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German Pages [336] Year 2015
Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie Herausgegeben von Christine Axt-Piscalar und Christiane Tietz
Band 149
Vandenhoeck & Ruprecht
Hanna Reichel
Theologie als Bekenntnis Karl Barths kontextuelle Lektüre des Heidelberger Katechismus
Vandenhoeck & Ruprecht
Den Vorläufigen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 0429-162X ISBN 978-3-525-56446-2 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de © 2015, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Satz: Hanna Reichel Druck und Bindung: m Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Inhalt
Vorwort
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Einleitung
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1
„Bekenntnisschwach“ oder „bekenntnislos“? Studium und Pfarramt 1908– 1921 20 1.1 Vorverständnisse und Prägungen. Kindheit und Studium . . . . . 20 1.2 Auswendig gelernt? Pfarramt im Aargau . . . . . . . . . . . . . . . 23 1.2.1 Unterrichtspraxis „nach eigenem Heft“ . . . . . . . . . . . 23 1.2.2 Predigtpraxis und Vorträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1.2.3 Pure „Dekoration“. Bekenntnis und Kirchenrecht . . . . . 26 1.2.4 Gott als Subjekt des Bekenntnisses. Der Römerbrief-Kommentar 1919 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1.3 „Bekenntnisschwach“, aber nicht einfach „bekenntnislos“. Profilierung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2
Die Entdeckung der Tradition. HK-Lektüren in Göttingen 1921–1925 2.1 Der Ruf nach Göttingen zur „Einführung in das reformierte Bekenntnis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 „Entschieden fragwürdig“. Vorlesung „Der HK“ 1921/22 . . . . . . 2.2.1 Dialektische Vorworte. Methode und Aufgabe der Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Gegen die Auslegungsgeschichte. Der HK als Dokument reformatorischer Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Frage 1 als „folgenschwere Verirrung“ . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Neuer Ansatzpunkt. Der „Kontrast zwischen Frage und Antwort“ 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Melanchthonische Disposition und reformierter Intellektualismus. Frage 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.6 Kritische Anthropologie statt Pessimismus. Fragen 3–11 . 2.2.7 „Dialektische Aufräumarbeit“. Anselmsche Satisfaktionslehre in Fragen 12–18 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.8 Fragen 22–129 im „Gewaltmarsch“ . . . . . . . . . . . . . . 2.2.9 Ein entschiedenes „je nachdem“. Profilierung der Auslegung
29 29 34 34 39 43 45 54 56 60 65 67
6
Inhalt
2.3
2.4
2.5
„Die Theologie der reformierten Bekenntnisschriften“ 1923 . . . . 2.3.1 „Reine reformierte Lehre“, aber kein „unerschütterliches Bollwerk reformatorischen Glaubens“. Der HK als reformiertes Bekenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 „Relation auf das in der Schrift ausgesprochene Wort Gottes“. Die Entwicklung eines reformierten Bekenntnisbegriffs Bekenntnis und Bekenntnisgemeinschaft. Barth und der Reformierte Bund 1923–1925 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Schuldbekenntnis statt Repristination oder Neuformulierung. „Reformierte Lehre, ihr Wesen und ihre Aufgabe“ 1923 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 „Wünschbarkeit und Möglichkeit eines allgemeinen reformierten Glaubensbekenntnisses“ 1925 . . . . . . . . . . An den Rändern der Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Brunners Anfrage und Barths Schweigen 1924 . . . . . . . 2.5.2 Der HK in den Göttinger und Münsteraner Predigten . .
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74 78 81
81 85 90 90 91
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Confessio qua creditur und Confessio quae creditur. HK-Lektüren in Bonn 1930–1935 93 3.1 Der „Kirchenkampf “ als „Bekenntniskampf “ . . . . . . . . . . . . 93 3.2 Der HK als Wortschatz eigenen Christusbekenntnisses . . . . . . 100 3.2.1 Evangelisches Bekenntnis. Kirchenpolitische Versuche . . 100 3.2.2 „Für die Freiheit des Evangeliums!“ Kirchenwahl und Bekenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3.2.3 „Theologische Existenz“ statt „politischer Glaubensbekenntnisse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3.2.4 Rengsdorfer Thesen und Gegenthesen . . . . . . . . . . . . 106 3.2.5 „Alter Irrtum“ vs. „altes Bekenntnis“. Die freie reformierte Synode in Barmen-Gemarke Januar 1934 . . . . . . . . . 108 3.2.6 „Das eine Wort Gottes im Leben und im Sterben“. Die Barmer Theologische Erklärung 1934 . . . . . . . . . . . . . . 111 3.2.7 „Ich“ oder „Wir“? Der HK als anti-individualistisches Argument in den Bonner Predigten . . . . . . . . . . . . . . . 118 3.3 Confessio quae statt confessio qua. Profilierung und Ausblick . . . 120
4
Umbau und Trost. HK-Lektüren aus der Schweiz 1936–1945 125 4.1 Baustellenbesichtigung mit Nicht-Theologen. „Einführung in die reformierte Lehre auf Grund des HK“ 1937 . . . . . . . . . . . . . . 125 4.1.1 Verstärktes Interesse am Bekenntnis und den Bekenntnissen 125 4.1.2 Konkretion – Lesen – Entscheidung . . . . . . . . . . . . . 127 4.1.3 „Diagonal lesen“ als neue Methode . . . . . . . . . . . . . 130 4.1.4 Vom Menschen und vom Götzen aus. Negative Gotteslehre 131 4.1.5 Glaube, Werke, Hoffnung. Christliche Existenz als ChristSein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
Inhalt
4.2
4.3
5
7
4.1.6 „Selber Theologie treiben!“ Profilierung und Ausblick . . 135 Konsequente Christozentrik. „Einführung in den HK“ für Religionslehrer 1938 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 4.2.1 „Nicht mehr der Lehrer der Theologie, sondern der Politiker“? Der theologisch-politische Bindestrich . . . . . . . 136 4.2.2 Kontextualisierungen und Rahmungen . . . . . . . . . . . 140 4.2.3 Konzentriertes Denken. Die christozentrische Neuordnung des HK anhand von Frage 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 4.2.4 „Wer ist der Tröster?“ Christus als Erlösung und Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 4.2.5 „Wer wird getröstet?“ Der erlöste Mensch als Glied Christi oder: „selber geradezu ein Christus“ . . . . . . . . . . . 147 4.2.6 „Worin besteht der Trost?“ Bewahrung – Versicherung – Bereitmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 4.2.7 Freiheit zum Text. Profilierung der Auslegung . . . . . . . 151 Kontroverstheologische Profilierung. „Die römisch-katholische Kritik am HK“ 1944 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
Trümmer und Erbauung. HK-Lektüren in der Nachkriegszeit 1946–1948 159 5.1 Umstruktierungen. „Der HK“ in Basel 1946/47 . . . . . . . . . . . 159 5.1.1 Neugewichtung anhand der Lehre vom dreifachen Amt . 159 5.1.2 Die Entdeckung der pneumatologischen Dimension des HK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 5.1.3 Trost im Sterben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 5.1.4 Drei Ämter und zwei Reihen. Strukturübungen . . . . . . 163 5.1.5 Dogmatik in der Werkstatt. Profilierung der Auslegung . 172 5.2 Wiederaufbau. „Die christliche Lehre nach dem HK“ in Bonn 1947 172 5.2.1 „Die christliche Lehre“. Titel und Einleitung . . . . . . . . 172 5.2.2 Sieben Nägel. Der HK als Vertreter der gemeinsamen Wahrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 5.2.3 Ein anderer Trost: im Sterben, im Tod, im Gericht, im Leid. Verobjektivierung und Eschatologisierung . . . . . . 180 5.2.4 Das Wort vor Gott und Welt. Christologie als Ausgangspunkt für Trinitäts- und Schöpfungslehre . . . . . . . . . . 185 5.2.5 Der Herr als Bruder – und „des Heilands leibliche Brüder“ 186 5.2.6 Menschenrecht und Gottesrecht . . . . . . . . . . . . . . . 188 5.2.7 Die Königsherrschaft Christi und die christlichen Konfessionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 5.2.8 „Deus in nobis“. Der Geist, die Gemeinde und der Einzelne 191 5.2.9 Gebet und Gebot. Fragen 81–129 . . . . . . . . . . . . . . . 194 5.2.10 Trost und Zukunft auf dem Weg. Profilierung der Auslegung 196 5.3 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
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Inhalt
6
„. . . bin ich ein wirklicher Christianos“. Material-dogmatische Entfaltung christlichen Bekennens anhand der HK-Lehre vom munus triplex 203 6.1 Der HK und die Architektur der Kirchlichen Dogmatik . . . . . . 203 6.1.1 Die Entwicklung des munus triplex Christ(ian)i in Barths HK-Lektüren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 6.1.2 Das munus triplex als Struktur der Versöhnungslehre in KD IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 6.2 Glaube – Liebe – Hoffnung. Das dreifache Tatbekenntnis des Christen als Zeugnis vom Christus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 6.2.1 Vom wahrhaftigen Zeugen zum Zeugnis des Christen als Tat der Hoffnung. Das munus propheticum nach KD IV/3 218 6.2.2 Vom geopferten Priester bzw. gerichteten Richter zum Bekenntnis des Christen als Tat des Glaubens. Das munus sacerdotale nach KD IV/1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 6.2.3 Vom erhöhten Gekreuzigten zur Zeugenschaft gegenüber dem Nächsten als Tat der Liebe. Das munus regium nach KD IV/2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 6.3 Der Christ und die Christen. Das dreifache Tatbekenntnis als Christsein im Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
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Ein entschiedenes „je nachdem“. Die theologische Kontextualität Karl Barths240 7.1 Bekenntnisauslegung in dialektischer Kontextualität. . . . . . . . . 240 7.2 . . . christologischem Texturgewinn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 7.3 . . . und christologischer Kontra-Textualität . . . . . . . . . . . . . . 245 7.4 Treue zur Bewegung. Dogmatik als theologia viatorum . . . . . . . 247 7.5 Treue zum Text. Bekenntnisauslegung als „konsequente Exegese“ 250 7.6 Konfessionalität als bekennende Partikularität. Ökumenische Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 7.7 Theologie als Bekenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
8
Grundriss einer Theologie des Bekenntnisses. Fundamentaltheologische Skizze 256 8.1 „Aequivocatio mater errorum“? Risse im Bekenntnisbegriff . . . . 256 8.2 Zwölf Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
Abkürzungen
287
Literatur
289
Register der Stellen des HK
310
Personenregister
313
Sachregister
318
Vorwort Diese Arbeit wurde der Theologischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg im Oktober 2013 als Inauguraldissertation vorgelegt. Sie wäre nicht möglich gewesen ohne vielseitige Unterstützung, Ermutigung und Begleitung. Prof. Dr. Dr. Michael Welker hat mir als frühzeitig und beständig Mut zur theologischen Existenz gemacht. Die Kollegen am Lehrstuhl haben mich in eine ebenso freundliche wie fruchtbare Arbeitsgemeinschaft aufgenommen. Prof. Dr. Christoph Strohm gab die Anregung zum Thema dieser Arbeit. Er stand immer wieder für Gespräche über ihren Fortgang zur Verfügung und hat auch das Zweitgutachten angefertigt. Das Karl-Barth-Archiv in Basel hat mich gastfreundlich empfangen und mir umfassenden Einblick gewährt. Dr. Hans-Anton Drewes und Dr. Peter Zocher haben geduldig meine Recherchen unterstützt und durch Anregungen bereichert. Prof. Dr. Christine Axt-Piscalar und Prof. Dr. Gunther Wenz haben meine Arbeit in ihre Reihe aufgenommen. Christoph Spill hat als Lektor die Drucklegung der Arbeit begleitet. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, die Karl-Barth-Gesellschaft und der Reformierte Bund sowie der Förderverein der Theologischen Fakultät in Heidelberg haben die Drucklegung großzügig unterstützt. Die Studienstiftung des deutschen Volkes hat nach meinem Studium auch meine Promotionszeit begleitet. Die Auszeichnungen durch den Ernst-WolfPreis der Gesellschaft für Evangelische Theologie und den Manfred Lautenschläger Award for Theological Promise lassen mich hoffen, dass meine Arbeit auch für andere von Interesse sein kann. Moritz Menacher hat an vielen Stellen die wichtigen menschlichen Kontrapunkte gesetzt. Rasmus Nagel ist in ebenso stillem Einverständnis wie lautstarker Diskussion beständig mit mir unterwegs gewesen. Einen Lese- und Diskussionskreis wie unseren „Vorläufigen“ – Dr. Henning Hupe, Saskia Lerdon, Carolin Stalter und Dr. Joachim Vette – kann man sich als Gedankenwerkstatt nur wünschen. Ihnen sei diese Arbeit gewidmet. Darüber hinaus seien Magdalena Aretz, Thomas Aretz, Prof. Dr. Gregor Etzelmüller, Christine Hausen, Juliane Klein, Dr. Frederike van Oorschot, Dr. Thomas Qu-Xutong, Mirjam Sauer, Jürgen Reichel, Maria Reichel, Dr. Hans-Georg Ulrichs und Justus Vesting für alle genannt, die interessierte und kritische Rückfragen und Korrekturen beigetragen haben. Die Evangelische Landeskirche in Baden hat mich 2012 mit der Verkündigung in Wort und Sakrament beauftragt und mir so ermöglicht, Wissenschaft und Praxis zu verbinden und meine Arbeit als Teil des einen großen Gottesdienstes zu begreifen. Ihnen allen danke ich von Herzen. Halle (Saale), zum Fest der Darstellung des Herrn 2015
Einleitung Karl Barth war bekennender Theologe: Leidenschaftlich hat er sich der Theologie gewidmet, leidenschaftlich nahm er von dort aus Anteil an politischen und zeitgeschichtlichen Ereignissen. Grundlegend für beides ist ihm die Auseinandersetzung mit den Texten der Tradition geworden. Mit keiner Bekenntnisschrift hat Barth sich so häufig und ausführlich auseinandergesetzt wie mit dem reformierten Heidelberger Katechismus (HK). Immer wieder hat er ihn ausgelegt, immer wieder als Grundlage universitärer Lehrveranstaltungen und außeruniversitärer Vorträge verwendet. Er hat sich von ihm im eigenen Bekennen ebenso inspirieren lassen wie in der Architektur seines dogmatischen Denkens. Barth zeigt eine Freiheit, immer neu beim Text anzusetzen. Struktur, Dynamik und Methode der Auslegung können sich dadurch ebenso ändern wie die spezifische Deutung. Sein Verhältnis zum HK ist weder einfach positiv noch einfach ambivalent. Vielmehr verändert es sich im Laufe der Zeit vielfach. Dabei lässt sich sowohl eine eindeutige Verschiebung in der Bewertung mit dem sich verändernden situativen Kontext als auch eine Kontinuität im Kriterium der Wertung — dem spezifisch theologischen „Kon-Text“, Jesus Christus als Wort Gottes — feststellen. Aller Wandel der Auslegungen folgt so dennoch einer durchgehenden Linie. Das Bekenntnis hat für Barth „relative Autorität“1 , doch diese Relativität ist qualitativ als Relationalität, als Bezogenheit auf Jesus Christus zu bestimmen. Nur als Verweis auf Christus und von ihm her kommt dem Bekenntnis Wert zu, so aber kann es durchaus situativ Autorität entfalten. Darin zeigt sich eine doppelte Kontextualisierung des Bekenntnisses, die es Barth erlaubt, den HK zunehmend wertzuschätzen und als theologischen Verbündeten zu gewinnen: in der Reaktion auf die unmittelbaren Anliegen der Zeit, gerade darin aber als Abgrenzung von reiner Zeitverhaftung zugunsten der christologischen Bezogenheit. So gewinnt das Bekenntnis zum einen für Barth an Bedeutung, zum anderen nimmt auch seine Interpretation bekenntnishafte Züge an. Barths Theologie erweist sich selbst als kontextuell, gleichzeitig lässt sich mit Barth die doppelte Kontextualität jeder Theologie als geradezu christologisch notwendig aufzeigen. Die nach starker anfänglicher Ablehnung erkennbar wachsende Wertschätzung Barths für den HK und seine sich sowohl methodisch als auch inhaltlich mehrfach verschiebende Interpretation sind dabei der grundlegenden theologischen Entscheidung geschuldet, die unmittelbaren zeitgeschichtlichen Umstände in ihrer Bedeutung und
1
Plasger, Relative Autorität. Auch Plasger konkretisiert die Relativität als Bezogenheit, die er jedoch weitgehend formal in Schriftbezug und geschichtlicher Relativierung verortet (vgl. ebd., 199f).
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Einleitung
ihrer Relativität ernstzunehmen: also der Entscheidung zur Bekenntnishaftigkeit der Theologie. Die vorliegende Arbeit will durch die umfassende Berücksichtigung auch bislang nicht untersuchten Quellenmaterials eine Forschungslücke schließen und einen Beitrag zu Barths theologischer Interpretation liefern. Sie ist also keine Arbeit über den HK. Die Frage, ob Barth der historischen Intention oder dem systematischen Profil des HK gerecht wird, bleibt bewusst offen. Vielmehr will sie seine HK-Interpretationen in ihren kontextuellen Bezügen nachzeichnen, die in wechselnden Situationen immer wieder neu ansetzende Bewegung würdigen und dahinter liegende Grundsatzentscheidungen aufzeigen. Sie fragt nach beeinflussenden Texten und Kontexten für Barths Theologie ebenso wie nach den Konsequenzen seiner theologischen Prämissen für seine Bezugnahme auf diese Texte. Gleichzeitig will die Arbeit einen Beitrag zu einer Theologie des Bekenntnisses zwischen Fundamentaltheologie, Ekklesiologie und christlicher Ethik liefern. Barths Umgang mit dem HK wird befragt auf seine Leistungskraft für eine formale und inhaltliche Näherbestimmung des Bekenntnisbegriffs, um diesen für die systematische Theologie als Modell christlicher Existenz im Vollzug neu fruchtbar zu machen. Die Arbeit erhebt nicht den Anspruch, Barths Theologie unter diesem Gesichtspunkt neu zu rekonstruieren, vollständig darzustellen oder auch nur seiner theologischen Intention zu entsprechen. Vielmehr lässt sie sich durch seine Texte verführen, seine theologische Hermeneutik, die von der Sache her fragend Texte als Zeugnisse (statt als Quellen) liest, auf seine eigenen Texte anzuwenden. So fragt sie, inwiefern Barths Texte über das Bekenntnis selbst ein Bekenntnis ablegen, und was man von der Art und Weise, wie sie das tun, lernen könnte. Eine Gesamtdarstellung von Barths HK-Rezeption wurde bislang nicht unternommen, nicht zuletzt, weil ein Großteil der dafür relevanten Quellen nicht ediert ist.2 Stattdessen werden meist abstrahierend von möglichen Entwicklungsstufen Barths Gedanken zu einzelnen Fragen des HK zusammengefasst oder die Auslegung von 1947 im Sinne einer „Endfassung“ privilegiert.3 Wird die erste akademische Vorlesung von 1921/22 zum HK in neueren Untersuchungen zum frühen Barth meist wenigstens aufgeführt,4 und findet sein HK-Vortrag von 1938 noch vereinzelt Erwähnung,5 bleiben seine durch Mitschriften dokumentierten Seminare und Vorlesungen zum HK von 1937, 1944 und 1946/47 sowie zahlreiche Briefe, Predigten und Notizen unbeachtet.
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Eine Edition der Göttinger Vorlesung von 1921/22, des Vortrags von 1938 und der Bonner Vorlesung von 1947 durch die Verfasserin ist im Rahmen der Karl-Barth-Gesamtausgabe nun in Vorbereitung. So Plasger, Relative Autorität sowie Niesel, Karl Barth und der HK. Plasger gibt zwar einen kurzen Überblick über verschiedene Auslegungen des HK durch Barth, untersucht dann jedoch „synchron“ Einzelfragen (1, 5, 12–18, 26–28, 47–48, 54, 86, 123). Vgl. Freudenberg, Karl Barth und die reformierte Theologie, 33–35, McCormack, Dialektik und Realismus, 262f. Eine indirekte Rekonstruktion anhand der Kommentare im BwTh I-III nehmen auch Busch, Lebenslauf, 141 und Plasger, Relative Autorität, 64f vor. Vgl. a. a. O., 66–68.
Einleitung
13
Doch auch Einzeluntersuchungen existieren nur sporadisch. Noch zu Lebzeiten Barths stellt Wilhelm Niesel 1956 die Bedeutung von Frage 1 und das gemeinsame Anliegen des Christuszeugnisses zwischen Barth und dem HK sowie Barths Widerspruch zum sog. Extra-Calvinisticum anhand seiner 1947er Auslegung und der KD-Referenzen auf den HK heraus.6 Eberhard Busch hat 1994 einen Aufsatz über Barths Hören auf den HK anhand der Vorlesung von 1947 verfasst, der sich auch mit bekenntnishermeneutischen Aspekten beschäftigt.7 Matthias Freudenberg hebt die Bedeutung der reformierten Tradition für Barth in einer Analyse seiner Göttinger Vorlesungen heraus, lässt die Vorlesung über den HK von 1921/22 aber außen vor.8 Georg Plasger hat die „relative Autorität des Bekenntnisses“ bei Karl Barth herausgearbeitet, hauptsächlich anhand der KD.9 Der Umgang mit dem HK findet bei ihm exemplarische Erwähnung, beschränkt sich aber auf die Vorlesung von 1947 und die KD und darin auf Barths Verhältnis zu herausgehobenenen einzelnen Fragen.10 Rothney S. Tshaka hat 2010 eine Arbeit über den bekenntnishaften Charakter von Barths Theologie vorgelegt.11 Dieser wird allerdings als Allgemeinbegriff aus der KD erhoben, ohne auf Barths Bekenntnisauslegungen einzugehen. Eigenes Bekennen und Lehre vom Bekenntnis werden so getrennt. Eine umfassende Darstellung und Untersuchung zu Barths Auslegungen des HK durch die Zeit unter Einbeziehung der spezifischen Situationen, in denen sie stattfanden, fehlt. Das Verständnis für die kontextuelle Differenziertheit und Lernfähigkeit von Barths Theologie geht dadurch ebenso verloren wie ihre politische Dimension. Beides erscheint mir aber nicht als Beiwerk, sondern als elementares Anliegen seiner Theologie. Die Vernachlässigung bringt eine erhebliche Verzerrung und Verkürzung mit sich. In dieser Arbeit werde ich darum die von Barth selbst eingeräumte Kontextabhängigkeit seiner Interpretation durch eine differenzierende Betrachtung der engen Verzahnung von Bekenntnisauslegung, Lehre vom Bekenntnis und eigenem Bekennen bei Barth qualifizieren, um über die Ambivalenz-Feststellung hinauszukommen. Gerade die unberücksichtigten Quellen helfen, ein vollständigeres Bild der Entwicklung von Barths Lektüre des HK zu zeichnen, aus der nicht nur der Wandel von Ablehnung zu Wertschätzung, sondern auch eine sich verändernde inhaltliche Zuspitzung hervorgeht. Wird in 6 7
Niesel, Karl Barth und der HK. Busch, Jesus Christus, dein Trost im Leben und im Sterben. Der Heidelberger Katechismus und der Theologe Karl Barth, inzwischen in aktualisierter Form veröffentlicht als ders., „Jesus Christus, dein einziger Trost“. Er berücksichtigt dabei auch ein unveröffentlichtes Typoskript zu den in der Druckform nicht besprochenen Fragen 81–129. 8 Freudenberg, Karl Barth und die reformierte Theologie. 9 Plasger, Relative Autorität. 10 Vgl. a. a. O., 63–85. 11 In seiner Untersuchung von KD und BTE versteht Tshaka, Confessional Theology? auch Barths Dogmatik als unmittelbaren Ausdruck der Bekenntnishaftigkeit seiner Theologie. Barths Auseinandersetzung mit der Bekenntnistradition wird aber weitgehend außer Acht gelassen. Der entwickelte Bekenntnisbegriff wird wenig theoretisch fundiert und bleibt einseitig auf die Seite des „Bekennens“ verkürzt.
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Einleitung
der Forschung meist Frage 1 nach dem „einigen Trost im Leben und im Sterben“ als hermeneutischer Schlüssel Barths zum HK gesehen,12 zeigt sich in Auseinandersetzung mit dem Quellenmaterial eine zunehmende Konzentration auf die Fragen 31-32. Diese entfalten die Lehre vom dreifachen Amt, die Person und Werk Christi charakterisiert. Vermittelt über Geist und Sakrament beschreibt sie im HK aber auch die Existenz des Menschen als Christen. Bei bleibender Christozentrik lässt sich Barths Theologie so auch pneumatologisch charakterisieren. Mit der Lehre vom dreifachen Amt stellt er eine theo-logische Verbindung zwischen Christologie und Anthropologie, Ekklesiologie und Ethik her. Zugleich gelingt Barth damit eine grundsätzliche Klärung des Verhältnisses von Gott und Mensch, das ihm seit 1919 beschäftigt, indem er es als Verhältnis von Christus und den Christen zunehmend konkretisiert. Die Rezeption des HK macht auch deutlich, welche Rolle die Beschäftigung mit der konfessionellen Tradition sowie das Selbstverständnis als reformierter Theologe für Barth spielt. Die Vorlesung von 1921/22 dokumentiert die erste intensivere Auseinandersetzung Barths mit der reformierten Tradition und markiert zugleich den Beginn seiner universitären Laufbahn. Sie bildet so einen Schlüssel zur Theologie des jungen Barth, der bislang unbeachtet blieb.13 Barths Umgang mit dem HK zeigt, dass er sich nicht im Sinne einer Traditionsverhaftung oder gar „Orthodoxie“ als reformiert versteht.14 Insofern er sich in seinen Anliegen aber als parallel zu reformierten Grundentscheidungen positioniert entdeckt, kann er die reformierte Tradition als Lehrer respektieren lernen und zum Mitstreiter machen.15 Barth begreift sich als „nach Gottes Wort reformiert“: Das aktuelle, immer neue Hören auf die Schrift ist für ihn der wesens- und namengebende Zug reformierter Theologie. Ausgehend vom Bekenntnisbegriff Barths kann sein reformiertes Profil inhaltlich in der Verschränkung des Verweischarakters von Theologie auf Christus mit ihrer kontextuellen Partikularität und Vorläufigkeit, im Zeugnischa-
12 Plasger, Relative Autorität; Niesel, Karl Barth und der HK; Freudenberg, Neuinterpretation. 13 Crimmann, Karl Barths frühe Publikationen und ihre Rezeption beschreibt, wie die erste Generation der Forschung Barth – auch aufgrund der Textzugänglichkeit – v.a. KD und BTE rezipierte. Später entdeckten Moltmann (Hg.), Anfänge der dialektischen Theologie, Torrance, Karl Barth und Marquardt, Theologie und Sozialismus den frühen Barth: den Pfarrer und Prediger, Sozialisten und dialektischen Theologen. Inzwischen existieren umfangreiche Studien, die im Zuge zunehmender Textausgaben früher Werke auch angenommene „Wendungen“ Barths weiter vordatiert haben. McCormack, Dialektik und Realismus hat die Göttinger Dogmatik (UidcR) von 1924 als entscheidenden Entwicklungsschritt gewertet, nachdem Beintker, Rezension zur CD die „Wende“ in Barths Denken bereits vom Anselm-Buch auf die Christliche Dogmatik (CD) 1927 vordatiert hatte, nach dem Balthasar, Karl Barth ursprünglich Barths Werk unterteilt hatte. Freudenberg, Karl Barth und die reformierte Theologie hat als erster Barths Göttinger Zeit umfassende Aufmerksamkeit gewidmet und hebt zu Recht hervor, dass die in der Forschung vorgenommenen Gliederungen „der Bedeutung von Barths Vorlesungen über die reformierte Theologie als Vorarbeit für die Dogmatik nicht hinreichend Rechnung“ tragen und zudem unterschlagen, dass zwischen den jeweiligen Etappen „mehr Kontinuität als Diskontinuität“ herrscht (ebd., 9). 14 Vgl. auch Barth, Gotteserkenntnis und Gottesdienst, 6. 15 Vgl. auch Plasger, „Du sollst Vater und Mutter ehren!“
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rakter des Christseins und der daraus resultierenden Verantwortung gegenüber dem dreifachen Amt Christi gefunden werden. Durch den Aufweis der Bekenntnishaftigkeit seiner Theologie gerät der Fokus zunehmend auf die Verbindung zum politischen Engagement des Theologen Karl Barth. Während sowohl sein dogmatisches Werk als auch sein kirchenpolitisches Wirken im sog. Kirchenkampf umfassende Beachtung gefunden hat, ist Marquardts Forderung nach einer Verbindung von beidem noch nicht zufriedenstellend eingelöst worden, insofern letzteres zwar zunehmend Beachtung findet, aber meist nicht aus Barths Theologie heraus entwickelt wird.16 Einzeluntersuchungen zu Barths Bekenntnisbegriff oder seinem Verhältnis zu einzelnen Bekenntnisschriften verschleiern, solange sie isoliert vorliegen, den immanent öffentlichen und politischen Charakter des Bekennens. Demgegenüber soll in dieser Arbeit anhand seiner HK-Rezeption die Schnittstelle zwischen Bekenntnishermeneutik, Bekenntnisauslegung und eigenem Bekennen bei Barth untersucht werden, um von dort den Bekenntnisbegriff fundamentaltheologisch neu zu beleuchten und den Ort des Politischen theologisch zu bestimmen. Eine Eingrenzung auf den Betrachtungszeitraum 1921–1947 ergibt sich aus der Tatsache, dass die textuell greifbare Auseinandersetzung Barths mit dem HK innerhalb dieser Jahre erfolgt – von seinem Einstand als Professor in Göttingen bis zu seinen Vorlesungen im Bonn der Nachkriegszeit. Dass Barth gerade in dieser Zeit verstärkt auf den HK zurückgreift, ist bereits Ausdruck seiner bewussten Kontextualisierung. Da er einen spezifisch reformierten Bekenntnisbegriff voraussetzt und weiter entwickelt, der von der Partikularität, Vorläufigkeit und situativen Gebundenheit jedes Bekenntnisses und Bekennens ausgeht, ist es konsequent, dass er sich in der Betrachtung exemplarisch auf eine partikulare und situativ bedeutsame Bekenntnisschrift bezieht, die gerade in dem deutschen Kontext, in den Barth hineinspricht, wirkmächtig ist. Vorherige und spätere Zeitabschnitte zeichnen sich nicht nur durch Barths Schweigen zum HK im Besonderen und zur Bekenntnisthematik im Allgemeinen aus, sondern immer wieder sogar durch Barths unwirsche Ablehnung. Zur Darstellung des konstitutiven Kontextbezugs für Barths theologisches Denken ist das Vorgehen der Arbeit zunächst ein werkgeschichtlich diachrones. Es dient nicht in erster Linie dem Aufweis von Brüchen oder Wandlungen in Barths Werk, wie die ältere Forschung sie vielfach gesucht hat, sondern zeigt vielmehr die Kontinuität in den Diskontinuitäten seines Denkens auf, die in der radika16 Vgl. seine Forderung nach „einer historisch-gesellschaftlichen Einordnung und Aufschlüsselung seiner Theologie, die vorerst noch ganz in den Anfängen steckt und über deren Sinnhaftigkeit, Nützlichkeit und Sachgemäßheit der Streit gerade erst beginnt“ (Marquardt, Motivationen, 461). In der älteren Barth-Forschung gab es einzelne Ansätze, Theologie und politisches Denken zu verbinden (z.B. Dannemann, Theologie und Politik; Krötke, Der christologische Ansatz; Kreck, Das politische Engagement Karl Barths. Zu seinem 100. Geburtstag am 10. Mai 1986). Die neuere US-amerikanische Forschung hat den Sozialisten und Ideologiekritiker Barth neu entdeckt (z.B. Hunsinger [Hg.], Radical Politics; McCormack, Dialektik und Realismus; Gorringe, Karl Barth).
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len christologischen Kontextualität besteht.17 Den Wandel der Auslegungen betrachte ich weniger als durchgehende Entwicklung, sondern beleuchte ihn vielmehr schlaglichtartig von den jeweiligen Quellen auf ihre spezifischen Kontexte ausgreifend. Barths Stellung in Universität und Kirche, seine jeweiligen Konflikte und Projekte, kirchenpolitische Zusammenhänge ebenso wie direkte Anlässe der Textproduktion werden dafür erläutert, insoweit sie für das Verständnis erhellend erscheinen. Die einzelnen HK-Auslegungen Barths – die Vorlesungen von 1921/22 und 1923 in Göttingen sowie 1947 in Bonn, ein Kolloquium 1937 in Basel, Seminare 1944 und 1946/47 in Basel und ein Vortrag von 1938 – werden einzeln und in chronologischer Reihenfolge sowie im Zusammenhang ihrer zeitgeschichtlichen Dimension behandelt. Ergänzend werden Bezugnahmen Barths auf den HK in Predigten, Briefen und Notizen herangezogen. Insbesondere für die Zeit des Kirchenkampfes beziehe ich über die HK-Auslegungen hinaus auch einzelne „Gelegenheitsschriften“ ein, die entweder durch ihre Themenstellung oder ihren Charakter den bekennenden Theologen Barth profilieren oder Beiträge zu einer Theologie des Bekenntnisses versprechen.18 Dadurch wird selbstverständlich weniger der „historische“ Barth re-konstruiert als vielmehr Barth, wie er sich aufgrund seiner Textproduktion erschließt. Sein Selbstverständnis als Theologe geht durch die Quellenbasis in die Betrachtung ein.19 Hauptgegenstand der Untersuchung sind aber Barths Texte als solche. Es ist also weder mein Anliegen, Barths eigene Intention nachzuvollziehen, noch, ihn besser zu verstehen, als er sich selbst verstanden hat. Insbesondere
17 Ich stimme darin mit Freudenberg, Karl Barth und die reformierte Theologie, 10–13, überein, Barths Theologie als „Theologie in Bewegung“ und als „Theologie im Kontext“ zu verstehen. Exemplarische Ansätze, Barth als kontextuellen Theologen zu lesen, haben bislang u.a. Mildenberger, Theologie für die Zeit; Weinrich, Konflikte theologischer Zeitgenossenschaft; Klappert, Versöhnung und Befreiung vorgelegt. 18 Tshaka kommt das Verdienst zu, auch die KD durch und durch als Dokument „bekenntnishafter“ („confessing“) Theologie zu verstehen: „The CD [hier: Church Dogmatics, HR] is therefore a confession in that it presupposes making the point that theology cannot be re-established except with audacity“ und: „The confessional nature of Barth’s CD is characterized by the fact that Barth’s theology was scriptually inspired, that it was very much interested in the means it used to interpret the context in which it found itself, and that it acknowledged its limits, for it remained a human comment on the Word of God and not the Word of God per se“ (Tshaka, Confessional Theology?, 141.144). Tshaka kommt zu dem Schluss, die „theology of Karl Barth remained interwoven with politics till the end“ (239). Gleichzeitig hält er die doppelte Distanz einer solchen „confessional“ Theologie fest: „To insist that Barth’s theology has to be read as a confession helps us to appreciate the fact that his theology was never timeless and never attempted to be contextual in all cases“ (244). Auch die dogmatischen Entwürfe der 1920er Jahre UidcR und CD ließen sich als Dokumente bekenntnishafter Theologie verstehen, wenn auch vielleicht noch nicht im zugespitzt politischen Sinne. 19 Es ist verschiedentlich darauf hingewiesen worden, dass Barths Selbstaussagen über seine Entwicklung „nicht immer ein zuverlässiger Maßstab für die Interpretation“ sind (so McCormack, Dialektik und Realismus, 169, vgl. auch 318.368 u.ö.). Ich nehme Barths Selbstreflexionen ernst, wo sie sich mit den Ergebnissen der Analyse seiner Schriften decken. Andernorts werde ich mit Barth(s Schriften) gegen Barth(s schriftliche Selbstreflexionen) argumentieren.
