186 100 12MB
German Pages 200 [204] Year 1992
Theorie der Parafiski
Theorie der Parafiski Herausgegeben von Klaus Tiepelmann und Gregor van der Beek
w DE
G
Walter de Gruyter • Berlin • New York 1992
Dr. rer. oec. Klaus Tiepelmann ist ordentlicher Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft an der Universität Duisburg. Diplom-Volkswirt Gregor van der Beek ist wiss. Mitarbeiter im Fach Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft an der Universität Duisburg. Dieses Buch enthält 7 Abbildungen und 3 Tabellen
® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Theorie der Parafiski / hrsg. von Klaus Tiepelmann und Gregor van der Beek. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1992 ISBN 3-11-013194-3 NE: Tiepelmann, Klaus [Hrsg.]
© Copyright 1992 by Walter de Gruyter & Co., D-1000 Berlin 30. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck: WB-Druck GmbH & Co. Buchproduktions KG, Rieden am Forggensee. — Buchbinderische Verarbeitung: Dieter Mikolai, Berlin. — Einband: Johannes Rother. — Printed in Germany
Inhaltsverzeichnis
V
Inhaltsverzeichnis Parafiski kontrovers: Eine Einführung
1
Klaus Tiepelmann und Gregor van der Beek
Erster Teil: Marksteine der theoretischen Parafiskiforschung Die intermediären Finanzgewalten und ihr Einfluß auf Deutschlands finanzielle Belastung
11
Fritz Karl Mann Intermediäre Finanzgewalten
15
Walter Herrmann Parafiskalität theoretisch betrachtet
19
Emanuele Morselli Die parafiskalischen Gebilde in finanzwissenschaftlicher Schau
23
Clemens-August Andreae Die Finanzwirtschaft intermediärer Gruppen
27
Christian Smekal Parafiski Klaus Tiepelmann
33
VI
Inhaltsverzeichnis
Zweiter Teil: Die aktuelle Kontroverse
Die Theorie der Paraflskalität: Ihr Stand, ihre Entwicklung, ihre Schwächen
41
Claus Rinderer Der korporatistische Zugang zu den Parafiski
67
Paul Helmut Huppertz und Klaus Mackscheidt Eine finanztheoretische Sicht von Parafiski
81
Klaus Tiepelmann und Gregor van der Beek Zur Vereinbarkeit von finanzsoziologischer und finanztheoretischer Begründung von Parafiski
103
Christian Smekal Die Parafiskalität in Frankreich
117
Robert Hertzog Verselbständigte Verwaltungseinheiten und Parafiski - Elemente zu einer Theorie der Parafiskalität
137
Gunnar Folke Schuppert Para- und Nonfiski - Zur ökonomischen Theorie "intermediärer Organisationen"
163
Birger P. Priddat
Verzeichnis der Autoren des zweiten Teils
193
Vorwort
VII
Vorwort Bislang fehlte ein Überblick über die verschiedenen theoretischen Zugänge zu den Parafiski und die sich daraus ergebende Kontroverse um ihre Rolle innerhalb der heutigen Finanzwissenschaft. Mit dem vorliegenden Sammelband wird versucht, diese Lücke zu schließen, um damit der Diskussion um Parafiski einen neuen Impuls zu geben. Der Band skizziert zum einen die historische Entwicklung der Theorie der Parafiski und trägt zum anderen die aktuelle Kontroverse um den geeigneten Zugang zu den Parafiski zusammen. Er ist als erster Teil einer umfassenderen Betrachtung der "Theorie und Politik von Parafiski und intermediärer Institutionen" konzipiert; ein weiterer Band, der sich der "Politik" zuwendet, ist anvisiert. Wir schulden Vielen Dank, die das Zustandekommen des Bandes ermöglicht haben. An erster Stelle sei denen gedankt, die ihre Beiträge exclusiv für diesen Band geschrieben haben. Wie immer gab es Verzögerungen, die einigen zusätzliche Lasten aufgebürdet haben. Zu Dank sind wir auch dem "Team vom Fach Finanzwissenschaft" in Duisburg verpflichtet; hier seien vor allem Frau H. Kärcher, Frau B. Brähler, Frau B. Paskert und Herr Dipl.-Ök. D. Zukunft genannt, die von uns mit dem Erstellen von Tabellen sowie mit Korrektur-, Formatierungs- und ähnlichen Arbeiten arg strapaziert wurden. Die Geduld des Walter de Gruyter Verlags haben wir durch die leidigen Verschiebungen des Abgabetermins auf die Probe gestellt. Dem Verlag und der Lektorin Frau Dr. B. Ralle danken wir daher um so mehr für die ihrerseits zügige Publikation. Wir widmen diesen Band dem Gedenken an Univ. Prof. Dr. rer. pol. Dr. phil. h.c. Clemens-August Andreae und seinem Assistenten Mag. Dr. rer. oec. Claus Rinderer, Innsbruck, die am 26. Mai 1991 Opfer eines tragischen Unfalls wurden. Beide haben die Theorie der Parafiski mitgeprägt.
Duisburg, im Juni 1992
Klaus Tiepelmann Gregor van der Beek
Parafiski kontrovers: Eine Einführung Klaus Tiepelmann und Gregor van der Beek
1 Parafiski in der Dichotomie "privat" und "staatlich" Parafiski sind ein wesentlicher Bestandteil der ökonomischen und politischen Realität: z. B. in Deutschland haben alleine die traditionellen Parafiski, also Sozialversicherungsträger, Kammern und Großkirchen, Etats, die zusammengenommen fast dem zentralen Bundesetat entsprechen. Werden zusätzlich - wie heute weitgehend unstrittig - verschiedene Sonderfonds und Sondervermögen zum parafiskalischen Bereich hinzugerechnet, so ist ihr Gewicht noch erheblich größer: aktuell hat die Einrichtung des "Sonderfonds Deutsche Einheit" diese Facette parafiskalischer Institutionen wieder erheblich verstärkt und in das öffentliche Interesse gerückt. Plaziert man die Parafiski sogar in das Feld der "Intermediären Organisationen", wie es sich in den 80er Jahren abzeichnete und wie es z. B. im Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft Einzug gefunden hat, rechnet man zu ihnen also auch Interessenvertretungen, Verbände, Gewerkschaften, Arbeitgebervereinigungen, öffentliche Unternehmen, öffentliche Rundfunkanstalten, politische Parteien u. ä. Institutionen, so ist in quantitativer Hinsicht der parafiskalische, intermediäre Sektor dem privaten und dem staatlich-gebietskörperschaftlichen Sektor nahezu gleichwertig. Auch in anderen europäischen Ländern findet sich eine durchaus ähnliche Situation, auch wenn die vergleichbaren Institutionen dort nicht immer unter dem Begriff des Parafiskus gefaßt werden. Welche der drei genannten Abgrenzungen des parafiskalischen Bereichs man auch immer favorisieren mag (darüber welche von ihnen nun die geeignetere ist, herrscht auch heute noch keine Einigkeit), sicher ist, daß es zwischen Staat und Privat eine Menge mehr gibt, als es vielleicht auf den ersten Blick erscheinen mag; mehr auch, als die offizielle gesamtwirtschaftliche Rechnungslegung erkennen läßt. Die traditionellen "Staatsquoten", wie sie aus der Finanzstatistik oder der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung bekannt sind und die tendenziell eine "halb und halb" Aufteilung zwischen privaten und staatlich gebietskörperschaftlichen Bereichen suggerieren, ignorieren offensichtlich die vielfältigen "intermediären Institutionen", deren Einordnung in diese Dichotomie nicht ohne weiteres möglich ist. Kann man somit von einem durchaus beachtlichen Gewicht des parafiskalischen-intermediären Bereichs ausgehen und wirft einen Blick auf die wirtschafts- und finanzwissenschaftliche Forschung, die ihn thematisiert, so zeigt sich, daß er, verglichen mit
2
Klaus Tiepelmann und Gregor van der Beek
der theoretischen Beschäftigung mit dem staatlichen Sektor einerseits und dem privatwirtschaftlichen Sektor andererseits, wenig beachtet wurde. Über die Gründe für seine Außerachtlassung könnte hier nur spekuliert werden: keinesfalls kann es aber daran liegen, daß er weniger wichtige und brisante Probleme aufwirft als seine "Nachbarsektoren" und daher kein Bedarf an theoretischer Betrachtung besteht. Im Gegenteil: augenfällig sind die langfristigen Finanzierungsprobleme bei den klassischen Parafiski der sozialen Sicherung; unter dem Stichwort des versteckten Staatsbedarfs und der versteckten Staatsverschuldung mehrt sich die Kritik an den "Nebenhaushalten" wie z. B. am Sonderfonds Deutsche Einheit. Aber auch die Macht, der Einfluß und die Finanzen von Verbänden, Kirchen, Großvereinen (von Greenpeace bis zum ADAC) und von politischen Parteien sind ein steter Stein des Anstoßes - um nur einige Beispiele zu nennen. Hierbei mag schon eher eine Rolle gespielt haben, daß sich die Finanzwissenschaft über lange Zeit den Parafiski als eigenständiges Phänomen ausschließlich mit für den Ökonomen wenig vertrauten und unhandlichen Begriffen und Instrumenten genähert hatte, die der Rechtswissenschaft und der Soziologie entlehnt waren. Diese traditionelle Annährung an Parafiski hat zudem niemals den Charakter einer wirklichen "Theorie der Parafiski" erreicht: sie bleibt vielmehr über weite Strecken bei einer Suche nach Abgrenzungsmerkmalen für Parafiski und damit in reiner Definitorik verhaftet. Auch die seit Ende der 70er Jahre in Gang gekommene neuere Debatte um Parafiski, die unter Verwendung des ökonomischen Instrumentariums weniger um definitorische und stärker um analytische Fragen der Parafiskalität bemüht ist, hat noch keinen geschlossenen theoretischen Zugang zu den Parafiski geliefert: bis heute ist der theoretische Zugang zu den Parafiski vielmehr kontrovers. Damit wird verständlich, weshalb, wenn Parafiski überhaupt von der Finanzwissenschaft behandelt werden (z. B. in Untersuchungen der sozialen Sicherungssysteme), dies meist innerhalb der vertrauten Dichotomie Staat versus Privat geschieht: der Stand der Theorieentwicklung innerhalb der Ökonomik legt dies nahe. Gibt es doch ausgereifte Theorien der Staatstätigkeit und der Tätigkeit der Privaten, aber eine "Theorie der Parafiski" liegt bislang nur fragmentarisch vor. Die neuere Debatte aufgreifend, versucht der vorliegende Band einerseits ein Resümee der bisherigen theoretischen Bemühungen um Parafiski zu ziehen und andererseits Bausteine für eine Theorie der Parafiski zusammenzutragen. Die vorgeschlagenen Bausteine stehen im Spannungsfeld von Ökonomik, Sozialwissenschaft und Rechtswissenschaft. Bevor die aktuelle Kontroverse um den geeigneten Zugang zu den Parafiski entfaltet wird, werden jedoch im ersten Teil des Bandes in chronologischer Reihenfolge die
Parafiski kontrovers: Eine Einführung
3
Marksteine der (theoretisch orientierten) Parafiskiforschung in kurzen Kernaussagen wiederabgedruckt. Ein solcher Wiederabdruck erscheint sinnvoll, da die verschiedenen Beiträge bislang nur verstreut vorhanden sind, die aktuelle Kontroverse aber immer wieder auf diese Beiträge rekurriert und sie nur vor dem Hintergrund der historischen Beiträge verständlich wird.
2 Drei konkurrierende Zugänge Fritz Karl Manns Beitrag aus dem Jahre 1928 markiert den Beginn der theoretischen Auseinandersetzung mit Parafiski. Mann nähert sich den parafiskalischen Institutionen von der "Input" - Seite und identifiziert als Konstitutiva für Parafiskalität "das Recht der hoheitlichen Mittelbeschaffung" und die "Zwangsmitgliedschaft". Er bedient sich somit zweier juristischer Kriterien, um das Wesen der Parafiski zu bestimmen. Manns Schüler Walter Herrmann ergänzt in seinem Beitrag aus dem Jahre 1936 die "inputseitigen" Konstitutiva durch ein "outputseitiges" Kriterium: der "Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe". Herrmann bleibt mit diesem zusätzlichen Kriterium jedoch ebenfalls bei einer juristischen Bestimmung der parafiskalischen Institutionen, da er keine ökonomische Abgrenzung öffentlicher Aufgaben - etwa mit Hilfe der Theorie der Kollektivgüter - im Sinn hat, wie man aus heutiger Perspektive vermuten könnte, sondern für ihn eine öffentliche Aufgabe das ist, was die gesetzlichen Vorgaben als eine solche bestimmen. Noch heute werden in jedem finanzwissenschaftlichen Lehrbuch die von Mann und Herrmann genannten juristischen Kriterien diskutiert, wenn es um die Abgrenzung und Definition von Parafiski geht. Ganz anders erging es dem im Beitrag von Emanuelle Morselli aus dem Jahre 1951 vorgeschlagenen Zugang zu den Parafiski, der ein Resümee seiner früheren Arbeiten ist. Dieser Zugang wurde lange Zeit in der deutschsprachigen finanzwissenschaftlichen Auseinandersetzung um Parafiski nicht rezipiert. Dabei ist er mit seiner These vom "Verschmelzen zweier Funktionen, einer gesellschaftlichen und einer staatlichen" in der Parafiskalität, der Wegbereiter für die bis heute mit der Mann/Herrmann'schen Konzeption rivalisierende Sichtweise der Parafiski. Neben die staatliche Funktionen übernehmenden Institutionen, die uns aus den Mann/Herrmann'schen Konzepten bereits bekannt sind, stellt Morselli Institutionen, die als gesellschaftliche Institutionen Funktionen für gesellschaftliche Gruppen wahrnehmen und etikettiert diese ebenfalls als Parafiski.
4
Klaus Tiepelmann und Gregor van der Beek
In Clemens - August Andreaes Beitrag aus dem Jahre 1963 werden Morseliis Gedanken weiterentwickelt und es kommt zu einer konsequent "aufgabenseitigen" Sicht parafiskalischer Institutionen, indem das Wesen parafiskalischer Institutionen in einer "Funktionsübernahme von zwei Seiten" erblickt wird: "Sie übernehmen Funktionen, die sonst dem Einzelnen zufallen, ziehen sie zusammen und befriedigen sie kollektiv. Oder sie übernehmen die Funktionen, die sonst dem größeren Kollektiv zufallen und befriedigen sie nach dem Subsidiaritätsprinzip". Stellten also Morselli und Andreae neben die aus dem juristischen Zugang bekannten (staatsähnlichen) Institutionen weitere "gesellschaftliche" hinzu, so bricht Smekal in seinem Beitrag aus dem Jahre 1969 vollständig mit der Mann/Herrmann'schen Sichtweise. Einige bis dato allgemein als Parafiski akzeptierten Institutionen, wie z. B. die Sozialversicherungsträger, werden nun zu "Grenzfällen" parafiskalischer Institutionen. Parafiski sind innerhalb dieses Zugangs nun ausschließlich organisatorischer Ausdruck gesellschaftlicher Gruppen. Zur Abgrenzung des parafiskalischen Bereichs bedient sich Smekal dabei, trotz einiger erster Hinweise auf ökonomische Kriterien, noch rein soziologischer Kriterien. Waren somit bis zu Beginn der 70er Jahre juristische und soziologische Kriterien bei der Beschäftigung mit Parafsiki dominierend, so weist Tiepelmann in seinem Beitrag aus dem Jahre 1975 auf die Möglichkeiten eines ökonomisch-finanztheoretischen Zugangs zu den Parafiski hin. Auch dieser Vorschlag ist outputorientiert, er begreift und beschreibt die parafsikalische Leistungsbereitstellung mit Kategorien der Kollektivgütertheorie, womit allerdings die Abgrenzung des parafiskalischen Bereichs sehr unscharf wird. Keiner der drei im ersten Teil des Bandes vorgestellten Zugänge (also der finanzjuristische, der finanzsoziologische und der finanztheoretische) hat sich bislang als allgemein akzeptiert durchsetzen können, womit sich auch der oben skizzierte Dissenz über die Frage, welche Institutionen nun zum parafiskalischen Bereich zu zählen sind und welche nicht, erklärt: j e nach konzeptionellem Zugang werden zwar sich überlappende, aber dennoch unterschiedliche Objektfelder focussiert. In Surveys über das theoretische Verständnis von Parafsiki, wie z. B. im Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, stehen dann auch Versatzstücke aller drei theoretischen Zugänge mehr oder minder unverbunden nebeneinander, was weniger kritisch anzumerken ist, als vielmehr dem Stand der Theorie Rechnung trägt.
Parafiski kontrovers: Eine Einführung
5
3 Die aktuelle Kontroverse Alle Beiträge im zweiten Teil des Bandes, der die aktuelle Kontroverse um den geeigneten Zugang zu den Parafiski referiert, nehmen auf einen oder mehreren der "traditionellen" - im ersten Teil des Bandes nochmals in den Kernaussagen abgedruckten Sichtweisen Bezug: verwerfen die eine oder andere, lassen sie in einem neuen Licht erscheinen oder versuchen ihre Integration. Der zweite Teil des Bandes wird mit dem Beitrag Claus Rinderers eröffnet, der eine Skizze der historischen Entwicklung, die die Grundlage der heutigen Kontroverse um die Theorie der Parafiski darstellt, gibt. Zudem plädoyiert Rinderer für die Beibehaltung einer in eine "organische Staatsauffassung" verwurzelte Sicht von Parafiski und wendet sich daher gegen die Integration der "individualistischen" Kollektivgütertheorie in die Theorie der Parafiski. Aus dieser Sicht erscheint ihm bestenfalls die Integration der Kategorie "Meritorische Güter" - in ihrer nicht individualistischen Interpretation statthaft. Klaus
Mackscheidts
und
Paul-Helmut
Huppertz'
Beitrag
rekurriert
auf
den
Habilitationsentwurf von Paul-Helmut Huppertz aus den frühen 80er Jahren, in dem versucht wurde einen korporatistischen Zugang zu den Parafiski zu entwickeln. Er zeigt, weshalb die bisherigen Bemühungen um eine Theorie der Parafiski unzureichend sind und weshalb es einer Ergänzung der Theorie der Parafiski mit Hilfe einer korporatistisch orientierten Theorie bedarf. Der korporatistische Zugang zu den Parafiski kann aber in dem Mackscheidt Huppertz Beitrag nicht vorgestellt werden, da Huppertz selbst diesen Zugang wegen seines tödlichen Verkehrsunfalls nicht zu Ende entwickeln konnte und dieser bis heute auch nicht von anderen Autoren weiterverfolgt wurde. Der Beitrag referiert insofern nur das Fragment eines theoretischen Zugangs, dessen Elaborierung bislang aussteht. Der Beitrag von Klaus Tiepelmann und Gregor van der Beek knüpft an die früheren Skizzen einer finanztheoretischen Sicht an. Sie wenden sich gegen die traditionellen Versuche, sich den parafiskalischen Institutionen mit Hilfe eines der Ökonomik fremden (juristischen oder soziologischen) Instrumentariums zu nähern, da sie nicht zu einer analytisch gehaltvollen Auseinandersetzung mit Parafiski geführt haben. Sie skizzieren ausgewählte Fragen und Problemstellungen, die sich erst auf der Grundlage einer primär ökonomischen Sicht von Parafiski eröffnen, ohne bereits Antworten auf die aufgeworfenen Fragen liefern zu können. Es ist ein Plädoyer dafür, die theoretische Auseinandersetzung mit Parafiski in die allgemeine Theoriebildung der Ökonomik zu integrieren.
6
Klaus Tiepelmann und Gregor van der Beek
Christian Smekals Beitrag ist zum einen der finanztheoretischen Sicht verpflichtet, gleichzeitig aber auch der - von ihm weitgehend geprägten - finanzsoziologischen Sicht. Smekal illustriert an Hand verschiedener Institutionen, wie durch eine Integration bzw. Kombination beider Sichtweisen zu einem Verständnis von Parafiskalität zu gelangen ist, wobei der parafiskalische Charakter in seiner Interpretation immer eine Frage des "Mehr oder Weniger" ist. Parafiskalität wird damit zu einem speziellen Merkmal innerhalb des Kontinuums der Institutionen zwischen Privat und Staat. Robert Hertzogs Beitrag ist innerhalb des Sammelbandes in zweierlei Hinsicht ein Sonderfall. Zum einen diskutiert Hertzog Parafiskalität aus rechtswissenschaftlicher Perspektive, zum anderen sind für ihn die französischen Verhältnisse Ausgangspunkt seiner theoretischen Überlegungen. Hertzog stellt die neuerlich in Frankreich verstärkt geführte Diskussion um das Wesen der Parafiskalität vor, die im deutschsprachigen Raum bislang weitgehend ignoriert wurde. Trotz der stark rechtswissenschaftlichen Ausrichtung dieser französischen Diskussion ist sie insofern auch für den Versuch, Bausteine einer finanzwissenschaftlichen Theorie der Parafiski zusammenzutragen, von Bedeutung, als sie das Augenmerk auf Institutionen lenkt, die in der traditionellen deutschsprachigen Debatte keinesfalls als parafiskalisch zu bezeichnen sind, die aber in den neueren finanzsoziologischen wie finanztheoretischen Ansätzen durchaus parafiskalische Züge tragen; hier sind insbesondere Institutionen des Umweltschutzes, sowie der Regulierung und Förderung des Agrar- und Fischereimarktes zu nennen, die neben den auch im deutschsprachigen Raum bekannten parafiskalischen Institutionen stehen. Auch Gunnar Folke Schuppert's Beitrag beginnt zunächst mit einer verwaltungsrechtlichen Perspektive und zeigt in einem ersten Schritt verschiedene Parallelitäten der dort geführten Diskussion um verselbständigte Verwaltungseinheiten und der finanzwissenschaftlichen Diskussion um Parafiski auf. Schuppert hält letztendlich am "Recht der hoheitlichen Mittelbeschaffung" als Konstitutivum für Parafiskalität fest. Dies erlaubt ihm an Hand einer Einnahme- und Organisationstypologie Parafiski als spezielle Form des Finanzgebarens intermediärer Gruppen innerhalb eines dritten, intermediären Sektors zu verorten. Wie Schuppert so hält auch Birger P. Priddat in seinem Beitrag letztlich an dem traditionellen Merkmal der "hoheitlichen Mittelbeschaffung" für Parafiskalität fest, wobei er jedoch ganz unterschiedlich zu diesem Merkmal vordringt. Priddat nähert sich den parafiskalischen Institutionen nämlich zunächst in einer eindeutig finanztheoretischen Sicht. Er diagnostiziert jedoch ein verfügungsrechtliches bzw. institutionenökonomisches Defizit innerhalb der bisherigen finanztheoretischen Sicht und kommt unter Hinzuziehung
Paraflski kontrovers: Eine Einführung
7
solcher Argumente zu einer ökonomischen Interpretation des zwangsmitgliedschaftlichen Rechts der hoheitlichen Mittelbeschaffung als Konstitutivum für Parafiskalität. Er plädiert für eine strenge Unterscheidung der mit Zwangsmitteln ausgestatteten Parafiski von intermediären Institutionen, denen diese Mittel nicht zur Verfügung stehen und insofern von institutionell minderer Qualität sind. Er schlägt für letztere die Bezeichnung Non-Fiski vor. Die Skizze der Schwerpunkte in den verschiedenen Beiträgen mag den Anschein überzogener Heterogenität in den theoretischen Zugängen erwecken und nahelegen, daß es um die Entwicklung einer geschlossenen Theorie weiterhin schlecht steht. Doch zeigt ein resümierender Blick über die verschiedenen Beiträge bereits die Berührungs- und Verbindungspunkte
zwischen
den
drei
grundsätzlichen
Zugängen
-
dem
finanzjuristischen, dem finanzsoziologischen und dem finanztheoretischen - auf: Rinderer bescheinigt über den Umweg der Meritorik Verbindungsmöglichkeiten zwischen finanzsoziologischer und finanztheoretischer Sicht; Mackscheidt und Huppertz bescheinigen dem finanzjuristischen und dem finanzsoziologischen Zugang durchaus Aussagekraft, dies jedoch für wohl unterschiedene Gegenstandsbereiche - nur für einen Kernbereich fordern sie eine noch zu entwickelnde Theorie; auch Tiepelmann und van der Beek wenden sich keinesfalls gegen eine Integration finanzsoziologischer und "juristischer Elemente in eine zunächst jedoch mit ökonomischen Kategorien arbeitenden Zugang; bei Smekal sind finanzsoziologische und finanztheoretische Elemente geradezu ideale Ergänzungen für ein umfassendes Verständnis parafiskalischer Institutionen. Hertzog macht mit juristischen Kriterien auf Institutionen aufmerksam, die innerhalb der deutschsprachigen Diskussion nur mit finanztheoretischem oder finanzsoziologischen Kriterien als parafiskalisch zu bezeichnen sind. Schuppert weist aus verwaltungsrechtlicher Perspektive auf das Kontinuum intermediärer Organisationen und damit auf die fließenden Übergänge zwischen den in den drei Zugängen identifizierten Institutionen hin. Priddat führt mit ökonomischen Argumenten eine Integration von finanzjuristischer und finanztheoretischer Sichtweise von Parafiski durch. Trotz der genannten Heterogenität mögen somit die in den Beiträgen entwickelten Verbindungslinien zwischen den drei bislang konkurrierenden Sichtweisen optimistisch stimmen, auch weiterhin nach den Bausteinen einer in sich geschlosseneren Theorie der Parafiski zu suchen.
Erster Teil: Marksteine der theoretischen Parafiskiforschung
Die intermediären Finanzgewalten und ihr Einfluß auf Deutschlands finanzielle Belastung* Fritz Karl Mann
Zu den sozialökonomischen Begriffen, die der Laie mit naiver Sicherheit anwendet, die aber der Wissenschaftler nur zögernd zu bestimmen wagt, gehört der Begriff der finanziellen Belastung. Nur wenige Sachverständige begnügen sich damit, alter Tradition folgend, ihn mit der steuerlichen Belastung gleichzusetzen. Besonders in neuerer Zeit wird er regelmäßig in einem weiteren Sinne gedeutet. Bilden die Steuern doch nicht die einzige Erscheinungsform fiskalischen Eingriffs in die Einzelwirtschaft. Fast unmerklich gleiten sie in andere Arten öffentlicher Einkünfte. (...) Die öffentlichen Gemeinwesen können ihren Pflichten in der Weise genügen, daß sie Behörden und Aemter - "mittelbare Staatsorgane" - schaffen, denen nach dem Gesichtspunkt verwaltungsmäßiger Arbeitsteilung ein bestimmter Aufgabenkreis zugewiesen wird; die Mittel, die diese Organe zur Deckung ihres sachlichen und persönlichen Bedarfs brauchen, werden meist im Rahmen des allgemeinen Finanzbedarfs flüssig gemacht. Dies Verfahren ist das übliche. Der Erweiterung des öffentlichen Pflichtenkreises, besonders der zunehmenden staatlichen Intervention im Bereich der Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik, entspricht regelmäßig ein Ausbau der Behördenorganisation und eine Neubegründung von Aemtern, deren Grenzen seltener vom Tatendurst der Regierung und Magistrate als von der "goldenen Bremse" des Finanzbedarfs bestimmt werden. Nun aber gibt es noch eine zweite Möglichkeit: Der Staat oder die Gemeinden können nichtamtlichen Stellen - besonders juristischen Personen des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts - die Erfüllung der staatlichen oder kommunalen Pflichten anvertrauen und ihnen gegebenenfalls, um sie für die neue Aufgabe auch finanziell auszurüsten, die Befugnis übertragen, im Rahmen ihres notwendigen Aufwandes über die Taschen der Bürger zu verfügen. Hierbei werden sich Staat und Gemeinden meist eine Kontrolle der Geschäftsführung ausbedingen. Für eine solche Delegation öffentlicher Pflichten und Rechte kommen - wie die lange Reihe der deutschen Kriegsgesellschaften beweist - auch private Organisationen in Betracht; auch Privatpersonen. Regelmäßig aber werden hierfür die juristischen Personen des öffentlichen Rechts gewählt: teils "Anstalten" wie die Anstalten der sozialen Versicherung, teils KörperZuerst erschienen in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 129. Jg. (3. Folge, Bd. 74), 1928, S. 212-232; hier: auszugsweise Wiedergabe.
12
Fritz Karl Mann
Schäften des öffentlichen Rechts wie Innungen, Industrie- und Handelskammern, Landwirtschaftskammern, Krankenkassen, Berufsgenossenschaften usw. Die Körperschaften des öffentlichen Rechts - auch "öffentliche Genossenschaften" genannt - sind mit Zwangsmitgliedschaft und Rechtsetzungsgewalt ausgestattet. Ihre Tätigkeit steht unter staatlicher Aufsicht. Zur gleichen Gruppe gehört auch die Deutsche Reichsbahngesellschaft, die trotz ihrer aktienrechtlichen Konstruktion eine öffentlich-rechtliche Anstalt bleibt. In diesem Zusammenhang sei auch die Reichsbank genannt. Ob sie als juristische Person des öffentlichen Rechts (W. Jellinek) oder als juristische Person des Privatrechts (Otto Mayer) aufzufassen ist, bleibt für die hier behandelte Frage bedeutungslos. In unserem Zusammenhang kommt es vielmehr nur darauf an, daß alle genannten Organisationen - trotz der Verschiedenheit von Tätigkeitsbereich, politischer Bedeutung und Rechtscharakter - gleichsam eine Verlängerung des Staatswillens darstellen. Sie sind Handlanger des Staates und der Selbstverwaltungskörper bei der Erfüllung öffentlicher Pflichten, entfalten - ähnlich den öffentlichen Gemeinwesen, denen sie dienen - einen Finanzbedarf, erhöhen dadurch die auf den Bürgern ruhenden Lasten. Trotzdem wäre es übereilt, bei der Ermittlung der finanziellen Belastung diesen Finanzbedarf ohne weiteres dem öffentlichen Finanzbedarf zuzuschlagen. Denn viele der genannten Organisationen verfügen über "abgeleitete Einnahmen" des Staates und der Kommunen, erhalten ihre Existenzmittel aus staatlichen oder gemeindlichen Kassen. Wer die Höhe ihres Aufwandes ermitteln will, braucht nur den öffentlichen Haushaltsplan aufzuschlagen. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. Vielmehr gibt es unter den erwähnten Organisationen einige, die finanzpolitisch anders zu beurteilen sind: sie verfügen über "originäre" Einnahmen; bewirken daher eine in den öffentlichen Haushaltsrechnungen unerkennbare Zusatzbelastung. Zwischen Staat und Bürger (oder auch zwischen Gemeinde und Bürger) schieben sich "intermediäre Finanzgewalten" ein, die auf gesetzlicher Grundlage Zwangsbeiträge eintreiben. Hier soll nicht diskutiert werden, ob diese Zwangsbeiträge Steuern sind. Es genügt die Feststellung, daß sie wie Steuern wirken können. So entsteht ein neuer versteckter öffentlicher Bedarf, der eine beträchtliche Höhe erreichen kann. Unter einem anderen Gesichtspunkt können wir auch sagen: neben der Finanzwirtschaft der öffentlichen Gemeinwesen werden neue fiskalische Hebestellen begründet. Ich schlage vor, unter diesem Gesichtspunkt - im Gegensatz zum Fiskus - von einem "Hilfsfiskus" zu sprechen. Die finanzpolitische Bedeutung dieser Erscheinung ist offenbar. Der öffentliche Bedarf kann gemindert werden, ohne daß die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben leidet. Der
Die intermediären Finanzgewalten
13
Staat (oder auch die Gemeinde) kann den öffentlichen Bedarf künstlich kleinhalten, da der Hilfsfiskus für die Deckung der Ausgaben sorgt. Die finanzielle Belastung der Bürger wird noch undurchsichtiger, als sie bereits aus den früher erwähnten Gründen war. Jedenfalls muß ein interkommunaler und internationaler Vergleich, der den Hilfsfiskus unberücksichtigt läßt, zu schiefen Ergebnissen führen. (...) Die hier geschilderten Zusammenhänge gewinnen besondere Bedeutung, wenn wir den auf Deutschland lastenden Finanzdruck abschätzen wollen. Auch hier verraten die Ziffern der staatlichen und gemeindlichen Haushaltspläne nur einen Teil des Sachverhalts. Dies gilt besonders für die Gegenwart, ist doch in der Nachkriegszeit die Zahl der "intermediären Finanzgewalten" gestiegen und ihre relative Bedeutung gewachsen. Da das statistische Material für eine vollständige Darlegung noch nicht ausreicht, seien im folgenden nur drei Hauptfälle hilfsfiskalischer Belastung (Währungsetat, Reparationsetat und Sozialetat; K.T./G.v.d.B.) beschrieben. Inwieweit andere Belastungen z. B. durch Zwangsinnungen,
Landwirtschaftskammern,
Handelskammern,
usw. zu berücksichtigen sind, bleibe vorläufig dahingestellt.
Handwerkskammern
Intermediäre Finanzgewalten* Walther Herrmann
Die öffentliche Gewalt, ein Monstrum geworden entgegen jener liberalistischen Hoffnung ihres Verkümmerns, gliedert sich aus, spaltet Organe ab, die sie verselbständigt. Oder aber sie verleiht bisher privaten Stellen Zwangscharakter, weil sie deren Aufgaben, die sie als öffentlich-rechtliche anerkannt wissen will, die Chance der besseren Befriedigung geben will. Die mit der universalen Finanzhoheit ausgestattete Staatsgewalt kann diese ihre Kinder und Adoptivkinder 1. mit Überweisungen aus einer ihrer seit alters vorhandenen Kassen finanzieren; oder 2. sie kann ihnen neben dem Recht auf primäre Deckungsmittel Besteuerungsrechte abtreten, sei es in der Form der bloßen Ertragshoheit, sei es auch als Objektshoheit; endlich 3. kann sie auf jeden beiden Wegen die Mittelbeschaffung durchführen. Als hilfsfiskalisch werden die Fälle bezeichnet, in denen der 2. Weg eingeschlagen wird, somit auch jene Fälle aus der 3. Art, soweit bei ihnen die Überlassung eigener Einnahmerechte erfolgt. Das Herantreten Forderungen
durch
die Ausgliederungen
der
öffentlichen Gewalt
mit eigenen
an die
Wirt-
schaftssubjekte deines Staatsgebietes ist eine conditio sine qua non für den Tatbestand, der Hilfsfiskus genannt wird. - Im übrigen: Hilfsfiskus und intermediäre Finanzgewalt werden synonym verwandt. Spricht man von Hilfsfiskus, so denkt man zuerst daran, daß der Staat sich Helfer verschafft; bei "intermediärer Finanzgewalt" geht man von der Tatsache aus, daß zwischen Staat und Bürger für staatswirtschaftliche Aufgaben öffentliche Finanzgewalten eingeschaltet werden. Aber erst ein zweites Moment macht den Hilfsfiskus fertig. Es muß sich bei den Aufgaben dieser mit Einzugsrechten ohne Gegenrechnung ausgestatteten Institutionen um anerkannt öffentliche Aufgaben,
eine sich allerdings ständig wandelnde Größe, handeln.
Nicht nur um Staatsaufgaben. Denn es ist zu wenig, die hilfsfiskalische Verzweigung nur beim Staat eintreten zu sehen. Auch bei den Gemeinden und den übrigen Selbstverwaltungskörperschaften können zur Bewältigung kommunaler Aufgaben
intermediäre
Finanzgewalten entstehen. Ohne weiteres ist klar, daß eine bundesstaatliche Gestaltung des Staates bei dem Bund und bei den Einzelstaaten jene Ausgliederungen entstehen lassen kann. Das Deutsche Reich und die deutschen Länder haben ihre hilfsfiskalischen Organe bzw. haben sich an der Schaffung solcher Stellen beteiligt. Die Hebestellen, die über dem Lande ausgebreitet liegen, können nunmehr zu einer so mannigfaltigen Zuerst erschienen: Jena 1936; hier auszugsweise Wiedergabe.
16
Walther Herrmann
Gesamtheit werden, daß ihren verschiedenen Heberechten kein durchschnittlicher Zensit mehr gewachsen ist. Außer durch die Buntheit der Heberechte wirkt die hilfsfiskalische Verzweigung die Klarheit der öffentlichen Wirtschaft mindernd durch das Spiel der Beziehungen von Fiskus zu Hilfsfiskus und von einem Hilfsfiskus zum anderen. Da gehen Überweisungen und Rückgriffe hin und her. Da leiht ein Hilfsfiskus dem Fiskus Mittel, da spannt er sogar seinen Kredit in den Dienst des Fiskus ein: leiht selbst und gibt dem Fiskus die Mittel weiter. Öffentliche Anleihen scheinen zeichnungsfreudig aufgelegt zu sein: den Löwenanteil hat ein dazu verpflichteter Hilfsfiskus gezeichnet. So lassen alle die Kassen, die zusammen die "öffentliche Wirtschaft" ausmachen, ein Bild kraftvoller Entfaltung entstehen - und gaukelten sie es auch nur vor. Schließlich gewinnt die Finanzwirtschaft durch die hilfsfiskalische Aufspaltung noch einen Vorteil aus der Vielzahl kleinerer Haushalte, an sich alles Teilstücken eines totalen Haushaltes, die jedoch von der Staatsverwaltung verschiedenen Gremien zur Bewilligung vorgelegt werden. Unter Hilfsfiskus oder intermediärer Finanzgewalt wird also begriffen jede mit dem Recht der zwangsweisen Umlage ausgestatteten Körperschaft, die sich der Befriedigung öffentlichen Bedarfes widmet. Häufig haben die intermediären Finanzgewalten einen Habitus, den sie eigentlichen Finanzkörpern entlehnt haben. So finden sich die dem Finanzwirt bekannten Äußerlichkeiten und Richtlinien auch bei vielen intermediären Finanzgewalten wieder: Etats und Etatisierungsvorschriften, Rechnungslegungen, Haushaltsjahre, Deckungsprinzipien, Ordinaria und Extraordinaria; ferner Erwerbseinkünfte, Gebühren und Zwangsumlagen als eigene Einnahmen neben Staats- und sonstigen Dotationen als durchlaufenden Einnahmen. Dagegen Dotationen, Erwerbseinkünfte und Gebühren als primäre Deckungsmittel neben dem subsidiären Deckungsmittel der Zwangsumlagen. Dieser entlehnte Habitus ist auch als Mahnung an die Finanzwissenschaft zu verstehen, die in solchen Habitus gekleideten Gebilde in ihren Untersuchungsbereich einzubeziehen. Alle hilfsfiskalische Finanzgebarung beruht rechtlich auf Delegation, ist Auftragsgestaltung. Das gilt auch, wenn ein frei gewachsenes Gebilde dem Staat die Anerkennung als intermediäre Finanzgewalt abzwingt. Der Begriff des Hilfsfiskus ist eindeutig. Die Wirklichkeit schafft aber Gebilde, deren Einbeziehung in unseren Begriff wieder problematisch wird. Im Verlaufe dieser Unter-
Intermediäre Finanzgewalten
17
suchung werden solche Gebilde aufgezeigt werden. Hier in der Einleitung soll nur eine durch eine amtliche Publikation vorgenommene Dehnung des Begriffs "hilfsfiskalisch" zurückgewiesen werden. Das Statistische Reichsamt hat in seiner Einzelschrift zur Statistik des Deutschen Reiches "Die Besteuerung der Landwirtschaft" (Berlin 1930, S. 103) folgendes ausgeführt: "Um Irrtümern vorzubeugen, sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Rentenbankrenten
und Berufsgenossenschaftsbeiträge, ferner die Beiträge für
Vieh-, Haftpflicht-, Unfall-, Feuerversicherung, Krankenkassen usw. sowie sonstige hilfsfiskalische Abgaben in der vorliegenden Untersuchung ... nicht als Steuern angesehen ... sind. In den unter "Sonstige Lasten" aufgeführten Zahlen sind lediglich die Beiträge zur Landwirtschafts- bzw. Bauernkammer usw. enthalten." Das ist eine unglückliche Verwirrung. Eindeutig hilfsfiskalischen Charakter tragen von dem Aufgezählten Rentenbankrenten, ferner die eigenartig zerstreut aufgeführten Sozialversicherungsbeiträge und die Kammerabgaben. Vieh-, Haftpflicht-, Feuerversicherung sind aber bisher keine öffentlichen Zwangsversicherungen
im eigentlichen Sinne. Das Element des Zwangs der
Abgabe ist aber notwendig, um eine Abgabe zur hilfsfiskalischen zu machen. Als Steuern angesehen werden sie auch dann nicht. Hilfsfiskalische Abgaben ("Quasisteuern") wirken wie Steuern, mit dieser Feststellung begnüge man sich, sie rechtfertigt bereits deren Untersuchung im Rahmen der Finanzwissenschaft. "Sowie sonstige": woran mag das Statistische Reichsamt noch gedacht haben? Von den großen hilfsfiskalischen Einnehmern ist nur der Kirchenfiskus unerwähnt geblieben; den aber hat jene Untersuchung bereits an anderer Stelle aufgeführt.
Drei große hilfsfiskalische Hebestellennetze liegen über dem deutschen Gebiete: das der Sozialversicherung, der Kirchen und der Berufsvertretungen. Daneben fungieren oder fungierten einige weitere selbständige Hebestellen. Als Erfüller von Reichsaufgaben der zur Zeit des Dawesplans existierende Reparationsagent, die Reichsbank, der Bankenkommissar. Als Erfüller lokaler öffentlicher Aufgaben Deichgenossenschaften und Schulverbände. Diese sind zuweilen auch nur gemeinsame Zweckkassen kommunaler Einheiten, die mit eigenen Forderungen nicht auftreten.
Das Untersuchungsfeld ist nunmehr bereits konkretisiert. Sozial-, Kirchen- und StändeFinanzgewalten sind in erster Hinsicht Untersuchungsgegenstand. Danach werden (weniger ausführlich, weil zum Teil bereits erfolgt, zum Teil weniger bedeutungsvoll) die
anderen
hilfsfiskalischen Etats: der
Reparations-
und der
Währungshaushalt
betrachtet. Schließlich wären die lokalen intermediären Finanzkörper zu untersuchen; das ist aber in dieser Arbeit mangels empirischer Daten unterblieben.
Welche Finanzwirtschaft betreiben diese intermediären Finanzgewalten? Diese Frage ist die eigentliche Tatsbestandsfrage. Was ist reformbedürftig? Die Frage drängt nach.
18
Walther Herrmann
Auf wessen Schultern lasten die hilfsfiskalischen Abgaben? lautet eine weitere Frage. Dieses "Wer gehört zur Zensitenschar der einzelnen intermediären Finanzgewalten" ergäbe exakt beantwortet erst die Möglichkeit, die Finanzbelastung der einzelnen Volksteile zu erkennen. Man hat Vorstellungen über die Höhe der steuerlichen (d. h. als Steuerstoß,
nicht
als
Steuerfall
erfolgenden)
Belastung
der
Wirtschaftsgruppen
(Gewerbe, Landwirtschaft), ferner über die der Größentypen in diesen Gruppen (Beispiel Großgrundbesitz, Kleinbauernbesitz u. ä.); inwieweit sind diese Vorstellungen (von Vorbelastung, ungleichmäßiger Verteilung usw.) zu revidieren nach Einbeziehung der hilfsfiskalischen Belastung? Dieser Frage nachzugehen, wäre eine an sich gegebene Aufgabe, auf die jedoch hier verzichtet wurde. Welche Volksteile gehören zur Zensitenschaft? Das ist exakt nur mit Zahlen zu beantworten. Jedoch stößt man hierbei auf zur Zeit, d. h. mit dem jetzt mir erreichbaren Material, noch unbehebbare Schwierigkeiten. Zur Bestimmung des Zensitenkreises muß daher in beschreibender Weise gegriffen werden, der sich griffweise Schätzungen anschließen können.
