236 45 4MB
German Pages 495 [497] Year 2021
chiara cognetti
Totenkult und Ahnenverehrung im hethitischen Anatolien Vorstellungen, Rituale und Institutionen
Universitätsverlag
win t e r
Heidelberg
texte der hethiter
Philologische und historische Studien zur Altanatolistik Begründet von Annelies Kammenhuber † Weitergeführt von Gernot Wilhelm Susanne Heinhold-Krahmer Neu herausgegeben von Paola Cotticelli-Kurras Wissenschaftlicher Beirat Stefano De Martino (Turin) Mauro Giorgieri (Pavia) Federico Giusfredi (Verona) Susanne Heinhold-Krahmer (Feldkirchen) Theo van den Hout (Chicago) Annick Payne (Bern) Alfredo Rizza (Verona) Heft 32
chiara cognetti
Totenkult und Ahnenverehrung im hethitischen Anatolien Vorstellungen, Rituale und Institutionen
Universitätsverlag
winter
Heidelberg
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Zugl.: München; Univ., Diss., 2016
isbn 978-3-8253-4698-0 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 2021 Universitätsverlag Winter GmbH Heidelberg Imprimé en Allemagne · Printed in Germany Druck: Memminger MedienCentrum, 87700 Memmingen Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem und alterungsbeständigem Papier. Den Verlag erreichen Sie im Internet unter: www.winter-verlag.de
Ai miei genitori Maria Ester e Giuseppe
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
11
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Texte, Literatur Allgemeines Zeichenerklärung
13 13 21 22
I
Einleitung 1 Ziel und Gegenstand der Arbeit 2 Zur Terminologie des Toten- und Ahnenkults
23 23 27
II
Die Bezeichnungen der Vorfahren 1 Zu den Ursprüngen der Figur des Großvaters 2 „Großvater“ versus „Großväter/Vorfahren“ 3 „Gottheiten des Großvaters“ versus „Gottheiten der Großväter/Vorfahren“ 4 „Großväter (und) Großmütter“ als „Ahnen“ 5 „Großväter (und) Großmütter“ und „Väter“ im Totenritual 6 „Großvater“ als „Ur-, Ururgroßvater“ 7 „Urgroßvater“ als „Ururgroßvater“ 8 AB. BA( ḪI.A) versus A-AB-BA(-A): Sumerogramm oder Akkadogramm? 8.1 „Vater“ und „Väter“ als königliche Vorgänger 8.2 Weitere Redewendungen für die königlichen Vorgänger 9 „Väter (und) Großväter“ als königliche Vorgänger und namenlose Ahnen? 10 „frühere Könige“ 11 Zusammenfassung
29 29 32 43 45 54 59 64 69 72 80 87 94 103
7
III
8
Die Bezeichnungen für Tote und Totengeister GIDIM/akkant1.1 GIDIM/akkant- „Totengeist“ 1.1.1 Totengeister als KIN-Orakel 1.1.2 nakku(wa)-: eine besondere Art Totengeister? 1.2 GIDIM/akkant- „Bild/Statue“ 1.2.1 Totenritual šalliš waštaiš 1.2.2 Orakeluntersuchungen 1.2.3 Rituale 1.3 GIDIM/akkant- „Leichnam“ 1.3.1 Toter als Leichnam im Totenritual šalliš waštaiš 1.3.2 Nicht-königliche Tote: Leichenverbrennung oder Bestattung? 1.3.3 Kontakt mit den Toten und daraus resultierende Unreinheit 1.4 GIDIM/akkant- „Toter“: keine Leichenschändung bei den Hethitern 1.5 Die Bedeutung der Knochen. GIDIM/akkant- auch als „Gebeine des Toten“? 1.6 Zusammenfassung 2 Die Zawalli-Gottheiten 2.1 Austauschbarkeit von GIDIM und DZawalli? 2.2 Zum Konzept der Zawalli-Gottheit 2.3 Kult der Zawallis und ihre Aufbewahrungsorte 2.3.1 Städte und Personen in Verbindung mit Zawalli-Gottheiten 2.3.2 Zawalli-Gottheiten in Verbindung mit Opfern, Festen und Feldern 2.3.3 Zawalli-Gottheiten als kollektive Göttergruppe 2.4 Der Zawalli des lebenden Königs, die TempelZawallis und die Haus-Zawallis 2.5 Zawalli-Gottheiten in Verbindung mit Träumen 2.6 Zusammenfassung 1
107 107 110 125 126 139 139 142 150 159 159 165 176 186 191 206 210 213 217 235 235 251 260 266 290 296
IV
Toten- und Ahnenkult im Steinhaus 1 Das Totenritual šalliš waštaiš 1.1 Vor der Leichenverbrennung 1.2 Nach der Leichenverbrennung 2 Die Lokale im Totenritual šalliš waštaiš 3 Das Gebäude bzw. die Institution des (göttlichen) Steinhauses 3.1 Das É „Haus“ und das É.NA4 „Steinhaus“ im Totenritual šalliš waštaiš 3.2 Bezeichnung É.NA4: metaphorische Verwendung und Steinhaus als Untergeschoss des Hauses (Vergleich mit KUB XXX 28+ und KUB XXXIX 49 // KBo XII 120) 3.3 Struktur des Untergeschosses bzw. des Steinhauses stricto sensu 3.4 Das Ersatzritual KBo XV 2+ 3.5 NA4ḫekur Pirwa, É.NA4 DINGIRLÌ mTudḫaliyaš und É.NA4 (DINGIRLÌ) addaš in der Orakelanfrage KUB XVI 39+ 3.6 Weitere Belege von Steinhäusern der verstorbenen Könige 3.7 Totenkult im (göttlichen) Steinhaus 3.7.1 Die Verehrung der Statue des Toten in der É karimmi „Heiligtumszelle? “ 3.7.2 Die Göttlichkeit des Steinhauses 3.7.3 Totenkult im (göttlichen) Steinhaus versus Statuenkult in den Tempeln und anlässlich der Festrituale 3.8 Steinhäuser außerhalb von Ḫattuša für Mitglieder der königlichen Familie 4 Offizieller Ahnenkult im (göttlichen) Steinhaus 5 Das Haus bzw. der Palast des Großvaters meiner Sonne 6 Zusammenfassung
QUELLENINDEX ABoT Bo
299 299 302 306 311 314 315
325 338 343 346 372 376 376 386 387 394 405 416 423 429 429 429 9
HFAC HHT HKM HT IBoT KBo KUB VBoT Sonstiges LITERATURVERZEICHNIS
10
430 430 430 430 431 431 439 456 456 459
VORWORT
Die vorliegende Arbeit stellt eine revidierte und mit Indizes versehene Version meiner Dissertationsarbeit dar, die ich im März 2016 bei Prof. Dr. Jared Miller in München eingereicht habe. Prof. Dr. Paola Cotticelli und den Mitgliedern des Herausgeberbeirates danke ich sehr für die Aufnahme des Werkes in die Reihe Texte der Hethiter. Des Weiteren möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bei all denjenigen bedanken, die mich während und nach meiner Promotionszeit mit ihrer fachlichen und freundschaftlichen Unterstützung auf meinem Weg durch diese Arbeit begleitet haben. Insbesondere danke ich Prof. Dr. Jared Miller, der mich mit seiner fachlichen Begeisterung und rigorosen Genauigkeit im Laufe meiner Untersuchung immer wieder ermutigt und mir mit seiner Diskussionsbereitschaft stets zur Seite gestanden hat. Von seiner konstruktiven Kritik und seinen mannigfaltigen Empfehlungen hat meine Arbeit immer profitiert. Für ebenso bereichernde Kommentare und Kritiken bedanke ich mich bei Prof. Dr. Theo van den Hout: Seine zahlreichen Publikationen haben mich zu der Auswahl des Dissertationsthemas inspiriert und sein Beistand während dieser Arbeit war für mich ein Privileg. Prof. Dr. Walther Sallaberger danke ich für seine Anmerkungen und bibliographischen Hinweise. Sein freundlicher Empfang am Institut für Assyriologie und Hethitologie bleibt unvergessen und wird mir immer in positiver Erinnerung bleiben. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft möchte ich für das dreijährige Promotionsstipendium danken, das es mir erlaubte, am Graduiertenkolleg Formen von Prestige in Kulturen des Altertums teilzunehmen. Meine Mitarbeit am von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten und von Prof. Dr. Jared Miller geleiteten Forschungsprojekt Rekonstruktion der Archive des großen Tempels hat mir zudem ermöglicht, die Fertigstellung meiner Dissertation auch nach Ablauf des Graduiertenkollegs fortzusetzen. Darüber hinaus möchte ich mich bei Dr. Martin Weidlich und Stefan Odzuck für das Korrekturlesen meiner Arbeit sehr bedanken, welches ich durch das Stipendium der Promovierendenförderung GCCW (Global Cultures – Connecting Worlds) finanzieren konnte. 11
Ein ganz besonderer Dank gebührt dem Team des Hethitischen Wörterbuchs – Prof. Dr. Joost Hazenboos und Dr. Albertine Hagenbuchner – für die spannende Zusammenarbeit und bereichernde Freundschaft, Prof. Dr. Daniel Schwemer für seine Kritiken und Anregungen bei der Überarbeitung des Textes sowie Dr. Susanne Heinhold-Krahmer für Ihre Korrekturen und Verbesserungen. Zu Dank verpflichtet bin ich meinen Professorinnen an der Universität Florenz, Franca Pecchioli Daddi, die mich in das Studium der Hethitologie eingeführt hat, und Giulia Torri, die mich ermutigt hat, meinen wissenschaftlichen Weg nach dem Studium fortzuführen. Alle anderen Wissenschaftler, die durch ihre Beiträge meine Recherche positiv beeinflusst haben, mögen es mir nachsehen, dass sie nicht namentlich aufgeführt werden. Ein herzlicher Dank gilt allen Menschen, die in den letzten Jahren innerhalb und außerhalb der Bibliothek mit mir jeden Tag verbracht haben: Die Durchführung meiner Arbeit wurde in jeder Hinsicht erleichtert durch ihre beständige Unterstützung in Form von wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen spannenden Diskussionen, Mittagessen, Abendessen, Umtrünken und Spaziergängen. Infine, i miei più affettuosi ringraziamenti vanno alle persone che rappresentano sempre il punto di riferimento in ogni aspetto della mia vita: alla mia famiglia, che non ha mai mancato di ascoltarmi, stimolarmi, incoraggiarmi, confortarmi e credere in me. E in particolare ad i miei genitori, ai quali dedico questo libro, che da sempre mi ispirano a seguire la mia strada con consapevolezza e gioia.
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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Texte, Literatur …/a, …/b usw. ABAW ABoT ADOG AfO AHw AION ALASPM AMD An AnOr AnSt AOAT AOATS AoF AOS ArAnz
Nummern unveröffentlichter Boğazköy-Tafeln aus den Grabungen 1931ff. Abhandlungen der (Königlichen) Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Klasse (Neue Folge), München. Balkan K.: Ankara Arkeoloji Müzesinde Bulunan Boğazköy Tabletleri, Istanbul 1948. Abhandlungen der Deutschen Orient-Gesellschaft, Berlin. Archiv für Orientforschung (Beih. = Beiheft), Berlin – Graz – Horn. von Soden W.: Akkadisches Handwörterbuch. Unter Benutzung des lexikalischen Nachlasses von Bruno Meissner (1868-1947), Wiesbaden 1965-1981. Annali dell'Istituto Orientale di Napoli, Napoli. Abhandlungen zur Literatur Alt-Syrien-Palästinas und Mesopotamiens, Münster. Ancient Magic and Divination, Leiden – Boston – Köln. Anatolica. Annuaire Internationale pour les Civilizations de l’Asie Antérieure (Institut historique et archéologique néerlandais à Istanbul), Leiden. Analecta Orientalia. Commentationes Scientificae de Rebus Orientis Antique, Roma. Anatolian Studies. Journal of the British Institute of Archaeology at Ankara, London. Alter Orient und Altes Testament: Veröffentlichungen zur Kultur und Geschichte des Alten Orients und des Alten Testaments, Kavelaer – Neukirchen-Vluyn – Münster. Alter Orient und Altes Testament – Sonderreihe, Kavelaer – Neukirchen-Vluyn. Altorientalische Forschungen, Berlin. American Oriental Series. American Oriental Society, New Haven. Archäologischer Anzeiger, Berlin – Mainz.
13
ArchAn ArOr AS AuOr Suppl. BCBO Belleten BibAth BiOr Bo Bo 68/…ff. BoHa BoSt CAD CDOG CHANE CHD CHDS ChS CM CNES CollAn
CoS
CTH
14
Archivum Anatolicum. Anadolu Arşivleri (Ankara Üniversitesi Dil ve Tarih-Coğrafya Fakültesi, Eskiçağ Dilleri ve Kültürleri), Ankara. Archív Orientální. Quarterly Journal of African, Asian and Latin American Studies, Praha. Assyriological Studies. Oriental Institute of the University of Chicago, Chicago. Aula Orientalis Supplementa, Sabadell. Biblioteca de Ciencias Bíblicas y Orientales, Madrid. Türk Tarih Kurumu. Belleten, Ankara. Biblioteca di Athenaeum, Como. Bibliotheca Orientalis, Leiden. Inventarnummern unveröffentlichter Tontafeln aus Boğazköy. Inventarnummern unveröffentlichter Tontafeln aus Boğazköy aus den Grabungen 1968ff. Boğazköy-Ḫattuša. Ergebnisse der Ausgrabungen, Mainz – Berlin. Boghazköi-Studien, Leipzig. Chicago Assyrian Dictionary, Chicago. Colloquien der Deutschen Orient-Gesellschaft, Berlin – Wiesbaden. Culture and History of the Ancient Near East, Leiden – Boston – Köln. The Hittite Dictionary of the Oriental Institute of the University of Chicago, Chicago. Chicago Hittite Dictionary Supplements, Chicago. Corpus der hurritischen Sprachdenkmäler, Roma. Cuneiform Monographs, Leiden – Boston. Caucasian and Near Eastern Studies, Tbilisi. Colloquium Anatolicum/Anadolu Sohbetleri (Institutum Turcicum scientiae antiquitatis cum collaboratione Societatis Anatolicae/ Türk eskiçağ bilimleri enstitüsü Societas Anatolica’nın isbirliği ile, İstanbul. Hallo W.W. (hg. von): The Context of Scripture 1. Canonical Composition from the Biblical World, Leiden – New York – Köln 1997. 2. Monumental Inscriptions from the Biblical World, Leiden – Boston – Köln 2000. 3. Archival Documents from the Biblical World, Leiden – Boston – Köln 2002. Catalogue des textes hittites.
CUSAS DBH DMOA Eothen FHL
Fs Alp Fs Beckman Fs Biggs Fs de Meyer Fs de Roos
Fs Dinçol-Dinçol Fs Güterbock
Fs Güterbock2 Fs Haas Fs Hawkins
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16
Fs Otten2 Fs T. Özguç Gs Forrer Gs Güterbock
Gs Imparati Gs Korolëv Gs Kronasser Gs Meriggi Gs Neu Gs Otten Gs Sachs HANE-M HANE-S HbOr HED HEG Hethiter-Portal Heth HH
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17
HHT Hist HSM HSS HT HZL HW HW2
IBK IBoT IBS IEED IF IKH
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PdP PIHANSt RANT RGTC RHA RHR RlA Sem et Clas SMEA SSR STC StBoT StBoTB StMed StudAs StudTroica TH TUAT Erg. NF UF Ug VS NF WAW WO YOSR ZA ZABR ZVS
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Allgemeines Abl. ah. akk. Akkus. Anm. c. Dat. Dat.-Lok. Dupl. ead. enkl. Gen. heth. hurr. ibid. id. Imp. Instr. jh. Kaus. Kol. lk. Kol. Lok. mh. MP/P n. Nom. Nom.-Akk. Pl. PN Pers. Personalpron. Possessivpron. Pron. Prs. Prt. r. Kol. Ras.
Ablativ althethitisch akkadisch Akkusativ Anmerkung Genus commune Dativ Dativ-Lokativ Duplikat eadem enklitisch Genitiv hethitisch hurritisch ibidem idem Imperativ Instrumental junghethitisch Kausativ Kolumne linke Kolumne Lokativ mittelhethitisch Mediopassiv/Passiv Genus neutrum Nominativ Nominativ-Akkusativ Plural Personenname Person Personalpronomen Possessivpronomen Pronomen Präsens Präteritum rechte Kolumne Rasur
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Relativpron. Rez. Rs. s. / S. Sing. sum. vgl. Vok. Vs. wörtl. Z. / Zz.
Relativpronomen Rezension Rückseite siehe / Seite Singular Sumerisch vergleiche Vokativ Vorderseite wörtlich Zeile(n)
Zeichenerklärung […] [x] < > > { } * * ( ) ˹ ˺ x … /
?
!
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Lücke im überlieferten Text Lücke von ungefähr x Zeichen Auslassung im überlieferten Text im Text zu tilgen im überlieferten Text radiert im überlieferten Text über Rasur geschrieben (1) in der Transliteration: Ergänzung nach Duplikat (2) in der Übersetzung: stilistisch-syntaktisch bedingte Zusätze beschädigtes Zeichen unleserliches Zeichen überlieferte, aber hier in Transliteration und Übersetzung nicht wiedergegebene Textstelle Paragraphenstrich in der Übersetzung (1) unsichere Lesart eines Zeichens (2) unsichere Ergänzung (3) unsichere Übersetzung (1) nicht die Standardform des Zeichens (2) abweichend vom Zeichen im überlieferten Text zu deuten
I
Einleitung
Vita mortuorum in memoria vivorum est posita (Cicero) Tot ist nur, wer vergessen wird (Immanuel Kant) 1
Ziel und Gegenstand der Arbeit
Eine umfassende Untersuchung der Phänomene des Toten- und Ahnenkults bei den Hethitern ist trotz zahlreicher einschlägiger Einzelbeiträge seit längerem ein Desiderat der Forschung. Das Ziel der vorliegenden Studie ist daher, dem hethitischen Textkorpus sämtliche Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, zusammenzustellen und zu analysieren. So sollen auf Basis der textlichen Evidenz die für eine Deutung dieses Themenkomplexes grundlegenden Elemente herausgearbeitet werden. Ausgangspunkt dieser Arbeit ist eine ausführliche Analyse der Textstellen, welche die verschiedenen Bezeichnungen für „Vorfahren“ enthalten (s. Kap. II). Folgende Fragen werden zu diskutieren sein: Stellen die einschlägigen zu untersuchenden Ausdrücke nur verschiedene Bezeichnungen für denselben Referenten, d.h. die Vorfahren, dar? Oder finden sich Bedeutungs- bzw. Bezugsunterschiede je nach den von den Schreibern ausgewählten und in den Texten verwendeten Wörtern für Vorfahren? Sind mit dem Wort „Vorfahren“ nur diejenigen aus der königlichen Familie des Hethiterreiches gemeint? Oder wird damit auch auf mythische, angestammte Vorfahren Bezug genommen? Gingen die Vorfahren nach wenigen Generationen in ein anonymes Ahnenkollektiv über? Oder wurde ihrer stets individuell gedacht? Hatten die verstorbenen Könige eine herausgehobene Stellung unter den Vorfahren? Was für eine Rolle 23
spielten sie für die auf sie Bezug nehmenden Nachkommen? Galten die Vorfahren für die Nachkommenschaft als wachende, schützende oder strafende Instanz, indem sie die Bewahrung der sozialen Identität der Gemeinschaft aufrechterhalten konnten? Auf die Untersuchung der auf die Vorfahren referierenden Ausdrücke, die darüber hinaus in ihrem weiteren Kontext inhaltlich analysiert werden sollen, folgt eine ausführliche Studie der Bezeichnungen für die Toten, insbesondere im Kontext ihrer verschiedenen Kulte (s. Kap. III). Was hat man sich unter dem hethitischen Begriff „Toter“ vorgestellt? Sind damit schlicht Menschen, die gestorben sind, gemeint? Oder können so auch bildliche Darstellungen solcher Menschen bezeichnet werden, oder gar bloß ihre sterblichen Überreste, und zwar durch ihren Bezug auf den Verstorbenen? Oder ist mit „Toter“ auch die Vorstellung vom „Totengeist“ verbunden? Und wenn es sich so verhält, hatten die Totengeister in der damaligen Vorstellung noch eine Verbindung mit den Menschen, die sie im Leben gewesen sind, d.h. konnten z.B. Feindschaften aus ihren Lebzeiten auch nach dem Tod weiterbestehen und Auswirkungen haben? Gab es gute und böse Totengeister? Welche Arten von Unheil für die Lebenden konnten die Totengeister verursachen? Und wie konnten sie beruhigt und besänftigt werden? Existierten in der hethitischen Vorstellungswelt weitere Wesen numinosen Charakters, die irgendeine Verbindung mit den Verstorbenen aufweisen? Und wenn sie existierten, konnten sie auch, wie die Totengeister, den Lebenden empfindlichen Schaden zufügen? Inwiefern unterschieden sie sich von den Totengeistern? Sowohl hinsichtlich der Vorfahren als auch der Toten soll der Versuch unternommen werden, derartige Bezeichnungen in einen breiteren, historischen Rahmen einzubetten, um die zugrundeliegenden Vorstellungsmuster und deren Entstehungsgeschichte zu ermitteln. Auf die lexikographische und semantische Analyse folgt, darauf aufbauend, eine Untersuchung der verschiedenen Formen von Ahnen- und Totenkult bei den Hethitern (s. Kap. IV). Welche aussagekräftigen Anhaltspunkte für die einschlägige Untersuchung finden sich im Totenritualtext šalliš waštaiš (CTH 450, 451)? Wie und wo wurden bei diesem Ritual die Kulthandlungen am und mit dem Toten vor und nach der Leichenverbrennung durchgeführt? Ist den einschlägigen Textstellen eine genauere Struktur der letzten Beisetzungsstätte des Toten, d.h. des göttlichen Steinhauses (É.NA4 DINGIRLÌ), zu entnehmen? Wurde gerade dort das Totenritual für die Mitglieder der königlichen Familie durchgeführt? Galt 24
das göttliche Steinhaus darüber hinaus als Ort des Totenkultes? Ist der Totenkult im göttlichen Steinhaus von der Verehrung der Statuen der Könige in den Tempeln zu unterscheiden, oder kann man auch bei Letzterer vom Totenkult sprechen? Existierte die Institution des göttlichen Steinhauses nur in Ḫattuša, oder gab es auch außerhalb der hethitischen Hauptstadt göttliche Steinhäuser? Ist das göttliche Steinhaus lediglich als mutmaßlicher Ort für die Durchführung des Totenkultes in Betracht zu ziehen, oder fand dort auch der Kult der namenlosen Vorfahren, d.h. der Ahnenkult, statt? Um diese Fragen zu beantworten, wird zugleich anhand der Textquellen das mutmaßliche Verhältnis zum Ahnen- und Totenkult weiterer mit diesem in Zusammenhang gebrachten Gebäuden bzw. Institutionen (šinapši-, NA4ḫekur, É ḫuḫḫaš/É ABI ABI DUTUŠI/É.GAL ḫuḫḫaš) zu erörtern sein. Jedoch bildet die Suche nach der Vorstellung vom Jenseits und der damit zusammenhängenden Auffassung vom Tod nicht den roten Faden der hier durchzuführenden Untersuchung. Vielmehr wird das Augenmerk auf das Eindringen der Toten in den Alltag der Lebenden gerichtet, d.h. auf die den Ahnen und königlichen Vorgängern bei deren Nachkommen zugeschriebene Rolle und dementsprechend auf die Art des Ahnen- und Totenkults im Gemeinschaftsleben. Die in den hethitischen Texten bezeugten Vorstellungen einer Fortexistenz der Verstorbenen lassen sich jedoch nicht zu einem einheitlichen Bild zusammenfügen. In der hethitologischen Forschung wird häufig angenommen, der Ursprung widersprüchlicher Phänomene bzw. des Vorkommens nicht einzuordnender Elemente sei in Einflüssen aus Syrien oder Mesopotamien (durch Vermittlung Syriens) zu suchen, welche bei den Hethitern zu Einführung und Aneignung fremder Sitten und Konzepte geführt hätten. Vor dem Hintergrund dieser Annahme lässt sich der Gegenstand der vorliegenden Arbeit in den breiteren kulturellen Rahmen der altorientalischen Welt eingliedern. In der Forschung sind für Mesopotamien und Syrien bereits verschiedene mit dem Totenbereich zusammenhängende Themen untersucht worden. So kann an dieser Stelle auf die Studien über das Verhältnis zu den Vorfahren in ihrer (vergöttlichten) in-
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dividuellen und kollektiven Dimension in Babylonien,1 Ugarit,2 Emar, 3 Ebla,4 Qaṭna5 und Aššur6 verwiesen werden. Darüber hinaus sind die Untersuchungen zur Rolle der Totengeister in Mesopotamien, 7 zum Totenkult und dessen Bedeutung für die Gemeinschaft,8 zur Durchführung der Totenrituale9 und zur Verwendung von Statuen für die Verehrung der Toten insbesondere im syrischen 10 und „späthethitischen“ nordsyrischen Raum11 zu nennen. Abschließend sind die Studien zu den königlichen Palästen als Gräbern und Orten des Totenkultes zu erwähnen. 12 Vergleiche zwischen den Sitten aus verschiedenen Gebieten und Epochen erweisen sich stets als vielversprechend, denn aufgrund der Unterschiede führen die zu vergleichenden Bräuche zu Denkanstößen, die aufschlussreich und aussagekräftig für die Freilegung lang vergessener Kulthandlungen versunkener Kulturen sein können. Insbesondere gilt dies für ein Thema wie das des Todes, welcher zu denjenigen menschlichen Erfahrungen gehört, die „invariante Bestandteile der universalen Struktur der Lebenswelt“13 darstellen. Die kulturabhängig verschiedenen Vorstellungen über das Phänomen des Todes und die verschiedenen Wege, mit
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Finkelstein 1966; Wilcke 1983; van der Toorn 1996; id. 2008. Van der Toorn 1996: 154ff.; Lange 2012: 165-167; Archi 2012: 5f.; Niehr 2012: 154. Van der Toorn 1996: 56, 167; id. 2008. Ibid.; Archi 2012: 5f., 14ff. Pfälzner 2012 mit der dort zitierten Bibliographie. Hauser 2012: 27f. Bayliss 1973: 116-119; Scurlock 2006; Soeherman 2010; zur Nekromantie in neuassyrischer Zeit s. Hauser 2012: 20-24. Tsukimoto 1985; Scurlock 1995; van der Toorn 1996: 48-55; Soeherman 2010: 113f.; zum Totenopfer in Mari s. letztens Jacquet 2012 und Lange 2014 (auch für Qaṭna und Ugarit). Bayliss 1973: 123-125; Scurlock 2002; Hauser 2012: 11ff.; Charpin 2015: 105-125. Matthiae 1992; Novák et al. 2003: 146. Bonatz 2000. Heinrich 1984: 112f.; Novák 2000: 132ff.; Archi 2012: 9ff.; Pfälzner 2012; Jacquet 2012: 134; Hauser 2012: 369f. Zu den Begriffen, die im 2. und 1. Jt. v. Chr. in Mesopotamien ein Grab bezeichnen können, s. Lundström 2000: 620 und Novák 2000: 136ff. Diese Formulierung stammt von Luckmann 1996: 116.
den sterblichen Überresten der Dahingeschiedenen umzugehen, sind letztendlich als Versuch des Menschen zu verstehen, Antworten auf diese Frage zu finden. 2
Zur Terminologie des Toten- und Ahnenkults
Gerade in den letzten Jahrzehnten haben die Phänomene sowohl des Toten- als auch des Ahnenkultes und deren Begrifflichkeit in der altorientalistischen und alttestamentlichen Forschung an Bedeutung gewonnen. 14 Viele verschiedene Definitionen beider Begriffe können sich in Abhängigkeit von der Art der zu untersuchenden Gesellschaft ergeben. Daher ist an dieser Stelle eine Definition der terminologischen Grundlagen notwendig. Unter Totenkult sind in dieser Arbeit zuerst die Kulthandlungen zu verstehen, die im Laufe des Totenrituals am und mit dem Verstorbenen durchgeführt werden. Darüber hinaus ist mit diesem Begriff auch die regelmäßige Versorgung des Toten durch die Nachkommen gemeint. Im Falle der Hethiter kennen wir fast ausschließlich Quellen, die den Bereich der königlichen Familie betreffen. 15 Jedes Mitglied des Königshauses hatte kraft seiner Abstammung eine herausgehobene soziale Stellung, aufgrund derer es Anspruch auf das (königliche) Totenritual hatte. In der Regel konnte es eine (königliche) Nachkommenschaft vorweisen, war Gegenstand von Verehrung und Beopferung und konnte sich bei Unterlassung der Opfergaben gegen die eigene Gemeinschaft bzw. die königliche Familie wenden. Darüber hinaus lässt sich auch feststellen, dass die Ehrung dieser als Individuen bekannten Toten über viele Generationen hinweg erfolgte, ohne dass diese aus der Individualität in den Kreis der unbestimmten, namenlosen Ahnen übergegangen wären. Zu den mit dem Totenkult zusammenhängenden Praktiken sind auch Evokations- und die 14
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Um nur einige Monographien zu erwähnen: Tsukimoto 1985, Spronk 1986, Tropper 1989, Lewis 1989, Bloch-Smith 1992, Schmidt 1994, van der Toorn 1996, Hauser 2012. Siehe auch die Beiträge von Palmisano 1988: 419-421; Hasenfratz 2001: 234-243; van der Toorn 2008: 25-28; Teinz 2012: 235-243, allesamt mit der dort zitierten Bibliographie. Für die „einfachen“ Toten aus der Bevölkerung finden sich in den Texten nur vereinzelte Hinweise, aus denen keine genaueren Informationen über einen etwaigen ihnen gewidmeten Kult zu gewinnen sind.
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daran anschließenden Besänftigungsrituale für die Totengeister zu zählen, die darauf abzielten, die Harmonie zwischen Verstorbenen und Lebenden durch die Zufriedenstellung der Toten wiederherzustellen und zu bewahren. Unter Ahnenkult wird hier aus methodologischen und terminologischen Gründen lediglich der Kult der ḫuḫḫaḫanniš, d.h. der namenlosen Ahnen verstanden. Unabhängig davon, ob diese nun als Kollektivgeist im Sinne einer Verkörperung und Symbolisierung sämtlicher durch den Totenkult verehrten Vorfahren der königlichen Familie zu verstehen sind oder ob damit die Vorstellung von in noch fernerer Vergangenheit liegenden, mythischen Vorfahren gemeint ist, kam dem Ahnenkult die Aufgabe zu, die Kontinuität und die soziale Identität der Mitglieder der königlichen Familie zu bewahren und zu perpetuieren. Derartige Ahnen galten nämlich gegenüber ihren Nachkommen bzw. der königlichen Familie als wachende und schützende Instanz und konnten als Vermittler zwischen Menschen und Göttern in Aktion treten. Vom Totenkult und Ahnenkult unterscheidet sich die in der Forschung sogenannte Ahnenverehrung, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit als Verehrung bestimmter Vorfahren bezeichnet wird: Dabei handelt es sich um den Kult von Statuen ausgewählter hethitischer Könige, die anlässlich von Festritualen in Tempeln beopfert wurden. Dieses Phänomen lässt sich jedoch vor dem Hintergrund der Praxis der Weihe von Statuen, nicht nur der Könige, sondern auch der Königinnen und weiterer Mitglieder des Königshauses, an Gottheiten verstehen. Keine Form von Toten- oder Ahnenkult stellt der Kult der ZawalliGottheiten dar (s. Kap. III.2), die bislang in der Forschung als Totengeister angesehen wurden. Bei diesen handelt es sich aber um Gottheiten, die nicht mit den Totengeistern zu verwechseln sind. Ihr Kult ist auf einer ähnlichen Ebene anzusiedeln wie jener der anderen Gottheiten.
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II
Die Bezeichnungen der Vorfahren
Dieses Kapitel untersucht die Bezeichnungen für „Vater“ und „Großvater“, insbesondere in ihren Pluralformen, und jene Ausdrücke bzw. Redewendungen, die sich in den hethitischen Texten auf Vorfahren bzw. königliche Vorgänger beziehen.16 Das Ziel dieser Studie besteht darin, das semantische Feld derartiger Ausdrücke genauer abzustecken und diese in ihrem weiteren Kontext auch inhaltlich zu analysieren, um daraus eine nähere Begriffsbestimmung des Ahnenkultes bei den Hethitern zu gewinnen.17 1
Zu den Ursprüngen der Figur des Großvaters
Aus der Untersuchung von Pecchioli Daddi (1994) über das Thema des politischen Wertes der Ausdrücke LUGAL, ABI LUGAL und ABI ABI LUGAL in Texten der ersten Phase des hethitischen Reiches ist bekannt, dass die Figur des Vaters als Quelle für Legitimität und Autorität in den Muršili I. zugeordneten Texten gilt, während Ḫattušili I. zur Rechtfertigung seiner Taten und Entscheidungen entweder auf mythische zurückliegende Zeiten
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Wie vorauszuschicken ist, haben sich in jeder Sprache Worte wie „Vater“ oder „Großvater“ mit der Zeit aus naheliegenden Gründen in Richtung der übertragenen Bedeutung „Vorfahre, Ahne“ entwickelt. Demzufolge wird die Untersuchung unter der stets im Auge zu behaltenden Voraussetzung durchgeführt, dass den verschiedenen hethitischen Verwandtschaftsbezeichnungen nicht in allen Fällen jeweils nur eine einzige genaue Begriffsbestimmung entsprechen muss. Die addaš DINGIRMEŠ-iš „Gottheiten des Vaters“ werden in diesem Kapitel nicht berücksichtigt, denn es lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, ob die Hethiter mit diesem Ausdruck auf die Vorfahren Bezug nahmen; dazu s. IV.5.
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(Puḫanu-Chronik, CTH 16) 18 oder auf das Vorbild des Großvaters (politisches Testament, CTH 6)19 zurückgriff. In der Erzählung um die Stadt Zalpa KBo III 38+ (CTH 3.1.B)20 Vs. 8ˈ, die Pecchioli Daddi (ibid. 86) zufolge in die Zeit des ersten hethitischen Königs zu datieren ist, findet sich einer der ersten Belege des Ausdrucks ABI ABI LUGAL, „Großvater des Königs“. 21 In diesem von Ḫattušili I. verwendeten Ausdruck kann ein Be18 19 20 21
Siehe Gilan 2015: 295-325. Zur Zuschreibung an Ḫattušili I. oder an Muršili I. s. id. 2004: 274f. Anm. 63 (mit Verweisen). Siehe zuletzt Gilan 2015: 65-98. Siehe Holland – Zorman 2007; Hoffner 1997a und zuletzt Gilan 2015: 179214. KBo III 38+ Vs. 7ˈf.: ma-a-an ap-pé-ez-zi-ya-an ku-ru-ur [ki-š]a-˹at˺ x[…] x[…] (8ˈ) A-NA A-BI A-BI LUGAL ták-šu-ul i-ya-˹at˺ […] x x […] „Als später Feindschaft en[ts]tand, schloss […] mit dem Großvater des Königs Frieden. […]“ (Übersetzung von Gilan 2015: 184). Der Ausdruck A-BI A-BI LUGAL ist weiterhin in den folgenden drei Textfragmenten belegt: – KBo LIII 239 (CTH 832): x+1) […-k]i ?-ya-at-ta-at 2ˈ) [… URUN]e-ri-ik 3ˈ) [… n]u DIŠKUR-aš 4ˈ) […]x A-NA A-BI A-BI LUGAL 5ˈ) […]x 6ˈ) […]m Waa-du-wee-i-li-in-n[a…] 7ˈ) [… a]r-ḫa-aš KUR-e 8ˈ) […]x-er É-er-ša-ma-aš-kán[…] 9ˈ) […]x DTa-ši-mi-it-ti x[…] – KBo XXXIV 106 (+) KBo XXI 81 (CTH 509.6) Rs.: 22ˈˈ) ki-nu-un-ma-aš […] 23ˈˈ) nu-za É.DINGIRLÌ-pát […] 24ˈˈ) INIM URUDU ŠA É […] 25ˈˈ) ŠA A-BI A-BI LUGAL […] 26ˈˈ) ši-ya-an-ma-at e-eš-[ta? …] 27ˈˈ) mKán-tu-zi-li-in4 […] – VBoT 101 (CTH 215) x+3ˈ) […]A-BI A-BI LUGAL AŠ-ŠUM […] 4ˈ) […] a-ap-pa ti-it-ta-[…]
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zug auf dessen leiblichen Großvater gesehen werden. 22 Der Titulatur dieses Königs kann keine Information über seine männlichen Vorfahren entnommen werden: Er wurde nämlich als „Großkönig Tabarna, Brudersohn der Tawananna“23 oder auch als „Mann von Kuššar“ bezeichnet. 24 Über seinen Vater lässt sich nichts erfahren. 25 Sein Großvater, heth. ḫuḫḫa-,26 wird dagegen noch im politischen Testament Ḫattušilis I. erwähnt: KUB I 16+ (CTH 6) 27 Rs. III 33-44 Ihr seid meine vornehmsten Untertanen. Ihr sollt meine, des Königs, Worte [ach]ten. Esst Brot und trinkt Wasser. Und Ḫattuša wird aufrecht dastehen, und mein Land wird dann [in Frie]den sein. Wenn ihr aber das Wort des Königs nicht achtet, werdet ihr nicht [lange ?] leben und zugrun-
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Hinsichtlich der Erklärung der Verwandtschaftsausdrücke ABI ABI LUGAL, ABI LUGAL ŠU.GI , LUGAL ŠU.GI und LUGAL in KBo III 38+ ist die Meinung von Beal 2003: 21ff. vorzuziehen, der in LUGAL und ABI ABI LUGAL Ḫattušili I. und seinen Großvater identifiziert (s. auch Pecchioli Daddi 1994: 86, die aber denkt, dass mit ABI LUGAL ŠU.GI und LUGAL ŠU.GI zwar Vater und Sohn gemeint seien, es sich aber um Menschen aus Zalpa handele). Vergleiche Klinger 1996: 117f., der aus seiner Rekonstruktion von vier Generationen eine Koregenz zwischen LUGAL (Muršili I.) und LUGAL ŠU.GI (Ḫattušili I.) folgert. Annalen Ḫattušilis I. KBo X 1 (CTH 4.I, akk. Version; s. Devecchi 2005) Vs. 1; KBo X 2 (CTH 4.II.A, heth. Version; s. de Martino 2003: 21-79) Vs. I 3. Zu einer neuen Übersicht s. Gilan 2015: 215ff. Annalen Ḫattušilis I. KBo X 2 (CTH 4.II.A, heth. Version; s. de Martino 2003: 21-79) Vs. I 2 ( LÚ URUKuššar). Zur Titulatur Ḫattušilis I. s. auch Gonnet 1979: 34f. In der Ḫattušili I. zuzuschreibenden akk. „Belagerung von Uršu“ KBo I 11 (CTH 7; s. Beckman 1995: 23-34; zuletzt Gilan 2015: 278-295) Rs. 34 ist das „Wort meines Großvaters“ (a-wa-at a-bi a-bi-ya) nach dem „Wort meines Vaters“ belegt: „ the king: ,Have I forsaken the word of my father the word of my grandfather?ʻ “ (Übersetzung von Beckman 1995: 26). Hier liegt der einzige Beleg dafür vor, dass dem Vater Ḫattušilis I. irgendeine Machtstellung zuzuweisen ist. Auf der Basis des kreuzförmigen Siegels Muršilis II., das seine unmittelbaren Vorgänger und ihre Königinnen auf der Vs. sowie die Gründer der hethitischen Dynastie und ihre Königinnen auf der Rs. zeigt, ist der Name [Ḫu]zzi(ya) für den Großvater Ḫattušilis I. vorgeschlagen worden; s. Dinçol et al. 1993: 88; auch Gilan 2014: insbes. 91. Gilan 2015: 66-98.
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de gehen. [Wer aber] die Worte des Königs missachtet, der soll jetzt [keiner] meiner hohen Beamten mehr sein. Jener soll keiner meiner vornehmen Untertanen sein. […] soll man [ihm] abschneiden. Haben nicht die Söhne meines Großvaters (ḫuḫḫa(n)=man28) […] seine Worte verfälscht? Mein Großvater (ḫuḫḫaš=miš) hat in Šanaḫuitta seinen Sohn Labarna als Thronfolger verkündet. [Hinterher aber] haben seine Diener und seine Großen seine Worte verfälscht [und] haben den Papaḫdilmaḫ (auf den Thron) gesetzt. (Übersetzung von Klinger 2005: 145 mit eigenen Hervorhebungen)
Ḫattušili I. verweist hier auf eine Episode aus früherer Zeit und zeigt somit, dass Illoyalität und Ungehorsam gegenüber Weisungen des Königs zum Verfall des Landes führen. 29 Obwohl es nicht sicher ist, dass ḫuḫḫa„Großvater“ den leiblichen Vater von Ḫattušilis Vater bezeichnet, lässt sich immerhin festhalten, dass dieser Ausdruck schon in dieser Zeit das Verwandtschaftsverhältnis zu einem älteren Vorfahren kennzeichnet, genau wie ABI ABI LUGAL in der Erzählung um die Stadt Zalpa. 2
„Großvater“ versus „Großväter/Vorfahren“
In aller Regel dürfte ḫuḫḫa-, wie ABI ABI, „Großvater“ bedeutet haben.30 Dies lässt sich auf der Basis von verschiedenen Belegen nachweisen: Am zahlreichsten sind solche historischen Texte, die Erzählungen über den Großvater des Verfassers enthalten.31 Zu nennen sind jedoch auch Ver-
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Zu -an- Genitiv s. schon Sommer – Falkenstein 1938 [Nachdruck 1974]: 162. Siehe Klengel 1999: 36f. HW2 III 634ff.; zu ABI ABI als Bezeichnung für Ur- bzw. Ururgroßvater s. II.6. Siehe die Erzählung von Zalpa und das politische Testament Ḫattušilis I. (s. oben); die Res Gestae (CTH 14); die Belagerung von Uršu (CTH 7); die Mannestaten Šuppiluliumas (CTH 40); die Annalen Muršilis II. (CTH 61); die Rechtssprüche einen Grenzkonflikt zwischen Nuḫašše und Barga betreffend sowie die Übereinkunft mit Tuppi-Teššub von Amurru (CTH 63); den Bericht Ḫattušilis III. über Feldzüge Šuppiluliumas I. (CTH 83.I.A); den Bericht über Taten Šuppiluliumas I. und Muršilis II. (CTH 84.1); die Apologie (CTH 81) sowie das Dekret Ḫattušilis III. betreffend die Befreiung des ḫekur des Pirwa von Abgaben (CTH 88). Darüber hinaus finden sich vereinzelte Belege in den
träge zwischen den hethitischen Königen und anderen Königen oder Vasallen, deren historische Einleitung die Vorgeschichte zu der gegenständlichen Vereinbarung enthält.32 Außerdem lassen sich Belege in Orakeluntersuchungen, 33 Briefen,34 Gebeten,35 Ritualen36 und weiteren Texten verschiedenen Inhaltes finden.37
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folgenden Fragmenten historischer Erzählungen: KUB XXXI 78 (CTH 215) Vs.? 9ˈ; KBo XLIV 7 (CTH 215) Rs. 3ˈ; KBo XXII 10+ (CTH 214.20) Rs. III 2ˈ, 10ˈ; KBo XVI 35 (CTH 214.8) 11ˈ; KUB XXXI 14 (CTH 214.2) 6ˈ; KUB XXVI 76 (CTH 214.12.D) Vs. II 7ˈ; VBoT 101 (CTH 215) 3ˈ; KUB XXIII 13+ (CTH 211.4) Vs. 2, 3? (Annalen); KUB XL 25 (CTH 212.105) Vs. 5ˈ, 7ˈ (Vertrag oder Instruktionen); KBo XLV 273 (CTH 212.16) Vs. 7ˈ (Vertrag oder Instruktionen); KBo XVI 31 (CTH 212.14) 2 (Vertrag oder Instruktionen); KUB XXIII 49 (CTH 215) 6ˈ. Siehe CTH 41 (Tudḫaliya I. mit Šunaššura von Kizzuwatna); CTH 68 (Muršili II. mit Kupanta-Kuruntiya von Mira und Kuwaliya); CTH 62 (Muršili II. mit Tuppi-Teššub von Amurru); CTH 76 (Muwattalli II. mit Alakšandu von Wiluša); CTH 92 (Hattušili III. mit Bentešina von Amurru); CTH 105 (Tudḫaliya IV. mit Šaušgamuwa von Amurru); CTH 78 (mit Ḫayaša). Siehe KUB XXII 10 (CTH 582) Vs. II ? 6ˈ; KUB XLIX 88 (CTH 570) Rs. III ? 6ˈ; KUB XLIII 51++ (CTH 570) 16ˈ; KUB V 6++ (CTH 570) lk.Rd. 8; KUB L 47 (CTH 582) Rs. III 5. Siehe KUB XXIII 102 (CTH 171: Muwattalli II. an Adad-nīrārī I.) Vs. I 16, KUB XXVI 91 (CTH 183: der König von Aḫḫijawa an den hethitischen König) Vs. 8 und die folgenden Brieffragmente: KUB LVII 10 (CTH 209) Vs. 9ˈ; KBo L 78(++) (CTH 187) Vs. 1ˈ; KUB XXXI 47 (CTH 209) Rs. 1; KUB XLIX 6(+) (CTH 581) Vs. 9ˈ. Siehe KBo XI 1 (CTH 382: Muwattalli II. an den Wettergott von Kummanni) Vs. I 21, KUB XIV 13++ (CTH 378.IV.A: Pestgebet Muršilis II.) Vs. I 28, KUB XXI 27++ (CTH 384: Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna) Rs. IV 4ˈ, 5ˈ, 9ˈ, 10ˈ und die folgenden Gebetsfragmente: KUB LIV 1+ (CTH 389) Vs. I 13, II 37; Bo 7785 (CTH 389) 13ˈ und KUB XXXI 136 (CTH 386.2) Rs. 7ˈ. Siehe KBo LV 42 (CTH 444) Rs. III? 11ˈ; KUB IX 7 (CTH 763) Rs. III 10ˈ(?); KBo XX 31 (CTH 438.B) Vs. I 1; KUB XII 5 (CTH 713.1) Vs. I 2, Rs. IV 18ˈ. Feste: KUB XL 102+ (CTH 628.Tf08.A) Vs. I 6ˈ. Träume der Königin: KUB XXXI 77+ (CTH 584.5) Vs. 11. Kultinventare der Wettergötter: KBo XXXIV 106 (+) KBo XXI 81 (CTH 509.6) Rs. 5ˈ/25ˈˈ. Tafelkataloge: KBo XLVII 6 (CTH 277.12) Rs. 1ˈ. „Die Tafel des Verzeihens der Gottheiten von Nerik“:
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Die Pluralform von ḫuḫḫa- aber, die sich im hethitischen Totenritualtext neben ḫanneš „Großmütter“ eindeutig auf die Vorfahren im Sinne eines kollektiven Begriffs bezieht (s. II.3), wird in einer übertragenen Bedeutung gebraucht. 38 Ein erster Hinweis auf die Entwicklung eines Kollektivbegriffs könnte sich in dem Fragment der Res gestae KBo XII 14 (CTH 14.V.A) 39 finden. In einem sehr bruchstückhaften Kontext ist zweimal das Wort ḫuḫḫa- belegt: Z. 11ˈ ḫu-uḫ-ḫa-aš-mi-iš und Z. 12ˈ ḫu-uḫ-ḫi-iš-m[i(-). Da es sich dabei um eine Rede mit expliziten Sprecherverweisen in der 1. Pers. Sing. handelt, erscheint eine Übersetzung des Possessivsuffixes mit der 2. oder 3. Pers. Pl. in Bezug auf einen Großvater problematisch, 40 denn dann wäre hier von mehreren Menschen die Rede, die denselben Großvater haben. Daher sind die Übersetzungen „mein Großvater“ in Z. 11ˈ (ḫuḫḫaš=miš)
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Bo 3758+ (CTH 673) Vs. I 20ˈ, II 5ˈ, Rs. III 22ˈ, IV 10ˈ. Mythen von verschwindenden und wiederkehrenden Gottheiten (mugawar): KBo XL 341 (CTH 335.10.A) 6ˈ; KUB XXXVI 71 + KUB XXXIII 26 + KUB XXXIII 27 (CTH 325.C) Vs. I 21ˈ, 23ˈ, 25ˈ, 36ˈ; KUB XXXIII 22 + 23 (CTH 325.B) Vs. II 9ˈ; KUB XXXIII 24++ (CTH 325.A) Vs. I 30ˈ, 32ˈ, 34ˈ, 46ˈ. Texte verschiedenen Inhaltes: KBo LIII 239 (CTH 832) 4ˈ; KBo LIV 274 (CTH 832) Vs. 2. Als Voraussetzung für die folgende Analyse lässt sich ausschließen, dass die Pluralform von ḫuḫḫa- dem Paar „Großvater und Großmutter“ entspricht. Denn das Wort ḫanna- „Großmutter“ ist durchaus in den hethitischen Texten gebräuchlich. Fraglich bleibt es dagegen, ob ḫuḫḫeš zur Bezeichnung des Paares der Großväter väterlicherseits und mütterlicherseits verwendet wird, da es offenbar kein spezifisches hethitisches Wort für den Vater der Mutter gibt: Lediglich im Kultinventarfragment KBo LV 186 (CTH 530) r.Kol. 16ˈ ist der Ausdruck ABI AMA ŠA LUGAL „der Vater der Mutter des Königs“ belegt (vgl. akk. abi-ummi „maternal grandfather“, CAD A/I, 70b). Siehe Soysal 1989: 74f., 108; de Martino 1992: 28f. und id. 2003: 92, 122125. Seine Datierung muss weiterhin umstritten bleiben: Zur Zuschreibung an Muršili I. s. de Martino (ibid.); vgl. Pecchioli Daddi 1994: 75 Anm. 3, die diesen Text auf die Zeit Ḫattušilis I. datiert. Das heißt: Z. 11ˈ ḫu-uḫ-ḫa-aš-mi-iš als ḫuḫḫaš=šmiš, Nom. Sing. „euer/ihr (3. Pers. Pl.) Großvater“; Z. 12ˈ ḫu-uḫ-ḫi-iš-m[i(-) als ḫuḫḫi=šmi, Dat. Sing. „eurem/ihrem (3. Pers. Pl.) Großvater.“
und „mei[ne] Großväter/Vorfahren“ in Z. 12ˈ (ḫu-uḫ-ḫi-iš-m[i-iš zu ergänzen, ḫuḫḫiš=miš41) vorzuziehen, 42 d.h. schon mit der Vermutung einer Differenzierung zwischen der Verwendung des Wortes im Sing. und der im Pl.43 Ein weiterer Beleg für ḫuḫḫa- im Pl. findet sich in der folgenden fragmentarisch erhaltenen Textstelle aus dem Reinigungsritual KBo XXI 14+ (CTH 456.6)44 Vs.: 26ˈ)45 27ˈ) 28ˈ) 29ˈ) 30ˈ)
[… M]ÁŠ.GAL an-da ZAG-az […] […] te-ta-na-aš-kán te-x[…] [… ták?-n]a-aš da-an-ku-iš […] […] ḫu-uḫ-ḫi-iš-še-eš […] [… EGI]R -pa QA-TAM-MA […]
Im Teil der Vorschriften zu diesem Ritual werden ein Ziegenbock, Haare und wahrscheinlich die schwarze Erde erwähnt. Darauf folgen der Ausdruck „seine Großväter“ und die Einleitungsformel (Vs. 30ˈ „[wie]der folgendermaßen“) zur Beschreibung einer zu wiederholenden Ritualhandlung. Auf Basis der Wortform und des Pronomens ist ḫuḫḫa- als Nom. Pl. zu analysieren. Das Possessivsuffix 3. Pers. Sing. steht wahrscheinlich für den Patienten dieses Reinigungsrituals.46 Der Zusammenhang ist nicht rekonstruierbar, aber der Pluralbegriff „Großväter“ mit Possessivbezug auf einen einzigen Menschen kann als Verweis auf dessen
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Oder als ḫuḫḫiš=šmiš, Nom. Pl. „eure/ihre (3. Pers. Pl.) Großväter“ zu deuten. So auch Soysal 1989: 74. Anhand der Form ḫuḫḫi=šmi in Z. 12ˈ schließt de Martino 2003: 122 die Deutung „mein Großvater“ in Z. 11ˈ dagegen aus, während Pecchioli Daddi 1994: 75 Anm. 3 in Z. 12ˈ ḫuḫḫi=šš[i „seinem Großvater“ liest. Auf dem Foto ist nur der erste Winkelhaken zu sehen, der sowohl zu MI als auch zu ŠI gehören kann. Siehe im Hethiter-Portal CITATIO: Fuscagni (ed.), hethiter.net/: CTH 456.6; s. auch Groddek 2001a: 237f. Die Nummerierung der Zeilen ist aufgrund des gejointen Fragments KBo XLI 32 gegenüber früheren Bearbeitungen zu modifizieren. Auf den Patienten verweist auch der Satz ŠUM-ŠU ḫal-zi-iḫ-ḫi „ich rufe seinen Namen“, der im erhaltenen Text dreimal wiederholt wird (Vs. 9ˈ, 10ˈ und 17ˈ). Darüber hinaus ist in Vs. 9ˈ LÚ-an belegt.
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Vorfahren gedeutet werden, denen in diesem Ritual irgendeine Rolle zukommt. Im Folgenden sollen Textstellen des Mythos vom Königtum des Gottes LAMMA und der hethitischen Version des Lieds von Ullikummi untersucht werden, d.h. Mythen, die ihren Ursprung in einem anderen kulturellen bzw. ethnischen Bereich, nämlich dem hurritischen, haben. Die Aneignung bzw. Übersetzung solcher Mythen durch hethitische Schreiber eröffnet die Möglichkeit, die lexikalischen Entscheidungen der Schreiber in Betracht zu nehmen: Daraus erhellt sich, wie die Schreiber die Texte verstanden und welche Begrifflichkeit sie jeweils als adäquat erachtet haben, woraus sich implizit sehr wohl Spuren ihrer Weltvorstellung freilegen lassen. Mythos vom Königtum des Gottes 343.1.A)47 Rs. III: 4ˈ) 5ˈ) 6ˈ) 7ˈ) 8ˈ) 9ˈ)
LAMMA
KBo XXII 86++ (CTH
me-mi-iš-ke-u-wa-an [d]a-a-iš a-aš-ma-wa-[za …?] DINGIRMEŠ GALTÌ LÚMEŠ ˹ŠU˺.GI tu-u-e-e[l … ?] ḫu-uḫ-ḫi-iš nu-uš-m[a-aš] me-na-aḫ-ḫa-an-da i-i[t] nu-uš-ma-aš ḫi-in-i[k DLA]MMA-aš A-NA fKu-ba-[ba] EGIR -pa me-mi-iš-[ke-u-wa-a]n da-a-iš ka-ru-i-li-u[š DINGI]RMEŠ-uš šal-le-e-eš [… ?]
(4) Sie (Kubaba) [be]gann zu sprechen: ,Dort drüben […] (5) die großen Gottheiten, die Ältesten, dein[e …?] (6) Großväter: Ge[h] ih[nen] entgegen (7f.) und vernei[ge] dich vor ihnen!ʻ [ LA]MMA begann der Kuba[ba] zu antw[ort]en: (9) ,Die frühere[n Gottheit]en sind groß […].ʻ
Unmittelbar vor dieser Passage wird erzählt, dass der LAMMA -Gott von Ea und Kumarbi zum König des Himmels erhoben wurde.48 Daraufhin fordert Kubaba ihn auf, vor die „großen Gottheiten, die Ältesten, deine (des LAMMA-Gottes) […?] Großväter“ zu treten und sich zu verneigen.
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KUB XXXIII 112 + KUB XXXIII 114 + KUB XXXVI 2 (mit Dupl. KBo XXII 76 und KBo XII 82) transliterierte zum ersten Mal Laroche 1968: 3138, wobei sich KBo XXII 86 als weiteres Zusatzstück zu Rs. III erwiesen hat. Siehe Hoffner 1998a: 46f. (nur Übersetzung), Haas 2003b: 296-303 und id. 2006: 144-147. Zu dieser Deutung s. Haas 2003b: 299 und Anm. 19.
Betreffs Z. 5ˈ wird durch den Vergleich zu den darauffolgenden Zeilen deutlich, dass nach tuē[l Raum für höchstens zwei bis drei weitere Zeichen vorhanden ist, obwohl in Z. 6ˈ und 8ˈ dieser Platz frei bleibt. Infolgedessen lässt sich vermuten, dass auch in Z. 5ˈ kein weiteres Zeichen geschrieben wurde, 49 wodurch der Satz eine Nominalphrase darstellt.50 Ohne die Annahme einer Textlücke lautet die Stelle: „Dort drüben (sind) die großen Gottheiten, die Ältesten, dein[e] Großväter.“ 51 Dabei ist „dein[e] Großväter“ eine Apposition zu den „Ältesten“,52 die auch mit der Gruppe der „großen Gottheiten“ zu identifizieren sind. Darüber hinaus werden in Z. 9ˈ die karuiliuš DINGIRMEŠ „früheren Gottheiten“ eingeführt, die wiederum šalleš „groß“ sind. Daraus ergibt sich ein Vergleich zwischen den DINGIRMEŠ GALTÌ (Z. 5ˈ) und den karuiliuš DINGIRMEŠ (Z. 9ˈ). Waren folglich die „großen Gottheiten“ bzw. die „Ältesten“ bzw. „deine
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Auch wenn ein weiteres Wort zu ergänzen wäre (da das dieser Tafel gehörende Fragment Bo 2644a zeigt, dass der Schreiber auch den Rand benutzte), würde ḫuḫḫiš jedoch dem vorigen Satz angehören. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass der Satz in Z. 5ˈ durch ein weiteres nicht erhaltenes Wort abgeschlossen wurde und darauf eine Nominalphrase folgt, d.h.: „Dort drüben (sind) die großen Gottheiten, die Ältesten, dein[e … und sie] (sind) die Großväter“. Dies würde jedoch die allgemeine Bedeutung des Satzinhaltes nicht verändern. Dass ein Personalpronomen nicht in derselben Zeile seines Bezugswortes stehen muss, ist auch in anderen Texten belegt: Siehe z.B. KUB XXVI 1+ Rs. IV 20ff. (CTH 255.2.A): [(ma-a-an-na-a)]d-du-za DUTUŠI ku-e-da-ni-ik- me-mi-ya-ni (21) [(pa-ra-a u-i)]-ya-mi na-aš-ma-at-ta tu-e-el (22) [(ku-e-dani-i)]k-ki *me-mi-ni* pu-nu-uš-mi „[(And if)] I, My Majesty, [(se)]nd you (sg.) [(out)] for some matter, or I question you (sg.) about [(som)]e affair of yours(sg.), (23f.)[(Then)] you (sg.) must [(no)]t conceal [(it)]“ (Übersetzung von Miller 2013: 305). So auch Puhvel, HED 3: 356: „the great gods, the old men your grandfathers.“ Meines Wissens stellt das den einzigen Beleg von LÚMEŠ ŠU.GI in Verbindung mit Gottheiten dar, obwohl sich DŠU.GI einmal, in KUB XXV 30 (CTH 690) Vs. I 15, in Bezug auf Ḫuwaššanna findet. Dieser Ausdruck dürfte den Gottheiten ein noch stärkeres Ansehen verliehen haben. Klengel 1965: 223-236 zufolge sind nämlich die LÚMEŠ ŠU.GI als Angehörige einer korporativen Institution in Texten belegt, die „deren Befugnisse auf politisch-militärischem, juristischem und religiös-kultischem Gebiet bezeugen“ (ibid. 225); die Ältesten „werden häufig als Vertreter eines Landes oder Ortes genannt“ (ibid. 234).
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Großväter“ auch mit dem Ausdruck karuiliuš DINGIRMEŠ zu bezeichnen? Die Frage der Gleichsetzung der „großen Gottheiten“ mit den „früheren Gottheiten“53 ist von Reiner – Güterbock 1967: 265f. 54 diskutiert und von Archi 1983 wiederaufgenommen worden: Es sind im Sumerischen die Anunna, die das Epitheton ,großʻ tragen, während die Hethiter der altbabylonischen Tradition folgen, nach der die Anunnaku die unterirdischen Götter (heth. karuilieš DINGIRMEŠ ,die früheren Götterʻ), die Igigi aber die ,großen Götterʻ des Himmels sind. (Ibid. 27) 55
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Zu den karuilieš šiuneš als einer „festen“ Gruppe von einzeln genannten Gottheiten in den Verträgen s. Archi 1990: 114-129; s. auch Otten 1961: insbes. 145ff. Bei diesem Aufsatz werden die akk. und die heth. Version der Hymne an Ištar (akk. KUB XXXVII 36 (+) 37; heth. KUB XXXI 141) bearbeitet und mit dem entsprechenden Teil des neubabylonischen Textes (STC II pls., LXXV ff.) verglichen. Im Hethitischen (Z. 3) ist šallayaš=kan DINGIRMEŠ -aš zu lesen, während an der entsprechenden Stelle in der mittelbabylonischen (Z. 7) und in der neubabylonischen (Z. 3) Version DIgigi belegt ist. Zur Gleichsetzung karuilieš DINGIR MEŠ = D A. NUN. NA.GE4 s. auch Otten 1961: 115 und passim. Im Ritual der Allaituraḫ(ḫ)i für Šuppiluliyama KUB XII 50+ (CTH 780.II; s. Haas 2007) Vs. II 3f. (Dupl. KUB LVIII 74 Vs. 3f.) sind jedoch sowohl die früheren Gottheiten als auch die Anunnaki belegt, ohne dass beide dieselbe Göttergruppe bezeichnet haben müssen (es sei denn, die Textlücke enthielte eine Wendung für die Wiederholung der Gottheiten): [pu-n]u-uš-šu-nu-e-ni ka-ru-ú-i-li-[(ya-aš DINGIRME)Š-aš … ?] (4) [D EREŠ. K]I.GAL D A-NUN-NA-AK-KI-ya … „Wir richten [eine Fra]ge an die früheren Gottheite[n …], (an) [Erešk]igal und (an die) Anunnakki“ (vgl. ibid. 25: „(an die) Anunnakki (die ,früheren Gottheitenʻ)“). Darüber hinaus schreibt Archi 1990: 115, dass Ereškigal „in the Šuppiluliuma Treaties maintains her original place in front of the male and female gods of the land of Hatti …. (CTH 49, 53, 62, 66, 132), with the exception of the treaties with Mitanni (CTH 51, Dupl. B, 52) and CTH 256, where this goddess, in a more logical sequence, directly precedes the primeval gods.“ Dies dürfte auch beim Ritual von Allaituraḫ(ḫ)i der Fall gewesen sein, in dem Ereškigal den Anunnaki vorangeht.
Bei einer Deutung des D LAMMA-Textes ist jedoch von einer solchen hierarchisierenden Einteilung nicht auszugehen, da ein Parallelismus zwischen den DINGIRMEŠ GALTÌ und den karuiliuš DINGIRMEŠ besteht. Daraus lässt sich schließen, dass die Hethiter hier der sumerischen Tradition folgten, der gemäß der Ausdruck „große Götter“ als Bezeichnung für die Anunna des sumerischen Pantheons gilt.56 Schließlich bezeichnen hier die ḫuḫḫiš „Großväter“ die (göttlichen) Vorfahren des LAMMA -Gottes, die auch die „Ältesten“ und die „großen Gottheiten“57 sind und in die Gruppe der „früheren Gottheiten“ eingeordnet werden können. Ein weiterer Beweis für die Zugehörigkeit der „Großväter/Vorfahren“ des LAMMA-Gottes zur Gruppe der „früheren Gottheiten“ lässt sich in der folgenden Textstelle aus der hethitischen Version des Lieds von Ullikummi KUB XXXIII 106++ (CTH 345.I) 58 Rs. III finden: 48ˈ) 49ˈ) 50ˈ) 51ˈ) 52ˈ) 53ˈ)
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[D]É-A-aš ka-ru-ú-i-li-ya-aš DINGIR MEŠ-aš EGIR-pa me-mi-iš-ke-uan da-a-iš ud-da-a-ar-mu [i]š-ta-ma-aš-tén ka-ru-ú-i-li-ya-aš59 DINGIR MEŠ-iš ka-ru-ú-i-li ud-da-a-ar ku-i-e-eš [š]e-ek-te-ni EGIR-pa ḫé-e-eš-te-en an-na-al-la at-ta-al-la ḫu-uḫa-da-al-la [È].NA4KIŠIBḪI. A nu ka-ru-ú-i-li-ya-aš ad-da-aš NA4KIŠIB ú-da-an-du [na-a]t ? a-pé-ez EGIR-pa ši-ya-an-du nu-kán ka-ru-ú-i-li-ya URUDU ar-da-a-la [pa-r]a-a ti-ya-an-du ne-pí-iš te-kán-na ku-e-ez ar-ḫa ku-e-re-er
Die Gleichsetzung der „großen Gottheiten“ mit den „früheren Gottheiten“ ist lediglich im Mythos vom Königtum des Gottes LAMMA nachweisbar. Betreffs der Singularform „großer Gott“ ist diese Bezeichnung Houwink ten Cate 1994: 255-259 zufolge auf eine bestimmte männliche Gottheit der Unterwelt zu beziehen, und zwar in einigen Fällen auf einen „hurro-luwian Nergal type of Ruler“ (ibid. 255). Damit können wiederum die früheren Gottheiten in Zusammenhang gebracht werden, für die sich auch ein chthonischer Aspekt nachweisen lässt. Zu den weiteren Belegen von DINGIRMEŠ GALTÌ/MEŠ/ḪI.A s. van Gessel 1998: 998. Siehe Güterbock 1951: 135-161 und id. 1952: 8-42; Pecchioli – Polvani 1990: 142-162 (nur Übersetzung); im Hethiter-Portal, CITATIO: Rieken et al. (ed.), hethiter.net/: CTH 345.I.3.1. Zu -aš Nom. Pl. für i-Substantive s. Hoffner – Melchert 2008: 70f.
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54ˈ) 55ˈ) 55ˈa)
[nu-ká]n? DUl-lu-kum-mi-in NA4ŠU. U-zi-in GÌRMEŠ GAM-an ar-ḫa ardu[-u-e-ni ?] [DK]u-mar-bi-iš ku-in DINGIR MEŠ-na-aš IGI-a[(n-d)60]a [tar-p]a[n]a-al-li-in :š[al]-l[a-nu-ut]
Ea begann, wieder zu den früheren Gottheiten zu sprechen: „[H]ört meine Worte, (49ˈ) frühere Gottheiten, die ihr die alten Worte (50ˈ) kennt. Öffnet sie wieder, die alten, väterlichen und großväterlichen (51ˈ) Siegel[häuser]. Man soll das Siegel der früheren Väter bringen. (52ˈ) Mit [ih]m soll man [si]e ? wieder versiegeln. Die alte Säge (53ˈ) soll man [hina]us legen, mit der man Himmel und Erde auseinander geschnitten hat. (54ˈ) Wir werden Ullikummi, den Diorit, unter den Füßen absä[gen ?], (55ˈ) den R[iv]a[l]en, den [K]umarbi gegen die Götter (55ˈa) groß gez[ogen hat].“
Hier wird durch die Adjektive attalla „väterlich“ und ḫuḫadalla „großväterlich“ neben annalla „alt“ hervorgehoben, dass die Siegelhäuser wohl die ältesten ihrer Art sind und auf die Zeit der Welterschaffung zurückgehen. Der Satz bezieht sich nämlich auf die urzeitliche Ära der (göttlichen) Welt. Die „früheren Väter“ (Z. 51ˈ) können mit den „früheren Gottheiten“61 (Z. 49ˈ) gleichgesetzt werden, mit der Variante, dass durch karuiliyaš addaš eine verwandtschaftliche Verbindung seitens des Erzählers zu implizieren ist. Aufgrund dessen lässt sich eine Gleichsetzung der „Großväter“ in KBo XII 86++ (LAMMA-Gott), welche die „Ältesten“ sind, mit den „früheren Vätern“ im Ullikummi-Lied, die ebenfalls zur Gruppe der „früheren Gottheiten“ gehören, postulieren.62 Im Gegensatz zu den häufig belegten adduš/atteš/AB.BAḪI. A „Vätern“ (s. II.8.1-2) sind die „früheren Väter“ lediglich in diesem Text belegt: 63
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Ergänzt nach Dupl. KBo XXVI 67 Z. 6ˈ. Zur einer auf altsyrischen und altanatolischen Quellen basierenden Untersuchung der „früheren Gottheiten“ als Unterweltsgottheiten, die den frühesten Göttergenerationen angehörten, s. Wilhelm 2009: 59-76 (insbes. 66-69). Übrigens gelten die „alten“ Siegelhäuser sowohl als „väterlich“ als auch als „großväterlich“. Der Ausdruck „frühere Mütter“ ist vermutlich in KUB LVIII 105(+) (CTH 626; s. García Trabazo – Groddek 2005: 265f.) Vs. II ? 7ˈ zu finden. Dieser Text hat einen indirekten Anschluss zu KUB LIX 41, dessen Duplikate KUB LIX 42 + KUB LVIII 45 das nuntarriyašḫa-Fest betreffen (s. Nakamura 2002:
Hier muss aber wiederum darauf hingewiesen werden, dass es sich dabei um eine hethitische Übersetzung eines hurritischen Textes handelt; daher lässt sich die Rolle der im Lied vorhandenen Vorstellungen am hethitischen Hof nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilen. Die letzte hier zu untersuchende Textstelle aus dem hethitischen historischen Bericht Arnuwandas I. KBo L 4 (CTH 148) 64 Vs. ist am aussagekräftigsten, weil sie eine Art Definition enthält: 4) 5) 6) 7)
[ka-ru]-˹ú˺ URUḪa-at-tu-ši ku-i-e-eš LU[GALMEŠ e-šer] [x x ]x-ma-aš ḫu-uḫ-ḫe-e-˹eš˺ LUGALMEŠ e-šer [mḪa-at-tu-šiDINGIRLÌ-iš] [LÚ URUK]u-uš-ša-ra m˹Mur-ši˺-DINGIRLÌ-iš-ša nu […] [nu-uš?-š]a-an DINGIRMEŠ an-˹da˺ aš-šu-li a-ra-˹an˺-t[a-at…]
(4) Diejenigen, die [frühe]r in Ḫattuša Kön[ige waren ? …], (5) waren aber die Ahnen-Könige: [Ḫattušili,] (6) [der Mann von K]uššara und Muršili; 65 und […] (7) [Und?] die Götter stand[en] in Güte […].
Durch diese Textpassage lässt sich zeigen, dass ḫuḫḫaš nicht nur für „Großvater“, sondern auch für „Vorfahre“ gelten kann, 66 da zwischen Arnuwanda I., Ḫattušili I. und Muršili I. mehrere Generationen liegen. Neben dem Sumerogramm LUGAL übt ḫuḫḫa- die Funktion einer Apposition aus. Die Erzählung bezieht sich am wahrscheinlichsten auf eine Art „goldenes Zeitalter“, das mit der Regierungszeit der beiden genannten Könige
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282-286). In KUB LVIII 105 Vs. ist von der Opferdarbringung für Gottheiten (Z. 3ˈ) und für Königinnen oder Frauen der königlichen Familie (Z. 9ˈ, 11ˈ) die Rede. Dabei wird die Stadt Neša erwähnt (Z. 4ˈ) und zwei Zeilen darauf (Z. 6ˈ) ist folgendermaßen zu lesen: ka-]ru-ú-i-li-eš an-na-aš TI-an-za. Wenn TI-anza als Partizip Nom. Sing. in Bezug auf annaš als Nom. Sing. „die lebende Mutter“, oder als Gen. Sing./Pl. „das Leben der Mutter/Mütter“ zu deuten wäre, müsste karuilieš Nom. Pl. mit einem in der vorigen Textlücke enthaltenen Wort verbunden werden. Ansonsten kann das Verb ešdu in der Textlücke von Z. 7ˈ ergänzt werden; auf diese Weise lautet dann die Übersetzung: „[Die fr]üheren Mütter [sollen] voll Lebens [sein]“ (zur Wendung TI-anza ešdu sowohl in Bezug auf Menschen als auch auf Gottheiten s. HW2 III 664b). Soysal 1989, 61: 103; id. 2005: 140; Groddek 2008b: 3f. Als Nominalsatz gedeutet. Dazu s. bereits Otten 1971a: 237.
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zu identifizieren ist. Danach hat sich die politische Situation am königlichen Hof dramatisch verschlechtert, wie historischen Texten über die Zeit nach Muršili I. zu entnehmen ist. Dieses Narrativ stärkt das dem Wort ḫuḫḫa- gegebene Gewicht: Einerseits verweist es auf das Alter der Könige Ḫattušili I. und Muršili I.; andererseits unterstreicht es die verwandtschaftliche Beziehung zwischen diesen Königen und Arnuwanda I. Darüber hinaus lässt sich dieser Bezeichnung im Kontext eine übertragene Bedeutung, etwa „Stammväter“ (des hethitischen Reiches), zuschreiben, und dies verortet die Könige Ḫattušili I. und Muršili I. beinahe in den Bereich des Mythischen.67 67
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Drei weitere Belege für ḫuḫḫa- im Pl. sind zu erwähnen: – Am Anfang des 8. Tages des ḫišuwa-Festtextes KUB XL 102+ (CTH 628.Tf08.A) Vs. I 6ˈ ist LÚMEŠ ḫuḫḫaš pianzi in einem nicht mehr rekonstruierbaren Zusammenhang zu lesen. Dabei lässt sich „die Menschen geben den Großvätern“ übersetzen, aber am wahrscheinlichsten ist der Text zu LÚMEŠ ḫuḫḫaš (oder auch ŠA É(.GALLÌ)-?] LÚMEŠ ḫuḫḫaš) zu vervollständigen. Das „Haus“ bzw. der „Palast des Großvaters (meiner Sonne)“ sind nämlich im Kontext des ḫišuwa-Festes belegt, und viele Texte erwähnen auch die „Menschen des Hauses/Palastes des Großvaters (meiner Sonne)“ (s. z.B. KUB VI 37(++) Vs. 11ˈ, KUB V 9+ Vs. 25, IBoT II 129 Vs. 17). Zum „Haus“ bzw. „Palast des Großvaters (meiner Sonne)“ s. IV.5. – ḫuḫḫa- im Pl. findet sich weiterhin im Ritual der Hierodule Kuwatalla KUB IX 7 (CTH 763; s. Starke 1985: 167f.; Haas 2003a: 414) Rs. III 10: 6ˈ) [… n]am-ma ar-ḫa-ya-an I ši-i-na-aš 7ˈ) […]x i-ya-an-za na-an MUNUSŠU.GI 8ˈ) [… -r]a-an LÚ GIŠGIDRU ḫal-za-a-i ka-a-š[a-w]a 9ˈ) […]-ra-aš LÚ GIŠGIDRU nu-wa ke-e-el 10ˈ) […]x-aš ḫu-uḫ-ḫa-aš ḫu-u-ma-an 11ˈ) [… -i]š?-ke-et nu-wa Ú-UL ku-it-ki 12ˈ) […]x-wa ku-u-un LÚ GIŠGIDRU x[…] 13ˈ) […] : IK -ŠU-UD […] „(6ˈ) [… F]erner abseits eine Figur […] (7ˈ) ist gemacht und ihn die Ritualistin (8ˈ) […]? der/n? Stabträger ruft: ,Hie[r] (9ˈ) […]? der/n? Stabträger und dieses (Gen.) (10ˈ) […]? den Großvätern ? alles (11ˈ) […er/sie …]-te immer wieder und überhaupt nichts (12ˈ) […] diesen Stabträger […] (13ˈ) […] hat erreicht/gefunden/getroffen […].“ – Schließlich ist ḫuḫḫeš im Nom. Pl. in KBo XIII 201 (CTH 832) 6ˈ belegt. Der Zusammenhang ist auch in diesem Fall nicht rekonstruierbar: x+3) […] LÚ. U19.LU a-aš-šu […] „[…] der ? Mensch das Gute? […]“
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„Gottheiten des Großvaters“ versus „Gottheiten der Großväter/Vorfahren“
In zwei Texten sind die „Gottheiten des Großvaters“ belegt. 68 Ausschließlich im Gebet Muwattallis an die Götterversammlung KUB VI 45++ (CTH 381.A) 69 Vs. II 56 findet sich der Ausdruck DINGIR. LÚ MEŠ DINGIR.MUNUSMEŠ ŠA A- BI A- BI D UTUŠI, „die männlichen Gottheiten und die weiblichen Gottheiten des Großvaters meiner Sonne“. Aufgrund der Verwendung des Akkadogramms ABI ABI muss es sich hier um einen Sing. handeln, der sich auf den leiblichen Großvater des hethitischen Königs bezieht. Das Gleiche gilt für KUB LIV 1+ (CTH 389) Vs. I 13, der Archi – Klengel 1985: 52ff. zufolge eine „Selbstrechtfertigung eines hethitischen Beamten“ enthält: 12) 13)
A-NA DINGIR MEŠ-ma-at-za ŠA URULi-ip-ra-[aš-ša Š]A AMA- YA Ù ŠA A-BI A-BI -YA
ar-ku-u-wa-ar [me-ma-]aḫ-ḫu-un
Aber zu den Gottheiten der Stadt Lipr[ašša, (d.h. zu den Gottheiten) mei]ner Mutter und meines Großvaters, [spr]ach ich es als Gebet.
Bei den „Gottheiten meines Großvaters“ liegt hier ebenfalls wegen der Singularform kein Bezug auf die Vorfahren vor, sondern es handelt sich
4ˈ) […]MEŠ Ù a-aš[-šu …]
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„[…die]? und das Gu[te?…]“
5ˈ) […]x LUGAL-ya-kán x[…] „[…] und der König […]“ 6ˈ) [… -š/t]a?-aš-ša ḫu-uḫ-ḫe-eš[…] „[…] ? die Großväter/Vorfahren […]“ 7ˈ) [… -z]i nu-kán a-aš-šu […] „[…] und das Gute? […]“ Siehe auch das kleine Textfragment KBo XXII 45 (CTH 664) Vs. 5ˈ, in dem der Ausdruck ergänzt werden kann: [… ka-ru-ú-i ?]-li-uš ḫu-uḫ-ḫ[a-aš DINGIRMEŠ …]; s. auch Groddek 2008a: 49, Yoshida 1996: 49 Anm. 30 und HW2 III 638b. Dafür spricht der Beleg für die DINGIRMEŠ A-BI „Gottheiten des Vaters“ in Vs. 2ˈ. Singer 1996.
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um die Gottheiten, die in der Familie des Beters in Liprašša auch zur Zeit dessen Großvaters verehrt wurden. 70 Im Orakelfragment KUB VI 35 (CTH 582) Rs. 2ˈ und 12ˈ ist dagegen eine Übersetzung im Pl. vorzuziehen: 12ˈ) ma-a-an u[ḫ-ḫa-aš71…]
DINGIRMEŠ
KÙ. BABBARTI-pát ŠA KURTI DINGIRMEŠ
URU
ḫu-u-
Wenn gerade die Gottheiten von Ḫattuša die Gottheiten (Akkus.?) des Landes, diejenigen der Gro[ßväter …]
In der darauffolgenden Zeile ist zu lesen, dass die erwähnten Gottheiten zornig sind (Rs. 13ˈ TUKU.TUKU-anteš), der Grund und die Umstände lassen sich aber nicht entnehmen. Es stellen sich hier die Fragen, wer die Gottheiten des Landes und diejenigen der Großväter sind, und was für ein Verhältnis sie zu den Gottheiten von Ḫattuša haben. Das Land bezeichnet wahrscheinlich das ganze Reich der Hethiter im Gegensatz zur Stadt Ḫattuša. Demgemäß können die Gottheiten des Landes alle Gottheiten der Hethiter umfassen, während die Gottheiten von Ḫattuša eine kleinere Gruppe darstellen. Die Gottheiten der Großväter dürfen darüber hinaus als Apposition zu denjenigen des Landes verstanden werden: Demzufolge lässt sich hier ḫū[ḫḫaš als Gen. Pl. auffassen. Wenn alle Gottheiten der Hethiter tatsächlich denjenigen der Großväter entsprechen, muss dabei von der Gesamtheit aller Vorfahren die Rede sein, die mit dem pluralischen Ausdruck „Großväter“ bezeichnet werden. 72
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Zu den „Gulša- und DINGIR.MAḪ-Gottheiten des Sohns, seiner Mutter, (seiner) Großmutter (und) (seines) Großvaters“ in KUB XLVIII 114 Vs. I 5ˈ s. Anm. 75. Siehe Rs. 2ˈ: DINGIRMEŠ ḫu-u-uḫ-ḫa-aš-kán. Vergleiche Dinçol 1989: 47f., der die Gottheiten der Großväter mit den Gottheiten des Hauses bzw. des Palastes des Großvaters in Verbindung bringt. Zu É/ É.GAL ḫuḫḫaš s. IV.5.
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„Großväter (und) Großmütter“ als „Ahnen“
Eine weitere Bezeichnung der Vorfahren ist ḫuḫḫiš ḫanniš73 bzw. ḫuḫḫaḫanniš,74 wörtlich „Großväter (und) Großmütter“. Dies stellt insofern einen im Vergleich zu den bisher diskutierten Begriffen noch allgemeineren Ausdruck dar, da das Kollektiv der Großväter und Großmütter in ihrer antithetischen Gegenüberstellung alle männlichen und weiblichen Vorfahren einschließt. Diese Redewendung ist daher die Einzige, die aller Wahrscheinlichkeit nach auf die Ahnen als Gruppe unbestimmter Menschen verwiesen haben dürfte. 75 Die meisten Belege für ḫuḫḫiš ḫanniš bzw. ḫuḫḫaḫanniš gehören in den Kontext des Totenrituals šalliš waštaiš (CTH 450, 451),76 dem die 73 74 75
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In der Regel als Akkus. Pl. belegt, ansonsten auch im Dat. Pl. (ḫuḫḫaš ḫannaš oder ḫannaš ḫuḫḫaš) zu finden. Es handelt sich dabei um eine univerbierte Form; zu dem paarigen Begriff „Großeltern“ als Hendiadyoin s. Cotticelli-Kurras 2007: 139. Siehe ibid.: „Die häufigsten asyndetischen Formeln findet man bei denjenigen Wendungen, die entweder paarige (lexikalisierte) Begriffe zum Ausdruck bringen, oder verstärkend einen festen Ausdruck bzw. ein kollektives Konzept wiedergeben.“ Der Ausdruck „Großväter (und) Großmütter“ ist darüber hinaus im Sing. in den folgenden zwei Texten zu finden: – Im Inventar eines Heiligtums aus der Zeit von Tudḫaliya IV. KUB XLVIII 114 (CTH 525) Vs. I 4ˈf. ist ein dickes Brot für die DGul-ša-aš DINGIR.MAḪaš-ša ŠA DUMU.NITA AMA-ŠU ḫa-an-na-aš ḫu-uḫ-ḫa-aš belegt, d.h. für die „Gulša- und DINGIR .MAḪ-Gottheiten des Sohns, seiner Mutter, (seiner) Großmutter (und) (seines) Großvaters“ (s. auch HW2 III 142b; van Gessel 1998: 253, 723). Die Anwesenheit des Sohns und der Mutter (in unklarem Kontext) lässt nämlich bei einer Übersetzung von ḫannaš ḫuḫḫaš eher zum Sing. tendieren. – Im Orakelbrief (wenn sich der indirekte Join mit KUB XLIX 4 als richtig erweist; s. Hagenbuchner 1989: 232f.) KUB XLIX 6(+) (CTH 581; s. Sakuma 2009: 665ff.) Vs. 9ˈ ist Folgendes zu lesen: A-BI?] A-BI-ŠU Ù AMA.AMA[-ŠU?. Im Text ist von einer Tochter oder mehreren Töchtern die Rede, der Inhalt lässt sich aber kaum rekonstruieren. Das Sumerogramm AMA.AMA für „Großmutter“ ist im Hethitischen nur sehr selten belegt (s. HW2 III 142). Zur ersten Edition s. Otten 1958; s. auch Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002 und im Hethiter-Portal CITATIO: Kapeluś (ed.), hethiter.net/: CTH 450.1.1.1. Zu weiteren Bearbeitungen und Untersuchungen über die Anordnung der
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Ahnen in Form von Statuen neben ausgewählten Gottheiten beiwohnten, dabei Opfer erhielten und Gegenstand von Kulthandlungen waren. 77 Da dieses Ritual aus einem mehrfach wiederholten Schema mit nur einigen Varianten besteht, lassen sich im Folgenden die Kulthandlungen in Verbindung mit den „Großvätern und Großmüttern“ herauslösen und klassifizieren: 78 1. Man präsentiert den „Großvätern (und) Großmüttern“ einen?79 Brotbrocken: – Am 2. Tag: KUB XXXIX 1++ Rs. III 8ˈf.: [I? NINDApár-šu-ul-li] (9ˈ) ḫu-uḫ-ḫa-aš ḫa-an-na-aš (neben der Sonnengottheit der Erde, der Sonnengottheit des Himmels und dem Gott des guten Tages). – Am 2. Tag: KUB XXXII 111+80 Rs. 7f.: [I? NINDApár-šu-ul-li ḫa-anna-aš] (8) ḫu-uḫ-ḫa-a-aš (neben der Sonnengottheit der Erde, der Sonnengottheit des Himmels, dem Gott des guten Tages und der Seele des Toten).
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Fragmente s. van den Hout 1995a; id. 2014a, 2014b und 2015; Kapeluś 2008 und ead. 2011a. Die beim Totenritualtext neben den Großvätern und Großmüttern aufgelisteten Gottheiten sind DINANNA, DIzzištanu, katterreš DINGIR MEŠ „Unterweltsgötter“, DKuwarnuzi, DLAMMA „Schutzgottheit“, DMezzulla, DXXX „Mondgott“, DTaurit, DX „Wettergott“, DX URUZip(pa)lanta, DUDMU „Gott des Tages“, D UD.SIG5 „Gott des guten Tages“, DUTU „Sonnengott“, DUTU URUArinna/PÚ-na, D UTU nepišaš/ANE „Sonnengottheit des Himmels“, D UTU taknaš „Sonnengöttin der Erde“ sowie fragmentarisch D…-išnu. Zur Untersuchung über die Rolle der Großväter und Großmütter beim Totenritual šalliš waštaiš s. IV.4. Zur Synopse der Tage des Totenrituals s. IV.1. Da alle Gottheiten in demselben Zusammenhang einen Brotbrocken erhalten, dürften auch die Großväter und Großmütter einen (und nicht mehr) bekommen haben. Zu dem unmittelbar vorangehend aufgelisteten „2. Tag“ des Totenrituals stellt dieser Text eine andere Version dar. Nach der Rekonstruktion von Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 260 lässt sich dieser Eintrag dagegen zum 3. Tag emendieren, wenn auch auf der Tafel deutlich die Zahl 2 zu lesen ist (KUB XXX 15++ Vs. 1). Darüber hinaus lässt sich anmerken, dass die von diesen Autoren sogenannte Übersichtstafel des 3.? Tages (KBo XXXIX 289) denselben „Schreibfehler“ (die Zahl 2 anstelle von 3, Vs. I 1) aufweist. Daraus ist zu folgern, dass unterschiedliche Fassungen des Totenrituals bestanden, die
2. Man opfert den „Großvätern (und) Großmüttern“ ein oder zwei Schafe: – Am 2. Tag: KBo XXXIX 289 81 Vs. I 6: [II? UDU ḫ]u-uḫ-ḫa-aš ḫaan-na-aš (neben der Sonnengottheit der Erde, der Sonnengottheit des Himmels, der Seele des Toten?82 und dem Gott des guten Tages). – Am 7. Tag: KUB XXXIX 4++ 83 Vs. 4: I UDU ḫa-an-na-aš ḫu-uḫḫa-a[š] (neben dem Ersatzbild des Toten, der Sonnengottheit der Erde und der Seele des Toten). – Am 10. Tag: KUB XXXIX 10 Vs. I 4: [II? UDU ḫu-(uḫ-ḫa-aš ḫa-aan-n)a-aš] (neben dem Ersatzbild des Toten, der Sonnengottheit der Erde, der Sonnengottheit des Himmels, der Seele des Toten und dem Gott des guten Tages). – Am 10. Tag (Version B):84 HFAC 14 Vs. I 4: [II? UDU ḫu-]uḫ-ḫa-aš ḫa-a-an-n[a-aš] (ibid. für die Empfänger). – Am 12. Tag: KUB XXX 21++ Vs. I 3: II UDU ḫu-uḫ-ḫa[-aš ḫ]a-anna-aš (ibid. für die Empfänger). – Im Totenritual für einen Prinzen oder für eine Prinzessin bzw. ein Mitglied der königlichen Familie85 KUB XXXIX 6 Rs. 22: I UDU ḫuuḫ-ḫa-a[š ḫ]a-an-na-aš (neben der Sonnengottheit der Erde, der Sonnengottheit des Himmels, der Seele des Toten und dem Gott des guten Tages).
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hinsichtlich der Gliederung in Tage nicht gänzlich übereinstimmen (s. dazu van den Hout 1995a: 196 und zuletzt id. 2015: 301-306; Kapeluś 2008 und ead. 2011a). Dabei handelt es sich um die in der vorigen Anmerkung erwähnte Übersichtstafel des 2. Tages, die Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 655-658 als die „reduced description of the day 3!“ bezeichnen. Dazu s. II.5. Auf KUB XXX 25++ Rs. 30 ist die Zeichenzahl 8 klar zu lesen: Sie bezieht sich jedoch nicht auf die Zahl des Tages, sondern jene der Tafel; s. van den Hout 1995a: 196. Siehe Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 439ff. Im Text DUMU.NITA und DUMU. MUNUS. Auf Basis der neuen Übersetzung von Watkins 2010: 247 („And until the image has remained for 4 days they continue taking for sacrifice every day the following“, KUB XXXIX 6 Rs. 18-20) sieht es danach aus, dass die Opferhandlungen jeden Tag für vier weitere Tage zu wiederholen waren. Ob das Ritual weitere Tage dauerte und andere Kulthandlungen vollzogen wurden, ist anhand des erhaltenen Textes nicht zu bestimmen. Dazu s. auch IV.3.8.
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3. Man legt ein „dickes Brot“ (NINDA.GUR4.RA ) auf das Soldatenbrot (NINDA.ÉRINMEŠ) für die „Großväter (und) Großmütter“: – Am 13. Tag: KBo XL 22++ Rs. III 52ˈ: na-an-kán ḫu-uḫ-ḫa-aš ḫaan-na- A-NA NINDA[.ÉRINMEŠ d]a-a-i. – Am 13.Tag (Version B):86 KUB XXXIX 8++ Rs. III 12ˈf.: na-aš-ša[an (ḫu-uḫ-ḫa-aš)] (13ˈ) [(ḫa-an-na)-aš (A-NA NINDA ).ÉRIN MEŠ] da-a[(i)]. 4. Man trinkt (zu Ehren der) „Großväter (und) Großmütter“: – Am 8. Tag: KUB XXX 24 + KBo XXXIX 292 Vs. II 23: ḫu-uḫ-ḫiiš ḫa-an-ni-iš e-ku-zi. – Am 8. Tag (Version B):87 KUB XXXIX 40(++) Vs. II 2ˈ: ḫu[(-uḫḫi-iš ḫa-an-ni-iš e-ku-zi)]. – Am 12. Tag: KUB XXX 19++ Vs. I 42: [ḫa-an-ni-e]š ḫu-uḫ-ḫe-eš pí-an-zi.88 – Am 13. Tag: KBo XL 22++ Rs. III 49ˈ: [EGIR-an-da] ḫu-uḫ[-ḫi-iš] ḫa-an-ni-iš e-ku-zi. – Am 13. Tag (Version B):89 KUB XXXIX 8++ Rs. III 9ˈ: [(ḫu-uḫ)ḫi-iš (ḫa-an-ni-iš e-ku-z)]i.90 Die Anwesenheit der namenlosen Ahnen beim Totenritual des hethitischen Königs lässt erkennen, dass sie dabei neben den Gottheiten eine
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In Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 547ff. wird eine Version B1 (KUB XXXIX 8 (ohne 1758/c) + KBo XXXIV 58 + KBo XXXIX 291) von einer weiteren Version B2 (KUB XXXIX 8 1758/c + KBo XXXIX 14) für getrennt gehalten. In Anlehnung an Kapeluś 2008: 452f. lässt sich jedoch nur eine Version B rekonstruieren, weil alle Fragmente zu derselben Tafel gehören. Siehe Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 413ff. Dabei handelt es sich um eine Variante des Textes: „Man gibt den Großvätern (und) den Großmüttern .“ Das Verb eku-, „trinken“, ist nämlich in den Zeilen davor und danach belegt. Siehe Anm. 86. Obwohl die folgende Passage von KBo LII 30 (CTH 450) Vs. 4ˈ nur fragmentarisch erhalten ist und deshalb keinem Tag zugeordnet werden kann, lässt sie sich aufgrund des Kasus (Akkus.) auch als Beleg für die Ritualhandlung „Großväter (und) Großmütter trinken“ anführen: […] ḫu-uḫ-ḫi-iš ḫa[-an-niiš.
wichtige Rolle spielten. Sie gewährleisteten das Gedeihen des hethitischen Reichs und wurden bei diesem Übergangsmoment, der bei den Hethitern einem universellen Ungleichgewicht und großer Unreinheit entsprach, als Zeugen zum Schutz beim Dahinscheiden des Königs 91 angerufen. Kein Name wird genannt, kein bestimmter verwandtschaftlicher Bezug hergestellt: Der Ausdruck ist so allgemein gehalten wie nur möglich. Damit sind alle männlichen und weiblichen Vorfahren der königlichen Familie gemeint, die vermutlich aufgrund ihrer königlichen Abstammung eine herausgehobene Position unter den Toten erreicht hatten und im damaligen Glauben eine Schutzfunktion für die lebende königliche Familie ausüben konnten. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass derartige namenlose Ahnen mythische Vorfahren aus einer unbestimmten Vorzeit (vor dem hethitischen Reich?) darstellen. In beiden Fällen lässt sich annehmen, dass der Ausdruck ḫuḫḫiš ḫanniš für den Glauben der Hethiter an eine kollektive Vorstellung solcher Ahnen spricht. Ein Beweis für die Schutz- und Vermittlungsfunktion der Ahnen ist das Erscheinen der „Großväter (und) Großmütter“ als Fürsprecher beim Ersatzritual für den Großkönig Tudḫaliya (II./III.) KUB XLII 94 + HHT 80 (CTH 448.4.1.b.A) 92 Rs. IV?. Auf die Schilderung von Aufstellen und Bekleiden der Substitutsbilder für den König und die Königin folgt eine nicht rekonstruierbare Textlücke. 93 Nach einer ersten Ritualhandlung an den Bildern ist Folgendes zu lesen:94 91 92 93
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Und wahrscheinlich auch der Thronbesteigung des neuen Königs, obwohl in den erhaltenen Totenritualtexten keine Erwähnung davon zu finden ist. Taracha 2000: 34-37, 48-53 und passim; id. 2001: 685-695. Taracha (ibid.) zieht einerseits einen Vergleich zwischen den Kulthandlungen dieses Ersatzrituals und den wichtigsten Elementen der hethitischen taknaz dā-Riten; andererseits weist er (1998: 194f.) auf eine thematische Verwandtschaft zwischen diesen Substitutsriten und den Totenritualen hin. Demzufolge muss dem Autor (2001: 687) zufolge in der Textlücke „wahrscheinlich von der Überführung der Substitutspuppen zu dem am Vortag vorbereiteten Schlafgemach die Rede gewesen sein, zumal die anschließend (KUB XLII 94 + HHT 80 IV?) beschriebenen manuellen und oralen Riten offenkundig ebendort stattfanden.“ Im Text ist jedoch keine Erwähnung des Schlafgemachs zu finden. Die Ergänzungen stammen aus den folgenden Paralleltexten: Bo 4371(+) 419; Bo 3367 Vs.! 4-8; KUB VII 10 Vs. I 5-11; KUB LIII 58 1-7; KBo XXII 112 (+) KUB XL 74 Vs. 16-21.
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9ˈ) 10ˈ) 11ˈ) 12ˈ) 13ˈ) 14ˈ) 15ˈ) 16ˈ) 17ˈ) 18ˈ) 19ˈ) 20ˈ) 21ˈ) 22ˈ) 23ˈ) 24ˈ) 25ˈ)
nu DINGIRLU4 ku-iš A-NA ˹GIŠ˺UM[BIN ku-ut-r(u-uš)/ru-(˹ú˺-uš nu kiiš-ša-an me-ma-i)] ka-a-ša-wa a-pé-e-da-aš kat-˹ta˺-an [k(a-ru-ú ku-u-uš)] tar-pal-li-iš a-ra-a[(n-t)]a-ri nu-wa-za ku-u-u[(š še-ek-tén)] LUGAL-un-ma-wa-za le-e [(nam-ma š)]e-ek-te-e-ni AŠ-RU-w[(akán ka-ru-ú)] an-da ku-un-ga-an ma[(-a-)]˹an˺-kán ták-na-aš-ma DUT[(U-i ḪULlu)] KA× U-za ú-ez-zi pé[(-d)]i-ma ku-it-ki ka[(p-pu-u-ez-zi)] tar-pal-li-uš-ma ḫa-an[(-na-aš ˹ḫu˺-uḫ-)]˹ḫa˺-aš pa-ra-˹a˺ [(ti-yaan-du)] nu ki-iš-ša-an me-ma[-an-du (ka-a-ša-wa ˹a˺-)p(é-e-)]˹da˺[(-aš ḪUL)-lu-wa-aš] ˹wa˺-aš-du-la-aš ŠA LU[GAL pé-di (an-za-a-aš ka-˹ru˺-ú kat-ta-an) (a-ru-wa-aš-t)a-t(i)] [nu-wa-za?] ú-e-eš še-e[(k-tén) LU(GAL-un-ma-wa-za le-e še-ekte-ni)] [ḫa-an-n]a-aš-ma-aš ḫu-uḫ-ḫ[a-aš (pa-ra-a ták-na-aš DUTU-i)] [(ti-it-t)]a-nu-wa-an-du [n(u ki-iš-ša-an me-ma-an)-du (ka-a-šawa)] [a-pé-e-d]a-aš ŠA [(LUGAL ḪUL-lu-u-wa-aš ḫu-u-ma)-an-da-aš wa-aš-du-la-aš] [pé-di (k)]u-u-uš [(tar-pal-li-uš ti-it-ta-nu-um-m)e-en] [nu-kán? URUD] UZI.[KIN. BAR-aš G(IŠšar-pa-az-za še-ku-ú-e-en n)uwa-za zi-ik] [ták-na-aš] D[UTU-uš ku-u-(uš tar-pal-li-uš ša-a-ak an-za-a-aš)ma-wa-za] [le-]˹e˺ š[a-ak-(ti)]95
(9ˈ) Die Gottheit, die vor dem (Gerichts-)Ra[d Zeu]gin (ist), sprich[t] folgendermaßen: (10ˈf.) ,Hier für jene stehen schon längst diese Substitute.96 Nun merkt euch diese, (12ˈ) den König aber merkt euch nicht mehr! Die
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Zu den Belegen für „Großmütter und Großväter“ in den Paralleltexten s. KUB VII 10 (CTH 448.4.1.b.D) Vs. I 10, Bo 4371(+) (CTH 448.4.1.b.B) Vs. I? 2ˈ, 10ˈ und KUB XL 74(+) (CTH 448.4.1.b.E) Vs. 5ˈ. Man beachte den Ausdruck etwas (Dat.) kattan ar- (Z. 10ˈf.), der als „für etwas/jemanden stehen“ im Sinne einer Substitution zu deuten ist (s. auch Z. 16ˈf.).
Stelle ist schon (13ˈ) gesichert?.ʻ97 Wenn aber der Sonnengöttin der Erde Unheilvolles (14ˈ) aus dem Munde kommt, (wenn sie) aber irgendetwas an (dessen) Stelle in Rechnung zieht, (15ˈ) dann sollen aber die Substitute vor die Großmütter (und) Großväter heraustreten,98 (16ˈf.) und sie [sollen] folgendermaßen sprechen: ,Hier stehen wir schon längst für jene bös[en] Sünden [an der Stelle] des Kön[igs]. (18ˈ) [Nun] mer[kt euch] uns, den [Kö]nig aber merkt euch nicht!ʻ (19ˈ) Die [Großm]ütter (und) Großväter soll man für sie 99 vor die Sonnengöttin der Erde (20ˈ) hinstellen, und sie sollen folgendermaßen sprechen: ,Hier (21ˈf.) haben [wir] für [jen]e [an die Stelle] all[er] bösen [Sünde(n)] des Königs diese Substitute hingestellt. (23ˈ) Wir beschauten? (die Stelle) mit dem Stift? einer Stecknadel.100 [Und du], (24ˈ) [Sonnen]göttin [der Erde], merke [dir di]ese Substitute, uns [aber] (25ˈ) [merk]e [dir nicht (mehr)!ʻ]
Die „Großmütter (und) Großväter“ stellen hier die Vertreter des Königspaares 101 dar, die gegenüber der Sonnengöttin der Erde eine Vermittlerrolle einnehmen. In diesem Zusammenhang reicht es also nicht, dass die Substitutsbilder die Sünden des Königs rituell auf sich laden. Es bedarf darüber hinaus des Eingreifens bzw. des Zutuns der Ahnen, um die Sonnengöttin der Erde zu überzeugen, die Substitutsopfer statt des Königs und der Königin als Vergeltung ihrer Sünden zu akzeptieren. Die erste Funktion der Ahnen besteht nämlich in ihrer Anerkennung der Substitute als Ersatzfiguren des Königspaares. 102 Im letzten Satz der zitierten Textstelle (Zz. 24ˈf. „uns aber merke dir nicht“) wird das Pronomen „uns“ verwendet: Damit erweisen sich die Großväter und Großmütter nicht nur als Fürsprecher des Königspaares, sondern auch als dessen symbolische 97 98 99
100 101
102
Zur Diskussion über die unterschiedlichen Deutungen des Verbs kunk- s. Taracha 2000: 130-133. Vergleiche HW2 III 143b: „sollen sie die Substitute der Großmütter (und) Großväter (für Vorfahren) wegstellen.“ Taracha 2000: 232 zufolge ist ḫanna=šmaš ḫuḫḫaš als ein DvandvaKompositum zu deuten, wobei ḫuḫḫaš wohl fehlerhaft für ḫuḫḫiš steht, welches dagegen im Paralleltext KUB XL 74(+) Vs. 5ˈ belegt ist. Zu dieser Übersetzung s. ibid. 131-136 (insbes. 135). Vergleiche CHD Š/3 363b und 398a: „[and] we have sewn(?) [them] with the point of a ne[edle].“ Auch wenn nur der König im Textzusammenhang genannt wird, ist von den Substitutsbildern für König und Königin die Rede; darüber hinaus ist dort tarpalli- stets im Pl. belegt. Dazu s. auch Taracha 2000: 192ff.
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Verkörperungen, da sie sich letztendlich die Verantwortlichkeit für seine Sünden aufbürden und die Konsequenzen dieser Handlung gegenüber der Sonnengöttin der Erde ebenso tragen wie die Substitute auch. Daraus lässt sich folgern, dass die Ahnen die königliche Familie verkörperten. 103 Die zweite Funktion der „Großväter (und) Großmütter“ als Wächter über das Wohlergehen der königlichen Familie legt hier nahe, dass sie als Ahnen gerade in ihrer Gesamtheit als männliche und weibliche Vorfahren als wirksam angesehen wurden. Weitere Überlegungen zur konkreten kollektiven Dimension dieses Ausdrucks werden in IV.4 dargelegt, bereits an dieser Stelle lässt sich aber vorwegnehmen, dass nicht Bilder aller Vorfahren beim Ersatzritual für Tudḫaliya (II./III.) anwesend waren – dies wäre in der praktischen Ausführung zu umständlich gewesen – sondern zwei Statuen/Bilder, eine für die Großväter und eine für die Großmütter, wurden dabei repräsentativ für alle Vorfahren verwendet. Dies könnte auf die Vorstellung der Ahnen als unbestimmter Gesamtheit und auf eine Differenzierung zwischen dem Kult um namenlose Ahnen und um bestimmte Vorfahren ferner hindeuten. In nur zwei weiteren Texten ist die Bezeichnung „Großväter (und) Großmütter“ belegt. 104 KBo LIV 48 (CTH 470.1519) Rs. ist zu fragmen103
104
Da die Ahnen auf solche Weise mit der Sonnengottheit der Erde in Verbindung treten, lässt sich weiter fragen, ob sie unter die Totengeister gerechnet werden können. Eine derartige Klassifizierung wäre insofern plausibel, als ihnen offenbar keine derjenigen angerufenen Götter vergleichbare Göttlichkeit zugeschrieben wurde. Oder besaßen die Ahnen einfach einen von demjenigen der Götter zwar verschiedenen, mit diesem jedoch vergleichbaren Status? Immerhin sind sie im Totenritualtext neben den Gottheiten als Empfänger der Opfer belegt. Ein weiterer Beleg für „Großmütter (und) Großväter“ kann vermutlich auch in KUB LX 122 (CTH 651) Rs. 4ˈ gefunden werden: x+1) […ḫ]u-u-ma-an […] 2ˈ) [… LÚ ?ḪA?-T]Á-NU A-NA DINGIRME[Š…] 3ˈ) […]x ˹QA˺-TAM-MA a-aš-šu-uš ˹e?˺-[eš?- …] 4ˈ) […]x-kán an-da ḫa-a-ni-eš ḫu-uḫ-ḫe-[eš …] 5ˈ) […]x-wa-an-zi Ú-UL ku-it a-a-[ra …] „[… al]les […] (2ˈ) [… der? Schwiege]rsohn zu den Gottheite[n…] (3ˈ) […] auf diese Weise s[ei?] gut […] / (4ˈ) […] ferner? die Großmütter (und) die Großvä[ter …] (5ˈ) […] zu (Infinitiv?) weil es nicht erlau[bt ist …].“
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tarisch für einen Beitrag zu dieser Diskussion: Jedenfalls handelt es sich dabei um rituelle Kulthandlungen. 105 Im Textfragment KUB XVII 29 (CTH 470.96) Vs. II lässt sich dagegen Folgendes lesen: 6) 7) 8) 9) 10)
˹ka-ru˺-ú-ma šu-me-en-za-an ḫu-uḫ-ḫa-ḫa-an-ni-iš106 at-ti-e-eš an-ni-iš ir-ḫa-aš-ša KASKAL-aš-ša ud-da-ni na-aḫ-ḫa-an-te-eš e-šer nu ZAG-an KASKAL-an-na Ú-UL ku-iš-ki par-aš-zi A-NA DIŠKUR ZAG ḪI. A-uš ge-e-nu KASKAL-aš-ma-aš-ši UZUGAB …
Früher aber fürchteten sich eure Großväter (und) Großmütter, Väter (und) Mütter in der Angelegenheit der Grenzen sowohl als auch der Wege,107 und niemand überschritt Grenze und Weg. Die Grenzen (sind) die Knie des Wettergottes, die Wege (sind) aber seine Brust.108
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106 107 108
Auf Basis eines Vergleichs mit dem Totenritualtext KUB XXX 24+ Vs. II 23 ([EGIR]-an-da-ma ḫu-uḫ-ḫi-iš ḫa-an-ni-iš e-ku-z[i) schlägt Cohen 2002: 171 die Ergänzung des Verbs „trinken“ in Z. 4ˈ vor. In HW2 III 144a wird diese Zeile dagegen unter dem Verbum compositum anda ḫane/iš(š)- „bestreichen, aufstreichen“ betrachtet. Auf alle Fälle ist die Form ḫanieš statt ḫanneš von ḫanna- „Großmutter“ sonst unbelegt: Rein hypothetisch könnte aber [ḫaa/an-ni-]eš ḫu-uḫ-ḫe-eš in KUB XXX 19++ (CTH 450) Vs. I 42 ergänzt werden. Der Vorschlag von Cohen lässt sich jenem des HW2 vorziehen, da auf ḫanieš unmittelbar ḫuḫḫeš folgt. Zu beachten ist es jedoch, dass die Ahnen in allen Belegen für „Großväter und Großmütter trinken“ stets einen Akkus. Pl. (ḫanniš ḫuḫḫiš) aufweisen. Daher muss die Textstelle aus KUB LX 122 Rs. 4ˈ umstritten bleiben. Anhand des fragmentarischen Textzustandes wird auf eine Übersetzung verzichtet. Im Folgenden die Transliteration (s. auch Groddek 2010: 30f.): (x+1) […]-kar-ri x[…] (2ˈ) [… šu-up-p]í-aḫ-ḫa-an-d[a …] (3ˈ) […]x ku-wa-pí […] (4ˈ) [… -y]a?-aš ma-aḫ-ḫa-a[n …] (5ˈ) […]x NAG-na […] (6ˈ) […]-ši-kán-zi […] / (7ˈ) [… ḫu]-uḫ-ḫa-aš ḫa-an-na-[aš (Dat. Pl.?) …] (8ˈ) [… I]N-BIḪI.A-ya da-˹a˺-[i ? …] (9ˈ) […] I DUG KAŠ I DUG GEŠTIN […] (10ˈ) [… -z]i nu-kán IZIḫur […] (11ˈ) [… -z]i nam-ma-kán I[ZI(-) …] (12ˈ) […]x-zi nu A-N[A …] (13ˈ) […]x SISKUR-ni […]. Als univerbierte Form. Siehe auch HW2 I 559. Siehe auch Goetze 1957: 140; Hoffner 1998: 320.
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In Anlehnung an Hoffner 1998: 320 ist ein landwirtschaftlicher Zusammenhang für die Grenzüberschreitung zu vermuten. Dass hier der Ausdruck „Großväter (und) Großmütter“ zur Bezeichnung der Ahnen verwendet wird, lässt sich jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit behaupten. Insbesondere ist auf den Beleg für „Väter (und) Mütter“ hinzuweisen. 109 Der Fokus liegt hier auf dem Bezug auf die Vorfahren der involvierten Menschen, wobei es keineswegs nur um die Generation der Großeltern geht: Ältere und jüngere Vorfahren werden miteinbezogen. Der Ausdruck vermittelt hier eine stärkere zeitliche Nuance. 5
„Großväter (und) Großmütter“ und „Väter“ im Totenritual
Eine Textstelle des Totenrituals šalliš waštaiš ist aufgrund einer besonders interessanten Variante im Folgenden ausführlicher zu betrachten. Die „Großväter und Großmütter“ waren nur eine der vielen Gruppen von Opferempfängern beim Totenritual, d.h. die gleiche Kulthandlung wurde mehrmals in Bezug auf die unterschiedlichen Gottheiten (und Ahnen) wiederholt. Außer einigen kleinen Ausnahmen finden sich in den verschiedenen Paralleltexten keine wesentlichen Varianten. Die Hauptfiguren sind beim Ritual je nach Kulthandlung beinahe immer dieselben. Wenn man als Beispiel die Schaf- und Rindopfer heranzieht, waren die 109
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Im Unterschied zu „Großväter (und) Großmütter“ scheint sich der Ausdruck „Väter und Mütter“ stets auf die leiblichen Väter und Mütter zu beziehen. Eine übertragene Bedeutung lässt sich nicht nachweisen: Siehe z.B. die Mannestaten Šuppiluliumas KUB XXXIV 23 (CTH 40.III.c) Vs. 1-17: „[…] contro lˈesercito [… lˈesercito di] Ḫul-[x … erano] andati al di là […] continuavano ad assalire […] ad [ogni] ricca città […] tolse [i…] di Ḫattuša e li […] i loro padri, le loro madri, i loro fratelli (Z. 7ˈ: A-BI-ŠU-NU AMA-ŠU-NU ŠEŠ MEŠ-ŠU-NU ) [e li restituì] ai loro padri e madri (Z. 8ˈ: a-pé-el at-ti an-ni) e al (loro) portale. Deportò invece [le truppe] da ricognizione? che [erano andate] al di là assieme alla popolazione (e) al bestiame bovino (ed) ovino e [li] portò [via a Ḫattuša], e ciascuno riprese il suo posto. Quelli che erano gli antichi abitanti di Išuwa restarono invece al loro posto – non [ne prese]ro nessuno, ma portò loro via la popolazione ittita che essi avevano deportato e la restituì [ai loro padri] e [ai l]oro [f]ratell[i] (Vs. 16ˈ: [A-NA A-BI-ŠU-NU Š ]EŠ M[EŠ-Š ]U-NU), e portò via [a Ḫattuša] la popolazione.“ (Übersetzung von del Monte 2008: 75, mit eigenen Hervorhebungen)
Empfänger je nach den Tagen (neben den Großvätern und Großmüttern) die Ersatzstatue des Toten (ALAM), 110 die Sonnengottheit der Erde (taknaš D UTU), 111 die Sonnengottheit des Himmels (nepišaš DUTU/D UTU ŠAMÊ/D UTU ANE),112 die Seele des Toten (akkandaš ZI/apēl ZI) 113 und der Gott des guten Tages (D UD.SIG5 ). 114 Selbst die Reihenfolge der Empfänger erweist sich als stabil. Die folgende Übersichtstafel des zweiten Tages KBo XXXIX 289 Vs. I bietet aber eine bemerkenswerte Variante: 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
[I-N]A UD IIKAM ma-aḫ-ḫa-an ḫa-aš-˹ta˺-[i le-eš-ša-an-zi ?] [n]a-at I-NA É. NA4 pé-e-da-a[n-zi] [n]a-at-kán GIŠNÁ-aš ti-an-zi ˹nu I GU4˺ [V]I? UDUḪI. A-ya ki-iš-ša-an ši-pa-an-ta-an-[zi] [I UDU t]ák-na-aš DUTU-i I UDU ne-pí-ša-aš [DUTU-i] [II? UDU ḫ]u-uḫ-ḫa-aš ḫa-an-na-aš I UDU at-ta-a[š] [I UDU A-N ]A D UD.SIG5…
(1) [A]m zweiten Tag, wenn sie die Knoche[n aufsammeln ?], (2) bring[en] sie sie zum Steinhaus (3) [un]d legen sie auf das Bett. Ein Rind (4) und [sech]s? Schafe opfe[rn] sie auf diese Weise: (5) [ein Schaf] für die Sonnengottheit der [E]rde, ein Schaf für die [Sonnengottheit] des Himmels,
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Am 7. Tag (KUB XXXIX 4++ Vs. 3); am 10. Tag (KUB XXXIX 10 Vs. I [3]; HFAC 14 Vs. I [3]); am 12. Tag (KUB XXX 21++ Vs. I 2). Am 2. Tag (Übersichtstafel KBo XXXIX 289 Vs. I 5); am 7. Tag (KUB XXXIX 4++ Vs. 4); am 10. Tag (KUB XXXIX 10 Vs. I 4; HFAC 14 Vs. I 4); am 12. Tag (KUB XXX 21++ Vs. I 3); im Totenritual für ein Mitglied der königlichen Familie (KUB XXXIX 6 Rs. 21). Am 2. Tag (Übersichtstafel KBo XXXIX 289 Vs. I 5); am 10. Tag (KUB XXXIX 10 Vs. I [4]; HFAC 14 Vs. I [4]); am 12. Tag (KUB XXX 21++ Vs. I 3); im Totenritual für ein Mitglied der königlichen Familie (KUB XXXIX 6 Rs. 21). Am 2. Tag (Übersichtstafel KBo XXXIX 289 Vs. I 5); am 7. Tag (KUB XXXIX 4++ Vs. 5); am 10. Tag (KUB XXXIX 10 Vs. I 5; HFAC 14 Vs. I 5); am 12. Tag (KUB XXX 21++ Vs. I 4); im Totenritual für ein Mitglied der königlichen Familie (KUB XXXIX 6 Rs. 23). Am 2. Tag (Übersichtstafel KBo XXXIX 289 Vs. I 7); am 7. Tag (KUB XXXIX 4++ Vs. 6); am 10. Tag (KUB XXXIX 10 Vs. I 5; HFAC 14 Vs. I 5); am 12. Tag (KUB XXX 21++ Vs. I 4); im Totenritual für ein Mitglied der königlichen Familie (KUB XXXIX 6 Rs. 24).
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(6) [zwei? Schafe] für die [G]roßväter (und) Großmütter, ein Schaf für die atta[š], (7) [ein Schaf fü]r den Gott des guten Tages…
Wie in vielen Textstellen wird auch hier die gesamte Zahl an geopferten Schafen und Rindern am Anfang angegeben. Daraufhin werden die einzelnen Opfertiere in Bezug auf die jeweiligen Empfänger genannt (das ermöglicht die Ergänzung verlorener Zahlenangaben). In Z. 6 lässt sich GU4-ya hinzufügen, ein Opfer, das sonst immer der akkantaš ZI-ni „Seele des Toten“ zugedacht wurde. Dafür findet sich hier jedoch attaš, wörtlich „den Vätern“ (Dat.-Lok. aus atta-). Die Übersetzung von Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 657 lautet: „one sheep [to] the soul .“ Diese Deutung von attaš wird von den Autoren aufgrund des Vergleichs mit parallelen Texten vorgeschlagen, in denen an dieser Stelle die Seele des Toten stets belegt ist. Darüber hinaus erfährt sie ihrer Meinung nach eine weitere Bestätigung durch die folgende Passage aus dem Entsühnungsritual gegen die Frau Ziplantawiya KBo XV 10+ (CTH 443.A) 116 Vs. I: 16) 17) 18)
… ki-nu-na-wa A-NA fZi ad-di-eš-še-eš pal-ḫa-a-e-eš [tu]-˹e-ek˺-ke-e-eš-še-eš SIG5-an-te-eš mi-iš-ri-wa-an-te-eš a-iš apé-el [SIG 5]-˹in˺ EME a-pé-el SIG 5-an-za …
Now Ziˈs soul117 is wide, her [li]mbs are fine faultless (or bright), her mouth is [goo]d, her tongue is good. (Übersetzung von Kassian 2000: 25)
Kassian (ibid. 80) kommentiert diese Stelle folgendermaßen: „The word atteš (here is nom.plur. + poss. -ššeš) is pl.tantum and means ,soul, spiritʻ. The other example of this word shows KBo XXXIX 289 Vs. I 6 (reduced Description of Day 3!), where dat.-loc. Pl. attaš is used instead of akkantaš ZI-ni ,to the soul of the deadʻ from similar contexts.“ 118 Auch im HED 1115 116 117 118
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Auf jeden Fall ein Versehen, statt des hier korrekten, einfachen „ox“. Kassian 2000: 7-104; s. auch im Hethiter-Portal CITATIO: Görke (ed.), hethiter.net/: CTH 443. Im Hethiter-Portal (ibid.) wird das Wort addieš nicht übersetzt. Dazu zieht der Autor einen Vergleich mit den akk. Wörtern ṣurru(m), „Herz, Gemüt“, und karšu(m), „Inneres, Gemüt, Sinn“, die sehr häufig mit Adjek-
2, 227 steht unter adda-/addi-: „(c.) nom. pl. addeš […]. Immediately preceding tuekka- (sg. ,bodyʻ, here pl. ,limbsʻ) at the outset of a progressively restrictive listing of anatomical features, the plural of an adda- (qualified by ,wideʻ) perhaps signifies ,compass, frame, buildʻ.“ Schließlich ist Eichners Vorschlag zu erwähnen, 119 der heth. addi- dem lykischen eti zur Seite stellt, bei dem es sich wohl um die Bezeichnung eines Körperteils handelt. In addieš=šeš (KBo XV 10+ Vs. I 16) dürfte addi- daher ebenfalls einen Körperteil bezeichnen, während es sich aber schwerlich mit „Seele (des Toten)“ übersetzen lässt. Am einfachsten erscheint es, in dieser Form in KBo XXXIX 289 eine Ableitung von atta- „Vater“ zu sehen. 120 Bedeutungsvoll zu dieser Deutung ist nicht nur der Beleg für attaš statt für akkantaš ZI-ni, sondern auch das Fehlen von GU4 (.NIGA). Bei jedem Opfer waren nämlich die Gottheiten und die „Großväter (und) Großmütter“ nur mit Schafen zu bedenken, während die Seele des Toten auch ein Rind erhielt. Da GU4 am Anfang der Textstelle in der Gesamtmenge der Opfer angegeben wird, ist akkantaš ZI-ni zu erwarten; infolgedessen kann GU4 in Z. 6 hinzugefügt werden. Der Schreiber (oder derjenige, der ihm den Text diktiert hat) hat aber offenbar beim Niederschreiben an etwas Anderes gedacht. Die Ausdrücke adduš/atteš/AB.BA ḪI.A/ A-AB-BA(-A) „Väter“ gelten in den hethitischen Texten auch als Bezeichnungen für die Vorfahren, allerdings nicht synonym mit den „Großvätern (und) Großmüttern“, die allgemein die Ahnen in ihrer Kollektivität darstellen (s. II.8.1-2). Mit dem Ausdruck „Väter“ wird dagegen ein engerer semantischer Bereich abgedeckt, insofern nur die Vorgänger des Königs bzw. die früheren Könige gemeint waren.121 Da also zwei unterschiedliche Ausdrücke jeweils
119 120 121
tiven wie „breit, ausgedehnt“ belegt sind. Kassian zufolge könnte auch der hethitische Ausdruck atteš palḫaeš eine Lehnübersetzung einer akk. Redewendung sein. Siehe H. Eichner apud Christiansen 2007: 93 Anm. 4. Zu dieser Deutung s. auch HW 2 I 559. Ausschließlich im Erlass Telipinus KUB XI 1+ (CTH 19.II.B; s. Hoffmann 1984; zuletzt Gilan 2015: 137-177) Rs. IV 16ˈ (Dupl. KBo III 67+ Rs. IV 3ˈ) wurden mit dem Pl. von atta- die Eltern bezeichnet: 16ˈ) [(ma)]-a-na-aš at-ti-iš ḫu!-iš-wa-an-te-eš šar-ra-na-a[š še-er?] 17ˈ) [ku-w]a-at-ka4 ú-e-ri-ez-zi ku-i-ta-aš-ša šar-ra-an-[n]a KA× U-az ú-˹e˺-ri˹ez˺-zi
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für die Vorfahren/namenlosen Ahnen einerseits und für die Vorfahren/früheren Könige andererseits stehen, lässt sich daraus ein Unterschied zwischen dem Ahnenkult und dem Kult der verstorbenen Könige ableiten. Wiewohl es keinen zwingenden Beweis gibt, ist es vorstellbar, dass der Schreiber irrtümlich in der Reihe der Opferspenden neben den Ahnen auch an die toten Könige gedacht hat. Ein Anhaltspunkt für diese Deutung findet sich im Orakeltext KUB XVI 39+ (CTH 574.4)122 Vs. II: Dort wird gefragt, ob irgendein Unheil die Unreinheit für den König und die Königin hervorgerufen habe. Das Objekt der Untersuchung ist das göttliche Steinhaus, d.h. gerade der Ort, in dem das Totenritual šalliš waštaiš stattfand und sämtliche in KBo XXXIX 289 aufgelisteten Opferspenden für Gottheiten und namenlose Ahnen darzubringen waren. 123 Im Laufe der Orakelanfrage wird zuerst das É.NA4 DINGIRLÌ mTudḫaliya „göttliche Steinhaus von Tudḫaliya“ genannt (Vs. II 3, 6), in dem der verstorbene König beim daḫi-Fest Opfer erhielt (Vs. II 4f., 11) – für sich genommen bereits ein Beweis für den Kult der toten Könige im Steinhaus. Daraufhin wird das É.NA4 DINGIRLÌ ad-da-aš „göttliche Steinhaus der Väter“ genannt (Vs. II 20, 24, 29, 30), in dem eben von Opfern beim daḫi-Fest die Rede ist. Daraus lässt sich folgern, dass im Steinhaus der Kult für die verstorbenen Könige stattfand (s. auch IV.3.5). Plausibel erscheint daher die Möglichkeit, dass in KBo XXXIX 289 Vs. I 6 attaš statt akkantaš ZI-ni aus Versehen geschrieben wurde, weil der Schreiber an die Statuen der Väter/verstorbenen Könige gedacht hat. Aufgrund der vorgebrachten Beobachtungen lässt sich die Deutung der Form attaš als „Seele“ bei Kassian 2000: 80 nicht weiter vertreten. 124
122 123 124
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18ˈ) na-aš-ta É-er-za pa-ra-a pé-eš-ši-ya-an-du na-aš-kán šar-ra-na-za-pát ša-me-en-du „(16ˈ) Wenn er die lebenden Väter (Eltern? Vergleiche Hoffmann 1984: 53 „die Väter, die (noch) am Leben sind“; van den Hout 1997: 198 „(his) living parents“) [wegen?] des Anteils (17ˈ) [irg]endwann anruft, und weil er zum Teilen mit dem Munde ruft, (18ˈ) sollen sie (ihn) aus dem Haus werfen, und er soll eben des Anteils verlustig gehen.“ Siehe die ausführliche Textanalyse in IV.3.5. Zum Ahnenkult im Steinhaus s. IV.4. Siehe auch Christiansen 2007: 93 Anm. 4; vgl. CHD L-N 298a in Bezug auf KBo XV 10+: „addeš hardly ‚ancestors‘.“
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„Großvater“ als „Ur-, Ururgroßvater“
ABI ABI, die ḫuḫḫa- entsprechende akk. Form, bezieht sich in der Regel auf
den leiblichen Großvater der Bezugsperson. Allerdings existiert die Möglichkeit einer übertragenen Verwendungsweise. Im Exemplar A des Vertrags Tudḫaliyas IV. mit Šaušgamuwa von Amurru KUB XXIII 1++ (CTH 105)125 Vs. I 15-22 ist nach der Titulatur am Anfang der historischen Einleitung Folgendes zu lesen: A[ls] damals [Aziru] zum Großvater meiner Sonne (Z. 15 ABI ABI D UTUŠI), Šuppiluliuma, in das Land Ḫatti [kam], waren die Amurru-Länder noch (im Zustand eines) [Fein]d(landes): Sie [waren] Vasallen des Ḫurri-Königs. Ebenso war Azira ihm (dem Ḫurri-König) (gegenüber) loyal. Aber mit Waffengewalt hat er (Šuppiluliuma) ihn [nicht unterworfen]. Aziru, dein Großvater (Z. 21 ABA ABI-KA), hat nun [Šuppi]luliuma in der Herrschaft geschützt.126 ABI ABI DUTUŠI 127 wird hier in Bezug auf Šuppiluliuma I. gebraucht und ABA ABI-KA auf
Aziru. In beiden Fällen werden die Ausdrücke „ungenau“ verwendet: Šuppiluliuma I. war nämlich nicht der Großvater von Tudḫaliya
125 126
127
Kühne – Otten 1971: 1ff.; s. zuletzt Devecchi 2015: 225-232. Übersetzung von Kühne – Otten 1971: 7 mit geringfügigen Abweichungen und eigenen Hervorhebungen. Siehe auch Singer 2003: 99 und zuletzt Devecchi 2015: 227; zu einer ausführlichen Diskussion dieser Textstelle s. ead. 2012: 38ff. Neben ABI ABI und ABI ABI LUGAL ist auch ABI ABI D UTUŠI belegt. Dieser Ausdruck findet sich außer in KUB XXIII 1++ Vs. I 15 in den folgenden Texten: – KUB XLII 100++ (CTH 673; s. Hazenbos 2003: 15-24) Vs. I 20ˈ, Rs. III 22ˈ, IV 5ˈ und 10ˈ. Hazenbos (ibid. 14) zufolge ist dieser Text Tudḫaliya IV. zuzuschreiben. Dort sind nämlich einige Zeitbezüge belegt: kinun „jetzt“, ABI D UTUŠI „Vater meiner Sonne“, der Name Muwattalli und ABI ABI DUTUŠI „Großvater meiner Sonne“. Nur Tudḫaliya IV. kann daher mit der genannten Sonne identifiziert werden, denn sein Vater und Großvater waren jeweils die Könige Ḫattušili III. und Muršili II., während Muwattalli II. lediglich mit seinem Namen (ohne verwandtschaftlichen Bezug, da er ja nicht zu den direkten Vorfahren Tudḫaliyas IV. gehörte) genannt wird. Der Text spricht von kurta-(Tafeln) des „Großvaters“ bzw. der Zeit des Großvaters, welche die Vorgaben für die zu feiernden Feste betreffs bestimmter Gottheiten enthielten.
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– Die Vertrags- oder Instruktionsfragmente KUB XL 25 (CTH 212.105) und KBo XLV 273 (CTH 212.16; zur Transliteration s. Roszkowska-Mutschler 2005: 331) sind sehr bruchstückhaft erhalten. ABI ABI D UTUŠI findet sich im ersten Fragment einmal ohne Kontext (Vs. 5ˈ) und einmal in Bezug auf Tafeln (Vs. 7ˈ TUP-PAḪI.A ŠA A-BI A-BI [D UTUŠI). In KBo XLV 273 ist der Ausdruck ohne Bezüge belegt (Vs. 7ˈ), aber darauf (Vs. 8ˈ) ist LUGAL-iznanni „im Königtum“ zu lesen: Dies kann auf die historische Einleitung eines Vertrags hindeuten. – Bei KUB V 6++ (CTH 570; s. Beckman et al. 2011: 183-208) handelt es sich um ein Leberorakel, in dem die „Eide des Vaters meiner Sonne und des Großvaters meiner Sonne“ (lk.Rd. 8 ŠA A-BI D UTUŠI-ya-za-kán Ù ŠA A-BI A-BI D UTUŠI MA-ME -TI ḪI. A) belegt sind. Aufgrund der Nennung der Maššannauzzi, einer Tochter von Muršili II., lässt sich die Sonne mit diesem König identifizieren (so ibid. 209). Darüber hinaus werden dort auch seine Stiefmutter Tawananna und sein Vasall Mašḫuiluwa genannt. Dem fragmentarischen Zusammenhang lässt sich nur entnehmen, dass der König beim Opferritual die Eide des Vaters und des Großvaters rezitieren sollte. – Im Gebet Muwattallis II. an die Götterversammlung KUB VI 45++ Vs. II 56 (CTH 381.A; s. Singer 1996) findet sich der sonst nicht belegte Ausdruck DINGIR. LÚMEŠ DINGIR. MUNUS MEŠ ŠA A-BI A-BI D UTUŠI „die männlichen Gottheiten und die weiblichen Gottheiten des Großvaters meiner Sonne“; dazu s. II.3. – Im Annalenfragment KUB XXIII 13+ (CTH 211.4; s. Sommer 1932: 314ff.; Beckman et al. 2011: 154ff.) Vs. 2 ist nach einer Textlücke A]-BI A-BI D UTUŠI zu lesen; vgl. Güterbock 1992: 236f., der die Ergänzung A-BI A]-BI A-BI D UTUŠI vorschlägt, um die damit gemeinte Person von derjenigen in Vs. 3 ( A-BI A-BI D UTUŠI – auch ergänzt!) zu unterscheiden. – In drei Texten ist das É A-BI A-BI D UTUŠI „Haus des Großvaters meiner Sonne“ belegt: im Festritualfragment Bo 5001 (CTH 670.2252) lk. Kol. 10ˈ; im Tafelkatalog KBo XLVII 6 (CTH 277.12) Rs. 1ˈ; im Ritual für Ištar von Tamininga KUB XII 5 (CTH 713.1) Vs. I 2, Rs. IV 18ˈ; zu diesem Haus s. IV.5. – Der Ausdruck ABI ABI D UTUŠI lässt sich auch im Leberorakel KUB XLIX 88 (CTH 570) Rs. III? 6ˈ rekonstruieren. Der Text bietet freilich nur ABI ABI vor einer Textlücke, in den darauffolgenden zwei Zeilen sind aber jeweils ABI D UTUŠI (Z. 7ˈ) und DUTUŠI (Z. 8ˈ) in einer historischen Erzählung belegt: 6ˈ) […] A-BI A-BI [D UTUŠI] pa-ra-a pa-iz-zi 7ˈ) […] A-BI D UTUŠI ku-in KASKAL-an INA A. AB.BA 8ˈ) […D]UTUŠI-ma a-pu-u-un KASKAL-an EGIR-pa ar-ḫa „Der Großvater [meiner Sonne] geht weiter; […] welchen Feldzug der Vater meiner Sonne bis zum Meer […] meine [S]onne aber diesen Feldzug zurück weg…“.
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IV., sondern sein Urgroßvater (Tudḫaliya IV. – Ḫattušili III. – Muršili II. – Šuppiluliuma I.), während Šaušgamuwa, Sohn von Bentešina, der Ururenkel von Aziru gewesen sein dürfte (Šaušgamuwa – Bentešina/(Šapili?) – Tuppi-Teššub – Ari-Teššub – Aziru): Demnach war Aziru sein Ururgroßvater. 128 Bereits bei der Edition von Kühne – Otten (1971) fiel diese ungenaue Verwendung der Ausdrücke auf, und die Autoren folgerten daraus, dass ABA ABI-KA am besten mit „dein Ahnherr“ zu übersetzen ist. Dem widerspricht jedoch Kammenhuber (HW2 I 549f.): Entgegen Kühne – Otten in der letzten Bearbeitung StBoT 16 29f. ergibt sich aus dem ungenauen Gebrauch von ,Großvaterʻ in ITTI ABI ABI D UTUŠI [mŠuppilu]li[uma] I 15f. und [mA]ziraš ABI ABI-KA I 21129 in der historischen Einleitung XXIII 1+ keine Bedeutung ,Ahnherrʻ, sondern Tutḫaliya IV., der die Geschichtsfälschung seines Vaters Ḫattušili III. wieder gut machen wollte, hat für den Anfang eine Vorlage Ḫattušilis III. benutzt und vereinfacht.
Zur Untermauerung ihrer Deutung führt sie eine Reihe von Argumenten an, die im Folgenden diskutiert und, soweit möglich, widerlegt werden. Zuerst erklärt Kammenhuber KUB XXIII 1++ Vs. I 24ff. anhand der dort belegten Behauptung, Aziru habe auch Muršili (nach Šuppiluliuma) hinsichtlich seiner Herrschaft „geschützt“, für historisch inkorrekt. Ihr zufolge kann dies nicht zutreffen, weil der Sohn von Aziru, Ari-Teššub, und der Sohn von Ari-Teššub, Tuppi-Teššub, in der Zeit Muršilis II. regiert hätten. Aus dem Vertrag Muršilis II. mit Tuppi-Teššub von Amurru KUB III 119(+) (CTH 62.B)130 Vs. 12-18 geht jedoch hervor, dass Aziru nach der Thronbesteigung Muršilis II. noch am Leben war: But [as] Aziru had been in [the time of my father], so he was in my time. Then it happened that [the kings of the land Nuḫašši and the King of the land of Kinza] became hostile to [me], but [your grandfather] Aziru [and your father Ari-Teššub …] them. They supported me alone as overlord. [And when Aziru became an old man] and was no longer able to go on
128 129 130
Zur Reihenfolge der Könige und der Geschichte Amurrus s. Singer 1991. Im Text steht A-BA A-BI-KA. Siehe zuletzt Devecchi 2015: 214-220.
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military campaign as he had always gone to war [with infantry] and chariotry, [then] Ari-Teššub…131
Des Weiteren betrachtet Kammenhuber das Textfragment 93/w (StBoT 16, Taf. A, Kopie S. 79): Es kann an den Anfang der Version A des Vertrags angefügt werden und enthält einen Teil der Titulatur, u. a. [ NA-RAAM D UT] U URUA-ri-in[-na] (Z. 2). Dies bringt die Autorin mit Tudḫaliyas Gebet an die Sonnengöttin von Arinna KBo XII 58+ (CTH 385.9)132 in Verbindung, in dem sich der König wegen der Vernachlässigung der Göttin selbst anklagt. Demgemäß ist 93/w nach Kammenhuber nicht als indirekter Join zu akzeptieren, weil sich Tudḫaliya in seiner Titulatur aufgrund dieser Verfehlung nicht als „Geliebter der Sonnengöttin von Arinna“ hätte präsentieren können. Entgegen dieser Argumentation lässt sich jedoch annehmen, dass Tudḫaliya das Versäumnis der Vernachlässigung der Göttin im Gebet nicht erwähnt hätte, ohne Vorkehrungen zum Wiedergewinnen ihrer Gunst zu treffen. Demzufolge würde nichts dagegen sprechen, sich als „Geliebter der Sonnengöttin von Arinna“ zu bezeichnen. Darüber hinaus sei, so Kammenhuber, die bei Kühne – Otten (1971) betrachtete Version B des Vertrags Tudḫaliyas IV. mit Šaušgamuwa die zu postulierende Vorlage für Ḫattušili III., denn darin ist die aus dem Dekret Ḫattušilis III. KBo VI 28+ (CTH 88) 133 Vs. 1ff. bekannte Einleitung einschließlich der Phrase NARĀM D UTU URUArinna zu finden. Dieser Titel ist aber kein Proprium Ḫattušilis III. 134 Überdies muss sich NARĀM D UTU URUArinna im Vertrag Tudḫaliyas IV. mit Šaušgamuwa nicht unbedingt auf Tudḫaliya IV. beziehen, sondern dürfte als Epitheton für Ḫattušili III. in der Genealogie von Tudḫaliya verwendet worden sein.
131 132 133 134
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Übersetzung von Beckman 1999a: 59f. (die Ergänzungen werden auf der Basis der akk. Fassung vorgenommen). Singer 2002: 108-110. In der Sekundärliteratur werden häufig mehrere Textstellen dieses Dekrets zitiert, eine Bearbeitung steht bislang jedoch noch aus. Siehe z.B. die Annalen Ḫattušilis I. KBo X 2 (CTH 4.II.A: s. de Martino 2003: 21-79: Gilan 2015: 215-243) Vs. I 27. Siehe auch Gonnet 1979: 56ff. In der Glyptik kommt dieser Ausdruck freilich vor; s. Otten 1993: 22ff. und passim, und zuletzt Herbordt – Bawanypeck – Hawkins 2011: 96ff.
Ein weiteres aufschlussreiches Element stellt die Erwähnung eines Tudḫaliya am Ende der Titulatur (KUB XXIII 1++ Vs. I 6) dar, die sich als Bezug auf den homonymen Vorfahren des Königs erklären lässt. 135 Letztendlich existiert kein einziger klarer Hinweis darauf, dass die Titulatur und die Verwandtschaftsverhältnisse der ersten 25 Zeilen 136 die Übernahme aus einer Vorlage von Ḫattušili III. sind und demzufolge falsche Angaben über den Stammbaum Tudḫaliyas IV. enthalten. Somit lässt sich festhalten, dass in diesem Vertrag die Verwendung des Ausdrucks für „Großvater“ in einem übertragenen Sinn auch noch eine weitere Generation, wenn nicht mehr, einbeziehen konnte. Šuppiluliuma I. war der Urgroßvater Tudḫaliyas IV. Das Verwandtschaftsverhältnis von Šapili zu Bentešina und zu Tuppi-Teššub ist nicht genau bekannt,137 auch unabhängig von Šapili war Bentešina aber der Urenkel von Aziru und Šaušgamuwa dementsprechend sein Ururenkel. Eine solch eindeutige Verwendungsweise von ABI ABI ist lediglich in diesem Text belegt, obwohl es weiterhin eine Vielzahl an unklaren Fragmenten gibt, in denen sich dieser Ausdruck im Zusammenhang nicht genauer deuten lässt.138 Da es sich bei dem Vertrag Tudḫaliyas IV. mit Šaušgamuwa um einen späten Text handelt, ist auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass die wörtliche Bedeutung von ABI ABI mit der Zeit verblasste und der Ausdruck auch einen entfernteren Verwandten als den Großvater bezeichnen konnte.139
135 136 137 138
139
Siehe die Bronzetafel Bo 86/299 Vs. I 5: ŠÀ. BAL. BAL ŠA mTu-ud-ḫa-li-ya „Nachkomme von Tudḫaliya“. Dazu s. auch Klengel 1995: 160f. Kammenhuber zufolge sind die restlichen Verwandtschaftsangaben in KUB XXIII 1++ 28ff. zutreffend. Siehe Singer 1991: 164-171. Siehe KUB XXXI 78 (CTH 215) Vs.? 9ˈ; KUB XXII 10 (CTH 582) Vs. II? 6ˈ; KUB LVII 10 (CTH 209) Vs. 9ˈ; KBo XLIV 7 (CTH 215) Rs. 3ˈ; Bo 7785 (CTH 389) 13ˈ; KUB XLIII 51++ (CTH 570) 16ˈ; KBo XXXIV 106 (+) KBo XXI 81 (CTH 509.6) Rs. 5ˈ/25ˈˈ; VBoT 101 (CTH 215 ) 3ˈ; KUB XL 25 (CTH 212.105) 5ˈ, 7ˈ; KBo XLV 273 (CTH 212.16) Vs. 7ˈ; KUB L 47 (CTH 582) Rs. III 5. Zur ähnlichen Verwendung von hurr. ammade (sowohl „Großvater“ als auch „Vorfahr/Ahn“) s. II.5.
63
7
„Urgroßvater“ als „Ururgroßvater“
In dem auf akkadisch verfassten Vertrag Šattiwazas von Mittani mit Šuppiluliuma I. KBo I 3(+) (CTH 52.I) 140 Vs. 8f. findet sich für „Ururgroßvater“ der Ausdruck ABU ABA-ABI-YA, „mein Urgroßvater“: 141 Also (spricht) Šattiwaza, der Sohn des Königs Tušratta: Eine Tür aus Silber und Gold, die der König Šauštatar, mein Urgroßvater, aus dem Lande Aš[šur] als Zeichen seiner Macht(stellung) fortführte (und) in Waššukkanni an seinem Palast angebracht hat…
Tatsächlich war Šauštatar kein Urgroßvater Šattiwazas, sondern sein Ururgroßvater.142 Da ABI ABI für „Urgroßvater“ bzw. für einen älteren Vorfahren zumindest in einem hethitischen Text (KUB XXIII 1++ Vs. 15, 22; s. II.6.) belegt ist, lässt sich annehmen, dass auch der Ausdruck ABU ABAABI-YA in diesem akkadischen Vertrag Šattiwazas nicht seine wörtliche Bedeutung hat, sondern auch auf eine entferntere Verwandtschaft verweist. Dazu äußert Wilhelm143 die Vermutung, dass es sich bei dieser Verwendung nämlich nicht um ein Versehen handelt, denn „in akk. abu ab abi könnte hurr. ammadi subintellegiert sein, welches sowohl ,Großvaterʻ als auch ,Vorfahrʻ (auch ,Ältesterʻ) bedeutet.“ 144 Demzufolge dürfte der Schreiber hurr. ammadi durch den entsprechenden akk. Ausdruck ABU ABA- ABI-YA übersetzt haben.
140
141
142
143 144
64
Zur ersten Gesamtedition s. Weidner 1923: 1-57; s. auch Beckman 1999a: 48ff. (Text 6B); im Hethiter-Portal CITATIO: Wilhelm (ed.), hethiter.net/: CTH 52.I; zuletzt Devecchi 2015: 254-262. Dazu schreibt Weeden 2011a: 139 „The phrase a-bu a-ba-a-bi-ya (“greatgrandfather”) […] occurs in the Akkadian-language text KBo 1.3 (obv. 8), written in the Boğazköy ductus, and demonstrates both a u-construct, or possibly an honorific nominative, and ,Sandhiʻ.“ Šauštatar war vermutlich der Großvater von Šuttarna II., dem Großvater von Šattiwaza. Zur politischen Geschichte des Mittani-Reichs s. de Martino 2000: 61-102 und Anm. 1 zur Bibliographie. Siehe CITATIO: Wilhelm (ed.), hethiter.net/: CTH 52.I: Translatio Anm. 4. Zu hurr. ammade/i und heth. karuili- (akk. labīru, sum. libir) s. Richter 2012: 25. Siehe auch hier Anm. 160.
Das folgende Brieffragment KBo L 78 (+) KBo L 79 (+) KBo L 148 (CTH 186)145 erlaubt es, die Verwendung von ABU ABI ABI auch in Bezug auf innerhethitische Verwandtschaftsverhältnisse zu postulieren: KBo L 148 (+) KBo L 79(+) Vs.: 1) […] li-in[-146 … R]A AN-ya ḫar-˹ga-nu-uz?147-zi ?˺[…] 2) […]-e A-WA[-TEMEŠ] ki-nu-na-ya-za ka-a-š[a ...] 3) […]x ˹an-da i-ya˺-ši ] nu A-NA D UTU URUPÚ-na x[…] 4) […]x-an ar-ti nu-ut-ták-kán x[…]x ˹i-wa˺-ar ARAD-ŠU m […] 5) […A-N]A [D ]UTUŠI me-ma-at-ti x[…] DI-NU pu-nu-uš nu ka-a-š[a …] 6) […-a]t-za da-aḫ-ḫi DUTUŠI-y[a A-N ]A LUGAL KUR URUKa-ra-an-duni-y[a-aš …] 7) […]x-an-za ˹da˺148-at-ti-ya D[UTU URUPÚ-]na GAŠAN-YA DI -NU QATAM-MA pu!-n[u-uš-ta? …] 8) […]x-mi ku-e-ez-za-aš-za x[…] ˹Ú˺-UL TÀŠ-PUR nu-ut-ta DUTUŠ[I …] 9) […]x x Ú-UL n[a- … zi-i]k-ka4-ma-an-mu ŠEŠ-tar x x[…] 10) […]x x x […]x-KA ku-it TÀŠ-PUR nu-uš-[…] 11) [… -a]t ?-wa!-mu 149 nu-mu-za x x[…] 12) […]x-ta ŠA KUR ḪAT -TI […]x[…] 13) [… -š]a? GIM-an-x[…] 14) [… -y]a? LUGAL[…] 15) […]x x […]
145 146 147 148 149
Groddek 2008b: 67-69 und 107f. Vermutlich link-/lingai-. Die ersten oberen zwei Winkelhaken sind zu sehen. So Groddek 2008b: 69 und 108; möglich ist es aber, auch die Zeichen ŠA oder NA zu lesen. Eigentlich -a]t ?-ši-mu. Die Partikel -wa(r)- würde gut nach dem Verb TAŠPUR in Vs. 10 passen, der Text fährt danach aber mit einem Satz ohne -wa(r)- fort.
65
(1) […] ? richtet zugrunde? […] (2) […wel]che?/die Wort[e] und/auch150 jetzt hier […] (3) […] darin ? machst du und zu der Sonnengöttin von Arinna […] (4) […] du kommst an und dir […] wie seinen Diener?151 [PN…] (5) [… z]u meiner Sonne sprichst du […] du sollst die Rechtssache untersuchen, und hier […] (6) […] ich nehme es/sie und meine Sonne [z]u dem König von Babyl[on …] (7) […] ??? 152 [die Sonnengöttin von Arin]na, meine Herrin, hat auf diese Weise die Rechtssache untersuc[ht?153 …] (8) [… Verb] I. Pers. Sing., von demjenigen, der? […] du hast nicht geschrieben/geschickt und dir/dich meine Sonn[e …] (9) […] nicht [… du] aber würdest? mir/mich die Bruderschaft […] (10) […] dein/e was/weil du geschrieben/geschickt hast und […] (11) [… ,? e]s? mir und mir […] (12) […] des Landes Ḫatti […] (13) […] wie/als […] (14) […] der? König […] (15) […]. KBo L 78(++) x+1) [… -]ši A-BA [ A?]-BI A-BI-Y[A …] 2ˈ) [… G]IM-an pa-it za-aḫ-ḫi-ya-ma-aš-ši-k[án] 3ˈ) [… a]r-ḫa ku-it-ki da-a-aš 4ˈ) […] LUGAL KUR URUKa-ra-an-du--ya LUGAL GAL? […] 5ˈ) […LU]GAL KUR URUKa-ra-an-du-ni-ya-aš-ma-aš-ši
150 151
152
153
66
Zu kinun=aya=za mit Verwendung der Konjunktion -aya ohne Gemination des Konsonanten davor s. Hoffner – Melchert 2008: 399f. iwar ist in der Regel ein nachgestelltes Adverb und teilweise formal Postposition mit Genitiv. Zu seiner Verwendung als von einem Substantiv gefolgter Konjunktion s. ibid. 256 (§§ 16.60); s. auch HED 2, 500 (insbesondere KUB VIII 48+ Vs. I 15-16). Falls aber iwar als Postposition gedeutet wird, lässt sich wie folgt übersetzen: „[…] du kommst an und dir wie […] seinen Diener [PN]“. Hier ist dattiya oder šattiya zu lesen. dattiya kann in Verbindung mit dem Heilsterminus tāti, dāti „Liebe(?)“ oder mit luw. tāti- c. „Vater“; tāti(ya)„väterlich“ oder mit dem Verb tatiya- „brechen(?)“ (vgl. HEG III/9, 274f.) gebracht werden. Für šatti- liegt keine sichere eindeutige Bedeutung vor (vgl. CHD Š/2, 313). Eine weitere Alternative stellt die Lesung na-at ti-ya dar, damit sich auf diese Weise ein vollständiger Satz mit tiya als 2. Pers. Sing. Imper. aus tiya- „binden“ ergibt. Zur Verwendung des Verbs punušš- in Bezug auf eine Gottheit s. CHD P, 380 2a (z.B. KBo IV 8+ Vs. II 16-17 nu=za DINGIRMEŠ kī DĪNAM peran katta dāišten n=at pu-nu-uš-tén „O gods, set this case down before yourselves and investigate it“).
6ˈ) 7ˈ) 8ˈ) 9ˈ) 10ˈ)
[… n]a-at-kán154 A-NA PA-NI D UTU URUPÚ-n[a …] [… a]r-ku-wa-ar […] D UTU URUPÚ-na GAŠAN-YA le-e šal?[- …] [… (-)ḫ]a-at-[… -]aš-ši ka-a-ša ke-e-da-ni […] […]x D UTU UR[UPÚ-na GAŠAN-Y]A DI-NU pu-nu-uš nu-uš-ši DUTU UR U [ PÚ-na …] […]x [D UTU URUPÚ-na GAŠAN-Y]A DI-NU pu-nu-uš-ta […]
(x+1) […]ihm? me[in]en Ur[gr]oßvater […] (2ˈ) [… a]ls er ging, im Krieg aber ihm (3ˈ) […] nahm er irgendetwas weg ? (4ˈ) […] der König von Babylon, Großkönig […] (5ˈ) […] der König von Babylon aber ihm […] (6ˈ) [… u]nd es/sie vor der Sonnengöttin von Arinn[a …] (7ˈ) [… das G]ebet […] Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, nicht ?? […] (8ˈ) […] ihm? hier diesem […] (9ˈ) […] Sonnengöttin von [Arinna, mei]ne [Herrin,] die Rechtssache sollst du untersuchen und ihm/für ihn die Sonnengöttin von [Arinna …] (10ˈ) [… die Sonnengöttin von Arinna, mei]ne [Herrin], untersuchte die Rechtssache […].
Bei diesem Text handelt es sich wahrscheinlich um den Briefentwurf eines hethitischen Königs 155 an einen unbekannten, aber vielleicht gleichrangigen 156 König. 157 Der Adressat wird in der 2. Pers. Sing. angesprochen und das Thema der Rechtssache betreffs des Königs von Babylon,
154 155
156
157
Oder n]a-aš-ma-kán. Hier lässt sich lediglich anmerken, dass die Sonnengöttin von Arinna auch in den ausführlichen Annalen Muršilis II. häufig als „meine Herrin“ bezeichnet wird. So kann ŠEŠ-tar in KBo L 79(++) Vs. 9 interpretiert werden. In dem erhaltenen Text ist jedoch nie der Ausdruck ŠEŠ-YA belegt, der auf einen internationalen Brief hinweisen würde. ŠEŠ-tar erinnert an den Brief Muwattallis II. an Adadnīrārī I. KUB XXIII 102 (CTH 171; s. Giorgieri – Mora 2004: 184ff.) Vs. I 5, 7 (ŠEŠ-UT-TA), 9, 10, 12, 13, [17] (ŠEŠ-tar), ein Vergleich zwischen den zwei Briefen ist aber unergiebig. Es liegen keine Hinweise auf ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Adressaten und dem Absender vor. Da u. a. der König von Babylon (ohne Namensnennung – sofern der Name nicht in einer Lücke zu ergänzen ist) erwähnt wird, lässt sich dieser als Adressat ausschließen. Das einzige Beispiel von einem Brief eines hethitischen Königs an den König von Babylon (Brief Ḫattušilis III. an Kadašman-Enlil II., CTH 172) zeigt nämlich, dass Ḫattušili III. Kadašman-Enlil II. außerhalb des Briefkopfs („Kadašman-Enlil, Großkönig, König des Landes Babylon, mein Bruder“) nie mehr als König von Ba-
67
die von der Sonnengöttin von Arinna untersucht werden muss, durchläuft den ganzen erhaltenen Text. Der Ausdruck ABA ABI ABI -YA findet sich etwa in der Mitte des Briefes, vermutlich in Verbindung mit einem Krieg. Wahrscheinlich handelt es sich hier um eine Erzählung von vergangenen Ereignissen, die den König von Babylon involvierten. Die Untersuchung, die diesbezüglich der Adressat vom hethitischen König verlangt hat, 158 dürfte bereits stattgefunden haben (man beachte die Verbalformen von punuš-, zuerst im Imp. und später im Prt.), und darüber wird der Adressat mit diesem Brief informiert. Da der Verfasser wahrscheinlich der hethitische König war, muss sich ABA ABI ABI-YA im Gegensatz zum oben besprochenen Vertrag Šattiwazas auf innerhethitische Verwandtschaftsverhältnisse beziehen. In diesem Fall lässt sich aber nicht bestimmen, ob dieser Ausdruck schlicht den Urgroßvater oder einen älteren Vorfahren bezeichnet.159 Zu ABU ABI ABI ist bisher kein semantisch äquivalenter Ausdruck auf Hethitisch vorgeschlagen worden:160 ABI ABI entspricht auf jeden Fall
158 159
160
68
bylon anspricht. Daher kommen als Adressaten die Könige von Ägypten, Aššur, Aḫḫiyawa und Ḫanigalbat? in Frage. M. Giorgieri hat mich freundlicherweise auch auf eine andere Möglichkeit aufmerksam gemacht: Bei diesem Text könnte es sich nämlich um einen Brief des hethitischen Königs an einen Vasallen oder einen nicht gleichrangigen Partner handeln, da der Titel D UTUŠI vor allem in solchen Briefen belegt ist – wiewohl es auch Gegenbeispiele gibt (vgl. Giorgieri – Mora 2004: 47). So ist KBo L 79(++) Vs. 5 zu deuten. Ein weiterer Beleg für ABU ABI ABI findet sich im Brief eines Königs von Aḫḫiyawa an einen hethitischen König KUB XXVI 91 (CTH 183; s. Beckman et al. 2011: 134-139; Hoffner 2009: 290-292) Vs. 8: {Ras.} < m >Ka-ga-mu-naaš-za-kán A-BA A-BA-A-B[I -ŠU?/ YA? …] (A-BA-A-BI in Sandhi-Schreibung). Für die Textanalyse ist aber der Zusammenhang zu fragmentarisch. Vergleiche Beckman et al. 2011: 134 und Hoffner 2009: 292, deren Ergänzungen für Muwattalli II. als Adressaten dieses Briefs sprechen. Vergleiche oben die Bemerkungen zum Vertrag Šattiwazas von Mittani mit Šuppiluliuma I. KBo I 3(+) (CTH 52.I): Akk. ABU ABI ABI kann für hurr. ammadi stehen, das sowohl „Großvater“ als auch „Vorfahr“ und „Ältester“ bedeutet. Das hurr. Wort ammadi wird auf Basis des Ausdrucks ammade/i=na ēn(i)=na ≈ karuilieš šiuneš „uralte Götter“ mit heth. karuili- „alt“ gleichgesetzt (s. de Martino – Giorgieri 2008: 78). Die Übertragung der Bedeutung
ḫuḫḫa-. Es existiert aber noch ein Wort, das mit „Großvater/Vorfahr“ zu übersetzen ist, nämlich ḫuḫḫant-. Dieses stellt eine Derivation zu ḫuḫḫamit dem Suff. -ant- dar. 161 Demzufolge lässt sich erwägen, ob ḫuḫḫant„ursprünglich“ eine ähnliche Bedeutung hatte wie ABU ABI ABI. 162 „Ursprünglich“, weil ḫuḫḫant- selten (viermal insgesamt) und lediglich in der Pluralform belegt ist.163 Anstelle von Ur- bzw. Ururgroßvätern ist daher die Bedeutung „Vorfahren“ vorzuziehen. Da das Akkadogramm ABU für „Vater“ in hethitischen Texten überaus häufig auftaucht, wird schließlich vermutet, dass es gleichermaßen gängige Schreiberpraxis gewesen sein muss, anstelle des hethitischen Wortes für „Urgroßvater“ das entsprechende Akkadogramm zu verwenden. 164 8
AB. BA( ḪI.A)
versus A-AB-BA(-A): Sumerogramm oder Akkadogramm?
Der Ausdruck AB. BA ist sumerisch. Bei seinen fehlerhaften Schreibungen in den hethitischen Texten erhebt sich jedoch die Frage, ob die hethitischen Schreiber das Wort (richtig) als Sumerogramm oder (falsch) als Akkadogramm verstanden und dementsprechend verwendet haben. Im
161
162
163
164
des Adjektivs „alt“ auf ein Substantiv für „Großvater/Vorfahr“ (oder umgekehrt?) im Hurritischen hat jedoch keine Entsprechung im Hethitischen. Siehe Hoffner – Melchert 2008: 56 (§2.25): „the suffix -ant- also has a delimiting or ‘individualizingʻ function. When it is added to names of the seasons, the reference is to a particular instance.“ Zu der gleichen Frage im Luwischen s. Kloekhorst 2008: 353 CLuw. ḫūḫa„grandfather“; HLuw. huha- „grandfather“, huhant(i)- „ (great)grandfather(?).“ ḫuḫḫanteš (Nom. Pl.) in KUB XXI 5++ Vs. 14; ḫuḫantiš (Nom. Pl.?) in Bo 6351 Vs. I 4ˈ; ḫuḫanteiš (Nom. Pl. ?) in KUB XXXVI 87(+) Rs. IV 27ˈ; ḫuḫantaš (Gen. Sing. oder eher Gen./Dat. Pl.) in KBo XXII 129(+) 5 (dazu s. II.8.2). In akk. Texten ist der Ausdruck abi abi abi sehr selten belegt. Siehe CAD A/I, 70b: abi ab(i)-abi great- grandfather: a-bu a-ba-a-bi-ya KBo I 3:8; AD AD.AD DÙ-ya Thompson Esarh. Pl. 17 v 39 (Asb.); AD AD. AD-ya VAB 3 123 a 3 (Artaxerxes II) und die Variante, die im AHw I 7b aufgelistet wird: aB a-bi a-[bi]ya ḫamšum (pa-bíl-ga iá-kam-ma-mu) mein Ururgroßvater LIH: 97/9, 64 // VS 1, 33 III 9.
69
Folgenden werden daher die Belege der Boğazköy-Texte mit den jeweils denkbaren Deutungen aufgelistet.165 1. KUB XXXII 133 Vs. 2: 2. KUB XXXVIII 37 Rs. III? 5ˈ:
AB. BA-YA
oder
A-NA A. AB. BA- Y[ A? A-NA A- AB-BA- Y[ A?
?
3. KUB I 1++ Rs. IV 54:166
A-NA AB. BAḪI. A Ù A-NA AB. BA
4. KUB I 1++ Rs. IV 58:167
A-NA PA-NI AB. BAḪI.A- YA AB. BA
5. KUB XXI 5++ Vs. 2 KUB XXI 2 + XLVIII 95 Vs. 3: oder
A-BI A. AB. BA. A-YA
AB. BAḪI. A
[AB. BAḪI.(A)]
A-BI A-AB -BA- A- YA
?