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ist die Frage, ob Barth den HK im Sinne damaliger oder heutiger Forschungserkenntnisse „richtig“ verstanden hat, nicht Gegenstand der Untersuchung. In Barths Kindheit und Studium ist weder eine explizite Beschäftigung mit dem HK im speziellen noch mit der reformierten Tradition im allgemeineren nachweisbar (Kap. 1.1), in seinen Jahren im Pfarramt zeigt sich sogar eine explizite Geringschätzung (Kap. 1.2). Mit seiner überraschenden Berufung auf den Lehrstuhl für Reformierte Theologie in Göttingen ist Barth erstmals gezwungen, sich eingehender mit der reformierten Tradition auseinanderzusetzen (Kap. 2.1). Der HK steht dabei als Thema seiner ersten Vorlesung im Wintersemester 1921/22 (Kap. 2.2) und wenig später auch in einer Vorlesung zur „Theologie der reformierten Bekenntnisschriften“ (Kap. 2.3) an prominenter Stelle. Aus diesen Beschäftigungen lässt sich eine anfängliche Skepsis, aber mit der Entwicklung einer kritischen Bekenntnishermeneutik auch wachsende Annäherung und Wertschätzung erkennen. Zugleich bleibt Barth dem Bekenntnisverständnis seiner Konfessionsgenossen gegenüber ebenso kritisch (Kap. 2.4) wie der Frage, ob man den HK als Ansatzpunkt für die eigene Dogmatik nutzen könne (Kap. 2.5). Nach einem auffälligen Schweigen zu Bekenntnisfragen in seiner Münsteraner Zeit kommt Barth im Kirchenkampf verstärkt auf den HK zurück (Kap. 3). War er zuvor lediglich das Objekt einer zuweilen würdigenden, zuweilen kritischen Auslegung, wird er jetzt zur Parallele und zum Vorbild eigenen Bekennens. Barth lässt den HK in der BTE und anderen Dokumenten in seine Zeit hineinsprechen und stellt sich in einem analogen Akt des Bekennens neben ihn. Direkte Bezüge sind dabei teilweise als Zitate nachweisbar, teilweise als Anklänge zu finden, während Barth eine reine Wahrung des Bekenntnisses ablehnt. Hier deutet sich bereits die Notwendigkeit der grundsätzlichen Frage nach Stellenwert und Verständnis von Bekenntnis und Bekennen in der Theologie an. In den Jahren, in denen Barth die Entwicklung in Deutschland aus der Schweiz beobachtet und kommentiert (Kap. 4), legt er den HK mehrfach aus. So wählt er ihn 1937 als Grundlage für „Einführungen in die reformierte Lehre“ für NichtTheologen (Kap. 4.1.1) und ordnet den HK dafür nach eigenständigen Loci neu. Die vor Religionslehrern gehaltene „Einführung in den HK“ von 1938 (Kap. 4.2) zeichnet sich durch die höchste systematische Konzentration sowie die größte theologische Eigenständigkeit im Umgang mit dem Stoff aus. 1944 profiliert Barth den HK gegenüber der katholischen Kritik in einem gemeinsamen Seminar mit Hans Urs von Balthasar (Kap. 4.3). Neben der weiteren Zuspitzung der Christozentrik zeigen sich in diesen Jahren Barths Zuwendung zum Gespräch auf Gemeindeebene und das gewachsene Interesse an ökumenischer Gesprächs- und Manövrierfähigkeit statt Polemik. Wurde der HK in der Zeit des Dritten Reiches ein wichtiger Gesprächspartner für Barth, setzt er auch nach dem Krieg mit ihm ein: In Basel und Bonn entfaltet er ihn 1946/47 und 1947 in zeitnah, aber unter sehr verschiedenen Vorzeichen abgehaltenen Veranstaltungen. Während Barth sich in der einen fast vollständig auf eine Neustrukturierung und Zusammenfassung des HK unter dem Gesichtspunkt der in HK 31-32 formulierten Lehre vom dreifachen Amt konzentriert (Kap.
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5.1), legt er ihn in der anderen Frage für Frage aus, um am Leitfaden des HK „die christliche Lehre im Zusammenhang“ als Wiederaufbauhilfe und als Trost in den Trümmern anzubieten (Kap. 5.2). Nach diesem programmatischen Doppelansatz in der „Stunde Null“ findet keine weitere, gesonderte Beschäftigung Barths mit dem HK mehr statt (Kap. 5.3). Auch die Bekenntnisfrage im allgemeinen verliert an Gewicht, die mehrfach an ihn herangetragene Forderung nach der Formulierung eines neuen reformierten Bekenntnisses lehnt Barth konsequent ab. In seinen Bezugnahmen in der KD zeigt sich aber, dass der HK zu einem Dauergesprächspartner Barths geworden ist – als explizit angerufene legitime Autorität, aber auch als implizit verwendeter Wortschatz theologischen Redens. Die so material-dogmatischen Kapitel zeigen, dass die Fragen 31–32 in Barths HK-Auslegung an Raum gewinnen. Mehrfach strukturiert er nach ihnen die Lektüre und ordnet der Figur des dreifachen Amtes Christi sukzessive weitere theologische Topoi zu. Diese vom HK inspirierte konstruktiv-konstruierende Bewegung bildet einen Vorläufer des Aufbaus von Barths Versöhnungslehre in KD IV als eigenem dogmatischen Entwurf. Barths Auslegung von HK 31–32 wird zunächst in seine Suche zwischen 1919–1947 eingebettet, die sich um die theologische Verhältnisbestimmung von Christus und den Christen dreht (Kap. 6.1.1). So kann plausibel gemacht werden, inwiefern Barth die Struktur von KD IV in der Rezeption der Lehre vom dreifachen Amt Christi aus dem HK gewinnt (Kap. 6.1.2). In ihrer Übertragung auf den Christenmenschen bildet diese Figur selbst eine Gestalt des Bekennens aus: eine Differenzierung des Vollzugs von Christsein in der Welt, das in den Taten von Glaube, Liebe und Hoffnung erkennbar wird. Im Anschluss an Barth soll darum die Lehre vom dreifachen Amt als inhaltliche Modellierung bekennender christlicher Existenz unternommen werden (Kap. 6.2). Der junge Barth schreibt 1922: „Ich stehe eigentlich in einem merkwürdigen Verhältnis zu diesen alten Texten. Fortwährend könnte ich ungefähr alles gut und nicht gut heißen, wenn ich mir die historischen Zusammenhänge und den Sinn überlege, je nachdem entscheide ich mich dann zu Belehrungszwecken für das Eine oder für das Andere.“20 Im Rahmen einer kritischen Würdigung wird Barths Ansatz und Schwerpunktsetzung in der Interpretation des HK schließlich charakterisiert (Kap. 7). Dabei wird sein früh geäußertes „je nachdem“ zum HK konkretisiert und qualifiziert: Statt einer inhaltlichen Unsicherheit spricht hieraus eine kontextuelle Sensibilität für politische und theologische Bezüge, die im HK einen Partner in der gemeinsamen „reformatorischen Bewegung“ erkennt, sich dabei aber auch alle Freiheit im Umgang mit ihm bewahrt. Kontextualität und Kontra-Textualität der Auslegung, konfessionelle und ökumenische Dimension, christologische und politische Konkretion, Bewegung der Sache und Treue zum Text als hermeneutische Grundsätze sind die hier verhandelten Stichworte, die durch einen ersten Ausblick auf die Frage der Bekenntnishaftigkeit von Theologie ergänzt werden.
20 Brief an Thurneysen am 11.02.1922, in: Barth/Thurneysen, BwTh II, 37, kursiv HR.
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Nach historischer und material-dogmatischer Auseinandersetzung wird in einem skizzenhaften fundamental-theologischen Teil über Barth hinaus der Bekenntnisbegriff selbst formal thematisch. Die Tatsache, dass er schon bei Barth eine Vielzahl von Bedeutungen anzieht, bis er zu einem Gesamtkonzept von christlicher Existenz, Christologie, Anthropologie und Ekklesiologie, ja geradezu der Dogmatik im Ganzen wird, wird vor dem Hintergrund der Begriffsgeschichte reflektiert. Hier zeigen sich sich nicht nur der Reichtum, sondern auch zahlreiche Risse im Begriff (Kap. 8.1). Indem diese festgehalten und verantwortet werden, lassen sie sich aber auch theologisch fruchtbar machen: Grundrissartig werden zum Abschluss zwölf Thesen in den Raum gestellt, um den Bekenntnisbegriff theologisch konstruktiv auszuleuchten (Kap. 8.2).
1. „Bekenntnisschwach“ oder „bekenntnislos“? Studium und Pfarramt 1908–1921 1.1 Vorverständnisse und Prägungen. Kindheit und Studium In der Schweiz war die Bekenntnisbindung lange vor Barths Zeit aufgehoben worden.1 Auch in seinem theologisch eher positiv-biblisch eingestellten Elternhaus wurde er nicht mit dem HK sozialisiert.2 Eine Ausgabe der Bekenntnisschriften hat er nach eigenen Angaben erst 1921 zum Antritt der Professur in Göttingen erworben.3 Auch eine spezifisch reformierte Prägung des jungen Barth ist weder aus seiner Jugend noch aus seinem Studium nachweisbar.4 Seine Studien widmeten sich in hohem Maße der Aufklärung und dem Neuprotestantismus, und auch die Studienorte Berlin, Tübingen und Marburg stellten weder die Reformatoren noch gar die reformierte Tradition besonders in den Vordergrund. Nach seinem Studium wies Barths Weg so „jedenfalls nicht in die Richtung der Rezeption der reformatorischen bzw. reformierten Tradition“.5 Gänzlich unvertraut war der HK Barth dennoch nicht. So weist etwa die geerbte Ausgabe von Sudhoffs Standardwerk zu Ursinus und Olevian darauf hin, dass auch sein Vater Fritz Barth sich schon mit dem HK beschäftigt hat.6 Auch wird berichtet, dass Karl Barths eigener Konfirmandenunterricht 1901/02 dem HK folgte.7 Doch scheint er wenig Eindruck hinterlassen zu haben. Barth erwähnt den HK in seinen Erinnerungen an den Konfirmandenunterricht nicht, betont sogar, dieser sei ganz und gar nicht „katechetisch (im Sinne eines Frage- und Antwortspiels)“ gewesen. Vielmehr habe die Betonung „auf dem Lehrhaften“ und Apologetischen gelegen.8 Doch die Auseinandersetzung mit den Grundlagen des Glaubens im Bekenntnis scheint den jungen Barth stark bewegt zu haben. Als Ertrag zieht er aus dem Konfirmandenunterricht, „daß es eine schöne und gute Sache sein möchte, die großen Sätze des christlichen Glaubensbekenntnisses nicht nur zu kennen und 1 2 3 4
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Eine detaillierte Darstellung gibt Finsler, Kirchliche Statistik der reformierten Schweiz. Vgl. Bautz, Barth, Fritz. Vgl. Barth, Skizze sowie Busch, Lebenslauf, 142. Freudenberg sammelt die Auseinandersetzungen des jungen Barth mit reformiertem Gedankengut. Dabei zeigt sich: Abgesehen von den regulären Überblicksvorlesungen zur Kirchengeschichte, die man kaum als spezifisches Interesse an der reformierten Theologie deuten kann, kommt reformiertes Gedankengut nur in einer Seminararbeit von 1906 über Zwingli „67 Schlussreden“ vor (Freudenberg, Das reformierte Erbe erwerben). So das Eingeständnis von Freudenberg (a. a. O., 39). Vgl. Barths Ausgabe von Sudhoff, C. Olevianus und Z. Ursinus, KBA. Vgl. Fangmeier, Vorwort, 27. Barth an J. Jaggi am 01.08.1941, zit. nach: Busch, Lebenslauf, 42, Hervorhebung i.O.
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zu bejahen, sondern von innen heraus zu verstehen“. So beschließt er an seinem Konfirmationsabend „kühnlich“, Theologe zu werden, „in der Hoffnung, auf dem Wege dieses Studiums zur Realisierung eines mir dunkel vorschwebenden sachlichen Verstehens des Glaubensbekenntnisses zu gelangen.“9 In seiner Studienzeit lässt sich daraufhin aber keine explizite Beschäftigung mit Bekenntnisschriften nachweisen. Es scheinen für Barths Begeisterung also eher die Inhalte des Glaubens und ihr Zusammenhang als bestimmte Bekenntnisschriften wichtig gewesen zu sein. Das „Bekenntnis“ wird von ihm mit dessen Inhalt oder der Summe der Glaubensinhalte gleichgesetzt, so dass es als eigenständige Größe geradezu verschwindet. Analog zur traditionellen Doppelbestimmung des Glaubens könnte man hier von einer Confessio qua creditur und einer Confessio quae creditur sprechen, wobei Barth letztere eindeutig priorisiert. Den Bekenntnisbegriff selbst verwendet Barth für persönlich-subjektive Stellungnahmen aktueller oder prinzipieller Natur. So schreibt er etwa über seine Examensarbeit zur Höllenfahrt Christi an seine Eltern, sie sei „nicht etwa als eine Art Bekenntnis gemeint [. . . ] Von eigener Dogmatik ist nämlich von A bis Z keine Silbe darin“, denn dies hätte ihre „rein geschichtliche Einheitlichkeit“ gestört.10 Barth setzt „Bekenntnis“ und „eigene Dogmatik“ im Sinne der öffentlichen Darstellung persönlicher Überzeugungen gleich und stellt sie dem wissenschaftlich-historischen Arbeiten diametral gegenüber. Nach eigener Aussage ist es ihm wichtig, auf einen bekenntnishaften Stil, der subjektive Anliegen in die Arbeit eintragen würde, zu verzichten. 1909 erscheint ein Aufsatz Barths in der Zeitschrift für Theologie und Kirche. Unter dem Titel Moderne Theologie und Reichsgottesarbeit beschäftigt sich der 23Jährige mit der Frage, warum „moderne“ Theologiestudierende so wenig Interesse an der „Arbeit in der äußern Mission“ zeigten.11 Die von ihm erhobenen Gründe sind der „religiöse Individualismus“ und der „historische Relativismus“ der Moderne.12 Barth, der sich hier offensichtlich noch mit der „modernen Theologie“ identifiziert, stellt fest, der konservative Student habe stets ein Arsenal autoritativer Lehrsätze zur Hand. Diesen Weg aber könne ein echter Schüler Wilhelm Herrmanns wie er nicht gehen. Der Aufsatz wird als Provokation empfunden und zieht eine fünfteilige Diskussion zwischen Barth und den etablierten Theologen Ernst Christian Achelis aus Marburg und Paul Drews aus Halle nach sich. Parallel dazu entspinnt sich eine heftige innerfamiliäre Debatte zwischen Karl und seinem Vater Fritz Barth, der den Aufsatz seines Sohnes nicht gutheißt. Zwar begrüßt dieser ihn als „offene Aussprache über einen Notstand“ und fügt an: „[J]edes offene Bekenntniß [sic!] hat seinen Segen.“ Doch die Vehemenz, mit der der Sohn die „Modernen“ verteidige, habe „lediglich persönlichen, aber in keiner Weise wissenschaftlich be9 10 11 12
Barth, Systematische Theologie, 36, vgl. auch Busch, Lebenslauf, 42f. Brief am 28.01.1908, zit. nach: Barth, VuklA 1905–1909, 247. Ders., Moderne Theologie und Reichsgottesarbeit [1909], 341. A. a. O., 342f.
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weisenden Charakter“. Diese Form der Stellungnahme sei übereilt und nicht für die Öffentlichkeit geeignet: „[D]ie Entwicklung sollte in deinen Jahren viel innerlicher und nicht so auf dem öffentlichen Markte vor sich gehen“.13 Karl verteidigt sich in einem langen Brief: „Der Sinn des Aufsatzes ist keineswegs ein subjektives Bekenntnis“, sondern wolle das Gefühl seiner Generation „konstatieren“. Darum sei er „erstens kein Bekenntnis und zweitens kein betrübtes Bekenntnis.“14 Der Streit zwischen den Barths vollzieht sich auf dem Boden eines gemeinsamen Bekenntnisbegriffs: Vater und Sohn verstehen darunter nicht offiziell bindende Texte, sondern die subjektive und gar emotional gefärbte Meinung eines Einzelnen, d.h. Glauben als persönliche Überzeugung, insofern diese öffentlich zur Geltung gebracht wird.15 Da Barth diese Kategorisierung für die von ihm vorgenommene Bestandsaufnahme ablehnt, ist es um so auffälliger, dass er gleichzeitig in seiner Replik an Achelis und Drews daran festhält, dass „alle religiöse Gedankenbildung – Dogmatik und Predigt in gleicher Weise! – immer nur ein Bekenntnis des Glaubens zum Glauben sein kann“.16 Will man darin nicht einen Widerspruch zu Barths Verteidigung gegen seinen Vater sehen, so muss man seinen Bekenntnisbegriff dahin verstehen, dass er zwar nicht subjektiv und keine Einzelmeinung ist, aber statt auf normativen Lehrsätzen stets auf der persönlichen Aneignung des Glaubens bzw., wie Barth zu diesem Zeitpunkt noch ganz im Sinne der „Modernen“ behaupten kann, auf der „vielseitigen praktischen Erfahrung“ beruht und in einem öffentlichen Akt zum Ausdruck kommt.17 Reichsgottesarbeit „im engern Sinn“ sei darum nicht so sehr der „Evangelisationseifer pietistisch berührter Kreise“ als vielmehr die Auseinandersetzung „mit dem allgemein menschlichen Kulturbewusstsein nach seiner wissenschaftlichen Seite hin“. Religion „als streng individuell gefasste Erfahrung“ sei der „Stoff “, die Wissenschaft aber die „Methode“ der Auseinandersetzung.18 Zwar wird Barth später mit dem unkritischen Anknüpfen an der menschlichen Erfahrung brechen, die hier noch den Linien Herrmanns folgt. Dass Barth in diesem Sinne Dogmatik und Predigt unter der Doppelrelativierung von persönlichem Individualismus und historischem Relativismus als Bekenntnis fassen kann, behält aber bleibende Bedeutung und trägt die Kategorie des Zeugnisses als grundlegend in dieses Konzept ein. Es wird sich zeigen, dass auch sein späterer Bekenntnisbegriff sich nicht in erster Linie auf die bereits hier abgelehnten normativen Lehrgrundlagen bezieht, sondern auf den Akt der partikularen 13 Fritz an Karl Barth am 17.06.1909, in: Barth, VuklA 1905–1909, 335. 14 Karl an Fritz Barth am 18.06.1909, in: a. a. O., 335f. 15 So kann Barth auch in einem sehr weiten Sinne vom „Bekenntnis“ sprechen, wie etwa 1911, wo er das Sprichwort: „Tue recht und scheue niemand!“ ohne theologische Skrupel als „Glaubensbekenntnis“ bezeichnet (ders., VuklA 19109-1914, 291). Dies ändert sich während seines Pfarramts nicht wesentlich, wo Barth sich einen „Bekenner des Sozialismus“ nennt und vom „Bekenntnis zum Bolschewismus“ und dem „Bekenntnis zur Sozialdemokratie“ ebenso reden kann wie von einem „Bekenntnis zu dem Zukunftsglauben“ (ders., VuklA 1914–1921, 221.523.534.543). 16 Ders., VuklA 1905–1909, 362. 17 A. a. O., 345. 18 A. a. O., 346f.
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Glaubensäußerung in einer bestimmten Situation – deren Subjekt er später aber nicht mehr im Einzelnen, sondern in der konkreten Gemeinde sehen wird. Während Barths „Relativismus“ sich also nicht grundlegend ändert, lässt er sich im Laufe der Zeit eher als „Partikularismus“ charakterisieren. Die Unverzichtbarkeit des persönlichen Glaubens und der eigenen Stellungnahme sowie die Ablehnung sowohl einer Allgemeingültigkeit als auch eines reinen Subjektivismus sind hier angelegt und bleiben auch später für Barths Bekenntnisbegriff konstitutiv. Während er Bekenntnis hier aber als persönliche Selbstbezeugung konzipiert, wird er es später als „Zeugnis von. . . “ verstehen. Was sich insbesondere ändert, ist also der Bezugspunkt des Bekenntnisses.
1.2 Auswendig gelernt? Pfarramt im Aargau 1.2.1 Unterrichtspraxis „nach eigenem Heft“ Im Aargau war der HK bereits 1838 als Grundlage des Konfirmandenunterrichts durch einen lokalen Entwurf ersetzt worden.19 Als Barth ab 1911 selbst Konfirmandenunterricht zu geben hatte, erteilte er ihn in immer neuen Entwürfen „nach eigenem Heft, statt nach Leitfaden“.20 Da er selbst mit dem HK unterrichtet worden war, lässt sich Barths Entscheidung, einen anderen Weg zu wählen, nicht ausschließlich aus der in der Schweiz allgemein zurückgegangenen Bedeutung der Bekenntnisschriften ableiten, sondern muss auch als bewusste Entscheidung gegen die eigene Erziehung gewertet werden. Auch als Stoff des Unterrichts hat Barth weder den HK noch andere Bekenntnisschriften thematisiert. An einer einzigen Stelle nur redet Barth im Rahmen des Konfirmandenunterrichts 1910/11 (noch in Genf) recht formal vom „Lehrbekenntnis“ im Allgemeinen – nur um das ‚Dass‘ seines Weiterbestehens und seiner Verwendung sofort als „katholische Reste“ nach der Reformation abzuqualifizieren.21 Konsequent verzichtet er darauf, Bekenntnisschriften abzufragen oder die Konfirmanden zum Abschluss des Unterrichts ein eigenes Bekenntnis ablegen zu lassen.22 Auch im 1912 eingeführten Präparandenunterricht verwendet Barth als Stoff und zur Gliederung zunächst ausschließlich die Bibel und biblische Personen. Ab 1917 entwirft er, wie im Konfirmandenunterricht bereits zuvor, Leitsätze. Einmal verwendet er auch das Vaterunser zur Strukturierung.23 Sowohl das Bekenntnis
19 Vgl. Finsler, Kirchliche Statistik der reformierten Schweiz 1, 352. 20 Barth an W. Spoendlin am 25.11.1910, zit. nach: Fangmeier, Vorwort, XXVII, Anm. 22. Vgl. auch Busch, Lebenslauf, 76: „Barth hat in seiner zwölfjährigen Pfarrertätigkeit den Unterrichtsgang nicht weniger als acht Mal neu konzipiert“. 21 Barth, Konfirmandenunterricht 1909–1921, 100f. 22 Vgl. ders., Generalbericht über zwei Amtsperioden vor der Synode, erstattet von Pfr. Karl Barth, Safenwil, Mai 1921, 705. 23 Vgl. Jürgen Fangmeier, Vorwort zu ders., Konfirmandenunterricht 1909–1921, XXIV.
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im allgemeinen als auch die Bekenntnisschriften finden weder als Gegenstand noch als didaktisches Konzept Eingang in Barths Unterricht. An anderer Stelle taucht der Bezug auf die Bekenntnisschriften geradezu als Negativfolie für Barths Arbeit auf. Insgesamt war die Kinder- und Jugendarbeit für ihn wohl eine recht mühsame und unerquickliche Aufgabe, oder, wie er selbst zugibt, „immer eine greuliche Sorge“.24 So klagt Barth im Dezember 1919 in einem Brief an Thurneysen über den mangelnden Erfolg seines Unterrichts: „Das Reich Gottes will und will sich bei mir nicht zum Lehrstoff gestalten, trotz aller Künste“. Bezeichnenderweise fährt er fort: „Vielleicht verzichte ich eines Tages völlig und kehre [. . . ] zum ‚Heidelberger‘ zurück, lasse auswendig lernen und höre ab, wie unsre Väter taten.“25 Resignation und Bitterkeit sprechen hier. Der Unterricht mit dem auswendig zu lernenden Katechismus erscheint als Inbegriff eines kraftsparenden und theologisch minderwertigen Ausweges, wie ihn die von Barth mit Vehemenz abgelehnten „Väter“ wählten.26
1.2.2 Predigtpraxis und Vorträge Vor seiner Safenwiler Zeit hat Barth den HK – möglicherweise unbewusst – 1910 in einem Vortrag über „Gott im Vaterland“ zitiert. Hier übersetzt er das Wort „Gott“ mit „der verborgenen Tatsache, die unserm innern Lebensgrund Trost im Leben und im Sterben geworden ist“, und stellt dies dem Wort „Vaterland“ bzw. „unserer Heimat, unserem Staat“ gegenüber.27 Barth verwendet die prägnante Formulierung aus HK 1, um das Gegenüber, vielleicht sogar den Gegensatz von Gott und Welt anzudeuten. Die christologische Zuspitzung wie überhaupt die ganze Antwort fehlen auffälligerweise. Beide Elemente sind Barth ab seiner ersten expliziten Auseinandersetzung mit dem HK aber unverzichtbar.28 Er zitiert die Formulierung des HK also eher im Sinne einer Redewendung, ohne dass dies auf ein intensiveres Textstudium schließen ließe. 24 Barth an Thurneysen am 19.01.1918, in: Barth/Thurneysen, BwTh I, 258. 25 Barth an Thurneysen am 14.12.1919, in: a. a. O., 361, Auslassung i.O. 26 Fangmeier, Vorwort, XXVI-XXVIII (und im Anschluss an ihn auch Freudenberg, Karl Barth und die reformierte Theologie, 34, Anm. 88) schließt, das „kehre zurück“ bedeute, Barth selbst hätte zuvor nach dem HK Konfirmandenunterricht gehalten. Dagegen ist zu vermuten, dass das „zurück“ sich eher auf das Verhalten der „Väter“, also der theologischen und kirchlichen Vorgänger bezieht. Die von Barth minutiös ausgearbeiteten Dokumentationen seines Unterrichts geben keinen Hinweis auf eine Verwendung des HK. 1921 schreibt er über den HK: „Peter [Barths Bruder, HR] in Madiswil braucht ihn scheints jetzt bei der Unterweisung. Das würde ich nicht riskieren“ (Barth an Thurneysen am 18.11.1921, in: Barth/Thurneysen, BwTh II, 8). Unmissverständlich formuliert er in der Vorlesung 1921/22: „Ich würde also auch, wenn ich den HK katechetisch oder homiletisch zu behandeln hätte – Ich sagte Ihnen schon, dass ich als Schweizer nie an dieser Stelle war – von dem Kontrast zwischen Frage und Antwort ausgehen“ (Barth, Der HK 1921/22, 10v). Gegen Fangmeier und Freudenberg muss also festgehalten werden: Nach mehrfacher eigener Aussage hat der Pfarrer Karl Barth seine Konfirmanden also nie nach dem HK unterrichtet. 27 Ders., VuklA 19109-1914, 140, kursiv HR. 28 S.u. Kap. 2.2.4.
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Die geringe Bedeutung der Bekenntnisschriften wird auch in Barths Predigten deutlich. Nicht nur betont er später in seiner Homiletik durchgehend, dass der Predigt – als Verkündigung des Wortes Gottes – notwendig der Bibeltext zugrunde liegen müsse.29 In KD I/2 kommentiert Barth die Sitte, den HK in 52 Sonntage einzuteilen: Es sei nun nicht gerade verboten, „beiläufig auch die Konfession als solche zum direkten Leitfaden der Schriftauslegung zu machen“ – aber nur zum Leitfaden der Schriftauslegung eben, „auf keinen Fall“ mit dem Anliegen, selbst „das Thema der kirchlichen Verkündigung werden zu wollen“.30 Konsequenterweise macht Barth selbst zu keinem Zeitpunkt von der ihm theoretisch offenstehenden Möglichkeit von Katechismus- oder Bekenntnispredigten Gebrauch. Durchaus verwendet er aber in (Schrift-)Predigten immer wieder Formulierungen aus dem HK und verweist ab und zu auch direkt auf ihn. Dabei nimmt er im Laufe seines Lebens nur auf ein begrenztes Reservoir von Fragen Bezug.31 Auch folgen die Formulierungen oft nur lose dem Wortlaut des HK. In seiner Zeit in Safenwil finden sich nur einzelne und implizite Anspielungen auf den HK. So behauptet Barth 1917 in einer Predigt über Gen 1,3–5, die creatio continua sei „eigentlich unser einziger Trost im Leben und im Sterben“.32 Wie bereits 1910 nimmt Barth die Formel zwar zustimmend auf, auffallend ist aber die gegenüber dem HK ungenaue Formulierung. So spricht Barth statt vom „einigen“ vom „einzigen“ Trost – und unterlässt damit eine Unterscheidung, auf die er später selbst großen Wert legen wird.33 Außerdem wird der Trost inhaltlich nicht mit dem HK formuliert (der den Trost darin findet, „dass ich nicht mein, sondern meines getreuen Heilandes Jesu Christi eigen bin“), sondern einmal in der Treue Gottes zu seiner Schöpfung, das andere Mal im Mit-Sein Gottes mit dem Menschen gesehen – beide Male allgemein, ohne direkten Christusbezug. Auch die Eigentums-Vorstellung spielt keine Rolle. Später wird Barth besonderen Wert darauf legen, den ganzen HK von der Antwort auf die 1. Frage her zu verstehen, und deren Formulierung vom „Jesu-Christi-eigen-Sein“ häufiger zitieren als die Frage nach dem „Trost“.34 Beide Beobachtungen lassen vermuten, dass Barth hier Frage 1 des HK als eine in die allgemein-christliche Umgangssprache eingegangene Redewendung aufnimmt und dem noch keine eigenständige inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Originaltext vorangegangen ist. Sobald diese erfolgt ist, betont Barth die Unterscheidung zwischen „einigem“ und „einzigem“ Trost ebenso wie die Antwort auf die Frage nach dem Trost – das „Jesu-Christi-eigen-Sein“.
29 Vgl. Barth, Homiletik, 30, vgl. ebd. 58–64 und 74–77. 30 Ders., KD I/2, 729. 31 Fragen 1, 5, 52, 54, 75, 79, 80, 98, wobei nur Fragen 1 und 54 mehrfach zitiert werden, ders., Predigten 1917, 26; ders., Predigten 1921, 93; ders., Predigten 1921–1935, 25.76.138.181.278f.290.298.307.321.430f.590.616f; ders., Predigten 1935–1952, 16.46.51.154.195.219.244.346.399; ders., Predigten 1954– 1967, 7.54.232. 32 Predigt am 28.01.1917 zu 1. Mose 1,3–5, in: ders., Predigten 1917, 26, kursiv HR. 33 So verwendet er schon 1921 nur noch das Adjektiv „einig“, 1936 und 1946 unterscheidet er die Termini ausdrücklich. S.u. Kap. 2.2.3, S. 43; Kap. 4.1.4, S. 132; Kap. 5.1.2, S. 161. 34 So schon 1921 und von da an durchgehend, s.u. Kap. 2.2.3, S. 43.
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Wenn er sich vom Katholizismus abgrenzen will, kann Barth vom „alten Heidelberger Katechismus“ sprechen, wobei die explizite Nennung des Titels mit der distanziert-liebevollen Qualifizierung als „alt“ durchaus der Berufung auf eine bekannte Autorität und damit der eigenen Legitimierung dient.35 Er postuliert: „[D]ie Katholiken haben es leichter als wir“, da die Darstellung Gottes „in einer feierlichen, geheimnisvollen Handlung“ nicht so „schwer, schwer zu verstehen“ sei wie das von den Protestanten geforderte Hören auf das Wort Gottes.36 „Die Reformatoren“ – mit deren Lehre und Artikulation Barth die Formulierung in HK 80 verallgemeinernd identifiziert –, hätten „es nun einmal gewagt“, die Messe als „vermaledeiten Götzendienst“ zu bezeichnen. Dahinter gebe es kein Zurück mehr; auch heute bleibe der schwerere Weg verpflichtend. Als weiterhin verbindlichen Ausdruck der reformatorischen Grundeinsicht und als Abgrenzung gegenüber dem Katholizismus kommt dem HK-Zitat bei Barth erstmalig eine positivbegründende Rolle zu. Allerdings macht er deutlich, dass er nicht den HK selbst als Autorität betrachtet, sondern die Bibel. Aber dass es darum geht, „[a]lles allein auf die Bibel abzustellen“, kennzeichnet Barth anhand der Berufung auf den HK als Einsicht der Reformatoren, in deren Tradition auch er steht: „[W]ir sind nun einmal Protestanten“.37 Insofern er im HK einen Ausdruck dieser reformatorischen Grundeinsicht erkennt, kann er ihn nun erstmalig zur Stützung seiner Argumentation heranziehen.