Parafiskalität theoretisch betrachtet' Emanuele Morselli
Einführung Gehört die Parafiskalität in die technische oder im Gegensatz hierzu in die theoretische und wissenschaftliche Abteilung des finanzwissenschaftlichen Gedankenguts? Im ersten Fall wäre die Parafiskalität Ausdruck einer finanzwirtschaftlichen Situation, die sich aufgrund der Anwendung neuer Erhebungsformen für öffentliche Einnahmen ergeben würde. D. h. sie wäre das Resultat neuer technischer Maßnahmen und Kunstgriffe, die vom Steuergesetzgeber mit dem alleinigen Ziel eingeführt würden, die Einahmequellen (hier mittels Steuern) zu vermehren; dabei würden allerdings die Schwierigkeiten, die klassischen Besteuerungsgrenzen zu überschreiten, bestehen bleiben. In diesem Fall würde die Parafiskalität innerhalb der Finanzwissenschaft nun wirklich gar kein neues theoretisches Interesse wecken. Man müßte dann die Parafiskalität innerhalb der traditionellen Finanztheorie betrachten. Das Wesen dieser Theorie würde sich dadurch in keiner Weise verändern. (...) Wenn wir uns dem zweiten Fall zuwenden, d. h. wenn wir Parafiskalität vom theoretischwissenschaftlichen Standpunkt aus betrachten, dann müßten in der Parafiskalität neue Eigenschaften zu entdecken sein, die mit den konstitutiven Elementen ihres Steuergegenstandes zusammenhängen. Diese konstitutiven Elemente müßten eine neue Steuerquelle mit eigenständiger Charakteristik zu Tage fördern. Die Gründe hierfür müßten in einem neuen, modernen Staatsziel sowie in den Veränderungen der Struktur und des Lebens des modernen Staates gesucht werden. Gleichzeitig müßte man annehmen, daß neben quantitativen auch eine Reihe von qualitativen Wirkungen auftreten, speziell in den Beziehungen zwischen der Theorie der
Unter dem Titel "Le point de vue théorique de la parafiscalité ", zuerst erschienen in der "Revue de Sciene et de Législation financière ", 1951, S. 84 - 101. Hier auszugsweise Wiedergabe einer eng an der französischen Originalübersetzung angelehnten Übertragung ins Deutsche von Francine Evéquoz und Gregor van der Beek.
20
Emanuele Morselli
Steuerbelastung und der Theorie der kurz- und mittelfristigen Wirkungen sowie der Inzidenztheorie und der Theorie der Rück- und Folgewirkungen öffentlicher Einnahmen. Es würde dann genügen, das neue Produkt der Fiskalität aus diesem Blickwinkel zu betrachten, d. h. es würde genügen, die ökonomischen Folgen der Parafiskalität zu untersuchen, um ein neues Kapitel der Finanzwissenschaft aufschlagen zu können, in dem die Ergebnisse der Theorie von denen der klassischen Finanztheorie eindeutig abweichen würden. (...)
Der kritische Punkt der Theorie In der Parafiskalität verschmelzen sozusagen zwei Funktionen ineinander: eine politische und eine soziale Funktion (wobei die letztere die ökonomische Funktion beinhaltet). Die erste Funktion ist rein staatlichen Ursprungs; wie wir diskutiert haben, entstehen innerhalb des Staates immer die neuen und dringendsten Probleme, und durch den Staat werden sie gelöst. (...) Die zweite Funktion ist ökonomisch-sozialen Ursprungs. Diese ist eng auf die politischen Klassen bezogen, die sich darauf beschränken, die Finanzierungslast des ihnen zur Verfügung stehenden Budgets selbst zu tragen. Oder aber in diesem Budget wird sich für die genannten Klassen - zur Befriedigung der Bedürfnisse - eine Gemeinschaft von Interessen (die ökonomischer, sozialer oder moralischer Natur sind) herausbilden. Dies konstituiert eine gesonderte Kategorie, ... die sich zu den bekannten Besteuerungsprinzipien hinzufügt. Es ist auch ein Wesensmerkmal der parafiskalischen Abgaben, eine Ausweitung der öffentlichen Lasten und Ziele zu ermöglichen, welche auf die skizzierten ökonomischen Kategorien und auf die arbeitenden Massen der Bevölkerung bezogen sind. Die zwei getrennten Prinzipien (das politische und das ökonomisch-soziale) verschmelzen ineinander und dienen so zur Charakterisierung des parafiskalischen Bereichs. Dieser wird die einzige historische Alternative zur Befriedigung der - in den beschriebenen Bereich der öffentlichen Pflichten und Ziele gehörenden - Bedürfnisse sein.
Parafiskalität theoretisch betrachtet
21
Dem Unvorhersehbaren - wie hier der noch unbekannten Trennung von neuen und traditionellen Finanzen - sollte man bei großen sozialen Bewegungen viel Platz einräumen, um sie verstehen zu können und um daraus neue Lebenseinstellungen zu gewinnen, die einen großen Einfluß auf die Theorie ausüben. Derjenige, der die Parafiskalität hauptsächlich aus den traditionellen Besteuerungsprinzipien herleiten möchte, kann nur scheitern. (...)
Schlußfolgerung Man muß sich darüber im klaren sein, daß es unmöglich ist, die Parafiskalität auf den alten Stamm der politischen Steuer aufzupfropfen. Man braucht eine radikale Erneuerung der wissenschaftlichen Ideen und Prinzipien, um diesen neuen finanzwirtschaftlichen Gegenstand erklären zu können. (...) Die Parafiskalität und das neue an der Parafiskalität - d. h. ihr Charakter als soziale und ökonomische Besteuerung - beruhen auf dem Bedürfnis, die Mitglieder der allgemeinen politischen Gesellschaft, die gemeinsame ökonomische, moralische und geistige Interessen haben, an bestimmten Funktionen und an den Organisationen, denen diese Funktionen anvertraut werden, teilnehmen zu lassen. Die anderen Mitglieder der allgemeinen politischen Gesellschaft, für die die Last der traditionellen Besteuerung eine unüberwindbare Hürde wäre, werden hiervon ausgeschlossen. Wenn dem so ist, dann hat die parafiskalische Besteuerung ein eigenständiges Gepräge, welches weder mit dem der politischen Besteuerung, noch mit dem der Gebühren verwechselt werden darf.
Die parafiskalischen Gebilde in finanzwissenschaftlicher Schau* Clemens-August Andreae
Zur Klärung des Begriffes "parafiskalische Gebilde" Das vorliegende Thema mag auf den ersten Blick vielleicht etwas fremdartig ja sogar weit hergeholt erscheinen. Man muß sich jedoch vergegenwärtigen, daß die Begriffsbezeichnung "parafiskalisch" doch nur das ausdrückt, was vor mehr als 30 Jahren bereits unter dem Ausdruck "hilfsfiskalisch" in die deutsche wissenschaftliche Literatur Eingang gefunden hat, um jedoch nach kurzem Echo bald wieder zu verschwinden. Die Literatur des Auslandes, im besondern Italiens und Frankreichs hatte sich dagegen des damit zum Ausdruck gebrachten Problemkreises bemächtigt und die Begriffsbezeichnung "parafiskalisch" eingeführt. Dieser inzwischen gebräuchlich gewordene Ausdruck soll daher auch von uns verwendet werden. Wir wollen mit dem Ausdruck Parafiskus alle jene Institutionen, Organismen und Einrichtungen bezeichnen, die den Raum zwischen Staat bzw. den anderen Gebietskörperschaften und den rein privatrechtlichen Gemeinschaften und den Einzelnen ausfüllen. Hierher gehören also die Kammern, die Sozialversicherungsträger und im weiteren Sinne auch
die mit Rechtspersönlichkeit
ausgestatteten
Religionsgemeinschaften.
Zwangsmitgliedschaft, das Recht zur Erhebung von Abgaben, eine auf Selbstverwaltung abgestellte innere Struktur, Staatsaufsicht und die Absicht gemeinsame Interessen der Mitglieder zu fördern sind die wesentlichsten Kriterien, durch welche diese Institutionen gekennzeichnet sind. Der Begriff "parafiskalisches Gebilde" ist also enger gezogen als der von Othmar Spann verwendete Begriff des "Standes" und der von Walter Heinrich verwendete Begriff des "Wirtschaftsverbandes".
Zielsetzungen - Aufgaben - Bedeutung Die parafiskalischen Gebilde decken kollektiven Bedarf und zwar solchen, der in Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätprinzip von kleineren zwischen- und nebengeschalteZuerst erschienen in: Lob, J., Riehl, H., Schöndorfer, U. (Hrsg.): Ein Beitrag zur Ganzheitsforschung, Festschrift für Walter Heinrich, Graz 1963, S.333 - 344; hier: auszugsweise Wiedergabe.
24
Clemens-August Andreae
ten Institutionen nicht nur besser, sondern in der Regel auch ökonomischer gedeckt werden kann. Sie decken damit auch eine Art versteckten Staatsbedarf: denn würden sie nicht bestehen, so müßte der Staat ihre Aufgaben wahrnehmen. Auch zur Sicherung der demokratischen Willensbildung von "unten nach ober" erweist es sich als zweckmäßig, selbständige öffentliche Körperschaften zu errichten und diesen kleinere Gemeinschaftsaufgaben zu übertragen. In der Unmittelbarkeit des Kontaktes zwischen Mitglied und gewähltem Funktionär in den parafiskalischen Institutionen kommt das demokratische Prinzip viel mehr zum Tragen als bei den großen gebietskörperschaftlichen Gebilden. Die Haupttätigkeit dieser Körperschaften liegt im Bereich der Wirtschaftsgrundlagenpolitik und der Organisationspolitik. Die Hauptaufgaben der großen Wirtschaftskammern, nämlich der Kammer der gewerblichen Wirtschaft, der Landwirtschaftskammer und der Arbeiterkammer liegen nach Walter Heinrich auf folgenden Gebieten: Wahrnehmung der arbeitsrechtlichen Interessen ihrer Mitglieder, Abschluß von Kollektivverträgen, Wahrung des Arbeitsfriedens, Teilnahme an der Verwaltung der Wirtschaft und Erstattung von Berichten und Gutachten an die Landes- bzw. Bundesregierung über äußere Wirtschaftspolitik, Finanz- und Kreditpolitik, Gewerbe-, Verkehrs-, Preis- und Kartellpolitik, Zivil-, Straf-, Patent-, Gewerbe-, Arbeits- und Wasserrecht, Fremdenverkehr und dergleichen mehr. Der Gesamtarbeitsvertrag zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und damit ein wesentlicher Faktor zur Erhaltung des Arbeitsfriedens konnte überhaupt erst durch die Existenz von wirtschaftlichen Gesamtverbänden verwirklicht werden. Die große Bedeutung, die den Parafisci in Verfolgung ihrer öffentlichen Zwecke für Staat und Wirtschaft zukommt, wird noch ergänzt durch die Tatsache, daß durch die Zwangsmitgliedschaft fast jeder im Berufsleben stehende Staatsbürger von dieser oder jener Institution erfaßt wird. Es ist daher absolut notwendig, daß die Tätigkeit dieser Körperschaften im Rahmen von staatlichen Gesetzen erfolgt. Die Existenz der Parafisci hat für die Finanzpolitik erhebliche Konsequenzen. Die Aufgabenbereiche der einzelnen Körperschaften erfordern die Verfügungsgewalt über entsprechende Geldmittel und diese wieder bedingen eine entsprechende Kontrolle durch staatliche Organe. Damit aber sind wir bei den hier eigentlich interessierenden Problemen. (...)
Die parafiskalischen Gebilde
25
Kritische Würdigung Abschließend möchte ich das Wesentliche hervorheben und nochmals die Bedeutung dieser Gebilde würdigen. Ich teile das Urteil über ihre Bedeutung in zwei Elemente ein: nämlich in ein ökonomisches Urteil und ein außerökonomisches (metaökonomisches) Urteil. Zum ökonomischen Urteil sei festgestellt, daß die parafiskalischen Institutionen auf dem Prinzip der Funktionsübernahme beruhen. Sie übernehmen die Funktionen, die sonst dem Einzelnen zufallen, ziehen sie bei sich zusammen und befriedigen sie kollektiv. Oder sie übernehmen die Funktionen, die sonst dem größeren Kollektiv zufallen und befriedigen sie nach dem Subsidiaritätsprinzip. Ökonomisch sind diese Gebilde immer dann zweckmäßig und sinnvoll, wenn die übertragenen Staatsaufgaben oder die übernommenen Privataufgaben auf diese Weise kostengünstiger, also billiger erfüllt werden können. Dieser Begriff der Funktionsübernahme ist deswegen von großer Bedeutung, weil man sonst sehr leicht geneigt ist, vordergründig von Belastung zu sprechen im Zusammenhang mit parafiskalischen Zwangsbeiträgen. Man spricht im Zusammenhang mit den Sozialversicherungsbeiträgen immer wieder von der sog. sozialen Belastung ohne zu bedenken, daß diese ja einer Funktionsübernahme entspricht, d. h. also, daß im Budget des Arbeitnehmers selbst die Ausgaben für Krankheit, Altersvorsorge usw. wegfallen können. Es handelt sich also nicht um eine echte Belastung bei den Sozialversicherungsbeiträgen, sondern es handelt sich um eine Leistung und Gegenleistung. Nur soweit das Solidaritätsprinzip Platz greift und zwar in dem schon erwähnten Sinne, liegt eine echte Belastung vor. Und deswegen ist nicht nur psychologisch, sondern auch faktisch ein Vergleich zwischen Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeitrag unzulässig. Auch bei kritischer Würdigung der Beiträge der Kammermitglieder darf nicht übersehen werden, daß von den Kammern eine Fülle von Leistungen und Diensten für die Kammermitglieder erbracht werden, die von dem Einzelnen überhaupt nicht oder nur zu erhöhten Kosten zustandegebracht werden könnten. Wende ich mich nun dem außerökonomischen Urteil zu, dann bedeutet die Existenz der parafiskalischen Institutionen, daß eine optimale gesellschaftliche Ordnung möglich ist, daß zwischen Staat und Einzelnem die Vielfalt gesellschaftlicher Instanzen stehen kann, gesellschaftlicher Instanzen, die ohne finanzwirtschaftlichem Untergrund nicht existieren könnten. Wir wissen, daß gerade im Dritten Reich die Ausschaltung dieser Zwischeninstanzen im wesentlichen durch Aushöhlung der Finanzgewalt erfolgt ist und daß dann die politische Gleichschaltung kein besonderes Problem mehr darstellte. Wir werden also sagen müssen, daß sowohl der Föderalismus, was die Gebietskörperschaften
26
Clemens-August Andreae
angeht, wie der Parafiskalismus notwendige Unterlagen für einen vielfältigen Gesellschaftsaufbau sind. Der hl. Thomas von Aquin sagte, daß Ordnung Einheit in der Vielheit ist. Ich möchte dies finanzwirtschaftlich abwandeln und sagen: Die Finanzordnung beruht auf der Einheit der staatlichen Finanzwirtschaft und ihrer Oberhoheit, aber in der Vielheit der parafiskalischen Institutionen.
Die Finanzwirtschaft intermediärer Gruppen* Christian Smekal
Abgrenzung des Bereichs der Intermediären Finanzwirtschaften
Abgrenzung von parafiskalischen und hilfsfiskalischen Haushalten Die dogmengeschichtlichen Beiträge zum Problem der Parafiskalität haben gezeigt, daß die Theorie der Parafiskalität zu einseitig, zu eng und durch die unklare Trennung des staatlichen vom intermediären Bereich zu ungenau ist, um das Wesen der intermediären Finanzwirtschaften zu erfassen. Durch die einseitige Ausrichtung der Theorie auf das juristische Kriterium der hoheitlichen Mittelbeschaffung verfängt sich diese in einem Formalismus, da sie ihr Erkenntnisobjekt vom Instrument zur Erreichung eines Zieles und nicht vom Ziel selbst ableitet. Parafiskalität liegt nicht vor, weil Zwangsabgaben eingehoben werden, sondern umgekehrt werden in gewissen Fällen Zwangsabgaben eingehoben, weil Parafiskalität vorliegt. Um das Wesen der Parafiskalität zu erfassen, ist es daher notwendig, von den Zielvorstellungen und von den Entscheidungsbereichen auszugehen. Die intermediären Finanzwirtschaften beziehen ihre Zielvorstellungen von ihrer Gruppe. In erster Linie bestehen sie darin, deren wirtschaftliche und soziale Lage zu verbessern und zu fördern. Aus diesen Zielen ergibt sich ihr Entscheidungsbereich, der alle gruppenrelevanten Interessen umfaßt. Dadurch sind die intermediären Gruppen eindeutig vom staatlichen Bereich abzugrenzen, auf den sich zwar ihre politische Aktivität vorwiegend ausrichtet, dem sie aber nicht angehören, da dem Staat die Wahrnehmung einzelner Gruppeninteressen grundsätzlich fremd ist. Kennzeichen der ausschließlichen Gruppenbezogenheit ist der eigenständige Wirkungsund Entscheidungsbereich, im allgemeinen als Selbstverwaltung bezeichnet, der seinen Ausdruck in einer entsprechenden Organisation findet. Dabei ist es unerheblich, ob die Organisation durch staatliche Initiative, also von oben, geschaffen wird, oder ob sie sich von unten bildet. Bei vom Staate initiierten Gründungen behält sich dieser meist ein gewisses Mitsprache- oder Aufsichtsrecht vor, so daß nur mehr eine abgestufte Selbstverwaltung gegeben ist. Das Problem besteht hier darin, den Punkt festzustellen, nach dessen Uberschreiten nicht mehr von Selbstverwaltung gesprochen werden kann. Dies Zuerst erschienen: Innsbruck 1969; hier auszugsweise Wiedergabe.
28
Christian Smekal
wird dann der Fall sein, wenn eine übergeordnete Instanz in der Lage ist, die Entscheidungen nachträglich zu korrigieren. Damit ist eine zweite wichtige Abgrenzung zum staatlichen Bereich hin gegeben. Wenn der Staat seinerseits Befugnisse funktionaler oder räumlicher Art aus dem Haushalt ausgliedert und an öffentliche Körperschaften überträgt, so werden diese Körperschaften nur in den seltensten Fällen zu autonomen Entscheidungsträgern, sondern letztlich zu Vollstreckern des staatlichen Willens. Sie sind dann nicht Ausdruck einer echten Dezentralisation, sondern bestenfalls einer Dekonzentration innerhalb des Staates. Dementsprechend weist ihre Finanzgebarung nur hilfsfiskalischen Charakter auf. Von den hilfsfiskalischen sind also streng die prafiskalischen Gebilde zu unterscheiden, deren Finanzgebarung auf der Verrichtung eigenständiger, selbstverantwotlicher Aufgaben im Dienste einer intermediären Gruppe beruht. Ihre Finanzwirtschaften sind Ausdruck einer echten Dezentralisierung im Sinne einer funktionalen Aufgabenverteilung in der Gesellschaft. Unwillkürlich drängt sich ein Vergleich zum regionalen Pluralismus, dem Föderalismus, auf. Hier wie dort handelt es sich darum, kleinere Gruppen, seien sie räumlich oder funktional organisiert, zur Vertretung und Verrichtung ihrer eigenen Interessen einen Anteil an der politischen Willensbildung einzuräumen. In beiden Fällen muß der Zentralstaat die überhöhende und ausgleichende Einheit bilden. Andernfalls wären Gruppenanarchie auf der einen und regionaler Partikularismus auf der anderen Seite die Folge. Während das Verhältnis, nicht nur das finanzielle, zwischen Zentralstaat und Gebietskörperschaften rechtlich weitgehend geregelt ist, fehlt eine solche Regelung im Verhältnis zwischen Staat und intermediären Gruppen vollkommen. Perroux meint, daß die liberale Erklärung der Menschenrechte durch eine Erklärung der Gruppenrechte ergänzt werden müsse. (...) Für die Finanzwirtschaften des intermediären Bereiches ist daher die finanzielle Autonomie von höchster Bedeutung. Die Erfahrung hat gezeigt, daß eine nur gesetzlich fundierte Selbstverwaltung, wenn sie nicht durch eine finanzielle Autonomie untermauert ist, auf die Dauer nur eine Scheinlösung darstellt. Das hat die Geschichte der Gemeindeautonomie ebenso gezeigt, wie es heute bei den Universitäten augenscheinlich wird, deren finanzielle Abhängigkeit vom Staat ihre Selbstverwaltung in zunehmendem Maße aushöhlt. Ist nun die Abgrenzung intermediärer Finanzwirtschaften zum Staate hin durch die entscheidungs- und finanzpolitische Autonomie gegeben, so verbleibt noch die wesentlich schwierigere, entgegengesetzte Grenzziehung zu jenem Bereich der Vereinshaushalte, deren es zwar unzählige gibt, die aber keinerlei politische Bedeutung aufweisen.
Die Finanzwirtschaft intermediärer Gruppen
29
Abgrenzung von parafiskalischen und Vereinshaushalten War bei der Abgrenzung zum Staate hin davon auszugehen, daß intermediäre Gruppen über einen eigenständigen Wirkungsbereich verfügen und dem nichtstaatlichen Bereich angehören, so muß die Grenzziehung nach unten hin durch die politische Relevanz dieser Gruppen erfolgen. Der Begriff der Gruppe im soziologischen Sinn bedarf also einer Einschränkung. Nur solche, die im intermediären Raum zwischen dem Staat und dem einzelnen politisch tätig werden und bestrebt sind, an der staatlichen Willensbildung mittelbar mitzuwirken und auf sie Einfluß zu nehmen, sind der Parafiskalität zuzurechnen. Der Begriff der politischen Relevanz bedarf zu seiner Kennzeichnung einiger genauerer Kriterien. Egner liefert dazu die brauchbare Unterscheidung in einen formalen Sinn mit akzessorischem Charakter. Konstitutiv ist ein Haushalt dann, wenn er für das Zusammenleben der entsprechenden Gruppe existentielle Bedeutung hat. Ein akzessorischer Haushalt hingegen befriedigt nur einzelne Bedürfnisse mit ergänzendem Charakter, er ist also grundsätzlich entbehrlich. Meist umfaßt er auch nur einen kleinen lokalen oder regionalen Bereich. Entgegen der Meinung von Egner, wird hier die Ansicht vertreten, daß parafiskalische Gebilde Haushalte mit konstitutivem Charakter darstellen. Sie bestimmen das Wesen der Gruppengesellschaft, sie haben ordnungsstiftende Bedeutung, ganz gleich, ob sie ihre Entstehung einer Funktionsdelegation von oben oder einer Funktionsacquisition von unten verdanken. Im letzteren Fall spielt es auch keine Rolle, ob ihre politische Funktion gesetzlich fundiert oder nur faktisch anerkannt ist. Egner sieht diese politische Bedeutung nicht. Für ihn liegen die Gewerkschaften und Fußballvereine auf derselben Ebene. Sie stellen akzessorische Haushalte auf Grund von Interessengemeinsamkeiten dar, in die man beliebig eintreten bzw. aus denen man beliebig austreten kann. Welches sind nun die konstitutiven Merkmale der intermediären Finanzwirtschaften? Zunächst ist ihr umfassender sachlicher und räumlicher Vertretungsbereich zu nennen. Auf Grund dieser funktionalen Totalrepräsentanz haben ihre Handlungsweisen auf alle Angehörigen der entsprechenden Gruppe, auch auf solche, die nicht als Mitglieder organisiert sind, Auswirkungen. Daraus kann sich unter Umständen sogar ein geringerer Organisationsgrad ergeben, da die Gruppenangehörigen wissen, daß sie von den Errungenschaften der Organisation auf alle Fälle profitieren. Das wiederholte Bestreben von Seiten der Gewerkschaften, auch von den sogenannten "nichtorganisierten Trittbrettfahrern" finanzielle Beiträge zu kassieren, ist aus dieser Sicht verständlich. (...) Vor dem gleichen Problem steht jedoch auch die Industriellenvereinigung, die als Vertreterin der
30
Christian Smekal
Interessen des freien Unternehmertums "zwangsläufig" auch jene vertritt, die ihr aus irgendwelchen Gründen nicht beitreten, gleichwohl aber aus existentiellen Gründen an einem freien Unternehmertum interessiert sein müßten. Finanzwissenschaftlich ergibt sich hier die eminent wichtige Entscheidung, ob die freiwilligen nicht durch Zwangsbeiträge zu ersetzen sind, wie es ja im Falle der Kammern bereits gemacht wurde. Infolge der umfassenden Repräsentanz hat es für den Einzelnen keine Wirkung, ob er Beiträge zahlt oder nicht. Er kann seine eigene Präferenz sehr niedrig ansetzen, im Extremfall keine Beiträge zahlen und trotzdem den gleichen Umfang der bereitgestellten kollektiven Güter konsumieren, da das Ausschlußprinzip nicht funktioniert. So wird ersichtlich, wie eng hier Freiheit und Zwang beieinander liegen. Ein gewisser Ausgleich kann dadurch geschaffen werden, daß die intermediären Gruppen zusätzlich individuelle Güter produzieren, bei denen das Ausschlußprinzip funktioniert. Kostenlose Abschleppdienste und kostenloses Services beim OAMTC, Kohlenaktionen, Fortund Ausbildungskurse für Gewerkschaftsmitglieder gehen in diese Richtung. Darüber hinaus kann durch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit und Werbung ein sozialer und moralischer Druck zum Beitritt erzeugt werden. Die Gefahr besteht allerdings darin, daß die Methoden des "weichen Zwanges" sehr subtil sein können. So ist es auffallend, daß beispielsweise der gewerkschaftliche Organisationsgrad in der verstaatlichten Industrie bei nahezu 100 % liegt, während er auf Gesamtösterreich bezogen nur ca. 60 % beträgt, eine Ziffer, die im Vergleich zu anderen europäischen Ländern noch immer als hoch bezeichnet werden kann. Auf der Seite zum Staat hin zeigt sich die politische Relevanz der intermediären Gruppen in ihrer engen Beziehung, ja Verzahnung mit staatlichen Stellen. Kaiser spricht sogar von einem "polaren Verhältnis intimster Wechselbeziehung" zwischen Gesellschaft und Staat. Ausdruck dieses Verhältnisses ist ein gegenseitiges Informationsbedürfnis. Die Gruppen suchen direkten Kontakt mit staatlichen Stellen, mit Regierung, Behörden, Parlament und Parteien. Dieser Kontakt kann institutionalisiert, aber auch informell sein. Meist ist er durch ein Netz persönlicher Beziehungen wirkungsvoll ergänzt. Der Staat seinerseits zieht die Gruppenorganisationen zur Mithilfe bei politischen Entscheidungen, für Gesetzesbegutachtungen und -Vorschläge, aber auch für die Abfassung allgemeiner die Wirtschaftslage betreffender Berichte heran. Das Ausmaß der wechselseitigen Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft wird somit auch in der Unterhaltung eines eigenen bürokratischen Apparates durch die Gruppen sichtbar. Besonders die gesetzlichen Staatsvertretungen verfügen über eine beachtliche Kammerbürokratie. Während der Gewerkschaftsbund mit rund 1300 Angestellten den Kammern schon ziemlich nahe kommt, nimmt sich die österreichische Industriellenvereinigung mit ca. 90 Angestellten dagegen relativ bescheiden aus. Dies ist allerdings vornehmlich auf die
Die Finanzwirtschaft intermediärer Gruppen
31
unterschiedliche Struktur zurückzuführen, da der Ö G B eine ausgesprochene politische Massenorganisation, die Industriellenvereinigung hingegen eine wirtschaftliche, mitgliederschwächere Organisation darstellt. Bei den akzessorischen Vereinshaushalten ist im Gegensatz dazu keine politische Relevanz gegeben. Bei ihnen steht die Innenarbeit, der interne Erfahrungsaustausch, die Pflege und Förderung der eigenen Funktionen im Vordergrund, ohne an die Träger der staatlichen Willensbildung heranzutreten bzw. heranzukommen. Ihre Hauptfunktion besteht in der Betreuung ihrer Mitglieder, weshalb sie auch eine Vielfalt von Erscheinungsformen, bald untereinander konkurrierender, bald lokal begrenzter Organisationen aufweisen. Sie sind eben nur-gesellschaftliche, nur-wissenschaftliche oder nur-kulturelle Vereinigungen, die des politischen Bezugs entbehren. In der Regel verfügen sie auch nur über spärliche Informationsquellen. Ihre Informationen erhalten sie vornehmlich aus der Presse, zu der sie gute Beziehungen unterhalten und durch die sie ihrerseits die Öffentlichkeit von ihrer Arbeit unterrichten. Allerdings darf diese Unterscheidung nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Übergänge von einem Verein zu einem politisch relevanten Gruppenhaushalt fließend sind. Manche Gruppe, die zunächst ein nur nach innen gerichtetes Vereinsdasein führt, kann sich durch das wachsende Gewicht ihrer gesellschaftlichen Bedeutung auf die politische Ebene schwingen, manche andere wiederum zu politischer Bedeutungslosigkeit herabsinken. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Stimmengewicht, bei dem ab einer bestimmten Grenze sozusagen Quantität in die Qualität umschlägt. Die Problematik der Grenzziehung ändert nichts an der Tatsache, daß die politische Relevanz als wesensbestimmend für das Vorhandensein von Parafiskalität anzusehen ist. Wie bereits dargelegt, liegen die Voraussetzungen dazu einerseits in dem gesellschaftlichen Gewicht der Gruppe und der daraus resultierenden umfassenden Funktionalrepräsentanz und andererseits in der engen Wechselbeziehung zu staatlichen Stellen, durch die es ihnen möglich ist, auf die staatliche Willensbildung Einfluß zu nehmen. Aus der politischen ergibt sich die finanzwissenschaftliche Relevanz. Da gruppenspezifische Kollektivgüter angeboten werden, können die selben Mengen des Angebotes von allen Mitgliedern konsumiert werden. Das Ausschlußprinzip funktioniert nicht, so daß die Konsumenten nicht bereit sein werden, ihre Präferenzen bekanntzugeben. So muß der Marktprozeß durch einen politischen Prozeß abgelöst werden. Das Verhältnis von Beitrag und Vorteil für den einzelnen muß durch Wahlen bzw. von den durch die Wahlen ermittelten Organen festgelegt werden. Dabei ergibt sich bei den intermediären Finanzwirtschaften ein besonderes Problem. Im Gegensatz zum Staat deckt sich bei ihnen, da nicht in allen Fällen Zwangsmitgliedschaft besteht, der Entscheidungs- und
32
Christian Smekal
Wirkungsbereich nicht immer mit dem Organisationsbereich. Darauf müssen sie hinsichtlich der Finanzgebarung Rücksicht nehmen und versuchen, durch verschiedene Methoden einen "Finanzausgleich" herbeizuführen. Gesetzlicher, sozialer, moralischer Beitragszwang, staatliche Zuschüsse sowie die Ansammlung großer Reserven und Erschließung eventueller Erwerbseinnahmen bilden hier die Skala der Möglichkeiten.
Parafiski* Klaus Tiepelmann
Die vielgliedrige Staatswirtschaft Die regionale Dezentralisation der staatlichen Willensbildung und Haushaltsführung relativiert viele unter der Fiktion einer öffentlichen Hand gewonnenen Forschungsergebnisse, erschwert die Transformation wissenschaftlicher Handlungsanweisungen in die finanzpolitische Praxis und wirft zudem neue Probleme auf. Das gilt besonders angesichts zahlreicher Institutionen und Organisationen, die - von Land zu Land in unterschiedlichem Maße - zu Trägern bestimmter öffentlicher Aufgaben oder Kollektivleistungen geworden sind und eine mehr oder weniger starke Unabhängigkeit von den regionalen Staatsorganen genießen, die Parafiski. Seit rund einem halben Jahrhundert bezeichnet man solche Selbstverwaltungskörper mit F. K. Mann auch als intermediäre Finanzgewalten, weil sich deren Tätigkeit im Raum zwischen Staat und Bürger entfaltet und sie oft mit dem Recht zwangsweiser Umlage ausgestattet sind. Auch die Begriffe Hilfsfiskus oder Nebenfiskus werden in der Literatur oft synonym verwendet und deuten darauf hin, daß die parafiskalischen Gebilde früher überwiegend als technisch oder politisch-taktisch bedingte Ausgliederungen bestimmter Funktionen aus der allgemeinen Haushaltswirtschaft des Staates interpretiert wurden.
Traditionelle Merkmale parafiskalischer Gebilde Obwohl es keine gesetzlich, etwa in der Finanzverfassung festgelegte Definition der parafiskalischen Gebilde gibt, sind es vorwiegend juristische Merkmale, mit denen man bis heute versucht, den intermediären Bereich gegen den rein staatlichen und privaten abzugrenzen. (...) Die ... Merkmale kennzeichnen vor allem die drei "klassischen" Arten der Parafiski, die Religionsgemeinschaften, soweit ihnen öffentlich-rechtliche Korporationsrechte verlie-
*
Zuerst erschienen in: Wirtschaftsstudium (WISU), Bd. 4, 1975, S.295-300; hier: auszugsweise Wiedergabe.
34
Klaus Tiepelmann
hen sind, die Sozialversicherung mit ihren einzelnen Sparten (Kranken-, Unfall-, Renten- und später auch Arbeitslosenversicherung), in denen sich jeweils mehrere selbständige Körperschaften betätigen, und die Selbstverwaltung der Wirtschaft. Letztere umfaßt die berufsständischen Vertretungen des Handels und der Industrie, des Handwerks, der Landwirtschaft und der freien Berufe in speziellen Kammern, Verbänden und Genossenschaften, die den Parafiski auch meistens nur insoweit zugerechnet werden, als sie in öffentlich-rechtlichen Körperschaften organisiert sind. Anhand dieser drei Kernbereiche parafiskalischer Betätigung sind die traditionellen Abgrenzungsmerkmale überhaupt erst entwickelt und erprobt worden. Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß Abgrenzungsschwierigkeiten häufig dann auftauchn, wenn versucht wird, diese Merkmale auf andere Institutionen oder Organisationsformen des sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Lebens anzuwenden, die beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung, z. B. in der Bundesrepublik, vorgefunden werden. Der Versuch, über den herkömmlichen Bereich der Parafiski hinauszublicken, ist aber durchaus sinnvoll und notwendig, weil viele finanzwissenschaftlich interessante Erscheinungen und Probleme, die innerhalb dieses Bereichs zu beobachten sind, auch außerhalb seiner Grenzen auftauchen. (...) Es kann festgehalten werden, daß mit den traditionellen Begriffsmerkmalen eine Abgrenzung der Parafisken von anderen staatlichen Finanzwirtschaften (Gebietskörperschaften), von öffentlichen Betrieben, Stiftungen, Banken und Fonds sowie von aus öffentlichen Kassen geförderten privaten Vereinen, Veranstaltungen und Unternehmen eine keineswegs allgemeingültig zu lösende Aufgabe ist, die deshalb in der einschlägigen Literatur sehr unterschiedliche Lösungsvorschläge gefunden hat. Angesichts dieser, durch eine beinahe willkürliche Anwendung von meist juristischen Abgrenzungskriterien bestehenden Unsicherheit über den tatsächlichen oder gar wünschenswerten Umfang parafiskalischer Aktivitäten in einer Volkswirtschaft, ist es naheliegend, daß die Finanzwissenschaft den Versuch macht, mit eigenen Kriterien ihren Kompetenzbereich abzugrenzen, soweit er nicht schon durch das Tätigkeitsfeld der Gebietskörperschaften umrissen ist. (...)
Finanzwissenschaftliche Beurteilung der Parafiski In der finanzwissenschaftlichen Literatur haben die parafiskalischen Gebilde eine eher negative Beurteilung erfahren, die bereits auf die scharfe Kritik der Budgetfachleute an der älteren Fondswirtschaft zurückgeht.
Parafiski
35
Bei dieser Fondswirtschaft, die bis ins 18. und 19. Jahrhundert hinein die Finanzwirtschaft vieler Länder prägte, wurden bestimmten öffentlichen Aufgaben bestimmte Einnahmequellen zugewiesen und eine Vermischung der Fondsmittel weitgehend zu verhindern gesucht. Im Kampf gegen die Zersplitterung der öffentlichen Finanzwirtschaft in zahlreiche Fonds haben sich insbesondere die Grundsätze der Einheit des Budgets und der Kassenhaltung und das Nonaffektationsprinzip, als das Verbot der Zweckbindung öffentlicher Einnahmen, herausgebildet und Geltung verschafft. Eine Staatswirtschaft, die sich in zahlreiche Fonds mit mehr oder weniger autonomer Verwaltung und Willensbildung verzweigt, drohte unübersichtlich und damit gesamtwirtschaftlich unkoordinierbar und unkontrollierbar zu werden. Sie müsse der Gefahr struktureller Ineffizienz erliegen. Ähnlich wie die ältere Fondswirtschaft sei auch die hilfsfiskalische Verzweigung, der Pluralismus der funktionalen Finanzwirtschaften, zu beurteilen, der nicht nur den genannten Grundsätzen der Budgeteinheit und Nonaffektation zuwiderliefe, sondern auch denen der Klarheit, Öffentlichkeit und Vollständigkeit widerspräche. Aber die Beurteilung intermediärer Finanzwirtschaften lediglich nach den überkommenen Haushalts- und Finanzbedarfsdeckungsregeln wird der modernen Entwicklung auf diesem Gebiet nicht mehr gerecht, zumal oft finanzierungs-, verwaltungs- und betriebstechnische Argumente eine Ausgliederung und Verselbständigung öffentlicher Funktionen aus und von dem Haushalt einer Gebietskörperschaft nahelegen, um z. B. die Vorteile der Spezialisierung, der Arbeitsteilung, der größeren Beweglichkeit und Effizienz einer unabhängigen, nicht an den zentralstaatlichen Entscheidungsprozeß gebundenen selbständigen Körperschaft im Interesse aller Beteiligten wahrzunehmen. Eine positive Beurteilung erfahren die Parafiski auch häufig aus der Sicht der Bejahung eines föderativen, dem Subsidiaritätsprinzip verpflichteten Staatsaufbaus. Die in der Organisation selbständiger Länder und Gemeinden zum Ausdruck kommende Dezentralisierung alles Staatlichen, die die Nähe zum Bürger und damit auch die soziale und solidarische Verantwortung stärken soll, könnte sich auch in einer nach diesen Normen wünschenswerten funktionalen Differenzierung kollektivgüterwirtschaftlicher Tätigkeit ausdrücken. Erst sie läßt R a u m für die spontane Bildung von selbständigen Kollektiven zur Befriedigung von individuellen Bedürfnissen und mißtraut der Bündelung alles Öffentlichen in einer - wenn auch demokratisch gelenkten - zentralstaatlichen Hand. Diese Rechtfertigung wird der Tendenz nach untermauert durch die Versuche einer:
modernen
36
Klaus Tiepelmann
Neudefinition von Parafiski auf finanztheoretischer Grundlage Ausgehend von der Lehre von Kollektivgütern (R. A. Musgrave, J. G. Head, R. Dorfman u. a.), die durch die Merkmale Nichtrivalität und Nichtausschließbarkeit beim Konsum charakterisiert sind, und der Theorie des Gruppenhandelns (M. Olson jr., J. M. Buchanan, G. Tullock u. a.) wird festgestellt, daß Verbände, Vereine und Clubs oft Leistungen zur Verfügung stellen, die allen Angehörigen einer bestimmten Gruppe zugute kommen, ob sie nun organisiert sind oder nicht (Beispiele: Gewerkschaften, freie Wirtschaftsverbände, verfaßte Studentenschaft u. a.). Der Verband produziert Kollektivgüter mit positiven externen Effekten auch für Nichtmitglieder. Daraus ergibt sich die bekannte free-rider-Problematik; denn niemand ist ohne zusätzliche Motive wie politische Solidaritär, Sondervorteile der Verbandsmitgliedschaft o. ä. bereit, finanzielle oder andere persönliche Opfer für Güter und Leistungen zu erbringen, die er ohne weiteres frei und in gleichem Umfang in Anspruch nehmen kann. Und selbst für organisierte Mitglieder der Gruppe ergibt sich das typisch finanzwirtschaftliche Problem, das Verhältnis von Nutzen und finanziellem Beitrag zu bestimmen. C. A. Andreae und Ch. Smekal haben diese Problematik mit der Begriffsbestimmung der Parafiski in Verbindung gebracht. Sie grenzen die parafiskalischen Gebilde zum Staat ab, indem sie ihre Ausrichtung auf Gruppen- oder Partikularinteressen betonen, während dem Staat die Wahrnehmung von Gruppeninteressen grundsätzlich fremd sei. Ausdruck dieser Gruppenbezogenheit sei die auf Selbstverwaltung abgestellte innere Organisation und die finanzielle Autonomie. Die free-rider-Problematik drückt sich bei den Parafiski in dem Streben nach staatlicher Anerkennung einer Zwangsmitgliedschaft mit Beitragspflicht oder anderen Formen des Finanzausgleichs durch Zuweisung bestimmter Einnahmequellen oder Förderung aus dem Haushalt einer Gebietskörperschaft aus. Für die Abgrenzung der gruppenfiskalischen Haushalte "nach unten", z. B. im Bereich der privaten Vereinshaushalte, schlagen Andreae und Smekal die Kriterien der politischen Relevanz und der funktionalen Repräsentanz vor. Beide Kriterien hängen eng mit den externen Effekten der Verbandstätigkeit zusammen; denn Ausdruck der politischen Relevanz der Parafiski kann nur ein über den Club oder Verein weit hinausreichender räumlicher und sachlicher Vertretungsbereich sein. Es leuchtet unmittelbar ein, daß mit dieser finanztheoretischen Begriffsbestimmung der Kreis parafiskalischer Institutionen sehr viel weiter gezogen werden kann, als es die traditionell juristisch bestimmten Kriterien vermochten oder beabsichtigten. Nicht nur die
Parafiski
37
staatlich anerkannten, sondern auch die "freien Interessengruppen in der Demokratie" (Klaus v. Beyme) wären bereits dem parafiskalischen Bereich zuzurechnen. Und die Übertragung hoheitlicher Mittel oder die Begründung der Zwangsmitgliedschaft wären nur die Parafiski begünstigende Sonderfälle, in denen die drängende Problematik der Finanzierung der von den Parafisken angebotenen kollektiven Leistungen eine Lösung gefunden hat. Aber mit der Übernahme der Verantwortung für die Abgrenzung des parafiskalischen Bereichs hat die Finanztheorie noch nicht die Aufgabe gelöst, eine über die Grenzen des Faches hinaus akzeptierte Begriffskonvention zu finden, die für empirische Analysen und politisches Handeln operationalisierbar ist. Steht diese Diskussion also im Moment noch in ihren Anfängen, so mag sie doch zukunftsweisend sein für eine Neuordnung der öffentlichen Finanzwirtschaften, die heute noch überwiegend im Spannungsfeld zwischen Verstaatlichung und Reprivatisierung gesehen wird. Die Forderung nach der bewußten Gestaltung eines dritten, parafiskalischen Bereichs, der die gruppenbezogenen Kollektivgüter bereitstellt, ihre Finanzierung organisiert und nur in dem Maße Staatszuschüsse erhält, in dem allgemeine externe Effekte anerkannt werden müssen, könnte zur Entlastung der Staatswirtschaft beitragen, ohne die vielfach überstrapazierte Formel von der Reprivatisierung zu bemühen.
Zweiter Teil: Die aktuelle Kontroverse
Die Theorie der Parafiskalität: Ihr Stand, ihre Entwicklung, ihre Schwächen* Claus Rinderer
1 Problemstellung J. B. Say verweist in seinem 1803 erschienenen Monumentalwerk "Traité d'économie politique" bei der Besprechung der öffentlichen Finanzen auf Einnahmen, "welche im Budget nicht vorkommen", wenngleich sie dem Staat zuzurechnen seien. Als Beispiel werden u. a. die Einnahmen aus dem Zehent, den die Anglikanische Kirche in England damals einhob, angeführt (Say 1831, 24). Ein Einkommen dieser Art sei, "wiewohl es nicht im Budget figurirt, demohngeachtet eine schwere Last, die auf den Völkern drückt." (25). Diese Vorstellung, daß bei einer Betrachtung der ökonomischen Aktivitäten eines Staates sich immer ein Définitions- und Abgrenzungsproblem der Staats- von der Privatwirtschaft stellt, findet sich dann auch durchgängig bei den Klassikern der deutschen Finanzwissenschaft des vorigen Jahrhunderts. Insofern die Finanzwissenschaft als eine eigenständige, mehr oder weniger von der Nationalökonomie unabhängige Disziplin verstanden wurde, konnte auch nur eine relativ breite Definition des öffentlichen Sektors den Finanzwissenschaftler legitimieren, sich mit "staatsähnlichen" Formen der Einnahmenerzielung - etwa, um beim Beispiel von Say zu bleiben, bei einer Religionsgemeinschaft - zu beschäftigen. Und doch ließ eine eingehendere Beschäftigung mit diesen Überlegungen bis auf die Zwischenkriegszeit dieses Jahrhunderts auf sich warten. Seither wird in der Literatur bei einer institutionellen Abgrenzung des Untersuchungsobjektes der Finanzwissenschaft
Claus Rinderer hatte kurz vor seinem Tod den Herausgebern zugesichert, den einleitenden Beitrag zum zweiten Teil des Bandes auf der Grundlage einer von ihm verfassten Diskussionsschrift (mit identischem Titel) und seiner bei C. A. Andreae gefertigten Dissertations zum Thema "Religionsgemeinschalten in einer finanzwissenschaftlichen Perspektive" zu verfassen. Da Claus Rinderer dies nicht mehr zu Ende führen konnte, habe ich den vorliegenden Beitrag aus den beiden genannten Schriften Claus Rinderers zusammengestellt. Dabei war ich bemüht, die Essenz seiner Überlegungen möglichst unverfälscht zu erfassen, was mir verschiedene Gespräche und eine umfassende Korrespondenz über seine Dissertation erleichterten. Es wurden ausschließlich Originalformulierungen Rinderers in den vorliegenden Beitrag aufgenommen; Klaus Tiepelmann.
