT, 2012, 3. Aufl., § 36/II, Rn. 1282; Baumann/Weber/Mitsch, AT, 11. Aufl., § 30, Rn. 29; Nagler, Teilnahme an Sonderverbrechen, S. 73, 75, 131 f.; Jescheck/Weigend, AT, § 61 VII, S. 656.

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nicht herangezogen werden, weil sich die Täterschaft bei Sonderpflichtdelikten auf die Verletzung strafrechtlicher Pflichten unterschiedlicher Natur gründet. Die Bestrafung des Außenstehenden als Teilnehmer ist auch ausgeschlossen, denn die Begründung der Teilnahme (und damit der Anstiftung) ist nur möglich, wenn ein von einem Täter begangenes Strafunrecht vorliegt. Aus diesem Grund muss das Sonderstrafunrecht des Täters mit Jakobs375 Worten nicht nur objektiv tatbestandsmäßig, rechtswidrig und vorsätzlich sein, sondern es müssen alle deliktsspezifischen Tätermerkmale vorliegen. Dies gilt auch für diejenigen, die nicht zum objektiven Straftatbestand gehören, nämlich u. a. unrechtsbegründende Vorsatzarten oder der Vorsatz bei Straftaten mit überschießender Innentendenz. Dies gründet sich darauf, dass § 26 dStGB und Art. 28 Abs. 2a sStGB das Vorliegen eines dolosen bzw. tatbestandlichen Täterunrechts des Sonderpflichtträgers als objektive Strafbarkeitsbedingung aller Anstiftungsformen fordern; d. h. der intrane Unternehmenspflichtige muss seine Sonderpflicht durch ein vorsätzliches (in Spanien auch durch ein fahrlässiges) und rechtswidriges Verhalten verletzt haben, damit der Extraneus als Anstifter eines unternehmerischen Sonderpflichtdelikts bestraft werden kann376. Aber in der hier behandelten Fallkonstellation – in der die objektive Pflichtverletzung des intranen Sonderpflichtträgers mit einer Täuschung oder Fahrlässigkeit verknüpft ist – verwirklicht der betriebsbezogene Sonderpflichtträger keine „vorsätzlichrechtswidrige Tat“, an welcher der Extraneus teilnehmen könnte377. Daher kann der Extraneus im deutschen Strafrechtssystem nicht als Anstifter eines Unternehmensdelikts kraft Verletzung positiver Sonderpflichten bestraft werden378 – denn es liegt keine strafbare Anstiftung vor, wo (wie hier) kein doloses Hauptunrecht besteht. In Spanien besteht hingegen die Möglichkeit, den Extraneus als Anstifter zu bestrafen, da Art. 28 Abs. 2a sStGB die Anstiftung zu fahrlässigen Straftaten nicht ausschließt. Die folgenden Beispiele dienen zur Illustration dieser Auffassung: Beispiel 43: Ein Extraneus E bewirkt durch Täuschung, dass ein Vorstandsmitglied V einer börsennotierten Gesellschaft vorsatzlos ohne Genehmigung ein Geschäftsgeheimnis der Gesellschaft offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied bekannt geworden ist379. Beispiel 44: Ein von einem Nichtqualifizierten N über den Inhalt der Information getäuschter Geschäftsführer G einer GmbH legt ein Geschäftsgeheimnis der von ihm geführten Gesellschaft, das ihm in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer bekannt geworden ist, fahrlässig unbefugt offen.

375

Jakobs, AT, § 22, Rn. 10. Siehe oben § 2 D.V. 377 Stein, Die strafrechtliche Beteiligungsformenlehre, § 12, S. 347; Sanchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 174 ff. 378 Jescheck/Weigend, AT, § 61 VII, S. 656. 379 Roxin, TuT § 34, S. 368; Jakobs, AT, § 22, Rn. 12. 376

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In diesen Fällen sind die mittelbare Täterschaft und die Anstiftung der Außenstehenden E und N im deutschen Strafrechtssystem ausgeschlossen: Die Anstiftung scheitert an der Unvorsätzlichkeit der Hauptstraftat, die mittelbare Täterschaft mangels Täterqualität des Hintermannes380. Die Mitwirkungen des E und N können nicht als Anstiftung zu dem in § 404 AktG bzw. § 85 GmbH typisierten entsprechenden Sonderpflichtdelikt der „Verletzung der Geheimhaltungspflicht“ bestraft werden, da der handelnde Vordermann (das Vorstandsmitglied beim Beispiel 43 und der Geschäftsführer beim Beispiel 44) mangels Vorsatzes keine tatbestandmäßige „Verletzung der Geheimhaltungspflicht“ verwirklicht hat381. Der Grund liegt darin, dass das tatbestandsmäßige Täterunrecht solcher Straftaten die bewusste (dolose) und rechtswidrige Handlung des Vorstandsmitglieds bzw. Geschäftsführers voraussetzt382. Aber in der dargestellten Fallkonstellation handeln die Sonderpflichtträger (V, G) wegen des Einflusses der Täuschung bzw. des Tatbestandsirrtums irrig (§ 16 dStGB) und begehen somit keine dolos-rechtswidrige Tat383, an der die Außenstehenden E und N als Anstifter teilnehmen könnten. Auch die mittelbare Täterschaft der Außenstehenden (E und N) für das unternehmerische Sonderpflichtdelikt der Verletzung der Geheimhaltungspflicht muss in dieser Fallgruppe ausgeschieden werden, weil E und N die besondere Tätereigenschaft eines Vorstandsmitglieds384 bzw. Geschäftsführers385 nicht besitzen. Aus dieser Tatsache ergeben sich hinsichtlich dieser Fallkonstellation (und ähnlicher Fälle) zwei Schlussfolgerungen: Einerseits hat der Extraneus bezüglich des Sonderpflichtdelikts – hier: „Verletzung der Geheimhaltungspflicht“ – straflos zu bleiben, da das Gesetzlichkeitsprinzip verhindert, einen Hintermann als Täter eines Sonderpflichtdelikts zu bestrafen, wenn er die Tätereigenschaft nicht aufweist386. Andererseits schließt dies nicht aus, den Extraneus als (mittelbaren) Täter eines

380

Ähnlich Jakobs, AT, § 22, Rn. 12. Zu dem vorsätzlichen Verhalten des Täters als normatives Strukturelement des subjektiven Straftatbestands des Delikts „Verletzung der Geheimhaltungspflicht“ siehe Janssen/ Gercke, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 404 AktG, Rn. 18. 382 Dazu Janssen/Gercke, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 404 AktG, Rn. 18 (unter Hinweis auf Kap. 11.1. Rn. 31 desselben Werkes); ders., Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 85 GmbHG (Rn. 20). 383 So etwa MüKoAktG-Schaal, § 404, Rn. 54. 384 Zur Nichtträgerschaft von positiven Sonderpflichten hinsichtlich der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnispflicht einer AktG durch den Extraneus vgl. Janssen/Gercke, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 404 AktG, Rn. 9. 385 Zum Fehlen der Trägerschaft der besonderen positiven Betriebs- oder Geschäftsgeheimnispflicht in der Person des nichtqualifizierten Hintermannes siehe Janssen/Gercke, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 85 GmbHG, Rn. 11; Schaal, GmbHG-K, § 85, Rn. 7. 386 Jakobs, AT, § 22, Rn. 12; Jescheck/Weigend, AT, § 61 VII, S. 656; Heinrich, AT, 2012, 4. Aufl., § 36/II, Rn. 1279. 381

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„Allgemeinpflichtdelikts“ zu bestrafen387, wenn dieses Verhalten zuvor im Gesetz als eigenständiges Delikt typisiert ist. Im spanischen Strafrecht hingegen können E und N nicht nur als Täter eines Allgemeinpflichtdelikts, nämlich als Täter einer Verletzung der Geheimhaltungspflicht (Art. 197 sStGB), bestraft werden, sondern auch als Anstifter des in Art. 279 sStGB typisierten Sonderpflichtdelikts der Verletzung der Geheimhaltungspflicht, denn Art. 28 Abs. 2a sStGB beschränkt das Vorliegen einer Anstiftung nicht auf die vorsätzliche Straftat des Täters. bb) Scheinbare Anstiftung des Extraneus aufgrund seiner Beteiligung an der Verwirklichung eines gerechtfertigten Sonderstrafunrechts Diese Form scheinbarer Anstiftung charakterisiert sich dadurch, dass ein unternehmensbezogener Sonderpflichtträger nicht als Täter für ein unternehmerisches Sonderpflichtdelikt strafbar ist, weil sein Verhalten trotz der Erfüllung der objektiven und subjektiven Strukturelemente der Tatbestandsmäßigkeit die Erfordernisse der Rechtswidrigkeit nicht einhält. Zu dieser Konstellation scheinbarer Anstiftung des Außenstehenden aufgrund seiner Veranlassung eines unternehmerisch Sonderpflichtigen zur Verwirklichung eines tatbestandlichen aber gerechtfertigten Sonderpflichtdelikts gehören die Fälle, in denen der Extraneus einen intranen Unternehmensleiter dazu bestimmt, seine positive Sonderpflicht im Rahmen des Vorliegens eines rechtfertigenden Notstands, etc. zu verletzen. Beispiel 45: Zwei Geschäftsführer A und B der Y-GmbH drohen den Vorstandsmitgliedern der X-AG mit dem Tod, wenn sie nicht Geld von den Bankkonten der X-AG auf die Privatbankkonten von A und B überweisen. Die Vorstandsmitglieder überweisen das Geld, weil sie diese Bedrohung ihres Lebens nicht anders abwenden können, insbesondere weil eine Einschaltung der Polizei nicht erfolgversprechend ist. Beispiel 46: Der Gesellschafter G einer Kapitalgesellschaft zwingt den Abschlussprüfer A eines solchen Unternehmens mit Todesdrohung zur rechtswidrigen Offenlegung eines Betriebsgeheimnisses der Gesellschaft, das ihm in seiner Eigenschaft als Abschlussprüfer bei Prüfung des Jahresabschlusses bekannt geworden ist.

Die Lösung solcher Fälle des Nötigungsnotstands – wie die Beispiele 45 und 46 – ist umstritten. Die herrschende Lehre388 bejaht nur das Vorliegen eines entschuldigenden Notstands und spricht sich daher für die Anwendung des § 35 dStGB aus, um solche Notstandssituationen zu lösen. Aus dieser Sicht habe der Genötigte keine strafrechtliche Verantwortlichkeit, weil er aufgrund der von dem Hintermann ausgeübten Nötigung nur eine tatbestandliche und rechtswidrige, aber keine schuldhafte 387 388

Roxin, AT II, § 26, Rn. 33. Etwa Wessels/Beulke, AT, Rn. 443.

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Straftat verwirkliche389 ; der Hintermann sei hingegen entweder ein mittelbarer Täter (wenn das vom genötigten Täter begangene Strafunrecht ein Allgemeinpflichtdelikt sei) oder ein Anstifter (wenn der vom genötigten Vordermann verwirklichte Straftatbestand ein Sonderpflichtdelikt sei). Diese Auffassung stützt sich grundsätzlich auf fünf Argumente: Erstens handele ohne Billigung der Rechtsordnung, wer unter Zwang auf die Seite der Verwirklichung des Strafunrechts trete390. Zweitens ermögliche der entschuldigende Notstand dem nicht beteiligten Dritten im Unterschied zum rechtfertigenden Notstand die Ausübung des Notwehrechts gegen die durch Nötigungsdruck erzwungene Verwirklichung eines Straftatbestands. Drittens vermeide der entschuldigende Notstand anders als der rechtfertigende Notstand eine tiefe Erschütterung des Vertrauens in die Geltungskraft der Rechtsordnung. Viertens ermögliche der entschuldigende Notstand durch die Betrachtung der Fälle des Nötigungsnotstands als rechtswidrige Straftaten die Erreichung präventiver kriminalpolitischer Zwecke des Strafrechts, die in der vorliegenden Fallkonstellation in der Bestrafung des drohenden Hintermannes entweder als mittelbarer Täter oder als Anstifter bestehe391. Fünftens führe der entschuldige Notstand gegenüber dem rechtfertigenden Notstand zur Möglichkeit, den nötigenden Hintermann bei eigenhändigen Delikten und Sonderpflichtdelikten als Anstifter zu bestrafen. Ausgehend von dieser genannten Sicht seien die Vorstandsmitglieder der X-AG und der Abschlussprüfer der Kapitalgesellschaft nicht für den Untreuetatbestand strafrechtlich verantwortlich, da sie unter dem Schutzbereich des entschuldigenden Notstands gehandelt hätten. Im Vergleich dazu würden A, B und G nicht als Täter, sondern als Anstifter des Untreuedelikts haften. Gründe dafür seien zweierlei: Zum einen könnten A, B und G nicht als Täter haften, da sie weder Vorstandsmitglieder noch Abschlussprüfer sind und daher keine der Täterschaft des Untreuedelikts zugrundeliegende positive Vermögensbetreuungssonderpflicht verletzen könnten; zum anderen komme die Strafhaftung von A, B und G als Anstifter in Betracht, weil ein tatbestandmäßiges und rechtswidriges Verhalten des Haupttäters vorliege, welches die wesentliche Voraussetzung der Strafbarkeit der Teilnahme (etwa der Anstiftung) sei. Aus unserer Sicht ist der als „Entschuldigungslösung“ bezeichnete Ansatz dagegen abzulehnen, weil die Anwendung des entschuldigenden Notstands auf den Nötigungsnotstand aus verschieden Gründen nicht sachgerecht erscheint. Das erste Argument der h. L. ist nicht zutreffend, weil der Genötigte, der zum Schutz wesentlich überwiegender Interessen die Interessen eines Dritten beeinträchtigt, nicht gegen die Rechtsordnung, sondern für die Verteidigung des Rechtssystems handelt; folglich wird das Handeln des genötigten Täters durch die Rechtsordnung gebilligt. 389

Wessels/Beulke, AT, Rn. 443. Siehe hierfür LK-Hirsch, § 34, Rn. 69; Lange, NJW 1978, 785; Neumann, JA 1988, 334 f.; SSK-Perron, 30. Aufl., § 34, Rn. 41b. 391 Vgl. dazu Beulke/Satzger, AT, Rn. 462; Kühl, AT, § 8, Rn. 127 ff.; SSK-Perron, § 34, Rn. 41b. 390

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In ähnlicher Weise ist das zweite Argument zurückzuweisen, weil nach dem in der vorliegenden Arbeit entwickelten Gesichtspunkt im Gegensatz zur Auffassung der h. L. das Opfer der vom Genötigten begangenen Straftat kein Notwehrrecht hat. Dies liegt daran, dass ein Notwehrrecht nur gegen rechtswidrige Angriffe (§ 32 Abs. 2 dStGB), nicht aber gegen berechtigte Beeinträchtigungen von Interessen ausgeübt werden darf. In den genannten Notstandslagen muss das Opfer die durch die Nötigung erzwungenen Beeinträchtigungen seiner Rechtsgüter dulden, wenn solche Beeinträchtigungen zum Schutz wesentlich überwiegender Interessen des Genötigten erförderlich sind392. Diese Pflicht, die berechtigte Rechtsgüterverletzung zu tolerieren, ist eine Konsequenz der allgemeinen Solidaritätspflicht aller in einer Gesellschaft zusammenlebenden Menschen393. Im Gegenzug zu dieser Duldungsoder Solidaritätspflicht des Opfers hat der Genötigte Anspruch auf Solidarität wie jeder andere, der nicht eigene Gefahren zu verantworten hat394. Das dritte Argument überzeugt auch nicht, weil das Vertrauen in die Geltungskraft nur dann erschüttert werden kann, wenn rechtswidrige Straftaten verwirklicht werden, die die in Rechtsnormen verankerten normativen Erwartungen der Gesellschaft enttäuschen, nicht aber, wenn solche Straftaten durch das geltende Recht gerechtfertigt sind. In der Konstellation eines Nötigungsnotstands ist das Verhalten des Genötigten daher zwar tatbestandsmäßig, aber gerechtfertigt. Genauer gesagt fällt die Straftat des Genötigten unter § 34 StGB und enttäuscht damit weder die Erwartungen der Gesellschaft noch erschüttert sie das Vertrauen der Gesellschaft in die Geltungskraft der Rechtsordnung. Bezüglich des vierten und fünften Arguments sollte man sagen, dass sie nur teilweise akzeptiert werden können; denn das rechtswidrige Verhalten des Hintermannes sollte zwar nicht straflos bleiben, doch darf diese Bestrafung nicht auf jede denkbare Weise erfolgen, sondern nur unter uneingeschränkter Achtung der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Prinzipien, die den demokratischen Strafrechtssystemen zugrunde liegen. In diesem Zusammenhang ist es nicht richtig, den rechtfertigenden Notstand in allen Nötigungssituationen mit dem alleinigen Zweck auszuschließen, den nötigenden Hintermann als mittelbaren Täter oder Anstifter der von dem Genötigten verwirklichten Straftat zu bestrafen395, weil in vielen Fällen (wie etwa, wenn das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt) wegen des gerechtfertigten Verhaltens des Genötigten keine rechtswidrige Straftat des Haupttäters vorliegt. Schließlich erfasst der entschuldigende Notstand nur Handlungen zugunsten der eigenen oder einer nahestehenden Person, nicht aber Konstellationen, in denen dem Genötigten mit der Tötung eines nicht nahestehenden Dritten gedroht wird. In einer solchen Fallkonstellation wäre der Genötigte, der das Vermögen eines Anderen beeinträchtigt, um dem Dritten das Leben zu retten, bei Ablehnung einer Rechtfertigung wegen Sachenbeschädigung strafbar. 392 393 394 395

Ähnlich Frister, AT, 6. Aufl., § 17, Rn. 19. Dazu Rengier, AT, 10. Aufl., § 19, Rn. 52. Jakobs, AT, § 13, Rn. 14. Jakobs, AT, § 13, Rn. 14.

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Entgegen der h. L. und in Übereinstimmung mit der Mindermeinung396 wird in dieser Arbeit daher der Standpunkt vertreten, dass die Konstellationen des Nötigungsnotstands nicht lediglich die Voraussetzungen des entschuldigen Notstands, sondern bereits die Erfordernisse des rechtfertigenden Notstands erfüllen können. Dafür gibt es insbesondere fünf Argumente. Zunächst beschränkt sich die Begründung des rechtsfertigenden Notstands nicht auf aus der Natur oder aus anderen Quellen als dem menschlichen Verhalten kommende Gefahren. § 34 dStGB und Art. 20 Abs. 5 sStGB verknüpfen die Begründung des Notstands mit verschiedenen Gefahrenquellen. Dies bedeutet, dass im rechtfertigenden Notstand die Gefahrenquelle eine Naturkatastrophe oder ein fehlerhaftes menschliches Fehlverhalten sein kann397, etwa eine Nötigung. Ebenso, und in Überreinstimmung mit dem bereits Gesagten, muss die zur Abwendung eines durch eine Nötigung verursachten Übels begangene Straftat nach den gleichen Maßstäben wie eine zur Abwendung anderer, aus weiteren Gefahrenquellen abgeleiteten Übeln verwirklichte Straftat beurteilt werden398 ; denn entscheidend für das Vorliegen des rechtfertigenden Notstands ist – wie bereits erwähnt – nicht die Gefahrenquelle, sondern die Intensität der Gefahr, die nach § 34 StGB einerseits das Leben, die Freiheit usw. betrifft und andererseits nicht anders abwendbar ist. Ebenfalls handelt es sich bei jener Fallkonstellation der Nötigungslage, bei der der Genötigte zum Schutz seines Lebens das Vermögen eines Dritten beeinträchtigt, um einen rechtfertigenden Notstand, da das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt399. Daneben ist die Anwendung des rechtfertigenden Notstands gemäß § 34 StGB unabhängig von der Straflosigkeit des Hintermannes, die sich aus dieser Anwendung ergeben kann, weil der Zweck des rechtfertigenden Notstands nicht die Bestrafung des Hintermannes, sondern der Ausschluss des genötigten Täters von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist. Darüber hinaus spiegelt die Lösung des rechtfertigenden Notstands die materielle Verwirklichung des Geistes und Zwecks des § 34 StGB wider; im Gegensatz dazu verstoßt die Entschuldigungslösung gegen den Wortlaut der genannten Vorschrift. Schließlich ist der rechtfertigende Notstand in den Fällen ausgeschlossen, in denen der Genötigte zur Abwendung der ihm drohenden Gefahr in die Rechtsgüter unbeteiligter Dritter eingreift, obwohl er eine Möglichkeit hat, sich durch Notwehr oder – bei nicht schuldhaft handelndem mittelbarem Täter – defensiven Notstand vom mittelbaren Täter zu befreien400. In diesem Fall ist der Notstand ausgeschlossen, weil es eine andere Möglichkeit gibt, die Gefahr zu vermeiden. Außerdem ist rechtfertigender Notstand (§ 34 dStGB) ausgeschlossen und die Anwendung des entschuldigenden Notstands möglich (§ 35 dStGB), wenn das geschützte und das

396 Zur minderen Meinung vgl. u. a. Brand/Lenk, JuS 2013, 883 ff.; Frister, AT, 6. Aufl., § 17, Rn. 18 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 9, Rn. 105. 397 Jakobs, AT, § 13, Rn. 14; SSK-Perron, 30. Aufl., § 34, Rn. 16. 398 Frister, AT, 6. Aufl., § 17, Rn. 20. 399 Jakobs, AT, 2. Aufl., § 13, Rn. 14. 400 Jakobs, AT, § 13, Rn. 14.

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durch die Straftat des Genötigten beeinträchtigte Rechtsgut gleichwertig sind (vgl. § 12 C.II.1.b)bb)). Nach diesem Verständnis handelt es sich bei den Beispielen 45 und 46 um Fälle eines rechtfertigenden Notstands. Für diese These sprechen die Argumente, die vorgebracht wurden, um die Existenz eines entschuldigenden Notstands abzulehnen und das Vorliegen eines rechtfertigenden Notstands zu bejahen, wenn eine Straftat aufgrund einer sich aus einer Nötigung ableitenden Gefahrensituation ausgeführt wird. Von diesen oben genannten Argumenten sind hier drei von besonderer Bedeutung: Erstens liegt bei den Beispielen 45 und 46 eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr für das Leben der Vorstandsmitglieder und des Abschlussprüfers vor. Zweitens haben sowohl die Vorstandsmitglieder als auch der Abschlussprüfer die Vermögensbetreuungs- bzw. Geheimhaltungspflicht verletzt, um ihr Leben zu retten; d. h. sie haben ein niedrigerwertiges Interesse beeinträchtigt, um ein höherwertiges Interesse zu retten. Das Vorliegen dieser zwei Elemente rechtfertigt nach § 34 dStGB die Handlung der Vorstandsmitglieder und des Abschlussprüfers und lässt dadurch die Rechtswidrigkeit entfallen. Drittens hatten die Vorstandsmitglieder und der Abschlussprüfer keine Möglichkeit, sich etwa durch Notwehr oder defensiven Notstand von den Geschäftsführern (in Fall 45) bzw. dem Gesellschafter (in Fall 46) zu befreien. Ausgehend davon wird in den Beispielen 45 und 46 folgende Lösung vorgeschlagen: Prinzipiell dürfen A, B und G nicht als Täter (nämlich als mittelbarer Täter) der phänotypisch von den genötigten Vordermännern begangenen Straftaten bestraft werden, da ihre Handlungen die normativen Erfordernisse der Täterschaft der Untreue und der Verletzung der Geheimhaltungspflicht nicht erfüllen. Die Untreue (§ 266 dStGB, Art. 252 sStGB) und die Verletzung der Geheimhaltungspflicht (§ 333 HGB Art. 279 sStGB), welche die von den Vorstandsmitgliedern und dem Abschlussprüfer begangenen Handlungen unter Strafe stellen, sind nämlich Sonderpflichtdelikte401, bei denen sich die Täterschaft nicht auf die Verletzung negativer Allgemeinpflichten gründet, die alle Bürger betreffen, sondern auf den Verstoß gegen eine positive Sonderpflicht, die nur die Vorstandsmitglieder einer AG402 bzw. den Abschlussprüfer einer Kapitalgesellschaft403 verpflichtet. In diesem Zusammenhang ist es den Außenstehenden normativ unmöglich, diese strafrechtliche Sonderpflicht zu verletzen. Folglich würde die Zurechnung der Täterschaft (genauer die Annahme einer mittelbaren Täterschaft) des Untreuedelikts (§ 266 i. V. m. § 25 dStGB und Art. 252 i. V. m. Art. 28 Abs. 1 sStGB) von A und B und die Täterschaft der „Verletzung der Geheimhaltungspflicht“ (§ 333 HGB i. V. m. § 25 dStGB und 401 Zur Erläuterung der Untreue als Sonderpflichtdelikt vgl. oben § 12 C.II.1.a). Für die Erklärung der sonderpflichtigen Natur des Delikts „Verletzung der Geheimhaltungspflicht“ gelten die Ausführungen zum Beispiel 41 (oben in § 12 C.II.1.a)). 402 Zur ausschließlichen und ausschließenden Zuständigkeit der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft für die positive Sondervermögensbetreuungspflicht siehe die Ausführungen zum Beispiel 30, die oben in § 12 B.II.5. gemacht wurden. 403 Hierfür siehe Janssen/Gercke, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 333 GmbHG, Rn. 11.