1.2.3 Pure „Dekoration“. Bekenntnis und Kirchenrecht Gleichzeitig grenzt Barth sich gegen eine autoritative Bekenntnisbindung ab. Unmittelbar vor Antritt der Safenwiler Pfarrstelle reflektiert er anhand der Entstehung des christologischen Dogmas über den Übergang der Theologie von Apologetik zu kirchlicher Wissenschaft bzw. das Verhältnis von Glaube und Theologie. Gefundene religiöse Wahrheit müsse der Überprüfung durch den Glauben unterzogen werden. „Aber“, fährt Barth fort, „selbst das richtigste Resultat solcher Revision hätte nicht als juristisch bindendes Bekenntnis stationiert werden dürfen, denn damit wurde der Glaube rationalisiert und die Theologie tot gemacht.“38 Eine gesetzliche Fixierung theologischer Wahrheiten lehnt Barth ab, zum einen, weil dies als Rationalisierung nicht dem Charakter des Glaubens entspreche, zum anderen, weil es der Theologie die ihr eigene innere Dynamik nehme. Insofern das Bekenntnis eine rechtlich bindende Instanz verkörpert, kann Barth ihm nichts abgewinnen, sondern sieht es als dem Glauben geradezu entgegengesetzte Größe an.
35 Predigt am 27.03.1921 (Ostersonntag) zu Röm 8,11, in: Barth, Predigten 1921, 93. 36 Ebd. 37 Ebd. Den Begriff „Protestanten“ verwendet Barth hier noch als identitätsgebende Opposition des Reformatorischen. Später wird er diese als rein negativ empfundene Definition ablehnen und sich positiv zunächst als „reformiert“, dann allgemeiner als „evangelisch“ verstehen (s. insb. Kap. 3.2). 38 Barth, Lebensbilder, 109.
Auswendig gelernt? Pfarramt im Aargau
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Dies entspricht Barths Hochschätzung des Erfahrungsbegriffs, den er zu der Zeit geradezu als Gegenpol zum Bekenntnis aufstellen kann.39 1920 arbeitet Barth zwar aktiv an einer neuen aargauischen Kirchenordnung mit, setzt sich dabei aber gegen ihre „Dekoration durch Bekenntnis-Formeln“ ein.40 Dabei geht es nicht einmal um die Bindung an Bekenntnisschriften, sondern lediglich um die Aufnahme religiöser Formeln („Christus“ und „Reich Gottes“ nennt Barth namentlich) in ein „so weltliches Werk wie eine Kirchenverfassung“.41 Diese verhindert er „zäh aber freundlich“ mit einigem persönlichem Engagement. Höchstens einen vorangestellten „Bibelspruch als Motto“ duldet er, solange auch dieser „unter keinen Umständen als Bekenntnis“ aufgefasst würde.42 So ergibt sich ein unverbunden nebeneinanderstehender Gebrauch des Bekenntnisbegriffs beim jungen Barth. Neben der vereinzelt auftauchenden juristischen Verwendung bezieht er sich meist auf die öffentliche Proklamation subjektiver Überzeugungen. Auch im berühmt gewordenen Tambacher Vortrag Der Christ in der Gesellschaft tritt der Begriff noch 1919 in diesem Sinne auf – und zwar rein deskriptiv und unabhängig von der inhaltlichen Anschauung. So kann Barth aufrufen: „Wir müssen uns zu diesem Mut, den wir haben, bekennen.“43 Gleichzeitig kann er auch über das „Urteil über die Menschheit und ihr eigenes Glaubensbekenntnis“ sprechen.44 Barths Bekenntnisbegriff ist also zu dieser Zeit noch nichts spezifisch christlich zu Fassendes, sondern eher ein anthropologischer Grundausdruck von Subjektivität. 1.2.4 Gott als Subjekt des Bekenntnisses. Der Römerbrief-Kommentar 1919 In Barths 1919 vorgelegtem Kommentar zum Römerbrief erscheint als Subjekt des Bekennens erstmalig Gott.45 Das menschliche Bekennen bleibt zugleich weiterhin unspezifisch. Es kann ein Bekenntnis zum Idealismus oder zur abstrakten „höchsten Religion“ ebenso beinhalten wie zu Jesus Christus.46 Es wird aber nicht mehr nur individuell gefasst. Erstmals tritt die Kirche als (kollektives) Subjekt des Bekennens auf.47 Auch steht das Bekenntnis nicht nur als Unterscheidung, sondern auch als Verbindung zwischen Gott und Mensch: „[D]er Geist in uns, der uns die Kindschaft garantiert [. . . ,] reißt [. . . ] ‚unsern Geist‘ hin zu dem getrosten Bekenntnis: wir sind Kinder Gottes!“48 Insofern Gottes Geist Subjekt unseres eigenen Beken39 Vgl. seine Beurteilung zweier Theologen: „So geht Tersteegen den umgekehrten Weg als Gerhardt: nicht vom Bekenntnis zur Erfahrung, sondern von der Erfahrung zum Bekenntnis“ (ders., Gerhard Tersteegen [1910], 257). 40 Busch, Lebenslauf, 137. 41 Barth an Thurneysen am 16.07.1920, in: Barth/Thurneysen, BwTh I, 412. 42 Ebd. 43 Barth, Der Christ in der Gesellschaft [1919], 558, Hervorhebung i.O. 44 A. a. O., 558.561. 45 Vgl. ders., RömI, z.B. 22.75.80.121.609. 46 Vgl. a. a. O., z.B. 233.245.348.379f.411. 47 Vgl. a. a. O., z.B. 360.418. 48 A. a. O., 321.
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nens ist, kann Barth sogar sagen: „Mit diesem Bekenntnis fängt der Glaube, das Handeln Gottes in uns an.“49 Barth bleibt dabei, dass der Glaube nicht „allein das menschliche Werkzeug jener Gerechtigkeit Gottes ist“. Er habe vielmehr „zur entscheidenden Voraussetzung [. . . ] die Weihe der Zugehörigkeit zum historischen Bundesvolke, das Bekenntnis zur höchsten Religion.“50 In diesem Sinne geht das Bekenntnis dem Glauben sogar voraus.
1.3 „Bekenntnisschwach“, aber nicht einfach „bekenntnislos“. Profilierung und Ausblick Zu Beginn seiner kirchlichen Tätigkeit zeigt Barth sich ganz der katechismus- und bekenntniskritischen Tendenz seiner Zeit verhaftet. Sein Bekenntnisbegriff bleibt zunächst allgemein-existentialistisch und entwickelt erst in RömI erste spezifisch theologische Nuancen. Noch tritt er in keine Auseinandersetzung mit Bekenntnisschriften und Bekenntnisfragen ein. Auch Belege für eine Auseinandersetzung mit dem HK finden sich in seiner Zeit als Hilfsprediger in Genf 1909–1911 und als Pfarrer in Safenwil 1911–1921 nicht. Teilweise vermeidet Barth sie in Unterricht und Predigtpraxis stillschweigend, teilweise lehnt er sie explizit ab. Wo Barth sich nicht gar klar gegen Bekenntnisbindung abgrenzt, haben die vereinzelt auftauchenden Verweise und Zitate auf den HK nur beiläufigen Charakter. Sie lassen auf eine allgemeine Kenntnis der eigenen Tradition schließen, nicht aber auf deren explizite Untersuchung oder bewusste Inanspruchnahme. In seiner Zeit als Schweizer Pfarrer entspricht Barth ganz dem, was er später den reformierten Kirchen in der Schweiz insgesamt attestieren wird: Bewusstsein und Wertschätzung für das Bekenntnis fehlen ihm, doch führt dies insgesamt doch auch nicht in „schrankenlose Willkür“ – er ist, „obwohl bekenntnisschwach, doch nicht einfach bekenntnislos“.51
49 Barth, RömI, 93. 50 A. a. O., 118. 51 Ders., Bekenntnis der Reformation, 24, Hervorhebung i.O.
2. Die Entdeckung der Tradition. HK-Lektüren in Göttingen 1921–1925 2.1 Der Ruf nach Göttingen zur „Einführung in das reformierte Bekenntnis“ Der überraschende Ruf nach Göttingen zwingt Barth nur wenig später zu widerwilliger, aber ausführlicher Beschäftigung mit dem HK: Die Professur „Reformierte Theologie“ war frisch dazu eingerichtet worden, „die Charismata, die der Herr dem reformierten Zweig der Kirche geschenkt hat, nicht ungenutzt, vergessen und verachtet liegenbleiben“ zu lassen.1 Barth war in Deutschland durch seinen Römerbrief-Kommentar und den Tambacher Vortrag über Nacht bekannt geworden.2 Als er im Ersten Weltkrieg erlebt hatte, wie die sog. „Liberale Theologie“, insbesondere aber seine theologischen Lehrer dem Kriegsenthusiasmus nicht nur theologisch nichts entgegenzusetzen hatten, sondern volltönend darin einstimmten,3 hatte er eine theologische Krise erfahren, eine Desillusionierung, die er als persönliche „Götterdämmerung“ bezeichnet.4 Ein theologischer Neuansatz schien notwendig. Auf der Suche nach Gegenkräften entdeckt Barth die Bibel und zieht die Lehre, die Theologie müsse sich von allen innerweltlichen Ansprüchen distanzieren und die alleinige Autorität Jesu Christi anerkennen. Er selbst versteht das nun entwickelte Programm als „Theologie des Wortes Gottes“, wirkmächtiger wird aber die Fremdbezeichnung
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Brief J. Heilmanns an Barth am 19.01.1921, KBA, zit. nach: Busch, Vorwort, VII. Empfohlen wurde Barth vom Erlanger Theologen E.F. Karl Müller sowie dem 1920 frisch eingesetzten Moderator des Reformierten Bundes A. Lang (vgl. Goeters, Lehrstuhl und Studienhaus, 271f). Eine ausgezeichnete Darstellung von Barths Anfang in Göttingen bietet Freudenberg, Karl Barth und die reformierte Theologie, 17–86. Barth, RömI; ders., Der Christ in der Gesellschaft [1919]. Besonders verstört Barth die Haltung seiner Lehrer M. Rade, W. Herrmann und A. von Harnack. So schreibt er am 29.08.1914: „Etwas vom Betrüblichsten ist mir die Haltung der ‚Christlichen Welt‘, resp. Rades“ und fährt fort: „Überhaupt versagt die Kirche bedenklich“, nachdem u.a. Hermann und von Harnack den Aufruf der 93 Intellektuellen „An die Kulturwelt!“ unterzeichnet hatten (Barth/Thurneysen, BwTh I, 7). Härle, Der Aufruf der 93 Intellektuellen und Karl Barths Bruch mit der liberalen Theologie, bezweifelt allerdings mit guten Gründen Barths Selbstdarstellung. Dessen Begegnung mit der sozialen Frage, auf die die Liberale Theologie keine Antwort bot, und die Ablösung vom Vater nach dessen Tod 1912 hält er für die entscheidenden Faktoren. Auch McCormack bestreitet, dass „der Bruch mehr oder weniger abrupt erfolgte“ (McCormack, Dialektik und Realismus, 116). Er sieht 1915 als Endpunkt einer bereits vorher absehbaren Entwicklung, deren Quelle er „nur in Barths sozialistischem Engagement“ verortet (ebd., 107). Barth an W. Spoendlin am 04.01.1915, zit. in: Barth, OB I, 23.
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„Dialektische Theologie“.5 In dieser Bewegung beruft sich Barth durchaus nicht auf kirchliche Bekenntnisschriften, sondern auf die Heilige Schrift bzw. ihr Zeugnis von Jesus Christus als einzig mögliche Grundlage einer christlichen Theologie.6 Der Schweizer Landpfarrer selbst findet RömI „wohl kaum durch besonderen calvinischen Metallgehalt ausgezeichnet“ und rätselt über seine Berufung: „Inwiefern ich den damals unter den deutschen Reformierten maßgebenden Kreisen und Personen auf Grund dieses Buches als für diese Aufgabe geeignet erscheinen konnte, mochte und mag man wohl fragen.“ Ihm sei es „befremdlich“ und „neu“ gewesen, auf seine „Eigenschaft als reformierter Theologe in so verpflichtender Weise angeredet zu werden“.7 Barth mutmaßt, „das Formale, daß sie mich in diesem Buch so leidenschaftlich mit der Heiligen Schrift beschäftigt sahen“, könnte ihn den Reformierten empfohlen haben.8 Aus der reformierten Tradition hatte Barth sich bislang lediglich mit Calvin näher beschäftigt, den er in der Predigtvorbereitung schätzen gelernt hatte.9 Im Rückblick konstatiert er: „[E]s hat für mich keine Bedeutung gehabt, daß ich gerade reformiert sei. [. . . ] Ich war nicht konfessioneller Reformierter.“10 Nun wird Barth aber mit der „Einführung in das reformierte Bekenntnis, die reformierte Glaubenslehre und das reformierte Gemeindeleben“ beauftragt.11 Zur Vorbereitung seiner Lehrveranstaltungen muss er, wie bereits erwähnt, Müllers 5
Dieser Begriff zielt auf Barths diastatisch-räumliche Metaphern und seine Rede vom „unendlichen qualitativen Unterschied“ zwischen Gott und Mensch, der jede Akkommodation der Theologie in die Kultur verböte (Barth, RömII, 138.484.496.546 sowie 279.315; vgl. ders., Abschied, 536). 6 Auch Freudenberg muss trotz seines Anliegens, jeglichen Einfluss reformierter Theologie auf den jungen Barth herauszuarbeiten, zugestehen: „Weder die Reformation und die calvinische Theologie, noch die altprotestantische Orthodoxie kommen für [die dialektische Theologie] als Ansatzpunkt dieser Neubesinnung in Betracht, sondern in wesentlich radikalerer Absicht allein die biblischen Texte“ (Freudenberg, Das reformierte Erbe erwerben, 51). In diesem Sinne positioniert sich Barth de facto gut reformatorisch – anstatt auf die Reformatoren als Autorität zu verweisen. 7 Vorwort zum Nachdruck [1963], in: Barth, RömI, 9. 8 Ebd. Die Frage, ob Barth in das Stellenprofil passe, hatte tatsächlich im Vorfeld der Berufung für Auseinandersetzungen gesorgt. So urteilte der Basler Sprachwissenschaftler Jakob Wackernagel: „Ich kann mir nicht denken, daß er zu der reformierten Tradition [. . . ] irgend ein Verhältnis hat. [. . . ] Ich kann die Kandidatur Karl Barths für den Göttinger Posten unmöglich empfehlen“ (Brief an J. Heilmann am 29.01.1921, zit. nach: Freudenberg, Karl Barth und die reformierte Theologie, 19, Anm. 13). 9 So gibt Barth 1922 in einer später gestrichenen Passage seiner Calvin-Vorlesung an, er habe in seiner Pfarrerszeit „jahrelang sozusagen nie gepredigt [. . . ], ohne den Calvin-Kommentar vorher zu Rate zu ziehen“ (Barth, Die Theologie Calvins, 531, Anm. 24). Dabei ist Calvins Auslegemethode für ihn zur vorbildlichen Alternative zur als einseitig wahrgenommenen historisch-kritischen Methode geworden. Als ausführliche Erhebung von Barths reformierter Vorgeschichte bzw. seinen Vorkenntnissen reformierter Theologie vor 1921 vgl. Freudenberg, Das reformierte Erbe erwerben. 10 Interview von H.A. Fischer-Barnicol, Südwestfunk (05.05.1964), in: Barth, Gespräche 1964– 1968, 151. 11 So der Lehrauftrag laut Protokoll der Fakultätsratssitzung am 12.05.1921 und Ernennungsschreiben des Preußischen Kultusministeriums am 16.08.1921, zit. in: Kupisch, Karl Barth, 63; Barth/ Bultmann, BwBu, 215.
Der Ruf nach Göttingen zur „Einführung in das reformierte Bekenntnis“
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Sammlung reformierter Bekenntnisschriften erst erwerben, die er gründlich und vollständig durcharbeitet, um sie von nun an als Grundlage und wichtige Referenz seiner Lehrveranstaltungen zu verwenden.12 Zur „eigenen Unterrichtung“ setzt er, bevor er sich „an die Dogmatik wagte, lauter historische Vorlesungen an.“13 Im Nachhinein stellt Barth aber fest, dass seine Theologie „wohl reformierter, calvinischer war, als ich selbst gewusst hatte“, so dass er nun, da er sich mit der reformierten Tradition als solcher nach eigenen Angaben erstmalig bewusst auseinandersetzt, mehr und mehr zum reformierten Theologen und „langsam aber sicher auf reine reformierte Lehre bedacht“ wurde.14 Diese Selbst-Identifikation ist auch insgesamt aufschlussreich für Barth: Er ist nicht konfessionell aufgrund einer prinzipiellen Verhaftung gegenüber einer Tradition, sondern indem er bekenntnishaft von einer bestimmten Sache redet, der Autorität der Bibel etwa, stellt er fest, dass andere in der Geschichte diese bestimmte Sache ebenfalls bekannt haben und er de facto ihr Bekenntnis – ihre „Konfession“ – teilt. Genau dieser Grundzug wiederum ist aber in gewisser Weise „typisch reformiert“. Abgesehen vom schwach ausgeprägten konfessionellen Profil versteht Barth sich auch nicht in erster Linie als Dogmatiker. Sein theologischer Ausgangspunkt im Pfarramt war der Predigtdienst gewesen, von hier aus hatte er die Bibel entdeckt. Mit seinem Römerbriefkommentar war er berühmt geworden, und auch jetzt will Barth weiter exegetisch arbeiten. Für sein erstes Semester plant er darum, über die Auferstehung der Toten nach 1Kor 15, Hauptbegriffe paulinischer Theologie oder den Epheserbrief zu lesen, zieht aber daneben auch Veranstaltungen zu Calvin und Schleiermacher in Betracht.15 Schließlich setzt er eine exegetische Vorlesung über den Epheserbrief an und will lediglich nebenbei eine Übung zum HK im – ebenfalls 1921 gegründeten – Reformierten Studienhaus abhalten.16 Nur auf nachdrückliche Aufforderung durch Dekan Bertholet lässt er sich überreden, den Plan umzudrehen und „aus der beabsichtigten Konvikt-Übung über den Heidelberger eine öffentliche Vorlesung [zu] machen“.17 Am neugegründeten Göttinger Reformierten Studienhaus liest er nun kursorisch das Matthäusevangelium, der Epheserbrief wird in einer Übung an der Fakultät behandelt, während die Hauptvorle12 Müller (Hg.), BSRK. Vgl. Barth, Skizze, 298: „Ich kann jetzt [. . . ] wohl gestehen, daß ich damals die reformierten Bekenntnisschriften nicht einmal besaß, geschweige denn gelesen hatte“, s.o. S. 20. 13 So ders., Nachwort, zit. nach Busch, Lebenslauf, 140. 14 So Barth im Rundbrief am 19.12.1922, in: Barth/Thurneysen, BwTh II, 127, Hervorhebung i.O. Trillhaas berichtet, Barth sei nun „zur Überraschung seiner Gegner, aber mehr noch seiner Freunde und seiner selbst zur Entdeckung der altprotestantischen Orthodoxie“ vorgedrungen, indem er in ihnen keine „religiöse[n] Metaphysiker“, sondern „exemplarische Dialektiker“ entdeckt hätte (Trillhaas, Einbruch, 371f). Barth selbst kommentiert in einem Rundbrief im Juni 1925, dass er „unter viel Kopfzerbrechens und Staunens schließlich der Orthodoxie doch fast in allen Punkten recht geben muß und mich selbst Dinge vortragen höre, von denen ich mir weder als Student noch als Safenwiler Pfarrer je hätte träumen lassen, daß sie sich wirklich so verhalten könnten“ (Rundbrief am 07.06.1925, in: Barth/Thurneysen, BwTh II, 328f). 15 Vgl. Barth an Thurneysen am 16.02.1921, 13.05.1921 und 23.05.1921, in: ders., BwTh I, 469.486.492. 16 Zu dessen Entstehung vgl. Freudenberg (Hg.), Chronik. 17 Barth an Thurneysen am 22.08.1921, in: Barth/Thurneysen, BwTh I, 515.
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sung eben der „Erklärung des Heidelberger Katechismus“ dient.18 Barth schreibt an Thurneysen: „Wie sehr mir auch das alles wider den Strich geht, brauche ich dir nicht zu sagen.“ Widerwillig und „wie ein Schaf “ geht er auf den Rat ein und fürchtet, es später zu bereuen.19 Wenige Wochen später sieht er sich in seiner inneren Abwehr gegenüber dem HK bestätigt: „Der Epheserbrief ist natürlich sachlich viel ergiebiger.“20 Sein Urteil lässt auch die Studierenden nicht unbeeinflusst, von denen nach Barths Angaben etwa 15 die HK-Vorlesung, etwa fünfzig bis sechzig aber die Vorlesung zum Epheserbrief besuchten.21 Wenn man bedenkt, dass unter den damals etwa 180 Göttinger Theologiestudierenden nur zehn Reformierte waren, sind beide Zahlen überraschend hoch.22 Anstatt sich über die Resonanz zu freuen, macht Barth deutlich, dass ihm die reformierten Studierenden nicht gerade sympathisch sind. Sie zählten „leider meistens zu den ganz Ahnungslosen“, wirkten „etwas ‚dämlich‘ uninteressiert und schülerhaft“ und zeichneten sich vor allem „durch Schwänzen und schweigendes Dabeisitzen in den Übungen“ aus.23 Zwar kann Barth sich selbst nicht mit den Reformierten identifizieren, wird aber seinerseits von außen als Reformierter wahrgenommen. Mit den lutherischen Kollegen, die den größerenteils aus dem Ausland finanzierten reformierten Lehrstuhl und Barth persönlich „vollends als Fremdkörper“ an der Fakultät wahrnehmen, gibt es Spannungen.24 Sie verdeutlichen Barth schnell, „die reformierte Kirche bedeute in Hannover nicht mehr als die Millennium-Sekte“.25 Hier wird der Lehrauftrag „Reformierte Theologie“ ins Feld geführt, um Barth an den Rand der
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Vgl. Freudenberg (Hg.), Chronik, 5. Barth/Thurneysen, BwTh I, 515. Barth an Thurneysen am 18.11.1921, in: Ders., BwTh II, 8. Vgl. a. a. O., 9. Freudenberg, Karl Barth und die reformierte Theologie, 33 spricht von 12–16 Besuchern der HK-Vorlesung. Vgl. Barth/Thurneysen, BwTh II, 9. Brief an W. Spoendlin am 21.12.1921, zit. nach: Freudenberg, Karl Barth und die reformierte Theologie, 36. Trillhaas, Einbruch, 365. Barth an Thurneysen am 17.05.1922, in: Barth/Thurneysen, BwTh II, 77. Barth sieht darin „dumme Prestigefragen und – etwas Brotneid“ (ebd.). Als Honorarprofessor hat er sowohl persönlich als auch beruflich einen schweren Stand. Er wird mit dem Zusatz „außerhalb der theol. Fakultät“ im Personalverzeichnis geführt und darf seine Veranstaltungen nur in einer am Ende des Vorlesungsverzeichnisses platzierten Rubrik ankündigen. Auch finanziell ist er schlechter gestellt als seine Kollegen und wird des Öfteren an seine fehlende akademische Qualifikation erinnert (vgl. Barth an Thurneysen am 27.12.1923, in: a. a. O., 213–215, insb. auch Anm. 1 sowie Trillhaas, Karl Barth in Göttingen, 362 und Freudenberg, Karl Barth und die reformierte Theologie, 59–61). Laut Goeters, Lehrstuhl und Studienhaus, 273 ist ihm auch das Abhalten von Seminaren verwehrt. Die meisten Interpreten rechnen die Tatsache, dass Barth in seinen Göttinger Jahre nur Vorlesungen anbot, seinem noch mangelndem Selbstvertrauen zu (vgl. z.B. Trillhaas, Einbruch, 369). So oder so ist festzuhalten, dass Barth sowohl institutionell unter Benachteiligungen zu leiden hat als auch bei den Kollegen auf Ressentiments stößt. Insbesondere setzt er sich stark mit Emanuel Hirsch und Carl Stange, dem „Urwidersacher des reformierten Lehrstuhls“ (Goeters, Lehrstuhl und Studienhaus, 277) auseinander. Erst nach Barths Weggang nach Münster wird die Stelle in ein Ordinariat umgewandelt (vgl. a. a. O., 274.277f).
Der Ruf nach Göttingen zur „Einführung in das reformierte Bekenntnis“
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lutherischen Fakultät zu drängen. Nicht nur als Selbstverortung in zeitgenössischen Debatten, sondern auch als Fremdzuschreibung und strategische Provinzialisierung tritt also die Frage nach Barths Kontextualität frühzeitig in Erscheinung.26 Dennoch – die Zeit in Göttingen, deren Auftakt die Vorlesung „Der Heidelberger Katechismus“ 1921/22 bildet, würde Barths Theologie nachhaltig prägen. War er nach eigenen Verständnis bislang in erster Linie Pfarrer, v.a. Prediger gewesen, ist er jetzt zum Wissenschaftler und theologischen Lehrer bestellt.27 Die HK-Vorlesung markiert zeitlich und inhaltlich die wichtige Schnittstelle zwischen dem Pfarrer und Prediger und dem Theologen und Dogmatiker, zwischen RömII und dem „konfessionell reformierten“ Barth. Sie gibt viele wichtige Aufschlüsse über seine Entwicklung. Von außen mit der reformierten Konfession identifiziert und mit ihrer Erläuterung beauftragt, muss Barth sich nun gezwungenermaßen mit dem HK auseinandersetzen. Mit Grüßen „ἐκ θλἱψεως εἰς θλῖψιν“ an Thurneysen stöhnt er: „Ich war nun zehn Tage unablässig am Studium des Heidelbergers und seiner Quellen und der Literatur darüber“.28 Sein erstes Urteil fällt abfällig aus: Irgend etwas Erhebliches scheint in der Umgebung dieses Symbolums weder in alter noch in neuer Zeit vorgefallen zu sein. [Der HK] repräsentiert offenbar gerade den Augenblick, wo die reformatorische Unruhe zur kirchlichen Ruhe wurde, und hat darum auf der ganzen Linie ein doppeltes Gesicht. [. . . ] Aber gerade das, was man daran zu loben pflegt, ist nicht gut daran.29
Bereits die Bezeichnung als „Symbolum“ deutet Barths Distanz an. Gerne und häufig betont er schließlich, die Reformierten hätten ihre Bekenntnisschriften gerade nicht als „Symbole“ bezeichnet.30 Dass er den HK hier dennoch als „Symbol“ statt als „Bekenntnis“ einordnet, zeigt, dass er ihn als festgefügte Instanz, nicht als lebendigen Text sieht. Dies wird auch dadurch angedeutet, dass sein Urteil nicht 26 Für eine ausführlichere Analyse dieses Aspekts der Selbst- und Fremd-„Kontextualisierung“ theologischer Ansätze und Entwürfe vgl. meinen Beitrag Reichel, Vom Wort Gottes zum Kontratext. 27 Dies bedeutet eine einschneidende Entwicklung, aber keinen Bruch in seinem Denken. Denecke, Gotteswort als Menschenwort, 25, zeigt, dass man Barth auch in seiner weiteren theologischen Entwicklung von der „Predigtnot“ her und auf die Predigtverheißung hin interpretieren kann. Vgl. ebd., 19: „Karl Barths Theologie ist eine Theologie, die von der Predigt herkommt und auf die Predigt hinzielt“. Genest bemerkt treffend über Barth, die Predigten bildeten das „Herz, die Mitte seiner theologischen Existenz“ (Genest, Humane Theologie, 5). Barth selbst formuliert 1923 prägnant das enge Verhältnis der Theologie zur Predigt als Identität der Aufgabe: „Die Aufgabe der Theologie ist eins mit der Aufgabe der Predigt“ (Barth, Sechzehn Antworten an Herrn Professor von Harnack [1923], 63). 28 Barth an Thurneysen am 06.11.1921, in: Barth/Thurneysen, BwTh II, 5. 29 A. a. O., 5f. 30 So programmatisch in seiner Vorlesung Barth, Bekenntnisschriften, 28. Gerade für den HK lehnt er dort auch den Symbolrang ab (ebd., 39). Zur selben Zeit betont er, die reformierte Tradition kenne gerade „keine ‚Symbolischen Bücher‘ [. . . ], sondern nur Bekenntnisse“ (ders., VuklA 1922– 1925, 213, vgl. auch 617). Historisch ist dies zwar in Bezug auf die Begriffsverwendung sicherlich zweifelhaft. Systematisch deutet sich hier aber bereits eine konfessionelle Differenzierung des Bekenntnisbegriffs an. Explizieren wird Barth den Symbolbegriff allerdings erst zwei Jahre später, vgl. ders., Bekenntnisschriften, 28–39 bzw. s.u. S. 2.3.2, 79.
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etwa über Inhalte und Profil des HK ergeht, sondern über den Bezug des Textkörpers als Ganzen zu seiner Umgebung – und zwar bemerkenswerter Weise seiner doppelten Umgebung: seiner Entstehungs- ebenso wie der ihm folgenden Rezeptionsgeschichte. Dass der Text den Kontext in Bewegung setze, scheint das von Barth Erwartete und Erwünschte zu sein, nicht so sehr die Frage, welche Inhalte er transportiere. Für den in seiner eigenen Zeit so unruhigen Barth kommt die in dieser Beziehung festgestellte „Ruhe“ und Zufriedenheit einer ausgesprochenen Geringschätzung gleich. Dem HK fehlt, was Barth an der Reformation schätzt: ihre „Unruhe“, d.h. ihre Bewegung, ihre innere und äußere Dynamik, ihr VonGott-mitgenommen-Werden. Mit diesem Urteil sieht Barth sich einer breiten modernen Rezeption gegenüber, die den HK sehr positiv würdigt. Dementsprechend findet nicht nur der Katechismus selbst, sondern auch dessen Traditionsspur seinen Widerspruch: „[G]erade das, was man daran zu loben pflegt, ist nicht gut daran.“31 Welche Punkte seiner Meinung nach zu Unrecht geschätzt werden, legt Barth den Studierenden in der Vorlesung dar. Im Brief deutet sich schon an, dass Barth den HK von einer theologischen Gegenwart her liest, mit der er auf breiter Fläche abrechnet. Konsequenterweise lehnt er die geerbte Hochschätzung dieses Textes durch die moderne Theologie mit dieser zusammen ab. Warum der HK für Barth ein „doppeltes Gesicht“ zeigt, erläutert er erst im Verlauf der Vorlesung. Vorläufig hält er nur fest: „Insofern eignet er sich für die 360 Grad Drehungen, die ich die Studenten vornehmen lehren möchte, ganz gut.“32 Barths Ersturteil über den HK ist also sowohl in Bezug auf den Text selbst und seine Entstehungssituation als auch seine Rezeption von Geringschätzung geprägt. Gerade noch das „Dass“ seiner Ambivalenz kann er ihm zu Gute halten, insofern es ihm eine Vorlage für seine dialektischen Operationen, seine – wie er sie nennen wird – „dialektische Aufräumarbeit“ bietet.33
2.2 „Entschieden fragwürdig“. „Der HK“ 1921/22 2.2.1 Dialektische Vorworte. Methode und Aufgabe der Theologie Barths erst im Laufe des Semesters entstehende Vorlesung folgt dem Aufbau des HK und legt ihn Frage für Frage aus, gegen Ende unter Zusammenfassung einzelner Fragen zu kleinen Gruppen.34 Fast immer stellt er ausführliche Vergleiche 31 32 33 34
Barth an Thurneysen am 06.11.1921, in: Barth/Thurneysen, BwTh II, 6. Ebd. Barth an Thurneysen am 11.02.1922, in: a. a. O., 36 Als Textgrundlage dient ihm Müller (Hg.), BSRK. Barth erstellt zur Vorbereitung Exzerpte zu Lang (Hg.), Der HK und vier verwandte Katechismen; ders., Zum 350jährigen Gedächtnis; Althaus, Die Prinzipien der deutschen reformierten Dogmatik im Zeitalter der aristotelischen Scholastik. Außerdem verwendet er Witte, Catechetisches Kleinod; Outrein, Het Gouden Kleinoot Van de Leere der Waarheit Die naar die Godaligheid is; Lampe, Milch der Wahrheit; Stähelin, Catechetischer Hauß-Schatz; Alpen, Öffentliche Katechisationen; Otterbein, Predigten über den
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mit Parallelen des HK an, insbesondere mit den Vorarbeiten von Ursinus sowie den Katechismen und Dogmatiken von Calvin, Melanchthon und Luther, aber auch Johannes a Lasko und Leo Jud sowie vereinzelt Marten Micron, Heinrich Bullinger und Huldrych Zwingli.35 Dies dient jedoch nicht einer historischen Rekonstruktion der Abhängigkeitsverhältnisse, sondern vielmehr der theologischen Profilierung des Textes. Den beigegebenen Bibelstellen hingegen schenkt Barth wenig Aufmerksamkeit, zumindest gehen sie selten in die Darstellung ein.36 Während er sich dem HK gegenüber sehr kritisch zeigt, geht er noch kritischer mit den kritischen Urteilen seiner Vorgänger und Zeitgenossen zum HK um, die er teils theologisch, teils auch vom HK her zu entkräften und widerlegen sucht. Darüber hinaus äußert er selbst theologische Anfragen an den HK, von denen her er ihn aber nicht ablehnt, sondern als ambivalenten, aber gewichtigen Gesprächspartner wiederzugewinnen sucht. Sowohl die historischen als auch die zeitgeschichtlichen Einbettungen sind also kein Selbstzweck. Grundsätzliches Anliegen Barths ist ein theologisches Gespräch mit dem Text. Dafür zieht er neben der erwähnten Sekundärliteratur zum HK auch Plato und Kierkegaard, die Blumhardts und Dostojewski, Lao-Tse und Schiller heran, aber auch aktuelle Schriften heidelbergischen Katechismus; Sudhoff, Fester Grund christlicher Lehre; ders., Theologisches Handbuch zur Auslegung des Heidelberger Katechismus; Plitt, Über die Bedeutung, welche der Heidelberger Katechismus in der reformirten Kirche erlangt hat; Sack, Charakteristik des Heidelberger Katechismus; Wolters, Der Heidelberger Katechismus in seiner ursprünglichen Gestalt; Doedes, De Heidelbergsche Catechismus in zijne eerste levensjaren 1563–1567; Wolters, Zur Urgeschichte des Heidelberger Katechismus; Dalton, Immanuel; Thelemann, Handreichung zum Heidelberger Katechismus; Gooszen (Hg.), Der Heidelbergsche Catechismus; Lauterburg, Art. Katechismus, Heidelberger. Die Formulierung der Vorlesung ist Barth zufolge „fast immer Nachtschicht“: „Mehr als einmal wurde das, was ich um 7 Uhr vorbrachte, erst zwischen 3–5 Uhr fertig“ (zit. nach: Busch, Lebenslauf, 140). Auf den Manuskriptblättern finden sich Einfügungen am Rand, auch Streichungen von Sätzen oder ganzen Seiten. Die Datumsangaben am Rand sind nachgetragen, was nahelegt, dass Barth mehr als eine Stunde im Voraus erarbeitete und dann festhielt, wie weit er tatsächlich gekommen war. Ebenso wie den anderen Göttinger Vorlesungen merkt man auch dieser an, dass sie während des Semesters entstand und nicht zur Veröffentlichung bestimmt war. Da die Vorlesung bislang nicht ediert zugänglich ist, erlaube ich mir, sie vergleichsweise ausführlich darzustellen und zu zitieren. Zitate aus diesem Titel werden im Folgenden durch Seitenzahlen im laufenden Text nachgewiesen. Hervorhebungen entstammen dabei, soweit nicht anders angegeben, dem Original. Wo bleibende Unsicherheiten über den Wortlaut der ausgesprochen schwer lesbaren Handschrift nicht auszuräumen waren, ist die Rekonstruktion in eckige Klammern gesetzt. 35 Die Auswahl der Vergleichstexte steht damit in einer relativen Nähe zu Gooszen (Hg.), Der Heidelbergsche Catechismus, wenn Barth auch nicht dessen Quellensammlung folgte. Seine Vorbereitungskarten zeigen, dass er selbständig zu HK 1–17 Parallelstellen anderer Entwürfe sammelte. Die Institutio bildet dabei den Hauptvergleichspunkt für reformatorisch-reformierte Theologie: Eine separate Liste von Loci trägt die Überschrift: „Gegenüber Institutio fehlen: . . . “ Eine deutlich kürzere Liste führt Auslassungen gegenüber Leo Jud auf, während ein Vergleich mit Zwingli angefangen, aber nicht vollständig durchgeführt ist. 36 Die einzige nennenswerte Ausnahme ist die Vorsehungslehre, wo Barth alle zu Antwort 1b angegebenen Stellen bespricht (30r.31v). Eine Liste der den Fragen durch Müller zugeordneten Bibelstellen ist nur für Fragen 1 und 2 vorhanden. Andernorts trägt Barth selbständig biblische Bezüge zusammen, so 33v–34r im Zusammenhang mit der Geistverleihung in kritischen Momenten. Meist allerdings argumentiert Barth ohne direkten Bibelbezug.