42
Claus Rinderer
neben den Gebietskörperschaften auf die sog. Hilfs- bzw. Parafisken verwiesen. Diese werden als ein Teil des öffentlichen Sektors angesehen, so daß neben eine territoriale eine funktionale Aufgliederung öffentlicher, (im weiteren Sinne) staatlicher Aktivitäten tritt. Die Frage, welche Körperschaften zu dieser nichtterritorialen Komponente des öffentlichen Sektors zu zählen sind, wird in der Literatur sehr unterschiedlich beantwortet. Einigkeit besteht darüber, daß die mit Pflichtmitgliedschaft ausgestatteten Berufsvertretungen auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite zu diesen parafiskalischen Gebilden zu rechnen sind. Auch bei den Sozialversicherungsträgern ist eine Charakterisierung als Parafisken außer Diskussion. Kontroversiell wurde und wird hinsichtlich der Religionsgemeinschaften und der öffentlichen Unternehmen argumentiert, wenngleich unter den wichtigsten Vertretern der Theorie ein Konsens darüber besteht, daß wohl die Religionsgemeinschaften, nicht jedoch die öffentlichen Unternehmen unter den Parafiskalitätsbegriff zu subsumieren sind. Diese uneinheitliche Zuordnung einzelner Institutionen zum Phänomen der Parafiskalität hängt eng mit dem Umstand zusammen, daß die zunächst in den zwanziger Jahren formulierte Theorie bis zu Beginn der achtziger Jahre mehrfach erweitert und abgeändert wurde.
2 Vorläufer einer Theorie der Parafiskalität Während Say auf bestimmte "Transaktionen" außerhalb des staatlichen Rahmens verwies, stellen die Autoren der deutschen Finanzwissenschaft des vorigen Jahrhunderts die Existenz bestimmter, näher zu untersuchender "Transaktoren" bzw. Institutionen in den Vordergrund. So unterscheidet A. Schäffle zwei Hauptgattungen von Verbänden öffentlichen Rechts: "... auf der einen Seite stehen verschiedenerlei Spez/a/verbände für besondere Zweige des Volkslebens wie Kirche, Schule, Wirtschaftskammern, Zwangsversicherungskörper, öffentliche Stiftungen u.s.w. Auf der anderen Seite treten jene öffentlichen Gemeinschaften hervor, welche alle Arten örtlich (gebietlich, teritorial) gemeinsamer Interessen in sich zusammenfassen, um sie mit dem Willen und der Macht der Gesamtheit wahrzunehmen, nämlich die Gebietskörperschaften oder Territorialkörperschaften, kürzer - Gemeinwesen." (Schäffle 1895, 5; Hervorhebungen im Original). Im folgenden grenzt Schäffle allerdings seine
Untersuchungen
auf
"staatliche
Erscheinungen" ein, wobei "staatlich" als Unterbegriff für "öffentlich" fungiert (8).
Stand, Entwicklung und Schwächen der Theorie
43
Conrad stellt in seinem Lehrbuch gleich einleitend fest, daß sich die Finanzwissenschaft "mit der Wirtschaft des Staates im engeren Sinn, der Gemeinde und sonstigen öffentlichen Körperschaften" (Conrad 1909, 1) beschäftigt. Freilich verzichtet auch er im weiteren auf eine nähere Erörterung dieser "sonstigen öffentlichen Körperschaften". Vor allem aber ist an L. v. Stein zu erinnern, der in seinem 1860 erschienenen Lehrbuch Anstalten und Vereine zur Staatswirtschaft zählt, "sobald sie als Zweck ihrer Thätigkeit nicht das wirthschaftliche Interesse und die Erzielung eines Ertrags, sondern die Sorge für ein Bedürfniß der Gesammtheit setzen" (Stein 1860, 96), eine "Thätigkeit der Staatswirthschaft" ausführen. - Einziges Kriterium bei der Abgrenzung der "Staatsverwaltung" von der (ertragswirtschaftlichen) "Selbstverwaltung" ist bei Stein somit, modern gesprochen, die öffentliche Aufgabenerfüllung.
3 Phase I: Theorie der Hilfsfikalität
3.1 Theorie der Hilfsfiskalität: Eine erste Formulierung F. K. Mann, durchaus in der Tradition der deutschen Finanzwissenschaft mit ihrer (Über-)Betonung einnahmenseitiger Instrumente der Finanzwirtschaft stehend, stellt in einem 1928 publizierten Aufsatz fest, daß "die Steuern nicht die einzige Erscheinungsform fiskalischen Eingriffs in die Einzelwirtschaft" (Mann 1928, 219) bilden, sondern bei einer Untersuchung der Belastung des Bürgers "auch der von den intermediären Finanzgewalten ausgehende steuerartige und steuerähnliche Druck" (237; Hervorhebung nicht im Original) Berücksichtigung finden müsse. Der Staat delegiere öffentliche Pflichten und Rechte auf "nichtamtliche Stellen" (223), auf "Hilfsfisken" (224), welche auf gesetzlicher Grundlage Zwangsbeiträge einheben. Damit könne der Staat (i. e. S.) seinen Finanzbedarf "künstlich kleinhalten" (224), ohne aber den Entzug einzelwirtschaftlicher Kaufkraft bei den Zensiten zu mildern. Und doch steht Mann aus normativer Sicht der Existenz einer Vielzahl von Trägern öffentlicher Aufgabenerfüllung keineswegs ablehnend gegenüber. Dies wird vor allem im zwei Jahre später erscheinenden Lehrbuch zur Staatswirtschaftslehre deutlich, in dem der "hilfsfiskalischen Verzweigung" ein eigenes Kapitel gewidmet wird: Zwar sieht Mann in den Auslagerungen des Staates ein Instrument zur Verschleierung des "Finanzdrucks" (Mann 1928, 224), des tatsächlichen Ausmaßes der Belastung durch den öffentlichen Sektor, und er erwähnt auch die Verletzung von so manchem etablierten Budget-
44
grundsatz
Claus Rinderer
(Mann
1930,
19),
betont
aber
andererseits
organisatorische
und
finanzpsychologische Vorteile der Hilfsfisken (18 f.). Bezüglich der Abgrenzung der Hilfsfisken von anderen Organisationen lassen sich Manns Ausführungen auf zwei Kriterien verdichten: - Konstitutives Element der Definition von "Hilfsfiskus" - der Begriff "Parafiskus" wird erst in Mann (1959), und zwar synonym, verwendet - ist die Einhebung von Beiträgen mit Zwangscharakter. Dies veranlaßt Mann zur Feststellung, daß die Zwangsbeiträge der intermediären Finanzgewalten in ihren wirtschaftlichen Wirkungen "den Steuerwirkungen aufs Haar gleichen" (1930, 20). - Intermediäre Finanzgewalten verdanken ihre Existenz dem Staat und sie sind von diesem letztlich abhängig. Es ist kein Zufall, daß Mann von "Hilfsfisken" und nicht etwa von "Nebenfisken" spricht. Trotz rechtlicher Eigenständigkeit handelt es sich um bloße "Handlanger des Staates" (1928, 223), um "'vorgeschobene Posten' des Staates" (1968, 483). Erst in einer wesentlich späteren Publikation Manns wird das zweite Kriterium abgeschwächt. Daß Hilfsfisken nicht notwendigerweise vom Staat gegründet werden müssen, wird bei Mann (1971/72, 8) insofern herausgestrichen, als er auf die beobachtbare Tendenz verweist, "einige finanzpolitische Aufgaben autonomen Organen anzuvertrauen,
oder
halbautonomen
oder sogar autonome oder halbautonome Organe zu diesem
Zweck neu zu begründen" (Hervorhebung nicht im Original). Demnach können parafiskalische Organisationen vom Staat ausgehen, sie müssen aber nicht. Worauf es Mann in erster Linie ankommt, ist die staatliche Delegierung fiskalischer Rechte.
3.2 Theorie der Hilfsfiskalität: Eine Präzisierung Diese Theorie der hilfsfiskalischen Verzweigung, zweifellos ein historisch wichtiger Beitrag zur Frage der Abgrenzung von privatem und öffentlichem Sektor, wurde von Mann mit der Forderung verknüpft, die Hilfsfisken verstärkt einer empirischen Untersuchung zu unterziehen. In diesem Sinne wurden auch Manns frühe Überlegungen zur Hilfsfikalität durch W. Herrmann fortgeführt und erweitert. Seine Monografie mit dem Titel "Intermediäre Finanzgewalten" aus dem Jahre 1936 ist primär eine empirische Analyse der drei für den Autor wichtigsten "hilfsfiskalischen Hebestellennetze" (Herrmann 1936, 6) des damaligen Deutschland: die Träger der Sozialversicherung ("Sozialfisken") und der Berufsvertretungen ("Ständefisken") sowie die Kirchen ("Kirchenfisken").
Stand, Entwicklung und Schwächen der Theorie
45
Und doch wird Manns Theorie nicht unwesentlich ausgebaut. Herrmann fügt Manns entscheidendem Definitionskriterium der Hilfsfisken, nämlich der Zwangsfinanzierung ein zweites hinzu: "Es muß sich bei den Aufgaben dieser mit Einzugsrechten ohne Gegenrechnung ausgestatteten Institutionen um anerkannt
öffentliche
Aufgaben
...
handeln" (Herrmann 1936, 4; Hervorhebung im Original). Hier trifft sich Herrmann mit Stein, der ja schon von einer "Sorge für ein Bedürfniß der Gesammtheit" (Stein 1860, 95) gesprochen hatte. Die Beantwortung der Frage, welche Leistungen öffentlichen Charakter haben, welche nicht, überläßt Herrmann dem Staat; das Selbstverständnis der jeweiligen Organisation ist dabei irrelevant. Ein Hinweis für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben sieht Herrmann schon in der staatlichen Anerkennung der Zwangsfinanzierung einer Institution. Herrmann überwindet damit die Inputorientierung Manns; das Kriterium der öffentlichen Aufgabenerfüllung ist bei Herrmann jenem der Zwangsfinanzierung durchaus ebenbürtig. Beispielsweise sind Religionsgemeinschaften nicht nur deshalb als Hilfsfisken anzusehen, weil ihnen der Staat Besteuerungsrechte zugestanden hat (Herrmann 1936, 136), sondern auch, weil sie Leistungen erbringen, "durch die die Kirchen dem Staat unter die Arme greifen" (158). Dies allein sei ja auch die Rechtfertigung einer hilfsfiskalisch orientierten Mittelbeschaffung. Bei Herrmann wird auch deutlich, was Mann erst wesentlich später darlegte: Hilfsfisken sind "Kinder" oder aber "Adoptivkinder" des Staates (Herrmann 1936, 3): Es sind entweder "Ausgliederungen der öffentlichen Gewalt"; oder aber "bisher privaten Stellen" wird der "Zwangscharakter" verliehen. Die erstmals bei Herrmann vorzufindende Input- und Outputorientierung als gemeinsame Abgrenzungskriterien der intermediären Finanzgewalten bleibt im folgenden unwidersprochen. Mann selbst hebt in späteren Publikationen seine ursprünglich ausschließlich einnahmenseitige Betrachtung des Phänomens der Hilfsfiskalität auf: "Die Staatswirtschaftslehre ... handelt von allen Formen der Mittelbeschaffung verwendung,
und Mittel-
durch die der Staat und die übrigen öffentlichen Verbände am Wirt-
schaftsprozeß teilnehmen." (Mann 1954/55, 216; Hervorhebungen nicht im Original). Dieses zusätzliche Kriterium der Mittelverwendung ist auch bei Mann jenem der Mittelbeschaffung keineswegs untergeordnet. In seinem Aufsatz zum Methodenstreit der Finanzwissenschaft (1959) wird unmißverständlich klargestellt, daß eine finanzpolitische Bedeutung intermediärer Finanzgewalten in all jenen Fällen gegeben sei, "in denen diese Organisationen öffentliche Aufgaben erfüllen und die entstehenden Kosten durch Steuern oder Quasi-Steuern decken" (Mann 1959, 26).
46
Claus Rinderer
Als ein Zwischenresümee ist festzuhalten: Ausgangspunkt der Theorie der Hilfsfiskalität ist der empirische Befund, daß juristisch selbständige Organisationen mit staatsähnlichen Finanzierungssystemen existieren. Diese Institutionen sollen etwa bei einer finanzwissenschaftlichen Untersuchung
zur gesamtwirtschaftlichen
Steuerbelastung
nicht unberücksichtigt bleiben. Ein weitergehender Anspruch - etwa im Sinne einer Suche nach einem optimalen Mischungsverhältnis von staatlichen, quasi-staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen in der Volkswirtschaft - wird an diese Theorie von ihren Vertretern nicht gestellt. Das staatsnahe Finanzierungssystem wird für existierende staatsähnliche "nichtamtliche Stellen" (Mann 1928, 223) als ein Faktum hingenommen. Die Frage nach möglichen Begründungen für diese Finanzierungsform stellt sich für Mann überhaupt nicht, währenddessen für Herrmann dies einzig und allein eine Frage der Festlegung durch die jeweiligen politischen Entscheidungsträger darstellt. Die Parafiskalität steht, wie es Huppertz treffend formulierte, "nicht außerhalb, sondern innerhalb des Bereiches der Staatswissenschaft, zwar 'am Rande' der eigentlichen Fikalität und des Staatsbudgets, aber doch noch diesseits der Grenzpfähle des staatlichen Sektors".
4 Phase 2: Bipolarität der Parafiskalität
4.1 Eine Reformulierung der Theorie der Hilfsfiskalität Der Begriff der Parafiskalität, bislang ein Synonym für Hilfsfikalität, wird durch Andreae und Smekal (Andreae 1963; Andreae/Smekal 1968; Smekal 1969, Smekal 1970) auf eine erweiterte definitorische Grundlage gestellt. Die bei Hermann im Ansatz schon gegebene Outputorientierung wird bei Andreae und Smekal noch verstärkt. Die Möglichkeit der Entstehung eines Parafiskus "von unten", wie sie schon bei Mann am Rande angeklungen ist, wird bei Andreae und Smekal zu einem wichtigen Element der Parafiskalität.
Die
Existenz
von
Parafisken
wird
nämlich
durch
eine
Funk-
tionsübernahme entweder vom Staat ("von oben nach unten") oder aber von einzelnen Individuen mit gleichgerichteten Interessen ("von unten nach oben"), erklärt (erstmals Andreae 1963, 338). Vor allem aber sehen Andreae und Smekal in der Zwangsweisen Mittelbeschaffung kein konstitutives Merkmal parafiskalischer Gebilde. Die Art der Einnahmenerzielung wird in der Definitorik von Andreae und Smekal nebensächlich. Verlangt wird in bezug auf die Mittelbeschaffung lediglich (1) "finanzielle Autonomie", die eng mit einer auf (2) Selbstverwaltung abgestellten inneren
Stand, Entwicklung und Schwächen der Theorie
47
Organisation der Parafisken zusammenhängt. Entscheidend für das Wesen der Parafiskalität aber sind die Kriterien der (3) "politischen Relevanz" und der (4) "funktionalen Totalrepräsentanz" (Andreae/Smekal 1968, 304 f.; Smekal 1969, 53 ff.). Das Merkmal der politischen Bedeutung bezieht sich auf das Naheverhältnis zum Staat, genauer: zur Aufgabenerfüllung des Staates. Die Tätigkeit der Parafisken betrifft Aufgabenbereiche, die parallel zur oder aber anstelle der staatlichen Bereitstellung erfüllt werden. Dieses Kriterium der politischen Relevanz soll die große Masse der Vereine, die sich einem sachlich u n d / o d e r räumlich eng eingrenzbaren Aufgabenbereich widmen, definitorisch ausklammern. Das Merkmal der funktionalen Totalrepräsentanz, von jenem der politischen Relevanz nicht unabhängig, behauptet einen umfassenden räumlichen und/oder sachlichen Vertretungsbereich der Parafisken: "Die Guppenorganisation nimmt die Interessen der Gruppe umfassend wahr, unabhängig davon, ob die Angehörigen der Gruppe als Mitglieder organisiert sind oder nicht" (Andreae/Smekal 1968, 306). Wesentlich ist der Repräsentationsgrad, nicht der Organisationsgrad eines Kollektivs (Smekal 1970, 117). Die Eigenschaft der Parafiskalität ist somit nicht mehr primär eine Frage der staatlichen Delegation von Rechten u n d / o d e r Pflichten, sondern von der Art und Weise des Wirkens einer Organisation und ihrer faktischen Einflußnahme und -möglichkeit in einer Gesellschaft abhängig. Der Österreichische Gewerkschaftsbund ist demnach weniger deshalb ein parafiskalisches Gebilde, weil ihm der Gesetzgeber die Kollektiwertragsfähigkeit zuerkennt, sondern vielmehr, weil nach dem Selbstverständnis des Ö G B nicht nur die Interessen der Mitglieder, sondern jene aller Arbeitnehmer vertreten werden sollen, gleichzeitig aber auch der gegebene Organisationsgrad des Ö G B die politische Relevanz sicherstellt. Nach Andreae und Smekal steht der vereinsrechtliche Status des Ö G B einer Einschätzung als Parafiskus nicht im Weg, vielmehr versperre ein Festhalten am Kriterium der Zwangsfinanzierung den finanzwissenschaftlichen Blick auf so bedeutende "fiskalische Entscheidungszentren" (Andreae/Smekal 1968, 302; Smekal 1969, 44). Das Wesen der Parafiskalität könne gerade beim Ö G B als freiwilliger Vereinigung noch viel
deutlicher
gezeigt
werden
als
bei
den
gesetzlichen
Kammervertretungen
(Andreae/Smekal 1968, 307 ff.; Smekal 1969, 153). Das Element der Zwangsfinanzierung gilt als eine mögliche Folge der faktischen gesellschaftlichen Bedeutung eines Parafiskus, nicht jedoch als eine Begründung für eine derartige Charakterisierung: "Parafiskalität liegt nicht vor, weil Zwangsabgaben eingehoben werden, sondern umgekehrt werden in gewissen Fällen Zwangsabgaben eingehoben, weil Parafiskalität vorliegt." (Smekal 1969,54).
48
Claus Rinderer
42 Definitorische Zweiteilung des Parafiskalitätsbegriffs Andreae und Smekal kommen somit zu einem zweigeteilten Begriff parafiskalischer Einheiten: - eine (juristisch selbständige) Organisation entsteht als Funktionsausgliederung des Staates, bleibt von letzterem aber grundsätzlich abhängig, indem sie sich mit staatlichen Methoden finanziert. Es sind dies jene Organisationen, die Mann gerade wegen ihrer Zwangsfinanzierung bzw. -mitgliedschaft in den Blickpunkt der Betrachtung rückte. Andreae/Smekal streichen heraus, daß diese staatlichen Ausgliederungen eine Dekonzentration des staatlichen Entscheidungsbereichs bedeuten, jedoch "ohne daß ein neuer autonomer Entscheidungsbereich entstanden wäre" (1968, 303; ähnlich Smekal 1969, 54 f.). Sie schlagen vor, dafür den Terminus hilfsfiskalische Gebilde zu verwenden. - Eine Organisation sammelt die Einzelinteressen von Individuen in einem Teilbereich gesellschaftlicher Realität und vertritt die - beispielsweise beruflichen, wirtschaftlichen, kulturellen usw. - Interessen dieser Mitglieder. Wenn diese Gruppe über eigene Finanzierungsquellen verfügt, eine umfassende Repräsentanz der Betroffenen (auch über die organisierte, selbstverwaltete G r u p p e hinaus) anstrebt und es dieser Organisation auch tatsächlich gelingt, auf den politischen Prozeß einzuwirken, handelt es sich in der Terminologie von Adreae/Smekal gleichfalls um einen Parafiskus. Das Handeln dieser Kollektive wird charakterisiert als Übernahme von "Funktionen, die sonst dem Einzelnen zufallen" (Andreae 1963, 338), verbunden mit einer echten Dezentralisation der Willensbildung in einer Gesellschaft. Parafisken dieser Art werden als Elemente eines "funktionalen Pluralismus" verstanden (Andreae/Smekal 1968, 304; Smekal 1969, 28); sie seien zweckmäßigerweise als gruppenfiskalische Gebilde bezeichnet. Diese organisatorische Bündelung von Partikulartinteressen ist für die Geselschaft - so Andreae und Smekal weiter - durchaus vorteilhaft. Gruppenfisken entlasten nicht nur das einzelne Individuum in der Vertretung seiner Interessen (Smekal 1969, 31), sondern sie vermitteln den politischen Entscheidungsträgern für sie wichtige Informationen, sowohl formell als auch informell (Andreae/Smekal 1968, 305; Smekal 1969, 59; ähnlich auch schon Andreae 1963, 334). Daß diese politische Relevanz durch die Möglichkeit selektiver Informationsabgabe auch Gefahren in sich birgt, wird freilich auch betont z. B. Andreae/Smekal 1968, 307). Während also "Parafiskalität" bis in die sechziger Jahre hinein als Synonym für "Hilfsfiskalität" steht, handelt es sich nun bei "Parafiskalität" um den Oberbegriff, unter den die Termini "Hilfsfiskalität" und "Gruppenfiskalität" subsumiert werden.
Stand, Entwicklung und Schwächen der Theorie
49
Diese Neuprägung der Begriffe setzt sich im weiteren durch. Eine schon an anderer Stelle erwähnte Publikation Manns Anfang der siebziger Jahre zeigt, daß selbst der Begründer der ursprünglichen, engeren Definition von Parafiskalität die Idee der zweiseitigen Funktionsübernahme von Andreae und Smekal, zumindest im Ansatz, zu akzeptieren scheint. Lepelmeier spricht von einer "Bipolarität des intermediären Bereichs" (1979, 26) und schlägt vor, im Falle von staatlichen Funktionsausgliederungen von funktionalen Institutionen, im anderen Fall privater Kollektivbildungen von funktionalen Gruppen zu sprechen (1979, 16). Seit Andreae/Smekal (1968) liegt der Schwerpunkt der Betrachtung bei letzteren, den Gruppenfisken.
5 Phase 3: Das "finanztheoretische" Konzept der Parafiskalität Immer dann, wenn eine Gruppenorganisation sich nicht über Zwangseinnahmen finanziert - und dies ist bei den Gruppenfisken in der Terminologie von Andreae und Smekal typischerweise j a nicht der Fall -, besteht prinzipiell eine individuelle Wahlmöglichkeit, sich an den Kosten der Produktion zu beteiligen oder nicht - m. a. W.: die Position eines Trittbrettfahrers einzunehmen. Erst die Theorie öffentlicher Güter, wie sie von Samuelson (1954; 1955) und Musgrave (1959) in die Finanzwissenschaft eingeführt wurde, kümmert sich um die Eigenschaften von Gütern, die marktmäßig nicht bzw. nicht ausreichend bereitgestellt werden können und deren Versorgung folglich auch in prinzipiell marktwirtschaftlichen Ordnungen durch (staatliche oder nichtstaatliche!) Kollektive erfolgen muß. Damit ist auch eine notwendige Bedingung der Existenz des Trittbrettfahrerproblems,
nämlich
Nicht-
Anwendung bzw. Nicht-Anwendbarkeit des Ausschlußprinzips, erkannt. Ein System der Pflichtmitgliedschaft der potentiellen Nutznießer eines öffentlichen Gutes gilt als eine Möglichkeit, dem Trittbrettfahrerdilemma entgegenzuwirken. Die Theorie der öffentlichen Güter liefert aber nicht nur einen Erklärungsansatz für das Auftreten des Trittbrettfahrerdilemmas, sondern bietet eine neue, normativ-theoretische Fundierung für die Existenz von intermediären Gebilden. Es ist eine Verfeinerung des assoziatistischen Konzepts der Parafiskalität und zugleich die dritte und (vorläufig?) letzte Phase der parafiskalischen Konzeption. Tiepelmann (1975) hat diese als ein "finanztheoretisches Konzept der Parafiskalität" bezeichnet. Zwar diskutiert Mann die frühen Ansätze Samuelsons zur Theorie öffentlicher Güter (siehe Mann 1959, 17 ff.), jedoch stellt er keine Verbindung zu seiner Theorie der Parafiskalität her. Dies bleibt wiederum Andreae/Smekal vorbehalten, die das Auseinander-
50
Claus Rinderer
fallen von betreutem und oganisiertem Mitgliederkreis der Gewerkschaften, wie es sich notwendigerweise aus dem Kriterium der funktionalen Totalrepräsentanz ergibt, als Kollektivgutproblem qualifizieren (1968, 306). Da das Ausschlußprinzip nicht funktioniert, könne der Einzelne Kollektivgüter in Anspruch nehmen, ohne dafür einen Beitrag zu leisten. "Erfahrungsgemäß wird er dann seine eigenen Vorteile aus den bereitgestellten Gruppenleistungen sehr nieder einschätzen, um seine Nichtmitgliedschaft moralisch rechtfertigen zu können" (306), m. a. W.: sich als Trittbrettfahrer verhalten. Freilich kann die Gruppenorganisation in dieser Situation durch eine Erweiterung der Palette der bereitgestellten Güter um solche, die individuell zuordenbar sind und damit "Schwarzfahren" verunmöglichen, reagieren (306 f.; Smekal 1969, 58). Das Kollektivgutphänomen hat für Andreae/Smekal neben diesem gruppenexternen auch einen gruppeninternen Aspekt. Aus dem Nichtfunktionieren des Ausschlußprinzips ergibt sich innerhalb einer organisierten Gruppe das Problem der individuellen Vorteilseinschätzung. Die Bestimmung des Verhältnisses von Beitrag und Vorteil kann nicht marktmäßig erfolgen, sondern muß durch die, beispielsweise durch Wahlen, legitimierten Organe bestimmt werden (1968, 306). Eine Verbindung des finanztheoretischen Konzepts der öffentlichen Güter mit der Theorie der Parafiskalität wird allgemein als fruchtbar erkannt und in weiterer Folge in der Literatur wiederholt aufgegriffen und vertieft (Tiepelmann 1975; Hajen 1979; Lepelmeier 1979). Für Tiepelmann stellt dieser Ansatz die prinzipielle Möglichkeit einer "Neuordnung der öffentlichen Finanzwirtschaften" (1975, 300) dar; die verkürzende Sichtweise staatlicher Aktivität allein in einem "Spannungsfeld zwischen Verstaatlichung und Reprivatisierung" könne jedenfalls durch die bewußte Gestaltung eines dritten parafiskalischen Bereichs überwunden werden. Parafiskalische Organisationen entlasten den Staat bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben; das Ausmaß der Produktion positiver externer Effekte ließe sich als ein Ansatzpunkt zur Bemessung von Staatszuschüssen heranziehen (300). Diese "Öffentlichkeitskomponente", also der gruppenexterne Aspekt des Kollektivgutphänomens, erfährt im weiteren eine nicht unbedeutende Ergänzung. Es bleibt bei der gutsspezifischen Interpretation der parafiskalischen Organisationen nämlich nicht nur bei den Kriterien der Nicht-Ausschließbarkeit und der Nicht-Rivalität gemäß der Theorie öffentlicher Güter. Lepelmeier unterscheidet beim Ausschlußprinzip zusätzlich zwischen den Kategorien "technisch nicht anwendbar" und "technisch anwendbar, aber politisch nicht gewollt" (1979, 38). Mit letzterer Charakterisierung werden die meritorischen Güter in die Theorie der Parafiskalität eingeführt. Lepelmeier betont, daß "ein nicht
Stand, Entwicklung und Schwächen der Theorie
51
unwesentlicher Anteil der kollektiv zur Verfügung gestellten Güter und Dienstleistungen ... seine 'Öffentlichkeit' dem Beschluß politischer Gremien verdankt." (44). Auch für Smekal kann eine Meritorisierung des Leistungsangebotes ein Element der Parafiskalität darstellen: "Neben gruppenübergreifenden externen Effekten sind es auch Meritorisierungsgesichtspunkte, die eine Bereitstellung von Gruppengütern im gesamtgesellschaftlichen Interesse erforderlich machen." (1981, 4). Zur Bereitstellung von "geborenen" öffentlichen Gütern im Sinne der Theorie öffentlicher Güter gesellt sich also die Bereitstellung von "gekorenen" öffentlichen Gütern im Sinne der Theorie meritorischer Güter. Allerdings wird dieses zusätzliche Argument erst relativ spät in die Theorie der Parafiskalität aufgenommen. Die Intention dafür ist dieselbe, die auch für die Entwicklung des meritorischen Konzepts überhaupt maßgeblich war: "Ihre Nichtbeachtung hätte bedeutet, daß wesentliche Teile der finanzwirtschaftlichen Tätigkeit moderner Staaten - faktisch - unbeachtet geblieben und normativ - nicht zu begründen gewesen wären." (Schmidt 1970,15). Die Tätigkeit von Parafisken, bislang mit "öffentlicher Aufgabenerfüllung" sehr allgemein umschrieben, läßt sich nun mithilfe der Theorie öffentlicher Güter näher konkretisieren. Die von den Parafisken bereitgestellten Güter haben Kollektivgutcharakter, und zwar in zweifacher Hinsicht. Erstens handelt es sich um Gruppengüter, zweitens führt die Existenz dieser Güter zu positiven externen Effekten für die Gesamtgesellschaft. Smekal spricht treffend vom "zweistufigen Gutscharakter von Gruppengütern", deren Bereitstellung "in die Nutzenfunktionen der Gruppenmitglieder und in die der Mitglieder der Gesamtgesellschaft" eingeht (1981, 4; Hervorhebung im Original). Darüber hinaus kann es sich um Güter handeln, bei denen "verzerrte" Präferenzen der Individuen vermutet und die aus diesem Grund "mentorisiert" werden. Güter mit intrakollektiven Externalitäten, also mit externen Effekten innerhalb eines Kollektivs, machen erst die Gruppenbildung notwendig bzw. ökonomisch sinnvoll. Für das Wesen der Parafiskalität ist - einmal abgesehen von den meritorischen Gütern das Auftreten von positiven transkollektiven Externalitäten, also über die Produktion bzw. Bereitstellung von Gruppengütern (mit lediglich intrakollektiven Externalitäten) hinausgehende Effekte, eine notwendige Bedingung. Die Aktivitäten müssen über die Gruppe hinaus ihre Wirkung entfalten und damit gesamtgesellschaftliche Bedeutung haben. Es ist eine der Hauptergebnisse der Theorie öffentlicher Güter, daß es bei Gütern, bei denen das Ausschlußprinzip nicht funktioniert, zu einer (gesamtwirtschaftlich subopti-
52
Claus Rinderer
malen) Unterversorgung mit diesen Gütern kommt. Daß dies nicht notwendigerweise der Fall ist, läßt sich mithilfe der Parafiskalität, genauer: mithilfe der Kriterien der funktionalen Totalpräsentanz und der politischen Relevanz, erklären. Nimmt eine parafiskalische Organisation in ihre Angebotspalette nicht marktfähige, hinsichtlich des Nutzens stark diffundierende, gruppenextern wirkende Güter auf, so mag dies einmal eine Strategie zur Erhöhung des Organisationsgrads des Kollektivs darstellen - dann verbunden mit einer Kostensenkung der Produktion bzw. Bereitstellung der angebotenen Güter pro Mitglied. In unserem Zusammenhang wichtiger ist jedoch die Überlegung, daß diese Vorgangsweise erst die von Andreae und Smekal akzentuierte "politische Relevanz" zu erreichen und zu sichern hilft - dann verbunden mit einer Erhöhung des eigenen Handlungsspielraums der Gruppenorganisation. Erst die Bereitstellung (auch) kollektivextern wirkender Güter und Leistungen macht die funktionale Totalrepräsentanz aus und stellt die politische Relevanz sicher. Gleichzeitig aber sind gruppenübergreifende, -externe Effekte bei angebotenen Gütern und Leistungen keine hinreichende Bedingung für Parafiskalität: Aus normativer Sicht ist die staatliche Bereitstellung von Gütern in marktwirtschaftlichen Ordnungen ja nur dann gerechtfertigt, wenn ein hoher Öffentlichkeitsgrad des Gutes gegeben ist, m. a. W. "Externalitäten im Extrem" auftreten. Güterspezifisch ist folglich die Abgrenzung der Parafiskalität "nach unten" leichter als "nach oben". Daraus folgt aber auch, daß von den ursprünglichen vier Definitionskriterien von Andreae und Smekal für die Abgrenzung "nach oben", zum Staat hin, die Kriterien "Selbstverwaltung" und "finanzielle Autonomie" weiterhin von entscheidender Bedeutung bleiben.
6 Eine kritische Würdigung der Theorie der Parafiskalität Neuerdings wird behauptet, daß der Erklärungswert der Theorie der Parafiskalität durch deren (finanzwissenschaftliche) Weiterentwicklungen in den sechziger und siebziger Jahren nicht zu-, sondern abgenommen habe. In der Tat hat sich die Theorie der Parafiskalität sowohl durch ihre Weiterentwicklung im Rahmen der Vier-KriterienKonzeption von Andreae und Smekal, insbesondere aber auch durch den Einfluß der Theorie der öffentlichen Güter einschließlich des Konzepts meritorischer mehrere Probleme eingehandelt, die einer näheren Betrachtung bedürfen.
Güter,
Stand, Entwicklung und Schwächen der Theorie
6.1
53
Zur Heterogenität der Abgrenzungsmerkmale in der Theorie der Parafiskalität
Peters behauptet - bezugnehmend auf die Arbeiten von Smekal und Lepelmeier - eine zu "extensive Ausweitung des Begriffes Parafiskus auf mehr oder weniger alle intermediären Gruppen zwischen Staat und privater Wirtschaft", die nicht zweckmäßig sei, "gehen doch dadurch gerade die ... besonderen Eigenschaften des Parafiskus wieder verloren" (Peters 1985, 61). Intention der von Peters zitierten Autoren war es zweifellos, gerade durch eine umfassende Betrachtung des Parafiskalitätsphänomens bis dahin für den Finanzwissenschaftler "irrelevante" bzw. von ihm "vergessene" Gruppenorganisationen in einen umfassenden Staatsbegriff zu integrieren, sie als "fiskalische Entscheidungszentren" (Smekal 1969, 44) zu begreifen und so ins Blickfeld der Finanzwissenschaft zu rücken. (Zudem wurde damit dem allgemeinen Trend einer zunehmenden Erweiterung des Forschungsobjekts der Finanzwissenschaft - man denke etwa an Fragen der Regulierung bzw. Deregulierung - Rechnung getragen.) Tatsächlich nimmt im Verlauf der Zeit das Spektrum der für die Theorie der Parafiskalität in Betracht kommenden Organisationen immer mehr zu. Schon Andreae/Mauser (1969, 24 f.) führen öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten als "Arten parafiskalischer Gebilde" an. Lepelmeier diskutiert - neben den schon oben erwähnten öffentlichen Unternehmen, die A n d r e a e / M a u s e r (1969, 25 f.) noch nicht als Parafisken titulierten auch den parafiskalischen Charakter von Universitäten, politischen Parteien, ja von Bürgerinitiativen (Lepelmeier 1979, 75 ff.; 1984, 555 ff.). Ähnlich breit ist Tiepelmanns (1975) Liste von Institutionen, die als parafiskalische Gebilde ausgelegt werden können, wenn man sich an den finanztheoretischen Kriterien aus der Theorie öffentlicher Güter orientiert. Eine zunehmende Heterogenität macht allgemein gültige Aussagen über die Gesamtheit der Parafisken zunehmend schwieriger. Smekal (1977) hat beispielsweise die Tendenz zu einer "Flucht aus dem Budget" für Österreich eingehend untersucht. Dabei handelt es sich um ein Phänomen, das lediglich einen Teilbereich der parafiskalischen Gebilde in einer breiten Definition, nämlich nur die Hilfsfisken, betreffen kann. In diesem Zusammenhang sind lediglich die staatsnahen und -abhängigen Organisationen, die durch eine Übertragung von Rechten und Pflichten durch den Staat, quasi "von oben", begründet werden, angesprochen. Die Überlassung von als "öffentlich" angesehenen Aufgaben an Gruppenorganisationen, deren Entstehung nicht aus einer staatli-
54
Claus Rinderer
chen Aktivität resultiert, sondern "von unten" erfolgt, und die somit auch nicht ohne weiteres als "staatsnah" apostrophiert werden können, gilt gleichfalls als ein bedeutender Bestandteil dieser Theorie. Gerade Smekal rückte die Gruppenfisken in das Zentrum der Betrachtung. Von einer "Flucht aus dem Budget" kann freilich bei Parafisken dieser Kategorie nicht mehr gesprochen werden. Insoweit muß Peters zugestimmt werden, daß eine breite Definition von Parafiskalität zu einer Heterogenität des Untersuchungsobjektes führt. Dies muß nicht ausschließlich als Schwäche der Theorie gelten. So ließe sich auch argumentieren, daß nämlich gerade eine extensive Auslegung des Parafiskalitätsbegriffs den Blick für den Umstand schärft, daß eine Ausgaben- und damit Aufgabenverlagerung nicht zwingend bei jenen Institutionen halt machen muß, die aufgrund der Eigentumsverhältisse eindeutig als dem öffentlichen Sektor zugehörig - wenngleich zwar in aller Regel juristisch selbständig angesehen werden müssen. In der Tat warnt ja auch Tiepelmann (1975, 299) vor einer unreflektierten Aufsummierung der angegebenen Einnahmen und Ausgaben der im oben wiedergegebenen Schaubild angeführten Parafisken. Wenn Smekal neuerdings - und zwar im Zusammenhang mit Religionsgemeinschaften den Begriff der "Parafiskalisierung" jenem der "Parafiskalität" vorzieht (siehe Smekal 1989, 130 ff.), so ist dies nicht nur eine rein semantische Frage, sondern legt (wieder) stärkeres Gewicht auf die Entstehung der Parafisken "von oben". Die rechtliche Privilegierung sowie die direkte oder indirekte finanzielle Unterstützung wird dem "Grad der Parafiskalisierung" geradezu gleichgesetzt. Damit aber ist "Parafiskalität" weitgehend auf die schon bei Mann im Vordergrund stehenden Aspekte reduziert, der "etatistische Kern" des Parafiskalitätskonzepts wieder stärker gewichtet und die postulierte Heterogenität aufgehoben. Damit wäre nicht nur sehr vieles zurückgenommen, was in der assoziatistischen Phase der Parafiskalität erarbeitet wurde, sondern auch das nachstehende Problem beseitigt.
6.2 Zur "Mikrofundierung" der Theorie der Parafiskalität Das offensichtliche Unbehagen von Peters mit der parafiskalischen Theorie wird nicht näher expliziert. Es könnte möglicherweise damit zu tun haben, daß die vier additiven Kriterien von Andreae und Smekal kein in sich geschlossenes Konzept darstellen, vielmehr diese Theorienkonstruktion auf zwei unterschiedlichen Argumentationslinien aufbaut:
Stand, Entwicklung und Schwächen der Theorie
55
Die Abgrenzungskriterien "nach oben", namentlich die (1) "finanzielle Autonomie" und die (2) "Selbstverwaltung", gehen in ihrem jeweiligen Gehalt mit den Ansätzen von Mann und Herrmann weitgehend konform und stehen in der Tradition der deutschen Schule der Finanzwissenschaft. Beide Merkmale betreffen die Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit einer Institution vom Staat, einmal hinsichtlich der Einnahmenerzielung, zum anderen hinsichtlich der organisatorischen Struktur. Beide Kriterien beruhen auf juristischen Merkmalen - wenngleich es sich um juristisch unbestimmte, mithin interpretationsbedürftige Begriffe handelt. Beide Abgrenzungskriterien "nach unten", namentlich die (3) "politische Relevanz" sowie die (4) "funktionale Totalrepräsentanz", als wesentliche Erweiterung der früheren Ansätze von Mann und Herrmann zielen auf die (extern vorgegebene oder aber selbst gesetzte) Aufgabenstellung einer (makro-)soziologischen Perspektive. Sie werden erst in weiterer Folge durch den Einfluß der Theorie der öffentlicher Güter mit einem genuin ökonomischen Erklärungsansatz versehen. Solange die Kriterien 3 und 4 nicht mithilfe der Theorie öffentlicher Güter interpretiert und konkretisiert waren, war eine empirische Überprüfung dieser beiden Merkmale schwierig und der subjektive Entscheidungsspielraum des jeweiligen Forschers groß. Ab wann ist eine Interessengruppe schon "politische relevant"? Der methodologische Individualismus, der bis dahin der Theorie der Parafiskalität völlig fremd war, hält durch die Einbindung der Öffentlichen Güter-Theorie Einzug in die Konzeption der parafiskalischen Theorie. Gleichzeitig wird die Operationalisierbarkeit der Kriterien der "funktionalen Totalrepräsentanz" und der "politischen Relevanz" damit zweifelsohne verbessert. Schließt man sich dieser Argumentation an, läßt sich Peters allgemeiner Vorwurf der Heterogenität der parafiskalischen Theorie konkretisieren. Die einzelnen Definitionsmerkmale rekurrieren auf methodologisch unterschiedliche Ebenen: Während durch die gutsspezifische Interpretation der Kriterien der "politischen Relevanz" und der "funktionalen Totalrepräsentanz" der individualistische Ansatz in die Theorie der Parafiskalität hineingetragen wird, es sozusagen zu einer "Mikrofundierung" der Theorie kommt, verbleiben mit der "finanziellen Autonomie" und der "Selbstverwaltung" zwei wesentliche Kriterien in diesem Theoriengebäude, die in der Tradition einer auf "objektiven Bedürfnissen" abgestellten, organischen Staatstheorie - und damit eines kollektivistischinstitutionellen Ansatzes - stehen.
56
Claus Rinderer
Während die Entscheidung, ob die Kriterien 1 und 2 (finanzielle Autonomie und Selbstverwaltung) zutreffen, einer höheren Instanz, einem am Gemeinwohl orientierten, über den Partikularinteressen anzusiedelnder Staat, zugewiesen und dem individuellen Kalkül entzogen wird, kommt es bei den Kriterien 3 und 4 (politische Relevanz und funktionale Totalrepräsentanz) gerade auf die Meinungen, Auffassungen, Präferenzen der Individuen an. Der "Öffentlichkeitsgrad" eines Gutes ist nämlich immer einzig und allein von den jeweiligen subjektiven Einschätzungen der betroffenen Individuen abhängig (vgl. dazu Lancaster 1976, 129; Boettcher 1984, 6). Die konstitutiven Merkmale der Theorie der Parafiskalität stellen auf allgemein organisatorische, auf einnahmenseitige und auf aufgabenseitige Aspekte ab. Die "etatistischen" Merkmale von Mann und Herrmann werden nicht ersetzt, sondern mit "assoziatistischen" Merkmalen verknüpft. Entscheidend für die behauptete Heterogenität dieser Merkmale ist jedoch erst der Umstand, daß sie auf zwei wissenschaftstheoretisch konkurrierenden Konzeptionen fußen. Die Abgrenzung des bipolaren Phänomens der Parafiskalität geschieht also mit methodisch entgegengesetzten Instrumenten.
6.3 Zum Normativen in der Theorie der Parafiskalität Die Theorie öffentlicher Güter ist angetreten, die staatliche Bereitstellung von Gütern mit spezifischen Eignschaften, aus denen "Marktversagen" resultiert, zu rechtfertigen. Zweifelsohne wurden anfänglich in der Diskussion die Unzulänglichkeiten des Marktes einseitig betont und die Unzulänglichkeiten des politischen Systems außer acht gelassen, was ja auch zum bekannten Vorwurf einer "Nirwana-Ökonomik" geführt hat. Noch bevor in der Neuen Politischen Ökonomie eine umfassende Theorie des "Staatsversagens" erarbeitet worden war, hat Samuelson selbst vor einer allzu trivialen Rezeption der Theorie öffentlicher Güter als normativen Begründungsversuch staatlichen Handelns gewarnt. Er spricht explizit von einer "Indeterminiertheit der Rolle des Staates bei der Bereitstellung von öffentlichen Gütern" (Samuelson 1967). Auch ist längst klargestellt, daß Güter, die im gesamten Spektrum zwischen polaren öffentlichen Gütern und reinen privaten Gütern dem ersten Extremfall sehr nahe kommen, nicht zwangsläufig durch außermarktliche Entscheidungseinheiten produziert und bereitgestellt werden müssen (siehe z. B. Mann 1976, 174; Peacock 1979; Demsetz 1970; Endres 1981).