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Art. 279 i. V. m. Art. 28 Abs. 1 sStGB) bei G einen unerträglichen Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip der Täterschaft dieser Sonderpflichtdelikte darstellen, das in den vorliegenden Fällen A, B und G von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als Täter dieser Sonderpflichtdelikte ausschließt404. Angesichts der Unmöglichkeit, A, B und G als mittelbare Täter der Untreue und der Verletzung der Geheimhaltungspflicht zu bestrafen, ist die Frage zu stellen, ob ihnen die Anstiftung zu diesen Straftaten zugerechnet werden kann. Wie bereits oben erwähnt, erfordert die Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als Anstiftung, dass der Angestiftete zumindest ein Strafunrecht begeht405, nämlich ein tatbestandliches und rechtswidriges Verhalten. In den Beispielen 45 und 46 sind die Handlungen der Vorstandsmitglieder und des Abschlussprüfers zwar tatbestandsmäßig, aber nicht rechtswidrig406. Daher können weder A und B als Anstifter zu einer Untreue strafrechtlich verantwortlich gemacht werden, noch kann G Anstifter zur Verletzung der Geheimhaltungspflicht sein, da es kein Täterunrecht (tatbestandliche und rechtswidrige Haupttat) bei diesen Delikten gibt, an denen sie als Anstifter teilnehmen können. Stattdessen können A, B und G wegen der Verwirklichung anderer Tatbestände bestraft werden: G wegen der unmittelbaren Einzeltäterschaft einer Nötigung (§ 240 dStGB, Art. 169 sStGB); A und B wegen unmittelbarer paralleler Einzeltäterschaft einer Erpressung (§ 253 dStGB, Art. 243 sStGB). cc) Anstiftung des Extraneus aufgrund seiner Beteiligung an einem Sonderpflichtunrecht, bei dessen Verwirklichung ein Schuldausschließungs- oder Entschuldigungsgrund vorlag Zu dieser Konstellation kommen Fälle in Betracht, in denen die Bestrafung des intranen Sonderpflichtträgers eines Wirtschaftsunternehmens wegen Verletzung seiner positiven Sonderpflicht ausgeschlossen ist, weil er tatbestandlich und rechtswidrig handelt, jedoch ohne Schuld, oder schuldig aber entschuldig407. Im Gegensatz zu den vorherigen Konstellationen, in denen der negative Aspekt der limitierten Akzessorietät der Teilnahme die Strafbarkeit des Extraneus als Anstifter eines unternehmerischen Sonderpflichtdelikts leugnet, bejaht der positive Aspekt der limitierten Akzessorietät der Teilnahme in der vorliegenden Fallgruppe die Bestrafung des Extraneus als Anstifter408 eines sonderpflichtigen Wirtschaftsverbrechens, dessen Täterunrecht von einem unternehmerisch Sonderpflichtigen 404

So etwa Jakobs, AT, § 22, Rn. 16 ff. U. a. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 333 ff., 343; Jakobs, AT, § 22, Rn. 21 ff.; Puppe, GA 1984, 113; Schulz, JuS 1986, 940. 406 Jakobs, AT, § 81 ff. 407 Zur Unterscheidung zwischen Ausschließungs- und Entschuldigungsgründen vgl. SSKPerron, 30. Aufl., Vor §§ 32 ff., Rn. 108 ff.; ders., Rechtfertigung und Entschuldigung, S. 58. 408 Roxin, AT II, § 26, Rn. 33; Heinrich, AT, 2012, 3. Aufl., § 36/II, Rn. 1279. Rudolphi (ZStW 78, 1966, S. 98 ff.) lehnt diese Möglichkeit in den Fällen ab, in denen der Intraneus seine Pflicht unter dem entschuldigenden Notstand verletzt. 405

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ausgeführt wird. Der Grund dafür ist, dass mindestens ein dolos-rechtswidriges Täterunrecht eines Sonderpflichtdelikts vorliegt, obwohl der Sonderpflichtträger schuldunfähig (§§ 19, 20 dStGB; § 3 JGG; Art. 19, 20 Abs. 1, 2, 3 sStGB), in einem entschuldigenden Notstand (§ 35 dStGB, Art. 20 Abs. 5 sStGB) oder einem unvermeidbaren Verbotsirrtum (§ 17 Abs. 1 dStGB, Art. 14 Abs. 3 sStGB handelt409. Beispiel dafür ist der folgende Fall: Beispiel 47: Der als gewalttätig bekannte ehemalige Z-Aktionär der W-AG „rät“ dem Vorstandssitzenden V desselben Unternehmens nachdrücklich, bei der Anmeldung der Gesellschaft in das Handelsregister die nach § 37 AktG erforderliche Aufschlüsselung der Gründungskosten zu versäumen; ansonsten werde er ihm alle Zähne einschlagen. Dementsprechend macht V falsche Angaben, um die Gesellschaft in das Handelsregister einzutragen410.

Im Beispiel 47 haftet V weder als Täter oder Teilnehmer für das in § 399 Abs. 1 AktG normierte Delikt falscher Angaben noch als Täter oder Teilnehmer für eine andere Straftat. Grund dafür ist, dass V unter dem Einfluss eines Nötigungsnotstands handelt, der nach § 35 dStGB und Art. 20 Abs. 5 sStGB ein Entschuldigungsgrund ist und daher die Verhängung einer Strafe über den genötigten Täter ausschließt411. Im vorliegenden Beispiel befindet sich V in einer vom Z durch die Nötigung verursachten außergewöhnlichen Konflikt- und Motivationslage, die zwar nichts am Vorliegen des Strafunrechts ändert und auch die Schuld nicht ausschließt, ein normgerechtes Verhalten aber als unzumutbar und damit nicht strafwürdig erscheinen lässt. Anders formuliert handelt es sich um eine Sondersituation, in der der Täter wegen der durch die Nötigung verursachten Konflikt- und Motivationslage die Nachsicht der Rechtsordnung findet412. Im Vergleich dazu ist der ehemalige Aktionär Z voll verantwortlich für das von V verwirklichte tatbestandliche und rechtswidrige Verhalten. Aber es muss noch festgestellt werden, ob Z als Täter oder Teilnehmer verantwortlich ist. Es gäbe kein Problem, dem Z die Täterschaft des Delikts falscher Angaben zuzurechnen, wenn es sich dabei um ein Allgemeinpflichtdelikt handeln würde, da Z den Strafbarkeitsmangel planvoll lenkend ausnutzt und dadurch die Verletzung der die Täterschaft begründenden negativen Allgemeinpflicht in den Händen halten würde. § 399 Abs. 1 AktG ist jedoch ein Sonderpflichtdelikt413, was bedeutet, dass 409

Rengier, AT, 10. Aufl., § 26, Rn. 15. Ein ähnliches Beispiel für den rechtfertigenden Notstand wurde von Rengier gegeben, vgl. Rengier, AT, 10. Aufl., § 19, Rn. 1, 55. 411 Zur Ausschließung der Strafe wegen des Vorliegens eines entschuldigenden Nötigungsnotstands vgl. SSK-Perron, 30. Aufl., Vor § 32 ff., Rn. 108; ders., Rechtfertigung und Entschuldigung, S. 56. 412 Zur Erklärung dieser Sondersituationslage vgl. SSK-Perron, 30. Aufl., Vor § 32 ff., Rn. 108 f.; ders., Rechtfertigung und Entschuldigung, S. 60. 413 MüKoAktG-Schaal, § 399, Rn. 12; Südbeck/Eidam, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 399 AktG, Rn. 46; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 28, Rn. 8. 410

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nur diejenigen Täter sein können, die Träger der positiven Sonderpflicht sind, nämlich die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder414. In diesem Zusammenhang kann (darf) Z nicht als Täter haften, da er die genannte positive Sonderpflicht weder verletzt noch verletzen kann. Entfällt die Strafbarkeit des V mangels schuldhaften Handelns und kann Z wegen der in seiner Person fehlenden Tätereigenschaft nicht Täter des Sonderpflichtdelikts falscher Angaben (§ 399 AktG) sein415, so ist es noch möglich, die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Z als Anstifter zu begründen416. Die Strafhaftung des Z als Anstifter zum Sonderpflichtdelikt falscher Angaben hat zwei Gründe: Zum ersten nutzt Z den Strafbarkeitsmangel von V planvoll lenkend aus und erfüllt dadurch die Voraussetzungen der Anstiftung (§ 26 dStGB, Art. 28 Abs. 2a sStGB), nach denen Anstifter ist, wer einen anderen vorsätzlich zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt. Im vorliegenden Fall verwirklicht V eine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat, an der Z teilnimmt. Zum zweiten verletzt Z seine negative Allgemeinpflicht, die unternehmensbezogenen Sonderpflichtigen nicht zu veranlassen, gegen ihre in § 399 AktG geregelte positive Sonderpflicht zu verstoßen. In diesem Zusammenhang kann Z mangels Tätereigenschaft zwar nicht als Täter des Sonderpflichtdelikts falscher Angaben bestraft werden. Er kann aber als Anstifter zu einem Sonderpflichtdelikt falscher Angaben bzw. als Täter des Allgemeinpflichtdelikts der Nötigung haften. 2. Haftung des Extraneus als Gehilfe Das fördernde Verhalten des Extraneus zur Verletzung der täterschaftlichen Sonderpflicht der intranen Unternehmensleiter stellt sich auch aus Sicht des Strafrechts als von maßgeblicher Relevanz dar. Auch solche Handlungen schaffen einen verbotenen Angriff auf das Rechtsbewusstsein der Gesellschaft und werden – aus diesem Grund – als unerlaubtes strafrechtliches Risiko qualifiziert417. So richten sich die dem Schutz der unternehmerischen positiven Sonderinstitutionen dienenden Normen auch an den unterstützenden Extraneus. Der Außenstehende ist nämlich Normadressat sowohl der in § 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2b, 29 sStGB enthaltenen allgemeinen Beihilfenorm, als auch der in den entsprechenden Sonderpflichttatbeständen festgestellten spezifischen Verhaltensnorm, deren Ziel es ist, die Mitwirkung

414 Südbeck/Eidam, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 399 AktG, Rn. 46; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 28, Rn. 8. 415 Vgl. u. a. Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 28, Rn. 8. 416 Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Anstiftung eines Außenstehenden zum Delikt falscher Angaben vgl. Südbeck/Eidam, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 399 AktG, Rn. 48. 417 Über die Natur des unerlaubten Risikos der Beihilfe siehe Rudolphi, Jescheck-FS, S. 575.

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von Außenstehenden an der Verletzung der dem unternehmensbezogenen Intraneus auferlegten positiven Pflichten zu vermeiden418. Trotzdem ist die Handlung des Extraneus im Vergleich zu den Handlungen des intranen Täters und des extranen Anstifters nach dem Verständnis des Gesetzgebers abweichend rechtlich zu bewerten. Die hilfeleistende Handlung des Extraneus zur Verwirklichung eines unternehmerischen Sonderpflichtdelikts besitzt nämlich gegenüber der entsprechenden Täter- und Anstifterhandlung einen geringeren Strafunwert419. Aus diesem Grund haben der deutsche und spanische Gesetzgeber auf der einen Seite für bloßes Beihilfeverhalten in § 27 dStGB bzw. Art. 28 Abs. 2b, 29 sStGB eine eigenständige Regelung getroffen; auf der anderen Seite sehen sowohl das deutsche als auch das spanische StGB eine doppelte Strafmilderung für den Gehilfen an einem unternehmerischen Sonderpflichtdelikt vor: nämlich eine allgemeine und eine spezielle Strafmilderung420. Im deutschen StGB ist die doppelte Strafmilderung ausdrücklich geregelt. In Bezug auf die allgemeine Strafmilderung setzt § 27 Abs. 2 fest, dass sie nach § 49 Abs. 1 zu mildern ist421. Hinsichtlich der besonderen Strafmilderung des Gehilfen an einem unternehmerischen Sonderpflichtdelikt schreibt § 28 Abs. 1 dStGB seinerseits vor, dass sie gemäß § 49 Abs. 1 gemildert werden muss422. Im sStGB wird die allgemeine Strafmilderung aus der Unterscheidung zwischen Täter- und Teilnehmerunrecht abgeleitet (Art. 28 Abs. 2b, 29 sStGB), weil die Unterscheidung darauf beruht, dass das Teilnehmerunrecht einen geringeren Strafunwert als das Täterunecht besitzt. Die besondere Strafmilderung ist wiederum in Art. 65 Abs. 3 sStGB geregelt, in dem festgelegt ist, dass der Richter die Strafe des Anstifters oder Gehilfen eines Sonderpflichtdelikts mildern kann. Die allgemeine Pflicht, die in § 27 dStGB und in den Art. 28 Abs. 2b, 29 sStGB in Bezug auf die Beihilfe zu (unternehmerischen) Sonderpflichtdelikten formuliert wird, lautet: „Niemand darf vorsätzlich einem unternehmerischen Sonderpflichtträger bei der vorsätzlichen und rechtswidrigen Verletzung seiner unternehmensbezogenen positiven Sonderpflicht Hilfe leisten“423. Diese strafrechtliche Verhaltensnorm lässt zwei Schlussfolgerungen in Bezug auf das Beihilfeunrecht zu: Erstens wird das Gehilfenunrecht im Bereich der unternehmerischen Sonderpflichtdelikte 418 Hinsichtlich des Zwecks der Verbotsnorm der allgemeinen Beihilfe siehe Rudolphi, Jescheck-FS, S. 571. 419 So etwa Kühl, AT, 7. Aufl., § 20, Rn. 149 f.; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 123. 420 Zur doppelten Strafmilderung des Gehilfen an einem Sonderpflichtdelikt im deutschen Strafrechtssystem vgl. Stein, Die strafrechtliche Beteiligungsformenlehre, § 8, S. 244. 421 MüKoStGB-Joecks, Band 1, 3. Aufl., § 27, Rn. 118; SSK-Heine/Weißer, 30. Aufl., § 27, Rn. 39. 422 Cortes Rosa, ZStW 90, S. 416 f.; SSK-Heine/Weißer, 30. Aufl., § 28, Rn. 29; Kühl, AT, 7. Aufl., § 20, Rn. 149 f.; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 12; Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 183. 423 In ähnlichem Sinn Rudolphi, Jescheck-FS, S. 570, 572, nach dem das Normverbot der allgemeinen Beihilfe lautet: „Du solltest nicht vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leisten.“

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begründet, wenn der Extraneus diese Pflicht übertritt424. Entscheidend ist der vorsätzliche Verstoß gegen diese Verhaltensnorm. Damit stellen Handlungen, die entweder im Bereich des erlaubten Risikos bleiben425 oder ohne Vorsatz verwirklicht werden, im deutschen Strafrechtssystem keine strafbare Beihilfeformen dar. In diesem Zusammenhang ist es für die Beihilfe des Extraneus an einem Sonderunternehmenspflichtdelikt erforderlich, dass dem Extraneus zumindest bekannt ist, dass ein vorsätzlich-rechtswidriges Hauptstrafunrecht des Intraneus vorliegt und sein Verhalten zur Ausführung eines solchen Hauptstrafunrechts beiträgt426. Anders sieht es in Spanien aus, da, wie vorher erwähnt, die Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB unter anderem die Strafbarkeit der fahrlässigen Teilnahme an vorsätzlichen Straftaten und die Strafbarkeit der vorsätzlichen Teilnahme an fahrlässigen Straftaten regeln. Zweitens ist der Extraneus stets als Gehilfe – und nie als Täter – zu bestrafen, wenn er bei der Verwirklichung eines unternehmerischen Sonderpflichtdelikts nur die Verhaltensnorm des § 27 dStGB bzw. der Art. 28 Abs. 2b, 29 sStGB verletzt. Hierfür ist irrelevant, ob der Extraneus bei der Herbeiführung des Sonderpflichttatbestands selbst über die Tatherrschaft verfügt, genauso wie es nicht darauf ankommt, ob er die Übertretung seiner Pflicht durch Begehung oder durch Unterlassung verwirklicht427. Der Extraneus ist vielmehr immer Gehilfe. Im Folgenden werden die verschiedenen faktischen Mitwirkungen des Extraneus an einem Pflichtdelikt erläutert, die unter der Beihilfe subsumiert werden müssen. a) Klassische Beihilfeform des „bloßen“ Hilfeleistens ohne Tatherrschaft Es ist unproblematisch möglich, die traditionelle oder „klassische“ Beihilfeform anzunehmen, wenn ein Extraneus einem positiven Sonderpflichtträger eines Wirtschaftsunternehmens – ohne selbst Tatherrschaft innezuhaben – Hilfe zur tatbestandlichen Verletzung einer unternehmensbezogenen Sonderpflicht leistet. Hier treffen die Verletzung der die Beihilfe begründenden Allgemeinpflicht und die Mitwirkung des Extraneus ohne Tatherrschaft zusammen. Es kommt insoweit darauf an, dass der Intraneus die Verletzung seiner positiven Sonderpflicht faktisch beherrscht und der Extraneus das strafbewehrte Verbot der Beihilfe ohne eigene Tatherrschaft über die Tatbestandsverwirklichung übertritt. In diesem Fall verletzt der Extraneus die Allgemeinpflicht, einem Sonderpflichtträger keine Beihilfe zu leisten, ohne faktische Herrschaft über die Sonderpflichtverletzung zu haben. Beispiel 48: Der Extraneus E leistet dem Geschäftsführer G einer GmbH Hilfe zur Geldüberweisung von der von ihm geleiteten GmbH auf private Bankkonten. Der Beitrag von E zur Straftatver-

424 425 426 427

Dazu oben § 4 B.III.; § 9 B.III. Siehe hierfür oben § 10 C.I. (insbesondere Nr. 1., 2., 3.). Etwa Stein, Die strafrechtliche Beteiligungsformenlehre, § 8, S. 245. Ausführlich oben § 9 B.III. (1., 2.).

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wirklichung besteht darin, ein Bankkonto bei einer ausländischen Bank zu eröffnen, auf die A das Geld von den Bankkonten des von ihm geführten Unternehmens überweist. Beispiel 49: Der Vorstand V einer Aktiengesellschaft offenbart vorsätzlich und rechtswidrig Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens. Zu diesem Zweck bittet V den Außenstehenden A – der ein Spezialist auf diesem Gebiet ist – ihn zu beraten, wie er das Geschäftsgeheimnis offenbaren kann, ohne entdeckt zu werden. A – überzeugt von der von V angebotenen Belohnung – berät V darüber, wie er die Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses durchführen soll. V offenbart das Geschäftsgeheimnis.

Es ist offensichtlich, dass die in den Beispielen 48 und 49 beschriebenen Tatsachen die Tatbestandselemente von Sonderpflichtdelikten erfüllen, bei denen Täter nicht jede an der Straftatverwirklichung beteiligte Person sein kann, sondern nur die Sonderpflichtigen. Das Beispiel 48 ist ein Sonderpflichtdelikt428, da Täter des ausgeführten Untreuetatbestands nur der Geschäftsführer sein kann429. Grund dafür ist, dass nach dem Wortlaut des § 266 i. V. m. § 14 dStGB und des Art. 252 i. V. m. Art. 31 ff. sStGB nur der Geschäftsführer Träger der richtigen Erfüllung der Vermögensbetreuungspflicht des Unternehmens ist. Ebenso handelt es sich bei dem im Beispiel 49 beschriebenen Fall um ein Sonderpflichtdelikt430, weil die normativen Voraussetzungen der Täterschaft des Strafunrechts Verletzung der Geheimhaltungspflicht nur von den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern erfüllt werden können431. Dies gründet sich darauf, dass nach dem Wortlaut des § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG nur die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder die positive Sonderpflicht haben, ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis der von ihnen geleiteten börsennotierten Gesellschaft zu bewahren432. In diesem Sinne können nur die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder Täter des unbefugten Offenbarens des Geschäftsgeheimnisses sein. E und A haften strafrechtlich nur als Gehilfen des Untreuetatbestands und des Delikts der Verletzung der Geheimhaltungspflicht, da sie nicht gegen die positiven Sonderpflichten verstoßen, die der Täterschaft bei diesen Straftatbeständen zugrunde liegen. Das heißt: In Beispiel 48 verletzt E die in den §§ 25, 266 dStGB und Art. 28 Abs. 1, 252 sStGB verankerte positive Sonderpflicht nicht. In ähnlicher Weise verstößt A in Beispiel 49 nicht gegen die positive Sonderpflicht, die in § 25 dStGB und § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG geregelt ist. In Bezug auf das Beispiel 48 richtet sich die positive Sonderpflicht zur richtigen Erfüllung der Vermögensbetreuungspflicht der GmbH – wie bereits erwähnt – nur an den Geschäftsführer des betroffenen Unternehmens. In ähnlicher Weise obliegt in Beispiel 49 die positive besondere Pflicht zur 428

Südbeck/Eidam, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 331 HGB, Rn. 26. Etwa SSK-Perron, 30. Aufl., § 266, Rn. 52; Südbeck/Eidam, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 331 HGB, Rn. 26. 430 Dazu Pelz, AktG, § 404, Rn. 1; Janssen/Gercke, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 404, Rn. 9; Temming, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 404 AktG, Rn. 5 ff. 431 Janssen/Gercke, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 404, Rn. 9. 432 Bernsmann, in: Heidel, Aktienrecht, § 404, Rn. 2. 429