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der entstehenden „dialektischen Theologie“.37 Auffällig sind auch die immer wieder eingeschobenen Reflexionen zur theologischen Methode, zu Möglichkeit und Unmöglichkeit von Theologie an sich sowie zur Frage nach ihrem Ziel. Mehrere Schleifen grundsätzlicher und methodischer Natur gehen der Auslegung des HK voraus. Dies zeigt, wie Barths Prioritäten inhaltlich nicht beim HK liegen, sondern bei der „Sache“, um die es ihm in seiner Theologie geht. Diese gilt es erst einzukreisen und in ihrer Problematik zu erfassen, ehe Barth den HK von ihr her und auf sie hin auslegen kann. Besonders ringt Barth mit Frage 1. Hier entscheidet sich für ihn alles: Geht es im HK letztlich um den Trost des Menschen oder um Jesus Christus? Erst nachdem er das Nicht-mein-eigen-Sein als Jesu-Christi-eigen-Sein geklärt hat, geht er zu den einzelnen Fragen über. Dann kann er sie aber auch zügig abarbeiten: Die einzelnen Kritikpunkte, die er auch hier vielfach anbringt, stellen nun nicht mehr das Ganze in Frage, sondern können untergeordnet werden. Dies gilt sogar für Frage 2, die die Gesamtdisposition des HK „ melanchthonisch-lutherisch“ beschreibt. Barth hält es offensichtlich nicht für nötig, mit einer historischen Einführung in den HK oder auch mit einem aktuellen Urteil über ihn zu beginnen. Überhaupt setzt er nicht beim HK selbst ein: Unter der Überschrift „Einleitung – Bemerkungen zur allgemeinen Aufgabe“ bildet ein dramatisches Wort zur aktuellen Lage seinen Ausgangspunkt. Als „Zeit großer Bedrängnis und Erwartung“ kennzeichnet Barth die Situation und zitiert dafür Spenglers Wort vom „Untergang des Abendlandes“38 (1v). Dies ist nicht nur ein Aufhänger, den der Prediger einsetzt, um seine Zuhörer „abzuholen“. Vielmehr ist dies auch aussagekräftig für Barths implizit erfolgenden hermeneutischen Zugriff auf den Text: Er geht nicht von einer rekonstruierten Historizität oder einer sprachlichen Objektivität aus, sondern von seiner eigenen Situation theologischen Denkens bzw. der konkreten Situation des Lesers bzw. Predigers, also von der Not der Zeit und der Verkündigung, in die hinein der Text dann zum Sprechen gebracht wird. Diese Situation schildert Barth in geradezu expressionistischen Zügen.39 Zum einen markiert Barth die situativen Koordinaten, Ort und Zeit ganz genau als die Lage in Deutschland nach dem Einschnitt des Ersten Weltkriegs. Zum anderen 37 Neben seinem eigenen RömII führt Barth Brunner, Erlebnis, Erkenntnis und Glaube; Gogarten, Die religiöse Entscheidung; Thurneysen, Dostojewski; Barth, Die Seele in der Philosophie Platons an (24v). 38 Spengler, Untergang des Abendlandes war kurz zuvor erschienen und sorgte auch in der Theologie für Aufruhr. Barth hatte Spenglers These auch an den Anfang von RömII gestellt (Barth, RömII, 21). Zwar kritisiert Barth ihn inhaltlich als „allgemeinen Kulturpessimismus“ (zit. nach Busch, Lebenslauf, 133). Als Anzeichen der offenbaren Krisenhaftigkeit der Gegenwart setzt er ihn aber doch als Aufhänger seiner theologischen Überlegungen ein. 39 Fischer definiert den Expressionismus als Kritik „gegen die ökonomisch-materialistische und zugleich gegen die positivistische Einstellung“, getragen von einer „ambivalenten Haltung gegenüber dem Fortschritt“ und einer „Vorliebe für apokalyptische Visionen“ mit einer deutlich „quasireligiösen Gestimmtheit“ (Fischer, Art. Expressionismus, 762). Dabei tritt das hervor, was Bruce McCormack in Bezug auf RömII als „Dialektik von Zeit und Ewigkeit“ bezeichnet hat (McCormack, Dialektik und Realismus, 222f.231–233 u.ö.).
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betont er im selben Atemzug, dass er, gerade wenn er von dieser konkreten Lage spreche, „von einer universalen Angelegenheit“ rede, und zwar „im Sinn von transzendental, ewig, notwendig, so notwendig wie Gott selbst.“ Von hier aus sei zu sagen, dass es „nur eine Not und nur eine Hoffnung gibt und die ist die Ihrige und die unserige in gleichem Maße.“ (2v) Barth redet also aus einer ganz bestimmten Situation heraus und von ihr, doch ist sie für ihn wiederum nur insofern relevant, als sie für etwas steht, was über diese begrenzte Situation hinaus gültig ist und sie über sich selbst auf ein allgemeines, ja „universales“ Problem hinweist. In diesem Sinne bittet er auch: „Entlasten Sie mich, wenn Sie es können, trotzdem von dem Verdacht der Neutralität, d.h. der Unbeteiligtheit Ihrer Not und Ihrer Hoffnung gegenüber“ (2v). Wie auch für Bekenntnisschriften kann Barth auch in der existentiellen Situation distanzierte Überparteilichkeit nur negativ bewerten. Hingegen gilt für ihn auch hier: Die eine, universale Not verbindet in der ganz konkreten Situation Menschen theologisch über die Grenzen ihrer Nationalitäten hinweg. Die Konkretion bildet dabei eine reine – aber zugleich unabdingbare – Exemplifikation. Beides ist irreduzibel festzuhalten: „Wir Menschen können nun einmal von dieser Beziehung der zeitlichen Dinge auf die Ewigkeit nicht anders reden als indem wir auf eine bestimmte Zeit exemplifizieren“ – aber auch: „Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis.“40 (2v) Die Gegenwart als reiner Zeitpunkt zwischen den Ausdehnungen von Vergangenheit und Zukunft sei nur ein Gleichnis des „schlechthin unanschaulichen, unlebendigen Punktes“ der Offenbarung Gottes in der Welt, in ihrer jeweiligen konkreten Form sei sie dies aber wirklich (2r). Die Anlehnung an Paulus und seine Rede vom Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft (Phil 4,7), dient Barth als Vorbild für das dialektische Verhältnis zur Situation. Von dort her fordert er scheinbar paradox: „Lassen Sie uns die Gegenwart als solches wichtig, ganz wichtig, aber im letzten tiefsten Grunde auch wieder gar nicht wichtig nehmen.“ (2v) Gerade die „[g]ründlichste Vertiefung“ in die konkrete Zeit bedeute „zugleich kräftigste Erhebung darüber, wie freilich umgekehrt solche Erhebung darüber sich immer nur in der Vertiefung in sie wirklich vollziehen kann.“ (2r) Diese vorzunehmende „dialektische Bewegung“, wie Barth sie hier explizit nennt, kennzeichnet er als „Prägung meiner theologischen Methode“, über die er gleich zu Beginn Klarheit schaffen will (2r). Diese Methode, die eigene Gegenwart ebenso wie den tradierten Text theologisch als Exemplifizierungen, als Gleichnisse des Universalen zu lesen, führt dazu, dass Barth im Folgenden einerseits den Text sehr genau analysiert und ihn auf diese seine Verweisfunktion über sich hinaus untersucht. Andererseits kann er sich genau darum auch stets vom Text, insbesondere von dessen angenommener oder rekonstruierter Intention und Bedeutung wieder lösen und ihn stattdessen von dem postulierten dahinterliegenden „Eigentlichen“ her uminterpretieren, ja geradezu neu schreiben.
40 Dieses Goethewort (Goethe, Faust, Vers 12104) hat Barth seit RömI häufig zitiert, vgl. Qu, Goethe und kein Ende.
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Doch auch nach diesem Vorwort beginnt Barth nicht beim Text, sondern mit einer zweiten Vorrede: Er stellt dar, wie er „die theologische Aufgabe, mit der wir uns gemeinsam zu befassen haben, sehe und angreife“ (2r). Nach der Erläuterung des Weges folgen Ausführungen über das Ziel der vorzunehmenden Textarbeit, insofern sie eine dezidiert „theologische“ ist. Barth entfaltet in nuce sein Programm von Notwendigkeit und Kritik in Bezug auf die „unmögliche Möglichkeit“ (3v), „den menschlichen Versuch, von Gott zu reden“ (2r).41 Nur, da „die Theologen gelegentlich die Universalität und die anderen Fakultäten gelegentlich die Unvermeidlichkeit der theologischen Aufgabe vergessen“ hätten, sei die universitäre Theologie als „eine aus zufälligem Grunde notwendig gewordene Verdichtung und Konzentrierung [. . . ], eine Notstandsmaßnahme“ entstanden (3v). Dies sei keine Notwendigkeit, aber einleuchtend, denn trotz ihrer Universalität handle es sich um eine „menschlich gesprochen unmögliche Aufgabe [. . . ,] eben wirklich die unmögliche Möglichkeit“ (3v). Mit ihr als göttlicher Möglichkeit aber zu rechnen, sei die Aufgabe der wahren Theologie, die der Mensch zu wagen habe und doch nicht wagen könne. Neben die Dialektik von Zeit und Ewigkeit tritt hier die Dialektik von Möglichkeit und Unmöglichkeit der Theologie. In dieser Situation höchster Prekarität könne man den verheißenen paulinischen Frieden tatsächlich finden, aber nicht in der Überwindung des Unfriedens, sondern, indem man selbst im Unfrieden von einem höheren Frieden gefunden werde. Dann liege „aber eben in der Unruhe letzte Ruhe, aber in der Unsicherheit die Wahrheit, aber in der Erschütterung Begründung“ (3r). Barth polemisiert gegen „das ganze Unternehmen der neueren Theologien“, Religion und Frömmigkeit, also menschliche Möglichkeiten an die Stelle der göttlichen Möglichkeit zu setzen. Demgegenüber plädiert er für den Rückgriff auf „den alttestamentlichen“ Weg, und – so schlägt er etwas bemüht den Bogen zurück zu seiner aktuellen Aufgabe – eben dies stehe „in tiefster Übereinstimmung [. . . ] gerade mit den besten Traditionen gerade der reformierten Tradition“ (4v). Das Alttestamentliche sieht er darin, nicht Christus, d.h. Gott selber darstellen zu wollen, sondern lediglich „Merkzeichen und Erinnerungen aufzurichten, die uns von Gottes tröstlicher Gegenwart Zeugnis geben“ (4v). Als Repräsentanten solch alttestamentlichen Zeugendaseins nennt Barth wie schon in RömI42 Johannes den Täufer und warnt: „Christus auf unser theologisches Pro41 Diese Seiten bilden sowohl inhaltlich als auch formal den Vorläufer zu Barth, Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie [1922], der als Grundsatzprogramm der „Dialektischen Theologie“ gelten kann. Die Dreiteilung von 1922 ist auch hier bereits gegeben, allerdings noch ergänzt um einen Punkt 4: „die polemische Beziehung“ auf andere Projekte, insb. das einer Theologie als Religionsgeschichte und Punkt 5: die Definition eben dieser Dialektik als spezifisch reformierter Weise des Theologietreibens (3r). Die Straffung und Verdichtung auf drei Punkte entspricht der konsequenten Übersetzung der Dialektik des Inhalts auch in die Form des theologischen Arguments und in seine Methode. Die Dialektik wird Barth in diesem Aufsatz wie folgt zuspitzen: „Wir sollen als Theologen von Gott reden. Wir sind aber Menschen und können als solche nicht von Gott reden. Wir sollen Beides, unser Sollen und unser Nicht-Können, wissen und eben damit Gott die Ehre geben“ (a. a. O., 151, Hervorhebung i.O.). 42 Ders., RömI, 164.
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gramm zu nehmen, das werden wir uns, wenn wir weise sind, ob wir auf der Kanzel oder auf dem Katheder stehen, wohl hüten.“ (4v) Während Barth später theologische Aussagen nur von Christus her und auf ihn begründen will, lehnt er es hier noch dezidiert ab, überhaupt von Christus zu sprechen. Dies geschieht aber gerade aufgrund der Priorisierung des christologischen Ereignisses. Barth begründet die Ablehnung positiver Aussagen schlicht mit der Einsicht: „Wir sind nicht Christus.“ (4v) Die ontologische Differenz verbietet auch den Erkenntniszugriff. Um dem gerecht zu werden, muss Theologie nicht nur im Modus des Zeugnisses verbleiben, sondern sogar im Modus des indirekten Zeugnisses: Sie zeugt von den ihr gegebenen Zeugnissen. Barth entwickelt einen Traditionsbegriff reformierter Selbstzurücknahme: Der Verweis auf die Tradition als die einer Gruppe gegebenen Zeugnisse erfolgt nicht aus einem besonderen Bewusstsein ihres oder des eigenen Wertes heraus, sondern gerade aufgrund von deren Relativierung: Wir sind nicht Christus – darum reden wir nicht über Christus selbst, sondern über Zeugnisse von Zeugnissen. Der Tradition kommt keine positive Mittler-Funktion zu, sondern die negative Funktion des Festhaltens an der Unverfügbarkeit der Positivität. Auch die Rede von Christus dient Barth nicht der Zitation bestimmter Inhalte, sondern der formalen Negation aller menschlichen Rede. Lediglich dieses Programm positiver Negativität entfaltet Barth – und performiert es selbst in Reflexionsschlaufen, die immer wieder das Ausgesagte und Erkannte in Frage stellen. Sicherlich wird man bei der Einordnung dieser programmatischen Vorrede in Rechnung stellen müssen, dass dieses Vorwort auch die Selbstvorstellung des „unordentlich“ Frischberufenen vor den Studierenden darstellt. Auch deswegen entfaltet Barth wohl ausführlich sein grundsätzliches Programm. Doch zeigt sich zugleich, wie Barth mit den Bekenntnisschriften umzugehen beginnt: Er liest sie nicht von ihren historischen Entstehungsbedingungen, ihrer konfessionellen Einordnung oder ihrem theologischen Programm her, sondern von seiner eigenen aktuellen Situation ausgehend. Seine Situation und die des HK werden insofern füreinander interpretationsfähig, als die jeweils in ihnen zur Sprache kommende Krise Gleichnis der „universalen“, weil theo-logischen Krise ist. 2.2.2 Gegen die Auslegungsgeschichte. Der HK als Dokument reformatorischer Bewegung Konsequent greift Barth auch im Folgenden nicht direkt auf den HK zu, sondern nähert sich ihm über die Rezeptionsgeschichte, die Barths eigenen Lektürehintergrund bildet. Die Darstellung steht dabei unter der Gesamteinschätzung, die Barth wie erwähnt brieflich bereits wenige Tage zuvor artikuliert hatte: „[G]erade das, was man daran zu loben pflegt, ist nicht gut daran.“43 Während er im persönlichen Brief seinen grundsätzliche Unmut über die Beschäftigung mit dem HK zum Ausdruck bringt, scheint Barth sich in der Vorlesung doch genötigt zu füh43 Barth an Thurneysen am 06.11.1921, Barth/Thurneysen, BwTh II, 6.
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len, den HK gegenüber seinen Studierenden zu retten – bzw. es sich nicht nehmen zu lassen, trotz aller Stildifferenzen den HK dennoch „für die Sache“ in Anspruch zu nehmen. Er tut dies, indem er nachweist, dass zwar die „Lobsprüche“ der Verehrer des HK „gerade seine wunden Punkte berühren, die besser als solche ruhig erkannt, statt als besondere Vorzüge dargestellt werden sollten“ (4v) – nur um nach der derartigen Umkehrung des Lobes in Kritik auch noch darzulegen, dass eben dieses Urteil fälschlich ergangen war. Nach dieser Struktur doppelter Widerlegung verfährt Barth exemplarisch mit drei bekannten Lobeshymnen auf den HK: Wäre das, was seine Bewunderer über ihn sagen, wahr, müsste Barth den HK ablehnen, stattdessen zeigt er ihr Unrecht auf.44 Es ist ihm anscheinend ein Anliegen, den HK aus der interpretatorischen Vereinnahmung moderner Theologie zu befreien und seine reformatorischen Grundanliegen – mehrfach explizit gegen die moderne Theologie – wiederzugewinnen.45 Barth zitiert zunächst den rheinischen Kirchenhistoriker und Unionsverfechter Max Goebel. Dieser lobt den HK als „die Blüthe und die Frucht der ganzen deutschen und französischen Reformation“, was ihn als „Eintrachtsformel der ganzen evangelischen Kirche“ geeignet mache.46 Barth antwortet darauf mit den „ernstesten Bedenken“, dass der Gehalt des HK wohl „so dehnbar und vieldeutig war“, dass ganz verschiedene Positionen ihn anerkennen konnten und lehnt die diesem Urteil zugrunde liegende „Vermischung mit den anderen“ als Schwäche ab (4r.5v). Der HK sei ein „Kompromißwerk“, das man gerade nicht „als spezifisch reformiert“ ansehen könne (4r). So könne Barth „in seinen gewissen Unionspunkten nicht gerade einen Vorzug sehen.“ (4r) Darum werde er sich auch erlauben, „historisch nicht ganz korrekt [zu] verfahren“ und in der Vorlesung die calvinischen Elemente des HK herauszusarbeiten, die für Barth „sein Wertvolles“ darstellen (4r.5v). Da der „entscheidende Einfluß“ des HK doch der calvinische sei, hält er Goebels Lob der Irenik entgegen: „In Wirklichkeit ist nun die Sache nicht ganz so schlimm“ (4r). Den latenten calvinisch-reformierten Charakter gelte es herauszustellen – nicht nur gegen die Interpretationsgeschichte, sondern sogar gegen die Intentionen der Verfasser selbst. Barth zeigt hier einen ausgeprägten Widerwillen nicht so sehr gegen spezifische Positionen anderer konfessioneller Traditionen, als vielmehr gegen eine überkonfessionelle Harmonisierung, die zu einer Verundeutlichung des eigenen Profils führt. Dass der HK am von Hermann Dalton gerühmten „Abend [. . . der] reifen Erfahrungen“ diese sammle,47 beurteilt Barth als mangelnde Kreativität: „Schaffen und Collationieren ist aber wirklich nicht ganz dasselbe“. Er vermisst darin das kreative Potential und wertet das Phänomen darum um: „Es war die Zeit, wo die 44 Ich zitiere nach Barths Manuskript unter Angabe der Originalquellen. 45 Was Freudenberg, Karl Barth und die reformierte Theologie, 3 über das Anliegen der anderen Göttinger Vorlesungen schreibt, trägt auch hier: „Zur Formulierung einer in der Gegenwart relevanten Theologie gilt es, über die neuprotestantische Dogmatik hinaus zunächst auf die reformatorische Theologie zurückzugreifen (historia) und sich durch sie belehren zu lassen (vitae magistra).“ 46 Goebel, Geschichte des christlichen Lebens I, 392. 47 Dalton, Immanuel.
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reformatorischen Bewegungen begannen, zu Kirchen zu versteinern.“ (5v) Da er an der Reformation v.a. die „Schroffheiten“ schätzt, erscheint ihm das glättende Profil des HK als „doppeltes Gesicht“. Er sieht in ihm gerade den verhängnisvollen „Augenblick, wo die reformatorische Unruhe zur kirchlichen Ruhe wurde“. Dies sei zwar „eine notwendige Erfahrung“, aber dennoch „eine bedauerliche Erscheinung, ein Rückfall aus einer [. . . ] hoffnungsvollen Unruhe“ in „Stillstand“ und „Epigonenhaftigkeit“ (5v.6v). Fast wörtlich und in unverstellter Vehemenz finden sich hier die bereits im Brief an Thurneysen geäußerten Einwände wieder.48 Im Zusammenhang dieses Lobspruchs stellt Barth nun die Verfasser des HK vor. Er beschreibt „diese Knaben“ mit unverhohlenem Spott als „weder sehr originelle noch in irgendeiner Beziehung überragende Geister“; auch der Arbeitsprozess sei „sehr praktisch, technisch korrekt und in allseitiger [Legal]ität“ vor sich gegangen (5r). Das positive Beispiel gegenüber dem HK ist in dieser Hinsicht ausnahmsweise nicht Calvin, sondern Luther, wenn Barth urteilt: „Ein genialer Wurf, wie die Katechismen Luthers, ist der Heidelberger auf keinen Fall, sondern eine fleißige und fromme Arbeit“ (5r). Nicht eine konfessionelle Orthodoxie, sondern v.a. die explizite Positionalität ist für Barth das Kriterium der Wertung, gegenüber dem der HK zurück bleibt. Barths Konsequenz für die Lektüre ist wiederum die „Freiheit“, ihn „weniger aus seiner eigenen, als aus der ihm voran gehenden Zeit heraus“ zu verstehen, also als Zeugnis der reformatorischen Bewegung (6v). Den dritten Lobspruch zitiert Barth aus dem Munde von August Lang, dessen HK-Kommentare Barths Auslegung begleiten. Er übernimmt oder teilt dabei viele der großen Linien in der Interpretation Langs: inhaltlich die Einordnung des HK in die calvinische Tradition, seine Profilierung als christozentrisch, formal eine gewisse Vorliebe für die polemischeren Seiten des HK und die Darstellung seiner Irenik als Schwäche. In einzelnen Urteilen aber widerspricht Barth Lang, so auch hier: Lang empfiehlt den HK, „weil er Religion und Theologie so glücklich von einander trenne und im Ganzen nur Religion und nicht Theologie biete.“49 Barth fragt geradezu entsetzt zurück: „Was wohl die Verfasser, was wohl Calvin von diesem Lob gehalten haben würden? Ich kann es mir nicht anders vorstellen, als daß sie darüber erschrocken wären, daß sie ihn als einen Vorwurf aufgefasst hätten.“ (6v) Die Betonung von Religion statt Theologie kann Barth nur „als eine Anklage auffassen“. Er nimmt aber die Verfasser des HK sowie Calvin als deren geistigen Vater gegen den Vorwurf in Schutz und markiert die Interpretation Langs als Missverständnis ihres Anliegens. Wenn die Trennung von Theologie und Religion „wirklich eine entscheidende Eigentümlichkeit des Heidelbergers wäre [. . . ], so wäre das ein anderer schlimmer Beweis für die Epigonenhaftigkeit seiner Zeit und so seiner eigenen Unklassizität“ (6v).50 Ausdruck dieser auf Erbauung fokussierten Epigonenhaftigkeit sind für Barth „die subjektivistische Verengung der 48 S.o. S. 33. 49 Vgl. Lang, Zum 350jährigen Gedächtnis, 47. 50 Als Gegenbeispiele führt Barth „die starken Geister der christlichen Religionsgeschichte“: Paulus, Athanasius, Anselm von Canterbury, Luther, Calvin, Kierkegaard und Christoph Blumhardt an.
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Grundfrage [. . . ], das auffallende Zurücktreten der reformierten Prädestinationslehre [. . . ], die Abschleifung, aller Spitzen im Vortrag der reformierten Christologie und Abendmahlslehre“ (6r). Er weist darauf hin, dass die Tendenz dazu bereits in Calvins eigenem Werk zu finden sei. Auch Calvin ist für Barth also nicht letzte Autorität, sondern selbst überprüfungsbedürftig auf seine Übereinstimmung mit den Grundanliegen der Reformation ist. Die entscheidende Frage für Barth ist letztlich, ob der HK für die Anliegen der Reformation spricht oder für die Liberale Theologie der Neuzeit. Das anklagende Lob entkräftigt er wie zuvor mit der Feststellung: „Zum Glück steht es nun auch hier nicht ganz so schlimm.“ (6v) Indem Barth von ihm geteilte reformatorische Anliegen im HK aufspüren kann, kann er ihm von dort her abgeleiteten Wert zusprechen.51 Dennoch muss Barth eine „solche Verschiebung der Tendenz“ einräumen, in der sich der HK der kirchlichen Frömmigkeit zuwendet. „Was ist praktisch? Was ist erbaulich?“ frage der HK nun anstatt: „Was muß gesagt werden, koste es, was es wolle?“ (6r) Bevor er sich der Analyse der einzelnen Fragen widmet, fasst Barth darum betrübt zusammen: „Der H.K. ist im Kleinen dasselbe, was das protestantische Christentum im Ganzen seit der Reformation geworden ist.“ (7v) Barth ordnet ihn als Ausdruck und Symptom der von ihm bekämpften „modernen“, vom Menschen ausgehenden Theologie ein. In der Spannung moderner und reformatorischer Elemente entscheidet sich Barth, in der Vorlesung eine „historisch nicht streng zu rechtfertigende Correktur [sic!]“ vorzunehmen und den HK dezidiert einseitig – nämlich einseitig kritisch – zu lesen, nicht zu versuchen, seine Problematik zu glätten oder erklärend eingängig zu machen. Vielmehr werde er „gerade auf das keineswegs Harmlose und darin keineswegs direkt Annehmbare und Verwendbare [. . . ] allen Nachdruck legen.“ (7v)52 Die darin verfolgte doppelte Strategie legt Barth offen. Zum einen will er die theologischen Probleme nicht interpretativ auflösen, sondern vielmehr in einer Weise auf sie aufmerksam machen, die sie bleibend offen hält, so dass seine Studenten, die einmal nach dem HK zu unterrichten haben werden, es nach der Vorlesung „schwerer haben, das zu tun, als vorher. Ich meine ihnen gerade damit einen Dienst zu tun.“ (7v) Zum anderen ist dieser Kampf mit dem HK (und hinter ihm: dem Neuprotestantismus) Ausdruck dessen, dass Barth den Text nicht verloren gibt. Er liest ihn in der Anerkennung und der Hoffnung, dass er „in allen Punkten zurück auf Erkenntnisse [weist], die einmal lebendig waren und die wieder lebendig werden können.“ (7v) Gerade die Problematisierung seiner Inhalte ist insofern als erstes Anzeichen von Wertschätzung zu sehen: Der HK wird von Barth für kritikwürdig und kritikfähig befunden.
51 Plasger, „Du sollst Vater und Mutter ehren!“, 395 diagnostiziert die scharfe Unterscheidung des Katechismustextes von seiner Wirkungsgeschichte als Bedingung der Möglichkeit, dass Barth nun „viel positiver“ über den HK urteilt als zuvor. Dem ist zuzustimmen, allerdings gilt dies nicht, wie Plasger in Nicht-Berücksichtigung der Vorlesung von 1921 postuliert, erst für 1923, sondern bereits hier. 52 Dies entspricht dem „schwereren Weg“ der Reformierten, s.o. S. 26.
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2.2.3 Frage 1 als „folgenschwere Verirrung“ Um Komplexitätserhöhung im Umgang mit dem eigenen Erbe und um dessen kritische Wiedergewinnung geht es also, nicht um dessen Abschaffung. Darum geht Barth also trotz einer gewissen Irritation nicht zum Angriff auf den Katechismus über, sondern beginnt, ihn gegen den Strich zu bürsten und zu zeigen, dass man ihn anders und also auch gegen die Interpretationen der Moderne lesen könne. Die weitere Auslegung der Einzelfragen stellt Barth dabei bezeichnenderweise unter die Überschrift „Exegese“ (7r), was als Hinweis auf sein methodisches Selbstverständnis gesehen werden kann: Seine HK-Auslegung vollzieht er ganz nach den Linien seiner Schriftauslegung. Barth stellt fest, die von ihm als hochproblematisch empfundene Frage 1 werde glücklicherweise durch Antwort 1 – in der richtigen Interpretation – wieder „von innen [ge]sprengt“: Die Antwort „daß ich Jesu Christi eigen bin“ mache den theologischen Kern des HK aus und erst von hier ergebe sich die Frage nach dem Trost (10v). Während der Trost für Barth den Verdacht der Anthropozentrik erweckt, gehe es so also auch im HK eigentlich zuerst um Christus, und erst danach und von ihm her um den Menschen.53 Barth verbringt über die Hälfte des Semesters damit, Frage und Antwort 1 demgemäß „zurechtzubiegen“ und den HK gegen die durch den Wortlaut hervorgerufenen Assoziationen theologisch auf seine Seite zu ziehen. Dies zeigt die hohe Bedeutung, die er positiv wie negativ dieser Frage zumisst: Ob seine konstruktive Interpretation des HK gelingt, entscheidet sich offenbar hier.54 Mit den so markierten Fronten stürzt sich Barth in den Text des HK. Dabei kommt es nun weniger zur Einzelauslegung der verschiedenen Fragen als vielmehr zu einer Gesamtverhandlung anhand von Frage und Antwort 1. Die Tatsache, dass der HK mit der Frage nach dem Trost des Menschen beginnt, führt nach Barth „sofort mitten hinein in die ganze Problematik dieses Katechismus“ (7r). Barth sieht in dieser den Katechismus zusammenfassenden und auf den Punkt bringenden ersten Frage nach dem „einigen Trost im Leben und Sterben“ eine Verirrung, „deren Folgenschwere Sie vielleicht noch nicht übersehen, die aber nicht leicht überschätzt werden kann.“ (7r) Nicht nur bleibe der HK hin-
53 Der Begriff „Trost“ spielt in Barths Predigten der Kriegsjahre eine wichtige Rolle, sie sind aber auch vom Protest und der Kritik gegenüber dem falschen, insb. auch „frommen“ Trost geprägt, vgl. z.B. Barth, Predigten 1914, 410f.476; ders., Predigten 1915, 276f; ders., Predigten 1916, 348f; ders., Predigten 1917, 336.435 u.ö. 54 Erst zu Weihnachten geht Barth zu Frage 2 über und kommt daraufhin bis zum Semesterende kaum über Frage 21 hinaus. Das Manuskript belegt, dass er bis Frage 21 einigermaßen ausführlich vorgeht – wenn auch in stets abnehmendem Umfang –, um dann in der letzten Doppelstunde die restlichen Fragen 22–129 stichpunktartig abzufertigen. Dieses Auslegungstempo ist allerdings keine Besonderheit der Materie: Auch in der exegetischen Vorlesung zum Epheserbrief kommt Barth nur bis Eph 1,20 (vgl. Barth/Thurneysen, BwTh II, 36). Barth gruppiert die Fragen des HK wie folgt mit kleineren Auslassungen: 25, 26, 27–28, 29–30, 31–32, 33–34, 35–36, 37–44, 45, 46–56, 57, 58, 59– 64, 65–68, 69–74, 75–81, 82–85, 86–91, 92–113, 120–129. Gar keine Erwähnung finden im Laufe der Vorlesung lediglich die Fragen 116–119 über das Gebet.