Stand, Entwicklung und Schwächen der Theorie
57
Der normative Charakter der Theorie öffentlicher Güter wird freilich weder durch diese Klarstellung Samuelsons noch durch eine Vielzahl von Weiterentwicklungen geschmälert. Durch diese Theorie hält somit nicht nur der methodologische Individualismus Einzug in die Theorie der Parafiskalität, sondern gleichzeitig erhält diese auch eine normative Ausrichtung. Über empirisch beobachtbare Phänomene, nämlich die Existenz von Organisationen mit bestimmten Ausprägungen, wird ein normatives Konzept gelegt. Mithilfe normativer Kriterien werden bestehende Institutionen beschrieben und damit auch gerechtfertigt. Dies würde eigentlich voraussetzen, daß die Wahl von bestimmten Institutionen in der Realität effizient erfolgt ist. Die ökonomische Theorie des Rechts weist durchaus in diese Richtung. Dabei ist auch zu beachten, daß wegen der Existenz von Transaktionskosten - wie Durchsetzungs-, Überwachungs- und Tauschkosten - eine vollständige Internalisierung externer Effekte sinnvollerweise nicht anzustreben ist (vgl. Wegehenkel 1981, 29 ff.). Übersteigen die Kosten den Nutzen der Internalisierung, sind externe Effekte Pareto-irrelevant (siehe dazu auch Bonus 1987,88). Auffallend ist ferner, daß immer mit positiven Externalitäten der Parafisken argumentiert und die mögliche Existenz negativer Externalitäten vernachlässigt wird. Dies ist hinsichtlich der Einbeziehung der Religionsgemeinschaften besonders deutlich festzustellen (siehe unten). Die Kehrseite der Nicht-Ausschließbarkeit von öffentlichen Gütern ist aber deren Nichtzurückweisbarkeit, die als "erzwungene Nachfrage" gedeutet werden kann. Der Einzelne kann sich dem Einflußbereich einzelner Aktivitäten von Parafisken nicht entziehen, obwohl es möglicherweise in seinem Interesse wäre. Technisch gesprochen: Bestimmte Tätigkeiten von Parafisken können in die Nutzenfunktion eines Individuums als Argument mit negativem Vorzeichen eingehen. Jedenfalls kann eine real existierende Situation mit einer normativen Theorie allein nicht erklärt werden. Die Übernahme der normativen Kriterien der Öffentlichen GüterTheorie in die Theorie der Parafiskalität müßte eine eingehende Untersuchung, ob die bestehenden Institutionen - im Sinne der Öffentlichen Güter-Theorie - optimal sind, zur Folge haben. Dies steht in der Theorie der Parafiskalität noch aus.
58
Claus Rinderer
6.4. Zum Meritorischen in der Theorie der Parafiskalität Musgrave hat mit der Einführung des Begriffs der meritorischen Güter in die finanzwissenschaftliche Literatur einige Verwirrung gestiftet. Er erwähnt "merit wants" erstmals in einer 1957 erschienenen Abhandlung, in der er seine später populär gewordene Idee einer funktionellen Dreiteilung des öffentlichen Budgets in eine Allokations-, Distributions- und Stabilisierungsabteilung erläutert (Musgrave 1956/57, 341). Musgrave zeigt sich dabei noch unentschlossen, ob diese "meritorischen Bedürfnisse" der Allokationsoder der Distributionsabteilung zuzuordnen oder aber hierfür seine "Bugetabteilungen" eigens um eine vierte Kategorie zu erweitern sind. Aber schon in seinem Lehrbuch aus dem Jahre 1959 werden "merit wants" als Bestandteil der Ailokationstheorie, und hier im Rahmen der Theorie öffentlicher Güter als "a second category of public wants" (Musgrave 1959, 13), abgehandelt (13 f.). Die Kennzeichnung des Meritorischen wird daraufhin in der Literatur sehr uneinheitlich vorgenommen. Musgrave selbst bietet auch in weiterer Folge mehrere Erklärungs- und Rechtfertigungsversuche an. Dies führt erst recht zu einer Vielzahl von - teilweise stark divergierenden - Interpretationen in der Literatur. Der aktuelle Stand der Diskussion, welchen Stellenwert diesen merit wants zukommt und inwiefern sie sich denn von den social wants unterscheiden, ist nach wie vor sehr kontroversiell. Immerhin besteht in der neueren Literatur ein Konsens darüber, daß meritorische Güter keinen bloßen Unterfall öffentlicher Güter darstellen. Es spießt sich hinsichtlich der Einschätzung, ob das meritorische Konzept mit dem methodologischen Individualismus vereinbar ist und ob es sich um eine normative oder um ein positive Theorie handelt. Die Kritiker des meritorischen Konzepts sehen darin einen Eingriff in die individuellen Präferenzen und halten die Vorstellung einer "höheren Einsicht" des Staates als unvereinbar mit einem individualistischen Ansatz. In dieser Sichtweise kann das Konzept der Meritorität nicht als Begründung für Eingriffe in die marktmäßige Allokation herangezogen werden, sondern lediglich als ein Erklärungsansatz für faktische Begründungen staatlichen Handelns angesehen. In dieser Interpretation gilt das Konzept meritorischer Güter als ein Versuch, mögliche Motive politischer Entscheidungsträger, Marktergebnisse zu korrigieren bzw. den Markt als Allokationsinstrument gar nicht erst zuzulassen, offenzulegen. Es ist eine Erklärung "ex post" für die Existenz bestehender "Marktkorrekturen", nicht jedoch deren Rechtfertigung. Die Meritorisierung eines Gutes hat nichts mit seinen spezifischen Eigenschaften
Stand, Entwicklung und Schwächen der Theorie
59
- etwa im Sinne der normativen Kriterien der Theorie öffentlicher Güter -, sondern mit den Wertvorstellungen jener, die dieses Gut dem Markt nicht ausschließlich überantworten wollen, zu tun. Dadurch aber werden die Werturteile vom Subjekt- in den Objektbereich verlagert und die Theorie meritorischer Güter wird zu einer positiven Theorie. Aussagen über Werturteile sind "Tatsachenaussagen, keine Werturteile" (Albert 1967, 189). Daß es sich beim Konzept meritorischer Güter um einen positiven Ansatz handelt, steht für Andel (1984, 637 f.) seit Musgraves Reinterpretation im 1959er Lehrbuch fest. Allerdings wird die Theorie meritorischer Güter neuerdings auch individualistisch und normativ interpretiert. Für Brennan/Lomasky (1983) stellt das meritorische Konzept ein brauchbarer normativer Ansatz dar, da von der Prämisse auszugehen sei, daß sich rationales Wählerverhalten von rationalem Marktverhalten wesentlich unterscheide. Dieselben Personen können als Konsumenten auf den Konsum bestimmter Güter verzichten, gleichzeitig aber als Wähler für die Bereitstellung dieser (meritorischen) Güter votieren, da individuelle Präferenzen vom Entscheidungsverfahren nicht unabhängig seien (vgl. Brennan/Lomasky 1983, 185 ff.). Für Head (1988) ist die Überlegung essentiell, daß eine realistische Sicht der individuellen Präferenzen solche Phänomene wie freiwillige Delegation von Entscheidungen, "Selbst-Paternalismus" als Reflex auf die erkannte eigene Willensschwäche, mit einschließen kann und muß. Meritorisches Handeln des Staates bedeute nicht notwendigerweise eine Mißachtung der individuellen Präferenzen, stelle nicht notwendigerweise einen - individualistisch nicht rechtfertigbaren - Ausfluß staatlicher Autorität dar. Vielmehr sollte gerade die hierarchische Struktur und Komplexität der individuellen Präferenzen meritorisches Handeln des Staates zur Folge haben (vgl. Head 1988, 8 ff.)! Kann aus einer Entscheidungsunwilligkeit von Individuen schon ein staatlicher Handlungsbedarf abgeleitet werden? Für Schmidt legt ein individualistisches Staatsverständnis eher die Vermutung nahe, daß sich Entscheidungsunwillige an Bürger ihres Vertrauens wenden bzw. sich nach diesen richten - und dabei seien sie auch besser aufgehoben (1988, 386 f.). Nicht nur in diesem Fall ist mit Schmidt (385 f.) die Frage zu stellen, woher staatliche Entscheidungsträger denn die notwendigen Informationen für "richtiges" meritorisches Handeln beziehen. In unserem Zusammenhang bedeutender ist jedoch die Tatsache, daß für die Theorie der Parafiskalität diese neuere (normative und individualistische) Interpretation des Konzepts meritorischer Güter keine Rolle gespielt hat. Es wurde schon erwähnt, daß Lepelmeier das Konzept meritorischer Güter in die Theorie der Parafiskalität einge-
60
Claus Rinderer
führt hat. Seine Ausführungen lassen den Schluß zu, daß er das meritorische Konzept mit dem methodologischen Individualismus für unvereinbar hält und es als nicht-normative Theorie versteht: "Die Meritorisierung bestimmter Bedürfnisse im Sinne eines allokativen Eingriffs in die Konsumentenpräferenzen ... kann ... sowohl bei rein privaten Gütern ... als auch bei Mischgütern sowie spezifischen Kollektivgütern ... erfolgen." (Lepelmeier 1979, 43 f.). Das heißt dann aber nichts anderes, als daß das Konzept meritorischer Güter im Rahmen der Theorie der Parafiskalität nicht dazu dienen kann, die Differenz zwischen öffentlichen Gütern (im theoretischen Sinne) und den öffentlich bereitgestellten Gütern der Realität zu erklären. Aber gerade diese offensichtliche Differenz scheint der Anlaß gewesen zu sein, das Konzept meritorischer Güter überhaupt erst zu bemühen. Als Fazit läßt sich festhalten, daß durch die Miteinbeziehung des Konzepts der meritorischen Güter in seiner paternalistischen Version methodologischer Individualismus und Normativität - jeweils eben erst durch die Theorie öffentlicher Güter in die Theorie der Parafiskalität Eingang gefunden - wieder an Bedeutung verlieren.
6.5. Zum Transitorischen in der Theorie der Parafiskalität' Es versteht sich von selbst, daß die Vier-Kriterien-Konzeption von Andreae und Smekal zeitpunktbezogen zu interpretieren ist. Daß die vier Kriterien bei einer Gruppenorganisation heute als gegeben angesehen werden, heißt natürlich nicht, daß sich dies in Zukunft nicht ändern kann. Die Theorie der Parafiskalität gibt keine allgemeinen Hinweise über den Werdegang, über die Entstehungsgeschichte dieser Organisation zwischen Markt und Staat. Die Zweiteilung des bipolaren Parafiskalitätsbegriffs - Hilfs- und Gruppenfisken - soll lediglich dem Umstand Rechnung tragen, daß parafiskalische Gebilde ihre Existenz entweder einer Initiative des öffentlichen Sektors ("Entstehung von oben"; "etatistisch") oder aber einer Initiative einzelner Individuen mit gleichgerichteten Interessen ("Entstehung von unten"; "assoziatistisch") verdanken. Für die Charakterisierung einer Gruppenorganisation als Parafiskus spielt dieser Entstehungshintergrund allerdings keine Rolle, vielmehr kommt es bei Andreae und Smekal immer auf die Erfüllung der vier bekannten Kriterien an. "Die Gruppenbildungen und ihre Organisationsformen im intermediären Bereich sind in ständiger Bewegung begriffen. Auf der einen Seite können neue Gruppen gesellschaftli-
Stand, Entwicklung und Schwächen der Theorie
61
che Bedeutung erlangen und ihren Anspruch auf politische Berücksichtigung anmelden. Auf der anderen Seite versucht der Staat häufig, bestimmte Gruppen nach und nach in seinen Einflußbereich zu ziehen. Umgekehrt kann er aber auch Gruppen, deren Angelegenheit er bislang selbst wahrgenommen hat, aus seiner Obhut entlassen und der eigenen Aufgabenwahrnehmung überlassen. Solche Änderungen erfolgen natürlich nicht von heute auf morgen, sie vollziehen sich vielmehr in langwierigen Transformationsprozessen." (Smekal 1969, 142). Dieses längere Zitat macht deutlich, daß Parafisken einem - je unterschiedlichen - Entwicklungs- bzw. Veränderungsprozeß unterworfen sind. Smekal erhebt an die Theorie der Parafiskalität nicht den Anspruch, diesen Transformationsprozeß zu erklären. Insofern hat diese Theorie einen "statischen" Charakter. Die Eigenschaften der Parafiskalität können bei einer Gruppenorganisation gegeben sein, nicht mehr gegeben sein oder aber möglicherweise erst in der Zukunft gegeben sein. Es verbietet sich daher jede generelle Zuordnung zum Parafiskalitätsphänomen, erst recht jede generelle Zuordnung eines Parafiskus zu den Subtermini Hilfs- bzw. Gruppenfiskus.
7. Zusammenfassung und Schlußbemerkung
7.1. Synopse der Merkmale parafiskalischer Institutionen Die Grundideen der wichtigsten Vertreter werden im folgenden Schaubild anhand einiger Kriterien nochmals verdeutlicht. Dabei kann nicht stark genug betont werden, daß die Kriterien jeweils Tendenzcharakter haben und es mithilfe eines Schaubildes nicht gelingen kann, die unterschiedlichen Nuancierungen bei den einzelnen Autoren entsprechend herauszuarbeiten. Zudem ist bei Mann zu beachten, daß das Schaubild nur auf seine frühen Arbeiten zur Parafiskalität Bezug nimmt. Wie erinnerlich, deuten einige spätere Formulierungen Manns darauf hin, daß er die Weiterentwicklungen in der Theorie der Parafiskalität durch Herrmann sowie dann durch Andreae und Smekal zumindest als alternative Interpretatiosformen - zu akzeptieren scheint. Ähnliches ist bei Smekal festzustellen: In seinem HdWW-Beitrag (1981) werden die Erweiterungen, die die Theorie durch Tiepelmann und Lepelmeier erfahren hat, weitgehend nachvollzogen.
62
Claus Rinderer
fi
Z K -
s i i hJv)
«.a c
i l . i l
A l i
M i s i
•SB« l o g S-äS-S 2 8-c
l
ff
I
h - s T3 E » D
-1
g s =
1§
-uj S S j UJÙ3* 35 £
- « • S S »w ec^ "O _ -a 2 U 3= aO 23 -= Ö u. « g • B H^ üu £u Ia 3f | 83 ji ö> -a '-3 o «S Ii -osOS fOe h s- J¡5 i cn
56 ® O
114
Christian Smekal
Mit dem Ausdruck Parafiskalisierung soll zum Ausdruck gebracht werden, daß der intermediäre parafiskalische Bereich nach oben und unten offen ist, dynamischen Veränderungen unterliegt und stets auch Alternativen gesellschaftlicher und staatlicher Aufgabenorganisationen widerspiegelt. Der Staat kann Aufgaben in den staatlichen Bereich hineinziehen und im staatlichen Raum erfüllen, er kann sie auf gesellschaftliche Verbände ausgliedern und übertragen oder aber von ihrer Wahrnehmung überhaupt Abstand nehmen (vgl. Tiepelmann/van der Beek 1992, 94 f.). Im letzteren Fall wird die Aufgabenerfüllung der Selbstorganisation des privaten Sektors überlassen. Bei vielen privaten oder verbandlichen Leistungserstellungen ist davon auszugehen, daß Externalitäten in mehr oder weniger großem Umfang gegeben sind. Die Tatsache, daß Finanzwissenschaftler das Vorliegen externer Effekte identifizieren, heißt ja noch lange nicht, daß der (jeder) Staat sie auch internalisieren muß. Aus einer solchen dynamischen Betrachtung ergibt sich für den Ökonomen eine Erweiterung des Untersuchungsfeldes der Parafiskalität. Es geht um die Frage der effizienten Aufgabenerfüllung parafiskalischer Institutionen. Da ihre Aufgabenerfüllung eine nach innen gerichtete Dimension der Mitgliedemützigkeit und eine nach außen gerichtete der Allgemeinnützigkeit
aufweist, erhebt sich die Frage, inwieweit die finanzielle Privi-
legierung und Existenzsicherung von Seiten des Staates die Anreize für effiziente mitgliederbezogene
Leistungserstellungen
lähmen
können. Wenn die
Bereitstellung
gesamtgesellschaftlicher externer Vorteile ihrerseits zu negativen externen Effekten im Bereich der Mitgliederbetreuung und gruppenbezogenen Aufgabenstellung führt, mag der Zeitpunkt gekommen sein darüber nachzudenken, ob eine "Entparafiskalisierung", d.h. die Rückkehr zum Status des Freiwilligenverbandes, nicht mit Vorteilen für die Mitglieder verbunden ist, die größer sind als die Nachteile einer "Unterausbringung" von gesamtgesellschaftlichen Leistungen (Prosi 1990).
Finanzsoziologische und fmanztheoretische Begründung
115
Literatur: Hertzog, R. (1992): Parafiskalität in Frankreich, in diesem Band. Huppertz, P.H. / Mackscheidt K. (1992): Der korporatistische Zugang zu den Parafiski, in diesem Band. Koch, W. (1988): Finanzsoziologie, in: HdWW Band 3,1988, S. 104 f. Prosi, G. (1990): Konturen aufgeklärter Verbandspolitik, in: Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 45,3/1990, S. 39 ff. Rinderer, C. (1989): Die Theorie der Parafiskalität, ihr Stand, ihre Entwicklung, ihre Schwächen, in: Finanzwissenschaftliche Diskussionsreihe des Instituts für Finanzwissenschaft, Nr. 13, Innsbruck. Rinderer, C. (1990): Religionsgemeinschaften in einer finanzwissenschaftlichen Perspektive, Dissertation Innsbruck. Rinderer, C. (1992): Die Theorie der Parafiskalität, ihr Stand, ihre Entwicklung, ihre Schwächen, in diesem Band Samuelson, P A . (1972): Indeterminacy of Government Role in Public Good Theory, in: The collected scientific papers of Paul A. Samuelson, Band III, Cambridge/Mass.-London, S. 521 f. Schuppert, G.F. (1992): Verselbständigte Verwaltungseinheiten und Parafiski, in diesem Band. Smekal, Ch. (1969): Die Finanzwirtschaft intermediärer Gruppen, Innsbruck. Smekal, Ch. (1977): Die Flucht aus dem Budget, Wien Smekal, Ch. (1980): Intermediäre Finanzgewalten, HdWW, Band 3, S. 6 ff. Smekal, Ch. (1982): Finanzierungsformen und -möglichkeiten der sozialen Sicherheit, Quartalshefte der Girozentrale, Nr.III, S. 475 ff. Smekal, Ch. (1989): Das Kirchensteuersystem in der Bundesrepublik Deutschland und das österreichische Kirchenbeitragssystem im Vergleich - eine finanzwissenschaftliche Analyse, in: C. Rinderer, Finanzwissenschaftliche Aspekte von Religionsgemeinschaften, Baden-Baden, S. 121. Sultan, H. (1952): Finanzwissenschaft und Soziologie, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Band 1, Tübingen, S. 67 ff. Thiemeyer, Th. (1975): Wirtschaftslehre öffentlicher Betriebe, Reinbek b. Hamburg. Tiepelmann, K. (1979): Öffentliche Unternehmen und Parafiski, in: Archiv für öffentliche und freigemeinnützige Unternehmen, Jahrbuch für nichterwerbswirtschaftliche Betriebe und Organisationen (Nonprofits), Bd. 11, S. 222-240. Tiepelmann, K. / van der Beek G. (1992), Eine finanztheoretische Sicht von Parafiski, in diesem Band.
Die Parafiskalität in Frankreich Robert Hertzog
Die Parafiskalität wurde zunächst als Gegensatz zum Steuerwesen 1 definiert, obwohl dieser Begriff selbst nicht als Legaldefinition existiert oder durch die Rechtsprechung näher präzisiert und die Klassifizierung der öffentlichen Einnahmen komplex und fließend ist 2 . Von ihrer Entstehung bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist sie in Frankreich eine im wesentlichen juristische Kategorie. Seit den 30er Jahren sah man eine Vielzahl von Abgaben mit verschiedenen Bezeichnungen entstehen, die zugunsten von Institutionen unterschiedlichen Status' nach teilweise etwas unorthodoxen Modalitäten und aufgrund verschiedenartiger Vorschriften erhoben wurden. Als die Steuerlehre sich für diese Einnahmen zu interessieren begann, sprach sie in Ermangelung eines besseren Begriffs von "Parafiskalität" 3 . Sie sah darin die finanzielle Umsetzung eines anderen Phänomens, das Aufmerksamkeit erregte: die Entwicklung von Berufsverbänden oder Interessengemeinschaften privaten Status', die mit der Wahrnehmung interventionistischer Aufgaben im wirtschaftlichen und sozialen Bereich betraut sind, sowie die Zunahme öffentlicher Einrichtungen mit besonderer Rechtsstellung. Es entstand eine große Unsicherheit, was die Klassifizierung juristischer Personen betrifft, als im Jahre 1940 der "Conseil d'Etat" feststellte, daß Institutionen auch als nicht-öffentliche Einrichtungen mit der Wahrnehmung eines Teils öffentlicher Aufgaben betraut sind und bei dieser Gelegenheit Verwaltungsakte erlassen können (Drago 1950, 286; Spiliotopoulos 1959, 165). Die Urheber wollten die Aufteilung der Verwaltungsfunktion und der Finanzmacht vorantreiben und sahen darin eine neue funktionale oder korporative Form der Dezentralisierung, welche sich der klassischen territorialen anfügt (Demichel 1960). R. Ducos-Ader schrieb dazu: Mit der Parafiskaltät geht unbedingt eine Steuerkompetenz einher, ein Einnahmerecht, das einer dezentralisierter Institution gehört, so daß die Vielzahl der Maßnahmen zur technischen Dezentralisierung die Verschiedenheit der parafiskalischen Formen impliziert (Ducos-Ader 1956, 660). 1
"Une fiscalité 'à côté', 'latérale' à la fiscalité ordinaire. Des impôts sans doute, mais perçus et employés en dehors des règles, par d'autres méthodes et procédés que ceux de la législation fiscale et de la comptabilité traditionnelle" (Waline/Laferrière 1952,248).
2
Siehe unser Versuch für eine Definition : Hertzog (1991,1362).
3
Das Wort wurde allgemeinverständlich durch die Artikel von Merigot (1949,134 u. 302).
118
Robert Hertzog
Der Zergliederung von Verwaltungsstrukturen fügt also die Parafiskalität eine echte Zergliederung der Finanzmacht hinzu. Die Kompetenzfrage ist das Kernproblem der französischen Theorie der Parafiskalität geblieben. Das öffentliche Recht interessiert sich im wesentlichen für diesen Begriff aufgrund des von ihr verursachten Verstoßes gegen die Regeln der Gewaltenteilung zwischen dem Gesetzgeber und der ausführenden Gewalt der Regierung. Während die Verfassung von 1958 die Schaffung und Festlegung des Steuersystems ("impositions de toutes natures", Art.34) der Legislative vorbehält, werden die parafiskalischen Steuern per Dekret des Premierministers erlassen. Die Parafiskalität ist das Produkt eines ökonomischen und sozialen Interventionismus' und der Störungen, die er innerhalb der Institutionen und des Finanzsystems auslöst. Als anfänglich reine Lehrbezeichnung qualifizierte sie Abgaben ohne juristische und finanzwirtschaftliche Einheit. Seit 1959 bezeichnet der Ausdruck "Parafiskalität" ausschließlich, und sehr eng, eine durch den Gesetzgeber definierte rechtliche Steuerkategorie, die einem besonderen System
unterworfen
ist.
Die
Volkswirte
benutzen
ihn
nur
in
diesem
Sinne
(Euzeby/Herschtel, 1990, 89). Sie ordnen ihn zusammen mit den Steuern und Sozialabgaben den Zwangsabgaben zu, ein Begriff, der bei internationalen
Publikationen,
besonders der OECD, und bei Dokumenten der nationalen Zahlungsbilanz benutzt wird. Im Jahre 1959 hat man versucht, die Parafiskalität in gewisser Weise zu normalisieren, indem man ihr eine Definition (1) und einen Status (2) gab. Aber diese "konstitutionalisierte Parafiskalität", eine sowohl unpräzise als auch enge rechtliche Kategorie, repräsentiert nur einen sehr kleinen Teil der öffentlichen Einnahmen, so daß sich der Großteil der Zwangsabgaben jeder synthetischen Klassifizierung entzieht (3).
1 Die mehrdeutige Definition der paraflskalischen Steuern Bis 1959 existierten nur einige, mehr oder weniger akzeptierte, von der Lehre vorgegebene Definitionen. Die Verordnung vom 2. Januar 1959, die eine rechtliche Grundlage für die Finanzgesetze schafft, gibt im ihrem Artikel 4, Absatz 3 die erste und einzige Legaldefinition der parafiskalischen Steuern: diese werden "in einem wirtschaftlichen oder sozialen Interesse zugunsten einer juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts, die nicht dem Staat, territorialen Körperschaften und ihren öffentlichen Verwaltungseinrichtungen zuzuordnen sind, erhoben." Diese Klausel, welche die historischen
Die Parafiskalität in Frankreich
119
Ursprünge dieser Finanzkategorie zum Ausdruck bringt, gibt ihr die politische Zweckbestimmung. Die oben genannte Formulierung enthält zwei Kriterien, das wirtschaftliche oder soziale Interesse (1.1) und die Zuweisung zu bestimmten Arten von Institutionen (1.2), von denen einige durch ein Dekret ausgeschlossen wurden (1.3).
1.1
Der Anspruch des ökonomischen oder sozialen Interesses
In der Liste der 52 parafiskalischen Steuern im Anhang des Finanzgesetzes für 1991 gelten 46 als aus wirtschaftlichen und sechs als aus sozialen Gründen erhoben. Unter letzteren erscheint die Abgabe für Fernsehapparate, die der Finanzierung öffentlicher Rundfunk- und Fernsehanstalten dient, oder die Abgabe auf Schauspiele, die zur Erhaltung des privaten Theaters, der Chansons, des Varietés und des Jazz bestimmt ist. Hier wird die weite Auslegung des Begriffs "sozial" deutlich 4 . Ebenso wird der wirtschaftliche Aspekt sehr locker gehandhabt, denn man findet unter dieser Bezeichnung Abgaben auf die Luftverschmutzung, für Verbandsbeiträge und auf landwirtschaftliche Produkte 5 . Es ist die Art der Ausgabe selbst, für welche die Steuer bestimmt ist und ihr ihren Sinn gibt. Die Rechtsprechung hat es abgelehnt, das "wirtschaftliche Interesse" in Abhängigkeit von dem durch die Abgabe hervorgerufenen Effekt zu beurteilen und fordert, daß die Abgabe hauptsächlich Mittel für ein bestimmtes wirtschaftliches oder soziales Ziel liefern soll6. Diese Bedingung erlaubt es, die Parafiskalität von "fiskalischen" Steuern zu unterscheiden, die ebenfalls oft eine wirtschaftliche oder soziale Zielsetzung verfolgen. Daraus folgt, daß die Legalität einer Abgabe im wesentlichen von ihrer Verwendung abhängt. Die Abgabe muß explizit für ein festgelegtes Ziel bestimmt sein7. Es reicht nicht aus, daß sie ein allgemeines wirtschaftspolitisches Interesse wie die Aufrechterhaltung des Zah-
4
C.E. 13. Juli 1967, Dame Sancelme, Ree. S. 310, A.J.DA. 1968, S. 299, Theater ist eine kulturelle,"und also dann eine soziale Sache". (Anmerkung zur Zitierweise: Rechtsquellen werden direkt zitiert; ein Verzeichnis der dabei verwendeten Abkürzungen befindet sich am Textende.)
5
C.C. 61-16 L, 18. Oktober 1961, Ree. S. 41 ; Jagd hat ein wirtschaftliches Interesse.
6
C.E. Ass. 26. Oktober Fouquet.
7
C.E. 28. Mai 1984, Mme Rivière, D.F. 1984, S. 1070, conci. Racine.
1990, Union fédérale des consommateurs, D.F. 1990, S. 877, conci.
120
Robert Hertzog
lungsbilanzgleichgewichts verfolgt 8 . Aufgrund des professionellen Charakters vieler, von den parafiskalischen Steuern profitierender Institutionen sind die Abgabenpflichtigen oft auch direkte und indirekte Begünstigte der mit dem Steuerertrag getätigten Ausgaben. Einige Autoren haben darin ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal der Parafiskalität gesehen, und der "Conseil d'Etat" schien sich zuerst diese Konzeption zu eigen gemacht zu haben. Aber er hat anschließend eindeutig klargestellt, daß parafiskalische Steuern Zwangsabgaben ohne Gegenleistung sind: "Es gibt kein allgemeines Rechtsprinzip, das fordert, daß die den parafiskalischen Steuern unterworfenen Personen ausschließliche und direkte Begünstigte von Handlungen wirtschaftlicher oder sozialer Art sind, die mit Hilfe des Ertrags dieser Abgabe finanziert wurden" 9 . Die Zielsetzung der Abgabe muß in direktem Zusammenhang mit der Tätigkeit der empfangenden Organisation stehen 1 0 . Der "Conseil d'Etat" überprüft, daß der Abgabenhöchstbetrag "nicht offensichtlich unangemessen im Hinblick auf die wirtschaftliche und soziale Bedeutung ist, die die Regierung einer nutznießenden
Organisation
beimißt" 11 .
1.2
Die von den parafiskalischen Steuern begünstigten Organschaften
Die Verordnung vom 2. Januar 1959 verfügt, daß parafiskalische Steuern "zugunsten einer juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts, die nicht dem Staat, territorialen Körperschaften und ihren öffentlichen Verwaltungseinrichtungen zuzuordnen sind", erhoben werden. Im Bereich des wirtschaftlichen oder sozialen Interventionismus' trifft man auf zahlreiche "Komitees", "Kassen", "Büros" oder "Fonds" von oft unbestimmter Rechtsstellung und juristischer Natur. Es ist Aufgabe der Rechtspre-
8
C.E. Ass. 26. Oktober 1990, O.E. (FN 6).
9
C.E. 30. April 1975, Syndicat patronal des architectes maîtres d'oeuvre de la 21ème région économique, Ree. S. 1038 ; R.S.F. 1976, S. 1134, chron. R. Hertzog ; R.J.F. 1975, S. 195, note Martin-Laprade ; 7. Dézember 1983, RJ.F. 2/1984, S. 67 ; D.F., 1984, n° 28, S. 945, concl. Bissara.
10 C.E. Sect. 10. Februar 1967, S.A. des Etablissements Petitjean, Ree. S. 63 ; R.T.D.E. 1967, S. 681, concl. Questiaux. 11 C.E. Sect. 14. März 1975, SA. "Quiblier et Fils", Ree. S. 192 ; A J . D A 1976, S. 213, note F. Moderne ; R.S.F. 1976, S. 1140, chron. R. Hertzog ; RJ.F. 1975, S. 195, note Martin-Laprade.
Die Parafiskalität in Frankreich
121
chung, zu entscheiden, ob es sich um juristische Personen handelt, und in welche Kategorie sie einzuordnen sind 12 . Es stellte sich das Problem, festzustellen, ob eine Abgabe direkt für das Budget einer Institution bestimmt ist, oder ob es ausreicht, daß sie zu ihren Gunsten erhoben wird. Der "Conseil constitutionnel" hat sich hinsichtlich der Fernsehgebühren für die zweite Interpretation entschieden 13 . Die Verordnung von 1959 sieht die Begünstigung privater Organschaften durch die parafiskalischen Steuern ausdrücklich vor. Institutionen des privaten Rechts können Aufgaben des öffentlichen Dienstes übernehmen und Verwaltungsakte erlassen. Es ist daher logisch, daß ihre Finanzierung durch Zwangsabgaben sichergestellt wird, sobald sie keiner gewerblichen Tätigkeit nachgehen. Eingeschlossen sind Vereine, Gesellschaften (Fernsehanstalten) und Institutionen mit besonderem Status, wie die "comités nationaux interprofessionnels" im Bereich der Landwirtschaft, oder die "centres techniques interprofessionnels" (Nahrungsmittel-, Textil-, Papier-, Uhren-, Möbel-, Lederindustrie). Öffentliche Einrichtungen sind nach Artikel 34 der Verfassung juristische Personen des öffentlichen Rechts 14 . Das französische Recht unterteilt diese in zwei Gruppen: öffentliche Verwaltungseinrichtungen (établissements publics administratifs, kurz E.P.A.) und die öffentlichen Einrichtungen mit industriellem oder kommerziellem Charakter (établissements publics industriels ou commerciaux, kurz E.P.I.C.). Letztere unterscheiden sich grundsätzlich durch eine der kaufmännischen Buchhaltung ähnliche Buchführung, durch den quasi privatrechtlichen Status ihrer Angestellten und durch die Beziehung zum Endverbraucher, die ebenfalls dem Privatrecht zuzuordnen ist. Die Rechtstellung, die einer öffentlichen Einrichtung von ihrem Urheber gegeben ist, läßt sich meistens durch das Finanzierungssystem, das er auf sie anwenden will, erklären: will man es mit Parafiskalität finanzieren, so muß es ein E.P.I.C. sein 15 . Kraft Ver-
12 C.C. n° 61-16 L vom 18. Oktober 1961, O.E. (FN 5); C.E. Sect. 28. Juni 1963, Narcy, Ree. S. 401, R.D.P. 1963, S. 1186, note M. Waline ; C.E. 7. Februar 1975, Société Adet-Seward, R.S.F. 1976, S. 1122, chron. R. Hertzog. 13 C.C. 80-126 DC, 30. Dezember 1980, Ree. S. 53. 14 Vgl. Therond (o.J.); Zwei Schriften vom ConseU d'Etat: CE (1985); CE (1989,112). 15 Z.B. wollte die Regierung im Jahre 1979 eine "Agence pour la Qualité de l'Air" als EPA gründen, aber da die Abgeordneten es auch durch Parafiskalität finanzieren wollten, machten sie daraus ein EPJC, obwohl die Regierung dagegen war (J.O. Déb. A.N., 1979, S. 12235 - 12248).
122
Robert Hertzog
Ordnung von 1959 können die E.P.A. nicht von parafiskalischen Steuern profitieren. Für diese wenig einleuchtende Entscheidung gibt es keine Erklärung. Die Verwaltung, die sich oft bezüglich der Rechtsnatur öffentlicher Einrichtungen irrt, hat mehrmals parafiskalische Steuern zugunsten der E.P.A. eingeführt (Martin-Laprade 1975, 196). Angesichts der eindeutigen Formulierung der Verordnung von 1959 entschied das Verfassungs- und Verwaltungsgericht systematisch, daß eine E.P.A. keine parafiskalische Steuer per Dekret erhalten kann und annulliert diese 16 . Die immer künstlicher werdende Unterscheidung zwischen E.P.A. und E.P.I.C. gibt dem Begriff der parafiskalischen Steuer selbst eine gewisse Zerbrechlichkeit.
1.3
Der ausdrückliche Ausschluß von Organschaften, zu deren Gunsten keine Abgaben erhoben werden.
Die Verordnung von 1959 ist durch ein Dekret vom 24. August 1961 ergänzt worden, welches durch das Dekret vom 30. Oktober 1980 abgelöst wurde und bezüglich der parafiskalischen Steuern (Thery 1961, 691; Bergeres 1981, 307) eine Fülle von allgemeinen Regeln aufstellt. Sie nehmen mit fast den gleichen Worten eine Bestimmung auf, die schon in einem Gesetz vom 25. Juli 1953 enthalten war, und nach deren Wortlaut Abgaben zugunsten verschiedener Organschaften oder Dienste von dieser Regelung ausgenommen sind: die sozialen Absicherungen, die Familienkassen, die Betriebsräte, die Arbeitsorganisationen, die verschiedenen Kammern für Freie Berufe, Handel, Industrie, Landwirtschaft, usw. Die Bedeutung und Legalität dieser Bestimmung sind schwer abzuschätzen. Wir haben verschiedene Interpretationen vorgeschlagen (Hertzog 1988,1, 73). Man kann nicht unterstützen, daß es sich um parafiskalische Steuern handelt, die sich außerhalb des von der Verordnung von 1959 vorgesehenen Systems befinden; denn diese gibt der Parafiskalität eine bestimmte Bedeutung und ein festgelegtes Rechtssystem, außerhalb dessen es im französischen Recht unmöglich geworden ist, diesen Ausdruck zu benutzen (Contra: Martin-Laprade 1988, 15, cf. S. 20). Unserer Meinung nach findet diese Ausschließlichkeit ihre Rechtfertigung in dem spezifischen juristischen Status einiger dieser Einnahmequellen, besonders der Abgaben, die der sozialen Absicherung dienen. Die
16 C.C. 70-61 L, 23. Februar 1970, Ree. S. 37 ; D.S. 1970, S. 388, note Lavigne ; C.E. Ass. 20. Dezember 1985, Syndicat national des industries de l'alimentation animale, Ree. S. 381 ; R.D.P. 1987, S. 787, concl. P. F. Racine.
Die Parafiskalität in Frankreich
123
wichtigsten Vorschriften für die Beiträge, sowie diejenigen für die Zuschüsse kann nur der Gesetzgeber festlegen 17 . Im Gegenteil, die Parafiskalität ist ganz in den Händen der Regierung.
2 Das Rechtssystem parafiskalischer Steuern Das Hauptinteresse und die Ursprünge dieser Finanzkategorie entstehen dadurch, daß die parafiskalischen Steuern von der Regierung erlassen werden (2.1), die über einen breiten Spielraum verfügt, um ihre Charakteristika und Zahlungsmodalitäten festzulegen (2.2). Besondere Beachtung findet die Kontrolle (2.3).
2.1
Der Erlaß der parafiskalischen Steuern: eine Macht der Regierung.
Artikel 34 der Verfassung bestimmt, daß ein institutionalisierendes Dekret, d.h. ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz, "Grundlage, Höhe und Einzugsmodalitäten von Besteuerungen aller Art" festlegt. Die Verfassungs- und Verwaltungsrechtssprechung haben diese Vorstellung schrittweise eingegrenzt, deren Rechtsgesamtheit und Bedeutung im wesentlichen an diese Kompetenz der Legislative anknüpft (Camby 1991, 339; Philip 1991, 612). Wenn über die Rechtsform einer Einnahme Unsicherheit besteht, und es darüber ein Streit gibt, verfährt man wie folgt. Man sieht zuerst, ob es ein Preis sein kann, das heißt, ob es der direkte Gegenwert einer Sache oder eines Dienstes ist, den der Benutzer eines öffentlichen Betriebes bezahlen muß. Ist es das, so ist die Verwaltung dafür zuständig, den Preis einzuführen 18 . Soll es kein Preis sein, so kann es nur eine Art Steuer ("impositions de toutes natures") sein, und ein Gesetz ist erforderlich 19 . Nach dem Wortlaut des letzten Absatzes von Artikel 34 können "die Bestimmungen des vorliegenden Artikels durch organisches Recht präzisiert und ergänzt werden."
17 C.C. 60-10 L, 20. Dezember i960, Ree. S. 39 ; 65-34 L, 2. Juü 1965, Ree. S. 75 ; 70-66 L, 17 Dezember 1970, Ree. S. 47 ; 84-136 L, 28. Februar 1984, Ree. S. 111. 18 C.E. Ass. 21. November 1958, Syndicat National des Transporteurs Aériens, Ree. S. 572, D 1959, I, S. 475, concl. Chardeau, note Trotabas ; C.C. 69-57 L vom 24. Oktober 1969, Ree. S. 32 ; 80-118 L vom 2. Dezember 1980, Ree. S. 73 ; 83-166 DC, 29. Dezember 1983, Ree. S. 77. 19 C.C. 82-124 L vom 23. Juni 1982, Ree. S. 99 ; C.E. 18. Januar 1985, Mme Marie d'Antin de Vaillac et Syndicat des sylviculteurs du Sud-Ouest, Ree. S. 12, R.D.P. 1985, S. 804, note J.M. Auby, R.F.D.A. 1985, S. 519, note J.C. Douence; C.E. 13. November 1987, SNTA, Ree. S. 355, R.D.P. 1988, S. 274, concl. O. van Ruymbeke; Hertzog (1988,3,117).
124
Robert Hertzog
Die Verordnung vom 2. Januar 1959, die auf dieser Grundlage erlassen wurde, modifiziert in Art.4 die Teilung der Kompetenzen, indem sie vorsieht, daß parafiskalische Steuern durch ein Dekret des Premierministers erlassen werden, nach einer Stellungnahme des "Conseil d'Etat", und auf der Grundlage von Gutachten des Finanzministeriums und des betroffenen Ressorts. Das Dekret definiert das Steuersystem: seine Grundlage, Höhe, Einzugsmodalitäten, abgabenbegünstigte Organschaft, Verwaltungsregelungen und ihre Nutzung. Wenn das geplante System eine Wirtschaftshilfe im Sinne des Artikels 92 des EG-Vertrages ermöglicht oder die Agrarpolitik betroffen ist, wird die Europäische Kommission in Brüssel konsultiert. Die Verwaltung kann die Steuer jederzeit unter der Bedingung modifizieren oder außer Kraft setzen, daß keine rückwirkenden Maßnahmen ergriffen werden. Die Erweiterung einer Abgabe auf einen anderen als ursprünglich für sie vorgesehenen Bereich (Besteuerung von Videorekordern über Fernsehapparate hinaus) entspricht der Einführung einer neuen Steuer. Häufig verweist das Dekret auf Ministerialerlasse, um in einer gewissen Bandbreite den Steuersatz zu festlegen. Im allgemeinen entscheidet der Minister darüber nach Verhandlungen mit der begünstigten Organschaft, was eine Delegation der Macht des Staates auf private oder quasiöffentliche Institutionen darstellt. Das Dekret vom 30. Oktober 1980 wurde unter dem Druck der Kontrollorgane, Parlament und Rechnungshof erlassen und sieht vor, daß Dekrete, die eine parafiskalische Steuer einführen, dafür eine Dauer festlegen, "die auf keinen Fall 5 Jahre überschreiten kann" (Art.2). Dies zwingt die Nutznießer, regelmäßig den Sinn der Steuer und ihre Nutzung zu rechtfertigen. Die Zahl der Steuern hat effektiv abgenommen: von 78 in 1971 auf 52 am 01.01.1991. Das Parlament ist nicht völlig einflußlos, denn "die Erhebung dieser Abgaben über den 31. Dezember des Jahres ihres Erlasses hinaus", muß jedes Jahr durch ein Finanzgesetz genehmigt werden (Verordnung von 1959). Auch wenn die Regierung jederzeit eine parafiskalische Steuer einführen kann, wird diese in den Folgejahren nur dann erhoben werden können, wenn sie im Anhang ("état annexe E") des jährlich zu verabschiedenden Finanzgesetzes aufgeführt ist. Die Rechtsfolge eines Eintrages auf dieser Liste hat keine gesetzliche Gültigkeitserklärung der zur Steuererhebung führenden Dekrete zur Folge 20 .
20 C.E. Sect. 28. Februar 1958 Denis, Ree. S. 135; Ass. 20. Dezember 1985, O.E. (FN 7).
Die Parafiskalität in Frankreich
125
Der "Conseil Constitutionnel" ließ zunächst vermuten, daß die ausschließliche Kompetenz der Regierung zukommt 21 und untersagte dem Parlament, im Laufe des Jahres Gesetze über bereits bestehende Abgaben zu verabschieden 22 . Seine Rechtsprechung hat in der Folge den Schutz der Verwaltungsmacht abgebaut, weil er dem Parlament das Recht gibt, Steuern festzulegen, die genau der Definition der Verordnung von 1959 für parafiskalische Steuern entsprechen. Art. 4 der Ordnung von 1959 verbietet dem Gesetzgeber nicht, die selben Ziele wie die der "Taxes parafiscales" durch eine "normale" Steuer fortzuführen 23 . Die Regierung hat da kein exklusives Recht, sondern nur eine außerordentliche Kompetenz, die die des Parlaments nicht ausschalten kann. Hier zeigt sich die wahre Natur der Parafiskalität im französischen öffentlichen Recht: vielmehr als ein finanzwirtschaftliches Konstrukt, stellt sie ein Mittel der Kompetenzverteilung zwischen dem Gesetzgeber und der ausführenden Gewalt dar. Die Verordnung von 1959 sieht die Abweichung vom Legalitätsprinzip der Steuern vor und ermächtigt ausnahmsweise den Premierminister, per Dekret bestimmte Steuern, die der von ihr vorgegebenen Definition entsprechen und einer besonderen Ordnung unterliegen, einzuführen. Wenn die Regierung diese Befugnis wahrnimmt, ist die eingeführte parafiskalische Steuer gegen Eingriffe des Gesetzgebers geschützt. Aber das Parlament kann zu jeder Zeit eine Besteuerung festlegen, deren Status es frei festsetzt, selbst wenn diese ein wirtschaftliches oder soziales Ziel hat und wenn sie für eine juristische Person des privaten Rechts oder eine E.P.I.C. bestimmt ist, und deshalb auch durch ein Dekret in Form einer parafiskalischen Steuer hätte etabliert werden können. Das einzige grundlegende Problem, das die Parafiskalität darstellt, ist die Frage der Legitimität dieser Zuweisung von Kompetenzen an die Exekutive. Hierzu haben wir einige Erklärungen abgegeben (Hertzog 1988,1,110).