Aufgrund der fehlerhaften bzw. der „plene-Schreibung“168 stellen die Belege 2 und 5 problematische Fälle dar. In Anlehnung an Weeden (2011a: 137f.) kann aber auch die Verwendung von ḪI.A in den Belegen 3 und 4 darauf hindeuten, dass die hethitischen Schreiber unsicher waren, ob es sich dabei um ein Akkadogramm oder doch um ein Sumerogramm handelt.169 Weeden (ibid.) und Miller (2004: 315) entscheiden sich auf Basis der folgenden Überlegungen letztendlich für die Lösung „Sumerogramm“:
165
166 167 168
169
70
HZL 97 listet lediglich das Sumerogramm auf. Zur Verwendung von AB. BA auf Akkadisch s. CAD A/I, 72: abu (in plural) forefathers, ancestors: abbū (wr. syll. and AB. BAMEŠ, ADMEŠ, AD. AD). Dupl. KUB I 6++ (CTH 81.E) Rs. IV 33ˈ; KBo III 6++ (CTH 81.B) Rs. IV 14; KUB I 8 (CTH 81.M) Rs. IV 33. Dupl. KUB I 6++ (CTH 81.E) Rs. IV 36ˈ; KBo III 6++ (CTH 81.B) Rs. IV 19. Zu dieser Frage im Akkadischen (plene-Schreibung des anleitenden Vokals, die aber nicht als Indiz der Länge des Vokals zu betrachten ist) s. Streck 1997/1998: 311f. Vergleiche aber auch Fälle wie ḫal-ki ḪI. A-uš (z.B. KUB XIV 15+ Vs. I 11) als Variante neben ḫal-ki-uš (z.B. KUB XIII 4 Rs. IV 23).
I. In KBo III 6 Rs. IV 14 (Duplikat von Beleg 3) fehlt die Präposition Weeden zufolge ein Indiz für ein Sumerogramm.
ANA:
II. Zum Beleg 1, der als Sing. „Mein Vorfahr“ übersetzt werden muss, schreibt Miller: abbaya, and variants, would of course indicate pl. ‘my forefathers’ in proper Akkadian (CAD A/I, 72; AHw 7b-8a). Here the scribe seems either to have used the word in the singular or, perhaps, to have employed the ideogram common in OB, Boğazköy, Ugarit and el-Amarna Akkadian (CAD A/I, 67a; HZL, Nr. 97).
III. RS 17.132, 8 ab.baMEŠ-ú-ka (Brief des Šuppiluliuma I. an Niqmaddu II. von Ugarit, CTH 45) stützt wegen der Verwendung von MEŠ und dem phonetischen Komplement den vorigen Punkt II. Die Belege 2 und 5 zeigen jedoch eine fehlerhafte bzw. „plene-Schreibung“, insbesondere des Anlauts, denen nach Weeden altbabylonisch ana a-ab-bi-ni entspricht. Dabei weisen sie allerdings auch eine assyrische Deklination auf.170 Hinsichtlich der diachronen Verteilung ist das verfügbare Material wenig aussagekräftig. Während AB. BA als von den Schreibern verstandenes Sumerogramm in Texten aus der Zeit Muršilis II. (Beleg 1) und Ḫattušilis III. (Belege 3 und 4) zu finden ist, lässt sich die fehlerhafte Schreibung des Ausdrucks auf die Ära Muwattallis II. datieren (Beleg 5).171 Vermutlich hat der Schreiber dieser Zeit AB.BA unter dem Einfluss der mittelassyrischen Plural-Formen von abu (Nom. Pl. ab-ba-ya, ab-baú-ya, Akkus./Gen. Pl. ab-be-ya)172 als Akkadogramm angesehen, wie170
171 172
Zu den Beispielen s. Weeden 2011a: 138. Die Form a-ab-ba-a erscheint (neben a-(ad)-da-a) als indirekte Anrede in der Adresse der Brieftexte aus Lagaba. Im Hinblick auf die Deutung „Vater“ darf als wahrscheinlich gelten, dass es sich bei diesem Ausdruck um eine Entlehnung des sumerischen AB. BA handelt (s. Sallaberger 1999: 61f.). Dass die hethitischen Schreiber diese Form aus den altbabylonischen Briefen kannten, ist aber unwahrscheinlich. Der Beleg 2 findet sich in einem Gerichtsprotokoll, das aber keinem bestimmten König zugeschrieben werden kann. CAD A/I 72.
71
wohl dies allein noch keine ausreichende Begründung für die ungewöhnliche „plene-Schreibung“ (A-AB-BA-A) darstellt. Darüber hinaus lässt sich anmerken, dass das Plural-Determinativ ḪI.A bei fehlerhaften bzw. „plene-Schreibungen“ nicht verwendet wurde: Dies wäre nämlich bei einem Akkadogramm, das explizit als Plural zu erkennen ist, auch nicht zu erwarten. Eine solche Lesart wird zumindest durch den Beleg 5 (A-BI A-AB-BA-A-YA) bestätigt. Der Beleg 2 ( A-NA A-AB-BA-Y[A?) dürfte hingegen eher ein Singular gewesen sein (s. II.8.1). Da die fehlerhafte Schreibung des sumerischen Ausdrucks AB. BA eine Ausnahme darstellt, wird sie in der vorliegenden Arbeit stets in Transliteration akkadographisch mit Bindestrichen geschrieben. Denn die daraus resultierende und zu deutende Form ABBĀ/abbā erweist sich auch im Akkadischen als nicht korrekt. 8.1
„Vater“ und „Väter“ als königliche Vorgänger
Die folgende Textstelle aus der Reform des Kultes der Göttin der Nacht von Šamuḫa durch Muršili II. KUB XXXII 133 (CTH 482) 173 Vs. erlaubt die Bedeutungen der Ausdrücke AB. BA und ABI ABI voneinander abzugrenzen: 1) 2) 3) 4)
UM-MA D UTUŠI mMur-ši-DINGIRLÌ LUGAL.GAL DUMU mŠu-˹up˺-pí-lu-
li-u-ma LUGAL.GAL UR.SAG AB. BA-YA-za-kán ku-wa-pí mTù-ud-ḫa-li-ya-aš LUGAL.GAL DINGIR GE6 IŠ-TU É DINGIR GE6 URU Ki-iz-zu-wa-at-ni ar-ḫa šar-ri-i-e-et na-an-za-an I-NA URUŠamu-ḫa É DINGIRLÌ ḫa-an-ti-i i-ya-at …
Thus (says) My Sun, Muršili, Great King, son of Šuppiluliuma, Great King, Hero: When my forefather, Tudḫaliya, Great King, split the Deity of the Night from the temple of the Deity of the Night in Kizzuwatna and worshipped her separately in a temple in Šamuḫa… (Übersetzung von Miller 2004, 312)
173
72
Miller 2004: 312-319.
wird hier ohne das Det. ḪI.A geschrieben, 174 also wohl im Sing. Es ist nämlich unwahrscheinlich, dass die akkadische Pluralform vorliegt, die im Sinne eines Singulars zu verstehen ist: 175 Dafür wäre bereits ABU als Akkadogramm zur Verfügung gestanden. Dies spricht stark für die Deutung als Sumerogramm. AB. BA bezieht sich aber hier nicht auf den Vater von Muršili II., d.h. auf Šuppiluliuma I., da von einem Tudḫaliya die Rede ist. Zwei Könige namens Tudḫaliya haben vor Muršili II. regiert: Tudḫaliya II./III., sein Großvater, und Tudḫaliya I./II., sein Ururgroßvater. Für Tudḫaliya II./III. wäre jedoch ABI ABI-YA zu erwarten. 176 Des Weiteren hat Miller überzeugend ausgeführt, dass dieser König hier aus historischer Sicht unbedingt mit Tudḫaliya I./II. identifiziert werden muss. 177 Dies legt nahe, dass sich AB. BA in diesem Text auf den Ururgroßvater Muršilis II. bezieht. Folglich kann diesem Ausdruck weder die Bedeutung „Vater“ noch die Bedeutung „Großvater“ zugeschrieben werden. Der postulierte Unterschied zwischen drei Verwandtschaftsausdrücken in Bezug auf jeweils drei verschiedene Generationsstufen wird durch AB. BA
174 175 176
177
In hethitischen Texten ist AB. BA nie mit MEŠ belegt. Siehe Weeden 2011a: 138 und vgl. HW2 I 545b. Den Beweis dafür stellt die Verwendung dieses Ausdrucks in Šuppiluliumas Mannestaten (CTH 40) in Bezug auf den Großvater Muršilis II., Tudḫaliya II./III. dar: s. KBo XIV 1 Vs. II 8; KBo XIV 3+ Vs. II 8, Rs. III 7, 8, 9, 11, 22, 26, 30, 38, [39]; KBo XIV 8+ Vs. II [11]; KBo XVI 21 1; KBo L 15 Vs. 6; KUB XIX 10+ Vs. I 7, 10, 12, 13, 15, 20; KUB XIX 11++ Rs. IV 17, 20, 21, 22, 24, 29, 33, 34, 38, 40, 42; KUB XIX 12 Vs. II 4a, 6, 9, 12, Rs. III 3, 12; KUB XXIII 2 Vs. I 5; KUB XXVI 84 Vs. II 2; KUB XIV 23+ Vs. I 18. Diesbezüglich ist auch die folgende Textstelle aus dem Vertrag mit Ḫayaša HT 85 (CTH 78; s. Carruba 1988: 71-74) Zz. x+1ˈ-3ˈ zu zitieren: (x+1ˈ) […]x mAn-ni-ya[(-)…] (2ˈ) […]-x A-BI A-BI-Y[A ...] (3ˈ) […]x-KA-ya mMa-ri[-ya (-) ...] Aufgrund der Erwähnung von Anniya und Mariya lässt sich dieses Fragment Muršili II. zuschreiben (s. Carruba 1988: 72f.) und dürfte infolgedessen einen weiteren Beleg für den Ausdruck ABI ABI-YA bei Muršili II. in Bezug auf seinen Großvater Tudḫaliya II./III. enthalten. Zur Beweisführung davon und zu den bislang dargelegten Meinungen hinsichtlich der Existenz von zwei oder drei Königen namens Tudḫaliya s. Miller 2004: 350 Anm. 487 und 351ff.; s. auch Herbordt – Bawanypeck – Hawkins 2011: 86ff.
73
das folgende Gerichtsprotokoll KUB XXXVIII 37 (CTH 295.7.A) 178 Rs. III? weiter untermauert: 5ˈ) 6ˈ) 7ˈ)
178
179 180 181
182
74
[UM-]MA mḪe-eš-ni-i LÚSANGA A-NA A-AB -BA-Y[A?-wa?]179 [ḪÚ]B.BIḪI.A KÙ. BABBAR D UTU URUPÚ-na IR-ta nu-w[a-ra-a]t-ši SUMit180 ú-it-ma-wa-ra-at-za EGIR!-pa!181 UGU d[a?182-a?-aš?]
8ˈ) 9ˈ) 10ˈ) 11ˈ) 12ˈ)
UM-MA mḪu-u-tar-li
SANGA A-NA A-BU- Y[ A-wa?]
13ˈ) 14ˈ) 15ˈ)
UM-MA mZu-wa-a
16ˈ) 17ˈ) 18ˈ) 19ˈ)
UM-MA m Wa-ar-wa-ša-zi DUTU URUPÚ-na-wa
LÚ
UTU URUPÚ-na AŠ. ME GUŠKIN DMe-ez-zu-la-aš-š[a]
D
AŠ. ME KÙ. BABBAR e-še-er
nu-wa-ra-aš-za I-NA É DINGIRLÌ ši-ip-pa-an-za-ke-et ki-nu-un-ma-wa-za ú-uk I-NA É- YA BAL-ke-mi ša A-BU A-BU -NI-wa-na-aš DUTU URUPÚ-na AŠ. ME GUŠKIN e-eš-zi nu-wa-aš-ma-aš-ša-an e-eš-ša-an-zi GUŠKIN-ma-wa ŠA DINGIRLÌ ALAM MUNUS TI DX
URU PÚ-na-ya ALAM LÚ nu-wa-ra-aš-za ši-ip-pa-an-za-ke-mi KÙ. BABBAR -ma-wa ŠA DINGIRLÌ
ŠA A-BU-NI
Werner 1967: 56f. Die Vs. ist nicht zu entziffern. Rs. 1ˈ-4ˈ ist nur in Spuren erhalten; nach einem größeren Zwischenraum und der Trennlinie folgt der oben transliterierte Text. Vergleiche ibid. 56: D [UTUŠI-wa]. Möglicherweise ein Versehen des Schreibers, der SUM-it statt SUM-iš (oder SUM-ta) geschrieben hat. Siehe auch die Belege in CHD P 42a. Oder EGIR-ŠÚ? Dies sei hier als Vorschlag zur Diskussion gestellt. Die Zeichen deuten auf TUM? DI? hin, was aber keinen Sinn ergibt. Die Z. 3ˈ, in der EGIR pa zu lesen ist, könnte einen Vergleich für meine Lesart bieten, es ist dennoch anzumerken, dass die zwei Zeichen in Z. 7ˈ nicht sorgfältig und in geringem Abstand voneinander geschrieben wurden. Zur weiteren denkbaren Lesart GEŠTIN! KU7! s. Anm. 183. Die Zeichenspuren am Ende der Zeile sprechen eher für LA (Verb lāḫ-/laḫ(ḫ)u-/laḫ(ḫ)uwai-? Siehe die nachfolgende Anm.) und nicht für DA. Diese Ergänzung wird aus inhaltlichen Gründen vorgeschlagen.
20ˈ)
mPí-ḫa- A. A UGULA SIMUG!. A i-ya-at
21ˈ)
[ ] x x x x x ḪÚB.[BIḪ]I.A KÙ. BABBAR
§1 (5ˈ-7ˈ) [Folgend]ermaßen (sprach) Ḫešnī, der Priester: „Von me[inem] Vorfahren forderte die Sonnengöttin von Arinna [Ohrr]inge ? aus Silber, und er gab [si]e ihr. Später aber n[ahm ?] er sie wieder? an sich.“ 183 §2 (8ˈ-12ˈ) Folgendermaßen (sprach) Ḫutarli, der Priester: „Me[in] Vater hatte eine Sonnengöttin von Arinna (in Form) einer goldenen Scheibe [und] eine Mezzulla (in Form) einer silbernen Scheibe. Ihnen brachte er gewohnheitsweise im Tempel das Opfer dar. Jetzt aber bringe ich selbst jeweils in meinem Hause das Opfer dar.“ §3 (13ˈ-15ˈ) Folgendermaßen (sprach) Zuwā: „Von unserem Großvater haben wir eine Sonnengöttin von Arinna (in Form) einer goldenen Sonnenscheibe; man verehrt sie (für sich) kultisch im Tempel. Das Gold aber (ist Eigentum) der Gottheit.“ §4 (16ˈ-20ˈ) Folgendermaßen (sprach) Warwašazi: „Eine Sonnengöttin von Arinna (in Form) der Statue einer Frau und ein Wettergott von Arinna (in Form) der Statue eines Mannes (war in Besitz) unseres Vaters. Für sie bringe ich gewohnheitsmäßig das Opfer dar. Das Silber aber (ist Eigentum) der Gottheit.“ Piḫamuwa, der Aufseher (der) Schmied(e), hat (sie) gemacht.184 §5 (21ˈ) … Ohrri[ng]e? aus Silber.
Diesem Gerichtsprotokoll lässt sich entnehmen, dass eine Untersuchung über Kultgegenstände, die offenbar im Tempel sein sollten, durchgeführt wurde. Es enthält Aussagen von Priestern, die erklären, die fragliche Kultbeopferung für die Gottheiten in ihren privaten Häusern betrieben zu ha-
183
184
Falls die Lesung GEŠTIN! KU7! und die Ergänzung des Prt. 3. Pers. Sg. aus lāḫ/laḫ(ḫ)u-/laḫ(ḫ)uwai- anzunehmen ist, könnte der Satz so lauten: „Später aber g[oss] er süßen Wein auf sie“, d.h. beschädigte der Priester die Ohrringe. In diesem letzten Satz fehlt die enklitische Partikel -wa(r). Nach Werner 1967: 57 Z. 20 ist dieser entweder als Teil der Aussage oder als Vermerk des Schreibers zu deuten. Zu den Beispielen für die Auslassung von -wa(r) s. Fortson 1998: 22ff.: Er verweist (S. 23) auch auf KUB XXXVIII 37 Rs. III ? 6ˈ, obwohl dort in Z. 5ˈ die Partikel ergänzt werden kann.
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ben. Ihren Behauptungen gemäß gehörten die kostbaren Materialien dennoch der Gottheit.185 Hier sind A-AB-BA (Z. 5ˈ), ABU-YA (Z. 8ˈ), ABU ABUNI (Z. 13ˈ) und ABU-NI (Z. 18ˈ) belegt. Aufgrund der fehlerhaften bzw. „plene-Schreibung“ wird A-AB-BA als Akkadogramm verwendet; es kann jedoch auch als Sumerogramm verstanden werden. 186 Dem Kontext nach wäre nämlich eine Singularform passender, da das Verb danach in der 3. Pers. Sing. steht. Die Sonnengöttin von Arinna hatte silberne Ohrringe vom Vorfahren des Priesters Ḫešnī gefordert: Zunächst gab er (der Vorfahre) sie der Göttin, wobei er sie später zurücknahm. Durch den Vergleich mit den anderen Textabschnitten wird klar, dass sich die silbernen Ohrringe (sowie die anderen aufgelisteten Kultgegenstände) nicht im Tempel befanden, wo sie hätten sein sollen. Dementsprechend muss mit „er“ (Vorfahr) auch ein Priester gemeint sein, und zwar ein Amtsvorgänger des Ḫešnī, in dessen Haus die Ohrringe gefunden wurden. 187 Auf diese Weise erklärt sich das Ziel dieses Abschnittes im Gerichtsprotokoll: Ḫešnī rechtfertigt sich nämlich selbst unter Verweis auf einen früheren Akteur, dessen Handeln ihn jeglicher Verantwortung entheben sollte.188 Der zweite Abschnitt ist klar: Im Gegensatz zu seinem Vater hat der Priester Ḫutarli die Riten für die Sonnengöttin von Arinna und Mezzulla zu Hause durchgeführt; demzufolge wurden die Scheiben bei ihm gefunden. Im dritten und vierten Abschnitt ist das Possessivpron. 1. Pers. Pl. (-NI) jeweils in Bezug auf einen Großvater und auf einen Vater belegt. Dazu, im Gegensatz zu Warwašazi, der zugibt, die Opferhandlungen für die Gottheiten nicht im Tempel durchgeführt zu haben, wird im dritten Abschnitt eine unpersönliche Form bzw. eine 3. Pers. Pl. des Verbs verwendet, die nicht unbedingt für Zuwā als Beschuldigten spricht. Da die Untersuchung in diesem Gerichtsprotokoll immer Fälle betrifft, in denen sich
185
186 187 188
76
Dazu s. auch Taggar-Cohen 2006: 210f.; Jakob-Rost 1963: 200 „Vielleicht jedoch ist das ,Feiern der Gottheit im Hauseʻ nur eine Ausrede vor Gericht, weil sich die wertvollen Kultembleme nicht da vorfanden, wo sie eigentlich hingehörten, nämlich im Tempel.“ Siehe II.8 und insbes. KUB XXI 5++ Vs. 2 / KUB XXI 2 + KUB XLVIII 95 Vs. 3: A-BI A-AB -BA-A-YA. Oder die Ohrringe befanden sich nicht mehr im Tempel, weil der Priester sie beschädigt hatte; s. Anm. 183. Mit der Ergänzung von Werner 1967: 56 D[UTUŠI-wa] (Z. 5ˈ) ergäbe sich das Problem, dass der Priester den König selbst beschuldigt hätte.
Kultembleme zuhause und nicht im Tempel befanden, kann man sich vorstellen, dass dort von Häusern von Priesterfamilien die Rede ist. Auf diese Weise kann das Pronomen 1. Pers. Pl. erklärt werden. Eine Parallele dazu findet sich im Inventar eines Heiligtums aus der Zeit Tudḫaliyas IV. KUB XLII 100++ (CTH 673)189 Vs. II 10ˈ, in dem bei einer von einem Priester gehaltenen Ansprache […] A-BU-NI-wa-an-na-aš zu lesen ist. Im Gerichtsprotokoll KUB XXXVIII 37 sind somit drei Verwandtschaftsausdrücke für drei Generationsstufen belegt: ABU für „Vater“, ABI ABI für „Großvater“ und A- AB-BA (wahrscheinlich ein falsch geschriebenes AB. BA) für einen entfernteren Vorfahren. Aus all diesen Beobachtungen lässt sich schließen, dass das Sumerogramm AB. BA in seiner Verwendung in einem hethitischen Kontext weder dem Akkadogramm ABU noch dem hethitischen atta- entspricht, die stets den „Vater“ bezeichnen. Wenn aber das Sumerogramm AB.BA ḪI. A für die Pluralform von akk. abu, d.h. abbū „Väter/Vorfahren“, steht, 190 dürfte die entsprechende Form auf Hethitisch atteš „Väter“ gewesen sein. 191 Die Annahme liegt daher nahe, dass analog zu der Entwicklung im Akkadischen auch im Hethitischen eine Übertragung der Bedeutung zu „Vorfahren/Ahnen“ stattfand. Da die Singularform AB. BA im oben besprochenen Text Muršilis II. (KUB XXXII 133 Vs. 2) den „Ururgroßvater“ bezeichnet, erhebt sich die Frage, wie viele Generationen der Plural AB. BA ḪI.A, heth. atteš, umfasst. Die folgende Textstelle aus dem Vertrag Muršilis II. mit Tuppi-Teššub von Amurru KBo V 9(++) (CTH 62.II.A) 192 Vs. 27-34 kann Licht auf diese Frage werfen: You, Tuppi-Teššub, in the future protect the King of Ḫatti, the land of Ḫatti, my sons and my grandsons. The tribute which was imposed upon your grandfather (ABI ABI-KA) and upon your father (ABI-KA) shall be imposed upon you: they paid 300 shekels of refined gold by the weights of Ḫatti, first-class and good. You shall pay it likewise. You shall not turn
189 190 191
192
Hazenbos 2003: 15-24. CAD A/I 72. Siehe auch HW2 I 553a: „Statt Urgroßvater, Ururgroßvater usw. nur atta- Pl. ,Vorfahrenʻ ab ah. TelErl; jh. sicher ab Tutḫ. II. (mit Nikalmati); = AB-BA(-YA) [und Var.] ab Murš. II.“ Beckman 1999a: 59-64; Devecchi 2015: 214-220; im Hethiter-Portal CITATIO: Wilhelm – Fuscagni (ed.), hethiter.net/: CTH 62.
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your eyes to another. Your ancestors (tuel adduš) paid tribute to Egypt, [but] you [shall not pay it …] (Übersetzung von Beckman 1999a, 60 mit eigenen Hervorhebungen)
Die historische Einleitung dieses Vertrags skizziert die Entwicklung der Beziehungen zwischen Ḫatti und Amurru. Dabei wird zunächst die Treue von Aziru und Ari-Teššub (Großvater und Vater von Tuppi-Teššub) zu den Königen von Ḫatti (Šuppiluliuma I. und Muršili II.) betont. Dann geht der Text zur Nennung der wechselseitigen Verpflichtungen und der von Tuppi-Teššub geschuldeten Abgabe über: Hierzu gehören die oben zitierten Zeilen. Die dort belegten Ausdrücke sind ABI ABI-KA für „dein Großvater“ (Aziru), ABI-KA für „dein Vater“ (Ari-Teššub) und tuel adduš für „deine Väter/Vorfahren“. Aziru war de facto ein tributpflichtiger Untertan Ägyptens, zumindest bevor er den Vertrag mit Šuppiluliuma I. abschloss.193 Darüber wollte Muršili II. aber den Mantel des Schweigens ausbreiten, denn sein Vorhaben zur Rechtfertigung des Vertrags war vielmehr, Azirus Loyalität zu Ḫatti hervorzuheben.194 Dieser Punkt scheint hier für eine mögliche semantische Auslotung des Ausdrucks adduš relevant zu sein. Muršili II. und Šuppiluliuma I. hatten dieser Darstellung zufolge dem Vater und Großvater von Tuppi-Teššub die Treue gehalten und keine Abgaben an Ägypten entrichtet. Damit wird ein Gegensatz zwischen ihnen und den Ägypten huldigenden „Vätern“ konstruiert. Infolgedessen kann sich tuel adduš nicht auf Ari-Teššub und Aziru beziehen, sondern es müssen deren Vorgänger gemeint sein. Unter diesen ist nur ˁAbdi-Aširta bekannt: Auf Basis der Annalen Thutmosis III. 195 stand Amurru aber schon vor ˁAbdi-Aširta unter der Kontrolle Ägyptens. 196 193 194
195 196
78
Das Verhältnis Azirus zu Ägypten war dennoch nicht problemfrei, weil der Pharao seinen Ambitionen offenbar misstraute; s. Singer 1991: 148ff. Die Loyalität Azirus gegenüber Ägypten wird dagegen im Vertrag Ḫattušilis III. mit Bentešina von Amurru KBo I 8++ (CTH 92; s. Beckman 1999a: 100103; Devecchi 2015: 220-225) Vs. 4ff. und im Vertrag Šuppiluliumas I. mit Aziru von Amurru selbst KBo X 12++ (CTH 49; s. Beckman 1999a: 36-41; Devecchi 2015: 207-212) Vs. 14-26 erwähnt. Siehe Helck 1971: 137f. In dem auf Akkadisch verfassten Vertrag Ḫattušilis III. mit Bentešina von Amurru KBo I 8++ (CTH 92; s. Beckman 1999a: 100-103; Devecchi 2015: 220225) Vs. 4-6 wird berichtet, dass Aziru in der Zeit Šuppiluliumas I. dem Pharao seine Loyalität kündigte und Vasall von Ḫatti wurde. Daher wurde ein
Aus alldem lässt sich folgern, dass sich der Ausdruck adduš „Väter“ auf die Vorgänger vor dem Großvater beziehen dürfte: Für „Großvater“ und „Vater“ waren demnach die dazu bestimmten Verwandtschaftsausdrücke (ABI ABI/ḫuḫḫa- bzw. ABU/atta-) zu verwenden, während adduš/AB.BA ḪI.A die Ur-, Urur-, usw.-großväter bezeichnet. 197
197
Vertrag abgeschlossen, in dem der hethitische König „wrote out the borders of the land of Amurru of his ancestors (abbī-šu) and gave it (the tablet) to him“ (Beckman 1999a: 100f.). Wahrscheinlich umfassten die Grenzen des Landes keine Städte unter ägyptischer Kontrolle, d.h. diejenigen, die Aziru und vor ihm ˁAbdi-Aširta erobert hatten. Da es keinen Beleg für die Existenz eines Königs von Amurru vor ˁAbdi-Aširta gibt, kann der Ausdruck abbī-šu nur auf die Zeit der Gemeinschaften von ḫabiru verweisen (s. Singer 1991: 141), und so bleibt dessen Bezug im Dunkel. Zu erwägen wäre freilich, ob adduš/AB. BAḪI.A auch den Vater und den Großvater einschließen kann, sofern diese nicht explizit genannt werden. Weitere Belege für attuš/adduš finden sich in den folgenden fragmentarischen drei Texten: – Der Brief KBo XVIII 27 (CTH 209) dürfte nach Hagenbuchner (1989, 428f.) ein Schreiben von einem Untergebenen (Vasallen oder Beamten) an seinen Vorgesetzten (König oder Beamten) gerichtet gewesen sein, dessen Autorität eine Auseinandersetzung des Absenders mit einem Kollegen ? schlichten sollte. Die adduš in Z. 8ˈ können nicht näher bestimmt werden. – KUB XIV 2 (CTH 214.12.A) ist Beckman 2011: 158-161 zufolge angesichts der hier enthaltenen Selbstrechtfertigung des Verfassers vor den Gottheiten ein Gebet eines hethitischen Königs. Am Anfang der Rs. IV lautet der Text in englischer Übersetzung (1f.): „[…] Do not [abandon] me to destruction; [do not] abandon me [to …] But my father […] the (fore)fathers. ( A-BU-YA-ma-za at-t[u-uš)“ (ibid. 159). Daraufhin ist die Rede von einer Mutter, die nach Aḫḫiyawa geschickt wurde. Der Zusammenhang ist aber zu fragmentarisch für die Identifizierung der attuš. Vergleiche HW2 I 553, in dem die Ergänzung zu attuš abgelehnt wird, da das Wort anderenfalls akkadographisch geschrieben worden wäre. Die Verwendung des Akkadogrammes für A-BU-YA schließt aber nicht die Möglichkeit der hethitischen Schreibung für at-t[u-uš aus. – In der Liste hurritischer Gottheiten in (Fest)ritualen KBo XXXV 137+ (CTH 705; s. Haas et al. 1998: 154, 200; Wegner 2002: 255f.) Rs. 15ˈ ist zu lesen: […]EŠ? at-te-eš wa-aš-še-x[…]. Bei Groddek – Kloekhorst 2006: 161 wird die Stelle dagegen anders gedeutet, nämlich […]x-at-te-eš. – Schließlich sei auch auf den Ausdruck karuiliyaš addaš in KUB XXXIII 106++ (CTH 345.I.3.1.A) Rs. III 51ˈ verwiesen (dazu s. II.2).
79
8.2
Weitere Redewendungen für die königlichen Vorgänger
In der „Apologie“ Ḫattušilis III. KUB I 1++ (CTH 81) 198 Rs. IV 50-59199 finden sich die sonst unbelegten Ausdrücke A-NA AB.BA ḪI. A Ù A-NA AB. BA AB. BA ḪI.A und A-NA PA-NI AB. BA ḪI.A-YA AB. BA AB.[ BA ḪI]. A: Und die mir (gegenüber) amtsälteren Könige, die zu mir in guten Beziehungen standen, blieben mir (gegenüber) in den gleichen guten Beziehungen. Und Boten begannen sie mir zu senden, Geschenke aber begannen sie mir herzusc[hic]ken. Die Geschenke aber, die sie mir jeweils schickten, hatten sie unter den Vorvätern und dem Vater der Vorväter (A-NA AB. BAḪI. A Ù A-NA AB. BA AB. BAḪI. A) […] an keinen gesandt. (Jeder) König, der mir Ehrfurcht zu erweisen hatte, erwies mir Ehrfurcht. Diejenigen aber, die mir feindlich waren, besiegte ich; zu den Ländern von Ḫatti aber fügte ich Gebiet um Gebiet [hi]nzu. Diejenigen, die zur Zeit meiner Vorväter (und) des Vaters der Vor[väte]r ( A-NA PA-NI AB.BAḪI.A-YA AB. BA [(AB). BAḪI.(A)]) Feinde waren, mit mir schlossen sie Frieden.
In Z. 54 und 58 folgt auf AB. BA ḪI.A im Pl. AB.BA im Sing. in einer statusconstructus-Verbindung wiederum mit AB. BA ḪI.A. Diese Phrase zeigt erneut, dass bei AB. BA durchaus zwischen Sing. und Pl. unterschieden wurde. Demgemäß ist AB.BA AB. BA ḪI.A wörtlich zu übersetzen. 200 Daraus wird gefolgert, dass es sich bei AB.BA um einen noch älteren Vater als die AB. BA ḪI.A handelt. Während die „Vorväter“ einen allgemeinen Bezug auf die Vergangenheit ausdrücken, ohne einen bestimmten Menschen ins Auge zu fassen (wohl aber eine klar definierte Menschengruppe, nämlich die früheren hethitischen Könige), muss sich der Sing. notwendigerweise auf einen einzigen König beziehen. Damit wird möglicherweise die Existenz eines Stammvaters/Urvaters des hethitischen Reiches impliziert. Nicht zufällig war Ḫattušili III. jener König, der sich als Tabarna und Nachkomme von Ḫattušili I. bezeichnete. 201 Dies lässt annehmen, dass
198 199 200 201
80
Otten 1981. Zu den Ergänzungen durch verschiedene Textexemplare s. ibid. 32f. Vergleiche ibid. 27, der AB.BAḪI.A Ù A-NA AB.BA AB. BAḪI. A „Väter und Vorväter“ übersetzt; s. auch van den Hout 1997: 204 „fathers and grandfathers“. Siehe z.B. KUB I 1++ (CTH 81.A) Vs. I 1 (mta-ba-ar-na) und 4 (ŠÀ.BAL ŠA mḪa-at-tu-ši-li LUGAL URUKu-uš-šar). Auch KBo VI 28+ (CTH 88) Vs. 1 (ta-
hier mit AB.BA Ḫattušili I. gemeint ist. Der Verfasser der „Apologie“ wollte nämlich betonen, dass er Anerkennung und Bestätigung seiner Machtstellung in einer Weise erfahren hatte wie kein anderer hethitischer König vor ihm. Der Ausdruck AB.BA ḪI.A reicht offenbar nicht aus, um gewissermaßen generisch „Vorgänger“ zu bezeichnen: daher die explizite Nennung auch des „Stammvaters“ von Ḫattušilis Vorvätern. Unter der Annahme, dass die Apologie auch vorgelesen werden konnte,202 lässt sich aber auch argumentieren, dass sich dieser Abschnitt als ein erzählerischer Bericht erweist, der keine spezifische bzw. detaillierte Information über die Ereignisse gibt. Er nennt keinen Namen, kein Land, keinen Krieg usw. als Bezug auf die Realität der Ereignisse. Folglich lässt sich vermuten, dass der Ausdruck AB. BA ḪI.A AB.BA AB. BA ḪI.A eine Redewendung darstellt, die dem Zuhörer eine allgemeine Bedeutung durch ein unmittelbares Gefühl vermitteln soll: Sie kann nämlich für die Vorstellung „in unser aller Vergangenheit“ stehen. Ein ähnlicher Ausdruck ist im Vertrag Muwattallis II. mit Alakšandu von Wiluša KUB XXI 5++ (CTH 76) 203 Vs. 2-20 belegt: Formerly, when my forefather ( A-BI A-AB-BA- A-YA) Labarna had conquered all the lands of Arzawa and the land of Wiluša, thereafter the land of Arzawa began war, and the land of Wiluša defected from Ḫatti – but because the matter is long past, I do not know from which king. [And] when the land of Wiluša [defected] from Ḫatti, its people were indeed at peace with the kings of Ḫatti from afar, [and] they regularly sent [them messengers]. But when Tudḫaliya came […] against the land of Arzawa, he did not enter [the land of Wiluša. It was] at peace [with him] and regularly sent [him messengers …] and Tudḫaliya […] forefathers (ḫu-uḫ-ḫa-an-te-eš) in the land [of…] 204 / The king of the land of Wiluša [was] at peace with him, [and] he regularly sent [messengers to him], so that he did not [enter] the land against him. [And when] the land [of Arzawa began war once more], and my grandfather (ABI A-BI-YA) Šuppiluliuma came and [attacked
202 203 204
ba-ar-na) und 4 ([ DUMU.DUM]U. DUMU-ŠU ŠA mḪa-at-tu-ši-li LUGAL. GAL ŠA LUGAL URUKu-uš-šar). Siehe Lepši 2011: 177-185. Beckman 1999a: 87-93; zuletzt Devecchi 2015: 151-159. Hier ist möglicherweise URUA[rzawa „ins Land A[rzawas“ zu ergänzen; s. Friedrich 1930: 53; HW2 III 638b (ḫuḫḫanteš URUA[rzawa uier „die Vorväter [gingen] ins Land A[rzawas]“).
81
the land of Arzawa], Kukkunni, king of the land [of Wiluša, was at peace] with him. And he did not come against him, [but regularly sent] messengers [to my grandfather Šuppiluliuma]. (Übersetzung von Beckman 1999a, 87 mit eigenen Hervorhebungen) ABI A- AB- BA- A-YA205
ist mit dem AB.BA AB. BA ḪI.A der Apologie Ḫattušilis III. (s. oben) vergleichbar, dieses Mal stößt man aber auf das Akkadogramm für „Vater“ im Sing. Eine von Beckmans Deutung abweichende, genauere Übersetzung ist vorzuziehen, nämlich „der Vater meiner Vorväter“. 206 Aufgrund der Singularform und der Erwähnung des Namens Labarna bezieht sich der Ausdruck nicht allgemein auf die Vorfahren, sondern auf den ersten hethitischen König (im Lichte von Muwattallis Kenntnissen). De Martino 1996: 33f. zufolge könnte der hier genannte Labarna, „Vater meiner Vorväter“, sowohl mit Labarna I. als auch mit seinem Nachfolger Ḫattušili I. identifiziert werden. Im Erlass Telipinus wird nämlich berichtet, dass beide Könige das hethitische Reich über die Länder hinweg bis hin zur Küste erweiterten.207 Dazu lässt sich aus den Res Gestae Ḫattušilis I. erschließen, dass er im Land Arzawa Krieg führte.208 Wenn die im Vertrag Muwattallis II. behauptete Eroberung Wilušas durch Labarna nicht lediglich der Rechtfertigung der Annexion Wilušas durch Muwattalli diente, sondern wirklich stattgefunden hat, 209 liegt
205 206 207
208 209
82
Zur fehlerhaften bzw. plene-Schreibung s. II.8. Siehe auch van den Hout 2009: 79 „When in the past Labarna, the father of my fathers.“ KBo III 1++ (CTH 19.II.A; s. Hoffmann 1984; zuletzt Gilan 2015: 137-177) Vs. 3f. und 17f. (auch Vs. 27 in Bezug auf Muršili I.); s. auch van den Hout 1997: 194f. und Anm. 4. Siehe Heinhold-Krahmer 1977: 19. In diesem Zusammenhang stellt sich nämlich die Frage, ob der Abfall Wilušas von Ḫatti ein unhistorisches Ereignis darstellt, das erst zur Rechtfertigung der damaligen Zugehörigkeit Wilušas zum hethitischen Gebiet geschaffen wurde. Problematisch ist der Widerspruch zwischen dem „Abtrünnig werden“ Wilušas gegenüber Ḫatti und der gleichzeitig fortbestehenden Möglichkeit für Wiluša, die guten Beziehungen zu Ḫatti durch das Aussenden von Boten zu retten. Wenig plausibel erscheint es nämlich, dass die Hethiter den Abfall Wilušas akzeptierten und eine derartige Beziehung aufrechterhalten konnten. Ziel dieser historischen Einleitung ist die Legitimation des Abschlusses des Vertrags mit Alakšandu: Dem Text gemäß scheint Wiluša keine echte Unab-
eine Identifikation des Labarna dieses Textes mit Labarna I. nahe, denn Ḫattušili I. erwähnt Wiluša in seinen Mannestaten nicht. Demzufolge verwendeten die zwei Brüder Muwattalli II. und Ḫattušili III. zwei sehr ähnliche Ausdrücke ( ABI A-AB-BA-A-YA und AB. BA AB. BA ḪI.A), um sich einerseits auf Labarna I. und andererseits auf Ḫattušili I. zu beziehen. In der zitierten Textpassage aus dem Vertrag Muwattallis II. werden auch die ḫuḫḫanteš erwähnt. Der Kontext ist teilweise verloren: Wenn aber die Ergänzung der Stelle mit URUA[rzawa richtig ist,210 dürfte hier „und Tudḫaliya [kam] in das Land A[rzawa, wie dies schon] die Vorväter [getan hatten]“ gestanden haben. 211 Mit huḫḫanteš können die Vorgänger Muwattallis vor Šuppiluliuma gemeint sein, der dagegen unmittelbar anschließend als Großvater bezeichnet wird. 212 Dementsprechend ist hier
210 211
212
hängigkeit genossen zu haben. Sie ist stets in Verbindung mit Arzawa belegt. Erst unter Muwattalli wird Wiluša unter die Arzawa-Länder gezählt; in den Texten Muršilis II. taucht sie dagegen nicht auf. Unter Tudhaliya I./II. wird Wiluša zu den Aššuwa-Ländern gezählt, während Šeḫa, Ḫapalla und Arzawa stets zusammen belegt sind (s. KUB XXIII 11 Vs. II 3 und 19, CTH 142.2.A; s. Carruba 1977: 158-162). Demzufolge bleibt die genaue politische Zusammensetzung dieser Länder unklar. Vergleiche die Übersetzung von Singer 2013: 193 anhand der Vorschläge von Starke 1997: 473f. Anm. 79: „As for the land Wiluša, whether it broke away from any king of Ḫatti (lit.: withdrew from Ḫatti, from which king), since the matter is long past, I do not know. But even if it b[roke away from] Ḫatti, [its kings(?)] kept the peace with the kings of Ḫatti from afar, and they regularly sent them messengers.“ Auf diese Weise wird das Problem des Widerspruchs zwischen dem „Abtrünnig werden“ Wilušas und seinen fortbestehenden friedlichen Beziehungen zu Ḫatti zumindest abgemildert, obwohl auch diese Übersetzung die Möglichkeit impliziert, dass ein Land trotz Treuebruchs gute Beziehungen zu Ḫatti aufrechterhalten haben könnte. Siehe Anm. 204. Wenn hier alternativ URUW[iluša ergänzt wird, dürfte wie folgt übersetzt werden: „und Tudḫaliya [schickte ebenfalls Boten] ins Land W[iluša (zurück), wie es seine] Vorväter [getan hatten]“. Auffälligerweise ist ḫuḫḫant- ebenfalls in Verbindung mit bzw. in der Nähe eines Tudḫaliya im (Fest)ritualfragment Bo 6351 (CTH 500.430) Vs. I 4ˈ belegt: (x+3) mTu-ud-ḫa-li-ya-aš […] (4ˈ) ḫu-u-ḫa-an-ti-iš x[…] (5ˈ) URU-rian ú-e-[ …] (6ˈ) DX TI-za URU […] (7ˈ) nu-kán A-NA D […] (8ˈ) EZEN4 ḪI. A ḫa[…] (9ˈ) ma-aḫ-ḫa-an […]. Aufgrund des fragmentarischen Textzustandes kann aber kein Deutungsversuch unternommen werden.
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die Annahme zulässig, dass der Ausdruck ḫuḫḫanteš nicht die Vorfahren allgemein, sondern lediglich die königlichen Vorgänger bezeichnet und eine Parallele zu A-AB-BA-A in diesem Text darstellt.213 Im Instruktionstext Tudḫalijas IV. KUB XXVI 1+ (CTH 255.2.A) 214 Vs. I 9 findet sich der sonst nicht belegte Ausdruck ABIMEŠ: 9) 10) 11) 12) 13)
A-NA D UTUŠI ŠEŠMEŠ
me-˹ek-ka4-uš˺ [A]-BIMEŠ -ŠU-ya-aš-ši me-ek-ka4-e-eš KUR URUḪA-[AT -TI-kán IŠ-T]U NUMUN LUGAL-UT-TI šu-wa-an ŠÀ URUḪ [A-AT-TI NUMUN mŠu]-up-pí-lu-li-u-ma NUMUN mMur-ši-li NUMUN m NI [R.GÁL NUMUN mḪa]-at-tu-ši-li me-ek-ki …
Meine Sonne (hat) viele Brüder, und sie hat viele …(s. unten im Kommentar) Das Land Ḫa[tti] (ist) voll [vo]n Nachkommen der Königsherrschaft. In Ḫ[atti (ist) die Nachkommenschaft des Šu]ppilu-liuma, die Nachkommenschaft des Muršili, die Nachkommenschaft des Mu[wattalli (und) die Nachkommenschaft des Ḫa]ttušili zahlreich.
Verschiedene Autoren ergänzen die Textlücke in Z. 9 nicht. So übersetzt z.B. Kammenhuber in HW2 I 560a auf der Edition des Textes durch von Schuler 1957: 9 und 17f. aufbauend: „Meine Sonne hat/besitzt (wörtlich: ihr sind) vi[e]le Brüder, und sie hat viele Vorfahren (mit Poss.pron)“, unter der Annahme, dass A-BIMEŠ-ŠU wohl eine fehlerhafte Schreibung für ABBAMEŠ darstellt.215 Schon früher schlug dagegen Goetze 1959: 66 die Ergänzung [DUMU A]-BIMEŠ-ŠU-ya-aš-ši vor: „he also has many sons of his father i.e. half brothers (from different wives)“. Del Monte 1988: 518 folgt dieser Ergänzung, übersetzt aber anders: „Sua Maestà ha molti fratelli, numerosi gli sono i figli dei suoi antenati“. CHD L-N, 245b und 429a
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Ein weiterer Beleg für ḫuḫḫant- findet sich im Gebet KUB XXXVI 87(+) (CTH 386.3; s. Singer 2002: 105-107) Rs. IV, in dem der Bittsteller Fälle, in denen er die göttlichen Befehle vernachlässigte, aufzulisten scheint. Die letzten bruchstückhaften Zeilen lauten: (26ˈ) […]x ḫu-u-ḫa-an[(-) …] (27ˈ) […] ḫu-u-ḫa-an-te-iš (28ˈ) […]x-ni pé-di ta-ni-nu-ut (29ˈ) [… a-pa]-a-at AŠRU DINGIRMEŠ. Außer der Erwähnung der Vorfahren und dem Verweis auf einen Ort der Gottheiten und auf etwas, das an eine bestimmte Stelle einzurichten ist, lässt sich diesen fragmentarischen Zeilen nichts mehr entnehmen. Miller 2013: 294-307. Siehe auch Archi 1971: 210 Anm. 79.
ergänzt [ŠEŠ A]-BIMEŠ-ŠU -ya-aš-ši mit der Übersetzung: „(For) His Majesty has many brothers. There are also many [brothers] of his father (245b) / uncles (429a)“. CHD Š 323a entscheidet sich wiederum für „He has many forefathers.“216 Andere Autoren dagegen übersetzen diese Textstelle schlichtweg nicht.217 Zuletzt hat Miller 2013: 294-307 die Tafel erneut ediert und durch ihre Kollation gezeigt, dass es auf keinen Fall Raum für eine Ergänzung gibt.218 Ihm zufolge könnten sich jedoch die Possessivsuffixe -ŠU und -ši auf die Brüder des Königs beziehen, sodass seine Übersetzung des Satzes lautet: „and they have many fathers“ (ibid. 297 und 405f. mit Anm. 92). Zunächst ist der seltsame Ausdruck ABIMEŠ zu analysieren. Obwohl AB. BA ḪI.A und atteš zur Verfügung standen, hat der Schreiber das akk. Wort für „Vater“ gewählt und bewusst mit MEŠ pluralisiert. Infolgedessen lässt sich keine Übersetzung annehmen, die an dieser Stelle einen Sing. einsetzt. Wer sind also die „Väter“? Die Antwort ist in den darauffolgenden Zeilen zu finden: Diese sind Šuppiluliuma (I.), Muršili (II.), Muwattalli (II.) und Ḫattušili (III.). Daraus muss gefolgert werden, dass sich ABIMEŠ nicht auf die Brüder des hethitischen Königs bezieht. In diesem Instruktionstext ist das Ziel deutlich die Thronlegitimation Tudḫaliyas IV.: Von seinen vielen Brüdern, die ihrerseits Anspruch auf den Thron erhoben haben könnten, ist hier demnach die Rede. Die Lesart von Miller (s. oben), dass die Brüder unterschiedliche Väter hatten, erscheint plausibel. Dabei dürfte es sich um einen Bezug auf die Verzweigung der königlichen Familie seit der Zeit Šuppiluliumas I. handeln. Für die Diskussion soll aber eine parallele Passage aus dem gleichen Text KUB XXVI 1+ Rs. III in Betracht gezogen werden: 58) 59) 60)
me !(KU)-ek-ka4-uš pa-ra-a ŠEŠ -uš-ša-mu me-ek-ka4-e-eš LUGALMEŠ a-ra-aḫ-zé-nu-uš-ša me-ek-ka4-uš A-NA D UTUŠI-ya ŠEŠMEŠ-ŠU MEŠ
(Ich), meine Sonne, (habe) auch viele Brüder und auch viele parā-Brüder und viele ausländischen Könige.
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CHD P 129a stellt dieser Textstelle KUB XXVI 1+ Rs. III 58-60 gegenüber: „and His Majesty has many brothers, furthermore he has many parā brothers.“ Siehe u. a. Starke 1996: 159; Bin-Nun 1975: 242f. Ich danke Prof. Miller für die Weitergabe seiner Kollation des Textes.
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In diesem Satz scheint die gesamte Bandbreite des sozialen Begriffs „Bruder“ abgedeckt zu sein: ŠEŠ als „(leiblicher) Bruder“ (von denselben Eltern), parā ŠEŠ als „Halb- oder Stiefbruder? “, 219 und ausländischer LUGAL als gleichsam „Verbrüderter“. In dem vergleichbaren Instruktionstext Tudḫaliyas IV. KUB XXVI 12++ (CTH 255.1.A) 220 sind drei weitere Ausdrücke für zwei unterschiedliche Arten von Brüdern belegt: ŠEŠMEŠ D UTUŠIya ku-i-e-eš IŠ-TU MUNUS. LUGAL ḫa-aš-ša-an-te-eš (Vs. I 12ˈf.), „und die Brüder meiner Sonne, die von der Königin geboren sind“, bzw. ŠEŠ D UTUŠI ḫa-aš-ša-an-za (22ˈf.), „geborener Bruder meiner Sonne“, und ŠEŠ DUMUMEŠ MUNUSNAP-ṬÍR-TI (28ˈ), „Bruder (unter den) Söhnen einer Nebenfrau“. Demnach müssen die schlicht genannten „Brüder“ den „geborenen Brüdern meiner Sonne/Brüdern meiner Sonne, die von der Königin geboren sind“ entsprechen, da die Königin nur die Gemahlin des Königs gewesen sein kann. Die parā-Brüder können mit den „Söhnen einer Nebenfrau“ gleichgesetzt werden, es sei denn, dass dieser Ausdruck auch die Gatten der Schwestern oder die Cousins einschließt.221 All diesen Beobachtungen lässt sich nicht entnehmen, dass die ŠEŠMEŠ in KUB XXVI 1+ Vs. I 9 unterschiedliche Väter hatten. Durch den Vergleich mit anderen Tudḫaliya IV. zugeschriebenen Textstellen wäre nämlich für die Söhne von unterschiedlichen Vätern eine weitere Zusatzbezeichnung zu erwarten. Darüber hinaus kann auch kein Schreibfehler für -ŠU und -ši (s. Miller 2013: 297) postuliert werden. Die Verwendung von ABIMEŠ statt AB.BA ḪI.A lässt sich mit der Annahme erklären, dass sich
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220 221
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Als univerbierte Form (>Kompositum), s. CHD P 129a (vgl. CHD L-N 430a). Zu beachten ist jedoch, dass kein hethitischer König Brüder von einem anderen Vater haben konnte, da sein Vater selbst König war. Bei den Hethitern sind keine Fälle von Königinnen bezeugt, die nach dem Tod des Königs mit einem anderen Mann Kinder in die Welt setzten. Miller 2013: 282-293. In CHD L-N 430a wird dagegen davon ausgegangen, dass die Halbbrüder schlicht durch ŠEŠ bezeichnet werden. Hierfür wird aber gerade KUB XXVI 1+ (nicht 5!, wie dort) Rs. III 59 als Beleg angegeben. Hinsichtlich der Bezeichnungen der Cousins ist in den hethitischen Texten das Wort LÚanninniyamiš belegt, nicht aber in Bezug auf die Söhne oder Töchter der Brüder des Vaters, da diese schlichtweg als „Brüder/Schwestern“ bezeichnet werden (im Gegensatz zu den Kindern der Schwestern des Vaters und der Schwestern/der Brüder der Mutter); dazu s. Pringle 1993: 62-69.
dieser Ausdruck nicht allgemein auf die Vorfahren, sondern auf die klar identifizierbaren Vorgänger Tudḫaliyas IV. auf dem Thron beziehen dürfte. Vermutlich spricht Tudḫaliya auch deswegen von „Vätern“ statt von Vorgängern, weil sie potentielle Begründer neuer Dynastien sein konnten, obwohl alle der gleichen königlichen Familie angehörten. 222 Anhand dieser Überlegungen soll folgender Übersetzungsvorschlag der betreffenden Textstelle gemacht werden: Meine Sonne (hat) viele Brüder, (da) sie viele Väter/Vorgänger hat. Das Land Ḫa[tti] (ist) voll [vo]n Nachkommen der Königsherrschaft. In Ḫ[atti (ist) die Nachkommenschaft des Šu]ppiluliuma, die Nachkommenschaft des Muršili, die Nachkommenschaft des Mu[wattalli (und) die Nachkommenschaft des Ḫa]ttušili zahlreich.
Tudḫaliya IV. präsentiert auf diese Weise ein Gesamtbild der königlichen Familie seiner Zeit mit dem Fokus auf sich selbst und auf seine (echten) Brüder (ŠEŠ) als Nachkommenschaft von Ḫattušili III., die Einzige, die ausweislich dieses Instruktionstextes als legitim gelten sollte. Darauf folgt die Auflistung seiner Väter/Vorgänger ( ABIMEŠ-ŠU) mit deren Nachkommenschaft ab Šuppiluliuma I., unter denen auch sein Vater Ḫattušili III. genannt wird, während Muwattalli II. und Urḫi-Teššub/Muršili III. bezeichnenderweise dort überhaupt nicht vorkommen. Tudḫaliya versucht durch diese Reihenfolge, sich selbst in die direkte genealogische Linie der rechtmäßigen Nachkommen einzubeziehen. 9 „Väter (und) Großväter“ als königliche Vorgänger und namenlose Ahnen? Unter die Redewendungen in Bezug auf die Vorfahren ist auch addaš ḫuḫḫaš „Väter (und) Großväter“ zu zählen. Die Bedeutung dieses Ausdrucks kann jener von AB. BA ḪI.A AB. BA AB. BA ḪI.A (s. II.8.2) ähneln, ohne
222
Siehe auch die Instruktionen Tudḫaliyas IV. KUB XXVI 12++ (CTH 255.1.A) Vs. I 11ˈ-13ˈ: „[(Fur)]ther, (concerning) whatever progeny of the kin[(gshi)p] there is, (i.e.,) [prog]eny of Muršili, progeny of Muwattalli (and) progeny of Ḫattušili, as well as the brothers of My Majesty born [(o)]f the queen“ (Übersetzung von Miller 2013: 285).
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aber den Bezug auf einen einzelnen Menschen herzustellen. Für die einschlägige Diskussion über die Vorfahren lassen sich im Folgenden zwei Textstellen in Betracht ziehen, da die weiteren Belege weniger aussagekräftig für eine Deutung des Ausdrucks im Pl. sind.223 Im Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna Bo 2057 (Teilstück von KUB XXI 19) + 1303/u (Teilstück von KBo LII 17) (CTH 383)224 Vs. II ist von vergangenen Ereignissen, die unter den Gottheiten insbesondere die Sonnengöttin von Arinna erbosten, die Rede. Ḫattušili III. betont dabei, dass er an diesen Ereignissen bzw. an den für diese verantwortlichen Entscheidungen seiner Vorgänger nicht beteiligt war. Darauf lautet der Text: 23) 24) 25) 26) 27) 28) 223
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ma-a-an-ma-za mNIR.GÁL-iš-ma ŠEŠ-YA DINGIRLÌ-iš [ki-ša-at] am-mu-uk-ma ŠA ŠEŠ-YA na-ak-ki-an-ni ḫa-[an-da-aš] Ú-UL ma-an-ka 4 i-ya-nu-un nu mÚr-ḫi-DX-u[b-an] DUMU ŠEŠ- YA da-aḫ-ḫu-un na-an LUGAL-iz-na-a[n-ni] ti-it-ta-nu-nu-un A-NA DINGIRMEŠ-ma-aš ma-a-a[n] ZI -an-za e-eš-ta ma-a-an-ša-ma-aš Ú-U[L ZI-an-za e-eš-ta]
Die Ausdrücke „Vater (und) Großvater“ bzw. „Väter (und) Großväter“ finden sich nämlich in zwei weiteren Texten: – Im fragmentarisch erhaltenen Kolophon von IBoT I 6 (CTH 632.A) Rs. 17: ad-da-aš ḫu-uḫ-[ḫa-aš …]. Hier ergänzt Kammenhuber in HW2 I 565a (s. auch HW2 III 638b.) DINGIRMEŠ, d.h. „[die Götter] des Vaters (und) [des] Großva[ters]“. addaš und ḫuḫ[ḫaš könnten aber auch als Nom. Sing. verstanden werden. – In dem auf Akkadisch verfassten Fragment historischen Inhaltes KUB XXVI 76 (CTH 214.12.D; s. Beckman et al. 2011: 168-171) Vs. II 1ˈ-14ˈ ist Folgendes zu lesen: „[…] messengers [of(?)] Carchemish […] he met. If to(?) me […] he sent […] to Piyamaradu(?) [… the King of Ḫatti wrote(?)] to the king of Egypt: ‘[…] our fathers and our grandfathers (a-bu-ni a-bi a-bi-ni). And them […] the matter, our […] the healthy one to(?) us [… may] the Gods of the Earth favorably […] to the king of Aḫḫiyawa […] I will go. Then to(?) me […] he will do for(?) me […]’“ (Übersetzung von ibid. 169 mit eigenen Hervorhebungen). Diese Textstelle enthält die Korrespondenz zwischen dem hethitischen König (Ḫattušili III. nach ibid. 171) und dem Pharao. Der Ausdruck a-bu-ni a-bi a-bi-ni dürfte sich dabei auf die Väter und Großväter des unbekannten Königs und des Pharaos im ursprünglichen Wortsinn beziehen. Sührenhagen 1981: 88-108. Hinsichtlich der Nichtzugehörigkeit von Bo 4222 zu diesem Gebet s. Miller 2008a: 129 und Anm. 82.
29) am-mu-uk-ma-kán ŠA ŠEŠ-YA ka-ri-ya-aš-[ḫi ḫa-an-da-aš] 30) a-pu-u-un me-mi-an i-ya-nu-un nu DUMU ŠEŠ-Y[A da-aḫ-ḫu-un] 31) na-an LU[G]AL-iz-na-an-ni ti-it-ta-nu-[nu-un] 32) a-pa-a-aš-m[a] ŠA DUTU URUA-ri-in-n[a …] 33) nu-uš-ma-aš-kán UZUGAB-i :pa-ši-[ḫa-it-ta …] 34) nu at-ta-aš ḫu-uḫ-ḫa-aš BI/ LU[GAL? …] 35) nu a-pa-a-at i-ya-at n[u- …] 36) nu-uš-ma-aš-kán NINDA.GUR4.RA […] 37) nu ÉMEŠ DINGIRMEŠ :ma[r-ša-? …] 38) IŠ-TU KÙ. BABBAR x x […] 39) nu šu-um-ma-aš […] 40) a-pu-u-un IN[ IM-an? …] (abgebrochen) Als aber mein Bruder Muwattalli Gott [wurde], handelte ich aber nicht anders, (als es) der Würde meines Bruders ge[mäß] (war). Ich nahm den Urḫi-Teššub, den Sohn meines Bruders, und setzte ihn [in] die Königswürde ein. Ob aber Euch Göttern es recht war oder ob es Euch nicht [recht war], so habe ich dennoch dem Entgegenkommen meines Bruders [gemäß] jene Sache getan, [ich nahm] den Sohn mei[nes] Bruders und setz[te] ihn in die Königswürde ein. Jener aber der Sonnengöttin von Arinn[a …] und Euch hat [er] vern[achlässigt225 …] und den Vätern (und) den Großvätern226 x[…] und jenes tat er un[d …] und Euch dickes Brot […] und die Gotteshäuser x[…] mit Silber xx[…] und Euch […] jene An[gelegenheit …]. (Übersetzung von Sürenhagen 1981: 93 mit einigen Abweichungen)
Hier ist von Urḫi-Teššub und von den Gründen, aus welchen sich Ḫattušili III. in seiner Usurpation berechtigt fühlte, die Rede. Solcher Umstand ist aus der „Apologie“ dieses Königs (CTH 81) 227 bekannt, aufgrund des fragmentarischen Erhaltungszustandes dieses Gebets wäre aber ein direkter Vergleich beider Texte unergiebig. Den zitierten Zeilen lässt sich entnehmen, dass Ḫattušili III. Verfehlungen seines Neffen gegenüber den Göttern auflistet. Zuerst hat Urḫi-Teššub etwas in Bezug auf die Sonnengöttin von Arinna (nicht?) getan. Ferner vernachlässigte er den Kult? aller 225 226 227
CHD P 205b: „:pašiḫai- (in the idiom UZUGAB-i/ UZUGAB-ši) to betray(?), double-cross(?), disregard(?) (lit. to rub (something) on oneˈs chest).“ attaš und ḫuḫḫaš könnten auch als Nom./Gen. Sing. oder als Gen. Pl. gedeutet werden. Sürenhagen 1981: 93 übersetzt „und Vater, Großvater x [“. Otten 1981.
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Götter, und in diesem Zusammenhang kommt der Beleg für die Väter und Großväter vor. Schließlich werden Opferspenden, Gotteshäuser, Silber und letztendlich eine Angelegenheit erwähnt, die auf die Entscheidung Ḫattušilis III. über die Absetzung Urḫi-Teššubs hinzuweisen scheint. Nach dieser Rekonstruktion dürften die Väter und die Großväter (neben den Gottheiten) diejenigen sein, deren Kult? während der Regierungszeit Urḫi-Teššubs vernachlässigt wurde. Als Anhaltspunkt für eine solche Deutung lässt sich das Brieffragment KUB XXIII 45 (CTH 209.15)228 anführen, das anhand Z. 21ˈ (A-NA mU]r-ḫi-DX-ub me-ma-aḫ-ḫu-un „Zu U]rḫi-Teššub habe ich gesagt“) Ḫattušilis III. zugeschrieben werden kann.229 Ab Z. 24ˈ ist Folgendes zu lesen: [… LU]GAL-wa-za ku-wa-pí DINGIRLÌ-iš ki-š[a-at …] (25ˈ) […]x-ta- a-an ad-du-uš e-ker […] „[…] Als der [Kö]nig Gott geword[en ist …]?, sind die Väter gestorben 230 […].“ Falls sich Ḫattušilis III. dabei auf den Tod seines Bruders Muwattalli II. bezieht, finden im Kontext der Thronbesteigung Urḫi-Teššubs wieder die „Väter“ Erwähnung, die hier „gestorben sind“. Anhand des Vergleichs mit der oben zitierten Textstelle aus dem Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa kann dieser Aussage eine symbolische Bedeutung zugeschrieben werden, etwa im Sinne eines symbolischen Todes. Das heißt: Nachdem Urḫi-Teššub nach dem Tod Muwattallis König wurde, vernachlässigte er den Kult der Verstorbenen derart, dass diese ihre schützende Funktion gegenüber der Königsherrschaft 231 nicht mehr ausüben konnten und „verschwanden“. Ein weiterer Beleg für addaš ḫuḫḫaš findet sich in der Vereidigung der Menschen von Ḫatti auf Šuppiluliuma II. ABoT I 56 (CTH 256) 232 Rs. III: x+2) 3ˈ)
228 229 230 231 232
90
ŠA KUR. KUR
ḪAT-TI -ma […] nu-uš-ma-aš an-na-li-uš x[…] URU
Hagenbuchner 1989: 480. Siehe auch Ünal 1974a: 119f.; id. 1974b: 132; Klengel 1999: 223 und 248. Zum Ausdruck adduš eker s. auch HW2 I 548 und 553. Zu dieser Rolle der Ahnen s. II.4; zur ähnlichen Funktion der „alten/früheren Könige“ s. II.10. Im Hethiter-Portal unter „Instruktionen Šuppiluliumas II.“ eingeordnet; s. Miller 2011: 1-20 (insbes. 4 zur Diskussion des Ausdrucks „obligation and oath“). Zu einer Bearbeitung des gesamten Textes s. Giorgieri 1995: 292-319.
4ˈ) 5ˈ) 6ˈ) 7ˈ) 8ˈ) 9ˈ) 10ˈ) 11ˈ) 12ˈ) 13ˈ) 14ˈ) 15ˈ)
ÉMEŠ ŠA GIDIMḪI. A […]
16ˈ) 17ˈ) 18ˈ) 19ˈ) 20ˈ)
ŠA GIDIMḪI . A ku-iš URULU4 […]
lu-uz-zi-ya-za-at x[… a-ra-u-e-eš a-ša-an-du]233 nu GIDIMḪI.A-aš ku-iš ku-it […] A-NA ÉMEŠ GIDIMḪI. A ku-e[(- ?) …] ad-da-aš ḫu-uḫ-˹ḫa˺-aš ku-e[(-?) …] ŠA GIDIMḪI . A iš!-ḫi-ú-ul […] lu-u-zi ḫar-zi nu-kán x[…] pa-ra-a ú-da-an-zi nu(-)x[…] a-pa-a-at lu-uz-zi e-e[š-zi234…] :gal-la-ar-ma-aš-ma-aš-kán x[…] dam-me-eš-ḫa-iz-zi-ya-aš le-˹e?˺[…] ka-a-aš-ma-aš INIM-aš GAM MA-MI[T GAR-ru] pé-eš-du Ú-UL-ma-an ku-iš[…] nu a-pa-a-aš URU-aš ku-it A-NA […] nu URU˹LU4 GIDIMḪI.A ku-iš˺ x[…] ˹e?-še?-eš-du˺
21ˈ) nu šu-um-me-eš LÚMEŠ ˹URUKÙ˺.BABBAR […] 22ˈ) A-NA GIDIMḪI. A kiš-an še-er l[i-in-ik-tén ?]235 (Es folgen weitere 10 Zeilen) (2ˈ) Von den Ländern Ḫattis aber […] (3ˈ) und euch/ihnen die früheren236 […] / (4ˈ) Die Häuser der Toten […] (5ˈ) und von Fronarbeit [sollen] sie237 [frei sein.] (6ˈ) Wer den Toten was238 […] (7ˈ) Welche (Dinge) ? den Häu-
233 234 235 236
237 238
Zur Ergänzung s. ibid. 295 und Anm. 24. Die letzten zwei Verbalformen sind im Präsens. Ergänzung aufgrund des Zusammenhangs; s. Giorgieri 1995: 296 und Anm. 28. Vergleiche Otten 1958: 105 „die uralten“; s. HW2 I 74a „annalli/a- Adj. ,frühererʻ (kann manchmal mit ,altʻ im Sinne von ,frühererʻ übersetzt werden. Nie ,uraltʻ).“ Siehe auch HW2 I 75b. Zum Beispiel „die Menschen der Häuser der Toten“. Oder „weil“: Zu kuit nicht an zweiter (Wackernagel) Stelle und der Einführung des Kausalsatzes mit nu s. Hoffner – Melchert 2008: 418f. Die Übersetzung „etwas“ ist falsch, es sei denn, man ergänzte hier -[ki; vgl. Otten 1958: 105 („etwas“), Giorgieri 1995: 301 („qualcosa“) und Miller 2013: 311 („something“).
91
sern der Toten […] (8ˈ) Welche (Dinge) ? den Vätern (und) Großvätern […] (9ˈ) die Pflichten/Vorschrift239 betreffs der Toten […] (10ˈ) hat Fronarbeit und […] (11ˈ) bringen hinaus und […] (12ˈ) jene Fronarbeit is[t …] (13ˈ) aber ihnen240 ungünstig […] (14ˈ) und er/sie soll nicht schädigen […] (15ˈ) Diese Angelegenheit [soll] euch unter Eid [gelegt sein!] / (16ˈ) Welcher Ort der Toten […] (17ˈ) soll geben;241 wer aber ihn nicht242 […] (18ˈ) Und weil jener Ort dem/den […] (19ˈ) Welcher Ort der/den ? Toten […] (20ˈ) soll einsetzen/hinsetzen243 […] / (21ˈ) Nun [habt/sollt] ihr, Leute von Ḫatti […] (22ˈ) für die/den Toten auf diese Weise ge[schworen]/sch[wören].244
Dieser Text wurde gegen Ende des hethitischen Reiches verfasst. Bei der zitierten Passage handelt es sich um den išḫiul-Teil; darauf folgt der Hinweis auf den Treueid, den Šuppiluliuma II. die Menschen von Ḫatti zur Bewahrung der Totenkulte schwören ließ. In Vergleich zu den hethitischen Staatsverträgen zeichnet sich dieser Text dadurch aus, dass sein Inhalt die Toten (GIDIMḪI.A), ihre Kultorte (ÉMEŠ GIDIMḪI. A, URULU4 GIDIMḪI. A)
239 240
241 242
243
244
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Wörtlich „Bindung“. Zur Diskussion um die Bedeutung des išḫiul in diesem Zusammenhang s. Giorgieri 1995: 311f. und 318f. Es könnte auch „euch“ übersetzt werden, die Rede ist aber hier von den Häusern der Toten, für die ungünstig war, dass ihre Leute Fronarbeit leisten mussten. pešdu aus pai-/piya- „geben“, obwohl die richtige Form des Imper. 3. Sing. pau sein sollte; s. Giorgieri 1995: 313. Vergleiche Otten 1958: 105 „nicht aber [soll] ihn jemand […]“; und Giorgieri 1995: 301 „ma nessuno la [deve …]“, obwohl diese Deutung kuiški voraussetzen würde. Die Form ˹e?-še?-eš-du˺ ist unsicher, weil ašaš-/ašeš- im Imp. 3. Sing. sonst nie mit Vokalismus a belegt ist; s. Giorgieri 1995: 313. Wenn hier von einer neuen Aufwertung und Anwendung der Kultorte der Toten die Rede ist, kann die Übersetzung „einsetzen/hinsetzen“ (s. HW 2 I 387a und 390b) in Verbindung mit den Häusern oder den Kultstatuen ? passen. Vergleiche aber Miller 2013: 312f. und 410 Anm. 153, der Z. 22 nicht zu l[iin-ik-tén] ergänzt und behauptet, dass eine derartige Ergänzung „should not be excluded, though swearing an oath to the ancestor would, as far as I am aware, be unique, and one should, if indeed to be restored as such, surely speak of swearing an oath with regard to (the obligations concerning) the ancestors.“
und ihre Befreiung von der Fronarbeit (luzzi-) betrifft.245 addaš ḫuḫḫaš ist in einer fragmentarischen Zeile belegt, dennoch aber in einem Zusammenhang, in dem von Verstorbenen die Rede ist. Demzufolge lässt sich dieser Ausdruck nicht als Nom. Sing. deuten, sondern als Dat. Pl. Dies legt den Vergleich mit der vorigen parallelen Z. 7ˈ A-NA ÉMEŠ GIDIMḪI.A nahe, in welcher der Dativ durch ANA markiert ist. Z. 8ˈ dürfte nämlich eine genauere Spezifizierung von Z. 9ˈ sein: Die Phrase „Welche (Dinge)? den Häusern der Toten […]“ erfährt nähere Erläuterung durch „Welche (Dinge)? den Vätern (und) Großvätern […]“, d.h. „den verstorbenen Königen (und) Vorfahren?.“ In diesem Zusammenhang lässt sich ein Vergleich zu den „Großvätern (und) Großmüttern“ im Totenritual šalliš waštaiš heranziehen. Die ḫuḫḫeš ḫanniš bezeichnen dort das „Ahnenkollektiv“, einen Ausdruck, der auf Statuen bzw. Bilder verweist, die Opfer erhielten und verehrt wurden (s. II.4). Auch in ABoT I 56 sind die Häuser der Toten belegt, in denen vermutlich die Bilder der Väter und Großväter für den Kult standen. addaš ḫuḫḫaš unterscheidet sich aber insofern von ḫuḫḫeš ḫanniš, als sich der zweite Ausdruck auf alle Ahnen beziehen dürfte, während durch „Väter“ allein und durch „Väter (und) Großväter“ das Hauptaugenmerk auf die verstorbenen Könige der hethitischen königlichen Familie gerichtet ist.246 Durchaus möglich ist jedoch auch, dass ḫuḫḫaš in diesem späten Text eine Abkürzung für „Großväter (und) Großmütter“ geworden ist: Dieser Annahme zufolge sind mit addaš ḫuḫḫaš die königlichen Vorgänger (addaš) und die namenlosen Ahnen (ḫuḫḫaš) gemeint.247
245 246
247
Anhand des Ausdrucks ŠA GIDIMḪI.A išḫiul (Rs. III 9ˈ) versteht Singer 2009: 184 „die Toten“ als Partner dieses Vertrags. Die Yalburt-Inschrift Tudḫaliyas IV. kann diese Deutung stützen: (Block 4.§2) zi/a-tá-zi/a-pa-wa/i REGIO-ní-zi/a MAGNUS.REX-zi/a HATTI(REGIO) a-mi-zi/a ׀TÁ.AVUS-zi/a NEG-a REL-i(a)-sa-ha hwi/a-i(a)-tá „And to these countries the Great Kings of Hatti, my fathers (and) grandfathers, no one had run“ (Übersetzung von Hawkins 1995: 69). Hier ist eindeutig von den Vorgängern des Königs die Rede, unter denen sich Tudḫaliya IV. durch die Eroberung vieler Städte auszeichnet. Das kann einen weiteren Anhaltspunkt für die Deutung von KBo XXXIX 289 Vs. I 6 (s. II.5) darstellen, in dem die attaš „Väter“ direkt auf die ḫuḫḫaš ḫannaš „Großväter (und) Großmütter“ als Empfänger von Opfern folgen.
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„frühere Könige“
Ein einziger Ausdruck bezeichnet eindeutig die königlichen Vorgänger, und zwar karūilieš LUGALMEŠ „frühere Könige“. 248 Belege hierfür sind in sechs Texten erhalten. 249 Im ersten Teil des Pestgebetes Muršilis II. KUB XIV 8 (CTH 378.II.A)250 Vs. 9ˈ-12ˈ wird berichtet, dass der König zwei alte Tafeln fand, welche die Ursache für den Zorn der Götter bzw. für die Pest in Ḫatti offenbart haben. Eine von diesen Tafeln betrifft das Opfer für den MalaFluss, das damals schon seit langer Zeit nicht mehr durchgeführt wurde. Dazu lautet der Text: [Ich fand] zwei alte Tafeln: Die eine Tafel befasste sich mit [dem Opferritual des Mala-Flusses]. Die früheren Könige (ka-ru-ú[-i-li-]e-eš LUGALMEŠ) führten das Opferritual für den Mala-Fluss durch […], aber seit 248
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In den meisten Bearbeitungen des Ersatzrituals für den König KUB XXIV 5++ (CTH 419.A; s. Kümmel 1967: 7-37; García Trabazo 2010: 27-49) Vs. 10ˈ wird die Ergänzung [karūil]iuš Labarnuš angenommen und über die Bedeutung dieses Ausdrucks spekuliert (s. Laroche 1956: 110; id. 1965: 37; id. 1974: 176; Kümmel 1967: 8f. und 15; Starke 1980-83: 408; Mazoyer 2003: 196; García Trabazo 2010: 32f.; HW2 III 334a; Bachvarova 2006: 143 Anm. 39; ead. 2013: 38). Die Textstelle wird so gedeutet, dass die Königsbilder an den Ort der Opferschau mitzubringen waren, sodass die alten Könige als Garanten der Handlungen des Königs eine Vertreterrolle einnehmen konnten. In Anlehnung an Singer 2009: 174. Anm. 22 (s. schon Vieyra 1939: 126) ist aber anhand des Textinhaltes von KUB XXIV 5++ Vs. 6ˈ-11ˈ die Ergänzung [:tarpa-al-l]i-uš eindeutig zutreffender als [ka-ru-ú-i-l]i-uš: Der König brachte nämlich seine Substitute zum (Opfer-)Haufen des Mondgottes und betete den Gott, diese anstelle von ihm zu nehmen. Vermutlich ist ein Beleg dieses Ausdrucks auch im fragmentarischen hethitischen Brief KBo XVIII 66 (CTH 209; s. zuletzt Marizza 2009: 37-39) Vs. 8ˈ zu finden: Dort ergänzen Hagenbuchner 1989: 109 und u. a. auch Marizza 2009: 39 (in Übersetzung) durch [ḫu-u-ma-an-t]e?-eš LUGALMEŠ „[all]e Könige“, wobei die Zeichenspuren eher auf das Zeichen LI hindeuten. Infolgedessen lässt sich vermuten, dass hier [ka-ru-ú-i-l]i-eš zu lesen ist. In Anlehnung an Houwink ten Cate 1974: 130 ist dagegen karūilieš LUGALMEŠ im Gebet Muršilis III. KUB XXXI 66+ (CTH 387.1) Vs. II 4ˈf. nicht zu ergänzen (vgl. Kümmel 1967: 15; Hutter 1991: 39 Anm. 31). Klinger 2013: 117-120.
der Zeit meines Vaters [hat ein Sterben] in Ḫatti [geherrscht und] wir haben niemals mehr [das Opferritual] des Mala-Flusses durchgeführt.
Diese Stelle bezieht sich auf die früheren Könige, zu deren Zeit das Opfer für den Mala-Fluss regelmäßig stattfand. Der Hinweis von Muršili II. muss auf die direkten Vorgänger seines Vaters Šuppiluliuma I. zu beziehen sein; in der 1. Pers. Pl. wird nämlich von ihm erzählt, dass ein Opfer für den Mala-Fluss weder in seiner Regierungszeit noch in der seines Vaters durchgeführt wurde. Folglich sind hier die alten Könige allgemein ohne weitere Einschränkung gemeint. Seit wann der Brauch des Opfers bestand, wird nicht angegeben, obwohl dieses Opfer offensichtlich für ein traditionelles Ritual gehalten wurde, das „seit jeher“ bei den Hethitern üblich war. 251 Ein weiterer Beleg für die „früheren Könige“ ist im folgenden Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna KUB XXI 19++ (CTH 383) 252 Rs. III 9ˈ-13ˈ zu finden: Als mein Bruder Muwattalli mir Ḫattuša […,] die Stadt Katapa und dazu weitere [Städte gab,] sagte ich nichts. 253 Das Land der Stadt Nerik war plötzlich unter den vormaligen Königen (ka-ru-ú-i-li-ya-aš A-NA LUGALMEŠ) zugrunde gegangen und die Wege [waren] unpassierbar. (Übersetzung von Klinger 2013: 131 mit eigenen Hervorhebungen)
Auch hier wird auf die königlichen Vorgänger Ḫattušilis III. Bezug genommen. Leider ist es schwierig nachzuweisen, unter welchem König Nerik verloren ging. Die Hinweise von Ḫattušili III. selbst (KUB XIX 65++ Rs. III 46) und von seinem Sohn Tudḫaliya IV. (KUB XXV 21 Vs. 3f.), dass Nerik bereits unter dem König Ḫantili vom hethitischen Reich 251
252 253
KUB XXIII 79 (CTH 365.A; s. im Hethiter-Portal CITATIO: Rieken et al. (ed.), hethiter.net/: CTH 365) stellt wahrscheinlich die erste Tafel dieses Rituals dar (s. auch Arikan 2007: 45). In Rs. 10ˈ-15ˈ ist nämlich Folgendes zu lesen: „Das Ritua[l d]es Mala-Flusses. [Wenn] im Land eine Seuch[e ent]steht, bestimmt man dieses [R]itu[al] [vor] der Gottheit durch Orakel. Wenn […] in Ordnung [k]ommt, […-]en der König (und) die Königin die Mensch[en] sowohl aus dem […] als auch aus dem Land, und man macht dieses Ritual […] Beendet“. Klinger 2013: 128-132. Zur Satzbedeutung s. Singer 2002: 109 Anm. 4.
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getrennt worden wäre, scheint nicht korrekt zu sein. 254 Darüber hinaus könnte die von Ḫattušili III. verwendete Pluralform in Bezug auf seine Vorgänger darauf hindeuten, dass er selbst nicht genau wusste, um welchen König es sich handelte. Im selben Text ist in Rs. III 22ˈ ein ähnlicher Ausdruck belegt: ka-ru-ú-ma ku-i-e-eš [LU]GALMEŠ e-še-er „die Könige aber, die früher waren“. Dort wird erzählt, dass im Gegensatz zum König Ḫattušili III. keiner dieser früheren Könige die Stadt Nerik eingenommen und wiederaufgebaut hatte.255 Durch den Bezug auf eine unbestimmte Vergangenheit mittels des Adverbs karū (entsprechend dem Adjektiv karuili-) ist die Verwendung dieses Ausdrucks jener von karūilieš LUGALMEŠ ähnlich.256 Dieses Gebet kann mit der „Apologie“ Ḫattušilis III. (s. II.8.2)
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Haas 1970: 6f. zufolge wird Nerik im Gebet Arnuwandas und Ašmunikals (KUB XVII 21++ Vs. II 20) in der Aufzählung der an die Kaškäer verlorenen Städte an erster Stelle genannt. Diese und die vorige Textstelle erinnern an KUB LVI 14 (CTH 215; s. de Roos 2007: 240) Rs. 8ff.: ka-ru-ú-i-li-iš-wa ku-i-e-eš LUGALMEŠ e-šer (9) nuwa PA-NI DX URUNe-ri-ik ku-iš-ša ku-it-ta (10) [wa]?-aš-˹ta˺-an ḫar-ta nu-wara-aš-za pé-ra-an ar-ḫa (11) [ ]x-[ ]x ḫar-ta nu-wa URUNe-ri-ik-ka4 EGIR -pa ÚUL (12) [ku-iš-ki] ˹e˺-ep-ta DUTUŠI-ma-wa PA-NI DX URUNe-ri-ik a-aš-ši !-an-za (13) [nu-wa …D]˹X˺ URUNe-ri-ik pé-ra-an EGIR-pa tar-na-aš (14) [nu-wa URU Ne-ri]-˹ik˺-ka4-an EGIR-pa e-ep-ta. „ ,Ein jeder der früheren Könige hat sich in einer Form gegenüber dem Wettergott von Nerik [ver]sündigt und er ? hat […] vorne weg. Und Nerik hat [niemand] wieder genommen. Meine Sonne aber ist dem Wettergott von Nerik teuer [und? (daher)] ließ der Wettergott von Nerik (meine Sonne) vorne? zurückkehren, [und] sie nahm [die Stadt von Neri]k wieder.“ Ein ähnlicher Passus, dieses Mal in Bezug auf die Errichtung von Mauern in Ḫattuša, die keinem König vor Ḫantili I. ?/II. ? geglückt war, findet sich in KBo III 57 (CTH 11.A; s. de Martino 2003: 189-201) Rs. III 7ˈff.: [… UR]UḪa-attu-ši (8ˈ) [… BÀD-eš-ša]r Ú-UL ki-it-ta-at (9ˈ) [… Ú -U]L pa-aḫ-ša-nu-wa-anza (10ˈ) [e-eš-ta ka]-ru-ú-i-li-e-eš-ša-wa (11ˈ) [ku-i-e-eš LUGALME]Š e-še-er (12ˈ) [nu-wa ŠA KUR URUḪ] A-AT -TI URUDIDLI BÀD (13ˈ) [ka-ru-ú Ú-U ]L ku-iš-ki IBNI „[…] in Ḫattuša […] es gab keine [Befestig]ung [… die Stadt ?] war [ni]cht geschützt. ,Und [diejenigen, die die frü]heren [Könige] waren, hat [ni]emand die Befestigung [des Landes Ḫ]atti [früher] gebaut.‘ “ Sürenhagen 1981: 96 zufolge können die „früheren Könige“ auch in Rs. IV 1f. desselben Textes ergänzt werden: na-aš-ma-aš ma-a-an ka-ru-ú-i-l[i-aš LUGALMEŠ-aš] wa-aš-ta-iš, „oder wenn es eine Sünde der al[ten Könige (?)]
verglichen werden: Dort wird durch A-NA AB. BA ḪI.A Ù A-NA AB. BA AB. BA ḪI.A („den Vorvätern und dem Vater der Vorväter“) betont, dass keiner der Vorfahren Ḫattušilis III. dasselbe Ansehen genossen hat wie er. Dieser Ausdruck bezieht sich auf alle königlichen Vorgänger, während mit karūiliyaš ANA LUGALMEŠ im Gebet Ḫattušilis III. nur einige seiner Vorfahren gemeint sind, nämlich die nach dem Verlust der Stadt Nerik regierenden Könige. Nichtsdestotrotz kann die parallele Verwendung der Begriffe „Väter“ und „frühere Könige“ in einem vergleichbaren Kontext wiederum die Deutung stützen, dass die „Väter“ die königlichen Vorgänger umfassen (s. II.8.1). In dem Heiligtumsinventartext aus der Zeit Tudḫaliyas IV. KUB XXXVIII 35 (CTH 525.4) 257 Vs. I 1-4 sind die „früheren Könige“ ebenfalls belegt: (Town of) Ḫal[i]nzuwa. Under the old kings (ka-ru-ú-˹i˺-li-ya-aš A-˹NA˺ LUGALMEŠ) the town had fallen into disr[epa]ir, and the divine representations ha[d] fallen into disrepair. His Majesty Tudḫaliyaš rebuilt the town. The divine represen[tations…] they restored as follows. (Übersetzung von Hazenbos 2003: 49f. mit eigenen Hervorhebungen)
Diese Passage ist dem oben behandelten Gebet Ḫattušilis ähnlich. Auch hier bildet nämlich der Text einen Gegensatz zwischen den Königen der Vergangenheit, die sich nicht um den Kultbetrieb in Ḫalinzuwa kümmerten,258 und Tudḫaliya IV., der die Stadt wiederaufbaute und die Götterbilder wiederherstellte. Anhand der vorgestellten Beispiele gibt es einen eindeutigen Unterschied zwischen den Vorgängern des Königs bzw. den „Vätern“ und den unbestimmten Vorfahren (s. II.4). Im Gegensatz zu der anonymen Gruppe der Ahnen, die bei Ritualen stets eine Schutzfunktion und Vertretungsrolle für die hethitische Königsherrschaft spielen, sind die „Väter“ bzw. die „früheren Könige“ am häufigsten in historischen Texten belegt: Auch
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(ist)“. Vergleiche die Übersetzung von Singer 2002: 100 und 109 Anm. 9 „or if it is [some(?)] ancient sin“. Hazenbos 2003: 48-51. Zur Lokalisierung und den Belegen der Stadt Ḫalinzuwa, die nicht weit entfernt von Nerik lag, s. del Monte – Tischler 1978: 102f. (zu ihren Belegen lässt sich KBo XLVIII 254 ˹7ˈ˺, ˹9ˈ˺ hinzufügen).
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wenn ihre genaue Identität unbestimmt bleibt, liegt der Fokus immer auf Ereignissen aus ihrer Lebenszeit. Ihr Zustand als verstorbene Menschen ist demzufolge irrelevant. Dieser Sachverhalt gilt dagegen nicht für die Deutung der folgenden Textstelle aus dem Maštigga-Ritual KBo XXXIX 8 (CTH 404.1.I.A)259 Rs. IV: 27) 28) 29) 30) 31)
na-at II BE-EL SISKUR.SISKUR 260 še-er ši-ya-an-zi261 nu MUNUSŠU.GI ki-iš-ša-an me-ma-i ku-wa-pí-wa ka-ru-ú-i-li-e-eš262 LUGALMEŠ EGIR-pa ú-wa-an-zi nu-wa-az263 KUR-e ša-ak-li-in-na264 EGIR -an kap-pu-u-wa-an-zi ki-i-y[(a-w)]a 265 NA4KIŠIB a-pí-ya-akku ni-ni-ik-ta-[r]u266
Die beiden Opfermandanten versiegeln es (ein Stierhorn mit unreinem Wasser) oben, und die Ritualistin spricht folgendermaßen: „Wenn die früheren Könige wiederkehren und die Riten des Landes (wörtl. das Land und die Riten) nachrechnen werden, erst dann soll auch dieses Siegel gebrochen werden.“
Diese Passage ist kontrovers diskutiert worden. Rost 1953: 376 denkt hierbei an die Wiederkehr der hethitischen Könige vom Tode, die man zurückerwartete, „um die Gesetze des Landes zu überprüfen und Gerechtigkeit walten zu lassen.“ Sie vermutet folglich eine Einbindung derartiger Vorstellungen in die Erwartung eines „Goldenen Zeitalters“.267 Hutter 1991: 39 sieht hier dagegen die unmittelbaren Vorgänger des Opfermandanten im Mittelpunkt, die für den Schlussteil des Rituals als Zeugen angerufen werden. 259 260 261 262 263 264
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Miller 2004: 61-124; im Hethiter-Portal CITATIO: Mouton (ed.), hethiter.net/: CTH 404.1.I. Dupl. KBo II 3++ Rs. IV 8: II EN SISKUR. Dupl. KBo IX 106++ Rs. III 41ˈ: ši-i-e-ez-zi. Dupl. KBo II 3++ Rs. IV 10: ka-ru-ú-li-e-eš; Dupl. KBo IX 106++ Rs. III 42ˈ: ka-ru-ú-i-li-uš. Dupl. KBo XLIV 17 Rs. IV 12ˈ: nu-wa-za. Dupl. KBo II 3++ Rs. IV 11: nu-wa-za KUR-ya-aš ša-ak-la-a-in; Dupl. KBo LIII 26 Rs. IV 17ˈ: nu-wa-z]a KUR - TU4 ša-ak-la-in-na; Dupl. KBo IX 106++ Rs. III 43ˈ: nu-wa-za KUR-e-aš ša-ak-la-in. Dupl. KBo IX 106++ Rs. III 44ˈ: kap-pu-wa]-a-an-zi ki-ya-wa. Dupl. KBo II 3++ Rs. IV 13: ki-nu-ut-ta-ru. Siehe auch Goetze 1957: 171.
Wirklich sicher ist nur, dass sich das Maštigga-Ritual auf eine Zeit bezieht, in der die früheren Könige zurückkommen und die Bräuche des Landes überprüfen werden. Demnach irrt sich Hutter (ibid.), wenn er meint, dass hier die alten Könige als angerufene Zeugen entscheiden mussten, „was recht und was unrecht in der politischen Auseinandersetzung ist“. Eine derartige Funktion als Zeugen wurde dagegen in diesem Ritual nicht wirksam. Die Toten- und Ersatzrituale legen nämlich nahe, dass die Anwesenheit der Ahnen (ḫuḫḫaḫanniš) als Zeugen ein entscheidendes Element für das Gelingen des Rituals selbst darstellt. Im Gegensatz zu den namenlosen Vorfahren nehmen die früheren Könige am Maštigga-Ritual nie selbst teil: Das heißt, sie sind nicht von Anfang an als Statuen oder Bilder anwesend (s. IV.4), sie erhalten keine Opfer (s. II.4) und sie fungieren nicht als Vertreter des Opfermandanten (ibid.). Sie werden lediglich am Ende des Rituals erwähnt. 268 Die „früheren Könige“ stellen also erst in der letzten Beschwörung ein Element dar, das wahrscheinlich das Residuum eines Religions- oder Kultureinflusses (des hurritischen Milieus, siehe weiter unten) reflektiert. Demzufolge lässt sich vermuten, dass diese Beschwörung aufgrund ihres evokativen magischen Gehalts bei der Übernahme des Rituals durch die Hethiter beibehalten wurde, ohne damit annehmen zu müssen, dass die ihr zugrundeliegenden Vorstellungen ein genuines Element der hethitischen Staatsreligion (falls überhaupt von einer „hethitischen“ Staatsreligion zu sprechen ist) darstellen. Die Rückkehr der früheren Könige dürfte den Zeitpunkt bezeichnen, zu dem alle Siegel gebrochen werden müssen und eine neue Weltordnung beginnt.269 Folglich stellt sich die Frage, welcher Art die Zeitvorstellung der Hethiter bzw. der Hurriter war, und ob sie an eine Zyklizität der Weltordnung glaubten. Dafür ist jedoch keine Antwort in den hethitischen mythologischen Texten zu finden. Des Weiteren ist im Maštigga-Ritual nicht vom Ende der Welt oder von einem Gottesgericht die Rede. Die Rückkehr
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Dass das Siegel des mit unreinem Wasser gefüllten Behältnisses erst am Tag ihrer Wiederkehr gebrochen werden sollte, kann auch so gedeutet werden, dass das Behältnis de facto für immer versiegelt bleiben wird. Siehe auch Polvani 2004: 373f.: „…because it can only come back when the ancient kings return to govern the country, which means never.“ Vergleiche Beckman 1993-97: 571 karūiliēš LUGALMEŠ als „primeval deities“.
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der früheren Könige wird erwartet, damit sie über das Land und seine Sitten richten können, so als ob dieses Gericht seine Funktion bereits in der irdischen, geschichtlichen Welt ausüben sollte: Diese Erwartung verbindet sich freilich mit der vom Text implizierten Mahnung, die Riten des Landes zu bewahren. Das Maštigga-Ritual stellt den einzigen Beleg für derartige Vorstellungen bei den Hethitern dar. 270 Hutter 1991: 39 schreibt demzufolge zu
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Ein weiterer Beleg für die „früheren Könige“ in einem Ritualtext findet sich im Fragment FHL 34 (CTH 470.2027; zur Kopie s. Durand – Laroche 1982: 85). Es folgt die Transliteration: x+1) [ar?]-˹ra-aḫ-ḫu-ut˺-ma-za wa-šu-[ …] 2ˈ) ka-ru-ú-i-li-iš LUGALMEŠ-iš […] 3ˈ) DUMU.NITA x? úr-tu-uš-ša […] 4ˈ) ša-ra-a Ú-UL ú-ez-zi x[…] 5ˈ) kat-ta-an ar-ḫa Ú-UL ú-[ez-zi …] 6ˈ) ˹x˺ MUNUSMEŠ ar-ši-ya(-)ma-an(-)na-aš-m[a …] 7ˈ) [nu-u]d-du-za al-wa-an-ze-na-az x[…] 8ˈ) [… -g]a?-za tu-uk-pát ka[t-ta …] 9ˈ) […]x-˹ḫi˺-iš-ke-ez-z[i …] Aufgrund des fragmentarischen Textzustandes wird hier auf eine vollständige Übersetzung verzichtet. In Z. 1ˈ ist das Verb arra- in Imp. 2. Pers. Sing. neben einem wohl von wašš- abzuleitenden Wort belegt, d.h.: „du sollst die Klei[der?] waschen“. Hier kann jedoch auch GEŠTU-ŠU „sein Ohr“ gelesen werden. In Z. 2ˈ werden die „früheren Könige“ (Nom. Pl.) erwähnt. Darauf folgt Z. 3ˈ, in der neben „Sohn“ das Wort urta- „übler Zustand, Art Krankheit?“ (s. HEG IV 103f.) zu erkennen ist. Z. 4ˈund 5ˈ lassen sich mit „er? geht nicht darüber […]“ und „er? ge[ht] nicht darunter hinweg […]“ übersetzen. Am Anfang des darauffolgenden Paragraphen kann das Verb als aršai-/aršiya- „pflanzen, hegen“ oder als arš-/aršiya- „fließen“ gedeutet werden. Der sich andeutende Zusammenhang mit Frauen (denkbar ist auch eine Interpretation als Determinativ vor weiblichen Berufsbezeichnungen) ist aber nicht klar. Z. 7ˈ lässt sich mit „und dich von der Zauberei? […]“ übersetzen; Z. 8ˈ und 9ˈ belegen jeweils eine 2. und 3. Pers. Sing. eines Verbs. Dieser Text kann als Ritual angesehen werden. Der Wechsel zwischen der 2. und der 3. Pers. Sing. spricht nicht dagegen (s. dazu Torri 2007: 671-680; Miller 2004: 485-492). Darüber hinaus kann angenommen werden, dass in jeder Zeile eine neue Handlung thematisiert wird. Die früheren Könige scheinen
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Recht, dass wir anderweitig zu wenig (bzw. nichts) über derartige eschatologische(?) Vorstellungen im Alten Orient wissen. Es gibt aber eine Reihe hurritischer Ritualtexte aus Ḫattuša, die Anhaltspunkte für eine derart herausgehobene Stellung der verstorbenen Könige beinhalten. So ist z.B. der vergöttlichte Narām-Sîn im Beschwörungsritual KUB XLVIII 112 (CTH 500.346) Rs. IV 3 belegt.271 Der Name von Sargon kommt u. a. in dem Fragment mythologischen? Inhaltes KUB XXXI 3 (CTH 775.D.2)272 Vs. 4 und Rs. 6ˈ-8ˈ vor. Aufschlussreicher ist aber das Tafelfragment KUB XXVII 38 (CTH 775.D.1), 273 welches ein hethitischhurritisches Ritual enthält. Seine inhaltlichen und formalen Eigenschaften sind bereits mehrfach in der Hethitologie diskutiert worden. 274 Die Vs. I enthält ein rituelles Lied (Zz. 1ˈ-5ˈ), das während der Herstellung von Ersatzbildern (heth. šenuš, hurr. šarrēna), hier Wollfiguren von vergöttlichten Königen, zu singen war. 275 Daraufhin, nach der Erwähnung von Bergen und Flüssen (Zz. 6ˈ-12ˈ), findet sich in einem fragmentarischen Zusammenhang das Wort für „Vater“ (Z. 17ˈ, attanu=va). Die Vs. II und der Anfang der Rs. III (Zz. 1-12) enthalten ein hurritisches Lied mit den dort mehrmals genannten Gottheiten Teššub und Šarruma. Ab Z. 13ˈ beginnt ein weiteres Lied, in dem die Namen einiger altorientalischer Herrscher aus früheren Epochen belegt sind: Dies lässt sich de Martino 1993: 128 zufolge als „Anrufung an verschiedene Weise“ verstehen. Unter die Könige werden auch Narām-Sîn (mit Gottesdeterminativ) und Sargon
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daher hier in keinem historischen oder erzählerischen Zusammenhang belegt zu sein. Rs. IV 2ff.: [am-m]u-uk an-da x[…] (3) DNa-ra-am-DXXX-aš-ša […] (4) ú-eer am-mu-uk-ka4 […] (5) e-eš-du nu-mu-kán D?/an?[-da? …] (Strich) (6) maa-an MUNUSŠU.GI ḫu-u[k- …]. Güterbock 1938: 81 merkt dazu an: „Zu notieren ist das Gottesdeterminativ bei Naramsin und das ‚und‘ bei diesem Namen, das in Verbindung mit dem pluralischen Verbum eine Ergänzung ‚[Sargon] und N.‘ nahelegt.“ Salvini – Wegner 2004: 17 und 37f. Salvini 1977: 87-91; Haas – Wegner 1988: 384-390; de Martino 1993: 121134. Siehe de Martino 1993: 121-134; Wilhelm 2003: 393f. mit Anm. 5; Archi, 2013: 5f.; Bachvarova 2012: 106ff.; ead. 2013: 40. Zur Auflistung der Königsnamen s. de Martino 1993: 122.
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(ohne Gottesdeterminativ) gezählt.276 Schließlich sind in den letzten fragmentarischen Zeilen der Rs. IV die Könige der anatolischen Gebiete Illaya und Ḫatti ohne Namensnennung belegt. Dieser Text ist de Martino 1993: 132 und Anm. 82 zufolge als das Produkt einer Überlagerung mehrerer, aus verschiedenen linguistischen und kulturellen Milieus stammender Texte zu deuten. Bachvarova 2012: 108 hält ihn dagegen für das Ergebnis eines einzigen linguistischen und kulturellen Milieus. Ohne auf diese Diskussion näher einzugehen, lässt sich festhalten, dass die von KUB XXVII 38 enthaltenen verschiedenen Elemente für die Durchführung eines Rituals (für das Königtum?) 277 in Ḫattuša entlehnt wurden. Bachvarova 2013: 40 vermutet, dieses Ritual „supports the Hittite ideology of kingship“ und „links the local court of the Hittites to the wider human world and affirms the support of dead kings and heroes for the current king.“ Gewiss lässt sich nicht mehr rekonstruieren, wieviel Raum solche entlehnten Traditionen in den Vorstellungen der Hethiter fanden. Sie sind jedenfalls in den Boğazköy-Texten nachweisbar und lassen damit ihre Einführung an den hethitischen Königshof annehmen. Das Konzept der „früheren Könige“ hatte sich bei den Nachbarkulturen bereits seit langer Zeit durchgesetzt und brach sich ab mittelhethitischer Zeit auch in Ḫatti teilweise Bahn. Die Hethiter kannten aber auch die namenlosen Ahnen, die als Verkörperung des Königtums eine ähnliche überwachende Funktion ausübten. In keinem einzigen Text sind die Ahnen und die königlichen Vorgänger in einer derartigen Rolle nebeneinander belegt. Demzufolge ist zu vermuten, dass die alten Könige,
276
277
Aus diesem Text geht hervor, dass die hethitischen Schreiber das Gottesdeterminativ bedacht verwendeten. Die šarrena und Narām-Sîn werden mit D geschrieben, Sargon hingegen nicht (nach der akkadischen Tradition). Obwohl die Funktion der verstorbenen Könige im Maštigga-Text wie die der Ahnen im Totenritual mit derjenigen von Gottheiten vergleichbar zu sein scheint, tragen sie dennoch kein Gottesdeterminativ. Dies lässt vermuten, dass die verstorbenen Könige der hethitischen Vorstellung zufolge einen jenem von Gottheiten zwar ähnlichen, letztlich aber doch davon verschiedenen Status hatten. Siehe jedoch das Orakel KUB XVI 39+ (CTH 574.4; s. IV.3.5), in dem der verstorbene Tudḫaliya und die Väter jeweils als „Gott“ bzw. „Götter“ angesprochen werden. Zur „Vergöttlichung“ des Verstorbenen beim Totenritual šalliš waštaiš s. auch IV.3.7.2. Archi 2013: 5.
102
in einem gewissen Gegensatz zu den Ahnen, als eine neue frühere überlagernde Vorstellung anzusehen sind. Die namenlosen Ahnen lassen sich als Ausdruck der ursprünglichen, anatolischen Komponente der hethitischen Kultur auffassen, während sich das Konzept der „früheren Könige“ als Ergebnis des starken hurritisierenden Prozesses ab mittelhethitischer Zeit durchsetzte.278 Die Überlagerung zweier aus unterschiedlichen Kulturen stammender, einander jedoch ähnlicher Elemente wurde von den Hethitern offenbar ohne innere Spannungen akzeptiert. In den „früheren Königen“ ist demnach ein „Vorväterkollektiv“ der verstorbenen Könige allein im Gegensatz zu den anonymen Vorfahren zu sehen. Nach dem Maštigga-Ritual verkörperten sie das Wesen der hethitischen Kultur mit seinen Sitten und Gesetzen und folglich galten sie als Garanten für die bestehende Gesellschaftsordnung. 11
Zusammenfassung
In den Boğazköy-Texten sind verschiedene (heth., akk. und sum.) Bezeichnungen für Vorfahren belegt. In diesem Kapitel wurden diese Ausdrücke identifiziert und anhand der rekonstruierbaren Bedeutungsnuancen voneinander unterschieden. Folgende Beobachtungen lassen sich resümieren. ḫuḫḫa-, das hethitische Wort für „Großvater“, mit seinem entsprechenden Akkadogramm ABI ABI, ist in der Singularform als Verwandtschaftsbezeichnung bereits in Texten der althethitischen Zeit belegt (II.1.). Die Pluralform ḫuḫḫeš/ḫuḫḫiš dürfte sich mit einer übertragenen Bedeutung zur Bezeichnung für „Vorfahren“ entwickelt haben. Es lässt sich aber nicht mit eindeutiger Sicherheit annehmen, dass dieser Ausdruck ausschließlich für die verstorbenen königlichen Vorgänger verwendet wurde (II.2-3). Der Ausdruck ḫuḫḫiš ḫanniš bzw. ḫuḫḫaḫanniš findet sich insbesondere im Totenritual (CTH 450) und im Ersatzritual für den König Tud278
Zur Rolle der Könige und Helden als mythische Gestalten im Beschwörungsritual von Allaituraḫ(ḫ)i – ebenfalls auf ein hurritisches Milieu zurückzuführen – sowie in verwandten Texten, s. Haas – Thiel 1978: 34-36 und 190195; vgl. auch Bachvarova 2013: 33-37.
103
ḫaliya (CTH 448). Er bezeichnete die Ahnen, die als Vertreter des Königtums zu verstehen sind und für die königliche Familie eine Schutzfunktion ausübten. Sie waren anonym und offenbar nicht vergöttlicht: Ihr Status ist wahrscheinlich jenem von Gottheiten ähnlich, aber doch klar davon getrennt. Es bleibt offen, ob derartige Vorfahren als mythische Ahnen aus einer unbestimmten Vorzeit anzusehen sind. Sie unterscheiden sich aber von den Vätern, welche die königlichen Vorgänger bezeichnen (II.4-5). ABI ABI kann nicht nur den Großvater bezeichnen, sondern auch den Urgroßvater bzw. den Ururgroßvater (II.6). Mit ABI ABI ABI konnte auch auf den Ururgroßvater Bezug genommen werden. Da ABI ABI dem heth. ḫuḫḫa- entspricht, lässt sich die Gleichsetzung ABI ABI ABI = ḫuḫḫant- vermuten. ḫuḫḫant- ist allerdings nur im Pl. belegt: Dies legt die Bedeutung „Vorfahren“ nahe. Zudem ist es denkbar, dass das hurr. Wort ammadi, sowohl „Großvater“ als auch „Vorfahre“, im Akkadogramm ABI ABI ABI subintellegiert ist (II.7). AB. BA, heth. atta-, wird in den heth. Texten nicht mit der Bedeutung „Vater“ verwendet, sondern in Bezug auf einen älteren Vorfahren. Aus der Analyse seiner Belege im Pl. (heth. atteš/adduš, Akkadogramm? A-ABBA(- A), Sumerogramm AB. BA ḪI.A), allein sowie in Redewendungen, geht hervor, dass die „Väter“ die Vorgänger vor dem Großvater bezeichnen, den Großvater (ABI ABI/ḫuḫḫa-) und den Vater ( ABU/atta-) dagegen nicht umfassen. Damit sind stets die königlichen Vorgänger gemeint, und dies kann auch für den Ausdruck ḫuḫḫanteš vermutet werden. ABIMEŠ ist nur in KUB XXVI 1+ Vs. I 9 belegt: Dieser Ausdruck wird dort nicht für Vorfahren allgemein verwendet, sondern für bestimmte königliche Vorgänger, deren Nachkommenschaft den Anspruch auf den Thron erheben könnte. Folglich bezeichnet ABIMEŠ die „Väter“ des Stammbaums der königlichen Familie (II.8, 8.1-2). addaš ḫuḫḫaš, „Väter (und) Großväter“ richtet das Hauptaugenmerk auf die verstorbenen Könige. Der Vergleich mit dem ähnlichen luwischen Ausdruck a-mi-zi/a TÁ.AVUS-zi/a kann diese Deutung stützen. Dennoch lässt sich vermuten, dass mit diesem Ausdruck sowohl die „königlichen Vorgänger“ (addaš) als auch die „Ahnen“ (ḫuḫḫaš als abgekürzte Form für ḫuḫḫaḫanniš) gemeint sind (II.9). Mit karūilieš LUGALMEŠ werden eindeutig die königlichen Vorgänger bezeichnet. Am häufigsten sind sie in historischen Texten belegt, in denen Bezug auf bestimmte Taten ihrer Lebenszeit genommen wird. Lediglich 104
aus KBo XXXIX 8 Rs. IV 28f. geht hervor, dass die „früheren Könige“ eine mit derjenigen der namenlosen Ahnen vergleichbare Vertreterrolle für die hethitische Königsherrschaft innehaben konnten (II.10). Die vorangegangene Diskussion schließt mit der Vermutung, dass sich zwei unterschiedliche kulturelle Komponenten mit der Zeit überlagerten. Ursprünglich, als anatolische Komponente, sind die „Ahnen“ (ḫuḫḫeš ḫanneš) als Verkörperung des hethitischen Königtums zu sehen. Die „Väter“ (atteš/adduš, A-AB-BA(-A), AB. BA ḪI.A) und die „früheren Könige“ (karūilieš LUGALMEŠ) lassen sich hingegen mit dem hurritischen Element der hethitischen Kultur in Verbindung bringen. Ihre Belege scheinen nämlich auf spätere Texte beschränkt zu sein, in denen die Ahnen dagegen nicht vorkommen. Gegen Ende des hethitischen Reiches dürfte der Ausdruck addaš ḫuḫḫaš die erreichte Assimilation dieser beiden kulturellen Komponenten markiert haben, indem die „Väter (und) Großväter“ jeweils für die königlichen Vorgänger und die Ahnen standen. Die Gegenüberstellung mit einem ähnlichen luwischen Ausdruck in der Yalburt-Inschrift von Tudḫaliya IV., in der damit nur auf die königlichen Vorgänger eindeutig Bezug genommen wird, legt indes nahe, diese Frage noch offenzulassen. Die sprachliche Verwendung der einschlägigen hethitischen Ausdrücke und der entsprechenden Akkadogramme und Sumerogramme lässt sich in der folgenden Tabelle darstellen.
105
VERWANDTSCHAFTSBEZEICHNUNGEN FÜR VORFAHREN BEI DEN HETHITERN Hethitisch adda-/atta- „Vater“
Akkadisch SING. ABU
AB. BA (einmal
falsch als
A- AB-BA geschrieben)
= nicht als „Vater“, sondern als ein älterer Vorfahre.
ḫuḫḫa- „Großvater“ ḫuḫḫant- „Urgroßvater“?
ABI ABI
adduš/atteš „Väter/Vorväter“ = königliche Vorgänger ḫuḫḫiš/ḫuḫḫeš „Großväter/Vorfahren“ ≠ königliche Vorgänger? ḫuḫḫanteš „Vorväter“ = königliche Vorgänger? ḫuḫḫeš ḫanniš „Großväter (und) Großmütter“ = Ahnen addaš ḫuḫḫaš „Väter (und) Großväter“ = königliche Vorgänger (und Ahnen?)
A- AB-BA-( A)
106
Sumerisch
? ABI ABI ABI
PL.
(im semantischen Bereich von AB.BA enthalten) AB. BAḪI. A
? ABIMEŠ
? A-AB -BA-(A)
? AB. BAḪI.A
III
Die Bezeichnungen für Tote und Totengeister
In diesem Kapitel werden Ausdrücke untersucht, die in den hethitischen Texten als Bezeichnungen für Tote und Totengeister gebraucht werden. Die hier zu analysierenden Termini sind GIDIM = heth. akkant- „Toter“, nakku(wa)- „Hingeschiedener“ und DZawalli.279 Bei dieser lexikographischen Studie wird jeder Text in einen breiteren Zusammenhang einzubeziehen sein: Der erste Schritt besteht in der genaueren Begriffsbestimmung der Termini, um die Grundelemente für die Untersuchung der Formen des Totenkults so vollständig wie möglich zu rekonstruieren. Anschließend werden Bezüge zu anderen Texten und entsprechenden verwandten Themen hergestellt, um eine Übersicht über die Totenkultthematik erarbeiten zu können. 1
GIDIM/akkant-
Im mesopotamischen Atramḫasīs-Mythos findet sich eine Textstelle, die sich für die Interpretation des akk. Terminus eṭemmu (= sum. GIDIM) als überaus erhellend erweist:
279
Zu GIDIM s. del Monte 1975: 319-346. Zu nakku(wa)- s. Melchert 2014: 219227. Die Zawalli-Gottheiten werden im zweiten Teil dieses Kapitels behandelt. Zur Untersuchung des Ausdrucks ZI = heth. ištanza(n)- „Seele“, auch in Bezug auf die Unterweltsvorstellungen bei den Hethitern, wird hier auf die ausführlichen Studien von Kammenhuber 1964 und 1965: 177-183 verwiesen; s. auch Archi 2007b und Kapeluś 2010a. Eine Zusammenfassung der mit den genannten Ausdrücken verbundenen Vorstellungen der Hethiter findet sich bei van den Hout 1994: 44ff.; auf Basis von onomasiologischen Studien s. Cotticelli-Kurras 1994: 49-53; Cotticelli-Kurras – Rizza 2020: 6-10.
107
Einen Gott soll man schlachten, dann mögen sich die Götter durch Eintauchen reinigen. Mit seinem Fleisch und seinem Blut möge Nintu den Lehm vermischen, sodass Gott und Mensch miteinander vermischt werden, zusammen mit dem Lehm! Für alle zukünftigen Tage wollen wir die uppu-Trommel hören, im Fleisch des Gottes soll der eṭemmu vorhanden sein! Den lebenden (Menschen) soll sie (die Trommel) als ihr Zeichen verkünden: Damit es kein Vergessen gibt, soll der eṭemmu vorhanden sein. 280
Dieser Passage ist zu entnehmen, dass der eṭemmu in der damaligen Vorstellung nach dem Tod des Menschen weiterexistierte und aufgrund seines göttlichen Ursprungs und Wesens für einen unvergänglichen Teil gehalten wurde („kein Vergessen“). Die genaue Bedeutung von eṭemmu in Mesopotamien ist sehr häufig diskutiert worden: Dies liegt daran, dass sich sein Bedeutungsspektrum („Totenseele?“, „Geist?“, „Dämon?“) nur schwierig aus den erhaltenen Quellen extrahieren lässt. Zu diesem Begriff schreibt Steinert 2012: 346: Zusammenfassend ist GIDIM/eṭemmu eine widersprüchliche und schwer fassbare Entität. Er ist im Körper als passive Komponente angelegt und repräsentiert die Person nach ihrem Tod … Nach der Typologie der Seelen-Epiphanien ist eṭemmu primär eine „Totenseele“, da er als aktiver Bestandteil der lebenden Person in den Texten nicht erwähnt wird.
Ohne hier tiefer in die mesopotamischen Vorstellungen vordringen zu wollen, lässt sich feststellen, dass GIDIM/eṭemmu für einen „Geist“, „Wind“, „Atem“ o. ä. steht (CAD E 397ff.). Der „Tote“ als allgemeiner Begriff (akk. mītu, aus mātu „sterben“)281 und der „Leichnam“ (akk. šalamtu oder pagru)282 werden jedoch nie mit GIDIM/eṭemmu bezeichnet.
280
281
282
Übersetzung von Lambert – Millard 1969: 58 (Tafel I Zz. 208ff.). Zur Diskussion über die verschiedenen Spekulationen anhand der unterschiedlichen Deutungen des Passus s. Steinert 2012: 324-332. CAD M/II 140ff.: mītu kann auch den Geist des Toten bezeichnen und ist neben eṭemmu in den in Ḫattuša auf Akkadisch abgefassten Rezepturen gegen Fieber KUB XXIX 58++ (CTH 811.A; s. Meier 1939: 207) Rs. IV 6 belegt. CAD Š/I 203ff. und CAD P 14ff.: šalamtu und pagru werden auch mit dem Wortzeichen LÚ. BAD/ ÚŠ/ UG7 (ebenfalls Logogramm für mītu) geschrieben.
108
Dieser Ausdruck bezieht sich in Mesopotamien vielmehr auf Totengeister, die aufgrund der Vernachlässigung ihrer Totenpflege verärgert sind, und deshalb danach trachten das Gleichgewicht der Lebenden zu stören, und folglich durch bestimmte Rituale besänftigt werden müssen.283 In den Boğazköy-Archiven lässt sich kein Passus, der jenem des Atramḫasis-Mythos ähnlich wäre, finden. Das Sumerogramm GIDIM ist jedoch mesopotamischen Texten entlehnt worden und seit althethitischer Zeit mit seinem entsprechenden heth. Wort akkant- austauschbar belegt. Bei diesem Begriff handelt es sich um das Partizip des Verbs akk- „sterben, getötet werden“, 284 mit der wörtlichen Bedeutung „Verstorbener/ Toter“. Schon in dieser Hinsicht lässt sich ein Unterschied zwischen der hethitischen und mesopotamischen Verwendung des Sumerogrammes GIDIM feststellen. Innerhalb der Hethitologie wird über die genaue Semantik des Ausdrucks GIDIM/akkant- kontrovers diskutiert. Umfasst er neben dem allgemeinen Begriff „Toter“ auch das Konzept des Leichnams 285 und der Knochen nach der Leichenverbrennung? Ist er auch als Bezeichnung der Statue oder irgendeines Bildes des Toten zu verstehen? Oder bezieht er sich vielmehr auf den Totengeist, der in Träumen erscheint und die Menschen in Furcht versetzt? Als methodologische Voraussetzung ist hier generell keine aut-autHaltung einzunehmen, da in jeder Kultur bestimmte Begriffe für verschiedene Konzepte verwendet werden können; dies geschieht anhand unterschiedlicher Faktoren, die religiöse, politische, kulturelle Hintergründe haben können. Im Deutschen gebraucht man z.B. das Wort „Leichnam“ für den Körper nach dem Tod und in bestimmten Glaubensrichtungen den Ausdruck „Totengeist“ für das „Wesen“ einer Person nach dem Tod. Der
283
284 285
Zur drohenden Funktion der Totengeister in Mesopotamien, denen die Verursachung von Krankheiten zugeschrieben wurde, s. Scurlock 2006 und die dort zitierte Bibliographie. Zur aktuelleren Diskussion über die Etymologie von ak- s. Melchert 2012: 181f. Otten 1958: 103 Anm. 2 zufolge lehnt Kammenhuber 1964: 161 und Anm. 29 die Übersetzung „Leichnam“ ab. Die Lesung, Ergänzung und Deutung von anšaššiwi- = [šala]m˹du˺ „Leichnam“ im Vokabularfragment KBo I 51 (CTH 309.1) Rs. 13 sind aber Friedrich (HW 23) zufolge anfechtbar (anšaššiwi- ist nur in diesem Text belegt).
109
Begriff „Toter“ hingegen kann als Oberbegriff verwendet werden, der beide genannten Bedeutungen beinhaltet. Dies gilt gleichermaßen im Hethitischen: In den Texten ist kein präzises Wort für „Leichnam“ oder für „Totengeist“286 belegt, denn eine solche Unterscheidung in der Begriffsbestimmung war den Hethitern wahrscheinlich fremd. Alles, was den Toten darstellt oder symbolisiert, ist für den Hethiter auch der Tote. Genauere Begriffe wie „Leichnam“ oder „Totengeist“ können bei Übersetzungen zwar verwendet werden, nach meiner Auffassung aber nur wenn eine solche Bedeutung klar aus dem Text hervorgeht. Die folgende Untersuchung zielt demzufolge darauf ab, eine undifferenzierte und unsystematische Übersetzung von GIDIM/akkant- zu vermeiden. Dabei wird aber gezeigt, dass unter seinen unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten die eine nicht zwangsläufig eine andere ausschließen muss: Der Verwendung dieses Ausdrucks liegt nämlich der Bezug auf den Toten als allgemeine Vorstellung stets zugrunde. 1.1
GIDIM/akkant-
„Totengeist“
In den folgenden Tafelkatalogen lässt sich der Verweis auf den Totengeist mit dem Sumerogramm GIDIM oder heth. akkant- belegen. Zum Beispiel ist in KUB XXX 57+ (CTH 276.3)287 lk. Kol. zu lesen: 5ˈ) 6ˈ) 7ˈ)
[D]UB IKAM A-WA-AT fTù-un-na-wi5-ya [MUN]USŠU.GI [m]a-a-an ak-kán-ta-an mu-u-ga-mi ˹Ú˺[-U]L QA-TI [E]GIR-iz-zi-ma-aš-ši TUP-PU na-a-wi5 ú-e-mi-ya-u-en
Eine [T]afel: Wort der Tunnawiya, [der R]itualistin: Wenn ich einen Toten(geist) beschwöre. Ni[ch]t vollendet, die [le]tzte Tafel davon (von dem Ritual) aber haben wir noch nicht gefunden.
Oder auch in KBo XIV 70+ (CTH 276.11) 288 Vs. I: 28ˈ)
286 287 288
[DUB xKAM Q]A-TI ma-a-an-kán ak-kán-za ku-e-da-ni-ik-ki
Siehe jedoch III.1.1.2. Siehe Dardano 2006: 48f. Siehe ibid. 75f.
110
29ˈ)
[ar-ḫa tal-l]i-ya-an-za mu-ga-u-wa-aš
[… Tafel(n). Vollend]et. Der Anrufung: Wenn der Toten(geist) jemandem [weg]gerufen? worden ist. 289
Viele Ritual- und Orakeltexte bieten Beispiele für die Vorstellung, dass die Totengeister eine schädliche Wirkung auf den Menschen ausüben können. Im Ritual der Tunnawiya KUB IX 4++ (CTH 409.IV.Tf02.A) 290 Rs. IV 11ˈ wird „die Zunge/das Gerede des Toten(geistes) (und) des Lebenden“ (ag-ga-[an-t]a-aš T[I-an-da-aš] EME-an) unter die dem Menschen feindseligen Äußerungen gerechnet, von denen der Patient zu reinigen ist.291
289
290 291
KBo XLI 1b (CTH 453.1; im Hethiter-Portal s. CITATIO: Fuscagni (ed.), hethiter.net/: CTH 453.1) Vs. 1 weist das gleiche Incipit auf (s. auch Dupl. KBo XLI 1a Rs. 28ˈ). Dies lässt vermuten, dass sich der Tafelkatalog KBo XIV 70+ Vs. I 28f. auf das in KBo XLI 1b enthaltene Abwehrritual beziehen dürfte. Zu erwähnen sind hier zwei weitere Tafelkataloge, in denen allerdings GIDIM in fragmentarischem Kontext belegt ist. VBoT 133 (CTH 276.12; s. Dardano 2006: 80ff.) Vs. 7 lautet: […] GIDIM ku-e-da-ni GIŠ-zi-at-ta-ri x[…] „[…] Wem der Toten(geist) ein Zeichen gibt […]“. Und in KBo XXXI 12+ (CTH 277.4.A; s. ibid. 262f.) Vs. 4ˈ ist zu lesen: [ma-a]-an-kán UN-ši GIDIMan […] „[Wen]n einem Menschen den Toten(geist ?) […].“ Beckman 1990: 34-55. Der Ausdruck „die Zunge/das Gerede des Toten (und) des Lebenden“ tritt auch in den folgenden Texten auf: KUB IX 34 (CTH 409.II.Tf02.A; s. Hutter 1988) Vs. II 8, Rs. IV 14ˈund Dupl. 346/z (CTH 409.II.Tf02.J) Vs. I 8ˈ; KBo LIII 222+ (CTH 409.IV.Tf05.B; s. Beckman 1990: 41ff.) Vs. I 12ˈ; HT 6+ (CTH 409.IV.Tf05.A; s. ibid.) Vs. I 18ˈ. Siehe auch das Orakelfragment? KBo LXIV 37 (CTH 582?): 1) […]x MÈ ku-e GÉŠPU-za […]x 2) […]x-de-eš-ša-an ku-it[(-)…]-aš 3) […] Ú-NU -TEMEŠ DINGIRLÌ e-[…]x-da 4) […]x na-at A-NA DINGIRMEŠ ku-e-ez ḫur-za 5) [… E]ME GIDIM TI-an-da-aš ar-ḫa 6) […] šar-ni-ik-ze-el ME-an-zi 7) […]x(-)da-aš ḫur-za-kán 8) […Ú -NU]-UT DINGIRMEŠ šar-ni-ik-ze-e[l …] In Z. 5 ist „die Zunge/das Gerede des Toten (und) des Lebenden“ belegt. Eine Verfluchung (ḫurza, Z. 4, 7) und Sühne (šarnikzel, Z. 6, 8) sind dort ebenfalls
111
Ähnlich ist im Ritual von Šamuḫa KUB XXIX 7+ (CTH 480)292 Vs. I vom „(bösen) Sprechen“ die Rede: 31) 32)
ma-a-an LUGAL {Ras.} [ag-g]a-an-za na-aš-ma ḫu-˹iš˺-wa-an-za PA-NI DINGIRLÌ i-da-la-ú-an-ni me-mi-an ˹ḫar˺-zi ki-nu-na EN.SÍSKUR a-p[é-e-ez ud-da]-a-na-az pár-ku-iš ga-anga-ta-a-an-za-aš-ša e-eš-du
Wenn ein [Tot]en(geist) oder ein Lebender (über) den König vor der Gottheit im Bösen gesprochen hat, so soll jetzt der Ritualherr (d.h. der König) [von] je[ner Ange]legenheit rein sein und mit der gangati-Pflanze behandelt werden! 293
Aus dem Ritual der Tunnawiya KUB XII 58++ (CTH 409.I.A) 294 Vs. II 31ff. lässt sich folgern, dass man jemanden durch „böses Sprechen“ nicht nur „vor den Gottheiten“ (PĀNI DINGIRMEŠ), sondern auch „vor den Toten(geistern)“ (aggandaš peran) sowie „vor den Menschen“ ( PĀNI DUMU. LÚ. U19. LU) verunreinigen kann (papraḫḫ-).295
292 293 294
295
genannt. Vermutlich ist so zu deuten, dass jemand (als Toter oder noch zu Lebzeiten?) einen Menschen verflucht hat und weiterhin zornig ist. Infolgedessen ist Sühne vonnöten, um ihn zu beruhigen (zur Sühne, die den Orakeltexten zufolge zur Besänftigung des zornigen Toten geleistet wird, s. die große Orakeluntersuchung CTH 569 (van den Hout 1998a) und hier weiter unten). Ein weiteres Beispiel für die Gegenüberstellung der Toten und der Lebenden findet sich im Beschwörungsfragment KBo XXI 12(+) (CTH 767) Zz. 13ˈf. und 25ˈf.: ir-wa-al-li-y[a-an] pa-ri-tar-wa-al-li-ya-an ak-kán-ta-aš ḫu-iš-waan-da-aš. Die Luwismen deuten auf etwas wie „Kranksein“ und „Gesundsein“ des Toten und des Lebenden hin (s. Starke 1985: 374f.). Siehe Lebrun 1976: 117-143; García Trabazo 2002: 557-569 (nur Übersetzung der Rs.); vgl. Haas 2003a: 39f. Vergleiche die Übersetzung von Haas 2003a: 330; s. auch Kühne 1977: 257 und zuletzt Melchert 2014: 221f. Siehe Goetze – Sturtevant 1938; Hutter 1988: 55 und passim; Cornil 1999: 716; Haas 2003a: 129f., 174, 198, 257, 403, 408, 411, 418, 585, 592, 616f., 646f., 658, 697, 703, 731. Siehe auch Otten 1958: 144; del Monte 1973: 376.
112
Die gleiche bedrohende Funktion, die den Totengeistern auch in Mesopotamien zukommt, 296 ist im Ritual KUB XXXIX 61 (CTH 470.93) 297 Vs. I belegt: 4) 5) 6) 7)
ma-a!-an a-ki-ma na-an-za-an-kán GIDIM-an ˹Ù˺-it uš-ki-u-wa-an da-a-i na-aš-ma-an-za-an-kán Ù-ḫi-it iš-pa-an-ti iš-pa-an-ti uš-ki-u-wa-an da-a-i na-an-ši-kán EGIR-an GAM GIM-an kar-aš-mi
Wenn (jener) aber stirbt und er (d.h. der Heilung Suchende) anfängt, ihn als Toten(geist) in einem Traum zu sehen oder (wenn) er anfängt, ihn Nacht für Nacht in einem Traum zu sehen. Wie ich ihn von ihm hinten abtrenne(=fernhalte). 298
Das Erscheinen des Totengeistes jede Nacht im Traum wird hier als schädlich bzw. drohend für den betroffenen Menschen angesehen, da dort das Bestreben offenkündig ist, den Totengeist zu entfernen. In diesem Kontext sei auch das Schlangenorakel KBo XXIII 117 (CTH 575.5)299 Rs. in Betracht gezogen, in dem gleichfalls die möglichen verderblichen Wirkungen eines Totengeistes zur Sprache kommen: 11ˈ) 12ˈ) 13ˈ) 14ˈ) 15ˈ) 16ˈ)
kiš-an DÙ-zi A-NA GIDIM-kán BE-LU ḪI.A GAL[…] INA Kum-man-ni-ma-za SISKURMEŠ pé.-an ar-ḫa DAB-an-t[a…] D nu Ḫé-bat KASKAL-an-zi DUTUŠI-ma-za SISKURMEŠ MU-a[n-ni ?...]300 ma-a-an-ma MUNUS.GIG-aš a-pé-ez-za TI-eš-zi GIDIM UD301[-ti ? …] a-w[a-a]n ar-ḫa ti-ya-zi IV SIG5-ru MUŠ DḪé-pá[t …] [MUŠ G]IDIM MUŠ MU-ti SIG5 D
UTUŠI
URU
Meine Sonne wird folgendermaßen handeln: Für den Toten(geist) die großen Herren […] in der Stadt von Kummanni aber sind die Opferrituale vorn weggenommen word[en …]. Die Ḫebat befördert man, meine Sonne aber die Opferrituale [binnen ?] Jahresfri[st302 …] Wenn aber die Kranke
296 297 298 299 300 301 302
Siehe u. a. Scurlock 2006. Mouton 2007a: 152-155. Siehe auch Dardano 2006: 50; HW2 I 609a. Lefèvre-Novaro – Mouton 2008: 28-30. Vergleiche Houwink ten Cate 1996: 66 Anm. 48 BAL!-a[n-ti …] Ibid.: SILIM. Vergleiche Lefèvre-Novaro – Mouton 2008: 30: „les offrandes de lˈannée“.
113
auch das überlebt, wird der Toten(geist) [am?] Tage […] voll[stän]dig wegtreten? 303 Mögen vier günstig sein: die Schlange von Ḫepa[t, …, die Schlange des T]oten(geistes), die Schlange des Jahres. Günstig. 304
Bei der betroffenen Frau handelt es sich wahrscheinlich um die Gattin Tudḫaliyas IV., 305 die krank war. Dies hatte beim König Sorgen um die eigene Gesundheit zur Folge, zumal da damals seine Thronbesteigung bevorstand. Die Orakelanfrage war vermutlich dazu bestimmt, die schlechten Vorzeichen für die Gesundheit des zukünftigen Königs zu untersuchen. Auffällig hier ist die Anwesenheit eines GIDIM. Aus seiner ersten Belegstelle (Z. 11ˈ) lässt sich allerdings nicht folgern, was für eine Verbindung zwischen ihm und den „Herren“ besteht. Da von der Entfernung der Opfer aber die Rede ist, lässt sich vermuten, dass es sich dabei um die Opferspenden seitens der hochstehenden Persönlichkeiten der Stadt Kummanni für einen bestimmten Toten handelt. Daraufhin wird die kranke Frau genannt: Es wird gefragt, ob etwas betreffs des GIDIM nach der Genesung der Frau geschehen wird. Nach der darauffolgenden Lacuna findet sich der Ausdruck awan arḫa tiya- „vollständig wegtreten“. Falls der GIDIM das Subjekt zu diesem Verb darstellt, könnte die Interpretation des Passus folgende sein: Der Totenkult eines vermutlich wichtigen Menschen ist in Kummanni vernachlässigt worden und die Krankheit der Gattin Tudḫaliyas IV. ist auf die Verärgerung jenes GIDIM zurückzuführen. 306 Daher wird untersucht, ob man nach ihrer Genesung weiteres Ungemach zu erwarten hat, oder ob der Totengeist vollständig verschwinden bzw. befriedigt sein wird. Das potentiell bösartige Wesen der Totengeister wird schließlich auch durch weitere Ausdrücke bezeugt: Im fragmentarischen Beschwörungsritualtext KBo XXXI 91 (CTH 458.22)307 Rs. III 15ˈ ist zu lesen: [ša]r-
303 304 305 306 307
Siehe auch HW2 III 655a-655b; Otten 1958: 144. In der darauffolgenden Z. 17ˈ ist die „Schlange des Toten(geistes)“ neben der „Schlange von Ḫebat“ und der „Schlange des Namens“ noch einmal belegt. So nach der historischen Rekonstruktion der Orakeluntersuchungen CTH 569 bei van den Hout 1998a: 79 Anm. 23; s. auch Houwink ten Cate 1996: 75-92. Die Göttin Ḫebat muss dabei auch, zusammen mit dem GIDIM, eine freilich nicht mehr zu rekonstruierende Rolle gespielt haben. Im Hethiter-Portal s. CITATIO: Fuscagni (ed.), hethiter.net/: CTH 458.22.
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ki-ya-u-wa-la-za308 GIDIM-az „und von dem [ra]chsüchtigen Totengeist.“ Im Ritual der Tunnawiya KUB XII 58++309 Vs. II 59, Rs. III 5, 52 wird u. a. ein Entfernen des akkantaš ḫatugatar „Schreckens der Toten(geister)“ zur Reinigung des Patienten gefordert. 310 Schließlich lautet der Orakeltext KUB V 5 (CTH 578) Vs. I 19: INA UD IIIKAM GIDIMḪI.A-za EGIRan ar-ḫa kar-pí-in ME-aš „Am dritten Tag nahm man den Zorn wieder von den Toten(geistern) weg.“ Warum sind die Totengeister aber über die Lebenden erbost? Den Texten lässt sich entnehmen, dass die Ursache häufig in Verbindung mit den Opferspenden steht. So ist im Orakelfragment KUB XVIII 16 (CTH 582) Vs. II zu lesen: 1) 2) 3) 4) 5)
308 309 310
311
A.ÍL-wa NU.GÁL311
nu-w[a G]IDIMMEŠ INA É. DU10.ÚS.SA UL pé-e ḫar-kán-zi ḪA-AG -GUR-RA-TÙ-wa UZUŠA-LI -TÙ GA NINDA.GIBILMEŠ -ya ka-a-aš MU III KAM ku-it-at kar-ša-an-te-eš EZEN GA RA-na-aš EZEN še-li-aš-ša ka-a-aš MU III KAM ku-it-at kar-ša-an-te-eš GIDIMMEŠ-za ke-e-da-aš wa-aš-ku-wa-aš LÚ
UZU
Vermutlich eine andere Schreibung für šar-ki-u-wa-la-za; in CHD Š 267f. wird dieser Ausdruck jedoch unter šarkiwali- nicht aufgeführt. Siehe Anm. 294. Dabei handelt es sich um die „sieben Sünden“, die im Ritual der Tunnawiya KUB XII 58++ Rs. III 39-42 und 50-52 einzeln aufgeführt sind: „böse Verunreinigung (idalu papratar), Behexung (alwanzatar), Sünde (aštayaratar), Zorn der Götter ( DINGIR MEŠ-aš karpin), (Mein)eid (NĪŠ DINGIRLÌ), Zunge der Menge (pangauwaš EME-an), kurzes Leben (maninkūwandan MU-an)“ oder „böse Verunreinigung (idalu papratar), Behexung (alwanzatar), Sünde (aštayaratar), (Mein)eid (NĪŠ DINGIRLÌ), böse Träume (idalamuš zašḫišmuš), Zorn der Götter ( DINGIRMEŠ-aš karpin), Schrecken der Toten (aggantaš ḫatugatar)“. „Sieben Sünden“ nennt auch das Beschwörungsritual der Maštigga bei Familienzwist KBo XXXIX 8 (CTH 404.1.I.A; s. Miller 2004: 61-124) Vs. II 15. Im Ritual von Allaituraḫ(ḫ)i KUB XXVII 29+ (CTH 780.II.Tf06.A; s. Haas – Wegner 1988: 122-143) Vs. I 56f. bezweckt die Beschwörung die Lossprechung von den „sieben Sünden“ und den „sieben Zaubereien“. Oder LÚA ŠA KUŠ-wa NU.GÁL. Siehe HZL 161 Anm. (mit Verweisen): Das Zeichen ÍL ist hier deutlich ŠA KUŠ geschrieben, „was die Vermutung nahelegt, dass der heth. Schreiber in dem vorliegenden graphischen Ausdruck doch eine Genitivverbindung gesehen hat“ (ibid.). Siehe auch Weeden 2011b: 129 Anm. 76; vgl. del Monte 1975: 329 (LÚ A KUŠ-wa NU.GÁL) und die erste Lesart von Hoffner 1966: 397 (GEŠTUG .NU.GÁL).
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6)
še-er TUKU-u-an-te-eš nu MUŠEN ḪUR -RI NU.SIG5-du NU.SIG5
7)
ma-a-an-za GIDIMMEŠ ke-e-da-aš-pát wa-aš-ku-wa-aš še-er TUKUan-te-eš nam-ma-ma KI. MIN nu MUŠEN ḪUR-RI [SI]G5-ru SIG5
8)
„Ein Wasserträger ist nicht vorhanden und man bringt die [T]oten nicht ins Haus der kultischen Waschung hinein. (Was) das ḪAGGURRATUFleisch, die Nachgeburt, die Milch und die frischen Brote (betrifft), 312 (ist) dieses das dritte Jahr, in dem sie unterlassen worden sind. (Was) das Fest des Milchschlagens313 und das Erntefest314 (betrifft), (ist) dieses das dritte Jahr, in dem sie unterlassen worden sind.(“) Sind die Toten(geister) wegen dieser Verfehlungen zornig? Möge der ḪURRI-Vogel ungünstig sein: ungünstig. Wenn die Toten(geister) nur wegen dieser Verfehlungen zornig sind, ferner aber desgleichen, möge der ḪURRI-Vogel günstig sein: günstig. 315
Die aufgelisteten Verfehlungen sind folgende: Zuerst die Unterlassung einer Handlung, die im „Haus der kultischen Waschung“ an den Toten (Statuen? Siehe III.1.2) durchzuführen ist. Es muss sich dabei um eine regelmäßige Kulthandlung für die Toten handeln: Denn die Abwesenheit des Wasserträgers scheint nur vorübergehend gewesen zu sein, vor allem im Gegensatz zu den darauffolgenden Unterlassungen von Handlungen, für welche die Zeit genau spezifiziert wird. Die zweite Verfehlung betrifft die Opferspenden (ḪAGGURRATU -Fleisch, Nachgeburt, Milch und frische Brote), mit denen die Toten seit drei Jahren nicht mehr bedacht wurden. Die dritte bezieht sich schließlich auf die unterlassene Vollziehung zweier Feste, bei denen vermutlich auch die Toten eine Rolle spielten und Opferspenden erhielten. Auch wenn die Identität dieser GIDIMMEŠ unbestimmt bleibt, lässt sich insbesondere aus der kultischen Waschung von Statuen folgern, dass es sich dabei um die Toten der königlichen Familie handeln muss, 316 z.B. um diejenigen, die in den „Königslisten“ (CTH 661; s. IV.3.7.3) aufgelistet werden.
312 313 314 315 316
Ab jetzt Unterlassung der Partikel der direkten Rede -wa. Zu EZEN GA RA-naš und dessen Bedeutung s. Hoffner 2004: 355 Anm. 10. Siehe ibid. 355 Anm. 11. Vergleiche del Monte 1975: 329, 336 und Hoffner 2004: 338. Siehe auch die weitere Diskussion über diese Textstelle in III.1.2.2.
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Die Regelmäßigkeit und Großzügigkeit der Opferspenden für die Toten geht aus der folgenden Textstelle von KUB XV 5+ (CTH 583) 317 Rs. IV deutlich hervor: 36ˈ) 37ˈ) 38ˈ) 39ˈ)
[INI ]M Ù XLIV ˹GÍN˺ KÙ.BABBAR XLIV UDU A-NA MUNUS.LUGAL ˹I ME XL˺IV318 GÍN KÙ.BABBAR ˹I˺ ME XLIV UDU A-NA GIDIMḪI. A dam-me-eš-ḫa-an-˹da˺-aš SUM-e-er pu-nu-uš-ša-an-zi
[Die Sach]e des Traums: Hat man die 44 Schekel Silber (ca. 528 g) (und) die 44 Schafe der Königin, die 144 Schekel Silber (ca. 1.728 kg) (und) die 144 Schafe den geschädigten Toten gegeben?319 Man wird (das durch Orakel) untersuchen.
Der König hatte eine Vision im Traum, in der ihm vermittelt wurde, dass die Königin und die Toten unzufrieden waren. Im Text ist nämlich die folgerichtige Frage enthalten, ob sie die Schafopfer und das Silber, die zuvor für sie bestimmt gewesen sein müssen, bekommen haben oder nicht. Dabei handelt es sich nicht um eine Art Belohnung für die Toten (und die Königin), 320 die man ihnen schuldig geblieben wäre, sondern vielmehr um reguläre Opfer, die nicht zu den vorgesehenen Zeitpunkten dargebracht wurden. Hierbei weist vor allem die Deutung „geschädigte Tote“ darauf hin, dass die GIDIMḪI.A durch die Unterlassung der Opfergaben einen Mangel erlitten.321 Del Monte 1975: 343ff. übersetzt dagegen
317 318
319
320
321
Mouton 2007a: 244-255; de Roos 2007: 71-88. In der Kopie steht infolge eines Versehens die Zahl XL, während auf dem Foto die Zahl IV und davor die zum Teil gebrochene XL klar zu lesen sind. Übrigens ist die Zahlenangabe auch in der vorangehenden Zeile für die Schekel und für die Schafe gleich. Zur Deutung als Fragesatz s. auch del Monte 1975: 343 und Archi 2007b: 183. Anders bei den Übersetzungen von Mouton 2007a: 255 und de Roos 2007: 88 und Anm. 67. Die Art der Verbindung der Königin mit den Toten geht aus dem Text nicht klar hervor. Aufgrund der Nennung ihrer Titel ist die Königin vermutlich keine Tote. In KUB XXXIX 53 (CTH 470.1301) ist auch das Verb dammešḫai- in Zusammenhang mit einem GIDIM belegt: Vs. II (bis Z. 6ˈ nur Zeichenspuren)
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7ˈ) pé-di ḫal-zi-iḫ-ḫ[u-un? …] 8ˈ) [x]-aš? ŠÀ? pé.-an […] 9ˈ) [an?-d]a? ku-e-da-n[i …] 10ˈ) ḫal-za-a-i […] 11ˈ) ˹nu˺-kán x[…] 12ˈ) an-da x x[…] 13ˈ) D EREŠ.KI. GAL x[…] 14ˈ) [Š]A? GUŠKIN ˹NA4?˺[…] 15ˈ) [pa?]-ra-a i-y[a-zi ? …] 16ˈ) [x] KÙ. BABBAR GUŠKIN […] 17ˈ) […] an-da […] Rs. III 2ˈ) na-an-kán ar-ḫa ḫu-u-[it-ti-ya-zi ?…] 3ˈ) nu-kán KASKAL-ši NINDA.Ì. E.DÉ. A[…]
(Zz. 18ˈf. nur Zeichenspuren)
4ˈ) GIM-an-ma MUNUSŠU.GI EGIR-p[a …] 5ˈ) nu-kán ŠA GIDIM ku-it[(-)…] 6ˈ) SAḪAR ḪI.A I7-za ME-er n[a-...] 7ˈ) Ì-kán LÀL UGU la[-a-ḫu-u-wa-i ?…] 8ˈ) nu kiš-an te-ez-zi GI[DIM? …] 9ˈ) [k]a-a-ša-ták-kán pé-di[…] 10ˈ) [I?]-NA Ì LÀL an-da[…] 11ˈ) [N ]A4pa-aš-ši-lu-uš EGI [R …] 12ˈ) [GA]L ŠÀ.GALḪI.A x[…] 13ˈ) [GUŠK]IN GIŠ MA.SÁ. AB […] 14ˈ) […]-za GUŠKIN NA[4…] 15ˈ) […] dam-me-e-iš[-ḫa?-?…] 16ˈ) […] x […] Vs. II 7ˈff. „Zum Ort [habe ich] gerufen[…] (8ˈ) […] Herz? vor? […] (9ˈ) [dari]n? jemande[m…] (10ˈ) sie (die Ritualistin?) ruft […] (11ˈ) und […] (12ˈ) in […] (13ˈ) Ereškigal […] (14ˈ) [au]s Gold, Stein […] (15ˈ) [vorw]ärts ge[ht sie...] (16ˈ) Silber, Gold […] (17ˈ) […] darin […].“ Rs. III 2ˈff. „und ihn zi[eht sie] weg […] (3ˈ) auf den Weg (bringt sie?) Rührkuchen […] (4ˈ) wie die Ritualistin aber hinterh[er …] (5ˈ) und weil/was von dem Toten […] (6ˈ) die Aschen aus dem Fluss hat sie genommen un[d …] (7ˈ) Öl, Honig [gießt? sie] oben […] (8ˈ) und folgendermaßen spricht sie: GI[ DIM? …] (9ˈ) [H]ier dir/dich am Ort […] (10ˈ) [i]ns? Öl, Honig hinein […]
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„bedrängte Tote“, 322 d.h. eines gewaltsamen Todes oder im Kampf Verstorbene oder diejenigen, die aufgrund fehlender Nachkommenschaft mit keinen Opfern bedacht wurden. 323 Eine solche Vorstellung geht jedoch nicht zwingend aus diesem Text hervor. Das Silber und die Schafe lassen an eine Art Institution denken, die für die Toten und ihre Pflege verantwortlich war. Eine derartige Institution für die Darbringung von Opfern dürfte aber schwerlich exklusiv für die „ruhelosen“ Toten geschaffen worden sein. Eine Organisation wie das É.NA4 DINGIRLÌ „göttliche Stein-
322 323
(11ˈ) die Kieselsteine hinterh[er/zur[ück…] (12ˈ) [Bech]er?, Nahrungen […] (13ˈ) [Gol]d, Korb […] (14ˈ) Gold, Stei[n …] (15ˈ) […] schädi[gen?…]“ Die Anwesenheit der Göttin Ereškigal auf der Vs. deutet auf ein Ritual in Verbindung mit der Unterwelt hin. Die Handlung des „Rufens“ seitens der Ritualistin und die Erwähnung von Silber und Gold könnten auf das Ritual des Heraufziehens referieren. Dabei ließe sich die Anwesenheit einer Opfergrube implizieren, in welche die Kultobjekte geschüttet werden. Der Rs. ist nämlich zu entnehmen, dass ein Totengeist von der Ritualistin heraufgezogen wird. Darauf folgt die Auflistung aller Ritualstoffe, die vermutlich in die Opfergrube geschüttet werden, entweder um den Totengeist heraufzuziehen, oder um ihn zu belohnen (zu einem weiteren Beleg der Opfergrube im Zusammenhang mit einem Totengeist s. KBo XLIV 47 in III.1.2.3). Das Öl und der Honig sollten nämlich den Totengeist anlocken, sodass er Besitz von seinem Ersatzbild ergreift. Oder, falls der Totengeist zornig ist, können sie als Sedativa verwendet werden (über Öl und Honig als Materia Magica s. Haas 2003a: 499ff.). Am Ende des Fragmentes ist dam-me-e-iš[-ḫa-? zu lesen, das in Verbindung mit dem Totengeist gebracht werden kann. Aus alldem lässt sich schließen, dass dieser Text ein Ritual gegen einen bedrohlichen Totengeist darstellt, den man zu befrieden versucht. Vergleiche auch KUB XXXIX 57 in III.1.2.3. Vergleiche auch Mouton 2007a: 255: „les âmes des morts lésées“. Del Monte 1975: 343ff. stellt auch Vergleiche mit einer Textstelle aus den zypriotischen Defixiones, mit einem Passus aus Euripidesˈ Tragödie „Die Troerinnen“ und mit der von Ovid erzählten Ätiologie der römischen Feralia an, um auf die Anwesenheit ähnlicher Vorstellungen (Tote, die ruhelos umherirren) im Mittelmeergebiet hinzuweisen. Vergleiche auch Silvestri 1982: 408 „morti di morte violenta o privi di discendenza o insepolti e senza riti funebri“ und Archi 2007b: 183 „It seems that the Palace provided large offerings in order to avoid the evil influence of dead persons who did not receive the proper rites.“
119
haus“ (s. IV.3) erscheint hier passender, vor allem in Anbetracht der großen Menge der Opfergaben, die in der nächtlichen Vision des Königs vorgeschrieben werden. Im Steinhaus waren aber nur die verstorbenen Mitglieder der königlichen Familie zu verehren. Darüber hinaus sind in der zitierten Traumvision die Erwähnung der Königin in dem gleichen Absatz mit den Toten und die ähnliche Menge an Opfergaben als Argumente dafür anzuführen, dass es sich bei den GIDIMḪI.A schwerlich um die „ruhelosen“ Totengeister handeln kann, sondern vielmehr um die königlichen Toten, die aufgrund der Unterlassung von Opfern „geschädigt“ wurden. 324 Die GIDIMḪI.A sind in den Texten nicht nur als anonyme Tote belegt. Vielmehr gibt es viele Protokolle sehr häufig durchgeführter Orakeluntersuchungen, welche die Verleumdungen von einzelnen und namentlich genannten Totengeistern ermitteln und in denen mantalli-Rituale gegen die Verfluchungen vorgeschrieben werden. In der großen Orakeluntersuchung CTH 569325 finden sich die meisten Beispiele dafür. Dort werden die Ursachen für den Zorn der Totengeister untersucht, der eine schädliche Wirkung für die Thronbesteigung Tudḫaliyas IV. zur Folge haben könnte. Darauf folgt die Beschreibung der Verfahren, um die Zaubereien und Verfluchungen unwirksam zu machen und die Totengeister zu besänftigen. 326 Die betroffenen als GIDIM oder mit Namen belegten Personen
324
325 326
In Vs. I 11ff. dieses Textes wird wahrscheinlich ein weiterer Fall eines zornigen Totengeistes behandelt: (11) pa-ra-a-ma fA-ru-mu-ra-aš m[e]-˹mi˺-iš-kiiz-zi (12) a-ši-wa-kán AMA.AMA-KA ku-w[a]-˹at˺-pát ḪUL-lu ti-ya-an ḫar-zi (13) KASKAL-ši-ma-wa-ra-an-kán Ú-˹UL˺ da-it-ti „And thereby Arumura said: ,Why then has that grandmother of yours done evil? Should you not satisfy her?ʻ “ (Übersetzung von de Roos 2007: 80). Obwohl es nicht in allen Fällen eindeutig ist, lässt sich dennoch vermuten, dass alle im Text aufgelisteten Menschen, die dem König durch Träume eine Botschaft überbringen, als Tote gelten dürfen (s. z.B. den Fall von Danuḫepa in Vs. I 7ff.). Siehe van den Hout 1998a. Häufig ist dafür der Ausdruck KASKAL-ši dāi- „auf den Weg bringen“. Zum Beispiel in KBo II 6++ Rs. III 19 in Bezug auf Šaušgatti: na-an-kán KASKALši ti-ya-u-e-ni „und wir werden sie besänftigen“ (s. auch van den Hout 1998a: 207: „i.e. satisfy her“). Zu KASKAL-ši dāi- „conciliare (lo spirito di un morto)“ s. auch Archi 1979a: 81 Anm. 2.
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gehörten zu den bereits verstorbenen innenpolitischen Feinden Ḫattušilis III. und sind folgende:327 Danuḫepa: Es wurde ihr vorgeworfen, schon zu Lebzeiten Flüche ausgesprochen zu haben. Nach ihrem Tod wird durch Orakel festgestellt, dass auch ihr GIDIM zornig ist, weil ihr Haus ihr weggenommen und anderen gegeben wurde und ihre Gottheiten „verschlossen“ wurden. 328 Infolgedessen wird entschieden, aus jeder Stadt „von“ Danuḫepa ein Haus zu nehmen, dieses ihrem GIDIM zu geben und dorthin die Gottheiten von ihr zu bringen. Die Städte müssen darüber hinaus Tribute für den GIDIM entrichten.329 Betreffs der Gottheiten wird auch festgestellt, dass die gulzattarTafeln wieder verwendet werden sollen, und dass die Rituale, die vom Vater der Sonne für die Gottheiten gestiftet wurden, von Neuem beginnen sollen.330 Arma-Tarḫunta: Durch Orakeluntersuchung hat man festgestellt, dass sein GIDIM zornig ist, weil seine Gottheiten „herabgeschüttet“ 331 wurden. Außerdem wird dabei durch Vorzeichen ermittelt, dass seine Nachkommenschaft Flüche ausspricht, weil eine frühere Verfluchung von ArmaTarḫunta zuerst ignoriert wurde. 332 Demzufolge wird entschieden, dass die Stadt Kiuta dem Talmi-Teššub genommen und dem GIDIM des ArmaTarḫunta gegeben wird. Daraufhin wird Katapaili den GIDIM zufrieden stellen.333 Darüber hinaus soll dem GIDIM eine Entschädigung entrichtet werden, während seine Nachkommenschaft eine andere Kompensation erhält.334
327
328 329 330 331 332 333 334
Zur Geschichte und Identifizierung dieser Menschen im Zusammenhang der Orakeluntersuchung CTH 569 s. van den Hout 1998a: 44ff., 55ff., 60ff. und 64ff. Siehe auch Haas 2008: 91ff. KUB L 6++ (CTH 569.II.3.B) Vs. II 48-55. KUB XVI 32 (CTH 569.II.3.A) Vs. II 1-7; KUB L 6++ (CTH 569.II.3.B) Rs. III 23-29; KUB XXII 35 (CTH 569.II.1.A) Vs. II 7ˈ-17ˈ. KUB L 6++ (CTH 569.II.3.B) Rs. III 16-21. Bedeutet das „weggeworfen“ (katta išḫūwanteš)? KBo II 6++ (CTH 569.3.I) Vs. I 11ˈ-15ˈ. KUB XVI 32 (CTH 569.II.3.A) Vs. II 24-26. KBo II 6++ (CTH 569.3.I) Vs. I 31-39 und KBo LIV 100 (CTH 569.II.6) 1ˈ5ˈ. In KBo II 6++ Vs. II 20 ist ein weiterer GIDIM in Verbindung mit nicht
121
Ḫalpaziti: Sein GIDIM ist vermutlich zornig (dies wird in dem erhaltenen Text nicht ausgedrückt). Der König nimmt ein mantalli-Ritual für den GIDIM vor. Außerdem wird der Vater der Sonne (bzw. seine Statue) geholt, sodass er und Ḫalpaziti zusammen ebenfalls ein mantalli-Ritual durchführen können. Durch Orakel wird entschieden, dass dem GIDIM von Ḫalpaziti und den Gottheiten von Ḫalpa eine Entschädigung zu geben sei; auch die Söhne von Ḫalpaziti werden schließlich besänftigt.335 Šaušgatti: Es wird ihr vorgeworfen, schon zu Lebzeiten Flüche ausgesprochen zu haben. Nach ihrem Tod wird durch Orakel ermittelt, dass auch ihr GIDIM zornig ist. Ihre Söhne äußern ebenfalls Flüche und haben den GIDIM der Mutter aufgewiegelt. Infolgedessen wird entschieden, dass die Sonne ein mantalli-Ritual mit Šaušgatti durchführen solle, und dass ihr auch eine Entschädigung zu geben sei. 336 In diesem letzten Fall lässt sich genau nachvollziehen, ob man es nur mit den schädlichen Wirkungen der Flüche von Šaušgatti zu Lebzeiten zu tun hat, oder ob auch ihr Totengeist aus irgendeinem Grund böse ist: KBo II 6++ Vs. II 43) ma-a-an EME ŠA fDIŠTAR-at-ti-pát TI-an-˹da˺-aš-pát 44) ku-it-ma-na-aš TI-an-za e-eš-ta nu a-pí-ya ku-it 45) ar-ra-aḫ-ḫa-ni-iš-ke-et nam-ma-ma KI. MIN nu MUŠEN ḪUR-RI SIG5ru NU.SIG5 46) 47)
335 336
nu-kán GIDIM-ma [k]u-[i]t-ki TUKU.TUKU-nu-an-za nu KIN NU.SIG5du DINGIRLU4-za da-pí-[an Z]I-an ḪUL-lu-ya ME-aš {Ras.}
vollzogenen Festen belegt. Seine Identität ist dem fragmentarischen Zusammenhang jedoch nicht zu entnehmen. KUB XXII 35 (CTH 569.II.1.A) Rs. III 1-19 und KUB LII 92 (CTH 569.II.4) Rs. IV 2ˈ-9ˈ. Siehe auch van den Hout 1998b: 71. KBo II 6++ (CTH 569.3.I) Vs. II 37-Rs. III 66 und KUB VIII 27(+) (CTH 569.II.5) Rs. IV 1ˈ-12ˈ. Der GIDIM von Šaušgatti ist auch im Vogelorakel KUB XVI 69 (CTH 573; s. Sakuma 2009: 138-145) belegt: Siehe die Ergänzungen von Archi 1979a: 83 in Vs. 4, [GIDIM fDI]ŠTAR-at-ti-ma „ma [lo spirito di Š]ausgatti“, und in Vs. 10 [GIDIM Š]A AMA D UTUŠI ku-it SI×SÁ-at „poiché [lo spirito del]la madre della Maestà fu identificato…“
122
48)
na-at pa-an-g[a-u-i] pa-iš NU.SIG5
Wenn (es sich um) die Verfluchung eben von Šaušgatti (handelt), eben als Lebender (und) solange sie gelebt hat und weil sie damals wiederholt geflucht hat, aber ferner desgleichen, möge der ḪURRI-Vogel günstig sein: ungünstig. Ist aber der Totengeist irgendwie zornig? Möge das KIN-Orakel ungünstig sein. Der Gott nahm sich die gan[ze S]eele und das Böse und gab es zur Gän[ze]; ungünstig. 337
Die Flüche der Šaušgatti als Lebender und die Möglichkeit, dass auch ihr Totengeist zornig ist, werden daher für zwei getrennte Fälle gehalten, denn die Gründe für beide Möglichkeiten können unterschiedlich sein. Die Ursachen für den Zorn des Totengeistes beziehen sich nämlich auf etwas, das zumindest teilweise nach dem Tod von Šaušgatti passiert ist. Bei der nur für den Totengeist bestimmten Orakelanfrage lässt sich daher nicht annehmen, dass es um die Verleumdungen und Verfluchungen des Menschen zu Lebzeiten ging, die noch nach dessen Tod weiterhin Unheil bewirken. 338 Vielmehr kommen auch Flüche der damals noch lebenden Person in Betracht, die eventuell noch eine schädliche Wirkung haben können, und zudem weitere mögliche Gründe, wegen denen jener Totengeist zornig geworden ist. Eine ähnliche Situation mit einer Anrufung bzw. einer Befragung eines Totengeistes ist vermutlich auch in den Orakelfragmenten KBo XLI 214 und KBo XLI 217 (CTH 582) zu finden. Nach Haas (1994: 247 mit Anm. 61 und 2008: 89) könnte es sich dabei um die Befragung des Totengeistes Muwattallis II. in der Stadt Tarḫuntašša durch die Hierodule Šilalluḫi handeln. Allerdings entnimmt der Autor diese Interpretation allein dem jeweils in fragmentarischem Kontext zu verortenden Beleg für GIDIM, mNIR.GÁL, fŠillaluḫi und EME. 339 337 338 339
Siehe auch van den Hout 1998a: 204f. und Haas 2008: 99. So u. a. Haas 2008: 100. Haas spricht von einer „Verfluchung des Muwattalli“, die im Kontext der Stadt Tarḫuntašša belegt sei. Aufgrund der Nennung der Stadt Ḫilamma bringt der Autor diese Fragmente in Verbindung mit dem Gebet Muršilis III. KUB XXXI 66+ (CTH 387.1; s. Houwink ten Cate 1974: 129-135), in dem der König zu vergangenen Ereignissen der Regentschaft seines Vaters Stellung nimmt. Es folgt die Transliteration der zwei Fragmente; auf ihre Übersetzung wird jedoch anhand ihres bruchstückhaften Zustandes verzichtet:
123
Abschließend lässt sich feststellen, dass das Sumerogramm GIDIM und das entsprechende heth. akkant- gleichermaßen den Totengeist eines Menschen bezeichnen können. Genaueres zu seiner Vorstellung kann den Textstellen nicht entnommen werden. Die Tatsache aber, dass man glaubte, einen Totengeist im Traum sehen zu können, mag darauf hindeuten, dass mit diesen Ausdrücken auch die körperliche Dimension des verstorbenen Menschen gemeint war. 340
340
KBo XLI 214 Rs.? III: (2ˈ) […a-pé]-e-el-la ŠA x[…] (3ˈ) […] me-ma-an-zi […] (4ˈ) […] fŠi-la-al-lu-ḫi x[…] (5ˈ) […-r]a?-an ti-an-zi […] (6ˈ) […]x-iš iwa-ar […] (7ˈ) […] A-NA GIDIM MUNUSx[…] (8ˈ) […]x BAL-zi MUNUSx[…] (9ˈ) […]-aš m/1 AN ? KI? x[…] (10ˈ) […Ka]r?-an-du-ni-aš x[…] (11ˈ) pé-an a[r…]x-iš-ša?-za GIM-an […] (12ˈ) ša-ak-š[i …] QA-TAM -MA DÙ-zi […] (13ˈ) MUNUS ŠU.GI ˹ša?-ak?-k˺án INA URUḪi-lam-ma-aš-ša ?[…] (14ˈ) mu-kiš-šar da-a-i IŠ-TU É.GALLÌ-ya […] (15ˈ) A-NA GIDIM KA ? NA LI? AL ? ŠE ? D UTUŠI x[…] (16ˈ) ku-it INA URU DX-aš-ša pa-it nu mx ARADMEŠ x[…] (17ˈ) x x x EME SI×SÁ-at ? nu a-n[i ?- …]x-na uš-x[…] (18ˈ) [MUNUS]ŠU.GI fŠi-la-lu-ḫi x[…] ar-ḫay[a …] (19ˈ) […]x ar-ḫa TUKU?-zi DUTUŠI-ya-aš?[…] (20ˈ) […]x pé-di SIG5-in ga-nu-uš[(-) …] (21ˈ) […]-ya A-NA MA-ME-TI […] (22ˈ) […ar-ḫ]a-ya-an péan […] (23ˈ) […]-a-aš-du ti ?-iz-[…] (24ˈ) […] pa-iz-zi […] KBo XLI 217 Vs. (Zz. 2ˈ-9ˈzu fragmentarisch): (10ˈ) […]x ku-it KÁ? x ḪI. A MAME-TU4 m?[…] (11ˈ) […]x IN x nu ma-a-an ku-u-uš da ?-x-x[…] (12ˈ) […]xnu-šir? SISKUR ḪI.A GIDIM-ya x[…] (13ˈ) […] x ŠA? m NIR .GÁL EGIR-an NI?[…] (14ˈ) […]x D UTUŠI-ya ku-it URU D[X-aš-ša …] (15ˈ) […] nam-ma-ma?/ya? tama-iš x[…] (16ˈ) […] ku-iš-ki na-ak-ke-e-[…] (17ˈ) […] SIG5 SAG x ZA ? x x […] / (18ˈ) […]x-an-zi-kán A-NA ˹GI˺DIM x[…] (19ˈ) […] ḪI. A MA-ME-TU4-YA x[…] (20ˈ) […] URU DX-aš-ša x[…] (21ˈ) […]QA-TAM -MA DÙ-a[n …] (22ˈ) […]za? INIM-an x[…] (23ˈ) […]x EGIR UD[…] (24ˈ) […]-an Ú-U[L …] (25ˈ) […]xma-na-[…] Haas 2008: 96 zufolge geht aus den beiden Fragmenten angeblich hervor, dass das Versöhnungsritual mantalli funktional mit den „Ritualen des Bannes“ – akk. māmīti (KBo XLI 214 Rs.? III 21ˈ; KBo XLI 217 Vs. 10ˈ, 19ˈ) – identisch ist. Eine solche Deutung lässt sich aber aus diesen Quellen nicht ableiten. Das Sumerogramm GIDIM ist auch in den stark luwisch geprägten Texten belegt, die die Gottheit von Arušna betreffen (zu den ersten Untersuchungen hierzu und zur Bestimmung der Textgruppe s. Miller 2010: 503-514; 2012: 95-109). In KUB XLVI 40 + KUB XXXIX 54 Rs. 3ˈ ist zu lesen: […]x GIDIM ME-i[…], gefolgt in Z. 4ˈ von der Erwähnung der Göttin Ereškigal und in Z. 8ˈ: nu A-NA GIDIM ŠÁMḪI . A š/g[a- …]. Es muss sich dabei um ein Ritual handeln, in dem u. a. der Totengeist entschädigt? wird. Interessant ist allerdings das
124
1.1.1 Totengeister als KIN-Orakel Die Totengeister werden in den Orakeluntersuchungen symbolhaft mit KIN -Orakelsteinen dargestellt, wie KUB XXII 38 (CTH 575.2) 341 Vs. zu entnehmen ist: 7) 8) 9) 10)
ta-ma-[i]š-ma-kán M[U]Š GUNNI-iš IŠ-TU É. LUGAL pa-ra-a ú-it na-aš-kán la-aḫ-la-ḫi-mi pa-[it] a-pé-ez-ma-aš-kán ŠÀ É.EN.NU.UN pa-it ˹pa˺-ra-a-ma-aš A-NA GIDIMḪI. A pa-it
Eine ande[r]e Sch[lan]ge des Herdes aber ist aus dem Palast hervorgekommen und sie ist zur Erregung gegangen. Von dort ist sie ins Gefängnis gegangen und weiter ist sie (hinab) zu den Toten(geistern) gegangen.342
In diesem Text werden drei unterschiedliche Arten von Orakeluntersuchungen zusammen verwendet: Schlangenorakel, Ornithomantie und KIN -Orakel. In der hier zitierten Textstelle handelt es sich um eine Mischung von Schlangenorakeltechnik und KIN -Orakelsteinen: Die Toten(geister) werden von den letzteren dargestellt.343
341 342 343
Fragment Bo 8820 (CTH 495) mit der Z. 6ˈ: lu-kat-ma-aš A-NA PA-NI GIDIM DINGIRM[EŠ …]. Hier kann -aš entweder Nom. Sing. oder Akkus. Pl. sein; je nachdem könnten die DINGIR MEŠ entweder das Objekt oder das Subjekt darstellen, ohne dass daraus unbedingt resultieren müsste, dass hier von den GIDIM der Gottheiten die Rede sei. Dies ist sonst in den hethitischen Texten an keiner Stelle belegt. Siehe Lefèvre-Novaro – Mouton 2008: 18-21. Vergleiche Kammenhuber 1964: 162 für Zz. 9f. Ähnliches findet sich im Schlangenorakel IBoT I 33 (CTH 575.1; s. LefèvreNovaro – Mouton 2008: 10-18) Vs. 37: 2 TA GIDIMḪI. A ú-it al-da-ni an-da waaḫ-nu-ut „Zwei(tens): Sie (die Schlange) ist zu den Toten(geistern) gekommen und im Brunnen hat sie sich gedreht“. Siehe auch Rs. 72: [2 A-N]A GIDIM ḫa-da-an-da-za GAM-da ú-it „[Zwei(tens)]: Sie (die Schlange) kam aus dem Trockenen herab [zu]m Toten(geist).“ Zu ḫatanti- als Ort im Schlangenorakel, s. HW2 III 496b.