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ter der Radikalität seiner Vorgänger zurück. Gerade dasjenige „sachliche Novum“ (8v) gegenüber der Reformation, das er immerhin beinhalte, zieht Barths schärfste Kritik auf sich: Hier sei die „reformatorische Grundfrage“ nach Gott „umgebogen“ in die „andere Frage, die für das [. . . ] ganze moderne christliche Denken charakteristisch geworden ist“ (8v), nämlich die nach dem Menschen und der „menschlichen Glückseligkeit“ (9r). Barth zitiert ausführlich die „Vorlagen“ des HK, um nachzuweisen, dass die Reformatoren (für die er hier allerdings ausschließlich reformierte Quellen beibringt) immer Gott als Ziel und Sinn ihrer Überlegungen herausgestellt hätten, nicht die menschliche Erbauung.55 Sie alle seien sich bewusst gewesen und hätten darauf Wert gelegt, festzuhalten: „Ein finis ist dem Menschen gesetzt jenseits seines eigenen Lebens: Gott. Um seinetwillen ist der Mensch da.“ (8v) Damit seien menschliche Bedürfnisse und Sehnsüchte durchaus nicht abzuweisen, vielmehr gehe es darum, dass es menschlichen Trost ebenso wie die Frage danach nicht unabhängig von Gott und nicht ausgehend vom Menschen geben könne. Hier findet Barth bereits Luthers56 funktionale Formulierungen gefährlich missverständlich, Calvin hält er in diesem Zusammenhang für „jedenfalls ungleich gesicherter“ (8r). Die geäußerte theologische Präferenz für Calvin im Vergleich zu anderen Reformatoren geht sicherlich allgemein auf Barths bessere Kenntnisse von dessen Theologie und eine generelle Wertschätzung ihm gegenüber zurück. Fast durchgehend deutet in Barths erster Vorlesung das Adjektiv „calvinisch“ eine positive Wertung an. Den HK würdigt Barth meist dort, wo er mit seinem Verständnis calvinischer Theologie übereinstimmt, während er insbesondere lutheranisierenden Tendenzen (nicht unbedingt aber Luther) gegenüber skeptisch ist. Er verdeutlicht aber auch, dass die Gegenüberstellung nicht auf chronologische Entwicklungen, sondern auf theologische Profilierung abzielt: Das Reformatorisch-Ursprüngliche ist für Barth keine Frage der zeitlichen, sondern der sachlichen Ursprungsnähe. Der Katechismus Johannes a Laskos, der für Barth eine „gewisse Vermittlung der calvinischen und der lutherischen Ansatzweise“ vollzieht, steht für ihn schon an der „Grenze, die das Unbedenkliche vom Bedenklichen scheidet“ (8r). Wo Ursinus dessen Formulierung der Frage 1 übernehme und Olevian diese einprägsam umformuliere, tritt für Barth der theologische Sündenfall ein: Hier sei der Kompromiss „[u]nzweifelhaft vollzogen“, „an Stelle der gloria Dei die consolatio hominis gestellt“ (9vf). Der Text selbst des HK sei zwar noch ambivalent, doch der Weg sei beschritten, „an dessen Ende es heißt, daß die Religion eine praktische Angelegenheit des menschlichen Geistes sei.“ (10v) Mit Beginn des Rationalismus hätten die Ausleger denn auch konsequenterweise „das Zweideutige unzweideutig“ auf 55 Hier: Bullingers Confessio Helvetica Posterior, Calvins Genfer Katechismus, die Katechismen von Leo Jud und Marten Micron sowie den Emder Katechismus. Deutlich ist aber, dass Barth den Begriff „Vorlagen“ nicht im Sinne eines Abhängigkeitsverhältnisses versteht. Vielmehr benutzt er diese Schriften zur Profilierung des reformatorischen Anliegens, dem er dann dessen Verschiebung im HK gegenüberstellt. 56 Vgl. Luther, Deudsch Catechismus (Der Große Katechismus), in: WA 30/1, 133,2–4: „Also das ein Gott haben nichts anders ist denn yhm von herthen trawen und gleuben, wie ich oft gesagt habe, das alleine trawen und gleuben des hertzens machet beide Gott und abeGott“.
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die Frage der menschlichen Glückseligkeit vereindeutigt (9r). Nicht die Ambivalenz von HK 1 sei also problematisch, vielmehr hält Barth dieser zugute, gerade sie bewahre den Text noch vor der Häresie. Die Formulierung der Frage 1 und ihre Stellung im Gesamtprogramm des HK ist ihm Ausdruck einer Weichenstellung, die beinahe unweigerlich zur anthropozentrischen Wende bzw. zum anthropozentrischen Fall der Moderne führt. Sein Unbehagen mit Frage 1 formuliert Barth wie folgt: „Sie ist handlich, praktisch, einleuchtend, sie scheint identisch mit dem, was der Mensch ohnehin sucht und einsieht.“ Die „Sünde seiner späteren Ausleger“, sie in diesem Sinne zu interpretieren, vollzieht der HK zwar nicht selbst, verhindert sie aber auch nicht durch größere Eindeutigkeit (9r). Thurneysen gegenüber fasst Barth sein Urteil über den HK und sein Vorgehen in der Auslegung darum zusammen: Der Heidelberger Katechismus ist ein entschieden fragwürdiges Werk. Gerade die 1. Frage ist entschieden nicht gut, wie ich ihnen heute eine Stunde lang auseinandergesetzt habe, um ihnen dann in der nächsten zu zeigen, wie sie glücklicherweise durch die Antwort sofort in die Luft gesprengt wird.57
2.2.4 Neuer Ansatzpunkt. Der „Kontrast zwischen Frage und Antwort“ 1 Barth bleibt nicht bei der Feststellung stehen, die Eröffnungsfrage sei problematisch. Er begegnet dem, indem er weiterliest und den HK eine innere Selbstkorrektur vollziehen lässt. Gegen die eingetretene Verschiebung „zuungunsten Gottes zu Gunsten des Menschen“ (10v) in Frage 1 führt er Antwort 1 ins Feld. Man müsse rückwärts lesen: Die Antwort „daß ich Jesu Christi eigen bin“ mache den theologischen Kern des HK aus. Erst von hier ergebe sich die Frage nach dem Trost. Triumphierend stellt Barth fest: „Über den großen psychologistischen Makel [. . . ] erhebt sich hier siegreich das Licht ewiger [. . . ] Verheißungen und Realitäten“ (10v). Der tatsächlich erfolgte Trost gehe theologisch gesehen der Frage danach voraus und wird ihr darum auch inhaltlich übergeordnet: „Das ist das Gute, das biblische und das reformatorische auch an der 1. Frage, daß hier nach dem Trost gefragt wird, der schon da ist.“ (10r) Nur a posteriori, von der geschehenen Offenbarung her, ist die Frage nach dem Trost des Menschen zulässig. Es ist der von ihm festgestellte „Kontrast zwischen Frage und Antwort“ 1, den Barth sich theologisch zunutze macht (10v). Für die Ausbildung hatte Barth bereits angekündigt, den Umgang mit dem HK so schwer wie möglich zu machen,58 doch will er die Problematisierung nicht in die Didaktik übertragen wissen: Eine Kritik der Frage 1 von Antwort 1 her sei zwar „unvermeidlich“, dennoch solle sie „sich in Predigt und Unterricht selbstverständlich so wenig als möglich gegen den Katechismus als solchen richten“ (10r). Es geht ihm also in der Kritik nicht um die Diskreditierung des Kompromiss-Dokuments mit dem Ziel seiner Überwindung oder Abschaffung. Vielmehr will Barth unter Beibehaltung dieses Traditionsstückes durch Interpretation des Textes nicht von 57 Barth an Thurneysen am 18.11.1921, in: Barth/Thurneysen, BwTh II, 8. 58 S.o. S. 42.
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der intentio auctoris oder intentio operis her, sondern von der als richtig erkannten Sache her die Ambivalenzen des Textes zurechtzurücken – möglichst sogar, ohne dass die Gemeinde dies bemerkt! Dafür wendet sich Barth insbesondere dem Subjekt des HK zu. „Ich, mir, mein, mich“ – die Sprecher-Inszenierung des HK durch die 1. Person Singular sieht Barth in einer Schussrichtung mit den anthropozentrisch missverständlichen Trost-Formulierungen (11v). Wiederum aber legt er es weniger darauf an, die Formulierung anzuprangern, als sie durch Uminterpretation theologisch aufzuheben. Anstatt dem Einwand zuzustimmen, dass nur ein perfekter Christ und sicherlich kein Kind solch starke Glaubensaussagen authentisch treffen könne, liest Barth den Text wiederum rückwärts, nicht vom menschlichen Subjekt aus, sondern von dessen Neukonstituierung durch Gottes Zuwendung zu ihm: „Durch diese Beziehung Gottes zu uns wird aber ein neuer Mensch, eine neue Kreatur, ein neues Subjekt geschaffen, dessen Identität mit mir, dem bekannten Menschen eo ipso Gnade und Würde ist. Dieses mein Subjekt ist das Subjekt meines Bekenntnisses.“ (11r) Davon ist im HK allerdings nirgendwo die Rede. Läse Barth ihn von dessen eigenen Formulierungen her, müsste er dessen Rede in Ich-Form ablehnen, doch aufgrund der von ihm (eingeschobenen!) theologischen Voraussetzung, wahre Subjektivität käme überhaupt erst in der Neuschöpfung des Menschen zustande, kann er die Glaubensgewissheit des HK als kontrafaktisches Ich akzeptieren. Dieses Verfahren, Empirie und theologische Wirklichkeit als Gegenwelt einander entgegenzusetzen, wird typisch für Barths Theologie.59 Barth lässt hier explizit auch eine eigene Sinnesänderung in diesem Zusammenhang durchblicken. Die Anfrage, „ob das ‚Ich‘ des HK nicht eine unerträgliche Subjektivierung des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch bedeutet“, hätte Barth, so gibt er freimütig zu, „vor 3–5 Jahren“ selbst noch geäußert (12v).60 Zwar sei nicht vom einzelnen Christen, sondern von der Gemeinschaft der Heiligen, vom Nos des corpus Christi auszugehen, doch „der rechte, der unüberbrückbare, der furchtbare und immer wieder in Erinnerung zu rufende Gegensatz“ bestehe zwischen Gott und Mensch, „nicht aber zwischen dem Nos des corpus Christi und den einzelnen Egos, die dieses corpus bilden.“ (12v) Der Einzelne werde in dieser Gemeinschaft nicht aufgelöst, sondern als neues Subjekt konstituiert, „das zu anderen Subjekten in keinem Gegensatz mehr stehen kann, weil er mit ihnen in Gott eins ist“ (12r). Anstatt die Betonung des Individuums durch den HK zu bemängeln, beantwortet Barth die Frage nach der Zulässigkeit der singularischen Rede 59 Es findet sich bis in die Spätzeit, vgl. z.B. Barth, KD IV/1, §61, 610, wo Barth ausführlich und geradezu positivistisch über das neue Leben des gerechtfertigten Menschen spricht, nur um mit einem lapidaren Einwand das soeben Ausgeführte wieder wegzuwischen: Als diesen gerechtfertigten Menschen „kennen wir uns nicht, haben wir uns nie gekannt, werden wir uns nie kennen. Daß diese Geschichte meine Geschichte ist, [. . . ] das ist vielmehr das echte und eigentliche Rätsel, vor dem wir hier stehen“ (Hervorhebungen i.O.). 60 Barth führt dafür in einer öffentlichen Selbstkorrektur seinen eigenen RömI als Beleg an und weist darauf hin, dass er die dort geäußerten Polemiken dieser Art „bei näherer Überlegung doch nicht als ganz sachgemäß ansehen konnte“ und darum in der 2. Auflage gestrichen habe (12v).
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also mit einer Relativierung der Differenz: Der entscheidende Unterschied zwischen Gott und Mensch sei gewahrt, demgegenüber sei die Frage, ob der Mensch im Singular oder im Plural spreche, zweitrangig. Die Perspektive der Neuschöpfung in Christus überwindet auch diese Sozialdifferenzierung. Nicht von dem Menschen aus, der aus der historischen Situation des HK spreche, und nicht von dem Menschen aus, der in jeder neuen Situation der Katechese den HK zitiere, können diese Aussagen getroffen werden. Indem Barth aber die Perspektive „im Christus“ einnimmt, kann er die Redeweise des HK als ebenfalls „im Christus“ gegründet verstehen.61 Insofern begegnet Barth auch dieser für seine Theologie problematischen anthropologischen Facette des HK durch deren Anrechnung auf ein kontrafaktisches Ich, und zwar ein christologisch konstituiertes und kollektiv verfasstes. Zugleich zeigt seine Auslegung selbst, dass einfache Kritik an Barths angeblichem Antisubjektivismus zu kurz greift. Indem er beide Anfragen derart als Missverständnisse behandelt, will er die Gefahr zwar als Warnung erkannt wissen, das „‚Ich‘ des HK dagegen werden wir gegen sie in Schutz nehmen und nicht etwa aufgeben.“ (12v) Trotz aller Kritik sei nämlich festzustellen, „daß es möglich, erlaubt, ja sogar geboten sein kann, die Frage nach Gott als die Frage des Individuums, des Einzelnen als solchen aufzustellen“ (12r), und zwar immer und genau dann, wenn man den Subjektwechsel beachte: „Ich bin Nicht-Ich“ (13r).62 Barth interpretiert das „Nicht-mehr-seineigen“-Sein des HK dahingehend, dass hier eine „Objektivierung des Subjektes (15r) durch die christologische Stellvertretung stattfinde, in der es zu einer ‚Aufhebung‘ des bekannten Subjektes Ich“ komme. Diese Stellvertretungsfigur, die Barth auch als „Enteignung des Menschen“ und als seine „Heiligung“ beschreiben kann (15v), bestimmt er als einen „der Grundgedanken“ des HK und würdigt ihn als „einen seiner größten Vorzüge“ (14v). Dass das Subjekt nicht von sich selbst, sondern von Gott her betrachtet wird, ermöglicht es Barth, einen dialektisch angelegten theologischen Relativismus zu formulieren: „Nichts ist unwichtig, bedeutungslos“, aber es gibt auch „nichts, das nicht einer letzten Kritik unterworfen wäre“ (14v). Mehrfach wiederholt Barth dabei: „Aber relativ heißt bezüglich. Also bezogen auf Gott sind alle Dinge.“ (14v) In der Relation ist die Relativität ebenso wie die „ganze[.] reine[.] Negativität“ aufgehoben (14r). Antwort 1 beschreibt Barth als „kräftig weitausholende[.] Negation“, die den „Hohlraum“ schafft, der dann durch die nachfolgende Position ausgefüllt wird (13v). Sofort warnt er: „Gott ist das Positive dieser Position, Gott selbst, Gott al61 Konzeptionell scheint die Redeweise vom Sein „im Christus“ aus RömI und RömII im Hintergrund zu stehen. Vgl. Barth, RömI, 346.357f.549 u.ö. sowie ders., RömII, 372ff. In RömII vermeidet Barth allerdings bereits weitgehend zu ‚lokativ‘-statisch bzw. metaphysisch anmutende Formulierungen eines ‚Seins‘ im Christus zugunsten einer stärkeren Betonung des dynamisch „im Christus“ ergehenden Ereignisses des Heils. 62 An späterer Stelle kann Barth umgekehrt formulieren: „Ein Anderer ist ich“ – hier übrigens nicht in christologischer, sondern in pneumatologischer Füllung: „Dieser Andere, der aus meinen Augen sieht, dieser Andere, der von Gott aus ich ist, ist der heilige Geist“ (33r).
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lein“ (13v). Die Aufgabe der Theologie kann nur in der Negation bestehen, auf das Positive höchstens mit Johannes dem Täufer, den Barth in diesem Sinne als alttestamentliche Figur versteht, zu verweisen, während „Jesus Christus selber nicht auf unser Programm zu nehmen sei.“ (13r) Dabei komme alles darauf an, dass die Aussage „daß ich meines getreuen Heilandes Jesu Christi eigen bin“ „mehr als eine sog. tiefe religiöse Wahrheit, mehr auch als eine sog. christliche Gewissheit“ sei (16v). Ihren „Realgrund“ habe diese Wahrheit in Gottes Ja, ihren „Erkenntnis-grund“ aber in der auch philosophisch feststellbaren Tatsache, „daß ich nicht mein eigen bin“ (13v). Für die theologische Methode und Aufgabe bedeutet dies: Das Nicht-mein-eigen-Sein bedinge zwar die Unmöglichkeit jeder Theologie und jeder Antwort auf die menschliche Existenzfrage. Und Barth bemerkt nachdrücklich: „Ich sage Ihnen das selbstverständlich nicht darum, weil ich nun etwa im Besitz einer Lösung, einer Methode, einer Formel, eines Weges, eines Mittels wäre, um die Aussage über Jesus Christus zu einer Antwort auf diese Frage zu gestalten“ (16r). Das Ziel dieser Ausführungen ist vielmehr ein erklärt negatives, ja destruktives: „Mit dem Ziele: Daß wir alle einsehen, daß wir an der Aufgabe, diese Antwort zu geben, tatsächlich nur zerbrechen, nur zu Schanden werden können.“ (16r) Gerade diese Einsicht müsse aber hochgehalten werden und dürfe keinesfalls dazu führen, die Frage vorschnell zu entkräften (17v). Dass sie das immer wieder getan habe, sei die Grundschuld der Kirche im gesamten Geschichtsverlauf gewesen. Die Einsicht in die Unlösbarkeit der Aufgabe habe den Sinn, „uns einerseits an den zu erinnern, der die Antwort auf die Grundfragen des Menschen ist, andererseits daran, daß nur er, er selbst Jesus Christus diese Antwort tatsächlich ist.“ (17v) Die Einsicht in das menschliche Sünder-Sein, die der HK ja auch in starken Worten herausstellt, legt Barth also nicht nur inhaltlich aus. Er übersetzt sie zudem in eine diesem Tatbestand angemessene Methode, die sich ihre eigene Unmöglichkeit selbst einschreibt und gerade darin die christliche Hoffnung auf Christus zum Ausdruck bringt. „Als die durch diese Kritik Gerichteten“ stünden Kirche und Theologie auf einer Stufe mit den Existenzfragen der Menschen und hätten es so ohne jegliches religiöse Privileg ganz „ex profano“ mit Jesus Christus zu tun (17r). Zur Verdeutlichung des Jesu-Christi-eigen-SeinJesu-Christi-eigen-Seins zieht Barth wie auch im RömII Kierkegaards Begriff der Gleichzeitigkeit heran.63 Während man zum historischen – und darum stets „nicht-gleichzeitigen“ Jesus durchaus in ein „religiöses Verhältnis“ treten könne, würde man gerade so nie sein eigen, sondern mache im Gegenteil diesen sich zu eigen in „ganz gemeine[m] Götzendienst“ (18v). Leisten könne und müsse die historische Betrachtung allenfalls, Jesus in seiner Fremdheit und Andersheit aufzuzeigen und damit „uns den Blick dafür zu schärfen, daß alle die hier gestellten Fragen und alle die hier gegebenen Antworten ja nicht die Frage und die Antwort sind“ (18r). Den nicht-gleichzeitigen 63 Dieser findet sich v.a. in Kierkegaard, Einübung im Christentum; ders., Philosophische Brocken; ders., Der Augenblick, vgl. dazu auch Wolff, Das Problem der Gleichzeitigkeit des Menschen mit Jesus Christus bei Søren Kierkegaard im Blick auf die Theologie Karl Rahners, insb. 34–42.
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Jesus versteht Barth mit 2Kor 5,16 gesprochen als „Christus nach dem Fleische“ (18r): Er bleibe immer im Bereich historischer Willkür und Zufälligkeit. Barth differenziert also, wie er sich die christologische Konzentration vorstellt. Nicht jede Bezugnahme auf Jesus Christus reicht theologisch gesehen aus, insbesondere nicht die historische und nicht die religiöse. Die abstrakte und formale Christologie von RömII dient als Schutz davor, sich seinerseits Jesu Christi zu bemächtigen. Erst in einer nicht mehr historischen, sondern als Offenbarung zu kennzeichnenden Erkenntnis gelte die Aussage des Jesu-Christi-eigen-Seins.64 Wirklich gleichzeitig werde uns Jesus Christus nur dort, wo er uns zur Frage wird, der wir nicht mehr ausweichen können und zur Antwort, neben der wir keine andere mehr sehen können. [. . . ] Hier herrscht Notwendigkeit. Hier ist Jesus auf den Schauplatz getreten nicht als Freund und Bruder und auch nicht als Gegenstand religiöser Erbauung, sondern als der Herr. (18r)
Der Kyrios-Titel „der Herr“ schlägt den Bogen zurück zur Formulierung des „JesuChristi-eigen-Sein“. Der Eigentümer besitzt Verfügungsmacht und ist damit nicht Vorbild, nicht Einladung, nicht Anregung, sondern Herr und Herrscher. In der personalen Beziehung zwischen Gläubigem und Christus wird das Verhältnis im Vergleich zu einem historischen oder religiösen umgekehrt: Nicht der Gläubige ist Subjekt der Beziehung zum historischen oder erbaulichen Jesus, sondern Jesus Christus in seiner Gleichzeitigkeit ist Subjekt der Existenz des Gläubigen. Inhaltlich charakterisiert Barth das „im Christus“ konstituierte Verhältnis als „Leidens- und Sterbensgemeinschaft“ (18r). Echte Gleichzeitigkeit lasse sich weder historisch noch aufgrund subjektiv-innerlicher Überzeugung herstellen, Vielmehr habe sie wirklich „ein Sterben, eine Aufhebung dieses bekannten Subjektes Mensch“ zur Voraussetzung (19v). „Dort findet Gleichzeitigkeit zwischen ihm und uns statt, dort fängt nun ‚Jesu Christi Eigentum‘ an, wo ich aufhöre Ich und wo Jesus Christus aufhört Jesus von Nazareth zu sein.“ (20v) Nur im paulinischen Modus des „Ich, doch nun nicht ich“ – des christologisch-kontrafaktischen Ich – könne man von Gemeinschaft mit Christus reden, vom „bekannten Menschen“ sei sie nie und nimmer aussagbar (19r). Denn das „Sein-eigen-Sein“ sei mehr als brüderliche Einmütigkeit oder Vertrautheit mit einem „inneren Leben“65 des anderen. Es könne überhaupt niemals von zwei einander „anschaulich gegenüberstehenden“ Subjekten ausgesagt werden. Das Jesu-Christi-eigen-Sein habe darum das Kreuz zur Voraussetzung, in dem all das aufgehoben werde, was sowohl uns als auch ihn in der jeweiligen Anschaulichkeit konstituiere – gerade darin sei es „das unbedingt Einigende [. . . ] zwischen ihm und mir“ (22r).
64 Dies lässt sich als Fortführung der skizzierten Dialektik von Zeit und Ewigkeit lesen: Nur insofern die Zeit über sich selbst hinaus geht, weil sie durch die Ewigkeit berührt und durchbrochen wird, kann ihr eine theologische Bedeutung zukommen, kann sie Gleichnis des Ewigen werden, s.o. S. 36. 65 Der hier von Barth kritisierte Begriff des „inneren Leben Jesu“ stammt von seinem Lehrer Wilhelm Herrmann (vgl. z.B. Herrmann, Der geschichtliche Christus der Grund unseres Glaubens [1918], 175).
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Das Kreuz bildet nach Barth das Moment dialektischer Selbsterkenntnis, in dem der Mensch sich sieht, wie er eigentlich ist: als „diese unmögliche Gestalt, diese verworfene und ausgestoßene, diese von allen Seiten von Gott Bedrängte, aller Möglichkeiten Beraubte“ – nur um gleichzeitig festzustellen: „[I]ch lebe ja, ich bin ja Gott Lob nicht gekreuzigt, sondern wohl und gesund“ (20r). In der Spannung beider Einsichten bleibe nur festzustellen: „ich bin nicht, was ich doch eigentlich bin [. . . ] Aber er ist ich, steht an meiner Stelle“, Christus ist „mein verborgenes Ich“ (20r). Gemeinschaft zwischen uns und ihm, dem historisch stets Ungleichzeitigen, ist nur als „Gemeinschaft des Kreuzes“ möglich (22v). Der Tod ist nicht nur die Aufhebung der Gegensätze, der „Sturz aller Götter und Götzen, das Zerbrechen aller sog. Gewissheiten, die Erschütterung alles Gegebenen“, sondern darin und damit auch die „Schaffung des wirklichen Lebens“ (22r). Die Voraussetzung der Leidens- und Sterbensgemeinschaft im Kreuz habe Offenbarungsqualität, sei „eine wirkliche Voraus-Setzung, keine Setzung unter anderen“, unableitbar: „[A]ls das Nicht-Gegebene steht das Voraus-Gegebene allem Gegebenen gegenüber“ (23v). Die in Kreuz und Auferstehung eingezogene Spaltung im Subjekt überwindet auch die geschichtliche Distanz zugunsten einer (präsentisch-)eschatologischen Öffnung. Barth versteht seine Theologie als den „Versuch, das christliche Grundverhältnis unter Ausschaltung der Positivitäten, mit denen der Theologe zu arbeiten pflegt, ganz und exklusiv auf den Gedanken des Todes, der Ewigkeit, eine letzte Negation also zu begründen“ (23vr). Bevor Barth über das überschriftartig formulierte „Jesu-Christi-eigen-Sein“ hinauskommt und mit der Auslegung der Relativsätze in Antwort 1 beginnt, setzt er noch einmal mit hermeneutischen Überlegungen ein. Das „christliche Dogma“, als dessen Ausdruck er den HK verstehen will, begegne zwar als etwas Festes und Gegebenes und habe darum gerade in der Moderne einen schlechten Ruf. Dies dürfe jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass das „Feste“ daran „jedenfalls nicht mehr als Zufall“ sei und nicht das eigentlich Wichtige. Die Starrheit der Form sei auch nicht „bloß aus Respekt vor ihrem ehrwürdigen Alter“ zu übernehmen (oder abzulehnen) (24r). Vielmehr gelte es, die im Hintergrund stehende „volle Bewegung“ wiederzugewinnen, in der das Dogma echte „Antworten auf wesentliche, vitale, entscheidende Fragen“ voller „Dringlichkeit“ formuliert (24r). Der Ruf „ad fontes! Zurück zu den Quellen! dem auch wir gefolgt sind, indem wir das Bekenntnisbuch der reformierten Kirche zum Gegenstand unserer Betrachtung gewählt haben“, sei darum nicht im Sinne einer Rückkehr zu den festen Formen zu verstehen. „Sondern: zurück zu den Kräften“, die diese Formen formten, zurück zum Fluss und selbst ins Fließen, das sie hervorbrachte, gelte es vorzustoßen (24r). Barth spielt durchaus mit der Doppeldeutigkeit des Begriffs „Quelle“.66 Quellen sind Texte, aber als Quelle ist der Text nicht historisches Dokument, 66 Vgl. auch in Bezug auf die Vorgeschichte von Frage 21: „Die Quellen fließen gerade an diesem Punkt besonders reichlich.“ (66v) Ähnlich spricht Barth von den „Quellen“ der „menschliche[n] Glückseligkeit“ (9r), des „wirklichen Trostes“ (10v), des „calvinische[n] Aktionismus“ (46r). Später wird Barth allerdings den Begriff „Quelle“ aufgrund seiner Konnotation als historische Informations-
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sondern der Ort, der das lebendige Wasser zum Vorschein bringt. Damit ist der Gegenstand der Untersuchung nicht der Ort und seine Beschaffenheit, sondern das Wasser, das er bewegt und das ihn bewegt. Dieser Aufruf zum Text, der durch den Text hindurch zu dem vordringen will, was ihn in Bewegung setzte, kann als Programm einer anti-buchstäblichen, stattdessen confessorischen Exegese verstanden werden, die in Konsequenz zu Barths anfänglich eingeführter theologischer Methode steht: Nicht um seiner selbst willen oder um eines historischen Wertes willen, sondern als Gleichnis für das „Ewige“ soll der Text gelesen werden.67 Dieses (dogmen-)hermeneutische Programm führt Barth aber sofort zu fundamentaltheologisch radikalen Schlussfolgerungen. Die „reformatorische Grundlegung der Dogmatik und Ethik“ bestehe darin, von Gott und nicht vom Menschen auszugehen, so dass Gott „nicht nur die letzte“, sondern „auf Schritt und Tritt die einzige“ Begründung darstelle. Dies bedeute „paradoxerweise auch das Ende aller Dogmatik und Ethik“ (25v), da man das, was nun zu sagen sei, menschlich eben nicht sagen könne. Gott in seiner radikalen Unterschiedenheit vom Menschen als Bedingung jeder Dogmatik und Ethik verunmöglicht zugleich deren Durchführung – die Bedingung ihrer Möglichkeit ist die Bedingung ihrer Unmöglichkeit. Man kann das als dogmatische Selbstrelativierung bezeichnen. Diese versteht sich aber nicht als negative Theologie, vielmehr muss die „Relativierung“ im strengsten Sinne positiv verstanden werden. Unter Annahme eines „hermeneutischen Realismus“68 , der die Wirklichkeit des Textgegenstandes außerhalb des Textes annimmt, vollzieht sie eine Relationierung auf diesen hin. Konstant bleibt Barth bei diesem extra nos in seiner Betonung der Gottheit Gottes und der Unmöglichkeit des Menschen, einen Weg vom Menschen zu Gott einzuschlagen: „Er, nicht ich [. . . ] Er ists!“ lautet das Grundbekenntnis, das Barth anhand des HK entfaltet (29vf u.ö.). Einen direkten Weg zu Gott kann es nicht geben, in Christus geht Gott aber den Weg zum Menschen. Diese Grundthese durchzieht all seine Ausführungen. Christus steht für Barth für die große Negation aller Religion, aller menschlichen Werke, aller menschlichen Erkenntnis. Als reine Negation, Gericht über den Menschen und Widerspruch gegen seine Wege charakterisiert Barth die Offenbarung Gottes in Jesus Christus, dem Anderen, dem wir nur unter Aufhebung unserer eigenen Existenz zu eigen sein können, also durch die Negation seines und unseres Todes hindurch (29v). Als Illustration des mit dieser Aussage einhergehenden Schreckens zitiert Barth Matthias Grünewalds Isenhei-
grundlagen ablehnen, so etwa in der Auseinandersetzung mit Bultmann, an dem Barth beanstandet, dieser habe „das N.T. als Quelle statt als Zeugnis gelesen“ (Brief Barths an Paul Althaus vom 30.05.1928, KBA). 67 Bereits früh wurde dieser Zug an Barth von Vertretern einer „pneumatischen Exegese“ in Anspruch genommen (vgl. die von Proksch, Pneumatische Exegese; Dobschütz, Die Pneumatische Exegese, u.a. propagierte Formel der 1920er Jahre). Davon hat Barth sich allerdings distanziert (vgl. z.B. Barth, Erklärung des Philipperbriefes [1927], 5). Schelhas, Christozentrische Schriftauslegung, 345 prägt darum den Begriff einer „confessorischen“ Exegese. 68 Hunsinger, Jenseits von Literalität und Expressivität. Karl Barths hermeneutischer Realismus, vgl. auch Dalferth, Theologischer Realismus und realistische Theologie bei Karl Barth.
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mer Altar. Im Gegensatz zu Ausführungen andernorts, wo Barth vor allem auf den Zeige-Gestus Johannes des Täufers und die Richtung dieses Zeigens – auf Christus – abhebt, stellt er hier die abschreckende und Widerspruch weckende Gestalt des Gekreuzigten in den Vordergrund, auf den Johannes zeigt: „der ists, dieser Gemarterte, dieses vergossene Blut“ (29v).69 Mehrfach wiederholt Barth die Ausführung dieser Negation an den einzelnen Worten von Antwort 1. In düsteren Bildern umschreibt er die nur als negatives Zeugnis denkbare Gotteserkenntnis auf Grundlage der bekannten Welt: „In seiner absoluten Rätselhaftigkeit zeugt uns das Schicksal von Gott, [. . . ] in ihrer Beschränktheit zeugt uns die Vernunft, in seiner Sinnlosigkeit zeugt uns der Ablauf unseres Lebens von Gott, nicht etwa positiv, nicht etwa anders denn in ihrer unauflöslichen Problematik, nicht etwa anders denn als Frage.“ (30v) Positive Erkenntnis Gottes sei nach dem HK nur in Jesus Christus möglich. So rechnet Barth ihm hoch an, dass er selbst die in Antwort 1 aufgegriffene Vorsehungslehre durch die Frage christologisch begründet. Aber auch diese versteht er nicht als Bejahung der Weltwirklichkeit, sondern als kontrafaktische Hoffnung auf die „Zukunft des Herrn, auf die Aufrichtung seines jetzt und hier ganz und gar unsichtbaren Regimentes, auf das Kommen seines jetzt und hier nur als kommend zu begreifenden Reiches“ (31v). Doch auch innerhalb der christologischen Näherbestimmungen bleibt Barth bei den Negationen. Erst kurz vor Weihnachten präsentiert er überraschend aus der Pneumatologie heraus das Komplement: „Der Heilige Geist ist das Positive.“ (32r) Als Nebensatz zum „Jesu-Christi-eigen-Sein“ ist die Bereitung des Menschen eine pneumatologisch gewirkte, aber christologisch fundierte Position. Vor dem entwickelten Problemhorizont räumt Barth aber unmittelbar die Fragilität auch dieser Position ein und verdeutlicht so neben der Wertschätzung sofort das Misstrauen gegenüber der allzu leichten Vereinnahmbarkeit pneumatologischer Argumentationen. Dieses „Ja“ sei sofort dem Verdacht ausgesetzt, es könnte bloß aus dem Übermut eines individuellen Erlebnisses stammen oder es könnte ein bloßes verzweifeltes Postulat der praktischen Vernunft sein oder endlich [. . . ] das Ergebnis eines auf Grund einer bestimmten schlangenklugen Philosophie ausgeführten logischen Tricks. (32r)
Wie kommt der Mensch dazu, nach dieser Negation nun eine Position zu finden und doch noch von Gott und Christus zu reden? Barth beugt sich „unter das in dieser Frage liegende Gericht über alle Theologie“ (32r) und stellt als einzig mögliche Konsequenz dar: „Streng genommen müßte Theologie in der Tat in lauter
69 Marquard, Karl Barth und der Isenheimer Altar, insb. 32–66, beschreibt die Vielfalt der von Barth interpretierten Motive des Isenheimer Altars. Die durch das Zeigen bildlich inszenierte Distanz-inBeziehung interpretiert er wie folgt: „Diese Distanz meint keine Entfremdung, sondern erst recht die (durch das Hinweisen wahrgenommene) sachlich mögliche Nähe zum Gegenstand des Glaubens“ (a. a. O., 25). Erstmalig bezieht Barth sich auf das Bild in RömI, 164.620.