22
Charakteristika und Verwaltung parafiskalischer Steuern: Tarif, Erhebung und Finanzierung
Der Tarif einiger Steuern wird ad valorem durch die Anwendung eines %-Satzes auf einen in Francs ausgedrückten Betrag. Viele Steuern haben eine spezifische Bezugs-
21 C.C. 61-12 L, 17. Februar 1961, Ree. S. 34 ; 79-111 L, 21. November 1979, Ree. S. 50. 22 C.C. 60-8 D.C. vom 11. August 1960, Ree. S. 25 ; Trotabas (1961). 23 C.C. 82-140 D.C. vom 28. Juni 1982, Ree. S. 45.
126
Robert Hertzog
große, bewertet in Tonnen Getreide oder Schwefeldioxyd, Kilogramm Tomaten oder Champignons, Hektoliter Alkohol oder Heizöl etc. Die Erhebung obliegt manchmal der allgemeinen Finanzverwaltung, den Rechnungsführern der Staatskasse, der "Direction générale des impots" oder der "Direction générale des douanes et des droits indirects". Diese Gleichsetzung hat nicht den Zweck, die Natur der Abgaben zu verändern, oder die richterliche Kompetenz im Streitfall zu modifizieren. Im allgemeinen werden die Abteilungen der begünstigten Institutionen mit diesen Aufgaben betraut. Das können öffentliche Einrichtungen wie die "Agence pour la Qualité de l'Air", "Office national interprofessionnel des céréales" sein, die manchmal von lokalen Staatsverwaltungen ("directions départementales de l'Agriculture", "directions régionales de l'Industrie") unterstützt werden. Häufig handelt es sich aber um private Institutionen: Berufsübergreifende Verbände der Landwirtschaft, Technikzentren im industriellen Bereich und verschiedene Vereine. Die den privaten Organschaften übertragenen Machtbefugnisse erscheinen uns im Hinblick auf die Parafiskalität am bedenklichsten. Dieses prinzipielle Problem wurde dem Verfassungsgericht im Fall der allgemeinen Sozialabgaben auf das Einkommen (Contribution sociale généralisée sur les revenus- C.S.G.) vorgelegt, welche Steuercharakter hat und deren Erhebung dem U.R.S.S.A.F., einer juristische Person des privaten Rechts zur Erhebung von Sozialabgaben, anvertraut wurde. Das hohe Gericht hat ganz klar festgestellt, daß die Abgabenerhebung einer Institution des privaten Rechts übertragen werden kann, soweit sie unter dem Kontroll öffentlichen Behörden steht 24 . Die Finanzen der von den parafiskalischen Steuern begünstigten Organschaften sind einer allgemeinen Regelung des französischen Finanzrechts unterworfen: die der einheitlichen Staatskasse. Personen des öffentlichen Rechts ist es nicht erlaubt, ein Konto bei einem Kreditinstitut zu eröffnen; ihre einzige Bank ist die Staatskasse, die im Finanzwesen den Staat verkörpert. Die zur Verfügung stehenden Mittel können bei ihr oder in Staatsanleihen angelegt werden, im Falle einer Genehmigung durch den Aufsichtsbeamten auch direkt bei der betroffenen Institution.
24 C.C. 90/285 D.C. vom 28. Dezember 1990, J.O. S. 16609.
Die Parafiskalität in Frankreich
2.3
127
Die Kontrollorgane
Ein Abgabenpflichtiger oder eine betroffene Person können vor dem "Conseil d'Etat" ein eine Abgabe einführendes Dekret anfechten, indem sie alle möglichen Ansprüche aufgrund von Gesetzesverstößen vor den Verwaltungsgerichten geltend machen. Wird das Dekret annulliert, haben die Abgabenleistenden im Prinzip ein Recht auf Rückerstattung der unrechtmäßig erhobenen Beträge 25 . Um eine Annullierung zu verhindern, erklärt der Gesetzgeber manchmal eine Abgabe rückwirkend für rechtsgültig 26 . Die Streitfrage kann ebenfalls in Form einer Anfechtung des Abgabenbetrages, der von einem Schuldner gefordert wurde, entstehen. In diesem Fall liegt das Hauptproblem darin, die rechtliche Zuständigkeit festzulegen: Zivilgericht oder Verwaltungsgericht, da jedes für sämtliche Steuern befugt ist? 27 Die Rechtssprechung hat prinzipiell entschieden, daß jede Steuerstreitsache dem Verwaltungsgericht vorgelegt wird, es sei denn, es existiert ausdrücklich eine andere Verfügung 28 . Jedoch, seit dem Urteil in Sachen Outters aus dem Jahre 1985, wendet der Conseil d'Etat auf alle Zwangsabgaben die spezifischen Regeln für Steuerstreitsachen an (Martin-Laprade 1988,15). Die Aufsicht durch die Regierung obliegt mehren Ministerien. Organschaften, zu deren Gunsten parafiskalische Steuern erhoben werden, unterliegen dem Verantwortungsbereich des Finanzministers oder des/der betroffenen Minister/s. Im Finanzministerium gehen mehrere Abteilungen ohne besondere Koordination diesen Aufgaben nach. Jeder Organschaft wird ein Aufsichtsbeamter des Finanzministeriums zugewiesen. Die Verantwortung der Fachressorts (Landwirtschaft, Industrie, Umwelt etc.) steht im Kreuzfeuer der Kritik. Ihre Abteilungen sind kaum dazu ausgebildet, eine Buchprüfung vorzunehmen. Die Ministerien profitieren manchmal von der vereinfachten Rechnungsle-
25 Es ist oft schwer, das Geld zurückzubekommen: Communier/Hatoux (1990, 85). 26 Z.B. in der Sache über die Magnetoskoprekorder. Nach dem Urteil des C.E. vom 20. Dezember 1985 (O.E., FN 20) wurde das ON1C zu einem EPIC umgewandelt und die vorigen Steuern rückwirkend rechtsgültig gemacht (cf. concl. Fouquet, C.E. 8. August 1990,0. E.). 27 Das Zivilgericht ist zuständig für die Zollsteuern, die meisten indirekten Steuern, die Einschreibegebühren und die Stempelgebühren, die Erbschaftsteuern, weil es so in Art. L 199 et L 199 A, L.P.F. des C.G.I. steht. Für alle anderen Steuern richtet man sich prinzipiell an das Verwaltungsgericht, so hat es die Rechtsprechung entschieden, T.C. 10. Juli 1956, Société Bourgogne-Bois c/L'Etat, Ree. S. 56 ; C.E. 7. November 1962, Caisse générale de la péréquation de la papeterie, Ree. S. 592. 28 C.E. Ass. 20. Dezember 1985, SA. "Ets Outters", R.F.DA. 1986, S. 513, Concl. Philippe Martin; décret 1986 - J - 283, note L. Favoreu, RJ.F. 1986, S. 123 et les observations ; wir sind sehr kritisch: Hertzog (1988,2, insbes. S. 24).
128
Robert Hertzog
gung, welche die privaten Institutionen zur Verfügung stellen, um dank ihrer Vermittlung zweifelhafte Buchungen durchzusetzen. Sie sind durchaus durch Lobbies beeinflußbar. Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Finanzministerium, das der Parafiskalität skeptisch gegenübersteht, und den anderen Ministerien sind üblich. Die Leiter der Organschaften machen sich diese Interessens- und Machtkonflikte zunutze, so daß für die Effizienz der Mehrzahl der Kontrollen nicht garantiert werden kann. Die parlamentarische Kontrolle wird prinzipiell bei der Untersuchung des jährlichen Finanzgesetzvorschlags verwirklicht, in welchem das Formblatt E die Liste der parafiskalischen Steuern aufführt, deren Erhebung für das folgende Jahr genehmigt werden soll (Coupaye/Daulouede 1988, 57-72). Vom Finanzausschuß der Nationalversammlung wird ein Gutachten über parafiskalische Steuern vorgelegt, das im Laufe der Jahre diese oder jene Abgabe im Detail überprüft, oder eine allgemeine Untersuchung der in diesem Bereich verfolgten Regierungspolitik vornimmt. Der Obere Rechnungshof (Cour des comptes), dessen Mitglieder den Status von Magistraten haben, übernimmt eine doppelte Rolle. In der Eigenschaft von Wirtschaftsprüfern erhält und untersucht sie die Bücher der Rechnungsführenden. Sie schreitet ebenfalls mit einer administrativen Funktion als Kontrolleur der Verwaltung ein. Entweder auf Eigeninitiative oder Antrag einer Finanzkommission kann sie allgemeine Studien zu bestimmten Fragestellungen durchführen oder die Situation einer bestimmten Institution untersuchen. Der Bericht von 1973 beinhaltet fundierte Untersuchungen, die zur Reform 1980 führten. Resultat dieser Nachforschungen sind Beobachtungen, die den betroffenen Ministerien und Institutionen zugesandt werden. Parafiskalische Steuern und begünstigte Institutionen sind häufiger der Gegenstand von Kontrollen als die normale Besteuerung an sich oder die einfache Verwaltung. Wenn das Ergebnis nicht sehr überzeugend ist, liegt dies nicht so sehr an der Natur der Abgaben oder Institutionen, sondern dem generellen Unvermögen des Staates, seine Aufsichtspflicht effektiv durch die Koordination der Aktvitäten der beauftragten Institutionen und durch die Vergabe der notwendigen Mittel zu organisieren.
129
Die Parafiskalität in Frankreich
3 Die Schwächen der Parafiskalität in Frankreich Die der Verfassung entsprechende Parafiskalität, die in Art.4 der Verordnung vom 2. Januar 1959 definiert wird und als einzige diese juristische Qualifizierung verdient, ist nur eine kleine Randerscheinung im französischen Finanzwesen. Makroökonomisch ausgedrückt, oder: im Verhältnis zu den Zwangsabgaben sind diese Beträge äußerst minimal. parafiskalische Steuern (gesamt)
12.306.966
Fernsehgebühren *
% der parafiskalischen Steuern
*
parafiskalische Steuern ohne Fernsehgebühren Steuereinnahmen (StGB/Gesamtbudget des Staates)
*
8.232.700 66,89 % 4.074.266 1.496.950.000
parafiskalische Steuern x 100 StGB
0.822 %
ohne Fernsehgebühren
0.270 %
Alle Angaben in 1000 FF, Quelle: Finanzgesetz für 1991, J.O. 30. Dez. 1990
3.1
Die Parafiskalität: eine unbedeutende Kategorie
Die Parafiskalität hat also in Frankreich eine sehr enge und rein juristische Definition. Daher erfaßt sie überhaupt nicht die gesamte "Scheinbesteuerung". Viele Zwangsabgaben, welche beträchtliche Finanzbeträge darstellen, befinden sich gleichzeitig außerhalb der Parafiskalität und der allgemeinen Besteuerung. 1. Im Bereich der Landwirtschaft, wo die Parafiskalität bevorzugt angewendet wird (Bletterie 1988, 47-56), gibt es "freiwillige Zwangsabgaben" (Albert 1989, 349), um zahlreiche Berufsverbände zu finanzieren. Die Abgaben, welche die Landwirte zur Verfügung stellen, werden als "freiwillig" betrachtet, da diese Organisationen juristische Personen des privaten Rechts sind und ihre leitenden Organe über eine weitreichende Entscheidungsbefugnis über diese Abgaben verfügen. Andererseits werden sie auch durch Verwaltungsakte erlassen. Das Gesetz legt ihren allgemeinen Rahmen fest, während Dekrete die Bedingungen definieren, unter denen eine Organisation von der öffentlichen Hand als Nutznießer solcher Abgaben anerkannt wird (Madiot 1969, 367; Albert 1989, 71).
130
Robert Hertzog
2. Verschiedene Organisationen, welche kollektive Interessen vertreten und die Wahrnehmung öeffentlicher Aufgaben sicherstellen (wie z.B. Kammern), werden mit Abgaben finanziert, die weder Steuern noch parafiskalische Steuern sind. Auf diese sehr kontroverse Situation haben wir schon hingewiesen. Die genossenschaftlichen Vereinigungen von Eigentümern, welche Flüsse, Bewässerungsanlagen, Wälder etc. nutzen, sind öffentliche Einrichtungen. Die von den Mitgliedern zur Finanzierung dieser Aufgaben allgemeinen Interesses erhobenen Abgaben unterliegen bereits lang existierenden Prozeduren 29 . 3. Letztendlich stellt sich das Problem der Definition der Finanzkategorien im französischen Steuerrecht. Die Verfassung verwendet nur den Ausdruck "Steuern aller Art" (Art.34), was sich auf alle Abgaben bezieht, die nur per Gesetz geschaffen werden können. Darunter fallen mehrere Untereinheiten. Die fiskalischen Steuern (Mehrwertsteuer, indirekte Abgaben, Steuern auf das Einkommen, Erträge und Kapitalerträge, die Grundsteuern etc.) werden durch einheitliche Verwaltungsregelungen und durch eine umstrittene Prozedur im C.G.I. charakterisiert (Hertzog 1988,2). Die anderen Steuern bilden eine verschiedenartige Gesamtheit, welche vom Parlament kaum kontrolliert wird 30 und von der Lehre nur schwer klassifiziert werden kann (Amselek 1974, 89; Camby 1991; Philip 1991). Es werden immer Steuern in ihrer originellen Form und Anwendung bestehen bleiben, weil der Gesetzgeber zu keiner einheitlichen Regelung verpflichtet ist und weil das politische oder bürokratische Kräftespiel zu einem Bedarf an Sonderregelungen führt, trotz der europäischen Harmonisierung. 4. Der soziale Schutz macht den größten Teil der über die "Scheinsteuer" eingenommenen Summen
aus: Krankenversicherung,
Familiengeld, Renten,
Arbeitslosenver-
sicherung etc. 1988, als die Zwangsabgaben 44,3 % des BIP ausmachten, stiegen die vom Staat erhobenen Steuern auf 17 %, die der lokalen Verwaltung auf 5,9 % und die effektiven Sozialabgaben auf 19,1 Das Abgabensystem ist eine Mischung aus öffentlichem und privatem Recht, wobei ersteres vorzuherrschen scheint und obwohl sich die "Cour de Cassation" mit solchen
29 Sie bestehen seit einem Gesetz vom 21. Juni 1865 und begründen z.B. die drei Affairen : C.E. 18. März 1983, RJ.F. 1983 S. 310.
häufig Streitigkeiten;
30 Abgeordneter Alphandéry bemängelt, daß zu viele Steuern für unabhängige Körperschaften begründet werden. Sie werden dann jedes Jahr durch das Finanzgesetz automatisch verlängert, ohne daß das Parlament die Summe kennt und irgend eine Kontrolle darüber ausüben kann (Alphandéry 1983). 31 Droit social, n° 3,1990 "Les prélèvements obligatoires en Europe".
Die Parafiskalität in Frankreich
131
Streitfällen befasst. Die Kompetenzaufteilung zwischen Exekutive und Gesetzgeber unterliegt hier besonderen Regeln. Nach Artikel 34 der Verfassung bestimmt das Gesetz die Grundprinzipien der sozialen Sicherheit. Der "Conseil constitutionnel" hat die Auffassung vertreten, daß dieses wesentliche Regeln der Rechtsstellung von Abgaben umfaßt, die Anwendung aber gänzlich der Regierung überläßt 32 . Die Sozialversicherungsabgaben werden von juristischen Personen des privaten Rechts eingezogen, den "Unions de Recouvrement de la Sécurité sociale et des Allocations familiales" (U.R.S.S.A.F.) (Chadelat 1991, 1281). Das Arbeitslosenversicherungssystem, das durch ein Abkommen von 1958 zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen geschaffen wurde, wird paritätisch und dezentral von den "Associations de l'Emploi dans l'Industrie et le Commerce" (ASSEDIC) verwaltet, an deren Spitze sich eine nationale Organisation befindet (UNEDIC) 33 . Die Finanzanalyse des sozialen Schutzes wird durch die Hinzufügung von allgemeinen Sozialabgaben, einen Begriff, dessen Einordnung allein nicht einfach ist, und Steuern im obigen Sinne, noch verkompliziert 34 . Im Jahre 1990 hatte die Opposition behauptet, daß der allgemeine Sozialversicherungsbeitrag auf das Einkommen (C.S.G.) unrechtmäßig durch ein Finanzgesetz in Kraft gesetzt wurde, weil er keine Steuer, sondern Sozialabgabe
sei.
Ohne
weitere
Erklärungen
abzugeben,
hat
der
"Conseil
constitutionnel" dieses Argument zurückgewiesen: "Diese neuen Beiträge fallen unter die Kategorie der "Steuern aller Art" laut Art.34 der Verfassung" 35 .
32 C.E. 26. Oktober 1990 Union des assurances du secteur privé, Ree. S. 293. 33 Der Obere Rechnungshof (Cour des Comptes) bringt in seinen öffentlichen Berichten oft neue Mißbräuche in diesem Bereich vor (1983, 1987, 1988). In dem Bericht von 1991 ist er speziell hart über den "Groupement des ASSEDIC de la région parisienne", der in 1989 30,5 MdsF, das heisst ein drittel aller nationalen Einnahmen, einkassiert hat. Der Hof schreibt, es gäbe "schwere Nachlässigkeit" und eine "fehlerhafte Organisation". 34 Der Unterschied zwischen den sozialen Absicherungsbeiträgen und "normalen" Steuern besteht darin, daß erstere von denjenigen Personen bezahlt werden, die auch von den Kassen und dem Versicherungssystem einen direkten (die Leute, die einer Kasse angegliedert sind) oder indirekten (die Arbeitgeber) Vorteil haben : C.C. 83-152 DC des 14. Januar 1983, Ree. S. 31. In den 80er Jahren kam es mehr und mehr zu einer Mischung von Beiträgen und Steuern (auf Alkoholgetränke, Apothekenwerbung, Einkommen, usw.). 35 C.C. n° 90-285 D.C. vom 28. Dezember 1990, und Philip (1991,612); Chaumont (1991,15).
132
Robert Hertzog
3.2 Die Nutzung der Parafiskalität Die in bestimmten Bereichen wie Landwirtschaft, Fernsehen oder Umwelt von den Nutznießern der parafiskalischen Steuern angewandte Politik ist häufig sehr sensibel, auch wenn es sich um unbeträchtliche Summen handelt. Von den 52 parafiskalischen Steuern, die man im Formblatt E des Anhangs des Finanzgesetzes von 1991 findet, gelten 46 als aus ökonomischen und 6 als aus sozialen Interessen erhoben. - In der ersten Kategorie betreffen 2 Abgaben die Umwelt. Die Abgabe auf Luftverschmutzung über 100 MF (Million de francs) kommt der "Agence pour la Qualité de l'Air" zu und wird auf verschiedene von Großunternehmen emittierte Schadstoffen erhoben. Die Abgabe auf die Basisöle, die für die "Agence Nationale pour la Récupération et l'Elimination des Déchets" bestimmt sind, brachte 61,6 Millionen Francs ein. Diese beiden Organisationen werden zu einer Umweltbehörde mit vielseitigen Aufgaben zusammengefaßt. - Dazu kommen 5 zur Regulierung des Agrarmarktes bestimmte Abgaben (auf Getreide, Tomaten, Erbsen, Champignons und Trockenpflaumen), von denen die bedeutenste den Getreidesektor betrifft (273,4 MF). - 5 andere Abgaben dienen der Qualitätskontrolle von Produkten und der Unterstützung der Meeresfischerei. - Die Förderung der gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen im Bereich der Landwirtschaft ist, mit 22 Abgaben, die bedeutenste, wenngleich auch eine sehr heterogene Abgabenkategorie. Darunter fallen die Abgabe auf Zuckerrüben, Getreide, Raps, Fleisch, Kuhmilch, diverse Weine und Alkohole. Sie sind für die Lagerhaltung, Organisationen zur Entwicklung der Landwirtschaft und Interessensverbände (für Champagner, Cognac, Weine etc.) bestimmt. Die eingenommen Beträge sind unterschiedlich hoch: während das Forschungszentrum für Zuckerrohr und Zucker auf Martinique 508.000 FF erhält, betragen die Getreideabgaben 360 MF; das für Cidre zuständige Komitee erhält 1,8 MF, das für Champagner 27 M F und das für Cognac 46,6 MF. - Die
Förderung von Forschungsaktivitäten
und
industriellen
Restrukturierungs-
maßnahmen wird mit 12 Abgaben finanziert. Sie kommen Verbänden der Textil- und Bekleidungs-, Öl-, Papier-, Holz- und Lederbranche sowie dem Maschinenbau zugute. Die Leistungen sind, abgesehen vom Erdölbereich (970 MF) und der Forschung im Bereich des Maschinenbaus (302 MF), relativ begrenzt.
Die Parafiskalität in Frankreich
133
- Nur 6 Abgaben werden aus sozialem Interesse erhoben und verdienen diese Bezeichnung nur unter großem Vorbehalt. 3 von ihnen, die unter die Rubrik Kultur- und Freizeitförderung fallen, setzen sich zusammen aus der Fernsehgebühr (8.232 MF), der Abgabe auf Radio- und Fernsehwerbung (55,5 MF), die dem Erhalt des Lokalfunks dient, und einer Abgabe auf Veranstaltungen zur Unterstützung der privaten Theater, des Chansons, des Varietés und des Jazz (25 MF). Die Fernsehgebühr unterliegt einem besonderem System. Die Untersuchung des Budgets des Ministeriums für Kultur und Kommunikation ist jedes Jahr Anlaß zu lebhaften Auseinandersetzungen über die Rundfunkpolitik der Regierung, über die Verwaltung der öffentlichen Fernsehsender und ihre Finanzierung (Gebühren oder Werbung). Der "Conseil Constitutionnel" hat sich mehrfach zu diesem Abgabensystem geäußert 36 . - Die verbleibenden 3 Abgabenarten werden für die Berufsausbildung im Baugewerbe und im Bereich staatlicher Bauvorhaben (350 MF), für Verkauf und Reparatur von Autos, Fahrrädern und Motorrädern (66 MF) und im Speditionsgewerbe (97,4 MF) erhoben. Dies stellt nur einen geringen Teil der Ausgaben für Aus-, Fort- und Weiterbildung dar, da Unternehmen, die mehr als 9 Mitarbeiter beschäftigen, verpflichtet sind, mindestens 1,2 % der Bruttolöhne für die berufliche Weiterbildung zu verwenden, in der Praxis aber weitaus mehr investieren.
4 Schlußbemerkung Die Vielfalt von Institutionen kollektiven Interesses, die Ausweitung ihrer Eingriffe in die unterschiedlichsten Bereiche, bedingen Finanzierungsinstrumente, die ihrerseits immer stärker modifiziert werden. Entprechend einer starken Tendenz in unserer Gesellschaft, geht die Ausweitung der Verwaltung mit einer Ausweitung des Finanzund Steuersystems einher, der schwer entgegenzuwirken ist. Es ist daher illusorisch, auf eine Vereinfachung des Steuersystems zu hoffen. In der Tat zielt man in Europa auf 2 Steuerkategorien ab, die Mehrwertsteuer und die Steuer auf Einkommen und Erträge, die den Vorteil haben, sowohl umfassend als auch synthetisch zu sein. Die territoriale und die zugunsten öffentlicher, privater und halböffentlicher Einrichtungen vorgenommene funktionelle Dezentralisierung bedingen die Aufrechterhaltung und Schaffung zahlreicher Zwangsabgaben, von denen einige noch unbekannte oder neue Elemente aufweisen werden. 36 C.C. 60-8 D.C. vom 11. August 1960, O.E. ; 71-111 L vom 21. November 1979, Ree. S. 50 ; 80-126 D.C. vom 30. Dezember 1980, Ree. S. 53.
134
Robert Hertzog
In Frankreich stellt d i e Parafiskalität e i n sicherlich a b w e i c h e n d e s , aber in sich geschloss e n e s S y s t e m dar. D i e grösste V i e l f a l t u n d U n g e n a u i g k e i t f i n d e t m a n i m B e r e i c h der " B e s t e u e r u n g e n aller Art", w e l c h e sich zur u m f a s s e n d s t e n juristischen K a t e g o r i e entw i c k e l t e , w ä h r e n d die produktivste K a t e g o r i e die der S o z i a l a b g a b e n ist.
A b k ü r z u n g s v e r z e i c h n i s der R e c h t s q u e l l e n
AJ.D A.
: Actualité juridique - Droit Administratif
C.C.
: Conseil Constitutionnel
C.E. Sect., Ass.
: Conseil d'Etat, Section, ou Assemblée
C.G.I.
: Code Général des Impôts
Chron.
: Chronique
Concl.
: Conclusions (du commissaire du gouvernement devant certaines juridictions)
D.
: Dalloz (Revue juridique)
D.F.
: Droit Fiscal (Revue)
Fasc.
: Fascicule
J.CA.
: Jurisclasseur administratif
J.O.
: Journal Officiel, Lois et Décrets
J.O. C.E.
: J.O. des Communautés européennes
J.O. Déb. A.N.
: Journal Officiel, Débats, Assemblée Nationale
L.P.F.
: Livre des procédures fiscales du C.G.I.
N.E.D.
: Notes et Etudes Documentaires (collection publiée par la Documentation Française).
R.D.P.
: Revue de Droit Public
R.F.D.A.
: Revue Française de Droit Administratif
R.J.E.
: Revue Juridique de l'Environnement
R.J.F.
: Revue de Jurisprudence Fiscale
R.S.F.
: Revue de Science Financière
R.S.L.F.
: Revue de Science et de Législation Financières
R.T.D.E.
: Revue Trimestrielle de Droit Européen
Die Parafiskalität in Frankreich
Rec.
Recueil
135
des
arrêts
du
C.C.,
du
C.E.
ou
de
la
CJ.C.E.,
selon
la
juridiction dont la décision est rapportée. T.C.
: Tribunal des Conflits
Literatur: Albert., J.L. (1989): Apparences et réalités de la parafiscalité agricole en France, Thèse, Paris II, 1989, S .349 ff. Alphandéry (1983): Rapport sur le projet de loi de fin. pour 1983, Doc. A.N. 1982, n° 1165, Annexe 33. Amselek, P. (1974): Une curiosité du droit public financier : les impositions autres que fiscales ou parafiscales, in: Mélanges "Marcel Waline", Librairie Générale de Droit et de Jurisprudence (L.G.D.J.) 1974, T I, S. 89 ff. Bergerès, M. (1981): Une para-réforme? Le décret n" 80-854 du 30. Oktober 1980 relatif aux taxes parafiscales, in: Dalloz 1981, Chron S. 307 ff. Bletterie, R. (1988): Les taxes parafiscales de l'agriculture, in: Revue Française de Finances Publiques (R.F.F.P.) 1988-21, S. 47 - 56. Camby, J.P. (1991): Les impositions de toutes natures : une catégorie sans critère?, in: Actualité JuridiqueDroit Administratif (A.J.D A.) 1991, S. 339 ff. CE (1985): Etude sur les établissements publics. Réflexions sur les catégories et les spécificités des établissements publics nationaux, in: La Doc. Franç. (Hg.), Notes et Etudes Documentaires (NED) n° 4784, 1985 CE (1989): Les établissements publics: transformation et suppression, in: La Doc. Franç. (Hg.), Notes et Etudes Documentaires (NED), N° 4876,1989. Chadelat, J.F. (1991): Recouvrement des cotisations de sécurité sociale, in: Dictionnaire encyclopédique de finances publiques, Teil 2, S. 1281 ff sowie Agence centrale des organismes de sécurité sociale (A.C.O.S.S.), in: Dictionnaire encyclopédique de finances publiques, Teil 1, S. 30 ff. Chaumont, J.P. (1991): Le conseil constitutionnel et le projet de loi de finances pour 1991, in: Les Petites Affiches (L.P.A.) 1991 n° 17. Communier, J.M.,Hatoux, B. (1990), La restitution des taxes nationales perçues en violation du droit communautaire, in: Revue de Jurisprudence Fiscale (RJ.F.), 2-1990, S. 85 ff. Coupaye, P., Daulouède, P. (1988): Le contrôle parlementaire des taxes parafiscales, in: Revue Française de Finances Publiques (R.F.F.P.) 1988 - 21, S. 57 - 72. Demichel, A. (1960): Le contrôle de l'Etat sur les organismes privés, Librairie Générale de Droit et de Jurisprudence (L.G.DJ.) 1960. Drago, R. (1950): Les crises de la notion d'établissement public, Pédone 1950. Ducos-Ader (1956): La notion juridique de parafiscalité, in: Revue de Science et de Législation Financières (R.S.L.F.) 1956, S.660 ff. EuzébyA-, Herschtel, M. L. (1990): Finances publiques-Une approche économique, Paris, Dunod, 1990. Hertzog, R. (1988,1): La parafiscalité : née dans le désordre, subsistant dans la confusion, in: Revue Française de Finances Publiques (R.F.F.P.) 1988-21, S. 73 ff. Hertzog, R. (1988,2): Le juge fiscal en crise, in: Le juge fiscal, Economica, 1988, S.302 ff.
136
Robert Hertzog
Hertzog, R. (1988,3): Le régime financier de la lutte contre le bruit autour des aéroports : condamnation provisoire ou disparition définitive in: Revue Juridique de l'Environnement (RJ.E.) 1988-2, S. 117 ff. Hertzog, R. (1991): Ressources publiques (classification des ), in: Dictionnaire encyclopédique de finances publiques, Economica, 1991, T. II, S. 1362 ff. Madiot, Y. (1969): Les aspects juridiques de la politique contractuelle en agriculture, in: Droit social 1969, S. 367 ff. Martin-Laprade (1990): Le contrôle du juge administratif sur les taxes parafiscales, in: Revue de Jurisprudence Fiscale (R.J.F). 1975, S. 196 ff. Martin-Laprade, B. (1988): Aspects juridiques des taxes parafiscales, in: Revue Française de Finances Publiques (R.F.F.P.) 1988-21, S. 15 ff. Merigot, M. (1949): Eléments d'une théorie de la parafiscalité, in: Revue de Science et de Législation Financières (R.S.L.F.) 1949, S. 134 ff und S. 302 ff. Philip, L. (1991): La décision du 29. Décembre 1990 du Conseil constitutionnel sur la contribution sociale généralisée et la notion d'impôt, in: Droit Fiscal (D.F). 1991, S. 612 ff. Spiliotopoulos, E.P. (1959): La distinction des institutions publiques et des institutions privées en droit français, Librairie Générale de Droit et de Jurisprudence (L.G.D J.) 1959, S. 165 ff. Therond, J.P. (o.J.): "Etablissements publics", Jurisclasseur Administratif ( J . C A ) Fasc. n° 135. Théry, J. (1961): Chronique générale de législation, in: Actualité Juridique-Droit Administratif (AJ.DA.) 1961, S. 691 ff. Trotabas, L. (1961): La taxe radiophonique : taxe, redevance ou parafiscalité, in: Revue de Science Financière (R.S.F.) 1961, S. 5 ff. Waline, M., Laferrière, J. (1952): Traité élémentaire de science et delégislation financière, in: Librairie Générale de Droit et de Jurisprudence (L.G.D.J.) 1952, S. 248 ff.
Verselbständigte Verwaltungseinheiten und Parafiski Elemente zu einer Theorie der Parafiskalität Gunnar Folke Schuppert
1 Verselbständigte Verwaltungseinheiten und Parafiski: eine Vielzahl paraleller Fragestellungen Liest man als jemand, dessen Steckenpferd es ist, sich aus öffentlich-rechtlicher wie aus verwaltungswissenschaftlicher Perspektive mit Fragen der Staats- und Verwaltungsorganisation, insbesondere mit dem Phänomen verselbständigter Verwaltungseinheiten zu beschäftigen, die finanzwissenschaftliche Literatur über Parafiski, so empfindet er jedenfalls mit anfänglichem Erstaunen das Vergnügen, auf einem Terrain zu wandern, das zwar aus sachfremder Perspektive beleuchtet wird, ihm aber gleichwohl äußerst vertraut vorkommt. In der Tat drängen sich - wie gleich zu zeigen ist - mannigfache Parallelen nicht nur in der Fragestellung, sondern auch hinsichtlich der angemessenen methodischen Vorgehensweise geradezu auf; was das Erstaunen darüber angeht, so kann es natürlicherweise nur anfänglich sein: denn die Beschäftigung mit dem Phänomen der Parafiskalität ist nichts anderes als die finanzwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Phänomen einer arbeitsteilig-spezialisierten, dezentralisierten und pluralisierten Staatsund Verwaltungsorganisation. Die Parallelen beginnen schon bei der Begrifflichkeit.
1.1
Parallelen in der Begrifflichkeit: parafiskalisch, parastateux, paragovernmental
Der Fiskus ist - wie man vielleicht vereinfachend sagen kann - der Staat in finanzwissenschaftlichem Gewände. Will man nun darauf hinweisen, daß es nicht nur die staatsunmittelbare Verwaltungsorganisation, sondern eben auch irgendwie verselbständigte Verwaltungsgebilde gibt, so kann man von para-staatlichen oder quasi-staatlichen Gebilden sprechen (vgl. zu den angelsächsischen Quasi-Non-Governmental Organizations - Quangos - Schuppert, 1981 b; zu dem Begriff der Para-Governmental Organizations - PGOs - Hood/Schuppert, 1988); will man darauf hinweisen, daß es nicht nur die gebietskörperschaftlichen Einheitshaushalte von Bund, Ländern und Gemeinden gibt, sondern eben auch irgendwie ausgegliedert Spezialhaushalte, so kann von parafiskalischen Gebilden gesprochen werden. Zu Recht hat Smekal (1969, 40) darauf hingewiesen, daß es sich um zwei Seiten einer Medaille handelt, die Begriffe Staat und Fiskus
Gunnar Folke Schuppen
138
insoweit austauschbar sind: "Die Franzosen und Italiener sprechen von parafiskalischen oder parastaatlichen Gebilden (organismes parastateux). Die Verwendung des Wortes "Staat" in der französischen und des Wortes "hilfs" in der deutschen Bezeichnung deutet darauf hin, daß hier wie dort das Anliegen darin besteht, jene intermediären Gebilde zu erfassen, die Ausgliederungen innerhalb des Staates darstellen und in eine Theorie der staatlichen Finanzwirtschaft eingegliedert werden sollen." Angesichts dieses gemeinsamen Anliegens, diese zahlreichen, zum Teil sehr unterschiedlichen und klassifizierungsbediirftigen (Ansätze aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht bei Schuppert, 1981 a; aus finanzwissenschaftlicher Sicht bei Tiepelmann, 1975 und Lepelmeier, 1984) intermediären Gebilde theoretisch zu erfassen, können auch weitere Parallelen nicht überraschen.
12
Einheil der Verwaltung, Einheit der Finanzwirtschaft: zwei Fiktionen unter sich
Besonders ins Auge fallend ist, daß sowohl die Theorie der Parafiskalität wie die Bemühungen um eine theoretische Erfassung einer dezentralisierten und pluralisierten Staats- und Verwaltungsorganisation zunächst die Eierschalen einer fiktiven Einheit von Staat und Staatshaushalt abstreifen mußten. So ist es schon bemerkenswert, mit welcher Einmütigkeit die in die Welt der Parafiskalität einführenden Aufsätze von Tiepelmann (1975) und Lepelmeier (1984) einleitend gegen die Einheit der Staatswirtschaft Front machen und diese Begrifflichkeit als eher hinderlich ansehen, um die Vielgliedrigkeit der Staatswirtschaft und die funktionale Differenzierung der Staatstätigkeit zu erfassen. Ob nun die Vorstellung einer einheitlichen Staatswirtschaft
- wie Smekal meint (1969) - "auf der Vorliebe mancher Wissenschaftler
beruht, ihr Erkenntnisobjekt zu vereinfachen", mag hier dahingestellt bleiben; eines ist jedenfalls - worauf F. K. Mann erstmalig eindringlich hingewiesen hat (1928) - daran richtig: als normatives Postulat mag die Einheit der Finanzwirtschaft taugen, als Wirklichkeitsbefund nicht. Ebenso verhält es sich mit dem Begriff der Einheit der Verwaltung (Bryde, 1988; Schuppert, 1987). Man kann sie diskutieren (vgl. Schuppert, 1987) als normatives Postulat (verfassungsrechtlich wie verfassungspolitisch), als Organisationsmaxime (etwa im Rahmen der Verwaltungsreform) oder als eine der Mythen der Verwaltung und schließlich die Frage stellen, ob Einheit oder Pluralität der Verwaltung eher als Abbild der
Verselbständigte Verwaltungseinheiten und Parafiski
139
Verwaltungswirklichkeit in Betracht kommen. Die Antwort ist eindeutig: "Nur als eine Organisationsmaxime ... hat dieser Begriff einen legitimen Platz, nicht jedoch als Befund der Verwaltungswirklichkeit ... Der Begriff der Einheit der Verwaltung ist daher eher geeignet, die Sachprobleme zu verdunkeln; man sollte ... es vermeiden, die Diskussion mit inadäquaten begrifflich-konstruktiven Frage- und Frontstellungen zu belasten und sich davor hüten - wie Jellinek es für den Begriff der Einheit der Staatsgewalt formuliert hat - "mit den althergebrachten Schablonen die ganze Fülle des Verfassungslebens begreifen zu wollen (Schuppert, 1987)". Die Übereinstimmung ist also groß: Einheit der Verwaltung wie Einheit der Staatswirtschaft sind Fiktionen, die den Zugang zum Wirklichkeitsbefund einer gegliederten pluralisierten Staatsverwaltung und Staatswirtschaft versperren. An ihre Stelle tritt - wie Tiepelmann (1975) es ausdrückt - die Einsicht in eine "funktionale Differenzierung der Staatstätigkeit", was es nun allerdings erforderlich macht, diesen Differenzierungsprozeß zu beschreiben, zu analysieren und theoretisch zu erfassen. Wie man dabei vorgehen sollte, wird in den nächsten drei Stichworten abgehandelt, die ebenfalls die Verwandtschaft der Problemstellungen der verschiedenen Disziplinen Staats- und Verwaltungsrechtslehre, Verwaltungswissenschaft, Finanzwissenschaft stark hervortreten lassen.
1.3
Organisationsformen im Grenzbereich zwischen privater und öffentlicher Aufgabenwahrnehmung: zum Denken in Übergangszonen
Wie schon die Begriffsbildung von der "Finanzwirtschaft intermediärer Gruppen" (Smekal, 1969), von den "intermediären Finanzgewalten" (Mann, 1930) oder von den "Finanzen intermediärer Gewalten" (Smekal, 1980) zeigt, liegen die Parafiski irgendwo dazwischen, nämlich zwischen dem staatlichen und dem privaten Bereich. Begriffe und Beschreibungen für diese Zwischenzone, in der Parafiski beheimatet sind, stellen sich schnell und gewissermaßen von alleine ein: Tiepelmann (1979) spricht von "Grauzonen zwischen typisch staats- und typisch marktwirtschaftlichen Betätigungen", Lepelmeier (1979) von einem Übergangsbereich, von einer "twilight zone of economy", Andreae und Smekal (1968) thematisieren das doppelte Abgrenzungsproblem, nämlich die Abgrenzung der Parafiski zum staatlichen Bereich und ihre Abgrenzung zum Bereich der unzähligen Vereinshaushalte, also den privaten Bereich.
140
Gunnar Folke Schuppert
Für die Beschäftigung mit den verselbständigten Verwaltungseinheiten wie für die Erforschung des Dritten Sektors, der zwischen
Staat und Markt vermutet wird
(Anheier/Seibl, 1990), stellen sich die Probleme in gleicher Weise. Verselbständigte Verwaltungseinheiten, Quangos, PGOs, andere Erscheinungsformen des Dritten Sektors (Schuppert, 1990) wie Nonprofit-Organizations (NPOs) oder Non-Governmental-Organizations (NGOs) und schließlich die Parafiski sind - das ist ihnen gemeinsam - typische "In-Between-Organisationen", irgendwo (was im Einzelfall näher zu bestimmen ist) zwischen der saatlichen Verwaltungsorganisation und der privaten Betätigung, sei es als Individuum, sei es als Verein. Es ist ein naheliegender Gedanke, daß man diese Übergangs-, Grenz- oder Grauzone zwischen den Endpunkten
staatlich und privat ansiedelt und auf diese Weise einen
Zwischenbereich erhält, in dem sich Organisationstypen finden, die wie Trabanten eines Sonnensystems in unterschiedlicher Entfernung entweder um den Staat oder den Bereich der Privatheit kreisen oder gar - und das sind die interessantesten - insoweit Zwitter sind, als sie im Bannkreis zweier Systeme stehen oder anders ausgedrückt: Doppelfunktionen
wahrnehmen. Wie ein solcher Zwischenbereich aus verwaltungs-
wissenschaftlicher Perspektive, also bezogen auf die Verwaltungsorganisation, aussehen könnte, ist nachstehend abgebildet (aus Schuppert, 1981 a, 98):
Vereine mit Gemeinwohlzielsetzung
Privatrechtliche Organisationen mit teilweiser f i n a n zieller A b h ä n g i g keit
Private Organisat i o n e n mit ö f f e n t licher B e d e u t u n g : Gewerkschaften
Gruppenrepräsentativ zusammengesetzte Anstalten
Instrumentelle Anstalten und Körperschaften (Rundfunk)
Interessenvertretende Körperschaften
Privatrechtliche Organisationen beim Prozeß der Verstaatlichung (Mittierorganisationen Ausw. Kulturverw.)
G roßunternehmen
Privat rechtliche Z w e c k grundungen (Großforschung, Entwicklungshilfe) D u n d e s ä m t e r mit Kollegialstruktur + Entscheidungsspielraum
Privatrechtliche Organisationen in finanzieller A b h ä n g i g k e i t , aber beträchtlicher Entscheidungsfreiheit ( D F G , M a x - P l a n c k - G e s . )
Auch für den Bereich der Einordnung von Parafiski bietet sich dieses Denken in Bereichen und eine Skalierung auf einem gedachten Kontinuum mit den Endpunkten staatlich und privat offenbar an. Dies wird besonders schön deutlich aus der nachstehenden
Verselbständigte Verwaltungseinheiten und Parafiski
141
Darstellung, die dem Werk von Lepelmeier (1979) über "Soziale Sicherung und Parafiskalität" entnommen ist:
privater Bereich*
* intermediärer, paraf iskalischer Bereich*
I
¡funktionale Gruppen ] (ala private Kollektivbildungen)
¡allgemeine Theorie ,der Kollektive ala IErklärungsansatz
L
.
»öffentlicher Bereich
funktionale Institutionen (als staatliche Funkt ionsausgliede runjgen)
traditionelle, juristisch orientierte! Theorieansätze
J
privater Bereichf—»eine funktonale Theorie der Parafiskalität< als analytisches Gesamtkonzept
•öffentlicher Bereich
-intermediärer, parafiskalischer Bereich • funktionale Repräsentanz
finanzielle Autonomie
Lepelmeier hat an anderer Stelle (1984) diese Übersicht geringfügig modifiziert und in ihr auch Organisationstypen wie Kirchen, Kammern, Verbände etc. verortet, was die Paralellität mit dem verwaltungswissenschaftlichen Kontinuum (s.o.) noch augenfälliger macht.