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

Wahrung eines Geschäftsgeheimnisses entweder den Vorstands- oder den Aufsichtsratsmitgliedern der erwähnten AG. Folglich können E und A – weil sie keine Träger positiver Sonderpflichten sind, deren Verletzung die Täterschaft der Untreue bzw. der Verletzung der Geheimhaltungspflicht begründet – nicht Täter dieser Sonderpflichtdelikte sein, sondern nur Gehilfen. Die Nichtverletzung der oben genannten positiven Sonderpflichten begründet nur den Ausschluss von E und A von der Täterschaft, nicht jedoch deren strafrechtliche Verantwortlichkeit als Gehilfen dieser Delikte. Die Beteiligung von E und A ohne Tatherrschaft begründet auch nicht ihre strafrechtliche Verantwortung als Gehilfen, da – wie bereits erwähnt – die Tatherrschaft als bloße ontologische Kategorie keine Rolle bei der Begründung des Strafunrechts spielt, nämlich weder bei der Begründung der Täterschaft noch bei der Begründung der Beihilfe. Was die strafrechtliche Verantwortlichkeit von E und A als Gehilfen der Untreue bzw. Verletzung der Geheimhaltungspflicht begründet, ist die Verletzung von strafrechtlichen Pflichten, die die Strafrechtssysteme Deutschlands und Spaniens regeln. Tatsächlich verstoßen in beiden Fällen die Außenstehenden mit ihren entsprechenden Mitwirkungen gegen das Normverbot der Beihilfe. Im Beispiel 48 verstößt E gegen die in §§ 27, 266 dStGB und Art. 28 Abs. 2b, 29, 252 sStGB geregelte Allgemeinpflicht, die alle Bürger verpflichtet, einen Geschäftsführer eines Unternehmens bei der Verletzung seiner positiven Sonderpflichten nicht zu unterstützen. In ähnlicher Weise verstößt A im Beispiel 49 gegen die im deutschen Strafrechtssystem in § 27 dStGB, § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG und in der spanischen Strafrechtsordnung in Art. 28 Abs. 2b, 29, 279 i. V. m. Art. 278 sStGB festgestellte negative Allgemeinpflicht, die allen Personen verbietet, dem Vorstand einer AG bei der Verletzung seiner positiven Sonderpflicht der Gemeinhaltungspflicht Hilfe zu leisten. Aus diesem Grund sind die an den Beispielen 42 und 43 teilnehmenden Außenstehenden E und A als Gehilfe einer Untreue bzw. Verletzung der Geheimhaltungspflicht zu bestrafen. b) Besondere Beihilfeformen Gesonderter Bewertung bedarf jedoch die Fallkonstellation, in der der Extraneus faktische Tatherrschaft über die Verletzung einer Sonderpflicht durch einen Intraneus (in der vorliegenden Untersuchung: durch einen Unternehmensleiter) ausübt. Hier lassen sich vier Fallgruppen unterscheiden. aa) Beihilfe des Außenstehenden kraft seines Beitrags zur Verletzung positiver Sonderpflichten, die ontologisch mit Mitherrschaft von ihm und sonderpflichtigen Unternehmensleitern durchgeführt werden Unter dieser Beihilfeform werden Verhaltensweisen zusammengefasst, die aus Sicht der herrschenden Lehre als Mittäterschaft bei den Allgemeinpflichtdelikten eingestuft werden, denn der Intraneus verstößt gegen seine positive Sonderpflicht in faktischer Arbeitsteilung mit einem Extraneus. Anders ausgedrückt wird diese

§ 12 Täterschaft u. Teilnahme bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten

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phänotypische Äußerungsform der Beihilfe des Außenstehenden bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten in der Fallkonstellation begründet, in der die Verletzung der Sonderpflichten mit Mitherrschaft von Trägern positiver besonderer Unternehmenspflichten und Außenstehenden verwirklicht wird. Beispiel 50 (Abwandlung eines theoretischen Beispiels 27433): Die Firma A-GmbH beauftragt den Ingenieur B mit der technischen Planung des Baus eines Bürogebäudes, der Organisation des Baus und vor allem der Einstellung spezialisierter Techniker für die Durchführung der elektrischen Verkabelung. B erhält mehrere Angebote von verschiedenen Unternehmen zur Durchführung der letzten der oben genannten Aktivitäten, von denen B das teuerste Angebot von C (Vertreter der E-GmbH) auswählt, weil C ihm verspricht, 5.000 Euro als Gegenleistung für die Eistellung zur Durchführung der elektrischen Verkabelung zu bezahlen. In den Verhandlungen ist der Außenstehende D Vermittler zwischen C und B. D schickt im Namen von C den Vorschlag an B; B sendet C ein Gegenangebot über D. C nimmt das Gegenangebot von B an. Dann treffen sich B, C und D und der Vertrag zwischen B und C wird abgeschlossen, wobei D wegen seiner B und C erteilten Beratung eine grundlegende Rolle spielt.

Die Strafverantwortung der Beteiligten im vorliegenden Beispiel wurde bereits oben434 im Beispiel 27 analysiert. Allerdings wurde diese Analyse ausschließlich anhand von der Betrachtung aus der Perspektive des positiven Sonderpflichtträgers festgestellt. Diese Prüfung zeigte, dass die Unternehmensleiter B und C als unmittelbare Einzeltäter für das in §§ 25, 299 dStGB und Art. 28 Abs. 1, 286bis sStGB geregelte Sonderpflichtdelikt der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr haften, weil sie ihre der Täterschaft des erwähnten Delikts zugrunde liegende positive Sonderpflicht verletzen. In Anbetracht dessen wird hier die Analyse nur von der Rechtsposition des Extraneus durchgeführt, um die Strafverantwortung von diesem wegen seiner Beteiligung an der Verletzung der positiven besonderen Unternehmenspflicht zu begründen. Einige Vertreter der Pflichtdeliktslehre bejahen, dass das Zusammentreffen von arbeitsteiligen Mitwirkungen zwischen Intraneus und Extraneus bei der Verletzung einer positiven Sonderpflicht zwei unterschiedliche Delikte bilden: Einerseits ein Allgemeinpflichtdelikt (Herrschafts- oder Organisationsdelikt435), andererseits ein Sonderpflichtdelikt (Pflichtdelikt oder Delikt kraft institutioneller Zuständigkeit436). Bei dem Sonderpflichtdelikt wäre der Intraneus Täter und der Extraneus Gehilfe; bei dem Allgemeinpflichtdelikt wären Intraneus und Extraneus hingegen Mittäter437. Daher hätten Intraneus und Extraneus eine doppelte parallele Strafverantwortung: Der Intraneus wäre einerseits unmittelbarer Täter eines Sonderpflichtdelikts auf433

Das Beispiel ist eine Abwandlung eines in der Strafrechtswissenschaft gegebenen Falls, siehe Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 26, Rn. 11. 434 Vgl. § 12 B.II.3. 435 Zur Erklärung dieser Problematik siehe etwa Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 158 – 161. 436 A. a. O. 437 Aus einer kritischen Sicht Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 158 – 161.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

grund der Verletzung seiner positiven Sonderpflicht und andererseits wäre er Mittäter eines Allgemeinpflichtdelikts aufgrund seiner Beteiligung mit Mitherrschaft an der Organisation oder Verwirklichung eines solchen Delikts. Der Extraneus wäre seinerseits sowohl Gehilfe eines Sonderpflichtdelikts wegen seiner Beteiligung an dieser Straftat ohne Verletzung der positiven Sonderpflicht als auch Mittäter eines Allgemeinpflichtdelikts kraft seiner Mitwirkung mit Mitherrschaft über den Verstoß gegen die negative Allgemeinpflicht. In diesem Zusammenhang würde die Form der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Intraneus und des Extraneus gemäß den Regeln der Idealkonkurrenz438 bestimmt, nach denen der Intraneus und der Extraneus als Täter bzw. als Gehilfe für ein Sonderpflichtdelikt haften würden. In der vorliegenden Untersuchung wird die vorgenannte These unter anderem aus zwei Gründen abgelehnt: Erstens kann die erläuterte These (die für die Anwendung der Regeln der Idealkonkurrenz spricht) nicht auf das im Beispiel 50 beschriebene Sonderpflichtdelikt der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr angewendet werden, sondern nur auf die durch die traditionelle Strafrechtswissenschaft als unechte Sonderdelikte439 (bzw. unechte Sonderpflichtdelikte) genannten Straftaten. Es gibt zwei Einwände gegen diesen Ansatz: Einerseits ist die normativ-abstrakte Existenz der sogenannten unechten Sonderpflichtdelikte sehr zweifelhaft, da die Kriterien, auf denen die Existenz dieser Verbrechen beruht, ontologischer Natur sind und daher ist eine solche Einordnung nur auf phänotypischer Ebene sinnvoll, nicht aber im strafrechtlichen Bereich. Würde andererseits noch das Vorliegen unechter Sonderpflichtdelikte akzeptiert – was bereits verneint wurde –, könnte auch die in Frage gestellte These nicht auf das Beispiel 50 angewendet werden, um die strafrechtliche Verantwortlichkeit von D zu begründen, da die in § 299 dStGB und Art. 286bis sStGB kriminalisierte Straftat nicht ein unechtes, sondern ein echtes Sonderpflichtdelikt440 ist. Dies gründet sich darauf, dass das Sonderpflichtdelikt der Be438

Siehe oben die Erklärung des Beispiels 28. „Unechte“ Sonderdelikte (oder „unechte“ Sonderpflichtdelikte) sind aus Sicht der Tatherrschaftslehre qualifizierte Herrschaftsdelikte gegenüber einem Grundherrschaftsdelikt, weil die von der Täterschaft bei den unechten Sonderdelikten geforderte besondere Eigenschaft – z. B. als Amtsträger, Geschäftsführer, Vorstands- oder Aufsichtsmitglied – nur ein strafschärfendes Merkmal des korrespondierenden Grundherrschaftsdelikts ist. Bezüglich der charakteristischen Natur des „unechten“ Sonderdelikts (oder „unechten“ Sonderpflichtdelikts) siehe beispielweise: Gropp, AT, 3. Aufl., § 3, Rn. 45a; Jescheck/Weigend, AT, § 61, S. 658; Krey/Esser, AT, 4. Aufl., § 8, Rn. 229; Lüderssen, Zum Strafgrund der Teilnahme, S. 197; Maurach/Gössel/Zipf, AT I, 7. Aufl., § 21, Rn. 13 f.; Rengier, AT, 3. Aufl., § 10, Rn. 26; Schmidhäuser, AT, 2. Aufl., § 5, Rn. 90. 440 „Echte“ Sonderdelikte (oder „echte“ Sonderpflichtdelikte) sind nach der Auffassung der Tatherrschaftslehre Tatbestände, bei denen die Täterqualifikation – etwa als Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied, Geschäftsführer, Richter, sonstiger Amtsträger – kein strafschärfendes Merkmal eines Grundherrschaftsdelikts ist, sondern ein strafbegründendes Element eines anderen Tatbestands konstituiert. Im Übrigen existiert kein Grundtatbestand für jedermann. Dazu siehe z. B. Baumann/Weber/Mitsch, AT, 10. Aufl., § 8, Rn. 31; Frister, AT, 6. Aufl., § 25, 439

§ 12 Täterschaft u. Teilnahme bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten

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stechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr wegen des Fehlens eines Allgemeinpflichtdelikts, welches dem Sonderpflichtdelikt des § 299 dStGB und Art. 286bis sStGB entspricht, die Merkmale des unechten Sonderdelikts nicht erfüllt. Zweitens, selbst wenn sowohl das Vorliegen unechter Sonderpflichtdelikte als auch die Qualifizierung des Strafunrechts der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr als unechtes Sonderpflichtdelikt akzeptiert würden, hätten weder B noch C und D in Beispiel 50 ein Sonderpflichtdelikt und ein Allgemeinpflichtdelikt gleichzeitig und parallel begangen. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass zwischen dem unechten Sonderpflichtdelikt (Sondertatbestand) und dem Allgemeinpflichtdelikt (Gemein- oder Grundtatbestand) aus der Sicht der herkömmlichen Strafrechtswissenschaft ein Spezialitätsverhältnis existiert441, in dem jedes Element des Allgemeinpflichtdelikts auch zum Sondertatbestand gehört, nicht aber umgekehrt442. Folglich ist die Lösung der Verhaltensweisen von B, C und D nicht mit den Regeln der Idealkonkurrenz verbunden, sondern mit den Regeln der bloßen Scheinkonkurrenz443, da die beschriebenen Handlungen nicht gleichzeitig zwei autonome unterschiedliche strafrechtliche Verhaltensnormen verletzen (nämlich die strafrechtliche Verhaltensnorm des sog. unechten Sonderpflichtdelikts und die strafrechtliche Verhaltensnorm des Allgemeinpflichtdelikts), sondern nur die strafrechtliche Verhaltensnorm des Sonderpflichtdelikts. Aus der in dieser Untersuchung vertretenen Auffassung kann der Außenstehende in dieser Konstellation – und damit in allen Fallgruppen, in denen er die Tatherrschaft ausübt – nicht als Täter (weder als Mittäter noch als mittelbarer und unmittelbarer Täter) eines Sonderpflichtdelikts, sondern nur als Teilnehmer eines solchen Pflichtdelikts bestraft werden. Diese These stützt sich – wie bei der Anstiftung – darauf, dass der Extraneus nicht die der Täterschaft entsprechende positive Sonderpflicht (§ 25 dStGB, Art. 28 Abs. 1 sStGB), sondern die die Teilnahme begründende negative Allgemeinpflicht verletzt. Dazu wurde bereits ausgeführt, dass der Extraneus mit der positiven Sonderinstitution nur durch zwei negative Allgemeinpflichten verknüpft ist: Einerseits durch die Pflicht „Niemand darf vorsätzlich einem Sonderpflichtträger zur vorsätzlichen und rechtswidrigen Verletzung seiner positiven Sonderpflicht bestimmen“; andererseits durch die Pflicht „Niemand darf vorsätzlich einen Sonderpflichtträger bei der vorsätzlichen und rechtswidrigen Verletzung seiner positiven Sonderpflicht Hilfe leisten“. Sowohl die erste Pflicht, deren Verletzung die Anstiftung eines Sonderpflichttatbestands begründet, als auch die zweite Pflicht, auf deren Verstoß sich die Beihilfe eines Sonderpflichtunrechts stützt, Rn. 32; Heinrich, AT, 3. Aufl., § 8, Rn. 174; Schmidhäuser, AT, 2. Aufl., § 14, Rn. 74; Rengier, AT, 3. Aufl., § 10, Rn. 27. 441 Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 209. 442 So etwa NK-StGB-Puppe, Vor § 52, Rn. 7; Wegscheider, Echte und scheinbare Konkurrenz, S. 222 f. 443 In gleichem Sinne Köhler, AT, 1997, S. 691; Kühl, AT, 7. Aufl., § 21, Rn. 52; Rengier, AT, 4. Aufl., § 56, Rn. 26, 29; Roxin, AT II, § 33, Rn. 177.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

zeigen, dass der Extraneus keine positive Sonderpflicht aus der Täterschaftsnorm trägt. Daraus ergibt sich, dass der Extraneus D bei dem oben genannten Beispiel 50 kein Mittäter des korrespondierenden Sonderpflichtdelikts der in § 299 dStGB und Art. 286bis sStGB geregelten Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr sein kann, denn er verstößt trotz seiner arbeitsteiligen Tatherrschaftsausübung nicht gegen die täterschaftliche Sonderpflicht. D ist nämlich nicht zuständig für das sondertatbestandliche Verbot der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr, das in §§ 299, 25 dStGB und Art. 286bis, 28 Abs. 1 sStGB geregelt ist. Zuständig für die dahinterstehende Erfüllung der positiven Sonderpflicht, deren Verletzung die Täterschaft bei dem in § 299 dStGB und Art. 286bis sStGB typisierten Sonderpflichtdelikt begründet, sind allein B und C; deswegen haften nur B und C als Täter für ein Sonderpflichtdelikt, weil nur sie die begründende Pflicht der Täterschaft verletzen können. Hingegen ist der mitwirkende Extraneus D aufgrund der persönlichen und nicht übertragbaren Natur der täterschaftlichen Sonderpflicht nicht Täter des Sonderpflichtdelikts der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr, weil er eine diesbezügliche Pflicht wegen des Fehlens der Tätereigenschaft nicht verletzen kann. In diesem Zusammenhang kann der an dem angesprochenen Sonderpflichtdelikt mitwirkende Extraneus D nur die allgemeine Pflicht aus der Beihilfenorm (§ 299 i. V. m. § 27 dStGB; Art. 286bis i. V. m. Art. 28 Abs. 1, 29 sStGB) verletzen und daher ist er nur als Gehilfe zum Sonderpflichtdelikt der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr strafbar. In Spanien wäre D „erforderlicher“ Gehilfe (Art. 28 Abs. 2b). bb) Beihilfe des Extraneus kraft seiner Beteiligung an der Verletzung einer positiven Sonderunternehmenspflicht, die mit ausschließlicher Tatherrschaft von ihm und Hilfeleistung des Unternehmenssonderpflichtträgers verwirklicht wird Die zweite Fallgruppe zeichnet sich dadurch aus, dass faktisch der Extraneus die Verletzung der positiven besonderen Unternehmenspflicht durchführt und der Unternehmenssonderpflichtträger zu dieser Pflichtverletzung faktisch nur Hilfe leistet. Beispiel 51: Der Geschäftsführer G der Firma S-GmbH gibt einem seiner Mitarbeiter M den Sicherheitscode des von ihm geführten Unternehmenssafes, damit er Geld von der Firma an sich nehmen und auf ein privates Konto eines Dritten einzahlt. Wie geplant zieht M das Geld vorsätzlich aus dem Safe ab und zahlt es auf das von G. angegebene Privatbankkonto ein.

In ähnlicher Weise wie in den vorherigen Abschnitten444, in denen andere phänotypische Beteiligungsformen von Sonderpflichtigen und Außenstehenden erläutert wurden, würde der vorliegende phänotypische Ausdruck der Beteiligung des Geschäftsführers und des Mitarbeiters an der Verletzung einer positiven besonderen 444

Vgl. dazu oben insbesondere § 12 B.II. (3., 4., 5., 6.); § 12 C.II.2.b)aa).

§ 12 Täterschaft u. Teilnahme bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten

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Unternehmenspflicht darauf hindeuten, dass G und M als Gehilfe bzw. Täter verantwortlich wären. Dies ist der Standpunkt, der von den Verfechtern der Tatherrschaftslehre eingenommen wurde, die darauf verweisen, dass bei Allgemeinpflichtdelikten (für sie Herrschafts- oder Organisationsdelikten) Täter derjenige ist, der die Herrschaft über die Verletzung einer negativen Allgemeinpflicht hat445 ; im Vergleich dazu ist Gehilfe derjenige, der an der Pflichtverletzung ohne Tatherrschaft teilnimmt446. Aus dieser Sicht wäre G Gehilfe und M Täter, wenn das Beispiel 51 ein Allgemeinpflichtdelikt wäre, weil G und M sich an der Deliktsverwirklichung ohne bzw. mit Tatherrschaft beteiligt hätten. Aus dem hier entwickelten Gesichtspunkt wird auch vertreten, dass, wenn es sich bei Beispiel 51 um ein Allgemeinpflichtdelikt (etwa Diebstahl) handeln würde, G als Gehilfe und M als Täter eines Diebstahls bestraft würden, weil sie durch ihre jeweilige Beteiligung an der Deliktsherbeiführung die in §§ 25, 27 dStGB (Art. 28 Abs. 1, 2 und Art. 29 sStGB) verankerten strafrechtlichen Allgemeinpflichten verletzt hätten, die die Täterschaft bzw. Beihilfe begründen. Die im Beispiel 51 beschriebenen Tatsachen begründen jedoch kein Allgemeinpflichtdelikt, sondern ein Sonderpflichtdelikt, bei dem Täter nur ein positiver Sonderpflichtträger sein kann, nicht aber ein Außenstehender. Die beschriebenen Tatsachen des Beispiels 45 konstituieren nämlich das Sonderpflichtdelikt der Untreue, bei der nach dem Wortlaut von § 266 dStGB und Art. 252 sStGB Täter nur derjenige ist, der die positive Sonderpflicht hat, das Vermögen des Unternehmens zu schützen447. In diesem Zusammenhang trägt G im Beispiel 51 die besondere positive Sonderpflicht der Vermögensbetreuung des Unternehmens, während M ein bloßer Extraneus ist und daher nur eine negative Allgemeinpflicht trägt, die den Außenstehenden dazu verpflichtet, dem Geschäftsführer G keine Hilfe zum Verstoß gegen seine positive Sondervermögensbetreuungspflicht zu leisten. Daraus ergibt sich, dass die Beteiligung von M an der Ausführung der Untreue unabhängig von seinem phänotypischen Quantum durch § 266 dStGB (Art. 252 sStGB) nur als Beihilfe bestraft werden kann. Denn nach dem Gesetzlichkeitsprinzip ist es zur Begründung des Zurechnungstitels des Extraneus irrelevant, ob er die Tatherrschaft innehat oder nicht448. Entscheidend für die Begründung der Strafhaftung des Extraneus (M) ist nur die Verletzung seiner Pflicht, nämlich die Übertretung der Pflicht „einem unternehmerischen Sonderpflichtträger keine Hilfe zur Verletzung seiner positiven besonderen Vermögensbetreuungspflicht zu leisten“. Wie bereits erwähnt ist das Quantum der Mitwirkung des Extraneus (etwa des M) nur für die Strafzumessung wichtig449, nicht aber für die Begründung der Strafhaftung. Die faktische Herrschaft des M bei der Entnahme des Bargelds und dessen Einzahlung 445 446 447 448 449

Vgl. oben u. a. § 2 C.IV.; § 2 D.IV.2.; § 3 B., C.; § 5; § 6; § 7. Hierzu siehe oben insbesondere § 2 C.IV.; § 2 D.IV.3.; § 4 B.IV. Dazu oben § 12 B.II.5. (Lösung des Beispiel 30). Siehe hierfür § 9 B.III. Vgl. dazu § 9 D.II.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

auf diverse Konten muss hinsichtlich seines Strafhaftungsgrunds daher als natürlicher Kausalprozess betrachtet werden. In diesem Zusammenhang ist M, weil er nur die fundierende Pflicht aus der Beihilfenorm verletzt, als Gehilfe – und keinesfalls als Täter – für das Sonderpflichtdelikt der Untreue verantwortlich. cc) Beihilfe des Extraneus wegen seiner Beteiligung an der Verletzung einer positiven Sonderunternehmenspflicht, die mit seiner ausschließlichen Tatherrschaft und durch Bestimmen des Unternehmenssonderpflichtträgers verwirklicht wird Diese dritte Gruppe umfasst Fälle, in denen der Extraneus die Verletzung der Sonderpflicht allein beherrscht, aber diese entweder auf einem Bestimmen durch den Unternehmensleiter oder auf einem gemeinsamen Tatentschluss beider Beteiligten beruht. Beispiel 52 (Fortsetzung des Beispiels 28): Zur Erhöhung der Chance auf Erlangung eines Bankdarlehens weisen die Geschäftsführer einer A-GmbH & Co. KG ihre Steuerberater S und Mitarbeiter M an, den Jahresabschluss und den Lagebericht des Unternehmens so zu ändern, dass die Gewinne deutlich höher ausfallen als in Wahrheit und daher das Unternehmen vor den Bankmitarbeitern, die für die Genehmigung des Darlehens zuständig sind, zahlungsfähig scheint. Die Steuerberater und Mitarbeiter führen vorsätzlich aus, was ihnen die Geschäftsführer anvertraut haben. Beispiel 53 (Fortsetzung des Beispiels 33): Der Vorstand V der M-AG weist einen seiner Angestellten A bei der Anmeldung der Gesellschaft in das Handelsregister an, die nach § 37 AktG erforderliche Aufschlüsselung der Gründungskosten zu „versäumen“. Dabei unterlassen er und der Angestellte es jedoch vorsätzlich, anzugeben, dass der Vorstand seit der ursprünglichen Anmeldung erhebliche Geldverfügungen zu Lasten des Grundkapitals der Aktiengesellschaft vorgenommen hat.

Die Strafverantwortung der Geschäftsführer der A-GmbH & Co. wurde schon oben450 erklärt. Dort wurde festgestellt, dass die Geschäftsführer unmittelbare Einzeltäter des in § 331 HGB und Art. 290 sStGB geregelten Sonderpflichtdelikts unrichtiger Darstellung sind, da sie durch ihr veranlassendes Verhalten gegen ihre positive Sonderpflicht verstoßen, die sie als Geschäftsführer verpflichtet sind, die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft in der Eröffnungsbilanz, im Jahresabschluss, im Lagebericht einschließlich der nichtfinanziellen Erklärung, im gesonderten nichtfinanziellen Bericht oder im Zwischenabschluss richtig wiederzugeben. In gleicher Weise wurde auch die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder der M-AG bereits früher451 begründet. Damals wurde festgestellt, dass die Vorstandsmitglieder als parallele unmittelbare Einzeltäter des Sonderpflichtdelikts falscher Angaben (§ 399 Abs. 1 AktG) bestraft werden.