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Negationen verlaufen“ (33v).70 Dennoch hält Barth an der „Tatsache“ fest, dass dieses Positive, die Gabe des Heiligen Geistes biblisch belegt sei. Allerdings erfolge sie immer nur an der „Grenzscheide“, wo alles menschliche Tun als nichtig erkannt worden ist (33v). Barth nennt als die drei entscheidenden Stellen die Taufe Jesu im Jordan (wo er sich unter das Gericht beugt), die Ausgießung des Geistes an Pfingsten (wo die Jünger „alleingelassen in der Welt, beraubt der sichtbaren Gegenwart ihres Meisters nur noch auf Gott warten“) und Röm 7–8 (wo der Mensch erkennt, dass er Sünde und Tod vollständig ausgeliefert ist) (33r). So sei die Negation erst durch die Position möglich, wie auch die Erkenntnis der Sünde erst von der Gerechtigkeit her komme. Umgekehrt aber gelte auch, dass an dieser Grenzscheide der Heilige Geist tatsächlich gegeben werde. Diese Argumentation für die tatsächliche Verleihung des Heiligen Geistes, die Position jenseits aller Negation ist eine der wenigen Stellen innerhalb der Vorlesung, wo Barth direkt biblisch arbeitet. In Bezug auf die beiden weiteren Aussagen von HK 1 über den Geist – die Versicherung des ewigen Lebens und die Bereitung zum Leben in Hingabe – interpretiert Barth erstere mit Luther als den Verheißungscharakter des Geistes („im Wort und nur im Wort zu finden“) und letztere mit Calvin als bereits hier das Leben (und Handeln!) prägende „spes futurae vitae“ (34vr). Barth formuliert ein dialektisches Verhältnis von Luther und Calvin, Rechtfertigung und Heiligung. Bei erkennbar hoher Wertschätzung wird deutlich, dass Barth Luther in dieser Hinsicht für zu einseitig-unvollständig und auch für zu missverständlich hält. Der als calvinisch verstandene Zug der Rückwendung zur Aktivität, zur Heiligung des Menschen im Leben und sittlichen Handeln muss für Barth unbedingt hinzu treten. Beide werden hier als einander ergänzend wahrgenommen und mit der doppelten Gabe des Geistes – Versicherung und Bereitmachung – korreliert, die theologisch die eschatologische Spannung von schon jetzt und noch nicht bzw. noch nicht und schon jetzt ausmachen.71 70 Konsequent definiert Barth später die Aufgabe der Dogmatik als negativ-kritische: „Dogmatik ist als theologische Disziplin die wissenschaftliche Selbstprüfung der christlichen Kirche hinsichtlich des Inhalts der ihr eigentümlichen Rede von Gott“ (Barth, KD I/1, 1). 71 Das hier angedeutete dialektische Verhältnis der Reformatoren wird Barth im Folgejahr durch die Denkfigur von „Vertikale“ und „Horizontale“ systematisieren und um eine dritte (bzw. dann als erste vorangestellte) Dimension erweitern (ders., Die Theologie Calvins, 99 u.ö.). Sie wird dann als Verhältnis von Mittelalter (Orientierung an der menschlichen „Horizontale“) und Reformation (Luthers Wort Gottes als Einschlag der „Vertikale“ in die „Horizontale“) sowie „2. Reformation“ (Calvins Wiederentdeckung des menschlichen Lebens in der „Horizontale“ als Leben vor Gottes „Vertikale“) gefasst. Während 1921 Luther und Calvin „parallel“ dialektisch zueinanderstehen und eine gewisse Diastase darstellen, bildet Calvin 1922 die Synthese (160) zu These und Anti-These von Mittelalter und lutherischer Reformation, die „Beziehung auf die Horizontale, diese Einheit von Glauben und Leben, Dogmatik und Ethik [. . . ] aus dem tiefen Drang, die Schneidung der Horizontale durch die Vertikale durchzuführen, d.h. aber die Horizontale zu beziehen auf die Vertikale und umgekehrt, aber nun eben doch Gestaltung, Arbeit, Inangriffnahme“ (a. a. O., 104.107). So ist zu beobachten, dass sich bei bleibender Wertschätzung für die calvinische Theologie ihre Rekonstruktion und Stellung im System mit der Veränderung von Barths Dialektik wandelt: von der Diastase zur Synthese. 1922 führt die gefundene Aufteilung – „schwerpunktmäßig: hie Glaube,
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Während er bislang rein auf Frage und Antwort 1 des HK Bezug genommen hatte und die Auslegung des HK als homilienartige lectio continua vollzieht, beginnt Barth hier erstmalig, thematisch weitere Fragen innerhalb des HK heranzuziehen: Zum „Heiligen Geist Gottes und Christi“ führt er HK 49 und 53 an, zur „Verheißung des Ewigen Lebens“ HK 58, zur daraus folgenden „sittlichen Lebensaufgabe“ HK 86 (34r). Diese Fragen sollen die Problematik der eben untersuchten Stelle erhellen. Barth knüpft also – neben der bereits vorgenommenen Selbstkorrektur von Frage 1 durch Antwort 1 – innere Verbindungen und Verknüpfungen im HK, die Frage 1 katechismus-intern auslegen sollen. Dies sind die ersten Schritte zu einer hermeneutischen Praxis, die man in Anlehnung an die reformatorische Schriftlehre als „catechismus sui ipsius interpres“ bezeichnen könnte und die im Folgenden Raum gewinnen wird.72 2.2.5 Melanchthonische Disposition und reformierter Intellektualismus. Frage 2 Am 20.12.1921 erst wendet Barth sich Frage 2 und damit dem Aufbau des HK zu. Barth enttarnt den HK als Zwitterwesen: In Spannung zur melanchthonischlutherischen Stoffeinteilung verrate die Frage, was „nötig sei zu wissen“ einen gewissen „Intellektualismus“, der „eine reformierte Eigentümlichkeit“ darstelle (35v). Dass der HK damit Wissensinhalte zur Heilsbedingung erklärt, versteht Barth als Bestätigung, „daß wir auch historisch das Recht haben, wie wir getan haben, die an sich entschieden lutherische Frage nach dem Trost calvinisch zu interpretieren“ (35v). Wiederum wendet Barth die Aussage des HK kritisch gegen diesen selbst, wenn er festhält, der intellektualistische Zug sei von der Erhabenheit der Sache her tatsächlich „möglich, ja notwendig“, aber eben im Sinne „eines ursprünglichen Nicht-Wissens, von einer docta ignorantia“ – eines Wissens, das „sich der Relativität des menschlichen Wissens, Wollens und Trachtens so stark bewusst ist“ (35r). Dies entspricht auf der existentiellen Ebene der geradezu sokratisch anmutenden, oben festgestellten Selbstrelativierung der Dogmatik: Im Wissen um das eigene Nicht-Wissen und Nicht-Wissen-Können liegt das „notwendige“ Wissen des Christen. In dieser negativen Erkenntnis liegt für Barth der Trost, insofern sie die Erkenntnis der Wahrheit sei: „Getröstet sind wir dann, wenn wir wissen, wie es um uns steht.“ (35r) Den tatsächlich erfolgten dreiteiligen Aufbau des HK – der „wie der lutherische Katechismus sehr handgreiflich und für pädagogische Ziele nur allzu praktisch“ dort Gehorsam, hie Rechtfertigung, dort Heiligung“ – dann einerseits zu einer „gewisse[n] Animosität gegen das Luthertum“, andererseits auch zu dem Ratschlag, „zunächst einmal gründlich lutherisch zu werden“, bevor man ordentlich calvinisch sein könne (Stoevesandt, Barths Calvinvorlesung, 118f.121). Vgl. auch Scholl/Fangmeier (Hg.), Karl Barth und Johannes Calvin, 124. 72 Vgl. Martin Luthers Aussage über die Schrift: scriptura sacra „per se certissima, apertissima, sui ipsius interpres“ (WA 7,97): „Die Heilige Schrift ist an sich in höchstem Grade zuverlässig, offen, sich selbst auslegend“, übers. HR. Zu Luthers Schriftauslegung vgl. programmatisch Rothen, Martin Luther.
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sei – kritisiert Barth hingegen. Die seit Keckermann als „analytische“ Systematik73 verstandene Einteilung spricht Barth dem HK geradezu ab: Es gelinge ihm eben nicht, jeweils pars pro toto vom Ganzen zu reden. Stattdessen verstelle die oftmals gelobte „größere Anschaulichkeit der Einteilung“ noch, dass die Stücke nicht theologisch sachgemäß aufeinander aufbauten (36v). Nur dann nämlich könnte z.B. von der Erlösung her auch vom Elend des Menschen geredet werden (36v). „Sachlichkeit“ statt „Faßlichkeit“ – so lautet Barths Devise (36v). Gegenüber der didaktisch-pädagogischen hält Barth am Primat der ontisch-ontologischen Perspektive fest. Die Einteilung des HK erscheint ihm zwar „geschickt“, ist aber als „an der psychologischen Abfolge der religiösen Erfahrung orientierte“ Vorgehensweise abzulehnen: Die sich darin zeigende „Entscheidung, daß der Mensch das Maß aller Dinge sei“, lehnt Barth ab. Er betont, konfessionell gesehen sei diese Entscheidung „nicht reformiert, sondern lutherisch“ und im HK „historisch betrachtet, eingetragen“ (36r). Barth begründet die Skepsis gegenüber der Olevian zugeschriebenen, nachträglichen „Glättung“ und Systematisierung wie folgt: Die Ungeschicklichkeit, mit der Luther und Calvin die einzelne Lehrstücke nebeneinander stellten, war darin doch gerader als die Geschicklichkeit, mit der Ursinus und Olevian hier miteinander verknüpften, weil bei der Reformation bei ihrer Orientierung am Gegenstand, an Gott dafür gesorgt war, daß jedes einzelne Stück tatsächlich auf das Ganze wies. Bei dem HK dagegen, der sich an einer menschlich anschaulichen Einheit orientieren [will,] ist die Gefahr groß (ich will nicht mehr sagen), daß die Einzelheiten auseinanderfallen, denn das Menschliche, auf die Abfolge der religiösen Erfahrung [Zielende] ist eben Stückwerk und in keinem Punkt das Ganze. (37v)
Zwar kann Barth so in der Vorlesung neben Calvin auch Luther als echten Reformatoren gegenüber ihren „Epigonen“ positiv würdigen. Das reformierte Erbe zieht er jedoch eindeutig dem lutherischen vor. Diese Grundverortung zieht sich durch Barths Vorlesung: Konsequent betont Barth den reformierten, genauer gesagt calvinisch geprägten Charakter des HK.74 Die lutherischen Einschläge, die er feststellt und festhält, werden demgegenüber abgewertet, wobei meist eine Sympathie für Luther bei gleichzeitiger Abneigung gegen die lutherische Tradition erkennbar wird. Beidem gegenüber wird die calvinische Linie aber als die eigentliche und von Barth auch inhaltlich fast immer mit Zustimmung hervorgehobene Eigenart des HK betont. In gewisser Weise übernimmt Barth die klassische historisch-kritische Strategie, bestimmte unliebsame Aspekte eines Textes abzuwerten, indem man sie für sekundär erklärt – bei Barth allerdings nicht historischchronologisch, sondern mit der Identifikation dieser sekundären Elemente als lutherisch gegenüber der als ursprünglich verstandenen calvinischen Linie. So führt er in einem Brief den HK als Beispiel der misslungenen Rezeption der reformierten Reformation in Deutschland an, die auf eine „Déroute“, und zwar eine „Lutheranisierung!“ hinauslaufe 75 – was hier für Barth also offensichtlich ein Schimpfwort darstellt. Demgegenüber hält er fest: „Ich verkündige hier bekannt73 Keckermann, Systema S.S. Theologiae, vgl. auch Weber, Analytische Theologie. 74 So etwa 4r.5r.9v.10v.34r.35v.37v.49v.64v.67v.68r.69v.69r u.ö. 75 Barth an Thurneysen am 23.12.1921, in: Barth/Thurneysen, BwTh II, 26.
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lich, gerade gewisse reformierte Schroffheiten seien das beste Erbe der Reformation gewesen, das darin aber, wie der Heidelberger zeige, von den deutschen Reformierten gänzlich verglunggt [= vernachlässigt, verpfuscht, Anm. d. Hg.] worden sei.“76 Auch für die katechetische Unterweisung gäbe Barth nach eigenen Angaben darum lieber den Katechismen von Calvin und Leo Jud den Vorzug.77 Barths Angabe, er sei kein „konfessioneller Reformierter“ gewesen, muss man zumindest dahingehend relativieren, dass er vielleicht nicht „konfessionalistisch“ argumentiert, sich aber doch stark mit der calvinischen Theologie identifiziert und sie anderen Entwürfen gegenüber tendenziell vorzieht. Inhaltlich begründet er das damit, dass hier die „Schroffheiten“, die die Bewegung der Reformation ausmachen, am stärksten bewahrt wurden. Harmonisierung, Erbaulichkeit, Eingängigkeit, Systematik stehen dem gegenüber bei Barth im Verdacht, sich am Menschen statt an Gott zu orientieren.
2.2.6 Kritische Anthropologie statt Pessimismus. Fragen 3–11 Programmatisch eröffnet Barth das neue Jahr mit der Ansage: „Wir nehmen uns deshalb vor, gerade diese Orientierung der Systematik des HK nicht etwa zu unterstützen, sondern hier zurücktreten zu lassen.“ (37r) Nach aller anfänglichen Kritik seiner Schwächen, so Barth, könne man sich nun den Vorzügen des HK zuwenden.78 Der inhaltliche Einstieg des HK mit dem Elend des Menschen verträgt sich mit der von Barth anvisierten Negation, die er „jenseits von Optimismus und Pessimismus“ verortet (38r).79 Die Fragen 3–5 fasst Barth zusammen als „reformatorische Grundanschauung über das Verhältnis des Menschen zu Gott“ mit den klassisch lutherisch klingenden Worten: „Das Gesetz Gottes ist der Erkenntnisgrund unseres Elends“ (38r). Diese Erkenntnis sei wiederum ein Werk des Heiligen Geistes. Barth legt allerdings Wert darauf, dass das Gesetz nicht verkürzt als moralisches oder sittliches verstanden wird, sondern vielmehr als „Inbegriff der Religion“ im Ganzen (40r). Mit dem „Pharisäer“ Paulus und den Reformatoren will er das Gesetz bzw. die gesamte Religion so nicht abwerten, sondern zunächst als „das Höchste [. . . ,] was uns als Begegnung mit dem Willen Gottes bekannt und
76 Barth/Thurneysen, BwTh II, 26. 77 Barth an Thurneysen am 18.11.1921, in: a. a. O., 9. Auch diese Selbstaussage steht gegen die These Fangmeiers, Barth habe selbst mit dem HK unterrichtet (s.o. S. 24, vgl. Fangmeier, Vorwort). 78 Wie schwer Barth der positive Zugriff auf den HK fällt, zeigt sich auch daran, dass er die zunächst erarbeitete Fassung der nun folgenden Ausführungen sofort wieder seitenweise großzügig streicht und neu ansetzt (37r-38v). 79 Der ausführliche Vergleich mit anderen reformatorischen Schriften – Ursinus’ Explicatio, der Apologie der CA, den Schmalkaldischen Artikeln, Melanchthons Loci, Calvins Institutio, dem Genfer Catechismus und sogar Thomas von Aquins Summa dient wie so oft nicht der Klärung historischer Abhängigkeiten, sondern der Feststellung einer sachlichen Profilierung im reformatorischen Grundanliegen.
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anschaulich ist“, darunter fassen und so auch „das Christentum als historische Erscheinung“ darin einschließen (40r).80 Die Fragen 6–8 bezeichnet Barth als das „eigentliche Hauptstück der Anthropologie des HK“ (40r). Barth geht apologetisch vor: Statt den positiven Sinn der Aussagen des HK aufzuzeigen, entwickelt er ihn von der Entkräftung der gegen den HK vorgebrachten Einwände her. Auch wenn der HK die anthropologische Grundfrage, ob „der uns bekannte Mensch an sich gut ist oder nicht [. . . ] mit einem glatten Nein“ beantwortet: Gegen diejenigen, die darin eine „übertrieben“ pessimistische Anthropologie wittern, wendet Barth ein, es handle sich um die Grundentscheidung, ob man bei der menschlichen Erfahrung oder beim „Apriori aller Erfahrung“, Gott als dem Gegenüber des Menschen einsetzen wolle (41vr).81 Von Gott her aber gehe es nicht um eine pessimistische, sondern um eine kritische Stellung zum Menschen. Wolle man diesen Ansatzpunkt nicht teilen, müsse man folgerichtig aber „die Aussagen des HK nicht nur für übertrieben, sondern für grundsätzlich verkehrt halten.“ (41r) Teile man ihn hingegen, müsse man einsehen, dass diese Sätze noch „nicht einmal besonders schroff formuliert“ seien (41v). Die ebenfalls vorgebrachte Kritik, diese anthropologische Theorie sei „weltfremd“, bejaht Barth als richtig und wendet sie positiv im Sinne eines kritischen Potentials: „Eine Theorie, die nicht weltfremd wäre, d.h. die sich ungefähr decken würde mit der Oberflächenerfahrung des Lebens, hat den Verdacht gegen sich, ein solches System zu sein“, das eben an der Oberfläche bleibe (41r).82 Barth baut hier also eine theologische Distanz zur reinen Identifizierung mit der Welt ein: Um der Wahrheit willen gelte es, weltfremd zu sein. Aus der Perspektive der Entgegensetzung von (oder zumindest des unüberbrückbaren Unterschieds zwischen) Gott und dem Menschen ist dies durchaus konsequent. Die scheinbare Geringschätzung des Menschen in dieser Anthropologie rückt Barth mit der ebenfalls ausgeführten Rede von der Gottebenbildlichkeit zurecht, indem er sie perspektiviert: „Wer den Menschen so tief fallen sieht, der hat ihn auch ganz hoch oben stehen sehen. Wer so strenge Anforderungen an ihn stellt, hat einen ganz hohen Begriff von ihm.“ (42r) Wirkliche Pessimisten hingegen verrieten sich durch bescheidene Ansprüche an den Menschen, seien also gerade diejenigen, die den Menschen theologisch in Schutz nehmen. Ein aufgrund der Gottebenbildlichkeit formuliertes, theologisch optimistisches Menschenbild müsse hingegen folgern: „Der Mensch ist unentschuldbar.“ (43r) Den Fall interpretiert Barth dialektisch, indem er hervorhebt, dass „die Einheit zwischen ihm 80 Hier deutet sich Barths Religionskritik an, die die Gesamtheit des menschlichen Tuns Gott gegenüber (das christliche eingeschlossen!) unter den Begriff der „Religion“ fasst – und damit als „Unglaube“ verurteilt, vgl. Barth, UidcR, §7.3; ders., CD, §18; ders., KD I/2, §17. Wie schon mehrfach verweist Barth hier auf seine Ausführungen zu Röm 7. 81 Wo man Barth eine pessimistische Anthropologie vorwirft, kann er darum später mit HK 5 antworten (so z.B. ders., Polemisches Nachwort (Stellungnahme zu W. Bruhn, Vom Gott im Menschen) [1926/27]). 82 Als Beispiele solcher gelungener Weltfremdheit führt Barth übrigens nicht Calvin, sondern Luther, Melanchthon und Thomas von Aquin an (41r–42v).
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[dem Menschen] und Gott gerade darin bestand, daß die Unterschiedenheit beider nicht in Frage gestellt wurde.“ (44v) Die Tragik des Sündenfalls bestehe darin: „Wer sein will wie Gott, der scheidet sich eben dadurch von Gott.“ (44v) Nicht nur zieht Barth keine scharfe Grenze zwischen einem natürlich-geschöpflichen Dasein und dem Dasein des Menschen unter der Sünde, sondern setzt hier sogar beides gleich: „An der Sündigkeit des Menschen darf nichts abgemildert werden, weil sie gleichbedeutend mit seiner Kreatürlichkeit [ist], an seiner Kreatürlichkeit darum nichts, weil an ihr die Erkenntnis Gottes hängt, an der Erkenntnis Gottes darum nichts, weil unser Heil daran hängt“ (45r). Hier schlägt auch der erwähnte „Intellektualismus“ wieder durch. Barth wehrt sich allerdings gegen eine „mythologische“ oder sexuell-biologische Interpretation der Erbsündenlehre, mit der der Einzelne sich entschuldigen könnte. Demgegenüber hält er an der persönlichen Schuld jedes Menschen fest: „Jeder ist das Ganze“, in jedem Einzelnen vollziehe sich der Sündenfall (45v). Gerade so sei der Mensch aber in die Verantwortung gestellt – darum gehe es bei diesen Sätzen, und nicht um Pessimismus, Determinismus oder Passivität (46vr). Diese „kritische“ Anthropologie wendet Barth nun wiederum auf die Ebene der Frage nach der Möglichkeit von Dogmatik: Wenn die Dogmatik eine solche kritische Anthropologie aufstelle, nach der der Mensch sich nicht selbst rechtfertigen könne, sondern ganz und gar auf Gott angewiesen sei, gelte dies ebenso für die menschlichen Denkbemühungen. Für die Theologie bedeute das, dass sie sich selbst damit eine innere Grenze setzt bzw. gesetzt sehe: Darüber geht sie als Dogmatik freilich in die Brüche – Aber das schadet nichts. Eine Dogmatik, die nicht durch ihre eigene Brüchigkeit Zeugnis gibt von ihrem Gegenstand, ist eine schlechte Dogmatik. Hüten Sie sich vor den tadellosen Lehrgebäuden, bei denen alles klappt. Es darf auf unserer Seite nicht klappen, wenn von Gott die Rede sein soll. (48v)
Die von Barth entwickelte hyperkritische Dogmatik zeigt sich hier interessanterweise nicht als Konsequenz seiner Christologie oder seiner Gotteslehre, sondern seiner Anthropologie. Die conditio humana als totus peccator verunmöglicht jede Theologie, die ihrem Namen gerecht werden könnte. Die einzige dieser Einsicht angemessene theologische Denkbewegung kann darum die kritische sein, die sich selbst aufhebt und destruiert. Im HK müsse man aber leider, so Barth, bereits ein gewisses Bemühen feststellen, die heilsame Inkonsequenz der einzelnen Sätze statt auf-, vielmehr zuzudecken. Ursinus jedenfalls ist, wie seine Explicatio zeigt, bereits auf vollem Weg gewesen, aus den Felsblöcken der göttlichen Unmöglichkeiten, die dem Menschen in den Weg geworfen sind, wieder ein wohlgerundetes Haus menschlicher Wahrheit zu bauen. (48r)83
Bewegung statt festes Ergebnis, offene Aporie statt systematische Schließung ist Barths theologische Präferenz. Die Problematik von Frage 9, die rational Gottes gute Schöpfung mit deren Fall nicht vereinbaren könne, beurteilt Barth als Bei83 Diese Tendenz sieht Barth aber nicht nur im HK am Werk, sondern unterstellt selbst dem hochgeschätzten Calvin solche Bemühungen, hält aber fest: „Den Widerspruch [. . . ] zu beseitigen ist auch Calvin zum Glück nicht gelungen“ (48r).
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spiel der in die Dogmatik konsequent eingezeichneten Ambivalenz, indem sich hier „dieses gelingende Misslingen der reformatorischen Dogmatik ganz besonders deutlich“ zeige (48v). Auch in seiner Lektüre ist es Barth wichtiger, stehende Interpretationen aller Wertungen aufzubrechen, und insofern relativ konsequent zu gegenläufigen Ergebnissen zu kommen, als die Frage, ob die resultierende Wertung des Textes positiv oder negativ ausfällt. Schließlich geht es ihm, wie gezeigt, nicht um den Text als Text, sondern um die aufgrund der menschlichen Sündhaftigkeit stets aufs Neue notwendige Destruktion der Theologie, die auch an diesem Text sowie an seiner Rezeption zur Anwendung kommen muss. Die heftigen Aussagen über Gottes Zorn in den als „ausgesprochen reformiert“ wahrgenommenen Fragen 10–11 interpretiert Barth einerseits in ihrer Radikalität als durch den „Geist des AT“ geprägt, wie es alle gute reformierte Theologie sei, andererseits in ihrer Schroffheit als lebendiges Denken: Hier zeige sich, „daß Calvin und auch die Verfasser des HK noch keine Fellachen84 gewesen sind“ (49r). Als dritte, innertextliche Plausibilisierung bietet Barth an: Die Fragen 10–11 bereiteten die Fragen 12–21 vor und seien rückwärts von diesen her zu interpretieren. Zwar sehe man, dass sie „gewiß auch systematische Kunst“ enthielten. Die vorher geäußerte Kritik gegen allzu glatte Systematisierungen nimmt Barth nun teilweise zurück: „Aber das ist kein ernstlicher Einwand dagegen. Diese Systematik könnte ja auch der Systematik der Sache entsprechen.“ (50v) Das Liebäugeln mit Aporie und Brüchigkeit theologischer Aussagen ist also kein Plädoyer für ein methodisch unkontrolliertes Anything goes. Nicht Systematisierung an sich lehnt Barth ab, sondern Systematisierung um jeden Preis, Systematisierung als Harmonisierung der Differenzen und Systematisierung, die ihre eigene Fragilität zu verbergen sucht. Hier jedenfalls lobt Barth die Systematik des HK in höchsten Tönen: Nein, so redet tiefe Einsicht in den Zusammenhang der Sache und wenn sich die Heidelberger ebenfalls auf den Boden dieser Einsicht gestellt haben, so hat dies vielleicht der Handlichkeit und praktischen Brauchbarkeit des Katechismus Eintrag getan; es ist aber nicht zu verkennen, daß sie sich auch theologisch betrachtet nicht die schlechteste Anordnung gewählt haben. Gute Arbeit liefert eine Theologie dann, wenn sie wirklich Theo-Logie ist [. . . ] Solche gute Arbeit liefert uns der HK. (50r)
So kommt Barth zu dem Schluss, dass die schwierigen Aussagen von Frage 10 „in der Sprach- und Begriffswelt jener Zeit außerordentlich gut gesagt sind, daß das Ziel, dem Menschen den Atem zu nehmen, damit er endlich schweige, um Gott reden zu hören, hier außerordentlich gut erreicht wurde.“ (50r) Barth bleibt komplementär konsequent: Lehnte er das Lob seiner Väter und Zeitgenossen auf den HK als falsche Wertschätzung eigentlicher Schwächen ab, schätzt er seinerseits ausgerechnet diejenigen Stellen, die der Moderne unzumutbar und geradezu inhuman erscheinen.
84 Der von Barth eingangs zitierte und damals viel diskutierte Spengler, Untergang des Abendlandes, entwirft in seiner Geschichtsphilosophie eine idealtypische Entwicklung, in der auf die Blütezeit einer Kultur ihr Verfall folgt, dessen letzte Stufe die Geschichts- und Formlosigkeit des „Fellachentums“ ist.
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2.2.7 „Dialektische Aufräumarbeit“. Anselms Satisfaktionslehre in Fragen 12–18 Mit der Feststellung, die Heidelberger hätten in diesen Fragen bereits „den Weg gebahnt zu dem großen christlichen Positiven“, das Barth aber wie erläutert pneumatologisch qualifiziert, ist der Übergang zum 2. Teil des HK vollzogen: Nun stünde man „mitten in der anselmschen Satisfaktionstheorie“ (50v). Die Fragen 12–18, die wohl den größten Anstoß am HK böten, verteidigt Barth: Sie wählten inhaltlich den richtigen – nämlich christologischen – Ansatzpunkt. Die Art der Durchführung dürfe man nicht „hölzern“ oder gar „barbarisch“ nennen, solange man nicht konstruktiv einen besseren Weg vorschlagen könne (52v). „Sehr gut“ sei am HK „die Absicht, von Christus so zu reden, daß es deutlich wird: die Antwort Gottes an den Menschen ist immer und in Christus erst recht [. . . ] eine Antwort aus der Mitte“ (52v). Nur wer den HK hierin überbieten könne, dürfe ihn tadeln. Barth geht in seiner Würdigung so weit, einzuräumen, dass die Verfasser in diesen Fragen „einen guten Teil des Verhänglichen und Bedenklichen, des Psychologisierenden, das uns in Frage 1 und 2 sowie 3 aufgefallen ist, wieder aufgehoben und gutgemacht“ hätten (52r). Der HK begrenzt also nach Barth sein eigenes problematisches Potential. „Catechismus sui ipsius interpres“, könnte man wieder sagen: Die hellen Stellen des HK setzen für Barth die dunkleren ins rechte Licht. Der „Rationalismus“, der in diesen Fragen zutage trete, sei kein materialer, sondern ein formaler, und müsse unbedingt als „theologische Tugend“ betrachtet werden, die das Ziel habe, „mit den Wundern Gottes nicht willkürlich“ umzugehen, sondern „vielmehr mit offenen Karten [zu] spielen“ (52r). Dieses „scheinbar so frostige Bemühen um die Problemstellung“ sei das einzig wahrhaftig „fromme Tun“ in der Theologie, um das der HK sich „mit Ehre“ bemühe (53v). Die negativen Urteile seiner Zeitgenossen über diese Fragen teilt Barth offenbar ebensowenig wie die positiven zu den Fragen 1–3.85 Brieflich hält er fest, die anselmsche Satisfaktionstheorie im HK sei „wahrscheinlich in ihrer Art doch ganz gut und so auch die seltsame a priori konstruierte Christologie in Fragen 15–17. Man muß das alles als dialektische Aufräumarbeit würdigen“.86 Barth bringt die scholastische Satisfaktionslehre im HK gegen die moderne Theologie in Stellung, indem er seine zuvor auf die Geschichte angewandte Gleichnistheorie nun auf die dogmatische Metaphorik Anselm von Canterburys ausdehnt: Er hält fest, dass dessen „Bilder von Strafe und Bezahlung [. . . ] eben Bilder sind“, die der germanischen Rechtslehre entlehnt sind, und nicht die Sache selbst. Dieses Bild aber erfülle durchaus „an seinem Platz und innerhalb seiner Schranken seinen Zweck“, denn es zeige eindrücklich, dass alles, was der Mensch – insbesondere im Bereich 85 Lang attestiert den Fragen 12–18 „einen übel konstruierenden und rein theologisierenden Charakter“ und befindet: „daher gehört diese Partie zweifellos zu den schwächsten im ganzen Heidelberger“ (Lang [Hg.], Der HK und vier verwandte Katechismen, LXXXIX). Vor ihm hatte Bretschneider, Unzulässigkeit des Symbolzwangs, den HK wegen seiner anselmschen Satisfaktionslehre vollständig abgelehnt. 86 Barth an Thurneysen am 11.02.1922, in: Barth/Thurneysen, BwTh II, 36.
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von Religion und Moral – tue, nicht geeignet sei, seine Bedrängnis aufzuheben, sondern sie nur noch zu vergrößern (54v). Wenn die moderne Theologie, in der Meinung, das Bild zu kritisieren, „in Wirklichkeit gegen die Sache“ angehe, sehe sie wohl durch Anselm tatsächlich „mit Recht ihr Fundament in Frage gestellt.“ (54r) Barth jedenfalls stellt sich gegen sie auf die Seite Anselms bei aller Freiheit gegenüber den zugegebenen Schwächen des verwendeten Bildes in Einigkeit mit der darin zum Ausdruck gebrachten Kritik an jeder Möglichkeit kreatürlicher Selbsterlösung (54r).87 Zwar löse sich auf menschlicher Seite das satisfactio aut poena in ein „poena est satisfactio“ auf, sei aber als solche eigentlich eine positive Möglichkeit: „die Möglichkeit der Genugtuung, der Bezahlung, der Wendung vom alten zum neuen Leben.“ (55r) Dennoch: „Für uns ist das wohl immer Drohung und nicht Verheißung, Gesetz und nicht Evangelium, Schande und nicht Trost.“ (55r) Die Fragen 13–14, die die Möglichkeit geschöpflicher Schuldbegleichung ausloten, dienen für Barth nur dem Zweck, „eine illegitime, unechte Lösung des Problems der menschlichen Lage zu erfinden“ und dadurch das Fehlen einer echten Lösung überdeutlich zu machen. Barth betrachtet diese Fragen als Ausleuchtung einer Sackgasse – und würdigt sie dafür, dass sie diese überdeutlich sichtbar machten. Das ist wohl unter der „dialektischen Aufräumarbeit“ zu verstehen, die Barth Thurneysen gegenüber angedeutet hatte. Hierzu müssten eben konsequent „alle Wege, die nicht Glaubenswege sind, zu Ende gegangen und die Aporien festgestellt“ werden (56v). So könnte eben nur – aber dies doch – „der Ort umschrieben werden [. . . ,] ein Umriß, ein Raum“ geschaffen werden, an dem dann Jesus Christus als des Menschen Erlösung auf den Plan treten könne (56v). Für diesen negativ als „Aufräumarbeit“ bezeichneten Prozess kann Barth auch positiv von „Geburtshelferarbeit“ sprechen: Die Geburt des Kindes gehöre zur „Wunderbarkeit des nur Tatsächlichen“, das nicht geschaffen, nur geglaubt und bezeugt werden könne (56r). Nach diesen Herleitungen ex negativo bilden die Fragen 18–21 mit ihrer Rede von der Zwei-Naturen-Lehre, dem Evangelium und dem Glauben für Barth die positive „Substanz des ganzen Katechismus“ (56v). Zwar sei es „die Meinung unseres Katechismus und mit ihr aller echten Theologie: Es ist möglich, den Menschen mit genügender Notwendigkeit dorthin zu führen, wo er die Wirklichkeit der Offenbarung sehen muß.“ (56r) Dennoch – dieser „Vorbehalt“ bleibe stets bestehen – könne diese Wirklichkeit selbst nicht von der Theologie hergestellt werden und so bestehe auch weiterhin unvermeidlich „durchaus die Möglichkeit, die hier entwickelten Gedanken als ein höchst menschliches Produkt oder ei87 Barth liest Anselm als Vertreter einer Gnadentheologie. In jüngerer Zeit wurde dieser gegen seinen schlechten Ruf rehabilitiert u.a. durch die Arbeiten von Greshake, Erlösung und Freiheit; Southern, Saint Anselm; Plasger, Die Not-Wendigkeit der Gerechtigkeit. Überhaupt scheint Barth sich bereits 1921/22 ausführlicher mit Anselm auseinandergesetzt zu haben, was sich nicht nur an seinem differenzierten und eigenständigen Urteil über dessen Theologie, sondern auch am Nachweis wörtlicher Anselm-Zitate im Text des HK zeigt. Busch hingegen meint, Barth sei erst „in Münster auf diesen Scholastiker gestoßen“ (Busch, Lebenslauf, 183, und im Anschluss an ihn viele).