125
1.1.2 nakku(wa)-: eine besondere Art Totengeister? Im Folgenden wird ein weiterer heth. Terminus betrachtet, der auch die Toten(geister) bezeichnen dürfte. Melchert 2014: 219-227 hat den heth. nakku(wa)- einer erneuten Untersuchung unterzogen: Dabei ist die bisherige Lehrmeinung in Frage gestellt worden, der zufolge die Bedeutung von nakku(wa)- derjenigen von heth.-luw. nakkušša/i- „Stellvertreter, Substitut“ entspricht (CHD L-N 374 und 376f.). In zwei der drei Texten, die nakku(wa)- belegen, kommt der Ausdruck nakkuwaš linkiyaš EME „Zunge des Eides der nakkuwaš“ vor; 344 Melchert 2014: 225 schreibt dazu: The attested references to „the tongue (of the oath) of the nakku(wa)-“ show conclusively that the nakku(wa)-ˈs are a source of evil, specifically harmful speech. This fact precludes any connection of nakku(wa)- with nakkušša/i- „scapegoat, sin carrier“, which is always a means of removing evil.
Anders vermutet Rieken 1999: 203, dass nakku- ursprünglich „den, der Schaden zufügt, den Sünder“ bezeichnet haben muss und dann jedoch metonymisch für den rituellen Ersatz desselben gebraucht wurde. Unabhängig vom Vorliegen oder Fehlen einer Verbindung zwischen nakku(wa)und heth.-luw. nakkušša/i- stimmen die beiden Autoren dennoch darin überein, dass nakku(wa)- den Quell eines Übels bezeichnen dürfte. Welcher Art hätte dann aber ein solcher Quell zu sein? Das Ritual von Šamuḫa KUB XXIX 7+ (CTH 480) 345 Vs. I enthält eine Textstelle, die den Beweis für nakku(wa)- als eine Art Toten(geister) bereithält (so Melchert 2014): 23) 24) 25)
344
345
… EGIR-ŠU-ma ga-an-ga-tiSAR IŠ-TU LUGAL A-NA Ú -NU-UT MUNUS. LUGAL me-na-aḫ-ḫa-an-da naak-ku-wa-aš pé-ra-an pa-ra-a e-ep-zi EGIR -ŠU-ma IŠ -TU Ú-NU-UT MUNUS . LUGAL A-NA LUGAL me-na-aḫḫa-an-da ga-an-ga-tiSAR na-ak-ku-wa-aš pé-ra-an pa-ra-a e-ep-zi
KUB XXIX 7+ Vs. 39, 40, 41f.; KBo XXXIV 72 Vs. 1, 2, 6, 7, 8, 12, 13, 16, 17, 18, Rs. 16ˈ. Melchert 2014: 219 listet unter den Belegen von „nakkuwaš (linkiyaš) EME“ auch KUB IX 4++ Rs. IV 28ˈ auf; dort ist aber nakku[wa]š KA× U (Schreibfehler?) zu lesen. Siehe Anm. 292.
126
26)
EGIR -ŠU-ma IŠ -TU LUGAL A-NA Ú-NU-UT MUNUS . LUGAL-ya
27)
[nam-m]a MUNUS KAB. ZU.ZU MUNUSši-la-lu-ḫi da-ma-i ga-an-ga-tiSAR da-a-i nu ḫu-iš-wa-an-du-uš ku-i-uš [GIŠERIN]-az ḫ[ar-ká]n-zi na-at a-pé-e-da-aš-ša QA-TAM-MA pa-raa e-ep-zi na-ak-ku-wa-ša-at ma-aḫ-ḫa-an [ud-da]-ni-i ud-da-[ni]-i pa-ra-a ap-pí-iš-ke-et da-ma-iš-ma MUNUS KAB. ZU.ZU MUNUSši-la-lu-ḫi da-[ma]-i pár-ku-i ga-an-g[a-ti da]-a-i na-at A-NA DINGIRLÌ IŠ-TU ŠA LUGAL pa-ra-a e-ep-zi an-da-ma-kán ki-iš-ša-an me-ma-i ma-a-an LUGAL {Ras.} [ak-ká]n-an-za346 na-aš-ma ḫu-˹iš˺-waan-za PA-NI DINGIRLÌ i-da-la-ú-an-ni me-mi-an ˹ḫar˺-zi ki-nu-na EN SÍSKUR a-p[é-e-ez ud-da]-a-na-az pár-ku-iš ga-an-gata-a-an-za-aš-ša e-eš-du
28) 29) 30) 31) 32)
ga-ti na-ak-ku-wa-aš ták-ša-an pa-ra-a e-ep-zi
ga-an-
Next she holds out a g.-plant in front of the nakku(wa)ˈs from the king towards the implements of the queen. Next she holds out a g.-plant in front of the nakku(wa)ˈs from the implements of the queen towards the king. Next she holds out a g.-plant to/for the nakku(wa)ˈs from the king and for the implements of the queen together(?). / Then the novice šilalluḫi-woman takes another g.-plant and she holds it out also to/for the living whom they hold by means of the cedar, just as she held it out in each matter of the nakku(wa)ˈs. Another novice šilalluḫi-woman takes another pure g.plant and holds it out to the god from the side of the king. She interjects as follows: „If a [de]ad or living one has spoken of the king before the god in evil, now let the ritual client be pure and gangati-ed of those words.“ (Übersetzung von Melchert 2014, 221f.) 347
Dieses Ritual behandelt den Fall, dass der König von jemandem vor der Gottheit348 im Bösen genannt wird.349 Dabei wird gefordert, dass sowohl die Gottheit als auch der König von den bösen Worten gereinigt werden. 346 347 348 349
Zu der redundanten Schreibung vgl. KUB XXXIX 8++ Vs. II 32, 36, 40, 43, Rs. III 22, 28. Siehe auch Haas 2003a: 330. Miller 2004: 403f. zufolge handelt es sich hierbei um die Göttin der Nacht; s. auch Lebrun 1976: 117 und García Trabazo 2002: 558. KUB XXIX 7+ Vs. 4ff. Vergleiche die Übersetzungen von Lebrun 1976: 117 und 125ff. und García Trabazo 2002: 558, in denen der König als Subjekt des Satzes verstanden wird.
127
Die zitierte Textstelle beschreibt einige der vielen durchzuführenden Handlungen, in denen wahrscheinlich Bilder bzw. Objekte als Ersatzfiguren verwendet wurden. Betroffen sind dort der König, die Geräte der Königin, die gangati-Pflanze, die nakkuwaš und die ḫuišwanduš „Lebenden“. Die Gegenüberstellung zwischen den nakkuwaš und den ḫuišwanduš als Fluchfiguren, die schon den Zz. 27-29 zu entnehmen ist, wird in Z. 31 explizit: „Wenn ein [Tot]en(geist) oder ein Lebender den König vor der Gottheit im Bösen genannt hat“. Dem oben nicht zitierten Anfang des Absatzes ist zu entnehmen, dass die Novizin Šilalluḫi je eine gangatiPflanze vor drei Figurengruppen hält: eine vor die nakkiu-Gottheiten/ Dämonen 350 (Vs. 19), eine vor die nakkuwaš (Vs. 19f.) und eine weitere vor die ḫuišwanduš „Lebenden“ (Vs. 20f.). Die darauffolgenden Absätze sind entsprechend den aufgelisteten Gruppen (nakkiu-, nakkuwa- und ḫuišwant-) unterteilt. Betreffs der nakkiu-Figuren ist nur von einer kurzen Handlung die Rede, zu welcher die gangati-Pflanze an der Seite des Königs vor sie gehalten wird, während jedoch die Geräte des Königs nicht mehr „zurückzubehalten“ sind (Vs. 21f.). An dieser Stelle beginnt die oben zitierte Textpassage, in der zuerst die Handlungen mit den nakkuwaš und darauf jene mit den ḫuišwanduš durchgeführt werden. Danach (am 12. Tag) ist die Reinigung von der „Zunge des Eides der nakkuwaš“ durchzuführen (Vs. 38-42), worauf die Reinigung von „allen Verfluchungen“ der Menschen folgt (Vs. 43ff.).351 Am darauffolgenden 13. 350 351
Sie sind stets in Verbindung mit den Unterweltsgottheiten belegt (s. CHD LN 373). Siehe weiter unten im Kommentar. EGIR -ŠU-ma DINGIRLU4 ḫu-u-ma-an-da-aš ḫu-u-ur-di-ya-aš ud-da-ni-i ku-u-i-eeš ku-u-i-e-eš i-da-a-la-u-e-eš (44) an-tu-uḫ-še-eš ta-pu-ša-kán ku-i-e-eš ara-aḫ-zé-ni KUR -ya [pé-ḫu]-da-an-te-eš (45) at-ta-aš-ša da-a-an at-ta-aš-ša ud-da-ni-i ŠA BA.BA.ZA iš-ni-it SÍGa-li-it-ta (46) ar-ḫa a-ni-ya-az-zi „Danach reinigt aber sie (die Priesterin mit dem Kultnamen ,Ihre abgeschnittene Naseʻ) die Gottheit mit Teig von Gerstenbrei und mit ali-Wolle in der Angelegenheit aller Flüche, welche an der Seite böse Menschen auch immer (ausgestoßen haben), (und) die in das fremde Land [hin]geführt sind, und in der Angelegenheit der Väter und der zweiten Väter.“ Hierin ist eine Auflistung der Menschen zu sehen, die Flüche ausgestoßen haben könnten. In den ersten zwei Gruppen lassen sich die Menschen von Ḫatti (bzw. an der Seite des Königs) und diejenigen aus dem Ausland erkennen. Der Ausdruck attaš=a dān attaš=a „und der Väter und der zweiten Väter“ scheint sich dagegen einer einfachen Deutung zu verschließen. Bereits
128
Tag werden schließlich die Reinigungshandlungen bezüglich aller Flüche durchgeführt (Vs. 48-57), unter welche die „Zunge des Eides der nakkuwaš“ und sämtliche Verfluchungen der Menschen zu subsumieren sind. Die nakkuwaš lassen sich demzufolge als „Toten(geister)“ im Gegensatz zu den ḫuišwanduš „Lebenden“ verstehen. 352 Die möglichen etymologischen Erklärungen bestehen darin, nakku(wa)- mit nakkuš – entweder „Verlust, Ausfall, Schwund“ oder, weniger plausibel, „Tötung, Mord“ – in Verbindung zu bringen. 353 Auf dieser Basis stellt Melchert 2014: 224 zwei Vorschläge zur Diskussion: 1. die nakkuwaš sind nichts Anderes als
352 353
Tischler (HEG III T/D 91) hat darauf hingewiesen und zwei Übersetzungsvorschläge zur Diskussion gestellt: Der eine geht auf Puhvel zurück, der dān attaš aufgrund einer möglichen Gemeinsamkeit des Hethitischen mit dem Griechischen als „Großvater“ deutet. Der andere stellt die Übersetzung von Kammenhuber (HW2 555f.) dar: „sie behandelt weg (reinigt kultisch) den Gott im Namen des Vaters und des zweiten Vaters (bzw. und zum zweiten Mal des Vaters) mit dem Teigbrei und mit dem Wollfaden.“ Beide Vorschläge können zutreffen, obwohl sich gegen beide folgende Einwände vorbringen ließen: Betreffs der Deutung Puhvels ist anzumerken, dass es im Hethitischen schon ein gebräuchliches, mehrfach belegtes Wort für „Großvater“ gibt, und zwar ḫuḫḫa-, und darüber hinaus verschiedene Ausdrücke für „Väter und Großväter“ (s. II). attaš dān attaš=a würde demnach ein unicum darstellen. Gegen Kammenhubers Übersetzung ist uddanī in Z. 45 parallel zu uddanī in Z. 43 zu sehen; infolgedessen ist eine entsprechende ähnliche Deutung zu erwarten: „in der Angelegenheit aller Flüche“ und „in der Angelegenheit der Väter und der zweiten Väter“. Ein neuer Deutungsvorschlag kann darin bestehen, die Phrase „die Väter und die zweiten Väter“ auf die vorangehende Zeile zu beziehen. Dort ist nämlich von allen Flüchen der Menschen die Rede, sowohl derer innerhalb von Ḫatti als auch jener aus fremden Ländern. Das Wort „Väter“ lässt sich hier folglich als zeitlicher Bezug auf die Vergangenheit betrachten. Gemeint sind damit die Vorfahren der vorgenannten Menschen von Ḫatti. Der Ausdruck „zweite Väter“ kann demnach einen Bezug auf die Vorfahren der Letzteren herstellen, bzw. auf die Vorfahren der Menschen des Auslandes. Siehe Melchert 2014: 222; auch Haas 2003a: 329 und 588, der die nakkuFiguren als Abbilder der bereits verstorbenen Verflucher betrachtet. Melchert 2014: 222ff. und Rieken 1999: 203f. zufolge scheint die etymologische Anknüpfung an die Wurzel *nek- zu scheitern, weil die Qualität des Velars nicht palatal gewesen sein kann (im Luwischen hätte palatales *k zu /zz/ geführt).
129
die „Hingeschiedenen“, also diejenigen, deren Pflege und Totenkult von den Lebenden vernachlässigt oder überhaupt nicht durchgeführt wurde, weil sie keine Nachkommenschaft hatten; 2. (weniger wahrscheinlich aufgrund der unsicheren Etymologie) in den nakkuwaš sind die „Getöteten“ zu sehen, also die eines gewaltsamen Todes gestorbenen Menschen, die es an den Lebenden bzw. am König Rache zu nehmen gelüstet. Beide Deutungen können sich Melchert zufolge nur auf Vorstellungen mesopotamischen Ursprungs beziehen, die Ḫatti über Syrien und Kilikien (=Kizzuwatna) erreicht haben dürften. Um eine neue Deutung vorzulegen, soll im Folgenden dagegen gezeigt werden, dass sich die Vorstellung von den nakku(wa)- in einen hethitisch-luwischen Rahmen einpassen lässt. Belege von nakku(wa)- finden sich in zwei weiteren Texten: Der eine ist KBo XXXIV 72 (CTH 480.Tf03): 354 Vs. 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
354
355
[…
na]-ak-ku-aš li-in-ki-ya-aš EME-[i A]-NA Ú-NU -UT i-en-z[i …] [… na]-ak-ku-wa-aš li-in-[ki-ya-aš EME-i A-NA] Ú-NU -UT MUNUS. LUGAL-ya {Ras.} […] [… ša-ra-a ḫu-i]t-ti-ya-u-ar-ma [ḫu-ma-an-d]a-aš ḫu-ur-di-ya-aš ud-da-ni-i ku-˹i˺-[-e-eš ku-i-e-eš] [i-da-a-la-u-e-eš an-tu-uḫ-š]e-eš da-pu-š[a-kán ku-i-e-eš] a-raaḫ-ze-na-aš KUR -aš pé-ḫu-da-an-t[e-eš…]355 […]-eš-šu ku-˹e˺-[…]-zi […]? MUNUS. LUGAL
[… na-ak]-ku-wa-aš li-[in-ki-ya-aš la]-li ḫa-an-ti i-en-zi EGIR Š[U-m]a I[Š-TU…] […] I du-up-ša-ḫi-i[n-ma na-ak-ku]-wa-aš li-in-ki-ya-aš EME-i ANA Ú-NU -U[T MUNUS . LUGAL]
Melchert 2014: 219 erwähnt lediglich das Textfragment KBo XXIV 49, das aber nur einen Teil von KBo XXXIV 72 darstellt. Betreffs KBo XXXIV 72 fällt die Randleiste oben am Anfang der Vs. auf (ähnlich wie sich etwa auch in den Texten von Arušna Bo 3288++, KUB XLVI 42++, KUB XLVI 38 und KUB XLVI 39++ findet; s. Miller 2010: 506); s. auch van den Hout 2001: 426 Anm. 18. Zu den Ergänzungen Zz. 3-5 s. KUB XXIX 7+ Vs. 43f.
130
8) 9) 10) 11) 12) 13) 14) 15)
19) Rs. 2ˈ)
[…]-?aš-ša-an-d[a …]
17) 18)
3ˈ)
357 358
[…]-˹an˺-zi nu PA-NI D Pí-ri-in-ki-ri-ya I? ša-[…] [… ša-ra-a ḫu]-˹it˺-ti-ya-u-ar-ma na-ak-ku-wa-aš li-i[n-ki-ya-aš EME-i …] […]x-ma na-ak-ku-wa-aš li-in-ki-ya-aš E[ME-i …] [… ḫu-ma-a]n-da-aš ḫu-ur-di-ya-aš at-ta-aš357 d[a-a-an at-ta-aša ud-da-ni-i358 …] […]-zi […]? [… na-ak-ku-wa-aš li-in-ki]-˹ya˺-aš EME-i ḫa-an-ti i-en-zi E[GIR?ŠU-ma(?)…] […na-ak-ku-wa-aš l]i-in-ki-ya-aš EME-i A-NA Ú-˹NU˺-[UT MUNUS. LUGAL…] […1 d]u-up-ša-ḫi-in-ma ˹na˺-[ak-ku-wa-aš li-in-ki-ya-aš EMEi…] […]GA.KIN. A[G ] ˹x˺ […]
16)
356
[IŠ-TU NINDAGUR4.RA TUR GA.KIN].˹ AG˺ TUR-ya š[ar-la-a-iz-z]i I duup-ša-ḫi-in-ma na-ak-ku-wa-aš l[i-in-ki-ya-aš EME-i A-NA Ú-NU -UT MUNUS. LUGAL] [IŠ-TU NINDAGUR4.RA TUR G]A.KI[N AG TUR-y]a šar-la-a-iz-zi356 I duup-ša-ḫi-in-ma ḫu-u-ma-a[n-da-aš ḫu-ur-di-ya-aš ud-da-nii(?)…] […-z]i EGIR -ŠU-ma IŠ-TU NINDAGUR4.RA TUR GA.KIN AG TUR -y[a …]
4ˈ) 5ˈ) 6ˈ)
[… I ku-up-ti-in-ma A-NA D? w]a-al-ḫa-an-zi I ku-up-t[i-in-ma ANA D? wa-al-ḫa-an-zi] […I ku]-up-ti-in-ma A-NA DŠ[a?-… wa-al-ḫa-an-zi(?)] […URUTa-me-ni(?)-i]n-ga DIŠTARḪI.A-ya-aš? x[…] [… n]u Ú-NU-UT LUGAL MUNUS .LUGAL EGIR-an x[…]
7ˈ) 8ˈ) 9ˈ) 10ˈ)
[…]x tar-nir […-k]án a-pu-u-uš-pát tar-na-˹an-zi˺ […] […]-zi nam-ma-kán […]x KÁ.GALḪI. A ˹IŠ?˺ […] […]x ḫa-pu-pí-it MUŠEN ḪUR-R[I…]x x x […] […-i]t šu-up-pí-aḫ-ḫa-an […]
Zu den Zz. 7ff. s. auch CHD Š 274a und die dort vorgeschlagenen Ergänzungen. Siehe auch HW2 554b. Siehe KUB XXIX 7+ Vs. 45.
131
11ˈ) 12ˈ)
[…]x-ya wa-aḫ-nu-ma-an-z[i … -z]i ? x[…] x […] […]x ḫar-nu-an-zi UD XX KAM-ma ˹x-x˺[…] pa-iz-z[i …] {Ras.} […]
13ˈ)
[…]x nam-ma UD-az Ú-[UL ] ku-i[t-ki i-en-z]i ˹ne-ku-uz˺ me-ḫurma a-˹pé-e˺-[da-ni-pát UD-ti] [LÚSANGA DINGIRLÌ GE6 še-ḫé-el-li-ya-aš ú-i-d]a-a-ar ˹da˺-a-i ˹ma˺aḫ-ḫ[a-a]n-ma ˹MUL˺-aš wa-at-ku-zi nu-uš-ša-[an DINGIRLU4] [ša-ra-a ḫu-it-ti-ya-u-ar ÍD-i kat-ta pé-e-da-an-zi nu-uš-ša-an paa-iz-zi a-na(?)] 359 PA-NI ˹ÍD˺ ŠA / ˹ÍD˺ša-˹x˺ […-z]i ma-aḫ-ḫa-an ap˹pé˺-ez-zi ḫa-a-ti[…] […na]-˹ak˺-ku-˹wa˺-aš ˹li-in˺-ki-ya EME-˹i˺ ḫa-an-ti i-en-z[i …] xxxxxxx
14ˈ) 15ˈ) 16ˈ) 17ˈ) Vs. §1)
§2)
§3)
359 360
(1) […bei der] Zunge des Eides der [na]kkuwaš macht man [f]ür die Geräte der Königin […] (2) [… bei der Zunge des] Eid[es] der [na]kkuwaš [für] die Geräte auch? der Königin […] (3) […] aber das [Heraufzi]ehen in der Angelegenheit [alle]r Flüche, we[lche ] (4) an der Seite [böse Menschen auch immer] (ausgestoßen haben?) (und) [die] in die ? fremden Länder hingefüh[rt sind …] (5) […] (6) […] bei der [Zung]e [des] E[ides] der [nak]kuwaš macht man gesondert. Hinterher aber […] (7-9) […] 1 dupšaḫi aber er[hö]ht man bei der Zunge des Eides der [nakku]waš für die Gerät[e der Königin mit kleinem, dickem Brot] (und) kleinem [Käs]e. […] 1 dupšaḫi aber erhöht man [bei der Zunge des] E[ides] der nakkuwaš [für die Geräte der Königin mit kleinem, dickem Brot] (und) [kleinem K]ä[se]. 1 dupšaḫi aber [in der Angelegenheit?] all[er Flüche? …] (10) […] hinterher aber mit kleinem, dickem Brot (und) kleinem Käse […] (11) […] und vor der Gottheit Pirinkir 1 ?[…] (12) […das Heraufzi]ehen aber [bei der Zunge des] Eid[es] der nakkuwaš […] (13) […] aber [bei der] Zu[nge] des Eides der nakkuwaš […] (14) [… all]er Flüche [in der Angelegenheit] der Väter [und der] zw[eiten Väter360 …] (15) […]
Ab Z. 13ˈ Ergänzungsvorschläge auf der Basis von KUB XXIX 7+ Rs. 1ff. Zu diesem Ausdruck s. Anm. 351.
132
§4)
Rs. §5) §6)
§7) §8) §9)
(16) […] bei der Zunge des [Eid]es [der nakkuwaš] macht man gesondert. Hi[nterher aber …] (17) […] bei der Zunge des [Ei]des [der nakkuwaš] für die Ge[räte der Königin …] (18) […1 du]pšaḫi aber [bei der Zunge des Eides der] na[kkuwaš …] (19) […] Käs[e …] (2ˈ) […]?[…] (3ˈ) [1 kupti aber s]chlägt man [für die Gottheit ?]. 1 kupt[i aber schlägt man(?) für die Gottheit ? ] (4ˈ) […] 1 [ku]pti aber [schlägt man(?)] für die Gottheit ? […] (5ˈ) […von Tamin]inga den IštarGottheiten […] (6ˈ) […] und die Geräte des Königs (und) der Königin dahinter […] (7ˈ) […] ließ man […] eben jene läss[t man …] (8ˈ) […] ferner […] die Tore […] (9ˈ) […] mit dem ḫapupi-Vogel (und) [mit?] dem ḪURRI-Vogel[…] (10ˈ) m[it? …] rein gemacht […] (11ˈ) [… man] dreh[t …] (12ˈ) […] man besprengt, der 20. Tag aber […] geh[t …] (13ˈ) […] ferner [mach]t man n[ichts] aus dem Tag; abends aber [gerade an] jen[em Tag] (14ˈ) nimmt [der SANGA-Priester der Göttin der Nacht das reine Was]ser. Als aber ein Stern springt, dann [bringt man die Gottheit] (15ˈ) [hinab zum Fluss für das Heraufziehen und geht:] Vor dem/den Fluss von/Ša[…], als das letzte vertrockne[t …] (16ˈ) […] bei der Zunge des Eides der [na]kkuwaš mach[t man] gesondert […]
Aufgrund der auffälligen Ähnlichkeiten mit dem Ritual von Šamuḫa (s. oben) ist anzunehmen, dass KBo XXXIV 72 auch einen Teil dieses Rituals darstellt, das sich über Wochen erstreckt haben dürfte. 361 Der Ausdruck „bei der Zunge des Eides der nakkuwaš“ ist in Vs. häufig belegt und wird mehrfach mit dem Opfer dupšaḫi in Verbindung gebracht. Dupšahi ist ein Terminus hurritischen Ursprungs, der in den KizzuwatnaRitualen auftritt.362 Im Fall des Rituals von Šamuḫa richtet sich der Ritus dupšahi gegen Verfluchungen und zielt darauf ab, die Patienten des Rituals zu reinigen und zu befreien. In Verbindung dazu kommen auch der šarlatta-(Erhöhungs-/Verehrungs-) und der Heraufziehens- bzw. Anlo361
362
In der Rs. 12ˈ (§8) wird nämlich ein „20. Tag“ verzeichnet. Siehe auch Groddek 2011a: 33 Anm. 87 „Ein Fragment der 3. Tafel ist KBo 34.72, das in Rs. 12ˈ ziemlich gegen Ende der Tafel den 20. Tag behandelt.“ Zu dupšaḫi s. Lebrun 1976: 46f.; Strauß 2006: 195f.
133
ckungsritus vor. Alle Flüche, die schon unter Tag 11.-13. des Rituals von Šamuḫa KUB XXIX 7+ genannt sind, werden hier in KBo XXXIV 72 erneut aufgezählt und „behandelt“: die „Zunge des Eides der nakkuwaš“ und die Verfluchungen durch böse Menschen, durch die Väter und die zweiten Väter. 363 Auf der Rs. wird das Schlagen bzw. das Opfer des kupti- („eine Art Mast, Pfahl“)364 erwähnt, das im Kontext einer Opferrunde in Verbindung mit hurritischen Gottheiten zu sehen ist.365 Daraufhin treten der ḫapupuVogel und der ḪURRI-Vogel auf, die einschlägige Ritualhandlung ist aber dem Text nicht zu entnehmen. Am Ende des 20. Tages stehen der Wasserschöpfungsritus und die Erwähnung des Flusses für das Ritual der Anlockung. Die „Zunge des Eides der nakkuwaš“ und ihre rituelle Behandlung (Beseitigung? ) kommen wieder gegen Ende des Fragmentes vor. Mehrere der genannten Elemente (dupšaḫi-, šarlatta- und Heraufziehensritus), zusammen mit der Anrufung der Göttin Pirinkir366 und dem Ritual am Fluss (zur Beseitigung pathogener Substanzen), verbinden die Šamuḫa- und allgemein die Kizzuwatna-Texte mit den an die Göttin Pirinkir gerichteten babilili-Ritualen (CTH 718). 367 Dies würde das Ritual von Šamuḫa in einen hurritischen Zusammenhang stellen. Unter den aufgelisteten Elementen taucht auch die Vorstellung der „Zunge des Eides der nakkuwaš“ (die im babilili-Ritual nie auftritt) auf, die aber nicht zwangsläufig einen hurritischen Hintergrund widerspiegeln muss, sondern, mit dem folgenden und letzten Beleg von nakku(wa)-, in einem hethitisch-luwischen Milieu anzusiedeln ist:
363 364 365
366
367
Das Adverb ḫanti (Vs. 16) zeigt, wie jede Fluchfigurengruppe wieder gesondert rituell zu behandeln ist. HED 4 259f. Zu den Texten, die den hurritischen Hintergrund des kupti-Ritus belegen, zu den Identifizierungsvorschlägen für kupti- und zu Vergleichen mit ähnlichen akkadischen Ausdrücken s. Strauß 2006: 79-92. Zur Gottheit Pirinkir als Ištar-Typ, der im 3. und 2. Jahrtausend v. Chr. von Elam bis Ḫatti und Nordsyrien auftritt, s. Beckman 1999b: 25ff. In KUB XXIX 7+ (CTH 480) Vs. 58-75 wird ein dupšaḫi-Ritual am Fluss zuerst für die Göttin der Nacht und daraufhin für die Gottheit Pirinkir wiederholt durchgeführt; s. id. 2014: 3f. Siehe ibid. 2014.
134
Im Tunnawiya-Ritual KUB IX 4++ (CTH 409.IV.Tf02.A) 368 Rs. IV369 lautet der vorletzte Absatz der Tafel: 22) 23) 24) 25) 26) 27) 28)
ku-iš-ma-a[n-kán] ku-iš [(da-a-iš tá)k-na-aš DUTU-i/aš] GIŠ BANŠUR -i ki-nu-na-a[n-ká]n ták-n[(a-aš DUTU)-i/aš GIŠB]ANŠUR -az da-aḫ-ḫi na-an-kán [t]e-eḫ-ḫi [(ŠA D Pa-an)-nu-un]-ta?-a Š[AḪ?.TUR] ku-iš-ma-ká[n] i-da-[a-la-u-wa-tar?370 … -a(n pa-iš i-da-a)-la-uwa-tar?] na-ak-ki-[u-w]a-aš […] ki-nu-na-a[n-ká]n i-[da-a-l]a-u-w[a-tar?371 …]x x na-ak-ku-[wa-a]š KA× U […]-aš pa-r[a-a …]
(22) Wer auch immer ih[n für die Sonnengöttin der] Er[de] auf den Tisch setzte, (23) jetzt nehme ich ih[n für] die Sonnengöttin der Erd[e] vom [T]isch; (24) und es [s]telle ich: ein F[erkel] von der Gottheit Pan[nun]tā. (25) Wer aber [die] Bos[heit …] gab, die Bos[heit ?] (26) den nakki[u- …] (27) jetzt i[hn die] B[os]he[it …] (28) der Mund der nakku[waš …] we[iter? …] KA× U könnte einen Schreibfehler für EME darstellen,372 anhand des bruch-
stückhaften Zusammenhangs lässt sich dies aber nicht feststellen. Als auffällig erweist sich, dass die nakkiu-Figuren in demselben Absatz, wie im Ritual von Šamuḫa, zusammen mit den nakkuwaš belegt sind. Aufgrund dieser Zusammenstellung der nakkuwaš mit den nakkiu-Figuren sind die letzteren auch kurz zu betrachten. Die nakkiu- stellen Gottheiten oder Dämonen dar, die irgendeine Verbindung mit der Unterwelt haben. Sie sind nämlich häufig mit den „früheren Gottheiten“, mit der
368
369 370 371 372
Die Zugehörigkeit dieses Textes zu den Tunnawiya-Ritualen ist bereits von Hutter 1988 und von Beckman 1990: 34ff. aufgrund vieler Ähnlichkeiten und üblicher Fehler bewiesen worden. Die Ergänzungen erfolgen anhand des Dupl. ABoT II 240 (s. Akdoğan 2010: 119f.) 4ˈ-9ˈ, obwohl die zwei Texte jedoch einige Varianten zeigen. Beckman 1990: 40 schlägt vor ku-iš-ma-ká[n] i-da-[a-lu-wa-at-ta?] Ibid. i-[da-a-l]a!-u-w[a-aḫ-mi ? ] x x Siehe Anm. 344.
135
Sonnengöttin der Erde und mit D U.GUR (Nergal) verbunden 373 und in Texten mit hethitisch-luwischem Hintergrund belegt. Außer im vorletzten Absatz des Rituals von Tunnawiya KUB IX 4++ treten sie dort auch in der Auflistung der bösen Sachen auf, die zwecks der Reinigung des Patienten entfernt werden sollen: Rs. III 39) 40) 41) 42) 43) 44) 45) 46) 47) 48)
SAG. DU-aš
ḫu-u-ul-ta-ra-am-ma-an mu-ú-da-id-du tar-aš-na-aš ta-aš-ku-pí-ma-an ZI -aš im-pa-an NÍ.TE-aš ta-aš-ši-ya-u-wa-ar ḫa-aš-ti-ya-aš {Ras.} ma-a-lu-li-ya-aš ú-id-ri-iš-ša KI.MIN MUḪI. A-aš ITU-aš wa-al-ḫi-iš-šar KI. MIN mar-ki-iš-ta-u-wa-aš ḫi-in-kán šar-ki-u-wa-li-i-e-eš na-ak-ki-u-e-eš KI. MIN iš-ḫar-nu-wa-an-da D U.GUR KI. MIN UZUme-i-li-ya-aš pa-aḫ-ḫur ša-a-tar mu!?-da-a-iz-zi
Let it remove the ḫ-sickness of the head! Likewise the cry of the throat, the burden of the soul, the oppression of the body, and the w-sickness of bone and skin?! Likewise the wounds of years and months! Likewise sudden death and šarkiuwalieš nakkiueš! Likewise the blood-stained DeathGod! It shall remove the burning of skin ? and anger! (Übersetzung von Beckman 1990, 47)
Das Attribut šarkiwali- kann aufgrund des Kontextes seiner Belege als „rachsüchtig“ o. ä. gedeutet werden (CHD Š 267f.). Bedeutungsvoll scheint hier die Verbindung solcher rachsüchtigen Dämonen/Gottheiten mit dem markištawaš ḫinkan „unerwarteten Schicksalsschlag“ und dem blutigen Nergal zu sein. Die gleiche Konstellation findet sich ebenfalls im Ritual von Tunnawiya KUB IX 34 (CTH 409.II.Tf02.A) 374 Vs. I 25ˈf.: Dort wird dem Patienten der Prozedur gesagt, dass er den markištawaš 373
374
KBo XXVI 41(++) (CTH 304.8) Vs. I? 5f.; KBo XXI 7 (CTH 448) Vs. I 9f.; KUB IX 34 (CTH 409.II.Tf02.A) Vs. I 25f. und Dupl. IBoT III 102+ Vs. 2ˈf.; KUB IX 4++ (CTH 409.IV.Tf.02.A) Rs. III 41f.; KUB XXXV 145 (CTH 767.2.A) Vs. 3f., 15f.; KUB XVII 15+ (CTH 767.2.C) Rs. III 2ff. Hutter 1988: 25ff. und passim.
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ḫinkan, die šarkiuwalieš nakkiueš und den blutigen Nergal nicht bezwungen habe. Ähnliches zeigt sich im Beschwörungsritual KBo XVII 54++ (CTH 458.1.1.A), 375 in dem der markištawaš ḫinkan, die šarkiuwalieš nakkiueš und der blutige Nergal zu lösen sind. Alle diese Texte weisen einen hethitisch-luwischen Hintergrund auf. 376 Bei dem markištawaš ḫinkan, auch als eine Art Krankheit zu deuten,377 handelt es sich jedenfalls um einen unerwarteten bzw. vorzeitigen Tod. Die Vorstellung von einer von den Gulšeš-Gottheiten vorherbestimmten Lebenszeit war nämlich bei den Hethitern sehr verbreitet. Wenn man vor seiner Zeit starb, stellte dies ein überaus schlimmes Geschehnis dar, dessen Gründe durch Orakelanfragen untersucht werden mussten. Der schon vorherbestimmte und demzufolge „richtige“ Tod eines Menschen wird demgegenüber als „Tag des Schicksals“ (UDUM ŠĪMTI(-KA)) oder auch als „günstiger Tag“ (D UD. SIG5 (.GA), DUD KAM.SIG5 ) aufgefasst.378 Im Gegensatz dazu bezieht sich der Ausdruck ḫenkan/ḫinkan/ÚŠ auf einen vorzeitigen oder gewaltsamen, d.h. einen nicht natürlichen, Tod.379
375 376
377 378
379
Im Hethtiter-Portal s. CITATIO: F. Fuscagni (ed.), hethiter.net/: CTH 458.1.1. Hinsichtlich des Rituals der Tunnawiya legt nämlich Miller 2004: 452-458 dar, dass es sich um ein hethitisch-luwisches Ritual mit allenfalls geringem hurritischen Einfluss handelt; von seltenen Ausnahmen abgesehen weist nichts Spur auf das Kizzuwatna-Milieu hin. Zu der Bedeutung „Schwindsucht“ vgl. Haas – Wilhelm 1974: 56. Siehe auch CHD L-N 190b. Der „günstige Tag“ ist jedoch mit dem Gottesdeterminativ nur bei dem Totenritual šalliš waštaiš (CTH 450) belegt und wird immer wieder neben dem Sonnengott des Himmels, der Sonnengottheit der Erde und der Seele des Toten mit Opferspenden bedacht. Zu den „günstigen Tagen“ (ūmē ṭābūti) als Tagen, die für gedeihlich für die Befolgung bestimmter Vorschriften in einem Kalender eines neu-assyrischen Miszellentextes gehalten werden, s. Casaburi 2003. Weitere Ausdrücke für die Bezeichnung des Tages des Todes sind „Tag der Mutter“ (UDKAM AMA, ŠA AMA-ŠU UD-az, annaš UD-az) und „Tag seines Vaters (und) seiner Mutter“ (UDKAM ABI-ŠU AMA-ŠU). Zu solchen Vorstellungen s. van den Hout 1994: 39ff.; id. 2014a: 75ff.; s. auch Kapeluś 2010b. Zu den GulšGottheiten, die „den Menschen erschaffen“, s. Otten – Siegelová 1970. Für weitere Zusammenfassungen der Vorstellungen über Jenseits und Tod s. Haas 1994: 216ff.; Taracha 2009: 158ff.; Bellucci – Vigo 2014. Zu dem Begriff ḫenkan für „Todesfall“ (von einer Krankheit o. ä. verursacht) im Vergleich zu aggatar „Tod“ s. Kapeluś 2010b (insbesondere 435f.).
137
Die Nähe des unerwarteten Todes zu den nakkiu- und dem blutigen Gott Nergal eröffnet die Möglichkeit, dass diese Dämonen/Gottheiten irgendeine Rolle bei der Bestimmung des vorzeitigen Todes spielen. Eine derartige Lesart wird auch durch das Adjektiv šarkiwali- „rachsüchtig“ bestätigt. In CHD Š 268 ist zu lesen: „The anger of the god or demon described by š. is not just a trivially motivated pique, but is rather the determination to avenge crimes.“ Dies lässt sich bei den Hethitern mit der Untersuchung der Gründe, aus denen die Gottheiten sich für einen vorzeitigen Tod des Menschen entschieden haben, in Einklang bringen. 380 Nach dieser kurzen Betrachtung der nakkiu-Dämonen/Gottheiten soll ihre Verbindung mit den nakku(wa)- analysiert werden. Wie bereits bei dem am Anfang dieses Abschnittes dargelegten Ritual von Šamuḫa vermutet wird, stellen die nakku(wa)- eine Art von Toten(geistern) dar. Schwerlich vorstellbar ist aber, dass nakku(wa)- schlichtweg als Synonym für GIDIM/akkant- verwendet wird. Der Ausdruck steht eher für eine bestimmte Kategorie von Totengeistern. Nach näherer Untersuchung der Texte und insbesondere der Rolle der nakkiu-Dämonen/Gottheiten erscheint die Hypothese plausibel, dass sich dahinter eine hethitisch-luwische Vorstellung verbirgt, die sich in dem Konzept vom vorzeitigen Tod des Menschen zusammenfassen lässt. Die nakkuwaš dürften demnach die „Hingeschiedenen“ sein, im Sinne derjenigen, die vor der Zeit aus dem Leben geschieden sind. Die „vorzeitigen Toten“ stellen wahrscheinlich eine Kategorie der Totengeister dar, die aufgrund ihrer Unzufriedenheit besonders gefährlich für die Lebenden sein konnte.
380
Die nakkiu- werden in dem ebenfalls in hethitisch-luwischem Rahmen verortenden šalli aniur-Fragment KUB XXXV 70 (CTH 762; s. Starke 1985: 185) Rs. III 2ˈ mit dem Adjektiv SIG5 „günstig“ beschrieben. Da darauf Opferspenden (III 3ˈff.: Brot, Bier und Wein) aufgelistet werden, lässt sich annehmen, dass man auf diese Weise solche Dämonen/Gottheiten aus einem im Text nicht erhaltenen Grunde sich geneigt zu machen suchte. Vergleiche dagegen CHD L-N 373b: „The use of SIG5 to describe them on occasions merely underscores the fact that chthonic powers were often besought to perform services beneficial to the living.“
138
1.2
GIDIM/akkant-
„Bild/Statue“
In diesem Abschnitt wird gezeigt, dass sich GIDIM/akkant- auch auf die Statue bzw. auf das Bild (ALAM) des Toten beziehen kann. Aus der Untersuchung geht nämlich hervor, dass diese Bezeichnungsübertragung insofern funktioniert, als die Statue bzw. das Bild metonymisch für GIDIM/ akkant- verwendet wird. Bezug wird dabei jedoch immer auf den Toten genommen, den die Statue bzw. das Bild verkörpert. 381 1.2.1 Totenritual šalliš waštaiš Das eindeutigste Beispiel für die Verwendung von akkant- statt ALAM findet sich im Totenritual šalliš waštaiš (CTH 450, 451): 382 Dieses dauerte 14 Tage, ist aber nicht vollständig erhalten und in einigen Teilen sehr
381
382
Anders bei Silvestri 1982: 409ff. Vergleiche Börker-Klähn 1994: 364 „Niemals aber ist GIDIM gleich ALAN […] Umgekehrt ist in den Opferlisten zwar von ALAN die Rede, und sie fassen die Ahnenbilder als DINGIRMEŠ bzw. šiuneš, als ,Gottheitenʻ, zusammen (E III 21ff. und IV 12), sprechen aber nie von GIDIM. GIDIM kann daher nicht Bildnis im Sinne von Materie sein, und wenn die Köche anlässlich des Symposions im ḫešta-Haus zu Neujahr GIDIM hereintrugen, dann muss es sich um ein memento mori gehandelt haben, das – wie etwa ,Seele als Votifʻ – nicht unter ALAN fiel.“ Hinsichtlich der königlichen Opferlisten lässt sich aber beobachten, dass im Text E=KUB XI 8+ (CTH 661.5; s. Nakamura 1994: 268-275) nicht von ALAM die Rede ist, sondern von „Rohrtischen“ (GIŠBANŠUR AD.KID), die in Verbindung mit den Namen der Könige aufgestellt werden (s. IV.3.7.3.). Dazu erweist sich auch das zweite Argument von Börker-Klähn als hinfällig, nachdem Klinger 1994: 31 gezeigt hat, dass die Lesung des Zeichens GIDIM in den KI.LAM- und AN.TAḪ.ŠUMSAR-Texten zugunsten der Lesung ÚKUŠ „Gurke“ aufzugeben ist. Nur aus dem Totenritual šalliš waštaiš geht klar hervor, dass akkant- zur Bezeichnung der Statue des Toten verwendet wird. In den anderen Fällen geschieht die Bezugnahme von GIDIM bzw. akkant- doch auf etwas Konkretes, nicht aber unbedingt auf eine Statue menschlicher Gestalt. Vergleiche auch Archi 1979a: 93 Anm. 30, der die akkanduš in KBo III 3++ Vs. I 16, 24 und die GIDIMḪI.A in KUB XVI 34(+) Vs. I 7 als Aschenurnen versteht. Siehe Otten 1958; van den Hout 1995a; id. 2014a, 2014b und 2015; Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002; Kapeluś 2008, 2011a und 2014.
139
fragmentarisch. Nichtsdestotrotz lässt sich dem Text entnehmen, dass der Tote – zumindest in einer Version (s. KUB XXX 15++ und KBo XXXIX 289) – am 2. Tag verbrannt wird. 383 Die Knochen werden danach auf einem Bett im Steinhaus abgelegt, während eine Statue als Ersatzbild des Toten für die Opferspenden errichtet wird. Vor der Leichenverbrennung wird mit akkant- bzw. GIDIM auf die Leiche referiert (s. III.1.3.1). Bereits am 2. Tag des Rituals ist in einem sehr fragmentarischen Zusammenhang die Erwähnung einer Statue zu finden. 384 Es bleibt aber fraglich, ob damit schon das Ersatzbild des Toten gemeint ist.385 Darüber hinaus wird nach der Leichenverbrennung, gerade am 2. Tag, 386 eine ALAM als Ersatzbild des Toten in der Mitte des Verbrennungsplatzes mit Früchten „markiert bzw. umrandet“ (gulš-).387 Dabei kann es sich jedoch nicht um die gleiche Statue handeln, die am 7. Tag als „sitzend“ (aša[nti]) belegt ist,388 denn dieses Bildnis wird nach seiner „Markierung“ mit weiteren Früchten, anderen Nahrungsmitteln und Tierprodukten aufgefüllt. Dies deutet eher auf eine flache Abbildung bzw. eine Konturzeichnung hin. Nach der Leichenverbrennung fällt nicht nur wieder der Ausdruck ALAM für das Ersatzbild des Toten, sondern auch das Wort akkant-. Dabei könnte ALAM als Bezeichnung für ein materiell vorhandenes Element mit entsprechenden konkreten Handlungen in Zusammenhang zu stellen sein, während akkant- als symbolische Bezeichnung mit abstrakt-symbolischen Handlungen in Verbindung gebracht werden müsste. Eine derartige Trennung scheint sich jedoch den Belegen nicht entnehmen zu lassen: Am 7. Tag: – Es wird dem Toten zu trinken gegeben (akkanti akuwanna pianzi).389
383 384 385
386
387 388 389
Zur Synopse dieses Tages s. IV.1.2 §k. KUB XII 22 Vs. II 18ˈ: [x-x A]LAM(-)x[…]. Siehe Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 74 „probably the statue of the deceased was made at the beginning of the second day. But only after the cremation this statue was used in the ritual actions“. KUB XXX 15++ Vs. 21ff., 25f., 37, 40: Zur Synopse dieses Tages s. IV.1.2 §k. Vergleiche Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 265ff.: „third! Day“. Zur Gliederung des Totenrituals in Tage s. IV.1. Zur Deutung „markieren bzw. umranden“ s. IV.3.7.1. KUB XXX 25++ Vs. 1. Siehe Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 320f. KUB XXX 25++ Vs. 8.
140
– Die Priesterin holt die Asche für? den Toten herauf ( MUNUSŠU.GI akkanti SAḪARḪI. A-uš šarā dāi).390 – Der Tote wird bei seinem Namen gerufen (akkandan ŠUM-ŠU/an ḫalzāi).391 Am 10. Tag: – Es wird dem Toten zu „beißen“ gegeben (akkanti waganna pianzi).392 – Es wird dem Toten zu trinken gegeben (akkanti akūwanna pianzi).393 – „Rechts des Toten“ (akkanti ZAG -naz).394 Am 12. Tag: – Es wird dem Toten zu „beißen“ gegeben (akkanti waganna pianzi).395 – „Tisch des Toten“ (GIŠBANŠUR akkantaš).396 – Es wird dem Toten etwas gegeben (n=at akkanti pianzi).397 – Einige Objekte werden dem Toten hingehalten (akkanti parā appanzi).398 Am 13. Tag: – Es wird dem Toten zu trinken gegeben (akkanti akūwanna pianzi).399 Nacht zwischen 13. und 14. Tag: – Es wird etwas vor dem Toten niedergelegt (akkanti peran katta zikkanzi).400 Abgesehen von der Anrufung des Toten mit seinem Namen scheint in allen anderen Fällen die Anwesenheit eines Bildes implizit zu sein, das als
390 391 392 393 394 395 396 397 398 399 400
KUB XXX 25++ Vs. 18. Ibid. Rs. 20; s. auch KUB XXXIX 5+ Rs. 21. KUB XXXIX 10 Vs. I 6f. und HFAC 14 Vs. I 6f. KUB XXXIX 33+ Vs. II 6f. KUB XXXIX 14++ Rs. III 2. KUB XXX 19++ Vs. I 5. KUB XXX 19++ Vs. I 14. Ibid.Vs. I 30. Ibid.Vs. I 51. KUB XXXIV 66+ Rs. III 10 und KUB XXXIX 8++ Vs. II 23ˈ. KUB XXX 19++ Rs. IV 8 und KUB XXXIX 8++ Rs. III 39ˈˈf.
141
Bezugspunkt für die Kulthandlungen dient. Insbesondere fallen Ausdrücke wie „rechts des Toten“ oder „vor dem Toten“ auf, die auf eine Lokalisierung des Toten selbst schließen lassen. Darüber hinaus sind diese Kulthandlungen zum Teil die gleichen wie jene, die an der Statue durchgeführt werden.401 Da ALAM und akkant- abwechselnd innerhalb derselben Absätze und in Bezug auf die gleichen Kulthandlungen belegt sind, erscheint die Schlussfolgerung zulässig, dass die Statue als Metonymie für akkant- steht. An dieser Stelle erhebt sich die folgende Frage: Wenn die Verkörperung des Toten durch die Statue so konkret war, warum wird sie dann überhaupt als „Statue“ bezeichnet? Bei den Opferspenden für die Toten werden sie nämlich schlichtweg mit ihrem Namen angerufen, weil geglaubt wurde, dass der Tote der Statue innewohne. 402 Demzufolge lässt sich vermuten, dass das Verfahren der Gleichsetzung bzw. Einswerdung des Toten und seiner Statue bis zum Ende des Totenrituals noch nicht völlig abgeschlossen ist. 1.2.2 Orakeluntersuchungen Viele Orakeluntersuchungen enthalten Fälle von bösen Totengeistern, die besänftigt werden müssen, sodass die Harmonie mit den betroffenen Lebenden wiederhergestellt werden kann. Daher werden nicht nur den Gottheiten, sondern auch den Totengeistern selbst bestimmte Fragen gestellt, in denen den Gründen ihres Zornes explizit nachgeforscht wird. Zur Besänftigung der Toten werden insbesondere die mantalli-Rituale403 durchgeführt: Dabei ist die Anwesenheit von konkreten Dingen/Statuen/Bildern zu erwarten, welche die Ritualpartner darstellen. Die große Orakeluntersuchung anlässlich der Thronbesteigung Tudḫaliyas IV. CTH 569 404 enthält klare Beispiele dafür.
401
402 403 404
In KUB XXX 25++ Vs. 22 wird der Statue zu „beißen“ gegeben; in KUB XXX 24+ Vs. II 8 und KUB XXXIX 39(+) Vs. II 5f., KUB XXXIX 10 Vs. I 2 und HFAC 15 Vs I 2, KUB XXX 19++ Rs. IV 23 wird der Statue zu trinken gegeben. Siehe CTH 661; dazu ausführlich IV.3.7.3. Siehe van den Hout 1998a: 5f., 81-83; CHD L-N 176-179. Van den Hout 1998a
142
In KUB XXII 35 Rs. III wird der Fall des zornigen behandelt: 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11)
GIDIM
von Ḫalpaziti
… ˹GIDIM˺-ya SUD-an-zi [nu-za D]˹UTU˺ŠI A-NA GIDIM {Ras.} IGI !(PI)-an-da ˹SISKUR˺ma-an-tal-li-ya-an-za ˹BAL˺-an-ti A-BI DUTUŠI-ya SUD-an-zi nu-za A-BI DUTUŠI mḪal-pa-LÚ-iš-ša I-aš I-e-da-ni IGI-an-da SISKUR ma-an-tal-ya BAL-an-ti405
Und man wird den Toten heraufbeschwören (wörtl. ziehen) [und] meine Sonne wird dem Toten(bild) gegenüber das mantalli-Ritual vollziehen. Man wird den Vater meiner Sonne holen, und der Vater meiner Sonne und Ḫalpaziti werden einer dem anderen gegenüber das mantalli-Ritual vollziehen.“ 406
Am wahrscheinlichsten ist hier die Vorstellung, dass der Totengeist von Ḫalpaziti zuerst heraufbeschworen worden ist. Hier wird er durch ein Bild verkörpert, das vor dem König aufgestellt wird, um das mantalli-Ritual auch auf materieller Ebene durchführen zu können. Obwohl kein GIDIM im zweiten Teil der Textstelle erwähnt wird, lässt sich weiter deutlich erkennen, dass auch der Vater des Königs als Totengeist heraufbeschworen und mit einem Bild dargestellt wird. Da die Gründe des Zornes von Ḫalpaziti sein Verhältnis zu dem Vater des Königs, d.h. Ḫattušili III.,407 betreffen, muss das mantalli-Ritual folglich auch zwischen diesen beiden vollzogen werden. Denn nur so war zu gewährleisten, dass nicht nur Ḫalpaziti sondern auch der Totengeist Ḫattušilis III. besänftigt würde, ohne dass er sich eventuell über die Besänftigung und die dem Ḫalpaziti gewährte Sühne ärgern würde. Demzufolge werden ein Bild von Ḫalpaziti (wahrscheinlich dasselbe wie im vorigen Fall) und ein Bild des Vaters des Königs zur Vollziehung des Opferrituals verwendet.
405 406 407
Zu Zz. 7-11 s. auch Dupl. KUB LII 92 Rs. IV 2ˈf. Siehe auch van den Hout 1998a: 190f.; id. 1998b: 71. Zur Identifizierung von Ḫalpaziti als König von Ḫalpa und seiner mutmaßlichen Teilnahme an der Arma-Tarḫuntas Angelegenheit gegen Ḫattušili III. s. van den Hout 1998a: 55ff. und die dort zitierte Bibliographie.
143
Ein weiteres Beispiel stellt der Fall von Šaušgatti bezüglich ihres Fluchs zu Lebzeiten und des Zornes ihres Totengeistes in KBo II 6++ Rs. III dar: 42) 43) 44) 45) 46)
EME fDIŠTAR-at-ti
ku-it TI-an-da-aš SI×SÁ-at nu kiš-an DÙ-an-zi EME fDIŠTAR-at-ti A-NA DINGIRMEŠ [LUGAL-UT-TI] pé-ra-an ar-ḫa a-ni-ya-an-zi GIDIM-ya ša-ra-a a-še-ša-nu-wa-an-zi šar-ni-ik-ze-el-la ME-an-zi na-at A-NA GIDIM SUM-an-zi408 …
(42) Da der Fluch von Šaušgatti, als Lebende, festgestellt wurde, (43) handelt man folgendermaßen: Den Fluch von Šaušgatti wird man vor den Gottheiten (des Königtums) (44) vorher wegnehmen, und das Toten(bild) wird man (45) aufrichten. Man wird auch das Sühnopfer stellen (46) und es der Toten geben.409
In den Zz. 44f. ist der Ausdruck GIDIM šarā ašešanu- belegt: In Anlehnung an Sommer – Ehelolf 1924: 50f. versteht Friedrich (HW 31) ihn im Sinne von „heraufholen, (einen Totengeist) beschwören“. 410 Allerdings findet sich kein weiteres vergleichbares Textbeispiel, das eine solche Deutung erhärten könnte. ašešanu- allein bedeutet etwa „(hin)setzen“ und šarā ist in diesem Fall das Präverb „hinauf, herauf“. Folglich bedeutet dieser Ausdruck eher „aufrichten, aufrecht positionieren“,411 d.h. eine Handlung, die in einem konkreten Kontext situiert sein muss. GIDIM bezeichnet in diesem Fall die Statue bzw. das Bild, das metonymisch den Toten darstellt.412 Van den Hout 1998a: 236 zufolge kann der Ausdruck
408 409 410 411
412
Zu Zz. 42-46 s. auch den Paralleltext KUB VIII 27(+) Rs. IV 1ˈ-6ˈ. Ähnlich in KBo II 6++ Rs. III 61f. Siehe auch van den Hout 1998a: 210f.; Haas 2008: 100. So auch Archi 1979a: 81 Anm. 2: „e scongiureranno/esorcizzeranno lo spirito“. Siehe schon HW2 392a („Nicht ,heraufholen; (Totengeist) beschwörenʻ “); CHD L-N 177b („they make the deceased sit up“); CHD Š 211 („to set upright“); vgl. HED I 210 „they make the dead person lie in state (?)“. Siehe auch die Orakeluntersuchung KUB XVI 77, in der die Fälle von Piyaššili und Ḫaittili behandelt werden. Aufgrund des Vergleichs mit KBo II 6++ Rs. III 44f. dürfte man dort in Vs. II 62, Rs. III 10 und 38 GIDIM in Bezug auf Piyaššili und Ḫaittili ergänzen, denn danach kommen jeweils die Ausdrücke [š]arā ašešanzi, [U]GU ašešanuwanzi und [š]arā ašešanuwanzi vor.
144
GIDIM šarā ašešanu- auch implizieren, dass die Statue Šaušgattis in frühe-
rer Zeit nach ihrem Gebrauch beiseite geschafft worden war. Das Versprechen, die Statue (wieder) aufzurichten, darf sich daher durch eine symbolische Übertragung der konkreten Handlung auf eine Art Rehabilitierung der Person Šaušgattis selbst beziehen. Ein weiterer Hinweis auf die Verwendung von GIDIM zur Bezeichnung der Statuen der Toten findet sich in dem in III.1.1 behandelten Orakelfragment KUB XVIII 16 Vs. II 1ff.: Dort geht es um Verfehlungen der Menschen, über welche die Toten sich ärgern könnten: 1) 2)
LÚ
A.ÍL-wa NU.GÁL413
UL
pé-e ḫar-kán-zi
nu-w[a G]IDIMMEŠ INA É. DU10.ÚS.SA
„Ein Wasserträger ist nicht vorhanden und man bringt die [T]oten(bilder) nicht ins Haus der kultischen Waschung hinein.“
Die Übersetzung von Hoffner 2004: 338 weicht davon geringfügig ab: „,There is no water-carrier. They make no presentation (to) the deceased ones in the bath-house.ʻ “ Seiner Interpretation zufolge wird den Toten etwas im Waschungshaus (regelwidrig) nicht dargeboten, während nach meiner Deutung die Toten selbst (entgegen den Vorschriften) nicht ins Waschungshaus gebracht werden. Die Bedeutung des Ausdrucks pē ḫarkist „behalten, besitzen, hinhalten, hineinbringen“:414 Aus der lexikographischen Untersuchung der Belege ergibt sich, dass pē ḫark- stets ein Objekt benötigt und nicht allein eine (intransitive) Handlung bezeichnen kann, die per se Sinn hätte. Der Bruch der Tafel in Z. 1 ist jedoch zu klein für die Ergänzung eines enklitischen Pronomens: Gemäß den anderen Belegen von pē ḫark- bräuchte man entweder ANA davor oder -aš als phonetische Komplementierung von GIDIMḪI.A danach. So ist z.B. in KUB XXIII 127++ (CTH 85.1.A) Rs. III 6ff. zu lesen: nu=šmaš=kan kuin arkamman šarā ēpmi n=an ANA D IŠTAR URUŠa[m]uḫa GAŠAN=YA pē ḫarkanzi „Sie werden den Tribut, den ich ihnen auferlegen werde, zugunsten der Šaušga von Ša[m]uḫa, meiner Herrin, behalten.“415 Erwähnt sei hier auch ein Beispiel mit PĀNI in Verbindung mit einer Statue in KUB XVII 35 (CTH
413 414 415
Zur Lesung der ersten Zeichen s. Anm. 311. CHD P 253ff. und HW2 III 287a. Übersetzung von del Monte – Tischler 1978: 294; s. auch CHD P 255.
145
525.2)416 Vs. II 16f.: lukatti=ma=kan DINGIRLU4 TA GIŠZAG.GAR.RA ME-anzi nu DINGIRLU4 INA NA4 Z[I. K]IN pēdanzi NINDA.GUR4. RA DUGḫarši PĀNI DINGIRLÌ pē ḫarkanzi „Am (nächsten) Morgen nehmen sie die (Statue der) Gottheit vom Altar und sie tragen die (Statue der) Gottheit zum ḫuwaši-Stein fort; dickes Brot (und) ein ḫarši-Vorratsgefäß halten sie vor die (Statue der) Gottheit hin.“417 Infolgedessen sind eher die GIDIMḪI.A das Objekt des Verbs pē ḫarkanzi. Dabei muss es sich um die Statuen/Bilder der Toten handeln: Der Satz kann nämlich nur so in Verbindung mit dem Nicht-Vorhandensein des Wasserträgers (Z. 1) und den Handlungen, die sonst mit Wasser durchzuführen waren, einen Sinn bekommen. Die Statuen/Bilder der Toten wurden also infolge der Abwesenheit des Wasserträgers nicht ins Waschungshaus gebracht, so wie es üblich bzw. vorgeschrieben war. Das bedeutet, dass eine Art kultische Waschung dieser Statuen dort normalerweise stattfand. Der Ausdruck É.DU10.ÚS. SA „Waschungshaus“ ist in drei Ritual-, vier Festtexten sowie einem Instruktionstext belegt: –
–
–
416 417 418 419 420
Im Ritual des Muwalanni, des Priesters von Kummanni, für Teššub von Manuzziya KBo XI 5 (CTH 703.2.B)418 Rs. VI 22ff.: Am Anfang des 6. Tages geht? der König ins Waschungshaus, und das Wasser der Reinigung wird über seinen Körper gegossen. Im Ritual für Ištar von Tamininga KUB XII 5 (CTH 713.1) 419 Vs. I: Während der Vorbereitungen für die Feier der Ištar von Tamininga im Haus des Großvaters meiner Sonne geht die Königin ins Waschungshaus; daraufhin kommt sie nach Handlungen, die aufgrund des fragmentarischen Textes nicht erhalten sind, heraus. Im Ritual der Allaituraḫ(ḫ)i KUB XXVII 29+ (CTH 780.2.Tf06.A)420 Vs. I 38ff.: Die Beschwörerin geht ins Waschungshaus und legt, wahrscheinlich dort, Zweige unten an die Statuen (ALAMḪI.A). Vs. I 53f.: Im Waschungshaus schwenken die
Siehe Taggar-Cohen 2002: 127-138. Siehe auch CHD P 255b. Lebrun 1996: 39-64; Haas et al. 1998: 86f.; Wegner 2002: 209-214. Wegner 1995: 83-87. Haas – Thiel 1978: 129-201; Haas – Wegner 1988: 122-143.
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–
–
–
–
–
Gehilfinnen einen ḫuppanni- und einen ḫušta-Stein über dem Ritualherrn. Im von der Königin gefeierten Fest KUB XXV 15 (CTH 646) 421 Rs. 6ff.: Am 3. Tag des Festes öffnet man den Palast und zieht die Vorhänge auf. Der König geht ins Waschungshaus; dann verlässt er den Palast nicht, während die Königin der Sonnengöttin von Arinna eine fette Kuh und acht Schafe opfert. Im Monatsfest KUB II 13 (CTH 591.IV.A) 422 Vs. 1ff.: Am 3. Tag des Festes, während man den Palast öffnet und den Vorhang aufzieht, geht der König ins Waschungshaus und nimmt sich den Ornat und die goldenen Ohrringe. Daraufhin kommt er aus dem Waschungshaus heraus und geht in den Palast. Im AN.TAḪ.ŠUMSAR-Fest KUB XI 22+ (CTH 611.2) Vs. I 13ff.: Am 2. Tag morgens, während man den Palast öffnet und den Vorhang aufzieht, geht der König ins Waschungshaus und nimmt sich den Ornat. Daraufhin kommt er aus dem Waschungshaus heraus und geht in den Palast. Im Winterfest KUB XX 79 (CTH 597.2) 423 Vs.: Anlässlich des Festes öffnet man den Palast und zieht den Vorhang auf. Der König geht ins Waschungshaus und nimmt sich die weißen Gewänder. Daraufhin [kommt] der König aus dem Waschungshaus heraus, und [der Obers]te der Palastangestellten gibt dem König den Li[tuus]. Im Instruktionstext Arnuwandas I. für Provinzgouverneure KUB XIII 2(++) (CTH 261.I.B)424 Vs. II 21ˈff.: „Die Wasserleitungen des Waschungshauses, des Hauses der Mundschenke und des Torbaus sollen in Bewegung bleiben (d.h. das Wasser soll fließen können), und man soll sie beaufsichtigen. Jede, die mit (Ab)wasser verstopft ist, soll man reinigen“.
Den Belegen lässt sich entnehmen, dass das Waschungshaus einen kultischen Ort darstellt: Dorthin gingen der König oder die Königin bei Ta421 422 423 424
Yoshida 1996: 196f.; Alp 1983: 230ff. Siehe auch Dupl. HT 34 Rs. 7. Klinger 1996: 544ff. Siehe auch É.DU10.ÚS.SA im Monatsfest KUB IX 20 Vs. 1ˈ (ibid. 590). Alp 1983: 134f. Von Schuler 1957: 36-59; Pecchioli-Daddi 2003; Miller 2013: 212-237.
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gesanbruch vor der Durchführung der Kulthandlungen, um sich „vorzubereiten“. Im Waschungshaus befanden sich auch Gegenstände, welche für die durchzuführenden Rituale benötigt waren, wie (s. oben) Ornat, goldene Ohrringe und weiße Gewänder. Der Name dieses Ortes lässt den Rückschluss zu, dass dort eine Waschung vollzogen wurde, die selbst kultischen Charakters und für die Reinigung des Königs/der Königin vor den Kulthandlungen bestimmt war. Im Ritual des Muwalanni ist u. a. bezeugt, dass das Wasser der Reinigung über den Körper des Königs gegossen wird. Aus dem Instruktionstext Arnuwandas I. für Provinzgouverneure geht klar hervor, dass es in verschiedenen Städten Waschungshäuser gab, 425 und dass die Pflege seiner Wasserleitungen von Bedeutung war. Bei É.DU10.ÚS.SA handelt es sich wahrscheinlich um einen Terminus technicus, der einen Raum oder ein Gebäude bezeichnet: Dem Protokoll des Festes KUB XXV 15 (s. oben) ist nämlich zu entnehmen, dass das Waschungshaus einen Raum des Palastkomplexes darstellt, denn, wie berichtet wird, geht der König ins Waschungshaus, kommt aber danach aus dem Palast nicht heraus. Das erklärt auch, warum das Hineingehen ins Waschungshaus seitens des Königs mit der Öffnung des Palastes und dem Aufziehen der Vorhänge häufig in Verbindung gebracht wird. Aus den Texten zum Monatsfest KUB II 13 und zum AN.TAḪ.ŠUMSAR-Fest KUB XI 22+ scheint dagegen eindeutig hervorzugehen, dass dabei Palast und Waschungshaus zwei unterschiedliche Gebäude sind, denn der König IŠTU É.DU10.ÚS.SA ú-iz-zi t=aš Éḫalentūwaš paizzi t=aš tiyazi426 „kommt aus dem Waschungshaus und geht in den Palast; und er stellt sich hin.“ Dies mag jedoch dadurch zu erklären sein, dass diese Gebäude sich entweder in unmittelbarer Nachbarschaft befanden, oder dass das Waschungshaus zwar Teil der Palastanlage war, aber mit seinem funktionsbezogenen Namen bezeichnet wird. Durch die aufgezählten Textstellen ist die Reinigungsfunktion des Waschungshauses für den König und für die Königin bezeugt. Aus dem Ritual der Allaituraḫ(ḫ)i (s. oben) geht jedoch zudem eindeutig hervor, dass das É.DU10.ÚS.SA zum Teil auch als Ort der Durchführung von rituellen Handlungen verwendet worden sein dürfte. Dorthin tritt nämlich die Beschwörerin ein und legt Zweige unten an die Statuen; darauf folgt das 425 426
Im Ritual des Muwalanni wird z.B. in Rs. VI 32 die Stadt Ušša erwähnt, wohin der König zur Vollziehung des Rituals geht. KUB II 13 Vs. I 5-7.
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Ritual des Schwenkens der Steine über dem Ritualherrn seitens der Gehilfinnen. Wenn Haas – Thiel 1978: 185 auch unbeirrbar davon ausgehen, dass es sich bei den Statuen um Abbilder der in den vorigen Absätzen genannten Gottheiten (Wettergott, Ḫebat, Šaušga) handelt, wird man einzugestehen haben, dass sich dafür kein Indiz im Text finden lässt. Die Identität der beteiligten Statuen bleibt daher unbekannt. Aus dieser kurzen kritischen Bestandsaufnahme der Belege von É.DU10.ÚS.SA und der einschlägigen Kommentare ergibt sich, dass das Waschungshaus stets mit ausgewählten Personen (d.h. König, Königin, Beschwörerin, Gehilfinnen, Ritualherr) in Verbindung gebracht wird. Allerdings ist dieser Ort nie im Zusammenhang mit der kultischen Waschung der Götterstatuen belegt, die doch bekanntermaßen im Rahmen vieler Feste und Rituale praktiziert wurde. Die Anwesenheit der Statuen/ Bilder der Toten im Waschungshaus im Orakelfragment KUB XVIII 16 Vs. II 1f. muss daher in besonderem Maße auffallen. In keinem anderen Text ist ein weiterer Hinweis auf die kultische Waschung der Toten zu finden: die in KUB XVIII 16 Vs. II 1f. beklagte durch Abwesenheit hervorgerufene Verfehlung des Wasserträgers lässt aber an eine regelmäßig durchzuführende Kulthandlung denken. Der Verbindung zwischen dem König/der Königin bzw. dem Palast und dem Waschungshaus ist darüber hinaus zu entnehmen, dass es hier um die Toten der königlichen Familie geht, deren Statuen mit Opferspenden bedacht wurden und eine regelmäßige Pflege seitens der Nachkommenschaft erfuhren. Da die Unterlassung der Handlungen an den Toten im Waschungshaus im Zusammenhang mit der Unterlassung von zwei Festen (des Milchschlagens und der Ernte, s. III.1.1) steht, und da das Waschungshaus den Ort der ersten Reinigung des Königs vor den im Rahmen eines Festes oder eines Rituals durchzuführenden Kulthandlungen darstellt, ist die Vermutung statthaft, dass Gleiches auch für die Toten galt: Ihre Statuen wurden zur kultischen Waschung ins Waschungshaus gebracht, bevor man sie auf dem Fest und im Opferungsritual präsentieren durfte. Dies kann darüber hinaus für einen hohen Grad an Gleichsetzung der Statue mit dem noch als Lebenden gedachten Verstorbenen sprechen.
149
1.2.3 Rituale Nur selten kann die Anwesenheit einer Statue oder eines Bildes des Toten während der Rituale (ausgenommen das Totenritual šalliš waštaiš) anhand des Textes festgestellt werden. In vielen Fällen bleibt nämlich fraglich, ob es um abstrakt-symbolische Kulthandlungen in Bezug auf den Totengeist geht, oder ob auch eine konkrete Verkörperung des Toten zur Durchführung des Rituals benötigt wurde. Dazu sind viele der Ritualtexte, in denen GIDIM bzw. akkant- belegt ist, sehr fragmentarisch erhalten. Dennoch lässt sich manchmal den verwendeten Verben bzw. den beschriebenen Kulthandlungen entnehmen, dass bei einigen Ritualen eine Statue oder ein Bild des Toten im Spiel waren. Zum Beispiel ist in KUB XXXIX 57 (CTH 449.3)427 Vs. I zu lesen: 3ˈ) 4ˈ) 5ˈ) 6ˈ) 7ˈ) 8ˈ)
[…]x-x-x-az GI-az GAL ZABAR MUNUSŠU.GI I7-az UGU I[M?] […]˹A-az˺ da-a-i ZIḪI.A A. BÁR an-da ú-i-šu-ri-an-te-eš […]x-x UZUGABA A.BÁR UZUUBUR ge-nu-wa A.BÁR IGI ḪI. A A.BÁR ŠUMEŠ A. BÁR [I GU4]. MAḪ GE6 I še-e-na-aš SAG.DU-kán UZUGABA UZUUBUR ge-nuwa ZITU4 [GÌ]R ? ŠUMEŠ!(ŠU. U) A-NA GIDIM IGI-an-da DAB-an-zi EN.SISKUR-kán INIM-an an-da me-ma-i [nu? Z]ITU4 ú-i-šu-ri-an-ta-an ar-ḫa la-a-an-zi ZIḪI.A-kán IGIḪI.A UZU
9ˈ) 10ˈ) 11ˈ) 12ˈ) 13ˈ) 14ˈ) 15ˈ) 16ˈ) 17ˈ) 18ˈ) 427
GABA
[UZ]UUBUR ge-nu-wa A-NA GIDIM ar-ḫa SUD-an-zi A-az ar-ḫa u-unḫa-˹an˺-[zi] [na-at ?] ˹A˺-NA GU4.MAḪ še-e-ni še-er la-a-ḫu-u-wa-an-zi EN.SISKUR -za-kán GU4.MAḪ še-e-na-an-na [ar-ḫ]a e-ep-zi me-mi-an-kán an-da me-ma-i GU4. MAḪ še-e-na-anna ar-ḫa […]x-an-zi a-pé-e-ma-kán EGIR-pa IŠ-TU Ì LÁL šu-un-na-an-zi [na]-at A-NA D UTU ANE EGIR -pa ma-ni-ya-aḫ-ḫa-an-zi […] GU4.[MAḪ]-?x še-e-na-an SAG.DU UZUUBUR UZUGABA ge-nu˹wa˺ ŠU[MEŠ?] [… A]-NA D EREŠ.KI.GAL DAl-la-a-ni DLe-el-˹wa˺-[ni] […]-˹ma˺-aš ar-ḫa SUD-an-zi x[…] [… še-er l]a-a-ḫu-u-wa-an-[zi …] […]-zi ˹na-an˺-[…]
Torri 1999: 47f., 76.
150
(3ˈf.) Mit […], mit einem Rohr (und) einem Becher aus Bronze nimmt die Priesterin aus dem Fluss L[ehm ? …] aus dem Wasser auf. (4ˈ) Die Seelen aus Blei sind eingedrückt (5ˈ) […] die Brust (ist) aus Blei, die Brustwarzen, die Knie (sind) aus Blei, die Augen (sind) aus Blei, die Hände (sind) aus Blei (6ˈ) [ein] schwarzer Stier (und) ein Ersatzbild; den Kopf, die Brust, die Brustwarzen, die Knie, die Seele (7ˈ) [den Fu]ß?, die Hände hält man dem Toten(bild) entgegen. Der Opferherr rezitiert. (8ˈ) [Und?] die eingedrückte [Se]ele löst man ab; die Seelen, Augen, die Brust, (9ˈ) [die B]rustwarzen, die Knie zieht man (vor) dem Toten(bild) weg. [Man] nimmt vom Wasser (10ˈ) [und] gießt [es?] auf den Stier (und) auf das Ersatzbild. Der Opferherr nimmt den Stier und das Ersatzbild (11ˈ) [we]g und er rezitiert dabei. Den Stier und das Ersatzbild weg (12ˈ) [-]t man; jene aber begießt/füllt man wieder? mit Öl und Honig (13ˈ) [und] händigt sie dem Himmelsgott wieder aus. (14ˈ) […] den? St[ier] (und) das Ersatzbild, den? Kopf, die Brustwarzen, die Brust, die Knie, die Händ[e] (15ˈ) [… z]u Ereškigal, Allani, Lelwa[ni] (16ˈ) […] sie aber zieht man weg […] (17ˈ) [… darauf g]ießt [man …] (18ˈ) […-]t man und ihn […]428
Hierbei handelt es sich um ein Ersatzritual, in dem ein Stier und ein Ersatzbild für den Opfermandanten aufgestellt wurden. Wahrscheinlich war der Opferherr in Kontakt mit einem Totengeist getreten und anhand dieses bösen Einflusses litt er an einem Übel. Demnach wurden die Kulthandlungen auch vor den Unterweltsgottheiten erneut durchgeführt. Der Lehm kann die Unreinheit des Patienten symbolisieren, die abgeschrubbt werden musste.429 Daraufhin werden mehrere Körperteile aufgelistet, die vor die Toten zu halten und dann zu entfernen waren. Besonders fällt hier die
428 429
Siehe auch die zum Teil abweichende Übersetzung von Torri 1999: 48 und die Übersetzung von Kapeluś 2010a: 267 (nur Vs. 4-9). Zu dieser Funktion des Lehms s. z.B. das Ritual des Flusses der Tunnawiya KUB VII 53++ (CTH 409.I.A; s. Cornil 1999: 7-16) Vs. I 30ff.: nu-kán ka-aaš IM-aš (31) ku-e-ez wa-ap-pu-wa-az da-an-za nu zi-ik wa-ap-pu-aš DMAḪ tue-el (32) ŠUTI-ka da-a nu ku-u-un EN.SISKUR a-pé-e-ez ša-pí-ya-i na-an 12 UZU ÚR (33) pár-ku-nu-ut „Und diesen Lehm, von welchem Quellrand er genommen ist, nimm du, Ḫannaḫanna des Quellrandes, in deine Hand und mit jenem schrubbe diesem Ritualherrn (die Unreinheit) ab; ihn, (seine) zwölf Körperteile, reinige!“ (vgl. Haas 2003a: 173; zur Deutung von wappu- als „Quellrand“ s. Miller 2008b: 209 Anm. 96).
151
„Seele“ (ZI) auf, bei der es sich um ein Objekt aus unterschiedlichen Materialien gehandelt haben könnte,430 das sich in/auf die Brust der Statue eines Toten anbringen lässt.431 Schließlich lassen die in diesem Ritual vorkommenden Elemente an Reinigung (Wasser), an die Unterwelt (GIDIM, die Gottheiten Ereškigal, Allani und Lelwani und wahrscheinlich auch der Stier als Substitut432) und an die Anlockungsriten (Öl und Honig) 433 denken. GIDIM muss sich auf eine Statue des Toten beziehen, die mit allen anderen materiellen Darstellungen (Bildnissen der Körperteile, Stier und Ersatzbild des Opfermandanten) in konkreten Zusammenhang gebracht wird. Ein weiteres Beispiel ist im fragmentarisch erhaltenen Ritual KBo XLIV 47 (CTH 470.1157)434 zu finden: 2ˈ) 3ˈ) 4ˈ) 5ˈ) 6ˈ) 7ˈ) 8ˈ) 9ˈ) 10ˈ) 11ˈ) 12ˈ) 430 431
432
433 434
[…] x ḫa-aš-˹ša˺-x[…] […GI]DIM a-ša-aš-ḫi x x[…] […wa-ap-pu-w]a-aš IM-an da-aḫ-ḫi na-[…] […] ZAG-za ti-iḫ-ḫi nu-kán a-a-[pi-ti ? …] […] x x […i]š?-ḫu-u-a-i KÙ. BABBAR GUŠKIN[…] […a]-˹a-pí˺ -t[i GAM-a]n-ta III-ŠÚ ŠUM G[IDIM…] […a]-˹a˺-pí-ti-i GAM[-a]n-˹ta˺ ḫu-˹kán˺-z[i …] [… -z]i na-at I GIDIM […] x […] [… E]GIR -ŠÚ-ma pé-r[a-an …] […] DUGḫu-u-da-a[n?-ni …] […] an-da iš-ḫu[-u-a-i ? …]
Siehe Kapeluś 2010a mit der dort zitierten Bibliographie. Dies ist sichtbar in den Anweisungen für eine rituelle Handlung in Bezug auf den Kult für die verstorbenen Mitglieder einer Familie KUB LV 54(++) (CTH 652; zur Transliteration s. Groddek 2002b: 96-99): Dort wird die goldene „Seele“ (ZI) von mD UTU-liya in/auf der Brust der Statue des letzteren fixiert (Rs. III 6ˈf. und IV 13ˈ: ZI mD UTU-liya A-NA mDUTU-liya GABA-ši an-da i-ya-anzi; zur Verwendung von anda s. Miller 2004: 112). Zur näheren Betrachtung dieses Textes s. Anm. 1249. Siehe Haas 2003a: 427 „als tarpalli-Substitute für die Unterwelt fungieren in dem Ritual CTH 448 ein Stier und ein Widder, auf welche die gegen den Ritualherrn Tutḫaliya IV. gerichteten Malediktionen übertragen werden. Zusammen mit Mineralien werden sie der Sonnengöttin der Erde, d.h. der Unterwelt, übergeben.“ Ibid. 501. Zur Transliteration s. Roszkowska-Mutschler 2007: 41f.
152
13ˈ)
[…] x […]
(2ˈ) Feuerstelle ? (3ˈ) [… das To]ten(bild ?) setze ich hin […] (4ˈ) […] den Lehm [des Quellrande]s nehme ich und […] (5ˈ) […] rechts stelle ich und in die? Opfergr[ube …] (6ˈ) [… s]chüttet er/sie; Silber, Gold […] (7ˈ) […un]ten [in] d[er O]pfergrube dreimal den Namen des T[oten …] (8ˈ) […] unten in der [O]pfergrube schlachtet ma[n] […] (9ˈ) […] und es ein Toten(bild?) […] (10ˈ) [… h]interher aber (da)vo[r …] (11ˈ) […] ḫudan[ni]-Gefäß […] (12ˈ) […] schütt[et er/sie] hinein […]
Bereits der Z. 3ˈ ist zu entnehmen, dass GIDIM ein Bild/eine Statue bezeichnet. Das Verb ašaš-/ašeš- „(hin)setzen, sich setzen lassen; ansiedeln; besiedeln“ ist nämlich nur in konkreten Zusammenhängen belegt, insbesondere in Verbindung mit Götterstatuen. 435 Der Lehm wird auch hier erwähnt, seine Funktion als „Unreinheitsschrubber“ ist aber aufgrund des fragmentarischen Kontextes nicht festzustellen. Bei der Übersetzung von wappu- durch „Quellrand“ wird auf Miller 2008b: 209 Anm. 96 verwiesen: Ihm zufolge bedeutet wappu- eigentlich nicht mehr als „Übergang zwischen Land und Wasser“, sei das Gewässer nun ein Meer, ein Fluss oder eine Quelle. Gerade die Quelle aber dient bei den Hethitern als Tor zur Unterwelt: Diese Interpretation passt in den Zusammenhang dieses Textes: vermutlich die Anrufung eines Toten. HW2 III 625a versteht dieses Fragment als ein Totenritual. Die belegten Elemente deuten jedoch eher auf ein Ritual für einen oder mehrere Toten hin: Insbesondere fällt die Erwähnung „eines“ Toten auf, von dem auch in der Lacuna in Z. 3ˈ die Rede gewesen sein dürfte. Die Angabe der Zahl könnte darauf verweisen, dass mehrere Totengeister im Spiel waren. Auf diese Weise lässt sich ebenfalls die Nennung des Namens des Toten (Z. 7) deuten. Die Opfergrube, in der „Tiere“ geschlachtet werden und in die Gegenstände/ Materien geschüttet werden, diente vermutlich zur Anlockung der angerufenen Totengeister. Schließlich sind im Folgenden drei Textfragmente zu analysieren: Haas 1994: 396 Anm. 132 zufolge könnten sie zu derselben Tafel gehören, dies lässt sich aber durch ihre unterschiedlichen Fundorte ausschließen:436 435 436
HW2 I 389ff. Fundort von KBo LIX 54 und KBo XXII 105 ist der Große Tempel, während KBo XXIII 19 aus Büyükkale stammt; s. auch Groddek 2014: 45 Anm. 339.
153
A. KBo XXIII 19 (CTH 470.1081) 2ˈ) […] x […] 3ˈ) […] ši-ip-pa-an-[ti …] 4ˈ) […]-an-ta-ri na-at[…] 5ˈ) […] x x [x-r]i ? A-NA GIDIM […] 6ˈ) […]x ši-ip-˹pa˺-an-ti […] 7ˈ) 8ˈ) 9ˈ)
[…A-N]A GIDIM a-da-an-na pé-eḫ-ḫi […] […na]m!?-ma Ú-NU-TU4 EGIR-an ḫar-kán-[zi …] […-e]š-ni na-a-aḫ-ḫi nam-˹ma˺ A-NA DINGIRL[Ì…]
10ˈ) 11ˈ) 12ˈ)
[… -š]a-an DIš-ḫa-ra-az x[…] […-š]a-an i-ya-mi ˹x-x˺ […] [… URUD]U?437GÍR ni-x[…]438
(3ˈ) [… er/sie] libier[t…] (4ˈ) […Verb ] 3.Pers.Pl. MP/P und es […] (5ˈ) […] dem Toten […] (6ˈ) […] er/sie libiert […] (7ˈ) […de]m Toten gebe ich zu essen […] (8ˈ) […] aber? Gerät häl[t man] dahin[ter …] (9ˈ) […] ich wende; ferner zur Gotthei[t…] (10ˈ) […] von/durch Išḫara […] (11ˈ) […] ich mache […] (12ˈ) […] Messer […] B. KBo LIX 54 (CTH 487) 439 x+1) […]x-an {Ras.} […] 2ˈ) […MUNUS]ŠU.GI GIDIM KASKAL-az […] 3ˈ) […]-a-az-zi nu zi-[…] 4ˈ) […]x TÚGNÍG . LÁMMEŠ x[…] 5ˈ) […]-zi še-˹er˺-r[a-aš-ša-an…] 6ˈ) […] DIš-ḫa-ra-m[a …] 7ˈ) [… I]V 440-ŠU IŠ-T[U …] 8ˈ) […]x-˹ši˺(-)[ ]x […] (x+1) […] ? […] (2ˈ) [… die] Priesterin den Toten vom Weg […] (3ˈ) […] Verb 3. Pers. Sing. und […] (4ˈ) […] kostbare Gewänder […] (5ˈ) [… und] darüber […] (6ˈ) […] Išḫara ab[er …] (7ˈ) [… vi]ermal mi[t …] (8ˈ) […] ? […]
437 438 439 440
Die Zeichenspuren deuten auch auf GIŠ hin. Zu Zz. 7ˈ-10ˈ s. Prechel 1996: 131 Anm. 324. Zur Transliteration s. Groddek 2014: 45 mit Anmerkungen. Oder [… V]I-ŠU.
154
C. KBo XXII 105 (CTH 487) 441 Vs. x+1) [… -z]i 2ˈ) […]xḪI.A 3ˈ) […]x ḫu-da-aš 4ˈ) […]x x an-da 5ˈ) […DINGIR ]˹MEŠ˺.MUNUSMEŠ-ya 6ˈ) […]-x-ne-eš 7ˈ) […] 8ˈ) […D]Iš-ḫa-ra 9ˈ) [… ]x442 ḫu-u-da-ya-wa-ra-aš-˹ma-aš˺ 10ˈ) […]x-na-an e-eš-tu 11ˈ) […] SÍSKUR an-da aš-šu-li 12ˈ) […] ne-eš-ḫu-ut
441 442
443
444
Rs. 1) 2) 3) 4) 5)
[… -m]a A-NA EN.SÍSKUR ŠÈR.˹ŠÈR˺ [… -Š]U Ù ŠA GÌR-ŠU ar-ḫa da-a-i […] na-aš-ši-kán du-wa-ar-na-i […n]a-aš443 QA-TAM-MA-pát me-ma-i [… QA-]TAM-MA-pát i-ya-az-zi
6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13)
[…] da-a-i GIDIM 444-ya ša-ra-a […DI]š-ḫa-ra-an A-NA GIDIM […]x ar-ḫa kar-ša-at-ti […]x MUNUS˹ŠU˺.GI […]-˹i˺ ka-a-ša […]x GIDIM-ya […]x-nu-nu-un […] x x x-˹an˺
Siehe Groddek 2008a: 96f. und Prechel 1996: 131 Anm. 325 (nur Vs. 8ˈ12ˈund Rs. 1-8). Hier liest Groddek 2008a: 96 ergänzend Ú-U]L: Dies wäre auf der Basis der Zeichenreste zwar möglich, lässt sich aber mit der darauffolgenden Nominalkette nicht in Einklang bringen. Prechel 1996: 131 Anm. 325 liest ergänzend nu-w]a: Dies ist jedoch unwahrscheinlich, da die Verbalform memai im gleichen Satz folgt (s. auch Groddek 2008a: 97 Anm. 269. Hier und in Zz. 7, 11 liest Groddek 2008a: 97 und Anm. 270 ÚKUŠ. Aufgrund des Textzusammenhangs ist aber die Lesung GIDIM vorzuziehen.
155
Vs. (3ˈ) […] die? Eile (4ˈ) […] darin (5ˈ) und die weiblichen [Gottheit]en (6ˈ) […] (7ˈ) […] (8ˈ) Išḫara (9ˈ) […], und er/sie die? Eile ihnen?445: (10ˈ) […] soll sein (11ˈ) […] Opfer hinein in Güte (12ˈ) […] du sollst dich wenden! Rs. (1) […abe]r dem Opferherrn einen Knoten (2) […s]ein […] und (das) von seinem Fuß legt er weg. (3) […] und er/sie zerbricht (es) ihm. (4) […un]d er/sie gerade in dieser Weise spricht: (5) […] eben [in dieser We]ise handelt er/sie. (6) […] er/sie nimmt und den ? Toten oben (7) […die (Akkus.) I]šḫara dem Toten (8) […] er/sie schneidet ab (9) […] die Priesterin (10) […] hier (11) […]und den ? Toten (12) […] Verb. 1.Pers.Sing. Prt. Kaus.? (13) […]
Die Zusammenstellung dieser drei Fragmente lässt sich durch die Belege für die Göttin Išḫara und das Sumerogramm GIDIM begründen. Wegen [AN]A GIDIM adanna peḫḫi, „[de]m Toten gebe ich zu essen“, erinnert das Fragment A: 7ˈ an das Totenritual šalliš waštaiš (s. III.1.2.1), in welchem dem Toten sowohl vor als auch nach der Leichenverbrennung zu essen und zu trinken gegeben wurde. Außerdem lässt sich dieser Ausdruck auch in KUB XXX 28+ (CTH 488) 446 Vs. 26ˈ und Rs. 17447 finden, das ebenfalls ein Totenritual darstellt. Folglich ist davon auszugehen, dass es sich auch bei Fragment A um ein Totenritual handeln könnte. Dies würde jedoch ausschließen, dass das Fragment A zusammen mit B und C demselben Werk angehört. Im Fragment B: 2ˈ ist nämlich der Satz […MUNUS]ŠU.GI GIDIM KASKAL-az […] „[… die] Priesterin den Toten vom Weg“ zu lesen: Dies deutet eher auf ein Ritual des Herbeiziehens hin. Auch die kostbaren Gewänder (Z. 4ˈ) sind wahrscheinlich als wertvolle Opfergaben zu deuten, die den Toten anlocken oder besänftigen sollen. Das Fragment C erweist sich eindeutig nicht als Totenritual: Die Vs. ist wenig ergiebig, SÍSKUR (Z. 11ˈ), aššuli (ibid.) und das Verb nai-/ne- in der 2. Pers. Sing. Imper. (12ˈ) deuten aber vielmehr auf eine Art Heilungs- bzw. Reinigungsritual hin, das zwecks der Wiedergenesung des Patienten durchgeführt wurde. Die Rs. stützt diese Deutung: Der Text handelt zunächst von 445 446 447
Siehe HW2 III 784a: ḫu-u-da-ya-wa-ra-aš-ma-aš? = ḫu-u-da=ya=war=aš= (š)maš Siehe Anm. 612 und Kap. IV.3.2. Vs. 26: [ak-ká]n-ti ku-it a-da-an-n[a …] „Was dem [Tot]en zu esse[n …]“; Rs. 17: […] ak-kán-ti pí-an-zi „dem Toten gibt man […]“, in einem Zusammenhang, in dem vom Essen und Trinken die Rede ist.
156
einem Opfermandanten, worauf ein Knoten in Verbindung mit einem Fuß und einem GIDIM folgen. Die Anwesenheit des Knotens impliziert einen Faden, der vermutlich in den Textlücken erwähnt gewesen ist. Im rituellen Kontext hat jede Art von Verknoten, Verflechten, Spinnen oder Zusammendrehen eines Fadens magisch bindende Eigenschaften. Die mit dem Ritual beauftragte Priesterin hatte die Aufgabe, den Knoten zu lösen oder abzuschneiden. 448 Der Fuß könnte in diesem Text mit einem Faden bzw. Knoten an etwas festgebunden sein. Dies dürfte die Verbindung zwischen dem Patienten und dem Schadenstifter symbolisieren, die es zu brechen galt; oder die schädlichen Stoffe, die aus seinem Körper zu entfernen waren. 449 Etwas Ähnliches findet sich z.B. im Ritual der Ambazzi IBoT II 122+ (CTH 391.2.B),450 in dem etwas Zinn mit einer Bogensehne an der rechten Hand und dem Fuß des Königs festgebunden wurde. Dann wurde das Metall wieder entfernt und auf einer Maus fixiert, um die schädlichen Stoffe auf dieses Tier übertragen zu können. 451 Ein weiteres, ähnliches Beispiel stellt das Ritual der Ambazzi KUB IX 25+ (CTH 391.1.A)452 dar, in dem die verderblichen Substanzen der Opfermandanten durch ein Band beseitigt werden sollten, das von den Füßen zum Kopf und dann über den Rücken gezogen wurde. 453 Diese Ritualhandlung wur448 449
450 451
452 453
Siehe Haas 2003a: 662ff. auch mit Beispieltexten. Falls es hier keinen Schadenstifter gibt, kann das „Gebundensein“ irgendeine Beeinträchtigung des Opferherrn darstellen, die durch das Ritual „gebrochen“ werden soll. Christiansen 2006: 158, 168ff. Zz. 4ˈff. (s. auch KUB IX 25+ Vs. I 34ff.): EGIR-ŠU-kán MUNUSŠU.GI NA[GGA tepu] (5ˈ) SÍGiš-tág-ga-i an-da ḫ[u-u-la-li-i-e-ez-zi] (6ˈ) na-at LUGAL ZAG-ni ŠU[ŠU GÌR-ŠU] (7ˈ) an-da ḫa-ma-an-zi na[m-ma-at-ši-kán] (8ˈ) ar-ḫa da-a-i naat-kán [A-NA PÉŠ.TUR] (9ˈ) da-a-i nu te-ez-zi […] „Danach aber wi[ckelt] die Alte in eine Bogensehne [ein wenig Zi]nn ein. Und man bindet es dem König rechts um [seine] Hand [und seinen Fuß]. Da[nn] nimmt sie [es von ihm] weg, und sie legt es [auf eine Maus]. Und sie spricht: […]“ Zur Übersetzung und Anmerkungen s. Christiansen 2006: 168. Siehe ibid. 34-68, 171-173; García Trabazo 2002: 381-411. Vs. I 14ff. (= Vs. II 15ff. und Rs. III 19ff.): [nu-za SÍG a-ša-ra-an da-a-i] naan-ša-an A-NA B [E-LU-TI] (15) [IŠ-TU GÌRMEŠ-ŠU-NU ke-e-e]z ke-e-ez-zi-ya (16) [A-NA SAG.DU-ŠU ša-ra-a ḫ]u-it-ti-ya-i EGIR-an ka[t-ta-ya-aš-ma-ša-an-k]án (17) [iš-ki-ša-az ḫu-it-ti-y]a-i nam-ma-at-ša-ma-ša-[at-kán] (18) [ar-ḫa da-ai na-an]-ša-an pád-da-ni-i da-a-i / (19) [nu me-ma-i] ar-ḫa-aš-ši-kán i-da-a-
157
de daraufhin auch mit einer Bogensehne und einem Leinentuch wiederholt.454 Schließlich findet sich auch in dem in hethitischer Übersetzung vorliegenden babylonischen „Ritual for Depression“ KUB IV 47 (CTH 432.A)455 eine vergleichbare Reinigungshandlung: Diesmal ist das eingesetzte Mittel ein Dattelpalmenzweig, den sich der Ritualherr um Kopf, Hand und Fuß band, um die ihn bedrängende Betrübnis zu lösen.456 Infolgedessen kann die Anwesenheit eines GIDIM im Fragment C die Annahme stützen, dass der Totengeist den Schadenstifter darstellte, und dass seine Verbindung mit dem Opfermandanten gelöst werden sollte. Falls die Fragmente A-C einen ähnlichen Fall behandeln, wäre das gesamte Ritual ungefähr wie folgt zu beschreiben: Für einen Menschen musste aufgrund irgendeines erfolgten schädlichen Kontaktes mit einem Toten ein Ritual durchgeführt werden, um die Folgen dieser „Kontamination“ abzuwenden. Der Totengeist wurde heraufgezogen und mit Opfergaben bedacht. Daraufhin ließ man ihn von einem Bild o. ä. Besitz ergreifen, damit die Handlungen konkret durchgeführt werden konnten. Der Kern des Rituals besteht in einer magischen Handlung: Der Opferherr wurde zunächst symbolisch mit dem Toten selbst verbunden; daraufhin wurde er von dieser Verbindung befreit.
454 455 456
lu ḫu-it-te-eš-šar (20) [ḫu]-it-ti-ya- SAG.DU-IT ŠUMEŠ-it GÌRMEŠ-it (21) [ḫu]-u-ma-an-te-et UZUÚR -it n[a-a]t [i-d]a-a-la-u-wa-aš (22) [ UN]MEŠ ḫar-pana-al-li-ya-aš [pé-eš-ki] „[Und sie nimmt sich weiße Wolle] und sie [z]ieht sie den He[rren von ihren Füßen von dieser Sei]te und jener Seite [zu ihren Köpfen hinauf und zie]ht [sie ihnen] hinten [vom Rücken her] hin[ab]. Dann [nimmt sie] sie ihnen [weg. Und] sie legt [sie] in den Korb. / [Und sie spricht]: ,Aus ihm heraus [zi]ehe das böse Ziehen – aus dem Kopf, aus den Händen, aus den Füßen, aus [je]dem Glied und [gib e]s den [bö]sen [Mensch]en, den Feinden!ʻ “ Zur Übersetzung und Anmerkungen s. Christiansen 2006: 37. Vs. I 23ff., Vs. II 23ff., Rs. III 28ff. Beckman 2007: 69-81. Vs. I 18ff.: [nu A-NA SAG. DU-ŠÚ] ŠA GIŠGIŠIMMAR (19) an-da PA-an da-a-i na-at III-ŠÚ ḫa-ma-an-ga-[zi na-at A-NA] SAG. DU-ŠÚ (20) ŠU! ZAG-ŠÚ GÌR-ŠÚ-ya anda ḫa-ma-an-ga-zi „(The practitioner) places a date-palm frond [on his/her head] and ties it on three times: he binds [it on] his/her head, on his/her right hand, and on his/her (right) foot.“ Siehe ibid. 74.
158
1.3
GIDIM/akkant-
„Leichnam“
Dieser Abschnitt untersucht zuerst die Textstellen, in denen GIDIM/akkant- zur Bezeichnung des Leichnams eines Menschen verwendet wird. Daraufhin sollen die Problematik der hethitischen Bestattungssitten und die Frage der Abwehr jener Unreinheit, die aus jeder Art Kontakt mit dem Leichnam resultiert, erläutert werden. 1.3.1 Toter als Leichnam im Totenritual šalliš waštaiš Das Totenritual šalliš waštaiš stellt das deutlichste Beispiel für den nahtlosen Übergang von der wörtlichen zur metonymisch übertragenen Bedeutung von GIDIM/akkant- dar, welche sich im Laufe des Rituals vollzieht. Bis zur Leichenverbrennung wird damit nämlich der Leichnam bezeichnet, während danach die Ersatzstatue des Toten gemeint ist. Auch wenn die Texte bzw. Textfragmente der ersten zwei Tage dieses Totenrituals häufig nicht gut erhalten sind, soll im Folgenden der Versuch einer Synopse der Kulthandlungen, die den Toten betreffen, unternommen werden.457 Am ersten Tag nachtsüber wurde die Kulthandlung des Schwenkens eines Ziegenbockes über dem Leichnam durchgeführt: KUB XXX 16+ Vs. I 16) ma-aḫ-ḫa-an-ma GE6-az ki-ša-ri na-aš-ta ak-kán-ti 17) I MÁŠ.GAL še-er ar-ḫa wa-aḫ-nu-wa-an-zi
457
Die Handlungen werden nach Tagen geordnet. Dennoch ist zu vergegenwärtigen, dass die Texte nicht nur nach Tagen, sondern auch nach Tafeln gezählt wurden. Außerdem gibt es mehrere Versionen, die Abweichungen betreffs der Untergliederung der Kulthandlungen zeigen (zur Synopse der Tage des Totenrituals s. IV.1). Infolgedessen wird hier KUB XXX 15++ nicht berücksichtigt, da dieser Text eine Version darstellt, in der die Leichenverbrennung schon in der Nacht auf den 2. Tag geschieht.
159
Wie es aber Nacht wird, schwenken sie einen Ziegenbock über den Toten hinweg. 458
Daraufhin wurde dem Toten zu trinken gegeben. 459 Dem ersten Tag kann wahrscheinlich das Fragment KBo XIII 142 zugeordnet werden: Vs.? I460 3ˈ) [nu a]k-kán-ti TÚGNÍG. LÁMME˹Š˺ ḫa-[an-da-an-zi ?] 4ˈ) [ša-a]š-du-uš-ša iš-pár-ra-an-[zi …] 5ˈ) 6ˈ) 7ˈ) 8ˈ) 9ˈ) 10ˈ)
[na-]aš-ta ak-kán-ti pé-ra-an […]461 [nu ] DUMUMEŠ É.GAL ak-kán-ti […] [IŠ-T]U ḫu-u-up-pár KÙ. BABBAR ŠUMEŠ[-aš wa-a-tar] [p]í-an!(GIŠ)-zi še-er-ra-aš-ša-an [Ì.DÙG.GA an-da] [za]-ap-pa-nu-zu-zi na-aš-ta [ …] [ŠU]MEŠ-uš ar-ra-an-[zi …]
(3ˈ) [Und sie bereiten] die kostbaren Gewänder für den [To]ten vor, (4ˈ) und [sie] breiten das [Be]tt462 aus […] / (5ˈ) [Und] vor dem/n Toten […] (6ˈ-8ˈ) [und] die Palastangestellten geben dem Toten [… mi]t der ḫūpparSchale aus Silber [das Wasser für die] Hände; und darüber [Duftöl] (9ˈ) [trä]ufeln sie hinein und […] (10ˈ) [die Hä]nde wasche[n sie …]“
458 459 460 461 462
Siehe auch Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 49f. KUB XXX 16+ Vs. II 1: nam-ma-aš-ši a-ku-wa-an-[na pí-an-zi] „Ferner [geben sie] ihm (dem Toten) zu trink[en].“ Die Ergänzung der Textlücken geschah aufgrund sehr ähnlicher paralleler Textstellen. Siehe auch Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 204f. Zu Zz. 3ˈ-5ˈ s. auch Dupl. KUB XXXIX 50 5ˈ-7ˈ. Mit Pluralendung, im weiteren Verlauf des Textes aber immer im Sing. belegt: Dabei handelt es sich um das Bett, auf dem der Leichnam in den ersten Phasen des Rituals, vor der Leichenverbrennung, lag.
160
Hier kann die Ausbreitung des Bettes auf die ersten Handlungen am ersten Tag zurückverweisen. Daraufhin wurde Wasser von den Palastangestellten mitgebracht, das unter Hinzufügung von Duftöl wahrscheinlich für die Waschung der Hände der Leiche verwendet wurde. 463 Es lässt sich vermuten, dass der Tisch für die Opfer des Toten ebenfalls am ersten Tag aufgestellt wurde. Daraufhin begannen auch die Handlungen, dem Toten zu „beißen“ und zu trinken zu geben: KUB XXXIX 30 Rs. 6) [nu LÚMEŠ G]IŠBANŠUR ak-kán-ti GIŠBANŠU[R ti-an-zi …] 7) [ak-kán-t]i wa-ga-an-na pí-an-zi464 (6) [Die] Tisch[männer stellen] den Tisc[h] für den Toten (hin) […] (7) dem [Toten] geben sie zu beißen. 14)
[nu ak]-kán-ti a-ku-wa-an-na III-ŠU [pí-an-zi …]
[Und] dem [To]ten [geben sie] dreimal zu trinken. 465
KUB XXX 23++ lässt sich nach der Untersuchung von Kapeluś 2008: 452 dem zweiten Tag zuordnen: Vs. II466 11ˈ) [LÚSA]GI.A-[m]a GAL GUŠKIN da-a-i na-aš-ta ak-kán-za k[(u-e-dani)] 12ˈ) [É.ŠÀ-n]i an-da na-an-kán É.ŠÀ-ni an-da A-NA DUMU É[(.GAL)] 13ˈ) [pa-a-i D]UMU É.GAL-ma-an GIDIM-ti pa-ra-a e-ep-[(zi)]
463 464 465 466
Zum Handwasser für den Toten s. auch das Fragment KUB XXX 17 Vs. 8, das der ersten Phase des Totenrituals zuzuordnen ist (s. Kapeluś 2011a: 154). Siehe auch das Fragment KUB XXXIX 21 Vs. I 8ˈ. Zu KUB XXXIX 30 und KUB XXXIX 21 s. auch Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 244ff. und 220ff. Dupl. KUB XXXIX 27(+) Vs. II 6ˈff.; s. Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 162f. und 189.
161
(11ˈ) [Der Mund]schenk nimmt [ab]er den Becher aus Gold und, in welchem (12ˈf.) [Innengema]ch der Tote drin (ist), [gibt er (der Mundschenk)] ihn (den Becher) dem Palastangestellten in (jenem) Innengemach; der Palast[an]gestellte hält ihn aber dem Toten hin.467
Am zweiten Tag wurde dem Toten immer wieder zu trinken und zu essen gegeben.468 Außerdem wurden vor der Leichenverbrennung noch weitere Kulthandlungen am Leichnam durchgeführt: KBo XXV 184 Vs. II 469 2) … nu-uš-ša-an 3) [ak-kán-ta-aš (p)]u-u-ri-ya-aš še-er pu-u-ri-ya-al IGI ḪI. A-aš 4) [še-er (ša-ku-wa-al)-l]i GUŠKIN ti-an-zi
GUŠKIN A-NA
Und sie legen Lippenblättchen aus Gold auf die Lippen [des Toten] (und) Augenblätt[ch]en aus Gold [auf] die Augen. 58) 59) 60) 61) 62)
[… a]k-kán-ta-an ku-wa-aš-zi [… ša-k]u-wa-al-li GUŠKIN da-a-i [… I?] LÚ-ma-aš-ši GIŠPAN QA-TI-ŠU [GIŠGAG.Ù.TAG ḪI. A da-a-i ma-a-an MU]NUS-za-ma nu-uš-ši {GIŠḫú}la-a-li [GIŠḫu-u-e-ša-an-na QA-TI-ŠU da-a-i] nu-uš-ši TÚGNÍG.LÁMMEŠ
(58) […] den [T]oten küsst er/sie; (59) […] er/sie nimmt [Auge]nblättchen aus Gold (60f.) [… ein] Mann aber legt ihm einen Bogen [(und) Pfeile] in die Hand; [falls] aber eine [Fr]au (ist), [legt er] Spinnrocken (62) [und Spindel in ihre Hand]; und ihr kostbare Gewänder […]470
467 468 469 470
Börker-Klähn 1994: 364 Anm. 64 nimmt dagegen an, dass GIDIM hier die Knochen bezeichnet. KUB XXX 16+ Rs. III 4ˈ und 14ˈf.; KBo XXV 184 Vs. II 5f.; KUB XXX 17 Vs. 9 Dupl. KUB XXXIX 22+ Vs. ! II 6ˈff.; s. Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 86f. und 130f. Siehe auch Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 98f. Der Übersetzung von van den Hout 1995a: 201ff. liegt dagegen die Annahme zugrunde, dass die Leichenverbrennung schon in der Nacht auf den 2. Tag geschehen ist und es demzufolge hier um das Bild des Toten gehen muss.
162
In Bezug auf den Abschluss der dem Leichnam selbst gewidmeten Phase des Totenrituals wird in mehreren Fragmenten, häufig in kaum mehr rekonstruierbaren Zusammenhängen, erwähnt, dass der Leichnam aus dem Haus fortgetragen und zum Verbrennungsplatz gebracht wurde. 471 Soweit von den erhaltenen Hinweisen auszugehen ist, befand sich der Leichnam des Königs472 zuerst im Haus,473 in einem Innengemach auf einem Bett.474 In KUB XXX 17 Vs. 3 und 7475 wird außerdem ein Zelt erwähnt, in dem sich der Tote in der ersten Phase des Totenrituals befand. Eine Information über den Transport des Leichnams vom Ort des Todesfalles zu einem anderen Ort ist jedoch im ganzen Text nicht zu finden. 476
471 472 473
474 475 476
KUB XXXIX 29 Rs. IV 8ˈ; KUB XXX 17 (2. Tag) Vs. 14-16; KUB XXXIX 21 Rs. IV 15ˈf.; KUB XXXIX 46(+) 9ˈ; KUB XXXIX 42 Vs. 2ˈ. Oder der Königin und jedes Mitglieds der königlichen Familie (KUB XXXIX 6 Rs. 14-26; s. IV.3.8). Der erste Hinweis dafür ist am 1. oder am 2. Tag zu finden, in KUB XXXIX 48+ (s. Kapeluś 2011a: 151) Vs. II 5ˈf.: EGIR-ŠU-ma-kán MUNUSŠU.GI É-ri an[da pa-iz-z(i) nu-kán É-ri] (6ˈ) an-da GIDIM-ti pé-ra-an ḫa-aš-ši-i [… da-a-i ?] „Hinterher [geh]t die Ritualistin in[s] Haus, [und] im [Haus stellt? sie …] auf den Herd vor den Toten.“ Im Haus wurden übrigens auch nach der Leichenverbrennung die meisten Kulthandlungen durchgeführt. Zur Diskussion über das „Haus“ im Totenritual šalliš waštaiš und sein Verhältnis zum „Steinhaus“ s. IV.3.1. Zu näherer Berücksichtigung des Bettes und des Innengemachs sowie ihrer Funktionen während des Totenrituals s. IV.3.3. Siehe. Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 214f. Lediglich in den Annalen Muršilis II. KBo IV 4++ (CTH 61.II.5.B; s. Goetze 1933) Vs. I 6ff. (Dupl. KUB XIV 29+ Vs. I 28-30 und KBo X 38 6-8) wird berichtet, dass Šarri-Kušuḫ nach seinem Tod nach Ḫattuša geschickt wurde, um die herkömmlichen Zeremonien für die Toten zu zelebrieren: [(na-aš)] BA. ÚŠ (7) na-an-kán [(URUḪa-at-tu-ši) pé-(e-te-er nu ŠA GIDIMḪI)]. A ku-i-e-eš (8) ša-ak-l[a-a-eš nu-u(š URUḪa-at-tu-ši i-e-er)] „And he (Šarri-Kušuḫ) died. They brought him to Ḫattuša, and whatever rite[s] of the dead there were (to be enacted), [those] they performed in Ḫattuša“ (CHD Š 46a). Darüber hinaus wird im Totenritualtext KUB XXX 27 (CTH 451; s. Otten 1958: 98f.; van den Hout 2002: 85) Vs. 7-9 der Fall behandelt, dass die Knochen eines Toten aus einem fernen Land hergebracht werden. Darauf folgt die Auflistung der Opferritualhandlungen im Anschluss an die Versöhnung des Toten (zur Textstelle s. Anm. 566). Es darf daher als wahrscheinlich gelten, dass auch Šarri-
163
In einigen Textfragmenten aber, die dem ersten oder dem zweiten Tag zuzuordnen sind,477 befindet sich der Tote in der Nähe eines Wagens GIŠ MAR.GÍD.DA 478 bzw. wird in Verbindung mit diesem genannt: Anscheinend wurde dieser Wagen dazu verwendet, die Leiche vom Haus bis zum Verbrennungsplatz zu transportieren. 479 Auch nach der Leichenverbrennung ist ein Wagen belegt, es handelt sich aber um den GIŠGIGIR, auf den die Ersatzstatue des Toten mehrmals gesetzt wurde, um aus dem Haus herausgebracht zu werden. Der GIŠMAR.GÍD.DA ist dagegen nach der Leichenverbrennung nicht mehr im Ritual belegt, während der GIŠGIGIR umgekehrt in den ersten zwei Tagen nie in Erscheinung tritt. Demzufolge lässt sich annehmen, dass von diesen zwei unterschiedlichen Wagen der
477 478
479
Kušuḫs Leichnam zuerst in Karkemiš verbrannt wurde, woraufhin man seine Gebeine nach Ḫattuša schickte. Siehe Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 157-253. Taracha 2000: 121 vermutet, dass GIŠMAR.GÍD.DA dem heth. GIŠašannaš mit der Bedeutung „(Wagen) zum Sitzen“ entspricht. Hagenbuchner 2004: 362 beschreibt den GIŠMAR.GÍD.DA als einen vierrädrigen, schweren (Last)wagen, der in mythologischen und kultischen Texten als Gefährt für Gottheiten belegt ist. Zu einer näheren Spezifizierung von Wagen der Bauart GIŠMAR.GÍD. DA in altbabylonischen und Ur III-Texten s. Civil 1994: 93f. In KUB XXX 17 Vs. 3 wird ein Zelt (GIŠZA.LAM.GAR) erwähnt, dann in Vs. 4 „aus dem Wagen unten“ (GIŠMAR.GÍD.DA kat-t[a]) und in Vs. 7 befindet sich der Tote wahrscheinlich im Zelt (nu ak-kán-ta-an GIŠZA.LAM[.GAR-aš]). Dies bedeutet bereits Otten (1940: 214; 1958: 143) zufolge, dass der akkant- vom Wagen herabgenommen wurde. Dazu ist in KUB XXXIX 21 Rs.! IV 4ˈ zu lesen: [GIM]-an-ma GIDIM-an A-NA GIŠ MAR.GÍD. D[A…] „[Al]s man aber den Toten in den Wage[n setzt ?]. In Z. 12ˈ findet sich wieder die Erwähnung des GIŠ MAR.GÍD. DA, bevor der Tote im darauffolgenden Absatz zum Verbrennungsplatz außerhalb des Hauses gebracht wurde (Zz. 15ˈf.). GIŠMAR .GÍD.DA kann auch in KUB XXXIX 46(+) 6ˈ (GIŠMA[R.GÍD.DA]) belegt sein, in dem von den letzten Handlungen vor der Leichenverbrennung berichtet wird. Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 242 ergänzen dort dagegen GIŠMA[R] „Spaten“ und stufen GIŠMA[R.GÍD.DA] als „less likely“ ein. Einzuwenden ist, dass GIŠMAR „Spaten“ im ganzen erhaltenen Totenritualtext stets neben GIŠAL „Hacke“ belegt ist, während hier dagegen kureššar „Stoffbahn“ zu lesen ist. Aus Hagenbuchners Untersuchung (2004: 361ff.) geht hervor, dass der GIŠ MAR.GÍD. DA nicht als Fahrzeug für das Königspaar diente. Das schließt jedoch die Möglichkeit nicht aus, dass dieser Wagen auch zum Transport des Leichnams des Königs oder der Königin verwendet werden konnte.
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eine (GIŠMAR.GÍD.DA ) für den Leichnam und der andere ( GIŠGIGIR) für die Statue bestimmt war. Ob der GIŠMAR.GÍD.DA -Wagen auch zum Transport der Leiche nach dem Todesfall benutzt wurde, lässt sich aus den Texten nicht mehr ermitteln. 480 1.3.2 Nicht-königliche Tote: Leichenverbrennung oder Bestattung? Im Instruktionstext Arnuwandas I. KBo XIII 58 (CTH 257.1.A) 481 Rs. III482 findet sich ein eindrückliches Beispiel für akkant- im Sinne von „Leichnam“, ohne jede Verbindung mit dem königlichen Hof: 7ˈ)
480
481 482 483
ma-a-an I-NA UD III483KAM n[a-a]š-ma I-N[A UD URULÍ)]
XKAM ( LÚ M) AŠK(IM
Ein Hinweis auf den Transport eines Toten (Leichnams?) lässt sich im fragmentarischen KUB XXXIX 52+ (CTH 456.1.A) Vs. II 13ˈ finden. In Vs. ist jeder Satz zu früh abgebrochen, als dass der Zusammenhang verständlich werden würde. In Vs. II 6ˈ ist zu lesen: GIDIM ak-kán[-?...]. Kümmel 1969: 320 fasst dies als „voll komplementiertes Ideogramm?“ auf. Dieser Beleg bleibt unklar, es sei denn, man denkt an die Formen akkannaš (Gen.), akkanni (Dat.Lok.), akkanaza (Abl.) aus aggatar „Tod“ (s. HW2 52f.). Daraufhin lautet Vs. II 13ˈf.: […] a-pu-u-un GIDIM du-ud-du-u[m-mi-li …] (14ˈ) [ar-ḫ]a pé-e-daan-[z]i nu-uš-ši T[E?...] „ (13ˈ) […] jenen Toten leise/heiml[ich…] (14ˈ) […] man brin[g]t [we]g und ihm […].“ Kümmel (ibid.) ergänzt Z. 13ˈ […] apūn GIDIM duddu[mmili ḫappiriaz…], d.h. bringt man den Toten „aus der Stadt“ weg. Fraglich bleibt jedoch, ob der Tote Objekt des Verbs arḫa pēdanzi ist. Daraufhin ist von einer unklaren Anweisung hinsichtlich der Übernachtung (KUB IX 15+ Vs. II 10ˈff.) und von Ritualvorschriften betreffs der Pflege der Statuen, der Tempel und anderer Gebäude die Rede (Vs. II 24ff. und Rs. III; zu einer eingehenden Behandlung der einzelnen Textpassagen s. Cohen 2002: 134ff. und Taggar-Cohen 2006: 18ff.). In Rs. III 8ˈ ist das É.ŠÀ „Innengemach“ belegt und in Z. 9ˈ lässt sich nu-kán ak-[kán?- …] lesen: Dabei könnte es sich um das Innengemach des Steinhauses mit den Knochen des Toten im Totenritual šalliš waštaiš handeln, es gibt aber keine weiteren Hinweise im Text für diese Deutung. Zur letzten Edition s. Miller 2013: 182-193. Dupl. KBo X 5 Rs. III 2ˈ-8ˈ. Im Dupl. KBo X 5 Rs. III 2ˈ Zahl V.
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8ˈ) 9ˈ) 10ˈ) 11ˈ) 12ˈ)
Ḫa-at-tu-ša-an Ú-UL ú-˹e˺-[(ḫ)i-i(š-ke-ez-zi)] nu ma-a-an A-NA LÚḪA-ZA-AN-NI EGI[R-pa (ku-iš-ki)] me-ma-i ak-kán-za-wa-kán URUḪa-a[(t-t)u-ši še-er] ki-it-ta-ri nu LÚḪA-ZA-AN-NU LÚ< MA>ŠK[IM URU] wa-aš-du-li e-ep-zi […] URU
If the [(city co)mmission(er)] does not p[at(rol)] Ḫattuša every 3 484 [o]r […] days, and if there[after (someone)] says to the mayor: „A corpse is lying [up in] Ḫa[(tt)uša]“, then the mayor shall catch the [city] mis[sioner] in his misdeed. (Übersetzung von Miller 2013, 187)
Diese Textstelle enthält Vorschriften für den Fall, wenn ein Leichnam in den Straßen von Ḫattuša gefunden wurde. Dabei handelt es sich um Regeln, die allgemein die Hygiene der Stadt betrafen und dementsprechend auf die Vermeidung der Gefahr von Unreinheit abzielten.485 Die Datierung des Instruktionstextes selbst ist mittelhethitisch, wobei die Tafeln auf neuhethitisch verfasst sind. Es lässt sich infolgedessen vermuten, dass gleiche Vorschriften ab Arnuwanda I. bis zum Ende der hethitischen Zeit galten. Die Bedeutung von akkant- ist hier eindeutig „Leichnam“. Laut Vorschrift durfte ein Leichnam nicht mehr als 3 bis 5 Tage auf den Straßen liegen. Aufgabe des Stadtkommissars war es, Patroullien in der Stadt zu unterhalten, um (u. a.) den Abtransport verstorbener Menschen zu gewährleisten. Was danach mit diesen passierte und was für eine Behandlung überhaupt „normal Sterbliche“ erfuhren, wird im Text nicht erwähnt. Im Gegensatz zu den detaillierten Informationen über Mitglieder der königlichen Familie ist unbekannt, ob die armen Menschen aus der Bevölkerung irgendwohin abtransportiert wurden oder ob sie an Ort und Stelle zu verbrennen bzw. zu begraben waren. Die Leichenverbrennung für die königlichen Toten schließt nämlich die Möglichkeit nicht aus, dass daneben auch Erdbestattungen für die Bevölkerung ausgeführt wurden. 486 Ei-
484 485 486
Oder „5“: Siehe die vorangehende Anm. Zur Unreinheit, die jeder Kontakt mit dem Toten verursacht, s. III.1.3.3. Die Repräsentativität des Totenrituals šalliš waštaiš kann aber in Frage gestellt werden. Es lässt sich nämlich nicht beweisen, dass dieses Totenritual bereits vom Anfang des Reiches an die standardisierte Totenbehandlung für die
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nige ausgegrabene Orte, in denen es Nekropolen gibt, bestätigen eine solche Möglichkeit. 487 Osmankayası und Bağlarbaşıkayası befinden sich nördlich von Ḫattuša. Bei beiden handelt es sich wahrscheinlich um Gräberfelder außerhalb der Stadtmauern: Diese Stätten deuten auf gleichzeitig praktizierte Verbrennungs- und Erdbestattungssitten hin.488 Gordion, eine weitere mutmaßliche Nekropole 200 km westlich von Ankara, weist ebenfalls Spuren beider Bräuche auf; allerdings wurde die Verbrennung erst in der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends eingeführt. In Ilıca ist nur die Verbrennung belegt, 489 in Kazankaya (nördlich von Boğazköy) hingegen ausschließlich die Erdbestattung. Ausführliche paläo-anthropologischen Untersuchungen von Skelettfunden wurden in Osmankayası durchgeführt.490 Das an diesen Skeletten festgestellte durchschnittliche Alter beim
487 488
489
490
königliche Familie darstellte. Aus dem Testament Ḫattušilis I. KUB I 16+ (CTH 6; s. zuletzt Gilan 2015,: 67-99) Rs. III stammt z.B. ein Beleg, der auf die Erdbestattung des Königs hinzuweisen scheint. Die Textstelle mit den Worten Ḫattušilis I. an die Frau Ḫastayar lautet: 71) SIG5-an[-za-mu ar-ri] 72) [tág-ga-n]i-ya-ta-mu-za-pa an-d[a ḫar-ak] nu-mu tág-ga-[ni-ya-ta] 73) ták-na-az pa-aḫ[-š]i […] „Wasche mich gut, halte mich an deiner Brust, und deine Brust schütze mich vor der Erde!” (Übersetzung von Klinger 2005: 146) Am Anfang des hethitischen Reiches kann daher die Erdbestattung für den König vorgesehen gewesen sein, obwohl die Möglichkeit jedoch nicht auszuschließen ist, dass durch die Erwähnung der „Erde“ auf die Unterwelt als Aufenthaltsort der Toten Bezug genommen wird. Als interessant erweist sich auch, dass im Totenritual šalliš waštaiš ein Raum des Steinhauses mit Bett und Lampe ausgestattet wurde, damit die Knochen des Toten auf das Bett vor der Lampe gelegt werden konnten (KUB XXX 15++ Vs. 21ff.). Dies darf auch als Hinweis auf eine Zeit angesehen werden, in der die Erdbestattung der Leiche statt der Verbrennung praktiziert wurde. Zu einer Zusammenfassung und der diesbezüglichen Bibliographie s. van den Hout 1994: 53-56; zuletzt Seeher 2015: 230-232. Mindestens 71 Kremationen, bei denen die Asche in Gefäßen beigesetzt worden ist, wurden in Osmankayası neben wenigstens 22 Körperbestattungen registriert; s. Seeher 2015: 231. Die einzige Ausnahme ist ein Kistengrab; s. van den Hout 1994: 54. Aus der Mittelbronzezeit sind nur 4 Körperbestattungen neben 127 Kremationen in Gefäßen belegt; s. Seeher 2015: 231. Siehe Schaeuble 1958: 35-59.
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Eintritt des Todes liegt zwischen 14 und 20 Jahren. In Anlehnung an van den Hout 1994: 55 erweist sich diese Angabe als auffällig, da die Menschen der höchsten sozialen Schichten nach den schriftlichen Quellen des 14. und 13. Jahrhunderts eindeutig mehr als 30-35 Jahre leben konnten. Osmankayası lässt sich folglich als „Friedhof“ für die Ärmsten betrachten.491 Ist davon auszugehen, dass für die Bevölkerung die Erdbestattung vorgesehen war?492 Im Sonderfall des Todes durch Blitzschlag wurde anscheinend die Erdbestattung praktiziert: KBo XVII 78 (CTH 652) 493 Vs. 1) [ma-a-a]n DX-aš ḫa-tu-ga te-et-ḫa-a-i nu an-[t]u-uḫ-ša-an 2) [na-aš-š]u a-aš-ki an-da na-aš-ma dam-me-li pé-di na-aš-ma-kán É-ri 3) [an-d]a GUL-aḫ-zi na-aš a-ki nu-uš-ši-iš-ša-an ku-it NÍ.TE-ši 4) [an-d]a ú-e-mi-iz-zi na-at šu-up-pi-ya-aḫ-ta-ri-pát 5) [ar?-ḫ]a?-ši-kán ú-ul ku-iš-ki ku-it-ki da-a-i 6) 7) 8)
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[nu LÚ] DX ki-iš-ša-an i-ya-zi ma-a-an dam-me-li pé-di [a-p]u-u-un an-tu-uḫ-ša-an LÚ DX ša-ra-a da-a-i na-an a-ra-aḫza [pé]-e-da-i na-an pa-iz-zi ḫa-ri-ya-zi
Siehe aber van den Hout 1994: 55f., der trotz der einfachen Gräber zu Recht anmerkt, dass „as no significantly different burials have been found either in Boğazköy/Ḫattuša or anywhere else in Anatolia in the same period, the possibility must be taken into consideration that we could also be dealing with a custom of simple burial. It may be that whatever the popular belief in an afterlife was, if any, no real importance was attached to a rich burial.“ Für die Mittelbronzezeit stellt die Nekropole Demircihüyük-Sarıket (25 km westlich von Eskiṣehir; s. Seeher 2000: 224-226) eine Besonderheit dar: In drei Fällen wurden die Aschen von Kremationen als Nachbestattung in Pithoi mit Körperbestattungen beigesetzt. Darüber hinaus sind in dieser Nekropole auch 71 Gräber mit Körperbestattungen und 4 Kremationen in Urnen zu finden. Aufgrund des gemeinsamen Belegs beider Bestattungsformen sogar im selben Grab nimmt Seeher 1993: 219ff. an, dass daraus nicht etwa unterschiedliche religiöse Vorstellungen zu schließen sind. Vielmehr würde der unterschiedliche Status bestimmter Menschen auch im Tod durch unterschiedliche Behandlung des Leichnams zum Ausdruck gebracht. Ünal 1998: 73ff.
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(1) [Wen]n der Wettergott schrecklich donnert, und er einen Men[s]chen (2) [entwed]er im Tor drinnen oder an einem (von Menschenhand) unberührten Ort, oder zu Hause (3f.) [drinn]en schlägt, und dieser stirbt, reinigt er (der Mann des Wettergottes) gerade das, was er [be]i seinem Körper findet. (5) Niemand nimmt ihm etwas [we]g. / (6-8) [Und der Mann] des Wettergottes handelt folgendermaßen: Wenn der Mann des Wettergottes jenen Menschen an einem (von Menschenhand) unberührten Ort aufhebt, bringt er ihn hinaus und später vergräbt er (ihn). 494
Anschließend war ein Ritus mit einem Ziegenbock durchzuführen. Daraufhin wurde vorgeschrieben, dass die anderen Menschen, die unmittelbar daneben starben, ebenfalls aufzuheben waren. Der Mann des Wettergottes sollte in deren Häuser gehen, vermutlich um die Reinigungsrituale zu vollziehen. Dann wird der Text fragmentarisch. Diese Textstelle bezeugt die Möglichkeit der Körperbestattung bei den Hethitern. Aufgrund der Einmaligkeit eines solchen Belegs in den hethitischen Texten sei hier jedoch vorgeschlagen, dass der behandelte Fall einen Sonderfall in Verbindung mit dem donnernden Wettergott darstellt.495 Im Vergleich zu anderen Stellen, in denen von „Toten“ (GIDIM/ akkant-) die Rede ist, fällt hier die Verwendung des Sumerogrammes NÍ.TE „Körper“ zur Bezeichnung des Leichnams auf. NÍ.TE, heth. tuekka-, kann sich in den Texten auf den „Körper, Leib“ oder auf die „Person“ (auch übersetzt mit „Selbst“) beziehen.496 Lediglich in KBo XVII 78 bezeichnet es zweifellos den Leichnam. Der Text selbst stellt kein Totenritual dar, sondern ein durchzuführendes Reinigungsritual, das man für erforderlich hielt, wenn der zornige Wettergott einen Menschen durch seinen Blitzschlag getötet hatte. 497 Keine Verbindung mit dem Verstorbenen wird hergestellt; die Aufmerksamkeit ist auf den Zorn des Wettergottes gerichtet, und dies zeigt sich auch durch die Anwesenheit des Mannes des
494 495
496 497
Vergleiche Haas 2000: 54. Haas (ibid.) nimmt dagegen an, dass es sich dabei um eine Art Katharsis des Toten handeln müsse, wenn der Ritus mit dem Ziegenbock in Verbindung mit dem Schwenken eines Ziegenbockes über den toten König am Abend des 1. Tages des Totenrituals šalliš waštaiš gebracht wird. HEG III T, D 401-405; s. auch Kammenhuber 1965: 184-222. Ich bedanke mich bei F. Barsacchi, der mit vielen Anregungen zu dieser Diskussion beigetragen hat.
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Wettergottes. Der Tote erweist sich als bloßer Träger von Unreinheit, und vermutlich deswegen wird sein Leichnam als „Körper“ bezeichnet. Warum wird er aber begraben und nicht verbrannt, wenn doch eine Kontamination durch den Blitzschlag selbst wie auch der aus der Leiche stammenden Unreinheit zu vermeiden war? Dies passt gut zu der Tatsache, dass auch in vielen Ritualen mit Unreinheit beladene Gegenstände vergraben wurden, um diese in die Unterwelt zu verbannen. 498 Im Telipinu-Mythos KUB XVII 10+ (CTH 324)499 Rs. IV 14ff. schloss der Wettergottmann Telipinus Wut, Zorn, Frevel und Ärger in bronzene palḫi-Gefäße in der dunklen Erde ein, damit nichts wieder hervorkommen konnte. Das Szenario von KBo XVII 78 sieht infolgedessen so aus, dass der Körper des vom Blitz erschlagenen Menschen begraben wurde, um die Unreinheit in die Unterwelt zu schicken. Darüber hinaus wurde dieses Ritual gerade in den Fällen durchgeführt, in denen der Mensch weit entfernt von der Gemeinschaft („an einem (von Menschenhand) unberührten Ort“) gestorben war: Auf diese Weise wurde die Gefahr von Kontamination durch Unreinheit gebannt. Auf Basis der dargelegten Deutung erhebt sich eine weitere Frage: Wenn alle Unreinheit in die Unterwelt geschickt wurde, warum und vor allem was reinigte der Mann des Wettergottes an dem Leichnam? Die Gegenüberstellung von KBo XVII 78 Vs. 1-8 mit dem zuvor betrachteten Instruktionstext Arnuwandas I. KBo XIII 58 Rs. III 7ˈ-12ˈ kann hier einen Denkanstoß liefern. Dort ist nämlich nicht von NÍ.TE, sondern von akkant(Z. 10ˈ) die Rede, auch wenn die Vorschriften ebenfalls auf die Vermeidung der Gefahr von Unreinheit abzielten. Hierzu ist eine Information aus dem ersten Tag des Totenrituals šalliš waštaiš von Interesse, nämlich dass die Seele des Toten aus dem Körper zu befreien sei, indem ein Pflugrind geschlachtet und die Seele in dieses Rind hinabgelassen werde. 500 Aus diesen Elementen ergibt sich die folgende Deutung: Bei akkant- kann es sich um eine gestorbene Person handeln, deren Körper von ihrer Seele
498
499 500
Siehe z.B. das Ritual der Alli von Arzawa gegen Behexung KUB XXIV 9+ (CTH 402; im Hethiter-Portal s. CITATIO: Mouton (ed.), hethiter.net/: CTH 402) Vs. II 18ˈff. Im Hethiter-Portal s. CITATIO: Rieken et al. (ed.), hethiter.net/: CTH 324.1. KUB XXX 16+ Vs. I 9-15; s. Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 47ff.
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noch bewohnt ist.501 NÍ.TE darf dagegen den Leichnam als bloßes Objekt bezeichnen, ohne dass dieser noch mit der Seele in Verbindung zu bringen wäre. In Frage zu stellen ist dabei allerdings, ob bei den Hethitern die Seele das lebendige Wesen eines Menschen darstellte. Ein weiterer zu analysierender Text, diesmal mit einem Beleg für die Leichenverbrennung, ist das sogenannte medizinische Ritual des Zelliya KUB XXX 26 (CTH 783.1): 502 Vs. I 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11)
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504 505
UM-MA mZe-el-li-ya LÚ URUKu-úr-kán-za
ma-a-an UN-an Iš-ḫa-ra-az GIG-zi na-aš {AN?} iš-ḫa-ri-iš-ḫa-ri nam-ma-aš a-ki LÚ MU-SÀ-ŠU 503 -ma-aš-ši A-NA NINDA KAŠ an-da ú-e-ri-ya-an-za eeš-ta nu ak-kán-ti EGIR-an-da ki-iš-ša-an i-ya-mi da-aḫ-ḫi-ma ki-i D
II TÚG BABBAR II TA-PAL TÚG GÚ.È.A GADA504 I GIŠŠÚ. A I GIŠ BANŠUR AD. KID I TÚGku-re-eš-šar BABBAR I GÍN.GÍN KÙ. BABBAR I GÍN.GÍN GUŠKIN II GÍR ZA[ BAR…]x-ma505 II GAL ZABAR I NAM-MA-AN -TUM Ì.GIŠ I NAM-MA-AN-TUM LÀ[L …] I UP-NU GEŠTIN ḪÁD. DU. A I UP-NU GIŠLAM. ḪAL II GIŠ MA.SÁ. AB ḫalk[i ?- …] šu-u-wa-an-te-eš ŠÀBA I GIŠMA.SÁ. AB ZÍZ šu-u-an-za [I GIŠMA.SÁ. ABma…] ŠE šu-u-an-za I SÍGtar-pa-la-aš SÍG SA5 I SÍGta[r-pa-la-aš …] II SÍGki-iš-ri-iš ŠU-ŠI NINDA.GUR4.RAḪI. A ŠA I UP[-NI …]
Obwohl beim Totenritual šalliš waštaiš die Seele aus dem Körper befreit wird, bezeichnet akkant- danach jedoch den Toten. Dies lässt sich so erklären, dass die Seele die ganze Zeit bei dem Toten (Leichnam und Ersatzbild) bleibt und neben ihm mit Opfern bedacht wird. Otten 1958: 100ff. KBo IX 116 Vs. 1-3 ist Duplikat zu KUB XXX 26 Vs. I 1-3 (mit kleinen Abweichungen), wobei seine Fortsetzung einige bedeutende Varianten zeigt. Bei dem akk. Wort handelt es sich um (LÚ)mutu(m) „Mann, Ehemann, Gatte“. Hier ist auf die fehlerhafte Doppelsetzung der Poss.-Suffixe -ša und -šu hinzuweisen. Zu seiner Verwendung als Nom. s. Beckman 1983: 153. Das Zeichen wurde oberhalb der Zeile nachgetragen. […]x-ma ist im Interkolumnium geschrieben und kann auch einer der darauffolgenden Zeilen angehören.
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12) 13) 14) 15) 16)
ŠA III UP -NI
I ku-gul-la-aš ŠA BAPPIR X D [UG…] I ÚTUL I DUG *A* ši-ḫe-el-li-ya-aš A-NA x[…] ki-i ḫu-u-ma-an ḫa-an-da-a-mi nu-kán x[…] EGIR -an BA. ÚŠ nu ki-i SISKUR A-N [A…] ki-iš-ša-an […?]
17) 18) 19)
ma-aḫ-ḫa-an ne-ku-uz me-ḫ[ur …] ḫa-a-ni-ya-mi m[a-a]ḫ-ḫa-an […] te-eḫ-ḫi pé-e[(-) …]
Rs. IV 2ˈ) 3ˈ) 4ˈ) 5ˈ)
a-ru-ri[-…] ta-a-ar-r[i- …] ḫu-ut506-me-na-an-ni[ …] u-ru-un-ni-na-m[a?…]
6ˈ) 7ˈ) 8ˈ)
nu ma-aḫ-ḫa-an ki-i u[d-da-a-ar …] nu GIDIM a-ra-aḫ-za pé-e[-da-i …] na-an ar-ḫa wa-ar-nu-m[i …]
9ˈ) 10ˈ) 11ˈ) 12ˈ)
[l]u-uk-kat-ti-ma A-NA DINGIRLÌ […] [u]d-da-a-ar-ma ki-i-pát an-d[a me-ma-i…] kar-ap-ta-ri nu-za ú-ez-zi […] QA-TI 507
DUG
Vs. I 1ff.: Folgendermaßen (spricht) Zelliya, der Mann aus der Stadt Kurkanza: Wenn eine Frau 508 (2) von der Göttin Išḫara her Krankheit befällt, und sie die Krankheit von Išḫara bekommt, daraufhin stirbt, (3) ihr! Gatte
506 507
508
Trémouille 2005: 112 liest dagegen TAM. Im Kolophon Rs. IV 13ˈf. ist zu lesen: ŠU m An-gul-li LÚDUB.SAR DUMU m Pall[a-a] (14ˈ) PA-NI mA-nu-wa-an-za LÚDUB.SAR ŠA É.G [ALLÌ]. „Hand des Angulli, des Tafelschreibers, des Sohnes des Pall[a], vor Anuwanza, dem Tafelschreiber des Palas[tes]“. Zur Ergänzung É.G[ALLÌ] s. Torri 2010: 390f.; anders Gordin 2010: 164 É G[IŠ.KIN.TI]. Von dem Ausdruck LÚMU-SÀ-ŠU in Vs. I 3 ist auszugehen, dass es sich dabei um eine Frau handelt (oder es besteht die Möglichkeit, dass der hethitische Schreiber das Wort als „Gatte/Gattin“ verstand).
172
aber ihr509 für Brot und Bier beauftragt war, (4) so handle ich für den Toten danach folgendermaßen und nehme dies: (5) 2 weiße Gewänder, 2 Paar Hemden aus Leinen, 1 Stuhl, 1 Tisch aus Rohrgeflecht, (6) 1 weißes Kopftuch, 1 Schekel Silber, 1 Schekel Gold, 2 Dolche aus Bronze [,…] (7) 2 Becher aus Bronze, 1 NAMMANTUM-Gefäß mit Baumöl, 1 NAMMANTUM-Gefäß mit Honig [, …] (8) 1 Handvoll getrocknete Weintrauben, 1 Handvoll Pistazien?, 2 Körbe [mit] Getrei[de …] (9) gefüllt, von denen ein Korb mit Emmer gefüllt, [ein Korb aber…] (10) mit Gerste gefüllt ist. 1 tarpala-Wolltuch aus roter Wolle, 1 ta[rpala …], (11) 2 Woll-kišriš, 60 dicke Brote von 1 Hand[voll, … Brote] (12) von 3 Handvoll; 1 kurgulaGebäck von Bierbrot, 10 […-Gefäße …,] (13) 1 Topf, 1 Krug mit reinem Wasser für [den Toten ?510] (14) Dies alles bereite ich vor und […] (15) hinter(her)/hinten ist gestorben, und dieses Opfer für […] (16) folgendermaßen […]. (17) Wenn es Abend wird, […] (18) schöpfe ich. Wenn […] (19) lege ich ?[…]. Rs. IV 2ˈ-5ˈ hurritischer Text; (6ˈ) Wenn [man] diese W[orte beendet, …] (7ˈ) br[ingt man] den Toten hinaus […] (8ˈ) und ich verbrenne ihn […] (9ˈ) Am folgenden Tage aber der/für die Gottheit […] (10ˈ) eben diese Worte aber [sagt man] daz[u …] (11ˈ) ist erledigt und dann […] (12ˈ) Zu Ende.511
Ein gewisser Zelliya, Mann aus Kurkanza, 512 war zuständig für die durchzuführenden Handlungen im Falle des Todes durch die Išḫara-Krankheit513. Der reinigende Zweck dieses Rituals zielte auf die Krankheit; daher waren vermutlich besondere Handlungen notwendig, für die ein sachkundiger Ritualist erforderlich war. Der krankheitsbedingte Tod des Menschen stellt jedoch die Ursache der Unreinheit und den Anlass der rituellen Handlungen dar. Aus diesem Grund ist dieser Text als „Totenritual“ zu bezeichnen, und nicht als „Reinigungsritual“ (Otten 1958: 100). Da
509 510 511 512 513
Bei Otten 1958: 101 „ihm“ in Bezug auf den „Menschen“ (UN-an Vs. I 1). So ibid. 103. Vergleiche die Übersetzung ibid. 101ff. Lediglich in diesem Text belegt. Zu der Išḫara-Krankheit und den Verweisen auf die damit befassten Texte s. Burde 1974: 12-16. Zu der Gottheit Išḫara s. Haas 1994: 393-405 und Prechel 1996.
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jeder Todesfall Unreinheit mit sich brachte, 514 stellt jedes Totenritual immerhin auch ein Reinigungsritual dar. 515 Der Text an sich lässt sich aufgrund der Anwesenheit der Göttin Išḫara und des hurritischen Abschnitts in Rs. IV 2-4 der nordsyrisch-hurritischen Tradition zuschreiben. Der Tote war offenbar kein Mitglied der königlichen Familie, sicherlich wird er aber auch nicht einer der Ärmsten unter der Bevölkerung gewesen sein: Dies wird durch den Reichtum der Ausstattung ersichtlich. Den ersten Zeilen lässt sich entnehmen, dass der Ehegatte zumindest in einer früheren Phase für die Verpflegung der Verstorbenen (Brot und Bier) zuständig war. Dann werden alle Gegenstände aufgelistet, mit denen das Ritual am Abend begann. Die speziell auf den Toten bezogenen Handlungsanweisungen sind nur fragmentarisch erhalten. Immerhin lässt sich ermitteln, dass am darauffolgenden Tag, vermutlich nach der Reinigung des Hauses, der Leichnam hinausgebracht und verbrannt wurde. 516 Deutlich ist die Verwendung von akkant- und GIDIM zur Bezeichnung des Leichnams, denn alle erhaltenen Elemente dürften sich nur auf die erste Phase nach dem Todesfall beziehen. Wie sich aus den obigen Ausführungen zeigt, muss die Frage darüber, ob die Leichenverbrennung oder das Begräbnis als vorherrschende Bestattungssitten anzusehen sind, offenbleiben. Seeher 2015: 235f. diskutiert die Möglichkeit von „Ausschnittnekropolen“, in denen nur die Mitglieder ausgewählter Gruppen – bei den Hethitern zweifellos die Angehörigen der königlichen Familie – in einem Grab ihre letzte Ruhe fanden.
514
515
516
Siehe u. a. Wilhelm 2009: 74, der über das Totenritual šalliš waštaiš schreibt: „Was hier mit ,große Verfehlungʻ übersetzt wird, lautet hethitisch šalliš waštaiš; waštaiš und sein Synonym waštul, oft auch als ,Sündeʻ übersetzt, bezeichnen im juristischen wie religiösen Sinne Verstöße gegen die religiös sanktionierte und legitimierte Ordnung. Der Tod wird also mit ,Unreinheitʻ identifiziert.“ Vergleiche das oben behandelte Reinigungsritual KBo XVII 78: Dort stammt die Unreinheit aus dem Blitzschlag des donnernden Wettergottes. Der Erschlagene erweist sich lediglich als Träger von Unreinheit, und sein Tod wird nicht besonders in Betracht gezogen. Folglich handelt es sich dabei nicht um ein Totenritual. Auch wenn die Textstelle sehr fragmentarisch ist, ist es aufgrund des Zusammenhangs wahrscheinlich, dass das Objekt vom Verb „verbrennen“ in Rs. IV 8 der GIDIM ist.
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Dieser Annahme zufolge wurde dagegen für die anderen Verstorbenen, die nicht einer der ausgewählten Gruppen angehörten, kein Bestattungsbzw. Totenritual durchgeführt, und dies könnte durch das weitgehende Fehlen erkennbarer Spuren letzterer erklärt werden. 517 Dazu schreibt der Autor (ibid.): „Es war möglicherweise – außer bei den Königen – nicht von Bedeutung, wie der Körper eines Verstorbenen verabschiedet und entsorgt wurde.“ Diese Annahme ist plausibel, allerdings nur dann, wenn sämtliche hier untersuchten Texte (s. insbes. III.1.3.3) GIDIM bzw. akkantausschließlich zur Bezeichnung der königlichen Toten verwenden. Dort ist nämlich häufig von unterbliebenen Opferspenden die Rede, welche die Toten zornig machten. Dies deutet auf die Anwesenheit irgendeiner Grabstätte bzw. eines Kultortes hin, wo die Pflege der Verstorbenen durchgeführt wurde. Darüber hinaus geht aus den Texten (s. III.1.3.3) klar hervor, dass die Abwehr von Unreinheit immerwährend eine Priorität darstellte und dass der Tote per se als unrein angesehen wurde. Infolgedessen – sei es durch Beisetzung des Körpers in der Erde oder durch Leichenverbrennung – war das Entfernen der Überreste der Verstorbenen als Reinheitsangelegenheit für die Hethiter immer von großer Bedeutung, wie die Instruktionen Arnuwandas KBo XIII 58 Rs. III 7ff. (s. oben) bezeugen können. Für die königliche Familie gilt die Leichenverbrennung als belegt, obwohl die Anwendung dieser Sitte nicht für alle Perioden des Hethiterreiches angenommen werden darf. 518 Für die Bevölkerung ist die Körperbestattung durch das Festfragment KBo XVII 78 (s. oben) bezeugt, in dem der Tote als nichts weiter als ein Träger von Unreinheit angesehen wurde. Wenn die Verstorbenen der Unterschicht schlichtweg die Gefahr einer Verunreinigung darstellten und keine weitere reguläre Kulthandlung benötigten, ist zu vermuten, dass ihre Leichen abseits der Städte bzw. der bewohnten Orte in der Erde begraben wurden. In Ermangelung an weiteren Informationen über die Bräuche der Bevölkerung lässt sich aber keine gesicherte Aussage treffen.
517
518
Dafür stellt Seher 2015: 235f. einen Vergleich mit den Bestattungssitten der ersten Hälfte des 1. Jht. in Griechenland an: Dort sind nämlich nur die Bestattungen der Oberschicht in den Nekropolen gefunden worden. Daraus lässt sich schließen, dass die Toten der Unterschicht auf die eine oder andere Weise einfach entsorgt wurden. Siehe Anm. 486.
175
1.3.3 Kontakt mit den Toten und daraus resultierende Unreinheit Durch die folgende Untersuchung soll gezeigt werden, dass man glaubte, dass der Kontakt mit den Toten Unreinheit zur Folge habe, die insbesondere den Zorn der Gottheiten hervorrufen könne. Dies lässt sich verschiedenen Texten entnehmen, welche den Gründen der Unreinheit nachforschen, damit gezielte Maßnahmen unternommen werden können. Das Orakelfragment KBo XXIII 106 (CTH 582) 519 behandelt religiöse Verstöße, die den Ärger der Gottheiten hervorrufen. Eine der untersuchten Ursachen für deren Zorn ist mit dem Tod der Ehefrau eines Priesters in Zusammenhang zu bringen: Rs. 14ˈ) 15ˈ) 16ˈ)
A-NA LÚSANGA DḪu-ul-la-wa!(IGI)520-kán MU im-ma DAM-ZU BA. ÚŠ
pa-ra-a-ma-wa-ra-aš-kán Ú-UL ne-an-za a-pa-a-ša-wa-aš-ša-an iš-ta-na-ni EGIR-pa!(MA) ša-li-ke-eš-ke-ez-zi
„Dem Priester der Gottheit Ḫulla, wie auch immer (sein) Name (sei),521 ist seine Frau verstorben. Hinaus gesendet ist er (wohl der Leichnam) aber nicht; jener (der Priester) nähert sich (in diesem Zustand) immer wieder dem Altar.“
Taggar-Cohen 2006: 185 und Anm. 456 deutet Z. 15ˈ anders, und zwar: pa-ra-a-ma-wa-ra-aš-kán Ú-UL BIL-an-za, „she was not fully cremated“. Für diese, ebenfalls mögliche Analyse wäre aber das Adverb parā eher durch „danach, hinterher“ statt mit „vollständig“/„fully“ zu übersetzen. Denn „nicht vollständig“ würde implizieren, dass der Leichnam nur „teilweise“ verbrannt wurde, und dies ist schwerlich vorstellbar. Anhand der
519 520
521
Van den Hout 2001: 426f.; Taggar-Cohen 2006: 185; Haas 2008: 121. Entgegen CHD Š 101b (Ḫullaši) muss es sich um einen Schreibfehler handeln: Erstens stellt der Satz den Anfang einer direkten Rede dar; darüber hinaus ist der Name der betreffenden Gottheit sonst nie als Ḫullaši belegt; s. auch van Gessel 1998: 155ff. Hier wird der Lesung ( MU im-ma) und Übersetzung von Otten 1958: 9 und Anm. 4 gefolgt. Vergleiche Taggar-Cohen 2006: 185 und Kapeluś 2018: 81 mit Anm. 1: MU.IM.MA „last year“. Dass die Frau des Priesters „im vergangenen Jahr“ gestorben sei und ihre Leiche noch zu Hause liege, ist aber unwahrscheinlich.
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Belege von parā nai- „entsenden, aussenden“ in den Texten (s. CHD LN 358) wird hier jedoch der Lesart parā=ma=war=aš=kán neanza und der entsprechenden Übersetzung der Vorzug gegeben.522 Der Priester missachtete bei seinem Dienst im Tempel die Reinheitsgebote, da er wiederholt in unreinem Zustand in Kontakt mit dem Altar gekommen war. Seine Unreinheit resultiert nicht schlichtweg aus verabsäumter Ausführung der Verbrennungszeremonie, sondern eher aus seinem Kontakt mit dem Leichnam der Ehefrau. 523 Um in der damaligen Vorstellung Unreinheit auf sich zu laden, musste man nicht unbedingt einen Leichnam berühren. Es reichte scheinbar aus, einen Toten zu sehen. Diesbezüglich ist in der Orakelanfrage KUB XVI 34(+) (CTH 579) 524 Vs. I zu lesen: 13) 14) 15) 16)
na-aš
pu-nu-uš-šu-u-en nu me-mi-ir ŠÀ É an-da] pa-it nu-wa GIŠpa-pu-u-un ar-ḫa ḫu-ru-ta-it nu-wa-kán NINDA.GUR4.RA UDMI-pát [ka-ri-pa-aš?] LÚ NINDA. DÙ. DÙ-ya-wa GIDIM a-uš-ta wa-ar-ap-ta-ma-wa-za UL nu-wa-ra-aš? A-NA ˹É˺.[DINGIRLÌ?] an-da ú-e-ri-ya-an-za e-eš-ta DINGIRLU4 a-ši mar-ša-aš-tar-ri-in iši-ya-aḫ-ta LÚ 525
nam-ma
NINDA. DÙ526. DÙ-wa-kán UR.[GI7
Ferner befragten wir sie (die Tempelleute), und sie sagten: „In die Bäckerei ging ein Hu[nd hinein] und stieß den papu-Tisch um; das dicke Brot
522
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524 525 526
Die Übersetzung „Er (der Leichnam) ist aber danach nicht verbrannt worden“ weicht von der hier ausgewählten Version „Hinaus gesendet ist er aber nicht“ nicht wesentlich ab, weil die entscheidende Information darin besteht, dass der Leichnam noch zu Hause ist. Siehe ähnlich KUB V 9+ (CTH 579; s. del Monte 1975: 339ff.) Vs. 25ff.: UM MA mḪi-il-la-ni (26) LÚ KURÚN. NA DUMURU -wa-mu-kán ak-ta nu-wa-za SISKURMEŠ UL DÙ-nu-un (27) nu-wa I-NA É. DINGIRLÌ an-da ú-e-ri-ya-an ḫar-kuun „So (spricht) Ḫillani, der Wirt: ,Mein Sohn ist gestorben; die Rituale habe ich nicht durchgeführt und ich bin in den Tempel hineingerufen wordenʻ “ (s. auch Kapeluś 2018: 81 mit Anm. 3). Taggar-Cohen 2006: 293-296; del Monte 1975: 330, 345f. Über andere Zeichenspuren geschrieben. Ibid.
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eben des Tages [hat er gefressen ?]. 527 Und der Bäcker sah einen Toten (Leichnam), er wusch sich aber nicht und ist zum Tem[pel] 528 hineingerufen worden.“ Hast Du, Gottheit, die erwähnte Entweihung angezeigt?