450 451

Vgl. dazu § 12 B.II.4. Siehe hierfür oben § 12 B.II.8.

§ 12 Täterschaft u. Teilnahme bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten

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Was noch bestimmt werden muss, ist die Strafhaftungsform der Außenstehenden: nämlich die strafrechtliche Verantwortungsform von S und M in Beispiel 52 und die Strafhaftungsform von A in Beispiel 53. Wie in allen (Sonder-)Pflichtdelikten ist zur richtigen Bestimmung der Verantwortung des Extraneus in den zwei genannten Beispielen zu fragen, welche Pflicht der Extraneus verletzt. Nämlich die negative Allgemeinpflicht, die allen Bürgern obliegt, dem Sonderpflichtträger keine Hilfe zur Verletzung seiner positiven Sonderpflicht zu leisten oder die positive Sonderpflicht, die nur den Sonderpflichtträger verpflichtet, seine besondere zuständige Aufgabe richtig zu erfüllen. Hierfür kommt es maßgeblich auf die Auslegung verschiedener Strafvorschriften des deutschen und spanischen Strafrechtssystems an, die die in den genannten Fällen beschriebenen Handlungen regeln. So müssen zur Begründung bzw. Bestimmung der Strafhaftung von S und M im Beispiel 52 einerseits die §§ 25, 27 dStGB und Art. 28 (Abs. 1, 2b), 29 sStGB und andererseits § 331 HGB, Art. 290 sStGB ausgelegt werden. Die Anwendung der §§ 25 dStGB, § 331 HGB und Art. 28 Abs. 1, 290 sStGB führt erstens zum Ausschluss von S und M aus der Täterschaft an einem Sonderpflichtdelikt; sie sind keine Sonderpflichtträger und übertreten somit auch keine täterschaftliche Pflicht des genannten Sonderpflichtdelikts unrichtiger Darstellung. Aus der Anwendung von § 27 dStGB, § 331 HGB und Art. 28 Abs. 2b, 29, 290 sStGB ergibt sich zweitens, dass die Mitwirkungen von S und M bei der Deliktsausführung nur gegen die in § 27 dStGB i. V. m. § 331 HGB und Art. 28 Abs. 2b, 29 sStGB i. V. m. 290 sStGB geregelte negative Allgemeinpflicht verstoßen, die allen Bürgern verbietet, den Mitgliedern des vertretungsberechtigten Organs eines Unternehmens (hier die Geschäftsführer der A-GmbH) Hilfe zu leisten, um ihre positive Sonderpflichten zu übertreten. Die Bestimmung der Strafverantwortungsform von A in Beispiel 53 unterscheidet sich nicht wesentlich von der Bestimmung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von S und M, da die Strafhaftung von A auch auf der Anwendung der §§ 25 und 27 dStGB und der Art. 28 (Abs. 1, 2b), 29 sStGB bestimmt werden muss. Der Unterschied liegt jedoch in dem anwendbaren Straftatbestand, weil die von A durchgeführten Handlungen nicht mit den normativen Elementen des in § 331 HGB und Art. 290 sStGB vorgesehenen Straftatbestands verbunden sind, sondern mit den tatbestandlichen Elementen des in § 399 AktG geregelten Strafunrechts falscher Angaben. Gemäß § 25 dStGB (i. Ü. m. § 399 Abs. 1 AktG) und Art. 28 Abs. 1 sStGB beschränkt sich die Täterschaft des Strafunrechts falscher Angaben auf die Sonderpflichtträger452 – im vorliegenden Fall auf die Vorstandsmitglieder der M-AG. Grund dafür ist, dass nur die Vorstandsmitglieder Träger der positiven Sonderpflicht, die sie zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet, sind.

452

Südbeck/Eidam, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 399 AktG, Rn. 11 ff., 46 ff.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

Geht man von dieser Prämisse aus, dann kann A kein Täter des Sonderpflichtdelikts falscher Angaben sein, weil er die begründende Sonderpflicht der Täterschaft nicht verletzt. Die Anwendung des § 27 dStGB und der Art. 28 Abs. 2b, 29 sStGB führt jedoch zur Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von A als Gehilfe453 des Sonderpflichtdelikts falscher Angaben, weil das Verhalten von A, das im Versäumen der Aufschlüsselung der Gründungskosten bestand, gegen die in § 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2b, 29 sStGB geregelte negative Allgemeinpflicht verstößt, die allen Personen dahingehend verpflichtet, den Vorstandsmitgliedern keine Unterstützung bei der Verletzung ihrer positiven Sonderpflicht zu gewähren. Kurz gesagt ist A als Gehilfe strafrechtlich verantwortlich, weil sein Verhalten – unabhängig davon, dass es sich in Form einer faktischen Herrschaft über das Versäumen der Aufschlüsselung der Gründungskosten der Aktiengesellschaft ausdrückte – die normativen Elemente der Beihilfe erfüllt. dd) Beihilfe des Extraneus kraft seiner Beteiligung an der Verletzung der ontologisch mit ausschließlicher und ausschließender Herrschaft des Außenstehenden verwirklichten positiven besonderen Unternehmenspflicht Diese vierte Fallkonstellation wird von Fällen gebildet, in denen der Extraneus nicht nur die alleinige faktische Herrschaft über die Verletzung der Sonderpflicht hat, sondern es darüber hinaus am Bestimmen durch den Intraneus bzw. an einem gemeinsamen Tatentschluss mit diesem fehlt, aber der Intraneus ebenfalls einen eigenen Tatentschluss – zum Unterlassen – gefasst hat. Mit anderen Worten handelt sich um eine Fallgruppe, in der zwei voneinander unabhängigen vorsätzlichen Verhaltensweisen bei der Verletzung positiver besonderer Unternehmenspflichten zusammentreffen: ein vorsätzliches unterlassendes Verhalten des Intraneus und ein vorsätzliches aktives Tun mit ausschließlicher und ausschließender Tatherrschaft des Extraneus. Tatsächlich verletzt der Intraneus seine positive Sonderpflicht in der Form des Begehens durch Unterlassen – etwa indem er die Schaffung typischer Risiken durch Dritte nicht verhindert obwohl er weiß, dass diese Risiken die positive Sonderpflicht betreffen, für die er als Träger dieser Pflicht verantwortlich ist. Der Extraneus, ohne zu wissen, dass der Intraneus seine positive Sonderpflicht vorsätzlich verletzt, schafft seinerseits auch vorsätzliche strafrechtlich verbotene Risiken, die in Bezug auf die Rechtslage des Extraneus nur faktisch mit der positiven Sonderpflicht verbunden sind. Dazu kommt das folgende Beispiel in Betracht: Beispiel 54 (Fortsetzung des Beispiels 30): Der Vorstand einer AG beschließt vorsätzlich, die berufliche Tätigkeit des ComplianceBeauftragten C des von ihm geleiteten Unternehmens nicht zu überwachen, obwohl er weiß, dass dieser sich vorsätzlich und rechtswidrig verhält, was dem Unternehmen große wirt-

453

Zur Beihilfe vgl. Südbeck/Eidam, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 399 AktG, Rn. 48.

§ 12 Täterschaft u. Teilnahme bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten

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schaftliche Verluste verursacht. C hat keine vermögensrechtlichen Befugnisse oder Leitungsbefugnisse.

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder wurde schon oben454 bestimmt. Dort wurde festgesetzt, dass die Vorstandsmitglieder, die ihre Vermögensbetreuungspflicht verletzten, unmittelbar parallele Einzeltäter des Untreuedelikts sind. Aus diesem Grund sind weitere Erläuterungen hier nicht erforderlich. Was noch zu bestimmen ist, ist die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Compliance-Beauftragten C. Geht man von der Idee aus, dass die Beihilfe an allen Pflichtdelikten – und insbesondere an den Sonderpflichtdelikten – sich weder auf die Beteiligung an der Straftatverwirklichung ohne Tatherrschaft noch auf die Verletzung der in § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB verankerten Pflicht, sondern auf den Verstoß gegen die in § 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2b, 29 sStGB geregelte strafrechtliche Pflicht gründet, dann muss die strafrechtliche Verantwortlichkeit von C im Beispiel 54 ebenfalls unter der Anwendung dieser gesetzlichen Strafvorschriften begründet bzw. bestimmt werden. Die Möglichkeit, die strafrechtliche Verantwortlichkeit des C als Täter des Sonderpflichtdelikts der Untreue (§ 266 dStGB, Art. 252 sStGB) zu begründen, ist ausgeschlossen, da das Verhalten von C die normativen Erfordernisse der Täterschaft dieses Tatbestands nicht erfüllt. Dies liegt daran, dass Täter des Sonderpflichtdelikts der Untreue nur diejenige sein kann, der die positive besondere Vermögensbetreuungspflicht des Unternehmens trägt, nicht jedoch ein Außenstehender. Im Beispiel 54 sind nur die Vorstandsmitglieder Träger der erwähnten positiven Sonderpflicht, jedoch nicht C. Folglich kann C kein Täter dieser Straftat sein, da er kein Träger der positiven Sonderpflicht ist, deren Verletzung die Täterschaft des Untreuedelikts begründet. Angesichts der Unmöglichkeit, die strafrechtliche Verantwortlichkeit von C als Täter des Sonderpflichtdelikts der Untreue zu begründen, gibt es drei Alternativen: a) die Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von C als Gehilfe einer Untreue, b) die Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von C als Täter eines Allgemeinpflichtdelikts und c) die Straflosigkeit von C wegen des Nichtvorliegens einer Verletzung einer strafrechtlichen Pflicht. Zur Begründung der Strafverantwortung von C als Gehilfen der Untreue muss sein Verhalten die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der vorsätzlichen Beihilfe (§ 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2b, 29 sStGB) zu dem vorsätzlichen Untreuedelikt (§ 266 dStGB, Art. 252 sStGB) erfüllen. Nun, wenn das Verhalten von C in Bezug auf die genannten Strafvorschriften analysiert wird, ist es offensichtlich, dass das Verhalten von C nicht den subjektiven Elementen der Beihilfe entspricht, denn trotz der Erfüllung der objektiven Elemente – es gibt eine vorsätzliche und rechtswidrige Tat des Täters (des Vorstands) – weiß C nicht, dass der Vorstand seine besondere positive Vermögens454

Vgl. dazu § 12 B.II.5.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

betreuungspflicht vorsätzlich und rechtswidrig verletzt. Weiß C nicht, dass der Vorstand vorsätzlich und rechtswidrig handelt; daher handelt C auch nicht vorsätzlich, wodurch das subjektive Element (vorsätzlicher) Beihilfe beseitigt wird, da dieses Element erfordert, dass der „Gehilfe“ – hier C – vorsätzlich handelt; d. h. C musste die Existenz des vorsätzlichen und rechtswidrigen Strafunrechts kennen, an dem er sich beteiligt hat. Daher ist C kein Gehilfe eines Untreuedelikts. Der Ausschluss der Möglichkeit, dem C die Beihilfe zum Untreuedelikt zuzurechnen, führt zur Bewertung der Möglichkeit, ihn als Täter eines Allgemeinpflichtdelikts zu bestrafen, etwa gem. § 303 und § 263 dStGB oder gem. Art. 248 sStGB. Aus der Anwendung der genannten Strafvorschriften folgt, dass eine Strafbarkeit des C als unmittelbarer Täter einer Sachbeschädigung oder eines Betrugs zu bejahen ist. Aber die Grundlage dieser strafrechtlichen Verantwortungsform des C liegt nicht darin, dass er das Vermögen des genannten Wirtschaftsunternehmens mit Tatherrschaft beschädigt hat, sondern darin, dass er selbst – unabhängig von der phänotypischen Form seines Verhaltens – die durch §§ 25, 303 dStGB und durch Art. 28 Abs. 1, 263 sStGB garantierte negative täterschaftliche Pflicht „das Vermögen des anderen nicht zu schädigen“ übertritt. Daneben sind die Vorstandsmitglieder – wie bereits gesagt – parallele unmittelbarer Einzeltäter einer Untreue (§ 266 dStGB, Art. 252 sStGB). ee) Scheinbare Beihilfe des Extraneus wegen seiner unvorsätzlichen Beteiligung an der Verletzung positiver Sonderunternehmenspflichten Ontologisch findet diese „faktische Beteiligung“ des Extraneus an den unternehmerischen Sonderpflichtdelikten in der Fallkonstellation statt, in der der Extraneus unvorsätzlich bei der Verwirklichung eines Sonderpflichtdelikts mitwirkt. Diese unvorsätzliche Beteiligung des Extraneus wird ihrerseits in zwei unterschiedlichen phänotypischen Äußerungsformen verwirklicht: Nämlich einerseits, wenn die Instrumentalisierung des Extraneus sich auf einen Irrtum gründet, der von einem Mitglied der Unternehmensleitung vorsätzlich verursacht wird, und andererseits, wenn der Irrtum nicht vom Unternehmensleiter, sondern von dem ausschließliche fahrlässigen Verhalten des Extraneus provoziert wird und diese Situation von Unternehmensseite ausgenutzt wird. In beiden Fällen ist der Wille des Extraneus nicht von ihm, sondern von dem hinter ihm stehenden Sonderpflichtigen beherrscht. Die folgenden Beispiele veranschaulichen diese Fallgruppe. Beispiel 55 (Abwandlung des Beispiels 31): Der Vorstandsvorsitzende V einer Aktiengesellschaft führt den Buchhalter B dieser Gesellschaft irre, sodass dieser eine Tabelle mit Halbjahreszahlen erstellt, die falsche Angaben des Verhältnisses der Gesellschaft zu ihren Aktien und der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens enthält. Diese Tabelle der von dem Buchhalter ohne Kenntnis seines möglicherweise strafrechtlich relevanten Verhaltens verwirklichten Halbjahreszahlen wird vom Vorstand in einem Ad-hoc-Bericht bekannt gegeben.

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Beispiel 56: (Abhandlung des Beispiels 55) Der Buchhalter B einer Aktiengesellschaft erfüllt seine unternehmerischen Aufgaben nachlässig. In diesem Zustand erstellt der B eine Tabelle mit Halbjahreszahlen, die falsche Angaben des Verhältnisses der Gesellschaft zu ihren Aktien und der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens enthält. Diese Tabelle wird von dem Vorstandsvorsitzenden in einem Adhoc-Bericht bekannt gegeben trotz seiner Kenntnis von der Unrichtigkeit der in dieser Urkunde enthaltenen Information.

Hier wird der Lösungsvorschlag der traditionellen Tatherrschaftslehre abgelehnt, nach der es sich bei den genannten Beispielen um eine mittelbare Täterschaft des V kraft Instrumentalisierung eines qualifikationslosen vorsatzlosen Werkzeugs handeln würde. Die Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Sonderpflichtträgers V in den Beispielen 55 und 56 ist unumstritten. V haftet nach der vorliegenden Untersuchung als unmittelbarer Täter für das Sonderpflichtdelikt unrichtiger Darstellung (§ 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG), denn seine Erklärung verletzt – wie bereits oben455 dargelegt –die positive besondere Unternehmenspflicht, die Verhältnisse einer AG in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand, in Vorträgen oder Auskünften in der Hauptversammlung richtig wiederzugeben. Wären V ein Extraneus und B ein Intraneus, so wäre V aufgrund der in seiner Person fehlenden Tätereigenschaft ein bloßer Täter eines eventuell ebenfalls verwirklichten Allgemeinpflichtdelikts. V ist jedoch ein Intraneus, weshalb jede Anstiftung, Hilfeleistung oder die Instrumentalisierung eines Dritten durch Täuschung, die vom Intraneus verwirklicht wird und auf die Verletzung seiner positiven Sonderpflicht gerichtet ist, die Täterschaft begründet. Folglich wird dem V die unmittelbare Täterschaft des in § 400 Abs. 1 AktG geregelten Sonderpflichtdelikts „unrichtiger Darstellung“ zugerechnet. Entgegen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von V bleibt B im deutschen Strafrecht sowohl in Bezug auf das in § 400 Abs. 1 AktG geregelte Sonderpflichtdelikt unrichtiger Darstellung als auch in Bezug auf jedes andere Strafunrecht straffrei. Dies hat insbesondere zwei Gründe: Erstens ist Bs Verhalten kein Ausdruck einer vorsätzlichen Entscheidung; denn B handelt nämlich entweder wegen seines fahrlässigen Verhaltens oder kraft des Vorliegens eines von V verursachten Irrtums, der den Vorsatz ausschließt. Zweitens wird die genannte Irrtumslage, unter deren Einfluss B ein Strafunrecht ausführt, durch § 16 dStGB und Art. 14 Abs. 1 sStGB als Tatbestandsausschließungsgrund eingestuft, der den irrigen Täter (etwa B) von der Bestrafung ausaschließt. Anders verhält es sich im spanischen Strafrechtssystem, denn dort kann, wie bereits oben dargelegt wurde, B als Gehilfe bestraft werden, da Art. 28b und 29 sStGB, die die Beihilfe regeln, die fahrlässige Beihilfe zu einem vorsätzlichen Strafunrecht nicht ausschließen.

455

Vgl. dazu § 12 B.II.6.

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

ff) Beihilfe des Extraneus wegen seiner tatbestandlichen – aber „scheinbar gerechtfertigten“ – Beteiligung an der vorsätzlichen und rechtswidrigen Verletzung der positiven Sonderunternehmenspflicht eines Unternehmensleitungsmitglieds In dieser Konstellation werden die Fälle behandelt, in denen sich der Extraneus an der Verletzung einer positiven Sonderunternehmenspflicht vorsätzlich, aber scheinbar gerechtfertigt beteiligt. Genauer gesagt handelt es sich um eine Fallgruppe, in der der Außenstehende an dem vorsätzlichen Verstoß gegen die positive Sonderpflicht der Unternehmensleiter unter dem Vorliegen eines scheinbaren Rechtfertigungsgrunds teilnimmt. Dies zeigt sich im folgenden Beispiel. Beispiel 57 (Abwandlung der Beispiele 31/55): Dem Buchhalter B einer Aktiengesellschaft wird von dem Vorstandsvorsitzenden V derselben Aktiengesellschaft mit Arbeitsplatzverlust gedroht, wenn er sich weigert, eine Tabelle mit Halbjahreszahlen zu erstellen, die falsche Angaben zum Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Aktien und der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens enthält. Diese Tabelle der Halbjahreszahlen wird vom Vorstand in einem Ad-hoc-Bericht bekanntgegeben.

Im Beispiel 57 sind nicht nur der Vorstandsvorsitzende V für das Sonderpflichtdelikt strafrechtlich verantwortlich, sondern auch der Buchhalter B: V haftet als unmittelbarer Täter und B als Gehilfe. Die Grundlage der Zurechnung der unmittelbaren Täterschaft an V wurde bereits in der Begründung der Täterschaft des V in den Beispielen 55 und 56 erläutert, so dass an dieser Stelle nicht mehr darauf Bezug genommen werden muss. In Bezug auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit von B als Gehilfen des besonderen Sonderpflichtdelikts der „unrichtigen Darstellung“ (§ 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG) ist anzumerken, dass diese Form der Verantwortlichkeit auf der Tatsache beruht, dass B gegen die negative allgemeine Pflicht verstößt, auf der die Beihilfe beruht. In der Tat verstößt B gegen die negative Allgemeinpflicht, die es allen Bürgern verbietet, dem Vorstandsvorsitzenden einer Aktiengesellschaft bei der Verletzung seiner positiven Sonderpflicht zu helfen, die darin besteht, ordnungsgemäße Informationen über die Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen im Vergütungsbericht, in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand oder in Vorträgen oder Auskünften in der Hauptversammlung wiederzugeben. Auf die gleiche Weise wie in Beispielen 55 und 56 organisiert B seinen individuellen Freiheitsraum fehlerhaft. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass B in den Beispielen 55 und 56 unfrei handelt und durch den Tatbestandsirrtum geschützt wird, der ihn von der Strafbarkeit ausschließt, während B in Beispiel 57 mit voller Freiheit und ohne den Schutz eines Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrunds handelt. Genauer gesagt handelt B im Beispiel 57 weder vorsatzlos noch unter einem rechtfertigenden oder entschuldigenden Notstand, weil er die drohende Gefahr, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, auf andere Weise abwenden konnte, nämlich ohne eine Straftat zu begehen.

§ 12 Täterschaft u. Teilnahme bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten

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D. Zwischenergebnis § 12 bestätigt zunächst die in dieser Untersuchung vertretenen Standpunkte zu den Grundlagen der Täterschaft und Teilnahme bei Sonderpflichtdelikten, die mittels vorsätzlicher Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen ausgeführt werden. Zweitens zeigt das in § 12 Gesagte die in den gesetzlichen Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens geregelten verschiedenen Formen der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen. Drittens zeigt § 12 die dogmatischen und kriminalpolitischen Vorteile der in dieser Arbeit entwickelten Lösungsvorschläge gegenüber den aus anderen theoretischen Paradigmen erarbeiteten Lösungsmodellen. Viertens bestätigt § 12 die in den Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens bestehenden gesetzlichen Unterschiede hinsichtlich der allgemeinen Teilnahme und der Teilnahme des Extraneus an den unternehmerischen Sonderpflichtdelikten. Bezüglich der Grundlagen kann folgendes bejaht werden: Die Täterschaft und die Teilnahme bei im Bereich vorsätzlicher Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen ausgeführten unternehmerischen Sonderpflichtdelikten gründen sich auf die Verletzung unterschiedlicher strafrechtlicher Pflichten: Die Täterschaft beruht auf der Verletzung der positiven Sonderunternehmenspflicht, die nur für den Intraneus (z. B. Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einer AG, Geschäftsführer einer GmbH) gilt und in § 25 dStGB, Art. 28 Abs. 1 sStGB geregelt ist; die Teilnahme beruht ihrerseits auf der Verletzung der alle Bürger betreffenden negativen Allgemeinpflicht, die in §§ 26, 27, 28 dStGB und Art. 28 Abs. 2, 29, 65 Abs. 3 sStGB geregelt ist und alle Bürger verpflichtet, nicht zur Verletzung der positiven Sonderunternehmenspflicht beizutragen. In Bezug auf die strafrechtlichen Pflichten, deren Verletzungen die Täterschaft und Teilnahme begründen, zeigt § 12, dass solche Pflichten und ihrer Verletzungen unmittelbarer und individueller Natur sind, die eine entscheidende Rolle in der Bestimmung der Täterschafts- und Teilnahmeformen bei besonderen Unternehmenspflichtdelikten spielen. Hinsichtlich der Formen der Täterschaft und Teilnahme wurde gezeigt, dass die normative Natur ihrer Grundlagen zu unterschiedlichen Ergebnissen gegenüber den Rechtsfolgen der herkömmlichen Strafrechtswissenschaft führt. So regeln § 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1 sStGB aus der hier vertretenen normativen Sicht nur die unmittelbare Einzeltäterschaft, so dass außerhalb der ontologischen Ebene keine mittelbare Täterschaft, Mittäterschaft, mittelbare Mittäterschaft, kumulative Mittäterschaft, alternative Mittäterschaft, additive Mittäterschaft, ontologisch-normative Mittäterschaft, normative Mittäterschaft, usw. vorliegt. In diesem Sinne wird in dieser Untersuchung das Vorliegen mehrerer paralleler unmittelbarer Einzeltäterschaften der Unternehmensleiter in den Fällen vertreten, in denen die herkömmliche Strafrechtswissenschaft und Rechtsprechung Deutschlands und Spaniens das Bestehen einer Mittäterschaft der Unternehmensleiter vertritt