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ne tiefste philosophische Konstruktion aufzufassen und zu verdächtigen.“ (56r) Wiederum gesteht Barth eine „schwache“ Interpretation des HK zu, die er aber bereits als notwendiges Element von Theologie methodisch integriert hat. Selbst die Zwei-Naturen-Lehre bleibe darum zunächst „eine negative Bestimmung“ des Mittlerbegriffs, durch die nur „der Ort der Erlösung“ angedeutet werden könne (57v). Ein Positives sei der Begriff des „wahren Menschen“, der hier eingeführt wird, insofern er kontrafaktisch den „wirklichen“, bekannten Menschen verneine und in Frage stelle, der hier als eben nicht-wahrer Mensch aufgedeckt würde. Analog ist auch der Begriff des „wahren Gottes“, inhaltlich bestimmt durch Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, „eine positive Bestimmung“ (58v). Wie ersteres das Hereintreten, so bezeichne letzteres „das Heraustreten der göttlichen Positivität in die menschliche Negativität, den Sinn der Menschwerdung Gottes.“ Die hier denknotwendigen absoluten Gegensätze könnten weder abgeschwächt noch aufgehoben werden: „Es ist klar, das ist das volle Paradox.“ (58v) Die Menschwerdung Gottes in Christus bildet für Barth zu diesem Zeitpunkt bereits das eindeutige Zentrum der Theologie, aber es ist ein formales und geradezu mathematisch abstraktes Zentrum: ein Punkt ohne Fläche, eine leere Mitte, eine notwendige Annahme – kein ausgeführter Inhalt. Es ist der Ort, von dem aus die gesamte Paradoxie, die alle weiteren christlichen Aussagen in sich aufnehmen soll und muss, gehalten wird. All dies sei zusammengedrängt „in diesen einen Punkt in der Christologie“ in Form von Frage 18 (58r). Barth warnt davor, man dürfe sie trotz „ihrer vermeintlichen historischen Positivität nur als mathematischen Punkt [würdigen], der, wie die ganz vortreffliche Frage 19 zeigt, keinerlei Fläche hat“.88 Barth scheut sich nicht, für die formale Charakterisierung dieses Punktes und der daraus erwachsenden Denkhaltung der Theologie ein – sicherlich ursprünglich nicht auf Christus bezogenes – Bild des chinesischen Philosophen Lao-Tse heranzuziehen: Die Wahrheit gleiche „einem Wagenrad, dessen unentbehrlichster Bestandteil in seiner ganzen Einfachheit das Loch in der Mitte sei, das zur Anbringung der Achse dient.“89 Dies sei aber ein Gleichnis für die Struktur der Theologie: „Auch die christlichen Gedanken über Gott, Welt und Mensch haben in der Mitte ein Loch. Dort hören sie auf oder dort fangen sie an, wie man will.“ (58r) Für ihren konsequenten Verweis auf diesen leeren, nur durch Christus selbst zu füllenden Ort in der Mitte kann Barth „die Fragen 18–21 die Substanz des ganzen Katechismus nennen“ (56v). Die gesamte Theologiegeschichte sei immer wieder der Versuch gewesen, dieses Loch zu füllen – und davor müsse, auch wenn dies den (falschen!) Verdacht des Anti-Intellektualismus auf sich ziehe, gewarnt werden, da, „wenn dieses Loch nicht offen bleibt, unsere beste Arbeit vergeblich ist.“ (59v) In einer nur als Destruktion zu bezeichnenden Bewegung formuliert Barth seine Dialektik, keineswegs als negative Theologie – denn das hier bezeich-
88 Barth an Thurneysen am 11.02.1922, in: Barth/Thurneysen, BwTh II, 36f. 89 Diese Bild hatte Barth bereits in RömII verwendet, vgl. Barth, RömII, 349.
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nete göttliche Anders-Sein versteht er als ein höchst dynamisches und auch durch keine Negation einholbares Anderes.90 Die Stelle nicht mehr nur offen zu halten, sondern stattdessen beweisen zu wollen, dass Christus der Erlöser sei, sei „im Christentum der theologische Sündenfall [. . . ,] der Eintritt des Unglaubens in das christliche Denken“ (59r). Den Text des HK sieht Barth allerdings – im Unterschied zur Intention seiner Verfasser! – gerade noch innerhalb der Grenzen der Orthodoxie. Zwar kommt Barth hier auf die „Bedenken, die wir früher, bei Fragen 1 und 2 gegen die Orientierung des HK an den Bedürfnissen des Menschen erhoben haben“ zurück, räumt aber im Blick auf die christologische Entfaltung ähnlich wie dort ein: „In den Katechismus selbst ist der heimliche Rationalismus seines Hauptverfassers an dieser Stelle zum Glück nicht eingedrungen. Frage 18 ist reine Behauptung [. . . ]. Und so muß es sein“ (59r). Dem „Loch in der Mitte“ entspricht die fundamentale Grundlosigkeit der Theologie: „Beweisen und verteidigen, daß Jesus Christus der Mittler und Erlöser ist, das heißt tatsächlich ihn verraten.“ (60v) Jeder Versuch der rationalen Apologie oder Beweisführung setzt nach Barths Verständnis nämlich wieder ein menschliches Prinzip, eine menschliche Norm – die Vernunft, die Historie, die Logik usw. – über die Offenbarung Gottes in Christus und versteht diese von jener her und nach deren Regeln. Aber: „Das letzte Wort, daß mein Erlöser lebt, kann weder rational abgeleitet noch erlebnishaft sich selbst oder Anderen suggeriert werden.“ (60v) Aufgrund dieser stets naheliegenden Gefahr – ja, dieser im eigentlichen Sinne theologischen Versuchung! – des Verrats stellt für Barth auch die sich im HK sofort anschließende Frage 19 („Woher weißt du das?“) „eine Schicksalsfrage“ dar (60r). Mit Bewunderung stellt Barth fest, dass der HK nicht der Versuchung folgt, hier doch wieder menschliche Möglichkeiten einzusetzen, sondern schlicht auf das „Heilige Evangelium“ verweist. Aufgrund dieser „Verweigerung der direkten Mitteilung“ sei diese Stelle „als eine der besten im ganzen Katechismus zu begreifen“ (61v). Indem er dies aber mit der selbstkritischen Methode der Dogmatik verbindet, stellt Barth hier nicht ein irrational-fundamentalistisches, sondern ein systematisch-antifundamentalistisches Verständnis von Theologie auf. Für Barth ist dabei entscheidend, dass die Offenbarung des Evangeliums eben nicht an einem bestimmten Ort und einer bestimmten Zeit lokalisiert werde, sondern als „ewiges“ Evangelium, als „Offenbarung gar keinen bestimmten Ort und Zeit hat, gar kein geschichtliches Problem ist, keinen Querschnitt durch den Lauf der Zeit bildet, sondern vielmehr längsschnittartig durch die Zeiten hindurchgeht.“ (61v) Dies berührt wieder die Dialektik von Zeit und Ewigkeit, die das Konkret-Historische als Gleichnis des Ewigen liest. Wie speziell diese Konzeption Barths ist, zeigt die Kontroverse mit Friedrich Gogarten, die Barth in einem Brief an Thurneysen reflektiert. Gogarten stattete Barth im Februar 1922 einen Besuch in Göttingen ab und hörte bei dieser Gelegenheit auch dessen Vorlesung. Diese aber, so Barth, „schien ihm nicht recht zu konvenieren. Ob er sich ver90 Das Bild vom Loch in der Mitte steht allerdings in einer gewissen Spannung zu dem zuvor verwendeten vom Steine-in-den-Weg-Legen, s.o. S. 58.
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blüffen ließ durch meine spärlichen und bescheiden produzierten Melanchthon-, Calvin- und Ursinus-Kenntnisse? [. . . ] Genug, er sprach mich bereits als ‚Historiker‘ an“.91 Barths vorgenommene Beleuchtung der Kontexte des HK sowie die Kontrastierung mit seinen Vorläufern und Parallelen versteht Gogarten anscheinend als Historismus. Barths Begriff der „vermeintlichen historischen Positivität“ ist aber davon inspiriert, „wie gerade die alten Reformierten samthaft den Längsschnitt in der Geschichte gesehen und das das Evangelium genannt haben, was ab initio mundi usque ad ejus consummationem die seligmachende Wahrheit war.“92 Barth geht es nicht um die Geschichte, sondern um die in der Geschichte hervorleuchtende Berührung des Zeitlichen durch das Ewige: Das Festhalten an der geschichtlichen Wirklichkeit der Offenbarung steht neben der Behauptung, dass selbst noch der Begriff der Geschichte als „Gleichnis“ zu verstehen ist (26r). Daraus entwickelt sich offensichtlich eine eigenwillige Methode im Umgang mit Geschichte und geschichtlichen Texten. Der Meinung Gogartens, man müsse vor der Lektüre historischer Texte erst durch die Auseinandersetzung mit Troeltsch, Dilthey und anderen Theoretikern ein Konzept von Geschichte entwickeln, hielt Barth entgegen, es verhielte sich für ihn „genau umgekehrt. Ich wollte ‚Heidelberger‘ und Epheserbrief studieren und dann bei diesem Anlass begreifen, was ‚Geschichte‘ ist.“93 Die Dialektik von Geschichte und Ewigkeit bindet Barth eng an das Verhältnis von Neuem und Altem Testament. In Bezug auf die Wahrheit hätten die Christen „im Wesentlichen nicht mehr als die alttestamentlichen Frommen“ (61r). In ihrem dialektischen Verhältnis zur Ewigkeit kommt der Geschichtlichkeit keine einlinige Fortschrittsrichtung mehr zu. Dass tatsächliche Unterschiede der Situation vor und nach der historischen Erscheinung Jesu Christi von Calvin oder Ursinus in Form von Komparativen artikuliert würden, beweise „unwiderleglich, daß der Verfasser einen grundsätzlichen Unterschied der beiden Testamente tatsächlich nicht gekannt hat“, sondern nur „relative Unterschiede“ (62vr). Zwar gebe das AT nur Verheißungen, rede „in Bildern und Schatten“, vertrete ein „Gesetz des Buchstabens“, behalte „das Verhältnis von Herr und Knecht“ bei – doch in all dem sei die Sache, der Inhalt: Jesus Christus derselbe. Der einzige möglicherweise festzuhaltende Unterschied bestehe zwischen der alttestamentlichen Beschränkung auf das Volk Israel und der neutestamentlich vollzogenen universalen Ausweitung der Botschaft. Doch auch hierin sei nur „das von Gott gesetzte discrimen die Widerlegung aller menschlichen discrimina, das wesentliche Kriterium die Beseitigung aller unwesentlichen.“ (62r) Barth nimmt also eine Differenzierung der Differenzen vor, indem er fordert, den Unterschied der Zeiten (und Testamente) nicht überzubewerten – man könne ihn gar umkehren, wenn man eingestehe, „die historische Erscheinung Christi hat diese Lage keinesfalls gemildert; sie hat sie auf ihren 91 Barth an Thurneysen am 26.02.1922, in: Barth/Thurneysen, BwTh II, 46. 92 Barth an Thurneysen am 11.02.1922, in: a. a. O., 37. 93 Barth, Gespräche, 118. Im Übrigen deutet sich auch hier die hermeneutische Parallelisierung von Schrift und Traditionstexten an, die es im Folgenden weiter zu beobachten gilt.
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letzten grundsätzlichen Ausdruck gebracht, sie hat sie eher höchstens verschärft“ (63v). Die einzelnen Unterschiede zwischen AT und NT, zwischen Judentum und Christentum, zwischen damals und heute relativierten sich selbst durch den in ihnen angezeigten Unterschied zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen, der sie als Unterschiede zugleich begründe und aufhebe. Eine Überlegenheit des Christentums über das Judentum und auch eine Privilegierung des NT lehnt Barth damit entschieden ab. Insofern das Judentum sich der durch Gott gesetzten Begrenzung bewusster sei als das Christentum, sei es dessen Hybris sogar überlegen (63v).94 Seine Methode dogmatischer Selbstrelativierung versteht Barth nicht nur in Kontinuität zur reformierten, sondern insbesondere zur alttestamentlichen Theologie und damit zum jüdischen Erbe des Christentums. Selbst in Bezug auf die gern subjektivistisch interpretierten Topoi des HK betont Barth das extra nos vehement. Auch der in Frage 20 positiv verheißene Glaube sei „wahrhaftig nicht weniger unbegreiflich, geheimnisvoll, grundlos und unzugänglich als Gott selbst“, sicherlich jedenfalls keine menschliche Möglichkeit (63r). Dem hier eingetragenen Prädestinationsgedanken stimmt Barth zu, wenn er interpretiert, er sei „nur die vielleicht nicht sehr glückliche Fassung“ dieser richtigen Einsicht (64v). Obwohl auch dieser Glaube extra nos begründet sei, gehe er dennoch den Menschen im Inneren an: „Gewiß, die Erkenntnis Gottes muß von Gott kommen und darin ist sie das Objektive, aber sie muß von Gott kommen und darin ist sie das Subjektive.“ (64r) Auch die Heilige Schrift sei nicht an und für sich heilig, sondern nur, indem durch sie Gott zum Menschen rede – zur äußeren Objektivität der Offenbarung müsse also das testimonium internum des Geistes kommen. Selbst die reformatorische Inspirationslehre stelle dies nicht in Frage, sondern richte sich gerade gegen die falsche Objektivierung des extra nos auf die Kirche als Heilsmittlerin. Das die Autorität der Kirche erst begründende Kriterium sei „die Antwort der Bibel“ (65v). Darin liege auch die Kritik der falschen Subjektivierung, die das extra nos zugunsten der Internalisierung in die menschliche ratio vollständig aufgebe. Der Appell an die Autorität der Schrift zeige die „kritische Bedeutung“ des Glaubensbegriffs: Indem er es ist, der den Menschen in den Leib Christi hineinstellt, sei letztlich Gott, der Heilige Geist Subjekt und Autorität des Glaubens.95 2.2.8 Fragen 22–129 im „Gewaltmarsch“ Am 24.02.1922 ist Barth trotz großer Lücken im Stoff gezwungen, das Semesterende einzuleiten: „Wir nehmen heute Abschied von unserem Heidelberger Katechismus mit einem Ausblick auf das große Gebiet der 108 weiteren Fragen und Antworten, die heute am Schluß des Semesters leider noch unerforscht vor uns liegen.“ (68v) Die bisher behandelten Fragen 1–21 bildeten ja „eigentlich nur die 94 Barth bringt das – nicht ganz unproblematisch – wie folgt auf den Punkt: „Frommes Judentum ist besser als eingebildetes Christentum“ (ebd.). 95 66v, kursiv HR.
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Einleitung“, formuliert Barth jetzt (68v). Dieses Urteil überrascht, hatte er doch mehrfach bereits von der „Substanz“, dem „eigentlichen“ oder dem „interessantesten“ Teil des HK gesprochen – und mit diesen Fragen nicht zuletzt so viel Zeit zugebracht. Dass die Auslegung im Ansatz stehen bleibt, mag man auf Barths Unerfahrenheit im Unterrichten oder seine allgemeine Tendenz zur Weitschweifigkeit zurückführen. Auch wenn keine intendierte Programmatik in die Rumpfhaftigkeit der Vorlesung hineingelesen werden soll, steht sie dennoch auch in inhaltlicher Kontinuität zu dem von Barth anhand dieser „einleitenden“ Fragen entfalteten theologischen Programm: Theologie als „dialektische Aufräumarbeit“ wird sich nicht daran machen, selbst das Feld zu bestellen, sondern nur die gröbsten Missverständnisse aus dem Weg zu räumen; Theologie als Suche nach der Wiedergewinnung des „Loches“ in der Mitte bemüht sich nicht darum, den Raum auszufüllen, sondern ihn freizulegen und auf ihn hinzuweisen. Theologie als sich ihrer eigenen Grenzen bewusste menschliche Möglichkeit wird nicht ein abgeschlossenes und vollständiges System entwickeln, sondern gerade in der Darstellung ihrer nicht nur behaupteten, sondern auch vollzogenen Unvollständigkeit und Fragmentarität bestehen. Auch in diesem Sinne konsequent, könnte man folgern, verharrt Barths Vorlesung bei der rezeptionsgeschichtlichen Hinführung und der Einleitung und schreitet nicht zur Entfaltung der „Hauptstücke“ fort (68v). Statt von Christus selbst zu sprechen und zur Gotteslehre und der Soteriologie vorzustoßen, beschäftigt Barth sich mit der Auslegung der Ambivalenz und Aporie des Menschen (aber auch dem Trost und der Hoffnung für ihn). In diesem Sinne vollzieht sich seine Theologie bereits hier in Prolegomena. Nur streiflichtartig und zusammengefasst in Gruppen durchläuft Barth in der letzten Sitzung die Fragen 22–129.96 Er beschränkt sich hauptsächlich auf die Aufzählung von Problemanzeigen.97 Da bei diesem Gewaltmarsch nur noch wenig inhaltliche Auseinandersetzung mit den Fragen erfolgt, hebe ich im einzelnen nur zwei Punkte heraus, die im Folgenden von Relevanz sein werden: Barths Erstbegegnung mit der Lehre vom dreifachen Amt und sein Verhältnis zum Konfessionellen. Frage 31 zur christologischen munus-triplex-Lehre („Warum wird er Christus, das heißt ‚Gesalbter‘ genannt?“) weckt Barths Aufmerksamkeit 1922 nicht übermäßig. Nur beiläufig hält er milde und geringschätzig fest, sie entwickle diese „in etwas konventioneller Weise“ – mehr Worte hat er nicht für sie übrig. In Frage 32 hingegen („Warum bist du ein Christ genannt?“) und insbesondere ihrer Antwort spüre man „unwillkürlich den frischen Luftzug des spezifischen Interesses“ 96 Barth räumt kleinlaut ein: „Von Vollständigkeit und Gründlichkeit kann dabei natürlich nicht mehr die Rede sein.“ (68v) Im Brief an Thurneysen klingt dennoch eine Mischung aus Erleichterung und einem gewissen siegreichen Stolz durch: „Und nun ist das Semester wirklich aus. Ich habe meine Lehrziele je in der letzten Stunde mit einem Gewaltmarsch erreicht, trage nun die betreffenden Bücher auf die Bibliothek zurück“ (Barth an Thurneysen am 26.02.1922, in: Barth/Thurneysen, BwTh II, 53). 97 So etwa bei Frage 25, die Barth als „entschieden keine Lösung“ des trinitätstheologischen Problems ablehnt, ähnlich polemisch behandelt er die Fragen 27f, 43, 45, 52, 82–85.
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der Verfasser (68r). Die Teilhabe an Christus und seiner Salbung gliedert Barth etwas anders als der HK: „Bekenntnis seines Namens, das Leben im Dankopfer durch Streit wider Sünde und Teufel mit seinem Gewissen, ewiges Herrschen mit ihm über alle Creaturen“. Während der HK das Bekennen dem prophetischen, das Dankopfer dem priesterlichen und Streiten und Herrschen dem königlichen Amt zuordnet, verschiebt Barth das Streiten als Interpretation des Dankopfers ebenfalls ins Priesterliche. All diese Beschreibungen sind nach Barth „lauter calvinische Lieblingsgedanken“ (68r). Er belegt diese Feststellung nicht weiter, im Zusammenhang des Grundduktus der Vorlesung erscheint die Frage 32 so aber in einem äußerst positiven Licht. Barth hält es für diese Definition von Christsein für „bezeichnend, daß die ‚Vergebung der Sünden‘, die in einer lutherischen Darstellung sicher nicht hätte fehlen dürfen, in diesem Zusammenhang nicht erwähnt wird.“ Inhaltlich gehe es um „lauter aktive, aber der Welt gegenüber kritische Momente“, so dass Barth feststellt: „Es ist etwas von Gegenweltgeist, was aus dieser Frage 32 redet.“ (68r) Die theologisch eingeforderte Negation wird nicht als Passivität der Unmöglichkeit interpretiert, sondern vielmehr als kritische Aktivität hervorgehoben. Neben der problemorientierten Vorgehensweise fällt auf, dass beinahe alle Aussagen, die Barth in der verbleibenden Zeit anspricht, sich auf kontroverstheologische Momente beziehen.98 Fast durchgängig stellt er das calvinische Profil des HK gegen Luthertum und Katholizismus heraus und bekräftigt die relative Stärke dieser Position. So zeigt er sich als treuer Apologet der calvinischen Linie. Vielleicht erklärt dies auch, warum Barth an vielen Stellen die Prädestinationslehre einzeichnet, die im HK explizit kaum thematisch wird.99 Lediglich die Entfaltung des Schlüsselamtes als ein „Shibboleth des reformierten Christentums“ in Fragen 82–85 behandelt Barth weniger zustimmend. Nicht ein menschliches Amt, sondern allein das „Evangelium ist die Krise alles Menschlichen und seine Verkündigung ist eo ipso Kirchenzucht.“ Eine besondere Institutionalisierung darüber hinaus hält Barth für „[b]edenklich“, da er in ihr nur ein mangelndes Vertrauen in die „kritische Kraft“ der Evangeliumspredigt sehen kann (71r). Hier habe sich darum „die calvinische Energie [. . . ] entschieden zu weit vorgewagt“ (71v). 2.2.9 Ein entschiedenes „je nachdem“. Profilierung der Auslegung Ein Semester lang hat Barth sich intensiv mit dem HK auseinandergesetzt – obwohl man kritisch geltend machen könnte, er habe weniger eine Interpretation des Textes angeboten, als vielmehr sein eigenes Grundprogramm einer fundamentalen Problematisierung der theologischen Methode am Beispiel des HK inszeniert. 98 So etwa die Vorsehungslehre in Fragen 27–28, das Extra-Calvinisticum in Fragen 46–56, das Kirchenverständnis in Frage 55, die Sakramentenlehre in Fragen 65–68, 69–74 und 75–81 sowie die Kirchenzucht in Fragen 82–85 (68r–71r). 99 So immer wieder 42r–46r in Bezug auf Fragen 6–8, 60r in Bezug auf Frage 18, 63r–64v in Bezug auf Frage 20, 69r in Bezug auf Frage 54.
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So oder so entwickelt Barth dabei aber ein Verhältnis zu diesem Text. Anfänglich recht pauschal klingende Äußerungen des Widerwillens und der Geringschätzung weichen im Laufe der Zeit differenzierteren Urteile und Selbstkorrekturen. Insgesamt bleibt der HK für Barth nach dieser ersten Lektüre ambivalent: Zwar lehnt er ihn nicht rundweg ab, findet ihn aber vom Grundansatz her immer wieder theologisch missverständlich und sieht sich durch die Interpretationsgeschichte hierin bestätigt. Er beschwert sich in erster Linie über das sich ihm darbietende „doppelte Gesicht“ des HK: Er könne zu leicht lutherisch interpretiert werden.Die irenischen Tendenzen gefährden für Barth die Erkenntnisse der Reformation, die gewonnene Ruhe deren unruhiges Bewegtsein. Neben die überzeugte Ablehnung treten aber ebenso überzeugte Zustimmungen, ermöglicht durch Barths kurvenreiche theologische Hermeneutik. So interpretiert er etwa Frage 1 durch die Antwort des HK selbst um – und lässt diesen damit doch das letzte Wort behalten. „Catechismus sui ipsius interpres“ hatte ich sein Verfahren in Anlehnung an Luthers Hermeneutik genannt. Aspekte einer solchen Hermeneutik lassen sich sowohl im Rückwärts-Lesen bestimmter Passagen und der Auslegung einzelner Fragen durch andere Fragen feststellen als auch in Barths skrupulös-kreisender Methode, die immer wieder zu bereits gewonnenen Einsichten zurückkehrt, sie noch einmal problematisiert, noch einmal in Frage stellt und verschiebt. Diese Hermeneutik ist aber kein Verfahren rein textimmanenter Kohärenzbildung. Sie speist sich aus Barths Entscheidung, den Text als Zeugnis zu lesen, oder, wie Barth mit Goethe formuliert: „Gleichnis“ für das Ewige. Dieses Verständnis macht einerseits die konkreten Bezüge des Textes – intern und auf seine historische Situation sowie auf andere „Textzeugen“, z.B. verwandte Katechismen – höchst wichtig und aussagekräftig, aber nicht an und für sich selbst, sondern nur insofern sie als solch ein Gleichnis lesbar sind. Immer wieder beleuchtet Barth die Quellen, die angenommenen Intentionen der Verfasser und historisch parallele Entwürfe, ohne dass diese selbst zum entscheidenden Kriterium des Verständnisses würden. Sie dienen eher der theologischen Profilierung als der Historisierung. Diese Hermeneutik der Gleichzeitigkeit100 ist nicht historisch, sondern systematisch bestimmt und dient dazu, in und durch die historische Kritik hindurch zur Unbedingtheit der ‚Sache‘ vorzustoßen. Diese ist für Barth selbst nicht historisch ableitbar, sondern bildet vielmehr eine unverzichtbare theologische Voraus-Setzung, die extern und entzogen bleibt und an der sich umgekehrt die Historie zu messen hat. Der Text ist für ihn durchaus nicht festgelegt auf die Intention der Verfasser, sondern lässt sich jederzeit unabhängig von ihr und auch gegen sie lesen, wo dies „sachgemäßer“ ist. Dies ist aber nach Barths Selbstverständnis keineswegs eine Türöffnung für eine interpretatorische Beliebigkeit oder eine „anti-intellektualistische“ Lektüre. Der „Intellektualismus“ eines formalen Rationalismus, der stete Versuch, das Gesagte systematisch, nicht antisystematisch zu verantworten, das eigene Vorgehen transparent zu ma100Der Ausdruck wurde von Jüngel, Barth-Studien, 85 in Bezug auf RömII geprägt, legt sich aber auch hier aufgrund von Barths eigener Begrifflichkeit nahe.
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chen, wird gerade um des Respekts vor der Größe der Sache willen von ihm immer wieder eingefordert, ist aber nach- und nicht vor-gängig. Dass er seinen Umgang mit dem Text selbst als „Exegese“ versteht, zeigt, dass Barth die in der Auseinandersetzung mit dem Römerbrief gewonnene Methode und Praxis hier auf einen nicht-biblischen Text anwendet. Programmatisch gesprochen, könnte man Barths theologische Denkbewegung als „konsequente Auslegung“ bezeichnen.101 Die Unableitbarkeit der ‚Sache‘, die bereits zu diesem Zeitpunkt für Barth den Namen Jesus Christus trägt und inhaltlich stark mit dem Kreuz – stärker noch als mit der Auferstehung – verbunden ist, führt dazu, dass die Aufgabe der systematisch-theologischen Rede größtenteils als eine negativ-kritische begriffen wird. Nur als solche, als solche aber kann sie tatsächlich zur Sache führen, ohne damit selbst die Sache zu produzieren, zu verwalten oder über sie zu verfügen. Die „Verweigerung der direkten Mitteilung“ ist dabei mehr als eine rhetorische Masche (61v). Den Raum zu füllen, positiv sprechen zu wollen, bezeichnet Barth explizit als den theologischen „Sündenfall“. Die eigentliche Aufgabe könne demgegenüber nur in der „dialektischen Aufräumarbeit“ bestehen, den Raum immer wieder freizumachen für den Blick auf Christus, und alles, was diesen verstellen könnte, durch Kritik aus dem Weg zu räumen. Auch die geradezu neurotisch wiederholten methodischen Reflexionen Barths und sein offensichtlicher Vorbehalt, demgegenüber zu „positiven“ Aussagen vorzustoßen, muss nicht als bloße akademische Eitelkeit ausgelegt werden, sondern ergibt sich auch als Konsequenz der Erkenntnis von der Unmöglichkeit der theologischen Aufgabe: Das immer wieder die Rede unterbrechende, konterkarierende und hinterfragende Moment Barths schreibt diese theologische – und theologisch auszusagende – Aporie von NichtReden-Können und gleichzeitigem Aber-Reden-Müssen in das eigene Vorgehen ein. Immer wieder neuangesetzte methodische Überlegungen und Meta-Schleifen zur Unmöglichkeit der Theologie verhindern Barths Vorankommen im Text. Inzwischen ist deutlich, dass eine lineare Abkürzung von Barths Argumentation ihm nicht gerecht wird, weil sie die entscheidende Pointe verfehlt: Es geht ihm nicht darum, zu festen Aussagen zu gelangen, sondern darum, die Probleme in Bewegung zu setzen und ihre Verfestigung zu verhindern. Die Schleifen sind zentral für sein Vorgehen und ergeben ein skrupulöses Gesamtbild, das die theoretische Einsicht in die Unmöglichkeit theologischen Redens in eine dem entsprechende Performanz übersetzt.102 Diese meist in Begriffen der Negation gefasste Aufgabe kann Barth aber durchaus auch anders beschreiben, etwa mit dem Bild der ‚Geburtshelferarbeit‘. Gleichzeitig bleibt er jeder Position gegenüber sehr vorsichtig, insofern sie stets in Gefahr steht, den Raum zu füllen, den es zu leeren galt. Im Sinne dieser Aufräumarbeit ist auch sein Bemühen zu verstehen, die Textlektüre und den homiletischen und 101 Zur Anwendung dieses Begriffs auf Barth vgl. Welker, Barth und Hegel. Zur Erkenntnis eines methodischen Verfahrens bei Barth. 102 Vgl. auch Allen, Karl Barth’s Church Dogmatics, 12, der anmerkt: „Barth tends to argue in a somewhat circular manner.“ Dies trifft unbestritten auch hier zu.
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katechetischen Umgang mit dem Text, wie er mehrfach sagt, zu erschweren. Sein Vorbehalt gilt glatter Sinngebung ebenso wie der Erbaulichkeit, Anschaulichkeit und pädagogischen Eingängigkeit, die für Barth zwar nicht an sich abzulehnen sind, aber stets verdächtig sind, nicht der Sache, sondern dem menschlichen Bedürfnis zu entspringen. Gleichzeitig geht es Barths Kritik nicht um Selbst-Durchsetzung gegen den Text, sondern um Auseinandersetzung mit dem Text. Barth zeigt allerdings eine gewisse Tendenz, den advocatus diaboli zu spielen, wenn er in Kritik wie im Lob jeweils dem Urteil seiner Zeitgenossen widerspricht. Barths Lektüre ist dabei in gewisser Weise stark leser- bzw. rezeptionsästhetisch orientiert, indem er seine eigene Rolle und Situation im Interpretationsvorgang nicht ausblendet oder methodisch minimiert, sondern als konstitutiven Pol der Auseinandersetzung aufbaut. Trotz und in seiner immens kritischen Haltung ist er dem Text gegenüber vor allem bemüht, in ihm – auch gegen dessen Willen! – einen Verbündeten zu gewinnen. In einer strategischen Lektüre findet Barth Wege, dem HK zuzustimmen, indem er ihn sich gewissermaßen an-interpretiert. So ist Barth stets bereit, dem Text ebenfalls eine Haltung „dialektischer Aufräumarbeit“ zu unterstellen und ihn auch über seine historische Intention hinaus neu zum Gleichnis werden zu lassen.103 In Bezug auf seine Schriftexegese hat Barth sein Vorgehen in der Göttinger Zeit einmal wie folgt formuliert: Der Ausleger steht vor dem Entweder-Oder, ob er sich, selber wissend, um was es geht, in ein Treueverhältnis zu seinem Autor begeben, ihn mit der Hypothese lesen will, dass auch er, mit mehr oder weniger Deutlichkeit bis aufs letzte Wort [. . . ] gewusst habe, um was es geht. Er wird dann seinen Kommentar nicht über Paulus, sondern gewiss nicht ohne Seufzen und Kopfschütteln, so gut es geht, bis aufs letzte Wort mit Paulus schreiben. [. . . ] Das pneuma Christou ist kein Standpunkt, auf den man sich stellen kann, um von hier aus den Paulus oder wen auch immer zu schulmeistern. Über die Relativität aller menschlichen Worte, auch der paulinischen, denke ich mit Bultmann und allen Verständigen einer Meinung zu sein.104
Weil und insofern dies nicht nur für Paulus, sondern auch für den HK gilt – und Barth setzt voraus und stellt fest, dass dies der Fall ist – ist es nicht befremdlich, dass er auch seine Katechismuslektüre von diesem Grundsatz leiten lässt. So lässt Barth sich auf den Text als Vor-Gegebenheit seiner theologischen Ausführungen ein und hält ihm die Treue. Auch und gerade an den Stellen, die ihm fragwürdig erscheinen, geht er nicht über den Text hinweg, sondern bearbeitet ihn kommentierend und interpretierend so lange, bis er für ihn als Zeugnis lesbar wird.105 103 Auch McCormack urteilt über die Entwicklung in Barths Haltung im Rahmen dieser Vorlesung, „dass das Hervortreten einer positiveren Einstellung gegenüber der früheren reformierten Orthodoxie nicht möglich gewesen wäre, wenn Barth diese Theologen nicht als ‚exemplarische Dialektiker‘ gelesen hätte“ (McCormack, Dialektik und Realismus, 263, kursiv HR). Dieses Lesen ist also als aktiv-interpretierender, nicht als ein passiv-rezipierender Vorgang zu verstehen. 104 Vorwort zur dritten Auflage, in: Barth, RömII, 27.29. 105 Ähnlich geht Barth 1926 in Bezug auf Schleiermacher vor: „Bei mir selbst finde ich Schleiermacher aber nach wie vor einfach schrecklich; aber ich werde den Studenten tunlichst wenig davon verraten
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Exegetisch lässt sich diese Vorgehensweise sicherlich unschwer kritisieren. Ihrem Selbstverständnis nach legitimiert sie sich aber durch ihre Orientierung an der „Sache“, die sowohl über den Text als auch das Verständnis von Autor und Leser hinausgeht, und an der, statt an einem historischen oder intendierten Sinn, sich der Text und seine Interpretation zu messen haben. Neben ihrer Relativierung bedeutet der Hinweis auf die Gleichnishaftigkeit menschlicher Rede dabei zugleich die bleibende Aufwertung derselben. Das Lesen-als-Gleichnis bzw. Lesen-als-Zeugnis ist für Barth ein konsequenter Ansatz, der sich nicht schrift- oder dogmenhermeneutisch beschränkt, sondern ebenso auf germanisches Recht oder Lao-Tse Anwendung finden kann. Auch Barths Fundamentalkritik an menschlichen Erkenntnisbemühungen berührt nicht nur seinen Umgang mit dem HK, sondern zeitigt stete Rückfragen an die eigene theologische Methode. Einem formalen Rationalismus – im Sinne verantworteter und transparenter Durchführung – verpflichtet, tritt sie als Negation und Dialektik auf. So weigert sie sich, ein konsistentes System zu bilden und negiert als Methode geradezu methodisch den Absolutheitsanspruch jeder Methode.106 Noch ihre eigene systematische Nicht-Abschließung steht im Dienst des Versuches, den Raum offenzuhalten, anstatt ihn einem – noch so guten – theologischen Programm zu unterwerfen und damit das Zentrum zu verbauen. Auch die Fragmentarität der Auslegung, in der die Vorlesung schon durch ihre Unvollständigkeit verbleibt, kann als Ausdruck dieses Anliegens gelesen werden. Diese Hermeneutik erlaubt es Barth, über einen Kommentar im Sinne einer fortlaufenden Einzelvers-Exegese hinauszugehen. Folgt er auch der Struktur des HK, zeigt seine Schwerpunktsetzung doch, dass es ihm stärker um die grundsätzliche Positionierung und die großen Linien als um die Aneinanderreihung inhaltlicher Detailfragen geht und schon gar nicht um eine Summen- oder Loci–artige Gesamtschau systematisch-theologischer Topoi. Für Barth ist 1921 die Hauptaussage des Katechismus im „Jesu-Christi-eigen-Sein“ zu suchen und zu finden. Dies und die günstigste Deutungsmöglichkeit so viel ich kann sichtbar machen“ (Barth an W. Trillhaas am 10.05.1926, zit. in: Trillhaas, Karl Barth in Göttingen, 374). 106 Wie sich gezeigt hat, hat Barth selbst weder mit dem Begriff der „Methode“ in Anwendung auf seine Theologie noch mit dem konsequent-methodischen Vorgehen ein Problem. Dem Urteil von Trowitzsch, Karl Barth heute, 95.99, ist insofern zu widersprechen, der in Bezug auf Barths Exegese von einem „weithin durchgehaltenen prinzipiell ‚unmethodischen‘ Charakter“ spricht, in dem „ein deutliches antikritisches Element enthalten“ sei. Trowitzsch stützt sich auf Barths Aussage in Barth, Die christliche Lehre 1947, 14, es gebe „keine absolute Methode der christlichen Lehre.“ Dass er jeder Methode einen Absolutheitsanspruch aberkennt, bedeutet aber nicht, dass Barth unmethodisch ist – gerade in der Relativierung aller Absolutheitsansprüche geht er sehr systematisch-„methodisch“ vor! –, sondern dass er methodisch-systematisch die Absolutsetzung der Methode untergräbt. Dass die Methode sich nach dem Gegenstand richtet und nicht umgekehrt, ist ebenfalls kein Beleg für „unmethodisches“ Denken und Arbeiten. Barths theologische Haltung ist insgesamt darum eher „hyperkritisch“ als „antikritisch“. Auch Schmithals stellt fest, dass Barth in dem, was Schmidthals als konsequente Rückkehr zur doktrinalen Methode versteht, „durchaus methodisch“ verfährt, auch und gerade in Anbetracht der Tatsache, dass er die Hermeneutik „als selbständigen Gegenstand der Reflexion vielmehr ausdrücklich verworfen hat“ (Schmithals, Zu Karl Barths Schriftauslegung, 48, Hervorhebung i.O.).