1.4
Aufgaben- und Arbeitsteilung zwischen dem privaten und und dem staatlichen Sektor: zum Denken in Sektoren
Studiert man die finanzwissenschaftliche Literatur zum Thema Parafiskalität, so fällt auf, daß zur Erfassung des Spezifischen intermediärer Finanzgewalten häufiger von Sektoren gesprochen wird und auch - was mir besonders wichtig erscheint - von einem sich verändernden Verhältnis der Sektoren zueinander. Es mag genügen, dies an zwei Stellen zu belegen:
142
Gunnar Folke Schuppert
Der Gedanke von verschiedenen an der privaten wie öffentlichen Zweck- und Aufgabenerfüllung beteiligten Sektoren und einer wie immer gearteten Aufgaben- und Arbeitsteilung zwischen ihnen klingt an bei Smekal (1969, 24), wenn er in der gruppentheoretischen Grundlegung seiner Theorie der Parafiskalität ausführt: "Die Arbeitsteilung zwischen den Bereichen Staat, Gesellschaft und Individuum führt nur im Idealfall zum Interessenausgleich in der Gesellschaft. In der Wirklichkeit wird dieser meistens von Machtbildungen und Machtauseinandersetzungen überlagert... Gleichzeitig mit den gesellschaftlichen Machtverschiebungen gehen auch entsprechende Aufgabenverschiebungen zwischen den gesellschaftlichen Bereichen einher." In seinem Beitrag über Finanzen intermediärer Gewalten hat Smekal (1980) diesen Gedanken fortgeführt und die intermediären Finanzgewalten als Erscheinungsform des funktionalen Föderalismus bezeichnet: sie seien "Ausdruck einer gesellschaftlichen Arbeitsteilung, diezwischen dem staatlichen und privaten Sektor angesiedelt ist". In etwas anderem und modernerem, die neuere Entstaatlichungsdiskussion aufnehmenden Gewände taucht der Gedanke des Verhältnisses verschiedener Sektoren und ihrer Beziehungen zueinander bei Tiepelmann (1979) auf, und zwar im Kontext seiner Überlegungen, ob öffentliche Unternehmen als Parafiski begriffen werden können: "Im Ergebnis läßt sich also die These vertreten, daß die Alternative bei diagnostiziertem Staatsversagen wohl nur sehr selten lauten kann: Rückkehr zur privaten Marktwirtschaft, sondern: Neugestaltung im staatswirtschaftlichen Bereich in Form parafiskalischer Funktionsausgliederung oder öffentlicher Unternehmen." Dieser Gedanke, daß an der öffentlichen Aufgabenerfüllung unterschiedliche Sektoren mit je spezifischen Funktionen und Organisationstypen beteiligt sind und daß sich ferner die Beziehungen der Sektoren zueinander und ihr jeweiliges spezifisches Gewicht dauernd verändern, ist in den neueren Arbeiten zur Erforschung des Dritten Sektors ein zentrales Thema. Ich selbst habe vorgeschlagen, die folgenden Sektoren zu unterscheiden (Schuppert, 1989 b)
}
Verselbständigte Verwaltungseinheiten und Parafiski
143
und die These vertreten, daß gerade die Veränderung des Verhältnisses der Sektoren zueinander und die Herausbildung spezifischer sektorübergreifender Organisationstypen etwas über Veränderungsprozesse moderner Staatlichkeit aussagen. Es wäre daher auch eine naheliegende Aufgabe, zu untersuchen, in welchen Sektoren parafiskalische Gebilde signifikant häufig oder auffallend selten vorkommen.
1.5
Zur Dynamik des intermediären Bereichs: Herauswachsen aus, Hineinwachsen in den staatlichen Bereich
Eine weitere signifikante Übereinstimmung von verwaltungs- und finanzwissenschaftlicher Forschung zeigt sich in der gemeinsamen Beobachtung, daß der sog. intermediäre Bereich ein ausgesprochen dynamischer Bereich ist. Was den Bereich der verselbständigten Verwaltungseinheiten angeht, so sind dabei beobachtbare Prozesse "des Herauswachsens des Staates aus dem Bereich öffentlichrechtlicher Organisation" (Ausgliederung durch Dezentralisierung und Privatisierung) und "des Hineinwachsens privatrechtlicher Organisationen in einen Bereich gesteigerter öffentlicher Bedeutung" (Theorie des private government, Rolle der Gewerkschaften) ausführlich geschildert worden (Schuppert, 1981 a); was das Denken in Sektoren angeht, so ist schon auf die These von der Dynamik der Sektorenzuordnung hingewiesen worden; was schließlich die Binnen-Anatomie des Dritten Sektors angeht, so kann man geradezu "Organisationen auf Wanderschaft" beobachten, und zwar meistens im Prozeß eines zunehmenden Hineinwachsens in den Bereich halbstaatlicher Aufgabenerfüllung (Billis, 1989; Schuppert, 1990). Die Finanzwissenschaft nun hat diese Prozesse des Heraus- und Hineinwachsens, die in den oben wiedergegebenen Übersichten schon durch die zahlreichen Pfeile (--> Paraflski und institutionelle Förderung Für die Finanzierung von Parafiski kommen aber nicht nur verschiedene Formen von öffentlich-rechtlichen, insbesondere mitgliedschaftsbezogenen Abgaben in Betracht, sondern auch staatliche Zuschüsse; dies jedenfalls dann, wenn eine Förderung von Organisationen in der Weise vorliegt, daß sie ohne diese wiederkehrenden Zuschüsse gar nicht existieren könnten, also existentiell am finanziellen Tropf des Staates hängen (institutionelle Förderung). Von einer solchen institutionellen Föderung leben eine Vielzahl von Organisationen (Beispiele bei Schuppert, 1981 a). Allein im Bereich des Landwirtschaftsministeriums sind es 21 solcher Organisationen, die "Zuwendungen zur Deckung der gesamten Ausgaben oder eines nicht abgegrenzten Teils der Ausgaben" erhalten (institutionelle Förderung), u.a. das "Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V." (Ausgaben 1976 4.636.000 DM, eigene Mittel 143.000 DM, institutionelle Förderung durch den Bund 3.424.000 DM).
Verselbständigte Verwaltungseinheiten und Parafiski
149
Als Beispiel für unseren Argumentationszusammenhang mögen die Großorganisationen der Wissenschaftsförderung dienen wie etwa die Deutsche Forschungsgemeinschaft e.V. (DFG), die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. und die Volkswagen-Stiftung (Zur Finanzierung und Entscheidungsstruktur dieser Organisation privaten Rechts siehe Schuppert, 1981 a). Diese Wissenschaftsförderungsorganisationen werden zu über 90 % aus staatlichen Mitteln finanziert, erfüllen die öffentliche Aufgabe der Wissenschaftsförderung, in dem sie eine sonst erforderliche staatliche Bürokratie substituieren, haben ein beträchtliches Maß an Entscheidungsautonomie und pflegen ein nichtstaatliches Selbstverständnis als Selbstverwaltungsorganisationen der Wissenschaft. Ein besonders schönes Beispiel für die Parafiskalität solcher Organisationen dürfte die Stiftung Volkswagenwerk sein: sie gibt Gelder aus, die aus dem Verkaufserlös bzw. dem Ertrag fiskalischen Vermögens (sei es des Bundes, sei es des Landes Niedersachsen) stammen; ob die Verwendung dieser der VW-Stiftung überlassenen Gelder der staatlichen Rechnungsprüfung unterliegt (so im Ergebnis das Bundesverwaltungsgericht) oder - wie die Stiftung selbst meinte (vgl. Oppermann/Fleischmann, 1972) - nur der Überprüfung durch eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, war äußerst umstritten. Wie dem auch sei: daß hier ein aus öffentlichen Mitteln gespeister, zweckgebundener Nebenhaushalt besteht, dürfte aus finanzwissenschaftlicher Perspektive kaum bestreitbar sein.
2.2 Einnahmetypologie und Organisationstypologie Während in der finanzwissenschaftlichen Literatur zu Parafiski überwiegend so vorgegangen wird, daß bestimmte "Kandidaten-Organisationen" darauf geprüft werden, wie sie sich finanzieren, welche Art von Gütern sie produzieren etc. könnte man auch anders vorgehen, und bei den Finanzierungsarten beginnen und ihnen bestimmte Organisationen bzw. Organisationstypen zuordnen, was andeutungsweise so, wie in der folgenden Übersicht dargestellt, geschehen könnte. Diese Übersicht ist nur beispielhaft; sie soll nur eine denkbare Klassifizierungsmethode veranschaulichen.
150
Gunnar Folke Schuppen
Steuern -
Staat
idealtypisch nach Trennsystem: Bundessteuero Landessteuem Gemeindesteuern
Bundeshaushalt Landeshaushalte Gemeinde haus halte
Gebühren/Beiträge •
Einrichtungen der Daseinsvorsorge betreibenden Leistungsverwaltung - unselbständige Einrichtungen, Teils gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts mit eigenen Haushalten - Rundfunkgebühren - Sozialversicherung:beitrage
j
- Parafiski
Verbandslasten -
Selbstverwaltungskörperechaften des öffentlichen Rechts i.d.R. paraflskalischen Charakters
Sonderabgaben -
Fonds. Ausgleichskassen. Anstalten des öffentlichen Rechts (Fonds)
Lenkungsabgaben Schwerbehindertenabgabe •
Hauptfürsorgestellen 40 % Anteil an —> "Ausgleichsfonds für überregionale Maßnahmen zur Eingliederung Schwerbehinderter" Parafiskus
Förderungsabgaben eigennützige Förderungsabgaben Abgabe nach dem Weinwirtschaftsgesetz
Stabilisierungsfonds für Wein Parafiskus
fremdnützige/gemeinnützige Förderungsabgaben Filmabgabe nach dem Film- förderungsgesetz
Filmförderungsanstalt Parafiskus
Ausgleichsabgaben Ausgleichsabgabe nach — § 12 des Milch- und Fettgesetzes
besondere Fonds in den Händen des Bundesernährungsministers; gesonderte Verwaltung, zweckgebundene Verausgabung Parafiskus
staatliche Zuschüsse als — institutionelle Förderung
DFG, Max-Planck-Gesellschaft, Volkswagen-Stiftung Parafiskus
freiwillige Spenden/freiwillige Mitgliedsgeiträge
Vereine unterschiedlichen Öffentlichkeitsstatus i.d.R. keine Parafiski
Verselbständigte Verwaltungseinheiten und Parafiski
151
2.3 Zwischenergebnis Für die Qualifizierung als Parafiskus kommt es auf die Rechtsform des jeweiligen "Gebildes" nicht entscheidend an. Entscheidend ist die Erfüllung öffentlicher Aufgaben unter Verwendung
öffentlicher Mittel. Diese können durch öffentlich-rechtliche
Zwangsabgaben erhoben werden, insbesondere durch sog. Sonderabgaben. Liegt eine solche gruppenspezifische und gruppennützige Finanzierung vor, indiziert dies das Vorliegen eines Parafiskus. Liegen regelmäßige Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln im Sinne einer institutionellen Förderung vor, besteht Verdacht auf Parafiskalität und muß näher geprüft werden, ob die jeweilige Institution rechtlich wie funktional in einer Weise verselbständigt ist, die es rechtfertigt, von einem parafiskalischen Nebenhaushalt zu sprechen. Wird eine Organisation ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen finanziert, wie etwa die Gewerkschaften oder andere Verbände, handelt es sich zunächst einmal um normale "Vereine". Vereine sind keine Parafiski. Ob sie durch gesellschaftliche Bedeutung und Repräsentanz dazu werden, erscheint zweifelhaft und ist noch näher zu diskutieren. Werden Leistungen durch Entgelte finanziert, so ist nach der rechtlichen Verfassung des Leistungsanbieters zu differenzieren: handelt es sich um "normale" öffentliche Unternehmen in Form einer AG oder GmbH, so sind sie auch sonst als Gebilde des Gesellschafts- und Aktienrechts, also nicht als Parafiski zu behandeln; sind es rechtlich gesehen Sondervermögen des Bundes wie Bahn und Post, so haben sie parafiskalischen Charakter. Die bisherigen Überlegungen haben ferner gezeigt, daß gerade die bedeutenden Parafiski eine mitgliedschaftliche Struktur aufweisen und mitgliedsschaftsbezogene Abgaben eine besondere Rolle spielen. Es erscheint daher angezeigt, über den Zusammenhang von Erscheinungsformen der Selbstverwaltung und Parafiskalität genauer nachzudenken.
152
Gunnar Folke Schuppert
3 Parafiskalität als Finanzgebaren intermediärer Gruppen
3.1
Der organisierte Mensch
In seiner Arbeit über die Finanzwirtschaft intermediärer Gruppen stellt Smekal (1969) zentral auf den Begriff der Gruppe ab; die Gruppe sei es, die sich zwischen dem Einzelnen und dem Staat befindet, den intermediären Bereich konstituiere und das Wesen der pluralistischen Gesellschft ausmache. Ein dualistisches Modell des Gegenübertretens von Staat und Individuum könne daher die Probleme der "richtigen" gesellschaftlichen Arbeitsteilung nicht lösen (Smekal, 1980). Daran ist richtig, daß die simplifizierende Gegenüberstellung von Staat und Individuum das Phänomen des organisierten Menschen (Schuppert, 1989 b) vernachlässigt, die jeder soziologisch vorstrukturierten Gruppe - wie etwa jeder Berufsgruppe - innewohnende Verwaltungskraft (Köttgen) übersieht und nicht erklären kann, daß tendenziell jede Gruppe mit einem Mindestmaß von Organisiertheit und öffentlicher Zwecksetzung potentielles Adoptivkind
der staatlichen Verwaltung ist (von Adoptivkindern des Staates
spricht Herrmann, 1936), wobei man etwa den Vorgang der Verkammerung oder auch die institutionelle finanzielle Förderung als Vorgang der Adoption bezeichnen kann. Eine ganz andere Frage ist es, ob man jeder Gruppe von einer gewissen Bedeutung und mit einem bestimmten Organisations- und Repräsentationsgrad den Status der Parafiskalität zuerkennen sollte; tut man dies - wozu etwa das Beispiel der Gewerkschaften zu verlocken scheint (Andreae/Smekal, 1968) - so hat es die Lehre von der Parafiskalität nicht mehr mit parastaatlichen Nebenhaushalten zu tun, sondern handelt es sich um die Lehre von den Gruppenhaushalten. bedeutsamen
Gruppenhaushalte
Diese Erweiterung um tendenziell alle halbwegs
(IG Metall mit der "großen Streikkasse", Deutscher
Beamtenbund, Bund der Steuerzahler etc.) ist nicht nur kein Gewinn, sondern gibt dem bisherigen Forschungsgegenstand - den Parafiskus - eigentlich auf.
3.2
Funktionenpluralismus organisierter Interessen: zum Ertrag der Korporatismusdebatte
Eine wesentliche Stütze fand die Verlegung der "Parafiskalität ... aus dem staatlichen (Bereich) heraus in den intermediären Raum (Smekal, 1969) durch die insbesondere von Andreae (1963) gemachte Beobachtung, daß Gruppen von einer gewissen Bedeutung, insbesondere die sog. interessierten Interessen multifunktional
sind; sie lassen sich
Verselbständigte Verwaltungseinheiten und Parafiski
153
in ihrer Funktion nicht einfach auf pure Interessenvertretung reduzieren, vielmehr spielen sie - wie man insbesondere für die Gewerkschaften sehr schön zeigen kann (Streeck, 1972) - in politisch-administrativen System eine wichtige, für die Umsetzung staatlicher Politik (Konjunkturpolitik etwa) oft unverzichtbare und stabilisierende Rolle. Nicht umsonst ist es daher ein Charakteristikum moderner Staats- und Verwaltungsorganisation, daß die organisierten Interessen in Form von Beiräten, Verwaltungsräten und Konzertierten Aktionen in sie inkorporiert werden und Staat und Verwaltung sich ihnen bewußt öffnen (Schuppert, 1981 a; 1983). Diese von Smekal (1980) und anderen so hervorgehobene Doppelfunktion
von Gruppen
und Verbänden, insbesondere der organisierten Interessen ist von der sog. Korporatismusforschung
(vgl. Alemann, 1981; Lehmbruch/Schmitter, 1982) als zentrales Thema
behandelt worden; wegen des den organisierten Interessen innwohnenden Verwaltungsund Steuerungspotentials
kann man sogar von Korporatismus als Steuerungsmethode
spre-
chen (Offe, 1984; vgl. auch Schuppert, 1989 bf). Aufgrund dieser Multifunktionalität
der "organisierten Welt" zwischen Staat und Indivi-
duum kann es auch nicht verwundern, daß die von Gruppen, Verbänden, organisierten Interessen produzierten Güter mannigfach sind (Tiepelmann/van der Beek, 1990). Bernd Marin (1990) hat diesen Sachverhalt tabellarisch wie folgt dazustellen versucht (siehe folgende Seite). So richtig und wichtig diese Einsichten in die Multifunktionalität
intermediärer Organisa-
tionen sind: sie machen alle diese Organisationen nicht automatisch zu Parafiski. Hinzu kommen muß noch etwas anderes, nämlich die Einbeziehung in die öffentliche Aufgabenerfüllung in der Weise, daß sie entweder aus öffentlichen Mitteln bezuschußt werden, in dem Prozeß der Verausgabung öffentlicher Mittel eingebunden sind oder ihr Vermögen zumindest steuerlich begünstigt wird, wie etwa bei bestimmten Stiftungen wissenschaftlicher oder karitativer Zwecksetzung. Diese
Kriterien
bieten
sich an, beschäftigt
Binnenstruktur des Dritten Sektors.
man
sich etwas genauer
mit
der
154
Social Sectors Activities
Gunnar Folke Schuppert
Constitutive Organizations
State
Public Agencies
Markets
(Private) Corporations, Business Firms, Enterprises, Companies
Intermediaries between Markets
(Consumer) Cooperatives
and Third Sector
Type of OutputWelfare-Services Produced Monopolistic Authoritative Public Citizenship Categoric (Private/Commercia)
Private/Commercial
Private/Commercial Membership Solidaristic/ Communitarian/SelfHelp
Voluntary Nonprofit Associations Nongovernmental Organizations Interest/Advocacy Organizations Organized Popular Movements Membership Organizations Charitable and Philantropic "Associations Churches, Religious Associations Foundations
Monopolistic Authoritative Public Citizenship Categoric Private/Commercial Membership Solidaristic/ Communitarian/SelfHelp
Intermediaries between Third Sector and Unorganized Informal Sector
Self-Help Groups, Murual Aid Networks, Social Club-like Groups without Membership, Social Movements
Solidaristic/ Communitarian/ Self-Help
Primary Community ("Primary Social SupportSystems") Unorganized Informal Sector
Private Households; Family, Kinship, Neighbourhood "Moral Economy"
Solidaristic/ Communitarian/ Self-Help
Third Sector ('The World of Associations", Social Economy") Civil Society
V e r s e l b s t ä n d i g t e V e r w a l t u n g s e i n h e i t e n und Parafiski
155
3.3 Parafiskalität und BinnendifTerenzierung des Dritten Sektors Der Dritte Sektor, den ich wie folgt versucht habe (Schuppert,
1990) näher
aufzugliedern, THIRD SECTOR
1
UNORGANIZED GROUPS
\ \
SELF-HELPGROUPS etc.
\
/ ES. /
ORGANIZED INTERESTS
/
\
/
\
/
\
"NORMALASSOCIATIONS (VEREINE)
1
NONPROFTT/ ORGANIZATIONS / (NPO's) /
NON\ GOVERNMENTAL- \ ORGANISATIONS (NGO's) ^ ^ ^ ^
/ /
besteht bei näherem Hinsehen nicht nur aus der klassischen Selbstverwaltung (etwa in Kammern), den organisierten Interessen der Korporatismusforschung und dem klassischen Vereinswesen der bürgerlichen Gesellschaft, sondern in ihm finden sich noch eine Reihe anderer Organisationen wie etwa Non-Profit-Organisationen (Wohlfahrtsverbände als Beispiel) oder Non-Governmental Organizations wie Organisationen der Entwicklungshilfe oder Erscheinungsformen von sog. Selbstorganisation wie Selbsthilfegruppen u.a. Will man sie zwischen den Eckpunkten privater Zweckverfolgung und öffentlicher Aufgabenerfüllung irgendwie einordnen, so bieten sich hierfür die Merkmale des Organisationsgrades und des Maßes der Instrumentalisierung fiir die Implementation staatlicher Politikprogramme an (näher dazu Schuppert, 1990). Insbesondere Lester Salomon (1987) hat auf die teilweise enge Kooperation zwischen staatlicher Verwaltung und Organisationen des Dritten Sektors hingewiesen, etwa bei der Durchführung staatlicher Programme gegen die Armut, gegen Drogenmißbrauch etc. und insoweit von einer Beziehung der partnership gesprochen; dieser Befund findet in vielen Beispielen aus dem Bereich der Sozialpolitik wie auch der Entwicklungshilfe reichhaltige Unterstützung (z.B. bei Glagow, 1989). Es ist geradezu typisch, daß die staatliche
Verwaltung
sich für die
Durchführung bestimmter
Sozialprogramme
(Drogenberatung, Altenbetreuung, Betreuung Behinderter) der Mitarbeit karitativer Organisationen bedient und sie im Gegenzuge dafür finanziell erheblich unterstützt.
Gunnar Folke Schuppert
156
Sofern solche etablierten Non-Profits wie etwa Wohlfahrtsverbände oder das Rote Kreuz in erheblichem Ausmaß öffentliche Mittel verausgaben, haben sie eindeutig parafiskalischen Charakter.
4 Kriterien der Parafiskalität Nunmehr soll versucht werden, die bisherigen Überlegungen in einem Kriterienkatalog für die Feststellung von Parafiskalität zu übersetzen. Als Kriterien kommen in Betracht:
4.1 Die Art der Einnahmeerzielung Wie schon ausführlicher dargestellt wurde, wurde Parafiskalität indiziert bei Finanzierung intermediärer Gebilde durch öffentlich-rechtliche Zwangsabgaben, insbesondere durch sog. Sonderabgaben und beitragsähnliche Verbandslasten. Verdacht auf Parafiskalität liegt vor bei permanenter institutioneller Förderung einer Organisation mit öffentlichen Mitteln. Parafiskalität liegt ferner vor, wenn öffentliches Vermögen zweckgebunden verselbständigt wird wie bei Sondervermögen des Bundes oder öffentlichrechtlichen Kreditanstalten mit spezialisiertem Aufgabenbereich (z.B. landwirtschaftliche Rentenbank, Kreditanstalt für Wiederaufbau).
4.2 Die Art der Mitgliedschaft Wie unter dem Gesichtspunkten der Finanzierung von Parafiski ausgeführt wurde, kommt als Finanzquelle für parafiskalische Gebilde insbesondere die mitgliedschaftsbezogene Abgabe in Betracht. Es ist daher naheliegend, nach dem Zusammenhang von Parafiskalität und Art der Mitgliedschaft zu fragen, insbesondere zu prüfen, ob eine Erscheinungsform der Zwangsmitgliedschaft
vorliegt. Da die Zwangsmitgliedschaft die
Erhebung von Zwangsabgaben erleichtert und als mitgliedschaftlich strukturierte Organisationsform des öffentlichen Rechts die öffentlich-rechtliche (Schuppert,
1979),
ist
mitgliedschaft/Zwangsbeiträge
die
Trias
öffentlich-rechtliche
Körperschaft bereitsteht Körperschaft/Zwangs-
besonders signifikant und typisch für Parafiski.
Verselbständigte Verwaltungseinbeiten und Parafiski
157
4.3 Parafiskalität und Arten von Selbstverwaltung Parafiskalität hat auch mit Selbstverwaltung zu tun, wie ein Blick auf verschiedene Typen von Selbstverwaltung und die dort auftretenden Parafiski zeigt. Folgende Erscheinungsformen von Selbstverwaltung können unterschieden werden (Schuppert, 1983): - Kommunale Selbstverwaltung - Interessenvertretende körperschaftliche Selbstverwaltung, als 1. interessenvertretende Selbstverwaltung ständischer Prägung (verkammerte freie Berufe) und 2. interessenvertretende Selbstverwaltung repräsentativer Prägung (Selbstverwaltung der Industrie- und Handelskammern, des Handwerks und der Landwirtschaft) - Verbandsgesteuerte Selbstverwaltung im Bereich der Sozialversicherung - Anstaltliche Selbstverwaltung in grundrechtssensiblen Bereichen durch Rundfunkanstalten und Universitäten - Mittelbare Selbstverwaltung durch staatliche Nutznießung der Verwaltungskraft privatrechtlicher Organisationen (DFG, Max-Planck-Gesellschaft) Es ist leicht erkennbar, daß im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung, die ja auch nicht Selbstverwaltung einer Gruppe oder eines bestimmten Lebensbereichs, sondern die Befugnis einer Gebietskörperschaft zur Regelung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft meint, ein gebietskörperschaftlicher Haushalt vorliegt, in allen anderen Selbstverwaltungsbereichen aber - jedenfalls nach den von uns entwickelten Kriterien parafiskalische Gebilde bestehen. Zum selben Ergebnis und zu einem zwanglosen Übergang zum nächsten Kriterium gelangt man, legt man eine andere Selbstverwaltungstypologie zugrunde. Uwe Schimank und Manfred Glagow (1984) unterscheiden drei Typen "nicht-etatistischer Gesellschaftssteuerung", nämlich - Subsidiarität
als staatlich gewährte gesellschaftliche Selbststeuerung; als Beispiele
dienen die Wohlfahrtsverbände als sogenannte freie Träger staatlicher Sozialpolitik - Delegation als staatlich verordnete gesellschaftliche Selbststeuerung; Beispiel ist die wirtschaftliche und berufsständische Selbstverwaltung in der Rechtsform von Körperschaften des öffentlichen Rechts
Gunnai Folke Schuppen
158
- Korporatismus als ausgehandelte gesellschaftliche Selbststeuerung; Beispiele sind die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, bei der wirtschaftlichen Globalsteuerung sowie die Durchführung regionaler und sektoraler Strukturpolitik. Sowohl im Bereich von Subsidiarität und Delegation finden sich typische Parafiski; was die ausgehandelte gesellschaftliche Selbststeuerung angeht, so ermöglicht uns dieser Selbststeuerungstyp den Übergang zum nächsten Kriterium:
4.4
Wahrgenommene Funktionen und Instrumentalisierung durch die öffentliche Verwaltung
Parafiskalität liegt aber nicht nur vor im Bereich der klassischen öffentlich-rechtlich verfaßten Selbstverwaltung, bei Zwangsabgaben und Zwangsmitgliedschaft, auch privatrechtliche Organisationen können parafiskalische Gebilde sein. Um sie aber von "normalen" Vereins- oder Gruppenhaushalten abgrenzen zu können, bedarf es zusätzlicher Kriterien. Sie liegen nicht in der politischen Bedeutung oder der Repräsentativität solcher Gruppen oder Verbände - eine solche Abgrenzung dürfte kaum funktionieren sondern in der Art der Finanzierung, der Art der wahrgenommenen Funktionen und des Ausmaßes der Instrumentalisierung durch die öffentliche Verwaltung. Alle drei Aspekte hängen in der Regel miteinander zusammen und als Abgrenzungskriterien sind sie ebenfalls keineswegs einfach zu handhaben. Aber das Gemeinte läßt sich an Beispielen von Organisationen aus dem Bereich von Non-Profit und NonGovernmental-Organizations leicht veranschaulichen: Es gibt eine Fülle von Organisationen, die zwar - wie etwa Mittlerorganisationen der auswärtigen Kulturpolitik (Goethe-Gesellschaft) oder Verbände der sogenannten organisierten Nächstenliebe (Wohlfahrtsverbände, Rotes Kreuz etc.) - privatrechtlich verfaßt sind, gleichwohl aber öffentliche Aufgaben wahrnehmen, die sonst staatsunmittelbar erledigt werden müßten, deswegen aus öffentlichen Mitteln beträchtlich bezuschußt werden und insgesamt als integraler Bestandteil eines Networks öffentlicher Aufgabenerfüllung erscheinen: hier liegt das vor, was für Parafiski typisch ist: die Erfüllung öffentlicher Aufgaben, die Verwendung öffentlicher Mittel und eine gewisse Eigenständigkeit und Autonomie bei der Aufgabenerfüllung beruhe diese auf Ausgliederungsentscheidungen der Staatsverwaltung oder auf kooperativer Adoption der Verwaltungskraft privatrechtlicher Assoziationen.
Verselbständigte Verwaltungseinheiten und Parafiski
159
Literatur: Ulrich von Alemann, Hrsg., 1981, Neokorporatismus, Frankfurt, New York. Clemens August Andreae, 1963, Die parasfiskalischen Gebilde in finanzwissenschaftlicher Schau, in: J. Lob/H. Riehl/U. Schöndorfer (Hrsg.), Ein Beitrag zur Ganzheitsforschung, Festschrift für Walter Heinrich, Graz, S. 333-344. Clemens August Andreae/Christian Smekal, 1968, Zur Parafiskalität des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, in: J. Broermann/Ph. Herder-Dorneich (Hrsg.), Soziale Verantwortung. Festschrift für Goetz Briefs zum 80. Geburtstag, Berlin, S. 301-316. Helmut K. Anheier/Wolfgang Seibel (Eds.), 1990, The Third Sector. Comparative Studies of Nonprofit Organizations, Berlin/New York. David Billis, 1989, A Theory of the Voluntary Sector: Implications for Policy and Practice. The Centre for Voluntary Organizations. The London School of Economics and Political Science, Working Paper 5, April 1989. Brun-Otto Bryde, 1988, Die Einheit der Verwaltung als Rechtsproblem, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer ( W D S t R L ) 46, S. 181-213. Gerald E. Caiden, 1982, Public Administration, 2. Aufl., Palisades Publishers. Karl Heinrich Friauf, 1977, Zur Zulässigkeit von außersteuerlichen Sonderabgaben, in: Schmölders/Wöhe/Buchholz (Hrsg.), Der Bürger als Objekt der staatlichen Finanzpolitik, Festschrift für Willy Haubrichs, S. 103-125. Manfred Glagow, 1989, The Role of Non-Governmental Organizations in European Development Aid, in: Behemans/Glagow/Moon (Eds.), Beyond Market and State. Alternative Approaches to Meeting Societal Demands, European University Institute Working Paper Nr. 89/410. Walter Hermann, 1936, Intermediäre Finanzgewalten. Eine Analyse deutscher hilfsfiskalischer Gebilde im ersten Jahrzehnt nach der Stabilisierung, Jena. Christopher Hood/Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.), 1988, Delivering Public Services in Western Europe. Sharing Western European Experience of Para-Government Organization, London (Sage). Josef Isensee, 1973, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, Schriften zum öffentlichen Recht, Band 224. Josef Isensee, 1977, Steuerstaat als Staatsform, in: Festschrift für Hans Peter Ipsen, S. 409 ff. Paul Kirchhof, 1983, Die Finanzierung des Leistungsstaates. Die verfassungsrechtlichen Grenzen staatlicher Abgabenhoheit, in: Jura 1983, S. 505-517. Gerhard Lehmbruch/Philipp C. Schmitter, Hrsg., 1982, Pettens of Corporatist Policy-Making. Dirk Lepelmeier, 1979, Soziale Sicherung und Parafiskalität. Zur Einkommensumverteilungsproblematik im Bereich der Sozialversicherung, Europäische Hochschulschriften, Bd. 242. Dirk Lepelmeier, 1984, Intermediäre Finanzwirtschaften (Parafisci), in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium (WiSt) 1984, S. 554 - 560. Fritz Karl Mann, 1928, Die intermediären Finanzgewalten und ihr Einfluß auf Deutschlands finanzielle Belastung, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 7, S. 219-237.
160
Giinnar Folke Schuppert
Frilz Karl Mann, 1930, Die Staatswirtschaft unserer Zeit, Finanzwissenschaftliche Forschungen, Heft 1, Jena. Bernd Marin, 1990, Aids: Aspects of the Voluntary Sector Response, Paper presented at the AVAS Conference "Challengers for the Voluntary Sector", London 16. - 1 8 . July 1990. Albrecht Merkt, 1990, Die mitgliedsschaftsbezogene Abgabe des öffentlichen Rechts, Pfaffenweiler. Claus Offe, 1984, Korporatismus als System nichtstaatlicher MakroSteuerung?, in: Geschichte und Gesellschaft, Bd. 10„ S. 234 - 256. Thomas Oppermann/Eugen Fleischmann, 1972, Zur Finanzkontrolle der Stiftung Volkswagenwerk. Folgerungen aus der Wahrnehmung öffentlich bedeutsamer Aufgaben in privatrechtlicher Form, Frankfurt am Main/Berlin. Werner Patzig, 1981, Steuern-Gebühren-Beiträge und Sonderabgaben, in: Die öffentliche Verwaltung (DÖV) 1981, S. 729-747. Lester M. Salomon, 1987, Partners in Public Service: The Scope and Theory of Government - Nonprofit Relations, in: W. W. Powell (Ed.), The Nonprofit Sector. A Research Handbook, S. 99 -117. Uwe Schimank/Manfred Glagow, 1984, Formen politischer Steuerung: Etatismus, Subsidiarität, Delegation und Neokorporatismus, in: Manfred Glagow (Hrsg.), Gesellschaftssteuerung zwischen Korporatismus und Subsidiarität, S. 4 ff. Gunnar Folke Schuppert, 1979, Öffentlich-rechtliche Wirtschaftswissenschaft (HdWW), Bd. V, S. 399 ff. Gunnar Folke Schuppert, 1981 Verwaltungseinheiten, Göttingen.
a,
Die
Erfüllung
Körperschaften,
öffentlicher
in:
Aufgaben
Handwörterbuch
durch
der
verselbständigte
Gunnar Folke Schuppert, 1981 b, Quangos als Trabanten des Verwaltungssystems, in: Die öffentliche Verwaltung (DÖV), S. 153 ff. Gunnar Folke Schuppert, 1983, Selbstverwaltung als Beteiligung Privater an der Staatsverwaltung? Elemente zu einer Theorie der Selbstverwaltung, in: Albert von Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft, Festgabe zum 70. Geburtstag von Georg Christoph von Unruh, S. 183-205. Gunnar Folke Schuppert, 1987, Die Einheit der Verwaltung als Rechtsproblem, in: Die Öffentliche Verwaltung (DÖV), S. 757 ff. Gunnar Folke Schuppert, 1989 a, Selbstverwaltung, Selbststeuerung, Selbstorganisation - zur Begrifflichkeit einer Wiederbelebung des Subsidiaritätsgedankens, in: Archiv des öffentlichen Rechts (AöR), Bd. 114, S. 127 - 148. Gunnar Folke Schuppert, 1989 b, Markt, Staat, Dritter Sektor - oder noch mehr? Sektorspezifische Steuerungsprobleme ausdifferenzierter Staatlichkeit, in: EUwein/Hesse/Mayntz/Scharpf (Hrsg.), Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft, Bd. 3, S. 47 - 87. Gunnar Folke Schuppert, 1990, Inside the Third Sector, in: Towards the 21st Century. Challengers for the Voluntary Sector. Proceedings of the 1990 Conference of the Association of Voluntary Action Scholars, 16. 18. July 1990, London, Vol. 2. Peter Selmer, 1981, Steuer und parafiskalische Sonderabgabe, in: Gewerbearchiv (GewArch) 1981, S. 41 45.
161
Verselbständigte Verwaltungseinheiten und Parafiski
Christian Sniekai, 1969, Die Finanzwirtschaft intermediärer Gruppen. Christian Smekal, 1970, Die Hilfsfisken und Gruppenftsken in Österreich, in: C. A. Andreae (Hrsg.), Handbuch der österreichischen Finanzwirtschaft, S. 107 - 123. Christian Smekal, 1980, Finanzen intermediärer Wirtschaftswissenschaft ( H d W W ) , Bd. III, S. 1 - 1 7 .
Gewalten
(Parafisci),
in:
Handwörterbuch
der
Wolfgang Streek, 1972, Das Dilemma der Organisation. Tarifverbände zwischen Interessenvertretung und Stabilitätspolitik, in: M e i ß n e r / U n t e r s e h e r (Hrsg.), Verteilungskampf und Stabilitätspolitik, S. 130 ff. Klaus Tiepelmann, 1975, Parafiski: in: Wirtschaftsstudium Vol. 4, S. 295 - 300. Klaus Tiepelmann, 1979, Öffentliche Unternehmen und Parafiski, in: Archiv für öffentliche und freigemeinnützige Unternehmen, Jahrbuch für nichterwerbswirtschaftliche Betriebe und Organisationen (Nonprofits), Vol. 11, S. 222 - 240. Klaus Tiepelmann/Gregor van der Beek, 1990, Parafisci, an Institutional-Organizational Aspect of the General Theory of Collectives, in: Diskussionsbeiträge des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Universität-GH - Duisburg Nr. 141. Horst Zimmermann/Klaus-Dirk Henke, 1990, Finanzwissenschaft. Eine Einführung in die Lehre von der öffentlichen Finanzwirtschaft, 6. Aufl. München (Vahlen).
Para- und Nonfîski - Zur ökonomischen Theorie "intermediärer Organisationen" Birger P. Priddat
1 Zum Begriff der Parafiski Die Theorie der Parafiski war bisher weniger an ökonomischen (vgl. die Kritik von Tiepelmann/van der Beek 1990) als an staatsrechtlichen (Tiepelmann 1975, 35) Kategorien orientiert: sie ist ein typisches Produkt der staatswirtschaftlich-legalistisch orientierten Finanzwissenschaft des späten 19. Jahrhunderts (für das 19. Jhdt. vgl. Schaeffle 1873, Bd.2, 173 ff.; für das 20. Jhdt. vgl. Hermann 1936, Priddat 1993). Parafiski waren Nebenhaushalte - Neben- oder Hilfsfiski; "hilfsfiskalische Einrichtungen oder intermediäre Finanzgewalten" (Terhalle 1948, 23 f.; vgl. Mann 1978, 339) - zur Finanzierung von Sonderzwecken. Rechtlich galten die Parafiski als staatsähnliche Haushalte, verbandlich waren sie z.T. auf eigene Einnahmen bzw. Beiträge gestellt, so daß sie nicht mehr nur als Sonderbudgets, sondern darüber hinaus als selbständige Institution betrachtet wurden. Aus der staatsrechtlichen Perspektive sind sie "innerstaatliche Verwaltungsträger", die als "Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts ... nur abgeleitete hoheitliche Gewalt aus (üben). Auch sind sie, wie Bund und Länder, juristische Personen des öffentlichen Rechts. Diese Verwaltungsträger erfüllen in einem begrenzten, gesetzlich zugewiesenen Bereich die ihnen übertragenen Aufgaben im eigenen Namen. Da sie insoweit keine Staatsorgane des Bundes oder der Länder sind, spricht man im Unterschied zu diesen von mittelbarer Staatsverwaltung" (Brand 1990, 8). Diese fundamentale Disposition bildet den Ausgangspunkt jeder - auch jeder ökonomischen - Analyse der Parafiski. Sie sind - zumindest historisch - eine Institution im Überschneidungsbereich von Recht und Ökonomie, d.h. unabhängig von ihrer finanzwissenschaftlichen Einordnung haben die Parafiski bestimmte Rechtsfunktionen zu erfüllen, die nicht ohne weiteres und nicht immer aus ihren ökonomischen Funktionen allein erklärt werden kann. Die ältere finanzwissenschaftliche Analyse betrachtete die Parafiski vornehmlich nach ihrer Zuordenbarkeit zum Staatshaushalt. F. Terhalle bezeichnet den Unterschied von Haupt- und Nebenhaushalten nach der Art ihrer Finanzierung: während die Staatshaushalte steuerfinanziert sind, seien die "Nebenfisken" dadurch charakterisiert, daß sie ihre Budgets aus "Beiträgen" finanzieren (Terhalle 1948, 96), was aber zum einen das Pro-
164
blem
Birger P. Priddat
der
Abgrenzung
von
gebietskörperschaftlichen,
vornehmlich
kommunalen
Beitragserhebungen stellt (vgl. dort selbst: Terhalle 1948, 121 f.), zum anderen das Problem, wie dann die Frage der Bezuschussung durch den Staat einzuordnen wäre, die das Beitragsprinzip durchbricht (vgl. Schmoller 1904, 348). Als "halböffentliche Körperschaften (Kammern)" und "intermediäre Finanzgewalten (Zweckfonds, Stiftungen und Zwangsversicherungen)" galten die Parafiski als ein Bestandteil der "öffentlichen Wirtschaft" (Tautscher 1953, 2), die als Erweiterung der Staatswirtschaft aufgefaßt wurde. Ritsehl hebt besonders ihren Charakter als "Zwangskartelle" hervor (in der "Form der von oben durchorganisierten Gruppen", wobei der Staat "sich zum Teil auf die bereits vorhandenen freien Berufsorganisationen stützen" konnte (Ritsehl 1947, 42)). In der Entstehungszeit der Parafiski (vgl. Winkler 1970) war man sich der Probleme bewußt: Schaeffle z.B. betont die Partikularität der parafiskalischen "Rechtsinteressen" am Beispiel der "Corporationen"; sie unterschieden sich von den staatlich-öffentlichen Gütern durch ihre gruppenspezifische Gutsproduktion und ihre damit verbundene eigene Rechtshoheit, die der Staat an sie "delegiert" habe (Schaeffle 1873, Bd. 2, 173 f.). Hier wird, von einem deutschen Ökonomen des 19. Jahrhunderts, eben jene Definition vorgetragen, die noch heute, wie wir zitierten, die staatsrechtliche Auffassung ausmacht: Die "Körperschaften", wie Schaeffle zwei Jahre später schreibt, "hat als ein selbstständiges Ganzes über ihren Theilen nothwendig andere Structur, als ein Verein, welcher nur die Verstärkung der privaten Persönlichkeit aller Genossen zum Ziele ... hat" (Schaeffle 1875, Bd. 1, 742, auch 752 f.) Folglich ist der "Fortbestand der Körperschaft und ihrer Anstalten ... von dem privaten Belieben der Mitglieder unabhängig". Dieser "selbstständige vom beliebigen Mehrheitswillen unabhängige Bestand" macht an den parafiskalischen Körperschaften "die juristische Persönlichkeit im öffentlich-rechtlichen Sinne des Wortes" (Schaeffle 1875, Bd. 1, 756) aus.
Dieses traditionell staatsrechtliche Bild der Theorie der Parafiski wird durch modernere finanzwissenschaftliche Definitionen scheinbar bereinigt: "Parafisci sind mehr oder weniger vom Haushalt der Gebietskörperschaften getrennte Einrichtungen, in denen die Mitgliedschaft auf Zwang beruht und von deren Mitgliedern Zwangsbeiträge erhoben werden. Hierzu rechnen die Sozialversicherungen, ferner Industrie- und Handelskammern, Handwerks- und Ärztekammern, aber auch Kirchen. Teilweise werden auch Bundesbahn, Bundespost, Bundesbank und die öffentlichen Fernseh- und
Rund-
funkanstalten hierzu gerechnet" (Brümmerhoff 1990, 4; vgl. auch Smekal 1980). Parafiski sind demnach
Para- und Noofiski
165
I. "halbstaatliche", aus den öffentlichen Haushalten entkoppelte Institutionen, die öffentliche Leistungen anbieten, die zudem aber II. auf Zwangsmitgliedschaft beruhen und III. Zwangskostenkollektive bilden. Dem Zwangskostenkollektiv (III) steht die Zwangsmitgliedschaft (II) als ein mentorisiertes Nutzerkollektiv gegenüber. Parafiski produzieren, in dieser Lesart, notorisch men/oradi-öffentliche Güter (ohne daß damit bereits aber der Öffentlichkeitsgrad festgestellt wäre). Wir haben es mit Kollektivinstitutionen zu tun, die zum einen alle Merkmale kollektiver Rationalität aufweisen, zum anderen aber an nicht von ihnen gesetzte Regularien gebunden sind, da der Zwangscharakter keiner freiwilligen Selbstbindung entspringt, sondern staatsrechtlicher oder politischer Zuordnung. Die Einordnungen sind schwierig, wie es an der Brümmerhoffschen Formulierung "mehr oder weniger" zum Ausdruck kommt; für Bundesbahn, Bundespost, Bundesbank und die Medienanstalten gelten keine Zwangsmitgliedschaften und Kostenzwänge. Zwar werden ihre Gebühren politisch festgelegt und erfüllen somit ein Charakteristikum öffentlicher Güter. Hier kann allein das Kriterium (I) gelten. Reicht aber das öffentlich-rechtliche Kriterium der "Halbstaatlichkeit", d.h. die Rechtsaufsicht des Staates, zur Einordnung aus? Bei Nowotny/Scheer werden - neben der Erinnerung an moderne Zweckfonds (Nowotny/Scheer 1991, 65, 313) - die Parafiski auf folgende Merkmale konzentriert: (a) - "Organisatorisch selbstständige Erfüllung öffentlicher Aufgaben". (b) - "Finanzierung über eigene Finanzquellen mit Zwangscharakter, ohne selbst Träger von Hoheitsrechten zu sein, d.h. innerhalb eines meist gesetztlich vorgegebenen eingeschränkten Rahmens" (Nowotny/Scheer 1991, 65; ähnlich bei Zimmermann/Henke 1975, 23). Beide Merkmale (a, b) sind definitorisch recht genau, allerdings nicht ökonomischer, sondern
verwaltungswissenschaftlich-rechtlicher
Proveninenz.