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

(Fälle 25, 26, 27). Ebenfalls wird in dieser Untersuchung das Bestehen mehrerer paralleler unmittelbarer Einzeltäterschaften der Unternehmensleiter in der Fallkonstellation befürwortet, in der die traditionelle deutsche und spanische Strafrechtswissenschaft die Bestrafung der Unternehmensleiter als bloße Anstifter vertritt (Fall 28). Ebenso plädiert die vorliegende Untersuchung für die Existenz mehrerer paralleler unmittelbarer Einzeltäterschaften der Unternehmensleiter in Fällen, in denen die überwiegende Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens sich für das Vorliegen einer mittelbaren Mittäterschaft der Unternehmensleitungsmitglieder durch Unterlassen ausspricht (Fälle 29, 30). In gleicher Weise wird in dieser Untersuchung das Bestehen mehrerer unmittelbarer Einzeltäterschaften der Unternehmensleiter in den Konstellationen entwickelt, in denen die Unternehmensleitungsmitglieder ihre positiven Sonderunternehmenspflichten durch die Instrumentalisierung eines nichtqualifizierten vorsatzlos handelnden Vordermannes (Beispiel 31), eines qualifizierten vorsatzlosen Werkzeugs (Beispiel 32), oder eines qualifikationslosen dolosen Instruments (Beispiel 33) verletzen, was aus Sicht der deutschen und spanischen Strafrechtswissenschaft eine mittelbare Mittäterschaft der Unternehmensleitungsmitglieder begründet. Schließlich werden in dieser Arbeit mehrere unmittelbare Einzeltäterschaftsformen der Unternehmensleiter in der Fallgruppe begründet, in der die Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens die Bildung einer kumulativen Mittäterschaft, einer alternativen Mittäterschaft, einer additiven Mittäterschaft, einer ontologisch-normativen Mittäterschaft, oder einer normativen Mittäterschaft vertritt (Fälle 34, 35, 36, 37, 38, 39). Die Teilnahmeformen sind in den §§ 26, 27, 29, 30 dStGB und in den Art. 28 Abs. 2, 29, 65 Abs. 3 sStGB geregelt. Aus den beiden genannten gesetzlichen Regelungen ist folgendes zu schließen: Zunächst kann man bestätigen, dass das normative Wesen der Grundlage der Teilnahme, die in dieser Untersuchung entwickelt wird, zu unterschiedlichen Ergebnissen gegenüber den Schlussfolgerungen der herkömmlichen Strafrechtswissenschaft führt. In diesem Sinne wird die unmittelbare Täterschaft (in der traditionellen Terminologie eine mittelbare Mittäterschaft) des Extraneus eines Allgemeinpflichtdelikts in den Fällen bejaht, in denen die sonderpflichtigen Unternehmensleitungsmitglieder vorsatzlos (Beispiele 42, 43) oder gerechtfertigt (Beispiele 44, 45) handeln; im Unterschied dazu vertritt die traditionelle Strafrechtslehre in solchen Fällen das Vorliegen einer Anstiftung oder Beihilfe des Extraneus zu einem Sonderpflichtdelikt. Ebenso spricht sich diese Untersuchung für die Bestrafung des Extraneus als Gehilfe zu einem unternehmerischen Sonderpflichtdelikt in den Fallkonstellationen aus, in denen die Verletzung der positiven Sonderunternehmenspflicht phänotypisch durch eine Mitherrschaft von Außenstehenden und sonderpflichtigem Unternehmensleiter (Fall 50), durch eine ausschließliche Herrschaft von Außenstehenden und eine Hilfeleistung von Unternehmenssonderpflichtträgern (Beispiel 51), durch eine ausschließliche Tatherrschaft vom Extraneus und ein Bestimmen von Unternehmenssonderpflichtträgern (Beispiele 52/28, 53/33), oder durch eine ausschließliche Tatherrschaft von Außenstehenden und eine vorsätzliche Unterlassung von Unternehmenssonderpflichtträgern

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(Beispiel 54/30) ausgeführt wird. Die herkömmliche Strafrechtswissenschaft plädiert hingegen für eine differenzierte Bestrafung des Extraneus. In diesem Sinne schlägt dieser Sektor der Strafrechtslehre die folgenden Lösungen vor: a) Der Extraneus ist Gehilfe eines Sonderpflichtdelikts und Täter eines Allgemeinpflichtdelikts, wenn die Verletzung der positiven Unternehmenspflicht von Intraneus und Extraneus mitbeherrscht wird (Beispiel 50), wenn die Verletzung der positiven Unternehmenspflicht unter ausschließlicher Herrschaft des Extraneus und mit Hilfe (Beispiel 51) oder Anstiftung des Intraneus (Beispiele 52, 53) erfolgt. Hinsichtlich der Vorteile der in dieser Untersuchung entwickelten Pflichtverletzungstheorie gegenüber den zuvor dargestellten anderen theoretischen Beteiligungsmodellen sticht Folgendes hervor: Zunächst überwindet das hier vorgeschlagene theoretische Beteiligungsmodell die Schwierigkeiten, die andere theoretische Beteiligungsparadigmen haben, die Täterschaft von Unternehmensleitern bei Kollegialentscheidungen zu begründen, wenn die rechtswidrigen Kollegialentscheidungen nicht einstimmig, sondern mit einfacher Mehrheit, also mit Ja-Stimmen, Gegenstimmen (Beispiele 34, 35) und Enthaltungen (Beispiel 38) getroffen werden. Ebenfalls findet sich die Überwindung der Schwierigkeiten, die Täterschaft der Unternehmensleiter zu fundieren, wenn die rechtswidrigen Kollegialentscheidungen durch geheime Abstimmung (Beispiel 39), scheinbare Gegenstimmen (Beispiel 37) oder rechtmäßige Gegenstimmen (Beispiel 36) getroffen werden. Daneben hat das hier entwickelte Beteiligungsmodell den Vorteil, die Täterschaft der Unternehmensleiter und die Teilnahme des Außenstehenden problemlos und unstreitig begründen zu können, wenn die Unternehmensleiter ihre positiven Sonderunternehmenspflichten durch die vorsätzliche Handlung eines nichtqualifizierten Vordermannes verletzen. Im Gegensatz dazu greift die traditionelle Strafrechtslehre auf die höchst umstrittene Figur der mittelbaren Täterschaft kraft Instrumentalisierung eines qualifikationslosen dolosen Werkzeugs zurück (Beispiel 33), um die strafrechtliche Verantwortlichkeit der unternehmerischen Sonderpflichtträger und des Außenstehenden festzulegen. Darüber hinaus überwindet das hier formulierte dogmatische Beteiligungsmodell die Schwierigkeiten, die die traditionellen Paradigmen zur Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Beteiligten in jenen Fällen haben, in denen sich einerseits mehrere Unternehmensleiter und Untergebene an rechtswidrigen Entscheidungen oder an der Ausführung der sich daraus ergebenden Sonderstrafunrechte beteiligen und andererseits die kollektive Beteiligung der Unternehmensleitungsmitglieder und Extranei weder die ontologischen Voraussetzungen der Mittäterschaft noch der mittelbaren Täterschaft erfüllt. Das hier vorgeschlagene Beteiligungsmodell überwindet diese Schwierigkeiten, da die unmittelbare Einzeltäterschaft weder auf einem gemeinsamen Tatentschluss (Entscheidungsfindung) noch auf einer gemeinschaftlich-arbeitsteiligen Straftatverwirklichung beruht, sondern nur auf der individuellen Verletzung positiver Sonderunternehmenspflichten jedes einzelnen Unternehmensleitungsmitglieds oder Außenstehenden. Schließlich bewältigt das hier vertretene dogmatische Täterschafts- und Teilnahmesystem die

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4. Abschn.: Normatives Verständnis des Delikts als Pflichtverletzung

dogmatischen Inkonsistenzen und kriminalpolitischen Straflosigkeitsprobleme der klassischen Beteiligungsmodelle im Bereich der fälschlich als unechte Sonderdelikte bezeichneten Sonderpflichtdelikte, da das hier vorgeschlagene Modell keine Schwierigkeiten hat, die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Unternehmensleiter und Extranei durch die Zurechnung ein und desselben Sonderpflichtdelikts an alle Beteiligten zu begründen, wenn sie sich an der Durchführung der genannten Delikte kollektiv beteiligen. Was die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im deutschen und spanischen Strafrecht angeht, sollen jeweils drei von ihnen erwähnt werden, die für diese Untersuchung von Bedeutung sind: Eine erste Ähnlichkeit findet sich im Bereich der Täterschaft, da beide Strafrechtssysteme regeln, was die überwiegende Strafrechtswissenschaft als unmittelbare Täterschaft, Mittäterschaft und mittelbare Täterschaft bezeichnet. Eine zweite Gemeinsamkeit liegt in der Teilnahme, denn sowohl das deutsche Strafrechtssystem als auch die spanische Strafrechtsordnung regeln die Anstiftung und die Beihilfe als strafrechtliche Teilnahmeformen. Eine dritte Ähnlichkeit besteht in der Regelung der Form der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Extraneus bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten, weil die Rechtssysteme Deutschlands und Spaniens den Extraneus als bloßen Teilnehmer bestrafen. Im Bereich der Unterschiede stechen drei davon heraus. Erstens bestraft das sStGB Teilnahmeformen des Extraneus, die nach dem dStGB straflos sind. So kriminalisiert das sStGB nicht nur die vorsätzliche Teilnahme des Extraneus an vorsätzlichen Sonderunternehmenspflichtdelikten, sondern auch die fahrlässige Teilnahme des Extraneus an vorsätzlichen Sonderunternehmenspflichtdelikten, die vorsätzliche Teilnahme des Extraneus an fahrlässigen Sonderunternehmenspflichtdelikten, die Fahrlässige Teilnahme des Extraneus an fahrlässigen Sonderunternehmenspflichtdelikten. Dies liegt darin begründet, dass Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB die Anstiftung und Beihilfe als bloße „Teilnahme an der Verwirklichung eines tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Strafunrechts“ definieren. Ein anderer Unterschied zwischen dem deutschen und spanischen Strafrechtssystem ist das Vorliegen der „erforderlichen Beihilfe“ des Extraneus an den Sonderunternehmenspflichtdelikten in der spanischen Strafrechtsordnung, was im deutschen Strafrechtssystem nicht vorliegt. Diese Teilnahmeform wird im spanischen Strafrechtssystem in Fällen angewendet, in denen der Extraneus phänotypisch die Verletzung der positiven Unternehmenssonderpflicht beherrscht. Darüber hinaus differenzieren sich die Teilnahmesysteme Deutschlands und Spaniens in ihren unterschiedlichen inneren Widersprüchen, die oben ausführlich erläutert wurden. Solche inneren Widersprüche betreffen auch die Teilnahme des Extraneus an Sonderunternehmenspflichtdelikten.

Schlussfolgerungen Die in dieser Untersuchung gewonnenen Ergebnisse werden in 53 Thesen zusammengefasst, die im Folgenden in deduktiver Weise dargestellt werden, also vom Allgemeinen zum Besonderen. I

1. Die sowohl in der Strafrechtsordnung als auch in der Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens während des 20. Jahrhunderts und des Beginns des laufenden 21. Jahrhunderts entwickelten allgemeinen Beteiligungssysteme – und damit die spezifischen Systeme der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen – sind aus bestimmten erkenntnistheoretischen Strömungen herausgearbeitet worden. Diese Erkenntnistheorien sind der Empirismus, der subjektive Idealismus, der objektive Idealismus, der ontologische Realismus, der Neukantianismus, der Neuhegelianismus und der Konstruktivismus. 2. Jedes dieser auf den genannten erkenntnistheoretischen Strömungen aufgebauten verschiedenen dogmatischen Zurechnungssysteme – nämlich das kausalnaturalistische, kausal-normative, ontologisch-finalistische, rational-teleologische (oder kriminalpolitisch-funktionalistische) und konstruktivistisch-funktionale Zurechnungssystem – wendet eine bestimmte Methode an, um sowohl die normative Realität der Gesellschaft zu erfassen als auch die in Deutschland und Spanien geltenden strafrechtlichen Beteiligungsmodelle zu errichten. 3. Das aus der empiristischen Erkenntnistheorie errichtete kausal-naturalistische Verbrechenssystem bildete das extensive und unitarische Beteiligungssystem, das einerseits das Delikt als bloßes kausal-naturalistisches Ursache-Wirkungs-Schema definierte und andererseits mittels der Anwendung der „conditio-sine-qua-nonFormel“ alle aus kausal-naturalistischer Sicht mit der Verwirklichung der Straftat verbundenen Beteiligten als Täter beurteilte. Nach diesem Beteiligungssystem sind alle Beteiligten an der Tatbestandsverwirklichung Täter. 4. Das den abstrakten Wertvorstellungen oder metaphysischen Wertideen des neukantianischen und neuhegelianischen Gedankens unterordnete kausal-normative Zurechnungsmodell entwickelte das Beteiligungsmodell, das die Begründung der Täterschaft und Teilnahme an allen Delikten auf die kausal-normative Mitwirkungen bezog, die eine „adäquate Kausalität“ oder „objektive Gefährlichkeit“ für die Verursachung des tatbestandsmäßigen Erfolges darstellen. Dieses Interventionsparadigma beginnt, zwischen Tätern und Teilnehmern zu unterscheiden.

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Schlussfolgerungen

5. Das ausgehend vom ontologisch-rationalistischen Realismus“ oder „real-rationalistischen Ontologismus entwickelte finalistische Zurechnungsparadigma schuf das ontologische Beteiligungssystem, welches die Täterschaft von der Teilnahme bei allen Delikten nach der Seinskategorie der Tatherrschaft unterscheidet. Aus diesem Grund definiert das finalistische Beteiligungssystem die Täterschaft und Teilnahme als „Mitwirkung mit finaler Tatherrschaft“ bzw. „Mitwirkung ohne Tatherrschaft“. 6. Das auf der Erkenntnistheorie des Neukantianismus und Neuhegelianismus aufgebaute kriminalpolitisch-funktionalistische Zurechnungssystem hat das Begründungs- oder Unterscheidungsmodell von Täterschaft und Teilnahme geschaffen, nach dem sich Täterschaft und Teilnahme bei den Herrschafts- und Pflichtdelikten in Übereinstimmung mit der Unterscheidung von „Sein“ und „Sollen“ nach dem Kriterium der ontologischen Tatherrschaft bzw. normativen Pflichtverletzung unterscheiden. So sei Täter bei den Herrschafts- und Pflichtdelikten, wer die Verwirklichung der Straftat beherrscht bzw. eine außerstrafrechtliche Pflicht verletzt. In diesem Sinne sei Teilnehmer an den beiden genannten Deliktsarten derjenige, der sich an der Tatbestandsausführung ohne Tatherrschaft bzw. ohne Pflichtverletzung beteiligt. 7. Das auf dem hegelianischen Idealismus und „philosophisch-soziologischen“ oder „systemischen“ „Konstruktivismus“ begründete funktionalistische Zurechnungsmodell hat das Beteiligungssystem geschaffen, welches die Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme bei den Organisations- und Zuständigkeitsdelikten auf dem Kriterium der fehlerhaften Organisation der individuellen Freiheit bzw. Nichterfüllung einer außerstrafrechtlichen institutionellen positiven Zuständigkeit begründet. 8. Die sich auf die oben genannten Erkenntnistheorien gründenden verschiedenen allgemeinen Zurechnungssysteme finden ihren Niederschlag sowohl in den theoretischen und gesetzlichen Grundlagen der allgemeinen Beteiligungssysteme Deutschlands und Spaniens, die in §§ 3, 4 dieser Untersuchung behandelt werden, als auch in der dogmatischen Begründung der Täterschafts- und Teilnahmeformen bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen, welche in §§ 5, 6, 7 der vorliegenden Arbeit erläutert werden. Solche Zurechnungs- bzw. Beteiligungssysteme haben unterschiedliche Mängel, die aus methodologischer, kriminalpolitischer, dogmatischer, logischer und gesetzlicher Sicht kritisiert werden. 9. Ausgehend von diesen theoretischen Prämissen ist in den Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens ein dualistisches gesetzliches Beteiligungssystem geregelt, das einerseits zwischen Täterschaft und Teilnahme unterscheidet und andererseits eine synthetische Begründung der Täterschaft feststellt, welche die sich entweder nur auf die objektive oder ausschließlich auf die subjektive Seite des Verhaltens konzentrierenden monistischen Ansichten ablehnt und hingegen die Berücksichtigung der objektiven und subjektiven Aspekte des Verhaltens verlangt. 10. Die Strafrechtswissenschaft und Rechtsprechung Deutschlands und Spaniens haben aus einer ontologischen Auslegung der Strafvorschriften des § 25 dStGB bzw.

Schlussfolgerungen

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Art. 28 Abs. 1 sStGB, welche die Täterschaft regeln, zweierlei Schlüsse gezogen: Erstens enthalten beide Strafrechtssysteme die unmittelbare Täterschaft, die mittelbare Täterschaft und die Mittäterschaft, deren Vorliegen bei den Herrschafts- und Pflichtdelikten mit der unmittelbaren, mittelbaren und gemeinsamen Tatherrschaft bzw. Pflichtverletzung verknüpft sei. Zweitens existieren im dogmatischen Bereich weitere Täterschaftsformen, etwa die Nebentäterschaft, die alternative Mittäterschaft, die sukzessive Mittäterschaft, die additive Mittäterschaft und die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft. 11. Die erkenntnistheoretischen Ausgangspunkte der in Deutschland und Spanien entwickelten Zurechnungsmodelle haben in den Strafrechtsordnungen beider Länder zur Schaffung eines „akzessorischen“ und „beschränkten“ Teilnahmesystems geführt. Die Akzessorietät liegt darin, dass sowohl §§ 26, 27, 28 Abs. 1 dStGB als auch Art. 28 Abs. 2, 65 Abs. 3 sStGB die Strafwürdigkeit der Teilnahme an den Allgemein- und Sonderpflichtdelikten an das Vorliegen einer Hauptstraftat knüpfen. Der beschränkte Charakter des Teilnahmesystems Deutschlands und Spaniens besteht in der Unnötigkeit des Vorliegens eines schuldhaften Verhaltens des Täters zur Bestrafung des Teilnehmers; d. h. es ist nur ein tatbestandsmäßiges und rechtswidriges Täterunrecht erforderlich. 12. Alle durch die deutsche und spanische Strafrechtswissenschaft entwickelten Theorien (§ 4), die sich mit der Grundlage der Teilnahme beschäftigen, begründen den geringeren Strafunwert der Teilnahme gegenüber dem höheren Strafunwert der Täterschaft damit, dass der Teilnehmer im Vergleich zum Täter an der Tatbestandsverwirklichung entweder ohne Tatherrschaft (bei den Herrschafts-, Gemeinoder Organisationsdelikten) oder ohne Sonderpflichtverletzung (bei den besonderen Herrschafts- oder Pflichtdelikten = Delikten wegen institutioneller Zuständigkeit) beteiligt. 13. Die Bestrafung der Teilnahme setzt im deutschen Strafrechtssystem voraus, dass die objektiven und subjektiven Strafbarkeitserfordernisse erfüllt sind. Objektiv beschränken §§ 26, 27 dStGB die Strafbarkeit der Anstiftung und Beihilfe auf das Bestehen eines vorsätzlich verwirklichten Unrechts des Täters. Subjektiv fordern §§ 26, 27 dStGB einen doppelten Vorsatz des Teilnehmers als subjektives Erfordernis der Strafbarkeit des Anstifters und Gehilfen, nach dem der Teilnehmer sowohl das Vorliegen der vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat des Täters als auch seine eigene vorsätzlich-rechtswidrige Mitwirkung zur Haupttat kennen muss, weil die Strafbarkeit der Anstiftung und Beihilfe von §§ 26, 27 dStGB als „vorsätzliche Beteiligung an einer vorsätzlichen Haupttat“ definiert wird. 14. Das sStGB legt auch objektive und subjektive Voraussetzungen zur Bestrafung der Teilnahme fest. Als objektive Bestandteile verlangen Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB das Bestehen einer tatbestandsmäßig-rechtswidrigen Straftat des Täters und den Versuchsbeginn der Straftat des Täters. Subjektiv knüpfen Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB die Strafwürdigkeit der Anstiftung und Beihilfe einerseits an das Vorliegen sowohl eines vorsätzlichen als auch eines fahrlässigen Täterunrechts und andererseits sowohl

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Schlussfolgerungen

an ein vorsätzliches als auch an ein fahrlässiges Teilnehmerverhalten an. Dies liegt darin begründet, dass Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB die Anstiftung und Beihilfe als „Teilnahme an der Verwirklichung eines tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Strafunrechts“ definieren. Daher ist im spanischen gesetzlichen Strafrechtssystem im Gegensatz zum deutschen Strafrecht auch das Vorliegen und die Bestrafung der fahrlässigen Teilnahme an vorsätzlichen Delikten, der vorsätzlichen Teilnahme an fahrlässigem Straftaten und der fahrlässigen Teilnahme an fahrlässigen Delikten möglich. 15. Das spanische Strafrecht regelt im Unterschied zum deutschen Strafrechtssystem die „erforderliche Beihilfe“, die die vom deutschen Strafrechtssystem entweder als Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 dStGB) oder „bloße Beihilfe“ (§§ 27, 28 Abs. 1 dStGB) erfassten Beteiligungsformen umfasst. Dies folgt aus dem Wesen dieses Rechtsinstituts, das durch Art. 28 Abs. 2b sStGB als „wesentliche Mitwirkung an der Ausführung einer Straftat, ohne die das Strafunrecht nicht verwirklicht worden wäre“ definiert wird. 16. Das deutsche Strafrecht enthält auf der einen Seite ein restriktives Teilnahmesystem, da es die Strafbarkeit der Teilnahme nur auf die vorsätzliche Handlung des Täters und Teilnehmers stützt; d. h. sowohl die fahrlässige Teilnahme an vorsätzlichem und fahrlässigem Strafunrecht als auch die vorsätzliche Teilnahme an fahrlässigen Delikten sind straflos. Aber auf der anderen Seite normiert das deutsche Strafrecht ein extensives teilnehmerisches Zurechnungsmodell, denn § 30 des dStGB kriminalisiert mit der versuchten Anstiftung zu einem Verbrechen einen kleineren Bereich der im Vorbereitungsstadium des Delikts stattfindenden versuchten Teilnahme, welche im Rahmen eines restriktiven Beteiligungssystems keine strafrechtliche Relevanz hat. 17. Das spanische Strafrecht hat ein ähnliches restriktiv-extensives Teilnahmesystem. Die restriktive Natur des Teilnahmesystems folgt aus der vollständigen Straflosigkeit der versuchten Teilnahme. Das extensive Merkmal spiegelt sich seinerseits in den Strafbarkeitserfordernissen der Anstiftung und Beihilfe wider, weil Art. 28 Abs. 2b, 29 sStGB die Strafbarkeit der Teilnahme nicht nur an das vorsätzliche Täter- und Teilnehmerverhalten, sondern auch an die fahrlässige Täter- und Teilnehmerhandlung knüpfen; so werden bestimmte Teilnahmeformen kriminalisiert, die im deutschen Strafrechtssystem straflos sind. 18. Die deutsche und spanische Rechtsprechung hat jeweils auf besondere Täterschafts- und Teilnahmeformen zurückgegriffen, um die Strafverantwortung von Leitungsmitgliedern eines Wirtschaftsunternehmens und außenstehenden Dritten zu begründen, wenn diese sich an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen beteiligen. Diese Täterschaftsformen sind neue Versionen der mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate und der klassischen Mittäterschaft: es handelt sich nämlich um die „mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft“, die „Mittäterschaft kraft faktischer Arbeitsverteilung und trotz des Fehlens eines gemeinsamen Tatentschlusses“, die „kumulative Mittäterschaft“,

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die additive Mittäterschaft, die „erforderliche“ Beihilfe usw. Diesen Beteiligungsformen liegen die epistemologischen Methoden des Empirismus, ontologischen Realismus, neukantianischen und neohegelianischen Idealismus zugrunde. 19. Die Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens hat verschiedene Täterschafts- und Teilnahmeformen entwickelt, um die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmensleitern und Außenstehenden zu begründen, wenn sie sich zusammen an der Verwirklichung eines Strafunrechts innerhalb eines vertikalen Unternehmens beteiligen. Diese Beteiligungsweisen sind die klassische Mittäterschaft, die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, die Mittäterschaft statt Organisationsherrschaft, die sukzessive Mittäterschaft, die Anstiftung, die unmittelbare Täterschaft und die erforderliche Beihilfe. Diese Beteiligungsformen wurden auch aus den bereits genannten erkenntnistheoretischen Strömungen entwickelt. 20. Die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft wird auf die Beteiligung an von Unternehmensleitern und Untergebenen getroffenen vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen angewendet, wenn die Beteiligung von Unternehmensleitern und Untergebenen die dogmatischen Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate und die präventiv kriminalpolitischen Erfordernisse erfüllt. Die herkömmliche Mittäterschaft und die sukzessive Mittäterschaft werden angewendet, wenn die Beteiligung von Unternehmensleitern und Außenstehenden weder die Voraussetzungen mittelbarer Täterschaft kraft Organisationsherrschaft noch die Erfordernisse herkömmlicher Mittäterschaft erfüllt. In ähnlichem Sinne werden die Anstiftung und unmittelbare Täterschaft auf vorsätzliche Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen angewendet, wenn einerseits die Beiträge der Unternehmensleiter zur Tatbestandsverwirklichung weder die Erfordernisse traditioneller mittelbarer Täterschaft noch die Voraussetzungen der Mittäterschaft erfüllen und andererseits die Beteiligung des handelnden Vordermannes in vollem Maße verantwortlich erfolgt, weil entweder die Führungskräfte infolge des dolosen Verhaltens des untergeordneten Ausführenden keine Herrschaft über ihn haben oder sie über den Anweisungsempfänger aufgrund des Übergewichts des Verhaltens des Untergebenen bei der Straftatausführung keine Mitherrschaft ausüben. 21. Die sowohl durch den BGH und ST als auch durch die Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens auf die Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in vertikalen Wirtschaftsunternehmen angewendeten Beteiligungsformen weisen wesentliche methodologische, dogmatische und kriminalpolitische Inkonsistenzen auf, die es nicht ermöglichen, die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmensleitern und Außenstehenden mittels der Anwendung der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft oder anderer unterschiedlicher phänotypischer Formen der Mittäterschaft zu begründen, wenn Unternehmensführer und Untergebene an vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen beteiligt sind.