Hier werden zwei verschiedene Fälle behandelt. Erstens war ein Hund in die Bäckerei hineingelaufen und hatte das Brot des Tages gefressen, zweitens hatte der Bäcker einen Toten gesehen. HW2 I 612a übersetzt GIDIM mit „Totengeist“: Soweit aber in den Texten belegt erscheinen die Totengeister nur im Traum, es sei denn, sie werden gerufen (s. III.1.1). Im Fall von KUB XVI 34(+) ist eher von einem physischen Kontakt mit dem Toten auszugehen, und dies weist auf einen Leichnam hin.529 Del Monte 1975: 346f. denkt hier an einen umherirrenden Totengeist, der infolge der Vernachlässigung seines Kultes in der Bäckerei auf der Suche nach Essbarem gewesen sei. Durch die Verbindung mit dem Hund am Anfang des Absatzes nimmt der Autor an, dass der Totengeist in diesem Tier Gestalt angenommen habe. Auch wenn der Hund etwa in der Glaubensvorstellung der griechischen Welt und in vielen anderen Kulturen in Verbindung mit der chthonischen Welt steht,530 findet sich in den hethitischen Texten kein weiterer Hinweis auf die Vorstellung des Toten in Gestalt eines Hundes.531 Allerdings galt der Hund, ebenso wie das Schwein, als unrein. Dies
527
528
529 530 531
Siehe auch del Monte 1975: 346 „ed [ha mangiato ?] il pane del giorno.“ Vergleiche die Orakelanfrage KUB V 7++ (CTH 574.1; s. García Trabazo 2002: 599-623; Tognon 2004: 59-81; ead. 2005: 33-72) Vs. 34ˈ: UR.GI7-ša-an ku-it GIŠ BANŠUR -i ša-li-ik-ta nu NINDA.GUR4.RA UDMI ka-ri-pa-aš „weil sich der Hund dem Tisch näherte und das dicke Brot des Tages gefressen hat.“ Anders bei Taggar-Cohen 2006: 295 „He [went into the bakery] having contacted the [dead].“ Der mit Unreinheit beladene Bäcker muss aber zu einem Ort gegangen sein, an dem seine Anwesenheit den Zorn der Gottheit verursacht hat, also eher zum Tempel. So auch Archi 1979a: 81 Anm. 2; Kapeluš 2018: 87. Zu einigen Beispielen s. del Monte 1975: 347. Im Ašmunikkals Dekret für die Wächter des É.NA4 KUB XIII 8 (CTH 252.A; s. Miller 2013: 208-211; Klinger 2001: 72f.) findet sich ein Hund im Zusammenhang mit dem Steinhaus: Dies kann aber nicht als Beleg für die Verbindung des Hundes mit der Totenwelt angesehen werden. Unter den dort aufgelisteten Vorschriften ist in Vs. 7f. zu lesen: UR.GI7-aš wa-ap-pí-ya-zi a-pí-yama-aš a-ri na-aš ka-ru-uš-ši-ya-zi (8) Ì-an-ma-kán la-ḫu-wa-ta-ri a-pu-ušma-kán pa-ra-a le-e u-wa-an-zi „Ein Hund bellt, kommt aber dorthin und ist
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ist z.B. in den Instruktionen für Priester und Tempelpersonal KUB XIII 4 (CTH 264.A)532 belegt: In Vs. I 20ˈ wird vorgeschrieben, dass kein Hund oder Schwein an die Tür der Küche kommen dürfe, damit das Brot des Tages für die Gottheiten nicht kontaminiert werde. 533 Und Rs. III 64-68 lautet: „Wenn sich den Gerätschaften aus Holz oder den Gerätschaften aus Ton, welche ihr habt, auf irgendeine Art und Weise ein Schwein (oder) ein Hund nähert und der Herr der Speise aber sie nicht wegwirft, (sondern) dieser gibt den Göttern von unreinen (Gerätschaften) zu essen (und) zu trinken, dem aber werden die Götter Kot und Urin zu essen (und) zu trinken geben“ (Übersetzung von Klinger 2001: 79). In dem oben behandelten Orakeltext KUB XVI 34(+) war ein Hund in die Bäckerei hineingegangen, hatte das dicke Brot des Tages gefressen, einen Tisch umgestoßen und dementsprechend die Geräte des Tempels unrein gemacht. Zudem hatte der Bäcker einen Leichnam gesehen und somit auch auf sich selbst Unreinheit geladen. Del Monte 1975: 346 hält
532 533
ruhig. Öl aber wird ausgegossen, jene aber sollen nicht herauskommen!“ (zu sämtlichen in der Forschung bislang vorgeschlagenen Deutungen s. Miller 2013: 370 Anm. 287). Die Sätze sind als hypothetisch zu verstehen, und zwar: „Ein Hund bellt, (wenn) er aber dorthin kommt, ist er ruhig. (Wenn) Öl aber ausgegossen wird, sollen jene aber nicht herauskommen!“ (vgl. CHD P 125) Die zwei Zeilen sind darüber hinaus in ihrer Bedeutung zu trennen: Da die Hauptthemen des Textabschnittes die Fron- und Abgabenbefreiung einerseits und das Verbot des Heraustretens aus dem Steinhaus andererseits sind, lässt sich Z. 7 auf die erste Vorschrift (Fron- und Abgabebefreiung) beziehen. Dabei handelt es sich um ein Sprichwort: „The reference may be to zealous bureaucrats who ,barkʻ for payment of an obligation that they cannot collect from exempted persons, and so fall silent“ (Collins 2002: 242). Z. 8 bezieht sich dagegen auf das Verbot für die Menschen, das Steinhaus zu verlassen. Denn, auch wenn ein Reinigungsritus für Angehörige dieses Personenkreises durchgeführt wurde, durften sie dennoch nicht herauskommen. Die zwei Sätze stellen den Bedeutungskern des Abschnittes dar: Die Freistellung von Steuern für die Menschen des Steinhauses und ihr Ausgangsverbot, das sie an das Steinhaus bindet. Zum Ašmunikkals Dekret s. auch Anm. 973. Zur letzten Edition s. Miller 2013: 244-265. nam-ma-kán pár-šu-u-ra-aš pé-di ŠAḪ-aš UR.GI7-a[š] KÁ-aš le-e ti-ya-zi. Siehe auch Rs. III 60f.: na-aš-ta ŠAḪ-aš UR.GI7-aš GIŠkat-ta-lu-zu-zi (61) le-e šar-riìš-ket9-ta „Ein Schwein (oder) ein Hund darf die Schwelle (der Küche) nicht übertreten.“
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die zwei Verstöße für einen einzigen, weil die am Ende des Absatzes „erwähnte Entweihung“ nur eine sei. Dagegen handelt es sich dabei um zwei unterschiedliche Verstöße, worauf auch die enklitische Partikel -ya hindeutet. Die Verfehlung ist aber insofern nur eine einzige, da der Bäcker wahrscheinlich zum Tempel gegangen war und dabei Unreinheit – seine eigene und die des in der unreinen Bäckerei zubereiteten Brotes – eingeschleppt hatte. Ein Kontakt mit dem Leichnam brachte daher Unreinheit mit sich. Darüber hinaus lässt sich den hethitischen Texten entnehmen, dass man glaubte, dass auch der Kontakt mit den Beigaben für die Toten, mit dem Totenkultpersonal und selbst mit den Gegenständen, die der Verstorbene berührte, ebenso gefährlich war. Als Beispiele für den Kontakt mit den Beigaben der Toten können die folgenden zwei Textstellen angeführt werden. Die erste gehört zum Leberorakel KUB XVI 16 (CTH 570) 534 Vs.: 23) 24) 25) 26)
534 535
na-aš nam-ma pu-nu-uš-šu-u-˹en˺ nu me-mi-ir MUNUS.MEŠdam-mara-aš-wa ku-i-e-eš da-pí-an-te-eš nu-wa-kán ma-a-an DUMU. NITA ˹ku˺-e-da-ni-ik-ki a-ki nu-wa-ašma-aš-kán GIDIM!535-i da-pí-an-te-eš-pát še-er ša-li-kiš-kán-˹zi˺ NINDA-ya-wa KAŠ ŠA GIDIM az-zi-ke-er MUNUS. MEŠ dam-ma-˹ra˺-aš-ša-wa ku-i-e-eš da-pí-an-te-eš nu-wa-raat IT-TI LÚMEŠ KUR Ar-za-u-wa
Van den Hout 1998: 138-145. Zeichen zum Teil über eine Rasur geschrieben; s. auch del Monte 1975: 342; van den Hout 1998: 140 Anm. 76. Nach der Kollation von A. Walther mit eigenen Kopien des Textes liest CHD Š/1 101b nu=wa=šmaš=kan S˹A˺G.˹UŠ˺i dapianteš=pat šer ša-li?-kiš-kán-zi „all of them (the dammara-women) each touch the pyre.“ Durch den Vergleich mit dem Totenritual šalliš waštaiš lässt sich jedoch feststellen, dass das Sumerogramm SAG.UŠ dort nie für „Verbrennungsplatz“ bzw. für „Scheiterhaufen“ (statt ukturi-) gebraucht wird. Außerdem ist auf die falsche phonetische Komplementierung -i für Dat.-Lok. Sing. hinzuweisen: Sie wäre nämlich richtig für ukturi- als Adjektiv „ewig“, aber nicht für das homonyme Substantiv mit der Bedeutung „Verbrennungsplatz“, dessen Dat.-Lok. Sing. ukturiya lautet (s. HED IV/15 27ff. und Kloekhorst 2008: 912). Dies darf jedoch bezweifelt werden, weil die Endung des Dat.Lok. Sing. bei i-stämmigen Nomina zwischen -i und -iya schwanken konnte (s. Hoffner – Melchert 2008: 87ff. (§4.23)).
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27) 28) 29) 30)
še-eš-kiš-ke-eš-kán-zi EGIR-pa-ma-wa-ra-at I-NA É.DINGIRLÌ an-da ú-e-ri-ya-an-te-eš wa-ar-pa!(GA)-an-zi-ma-wa-aš-ma-aš Ú-UL TÚG ḪI.A-ya-wa-aš-maaš-kán Ú-UL ar-ḫa ar-ra-an-zi nu-wa-ra-at I-NA É.DINGIRLÌ an-da ú-e-ri-ya-an-te-eš DINGIRLU4-za ke-e-da-ni me-mi-ni !(IR) še-er TUKU-u-an-za
(23) Ferner befragten wir sie (die Tempelleute), und sie sagten: „Was alle dammara-Frauen betrifft, (24f.) wenn jemandem ein Sohn stirbt, nähern sie sich 536 eben alle wie üblich dem Toten (Leichnam), und sie haben jede für sich das Brot (und) das Bier 537 des Toten verzehrt. (26f.) Und was alle dammara-Frauen betrifft, schlafen sie immer wieder mit den Männern von Arzauwa, dann werden sie jedoch in den Tempel hineingerufen, (28) waschen sich aber nicht. Und ihre Kleider waschen sie nicht ab. (29f.) Sie werden in den Tempel hineingerufen.“ Bist du, Gottheit, über diesen Verstoß erzürnt?
In welchem Zusammenhang die Phrase „wenn jemandem ein Sohn stirbt“ genau zu verstehen ist, bleibt unklar. Wahrscheinlich gab es im Fall eines frühzeitigen Todes ein bestimmtes Ritual oder besondere Handlungen, für welche die dammara-Frauen538 zuständig bzw. an denen sie beteiligt waren.539 Viele Autoren übersetzen hier GIDIM durch „Totengeist“.540 Plausibler erscheint jedoch die Deutung „Leichnam“. Das Verb šalik(i)-,
536 537 538
539
540
Zur Reflexivfunktion von enkl. Personalpron. Dat. Pl. -šmaš s. Hoffner – Melchert 2008: 358 (§28.17). Aus Versehen „wine“ bei van den Hout 1998: 141. Zum dammara-Personal s. Haas 2008: 124, der das Mahlen des Getreides als dessen Aufgabe (KUB V 6++ Vs. II 26-28) erwähnt. Siehe auch PecchioliDaddi 1982: 260f., 397f.; HEG III T/D 70ff. Das Infix -ške- von šalikiškanzi in Z. 25 könnte darauf hindeuten, dass es sich bei der „Annäherung“ der dammara-Frauen um etwas Wiederholtes bzw. Übliches handelt. In azziker ist jedoch aufgrund des Wechsels des Verbtempus vom Prs. ins Prt. die distributive Funktion des Infixes -ške- vorzuziehen. Siehe Haas 2003a: 136 („Toten(geist)“); id. 2008: 124 („[…], dass sie (die dammara-Weiber) beim Tode eines Knaben dessen Totengeist dadurch erzürnten, dass sie die Totenspeise schamlos selber vertilgten“); Archi 2007b: 183b („If the son of someone dies, and all the dammara-women come into contact with the (spirit of a) dead person, having eaten bread and beer of the
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šalink-, „anstoßen, sich nähern, berühren“, bezieht sich nämlich stets auf eine Art Bewegung, die einen Gegenstand bzw. etwas Materielles als Ziel hat (CHD Š/1 100ff.). Dasselbe Verb wird z.B. für den Priester Ḫulla im oben analysierten KBo XXIII 106 Rs. 16ˈ in Bezug auf seine Annährung zum Altar verwendet. Demzufolge kann GIDIM entweder den Leichnam oder eine Abbildung des Toten bezeichnen. Im Text wird aber berichtet, dass die dammara-Frauen das Brot und das Bier des Toten verzehrt haben. Brot und Bier stellen gerade die Totenspeisen dar, mit denen der Gatte im Totenritual von Zelliya KUB XXX 26 (s. III.1.3.2) Vs. I 3 seine verstorbene Frau versorgte, bevor ihr Leichnam hinausgebracht und verbrannt wurde. Darüber hinaus wird das Bier im Totenritual šalliš waštaiš vor der Leichenverbrennung als Opfertrank dargebracht, 541 während danach nur Biergefäße belegt sind, die jedes Mal zerbrochen und verbrannt werden. 542 Dies könnte darauf hindeuten, dass es auch im Orakeltext KUB XVI 16 Vs. 24f. um die ersten Handlungen geht, die kurz nach dem Todesfall am Leichnam durchgeführt werden. Der Tote wurde sofort mit Brot und Bier bedacht, und diese Totenspeisen blieben beim Leichnam liegen. 543 Der Verzehr des Biers und Brotes des Toten stellt die Ursache
541
542 543
(spirit of the) dead“). Die Übersetzungen von van den Hout 1998: 141 „deceased“) und del Monte 1975: 343: „morto“ erlauben keine genaue Begriffsbestimmung von GIDIM. Del Monte (ibid. 342) setzt diese Textstelle jedoch mit der regelmäßig von Privatpersonen veranlassten Totenspeisungen für die eigenen Verstorbenen in Beziehung. KUB XXXIX 1++ Rs. III 13ˈ; KUB XXX 17 Vs. 14; (?)KUB XXXIX 46(+) 5ˈ, 11ˈ; KUB XXX 15++ Vs. 25. Das Bier wird dort auch während der Leichenverbrennung verwendet, um das Feuer zu löschen; s. KUB XXX 15++ Vs. 2, 12; KUB XXXIX 41 Vs. [5ˈ]. KUB XXX 25++ Vs. 14; KUB XXX 24+ Vs. 28ˈˈ; KUB XXXIX 36(++) 4ˈˈ; KUB XXXIX 33+ Vs. II 10, Vs. II 5ˈ. Alternativ ist anzunehmen, dass ein Ersatzbild sofort gestaltet und mit Totenspeisen versorgt wird. Im Orakeltext KUB XVI 39+ (CTH 574.4) Vs. II 3-5 werden während des daḫi-Festes z.B. Brot und Bier neben Rindern und Schafen als Totenspeisen für (die Statue des verstorbenen) Tudḫaliya dargebracht (s. III.1.5). Ob der Leichnam oder das Bild des Toten Empfänger der Opferspeise ist, lässt sich im Gebet Muwattallis II. an den Wettergott von Kummanni KBo XI 1 (CTH 382; s. Singer 2002: 81-85) Rs. nicht entscheiden: 9) ma-a-an-za!(A) ḪUL-za-ma MUŠEN-az ?MUŠEN.DÙ-it na-aš-ma ŠA GIDIM ku-
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für die Unreinheit der dammara-Frauen dar. Nichts Anderes als der Eintritt in den Tempel in diesem Zustand aber ist der Grund für den Zorn der Gottheit. Dass nicht nur der direkte Kontakt mit Verstorbenen, sondern auch der Verzehr der Totenspenden bei den Hethitern als Unreinheitsverursacher betrachtet wurde, ist auch im Ritual KBo V 2 (CTH 471.A) 544 Vs. I belegt: 1) 2)
˹UM˺-MA mAm-mi-ḫa-at-na LÚSANGA ˹ŠA˺ DIš-ḫa-a-ra LÚ URUKi-iz-zu-wa-at-na
3) 4) 5) 6)
ma-a-an an-tu-wa-aḫ-ḫa-aš šu-up-pí-iš nu-uš-ši NINDA-an mar-ša-an ku-iš-ki a-da-an-na pa-a-i na-aš-ma-aš-ši UZUÌ mar-ša-an a-da-an-na pa-a-i na-aš-ma-aš-ši NINDA -an UZUÌ al-wa-an-za-aḫ-ḫa-an ku-iš-ki a-da-an-na pa-a-i
7) 8) 9)
na-aš-ma-aš-ši ŠA É.NA4 NINDA-an UZUÌ ku-iš-ki a-da-an-na pa-a-i na-aš-ma-aš-ši ŠA MUNUS tu-e-ek-ki-iš-ši e-eš-ḫar a-ku-wa-an-na pa-a-i nu ki-i SÍSKUR ši-pa-an-da-aḫ-ḫi
(1) Folgendermaßen (spricht) Ammiḫatna, der SANGA-Priester der Išḫara, (2) der Kizzuwatnäer: / (3-6) Wenn ein Mensch rein (ist) und ihm jemand unreines Brot zu essen gibt oder ihm unreines Fett zu essen gibt, oder (wenn) ihm jemand verhextes Brot (oder) Fett zu essen gibt, / (7) oder (wenn) ihm jemand Brot (oder) Fett des Steinhauses (8f.) zu essen gibt
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iš-ki NINDA-an [pa-ap-ra-it …?] 10) ki-nu-un-ma ka-a-ša a-pu-u-un MUŠEN i-e-er na-an ar-ḫa la-a-er ke-e-ma […] 11) a-pu-u-un ŠA GIDIM NINDA-an pár-ku-nu-er „Wenn man aus einem schlimmen Vogel wahrgesagt hat, oder jemand das Brot des Toten [unrein gemacht hat…?]; jetzt aber hier hat man jenen Vogel behandelt und ihn abgelöst; dieses aber […] jenes Brot des Toten hat man gereinigt.“ Strauß 2006: 216-252; im Hethiter-Portal s. CITATIO: Strauß (ed.), hethiter.net/: CTH 471.
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oder ihm Menstruationsblut einer Frau zu trinken gibt, (dann) vollziehe ich dieses Ritual. 545
Dieses Ritual war für einen Menschen bestimmt, der durch unreine Speisen behext bzw. verunreinigt wurde. In Z. 7 wird das Steinhaus erwähnt: Dieses war der Ort des Totenrituals šalliš waštaiš,546 in dem nicht nur die Knochen des Verstorbenen nach der Leichenverbrennung abgelegt wurden, sondern auch die Toten während der Feste oder der regelmäßigen Kulte Opferspenden erhielten. 547 Mit Brot und Fett des Steinhauses können folglich genau diese Beigaben für die Toten gemeint sein. Anderenfalls kann es sich um die Speisen der Menschen des Steinhauses handeln, die aufgrund ihres Umgangs mit den Verstorbenen sowieso als Überträger von Unreinheit gegolten haben könnten. Dass in der damaligen Vorstellungswelt auch der Kontakt mit den für den Totenkult zuständigen Menschen Unreinheit verursachte, geht aus der Orakelanfrage KUB XVI 34(+) 548 Vs. I klar hervor: 19) 20) 21)
545
546 547 548 549
na-aš nam-ma pu-nu-uš-šu-u-en nu me-mi-ir DAMMEŠ LÚMEŠ É. DINGIRLÌ-wa-kán[…] ŠÀ É MUNUS.MEŠtap-ta-ra-aš i-ya?-ta-ri nam-ma-wa-ra-at A[N]A LÚMEŠ MU-D[ I-ŠU-NU] 549 ˹an-da˺ ú-e-ri-ya-an-te-eš LÚMEŠ MU-DI-ŠU-NU-ma-wa-za […]x […]
Übersetzung von Strauß 2006: 233 mit geringfügigen Abweichungen. Siehe auch den Tafelkatalog KUB XXX 45+ (CTH 277.4.A, s. Dardano 2006: 126148) Vs. II (Dupl. KBo XXXI 27+, CTH 277.4.B, Vs. II 9ˈff.): 8ˈ) [x TUP-PU ma-]˹a˺-an UN-aš Ú-UL šu-up-pí-iš SUM[(.S)IKILSAR …] 9ˈ) ˹ UZU ANŠE˺.x [ ] UZU ka-pí-ir-ta-aš ŠA É. NA4[(-y)a …] 10ˈ) na-aš-ma-aš ˹šu˺[-u]p-pí-iš nu-uš-ši ki-i ku-iš?-k[i ? (a-da-an-n)a pa-a-i] „[… Tafel(n): W]enn ein Mensch nicht rein (ist und) Zwi[ebeln,…] das Fleisch eines Pferdes?, das Fleisch eines gapirt-Tieres u[nd …] des Steinhauses [isst] oder (wenn) er rein ist und jemand es ihm zu essen [gibt].“ Siehe IV. Siehe z.B. KUB XVI 34(+) Vs. I 5-10 und KUB XVI 39+ Vs. II 3-5 weiter unten (III.1.5). Taggar-Cohen 2006: 293-296; del Monte 1975: 330, 345f. Hier und in Z. 21 anders bei Taggar-Cohen 2006: 294 LÚMEŠ mukišunu, „invocation men“ (aus mukeššar „Anrufung, Bitte“).
184
22)
[nu-wa-r]a-at-kán ŠÀ É.DINGIRLÌ-pát pa-a-ir ša-aš-tar-ri-in i-ši-ya-aḫ-ta]
DINGIRLU4
a-[ši mar-
(19) Ferner befragten wir sie (die Tempelleute), und sie sagten: „Die Gattinnen der Tempel-Männer [und die? …] (20) gehen ins Haus der Klageweiber, ferner z[u] den Männern, [ihren] Gatt[en], (21) sind sie hineingerufen. Die Männer, ihre Gatten, aber [wuschen sich nicht o. ä.], (22) [und] sie gingen gerade in den Tempel hinein.“ [Hast du], Gottheit, die erwäh[nte Entweihung angezeigt?]
Hier wird die Unreinheit der Klageweiber, die mit dem Toten in Berührung kommen, zuerst auf die Gattinnen der Tempel-Männer und daraufhin, über diesen Umweg, auch auf die Tempelmänner selbst übertragen, die hinterher diese Unreinheit in den Tempel einschleppen. 550 Schließlich konnten auch Gegenstände Unreinheit auf sich laden und diese übertragen, wie in KUB XVI 83+ (CTH 567) Vs. belegt ist: 26) 27) 28) 29)
na-aš nam-ma pu-nu-uš-šu-u-e-en nu me-mi-ir […]x AN[…]x DUMURU BA. ÚŠ nu-wa-ra-aš-kán A-NA GIŠNÁ ku!-e-da-a[š B]A. ÚŠ {Ras.} nu-wa˹ra˺-at nam-ma {Ras.} ar-ḫa Ú-UL wa-ar-nu-ut nu-[wa]-ra-aš-kán a-pé-e-ta-aš-pát GIŠNÁaš še-eš-ke-eš-ke-et [nu-w]a?-ra-aš-kán ŠÀ É.[DINGIRLÌ-pát] i-ya-at-ta-at
(26) Ferner befragten wir sie, und sie sagten: [„…] Sohn ist verstorben. (27f.) Das Bett, auf dem er [ge]storben ist, das hat er (der Vater?) dann nicht verbrannt; er hat immer wieder auf eben jenem Bett geschlafen (29) [und] ist gerade in den Tempel hinein gegangen.“
Hier ist nicht die frühere Zugehörigkeit des Bettes zum Eigentum des Verstorbenen die Ursache seiner Unreinheit, sondern es ist wiederum der Kontakt des Toten mit dem Gegenstand, da der Sohn auf gerade diesem Bett gestorben ist. Folglich lässt sich daraus nicht ableiten, dass das Verbrennen der persönlichen Habseligkeiten des Verstorbenen auch Teil des
550
Taggar-Cohen (ibid.) schreibt dazu: „It is interesting that the contamination is passed on even though it is the wives of the Temple-Men who came in contact with it, and not the Temple-Men themselves.“
185
Totenrituals gewesen sein muss.551 Eher ist anzunehmen, dass nur die Gegenstände, die mit dem Toten in Kontakt kamen, verbrannt werden mussten. 1.4
GIDIM/akkant- „Toter“: keine Leichenschändung bei den Hethitern
Die folgende Analyse soll zeigen, dass GIDIM/akkant- auch schlichtweg das Konzept „Toter“ als allgemeinen Begriff beinhalten kann. Die 2. Serie der hethitischen Gesetze mit dem Incipit „Wenn eine Rebe“ enthält einen beträchtlichen Teil über Inzestvorschriften, der seinerseits in Paragraphen untergliedert ist. §189552 lautet: KBo VI 26 (CTH 292.II.a.B) 553 Rs. III: 26) [ták-ku LÚ-i]š a-pé-e-e[l-pá]t an-na-ša-aš kat-ta wa-aš-ta-i 27) ḫu-u-u[r-k]i-il ták-ku L[Ú-iš] DUMU. MUNUS -aš kat-ta wa-aš-ta-i 28) ˹ḫu˺-[u]-˹ur-ki˺-il ták-ku LÚ-[iš] DUMU.NITA-aš kat-ta wa-aš-ta-i ḫu-u-ur-ki-il 551
552 553
Vergleiche Haas 2000: 57 und Anm. 57; id. 1994: 219 und Anm. 215. Fraglich bleibt aber die folgende Textstelle aus den Gesetzen KUB XXVI 56 (CTH 291.I.b.B; s. Hoffner 1997: 36f.) Vs. II 6ff. (Dupl. KBo VI 3 Vs. II 1ff.; KBo VI 5 Vs. II 4ff.; KBo XII 49 Vs. II 14ff.): ták-ku LÚ-aš DAM-ŠÚ da-a-i [(na-an pár-na-aš-š)a] (7) i-w[(a)]-a-ru--az an-da pé-e-d[(a-a-i ták-ku MUNUS -za a)-pí-ya a-ki] (8) LÚ-na-aš a-aš-šu-et wa-a[(r-nu-an-zi i-waru-še-ta-az LÚ)-aš] (9) [da-a-]i ma-a-n[a-aš (at-ta-aš-ša-ša É-ri a-ki Ù DUMUMEŠ)-ŠU? a-ša-an-zi?] (10) [(i-w)]a-ru[(-uš-še-et LÚ-aš na-at-ta) da-a-i] „If a man takes his wife and leads [her] away to his house, he shall carry her dowry in (to his house). If the woman [dies] th[ere] (in his house), they shall burn the personal possessions of her man, and the man shall take her dowry. If she dies in her fatherˈs house, and she [has] children, the man shall not [take] her dowry“ (Übersetzung von ibid. 37). Auf Basis dieser Passage ließe sich annehmen, dass beim Todesfall einer Frau die persönlichen Habseligkeiten ihres Mannes verbrannt werden mussten. Das Gleiche könnte demzufolge für alle anderen Bewohner des Hauses gelten, obwohl sich das als wenig wahrscheinlich erweist. In der oben zitierten Textstelle aus KUB XVI 83+ wird nur das Bett des gestorbenen Sohns des Priesters genannt, obwohl dort nicht klar hervorgeht, ob Vater und Sohn im selben Haus gelebt haben. Paragraph 75 bei Friedrich 1959: 83. Hoffner 1997; Imparati 1964; Friedrich 1959.
186
If a man sins (sexually) with his own mother, it is an unpermitted sexual pairing. If a man sins (sexually) with (his) daughter, it is an unpermitted sexual pairing. If a man sins (sexually) with (his) son, it is an unpermitted sexual pairing. (Übersetzung von Hoffner 1997, 149)
Hier wird die Frage des Geschlechtsverkehrs zwischen einem Mann und seiner Mutter, einem Vater und seiner Tochter oder seinem Sohn geklärt: Alle behandelten Fälle waren bei den Hethitern gesetzlich verboten. In dem darauffolgenden §90554 ist zu lesen: 29) 30) 31)
˹ták-ku-uš˺-ša-an GIDIM-ti/it ?555 ti-an-zi556 LÚ-MA MUNUSTU4 Ú -UL ḫa-ra-a-tar ták-ku LÚ-aš MUNUSan-na-wa-an-na-aš-ša kat-ta {wa}-aš-tai Ú-UL ḫa-ra-tar ták-ku ad-d[a]-aš-ši-iš-ša TI-an-za557 ḫu-u-ur-ki-il
Die Übersetzung von Hoffner 1997: 150 lautet: If they have sex with a deceased person – be it a man or a woman – it is not an offence. If a man sins (sexually) with his step-mother, it is not an offence. But if his father is (still) living, it is an unpermitted sexual pairing.
Seiner Deutung zufolge wird hier die Frage erörtert, ob Geschlechtsverkehr mit einem Toten oder zwischen dem Stiefsohn mit seiner Stiefmutter als eine Beleidigung der Götter zu gelten habe. Der erste Fall war erstaunlicherweise nicht verboten, und der zweite ebenfalls nicht, es sei denn,
554 555
556
557
Paragraph 76 bei Friedrich 1959: 83. Auf dem Photo ist das Zeichen TI zu lesen. Im Dupl. KUB XXIX 34+ (CTH 292.1.b.D) Rs. IV 11 findet sich jedoch ak-kán-ti-it. Siehe den Kommentar weiter unten. Hoffner 1997: 150 Anm. 526 liest ti-e-zi, das Photo zeigt aber ein klares Zeichen AN statt E; die Gegenüberstellung mit dem Zeichen E in Rs. iii 26 (apé-e-el) bestätigt meine Lesart. Im Dupl. KUB XXIX 34+ (CTH 292.1.b.D) Rs. IV 13 ad-da-aš-še-ša ḫu-išwa-an-za.
187
dass der Vater noch lebte. Für seine Analyse dieser Textstelle bringt Hoffner (ibid. 225) den Ausdruck GIDIM-it tiya mit der folgenden Passage aus dem Geburtsritual KBo XVII 65++ (CTH 489.A) 558 Vs. in Verbindung: 5)
[ma-aḫ-ḫa-an ITU VII?KAM ti-ya-a]z-zi nu nam-ma LÚMU-SÀ-ŠU IT-TI DAM-ŠU Ú-UL ti-y[a-zi]
[When the seventh? month (of pregnancy) ar]rives, then the husband does not any longer ,en[ter]ʻ with his wife. (Übersetzung von Beckman 1983, 133)
Die Ähnlichkeit ist auffällig, wobei es einen Unterschied gibt, nämlich dass in den Gesetzen der Instrumental (heth. -it) durch das Akkadogramm ITTI im Geburtsritual ersetzt wird. Infolgedessen deutet Hoffner (ibid. 304) den Ausdruck GIDIM-it/akkantit tiya- als „to enter into (sexual relations) with a dead person.“ Von einem in den hethitischen Gesetzen belegten Fall von Leichenschändung gehen auch Imparati 1964: 315559, Bryce 2002: 50560 und HW2 III 273a561 aus. CHD Š 151a-152b übersetzt „If he/she has sex with (a forbidden partner as) a deceased person“, obwohl Geschlechtsverkehr mit einem verbotenen Partner laut Text dann nicht verboten wäre. Friedrich (1959: 83 „wenn sie durch einen Totengeist hintreten, Mann oder Frau, (ist) kein Anstoß“) verweist dagegen auf einen Fall von Nekromantie, wobei er selbst zugesteht: Wollte man vermuten, dass Mutter, Tochter oder Sohn gestorben seien und dem betreffenden Manne im Traume, also als Totengeist, erschienen und dass die Blutschande im Traume geschehe, so deutet man wahrscheinlich zu viel in den Text hinein. (ibid. 113f.)
558 559 560
561
Beckman 1983: 132-175; im Hethiter-Portal s. CITATIO: Fuscagni (ed.), hethiter.net/: CTH 489. „Si può presumere che nel nostro articolo si tratti di un caso di necrofilia.“ „The legal sanctioning of necrophilia […] seems particularly surprising, given the Hittite concern in other contexts to avoid any form of direct physical contact with corpses because of possible contamination.“ „Wenn (jemand) mit einem Toten verkehrt – sei es Mann (oder) Frau –, (ist es) kein Verbrechen.“
188
Ein weiterer Deutungsvorschlag stammt von Haase 2005: 62-67; da die Regelung unter den Inzestvorschriften steht, geht er davon aus, dass sie dem vorigen §189 unterzuordnen sei und die Ausnahme zu den dort genannten Fällen darstelle. Dieser Lesart zufolge war der Geschlechtsverkehr zwischen einem Mann und seiner Mutter, einem Vater und seiner Tochter oder seinem Sohn verboten, es sei denn, er würde von dem jeweils betroffenen Totengeist (dem verstorbenen Vater oder der verstorbenen Mutter) gebilligt. Im Folgenden soll ein neuer Vorschlag zu dieser Diskussion beigetragen werden. Als Prämisse ist von der Voraussetzung auszugehen, dass ein Fall von Leichenschändung in der hethitischen Gesellschaft kaum vorstellbar ist. In III.1.3.3 wird gezeigt, wie der Kontakt mit einem Toten, mit seinen Opferspenden, mit bloß mit ihm in Berührung gekommenen Gegenständen und auch mit den für den Totenkult zuständigen Menschen als eine Ursache von Unreinheit angesehen wurde. Diese war nämlich durch Orakelanfragen genau zu bestimmen, damit die richtigen Reinigungsrituale zur Besänftigung der zornigen Gottheiten durchgeführt werden konnten. Die hethitischen Texte betreffen stets Personen, die entweder Tempel- oder Palastangestellte waren oder in irgendeiner Art bei den Opferspenden für die Gottheiten oder Verstorbenen eine Rolle spielten. Es ist aber kaum anzunehmen, dass für die vom religiösen Kultbetrieb ausgeschlossenen Menschen der Bevölkerung grundsätzlich andere Regeln gegolten haben. Darüber hinaus wirkt die Vorschrift über den Geschlechtsverkehr mit einem Toten im Kontext des §190 wie ein Fremdkörper. Denn was verbindet sie mit dem Beischlaf eines Sohnes mit seiner Stiefmutter? 562 Die beiden Vorschriften in §190 haben das Wort ḫaratar „Anstoß“ gemeinsam563 und beziehen sich somit vermutlich nicht auf unterschiedliche Tatbestände. Die erste Vorschrift kann daher eine Art Einleitungstitel für eine genauere Erläuterung sein, die in den anschließenden Sätzen folgt: Dieser Deutung zufolge ist GIDIM der gestorbene Vater, LÚ der Sohn und MUNUS die Stiefmutter. Zwei philologische Analysen sind möglich. Die erste beruht auf der richtigen Lesung des auf GIDIM folgenden Zeichens TI. Auf Basis des parallelen KUB XXIX 34+ Rs. IV 11 ak-kán-ti-it wurde letzteres in den 562
563
Auch wenn zu vermuten wäre, dass der Paragraphenstrich vor der zweiten Vorschrift irrtümlich nicht eingefügt wurde, fände die Leichenschändungsvorschrift unter den Inzestvorschriften dennoch keinen passenden Platz. In §189 ist das Schlagwort ḫurkel „Greuel, Verbrechen“.
189
Texteditionen zu Á(it) korrigiert. Diese Endung kann aber als Schreibfehler emendiert werden, d.h. ak-kán-ti: Das Verb tiya- kann mit Dativ und mit der Ortsbezugspartikel -šan eine lokative Funktion ausüben, etwa in der Bedeutung „vor-, gegenübertreten“ (HEG III 358). Infolgedessen dürfte die Übersetzung so lauten: „Wenn Mann und Frau dem Toten gegenüber-/vortreten, (ist das) kein Anstoß.“ Die zweite Deutungsmöglichkeit, die sich als weniger schwerfällig erweist, ist die Analyse des Verbes tiya- als unpersönliche Form (HEG III 357),564 d.h.: „Wenn (es) (mit) einem Toten passiert, (ist das für) Mann und Frau kein Anstoß“, bzw., genauer gesagt: „Wenn ein Mann mit seiner Stiefmutter sündigt, (ist es) kein Anstoß; wenn aber sein Vater (noch) lebt, (ist es) ein Verbrechen“. 565 Um zusammenzufassen: §189) Geschlechtsverkehr zwischen – Mann und seiner Mutter: verboten – Vater und seiner Tochter: verboten – Vater und seinem Sohn: verboten
564
565
Melchert 1977: 247f. schlägt dagegen die Lesung TI-anzi = ḫuišwanzi vor und übersetzt: „If they live/coexist with a dead person“. Aus seiner Deutung geht aber der Sinn der Vorschrift in §190 nicht hervor. Siehe die folgenden Paragraphen aus dem Kodex Ḫammurabis: §157: šumma awīlum warki abīšu ina sūn ummīšu ittatīl kilallīšunu iqallûšunūti „If a man, after his fatherˈs death, should lie with his mother, they shall burn them both“; §158: šumma awīlum warki abīšu ina sūn rabītišu ša mārī waldat ittaṣbat awīlum šû ina bīt abim innassaḫ „If a man, after his fatherˈs death, should be discovered in the lap of his (the fatherˈs) principal wife who had borne children, that man shall be disinherited from the paternal estate“ (Übersetzungen von Roth 1995: 111) Die erste Vorschrift kann mit §189 aus den hethitischen Gesetzen verglichen werden, in dem u. a. Geschlechtsverkehr zwischen einem Mann und seiner Mutter verboten wird. Die zweite erinnert an §190 der hethitischen Gesetze: Im Kodex Ḫammurabis erforderte Geschlechtsverkehr zwischen Sohn und Stiefmutter nach dem Tod des Vaters keine Todesstrafe, aber immerhin doch die Enterbung des Sohnes. In den hethitischen Gesetzen dagegen stellte dieser Tatbestand schlichtweg kein Verbrechen dar und wurde offenbar in keiner Weise bestraft.
190
§190) Wenn der Vater gestorben ist: – Geschlechtsverkehr zwischen seinem Sohn und seiner Ehefrau (Stiefmutter seines Sohnes): nicht verboten –
Wenn der Vater noch lebt: Geschlechtsverkehr zwischen seinem Sohn und seiner Ehefrau (Stiefmutter seines Sohnes): verboten
Die vorgelegte Interpretation erklärt das Aufeinanderfolgen zweier offenbar unterschiedlicher Vorschriften im selben Paragraphen. Somit ist die Zugehörigkeit der ersten Vorschrift bezüglich des Toten nicht aus dem Zusammenhang gerissen und wird im Kontext der Inzestvorschriften verständlich. Darüber hinaus lässt sich auf diese Weise die Fehldeutung vermeiden, dass ein Beleg für die Akzeptanz von Leichenschändung in den hethitischen Gesetzen enthalten sei. Das Wort GIDIM/akkant- bezeichnet nämlich dort das Konzept „Toter“ als einen allgemeinen Begriff, ohne jeden Bezug auf den Leichnam oder Totengeist. 1.5
Die Bedeutung der Knochen. GIDIM/akkant- auch als „Gebeine des Toten“?
In diesem Abschnitt wird die Frage untersucht, ob die Knochen bzw. die Überreste nach der Leichenverbrennung ebenfalls mit dem Begriff GIDIM/akkant- bezeichnet werden können. 566
566
Dass in der damaligen Vorstellung die Gebeine als eine Art Synekdoche den Toten darstellen können, bezeugt die Übersichtstafel des Totenrituals šalliš waštaiš KUB XXX 27 (CTH 451; s. Otten 1958: 98f.; van den Hout 2002: 85) Vs.: 7) ḫa-aš-ta-i-ma tu-u-wa-za ku-it KUR -az ú-da-an 8) nu ku-it-ma-an UDKAM ḪI.A mu-kiš-na-aš 9) nu-uš-ši UDKAM-ti-li SISKUR kiš-an pé-eš-kán-z[i] 10) IGI-zi-ya-an UDKAM-ti ku-wa-pí : li-la-an-zi 11) nu-kán I UDU A-NA D UTU DINGIRMEŠ ŠA-ME-E-ya 12) [š]i-pa-an-ti I UDU-ma A-NA DAl-la-ni ták-na-aš DUTU-i 13) [ták-na-aš-š]a DINGIR MEŠ-aš BAL-ti
191
Das hethitische Wort für „Knochen“ ist ḫaštai-, das sowohl die Gebeine der (lebenden und toten) Menschen als auch die Knochen der Tiere bezeichnet (HW2 III 425ff.). Neben dem Totenritual šalliš waštaiš, in dem es eindeutig um die Gebeine des Toten geht, findet sich der genaue Ausdruck „die Knochen des Toten“ 567 im Tafelkatalog KBo XXXI 5+ (CTH 277.6.A)568 Vs. II: 12)
ma-a-an-kán TI)]
ŠA GIDIM
ḫa-aš-ta-i pé-e-˹e˺-di n[i(-ni-in-kán-zi
QA-
Wenn man die Gebeine des Toten an Ort und Stelle a[u]fnimmt. Beendet.
Daraus wird deutlich, dass ein besonderes Ritual bzw. bestimmte Handlungen für das Aufsammeln der Gebeine eines Toten vorgeschrieben waren, wahrscheinlich um u. a. das Auftreten von Unreinheit zu vermeiden. Worauf kann sich diese Textstelle beziehen? Im Instruktionstext Arnuwandas I. KBo XIII 58 Rs. III 7-12 wird vorgeschrieben, dass ein Leichnam nicht länger als 3 bzw. 5 Tage auf den Straßen von Ḫattuša liegen durfte (s. III.1.3.2). Hinter dieser Vorschrift verbirgt sich das Bedürfnis nach Hygiene und das Bestreben, Unreinheit zu vermeiden. Daher ist die Annahme plausibel, dass auch für den Umgang mit den sterblichen Überresten von Menschen der Unterschichten
567 568
14) [I UDU-m]a-kán A-NA D A-a-ra BAL-ti „(7) Den Gebeinen aber, die von weitem aus einem Land hergebracht (worden sind), (8f.) ihnen gibt man während der Tage des Klagerituals das tägliche Opfer immer wieder folgendermaßen: / (10) Sobald man ihn am ersten Tag versöhnt, (11) opfert er/sie dem Sonnengott und den Gottheiten des Himmels ein Schaf; (12) ein Schaf aber opfert er/sie der Allani, der Sonnengöttin der Erde (13) und den Gottheiten [der Erde]. (14) [ein Schaf] aber opfert er/sie der Gottheit Ara.“ Wenn damals ein Mensch weit entfernt von Ḫattuša starb, konnten laut dieser Textstelle seine Gebeine von dorther überführt werden. In Z. 7 ist von Gebeinen (ḫaštai) die Rede, denen Opfer dargebracht werden sollen. In Z. 10 findet sich das enkl. Pron. Akkus. Sing. c. -an: Es muss sich auf den Toten beziehen, der davor durch seine Gebeine bezeichnet wird. Hierzu lässt sich anmerken, dass dieser Ausdruck schon eine Trennung des körperlichen Elementes von der Person des Verstorbenen impliziert. Dardano 2006: 161-173; Dupl. KBo XXXI 26 Vs. 9 (CTH 277.6.B; s. ead. 174).
192
bestimmte Regeln galten. Im Falle der Leichenverbrennung könnte es für das anschließende Auflesen der Knochen „an Ort und Stelle“ besondere Vorschriften gegeben haben, auf die sich der Tafelkatalog KBo XXXI 5+ Vs. II 12 beziehen dürfte. Es gibt aber auch weitere Möglichkeiten. Die Überreste der Leichenverbrennung bzw. die Gebeine des Toten hatten im Totenritual šalliš waštaiš eine gewisse Bedeutung. Dort wird nämlich beschrieben, wie das Auflesen der Knochen nach der Leichenverbrennung durchgeführt werden sollte: KUB XXX 15++ Vs. 1) ma-a-an I-NA UD IIKAM lu-˹uk˺-kat-ta nu MUNUSMEŠ uk-tu[-u-ri-y]a ḫa-aš-ti-aš le-eš-šu-u-wa-an-zi 2) pa-a-an-zi {Ras.}na-aš-ta IZI IŠ-TU X DUG KAŠ ˹X˺ [DUG GEŠTIN] 10 DUG {wa}-al-ḫi {Ras.} ki-iš-ta-nu-wa-an-zi 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11)
569
nu I ḫu-up-pár KÙ. BABBAR ŠA ½ MA.NA XX-ya [IŠ-T]U Ì. DÙG.GA šu-wa-an nu ḫa-aš-ta-i IŠ-TU la-ap-pa KÙ. BABBAR da-aš-kán-z[i n]a-at-kán A-NA Ì. DÙG.GA ḫu-u-pár KÙ. BABBAR an-da zi-ik-kán-zi IŠ-TU Ì.DÙG.GA-ma-at-kán ša-ra-a da-aš-kán-zi na-atkán GAM-ta A-NA GADAgaz-za-ar-nu-li zi-ik-kán-zi A-NA GADA-ma GAM-an TÚG SIG ki-id-da-ri nu ma-aḫ-ḫa-an ḫa-aš-ta-i le-eš-šu-u-wa-an-zi zi-in-na-an-zi naat QA-DU GADA IŠ-TU TÚG SIG -ya an-da ka-ri-ya-an-zi na-at-ša-an A-NA GIŠ ŠÚ. A. AN569 aš-ša-an-na-[aš] ti-ya-an-zi ma-a-an MUNUS -za-ma na-at-ša-an GIŠḫa-ap-ša-li-yaaš nu ak-kán-za ku!(DAG)-e-da-aš!(NI) uk-t[u-ri]-ya-aš {Ras.} wa-raa-ni nu a-pé-e-da-aš [u]k-tu-ri-ya-aš a-ra-aḫ-za-an-da XII NINDA.GUR4.RAMEŠ GAM ti-ya-an-zi A-NA NINDA.GUR4.RAḪI.A-ma-aš-ša-an še-er
Die Funktion des Zeichens AN als Bestandteil des Sumerogrammes GIŠŠÚ.A ist unklar. Grammatikalisch ist GIŠŠÚ. A ein Dat.-Lok.-Objekt im Satz. Zum einzigen Beispiel für GIŠŠÚ. A-an als Akkus.-Objekt (KUB XII 65++ Rs. III 12) s. Otten 1958: 66 Anm. b.
193
12) 13) 14) 15) 16) 17) 18) 19) 20)
NINDA.Ì .E. DÉ. A
zi-ik-kán-zi pa-a[ḫ-ḫ]ur-ma-kán I[Š-T]U KAŠ {Ras.} ki-iš-ta-nu-wa-an nu-uš-ša-an A-NA GIŠŠÚ.A ku-e-da-ni ḫa-aš-ta-i ki-it-ta-˹ri˺ nu a-pé-e-da-ni A-NA GIŠŠÚ.A pé-ra-an kat-ta GIŠBANŠUR ti-an-zi nu NINDA a-a-an ḪI.A NINDA.GÚG ḪI. A NINDA KU7ḪI. A pár-ši-ya-u-wa-an-zi pí-ya-an-zi nam-ma LÚ.MEŠ MUḪALDIM LÚMEŠ GIŠBANŠUR ḫa-an-te-ez-zi TU7ḪI.A ti-ya-an-zi ḫa-an-te-ez-zi-ma ša-ra-a da-aškán-zi nu ku-i-e-eš ku-i-e-eš ḫa-aš-ti-ya-aš le-eš-šu-u-wa-an-zi ú-wa-ante[-]eš nu a-da-an-na ḫu-u-ma-an-ti pí-ya-an-zi GEŠTIN k[a-]ru-ú
[n]u a-ku-u-wa-an-na III-ŠU pí-an-zi nu III-ŠU-pát a-pé-˹el˺ ZI-ŠU a-ku-u-wa-an[-]zi [NINDA.]GUR4.RA GIŠ DINANNA NU.GÁL nu-uš-ša-an uk-tu-ri-ya-aš pé-ra-an ap[-pa-a]-i
(1) Wenn es am zweiten Tag hell wird, gehen die Frauen zum Verbren[nungspl]atz, um die Gebeine aufzulesen. (2) Das Feuer löschen sie mit zehn Krügen Bier, ze[hn Krügen Wein] und zehn Krügen walḫi-Getränk. / (3) Eine silberne Schale von 20,5 570 Minen ist mit Duftöl gefüllt. Die Gebeine (4f.) nehmen sie mit einer silbernen Zange ?571 und legen sie in das Duftöl, in die silberne Schale. Aus dem Duftöl aber nehmen sie sie auf und sie (6) legen sie auf ein gazzarnulli-Tuch nieder. Ein feines Tuch liegt aber unter dem Leinen. / (7) Wenn sie mit dem Auflesen der Gebeine fertig sind, hüllen sie sie zusammen mit dem Leinen (8f.) und mit dem feinen Tuch ein und sie legen sie auf einen Stuhl zum Sitzen. Wenn es eine Frau (ist), legen sie sie auf einen Schemel. / (10) Auf welchem Verbrennungsplatz der Tote verbrannt worden ist, um jenen Verbrennungsplatz (11) herum legen sie zwölf dicke Brote nieder. Auf die dicken Brote aber (12) legen sie je einen Rührkuchen. Das Feuer aber ist mit Bier und Wein schon (13) gelöscht. Auf welchem Stuhl die Gebeine liegen, (14) vor jenen Stuhl stellt man einen Tisch nieder, und warme Brote, (15) GÚG -Brote und süße Brote gibt man zum Zerstückeln. Die Köche und Tischleute (16)
570 571
Anders bei Otten 1958: 67: ½ Mine und 20 Schekel. Zur Diskussion s. Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 283. Siehe CHD L-N 40a.
194
stellen ferner Vorspeisen 572 (und) Suppen hin, die Vorspeisen aber nehmen sie auf, (17) und allen, die zum Auflesen der Gebeine gekommen sind, (18) gibt man zu essen. / (19) Man gibt dreimal zu trinken und ebenfalls dreimal trinkt man seine Seele. (20) Dicke [Brote] und Inanna-Musikinstrumente sind nicht dabei. (Die Handlung) vor dem Verbrennungsplatz ist zu E[nde.]“ 573
Es existierte also scheinbar eine komplexe Prozedur, die es zu befolgen galt. Wenn diese Textstelle in Verbindung mit dem oben zitierten Tafelkatalog gebracht wird, erscheint die Vermutung erlaubt, dass sich der Einleitungstitel „Wenn man die Gebeine des Toten an Ort und Stelle a[u]fnimmt“ auf die Handlungen des Totenrituals bezieht. Eine lexikographische Analyse spricht aber gegen diese Bezugnahme. Für das Auflesen der Gebeine werden nämlich in KUB XXX 15++ der Ausdruck ḫaštāe (šarā) leššai-574 „Knochen aufsammeln“575 (Vs. 1, 7, 17) und das Verb dašk„(wiederholt/Stück für Stück) nehmen“ (Vs. 4, in Verbindung mit der Zange) verwendet. Im Tafelkatalog findet sich dagegen pēdi ninink-, das nicht durch „von einem Ort wegnehmen/entfernen“ (pēdaz ninink-),576 sondern durch „am Ort bewegen“ zu übersetzen ist. 577 Bei beiden Aus-
572
573 574
575 576
577
Zu dieser Deutung von ḫantezzi- s. Kassian 2002: 11-21. Van den Hout 1995a: 210 zieht die Übersetzung „food of the first quality“ vor. Vergleiche auch Otten 1958: 67 „bei erster Gelegenheit“. Siehe auch die Übersetzung von Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 261ff. Siehe auch KBo XV 25 (CTH 396.1.1; im Hethiter-Portal s. CITATIO: Chrzanowska (ed.), hethiter.net/: CTH 396.1.1) Rs. 18: nu ḫa-aš-ta-a-e [šara-a] li-iš-ša-an-zi na-at ḫa-aš-ši-i a-wa-an kat-ta ti-an-zi „Nun liest man die Knochen [auf], legt sie auf den Herd nieder“ (s. Carruba 1966: 7). In diesem Ritual stammen aber die genannten Knochen mit aller Wahrscheinlichkeit von einem Schaf, das in Rs. 5 und vielleicht 13 erwähnt wird. Die Knochen werden daraufhin verbrannt (Rs. 19). Siehe CHD L-N 72a „to gather up“. KUB XXX 56 (CTH 279.1; s. Dardano 2006: 212-221) Rs. III 15: ma-a-ankán DINGIRMEŠ pé-e-da-az ni-ni-in-kán-zi „Wenn man die Gottheiten von (ihrem) Platz bewegt“. Dardano (ibid. 220) zufolge stellt dies ein Ritual bei der Umsiedelung eines Götterbildes dar. Vergleiche z.B. HW2 III 427a „Wenn [man] die Gebeine eines Toten vom Ort wegni[mmt]“ (KBo XXXI 5++ Vs. II 12); CHD L-N 440b „He moved the gods of Ḫatti and the deceased (ancestors) from their place“ (KUB I 1++ Vs.
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drücken aber, die unterschiedliche Nuancen aufweisen, ist durch ihre Belege eine Bewegung zu erkennen, bei der das am Ort bzw. vom Ort bewegte Objekt irgendwo anders hingebracht wird. 578 Aus diesem Grund lässt sich eine gewisse Zugehörigkeitsbeziehung bzw. eine Relation zwischen dem bewegten Objekt und dem Ort vermuten. Dementsprechend darf der Tafelkatalog so gedeutet werden, dass die Gebeine eines Toten an dem Ort, an welchem sie schon abgelegt wurden, zuerst aufgehoben und darauf irgendwohin anders gebracht werden, d.h. umgebettet werden. Die hethitische Geschichte weiß von einem berühmten Fall, der jahrelang diskutiert wurde und bis heute umstritten bleibt. Der König Muwattalli II. verlegte die Hauptstadt des hethitischen Reiches aus Ḫattuša in die Stadt Tarḫuntašša ins untere Land. Dies bedeutete eine Verlegung des gesamten Kultes mit Priestern, Inventar und Götterstatuen. Davon wird in der Apologie Ḫattušilis III. und wahrscheinlich im Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna berichtet: KUB I 1++ (CTH 81.A) 579 Vs. II 52) nam-ma-kán DINGIRMEŠ URUḪa-at-ti GIDIMḪI. A-ya pé-di ni-ni-ik-ta 53) na-aš i-na URU DX-aš-ša kat-ta pé-e-da-aš (52) Ferner bewegte er (Muwattalli) die Götter von Ḫatti und die Toten am Ort580 (53) und brachte sie hinab in die Stadt Tarḫuntašša. KUB XIV 7(++) (CTH 383) 581 Vs. I 582 2ˈ) [pé-d]i ni-ni-i[k-ta DINGIR MEŠ-uš-ma URUḪa-at-ti (GIDIMḪI.A-ya)] 3ˈ) [pé]-di pé-e-t[u-um-ma-an-zi A-NA D UTU URUPÚ-na GAŠAN-YA] 4ˈ) [ma]-a-an ZI-an-za [e-eš-ta ma-a-an-ma-ta Ú-UL] 5ˈ) [Z]I-an-za e-eš-t[a na-at A-NA ZI DINGIRLÌ GAŠAN-YA] 6ˈ) ku-iš an-da ša-ak-ta
578 579 580 581 582
II 52f.). Anders aber in CHD P 342a „When [they] l[oosen] the bones of a dead person in (their) place“ (KUB XXX 65 Vs. II 12). Vergleiche CHD L-N 440f. und 442f. Otten 1981; van den Hout 2003: 199-204; Dupl. KBo III 6++ Vs. II 33f. Vergleiche Otten 1981: 15 „Dann nahm er die Götter von Ḫatti und die Manen an ihrer Stelle auf.“ Sürenhagen 1981: 88-108; Singer 2002: 97-101; Klinger 2013: 128-132. Zu den Ergänzungen anhand von Paralleltextstellen und der Apologie Ḫattušilis III. s. Sürenhagen 1981: 90 und 104.
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(2ˈ) [Am Or]t beweg[te er. Die Götter von Ḫatti aber] und die Toten (3ˈf.) hinzusch[affen,583 o]b das nach dem Willen [der Sonnengöttin von Arinna, meiner Herrin, war oder ob es (5ˈ) nicht nach deinem Wi]llen wa[r], es (ist) im [Innersten der Gottheit, meiner Herrin], (6ˈ) die es drinnen wusste.
In beiden Textstellen fällt die Verwendung von pēdi ninink- auf, dessen Interpretation als „umsiedeln, umlagern“ auf das Verlegen des Kultes nach Tarḫuntašša zu passen scheint. Darüber hinaus findet sich eine parallele Verwendung von pēdi ninink- und šarā da- gerade in der Apologie Ḫattušilis III. KUB I 1++ Vs. II 1 584 und in KBo VI 29++ (CTH 85.1.A) 585 Vs. I 31 in Bezug auf das Verlegen der Gottheiten von Ḫatti (Statuen) und den GIDIMḪI. A nach Tarḫuntašša durch Muwattalli II. 586 Der Ausdruck šarā
583 584 585 586
Vergleiche ibid. 91 „[Von der Stel]le? beweg[te er. Die Götter des Ḫattilandes aber, (und die Manen?) um]zusetz[en.“ Durch KBo III 6 (CTH 81.B) Vs. I 66 ergänzt. Goetze 1925: 44-51. Die GIDIMḪI.A sind lediglich in KUB I 1++ Vs. II 52 belegt. In KBo VI 29++ (Text über den Konflikt zwischen Muršili III. und Ḫattušili III.) werden dagegen die Götter von Ḫatti, von Arinna und die Zedern-Götter genannt (Vs. I 30ff.: ŠEŠ-YA-[ma DINGIR MEŠ U]RUḪAT-TI DINGIRMEŠ URUPÚ-na (31) DINGIRMEŠ GIŠ ERINMEŠ-aš ša-ra-a da-a-aš [na-aš A-NA] URU DX-aš-ša (32) pé-e-da-aš „Mein Bruder [aber] nahm [die Götter von] Ḫatti, die Götter von Arinna (und) die Zedern-Götter auf [und sie] brachte er [nach] Tarḫuntašša“). Zu den „männlichen Zederngöttern“ s. auch das Evokationsritual KUB XV 34+ (CTH 483.I.A; s. Haas – Wilhelm 1974: 182-209; García Trabazo 2002: 571-595) passim: In seinem Duplikat? KBo XXXIV 90(+) 5ˈ, 12ˈist DINGIRMEŠ ši-napši-ya-aš anstelle von DINGIRMEŠ LÚMEŠ GIŠERIN-aš belegt; dies hat zur Gleichsetzung dieser Gottheiten geführt (s. CHD Š 378 mit der dort zitierten Bibliographie). Hier ist anzumerken, dass das šinapši-Haus den ersten Aufenthaltsort des Toten während des Totenrituals KUB XXX 28+ (s. IV.3.2) darstellt. Wenn die šinapši-Gottheiten zum Totenkultsbereich gehören und mit den Zederngöttern gleichzusetzen sind, ließe sich dadurch eine Verbindung zwischen den GIDIMḪI .A in KUB I 1++ Vs. II 52 und den DINGIRMEŠ GIŠERINMEŠ aš in KBo VI 29++ Vs. I 31 aufzeigen. Dennoch lässt sich nicht nachweisen, dass KBo XXXIV 90(+) wirklich ein Duplikat von KUB XV 34+ darstellt. Zu der Vermutung schließlich, dass die „Zederngötter“ die Gottheiten jenes Gebietes seien, in dem die hurritische Ḫebat ursprünglich verehrt wurde (Kizzuwatna/Nordsyrien), s. Hutter-Braunsar 2004: 264ff.
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da- wird auch am zweiten Tag des Totenrituals šalliš waštaiš in Bezug auf die Gebeine des Toten verwendet, allerdings erst, nachdem die Knochen auf einen Stuhl gelegt worden sind. Anschließend wurden sie, zusammen mit dem Stuhl, aufgenommen und ins Steinhaus gebracht. 587 Dies kann die hier vorgelegte Deutung stützen, dass sich pēdi ninink- und sein Synonym šarā da- nicht auf das Auflesen der Knochen des Toten am Verbrennungsplatz beziehen können. Angesichts der parallelen Verwendung von pēdi ninink- für die Gebeine des Toten im Tafelkatalog KBo XXXI 5+ Vs. II 12 und für das Verlegen der Götter von Ḫatti und der Toten in der Apologie Ḫattušilis III. Vs. II 52f. erhebt sich erneut die Frage nach der genauen Bedeutung des Sumerogrammes GIDIMḪI. A. Bezeichnet es die Toten, die Totengeister, die Statuen oder die Gebeine bzw. die Überreste? Die gleiche Frage stellt sich auch bei einer Passage aus den „Rechtssprüchen betreffend einen Grenzkonflikt zwischen Nuḫašše und Barga“ KBo III 3++ (CTH 63.A) 588 Vs. I. Nachdem Tette und EN-urta gegen Ḫatti einen Kampf aufgenommen hatten, stellte sich Abiradda auf die Seite des hethitischen Königs Muršili II. Er jagte EN-urta aus dem Land und stellte daraufhin die folgende Forderung an Muršili II.: 14) 15) 16) 17)
I-ya-ru-wa-da-aš-wa URU-aš ku-it an-na-az am-me-el ŠA A-BI A-BI-YA e-eš-ta nu-wa-mu URUI-ya-ru-wa-at-ta-an URU-an dan-na-at-ta-an pu-ru-ut DINGIRMEŠ ak-kán-du-uš-ša EGIR -pa pa-a-i589 URU
„(14) Da die Stadt Iyaruwatta früher (15-17) meinem Großvater gehört hat, gib mir die leere Stadt Iyaruwatta, die Lehm(gebäude), die Gottheiten und die Toten zurück!“ 590
Die akkanduš (Rechtsspruch Muršilis II.) und GIDIMḪI.A (Apologie Ḫattušilis III.) zuzuschreibende Bedeutung wurde in der Forschung intensiv diskutiert. Im Folgenden sollen die Hauptlehrmeinungen dazu kurz reka587
588 589 590
KUB XXX 15++ Vs. 46f. [nu-kán ḫ]a-aš-ta-i ša-ra-a da-an-zi na-at-kán uktu-ri-ya-az p[a?-ra-a ú-da-an-zi] (47) [na-at] I-NA É.NA4-ŠU pé-e-da-an-zi „[Und] sie nehmen die [G]ebeine auf, [bringen] sie vom Verbrennungsplatz h[inaus und] bringen [sie] in sein Steinhaus.“ Miller 2007: 121-152; Beckman 1999a: 169-173. In Vs. I 23ff. findet sich eine sehr ähnliche Textstelle. Vergleiche Beckman 1999a: 171; Klengel 1963: 39f.; HW2 III/1 243b.
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pituliert werden: Otten 1958: 110 zufolge handelt es sich bei der berichteten Verlegung nach Tarḫuntašša um eine Verlegung des gesamten Kultes mit Priestern, Inventar und Götterstatuen. Unter Hinweis auf die Opferlisten für die hethitische Königsfamilie nimmt der Autor an, dass GIDIMḪI. A die Statuen der Ahnen bezeichne. Archi 1979a: 93 Anm. 30 vermutet dagegen, dass die akkanduš des Textes Muršilis II. nicht auf Götzenbilder, sondern auf Aschenurnen zu beziehen seien. Diese beiden Stellungnahmen versucht Haas 1994: 243 Anm. 37 in Einklang zu bringen, indem er schreibt: „Wahrscheinlich sind nicht nur die Ahnenbilder, sondern auch die Gebeine gemeint.“ Als Befürworter der Bedeutung „Statue“ erweisen sich van den Hout 2002: 74 Anm.1 591 und Popko 1995: 53, während Singer 2009: 172f., in Anlehnung an Börker-Klähn 1994: 364f., unter GIDIMḪI.A die Knochen versteht. Im Wesentlichen lassen sich zwei gegensätzliche Positionen ausmachen. Einer Deutung des Ausdrucks als „Abbilder der Verstorbenen“ steht die Interpretation als „sterbliche Überreste der Toten“ gegenüber. Ein entscheidendes Argument für die eine oder die andere Seite gibt es nicht. Einige Anhaltspunkte lassen sich jedoch im Folgenden betrachten. Zunächst etwas schon Bekanntes: Im Alten Orient findet sich ein weiterer Fall für die Öffnung und Verlagerung einer Nekropole. Als der chaldäische König Marduk-apla-iddina II. über das Meerland nach Elam fliehen musste, führte er neben den Göttern seines Landes auch die Gebeine seiner Vorfahren mit sich. Aus der Nebi-Yunus-Inschrift ist Folgendes zu erfahren: ilāni marak mātīšu itti qereb kimaḫḫi iḫpirma
GÌR.PAD. DUMEŠ
(= eṣmāte) abbēšu maḫrūti ultu
He gathered the gods of the entire extent of his land, together with the bones of his forefathers from (their) graves. 592 (CAD E 342a)
Dieser Inschrift lässt sich entnehmen, dass im Alten Orient die Gebeine der Vorfahren neben den Gottheiten des Landes als Sockel der Identität
591
592
„That Muwattalli, when transferring the ,Gods of Ḫatti and the Spirits of the Deadʻ to Tarḫuntašša, also took the bones, as V. Haas supposes, is not supported by the texts.“ Siehe auch Singer 2009: 173 und Börker-Klähn 1994: 365.
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des Königs galten. Im Fall der Notwendigkeit, in eine andere Gegend umzusiedeln, brauchte er offenbar beides, um sein Königtum neu verwurzeln zu lassen und um sich durchzusetzen. Dies kann ebenfalls auf die Verlegung der Gottheiten von Ḫatti und der GIDIMḪI.A nach Tarḫuntašša durch Muwattalli zutreffen. Zweiter Anhaltspunkt stellt die Verbindung zwischen dem Tafelkatalog KBo XXXI 5+ Vs. II 12 und den Textstellen aus der Apologie Ḫattušilis III. und aus dem Gebet Ḫattušilis III. und Puduḫepas (s. oben) dar. Falls sich der Tafelkatalog gerade auf den Fall der Umbettung der Toten durch Muwattalli II. bezieht, lässt sich folgern, dass sich hinter den GIDIMḪI.A die Gebeine der Toten verbergen. Eine weitere und letzte Überlegung betrifft den Anlass, aus dem der Tafelkatalog geschrieben wurde. Die Umbettung durch Muwattalli II. stellt einen einmaligen Sonderfall dar; der Tafelkatalog kann sich dagegen auf eine Situation beziehen, mit deren mehrmaligem Vorkommen zu rechnen ist. Mangels weiterer Auskünfte über eine Verlegung der Knochen aufgrund der Errichtung einer neuen Nekropole in Ḫattuša ist an die Feste oder Festkulte zu denken, in denen die Toten mit Opferspenden bedacht wurden, weshalb Umlagerungen aus diesen Anlässen denkbar erscheinen. Diesbezüglich ist im Orakeltext KUB XVI 34(+) (CTH 579)593 Vs. I zu lesen: 5) 6) 7) 8) 9) 10)
nu LÚMEŠ É. DINGIRLÌ pu-nu-uš-šu-u-en nu me-mi-ir A-NA EZEN4 daa-ḫi-ya-aš-wa-kán ku-wa-pí DINGIRMEŠ dam-na-aš-ša-ru-uš GAM ú-da-an-zi nu-wa LÚMEŠ É. DINGIRLÌ A-NA LÚMEŠ É. NA4 DINGIRLÌ an-da ú-e-ri-ya-an-te-eš GIDIMḪI . A-ya-wa-aš-ma-aš da-ni-nu-waan-te-eš LÚMEŠ É. DINGIRLÌ-ma-wa-aš-ma-aš an-da ú-e-ri-ya-an-te-eš wa-arpa-an-zi-ma-wa-az Ú-UL nu-wa-ra-at-kán ŠÀ É. DINGIRLÌ-pát i-ya-an-ta-ri DINGIRLU4 aši ˹mar-ša˺-aš-tar-in i-ši-ya-aḫ-ta …
(5f.) Wir befragten die Tempelleute, und sie sagten: „Wenn man zum daḫi-Fest die damnaššara-Gottheiten herunterbringt, werden die Tempelleute zu den Leuten des göttlichen Steinhauses (7) hineingerufen, und die
593
Taggar-Cohen 2006: 293-296; del Monte 1975: 330, 345f.
200
Toten werden für sie geordnet. (8) Die Tempelleute werden aber zu ihnen594 hineingerufen, sie waschen sich aber (9) nicht, und sie gehen gerade in den Tempel hinein.“ Hast Du, Gottheit, die erwähnte Entweihung (10) angezeigt? 595
Dieser Textstelle ist zu entnehmen, dass sowohl die damnaššara-Gottheiten596 als auch die Toten irgendeine Rolle während des daḫi-Festes597 spielten. Eine Verbindung zwischen dem Herunterbringen solcher Gottheiten und der Tatsache, dass die Tempelleute zum Steinhaus hineingerufen werden, wird nicht deutlich. Denkbar ist, dass sich die damnaššara-
594
595 596
597
-šmaš (Z. 8) muss sich auf die GIDIMḪI. A beziehen und nicht auf die Leute des Steinhauses. Der Satz in Z. 8, der mit einem Bezug auf die Menschen des Steinhauses alleine, nur wie eine nicht notwendige Wiederholung aussehen würde, hebt auch durch die Verwendung der Partikel -ma gerade die gefährliche chthonische und unreine Wesensart der Toten hervor. Vergleiche die Übersetzung von Kapeluś 2018: 87 „But the ghosts belong to you“, in der aber das Verb taninu- sehr frei als „gehören“ gedeutet wird. Siehe auch die Übersetzungen von Taggar-Cohen 2006: 295 und del Monte 1975: 330. HEG III T/D 85f. „Art Götterstatue in Tiergestalt ?“. Es handelt sich um Statuen, die während der Rituale herumgetragen oder herumgedreht werden. Belegt sind auch die damnaššara-Männer (KUB XXIX 8++ Vs. II 3) und die damnaššara-Berge (Bronzetafel Bo 86/299 Vs. I 43). Zu den DDamnaššareš als „deities of internal spaces in the house or temple with monitoring functions“ und zur Deutung von damnaššara- als Adjektiv mit der Denotation „domestic, of the house(hold)“ s. Melchert 2001: 150-157. HEG III T/D 16 „Fest im Totenkult“. Eine solche Begriffsbestimmung basiert auf dem Orakeltext KUB XVI 39+ (CTH 574.4) Vs. II 4 und 21, in denen die Palastangestellten zum daḫi-Fest Opfergaben für den (verstorbenen) Tudḫaliya und für die (verstorbenen) „Väter“ darbringen (s. weiter unten). Dass eine Verbindung zwischen den Opfern bzw. Kulthandlungen für die Toten und dem Anlass des daḫi-Festes besteht, ist auch in Bo 3396++ (CTH 574.21; s. Soysal 2015: 72f.; Groddek 2015: 136) Vs. 9 belegt: Dort wird nämlich das daḫi-Fest im Zusammenhang mit Verfehlungen hinsichtlich des Totenkultes im Steinhaus erwähnt. Infolgedessen lässt sich annehmen, dass das daḫi-Fest zumindest teilweise im Steinhaus stattfand (s. auch del Monte 1975: 329 Anm. 36).
201
Gottheiten im Tempel befanden 598 und von den Tempelleuten in der Stadt irgendwohin „herunter“ gebracht wurden. Denn dort, vermutlich in der Nähe bzw. auf derselben Ebene der Stadt, muss sich das Steinhaus befunden haben, wohin man sie hineinrief, damit die Toten für die Tempelleute hergerichtet werden konnten. Auch hier erhebt sich die Frage über die Bedeutung von GIDIMḪI. A. Otten 1958: 105 übersetzt „Toten(geister)“, während es sich dabei Archi 1979a: 93 Anm. 30 zufolge um die Urnen handelt. Die erstere Deutung hält einer näheren Überprüfung nicht stand. Denn die in KUB XVI 34(+) beschriebenen Handlungen haben zweifellos mit etwas Materiellem zu tun. Das Verb taninu- „einrichten, ordnen, festigen“ (HEG III T/D 103f.) kann auch mit etwas Abstraktem in Verbindung gebracht werden, nur aber wie etwa in der Wendung „einen Staat ordnen“.599 In den Belegen taucht es jedoch insbesondere in Verbindung mit Götter(statuen/bildern) auf, wie in KBo VI 29++ Vs. I 33: DINGIRMEŠ PA-NI NA4 ZI. KIN ḪI[ A] ta-ni-nu-wa-an-zi „Sie stellen die Gottheiten vor die ḫuwaši-Steine hin.“ Die Deutung von Otten erweist sich daher als wenig plausibel. Somit bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder sind die Urnen gemeint, oder hier ist an die Bilder der Verstorbenen zu denken, die während des Totenrituals šalliš waštaiš geschaffen und dann für den Totenkult verwendet wurden. 600 In diesem Zusammenhang liegt der Gedanke an die in KUB XVI 34(+) genannte „Ordnung“ der Toten nahe: Wozu werden sie hergerichtet?
598
599
600
Zu dieser Deutung s. KUB XIV 8 (CTH 378.II.A, Pestgebet Muršilis II.) Vs. 35ˈ: Ddam-na-aš-ša-ru-uš-kán ku-it I-NA ŠÀBI É DIŠKUR URUḪa-at-ti „Weil die damnaššara-Gottheiten im Inneren des Tempels des Wettergottes“ (HED III T/D 85; zur Übersetzung des Gebetes s. Singer 2002: 57ff.); s. auch Melchert 2001: 150-157. Siehe z.B. KBo IV 4++ (CTH 61.II.5.B) Rs. III 17ˈ: nu ma-aḫ-ḫa-an KUR URU Kar-ga-miš ta-ni-nu-nu-un „und als ich das Land Karkemiš geordnet hatte.“ Zum Ersatzbild des Toten, das am Ende des Rituals nicht verbrannt wurde, s. IV.3.7.1.
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Die „Ordnung“ der Toten lässt sich mit den Opferspenden in Verbindung bringen: Im Orakeltext KUB XVI 39+ (CTH 574.4)601 Vs. II ist wieder das daḫi-Fest im Zusammenhang mit Opfern für die Toten belegt: 602 3) 4) 5)
… LÚMEŠ É.GALL[Ì-wa …?] A-NA EZEN4 da-a-ḫi-ya-aš-wa iš-tu GU4 UDU NINDA KAŠ A-NA mTuud-ḫa-li-[ya pé-eš-kán-zi] nam-ma-wa GAM BAL-an NINDA KAŠ UZU-ya GU7-kán-zi na-at karu-ú še-˹ek˺-k[u-e-ni]
„Die Palas[t]angestellten […? geben wie üblich] zum daḫi-Fest von den Rindern, Schafen, Brot (und) Bier an Tudḫali[ya]; dann verzehrt man oft das unten?603 geopferte Brot, Bier und Fleisch.“ Das wi[ssen wir] schon.604
Aus dem Vergleich dieser Textstelle mit dem zuvor zitierten KUB XVI 34(+) Vs. I 5-10 geht hervor, dass die Verstorbenen 605 bzw. hier der verstorbene Tudḫaliya zum daḫi-Fest im Steinhaus mit Opferspenden bedacht wurde. In KUB XVI 39+ bringen die Palastleute Brot, Bier, Rinder und Schafe. In KUB XVI 34(+) ist dagegen von den Tempelleuten die Rede, für welche die Toten „geordnet“ werden. Demzufolge lässt sich annehmen, dass es ihre (der Tempelleute) Aufgabe war, die Herrichtung oder Aufbahrung der Toten zu überwachen bzw. zu bestimmen, bevor die 601 602
603 604 605
Otten 1958: 108-111; del Monte 1975: 330-334; Tognon 2005: 106-117; Sakuma 2007: 600-603. Siehe auch IV.3.5. Außer in KUB XVI 34(+) Vs. I 5, KUB XVI 39+ Vs. II 4, 21 und Bo 3396++ Vs. 9 (s. Anm. 597) ist eine Verbindung des daḫi-Festes mit dem Totenbereich in seinen weiteren Belegen nicht zu finden: Im Instruktionstext KUB XIII 4 (CTH 264.A; s. Miller 2013: 250f.) Vs. I 43ˈ wird das daḫi-Fest neben anderen Festen in Ḫattuša aufgelistet; dem Kultinventarfragment KUB LVIII 15 (CTH 530; s. García Trabazo – Groddek 2005: 39-41) Vs. I 5 ist zu entnehmen, dass dem Wettergott von Ḫatti in der Stadt Kulella ein daḫi-Fest gefeiert wird (s. auch Otten 1980-83: 303). Darüber hinaus ist dieses Fest in Bo 8327:4ˈ, KUB LVIII 49 Rs. III 15 und KBo XLVIII 35 Rs. 7? in fragmentarischen Zusammenhängen belegt. Zur Deutung von GAM s. Anm. 1086. Vergleiche Otten 1958: 109; del Monte 1975: 332. In den darauffolgenden Abschnitten der Orakelanfrage KUB XVI 39+ erhalten in ihrem Steinhaus auch die verstorbenen Väter Opfer zum daḫi-Fest; s. IV.3.5.
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Palastleute mit den Opferspenden eintrafen. Der Grund für diese Umbettung der Toten wird klar, wenn man an die separaten Steinhäuser für jedes der Mitglieder der königlichen Familie denkt. Am Ende des Totenrituals šalliš waštaiš wird nämlich angekündigt, dass dem Toten eine Ékarimmi, „Heiligtumszelle? “ für seine Opferspenden zu widmen sei:606 Dies kann auf die Anwesenheit einer Statue bzw. eines Bildes hindeuten. Im Steinhaus befanden sich unterschiedliche Räume. 607 Aus den königlichen Opferlisten (CTH 660)608 gewinnt man aber den Eindruck, dass die Bilder während der Opferdarbringung eines neben dem anderen standen. Eine Möglichkeit könnte darin bestehen, dass es außer den einzelnen Kulträumen der Verstorbenen auch einen gemeinsamen Raum mit den Statuen aller Herrscher gab. Die andere, plausiblere Deutung beruht auf KUB XVI 34(+) Vs. I 5-10 und hat zum Inhalt, dass die Totenbilder anlässlich der Feste und Opferspenden umgestellt wurden. 609 Die Verwendung des Verbes taninu- in KUB XVI 34(+) Vs. I 7, der Vergleich mit dem Orakeltext KUB XVI 39+, die Opferspenden den verstorbenen Tudḫaliya betreffend, die Anwesenheit eines Ersatzbildes des Toten während des Totenrituals und die königlichen Opferlisten sprechen allesamt dafür, dass es in KUB XVI 34(+) um die Bilder der Toten geht, deren „Ordnung“ angesichts der Opferspenden für das daḫi-Fest von den Tempelleuten überwacht bzw. bestimmt wurde. 610 Aufgrund des im Totenritual šalliš waštaiš deutlich ersichtlichen Stellenwertes der sterblichen
606
607 608 609
610
KUB XXXIX 8++ Rs. III 35ˈˈff. (Dupl. KUB XXX 19++ Rs. IV 4ff.) nu-wa ú-iz-zi tu-e-el-pát Éka-ri-im-mi (36ˈˈ) na-ak-ki-ya-aḫ-ḫa-an SISKUR-ya-at-ta ša-ra-a (37ˈˈ) ar-ta-ri „ ,Demzufolge wird gerade deine Heiligtumszelle ? Verehrt werden, und dir wird das Opfer (immer) zur Verfügung stehen.ʻ “ (s. auch CHD L-N 369b). Zur Ékarimmi s. IV.3.7.1. Zur Struktur des Steinhauses s. IV.3.1ff. Zu den Opferlisten s. IV.3.7.3. Denkbar ist auch, dass nur die Könige, die kurz zuvor gestorben waren, einen eigenen Raum hatten, während die anderen Herrscher und die Mitglieder der königlichen Familie alle zusammen untergebracht wurden. Darüber hinaus s. auch die Analyse des Briefs Ḫattušilis III. an KadašmanEnlil II. KBo I 10+ in IV.3.5: Der hethitische König wünschte sich einen babylonischen Bildhauer zur Fertigung von Statuen für das „Familienhaus“. Wenn damit das Familiengrab bzw. das göttliche Steinhaus gemeint war, lässt sich vermuten, dass eine neue Fertigung von Abbildern der Toten für deren Kult
204
Überreste des Toten lässt sich jedoch auch folgende These vorschlagen: Nämlich dass Bild und Knochen, zumindest im Steinhaus, in Kombination an Bedeutung gewannen und den Toten verkörperten. Diesbezüglich erweist sich die inventarmäßige Beschreibung von Totenbildern Bo 3826 (CTH 522)611 Rs. III als sehr aufschlussreich: 6)
[…A]LAM GUŠKIN GAR.RA É.ŠÀ ḫa-aš-ti-ya-aš
[…B]ild/St]atue (mit) Gold besetzt (im) Innengemach der Gebeine.
Dieses Innengemach dürfte dem Innengemach des Steinhauses entsprechen, in dem die mit einem Tuch umwickelten Knochen nach der Leichenverbrennung aufbewahrt wurden. Es war dieser Textstelle zufolge auch mit einer Statue bzw. einem Bild zum Kult des Toten ausgestattet.612
611 612
im Steinhaus nötig geworden war, nachdem Muwattalli II. die Statuen der Verstorbenen nach Tarḫuntašša hatte überführen lassen. Börker-Klähn 1994: 361 und 366f. Zur Deutung, dass es sich bei diesem Bild des Toten um die beim Totenritual angefertigte Statue handelt, s. IV.3.7.1. Börker-Klähn 1994: 361 bringt Bo 3826 Rs. III 6 in Verbindung mit KUB XXX 28+ (CTH 488; s. Otten 1958: 94ff.) Vs. 3ˈff., einem Totenritual (s. IV.3.2), in dem die Fertigung einer Statue erwähnt wird: 3ˈ) […] I TÚG NÁ 4ˈ) […]TÚG NÍG. LÁMMEŠ ŠA MUNUS QA-DU KUŠE.SIR 5ˈ) […]x AM.SI ZU9 ap-pa-a-an IŠ-TU Ì.DÙG.GA 6ˈ) [… š]u-up-pa-ya-aš GIŠNÁ-aš ALAM i-wa-ar i-ya-a[n-du?] 7ˈ) [… TÚGk]u-še-ši-da-za ka-ri-ya-an-du 8ˈ) [… n]u-uš-ša-an I TÚG na-aš-ma I TÚGk[a-r]i-ul-li 9ˈ) […] GIŠ NÁ A-NA ALAM ZAG-az ti-[an-du] „(3ˈ) […] ein Betttuch (4ˈ) […] kostbare Gewänder von einer Frau zusammen mit Schuh (5ˈ) […] Elfenbein gefasst, mit Duftöl (6ˈ) […] dem [r]einem Bett gleich wie eine Statue [sollen sie?] machen (7ˈ) […] und mit dem [F]esttagsgewand sollen sie (sie) verstecken. (8ˈ) [… u]nd ein Kleid oder ein U[mh]ang? (9ˈ) […auf das?] Bett rechts von der Statue [sollen sie] legen.“ Börker-Klähn denkt hier an die beim Totenritual šalliš waštaiš ins Steinhaus gebrachten Gebeine des Toten, die für dessen „Rekonstruierung“ zu einer ALAM mittels Maske und Kleidung das „Gerüst“ bildeten. Diese Deutung baut allerdings auf der folgenden Voraussetzung auf: „auf wen hätte das Bild wir-
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Die aufgelisteten Textstellen und die vorgelegten Überlegungen lassen die von Muwattalli II. mitgeführten GIDIMḪI. A/Toten mit den „Knochen“ nicht eindeutig identifizieren.613 Es erscheint aber relativ eindeutig, dass die sterblichen Überreste der Könige bei den Hethitern von großer Bedeutung waren. Als konkrete Erinnerung an die Vorfahren stellten sie vermutlich neben den Gottheiten die Basis der hethitischen Gesellschaft dar. Infolgedessen konnten bei der Verlegung der Hauptstadt durch Muwattalli II. die Gottheiten und die Toten nicht zurückbleiben. Allerdings ist es wenig wahrscheinlich, dass sämtliche Bilder der Verstorbenen (die ja dann auch neu hätten angefertigt werden können) verlegt wurden, nicht jedoch ihre Gebeine, die in Tücher gehüllt in den Einzelbeinhäusern aufbewahrt waren. 1.6
Zusammenfassung
Im ersten Teil dieses Kapitels wird hauptsächlich die lexikographische Analyse zweier Termini, GIDIM/akkant- und nakku(wa)-, durchgeführt, die den „Toten“ in all seinen Erscheinungsformen und Begriffsbestimmungen bezeichnen. Aus der Untersuchung einschlägiger Texte ist ein vielfältiges Bild der hethitischen Vorstellungen zu gewinnen, das sich in folgenden Beobachtungen resümieren lässt.
613
ken können in einem Königsgrab, das nach Deponierung von Beigaben am 13. Tage doch wohl für alle Zukunft versiegelt wurde?“ (ibid. 361). Die Erwähnung der Ékarimmi am Ende des Totenrituals lässt dagegen vermuten, dass das Königsgrab „offen“ blieb und der Kult des Verstorbenen dort drinnen stattfand. Darüber hinaus stellt KUB XXX 28+ ein Totenritual dar, das sich nicht zwangsläufig in das Totenritual šalliš waštaiš einbeziehen lässt: Dort muss es auch nicht um den König gehen, und die beschriebenen Handlungen können sich auf unterschiedliche Sitten beziehen. Hier ist anzumerken, dass GIDIM/akkant- in Bezug auf die Knochen des Toten beim Totenritual šalliš waštaiš an keiner Stelle belegt ist. Darüber hinaus wird in KUB XXX 15++ Vs. 46-53 eine Unterscheidung zwischen den Knochen (ḫaštai) und dem Bild des Toten (akkant-) vorgenommen: Die Gebeine wurden nach der Leichenverbrennung auf einem ausgebreiteten Bett im Steinhaus abgelegt, und dort opferte man ein Rind und neun Schafe für die Seele des Toten. Die gleiche Opferhandlung wurde darauf wiederholt, wenn auch mit anderen Empfängern, „in welchen Raum des Hauses man den Toten hin[einlegt]“ (Vs. 52).
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Totengeist. Das Sumerogramm GIDIM und die entsprechende hethitische Form akkant- bezeichnen sehr häufig die Totengeister der Menschen. Diese konnten „böse sprechen“ oder im Traum erscheinen: Daher waren sie zu vertreiben und der von ihren unheilvollen Wirkungen betroffene Mensch zu reinigen. Auf die bösartige Einstellung von Totengeistern, die ihnen auch in mesopotamischen Vorstellungen zukommt, deuten besonders spezifische Ausdrücke wie „rachsüchtiger Toter“, „Schrecken der Toten“, „Zorn der Toten“ und „geschädigte Tote“ hin. Die Gründe ihres Zornes lassen sich in der Regel mit der Unterlassung der für sie vorgesehenen Opferspenden in Verbindung bringen. Dabei handelt es sich einerseits um Gaben, die in den regelmäßigen Totenkult einzubeziehen sind. Andererseits lässt sich aus den Texten folgern, dass auch anlässlich bestimmter Feste die Toten eine Rolle spielten und Opfer erhielten. Die GIDIMḪI. A stellten keineswegs nur ein Kollektiv aus unbestimmten Toten dar. Mehrere Orakeluntersuchungen wurden nämlich durchgeführt, um die Identität des einzelnen Totengeistes, die Gründe seines Zornes und die Art und Weise der für ihn erforderlichen Entsühnung zu bestimmen. Neben Verfluchungen durch den Totengeist kamen zudem frühere aus dem Munde des noch Lebenden in Betracht, die eventuell weiterhin eine schädliche Wirkung haben konnten (III.1.1). Die Totengeister wurden in den Orakeluntersuchungen durch KIN Orakelsteine symbolisiert (III.1.1.1). Der Terminus nakku(wa)- bezeichnet eine besondere Art Totengeist. Die Texte belegen sein benachbartes Vorkommen mit den nakkiu-Dämonen, die eine Rolle bei der Bestimmung eines vorzeitigen Todes spielten. Daraus lässt sich folgern, dass die nakku(wa)- die „Hingeschiedenen“ waren, d.h. die vor der vorgesehenen Zeit Gestorbenen. Derartige „vorzeitige Toten“ stellten eine eigene Kategorie unter den Totengeistern dar, die aufgrund ihrer Unzufriedenheit für die Lebenden besonders gefährlich sein konnte. Hinter den nakku(wa)- verbirgt sich eine Vorstellung, die in einem hethitisch-luwischen Rahmen ansiedeln lässt (III.1.1.2). Bild/Statue. GIDIM/akkant- bezeichnet zudem das Bild bzw. die Statue des Verstorbenen. Dies geht eindeutig aus der Austauschbarkeit zwischen GIDIM/akkant- und ALAM im Totenritualtext šalliš waštaiš hervor. Dort implizieren mehrere der mit dem Toten zusammenhängenden Kulthandlungen nach der Leichenverbrennung die Anwesenheit einer Statue, die aber in einigen Fällen durch ALAM und in anderen durch GIDIM/akkantbezeichnet wird. Nur am Ende des Totenrituals galt das Verfahren der 207
Einswerdung des Toten mit dessen Statue als abgeschlossen. Daraufhin wurde die Statue schlichtweg „der Tote“ oder beim Namen des Verstorbenen angerufen (III.1.2.1). Die Anwesenheit eines Ersatzbildes des Toten bei den Ritualen ist in den Orakeluntersuchungen häufig belegt. In erster Linie geht es dort um die besänftigenden mantalli-Rituale, in denen Bilder der (toten) Ritualpartner erforderlich waren, damit die Handlungen konkret vollzogen werden konnten. Darüber hinaus ist aus den Texten zu erfahren, dass die Toten(bilder) vor einem Fest oder Opferritual zur kultischen Waschung ins Waschungshaus gebracht wurden, ebenso wie bereits als Lebende der König und die Königin, die das Waschungshaus als Ort für ihre kultische Reinigung verwendeten (III.1.2.2). Trotz des fragmentarischen Erhaltungszustandes vieler Ritualtexte lassen sich verschiedenartige Hinweise dafür finden, die auf die Anwesenheit eines Bildes bzw. einer Statue des Toten hindeuten. In der Regel wurde ein Ritual für einen Patienten durchgeführt, der aufgrund irgendeines Kontaktes mit einem Totengeist an einem Übel litt. Die Verbindung mit dem Totengeist war zu unterbrechen: Zu diesem Zweck wurde der Totengeist heraufgerufen, damit er von einem Bild o. ä. Besitz ergreifen und in dieser Form mit Opfern bedacht werden könnte. Verschiedene symbolische Handlungen, um sich des Totengeistes zu entledigen, waren daraufhin zur Behandlung des Patienten möglich: Abschrubben der Unreinheit durch Lehm; Reinigung mit Wasser; Anlockungsriten mit Öl, Honig und Opfergruben; Lösen der mit Faden symbolisierten Knoten (III.1.2.3). Leichnam. GIDIM/akkant- konnte beim Totenritual šalliš waštaiš auch den Leichnam bezeichnen. Dort wird nämlich von verschiedenen Kulthandlungen an der Leiche berichtet, bevor sie am zweiten Tag verbrannt wurde. Aus der Untersuchung ergibt sich zudem, dass zwei unterschiedliche Arten von Wagen zum Transport des Leichnams (vor der Leichenverbrennung) und der Statue des Toten (nach der Leichenverbrennung) benutzt wurden (III.1.3.1). Verständlicherweise durften die Leichname der Toten aus der armen Bevölkerung nur wenige Tage auf den Straßen liegen bleiben. Diese Vorschrift lässt sich mit der Vermeidung der Gefahr von Unreinheit in Verbindung bringen. Offen aber bleibt die Frage, ob die Leichenverbrennung oder die Erdbestattung für die Menschen der Unterschichten praktiziert
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wurde. Einige ausgegrabene Orte belegen nämlich neben der Verbrennung auch andere Bestattungssitten. In den Texten ist nur einmal (KBo XVII 78) die Erdbestattung belegt: In diesem Fall wird aber das Sumerogramm NÍ.TE, „Körper“ für den Leichnam verwendet Dies bedeutet, dass der gestorbene Mensch nicht als noch von der Seele bewohnter Toter, sondern lediglich als Unreinheitsträger in Betracht kam. Infolgedessen war der Leichnam weit entfernt von der Gemeinschaft zu begraben und die Unreinheit in die Unterwelt zu schicken, um die Gefahr von Kontamination zu bannen. Die Abwehr von Unreinheit stellte immer eine Priorität dar, egal ob der Tote ein Mitglied der königlichen Familie war oder nicht (III.1.3.2). Aus der Analyse mehrerer Orakelanfragen ergibt sich, dass jede Art Kontakt mit den Toten Unreinheit mit sich brachte. Es war nämlich nicht nur ein direkter Kontakt mit einem Leichnam erforderlich. Vielmehr reichte bereits eine Berührung mit den Beigaben für die Toten, mit dem Totenkultpersonal und selbst mit den Gegenständen aus, mit denen der Tote in Kontakt gekommen war. In all solchen Fällen galt der betroffene Mensch als unrein und musste sich gemäß den Vorschriften reinigen, bevor er den Tempel betreten durfte (III.1.3.3). Toter als allgemeiner Begriff. Das Thema der Unreinheit infolge eines Kontaktes mit dem Toten stellt die Voraussetzung für eine Untersuchung des §190 aus dem Gesetzwerk KBo VI 26 dar, in dem bisherigen Studien zufolge ein Fall von (erlaubter) Leichenschändung bei den Hethitern belegt sei. Die erneute Analyse der Textstelle kann jedoch zeigen, dass GIDIM/akkant- dort nicht zwangsläufig einen Leichnam oder Totengeist bezeichnet, sondern schlichtweg das abstrakte Konzept „Toter“ wiedergibt (III.1.4). Gebeine des Toten? Die bei der Leichenverbrennung zurückbleibenden Knochen werden mit dem Wort ḫaštai- „Knochen“ bezeichnet. Die Frage, ob GIDIM/akkant- auf sie verweisen kann, wird insbesondere anhand der Verlegung der GIDIMḪI. A nach Tarḫuntašša durch Muwattalli II. untersucht. Hier dürften nämlich sowohl die Statuen als auch die Knochen der Verstorbenen gemeint sein. Aus der ausführlichen Analyse aller einschlägigen Textstellen lässt sich folgern, dass die GIDIMḪI. A von Muwattalli II. eher die Statuen bzw. Bilder der Verstorbenen bezeichnen. Nichtsdestoweniger wird im Totenritual šalliš waštaiš die Bedeutung der sterblichen Überreste des Toten besonders hervorgehoben, indem diese eine sorgsame Behandlung (Einhüllung in ein Leinentuch, Ablegen auf einem 209
Bett in der Innenkammer des Steinhauses usw.) erfuhren. Darüber hinaus war das „Innengemach der Gebeine“ – wohl das Innengemach des Steinhauses – mit einer Statue zum Totenkult ausgestattet. Demzufolge konnten Bild und Knochen zusammen den Toten verkörpern. Mit der Überführung der Toten durch Muwattalli II. nach Tarḫuntašša könnte gemeint sein, dass sowohl die Gebeine als auch die Bildnisse der Toten den König in die neue Hauptstadt zu begleiten hatten (III.1.5). Zusammenfassend erweist sich der Begriff GIDIM/akkant- bei den Hethitern insofern als überaus vielseitig, als er schlechthin alles, was den Toten darstellte oder symbolisierte, bezeichnen kann. 2
Die Zawalli-Gottheiten
In eine Untersuchung über die Welt der Toten bei den Hethitern sind zwangsläufig auch die Zawalli-Gottheiten einzubeziehen. Als erster hat sich Archi 1979a mit diesen Wesen ausführlicher befasst, woraufhin eine Vielzahl an weiteren einschlägigen Beiträgen publiziert wurde. 614 Die daraus resultierenden Lehrmeinungen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Archi (ibid.) spricht von einer beständigen Parallelität zwischen dem Zawalli und dem Totengeist (GIDIM), insbesondere weil diese Gottheit nur mit verstorbenen Menschen in Verbindung zu bringen sei. Nach seiner Meinung bezeichnet dieser Terminus schlicht den Geist, den Genius eines Toten,615 während GIDIM/akkant- einen breiteren semantischen Bereich (Totengeist, Toter) umfasst.616 Die Göttlichkeit dieser Art Totengeister impliziert jedoch nicht, dass jeder Mensch nach dem Tod zu einem Gott wurde: Die Zawallis wiesen vielmehr eine Ähnlichkeit mit den Di Manes auf, die als Bilder von zu Hause in weit entfernte Gegenden
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Xella 1981; Börker-Klähn 1994: 364f.; van den Hout 1998a: 81ff.; Alaura 1999a: 493; Archi 2001: 5 Anm. 14; Haas 2003a: 580ff.; Collins 2006: 43f.; Haas 2008: 72ff. Erste Erwähnungen der Zawalli-Gottheiten mit Deutungsversuchen bei Sommer 1932: 281 Anm. 4; Laroche 1946-47: 92; Jakob-Rost 1963: 217; del Monte 1973: 380. So auch Börker-Klähn 1994: 364. Im Sinne Archis äußert sich Taracha 2009: 163 „The Hittites perceived the family dead as protective deities of lesser rank (Hittite Zawalli)“. Zur Untersuchung von GIDIM/akkant- s. III.1ff.
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mitzuführen waren, um eine Verbindung mit den Kulten der eigenen Familie aufrechtzuhalten. Archi (ibid.) hält jedoch fest, dass sie keinesfalls mit den Gottheiten oder Genii, die sowohl den Lebenden schützten als auch nach dem Tod eine Verbindung mit dessen Geist hielten, zu verwechseln sind.617 Xella 1981: 94 spricht von einer vergöttlichten Projektion des dynastischen Ahnherrn, indem er den Zawalli in funktionale Verbindung mit dem ilib in Ugarit bringt. Laut van den Hout 1998a: 81ff. lassen die Belege dieser Gottheiten in Verbindung mit Städten und Gebäuden vermuten, dass ein Zawalli sowohl zu einer lebenden Person als auch zu einem Gegenstand aus dem zeitgenössischen Leben gehören konnte. Diese Gottheit war: a kind of divine spirit or genius dwelling in people and places or institutions or somehow representing them. This spirit may have been considered embodying the essentials of an individual or place which could receive offerings and could be angry if neglected but through which that individual or place could be „bewitched“ as well (ibid. 83) 618
Haas (2003a: 580 und 2008: 72) hält den Zawalli für die Substitutsfigur der in den Ritualen zu versöhnenden verstorbenen Person. Der Begriff D Zawalli bezeichne demnach das Bildnis (imago) eines Toten, in dem sich die Seelensubstanz des Toten selbst konzentrierte. Zuletzt schließt sich Collins 2006: 43f. der Meinung van den Houts an, die besagt, dass die Zawallis die Geister sowohl der Lebenden als auch der Toten verkörperten, und stellt einen Vergleich zwischen der Zawalli-Gottheit und dem elasteros der griechischen Religion an, d.h. einem rachsüchtigen Toten, der hauptsächlich die des Mordes schuldigen Menschen verfolgte. 619
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Zu einer Studie verschiedener Genien als Vergöttlichungen von Dingen und Orten in der hethitischen Religion durch das Element bzw. Suffix -šepa/-zipa (z.B. Daganzipa aus tekan-/takna-, „Erde“, + -zipa; Išpanzašepa aus išpant-, „Nacht“, + -šepa), s. Mouton 2014; s. auch Laroche 1946-47. Vergleiche jedoch Alaura 1999a: 493, die es Archi folgend für höchst unwahrscheinlich hält, dass die Zawalli-Gottheiten lebende Personen und Dinge darstellten. Ihre Verbindung zu Städten und Gebäuden könnte nur mit dem Bezug auf die Aufbewahrungsorte der Zawalli-Statuen erklärt werden. „The term zawalli had a semantic range similar to elasteros, which could refer not only to the soul of a dead person or another supernatural agent sent by that
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Im Folgenden sollen sämtliche zur Verfügung stehenden Belege von DZawalli vorgestellt und analysiert werden. Durch diese Untersuchung soll veranschaulicht werden, dass der Zawalli eine Art Genius darstellte, der zu jedem Menschen von dessen Geburt an gehörte und als Gottheit nach dem Tod der mit ihr verbundenen Person weiter existierte. Die Zawallis sind demzufolge keineswegs mit den Totengeistern zu identifizieren. 620
620
soul (an avenger) but also to the blood of that person upon the murdererˈs hands“ (Collins 2006: 43). Einige Textbelege für DZawalli lassen sich aufgrund ihres fragmentarischen Zusammenhanges nicht in die Diskussion einbeziehen. Im Folgenden werden sie jedoch aufgelistet und kurz kommentiert: – In der Orakeluntersuchung KUB XVI 42+ (CTH 568.5; s. Tognon 2005: 118-127) treten die Zawalli-Gottheiten in Z. 11ˈ allein auf ([…] DZa-wa-al-liya-aš x[…]) und in Z. 12ˈ im Zusammenhang mit den „Herren“ ([… -a]ḫ-ḫi BE-LUḪI. A DZa-wa-a[l-li- …]). Vergleiche Archi 1979a: 91, der vor dem Anschluss vom KUB XVI 42 mit KBo LVIII 78 (dank Sakuma; s. Groddek 2012b: 50f.) UDUḪI.A statt BE-LU ḪI.A gelesen hatte. – Von KUB VIII 44 (CTH 832) Vs. ? folgt hier die Transliteration: x+1) x […] 2ˈ) I GI[G …] 3ˈ) A-N[A …] 4ˈ) ki-[…] 5ˈ) A-N[A …] 6ˈ) na-ak-˹ki-ú-eš-ša˺[…] 7ˈ) {Ras.} x[…] 8ˈ) A-NA TI GIG x[…] 9ˈ) DZa-wa-al-li[…] 10ˈ) DZa-wa-al-l[i …] 11ˈ) [na]m-ma-aš[…] Dabei kann nur bemerkt werden, dass die Zawalli-Gottheiten im selben Zusammenhang mit „Leben“ und „Krankheit“ belegt sind. Die Verbindung der Zawallis mit dem Auftreten von Krankheiten (z.B. des Königs) wird im Laufe dieses Kapitels passim erklärt (zu den nakkiu-Figuren als Dämonen bei der Bestimmung des vorzeitigen Todes von Menschen s. III.1.1.2).
212
2.1
Austauschbarkeit von GIDIM und DZawalli?
Die Termini GIDIM und DZawalli sind nur einmal zusammen belegt, während ihre Zusammenstellung in einem weiteren Text lediglich durch Emendation erfolgen kann. KBo XII 140 (CTH 521.7) 621 enthält ein Kultinventar, das der König des Landes Išuwa erstellen ließ.622 Die Rs. listet Kultgebäude, Berge und wahrscheinlich Bildnisse von Gottheiten auf:
621 622
– Im Vogelorakeltext KBo XLI 195 (CTH 573; s. Sakuma 2009: (II) 480f.) Rs.? 8ˈ ([…] ˹D˺Za-w[a-a]l-li[…]) ist die Zawalli-Gottheit in einem sehr fragmentarischen Zusammenhang belegt. – Von einer Untersuchung über einen Zawalli wird im Vogelorakeltext KUB LVII 44(+) (CTH 573; s. Sakuma 2009: (II) 375-383) berichtet: (Vs. 11) [kuit …]-˹iš˺ SI×SÁ-at DZa-wa-al-[li(-) …] x ˹SI×SÁ-at˺ „[Da …] bestätigt wurde, wurde der Zawal[li …] bestätigt?“. Auf dem indirekten Join KUB LII 21 wird wahrscheinlich dieselbe Untersuchung fortgesetzt: 9ˈ) ˹DZa-wa-al-li ?˺-iš ša-pa-a(-)x x […] 10ˈ) me-mi-an ˹ḫa˺-an-˹da?-a?˺-[a]n ˹ḫar˺-zi x […] 11ˈ) ˹ma˺-a-[a]n-ma ZI DINGIRLÌ a-pí-y[a? …] „(9ˈ) Der Zawalli […] (10ˈ) hat die Angelegenheit bestätigt […] (11ˈ) Wenn aber die Seele/der Wille der Gottheit auch dor[t …].“ – Im kombinierten Orakeltext KUB XLIX 7 (CTH 577.1; s. Sakuma 2009: (II) 260-262 [Vs. I 13ˈ-23]) Rs. IV 6 ([nu?] DZa-wa-a[l-li(-) …]) und 7 (DZawa-al-li[(-) …]) werden Zawallis in einem fragmentarischen Zusammenhang erwähnt. – Im Gelübdetext Puduḫepas KUB LVI 1 (CTH 585) Rs. IV 2ˈ (A-˹NA˺ DINGIRLÌ Za-wa-li-za […]) tritt unter verschiedenen Gottheiten ein Zawalli auf, der Inhalt scheint aber nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Gelübde zu stehen (s. Otten – Souček 1965: 10). Zur Schreibung von Zawalli mit Unterlassung des Zeichens AL s. Anm. 766. – Schließlich ist im kombinierten Orakeltext KUB XLVI 53 (CTH 578) Vs. 26ˈ […P]A-NI DZa-[….]x-a?-ra ra?[…] zu lesen: Dies könnte eine weiterer nicht vollständig erhaltener Beleg für DZawalli sein. Zur Transliteration s. Torri – Barsacchi 2018: 151f.; s. auch Imparati 1977: 50f. Anm. 13. Lk. Rand 1: LUGAL KUR I-šu-wa ḫa-ti-ú-i-ta-iz-zi „Der König des Landes Išuwa inventarisiert“.
213
x+2’) DZi-˹it˺-ḫa-ri-an x[…] 3’) iš-tar-na ar-ḫa-ma-x[…] 4’) ša-an-ḫu-wa-an-z[i …] 5’) 6’)
É D UTU URUPÚ-na A-[NA? …]
7’) 8’) 9’)
ḪUR.SAG MEŠ URUMi-ya-ra-[…]
10’)
ḪUR.˹ SAG˺MEŠ URUḪu-pí-na ḪUR.SA[GMEŠ URU…]
11’) 12’) 13’)
˹ḪUR.SAG˺ MEŠ šal-li-ya-aš lu-li-[ya-aš …] [N]A4˹ḫé-kur˺ Pí-ir-wa ˹mTu-ud˺[-ḫa-li-ya? …] ˹É˺623 MEŠ.NA4 DINGIRLÌ ˹la˺-aḫ-r[u? …]
14’) 15’) 16’)
NA4
17ˈ)
˹ÍD˺[…]x x x[…]
18ˈ) 19ˈ) 20ˈ)
˹ḪUR˺.[SAG ...] É ˹D˺[...]x x[...] D Ḫa-ši-ik-kum-x[…]
Ù A-NA m Pí/Kaš-ka-w[a?(-)
…]
ḪUR.SAG MEŠ URUTe-ka4-ra-a[m-ma Ù A-NA mTi
i-en-x[…]
…]
[…]x A x[…]
GIDIM624[MEŠ ?...]
DINGIRMEŠ ˹Za˺-wa-˹al-li˺-[e-eš? 625
…]
In dieser Liste treten sowohl die Toten (Z. 15ˈ) als auch die Zawalli-Gottheiten (Z. 16ˈ) auf: Die Texttypologie lässt an Statuen oder Bilder denken.626 Es erscheint jedoch unwahrscheinlich, dass diese unterschied-
623 624 625 626
Vergleiche Imparati 1977: 50 Anm. 113 und Torri – Barsacchi 2018: 152 ˹ḪUR.SAG˺MEŠ; dazu s. hier Anm. 970. Vergleiche Torri – Barsacchi (ibid.): GÙB[-. Vergleiche ibid.: a-wa-x x[. Dass die Zawalli-Gottheiten durch Statuen oder Bilder dargestellt wurden, geht aus der Analyse der Textbelege in den nachfolgenden Abschnitten dieses Kapitels hervor. In nur einem einzigen Textfragment lässt sich jedoch der Terminus ALAM, „Statue“ mit einem Zawalli in Verbindung bringen: KUB LII 88 (CTH 590; s. Archi 1979a: 90 unter Bo 6611) Vs.
214
lichen Termini in zwei aufeinanderfolgenden Zeilen eines Kultinventars dieselbe Art Repräsentation der Verstorbenen bezeichnen. 627 Im Orakel KUB XVIII 2 (CTH 579.1) werden verschiedene Fragen durch Fleischvorzeichen und Ornithomantie untersucht. Eine dieser Fragen ist trotz des fragmentarischen Erhaltungszustandes des Textes in Vs. II 16f. zu lesen: 16) 17)
ma-a-an ki-i-pát i-ši-ya-aḫ-ta ŠA SAG. DU D UTUŠI-ma ḪUL UL ku-it-ki i-˹ši-ya˺-aḫ-ta
Wenn es nur dies ankündigte, nichts Böses aber für die Person meiner Sonne ankündigte.
Was in den vorangehenden Zeilen untersucht wird, sind demnach mögliche Verursacher des befürchteten Bösen, das den König bedrohte. In Vs. II 3 ([DZ]a-w[a-a]l-li-e-eš pa-r[a-a …]) tritt eine Pluralität von ZawalliGottheiten in einem fragmentarischen Kontext auf, der möglicherweise mit dem in der vorangehenden Zeile erwähnten purulli-Fest in der Stadt Arinna in Verbindung zu bringen ist. Der zweite Absatz der Vs. II besteht aus zwei Zeilen: In Z. 9 ist ŠA AMA D UTUŠI DZa-wa-al-li-iš „Der Zawalli der
5ˈ) [MUNUS].LUGAL-za-kán A-NA DZa-wa-al-[li …] 6ˈ) ku-e-da-ni me-ḫu-ni ALA[M …] 7ˈ) nu-za A-NA DINGIRLÌ :ḫa-a[n?- …]
627
„(5ˈ) [Die] König[in] zur Zawal[li-Gottheit …] (6ˈ) in welcher Zeit die Statu[e …] (7ˈ) und zur Gottheit […].“ Aufgrund des Erhaltungszustandes lässt sich der Inhalt kaum rekonstruieren. Im Textfragment KBo XII 69 (CTH 275) werden neben Bergen, Flüssen und Gottheiten auch die Zawallis aufgelistet. Es folgt die Transliteration: 3ˈ) […] KASKAL URUŠal-la-pa […] 4ˈ) [… na]m-ma-ya-ták-kán ku?-i[š?…] 5ˈ) […D?]UTU? ˹ŠI?˺ a-ú-ri-in […] 6ˈ) […]-aš? da!-pí-aš :šar-ki-x[…] 7ˈ) [… ḪUR.S]AG MEŠ-aš ÍDMEŠ-aš DXXX-aš D UT[U-aš?...] 8ˈ) […]D !IM-aš MUL-aš DGAŠAN-aš MUL-a[š …] 9ˈ) […]DZi-it-ḫa-ri-ya-aš ŠA LUGAL […] 10ˈ) […DZ]a-wa!-al-li-ya-a[š …]
215
Mutter meiner Sonne“ zu lesen; in Z. 10 emendiert Archi 1979a: 82 zu ŠA DUMU. MUNUS GIDIM! kar-ši-ya-an-du „(und) der Totengeist der Tochter sollen (von der Orakeluntersuchung) ausgeschlossen (wörtl.: abgeschnitten) werden“. Anstelle von GIDIM steht auf der Tafel ˹A?˺-NA: Archi (ibid.) rechtfertigt seine Emendation mit der Ähnlichkeit der Zeichen(gruppen)628 und folgert daraus eine „posizione parallela“ von DZawalli und GIDIM. Ihre Aufeinanderstellung impliziert jedoch nicht zwingend, dass beide Termini den Geist des Verstorbenen bezeichnen. 629 In zahlreichen Orakelanfragen, welche die Gründe des Zornes der Totengeister untersuchten, ist nämlich nur GIDIM belegt, nie dagegen DZawalli (s. III.1.1). Darüber hinaus kann diese Textstelle auch anders analysiert werden. Van den Hout 1998a: 83 Anm. 34 liest nämlich dort ŠA DUMU.MUNUS m Na-kar-ši-ya-an-du, da dieser Name auch in den Orakeln KBo XVI 99+ (CTH 579.1) Vs. I 26, 30 und KBo XXIV 124 (CTH 580.1) Vs. 7, 13 belegt ist.630 Betreffs einer solchen Lesart scheint eine Verbindung des männlichen Namens mNakaršiyandu mit der „Tochter“ schwierig zu realisieren, es sei denn, man übersetzt „von der Tochter von Nakaršiyandu“. 631 In diesem Fall kann die Übersetzung des Absatzes wie folgt lauten: „Der Zawalli der Mutter meiner Sonne (und?) der Tochter von Nakaršiyandu“ oder „Ist es der Zawalli der Mutter meiner Sonne, (d.h.?) der Tochter von Nakaršiyandu?“ 632 Demzufolge besteht in KUB XVIII 2 Vs. II 9f. auch die Möglichkeit, ohne Emendation auszukommen.
628 629
630 631 632
Die Zeichengruppen ŠUŠANA+IŠ (=GIDIM) und A+NA (A-NA) sind jedoch unterschiedlich. Vergleiche Archi 2001: 5 Anm. 14 „the Hittites venerated the gods called Zawalli, a term that means ,spirit of the deceasedʻ, DZawalli PN. It appears sometimes in place of akkant- ,dead, spirit (of a deceased person)ʻ, GIDIM“; und id. 2007b, 183: „the malevolent spirit of a dead person was Zawalli […]; D Zawalli interchanges with akkant-, GIDIM“. Diese beiden Texte zieht auch Alaura 1999b in Betracht, wobei sie die Emendation von Archi für KUB XVIII 2 (ibid. 7 Anm. 2) übernimmt. Als weitere Möglichkeit ist > zu emendieren und ŠA DUMU mNakaršiyandu zu lesen. Es lässt sich jedoch schwerlich vorstellen, dass die Mutter des Königs durch eine weitere Spezifizierung ihrer Identität zu bezeichnen war.
216
In den erhaltenen hethitischen Texten findet sich kein weiterer Beleg, dem irgendeine Verbindung oder parallele Verwendung der Ausdrücke GIDIM und DZawalli zu entnehmen ist. Die zwei hier betrachteten Textstellen bieten keinen schlüssigen Nachweis für eine Gleichsetzung der Termini, die vielmehr unterschiedliche Begriffsbestimmungen erfordern. 2.2
Zum Konzept der Zawalli-Gottheit
Der im Folgenden zu analysierenden Orakeluntersuchung kann ein Interpretationsschlüssel für die Bestimmung der Identität der Zawalli-Gottheit entnommen werden. KBo XLIII 61 + KUB XXII 40 (CTH 577) 633
633 634 635
Vs. I x+1) 2ˈ) 3ˈ) 4ˈ) 5ˈ) 6ˈ) 7ˈ)
[…]x-aš? [… a]˹r-ḫa˺ […]x ḫa-ni-iš-ša-an-zi [… -y]a?-an-zi […]x ku-la-a-an ˹ḫar˺-ti […]x ˹ka-y[a?]-š[a? pé?]-da-aš [… -z]i x SI? A [ NU].S[I]G5
8ˈ) 9ˈ) 10ˈ) 11ˈ) 12ˈ)
[…]maš-kán!(ŠA?)634 pé.-an ˹en˺?-an-zi635 […pu?-n]u-uš-ša-an-zi […t]i ?-ya-an-zi ma-a-an-ma-za KI. MIN […(-)d]a?-an : ma-ar-šu!-uḫ-li-ta-aš-ša […]x NA? PÍ ŠA? NU.SIG5
13ˈ) 14ˈ) 15ˈ) 16ˈ) 17ˈ)
[…] NA4ZÚ ar-ḫa iš-kal-li-ya-u-an-˹zi˺ […-r]a-u-˹an-zi˺ Ú-UL SI×SÁ-at […]x Ú? GIM-an iš-ki-iš-kán-zi […]x GIM-an na-an QA-TAM -MA-pát […]-ma-za DINGIRLU4 A-NA D UTUŠI
Siehe Groddek 2004a: 78; Tognon 2005: 200-208 (nur Vs. II 1ˈ-50ˈ, Rs. III 14-33, Rs. IV 1-10, 21f.). Das Wort maškan wird hier aufgrund seiner zahlreichen Belege in der Rs. III. vorgeschlagen. Vergleiche en-na-an-zi in Rs. III 21.
217
18ˈ) 19ˈ) 20ˈ)
[… ku?-la?]-a-an ḫar-ti DUTUŠI iš-˹ḫi˺-ya-la-aš-pát […SIG5?]-ru ni ši ki GÙB-za RAIṢ […]˹SI×SÁ?˺-pát KU? UR? SAG . DU ŠA DUMU?.˹ MUNUS˺?
21ˈ) 22ˈ)
[…]x DA N[I ? ] NA? […] x x x
(x+1) […] (2ˈ) [… w]eg (3ˈ) […] sie verputzen/beschmieren 636 (4ˈ) […] sie [Ve]rb 3.Pers.Pl.Prs. (5ˈ) […] du hast das Kettenglied 637 (6ˈ) […] ? er hat [fortge]tragen? (7ˈ) […] ? [un]gü[ns]tig. / (8ˈ) […] die Versöhnungsgabe638 treiben639 sie voran (9ˈ) […] sie [befr]agen (10ˈ) […] sie [set]zen?. Wenn aber desgleichen (11ˈ) […] die maršuḫlitašša640 (12ˈ) […] ? ungünstig. / (13ˈ) […] (um) den Obsidian zu brechen 641 (14ˈ) […] sie [Ve]rb Inf.; das wurde nicht festgestellt. (15ˈ) […] ? Wie sie immer wieder salben (16ˈ) […] wie ? und ihn/sie eben auf die gleiche Weise (17ˈ) […] aber? der Gott zu meiner Sonne (18ˈ) […] du hast das [Kettengl]ied, 642 meine Sonne eben der Binde (Gen.?)643 (19ˈ) […] es soll [günstig?] sein; nipašuri šintaḫiš keldi (sind) links beschädigt. (20ˈ) […] es wird gerade festgestellt? ?? der Kopf/die Person der Tochter? / (21ˈ) […] ??? (22ˈ) […] Vs. II x+1) […]˹ú-tum˺-ma[r …] 2ˈ) […]x-in DZa-wa-al-l[i-i]n ˹uš-ki-nu-un˺ [x x x?] 3ˈ) […] an-na-za EZEN4 pa-˹ra˺-a tar-nu-um-ma-aš e-eš?-t[a?]
636 637 638 639 640 641 642 643
Zum Verb ḫanešš- „verputzen“ s. HW2 III 143f. Zu kula- „pendant, link (of chain)“ s. HED 4 236. Zur Untersuchung des Terminus maškan- „compenso propiziatorio“ s. Dardano 2009: 3-12 und weiter unten im Kommentar. Wahrscheinlich stellt das Verb enna- an dieser Stelle eine Verschreibung für penna- (s. CHD P 264ff.) dar; s. HW2 II 37a, 126a. Terminus bei Leberomen; s. CHD L-N 201a. Zu iškalla(i)- „slit, slash, split, crack, tear, rip, mangle“ s. HED 2 413ff. und Kloekhorst 2008: 399. Zu kula- s. Vs. I 5ˈ. Siehe Rieken 1999: 445.
218
4ˈ) 5ˈ) 6ˈ) 7ˈ) 8ˈ) 9ˈ) 10ˈ) 11ˈ) 12ˈ) 13ˈ) 14ˈ) 15ˈ) 16ˈ) 17ˈ)
644
645
646 647
[…DINGIRLU4?] 644 NÍ.TE-aš LUGAL DZa-wa-al-li-in u!-wa-a-i-ya[nu-ut ?]645 […]-ḫa nam-ma-ma ku-i-e-eš!(LI)646 DZa-wa-al-li-uš [… p]a-˹ra˺-a pí[d-d]a-a-iš-kir fWa-ar-wa-an-zi-iš-ma-aš-kán [… pa-ra-a? píd-d]a-a-iš-ki-u-an ti-i-ya-at MUNUS .LUGAL-ma ÚUL
[…]x GIM-an-ma MUNUS.LUGAL iš-dam-ma-aš-šu-un [… a]n-na-al-la i-wa-ar e-eš-šu-u-wa-an ti-ya-nu-un [… Ú-U]L pa-ra-a píd-[da]-a-iš-kir ma-a-an-ma-kán DINGIRMEŠ [… ú]-˹tum˺?-mar? {Ras.} […]x-ki ša-an-aḫ-te-ni DINGIRMEŠ-ma-aš ke-e-da-ni INIM-ni […Ú-U]L ku-it-ki TUKU.TUKU-u-an-˹te-eš˺ nu MUŠEN ḪUR-RI SIG5ru NU.SIG5 […ki-i ? ku-it] NU.˹SIG5˺-ta nu-kán pa-a-an-zi DINGIR!(ÉRIN?)MEŠ para-a píd-da-iš-ki-u-an ti-an-zi […]-˹x˺ ku-it Ú-UL píd-da-a-iš-kir˺ […a-pád-d]a-an647 še-er A-NA DINGIRMEŠ I UDU za-an-ki-la-tar BAL-an-zi [… nu MUŠ]EN ḪUR-RI SIG5-ru NU.SIG5
So Archi 1979a: 91 Anm. 19; HW2 III 454a. Van den Hout 1998a: 83 Anm. 35 ergänzt dagegen DZawalli (s. auch van Gessel 1998: 579; Tognon 2005: 200). Anstelle von DZa-wa-al-li-in u-wa-a-i-ya-[nu-ut] liest Tognon 2005: 200 mit Archi 1979a: 86 DZa-wa-al-li-in [f]U-wa-a-i-ya „und den Zawalli von Uwa“. Auf dem Foto der Tafel ist kein Zeichen SAL zu erkennen, sondern nur die Spur eines Waagerechten, der mit dem darauffolgenden Winkelhaken das Zeichen BAD(pát) ergeben könnte. In Betracht zu ziehen sind jedoch das Substantiv uwai- „Weh, Leid“ und das Verb uwaya-, „jemandem Leid zufügen“ mit seinem Kaus. uwayanu-, „jemanden bei jemandem bemitleidenswert machen“ = „für jemanden Fürsprache einlegen“ (s. HEG IV 170ff.). Eine weitere Alternative kann darin bestehen, dass das Zeichen BAD zum vorigen Wort gehört (DZawallin=pát) und das Verb uwaya- ohne U geschrieben wurde (so in den späteren Texten; s. HEG IV 172). Nichts damit zu tun hat zweifellos der Orakelvogelname šal(u)waya (s. Zehnder 2010: 298). Zur Deutung dieser Stelle s. auch weiter unten im Kommentar. Vergleiche Tognon 2005: 200. Durchaus möglich ist es auch, dass der Schreiber zuerst IŠ und dann EŠ darüber geschrieben hat. Zur Ergänzung s. Vs. II 20ˈ; vgl. Tognon 2005: 200, die hier und in Vs. II 20ˈ pa-ra-a píd-da-an liest.
219
18ˈ) 19ˈ) 20ˈ)
[ki-i ?] ku-it NU.˹SIG5-ta˺ nu-kán ˹DINGIRMEŠ˺-ma píd-da-iš-ki-u-an [ti-an-z]i648 Ú-UL-ma-aš-kán ku-it pa-ra-a píd-da-a-iš-ki-ir […]˹a˺-pád-da-an še-er A-NA DINGIRMEŠ ku-e-da-ni-ya A-NA DINGIRLÌ
21ˈ) 22ˈ) 23ˈ) 24ˈ)
[… za-a]n-ki-la-tar BAL-an-zi GIM-an-na-za ú-iz-zi MUNUS .LUGAL […] ku?-it ? x-x-na?-an-za649 DÙ-zi nu-kán a-pád-da-ya še-er […] za-an-ki-la-tar BAL-an-zi za-an-ki-la-tar-ma a-ri-ya-an-zi […]x SI×SÁ-ri DINGIRLU4-za ˹KI.MIN˺ nu MUŠEN ḪUR-RI SIG5-ru SIG5
25ˈ) 26ˈ) 27ˈ) 28ˈ)
[…-m]a?650 ku-it ke-e-da-ni GE6-an-ti DZa-wa-al-li-in […] uš-ki-nu-un ke-e-da-ni INIM-ni še-er [… k]u-it pa-ra-a Ú-UL píd-da-a-iš-ki-ir [nu? MUŠEN? ḪUR-RI?] NU.SIG5-du NU.SIG5
29ˈ)651 [m]a?-a-[an?] DZa-wa-al-li-iš A-NA MUNUS. LUGAL ke-e-da-ni-pát INIM-ni ˹še˺-[er?] 30ˈ) SI×S[ Á-at ?] pa-ra-a-aš-kán ku-it Ú-UL píd-da-a-iš-kir 31ˈ) ˹nam?˺-[ma-ma] KI.MIN nu MUŠEN ḪUR-RI SIG5-ru NU.SIG5 32ˈ) 33ˈ) 34ˈ) 35ˈ) 36ˈ) 37ˈ)
x-[…]-x-ya-ni-in-kán ku-it pa-ra-a Ú-UL píd-da-a-iš-kir ki ?652-[…]x-kán f Wa-ar-wa-an-zi-iš ku-it UDUḪI.A? 653 pa-ra-a [pé?-e ?]-da-aš654 an-na-za-ma-an-kán pa-ra-a Ú-UL pídda-iš-kir ki-nu-[un?-m]a?-an-kán Ú-UL-pát pa-ra-a ú-da-an-zi ma-a-an-[ká]n? pa-ra-a ú-tum-mar Ú-UL ku-it-ki ša-˹an?˺-655ḫi ?-[ …]x MUŠEN ḪUR-[RI] ˹SIG5˺-ru SIG5 D
D 38ˈ) Pa-ra? x[…] še-er 39ˈ) SI×SÁ-at n[u …] x x 40ˈ)656 ki-ša-ri […]
648 649 650 651 652 653 654 655 656
Zur Ergänzung s. Vs. II 14ˈ. Vergleiche Tognon 2005: 200 ]-at-˹tal-li-an˺-za. Ibid.: -ká]n. Hier beginnt KBo XLIII 61 Vs. II x+1. Vergleiche Tognon 2005, 201: te?-[. In der Kopie ZI-za zu lesen. Vergleiche Tognon 2005, 201: pa-ra-a [ ] ˹ú˺-da-aš. Oder ŠA Dx[ KI.MI]N?. Hier endet die in KUB XXII 40 erhaltene Vs. II.
220
41ˈ) 42ˈ) 43ˈ) 44ˈ) 45ˈ) 46ˈ) 47ˈ) 48ˈ) 49ˈ) 50ˈ)
nu PA-NI DIN[GIRLÌ …] a-ni-ya-an-z[i …] šar-la-at-t[i ? …] A-NA DINGIRLÌ-y[a …] pí-an-zi x[…] nu ku-u-un E[ ME?657…] PA-NI DINGIRLÌ ar-[ḫa? …] a-pé-ez-za INIM-za[…] A-NA GIG D UTU[ŠI …] nu MUŠEN ḪUR-RI SI[G5-ru …]
51ˈ) 52ˈ) 53ˈ)
DINGIRLU4 ta-ma-˹iš˺[…]
[x]x ZAG-n[i ? …] [x x x] A […]
(x+1) […] das Herbring[en …] (2ˈ) […] den Zawal[li] sah ich […] (3ˈ) […] Früher wa[r?] das Fest des Herauslassens658 […] (4ˈ) […Gottheit] der Person des Königs,659 du [sollst?] für den Zawalli Fürsprache einlegen!660 (5ˈ) […] Ferner aber die Zawallis, die 661 (6ˈf.) […] sie br[ach]ten wie üblich [h]inaus.662 Warwanzi663 aber fing an, sie wie üblich [hinauszubrin]gen. Die Königin aber nicht […] (8ˈ) Wie ich aber die Königin hörte (9ˈ) […] auf die Weise von [f]rüher? fing ich an, zu behandeln (10ˈ) […] sie bra[ch]ten [nic]ht wie üblich hinaus. Wenn aber die Gottheiten (11ˈ) [… das Her]bringen? (12ˈ) ihr versucht/verlangt; er/sie 664 die Gottheiten aber in dieser Angelegenheit, (13ˈ) [wenn?] sie […über]haupt nicht zornig sind, so soll der ḪURRI-Vogel günstig sein: ungünstig. / (14ˈ) [Da dies] 657 658 659
660 661 662 663 664
Sonst KA× U oder INIM (so Tognon 2005: 201). Siehe HEG III 197: „Fest des Herauslassens (einer Götterstatue aus einem Tempel).“ Die „Gottheit der Person/des Körpers des Königs“ ist in zwei weiteren Texten belegt: im Leberorakel KUB V 6++ (CTH 570; s. Beckman et al. 2011: 183208) Vs. II 57 ( DINGIRLU4 NÍ.TENI-ya), 58 ( DINGIRLU4 ŠA NÍ.TE LUGAL) und im Ersatzritual KUB XVII 14+ (CTH 421.1.C; s. Kümmel 1967: 50ff. mit Duplikaten und Paralleltexten) Vs. I 14 (DINGIRMEŠ ŠA NÍ.TE-YA). Siehe Anm. 645. Anders bei Archi 1979a: 86 „inoltre gli Zawalli dei quali“. Zu parā piddai- s. CHD P 356b, 357b. Zu einem weiteren Beleg dieses Frauennamens s. auch KUB L 87 (s. III.2.3.1) Rs. 9ˈ: fU-wa-ar-wa-an-z[i; s. Zehnder 2010: 303; Oder „sie“ (Akkus. Pl.).
221
ungünstig wurde, sollen sie gleich darauf anfangen, die Gottheiten hinauszubringen? (15ˈ) Da sie (sie) nicht brachten (16ˈ) […] sollen sie den Gottheiten [des]halb ein Schaf als Bußopfer weihen? (17ˈ) […] der ḪURRI[Vog]el soll günstig sein: ungünstig. / (18ˈf.) Da [dies] ungünstig wurde, sollen sie an[fange]n, die Gottheiten zu bringen? Da sie sie aber nicht hinausbrachten (20ˈf.) […] sollen sie deshalb den Gottheiten, (bzw.) jeder Gottheit, [… das Bu]ßopfer weihen?665 Und wie die Königin später (22ˈ) […] ??? er/sie macht, auch deshalb (23ˈ) […] sollen sie das Bußopfer weihen? Das Bußopfer aber bestimmen sie durch Orakel. (24ˈ) […] es wird festgestellt; die Gottheit desgleichen; der ḪURRI-Vogel soll günstig sein: günstig. / (25ˈ) […] da ich in dieser Nacht den Zawalli (26ˈ) […] sah, wegen dieser Angelegenheit (27ˈ) [ist er zornig ?? We]il sie (sie?)666 nicht hinausbrachten? (28ˈ) [Der ḪURRI-Vogel] soll ungünstig sein: ungünstig. / (29ˈ) [We]n[n] der Zawalli (zornig) über die Königin nur we[gen] dieser Angelegenheit (30ˈ) festg[estellt wurde], da sie sie nicht hinausbrachten (31ˈ) fern[er aber] desgleichen; der ḪURRI-Vogel soll günstig sein: ungünstig. / (32ˈ) Da sie die Gottheit [?] nicht hinausbrachten, (33ˈ) […] da Warwanzi die Schafe? (34ˈ) hin[bra]chte, früher aber brachten sie sie nicht hinaus, (35ˈ) jet[zt ab]er sollen sie sie auch nicht hinaustragen? (36ˈ) Wenn das Hinaustragen nichts/überhaupt nicht (37ˈ) ? […] der ḪURRI-Vogel soll günstig sein: günstig. / (38ˈ) Die Gottheit Para?667 wegen [dieser Angelegenheit usw.] (39ˈ) es wurde festgestellt u[nd …] (40ˈ) es/er/sie wird […] (41ˈ) und vor der Gott[heit …] (42ˈ) sie behand[eln …] (43ˈ) [der] Erhöhung […] (44ˈ) u[nd] zu der Gottheit […] (45ˈ) sie geben […] (46ˈ) und diese (Akkus.) Z[unge? …] (47ˈ) vor der Gottheit w[eg? …] (48ˈ) aus jenem Wort […] (49ˈ) für die Krankheit der Sonn[e …] (50ˈ) der ḪURRI-Vogel [soll] gün[stig sein: …] / (51ˈ) Eine andere Gottheit […] (52ˈ) [an] der rechten Seite […] (53ˈ) […] Rs. III D 1) Za-[wa-al-l]i ?-i[š? …] 2) ma-a-˹ru?˺ ke-e[-…] 3) IŠ-TU MUNUSENS[ I …] 665
666 667
Zu den Zz. 18-21 s. auch die Übersetzung von CHD P 114a: „[Regarding the fact t]hat it (i.e. the oracle result) was unfavorable: Or shall th[ey start] carrying out (the statues of) the deities? But because they did not use to carry (them) out, shall they therefore for the gods, for each deity, offer [one sheep as co]mpensation?“ Siehe Vs. II 30ˈ. Es kann dabei auch von Paraya (s. van Gessel 1998: 350) oder von Parattašši (ibid.) die Rede sein; s. Otten – Rüster, KBo XLIII [2002] Inhaltsübersicht.
222
4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13)
Za-wa-al-li-i[š …] tar-˹x˺-[…] ar-ḫa a-ni-y[a-an?-zi ? …] nu-kán ku-˹e˺-da-[ni/aš? …] nam-ma-aš-kán pa-[…] kar-ša-nu-uš-kán-[zi…] DINGIRMEŠ DÙ-zi nu[…] pa-ra-a Ú-UL x[…] pí-an-zi za-an-k[i-la-tar-ma? …] ma-ši-wa-an SI×SÁ-a[t …] D
Ú-UL
14)668 I-NA URUḪAT-TI-ya x[…] pa-ra-a [x]-˹wa?˺-an-z[i …] 15) nu A-NA D Pal-la-n[u-la maš-ká]n za-an-ki-la-tar-ra pa-a-i 16) MUNUS. LUGAL-ya I-NA URUḪAT-TI [x](-)x-na-za pa-iz-zi 17) na-aš-kán ŠÀ É D Pa[l-l]a-nu-la pa-iz-zi nu A-NA DINGIRLÌ 18) SISKUR pa-a-i ki-nu-na-a[t ?-m]a669 MUNUS. LUGAL A-NA D Pal-lanu-la 19) I-NA KASKALNI pár-n[i pa-a-i ?] IŠ-TU MUNUS ENSI MUŠEN ḪUR-RI-ya SI×SÁ-at 20) I-NA KASKALNI pár-ni [za-an-k]i-la-tar maš-kán INA KASKALNI karu-ú 21) 22) 23) 24) 25) 26) 27)
668 669 670 671 672
A-NA DINGIR GAL ku-it-[ma-a]n?670 ALAM DINGIRLÌ
en-na-an-zi ˹ki˺-nu-na A-NA DINGIRL[Ì] maš-kán za-an-ki-la-tar-ra pí-an-zi DINGIR GAL KASKALNI-ma-kán [k]u-it ARADMEŠ DINGIRLÌ 671 TUKU.TUKU-nu-an ˹ḫar˺-kán-zi nu-kán ku-it-ma-a[n] DINGIRLU4 KASKAL-ši ti-an-zi ki-nu-un-ma š[e-e]r A-NA DINGIRLÌ maš-kán pa-a-i ˹maš?-kán?˺672-ma-za-kán [Z]I-za da-˹a˺-i IŠ-TU MUNUS ENSI MUŠEN ḪUR-RI-ya SI×SÁ-at ˹maš˺-kán za-an-[ki-l]a-tar-ra ka-ru-ú BAL-ir
Hier beginnt KUB XXII 40 Rs. III x+1. In Anlehnung an Groddek 2004: 78 liest Tognon 2005: 202 ki-nu-na-a[t ?ká]n. Zu kuitman s. auch Rs. III 24; anders bei Tognon 2005: 2002 ku-i[t A-N]A, während Groddek 2004: 78 nichts ergänzt und SÍSKUR anstelle von ALAM liest. Vergleiche Groddek 2004: 78 TUKU.TUKU-nu-an nu-kán ZI-x[;Tognon 2005: 202 TUKU.TUKU-nu-an nu-kán ZI-˹aš˺. Vergleiche Groddek 2004: 78 und Tognon 2005: 202 ˹ku-it˺-ma-za-kán.
223
28) ˹GIM˺-[an]-ma-kán ki-i kar-ap-ta-ri nu DUTU URUPÚ-na 29)673 […]674 SUD-an-zi PA-NI D UTU URUPÚ-na : ḫu-wa-al-liš ki-iš-ta-nuan-zi 30) [na]m-ma DINGIRLU4 fDu-ut-tar-ri-ya-ti-iš : na-ni-ti kán-ga-ti-ti 31) [na]m-ma A-NA DINGIRLÌ SISKUR pí-an-zi GIM-an-ma MUNUS .LUGAL 32) [I-N]A URUAn-ku-w[a] a-ri nu-kán A-[N]A ˹D˺UTU URUPÚ-na mu-kiššar ti-an-zi 33) [IŠ]-TU? MUNUS ENSI * MUŠEN* ḪUR-RI SI×S[Á-a]t SISKUR A-NA D UTU [URU]PÚ-na ka-ru-ú x x675 34) 35) 36)
ki-i ki-iš-ša-an DÙ-an-zi ma-a-an-ma-kán A-NA GI[G D UT]UŠI ! pa-ra-a SILIM-li ne-ya-ri ḪUL-lu a-pé-ez-za INIM-za ar-ḫa ḫar-ak-zi IŠ-TU MUNUS ENSI SIG5
37) 38)
[I]Š-TU LÚ ḪAL IRTU4 QA-TAM-MA-pát nu SUMEŠ SIG5-ru ni ši [t]a KASKAL X ŠÀTIR SIG5
39) 40) 41) 42) 43) 44) 45)
ki-nu-un mNa-ni-en-zi-in KASKAL-aḫ-ḫa-an-zi [n]u? ŠA mTa-ru-up-ša-ni-ya ma-a-al EGIR-pa DÙ-an-zi [DZ]a-wa-al-li-ya-aš a-ni-ur KIN-an-zi [na]m-ma GIŠBANŠUR DZa-wa-al-li-ya-aš ti-an-z[i] [nu? x x]-e?-i-ya-at da-an-zi MUŠEN-ya DÙ-an-z[i] [a-ri-y]a?-še-eš-na-za-aš676 ma-aḫ-ḫa-an SI×SÁ-at za[…] […]x ni ši ta ki EGIR-ŠÚ šu-ri-iš[…]
46) 47)
[…]-nu-un KASKAL-aḫ-ḫa-an-z[i …] […]x IR? […]
DINGIRLU4-
(1) D[er] Za[wall]i […] (2) rot? […] (3) durch die Seher[in 677 …] / (4) D[er] Zawalli […] (5) nicht […] (6) [sie?] erledig[en/reinigen …] (7) und (in) diese[r …] (8) ferner er/sie […] (9) s[ie] unterlassen immer wieder 673 674 675 676 677
Hier endet die in KBo XLIII 62 erhaltene Rs. III. Starke 1987: 252 ergänzt [KASKAL-az], aber es scheint zu wenig Platz dafür zu sein. Am Zeilenende Rasur mit Zeichenspuren. Siehe auch HW2 I 297a. Zur MUNUS ENSI und ihren Belegen (hier in Rs. III 3, 19, 26, 33, 36) s. PecchioliDaddi 1982: 413f.; s. auch Kammenhuber 1976: 146.
224
[…] (10) die Gottheiten behandelt er/sie und […] (11) hinaus nicht […] (12) sie geben. Das Buß[opfer aber? …] (13) ebenso groß w[urde es] festgestellt […] / (14) und in Ḫatti […]-en sie hinaus […], (15) und der Gottheit Pallan[ula] gibt er/sie [Versöhnungsg]abe und Bußopfer. (16) Und die Königin geht in Ḫatti … (17) und ins Herz des Tempels von Pa[ll]anula geht sie, und für die Gottheit (18) gibt sie ein Opfer. Jetzt [ab]er [soll] die Königin e[s] für Pallanula (19) auf dem Weg (und) im Haus [geben?]? Das wurde durch die Seherin und den ḪURRI-Vogel festgestellt. (20) Auf dem Weg (und) im Haus [Bu]ßopfer (und) Versöhnungsgabe; auf dem Weg schon (erledigt). / (21) Während sie für die große Gottheit eine Statue der Gottheit mitführen,678 (22) sollen sie jetzt der Gotth[eit] Versöhnungsgabe und Bußopfer geben? (23) Da die Diener der Gottheit die große Gottheit aber auf dem Weg zornig gemacht haben, (24) währen[d] sie die Gottheit auf den Weg stellen, (25) soll er/sie jetzt d[eswege]n aber der Gottheit eine Versöhnungsgabe geben? (26) Die Versöhnungsgabe aber soll er/sie aus dem [Wil]len nehmen? Das wurde durch die Seherin und den ḪURRI-Vogel festgestellt. (27) Die Versöhnungsgabe und das Bu[ß]opfer haben sie schon gegeben. // (28f.) Al[s] aber dies erledigt wird, ziehen sie die Sonnengöttin von Arinna […]; vor der Sonnengöttin von Arinna löschen sie die Holzkohle ?.679 (30) [Da]nn versöhnt?680 (und) entsühnt das Mädchen Duttarriyati681 die Gottheit. (31f.) [Fe]rner geben sie der Gottheit das Opfer; wenn aber die Königin [in] Ankuw[a] ankommt, sollen sie eine Anrufung f[ür die] Sonnengöttin von Arinna durchführen?682 (33) [Dur]ch die Seherin und den ḪURRI-Vogel [wur]de 678 679 680
681
682
Siehe Vs. I 8ˈ mit Anm. 635 und 639. Zu ḫuwalliš s. HW2 III 808b; s. auch Rieken 1999: 398ff.; vgl. de Martino 1998: 148 und Anm. 55. Siehe CHD L-N 395a und HEG II 274: Die Bedeutung von nani- dürfte sich aufgrund der Paarung mit gangatiti „mit der gangati-Pflanze behandeln“ (etwa wie „entsühnen“) auch auf eine Art kultische Reinigung beziehen. HEG III 471 zufolge handelt es sich um eine Funktionärsbezeichnung, vielleicht „Tochter“. Aufgrund des Determinativs MUNUS/f kann Duttarriyati aber auch einen Frauennamen darstellen (so z.B. in Laroche 1966: 190). Siehe auch Starke 1987: 243ff. Zur Übersetzung von Rs. III 28-32 vgl. Starke 1998: 252f. (dort Zz. 16ˈ-19ˈ) und Haas 1994: 820, der dazu annimmt, dass es sich hier um das Ende des 36. Tages des AN.TAḪ.ŠUMSAR-Festes handelt. Siehe auch CHD L-N 325a Zz. 18ˈf.: „The use of dai- ,to putʻ does not necessarily indicate that mukeššar here means an offering or the ritual implements, since the dai- is also used with arkuwar ,defenceʻ.“
225
[e]s festgestellt. Das Opfer für die Sonnengöttin von Arinna schon (erledigt). / (34) Dies machen sie folgendermaßen: Wenn aber für die Krankh[eit] meiner [Sonn]e (35f.) es zum Heil/gut vorne gedreht wird, nimmt sie das Böse aus jenem Wort/jener Angelegenheit weg? 683 Durch die Seherin: günstig. / (37) [D]urch den Seher die Orakelanfrage gerade ebenso. Die Fleischvorzeichen sollen günstig sein: nipašuri šintaḫiš (38) [t]ananis der Weg; 10 Darmwindungen: günstig. / (39) Jetzt stellen sie Nanenzi zufrieden684 (40) [u]nd das māl685 von Tarupšaniya erstatten sie zurück (41) (und) sie führen das Ritual des [Z]awalli durch. 686 (42) [Fer]ner stelle[n] sie den Tisch des Zawalli (43) [und ? …] ? sie nehmen und sie behandeln den Vogel (44) wie er/sie aus dem [Ora]kel festgestellt wurde, die Gottheit […] (45) nipašuri šintaḫi tanani keldi , hinterher šuri […] / (46) […] ? sie werden verschicken/zufrieden stelle[n ? …] (47) […] Rs. IV 1) […A-NA]687 DUTUŠI-˹za˺-kán IG[IḪI. A?-wa?] D LUGAL-ma-aš ˹da-a˺-iš 2) […] SIG5
683
684 685 686
687
Vergleiche die Übersetzung in HW2 I 533b („Wenn es (was geplant ist zur Befriedigung der Gottheit) aus der Krank[heit] meiner [So]nne gütig(!) heraus führt (und) das Böse durch diese Sache umkommt“) und in CHD L-N 363a-b („But if it will turn out (or perhaps: continue) favorably with regard to the sickness of [His Maje]sty, and the evil will perish on account of these words“). Zu arḫa ḫark- „völlig beseitigt werden, gänzlich aufhören“ s. HW 2 III 301a. Wörtl. „Jetzt bringen sie Nanenzi auf den Weg“. Zu KASKAL-šiaḫḫ- / palšiaḫḫ- auch mit der Bedeutung „to satisfy“ s. CHD P 78. Siehe weiter unten im Kommentar. Siehe auch CHD L-N 124a-b: „Now they will put (the deceased) N. on the road (i.e. exorcise his spirit?), and they will restore the mal of Tarupšaniya by performing (lit. and will perform) the ritual of Zawalli.“ Die Präposition ANA wird hier und in den darauffolgenden Zeilen aufgrund einer parallelen Textstelle im Militärischen Eid KBo VI 34++ (CTH 427.A; s. Oettinger 1976) Vs. I ergänzt: (23ˈ) nu-za-an A-NA KUR URUḪa-at-ti LÚKÚRLI IGI ḪI. A-wa (24ˈ) da-a-i „Er richtet die Augen feindlich gegen das Land Ḫatti“. Trotz einer anderen Bedeutungsnuance wird aber der Ausdruck auch ohne ANA und stattdessen mit Dativ verwendet; s. KBo XXXII 14 (CTH 789; s. Neu 1996: 74-218) Vs. II 34f.: ta-a-an-ma-aš-ša-an te-li-pu-u-ri-ya ša-a-ku-wa (35) zi-ik-ki-zi „Er richtet aber seine Augen immer wieder auf ein anderes? Distrikt.“
226
3) 4)
[A-NA D UTUŠI-za-kán?]688 IGIḪI.A-wa DLUGAL-ma-aš-pát da-a-iš [… MU]ŠEN ḪUR-RI SIG5-ru NU.SIG5
5) 6)
[A-NA D UTUŠI-za-kán? I]GIḪI. A DX URUNe-ri-ik-ka4-ya {da-a-iš} […] NU.SIG5
7)
[nu-za?-kán? A-NA D UTU]ŠI IGIḪI.A-wa D LUGAL-ma-aš DX URUNe-ri-ik˹ka4˺-ya [da-a-ir DX URUŠ]a-pí-nu-wa-ma Ú-UL nu MUŠEN ḪUR-RI SIG5-ru
8)
SIG5
9) 10)
[…ku]-it SI×SÁ-at ˹DINGIRLU4˺-za KI MUNUS . LUGAL [TUKU.TUKU-u-an-za?] nu MUŠEN ḪUR-RI NU.SIG5-du {Ras.}689 NU.SIG5
11)
13)
[nu … DX URUN]e-ri-ik ˹IT-TI˺ MUNUS. LUGAL-pát TUKU.TUKU-u-anza [IT-TI D UTUŠI-ma-aš-kán?] Ú-UL ku-it-ki TUKU.TUKU-u-an-za {Ras.}690 […] SIG5
14) 15) 16) 17)
[… A?-WA?]-A- AT 691 GIŠEREN-aš i-wa-ar […] i-wa-ar nu-za-kán ma-a-al!?692 D UTUŠI [IGIḪI.A-wa? DX URUNe-ri-i]k-pát da-a-iš DLUGAL-ma-aš-ma Ú-UL […] NU.SIG5
18)
[…DX URUNe-ri-ik? ku-i]t ? IT-TI MUNUS .LUGAL TUKU.TUKU-at-ti SI×SÁ-at [DX URUNe-ri-ik? A-N]A EZEN4 ITUKAM? še-er TUKU.TUKU-u-an-za x [x] II ˹x˺ […] NU.SIG5
12)
19) 20)
688 689 690 691
692
Aufgrund der Fragenreihe dieser Orakeluntersuchung ist hier diese Ergänzung am wahrscheinlichsten. Anders in CHD Š 72b: [ ANA MUNUS .LUGAL=za=kan?]. Getilgtes IGI. Getilgtes UŠ. Ergänzungsvorschlag aufgrund des Mundwaschungsrituals KBo XXI 44+ (CTH 777.Tf05; s. Haas 1984: 80-84) Rs. IV 10ˈf., in dem die Worte ([me]miyanuš) „der Zeder“ und „der Tamariske“ belegt sind. Die Zeichen sind hier schwierig zu entziffern; es wäre auch möglich, MA A ŠA D UTUŠI zu lesen.
227
21) 22)
[…DX URUNe-ri]-˹ik˺ IT-TI MUNUS .LUGAL A-NA ˹EZEN4 ITUKAM?˺-pát [še-er? TUKU.TUKU-u-an-za? nam-ma-m]a? KI!.MIN nu MUŠEN ḪURRI SIG5-ru ˹SIG 5˺
23)
[…DX? URUNe-ri-ik]-ka4 ˹IT˺-TI še˺-er
MUNUS . LUGAL A-NA ˹ EZEN4 ITUKAM?
(1) […] Richtet Šarruma die Augen [gegen] meine Sonne?693 (2) […(un?)]günstig. / (3) Richtet nur Šarruma die Augen [gegen meine Sonne?] (4) […] der ḪURRI-[Vo]gel soll günstig sein: ungünstig. / (5) {Richtet} auch der Wettergott von Nerik die Augen [gegen meine Sonne?]? (6) […] ungünstig. / (7f.) Šarruma [richtet] die Augen [gegen die Son]ne und auch der Wettergott von Nerik; [der Wettergott von Š]apinuwa aber nicht? Der ḪURRI-Vogel soll günstig sein: günstig. / (9f.) […d]a es festgestellt wurde, [ist] die Gottheit über die Königin [zornig ?]? Der ḪURRI-Vogel soll ungünstig sein: ungünstig. / (11) […] Ist [der Wettergott von N]erik nur über die Königin zornig, (12) [über meine Sonne aber] ist [er] überhaupt nicht zornig? (13) […]günstig. (14) […] auf die Weise des Wortes ? der Zeder (15f.) auf die Weise von […] und richtet nur [der Wettergott von Neri]k [die Augen] auf?694 das māl meiner? Sonne, Šarruma aber nicht? (17) […] ungünstig. / (18) […d]a? [der Wettergott von Nerik] 695 im Zorn über die Königin festgestellt wurde, (19) ist [der Wettergott von Nerik?] wegen des Festes des Monats zornig? … (20) […] ungünstig. / (21f.) [… ist der Wettergott von Ner]ik nur [wegen] des Festes des Monats über die Königin [zornig? Ferner abe]r desgleichen; der ḪURRI-Vogel soll günstig sein: günstig. / (23) […] und [der Wettergott? von Neri]k über die Königin wegen des Festes des Monats.“
Dieser Text handelt von SU-, KIN- und MUŠEN -Orakel. Aufgrund der standardisierten Formel IŠTU MUNUSENSI MUŠEN ḪURRI-ya SI×SÁ-at hat van den Hout 1998a: 13 ihn dem Texttyp „oracle summaries“ zugeordnet. Die erste Kolumne ist sehr fragmentarisch, die erhaltenen Ausdrücke deuten aber darauf hin, dass es sich um ein Leberorakel handelt. Anzumerken ist die Verwendung der 2. Pers. Sing. in Z. 5ˈ und 18ˈ im Ausdruck kulān ḫarti „Du hast das Kettenglied“: In Vs. I 8ˈ kann von einer 693 694 695
Zum Ausdruck IGIḪI.A-wa dai- „to set the eye“ s. CHD Š 72b; s. auch schon Oettinger 1976: 25; Haas 1994: 885 Anm. 63 und id. 1987-90: 240. Zur Verwendung von IGIḪI.A-wa dai- ohne die Präposition ANA s. Anm. 687. Ergänzungsvorschlag anhand des Belegs dieser Gottheit in Rs. IV 11.
228
„Versöhnungsgabe“ (wie in Rs. III) die Rede sein, vermutlich um eine oder mehrere Gottheiten zu besänftigen. Zuletzt hat sich Dardano 2009: 3-12 mit dem Wort maškan- befasst: Aus ihrer Untersuchung ergibt sich, dass dieser Terminus eine Art unerlaubte Gabe bezeichnet. Der Illegalitätsbereich ist bei den Belegen von maškan- eindeutig (wie etwa bei „Bestechungsgeld“) rein zwischenmenschlicher Natur. Zur Bezeichnung einer Gabe für die Gottheiten ist maškan- nur neben šarnikzel-, „Sühne“, oder zankilatar-, „Buße/Bußopfer“, belegt (s. hier in Rs. III passim). Dardano zufolge beziehen sich diese zwei Termini auf den legitimen Teil des Opfers für die Gottheit, während maškan- den „unerlaubten“ Teil bezeichnet. Infolgedessen konnte eine Gottheit nicht die Empfängerin eines maškan allein sein. In KBo XLIII 61+ ist dieses Wort das erste Mal in Vs. I 8ˈ allein belegt; davor ist aber die Tafel abgebrochen, sodass die Ergänzung zankilatar (wie in Rs. III 15, 20, 22, 27) möglich ist. Der Inhalt der Orakeluntersuchung betrifft den Zorn der Gottheiten und daher dürfte maškan eine Versöhnungsgabe für die Götter bezeichnen. In Vs. I 13ˈ findet sich der Ausdruck NA4ZÚ arḫa iškalliyawanzi „den Obsidian brechen“. Ähnlich ist er in einem schwer verständlichen Beschwörungsdialog des Geburtshilferituals der Frau Pittei KUB XLIV 4+ (CTH 520)696 Rs. 23 belegt: A-NA NA4ZÚ :du-wa-ar-nu-ma-a[n-zi p]a-a-iu-e-ni „Wir wollen zum Obsidian [g]ehen, um (ihn) zu zerbrechen“. Diese Beschwörung zielt darauf ab, das neugeborene Kind vor der durch die Verfluchungen verursachten Behexung zu schützen. Der Obsidian wird dabei verwendet, um „die (bösen) Zunge(n) abzuschneiden“ (Rs. 27f.) 697 bzw. um die Verfluchung unschädlich zu machen. Dieselbe Funktion des Obsidians findet sich darüber hinaus im Beschwörungsritual KUB XXXV 145 (CTH 767.2.A):698 Der Schadensstifter wird dort u. a. bedroht, den Obsidian sehen zu müssen, der ihm die Zunge abschneiden soll (Rs. III 17ˈff.). 699 Eine derartige Funktion als Drohung gegen böse Zungen hat
696 697 698 699
Beckman 1983: 176-199; Starke 1985: 233-236; zu einer neuen Deutung s. Giorgieri 2004: 409-426. NA4 ˹ ZÚ˺-ša-aš-kán EME-an (28) ku-e-er!-du „Der Obsidian soll die Zunge abschneiden!“. Siehe Starke 1985: 230-232; id. 1990: 47, 256, 264f., 282. [GIŠḪAŠḪU]R a-uš-du NA4du-˹uš-ki˺-in a-uš-du (18ˈ) [še-ḫu-wa]-a-al a-uš-du šama-lu-wa-an-za-kán ZU9 ḪI.A-uš d[a-an-du] (19ˈ) [EME-a]n-kán NA4du-uš-ki-iš ku-ir-du še-ḫu-wa-a-a[l] (20ˈ) [IGIḪI.A-wa] ta-šu-wa-aḫ-du „Einen [Holzapf]el
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das Gestein jedoch in KBo XLIII 61+ nicht. Dort taucht der Obsidian nämlich als ein in den Beschwörungen genanntes magisches Element auf: Dies lässt sich jedoch im Zusammenhang der Orakeluntersuchung nicht eindeutig erklären. Der restliche erhaltene Text in Vs. I lässt sich inhaltlich nicht weiter rekonstruieren. Die Vs. II scheint im Großen und Ganzen eine einzige Frage zu untersuchen. In Vs. II 2ˈ heißt es: „einen Zawalli sah ich“; dieselbe Aussage ist noch einmal in Vs. II 25ˈ mit der zeitlichen Präzisierung „in dieser Nacht“ belegt. Folglich dürfte hier von einer Vision im Traum die Rede sein.700 Eine inhaltliche Rekonstruktion dieser Kolumne erweist sich als schwierig: Es lässt sich jedoch die Deutung vorschlagen, dass die Gottheit der Person des Königs, dessen Krankheit in Vs. II 49ˈ und Rs. III 34 belegt ist, Fürsprache für den erzürnten Zawalli einlegt, um die Gründe, aus denen dieser sich geärgert und die Krankheit des Königs verursacht 701 hat (?), zu ermitteln. Der untersuchte Verstoß hat mit dem „Hinausbringen“ der Gottheitsstatuen702 zu tun: Während Warwanzi die für diese Handlung zuständige Frau gewesen sein muss, welche die Gottheiten hinausbrachte, hat die Königin dies entweder nicht zugelassen oder etwas Anderes nicht so durchgeführt, wie es vorgesehen war. Trotz des Zutuns von jemandem (dem König?), der im Text in der 1. Pers. Sing. spricht,703 wurde durch den ḪURRI-Vogel (günstig/ungünstig, also negativ) festgestellt, dass die Gottheiten erzürnt waren (Vs. II 7ˈ-13ˈ). Die Statuen wurden infolgedessen hinausgebracht. Daraufhin wurde erkundet, ob das Bußopfer für die Gottheiten aus einem Schaf bestehen sollte: Durch den ḪURRI-Vogel wurde dies als günstig/ungünstig ermittelt, also reichte dieses Opfer nicht (Vs.
700 701
702 703
soll er (der Schadensstifter) sehen, eine Obsidianklinge soll er sehen, ein [Mess]er soll er sehen! Mit dem Holzapfel sollen sie die Zähne n[ehmen], die Obsidianklinge soll [die Zung]e abschneiden; das Messe[r] soll [die Augen] blenden!“ (Übersetzung von Haas 2003a: 210). Zu den Zawallis in Verbindung mit Träumen s. III.2.5. Ein eindeutiger Hinweis auf eine Zawalli-Gottheit als Verantwortliche für eine Krankheit findet sich in KUB XLVIII 125 (s. III.2.5); s. auch KUB V 6++ (s. III.2.4). Der Beleg der Zawalli-Gottheiten im Pl. (Vs. II 5ˈ) ist als Bezug auf Statuen zu deuten. Zur Verwendung der 1. Pers. Sing. in einer vergleichbaren Orakeluntersuchung s. KUB L 87 in III.2.3.1.
230
II 14ˈ-17ˈ). Die Frage wurde mit der Spezifizierung wiederholt, ob jeder betroffenen Gottheit ein Bußopfer zu geben war; durch Orakel sollte dazu dieses Bußopfer bestimmt werden. Das Ergebnis ist positiv (günstig/ günstig), d.h. die Gottheiten werden sich auf diese Weise besänftigen lassen (Vs. II 18ˈ-24ˈ). 704 Daraufhin wurde anscheinend die bisher durchgeführte Untersuchung wiederholt: Es musste nämlich sichergestellt werden, dass die Zawalli-Gottheit, die sich in der Nacht offenbart hatte, nur deswegen und nicht auch aus einem anderen Grund über die Königin erzürnt war. Das Ergebnis (günstig/ungünstig) zeigt, dass sich der Zawalli über einen weiteren Verstoß geärgert hatte (Vs. II 25ˈ-31ˈ). Warwanzi hatte nämlich die Schafe? hinausgebracht, obwohl sie früher nicht hinausgebracht wurden. Dementsprechend wurde untersucht, ob diese auch weiterhin (wie zuvor) nicht hinausgetragen werden sollen. Diesmal ist das Ergebnis günstig/günstig, also positiv (Vs. II 32ˈ-37ˈ). Daraufhin wird die Gottheit Para? erwähnt; anschließend geht es möglicherweise um böses Gerede. In diesem Zusammenhang tritt die Krankheit der Sonne auf, die angesichts ihrer Erwähnung auch in Rs. III als wahrscheinlicher Grund für diese Orakeluntersuchung angenommen werden darf. Im fragmentarisch erhaltenen Anfang von Rs. III ist erneut ein Zawalli belegt. Zudem wird die Gottheit Pallanula erwähnt, die eine Versöhnungsgabe und ein Bußopfer von der Königin bekommen sollte. Die Königin gab nämlich ein Opfer im Tempel von Pallanula. Diesbezüglich wurde untersucht, ob das Opfer sowohl unterwegs als auch zu Hause zu geben war: Dies kann auf das Verlegen der Statue hindeuten. Durch Orakel wurde festgestellt, dass dies auf dem Weg bereits erledigt worden war (Rs. III 15-20). Daraufhin wird die große Gottheit705 erwähnt, deren Statue eindeutig zu diesem Zeitpunkt mitgeführt wurde: Sie bekam die Versöhnungsgabe und das Bußopfer; dazu erhielt sie aufgrund ihres Zornes infolge der Verlegung ihrer Statue eine weitere Versöhnungsgabe, die durch die Seherin und den ḪURRI-Vogel zu bestimmen war (Rs. III 2127). Weiterhin ist die Sonnengöttin von Arinna belegt, vor der die Holzkohle gelöscht wurde. Ihre Statue war von der Frau Duttarriyati kultisch zu reinigen, bevor sie ein Opfer erhielt. Durch die Seherin und den ḪURRI704
705
Zu weiteren Belegen von Zawalli-Gottheiten, die mit Bußopfern (und auch mit Versöhnungsgaben) zu besänftigen waren, s. KUB XVIII 67++ (III.2.3.1), KUB V 6++ (III.2.4), KBo XLI 144 + KUB XXII 67 (III.2.4) und KUB LX 100 (III.2.5). Siehe Houwink ten Cate 1994: 255-259; s. auch hier Anm. 56f.