Die
"organisatorisch
selbstständige Erfüllung öffentlicher Aufgaben" gibt deshalb eine genaue Charakterisierung der Parafiski, weil sie implizite eine Trennung von (staatlicher) Bereitstellung und (parafiskalisch installierter) Produktion vornimmt, womit die faktische Ausgliederung aus dem staatlichen Leistungszusammenhang als eine Art von Arbeitsteilung beschrieben ist (vgl. Tiepelmann 1975, 35), die Vorteile der Spezialisierung und Verwaltungseffizienz andeutet, ohne daß dies aber in den Definitionen eine weitergehende
166
Birger P. Priddat
Beachtung findet. Aussage (b) präzisiert diese Version: Parafiski sind Institutionen, die zugeschriebene ("übertragene" (Schaeffle 1873, Bd. 2, 174; aber auch: Brand 1990, 8)) Rechte haben, aber, anders als Verbände oder andere freiwillige Kollektive, keine selbstständigen Satzungen. Welche - falls überhaupt - Effizienzvorteile hat diese 'Arbeitsteilung'? Die vollständige Liste der traditionellen parafiskalischen Charakteristika, die den eben notierten erweitert Minimalkatalog enthält, findet sich bei Tiepelmann: A - öffentliche Aufgabe (3), B - Körperschaft öffentlichen Rechts (4), C - funktionale Autonomie oder Selbstverwaltung (1, 2), D - hoheitliche bzw. zwangsweise Mittelbeschaffung (5) und E - Bedarfsdeckung (6) (Tiepelmann 1975, 35; eine erweiterte, aber substantiell gleiche Liste in: Tiepelmann/van der Beek 1990, 3). Damit haben wir zwar eine komplette Taxonomie parafiskalischer Komponenten, ohne sie aber schon in eine ökonomische Theorie einfügen zu können. Zwar weist (A) darauf hin, daß wir es mit einem Spezialfall der Produktion öffentlicher Güter zu tun haben und (C) signalisiert, daß ein Spezialfall von Kollektivgütern bzw. von gruppenspezifischen öffentlichen Gütern vorliegt, aber die Kriterienlage erlaubt uns lediglich, zwischen dem Ziel (öffentliche Aufgabenerfüllung bzw. Erstellung öffentlicher Güter in Position (A)), den Organisationsmodi ((B), (C) und (E)) und den Finanziemngsarten ((D) und (E); (E) schließt Finanzierung aus Gewinnen aus) zu unterscheiden. Wenn wir (B) und (C) wegliessen, haben wir es mit der Beschreibung der gewöhnlichen klassischen Staatswirtschaft zu tun. Allein (B) und (C) charakterisieren anscheinend das Spezifikum der Parafiski. Diese Betonung organisatorischer Komponenten hat Smekal und Andreae dazu geführt, die parafiskalischen Institutionen mehr nach der Seite der Wahrnehmung von Gruppeninteressen zu interpretieren (Andreae 1963; Smekal 1980). Doch reicht auch eine solche Eingrenzung nicht aus, denn wenn (B) und (C) gelten, haben (D) und (E) andere Bedeutungen als im rein staatswirtschaftlichen Zusammenhang; die Kombination von (C) und (D) zeigt eine Abtretung der Budgetfunktion, die die Parafisci zum einen im Rahmen der staatlichen Aufgabenerfüllung verankert, zum anderen aber den unmittelbaren Staatseingriff zurücknimmt. Zumindest müßte geklärt werden, welche Differenz zwischen einer parafiskalisch-öffentlichen und einer rein öffentlichen
Para- und Nonfìski
167
Gutsproduktion besteht. Ist diese öffentlich-rechtliche Privilegierung der parafiskalischen Institutionen eine Verbesserung der staatswirtschaftlichen Allokation oder nurmehr eine staatsrechtliche Tradition subeffizienter Produktion öffentlicher Güter, die heute reformiert werden müßte? Sind dann aber die Parafiski auf alle gruppenbezogenen Kollektivgüter zu erweitern (Tiepelmann 1975, 40)?
2 "Collective Goods as Constitutive Criteria of Parafisci" In einer neueren Arbeit erklären Tiepelmann/van der Beek die Parafiski aus der ökonomischen Theorie der öffentlichen Güter (Tiepelmann/van der Beek 1990, 7). Dabei gehen sie von den vorhandenen parafiskalischen Institutionen aus (11), beschreiben sie aber genauer als kollektivgüterproduzierende Institutionen, die nicht nur für ihre Mitglieder gruppenspezifische Kollektivgüter produzieren, sondern darüber hinaus positive externe Effekte, deren Funktion als zusätzliche Versorgung von öffentlichen Gütern für Nicht-Mitglieder beschrieben wird. "At best collective goods may be understood as a special case of externalities: a collective good exists whenever externalities are positive and parallel in their direction" (8; vgl. dazu Heller/Starrett 1976, 9 und die Erörterung der verschiendenen Ansichten hierzu in Blümel/Pethig/von dem Hagen 1986, 254 ff.). Am Beispiel der vorhandenen parafiskalischen Sozialversicherungssysteme zeigen sie positive Externalitäten auf, mit dem Ergebnis, daß "positive externalities are be found in the provision of private goods and group collective goods, such as peaceful labour relations, lack of strife within the social sector or public health; these are close to pure public goods" (Tiepelmann/van der Beek 1990, 9). Der Autoren Definition läßt sich verallgemeinern: "Economic and social institutions ... provide positive externalities (public goods) by reducing the transaction costs of production and exchange" (Binger/Hoffmann 1989, 68). Diese Erklärung der Parafiski ist allerdings nur ein Aspekt der Tiepelmann/van der Beek'schen Konzeption, der einen gewissen Erklärungsfortschritt bringt. Vornehmlich gehen Tiepelmann/van der Beek davon aus, daß die parafiskalischen Institutionen primär Gruppenkollektivgüter produzieren. Ihre Konzeption bestätigen die Autoren an den berufsständischen Kammern, am Ärztekammersystem (Tiepelmann/van der Beek 1990, 9) sowie an anderen sozialen Verbände, die sie in einer Tabelle ("Collective Goods Characteristics of the Services Provided by Parafisci") anordnen (11).
168
Birger P. Priddat
Die Liste der in der vertikalen angeschlagenen Parafiski lautet: 1. öffentliche Sozialversicherungsinstitutionen
(vier verschiedene), 2. Kammern, 3.
Kirchen, 4. Gewerkschaften, 5. Arbeitgeberverbände, 6. politische Parteien, 7. Interessenverbände, 8. Bürgerinitiativen, 9. öffentliche Unternehmen,
10. Staatsuni-
versitäten, 11. öffentliche Rundfunkanstalten, die in der Horizontale nach den von ihnen produzierten Gütern überprüft werden: a. Privatgüter, b. gruppale Kollektivgüter, c. reine öffentliche Güter, d. Externalitäten, e. meritorische Güter. Die Externalitäten werden noch nach ihrer Wirkung ( d . l ) auf die ganze Gesellschaft und (d.2) auf einzelne gesellschaftliche Gruppen unterschieden, in sich differenziert nach positiven und negativen Effekten (Tiepelmann/van der Beek 1990, 11; diese Liste ist eine etwas modifizierte Übernahme einer Tabelle aus Tiepelmann 1975, 38; siehe auch ein ähnliche Tabelle im Beitrag von Tiepelmann/van der Beek 1992, in diesem Band). An der Matrix fällt folgendes auf: so zum einen, daß die Liste der traditionellen Parafiski um einige Positionen erweitert ist, zum anderen aber, daß die Zuordnung der Güterarten nicht sehr ausführlich begründet wird. Warum z.B. 1. überhaupt politische Parteien zu den Parafiski gezählt werden, bleibt unklar. Warum sie aber, wenn sie nun dazu gehören sollen, 2. zum einen 'reine öffentliche Güter' produzieren, zum anderen aber keine negativen Externalitäten für die ganze Gesellschaft, müßte allerdings noch zusätzlich durch eine ausgewiesene politische Theorie begründet werden. Die "Parafiski" (3), (4), (5), (7) und (8) sind durch ein Fehlen von meritorischen Gütern ausgezeichnet; damit fehlt ihnen aber das typische traditionelle parafiskalische Charakteristikum. Den 'Interessenverbänden" wie den "Bürgerinitiativen" fehlt wiederum die Rechtsform einer öffentlichen Körperschaft,
etc. Die Produktion gruppenspezifischer
Kollektivgüter
scheint mir kein hinreichendes Kriterium für ihren parafiskalischen Status zu sein - es sei denn, man ändert die Kriterien, die dann aber angeben können müßte, warum die Unterscheidung zwischen Parafiski und reinen Kollektivgüterverbänden fallengelassen wird. Bei den Universitäten und öffentlichen Unternehmen machen die Autoren selber Einschränkungen; ein "gruppales Kollektivgutelement" sei nicht zu finden (S. 12); weshalb aber werden sie dann zu den Parafiski gezählt? Universitäten stellen einen Sonderfall dar, der eine eindeutige Zuordnung erschwert; zum einen sind sie "eine rechtsfähige Personalkörperschaft des öffentlichen Rechts; zum anderen aber zugleich eine "zugeordnete Anstalt, die eine staatliche 'Bedarfsverwaltung' organisiert" (Brand 1990, 9). Tiepelmann und van der Beek klären auch nicht, warum sie die "Kollektivgüter", die sie vordem auch durch die Existenz von Externalitäten erklärt haben wollten, nunmehr
Para- und N o n f î s k i
169
wiederum doch als gesonderte Güter neben den Externalitäten aufzählen. Sind die Externalitäten nun als "Kollektivgüter" interpretiert oder sind die Kollektivgüter auf die Existenz von (positiven) Externalitäten gegründet? Im zweiten Fall wäre die in der Matrix erfolgte Trennung unstatthaft, im ersten Fall müßte allerdings genauer nachgewiesen werden, wie das Verhältnis von primären Kollektivgütern und sekundären positiven externen Effekten aus der vorgängigen Kollektivgüterpropduktion definiert ist. Doch soll dies weniger eine Kritik sein als eine Anregung, in der von Tiepelmann/van der Beek anzeigten Richtung weiter zu denken. Zudem bleibt es unklar, wie stark das Externalitätenargument gemacht wird. Es gibt im Tiepelmann/van der Beek-Text ebenfalls genügend Hinweise darauf, daß das Externalitätenkriterium nur ein Spezialfall darstellt, wenn die Autoren das wesentliche Merkmal der zwischen Staat und Markt gelagerten parafiskalischen Institutionen darin erblicken, ein Angebot von "group collective goods in combination with pure collective goods, marketable goods and externalities" (12; Heraushebung von mir; B.P.) zu liefern. Möglicherweise meinen die Autoren "or" statt "and"; nur dann könnte diese Art der kollektiven Kuppelproduktion sinnvoll sein, denn alle drei genannten Zusatzgüter zugleich mitzuproduzieren würde die existierenden Parafiski eindeutig überfordern. Damit wird zum einen der Parafiskus ökonomisch durch eine gruppenspezifische Produktion von Kollektivgütern beschrieben, zum anderen aber an eine Neben-Produktion geknüpft, die wahlweise öffentliche oder private (marktliche) Güter oder aber Externalitäten (quasi-Güter) herstellt. Die Grundstruktur der Parafiski ist dann durch eine Kuppelproduktion charakterisiert, ohne daß aber genauer auf die Spezifität der verschiedenen 'by-products' eingegangen wird.Die Konzeption hätte dann folgende Grundstruktur: 1. Parafiski sind definiert als Kuppelproduktion eines Kollektives, das 2. (a) sein gruppenspezifisches Kollektivgut und (b) entweder zusätzlich (b.l) ein reines Kollektivgut, (b.2) ein marktfähiges Gut oder (b.3) (positive) Externalitäten herstellt. Mit dieser Definition haben wir erstmals einen rein ökonomischen Erklärungsversuch vorliegen, der sich der staatsrechtlichen Kriterien enthält, die wir in der finanzwissenschaftlichen Literatur allenthalben noch finden. Es fehlt allerdings ein theoretisches Unterscheidungskriterium, um parafiskalische Varianten von gewöhnlichen, extemalitätenproduzierenden Kollektiven abzusondern. Denn die Produktion externer Effekte wird von allen sozialen Institutionen und Organisationen betrieben; für die Definition der Parafiski käme es darauf an, nachzuweisen, warum gerade bestimmte positive Externalitäten institutionell fixiert, staatlich legalisiert und in ihrer Produktion auf-
170
Birger P. Priddat
recht erhalten und perpetuiert werden. Der Versuch, rechtliche Bestimmungsgründe durch ökonomische zu substitutieren, ist noch nicht vollständig. Meiner Ansicht nach bietet die Tiepelmann/van der Beek'sche eine Beschreibung möglicher Typen von "intermediären Organisationen", ohne daß aber der 'klassische' Typus des Parafiskus explizite darin enthalten ist. Kuppelproduktionen von Kollektivgütern und zusätzlichen öffentlichen, privaten oder externalitären quasi-Gütern können zwar bestimmte Arten intermediärer Versorgungsangebote charakterisieren, aber die wohlgemerkt: 'klassische' - parafiskalische Komponente: die nicht-freiwillige Arrondierung zu einem Versorgungskollektiv, kann für jede Kombination gelten bzw. für keine. Die Zwangskomponente der 'klassischen' Parafiski ist ohne Rekurs auf die Staatsfunktion dieser Institutionen nicht beschreibbar; allerdings ist heute zu fragen, ob die staatliche Zwangskörperschaftszuweisung noch als autoritativ-rechtliche Zuweisung erklärt werden soll oder selber einer ökonomischen Interpretation im Rahmen eines 'public choice'-Ansatzes fähig ist. Doch wird dies nicht möglich sein als freiwillige Zwangsbindung von körperschaftlichen Kollektiven, sondern weiterhin nur als staatliche oder öffentlich-rechtliche Anordnung, d.h. als ein meritorisches Arrangement des Staates, zu dem er allerdings nur proleptisch legitimiert ist, nicht mehr per se (zur Erörterung der Problematik der Meritorik vgl. Priddat 1992b). Doch bleiben somit die Parafiski im ökonomischen Zwischenreich zwischen Staats- und Marktwirtschaft; sie lassen sich nicht in einen von beiden Grenzbereichen isolierbaren Zwischen- oder intermediären Bereich der Ökonomie rubrizieren. Die Parafiski bleiben - solange man sich der 'klassischen' Kriterien bedienen will - ein staatswirtschaftliches Institut, dessen relative Autonomie nur in funktionaler Dependenz von den staatswirtschaftlichen Zwecken erklärbar sein wird. Setzt man sie autonom, werden sie Teile des 'intermediären Sektors' der Wirtschaft, verlieren aber ihre parafiskalischen Spezifika. Damit ist nicht behauptet, daß der Tiepelmann/van der Beek'sche Versuch einer ökonomischen Beschreibung der Parafiski falsch wäre; er gibt eine notwendige Bedingung an, der meines Erachtens die hinreichende allerdings noch fehlt. Die neue Konzeption müßte aber in der Lage sein, die 'klassischen' Parafiski genauso zu erklären wie die neueren Formen nicht-zwangskörperschaftlicher Versorgungsinstitute. An der Frage der Kuppelproduktion von reinen (oder 'primären') Kollektivgütern und von (positiven) Externalitäten läßt sich meines Erachtens - jedenfalls nicht in der geschilderten Art keine Entkoppelung der Parafiski von ihren legalistischen oder
staatsrechtlichen
Fundamenten erreichen. Die Wirkung der selektiven Anreize bleibt vorerst noch zu
Paia- and N o n f i s k i
171
unklar, weil nicht geklärt ist, inwieweit die Nutzungsmöglichkeit positiver Externalitäten 'free-rider'-Verhalten ausschließen kann. Doch könnte man sich mit einer anderen Version behelfen. Parafiskalische Institutionen bedienen ihre eigenen Mitglieder, die ja gerade deshalb zwangskörperschaftlich vereinigt worden sind, um die positiven Externalitäten z.B. freiwilliger Versicherungen auf alle potentiell Betroffenen zu erweitern. Sie haben - als ausgebildete Parafiski - die negativen externen Effekte der NichtVersicherung bereits internalisiert. Die Zwangsmitgliedschaft soll 'free-riding' ausschließen. Um es pointiert zu sagen: die Parafiski produzieren gruppenspezifische Kollektivgüter, unter der besonderen Bedingung, daß die relevante Gruppe meritorisch auf einen Großteil der Öffentlichkeit ausgedehnt ist, weshalb wir - im Fall der Sozialversicherungen - von meritorischöffentlichen Gütern sprechen. Damit wird ein spezifischer Übergangsprozeß ins Auge gefaßt, der die primäre oder reine Kollektivgutproduktion beliebiger gesellschaftlicher Gruppen und Verbände zwangskörperschaftlich-legalistisch auf alle Nicht-Mitglieder des gruppenspezifische Kollektivgüter produzierenden Kollektives ausweitet, mit der besonderen Begründung, daß sie für ihre Gratis-Nutzung positiver Externalitäten des Kollektives beitragspflichtig gemacht werden sollen. In dem Moment, indem Nicht-Mitglieder den Konsum positiver Externalitäten durch eine meritorische Zwangsmitgliedschaft oktroyiert bekommen, sind sie - als nunmehrige Mitglieder eines Kollektives - keine Externalitätenkonsumenten mehr. Folglich kann auch die Produktion der Externalitäten zwar ein historischer Grund bzw. Anlaß für die Parafiskalisierung gewesen sein, ist aber kein Grund mehr für ihre jetzige Existenz: mit der Etablierung der Parafiski hört die positive Extemalitätenproduktion der ursprünglichen Kollektive auf, weil alle Extemalitätennutzer zwangskörperschaftlich ins Kostenkollektiv integriert sind. Die Extemalitätennutzer der (späteren) Parafiski sind eine völlig andere Gruppe als die Extemalitätennutzer der (vormaligen) Kollektive, die zu Parafiski gemacht worden sind. Durch die parafiskalische Transformation sind die ehemaligen positiven externen Effekte nunmehr in 'interne Effekte' verwandelt worden (d.h. die quasi-Güter der (positiven) Externalitäten sind in reelle Versorgungsleistungen transformiert). Das heißt auf der anderen Seite, daß die Externalitätenproduktion kein ausschließliches Charakteristikum der Parafiski darstellt, sondern ebenso anderen intermediären Organisationen zukommt, die der Staat eventuell durch spezifische Transfers unterstützt. Man kann sogar einen Schritt weiter gehen: daß die Anerkennung positiver Externalitätenproduktion von Parafiski ein zusätzliches Argument ist für eventuelle staatliche
172
Birger P. Priddat
Transfers, die sie dann aber nicht aufgrund ihrer Parafiskalität erhielten, sondern aufgrund ihrer externen Effekte. Damit würden die Parafiski aber wie beliebige freiwillige Kollektive behandelt, d.h. gerade parafiskalisch unspezifisch. Wir kommen darauf zurück. Nach dem Verfahren Tiepelmann/van der Beek bleibt die spezifische Meritorisierung und Verrechtlichung der Parafiski ein historisch kontingentes Ereignis ohne erklärte Bedeutung für die Struktur parafiskalischer Institutionen selbst. Konsequenterweise müßten sie aber ihre Beschreibung auf potentiell alle 'non-profit-organizations' erweitern, soweit sie positive Externalitäten erzeugen. Zwar erlaubt die Tiepelmann/van der Beek'sche Konzeption, die Entstehung von Parafiski auch als nicht staatlich-legalistisch erzwungene Kollektivinstitutionalisierung zu beschreiben, aber es bleibt weiterhin unklar, ob damit tatsächlich Parafiski entstehen. Diese paradoxe Formulierung möchte ich
dahin
gehend
auflösen,
daß
die
freiwillige, 'incentiv'-geleitete
Kollektiv-
gruppenbildung zwar möglich ist (und historisch stattgefunden hat wie stattfindet), daß ihr aber ein entscheidendes Kriterium fehlt, das gerade durch die staatsrechtlich-legalistische Definition der parafiskalischen Zwangskörperschaftlichkeit so betont worden ist, daß es bis heute zum finanzwissenschaftlichen Begriff der Parafiski gehört: die spezifische Angebotsgewährleistung der (parafiskalischen) Kollektivgutproduktion - der "vom Mehrheitswillen unabhängige Bestand" der Parafiski, wie wir es bei Schaeffle definiert bekamen. Möglicherweise - ausführlicher soll dazu im nächsten Abschnitt Stellung genommen werden - ist die staatsrechtlich-legalistische Komponente der Parafiski - ihre beständige Angebotsgewährleistung - kein extra-ökonomisches Kriterium, das in einer ökonomischen Theorie der Parafiski durch ökonomische Erklärungen ersetzt werden könnte, sondern selber bereits eine ökonomische Komponente, die institutionen-ökonomisch erklärt werden kann. Tiepelmann/van der Beek führen in ihrer Untersuchung - wenn auch eher en passant - den Nachweis, daß nicht die staatsrechtliche Legalisierung, sondern die Kuppelproduktion von institutionenspezifischen und allgemeinen Kollektivgütern den parafiskalischen Status ausmache. Doch ist der übergangslose Übergang von den "existing institutions" zu den Parafiski problematisch, zumal er den vorgetragenen Anspruch, eine ökonomische Theorie der Parafiski zu liefern, die die Gründe für die Wahl von Institutionalisierungsformen liefern müßte, nicht erfüllt. Ansätze für diese ökonomische Theorie finden sich bei Tiepelmann/van der Beek, wenn die Autoren der Frage nachgehen, wieso die historisch durch die Industrialisierung entstanden neuen Kollektivbedürfnisse durch Parafiski und nicht durch staatliche Produktion öffentlicher Güter befriedigt wurden (Tiepelmann/van der Beek 1990, 13): "we have
Para- und Nonfiski
173
to ask, if and under which circumstances the existence of externalities generate 'private' solutions (...), state interference or even non-solutions" (14). Sie nähern sich dem Problem, indem sie die Parafiski - als Füllung eines "Vakuums" - zwischen die (Buchanan'schen) Club-Güter und die öffentlichen Güter des Staates plazieren: "In an institutional-organizational perspective, four distinctive categories are required, the boundaries of which, however, overlap: the individual-private sphere, clubs, parafisci and the state sphere" (14). Unter Zuhilfenahme der meritorischen Güter kommen sie zu dem Zwischenergebnis, daß "a detailed analysis of parafisci from the point of view of collective goods will be especially valuable in questionning and tracing up to which point the state is relieved of some public duties and under which conditions parafisci actually burden the state" (14). Unter der Bedingung, daß die Parafiski den Staat in seiner Aufgabenerfüllung entlasten, wird das Spektrum möglicher parafiskalischer Kollektivgutangebote ausgeweitet. Deren wichtigstes Merkmal ist, daß es eine Transformation staatlicher Aufgaben auf kleinere Kollektive geben kann (15), die ihren - traditionellen - parafiskalischen Status durch eigene Finanzierung ihrer Güterangebote behalten und vom Staat insoweit nur unterstützt werden, wenn sie positive Externalitäten produzieren, die für die ganze Gesellschaft Wirkungen zeitigen (15). "Parafiscalisation can be a suitable instrument for improving the tight finances of state budgets by relieving them from group wants. At the same time, the citizen's tax burden would be reduced and the quality of the provision with collective goods would be improved", fassen die Autoren (mit Bezugnahme auf Gretschmann (1985)) zusammen (15 f.). Tiepelmann und van der Beek machen allerdings die Unterscheidung, daß der moderne Wohlfahrtsstaat weitaus mehr öffentliche Aufgabenbereiche an die Parafiski abgibt als früher, daß er aber im Maße dieser Entlastung wiederum vermehrt Subventionen und Anschubfinanzierungen übernimmt, die er den traditionellen Parafiski, die er lediglich staatsrechtlich betreute, nicht gewährte. Damit haben wir das Ergebnis, daß sich die Aufgabenbereiche der Parafiski ausweiten. Doch ist ihre Erklärung der Ausweitung des traditionellen Bereiches der Parafiski meines Erwachtens so eng gefaßt, daß sie die spezifischen Charakteristika der traditionellen Parafiski nicht mehr mit umfassen kann. Somit hätten wir es mit einer ökonomischen Theorie der Parafiski zu tun, die die traditionelle Theorie der Parafiski nicht mehr inkludiert. Der Unterschied zwischen den traditionellen Institutionen der Parafiski und den neuen Formen "intermediärer Organisationen" besteht vornehmlich darin, daß die (traditionellen) Parafiski eine relative Finanzautonomie hatten, während die "intermediären
174
Birger P. Priddat
Organisationen" in einer Transferabhängigkeit des Staates stehen, die sie zu politischen Instrumenten öffentlicher Aufgabenerfüllung werden und damit der traditionellen parafiskalischen institutionalen Qualitäten verlustig gehen läßt. Tiepelmann/van der Beek sind damit in der Lage, die Geltung von kollektivgüterproduzierenden Kollektiven über die primären Gruppeninteressen hinaus durch selektive Anreize (zusätzliche Güterangebote öffentlicher, marktlicher oder externalisierender Art) zu erklären und damit von den Zwangsinstituten abzurücken, aber damit begeben sie sich einer ökonomischen Erklärungsmöglichkeit der Existenz von Zwangskollektiven selbst. Tiepelmann/van der Beeks Ansatz bleibt ein Prolegomenon, das 1. mit seiner Insistenz auf den ökonomischen Aspekten der Parafiski und 2. mit seiner Andeutung, daß die zu entwickelnde Theorie der Parafiski den "institutional-organizational aspect of the general theory of collectives" (17) herausarbeite, sinnvolle Anregungen in die intendierte Richtung gibt. Die Autoren haben Recht mit ihrer Beobachtung, daß der "intermediäre Wirtschaftssektor" (Wille 1990, 253) durch eine parafiskalische Organisationsstruktur nicht mehr hinreichend beschrieben sein kann. Das hat methodisch aber die Konsequenz, den Begriff des Parafiskus nicht ausweiten zu müssen, sondern ihn - wohldefiniert - als ein Moment in einem weiteren Spektrum intermediärer Organisationen zu verorten.
3 Externalitätenproduktion und Transferkonkurrenz Tiepelmann/van der Beeks Interpretation basiert - und mit gutem Grund - auf der traditionellen Begründung für die öffentlichen Güter, die auf dem Nicht-Ausschluß- und dem Nicht-Rivalitätsprinzip beruhen. Doch halte ich - in Hinblick auf die besondere Problematik der Parafiski - eine andere Erklärung für fruchtbar. Der Nicht-Ausschluß vom Konsum definiert eine Rechtsposition: niemand darf, gleich, ob er will, vom möglichen Konsum ausgeschlossen werden, was nichts anderes heißt, als daß diejenigen - im Fall der reinen öffentlichen Güter: alle - das Recht haben, das Gut zu konsumieren. Allerdings gibt es eine 'technische' Eingrenzung, die durch das ökonomische Knappheitspostulat der Nicht-Rivalität im Konsum besonders bezeichnet wird. Die (rechtliche) Möglichkeit, ein öffentliches Gut zu konsumieren, wird erst dann gewährleistet, wenn die (ökonomische) Angebotsdimension so ausgelegt ist, daß keiner der Konsumenten den anderen am Konsum desselben öffentlichen Gutes behindert. Erst durch diese zusätzliche Bedingung ist gewährleistet, daß die Rechtskomponente der Theorie öffentlicher Güter auch ökonomisch realisiert werden kann. Der normative Charakter der Theorie öffentlicher Güter erweist sich gerade in dieser spezifischen
175
Para- und Nonfiski
Kombination rechtlicher und ökonomischer Momente im Gutsbegriff: das Nicht-Rivalitäts-Prinzip ist insofern die ökonomische Komponente der öffentlichen Güter, als sie den Realisationsgrad der rechtlichen Möglichkeit des Nicht-Ausschlusses vom Konsum angibt. Diese - vom Üblichen abweichende - Definition öffentlicher Güter hat den Vorteil, die rechtliche Dimension der öffentlichen Güterproduktion nicht außerhalb des Erklärungszusammenhanges setzen zu müssen, sondern sie als konstitutives Moment der spezifischen
Angebotsdimension
öffentlicher Güter
verwenden
zu können. Es wäre
unzweckmäßig, den staatsrechtlichen Ursprung kollektiver Güterversorgung durch scheinbar rein ökonomische Erklärungen vergessen zu machen: denn der Nicht-Ausschluß vom Konsum ist eine spezifische Verfügungsrechtstruktur, die sich von der marktgängigen privaten Verfügungsrechtsstruktur durch ihren öffentlich-rechtlichen Charakter unterscheidet. Die positiven externen Effekte, die die freiwilligen Kollektive oder Vereine produzieren, sind nach Tiepelmann/van der Beek ein entscheidendes Kriterium für einen Parafikcus, wodurch der parafiskalische Bereich sich auf alle gruppenbezogenen Kollektivgüter erweitern würde, die diese Bedingungen erfüllen. Wie bereits im vorherigen Abschnitt angedeutet, läßt sich Tiepelmann/van der Beeks Position nicht auf dieses eine Kriterium rubrizieren, aber sie verwenden es; und zwar - wie ich meine - unterhalb seines Erklärungswertes. Im Folgenden soll deshalb die Relation von gruppenspezifischen Kollektivgüterproduktionen und ihren Externalitätenproduktionen genauer untersucht werden. Die in der Liste von Tiepelmann/van der Beek vermerkten traditionellen Parafiski (Kammern, berufsständische Vereinigungen, Sozialversicherungen) als Produzenten positiver externer Effekte anzuführen, erfaßt zwar einen Teil ihrer Wirksamkeit, aber gerade nicht den, weswegen sie zu Parafisci gemacht worden sind. Soweit würden Tiepelmann/van der Beek konform gehen, aber sie betrachten die (positiven) Externalitäten als ein zusätzliches oder Kuppelprodukt der primären Kollektivgüterproduktion. Indem nämlich zusätzlich positive externe Effekte der Kollektivgüterproduktion hergestellt werden, haben wir selektive Anreize vorliegen, die es den Mitgliedern geraten erscheinen lassen kann, ohne Zwang dennoch diesen Kollektiven anzugehören. Diese ökonomische - an M. Olsons Theorie des "kollektiven Handelns" orientierte Erklärung würde es endlich erlauben, von den staatsrechtlichen Nebenbedingungen der Zwangskörperschaftlichkeit abrücken zu können. Doch gibt es hiergegen Einwände. Denn wenn Externalitäten als "in der Regel unerwünschte" - oder genauer: unbeabsichtigte - "Nebeneffekte von Aktivitäten" definiert werden, "die für andere Zwecke durch-
176
Birger P. Priddat
geführt werden" (Brümmerhoff 1990, 80), ist ihr Konsum nicht von vornherein an die Mitgliedschaft der primären Kollektivgüterproduktion gebunden. Wenn aber jedes Nicht-Mitglied von den Externalitäten des Kollektives profitieren kann, kann die Externalität nicht als spezifischer selektiver Anreiz für eine freiwillige Mitgliedschaft gelten, die die dieselbe Dignität, Präsenz und Persistenz hat wie eine Zwangsmitgliedschaft. Erst wenn gesichert wäre, daß die (positiven) Externalitäten nur und ausschließlich für die Mitglieder eines erweiterten Ursprungskollektives produziert würden, könnte sich eine der Zwangsmitgliedschaft ähnliche Mitgliedschaftsdimension einstellen. Dann allerdings aber wären die Externalitäten aber keine "unbeabsichtigten" Nebeneffekte für andere Zwecke mehr, sondern Produktionsgegenstände des Kollektives, d.h. ein Element der Kollektivgutproduktion selbst. Positive externe Effekte von gruppenspezifischen Kollektivgutproduktionen werden von Nicht-Kollektiv-Mitgliedern frei genutzt, die dadurch Externalitätenrenten beziehen können, für die allein die Kollektivmitglieder die Kosten tragen. In diesem Sinne sind die positiven Externalitäten für Nicht-Mitglieder scheinbar öffentliche Güter, da - per definitionem - niemand von der Nutzung dieser Effekte ausgeschlossen werden kann. Da aber die Externalitäten ein nichtintendiertes Kuppelprodukt der Kollektivgutproduktionen der freiwilligen Vereine darstellen, ist ihre Dimension unbestimmt, potentiell 'unendlich' (vgl. Cheung 1970, 56 und 58; auch Minsch 1991): jeder, der die Externalitäten wahrnimmt, kann sie nutzen. Aus den gleichen Gründen gilt das NichtRivalitäts-Prinzip. In einem potentiell unendlichen Externalitätenraum kann paralleler Konsum nicht behindert sein. Doch was so evident erscheint, macht einige Probleme, da bei dieser Definition den Kollektiven eine Produktion externer Effekte als öffentliche Güter zugerechnet wird, die weder ihrem Vereinszweck entspringt noch in den Präferenzen der Mitglieder erscheint. Die Aussage "Der Verband produziert Kollektivgüter mit positiven externen Effekten auch für Nichtmitglieder" (Tiepelmann 1975, 40) ist rein assertorisch, da etwas, was keinem Produktionszweck entspringt, auch kein Produkt hervorbringt. Damit ist nicht behauptet, daß keine (positiven) externen Effekte gäbe - das Faktum ihrer Nutzung spricht dagegen -, aber es kann andererseits auch nicht behauptet werden, daß sie 'produziert' würden. E.J. Mishan hatte dieses Problem in folgender Ambivalenz umschrieben: daß das Faktum einer gemeinschaftlichen Konsumtionsmöglichkeit ("joint consumption") im Fall der öffentlichen Güter als 'beabsichtigt', im Externalitätenfall dagegen als 'unbeabsichtig'
Para- und Nonfiski
177
definierbar ist (Mishan 1971; zit. nach Blümie/Pethig/von der Hagen 1986, 256). Damit ist zwar eine gemeinsame Struktur von öffentlichen Gütern und Externalitäten benannt, die aber, ohne weitere Kriterien, institutionell noch unbestimmt bleibt. Zwischen (externem) "Effekt" und (öffentlichem) "Gut" besteht keine von vornherein eindeutig definierte Produktionsrelation: damit eine solche Relation bestehen könnte, muß gesichert sein, daß die Nicht-Mitglieder den (virtuellen) externen Effekt auch wahrnehmen und in ihre Handlungstrategien einbauen. Selbst aber dann, wenn dies gesichert wäre, bleibe es unklar, wieviele der Nicht-Mitglieder die externen Effekte positiv wahrnähmen und als öffentliche Güter produzierten. Nicht jede Wirkung anderer Handlungen im potentiell unendlichen Raum der Externalitäten wird von allen Individuen
gleichmäßig
wahrgenommen
und
genutzt.
Wenn
hier
nicht
klare
Un-
terscheidungen geliefert werden, kann jede Kollektivgüterproduktion positive Externalitäten als 'by-product' behaupteten; ihre Geltung bleibt eine Frage der politischen Valuierung der betreffenden Organisationen (Minsch 1991). Das Problem hängt davon ab, wie wir externe Effekte definieren. Wenn wir ihre Existenz von ihrer Wahrnehmung durch andere abhängig machen, schrumpft der potentiell unendliche Externalitätenraum auf einen effektiv wahrgenommenen. Wenn wir aber diese pragmatische Reduktion des Externalitätenproblem zulassen, können wir nicht mehr ohne weiteres die einzelnen Kollektive behaupten lassen, daß sie z.B. positive externe Effekte produzieren. Denn jetzt gilt nicht mehr die bloße Möglichkeit der Externalitätenproduktion, sondern ihre effektive Geltung. Der Nicht-Ausschluß vom Konsum der Externalitäten durch Nicht-Kollektiv-Mitglieder begründet noch keine öffentlicheGut-Charakteristik der Externalitäten. Denn wenn die Geltung der positiven Externalitäten davon abhängt, wer die wahrnimmt und nutzt, gibt es Informationsasymmetrien zwischen verschieden Externalitätennutzern, die die Nicht-Rivalitätsbedingung nicht erfüllen. Dabei ist aber folgendes zu erinnern: die Nicht-Mitglieder, die positive externe Effekte beliebiger Kollektive nutzen, haben - aus Gründen ihrer legalen 'free-rider'-Position kein Interesse an einer Internalisierung, die sie zu Mitgliedern nicht nur des Nutzer-, sondern auch des Kostenkollektives machen würde. Eben dies zu erreichen ist aber eine der Hauptgründe einer parafiskalischen zwangskörperschaftlichen Mitgliedschaft, allerdings aber nicht die einzige Lösung. Ebenso könnten 'incentives' angeboten werden, die es den Externalitätennutzern rational verständlich machen würden, für die Aufrechterhaltung der Externalitätennutzung zu zahlen. Nur dieser zweite Fall würde weiterhin von einer Externalitätenproduktion zu sprechen erlauben. Die Parafiski aber sind Internalisierungen der (vordem) positiven Externalitätenproduktion, und zwar nicht in
178
Birger P. Priddat
der Form eines Marktes für die Nutzungsrechte der Externalitäten, sondern in der Form der zwangsmitgliedschaftlichen Beitragspflichtigkeit. Nun ist allerdings unklar, warum die freien Externalitätennutzer an den Kosten der externen Effekte sich freiwillig zu beteiligen bereit erklären sollten. Man könnte folgenden Fall annehmen: daß die Externalitätennutzer sich so sehr an das 'by-product' gewöhnt haben, daß sie dann, wenn es ihnen vorenthalten würde, dafür zu zahlen bereit wären. Sie würden dann die Verfügungsrechte an einer Nutzung erwerben, womöglich in Höhe der Opportunitätskosten, die ihnen entstehen würden, wenn sie sich das Externalitäten-Gut selbst erstellen müßten. Das Gegenargument, daß externe Effekte als nichtintendierte Zwecke der Produktion 'by-products' liefern, die für das kollektivgutproduzierende Kollektiv keine zusätzlichen Kosten verursachen, für die Nutzer der positiven Externalitäten aber zusätzliche Nutzen, setzt einen Interpreten voraus, der die Bestimmung der positiven Externalität unabhängig vom produzierenden Kollektiv leistet. Eben dies ist methodisch unkorrekt. Denn da externe Effekte als Wirkungen unabhängiger, fremder Handlungen auf die individuellen rationalen Strategien definiert sind, kann es kein von der Externalitäten-'Nachfrage' unabhängiges Externalitäten-'Angebot' geben. Nicht allein die Existenz von Externalitäten, sondern die Art und Weise ihrer Internalisierung ist für die Institutionengenese von Interesse, d.h. für unsere Fragestellung der Parafiskalisierung. Die Argumente der externalitätenproduzierenden Kollektive, daß sie schließlich die Externalität zur Verfügung gestellt hätten und dafür kompensiert werden müßten, zählen nicht sogleich. Denn es bleibt vorerst unentschieden, ob die Kollektive als 'unbeabsichtigende' Produzenten der Externalität oder ob die Externalitätennutzer als rationale Entdecker einer Externalitäten-Opportunität als Innovatoren des neuen (Externalitäten) - Gutes gelten können. Zumindest haben beide Gruppen den gleichen Verfügungsrechtsanspruch, der für die externen Nutzer nicht von vornherein eine Kostenbeteiligung erzwingt. Neue Externalitäten sind strukturell ähnlich den freien Gutem. Da die Externalitätennutzer allerdings aus dem Kostenkollektiv und damit auch aus dem Entscheidungskollektiv ausgeschlossen sind, können sie - aus strategisch rationalen Erwägungen - ein Interesse daran entwickeln, zur Gewährleistung der Kontinuität des Externalitätenangebotes die externalitätengenerierenden
Kollektivgutentscheidungen
mitbestimmen zu wollen, was dann auf der anderen Seite dem ursächlichen Kollektiv erlauben würde, Beteiligungsbeiträge oder Externalitätennutzungsgebühren zu verlangen. Der Vorteil von quasi-Preisen für positive Externalitäten beruht auf dem 'incentive'-Effekt, die
ursprünglich
nur
ihre
gruppenspezifischen
Kollektivgüter
herstellenden Kollektive auf ein Externalitätenangebot zu verpflichten, das den externen Nutzern ihre Transaktionskosten in diesem Handlungsbereich senkt.
Para- und Noniiski
179
Die Idee ist folgende: da es für die externalitätennutzenden Nicht-Mitglieder eine Unsicherheit über die Persistenz der Externalitätenproduktion freiwilliger Kollektive gibt, wären sie möglicherweise bereit, für die Externalitätennutzung zu zahlen, aber nur dann, wenn sie dadurch nicht automatisch zu Zwangskonsumenten des primären Kollektivgutes werden müßten, das sie nicht zu interessieren braucht. Da der "Kauf von Externalitätennutzungsrechten
aber
an
die
Produktion
der
primären,
gruppen-
spezifischen Kollektivgüter gebunden bleibt, müßten die Nicht-Mitglieder zu Mitgliedern werden. Dabei ergeben sich folgende Probleme. Die externalitätennutzenden Nicht-Mitglieder sind womöglich für die Aufrechterhaltung der Externalitätenproduktion der Kollektive zu zahlen bereit, nicht aber vordringlich für die Produktion von deren gruppenspezifischen Kollektivgütern. D a andererseits aber die Nichtnutzung der positiven Externalitäten die Produktion des gruppenspezifischen Kollektivgutes weder mindern noch devaluieren würde, können die potentiellen Kosten der Aufrechterhaltung der Externalitätenproduktion als 'by-product' nicht zu den Produktionskosten der Kollektivgutproduktion selbst gezählt werden. Es bleibt nur der Weg, die poteniellen Verluste
eines
Externalitätenausfalls in Erwägung zu ziehen
und die
Be-
teiligungszahlungen der Nicht-Mitglieder darauf zu gründen, daß ihnen die Transaktionskosten einer Externalitätensubstitution zu groß werden. Dabei gilt es zu entscheiden, ob die Aufrechterhaltung der Externalitätenproduktion von der alleinigen Entscheidung der Kollektive über ihre gruppenspezifische Kollektivgüterversorgung abhängig bleiben kann. Vereins- und Offentlichkeitszweck sind gegeneinander abzuwägen. Diese Entscheidung allein verfügt über den parafiskalischen Status der Institution: ob es gerechtfertigt ist, die positive Externalitätenproduktion höher zu wichten als die ursprüngliche
Kollektivgüterproduktion.
Wenn
die
Gewährleistung
des
Externali-
tätenangebots höher gewichtet wird als der Vereinszweck, greift der Staat durch eine öffentlich-rechtliche Verfügung ein. Unterhalb dieser Ebene reicht es dann allerdings aus, die Kollektive durch Staatstransfers für ihre Externalitätenherstellung zu prämieren, ohne durch eine 'klassisch'-parafiskalische Zwangsmitgliedschaftsverfügung die Produktion der vereinsspezifischen Kollektivgüter abzuschaffen oder zu devaluieren. Dabei gilt es, folgenden Umstand zu beachten: In dem Moment nämlich, in dem die Externalitätennutzer zahlen, ändert sich der Kollektivgutcharakter des ursprünglichen Kollektives. Sein Öffentlichkeitsgrad erhöht sich, und es bleibt ungewiß, welche Komponente bedeutsamer ist - die ursprüngliche gruppenspezifische Kollektivgutproduktion oder die nunmehr ausgeweitete Produktion eines öffentlichen Gutes, das den ehemaligen positiven Externalitäten entspricht, aber durch den Internalisierungsvorgang in eine 'beabsichtigte' Produktion transformiert wurde. Durch eine 'klassisch'-parafiskalische
180
Birger P. Priddat
Zwangsmitgliedschaftsverfügung wird nicht nur die Mitgliederzahl erhöht, sondern auch das Mitgliedsinteresse umgebogen. Ein 'klassischer' Parafiskus hat womöglich seinen Ursprung in einem freien Kollektiv, aber er ist eine andere Institution geworden (in einer noch zu veröffentlichen Arbeit wird gezeigt, daß historisch die Parafiski des 19. Jahrhunderts zum Teil aus "bürgerlichen Vereinen" hervorgegangen sind, d.h. aus freiwilligen Kollektiven, deren positive Externalitäten später - im Rahmen der institutionellen Lösungen der "socialen Frage" - meritorisch-öffentlich gesichert wurden; vgl. Priddat 1993). Die Nicht-Mitglieder haben ein Interesse daran, eine 'free-rider'-Position einzunehmen, d.h. für den zusätzlichen Nutzen der positiven Externalität nicht zu zahlen. Dabei kann das Interesse an der 'free-rider'-Position so weit gehen, daß es den Nutzen, den es aus der positiven Externalität zieht, gar nicht bekannt gibt, so daß - im Extremfall - die Produzenten der Externalität gar nicht davon wissen, daß sie sie produzieren. Doch gilt dieses eindeutige 'free-rider'- Interesse nur solange, wie die Nicht-Mitglieder davon ausgehen können, daß die externalitätenproduzierende Kollektivgutproduktion aufrecht erhalten bleibt. Als Schatten-Kollektiv der primären, gruppenspezifisch produzierenden Kollektives haben sie keine Kooperations- oder Verbandstruktur. Sie sind ein unspezifisches Kollektiv, das von sich oder seiner Existenz keine Ahnung zu haben braucht, da der Zweck der Externalitätennutzung nicht an irgendeine verbandliche Struktur geknüpft ist. Im Fall der Unsicherheit über die Fortdauer der Externalitätenproduktion sind die Mitglieder des Schatten-Kollektives (d.h. die Nicht-Mitglieder des primären Kollektives) überhaupt nicht in der Lage, verbandlich zu agieren, d.h. als ein Kollektiv aufzutreten, daß Anrechte fordert oder Verhandlungen führen kann. Die Externalitätennutzung bleibt kontingent an die Kollektivgüterproduktion gebunden. Hier tritt dann der Staat - als politischer oder genauer: als 'institutioneller Unternehmer' - in Erscheinung, indem er eine Internalisierungslösung vorschlägt, die das Schatten-Kollektiv zu einem Realkollektiv macht und verbandlich am primären Kollektiv beteiligt, was zugleich das primäre Kollektiv in eine neue Institution aufhebt, die wir als Parafiskus kennen. Diese Parafiskalisierungsinitiative sichert dem Schatten-Kollektiv seine Externalitätennutzung durch direkte Verfügungsrechtzuweisung gegen Mitgliedschaftsbeitrag. Durch diese Zwangsverbandlichung sind die Probleme der Kollektivbildung der Externalitätennutzer vermieden, deren Koordinationkosten extrem hoch sind, weil die Externalitätennutzer ein unfreiwilliges oder Schatten-Kollektiv bildeten, das nur residual existierte, ohne repräsentierten Kollektivwillen.