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22. Im Bereich der horizontalen Wirtschaftsunternehmen greift die Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens auf die Anwendung der Mittäterschaft, der Anstiftung, der „erforderlichen Beihilfe“ und der „einfachen Beihilfe“ zurück, um die strafrechtliche Verantwortung von Unternehmensleitern und Außenstehenden zu begründen, wenn sie gemeinschaftlich an einer vorsätzlichen Kollektiventscheidungsfindung in horizontalen Wirtschaftsunternehmen beteiligt sind. Die Mittäterschaft wurde insbesondere ausgehend von der Kausalverbrechenslehre, der Tatherrschaftsstrafrechtsdogmatik und der normativ-funktionalistischen Beteiligungslehre entwickelt. 23. Innerhalb der Kausalverbrechenslehre wurde die Mittäterschaft nach der „conditio sine qua non-Formel“ konzipiert, die sich in der Konstruktion der additiven Mittäterschaft, kumulativen Mittäterschaft und alternativen Mittäterschaft widerspiegelt. Die Tatherrschaftslehre hat ihrerseits die Mittäterschaft auf einer Kombination von ontologischen Elementen (Tatherrschaft) und normativen Bestandteilen (Trägerschaft einer besonderen Führungspflicht des Unternehmens) begründet. Schließlich stützen die Vertreter und Nachfolger der funktionalistischen Strafrechtsdogmatik Deutschlands und Spaniens die Mittäterschaft entweder auf normative Elemente oder auf ontologische Bestandteile. Die Mittäterschaft wird auf ontologischen Elementen begründet, wenn die Beteiligung im Bereich der genannten unternehmerischen Herrschafts- oder Organisationsdelikte stattfindet; während die Mittäterschaft auf normativen Bestandteilen beruht, wenn die Beteiligung bei Pflicht- oder Zuständigkeitsdelikten erfolgt. 24. Die herrschende spanische Strafrechtswissenschaft hat im Sinne der Art. 28 Abs. 2, 29 und 65 Abs. 3 die (Mit-)Täterschaft und die „erforderliche Beihilfe“ angewendet, um die Strafhaftung des Sonderpflichtträgers bzw. Außenstehenden im Rahmen der vertikalen und horizontalen Wirtschaftsunternehmen zu begründen, wenn die Handlungen der Unternehmensleiter und Außenstehenden aufgrund der Vollverantwortlichkeit des unmittelbar handelnden nichtqualifizierten Vordermannes und des Mangels an Sondereigenschaften in der Person des Außenstehenden durch die mittelbare Täterschaft bzw. Mittäterschaft nicht erfasst werden. 25. Die durch die Strafrechtswissenschaft zur Begründung der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen entwickelten Ansätze weisen – ähnlich wie die Lösungen des BGH und TS – mehrere methodologische, dogmatische, logische und kriminalpolitische Mängel auf, die nicht nur eine kohärente und konsistente Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Unternehmensleiter verhindern, sondern auch gegen die dem Strafrechtssystem eines demokratischen Verfassungsstaats zugrundeliegenden Grundsätze verstoßen. Aus diesen Gründen werden in dieser Untersuchung die von der Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens entwickelten Standpunkte zu Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen abgelehnt.

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II

26. Die Ablehnung der genannten Thesen hat in dieser Untersuchung zur Entwicklung eines theoretischen Beteiligungssystems geführt, das auf der Pflichtverletzungslehre begründet wird. In diesem Sinne ist das Verständnis der durch die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie des liberalen Staates und des demokratischsozialen Verfassungsstaats entwickelten Staats-, Rechts-, Strafrechts-, Persons- und Pflichtbegriffe ein geeigneter Ausgangspunkt sowohl für die richtige Erfassung der theoretischen Grundlagen und des normativen Wesens der Allgemein- und Sonderpflichtdelikte als auch für eine konsistente Begründung des allgemeinen Beteiligungssystems, insbesondere von Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen. 27. Das aus der Pflichtverletzungstheorie aufgebaute Beteiligungssystem führt sowohl bei der Begründung der allgemeinen Täterschafts- und Teilnahmeformen als auch bei der Begründung und Formen der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Anders ausgedrückt unterscheiden sich die Ergebnisse dieser Untersuchung bezüglich der allgemeinen Formen der Täterschaft und Teilnahme und daher hinsichtlich der vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen sowohl bei Allgemeinpflichtdelikten als auch bei Sonderpflichtdelikten von denen, die durch die überwiegende Strafrechtswissenschaft und die Rechtsprechung vertreten werden. Diese unterschiedlichen Ergebnisse werden im Folgenden dargestellt. 28. Die theoretischen Grundlagen der „Allgemein- und Sonderpflichtdelikte“ sind unterschiedlicher Natur, da jede der Pflichtdeliktsarten Ausdruck eines anderen Zeitraums der rechtspolitischen, rechtsphilosophischen und rechtstheoretischen Geschichte ist. So liegen die theoretischen Grundlagen der „Allgemeinpflichtdelikte“ in den Begriffen der von den liberalen Rechtsphilosophen und Rechtstheoretikern entwickelten Kategorien Staat, Person, Recht, und strafrechtliche Pflicht, was zum Verständnis des (Straf-)Rechtssystems als eine Einheit negativer Allgemeinpflichten führte. Im Gegensatz dazu sind die theoretischen Grundlagen der „Sonderpflichtdelikte“ in den von den Rechtsphilosophen und Rechtstheoretikern des demokratisch-sozialen Verfassungsstaats formulierten Konzepten des Staats, des Rechts, der Person, des Strafunrechts und der Pflichten verankert, wonach die Strafrechtsordnung ein System negativer Allgemeinpflichtdelikte und positiver Sonderpflichtdelikte ist. 29. Das Strafunrecht – nämlich das Täter- und Teilnehmerunrecht – ist aus Sicht des hier vertretenen Pflichtverletzungsgedankens kein ontologischer Angriff auf das sog. geschützte Rechtsgut, sondern ein Verstoß gegen die Geltung einer strafrechtlichen Pflicht oder Verhaltensnorm. Daher liegt das Strafunrecht sowohl bei Allgemein- als auch bei Sonderpflichtdelikten nicht in der Rechtsgutsverletzung begründet, sondern in der (Straf-)Rechtsverletzung = Pflichtverletzung, weil nur

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letztere ein kommunikativer Akt ist und daher nur diese eine Desavouierung der (Straf-)Rechtsnorm konstituiert. 30. Die ontologischen Kategorien – etwa die Rechtsgutsverletzung, die Rechtsgefährdung, die Tatherrschaft über einen kausalen Rechtsangriff – sind keine Bestandteile der Grundlage des Täter- und Teilnehmerunrechts und spielen daher keine Rolle bei der Begründung von Täterschaft und Teilnahme. Denn das einzige begründende Kernelement allen Strafunrechts ist die Pflichtverletzung. Tatherrschaft und Rechtsgutsverletzung sind nur Bestandteile der Strafzumessung, denn die konkrete Strafe eines Täters oder Teilnehmers muss gemäß dem Quantum des Beitrags jedes Beteiligten zur Tatbestandsausführung eines Allgemein- oder Sonderpflichtdelikts und im Verhältnis mit dem Grad der Rechtsgutsverletzung und Rechtsgutsgefährdung zugemessen werden. Im Übrigen ist die Tatherrschaft ein zentraler Bestandteil des Handlungs- oder Verhaltensbegriffs. 31. Im Rahmen dieser Neubegründung der Verbrechenslehre gibt es nach der in der vorliegenden Untersuchung entwickelten Pflichtverletzungstheorie keine Herrschafts- oder Organisationsdelikte, sondern nur „Pflichtverletzungsdelikte“. Ihrerseits lassen sich die „Pflichtverletzungsdelikte“ aufgrund ihrer unterschiedlichen normativen Grundlage in zwei Deliktsarten einteilen: Zum einen „Allgemeinpflichtdelikte“ oder „Delikte kraft der Verletzung negativer Allgemeinpflichten“ und zum anderen „Sonderpflichtdelikte“ oder „Delikte wegen der Verletzung positiver Sonderpflichten“. Die Allgemeinpflichtdelikte ersetzen die vom kriminalpolitischen bzw. systemischen Beteiligungssystem entwickelten „Herrschafts- und Organisationsdelikte“; die Sonderpflichtdelikte entsprechen ihrerseits dem Strafunrecht, das durch die herrschende Strafrechtswissenschaft Deutschlands und Spaniens als Pflichtdelikte oder Delikte wegen institutioneller Zuständigkeit bezeichnet werden. 32. Dem Täter- und Teilnehmerunrecht bei den Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens liegen verfassungsrechtliche Grundlagen zugrunde, da beide Beteiligungssysteme alle strafrechtlichen Verantwortlichkeiten auf dem sich aus der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 deutsch. GG und 10 Abs. 1 span. Const.) ergebenden „Selbstverantwortungsprinzip“ oder „Verantwortungsgrundsatz für das eigene Strafunrecht“ aufbauen. Dieser Grundsatz verhindert, dem Teilnehmer das Strafunrecht des Täters zuzurechnen und umgekehrt. Mit anderen Worten fordert das genannte Prinzip, dem Täter und Teilnehmer sein eigenes Strafunrecht zuzuschreiben, welches jeder von ihnen durch die Verletzung seiner in den Strafgesetzbüchern Deutschlands und Spaniens verankerten strafrechtlichen Pflichten selbst verwirklicht. 33. In diesem Zusammenhang ist der Unterschied zwischen Täter- und Teilnehmerunrecht sowohl bei Allgemein- als auch bei Sonderpflichtdelikten qualitativer Natur, denn Täter und Teilnehmer verletzen ihre eigenen strafrechtlichen Pflichten. Die die Täterschaft begründenden Voraussetzungen sind grundsätzlich in § 25, und Art. 28 Abs. 1 des dStGB bzw. sStGB geregelt; die die Teilnahme begründenden

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Voraussetzungen sind ihrerseits in §§ 26, 27, 28 Abs. 1 dStGB und in Art. 28 Abs. 2, 29, 65 Abs. 3 sStGB verankert. 34. Neben den bereits in der These 33 genannten Strafvorschriften des dStGB und sStGB spielen §§ 14, 13 dStGB und Art. 31, 11 sStGB eine maßgebliche Rolle zur Begründung der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen in Deutschland und Spanien, weil ohne den Rechtsgedanken dieser Strafvorschriften die Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Unternehmer und Unternehmensleiter – weder als Täter noch als Teilnehmer – für das im Rahmen der Unternehmenstätigkeit ausgeführte Strafunrecht nicht möglich ist. § 14 dStGB und Art. 31 sStGB übertragen die strafrechtliche Verantwortlichkeit vom ursprünglichen Normadressaten (die juristische Person oder ihre Gründer) auf die delegierten Normadressaten (die vertretungsberechtigten Organe der juristischen Person oder die Mitglieder solcher Organe, usw.) für die Nichterfüllung der unternehmerischen negativen Allgemein- und positiven Sonderpflichten. § 13 dStGB und Art. 11 sStGB ihrerseits legen fest, dass im Bereich der Erfolgsdelikte eine Unterlassung der Unternehmer oder Unternehmensleiter täterschaftliche oder teilnehmerische Relevanz haben kann. 35. §§ 9, 30, 130 OWiG und Art. 31bis sStGB sind hauptspezifische negative bzw. positive Begründungselemente der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen, da diese Vorschriften die strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen ausschließen bzw. begründen. Genauer gesagt haben die Wirtschaftsunternehmen im deutschen Strafrecht keine strafrechtliche Verantwortlichkeit; nach §§ 9, 30, 130 OWiG sind die Wirtschaftsunternehmen im deutschen Rechtssystem nur im Sinne einer Bußgeldhaftung verantwortlich, wenn ihre Vertretungsorgane oder Beauftragten das Unternehmen rechtswidrig organisieren. Trotzdem wächst innerhalb der deutschen Strafrechtswissenschaft die Zahl der Befürworter einer eigenständigen strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Wirtschaftsunternehmen. Im Gegensatz dazu regeln Art. 31bis ff. sStGB seit 2010 die strafrechtliche selbständige Verantwortlichkeit der juristischen Personen und somit des Wirtschaftsunternehmens, was es i. V. m. Art. 28 Abs. 1, 31 sStGB ermöglicht, die Personenmehrheiten parallel zu – aber unabhängig von – den einzelnen Personen zu bestrafen. Dies bedeutet, dass eine spezielle Mittäterschaft (aus der in der vorliegenden Untersuchung vertretenen Sicht mehrere unmittelbare Einzeltäterschaften) von Unternehmensleitern und der von ihnen vertretenen juristischen Person begründet werden kann. 36. Außerdem ist anzumerken, dass die durch die objektive und subjektive Zurechnungslehre entwickelten dogmatischen Rechtsgrundsätze (z. B. erlaubtes Risiko, Vertrauensgrundsatz, Rückkehrverbot, Zurechnung zu dem Zuständigkeitsbereich des Opfers usw.) wesentliche normative Auslegungselemente der Vorschriften sind, die die Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen regeln. Sie ermöglichen oder vereinfachen zumindest

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sowohl die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme als auch die Bestimmung des Umfangs der Teilnahme. 37. Die von der h. L. als Akzessorietät der Teilnahme bezeichneten Rechtskategorien sind nach dem in der vorliegenden Untersuchung entwickelten Standpunkt bloße Strafbarkeitserfordernisse; denn diese Kategorien befassen sich nicht mit der Frage, warum ein Bürger für ein Täter- und Teilnehmerunrecht zuständig ist, sondern mit der Frage, wann oder unter welchen Erfordernissen der Täter oder Teilnehmer eines bestimmten Strafunrechts bestraft werden darf. Diese Unterscheidung erwächst daraus, dass, während sich die Begründung eines Täter- oder Teilnehmerunrechts auf die Verletzung der strafrechtlichen Allgemein- oder Sonderpflicht (Verstoß gegen die strafrechtliche Allgemein- oder Sonderverhaltensnorm) bezieht, die Bestrafung des Täters und Teilnehmers eines Strafunrechts mit der Erfüllung der Bedingungen einer konkreten strafrechtlichen Sanktionsnorm verbunden ist. Solche materiellen Strafbarkeitserfordernisse der Teilnahme sind objektiver und subjektiver Natur. III

38. Bei den Allgemeinpflichtdelikten fußt das Täterunrecht auf dem Verstoß gegen die negative allgemeine Pflicht des „Nicht-Schädigens“ fremder Freiheitssphäre; das Teilnehmerunrecht stützt sich hingegen auf die Verletzung der Pflicht, „keinen Beitrag zur Verletzung eines fremden Freiheitsraums durch einen Dritten zu leisten“. Bei den Sonderpflichtdelikten beruht die Täterschaft auf der Verletzung der Pflicht, die positive Sonderzuständigkeit richtig zu erfüllen; im Vergleich dazu basiert die Teilnahme auf der Verletzung der Pflicht, nicht an der Verletzung einer positiven Sonderpflicht durch einen Sonderpflichtträger mitzuwirken. 39. Bei den unternehmerischen Allgemeinpflichtdelikten sind strafrechtlich verantwortlich diejenigen, die ihre Allgemeinpflicht verletzen und aus der strafrechtlichen Verantwortlichkeit diejenigen ausgeschlossen, die eine solche Allgemeinpflicht nicht verletzen. In diesem Sinne hängt die Täterschaft oder Teilnahme der Unternehmer, Unternehmensleiter und Untergeordneten von der Art der verletzten strafrechtlichen Pflicht ab. So ist Täter bei den unternehmerischen Allgemeinpflichtdelikten die unternehmensbezogene Person, die gegen die die Täterschaft begründende strafrechtliche negative Allgemeinpflicht verstößt, die lautet: „Die Unternehmen (bzw. Unternehmensleiter) sind verpflichtet, den Freiheitsbereich der Bürger zu respektieren, weswegen sie ihre Geschäftsaktivitäten richtig organisieren müssen, um den anderen nicht zu beschädigen.“ Teilnehmer ist seinerseits derjenige, der die die Teilnahme bildende strafrechtliche negative Allgemeinpflicht verletzt, die darin besteht, „zur Verletzung eines fremden Freiheitsraums durch Unternehmensleiter nicht beizutragen“. 40. Bei den unternehmerischen Allgemeinpflichtdelikten gründet sich die Anstiftung auf die durch § 26 dStGB, Art. 28 Abs. 2a sStGB und die jeweiligen Straftatbestände des Besonderen Teils beider Strafrechtssysteme festgestellten

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Verletzung der negativen Allgemeinpflicht. Diese Pflicht verbietet einerseits allen mit einem Unternehmen verbundenen Personen, durch die Verletzung ihrer Unternehmenspflichten einen Dritten zu veranlassen, gegen das Neminem-Laede-Prinzip zu verstoßen (endogen-exogene Anstiftung); andererseits verpflichtet sie alle Bürger dazu, die unternehmensbezogenen Personen nicht zu veranlassen, eine Wirtschaftsstraftat zu verwirklichen (exogen-endogene Anstiftung). 41. Bei den unternehmerischen Allgemeinpflichtdelikten liegt die Grundlage der Beihilfe in der Verletzung der negativen Allgemeinpflicht, die zum einen die mit dem Unternehmen verbundenen Personen verpflichtet, „einem außenstehenden Dritten bei der Verletzung seiner die Täterschaft begründenden negativen Allgemeinpflicht nicht zu helfen“ und zum anderen allen Bürgern verbietet, „den Unternehmern oder Unternehmensleitungsorganen Hilfe zu leisten, ihre negativen allgemeinen Unternehmenspflichten zu verletzen“. Solch eine negative Allgemeinpflicht ist insbesondere in § 27 dStGB, Art. 28 Abs. 2, 29 sStGB und den entsprechenden Straftatbeständen des Besonderen Teils der Strafrechtssysteme Deutschlands und Spaniens vorgesehen. Der Verstoß gegen die erste negative Allgemeinpflicht fundiert die Beihilfe der Unternehmer oder Unternehmensleitungsorgane an einem negativen Allgemeinpflichtdelikt; die Verletzung der zweiten Pflicht begründet ihrerseits die Beihilfe von nicht unternehmensbezogenen Personen, deren Täterunrecht von den Unternehmern oder Unternehmensorganen ausgeführt wird, an einem unternehmerischen Allgemeinpflichtdelikt. 42. Im Bereich der unternehmerischen Allgemeinpflichtdelikte vertritt die in der vorliegenden Untersuchung entwickelte Pflichtverletzungslehre eine unterschiedliche strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmern und Unternehmensleitern, wenn sie ihre negativen unternehmerischen Allgemeinpflichten verletzen, keinen Dritten zur Durchführung von Straftaten zu veranlassen. Denn im Gegensatz zur Rechtsprechung und überwiegenden Strafrechtslehre Deutschlands und Spaniens, die eine mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft von Unternehmern und Unternehmensleitern befürworten, wenn ihre rechtswidrigen Entscheidungen von Untergebenen frei ausgeführt werden, befürwortet die Pflichtverletzungstheorie die strafrechtliche Verantwortlichkeit von den Unternehmern und Unternehmensleiter als Anstifter bzw. Täter. 43. Im Bereich der unternehmerischen Allgemeinpflichtdelikte gilt die unterschiedliche strafrechtliche Verantwortlichkeit der Unternehmensleiter von zwei Wirtschaftsunternehmen mit autonomer Organisation (etwa Mutter- und Tochtergesellschaft), wenn sie mit ihren jeweiligen rechtswidrigen Entscheidungsfindungen bei der Ausführung vorsätzlicher Straftaten zusammenwirken. Im Gegensatz zu der herkömmlichen Strafrechtswissenschaft, die die Mittäterschaft der Unternehmensleiter beider Unternehmen befürwortet, wenn die Muttergesellschaft zur Herbeiführung eines Allgemeinpflichtdelikts von Seiten der Tochtergesellschaft beiträgt, begründet die Pflichtverletzungstheorie die Beihilfe der Unternehmensleiter der

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Muttergesellschaft und die Täterschaft der Unternehmensführer der Tochtergesellschaft. 44. Die in dieser Untersuchung vertretene Pflichtverletzungstheorie begründet die Strafverantwortung von Unternehmern, Unternehmensleitern und Untergebenen entweder als Täter oder als Teilnehmer in bestimmten Fällen unternehmerischer Allgemeinpflichtdelikte, in denen sie durch die traditionelle Strafrechtswissenschaft in der Regel aus der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ausgeschlossen werden, weil die Straftaten, die von den Beteiligten verwirklicht werden, aus ihrer Sicht durch das mit der Ausübung beruflicher Tätigkeiten oder neutraler Handlungen verbundene erlaubte Risiko gedeckt sind. 45. Bei unternehmerischen Allgemeinpflichtdelikten spricht sich die Pflichtverletzungstheorie entgegen der überwiegenden Strafrechtswissenschaft, welche die Mittäterschaft von Unternehmensleitern und Untergebenen im Falle des Vorliegens eines gemeinsamen Tatentschlusses und der wesentlichen Beiträge bejaht, für eine differenzierte strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beteiligten aus. Dementsprechend sind Unternehmensleiter und Untergebene als Täter bzw. Gehilfen verantwortlich, weil diese unabhängig vom Vorhandensein oder Fehlen eines gemeinsamen Tatentschlusses und des Quantums ihrer Beiträge gegen ihre jeweiligen negativen Allgemeinpflichten verstoßen, die die Täterschaft bzw. Beihilfe begründen. IV

46. Bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten gründen sich die Täterschaft und Teilnahme auf die Verletzung unterschiedlicher strafrechtlicher Pflichten: Die Täterschaft beruht auf der Verletzung der positiven Sonderunternehmenspflicht, die nur dem Intraneus (z. B. Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einer AG, Geschäftsführer einer GmbH) entspricht und in § 25 dStGB, Art. 28 Abs. 1 sStGB geregelt ist; die Teilnahme beruht ihrerseits auf der Verletzung der alle Bürger betreffenden negativen Allgemeinpflicht, die in §§ 26, 27, 28 dStGB und Art. 28 Abs. 2, 29, 65 Abs. 3 sStGB geregelt ist und alle Bürger verpflichtet, nicht zur Verletzung der positiven Sonderunternehmenspflicht beizutragen. 47. Die Täterschaft bei den unternehmerischen Sonderpflichtdelikten gründet sich auf die Verletzung der positiven Sonderpflicht, die lautet: „Die Unternehmen oder die sonderpflichtigen Unternehmensleiter müssen ihre positive strafrechtliche Sonderpflicht, die darin besteht, eine günstige Situation für eine staatliche, soziale oder persönliche Einrichtung zu schaffen oder zu fördern, richtig erfüllen.“ Diese positive Sonderunternehmenspflicht ist grundsätzlich in den §§ 25, 14 dStGB, Art. 28 Abs. 1, 31 ff. sStGB sowie in den Straftatbeständen des Besonderen Teils der Strafgesetzbücher und anderen strafrechtlichen Nebengesetze Deutschlands und Spaniens geregelt. 48. Die Teilnahme an den unternehmerischen Sonderpflichtdelikten stützt sich auf den Verstoß gegen die strafrechtlichen negativen Allgemeinpflichten, die alle Bürger verpflichten, „nicht an der Verletzung einer positiven Sonderpflicht durch einem

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unternehmensbezogenen Sonderpflichtträger mitzuwirken“. Diese Pflichten sind in §§ 26, 27 dStGB und Art. 28 Abs. 2 sStGB (i. V. m. § 14 dStGB, Art. 31 f. sStGB sowie in den Straftatbeständen des Besonderen Teils des deutschen und spanischen Strafgesetzbuchs und anderen strafrechtlichen Nebengesetzen Deutschlands und Spaniens) geregelt. 49. In den Rechtsordnungen Deutschlands und Spaniens beruht die Anstiftung bei den unternehmerischen Sonderpflichtdelikten auf der Verletzung der in § 26 dStGB und Art. 28 Abs. 2a sStGB geregelten negativen Allgemeinpflicht, die es allen Bürgern untersagt, „einen intranen Unternehmensleiter zur Verletzung seiner positiven Sonderunternehmenspflicht zu veranlassen“. In ähnlicher Weise gründet sich die Beihilfe in den Strafrechtssystemen Deutschlands und Spaniens auf die Übertretung der in § 27 dStGB und in den Art. 28 Abs. 2b, 29 sStGB enthaltenen negativen Allgemeinpflicht, die lautet: „Niemand darf einem unternehmerischen Sonderpflichtträger bei der rechtswidrigen Verletzung seiner unternehmensbezogenen positiven Sonderpflicht Hilfe leisten“. 50. Die in §§ 14, 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1, 31 ff. sStGB geregelten strafrechtlichen Sonderpflichten, deren Verletzung die Täterschaft bei den unternehmerischen Sonderpflichtdelikten begründet, sind unmittelbarer und individueller Natur. So regeln die §§ 14, 25 dStGB und Art. 28 Abs. 1, 31 ff. sStGB aus der in der vorliegenden Arbeit vertretenen normativen Sicht nur die unmittelbare Einzeltäterschaft, so dass außerhalb des ontologischen Bereichs keine mittelbare Täterschaft, Mittäterschaft, mittelbare Mittäterschaft, kumulative Mittäterschaft, alternative Mittäterschaft, additive Mittäterschaft, ontologisch-normative Mittäterschaft, normative Mittäterschaft, usw. vorliegt. 51. In diesem Sinne wird in dieser Untersuchung für das Vorliegen mehrerer paralleler unimittelbarer Einzeltäterschaften der Unternehmensleiter in den Fällen unternehmerischer Sonderpflichtdelikten eingetreten, in denen die herkömmliche Strafrechtswissenschaft und Rechtsprechung Deutschlands und Spaniens andere Beteiligungsformen vertreten, etwa a) das Bestehen einer Mittäterschaft der Unternehmensleiter, b) die Bestrafung der Unternehmensleiter als bloße Anstifter, c) das Vorliegen einer mittelbaren Unterlassungsmittäterschaft der Unternehmensleiter, d) die mittelbare Täterschaft der Unternehmensleitungsmitglieder kraft Verletzung ihrer positiven Sonderunternehmenspflichten durch die Instrumentalisierung eines nichtqualifizierten vorsatzlos handelnden Vordermannes, eines qualifizierten vorsatzlosen Werkzeugs, eines qualifikationslosen dolosen Instruments, e) die Bildung einer kumulativen Mittäterschaft, einer alternativen Mittäterschaft, einer additiven Mittäterschaft, einer ontologisch-normativen Mittäterschaft, oder einer normativen Mittäterschaft. 52. Was in der These 50 gesagt wurde führt zu folgenden Bestrafungsformen bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten: a) die Bestrafung des Extraneus als unmittelbarer Täter eines Allgemeinpflichtdelikts (soweit ein solches verwirklicht wurde) in den Fällen, in denen die sonderpflichtigen Unternehmensleitungsmit-

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glieder vorsatzlos oder gerechtfertigt handeln; b) die Bestrafung des Extraneus als Gehilfe zu einem unternehmerischen Sonderpflichtdelikt in den Fallkonstellationen, in denen die positive Sonderunternehmenspflicht phänotypisch durch eine Mitherrschaft von Außenstehenden und sonderpflichtigen Unternehmensleitern, durch eine ausschließliche Herrschaft von Außenstehenden und eine Hilfeleistung von Unternehmenssonderpflichtträgern, durch eine ausschließliche Tatherrschaft vom Extraneus und ein Bestimmen von Unternehmenssonderpflichtträgern oder durch eine ausschließliche Tatherrschaft von Außenstehenden und eine vorsätzliche Unterlassung von Unternehmenssonderpflichtträgern verletzt wird. Die herkömmliche Strafrechtswissenschaft plädiert hingegen für eine differenzierte Bestrafung des Extraneus. In diesem Sinne schlägt dieser Sektor der Strafrechtslehre die folgenden Lösungen vor: a) Der Extraneus ist Gehilfe eines Sonderpflichtdelikts und Täter eines Allgemeinpflichtdelikts, wenn die Verletzung der positiven Unternehmenspflicht von Intraneus und Extraneus mitbeherrscht wird, wenn die Verletzung der positiven Unternehmenspflicht unter ausschließlicher Herrschaft des Extraneus und mit Hilfe oder Anstiftung des Intraneus erfolgt. 53. Aus der These 50 und den §§ 26, 27, 28 Abs. 1, 29, 30 dStGB und Art. 28 Abs. 2, 29, 65 Abs. 3 sStGB, die die allgemeine Teilnahme und daher die Teilnahme der Außenstehenden an den unternehmerischen Sonderpflichtdelikten regeln, ergibt sich, dass die Unternehmensleiter immer als Täter und die Nichtqualifizierten immer als Teilnehmer bestraft werden müssen, wenn sie sich gemeinsam an der Verletzung einer positiven Sonderunternehmenspflicht beteiligen. V

Die in dieser Untersuchung entwickelte Pflichtverletzungstheorie hat Vorteile gegenüber anderen theoretischen Beteiligungsmodellen: 54. Bei unternehmerischen Allgemeinpflichtdelikten überwindet das in dieser Untersuchung entwickelte Beteiligungsmodell die dogmatischen Schwierigkeiten der auf der Kategorie der Tatherrschaft beruhenden Mittäterschaft und mittelbaren Täterschaft. Die unmittelbare Täterschaft wird statt der Mittäterschaft angewendet, um die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beteiligten in Fällen zu begründen, in denen sich einerseits mehrere Unternehmensleiter und Untergebene an der rechtswidrigen Entscheidungsfindung oder an der Ausführung der sich daraus ergebenden Straftaten beteiligen und diese kollektive Beteiligung die Erfordernisse der Mittäterschaft nicht erfüllt. 55. Bei unternehmerischen Allgemeinpflichtdelikten ermöglicht die Verwendung der unmittelbaren Täterschaft anstelle der mittelbaren Täterschaft die täterschaftliche Verantwortlichkeit der Unternehmer, Unternehmensleiter und Untergebenen fraglos in allen Fällen zu begründen, in denen einerseits die Unternehmer oder Unternehmensleiter die von den Untergebenen vorsätzlich ausgeführte Verwirklichung von Straftaten organisieren und andererseits die Unternehmer oder Unternehmensleiter keine tatsächliche Herrschaft über die Untergebenen haben, weil die

Schlussfolgerungen

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letzten frei handeln. So werden die Unternehmensorgane als unmittelbare Täter, da sie unabhängig von dem Fehlen der Herrschaft über die Untergebenen ihre Überwachungs- und Kontrollpflichten verletzen, die sich aus ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung ergeben. In gleicher Weise haften die Untergebenen als unmittelbare Täter, weil sie gegen ihre negative Allgemeinpflicht verstoßen, keine verbotenen strafrechtlichen Risiken zu schaffen. 56. Bei unternehmerischen Sonderpflichtdelikten überwindet das hier vorgeschlagene theoretische Beteiligungsmodell die Schwierigkeiten, die andere theoretische Beteiligungsparadigmen haben, die Täterschaft von Unternehmensleitern bei Kollegialentscheidungen zu begründen, wenn sie rechtswidrige Kollegialentscheidungen nicht einstimmig, sondern mit einfacher Mehrheit, also mit Ja-Stimmen, Gegenstimmen und Enthaltungen treffen. Außerdem kann die hier vertretene Pflichtverletzungslehre die Täterschaft der Unternehmensleiter problemlos begründen, wenn die rechtswidrigen Kollegialentscheidungen durch geheime Abstimmung, scheinbare Gegenstimmen oder rechtmäßige Gegenstimmen getroffen werden. Ebenfalls ermöglicht das hier entwickelte Beteiligungsmodell, die Täterschaft der Unternehmensleiter und die Teilnahme des Außenstehenden fraglos zu begründen, wenn die Unternehmensleiter ihre positiven Sonderunternehmenspflichten durch die vorsätzliche Handlung eines nichtqualifizierten Vordermannes verletzen. Darüber hinaus hat das in dieser Untersuchung entwickelte dogmatische Beteiligungsmodell keine Schwierigkeit, die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beteiligten in Fällen zu begründen, in denen einerseits mehrere Unternehmensleiter und Untergebene an rechtswidrigen Entscheidungen oder an der Ausführung des sich daraus ergebenden Sonderstrafunrechts beteiligen und andererseits die kollektive Beteiligung der Unternehmensleitungsmitglieder und Extranei weder die ontologischen Voraussetzungen der Mittäterschaft noch der mittelbaren Täterschaft erfüllt. Schließlich bewältigt das hier vertretene dogmatische Täterschafts- und Teilnahmesystem die dogmatischen Inkonsistenzen und kriminalpolitischen Straflosigkeitsprobleme der klassischen Beteiligungsmodelle im Bereich der fälschlich als unechte Sonderdelikte benannten Sonderpflichtdelikte, weil das hier vorgeschlagene Modell den Unternehmensleitern und Außenstehenden dasselbe Sonderpflichtdelikt zurechnet, wenn sie an der Durchführung der genannten Delikte kollektiv beteiligt sind. 57. Bei unternehmerischen Allgemein- und Sonderpflichtdelikten ermöglicht die Anwendung der in der vorliegenden Untersuchung entwickelten Theorie der Pflichtverletzungsdelikte auf die Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen die Strafverantwortung von Unternehmern, Geschäftsführern und Untergebenen zu begründen und abzugrenzen, unabhängig davon, ob sie in einer horizontalen Rechtsstellung stehen, in der Unternehmensinhaber und Untergebene die gleichen Rechtspflichten haben, oder in einem vertikalen Rechtsverhältnis, in dem die unternehmensbezogenen Personen unterschiedliche Rechtspflichten tragen. Grund dafür ist, dass in großen, modernen Wirtschaftsunternehmen die Pflichten genau definiert sind, unabhängig davon, ob

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Schlussfolgerungen

die Pflichtträger auf gleicher Ebene (horizontale Beziehung) oder in verschiedenen Rechtsstellungen (hierarchische Beziehung) stehen. 58. Alles Gesagte zeigt, dass die in dieser Untersuchung entwickelten und die von der Strafrechtswissenschaft und Rechtsprechung vertretenen Gesichtspunkte in diametralem Gegensatz zu der in der klassischen Lehre vertretenen Begründung der Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen stehen: Während die Strafrechtswissenschaft und die Rechtsprechung die Täterschaft und die Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen auf das ontologischen Kriterium der Tatherrschaft gründen, werden diese Strafhaftungsformen in der vorliegenden Untersuchung an die Verletzung negativer allgemeiner Pflichten oder an die Verletzung positiver Sonderpflichten geknüpft.

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Stichwortverzeichnis Abgrenzung – des untersuchten Themas 34 – zwischen den Verantwortungsbereichen von Intraneus und Extraneus 455 – 522 – zwischen den Verantwortungsbereichen von Tätern und Teilnehmern 288 – zwischen den Verantwortungsbereichen von Unternehmensinhabern, -leitern usw. 289, 379, 384, 452 – zwischen Handlung und Nichthandlung 87 – zwischen Täterschaft und Teilnahme 90, 94 f., 97, 229, 323 – 325, 388, 393, 536 Akzessorieta¨ t – Akzessorieta¨ t der Beihilfe 179, 192 – Akzessorieta¨ t der Teilnahme 98, 100, 152, 162, 171, 193, 219, 289, 241, 504, 536 – akzessorieta¨ tsorientierte (Haupt-)Verursachungstheorie 153, 196 – akzessorieta¨ tsorientierte Lehre der Teilnahme 115, 152 f. – Grundlage der Akzessorieta¨ t der Teilnahme 195, 529 – Hyperakzessorieta¨ t der Strafbarkeit der Anstiftung 170 f. – limitierte Akzessorieta¨ t der Teilnahme 174, 198, 504 analysierte Fälle – Anesvad-Fall 216 – Bremer Vulkan-Fall 210 – 212 – Colza-Fall 215 f. – faktischer Geschäftsführer-Fall 216 f. – Immobiliengesellschaft-Fall 209 f. – Kanzlei-Fall 204 – Kapitalanlage-Fall 203 f. – Lederspray-Fall 207 – 209 – Lieferungs-Fall 200 – 202 – Lo¨ sungsmodell 276, 414, 417 f., 463, 484, 523, 525

– Mannesmann-Fall 213 f. – Steuerhinterziehung-Fa¨ lle 217 f. – Tierarztpraxis-Fall 202 f. Anstiftung des Extraneus zu Sonderunternehmenspflichtdelikten 490 – 506 – klassische Anstiftung ohne Tatherrschaft 491 – 494 – Scheinanstiftung zum gerechtfertigten Strafunrecht des Intraneus 499 – 504 – Sonderanstiftung zum entschuldigten Strafunrecht des Intraneus 504 – 506 – Sonderanstiftung zum schuldlosen Strafunrecht des Intraneus 504 – 506 – Scheinanstiftung zum vorsatzlosen Strafunrecht des Intraneus 495 – 499 Anstiftungsformen des Extraneus und Intraneus zu Allgemeinunternehmenspflichtdelikten 432 – 440 – „exogen-endogene Anstiftung“ des Extraneus 432, 537 – „endogen-exogene Anstiftung“ des Intraneus 432, 537 Antithesen – Einzelheit 308/ Allgemeinheit 309 – Empirismus 39 ff./ Idealismus 49 ff. – Freiheitsorganisation/Folgenverantwortung 109, 323 – Gerechtigkeit 151, 196, 307/ Ungerechtigkeit 48, 50, 61 – Herrschaftsdelikte/Pflichtdelikte 89 – 96 – Mensch/Person 310 – negative Allgemeinpflichten 311 – 313/ positive Sonderpflichten 311, 314 – negative Allgemeinpflichtdelikte/positive Sonderpflichtdelikte 318, 324 – 338 – Objektivita¨ t/Subjektivita¨ t 314 – Pflichten/Rechte 304, 309 f., 312

Stichwortverzeichnis – Sein/Sollen 33, 63, 65, 83, 87, 97, 101, 111, 117 f., 142, 284, 528 – Strafe 318/ Verbrechen 317 f. – Zentralfigur 91 – 94, 96, 109, 144, 285, 287, 292/ Randfigur 93 f., 158, 248, 256, 292 Aphorismen – das Recht ist das Reich der verwirklichten Freiheit 311 – das Recht ist die Freiheit 312 – das StGB ist die positive Verfassung aller Bu¨ rger 317 – das StGB ist Magna Charta des Verbrechers 317 – der Täter ist die Zentralgestalt der Tatbestandsverwirklichung 91, 96, 144 – der Täter ist Herr über die Tat 70 – der Teilnehmer ist Randfigur der Tatbestandsherbeiführung 93 f., 158, 292 – „sei eine Person und respektiere die anderen als Personen“ 312 Beihilfe des Extraneus zu negativen Allgemeinunternehmenspflichtdelikten 440 – 450 – wegen Verletzung negativer Allgemeinpflichten durch neutrale Handlungen 446 – 450 – wegen Verletzung negativer Allgemeinpflichten mit Tatherrschaft 444 – 446 – wegen Verletzung negativer Allgemeinpflichten mit wesentlichem Beitrag 443 f. – wegen Verletzung negativer Allgemeinpflichten ohne Tatherrschaft 441 – 443 Beihilfe des Extraneus zu positiven Sonderunternehmenspflichtdelikten 506 – 526 – durch Beteiligung mit Bestimmen des Sonderpflichtträgers 516 – 518 – durch Beteiligung mit Hilfeleistung des Sonderpflichtträgers 514 – 516 – durch Beteiligung mit Mitherrschaft von ihm und dem Sonderpflichtträger 510 – 514 – durch Beteiligung mit vorsätzlichem Unterlassen des Sonderpflichtträgers 518 – 520 – durch „scheinbare“ gerechtfertigte Beteiligung 522

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Beihilfe des Intraneus zu negativen Allgemeinunternehmenspflichtdelikten 450 – 455 Bestimmung des (Un-)erlaubten Risikos – Erlaubter Vertrauensgrundsatz 385 – 387 – Regressverbot 388 f. – Zusta¨ ndigkeitsbereich des Opfers 389 f. Bestimmung von Grundbegriffen 34 – 36 – Gemium oder Kollegialorgan 35 – Kollegialentscheidung 35 – Kollektiventscheidung 35 – Pflichtdeliktslehre 34 – Sonderpflichtdelikt 34 – Wirtschaftsunternehmen 35 Deliktsarten – Allgemeindelikt/Gemeindelikt 92, 196, 329 – Begehungsdelikte 87, 131, 180, 284, 349, 364 – Erfolgsdelikte 363 f., 391, 535 – Fahrla¨ ssigkeitsdelikte 67 – 69, 72 f., 80, 112, 131, 183, 194, 346, 349 – Gefa¨ hrdungsdelikte 175, 275 – institutionelle Zuständigkeitsdelikte 108 – 112 – negative Allgemeinpflichtdelikte 305 f., 325 – 330, 325 – 338, 394 – 455 – Organisationszuständigkeitsdelikte 34, 108 – 111, 112 f., 484, 532 – Pflichtdelikte 34, 89 – 91, 91 – 93, 93 – 96 – positive Sonderpflichtdelikte 34, 37, 311, 317 – 319, 325 – 338, 455 – 522, 534, 541 – Tatherrschaftsdelikte 34, 68 – 73, 73 – 77, 90 – 92, 94 – Ta¨ tigkeitsdelikte 364 – Unterlassungsdelikte 70, 87, 112, 131, 161, 180, 284 f., 364, 471 – Verletzungsdelikte 275, 352 Elemente der Mittäterschaft bei den Herrschafts- oder Organisationsdelikten – funktionelle Tatherrschaft oder arbeitsteiliges Zusammenwirken 128 f. – gemeinsamer Tatentschluss 127 f. – wesentlicher Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung 129 f.

606

Stichwortverzeichnis

Elemente der Mittäterschaft bei den Pflichtdelikten bzw. funktionellen Zuständigkeitsdelikten – „gemeinsame Pflichtverletzung“ 130 f. – „gemeinsamer Tatentschluss“ 130 Erfolg – Erfolgsabwendung 364 – Erfolgsbewirkung 130 – Erfolgseintritt 42 f., 45, 47, 55, 57, 155, 191, 222, 270, 272, 273–276, 281, 283, 364, 391 – Erfolgsherbeiführung 53, 72, 190, 286 – Erfolgsunwert 107, 152 – 154 – Erfolgsursache 70 – Erfolgsverursachung 45, 54, 58, 149, 157, 219, 471 – Erfolgsverwirklichung 55, 68, 121, 272, 274 – Erfolgsvorwurf 154 – Taterfolg 179 Erkenntnis – Erkenntnisgegenstand 40, 49, 62, 100 ff. – Erkenntnisvalidierung 102 – Erkenntniswesen 39, 50, 62 f., 101 f. – Methode zum Erkenntnisgewinn 39 f., 49 f., 63, 82, 100 f. – Scho¨ pfer der Erkenntnis 49 f., 101 f. Erkenntnistheoretische Strömungen – Empirismus 38 f., 47, 63, 101, 527, 531 – Idealismus 33, 38, 39, 49, 51, 101, 118, 230, 527 f., 531 – Konstruktivismus 33, 39, 100 – 102, 105, 118, 527 f. – Neuhegelianismus 82, 84 f., 89, 117, 527 f. – Neukantianismus 49, 82, 84 – 86, 89, 117, 528 – ontologischer Realismus 62 f., 73

Fahrlässigkeit – fahrlässige Anstiftung 72, 131, 173, 183, 342 f., 345 – 347 – fahrlässige Beihilfe 72, 131, 183, 193 f., 342 f., 345 – 347 – fahrlässige Mittäterschaft 72, 131 – fahrlässiges (Haupt-)Strafunrecht 146, 169, 170, 192, 198 – fahrla¨ ssige Verantwortlichkeit 323

– Fahrla¨ ssigkeitsdelikte 67 – 69, 72 f., 80, 113, 194, 346 Formen der Anstiftung bei den Tatherrschafts- bzw. Organisationsdelikten 159 – 174 – „Abstiftung“ 166, 174 – „Aufstiftung“ 166, 174 f. – „einfache“ Anstiftung 159 f., 168 f. – „Kettenanstiftung“ 166, 167, 174 – „Mitanstiftung“ 166, 174 – „Nebenanstiftung“ 166, 174 – „sukzessive“ Anstiftung 165, 174 – „Umstiftung“ 166, 174 Formen der Beihilfe bei Tatherrschafts- bzw. Organisationsdelikten 175 – 178, 183 – 186, 187 – 195 – einfache Beihilfe 189 f., 194 – erforderliche Beihilfe 187 – 189, 194 – mitta¨ terschaftliche Beihilfe 183 f., 194 – mittelbare Beihilfe 183 f., 194 – Nebenbeihilfe 183 f., 194 – physische Beihilfe 183 f. – psychische Beihilfe 183 f., 194 – sukzessive Beihilfe 183 – tateinheitliche Beihilfe 183 f., 194 – tatmehrheitliche Beihilfe 183 f., 194 Formen der klassischen mittelbaren Täterschaft – wegen Benutzung eines Schuldunfähigen 134 – wegen Irrtumsherrschaft (Wissensdefizit) 133 – wegen Willensherrschaft (Nötigung) 133 Formen der modernen mittelbaren Täterschaft – wegen mittelbarer Pflichtverletzung 134 f. – wegen Organisationsherrschaft des Unternehmens 199 – 205, 237 – 255 – wegen organisatorischer Machtapparate 135 – 137 Formen der Täterschaft bei den klassischen Pflichtdelikten 124 – 135 – Mittäterschaft 126 – 131 – mittelbare Täterschaft 131 – 135 – unmittelbare Täterschaft 124 – 126