231
Vogel wurde darüber hinaus bestätigt, dass die Königin zur Ankunft in Ankuwa eine Anrufung der Gottheit vornehmen sollte (Rs. III 28-33). Die Zz. 34-38 beinhalten Untersuchungen im Losorakeltyp, der durch die Fleischvorzeichen eine Gegenprobe erfährt. Das untersuchte Thema ist die Krankheit der Sonne, die den Grund der gesamten Orakelanfrage darstellen dürfte. Daraufhin fallen die Namen zweier Personen, deren Identität in diesem Zusammenhang kaum zu bestimmen ist. Aus van den Houts prosopographischer Untersuchung des Namens Nanenzi (1995b: 181ff.) ergibt sich die Existenz zumindest zweier Nanenzis: Einer war vermutlich der Sohn des Mittannamuwa(?) und der andere ein Schreiber, welcher auch als eine Art Richter auftrat. Er starb wahrscheinlich in der frühen Phase der Regierung Tudḫaliyas IV. Betreffs Tarupšaniya kann dieser mit einem Mann namens Tarupašani in Verbindung gebracht werden, der in den Siegeln der Nişantepe-Bulle mehrmals belegt ist und unterschiedliche Titel (SCRIBA, EUNUCHUS2, MAGNUS.AURIGA, BONUS2 SCRIBA-la3 (oder DOMINUS), SCRIBA3, PURUS.AURIGA (?)) trägt. 706 Keiner dieser zwei Männer lässt sich jedoch eindeutig in dieser Orakeluntersuchung verorten. Dennoch lässt sich aufgrund des Verbs KASKAL-aḫḫ- „auf den Weg setzen, zufrieden stellen“ vermuten, dass es sich bei Nanenzi um einen Toten handelt, der eine schädliche Wirkung auf Tarupšaniya ausgeübt hatte. Was Tarupšaniya nach der Besänftigung von Nanenzi zurückerhielt, ist sein māl. Laut CHD L-N 124f. bedeutet dieses Wort etwas wie „Heldenhaftigkeit“. 707 Zugunsten dieser Deutung lässt sich anführen, dass māl in der Beschwörung der Ištar von Ninive KBo II 9+ (CTH 712.1.A) 708 Vs. I, zusammen mit Waffen und anderen Attributen der Menschen im Krieg, belegt ist:
706
707 708
53) 54)
na-aš-ta A-NA LÚMEŠ ar-ḫa LÚ-na-tar tar-ḫu-i-la-tar ḫa-ad-du-la-tar ma-a-al-la GIŠTUKULḪI.A GIŠPANḪI. A GIŠGAG . Ú.TAG.
55)
GÍR
GAḪI. A
da-a na-at I-NA URUḪAT-TI ú-da
BoHa 19.443, 19.444, 19.445, 19.446, 19.447, 22.226, 22.282; s. Herbordt 2005: 193f. und Dinçol – Dinçol 2008: 51 und 58. Zur Lesart Tarupasani von AURIGA-ni s. Hawkins zit. n. Herbordt 2005: 301. Vergleiche Haas 2006: 165 „Kampfeskunst“. Siehe Collins 1997: 164f. und im Hethiter-Portal CITATIO: Fuscagni (ed.), hethiter.net/: CTH 716.1.
232
Und nimm den Männern die Männlichkeit, die Gesundheit und das māl, die Waffen, die Bögen, die Pfeile, den Dolch weg und bringe sie ins Land Ḫatti.
Das māl/mal ist auch in der heth. Version des Lieds von Ullikummi KUB XXXIII 37+ (CTH 345.I.2.A) 709 Vs. I belegt; in dem Ištar dem Wettergott über Ullikummi Folgendes sagt: 35ˈ) 36ˈ)
… ŠEŠ-YA ma-al-wa-za ˹te˺-pu-ya ˹Ú-UL˺ [ša-a]k-ki UR.˹SAG˺-tar-ma-aš-ši X-pa pí-ya-an
Mein Bruder, er [ken]nt kein bisschen mal, Heldenhaftigkeit ist ihm aber zehnfach gegeben worden.
Rieken 1999: 49f. zufolge zeigt diese Textstelle, dass ein gewisser Gegensatz von mal zu UR. SAG-tar klar zum Ausdruck kommt. Daher ist eher eine Bedeutung wie „Verstand, Geist, Geistesstärke“ (ibid. 50) wahrscheinlich.710 Sowohl bei CHD als auch bei Rieken findet sich die Bemerkung, dass das māl/mal durch ein Ritual wieder erlangt werden konnte, so wie es in KUB XXII 40+ Rs. III 40f. belegt ist. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es sich dabei um das Ritual eines Zawalli handelt. Der Zawalli muss eine Verbindung mit dieser Eigenschaft des Menschen besitzen. Die Wiederaneignung des māl/mal seitens Tarupšaniyas wurde aber durch das Ritual des Zawalli erreicht, indem letzterem ein Tisch für die Opfer bereitet wurde. Dies kann bedeuten, dass der Zawalli auch wie Tarupšaniya eine „Verletzung“ erfahren hatte, die durch das Ritual wieder geheilt wurde. Zur Diskussion lässt sich demzufolge die Deutung vorschlagen, dass Nanenzi ein „Toter“ (GIDIM) war, der aus unbekannten 709
710
Siehe Güterbock 1951: 135-161; id. 1952: 8-42. Zur Betrachtung der heth. Version s. Pecchioli – Polvani 1990: 142-162. Siehe auch im Hethiter-Portal, CITATIO: Rieken et al. (ed.), hethiter.net/: CTH 345.I.3.1. Diese Deutung wird auch durch KUB XXXIII 120 (CTH 344.A: s. im Hethiter-Portal CITATIO: Rieken et al. (ed.), hethiter.net/: CTH 344) Rs. III 35ˈ gestützt: mal ist nämlich dort im Zusammenhang mit dem Gott Ea belegt, der für seine Weisheit bekannt war. Siehe auch HED 6 20: „brains, wits, wisdom, mindset, disposition“ (die Übersetzung der oben betrachteten Textstelle lautet dort: „he possesses not the least bit of brains but is endowed tenfold with brawn“; anders bei Pecchioli – Polvani 1990: 156 „(Ullikummi) non conosce neppure la più piccola cosa, ma il coraggio gli è stato dieci volte!“).
233
Gründen eine schädliche Wirkung auf Tarupšaniya ausübte. Dieser hatte infolgedessen sein māl/mal verloren. Der Totengeist von Nanenzi wurde daher besänftigt, wobei zudem ein weiteres Ritual zur Wiederherstellung des māl/mal von Tarupšaniya durchzuführen war, das darauf abzielte, den Zawalli zu versöhnen. Die Versöhnung des Zawalli entspricht demzufolge der Wiederaneignung des māl/mal seitens Tarupšaniyas. Dies bedeutet, dass es sich dabei nur um den Zawalli von Tarupšaniya selbst handeln kann, der aufgrund des Verlustes des māl/mal von Tarupšaniya ebenfalls beschädigt wurde. Nichts lässt die Schlussfolgerung zu, Tarupšaniya sei bereits verstorben. Am Ende der erhaltenen Rs. III ist von Fleischvorzeichen und außerdem von einem für jemanden durchgeführten Versöhnungsritual die Rede. Die Rs. IV ist ebenfalls schwer zu verstehen, da sich über die Fragen, die den Hintergrund der Orakeluntersuchung bildeten, nichts Genaueres erfahren lässt. Unklar bleibt, ob die Bedeutungen der Ausdrücke ( ANA) PN IGIḪI. A-wa dai- „die Augen (auf) jemanden richten“ und ITTI PN TUKU.TUKU-ant- „zornig über jemanden sein“ gleichzusetzen sind oder nicht. Beide beziehen sich auf eine böse Einstellung der Gottheiten gegenüber jemandem. Dabei mag es dennoch vorkommen, dass die Gottheit auf jemanden die Augen richtet (bzw. eine schlechte Wirkung – wie sie sich etwa in einer Krankheit äußern kann – ausübt), weil sie über jemand anderen zornig ist. Ein solcher Fall findet sich auf der Rs. IV. Zuerst ließ sich feststellen, dass Šarruma und der Wettergott von Nerik ein böses Augenmerk auf den König hatten (Rs. IV 1-8). Daraufhin wurde untersucht, ob der Wettergott von Nerik nur über die Königin und nicht auch über den König zornig war. Das Ergebnis ist nicht erhalten (Rs. IV 9-13). 711 Der Inhalt von Zz. 14f. bleibt aufgrund des fragmentarischen Textzustandes unklar: Es lässt sich hier dennoch die Deutung vorschlagen, dass der Wettergott von Nerik (Šarruma dagegen nicht) in Z. 15 auf das māl (s. oben im Kommentar) des Königs die Augen gerichtet hatte, und dies kann als Grund für die Krankheit des Königs angesehen werden. Weiterhin 711
Sollten die Ausdrücke „die Augen (auf) jemanden richten“ und „zornig über jemanden sein“ gleichzusetzen sein, so müsste jede Frage der Rs. IV keine Verbindung mit den anderen Fragen haben. In Z. 12 (wenn die Ergänzung stimmt) wird nämlich untersucht, ob der Wettergott von Nerik über den König überhaupt nicht zornig ist, obwohl schon in Z. 5 und 7 festgestellt wurde, dass derselbe Wettergott von Nerik die Augen auf den König gerichtet hat.
234
wird untersucht, warum der Wettergott von Nerik über die Königin zornig ist: Als einzige Ursache lässt sich die Unterlassung des Festes des Monats feststellen. Dann bricht der Text ab. Zusammenfassend lassen sich aus dieser Orakeluntersuchung zwei Elemente bezüglich des Zawalli ableiten. Erstens kann diese Gottheit als Geist wirken, indem sie jemandem in der Nacht bzw. im Traum erscheint. Dies wird hier als böses Zeichen interpretiert, weil der Grund des Erscheinens des Zawalli im Traum sein Zorn sein könnte.712 Zweitens wird das Wesen des Zawalli veranschaulicht: Diese Gottheit verkörpert nämlich einen Menschen mit seinen Eigenschaften. Nichts im Text deutet darauf hin, dass der betroffene Mensch schon gestorben ist. Der Zawalli stellt demnach zumindest in diesem Fall die „Gottheit“ eines lebendigen Menschen dar. 2.3
Kult der Zawallis und ihre Aufbewahrungsorte
In diesem Abschnitt werden Texte untersucht, die verschiedene Städte als Aufbewahrungsorte der Zawalli-Götterstatuen belegen. In vielen Fällen ist dabei auch von Zawallis bestimmter Menschen die Rede, die anlässlich von Festen Opfergaben erhielten und aufgrund der Unterlassung solcher Opfer in Zorn geraten konnten. Durch diese Analyse wird zu zeigen sein, dass ein regelmäßiger Kult für die Zawalli-Gottheiten obligatorisch war. 2.3.1 Städte und Personen in Verbindung mit Zawalli-Gottheiten Die Zawallis sind in Verbindung mit den folgenden Städten belegt: Zitḫara, Urikina Ankuwa und vielleicht Liprašša. 713
712 713
Zu den Zawalli-Gottheiten im Zusammenhang mit Träumen s. III.2.5. In der fragmentarisch erhaltenen Orakeluntersuchung KBo XLI 223 (CTH 582) Vs. 8ˈ sind möglicherweise ein oder mehrere Zawallis in Verbindung mit der Stadt Awarna (Xanthos in Lykien; s. del Monte – Tischler 1978: 58 und del Monte 1992: 19) belegt: […DZa-wa]-al-liš URUA. SI×SÁ-at. In Vs. 3ˈ, 14ˈ und Rs. 19ˈ wird die Königin erwähnt, über welche die Gottheit zornig sein könnte (Vs. 13ˈ: TUKU.TUKU-ti SI×SÁ-at). Der Zusammenhang lässt sich jedoch nicht rekonstruieren.
235
Kombiniertes Orakel KUB VI 6+ (CTH 578) Vs. I x+1) […] ˹É. DINGIRLÌ˺ […] 2ˈ) […] MUNUS. LUGAL UL x[…] 3ˈ) [… SU]MEŠ SIG5-ru SUMEŠ[…] 4ˈ) […] SIG5 […] 5ˈ) 6ˈ) 7ˈ) 8ˈ)
[…]x ku-it ŠÀ ˹É. DINGIR˺[LÌ …] […]x IŠ-TU ŠÀ x x ˹LI?˺[…] […DZa-wa-al-li-i]š URUÚ-ri-ki-na […] […DZa-wa-al-li-iš] URUZi-˹it˺-ḫa-ra-ya […]
9ˈ) […D]Za-wa-al-li-iš-kán ˹ku-it˺ [ŠA URUÚ-ri-ki-na?…] 10ˈ)714 […] x […]x-at DZa-wa-al-li-iš U[RU?Zi-it-ḫa-ra?…] 11ˈ) [nu?] SU[MEŠ NU.SIG5-d]u? ir.-liš NU.SIG5 […] 12ˈ) 13ˈ)
ma-a-an D[Za-wa]-al-l[i]-˹iš URU˺Ú-ri-ki-na […] nam-ma-ma KI. MIN AŠ? [S]UMEŠ SIG5-ru ZAG-za RAI[Ṣ…]
14ˈ) 15ˈ)
nu DZa-wa-al-li-iš U[R]UZi-˹it˺-ḫa-ra-[y]a x[…] NU.SIG5-du GIŠŠÚ.A-ḫi GÙB-an NU.˹SIG5˺ {Ras.}[…]
16ˈ) 17ˈ) 18ˈ) 19ˈ)
ma-a-an DZa-wa-al-li-i[š UR]UÚ-r[i-k]i-na x[…] D Za-wa-al-li-iš URUZ[i-i]t-ḫa-ra-˹ya˺ x[…] nu SUMEŠ SIG5-ru ni ši [t]a? AŠ? ZA? x[…] X ŠÀ[TIR] x […]
20ˈ) 21ˈ) 22ˈ) 23ˈ) 24ˈ)
D
Za-wa-al-li-iš {Ras.} III […]
ŠÀ É. DINGIRLÌ TUKU.TUKU-at-ti [SI×SÁ-at ?…]
pa-ra-a ne-ya-an-zi […] ar-ḫa a-ri-ya-zi x[…] [x x]-an-ni-uš-za[…]
(x+1) […] der Tempel […] (2ˈ) […] die Königin nicht […] (3ˈ) [… die Fleischvorzeich]en sollen günstig sein; die Fleischvorzeichen […] (4ˈ) […] günstig […] / (5ˈ) […] da im Inneren des Tempel[s …] (6ˈ) […] her-
714
Auch im Orakelfragment KBo XLIV 215 (CTH 582; s. RoszkowskaMutschler: 2007, 204f.) 4ˈ tritt der Zawalli einer Stadt auf, dessen Name allerdings nicht mehr erhalten ist: […] DZa-wa-al-li-iš URU[…]. Die Königin wird ebenfalls dort (Z. 6ˈ) erwähnt. Hier beginnt KUB L 94 Vs. x+1.
236
aus? ???[…] (7ˈ) […der Zawall]i von Urikina […] (8ˈ) […] und [der Zawalli] von Zitḫara […] / (9ˈ) […] da der Zawalli [von Urikina?…] (10ˈ) […] der Zawalli [von Zitḫara?…] (11ˈ) [und?] die Fleischvorzeich[en soll]en [ungünstig sein]; irkipelliš: ungünstig […] / (12ˈ) Wenn der [Zaw]all[i] von Urikina […] (13ˈ) Ferner desgleichen ?, die [Fleisch]vorzeichen sollen günstig sein; rechts beschäd[igt …] / (14ˈ) und [au]ch der Zawalli von Zitḫara […] (15ˈ) es soll ungünstig sein; der Thron, die linke Seite: ungünstig […] / (16ˈ) Wenn der Zawalli von Ur[ik]ina […] (17ˈ) und der Zawalli von Z[i]tḫara […] (18ˈ) und die Fleischvorzeichen sollen günstig sein: nipašuri šintaḫiš [t]ananiš? ?? […] (19ˈ) Zehn Darm[windungen …] / (20ˈ) Der Zawalli drei […] (21ˈ) im Inneren des Tempels im Zorn [wurde er (der Zawalli?) festgestellt ?…] (22ˈ) sie senden aus […] (23ˈ) er/sie bestimmt (durch Orakel) […] (24ˈ) ??? […]
Dem erhaltenen Text ist zu entnehmen, dass eine Orakeluntersuchung über den Zawalli von Urikina und den Zawalli von Zitḫara durchgeführt wurde, wahrscheinlich um den Zorn der Gottheit und dessen Gründe bestimmen zu können. Ein Tempel wird mehrmals erwähnt, was auf Statuen der Zawalli-Gottheiten für deren Kult und auf ihre Verehrung im Inneren des Tempels in Urikina715 und in Zitḫara716 hindeuten kann. Kombiniertes Orakel KUB XLIX 92 (CTH 578) 717 Rs. IV 9) [… G]IŠBANŠUR DZa-wa-al-li-iš ŠA URUAn-ku-wa-a 10) […] nu-kán DINGIRMEŠ-aš NU.SIG5 11) 12) 13) 14)
[… URU]An-ku-wa-pát nam-ma-ma KI. MIN nu […]x ME-aš nu-kán an-da SIG5-u-i […]x ME-aš nu-kán DINGIRLÌ-ni da-pí-i ZI-ni […] SIG5
KIN SIG5-ru
(9) [… der T]isch, der Zawalli von Ankuwā (10) […] und den ? Gottheiten: ungünstig. / (11) […Ist er (der Zawalli?)] nur [der Stadt] Ankuwa? Ferner aber desgleichen. Das KIN soll günstig sein. (12) […] nahm und in Güte (13) […] nahm und der Gottheit, der ganzen Seele (14) […]: günstig.
715 716 717
Zur Zawalli-Gottheit von Urikina s. auch KUB LX 100 (III.2.5). Zur Zawalli-Gottheit von Zitḫara s. auch KUB V 6++ (III.2.4). Siehe Crasso 2006: 332ff.
237
In dieser fragmentarischen Orakeluntersuchung mag der Tisch auf Opfer für den Zawalli von Ankuwa verweisen. 718 Dieser war wahrscheinlich als „Erzürnter“ festgestellt worden. Darüber hinaus wurde gefragt, ob der Zawalli die einzige von der fraglichen menschlichen Verfehlung betroffene Gottheit war. Dies wurde durch das Orakelergebnis bestätigt. Gelübdetextfragment? KUB LII 89 (CTH 590) 719 Vs. II x+1) 2ˈ)
IV UDU II SI[MMUŠEN …] URU I-mu-un-y[a …]
3ˈ) 4ˈ)
URU
5ˈ)
D
6ˈ) 7ˈ)
˹A-NA˺ DZa-wa-al-li-i URUAn-ku-u-w[a …] […ZÍ]D. DA. A I DUGḫu-up-par KAŠ a-[…]
Ša-ga-an-ta-wi5-x[…] e-eš-z[i …]
GIŠ. ḪUR ši-ya-an
Za-wa-al-li-iš ŠA mx[720…]
(x+1) Vier Schafe, zwei Schw[alben …] (2ˈ) die Stadt Imuny[a721 …] / (3ˈ) Die Stadt Šagantawi[ 722…] (4ˈ) die Holztafel is[t] gesiegelt worden […] / (5ˈ) Der Zawalli von PN[…] // (6ˈ) Für den Zawalli von Ankuw[a …] (7ˈ) […Me]hl, eine Schale Bier […]
718 719 720
721 722
Siehe GIŠBANŠUR DZawalliyaš „Tisch des Zawalli“ in KBo XLIII 61+ Rs. III 42 (s. III.2.2). Siehe Crasso 2006: 336f. Archi 1979a: 86 liest mT[u-ut-ḫa-li-ya (?). Van den Hout 1998a: 83 Anm. 40 folgt dagegen Archis Inhaltsübersicht in KUB LII (1983) und ergänzt zu mM[ur-ši-DINGIRLÌ. Das Zeichen nach dem Personenkeil ist jedoch zu fragmentarisch erhalten, um einen eigenen Vorschlag zu unterbreiten. Darüber hinaus deuten die Zeichenreste (vermutlich zwei Winkelhaken) weder auf TU noch auf MUR hin. Siehe del Monte 1992: 50. Ibid. 133.
238
Hier ist von Opfern die Rede. 723 Die Ortschaften Imunya und Šagantawi treten lediglich in diesem Text auf. Jedenfalls ist ein Zawalli von jemandem belegt; daraufhin wird vermutlich derselbe Zawalli als Zawalli der Stadt Ankuwa724 erwähnt. Kombiniertes (SU und KIN) Orakel KUB L 87 (CTH 578) 725 Rs.: Za-wa-al-li-iš ŠA fDIŠTAR-[…] ki-nu-un ku-it DINGIRLU4 A-NA MUNUS. LUGAL-˹ma? x˺[…] nu A-NA DINGIRLÌ SISKUR SUM-an-zi ku-it-m[a-an …] na-aš-mu a-ri-ya-še-eš-na-za GIM-an SI×S[Á-at …]
4ˈ) 5ˈ) 6ˈ) 7ˈ)
D
8ˈ) 9ˈ) 10ˈ) 11ˈ) 12ˈ) 13ˈ)
nu726 DINGIR [LU]4?-ma pé-di-iš-ši I-NA URULi-i[p-ra-aš-ša?727 …] nu-kán an-ku GIM?-an fU-wa-ar-wa-an-z[i-iš728 …] na-an pé-de-eš-ši QA-TAM-MA ar-ḫa a-ni-y[a-an-zi …] nu A-NA DINGIRLÌ SISKUR SUM-an-zi ku-it-ma-an[…] na-aš-m[u] a-ri-ya-še-eš-na-za ma-an SI×SÁ-at na-a[n …] [I]Š-TU MUNUS ENSI SI×SÁ-at
14ˈ)
[…]
(4ˈ) (Ist) der Zawalli von Šaušg[atti? …] (5ˈ) Da/was jetzt die Gottheit zu der/für die Königin aber […] (6ˈ) Sollen sie das Opfer der Gottheit während? […] geben? (7ˈ) Wenn729 (es) mir durch Orakel festgeste[llt wurde …] / (8ˈ) Die Gotth[ei]t an ihrer Stelle in der Stadt Li[prašša …] (9ˈ) Und wenn Warwanz[i] ganz und gar […] (10ˈ) Sollen [sie] sie (die Gottheit) an ihrer Stelle auf diese Weise […] reini[gen]? (11ˈ) Und sollen sie das Opfer der Gottheit während ? […] geben? (12ˈ) Wenn (es) m[ir] durch Orakel festgestellt wurde, [sollen?] s[ie (die Gottheit?) …] (13ˈ) [D]urch die Seherin wurde (es) festgestellt. / (14ˈ) […] 723 724 725 726 727 728
729
Zu den Zawalli-Gottheiten in Verbindung mit Opfern s. III.2.3.2 und 2.3.3. Zu einem weiteren Beleg eines Zawalli von Ankuwa s. KUB V 6++ (s. III.2.4). Siehe van den Hout 1998a: 154-157. Bei ibid. 156 ausgelassen. Siehe ibid. 156 Anm. 105 und die dort zitierte Bibliographie. Vergleiche den Namen f Warwanzi in KUB XXII 40+ Vs. II 6, 33 (s. III.2.2). Zur Lesart van den Houts (1998a: 156 Anm. 106) šaluwarwanz[i ? s. CHD Š 109a und HEG II 784. Siehe ähnlich in Rs. 12ˈ (ma-an anstelle von GIM-an).
239
Hier ist der Zawalli von Šaušgatti belegt, der anscheinend in Zz. 4ˈf. durch Orakel als die zornige Gottheit festgestellt wurde. Der Grund des Zornes ist aus dem erhaltenen Text nicht zu erfahren, nur dass die Königin dabei eine Rolle spielte. Der Frauenname f Warwanzi ist sonst nur in KUB XXII 40+ (s. III.2.2) Vs. II 6, 33 belegt: Auch dort kommt diese Frau in engem Zusammenhang mit der Königin und mit Handlungen in Verbindung mit Götterstatuen vor. Hier lässt sich ihre Funktion nicht mehr festzustellen, da der Text abbricht, wobei sie immerhin eine Rolle bei den Opfern und Reinigungshandlungen für die Zawalli-Gottheit ausgeübt zu haben scheint. Daher drängt sich die Frage auf, ob KUB L 87 mit der Orakeluntersuchung KUB XXII 40+ zusammenhängt. Zu beachten ist darüber hinaus die Verwendung des enkl. Personalpron. -mu in KUB L 87 Rs. 7, 12, das in Verbindung mit den Verbalformen in 1. Pers. Sing. in KUB XXII 40+ Vs. II 2ˈ, 8ˈ, 26ˈgebracht werden kann. Eine in der 1. Pers. Sing. durchgeführte Orakeluntersuchung ist sehr selten und meines Wissens sonst nur im mittelhethitischen KBo XVI 97+ (CTH 571) 730 belegt. 731 Mangels weiterer Anhaltspunkte muss jedoch die Zusammenstellung von KUB L 87 und KUB XXII 40+ fraglich bleiben. Nachdem der Zawalli von Šaušgatti identifiziert wurde, musste dort das richtige Verfahren zur Besänftigung der Gottheit ermittelt werden. Es handelt sich dabei um Opfer und reinigende Handlungen an der Gottheit(sstatue). Der Ort der Verehrung und dementsprechend der durchzuführenden Handlungen für diese Zawalli-Gottheit könnte, wie auch durch die Ergänzung in Rs. 8 angenommen wird, die Stadt Liprašša gewesen sein.732
730
731
732
Schuol 1994: 73-124 und 247-304; Beckman et al. 2011: 220-233. Die Untersuchung ist auf die Zeit Tudḫaliyas I./II. oder jedenfalls vor der Regierungszeit Tudḫaliyas III. zu datieren. Vs.: (1) IŠ-TU MUŠEN ar-ḫa ˹a-ri-iš-ki˺-i[z-zi …]x ku-wa-pí ˹ku˺-un-ni-eš-zi (2) nu DUTUŠI ú-ki-la wa-al-˹aḫ˺-mi […] EGIR-ŠU „(1) Durch einen Vogel wird er (durch Orakel) bestimm[en …]: Wann wird er erfolgreich sein? (2) Soll ich selbst, meine Sonne, zuschlagen? […] (Ergebnis) später.“ (Zu weiteren Verbalformen in der 1. Pers. Sing./Pl. s. passim im Text). Zur Stadt Liprašša und ihrer Lokalisierung um Kumani s. del Monte 1992: 95.
240
Höhlenentenorakel733 KUB XVIII 67++ (CTH 574.23) 734 Vs. 1) […ḫa-an-t]a?-it-ta-at ˹x˺MEŠ x […] 2) […]˹i-ya˺-at nu-wa-ra-an ar-ḫa ˹e-te-er˺735 […] 3) […]x i-ya-an-ta-at ŠA mDa-da-ya-kán UDU ar-ḫ[a736 …] 737 4) […] x […-r]a-an a-pé-el UNMEŠ-uš a-ú-e-er 5) […]˹x˺ AḪ ˹x˺[x x-z]i ? an-da im-mi-ya-an-te-eš e-eš-šir 6) [… -a]n?-da-an še-er T[UKU?.TUKU?]-an-za nu MUŠEN NU.SIG5-du NU.SIG5 7) 8) 9) 10)
733
734 735 736 737 738
739
ḪUR-RI
[…]x ku-iš mar-ša-aš-ta-r[e-e]š738 ḫa-an-ta-it-ta-at […]x ku-u-uš-pát mar-ša-aš-[t]a-re-e-eš nam-ma-ma ta-ma-i NU.GÁL ku-it-ki […] nam-ma zi-la-an ˹ku˺-in-ki še-ek-ti nu MUŠEN ḪUR-RI SIG5-ru SIG5 IŠ-TU MUNUSŠU.GI-ya […]-aš? ku-iš ŠA mDa-da-[y]a-at739 ŠÀ É.DINGIRLÌ ŠA DZa-wa-al-liya-aš
Vs. 9 ist aber zu entnehmen, dass die Ritualistin auch ein anderes Orakelverfahren (wahrscheinlich KIN) durchführte, um die Orakelbescheide zu bestätigen. Daher listet van den Hout 1998a: 13 diesen Text zu Recht unter den „oracles summaries“ auf. Siehe Crasso 2006: 328ff. (ohne Anschlussstücke). Vergleiche ibid. 328: ˹a˺-te-ir. Ibid. (329 und Anm. 9) liest DIB-ar-x für appatar „das Ergreifen“; die Zeichenreste von ḪA sind aber vor dem Bruch erkennbar. Hier beginnt KBo LV 201+ x+1. Aufgrund des vorhandenen Raums zwischen den zwei Textstücken wird hier maršaštareš, im Gegensatz zu Vs. 8, ohne langes E ergänzt. In Vs. 7 handelt es sich nämlich um eine Singularform, während in Vs. 8 maršaštarēš im Pl. belegt ist. Meines Wissens sind diese die einzigen Belege für die Schreibung von marša(š)tarri- ohne das Zeichen TAR (s. CHD L-M 198f.). Archi 1979a: 90 folgend ergänzt Crasso 2006: 329 ḫantaitt]at. Aus dem Textanschluss KUB XVIII 67 + KBo LV 201 ergibt sich jedoch der schon in Vs. 3 belegte Name Dadaya. Dass dem ersten Element des Satzes in der Partikelkette nicht das enkl. Personalpron. -at folgt, lässt sich darauf zurückführen, dass kuiš ŠA mDadaya, wörtl. „Wer von Dadaya“, als eine Einheit zu betrachten ist. Dieser Ausdruck stellt nämlich als Ganzes das erste Satzelement dar, dem die Partikelkette folgt. Möglich wäre auch, dass kuiš das Ende eines Relativsatzes bildet. Der darauffolgende Satz würde somit mit ŠA mDadaya=at beginnen.
241
11) 12) 13)740 14)
740 741 742 743 744
[…-e]z?-zi a-ši EME [x x-z]i ? DINGIRMEŠ ˹EME˺-az ar-ḫa a-ni-ya-azzi […]x DINGIRLÌ ku-i-e-eš [x]-˹x˺ nu DINGIRLU4 i-wa-ar URUAr-za-wa KA× U-az EME-az […] x x x […] x x x ˹pa-a-i˺ [nam?-m]a? IŠ-TU NINDA KAŠ a-pu-uun-na za-ḫa-an-zi […DINGIRLÌ-za?741 Q]A-TAM-MA ma-la-a-˹an ḫar-ti˺ nu MUŠEN ḪURRI SIG5-ru ˹SIG5˺
15) 16) 17) 18)
[…]x iš-ki-iš-ki-it ˹I?-NA˺ […] […]x-la UNMEŠ-uš iš-ki-š[a(-) …] […]x742 za--ki-la-tar-ra IŠ-˹TU˺ NINDA K[AŠ…] […? DINGIRLÌ-za QA-TAM -MA ma-la-a-an ḫar-t]i743 nu RI SIG5-[ru …]
19) 20)
[…]x-wa(-)˹ša˺[x x] x […] […] x [x] x […]
Rs. 1) 2) 3)
[…] ku-it x x x x[…] […DINGIRLU4 ŠA U]RUAn-ku-wa ŠA A-BI D UT[UŠI …] [… nu MUŠEN ḪUR]-RI NU.SIG5-du NU.SIG5
4)
[…]x nu MUŠEN ḪUR-RI SIG5-ru
5) 6) 7) 8) 9) 10)
[… DINGIRLU]4-wa ŠA URUAn-ku-wa ŠA A-BI D[UTUŠI …] […nu-w]a-ra-aš-kán ˹ŠÀ É. DINGIR ! LÌ˺-kán ku-[…] […] nu-wa DINGIRLU4 ŠA ˹URU˺An-ku-wa ŠA A-BI D[UTUŠI …] [… ku-w]a-pí 744 SISKUR pé-eš-zi nu-wa-kán UZUNÍG.GIG […] […]x É.ŠÀ-aš? […še-er? TUKU.TUKU?-an]-za nu MUŠEN ḪUR-RI * NU*.SIG5-du NU.SIG5
11)
[… ta-m]a-i NU.GÁL ku-it-˹ki˺ DINGIRLU4-˹za˺ da-a[n?- …]
MUŠEN ḪUR-
NU.SIG5
Hier beginnt KBo LVII 124 x+1; s. auch Groddek 2011b: 63f. Zu dieser Ergänzung s. KUB XXII 70 (CTH 566; s. Ünal 1978) Rs. 5, 47, 53. zankilatarr=a folgt häufig dem Terminus maškan „Versöhnungsgabe“; die Zeichenreste deuten hier jedoch nicht auf KÁN hin. Zu der Ergänzung s. Vs. 14. So auch Crasso 2006: 329 Anm. 14 und CHD P 315b.
242
[…še-er? TUKU.TUKU?-an]-za nu MUŠEN ḪUR-RI SIG5-r[u …] x x x[…] Zwei leere Zeilen und eine weitere nicht erhaltene Zeile zwischen zwei Paragraphenstrichen. 12)
Vs. (1) [… es wurde durch Orakel festge]stellt, die(Pl.) […] (2) ,[…] er/sie machte und sie fraßen ihn/sie weg […] (3) […] sie gingen; und das Schaf des Dadaya we[g …] (4) […]? seine Menschen745 sahen sie (5) […] ??? […] sie waren ineinandergemischt746 (6) […] Bist du, [Gottheit,] über [diesen Verstoß?] z[ornig]? Der ḪURRI-Vogel soll ungünstig sein. Ungünstig. / (7) […] Welche Entwei[hun]g durch Orakel festgestellt wurde (8) […] nur diese Entwe[i]hungen, ferner aber ist etwas Anderes nicht vorhanden? (9) […] Ferner sollst du dieses Orakelzeichen erkennen? Der ḪURRI-Vogel soll günstig sein. Günstig. Auch durch die Ritualistin. (10) […] Und welcher zu Dadaya Zugehörige (wörtl. wer von Dadaya) es im Inneren des Tempels des/der Zawalli(s) (11) […Ver]b; jene Zunge [Ver]b; sie? reinigt die Gottheiten von der Zunge (12) […] die Gottheiten, welche […] die Gottheit auf die Weise von Arzawa von dem Mund (und) von der Zunge (13) […] sie gibt; [ferne]r? schlagen sie mit Brot (und) Bier auch jenen. (14) […] Bist du [Gottheit damit eb]enso einverstanden?747 Der ḪURRI-Vogel soll günstig sein. Günstig. / (15) […] sie ? salbte immer wieder; in […] (16) […] die Menschen (Akkus.) auf? den? Rück[en748 …] (17) […] und das Bußopfer mit Brot (und) B[ier …] (18) […? Bi]st du [Gottheit damit ebenso einverstanden?] Der ḪURRI-Vogel [soll] günstig [sein. …] / (19) […] (20) […] Rs. (1) […] Was/weil […] (2) [… die Gottheit] Ankuwas des Vaters der Sonn[e …] (3) [… Der ḪURRI-Vogel] soll ungünstig sein. Ungünstig. / (4) […] Der ḪURRI-Vogel soll günstig sein. Ungünstig. / (5) [… „Die Gotthei]t Ankuwas des Vaters der S[onne …] (6) [… und] er/sie im Inneren des Tempels […] (7) […] und die Gottheit Ankuwas des Vaters der S[onne …] (8) [… al]s er/sie das Opfer gibt,749 die (Orakel)leber […] (9) […] des? Innengemachs (10) [Bist] du [Gottheit über diesen Verstoß zornig?] Der ḪURRI-Vogel soll ungünstig sein. Ungünstig. / (11f.) […] Ist etwas
745 746 747 748 749
Wörtl. „die Menschen von jenem“. Zu anda immiya- s. zuletzt HW2 IV 53f. Zu malan ḫar(k)- s. CHD L-N 127a. Zu ( UZU)iškiš- s. zuletzt HW2 IV 187ff. In Anlehnung an CHD P 315b ist aufgrund des Auftretens des peš-Stammes im Verb pai- „geben“ die Lesart vorzuschlagen, dass die Form pešzi in einem späten Text (wie KUB XVIII 67++) dem Verb pai- zuzuordnen ist.
243
[Ande]res nicht vorhanden? [Bist] du, Gottheit, [über … zornig?] Der ḪURRI-Vogel so[ll] günstig [sein. …]“
In diesem Text wird kein Zawalli einer Stadt explizit erwähnt. In der Rs. tritt jedoch „die Gottheit Ankuwas des Vaters meiner Sonne“ auf, die als Deutungsvorschlag mit der Gottheit der Vs., wahrscheinlich einem Zawalli, in Verbindung zu bringen ist. Im ersten Teil ist von einer Entweihung die Rede, die den Zorn einer Gottheit erregt hatte. Ein Mensch namens Dadaya 750 ist dort zweimal belegt und war wahrscheinlich in die Entweihung involviert, welche in Verbindung mit Opfern für die Gottheit stand.751 Zuerst wird „das Schaf von Dadaya“ (Vs. 3) genannt, das sein Opfer für die Gottheit darstellen könnte. Darauf heißt es in Vs. 10: „welcher zu Dadaya Zugehörige es im Inneren des Tempels des/der Zawalli(s) […]“. Da dabei vom Tempel des/der Zawalli(s) die Rede ist, lässt sich auf die Zawalli-Gottheit als Empfänger des Opfers schließen. Auch wenn wahrscheinlich nur ein einzelner Zawalli betroffen war, müssen im Tempel mehrere Zawalli-Götterstatuen aufbewahrt gewesen sein, die bei dieser Gelegenheit gereinigt werden sollten. Dies würde den im Laufe des Textes zu beobachtenden Wechsel zwischen den „Gottheiten“ im Pl. und der „Gottheit“ im Sing. erklären. In Vs. 11f. wird berichtet, dass die Gottheit(en) von Zunge und Mund des Verunreinigers gereinigt werden sollte(n). Wahrscheinlich hatten Dadaya und seine Menschen die Opfer missachtet und gegen die (bzw. vor der) Gottheit geflucht: Dies hatte in der damaligen Vorstellung zweifellos die Verunreinigung der Gottheit selbst zur Folge, was ihren Zorn
750
751
Das Anthroponym Dada(ya) ist in vielen Texten in Bezug auf verschiedene Menschen aus unterschiedlichen Epochen belegt (s. Laroche 1966: 180f.; id. 1981: 43). Im Vertrag Arnuwandas I.? mit den Kaškäern KBo VIII 35 (CTH 139.1.B; s. zuletzt Devecchi 2015: 120ff.) Vs. II 27ˈ ein Kaškäer namens Dadaya; in Res Gestae KUB XXXVI 103+ (CTH 14.II.A; s. de Martino 2003: 91, 100-102) Vs.? 11ˈ wird ein Dada als ARAD jemandes anderen bezeichnet, dessen Name allerdings nicht erhalten ist; schließlich ist auch ein Dadaya in den Kültepe-Texten belegt (s. Garelli 1963: 130ff.). Außer Dadaya sind vermutlich auch „(seine) Menschen“ (Vs. 4 und 16; s. auch Vs. 10 „wer von Dadaya/zu Dadaya zugehörig“) in die Entweihung der Gottheit involviert.
244
erregte. 752 Dass die Reinigung auf die Weise von Arzawa durchzuführen war, erinnert an KUB V 6++ (s. III.2.4) Rs. III 25f.: Dort wird nämlich berichtet, dass die mantalli-Rituale für die Sonne nicht nur auf die Weise von Ḫattuša, sondern auch auf die Weise von Arzawa vollzogen werden sollten, wahrscheinlich weil Mašḫuiluwa diesem Land angehörte. In KUB XVIII 67++ ist der Zusammenhang jedoch unklar. 753 Eines der im Text erwähnten Reinigungsverfahren ist das „Schlagen mit Brot (und) Bier“ (Vs. 13). In keinem anderen Text ist eine vergleichbare Handlung belegt, wobei vielen Ritualen zu entnehmen ist, dass eine der dem Getreide (sowie des Gebäcks, Mehls und Teigs) zugeschriebenen magischen Eigenschaften darin bestand, die unheilbringenden Säfte aus verunreinigten Gegenständen oder Patienten aufzunehmen. 754 Das „Schlagen“ könnte daher ausgeführt werden, um die Malediktionen aus dem Körper bzw. hier aus der Götterstatue zu vertreiben. In KUB XXII 70 (CTH 566)755 Rs. 54ff. werden z.B. die Geräte, die von unreinen Menschen berührt und in das Felsheiligtum der Schutzgottheit gebracht worden sind, zu ihrer Reinigung u. a. mit einem Dioritstein geschlagen. Etwas Ähnliches kann auch in dem Verfahren des Anpressens oder Andrückens von Broten oder Brotteigen gesehen werden: In KUB XXXII 9(++) (CTH 761.2)756 Vs. 1f. drückt die Ritualistin dem Patienten eine reine Teigmasse an den Körper, worauf letzterer (Rs. 25ˈ-27ˈ) den mit Unreinheit vollgesogenen Teig bespuckt. In KUB VII 53+ (CTH 409.I.A) 757 Rs. III 45-47 drückt sich der Ritualherr dagegen ein flaches Brot an (den Körper), damit die Gerste die böse Unreinheit von ihm abwende. Schließlich sind hier zwei akkadische Rituale zu erwähnen, in denen das Brot das Vehikel der Unreinheit darstellte: In KUB XXIX 58++ (CTH 811.A) Vs. II 20 wird der Patient mit sieben trockenen Broten abgewischt; in BM 134780: 19-21 ist das Neugeborene von Kopf bis Fuß mit dem Brot abzureiben, woraufhin dieses
752 753 754 755 756 757
Zum Thema der Verfluchung infolge bösen Geredes vor einer Statue s. auch KUB V 6++ (III.2.4). Ein weiterer Kommentar zu spezifischen Formen der Religionsausübung in den Arzawa-Ländern findet sich bei Hutter 2001: 228f. Siehe Haas 2003a: 373ff. Ünal 1978; Beckman 2003: 204-206. Starke 1985: 87ff. Goetze – Sturtevant 1938.
245
einem Hund vorgeworfen wird. 758 Darüber hinaus wird in KUB XVIII 67++ Vs. 15 die kultische Salbung erwähnt, die wahrscheinlich ebenfalls im Zusammenhang mit dem Reinigungsverfahren der Gottheit zu sehen ist. In Rs. ist die Gottheit Ankuwas des Vaters der Sonne im Zusammenhang mit dem Inneren des Tempels und mit einem Opfer mehrmals belegt. Infolgedessen wird hier vorgeschlagen, dass die auf der Vs. betroffene Gottheit, wahrscheinlich ein Zawalli, mit der Gottheit Ankuwas des Vaters der Sonne zu identifizieren ist. Dies bezeugt noch einmal die Anwesenheit einer Zawalli-Gottheit in der Stadt Ankuwa. 759 Was die Identität des Vaters der Sonne betrifft, so kann keine eindeutige Identifizierung gewährleistet werden: Muršili II. und Ḫattušili III. hielten sich während des Winters häufig in Ankuwa auf. 760 Daher kann am ehesten einer dieser beiden Könige eine Statue des eigenen Zawalli dort aufbewahrt haben, dem Text selbst ist aber nichts Genaueres zu entnehmen. 761 Die aufgelisteten Belege für Zawallis in Verbindung mit Städten haben van den Hout 1998a: 83 zu der Vermutung geführt, dass diese Gottheiten auch reine Verkörperungen von Städten gewesen sein könnten, die sie darstellten und in denen sie Opfer erhielten. KUB XVIII 67++ und KUB LII 89 (s. oben) ist jedoch zu entnehmen, dass der Zawalli einer Stadt eigentlich als Zawalli einer Person aufzufassen sei, dessen Statue in jener Stadt wahrscheinlich in einem Tempel aufbewahrt wurde. 762 Dies geht aus dem folgenden Text klar hervor.
758 759 760 761
762
Siehe auch Haas 2003a: 374f. Siehe oben in diesem Abschnitt KUB XLIX 92 und KUB LII 89; s. auch KUB V 6++ (III.2.4). Siehe auch Crasso 2006: 331 und die dort zitierte Bibliographie. Ünal 1984: 99 schreibt diese Orakeluntersuchung Ḫattušili III. zu, der sie aufgrund der religiösen Versäumnisse – die Unterlassung der in Ḫattuša zu feiernden Feste, als Folge des winterlichen Aufenthaltes Muršilis II. u. a. in Ankuwa – veranlasst hätte. Jedoch ist kein Anhaltspunkt im Text zu finden. Siehe auch Alaura 1999a: 493 (folgend Archi 1979a).
246
Leberorakel KBo XXIII 114 (CTH 570) 763 Vs.?: 1) […]-kán D˹Za-wa˺-a[l-li(-) …] 2) […n]u SUMEŠ NU.SIG5-d[u …] 3) 4) 5) 6)
[…]x ku-i-e-eš nam-ma-ma [KI. MIN] [nu IGI-zi SUMEŠ SIG5-ru EGIR -ma NU.SIG5-d]u764 t[a? …] […] x [… ar-ḫ]a-ya-an ši ke GÙB-za […] […] x[…]x NU.SIG5
7) 8)
[…]x É. DINGIRLÌ-aš ku-i[-e-e]š SI×SÁ-ta-at ŠA URUZi-˹it-ḫa˺-[ra …] […] ˹ta˺-ú-tíš NU.SIG5
9)
[…DZa-wa-al-l]i-uš ŠA URUZi-it-ḫa-ra-pát nam-ma-ma KI. MIN nu IGI-zi S[UMEŠ SIG5-ru] [EGIR-ma NU.SIG5-d]u765 IGI-zi SUMEŠ ni ši ke XII ŠÀTIR SIG5 EGIR SUMEŠ zu-[ul-ki-iš? …] […] NU.SIG5
10) 11) 12) 13)
[nam-ma? DZa-wa-a]l-li-iš!(LIŠ) ŠA mÚr-ḫi-DX-ub-pát TEMEŠ SIG5-ru {Ras.} GIŠŠÚ.A-ḫi GÙ[ B-za?… NU.SIG5]
15)
[ki-i ku-it NU.S]IG5-ta nu DZa-wa-al-li-iš SU˹MEŠ˺ NU.SIG5-du x[…] […]x EGIR-ŠÚ zi GAR-ri *XI* ŠÀTIR SIG5
17)
764 765 766
[nu DZa-wa-al-li]-˹iš˺ É.DINGIRLÌ ŠA URUZi-it-ḫa-ra ku-iš ˹ŠA˺ mÚr-ḫé-˹D˺[X-up ...] [nu SUMEŠ NU.SI]G5-du {Ras.} VIII ŠÀTIR NU. ˹SIG5˺
14)
16)
763
IGI-zi SUMEŠ
ŠA AMA
D
ni.-eš
SI×SÁ-at
KI. MIN
nu
UTUŠI-ya
nu
[nu DZa-wa-al766-l]i-iš ŠA *fDa*-nu-ḫé-pa-ma nu SUMEŠ NU.SIG5-du ZAG-za RAIṢ N[ U.SIG5]
Van den Hout 1998a: 146-151. Zu dieser Ergänzung s. auch ibid. 146. Ibid. Van den Hout 1998a: 146 Anm. 91 zufolge reicht der Raum auf der Tafel nicht aus, um auch das Zeichen AL zu ergänzen. Schreibungen von DZawalli ohne AL finden sich in KUB XLVIII 124 (CTH 590; s. de Roos 2007: 225228) Rs.? 8ˈ (INIM DZa-wa-li-aš) und in KUB LVI 1 (CTH 585) Rs. IV 2ˈ (A˹NA˺ DINGIRLÌ Za-wa-li-za). Das Zeichen IŠ in Vs.? 17 weist jedoch ungefähr
247
20)
[nam-ma? DZa-wa-a]l-li-iš ŠA mÚr-ḫi-DX-ub-pát ŠA fDa-nu-ḫé-paya KI. MIN [nu IGI-zi SUME]Š SIG5-ru EGIR-ma NU.SIG5-du IGI-zi SUMEŠ ni ši ta GIŠ TUKUL ZAG -[za? …] [… Š]ÀTIR SIG5 EGIR SUMEŠ ZÍ ḫi-li-ip-ši-ma-˹an˺ NU.SIG5
21)
[nu
18) 19)
22) 23) 24)
Za-wa-al-li-i]š!(LIŠ?)767 ŠA mÚr-ḫé-DX-ub ˹SI×SÁ˺?768-at še-ek-kán-du-uš wa-aš-ku-uš [še-er TUKU.TUKU-uan-za?] […] ka-ru-ú ku-i-e-eš še-˹ek˺-ku-e-ni nu SUMEŠ NU.SIG5-du ZAG-za RA[IṢ NU.SIG5] D
DINGIRLU4-za
[nu DZa-wa-a]l-li-iš mÚr-ḫé-DX-˹up˺ še-ek-kán-du-uš-pát wa-ašku-uš še-er TUKU.T[UKU-u-an-za …] [nu SUMEŠ S]IG5-ru ni ši ta ke [G]ÙB-za an-ša-an XII ŠÀTIR SIG5
(1) […] die Zawa[lli-Gottheiten 769 …] (2) […] die Fleischvorzeichen soll[en] ungünstig sein […] / (3) […] diejenigen, ferner aber [desgleichen]. (4) [Die ersten Fleischvorzeichen sollen günstig sein, die letzten aber soll]en [ungünstig sein]; die ersten Fleischvorzeichen; nipašuri t[ananis? …] (5) [… ges]ondert šintaḫi keldi links […] (6) […] ungünstig. / (7) […] die[jenig]en des Tempels, die festgestellt wurden, (sind sie) von Zitḫa[ra?…] (8) […] tautiš; ungünstig. / (9) […] (Sind sie) nur [die Zawall]i von Zitḫara? Ferner aber desgleichen. Die ersten Fleisch[vorzeichen sollen günstig sein], (10) [die letzten aber soll]en [ungünstig sein]. Die ersten Fleischvorzeichen: nipašuri šintaḫi keldi, zwölf Darmwindungen;
767
768 769
den gleichen Abstand zu den Zeilenrändern auf wie das Zeichen IŠ in Vs. ? 12: Dort aber ergänzt van den Hout nicht nu, im Gegensatz zu Vs. ? 17 anhand von -ma (*fDa*nuḫepa=ma); s. CHD L-N 466a. In der hier vorgelegten Rekonstruktion wird dagegen nu auch in Vs.? 12 ergänzt: Demzufolge kann das Zeichen AL in Vs.? 12 wie in Vs.? 17 (oder in keiner der beiden Zeilen) ergänzt werden. Die Schreibung DZa-wa-al-li-liš ist hier auch in Vs. ? 14 und in dem wahrscheinlich verwandten KUB XVI 16 (s. III.2.3.2) Rs. 23 belegt. Sie kann typisch für den Schreiber dieser Texte gewesen sein, bei dem sich IŠ und LIŠ abwechselten. Siehe auch van den Hout 1998a: 81 Anm. 28. So auch van den Hout 1998a: 148 Anm. 93. Hier wird ein Plural vorgeschlagen, weil das Relativpron. der darauffolgenden Absätze, wahrscheinlich in Bezug auf die Zawalli-Gottheiten, stets im Pl. ist.
248
günstig. Die letzten Fleischvorzeichen: zu[lki ? …] (11) […] ungünstig. / (12) Ist [ein Zawall]i des Tempels von Zitḫara, der durch Orakel festgestellt wurde, der (Zawalli) von Urḫi-[Teššub …]?“ (13) [Die Fleischvorzeichen] sollen [ungün]stig sein. Acht Darmwindungen: ungünstig. / (14) [Ferner] ist [der Zawa]lli nur von Urḫi-Teššub? Desgleichen. Die Vorzeichen sollen günstig sein. Der Thron li[nks …: ungünstig]. / (15) [Da dies ungü]nstig wurde, ist der Zawalli auch der Mutter meiner Sonne? Die Fleischvorzeichen sollen ungünstig sein […] (16) […] hinterher ist zizaḫiš gelegt; elf Darmwindungen: günstig. / (17) Ist [der Zawall]i aber von Danuḫepa? Die Fleischvorzeichen sollen ungünstig sein. Rechts beschädigt: u[ngünstig]. / (18) [Ferner] ist [der Zawa]lli nur von Urḫi-Teššub und von Danuḫepa? Desgleichen. (19) [Die ersten Fleischvorzeiche]n sollen günstig sein, aber die letzten sollen ungünstig sein. Die ersten Fleischvorzeichen; nipašuri šintaḫiš tanani, die Waffe rech[ts …] (20) […x-Zahl Da]rmwindungen: günstig. Die letzten Fleischvorzeichen; die Gallenblase ist ḫilipšiman: ungünstig. / (21f.) [Der Zawalli] von Urḫi-Teššub wurde durch Orakel festgestellt. [Bist] du, Gottheit, [wegen der] bekannten Verfehlungen […], die wir schon kennen, [zornig]? Die Fleischvorzeichen sollen ungünstig sein. Rechts beschädi[gt: ungünstig]. / (23) Ist [der Zawa]lli von Urḫi-Teššub nur wegen der bekannten Verfehlungen zorn[ig? …] (24) [Die Fleischvorzeichen] sollen [gü]nstig sein. šintaḫiš tanani keldi [li]nks abgewischt; zwölf Darmwindungen: günstig. /
In den ersten zwölf Zeilen dieser Orakeluntersuchung werden die Zawalli-Gottheiten des Tempels von Zitḫara (im Zorn) festgestellt.770 Nachdem sich der Ort der Zawallis ergeben hat, muss die Identität der betroffenen erzürnten Zawallis bestimmt werden. So wird zuerst gefragt, ob eine der betroffenen Gottheiten der Zawalli von Urḫi-Teššub ist (positive Antwort), und ob er der einzige ist (Vs.? 12-14). Das zweite Orakelergebnis ist nicht erhalten, anhand der darauffolgenden Frage über die Mutter der Sonne lässt sich aber vermuten, dass es negativ ausfiel. Der Zawalli der Mutter der Sonne wird als nicht betroffen festgestellt (ungünstig/günstig: negative Antwort) 771 (Vs.? 15f.): Dies kann darüber hinaus durch die Verwendung der Partikel -ma in der darauffolgenden Frage als bestätigt gelten. Der Zawalli von Danuḫepa wird dagegen festgestellt (Vs.? 17), wo-
770 771
Zu der genaueren inhaltlichen Analyse von KBo XXIII 114 Vs. ? 1-12 s. III.2.4. So auch van den Hout 1998a: 81 Anm. 29; vergleiche Archi 1979a: 85.
249
rauf die Frage folgt, die die Suche nach den betroffenen Zawallis abschließen kann: Sind nur der Zawalli von Urḫi-Teššub und der Zawalli von Danuḫepa betroffen? Dies erfährt Bestätigung durch die Fleischvorzeichen (Vs.? 18-20). Danach beginnt die Untersuchung der Gründe für den Zorn des Zawalli von Urḫi-Teššub, der nur über die schon bekannten Verfehlungen erzürnt ist (Vs.? 23f.).772 Darauf müssten die Verfehlungen gegenüber dem Zawalli von Danuḫepa folgen, der Text bricht aber in Vs.? 34 ab. Diese Befragung lässt die Schlussfolgerung zu, dass kein Zawalli ausschließlich eine Stadt, ein Gebäude oder eine Institution verkörperte. Es handelt sich bei dieser Information nämlich stets um den Ort, an dem sich die betreffende Statue befand. Demnach ist der Auffassung van den Houts 1998a: 83 „a Zawalli-deity may thus be redefined as a kind of divine spirit or genius dwelling in people and places or institutions or somehow representing them“ zu widersprechen. Dagegen schließt sich die vorliegende Studie der Ansicht Archis 1979a und Alauras 1999a: 493 an, dass die in Verbindung mit den Zawallis genannten Städte nur den Aufbewahrungsort ihrer Statuen darstellten. Dieses Argument verwendet Alaura (ibid.) jedoch, um sich gegen die von van den Hout formulierte Annahme von Zawallis als Verkörperungen lebender Personen zu äußern. Die Orakeluntersuchung KBo XXIII 114 bezieht van den Hout (ibid. 82f.) nämlich in den Zusammenhang von CTH 569 ein: Seine Datierung dieser Orakeluntersuchung in die Frühphase der Regierungszeit Tudḫaliyas IV. hätte vermutlich zur Folge, dass Urḫi-Teššub und sicherlich die Mutter der Sonne, Puduḫepa, zur Zeit der Untersuchung noch am Leben gewesen wären. In III.2.2, 2.3.2 (s. insbes. KUB VIII 75++) und 2.4 wird gezeigt, dass der Zawalli nicht zwangsläufig einem Verstorbenen zuzuordnen ist. Dass die in den Texten genannten Städte als Aufbewahrungsorte der Zawalli-Gottheitsstatuen anzusehen sind, muss infolgedessen nicht gegen die Datierung van den Houts von KBo XXIII 114 auf die Zeit Tudḫaliyas IV. sprechen.
772
In Vs.? 25-33 fährt der Text mit den Verfehlungen (Unterlassung des Festes des 6. und des 1.? Jahres und etwas in Bezug auf das Tempelpersonal) fort; die letzten Zeilen sind nicht gut erhalten oder abgebrochen.
250
2.3.2 Zawalli-Gottheiten in Verbindung mit Opfern, Festen und Feldern Im Folgenden sollen verschiedene Textabschnitte analysiert werden, die den regelmäßigen Kult der Zawallis durch Opferdarbringung belegen. KUB XVI 16 (CTH 570) 773 Rs. 1) ˹D˺Za-wa-al-˹li˺ fDa-nu-ḫé-pa SIG5-ru NU.SIG5
3)
[n]u LÚMEŠ É. DINGIRLÌ pu-nu-uš-šu-u-en nu me-mi-ir I PA IV BÁN ½ BÁN II UP-NI BA. BA. ZA VII DUG ḪAB. ḪAB GEŠTIN IV BÁN ½ BÁN GA *½* BÁN I wa-ak-šur I du-ud-du-uš Ì.NUN II DUGPUR-SÍ-TUM LÀL IŠ-TU A-BI DUTUŠI kar-ša-an LÚMEŠ ENGAR MEŠTÌ -ma ku-i-e-eš e-šir nu-kán a-pu-u-uš I-NA LÚMEŠ URUA-ra-u-un-na pár774-ra-[a]n-da pa-a-ir a-pu-uš-ma-kán775 I-NA LÚMEŠ EN. NU. UN ḪUR.SAG -i pár-raan-da pa-a-ir I-aš-ma-wa-kán ku-i-e-eš e-eš-ta nu-wa te-pa-u-˹wa˺-za pé-eš-keet DINGIRLU4-za ke-e-da-ni me-mi-ni še-er TUKU-u-an-za nu SUMEŠ *NU*.SIG5-du ir.-liš NU.SIG5
6) 7) 8) 9)
SUMEŠ
{Ras.}
10)
ma-a-an ki-i-pát nam-ma-ma KI.MIN nu SUMEŠ SIG5-ru ke.-˹eš-kán˺ ne-ya-ad-da-at NU.SIG5
11)
na-aš nam-ma pu-nu-uš-šu-u-en nu me-mi-ir x-x-˹le˺-e-eš-wa ŠA KÙ. BABBAR GUŠKIN ˹DINGIR˺LU4 ar-ḫa iš-ḫu-u-wa-an ḫar-zi A-NA DINGIRLÌ-wa É.TU7 UL e-eš-zi ˹nu˺-wa A-NA DINGIRLÌ *IŠ*-TU É LÚ MAŠDA GU7-na pé-eš-ga-u-e-ni
12) 13)
775
SUMEŠ
[DING]IRLU4-za SISKUR ˹te˺-pa-nu-wa-an ḫar-ti nu NU.SIG5-du NU.SIG5
5)
774
nu
2)
4)
773
SISKUR-aš SUMEŠ IR-u-en
Van den Hout 1998a: 138-145. Ibid. 142 liest PA. Ibid. versehentlich a-pu-u-uš-ma-kán.
251
GIR4!(Ù)776ḪI. A
GIŠ
15)
da-aš-ga-u-e-ni nu-wa A-NA DINGIRLÌ GU7-na wa-aš-ta-nu-wa-anda-za pé-eš-ga-u-e-ni DINGIRLU4-za ke-e-da-ni me-mi-ni še-er TUKU-u-an-za nu SUMEŠ NU.SIG5-du ZAG-za RAIṢ NU.SIG5
16)
LÚ
BÚGIN-ya-wa
*DUG*˹iš˺-nu-ri
14)
MAŠDA-pát
ma-a-an ki-i-pát nam-ma-ma NU.SIG5
18)
na-aš nam-ma pu-nu-uš-šu-u-en nu me-mi-ir ˹UR˺.GI7-aš-wa-kán GIŠ NÁ-aš UGU pa-it MUNUS dam-ma-ra-aš-ma-wa-kán še-eš-ki-iš-ke-et-pát BAPPIR -ya˹wa˺ ŠA LÚ MAŠDA da-a-u-e-ni nu-wa-ra-at A-NA DINGIRLÌ SUM-u-en DINGIRLU4 -za ˹kee˺-da-ni me-mi-ni še-er TUKU-u-an-za nu SUMEŠ NU.SIG5-du ir.-liš NU.˹ SIG5˺
20) 21)
KI. MIN
nu
ŠA
17)
19)
KI. MIN
da-pí-an-da
nu
SUMEŠ SIG5-ru SAG. ME
22)
ma-a-an ki-i-pát nam-ma-ma ˹an?˺-za ˹NU.SIG5˺
SUMEŠ NU.SI[G5-ru
23)
D
24) 25) 26) 27)
nu LÚMEŠ ˹É˺.[ DINGIRLÌ] ˹pu-nu˺-u[š-šu-u-en nu me-mi-ir …] pé-eš-ke-er! […] GEŠTIN-ya-w[a …] DINGIRLU4-za [ke-e-da-ni me-mi-ni še-er TUKU-u-an-za nu …]
28)
[m]a-a-an [ki-i-pát nam-ma-ma KI.MIN nu …]
…]x-
Za-wa-al-li-iš!(LIŠ) mÚr-ḫi-DX-ub-ša-aš SISKUR -a[š? SUMEŠ IR-u-en nu SUMEŠ SIG5-ru NU.SIG5]777
SUMEŠ
29) x […] Der Text bricht ab Lk. Rand 1) DINGIRLU4-za ke-e-da-ni me-mi-ya-ni še-er TUKU-u-an-za nu SUMEŠ NU.SIG5-du [x x] 776 777
Siehe auch ibid. 142 Anm. 85. Zu diesem Ergänzungsvorschlag s. Rs. 1.
252
2)
ŠUTI GÙB-˹la˺-aš NU.SIG5
3)
ma-a-an ki-i-pát nam-ma-ma ne-ya-ad-da-at N[U.SIG5]
KI. MIN
nu
SUMEŠ SIG5-ru
ke.-eš-kán
(1) (Betreffs des) Zawalli von Danuḫepa haben wir die Fleischvorzeichen hinsichtlich des Opfers durch Orakel ermittelt. Die Fleischvorzeichen sollen günstig sein: ungünstig. / (2) Hast du, [Gotth]eit, das Opfer für gering gehalten? Die Fleischvorzeichen sollen ungünstig sein: ungünstig. / (3) Wir haben die Tempelleute befragt, und sie sagten: „Ein PARĪSU-Halbmaß plus viereinhalb ŠŪTU778 und zwei Handvoll Gerstenbrei, (4) sieben Kannen Wein, viereinhalb ŠŪTU Milch, ein halbes ŠŪTU plus ein wakšur(-Gefäß) plus ein duddu-Gefäß Butterschmalz, (5) zwei Opferschalen Honig sind vom Vater meiner Sonne vorenthalten worden. Es waren aber die Bauern, (6) unter denen einige zu den Männern von Araūnna779 hinüber (7) gingen, die anderen aber gingen hinüber zu den Bergwächtern. (8) Eine Gruppe aber, die die(se letzten)780 waren, gab immer wieder in geringer Menge.“ (9) Bist du, Gottheit, über diesen Verstoß erzürnt? Die Fleischvorzeichen sollen ungünstig sein; irkipelliš: ungünstig. / (10) Wenn nur dies, ferner desgleichen. Die Fleischvorzeichen sollen günstig sein; keldi hat sich gedreht: ungünstig. / (11f.) Wir haben sie weiter befragt, und sie sagten: „Die ? hat die Gottheit vom Silber (und) Gold abgesondert.781 Für die Gottheit ist keine Suppenküche vorhanden, (13) und der Gottheit geben wir üblicherweise aus dem Haus des armen Mannes zu 778 779 780 781
1 ŠŪTU = ca. 8,4 Liter. Zur Lokalisierung dieses Ortes an den nördlichen oder westlichen Grenzen s. Cammarosano 2010: 58 Anm. 74. Anders bei Haas 2008: 90: „Die eine (Gruppe) aber, welche (noch da) war“. Wörtl. „weggeschüttet“. Anders bei van den Hout 1998a: 143 „The …-vessels of silver (and) gold the deity has scattered“. Zu arḫa išḫuwa(i)- mit der Bedeutung „(Edelmetall, -steine, Perlen usw. vom damit verzierten Gegenstand) entfernen, herausbrechen“ s. HW 2 IV 162. In KUB XVI 16 Rs. 11f. lässt sich die Satzbedeutung schwer begreifen. Es scheint aber fraglich, ob „die Gottheit“ das Subjekt sein kann, denn es ist von den durch die Tempelleute zu verantwortenden Verfehlungen hinsichtlich des regelmäßigen Kultes der Gottheit die Rede. Daher ist zu vermuten, dass von der (Statue der) Gottheit Silber und Gold entwendet wurden, oder dass im Text nicht genannten Gegenstände aus Silber und Gold nicht mehr im Kult der Gottheit verwendet wurden. Alternativ könnte die Gottheit die Gegenstände aus Silber und Gold als Opfer „weggeworfen“ bzw. abgelehnt haben, weil sie sie für zu gering hielt (Rs. 2).
253
essen: (14) Also BÚGIN-Gefäß(/Kasten?), Teigschüssel (und) alle Töpferwaren eben des armen Mannes (15) nehmen wir üblicherweise und der Gottheit geben wir immer wieder aus sündentragenden Sachen zu essen.“ (16) Bist du, Gottheit, über diesen Verstoß erzürnt? Die Fleischvorzeichen sollen ungünstig sein; rechts beschädigt: ungünstig. / (17) Wenn nur dies, aber ferner desgleichen. Die Fleischvorzeichen sollen günstig sein; SAG. ME: ungünstig. / (18) Und wir haben sie weiter befragt, und sie sagten: „Ein Hund ging auf ein Bett, (19) eine dammara-Frau aber schlief wie üblich eben (dort). Auch Bierbrot782 des armen Mannes (20f.) nehmen wir, und wir geben es der Gottheit.“ Bist du, Gottheit, über diesen Verstoß erzürnt? Die Fleischvorzeichen sollen ungünstig sein; irkipelliš: ungünstig. / (22) Wenn nur dies, ferner aber desgleichen. Die Fleischvorzeichen [sollen] gün[stig sein; …]: ungünstig. // (23) (Betreffs des) Zawalli von UrḫiTeššub [haben wir die Fleischvorzeichen hinsichtlich] des Opfers [durch Orakel ermittelt. Die Fleischvorzeichen sollen günstig sein: ungünstig.] / (24) [Wir haben] die Tem[pel]leute befra[gt, und sie sagten: „…] (25) sie gaben immer wieder […] (26) und Wein […].“ (27) [Bist] du, Gottheit, [über diesen Verstoß erzürnt? Die Fleischvorzeichen sollen … sein. …] / (28) [W]enn [eben dies, ferner aber desgleichen; …] / (29) […] (Der Text bricht ab) (Lk. Rand 1) Bist du, Gottheit, über diesen Verstoß erzürnt? Die Fleischvorzeichen sollen ungünstig sein […] (2) die Hand links: ungünstig / (3) Wenn eben dies, ferner aber desgleichen; die Fleischvorzeichen sollen günstig sein; keldi hat sich gedreht: u[ngünstig].
Aus den hier angeführten Orakelbefragungen ergibt sich, dass die dem Zawalli von Danuḫepa zugedachten Opfer von der Gottheit als nicht ausreichend angesehen wurden. Dafür wird eine Rechtfertigung vorgebracht: Die Verantwortlichkeit für den Opfermangel sei dem Vater der Sonne zuzuweisen, zu dessen Zeit die Gottheit einige Gaben nicht erhalten habe. Begründet wird dies jedoch damit, dass die zu den Bergwächtern gegangenen Bauern, die offenbar zum Teil für die Versendung ihrer Produkte zuständig waren, diese immer in zu geringen Mengen ausgegeben hätten (Rs. 1-10). Darüber hinaus habe auch die für das Opfer verwendete Küche, die Materialien und deren Unreinheit den Unmut der Gottheit erregt: 783 Da die Zubereitung der Speisen für den Zawalli in einer Küche „des armen Mannes“ vonstattengegangen war, seien die Geräte dementsprechend unrein gewesen (Rs. 11-16). Zwei weitere Gründe ihres Zornes 782 783
Vergleiche van den Hout 1998a: 145 „wort“. Zum Deutungsversuch von Rs. 11f. s. Anm. 781.
254
werden aufgezählt: Zuerst die Unreinheit einer dammara-Frau nach ihrem Schlaf in einem Bett, auf das ein Hund gesprungen war. Obwohl dies nicht explizit ausgedrückt wird, muss diese unreine Frau in einen kultischen Bereich, etwa in den Tempel, gegangen sein. Das Bierbrot des „armen Mannes“ stellt dagegen den zweiten Grund dar. Daraufhin werden weitere Gründe des Zornes der Gottheit festgestellt, die aber offenbar noch nicht zu untersuchen waren (Rs. 17-22). Nach zwei Paragraphenstrichen beginnt die Befragung zum Opfer für den Zawalli von Urḫi-Teššub: in den erhaltenen Zeilen wird Wein erwähnt, der auf Trankopfer hindeuten kann (Rs. 23ff.). KUB XVI 16 zeigt Ähnlichkeiten mit KBo XXIII 114 (s. III.2.3.1): Außer der Befragung über die Zawalli-Gottheiten von Danuḫepa und Urḫi-Teššub gibt es in beiden Texten die orthographische Auffälligkeit, dass DZawalliš abwechselnd mit den Endzeichen LIŠ und IŠ geschrieben wird. 784 Demzufolge nimmt van den Hout 1998a: 81 an, dass KBo XXIII 114 den Sequel von KUB XVI 16 darstellt.785 Falls beide Texte zur gleichen Orakeluntersuchung gehören, kann aber KBo XXIII 114 nur das Prequel von KUB XVI 16 sein. In KBo XXIII 114 findet sich folgende Reihenfolge: 1. Feststellen des Zornes der Zawallis im Tempel von Zitḫara; 2. Ermittlung, dass die Zawallis von Urḫi-Teššub und von Danuḫepa betroffen sind; 3. Untersuchung der Gründe des Zornes des Zawalli von Urḫi-Teššub; 4. (trotz Textabbruchs) Ausforschung der Gründe des Zornes des Zawalli von Danuḫepa. Hinsichtlich des Zawalli von UrḫiTeššub wird darüber hinaus festgestellt, dass er aus den „bekannten Gründen“ (Vs.? 21f.) zornig war. In KUB XVI 16 Rs. werden dagegen zuerst die Gründe für den Zorn des Zawalli von Danuḫepa untersucht und daraufhin erst jene betreffs des Zawalli von Urḫi-Teššub. Die Vs. dieses Textes behandelt des Weiteren andere Verstöße, die anscheinend nicht die Zawalli-Gottheit betreffen. 786 KBo XXIII 114 kann demnach nur das Prequel und nicht das Sequel von KUB XVI 16 darstellen, da in ersterem überhaupt erst herausgefunden werden muss, welche Zawalli-Gottheiten zornig sind. Diese zwei
784 785 786
KBo XXIII 114 Vs.? 14, 21?; KUB XVI 16 Rs. 23; s. auch hier Anm. 767. So auch Cammarosano 2010: 58. Die dort aufgezählten Verfehlungen betreffen den Kult einer Gottheit, deren Identität sich aber nicht bestimmen lässt.
255
Texte können sich jedoch auch auf zwei zu trennende Orakeluntersuchungen beziehen, die unterschiedliche Fälle des Zornes der Zawallis von Urḫi-Teššub und von Danuḫepa zum Gegenstand hatten.787 Zusammenfassend lässt sich der Orakeluntersuchung KUB XVI 16 entnehmen, dass ein regelmäßiger Kult der (Statuen der) Zawalli-Gottheit vorgeschrieben war und durchgeführt werden musste, um die Gottheit(en) nicht zu erzürnen. Hinsichtlich des Zawalli der Danuḫepa ist festzustellen, dass letztere wahrscheinlich schon gestorben war, weil ihre Opfer bereits zur Zeit des Vaters der Sonne nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden waren. Fragment der Kultinventare KBo XIII 234+ (CTH 530) 788 Vs.: 1) ˹A˺-NA DZa-wa-al-li-i ŠA *mMur*-ši-li-[…] 2) ŠA BA. BA. ZA tar-na-aš I DUGḫa-ni-eš-[ša-aš? …] 3) I-NA UD III KAM pé-eš-kán-zi
787
788 789
4) 5)789
I PA ½ BÁN II UP-NU BA. BA. ZA II DUG KA. G[AG.A …] LÚMEŠ É.GAL URUKa-a-ša-ya pé-eš-[ká]n-z[i]
6) 7) 8)
III BÁN IEN ḫa-zi-la-aš I UP-NU BA.BA.ZA […]? I DUG KA.GAG.A LÚMEŠ É.GAL URUŠu-lu-pa-ši-ya-aš pé-eš-kán-zi
9) 10) 11)
ŠA ITU VI KAM
12) 13) 14)
XII UDU V BÁN BA. BA.ZA III PA ZÌ. DA II DUG KA.GAG . A […] ½ BÁN me-ma-al I ME NINDA.GUR4.RA GAL I DUGḫa-ni-eš-˹ša˺-[aš? …] A-NA ˹EZEN4˺ zé-e-ni
15)
IV GU4 LXXII
I NINDA.GUR4.RA UDMI I-NA ITU VIKAM-ma Ú-UL x[…] ku-it-ma-an DINGIRLU4 an-da ap-pa-an-zi D Za-wa-al-li-i-iš ŠA mMur-ši-DINGIRLÌ […]?
UDU III PA II BA. BA!(ZA).ZA
VI PA II PA ZÌ. D[A …]
Die Tatsache, dass der Zawalli von Urḫi-Teššub nur wegen der bekannten Verstöße in KBo XXIII 114 Vs. ? 21-24 zornig ist, erlaubt es, weitere Fragen an ihn in KUB XVI 16 auszuschließen. Zur Texteinordnung s. Berman 1986: 35; zur Umschrift s. Groddek 2004b: 110f.; id. 2012: 34f. (Dupl. KBo LVIII 68). Hier beginnt KUB LI 69 Vs. ! x+1.
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16) 17) 18) 19)
˹IV˺ DUG KA.GAG .A XC NINDA.GUR4.RA GA. KIN.AG TUR […]? [? DU]Gḫu-up-pár-aš GEŠTIN IN-˹BU˺ da-pí-an Ì GIŠG[EŠTIN ḪÁD. DU. A] 790 [G]Ú.[G ]AL GÚ.GAL.GAL G[Ú.T ]UR Ì.GIŠ […]? […]x˹ḪI˺.A da-pí-˹an˺ […]x[…]x[…]
(1) Für den Zawalli von Muršili […] (2) Ein tarna Gerstenbrei, ein ḫanešša-Schöpfgefäß […] (3) sie geben wie üblich am dritten Tag […] / (4) Ein PARĪSU, ½ BÁN, zwei UPNU Gerstenbrei, zwei Bi[er]gefäße […] (5) die Palastangestellten der Stadt Kašaya791 gebe[n] wie übl[ich] […] ?. / (6) Drei BÁN, ein ḫazilaš, ein UPNU Gerstenbrei […]?, (7f.) ein Biergefäß geben die Palastangestellten der Stadt Šulupaši792 wie üblich. / (9) Das dicke Brot des Tages des sechsten Monats, aber im sechsten Monat nicht […] (10) während sie die Gottheit hineinhalten. 793 (11) Der Zawalli von Muršili […]? / (12) Zwölf Schafe, fünf BÁN Gerstenbrei, drei PARĪSU Mehl, zwei Biergefäße […] (13) ½ BÁN Schrotmehl?, einhundert große dicke Brote, ein ḫanešša-Schöpfgefäß […] (14) für das Herbstfest. / (15) Vier Rinder, zweiundsiebzig Schafe, drei PARĪSU, zwei BÁN Gerstenbrei, sechs PARĪSU, zwei PARĪSU Meh[l …] (16) vier Biergefäße, neunzig dicke Brote, kleine Käse […]? (17) [?] ḫuppar-Schale(n) Wein, Frucht, (und) insgesamt Öl, [getrocknete] We[intraube(n) (18) [E]r[b]sen, große Erbsen, [kl]eine Erb[sen …?] (19) […] insgesamt […].
Hier ist der Zawalli von Muršili belegt, der sowohl Muršili II. (s. Archi 1979a: 88) als auch Muršili III./Urḫi-Teššub (s. van den Hout 1998a: 83 Anm. 40) zugeordnet werden kann. Da aber in KBo XXIII 114 (s. III.2.3.1) Vs.? 12, 14, 18, 21, 23 und in KUB XVI 16 (s. oben) Rs. 23 der
790 791
792
793
Vergleiche Groddek 2004b: 110: Ì.GIŠ G[EŠTIN ḪAD.DU. A. Siehe del Monte – Tischler 1978: 187; del Monte 1992: 68f. In der Opferliste KUB XXXVI 122+ (CTH 661.9; s. Carruba 2007: 131-142; id. 2008: 63-85) Rs. 8 ist das „Haus von Kašaya“ im Teil der Kultlieferungen für die verstorbenen Königinnen belegt. Siehe del Monte – Tischler 1978: 364ff.; del Monte 1992: 148. In der Orakeluntersuchung KUB XVI 27+ (CTH 574.4; s. Tognon 2005: 106-117) Vs. I 68 sind wahrscheinlich die Palastangestellten der Stadt Šulupaši erwähnt: Sie bringen das Opfer im göttlichen Steinhaus dar; dann verzehren sie aber das geopferte Brot und Bier. Zur Bedeutung von anda ep(p)-/ap(p)- „halten; hinein halten“ s. HW 2 II 6668.
257
Zawalli von Mušili III. als Zawalli von Urḫi-Teššub bezeichnet wird, handelt es sich in KBo XIII 234+ am ehesten um den Zawalli von Muršili II. Ansonsten könnte er auch Muršili III. zugeordnet werden, nur aber für die Zeit, in der dieser König noch regierte. 794 Der Text listet eine Vielzahl von Opfergaben für den Zawalli auf, die aus unterschiedlichen Orten bzw. Städten stammen. Die Erwähnung bestimmter Tage lässt an besondere Anlässe (s. z.B. Vs. 14 zum Herbstfest) denken. Außerdem scheint die Verwendung der iterativen Form der Verben betreffs der Lieferungen der Palastangestellten auf regelmäßige Opfergaben zu verweisen. Infolgedessen lässt sich die Deutung vorschlagen, dass hier von einer einzelnen (Statue der) Zawalli-Gottheit die Rede ist, die von verschiedenen Städten Opfer erhielt. Am linken Tafelrand ist im Kolophon795 das Toponym Zitḫara belegt: Dies dürfte die Stadt sein, in der die Opfer dargebracht wurden. Deshalb ist davon auszugehen, dass sich die Zawalli-Gottheit Muršilis in Zitḫara befand, für die wahrscheinlich ein regelmäßiger Kult vorgeschrieben war. Diese Gottheit/Statue wird „hineingehalten“ (Vs. 10), womit auf einen Tempel verwiesen werden könnte.796 Kataster KUB VIII 75++ (CTH 239.1)797 Rs. III: (63ˈ) (64ˈ) (65ˈ)
794 795 796
797 798
I A.ŠÀ ŠA D{LUM} 798Za-wa-al ŠA mMa-ra-aš-ša-al-l[i] IŠ-TU NUMUN-ma-aš Ú-UL ti-ik-ku-uš-ša-nu-[an-za] IŠ-TU GÍD. DA I ME LVIII DAGAL-ma-aš I ME XLV? [ KI. MIN]
Zu den Zawallis als Gottheiten lebender Menschen s. III.2.2 und 2.4. Siehe Archi 1979a: 88. Von Vs. 12 an werden viele Opfergaben aufgezählt, die jedoch nicht zwangsläufig dem Kult des Zawalli zuzuweisen sind. In der Rs. sind nämlich die Opfer für den Kult anderer Gottheiten bestimmt. Souček 1959: 5-43, 379-395. Wenn LUM über die Rasur geschrieben worden wäre, könnte DINGIR aufgrund der phonetischen Komplementierung kein Determinativ sein. Siehe auch Souček 1959: 19 Anm. 36.
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Ein Feld der Zawal(li)-Gottheit des Maraššall[i]; bezüglich der Saat [ist] es aber nicht bestimmt;799 der Länge nach (ist es) 158, es (hat) aber die Breite von 145? [Ellen] 800.
Dieser Absatz gehört zu einer Katasterurkunde, in der jedes Feld mit seinen Eigenschaften (Lage, Bezeichnung, Besitzername, Feldergröße, Saatmenge) aufgeführt wird. In dieser ist die Zawal(li)-Gottheit eines Menschen namens Maraššalli belegt. Aus der Textstelle geht hervor, dass ein Zawalli nicht nur Opfergaben erhalten, sondern auch Eigentümer eines Feldes sein konnte:801 Das Feld wurde ihm daher von der betroffenen Person gewidmet, wobei die Felderträge wahrscheinlich seinem Kult dienten. Hier ist anzumerken, dass in diesem Auszug – im Gegensatz zu den anderen im Text beschriebenen Feldern – die Saat nicht genauer bestimmt wird. Dies könnte auf einen Mangel an Pflege hinweisen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass es keine regelmäßige Saat gab, weswegen sie zu der Zeit nicht gerechnet werden konnte. Der Name Maraššalli ist nur in diesem Text belegt:802 Er wird hier allerdings nicht genauer charakterisiert, weshalb nicht mehr zu erfahren ist, welchen Titel er trug, ob er eine hochgestellte Persönlichkeit bzw. ein Mitglied der königlichen Familie war oder nicht. Dieser Maraššalli ist darüber hinaus auch in Rs. III 18 und IV 42 selbst als Besitzer von Feldern belegt. Dabei handelt es sich höchstwahrscheinlich um dieselbe Person, die mehrere Felder an verschiedenen Orten besaß: Dieser Feldertext ist nämlich nicht nach den Besitzern, sondern anhand geographischer Gegebenheiten gegliedert. Daher ist folgende Überlegung anzustellen: Eine Katasterurkunde hat generell nur
799
800
801 802
Wörtl. „Mit der Saat [ist] es nicht kenntlich gemacht [worden]“. In diesem Text wird nämlich die Menge der Saat, die für jedes Feld geliefert wurde, bei einzelnen Grundstücken in Hohlmaßen angegeben. Zum Verb tekkuššai„(sich) zeigen, präsentieren“ und seinem Kaus. tekkušš(a)nu- „zeigen (lassen), offenbaren; vorstellen (lassen)“ s. HEG III 302ff. Vergleiche Souček 1959: 19 „Mit der Saat (ist) es aber nicht versorgt ?“. Das Längen- und Breitenmaß gipeššar wird nur am Textanfang angegeben, während daraufhin stattdessen der Ausdruck KI.MIN „desgleichen“ geschrieben steht. Ein solcher Beleg für einen Zawalli als Felderbesitzer ist jedoch ausschließlich in diesem Text zu finden. Siehe auch Laroche 1966: 114.
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dann Sinn, wenn die dort angeführten Angaben aktuell sind. Ihr Ziel besteht darin, alle zum Zeitpunkt ihrer Erstellung relevanten Auskünfte über ausgewählte Grundstücke zu sammeln, um eine aktuell gültige Rechnung zur Bestimmung der wirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Verhältnisse vornehmen zu können. Folglich muss Maraššalli zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Katasterurkunde am Leben gewesen sein. Ist also dieser dreimal im Text belegte Name jedesmal auf denselben Menschen zu beziehen, so besaß Maraššalli mindestens zwei Grundstücke, während gleichzeitig seine Zawal(li)-Gottheit ihrerseits als Besitzer eines Feldes ausgewiesen wurde. Damit liefert dieser Text einen weiteren Beleg für die Annahme, dass in der damaligen Vorstellung ein Mensch bereits zu Lebzeiten einen Zawalli haben konnte.803 2.3.3 Zawalli-Gottheiten als kollektive Göttergruppe Die Zawallis wurden wie viele andere Gottheiten nicht nur durch Bilder oder Statuen dargestellt, sondern auch durch Stelen bzw. ḫuwaši-Steine. In KBo XLIX 205 (CTH 511) 804 Vs. ist Folgendes zu lesen: 10ˈ) 11ˈ)
[DINGIR MEŠ 805 Z]a-wa-al-li-˹ya˺-aš NA4ZI.KINḪI.A mx[…] [NINDA.GUR4.R]A-˹ma˺ LÚMEŠ URULÌ pé-eš-kán-zi […]
(10ˈ) Die [Z]awalli-[Gottheiten] sind ḫuwaši-Steine; PN[…] (11ˈ) [dickes Bro]t aber geben wie üblich die Leute der Stadt.
Bei diesem Kultinventartext handelt es sich um ein Verzeichnis von Gottheiten. In beinahe jedem Absatz werden deren ḫuwaši-Steine, zuständige Priester und die jeweilige Art Opfergaben aufgelistet. In Vs. 6ˈ findet sich 803 804 805
Dazu s. auch III.2.2 und 2.4. Zur Transliteration s. Groddek 2013: 129-131; s. auch Archi 1979a: 90 (als 367/t verschrieben); Darga 1969: 19. Vergleiche Groddek 2013: 130 [DZ]a-wa-al-li-˹ya˺-aš. In Anbetracht der anzunehmenden Ergänzung in Vs. 11ˈ ist jedoch in der Lacuna genug Platz für MEŠ vorhanden. Diese Lesart wird darüber hinaus durch den Vergleich mit dem Stelenverzeichnis KUB XII 2(+) Rs. III 15 (s. weiter unten) gestützt.
260
ein Beleg für das [EZEN4] DI12-ŠI, „Fest des Graswuchses, Frühlingsfest“, das den Anlass für die Opfer darstellen dürfte. Durch die mehrmalige Erwähnung von „Leuten der Stadt“, welche die Opferhandlungen durchführen, wird darüber hinaus auf eine bestimmte Stadt verwiesen, deren Name aber nicht erhalten ist. Im Gegensatz zu den anderen dort aufgelisteten Gottheiten, sind die Zawallis nicht namentlich genannt. Es könnte sich dabei um verschiedene Zawalli-Götterstatuen des lebenden Königs handeln.806 Da aber die Zawallis einem bestimmten Göttertypus angehören, ist es auch denkbar, dass sie z.B. für ein Fest kollektiv dargestellt wurden und Opfer erhielten. In der Orakeluntersuchung KUB XVI 46 (s. III.2.4) Vs. I 4ˈf. ist nämlich zu lesen: (4ˈ) ke-e-da-aš-kán DZa-wa-al-li-i[a-aš ] 1aš ku-˹iš ˺-k[i] DZa-wa-a[l-li-iš?] (5ˈ) an-da TUKU.TUKU-u-an-za „Ist unter diesen Zawalli-Gottheiten ei[n] einziger Zawa[lli] zornig?“ Das Ergebnis war positiv (Vs. 9ˈ). Obwohl diese Frage als standardisierte Formulierung zu deuten ist, hätte die Möglichkeit einer negativen Antwort bestehen können. Daraus lässt sich vermuten, dass die Zawallis auch in ihrer Gesamtheit (z.B. anlässlich der Feste) verehrt wurden. Dies kann auf eine kollektive Dimension des Wesens dieser Gottheiten hindeuten. Eine derartige Annahme lässt sich durch den folgenden Kultinventartext bekräftigen: KUB XII 2(+) (CTH 511.1) 807 Vs. II
806 807 808
5) 6) 7)
[DX …G]U4 GIŠ IV GUB-za DUGḫar-ši-ya-al-li […] ZÌ.DA I DUG KA.GAG. A EZEN4 zé-e-ni iš-ḫu-wa-u-wa-aš […] ZÌ.DA II DUG KA.GAG . A A-NA EZEN4 DI12-ŠI-aš!
8) 9) 10)
D
11) 12)
D
X U[RUAš-šur?808] NA4ZI. KIN I UDU V DUG KAŠ NINDA.GUR4.RA-ma IŠ-TU URULÌ pé-eš-kán-zi A-NA EZEN4 zé-e-ni {Ras.} EZEN4 ḫa-me-eš-ḫa-aš-kán ke-e-da-ni ḫa-an-da-an-za UTU AN NA4ZI. KIN I UDU
II DUG KAŠ NINDA.GUR4.RA-ma
IŠ-TU URULÌ pé-eš-kán-zi A-NA EZEN4 DI12-ŠI
Zu den unbenannten Zawallis als Zawallis des lebenden Königs s. III.2.4. Carter 1962: 74-89; Collins 2006: 39-48; s. auch Archi 1979a: 90. Ergänzungsvorschlag anhand des Vergleichs mit Vs. I 10 und Rs. IV 18; s. auch Collins 2006: 46.
261
13) 14)
D
U[TU
tá]k-na-aš NA4ZI. KIN I UDU I NINDA.GUR4.RA ŠA I BÁN I DU[G KAŠ] A-NA EZEN4 DI12-ŠI
15) 16)
D
Pé-[en-ta]-ru-uḫ-ši-iš NA4ZI.KIN I II DUG [KAŠ A-N]A EZEN4 DI12-ŠI
UDU VI NINDA.GUR4.˹RA˺
Rs. III 1) 2)
D
3) 4)
D
5) 6)
D
7) 8)
D
9)
PÚ
10)
262
X pí-ḫa-i-mi-i-iš NA4ZI. KIN I UDU VI [ NINDA.GUR4.RA] II DUG KAŠ A-NA EZEN4 DI12-ŠI X al-pa-aš NA4ZI. KIN I ŠAḪ.TUR NINDA.GUR4.RA-ma IŠ-TU URULÌ pé-eš-kán-zi I DUG KAŠ A-NA EZEN4 DI12-ŠI LAMMA
NA4
ZI . KIN I UDU I DUG KAŠ NINDA.GUR4.RA-ma
IŠ-TU URULÌ pé-eš-kán-zi A-NA EZEN4 DI12-ŠI
I-ya-ya-aš NA4ZI. KIN I UDU II PA ZÌ. DA ˹I˺ DUG KA.GAG.A
A-NA EZEN4 DI12 -ŠI
Ku-wa-an-na-ni-ya I ŠAḪ.TUR III ša-aš KAŠ A-NA EZEN4 DI12 -ŠI
NINDA.GUR4.RA
I DUGḫa-ni-eš-
11) 12)
ḪUR.SAG
13) 14)
ták-na-aš DUTU-uš *NA4* ZI. KIN I ŠAḪ.TUR III NINDA.GUR4.RA I DUG KAŠ A-NA EZEN4 DI12-ŠI
15) 16) 17)
DINGIRMEŠ
18) 19)
X URUNe-ri-ik-ka4 I UDU I ŠAḪ.TUR A-NA DINGIRMEŠ LÚMEŠ I DUG KAŠ NINDA.GUR4.RA-ma IŠ-TU URULÌ pé-eš-kán-zi A-NA EZEN4 [DI12-ŠI]
20) 21)
DINGIRLU4 GIBIL NA4ZI. KIN
Ú-ut-ta-li-ya-aš NA4ZI. KIN I
UDU III DUG KAŠ
NINDA.GUR4.RA-ma IŠ-TU URULÌ pé-eš-kán-zi A-NA EZEN4 DI12-ŠI
Za-wa-al-li-ya- nu-kán ku-iš UDU dam-me-e-eš-zi ku-iš-ma ŠAḪ.TUR pé-e ḫar-zi A-NA EZEN4 DI12-ŠI NINDA.GUR4.RA-ma KAŠ *IŠ*-TU URULÌ pé-eš-kán-zi D
I UDU I DUG KAŠ
IŠ-TU URULÌ pé-eš-kán-zi A-NA EZEN4 DI12-ŠI
NINDA.GUR4.RA-ma
22) 23)
D
Pu-tal-li-mi-iš NA4ZI.KIN I UDU VI I DUG KAŠ A-NA EZEN4 DI12-ŠI
24) 25)
ŠU. NIGIN XVII DINGIR MEŠ
[XII
UD] U V !(IV) ŠAḪ.TUR
NINDA.GUR4.RA
ZI. KIN ŠA URUḪa-šu-x[…]809
NA4
[…]?
§ (Vs. II 5) [Der Wettergott … ein Ri]nd, aus ? Holz, auf allen Vieren stehend. Ein Vorratsgefäß (6) […] Mehl, ein Bierkrug; für das Herbstfest des Schüttens. (7) […] Mehl, zwei Bierkrüge; für das Frühlingsfest. § (8) Der Wettergott von [Aššur]: ein ḫuwaši-Stein. Ein Schaf, fünf Gefäße Bier, dickes Brot aber (9) gibt man wie üblich aus der Stadt; für das Herbstfest. Für das Frühlingsfest ist (es) auf diese Weise (auch) vorbereitet. § (11) Der Sonnengott des Himmels: ein ḫuwaši-Stein. Ein Schaf, zwei Gefäße Bier, dickes Brot aber (12) gibt man wie üblich aus der Stadt; für das Frühlingsfest. § (13) Die Sonn[engöttin] der [Er]de: ein ḫuwaši-Stein. Ein Schaf, ein dickes Brot von einem ŠŪTU, (14) ein Gef[äß Bier]; für das Frühlingsfest. § (15) Pe[nta]ruḫši: ein ḫuwaši-Stein. Ein Schaf, sechs dicke Brote, (16) zwei Gefäße [Bier]; [fü]r das Frühlingsfest. § (Rs. III 1) Der Wettergott piḫaimi:810 ein ḫuwaši-Stein. Ein Schaf, sechs [dicke Brote], (2) zwei Gefäße Bier; für das Frühlingsfest. § (3) Der Wettergott der Wolken: ein ḫuwaši-Stein. Ein Ferkel, dickes Brot aber (4) gibt man wie üblich aus der Stadt; ein Gefäß Bier; für das Frühlingsfest. § (5) Die Schutzgottheit: ein ḫuwaši-Stein. Ein Schaf, ein Gefäß Bier, dickes Brot aber (6) gibt man wie üblich aus der Stadt; für das Frühlingsfest. § (7) Iyaya: ein ḫuwaši-Stein. Ein Schaf, zwei PARĪSU Mehl, ein Bierkrug; (8) für das Frühlingsfest. § (9) Die Quelle Kuwannaniya.811 Ein Ferkel, drei dicke Brote, ein ḫanešša-Gefäß Bier; (10) für das Frühlingsfest. § (11) Der Berg Ūttaliya: ein ḫuwaši-Stein. Ein Schaf, drei Gefäße Bier, (12) dickes Brot aber gibt man wie üblich aus der Stadt; für das Frühlingsfest.
809 810 811
So del Monte – Tischler 1978: 96f.; s. auch Collins 2006: 47 und van Gessel 1998: 352. Vergleiche Archi 1979a: 90 Ḫakur[a]. Zu Luw. piḫaim(m)i- „imbued with splendor/might“ s. CHD P 253a-b. Siehe del Monte – Tischler 1978: 536f.; del Monte 1992: 206f.
263
§ (13) Die Sonnengöttin der Erde: ein ḫuwaši-Stein. Ein Ferkel, drei dicke Brote, (14) ein Gefäß Bier; für das Frühlingsfest. § (15) Die Zawalli-Gottheiten. Der eine treibt ein Schaf herbei, 812 (16) der andere aber bringt ein Ferkel dar; für das Frühlingsfest. (17) Dickes Brot aber (und) Bier gibt man wie üblich aus der Stadt. § (18) (Für den) Wettergott von Nerik ein Schaf. Ein Ferkel für die männlichen Gottheiten;813 (19) ein Gefäß Bier, dickes Brot aber gibt man wie üblich aus der Stadt; für das [Frühlings]fest. § (20) Die neue Gottheit: ein ḫuwaši-Stein. Ein Schaf, ein Gefäß Bier, dickes Brot aber (21) gibt man wie üblich aus der Stadt; für das Frühlingsfest. § (22) Putallimi: ein ḫuwaši-Stein. Ein Schaf, sechs dicke Brote, (23) ein Gefäß Bier; für das Frühlingsfest. § (24) Insgesamt siebzehn Gottheiten mit einem ḫuwaši-Stein der Stadt Ḫašu[…], (25) [zwölf Schaf]e, fünf! Ferkel […]?.
Unter den Kultinventaren aus der Zeit Tudḫaliyas IV. beschreibt dieser Text die Verteilung von Schafen, Ferkeln, Bier und Brot zum Herbst- und Frühlingsfest an verschiedene Gottheiten, die meist durch ḫuwaši-Steine dargestellt wurden. Die zitierte Textstelle (Vs. II 5-Rs. III 25) betrifft eine der drei Städte, in denen KUB XII 2(+) zufolge die Opferungen stattfanden. Nicht alle dort aufgelisteten Gottheiten wurden von ḫuwaši-Steinen repräsentiert: Vs. II 5 bezieht sich am ehesten auf eine Statue, während für Kuwannaniya (Rs. III 9), die Zawalli-Gottheiten (Rs. III 15), den Wettergott von Nerik (Rs. III 18) und die männlichen Gottheiten (Rs. III 18) keine Abbilder erwähnt werden. Nichtdestotrotz ist in Rs. III 24 zu lesen: „Insgesamt siebzehn Gottheiten als ḫuwaši-Stein(e)“. Collins 2006: 47 Anm. 31 hält diese Zahl für richtig: Die erste Gottheit müsse nicht gezählt werden (kein ḫuwaši), und wie für den Wettergott von Nerik und die männlichen Gottheiten zwei Tiere vorgesehen sind, handle es sich bei den Zawallis aufgrund der zwei von ihnen erhaltenen Tiere auch um zwei.
812 813
Zu damašš- / damešš- „drücken, drängen, bedrängen“ s. HEG III 72ff. (insbes. 73). Hier sind zwei Götter(gruppen) belegt. Dies kann so gedeutet werden, dass das Schaf für den Wettergott von Nerik, das Ferkel dagegen für die männlichen Gottheiten vorgesehen war. Schwieriger ist die Zuordnung der Opfergaben „Gefäß Bier“ und „dickes Brot“, es sei denn, der Wettergott von Nerik und die männlichen Gottheiten sind als eine Einheit zu verstehen.
264
Auch ohne diese Argumentation ist die Zahl falsch, weil die Sonnengöttin der Erde zweimal belegt ist: einmal mit dem Opfer eines Schafs (Vs. II 13) und einmal mit einem Ferkel (Rs. III 13). Eine Gottheit konnte also auch zwei Tiere erhalten. Die Zahl 17 lässt sich als Summe jedoch darauf zurückführen, dass der Schreiber schlicht die in jeder Zeile genannten Gottheiten zusammengezählt hat, ohne sich um die Identität der Gottheiten und um die ḫuwaši-Steine zu kümmern (in jedem Absatz eine Gottheit außer der Rs. III 18f., die für zwei gilt). 814. Bei den genannten Zawallis muss es sich daher nicht zwangsläufig um zwei Gottheiten handeln; vielmehr dürften sie als ein Kollektiv aufgefasst worden sein, das als „Kategorie“ beim Frühlingsfest Opfer erhielt. Im Hinblick auf die erste, aus dem Text nicht mehr zu ermittelnde Gottheit ist der Bezug auf eine Statue aufgrund der Attribute „Rind“, „Holz“ und „auf allen Vieren stehend“ (Vs. II 5) wahrscheinlich. Für die Zawallis (sowie für die Quelle Kuwannaniya, den Wettergott von Nerik und die männlichen Gottheiten) wird dagegen die Form ihres Zugegenseins nicht spezifiziert:815 Durch den Vergleich mit dem Kultinventar KBo XLIX 205 (s. oben) Vs. 10ˈf. wird jedoch ersichtlich, dass die Zawalli-Gottheiten als Kollektiv durch ḫuwaši-Steine dargestellt werden konnten. Diese Möglichkeit eröffnet sich daher auch in KUB XII 2(+). Abschließend bemerkt Collins 2006: 44, dass die Zawallis als einzige Gottheiten das Schaf und das Ferkel zusammen im Rahmen eines einzelnen Kultes erhielten. Aus der Untersuchung der Opfertiere (ibid.) in KUB 814
815
Die Annahme eines eher flüchtigen Durchgehens des Opferinventars durch den Schreiber lässt sich auch durch die falsch berechnete Zahl der Ferkel (vier anstelle von fünf) erhärten. Wahrscheinlich hat er nur in der ersten Zeile jedes Absatzes nach einem Schaf oder Ferkel gesucht. In Rs. III 16 ist aber auch ein Ferkel belegt, nachdem in Rs. III 15 bereits ein Schaf angegeben wurde. Offenbar hat der Schreiber das Schaf gezählt und ist direkt zum darauffolgenden Absatz übergegangen (anders verhält es sich dagegen bei Rs. III 18, in der Schaf und Ferkel nebeneinander vorkommen). Insgesamt lassen sich die richtigen Zahlen wie folgt angeben: sechzehn Gottheiten (die erste Gottheit nicht mitgezählt; die Sonnengöttin der Erde nur einmal gezählt; die Zawallis und die männlichen Gottheiten jeweils als Einheit begriffen); elf ḫuwaši-Steine; zwölf Schafe; fünf Ferkel. Darga 1969: 5ff. sieht in KUB XII 2(+) keinen ḫuwaši-Stein der Zawallis belegt. Bei Collins 2006: 40 und 46f. mit Anm. 31 kommen hingegen die Zawallis im dortigen Verzeichnis der ḫuwaši-Steine vor.
265
XII 2(+) lässt sich schlussfolgern, dass die Ferkel ausschließlich den chthonischen Gottheiten geopfert wurden, während die anderen Gottheiten nur Schafe erhielten. Die Kombination von Schaf und Ferkel beim Opfer für die Zawallis (Rs. III 15f.) kann demnach auf das Doppelwesen derartiger Gottheiten hindeuten: Sie wurden nämlich wahrscheinlich von Geburt an mit lebenden Menschen in Verbindung gebracht, waren aber auch insofern chthonische Gottheiten, als sie nach dem Tod der betroffenen Menschen weiterexistierten.816 2.4
Der Zawalli des lebenden Königs, die Tempel-Zawallis und die Haus-Zawallis
Die Krankheit des hethitischen Königs stellte das Hauptthema und den Anlass der „großen Orakeluntersuchung“ KUB V 6++ (CTH 570) 817 dar. Trotz ihrer mehrfachen Bearbeitungen sollen im Folgenden die für die vorliegende Untersuchung relevanten Textstellen erneut betrachtet werden. Vs. II 38) 39) 40) 41)
816
817 818 819
UTUŠI ku-it GIG-an-za pa-ra-a ta-ma-aš-ta na-an ˹ma-a-an˺ [GIGan-za…-l]i ?-i pa-ra-a ta-ma-aš-ke-ez-zi nu SI×SÁ-at818 na-aš GAM a-ri-˹i˺-[eer…] nu-kán I-NA URUZi-it-ḫa-ra ma-ši-i-e-eš DINGIRMEŠ ŠÀ ˹É˺.[DINGIRLÌ na-at819 ? ḫ]u-u-ma-an-du-uš-pát SI×SÁ-an-ta-at D
Auch die Sonnengöttin der Erde bekommt sowohl ein Schaf (Vs. II 13) als auch ein Ferkel (Rs. III 13). Deshalb ist aber nicht zwangsläufig davon auszugehen (wie Collins 2006: 39), dass zwei getrennte Kulte für die Göttin in derselben Stadt durchgeführt wurden. Es kann sich auch um einen Fehler des Schreibers handeln, der das Ferkelopfer in Vs. II 13 vergessen hat. Jedenfalls ist durch diese zwei Opfer das chthonische und das oberirdische Wesen der Sonnengöttin der Erde erkennbar. Sommer 1932: 275-294; Ünal 2005: 47-108, Beckman et al. 2011: 183-208. Vergleiche Beckman et al. 2011: 190 NU.SIG5-at. Vergleiche Ünal 2005: 63 na-aš.
266
42) 43) 44)
na-aš GAM a-ri-i-e-er nu-uš-ma-aš ŠA fAm-ma-al-li EME pé-ra-an SI×SÁ-at IŠ-TU LÚ AZU-ya-at ki-iš-ša-an SI×SÁ-at A-NA D UTUŠI-wa-ra-at-kán : ma-al-ḫa-aš-šal-la-ḫi-ti a-re-eš-kán-ta-ri Za-wa-al-li-i-iš ku-it ŠA URUZi-it-ḫa-ra A-NA GIG 820 DUTUŠI še-er821
45)
D
46)
nu-kán MUNUS. MEŠdam-ma-ra-an-za I-NA URUZi-it-ḫa-ra pa-ra-a nean-zi nu pa-a-an-zi EMEMEŠ EGIR-pa a-ni-ya-˹an-zi˺ É.DINGIRLÌ-˹ya˺ párku-nu-wa-an-zi za-an-ki-la-tarḪI.A-ya ku-e ŠA D UTUŠI ŠA m*An-ta*-ra-wa-[y]a SI×SÁ-at na-at pí-an-zi ḫal-lu-wa-ir-ra ku-i-e-eš na-aš PA-NI DINGIRLÌ ˹zaḫa˺-[an-zi] ku-it-ma-an-ma a-pu-u-uš I-NA URUZi-it-ḫa-ra DUTUŠI-ma ka-a x[822…] I-NA UD III KAM ḫa-a-li-iš-kit9-ta-ri nam-ma-kán DINGIRLU4 ša-ra-a ú-da!-an-[z]i nu A-NA DINGIR MEŠ Ù A-NA D UTUŠI a-ni-ú-úr GIM-an na-at QA-TAM MA a-ni-[y]a-an-zi nam-ma DUTUŠI ša-ak-nu-wa-an-ta-aš A-NA GIŠBANŠUR pár-kuwa-ya-aš-ša A-NA GIŠBANŠUR ḪI. A {Ras.} EGIR-an ḫi-in-ik-zi DUTUŠI-ma-kán URU KÙ. BABBAR-aš i-wa-ar ar-ḫa-ya-an a-pa-ši-la ši-ip-pa-an-ti KI. MIN nu TEMEŠ SIG5-ru ni ši zi GAR-ri 823 X TE-RA-A-NU SIG5
47) 48) 49) 50) 51) 52) 53) 54) 55) 56)
TUKU.TUKU-at-ti SI×SÁ-at
… 65) 66) 67)
820 821 822 823
UTUŠI ku-it GIG-an-za pa-ra-a ta-ma-aš-ke-ez-zi nu-uš-ša-an maa-an ke-e-da-ni A-NA GIG D UTUŠI DZa-wa-al-li-i-iš URUAn-ku-wa-ya pa-ra-a a-ra-an-za na-aš-kán A-NA D UTUŠI :ma-al-ḫa-šal-la-ḫi-ti are-eš-kit 9-ta-ri D
Über Zeile hinzugefügt. Ibid. Beckman et al. 2011: 192 ka-a-š[a? …] Vergleiche ibid.: a-ri. Auf dem Foto ist aber eindeutig das Zeichen NÍG(GAR ) zu lesen; s. auch Rs. III 16.
267
68)
nu TEMEŠ SIG5-du ki.-iš ne-an-za NU.SIG5
69)
nu ŠA URUAn-ku-wa-ya DZa-wa-al-li-i-in ú-te-er na-an ši-ip-pa-ante-er
70)
nu DINGIRLU4 ša-ku-wa-aš-šar-ra-an A-NA EN-ŠU EGIR-pa pí-i-e-er * DINGIRLU4-ma*-{Ras.}-kán ku-iš ar-ḫa šar-ru-m[a-an-z]i SI×SÁ-at na-aš I-NA URUZi-it-ḫa-ra pé-e-du-ma-an-[zi SI×SÁ-at nu? ]x-x-aš?-ši *A*-NA É.ŠÀ ŠA *LÚ*ḫaan-ta-an-ti-ya-li-kán [… LÚḫa-an-ta-ti]-ya-al-li-kán ˹ke˺-e-da-ni EGIR-an D UTUŠI A ˹ŠA?˺ A ??824
71) 72) 72b)
(38) Da die Krankheit meine Sonne weiterhin bedrückt hat, und wenn [die Krankheit …] sie (39) weiterhin bedrücken wird, wurde durch Orakel festgestellt: [Sie haben] sie durch Orakel ermittel[t …] (40f.) und wie viele Gottheiten in Zitḫara im Inneren des Te[mpels es gibt …], wurden eben alle (betreffs der Krankheit des Königs) durch Orakel bestimmt. / (42) Sie haben sie durch Orakel ermittelt und die Zunge der Frau Ammali wurde zuerst durch Orakel bestimmt. (43f.) Auch durch den Seher wurde Folgendes festgestellt: „Sie (die Gottheiten ?) werden wegen des Ritualvollzugs für meine Sonne noch weiter durch Orakel befragt.“ 825 / (45) Da der Zawalli von Zitḫara bezüglich der Krankheit meiner Sonne durch Orakel im Zorn festgestellt wurde, 826 (46) sollen sie die dammara-Frauen in Zitḫara entsenden? (47) Und sollen sie gleich darauf die Zungen zurückschaffen und den Tempel reinigen? (48f.) Sollen sie auch die Bußopfer meiner Sonne und des Antarawa, die durch Orakel bestimmt wurden, geben? Und welche sich zankten, sollen sie die vor der Gottheit prüg[eln]? 827 (50f.) Solange jene aber in Zitḫara (sind), soll sich meine Sonne aber hie[r
824
825
826 827
Ünal 2005: 65 schlägt die Lesung a-ša-a-an-du? vor und übersetzt (ibid. 77) „(Oder) sollen [die Götterstatuen(?) des Handwe]rkers wieder diesem König überlassen sein?“. Vergleiche Beckman et al. 2011: 194 a-˹ú?-e-er˺ (ohne Übersetzung). So auch CHD L-N 128b und Beckman et al. 2011: 193. Vergleiche Ünal 2005: 75 „Für den König werden sie durch das Orakel immer wieder malḫašallaḫitOpfer erfragen.“ Siehe auch Crasso 2006: 332, die in Anlehnung an Laroche 1959: 66 und del Monte – Tischler 1978: 21 „con lˈaiuto della magia“ übersetzt. Vergleiche Archi 1979a: 89 “in stato dˈira contro la Maestà”. Siehe HW2 III 86b.
268
…] für drei Tage immer wieder niederknien? Ferner sollen sie die Gottheit hinaufbrin[ge]n? (52) Und wie das Ritual für die Gottheiten und für meine Sonne ist, sollen sie es auf diese Weise durchführen? (53-55) Ferner soll sich meine Sonne vor den unreinen Tischen und vor den reinen Tischen verneigen? Soll meine Sonne aber nach der Art von Ḫattuša gesondert selbst libieren? Desgleichen und die Vorzeichen sollen günstig sein; (56) nipašuri šintaḫi, zizaḫi liegt, 828 zehn Darmwindungen: günstig./ … / (65) Da die Krankheit meine Sonne weiterhin bedrückt, wenn (66) auch der Zawalli von Ankuwa bezüglich dieser Krankheit meiner Sonne (67) durch Orakel ermittelt ist, wird er (der Zawalli) wegen des Ritualvollzugs für meine Sonne noch weiter durch Orakel befragt? 829 (68) Die Vorzeichen sollen günstig sein; keldi ist gedreht: ungünstig. / (69) Den Zawalli auch von Ankuwa haben sie hergebracht, und für ihn haben sie libiert. / (70) Die unbeschädigte (Statue der) Gottheit haben sie ihrem Herrn/Besitzer zurückgegeben; die (Statue der) Gottheit aber (71f.), die für das Losreißen/Trennen830 durch Orakel bestimmt wurde, [wurde sie] für das Hinschaffen nach Zitḫara [durch Orakel festgestellt und] ??? in das Innengemach des Handwerkers (72b) […] hinter diesem [Handw]erker meine Sonne ?? Rs. III 8) ki-i ku-it DINGIRMEŠ Za-wa-al-li-ya-aš ši-ip-pa-an-za-kán-zi pa-raa-ma Ú-UL ma-le-eš-ke-zi 9) nu ma-a-an mPÉŠ.TUR-aš ku-it-ki PA-NI DINGIRLÌ EME-an ar-ḫa tarna-an ḫar-zi 10) nu IGI-zi TEMEŠ NU.SIG5-du EGIR-zi-ma SIG5-ru IGI-zi TEMEŠ ni ši ZAG za RAIṢ NU.SIG5 {Ras.} 11) EGIR -zi TEMEŠ ni ši ta ki XII ŠÀTIR SIG5 12)
828 829
830
ŠA mPÉŠ.TUR -wa ku-it EME A-NA PA-NI DINGIRLÌ ar-ḫa tar-nu-ma-an-
zi SI×SÁ-at
Vergleiche Beckman et al. 2011: 193 „arrives“. Siehe auch CHD L-N 128b und Beckman et al. 2011: 195. Vergleiche Ünal 2005: 76 „wenn die Zawalli-Gottheit der Stadt Ankuwa bezüglich der Krankheit des Königs durch Orakel festgestellt worden ist und für den König wiederholt das malḫašalaḫit-Opfer festgestellt wird“; und Archi 1979a: 89 „esso nei riguardi della Maestà per mezzo di magia sarà stabilito (mediante oracoli).“ Zu weiteren Beispielen von šarra- mit der Bedeutung „eine Gottheit trennen, um einen neuen Kult derselben Gottheit mit einer neuen Statue in einer anderen Stadt bzw. einem anderen Tempel zu schaffen“ s. CHD Š 235f.
269
13) 14) 15) 16) 17) 18) 19) 20) 21) 22) 23) 24) 25) 26) 27) 28)
nu pár-na-al-li-iš ku-iš DZa-wa-al-li-iš ŠA D UTUŠI mPÉŠ .TUR -aš kuin URU Ar-za-u-wa ḫar-ta nu a-pé-e-da-ni pé-ra-an EME-an ar-ḫa tarna-an ḫar-zi IGI-zi TEMEŠ NU.SIG5-du ni GAM še-er-ma-aš-ši a-dam-ta-ḫi-iš ZAG za an-ša-an NU.SIG5 EGIR -zi TEMEŠ ni ši ta GÙB-la-za RAIṢ zi GAR -ri XII ŠÀTIR SIG5 {Ras.} nu GAM a-ri-iš-ker nu-za-kán ḫur-ta-uš me-ek-ka4-uš tar-na-aš na-at IŠ-TU tup-pí a-ni-i-er zi-la-aš-ma kal-la-re-eš-kit9-ta-ri nu DINGIRLU4-ma-aš-ši al-waan-za-aḫ-ḫa-an-za a-pa-a-aš-ša al-wa-an-za-aḫ-ḫa-an-za nu ki-iš-ša-an a-ri-i-˹e˺-er mPÉŠ.TUR-ašwa I-NA URUKu-wa-la-na831 a-pa-ši-la pa-iz-zi Ú-NU-UT LUGAL-ya pé-e-da-an-zi na-at šu-uppa-ya-za ḫar-kán-zi mPÉŠ .TUR-aš-ma mZa-pár-ti-ŠEŠ-ša tu-u-wa-az a-ra-an-ta-ri Ú-NUUT fNÍG.GA.GUŠKIN-ya ḫar-ga-an-zi nu DINGIR MEŠ fZu-wa-ḫal-la-ti-iš fMa-pí-li-iš-ša a-niya-an-zi EGIR -an-da-ma Ú-NU-UT LUGAL a-ni-ya-an-zi nam-ma ar-ḫa da-ali-ya-an-zi ku-it-ma-an-kán mPÉŠ.TUR-aš mZa-pár-ti-ŠEŠ-ša IŠ-TU SISKUR ara-an-zi ku-it-ma-an-ma-aš SISKUR ma-an-tal-li-ya URUKÙ. BABBAR-aš URU Ar-za-wa-aš-ša i-wa-ar IT-TI ˹DUTUŠI˺ i-ya-an-zi nu ú-wa-an-zi DINGIRLU4 D UTUŠI-ya da-a-an EGIR -pa a-ni-ya-an-zi A-NA D UTU˹ŠI-ya-kán DINGIR˺LU4 a-pí-ya tar-na-an-zi ar-ḫa-ya-zaan-kán a-pí-ya šar-ri-ya-z[i] KI. MIN nu TEMEŠ SIG5-ru ni ši ki ki-il!(LÚ)-ti-iš-kán ZAG-ni al-la-i-ti SIG5
29)
831
832
nu pa-i-u-e-ni ki-iš-ša-an-ma i-ya-u-˹e˺-ni I-NA URUKu-wa-la-na832 UN-aš pa-iz-zi
So auch van den Hout 1998a: 5 und Beckman et al. 2011: 197. Vergleiche Ünal 2005: 78 und del Monte – Tischler 1978: 234 URUKu-wa-at-na. In KBo XXVI 193 (CTH 530) Vs. I 4ˈ ist ḪUR.SAGKu-wa-la-na belegt (s. auch del Monte – Tischler 1992: 88). Siehe Rs. III 19.
270
30) 31) 32) 33) 34) 35)
ku-˹iš˺-kán ŠA DINGIRLÌ a-ni-ú-ri kat-ta da-a-i nu-kán DINGIRLU4 MÁŠ.GAL IZI-ya iš-tar-na ar-ḫa pé-e-da-an-zi nam-ma-[a]n a-ni-˹ya˺-an-zi mMaš-ḫu-i-lu-wa-ma mZa-pár-ti-ŠEŠ -ša Ú-NU-UT f NÍ[G .G] A.GUŠKIN tu-u-wa-az ḫar-kán-zi nu DINGIRLU4 pédi-ši pár-ku-nu-wa-an-za nam-ma-an MA-ḪAR D UTUŠI ú-da-an-zi DUTUŠI-ya ka-a a-ni-ya-anzi A-NA D UTUŠI-ya-˹kán˺ e-ni ut-tar DÙ-zi MÁŠ.GAL-ya-aš-ši še-er a[p-p]a-[an-z]i nam-maaš-ši DINGIRLU4 še-er ḫal-za-a-i nam-ma ar-ḫa da-a-li-ya-zi …
(8) Was das betrifft, dass man für die Zawalli-Gottheiten wie üblich libiert, dann aber billigt sie (die Gottheit) (das Opfer) nicht mehr, 833 (9) wenn Mašḫuiluwa irgendeinen Fluch (wörtl. Zunge) vor einer Gottheit losgelassen hat, (10) sollen die ersten Vorzeichen ungünstig sein, die letzteren aber sollen günstig sein; die ersten Vorzeichen; nipašuri šintaḫi rechts beschädigt: ungünstig. (11) Die letzteren Vorzeichen; nipašuri šintaḫi tanani keldi, zwölf Darmwindungen: günstig. / (12) Da das Loslassen des Fluchs (wörtl. Zunge) des Mašḫuiluwa vor einer Gottheit durch Orakel festgestellt wurde, (13f.) hat Mašḫuiluwa den Fluch (wörtl. Zunge) vor jener Zawalli-Hausgottheit meiner Sonne834 losgelassen, die er in Arzawa hält? (15) Die ersten Vorzeichen sollen ungünstig sein; nipašuri unten, auf ihm aber adamtaḫi, rechts abgewischt: ungünstig. (16) Die letzteren Vorzeichen; nipašuri šintaḫi tanani, links beschädigt, zizaḫi liegt, zwölf Darmwindungen: günstig. / (17) Sie haben immer wieder durch Orakel untersucht: Er (Mašḫuiluwa) hat viele Verfluchungen (los)gelassen und sie haben sie auf einer Tafel niedergeschrieben. (18) Der Orakelbescheid wird aber immer wieder ungünstig. Seine Gottheit aber ist verhext und je-
833
834
Vergleiche Ünal 2005: 77 „Was das betrifft, dass sie den Zawalli-Gottheiten ständig Trankopfer darbringen – werden sie (i. e. die Opfer) (überhaupt von der Gottheit) akzeptiert?“; Haas 2008: 74 „Was das betrifft, dass man den zawalli-Bildnissen Opfer darbringt, er (Mašḫuiluwa?) es darüber hinaus aber nicht billigt“. Vergleiche Archi 1979a: 88 „Zawalli familiare della Maestà“; van den Hout 1998a: 5 „Zawalli of the House of His Majesty“; Haas 2003a: 580 „zawalliFigur des Hauses der Majestät“; Ünal 2005: 78 „persönliche Zawalli-Gottheit der Majestät“; Haas 2008: 74 „das zum Palast gehörige zawalli-Bildnis der Majestät“; Beckman et al. 2011: 197 „domestic deity of His Majesty“. Zu parnalli- s. CHD P 176f.
271
ner selbst (19f.) ist verhext. Folgendes haben sie durch Orakel untersucht: „Soll Mašḫuiluwa selbst in die Stadt Kuwalana gehen? Sollen sie auch das Gerät des Königs hinschaffen und es rein halten? (21) Sollen sich aber Mašḫuiluwa und Zaparti-ŠEŠ fernhalten und das Gerät der Frau NÍG.GA. GUŠKIN (22) halten?835 Sollen die Frauen Zuwahallati und Mapili die Gottheiten kultisch behandeln? (23) Sollen sie aber hinterher das Gerät des Königs kultisch behandeln? Sollen sie (es) ferner liegen lassen? (24) Solange bis Mašḫuiluwa und Zaparti-ŠEŠ mit der Opferzurüstung836 ankommen (25) und solange sie aber diese (wörtl. sie), (d.h.) die mantalli-Rituale, auf die Weise von Ḫattuša und von Arzawa (26) mit meiner Sonne durchführen, sollen sie später die Gottheit und meine Sonne837 ein zweites Mal kultisch behandeln? (27) Sollen sie die Gottheit für meine Sonne dort lassen? Und soll sie (meine Sonne) sie (die Gottheit) dort losreißen/trennen? (28) Desgleichen und die Vorzeichen sollen günstig sein; nipašuri šintaḫi keldi, keldi rechts allaiti: günstig. / (29) Gleich darauf aber tun wir Folgendes: In die Stadt Kuwalana geht ein Mensch, (30f.) der die Opferzurüstungen der Gottheit herunterholt. Und sie tragen die Gottheit in der Mitte zwischen einem Ziegenbock (und) dem Feuer hindurch und behandeln sie (die Gottheit) weiterhin.838 Mašḫuiluwa aber und Zaparti-ŠEŠ (32)
835 836
837 838
Vergleiche Ünal 2005: 78 „Sollen die Gerätschaften der Frau NÍG.GA.GUŠKIN (einfach) zugrunde gehen?“ Hier ist SISKUR genau wie aniuri in Rs. III 30 zu deuten. Vergleiche van den Hout 1998a: 5 „Until Mašḫuiluwa and Zaparti-ŠEŠ come down from the ritual“. Vergleiche Beckman et al. 2011: 197 „the deity of His Majesty“. So auch van den Hout 1998a: 5. Vergleiche Ünal 2005: 79 „Sie führen die Gottheit (zusammen mit einem) Ziegenbock durch das Feuer hindurch, und sie behandeln sie wiederholt“; Beckman et al. 2011: 199 „They will carry a male goat off between fires (for) the deity and then worship him“. Als Vergleichstextstelle s. KUB XXII 70 (CTH 566; s. Ünal 1978: 94f.) Rs. 52: kinuna=at=kan MÁŠ.GAL IZI=ya ištarna arḫa pēdanzi „Now they carry them (i. e., the paraphernalia) through the goat and the fire“ (s. CHD P 14b); und KBo XXI 42 (CTH 641.2.A; im Hethiter-Portal s. CITATIO: Chrzanowska (ed.), hethiter.net/: CTH 641.2) Vs. I 6ff.: nu=kan ZÌ.DA ANA {Ras.} IZI kēz kēzziya (7) išḫuwāi nu=kan DINGIRLU4 ištarna arḫa {Ras.} (8) pēdai „Und er schüttet Mehl auf das Feuer, auf der einen und der anderen (Seite). Und er schafft die Gottheit mitten hindurch fort“.
272
halten das Gerät der Frau NÍ[G.G]A.GUŠKIN fern839 und die Gottheit ist an ihrem Ort gereinigt worden. (33) Ferner bringen sie sie vor meine Sonne her; auch meine Sonne behandeln sie hier. Für meine Sonne auch (34) tut er das (schon) Erwähnte: Einen Ziegenbock h[al]t[en] sie über ihr (meiner Sonne), und ferner rufen sie für sie (meine Sonne) die Gottheit. (35) Ferner lässt er (sie?) liegen. 840
Da Vs. II und Rs. III dasselbe Thema aus unterschiedlichen Zusammenhängen beleuchten, werden beide bei der inhaltlichen Analyse voneinander getrennt behandelt. Gemeinsamer Gegenstand ist die Krankheit des hethitischen Königs. Die Zawalli-Gottheiten wurden nur insofern als Verursacher angesehen, als jemand vor ihnen die Sonne verflucht hatte. Vs. II: Zuerst wurde festgestellt, dass alle Gottheiten im Tempel von Zitḫara für die Krankheit des Königs verantwortlich waren. Näheres musste aber noch durch Orakel erfragt werden: Da der Zawalli von Zitḫara erwiesenermaßen verärgert war, mussten infolgedessen die betreffenden Handlungen zur Versöhnung der Gottheit ermittelt werden. Bei der Auflistung dieser Handlungen wurde auch die Ursache des Zornes der Gottheit veranschaulicht: Im Text ist nämlich zu lesen, dass die dammaraFrauen die Zungen zurückschaffen und den Tempel reinigen sollten (Z. 47). Die „Zungen“ repräsentieren die Lästerungen der Menschen, die vor der Gottheit im Tempel geäußert wurden. Wahrscheinlich waren diese Menschen diejenigen, die sich laut Z. 49 „zankten“ und daher zur Bestrafung vor der Gottheit eine Prügelstrafe erhalten sollten. Die Zawalli-Götterstatue wurde dann nach Ḫattuša hinaufgebracht, um die für sie und für die Sonne vorgesehenen Rituale vollständig durchzuführen. In den oben nicht zitierten Zz. 57-64 wurden die Gottheiten von Aḫḫiyawa, von Lazpa und der Person des Königs kurz in die Orakeluntersuchung einbezogen. Sie sollten ebenfalls zur Vollziehung der Rituale nach Ḫattuša gebracht werden. Daraufhin (ab Z. 65) musste auch die Mitwirkung der ZawalliGottheit von Ankuwa bei der Erkrankung der Sonne untersucht werden: Die Vorzeichen verneinten aber die Vermutung einer Beteiligung des Za-
839
840
Vergleiche Haas 2003a: 445 „(Die Statuetten des) Mašḫuiluwa und (des) Zaparti-ŠEŠ halten von weitem das Gerät in Richtung auf (die Magierin) NÍG.GA.GUŠKIN hin“. Vergleiche van den Hout 1998a: 5 „he will leave“; Haas 2003a: 445 „Danach wird er aufhören“.
273
walli von Ankuwa. Dieser sollte aber dennoch nach Ḫattuša gebracht werden, wobei für ihn nur zu libieren war. Daraufhin ist von zwei Götterstatuen die Rede: Die „unbeschädigte“ muss den Zawalli von Ankuwa dargestellt haben, die seinem Besitzer zurückgegeben wurde. In der anderen Statue dürfte der Zawalli von Zitḫara zu sehen sein, vor dem sich die Beklagten gestritten hatten. Es finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Streit eine Beschädigung der Statue nach sich gezogen hatte: Der implizite Gegensatz zwischen einer „unbeschädigten“ und einer offenbar in Mitleidenschaft gezogenen Statue könnte auch auf eine nun wiedergutzumachende partielle Entweihung der Letzteren hindeuten.841 Diese Gottheit wurde aber durch Orakel für das „Trennen“ bestimmt und musste 841
Ein ähnlicher Fall von „Unversehrtheit“ in Bezug auf eine Zawalli-Statue ist im Orakelfragment KBo XLI 219 (CTH 582) belegt, dessen Transliteration und Übersetzung hier folgen: Vs. x+1) [… I]Š-TU LÚ IGI. MUŠEN a-r[i ?-ya-u-en?…] 2ˈ) […DZa-wa-al-liš?] ŠA fKu-pa-pa ŠA m[…] 3ˈ) […] SI×SÁ-at zi-l[a-aš ma-la-an?…] 4ˈ) […]x ku-in I GIG DUTUŠ [I …] 5ˈ) [… U]L zi-in-ni-iš-kit9-ta-r[i …] 6ˈ) [… GI]G D UTUŠI a-pa-a-aš pa-ra-˹a˺[…] 7ˈ) […] zi-la-aš-ma UL ÚŠ-an […] 8ˈ) […]x DZa-wa-al-liš KASKAL-ši UL ti-ya-zi […] 9ˈ) […]x-a ar-ḫa BAL-aḫ-ḫi UN-an-ma UL ku-it x[…] 10ˈ) [… -š]a?-an ku-iš-ki ḫar-zi nu-za a-pu-u-uš EME[ḪI. A…] 11ˈ) […]na-an EGIR-an-da dam-me-li-in DZa-wa-al-l[i-in …] 12ˈ) […] ˹a˺-pád-da-an EGIR-an-da SIG5-ri IŠ-TU x[…] 13ˈ) […] UL SI×SÁ-at Rs. x+1) […] AŠ-RU še-ek-˹kán˺[…] 2ˈ) […]˹x x x x x-an?˺-zi nu ke-e-da-ni m[e?-mi-ni…] 3ˈ) […] DINGIRLÌ-tar-ma GAM a-ri-ya-u-en nu Ú-UL x[…] 4ˈ) […GAM?-a]n a-ri-ya-u-en nu DZa-wa-al-li-iš ŠA […] 5ˈ) […]-ša-an-za ku-in e-eš-ši-iš-ta ki-nu-un-ma-an-za […]
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6ˈ) […]a-pa-a-aš SI×SÁ-at zi-la-aš […] 7ˈ) […DZa-wa]-al-liš ŠA fKu-pa-pa ke-e-da-ni me-mi-[ni …] 8ˈ) […] LUGAL GIM-an me-mi-iš-ki-iz-zi na-an[…] 9ˈ) […]x-ti-ya pu-nu-uš-ša-an-zi nu-uš-ma-aš […] 10ˈ) [… še-e]k-kán-zi na-an QA-TAM -MA DÙ-an-zi […] 11ˈ) […] IŠ-TU LÚIGI.MUŠEN UL SI×SÁ-[at …] 12ˈ) […k]u?-it NU.SIG5[…] 13ˈ) […]x […] Vs. „(1ˈ) […d]urch den Vogelschauer [haben wir] er[mittelt…] (2ˈ) […der Zawalli?] von Kupapa (und) von PN[…] (3ˈ) […] es wurde durch Orakel festgestellt; der Orakelbe[scheid wird akzeptiert? …] / (4ˈ) […] welche (Akkus.) eine Krankheit meiner Sonne […] (5ˈ) […] es geh[t] immer wieder [n]icht zu Ende […] (6ˈ) […] die Kran]kheit meiner Sonne jener (oder: jene Krankheit) völlig? […] (7ˈ) […] der Orakelbescheid aber nicht die Seuche […] / (8ˈ) […] der Zawalli stellt sich nicht auf den Weg […] (9ˈ) […] ich spende weg; da den Menschen aber nicht […] (10ˈ) […] jemand hält und jene Zung[en (Akkus. Pl.) …] (11ˈ) […] und ihn ? hinterher den unberührten Zawal[li …] (12ˈ) […] dorthin hinterher ist es günstig; durch […] (13ˈ) […] es wurde durch Orakel nicht festgestellt.“ Rs. „(1ˈ) […] der Ort ist bekannt?[…] (2ˈ) […] und in dieser A[ngelegenheit …] (3ˈ) […] die Göttlichkeit aber haben wir durch Orakel bestimmt und nicht […] (4ˈ) […] wir haben durch Orakel bestimmt, und der Zawalli von […] (5ˈ) […] ? welchen er schaffte, jetzt aber ihn […] (6ˈ) […] jener wurde durch Orakel festgestellt; der Orakelbescheid […] / (7ˈ) [… der Zawa]lli der Kupapa in dieser Angelegenh[eit …] (8ˈ) […] wie der König immer wieder sagt und ihn […] (9ˈ) […] sie befragen und sie […] (10ˈ) […] sie [ken]nen und ihn auf die gleiche Weise behandeln sie […] (11ˈ) […] durch den Vogelschauer [wurde es] nicht durch Orakel bestimmt […] / (12ˈ) […we]il?/was? ungünstig […]“ In dieser Orakeluntersuchung geht es ebenfalls um die Krankheit des Königs. Trotz des fragmentarischen Textzustandes lässt sich annehmen, dass dabei ein Zawalli eine Rolle spielte. Dieser „stellt sich nicht auf den Weg“ (Vs. 8ˈ), d.h. wurde noch nicht versöhnt. Die Zungen (Vs. 10ˈ) können auch in diesem Fall auf Lästerungen hindeuten. Anschließend ist ein „unberührter Zawalli“ belegt (Vs. 11ˈ). Wie bei KUB V 6++ (s. oben) erscheint auch hier die Deutung passend, dass jemand vor einer Zawalli-Statue geflucht hat, wodurch diese „beschädigt“ worden ist. Ein weiterer Zawalli ist dagegen „unberührt“ geblieben, d.h. er ist von den bösen Handlungen der Schadensstifter nicht betroffen. Die Frau Kupapa (s. Zehnder 2010: 198) – wahrscheinlich zusammen mit ihrem
275
folglich nach Zitḫara wahrscheinlich ins Innengemach des Handwerkers gebracht werden. Das „Trennen“ der Gottheit erinnert an die „Reform des Kultes der Göttin der Nacht von Šamuḫa durch Muršili II.“ KUB XXXII 133 (CTH 482)842 Vs.: 2)
AB. BA-YA-za-kán
3)
URU
4)
ku-wa-pí mTù-ud-ḫa-li-ya-aš LUGAL.GAL
GE6 IŠ-TU É. DINGIR GE6
Ki-iz-zu-wa-at-ni ar-ḫa šar-ri-i-e-et na-an-za-an I-NA mu-ḫa É. DINGIRLÌ ḫa-an-ti-i i-ya-at …
DINGIR
Ša-
URU
When my forefather, Tudḫaliya, Great King, split the Deity of the Night from the temple of the Deity of the Night in Kizzuwatna and worshipped her separately in a temple in Šamuḫa… (Übersetzung von Miller 2004, 312)
Im gerade zitierten Text handelt es sich um eine Trennung im Sinne einer Abspaltung: Eine neue Götterstatue wird erschaffen, die für einen neuen Kult derselben Gottheit an einem anderen Ort bestimmt ist. In der Orakeluntersuchung KUB V 6++ wurde die Zawalli-Gottheit durch Orakel ebenfalls für das „Trennen“ ermittelt. Ihre Statue wurde aber in einen Gegensatz zu jener gebracht, die unbeschädigt war. Der Beleg des Innengemachs eines Handwerkers (Vs. II 72a), in welches wahrscheinlich die Zawalli-Götterstatue zu bringen war, lässt vermuten, dass sie konkret beschädigt wurde. Demnach wäre vorstellbar, dass sie repariert werden musste, wobei dies nicht die „Trennung“ erklären würde. Anderenfalls ist anzunehmen, dass die Gottheit in eine neue Statue „umzusiedeln“ war, weil die alte sie nicht mehr beherbergen konnte. Im Vergleich zu KUB XXXII 133 bezieht sich KUB V 6++ also auf ein unterschiedliches Verfahren, weil die Gottheit im Reformtext Muršilis II. eine zusätzliche Staute samt Verehrungsort erhält.843
842 843
Zawalli – war auch involviert, der Zusammenhang lässt sich aber nicht mehr rekonstruieren. Miller 2004: 312-319. Das Verfahren ist aber wahrscheinlich insofern ähnlich, als die alte Statue zum Handwerker gebracht wird, damit dieser davon eine Kopie bzw. eine neue Statue anfertige. Es besteht dann zwar eine „Verdoppelung“ der Götterbilder, aber keine kultisch relevante, denn die alte Statue wird nicht mehr verwendet.
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Für die Zawallis von Ankuwa und von Zitḫara gibt es in diesem Text keinerlei Hinweise auf eine Verbindung zu lebenden oder toten Menschen. In III.2.3.1 wurde jedoch gezeigt, dass jeder Zawalli eine menschenbezogene Identität hatte. Wenn, wie hier, kein Name erwähnt wird, bestehen zwei Deutungsmöglichkeiten: Entweder war eine Identifizierung des Zawalli überflüssig, weil lediglich die Spezifizierung der betroffenen Gottheit als Zawalli-Gottheit von Relevanz war. Oder es war für die Schreiber der Orakeluntersuchung offensichtlich, zu wem die ZawalliGottheit gehörte. Da im Text von der Krankheit des Königs die Rede ist und die Sonne bei den dort durchzuführenden Handlungen auf dieselbe Ebene gestellt und behandelt wurde wie der Zawalli (s. Rs. III 26-35), muss der namenlose Zawalli den Zawalli des lebenden Königs dargestellt haben. So lässt sich z.B. erklären, warum der Zawalli nie über den König selbst zornig war, sondern infolge der Krankheit des Königs seine Verärgerung festgestellt wurde. 844 Dies lässt sich auch dem folgenden Kommentar entnehmen. Rs. III: Bei der Fortsetzung dieser Orakelbefragung wurde festgestellt, dass trotz der Verehrung aller Zawallis gemäß den geltenden Regeln das Opfer dennoch nicht akzeptiert wurde. Die Identifizierung des Zawalli als Subjekt des zweiten Satzes in Z. 8 (parā=ma ŪL maleškizi „dann aber billigt sie (die Gottheit) (das Opfer) nicht mehr“) lässt sich folgendermaßen erklären: Es gab einen Zawalli der Sonne, aber verschiedene Statuen, die diese Gottheit in unterschiedlichen Städten bzw. Tempeln darstellten. In Vs. II ist von den Zawalli-Gottheiten (der Sonne) von Zitḫara und von Ankuwa die Rede, die durch die geforderten Rituale versöhnt wurden. Nach ihrer Versöhnung sollte wieder den geltenden Konventionen gemäß für diese Gottheiten libiert werden (Rs. III 8). Dennoch akzeptierte der Zawalli das Opfer nicht mehr. Es muss dementsprechend eine weitere
844
Siehe Vs. II 45 DZawallīš kuit ŠA URUZitḫara ANA GIG D UTUŠI šēr TUKU.TUKU-atti SI×SÁ-at („Da der Zawalli von Zitḫara bezüglich der Krankheit meiner Sonne durch Orakel im Zorn festgestellt wurde“) und vgl. KUB XXII 40+ (s. III.2.2) Rs. IV 18f. [… DX URUNerik? kui]t ? ITTI MUNUS . LUGAL TUKU.TUKU-atti SI×SÁat (19) [DX URUNerik? AN] A EZEN4 ITUKAM? šēr TUKU.TUKU-uwanza („[…D]a? [der Wettergott von Nerik] im Zorn über die Königin festgestellt wurde, / ist [der Wettergott von Nerik ?] wegen des Festes des Monats zornig?“). Zu vergleichbaren Belegen von TUKU.TUKU einfach mit Dat. oder + ANA ohne ITTI s. auch HED IV 111.
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(Statue der) Zawalli-Gottheit der Sonne gegeben haben, die ebenfalls versöhnt werden musste. Den darauffolgenden Zeilen lässt sich nämlich entnehmen, dass Mašḫuiluwa vor der von ihm in Arzawa beherbergten Zawalli-Hausgottheit der Sonne Verfluchungen ausgestoßen hat. Hier wird parnalli- als Hausgottheit mit dem Vermerk gedeutet, dass bezüglich ihrer Verehrung ein Unterschied zwischen den Tempel-Zawallis und den Haus-Zawallis bestand. Die Orakeluntersuchung KBo XXIII 114 (s. III.2.3.1) Vs.? 1-12 stützt diese Hypothese: 1) 2)
[…]-kán D˹Za-wa˺-a[l-li(-) …] […n]u SUMEŠ NU.SIG5-d[u …]
3) 4) 5) 6)
[…]x ku-i-e-eš nam-ma-ma [KI. MIN] [nu IGI-zi SUMEŠ SIG5-ru EGIR -ma NU.SIG5-d]u IGI-zi SUMEŠ ni.-eš t[a? …] […] x [… ar-ḫ]a-ya-an ši ke GÙB-za […] […] x[…]x NU.SIG5
7) 8)
[…]x É.DINGIRLÌ-aš ku-i[-e-e]š SI×SÁ-ta-at ŠA URUZi-˹it-ḫa˺-[ra …] […] ˹ta˺-ú-tíš NU.SIG5
9)
[…DZa-wa-al-l]i-uš ŠA URUZi-it-ḫa-ra-pát nam-ma-ma KI. MIN nu IGI-zi S[UMEŠ SIG5-ru] [EGIR-ma NU.SIG5-d]u IGI-zi SUMEŠ ni ši ke XII ŠÀTIR SIG5 EGIR SUMEŠ zu-[ul-ki-iš? …] […] NU.SIG5
10) 11) 12)
[nu DZa-wa-al-li]-˹iš˺ É.DINGIRLÌ ˹ŠA˺ mÚr-ḫé-˹D˺[X-up ...]
ŠA
Zi-it-ḫa-ra ku-iš
URU
SI×SÁ-at
(1) […] die Zawa[lli-Gottheiten …] (2) […] die Fleischvorzeichen soll[en] ungünstig sein […] / (3) […] diejenigen, ferner aber [desgleichen] (4) [die ersten Fleischvorzeichen sollen günstig sein; die letzten aber soll]en [ungünstig sein]; die ersten Fleischvorzeichen; nipašuri t[ananis? …] (5) [… ges]ondert šintaḫi keldi links […] (6) […] ungünstig. / (7) […] die[jenig]en des Tempels, die festgestellt wurden, (sind sie) von Zitḫa[ra?…] (8) […] tautiš; ungünstig. / (9) […] (Sind sie) nur [die Zawall]is von Zitḫara? Ferner aber desgleichen. Die ersten Fleisch[vorzeichen sollen günstig sein], (10) [die letzten aber soll]en [ungünstig sein]. Die ersten Fleischvorzeichen: nipašuri šintaḫi keldi, zwölf Darmwindungen; günstig. Die letzten Fleischvorzeichen: zu[lki ? …] (11) […] ungünstig. / (12)
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Ist [ein Zawall]i des Tempels von Zitḫara, der durch Orakel festgestellt wurde, der (Zawalli) von Urḫi-[Teššub …]?
Trotz des fragmentarischen Erhaltungszustandes lassen sich die folgenden Fragen rekonstruieren: Erster Absatz: Sind Zawalli-Gottheiten betroffen? Zweiter Absatz:845 Sind Zawalli-Gottheiten des Tempels betroffen? Dritter Absatz: Sind Zawalli-Gottheiten des Tempels von Zitḫara betroffen? Vierter Absatz: Sind die Zawalli-Gottheiten des Tempels von Zitḫara die einzigen betroffenen Gottheiten? Fünfter Absatz: Ist eine (von diesen) festgestellte(n) Zawalli-Gottheit(en) des Tempels von Zitḫara jene von Urḫi-Teššub? Aus der Frage nach der Zugehörigkeit der Zawalli-Gottheiten zum Tempel lässt sich schließen, dass es noch eine weitere Art Zawalli-Statuen gab, die außerhalb des Tempelbezirks ihren Ort hatte. Der in KUB V 6++ Rs. III 13 belegte Ausdruck parnalliš DZawalliš dürfte diese Art Zawalli bezeichnen: die Zawalli-Hausgottheit im Unterschied zu der Zawalli-Gottheit des Tempels.846 Der parnalliš DZawalliš der Sonne war die Zawalli-Hausgottheit des lebenden hethitischen Königs. Die Flüche, die Mašḫuiluwa vor der Gottheit ausgestoßen hatte, wirkten unmittelbar auf den König (Krankheit), der mit diesem Zawalli verbunden war. 847 Dies wird nämlich in Zz. 18f. erklärt: „Seine Gottheit aber ist verhext, und jener selbst ist verhext“. „Jener“ ist der kranke König, die „Gottheit“ bezeichnet den Zawalli, und
845
846 847
Im erhaltenen Text ist kein Anhaltspunkt für eine inhaltliche Deutung zu finden: Wahrscheinlich wurde aber gefragt, ob die betroffenen Zawalli-Gottheiten jene des Tempels waren, weil dies im dritten Absatz als bereits festgestellt ausgewiesen wurde. Zu weiteren Beispielen von parnalliš Zawalliš s. weiter unten KUB XVI 46 und KBo XLI 144+. Vergleiche Archi 1979a: 92f., der von einem Zawalli „della casa“ spricht: Er vermutet, dass die Prinzessin Muwatti (Tochter von Šuppiluliuma I. und Schwester von Muršili II.) bei ihrer Heirat mit Mašḫuiluwa einen Zawalli nach Arzawa mitgebracht habe, um die Verbindung mit den Kulten ihres Familienkreises aufrechtzuhalten. Diese Annahme verbindet Archi auch mit den GIDIMḪI. A der Apologie Ḫattušilis III., die Muwattalli nach Tarḫuntašša verlegte. Anhand der hier formulierten abweichenden Meinung, dass keine Parallelität zwischen Zawalli und GIDIM besteht, ist allerdings nicht von einer Verlegung der Toten, sondern nur der betreffenden Zawallis auszugehen.
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„seine“ kann sich insofern auf Mašḫuiluwa beziehen,848 als dieser die betreffende Götterstatue in Arzawa besaß: Z. 13 zufolge ist die Gottheit nämlich der Zawalliš ŠA D UTUŠI. Zusammenfassend wurde also der Zawalli des Königs verhext, weswegen der König selbst erkrankte. 849 Daraufhin (ab Z. 19) wurden die Handlungen zur Versöhnung des Zawalli bzw. zur Genesung der Sonne bestimmt. Die mantalli-Rituale machten einen wichtigen Teil des reinigenden Verfahrens aus, weil man glaubte, damit Flüche lösen zu können. Dabei dürfte jedoch nicht die Zawalli-Gottheit die mantalli-Rituale mit der Sonne durchgeführt haben, sondern Mašḫuiluwa und ein gewisser Zaparti-ŠEŠ (dessen Rolle sich in diesem Zusammenhang nicht feststellen lässt). Mašḫuiluwa hatte nämlich gegen die Sonne geflucht und stellte demgemäß den Antagonisten des Königs dar, mit dem er versöhnt werden musste. 850 Die Nicht-Einbeziehung des Zawalli in das mantalli-Ritual lässt sich auch folgendermaßen erklären: Die hethitischen Texte belegen, dass ein mantalli-Ritual nur zwischen Lebenden und Toten (sowie zwischen Toten und Toten und zwischen Lebenden und Lebenden) durchgeführt werden konnte, mit Gottheiten hingegen nicht (CHD L-N 177ff.), 851 und der Zawalli wurde ja als Gottheit angesehen. 852 Ein nicht zu lösendes Problem besteht darin, ob Mašḫuiluwa (und ZapartiŠEŠ ) als Toter (Tote) oder als Lebender (Lebende) betrachtet werden sol-
848 849
850 851 852
Siehe auch van den Hout 1998a: 5 Anm. 10. Collins 2006: 43 Anm. 25 vermutet, dass „The incident recorded in the oracular inquiry, KUB V 6 + KUB XVIII 54 iii 17-37, in which the Hittite vassal ruler Mašḫuiluwa curses the statue of a zawalli of His Majestyˈs House, as a result of which both the zawalli deity and the king were bewitched, can be explained if we understand the zawalli as referring in this case not to a deceased individual but to the (blood)guilt attached to the royal house“. In den Texten findet sich allerding kein Verweis auf einen Mord, der mit den Zawallis in Verbindung gebracht werden kann. Die Rituale mussten wahrscheinlich aus diesem Grund sowohl auf die Weise von Ḫattuša als auch auf die Weise von Arzawa vollzogen werden. Vergleiche Cammarosano 2009: 189 Anm. 65 „mantalli offerings could involve two living persons or one living and one dead person“. Vergleiche van den Hout 1998a: 5f.; auch Haas 2008: 74f., der in dem Sinn übersetzt, dass die Zawalli-Bildnisse von Mašḫuiluwa und Zaparti-ŠEŠ mitgebracht werden und diese Götterfiguren mit der Sonne mantalli-Rituale durchführen.
280
l(en). Der von Mašḫuiluwa verfluchte König muss Muršili II. sein.853 Da diese Orakelanfrage am ehesten während der Krankheit des Königs durchgeführt wurde, könnte Mašḫuiluwa noch am Leben gewesen sein. Zudem findet sich im Text kein einziger Hinweis darauf, dass er tot ist. In Rs. 27f. kommt wieder das Thema der „Trennung“ (s. oben im Kommentar zu Vs. II) ins Spiel: Es wurde nämlich festgestellt, dass am Zawalli für die Sonne die „Trennung“ durchgeführt werden sollte. Ob eine neue Statue der Gottheit geschaffen wurde, lässt sich dem Textinhalt nicht aber entnehmen. Daraufhin (Zz. 29ff.) folgten Reinigungshandlungen für die (Statue der) Gottheit und für die Sonne.854 Aus der Untersuchung von KUB V 6++ geht hervor, dass verschiedene Statuen der Zawallis in den Städten aufbewahrt wurden. Wenn der Zawalli im Text niemandem speziell zugeordnet wird, dürfte es sich um die Zawalli-Gottheit des lebenden hethitischen Königs handeln. Darüber hinaus existierten zwei Arten von Zawalli-Götterstatuen: Diejenigen, die zur Verehrung im Tempel bestimmt waren, und diejenigen, die sich zu Zwecken des privaten Kultes in Häusern (auch von Untertanen) bzw. Palästen befanden. Wenn jemand vor einer dieser Zawalli-Statuen des Königs fluchte, konnte in der damaligen Vorstellung der König selbst erkranken; infolgedessen müssten sowohl für den Zawalli als auch für den König Versöhnungsrituale durchgeführt werden. In den folgenden zwei Texten sind weitere Belege für Zawalli-Hausgottheiten zu finden. KUB XVI 46 (CTH 573) 855 Vs. I 1ˈ) ˹ku˺-u-uš-kán ku-i-e-eš DZa-w[a-al-li-eš/uš …] 2ˈ) [š]e-er ú-te-er e-eš-zi A[N/D? …]
853
854
855
Neben Mašḫuiluwa sind auch die Stiefmutter Muršilis II., Tawananna, und dessen Tochter Maššanauzzi im Text belegt; s. auch Beckman et al. 2011: 209. In Rs. III 30 werden die aniuri „Opferzurüstungen“ der Gottheit erwähnt, die mit den Ú-NU-TEMEŠ ŠA DZa-wa-al-li, den „Geräten des Zawalli“, im Ritualfragment Bo 4049 (CTH 470.226) Vs. 3 in Verbindung gebracht werden können. Van den Hout 1998a: 150-155; Sakuma 2009: II 85-95.
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˹D˺Za-wa-al-li-iš a-ri-i-˹e˺-[ir?856 x x x] x x x […] ke-e-da-aš-kán DZa-wa-al-li-i[a-aš ] 1-aš ku-˹iš ˺-k[i] DZa-wa-a[lli-iš?] 5ˈ) an-da TUKU.TUKU-u-an-za nu MUŠENḪI. A a-pa-a-˹at˺ ša-˹ki˺-ya-aḫ˹ḫi˺-ir nu MUŠENḪI.A [SI×SÁ-an-du] 6ˈ-8ˈ) (Vogelschau)857 9ˈ) UM-MA mZe-˹el-la˺ SI×SÁ-˹at˺-wa 3ˈ) 4ˈ)
D 10ˈ) Za-wa-al-li-iš ku-iš SI×SÁ-at DZa-wa-al-li-iš ŠA É LUGAL 11ˈ) nu MUŠENḪI. A ˹SI×SÁ˺-an-du … 11ˈ-19ˈ) (Vogelschau)858 19ˈ) … UM-[M ]A m˹Ze-el˺-la SI×SÁ-˹at-wa˺
(1ˈ) Diese (Akkus.) Zaw[alli-Gottheiten], die […] (2ˈ) sie [hi]naufbrachten, ist […] (3ˈ) die Zawalli-Gottheiten 859 [haben sie?] durch Orakel ermittel[t …] (4ˈf.) Unter diesen Zawallis, ist ei[n] einziger Zawa[lli] zornig, und haben die Vögel dies offenbart? Die Vögel [sollen durch Orakel feststellen]. (6ˈ-8ˈ) Vogelschau: (9ˈ) Folgendermaßen Zella: „Es wurde durch Orakel festgestellt.“ / (10ˈ) Der Zawalli, der durch Orakel bestimmt wurde, ist er ein Zawalli vom Haus des Königs? (11ˈ) Die Vögel sollen durch Orakel feststellen … (11ˈ-19ˈ) Vogelschau (19ˈ) … Folgende[rmaß]en Zella: „Es wurde durch Orakel festgestellt.“ Vs. II 1ˈ-Rs. III 1 ist fragmentarisch und nur im letzten Teil erhalten: Dort ist von einer Gottheit die Rede. Rs. III 2-5 ist sehr fragmentarisch erhalten. Rs. IV 1)
856 857 858 859 860
[nu? ta?-ma?-i]š860 ku-iš DZa-wa-al-li-˹iš˺ [SI×SÁ-at nu] ŠA f ˹x˺-
So auch HW2 I 290b. Siehe Sakuma 2009: II 86f. Ibid. 87-89. Hier ist eine Singularform belegt, aber aufgrund des Zusammenhangs ist eine Pluralform zu erwarten (Pl. in Vs. I 1ˈ, 4ˈ). Vergleiche van den Hout 1998a: 152 Anm. 100 ku-i]š („And wha]tever Zawalli-deity was ascertained, (is it) the Zawalli of Š[aušgatti?“). Dazu vermutet er, dass I]Š das Ende von GIDIM darstellen könne (mit einem vorangestellten ŠA), d.h. „the Zawalli-deity [of the dece]ased“. In keinem Text ist aber ein derartiger Ausdruck (ŠA GIDIM DZawalliš) belegt.
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2) 2-5) 5)
[861… DZa-wa-al-li-iš?] [nu] ˹MUŠEN˺ ḪI. A SI×SÁ-an-du … (Vogelschau)862 … UM-MA m Pí-ya-am-mu ar-ḫa-wa pé-eš-šir
6) 6-12) 12)
nu ŠA f DIŠTAR-˹ti˺-ma nu MUŠENḪI.A SI×SÁ-an-du … (Vogelschau)863 … UM-MA m Pí-ya-am-mu SI×SÁ-at-wa
Za-wa-al-˹li˺-iš ku-iš ŠA f DIŠTAR-ti SI×SÁ-at [n]a-an ar-ḫa KIN-anz[i …?] 14) SISKUR-ši pé-eḫ-ḫi nam-ma-an ar-˹ḫa˺ KASKAL-ši-aḫ-mi ma-˹a˺[a]n?-˹ma-za KI. MIN˺ nu MUŠEN˹ ḪI.A˺ [SI×SÁ-an-du] 15-20) (Vogelschau: nicht erhaltener Orakelbescheid)864 13)
D
(1) [Und der ander]e Zawalli, der [durch Orakel bestimmt wurde], ist er [der Zawalli] der Frau […]? (2) Die Vögel sollen durch Orakel feststellen … (2-5) Vogelschau (5) … Folgendermaßen Piyammu: „Sie haben (es) verneint.“ / (6) (Ist er) aber (der Zawalli) der Šaušgatti? Die Vögel sollen durch Orakel feststellen … (6-12) Vogelschau (12) … Folgendermaßen Piyammu: „Es wurde festgestellt.“ / Der Zawalli der Šaušgatti, der durch Orakel bestimmt wurde, wir[d] man ihn wegbehandeln [… ?]? (14) Soll ich ihm das Opfer geben? Dann werde ich ihn auf den Weg bringen? We[n]n aber desgleichen, s[ollen] die Vögel [durch Orakel feststellen] (15-20) Vogelschau: nicht erhaltener Orakelbescheid.
Diese Orakeluntersuchung bringt zuerst in Erfahrung, dass mehrere Zawalli-Götter(statuen) „hinaufgebracht“ wurden. Trotz des fragmentarischen Zusammenhangs lässt sich annehmen, dass die Identität des zornigen Zawalli zu bestimmen war. Der Ausdruck DZawalliš ŠA É LUGAL „der Zawalli des Hauses des Königs“ (Vs. I 10ˈ) ist parnalliš DZawalli ŠA D UTUŠI in KUB V 6++ (s. oben) Rs. III 13 in Bezug auf seine Semantik ähnlich.865 861
862 863 864 865
Entgegen der Lesart Archis 1979a: 84 Anm. 9 ist hier nicht f DIŠTAR -ti zu ergänzen: Erstens wurde diese Orakelanfrage negativ beantwortet und zweitens folgt die Partikel -ma dem Namen Šaušgatti im darauffolgenden Absatz (so auch van den Hout 1998a: 152 Anm. 101). Siehe Sakuma 2009: II 90f. Ibid. 91-94. Ibid. 94f. Siehe auch CHD P 177a.
283
Es handelt sich dabei um eine Zawalli-Götterstatue, die im Haus des Königs (bzw. im Palast) aufbewahrt wurde. Demzufolge kann die Orakelanfrage so gedeutet werden, dass dort versucht wurde festzustellen, ob der (zornige) Zawalli zum Tempel oder zum Haus gehörte. Die Identität des Zawalli des Hauses des Königs bleibt unbekannt. Der Auffassung van den Houts 1998a: 65 in Anlehnung an del Monte 1973: 381 und Archi 1979a: 83f., dass Šaušgatti zur königlichen Familie gehört haben müsse, da ihr Zawalli hier ein Zawalli ŠA É LUGAL wäre, muss nicht zwangsläufig gefolgt werden. Ihre Zugehörigkeit zur königlichen Familie ist an dieser Stelle nicht zu bezweifeln, insbesondere anhand der Textquellen, die Šaušgatti mit Ḫalpaziti, Armatarḫunta und dem hethitischen König in Verbindung bringen. 866 In KUB XVI 46 ist jedoch kein Nachweis dafür zu finden. Der „Zawalli des Hauses des Königs“ ist in Vs. I 10ˈ belegt; daraufhin fehlen fast die gesamte Kol. II und III, in welchen sich die Orakeluntersuchung fortsetzt. Am Anfang von Rs. IV soll als Vorschlag [tamai]š ergänzt werden. Das Thema des Zawalli vom Haus des Königs könnte nämlich in den vorangehenden Kolumnen bereits abgeschlossen gewesen sein. Daran dürften sich Fragen angeschlossen haben wie etwa: Wird nur dieser Zawalli im Zorn durch Orakel festgestellt?; und, bei verneinender Antwort: Wird ein anderer Zawalli im Zorn durch Orakel festgestellt? Jedenfalls lässt sich in dieser Orakeluntersuchung keine zwingende Verbindung des „Zawalli des Hauses des Königs“ in Vs. I mit der Nennung von Šaušgatti in Rs. IV nachweisen. KBo XLI 144 + KUB XXII 67 (CTH 577.1)
866
x+1) 2ˈ) 3ˈ) 4ˈ)
[…]x-la u-ni-uš […] […DZa-wa-al-li-i-e-e]š ŠA É mÉ.GAL.PAP [?] […ú-da-an-t]˹e-eš BAL˺-aḫ-ḫi-ma-aš-za na-a-wi5 nu a-š[i ?-ya?…] […nu TEMEŠ] ˹NU˺.SIG5-du GIŠŠÚ. A-ḫi GÙB-an ˹NU˺.SIG5
5ˈ) 6ˈ) 7ˈ)
[…ku-i]t ? DZa-wa-al-li-˹i !˺-e-eš ŠA É m É.[GAL.PAP] [ma-a-a]n? ú-da-an-te-eš BAL-aḫ-ḫi-ma-aš-za na-a-wi5 […] [na]m-ma-ma KI. MIN nu TEMEŠ SIG5-ru ni GÙB-aš še-er[…]
8ˈ) 9ˈ)
nu a-ši-ya ku-iš DZa-wa-al-li-iš ŠA É m D?[…] ú-da-an-za SISKUR-ma-aš-ši na-a-wi5 pé-eḫ-ḫi nu a-pa-a-a[š …]
Siehe Ünal 1974a: 105 (mit der Vermutung, Šaušgatti könnte die Frau von Armatarḫunta gewesen sein) und van den Hout 1998a: 64ff.