Para- und Nonfiski
181
Gewöhnlich argumentiert man, daß das externalitätenproduzierende Kollektiv von den mitkonsumierenden Nicht-Mitgliedern Kostenbeteiligung verlangen kann, weshalb die Zwangskollektivierung
von
Nicht-Mitgliedern,
d.h.
die
Zwangsbeteiligung
eines
Nutzerkollektives am Kostenkollektiv, eine ideale Lösung darstellt, die die Begründung für Parafiskalisierungen abgibt. Doch kann dieses Verfügungsrecht vom externalitätenproduzierenden Verein nicht selbst erworben werden, da er keine Handhabe hat, die Nicht-Mitglieder vom Konsum eines Gutes auszuschließen, das sie selber gar nicht bewußt - hergestellt haben. Wenn sie die Nutzung der positiven Externalitäten einstellen wollten, könnten sie das nur dadurch erlangen, indem sie die Produktion ihrer Kollektivgüter einstellten (was die einzige Möglichkeit ist, die positiven Externalitäten zu beenden, die als unmittelbares Kuppelprodukt ihrer originären Produktion auftreten). Hier wird ein verfügungsrechtliches Defizit deutlich. Wie kann die Nutzung von Externalitäten den Produzenten derselben vergolten werden, wenn sie als zweckloses bzw. absichtsloses Nebenprodukt eines anderen, kollektives Zweckes gilt? Kann ein auf Privatrechtskategorien fundiertes Verfügungsrecht an Produkten ohne weiteres auf einen öffentlichen
Rechtsraum ausgedehnt werden? Denn die die
Externalitäten
nutzenden Nicht-Kollektivmitglieder betrachten die positiven Externalitäten als ein öffentliches Gut, das sie in dem Moment, indem die Kollektive dafür Entgelt verlangen würden, womöglich gar nicht mehr nutzen wollten. Wir haben es mit einer atypischen Angebots-/Nachfragesituation zu tun, die keinen Markt konstitutiert, es sei denn, die positive Externalität würde auch im Falle eines Angebotes zu Marktpreisen konsumiert. Andererseits sind die Kollektive durch die externe Gratisnutzung ihrer positiven Externalitäten in ihrer eigenen Kollektivgüter-Produktion nicht beeinträchtigt. Aus diesem Dilemma ist das Interesse der Kollektive an einer parafiskalischen Regelung verständlich, die ihnen - da sie keinen Markt für Externalitäten konstituieren können - über das Institut der (öffentlich-) rechtlichen Zwangsmitgliedschaft die vormaligen Gratisnutzer als Beitragsverpflichtete zuführt. Weil die Kollektive nicht in der Lage sind, einen Markt von Externalitätennutzungsrechten einzurichten, kooperieren sie mit dem Staat, der ihnen - traditionell parafiskalisch - diese Verfügungsrechte hoheitlich zuweist (oder - moderner - ihnen Transfers zahlt für die Aufrechterhaltung der positiven Externalitätenproduktion, gleichsam stellvertretend für die freien Externalitätennutzer). Erst aber über den rechtlichen Akt der Parafiskalisierung werden die Externalitäten zu Gütern mit einer quasi-preislichen Bewertung, allerdings mit Folgen. Der Schritt vom freiwilligen, durch und für sich selbst ein Kollektivgut herstellenden Verein zur parafiskalischen Institution ist nicht bereits schon durch den Verweis auf die
182
Birger P. Priddat
Existenz von positiven Externalitäten erfolgt, sondern erst dann, wenn eine Verfügungsrechtsstruktur definiert ist, die die positiven externen Effekte der Kollektivgutproduktion 1. zu öffentlichen Gütern erklärt und 2. eine Kompensationszahlung für diese Kollektive realisiert, damit sie die Nebenherproduktion von nunmehr öffentlicher Gütern kontinuierlich leistet. Punkt (1) bezeichnet eine rechtliche Transformation der 'lose' produzierten positiven Externalitäten in öffentliche Anrechte. Damit ist (la) eine öffentlich-rechtliche Komponente ins Spiel gebracht, die die bisher nur privaten oder kollektiven Externalitäten nun in den Rang eines Staatszweckes erhebt; (lb) ist dadurch aber der Produzentenstatus des Kollektives von einer Position reiner Freiwilligkeit (und damit Willkür, wie lange und ob der Vereinszweck aufrechterhalten werden soll) in eine öffentliche Verpflichtung verwandelt, die eine Umkehrung der Produktionsrichtung zur Folge haben kann: daß nämlich die Produktion der gruppenspezifischen Kollektivgüter zu einer nachrangigen Angelegenheit werden kann, die durch die öffentliche Aufgabe der Produktion öffentlicher Güter überlagert wird. Auch wenn dies ein historisch sich langsam vollziehender Prozeß sein mag, ist damit doch ein signifikanter Unterschied gegeben: in dem Moment, in dem die bloße gruppenspezifische Kollektivgutproduktion auf ihre Externalitätenproduktion als zweiten oder sekundären Kollektivzweck festgelegt wird, gelten die Standards kollektiver Rationalität nicht mehr, die den Verein ursprünglich haben freiwillig gründen lassen. Die individuell strategische Rationalität kollektiven Handelns wird durch eine Verpflichtung determiniert, die den ursprünglichen Präferenzen der Vereinsmitglieder nicht mehr entspricht, es sei denn, der Nachteil dieser Meritorisierung wird durch eine Zwangskostenbeteiligung der externalitätennutzen-realisierenden Nicht-Mitglieder kompensiert. Denn angesichts der Tatsache der Nebenherproduktion positiver Externalitäten für "Dritte" haben die Mitglieder des Kollektives nur zwei Alternativen: - entweder sie ignorieren die Externalitäten (oder halten sie sich als eine moralische Ehre zugute, in diesem Sinne meritorische Kollektivgüter herzustellen; d.h. sie produzieren 'Statusgüter'), weil der Externalitätenkonsum durch andere ihnen keine Zusatzkosten verursacht, - oder aber sie sinnen darauf, die Externalitätenkonsumenten zur Leistungsentgeltung zu zwingen. Da sie aber eo ipso keine Handhabe dazu haben, sind sie auf externe Regulatoren (den Staat bzw. die Gebietskörperschaften) angewiesen, die ihnen das Verfügungsrecht über die Nicht-Mitglieder verkaufen, allerdings nur zu dem Preis, die dem
Para- und Nonfiskì
183
ursprünglichen Vereinszweck fremden Zwecke mitzurealisieren. Dabei ist es gleichgültig, ob die externen Zwecke zugleich staatliche Zwecke sind oder nicht; in beiden Fällen hat sich der ursprüngliche Vereinszweck geändert. Das kann auf verschiedene Weise erfolgen: vornehmlich dadurch, daß der Staat das Recht zur Zwangskörperschaftsbildung dafür 'verkauft', daß er die Vereine zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben heranzieht - die traditionelle parafiskalische Lösung. Denn allein der Staat verfügt über die hoheitliche Macht, Personen in öffentlich-rechtliche Zustände einzuweisen. Dabei braucht es keinen besonderen Staatszweck außer dem der Aufrechterhaltung und Gewährleistungssicherung der Externalitätenproduktion selbst. Die andere Alternative ist die der Zahlung von Transfers an die Vereine dafür, daß sie die Produktion der Externalitäten aufrechterhalten. Durch die Zuschüsse kauft der Staat sich das Recht, die positiven Externalitäten der freiwilligen Kollektive als öffentliche Güter auf sein Leistungskonto zu zählen. In diesem Fall kann der Staat die Nebenherproduktion der Kollektive als Entlastung seiner Staatsaufgaben ansehen. Es gibt kein 'natürliches' Verfügungsrecht der Kollektive an ihren Externalitäten, sondern nur die Chance, daß sie eine alternativenlose Externalität anbieten, deren Wert die Transaktionskosten möglicher Substitutiva übersteigt. Wenn diese Institutionalisierung unabhängig von zwangskörperschaftlichen Mitgliederzuweisungen geschehen soll, muß eine Art von Externalitäten-Angebotsmonopol vorliegen, da es sonst nicht sicher wäre, ob die externalitätennutzenden Nicht-Mitglieder nicht auf andere Externalitäten ausweichen. D.h. selbst dann, wenn wir es nicht von vornherein mit einem 'klassischen' Parafiskus zu tun haben, sind parafiskalische Elemente notwendig, die eine Konkurrenz mehrerer Externalitätenanbieter im gleichen Güterbereich ausschließen sollten. Nur im Fall dieses Externalitäten-Monopols sind hinreichend 'incentives' vorhanden, die die Externalitätennutzer zu einer freiwilligen Internalisierung und folglich zu Zahlungen verleiten könnten. Für alle anderen, nicht-parafiskalischen Fälle dagegen sind die Kollektive zur Aufrechterhaltung ihrer positiven Externalitätenproduktion auf staatliche Subsidien angewiesen. Damit ist andersherum aber bestätigt, daß die Produktion positiver Externalitäten a priori kein öffentliches Gut im Sinne wohlfahrtstheoretischer Bestimmungen ist; es muß eine staatliche Bewertung erfolgen, welche Externalitäten zu den öffentlichen Aufgabenkreisen zählen und welche nicht. Denn würde man alle Externalitäten aller Kollektive gleichrangig als öffentliche Güter betrachten, kann man das nur in einem technischen Sinne, nicht aber wohlfahrtstheoretisch begründen. Es entstünde sonst die Situation, daß jeder Verein, gleich was er produziert, mit der Behauptung, positive externe Effekte zu produzieren, an den Staat den Anspruch stellen könnte, für eben
184
Birger P. Priddat
diese Extemalitäten Zuschüsse erhalten zu müssen. Damit aber bliebe die Frage der staatswirtschaftlichen Allokation ungelöst. Nicht die Kollektive können dem Staat vorschreiben, welche Entlastungen er durch ihre Externalitätenproduktion habe, sondern umgekehrt, nur der im Staat repräsentierte öffentliche Wille kann entscheiden, welche Extemalitätenproduktionen durch Transfers als öffentliche Güter anerkannt werden sollen (durchaus nach dem Zusatzkriterium der Transaktionskostendifferenzen). Es ergibt sich daraus, daß nicht das Faktum der Externalitätenproduktion, sondern vielmehr ihre allokative Effizienz zu untersuchen ist. Andererseits ist damit aber wiederum bestätigt, daß positive Extemalitäten der Kollektivgutproduktionen die staatliche Leistungserstellung entlasten können. Doch mit einer Einschränkung. Wenn wir auf unsere Ausgangsdefinition der öffentlichen Güter zurückgehen, haben wir es bei diesen intermediären Organsiationen mit einem heterogenen Spektrum von Kollektivgutproduzenten zu tun, die zum einen durch unterschiedliche Reichweiten ihrer Extemalitäten gekennzeichnet sind (z.B. lokal begrenzt oder durch die Geringfügigkeit ihrer spezifischen Kollektivgutproduktionen), zum anderen durch eine Konkurrenz ihrer Extemalitäten. Folglich haben wir es nun wieder mit Rivalitäten und Ausschlüssen zu tun, die die Qualität der öffentlichen Güter dieser Produktionsart beeinträchtigen können. Kollektive sind durch die Menge ihrer Mitglieder (und damit ihrer Zahlungsfähigkeiten) limitiert. Die Kollektivgutdimension gibt eine - wenn auch nicht spezifierbare - Grenze für die Externalitätenreichweite an. Wenn in einem Gebietskörperschaftsbereich, zum Beispiel in einer Kommune, verschiedene Kollektive mit verschiedenen Extemalitäten im Sozialbereich tätig sind (z.B. bei der Altenpflege, der Rettungsdienste, der Drogenservices etc.), ist die vermeintliche Entlastung, die der Staat durch ihre 'byproductions' erfahren soll, durch eine Konkurrenz der Kollektive um die staatlichen Zuschüsse beeinträchtigt, die zur Folge hat, daß nur Teile des Externalitätenpotentials in den Status öffentlicher Güter erhoben werden. Denn das Transferbudget des Staates ist ebenso limitiert wie die Ansprüche der Kollektive unbegrenzt sind. Hier sind Leistungsdimensionen anzugeben, die das Angebot öffentlicher Güter mit einem Ausschlußprinzip versehen. Die vielen Kollektive, die qua Externalitätenproduktion Ansprüche auf staatliche Transfers zur Aufrechterhaltung ihrer 'by-production' als öffentliche Güter haben könnten, konkurrieren um einen prinzipiell limitierten staatlichen Transferhaushalt, der nur einen Teil von ihnen finanzieren kann. Wenn wir die Gesamtmenge der Extemalitäten aller dieser Kollektive als ein öffentliches Gut betrachten, ist durch den limitierten Transferhaushalt des Staates eine Aufrechterhaltung dieser zusätzlichen Produktion öffentlicher Güter nur für einen Teil der Kollektivgutproduktionen möglich. Alle anderen Kollektive bleiben auf ihre
Para- und Nonfiski
185
freiwilligen Vereinbarungen rückversetzt, d.h auf die Kontingenz ihrer Produktionen, die durch die staatliche Alimentierung und Anerkennung gerade in den Status einer Angebotskontinuität und öffentlich-rechtlichen Gewährleistung erhoben werden sollte. Durch die Rivalität der Kollektive um den limitierten Staatstransfer werden potentiell gleiche Externalitäten in verschiedene umdefiniert, d.h. es gibt eine Konkurrenz des kollektiven öffentlichen Guts-Angebotes, die sich praktisch-politisch als Konkurrenz verschieden
relevanter
Nutzerkreise äußert. Dazu gehört es dann, daß
merito-
risierungsbedürftige Gruppen erfunden bzw. in eine politische Bedarfssprache übersetzt werden. Das öffentliche Gut "soziale Versorgung" z.B. wird dann nach politischen Bedarfsintensitäten aufgeteilt, worin die Tendenz zunimmt, nunmehr eine Multiplizität sozialer Bedürfnisgruppen zu bilden, die untereinander nicht mehr dem Kriterium der Nicht-Rivalität im Konsum genügen. U m es schärfer zu formulieren: die rechtlichen Ansprüche des Nicht-Ausschlusses vom Konsum öffentlicher Güter werden so erweitert, daß über die Aufrasterung einer multiplen Schaar spezifischer Bedürfnisgruppen die Rivalität im Konsum des öffentlichen Gutes zunimmt. Anspruchsverrechtlichung und ökonomische Leistungsverknappung laufen parallel. Damit aber erweist sich der intermediäre Sektor nicht nur als eine neue Lösung der öffentlichen Guts-Versorgung, sondern zugleich als ein neues Problem: zwar entlastet er den Staat in der öffentlichen Leistungserstellung auf der einen Seite, um ihn auf der anderen Seite in den Transferbudgets zu belasten. Der Staat hat kein eindeutiges Kriterium, sich den Transferbitten zu entschlagen, da das Prinzip der intermediären Unterstützung überhaupt erst die Kollektiventstehung erzeugt, die durch ein Prinzip der höchstmöglichen Differenzierung und Aufgabenspezifität die Konkurrenz um die Transferanteile bestehen will. In dem Moment, in dem der Staat überhaupt Transfers anbietet, erzeugt er gleichzeitig Kollektivgutproduktionen, die nicht um ihrer selbst willen initiiert werden, sondern in Hinblick auf die Subventionierung, die der Staat für die Aufrechterhaltung ihrer - vaguen - Externalitätenproduktion verspricht. Damit aber werden die Kollektive "politikanfällig", d.h. um in der Konkurrenz um die Transfers gewinnen zu können, müssen sie sich politischen Anforderungen stellen. Was die Kollektive durch die Staatsbezuschussung an Kontinuität ihrer Externalitätenproduktion zu gewinnen scheinen, verlieren sie auf der anderen Seite durch die "politische Unsicherheit" (Moe 1990, 22), wegen der möglicherweise starken Politikanfälligkeit, über die nächste Wahl hinaus ihre Zuschußfinanzierung nicht gesichert wissen zu können.
186
Birger P. Priddat
4 Para- und Nonfiski Die bisherige Darstellung macht einen Unterschied zwischen 'klassischen' parafiskalischen Institutionen, die unabhängig vom Staatsbudget bleiben, wenngleich sie staatliche Aufgaben erfüllen mögen, und zwischen transfer-subventionierten Kollektiven, die als Ausführungsagenturen der staatlichen Aufgabenerfüllung geringer Kosten machen, als wenn der Staat selber dem entsprechende öffentliche Güter produzieren müßte. Es wäre zu überlegen, ob man diese zweite Kategorie nichtstaatlicher öffentlicher Aufgabenerledigung Nonfiski nennen könnte, um sie einerseits von den 'klassischen' Parafiski abzugrenzen, andererseits aber ihre aufgabenspezifische Verwandtschaft auszudrücken (der Term 'Nonfiski' bedeutete dann, daß es sich um quasi-Parafiski handelt, die keine Budgetautonomie haben, aber funktional dem parafiskalischen Aufgabenbereich zugehören). In diesem Sinne sind die Nonfiski keine "Nebenhaushalte" neben dem Staatshaushalt, sondern eigenständige, ausgelagerte Produzenten öffentlicher Güter, die aber von den politischen Zweckaufteilungen des Staatsbudgets - mehr oder minder - direkt abhängig bleiben. Alle monetären Transfers an die Nonfiski sind folglich 'politikanfällig', d.h. der allfälligen Möglichkeit ausgesetzt, auf ihren status ante quo zurückgesetzt zu werden bei politischem oder Wählerwechsel. Die nonfiskalischen Güter und Leistungen stehen den gewöhnlichen öffentlichen Gütern näher, die ebenfalls abhängig sind von den programmatischen Realisationen der jeweiligen regierenden politischen Parteien. Nonfiski unterscheiden sich allerdings von den gewöhnlichen öffentlichen Gütern darin, daß sie organisatorisch aus dem Staatshandeln ausgegliedert sind. Der Staat notiert sie zwar im Budget (in dem ihnen zugedachten Transfer-Anteil), aber ohne exekutive Verantwortlichkeit. Wenn die staatlichen Transfers entzogen würden, würden die für die öffentliches Gut-Bereitstellung funktionalisierten Kollektive, Verbände und die quasi-Unternehmen auf ihren alten Status zurückfallen: auf das freiwillige Kollektivgutkollektiv, den "Club", auf den reinen Interessenverband
und
auf
rein
privatwirtschaftlich
orientierte
Unternehmen.
Eine
Politikänderung bedeutet dann unmittelbar eine Ent-Institutionalisierung, was den öffentlich-rechtlich verfassten, budgetunabhängigen Parafiski nicht so leicht geschehen könnte, bzw. umgekehrt: wegen ihrer Auskoppelung aus dem politischen Entscheidungszusammenhängen haben die Parafiski ihre eigene "Verfassung". Nonfiski sind - gegenüber den Parafiski - von institutional minderer Qualität (wenn wir D.C. North's institutionenökonomische Kriterien der Stabilität und Dauerhaftigkeit anlegen (North 1990, 6)). Allerdings haben sie funktionale Vorteile: sie können durch die
187
Para- und Nonfiskì
'incentives' der (monetären
und
realen) Transferangebote bestehende
kollektive
Ressourcen zur öffentliches Gut-Versorgung mobilisieren, ohne - wie bei den Parafiski rechtliche oder hoheitliche Zwangskörperschaften bilden zu müssen. Sie sind, wegen ihrer öffentlich-rechtlichen Ungebundenheit, sehr viel flexibler einzusetzen. Ihnen fehlt das Persistenz-Gebot,
d.h. die institutionelle Qualität längerfristiger
Angebotskontinuität,
auch wenn sie die Illusion des Versprechens solcher Qualitäten fördern mögen. Die Nonfiski entlasten den Staat vom Meritorisierungsdruck; über die monetären 'incentives' lassen sich politisch, d.h. je nach politischem Bedarf, zusätzliche Produktionspotentiale für die Bereitstellung öffentlicher Güter erschließen. Die Transaktionskosten der Kollektivbildung sind gering, da auf bestehende Produktionsagentien zurückgegriffen werden kann. Nonfiski sind funktional ausgelagerte Produktionsprozesse der Bereitstellung von öffentlichen Gütern. Sie haben den Effizienzvorteil, bereits bestehende Kollektiv- oder Privatgutproduktionen nutzen und ausweiten zu können. Im Bereich der freiwilligen Kollektivgutproduktionen
und
der
Selbsthilfegruppen
können zudem
'moralische
Ressourcen' genutzt werden, die der Staat nur durch kostenintensive Verwaltungsorganisationen substitutieren könnte. Es mag sein, daß die Nutzung moralischer Ressourcen nur anfänglich Vorteile bietet, die im Laufe der Nutzungszeit durch zunehmende monetäre Kompensation für die zuerst mehr oder minder noch freiwilligen und "ehrenamtlichen" Leistungen ersetzt werden müssen. Da aber die Nonfiski politisch, d.h. durchaus kurzfristig eingesetzt werden können und sollen, kann dieser langfristig abnehmende Gratisvorteil unwichtig bleiben. Das ist nicht abwertend gemeint, da die staatliche Prämierung privater Initiativen Aktivitätsniveaus erzeugen und halten kann, die durchaus in der Lage sind, später selbsttätig weiterzuarbeiten. Wir hätten es dann mit einer temporären Anschubfinanzierung zu tun, die entweder später selbsttätig weiterläuft oder aber als politischer Test auf weiteren Bedarf nach Angeboten öffentlicher Güter fungiert. In diesem Sinne unterscheiden sich die Nonfiski von den Parafiski durch ihren geringeren Persistenzgrad. Die Parafisci sind die einzigen Institutionen, die ein Angebot an öffentlichen Gütern kontinuierlich und dauerhaft anbieten. Damit ist nicht behauptet, daß Parafiski ineffizient sind, aber ihre Effizienz besteht in ihrer Angebotsstabilität, d.h. auf die Ausbildung vertrauensgenerierender rationaler Erwartungsstrukturen, die langfristig-strategisches Handeln ermöglichen (Zur Frage der Zeitstabilität von Institutionen vgl. Priddat 1992a).
188
Birger P. Priddat
Die Kosten der zwangskörperschaftlichen Vereinigung werden für die Persistenz bezahlt, d.h. für den Gewinn an Erwartungssicherheit gegenüber den risikoreicheren, weil politisch kurzfristiger eliminierbaren politischen Gütern (als die wir die öffentlichen Güter bezeichnen, die der "political uncertainty" (Moe 1990, 22 ff.) unterliegen). Nonfiski dagegen bezeichnen kurzfristiger ausgelegte öffentliche und Kollektivgut-Strukturen, die die zwangskörperschaftliche Bindung nicht eingehen sollen, weil sie 'fristiger', d.h. terminierter eingesetzt werden, um kurzfristige Substitute für ein allgemeineres Begehren nach öffentlichen Gütern zu befriedigen. Nonfiski sind kontingenzfreudiger ausgelegt, nicht mehr dem universalen Gedanken der (auf lange Sicht angelegten) öffenliches Gut-Bereitstellung des 19. Jahrhunderts verpflichtet, ohne dem darin enthaltenen Wohlfahrtsgedanken zu entsagen. In der Akzeptanz von Nonfiski entläßt sich der Staat aus der Selbstverpflichtung, die er den traditionellen Parafiski gegenüber eingegangen war. Er enthält sich der regelgebundenen Produktion dauerhaftiger Leistungen, weil er seine Aufgaben situationsgemäßer und flexibler übernehmen will. Die Verwendung von Nonfiski für die Bereitstellung öffentlicher Güter hält den Staat in einem Status der potentiellen Selbstentlastung. Zumindest behält er die wohlfahrtspolitische Initiative; er kann entscheiden, ob er bestimmte Transfers fortsetzt oder beendet. Er hat einen Zugewinn an Steuerungs- oder Regulationskompetenz im Bereich der öffentliches Gut-Bereitstellung. Der Staat gewinnt an bedarfsgerechter Regulationskompetenz, indem er kein allgemeines öffentliches Gut mehr anbietet, sondern die politische Klientel verschiedenster Coleurs mit verschiedenen, gruppenspezifischen Kollektivgütern versorgen lassen kann. Daß er damit in die Abhängigkeit spezifischer Gruppen geraten kann, deren 'Versorgung' er aus politischen Gründen sicherstellen will, ist ein anderes Thema: es bliebe dann zu fragen, inwieweit der Staat möglicherweise gruppenspezifische Kollektivgüterproduktionen subventioniert, die - ohne irgendwelche positiven externen Effekte für andere zu produzieren - , allein den 'politischen Ansprüchen' singulärer Gruppen genügen sollen. Aus dieser Perspektive ist nicht nicht erstaunlich, daß sich die "intermediären Organisationen" über den Anfang der parafiskalischen Institutionen hinaus heute in das weitere Feld der Nonfiski ausgeweitet haben, nicht aber, um die Parafiski aus dem "Wettbewerb" der "halbstaatlichen" Institutionen hinauszudrängen, sondern eher, um ihnen komplementäre
Institutionen
der öffentliches Gut-Bereitstellung
beizufügen, die
flexibler und effizienter bestimmte Versorgungsaufgaben übernehmen können. Die Nonfiski haben den Vorteil, keine Versorgungsbesitzstände festzuschreiben, wie die parafiskalischen Institutionen es getan haben. Die Nonfiski verdrängen die Parafiski nicht, sondern ergänzen sie um ein Versorgungsinstrument, das auf die Vorhaltung des
Para- und Nonfiski
189
"Staatsversagens" antwortet. Beide "intermediären Organisationen" - Para- wie Nonfiski - entlasten den Staat: die Parafiski durch Budetentlastung, die Nonfiski durch effizientere Budgetnutzung, d.h. durch ein optimaleres Verhältnis von Kosten und Leistungen und durch bedarfsgerechte Terminierung der Leistungserstellung. Doch trifft dieser Effizienzvorteil womöglich nur für jene Nonfiski zu, die nicht staatlich subventioniert werden, aber durch ihre selbstständige Kollektivgutproduktion den Staat um einen Teil seiner öffentliches Gut-Bereitstellung entlasten. Sie bilden eine neue, informelle
"Branche" der staatlichen
Wohlfahrtsökonomie,
deren kalkulierbare Existenz
die staatlichen Aufwendungen minimieren kann. Damit sind dann weder staatliche Finanzierung noch staatliche öffentlich-rechtliche Legalisierung nötig, eher nur steuerliche Entlastungen oder dosierte (und zeitlich begrenzte) Finanzierungen. Für die durch staatliche Transfers erhaltenen Nonfiski dagegen sind die Effizienzvorteile weniger sichtbar; es besteht eine hinreichende Vermutung, daß sie spezifische Organisationen "erfolgreicher Nicht-Lösung" im Sinne "symbolischer Problemlösungen" darstellen: Wenn man - wie W. Seibel in seiner Darstellung einiger intermediärer Organisationen (Werkstätten für Behinderte; Autonome Frauenhäuser, Krankenhausfinanzierung)
-
"annimmt,
daß
die
politische
Stabilisierungsleistung
bestimmter
Organisationen darauf beruht, daß sie gemessen an ihren Aufgaben beständig scheitern und dennoch stabil bleiben, liegt das Erfolgskriterium in eben jener Stabilisierung des Scheiterns" - eine "Art von Placebo-Organisationen" (Seibel 1991, 480). Die Anwendungen der Nonfiski sind eben durch diese Kriterien auch begrenzt: sie sind nicht auf persistente Angebote allgemeinerungen
öffentlicher bzw. kollektiver Güter ausgelegt noch auf Ver-
dieses Angebots. Sie bilden vielmehr ein temporäres, vielfältige singulare
Gruppeninteressen
abdeckendes
Versorgungsgeflecht, dessen staatswirtschaftliche
zum einen auf seiner Variabilität und Ersetz- oder Austauschbarkeit auf einer symbolischen
Performanz.
beruht, zum
Effizienz anderen
Gerade der letztere Fall der "erfolgreich scheitern-
den Organisationen", die W. Seidel als typische Charakteristik des 'intermediären Sektors' herausstellt, ist geeignet, politische Bedarfe durch ökonomische Pseudoleistungen zu bedienen. Diese Art der Nonfiski unterscheiden sich von den Parafiski durch ihre lediglich symbolische Existenz, deren Leistung im politischen Ausweis besteht, "etwas zu tun". D e m Staat ist es recht, diese nonfiskalischen Versorgungsorganisationen auslagern zu können, da ihr Scheitern ihm nicht angerechnet wird, sondern vielmehr umgekehrt: sie dienen ihm als Ausweis, sich in diesem politischen Bedarfsfeld engagiert zu haben. Seinen Versorgungsversuch weist er durch die erfolgten Transfers aus, die in diesem Fall
weniger
für
die
Kollektivgutleistungen
tungsbefriedigung einer politischen Klientel.
erfolgen,
sondern
für
die
Erwar-
190
Birger P. Priddat
Nonfiski sind flexibel einsetzbar, wo aktuelle oder "politisch-modische" öffentliches GutBedarfe auftreten. Ihnen fehlt die Sicherheit des öffentliches Gut-Angebotes, dafür aber sind sie interessengruppenspezifisch einsetzbar. Sie sind - wenn man sie allein unter diesem Blickwinkel betrachtet - potentiell effizientere Instrumente politischer
Klientelbedie-
nung. Doch proben sie zugleich neue öffentliche Aufgabenerfüllung auf einem vorstaatlichen 'non-market'. Diese Komponente experimentieller Politik darf man nicht übersehen; aus der Bedienung symbolischer Bedarfe kann durchaus eine reelle Versorgungsinstitution erwachsen. In der Arbeitsteilung zwischen angebotspersistenteren
Parafiski und nachfragereagibleren
Nonfiski kann der Staat den vielfältigen Bedürfnissen nach öffentlichen Gütern besser gerecht werden, als wenn er sich auf die vagen Bestimmungen des politischen Wahlverfahrens beruft, die die "neue politische Ökonomie" empfiehlt. Daraus läßt sich schließen, daß beide Institutionenformen parallel weiter existieren werden, weil sie verschiedenen Bedürfnisstrukturen
im Raum der öffentlichen Gut-Versorgung entsprechen.
Von einer "Verstaatlichung" der Parafiski kann nur dann die Rede sein, wenn die "Politisierung" des öffentliches Gut-Angebotes voranschreiten würde. Dagegen aber spricht das systematische Argument, daß gerade auch die Politik auf Persistenzwünsche Rücksicht nehmen muß, die in komplexer werdenden Gesellschaften Versicherungscharakter annehmen. Der Wunsch nach "mehr Demokratie" gerade auch in den öffentlichen Versorgungsbereichen fällt zusammen mit dem Wunsch, die notorische "political uncertainty" nicht auf alle Versorgungsentscheidungen auszuweiten. Das hat die paradoxe Folge, daß die Parafiski als angebotsstabilisierte Institutionen ihres öffentlich-rechtlichen Charakters nicht entkleidet werden dürften, d.h. in gewisser Weise aus dem ubiquitären Domokratisierungsprogress herausgehalten werden müßten. In diesem Sinne bleiben die Parafiski notwendige Institutionen, die Stabilität in das unübersichtlicher werdende Feld öffentlicher Gutsinteressen bringen, während die Nonfiski Formen "hybrider Versorgungsarrangements" (Engelhardt 1990, 44) proben und entwickeln, die sowohl die Effizienz der Gutsbereitstellung wie die der Produktion verbessern, dafür aber den "Öffentlichkeitsgrad" ihrer Leistungsangebote ohne weitergehende öffentlichrechtliche Verpflichtung variieren können, würden die Parafiski als angebotsstabilisierte Kollektivgutproduktionen kontrafaktisch zur Reduktion von Versorgungsunsicherheit eingesetzt. Aus dieser Perspektive lösen sich die Parafiski nicht vollständig auf in den weiten mesoökonomischen Strom des 'intermediären Sektors', sondern bleiben ein insulares Element, das mit seiner spezifischen Angebotsträgheit gleichsam 'gegen den Strom' besteht.
Para- und Nonfiski
191
Literatur Andreae, C A . (1963): Die paraiiskalischen Gebilde in finanzwissenscbaftlicher Schau, S. 333 ff. in: Lob, J. / Riehl, H. / Schöndorfer, U. (Hrsg.): Ein Beitrag zur Ganzheitsforschung, Graz. Binger, B.R./Hoffman, E. (1989): Institutional Persistence and Change: The Question of Efficiency, pp. 67, in: Journal of Institutional and Theoretical Economics, vol. 145, nr.l. Blümel, W./Pethig, R./Von dem Hagen, O. (1986): The Theory of Public Goods: A Survey of Recent Issues, S. 241 ff. in: Journal of Institutional and Theoretical Economics, Vol. 142, H. 2 Brand, J. (1990): Die deutsche Körperschaft des öffentlichen Rechts und ihr Verhältnis zu Staat und Gesellschaft, S. 8 ff. in: Brand, J./Busch, M. (Hrsg.) (1990): Marginalien zur unsichtbaren Universität. Festschrift für Josef Maria Häußling zum 65. Geburtstag, Otterbach. Brümmerhoff, D. (1990): Finanzwissenschaft, München / Wien. Cheung, S.N.S. (1970): The Structure of a Contract and the Theory of a Non-Exclusive Resource, S. 49 ff. in: The Journal of Law and Economics, vol. XIII (1). Engelhardt, G. (1990): Die Instrumentalthese in der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion: Ansätze einer institutionenökonomischen Analyse, Diskussionsschriften aus dem Institut für Finazwissenschaft, Universität Hamburg, Nr. 35. Gretschmann, K. (1985): Subsidiarität als staatswirtschaftliche Strategie, in: R. G. Heinze (Hrsg.), Neue Subsidiarität, Köln - Opladen, S. 249 - 264 Heller, W.P./Starrett, D A . (1976): On the Nature of Externalities, S. 9 ff. in: Lin, S.A.Y. (ed.): Theory and Measurement of Economic externalities, N.Y./San Francisco/London. Herrmann, W. (1936): Intermediäre Finanzgewalten. Eine Analyse deutscher hilfsfiskalischer Gebilde im ersten Jahrzehnt nach der Stabilisierung, Jena. Mann, F.K. (1978): Steuerpolitische Ideale, Darmstadt (zuerst 1937) Minsch, J. (1991): Kausalität und externe Effekte, S. 121 ff. in: Beckenbach, F. (Hrsg.): Die ökologische Herausforderung für die ökonomische Theorie, Marburg. Mishan, E J . (1971): The Postwar Literature on Externalities: An Interpretative Essay, S. 1 ff. in: Journal of Economic Literature, Vol. 9. Moe, T.M. (1990): Political Institutions: The Neglected Side of the Story, Working Paper Nr. 119, Center for Studies in Law, Economics, and Public Policy; Yale Law School. North, D.C. (1990): Institutions, Institutional Change and Economic Performance, Cambridge. Nowotny, E. / Scheer, Chr. (1991): Der öffentliche Sektor, Berlin / Heidelberg / N.Y. Priddat, B.P. (1992a): Institutions - behind the Veil of Time, in: Koslowski, P. (ed.): Ethics in Economics, Business, and Economic Policy, (Springer), Berlin/Heidelberg/N.Y. etc. 1991. Priddat, B.P. (1992b): Zur Ökonomie der Gemeinschaftsbedürfnisse: Neuere Versuche zur ethischen Begründung der Theorie meritorischer Güter, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaft (H. 2, 1992).
192
Birger P. Priddat
Priddat, B.P. (1993): Gustav Schmoller. Die andere Ökonomie. Über den eigenständigen Versuch der deutschen Nationalökonomie des 19. Jahrhunderts (geplante Buchveröffentlichung). Ritsehl, H. (1925): Theorie der Staatswirtschaft und Besteuerung, Bonn und Leipzig. Ritsehl, H. (1947): Theoretische Volkswirtschaftslehre, Bd. 1, Tübingen. Schaeffle, A.E.F. (1873): Das gesellschaftliche System der menschlichen Wirthschaft, Tübingen, 2 Bde. Schaeffle, A.E.F. (1875): Bau und Leben des socialen Körpers, Bd. 1, Tübingen. Seibel, W. (1991): Erfolgreich scheiternde Organisationen. Zur politischen Ökonomie des Organisationsversagens, S. 479 ff. in. Politische Vierteljahresschrift, 32. Jg., H. 3. Smekal, C. (1980): Finanzen intermediärer Gewalten (Parafisci), in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften, Bd. 3, Stuttgart, S. 1- 17. Tautscher, A. (1953): Die öffentliche Wirtschaft, Berlin. Terhalle, F. (1948): Die Finanzwirtschaft des Staates und der Gemeinden, Berlin. Tiepelmann, K. (1975): Parafiski, S. 35 - 40 in: W1SU, H. 6. Tiepelmann, K. / van der Beek, G. (1990): Parafisci, an Institutional - Organizational Aspect of the General Theory of Collectives, Diskussionsbeiträge des Fachbereiches Wirtschaftswissenschaft der Universität Duisburg Nr. 141. Wagner, A. (1892): Grundlegung der politischen Oekonomie, 2 Hbde., Leipzig Wille, E. (1990): Marktversagen versus Staatsversagen - ein ideologisches Karussell? S. 251 ff. in: Ellwein, Th./Hesse, J.J. (Hrsg.): a.a.O. Winkler, H A . (1970): Pluralismus oder Protektionismus? Verfassungspolitische Probleme des Verbandswesens im Deutschen Kaiserreich, Wiesbaden. Zimmermann, H. / Henke, K.-D. (1975): Einführung in die Finanzwissenschaft, München.
Autorenverzeichnis
193
Verzeichnis der Autoren des zweiten Teils Gregor van der Beek, Dipl.-Volkswirt sozialwissenschaftlicher Richtung; wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fach Finanzwissenschaft der Universität - G H - Duisburg. Anschrift: Universität Duisburg, Fachbereich 5, Postfach 101503, D-4100 Duisburg 1 Robert Hertzog, Dr. jur.; Professor für öffentliches Recht an der Universität Robert Schuman, Straßburg/Frankreich, Direktor des Centre de Recherches administratives et Financières
(CERAFI).
Anschrift: Université
Robert
Schuman,
CERAFI,
Place
d'Athènes 1, F-67084 Strasbourg Cedex Paul
- Helmut
Huppertz,
Dr.
rer. pol.,
Dipl.-Volkswirt; verstorben
1983,
war
wissenschaftlicher Assistent am Seminar für Finanzwissenschaft der Universität zu Köln. Klaus Mackscheidt,
Dr. rer. pol., Dipl.-Volkswirt, ordentlicher Professor und Direktor
des Seminars für Finanzwissenschaft der Universität zu Köln. Anschrift: Universität zu Köln, Seminar für Finanzwissenschaft, Albertus-Magnus-Platz, D-5000 Köln 41 Birger P. Priddat, Dr. rer. pol., Professor für Volkswirtschaft und Philosophie an der Universität Witten/Herdecke.
Anschrift: Universität
Witten/Herdecke,
Lehrstuhl für
Volkswirtschaft und Philosophie, Stockumer Straße 10, D-5810 Witten-Annen Claus Rinderer, Dr. rer. oec., Mag.; verstorben 1991, war wissenschaftlicher Assistent am Institut für Finanzwissenschaft der Universität Innsbruck. Gunnar Folke Schuppen,
Dr. jur., Professor für öffentliches Recht an der Universität
Augsburg. Anschrift: Universität Augsburg, Lehrstuhl für öffentliches Recht, Eichleitnerstraße 30, D-8900 Augsburg Christian Smekal, Dr. rer. oec., ordentlicher Universitätsprofessor und Vorstand des Instituts für Finanzwissenschaft der Universität Innsbruck/Österreich. Anschrift: Universität Innsbruck, Institut für Finanzwissenschaft, Herzog-Friedrich-Straße 3, A-6020 Innsbruck Klaus Tiepelmann,
Dr. rer. oec., Dipl.-Kaufmann; ordentlicher Professor für Volkswirt-
schaftslehre insbes. Finanzwissenschaft an der Universität - G H - Duisburg. Anschrift: Universität Duisburg, Fachbereich 5, Postfach 101503, 4100 D-Duisburg 1
w DE
G
Walter de Gruyter Berlin • New York
Carl-Ludwig Holtfrerich
Die deutsche Inflation 1914-1923 Ursachen und Folgen in internationaler Perspektive 23x15,5 cm. XII, 360 Seiten. Mit 9 Abbildungen und 62 Tabellen. 1981. Gebunden. ISBN 3-11-008318-3 de Gruyter • Berlin • New York Weitreichende Wirkungen auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft werden der deutschen Inflation 1914-1923 zugeschrieben: als Mittel der sozialen Umwälzung, die durch andere Maßnahmen kaum so schnell hätte erreicht werden können, als Nährboden für den Nationalsozialismus und als traumatische Kollektiverfahrung, die das bis heute ausgeprägt starke Bedürfnis nach Stabilität des Geldwerts in Deutschland erklären soll. In auffallendem Gegensatz zu der Schlüsselrolle, die diese Inflation in der deutschen Geschichte gespielt haben soll, steht die bisher dürftige wissenschaftliche Aufarbeitung. Dieses Buch ist die erste Gesamtdarstellung zu diesem Thema in deutscher Sprache.
Milton Friedman
Price Theory. Reprint 23x15,5 cm. X, 358 pages. With 15 figures. 1986. Cloth. ISBN 3-11-010987-5 Aldine de Gruyter • New York These notes deal with price theory. The larger part is devoted to the pricing of final products; the rest, to the theory of distribution. The reason for devoting more attention to the pricing of final products is that the theory of distribution is a special case of the theory of pricing, concerned with the pricing of factors of production. Hence, the principles that explain prices in the product markets also explain prices in the factor markets. Walter de Gruyter & Co. Berlin • New York Genthiner Strasse 13, D-1000 Berlin 30 (FRG), Tel.: (30) 2 60 05-0, Fax: (30) 2 6005-2 51 200 Saw Mill River Road, Hawthorne, N Y. 10532, Tel.: (914) 7 47-0110, Fax: 7 47-13 26
w DE
G
Walter de Gruyter Berlin • New York
Hans H. Lechner
Währungspolitik 23x15,5 cm. XX, 558 Seiten. Mit 97 Abbildungen und 37 Tabellen. 1988. Gebunden. ISBN 3-11-007412-5 de Gruyter • Berlin • New York Dieses Buch über Techniken und Gegenwartsprobleme nationaler und internationaler Währungspolitik ist für Studenten und Praktiker in den Wirtschaftswissenschaften und benachbarten Fachdisziplinen geschrieben. Es stellt einen Leitfaden für die geldtheoretischen und währungspolitischen Arbeiten im Hauptstudium dar; dem Praktiker gibt das Buch neben einer theoretisch fundierten Grundlage einen Überblick, in kritischer Distanz zum scheinbar raschen Wechsel der Szenerie, der Informationsflut und den Kontroversen der Wissenschaftler und Politiker. Nicht verzichtet wurde auf Stellungnahmen zu aktuellen Kontroversen in Theorie und Politik sowie Gegenüberstellungen politischer Werturteile.
Gianni Toniolo (Editor)
Central Banks' Independence in Historical Perspective 23x15,5 cm. XIV, 198 pages. 1988. Cloth de Gruyter • Berlin • New York
ISBN 3-11-011440-2
The independence of central banks from national governments is highly debated against the background of current projects for the establishment of a European Central Bank. The book provides an economic and historical view and discusses the case of the U.S. Federal Reserve System and the relationship between central banks and governments in Great Britain and in France. Furthermore the relations between monetary authorities and governmental institutions in Germany and the history of the Bank of Italy after World War II are analyzed. Walter de Gruyter & Co. Berlin • New York Genthiner Strasse 13, D-1000 Berlin 30 (FRG), Tel.: (30) 2 60 05-0, Fax: (30) 2 60 05-2 51 200 Saw Mill River Road, Hawthorne, N Y. 10532, Tel.: (914) 7 47-0110, Fax: 7 47-13 26