Stichwortverzeichnis Formen der Täterschaft bei den Tatherrschafts- bzw. Organisationsdelikten 124 – 145 – additive Mitta¨ terschaft 140 – 141 – alternative Mittäterschaft 139 – 140 – klassische mittelbare Täterschaft 131 – 135 – Mittäterschaft 126 – 131 – mittelbare Täterschaft wegen Tatherrschaft kraft organisatorischen Machtapparats 135 – 137 – Nebentäterschaft 138 – 139, 205 – 207 – Sukzessive Mitta¨ terschaft 140 – unmittelbare Täterschaft 124 – 126 Freiheitsarten – abstrakte Freiheit 300, 310, 312 f. – individuelle Freiheit 98, 105, 108, 124, 177, 298, 302, 305 – 308, 315 f., 427 – kollektive Freiheit 306, 309, 316 f. – natu¨ rliche Freiheit 297 f., 300, 301, 303, 309 f., 315 – reale Freiheit 310, 313 – Rechtsfreiheit 277, 310 – unendliche Freiheit 297 – vollkommene Freiheit 298 – wirkliche Freiheit 315 geprüfte Tatbestände – Ausbeutung der Arbeitskraft von Minderja¨ hrigen 433 – 435 – Bestechungsdelikt 464 – 466, 511 – 514 – Betrug 404, 413 ff., 423 f., 442 f., 448 f., 520 – Bodenverunreinigung 437 – 440 – Erpressung 401 f. – Falsche Angaben 481 f., 505 f., 516 – 518 – Geldwa¨ sche 362, 383, 389, 473, 426 – 428, 447, 449 f., 471 – 473 – Gesundheitsdelikte 236, 362 – Gewa¨ sserverunreinigungsdelikt 399 f., 437 – 440 – Ko¨ rperverletzungsdelikte 383, 417, 423 – 425, 451 – Korruptionsdelikte 362, 383 – Luftverunreinigung 413 ff. – No¨ tigung 435 f., 443 f., 499 – 504 – Sachbeschädigung 520

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– – – – – –

sexueller Missbrauch 433 – 435 Staatsverbrechen 245, 264 Steuerhinterziehung 218, 449 f. Totschlag 164, 260, 383, 417, 430 f. Umweltdelikt 291, 418 ff., 452 unrichtige Darstellung 467 – 470, 475 – 477, 516 – 518, 521 f. – Untreue 253, 261, 332, 460 – 463, 471 – 474, 492 – 494, 503 f., 509 f., 515 f., 519 – Verletzung der Berichtspflicht 456, 478 f., 492 – 494 – Verletzung der Geheimhaltungspflicht 498 f., 509 f. – Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen 408 – 412, 444 – 446 gesetzliche Teilnahmeformen – Anstiftung zur versuchten Hauptstraftat 162, 344 f. – Beihilfe zur versuchten Hauptstraftat 192 – dolose Anstiftung zur fahrlässigen Hauptstraftat 170, 173 f. – einfache Beihilfe 175 f., 189 f. – erforderliche Beihilfe 187 – 189, 339 f. – fahrlässige Anstiftung 173 f., 342 f., 345 – 347 – fahrlässige Beihilfe 193 f., 342 f., 345 – 347 – versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen 148 f., 162, 345 – vollendete Anstiftung 161, 171, 344 – vollendete Beihilfe 179, 192, 344 Grundlage – der Täterschaft bei negativen Allgemeinpflichtdelikten 321 – 325, 326 – 329 – der Täterschaft bei positiven Sonderpflichtdelikten 326 – 330 – der Teilnahme an negativen Allgemeinpflichtdelikten 332 – 337 – der Teilnahme an positiven Sonderpflichtdelikten 332 – 338 juridische Widrigkeitsarten – Normwidrigkeit 153, 349, 351 – Pflichtwidrigkeit 152, 349, 351 – Rechtswidrigkeit 42 f., 51, 66, 68, 106, 143, 153, 157, 340 – 343, 499, 503

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Stichwortverzeichnis

kausale Täterschaftsformen bei horizontalen Unternehmensstrukturen – additive Mittäterschaft 271 f. – alternative Mittäterschaft 270 f. – kumulative Mittäterschaft 269 f. Kausalität – „ada¨ quate Kausalita¨ t“ oder „objektive Gefa¨ hrlichkeit“ 52 f. – additive Kausalität 271 – alternative Kausalität 139, 271 f., 274 f. – Kausalzusammenhang 29, 43, 44 f., 58, 116, 120 f., 180, 215, 222, 267, 272 f., 275 – 277 – kumulative Kausalität 269, 271 f., 274 f. Kausal-naturalistische Beteiligungstheorien 43 – 48 – objektiv-kausale Einheitsta¨ tertheorie 44 – 46 – subjektiv-kausale Zurechnungstrennungstheorie 46 – 47 Kausal-naturalistische Strafrechtswissenschaft 39 ff. – Aufbau der Verbrechenslehre 51 – 43, 47 – 49 – erkenntnistheoretischer Ausgangspunkt 39 – 41 – Konstruktion der Beteiligungslehre 43 – 49 Kausal-normative Strafrechtswissenschaft 49 ff. – Aufbau der Verbrechenslehre 51 f., 59 – 62 – erkenntnistheoretischer Ausgangspunkt 49 – 51 – Konstruktion der Beteiligungslehre 52 – 62 Mittäterschaftsformen bei Herrschafts- bzw. Organisationsdelikten – additive Mittäterschaft 138, 140 f., 142, 145 – alternative Mittäterschaft 138 – 140, 142, 145, 268 – klassische Mittäterschaft 126 – 131 – Nebentäterschaft 132, 138 f., 145, 184, 529 – sukzessive Mittäterschaft 138, 140, 142, 146, 259, 262 f., 265, 407, 409, 529, 531

Neukantianische und hegelianische (Straf-) Rechtswissenschaft – Aufbau der Verbrechenslehre 86 – 89 – Entstehung der Pflichtdeliktslehre 89 – 96 – erkenntnistheoretischer Ausgangspunkt 82 – 84 – Konstruktion der Beteiligungslehre 89 – 126 – Neubegründung der Zwecke des Strafrechtssystems 84 – 86 nichtqualifizierter Beteiligte – qualifikationsloses doloses Werkzeug 48, 96, 134, 200, 218, 229, 342, 479 – 481, 524 f., 539 – qualifikationsloses vorsatzloses Werkzeug 134, 474, 478, 521 – qualifizierter vorsätzlicher Hintermann 217 f. – qualifiziertes vorsatzloses Werkzeug 341, 477 normativ-teleologisches Beteiligungssystem 89 – 96 – Grundlage der Täterschaft bei den Pflichtdelikten 91 – 93 – Grundlage der Täterschaft bei den Tatherrschaftsdelikten 91 – 93 – Grundlage der Teilnahme bei den Pflichtdelikten 93 – 96 – Grundlage der Teilnahme bei den Tatherrschaftsdelikten 93 – 96 – Pflichtverletzung als Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme 90 f. – Tatbestandsformulierung als Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme 89 – 91 – Tatherrschaft als Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme 89 f. Notstand – entschuldigender Notstand 89, 133, 341, 344, 499 – 503, 505, 522 – Nötigungsnotstand 499 – 503, 505 – rechtfertigender Notstand 499 – 503

objektive normativ-kausale Beteiligungstheorien 53 – 57 – objektiv-formale Täterschaftstheorie 53 f.

Stichwortverzeichnis – objektiv-materielle Gleichzeitigkeitstheorie 56 f. – objektiv-materielle Unentbehrlichkeitstheorie 55 objektiver Tatbestand der Anstiftung – Beginn des Versuchs der Haupttat 161 f. – Bestimmen zur Herbeiführung der Haupttat 162 f., 172 f. – Vorliegen einer Haupttat 161 f., 170 – 172 objektiver Tatbestand der Beihilfe – Hilfeleistung zur Verwirklichung der Ta¨ terhaupttat 179 f., 190 f. – Versuchsbeginn der Haupttat 179, 192 – Vorliegen einer Haupttat 178 f., 191 f. ontologische realistische Strafrechtswissenschaft 62 ff. – Aufbau der Verbrechenslehre 65 – 68 – erkenntnistheoretischer Ausgangspunkt 62 f. – Konstruktion des Beteiligungssystems 68 – 77 – synthetischer Gegenstand des Strafrechts 63 – 65 ontologisch-normative Täterschaftsformen bei horizontalen Unternehmensstrukturen – einfache Beihilfe 292 – erforderliche Beihilfe 218 – 221, 291 f. – Klassische Mittäterschaft 207 – 215, 215 – 217, 278 – 283 – mittäterschaftliche Anstiftung 290 f. Prinzipien/Grundsätze – Akzessorieta¨ tsprinzip der Beihilfe 179, 192 – Akzessorieta¨ tsprinzip der Teilnahme 98, 100, 152, 162, 171, 193, 219, 289, 241, 504, 536 – Eigenverantwortungsprinzip 132, 143, 152, 251, 323 – Gesetzlichkeitsprinzip 90, 96 – 98, 160, 173, 193, 228, 253, 289, 337, 343, 363, 414, 488, 504, 515 – Gleichheitsprinzip 142, 289 – in dubio pro reo-Grundsatz 141, 276, 289, 487

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– limitiertes Akzessorieta¨ tsprinzip der Teilnahme 174, 198, 504 – neminem-laedere-Prinzip 34, 112, 300, 304 f., 315, 318, 333 f., 432, 537 – Prinzip des „Nicht-Scha¨ digens“ 34, 303 – 305, 315, 318, 328, 354, 389, 536 – Schuldprinzip 324, 368 – Selbstbestimmungs- oder Selbstorganisationsprinzip 322 f. – Strafverantwortungsprinzip fu¨ r das eigene Strafunrecht 32, 250, 289, 322, 324 f., 353, 370, 372, 534 – Verantwortungsprinzip fu¨ r das eigene Verhalten 323 f. Rechtsbegriff – abstrakter Rechtbegriff 311 f., 313 – liberaler Rechtsbegriff 301 – 304 – negativer Rechtsbegriff 301 – 303 – negatives Rechtsversta¨ ndnis 301 f., 303, 305 – positiver Rechtsbegriff 311 – 315, 317 Schuld – Schuldausschließungsgrund 266, 504 – Schuldbegriff 42, 51, 79, 89, 107 – Schuldelemente 134 – Schuldfa¨ higkeit 107, 134, 161 – Schuldfunktion 107 – Schuldgrad 46 – Schuldinhalt 68 – Schuldprinzip 324, 368 – Schuldtheorie 152 – Schuldunfa¨ higkeit 133, 161 Selbstverantwortungsgrundsatz- oder Selbstverantwortungsprinzip – als Abgrenzungselement der Verantwortungsbereiche 323, 325 – als Grundlage aller Strafhaftungsformen 322 ff. – als Grundlage des Täter- und Teilnehmerstrafunrechts 324 ff. – als Grundpfeiler des Verantwortungsprinzips für die eigene Schuld 324 – als Grundvoraussetzung für das demokratische (Straf-)Rechtssystem 322 f. – als Kern des Verantwortungsprinzips für das eigene Strafunrecht 324

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Stichwortverzeichnis

soziologisch-funktionalistische Strafrechtswissenschaft – Aufbau der Verbrechenslehre 105 – 108 – Begründung des Beteiligungssystems 108 – 112 – Entstehung der Organisations- und Zuständigkeitsdeliktslehre 108 f. – erkenntnistheoretischer Ausgangspunkt 100 – 103 – Zwecke und Aufgaben des Strafrechtssystems 103 – 105 Staat – Begriff des Staats 296 – 398, 306, 308 – Natur des liberalen Rechtsstaates 296 f., 304 f., 310, 319 – Natur des sozialdemokratischen Verfassungsstaates 33, 76, 124, 221, 276, 293, 295, 306 – 308, 315, 319, 321 f., 323, 386, 389, 477, 532 f. – Schöpfung des Staates 297 – Schutzfunktion des liberalen Rechtsstaates 296 – 298, 305 f., 307 – Zweck des Verfassungsstaates 306 – 308, 311 Strafbarkeitserfordernisse – Objektive Strafbarkeitserfordernisse der Teilnahme 342 – 345 – Strafbarkeitserfordernisse der Täterschaft 340 f. – Subjektive Strafbarkeitserfordernisse der Teilnahme 345 – 347 Strafunrecht – Allgemeinstrafunrecht 30 – eigenes Strafunrecht 82, 250, 289, 324 f., 353, 370, 372, 452, 489, 534 – fremdes Strafunrecht 159, 176 – Sonderstrafunrecht 497, 499, 525, 541 – Täterstrafunrecht bei negativen Allgemeinpflichtdelikten 325 – 329 – Täterstrafunrecht bei positiven Sonderpflichtdelikten 325 – 330 – Teilnehmerstrafunrecht bei negativen Allgemeinpflichtdelikten 332 – 337 – Teilnehmerstrafunrecht bei positiven Sonderpflichtdelikten 332 – 338 – versuchtes Strafunrecht 167, 345, 352 – vollendetes Strafunrecht 487

– vorsätzliches Strafunrecht 164, 169, 194 Strafunwert 288, 334, 338, 344, 350, 488, 491, 507, 529 – des Erfolgs 107, 152 – 154 – der Rechtsgutsgefa¨ hrdung 156, 352 – der Rechtsgutsverletzung 156, 352 – des Täterunrechts 46, 54, 56, 59, 111, 118, 123, 130, 154 – 158, 196, 223, 334 f., 338, 344, 350, 488, 491, 507, 529 – des Teilnehmerunrechts 46, 54, 56, 59, 111, 118, 130, 149, 151 – 158, 158, 179, 189, 196, 223 – des Verhaltens 59, 69, 91, 107, 150, 153 f., 175, 325 – der Verletzung des Strafunrechts des extranen Gehilfen 507 – der Verletzung einer negativen Allgemeinpflicht des Teilnehmers 158, 324, 351, 488 – 490 – der Verletzung einer positiven Sonderpflicht des Täters 158, 324, 351, 488 – 490 Strafvorwurf – der Rechtsgutsverletzung 156 – der Sonderpflichtverletzung 123 – der täterschaftlichen Sonderpflichtverletzung 159 f. – der Tatherrschaft 123, 284 – der teilnehmerischen Allgemeinpflichtverletzung 159 f. – des Erfolgs 154 – des Fehlens der Tatherrschaft 69, 71, 77 f., 94, 149 – 158, 350 – des Teilnehmerverhaltens 151 Strafwürdigkeit – der mittelbaren Täterschaft 132 – der Sonderpflichtdelikte 90 f. – der Teilnahme an Allgemeinpflichtdelikten 336, 529 – der Teilnahme an Herrschaftsdelikten 195 – der Teilnahme an Pflichtdelikten 157, 195 – der Teilnahme an Sonderpflichtdelikten 336, 529 – der versuchten Teilnahme 148 f. – der vollendeten Teilnahme 150 – 152

Stichwortverzeichnis Strafzwecke bzw. Zwecke des Strafrechts – Betätigung der Verbindlichkeit der Strafrechtsnorm 107 f. – positiv generalpra¨ ventive Integration 85, 107 – spezialpra¨ ventive Resozialisierung 85 – unmittelbarer Rechtsgu¨ terschutz 85 – unmittelbarer Schutz sozialethischer Grundwerte 64 – Wierderherstellung des Rechts 318 Struktur der Mittäterschaft bei Unternehmensstrukturen – „besondere Ta¨ terqualita¨ t“ 181 f. – funktionelle Arbeitsteilung 280 – gemeinsamer Tatentschluss 279 f. – wesentlicher Beitrag zur Tatbestandsherbeifu¨ hrung 280 f. Struktur mittelbarer Täterschaft kraft Organisationsherrschaft bei Unternehmen – freie Handlung des handelnden Vordermannes 242 f. – Fungibilität des handelnden Vordermannes 241 f. – privilegierte Stellung der Unternehmensleiter 240 – vertikale Struktur der Wirtschaftsunternehmen 239 f. Struktur mittelbarer Täterschaft kraft organisatorischen Machtapparats 135 ff. – Fungibilität oder Austauschbarkeit des ausführenden Vordermannes 136 – Rechtsgelöstheit des Machtapparates 136 – sichere Ausführung des Straftatbestandes 136 – vorsätzliche Handlung des Vordermannes 135 ff., 143, 200, 218, 224 f. subjektive normativ-kausale Theorien 57 – 59 – subjektive normativ-kausale Tatherrschaftstheorie 58 f. – subjektive normativ-kausale Überordnungs- und Unterordnungstheorie 57 f. subjektiver Tatbestand der Anstiftung – Fahrlässigkeit bezüglich des Bestimmens zur Haupttat 173 f., 342 f., 345 – 347 – Fahrlässigkeit bezüglich des Vorliegens der Haupttat 173 f., 342 f., 345 – 347

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– Vorsatz bezüglich des Bestimmens zur Haupttat 163 – 165, 173 f., 345 – 347 – Vorsatz bezüglich des Vorliegens der Haupttat 163 – 165, 173 f., 345 – 347 subjektiver Tatbestand der Behilfe – Fahrlässigkeit bezüglich der Hilfeleistung zur Haupttat 173 f., 342 f., 345 – 347 – Fahrlässigkeit bezüglich des Vorliegens der Haupttat 173 f., 342 f., 345 – 347 – Vorsatz bezüglich der Hilfeleistung zur Haupttat 182 f., 192 – 194, 345 – 347 – Vorsatz bezüglich des Vorliegens der Haupttat 181 f., 192 – 194, 345 – 347 systemisch konstruktivistisches Beteiligungssystem 108 – 112 – abhängige Natur der Teilnahme bei den institutionellen Zuständigkeitsdelikten 110 f. – abhängige Natur der Teilnahme bei den Organisationsdelikten 110 f. – autonome Natur der Täterschaft bei den institutionellen Zuständigkeitsdelikten 109 – autonome Natur der Täterschaft bei den Organisationsdelikten 109 – Begründung der Täterschaft bei den institutionellen Zuständigkeitsdelikten 110 f. – Begründung der Täterschaft bei den Organisationsdelikten 110 f. – Begründung der Teilnahme bei den institutionellen Zuständigkeitsdelikten 111 f. – Begründung der Teilnahme bei den Organisationsdelikten 111 f. Täterschaftsformen bei negativen Allgemeinpflichtdelikten 330 – 332 Täterschaftsformen bei positiven Sonderpflichtdelikten 330 – 332 Täterschaftsformen bei vertikalen Unternehmensstrukturen – Anstiftung des Hintermannes 259 f. – erforderliche Beihilfe des Vordermannes 260 f. – klassische mittelbare Täterschaft 234 – 237 – klassische Täterschaft 233 f.

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Stichwortverzeichnis

– Mittäterschaft statt Organisationsherrschaft 255 – 258 – mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft 237 – 255 – Sondermittäterschaft des Hintermannes 259 – sukzessive Mittäterschaft des Vordermannes 259 – unmittelbare Sondertäterschaft des Hintermannes 260 f. – unmittelbare Sondertäterschaft des Vordermannes 259 f. Tatherrschaftsbewertung – als Bestimmungsmaß der Strafmilderung 349 – 352 – als Bestimmungsmaß der Strafschärfung 349 – 352 – als Kern des Verhaltensbegriffs 347 – 349 – als Unterscheidungsmaß der Beihilfeformen 350 Tat- und Gesetzeskonkurrenz – Idealkonkorrenz 184, 468, 512 f. – Mittelkonkurrenz 216 – Realkonkurrenz 184, 216, 218, 468, 512 f. – Schein- oder Gesetzeskonkurrenz 468, 513 Theorien über das Teilnehmerunrecht – Theorie der akzessorietätsorientierten Haupttatverursachung 152 – Theorie der autonomen Rechtsgutverletzung 149 – Theorie der materiellen Gerechtigkeit (Schuld- und Unrechtsteilnahme) 151 – Theorie der mittelbaren Verletzung der fremden Täterverhaltensnorm 153 – Theorie der unmittelbaren autonomen Teilnahmenormverletzung 155, 157 f., 196

unmitelbare Einzeltäterschaft des Intraneus bei Allgemeinunternehmenspflichtdelikten 395 – 431 – wegen anstiftender Mitwirkung zur Verletzung der Allgemeinpflichten 425 – 428

– wegen eigenhändiger Verletzung der Allgemeinpflichten 398 – 402 – wegen einzeltatherrschaftlicher Verletzung der Allgemeinpflichten 406 – 420 – wegen fahrlässiger Mitwirkung zur Verletzung der Allgemeinpflichten 428 – 431 – wegen gemeinschaftlicher Verletzung der Allgemeinpflichten 402 – 405 – wegen hilfeleistender Mitwirkung zur Verletzung der Allgemeinpflichten 425 – 428 – wegen unterlassender Mitwirkung zur Verletzung der Allgemeinpflichten 425 – 428 – wegen Verletzung der Allgemeinpflichten durch mittelbare Tatherrschaft 420 – 425 unmitelbare Einzeltäterschaft des Intraneus bei positiven Sonderunternehmenspflichtdelikten – wegen anstiftender Sonderpflichtverletzung 467 – 470 – wegen einzeltatherrschaftlicher Sonderpflichtverletzung 463 – 466 – wegen einzeltatherrschaftlicher Verletzung der Allgemeinpflichten 415 – 420 – wegen fahrlässiger Mitwirkung zur Verletzung der Allgemeinpflichten 428 – 431 – wegen gemeinsamer arbeitsteiliger Sonderpflichtverletzung 461 – 463 – wegen hilfeleistender Mitwirkung zur Verletzung der Allgemeinpflichten 425 – 428 – wegen paralleler Sonderpflichtverletzung durch aktives Tun 459 – 461 – wegen Sonderpflichtverletzung durch dolose Mehrheitsentscheidungen 482 – 487 – wegen Sonderpflichtverletzung durch ein nichtqualifiziertes doloses Werkzeug 479 – 482 – wegen Sonderpflichtverletzung durch ein nichtqualifiziertes vorsatzloses Werkzeug 474 – 477 – wegen Sonderpflichtverletzung durch ein qualifiziertes vorsatzloses Werkzeug 477 – 479

Stichwortverzeichnis – wegen unterlassender Sonderpflichtverletzung 470 – 474 Verhaltensnorm – Allgemeinverhaltensnorm 353, 536 – Sonderverhaltensnorm 353, 457, 536 – Strafverhaltensnorm 31, 33, 104, 106, 122, 136, 153, 157, 191, 202, 220, 263, 284, 299, 314, 318, 320, 357, 372, 383, 435, 451, 467, 501, 513, 534 – Täterverhaltensnorm 156 – Teilnehmerverhaltensnorm 156 Werte/Wertvorstellungen – ethische Werte 86 – grundlegende Sozialwerte 33, 50 – kulturelle Grundwerte 50 – metaphysische Wertideen 78, 84, 117 – Wertvorstellungen 50, 59, 116, 527 – Zweckideen 50

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Zurechnung – objektive Zurechnung 87 f., 106, 172, 180, 384, 423, 423 f., 452 – objektiv-kausale Zurechnungseinheitslehre 44, 47 – subjektive Zurechnung 196, 239, 355, 370, 384, 390, 423, 425, 439, 448 f., 477 – subjektiv-kausale Zurechnungstrennungslehre oder -theorie 44, 46 – 48 – Zurechnungsfa¨ higkeit 43, 58 – Zurechnungskriterien 48 – Zurechnungsmodell der Teilnahme 198, 370 – Zurechnungsnorm 146, 148, 154, 158, 177, 366, 395, 436, 489 – Zurechnungssystem 83, 116, 117 – 119, 142, 144, 147, 527 f. – Zurechnungstitel 111, 515 – Zurechnungstypen 73 – Zurechnung zum Zuständigkeitsbereich des Opfers 389 f.