284
10ˈ)
nu TEMEŠ NU.SIG5-du VIII ŠÀTIR NU.SIG5
11ˈ) 12ˈ) 13ˈ) 14ˈ)
ma-a-an u-ni-uš-pát ku-it DZa-wa-al-li-i-e-eš ŠA É m É.GAL.PAP ú-da-an-te-eš BAL-aḫ-ḫi-ma-aš-[za] na-a-wi5 a-ši-ya ku-iš DZa-wa-al-li-iš Š[A? É? …] ú-da-an-za SISKUR -ma-aš-ši na-a-wi5 pé-eḫ-ḫi nam-m[a-ma KI. MIN] nu TEMEŠ [SIG5?-ru? x ]x ŠÀ ZAG -aš GÙ[B-aš? …] […]x ŠA D[…]
15ˈ) 16ˈ) 17ˈ)867 18ˈ)869 19ˈ) 20ˈ)
D
21ˈ) 22ˈ) 23ˈ)
nu A-NA DINGIRLÌ la-la-at-ta-an-za-ma [… pé-eḫ-ḫi ?] iš-ta-an-ta-nu-nu-un-ma871 ku-it nu[…] DINGIRLU4-za KI . MIN nu TEMEŠ SIG5-ru GIŠŠÚ.˹A˺[-ḫi … SIG5]
24ˈ) 25ˈ) 26ˈ) 27ˈ)
nu A-NA DINGIRLÌ la-la-at-ta-an-za-ma [… pé-eḫ-ḫi ?] nu-uš-ši SISKUR pé-eḫ-ḫi GAM-an-na za-an-ki-l[(a-tar pé-eḫ-ḫi)] GIM-an-na DINGIRLÌ ar-ḫa KASKAL-ši-iḫ-mi872 nu A[-NA DINGIRLÌ] pé-di-iš-ši-ya SISKUR pí-an-zi DINGIRLU4-za [KI. MIN nu (SUMEŠ SIG5ru)] ni ši ki GÙB-za za-al-zi-ma-an zi-z[a.873 (GAR-ri XII ŠÀTIR SIG5)]
28ˈ) 29ˈ) 30ˈ) 31ˈ) 32ˈ) 33ˈ) 867 868 869
870 871 872 873
Za-wa-al-li-iš ku-iš ŠA [É m D? ? 868 ú-da-an-za?] nu pa-a-i-mi A-NA DINGIRLÌ la-la-at-[(ta-an-za)-ma870 pé-eḫ-ḫi ?] nam-ma-aš-ši SISKUR pé-eḫ-ḫi DINGIRLU4-za KI.M[IN nu TEMEŠ …] ni.-eš-kán ne-ya-at-ta-at NU.[SIG5]
Za-wa-al-[l]i-iš ŠA É m É.GAL.PAP […] nu pa-a-i-mi A-NA DINGIRLÌ la-la-at-ta-an-[za-ma … pé-eḫ-ḫi ?] nu-uš-ši SISKUR pé-eḫ-ḫi nam-ma-an ar-ḫa [KASKAL-ši-iḫ-mi ?] ma-a-an-ma-za DINGIRLU4 KI. MIN nu TEMEŠ SIG5-ru x[…] [GA]M-ra-aš ZAG -za UGU ú-da-aš ši ta ki KASKAL[…] D
Hier beginnt KUB XXII 67 mit direktem Anschluss. Siehe Z. 8ˈ. Die Zz. 18ˈ-28ˈ können anhand des Paralleltextes KUB LII 72 (CTH 570; s. Mouton 2007a: 186-191) Rs. 3ˈ-11ˈ zum Teil ergänzt werden (s. auch Beckman 1985: 140). In allen Zeilen dieses Textes ist lalatta- stets durch die Partikel -ma belegt (unterschiedlich zum Paralleltext KUB LII 72). KUB LII 72 Rs. 5ˈ: -at. Ibid. Rs. 9ˈ: KASKAL!-ši-ya-aḫ-mi. Ibid. Rs. 11ˈ: nur ZA.
285
34ˈ) 35ˈ)
[IGI]-an-da kal-la-ra-an-ni nu TEMEŠ NU.SIG5-d[u …] […]GÙB-aš NU.SIG5 […]
36ˈ) 37ˈ) 38ˈ)
[…IŠ-TU? MUNUSŠU.G]I? IRTU4 QA-TAM -MA-pát nu K[IN?…] […]-aš ŠA MUNUS. LUGAL-ya a-x[…] [… L]UGA[L? …]
(1ˈ) […] die erwähnten (Nom./Akk.Pl.c.) […] (2ˈ) […die Zawall]is des Hauses von É.GAL-zalma […] (3ˈ) [… die] [hergebra]cht sind, soll ich aber sie noch nicht beopfern? Und [auch ?] der erw[ähnte? …] (4ˈ) […Die Vorzeichen] sollen ungünstig sein; der Thron, die linke Seite, ungünstig. / (5ˈ) […wa]s? die Zawallis des Hauses von É.[GAL-zalma] (betrifft), (6ˈ) [wen]n? sie hergebracht sind, soll ich sie aber noch nicht beopfern? […] (7ˈ) [Fer]ner aber desgleichen; die Vorzeichen sollen günstig sein: nipašuri auf der linken Seite oben […] / (8ˈ) Und auch betreffs des erwähnten Zawalli des Hauses von ?[…], der (9ˈ) hergebracht ist, soll ich ihm aber das Opfer noch nicht geben? Und jene[r …] (10ˈ) Die Vorzeichen sollen ungünstig sein: acht Darmwindungen, ungünstig. / (11ˈ-13ˈ) Was eben die erwähnten Zawallis des Hauses von É.GAL-zalma (betrifft), wenn sie hergebracht sind, soll ich sie aber noch nicht beopfern? Und betreffs des erwähnten Zawalli de[s Hauses? von ? …], der (14ˈ) hergebracht ist, soll ich ihm aber das Opfer noch nicht geben? Fern[er aber desgleichen], (15ˈ) so [sollen] die Vorzeichen [günstig? sein …] ? die rechte (und) die lin[ke Seite …] (16ˈ) […] von D[…] / (17ˈ) Der Zawalli des [Hauses von ?], der [hergebracht ist?] (18ˈ) [soll ich aber] gleich darauf der Gottheit das lalatta874 [geben?]? (19ˈ) Ferner soll ich ihr das Opfer geben? Die Gottheit desgl[eichen; die Vorzeichen sollen …] (20ˈ) nipašuri hat sich gedreht: un[günstig]. / (21ˈ) [Soll ich aber] der Gottheit das lalatta [… geben?]? (22ˈ) Da ich aber gezögert habe und […] (23ˈ) die Gottheit desgleichen. Die Vorzeichen sollen günstig sein; der Thro[n…: günstig] / (24ˈ) Und [soll ich aber] der Gottheit das lalatta [… geben?]? (25ˈ) Und soll ich ihr das Opfer geben und zugleich das Bußopfer geben? (26ˈf.) Und wie ich die Gottheit auf den Weg bringe, soll man de[r Gottheit] auch an ihrem Ort das Opfer geben? Die Gottheit [desgleichen]. Die Fleischvorzeichen sol874
Die Bedeutung des luwischen Wortes lalatta- ist unbekannt; s. CHD L-N 27a. Dem Text KUB VIII 75++ (CTH 239.1) Rs. IV 52 ist jedoch zu entnehmen, dass es sich um eine Pflanze oder um irgendein landwirtschaftliches Produkt handelt: [I A].ŠÀ :la-la-at-ta-aš-ši V PA NUMUN-ŠU ŠA mḪi-im-mu-DINGIRLÌ „[1 F]eld von lalatta; 5 parīsu (ist) seine Saat; gehörig dem Ḫimmuili“ (s. Souček 1959: 24f. und 390).
286
len günstig sein; (28ˈ) nipašuri šintaḫi (und) keldi (sind) links; zalziman (und) zizaḫiš ist gesetzt; zwölf Darmwindungen: günstig. / (29ˈ) Der Zawal[l]i des Hauses von É.GAL-zalma […] (30ˈ) [soll ich aber] gleich darauf der Gottheit das lalat[ta …geben?]? (31ˈ) Und soll ich ihr das Opfer geben? Ferner [soll ich] sie [auf den Weg bringen]? (32ˈ) Wenn aber die Gottheit desgleichen, sollen die Vorzeichen günstig sein […] (33ˈ) [Das unte]re führt rechts nach oben; šintaḫi tanani (und) keldi, der Weg[…] / (34ˈ) [fü]r ein ungünstiges Ergebnis 875 so[llen] die Vorzeichen ungünstig sein […] (35ˈ) […] die linke Seite, ungünstig […] / (36ˈ) […durch die Rituali]stin der? Traum eben auf diese Weise und Loso[rakel?…] (37ˈ) […] auch von der Königin […] (38ˈ) [… K]öni[g ? …].
Bei diesem Text handelt es sich um eine kombinierte Orakelanfrage: Losorakel (Zz. 4ˈ, 23ˈ, 36ˈ?), Fleischorakel (Zz. 7ˈ, 10ˈ, 15ˈ, 20ˈ, 27ˈf., 33ˈ, 35ˈ) und MUŠEN-Orakel (Z. 33ˈ?) sind dort nebeneinanderbelegt. In Z. 36ˈ wird darüber hinaus ein Traum in einem fragmentarischen Zusammenhang erwähnt.876 In diesem Text wird zwischen zwei verschiedenen Zawalli-Gottheiten unterschieden. Einerseits sind da die Zawallis des Hauses von É.GAL-zalma zuerst im Pl. und dann im Sing. belegt; andererseits kommt der Zawalli des Hauses einer Person vor, deren Name nicht erhalten ist. Alle Zawalli-Gottheitsstatuen wurden „hergebracht“. Die Hauptfrage besteht darin, ob ihnen schon geopfert werden sollte oder noch nicht. Am Anfang wurde diese Frage in Bezug auf die Zawallis des Hauses von É.GAL-zalma wie auch auf den anderen Zawalli877 untersucht: Das Ergebnis war ungünstig/ungünstig; demzufolge sollten sie noch nicht beopfert werden (Zz. 1ˈ4ˈ). Daraufhin wurde dieselbe Frage gesondert zuerst für die ZawalliGottheiten des Hauses von É.GAL-zalma (Zz. 5ˈ-7ˈ) und danach für den anderen Zawalli (Zz. 8ˈ-10ˈ) gestellt: Erhalten ist nur das Ergebnis für Letzteren, der noch nicht beopfert werden sollte. Anschließend wurde
875 876
877
Zu mēnaḫḫanda kallaranni (NU.SIG5-anni) „for an unfavorable outcome“ s. CHD L-N 286a. KUB LII 72 Vs., dessen Rs. parallel zu KUB XXII 67 Vs. 2ˈ-12ˈ (=hier KBo XLI 144+ Vs. 18ˈ-28ˈ) ist, betraf einen Traum der Königin, der u. a. von einer Zawalli-Gottheit gesandt wurde; s. III.2.5. nu a-š[i ?-ya? (Z. 3ˈ) muss aufgrund des darauffolgenden Inhaltes auf den anderen Zawalli verwiesen haben.
287
nochmals dieselbe Frage für beide Zawalli-Gottheiten gestellt, wahrscheinlich weil das nicht erhaltene Ergebnis betreffs der Zawallis des Hauses von É.GAL-zalma nicht positiv gewesen war. Auch in diesem Fall steht das Ergebnis in der Lacuna (Zz. 11ˈ-16ˈ). Daraufhin wurde gefragt, ob dem Zawalli nach seinem Herbringen das lalatta sofort zur Beopferung gegeben bzw. zubereitet werden sollte. Das Ergebnis ist nicht erhalten (Zz. 17ˈ-20ˈ): Es fiel aber wahrscheinlich positiv aus, da in den darauffolgenden Absätzen gefragt wurde, wie878 das lalatta gegeben werden sollte (21ˈ-24ˈ). Anschließend war zu bestimmen, ob die Gottheit Opfer und Bußopfer begehrte, und ob der Statue nach dem Wegbringen an ihrem Ort ein weiteres Opfer geweiht werden sollte. Die Ergebnisse waren positiv (25ˈ-28ˈ). Daraufhin ist wieder die bereits am Anfang des Textes vorkommende erste Gruppe von Zawallis belegt, wenn auch nun im Sing.: der Zawalli des Hauses von É.GAL-zalma. Die Fragen scheinen ungefähr die gleichen gewesen zu sein wie jene betreffs des Zawalli ungeklärter Identität: Es geht nämlich auch hier um die Gabe des lalatta, um das Opfer und um das Bringen der Gottheit auf den Weg (was ihre Versöhnung bezeichnen kann). Die Ergebnisse sind allerdings nicht erhalten (29ˈ-33ˈ). Im weiteren Textverlauf findet sich die Erwähnung eines Traums, der Königin und vermutlich des Königs (34ˈ-38ˈ). Aus dem Vertrag Kupanta-Kuruntiyas mit Muršili II. KUB VI 41(++) (CTH 68.D)879 Rs. III 48ff. lässt sich erfahren, dass ein gewisser É.GALzalma von Mašḫuiluwa beim hethitischen König angezeigt wurde, einen Aufruhr angestiftet zu haben. Danach entschied sich Mašḫuiluwa jedoch, sich in diesem Aufstand mit É.GAL-zalma zu verbünden. Die alsbaldige Niederschlagung des Aufstandes durch Muršili II. ließ es Mašḫuiluwa angeraten erscheinen, in Maša Zuflucht zu suchen, während sein Sohn Kupanta-Kuruntiya als König von Mira-Kuwaliya anerkannt wurde. 880 Die
878
879 880
In den Textabbrüchen von Z. 21ˈ und 24ˈ muss eine lokale oder zeitliche Spezifizierung enthalten gewesen sein, die die kultische Handlung in Verbindung mit dem lalatta je unterschiedlich kennzeichnet, also Auskunft darüber gibt, wie oder wann sie durchgeführt werden sollte. Beckman 1999a: 74-82; zuletzt Devecchi 2015: 139-151. Zur Mašḫuiluwa-Affäre s. del Monte 1974; Heinhold-Krahmer 1977: 179ff.; Houwink ten Cate 1979. É.GAL.PAP wird auch in den Annalen Muršilis II. im Zusammenhang mit der Mašḫuiluwa-Affäre erwähnt; s. KBo XIX 76+ (CTH 61.II.6.A; s. del Monte 1964: 35-37) Vs. I 6, II 16-18.
288
Identität von É.GAL. PAP und seine Rolle bzw. Machtposition in Kleinasien lässt sich nicht feststellen. Er mag indes der damalige König von Maša oder dortselbst eine hochgestellte Persönlichkeit gewesen sein. 881 War er ein abtrünniger Untertan der Hethiter, so ist zu fragen, was für eine Bedeutung die Zawallis seines Hauses für die hethitische königliche Familie gehabt haben könnten. Falls sie die Götterstatuen seiner Familie waren, stünde zu vermuten, dass die Orakeluntersuchung KBo XLI 144+ nach dem Aufruhr É.GAL-zalmas durchgeführt wurde: In diesem Fall hätten diese Zawallis nach Ḫattuša zur Beopferung gebracht werden müssen, um keine böse Wirkung auf das hethitische Königshaus zu entfalten. Wenn aber der Ausdruck DZawalliš ŠA É (m É.GAL. PAP) mit parnalliš DZawalliš in KUB V 6++ (s. oben) Rs. III 13 und DZawalliš ŠA É (LUGAL) in KUB XVI 46 (s. oben) Vs. I 10ˈ gleichzusetzen ist, lässt sich ŠA É m É.GAL. PAP nicht als Verweis auf die Identität, sondern auf den Aufbewahrungsort der Götterstatuen verstehen. Der Zawalli des Hauses von É.GAL-zalma dürfte daher die Götterstatue des hethitischen Königs bezeichnen, die wie von Mašḫuiluwa ebenso vom Untertanen É.GAL-zalma in dessen Haus aufbewahrt wurde. Der Wechsel zwischen Sing. und Pl. lässt sich so erklären, dass es sich immer um die Zawalli-Gottheit des hethitischen Königs handelt, von der aber mehrere Bildnisse vorhanden waren. Die Identität des Hauses des anderen in KBo XLI 144+ belegten Zawalli muss unbekannt bleiben. Auch in diesem Fall kann angenommen werden, dass es sich bei der nicht erhaltenen Nennung jenes Hauses lediglich um einen Verweis auf einen weiteren Aufbewahrungsort der ZawalliGötterstatue des hethitischen Königs handelt. Zusammenfassend war É.GAL-zalma wahrscheinlich ein Untertan (König von Maša?) des hethitischen Königs, der in seinem Hause Bilder der Zawalli-Gottheit der Sonne für kultische Zwecke verwahrte. Er begehrte gegen Muršili II. auf; dem hethitischen König gelang es aber, den Aufstand niederzuschlagen bzw. É.GAL-zalma zu besiegen. Infolgedessen mussten die Zawalli-Götterstatuen nach Ḫattuša gebracht werden, um ihre Besänftigung und Reinigung zu gewährleisten.
881
Siehe del Monte 1974: 364 Anm. 38 und 367f. Derselben Meinung ist auch Houwink ten Cate 1979: 288. Zur Lokalisierung von Maša (im Allgemeinen in westlichem Phrygien) s. Easton et al. 2002: 75ff.; del Monte – Tischler 1978: 264f.
289
2.5
Zawalli-Gottheiten in Verbindung mit Träumen
Dass eine Zawalli-Gottheit einen Traum senden konnte, geht aus KUB LII 72 (CTH 570) 882 Vs. klar hervor: 1) 2) 3) 4) 5) 6)
[…] x x […] x wa-an-nu-˹um˺-me-na x […] […] x x x nam-ma-pát x[ x ] x [w]a-an-nu-um-m[e]-na x-x-nanu-un […]x nu-wa-za-kán x x [ x ] me-ma-aḫ-ḫu-un ma-a-an-wa DUTUŠI TI-an-˹za˺ […]-iš-ki-iz-zi a-pa-a-a[t]-wa-mu I-an ˹EGIR?˺ ku-wa-at pí-iš-kit9te-ni […]x-an EME?/AK? x KU x-ki x a-ši ÙTU4 A-NA MUNUS.LUGAL D X URU Ne-ri-ik [pa-ra-a IṢ-BAT nu S]UMEŠ NU.SIG5-du ni ši GÙB-˹za˺ an-ša-an XII ŠÀ
TIR SIG5
7)
[… a-ši ÙTU4] ˹ A˺-NA MUNUS. LUGAL DZa-wa-al-li-˹iš˺-[m]a pa-ra-a IṢ-BAT nu ˹TE˺MEŠ {NU}.SIG5-du ir.-li 12 NU.SIG5
8)
[… a-ši] ˹ÙTU4˺ A-NA MUNUS. LUGAL DZa-wa-al-li-iš-pát pa-ra-a IṢBAT nam-ma-ma KI. MIN [nu TEMEŠ SI]G5-ru ZÍ ḫi-˹li-ip˺-ši-ma-an NU.SIG5
9) 10)
[ma-a-an DIŠTAR] ˹URULa˺-wa-za-an-ti-[y]a-ya nu du ZAG -za RAIṢ NU.SIG5
11)
[ma-a-a]n DZa-wa-al-li-iš-pát DIŠTAR ˹URU˺L[a-w]a-za-an-ti-ya-ya nam-[ma]-˹ma˺ KI. MIN [nu TE]MEŠ SIG5-ru ni ši ˹ta˺ ki zi GAR-ri [XI]I ŠÀTIR SIG5
12)
TEMEŠ N[ U.S] IG5-
(1) […] für mich allein […] (2) […] Ferner gerade […] für mich allein habe ich … (3) […] und … ich habe gesagt: „ 883 Wenn meine Sonne am Leben bleibt, (4) […] wird er immer wieder […] 884 Warum gebt ihr mir
882 883 884
Mouton 2007a: 186-191. Die Partikel -wa- findet sich bereits im vorangehenden Satz. Vergleiche Mouton 2007a: 189 Anm. 244 zum Ergänzungsvorschlag [nu memi ?]-iš-ki-iz-zi. Die direkte Rede beginnt aber bereits in Vs. 3. Es handelt sich
290
immer wieder jene[s] eine zurück?“ (5) … Hat der Wettergott von Nerik den erwähnten Traum der Königin (6) [gezeigt 885? Die Fl]eischvorzeichen sollen ungünstig sein: nipašuri šintaḫi links abgewischt; zwölf Darmwindungen: günstig. / (7) […] Hat der Zawalli aber [den erwähnten Traum] der Königin gezeigt? Die Vorzeichen sollen ungünstig sein; irkipelliš: ungünstig. / (8) […] Hat nur der Zawalli [den erwähnten] Traum der Königin gezeigt? Ferner aber desgleichen. (9) [Die Vorzeichen] sollen [gün]stig sein; die Gallenblase (ist) ḫilipšiman: ungünstig./ (10) [Wenn] auch [Šaušga] von Lawazantiya (es war), sollen die Vorzeichen un[gün]stig sein; sie (die Fleischstücke) sind rechts beschädigt: ungünstig. / (11) [Wen]n nur der Zawalli und Šaušga von L[aw]azantiya (es waren), fer[ner] aber desgleichen; (12) [die Vorz]eichen sollen günstig sein; nipašuri šintaḫi tananis keldi zizaḫiš sind gelegt; [zwö]lf Darmwindungen: günstig. / 886
Dieser Textstelle lässt sich entnehmen, dass die Königin mehrfach vom König geträumt hatte. Bei ihren Träumen ging es wahrscheinlich um die Gesundheit des Königs. Es musste demzufolge bestimmt werden, welche Gottheit diese Träume gesandt hatte. Der Wettergott von Nerik wurde als nicht betroffen festgestellt, während eine Zawalli-Gottheit und Šaušga von Lawazantiya als Verantwortliche dafür ermittelt wurden. Vs. 13ff. untersucht die Gründe bezüglich der Šaušga von Lawazantiya, 887 während die Untersuchung betreffs der Zawalli-Gottheit in dem abgebrochenen Teil der Tafel enthalten war. 888
885
886 887
888
dabei nämlich um die Rede der Königin mitsamt der Erzählung ihres Traums. Der zweite Satz in Vs. 4 dürfte sich auf den Traum beziehen, der die Königin anscheinend immer wieder heimsuchte. Demnach sind darin ihre Worte zu sehen und nicht die Worte des Königs. Zur Deutung des Ausdrucks parā IṢBAT/ parā ep(p)- „to hold out in front, present, proffer, show (to someone)“ s. CHD P 118a-b; s. auch Mouton 2007a: 9f. Zu einer Übersetzung von Vs. 5-12 s. auch Beckman 2010: 29. Dass der darauffolgende Teil nur die Šaušga von Lawazantiya und nicht den Zawalli betrifft, geht aus dem Incipit der Untersuchung ihrer Gründe in Vs. 13 hervor: DIŠTAR URU˹La˺-wa-za-an-ti-ya ku-it ˹SI×SÁ˺-a[t] „Da die Šaušga von Lawazantiya festgestellt wu[rde]“. Rs. 3ˈ-11ˈist parallel zu KUB XXII 67+ Rs. 2ˈ/18ˈ-12ˈ/28ˈ (s. III.2.4). Während aber in KUB XXII 67+ die Zawalli-Gottheit die Empfängerin der Opfer
291
In Anlehnung an Mouton 2007a: 186 kann dieser Text dem Dossier über die Krankheit Ḫattušilis III. zugewiesen werden. Die betroffene Königin ist nach diesem Vorschlag Puduḫepa.889 Fraglich bleibt die Identität des Zawalli. Wenn es sich bei dem König um den kranken Ḫattušili III. handelt, ist aber anzunehmen, dass sein Zawalli und die Schutzgottheit seiner Gattin, Šaušga von Lawazantiya, 890 den Traum sandten, um ihm bei seiner Genesung zu helfen. 891 Die Zawallis konnten nicht nur Träume senden, sondern auch selbst im Traum erscheinen. Dies lässt sich in den folgenden Texten belegen: Kombiniertes Orakel, III. SU und MUŠEN KUB LX 100 (CTH 579) 892 Vs. x+1) […]x[…] 2ˈ) […]x[… t]a? ki ˹GÙB˺-za ˹RA˺IṢ! 3ˈ)
889 890
891
892
A-NA DZa-wa-al-li-i
˹Ú˺-[ri-ki-na]-ma […]
URU
ist, lässt sich in KUB LII 72 nicht feststellen, ob sich die Rs. auf den Zawalli oder auf die Šaušga von Lawazantiya bezieht. Siehe auch Mouton 2006: 10 und Anm. 14. In KBo VI 29++ (CTH 85.1.A; s. Goetze 1925: 44ff.) Vs. I 17 ist Puduḫepa ŠA D IŠTAR URULa-wa-za-an-ti-ya GÉME-aš „die Dienerin der Šaušga von Lawazantiya“. Siehe auch KUB XLVIII 123 (CTH 590; s. de Roos 2007: 215-224; Mouton 2007a: 288-291): Dort legte die Königin (wahrscheinlich Puduḫepa) für Ištar von Lawazantiya anlässlich böser Träume bezüglich der Gesundheit des Königs und ihrer Kinder ein Gelübde ab. Aufgrund der Parallelität des Orakels KUB V 20++ (CTH 577.1; s. Sakuma 2009: II 32-37 (nur Auszüge)) stellt van den Hout 1995b: 198 auch diesen Text in denselben Zusammenhang wie KUB XLVIII 123. Ein weiteres Orakel über eine Krankheit des Königs in einem Traum der Königin ist KUB VI 15 (CTH 582; s. Lebrun 1976: 190f.; Mouton 2007a: 230f.), der aufgrund der Anwesenheit von Šaušga von Šamuḫa und Šaušga von Lawazantiya ebenfalls der Zeit Ḫattušilis III. zugeschrieben werden kann. Groddek 2006: 99f.; Mouton 2007a: 310-312 (Zz. 8ˈ-20ˈ). Siehe auch Lebrun 2001: 328. Van den Hout 1998a: 13 ordnet diesen Text unter die oracle summaries of the „ultimate“ type ein, d.h. Orakelübersichten, in denen kein Verweis auf Orakeltypen erscheint. In den ersten zwei erhaltenen Zeilen kommen immerhin Leberteile zur Sprache, aber das, was festzustellen war, wurde in den darauffolgenden Absätzen anscheinend ohne Bezug auf einen bestimmten Orakeltyp berichtet.
292
4ˈ) 5ˈ) 6ˈ) 7ˈ)
[ma]š-kán za-an-ki-la-tar-ra SUM-an-na[…] AB?/UM? […] nu A-NA DINGIRLÌ maš-kán II UDU za-an-ki-la-tar-ra […] [BA]L-an-zi ka-˹ru˺-ú I ˹SISKUR˺ x-˹an˺-tal-zi-i[n …] LÚ SAG u-i-e-er
8ˈ) 9ˈ) 10ˈ) 11ˈ) 12ˈ) 13ˈ) 14ˈ) 15ˈ) 16ˈ) 17ˈ) 18ˈ) 19ˈ) 20ˈ)
D
UTUŠI-ya-za
še-ek-kán-ta-˹za˺ UL ˹še˺-e[k-kán-ta-za] ar-ḫa a-ni-ya-zi nam-ma […]? A-NA DZa-wa-al-li-i URUÚ-ri-˹ki-na˺ [maš-kán?] za-an-˹ki-la-tar-ra˺ BAL-an-ti ˹maš?-kán?˺[za-an-ki-la-tar-ra?] IX UDU BAL-˹an-ti˺ ku-˹it˺-ma-an-kán II […] D Za-wa-al-li-iš URUU-ri-ki-na-ma x[…] Ù-˹it : la?-la?-[at ?]-˹ti˺-wa-kán ˹Ù?˺ […] 893 nu-wa-mu I GU4 I […]x-ik ˹nu˺ […] ku-˹it˺ : la?-la?-ta?-[aš?] x x894 […]x[…] nu-kán a-pád-da-an še-er za-an-˹ki-la˺-tar […] […]-i GIM-an-ma DUTUŠI URUÚ-ri-k[i-na …] […]x-an x[… EZEN4? l]a?-˹la-at˺-ta-aš x[…] […IŠ-T]U MUNUS ENSI […] IŠ-TU EME
(x+1) […] (2ˈ) [… t]anani keldi, links beschädigt. / (3ˈ) Dem Zawalli der Stadt U[rikina] aber […] (4ˈ) [Versöhnungs]gabe und Bußopfer zu geben […] (5ˈ) und der Gottheit zwei Schafe als Versöhnungsgabe und als Bußopfer […] (6ˈ) man wird [opfe]rn; früher ein Opfer ? […] (7ˈ) den Haushofmeister schickte man. / (8ˈ) Und meine Sonne wird sich von der bekannten (und) der nicht bek[annten] Zunge reinigen; 895 ferner […]? (10ˈ) dem Zawalli der Stadt Urikina [Versöhnungsgabe ?] (11ˈ) und Bußopfer weiht er/sie; als Versöhnungsgabe [und Bußopfer?] (12ˈ) neun Schafe opfert er/sie, während zwei […] (13ˈ) Der Zawalli der Stadt Urikina aber […] (14ˈ) im Traum: ,Dem lalatta,896 Traum? […] (15ˈ) und mir ein Rind (und) ein […] und (16ˈ) was/weil das lalata […]ʻ? (17ˈ) Und deswegen das Bußopfer […] (18ˈ) […] wie aber meine Sonne die? Stadt Urik[ina …] (19ˈ) [… das Fest?] der [l]alatta […] (20ˈ) [… Dur]ch die Seherin […]
893 894 895
896
Vergleiche Mouton 2007a: 311 Ù-˹it˺ : la-la-[… ] ˹D˺U-wa-kán ˹Ù˺ [ Vergleiche ibid.: ˹D U-up?˺. Vergleiche CHD Š 27b: „And should His Majesty counteract (the evil) by means of known (and) unknown tongues?“; Mouton 2007a: 311 „Mon Soleil défera-t-il (le mal) par de(s) langue(s) connues (et) inco[nnues]?“ Mouton (ibid.) liest hier „le dieu de lˈorage“. Zu lalatta- s. hier Anm. 874.
293
Hier ist von dem Zawalli der Stadt Urikina die Rede. Da kein Name genannt wird, lässt sich vermuten, dass es sich um den Zawalli des lebenden Königs handelt (s. III.2.4). Diese Zawalli-Gottheit musste mit Versöhnungsgaben und Bußopfern versöhnt werden, wahrscheinlich weil jemand vor ihr gegen sie oder gegen die Sonne geflucht hatte. Einige Flüche wurden anscheinend durch Orakel festgestellt, während andere nicht zu ermitteln waren: Infolgedessen musste sich der König von allen bekannten und unbekannten Verfluchungen reinigen (Vs. 8ˈf.). Die folgenden Prozeduren stellen zwei parallele Reinigungsverfahren dar: Versöhnungsgabe und Bußopfer für den Zawalli und Reinigung (durch Rituale?) für den König. Daraufhin wurde wahrscheinlich ein weiterer Grund für den Zorn der Zawalli-Gottheit angesprochen. Der Zawalli scheint nämlich (dem König?) im Traum erschienen zu sein, um sich über das lalata zu beschweren. Für Vs. 19ˈ wird die Ergänzung „[Fest] der [l]alatta“ vorgeschlagen. Die Sonne wird nämlich in der vorangehenden Zeile in Verbindung mit Urikina genannt. Daher lässt sich annehmen, dass der König in dieser Stadt etwas bezüglich der lalata zur Versöhnung des Zawalli unternommen hatte.897 KUB XLVIII 125 (CTH 590) 898 Vs. II?: 2ˈ) 3ˈ) 4ˈ) 5ˈ) 6ˈ)
[ÙTU4 MUNUS. L]UGAL I-NA URU˹Ú˺-ri-ki-na ˹I˺-[MUR] [nu-w]a?899-mu Ù-it ku-iš-ki me-mi-iš-ki-˹iz˺-z[i] [x?]-x-x-ú-un-wa ge-nu-wa GIG-zi [G]IG -zi-ma-wa-ra-an DZa-wa-al-li-ya-za x[…] ge-nu-wa-ma-wa am-me-el ma-a-an nu-wa im-ma[…?]
(2ˈ) [Traum der Kö]nigin. In Urikina s[ah] sie (einen Traum). (3ˈ) [„]Jemand sprac[h] mir immer wieder im Traum: (4ˈ) Die Knie machen den
897
898 899
Das EZEN lalat(t)aš ist darüber hinaus im Kultinventartext KBo XXVI 168 (CTH 530) Vs. II 2 und in der Leberorakeluntersuchung KUB XVI 16 (CTH 570; s. van den Hout 1998a: 138-145) Vs. 9 belegt. De Roos 2007: 229-231; Mouton 2007a: 292f. (Vs. II? 2ˈ-11ˈ); Archi 1979a: 86 (Vs. II? 4ˈf.). Die direkte Rede muss hier beginnen und nicht erst dann, wenn vom Inhalt des Traums gesprochen wird. Sie ist in der ersten Person gehalten und eindeutig der Königin zuzuschreiben; so auch Mouton 2007a: 293.
294
?900 krank. 901 (5ˈ) Durch den Zawalli machen sie ihn aber krank […] (6ˈ) wie die Knie von mir und schließlich [… ?]
Zweifellos gibt dieser Textabschnitt Worte der Königin wieder, die von einem Traum berichtete. Als fraglich erweist sich, ob jemand im Traum zur Königin vom Zawalli sprach, oder ob der Zawalli selbst mit ihr redete. Durch diese zweite Hypothese ließe sich die Textstelle wie folgt deuten: Die Königin erzählte, dass sie jemanden (den König?) im Traum krank an den Knien gesehen hatte; der Zawalli war verantwortlich für diese Krankheit. Wenn der Zawalli die Gottheit des erkrankten Menschen darstellt, ist anzunehmen, dass der Zawalli selbst in Vs. II? 6ˈ sprach und Bezug auf seine eigenen Knie nahm. Aufgrund des fragmentarischen Textzustandes lässt sich jedoch die vorgelegte Deutung nicht erhärten. 902
900
901
902
Auf dieses nicht verständliche Wort bezieht sich das enkl. Personalpron. -an in Vs. II? 5ˈ. Dabei dürfte es sich um einen Verweis auf eine Person bzw. um den Namen eines Menschen handeln. Hier und in Vs. II? 5ˈ ist das Verb GIG/irmaliya- als Faktitiv zu deuten: nicht „erkranken“, sondern „krank machen“. Dies ergibt sich aus der Anwesenheit eines Objektes (Vs. II? 4ˈ [x?]-x-x-ú-un, Vs. II? 5ˈ -an) und eines Subjektes (Vs. II ? 4ˈ genuwa). Auf diese Weise erklärt sich auch das von HW 2 IV 89a angeführte Beispiel des „Erlasses für Mittannamuwa“ KBo IV 12 Vs. 5f.: ANA PANI ABU= YA=mu kappin DUMU-an ḪUL-lu (6) GIG GIG-at „Zur Zeit meines Vaters (aber) befiel mich, den kleinen Jungen, eine üble Krankheit“: In diesem Satz muss nämlich GIG als Subjekt Genus Communis (*arma-, irmanant-) eines transitiven Verbums gesehen werden. Vergleiche de Roos 2007: 230 („this (person) is ill in his knees, and he is ill through (the god) Zawalli“) und Mouton 2007a: 293 („…est malade au genou. Il est malade par le dieu Zawalli“). Im Leberorakeltext KBo XLIV 205 (CTH 570; s. Roszkowska-Mutschler 2007: 188f.) r. Kol. 4ˈ ist ebenfalls die Erwähnung einer Zawalli-Gottheit in Verbindung mit einem Traum (˹ÙTU4˺ DZa-wa-a[l-li …) belegt; der Zusammenhang ist aber zu fragmentarisch für eine inhaltliche Rekonstruktion. Das Fragment KUB XLVIII 124 (CTH 590; s. de Roos 2007: 225-228) stellt wahrscheinlich einen Traumtext dar. Im Zusammenhang mit den berichteten Träumen ist eine „Angelegenheit der Zawalli-Gottheit“ (Rs.? 8ˈ: INIM DZa-wali-aš x[) belegt, aber den bruchstückhaften Zeilen ist nicht mehr zu entnehmen.
295
Zusammenfassung903
2.6
Im zweiten Teil dieses Kapitels wurde die lexikographische Analyse des Terminus DZawalliš durchgeführt, der eine Gottheit bezeichnet und nicht mit GIDIM/akkant- gleichzusetzen ist. Aus der Untersuchung der einschlägigen Texte lässt sich das folgende Bild gewinnen: Die Zawalli-Gottheit war in der damaligen Vorstellung eine Art Genius, den jeder Mensch besaß. Wahrscheinlich glaubte man, dass er bei dessen Geburt bereits existierte und nach dessen Tod aufgrund seines göttlichen Wesens weiterlebte. Vermutlich wurde angenommen, dass diese Gottheit die wesentlichen Eigenschaften des Menschen – eine Art Seelensubstanz – darstellte. Auszugehen ist also von einer engen inneren Verbindung zwischen dem Menschen und seiner Zawalli-Gottheit: Diese wurde durch eine Statue dargestellt, die möglicherweise der betroffenen Person ähnelte oder durch die Aufschrift ihres Namens(?) an sie erinnerte. Belegt sind Zawalli-Gottheiten einer Mutter der Sonne (Puduḫepa?), der Danuḫepa, des Urḫi-Teššub, der Šaušgatti, eines Muršili (II. oder III.?), des Maraššalli und der Frau Kupapa. Darüber hinaus sind indirekte Hinweise auf die Zawalli-Gottheiten eines Vaters der Sonne (Muršili II. oder Ḫattušili III.?) und eines Mannes namens Tarupšaniya zu finden. In den Texten vor der Zeit Muršilis II. sind keine Zawalli-Gottheiten belegt, wobei als Ergebnis dieser Untersuchung dennoch festzustellen ist, dass nach hethitischer Vorstellung wahrscheinlich alle Menschen eine Zawalli-Gottheit besaßen. Des Weiteren wurde hier vorgeschlagen, dass Zawalli-Gottheiten ohne Bezug auf eine bestimmte Person zum lebenden hethitischen König gehörten. Mehrere Städte sind als Orte der Statuen von Zawallis belegt: Zitḫara, Urikina, Ankuwa, wahrscheinlich Awarna und Liprašša. Zu nennen sind ferner die Länder Arzawa (im Palast von Mašḫuiluwa) und Maša (wenn É.GAL-zalma dort wohnte oder regierte). Alle aufgelisteten Toponyme stellten allerdings nur die Aufbewahrungsorte der Statuen dar. Einige dieser Orte waren auch Residenzstädte, und dies eröffnet außerdem die Möglichkeit, dass dort schon deshalb mehrere Bilder der Zawalli-Gottheiten des Königs und der Mitglieder seiner Familie zu kultischen 903
Im Gegensatz zu den anderen Kapiteln der vorliegenden Arbeit lässt sich die Zusammenfassung der Untersuchung über die Zawalli-Gottheiten nicht nach Abschnitten gliedern, da mehrere Ergebnisse dieser Analyse auf einer gleichzeitigen Betrachtung unterschiedlicher Abschnitte beruhen.
296
Zwecken aufbewahrt wurden. Der Beleg eines Zawalli des hethitischen Königs im Palast von Mašḫuiluwa in Arzawa ist dagegen so zu deuten, dass jeder Untertan des hethitischen Reichs ein oder mehrere solcher Bilder des regierenden Königs zur privaten Verehrung besaß.904 Statuen der Zawalli-Gottheiten waren in Tempeln und in Palästen/Häusern zu finden. Je nach dem für sie vorgesehenen Aufbewahrungsort wurden sie vermutlich unterschiedlich angefertigt. Nach dem Tod der betroffenen Person mögen die Zawallis in Form von Statuen eine Art bildliche Darstellung des verstorbenen Menschen selbst gewesen sein, in erster Linie aber sind sie als Gottheiten zu begreifen, und als solche wirkten sie in der damaligen Vorstellung auch. Die Zawallis erhielten regelmäßige Opfer und auch verschiedene Lieferungen für das Frühlingsfest. Ferner konnten sie auch „Besitzer“ eines Feldes sein, vermutlich unter der Voraussetzung, dass die Produkte des Feldes zu ihrer Verehrung vorgesehen waren. Opfer stehen häufig in Verbindung mit Versöhnungsgaben und Bußopfern, die der Gottheit gegeben werden sollten, um sie zu besänftigen und zu beruhigen. Der Zawalli konnte nämlich über einen Mangel an Opfern oder über deren Unterlassung in Zorn geraten. Belegt sind Versuche, durch böse Worte oder gar vandalische Handlungen eine Zawalli-Gottheit zu beschädigen, um so den mit ihr verbundenen Menschen zu behexen. Die „Beschädigung“ (kultisch oder konkret) des Zawalli konnte bei diesem Menschen selbst eine Krankheit verursachen. In diesem Fall musste der Zawalli gereinigt und durch Versöhnungsgaben und Bußopfer besänftigt werden, damit auch der betroffene Mensch genesen konnte. Dazu waren die versöhnenden mantalli-Rituale durchzuführen, die allerdings mit den menschlichen Antagonisten, die die Verfluchungen ausgestoßen hatten, vollzogen werden mussten, und nicht mit dem Zawalli, der als eine Gottheit für dieses Verfahren selbst nicht in Frage kam. Ein Zawalli dürfte auch insofern als Geist wirken, als er in einem Traum erscheinen und Auskünfte über die Krankheit den mit ihm verbundenen Menschen oder die Gründe seines Zornes mitteilen konnte. Darüber hinaus hatte er wie andere Gottheiten auch die Fähigkeit, Träume zu senden. Schließlich wurden die Zawalli-Gottheiten auch als Kollektiv durch ḫuwaši-Steine dargestellt und konnten anlässlich der Feste Opfer erhalten: Die Kombination eines Schafes und eines Ferkels als Opfer zum Frühlingsfest dürfte auf ihr Doppelwesen als oberirdische (zu Lebzeiten 904
Es lassen sich jedoch in keinem Vertrag derartige Informationen finden.
297
des betroffenen Menschen in Erscheinung tretende) und chthonische (nach dem Tod des Menschen weiter sich manifestierende) Gottheiten hindeuten.
298
IV Toten- und Ahnenkult im Steinhaus Dieses Kapitel widmet sich der Erarbeitung und Deutung der Texte, denen nähere Auskunft über den Standort und die Art und Weise der für (königliche) Tote und Ahnen durchzuführenden Kulthandlungen zu entnehmen ist. Zunächst wird das Totenritual šalliš waštaiš zu rekonstruieren sein. Weitere vergleichbare Texte werden daraufhin in die Diskussion einbezogen, um sämtliche zur Verfügung stehenden Anhaltspunkte ausführlich zu prüfen und darauf aufbauend einen Entwurf zu einem vollständigeren und schärferen Bild der fraglichen Kulte weiterzuentwickeln. Diese Untersuchung wird zeigen, dass unter allen mit dem Totenbereich in Zusammenhang gebrachten Institutionen (šinapši-Haus, ḫešta-Haus, ḫekur-Felsanlage und Haus bzw. Palast des Großvaters mei-ner Sonne) allein das (göttliche) Steinhaus als Ort des Toten- und Ahnenkultes anzusehen ist. 1
Das Totenritual šalliš waštaiš
Seit der Publikation von Ottens Hethitische Totenrituale (1958) sind mehrere Textfragmente entdeckt worden, die die Erkenntnisse über das Totenritual šalliš waštaiš gemehrt haben. Nichtsdestotrotz gibt es noch große Wissenslücken: insbesondere über die Tage 3 bis 6, 9 bis 11 und den letzten, den 14. Tag. Beträchtliche Fortschritte gab es bei der Zuordnung der Textfragmente nach Fundort, Ritualtag, Tafel und Tafeltyp ( IM. GÍD.DA „Langtafel“ oder zweikolumnig), und dies ermöglichte eine Identifikation der verschiedenen leicht voneinander abweichenden Versionen des hethitischen Totenrituals.905 So wird z.B. nur in einer Version davon berichtet,
905
Zu einer neuen Edition des Totenrituals šalliš waštaiš s. Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002. Siehe auch die Beiträge von van den Hout 1994, 1995a,
299
dass die Knochen nach der Leichenverbrennung am Anfang des 2. Tages aufgesammelt und mit einem Leinentuch umwickelt wurden, bevor man sie im Steinhaus auf einem Bett ablegte. 906 Dieser Fassung gemäß führten des Weiteren zwei Priesterinnen einen „Wortwechsel“ über das Lösegeld für den Toten mithilfe einer Waage, 907 um die Sonnengöttin der Erde freundlich zu stimmen. Dass dies ausschließlich in einer Version des Totenrituals belegt ist, erklärt van den Hout 2015: 304 überzeugend folgendermaßen: Ein anfänglicher Abstieg des Herrschers in die Unterwelt war mit seiner neuen, schon zu seinen Lebzeiten göttlichen Natur wohl nicht länger vereinbar, und das funeräre Protokoll musste entsprechend geändert werden.
Die Gründe für unterschiedliche Fassungen desselben Rituals, das die Jahrhunderte hindurch beim Tod eines Mitglieds der königlichen Familie zu vollziehen war, können nämlich verschiedenartig gewesen sein – z.B. politisch-ideologisch gemäß dem Zitat van den Houts. Seiner diachronen Betrachtung der Totenritualtexte verdanken wir fraglos wertvolle neue Erkenntnisse. Der Versuch eines Abgleichs der verschiedenen Versionen nach Tagen anhand grundsätzlicher Ähnlichkeiten erweist sich jedoch als unergiebig. Bei der Synopse der ersten zwei Tage des Totenrituals unter Berücksichtigung aller Fassungen ergibt sich nämlich ein Dilemma: Entweder geschah die Leichenverbrennung frühmorgens am 2. Tag, mit der entsprechenden Annahme, dass sämtliche am 2. Tag beschriebenen Kulthandlungen nach der Leichenverbrennung vollzogen wurden. Oder es ist, wie Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 260 argumentieren, in KUB XXX 15++ Vs. 1 die Zahl 2 des Tages durch 3 zu emendieren, woraus sich ergäbe, dass der Scheiterhaufen erst in der Frühe des 3. Tages gelöscht wurde.908 Problematisch ist hier, dass im Vergleich zu den anderen
906
907 908
2014a, 2014b, 2015 und Kapeluś 2008, 2011a, 2014 und unter http://www.hethiter.net/: CTH 450.1. KUB XXX 15++ (CTH 450.I; s. Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 257293) Vs. 1ff. Die Leichenverbrennung ist darüber hinaus in der Übersichtstafel des 2. Tages KBo XXXIX 289 (CTH 450; s. ibid. 655-658) Vs. I 1ff. belegt. KUB XXX 15++ Vs. 29-36; s. auch das „Rollenbuch“ der MUNUSŠU.GI KUB XXXIX 41 (CTH 450.II.3; s. ibid. 641-654) Vs. 7ˈ-13ˈ. Gleichfalls muss in der Übersichtstafel KBo XXXIX 289 Vs. I 1 emendiert werden (s. Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 656).
300
erhaltenen Tagen des Totenrituals šalliš waštaiš, bei denen sich lediglich geringfügige Varianten feststellen lassen, die ersten zwei Tage im Hinblick auf die genaue Reihenfolge der Kulthandlungen am schwierigsten zu rekonstruieren sind. Sie müssen den praktisch-konkreten Veränderungen am meisten unterworfen gewesen sein. Neben neuen politischideologisch-religiösen Vorstellungen, die Veränderungen der gesellschaftlichen Bräuche zur Folge gehabt und so auch das Protokoll des Totenrituals mit der Zeit verändert haben könnten, lassen sich nämlich auch einfache organisatorische Schwierigkeiten als Verformungskraft nennen, z.B.: Zu welcher Tageszeit starb der König? Wie lange dauerte die Verlegung des Leichnams? Wie viel Zeit war zur Vorbereitung der Ausrüstung für alle Kulthandlungen (einschließlich aller benötigten Menschen und Tiere) nötig? Inwieweit erfuhren die üblichen Aktivitäten in der Stadt Unterbrechungen? 909 Und was konnten solche Unterbrechungen ggf. als Konsequenzen für das alltägliche Leben mit sich bringen? So machte es bereits einen erheblichen Unterschied, ob die Person vormittags, nachmittags, abends oder in der Nacht starb. Denn auch wenn man einem festen Protokoll folgen konnte, mussten Anpassungen vorgenommen werden: Die Kulthandlungen mussten auch zeitlich mit den Gegebenheiten in Einklang gebracht werden. Die Leichenverbrennung durfte aus hygienischen Gründen nicht zu lang aufgeschoben werden: In der Regel musste sie innerhalb der ersten drei Tage nach Todeseintritt stattgefunden haben. Demzufolge werden die Kulthandlungen bei der folgenden Untersuchung des Totenrituals šalliš waštaiš zunächst grundsätzlich anhand ihres Durchführungszeitpunktes, also vor oder nach der Leichenverbrennung, unterschieden und unabhängig (wenn auch nicht völlig unabhängig) von den genauen Tagesphasen ihrer Durchführung betrachtet. Auf dieser Basis lässt sich eine neue Synopse des Totenrituals erstellen,
909
Am Anfang des Totenrituals ist nämlich zu lesen (KUB XXX 16+ Vs. I 1ff.): ma-a-an URUḪa-at-tu-ši šal-li-iš wa-aš-ta-a-iš ki-ša-ri (2) na-aš-šu-za LUGALuš na-aš-ma MUNUS.LUGAL-aš DINGIRLÌ-iš ki-ša-ri / (3) nu-za-kán ḫu-u-ma-anza šal-li-iš am-mi-ya-an{Ras.}-za (4) GIŠU-UL-PA-TEMEŠ-ŠU-NU ar-ḫa da-an-zi (5) nu ú-e-iš-ke-u-wa-an ti-an-zi „Wenn ein großes Unheil in Ḫattuša geschieht, indem König oder Königin ein Gott wird, nehmen alle, Groß (und) Klein, ihre Röhrchen ? weg und beginnen zu wehklagen“; s. auch Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 46f.
301
in welcher der Schwerpunkt insbesondere auf die den Toten betreffenden Kulthandlungen und auf die Struktur der Ritualorte gelegt wird. 910 Die folgenden Bezugselemente bzw. Stichworte sind für die Textanalyse von Bedeutung: akkant-/GIDIM „Toter (Leichnam oder als Ersatzbild des Verstorbenen)“ ALAM/ešri- „Statue/Abbildung (des Toten)“ ḫaštai- „Knochen (des Toten)“ É. NA4 „Steinhaus“ É „Haus“ É.ŠÀ „Innengemach“ GIŠ BANŠUR „Tisch“ GIŠ AB „Fenster“ GUNNI/ḫašša- „Herd“ ukturi- „Verbrennungsplatz/Scheiterhaufen“ IZI/paḫḫur- „Feuer“ GIŠ ŠÚ. A (für die Knochen) und GIŠGU.ZA (für die Statue) „Thron“911 GIŠ MAR.GÍD. DA „Wagen (für den Leichnam?)“ GIŠ GIGIR (ašannaš) „(Sitz)wagen“ É ḫilamni- „Torbau“ GIŠ ZA.LAM.GAR „Zelt“ GIŠ NÁ/šašt(a)- „Bett“ É karimmi- „Heiligtumszelle?“
Vor der Leichenverbrennung912
1.1
§a)913 Der König (oder die Königin) stirbt. Am 1. Tag müssen alle in der Stadt Ḫattuša ihre Röhrchen? wegnehmen und wehklagen. Die Seele des 910 911 912
913
Eine Reihe von Ritualhandlungen werden folglich nicht berücksichtigt. Zur Studie von GIŠGU. ZA und GIŠŠÚ. A, der zufolge GIŠŠÚ.A einen breiteren semantischen Bereich zu haben scheint als GIŠGU.ZA, s. Archi 1966: 76ff. Die folgende Anordnung der auszuführenden Handlungen ist alphabetisch geordnet (a, b, c usw.) und entspricht deshalb nicht zwangsläufig der genauen zeitlichen Abfolge der Kulthandlungen und der Tagesphasen, denn die folgende Schilderung entstammt verschiedenen Versionen des Rituals, die auch parallel laufen könnten. KUB XXX 16++ Vs. I, II bis Z. 16; s. auch die fragmentarisch erhaltenen KUB XXXIX 2, XII 22 Vs. I, II 1ˈ-6ˈ und KBo XIII 143 Vs. ! II 1ˈf.
302
Toten erscheint aus dem Körper befreit, indem ein Pflugrind geschlachtet und dabei die Seele in das Opfertier hinabgelassen wird. Dieser Akt wird von einer Weinlibation für die Seele begleitet; daraufhin ist die Weinkanne zu zerbrechen. Am Anfang der Nacht des 1. Tages wird ein Ziegenbock über dem Toten geschwenkt und eine nicht erhaltene Rede bzw. Anrufung gehalten. Die darauffolgenden Kulthandlungen sind verloren gegangen: Zeichenreste deuten auf die Erwähnung eines Tisches hin, und etwas wird dem Toten gegeben. §b)914 In den ersten Phasen des Totenrituals (1. oder 2. Tag) wird das Zelt erwähnt. Aus dem Wagen (GIŠMAR.GÍD.DA) holt man etwas herunter. Eine Rede über die Gattin und die Kinder wird gehalten. Die Anwesenheit des Toten in dem Zelt ist belegt; Handwasser wird ihm gegeben. Ein Tisch, der Verbrennungsplatz und Duftöl werden daraufhin erwähnt. §c)915 (1. Tag? ) Kostbare Gewänder werden dem Toten gebracht und ein Bett (für ihn) ausgebreitet. Die Palastangestellten bringen dem Toten Handwasser mit Duftöl, damit seine Hände gewaschen werden. §d)916 Zu einem unbestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 1. und dem 2. Tag wird das Handwasser gebracht. Die Tischmänner tragen den Tisch für den Toten, auf den ein Brot, das sich bis dahin vor dem Bett befand, gelegt wird. Die Speisen werden zusammen mit den Suppen nach draußen verlegt. Ein weiteres zuvor vor dem Bett liegendes Brot wird gebracht, und dem Toten gibt man zu trinken. Das Haus wird genannt. Nach mindestens zwei nicht erhaltenen Kolumnen befindet sich der Tote laut dem Text auf dem Wagen (GIŠMAR.GÍD.DA). Getreide und Früchte sind im Zusammenhang mit diesem Wagen und mit einem Menschen aus der Familie des Toten „nach der Reise hierher“ belegt. Daraufhin werden ein Verbrennungsplatz außerhalb des Hauses sowie Rinder und Schafe erwähnt. §e)917 (2. Tag) Ein Tisch wird erwähnt. Der Palastangestellte gibt etwas der Seele des Toten; daraufhin wird für Mezzulla libiert. Im Innengemach, 914 915 916 917
KUB XXX 17 Vs. KBo XIII 142 Vs.? I und KUB XXXIX 50 5ˈff. KUB XXXIX 21 Vs. ! I, Rs.! IV und KUB XXXIX 30 Rs. KUB XXX 16+ Vs. II ab Z. 17, Rs. III, IV; s. auch das Dupl. KUB XXXIX 27(+) Vs. II, Rs. III (mit geringfügigen Abweichungen).
303
in dem sich der Tote befindet, überreicht der Mundschenk dem Palastangestellten einen Goldbecher. Das Behältnis wird in einen vor dem Bett des Toten liegenden Tonbecher ausgegossen und nach draußen gebracht. Es folgt eine Libation für den Wettergott und für den Wettergott von Zippalanda. Ein weiterer Becher wird vor dem Bett in einen anderen ausgegossen. Die Tischmänner bringen die Brote nach draußen, die zuerst gebrochen und dann wieder auf den Tisch gelegt werden. Anschließend wird für LAMMA und Izzištanu libiert. Die gleiche Kulthandlung mit dem Brot wird erneut durchgeführt. Dieses Mal wird für den Gott des guten Tages, für Izzištanu und für die Sonnengöttin der Erde libiert. Sobald zu Ehren der Seele des Toten dreimal getrunken worden ist, legt der Palastangestellte das Brot auf eine andere Art Brot auf dem Herd. Daraufhin wird ein Becher zu Boden geworfen, so dass er zerschellt. Die taptara-Frauen gehen nach draußen, da drinnen gefegt werden muss; ihnen gibt man zu essen. Hier sind Duftöl, das Bett unter einem Zelt innerhalb des Innengemachs, Wasser und ein Tisch belegt. Es folgen Brotopfer für die Sonnengöttin der Erde, die Sonnengottheit des Himmels, die Großväter und Großmütter und den Gott des guten Tages. Auch der Tote bekommt zu Trinken und wird gespeist. Nach einer halben nicht erhaltenen Kolumne werden Kulthandlungen mit Broten geschildert, die auf den Herd und dort selbst auf eine andere Art Brot zu legen sind: Diese werden der Seele des Toten und dem Gott des guten Tages geweiht. Daraufhin gehen die taptara-Frauen hinein und wehklagen. Der 2. Tag ist zu Ende. §f)918 (2. Tag? ) In einem fragmentarischen Kontext werden das Feuer und das Verbrennen erwähnt; darauf ist das Adverb „morgens“ und die Nennung einer Statue belegt. §g)919 (2. Tag?)920 Falls es sich um eine Tote handelt, bringt man die Utensilien für die Frau. Lippen und Augen des Toten werden mit goldenen Blättchen bedeckt. Die Mahlzeit wird ausgerufen. Nachdem gefegt worden ist, geben die Palastangestellten dem Toten etwas. Die Tischmänner stellen den Tisch mit den Speisen auf; das sich vor dem Bett befindende Brot wird in eine Schale gelegt. Die Speisen sind zusammen mit dem 918 919 920
KUB XII 22 Vs. II. KBo XXV 184 Vs. II, Rs. III. Die Bestimmung des Tages ergibt sich aus der Ähnlichkeit der Gottheiten, die am 2. Tag laut KUB XXX 16+ (s. IV.1.1 §e) Opfer erhalten.
304
Tisch nach draußen zu bringen; dort essen die taptara-Frauen. Daraufhin findet die Libation für verschiedene Gottheiten statt. Bedacht werden Taurit, der Sonnengott, Mezzulla, der Wettergott, der Wettergott von Zippalanda, LAMMA, Izzištanu, der Gott des guten Tages, ein weiteres Mal Izzištanu, die Sonnengöttin der Erde und dreimal die Seele des Toten. Jemand küsst den Toten; seine Augen werden mit den Blättchen bedeckt. Wenn es sich um einen Mann handelt, sind Bogen und Pfeile in seine Hand zu legen. Im Fall einer weiblichen Verstorbenen werden dagegen Spindel und Spinnrocken in ihre Hand gelegt und ihr zudem kostbare Gewänder gegeben. Daraufhin ist in einem sehr fragmentarischen Zusammenhang von Rindern, Schafen, Gewändern, von einem Vogelfänger, einem Baum, dem Verbrennen, dem Herd und dem Feuer die Rede. Mindestens zwei Anrufungen werden gehalten, welche das Ende des Lebens, die Königin und das Königtum zu betreffen scheinen. Daraufhin sind Duftöl, der Weg und der Wein, welcher dem Toten gebracht wird, belegt.921 §h)922 (2. Tag?) Handwasser für den Toten (I. Kol.) und die Lippen- und Augenblättchen (II. Kol.) sind belegt. Daraufhin (III. Kol.) nehmen die Vogelfänger die Gewänder, eine Silberschale und vielleicht ein Messer aus Bronze zur Hand. Sie schneiden einen Baum ab und verbrennen ihn auf dem Scheiterhaufen. Die Ritualistin geht ins Haus und verrichtet etwas am Herd vor dem Toten. Etwas wird nach draußen in den Torbau gebracht. Im Haus sind kostbare Gewänder mit dem Feuer zu verbrennen.
921
922
Vergleiche Haas 1994: 225 und van den Hout 1994: 63 und 1995a: 199f.. Der Letztere bezieht sämtliche in KBo XXV 184 belegten Kulthandlungen auf das Sitzbild des Toten, während es sich dabei nach der hier dargelegten Rekonstruktion noch um die ersten Phasen des Totenrituals vor der Leichenverbrennung handelt. Dafür spricht zunächst der Beleg des Bettes, das nach der Leichenverbrennung im Zusammenhang mit dem Toten bzw. mit der Statue (abgesehen von den Knochen im Steinhaus) nicht mehr genannt wird. Darüber hinaus sind die relativ detailliert beschriebenen Handlungen neben den entsprechenden Anrufungen als die letzten durchzuführenden Rituale am Leichnam zu betrachten, der daraufhin verbrannt wird. Das Bedecken der Augen und Lippen des Leichnams, das Küssen und die Ausstattung des Verstorbenen mit männlichen oder weiblichen Symbolen könnten die Verabschiedung des Toten als eines Menschen im Diesseits darstellen. KUB XXXIX 22+ (wahrscheinlich Dupl. von KBo XXV 184; s. IV.1.1 §g).
305
Nach einem Tafelabbruch sind das Feuer, die Ritualistin und der Verbrennungsplatz belegt (daraufhin zehn Soldaten in einem fragmentarischen Kontext). §i)923 In einem sehr bruchstückhaften Kontext sind der Tote und sein Bett belegt. Etwas wird verbrannt, und der Wagen (GIŠMAR.GÍD.DA) kommt im Zusammenhang mit einem Menschen aus der Familie des Toten vor. Der Tote wird aus dem Haus gebracht?. Daraufhin geht es um „die Reise hierher“, und Duftöl, ein Rind, ein Schaf, Bier und Wein werden erwähnt. §j)924 Der Tote befindet sich auf dem Verbrennungsplatz. 1.2
Nach der Leichenverbrennung
§k)925 (2. Tag) Frühmorgens gehen die Frauen zum Verbrennungsplatz, um die Knochen aufzulesen. Das Feuer wird mit Bier, Wein und anderen Getränken gelöscht. Die mit einer silbernen Zange? aufgesammelten Knochen werden mit Duftöl auf ein Tuch niedergelegt. Zusammen mit dem Tuch werden sie in Leinen eingehüllt und auf einen Thron (GIŠŠÚ.A; im Fall einer Frau: auf einen Schemel) gelegt. Um den Verbrennungsplatz herum legt man Brote nieder; vor den Thron (GIŠŠÚ.A) wird ein Tisch mit Broten gestellt. Viele Brote werden zerbröckelt, und man gibt allen Anwesenden Speisen und Suppen zu essen. Für die Seele des Toten wird dreimal libiert. In der Mitte des gelöschten Verbrennungsplatzes wird mit Früchten eine Abbildung markiert/umrandet?,926 welche zudem u. a. mit Früchten, verschiedenen Getreidesorten und den Wollflocken eines Schafs aufgefüllt werden. Die Ritualistin nimmt eine Waage, und zwei Priesterinnen halten einen Dialog betreffs des Lösegelds für den Toten, um die Sonnengöttin der Erde friedlich zu stimmen. Es folgen Rinderund Schafopfer (aus dem Palast) für die Sonnengöttin der Erde und die 923
924 925 926
KUB XXXIX 46(+) 2ˈ-13ˈ; KBo XLV 196, vermutlich ein indirekter Join von KUB XXXIX 46, ist wahrscheinlich Dupl. zu KBo XXV 184 (s. IV.1.1 §g) Vs. II 58-69. KUB XXXIX 29 Rs. IV 8ˈ-10ˈ und KUB XXXIX 42 Vs. 2ˈ-4ˈ. KUB XXX 15++; s. auch KBo XXXIX 289 (Übersichtstafel des 2. Tages) Vs. I 1-10. Zur Deutung dieser Stelle s. IV.3.7.1.
306
Seele des Toten. Die Knochen des Toten werden in sein Steinhaus gebracht und im Innengemach auf ein dort ausgebreitetes Bett gelegt, während eine Lampe vor den Knochen aufzustellen ist. In welchem Haus/ Raum der Tote ist, dort opfert man ein Rind und neun Schafe für die Sonnengöttin der Erde, die Sonnengottheit des Himmels, die Großväter und Großmütter, den Gott des guten Tages und die Seele des Toten. Daraufhin wird die Mahlzeit angekündigt. §l)927 (6. Tag) Verschiedene Trank- und Brotopfer werden für die Sonnengöttin von Arinna, LAMMA, die Sonnengöttin der Erde, die Seele des Toten und den Gott des guten Tages vollzogen. Am Ende jeder Opferreihe wird gefegt. §m)928 (7. Tag) Frühmorgens gießt man Handwasser mit Duftöl für die sitzende Statue aus. Die Statue, die Sonnengöttin der Erde, die Großväter und Großmütter, die Seele des Toten und der Gott des guten Tages erhalten Opfer. Die taptara-Frauen bringen die Statue aus dem Haus. Am Torbau wird die Kulthandlung der „Strohverbrennung“ durchgeführt. An die Stelle, wo die Pferde- und Rinderköpfe verbrannt worden sind, bringt man die Asche, welche die Ritualistin an sich nimmt. Der Statue wird zu beißen bzw. zu essen gegeben. Dann fegt man dort und die Mahlzeit wird angekündigt. Die Sonnengöttin von Arinna, der Wettergott und der Wettergott von Zippalanda, LAMMA, die Sonnengöttin der Erde, dreimal die Seele des Toten und der Gott des guten Tages werden verehrt. Daraufhin wehklagt und fegt man. „ḫalentuwa“ wird ausgerufen, und die Opferungen (viele Brote sind dabei auch auf einen Herd zu legen) für den Sonnengott, LAMMA, die Sonnengöttin der Erde, die Seele des Toten und den Gott des guten Tages beginnen wieder. Der Tote wird bei seinem Namen gerufen. Nach dem Fegen wehklagen die Frauen nicht mehr an diesem Tag. §n)929 (8. Tag) Das Ritual des Schweins, welches das Wasser umleitet, wird durchgeführt, und eine Anrufung für den Toten gehalten. Der Statue auf dem Sitzwagen (GIŠGIGIR ašannaš) gibt man zu trinken. Gold und Silber werden einigen Objekten entzogen und ins Steinhaus gebracht. Die 927 928 929
KUB XXXIX 5+; s. auch das Dupl. KBo XLV 197. KUB XXX 25++. KUB XXX 24++ Vs. I, II; s. auch KUB XXXIX 7(++), bei dem es sich jedoch nicht um ein Dupl. handelt.
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Hacke und der Spaten sind zu verbrennen. Daraufhin wird das Ritual des „Abschneidens eines Wiesenklumpens“ durchgeführt. Die Ritualistin deklamiert eine Anrufung des Toten. An die Stelle, wo die Rinderköpfe verbrannt worden sind, bringt man den Wiesenklumpen. Der Statue auf dem Sitzwagen (GIŠGIGIR ašannaš) wird zu trinken gegeben und für den Sonnengott wird libiert. Die Statue wird vom Sitzwagen (GIŠGIGIR ašannaš) herabgenommen, ins Zelt gebracht und dort auf einen goldenen Thron (GIŠGU. ZA ) gesetzt. Die Mahlzeit wird angekündigt: für den Sonnengott, den Wettergott, LAMMA, die Sonnengöttin der Erde, die Großväter und Großmütter und dreimal für die Seele des Toten wird libiert. Der Gott des guten Tages wird erwähnt. Daraufhin wehklagt man. Die Statue wird aus dem Zelt gebracht, um sie auf den Sitzwagen (GIŠGIGIR ašannaš) zu setzen. Die hinter dem Wagen hergehenden taptara-Frauen begleiten die Statue. §o)930 (9. Tag) Ein Emmerhaufen wird im Torbau angehäuft und eine Abbildung des Toten aus Früchten auf? dem Getreidehaufen markiert?/umrandet?.931 In einem fragmentarischen Zusammenhang werden Kulthandlungen geschildert, die wahrscheinlich mit dem Fass (des Milchschlagens) durchgeführt werden. Ein Mensch aus der Familie des Toten ist dabei zugegen. §p)932 (10. Tag) Frühmorgens ist die Statue noch im Haus. Dieser Statue gibt man zu trinken; darauf folgen Rinder- und Schafopfer für die Sonnengöttin der Erde, die Sonnengottheit des Himmels, die Großväter und Großmütter, die Seele des Toten und den Gott des guten Tages. Das Zelt ist immer noch am selben Ort aufgeschlagen. Die Statue wird aus dem Zelt gebracht und auf den Sitzwagen (GIŠGIGIR ašannaš) gesetzt. Die taptara-Frauen laufen hinter dem Wagen her und wehklagen. Die Statue sitzt auf dem Wagen (GIŠGIGIR). §q)933 (10. Tag) Kulthandlungen mit einem Pflug, der dann zu verbrennen ist, werden durchgeführt. Wahrscheinlich auf einem Dreschboden zäumt und schlachtet man Rinder, welche die Köche an sich nehmen. Hörner und zwei Objekte, eines aus Silber und das andere aus Bronze, werden ins 930 931 932 933
KUB XXX 24++ Rs. III, IV. Zur Deutung dieser Stelle s. IV.3.7.1. KUB XXXIX 10; s. auch HFAC 14. KUB XXXIX 14++.
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Steinhaus gebracht, während Pfeil und Jagdtasche weggebracht werden. Etwas wird dem Toten zur Rechten gelegt; daraufhin libiert man für den Sonnengott, den Wettergott, LAMMA, die Sonnengöttin der Erde und dreimal für die Seele. Der Gott des guten Tages wird angerufen. Darauf folgt eine Anrufung des Toten. Die Statue wird vom Sitzwagen (GIŠGIGIR ašannaš) herabgenommen und ins Zelt auf einen silbernen Thron gesetzt. Die Mahlzeit wird angekündigt. Bedacht werden der Sonnengott, der Wettergott, LAMMA, die Sonnengöttin der Erde und dreimal die Seele des Toten. Der Gott des guten Tages wird angerufen. §r)934 (12. Tag) Frühmorgens ist die Statue noch im Haus und erhält Opfer neben der Sonnengöttin der Erde, der Sonnengottheit des Himmels, den Großvätern und Großmüttern, der Seele des Toten und dem Gott des guten Tages. Dem Toten gibt man zu beißen bzw. zu essen. Die Statue wird aus dem Haus gebracht und auf den Sitzwagen (GIŠGIGIR ašannaš) gesetzt, während die taptara-Frauen sie begleiten und wehklagen. Darauf folgen Kulthandlungen mit einem Weinstock, der u. a. ins Zelt gebracht und auf den Tisch des Toten gelegt wird. Danach bringt man den Weinstock nach draußen, und dort wird dem Toten ein Becher gegeben. Darauf folgt eine Anrufung vor der Sonne mit einer Waage, und die Statue wird vom Sitzwagen (GIŠGIGIR ašannaš) herabgenommen, ins Zelt gebracht und auf den goldenen Thron gesetzt. Die Mahlzeit wird angekündigt. Bedacht werden der Sonnengott, der Wettergott, LAMMA, die Sonnengöttin der Erde, die Großväter und Großmütter und dreimal die Seele des Toten. Daraufhin wäscht man einige Objekte, denen Gold und Silber zuerst entfernt und dann ins Steinhaus gebracht werden. Die Objekte werden zerbrochen und auf den Herd gestellt. Man hält die Gewänder vor den Toten, die auf dem Herd verbrannt werden; darauf gießt man Duftöl. Ein Mensch aus der Familie des Toten schneidet den Weinstock ab, der auf den Herd geworfen wird, während die taptara-Frauen um das Feuer herumgehen. Die Statue wird außerhalb des Zeltes auf den Sitzwagen (GIŠGIGIR ašannaš) gesetzt, während die taptara-Frauen sie begleiten und wehklagen. Der Tag ist zu Ende.
934
KUB XXX 19++ Vs. I, II bis Z. 6.
309
§s)935 (13. Tag) Kulthandlungen mit den laḫḫanza-Vögeln (sowohl lebendigen Vögeln als auch Bildern davon), die u. a. durch ein Fenster zu reichen sind, werden durchgeführt. In einem fragmentarischen Zusammenhang, in dem Gold und Silber ins Steinhaus gebracht werden, sind die laḫḫanza-Vögel neben der Statue belegt. Die lebendigen laḫḫanza-Vögel werden an Eichen gefesselt und zusammen mit diesen verbrannt. Die Asche ist ins Steinhaus zu bringen. Wegen des Fegens werden alle Personen vertrieben, und die Mahlzeit wird angekündigt. Darauf folgen weitere Kulthandlungen mit dem Herd, neben dem Früchte, Brote und Käse anzuhäufen sind. Die Statue wird zusammen mit dem mit Gold versehenen Thron (GIŠGU. ZA) in die Mitte eines Säulensockels?936 gehoben. Einen Weinstock stellt man auf den Herd; neben dem Herd werden der Seele des Toten ein Rind und neun Schafe geopfert. Sie erhält auch geröstete Leber und Herz. Weinstock und Duftöl werden geopfert, und dem Toten wird zu trinken gegeben. Er trinkt mehrmals zu Ehren seiner Seele. Ein Brot ist zu zerbröckeln und auf eine andere Art Brot zu legen. Dies wird ähnlich für den Gott des guten Tages (neunmal), die Sonnengöttin der Erde und die Großväter und Großmütter durchgeführt. §t)937 (Nacht zwischen dem 13. und dem 14. Tag) Die gleichen Opferungen wie jene am Ende des 13. Tages sind durchzuführen. Und darauf stellt man Duftöl auf den Herd. Zwei Menschen stehen zu beiden Seiten des Herdes und libieren mit Wein. Brote werden der Statue auf die Knie gelegt. Darauf folgt eine Anrufung, in der u. a. angekündigt wird, dass die Heiligtumszelle? des Toten mit Opfern zu bedenken sei. Die Tischmänner nehmen Brote und Früchte und stellen sie dem Toten zu Füßen. Darauf folgt eine Kulthandlung mit einer Schnur, die geölt und dann auf den Herd geworfen wird (unter entsprechender Anrufung). Einige Ölbehälter stellt man zusammen mit Broten auf den vor der Statue stehenden Herd. Daraufhin gibt der Mundschenk der Statue zu trinken. Der Becher der Seele 935 936
937
Ibid. Vs. II ab Z. 7, Rs. III bis Z. 52; s. auch KUB XXXIX 8++. Zu dieser Übersetzung s. „pedestal“ bei Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 50 und den einschlägigen Kommentar (ibid. 538). Auf Basis anderer Textzusammenhänge deuten dagegen HED 4 260ff. und Popko 1978: 40f. GIŠkurakkijeweils als „Column“/„Säule“. Im Kontext des Totenrituals scheint indes eine solche Übersetzung nicht adäquat zu sein. KUB XXX 19++ Rs. III ab Z. 53, Rs. IV. Siehe auch KUB XXXIX 8++ und KBo XXXIX 290 Rs.
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des Toten wird zusammen mit den Ölbehältern zu Boden geworfen, so dass sie zerschellen. Die taptara-Frauen wehklagen. Das Zelt, das im Haus war, wird in den Torbau gebracht. 2
Die Lokale im Totenritual šalliš waštaiš
Am Anfang des Totenrituals šalliš waštaiš ist keine Erwähnung einer Verlegung des Toten von seinem genauen Sterbeort zu finden. Möglicherweise war der Wagen GIŠMAR.GÍD.DA, der nur vor der Leichenverbrennung in Verbindung mit dem Toten erwähnt ist, für das Verlegen der Leiche bestimmt, während der nach der Leichenverbrennung belegte GIŠ GIGIR hingegen für die Versetzung des Ersatzbildes des Toten verwendet wurde (s. III.1.3.1). Aufgrund der in IV.1.1-2 dargelegten Rekonstruktion des Totenrituals können jedoch einige Schlussfolgerungen bezüglich der Lokalisierung des Toten und der damit zusammenhängenden Räume gezogen werden. Hinsichtlich der Phase vor der Leichenverbrennung lassen sich die folgenden Aussagen treffen: – Ein Bett wird für den Toten ausgebreitet: Der Tote liegt auf dem Bett (IV.1.1 §c, d, e, g, i). – Das Bett befindet sich im Zelt (IV.1.1 §e). – Der Tote befindet sich im Zelt (IV.1.1 §a?, §b). – Das Zelt befindet sich im Innengemach (IV.1.1 §e). – Der Tote liegt im Innengemach (IV.1.1 §e). – Der Tote befindet sich im Haus (IV.1.1 §h). – Der Herd befindet sich vor dem Toten (IV.1.1 §h). – Der Herd ist innerhalb des Hauses (IV.1.1 §h). – Der Torbau befindet sich draußen (IV.1.1 §h). – Der Verbrennungsplatz ist außerhalb des Hauses (IV.1.1 §d, §h). – Der Tisch wird für den Toten aufgestellt und daraufhin nach draußen in die Nähe des Verbrennungsplatzes gebracht (IV.1.1 §a, §d, §e, §g). – Der Tote wird mit einem Wagen – wahrscheinlich von einem Verwandten begleitet – verlegt (IV.1.1 §b?, §d, §i). – Der Tote wird aus dem Haus gebracht (IV.1.1 §i). – Der Tote ist am Verbrennungsplatz (IV.1.1 §j).
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Der Verlauf der Handlungen ist demzufolge so zu schildern: Nach dem Tod des Königs war sein Leichnam auf einem von einem Verwandten begleiteten Wagen ins Haus zu bringen, in dessen Innengemach ein Bett unter einem Zelt ausgebreitet wurde. Der Tote lag in den ersten Phasen des Rituals auf diesem Bett. Zu seiner Beopferung war dort ein Tisch aufzustellen, auf den die sich vor dem Bett befindenden Brote gelegt wurden. Neben Trank- und Brotopfern für verschiedene Gottheiten waren am Leichnam die folgenden Kulthandlungen durchzuführen: die Waschung seiner Hände mit Wasser und Duftöl; die Bedeckung seiner Augen und Lippen mit goldenen Blättchen; das In-die-Hand-Legen von Bogen und Pfeilen im Fall eines Mannes und von Spindel und Spinnrocken im Fall einer Frau. Die Leiche war daraufhin zu küssen und bekam kostbare Gewänder. Inzwischen wurde draußen ein Baum verbrannt, um den Scheiterhaufen vorzubereiten. Der Leichnam wurde auf den Wagen gelegt und aus dem Haus ins Freie gefahren. Der Tisch zur Beopferung war ebenfalls nach draußen zu bringen. Etwas im Text nicht Erhaltenes wurde in den Torbau verlegt, während die dem Toten zuvor gegebenen kostbaren Gewänder im Haus zu verbrennen waren. Viele Beigaben (Getreide, Früchte, Wein und Bier) wurden wahrscheinlich als Ausrüstung in den Bereich des Verbrennungsplatzes gebracht, und Opferungen von Rindern und Schafen waren dort zu vollziehen. Daraufhin wurde die Leiche auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Im Laufe der Zeit musste wahrscheinlich eine Statue als Ersatzbild des Toten angefertigt werden, die jedoch in die Kulthandlungen noch nicht einbezogen wurde. Hinsichtlich der Phase nach der Leichenverbrennung lassen sich die folgenden Aussagen über die Lokalisierung des Toten (Ersatzbildes) und seiner Knochen sowie über die Struktur des Gebäudes machen: – Die am gelöschten Verbrennungsplatz aufgesammelten Knochen liegen zunächst auf einem Thron und danach im Innengemach des Steinhauses auf einem dort ausgebreiteten, von einer Lampe beleuchteten Bett (IV.1.2 §k). – Der Tisch befindet sich draußen vor dem Thron (mit den Knochen) (IV.1.2 §k). – Der Tote befindet sich in einem Raum des Hauses (IV.1.2 §k). – Die Statue steht außerhalb des Hauses auf dem Sitzwagen (IV.1.2 §m, §n).
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– Die Statue steht außerhalb des Zeltes auf dem Sitzwagen (IV.1.2 §n, §p. §r). – Der Tote ist außerhalb des Hauses auf dem Sitzwagen (IV.1.2 §r). – Der Tote ist draußen (IV.1.2 §r). – Die Statue wird vom Sitzwagen herabgenommen und ins Zelt auf einen (goldenen/silbernen) Thron gesetzt (IV.1.2 §n, §q, §r). – Die Statue befindet sich im Haus (IV.1.2 §p, §r). – Das Zelt ist immer am gleichen Ort, im Haus (IV.1.2 §p, §t). – Der Tisch des Toten ist im Zelt (IV.1.2 §r). – Der Herd ist vor dem Toten (IV.1.2 §m?, §r ). – Die aus einigen Objekten entfernten Gold und Silber, die Hörner, zwei weitere Gegenstände und die Asche der verbrannten Eichen werden ins Steinhaus gebracht (IV.1.2 §n, §q, §r, §s). – Das Haus hat ein Fenster (IV.1.2 §s). – Die Statue wird mitsamt dem goldenen Thron in die Mitte eines Säulensockels? gehoben (IV.1.2 §s). – Der Herd ist vor der Statue (IV.1.2 §s, §t). – Das Zelt wird in den Torbau gebracht (IV.1.2 §t). Der Verlauf der Handlungen lässt sich demzufolge so schildern: Die Knochen wurden vor dem Verbrennungsplatz auf einen Thron gelegt. Kulthandlungen mit einer Abbildung des Toten waren in der Mitte des gelöschten Scheiterhaufens durchzuführen, während ein Tisch vor den Thron (mit den Knochen) für die Opfer aufgestellt wurde. Die Knochen wurden daraufhin auf ein von einer Lampe beleuchtetes Bett im Innengemach des Steinhauses verlegt. Von dieser Phase des Totenrituals an wurden die Kulthandlungen nicht mehr mit den Knochen, sondern mit der Statue bzw. dem Ersatzbild des Verstorbenen vollzogen. Der Tote (das Ersatzbild)938 war zuerst in einem Raum des Hauses mit Opfern zu bedenken. Danach, außer am 9. Tag, an dem eine Abbildung des Toten aus Früchten im Torbau des Hauses auf? einem Getreidehaufen angedeutet wurde, lassen sich die Kulthandlungen für alle anderen Tage folgendermaßen gliedern: Die Statue des Toten befand sich auf einem Thron in dem Zelt, das innerhalb des Hauses aufgeschlagen wurde. In diesem Zelt gab es einen Tisch zur Beopferung des Toten, während vor ihm, außerhalb des 938
Zur Deutung, dass es sich hier um das Ersatzbild des Toten handeln muss, s. IV.3.7.1.
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Zeltes, ein Herd stand. Im Laufe des Tages und je nach Kulthandlungen wurde die Statue auf einen Sitzwagen gestellt und aus dem Haus gebracht. Am Ende der draußen durchzuführenden Rituale wurde sie vom Sitzwagen herabgenommen und im Zelt wieder auf den Thron (innerhalb des Hauses) gesetzt. Diese Verlegung der Statue mit dem Sitzwagen wurde mehrmals ab dem 8. 939 bis einschließlich zum 12. Tag durchgeführt. 940 Inzwischen wurden die für die Ausführung der Rituale benötigten Objekte und Materialen ins Steinhaus gebracht, während einige Gegenstände, aus denen sich jene Materialen entfernen ließen, auf den vor dem Toten stehenden Herd gestellt wurden. Am 13. Tag war die Statue aus dem Zelt zu nehmen und zusammen mit ihrem goldenen Thron in die Mitte eines Säulensockels? zu heben. Der Herd stand auch in dieser Phase des Rituals vor dem Ersatzbild des Toten. Darauf folgten Ritualhandlungen innerhalb des Hauses, während das Zelt in den Torbau des Hauses verlegt wurde. 3
Das Gebäude bzw. die Institution des (göttlichen) Steinhauses
Im Folgenden wird zunächst nachzuweisen sein, dass im Totenritualtext šalliš waštaiš „Haus“ und „Steinhaus“ ein und denselben Gebäudekomplex bezeichnen. Darüber hinaus lässt sich, auch anhand des Vergleichs mit ähnlichen Ritualen, annehmen, dass im engeren und eigentlichen Sinne das „Steinhaus“ mit dem Untergeschoss des „Hauses“ zu identifizieren ist. Dort wurden verschiedene Innengemächer in den Fels gehauen, die je für die Beisetzung der Knochen der Könige, Königinnen und weiterer Mitglieder der königlichen Familie bestimmt waren. So handelt es sich beim Steinhaus also um eine königliche Grabstätte, und zwar im Gegensatz zur ḫekur-Felsanlage, die eher als Gedenkstätte anzusehen ist. Außerdem wurden im Steinhaus im Rahmen des Totenkults Opferdarbringungen durchgeführt: Zu diesem Zweck wurde die Statue bzw. das 939 940
Vermutlich schon ab dem 7. Tag, wenn der Wagen da auch nicht belegt ist. Van den Hout 1994, 61f. und 1995: 198 nimmt dagegen an, dass die Statue vom Haus/Mausoleum tagsüber ins Zelt gebracht wurde, um abends wieder ins Haus/Mausoleum für die Nacht verlegt zu werden (so auch Kapeluś 2018: 82f.). Da aber das Zelt im Haus war und sich die Bewegungen des Wagens zwischen „außerhalb (des Hauses)“ und „innerhalb (des Hauses)“ abwechseln, erscheint es unnötig ein weiteres Haus (ibid.: das Mausoleum, d.h. das „Steinhaus“) als Aufbewahrungsort der Statue für die Nacht zu postulieren.
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Ersatzbild des Toten in seine Ékarimmi „Heiligtumszelle?“ bzw. Innenkammer hingestellt und regelmäßig beopfert. Darüber hinaus wird zu zeigen sein, dass Steinhäuser nicht nur in Ḫattuša, sondern auch in anderen Städten für die Mitglieder der königlichen Familie bestanden, die weit entfernt von der hethitischen Hauptstadt wohnten. 3.1 Das É „Haus“ und das É.NA4 „Steinhaus“941 im Totenritual šalliš waštaiš Im erhaltenen Totenritualtext ist das É.NA4 „Steinhaus“ bis zur Leichenverbrennung nicht belegt.942 Im „Haus“ scheint der Tote (Leichnam) sich dagegen vom Anfang an befunden zu haben:
941
942
Verschiedene Autoren haben sich bereits mit dem „Steinhaus“ befasst: Siehe Singer 2009: 169-172; Taracha 2009: 161ff.; Archi 2007a: 50ff.; van den Hout 2002: 73-91; id. 1994: 48ff.: Groddek 2001b: 213-218; Börker-Klähn 1995: 69ff.; Haas 1994: 244f.; del Monte 1987: 101ff.; id. 1975: 326ff.; Otten 1958 passim. Außer im hethitischen Korpus findet sich das Logogramm É.NA4 auch einmal im frühen mittelbabylonischen Text MS 2200/459 3 aus der Zeit der ersten Seeland-Dynastie. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um die Werkstatt eines Schmieds, in der Erz zertrümmert wurde (s. Dalley 2009: 282). Vergleiche Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 84, die in KBo XXV 184 (2. Tag) Vs. I 6ˈ zu É.N]A4? ergänzen. Van den Hout 1995: 202, 206 geht dagegen davon aus, dass die Leichenverbrennung schon am 2. Tag stattfand, und in KBo XXV 184 Vs. II ergänzt er: (5ˈ) [(na-aš-t)a É. NA4 LÚ .]˹MEŠ˺ŠU.I ša-an-ḫaan-zi DUMUMEŠ É.GAL ak-kán-ti (6ˈ) [(˹a-da˺)-an-na] „The barbers clean ou[t the Stone House]. The palace attendants give the deceased / to ea[t]“. Die Handlung des „Fegens“ (šanḫ-) ist jedoch im erhaltenen Totenritualtext nie in Bezug auf das Steinhaus belegt, sondern stets in Verbindung mit dem Haus (s. KUB XXX 23++ Rs. III 42; KUB XXXIX 21 Vs.! I 3ˈ in fragmentarischem Zusammenhang; KUB XXXIX 5+ Vs. 2ˈ, Rs. 14, 27; KUB XXX 25++ Vs. 23, Rs. 11, 27; KUB XXX 19++ Vs. II 39; KBo XXXIX 290 Rs. III 3ˈ). In KBo XLIII 239 (CTH 832) 4ˈ ist [… I/ A-N]A É. NA4 […] zu lesen. Falls dieses kleine Fragment aufgrund der Anwesenheit der Gottheit Mezzulla (3ˈ) dem CTH 450 und genauer dem 2. Tag des Totenrituals zuzuordnen ist, gäbe es infolgedessen dort einen Beleg des Steinhauses vor der Leichenverbrennung.
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KUB XXXIX 48+ Vs. II (2. Tag?) 5ˈ) EGIR -ŠU-ma-kán MUNUSŠU.GI É-ri an-[da pa-iz-z(i)943 nu-kán É-ri] 6ˈ) an-da GIDIM-ti pé-ra-an ḫa-aš-ši-i [… da-a-i ?] Hinterher aber [geh]t die Ritualistin i[ns] Haus, [und] im [Haus stellt ? sie …] auf den Herd vor den Toten. 944
Aufgrund des in Z. 5ˈ belegten É-ri an[da deuten Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 117 den Text so, dass sich der Tote vor der Leichenverbrennung am 2. Tag im Palast befunden haben muss. Fraglich erscheint jedoch, ob das „Haus“ im Totenritual überhaupt oder auch lediglich in dessen ersten Phasen mit dem „Palast“ gleichzusetzen sei. Das É ist nämlich sowohl vor als auch nach der Leichenverbrennung belegt und bezeichnet das Gebäude, in dem alle Kulthandlungen am Toten (Leichnam und Ersatzbild) durchzuführen waren. Daher muss es sich um ein und dasselbe Haus gehandelt haben, in das die ganze aus dem Totenritual resultierende Unreinheit verbannt wurde. Außerdem ist der Palast (É.GAL) einmal nach der Leichenverbrennung am 2. Tag in KUB XXX 15++ Vs. 44 belegt, und zwar als Opfertiere „spendende“ Institution.945 Demzufolge lässt sich im Totenritual das Haus (É) nicht mit dem Palast (É.GAL) gleichsetzen.946 Die Möglichkeit jedoch, dass sich dieses Anwesen im Palastbereich befand, ist nicht auszuschließen. In III.1.2.2 wird nämlich gezeigt, dass das „Waschungshaus“ (É.DU10.ÚS.SA) einen Raum des Palastkomplexes darstellt, in den das Königspaar bei Tagesanbruch vor der Durchführung der Kulthandlungen zur Vorbereitung gehen musste. Da auch die (Statuen der) königlichen Toten zur kultischen Waschung regelmäßig dorthin gebracht wurden (s. KUB XVIII 16 Vs. II 1f.), lässt sich folgern, dass sich Haus bzw. Steinhaus947 und Palast in unmittelbarer Nachbarschaft befanden, es sei denn, dass die Toten ein eigenes Waschungshaus hatten. 943 944 945
946 947
KBo XXV 184 Rs. III 19 ist wahrscheinlich Duplikat von KUB XXXIX 48+ Vs. II 5ˈ. Siehe auch Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 138f. […] IŠ-TU É.GALLÌ II GU4 II-ŠU IX UDUḪI. A na-a-i-er … „[…] aus dem Palast hat man zwei Rinder (und) zweimal neun Schafe geschickt …“. Siehe auch ibid. 270f. So auch Börker-Klähn 1994: 361. Zur Gleichsetzung „Haus“ = „Steinhaus“ s. weiter unten.
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Im Innengemach des Hauses lag der Leichnam vor der Leichenverbrennung, und innerhalb des Hauses saß das Ersatzbild auf einem Thron im Zelt nach der Leichenverbrennung. Außerhalb des Hauses wurde der Leichnam auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Vom Verbrennungsplatz waren die Knochen auf dem GIŠŠÚ.A-Thron direkt ins Innengemach des Steinhauses zu bringen. Dieses Verlegen lässt an einen Transport durch Menschen denken, die den Thron trugen und ihrerseits zu Fuß gingen. Gleich auf die im Steinhaus durchzuführenden Opfer für die Seele des Toten folgte die Beopferung verschiedener Gottheiten und Ahnen in einem Raum des Hauses ( ÉMEŠ), in den das Ersatzbild des Toten948 gebracht wurde. Der Weg vom Scheiterhaufen bis zum Steinhaus und von diesem bis zum Raum des Hauses darf daher nicht als lang angesehen werden. Dies geht eindeutig aus den Kulthandlungen der Tage 8 (IV.1.2 §n)949, 10 (ibid §q)950, 12 (ibid §r)951 und 13 (ibid §s)952 hervor, an denen verschiede-
948 949 950
951 952
Zur Deutung, dass es sich hier um das Ersatzbild des Toten handeln muss, s. IV.3.7.1. KUB XXX 24++ Vs. I 25ˈˈff.; KUB XXXIX 9 Vs. I 1ˈˈff. In KUB XXXIX 14++ Rs. III ist zu lesen: 6) SIḪI.A ŠA KÙ.BABBAR […] a-ra-am-ni-ya-aš-ša 7) ku-i-e-eš ar-ḫa da-an-zi 8) ŠA ZABAR a-ra-am-ni-iš 9) I-NA É.NA4 {Ras.} pé-e-da-a[n]-zi 10) GIna-ti-in-ma KUŠkur-ša-a[n]-na 11) ˹ar-ḫa˺ pé-e-da-an-[z]i „Die Hörner und das silberne/die silbernen […] und des aramni-Objektes, die man wegnimmt, (und) das aramni-Objekt aus Bronze brin[g]t man ins Steinhaus. Den Pfeil aber und die Jagdtasc[he] schaf[f]t man weg.“ (Siehe auch Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 458f.) Die hier belegten GInatin und KUŠkuršan erinnern an die GIŠGAG.Ù.TAG ḪI. A „Pfeile“ und GIŠPAN „Bogen“, die am 2. Tag vor der Leichenverbrennung als Männlichkeitssymbole in die Hand des Toten zu legen waren (KBo XXV 184 Vs. II 60f. und Dupl. KBo XLV 196(+) 4ˈ; s. Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 119). Falls diese Objekte mit jenen des 10. Tages gleichzusetzen sind, ist davon auszugehen, dass sie nach der Leichenverbrennung ebenfalls ins Steinhaus gebracht wurden und dort bis zum 10. Tag blieben. KUB XXX 19++ Vs. I 48f.; dazu s. weiter unten. Ibid. Vs. II 32; KUB XXXIX 8++ Vs. I 30ˈf., 37ˈf.; KUB XXXIX 8(1758/c)+ Vs. I 40ˈ.
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ne Objekte sowie von einigen Gegenständen entzogenes Silber und Gold aus dem Haus ins Steinhaus gebracht wurden. 953 Insbesondere ist in Bezug auf den 12. Tag zu lesen: KUB XXX 19++ Vs. I GIŠ 48) tar-še-in a-ar-ra-an-zi nu-kán KÙ. BABBAR GUŠKIN! ar-ḫa da-anzi na[-at] 49) I-NA É. NA4 pé-e[-d]a-an-zi GIŠtar-še-in-ma ar-ḫa iš-kal-la-an-zi 50) na-an-ša-an ḫa-a[š-]ši-i ti-an-zi Man wäscht das tarše-Objekt954, nimmt das Gold (und) das Silber (daraus) weg und br[in]gt [sie] ins Steinhaus. Das tarše-Objekt aber zerfetzt man und legt es auf den He[r]d.
Der hier belegte Herd stand im Haus vor dem Ersatzbild des Toten. Nichts weist auf eine lange Strecke hin: Die Kulthandlungen scheinen eine nach der anderen ohne Unterbrechung und insbesondere ohne am Ausgang des Steinhauses durchzuführende Reinigungsrituale vollzogen worden zu sein. Daraus ergeben sich die folgenden Fragen: Stellten das Haus und das Steinhaus das gleiche Gebäude dar bzw. handelte es sich dabei um verschiedene Räume im selben Anwesen? Neben der hier angenommenen Nähe vom Haus zum Steinhaus ist anzumerken, dass ein Torbau (Éḫilammar) im Totenritualtext šalliš waštaiš in Verbindung mit dem Haus mehrmals genannt wird. 955 Im folgenden althethitischen Fragment zu einem Fest für die unterirdischen Gottheiten im Umkreis des ḫešta-Hauses ist jedoch belegt, dass das Steinhaus ebenfalls einen Torbau hatte:
953
954 955
Diese Handlung ist in einem fragmentarischen Zusammenhang auch im Outline-Text KUB XXXIX 6 Vs. 4ˈf. belegt, der sich jedoch auf den 6. Tag bezieht (s. Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 610f.). Zu GIŠtarše- „Tablett?, Tisch?“ s. HEG III 224f. KUB XXXIX 48+ Vs. II 7ˈf. (2. ? Tag; s. IV.1.1 §h); KUB XXX 25++ Vs. 10f. (7. Tag; s. IV.1.2 §m); KUB XXX 24+ Rs. III 36ˈ (9. Tag; s. ibid. §o); KUB XXX 19++ Rs. IV 30f., KUB XXXIX 8++ Rs. IV 29ˈ-31ˈ (Nacht zwischen dem 13. und 14. Tag; s. ibid. §t).
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KBo XVII 15 (CTH 645.6.C) 956 Vs.! 9’) I ANŠE.KUR .RA-uš ku-u-ur-ka-aš-ši-iš-ša an-na-nu-uz-zi-ya-an-tee[š] 10’) VIII KUŠiš-ḫi-ma-a-ne-eš ne-e-an-te-eš I GU4ÁB pa-ta-a-aš-ša-aš [(IV KUŠiš-ḫ)i-ma-aš] 11’) ne-e-an-te-eš I KUŠiš-ḫi-ma-a-aš I-NA SAG . DU-ŠU ne-e-an-za A[( MAR-uš an-na-nu-) uz-zi-ya-(an-za)] 12’) A-NA UDU Ù SILA4 ḫa-mi-in-kán nu-uš NA4-an pár-na-aš ḫi-lamni957 É[(RINMEŠ-az ḫa-an-da-a)-an] Ein Pferd und sein Fohlen sind angeschirr[t]. Acht Schnüre sind gespannt. Einer Kuh sind an den Füßen vier Schn[üre] gespannt. Eine Schnur ist ihr um den Kopf gespannt. Das ange[schi]rrte junge Tier ist an das Schaf und an das Lamm angebunden: Und sie stell[t] die Truppe im Torbau 958 des Steinhauses auf.
Darüber hinaus ist die folgende Textstelle aus dem Totenritual zu zitieren: KBo XLI 26++ Vs. 52) ap-p[é-e]z-zi-az-ma!-kán ak-kán-da-an ku-e-da-aš A-NA ÉMEŠ an[da ti-an-zi] Danach aber, in welchen Raum des Hauses man den Toten (das Ersatzbild des Toten) hin[einlegt], …
Die Schreibung ÉMEŠ im Pl. impliziert wahrscheinlich einen Gebäudekomplex mit verschiedenen Räumen. Daraus könnte gefolgert werden, dass auch das Steinhaus ins Haus eingegliedert war und seinerseits ein Innengemach enthielt. Des Weiteren sind vergleichbare Belege für das Steinhaus im Pl. zu finden:
956
957 958
Siehe Haas – Wäfler 1976: 82-86; zu einer erneuten Umschrift und zu den verschiedenen Duplikat- und Paralleltexten s. Neu 1980: 71-74; Groddek 2001b: 215 Anm. 16 und im Hethiter-Portal unter CTH 645.6. Zum genitivischen Syntagma s. Weeden 2011a: 148. In Ašmunikkals Dekret KUB XIII 8 (s. weiter unten) Vs. 5 sind ebenfalls die Torwächter (LÚ.MEŠḫilammiēš) des Steinhauses belegt.
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ÉMEŠ.NA4 DINGIRLÌ ÉMEŠ.NA4 ḪI.A ÉḪI.A.NA4 É.NA4 ḪI.A
im KI. LAM-Text KBo X 25+ (CTH 627.1.j.A) 959 Vs. II 38 (jh.) im KI. LAM-Text IBoT I 13+ (CTH 627.1.j.D) 960 Rs. V? 16ˈ (jh.) im KI. LAM-Text KBo XX 33++ (CTH 627.3.a) 961 Vs. 5 (ah.) im Festritualfragment/Eilfestfragment KBo XLV 92 (CTH 670.790)962 3ˈ (jh.)
Zu den Belegen des Steinhauses im Kontext des KI. LAM-Festes hält Singer 1983: 117f. fest: The „royal mausoleum“, lit. „the stone-house (of the God) “, is attested in the KI. LAM text in connection with the substance taḫ(a)tumar(a)- brought from it. The burning of this incense(?) is performed during the „great assembly“ at the ḫuwaši- of the Storm-god. Three trays and three stands are brought from an unspecified temple, bread offerings are performed and then the taḫ(a)tumar(a)- is burned before the king. The name of the building appears in the text in several variants (most of them in the plural!).
In seiner Singularform ist das Steinhaus in Verbindung mit dem von dort fortgetragenen Räucherwerk? taḫ(a)tumar(a)-963 in den folgenden Texten belegt: É.NA4 DINGIRLÌ im KI. LAM-Text É.NA4
959 960 961 962 963 964 965
KBo XXV 176 (CTH 627.3.b.A) 964 Vs. 6
(jh.) im Gewitterritualtext KBo XVII 74++ (CTH 631.1.A) 965 Vs. II 40 (mh.)
Singer 1984: 46-54. Ibid. 50 (ohne Join); s. auch Roszkowska-Mutschler 2005: 60. Neu 1980: 52ff.; Singer 1984: 88-92. Zur Transliteration s. Roszkowska-Mutschler 2005: 127. HEG III 15f.; vgl. Nakamura 2002: 41, der die Bedeutung „Räucherwerk“ als unsicher ansieht. Singer 1984: 92-95. Neu 1970.
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im größeren Festritualfragment KBo XXX 56 (CTH 669)966 Rs. V 22ˈ (jh.) É.NA4 im Eilfesttext KUB XI 34+ (CTH 626.Tg06.III.1.A) 967 Vs. I 46 (jh.) É.NA4 DINGIRLÌ in den AN.TAḪ.ŠUMSAR-Festtexten KUB XXV 1 (CTH 612.4.B)968 Vs. III 12 (jh.) und KUB II 5 (CTH 612.c.A) 969 Vs. I 39 (sjh.) É.NA4
Aus diesen Belegen von É.NA4 lässt sich Folgendes schließen: 1. Beim KI. LAM-Fest wurde das taḫ(a)tumar(a)- in jeweils ähnlichen Textzusammenhängen sowohl aus „dem Steinhaus“ als auch aus „den Steinhäusern“ herbeigebracht. 2. Der Eilfesttext KUB XI 34+ Vs. I 46 enthält die Singularform (É.NA4 ), während in seinem Paralleltext KBo XLV 92 3ˈ die Pluralform (É.NA4 ḪI.A) vorliegt. 3. Generell ist in sämtlichen Festtexten im Zusammenhang mit dem Herbeibringen des taḫ(a)tumar(a)- das Steinhaus sowohl im Sing. als auch im Pl. belegt.970 966 967
968 969 970
Zur Transliteration s. Groddek 2002a: 70-76. Nakamura 2002: 208, 224ff.; in Vs. II 47f. wird berichtet, dass nicht nur taḫdumar, sondern auch GIŠKĀNNŪMḪI.A „Topfständer“ und tapišaniš GUŠKIN „goldene t.-Gefäße“ aus dem Steinhaus herbeizubringen waren. Badalì – Zinko 1994: 10. Ibid.; Groddek 2009: 39-48. In zwei weiteren Textfragmenten ist das Steinhaus im Pl. belegt: KBo XLIII 257 (CTH 832) ist aufgrund seines fragmentarischen Textzustandes unklassifizierbar (Vs. ? (x+1) […]x x[…] (2’) [ḫu]-u-ma-an-d[a…] (3’) [I]-NA KUR URU […] (4’) ÉḪI. A.NA4[…] (5’) ku-iš ku-iš[…] / (6’) ke-e-da-ni[…] (7’) ka-a-ša […] (8’) wa-al-aḫ-ḫ[a…] (9’) Ú-UL […] (10ˈ) nu x[…] (11ˈ) x […] Rs.? (x+1) x x[…] (2ˈ) Ú-UL-m[a? …] (3ˈ) nu ku-i-uš[…] (4ˈ) ˹nu˺ ku-iš x[…] (5ˈ) [n]amma-an x[…] / (6ˈ) [nu?] ka-a-ša […] (7ˈ) [x]x-a-ar […] (8ˈ) [na?-a]t GU4 […] (9ˈ) [x]x DU x[…] (10ˈ) […]x[…] (11ˈ) […]x[…]). Im Kultinventar KBo XII 140 (CTH 521.7; s. III.2.1) Rs. 13ˈ lesen Imparati 1977: 50 Anm. 113 und Torri – Barsacchi 2018: 152 ˹ ḪUR.SAG˺MEŠ.NA4 DINGIRLÌ. Van den Hout 2002: 81 Anm. 51 zufolge reicht der Platz nicht für ḪUR .SAG – im Unterschied zu Rs. 7ˈ, 8ˈ, 10ˈ und 11ˈ, in denen dieses Sumerogramm belegt ist. ˹ É˺MEŠ.NA4 DINGIRLÌ könnte eine sinnvollere Lösung sein: Die Ausdrücke [N] A4ḫekur Pirwa
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Es lässt sich demzufolge kein Bedeutungsunterschied in der Verwendung von Sing. und Pl. feststellen. Dieser Ausdruck verweist also wahrscheinlich auf einen einzigen Gebäudekomplex, 971 der verschiedene Räume bzw. Hausteile besaß, so wie auch das Haus im Totenritualtext šalliš waštaiš. Dass das É.NA4 eine „Institution“ mit Personal und eigenen Feldern darstellt, ist nichts Neues. Dem mittelhethitischen Dekret der Königin Ašmunikkal KUB XIII 8 (CTH 252.A) 972 lässt sich nämlich entnehmen, dass das Steinhaus über Ortschaften ( URUḪI.A, Vs. 2), Kunsthandwerker (LÚMEŠ BĒL QĀTI, Vs. 2), Pflüger (LÚ.MEŠAPIN. LÁ, Vs. 3), Rinderhirten (LÚ.MEŠSIPA.GU4, Vs. 3), Schafhirten (LÚ.MEŠSIPA. UDU, Vs. 3), šari(ku)waLeute (LÚ.MEŠšariwaza=kan kuiēš dānteš, Vs. 4) mit deren Häusern (ÉMEŠŠUNU, Vs. 4) und Ortschaften (URUḪI.A-ŠUNU, Vs. 4), Torwächter (LÚ.MEŠḫilammiēš, Vs. 5), Rinder (GU4 ḪI. A, Vs. 10), Schafe ( UDUḪI.A, Vs. 10), ein Feld (A.ŠÀ, Vs. 15), einen Wald (GIŠTIR, Vs. 15), einen Garten (GIŠMÚ.SAR, Vs. 15), einen Weingarten (GIŠKIRI6.GEŠTIN, Vs. 15) und Personal (NAPŠĀTU, Vs. 16) verfügte.973 Dementsprechend war das Steinhaus
mTud[ḫaliya 971
972 973
in Rs. 12ˈ und GIDIM[MEŠ in Rs. 15ˈ dürften diese Lesart im Textzusammenhang weiterhin stützen. So auch Singer 2009: 171; van den Hout 2002: 82; Börker-Klähn 1995: 78. Derselbe Wechsel zwischen Sing. ( É) und Pl. ( ÉḪI.A, ÉMEŠ) ist in Bezug auf den Tempel der Göttin der Nacht (s. Miller 2004: 273ff.) belegt: Damit ist – ähnlich wie mit der Bezeichnung „Steinhaus“ – ein Tempelkomplex gemeint. Dupl. KUB LVII 46; zu einer neuen Edition s. Miller 2013: 208-211. Vs.: „(1) Folgendermaßen (spricht) Ašmunikkal, die Großkönigin: Das Steinhaus, das wir eingerichtet haben, (2) die Ortschaften, die dem Steinhaus gegeben worden sind, die Kunsthandwerker, die gegeben worden sind, (3) die Pflüger, Rinder- (und) Schafhirten, die gegeben worden sind, (4) die unter den šari(ku)wa-Truppen ausgewählten Leute, und sie mit ihren Häusern (und) ihren Ortschaften (5) sind dem Steinhaus gegeben worden. Auch die Torwächter, die schon früher (6) dem Steinhaus gegeben worden waren, sollen von Abgabe und Fron frei sein. (7) Ein Hund bellt, (wenn) er aber dorthin kommt, ist er ruhig. (8) (Wenn) Öl aber ausgegossen wird, sollen jene aber nicht herauskommen. (9) Vor ihnen wird ein eya-Baum (als Zeichen der Lastenfreiheit) aufgepflanzt. Niemand darf sie aber freilassen. (10) Bei ihnen darf niemand Rinder und Schafe einziehen. (11) Sie sollen von allem frei sein. Wenn aber irgendjemand vom Steinhaus (12) ein Kapitaldelikt begeht, wird er sterben. Sein Haus aber (bleibt Besitz) eben des Steinhauses. (13) Auch den Männern
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des Steinhauses darf man (Frauen) zur Brautschaft hineingeben; (14) heraus aber darf niemand einen Sohn (oder) eine Tochter als Braut oder als Schwiegersohn (15) geben. Auch des Steinhauses Feld, Wald, Garten, Weingarten (16) und das Personal darf niemand erwerben. Wenn aber irgendein Mann des Steinhauses (17) entweder Feld oder Wald oder Garten oder Weingarten und das Personal erwirbt […]“ (s. auch Klinger 2001, 73 mit Abweichungen). Die „Einrichtung“ des Steinhauses durch Ašmunikkal und Arnuwanda I. (s. Vs. I iyawēn, I. Pers. Pl.) lässt sich so verstehen, dass das königliche Paar diese Institution nicht geschaffen, sondern bewirtschaftet hatte. Der Anlass für diese Urkunde, die in die Nähe der Instruktionen gehört, wird daher auch kein besonderer gewesen sein. Die an einem Ort zunächst einzeln errichteten Grabstätten könnten sich über die Jahrzehnte zu einer beträchtlichen Menge verdichtet haben, insbesondere wenn dieses Anwesen in Ḫattuša zu einer Art Friedhof für die königliche Familie bestimmt wurde. Eine merkliche Vergrößerung der Grabanlage wird einerseits eine geregelte wirtschaftliche Organisation für die dort durchzuführenden Totenkulte erfordert haben; andererseits könnte sich darin das Bedürfnis einer Abgrenzung der Anlage angesichts der Gefahr von Unreinheit für die Lebenden manifestiert haben. Beide Themen – die wirtschaftliche Selbständigkeit des Steinhauses und die Verpflichtung zur Abgeschiedenheit gegenüber der „Außenwelt“ – stellen nämlich den Kern des erhaltenen Dekrets von Ašmunikkal dar (dazu s. auch hier Anm. 531). Ein Nachweis für die Entwicklung der Institution des Steinhauses findet sich im §52 der althethitischen 1. Serie der Gesetze mit dem Incipit „Wenn ein Mann“ KBo VI 2++ (CTH 291.I.a.A; s. Hoffner 1997b Sigel A) Rs. III 5f. (Dupl. KBo VI 3+ [id. Sigel B] Rs. III 7f.; KBo VI 6+ [id. Sigel D+E] Vs. I 9f.; KBo VI 9 [id. Sigel G] Vs. 6f.): (5) [ AR]AD É. NA4 ARAD DUMU. LUGAL BE EL ŠU-UP-PA-TI ku-i-eš LÚMEŠ GIŠTUKUL i[(š-tar-na)] (6) A.ŠÀḪI. A-an ḫar-kán-zi lu-uz-zi kar-pí-an-zi „Ein [Di]ener des Steinhauses, ein Diener eines Prinzen, ein Herr der Binsen, die unter den Waffenmeistern Felder besitzen, leisten Frondienst“ (vgl. von Schuler 1982: 106 und Hoffner 1997b: 63). Dieser Stelle lässt sich entnehmen, dass ein Diener des Steinhauses (hier ARAD statt LÚ) ursprünglich Frondienst leisten musste. Im Laufe der Zeit – wahrscheinlich aufgrund der Entwicklung und Erweiterung der Institution des Steinhauses – wurden fortlaufend immer mehr Arbeitskräfte und wirtschaftliche Mittel benötigt. Diese Ausgangslage wird zu der Abfassung des Ašmunikkals Dekrets geführt haben, welches u. a. die Befreiung der Leute des Steinhauses vom Frondienst zum Inhalt hat.
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eine von den regulären Steuern und Tributen befreite wirtschaftliche Organisation mit Feldern, Farmen, Personal974 und viel Raum im Freien, die auf die Deckung ihres eigenen Bedarfs ausgerichtet war. Darüber hinaus war es eine „geschlossene“ Institution, d.h. nicht offen für den Austausch nach Außen (nur Einnahmen, keine Ausgaben), der sonst durch Steuer oder Frondienst, Opfer und Tribute gewährleistet wurde. 975 Die Trennung zwischen der Welt der Lebenden und jener der Toten wurde folglich aufgrund der Gefahr, die von der Unreinheit ausging, gesetzlich festgelegt. Auch wenn das Totenritual einen außerordentlichen Anlass darstellt, darf es anhand der mehrfach belegten hethitischen Vorschriften gegen die 974
975
Außer in Ašmunikkals Dekret sind die LÚMEŠ É.NA4 (DINGIRLÌ) in sieben weiteren Texten belegt: KBo XLIII 182 (CTH 670.439; s. Otten 1971b: 40) Vs. 19ˈ; IBoT I 13+ (CTH 627.1.j.D; s. Singer 1984: 50 (ohne Join); RoszkowskaMutschler 2005: 60) Rs V? 9ˈ; KUB XVI 27+ (CTH 574.4; s. Tognon 2005: 98-109; Sakuma 2007: 600-603) Vs. I 5, II 3, 6, 20, [24], [33], 43; KUB XVI 34(+) (CTH 579; s. Taggar-Cohen 2006: 293-296) Vs. I 6; KUB XVIII 21 (CTH 572) Vs. II 4; KUB XXII 18 (CTH 582) 4ˈ; KBo XLVIII 272 (CTH 580; s. Groddek 2012a: 165-167) Vs. I 8ˈ. Wahrscheinlich findet sich ein „Herr des göttlichen Steinhauses“ ([E]N É. NA4 D[INGIRLÌ]) im Kultinventarfragment KUB LIII 33 (CTH 530) Vs. 4ˈ, während ein „Diener des Steinhauses“ ([AR]AD É. NA4) in KBo VI 2++ (s. hier die vorige Anm.) Rs. III 5 (Dupl. KBo VI 3+ Rs. III 7, KBo VI 6+ Vs. I 9, KBo VI 9 Vs. 6) erwähnt wird. Zur Struktur des Steinhauses aus wirtschaftlicher Sicht s. schon del Monte 1975: 323-328; id. 1987: 101ff.; vgl. auch van den Hout 1994: 48; id. 2002: 82f. und Anm. 63. Das Räucherwerk? taḫ(a)tumar(a)-, die nur einmal im Zusammenhang mit dem Steinhaus belegten GIŠKĀNNŪM ḪI. A „Topfständer“ und tapišaniš GUŠKIN „goldene t.-Gefäße“ (KUB XI 34+ Vs. II 47f.) stellen die einzigen Gegenstände dar, die in Ḫattuša aus dem É. NA4 gebracht wurden. Ansonsten sind für das Steinhaus im Gegensatz zu anderen Institutionen bzw. Tempeln keine Spenden für Feste verzeichnet. Abgesehen vom Totenritual šalliš waštaiš finden sich keine weiteren Belege von Opferspenden für das Steinhaus. Jedoch ist in verschiedenen Texten von (unterlassenen) Opfergaben für die Toten die Rede: Dies darf als Nachweis für die regelmäßigen Lieferungen an das Steinhaus gelten, wenn mit „Toten“ auch deren Ruhestätte gemeint ist; s. z.B. KBo XXIII 117 Rs. 11ˈff.; KUB XV 5++ Rs. IV 36ˈff.; KUB XVIII 16 Vs. II 1ff. (s. III.1.1). CTH 661 (s. IV.3.7.3) kann auch als Indiz der Lieferungen für den Totenkult der Verstorbenen im Steinhaus betrachtet werden, falls die Opferungen dort stattfanden.
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Unreinheitsverbreitung (s. III.1.3.3) als unwahrscheinlich gelten, dass sich das Kultpersonal im Laufe des Rituals problemlos zwischen unterschiedlichen Gebäuden hin- und herbewegen durfte. 976 Dieser Stellenwert der Vermeidung von Unreinheit neben den oben analysierten Ähnlichkeiten zwischen „Haus“ und „Steinhaus“ als Baukomplexen lässt vermuten, dass im Totenritual šalliš waštaiš mit É und É.NA4 ein und dasselbe Gebäude bezeichnet wird. Aufgrund der bestimmten Funktion des jeweils hervorzuhebenden Raumes musste hier wahrscheinlich eine terminologische Unterscheidung vorgenommen werden, während das Steinhaus in anderen Texten institutionell mit Bezug auf die gesamte Organisation betrachtet wurde. Demzufolge stellte das É.NA4 stricto sensu einen besonderen Bereich des É dar, und zwar die letzte Beisetzungsstätte der königlichen Toten. 977 3.2
Bezeichnung É.NA4: metaphorische Verwendung und Steinhaus als Untergeschoss des Hauses (Vergleich mit KUB XXX 28+ und KUB XXXIX 49 // KBo XII 120)
Den Schreibweisen des Steinhauses selbst lässt sich etwas Genaueres über dessen Bedeutung und Struktur entnehmen. NA4 kann sich nicht schlichtweg auf die Materialangabe für das Haus beziehen, da sonst die Schreibung NA4 É vorkommen könnte. Die heth. Wiedergabe NA4-an parnaš (KBo XVII 15 Vs.! 12ˈ) und die sumerische Schreibweise É.NA4NI (KUB XIII 8 Vs. 2, Dupl. KUB LVII 46 Vs.? 6ˈ) als Entsprechung des akk. BĪT ABNI könnten auf die wörtl. Interpretation „Haus des Steins / Steinhaus“ hin-
976 977
Immerhin besteht die Möglichkeit, dass für solche Ortswechsel vorgesehene Reinigungsverfahren im Text schlicht nicht erwähnt werden. Das Steinhaus lässt sich nicht mit dem Innengemach des Hauses gleichsetzen, weil es seinerseits ein Innengemach enthielt. Darüber hinaus ist auch das Innengemach des Steinhauses nicht mit dem Innengemach des Hauses gleichzusetzen: Denn im Ersteren war erst nach der Leichenverbrennung eigens für die Knochen ein Bett auszubreiten, während der Leichnam bereits am Anfang des Rituals auf einem Bett im Innengemach des Hauses lag. Zum „Bett“ im Haus und Steinhaus s. auch IV.3.3.
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deuten.978 Dieses genitivische Syntagma ist besonders durch die Pluralmarkierung beider Elemente des Sumerogrammes (ÉMEŠ.NA4 ḪI.A, IBoT I 13+ Rs. V? 16ˈ) oder nur des Ersteren ( ÉMEŠ.NA4 DINGIRLÌ, KBo X 25+ Vs. II 38) auch in dem althethitischen KBo XX 33++ Vs. 5 ( ÉḪI.A.NA4) belegt. 979 Einerseits muss hier die metaphorische Verwendung des Begriffes „Stein, Fels“ in der Bedeutung „Ewigkeit“ bzw. „Unzerstörbarkeit“ bei den Hethitern hervorgehoben werden. So ist z.B. in dem Entsühnungsritual gegen die Frau Ziplantawiya KBo XV 10+ (CTH 443.1)980 Vs. II zu lesen:
978
979 980
Umstritten bleibt die Deutung der Vs. II 10ˈ im Mythos KUB XXXIII 49 (CTH 334.4.A; s. im Hethiter-Portal, CITATIO: Rieken et al. (ed.), hethiter.net/: CTH 334.4). In Vs. II 6ˈ-10ˈ ist zuerst zu lesen: 6’) [… a]-˹a˺-an-du-uš NA4pa-aš-š[i]-lu-uš 7’) [… ki-iš-ta]-nu-zi nu me-ma-i ku-u-uš-kán 8’) […NA4pa-aš]-ši-lu-uš ki-˹iš˺-ta-nu-nu-un 9’) [… kar-pí]-iš TUKU.TUKU-az wa-aš-túl 10’) [… QA-TAM-M]A ki-iš-ta-ru „[… er/sie lös]cht die [h]eißen Kieselsteine [mit Wasser], und spricht: (,) [Wie] ich diese Kiesel[steine] gelöscht habe, [eben]so soll(en) [der Ḫannaḫanna Wu]t, Zorn, Frevel (und) [Ärger] erlöschen! (ʻ) “ Darauf folgt (10ˈ) … NA4 pár-na / NA4pár-na (11’) […]-˹a?˺ da-an-zi. In Anlehnung an Haas 2003a: 197 und Polvani 1988: 94 übersetzen Rieken et al. (ibid.) diese Textstelle: „Sie nehmen (einen) Stein zum Haus“. Laroche 1965: 52 und Moore 1975: 137 erwägen hingegen die Möglichkeit einer Gleichsetzung mit dem É. NA4 „Steinhaus, Grab“ (s. auch HEG II 566 unter „Zweideutig“). Auf dem Foto ist zu sehen, dass parna direkt dem Zeichen NA4 ohne Raum dazwischen folgt. Ähnliches lässt sich auch in Vs. II 6ˈ mit NA4 als Determinativ für die paššiluš-Steine beobachten. Demzufolge dürften NA4 und parna einem zusammengesetzten Ausdruck entsprechen. Aus diesem Grund ist die Deutungsmöglichkeit „(einen) Stein zum Haus“ auszuschließen. Fraglich bleibt jedoch eine Verbindung mit dem É.NA4: NA4 parna kann nämlich mit dem Ausdruck NA4-an parnaš in KBo XVII 15 Vs.! 12ˈ gleichgesetzt werden, es dürfte sich dabei jedoch auch um ein NA4parna „Haus aus Stein“ handeln. Siehe auch Börker-Klähn 1995: 76; Groddek 2001b: 214; van den Hout 2002: 82. Kassian 2000: 7-104; s. auch Christiansen 2007: 93-107 und im HethiterPortal CITATIO: Görke (ed.), hethiter.net/: CTH 443.1.
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1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
nu ni
AL[ AM] ḪI. A
[pé-di-iš-m]i-p[át p]é-e-du-me-en nu-uš da-me-ta-
p[é-r]u-ni kat-˹ta˺-an iš-ka4-re-er nu iš-na-aš ku-úr-ta-a-li ku-wa-a-pí la-a-ḫu-wa-an na-at-ša-an NA4pé-ru-ni da-a-i nu ˹III˺ [NIN]DA.GUR4.RA TUR pár-ši-ya GEŠTIN ši-pa-an-ti nu kiiš-ša-an me-ma-i k[i-i] NA4pé-e-ru ma-a-aḫ-ḫa-an uk-tu-u-ri BE-LU Ù DAM-ZU DUM[ UMEŠ-Š]U QA-TAM- MA uk-tu-u-ri-eš a-ša-an-du nu GIŠTUKUL-ŠU pa-ra-a ni-e-an-za e-eš-[t]u nu-kán tu-u-ru-up-pa-an GEŠTIN-it ši-pa-an-ti NA4
Ì ˹LÀL˺
Wir brachten die Figu[ren/Sta[tuen genau an ihren Platz]. Man steckte sie unten an einem anderen F[els] fest. Und den kurtāli-Behälter aus Lehm, in den Öl (und) Honig geschüttet sind, stellt sie auf den Fels. Sie bricht drei kleine dicke [Br]ote (und) libiert Wein. Dabei spricht sie folgendermaßen: „Wie dies[er] Fels ewig ist, ebenso sollen auch der Herr und seine Frau (und) sein[e Sö]hne ewig sein. Und seine Waffe soll gezückt sein / nach vorne zeigen!“ Sie opfert ein tūruppa-Brot mit Wein. 981 (Übersetzung von Görke im Hethiter-Portal)
Darüber hinaus ist die metaphorische Verwendung von NA4peru-/perunain Verbindung mit einem Haus im Illuyanka-Mythos (CTH 321) 982 belegt. Dort wird berichtet, dass der Wettergott mit Hilfe seiner Tochter Inara und des Mannes Ḫupašiya den Drachen ermordet hatte. Daraufhin baute sich Inara ein Haus auf dem Fels und beherbergte dort Ḫupašiya. 983 Später legte sie es (zusammen mit dem „Fluss der Flut“) in die Hand des hethitischen Königs. 984 In Anlehnung an Hoffner 2010: 137 lässt sich dieses
981 982 983
984
Siehe ähnlich in Rs. III 51ˈf. Siehe im Hethiter-Portal CITATIO: Rieken et al. (ed.), hethiter.net/: CTH 321 und die dort (Introductio) zitierte Bibliographie. KUB XVII 5+ Vs. I 19ˈ-21ˈ / KUB XVII 6 Vs. I 14ˈ-17ˈ / KBo XII 84(+) 3ˈ5ˈ / KBo XXII 99+ 6ˈf.: nu=z=šan DInaraš NA4peruni šer É-er wetet INA KUR URU Tarukki nu mḪūpašiyan andan É-ri ašašta „Inara baute sich ein Haus auf dem Fels im Land der Stadt Tarukki und siedelte Ḫupašiya im Haus an“. KBo III 7 Vs. II 16ˈf.: ˹É˺-ŠU ḫu-un-ḫu-wa-na-aš-š[a ÍD?] (17ˈ) [A-NA] QA-TI LUGAL {Ras.} ma-a-an da !-a-i[š] „Und wie sie ihr Haus [und den Fluss d]er Flut [in] die Hand des Königs legte“. Zur Deutung der Ermordung Ḫupašiyas durch Inara und der ebenfalls von ihr zu verantwortenden Zerstörung des Hauses s. Hoffner 2007: 128.
327
„auf dem Fels gebaute Haus“ mit der hethitischen Königsherrschaft in Verbindung bringen. Diese Lesart findet sich des Weiteren in der folgenden Textstelle aus dem althethitischen Segen für den Labarna KUB XXXVI 110 (CTH 820.1) 985 Rs.: 13ˈ) 14ˈ) 15ˈ) 16ˈ)
la-ba-ar-na-aš É-er-še-et tu-uš-ka-ra-at-ta-aš ḫa-aš-ša-aš-ša-aš ḫa-an-za-aš-ša-aš-ša-aš ne-eš-ša-an [N]A4pé-e-ru-ni ú-e-ta-an
Das Haus des Labarna (ist das Haus) der Freude seiner Enkel (und) seiner Urenkel, und das (wörtl. Pl.: sie) 986 ist in den Fels gebaut.
In den darauffolgenden Zz. 17ˈ-21ˈ wird das Haus des Labarna dem Haus des „Fallenstellers/Betrügers“ (appaliyalla-)987 gegenübergestellt. Letzteres wurde während der Flut gebaut, von dieser zerstört und ins Meer gespült. Hoffner 2010 zufolge ist hier von der Rechtmäßigkeit des hethitischen Königs die Rede, die beständig und ewig in der Zeit war, während dem Usurpator, der die Königsherrschaft und damit die rechtmäßige Ordnung ins Wanken zu bringen suchte, keine Nachkommenschaft beschieden war. Dementsprechend wurde das „auf dem/in den Fels gebaute Haus“ bereits in der althethitischen Zeit als Symbol der legitimen, beständigen hethitischen Königsherrschaft verstanden, die für die nachfolgenden Generationen dauerhaft die Verbindung mit den früheren darstellte.988
985 986
987 988
Zur ersten Edition (als Bo 5343) s. Forrer 1928-29: 31f.; s. auch Archi 1979b: 49f.; Neu 1980: 227f.; Hoffner 2010: 131-139. Hier ist wahrscheinlich vom „Haus“ als übergreifender Institution die Rede, und die Pluralform dürfte auf die verschiedenen Paläste der hethitischen Könige verweisen. Ähnlich verhält es sich beim Steinhaus, das institutionell als übergreifende Organisation bezeichnet wurde, obwohl jeder König sein eigenes Steinhaus besaß (s. IV.3.3). Zur Deutung des Wortes appaliyalla- als „Traitor“ s. Hoffner 2010. Nach Otten 1955: IV und Archi 1979b: 49 gehört das Segensfragment KUB XXXVI 110 zu einem hattisch-hethitischen Text, in dem der hethitische Teil möglicherweise die Übersetzung des Hattischen darstellte. Belegen lässt sich diese Annahme allerdings nicht, da der hattische Teil nicht erhalten ist (so auch Hoffner 2010: 131).
328
Das genitivische Syntagma É.NA4 ist demzufolge einerseits im Sinne dieser metaphorischen Bedeutung zu verstehen. Andererseits kann auch das materielle Element des Sumerogramms in Betracht gezogen werden: Wenn das Steinhaus einen Teil des in den Felsen gehauenen Hauses darstellte, ein Innengemach besaß (s. IV.1.2 §k), mit einer Lampe zur Beleuchtung der Knochen ausgestattet war (ibid.) und mit der Unterwelt zusammenhing, ist daraus abzuleiten, dass es sich dabei um ein unterirdisches Geschoss des Hauses handelte. 989 Der schnelle Übergang zwischen Haus und Steinhaus im Totenritual šalliš waštaiš und die Abwesenheit von Ritualen gegen eine Verbreitung der Unreinheit vom Steinhaus zum Haus (s. IV.3.1) lassen sich auf diese Weise erklären. Einen indirekten Nachweis für die Zweiteilung des Hauses in Oberund Unterbau (= Steinhaus) enthält das Totenritual KUB XXX 28+ (CTH 488).990 In der fragmentarischen Vs. geht es zuerst um die Fertigung einer
989
990
So auch Börker-Klähn 1995: 76 und Anm. 33; die Autorin möchte auf diese Weise die Verwendung der Verben ninink- und šarā da- in den Texten über die Verlegung der von Muwattalli II. nach Tarḫuntašša übergeführten GIDIMḪI. A (KUB I 1++ Vs. II 1, 52; KUB XIV 7(++) Vs. I 2ˈ; KBo VI 29++ Vs. I 31) erklären. Ihrer Deutung zufolge wurden die Toten „heraufgeholt“ bzw. „hochgenommen“, weil sie aus der unterirdischen Anlage des Hauses bzw. aus dem Steinhaus zu holen waren. Vergleiche aber die lexikographische Untersuchung der Ausdrücke pēdi ninink- und šarā da- in Bezug auf die Verlegung der Toten in III.1.5: Während šarā da- „aufnehmen“ ohne weiteres mit Börker-Klähns Überlegung übereinstimmen würde, ist pēdi ninink- mit „am Ort bewegen“ zu übersetzen. Siehe z.B. das Ritual der Allaituraḫ(ḫ)i KUB XXIV 13 (CTH 780.II.Tf05.B; s. Haas – Wegner 1988: 106-114) Vs. I 19f.: [n]u DUGKU -KU-UB A šu-up-pí pé-di ni-ni-˹ik-zi˺ n[a-at ša-ra-a?] (20) kar-ap-zi na-at-ša-an GIŠpu-u-ri-˹ya-az ZAG˺.GA[R.RA-n]i ˹da-a-i˺ „[Un]d sie bewegt ein Gefäß Wasser an dem reinen Ort, sie hebt [es hoch ?] und stellt es vom Abstellbrett auf de[n] Opfert[isch].“ Hier stellt pēdi ninink- die erste Phase der Bewegung des Objektes dar, das erst dann „gehoben“ und auf den Tisch gestellt wird. Darüber hinaus lässt sich anmerken, dass sich die Ausdrücke pēdi ninink- und šarā da- auf die Verlegung nicht nur der GIDIMḪIA, sondern auch der Gottheiten von Ḫatti, Arinna und der Zederngötter (nur KBo VI 29++ Vs. I 30f.) beziehen. Siehe Otten 1958: 94ff.; van den Hout 1994: 42f.; Haas 1994: 229 mit Anm. 250, 396 mit Anm. 133, 402 mit Anm. 188, 665 mit Anm. 205; Archi 2007b: 189f.
329
Statue/eines Ersatzbildes des Toten auf einem Bett durch Betttuch und Festgewänder mitsamt Schuhen (Zz. 3ˈ-9ˈ). 991 Daraufhin werden Opfer für die Gottheit Ḫamrišḫara, ein(e) Išḫara-Priester(in) und ein patili-Priester erwähnt (Zz. 10ˈ-18ˈ). Nach vielen Lücken ist von der Speise für den Toten die Rede, und zwar im Zusammenhang mit der Göttin Ḫamrišḫara und dem patili-Priester (Zz. 26ˈ-32ˈ). In den darauffolgenden Zeilen ist zu lesen: 32ˈ) 33ˈ) 34ˈ) 35ˈ) 36ˈ) 37ˈ) 38ˈ) 39ˈ) 40ˈ)
… nu-uš-ša-an I LÚpa-a-ti-li-iš x[…] na-aš-ta DUGḪA-PA-AN-NA-TUM ku-it IŠ-TU GIŠG[AG? …] ga!(DUG)-an-ga-an nu TÚGku-re-eš-šar IŠ-TU ŠUḪI. A-ŠU ˹e˺-[ep-z]i […na-at ?] ḫu-it-ti-ya-an-ni-iš-ke-ez-zi kat-ta-ya-at tar-na-aš-ke-ez-zi LÚ˹paa-ti-li-iš˺-ma É-er-za kat-ta-an ḫu-ya-an-za nu GAL ZABAR ḫar-zi nu-kán akkán-ti DINGIRMEŠ ar-ḫa ú-e-eš-ke-ez-zi nu ma-aḫ-ḫa-an ú-i-ya-u-an-zi zi-in-na-i nu DUGGÌR.GÁN ša-ra-a da-an-zi na-at-kán pa-ra-a pé-e-da-an-zi LÚpa-a-ti-li-iš-ma ku-˹e-ez-z˺[a …] ˹ú˺-e-eš-ke-ez-zi na-an-za a-pa-aš!(A)-pát ˹da-a˺-[i …]
Rs. 1) 2) 3) 4) 5)
991 992
[nam]-˹ma˺-kán LÚpa-a-ti-iš ku-iš šu-uḫ-ḫi še-er nu-kán É-ri kat-˹ta-a˺[n-da] ḫal-za-a-i ak-kán-za ku-iš na-an-kán ŠUM-ŠU ḫal-zi-iš-ša-a-i kup[í-wa-ra-aš] pa-it na-aš-kán DINGIRMEŠ-aš ku-e-da-aš an-da nu a-pu-u-uš DINGIRMEŠ kat-t[a-an ša-ra-a] me-mi-iš-kán-zi I-NA Éši-na-ap-ši-wa-ra-aš pa-it a-pa-a-aš-ša-kán š[u-uḫ-ḫa-az] kat-ta-an-da ḫal-za-a-i ku-wa-pí-wa-ra-aš pa-it na-aš-kán DINGIRMEŠ-aš ˹ku-e˺-da-aš992
Siehe Anm. 612. Aus dem leeren Raum vor der Lücke nach kuedaš und aus dem Textzusammenhang lässt sich folgern, dass hier kein weiteres Zeichen geschrieben wurde.
330
6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13)
nam-ma an-da nu kat-ta-an ša-ra-a a-pu-u-uš ta-ra-a[n-zi] ˹a˺pé-e-ya-[wa-ra-aš p]a-it ma-aḫ-ḫa-an-ma DINGIRMEŠ ir-ḫa-an-zi nu TÚGḪI.A ku-e a-pé-e[l x x]x kat-ta-a[n ša]-ra-a me-mi-iš-kán-zi ka-a-wa-ra-aš pa-it na-aš-ma-wa-ra-[aš x x x]x nu-kán šu-uḫ-[ḫa]-az kat-ta-an-da VI-ŠU me-ma-i ša-ra-a-kán VI-ŠU me-m[i-ya-anzi ?993 I-NA] VII KASKAL-ma-kán ma-aḫ-ḫa-an kat-ta-an-da me-ma-i ku-wa-pí-wa-ra-aš p[a-it (apé-e-ma)994]-aš-ši-kán kat-ta-an ša-ra-a me-mi-ya-an-zi an-na-aš-wa-aš-ši [(UD-az)995 aar-aš996 nu-w]a-ra-an-za ŠUḪI. A-it IṢ-BAT nu-wa-ra-an pé-e-ḫu-te-eš nu-uš-[ša-an? DUGḪA-PAA]N-NA-TUM IG?[…] 997 ša-ra-a ḫu-it-ti-ya-an-zi na-at du-wa-ar-[(ni-y)a998-az-zi nu? ú]-eeš-ga-u-an t[i-ya-zi]999
15) 16) 17)
[…] x x x ḫu-u-da-a-ak ták-na-a-aš DUTU-i [… -Š]U? a-da-an-[na …] […] KAM AŠ pí-an-zi a-ku-an-na-ma ŠU[… K]AM AŠ IŠ-T[U …] […-z]i nam-ma-an-ša-an A-NA GIŠBAN[ŠUR …] x […] […]x ak-kán-ti pí-an-zi UD[x KAM tuḫ-ḫu-uš-ta]1000
18) 19)
[lu-uk-kat-ta-ma? ka-ru]-˹ú˺-a-ri-wa-ar a-da-an-n[a …] […]x-ta-an kar-pa-an-z[i …]
14)
993
Oder me-m[i-iš-kán-zi zu ergänzen; vgl. Otten 1958: 9: me-m[a- o o o I-NA]. Siehe Dupl. KBo XXXIV 80 Z. 5ˈ. 995 Ibid. 6ˈ; s. auch van den Hout 1994: 42 Anm. 25. 996 Zu dieser Ergänzung s. die vergleichbare Textstelle aus dem Vertrag Muwattallis II. mit Alakšandu von Wiluša KUB XXI 1++ (CTH 76.A; s. Devecchi 2015: 151-159) Vs. I 64: [ A-N ]A m A-la-ak-ša-an-du ŠA AMA-KA UD-az a-ri „[Fü]r (dich), Alakšandu, kommt der Tag deiner Mutter“. 997 Im Dupl. KBo XXXIV 80 8ˈ ist ŠUḪI. A ša-ra-[a …] zu lesen. ša-ra-a ist in KUB XXX 28+ am Anfang von Rs. 13 belegt, und ŠUḪI. A stand möglicherweise am Ende von Rs. 12 in der Lücke. Die Bedeutung der Stelle bleibt unklar; vielleicht etwa „[? (mit) den Händen] ziehen sie den [ḫ.-Behälter] herauf“? 998 Ibid. 9ˈ: [… d]u-wa-ar-ni-y[a? …]. Zu duwarnai-/duwarniya- s. HEG III 492f. 999 Vergleiche Otten 1958: 97: t[i-an-zi]. Siehe jedoch Vs. 35ˈ-40ˈ für den patiliPriester, der die Handlung des Schreiens und des Rufens übernimmt. 1000 Zum Ergänzungsvorschlag s. ibid. 96 mit Anm. e). 994
331
20)
[…]-˹ma-ša˺-an ˹x˺[…]
(32ˈ) Ein patili-Priester […] (33ˈ) und das ḪAPANNATU -Gefäß, das an? einem Pf[lock? …] (34ˈ) aufgehängt (ist), und eine Stoffbahn fä[ng]t er mit seinen Händen […und sie] (35ˈ) zieht er entlang und lässt sie herabhängen. Ein patili-Priester aber (36ˈ) ist vom Hause herabgelaufen und hält einen Becher aus Bronze. Vom Toten (37ˈ) ruft er immer wieder durch Geschrei die Götter weg. 1001 Wenn er mit dem Schreien (38ˈf.) fertig ist, nimmt man das GÌR.KÁN-Gefäß auf und bringt es hinaus. Mit welche[m ? …] der patili-Priester aber (40ˈ) immer wieder klagend schreit, den nimmt gerade jener für sich. // Rs.: / (1f.) [Da]nn ruft der patili-Priester, der auf dem Dach oben (ist), zum Haus hinab. „Der Verstorbene“, den er wiederholt bei seinem Namen ruft, „wo[hin ist er] (3f.) gegangen?“ Und jene Gottheiten, bei denen er (ist), antworten, jede von unt[en nach oben]: „Er ist zum šinapši-Haus gegangen.“ Jener aber ruft [vom] D[ach] (5) herab: „Wohin ist er gegangen?“ Und jene Gottheiten, bei denen (6) er dann (ist), sprech[en] von unten nach oben: „Dorthin ist [er g]egangen.“ (7f.) Wenn sie aber bei den Gottheiten die Runde gemacht haben, antworten jeweils die Tücher!, die von jene[m ? (sind)?], von unte[n nach o]ben: „Hierhin ist er gegangen oder [er …] 1002.“ Und vom Da[ch] (9-11) herab spricht er sechsmal, (und) hinauf spre[chen sie] (auch) sechsmal. Wenn aber er [beim] siebenten Mal nach unten sagt: „Wohin [ist] er g[egangen?“], sagen jene aber ihm von unten nach oben: „Für ihn [ist] der Tag der Mutter [gekommen]; ihn (12) hat sie an der Hand genommen und geleitet.“ Das [ḪAPAN]NATU-[Gefä]ß …] (13) ziehen sie herauf, und [er] zerbri[cht] es [und] b[eginnt], klagend zu [sc]hreien. / (14) […] eilends der Sonnengöttin der Erde [… zu] essen […] (15) […] sie geben; zu trinken aber die Hand?[…] au[s/mit …] (16) […] Ferner ihn zum Ti[sch …] (17) […] dem Toten geben sie. Der [x-te] Tag [ist zu Ende]. / (18) [Am folgenden Tag mor]gens z[u] essen […] (19) […] sie hebe[n …] (20) […] 1003
Diese Textpassage ist aufgrund des Ausdrucks „Tag der Mutter“, zu verstehen als „Tag des Todes“, bereits Gegenstand mehrerer Untersuchungen
1001
Zu arḫa wiyāi- „durch Geschrei von jmd. wegrufen“ s. ibid. 97 und Anm. 1 (mit Verweis auf HWb 254f.). 1002 Vergleiche Otten 1958: 97: „Hierher ist er gegangen oder [dorthin ist er gegangen?]“. 1003 Siehe auch van den Hout 1994: 42 (Rs. 1-12).
332
gewesen. 1004 Insbesondere die Erwähnungen des patili-Priesters, des šinapši-Hauses und der Gottheit Ḫamrišḫara legen die Vermutung nahe, dass er eher nicht zum Totenritual šalliš waštaiš gehörte. 1005 In diese Diskussion lässt sich das Textfragment KBo LIX 12 einbeziehen, das angesichts der dort erwähnten Ékarimmi- (Vs. II 2), MUNUSŠU.GI (Rs. III 3ˈ) und MUNUS. MEŠ taptaran (Rs. III 5ˈ) CTH 450 zugeschrieben wurde. 1006 In Vs. II 4 ist jedoch auch der LÚpatili belegt, und der Gottheitsname Ḫamrišḫara kann in Rs. III 3ˈ (DḪa-˹x˺-[…]) ergänzt werden. 1007 Demzufolge muss entweder die Anwesenheit des patili-Priesters und der Gottheit Ḫamrišḫara die Zugehörigkeit beider Texte zum Totenritual šalliš waštaiš ausschließen, oder es lässt sich vermuten, dass auch KUB XXX 28+ CTH 450 zuzuordnen ist.1008 In KUB XXX 28+ könnte es sich bei dem „Toten“ um den König gehandelt haben, da das Fragment KUB XXXIX 49 (CTH 458.7.A) den König in einem auffallend ähnlichen Zusammenhang erwähnt. 1009 Dieser bruchstückhafte Text ist nun mit der Identifizierung seines Dupl. KBo XII 120 (CTH 458.7.B) durch Fuscagni1010 verständlicher geworden. Deshalb lassen sich im Folgenden jene Stellen des aus KUB XXXIX 49 und KBo XII 120 resultierenden Textes in Übersetzung wiedergeben, bei denen Ähnlichkeiten mit KUB XXX 28+ ersichtlich sind: 1004
Siehe hier Anm. 378. Beckman 1983: 236f. folgert aus der häufigen Rolle des patili-Priesters in den Geburtsritualen und dem Beleg des Ausdrucks „Tag der Mutter“ in KUB XXX 28+ Rs. 11, dass der Tod als eine Art Geburt verstanden wurde. 1005 So auch Otten 1958: 8. 1006 Siehe Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 10 Anm. 2; Kapeluś 2011a: 151 Anm. 6 (744/z); Groddek 2014: 12f. Der Fundort von KBo LIX 12 ist Tempel I. (Magazin 27), in dem verschiedene CTH 450 zugehörige Textfragmente gefunden worden sind (s. z.B. KBo XXV 184, KBo LX 29, KBo XXXIX 290, KBo XXXIX 289, KBo XXXIV 55). Zu einer Untersuchung der Totenritualtexte auf Basis ihres Fundortes in Ḫattuša s. Kapeluś 2011a. 1007 Ibid. 151 Anm. 6. 1008 In einer seiner Varianten oder in einem der nicht erhaltenen Teile des Ritualtextes. 1009 Van den Hout 1994: 42f. Archi 2007b: 189 und Fuscagni (im Hethiter-Portal CITATIO: Fuscagni (ed.), hethiter.net/: CTH 458.7 Introductio) gehen dagegen davon aus, dass es in KUB XXX 28+ um einen gewöhnlichen Verstorbenen ging. 1010 Im Hethiter-Portal CITATIO: Fuscagni (ed.), hethiter.net/: CTH 458.7.
333
KUB XXXIX 49 Vs. II? 10ˈ-13ˈ // KBo XII 120 Vs. 7ˈ-10ˈ (ähnlich zu KUB XXX 28+ Vs. 32ˈ-37ˈ) Er (der AZU-Priester) spricht folgendermaßen: „Abseits/Weg […] sollen sie, alle Götter, bleiben.“ Ein AZU-Priester aber lässt ein k.-Gefäß mit Wein aus dem Fenster hinabhängen. Zwei gašgatiya- eines Schafes (sind) in einem [?]-Tuch1011 durch eine [Stoff]bahn zugeschnü[rt].1012 KUB XXXIX 49 Vs. II? 14ˈ-28ˈ // KBo XII 120 Vs. 11ˈ-18ˈ1013 (ähnlich zu KUB XXX 28+ Rs. 1-14) Er (der AZU-Priester) spricht folgendermaßen: „Wo (ist) [der König]?“ Im Haus aber […] (ist) der AZU-Priester drinnen und spricht zu ihm [von unten] nach oben: „Er/Sie hat [ihn] in die Stadt Ḫuzziyawaḫ[…] geschickt.“ Der AZU-Priester [ruf]t aber au[s] dem Fenster [hinunter]: „Wo (ist) der König?“ Aus dem Haus aber […] und er [spricht] zu ihm von unten [nach oben]: „Er/Sie [s]chickte [ihn] in die Stadt Ḫantelašši.“ / Der AZU-Priester ruft aber au[s] dem Fenster [hinu]nter: „W[o] (ist) der König?“ [… Er] ruft aber [von un]ten nach oben: „Er (der König?) […]-t […].“ Falls es aber eine Frau ist, dann [spricht er] fol[gendermaßen:] „Was der Frau gehört, weg sein/ihr Genosse?1014 […].“ [Der AZU-Priester] ruft [aber] aus dem [Fen]ster hinunter: „[Wo] (ist) der König?“ […] Der AZU-Priester ruft aber [von unten nach ob]en: „Was/Weil ich […]-e, für ihn [ist] der Tag seiner Mutter [gekommen und sie hat ihn …? geleit]et1015 und ihn [der?] Sonneng[öttin] der Erde [… u]nd (sie) hält ihn [an den?] Händen.“1016
1011
Nur TÚGMA/ma-[…] ist erhalten (KBo XII 120 Vs. 10ˈ). Fuscagni (ibid. Partitura Anm. 2) zufolge kann es sich dabei entweder um die TÚGmaššiya- „Kleidungsart(?)“, die TÚGmazakanni- „Kleidungsart(?)“ oder um das TÚGMAYYĀLU „Bettuch“ handeln. 1012 Übersetzung von Fuscagni (ibid. Partitura und Translatio §2) mit Abweichungen. 1013 KBo XII 120 bricht früher (Vs. 18ˈ // KUB XXXIX 49 Vs. II? 22ˈ) ab. 1014 ar-ḫa a-ra-ši-iš(-)[…] (KUB XXXIX 49 Vs. II ? 23ˈ): entweder arḫa + (LÚ/MUNUS)ara=šiš „weg von seinem Genosse“ (s. van den Hout 1994: 43) oder arḫa als Präverb + Verb araš-? (s. im Hethiter-Portal CITATIO: Fuscagni (ed.), hethiter.net/: CTH 458.7 in Partitura mit Anm. 4). 1015 In KUB XXXIX 49 Vs. II ? 27ˈ ist [… pé-e-d]a-aš zu ergänzen; s. CHD P 346b-347a zur Verwendung von pēda- im Zusammenhang mit „a dead body or corpse, not a living person“ (mit Beispieltexten). 1016 Übersetzung von Fuscagni (im Hethiter-Portal CITATIO: Fuscagni (ed.), hethiter.net/: CTH 458.7 Partitura und Translatio §2, §3) mit Abweichungen.
334
Die Ähnlichkeiten zwischen KUB XXX 28+ und KUB XXXIX 49 // KBo XII 120 sind deutlich; der einzige wirkliche Unterschied besteht im Ritualpriester: ein patili in KUB XXX 28+1017 und ein AZU in KUB XXXIX 49 // KBo XII 120.1018 Darüber hinaus weichen die Dialoge insofern voneinander ab, als die ersten Aufenthaltsorte des Toten im ersten Text das šinapši-Haus, im anderen hingegen die zwei Städte URUḪuzziyawaḫ[…] und URUḪantelassi sind.1019 Hinsichtlich der räumlichen Dimension erweisen sich jedoch die Situationen als vergleichbar. In beiden Texten ist der Raum in zwei Ebenen gegliedert, eine oben für das Diesseits und eine unten für das Jenseits. In KUB XXXIX 49 // KBo XII 120 ist von einem „Fenster“ (GIŠAB)1020 die Rede, das sich wahrscheinlich in einer oberen Etage des Hauses befand. Denn der AZU-Priester sprach von oben nach unten mit einem anderen AZU-Priester, der im „Haus“ ( É) drinnen war. In KUB XXX 28+ geht es dagegen um das „Dach“ (šuḫḫa-) des Hauses, von dem aus der patili nach unten sprach.1021 Die anderen Priester, die als Vertreter der Gottheiten
1017
In Vs. 13ˈf. und 16ˈ sind auch ein(e) Išḫara-Priester(in) und die Gehilfin Šillaluḫi belegt. Zu dem LÚpatili- s. Beckman 1983: 235-238; CHD P 245f.; Haas 2003a: 13f.; Prechel 2012: 259f. Priester dieser Gruppe treten in Ritualen auf, die sich auf krisenhafte Momente des Lebens wie Tod und Geburt beziehen. 1018 Zu dem LÚAZU s. Haas 2003a: 11f.: Dabei handelt es sich um Priester, die ihre Funktion hauptsächlich bei Reinigungs-, Entsühnungs- und Anlockungsritualen ausübten. 1019 Fuscagni zufolge (CITATIO: F. Fuscagni (ed.), hethiter.net/: CTH 458.7 Introductio) ist in diesen Ortsnamen aufgrund der ihnen zugrundeliegenden Königsnamen Ḫuzziya und Ḫantili mitsamt Suffixen bloße Fiktion oder Wortspielerei zu sehen. Die Tatsache, dass der verstorbene König in diese Orte zu schicken war, bevor er von seiner Mutter bei der Hand genommen wurde, muss irgendeine symbolische Bedeutung bzw. einen historisch-mythischen Verweis in sich bergen, dem jedoch nicht mehr auf den Grund gegangen werden kann. 1020 Die hethitischen Rituale mit einem oder mehreren Fenstern waren allgemein durch die Alternanz innen/außen charakterisiert; dazu s. Haas 1994: 276-278. 1021 Eine ähnliche Szene mit dem Priester auf einem Dach ist auf der 11. Tafel des ḫišuwa-Festes KUB XXX 40(++) (CTH 628.Tf11.A; s. Groddek 2011c: 111125) Vs. I 20-25 im Zusammenhang mit einem Opfer für die Gottheit Zababa zu finden: „Ein purapši-Priester steht hergerichtet auf dem Dache. Die Waffe, die er hält, lässt er vorne hinunter. Das karši-Fleischstück des Rindes bindet
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hinauf antworteten, können daher sowohl innerhalb als auch außerhalb des Hauses gewesen sein, zweifellos jedoch auf einer niedrigeren Ebene.1022 Wie schon angedeutet, lässt sich nicht ausschließen, dass KUB XXX 28+ und KUB XXXIX 49 // KBo XII 120 in das Totenritual šalliš waštaiš einzugliedern sind. Der AZU-Priester-Text gehört wahrscheinlich zu CTH 450: Erstens ist darin sicherlich von dem verstorbenen König und von der verstorbenen Königin die Rede.1023 Darüber hinaus sind dort ein Fenster und ein Haus belegt, und das Gespräch zwischen den Priestern kann nur innerhalb des Hauses stattgefunden haben. Dies erinnert an die hier vorgeschlagene Struktur des Hauses als oberirdischer Ebene – auch mit einem Fenster ausgestattet – und des Steinhauses als unterirdischer Anlage im Totenritual šalliš waštaiš.1024
man vorne (dar)an, und man zieht es zum Dache hinauf. Jener (sc. der purapšiPriester) nimmt es sich“ (Übersetzung von ibid. 119). Zum Dach als Aufenthaltsort und Ort kultischer Handlungen s. Haas 1994: 278f. 1022 Zum Vergleich zwischen Haus und Steinhaus im Totenritual šalliš waštaiš sowie zwischen Dach und Haus in KUB XXX 28+ s. auch Börker-Klähn 1995: 77, die den in KUB XXX 28+ dargestellten Ort mit dem Steinhaus gleichsetzen möchte. Diese Annahme lässt sich jedoch anhand der Ortsbeschreibung mit Dach und der Erwähnung des šinapši-Hauses als Aufenthaltsortes des Toten nicht mit dem aus dem Totenritual šalliš waštaiš resultierenden Bild in Einklang bringen. 1023 Dass auch die Königin Gesprächsgegenstand dieses Rituals sein kann, nehmen van den Hout 1994: 42 und Archi 2007b: 189 an. Fuscagni (CITATIO: F. Fuscagni (ed.), hethiter.net/: CTH 458.7 Introductio Anm. 4 und 6) bestreitet dies in Anbetracht der Tatsache, dass nur der König im Text erwähnt wird, weil eine MUNUS – nicht aber eine MUNUS.LUGAL – in KUB XXXIX 49 Vs. II ? 23ˈ belegt ist. Dies stellt jedoch kein entscheidendes Argument dar. Im Totenritual šalliš waštaiš sind nämlich der König und die Königin nur in der Einleitungsformel („Wenn in Ḫattuša ein großes Unheil geschieht, indem König oder Königin Gott wird“) belegt, während der Tote im Laufe des Rituals als akkant- oder GIDIM bezeichnet wird. Weichen die Kulthandlungen für die Königin von denjenigen für den König ab, wird der Satz GIM-an MUNUS-ma „Wenn es aber eine Frau (ist)“ eingefügt, in dem sich MUNUS auf die verstorbene Königin bezieht; s. auch Otten 1958: 142. 1024 Darüber hinaus erwähnen die fragmentarisch erhaltenen ersten Zeilen von KUB XXXIX 49 // KBo XII 120 u. a. die typischen Materialen für die Anlo-
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Der patili-Priester-Text weist dagegen eine zwar ähnliche, in wesentlichen Punkten jedoch abweichende Ortsdarstellung auf. Dort befand sich ein Priester auf dem Dach des Hauses, während sich die anderen auf tieferer Ebene sowohl außerhalb als auch innerhalb des Hauses aufgehalten haben könnten. Ein Tor (KÁ.GAL) ist in Vs. 11ˈ belegt, welches in den erhaltenen šalliš waštaiš-Texten dagegen nicht bezeugt ist. Darüber hinaus ist die Erwähnung des šinapši-Hauses als ersten Aufenthaltsortes des Toten in KUB XXX 28+ in Betracht zu ziehen. Dieses war wahrscheinlich ein Gebäude- bzw. Tempelteil, in dem Entsühnungsrituale mit Opfern durchgeführt wurden.1025 Im Geburtshilferitual des Pabanegri KBo V 1 (CTH 476.A)1026 Vs. I 1ff. wurden z.B. der Gebärstuhl und die zugehörigen Utensilien in das šinapši-Haus gebracht, falls sie während der Geburt kaputt gegangen waren, und infolgedessen die gebärende Frau kultisch unrein geworden war. Durch die Ausführung des Totenrituals šalliš waštaiš sollte sämtliche aus dem Todesfall resultierende Unreinheit ins Haus bzw. ins Steinhaus verbannt werden. Musste aber das Totenritual gerade im Haus des Verstorbenen durchgeführt werden, 1027 so brauchte man wahrscheinlich einen anderen Ort für die ersten Kulthandlungen an dem Leichnam. Das šinapši-Haus dürfte folglich als Entsühnungshaus in KUB XXX 28+ diesen Zweck erfüllt haben. Dies legt die Vermutung nahe, dass dieses Totenritual für ein weit von Ḫattuša entfernt verstorbenes Mitglied der königlickung der Gottheiten: galaktar-Substanz und UDUiyantašš=a SÍGḫutt[uliš „Wollflocke eines Schafs“ (Vs. II? 7ˈ// Vs. 4ˈ). Gerade diese Materialen sind neben „ GIŠINBI- Früchten“, „parḫuena-Getreiden der Gottheiten“ und einem „rechten Schenkel? (walla-)“ am 2. Tag des Totenrituals šalliš waštaiš belegt (KUB XXX 15++ Vs. 21-24). Nach dem Auflesen der Knochen werden sie in die Umrisse der Abbildung des Verstorbenen in der Mitte des Verbrennungsplatzes gelegt (s. IV.1.2 §k). 1025 Zu É/GIŠšinapši- s. CHD Š/3 375-378. 1026 Strauß 2006: 284-309; Mouton 2008: 95-109; ead. im Hethiter-Portal CITATIO: Mouton (ed.), hethiter.net/: CTH 476. 1027 Zu dem Fall eines im Hause des Verstorbenen durchgeführten Totenrituals s. das medizinische Ritual des Zelliya KUB XXX 26 (s. III.1.3.2), in dem ein Mann für die erste Opferspende (Brot und Bier) für seine an der Išḫara-Krankheit gestorbene Frau zuständig ist. Wahrscheinlich stellt der erste erhaltene Teil dieses Totenrituals die Auflistung der Gegenstände und der Handlungen dar, die für die Reinigung des Hauses bestimmt waren.
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chen Familie vollzogen werden sollte (s. IV.3.8): In diesem Fall mag das šinapši-Haus der Ort für die ersten Kulthandlungen am Toten gewesen sein, bevor die Knochen ins Steinhaus gebracht werden konnten.1028 Der in KUB XXX 28+ Vs. 26ˈ, 30ˈ, 36ˈ und Rs. 17 belegte akkant- kann sich nur auf die Statue/das Ersatzbild des Toten beziehen. Dies lässt sich auch anhand der in Vs. 3ˈ-9ˈ entfalteten Schilderung der Fertigung eines Bildes nachweisen.1029 Abschließend lässt sich anmerken, dass es sich bei KUB XXX 28+ und KUB XXXIX 49 // KBo XII 120 um zwei verschiedene Totenrituale handelt, die sich nicht zwangsläufig in das Totenritual šalliš waštaiš eingliedern lassen. In beiden werden jedoch Kulthandlungen durchgeführt, deren symbolische Darstellung den in CTH 450 implizierten Jenseits- und Todesvorstellungen entspricht: die obere Ebene für das Diesseits und die untere Ebene für das Jenseits. Diese Zweiteilung scheint es nämlich auch im Totenritual šalliš waštaiš zu geben, in dem das Steinhaus den Unterbau des Hauses stricto sensu bezeichnet. 3.3
Struktur des Untergeschosses bzw. des Steinhauses stricto sensu
Jeder hethitische König besaß sein eigenes Steinhaus: Neben dem „göttlichen Steinhaus der Väter“1030 sind nämlich Steinhäuser eines Tudḫali-
1028
Siehe Haas – Wäfler 1977: 119: Sie betrachten den Aufenthalt im šinapšiHaus für den Toten im Gegensatz zu demjenigen im É. NA4 auch als von nur vorübergehender Dauer. 1029 Vergleiche Börker-Klähn 1994: 361 und 1995: 77, die dabei an die Knochen denkt. 1030 KUB XVI 39+ (CTH 574.4; s. Tognon 2005: 106-117; Sakuma 2007: 600603) Vs. II 20 ( LÚMEŠ É. NA4 DINGIRLÌ ad-da-), 24 ([LÚMEŠ É]. NA4 DINGIRLÌ ad-da-aš), 29 ([š]u-me-eš DINGIR MEŠ ŠA É.NA4 DINGIRLÌ ad-da-aš), 30 (ŠÀ É.NA4 DINGIRLÌ ad-da-aš).
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ya, 1031 eines Arnuwanda1032 und eines Šuppiluliuma1033 belegt.1034 Wahrscheinlich war jedoch ein Steinhaus bzw. ein Innengemach des Steinhauses für jedes Mitglied der königlichen Familie vorgesehen. Das Totenritual šalliš waštaiš kam nämlich nicht nur beim Tod des Königs und der Königin zur Anwendung, sondern auch bei jenem des DUMU.NITA
1031
KUB XVI 39+ (ibid.) Vs. II 3 ( LÚMEŠ É.NA4 DINGIRLÌ mTu-ud-ḫa-li-ya), 6 (LÚMEŠ É. NA4 DINGIRLÌ mTu-ud-ḫa-li-ya), 11 (zi-ik mTu-ud-ḫa-liš ŠÀ É. NA4 DINGIRLÌ).
KUB XVIII 32(+) (CTH 574.21) Vs. ? 13ˈ (É. NA4 DINGIRLÌ mTu-ud-ḫa-li-ya). KUB XVIII 32(+) (CTH 574.21) Vs. ? 6ˈ (É. NA4 DINGIRLÌ mAr-nu-wa-an-[da]). 1033 KUB XVIII 21 (CTH 572) Vs. II 1 (mŠu-up-pí-lu-li-u-ma-aš ˹ŠÀ˺ É.NA 4 DINGIRLÌ). 1034 Zur Betrachtung der einzelnen Steinhäuser der Könige und deren Lokalisierung außerhalb des „göttlichen Steinhauses der Väter“ s. IV.3.5. Del Monte 1975: 327 und van den Hout 2002: 83f. und 88 bringen den im kleinen Orakelfragment KUB XXII 18 (CTH 582) 1ˈ belegten ABI D UTUŠI mit dem Ausdruck LÚMEŠ É.NA4 DINGIRLÌ in Z. 4ˈ in Verbindung, und dies wird von beiden als Beleg für ein „göttliches Steinhaus des Vaters meiner Sonne“ angesehen. Dies ist plausibel, falls dieses Fragment zur selben Orakeluntersuchung wie KUB XVI 27+ und KUB XVIII 21 gehören sollte. Ein Zusammenhang oder gemeinsamer Ursprung dieser Orakeltexte lässt sich jedoch nicht nachweisen. Keinerlei Anhaltspunkt findet sich hingegen für ein „göttliches Steinhaus des Vaters meiner Sonne“ in KUB XVI 39+ Vs. II 24. Diese Deutung ist nämlich auf ein Versehen von Otten 1958: 106 und 108f. zurückzuführen, der É. NA4 D UTUŠI ad-da-aš anstelle von É. NA4 DINGIRLÌ ad-da-aš liest (vgl. del Monte 1975: 327). Börker-Klähn 1995: 78 übersetzt z.B. „ É. NA4 der Majestät Väter/Ahnen“ im Pl. (s. auch Sakuma 2007: 602). Das É.NA4 DIZI – „Steinhaus des göttlichen Feuers“ (Börker-Klähn 1994: 358) oder „Mausoleum des Feuergottes“ (Ünal 1992: 500) – ist lediglich im Inventar KUB LII 96 (CTH 243; s. Siegelová 1986: 358f.) Vs. 12 belegt. Ob dieser Ausdruck eine weitere Bezeichnung für das Königsgrab darstellt, muss aufgrund des Fehlens weiterer Belege und Vergleichsmöglichkeiten umstritten bleiben. É.NA4 DIZI könnte auch als É. NA4 DINGIR GIBIL! gelesen werden, d.h. „neues göttliches Steinhaus“. Der Textzusammenhang, der GUZ.ZA-Tücher, deren Lieferung und ihr „Einschlitzen“ betrifft, ist bei der Deutung der Stelle nicht hilfreich. 1032
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„Sohns“ bzw. „Prinzen“ oder der DUMU. MUNUS „Tochter“ bzw. „Prinzessin“.1035 Darüber hinaus lässt sich anmerken, dass die Knochen des Verstorbenen am 2. Tag des Totenrituals laut KUB XXX 15++ Vs. 47 ˹I˺-NA É.NA4-ŠU „in sein/ihr Steinhaus“ zu bringen waren: Dies dürfte für jeden königlichen Toten gegolten haben. Aus dieser Annahme kann gefolgert werden, dass verschiedene Innengemächer für die einzelnen Verstorbenen im Untergeschoss des Hauses bzw. im Steinhaus bei Bedarf geschaffen werden konnten. Jedes Innengemach des Steinhauses enthielt zweifelsfrei ein Bett, auf das die Knochen gelegt wurden, und eine Lampe (s. IV.1.2 §k). 1036 Diesbezüglich stellt sich die Frage, ob das dort ausgebreitete Bett mit jenem gleichzusetzen ist, das vor der Leichenverbrennung im Zelt in einem Innengemach des Hauses für den Leichnam verwendet wurde. 1037 Ein mög-
1035
KUB XXXIX 6 (CTH 450.II.1; s. Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 610625) Rs. 14ff. Zu einer näheren Betrachtung dieses Textes s. IV.3.8. 1036 Vergleiche van den Hout 2002: 86 „At the end of the ritual we may thus expect to find in the Stone House the throne (or stool in the case of a deceased queen) on which the bones had lain when they were brought in after the cremation, the bed on which the bones were laid down, and the gold, silver, and other precious materials that were gradually brought there during the days in which the ritual was conducted.“ Der Autor bezieht sich dabei lediglich auf das „Steinhaus“ und nicht auf das „Innengemach des Steinhauses“. Das Bett und die Lampe stellen jedoch die einzigen Gegenstände dar, die sich im Innengemach befunden haben dürften, während die weiteren Objekte und Materialen im Untergeschoss des Hauses – d.h. im Steinhaus – zu vermuten sind. 1037 Dass der Tote vor der Leichenverbrennung im Zelt liegt, belegt KUB XXX 17 (s. IV.1.1 §b) Vs. 7: nu ak-kán-ta-an GIŠZA. LAM[.GAR-aš …] „und den Toten ins?/im? Zel[t …]“. In KUB XXX 23++ (s. ibid. §e) Rs. III 47 ist Folgendes zu lesen: […Š]A-PAL GIŠZA. LAM.GAR ša-aš-t[a…] „[…u]nter dem Zelt das Bet[t ...]“. In Vs. II 11ˈ-14ˈ desselben Textes ist darüber hinaus belegt, dass der akkant- „Tote/Leichnam“ im Innengemach (É.ŠÀ) auf dem Bett liegt. KUB XXX 23++ lässt sich aufgrund der Anwesenheit der Gottheiten Izzištanu und Mezzulla dem 2. Tag des Totenrituals vor der Leichenverbrennung zuweisen. Daher kann angenommen werden, dass ein Zelt im Innengemach des Hauses aufgeschlagen wurde, um den Toten/Leichnam auf dem Bett zu beherbergen. Vergleiche Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 155ff., die KUB XXX 23++ auch als „Fragment of Day 1 or Day 2“ einordnen: Dies rechtfertigen die Autoren jedoch damit, dass der akkant-/GIDIM dort belegt ist. Im Totenritual šalliš
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liches Szenario sieht so aus, dass die Leiche am Anfang des Rituals auf einem Bett lag, das danach ins Innengemach des Steinhauses verlegt und dort für die Knochen ausgebreitet wurde. Im Zusammenhang mit dem nach der Leichenverbrennung belegten Zelt samt Statue/Ersatzbild des Toten auf einem Thron (oder Stuhl im Fall der Königin) ist nämlich nicht mehr von einem Bett die Rede.1038 Die Vermutung aber, dass es im Untergeschoss des Hauses dutzende (für Könige, Königinnen und Familienmitglieder) in Stein gehauene Innengemächer mit jeweils einem lebensgroßen Bett gegeben haben soll, lässt sich schwerlich stützen. Insbesondere, weil die bisher in Boğazköy durchgeführten archäologischen Untersuchungen noch keinen Hinweis in diese Richtung (und auch sonst in keine andere) zutage gefördert haben. Das Bett muss allerdings nicht unbedingt die Größe einer für einen Menschen/Leichnam bestimmten Liege aufgewiesen haben, denn es war für die in ein Tuch gehüllten Knochen bestimmt. Das Sumerogramm É.ŠÀ (heth. tunnakkeššar) verweist auch nicht zwangsläufig auf lebensgroße Zimmer. Im taknaz dā-Ritual von Tunnawiya KUB LV 45++ (CTH 409.II.Tf01.D)1039 Vs. II 20-22 z.B. wurde ein kleines Innengemach ( É.ŠÀ TUR) in die Grube ( ÉSAG -ni) der Sonnengöttin der Erde hineingegraben, in das Nachbildungen (ḫimmaš) von Betten (GIŠNÁḪI.A) gestellt wurden, um eine Art Schlafzimmer für die Göttin zu schaffen. Auch wenn es sich dabei lediglich um Modelle handelte, lässt sich jedoch vermuten, dass mit É.ŠÀ ebenfalls im Steinhaus eine Art Grube bzw. Innenkammer bezeichnet wurde, die mit einem kleinen Bett ausgestattet war. 1040 Falls dies zutreffen sollte, lässt sich das Bett für die Knochen im Innengemach des
waštaiš taucht akkant-/GIDIM aber auch nach der Leichenverbrennung zur Bezeichnung des Ersatzbildes des Toten auf (dazu s. III.1.2.1). 1038 In KUB XXX 19++ Vs. I 14 ist dort nur einmal am 12. Tag auch ein Tisch (für die Beopferung) des Toten (GIŠBANŠUR akkantaš) belegt (s. IV.1.2 §r). 1039 Miller 2006: 238f.; vgl. Taracha 1990: 172ff. 1040 Singer 2009: 171 Anm. 9 zufolge ist dagegen das Bett der Knochen mit jenem gleichzusetzen, auf dem der König im Ersatzritual KBo XV 2+ (s. IV.3.4) eine Woche lang nächtigte, während der Substitutskönig seine Stelle im Palast einnahm.
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Steinhauses mit dem Bett für den Leichnam im Innengemach des Hauses nicht gleichsetzen. 1041 Zusammenfassend lässt sich also das Steinhaus mit dem unterirdischen Geschoss des Hauses stricto sensu identifizieren. Diese Anlage war mit verschiedenen kleineren in Stein gehauenen Innenkammern – d.h. den einzelnen Steinhäusern der königlichen Verstorbenen – versehen. Die unterirdische Lage solcher Gruben bzw. Beinkammern vermag auch die in diesem Kontext häufige Erwähnung von Lampen erklären, durch welche in Ermangelung von Fenstern der Raum beleuchtet werden musste. Das Untergeschoss des Steinhauses war jedoch auch mit einem oder mehreren gemeinsamen Kammern ausgestattet, in denen u. a. die während des Totenrituals šalliš waštaiš verwendeten Gegenstände und Materialien aufbewahrt wurden. Ein Anhaltspunkt für diese Annahme kann darin bestehen, dass lediglich die Knochen des Verstorbenen INA É.NA4-ŠU „in sein Steinhaus“1042 mitzubringen und auf das im Innengemach ausgebreitete Bett zu
1041
Das Zelt (GIŠZA.LAM.GAR; s. Singer 1983: 100), in dem der Tote auf dem Bett vor der Leichenverbrennung lag und in dem die Statue nach der Leichenverbrennung auf dem Thron saß, dürfte dagegen dasselbe Zelt darstellen, das im Laufe des Totenrituals in verschiedene Räume des Hauses verlegt wurde. Ein Anhaltspunkt dafür ist in dem mehrmals belegten Satz nu apēdani=pat pedi GIŠ ZA.LAM.GAR ḪI. A karū šiyan „Früher war das Zelt gerade an diesem Ort errichtet worden“ zu finden: s. KUB XXX 17 Vs. 3 (1. oder 2. Tag; s. IV.1.1 §b); KUB XXX 24++ Vs. II 13 (8. Tag; s. IV.1.2 §n); HFAC 14 Vs. I [7] und KUB XXXIX 10 Vs. I [7] (10. Tag; s. ibid. §p). Allein daraus lässt sich folgern, dass angegeben werden musste, ob sich das Zelt genau am selben Ort befand wie zuvor. Dies könnte e contrario darauf hindeuten, dass das Zelt in den verschiedenen Phasen des Rituals auch an anderen Orten zu errichten war, wobei diese Frage offenbleiben muss. Es besteht nämlich auch die Möglichkeit, dass mehrere Zelte aufgeschlagen wurden. Ein Anhaltspunkt dafür könnte KUB XXX 19++ Rs. IV 30f. (Nacht zwischen dem 13. und 14. Tag; s. ibid. §t) liefern: GIŠZA. LAM.GAR-ma-kán ku-e É-ri an-da ši-ya-an-da na-a[t ša-raa?] da-an-zi [n]a-at-kán Éḫi-lam-ni an-da tar-na-an-zi „Das Zelt aber, das im Haus aufgeschlagen worden ist, das holt man [herauf?] und stellt es in den Torbau“. Aufgrund der unterschiedlich zu deutenden Aussagen im Text ist keine sichere Schlussfolgerung möglich. 1042 KUB XXX 15++ Vs. 47; vgl. jedoch KBo XXXIX 289 Vs. I 2 (ohne -ŠU).
342
legen waren, 1043 während Gold, Silber und weitere Objekte hingegen schlichtweg vom Haus INA É.NA4 „ins Steinhaus“ überführt wurden. 1044 3.4
Das Ersatzritual KBo XV 2+
Die folgende Textstelle aus dem Ersatzritual KBo XV 2+ (CTH 421.1.A)1045 Rs. anzuführen erscheint lohnenswert, weil dort einigen Autoren zufolge vom Steinhaus die Rede ist: x+1) 2ˈ) 3ˈ) 4ˈ) 5ˈ) 6ˈ) 7ˈ)
˹ša-aš˺-t[a x x ]x-aš-ša […TÚGMA-YA-(LU )] iš-pár-ra-˹an-za nam-ma˺-aš-ši […] na-an-za-an LUGAL-un Ú-UL ku-i[(š-ki ḫal-za-a-˹i˺) …] ku-it-ki nu-uš-ši LÚ1046 a-an-da-a[(š i-wa-ar me-n)a-aḫ-ḫa-an-da? …] pa-ra-a-ma-aš-kán Ú-UL i-ya-[(at-ta-ri ma-an-ka4 ṢI-TUM) …] É-ri kat-ta-an-ta pé-eš-ši-i-[e-ez-zi ?1047 … (na-aš-kán)] mar-ri IGI-an-da1048 Ú-UL ti-[ya-zi ? …]
1049
8ˈ) 9ˈ) 10ˈ)
nam-ma-kán ma-a-˹an˺ URU-ri ku-iš-ki a[(n-da-an ú-iz-z)i] nu-uš-ši kiš-an Ú-[UL] me-ma-an-zi LUG [(AL-wa-kán ku-e-da-ni URU-ri ˹Ú-UL˺) …] LUGAL GIBIL-wa ku-e-d[a-n]i URU-ri nu me-m[(i-iš-kán-zi a-pí-y)a …]
1043
KUB XXX 15++ Vs. 47ff.: … nu-˹kán˺ I-NA É.˹NA4˺ É.[ŠÀ an-da?] (48) [GIŠN]Á iš-pár-ra-an-zi nu-kán ḫa-aš-ta-i IŠ-TU GIŠŠÚ. A ar-˹ḫa˺ d[a-an-zi] (49) [na-a]tša-an GIŠNÁ-aš iš-pár-ra-an-da-aš ti-an-zi „und im Steinhaus breitet man das [Be]tt [im Innen]gemach aus. Man n[immt] die Knochen von dem GIŠŠÚ.AThron weg [und] legt [s]ie auf das ausgebreitete Bett.“ 1044 KUB XXXIX 14++ Rs. III 9; KUB XXX 19++ Vs. I 49, II 32, 38; KUB XXXIX 6 Vs. 4ˈ. 1045 Dupl. KUB XVII 31 (CTH 421.1.D) 4ˈff. Zur Edition von KBo XV 2 s. Kümmel 1967: 50ff. (Text B); zur Transliteration von HHT 78 (als Bo 8033) s. Otten – Rüster 1978: 152. 1046 KUB XVII 31 6ˈ: LÚMEŠ. 1047 Oder pe-eš-ši-y[a-az-zi ?; s. Kümmel 1967: 60; CHD L-N 185b. 1048 KUB XVII 31 8ˈ: A-NA ṢI-TI me-na-aḫ-ḫa-an-da. 1049 Kein Paragraphenstrich in KUB XVII 31.
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11ˈ) 12ˈ) 13ˈ) 14ˈ) 15ˈ) 16ˈ) 17ˈ) 18ˈ) 19ˈ)
nam-ma LUGAL-uš UD-at UD-at ka-ru-ú-wa-[(ri-w)a-ar1050 …?]1051 AN-aš D UTU-i *ge*-nu-uš-ša-re-eš-ke-ez-z[i …?] 1052 nu A-NA D UTU ANE IGI-an-da kiš-an1053 [(m)e-ma-i] D UTU ANE EN- YA ku-it i-ya-nu-u[(n1054 nu-mu-kán GIŠG)U.ZA] [a]r-ḫa da-at-ten ˹na˺-[(at)] ˹ta1055-me-e˺-d[(a-ni pé-eš-˹ten˺ na-at x) …] [am-mu]-˹uk˺-ma-kán GIDIMḪI. A-aš an-da ú-[(e-ri-ya-at-ten nu-zakán ˹ka˺)-a-ša] [GIDIMḪ]I.A-aš an-da nu-kán A-NA D UTU AN [(EN-YA u-wa-aḫ-ḫa)at] [nu-m]u-kán am-me-el A-NA D 1056ŠI-IM-T[(I-YA A-NA DINGIRMEŠ ŠA ŠAME)-E] [an-d]a? tar-ni nu-mu-kán GIDIMḪI. A1057-aš iš-[(tar-na ar-ḫa) …]
(x+1) Bet[t … Be]tt[tuch] (2ˈ) ausgebreitet; ferner ihm […] (3ˈ) und ihn nennt niemand „König“ […] (4ˈ) etwas und ihm wie einem Ebenbürtigen1058 geg[enüber? …] (5ˈ) Hinaus aber geht er keineswegs, Ausgang1059 […] (6ˈ) im Haus wir[ft er] hinunter […] und er (7ˈ) tri[tt] dem Ausgang1060 nicht gegenüber […] / (8ˈ) Daraufhin: Wenn jemand in die Stadt hereinkomm[t], (9ˈ) sagt man ihm Folgendes ni[cht]: „In welcher Stadt (ist) der (wahre) König?“, [so] nicht […], (10ˈ) (sondern) „In welcher Stadt (ist) der neue König?“ – so sagt man jeweils – „Dor[t ist der König!].“ (11ˈf.) Ferner kniet der König Tag für Tag in der Frühe vor dem
1050
Siehe KBo XV 2+ Rs. 31ˈ: [ka-r]u-ú-wa-ri-wa-ar. Vergleiche KUB XVII 31 12ˈ: ḫu-u-da-ak I-NA UD VIIKAM[. 1052 Vergleiche ibid. 13ˈ: ki-nu-uš-ša-ri-ya-an-za ar-[ta-ri ?; s. auch KBo XV 9 (CTH 421.4.B) Vs. II 3ˈ ˹ge-nu˺-uš-ša-re-e[z-zi ?. 1053 KUB XVII 31 14ˈ: me-na-aḫ-ḫa-an-da ki-iš-ša-an. 1054 Ibid. 15ˈ: ku-it-wa DÙ-nu-un. 1055 Zeichen DA in ibid. 16ˈ. 1056 Kein Gottesdeterminativ in ibid. 19ˈ. 1057 Keine Pluralmarkierung in ibid. 20ˈ. 1058 Zu (LÚ)ānt- „equal“ und dessen Verbindung mit dem luwischen hapax ayawala- s. Goedegebuure 2002: 61ff. 1059 Zur ungewöhnlichen Stellung von manka nach dem Verb s. CHD L-N 175b. 1060 So auch Kümmel 1967: 60 und 90; zur Deutung ṣētu „Light“ s. CHD L-N 185b. 1051
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Sonnengott des Himmels nieder1061 […?] (13ˈ) und dem Sonnengott des Himmels gegenüber sp[richt er] folgendermaßen: (14ˈf.) „Sonnengott des Himmels, mein Herr! Was habe ich getan? Mir habt ihr den Th[ron w]eggenommen und ihn einem anderen gegeben und ihn […] (16ˈ) [Mi]ch aber habt ihr zu den Toten gerufen und dies[bezüglich] (17ˈ) (bin ich) bei den [Tote]n. Zu dem Sonnengott des Himmels, meinem Herrn, [bin i]ch gekommen: (18ˈf.) Lass [m]ich zu meinem Schicksal1062 zu den Gottheiten des Himmel[s ei]n, und [lass] mich aus den Toten heraus!“1063
Das Ersatzritual KBo XV 2+ war für den Fall eines unheilvollen Omens für den König vorgesehen. Eine Holzfigur für die Gottheiten der Unterwelt und ein lebendiger Mensch für die oberirdischen Gottheiten wurden als Substitute des Königs dabei verwendet. Die oben zitierte Textstelle setzt ein, nachdem der Ersatzkönig im Palast Wohnung genommen hat und der wahre König aus seiner Residenz verbannt worden ist. Der erste Abschnitt ist nur fragmentarisch erhalten, wahrscheinlich wurde aber dort beschrieben, wo und wie sich der wahre König verstecken sollte.1064 Dem Anfang des zweiten Absatzes lässt sich entnehmen, dass das Substitut als der einzige legitime König zu gelten hatte, während es über den früheren, wahren Königs nicht mehr zu sprechen war, als ob er tot wäre. Ausschließlich unter diesem Gesichtspunkt lässt sich das darauffolgende Gebet des Königs an den Sonnengott des Himmels verstehen. Durch ein unheilvolles Omen hatten die Gottheiten nämlich den König „zu den Toten gerufen“, d.h. ihm war ein naher Tod vorausbestimmt worden. Demzufolge musste ein Substitutskönig gefunden werden, um an seiner Stelle zu sterben. Inzwischen war der wahre, untergetauchte König jedoch für alle wie tot, d.h. er konnte sein Schicksal nicht erfüllen bzw. seine Herrschaft im Diesseits nicht ausüben. Er betete dementsprechend nicht dafür, dass 1061
Vergleiche KUB XVII 31 12ˈf.: „Schon am 7. Tag […] (13ˈ) liegt er auf den Knien [ “. 1062 Ibid. ohne Gottesdeterminativ. Kümmel 1967: 90 zufolge ist eine Vergöttlichung des Schicksals recht fraglich. Dass es sich dabei nicht um das göttliche Geschick des Königs handelte, zeigen z.B. Ausdrücke wie (D)UD.SIG5 „günstiger Tag“, UDKAM AMA / annaš UD-az „Tag der Mutter“ und U4-UM ŠIMTI „Tag des Geschicks“, die den Todestag des Königs auch ohne Gottesdeterminativ bezeichneten. 1063 Übersetzung von Kümmel 1967: 61-63 mit Abweichungen. 1064 Siehe Rs. 5ˈ: „Hinaus aber geht er keineswegs“.
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ihm – als einzigem im Gegensatz zu den gewöhnlichen Verstorbenen, die in die Unterwelt hinab müssen – der Weg in den Götterhimmel offen blieb.1065 Vielmehr war das Ziel seines Gebetes, wieder in die Königswürde aufgenommen zu werden, in der er im Laufe seiner Königsherrschaft bei Ritualen, Festen, Feldzügen und sogar Vertragsabschlüssen stets von den himmlischen Gottheiten begleitet wurde und mit ihnen in Wechselwirkung stand. 1066 Darüber hinaus lässt sich anmerken, dass sich im Text keinerlei Hinweise auf räumliche Bezüge finden. Dass der König „bei den Toten“ war, verweist nicht zwangsläufig auf eine Grabkammer bzw. sein Steinhaus.1067 Insbesondere laut KBo XV 2+ Rs. 11ˈ-13ˈ sprach der König vor dem Sonnengott des Himmels: Dies kann darauf hindeuten, dass er sich außerhalb eines Hauses befand. Hier stellt sich die Frage, welcher Ort sich für Verbannung und Verbergen des Königs mit dem Status eines Toten eher anbieten würde als das Steinhaus. Wenn das Ersatzritual Tudḫaliyas CTH 448.4 wirklich im Steinhaus stattgefunden haben sollte (s. IV.4), dürfte auch das in KBo XV 2+ beschriebene Ritual dort ausgeführt worden sein, Anhaltspunkte dafür gibt es im Text selbst jedoch nicht. 3.5
ḫekur Pirwa, É.NA4 DINGIRLÌ mTudḫaliyaš und É.NA4 (DINGIRLÌ) addaš in der Orakelanfrage KUB XVI 39+ NA4
Im Folgenden soll gezeigt werden, dass es in Ḫattuša mehrere Institutionen gegeben hat, deren Aufgabenfeld der Totenkult darstelle. Dieser Vermutung liegt die Annahme zugrunde, dass in der Regierungszeit Ḫattušilis III. neue Bestattungssitten für die Könige eingeführt wurden. Das alte Steinhaus, in dem alle hethitischen Könige, Königinnen und Mitglieder der königlichen Familie bis ausschließlich Muwattalli II. ihre Ruhe fanden, verlor seine Funktion als Grabstätte für die neuen Könige, die sich 1065
So Otten 1958: 113; Kümmel 1967: 92; Taracha 2000: 193; van den Hout 1994: 46; id. 2002: 80 Anm. 42. 1066 Vergleiche van den Hout 1994: 46 „By temporarily stepping down the king has become a mere mortal and already feels himself surrounded by the manes and begs to be admitted to kingship again, which promises him a place among the gods after death.“ 1067 So Haas 1994: 210 und Anm. 177; id. 2003a: 544; Singer 2009: 171.
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stattdessen jeder ein eigenes Steinhaus bauen ließen. Im alten Steinhaus wurde jedoch der gemeinsame Totenkult der königlichen Vorfahren aufrechterhalten, während für die neuen Könige Einzelkulte eingerichtet wurden. Darüber hinaus spielte auch die ḫekur-Felsanlage bei der Verehrung der Toten eine Rolle, indem sie – bzw. nur ein Teil davon – als Gedenkstätte für den Verstorbenen fungierte. Anhaltspunkte dafür finden sich im folgenden Orakeltext KUB XVI 39 + KUB XXII 11 (+) KUB XVI 27 + KBo LVIII 90 (CTH 574.4): 1068 Vs. I (KUB XVI 27 + KBo LVIII 90 (+) KUB XXII 11) 1) [ma-a]-an DUTUŠI ku-it MUNUS. LUGAL mar-˹ša˺-aš-˹tar-ri˺-iš a-riy[a-še-eš-na-za SI×SÁ-at] 2) [n]a-at ku-e-ez im-ma ku-e-ez mar-ša-nu-wa-an-[te-eš e-še-er …?1069] 3) ma-a-an-ma LÚMEŠ É ḫé-kur Pí-ir-wa D UTUŠI MUNUS.LUGAL [Ú -UL ku-it-ki]1070 4) mar-ša-nu-an ḫar-kán-zi nu SUMEŠ SIG5-r[u] IŠ[-TU …] 5) 6) 7) 8) 9)
nu LÚMEŠ É.NA4 DINGIRLÌ pu-nu-uš-šu-u-en n[u me-mi-ir …?] ŠA É.GAL < URU>Šu-lu-pa-aš-ši-ya-aš Ù Š[A …] NINDA KAŠ pé-e ḫar-kán-zi GIM-an-m[a-wa …] nu BAL-an GU7-na pé-eš-kán-z[i …] a-ši mar-ša-aš-tar-ri-in ˹i˺-š[i-ya-aḫ-ḫe-er? …]
10) ma-a-an A-NA D UTUŠI MUNUS.˹ LUGAL˺ […] 11)1071 nam-ma-ma DINGIRMEŠ ta-ma-˹i˺(-)[…]
1068
Zur Edition von KUB XVI 39 ohne Joins s. Otten 1958: 108-111 (Vs. II 139); del Monte 1975: 330-334 (Vs. II 1-45). Zu KUB XVI 27 s. ibid. 334f. (Zz. 1-13); van den Hout 2002: 83f. (Zz. 1-5) mit dem Vorschlag eines indirekten Joins zu KUB XVI 27 (+) KUB XVI 39. Zu KUB XXII 11 + KUB XVI 39 s. Sakuma 2007: 600ff. Zur Transliteration von KBo LVIII 90 (Join von Sakuma) s. Groddek 2012b: 59f. Zu einer weiteren Edition von KUB XVI 39+ (ohne KBo LVIII 90 und die erste Kolumne von KUB XXII 11) s. Tognon 2005: 106-117. 1069 Siehe die weitere nicht zwingende Ergänzung von del Monte 1975: 334 na-at GAM-an ar-ḫa GAR-ru „ciò stia al di fuori (della domanda)“. 1070 Vergleiche del Monte 1975: 334 [Ú-UL nam-ma ku-e-ez-qa]. 1071 Hier wird KUB XXII 11(+) Vs. I x+1 indirekt gejoint; s. Sakuma 2007: 602f.
347
12)
uš-ket9-te-ni nu IGI-iš [MUŠEN ḪUR-RI IGI-iš SIG5] EGIR N[ U.SIG5] 1072
13)
[IRTU4] QA-TAM -MA-pát nu SU[MEŠ …]
SIG5-ru EGIR -ma NU.SIG5-du
14)1073 [… š]a?-ma maš1074-kán šu-x1075[…]x-la-an-da-za 15) [… k]u-e-ez-ka4 ˹Ú˺-[UL …]1076 16) 17) 18) 19) 20) 21) 22) 23)
[…] ˹É˺. NA4 DINGIRL[Ì …] […]x-la-aš KASKAL-a[š!1077 …] [… -a]š-ma-wa ˹x˺[…] [… z]i-l[a?-aš? … -z]i […]x[…] 1078 [… aš-š]a-nu-um-me-ni […] [… EGI]R SIG51079
Vs. II (KUB XVI 39 + KUB XXII 11) 1) [A-NA1080 D UTUŠI k]u-it MUNUS. LUGAL mar-ša-aš-tar-ri-iš ˹a˺-r[iya-še-eš-na-za SI×SÁ-at] 2) [na-at ku-e-ez] im-ma ku-e-ez mar-ša-nu-an-te-eš e[-še-er …?] 3) ˹LÚMEŠ É. NA4˺ DINGIRLÌ mTu-ud-ḫa-li-ya me-mi-ir LÚMEŠ É.GALL[Ì-wa …?]
1072
Hier ist aufgrund der geringen Wahrscheinlichkeit eines Zeilenendes mit EGIR anzumerken, dass die in Vs. I 11 sichtbaren Zeichenspuren die Weiterführung von Vs. I 12 darstellen (s. z.B. Vs. I 14); vgl. Vs. I 11 bei Sakuma 2007: 602 ] x. Zu vergleichbaren Zz. s. Vs. II 8 und 26. 1073 Hier wird KBo LVIII 90+ x+1 gejoint; s. Groddek 2012b: 59f. 1074 Vergleiche ibid. 60: -š]a-ma-aš!?-kán. 1075 Vergleiche Sakuma 2007: 603 K[Ù?. Auf dem Foto ist jedoch ersichtlich, dass der zweite senkrechte Keil nicht gebrochen ist. 1076 Hier bricht KUB XVI 27 ab. 1077 Groddek 2012b: 60 Anm. 297 zufolge entweder das Zeichen ŠA oder AN. 1078 Hier bricht KBo LVIII 90+ ab. 1079 Hier bricht KUB XXII 11(+) Vs. I ab. 1080 Vergleiche Otten 1958: 108 [ma-a-an DUTUŠI k]u-it (s. Vs. I 1). Siehe aber Vs. II 18.
348
4) 5) 6) 7) 8) 9) 10)
da-a-ḫi-ya-aš-wa IŠ-TU GU4 UDU NINDA KAŠ A-NA mTuud-ḫa-li-[ya pé-eš-kán-zi] nam-ma-wa GAM BAL-an NINDA KAŠ UZU-ya GU7-kán-zi na-at karu-ú še-˹ek˺-k[u-e-ni] na-at GAM-an ar-ḫa GAR-ru ma-a-an-ma LÚMEŠ É. NA4 DINGIRLÌ mTu-ud-ḫa-li-ya D UTUŠI MUNUS . LUGAL Ú- UL nam-ma ku-e-ez-ka4 mar-ša-nu-an ḫar-kán-zi nu IGI-iš MUŠEN ḪUR-RI SIG5 EGIR-ma NU.SIG5 IGI-iš SIG5 EGIR-ma NU.SIG5 A-NA EZEN4
IRTU4 QA-TAM -MA-pát nu SU˹MEŠ˺ SIG5-ru ni ši
zi.-iš-kán tu-ul-li-ti GAR-ri XII ŠÀTIR SIG5
ki en-tíš GÙB-aš {Ras.}
11)1081 ˹ma˺-[a-a]n-kán1082 zi-ik mTu-ud-ḫa-liš ŠÀ É. NA4 DINGIRLÌ IŠ-TU GU4 UDU wa-aš-d[u-l]a-wa-an-da-za 12) Ú-U[L ku]-˹e˺-ez-ka4 mar-ša-nu-an-za nu SUMEŠ SIG5-ru VIII ŠÀTIR NU.[SI]G5 13) GU4-wa UD[ U k]u-in-na ku-e-ez-zi na-an-né-eš-kir še-ek-ku-e-nima[?] 14) Ú-UL ku-˹it˺-ki a-ri-ya-u-en tu-uk-kán A-NA DINGIRLÌ UZU GU4 UZ[ U UDU] 15) KA× U-za pa-˹ra˺-a da-an-zi nu-uš-ma-aš pár-ku-nu-an-zi nu GU4 IŠ-TU [GU4] šar-ni-in-kán-zi 16) UDU-ma IŠ-TU ˹ UDU˺ šar-ni-in-kán-zi ma-a-an-ma tu-uk ˹A˺-[N] A DINGIRLÌ ˹ZI-an˺ [wa-a]r-˹ša-nu-mi-ni˺ 17) nu IGI-iš MUŠEN ḪUR-˹RI˺ SIG5-ru EGIR -ma NU.SIG5-du IGI-iš SIG5 ˹EGIR NU.SIG5˺ Leeres Fach 18) 19) 20)
1081 1082
ku-[i]t ˹MUNUS.LUGAL˺ mar-˹ša-aš-tar-ri˺-iš a-ri-yaše-eš-˹na˺-[z]a [SI×SÁ-a]t na-at ku-e-ez [i]m- ku-e-ez! mar-ša-nu-an-te-eš {Ras.} [eše-e]r? e-ni-ya ˹ku-it˺ LÚMEŠ É. NA4 DINGIRLÌ ad-da- me-mi-ir A-NA D UTUŠI
Hier wird KUB XXII 11(+) Vs. II x+1 gejoint; s. Sakuma 2007: 601f. Vergleiche Tognon 2005: 108 ku-i[t ]-kán.
349
21) 22) 23) 24) 25) 26) 27) 28) 29) 30) 31) 32) 33) 34) 35) 36) 37) 38) 39) 40)
1083
˹É˺.[GALLÌ-w]a A-NA EZEN4 da-a-ḫi-ya-aš IŠ-TU GU4 UDU ˹NINDA˺ [KA]Š ˹A˺1083-[NA DINGIRMEŠ1084 a]d-da- pé-eš-kán-zi nam-ma-wa GAM BAL-an NINDA KAŠ UZU-ya [GU7-kán-zi n]a-at ka-ru-ú še-ek-ku-e-ni na-at GAM ar-ḫa GAR-ru [ma-a-an-ma LÚMEŠ É]. NA4 DINGIRLÌ ad-da-aš DUTUŠI MUNUS .LUGAL [nam-ma Ú-U]L ku-e-ez-ka4 mar-ša-nu-wa-an ḫar-kán-zi [nu IGI-iš MUŠEN ḪUR -RI SI]G5-ru EGIR-ma NU.SIG5-du IGI-iš SIG5 EGIR NU.SIG5 LÚMEŠ
[IRTU4 QA-TAM -MA-p]át {Ras.} nu GÙB-aš […] zi GAR-ri XII ŠÀTIR SIG5
SUMEŠ
[ma-a-an-kán š]u-me-eš DINGIR MEŠ ŠA É.NA4 DINGIRLÌ ad-da-aš {Ras.} [IŠ-TU GU4 UDU wa-aš-d]u-la-wa-an-da-za ŠÀ É.NA4 DINGIRLÌ adda-aš [Ú-UL nam-ma ku-e-ez-ka4] mar-ša-nu-wa-an-te-eš nu IGI-iš MUŠEN ḪUR -RI SIG5-ru [EGIR-ma NU].SIG5-du ˹IGI-iš˺ NU.SIG5 EGIR SIG5 [nu LÚMEŠ É. NA]4 DINGIRLÌ pu-nu-[uš]-šu-u-en nu me-mi-ir GU4 ŠEwa ku-in UDU ŠE-ya [ku-in ku-e-a]z na-an-n[é-e]š-ker nu-wa LÚMEŠ ÙMMEDA Ú-UL kaa [e-še-er?] ˹Ú˺-UL ku-it-k[i š]e-˹ek˺-ku-e-ni a-ri-ya-u-en pa-a-an-zikán [šu-me-eš A-NA DINGIR MEŠ] UZU GU4 UZU U[DU K]A× U-za pa-ra-a da-an-zi [nu-uš-ma-aš pár-ku-n]u-wa-an-zi [nu GU]4 ˹IŠ˺-TU GU4 šar-ni-inkán-zi [UDU IŠ-TU UDU š]ar-ni-i[n-ká]n-˹zi˺ ma-a-an-ma šu-me-eš DINGIRMEŠ ZI -an [wa-ar-ša-nu-mi-n]i nu SU˹MEŠ˺ S[IG5-ru ? k]a-ru-ú DAB-an ŠÀTIR ada-ni-˹ti-ya˺-an {Ras.} […]nu? x [x x x -a]r-ti-iš-it
Hier bricht KUB XXII 11(+) Vs. II ab. Vergleiche Otten 1958: 108 [... D UTUŠI a]d-da!.
1084
350
{Ras.} SIG5-ru ni ši en-tíš
41) 42) 43) 44) 45)
[nu šu-me-eš A-NA DINGIR]MEŠ U[ZU GU4 UZ]U [U]DU KA× U-za para-a da-an-zi [nu-uš-ma-aš pár-ku-nu-an-z]i n[u GU4] IŠ-TU GU4 šar-ni-in-kán-zi UDU-˹ma?˺ IŠ-TU UDU [šar-ni-in-kán-z]i L[ÚMEŠ] ˹ É˺. NA4-ya IŠ-TU NINDA KAŠ za-an-ki-laan-˹zi˺ […] ma-a-˹an-ma˺ A-NA DINGIRMEŠ ZI-an wa-ar-˹ša˺-nu-mi-ni [nu IGI-iš MUŠEN ḪUR-RI SIG5-ru] EG[IR-ma N]U.SIG5-du IGI-iš SIG5 EGIR ˹NU.SIG5˺
Leeres Fach 46) 47) 48) 49)
[A-NA D UTUŠI ku-it MUNUS.LUGAL mar-ša-aš-tar-ri-iš a-ri-ya-š]e˹eš˺-na-za SI×SÁ-˹at˺ [… na-a]t ˹GAM˺-an ar-˹ḫa˺ GAR-ri [… p]í-ya-aš […]x-ru
50) 51)
[…] […]x ZA [… ŠÀ]TIR SIG5
52) 53) 54) 55) 56)
[…]-ta pí-ya-aš [… G]U4 ku-e-ez-ka4 […] […] x x […]x-ez [… ŠÀTI]R? SI[G5 …]
Leeres Fach 57) 58) 59) 60) 61)
[A-NA D UTUŠI ku-it MUNUS.LUGAL mar-ša-aš-tar-ri-iš a-r]i-ya-šeeš-na-za SI×SÁ-[at] […mar-ša-nu-an?]-te-eš na-at GAM-an ˹ar˺-[ḫa GAR-ri] [… UR]U?Ku-uš-ša-ri-ya-aš [… -z]i nu IGI-iš MUŠEN ḪUR-RI ˹SIG5˺-r[u] […]x NU.SIG5-du
Leeres Fach
351
Rs. III (KUB XVI 39) 1) 2) 3) 4) 5)
[A-NA D UTUŠI ku-it MUNUS. LUGAL mar-ša-aš-tar-ri-iš a-ri-y]a-˹še˺eš-na-za ˹SI×SÁ˺-a[t] [… na-a]t GAM-an ˹ar-ḫa GAR-ri˺ […]-ar-na [… nu I]GI-˹iš˺ MUŠEN ḪUR-RI SIG5-ru [EGIR-ma NU.SIG5-du? IGI-iš SIG5? EGIR NU.SIG5?]
Leeres Fach 6) 7) 8) 9) 10) 11)
[A-NA D UTUŠI ku-it MUNUS. LUGAL mar-š]a-aš-tar-ri-iš a-ri-ya-šeeš-n[a-za SI×SÁ-at] […] ˹mar-ša˺-nu-an-te-eš […]˹x˺ DUTUŠI MUNUS. LUGAL [… k]u-e-ez-ka4 [… nu IGI-iš MUŠEN ḪUR -RI S]IG5-ru [EGIR-ma NU.SIG5-du? IGI-iš SIG5? EGIR NU?].SIG5
Leeres Fach 12) 13) 14) 15) 16) 17)
[A-NA D UTUŠI ku-it MUNUS. LUGAL mar-ša-aš-tar-ri-iš a-ri-ya-š]eeš-na-za SI×SÁ-at [… mar-ša-nu-an-te]-eš […DUTUŠI MUNUS .LU]GAL [… ku]-˹e˺-ez-ka4 [… nu IGI-iš MUŠEN ḪUR -RI SI]G5-ru [EGIR-ma NU.SIG5-du? IGI-iš SIG5? EGIR NU?.SI]G5
Leer bis Ende der Kol. Vs. I §1 (1) Was das betrifft, wenn eine Entweihung (für) meine Sonne (und für) die Königin [durch] Orak[el festgestellt wurde], (2) durch was auch immer [sie] entwei[ht worden sind …?], (3) wenn aber die Menschen des ḫekur-Felsheiligtums von Pirwa meine Sonne (und) die Königin [keineswegs] (4) entweiht haben, sol[len] die Fleischvorzeichen günstig se[in]: Du[rch …] /
352
§2 (5) Wir haben die Menschen des göttlichen Steinhauses befragt, u[nd sie haben gesagt: „…?] (6) vom Palast der Stadt Šulupašši1085 und v[on …], (7) bringt man Brot (und) Bier dar. Wenn ab[er …], (8) gib[t] man immer wieder das Opfer zu essen.“ [Wenn die Gottheiten] (9) die erwähnte Entweihung an[gekündigt haben, sollen die Fleischvorzeichen …]. / §3 (10) Wenn für meine Sonne (und) die Königin […], (11) ferner aber ihr, o Gottheiten, ein anderes […] (12) beobachtet, [soll] der erste [ḪURRIVogel günstig sein; der letzte aber soll ungünstig sein. Der erste: günstig;] der letzte u[ngünstig]. / §4 (13) [Die Orakelanfrage] eben auf die gleiche Weise, und die Fleischvorzeich[en …]. // §5 (14) […] aber ? die Versöhnungsgabe ? […] ? (15) […] durch [w]as ni[cht …] / §6 (16) […] göttliche[s] Steinhaus […] (17) […] ? [der?] Weg […] (18) […] ,[e]r?/[s]ie? aber? […] (19) [… der O]rak[elbescheid ? …] (20) […] (21) […wir be]sorgen (22) […] (23) [… der letz]te: günstig. / Vs. II §7 (1) [Was das betri]fft, dass eine Entweihung [für meine Sonne] (und) für die Königin [durch] Orak[el festgestellt wurde], (2) [durch was] auch immer [sie] entweiht w[orden sind …?], (3) (so) haben die Menschen des göttlichen Steinhauses von Tudḫaliya gesprochen: „Die Palas[t]angestellten […?] (4) [geben wie üblich] zum daḫi-Fest von den Rindern, Schafen, Brot (und) Bier an Tudḫali[ya]; (5) dann verzehrt man oft das unten?1086 geopferte Brot, Bier und Fleisch.ʻ Das wi[ssen wir] schon. (6) Dies soll (von der Orakeluntersuchung) ausgeschlossen sein. Wenn aber die Menschen des göttlichen Steinhauses von Tudḫaliya (7) meine Sonne (und) die Königin, nicht ferner durch etwas Anderes entweiht haben, (8) (soll) der erste ḪURRI-Vogel günstig (sein), der letzte aber (soll) ungünstig (sein). Der erste: günstig; der letzte aber: ungünstig. /
1085
Zu der Stadt Šulupašši und ihrem Palast s. del Monte – Tischler 1978: 364366; del Monte 1992: 148. 1086 GAM bzw. heth. katta/kattan „unten“ kann in späten hethitischen Texten auch mit „dabei, später, zugleich, entsprechend“ übersetzt werden (s. HED IV 125ff.; HH 83f., 250). Nichtsdestotrotz erscheint hier die wörtliche Übersetzung „unten“ verlockend, weil dies als Bezug auf das als Steinhaus zu identifizierende unterirdische Geschoss des im Totenritual šalliš waštaiš als Haus bezeichneten Bestattungsbaus verstanden werden kann (vgl. CHD Š 394a „thereby“).
353
§8 (9) Die Orakelanfrage auf eben dieselbe Weise. Die Fleischvorzeichen sollen günstig sein: nipašuri, šintaḫiš, keldi, entiš links. (10) zizaḫiš ist auf? tulliti gelegt. Zwölf Darmwindungen: günstig. // §9 (11) We[n]n du, Tudḫaliya, im Inneren des göttlichen Steinhauses durch die Sü[n]de mit Rind (und) Schaf, (12) nich[t] durch [et]was Anderes entweiht worden bist, sollen die Fleischvorzeichen günstig sein. Acht Darmwindungen: un[gün]stig. (13) „[W]elches Rind? Und [w]elches Schaf? Woher hat man (sie) getrieben?“ (Darüber) aber wissen wir [?] (14f.) nichts. Wir haben (das) durch Orakel ermittelt: Dir, o Gott, werden sie das Fleisch von Rind (und) [Schaf] vom Mund wegnehmen; sie werden sich entsühnen, und Rind werden sie durch [Rind] ersetzen, (16) Schaf aber werden sie durch Schaf ersetzen. Wenn wir aber dir, o Gott, die Seele (damit) [besän]ftigen, (17) soll der erste ḪURRI-Vogel günstig sein, der letzte aber soll ungünstig sein. Der erste: günstig. Der letzte: ungünstig. / Leeres Fach / §10 (18) Was das betrifft, dass eine Entweihung für meine Sonne (und) für die Königin durch Orakel [festgestellt wurd]e, (19) durch was auch immer sie entweiht [worden sin]d, (20) und was jenes betrifft, dass die Menschen des göttlichen Steinhauses der Väter gesagt haben: (21ff.) „Die Pa[last]angestellten geben wie üblich zum daḫi-Fest von den Rindern, Schafen, Brot (und) [Bie]r a[n die Gottheiten bzw. die V]äter; dann [verzehrt man oft] das unten ?1087 geopferte Brot, Bier und Fleisch.“ Das wissen wir schon. Dies soll (von der Orakeluntersuchung) ausgeschlossen sein. (24) [Wenn aber die Menschen des] göttlichen Stein[hauses] der Väter meine Sonne (und) die Königin, (25) [ferner nich]t durch etwas Anderes entweiht haben, (26) soll [der erste ḪURRI-Vogel günst]ig sein, der letzte aber soll ungünstig sein. Der erste: günstig. Der letzte: ungünstig. / §11 (27) [Die Orakeluntersuchung auf eb]en [dieselbe Weise]. Die Fleischvorzeichen sollen günstig sein. nipašuri, šintaḫi, entiš links. (28) […] zizaḫiš ist gelegt; zwölf Darmwindungen: günstig. // §12 (29) [Wenn i]hr, o Gottheiten des göttlichen Steinhauses der Väter, (30) durch die [Sün]de [mit Rind (und) Schaf] im Inneren des göttlichen Steinhauses der Väter, (31) [nicht ferner durch etwas Anderes] entweiht worden seid, soll der erste ḪURRI-Vogel günstig sein, (32) [der letzte aber] soll [un]günstig sein. Der erste: ungünstig; der letzte: günstig./ §13 (33ff.) Wir haben [die Menschen] des göttlichen [Steinhause]s bef[ra]gt, und sie haben gesagt: „Welches fette Rind? Und [welches] fette Schaf? [Wohe]r haben sie (sie) get[rie]ben? Die Wärter [waren] nicht hier.“ (Dementsprechend) [w]issen wir nicht[s] (darüber). Wir haben (das) durch Orakel ermittelt: In Kürze (36) werden sie [euch, o Gotthei1087
354
Siehe die vorige Anm.
ten,] das Fleisch vom Rind (und) das Fleisch vom Sc[haf] vom [M]und wegnehmen, (37) sie werden [sich entsü]hnen, [und Rin]d werden sie durch Rind ersetzen, (38) [Schaf] werden sie [durch Schaf er]se[tz]en. Wenn wir aber euch, o Gottheiten, die Seele (39) (damit) [besänftig]en, [sollen] die Fleischvorzeichen g[ünstig sein. ? ist s]chon gefasst; die Darmwindungen adani1088 (40) […] / §14 (41) [Euch, o Gottheit]en, werden sie das Fl[eisch vom Rind (und) das Flei]sch vom [Sc]haf vom Mund wegnehmen, (42) [sie werden sich entsühne]n, u[nd Rind] durch Rind werden sie ersetzen, Schaf aber durch Schaf (43) [werden sie ersetze]n. Man wird auch den Men[schen] des Steinhauses eine Buße durch Brot (und) Bier auferlegen. (44) […] Wenn wir aber euch, o Gottheiten, die Seele (damit) besänftigen, (45) [soll der erste ḪURRI-Vogel günstig sein], der let[zte aber soll u]ngünstig sein. Der erste: günstig; der letzte: ungünstig. / Leeres Fach / §15 (46) [Was das betrifft, dass eine Entweihung für meine Sonne (und) für die Königin] durch [Orak]el festgestellt wurde, (47) [… Di]es ist (von der Orakeluntersuchung) ausgeschlossen. (48) […] du hast [ge]schickt, (49) soll? […] / §16 (50) […] (51) [… Darm]windungen: günstig. // §17 (52) […] du hast geschickt (53) [… Ri]nd durch etwas (54) […] (55) […] (56) [… Darmwindung]en ?: gün[stig …] / Leeres Fach / §18 (57) [Was das betrifft, dass eine Entweihung für meine Sonne (und) für die Königin] durch [Or]akel festgestellt [wurde], (58) [… sie sind entweiht wor]den. Dies [ist] (von der Orakeluntersuchung) aus[geschlossen]. (59) […] und? er? in Kuššara?1089 (60) […] Der erste ḪURRI-Vogel s[oll] günstig se[in] (61) […] soll ungünstig sein. / Leeres Fach / Rs. III §19 (1) [Was das betrifft, dass eine Entweihung für meine Sonne (und) für die Königin] durch [Orak]el festgestellt wur[de], (2) [… Di]es ist (von der Orakeluntersuchung) ausgeschlossen. (3) […] (4) [… der er]ste ḪURRIVogel soll günstig sein, (5) [der letzte aber soll ungünstig? sein. Der erste: günstig?; der letzte: ungünstig?.]1090 // Leeres Fach / 1088
Zum hurr. Terminus adani s. HW2 I 569f. Aufgrund des fragmentarischen Zusammenhangs ist die Erwähnung der Stadt Kuššara nicht zweifelsfrei sicher; zu Kuššara s. del Monte – Tischler 1978: 230; Ünal 1980-83: 379-382; del Monte 1992: 87f. 1090 Der Abschnitt über diesen Teil der Orakeluntersuchung endet hier. Folglich ist anzunehmen, dass sich die Ergebnisse als positiv erwiesen und die einschlägige Frage nicht weiterverfolgt wurde. 1089
355
§20 (6) [Was das betrifft, dass eine Ent]weihung [für meine Sonne (und) für die Königin durch] Orakel [festgestellt wurde], (7) […] sie sind entweiht worden (8) […] meine Sonne (und) die Königin (9) […] durch [w]as (10) [… Der erste ḪURRI-Vogel] soll [gü]nstig sein, (11) [der letzte aber soll ungünstig sein. Der erste: günstig; der letzte: un]günstig. 1091 // Leeres Fach / §21 (12) [Was das betrifft, dass eine Entweihung für meine Sonne (und) für die Königin] durch [Orak]el festgestellt wurde, (13) [… sie sind entweiht word]en (14) [… meine Sonne (und) die Kö]nig[in] (15) […] durch w[as] (16) [… Der erste ḪURRI-Vogel] soll [gü]nstig sein, (17) [der letzte aber soll ungünstig sein. Der erste: günstig; der letzte: ungüns]tig. 1092 /
Diese Orakelanfrage1093 wurde aufgrund einer festgestellten Entweihung des Königs und der Königin durchgeführt. Den erhaltenen Teilen ist zu entnehmen, dass es bereits in einer früheren Anfrage festgestellt wurde, dass der verstorbene Tudḫaliya und die verstorbenen Väter bzw. die alten Könige1094 infolge zweier Vergehen, die ihren Kult betrafen, verärgert waren. So wurde zwar das beim daḫi-Fest für sie geopferte Brot, Fleisch und Bier ordnungsgemäß verzehrt. Die Fleischopfer stellten sich jedoch als unrein heraus, weil ihre Herkunft von den Menschen des göttlichen Steinhauses nicht sachgemäß geprüft worden war. Als Beschwichtigungsmaßnahme wurde daher Folgendes festgestellt: Die geopferten Rinder
1091
Ibid. Ibid. 1093 CTH 574 enthält ausschließlich die MUŠEN ḪURRI-Vogelorakel. In diesem Text ist jedoch auch die Untersuchung der Innereien als eigene Orakelart zu betrachten. Tognon 2005: 107 zufolge stellt KUB XVI 39+ nichtsdestotrotz ein MUŠEN ḪURRI-Vogelorakel dar. Denn die durch Fleischvorzeichen gewonnenen Ergebnisse sind nicht als selbständige Anfragen anzusehen, sondern nur als Gegenproben zu den Vogelorakelergebnissen. Dies trifft jedoch nur in Vs. I 12f., II 8ff., 26ff. und 49ff.? zu. Dort wird nämlich zuerst durch Vogelorakel eine Untersuchung durchgeführt, worauf in den darauffolgenden zwei Zeilen die Gegenprobe mit den Fleischvorzeichen gesondert vollzogen wurde. In Vs. I 4, II 12, 39, 56 ? wurde hingegen nur die Untersuchung der Innereien durchgeführt, während in Vs. I 23, II 17, 31, 45, 60, III 4, 10f.? und 16f.? lediglich die Vogelorakeluntersuchung ohne Gegenprobe belegt ist. Infolgedessen lässt sich KUB XVI 39+ in die kombinierten Orakeltexte einordnen. 1094 Siehe dazu II.5 und 8. 1092
356
und Schafe waren zu ersetzen, und die Menschen des göttlichen Steinhauses mussten die beschädigten Verstorbenen zudem mit Bier und Brot entschädigen. Obwohl die Orakeluntersuchung nicht ganz erhalten ist – insbesondere fehlen drei Viertel der Vs. I – lässt sich immerhin annehmen, dass die dort untersuchte Entweihung hauptsächlich den Kult und die Opferhandlungen für die verstorbenen hethitischen Könige betrifft. Dabei werden die folgenden Institutionen bzw. Gebäude genannt: das ḫekur von Pirwa (Vs. I 3), das göttliche Steinhaus (Vs. I 5, 16), das göttliche Steinhaus eines Tudḫaliya (Vs. II 3, 6, 11), das göttliche Steinhaus der Väter (Vs. II 20, 24, 29, 30) und das Steinhaus mit und ohne Kennzeichnung der Göttlichkeit (jeweils Vs. II 33 und 43). Das „(göttliche) Steinhaus“ bezeichnet eine Institution bzw. einen Baukomplex in Ḫattuša, der die Beinkammer aller königlichen Verstorbenen in der unterirdischen Anlage beherbergte (s. IV.3.1-3). Dies lässt sich auch anhand der folgenden Textstelle aus der Orakeluntersuchung KUB XVI 34(+)1095 Vs. I 5-7 nachweisen: Wir befragten die Tempelleute, und sie sagten: „Wenn man zum daḫi-Fest die damnaššara-Gottheiten herunterbringt, werden die Tempelleute zu den Menschen des göttlichen Steinhauses hineingerufen, und die Toten werden für sie geordnet …“.
Diese Ordnung der Toten bezieht sich auf die Verlegung von deren Bildern, die anlässlich ihrer Beopferung beim daḫi-Fest von den Tempelleuten für die Palastangestellten alle zusammen in einem Raum aufzustellen waren (s. III.1.5). Daher lässt sich schwerlich vermuten, dass dort auf mehrere Steinhäuser bzw. auf einzelne separate Gebäude Bezug genommen wird; vielmehr ist eine einzige Räumlichkeit gemeint.1096
1095 1096
Siehe III.1.3.3 und 1.5. Van den Hout 2002: 86 hat folgende Deutung: Entweder gab es ein einziges Steinhaus, in dem die Urnen mit der Asche der königlichen Toten aufbewahrt wurden, wobei die letzten Könige ein eigenes Steinhaus bevorzugten; oder im zentralen Steinhaus ruhten die Gebeine der Verstorbenen lediglich während der Totenritualtage, woraufhin sie in das je eigene, separate Steinhaus gebracht wurden. Die oben zitierte Textstelle aus KUB XVI 34(+) legt jedoch die Vermutung nahe, dass sich mehrere Tote in einem einzigen Gebäude be-
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In KUB XVI 39+ Vs. II fällt jedoch auf, dass die Abschnitte betreffs des Steinhauses Tudḫaliyas genau parallel zu jenen bezüglich des Steinhauses der Väter laufen. Zuerst wird berichtet, dass die Opfer der Palastangestellten beim daḫi-Fest verzehrt wurden (Tudḫaliya: Vs. II 1-6/Väter: Vs. II 18-23). Dies stellt die einzige Entweihung seitens der Menschen des göttlichen Steinhauses dem König und der Königin gegenüber dar (Tudḫaliya: Vs. II 6-10 / Väter: Vs. II 24-28). 1097 Daraufhin wurde der Tote bzw. wurden die Toten selbst befragt, ob eine weitere Entweihung für ihn bzw. für sie hinzugekommen war: Das Ergebnis erwies sich als positiv (Tudḫaliya: Vs. II 11f. / Väter: Vs. II 29-32). Darüber hinaus wurde die Nachlässigkeit der Menschen des göttlichen Steinhauses bei der Bestimmung der Herkunft und die damit einhergehende nicht gewährleistete Reinheit der Fleischopfer als Entweihung in Betracht gezogen und daraufhin durch Orakel ermittelt (Tudḫaliya: Vs. II 13f. / Väter: Vs. II 3335).1098 Als Gegenmaßnahme sollten sich die Menschen des Steinhauses entsühnen und die unreinen Rinder und Schafe durch reine Tiere ersetzen (Tudḫaliya: Vs. II 14-16 / Väter: Vs. II 35-38). Während sich Tudḫaliya dadurch besänftigen ließ (Vs. II 16f.), lässt sich trotz der nicht erhaltenen Orakelergebnisse (Vs. II 38-40) annehmen, dass die Väter dadurch nicht zufriedengestellt werden konnten. Denn die Menschen des Steinhauses fanden. Auf diese Weise lässt sich die zweite Hypothese van den Houts ausschließen. 1097 Zwei Deutungen sind bezüglich der von den Menschen des Steinhauses verschuldeten Entweihung möglich: 1. Die Menschen des Steinhauses erlaubten den Verzehr der Totenopfer seitens der Palastangestellten. Diese Zweckentfremdung der Opfergaben hätte dementsprechend Unreinheit für die Toten selbst zur Folge gehabt (s. del Monte 1975: 334; Tognon 2005: 117). 2. Die Menschen des Steinhauses selbst verzehrten die von den Palastangestellten dargebrachten Opfer. Dies war bereits häufig passiert, und daher „weiß man schon darüber“. Dieser zweiten Deutungsmöglichkeit wird hier der Vorzug gegeben. Denn im ersteren Fall läge es nahe, dass die Tempelangestellten ebenfalls als Verursacher der Entweihung festgestellt worden wären. 1098 Die dort genannten Fleischopfer in Form von Rindern und Schafen lassen sich nicht mit den Opfern der Palastangestellten beim daḫi-Fest gleichsetzen. Damit waren vielmehr die von den Menschen des Steinhauses selbst regelmäßig darzubringenden Opfer für die Toten gemeint. So ist nämlich die Wiedergutmachung der Tiere zu verstehen, bei denen es sich nicht um die schon verzehrten Tiere handeln konnte; vgl. del Monte 1975: 335; Tognon 2005: 117.
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mussten ihnen nicht nur die Opfertiere ersetzen, sondern sie auch mit Brot und Bier entschädigen. Dies beruhigte endlich die Väter (Vs. II 41-45). Aus der obigen Zusammenfassung erwächst die Frage, warum Tudḫaliya im Rahmen des daḫi-Festes einzeln behandelt wurde. Die Antwort lautet, dass jeder verstorbene König ein eigenes (Innengemach im) Steinhaus besaß, weswegen die Opferhandlungen gesondert für jeden Toten im Rahmen eines Privatkultes durchgeführt worden sein dürften. Daraus ergibt sich jedoch eine weitere Frage: Warum wurde nur Tudḫaliya einzeln behandelt, während für alle Väter 1099/verstorbenen Könige eine gemeinsame Opferhandlung bzw. ein kollektiver Kult zu vollziehen war? Möglich ist, dass die „Väter“ hier die alten hethitischen Könige darstellen, 1100 deren Knochen bzw. Bilder alle nach einer bestimmten Zeit an einem Ort vereint wurden; Tudḫaliya (wie auch die anderen vor relativ kurzer Zeit gestorbenen Könige)1101 hatte hingegen einen eigenen Kult innerhalb desselben Steinhauses, in dem auch die Aschenurnen seiner Vorgänger auf-
1099
Tognon 2005: 106ff. übersetzt addaš mit Gen. Sing. (so auch HW 2 I 566b) und erwägt die Möglichkeit (S. 116), dass es sich bei dem Vater entweder Ḫattušili III. (im Fall einer Datierung der Orakeluntersuchung auf die Regierungszeit Tudḫaliyas IV.) oder Muršili II. (im Fall einer Zuschreibung des Textes der Zeit Ḫattušilis III.) handelt. Da aber die meisten Texte mit Belegen des ḫekur Pirwa in die Zeit Ḫattušilis III. oder Tudḫaliyas IV. gehören (s. Imparati 1977: 48 Anm. 109) und die MUŠEN ḪURRI-Orakeltexte ab der Zeit Ḫattušilis III. zu datieren sind, entscheidet sie sich schließlich für Muršili II. Daher müsse es sich bei dem Tudḫaliya von KUB XVI 39+ um den ersten König mit diesem Namen handeln. Nach der hier dargelegten Rekonstruktion sollte addaš jedoch als Gen. Pl. gedeutet werden. Zum einen wäre in Bezug auf den Vater des lebenden Königs die Bezeichnung ABI D UTUŠI zu erwarten gewesen (s. z.B. KUB XXII 18 1ˈ). Darüber hinaus wird die Übersetzung mit dem Pl. durch die Bezeichnung DINGIR MEŠ in Vs. II [22], 29, [36], 38, [41] und 44 für die „Väter“ gestützt. Dies lässt sich außerdem mit DINGIR in Vs. II 14 und 16 in Bezug auf Tudḫaliya vergleichen. 1100 So Archi 2007a: 52. 1101 Die Möglichkeit, dass ein Einzelkult im Steinhaus lediglich für den verstorbenen Vorgänger des lebenden Königs vollzogen wurde, lässt sich auf Basis des Orakeltextes KUB XVIII 32(+) (s. IV.3.6) ausschließen. Dort werden nämlich das göttliche Steinhaus von Arnuwanda (Vs.? 6ˈ) und daraufhin jenes von Tudḫaliya (Vs.? 13ˈ) hinsichtlich einer in beiden Steinhäusern festgestellten Verfehlung erwähnt.
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bewahrt wurden. Hier ist jedoch in Betracht zu ziehen, dass die „Menschen des göttlichen Steinhauses der Väter“ (Vs. II 20, 24) in KUB XVI 39+ auch schlicht als „Menschen des (göttlichen) Steinhauses“ (Vs. II 33, 43) bezeichnet werden können, und zwar im Unterschied zu jenen des göttlichen Steinhauses von Tudḫaliya (Vs. II 3, 6). In Anbetracht dieser Annahme lässt sich die Vermutung zur Diskussion stellen, dass das „göttliche Steinhaus der Väter“ das seit althethitischer Zeit bestehende (göttliche) Steinhaus darstellt, in dem sämtliche verstorbenen Könige vor Ḫattušili III. ihre Ruhestätte fanden, während mit dem göttlichen Steinhaus von Tudḫaliya ein anderes Gebäude gemeint ist. Demzufolge mag es sich bei dem genannten König um Tudḫaliya IV. gehandelt haben, wodurch sich die Orakeluntersuchung KUB XVI 39+ in die Zeit Šuppiluliumas II. datieren lässt.1102 Diese Annahme passt bestens zur neuen politischen Situation, die aus der Unterbrechung der dynastischen Linie durch Ḫattušili III. resultierte. Dieser König brachte nämlich in seiner Apologie explizit zur Sprache, dass er sich ein „Beinhaus“ errichtet hatte: KUB I 1++ (CTH 81.A) 1103 Rs. IV 74)1104 DIŠTAR DINGIRLÌ-aš-mu nu-uš-ma-ša-an DIŠTAR šar-la-im-mi-in 75) [š]i-pa-an-za-kán-zi am-mu-uk-ka4-za ku-it ḫa-aš-ti-ya-aš É-er DÙ-nu-un 76) [(n)]a-at A-NA DINGIRLÌ pa-ra-a pé-eḫ-ḫu-un … Šaušga (ist) meine Gottheit. Man wird sie als die erhabene Šaušga [b]eopfern. Das Beinhaus, das ich selbst mir errichtet habe, übergab ich der Gottheit.
Bei der zitierten Textstelle fällt nicht nur der zuerst bei Ḫattušili III. verwendete Ausdruck É ḫaštiyaš auf, sondern auch die Formulierung, dass er selbst es sich errichtet hat. In keinem Text vor der Zeit Ḫattušilis III. ist nämlich eine solche Aussage über den eigenen Bau eines Grabmals belegt. Singer 2009: 179 schreibt zu Recht, dass es dabei um „Ḫattušiliˈs de1102
Vergleiche van den Hout 2002: 84; trotz der Zuschreibung dieses Textes in die Zeit Šuppiluliumas II. handelt es sich ihm zufolge dabei um einen der alten Könige namens Tudḫaliya. 1103 Otten 1981. 1104 Dupl. KBo III 6++ Rs. IV 35ff.
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parture from the ancient custom of collective royal burials in the Stone House and the initiation […] of a new norm of individual funerary structures“ ging. Anders formuliert lässt sich annehmen, dass bis dahin ein Innengemach im Steinhaus für jeden (rechtmäßigen) König vorgesehen und bestimmt gewesen sein dürfte, 1105 für Ḫattušili III. aber – zumindest als König – hingegen nicht. Gerade deshalb mag ihm die Aussage über die Errichtung seines Beinhauses notwendig erschienen sein, weil die bloße Existenz dieses Grabs seinen Status als legitimer König bestätigen, verstärken und verwirklichen konnte. Zu diskutieren ist, ob sich Ḫattušili III. dieses Beinhaus in einem räumlichen Zusammenhang mit der Institution des Steinhauses (der Väter) errichtete, oder ob er sich für einen neuen Ort – mit Absicht ohne Verbindung zum alten Gebäude – entschied. Die Bezeichnung É ḫaštiyaš anstelle von É. ŠÀ ḫaštiyaš könnte die Wahl eines neuen Ortes nahelegen. Dazu muss kurz auf das Dekret Ḫattušilis III. KBo VI 28+ (CTH 88) 1106 Vs. 14f. eingegangen werden: In seiner historischen Einführung über die Notzeiten vor der Konsolidierung unter Šuppiluliuma I. wird berichtet, dass der Feind von allen Seiten ins Reich eingefallen war und viele Gebiete angegriffen hatte. In diesem Zusammenhang ist Folgendes zu lesen: 14) 15)
… [… Ḫa-at-t]u-ša-aš-ša URU-aš ar-ḫa wa-ar-nu-wa-an-za e-eš-ta nu-kán […]-ta-aš Éḫe-eš-ti-ya iš-párza-an e-eš-t[a]
… auch die Stadt [Ḫatt]uša war niedergebrannt worden, und (dort) […] und das ḫešti-Haus1107 war(en) entgangen.1108
In dem katastrophalen Bild, das von der Zerstörung der Stadt Ḫattuša gezeichnet wird, erlangt die Mitteilung über die Verschonung des ḫeštiHauses und des in der Textlücke zu vermutenden weiteren Gebäudes den Rang eines Symbols. Dabei muss auf Institutionen Bezug genommen 1105
Imparati 1977: 37 zufolge kümmerten sich dagegen jeder König und jede Königin zu Lebzeiten um ihre eigenen Mausoleen. 1106 In der Sekundärliteratur werden häufig mehrere Textstellen dieses Dekrets zitiert, eine Bearbeitung steht bislang jedoch noch aus. 1107 Vergleiche Kammenhuber 1972: 301, die Éḫeštiya als Dat.-Lok. Sing. analysiert (so auch HED III 321). 1108 Übersetzung von Otten 1967: 233 mit einigen Abweichungen.
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worden sein, die trotz der Zerstörung Ḫattušas noch weiterhin als Basis und Sockel für den Fortbestand der königlichen Familie gelten konnten. Das Steinhaus ist eine derartige Institution.1109 In Anlehnung an BörkerKlähn 1995: 79 hätte Ḫattušili III. die Ungeheuerlichkeit eines Schadensfalles am Steinhaus sicherlich erwähnt. Da sich aber Vs. 15 […]-ta-aš nicht zu NA4-an parnaš oder zu É.NA4 DINGIRLÌ ergänzen lässt, nimmt die Autorin an (ibid. 80), dass die Steinhäuser unter Éḫešta- subsumiert sind, und schlägt deswegen die Ergänzung [gu-ur]-ta-aš „Burg“ vor, um eine Opposition zwischen „oben“ = Burg und „unten“ = ḫešta-Haus bei der in KBo VI 28+ Vs. 6-15 berichteten konzentrischen Invasion in Ḫattuša zu erhalten. Neben der Tatsache, dass sich die Assoziation bzw. die Gleichsetzung des Steinhauses mit dem ḫešta-Haus – d.h. dem Tempel von Lelwani – nicht weiter vertreten lässt,1110 ist außerdem anzumerken, dass die Textlücke mehr als zwei – genauer, etwa acht – Zeichen enthalten dürfte. Dementsprechend kann für Vs. 15 die Ergänzung [É.NA4 DINGIRLÌ-pát at]ta-aš vorgeschlagen werden, mit folgender Übersetzung der gesamten Stelle: „…auch die Stadt [Ḫatt]uša war niedergebrannt worden, und (dort) war(en) [nur das göttliche Steinhaus der Vä]ter und das ḫešti-Haus entgangen.“ Die Bezeichnung „göttliches Steinhaus der Väter“, die sonst nur in dem auf die Zeit Šuppiluliumas II. zu datierenden Orakeltext KUB XVI 39+ belegt ist1111 und sich auf die königlichen Vorgänger vor der Königsherrschaft Ḫattušilis III. bezieht, findet auf diese Weise gerade unter dem König ihre erste Verwendung, der sich von der rechtmäßigen dynastischen Linie trennte. Ungeklärt ist die Frage, ob im göttlichen Steinhaus der Väter auch die Knochen oder lediglich die Statuen der alten Könige aufbewahrt wurden, nachdem Muwattalli II. die GIDIMḪI. A nach Tarḫuntašša verlegt hatte. 1112
1109
Siehe Goetze 1940: 22 Anm. 86, der die Ergänzung [… ak-kán]-ta-aš „of the manes“ in Vs. 15 vorgeschlagen hat. 1110 Zu Éḫe/išta/i- (Kultbau, meistens chthonischen Gottheiten gewidmet) s. HW2 III 572-576; Torri 1999; Groddek 2001b; Popko 2007; Singer 2009: 170. Vergleiche auch die Annahme Archis 2007a: 51, dass das ḫešta-Haus „may only be considered as the mausoleum containing the remains of ancestors (Totentempel) if it included the (Divine) Stone House“. 1111 Beim Totenritual šalliš waštaiš im Steinhaus werden aber auch die „Väter“ erwähnt; s. dazu II.5. 1112 Dazu s. III.1.5.
362
Diesbezüglich ist das Schreiben Ḫattušilis III. an Kadašman-Enlil II. von Babylon KBo I 10+ (CTH 172)1113 Rs. 58ff. zu erwähnen: In diesem ins Akkadische übersetzten Brief wünschte sich der hethitische König einen babylonischen Bildhauer zur Fertigung von Statuen (ALAM.ALAMḪI. A) für das É IM. RI.A (akk. BĪT KIMTI), wörtlich „Familienhaus“.1114 In Anlehnung an Börker-Klähn 1994: 357f. handelt es sich bei diesem Familienhaus um die königliche Grabstätte, d.h. um das Steinhaus in Ḫattuša. Aus dieser Annahme lässt sich folgern, dass Ḫattušili III. Statuen der Verstorbenen für den Gebrauch im Totenkult fertigen lassen wollte. Dementsprechend könnte es in Frage kommen, dass der hethitische König neue Abbilder der Toten für deren Kult im Steinhaus brauchte, nachdem Muwattalli II. die alten nach Tarḫuntašša verlegt hatte. Im Anschluss an die Regentschaft Ḫattušilis III. folgte wahrscheinlich dessen Sohn Tudḫaliya IV. dem gleichen Programm wie der Vater hinsichtlich der Ortswahl für sein Begräbnis außerhalb des göttlichen Steinhauses der Väter. 1115 In den diesem König zuzuordnenden Texten findet sich aber keine einzige Erwähnung der Errichtung seines Grabs zu Lebzeiten. In KBo XII 38(+) (CTH 121) 1116 Vs. II wird jedoch von seinem Sohn Šuppiluliuma II./Šuppiluliyama berichtet, dass er selbst eine Statue des Vaters angefertigt und in das von ihm gebaute NA4ḫekur SAG. UŠ „beständige ḫekur-Felsheiligtum“ gebracht, aufgestellt und versorgt hatte: 4ˈ) 5ˈ)
ki-˹i˺-ma-za ALAM [A-BU-YA?] mTu-ud-ḫa-li-ya-aš U[L DÙ-at ?]
1113
Hagenbuchner 1989: 281-300. Zu weiteren Übersetzungen s. Beckman 1999a: 138-143, Hoffner 2002: 52f.; Mineck 2006: 275-279. 1114 Der Deutung von Beckman 1999a: 143 des Textauszugs ist jene von Hagenbuchner 1989: 294 und 299 vorzuziehen. Der Autorin zufolge zitiert Ḫattušili III. einen Wunsch von Kadašman-Enlil, der ihn um einen Bildhauer gebeten hatte. Sie erklärt nämlich, dass „in Ḫatti weder das Ideogramm IM.RI.A noch die Verbindung Haus und Familie zu „Haus meiner Familie“ üblich ist“ (ibid. 299). Auch wenn dies möglich ist, so scheint der betreffende Textauszug eher eine Reihe von Bitten des hethitischen Königs an Kadašman-Enlil zu enthalten. 1115 Zur These der Errichtung seines eigenen Begräbnisortes durch Tudḫaliya IV. s. Laroche 1952: 123. 1116 Otten 1963: 13ff. und Güterbock 1967: 73ff. Siehe auch Kümmel 1985: 492495; Hoffner 1997a: 192f.; Bolatti Guzzo – Marazzi 2004: 158ff.
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6ˈ) 7ˈ) 8ˈ) 9ˈ)
ú-uk-ka4-at mKÙ.GA.P[U-aš LUGAL.GAL] LUGAL KUR ḪAT-TI DUMU mTu-ud-ḫa-[li-ya] LUGAL.GAL DUMU. DUMU-ŠÚ ŠA mḪa-at-t[u-ši-li] LUGAL.GAL Ù DUMU. DUMU. DUMU-ŠÚ ŠA mMur-ši-˹DINGIRLÌ LUGAL˺. GAL
10ˈ)
i-ya-nu-un
Diese Statue aber hat [mein Vater] Tudḫaliya sich ni[cht gemacht], sondern ich selbst Šuppiluli[uma, Großkönig], König vom Land Ḫatti, Sohn von Tudḫa[liya], Großkönig, Enkel von Ḫatt[ušili], Großkönig, und Urenkel von Muršili, Großkönig, habe sie angefertigt. 17ˈ) 18ˈ) 19ˈ) 20ˈ) 21ˈ)
ḫé-kùr SAG. UŠ ú-˹e-da˺-aḫ-ḫu-un na-an-kán [I]-NA NA4ḫé-kùr SAG.UŠ an-da pé-e-da-aḫ-ḫu-un na-an da-ni-nu-nu-un wa-ar-ši-ya-nu-nu-un NA4
ALAM DÙ-nu-un
Das beständige ḫekur-Felsheiligtum habe ich gebaut, die Statue habe ich angefertigt und sie habe ich in das beständige ḫekur-Felsheiligtum hineingebracht, aufgestellt (und) versorgt.
Aus den zitierten Textstellen wird bei Bolatti Guzzo – Marazzi 2004: 162ff. gefolgert, dass Tudḫaliya (Vs. II 5ˈ) nicht mit der Statue (Vs. II 4ˈ, 18ˈ) in Verbindung zu bringen sei, auch nicht bei Annahme der Ergänzungen Güterbocks [ A-BU-YA] und [DÙ-at] in Vs. II 4ˈf. mit der Übersetzung „Ma questa statua [mio padre] Tutḫalija non [ebbe a erigerla]“ (ibid. 175). Demzufolge wäre der verstorbene König keineswegs zwangsläufig mit der Statue gleichzusetzen, und die Statue könnte ebenso eine der Gottheiten dargestellt haben, denen das von Šuppiluliuma II. gebaute ḫekur-Felsheiligtum gewidmet war. Die folgenden drei Überlegungen können die These von Bolatti Guzzo – Marazzi widerlegen. Zuerst muss auf die Verwendung der Reflexivpartikel -za in Vs. II 4ˈ hingewiesen werden, die bei einer reflexiven Handlung des Subjekts Verwendung findet. Durch die Ergänzung [DÙ-at] in
364
Vs. II 5ˈ1117 ist demzufolge anzunehmen, dass Tudḫaliya IV. nicht schlichtweg keine Statue, sondern für sich keine Statue anfertigte.1118 In seiner Apologie berichtet Ḫattušili III. ebenfalls, dass er sich ein Beinhaus angefertigt hat,1119 und damit war zweifellos sein Beinhaus gemeint. Das Fehlen der Reflexivpartikel in KBo XII 38(+) Vs. II 18ˈ im Zusammenhang mit der Anfertigung der Statue durch Šuppiluliuma kann als Beweis dafür gelten. Zweitens lässt sich anmerken, dass sich das enklitische anaphorische Pronomen Nom./Akk. n. -at (Vs. II 6ˈ) auf ALAM (Vs. II 4ˈ) bezieht, während in Vs. II 18ˈ Akkus. c. -an belegt ist. Im letzteren Fall wird wahrscheinlich auf den Verstorbenen, d.h. auf den von der Statue dargestellten Tudḫaliya IV., Bezug genommen. Abschließend ist es wenig plausibel, dass die Statue eine der Gottheiten des ḫekur darstellte, ohne dass der Name der Gottheit auch nur einmal im Text erwähnt wird. In Vs. II 4ˈff. ist von Tudḫaliya und Šuppiluliuma die Rede. Da sich Šuppiluliuma ausschließen lässt, bleibt nur für Tudḫaliya eine direkte Verbindung zur Statue. Aus diesen Gründen darf die Identifizierung von Tudḫaliya IV. mit dem von der Statue dargestellten König weiterhin Gültigkeit beanspruchen. 1120 Die in KBo XII 38(+) belegte Mitteilung über den Bau des ḫekur-Felsheiligtums durch Šuppiluliuma II. und die Statuenstiftung für seinen Vater Tudḫaliya IV. samt einer Fluchformel gegen jeden, der etwas vom Felsheiligtum weggenehmen oder dieses zum Frondienst verpflichten will, lässt sich in Hinsicht auf das in KUB XVI 39+ erwähnte ḫekur von Pirwa in die Diskussion einbeziehen. Über das (NA4)ḫekur, seine Funktion und seine Eigenschaften wurde schon viel geforscht: An dieser Stelle seien lediglich die Beiträge von Imparati 1977 und van den Hout 2002 mit deren Verweisen auf die weitere Literatur erwähnt.1121 Aus den Untersuchungen lässt sich folgern, dass der Ausdruck (NA4)ḫekur ursprünglich „Felsgipfel“ bedeutete. Dieser Ort 1117
Siehe Vs. II 18ˈ: ALAM DÙ-nu-un. Zu iya- mit der Reflexivpartikel -za s. HW2 IV 6ff. (zu den Belegen). 1119 KUB I 1++ Rs. IV 75: am-mu-uk-ka -za ku-it ḫa-aš-ti-ya-aš É-ir DÙ-nu-un. 4 1120 Zur Widerlegung der Annahme von Bolatti Guzzo – Marazzi, dass die Statue Tudḫaliyas eine Inschrift auf dem Körper trug, s. Torri 2008: 185 Anm. 62 1121 Eine Zusammenfassung zum Thema ḫekur findet sich bei Mora – Balza 2010 und Balza – Mora 2011. 1118
365
eignete sich daher auch als Zufluchtsort und wurde in einigen Fällen – wie üblicherweise Berge, Flüsse und Quellen bei den Hethitern – vergöttlicht. Häufig bezeichnet der Ausdruck (NA4)ḫekur jedoch auch ein Gebäude bzw. eine Institution, wie sich durch seine Belege mit É und LÚ MEŠ zeigt. Die Möglichkeit einer Verbindung mit dem Totenkult scheint lediglich in drei Texten auf: Im Gebet Muršilis II. über die Untaten und Verbannung von Tawannanna KUB XIV 4(++) (CTH 70.1.A) 1122 Vs. II ist Folgendes zu lesen: 3ˈ) 4ˈ) 5ˈ)
… nu šu-me-eš DINGIRMEŠ Ú-UL uš-ket9-te-e-ni É A-BI- YA-kán ma-aḫ-ḫa-an ḫu-u-ma-an I-NA É NA4ḫé-*kur* DLAMMA I-NA É. NA4 DINGIRLÌ ne-ya-at …
Und seht ihr, o Gottheiten, nicht, wie sie (Tawannanna) den ganzen Besitz meines Vaters in das ḫekur-Felsheiligtum der Schutzgottheit, in das göttliche Steinhaus überführt hat?1123
Aufgrund der asyndetischen Konstruktion des Satzes betreffs des Felsheiligtums und des Steinhauses setzt Güterbock die zwei Ausdrücke zusammen und übersetzt das Ganze mit „graveyard“. 1124 Archi 1980: 20 hält dies zwar für verlockend, betrachtet es jedoch als ein „free rendering“. Nach der langen Kontroverse um die Deutung dieser Textstelle 1125 schlägt van den Hout 2002: 87f. aufgrund der Aneinanderreihung der Termini É NA4 ḫekur und É.NA4 DINGIRLÌ vor, dass die beiden Institutionen nicht zwangsläufig in allen Fällen gleichzusetzen seien. Vielmehr könnte das göttliche Steinhaus manchmal die Form eines (NA4)ḫekur angenommen haben (dazu s. weiter unten). Ebenfalls verweist die Orakelanfrage KUB XVI 39+ (s. oben) auf die Einbeziehung des ḫekur in den Totenkult, in der das ḫekur-Felsheiligtum von Pirwa 1126 belegt ist (Vs. I 3). Diese Institution genoss in der Zeit Ḫat1122
Zur letzten Textbearbeitung s. Miller 2014. Siehe auch HW2 III 557b. 1124 Siehe Güterbock apud Laroche 1956: 102f. und Anm. 1. 1125 Zu den verschiedenen Deutungen des Auszugs s. van den Hout 2002: 87f. mit Anmerkungen; Miller 2014: 524 Anm. 37f. 1126 Zur etymologischen Verbindung zwischen Pirwa und NA4peru-/peruna„Stein, Fels“ s. HEG P 619ff.; Pecchioli Daddi 2005: 575. Vergleiche jedoch CHD P 313. 1123
366
tušilis III. spezielle Vorzugsrechte, die mit jenen des Steinhauses1127 vergleichbar sind. Laut dem Dekret Ḫattušilis III. KBo VI 28+ Rs. 22ff.1128 wurde das ḫekur Pirwa nämlich von Fronarbeit, Dienstverpflichtung, Landarbeitsleistung und Tributlieferung befreit. Der einzige, jedoch bedeutsame Unterschied zwischen den dem ḫekur gewährten Befreiungen und jenen des Steinhauses besteht darin, dass das Felsheiligtum im Gegensatz zum Steinhaus im Kriegsfall zur Entsendung von Hilfstruppen verpflichtet war. 1129 Bereits aus diesem Grund lässt sich das ḫekur nicht gänzlich mit dem É.NA4 gleichsetzen, weil es im Gegensatz zum Steinhaus keine in sich abgeschlossene Institution darstellte, die einen gefahrlosen Austausch zwischen Innen und Außen gewährleistete. Die Verbannung der Unreinheit dürfte sich aber dort nur auf den Teil des Gebäudes erstrecken, der mit dem Totenkult in Verbindung stand. In KUB XVI 39+ wurden die Menschen des ḫekur-Felsheiligtums von Pirwa als Erste über die Entweihung des Königs und der Königin befragt (§1). Daraufhin wurden auch die Menschen des göttlichen Steinhauses in die Befragung einbezogen (§2). Daraus lässt sich jedoch nicht zwangsläufig folgern, dass ḫekur Pirwa und É.NA4 DINGIRLÌ ein und dieselbe Institution darstellen.1130 Insbesondere ist trotz des fragmentarischen Erhaltungszustandes der ersten Textabschnitte anzunehmen, dass die Orakelergebnisse betreffs der Beteiligung der Menschen des ḫekur-Felsheiligtums negativ ausfielen. Das heißt, nachdem die Unschuld der Bediensteten des ḫekur festgestellt wurde, wendete sich die Befragung den Menschen des göttlichen Steinhauses zu. In der Untersuchung findet sich nämlich keine weitere Erwähnung des ḫekur. Dies spricht gegen eine Gleichsetzung des Steinhauses mit dem ḫekur-Felsheiligtum.
1127
Siehe die Analyse von KUB XIII 8 in IV.3.1. Siehe Imparati 1977, 39ff. 1129 Dabei ist jedoch im Auge zu behalten, dass das Dekret Ašmunikkals KUB XIII 8 nicht vollständig erhalten ist. Daher lässt sich nicht ganz ausschließen, dass es auch dort eine Vorschrift für die Menschen des Steinhauses im Kriegsfall gab. 1130 Vergleiche den Vorschlag von Imparati 1977: 61f., in KUB XVI 39+ das göttliche Steinhaus (Grab Tudḫaliyas IV.) mit dem ḫekur von Pirwa zu identifizieren. 1128
367
Schließlich lässt sich das Kultinventar KBo XII 140 (CTH 521.7) 1131 in die Diskussion einbeziehen. In der Rs. werden Kultgebäude, Berge und wahrscheinlich Götterbilder genannt. Unter diesen findet sich die Erwähnung des [N]A4ḫekur Pirwa in Rs. 12ˈ und des ÉMEŠ.NA4 DINGIRLÌ „göttlichen Steinhauses“ in Rs. 13ˈ. Auf den Ausdruck [N]A4ḫekur Pirwa folgt ˹mTuud˺[- …], der laut Imparati 1977: 59 und 61 mit Tudḫaliya IV. zu identifizieren ist. Der Autorin zufolge hatte dieser König die schon bestehende Institution des ḫekur von Pirwa ausgewählt, um dort sein Mausoleum einzugliedern. 1132 Trotz der Erwähnung eines Tu[dḫaliya] lässt sich bei KBo XII 140 Rs. feststellen, dass (NA4)ḫekur und É.NA4 aufgrund der dortigen Auflistung jedes einzelnen Ortes Zeile für Zeile nicht dieselbe Institution bezeichnen und dementsprechend zu unterscheiden sind.1133
1131
Torri – Barsacchi 2018: 151f.; Imparati 1977: 50f. Anm. 13; s. auch hier III.2.1. 1132 Dass Tudḫaliya IV. bei der Wahl seines Grabes noch am Leben gewesen sein muss, deutet Imparati anhand des Fehlens von DINGIRLÌ nach NA4ḫekur Pirwa. Wenn der König noch nicht vergöttlicht wurde, bedeutet dies der Autorin zufolge, dass er noch nicht gestorben war. Diese Lesart lässt sich jedoch widerlegen, denn im genitivischen Ausdruck É.NA4 DINGIRLÌ mPN bezieht sich DINGIRLÌ auf das Steinhaus und nicht auf den Personennamen (s. auch BörkerKlähn 1994: 358 und van den Hout 2002: 82). Dazu s. IV.3.7.2. 1133 Imparati (1977 passim) zieht zum Nachweis einer Verbindung des ḫekur mit dem Totenbereich noch weitere Texte in Betracht, die jedoch durch folgende Ausführungen aus der Hauptdiskussion ausgeschlossen werden können. – Im Memorandum Muršilis II. KUB XXI 33 (CTH 79; s. zuletzt Cammarosano 2009: 172-180) Rs. IV ? ist die Erwähnung der mantalli-Rituale (Z. 19ˈ) im gleichen Zusammenhang mit dem NA4ḫekur SAG. UŠ „beständigen Felsheiligtum“ (Z. 23ˈ, 26ˈ?; s. van den Hout 2002: 75 Anm. 9) nach Imparati als Beweis für eine Beziehung zwischen ḫekur und Totenopfern anzusehen. Dies lässt sich jedoch aufgrund neuerer Erkenntnisse über die mantalli-Rituale (s. CHD L-N 177ff.) – damals nur als Opfer für die Toten betrachtet – nicht mehr vertreten. – Das in KUB X 81 (CTH 617.2) 5ˈ und KBo XIII 176 (CTH 617.3) Vs. 9ˈ belegte NA4ḫekur DINGIRLÌ ist nach Imparati als zu É.NA4 DINGIRLÌ parallel anzusehen. In diesen Ausdrücken bezieht sich aber DINGIRLÌ auf die Institution und nicht auf einen vergöttlichten Toten (s. hier IV.3.7.2). Dazu bemerkt bereits die Autorin (ibid. 59), dass der Ausdruck NA4ḫekur DINGIRLÌ in beiden Texten eher vergöttlichte Felsgipfel als Kultheiligtümer bezeichnet.
368
Aus KUB XIV 4(++), KUB XVI 39+ und KBo XII 140 geht lediglich die Erwähnung von ḫekur-Felsheiligtum und göttlichem Steinhaus in nächster Nähe hervor. Während sich aber die funerären Eigenschaften des Steinhauses im Quellenmaterial genau eruieren lassen, ist die Vielfalt der Aspekte des ḫekur zu komplex, um daraus dessen (auch nur) überwiegende Verortung im Zusammenhang mit dem Totenkult ableiten zu können. In KUB XVI 39+ ist dennoch das Thema des Totenkultes aus dem gesamten Inhalt ersichtlich, da diese Orakelanfrage ausschließlich Fälle von vernachlässigten Verstorbenen untersucht. In dieser Hinsicht ist die Vermutung van den Houts 2002: 79ff. in Erwägung zu ziehen, dass die ḫekurFelsanlage nicht als Grabstätte des Königs, sondern als Gedenkstätte anzusehen ist. KUB XVI 39+ lässt diese Annahme plausibel erscheinen: Šuppiluliuma II. könnte eine Orakeluntersuchung über die Vernachlässigung des Totenkultes seines Vaters und seiner Vorgänger durchgeführt haben. Bezüglich Tudḫaliyas begann die Befragung zuerst mit den für seine Gedenkstätte zuständigen Menschen. Erst darauf wurden ebenfalls die
– Die im Orakeltext KUB XXII 70 (CTH 566; s. Ünal 1978) Vs. 21, 26 im ḫekur DLAMMA aufgestellte Statue der Königin erinnert Imparati an die Statue, die Šuppiluliuma II. für seinen Vater Tudḫaliya IV. laut KBo XII 38(+) Vs. II 17ˈff., Rs. IV 3ff. (s. oben) im ḫekur SAG.UŠ hatte errichten lassen. In KUB XXII 70 stellt jedoch die Statue die noch lebendige Königin dar, die sie selbst als Weihgabe für die Schutzgottheit hatte anfertigen lassen (s. auch Torri 2008: 181f.). – Schließlich lässt sich hier die Bronzetafel Bo 86/299 (s. Otten 1988; Beal 1993) einbeziehen, die zur Zeit des Aufsatzes von Imparati 1977 noch nicht gefunden worden war. Dort (Vs. I 91-Vs. II 3) bezieht sich nämlich das NA4ḫekur SAG.UŠ wahrscheinlich auf eine Art Gedenkstätte oder Mausoleum von Muwattalli II., dem Vater von Kuruntiya. In Anlehnung an van den Hout 2002: 87 ist jedoch lediglich zuzugestehen, dass sich die Deutung des NA4ḫekur SAG. UŠ auf der Bronzetafel zwar mit einer vorausgesetzten funerären Charakterisierung dieser Institution in Einklang bringen lässt, diese jedoch keinesfalls belegt. In diesem Text ist nämlich nur von „eng/nahe (sein)“ (manninkuwan Vs. I 92) und von „Hinaufsteigen“ (parkiyauwanzi Vs. I 97, Vs. II 1) die Rede, womit Bezug auf das Verhältnis von Kuruntiya dem ḫekur gegenüber genommen wird. Auf seinen verstorbenen Vater Muwattalli II. und auf Kultopfer wird dort jedoch nicht verwiesen.
369
Versäumnisse der für dessen Steinhaus bzw. Grab zuständigen Menschen untersucht.1134 Wenn das göttliche Steinhaus des Tudḫaliya und sein ḫekur-Felsheiligtum von Pirwa zu unterscheiden sind, und sich beide Ausdrücke mit dem verstorbenen Tudḫaliya IV. in Verbindung stellen lassen, kann Yazılıkaya Kammer B aufgrund der Reliefs 69-80 (die zwölf Gottheiten) und 82 (Schwertgott) und deren Bezugnahme auf die Unterwelt mit dem Steinhaus identifiziert werden:1135 das eigene É.NA4 DINGIRLÌ des Königs, das er getreu der neuen Politik des Vaters mit Bedacht außerhalb der Institution des göttlichen Steinhauses der Väter errichtet hatte. 1136 Dagegen wird im ḫekur Pirwa eine Gedenkstätte Tudḫaliyas IV. zu sehen sein. Diesbezüglich bieten sich zwei mögliche Deutungen: (1) Das von Tudḫaliya IV. selbst zu seiner Gedenkstätte erwählte ḫekur Pirwa unterschied sich von der von seinem Sohn Šuppiluliuma II. für den Vater errichteten Gedenkstätte NA4ḫekur SAG. UŠ. In diesem Fall ist anzunehmen, dass sich in Ḫattuša mehrere Kultorte für den verstorbenen Tudḫaliya befanden: Nur für das „beständige Felsheiligtum“ ist seine Lokalisierung bei Nişantepe möglich, 1137 während der Ort vom „Felsheiligtum von Pirwa“ unbe-
1134
Zu erwägen ist es auch, dass das Steinhaus als Institution für den Kult der Verstorbenen den gesamten „Totenbereich“ verwaltete. Das ḫekur-Felsheiligtum kann demzufolge mit dem Steinhaus insofern identifiziert werden, als es hinsichtlich der Buchführung über Opfer, Feste, Rituale und Menschen auf das Steinhaus angewiesen war. Siehe auch die Vermutung van den Houts 2002: 88, dass ein zentrales Steinhaus existierte, unter dessen Oberhoheit es weitere, ähnliche Institutionen gab. 1135 So auch van den Hout 2002: 80; Schwemer 2006: 258 mit Anm. 58; Kapeluś 2007b: 222; Seeher 2011: 162ff. Zur Vermutung, dass Yazılıkaya Kammer B mit dem von Šuppiluliuma II. für den Vater errichteten NA4ḫekur SAG. UŠ zu identifizieren sei, s. Otten 1963: 22f.; id. 1967: 234-240; id. 1988: 32-34; Haas 1994: 246 und 639; Hawkins 1995: 59; anfänglich auch Neve 1989: 345ff. 1136 Singer 2009: 174f. äußert sich gegen die Identifizierung des Steinhauses sowohl mit Yazılıkaya Kammer B als auch mit dem Palastbereich von Büyükkale. Mit „Steinhaus“ meint er jedoch jenes aller verstorbenen Könige und zieht nicht in Betracht, dass es sich bei Yazılıkaya nur um das Steinhaus Tudḫaliyas IV. handeln könnte. 1137 So Güterbock 1967: 81; Imparati 1977: 63; Lebrun 1983: 146; Popko 1995: 141; Hawkins 1995: 59 Anm. 226; van den Hout 1994: 50-52; id. 2002: 80; vorsichtig bleibt Neve 1992a: 323-333; id. 1992b: 58-63.
370
kannt bleibt.1138 (2) ḫekur Pirwa ist lediglich eine weitere Bezeichnung für das später von Šuppiluliuma II. so genannte NA4ḫekur SAG. UŠ, 1139 das der König wahrscheinlich renovieren ließ, und in dem er eine Statue für den Kult seines verstorbenen Vaters aufstellte. 1140 Auf der Basis der Orakelanfrage KUB XVI 39+ und der bis hierher nachgezeichneten Diskussion lässt sich also in Ḫattuša die Existenz dreier den Totenkult betreffenden Institutionen annehmen: das ḫekur-Felsheiligtum von Pirwa als Gedenkstätte für den verstorbenen Tudḫaliya IV.; das göttliche Steinhaus von Tudḫaliya IV. als eigenes Steinhaus für den Totenkult des Königs in Verbindung mit dessen sterblichen Überresten; das göttliche Steinhaus (der Väter) als vor der Regierungszeit Ḫattušilis III. schon bestehende übergreifende Begräbnis- und Kultstätte für die früheren verstorbenen Könige. KUB XVI 39+ muss demzufolge aus der Regierungszeit Šuppiluliumas II. stammen, der damit eine besondere Aufmerksamkeit für den Kult
1138
Vergleiche die Vermutung van den Houts 2002: 88, dass das ḫekur Pirwa Yazılıkaya (A und?) B bezeichnet haben kann. 1139 Dass (NA4)ḫekur SAG. UŠ keine nur auf eine einzige Felsanlage bzw. Institution zu beziehende Bezeichnung ist, zeigen weitere Belege dieses Ausdrucks auf der Bronzetafel Bo 86/299 (Vs. II 17f., Rs. IV 3) aus der Regierungszeit Tudḫaliyas IV. (ursprüngliches Verbot für Kuruntiya, das NA4ḫekur SAG. UŠ zu betreten) und in KUB XXI 33 (Rs. IV? 23ˈ, 26ˈ) aus der Regierungszeit Muršilis II. Beckman 1983: 34, 38f. möchte NA4ḫé-kur-uš in KBo XVII 62+ (CTH 409.III) Rs. IV 4ˈ mit NA4ḫé-kur UŠ emendieren (so auch Klinger 2010: 183; vgl. aber van den Hout 2002: 75 Anm. 7). Zur Vermutung, dass ḫekur Pirwa eine weitere Bezeichnung für Nişantepe darstellt, s. van den Hout 2002: 88. 1140 Imparati 1977: 62 zufolge ist hingegen das von Tudḫaliya IV. selbst zu Lebzeiten errichtete Grab von der von Šuppiluliuma II. nach dem Tod des Vaters errichteten Gedenkstätte zu unterscheiden. In Yazılıkaya B glaubt sie, das erstgenannte ausmachen zu können, während sie das NA4ḫekur SAG.UŠ in Nişantepe verortet. Schließlich ist hier noch eine weitere Vermutung zu erwähnen: Singer 2009: 182f. zufolge sind die zwei Inschriften in KBo XII 38(+) nicht zwangsläufig am gleichen Ort zu vermuten, denn im Teil über Alašiya wird das NA4ḫekur SAG.UŠ nicht genannt (Vs. II 22ff., Rs. III). Daraus folgert der Autor, dass es sich bei Yazılıkaya Kammer B um das „beständige Felsheiligtum“ handeln muss, während er die Inschrift Šuppiluliumas II. in Nişantepe lokalisiert.
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des verstorbenen Vaters und der königlichen Vorgänger zeigte. In Übereinstimmung mit einem solchen Bild sind zwei Šuppiluliuma II. zuzuschreibende Texte zu erwähnen. Erstens KBo XII 38(+) (s. oben), aus dem der Wille des Königs eindeutig hervorgeht, seinem Vater Tudḫaliya IV. durch die Statuenstiftung im beständigen ḫekur-Felsheiligtum dauerhaft Ehre zu erweisen. Zweitens ABoT I 56 (CTH 256), 1141 in dem von den Toten (GIDIMḪI. A), ihren Kultorten (ÉMEŠ GIDIMḪI.A, URULU4 GIDIMḪI. A) und deren Befreiung von der Fronarbeit (luzzi-) die Rede ist (Rs. III x+1-22ˈ). Der pluralische Ausdruck ÉMEŠ GIDIMḪI.A (Rs. III 4ˈ, 7ˈ) lässt sich aufgrund der darauffolgenden, ihm entsprechenden Phrase URULU4 GIDIMḪI. A (Rs. III 16ˈ) auf eine übergreifende Institution beziehen. Dazu wird der Ausdruck addaš ḫuḫḫaš „Väter (und) Großväter“ (Rs. III 8ˈ) für die Toten dort verwendet. Demzufolge ist diese übergreifende Institution mit dem in KUB XVI 39+ belegten É.NA4 DINGIRLÌ addaš „göttlichen Steinhaus der Väter“ gleichzusetzen. Auf Basis der aufgelisteten Belege lässt sich Šuppiluliuma II. als ein König charakterisieren, der Tradition und Innovation in Einklang zu bringen versuchte. Einerseits setzte er kohärent an den väterlichen Kurswechsel zum Einzelkult um die Person des Königs fort. Andererseits wollte er sich jedoch durch das Aufrechterhalten der traditionellen Ahnenverehrung als legitimer Nachfolger früherer hethitischer Großkönige erweisen. 3.6
Weitere Belege von Steinhäusern der verstorbenen Könige
Im folgenden Orakelfragment KUB XVIII 32(+) (CTH 574.21) Vs.? sind die göttlichen Steinhäuser von Arnuwanda und Tudḫaliya belegt: x+1) 2ˈ) 3ˈ) 4’) 5’) 6’) 7’) 8’) 1141
372
Siehe II.9.
[… U]D? Ḫ[U? …] […]x-an ši-uḫ-ri-˹eš-šar? x˺[…] […]-li še-er pa-it nu-wa-kán še-e[r …] […] I-NA É NA4ARA5 {Ras.} UR. BAR.RA kal-la-ra-aḫ[-ḫa?-aš?…] […]x-an NINDA.GUR4.RA UDMI DÙ-ir nu-wa-ra-an pár-ši-[ya?-an?zi ? …] [nu? wa-aš-k]u-uš ŠA É. NA4 DINGIRLÌ mAr-nu-wa-an-[da …] [I-NA] É LÚ NINDA. DÙ.DÙ Ù I-NA É LÚ KURUN. NA-a[n …] ˹I˺-NA UD X KAM kar-aš-ša-an-za e-eš-ta
9’) 10’) 11’) 12’)
˹ma˺-a-an-za DINGIRLU4 ke-e-da-aš-pát wa-aš-ku-wa-aš še-er TU[ KU.TUKU-u-an-za…?] ma-a-an ki-i-pát nam-ma-ma ta-ma-a-i NU.GÁL ku-[… IGI-zi-iš] MUŠEN ḪUR -RI SIG5-ru EGIR-ma NU.SIG5-du IGI-zi-i[š …] zi-la-aš
13’) 14’)
[w]a-aš-ku-uš ŠA É.NA4 DINGIRLÌ mTu-ud-ḫa-li-ya ma-[a?-an?…] [ŠÀ?] É. DINGIRLÌ Ú-UL ku-it-ki TUKU.TUKU-u-an-za nu x[…]
(x+1) […] (2ˈ) […] Urin?/Schmutz?1142 […] (3ˈ) [„ …] er/sie geht hinauf und hinau[f …] (4ˈ) […] im Haus des Müllers [hat] ein Wolf ungünstig gemacht […] (5ˈ) […] Dickes Brot des Tages haben sie gemacht und zertei[len] es […“ ?] (6ˈ) [Verfeh]lung des göttlichen Steinhauses von Arnuwan[da: …] (7ˈ) „ ? [In] der Bäckerei und im Haus des Wirtes ih[n/sie/es …] (8ˈ) am 10. Tag ist unterlassen worden.“ ? / (9ˈ) Wenn die Gottheit über eben diese Verfehlung zo[rnig ist …?] (10ˈ) Wenn eben dies, ferner aber ein Anderes nicht vorhanden (ist) […], soll [der erste] (11ˈ) ḪURRI-Vogel günstig sein, der zweite aber soll ungünstig sein. Der erst[e …, der letzte …] (12ˈ) das Orakelzeichen. / (13ˈ) [V]erfehlung des göttlichen Steinhauses von Tudḫaliya: [Wenn …] (14ˈ) [im Inneren?] des Hauses der Gottheit keineswegs zornig ist, [soll …].
In diesem fragmentarischen Zusammenhang ist wahrscheinlich von verschiedenen Verfehlungen hinsichtlich des Totenkultes von Arnuwanda und Tudḫaliya in deren eigenen göttlichen Steinhäusern die Rede. Auf Basis der Annahme über die neue Sitte des Baus eines eigenen Steinhauses außerhalb der alten Institution ab der Regierungszeit Ḫattušilis III. (s. IV.3.5), könnte es sich in dieser Orakeluntersuchung um die Könige Arnuwanda III. und Tudḫaliya IV. handeln. In dem wahrscheinlich an KUB XVIII 32 indirekt anzuschließenden CHDS II 63 + Bo 3396 + KBo
1142
Das Wort šiuḫrieššar lässt sich mit dem Terminus šeḫur „Urin, Schmutz“ in Verbindung bringen (s. z.B. den gleichen Wechsel in taruḫ-/tarḫu-; Kloekhorst 2008: 836f.). šeḫuriya-/šeḫurai- und šeḫur werden in den Texten allerdings im Gegensatz zu šiuḫrieššar immer mit dem Zeichen ŠE anstelle von IGI (ši) geschrieben (s. CHD Š 350b-352a); in KUB VII 5+ Vs. I 9/43 findet sich jedoch der Beleg ši-e-ḫu-na-aš.
373
LIII 208 + KBo LII 102 1143 werden jedoch Verfehlungen hinsichtlich des Kultes weiterer toter Könige? in ihren Steinhäusern erwähnt, deren Namen aber nicht erhalten sind.1144 Falls die gesamte Orakelanfrage nicht nur den Totenkult von Arnuwanda und Tudḫaliya, sondern jenen jedes Königs in seinem eigenen Steinhaus betraf, ließe sich in diesem Zusammenhang auf die einzelnen Beinkammern der alten Könige im Steinhaus verweisen (s. IV.3.3). 1145 Darüber hinaus ist in KBo LII 102+ Rs. IV? 8ˈ ŠA É NA4ḫé-kur[…] zu lesen: Hierbei handelt es sich um einen weiteren Beleg für die Ausdrücke „Steinhaus“ und „ḫekur-Felsheiligtum“ im Kontext des Kultes der verstorbenen Könige (s. IV.3.5). Im folgenden Losorakelfragment KUB XVIII 21 (CTH 572) Vs. II ist das göttliche Steinhaus eines Šuppiluliuma belegt: 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9)
ma-a-an-za-kán mŠu-up-pí-lu-li-u-ma-aš ˹ŠÀ˺ É.NA4 DINGIRLÌ UL ku-i[t-ki ? x ]x TUKU-u-an-za nu KIN SIG5-ru a-aš-šu-wa-an-za ZALAG.GA-an D Gul-ša-aš-ša ˹TI?˺-[ta]r? nu-kán an-da ḪUL-u-i NU.SIG5 nu LÚMEŠ É. NA4 DINGIRLÌ pu-nu-uš-šu-u-en UM-MA ŠU-NU -MA V DUGḫu-up-pár GEŠTIN-wa A-NA IGI. DU8.A ˹LÚMEŠ˺ NU.GIŠ.KIRI6 pée ḫar-ki-ir ki-nu-na-wa ka-a-ša ˹MU IIKAM˺ ku-it-wa-ra-a[š] kar-ša-an-te-eš ma-a-an ki-i-pát nam-˹ma˺-ma ˹KI. MIN˺ nu KIN [SIG5]-ru GIG.GAL-za ḪUL-lu ME-aš NU.SIG5
nu-kán DGul-še da-p[í-i] ZI-ni
(1) Wenn Šuppiluliuma innerhalb des göttlichen Steinhauses keines[wegs …] (2) zornig ist, soll das KIN-Orakel günstig sein: der Wohlstand, das Licht und das Le[be]n der Gulšeš; (3) in der Bosheit. Ungünstig. / (4) Wir haben die Menschen des göttlichen Steinhauses befragt. Folgendermaßen 1143
Siehe Soysal 2015: 72f.; Groddek 2015: 136; Zu den weiteren indirekten Anschlüssen s. Hethiter-Portal; Kapeluś 2011b: 347. 1144 Vs. 5ˈ: [wa-]aš-ku-uš ŠA É. NA DINGIRLÌ ˹m˺[; Vs. 8ˈ: wa-aš-ku-uš ŠA É. NA DIN4 4 GI[RLÌ m?. 1145 Siehe auch van den Hout 2002: 84 „The Arnuwanda whose Divine Stone House is mentioned in XVIII 32, 6ˈ could have been any of the kings known by that name.“
374
(haben) sie (geantwortet): (5) „Fünf ḫuppar-Schalen Wein brachten die Gärtner als Abgabe dar. (6) Jetzt sind es schon zwei Jahre, dass sie unterlassen wurden.“ (7) Wenn eben dies, ferner aber desgleichen, soll das KINOrakel [günstig] sein. / (8) Die große Krankheit hat das Böse genommen, und (hat) den Gulšeš (und) der gan[zen] Seele (gegeben). (9) Ungünstig. 1146
In dieser Orakelanfrage wurde die Vernachlässigung des regelmäßigen auszuführenden Totenkultes eines Šuppiluliuma innerhalb des göttlichen Steinhauses untersucht. Da es sich dabei um einen schon verstorbenen König handeln muss, ist hier Šuppiluliuma I. gemeint.1147 Das heißt, in diesem Text ist vom Innengemach des alten Steinhauses die Rede, in dem sich die Überreste von Šuppiluliuma I. befanden. Dort war auch die Opferdarbringung für diesen Toten durchzuführen.1148
1146
Zu Vs. II 4-6 s. Kapeluś 2007b: 223; zu Vs. II 2, 8 s. Archi 1974: 122, 141f.; Mouton 2007b: 552 Anm.5. 1147 So auch van den Hout 2002: 84; Kapeluś 2007b: 223. 1148 Van den Hout 2002: 83f. erwägt die Möglichkeit, dass das folgende Orakelfragment KUB XXII 18 (CTH 582) zur gleichen in KUB XVI 39+ und KUB XVIII 21 enthaltenen Orakeluntersuchung gehörte: x+1) [… ma-a]-an-za-kán A-BI D UTUŠI […] 2’) [… K]IN SIG5-ru DGul-ša-a[š …] 3’) [… ma?-a?]-an-za-an-kán kar-pí me-[…] 4’) […] LÚMEŠ É. NA4 DINGIRLÌ […] 5’) [… EZ]EN4 še-li-ya-aš-wa[…] 6’) [… I-N]A? MU IIKAM kar-pí(-)[…] „(x+1) [… We]nn der Vater meiner Sonne […] (2ˈ) […], soll [das K]INOrakel günstig sein: der/den Gulše[š …] (3ˈ) [… We]nn ihn im Zorn […]. / (4ˈ) Die Menschen des göttlichen Steinhauses […] (5ˈ) [,…] das Ernte[fe]st […] (6ˈ) [… i]n zwei Jahren im Zorn ? […]“ In diesem Fragment, das einen weiteren Beleg eines Steinhauses enthält, wäre ABI D UTUŠI dem Autor (ibid. 84) zufolge abhängig von der Textdatierung auf Šuppiluliuma II. oder Tudḫaliya IV. entweder auf Tudḫaliya IV. oder auf Ḫattušili III. zu beziehen. Die Zusammengehörigkeit von KUB XXII 18 mit KUB XVI 39+ und KUB XVIII 21 ist jedoch nicht nachweisbar (s. auch hier Anm. 1034). Darüber hinaus lässt sich die postulierte Verbindung des in Z. x+1 belegten ABI D UTUŠI mit den „Menschen des göttlichen Steinhauses“ in Z. 6ˈ ebenfalls in Frage stellen.
375
3.7
Totenkult im (göttlichen) Steinhaus
In den folgenden Abschnitten soll näher auf den im Steinhaus vollzogenen Kult der Verstorbenen eingegangen werden. Die Untersuchung beginnt mit der Anfertigung der Statue bzw. des Ersatzbildes des Toten im Laufe des Totenrituals šalliš waštaiš. Dieses Bildnis wurde nämlich am Ende dieses Rituals nicht verbrannt, sondern in die Ékarimmi „Heiligtumszelle?“ – gleichzusetzen mit dem Innengemach der Gebeine – gestellt und weiterhin zu Zwecken des Totenkults verwendet. So verkörperten Knochen und Bild den Toten jeweils in seiner menschlichen und in seiner göttlichen Dimension. Darüber hinaus wird gezeigt, dass das Steinhaus gerade aufgrund des Vergöttlichungsprozesses des Verstorbenen als „göttlich“ galt: Dieses Attribut im Ausdruck É.NA4 DINGIRLÌ ist nämlich dem Steinhaus zuzuordnen. Abschließend lässt sich feststellen, dass nur der Kult der Verstorbenen im (göttlichen) Steinhaus als Totenkult anzusehen ist; der Statuenkult für (verstorbene) Könige, Königinnen und weitere Mitglieder der königlichen Familie in Tempeln und anlässlich verschiedener Festrituale ist dagegen der Praxis der Weihe von Bildnissen zur Besänftigung der Gottheiten und zum Schutz der Stifter für ihr eigenes Leben zuzurechnen. 3.7.1 Die Verehrung der Statue des Toten in der Ékarimmi „Heiligtumszelle? “ Während des Totenrituals šalliš waštaiš wurde ein Ersatzbild des Toten angefertigt, das als Protagonist im Mittelpunkt des Geschehens stand. Eine Statue ist in sehr fragmentarischem Zusammenhang schon am zweiten Tag des Rituals belegt:1149 Dem lässt sich aber nicht entnehmen, ob es sich dabei um das Ersatzbild des Toten handelt oder nicht.1150 Kurz nach
1149 1150
KUB XII 22 Vs. II 18ˈ: [x-x A]LAM(-)x[…]. Vergleiche Haas 1994: 225 und van den Hout 1994: 63 und 1995a, die KBo XXV 184 als Zeugnis für die Anfertigung der Statue ansehen. Dieser Text hat aber die Phase des Totenrituals vor der Leichenverbrennung zum Inhalt: Demzufolge muss dort GIDIM/akkant- „Leichnam“ bedeuten. Dazu s. hier Anm. 921.
376
der Leichenverbrennung wurde eine ALAM in der Mitte des Verbrennungsplatzes mit Früchten „markiert“ bzw. „umrandet“ (gulš-).1151 Diesbezüglich lässt sich fragen, ob sie mit der am 7. Tag belegten „sitzenden Statue“ (ALAM a-ša-a-[an-ti]) identifiziert werden kann.1152 Van den Hout 1995a: 199 spricht sich dagegen aus und schreibt: „Because of its seated posture it is not likely to have been the figure that was made on the second day on the funeral pyre out of figs, raisins and olives.“1153 Die einschlägige Textstelle aus KUB XXX 15++ Vs. lautet: 21) 22) 23) 24) 25) 26)
[EGI]R-an-da-ma ke-eš-ša-an DÙ-an-zi uk-tu-ri-ya-aš-kán iš-[tar]na IŠ-T[U GIŠPÈ]Š [GIŠ]GEŠTIN ḪÁD. DU. A GIŠSE20-ER-DÌ {Ras.} an-tu-uḫ-ša-aš ALAM GIM-an MUNUS -˹ma˺ x[…]-ti [gu]l-ša-an-zi GIŠIN-BI-ma-aš-ša-an DINGIR MEŠ-aš pár-ḫu-e-na-an [g]a-l[a-a]k-tar [ZA]G-aš wa-al-la-an {x} UDUi-ya-an-da-aš SÍGḫu-ut-tu-li iš-tar˹na˺ pé-di ti-an-zi [A-N]A ALAM-ma-kán iš-tar-na KAŠ la-ḫu-u-wa-an-zi nam-ma-kán iš-tar-˹na NINDA.˺[G]UR4.RA [Š]A III ŠA-A-TI ḫi-wa-aš-ši-wa-la-an ti-ya-an-zi
[Dar]aufhin tut man Folgendes: In der [Mit]te des Verbrennungsplatzes [ma]rkiert/[umr]andet man die Abbildung eines Mannes mi[t Feig]en, Rosinen (und) Oliven. Wenn (es) aber eine Frau (ist) […]. (Weitere) Früchte aber, parḫuena-Getreide der Gottheiten, [g]al[a]ktar, [eine rech]te Lende? (und) eines Schafes Wollflocken legt man mitten hinein. / In die Mitte, [i]n die Abbildung aber gießt man Bier; ferner legt man in die Mitte [di]ckes Brot von drei ŠĀTU.
1151
KUB XXX 15++ Vs. 21ff. KUB XXX 25++ Vs. 1. 1153 Dass die Statue am 7. Tag als „sitzend“ beschrieben wird, ist implizit auf den Thron oder auf den Wagen, auf den sie „gesetzt“ wurde, zu beziehen. Der Wagen wird nämlich daraufhin auch als GIŠGIGIR ašannaš „Sitzwagen“ bezeichnet (KUB XXX 24++ Vs. I 20ˈˈ, II 8, 12, 36; KUB XXXIX 37(++) Vs. II 5, 16ˈ; KUB XXXIX 14++ Rs. IV 4; KUB XXXIX 18 Rs ? IV 4ˈ), während ALAM nicht mehr als „sitzend“ charakterisiert wird. 1152
377
Das Verb gulš- (Vs. 23) bedeutet grundsätzlich „ritzen, aufzeichnen“. 1154 Die folgenden Beispiele bezeugen jedoch auch eine Deutung „markieren bzw. umranden“: KBo XX 34 (CTH 395.3)1155 Vs. 11: nu I DUG KAŠ ḫupran ḫaššan araḫzanda šieššanit gulašzi „ein Gefäß Bier: Die Schüssel des Herdes markiert er ringsum mit Bier“ (mit dem Instr. -it = IŠTU im Totenritualtext); KUB XXXV 133(+) (CTH 665) Vs. I 28: namma-aš IŠTU INBI Ì.NUN-ya gulaššanzi „they mark them with fruit and ghee“ (HED 4 240); KUB XXXIII 81 (CTH 322.1.B)1156 Rs. IV 10: Ì.UDU gulšanza „marked (with) sheepfat“ (ibid. 241). Daraus lässt sich folgern, dass im Totenritual der Umriss eines Mannes zuerst mit Früchten angedeutet wurde, wonach diese Konturzeichnung mit Nahrungsmitteln und Tierprodukten aufgefüllt wurde. Es handelt sich dabei daher nicht um eine Statue im engeren Sinne, sondern um eine zweidimensionale Abbildung, die folglich nicht mit dem ab dem 7. Tag verwendeten Ersatzbild des Toten gleichgesetzt werden kann. Das Gleiche darf für die ALAM aus Früchten gelten, die laut KUB XXX 24++ Rs. III am 9. Tag auf? einem Getreidehaufen skizziert wurde: 38ˈ) 39ˈ) 40ˈ) 41ˈ)
… ˹ma-a-an˺ LÚ-iš ak-kán nu-uš-ša-an še-li-ya [a]n-da ŠA GIŠIN-BI ALAM gul-ša-an-zi *ma*-a-an MUNUS-za-ma : ak-kán-za nu-uš-ša-an ZÍZ-aš še-li-ya : an-da IŠ-TU GIŠIN-BI
Wenn ein Mann gestorben (ist), markiert/umrandet1157 man eine Abbildung aus Früchten auf? einem Haufen. Wenn aber eine Frau gestorben (ist), (markiert/umrandet man eine Abbildung) mit Früchten auf ? einem Emmerhaufen.
In Rs. III 36 dieses Textes ist der Éḫilamni, „Torbau“ belegt, bei dem wahrscheinlich die Kulthandlungen in dieser Phase des Rituals durchzuführen waren. Demzufolge lässt sich vermuten, dass das Ersatzbild des Toten, das sich sonst an den Ritualschauplätzen im Haus und außerhalb 1154
Zu gulš- s. zuletzt Waal 2014. Kassian 2000: 105-118. 1156 Siehe im Hethiter-Portal CITATIO: Rieken et al. (ed.), hethiter.net/: CTH 322.1. 1157 Vergleiche im Hethiter-Portal CITATIO: Kapełuś (ed.), hethiter.net/: CTH 450.1.1.2: „decorate“. Zur Bedeutung von gulš- in diesem Zusammenhang s. oben in der Diskussion. 1155
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des Hauses befand, nicht zum Torbau gebracht wurde, dort also eine weitere Abbildung des Toten geschaffen wurde. Nachdem die Knochen vom Verbrennungsplatz fortgebracht, auf den Thron gelegt und anschließend auf ein im Steinhaus ausgebreitetes Bett überführt wurden, ist in KUB XXX 15++ Vs. Folgendes zu lesen: 52) 53)
ap-p[é-e]z-zi-az-ma!(GIŠ)-kán ak-kán-da-an!1158 ku-e-da-aš A-NA ÉMEŠ an-[da ti-an-zi] nu a-p[í-y]a I GU4 IX UDUḪI.A-ya ki-iš-ša-an ši-pa-an-da-˹an-zi˺
Danach aber, in welchen Hausraum [man] den Toten hin[einlegt], dort opfert man ein Rind und neun Schafe auf diese Weise. 1159
Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev (2002: 291 Vs. 52) zufolge muss akkanthier „Gebeine des Toten“ bedeuten, da die Erwähnung der ins Steinhaus gebrachten Knochen dieser Textstelle vorangeht. Die Bezeichnung akkant-/GIDIM für die „Knochen (des Toten)“ ist jedoch wenig wahrscheinlich, denn dafür wird der Ausdruck ḫaštai verwendet (s. III.1.5). Eine parallele Textstelle aus dem Totenritual šalliš waštaiš außerhalb von Ḫattuša für ein Mitglied der königlichen Familie KUB XXXIX 12 1160 lautet jedoch folgendermaßen: 13ˈ) 14ˈ)
[x-]x-˹ni˺ ka-ri-ya-an-zi na-at I-NA É.NA4 pé-e-[da-an-zi …?] ḫa-aš-ta-i-kán ku-e-da-ni A-NA É.ŠÀ an-da [ti-an-zi …]
[…] man wickelt (es/sie) ein und [trägt] es/sie ins Steinhaus fort [… ?]. In welches Innengemach man die Knochen hinein[legt, dort handelt man folgendermaßen?:]/
Sowohl diese Passage als auch KUB XXX 15++ Vs. 52f. (s. oben) beziehen sich auf den Moment, an dem die Knochen im Anschluss an die Lei1158
Mit zwei Waagerechten. Siehe auch Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 272f. 1160 Siehe IV.3.8. Vergleiche Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 278ff., die KUB XXXIX 12 als indirekten Join zu KUB XXX 15++ (3rd! Tag des Totenrituals) Rs. betrachten. 1159
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chenverbrennung ins Steinhaus zu bringen waren. Trotz dieser Parallelität lassen sich aber drei Unterschiede feststellen: Erstens ist in KUB XXXIX 12 14ˈ im Gegensatz zum ÉMEŠ „Hausraum“ in KUB XXX 15++ Vs. 52 vom É.ŠÀ „Innengemach“ die Rede. Zweitens werden in KUB XXXIX 12 14ˈ die ḫaštai „Knochen“ anstatt des akkandan „Toten“ in KUB XXX 15++ Vs. 52 erwähnt. Schließlich folgen in KUB XXX 15++ Vs. 54ff. verschiedene Opfer für die Gottheiten und die „Großväter (und) Großmütter“, die im Laufe des Totenrituals im Haus verehrt wurden. 1161 Hingegen dazu beinhaltet KUB XXXIX 12 15ˈff. Versöhnungshandlungen mit einem Substitutsbild in Verbindung mit den Knochen, die auf dem Bett im Innengemach des Steinhauses lagen. Aus solchen Unterschieden lässt sich folgern, dass in KUB XXX 15++ Vs. 52 akkant- nicht „Gebeine des Toten“ bedeutet haben muss. Denn damit dürfte hier die Statue bezeichnet werden, die gleich nach der Leichenverbrennung ihre Funktion als Ersatzbild des Toten im Haus einnahm. Der Ausdruck akkant-/ GIDIM kann nämlich beim Totenritualtext anstelle von ALAM zur Bezeichnung der Statue verwendet werden (dazu s. III.1.2.1). Das Totenritual šalliš waštaiš lässt sich demzufolge hinsichtlich der Statue des Toten folgendermaßen rekonstruieren: Das Ersatzbild dürfte im Laufe der ersten zwei Tage angefertigt worden sein. Sofort nach der Leichenverbrennung wurden die Knochen vom gelöschten Scheiterhaufen weggebracht, während eine Abbildung des Toten in der Mitte des Verbrennungsplatzes mit Früchten und anderen Nahrungsmitteln und Tierprodukten zu konturieren und aufzufüllen war. Daraufhin wurde die im Laufe der ersten zwei Tage angefertigte Statue ins Haus gebracht, nachdem die Knochen im Steinhaus auf das Bett abgelegt worden waren. Ab diesem Moment (außer am 9. Tag beim Torbau) fungierte die Statue als Ersatzbild des toten Protagonisten des Rituals: Bis zum 13. Tag erhielt der Verstorbene so verschiedene Opfer und nahm an der Durchführung der Kulthandlungen im Haus und außerhalb des Hauses teil. Da der letzte, der 14. Tag, des Totenrituals nicht erhalten ist, ist unklar, was mit der Statue des Verstorbenen passierte. 1162 Verschiedenartige 1161 1162
Zum Kult der Ahnen im Haus beim Totenritual šalliš waštaiš s. IV.4. Vergleiche Haas 2000: 63, der das Verbrennen des Sitzbildes bereits am 13. Tag (s. KUB XXXIX 7(++) Vs. II 31: [… ALA]M? warnūwanzi; so auch Otten 1958: 129) und den Einsatz einer weiteren Statue für die noch verbleibenden Kulthandlungen postuliert. Dafür lässt sich jedoch im Text kein Anhaltspunkt finden.
380
Möglichkeiten hierfür wurden in der Forschung diskutiert. Silvestri 1982: 410 zufolge repräsentierte dieses Ersatzbild von vornherein den offiziellen Ahnenkult innerhalb des Steinhauses. Börker-Klähn 1994: 361 folgt Masson 1989: 63 und zuletzt 2010: 54, die einen Vergleich mit der römischen Religion zieht: Hier wurde nach der Leichenverbrennung (funus in corpore) auch die Statue am Ende des Totenrituals verbrannt (funus in effigie). Van den Hout 1994: 37-39, 61, 63 und 2014b: 77 schließt sich dieser Lehrmeinung an, indem er darauf aufbauend eine Unterscheidung zwischen dem König als physischer Person – die sterblich ist – und dem König als Repräsentanten des Königtums – der nie stirbt – vornimmt. Dem Autor (1994: 50-52; 2002: 80) zufolge war das ḫekur bei Nişantepe die Gedenkstätte für den body politic Tudḫaliyas IV., während Yazılıkaya das Grab für seinen body natural gewesen sein dürfte. Dagegen wendet sich Taracha 1998: 194f., der die Verbrennung des Bildes als magischen Vorgang deutet. Er zieht nämlich einen Vergleich mit dem Ersatzritual für den Großkönig Tudḫaliya (CTH 448.4)1163 unter der Annahme, dass der beim Ersatzritual dem König zugeschriebene Unreinheitszustand jenem des Verstorbenen ähnlich war. Die Verbrennung des Ersatzbildes ist demnach als Verbannung der Substitute in die Unterwelt zu verstehen, d.h. als Opfer zur Besänftigung der chthonischen Sonnengöttin der Erde.1164 Mangels der den 14. Tag betreffenden Tafel sollen im Folgenden die restlichen dem Totenritual šalliš waštaiš zu entnehmenden Anhaltspunkte vorgestellt werden, welche eine bessere Deutung des Themenkomplexes ermöglichen. Am 13. Tag war die Statue aus dem Zelt zu verlegen und zusammen mit dem goldenen Thron auf die Mitte eines Säulensockels zu heben. In der Nacht wurden dem Ersatzbild Soldatenbrote auf die Knie ge-
1163 1164
Taracha 2000. Zur Diskussion über das Ersatzbild im Totenritual šalliš waštaiš s. auch van den Hout 2014a.
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legt/gehalten1165 und laut KUB XXX 19++ Rs. IV 1166 war dabei die folgende Anrufung des Toten zu rezitieren: 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
nu ki-iš-ša-an da-ra-a[(n-zi)] ka-a-ša-wa-ad-du-uš-ša-[(an A-NA GÌRMEŠ-KA)] še-er NINDA. ÉRINMEŠ da-a-ú-e-[(en nu-wa-ká)]n nam-ma le-e kartim-m[(i-ya-ši)] nu-u-wa-za-kán A-NA D[(UMUMEŠ-KA an-da-a)]n a-aš-šu-uš e-eš tuel [(LUGAL-UT-TA)] kat-ta ḫa-aš-ša [(ḫa-an-za-aš-ša uk)]-tu-u-ri e-eš-du!(TA)1167 nuwa ú-[(iz-zi)] tu-e-el-p[(át Eka-ri-im-mi)] na-ak-ki-ya-aḫ-ḫa[(-an)] SISKUR-ya-a[(t-ta ša-ra-a)] ar-ta-[(r)]i nam-ma a-pé-e-[(da-ni UDKAM-t)i] L[ ÚM]EŠ GIŠB[( ANŠUR)] NINDAar-pa-mar GIŠIN-[BIḪI. A da-a(n-zi)] [(n)]u ak-kán-t[(i)] pé-ra-an kat-ta z[(i-ik)-kán-zi]
Folgendermaßen spricht man: „Hier haben wir dir die Soldatenbrote auf deine Knie 1168 gelegt!.1169 Zürne weiter nicht mehr! / Und sei ferner deinen
1165
KUB XXXIX 7(++) Rs. III 62ff.: EGIR -an-da-ma NINDA[. ÉRINMEŠ d]a-an-zi na-an-ša-an A-N[A ALAM] (63) ge-e-nu-wa-aš-š[a-aš š]e-er ti-an-zi na-a[n-šiiš-ša-an] (64) :gi-nu-u-wa-aš an-tu-w[a]-aḫ-ḫa-aš an-da (65) :ḫar-zi „Hinterher aber [n]immt man die [Soldaten]brote und legt sie dem [Ersatzbild a]uf die Knie; und man hält si[e] auf sein menschliches Knie.“ (vgl. im HethiterPortal CITATIO: Kapełuś (ed.), hethiter.net/: CTH 450.1.1.4 translatio §41ˈ 229: „And the person? keeps i[t] on its knees“). Dass die Brote auf die Knie gelegt werden konnten, beweist die sitzende Position der (sitzenden) Statue auf dem Thron. Das Ersatzbild muss aber entweder nicht groß genug gewesen oder in seiner Körperlichkeit lediglich angedeutet worden sein, sodass die Brote von jemandem zu halten waren. 1166 Dupl. KUB XXXIX 8++. 1167 Auf dem Dupl. Rs. III 26 steht eindeutig e-eš-du. 1168 Das Sumerogramm GÌR muss hier für genu- „Knie“ gestanden haben (s. nämlich gēnuwaš=šaš „seine Knie“ in Rs. III 62); so auch Otten 1958: 45 Anm. 2 und Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 542. 1169 Aufgrund des Textzusammenhangs nicht mit „genommen“ zu übersetzen: daa-ú-e-en (dā- „nehmen“) wurde wahrscheinlich falsch anstelle von da-a-i-u-
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Kindern gut! Möge dein Königtum weiter für Enkel (und) Urenkel ewig dauern! Dann wird gerade deine Heiligtumszelle ? verehrt werden, und dir wird das Opfer (immer) zur Verfügung stehen.“ Daraufhin [neh]men die Tischmä[nn]er an jenem Tag arpamar-Brot (und) Frü[chte] und leg[en] (sie) vor dem Toten nieder. 1170
Darauf folgte ein „Seilritus“, in dem der Tote gebeten wurde, nicht an dem Seil zu ziehen, wenn er zur „Wiese“ ging (KUB XXX 19++ Rs. IV 9-14). In Anlehnung an Haas 1994: 228 und 2000: 63f. und Anm. 49 lässt sich in dem Seil ein Symbol für die letzte Verbindung des Toten zum Diesseits sehen. Hierbei handelt es sich nämlich um die letzten Phasen des Totenrituals, in denen die Verbindung des Verstorbenen mit der Welt der Lebenden vollends gekappt werden musste. Dies konnte aber nur durch die Gewährleistung der zukünftigen Versorgung für den Toten erfolgen, d.h. der Verehrung der Ékarimmi „Heiligtumszelle?“ des Verstorbenen. Die Ékarimmi1171 stellt eine Räumlichkeit für kultische Handlungen (Opfergaben, Erscheinen von Vorzeichen usw.) dar, die häufig in den Texten neben anderen Gebäuden, insbesondere dem Tempel, auftaucht.1172 Ihren Belegen lässt sich entnehmen, dass mit diesem Ausdruck kein selbständiges Gebäude gemeint war, sondern eine Räumlichkeit, die sich innerhalb eines Tempelkomplexes befunden haben dürfte. Die Übersetzung „Heiligtumszelle?“ basiert insbesondere auf der folgenden Textstelle aus der althethitischen (junghethitischer Abschrift) AN.TAḪ. ŠUMSARÜbersichtstafel KBo X 20 (CTH 604.A) 1173 Rs. IV:
e-en (dai- „legen“) geschrieben; so auch Otten 1958: 45 Anm. 2 und Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 542. 1170 Siehe auch Otten 1958: 45; Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 515; im Hethiter-Portal CITATIO: Kapełuś (ed.), hethiter.net/: CTH 450.1.1.4 translatio §42ˈf. 1171 Zu Ékarimmi-/Ékarimni- (m(m) : mn) s. Oettinger 1982: 172 mit Anm. 42. 1172 Siehe HED IV 83-85: „shrine, chapel, sanctuary“; HW2 V (im Druck): „Räumlichkeit, wahrsch. im Tempelkomplex, für kultische Handlungen, Tempelzelle(?)“. 1173 Dupl. KUB XXX 39++ (CTH 604.B); s. Güterbock 1960: 80-89.
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24) 25) 26)
ši-ya-an-na-aš DZi-it-ḫa-ri-ya1174 A-NA EZENḪI.A AN.TAḪ.ŠUMSA[(R I )]-NA É-ŠU a-pé-e-el É ka-ri-im-mi1175 pa-iš-k[(et9-ta)] … ŠÀ-ta
Zur Beachtung: Für das AN.TAḪ.ŠUMSAR-Fest des Gottes Zitḫariya geht man wie üblich zu seinem Haus/Tempel, zu seiner Ékarimmi“.1176
Hier lässt sich Ékarimmi entweder auf einen Teil des Tempels beziehen oder der Ausdruck stellt einen funktionalen Terminus dar, der das Haus der Gottheit gerade in seiner Funktion als Kultort zur Verehrung der Gottheit charakterisiert. Zwei weitere Textstellen können darüber hinaus als Vergleichsbeispiele angebracht werden: KUB XIII 2(++) (CTH 261.I.B; Dupl. KUB XXXI 90+ (CTH 261.I.C)) 1177 Vs. II 28ˈff.: kedani=wa=ššan URU-ri (29) naššu ŠA DX kuit Ékarimmi našma tamēdaš DINGIRLÌ-aš (30) kuitki Ékarimmi (Dupl. Vs. II 11: É.DINGIRLÌ) kinun=at katta mutān (31) n=at arḫa ḫarkan „ ,In dieser Stadt ist nun entweder eine Ékarimmi des Wettergottes oder eine Ékarimmi (Dupl.: ein Tempel) anderer Gottheiten vernachlässigt und völlig zerstört worden.“ KUB XIII 4 (CTH 264.A)1178 Rs. III 36f.: ŠÀ É.DINGIRLÌ našma tamēdani (37) Éka-ri-im-me kuiški nikzi „jemand betrinkt sich in einem Tempel oder in einer anderen É karimmi“. Diesem Beleg zufolge kann der Ausdruck Ékarimmi „Tempel“ bedeuten, wobei er wahrscheinlich nicht auf den gesamten Tempelkomplex, sondern nur auf das für die Gottheit bestimmte Sakrarium zu beziehen ist. Dementsprechend erscheint die Übersetzung „Heiligtumszelle?“ plausibel. Kapeluš 2007b: 222 zufolge wurde dem Toten beim Totenritual šalliš waštaiš eine „chapelle“ (Ékarimmi) geweiht. Davon ausgehend argumentiert die Autorin weiter, dass „le lieu du culte royal ne soit pas le même que celui du gisement des rois défunts“ (ibid.). In KUB XXX 19++ Rs. IV 5 (s. oben) ist jedoch nicht vom „Weihen“, sondern vom „Verehren“ (nakkiyaḫḫ-)1179 die Rede. Diese Formulierung muss daher nicht unbe1174
Dupl. Rs. 7ˈ: DZi-it-ḫa-ri-ya-aš. Ibid. Rs. 8ˈ: I-NA É-ŠU URUḪa-at-tu-ši a-pé-e-el I-NA Éka-ri-im-mi. 1176 Vergleiche Güterbock 1960: 88 „To remember: For the AN.TAḪ.ŠUM festival of Zitḫariya one goes to his temple, (that is) to his own temple (in Ḫattuša).“ 1177 Miller 2013: 212-237 (KUB XIII 2 als B ). 1 1178 Ibid. 244-265 (KUB XIII 4 als A). 1179 Siehe CHD L-N 369. 1175
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dingt die Errichtung einer Gedenkstätte für den Toten samt Umbettung seiner Knochen bzw. seiner Statue implizieren. Da Ékarimmi wahrscheinlich nur als funktionaler Terminus zur Benennung des für die Verehrung bzw. die Beopferung des Toten vorgesehenen Raumes verwendet wurde, muss damit nicht zwangsläufig auf einen Ort außerhalb des Steinhauses verwiesen werden. Den Texten – insbesondere KUB XVI 39+ (s. IV.3.5) – lässt sich nämlich entnehmen, dass die verstorbenen Könige Šuppiluliuma I., Arnuwanda (?), Tudḫaliya (?) und die königlichen Vorgänger jeweils im eigenen Steinhaus verehrt wurden. Darüber hinaus belegt das Textfragment Bo 3826 (s. III.1.5) Rs. III 6, dass das É. ŠÀ ḫa-aš-ti-ya-aš „Innengemach der Gebeine“ – gleichzusetzen mit dem É. ŠÀ des Steinhauses – auch mit einer goldenen ALAM ausgestattet war. Alle aufgelisteten Elemente lassen vermuten, dass das Innengemach des Steinhauses die Funktion einer „Heiligtumszelle?“ für den Einzelkult des Verstorbenen ausgeübt haben dürfte. Die Opfer für die Toten konnten jedoch nicht nur dort durchgeführt werden, denn laut KUB XVI 34(+) (s. IV.3.5) Vs. I 5-7 waren deren Bilder anlässlich ihrer Beopferung beim daḫi-Fest alle in einen Raum zu verlegen. Daraus lässt sich einerseits folgern, dass sich die Statuen verstreut im Steinhaus befanden, d.h. jeweils in den verschiedenen dortigen Innengemächern der einzelnen Verstorbenen. Andererseits ist anzunehmen, dass während bestimmter Feste auch eine allgemeine Beopferung der Toten stattfand, die sich aber nicht mit dem regelmäßigen Einzelkult für jeden Verstorbenen gleichsetzen lässt. Im Fall einer allgemeinen Beopferung der Toten wurden sie nämlich alle zusammen angerufen, ohne Angabe ihres Namens. 1180 Wenn der Einzelkult des toten Königs innerhalb des Steinhauses in dem mit dessen Statue ausgestatteten Innengemach der Gebeine bzw. im É karimmi stattfand, dürfte die dorthin gestellte Statue das beim Totenritual verwendete Ersatzbild des Verstorbenen gewesen sein.1181 1180
Alle Texte über die allgemeinen Opfer für die Toten sind junghethitischer Abschrift, ohne dass sich ihre Niederschrift genauer datieren lässt. Demzufolge dürfte der Unterschied zwischen dem Einzelkult des Verstorbenen und den allgemeinen Opfern für die Toten aus den neuen Sitten ab der Regierungszeit Ḫattušilis III. resultieren. Auf diese Lesart bezeichnen die „Toten“ die alten Könige, Königinnen und Mitglieder der königlichen Familie, deren Knochen bzw. Statuen im alten Steinhaus in Ḫattuša aufbewahrt waren. 1181 Bei diesem Ersatzbild handelt es sich wahrscheinlich um keine lebensgroße Statue, sondern um eine Art Statuette; dazu s. IV.3.3.
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3.7.2 Die Göttlichkeit des Steinhauses Im Laufe des Totenrituals šalliš waštaiš wurde der Prozess der Verkörperung des Toten durch das Bild vollendet. akkant-/GIDIM und ALAM sind dort nämlich abwechselnd, ohne Differenzierung aber belegt (s. III.1.2). An dieser Stelle lässt sich vermuten, dass die Gebeine nur noch die menschliche und sterbliche Dimension des Toten repräsentierten, während das Bild für die gelungene Überwindung der ihn ans Diesseits fesselnden Bande – d.h. seine göttliche Dimension – stand. Aus diesem Grund galt wahrscheinlich das Steinhaus als „göttlich“: In É.NA4 DINGIRLÌ ist nämlich DINGIRLÌ eindeutig dem Steinhaus zuzuordnen und nicht dem Toten, dessen Name in einigen Fällen diesem Ausdruck folgte. 1182 Für das Vorkommen oder Fehlen von DINGIRLÌ neben É.NA4 lässt sich jedoch keine Regel aus den Textbelegen folgern. Einiges kann aber für die Annahme sprechen, dass dieses Attribut auf das Vergöttlichungsverfahren des Verstorbenen durch das Totenritual šalliš waštaiš verwies: Dies geht von einer impliziten Zweiteilung des Wesens des Königs aus. Einerseits blieb der Herrscher vorläufig noch der „Tote“ in Form von Knochen in Einklang mit seiner menschlichen Hinfälligkeit. Andererseits wurde er fortan von einem Bild verkörpert, das wie jene der Gottheiten und neben diesen zu verehren war. Denn nach der damaligen Auffassung stand der König nämlich bereits zu Lebzeiten bei der Ausübung seiner Funktion in Wechselwirkung mit der Ebene des Göttlichen. Darüber hinaus lässt sich aus dem Ausdruck DINGIRLÌ kiš- „Gott werden“ für das Sterben des Königs und insbesondere aus der Bezeichnung des Tudḫaliya und der Väter jeweils als „Gott“ und „Gottheiten“ in KUB XVI 39+ (s. IV.3.5) Vs. II 14, 16, 29, 38, 41, 44 folgern, dass die Könige nach dem Tod vergöttlicht wurden. Da ihre Namen aber kein Götterdeterminativ tragen, muss fraglich bleiben, inwiefern sich ihr Status von demjenigen der Gottheiten unterschied.1183 1182
So auch van den Hout 2002: 82. Vergleiche Taracha 2009: 164, der in KUB XVI 39+ Vs. II 20, 24, 29, 30 DINGIRLÌ addaš als eine Einheit zur Bezeichnung für Vorfahren betrachtet. 1183 Zum Thema „Vergöttlichung“ s. Hutter-Braunsar 2015: 48-52, die den Ausdruck „Gott werden“ nicht mehr als Euphemismus für „sterben“ betrachtet, obwohl diese Formel gewiss den König vom „Normalsterblichen“ abheben sollte. Zur Vergöttlichung des Königs bereits zu Lebzeiten in der letzten Phase
386
In Erwägung ist jedoch auch zu ziehen, dass sich Ḫattušili III. laut KUB I 1++ (s. IV.3.5) Rs. IV 75f. ein ḫaštiyaš É-ir „Beinhaus“ gebaut und seiner Gottheit Šaušga übergab. Daraus kann gefolgert werden, dass dem Steinhaus in der damaligen Vorstellung seine Göttlichkeit vonseiten aller Gottheiten zufloss, unter deren Überwachung das Totenritual durchgeführt wurde. 1184 3.7.3 Totenkult im (göttlichen) Steinhaus versus Statuenkult in den Tempeln und anlässlich der Festrituale Der Kult der Verstorbenen innerhalb des göttlichen Steinhauses ist der Einzige, der wirklich als „Totenkult“ (der königlichen Familie) anzusehen ist: die Verehrung und die Beopferung des Toten als eines Toten (auch wenn „vergöttlicht“), die in einem von der menschlichen Lebenssphäre abgegrenzten und sorgfältig rein gehaltenen Bereich durchzuführen war. Hiervon ist der Kult der Statuen der Könige, Königinnen und weiteren Mitglieder der königlichen Familie im Folgenden zu unterscheiden. Seit Ottens Publikation Die hethitischen ,Königslistenʻ und die altorientalische Chronologie (1951) wurde viel über CTH 660 (Opfer für die Königsstatuen) und CTH 661 (Königslisten) diskutiert.1185 Die unter CTH 660 aufgelisteten Texte schildern den Kult des Wettergottes in Ḫattuša anlässlich von Festritualen.1186 Insbesondere bezieht sich das Kolophon von VS NF XII1187 auf einen Kult, der Popko 2002: 73-80 zufolge beim AN.TAḪ.ŠUMSAR-Fest seit mittelhethitischer Zeit im Tempel von Teššub von Ḫalab auf Büyükkale stattfand.1188 Die dort zu beopfernden Statuen der verstorbenen Könige waren diejenigen von Ḫattušili, Tudḫaliya,
des hethitischen Reiches s. van den Hout 1995c; vgl. Giorgieri – Mora 1996: 77ff. 1184 So auch Börker-Klähn 1994: 358. 1185 Siehe zuletzt Carruba 2007; id. 2008; Torri 2008; Gilan 2014. 1186 Dazu s. Archi 2007a: 53f. 1187 Groddek et al. 2002: 4f. 1188 Vergleiche aber Archi 2006: 147-163, insb. 158 mit Anm. 47 und Torri 2008: 174 Anm. 7; beide berufen sich auf die Tatsache, dass Teššub von Ḫalab auch in den junghethitischen Texten von CTH 660 stets ohne Epitheta belegt ist.
387
Šuppiluliuma und Muršili, in der Formel ANA ALAM mPN I-ŠU šipanti.1189 Lediglich im fragmentarisch erhaltenen KBo XXXIX 90 1190 wird der Opferempfänger in Rs. IV 11f. mit [ AN]A ALAM mḪattušil[i LÚ URUK]uššar genauer beschrieben, d.h. es muss sich dabei um Ḫattušili I. gehandelt haben.1191 Aus diesem Grund herrscht bislang die Lehrmeinung, dass auch die anderen dort genannten Könige „eine heroische und fast mythische Verbindung mit der regierenden Dynastie haben“ (Torri 2008: 175), d.h., dass es sich also um Tudḫaliya I./II., Šuppiluliuma I. und Muršili II handeln müsse. 1192 CTH 660 dürfte folglich eher die Verehrung bestimmter Vorfahren als den Totenkult betroffen haben. Darüber hinaus betont Gilan 2014: 97f., dass die Anwesenheit solcher Königsstatuen in bestimmten Tempeln mit der sorgfältigen Arbeit hethitischer Schreiber an „historischer Literatur“ in Einklang zu bringen ist. In diesem Zusammenhang ist die Abwesenheit der Statue Muršilis I. sowohl im Tempel von Teššub von Ḫalab (beim AN.TAḪ.ŠUMSAR-Fest) als auch in der historischen Einführung des Vertrags mit Ḫalab sehr bemerkenswert, da Ḫattušili I., Tudḫaliya I./II. und Šuppiluliuma I. hingegen in beiden Kontexten ihren Platz hatten. CTH 661 enthält die listenförmig aufgeführten Opfer für Könige, Königinnen und Mitglieder der königlichen Familie. Nakamura 2002: 137 zufolge hat die Liste E (KUB XI 8+) 1193 aufgrund des Terminus (GIŠ)warḫušdu-1194 (Vs. III 15) den 32. Tag des nuntarriyašḫaš-Festes zum Inhalt.1195 Davon ausgehend postuliert Gilan 2014: 97, dass die in CTH 661 aufgelisteten Beopferungen genau so wie die in CTH 660 belegte Verehrung der Königsstatuen im Zusammenhang mit einem Fest durchzuführen waren. Dass sich lediglich der Beleg für (GIŠ)warḫušdu- in fragmentarischem Kontext sowohl in der Liste E als auch in der Übersichtstafel des nuntarriyašḫaš-Festes KUB LV 5+ (CTH 626.Ü3) 1196 Rs. IV 25ˈ findet, reicht jedoch für eine derartige Schlussfolgerung nicht aus.
1189
Zur Liste der Königsstatuen und deren Textbelegen s. Torri 2008: 174. Groddek 2004c: 120f. 1191 So auch Torri 2008: 175; vgl. Haas 1994: 247 und Popko 2002: 79, welche die Identifizierung mit Ḫattušili III. befürworten. 1192 So auch Archi 2007a: 53. 1193 Otten 1951: 47-71, insbes. 49 und 67-69; Nakamura 2002: 268-275. 1194 Zu seinen weiteren Belegen s. Nakamura 2002: 137f.; s. auch Gilan 2014: 91f. 1195 So auch Archi 2007a: 51f. 1196 Nakamura 2002: 49-59. 1190
388
Während sich bei CTH 660 von der Verehrung bestimmter Vorfahren sprechen lässt, muss CTH 661 in Anlehnung an Torri 2008: 177 eher den Totenkult betroffen haben: Bei den dort aufgelisteten Personen handelt es sich um unbekannte Personen, „die dem lebenden König kein beachtenswertes Prestige bringen“ (ibid.).1197 Im Anschluss an diese Ansicht lässt sich hier weiterhin zur Diskussion stellen, ob die in CTH 661 beschriebenen Opferhandlungen mit Teilen des Totenkultes innerhalb des göttlichen Steinhauses in Ḫattuša in Verbindung gebracht werden können. Denn die Auflistung der Namen aller Könige, Königinnen und Mitglieder des Königshauses mag auf einen einzigen Ort verweisen, an dem sich sämtliche Bilder der Genannten zur Durchführung der Kultopfer befanden. Die Repräsentation der Toten in Form von Statuen in CTH 661 bezweifeln hingegen Torri 2008: 177 und Gilan 2014: 93 in Anbetracht zweier Anzeichen: Erstens rief der Sänger die Namen der Könige (KUB XXXVI 121(+) Vs. 3). Dies verweist den Autoren zufolge eher auf das Vorlesen der Namen von einer Tontafel als auf die Anwesenheit der Bilder. Zweitens wurden laut den Listen E (KUB XI 8+), F (KUB XXXVI 124) und G (KUB XXXVI 123) Rohrtische in Gestalt der Verstorbenen „aufgehäuft“ (ḫarp-), 1198 welche die Anwesenheit zusätzlicher Bilder der Toten unnötig machen würden. Der erste Einwand lässt sich durch die Belege des Totenrituals šalliš waštaiš leicht entkräften: Dort wurde nämlich der Name des Verstorbenen mehrfach ausgerufen, während gleichzeitig dessen Ersatzbild am Schauplatz die ganze Zeit über zugegen war. 1199 Das „Rufen des Namens“ kann demzufolge nicht ausschließen, dass sich auch eine Statue des Genannten dort befand. Bezüglich der Rohrtische in Gestalt der Verstorbenen beobachtete bereits Nakamura 2002: 274, dass die Namen der Toten häufig in ihrer Stammform im Anschluss an die ihnen je zugeordneten Rohrtische belegt sind, z.B. in KUB XI 8+ Vs. II 1f.: [GIŠBANŠUR] ˹AD.˺KID m˹Al˺lu1197
Siehe auch Archi 2007a: 52f.; Singer 2009: 180. Nakamura 2002: 13 bezieht CTH 661 allgemein auf den Ahnen- und Totenkult betreffende Handlungen. 1198 Zu dieser Deutung s. Melchert 2010, insbes. 184; vgl. u. a. HW 2 III 331a: „hinstellen“. 1199 Die folgenden Textstellen belegen das „Rufen des Namens“ im Zusammenhang mit dem Ersatzbild des Toten beim Totenritual šalliš waštaiš: KUB XXX 15++ Vs. 29 (2. Tag); KUB XXX 25++ Rs. 20 (7. Tag); KUB XXXIX 5+ Rs. 21 (7. Tag); KUB XXXIX 44 Rs. 3ˈ (7. Tag); KUB XXXIX 41 Vs. 8ˈ, 15ˈ („Rollenbuch“).
389
wamna (2) [QATAMMA] ˹ḫar˺panzi „Man häuft einen Rohr[tisch] von Alluwamna [ebenso] auf.“ Lediglich in Vs. II 7-14 stehen dagegen die Personennamen im Akkusativ, z.B. in 11f.: [GIŠBANŠUR A ]D. KID mḪuzziyan (12) [QATAMMA] ˹ḫar˺panzi „Man häuft einen [R]ohr[tisch] (als) Ḫuzziya [ebenso] auf.“ Dies kann bedeuten, dass die Rohrtische die Genannten repräsentierten bzw. in irgendeiner Form symbolisierten. Daraus lässt sich aber nicht zwangsläufig folgern, dass die Tische den Gestalten der von ihnen repräsentierten Menschen nachgebildet waren; insbesondere mutet die Vorstellung von tischförmigen Verstorbenen überaus merkwürdig an. In mehreren Texten sind darüber hinaus Tische zur Beopferung der Gottheiten belegt, meist im Kontext von Festen. 1200 Demzufolge kann es sich in CTH 661 wahrscheinlich um die Tische gehandelt haben, die zur Beopferung vor dem Bild des Toten aufzustellen waren. Die Akkusativ-Formen der Namen der Verstorbenen Zidanta, Iyaya, Ḫuzziya und Šummiri lassen sich auf diese Weise als respectus1201 auffassen, d.h. „Ein [R]ohr[tisch], betreffs Ḫuzziya; man häuft (ihn) [ebenso] auf“. Auf die Auflistung der Rohrtische mit den Namen der Verstorbenen ist in KUB XI 8+ Vs. III Folgendes zu lesen: 16) 17) 18) 19) 20)
ke-e-da-aš-ma GIŠBANŠUR ḪI. A-˹aš˺[…?] ḫu-u-ma-an-da-aš an-dur-za […] ku-ut-ta-az I GIŠBANŠUR AD. K[ID … ?] Ù GIŠBANŠUR ḪI.A TURTI […] šu-up-pa wa-aš-ḫa-na-al-li[(-) …]
21) 22) 23) 24) 25)
nu A-NA DINGIR MEŠ ku-it a-˹da˺-[an-na? …] ˹NINDA.GUR4.RA˺ GIŠIN-BIḪI. A a[r- …] [x x x a]z-zi-ik-kán-z[i …] [x x x x]˹a˺-pé-e-da-a[š …] [x x x x z]i-˹ik-kán˺-[zi …?]
(16f.) Allen diesen Tischen aber drinnen […] (18) aus ? der Wand einen Ro[hr]tisch […?] (19) und kleine Tische […] (20) rein ? […] / (21) Und was [man] den Gottheiten [zu] essen [gibt ?], (22) dickes Brot (und)
1200
Siehe Archi 1966: 94f. mit Anm. 69. Siehe Hoffner – Melchert 2008: 248 (§16.25).
1201
390
Früchte […] (23) [… m]an [i]sst jedes Mal […] (24) […] jene[n …] (25) [… man l]egt jedes Mal [… ?]1202
Dieser fragmentarisch erhaltenen Textstelle kann entnommen werden, dass alle Tische innerhalb eines Gebäudes aufzustellen waren. Möglicherweise gab es einen gemeinsamen Tisch mit sämtlichen Opfern und viele kleine Tische zur Verteilung der Opfergaben für jeden einzelnen Toten. Dies ist mit der Struktur des Steinhauses in Einklang zu bringen, in dem die Bilder der Könige, Königinnen und Mitglieder des Königshauses jeweils ihren eigenen Platz hatten (s. IV.3.1-3). Darüber hinaus gestattet es die wahrscheinlich auf die in den vorigen Textabschnitten genannten Verstorbenen zu beziehende Bezeichnung „Gottheiten“ (Vs. III 21), einen Vergleich dieser Opferliste mit der Orakeluntersuchung KUB XVI 39+ (s. IV.3.5) über Versäumnisse innerhalb des göttlichen Steinhauses anzustellen. Denn dort sind der tote Tudḫaliya und die verstorbenen Väter jeweils ebenfalls als „Gott“ und „Gottheiten“ belegt. Daraus kann gefolgert werden, dass CTH 661 die Auflistung der Totenopfer für die Verstorbenen im Steinhaus enthält. Anhaltspunkt dafür ist die Erwähnung des Königs von Karkemiš Piyaššili/Šarri-Kušuḫ, Sohn von Šuppiluliuma I., in den Opferlisten E (KUB XI 8+ Vs. III 3f., Rs. V 16ˈ) und F (KUB XXXVI 124 Vs. I 6f.). Laut den Annalen seines Bruders Muršili II. KBo IV 4++ Vs. I 6ff. wurde sein Leichnam nämlich nach Ḫattuša zur Durchführung des Totenrituals šalliš waštaiš gebracht. 1203 CTH 661 hat daher den Totenkult für Könige, Königinnen und Mitglieder der königlichen Familie im Steinhaus zum Inhalt, bei dem sich die Bilder, welche die Verstorbenen verkörpern, als zentrales Element bei den Opferhandlungen erwiesen. Die Statuen der Könige, die sich CTH 660 zufolge in den Tempeln befanden und während der Festrituale verwendet wurden, sind dagegen nicht auf den Totenkult zu beziehen. Dafür lässt sich ein aufschlussreiches Detail bei der Bezeichnung der Verstorbenen anführen: Während sie nämlich in CTH 661 lediglich beim Namen genannt werden, ist dagegen in CTH 660 stets ALAM „Statue“ als Bezeichnung des toten Königs belegt. Dies ist dort bei den (Statuen der) Gottheiten nicht der Fall. Daraus folgert Torri 2008: 179, dass verstorbene Menschen und Gottheiten jeweils un1202 1203
Siehe Nakamura 2002: 271 mit Abweichungen. Im Text ist von den ŠA GIDIMḪI.A kuiēš šaklāeš „Zeremonien der Toten“ die Rede; s. auch hier Anm. 476.
391
terschiedlich wahrgenommen wurden. Diese Vermutung lässt sich allerdings nicht allein durch die Benennung der Toten in den Königslisten (CTH 661) stützen. In dieser Diskussion ist dagegen die Funktion der Statue als Weihgabe hervorzuheben. Die Praxis der Weihe von Statuen zur Besänftigung der Gottheiten und als Schutz der Stifter für ihr eigenes Leben war nämlich vor der junghethitischen Zeit üblich: Verwendung fanden dabei Statuen der Menschen selbst oder solche der Gottheiten – menschlich oder tierisch gestaltet – mit dem Namen des Stifters darauf eingraviert.1204 Die Bilder, die den noch lebenden Stifter darstellten und meist in Tempeln ihren Platz hatten, waren auch nach dem Tod des betreffenden Menschen zu verehren und beopfern. Dabei lässt sich allerdings nicht von Totenkult sprechen. Das Bild verkörperte zwar die verstorbene Person, ist aber zuerst als für die Gottheit angefertigte Weihgabe zu verstehen, die sich demzufolge in deren Tempel befinden musste. In diesem Sinne lassen sich neben CTH 660 die folgenden weiteren Beispiele von Statuen oder Abbildungen deuten: – Statue Ḫattušilis I., die er selbst im Tempel der Sonnengöttin von Arinna hatte errichten lassen (KBo X 2 Vs. III 21f., CTH 4.II.A). – Statue von einem Ḫattušili, die am 16. Tag des AN.TAḪ.ŠUMSAR-Festes vor dem König und der Königin im Tempel von Zababa zu beopfern war (KBo IV 9 Vs. III 11f., CTH 612.b.A). – Statue Ḫattušilis III., die Puduḫepa der Göttin Lelwani versprochen hatte (KUB XXI 27++ Rs. III 36-42, CTH 384). – Statue der Sonne, die die Königin der Sonnengottheit des Himmels der Stadt Ḫuḫana versprochen hatte (KUB XV 23 Rs. 17-21, CTH 584.4). – Statue der lebenden Königin, die sich im ḫekur der Gottheit LAMMA befand (KUB XXII 70 Vs. 21, CTH 566). – (Statuen der) Sonnengöttin von Arinna mit den darauf eingravierten Namen der verstorbenen Königinnen Walanni, Nikalmati, Ašmunikkal, Daduḫepa, Ḫenti und Tawananna, 1205 welche am 5. Tag des nuntarriyašḫaš-Festes bei der Feier der Königin in Taḫurpa zum Zweck 1204 1205
Siehe zuletzt Torri 2008: 180ff. Zu diesen Statuen als Weihgaben der Königinnen s. Kümmel 1967: 15f.; BinNun 1975: 200f.; Nakamura 2002: 204f.; Torri 2008: 182f. Beckman 2002: 40f. mit Anm. 45 und Collins 2008: 99 zufolge handelt es sich dagegen um
392
ihrer Verneigung in den Palast zu bringen waren (KUB XXV 14 Vs. I 23-30, CTH 626.Tg05.II.1.B).1206 In all diesen Fällen ist immer von ALAM „Statue“ die Rede, die wahrscheinlich schon zu Lebzeiten der Person angefertigt und nach ihrem Tod weiter verehrt wurde. Bei dem Totenkult dagegen war auch das Bild des Verstorbenen anwesend, das den Toten aber so verkörperte, dass die Aufmerksamkeit nicht auf die Statue an sich gerichtet wurde, gleich wie bei den Gottheiten. Fraglich bleibt die Bedeutung der Fertigstellung der Statue Tudḫaliyas IV. durch seinen Sohn Šuppiluliuma II. im ḫekur SAG. UŠ mit einer Inschrift über die Eroberung von Alašiya. Das ḫekur SAG. UŠ bzw. ein Teil davon stellte möglicherweise eine Gedenkstätte Tudḫaliyas IV. dar, die dessen Sohn mit der Statue des verstorbenen Vaters zum Zweck seiner Verehrung versah (s. IV.3.5). Torri 2008: 186 Anm. 63 schreibt dazu: Die Erklärung findet sich noch einmal im Vergleich mit den Bräuchen Mesopotamiens: Der König Siniddinam von Larsa (19. Jh.) fertigte die Statue seines Vaters Nur-Adad und weihte sie dem Sonnengott für sein eigenes Leben. Die Statue berichtet von den Taten Nur-Adads, so dass der Stifter und sein Vater zusammen unter den Schutz der Gottheit gestellt waren und der erste sich als legitimer Nachfolger des anderen zeigen konnte.
Unter diesem Gesichtspunkt kommt auch die Statue von Tudḫaliya IV. eher als Weihgabe für die Gottheit (deren Name nicht erhalten ist) im Kontext der Glorifizierung der Taten und der Legitimation Šuppiluliumas II. in Betracht, und nicht so sehr als Geste des ehrfurchtsvollen Sohns für den Totenkult des Vaters. Auf diese Weise lässt sich aber nicht ausschließen, dass die Statue des Toten beopfert wurde. 1207 Hier ging es jedoch um Statuen, welche die Königinnen in Gestalt der Sonnengöttin von Arinna darstellten; vgl. auch Gilan 2014: 92. 1206 Zur Auflistung der Statuen der Könige und Mitglieder des Königshauses als Stifterbilder für die Gottheiten aus der Zeit Ḫattušilis III. und Puduḫepas s. de Roos 1984: 150f.; zu weiteren Beispielen s. Torri 2008: 177ff. 1207 Dies kann wahrscheinlich der Orakelanfrage KUB XVI 39+ über die Versäumnisse des Totenkultes Tudḫaliyas IV. auch im ḫekur Pirwa entnommen werden; s. IV.3.5.
393
die Verehrung des Verstorbenen aufgrund von dessen großartigen Taten, die sich in den Kontext der Widmung an die Gottheit eingliedern lassen. Dies dürfte auch für die beim AN.TAḪ. ŠUMSAR-Fest (CTH 660) zu beopfernden Statuen von Ḫattušili I., Tudḫaliya I./II. und Šuppiluliuma I. im Tempel von Teššub von Ḫalab in Ḫattuša gelten: Denn all diese Könige trafen Entscheidungen, die maßgebliche Folgen für Ḫalab mit sich brachten.1208 Die Verehrung solcher Statuen lässt sich demzufolge nicht im Rahmen des Totenkultes der verstorbenen Könige verstehen. Bei den angeführten Überlegungen handelt es sich lediglich um Klassifizierungs- und Interpretationsversuche, da diese Rekonstruktionen nicht die wirkliche Wahrnehmung der verschiedenen Kultarten durch die Hethiter selbst wiedergeben. Der Unterschied zwischen der Verehrung bestimmter Könige insbesondere in Tempeln und dem Totenkult für alle Könige, Königinnen und Mitglieder des Königshauses im göttlichen Steinhaus lässt sich jedoch als Hinweis auf die wahrgenommene Vielfalt an Kulthandlungsarten bei den Hethitern verstehen. 3.8
Steinhäuser außerhalb von Ḫattuša für Mitglieder der königlichen Familie
In den folgenden vier Texten finden sich Belege für die Existenz von Steinhäusern außerhalb von Ḫattuša: KUB XII 48, KUB XXXIX 12, KBo XXXIV 55 und Privat Naumann 76. Diese gehören alle zu CTH 450, dem Totenritualtext šalliš waštaiš. In der Edition von Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002 wird KUB XXXIX 12 zu KUB XXX 15++ (3?. Tag) Rs. indirekt gejoint (ibid. 257-293), während KUB XII 48 und KBo XXXIV 55 als Duplikate von KUB XXXIX 12 jeweils die Version B (ibid. 295297) und C (ibid. 299-301) des mutmaßlichen 3?. Tages darstellen. In Anlehnung an Kapeluś 2011a: 150 besteht jedoch kein Grund, KUB XXXIX 12 zu KUB XXX 15++ indirekt zu joinen. Darüber hinaus gilt KUB XXXIX 12 nicht nur als Duplikat von KUB XII 48, 1209 sondern auch von KBo XXXIV 55. Dementsprechend schlägt Kapeluś (ibid. 151 mit Anm. 5) den indirekten Join KUB XII 48 (+) KBo XXXIV 55 vor. Auch Privat Naumann 76 erscheint als Duplikat von KUB XXXIX 12 Zz. 15ˈff. oder 1208
Siehe Gilan 2014: 98. Dazu schon Otten 1958: 70-73.
1209
394
zumindest ist es – angesichts der Schwierigkeiten infolge der Überlappung beider Fragmente – dem gleichen in KUB XXXIX 12 Zz. 15ˈff. beschriebenen Zusammenhang zuzuordnen. Im Folgenden soll eine Rekonstruktion des aus der Zusammenstellung von KUB XII 49, KUB XXXIX 12 und KBo XXXIV 55 resultierenden Textes erstellt werden,1210 wobei sich Privat Naumann 76 anhand der beträchtlichen Schwierigkeiten dort nicht einfügen lässt:1211 A= KUB XII 48; B= KUB XXXIX 12; C= KBo XXXIV 55 A II? 1) […URU-r]i ak-kán-za A II? 2) [… -w]a-ar ša-ra-a da-an-zi A II? 3/B 1ˈ) [… a]r-nu-wa-an-za na-at-ša-an a-pé-e-da-ni ANA [?] 1212 ? B 2ˈ/A II 4) […]x ša-ra-a da-an-zi nu-uš-ši É.NA4 DINGIRLÌ kue-da-ni URU-ri B 3ˈ/A II? 5) [… ša?-ra?]-a da-an-zi1213 ku-e-et-ma-an1214-ma ḫa-aš-ta-i a-pé-e-da-ni URU-ri C 1ˈ/B 4ˈ/A II ? 6) [… U]RU-ri a-˹ku?˺-x[…? -z]i EGIR-iz-zi-azB/yaašA ku-e-da-ni URU-ri B 5ˈ/C 2ˈ/A II ? 7) […-z]i ma-a-an-ši É.NA4-ŠUB-ma a-pé-e-ni B/yaC-pát URU-ri na-at a-pí-ya-pát URU-ri ? 1215 A II 8) [...] pé-e-da-aš-ša-aḫ-ḫa-an-[zi] B 7ˈ/C 4ˈ/A II ? 9)
[… I]-NA É.NA4-ŠUB ar-nu-u-wa-an-zi nu ḫi-immu-uš EGIR-iz-zi-ya-a[z x x]
1210
Zur Betrachtung der einzelnen Textpassagen s. auch van den Hout 2002: 84f. mit Anm. 69. 1211 Hier folgt die Transliteration von Privat Naumann 76: (x+1) na-aš x[…] (2ˈ) nu I DUGḫ[u-ut-ni-ik-ki-in? …] (3ˈ) li-la-u-w[a-an-zi …] (4ˈ) an-da l[a-a-ḫu-uwa-an-zi …] (5ˈ) la-a-ḫu-u-wa-[an-zi …] (6ˈ) x-u-an-zi x[…] (7ˈ) ḫar-kir naaš-t[a? …] (8ˈ) nu ú-wa-an-z[i …] (9ˈ) [n]a-aš-ta EZE[N4? …] (10ˈ) [x x] x x […]. 1212 Kleine Lücke in A. 1213 Vergleiche Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 278 ú]-˹e˺-da-an-zi (KUB XXXIX 12 Rs. 3ˈˈ). 1214 Nur hier zu belegende Schreibung für kuitman. 1215 In B 6ˈ und C 3ˈ vacat.
395
B 8ˈ/C 5ˈ)1216 B 9ˈ/C 6ˈ) B 10ˈ/C 7ˈ) B 11ˈ)1217 B 12ˈ) B 13ˈ) B 14ˈ) B 15ˈ)
B 20ˈ) B 21ˈ)
[…]x te-kán pád-da-an-zi nu I-EN DUGḫu-ut-ni-ikki-in […] […]x DUGḫu-ut-ni-ik-ki an-da la-ḫu-u-wa-an-zi LÀ[ L …] […] ši-e-na-an li-la-u-wa-an-zi ḫar-˹kir˺ […] [… l]i-la-u-wa-an-zi ḫar-kir na-aš-t[a …] […]x-aš ḫa-aš-ta-i ku-wa-pí 1218 šu-upp[a-ya-aš GIŠNÁ-aš1219 …?] [… -y]a-an-zi na-an ni-x[…] […] ti-ya-an e-eš-t[a? …]
A II? 1) A II? 2)
[…] i[n der Stadt] ist er/sie gestorben […]? sie nehmen auf1220
B 16ˈ) B 17ˈ) B 18ˈ) B 19ˈ)
1216
[… ḫa-a]š-da-i I-NA É. NA4-ŠU EGIR-pa daB/taC-aan I-NA UD IKAM li-l[a-u-wa-aš] [… l]i-la-ti ḫa-an-da-an na-at-kán I-NA UD IKAM im-ma kar-a[p-pa-an-zi] [… nu? li-l]a-u-wa-ar I-NA É.NA4-ŠU an-da ap-paan-zi IT-TI […] […]x-ya nam-ma-pát QA-TAM -MA III NINDA.Ì ŠA ½ UP-NI LÀL tar-n[a-aš …] [… ZA]G-aš wa-al-la-aš na-at-ša-an NINDA. ÉRINMEŠ kat-ta ḫa-an-[da-an-zi …] […]x-ni ka-ri-ya-an-zi na-at I-NA É.NA4 pé-e-[daan-zi ? …] [… ḫa]-aš-ta-i-kán ku-e-da-ni A-NA É.ŠÀ an-da t[ian-zi ? …]
A bricht hier ab. C bricht hier ab. 1218 Die letzten drei Zeichen sind über das Zeilenende hinaus geschrieben. 1219 So Otten 1958: 70 und Anm. d und Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 280 aus dem Vergleich mit KUB XXX 29 Vs. 6. 1220 Vergleiche ibid. 296f.: li-la-u-w]a-ar ša-ra-a da-an-zi „they perform [the concila]tion (i. e. the rite of concilation)“; van den Hout 2002: 84 und Anm. 70 „they pick up [the invocation materi]als ?“ mit Verweis auf KUB XXX 27 Vs. 5 (mugāwarr=a šarā danzi). 1217
396
A II? 3/B 1ˈ) B 2ˈ/A II? 4) B 3ˈ/A II? 5) C 1ˈ/B 4ˈ/A II ? 6) B 5ˈ/C 2ˈ/A II ? 7) B 6ˈ/C 3ˈ/A II ? 8) B 7ˈ/C 4ˈ/A II ? 9) B 8ˈ/C 5ˈ) B 9ˈ/C 6ˈ) B 10ˈ/C 7ˈ) B 11ˈ)
[…] er/sie ist [fo]rtgebracht worden,1221 und das in jenem/jener [?] […] sie nehmen auf. In welcher Stadt ihm das göttliche Steinhaus (ist), […] sie nehmen [au]f?,1222 während aber die Knochen in jener Stadt […] in der [St]adt ? […]. DanachB/Der letzte A1223 in welcher Stadt […] Wenn ihm sein B Steinhaus aber gerade in jenerB/dortC in der Stadt (ist), dann gerade dort in der Stadt […] sie überführ[en].1224 [… i]n seinB Steinhaus bringen sie fort, und die (Akkus. Pl.) Substitutsfigurinen danac[h …] [… die Kno]chen in sein/seinem Steinhaus wieder zum zweiten Mal am ersten Tag [der] Ver[söhnung] [… von der?/für die? Ver]söhnung1225 (ist) vorbereitet. Und das erl[edigen sie] vollends am ersten Tag. 1226 [… und? die Ver]söhnung beziehen sie in sein Steinhaus ein; mit […] […] Ferner gerade auf diese Weise drei Fettbrote von ½ Handvoll, ein tarn[a]-Maß1227 Honig […]
1221
Vergleiche Otten 1958: 72f. wa-a]r-nu-wa-an-za „verbr]annt worden ist“ (so auch bei Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 296f.). Siehe aber B 7ˈ/C 4ˈ/A II? 9 zum Beleg des Verbs arnu-. Van den Hout 2002: 84 und Anm. 71 rekonstruiert (-)a]r-nu-wa-an-za und übersetzt „he is t]ransported/b]urned“. 1222 Vergleiche Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 278f., 292 und 296f. nu-ušši É.NA4 DINGIRLÌ ku-e-da-ni URU-ri (5) [ki-ša-ri nu a-pí-ja ú-(e-da-an-zi)]… „In what town [he became] a god, [they b(uild)] for him a stone-house [there]…“ (KUB XII 48 Vs. II ? 4f.). 1223 Oder zu EGIR-iz-zi-ya-az! zu emendieren. 1224 Vergleiche van den Hout 2002: 85 „they will deposit [his bones ? there].“ 1225 Zur Deutung von lilati als Abl. des luwischen Wortes s. CHD L-N 57a; s. auch Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 293 (zu Rs. 9ˈˈ). 1226 Vergleiche ibid. 279 und 293: imma kara[ppanzi] „ ‚finally deli[ver]‘ – i. e. they finally place the bones into the stone-house.“ 1227 Zu dem tarna-Maß s. ibid. 293 (zu Rs. 11ˈˈ).
397
B 12ˈ) B 13ˈ) B 14ˈ) B 15ˈ) B 16ˈ) B 17ˈ) B 18ˈ) B 19ˈ) B 20ˈ) B 21ˈ)
[… re]chter Schenkel; 1228 und das set[zen sie] ordentlich auf das Soldatenbrot nieder […] […] sie verhüllen und tra[gen ?] das ins Steinhaus fort […] […] in welches Innengemach sie [die Kno]chen hineinl[egen? …] […] die Erde graben sie, und ein ḫutnikki-Gefäß […] […] ins ḫutnikki-Gefäß gießen sie hinein; Hon[ig …] […] (um) das Ersatzbild zu versöhnen hatten/hielten sie […] […] (um) zu [v]ersöhnen hatten/hielten sie und […] […] sobald als die Knochen auf das/dem re[ine/n Bett …?] […] Verb 3. Pers. Pl. Prs.Und ihn/sie/es […] […] is[t?] gesetzt […]
Aus der vorgelegten Rekonstruktion lässt sich folgern, dass in einigen Fällen – d.h. wenn man ein Steinhaus woanders (als in Ḫattuša) hatte – eine geringfügig abweichende Durchführung der Kulthandlungen für das Totenritual šalliš waštaiš vorgesehen und geregelt war. In welchem Fall aber konnte jemand ein Steinhaus in einer anderen Stadt besitzen als in Ḫattuša? Wahrscheinlich sind im Text die Menschen gemeint, die außerhalb der hethitischen Hauptstadt wohnten. Da aber das Totenritual šalliš waštaiš lediglich für Könige, Königinnen, Prinzen und Prinzessinnen durchzuführen war, muss es sich bei diesen ausschließlich um Mitglieder der königlichen Familie gehandelt haben. Aus diesem Grund lässt sich in diese Diskussion die folgende Version des Totenrituals šalliš waštaiš für einen Sohn bzw. Prinzen oder eine Tochter bzw. Prinzessin KUB XXXIX 6 (CTH 450.II.1) 1229 Rs. 14-261230 einbringen:
1228
Zu ZAG -aš wallaš s. ibid. 288 (zu Vs. 24). Siehe ibid. 610-625; Otten 1958: 48-51. 1230 Bis Rs. 13 stellt KUB XXXIX 6 dagegen eine Übersichtstafel des Totenrituals nach Tagen dar. 1229
398
14) 15) 16) 17)
ma-a-an DUMU. NITA-ma na-aš-ma DUMU. MUNUS ki-ša-ri na-aš ma-a-an ka-ru-ú GAL-iš nu-uš-ši ḫi-im-mu-uš ḫu-u-ma-an-te-iš ša-ra-a ti-it-ta-nu-u-wa-an-zi GIŠ-ru1231 NU.GÁL
DINGIRLÌ-iš
18) 19) 20) 21) 22) 23) 24) 25) 26)
nu ku-it-ma-an ALAM a-aš-ša-an I-NA UD IV KAM e-eš-zi nu ši-pa-an-tu-u-wa-an-zi UD-at UD-at ki-iš-ša-an da-aš-kán-zi I UDU ták-na-aš DUTU-i I UDU D UTU ANE I UDU ḫu-uḫ-ḫa-a[š ḫ]a-an-na-aš I GU4-ma ma1232-a-an I GU4.NIGA I UDU.NIGA-[y]a ak-kán-ta ZI-ni [I UD]U-˹ma˺-ká[n A-N]A ˹ UD˺.SIG51233 BAL!1234-an-zi [x x] x [x x x x x-y]a-an-zi […] ˹x˺1235
(14) Wenn aber ein Sohn oder eine Tochter Gott (15) wird, und wenn (sie) schon erwachsen (sind), (16f.) richtet man für ihn/sie alle Substitutsfigurinen auf. Holz (ist) nicht vorhanden. / (18) Die ganze Zeit über, die die Statue bis zum vierten Tag geblieben (19f.) ist,1236 nimmt man um Tag für Tag auf diese Weise zu opfern: (21) Ein Schaf für die Sonnengöttin der Erde, ein Schaf für die Sonnengottheit des Himmels, (22) ein Schaf für die Großväte[r] (und) [G]roßmütter, ein Rind aber – (lediglich) wenn (23) (das) ein fettes Rind (ist)1237 – [u]nd ein fettes Schaf für die Seele des Toten, (24) [ein Sch]af aber [fü]r den Guten Tag opfert man. (25) [… Ve]rb 3. Pers. Pl. Prs. (26) […].
1231
Zur Lesart GIŠŠUB s. Otten 1958: 50 Anm. a); Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 623 (zu Rs. 17). 1232 Über Korrektur geschrieben. 1233 Vergleiche Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 618 ˹UDKAM.˺SIG . Es sind 5 aber weder Zeichenspuren noch genug Raum für KAM vorhanden. 1234 Ohne letzten zweiten Winkelhaken geschrieben. 1235 Vergleiche Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 618 ⌊da?⌋. 1236 Zu āššan als Partizip von āšš- „bleiben“ (und nicht von ēš- „sitzen“) s. Watkins 2010: 244ff. Siehe auch hier Anm. 85. 1237 Vergleiche Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 619 und 625 zu Rs. 22f., die eine Konstruktion mān … mān „entweder…oder“ postulieren, und zwar unter Auslassung des ersten mān.
399
Die Tafel bricht an dieser Stelle ab, und folglich liegen keine genaueren Informationen zu den Unterschieden zwischen diesem Totenritual und jenem für den König/die Königin vor. Bei der Formulierung GIŠ-ru NU.GÁL, „Holz ist nicht vorhanden“ (Rs. 17) lässt sich das „Holz“ nicht zwangsläufig auf den Scheiterhaufen beziehen, und stellt dementsprechend keinen Anhaltspunkt für eine nicht durchzuführende Leichenverbrennung für Prinzen bzw. Prinzessinnen dar. 1238 Darin kann nämlich auch schlichtweg der Verweis auf die beim Ritual zu verwendenden Materialien oder auf die Anfertigung und Einrichtung der ḫimmuš „Substitutsfigurinen“ (Rs. 16) zu sehen sein. Genau diese ḫimmuš, die beim Totenritual für König/Königin kaum eine Rolle in Verbindung mit dem Verstorbenen spielten,1239 sind im Fall des außerhalb von Ḫattuša durchzuführenden Totenrituals (s. oben) nach dem Ablegen der Knochen des Toten in dessen Steinhaus belegt (B 7ˈ/C 4ˈ/A II? 9). Diese Substitutsfigurinen dürften im Rahmen einer vom Totenritual für König/Königin abweichenden Prozedur Verwendung gefunden haben. Aufgrund des Belegs von ḫimmuš sowohl beim Totenritual für Prinzen/Prinzessinnen als auch bei jenem für die außerhalb von Ḫattuša verstorbenen Mitglieder der königlichen Familie lässt sich vermuten, dass die Übersichtstafel KUB XXXIX 6 ebenso die in KUB XII 48, KUB XXXIX 12, KBo XXXIV 55 und Privat Naumann 76 beschriebenen Kulthandlungen zum Inhalt hat. Hier kann weiterhin nachgewiesen werden, dass die Mitglieder der königlichen Familie, die Ḫattuša nicht bewohnten, ein eigenes göttliches Steinhaus1240 in ihrem Wohnort hatten. Eine solche Annahme schließt jedoch nicht aus, dass herausragende Persönlichkeiten ihre Ruhestätte in der hethitischen Hauptstadt haben mussten. Als Bei-
1238
Vergleiche ibid. 622 (zu Rs. 17); Otten 1958: 50 Anm. a). Eine ḫimma[n] (Akkus. Sing.) ist in fragmentarischem Kontext am 8. Tag belegt (KUB XXX 24a++ 2ˈˈ; s. Kassian – Korolëv – Sidelˈtsev 2002: 374f.). Darüber hinaus waren am 13. Tag ḫim(m)uš von laḫḫanzana-Vögeln innerhalb des Hauses mit verschiedenen Materialien anzufertigen (KUB XXXIX 7(++) Vs. II 7ff; s. ibid. 490f.). 1240 Anzumerken ist der mehrmalige Beleg für -ŠU „sein/ihr“ oder -šši „ihm/ihr“ in KUB XII 48, KUB XXXIX 12 und KBo XXXIV 55 (s. oben). Im Totenritualtext šalliš waštaiš für den König/die Königin findet sich -ŠU hingegen nur einmal in KUB XXX 15++ Vs. 47 im Zusammenhang der Knochen, die am 2. Tag „in sein Steinhaus“ gebracht wurden. 1239
400
spiel gilt der Todesfall Šarri-Kušuḫs, des Bruders von Muršili II. und Königs von Karkemiš, dessen Knochen nach Ḫattuša gebracht wurden. 1241 Darüber hinaus lässt sich die bloße Existenz von Vorschriften über das Schicken der Gebeine eines Toten anbringen, welche in der Übersichtstafel des Totenrituals šalliš waštaiš KUB XXX 27 (CTH 451) Vs. 7-9 belegt sind.1242 Im Folgenden sollen die Orakelanfragen betreffs Danuḫepa und Arma-Tarḫunta aus der Zeit Tudḫaliyas IV. (CTH 569) 1243 untersucht werden. Dies soll mit besonderem Augenmerk auf der Annahme, dass es auch außerhalb von Ḫattuša göttliche Steinhäuser gab, geschehen: 1244 Danuḫepa: Da ihr ihr Haus weggenommen und anderen gegeben worden war und zudem ihre Gottheiten „verschlossen“ worden waren, war ihr GIDIM zornig. 1245 Demzufolge wurde entschieden, aus jeder Stadt „von“ Danuḫepa ein Haus zu nehmen, dieses ihrem GIDIM zu geben, und ihre Gottheiten dorthin zu bringen. Die Städte mussten daraufhin regelmäßige Tribute für den GIDIM entrichten. 1246 Arma-Tarḫunta: Betreffs seines zornigen GIDIM wurde festgestellt, dass die Stadt Kiuta dem Talmi-Teššub zu nehmen und dem GIDIM von ArmaTarḫunta zu übergeben war. Damit stellte Katapaili den GIDIM zufrieden.1247 Darüber hinaus wurde dem GIDIM eine weitere Entschädigung gegeben. 1248
1241
Siehe die Annalen Muršilis II. KBo IV 4++ Vs. I 6ff. mit Duplikaten (s. hier Anm. 476); s. auch van den Hout 2002: 85. 1242 Zur Textstelle s. Anm. 566. Wahrscheinlich verwiesen solche Vorschriften auf den Fall, dass der Tod eines Mitgliedes der königlichen Familie während eines Feldzugs oder aus anderen Gründen fern von seinem Wohnort eintrat; s. auch van den Hout 2002: 85. 1243 Siehe III.1.2.2 und die dort zitierte Bibliographie. 1244 Siehe auch III.1.1. 1245 KUB L 6++ (CTH 569.II.3.B) Vs. II 48-55. 1246 KUB XVI 32 (CTH 569.II.3.A) Vs. II 1-7; KUB L 6++ (CTH 569.II.3.B) Rs. III 23-29; KUB XXII 35 (CTH 569.II.1.A) Vs. II 7ˈ-17ˈ. 1247 KUB XVI 32 (CTH 569.II.3.A) Vs. II 24-26. 1248 KBo II 6++ (CTH 569.3.I) Vs. I 31-39; KBo LIV 100 (CTH 569.II.6) 1ˈ-5ˈ.
401
Den beiden Fällen lässt sich entnehmen, dass Tote auch Landschenkungen bekommen konnten. Neben der unmittelbaren Beruhigung des betroffenen Verstorbenen war dabei der Zweck, seine Bedürfnisse dauerhaft zu befriedigen, d.h. für das Wohlergehen des vernachlässigten Toten zu sorgen. Dass „Häuser“ und „Städte“ mit ihren „Tributen“ Danuḫepa und Arma-Tarḫunta zugesprochen wurden, deutet auf eine beträchtliche und vielfältige Spendenversorgung für diese Toten hin. Aus dem Ausmaß einer solchen Pflege lässt sich demzufolge die Existenz je einer Kultstätte bzw. eines Mausoleums von Danuḫepa und Arma-Tarḫunta folgern, d.h. eines Steinhauses. Del Monte 1975: 327 beschreibt das dem Toten zu gebende „Haus“ als „nucleo produttivo su base famigliare“. Auf dieser Basis vermutet er (ibid.), dass solche Häuser gerade mit dem Steinhaus des Verstorbenen zu identifizieren sind. Eine hiervon abweichende Auffassung vertritt van den Hout 2002: 83 Anm. 63: „these domains are likely to be the territories granted to these individuals“; und ferner: „That part of these were (turned into) Stone Houses is not inconceivable“. Dieser Aussage liegt die folgende Annahme von del Monte (ibid. 328) zugrunde, dass die Stiftung eines Steinhauses für den König von vornherein vorgesehen und festgelegt wurde. Allerdings war jedoch ein Steinhaus für die Mitglieder der königlichen Familie nur dann einzurichten, wenn deren Totengeister bereits unheilvolle Wirkungen entfaltet hatten. Dies gilt insbesondere in den Fällen Danuḫepas und Arma-Tarḫuntas, welche schon zu Lebzeiten aufgrund ihrer Verfehlungen verbannt worden waren (s. ibid.). Ein nachträglicher Bau von Grabstätten für böse Tote kann jedoch kaum als wahrscheinlich gelten. Dem Text šalliš waštaiš gemäß war das Totenritual für jedes Mitglied der Königsfamilie – insbesondere im Fall einer Königin (Danuḫepa) – durchzuführen. Verstorbene königlichen Geblüts fanden infolgedessen ihre Ruhestätte entweder innerhalb des göttlichen Steinhauses in Ḫattuša (s. IV.3.1ff.) oder in eigenen Steinhäusern außerhalb der hethitischen Hauptstadt (s. oben).1249 1249
Die Struktur dieser Steinhäuser außerhalb von Ḫattuša lässt sich den Texten nicht entnehmen. Dennoch darf angenommen werden, dass Steinhäuser für die ganze Familie des außerhalb von Ḫattuša wohnenden Mitglieds der königlichen Familie ebenso bestanden. Ein Anhaltspunkt kann im Ritual KUB LV 54(++) (CTH 652; s. Ünal 1987: 485f.; Groddek 2002b: 96-99) gefunden werden, das Auskunft über privatere Totenkulte einer einzigen Familie gibt. Weder der Anfang noch das Ende des Textes sind erhalten. Die verstorbenen Mit-
402
Den Beiträgen von Cammarosano 2009: 2010 zufolge war Danuḫepa die Ehefrau Muwattallis II. und die Mutter von Kuruntiya. Sie wurde wahrscheinlich zuerst vom hethitischen König selbst infolge eines Rechtsstreites verbannt, darauf jedoch als Großkönigin rehabilitiert. Dies lässt sich durch die Belege ihres Namens neben jenem Muršilis III. auf den Siegeln nachweisen.1250 Von Arma-Tarḫunta ist insbesondere aus der Apologie Ḫattušilis III. (CTH 81) einiges zu erfahren: 1251 Er war der Sohn Zidas, des Bruders von Šuppiluliuma I., und der wohlbekannte Gegner Ḫattušilis III. Ein Rechtsentscheid überführte ihn (zusammen mit seiner Ehefrau und einem seiner Söhne) der Zauberei, weshalb die Hälfte seines Eigentums daraufhin zugunsten des Kultes der Ištar von Šamuḫa beschlagnahmt wurde. Aufgrund seines Greisenalters wurde er jedoch von Ḫattušili III. in die Freiheit entlassen, während Ehefrau und Sohn nach Alašiya in die Verbannung gehen mussten. Ünal 1974a: 100f. zufolge wurde auch Arma-Tarḫunta verbannt, obwohl sich dies der Apologie Ḫattušilis III. selbst nicht entnehmen lässt.1252 Sowohl für Danuḫepa als auch für Arma-Tarḫunta bleibt der Zeitpunkt und Ort ihres Todes unbekannt. Bei der Königin darf vermutet wer-
glieder dieser Familie sind ein gewisser D UTU-liya (tiwa(ta)-liya), seine Ehefrau Kuzi (beide hapax) und deren Söhne, die nur mit dem Sumerogramm DUMUMEŠ bezeichnet werden. Das Ritual begann morgens, als einer Gottheit zu trinken gegeben wurde. Daraufhin wurde eine Statue gewaschen und bekleidet, und eine goldene Seele in oder auf der Brust des Bildes fixiert/an der Brust der Statue befestigt (zur Rolle der Seele s. Kapeluś 2010a: 260ff.). Darüber hinaus musste die Seele in einem Innengemach gereinigt werden. Es folgten Opferspenden. Am darauffolgenden Tag wurden zuerst die Familienmitglieder und daraufhin eine Göttergruppe beopfert. Die Seele musste noch einmal in/auf der Brust von D UTU-liya fixiert/an der Brust von DUTU-liya befestigt werden, als ob sie die Nacht über entfernt worden wäre. Darauf folgten weitere Opferhandlungen. Dieses Ritual kann als Beleg für den Totenkult einer ganzen Familie in einem Gebäude interpretiert werden, das ein Innengemach hatte und mit Statuen verschiedener Gottheiten ausgestattet war. All dies spricht für das „Steinhaus“ (wahrscheinlich außerhalb von Ḫattuša) als Ort der Durchführung dieses Rituals. 1250 Zu den einzelnen Belegen s. Cammarosano 2010: 47ff. 1251 Zur Auflistung der Belege für Arma-Tarḫunta s. van den Hout 1998a: 60-64. 1252 Siehe auch Otten 1981: 19 Anm. (zu Z. 27ff.).
403
den, dass sie in der Regierungszeit Muršilis III. gestorben ist. 1253 Der Tod Arma-Tarḫuntas lässt sich anhand seiner Bezeichnung als GIDIM in den Orakelanfragen CTH 569 zweifellos auf die Zeit vor der Thronbesteigung Tudḫaliyas IV. datieren; sehr wahrscheinlich starb er bald nach dem in der Apologie erwähnten Rechtsentscheid, der Auskunft über sein Greisenalter gibt. Weder der Name von Danuḫepa noch jener von Arma-Tarḫunta sind auffälligerweise in den königlichen Opferlisten (CTH 661) belegt, die den Totenkult im göttlichen Steinhaus innerhalb von Ḫattuša darstellen (s. IV.3.5). Infolgedessen liegt es nahe, dass Danuḫepa und Arma-Tarḫunta nicht in der hethitischen Hauptstadt ihre letzte Ruhestätte fanden. 1254 Vielmehr dürften ihre Steinhäuser jeweils in den Gebieten gestanden haben, in die sie verbannt bzw. welche ihnen zugewiesen worden waren. 1255 Dass den GIDIMḪI.A von Danuḫepa und von Arma-Tarḫunta „Städte“, „Häuser“ und „Tribute“ zum Zweck der Pflege ihrer Totenkulte überschrieben wurden (s. oben), darf auf diese Weise verstanden werden. Abschließend lässt sich in diesem Zusammenhang eine Vermutung von del Monte 1975: 328 erneut in Erwägung ziehen. In dem Vertrag Muršilis II. mit Kupanta-Kuruntiya von Mira-Kuwaliya (CTH 68) 1256 wird im Abschnitt über die Festlegung der Grenzen des Herrschaftsbereiches von Kupanta-Kuruntiya berichtet, dass eine URULU4 DINGIRLÌ „Stadt der Gottheit“ bzw. „göttliche Stadt“1257 des vorigen Königs von Mira Mašḫuiluwa am Fluss Siyanta liegt. Sie allein durfte von dem göttlichen Eid für Kupanta-Kuruntiya ausgeschlossen werden, welchem sonst der Bau von Städten in Richtung des Flusses Šiyanta1258 verboten war. 1259 Aus diesem Vertrag und den ausführlichen Annalen Muršilis II. (CTH
1253
Siehe Cammarosano 2010: 57. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, da kein König nach Muwattalli II. in den CTH 661-Texten belegt ist (s. Singer 2009: 174ff.). Die Opferlisten sind aber wahrscheinlich nicht vollständig erhalten. 1255 Siehe die Vermutung van den Houts 1998a: 52, dass Danuḫepa nach Perana verbannt wurde. 1256 Devecchi 2015: 139-151. 1257 KBo IV 3++ Vs. I 26ˈ; KBo V 13 Vs. I 28ˈ; KUB VI 41(++) Vs. II 17. 1258 Zur Lokalisierung und Identifizierung dieses Flusses s. Gander 2010: 141143. 1259 Zur Textstelle s. Devecchi 2015: 143. 1254
404
61.II)1260 lässt sich darüber hinaus folgern, dass Mašḫuiluwa während seines Aufstands gegen den hethitischen König nach Maša flüchtete; dort wurde er jedoch festgenommen und vor Muršili II. geführt. Die Strafe für den Aufstand Mašḫuiluwas wäre eigentlich der Tod gewesen, aufgrund seiner Zugehörigkeit zur hethitischen Königsfamilie 1261 entschied aber Muršili II., ihn nicht nur zu verschonen, sondern auch mit Besitz auszustatten.1262 Die Lokalisierung dieses mutmaßlichen Besitzes lässt sich dem Text allerdings nicht entnehmen. 1263 Im Folgenden werden zwei mögliche Szenarien vorgeschlagen: Mašḫuiluwa wurde in eine Stadt am Fluss Šiyanta geschickt, in der er daraufhin irgendwann starb. Oder: Als Mašḫuiluwa (in Ḫattuša?) starb, wurde er in einer Stadt am Fluss Šiyanta zur letzten Ruhe gebettet. In beiden Fällen kann dort die Grabstätte (ein Steinhaus?) Mašḫuiluwas gestanden haben, welche durch die Stadt zum Zweck seines Totenkultes mit Opfergaben versorgt werden musste. In diesem Sinne dürfte der Verweis auf die URULU4 DINGIRLÌ „göttliche Stadt“ Mašḫuiluwas im Vertrag Muršilis II. mit Kupanta-Kuruntiya gedeutet werden. 4
Offizieller Ahnenkult im (göttlichen) Steinhaus
In diesem Abschnitt wird gezeigt, dass das Steinhaus nicht nur mit dem Ort des Totenkultes für die königlichen Verstorbenen zu identifizieren ist, sondern dass dort auch die ḫuḫḫaḫanniš „Großväter (und) Großmütter“ – die namenlosen Ahnen, verstanden als Kollektiv (s. II.4) – ihren offiziellen Kult erfuhren. Zuerst ist eine kleine Einführung nötig: Ungeachtet des häufig bruchstückhaften Zustandes der hethitischen Dokumentation lässt sich feststellen, dass die Festritualtexte im Allgemeinen ausführliche Beschreibungen
1260
Siehe del Monte 1993: 73ff. Mašḫuiluwa war der Adoptivbruder und Schwager von Muršili II., nachdem er die Tochter von Šuppiluliuma II. geheiratet hatte. 1262 Siehe del Monte 1993: 106f. mit Anm. 122: „Besitz“ wird dort allerdings ergänzt. 1263 Vergleiche die Annahme von Devecchi 2015: 142 Anm. 1, dass Mašḫuiluwa als Geisel nach Ḫattuša gebracht wurde, „dove Muršili gli diede una grande proprietà terriera“. 1261
405
der durchzuführenden Kulthandlungen enthalten.1264 Nichtsdestotrotz sind diese Schilderungen nicht detailliert genug, um allein daraus den korrekten Ritualablauf in all seinen Phasen rekonstruieren zu können. Dies gilt auch für das Totenritual šalliš waštaiš. CTH 450 weist eine Vielzahl von Ähnlichkeiten mit verschiedenartigen hethitischen Festritualtexten auf, z.B. hinsichtlich der Opferdarbringung, der Tierschlachtung, der Anwesenheit zu verehrender Gottheiten in Gestalt von Statuen, der Verwendung bestimmter Gegenstände, des kultischen Personals, der Ritualakteure usw. Wegen derartiger Übereinstimmungen verspricht die Fokussierung auf bestimmte Patterns im Totenritualtext šalliš waštaiš in Kombination mit den in der Forschung bereits gewonnenen Erkenntnissen zu anderen Ritualtextgattungen weiteren ergiebigen Aufschluss. Beim Totenritual šalliš waštaiš kam den Ahnen (ḫuḫḫaḫanniš) die Rolle von schützenden Zeugen zu, indem sie das Weiterbestehen der hethitischen Dynastie in diesem entscheidenden Übergangsmoment gewährleisteten. Im Laufe des gesamten Totenrituals erhielten die „Großväter (und) Großmütter“ neben anderen Gottheiten verschiedene Opfer und waren Gegenstand folgender Kulthandlungen: Darbringung von Brotbrocken, Schafopfern, Ablegen von dicken Broten auf dem Soldatenbrot und Libationen (s. II.4). Aus dem Vergleich dieser Kulthandlungen mit jenen, die in vielen hethitischen Festritualtexten vor Gottheiten verkörpernden Statuen zu vollziehen waren, lässt sich folgern, dass Statuen oder Bilder auch die namenlosen Ahnen zum Zweck ihrer Verehrung verkörperten. Darüber hinaus lassen sich die beim Totenritualtext belegten Gottheiten, abgesehen von geringfügigen Ausnahmen, in Gruppen unterteilen, die zu verschiedenen Tageszeiten und Tagen mit Opferspenden bedacht wurden. Diese Unterteilung gestattet zwei Überlegungen über die Ahnen: Erstens ist zu beobachten, dass die „Großväter (und) Großmütter“ ausschließlich und stets mit denselben Gottheiten belegt sind, und zwar mit der Sonnengöttin der Erde, der Sonnengottheit des Himmels, dem Gott des guten Tages und der Seele des Toten (allerdings ohne Gottesdeterminativ). 1265 Zweitens erscheint es lohnenswert, die Angaben zum Durchführungsort der Kulthandlungen des Totenrituals näher zu betrachten. Ungeachtet der Schwierigkeit einer Verortung jedes einzelnen Ritus 1264
Zu den Orten und Kultakteuren bei den Festritualen auf Basis der in den Texten erhaltenen Schilderungen s. Görke 2013 und 2008. 1265 In dieser Gruppe war in einigen Fällen auch das Ersatzbild des Toten zu beopfern.
406
an einem bestimmten Ort kann zumindest ab dem 7. Tag des Totenrituals eine regelmäßige Alternanz zwischen drinnen und draußen beobachtet werden. Während die Statue bzw. das Ersatzbild des Toten auf dem Thron im Zelt saß, fand ein Teil der kultischen Handlungen innerhalb des Hauses statt. Nachdem die Statue bzw. das Ersatzbild des Toten auf den Wagen gesetzt und nach draußen gebracht wurde, waren gleichwertige Handlungen dagegen außerhalb des Hauses durchzuführen. Dabei wird aufgrund der engen Verbindung des Toten mit den Kulthandlungen vorausgesetzt, dass der Ritualvollzug zusammen mit der Statue des Toten ebenfalls nach draußen verlegt wurde. 1266 Zur Veranschaulichung folgt die schematische Übersicht der Verortung der Totenritualakteure nach Tagen und Gottheiten:1267
Legende drinnen/draußen: Verehrung der Gottheiten innerhalb/außerhalb des Hauses. draußen?: Dies lässt sich dem Kontext entnehmen. ?: Im Text liegt kein Anhaltspunkt vor.
1266
Es liegt lediglich eine Ausnahme vor: Am 12. Tag (s. IV.1.2 §r), wenn sich die Statue des Toten draußen auf dem Sitzwagen befindet, sind Kulthandlungen mit einem Weinstock zu vollziehen, der ins Zelt im Haus gebracht und am Tisch des Toten angelehnt wird. Generell muss aber das Ersatzbild des Toten im Mittelpunkt der Kulthandlungen gestanden haben, ebenso wie die Gottheitsstatuen oder der König bzw. das Königspaar bei den hethitischen Festritualen. 1267 Die in den folgenden zwei Tabellen verwendeten Paragraphenbuchstaben beziehen sich auf die Synopse des Totenrituals šalliš waštaiš in IV.1.1-2.
407
SCHEMATISCHE ÜBERSICHT NACH TAGEN 1268 Zeitpunkt
drinnen
VOR 2. Tag (§e)
2. Tag (§g)
1268
DER
draußen
draußen?
?
LE IC HE N VE R B R E N N UN G
-Wettergott -Wettergott von Zippalanda -LAMMA -Izzištanu -Gott des guten Tages -Sonnengöttin der Erde -Seele des Toten -Sonnengottheit des Himmels -Großväter (und) Großmütter
-Mezzulla
-Taurit -Sonnengott -Mezzulla -Wettergott -Wettergott von Zippalanda -LAMMA -Izzištanu -Gott des guten Tages -Sonnengöttin der Erde -Seele des Toten
Hier werden die Namen aller Gottheiten nicht nach ihren Zugehörigkeitsgruppen eingeteilt.
408
Zeitpunkt
drinnen
N AC H 2. Tag (§k)
draußen DER
draußen?
?
L E IC HE N VE R B R E N N UN G
-Sonnengöttin der Erde -Sonnengottheit des Himmels -Großväter (und) Großmütter -Gott des guten Tages -Seele des Toten
-Seele des Toten -Sonnengöttin der Erde
6. Tag (§l)
-Sonnengöttin von Arinna -LAMMA -Sonnengöttin der Erde -Seele des Toten -Gott des guten Tages
7. Tag (§m)
-Sonnengöttin der Erde -Großväter (und) Großmütter -Seele des Toten -Gott des guten Tages
8. Tag (§n)
-Sonnengott -Wettergott -LAMMA -Sonnengöttin der Erde -Großväter (und) Großmütter -Seele des Toten
-Sonnengöttin von Arinna -Wettergott -Wettergott von Zippalanda -LAMMA -Sonnengöttin der Erde -Seele des Toten -Gott des guten Tages -Sonnengott -Sonnengott
409
10. Tag (§p)
10. Tag (§q)
12. Tag (§r)
13. Tag (§s)
410
-Gott des guten Tages -Sonnengöttin der Erde -Sonnengottheit des Himmels -Großväter (und) Großmütter -Seele des Toten -Gott des guten Tages -Sonnengott -Wettergott -LAMMA -Sonnengöttin der Erde -Seele des Toten -Gott des guten Tages -Sonnengöttin der Erde -Sonnengottheit des Himmels -Großväter (und) Großmütter -Seele des Toten -Gott des guten Tages -Sonnengott -Wettergott -LAMMA -Seele des Toten -Gott des guten Tages -Sonnengöttin der Erde -Großväter (und) Großmütter
-Sonnengott -Wettergott -LAMMA -Sonnengöttin der Erde -Seele des Toten -Gott des guten Tages
SCHEMATISCHE ÜBERSICHT NACH GOTTHEITEN 1269 Gottheit Mezzulla Wettergott
Wettergott von Zippalanda LAMMA
Izzištanu Gott des guten Tages
Sonnengöttin der Erde
Seele des Toten
Sonnengottheit des Himmels
1269
drinnen
draußen
2. Tag (§e) 8. Tag (§n) 2. Tag (§q) 12. Tag (§r) 2. Tag (§e) 2. Tag (§e) 8. Tag (§n) 10. Tag (§q) 12. Tag (§r) 2. Tag (§e) 2. Tag (§e) 2. Tag (§k) 7. Tag (§m) 8. Tag (§n) 10. Tag (§p) 10. Tag (§q) 12. Tag (§r) 13. Tag (§s) 2. Tag (§e) 2. Tag (§k) 7. Tag (§m) 8. Tag (§n) 10. Tag (§p) 10. Tag (§q) 12. Tag (§r) 13. Tag (§s) 2. Tag (§e) 2. Tag (§k) 7. Tag (§m) 8. Tag (§n) 10. Tag (§p) 10. Tag (§q) 12. Tag (§r) 13. Tag (§s) 2. Tag (§e) 2. Tag (§k) 10. Tag (§p)
10. Tag (§q)
draußen? 2. Tag (§g) 2. Tag (§g) 7. Tag (§m) 10. Tag (§q) 2. Tag (§g) 7. Tag (§m) 2. Tag (§g) 7. Tag (§m)
? 2. Tag (§e)
6. Tag (§l)
10. Tag (§q)
2. Tag (§g) 2. Tag (§g) 7. Tag (§m)
2. Tag (§k) 10. Tag (§q)
2. Tag (§g) 7. Tag (§m)
6. Tag (§l)
2. Tag (§k) 10. Tag (§q)
2. Tag (§g) 7. Tag (§m)
6. Tag (§l)
6. Tag (§l)
Hier werden mehrere Nennungen der gleichen Gottheit als ein Eintrag pro Tag gezählt.
411
Großväter (und) Großmütter
Taurit Sonnengott
12. Tag (§r) 2. Tag (§e) 2. Tag (§k) 7. Tag (§m) 8. Tag (§n) 10. Tag (§p) 12. Tag (§r) 13. Tag (§s) 8. Tag (§n) 10. Tag (§q) 12. Tag (§r)
Sonnengöttin von Arinna
10. Tag (§q)
2. Tag (§g) 2. Tag (§g) 7. Tag (§m) 7. Tag (§m)
6. Tag (§l)
Aus den beiden Tabellen wird ersichtlich, dass alle Gottheiten sowohl innerhalb als auch außerhalb des Hauses bzw. Steinhauses ihren Platz hatten,1270 während die „Großväter (und) Großmütter“ lediglich im Haus bzw. Steinhaus belegt sind,1271 d.h. sie wurden nur zeitgleich mit der Statue des Toten innerhalb des Hauses verehrt. Dies lässt annehmen, dass ihre Verehrung in enger Verbindung mit jener des Toten im Haus stand oder, anders ausgedrückt, dass die Statuen der Ahnen ihren festen Platz innerhalb des Hauses bzw. Steinhauses hatten. Warum wurden sie aber nicht auch außerhalb des Hauses beopfert? Zunächst lässt sich vermuten, dass ihre Bilder zu zahlreich waren, um sie jedes Mal alle mit nach draußen zu nehmen. Gegen diese Annahme lässt sich jedoch folgende Textstelle aus dem Ersatzritual für den König Tudḫaliya KUB XLII 94+ (CTH 448.4.1.b.A) 1272 Rs. IV? heranziehen. 19ˈ) 20ˈ) 1270
[ḫa-an-n]a-aš-ma-aš ḫu-uḫ-ḫ[a-aš (pa-ra-a ták-na-aš DUTU-i)] [(ti-it-t)]a-nu-wa-an-du
Die Sonnengottheit des Himmels ist eigentlich außerhalb des Hauses nicht belegt. Am 8. Tag (§n) spielen jedoch die Sänger der Sonnengottheit des Himmels das Ištar-Instrument (KUB XXX 24++ Vs. I 21ˈˈ: [L]Ú.MEŠNAR -ma D UTU ŠA-ME-E IŠ-TU G[IŠḫu-un-zi-na-ri-it SÌRRU]), während die Statue bzw. das Ersatzbild des Toten draußen auf dem Wagen sitzt. Dies könnte ein Anhaltspunkt für die dortige Anwesenheit der Gottheitsstatue sein. 1271 Vergleiche den 10. Tag (§q), an dem die Ahnen bei der Kulthandlung des „Trinkens“ innerhalb des Hauses überhaupt nicht belegt sind. 1272 Siehe II.4.
412
Die [Großm]ütter (und) Großväter soll man für sie vor die Sonnengöttin der Erde hinstellen.
Im Ersatzritual ist die besondere Vermittlerrolle der namenlosen Ahnen belegt, welche letztere einnehmen, indem sie die Sonnengöttin der Erde zu überreden versuchen, die Substitutsopfer des Königs und der Königin als Vergeltung für deren Sünden zu akzeptieren (Rs. IV? 9ˈ-25ˈ; s. II.4). Der zitierten Textstelle lässt sich entnehmen, dass die Ahnen während des Rituals in Gestalt von Bildern anwesend waren und als solche auch umgestellt wurden. Angesichts dieser Passage und unter Berücksichtigung, dass der Ausdruck ḫuḫḫaḫanniš die Ahnen in ihrer kollektiven Dimension bezeichnet, liegt die Vermutung nahe, dass zwei Statuen/Bilder – eine für die Großväter und eine für die Großmütter – bei diesem Ersatzritual repräsentativ für alle Vorfahren standen. Ein solches Szenario lässt sich auch für den rituellen Schauplatz im Totenritual šalliš waštaiš annehmen. Deshalb stellt sich erneut die Frage, warum die Statuen der Ahnen nicht aus dem Steinhaus gebracht wurden, obwohl es sich lediglich um zwei Bildnisse gehandelt haben dürfte. Zunächst soll auf den hypothetischen privaten Charakter des Ahnenkultes mitsamt seiner Funktion im Totenritual eingegangen werden. Bei ihrer Untersuchung über die Teilnahme von Publikum an den hethitischen Festritualen stellt Görke 2013 fest, dass die Anzahl der genannten Personen im Laufe des Tages beim KI. LAM-Fest anwächst: Dies wird insbesondere in Bezug auf Beamte und Musiker ersichtlich, welche sich alle nicht gleichzeitig im Tempel befunden haben dürften. Dazu schreibt Görke (ibid. 133): Eine Analyse der genannten Teilnehmer führt zu der Erkenntnis, dass große Teile der Bevölkerung und damit nicht-kultisches Personal zumeist passiv die Beopferung der Götter durch den König im Tempelinneren verfolgten. Auch die in manchen Fällen außerordentlich hohe Anzahl an Schlachttieren untermauert eine große Anzahl von anwesenden Personen.
Dementsprechend ließe sich auch beim Totenritual šalliš waštaiš aus der Durchführung der Kulthandlungen außerhalb des Hauses nach der „Prozession“ der Statue auf dem Sitzwagen folgern, dass neben dem zuständigen Kultpersonal auch ein Publikum anwesend war, das nur am öffentlichen Teil des Rituals teilnahm. Einer solchen Annahme zufolge wohnten die Ahnen lediglich dem nicht öffentlichen Teil des Rituals bei. 413
In dieser Hinsicht ist aber zu beachten, dass eine Differenzierung von kultischem und nicht-kultischem Personal innerhalb und außerhalb des Steinhauses nicht möglich ist: Im Unterschied zu den Tempeln stellte nämlich das Steinhaus eine „geschlossene“ Institution dar, die insbesondere aufgrund der Gefahr von Unreinheitsverbreitung eigenes Personal besaß (s. IV.3.1). 1273 Alle Menschen (wahrscheinlich neben der Familie des Toten), die am Totenritual aktiv und passiv teilnahmen, dürften folglich dem Steinhaus angehörig gewesen sein, ohne dass sich die Einbeziehung zusätzlicher Personen aus der Bevölkerung annehmen lässt. Es liegt also kein Anhaltspunkt für eine Zweiteilung des Totenrituals šalliš waštaiš in eine private (innerhalb des Hauses) und eine in Anwesenheit eines Publikums öffentliche (außerhalb des Hauses) Durchführung vor. Schließlich lässt sich beobachten, dass CTH 450 den einzigen Beleg für die Verehrung der „Großväter (und) Großmütter“ neben den Gottheiten des offiziellen Pantheons darstellt. Ansonsten ist keine weitere Auskunft über die Verbindung eines Gebäudes bzw. einer Institution mit dem Kult der namenlosen Ahnen zu finden. Daher erhebt sich die Frage, ob der Raum mit den Statuen/Bildern der „Großväter (und) Großmütter“ gerade mit dem Ort zu identifizieren ist, an dem sie sich immer befanden, d.h. dem Ort des Ahnenkultes im Steinhaus. Diesbezüglich wurde beim Totenritual ein Zelt innerhalb des Hauses aufgeschlagen, in dem das Ersatzbild des Toten platziert wurde. Otten 1958: 130 fragt sich hierzu: „Ist das Ritual demnach etwa an das Haus gebunden, ohne dass dieses aber damit in engeren Kontakt gebracht werden soll, so dass ein besonderer Raum geschaffen wird?“ Der Autor nimmt demzufolge an, dass das Haus zum Anwesen des Toten gehörte und das Zelt nur eine Zwischenstation für das Bild war. Darüber hinaus lässt sich hinzufügen, dass die Bilder der „Großväter (und) Großmütter“ (neben jenen der Gottheiten) aufgrund der besonderen Verbindung der Ahnen mit dem Toten hinsichtlich der innerhalb des Hauses durchzuführenden Kulthandlungen im gleichen Raum und wahrscheinlich in der Nähe des Zeltes zu verorten sind. Dadurch erklärt sich, warum dort ein besonderer Raum durch das Zelt geschaffen werden musste: Das Zelt war nämlich als Provisorium und Zwischen1273
Siehe auch Kapeluś 2018: 89 „The royal mausoleum or mausoleums contituited an enclve reserved fort he isolates personnel.“ Vergleiche Mora – Balza 2010: 261f. und Balza – Mora 2011: 219f., welche das Feiern von Festen im Steinhaus annehmen und daraus folgern, dass solche Feiern die Gelegenheit für das Zusammentreffen verschiedener Gruppen aus der Bevölkerung boten.
414
station des Toten in dem Raum aufzuschlagen, der in aller Regel zum Zweck der Verehrung der Ahnen verwendet wurde. Die gesamte vorangegangene Diskussion deutet also daraufhin, dass das Steinhaus neben dem Totenkult auch den Ahnenkult beherbergte. Unter dieser Annahme soll nun erneut das Ersatzritual des Königs Tudḫaliya CTH 448.4 (s. oben) in Augenschein genommen werden. Dieses konnte dank der Textzusammenstellung Tarachas 2000 als Teil des Festes für die Sonnengöttin der Erde in Ḫattuša identifiziert werden. 1274 Außer der Information in zwei Kolophonen,1275 dass der König Tudḫaliya im „Haus des Großvaters“ (s. IV.5) vom Ritual für die Sonnengöttin der Erde geträumt hatte,1276 liegt kein Anhaltspunkt für die Verortung des Ersatzrituals vor. Da sich aber in keinem Text außer CTH 450 ein Gebäude mit den namenlosen Ahnen in Verbindung bringen lässt, kommt allein das Steinhaus in Ḫattuša als Schauplatz des Ersatzrituals CTH 448.4 in Frage. Einen Anhaltspunkt dafür ist die Rolle der Sonnengöttin der Erde als Protagonistin dieses Festrituals samt ihrem Bezug auf die chthonische Welt.
1274
Siehe Bo 2389 (CTH 448.4.1.a.B; s. Taracha 2000: 66f.) Vs. I 1ff.: ˹ma-a-an˺ ták-na-aš DUTU-i MU-ti me-e-na-aš (2) EZEN4 i-ya-zi ku-it im-ma ku-it me-ḫur (3) Ú-UL ku-it-ki tu-uk-ka4-a-ri „Wenn er für die Sonnengöttin der Erde im Laufe des Jahres ein Fest feiert, ist nicht von Wichtigkeit, zu welcher Zeit auch immer (es stattfindet).“ 1275 Bo 3857 (CTH 448.4.1.a.C) Rs. IV ? x+2-4ˈ; KUB XLIII 55 (CTH 448.4.2) Rs. V 6ˈff.: … ú-it-ma-an-za-an (7ˈ) ˹D˺UTUŠI ku-wa-pí mDu-ud-ḫa-li-ya-aš (8ˈ) [ L]UGAL.GAL ták-na-aš DUTU-aš SÍSKUR (9ˈ) URUḪa-at-tu-ši I-NA É ḫu-uḫḫa-aš (10ˈ) te-eš-ḫa-an a-uš-ta ... „… später, nachdem meine Sonne Tudḫaliya, der Großkönig, ein Opferritual der Sonnengöttin der Erde in Ḫattuša, im Haus des Großvaters/der Großväter, als Traum gesehen hatte, …“. 1276 Vergleiche die Deutung Tarachas 2000: 25, dass der König während des Opferrituals für die Sonnengöttin der Erde den Traum gesehen hätte. Der Autor nimmt an, dass die Inkubation „als Teil einer größeren, eminent kultisch orientierten Praktik des Festes für die Herrin der Unterwelt angesehen werden darf“ (ibid. 192); so auch Kapeluś 2007a: 32; ead. 2007b: 224.
415
5
Das Haus bzw. der Palast des Großvaters meiner Sonne
Im Folgenden soll gezeigt werden, dass sich die in den hethitischen Texten belegten Häuser bzw. Paläste des Großvaters der Sonne nicht in den Rahmen von Toten- und Ahnenkulten einbeziehen lassen. In den meisten Monographien und Aufsätzen über die hethitischen Bräuche und Praktiken der Verehrung der Vorfahren werden neben dem (göttlichen) Steinhaus und dem ḫekur-Felsheiligtum auch das É ḫuḫḫaš/É ABI ABI D UTUŠI „Haus des Großvaters meiner Sonne“ und der É.GAL ḫuḫḫaš „Palast des Großvaters“ als Orte des Ahnenkultes berücksichtigt oder sogar mit dem Grab bzw. dem Totenkult der verstorbenen Könige in Verbindung gebracht.1277 Zuerst nimmt Kapeluś 2007a eine Unterscheidung zwischen dem É ḫuḫḫaš und dem É.GAL ḫuḫḫaš vor, und zwar anhand der ḫišuwa-Festtexte, die die administrative Funktion des Palastes im Zusammenhang mit der Sendung von Gütern für das Fest, nicht jedoch als Ort der Durchführung der Rituale belegen. Davon geht die Autorin (ibid. 32) aus: „Thus, it seems reasonable that the palace of grandfathers would be either a separate institution or a bigger unit that had also economic tasks.“ In ihrem letzten Beitrag (ead. 2007b: 224ff. mit Anm. 10) fasst Kapeluś dagegen Haus und Palast als ein und dasselbe Gebäude auf. Im Folgenden eine Auflistung der Belege vom Haus/Palast des Großvaters: É ḫuḫḫaš
KUB XX 52+ (CTH 628.Tf12.A) Rs. IV 19; KBo XXXV 260+ (CTH 628. Tf12.B) 10ˈ; KBo XV 48(++) (CTH 628.II.1.A) Vs. I 24; KBo XXIII 28++ (CTH 628.II.1.B) Vs. I 25; KUB LVIII 51 (CTH 670.1960) Vs. II 6ˈ; KUB X 48+ (CTH 626.Ü1.B) Vs. I 4; KUB XLIII 55 (CTH 448.4.2) Rs. V 9. 1278
1277
Siehe Haas 1994: 246f.; id. 2008: 125; Taracha 1998: 191; id. 2000: 199f.; id. 2009: 164ff.; Kapeluś 2007a; ead. 2007b; Archi 1973: 211 mit Anm. 12; del Monte 1975: 337-342; id. 1995: 99; Börker-Klähn 1994: 361f.; Alp 1991: 54, 63f., 84, 91, 108. 1278 Siehe auch sämtliche in Taracha 2000 aufgelisteten Paralleltextstellen, in denen auf der Basis von KUB XLIII 55 É ḫuḫḫaš zu ergänzen ist.
416
É [ḫu-u]-ḫa-˹an-ni?˺/É ḫu-u-˹ḫa-an-ni?˺
KUB XI 10 + KBo LX 303 (CTH 661.4) r. Kol. 4ˈ/5ˈ.1279 LÚMEŠ É
ḫuḫḫaš
KUB XL 102+ (CTH 628.Tf08.A) Vs. I 6ˈ; 1280 Bo 3230+ (CTH 670.1986) Vs. I? 8ˈ; HKM 100 (CTH 236) Vs. 9ˈ; 1281 HKM 101 (CTH 236) Vs. 2. 1282 DINGIRMEŠ É ḫuḫḫaš
KBo XXIV 48 (CTH 500.18) Vs. 10ˈ; 1283 KUB XXXII 98 (CTH 706) 3ˈ. 1284 É A- BI A-BI D UTUŠI
Bo 5001 (CTH 670.2252) lk. Kol. 10ˈ; 1285 KBo XLVII 6 (CTH 277.12) Rs. 1ˈ;1286 KUB XII 5 (CTH 713.1) Vs. I 2, Rs. IV 18ˈ. É.GAL ḫuḫḫaš
KBo XV 37 (CTH 628.Tf13.A) Vs. I 7; KBo XXIV 76+ (CTH 628) Vs. I 12ˈ; Bo 6574 (CTH 628.Tf12.K) Vs. I 11ˈ; KBo XXIII 85 (CTH 628.Tf12.D) Rs. VI 4ˈ; 1287 KBo XXIV 40 (CTH 628.Tf12.O) Vs. 6ˈ; 1288 KBo XXIV 122 (CTH 580) Vs. 21ˈ; KUB LII 97 (CTH 582) 2ˈ; KBo XXII 209 (CTH 635) Rs. 2ˈ;1289 Montserrat 2 (CTH 670.3318) 3ˈ; 1290 ABoT II 7++ (CTH 225.B) Vs. I 7.
1279
Für diesen Hinweis danke ich M. Cammarosano. < É> ḫuḫḫaš. Möglicherweise auch zu LÚMEŠ < É.GAL> ḫuḫḫaš zu emendieren. 1281 In Vs. 6ˈ-8ˈ sind die Namen der zum Haus des Großvaters gehörenden sieben Männer belegt. 1282 Für diese fragmentarisch erhaltene Personenliste darf angenommen werden, dass die Namen des Personals des Hauses des Großvaters in der Lücke zu ergänzen sind. 1283 DINGIR MEŠ LÚMEŠ É ḫuḫḫaš. 1284 [ DINGI]RMEŠ É ḫuḫḫaš. 1285 É A-BI A-BI -YA D UTU[ŠI]. 1286 É A-BI A-BI D UTU[ŠI]. 1287 É.GAL ḫ[uḫḫaš]. 1288 É.GAL ḫuḫ[ḫaš]. 1289 É.GAL ḫuḫḫ[aš]. 1290 [É.GA] L ḫuḫḫaš. 1280 LÚMEŠ
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LÚMEŠ É.GAL ḫuḫḫaš
KBo LV 237 (CTH 628.Tf08.D) Vs. II 14ˈ; 1291 KUB VI 37(++) (CTH 579.3) Vs. 11ˈ; KUB V 9+ (CTH 579) Vs. 25; IBoT II 129 (CTH 574.2.A) Vs. 17; HT 2 (CTH 235.2.A) Vs. I 3. 1292 DINGIRMEŠ ŠA É.GAL
ḫuḫḫaš
KUB VI 45++ (CTH 381.A) Vs. I 42; KBo VIII 110 (CTH 664.3) 5ˈ; 1293 KUB XI 27(+) (CTH 620.1) 30ˈ. 1294
Aus der Untersuchung der aufgelisteten Belege ergibt sich, dass „Haus“ und „Palast“ je eigenes Personal und eigene Gottheiten hatten. Darüber hinaus lieferten beide eine beträchtliche Anzahl an verschiedenartigen Gütern für Feste und Rituale.1295 Der einzige Unterschied scheint in den durchzuführenden Kulthandlungen zu liegen, die lediglich im É ḫuḫḫaš zu vollziehen waren. Da aber das Haus und der Palast des Großvaters beim ḫišuwa-Fest erwähnt werden, lässt sich annehmen, dass sich beide Begriffe auf dieselbe Institution beziehen können. Mit É „Haus“ dürfte auch ein bestimmter Bauteil bezeichnet werden, der als Raum zur Durchführung der Zeremonien diente.1296 In der Hethitologie werden die folgenden drei Gründe für die Identifizierung des Hauses bzw. Palastes des Großvaters (der Sonne) als einem Ort des Totenkultes vorgebracht:
1291 [LÚ]MEŠ É.GAL ḫuḫḫaš. 1292 Eine Sängerin des É.GAL
ḫuḫḫaš in Katapa ist hier belegt.
1293 DINGIR MEŠ LÚMEŠ É.GAL ḫuḫḫaš. 1294 Siehe Archi 2006: 157f. [DX É.GA] L
ḫu-u-uḫ-ḫa-aš „[Storm-god of the pala]ce of the grandfather (of the king)“. 1295 Dies ist in Bezug auf den Palast des Großvaters mehrfach belegt. Lediglich in KUB XI 10+ 7ˈ wird erwähnt, dass auch das É ḫuḫḫaš Spenden für den Totenkult der königlichen Familie einrichtete. 1296 Eine derartige funktionale Unterteilung der Räume bzw. Gebäude eines größeren Komplexes kann dem Orakeltext KUB V 9+ (CTH 579; s. del Monte 1975: 338ff.) Vs. 9 entnommen werden: ma-a-an A-NA É.GAL É D UTU-aš marša-aš-tar-re-eš UL ku-iš-ki Ì.GÁL „wenn keine Entweihung bezüglich des Palastes (und) des Hauses meiner Sonne vorhanden ist“; vgl. del Monte (ibid. 340): „Se non cˈè alcun fallo riguardante il Palazzo del tempio del Sole“.
418
1. die von Kapeluś (2007a: 32; 2007b: 228) und Taracha (2000: 200; 2009: 166) ausgemachte Ähnlichkeit dieser Institution mit jener des Steinhauses in Ḫattuša; 2. die Kulthandlung des „Umschwenkens“ der „Gottheiten des Vaters“ im Haus des Großvaters am zweiten Tag des ḫišuwa-Festes, auf welche verschiedene Opfervorbereitungen für die „Gottheiten seines Vaters“ folgten; 1297 3. der Name der Institution selbst mit Bezug auf den Großvater bzw. auf die Großväter, die als Vorfahren gegolten haben dürften. 1298 Das erste Argument beruht auf der Ähnlichkeit des Hauses/Palastes des Großvaters mit dem Steinhaus, die den Autoren zufolge auf deren Lieferungen von Gütern für die Festrituale und deren Status als Institutionen mit eigenem Personal und Feldern basiert. Der Besitz von Menschen und Grundstücken ist jedoch auch für viele andere kultische Gebäudekomplexe bei den Hethitern typisch und zeichnet somit weder das Haus/den Palast des Großvaters noch das Steinhaus vor anderen Tempeln bzw. Institutionen (z.B. ḫekur-Felsanlage, ḫešta-Haus, Kizzimara-Haus usw.) aus. Darüber hinaus sendete das Steinhaus keine opulenten Spenden für die Festrituale: Das einzige u. a. beim KI. LAM-Fest von dort fortzubringende Objekt war das Räucherwerk? taḫ(a)tumar(a)- (s. IV.3.1), wobei lediglich im Eilfesttext KUB XI 34+ Vs. I 46ff. neben diesem auch die GIŠ KĀNNŪM ḪI.A „Topfständer“ und die tapišaniš GUŠKIN „goldenen tapišani-Gefäße“ belegt sind. Lebensmittel wie Fleisch, Brot, Obst, Wein usw. wurden aber vom Steinhaus aufgrund der Gefahr einer Kontamination mit Unreinheit, die sich durch diese nach außen hätte verbreiten können, nicht als Gaben für Feste ausgeliefert. Das Thema der Unreinheit lässt sich dagegen mit dem Haus bzw. Palast des Großvaters nicht in Verbindung bringen. Aus der Untersuchung der Belege ergibt sich nämlich kein Bild von Regelungen oder Verboten, welche die Menschen und die Güter des 1297
Siehe KBo XV 48(++) (CTH 628.II.1.A; s. Dinçol 1989: 11-23) Vs. I 24ff.; KBo XXIII 28++ (CTH 628.II.1.B; s. Wegner – Salvini 1991: 57-63, 91f.) Vs. I 25ff. 1298 Zur Übersetzung im Plural s. Kapeluś 2007a, 2007b und Taracha 1998: 191f., 2000: 192ff., 2009: 166.
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É/É.GAL
ḫuḫḫaš betrafen. Demzufolge sind das Steinhaus und das Haus/der Palast des Großvaters gerade anhand der herausragenden Rolle des Themas der Unreinheit zu unterscheiden.1299 Die angenommene Ähnlichkeit zwischen dem É/É.GAL ḫuḫḫaš und dem É.NA4 als Beweis für die Verbindung beider Institutionen mit dem Ahnenkult lässt sich infolgedessen entkräften. Das zweite Argument beruht auf einem Beleg der „Gottheiten des Vaters“ in einer Textstelle zum ḫišuwa-Fest. 1300 Denn der aus dem hurritischen Milieu entlehnte Ausdruck attaš šiuneš/attaš DINGIRMEŠ (hurr. en(i)=na attan(i)=ne=we=na) wird häufig als Bezeichnung für die Vorfahren angesehen. Die Verehrung der „Gottheiten des Vaters“ im Haus des Großvaters beim ḫišuwa-Fest würde demzufolge die Annahme einer Verbindung dieser Institution mit dem Ahnenkult stützen. Zu diesen Gottheiten lassen sich nach Wilhelm 2016: 530 nur die folgenden Aussagen festhalten: In Listen für hurr.-heth. Opferriten sind seit mittelhethitischer Zeit Opfer für die „Gottheiten des Vaters“ zu finden; diese konnten auch bestimmten Königen zugeordnet werden und treten insbesondere in den Feldzugsbeschreibungen Muršilis II. als Gottheiten auf, die den hethitischen König zum Sieg begleiteten. Dagegen lässt sich nicht nachweisen, dass die Hethiter mit attaš šiuneš/attaš DINGIRMEŠ auf die Ahnen Bezug genommen hätten; oder mit den Worten von Wilhelm (ibid.): „Sie bleiben namenlos, sodass die Frage, ob es sich um die verstorbenen Vorfahren, um Familiengottheiten oder um persönliche Gottheiten handelt, nicht auf Grund textlicher Evidenz beantwortet werden kann.“ Demzufolge lässt sich nicht annehmen, dass die Anwesenheit der „Gottheiten des Vaters“ im Haus des Großvaters einen Verweis auf irgendeine Form von Ahnenkult darstellt. Das dritte und letzte Argument besteht schließlich in der pluralischen Übersetzung von ḫuḫḫaš in den Ausdrücken É ḫuḫḫaš und É.GAL ḫuḫḫaš.1301 In dieser Lesart würde sich der Name der Institution selbst auf die
1299
Siehe auch del Monte 1975: 338. Zum hurritischen Milieu des ḫišuwa-Festes s. Klinger 2008: 202f. 1301 In Anlehnung an Cammarosano 2019: 98 bezeugt der Beleg KUB XI 10 + KBo LX 303 r. Kol. 4ˈ/5ˈ nicht den ah. Gen. Pl. ḫuḫḫan, sondern die luwische Form ḫūḫanni-, die als Adjektiv, Kurzform von ḫūḫanniya-, Diminutiv zu ḫūḫa- „Großvater, Vorfahr“, interpretiert werden kann (Bemerkungen von 1300
420
Ahnen beziehen. Der Vergleich mit dem entsprechenden ebenso belegten akkadischen Ausdruck É ABI ABI DUTUŠI legt jedoch nahe, dass eine Übersetzung im Singular eher zutrifft. Auf diese Weise dürfte der leibliche Großvater bzw. ein bestimmter Vorfahr des hethitischen Königs gemeint sein.1302 Dies lässt sich darüber hinaus so begründen, dass in den hethitischen Texten neben É/É.GAL D UTUŠI „Haus/Palast meiner Sonne“ 1303 auch É/É.GAL ABI D UTUŠI „Haus/Palast des Vaters meiner Sonne“ belegt ist. Wenn nämlich das Haus/der Palast des Großvaters nur auf Basis seines Namens mit dem Ahnenkult zusammenhinge, müsste dasselbe auch für das Haus/den Palast des Vaters der Sonne gelten. Auch betreffs dieser Institution lässt sich jedoch kein Bezug auf die Totenwelt folgern. In ABoT I 14++ (CTH 568.A) 1304 Rs. V 16ˈf. wird die Zusendung von zehn Ziegenböcken und Erstlingsgaben aus dem É.GAL ABI D UTUŠI für das Fest für Zitḫariya erwähnt. In der Landschenkungsurkunde aus der Zeit Arnuwandas I. KBo V 7 (CTH 222.91)1305 Rs. 27 ist ein „Anwesen des Ḫantapi, des Palastbediensteten, des Aufsehers der Weber vom É ABI D UTUŠI im Haus in (der Stadt) Parkalla“ belegt. 1306 Demzufolge war das Haus/der Palast des Vaters der Sonne eine Institution mit Personal, das Spenden für die Festrituale lieferte, so wie das Haus/der Palast des Großvaters der Son-
Yakubovich apud ibid.). Demzufolge lässt sich in diesem Beleg kein Beweis für die pluralische Übersetzung von ḫuḫḫaš in É/É.GAL ḫuḫḫaš sehen. 1302 Siehe auch Archi 2007a: 51; vergleiche Cammarosano 2019: 98f. 1303 KUB V 9+ (CTH 579) Vs. 9; KUB VI 45++ (CTH 381.A) Vs. II 4 (und Dupl.); KUB XLIV 4+ (CTH 520) Vs. 29; KBo X 10 (CTH 235) Vs. IV 16; KBo XVIII 56 (CTH 190) Vs. 7ˈ; KBo XXII 209 (CTH 635) Rs. 4ˈ; HT 2 (CTH 235.2.A) Vs. I 2. 1304 Lebrun 1994; zum Anschluss zu KBo XXXI 67 s. Groddek 2001a: 238f. 1305 Rüster – Wilhelm 2012: 231-244. 1306 In den weiteren folgenden Belegen ist mit É ABI- YA/KA/ŠU (ohne DUTUŠI) in aller Regel der Besitz des (verstorbenen) Vaters gemeint: KBo LVIII 285 (CTH 832) 8ˈ (É A-BI); KUB LIX 62 (CTH 460?) Vs. I 2ˈ (É A-BI-YA); KUB XIV 4(++) (CTH 70.1.A) Vs. II 4ˈ, 11ˈ (É A-BI-YA); KBo XLVI 9 (CTH 215) 17ˈf. (É A-BI-YA); CTH 68 passim (É A-BI-KA, É A-BI-ŠU ); Bo 4952 (CTH 470.343) Vs. I 16ˈ (É A-BI-ŠU); KUB XLIII 8 (CTH 543.II.1) Rs. 5b, 6b ( É A-BI-ŠU); KUB LVIII 10 (CTH 500.361) 10ˈ (É A-BI-ŠU); KBo VI 2++ (CTH 291.I.a.A) Vs. II 40ˈ (É A-BI-ŠU); KBo VI 3+ (CTH 291.I.b.A) Vs. II 61 ( É A-BI-ŠU); KBo VI 4 (CTH 291.III) Rs. IV 24 ( É A-BI-ŠU); KBo XLI 17 (CTH 470.982) 5ˈ (É A-BI-ŠU); KBo XXVI 115 (CTH 370.I.37.A) 3ˈ ( É A-B[I -ŠU?).
421
ne. In beiden Fällen liegt kein Bezug auf den Vater und den Großvater als Toten vor: Kein Anhaltspunkt für die Verehrung der Verstorbenen ist in den Texten zu finden. Vielmehr kann angenommen werden, dass es sich bei diesen Institutionen um Besitztümer handelt, die in enger Verbindung mit dem Palast des hethitischen Königs standen. Dies kann aus der Orakelanfrage KUB V 9+ (CTH 579)1307 Vs. 1ff. abgeleitet werden: Dort wurden zunächst die Menschen des Palastes ( LÚMEŠ É.GAL) zu einer Entweihung des Palastes der Königin (É.GAL MUNUS. LUGAL) befragt. Daraufhin wurde die Entweihung „des Palastes (und) des Hauses meiner Sonne“ (É.GAL É D UTU-aš) untersucht:1308 In diesem Fall wurden aber nicht nur die Menschen des Palastes (LÚMEŠ É.GAL) sondern auch die Menschen des Palastes des Großvaters ( LÚ MEŠ É.GAL ḫuḫḫaš) befragt. Dies deutet auf eine enge Verbindung des Hauses bzw. Palastes des Großvaters mit dem Palast des Königs hin.1309 Häuser/Paläste des Großvaters fanden sich nicht nur in Ḫattuša, sondern auch in Šamuḫa und Katapa. 1310 Auch wenn beide Residenzstädte der Könige waren, sind die dortigen nach direkten Vorfahren des Königs benannten Institutionen nicht zwangsläufig mit Grabstätten der verstorbenen Könige in Verbindung zu bringen. Vielmehr handelt es sich bei Šamuḫa und Katapa um Städte, in denen sich jeweils ein Verwaltungszentrum mit Gebäuden, Personal, Feldern usw. ähnlich jenem der Hauptstadt befand, entsprechend der Bedeutung dieser Residenzen für die Königsherrschaft. Beim Haus/Palast des Großvaters der Sonne dürfte es sich
1307
Siehe del Monte 1975: 339ff. Siehe auch Anm. 1296. 1309 In den Aufzählungen von KBo XXII 209 (CTH 635) Rs. 2ˈ, 4ˈ und HT 2 (CTH 235.2.A) Vs. I 2f. sind der É.GAL D UTUŠI und der É.GAL ḫuḫḫaš nacheinander belegt. 1310 Siehe Kapeluś 2007b: 224-226; Cammarosano 2019: 99f. In Anlehnung an Cammarosano 2019: 98 Anm. 23 existierte kein É.GAL ḫuḫḫaš in Šaḫpina (KUB XLI 55 Vs. I 2) und kein É ḫuḫḫaš in Kummanni (KUB LVIII 51 Vs. II 6ff.), weil die Texte keine Schlussfolgerung in diesem Sinne erlauben; vgl. HW2 III 638a und Popko 1998, 463. 1308
422
also um ein dortiges, bedingt selbstständiges Anwesen gehandelt haben, das der gesamten Organisation des Königspalastes eingegliedert war. 1311 Abschließend lässt sich also die Annahme einer Verbindung des Hauses/Palastes des Großvaters der Sonne (sowie des Vaters der Sonne) mit dem Ahnenkult oder selbst mit den Gräbern der verstorbenen hethitischen Könige zurückweisen. 6
Zusammenfassung
Den roten Faden dieses Kapitels bildet die Untersuchung des Gebäudes bzw. der Institution des (göttlichen) Steinhauses als Ortes der Toten- und Ahnenverehrung. Die vorangegangene Diskussion ermöglichte die Rekonstruktion der Struktur des Steinhauses, seiner Lokalisierungen und der dort durchzuführenden Kulthandlungen anhand des Vergleichs mit anderen Gebäuden bzw. Institutionen (šinapši-Haus, ḫekur-Felsanlage, Haus bzw. Palast des Großvaters der Sonne). Viele bislang in der Forschung herrschende Lehrmeinungen sind einer genauen Überprüfung unterzogen worden, um ein genaueres Verständnis des Phänomens des Toten- und Ahnenkultes bei den Hethitern auf Basis der textlichen Evidenz zu gewinnen. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt resümieren: Eine neue Synopse des Totenrituals šalliš waštaiš konnte erstellt werden, und zwar unter besonderer Berücksichtigung derjenigen Kulthandlungen, die vor oder nach der Leichenverbrennung stattfanden (IV.1, 1.12). Aus dieser Rekonstruktion konnte die Lokalisierung des Verstorbenen – d.h. des Leichnams vor der Leichenverbrennung und des Ersatzbildes des Toten nach der Leichenverbrennung – in den mit dem Ritual zusammenhängenden Räumen gewährleistet werden (IV.2). Im É „Haus“ wurden alle Kulthandlungen am Toten durchgeführt: So lag der Leichnam vor der Leichenverbrennung im Innengemach des Hauses, während nach der Leichenverbrennung das Ersatzbild des Toten in einem Zelt auf einem 1311
Siehe auch Cammarosano 2019: 100; vergleiche Taracha (1998: 191; 2000: 200; 2009: 166), der É/ É.GAL ḫuḫḫaš aufgrund von dessen vorausgesetzter Bestimmung als „sanctuary of the dynastic ancestor cult“ (ibid. 2009: 166) mit dem É MUL(. MUL) in Ebla und dem bt ʾilm kkbm („Haus der göttlichen Sterne“) in Ugarit in Verbindung bringt. Nach Taracha (ibid.) ist demzufolge das Haus/der Palast des Großvaters (der Sonne) auf nordsyrische religiöse Vorstellungen des „Ahnenhauses“ zu beziehen.
423
Thron innerhalb des Hauses saß. Die Gebeine des Toten mussten dagegen von außerhalb des Hauses direkt ins Innengemach des Steinhauses gebracht werden, so wie dies auch der Fall für einige Objekte und Materialien im Zeitraum nach der Leichenverbrennung bis zum Ende des Rituals war. Aufgrund folgender Anhaltspunkte ist aber davon auszugehen, dass sich Haus und Steinhaus auf einen einzigen Gebäudekomplex beziehen: Die Anwesenheit eines Torbaus in Verbindung sowohl mit dem Haus als auch mit dem Steinhaus; die pluralische Schreibung ÉMEŠ für „Haus“ im Totenritualtext und die abwechselnde Verwendung des Singulars und des Plurals ÉMEŠ.NA4, ÉMEŠ.NA4 ḪI.A, ÉḪI.A.NA4, É.NA4 ḪI.A für „Steinhaus“ in verschiedenen Festritualtexten; die Abgeschlossenheit der Institution des Steinhauses aufgrund der Gefahr einer Verbreitung von Unreinheit. Demzufolge wird nur im Totenritualtext eine terminologische Unterscheidung zwischen É und É.NA4 aufgrund der bestimmten Funktion des je hervorzuhebenden Raumes vorgenommen, wobei die gesamte Institution in anderen Texten lediglich als „Steinhaus“ bezeichnet wird. Das É.NA4 stellte stricto sensu einen besonderen Bereich des É dar, und zwar die letzte Beisetzungsstätte der königlichen Toten (IV.3.1). Der Ausdruck É.NA4 kann aus zwei Perspektiven gedeutet werden. Eine bezieht sich auf die metaphorische Verwendung des Begriffes „Stein, Fels“ in der Bedeutung „Ewigkeit“ bzw. „Unzerstörbarkeit“, d.h. das Steinhaus als Symbol der legitimen, beständigen hethitischen Königsherrschaft, die für die nachfolgenden Generationen dauerhaft die Verbindung mit den früheren darstellte. Die andere Deutung beruht auf der materiellen Beschaffenheit des Steins: Beim Totenritual šalliš waštaiš dürfte das Steinhaus als in Felsen gehauener Teil des Hauses, ausgestattet mit einem Innengemach und einer Lampe zur Beleuchtung der Knochen und in enger Nachbarschaft mit der Unterwelt dem unterirdischen Geschoss des Hauses entsprochen haben. Zwei weitere Totenritualtexte (KUB XXX 28+ und KUB XXXIX 49 // KBo XII 120) stützen diese Vermutung, da in ihnen eine Unterteilung in eine obere Ebene für das Diesseits und eine untere Ebene für das Jenseits erkennbar ist. Anhand von KUB XXX 28+ lässt sich darüber hinaus annehmen, dass das šinapšiHaus als Entsühnungshaus den Ort der ersten Kulthandlungen am Leichnam darstellte, wenn das Totenritual für ein außerhalb von Ḫattuša verstorbenes Mitglied der königlichen Familie zu vollziehen war (IV.3.2). Für alle hethitischen Könige, Königinnen und Mitglieder der königlichen Familie war je ein Steinhaus bzw. ein Innengemach des Steinhauses 424
vorgesehen. Dieser Raum lässt sich wohl am besten als eine Art kleine Nische mit einem Bett vorstellen, das nicht unbedingt die Größe einer für einen Menschen bestimmten Liege aufgewiesen haben dürfte. Das Steinhaus als unterirdisches Geschoss des Hauses war demzufolge in verschiedene kleinere in Stein gehauene Innenkammern – d.h. die einzelnen Steinhäuser der königlichen Verstorbenen – unterteilt. Dieses vielzellige Untergeschoss war jedoch auch mit einer oder mehreren gemeinsamen Kammern ausgestattet, in denen u. a. die während des Totenrituals verwendeten Gegenstände aufbewahrt wurden (IV.3.3). Im Ersatzritual KBo XV 2+ lassen sich die in Bezug auf den König verwendeten Ausdrücke zu den Toten gerufen werden und bei den Toten sein (Rs. 16ˈf.) folgendermaßen deuten: Ersterer bedeutet, dass dem König ein naher Tod von den Gottheiten vorausbestimmt wurde; der zweite spielt wahrscheinlich auf den Status des Königs als „Toten“ an, nachdem der Substitutskönig seine Stelle übernommen hatte. Demzufolge muss dieses Ersatzritual nicht unbedingt im Steinhaus verortet werden, wie dies bisher in der Sekundärliteratur angenommen wurde (IV.3.4). Aus der ausführlichen Untersuchung des Orakeltextes KUB XVI 39+ lässt sich die Existenz dreier den Totenkult betreffender Institutionen in Ḫattuša postulieren: das ḫekur-Felsheiligtum von Pirwa als Gedenkstätte für den verstorbenen Tudḫaliya IV.; das göttliche Steinhaus von Tudḫaliya IV. als eigenes Steinhaus für den Totenkult des Königs in Verbindung mit dessen Überresten; und schließlich das (göttliche) Steinhaus (der Väter) als schon vor der Regierungszeit Ḫattušilis III. bestehende übergreifende Begräbnis- und Kultstätte für die früheren verstorbenen Könige. Dies kann aus der neuen politischen Situation ab Ḫattušili III. erklärt werden, der die Sitte des Baus eines eigenen Grabs einführte. Darüber hinaus sind die in dem Šuppiluliumas II. zuzuschreibenden Text ABoT I 56 verwendeten Ausdrücke ÉMEŠ GIDIMḪI.A und URULU4 GIDIMḪI.A mit dem in KUB XVI 39+ belegte É.NA4 DINGIRLÌ addaš gleichzusetzen: Bei allen handelt es sich um verschiedene Bezeichnungen für die alte Institution des göttlichen Steinhauses (IV.3.5). Weitere Texte belegen die Existenz einzelner Steinhäuser eines Arnuwanda, eines Tudḫaliya und eines Šuppiluliuma. In KUB XVIII 32(+) dürfte nicht unbedingt von Arnuwanda III. und Tudḫaliya IV. mit ihren Steinhäusern als separaten Gebäuden die Rede gewesen sein, sondern von jedem ihrer Vorgänger namens Arnuwanda bzw. Tudḫaliya. In KUB XVIII 21 muss es sich bei Šuppiluliuma dagegen um Šuppiluliuma I. 425
handeln. Demzufolge ist mit dem „Steinhaus von Šuppiluliuma“ eines der vielen Innengemächer innerhalb des alten Steinhauses gemeint (IV.3.6). In den ersten Tagen des Totenrituals šalliš waštaiš war eine Statue anzufertigen, die nach der Leichenverbrennung als Ersatzbild des Verstorbenen für alle Kulthandlungen bis zum letzten, 14. Tag verwendet wurde. Dieselbe Statue diente zum zukünftig durchzuführenden Totenkult, der in der Ékarimmi, „Heiligtumszelle?“ – zu identifizieren mit dem Innengemach des Steinhauses – stattfand. (IV.3.7.1). Die für den Toten angefertigte Statue stand für seine göttliche Dimension, weshalb das Steinhaus als „göttlich“ bezeichnet wurde: Denn dieses Attribut dürfte auf den Vergöttlichungsprozess des Verstorbenen im Zuge des Totenrituals šalliš waštaiš verweisen. Ansonsten liegt ebenso die Annahme nahe, dass dem Steinhaus seine Göttlichkeit vonseiten aller Gottheiten zufloss, unter deren Überwachung das Totenritual durchgeführt wurde (IV.3.7.2). Vom Totenkult innerhalb des göttlichen Steinhauses ist der Kult von Statuen der Könige, Königinnen und weiteren Mitglieder der königlichen Familie zu unterscheiden. Während sich die in CTH 661 beschriebenen Opferhandlungen als Teil des Totenkultes innerhalb des göttlichen Steinhauses in Ḫattuša ansehen lassen, weicht das in CTH 660 dargestellte Szenario erheblich ab. Die darin im Kontext von Festen belegten Bildnisse sind nämlich im Zusammenhang mit der Praxis der Weihe von Statuen zur Besänftigung der Gottheiten zu sehen. Derartige Bilder, welche die noch lebenden Stifter darstellten und meist in Tempeln ihren Platz fanden, mussten auch nach dem Tod der betroffenen Menschen verehrt und beopfert werden. Dabei handelte es sich allerdings nicht um einen Totenkult. Denn auch wenn die Statuen die dargestellten Personen verkörperten, sind sie doch in erster Linie als Weihgaben für die Gottheiten zu verstehen, in deren Tempel sie sich befanden (IV.3.7.3). Weitere Steinhäuser wurden außerhalb von Ḫattuša für die Mitglieder der königlichen Familie eingerichtet, welche nicht in der hethitischen Hauptstadt wohnten. Im Fall von herausragenden Persönlichkeiten mussten deren Knochen jedoch zur Durchführung der traditionellen Zeremonien nach Ḫattuša gebracht werden. Zur Existenz von Steinhäusern außerhalb von Ḫattuša lassen sich die Beispiele von Danuḫepa und ArmaTarḫunta anführen: Ihre letzte Ruhestätte fanden sie nämlich eher in den Orten, in die sie schon zu Lebzeiten verbannt worden waren. Ebenfalls lässt sich das Steinhaus von Mašḫuiluwa, dem König von Mira, am Fluss Šiyanta verorten (IV.3.8). 426
Die namenlosen Ahnen (ḫuḫḫaḫanniš „Großväter und Großmütter“) waren neben verschiedenen Gottheiten beim Totenritual šalliš waštaiš als Empfänger von Opfern und Gegenstand von Kulthandlungen in Form von Statuen anwesend. Während aber die Gottheiten in mehreren Ritualphasen zusammen mit dem Ersatzbild des Toten aus dem Haus zu bringen waren, hatten die Ahnen im Haus bzw. im Steinhaus ihren festen Platz. Demzufolge dürfte das Steinhaus den Ort des offiziellen Ahnenkultes dargestellt haben. Aus diesem Grund war beim Totenritual ein Zelt als Provisorium im Steinhaus aufzuschlagen, damit ein besonderer Raum für die Kulthandlungen an dem Toten geschaffen werden konnte. Darüber hinaus lässt sich ein Teil des Ersatzrituals für Tudḫaliya CTH 448.4, das die Ahnen in ihrer kollektiven Bezeichnung belegt, im Steinhaus in Ḫattuša verorten (IV.4). Das Haus bzw. der Palast des Großvaters (der Sonne) ist nicht als Bezeichnung für einen Ort des Ahnenkultes anzusehen oder sogar mit dem Grab des verstorbenen hethitischen Königs in Verbindung zu bringen. Diese Institution hatte eigenes Personal und eigene Gottheiten und lieferte eine beträchtliche Anzahl an verschiedenartigen Gütern für die kultische Durchführung von Festen und Ritualen aus. Aus den Texten geht weder eine besondere Ähnlichkeit mit der Institution des Steinhauses noch ein Bezug auf verstorbene königliche Vorgänger oder auf irgendeine Form von Totenkult hervor. Eine ähnliche Institution war das Haus bzw. der Palast des Vaters (der Sonne), in dem aber ebenfalls keine Verehrung der Verstorbenen stattfand. Beim Haus bzw. Palast des Großvaters handelt es sich eher um Besitztümer, die in enger Verbindung mit dem Palast des hethitischen Königs standen und aus irgendeinem Grund auf diese Weise bezeichnet wurden. Diese Institutionen gab es nicht nur in Ḫattuša, sondern auch in den königlichen Residenzstädten Katapa und Šamuḫa: Demzufolge lässt sich vermuten, dass das Haus bzw. der Palast des Großvaters der gesamten Organisation des Königspalastes im Rahmen eines Verwaltungszentrums eingegliedert gewesen sein dürfte (IV.5).
427
QUELLENINDEX Zitierte Quellen in Fettdruck
ABoT I 14++ I 56 II 7++ II 240
Bo
86/299
1303/u+ 2057+ 2389 2644a 3230+ 3288++ 3367 3396++
Rs. V 16ˈf. Rs. III x+2-22 Vs. I 7 4ˈ-9ˈ
Vs. I 5 Vs. I 43 Vs. I 91-Vs. II 3 Vs. II 17f., Rs. IV 3 Vs. II 23-40 Vs. II 23-40 Vs. I 1ff. Vs. I? 8ˈ Vs.! 4-8 Vs. 5ˈ, 8ˈ Vs. 9
3758+ 3826
Vs. I 20ˈ, II 5ˈ, Rs. III 22ˈ, IV 10ˈ Rs. III 6
3857 4049 4371(+)
Rs. IV? x+2-4ˈ Vs. 3 Vs. I? 2ˈ, 10ˈ Vs. I? 4ˈ-9ˈ Vs. I 16ˈ lk. Kol. 10ˈ
4952 5001 5343 6351
Vs. I x+3-9ˈ
S. 421 S. 425 S. 90ff., S. 371f. S. 417 S. 135 Anm. 369
S. 63 Anm. 135 S. 201 Anm. 596 S. 369 Anm. 1133 S. 371 Anm. 1139 S. 88f. S. 88f. S. 415 Anm. 1274 S. 37 Anm. 49 S. 417 S. 130 Anm. 354 S. 49 Anm. 94 S. 373f. mit Anm. 1144 S. 201 Anm. 597, S. 203 Anm. 602 S. 34 Anm. 37 S. 205, S. 205 Anm. 612, S. 385 S. 415 Anm. 1275 S. 281 Anm. 854 S. 50 Anm. 95 S. 49 Anm. 94 S. 421 Anm. 1306 S. 60 Anm. 127, S. 415 S. 328 Anm. 985 S. 83 Anm. 212
429
6574 6611 7785
Vs. I 4ˈ Vs. I 11ˈ Vs. 5ˈ-7ˈ 13ˈ
8033 8327 8820
4ˈ 6ˈ
HFAC 14
15
Vs. I [4] Vs. I 5 Vs. I 6f. Vs. I [7] Vs. I 2
S. 308 Anm. 932 S. 55 Anm. 110 S. 47, S. 55 Anm. 111, 113 S. 55 Anm. 112 S. 55 Anm. 114 S. 141 Anm. 392 S. 342 Anm. 1041 S. 142 Anm. 401
Rs. IV? 9ˈ-25ˈ
S. 343 Anm. 1045 S. 49ff.
Vs. 9ˈ Vs. 2
S. 417 S. 417
Vs. I 2 Vs. I 2f. Vs. I 3 Vs. I 18ˈ Rs. 7 x+1ˈ-3ˈ
S. 421 Anm. 1303 S. 422 Anm. 1309 S. 418 S. 121 Anm. 291 S. 147 Anm. 421 S. 73 Anm. 176
Vs. I [3] Vs. I 4
HHT 78 80+
HKM 100 101
HT 2
6+ 34 85
430
S. 69 Anm. 163 S. 417 S. 214f. Anm. 626 S. 33 Anm. 35, S. 63 Anm. 138 S. 343 Anm. 1045 S. 203 Anm. 602 S. 125 Anm. 340
IBoT I6 I 13+
I 33 II 122+ II 129 III 102+
Rs. 17 Rs. V? 9ˈ Rs. V? 16ˈ Vs. 37, Rs. 72 Zz. 4ˈff. Vs. 17 Vs. 2ˈf.
KBo
I 3(+) I 8++ I 10+ I 11 I 51 II 3++
II 6++
II 9+ III 1++ III 3++ III 6++
Vs. 8f. Vs. 4ff. Vs. 4-6 Rs. 58ff. Rs. 34 Rs. 13 Rs. IV 8 Rs. IV 10 Rs. IV 11 Rs. IV 13 Vs. I 11ˈ-15ˈ Vs. I 31-39 Vs. II 20 Vs. II 37-Rs. III 66 Vs. II 43-48 Rs. III 19 Rs. III 42-46 Rs. III 44f. Rs. III 61f. Vs. I 53-55 Vs. 3f., 17f, 27 Vs. I 14-17 Vs. I 16, 24 Vs. I 23ff. Vs. I 66 Vs. II 33f. Rs. IV 14 Rs. IV 19
S. 88 Anm. 223 S. 324 Anm. 974 S. 320, S. 326 S. 125 Anm. 343 S. 157 Anm. 451 S. 42 Anm. 67, S. 418 S. 136 Anm. 373
S. 68 Anm. 160 S. 64 S. 78 Anm. 194 S. 78 Anm. 196 S. 204 Anm. 610 S. 363 S. 31 Anm. 25 S. 109 Anm. 285 S. 98 Anm. 260 S. 98 Anm. 262 S. 98 Anm. 264 S. 98 Anm. 266 S. 121 Anm. 332 S. 121 Anm. 334, S. 401 Anm. 1248 S. 121 Anm. 334 S. 122 Anm. 336 S. 122f. S. 120 Anm. 326 S. 144 S. 144 Anm. 412 S. 144 Anm. 408 S. 232f. S. 82 Anm. 207 S. 198 S. 139 Anm. 381 S. 198 Anm. 589 S. 197 Anm. 584 S. 196 Anm. 579 S. 70 Anm. 166, S. 71 S. 70 Anm. 167
431
III 7 III 38+ III 38+ III 57 III 67+ IV 3++ IV 4++ IV 8+ IV 9 IV 12 V1 V2 V7 V 9(++) V 13 VI 2++ VI 3 VI 4 VI 5 VI 6+ VI 9 VI 26 VI 28+
VI 29++
VI 34++ VIII 35
432
Rs. IV 35ff. Vs. II 16ˈf. Vs. 7ˈf. Rs. III 7ˈff. Rs. IV 3ˈ Vs. I 26ˈ Vs. I 6ff. Rs. III 17ˈ Vs. II 16-17 Vs. III 11f. Vs. 5f. Vs. I 1ff. Vs. I 1-9 Rs. 27 Vs. 27-34 Vs. I 28ˈ Vs. II 40ˈ Rs. III 5f. Vs. II 1ff. Vs. II 61 Rs. III 7f. Rs. IV 24 Vs. II 4ff. Vs. I 9f. Vs. 6f. Rs. III 26-28 Rs. III 29-31 Vs. 1ff. Vs. 1, 4 Vs. 6-15 Vs. 14f. Rs. 22ff. Vs. I 17 Vs. I 30f. Vs. I 30ff. Vs. I 31 Vs. I 33 Vs. I 23ˈf. Vs. II 27ˈ
S. 360 Anm. 1104 S. 327 Anm. 984 S. 31 Anm. 22 S. 30 Anm. 21 S. 96 Anm. 255 S. 57f. Anm. 121 S. 404 Anm. 1257 S. 163 Anm. 476, S. 391, S. 401 Anm. 1241 S. 202 Anm. 599 S. 66 Anm. 153 S. 392 S. 295 Anm. 901 S. 337 S. 183 S. 421 S. 77 S. 404 Anm. 1257 S. 421 Anm. 1306 S. 323f. Anm. 973f. S. 186 Anm. 551 S. 421 Anm. 1306 S. 323f. Anm. 973f. S. 421 Anm. 1306 S. 186 Anm. 551 S. 323f. Anm. 973f. S. 323f. Anm. 973f. S. 209 S. 186f. S. 187 S. 62 S. 80 Anm. 201 S. 362 S. 361 S. 367 S. 291 Anm. 890 S. 329 Anm. 989 S. 197 Anm. 586 S. 197, S. 329 Anm. 989 S. 202 S. 226 Anm. 687 S. 244 Anm. 750
VIII 110 IX 106++
IX 116 X1 X2
X5 X 10 X 12++ X 20 X 25+ X 38 XI 1 XI 5 XII 14 XII 38(+)
XII 49 XII 58+ XII 69 XII 82 XII 84(+) XII 120
XII 140
XIII 58
5ˈ Rs. III 41ˈ Rs. III 42ˈ Rs. III 43ˈ Rs. III 44ˈ Vs. 1-3 Vs. 1 Vs. I 3 Vs. I 2 Vs. I 27 Vs. III 21f. Rs. III 2ˈ Rs. III 2ˈ-8ˈ Vs. IV 16 Vs. 14-26 Rs. IV 24-26 Vs. II 38 6-8 Vs. I 21 Rs. 9-11 Rs. VI 22ff. 11ˈ, 12ˈ Vs. II 4ˈ-10ˈ, 17ˈ-21ˈ Vs. II 17ˈff., Rs. IV 3ff. Vs. II 18ˈ Vs. II 14ff.
3ˈ-5ˈ Vs. 7ˈ-10ˈ Vs. 10ˈ Vs. 11ˈ-18ˈ Vs. 18ˈ Rs. Rs. 7ˈ,8ˈ, 10ˈ, 11ˈ, 12ˈ, 13ˈ, 15ˈ Rs. 12ˈ, 13ˈ Rs. III 7ˈ-12ˈ Rs. III 7ˈff.
S. 418 S. 98 Anm. 261 S. 98 Anm. 262 S. 98 Anm. 264 S. 98 Anm. 265 S. 171 Anm. 502 S. 31 Anm. 23 S. 31 Anm. 23 S. 31 Anm. 24 S. 62 Anm. 134 S. 392 S. 165 Anm. 483 S. 165 Anm. 482 S. 421 Anm. 1303 S. 78 Anm. 194 S. 383f. S. 320, S. 326 S. 163 Anm. 476 S. 33 Anm. 35 S. 182f. Anm. 543 S. 146 S. 34 S. 363ff. mit Anm. 1140 S. 363f. S. 369 Anm. 1133 S. 365 S. 186 Anm. 551 S. 62 S. 215 Anm. 627 S. 36 Anm. 47 S. 327 Anm. 983 S. 326, S. 333ff., S. 424 S. 334 S. 334 Anm. 1011 S. 334 S. 334 Anm. 1013 S. 369 S. 213f. und Anm. 622 S. 321 Anm. 970 S. 368 S. 165f., S. 170, S. 192 S. 175
433
XIII 142 XIII 143 XIII 186 XIII 201 XIII 234+ XIV 1 XIV 3+ XIV 8+ XIV 70+ XV 2+
XV 9 XV 10+ XV 25 XV 37 XV 48(++) XVI 21 XVI 31 XVI 35 XVI 97+ XVI 99+ XVII 15 XVII 54++ XVII 62+ XVII 65++ XVII 74++ XVII 78 XVIII 27 XVIII 56 XVIII 66
434
Vs.? I Vs.? I 3ˈ-10ˈ Vs.! II 1ˈf. Vs. 9ˈ x+3-7ˈ
S. 303 Anm. 915 S. 160 S. 302 Anm. 913 S. 368 Anm. 1133 S. 42f. Anm. 67 S. 258 Vs. S. 256f. Vs. II 8 S. 73 Anm. 176 Vs. II 8 S. 73 Anm. 176 Rs. III 7, 8, 9, 11, 22, 26, 30, 38, [39] S. 73 Anm. 176 Vs. II [11] S. 73 Anm. 176 Vs. I 28ˈf. S. 110f. mit Anm. 289 S. 341 Anm. 1040, S. 343ff., S. 425 Rs. x+1-19ˈ S. 343ff. Rs. 31ˈ S. 344 Anm. 1050 Vs. II 3ˈ S. 344 Anm. 1052 Vs. I 16 S. 57 Vs. I 16-18 S. 56 Vs. II 1-7 S. 326f. Rs. 18 S. 195 Anm. 574 Vs. I 7 S. 417 Vs. I 24 S. 416 Vs. I 24ff. S. 419 Anm. 1297 1 S. 73 Anm. 176 2 S. 33 Anm. 31 11ˈ S. 33 Anm. 31 S. 240 Vs. 1f. S. 240 Anm. 731 Vs. I 26, 30 S. 216 Vs.! 9ˈ-12ˈ S. 319 Vs.! 12ˈ S. 325, S. 326 Anm. 978 S. 137 Rs. IV 4ˈ S. 371 Anm. 1139 Vs. 5 S. 188 Vs. II 40 S. 320 S. 174 Anm. 515, S. 175, S. 208 Vs. 1-8 S. 168ff. 8ˈ S. 79 Anm. 197 Vs. 7ˈ S. 421 Anm. 1303 Vs. 8ˈ S. 94 Anm. 249
XIX 76+ XX 31 XX 33++ XX 34 XXI 7 XXI 12(+) XXI 14+ XXI 42 XXI 44+ XXI 81(+) XXII 10+ XXII 45 XXII 76 XXII 86++ XXII 99+ XXII 105 XXII 112(+) XXII 129(+) XXII 209 XXIII 28++ XXIII 85 XXIII 106 XXIII 114
XXIII 117 XXIII 119 XXIV 40 XXIV 48 XXIV 49 XXIV 76+ XXIV 122 XXIV 124
Vs. I 6, II 16-18 Vs. I 1 Vs. 5 Vs. 11 Vs. I 9f. Zz. 13ˈf. und 25ˈf. Vs. 26ˈ-30ˈ Vs. I 6ff. Rs. IV 10ˈf. Rs. 5ˈ/25ˈˈ Rs. 22ˈˈ-27ˈˈ Rs. III 2ˈ, 10ˈ Vs. 5ˈ Rs. III 4ˈ-9ˈ 6ˈf. Vs. 16-21 5 Rs. 2ˈ Rs. 4ˈ Vs. I 25 Vs. I 25ff. Rs. VI 4ˈ Rs. 14ˈ-16ˈ Rs. 16ˈ Vs.? Vs.? 1-12 Vs.? 12, 14, 18, 21, 23 Vs.? 14, 21? Vs.? 21-24 Rs. 11ˈ-16ˈ Rs. 11ˈff. Vs. 6ˈ Vs. 10ˈ Vs. I 12ˈ Vs. 21ˈ Vs. 7, 13
S. 288 Anm. 880 S. 33 Anm. 36 S. 320, S. 326 S. 378 S. 136 Anm. 373 S. 112 Anm. 291 S. 35 S. 272 Anm. 838 S. 227 Anm. 691 S. 33 Anm. 37, S. 63 Anm. 138 S. 30 Anm. 21 S. 33 Anm. 31 S. 43 Anm. 68 S. 36 Anm. 47 S. 36, S. 40 S. 327 Anm. 983 S. 153 Anm. 436, S. 155f. S. 49 Anm. 94 S. 69 Anm. 163 S. 417, S. 422 Anm. 1309 S. 421 Anm. 1303 S. 416 S. 419 Anm. 1297 S. 417 S. 176 S. 182 S. 250, S. 255 S. 247ff. S. 249 Anm. 770, S. 278f. S. 257 S. 255 Anm. 784 S. 256 Anm. 787 S. 113f. S. 324 Anm. 975 S. 153 Anm. 436, S. 154 S. 417 S. 417 S. 130 Anm. 354 S. 417 S. 417 S. 216
435
XXV 176 XXV 184
Vs. 6
Vs. I 6ˈ Vs. II, Rs. III Vs. II 2-4, 58-62 Vs. II 5f. Vs. II 58-69 Vs. II 60f. Rs. III 19 XXVI 41(++) Vs. I? 5f. XXVI 67 6ˈ XXVI 115 3ˈ XXVI 168 Vs. II 2 XXVI 193 Vs. I 4ˈ XXX 56 Rs. V 22ˈ XXXI 5+ Vs. II 12 XXXI 12+ XXXI 26 XXXI 27+ XXXI 67 XXXI 91 XXXII 14 XXXIV 55
Vs. 4ˈ Vs. 9 Vs. II 9ˈff. Rs. III 15ˈ Vs. II 34f.
XXXIV 58+ XXXIV 72
Vs. 1-19, Rs. 2ˈ-17ˈ Vs. 1f., 6-8, 12f., 16-18, Rs. 16ˈ XXXIV 80 5ˈ 6ˈ 8ˈ 9ˈ XXXIV 90(+) 5ˈ, 12ˈ XXXIV 106(+) Rs. 5ˈ/25ˈˈ XXXV 137+ XXXV 260+ XXXIX 8
436
Rs. 22ˈˈ-27ˈˈ Rs. 15ˈ 10ˈ Vs. II 15
S. 320 S. 305 Anm. 921, S. 306 Anm. 924, S. 333 Anm. 1006, S. 376 Anm. 1150 S. 315 Anm. 942 S. 304 Anm. 919 S. 162 S. 162 Anm. 468, S. 315 Anm. 942 S. 306 Anm. 923 S. 317 Anm. 950 S. 316 Anm. 943 S. 136 Anm. 373 S. 40 Anm. 60 S. 421 Anm. 1306 S. 294 Anm. 897 S. 270 Anm. 831 S. 321 S. 193, S. 195 Anm. 577, S. 198, S. 200 S. 111 Anm. 289 S. 192 Anm. 568 S. 184 Anm. 545 S. 421 Anm. 1304 S. 114 S. 226 Anm. 687 S. 333 Anm. 1006, S. 394ff., S. 400 Anm. 1240 S. 48 Anm. 86 S. 130ff. S. 126 Anm. 344 S. 331 Anm. 994 S. 331 Anm. 995 S. 331 Anm. 997 S. 332 Anm. 998 S. 197 Anm. 586 S. 33 Anm. 37, S. 63 Anm. 138 S. 30 Anm. 21 S. 79 Anm. 197 S. 416 S. 115 Anm. 310
XXXIX 14+ XXXIX 90 XXXIX 289
Rs. IV 28f. Rs. IV 27-31 Rs. IV 11f. Vs. I 1 Vs. I 1ff. Vs. I 1-7 Vs. I 1-10 Vs. I 2 Vs. I 5 Vs. I 6
XXXIX 290
Vs. I 7 Rs. Rs. III 3ˈ
XXXIX 291+ XXXIX 292+ Vs. 28ˈˈ Vs. II 8 Vs. II 23 XL 22++ Rs. III 49ˈ Rs. III 52ˈ XL 341 6ˈ XLI 1a Rs. 28ˈ XLI 1b Vs. 1 XLI 17 5ˈ XLI 26++ Vs. 52 XLI 32 XLI 144+
XLI 195 XLI 214 XLI 217 XLI 219 XLI 223 XLIII 61+
Vs. 18ˈ-28ˈ Rs.? 8ˈ
Vs. 3ˈ, 8ˈ, 13ˈ, 14ˈ, Rs. 19ˈ Rs. III 42
S. 105 S. 98 S. 48 Anm. 86 S. 388 S. 57, S. 140, S. 333 Anm. 1006 S. 46 Anm. 80, S. 300 Anm. 908 S. 300 Anm. 906 S. 55f. S. 306 Anm. 925 S. 342 Anm. 1042 S. 55 Anm. 111, 112, 113 S. 47, S. 58, S. 93 Anm. 247 S. 55 Anm. 114 S. 333 Anm. 1006 S. 310 Anm. 937 S. 315 Anm. 942 S. 48 Anm. 86 S. 182 Anm. 542 S. 142 Anm. 401 S. 48, S. 52 Anm. 104 S. 48 S. 48 S. 34 Anm. 37 S. 111 Anm. 289 S. 111 Anm. 289 S. 421 Anm. 1306 S. 319 S. 35 Anm. 45 S. 231 Anm. 704, S. 279 Anm. 846, S. 284ff., S. 289 S. 287 Anm. 876 S. 213 Anm. 620 S. 123f. mit Anm. 339 S. 123f. mit Anm. 339 S. 274ff. Anm. 841 S. 235 Anm. 713 S. 217ff. S. 238 Anm. 718
437
XLIII 182 XLIII 239 XLIII 257 XLIV 7
Vs. 19ˈ 4ˈ
XLIV 17 XLIV 47
Rs. IV 12ˈ
XLIV 205 XLIV 215 XLV 92 XLV 196(+) XLV 197 XLV 273 XLVI 9 XLVII 6 XLVIII 35 XLVIII 254 XLVIII 272 XLIX 205 L4 L 15 L 78 L 78(++) L 79(++) L 148(++) LII 30 LII 102+ LIII 26 LIII 208+ LIII 222+ LIII 239 LIV 48 LIV 100
438
Rs. 3ˈ
2ˈ-13ˈ r. Kol. 4ˈ 4ˈ, 6ˈ 3ˈ 4ˈ Vs. 7ˈ Vs. 7ˈ, 8ˈ 17ˈf. Rs. 1ˈ Rs. 7? ˹7ˈ˺, ˹9ˈ˺ Vs. I 8ˈ Vs. 10ˈf. Vs. 4-7 Vs. 6 Vs. 1ˈ Vs. Vs. 5 Vs. 9 Vs. Vs. 4 Vs. 5ˈ, 8ˈ Rs. IV? 8ˈ Rs. IV 17ˈ Vs. 5ˈ, 8ˈ Vs. I 12ˈ x+1-9ˈ 4ˈ Rs. x+1-13ˈ 1ˈ-5ˈ
S. 324 Anm. 974 S. 315 Anm. 942 S. 321 Anm. 970 S. 33 Anm. 31, S. 63 Anm. 138 S. 98 Anm. 263 S. 119 Anm. 321 S. 152f. S. 295 Anm. 902 S. 236 Anm. 713 S. 320f. S. 306 Anm. 923 S. 317 Anm. 950 S. 307 Anm. 927 S. 33 Anm. 31, S. 63 Anm. 138 S. 60 Anm. 127 S. 421 Anm. 1306 S. 33 Anm. 37, S. 60 Anm. 127, S. 417 S. 203 Anm. 602 S. 97 Anm. 258 S. 324 Anm. 974 S. 260, S. 265 S. 41 S. 73 Anm. 176 S. 66 S. 33 Anm. 34 S. 65ff. S. 68 Anm. 158 S. 67 Anm. 156 S. 65ff. S. 48 Anm. 90 S. 374 mit Anm. 1144 S. 374 S. 98 Anm. 264 S. 373f. mit Anm. 1144 S. 111 Anm. 291 S. 30 Anm. 21 S. 34 Anm. 37 S. 52f. mit Anm. 105 S. 121 Anm. 334, S. 401
LIV 274 LV 42 LV 186 LV 201+ LV 237 LVII 124 LVIII 68 LVIII 78 LVIII 90+ LVIII 285 LIX 12 LIX 54 LX 29 LX 303+ LXIV 37
KUB I 1++
I 6++ I8 I 16+ II 5 II 13 III 119(+) IV 47
Vs. 2 Rs. III? 11ˈ r. Kol. 16ˈ Vs. II 14ˈ
x+1 8ˈ Vs. II 2, 4, Rs. III 3ˈ r. Kol. 4ˈ/5ˈ 1-8
Vs. I 1, 4 Vs. II 1 Vs. II 52 Vs. II 52f. Rs. IV 50-59 Rs. IV 54, 58 Rs. IV 74-76 Rs. IV 75 Rs. IV 75f. Rs. IV 33ˈ Rs. IV 36ˈ Rs. IV 33 Rs. III 33-44 Rs. III 71-73 Vs. I 39 Vs. Iff. Vs. I 5-7 Vs. 12-18 Vs. I 18ff.
Anm. 1248 S. 34 Anm. 37 S. 33 Anm. 36 S. 34 Anm. 38 S. 241 Anm. 737, 739 S. 418 S. 242 Anm. 740 S. 256 Anm. 788 S. 212 Anm. 620 S. 347ff. mit Anm. 1078 S. 348 Anm. 1073 S. 421 Anm. 1306 S. 333 Anm. 1006 S. 333 S. 153 Anm. 436, S. 154 S. 333 Anm. 1006 S. 417, S. 420 Anm. 1301 S. 111 Anm. 291
S. 80 Anm. 201 S. 197, S. 329 Anm. 989 S. 197 Anm. 586, S. 329 Anm. 989 S. 195f. Anm. 577, S. 196 S. 80 S. 70 S. 360 S. 365 Anm. 1119 S. 387 S. 70 Anm. 166 S. 70 Anm. 167 S. 70 Anm. 166 S. 31f. S. 167 Anm. 486 S. 321 S. 148 S. 147 S. 148 Anm. 426 S. 61 S. 158 Anm. 456
439
V5 V 6++
Vs. I 18
Vs. II 26-28 Vs. II 38-56, 65-72b Vs. II 57, 58 Rs. III 8-35 Rs. III 13 Rs. III 25f. lk.Rd. 8 V 7++ V 9+
V 20++ VI 6+ VI 15 VI 35 VI 37(++) VI 41(++) VI 45++ VII 5+ VII 10 VII 53++ VIII 27(+) VIII 44 VIII 48+ VIII 75++
440
Vs. 34ˈ Vs. 1ff. Vs. 9 Vs. 25 Vs. 25ff. Vs. I Rs. 2ˈ, 12ˈ Vs. 11ˈ Vs. II 17 Rs. III 48ff. Vs. I 42 Vs. II 4 Vs. II 56 Vs. I 9/43 Vs. I 5-11 Vs. I 10 Vs. I 30ff. Rs. III 45-47 Rs. IV 1ˈ-6ˈ Rs. IV 1ˈ-12ˈ Vs.? Vs. I 15-16 Rs. III 63ˈ-65ˈ
S. 115 S. 230 Anm. 701, 704, S. 237 Anm. 716, S. 239 Anm. 724, S. 245 Anm. 752, S. 246 Anm. 759, S. 275 Anm. 841, S. 276, S. 281 S. 181 Anm. 538 S. 266ff. S. 221 Anm. 659 S. 269ff. S. 279, S. 283, S. 289 S. 245 S. 33 Anm. 33, S. 60 Anm. 127 S. 178 Anm. 527 S. 422 S. 418 Anm. 1296, S. 421 Anm. 1303 S. 42 Anm. 67, S. 418 S. 177 Anm. 523 S. 292 Anm. 891 S. 236f. S. 292 Anm. 891 S. 44 mit Anm. 71 S. 42 Anm. 67, S. 418 S. 404 Anm. 1257 S. 288 S. 418 S. 421 Anm. 1303 S. 43, S. 60 Anm. 127 S. 373 Anm. 1142 S. 49 Anm. 94 S. 50 Anm. 95 S. 151 Anm. 429 S. 245 S. 144 Anm. 408 S. 122 Anm. 336 S. 212 Anm. 620 S. 66 Anm. 151 S. 250 S. 258f.
IX 4++
IX 7 IX 15+ IX 20 IX 25+ IX 34 X 48+ X 81 XI 1+ XI 8+
XI 10+ XI 22+ XI 27(+) XI 34+ XII 2(+) XII 5 XII 22
Rs. IV 52 Rs. III 39-48 Rs. III 41f. Rs. IV 11ˈ Rs. IV 22-28 Rs. IV 28ˈ Rs. III 6ˈ-13ˈ Rs. III 10ˈ(?) Vs. II 10ˈff., Vs. II 24ff. und Rs. III Vs. 1ˈ Vs. I 14ff. (=II 15ff. und Rs. III 19ff.) Vs. I 23ff., Vs. II 23ff., Rs. III 28ff. Vs. I 34ff. Vs. I 25f. Vs. II 8, Rs. IV 14ˈ Vs. I 4 5ˈ Rs. IV 16ˈ-18ˈ Vs. II 1f., 11f. Vs. III 3f., Rs. V 16ˈ Vs. III 15 Vs. III 16-25 r. Kol. 4ˈ/5ˈ 7ˈ Vs. I 13ff. 30ˈ Vs. I 46 Vs. I 46ff. Vs. II 47f. Vs. II, Rs. III Rs. III 15 Vs. I Vs. I 2, Rs. IV 18ˈ Vs. I, II 1ˈ-6ˈ Vs. II Vs. II 18ˈ
S. 286 Anm. 874 S. 136 S. 136 Anm. 373 S. 111 S. 135 S. 126 Anm. 344 S. 42 Anm. 67 S. 33 Anm. 36 S. 165 Anm. 480 S. 147 Anm. 422 S. 167 Anm. 453 S. 168 Anm. 454 S. 167 Anm. 451 S. 136 mit Anm. 373 S. 111 Anm. 291 S. 416 S. 368 Anm. 1133 S. 57f. Anm. 121 S. 139 Anm. 381, S. 388f. S. 389f. S. 391 S. 388 S. 390f. S. 417, S. 420 Anm. 1301 S. 418 Anm. 1295 S. 148 S. 147 S. 418 S. 321 S. 419 S. 324 Anm. 975 S. 265 mit Anm. 815 S. 261ff. S. 260 Anm. 805 S. 146 S. 33 Anm. 36, S. 60 Anm. 127, S. 417 S. 302 Anm. 913 S. 304 Anm. 918 S. 140 Anm. 384, S. 376 Anm. 1149
441
XII 48 XII 50+ XII 58++ XII 65++ XIII 2(++) XIII 4
XIII 8
XIV 2 XIV 4(++) XIV 7(++) XIV 8 XIV 15+ XIV 13++ XIV 23+ XIV 29+ XV 5+
XV 23 XV 34+ XVI 16
442
Vs. II? 4f. Vs. II 3f. Vs. II 31ff. Vs. 59, Rs. III 5, 52 Rs. III 39-42, 50-52 Rs. III 12 Vs. II 21ˈff. Vs. II 28ˈff. Vs. I 20ˈ, Rs. III 60f., 64-68 Vs. I 43ˈ Rs. III 36f. Rs. IV 23 Vs. 2 Vs. 5 Vs. 7f. Rs. IV 1f. Vs. II 3ˈ-5ˈ Vs. II 4ˈ, 11ˈ Vs. I 2ˈ-6ˈ Vs. I 2ˈ Vs. 9ˈ-12ˈ Vs. 35ˈ Vs. I 11 Vs. I 28 Vs. I 18 Vs. I 28-30 Vs. I 7ff. Vs. I 11ff. Rs. IV 36ˈ-39ˈ Rs. IV 36ˈff. Rs. 17-21 Vs. 9 Vs. 23-30 Vs. 24f. Rs. und Lk. Rand
S. 394ff., S. 400 Anm. 1240 S. 397 Anm. 1222 S. 38 Anm. 55 S. 112 S. 115 S. 115 Anm. 310 S. 193 Anm. 569 S. 147 S. 384 S. 179 mit Anm. 533 S. 203 Anm. 602 S. 384 S. 70 Anm. 169 S. 322f. mit Anm. 973, S. 367 Anm. 1127, 1129 S. 325 S. 319 Anm. 958 S. 178f. Anm. 531 S. 79 Anm. 197 S. 369 S. 366 S. 421 Anm. 1306 S. 196f. S. 329 Anm. 989 S. 94f. S. 202 Anm. 598 S. 70 Anm. 169 S. 33 Anm. 35 S. 73 Anm. 176 S. 163 Anm. 476 S. 120 Anm. 324 S. 120 Anm. 324 S. 117 S. 324 Anm. 975 S. 392 S. 197 Anm. 586 S. 255ff. mit Anm. 787 S. 294 Anm. 897 S. 180f. S. 182 S. 251ff.
Rs. 11f. Rs. 23 XVI 27+
XVI 32
Vs. I 5, II 3, 6, 20, [24], [33], 43 Vs. I 6-8 Vs. II 1-7 Vs. II 24-26
XVI 34(+) Vs. I 5 Vs. I 5-7 Vs. I 5-10
XVI 39+
Vs. I 6 Vs. I 7 Vs. I 13-16 Vs. I 19-22
Vs. II Vs. II 3-5 Vs. II 3, 6, 11 Vs. II 4, 21 Vs. II 14, 16, 29, 38, 41, 44 Vs. II 20, 24, 29, 30 XVI 42+ XVI 46
Vs. II 24 Z. 11ˈ, 12ˈ Vs. I-Rs. IV
S. 253 Anm. 781 S. 248 Anm. 767, S. 255 Anm. 784, S. 257 S. 339 Anm. 1034, S. 347ff., S. 348 Anm. 1076 S. 324 Anm. 974 S. 257 Anm. 792 S. 121 Anm. 329, S. 401 Anm. 1246 S. 121 Anm. 333, S. 401 Anm. 1247 S. 179, S. 202, S. 357 Anm. 1096 S. 203 Anm. 602 S. 357, S. 385 S. 184 Anm. 547, S. 200f., S. 203f. S. 324 Anm. 974 S. 139 Anm. 381, S. 204 S. 177f. S. 184f. S. 102 Anm. 276, S. 203 und Anm. 605, S. 204, S. 346ff., S. 356 Anm. 1093, S. 359 Anm. 1099, S. 365ff., S. 367 Anm. 1130, S. 375 Anm. 1148, S. 385, S. 391, S. 393 Anm. 1207, S. 425 S. 58 S. 182 Anm. 543, S. 184 Anm. 547, S. 203 S. 339 Anm. 1031 S. 201 Anm. 597, S. 203 Anm. 602 S. 386 S. 338 Anm. 1030, S. 386 Anm. 1182 S. 339 Anm. 1034 S. 212 Anm. 620 S. 279 Anm. 846, S. 284 S. 281ff.
443
XVI 69 XVI 77 XVI 83+ XVII 6 XVII 10+ XVII 14+ XVII 15+ XVII 21++ XVII 29 XVII 31
XVII 35 XVIII 2 XVIII 16 XVIII 21
XVIII 32(+)
Vs. I 4ˈf. Vs. I 10ˈ Vs. 4, 10 Vs. II 62, Rs. III 10 und 38 Vs. 26-29 Vs. I 14ˈ-17ˈ Rs. IV 14ff. Vs. I 14 Vs. I 19ˈ-21ˈ Rs. III 2ff. Vs. II 20 Vs. II 6-10 4ˈff. 6ˈ 8ˈ 12ˈ 12ˈf. 13ˈ 14ˈ 15ˈ Vs. II 16f. Vs. II 3, 9, 10, 16f. Vs. II 1f. Vs. II 1-8 Vs. II 1 Vs. II 1-9 Vs. II 4 Vs.? x+1-14ˈ Vs.? 6ˈ Vs.? 13ˈ
XVIII 67++
444
S. 261 S. 289 S. 121 Anm. 336 S. 144 Anm. 412 S. 186 Anm. 551 S. 185 S. 327 Anm. 983 S. 170 S. 221 Anm. 659 S. 327 Anm. 983 S. 136 Anm. 373 S. 96 Anm. 254 S. 53 S. 343 Anm. 1049 S. 343 Anm. 1045 S. 343 Anm. 1046 S. 343 Anm. 1048 S. 344 Anm. 1051 S. 345 Anm. 1061 S. 344 Anm. 1052 S. 344 Anm. 1053 S. 344 Anm. 1054 S. 145f. S. 216 Anm. 630 S. 215f. S. 145, S. 149, S. 316, S. 324 Anm. 975 S. 115f. S. 339 Anm. 1034, S. 375 Anm. 1148, S. 425f. S. 339 Anm. 1033 S. 374f. S. 324 Anm. 974 S. 425 S. 372f. S. 339 Anm. 1032, S. 359 Anm. 1101 S. 339 Anm. 1031, S. 359 Anm. 1101 S. 231 Anm. 704, S. 241ff., S. 243 Anm. 749, S. 245f.
XVIII 67+ XIX 10+ XIX 11++ XIX 12 XIX 65++ XX 52+ XX 79 XXI 1++ XXI 2+ XXI 5++ XXI 19++ XXI 27++ XXI 33 XXII 10 XXII 11(+)
XXII 18
XXII 35
XXII 38 XXII 40+
Vs. 15
S. 246 S. 241 Anm. 739 Vs. I 7, 10, 12, 13, 15, 20 S. 73 Anm. 176 Rs. IV 17, 20-24, 29, 33f., 38, 40, 42 S. 73 Anm. 176 Vs. II 4a, 6, 9, 12, Rs. III 3, 12 S. 73 Anm. 176 Rs. III 46 S. 95 Rs. IV 19 S. 416 Vs. S. 147 Vs. I 64 S. 331 Anm. 996 Vs. 3 S. 70 Vs. 2 S. 70 Vs. 2-20 S. 81 Vs. 14 S. 69 Anm. 163 Rs. III 9ˈ-13ˈ S. 95 Rs. III 22ˈ S. 95 Rs. IV 1f. S. 96 Anm. 256 Rs. III 36-42 S. 392 Rs. IV 4ˈ, 5ˈ, 9ˈ, 10ˈ S. 33 Anm. 35 Rs. IV? 23ˈ, 26ˈ S. 371 Anm. 1139 Rs. IV? 19ˈ, 23ˈ, 26ˈ? S. 368 Anm. 1133 Vs. II? 6ˈ S. 33 Anm. 33, S. 63 Anm. 138 S. 347ff. Vs. I S. 348 Anm. 1079 Vs. I x+1 S. 347 Anm. 1071 Vs. II S. 350 Anm. 1083 Vs. II x+1 S. 349 Anm. 1081 x+1ˈ-6ˈ S. 375 Anm. 1148 1ˈ S. 359 Anm. 1099 1ˈ, 4ˈ S. 339 Anm. 1034 4ˈ S. 324 Anm. 974 Vs. II 7ˈ-17ˈ S. 121 Anm. 329, S. 401 Anm. 1246 Rs. III 1-19 S. 122 Anm. 335 Rs. III 5-11 S. 143 Vs. 7-10 S. 125 S. 217ff., S. 240 Vs. II 2ˈ, 8ˈ, 26ˈ S. 240 Vs. II 6, 33 S. 239 Anm. 728, S. 240 Rs. III 40f. S. 233 Rs. IV 18f. S. 277 Anm. 844
445
XXII 67+ Vs. 2ˈ-12ˈ Rs. 2ˈ/18ˈ-12ˈ/28ˈ XXII 70 Vs. 21 Vs. 21, 26 Rs. 5, 47, 53 Rs. 52 Rs. 54ff. XXIII 1++ Vs. I 6 Vs. I 15, 22 Vs. I 15-22 Vs. I 24ff. Vs. I 28ff. XXIII 2 Vs. I 5 XXIII 11 Vs. II 3, 19 XXIII 13+ Vs. 2, 3? Vs. 2 XXIII 45 21ˈ, 24ˈf. XXIII 49 6ˈ XXIII 79 Rs. 10ˈ-15ˈ XXIII 102 Vs. I 5, 7, 9, 10, 12, 13, [17] Vs. I 16 XXIII 127++ Rs. III 6ff. XXIV 5++ Vs. 10ˈ XXIV 9+ Vs. II 18ˈff. XXIV 13 Vs. I 19f. XXV 1 Vs. III 12 XXV 14 Vs. I 23-30 XXV 15 Rs. 6ff. XXV 21 Vs. 3f. XXV 30 Vs. I 15 XXVI 1+ Vs. I 9 Vs. I 9-13 Rs. III 58-60 Rs. III 59 Rs. IV 20ff. XXVI 12++ Vs. I 11ˈ-13ˈ Vs. I 12ˈf., 22ˈf., 28ˈ XXVI 56 Vs. II 6ff.
446
S. 231 Anm. 704, S. 284ff., S. 285 Anm. 867, S. 291 Anm. 888 S. 287 Anm. 876 S. 291 Anm. 888 S. 392 S. 369 Anm. 1133 S. 242 Anm. 741 S. 272 Anm. 838 S. 245 S. 63 S. 64 S. 59 S. 61 S. 63 Anm. 136 S. 73 Anm. 176 S. 83 Anm. 209 S. 33 Anm. 31 S. 60 Anm. 127 S. 90 S. 33 Anm. 31 S. 95 Anm. 251 S. 67 Anm. 156 S. 33 Anm. 34 S. 145 S. 94 Anm. 248 S. 170 Anm. 498 S. 329 Anm. 989 S. 321 S. 393 S. 148 S. 147 S. 95 S. 37 Anm. 52 S. 86, S. 104 S. 84 S. 85 S. 86 Anm. 221 S. 37 Anm. 50 S. 87 Anm. 222 S. 86 S. 186 Anm. 551
XXVI 76 XXVI 84 XXVI 91 XXVII 29+ XXVII 38 XXIX 7+
XXIX 8++ XXIX 34+ XXIX 58++ XXX 15++
Vs. II 1ˈ-14ˈ Vs. II 7ˈ Vs. II 2 Vs. 8 Vs. I 38ff., 53f. Vs. I 56f. Vs. 4ff. Vs. I 23-32 Vs. I 31f. Vs. 39, 40, 41f. Vs. 43ff. Vs. 45 Vs. 58-75 Rs. 1ff. Vs. II 3 Rs. IV 11 Rs. IV 13 Vs. II 20 Rs. IV 6
Vs. 1 Vs. 1ff. Vs. 1-20 Vs. 2, 12 Vs. 21ff. Vs. 21ff., 25f., 37, 40 Vs. 21-24 Vs. 21-26 Vs. 25 Vs. 29 Vs. 29-36 Vs. 44 Vs. 46f. Vs. 46-53
S. 88 Anm. 223 S. 33 Anm. 31 S. 73 Anm. 176 S. 33 Anm. 34, S. 68 Anm. 159 S. 146 S. 115 Anm. 310 S. 101f. S. 134 S. 127 Anm. 349 S. 126f. S. 112 S. 126 Anm. 344 S. 128 Anm. 351, S. 130 Anm. 355 S. 131 Anm. 358 S. 134 Anm. 366 S. 132 Anm. 359 S. 201 Anm. 596 S. 187 Anm. 555, S. 189 S. 187 Anm. 557 S. 245 S. 108 Anm. 281 S. 140, S. 159 Anm. 457, S. 306 Anm. 925, S. 379 Anm. 1160, S. 394 S. 46 Anm. 80, S. 300 S. 300 Anm. 906 S. 193ff. S. 182 Anm. 541 S. 167 Anm. 486, S. 377 Anm. 1151 S. 140 Anm. 386 S. 337 Anm. 1024 S. 377 S. 182 Anm. 541 S. 389 Anm. 1199 S. 300 Anm. 907 S. 316 mit Anm. 945 S. 198 Anm. 587 S. 206 Anm. 613
447
Vs. 47
XXX 16+
XXX 17
XXX 19++
Vs. 47ff. Vs. 52f. Vs. 52, 54ff. Rs. Vs. I, II bis Z. 16 Vs. I 1ff. Vs. I 9-15 Vs. I 16f. Vs. II 1 Vs. II ab Z. 17, Rs. III, IV Rs. III 4ˈ und 14ˈf. Vs. Vs. 3 Vs. 3, 4 und 7 Vs. 3 und 7 Vs. 7 Vs. 8 Vs. 9 Vs. 14 Vs. 14-16 Vs. I, II bis Z. 6 Vs. I 5 Vs. I 14 Vs. I 30 Vs. I 42 Vs. I 48-50 Vs. I 49, II 32, 38 Vs. I 51 Vs. II ab Z. 7, Rs. III bis Z. 52 Vs. II 32 Vs. II 39 Rs. III ab Z. 53, Rs. IV Rs. IV 1-8 Rs. IV 4ff. Rs. IV 8 Rs. IV 9-14 Rs. IV 23
448
S. 340, S. 342 Anm. 1042, S. 400 Anm. 1240 S. 343 Anm. 1043 S. 379 S. 379f. S. 394f. S. 304 Anm. 920 S. 302 Anm. 913 S. 301 Anm. 909 S.170 Anm. 500 S. 159f. S. 160 Anm. 459 S. 303 Anm. 917 S. 162 Anm. 468 S. 303 Anm. 914 S. 342 Anm. 1041 S. 164 Anm. 479 S. 163 S. 340 Anm. 1037 S. 161 Anm. 463 S. 162 Anm. 468 S. 182 Anm. 541 S. 163 Anm. 471 S. 309 Anm. 934 S. 141 Anm. 395 S. 141 Anm. 396, S. 341 Anm. 1038 S. 141 Anm. 397 S. 48, S. 53 Anm. 104 S. 318 S. 343 Anm. 1044 S. 141 Anm. 398 S. 310 Anm. 935 S. 317 Anm. 952 S. 315 Anm. 942 S. 310 Anm. 937 S. 382ff. S. 204 Anm. 606 S. 141 Anm. 400 S. 382 S. 142 Anm. 401
Rs. IV 30f. XXX 21++
XXX 23++
XXX 24+ XXX 24++
XXX 24a++ XXX 25++
Vs. I 2 Vs. I 3 Vs. I 4 Vs. II 11ˈ-13ˈ Vs. II 11ˈ-14ˈ Rs. III 42 Rs. III 47 Vs. 28ˈˈ Vs. II 8 Vs. II 23 Vs. I, II Vs. I 20ˈˈ, II 8, 12, 36 Vs. I 21ˈˈ Vs. I 25ˈˈff. Vs. II 13 Rs. III, IV Rs. III 36ˈ Rs. III 38ˈ-41ˈ 2ˈˈ Vs. 1 Vs. 8 Vs. 10f. Vs. 14 Vs. 18 Vs. 22 Vs. 23, Rs. 11, 27 Rs. 20
XXX 26
XXX 27
Rs. 30 Vs. I 1-3 Rs. IV 13ˈf. Vs. 5 Vs. 7-9 Vs. 7-14
S. 318 Anm. 955, S. 342 Anm. 1041 S. 55 Anm. 110 S. 47, S. 55 Anm. 111, 112 S. 55 Anm. 113, 114 S. 340f. Anm. 1037 S. 161f. S. 340 Anm. 1037 S. 315 Anm. 942 S. 340 Anm. 1037 S. 182 Anm. 542 S. 142 Anm. 401 S. 48, S. 53 Anm. 104 S. 307 Anm. 929 S. 377 Anm. 1153 S. 412 Anm. 1270 S. 317 Anm. 949 S. 342 Anm. 1041 S. 308 Anm. 930 S. 318 Anm. 955 S. 378 S. 399 Anm. 1239 S. 307 Anm. 928 S. 140 Anm. 388, S. 377 Anm. 1152 S. 140 Anm. 389 S. 318 Anm. 955 S. 182 Anm. 542 S. 141 Anm. 390 S. 142 Anm. 401 S. 315 Anm. 942 S. 141 Anm. 391, S. 389 Anm. 1199 S. 47 Anm. 83 S. 171ff., S. 337 Anm. 1027 S. 171 Anm. 502, S. 182 S. 172 Anm. 507 S. 396 Anm. 1220 S. 163 Anm. 476, S. 401 S. 191f. Anm. 566
449
XXX 28+
XXX 29 XXX 39++ XXX 40(++) XXX 45+ XXX 56 XXX 57+ XXX 65 XXXI 3 XXXI 14 XXXI 47 XXXI 66+ XXXI 77+ XXXI 78 XXXI 90+ XXXI 136 XXXI 141 XXXII 9(++) XXXII 98 XXXII 111+ XXXII 133
Vs. 3ˈff. Vs. 26ˈ, 30ˈ, 36ˈ und Rs. 17 Vs. 26ˈ und Rs. 17 Vs. 32ˈ-40ˈ, Rs. Rs. 11 Rs. 12, 13 Vs. 6 Vs. I 20-25 Vs. II 8ˈ-10ˈ Rs. III 15 lk. Kol. 5ˈ-7ˈ Vs. II 12 Vs. 4 und Rs. 6ˈ-8ˈ 6ˈ Rs. 1 Vs. II 4ˈf. Vs. 11 Vs.? 9ˈ Rs. 7ˈ Vs. 1f., Rs. 25ˈ-27ˈ 3ˈ Rs. 7ˈf.
Vs. 1-4 Vs. 2 Vs. 2-4 XXXIII 22+ 23 Vs. II 9ˈ XXXIII 24++ Vs. I 30ˈ, 32ˈ, 34ˈ, 46ˈ XXXIII 26+ Vs. I 21ˈ, 23ˈ, 25ˈ, 36ˈ XXXIII 27+ Vs. I 21ˈ, 23ˈ, 25ˈ, 36ˈ XXXIII 37+ Vs. I 35ˈf. XXXIII 49 Vs. II 6ˈ-11ˈ XXXIII 81 Rs. IV 10
450
S. 197 Anm. 586, S. 326, S. 333 mit Anm. 1009, S. 335ff., S. 336 Anm. 1022, S. 424 S. 205 Anm. 612 S. 338 S. 156 S. 329ff. S. 333 Anm. 1004 S. 331 Anm. 997 S. 396 Anm. 1219 S. 383 Anm. 1173 S. 335 Anm. 1021 S. 184 Anm. 545 S. 195 Anm. 576 S. 110 S. 196 Anm. 577 S. 101 S. 33 Anm. 31 S. 33 Anm. 34 S. 123f. Anm. 339 S. 94 Anm. 249 S. 33 Anm. 37 S. 33 Anm. 31, S. 63 Anm. 138 S. 384 S. 33 Anm. 35 S. 38 Anm. 54 S. 245 S. 417 S. 46 S. 276 S. 72 S. 70, S. 77 S. 276 S. 34 Anm. 37 S. 33f. Anm. 37 S. 34 Anm. 37 S. 34 Anm. 37 S. 233 S. 326 Anm. 978 S. 378
XXXIII 106++ Rs. III 48ˈ-55ˈa Rs. III 51ˈ XXXIII 112+ XXXIII 114+ XXXIII 120 Rs. III 35ˈ XXXIV 23 Vs. 1-17 XXXIV 66+ Rs. III 10 XXXV 70 Rs. III 2ˈ, 3ˈff. XXXV 133(+) Vs. I 28 XXXV 145 Vs. 3f., 15f. Rs. III 17ˈff. XXXVI 2+ XXXVI 71+ Vs. I 21ˈ, 23ˈ, 25ˈ, 36ˈ XXXVI 87(+) Rs. IV 26ˈ-29ˈ Rs. IV 27ˈ XXXVI 103+ Vs.? 11ˈ XXXVI 110 Rs. 13ˈ-16ˈ XXXVI 121(+) Vs. 3 XXXVI 122+ Rs. 8 XXXVI 123 XXXVI 124 Vs. I 6f. XXXVII 36 (+) 37 XXXVIII 35 Vs. I 1-4 XXXVIII 37 Rs. III? Rs. III? 5ˈ XXXIX 1++ Rs. III 8ˈf. Rs. III 13ˈ XXXIX 2 XXXIX 4++ Vs. 3 Vs. 4 Vs. 5 Vs. 6 XXXIX 5+ Vs. 2ˈ, Rs. 14, 27 Rs. 21 XXXIX 6
Vs. 4ˈ Vs. 4ˈf.
S. 39f. S. 79 Anm. 197 S. 36 Anm. 47 S. 36 Anm. 47 S. 233 Anm. 710 S. 54 Anm. 109 S. 141 Anm. 399 S. 138 Anm. 380 S. 378 S. 229 S. 136 Anm. 373 S. 229f. Anm. 699 S. 36 Anm. 47 S. 34 Anm. 37 S. 84 Anm. 213 S. 69 Anm. 163 S. 244 Anm. 750 S. 328 Anm. 988 S. 328 S. 389 S. 257 Anm. 791 S. 389 S. 389 S. 391 S. 38 Anm. 54 S. 97 S. 74ff. S. 70 S. 46 S. 182 Anm. 541 S. 302 Anm. 913 S. 55 Anm. 110 S. 47, S. 55 Anm. 111 S. 55 Anm. 113 S. 55 Anm. 114 S. 307 Anm. 927 S. 315 Anm. 942 S. 141 Anm. 391, S. 389 Anm. 1199 S. 398 Anm. 1230, S. 400 S. 343 Anm. 1044 S. 318 Anm. 953
451
XXXIX 7(++)
Rs. 14ff. Rs. 14-26 Rs. 18-20 Rs. 21 Rs. 22 Rs. 23 Rs. 24
Vs. II 7ff. Vs. II 31 Rs. III 62ff. XXXIX 8(ohne 1758/c)+ XXXIX 8(1758/c)+ Vs. I 40ˈ XXXIX 8++
XXXIX 9 XXXIX 10
XXXIX 12 XXXIX 14++
XXXIX 18
452
Vs. I 30ˈf., 37ˈf. Vs. II 23ˈ Vs. II 32, 36, 40, 43, Rs. III 22, 28 Rs. III 9ˈ Rs. III 12ˈf. Rs. III 35ˈˈff. Rs. III 39ˈˈf. Rs. IV 29ˈ-31ˈ Vs. I 1ˈˈff. Vs. I [3] Vs. I 2 Vs. I 4 Vs. I [4] Vs. I 5 Vs. I 6f. Vs. I [7] 13ˈff. Rs. III 2 Rs. III 9 Rs. III 6-11 Rs. IV 4 Rs? IV 4ˈ
S. 340 Anm. 1035 S. 163 Anm. 472, S. 398f. S. 47 Anm. 85 S. 55 Anm. 111, 112 S. 47 S. 55 Anm. 113 S. 55 Anm. 114 S. 307 Anm. 929 S. 400 Anm. 1239 S. 380 Anm. 1162 S. 382 Anm. 1165 S. 48 Anm. 86 S. 48 Anm. 86 S. 317 Anm. 952 S. 310 Anm. 935, 937, S. 382 Anm. 1166 S. 317 Anm. 952 S. 141 Anm. 399 S. 127 Anm. 346 S. 48 S. 48 S. 204 Anm. 606 S. 141 Anm. 400 S. 318 Anm. 955 S. 317 Anm. 949 S. 308 Anm. 932 S. 55 Anm. 110 S. 142 Anm. 401 S. 47, S. 55 Anm. 111 S. 55 Anm. 112 S. 55 Anm. 113, 114 S. 141 Anm. 392 S. 342 Anm. 1041 S. 394ff., S. 400 Anm. 1240 S. 379f. mit Anm. 1160 S. 308 Anm. 933 S. 141 Anm. 394 S. 343 Anm. 1044 S. 317 Anm. 950 S. 377 Anm. 1153 S. 377 Anm. 1153
XXXIX 21
XXXIX 22+
Vs.! I, Rs.! IV Vs.! I 3ˈ Vs. I 8ˈ Rs.! IV 4ˈ Rs. IV 15ˈf.
Vs.! II 6ˈff. XXXIX 27(+) Vs. II, Rs. III Vs. II 6ˈff. XXXIX 29 Rs. IV 8ˈ Rs. IV 8ˈ-10ˈ XXXIX 30 Rs. Rs. 6f., 14 XXXIX 33+ Vs. II 6f. Vs. II 10, Vs. II 5ˈ XXXIX 36(++) 4ˈˈ XXXIX 37(++)Vs. II 5, 16ˈ XXXIX 39(+) Vs. II 5f. XXXIX 40(++)Vs. II 2ˈ XXXIX 41 Vs. [5ˈ] Vs. 7ˈ-13ˈ Vs. 8ˈ, 15ˈ XXXIX 42 Vs. 2ˈ Vs. 2ˈ-4ˈ XXXIX 44 Rs. 3ˈ XXXIX 46(+) 2ˈ-13ˈ 5ˈ, 11ˈ 6ˈ 9ˈ XXXIX 48+ Vs. II 5ˈ Vs. II 5ˈf. Vs. II 7ˈf. XXXIX 49 Vs. II? 10ˈ-13ˈ Vs. II? 14ˈ-28ˈ Vs. II? 22ˈ Vs. II? 23ˈ XXXIX 50
Vs. II? 27ˈ 5ˈff.
S. 161 Anm. 465 S. 303 Anm. 916 S. 315 Anm. 942 S. 161 Anm. 464 S. 164 Anm. 479 S. 163 Anm. 471 S. 305 Anm. 922 S. 162 Anm. 469 S. 303 Anm. 917 S. 161 Anm. 466 S. 163 Anm. 471 S. 306 Anm. 924 S. 161 Anm. 465 S. 303 Anm. 916 S. 161 S. 141 Anm. 393 S. 182 Anm. 542 S. 182 Anm. 542 S. 377 Anm. 1153 S. 142 Anm. 401 S. 48 S. 182 Anm. 541 S. 300 Anm. 907 S. 389 Anm. 1199 S. 163 Anm. 471 S. 306 Anm. 924 S. 389 Anm. 1199 S. 306 Anm. 923 S. 182 Anm. 541 S. 164 Anm. 479 S. 163 Anm. 471 S. 316 Anm. 943 S. 163 Anm. 473, S. 316 S. 318 Anm. 955 S. 326, S. 333ff., S. 424 S. 334 S. 334 S. 334 Anm. 1013 S. 334 Anm. 1014, S. 336 Anm. 1023 S. 334 Anm. 1015 S. 303 Anm. 915
453
XXXIX 52+ XXXIX 53 XXXIX 54+ XXXIX 57
5ˈ-7ˈ Vs. II 6ˈ Vs. II 13ˈf. Vs. II 7ˈ-17ˈ, Rs. III 2ˈ-16ˈ Rs. 3ˈ, 4ˈ, 8ˈ
XXXIX 61 XL 25
Vs. I 3ˈ-18ˈ Vs. I 4-7 Vs. 5ˈ, 7ˈ
XL 74(+)
Vs. 5ˈ
XL 102+
Vs. 16-21 Vs. I 6ˈ
XLI 55 XLII 94+ XLII 100++ XLIII 8 XLIII 51++ XLIII 55 XLIV 4+ XLVI 38 XLVI 39++ XLVI 40+ XLVI 42++ XLVI 53 XLVIII 95+ XLVIII 112 XLVIII 114 XLVIII 123 XLVIII 124
454
Vs. I 2 Rs. IV? 9ˈ-25ˈ Rs. IV? 19ˈf. Vs. I 20ˈ, Rs. III 22ˈ, IV 5ˈ, 10ˈ Vs. II 10ˈ Rs. 5b, 6b 16ˈ Rs. V 6ˈff. Rs. V 9 Vs. 29 Rs. 23 Rs. 3ˈ, 4ˈ, 8ˈ Vs. 26ˈ Vs. 3 Rs. IV 3 Rs. IV 2ff. Vs. I 4ˈf. Vs. I 5ˈ Rs.? 8ˈ
S. 160 Anm. 461 S. 165 Anm. 480 S. 165 Anm. 480 S. 117ff. Anm. 321 S. 124 Anm. 340 S. 119 Anm. 321 S. 150f. S. 113 S. 33 Anm. 31, S. 60 Anm. 127, S. 63 Anm. 138 S. 50 Anm. 95, S. 51 Anm. 99 S. 49 Anm. 94 S. 33 Anm. 37, S. 42 Anm. 67, S. 417 S. 422 Anm. 1310 S. 49ff. S. 412f. S. 59 Anm. 127 S. 77 S. 421 Anm. 1306 S. 33 Anm. 33, S. 63 Anm. 138 S. 416 Anm. 1278 S. 415 Anm. 1275 S. 416 S. 421 Anm. 1303 S. 229 S. 130 Anm. 354 S. 130 Anm. 354 S. 124 Anm. 340 S. 130 Anm. 354 S. 213 Anm. 620 S. 70 S. 101 S. 101 Anm. 271 S. 45 Anm. 75 S. 44 Anm. 70 S. 292 Anm. 891 S. 247 Anm. 766, S. 295 Anm. 902
XLVIII 125 XLIX 4 XLIX 6(+) XLIX 7 XLIX 88 XLIX 92 L 6++
Vs. II? 2ˈ-6ˈ Vs. 9ˈ Rs. IV 6, 7 Rs. III? 6ˈ Rs. III? 6ˈ-8ˈ Rs. IV 9-14 Vs. II 48-55 Rs. III 16-21 Rs. III 23-29
L 47 L 87
L 94 LI 69 LII 21 LII 72
LII 88 LII 89 LII 92 LII 96 LII 97 LIII 33 LIII 58 LIV 1+ LV 5+ LV 45++
Rs. III 5 Rs. 4ˈ-14ˈ Rs. 9ˈ Rs. 7ˈ, 12ˈ 9ˈ-11ˈ Vs., Rs. Vs. 1-12 Rs. 3ˈ-11ˈ Vs. 5ˈ-7ˈ Vs. II x+1-7ˈ Rs. IV 2ˈ-9ˈ RS. IV 2ˈf. Vs. 12 2ˈ Vs. 4ˈ 1-7 Vs. I 12f. Vs. I 13, II 37 Rs. IV 25ˈ Vs. II 20-22
S. 230 Anm. 701 S. 294f. S. 45 Anm. 75 S. 33 Anm. 34, S. 45 Anm. 75 S. 213 Anm. 620 S. 33 Anm. 33 S. 60 Anm. 127 S. 246 Anm. 759 S. 237 S. 121 Anm. 328, S. 401 Anm. 1245 S. 121 Anm. 330 S. 121 Anm. 329, S. 401 Anm. 1246 S. 33 Anm. 33, S. 63 Anm. 138 S. 230 Anm. 703, S. 240 S. 239 S. 221 Anm. 663 S. 240 S. 236 Anm. 714 S. 256 Anm. 789 S. 213 Anm. 620 S. 284 Anm. 870, S. 292 Anm. 888 S. 287 Anm. 876 S. 290f. S. 285 Anm. 869ff. S. 214f. Anm. 626 S. 238, S. 246 und Anm. 759 S. 122 Anm. 335 S. 143 Anm. 405 S. 339 Anm. 1034 S. 417 S. 324 Anm. 974 S. 49 Anm. 94 S. 43 S. 43 Anm. 35 S. 388 S. 341
455
LV 54(++) LVI 1
Rs. III 6ˈf. und IV 13ˈ Rs. IV 2ˈ
LVI 14 LVII 10
Rs. 8ff. Vs. 9ˈ
LVII 44(+) LVII 46
Vs. 11
LVIII 10 LVIII 15 LVIII 45+ LVIII 49 LVIII 51 LVIII 74 LVIII 105(+) LIX 41 LIX 42+ LIX 62 LX 100 LX 122
VBoT
Vs.? 6ˈ 10ˈ Vs. I 5 Rs. III 15 Vs. II 6ˈ Vs. II 6ˈff. Vs. 3f. Vs. 3ˈ, 6ˈ, 9ˈ, 11ˈ Vs. I 2ˈ Vs. x+1-20ˈ Rs. x+1-5ˈ
101
x+3f. 3ˈ
133
Vs. 7
Sonstiges
Atramḫasīs-Mythos Tafel I Zz. 208ff. BM 134780: 19-21 BoHa 19.443, 444, 445, 446, 447, 22.226, 282 CHDS II 63+ Vs. 5ˈ, 8ˈ FHL 34 Kodex Ḫammurabis §157, §158 Montserrat 2 3ˈ
456
S. 402f. Anm. 1249 S. 152 Anm. 431 S. 213 Anm. 620, S. 247 Anm. 766 S. 96 Anm. 255 S. 33 Anm. 34, S. 63 Anm. 138 S. 213 Anm. 620 S. 322 Anm. 972 S. 325 S. 421 Anm. 1306 S. 203 Anm. 602 S. 40 Anm. 63 S. 203 Anm. 602 S. 416 S. 422 Anm. 1310 S. 38 Anm. 55 S. 40f. Anm. 63 S. 40 Anm. 63 S. 40 Anm. 63 S. 421 Anm. 1306 S. 231 Anm. 704, S. 237 Anm. 715 S. 292f. S. 52 Anm. 104
S. 30 Anm. 21 S. 33 Anm. 31, S. 63 Anm. 138 S. 111 Anm. 289
S. 107f. und Anm. 280 S. 245 S. 232 Anm. 706 S. 373f. mit Anm. 1144 S. 100 Anm. 270 S. 190 Anm. 565 S. 417
MS 2200/459 3 Nebi-Yunus-Inschrift Privat Naumann 76 RS 17.132 8 STC II pls., LXXV ff. VS NF XII Yalburt-Inschrift Block 4.§2 367/t 93/w 346/z Vs. I 8ˈ 744/z
S. 315 Anm. 941 S. 199 S. 394f. mit Anm. 1211 S. 71 S. 38 Anm. 54 S. 387 S. 93 Anm. 246 S. 260 Anm. 804 S. 61 S. 111 Anm. 291 S. 333 Anm. 1006
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cognetti Totenkult und Ahnenverehrung im hethitischen Anatolien ´ er Toten- und Ahnenkult bei den Hethitern hat bisher keine zusammenfassende Behandlung gefunden. Daher ließen sich die in den hethitischen Texten bezeugten Vorstellungen einer Weiterexistenz der Verstorbenen nicht zu einem einheitlichen Bild zusammenfügen. Mit diesem Buch liegt erstmals eine umfassende Studie vor, die sämtliche den Textbelegen aus Bogazköy ˘ zu entnehmenden Informationen zusammenführt und ausführlich untersucht, um die Grundstrukturen des Themenkomplexes herauszuarbeiten. Aufbauend auf der philologischen Bearbeitung der Textquellen und der lexikographischen Analyse der zu betrachtenden Termini wird die Präsenz der Toten im Alltag der Lebenden untersucht : Insbesondere lassen sich die Bedeutung von Ahnen und königlichen Vorgängern für ihre Nachkommen sowie die daraus resultierenden Formen des Ahnenund Totenkults und ihr Stellenwert für die Gemeinschaft veranschaulichen