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zeigt sowohl die rein quantitative Verteilung der Aufmerksamkeit als auch die Tatsache, dass er diese Aussage als Schlüssel zum Rest des Katechismus verwendet.107 So liest er nicht nur die von ihm stark problematisierte Frage 1 nach dem Trost des Menschen von dieser Antwort aus, sondern entwickelt von ihr her auch seine – in Umkehrung des Aufbaus des HK aus der Perspektive der geschehenen Erlösung formulierte – „kritische Anthropologie“, die sich aus der Differenz des vorgefundenen mit dem Jesus-Christus-eigenen-Menschen speist. Alle nicht direkt aus diesem Zentralgedanken entwickelbaren Fragen fallen hingegen fast vollständig aus der Betrachtung heraus. Die Unableitbarkeit der ‚Sache‘ bedeutet für Barth aber auch, dass diese nicht unmittelbar mitgeteilt werden kann. Das Bewusstsein der stets bereits vorfindlichen Mittelbarkeiten ist nicht nur eine dogmatische Setzung, sondern spiegelt sich auch in der konkreten theologischen Praxis, die sich textvermittelt und textbasiert vollzieht. Doch selbst zum Text – und zwar nicht nur zum Wort Gottes, auch nicht nur zur „Heiligen“ Schrift, sondern selbst zu jedem historischen Text wie dem HK – gibt es kein unmittelbares Verhältnis, sondern nur ein bereits durch die eigene Situation geprägtes. Dieser Einsicht entspricht Barths Vorgehen, den HK nicht angeblich ‚historisch-objektiv‘ zu lesen, sondern stets von der eigenen Situationsbestimmung und -reflexion her und damit gewissermaßen ‚rückwärts‘ vorzugehen: Nicht vom Text zur Situation, nicht von der Vergangenheit zu ihrem Einfluss auf die Gegenwart, sondern in einem text-archäologischen Verfahren von der Gegenwart zu der Vergangenheit hin, die die ihre ist oder werden könnte.108 So setzt Barth nicht bei der Lektüre eines kontextlosen Textes oder dessen historischer Situation ein, sondern geht von der Rezeption des Textes und seiner eigenen Vorprägung durch die Rezeptionsgeschichte aus. Der „Aufräumarbeit“, die auch nötig ist, um erst einmal zum Text zu gelangen, entspricht eine Apologetik, die sich mit anderen Textlektüren auseinandersetzt und den Text nicht nur gegen deren Kritik, sondern insbesondere auch gegen deren Lob und Wertschätzung stets wieder in Schutz nimmt bzw. ihn diesen Vereinnahmungen entzieht. Vom Programm der dialektischen Aufräumarbeit her erklärt sich auch die bereits zu Beginn von Barth geäußerte Skepsis gegenüber dem irenischen Profil des HK. Der Versuch der kontroversen-überbrückenden Konsensbildung, die Sammlung und Bewahrung der reformatorischen Grundeinsichten in einer unaufgeregten und zustimmungsfähigen Gestalt muss für ihn dem Verdacht erliegen, den Raum für Christus nicht freizuräumen, sondern stattdessen nun eigene, zufriede107 Niesel, Karl Barth und der HK, 157f; Plasger, Relative Autorität, 72, und Freudenberg, Neuinterpretation, sehen Frage 1 als Barths „hermeneutischen Schlüssel“ zum HK – dagegen ist unbedingt die Priorisierung von Antwort 1 schon 1921 festzuhalten. 108 ders. (Hg.), Chronik, 54 stellt bereits in Bezug auf Barths Auseinandersetzung mit der eigenen reformierten Tradition fest, Barth habe „schon früh“ ein „aktualistisches Verständnis der theologischen Tradition gegen jede archaistische, heroisierende und pseudoreligiöse Weihe einer zurückliegenden Epoche“ entwickelt in der „Überzeugung, daß die Beschäftigung mit der theologischen Tradition in den Dienst der gegenwärtigen theologischen Aufgabe und Anforderung zu stellen und auf ihre aktuelle Relevanz im Ringen um die Wahrheit hin zu befragen ist“.
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ne Setzungen vorzunehmen, die nicht der Sache und ihrer Bewegung, sondern der Selbstvergewisserung dienen. Schroffheiten statt Irenik, Bewegung statt Ruhe sind für Barth demgegenüber der Sache angemessener. So ist es ihm auch ein Anliegen, konsequent auf die Brüchigkeit dieses Friedens zu verweisen und die vorhandenen konfessionellen Prägungen kontroverstheologisch herauszuarbeiten sowie polemisch zuzuspitzen. Dabei zeigt sich allerdings auch, dass Barth nicht einheitlich oder gar prinzipiell für „Schroffheit“ optiert, sondern durchaus inhaltliche Präferenzen hat, die sich meist, aber nicht immer an Calvin rückbinden lassen. Ursinus wie den Lutheranern gegenüber hat er tendenziell theologische Vorbehalte. Barths eigenes konfessionelles Profil ist dabei für ihn nicht vorausgesetzt und schon gar nicht prinzipiell, sondern eher Gegenstand von Entdeckungen. Die Identifikation mit reformierten Positionen ist keinem Vor-Urteil geschuldet, sondern wird meist nachträglich an der gemeinsamen Übereinstimmung in der Sache festgestellt – so zumindest stellt er sich dar. Dies zeigt sich auch darin, dass Barth durchaus in der Lage ist, sich an einzelnen Stellen gegen spezifisch reformierte Positionen zu positionieren, wo sie seiner Ansicht nach die Sache verstellen, etwa beim Thema Kirchenzucht. An den „alten Reformierten“ bewundert Barth, dass sie in Altem und Neuem Testament und quer durch die Geschichte auch in scheinbar wenig christlichen Zusammenhängen das Evangelium entdecken konnten.109 Dass er dieses Vorgehen wiederum auf sie selbst anwendet, zeigt, dass sie ihm auch hermeneutisch ein Vorbild sind, und gerade darum relativiert werden können. Auch für seine Beziehung zum HK gilt darum: Ich stehe eigentlich in einem merkwürdigen Verhältnis zu diesen alten Texten. Fortwährend könnte ich ungefähr alles gut und nicht gut heißen, wenn ich mir die historischen Zusammenhänge und den Sinn überlege, je nachdem entscheide ich mich dann zu Belehrungszwecken für das Eine oder für das Andere.110
Die anfängliche Skepsis gegenüber dem HK bleibt im Laufe des Semesters zwar bestehen.111 Der HK zeigt Barth zufolge, dass die deutschen Reformierten ihr an sich gutes Erbe gänzlich „verpfuscht“ haben. Er sei in seiner Ambivalenz ein zu leicht ‚modern‘ lesbarer Text, also einer, der den von Barth als fatal angesehenen Grundentscheidungen der Moderne nichts entgegen zu setzen hat. Doch findet Barth zwischen den Zeilen auch Reste des reformatorischen Erbes und ein Be109 Barth an Thurneysen am 11.02.1922, Barth/Thurneysen, BwTh II, 37. 110 Ebd. Barth fährt sogar fort: „Gewiß müßte es möglich sein, auch das Tridentinum etwa mit herzlicher und verständnisvoller Teilnahme zu erklären.“ Dieses Vorhaben setzt Barth später um. So nimmt er 1944 im Rahmen eines Seminars mit Hans Urs von Balthasar einen Vergleich zwischen HK und CR vor (s.u. Kap. 4.3) und hält im Wintersemester 1949/50 sogar eine Vorlesung über die „Rechtfertigungslehre des Tridentinums“ (vgl. Busch, Lebenslauf, 384). 111 Das Urteil von Trillhaas kann zumindest nicht uneingeschränkt für die Göttinger Zeit gelten, dass „Theologie hier ganz auf ‚Lehre‘, nicht auf (historische) Forschung angelegt war“ und die Vorlesungen nur „als ‚Erklärungen‘, als reproduzierende Erneuerung des Vergessenen gemeint“, die „Identifikation des Lehrenden mit dem erklärten Text [. . . ] das allen Vorlesungen zugrundeliegende Axiom“ gewesen sei (Trillhaas, Karl Barth in Göttingen, 368). Sowohl Barths Selbstreflexion als auch die Durchführung seiner Vorlesung zum HK steht dem entgegen.
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wusstsein der „universalen Krise“, die auch ihn umtreibt. Er bindet die Beurteilung des Textes mehrfach kontextuell ein: in dessen historischen Entstehungshintergrund und in seine eigene aktuelle pädagogische Verantwortung und Verwendung, schließlich auch in die Selbstauslegung der textinternen Bezüge. Auf der Ebene dieser Größen bleibt es in der Bewertung allerdings bei einem unsicheren „je nachdem“. Den Ausschlag gibt erst eine weitere Größe, insofern der Text als Gleichnis auf sie hin lesbar ist: ein nicht historischer, sondern im engeren Sinne theo-logischer Kontext – Jesus Christus als Wort Gottes. Indem Barth von dort her den HK als Verbündeten gegen die Anthropozentrik der modernen Theologie gewinnt, ist seine Interpretation von einer polemischstrategischen Intention durchzogen. Dass Barth seine Urteile über den Text immer wieder durch das Adjektiv „entschieden“112 charakterisiert, zeigt, dass sowohl seine Lektüre des HK als in Abgrenzung ergehende Stellungnahme als auch seine eigene polemische Positionierung nicht am Ort einer vorgefundenen Lage, sondern als Ausdruck und Konsequenz einer als notwendig erkannten Entscheidung vollzogen werden. Die Herausarbeitung des im HK gefundenen „Gegenweltgeistes“ (etwa im „kontrafaktischen Ich“ des HK) und seine Indienstnahme für die eigenen Kämpfe verleiht Barths Auslegung selbst den Zug einer bekenntnishaften Stellungnahme, ja eines Christus-Zeugnisses ‚confessorischer‘ Exegese.113
2.3 „Die Theologie der reformierten Bekenntnisschriften“ 1923 2.3.1 „Reine reformierte Lehre“, aber kein „unerschütterliches Bollwerk reformatorischen Glaubens“. Der HK als reformiertes Bekenntnis Obwohl die erste Vorlesung zum HK mehr als unvollständig geblieben war, setzt Barth in den folgenden Semestern keine Fortsetzung zu den ausstehenden Fragen an. Trotz der nach anfänglichem Widerwillen recht positiv erfolgten Rezeption des HK zeigt Barth zu diesem Zeitpunkt kein Bedürfnis nach weiterer Auseinandersetzung mit diesem Text.114 Im Sommer 1922 liest er über Die Theolo112 Z.B.: „entschieden nicht gut“, „entschieden fragwürdiges Werk“, „entschieden lutherische Frage“, „entschieden keine Lösung“, „entschieden zu weit vorgewagt“, usw. (s.o. S. 45.54.66.67). 113 Plasger, Relative Autorität, 60, findet diese entscheidungshafte Qualität der Bekenntnisauslegung auch in Barths Utrechter Vorlesung (Barth, Credo): „Die ganze Vorlesung ist vom Ton der Entscheidung durchzogen – das Bekenntnis vollzieht eine Entscheidung.“ Dies kann bereits hier für die erste Kontaktaufnahme Barths mit dem HK bekräftigt werden. Dass die vorliegende Arbeit ansatzweise Barths Methode auf ihn selbst anzuwenden versucht – ihn also ebenfalls als Zeugnis statt als Quelle liest, nach seinem theologischen Erkenntnisgehalt statt nach seiner Intention fragt – dürfte sich wohl inzwischen andeuten. 114 Auch im Nachhinein scheint Barth hier keinen Mangel gespürt zu haben. Selbst in einer späteren Erinnerung an jene Zeit klagt er lediglich: „Da greif ’ ich mir heute [an] den Kopf: wie konnte ich es wagen, über den Epheserbrief einstündig anzuzeigen! Das geht doch nicht! Ich habe es also gemacht, bin natürlich kaum bis ins 2. Kapitel gekommen.“ Während Barth die abgebrochene Form in der Parallelvorlesung also noch lebhaft vor Augen steht, scheint ihm dieselbe Fragmentarität der HK-Vorlesung keine bleibenden Skrupel zu bereiten (ders., Gespräche, 117).
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gie Calvins, im Winter 1922/23 über Die Theologie Zwinglis.115 Im anschließenden Sommer 1923 steht eine Vorlesung über die Theologie der reformierten Bekenntnisschriften116 neben einem Kolleg über 1Kor 15.117 Nach den Klagen der vergangenen Semester über die mühselige Vorbereitung und das unablässige Gefühl, der Aufgabe nicht gewachsen zu sein, berichtet er nun befreit und glücklich: „Beide Vorlesungen machten mir dies Semester Freude“.118 Zum einen gewinnt Barth, wie noch zu zeigen sein wird, in der Vorlesung zur Theologie der Bekenntnisschriften einen eigenen Ansatz zur Bestimmung eines reformierten Bekenntnisbegriffs.119 Darüber hinaus wendet er sich den Inhalten des reformierten Bekenntnisses zu, die er nicht thematisch, sondern nach Typen von Bekenntnisschriften anhand der historischen Frage nach ihrer Formulierungsintention gliedert. Er unterscheidet vier Hauptgruppen (109): 1. „anti-römische“, d.h. vorwiegend aus der Auseinandersetzung mit der römisch-katholischen Kirche erwachsende Schriften. Dazu zählt Barth u.a. die Confessio Tetrapolitana von 1530 und das Genfer Bekenntnis von 1536; 2. „positive“, d.h. vorwiegend an der Konstituierung einer reformierten Identität, Ordnung und Richtung nach innen interessierte Texte. Dazu zählt Barth u.a. den Berner Synodus von 1532, Zwinglis Einleitung von 1523 sowie die Bekenntnisse der Nationalkirchen; 3. „anti-lutherische“, d.h. vorwiegend aus der Auseinandersetzung mit dem „mit-evangelischen Nachbarn“ hervorgegangene Schriften. Dazu zählt Barth u.a. das Zürcher Bekenntnis von 1545, die Consensio mutua in re sacramentaria von 1549, das nassauische Bekenntnis von 1578 und die Confessio Sigismundi von 1614; 4. „anti-moderne“, d.h. vorwiegend mit der inneren Kurskorrektur und -präzisierung befasste Texte. Dazu zählt Barth u.a. die Canones der Dordrechter Synode von 1619. Den HK ordnet Barth der 2. Gruppe zu, also der einzigen, die nicht in der Polemik bzw. Apologetik verharre, sondern selbst „positive Lehre vom Christentum“ formuliere (129). Zwar hatte Barth 1921 selbst in seiner Erstlektüre des HK sich von modernen Interpretationen abgegrenzt und konfessionelle Differenzen betont. Dennoch sieht er offensichtlich darin nicht die hauptsächlichen Anliegen des Textes. Insgesamt legt Barth in der Vorlesung großen Wert darauf, nicht nur die 115 Veröffentlicht als ders., Die Theologie Calvins und ders., Die Theologie Zwinglis. 116 Veröffentlicht als ders., Bekenntnisschriften. Zitate aus diesem Titel werden im Folgenden durch Seitenzahlen im laufenden Text nachgewiesen. Hervorhebungen entstammen dabei, soweit nicht anders angegeben, dem Original. Eine ausführliche Besprechung bietet Freudenberg, Karl Barth und die reformierte Theologie, 217-272. 117 Diese schon seit 1921 geplante Veranstaltung wird 1924 Barths erste Buchpublikation seit RömII (Barth, Die Auferstehung der Toten). Auch daran ist abzulesen, dass er weiterhin stärker an der exegetischen Arbeit interessiert ist als an der historischen bzw. dogmatischen Erschließung der reformierten Tradition. 118 Barth an Thurneysen am 15.07.1923, in: Barth/Thurneysen, BwTh II, 179, Hervorhebung i.O. 119 S.u. Kap. 2.3.2.
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bekannten und vielzitierten Bekenntnisschriften darzustellen, sondern vor allem auch die „vergessenen und fallengelassenen“, die in seinen Augen „nun zufällig gerade alle die [sind], die, wenn man das ursprüngliche Reformiertentum kennenlernen will, die beachtlichsten und lesenswertesten sind.“ (236) Barth bleibt also seiner rezeptions-kritischen Haltung von 1921 insofern treu, als er die NichtÜberlieferung und Überlieferung eines Textes für seine Autorität umbewertet. Mit der Einbeziehung der „vergessenen“ Schriften vollzieht er außerdem eine erhebliche Pluralisierung gegen die Vereinheitlichung der reformierten Tradition. Der HK als das „berühmteste[.] aller reformierten Bekenntnisse“ (169) ist das einzige, das ihm nicht wegen, sondern trotz seiner geschichtlichen Durchsetzung als wertvoll gilt: Er ist die einzige Bekenntnisschrift, die Barth zum „ursprünglichen Reformiertentum“ zählt und der „trotzdem ein besseres Schicksal beschieden war“ (236). Auch wenn er ihn vorher auch stark kritisiert hatte, lastet er ihm nun gerade seine Popularität nicht an, sondern würdigt ihn inhaltlich aufs Höchste. Den Grund für seine Durchsetzung sieht Barth allerdings leider nicht in seinen inhaltlichen Vorzügen, sondern in seiner Missverständlichkeit einerseits, in „seiner dogmatischen und pädagogischen Brauchbarkeit“ andererseits (23f). Der mehrfache Hinweis auf die „Brauchbarkeit“ ist aus dem Munde Barths keineswegs reines Lob, sondern als Bezug auf eine problematische Ausrichtung an menschlichen Bedürfnissen eher ein kritischer Seitenhieb. Man könne den Aufbau des HK für „lehrreich und erlaubt“ halten, doch ergebe er sich einseitig aus den Erfordernissen des Unterrichts. Dies sei zwar naheliegend und verständlich, doch dürfe „das System, die schulgerechte Anordnung“ keinesfalls mit dem „Sinn und Gehalt der Lehrmitteilungen“ identifiziert werden (108). So warnt Barth zunächst: „Man muß sich beim Heidelberger hüten davor, ihn verstehen zu wollen auf Grund des Wortlauts der bekannten ersten Frage: ‚Was ist dein einiger Trost im Leben und im Sterben?‘ und auf Grund seiner ebenso bekannten Disposition: Von des Menschen Elend, Erlösung und Dankbarkeit (170)“. Dies würde nämlich eine theologische Zuordnung des Heidelbergers zu Philipp Melanchthon nahe legen.120 Tatsächlich sei die Frage 1 zwar leicht „melanchthonisch-lutherisch“ misszuverstehen, für die Aufnahme der „lutherische[n] Fragestellung“ sei aber doch eher „kirchenpolitische Rücksicht, religionspädagogische Klugheit und wohl noch mehr eine gewisse Zwangsläufigkeit des deutschen Gemütes und nicht zuletzt der objektive Wahrheitsgehalt der Via Lutheri“ – den Barth definitiv zugesteht – verantwortlich (171). Die Antwort hingegen sei „unzweifelhaft eine reformierte Antwort“ (170f). Barth hebt die „doppelte Betrachtungsweise“ von „Heilsgewissheit und Gehorsamsbereitschaft“ als zwei Kindern des Geistes hervor (171f), in der er auch das ihm später wichtig werdende Verhältnis der Fragen 31 und 32 verortet. Mit der Betonung der Heiligung als Teil des Trostes und der Verortung des Gesetzes in der Dankbarkeit – und nicht nur als „Steigbügel zum Glauben“ (172) – halte der HK wichtige reformierte Anliegen fest, obwohl seine Darstellung ganz 120 In Barths Zeit prominent vertreten im Anschluss an Heppe, Geschichte des deutschen Protestantismus I, 444 u.ö., den Barth sehr schätzte (vgl. Barth, Zum Geleit).
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„im Rahmen des lutherischen Schemas“ erfolge (174). Barth bemängelt, dass der HK „besonders mit seiner Frage 1 die Möglichkeit bot, [ihn] gegen den Sinn seiner Verfasser und gegen seinen Grundcharakter uncalvinisch, erst melanchthonischlutherisch und dann pietistisch-rationalistisch zu deuten“, was zu seiner „Aushöhlung und Entleerung“ geführt und ihm gerade dadurch eine fälschlicherweise positive Wirkungsgeschichte ermöglicht habe (236f). Problematisch am HK sei, dass er die Einheit von Glauben und Gehorsam nicht einfach darlege, sondern darüber hinaus den Versuch unternehme, „sie psychologisch verständlich zu machen“ (174). Barth hält dem HK dabei allerdings zugute, dass er im Gegensatz zu neuprotestantischen Ansätzen (obwohl diese den HK gern dafür in Anspruch nähmen) „nicht sein Interesse in dieser Weise auf das psychologische Subjekt der Religion“ (191) richte. Im Urteil bis zuletzt schwankend konstatiert Barth schließlich, die psychologische „Gefahr“ sei zwar „glücklich vermieden (aber vielleicht doch mehr verborgen als tatsächlich überwunden [. . . ])“ worden (192), darum sei der HK „mit leisem Vorbehalt“ – aber doch – zur „reinen reformierten Theologie“ zu zählen (209). Gerade weil Barth den HK nicht in die Gruppe der anti-lutherischen Katechismen einsortiert, sondern als Vertreter positiver Lehre darstellen will, ist um so auffälliger, dass seine Darstellung fast vollständig aus dem Kontrast zum Luthertum gespeist ist. Inhaltlich werden v.a. der Ansatz beim Trost, die Disposition sowie das Verhältnis von Gesetz und guten Werken, Gabe und Aufgabe bzw. Rechtfertigung und Heiligung thematisiert – also lauter spezifisch lutherische Fragestellungen. So nimmt Barth in der kurzen Einführung in den HK im Rahmen dieser Vorlesung auch lediglich auf die Fragen 1–2, 4–5, 31–32, 37–42, 45, 49, 55, 64, 70, 76, 81–91 und 115 Bezug (171–175). Barth interpretiert dabei das „lutherisch“ klingende Stichwort „Trost“ als explizit die Heiligung umfassend: Der Trost sei keine passive Tröstung oder gar Vertröstung, sondern ein höchst aktives Geschehen auch auf Seiten des Menschen. Während die Spannung zwischen Frage und Antwort 1 auch 1923, wie schon 1921, für Barth den Schlüssel zur Auslegung des HK bildet, geht er in der Besprechung der Einzelfragen deutlich über den Horizont von 1921/22 hinaus. Die dort breiter behandelten Fragen 3–21 spielen nun kaum mehr eine Rolle, lediglich das Gesetzesverständnis in Fragen 4 und 5 wird kurz aufgegriffen. Auch die 1921/22 gewonnenen maßgeblichen Formeln vom „Jesu-Christi-eigen-Sein“ oder der „kritischen Anthropologie“ tauchen nicht mehr auf. Barth betreibt hier also keine ‚Ergebnissicherung‘ gegenüber seiner Vorjahres-Vorlesung. Stattdessen wird sowohl die Abgrenzung von der lutherischen Theologie wie auch die Vermittlung mit ihr gesucht. Dies mag auch ein Hinweis darauf sein, wie stark Barth inzwischen mit der Auseinandersetzung mit den Kollegen an der Fakultät beschäftigt ist. Im Rahmen einer „Theologie der reformierten Bekenntnisschriften“ behauptet Barth zwar, es ginge ihm um die positive Lehre des HK, dennoch sucht er nun v.a. die Behauptung gegenüber dem Luthertum. In diesem Sinne kommt Barth zu dem abschließenden Urteil, der HK sei ein Musterbeispiel dafür, wie es, wenn man z.B. aus pädagogischen Gründen die umfassendere Betrachtungsweise Calvins für unzukömmlich hält und z.B. aus nationalen oder anderen
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Pietätsgründen das Christentum durchaus im Rahmen der Via Lutheri verstehen will – wie es dann jedenfalls, wenn man trotzdem auf reine reformierte Lehre hält, gemacht werden muß, und ist darum jedenfalls für Deutschland das gegebene Lehrbuch reformierten Christentums [. . . ]. Daß er gar nicht typisch reformiert sei, hätte, wenn unsere bisherigen Ergebnisse auch nur einigermaßen richtig sind, nie behauptet werden dürfen (175).
Obwohl Barth den HK wie 1921/22 klar in der Linie calvinischer Theologie verortet, hat sich die Tendenz nun verschoben: Anstatt den HK von Calvin her zurückzugewinnen und andere Tendenzen im Text zu problematisieren, wird der HK nun als Vermittlungsleistung zwischen lutherischem und calvinischem Gedankengut gewürdigt. So zeigt Barth etwa auf, man müsse im HK „die Stellen, wo [z.B. die calvinische Erwählungslehre] deutlich hervortritt, mit der Lupe suchen“ (134). Gleichzeitig macht die Besprechung herausgehobener Fragen die Kontraste zum Luthertum deutlich. Diese wertet Barth aber nicht als harte Widersprüche, sondern kann vorschlagen, die calvinische Auffassung „müßte eigentlich von der lutherischen Dogmatik als eine erwünschte Ergänzung ihres eigenen an diesem Punkte lückenhaften Gedankengangs gewertet werden. Denn was in der [Confessio] Augustana bloß behauptet wird, das wird hier gezeigt“ (175). Gleichzeitig hält Barth aber weiterhin am eindeutig reformierten Profil des HK fest. So ist er nun durchaus bereit, den HK auf der Ebene der „reinen reformierten Lehre“ anzusiedeln, auch wenn er sowohl die psychologische Anbiederung als auch die Verwischung der konfessionellen Grenzen zum Luthertum als problematisch empfindet. Aufgrund dieser Unschärfe sei der HK „nicht das unerschütterliche Bollwerk reformatorischen Glaubens“ geblieben, „das er recht verstanden allerdings hätte sein müssen und können“ (236). Stattdessen habe er in ausgehöhlter Form in der Moderne gerade aus den falschen Gründen Wertschätzung erfahren und so seinen Siegeszug angetreten.121 Die konfessionell vermittelnden Tendenzen des HK würdigt Barth, stellt aber auch ihre Ambivalenz heraus. Zwar betrachtet er den HK als menschlich-geschichtliches – und damit zu relativierendes – Dokument, doch innerhalb dieser Relativierung hat es hohen Wert. 2.3.2 „Relation auf das in der Schrift ausgesprochene Wort Gottes“. Die Entwicklung eines reformierten Bekenntnisbegriffs Neben der konkreten Auslegung einzelner Bekenntnisschriften erarbeitet Barth sich in der Vorlesung von 1923 erstmalig auch einen reformierten Bekenntnis121 Diese Argumentation hatte Barth, wie wir gesehen haben, bereits in der Vorlesung von 1921/22 entwickelt. In der Forschung wird dagegen verschiedentlich geurteilt, dies sei ein neuer Zug in der Auslegung von 1923, die nun zu einem deutlich freundlicheren Urteil führen als zuvor. So schreibt Plasger, „Du sollst Vater und Mutter ehren!“, 395: „Die mit diesen beiden genannten Zitaten skeptische Haltung des Jahres 1921 dem Heidelberger Katechismus gegenüber hat sich in der Vorlesung 1923 zur Theologie der reformierten Bekenntnisschriften geändert – hier urteilt Barth viel positiver. Er unterscheidet dabei den Katechismustext selber scharf von der Wirkungsgeschichte des Heidelberger Katechismus“. Plasger stellt nicht in Rechnung, dass die beiden von ihm behandelten Zitate aus Briefen an Thurneysen noch nicht den weiteren Verlauf der Vorlesung von 1921/22 adäquat wiedergeben.
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begriff.122 Dabei ist auffällig, dass er wie schon die Einzelauslegungen nun auch die Formulierung des Bekenntnisbegriffs von vornherein in konfessioneller Abgrenzung konzipiert, nämlich in Kontrast zum lutherischen Bekenntnisverständnis. Dieses sei charakterisiert durch seinen Anspruch auf Ökumenizität und Autorität, Unveränderlichkeit und Unersetzlichkeit, die Einheit des Bekenntnisses ebenso wie die seiner Interpretation, seinen Symbolcharakter sowie schließlich seine kirchenrechtlich verpflichtende Geltung (2–11). Zu all diesen Positionen stehe das reformierte Bekenntnisverständnis in diametralem Gegensatz. Zunächst stelle es keinen universalen Anspruch auf ökumenische Öffentlichkeit, sei nicht einmal universal intendiert. Immer wieder hebt Barth den „partikularen Charakter“ (20) reformierter Bekenntnisschriften hervor, die nur als „vorübergehende Ausdrucksformen“ auf dem Weg zu einer nicht in der Vergangenheit oder einer überzeitlichen Einheit, sondern allenfalls in der Zukunft liegenden „Universalität des Glaubens“ (19) eine Rolle spielten – und zwar meist eine didaktische. Die Eigenheit des reformierten Bekenntnisses sei zweitens, dass es stets „eines neben vielen anderen“ darstelle und nur eine „partikulare Öffentlichkeit“ anspreche, statt allgemein verbindlich zu sein (19f). Als unreformiert zeige sich, wer einfordere, „dass sein Bekenntnis das Bekenntnis sei“ (28). Aber gerade so werde die „Hoffnung auf ein ökumenisch-öffentliches“ Bekenntnis aufrecht erhalten: „Der legitime Weg zur Universalität ist hier also gerade die Partikularität“ (19). Eine interoder auch nur inner-konfessionelle Bekenntniseinheit könne nicht von oben verordnet werden. Drittens bezeichne die reformierte Tradition ihre Bekenntnisse auch dezidiert nicht als „Symbole“, was einen Anspruch auf eigene OffenbarungsInspiriertheit geltend machen würde, der die Inkommensurabilität der Schrift in Frage stellen würde.123 Dieser wollten die reformierten Bekenntnisschriften sich dezidiert nicht gleichstellen, sondern betonten stets, dass die Schrift sich ihnen gegenüber „auf einer schlechthin anderen Ebene“ befinde (39). Schließlich sehe man sie viertens „immer nur als vorläufige, verbesserungs- und ersatzfähige Aufstellungen [. . . ], nie als Autorität“ (39) – eine Orthodoxie könne sich auf reformiertem Boden darum auch nur auf Grundlage der Schrift, nie auf den Bekenntnissen formieren. Dass dennoch Bekenntnisse aufgestellt würden und Relevanz beanspruchten, sei Ausdruck der Tatsache, dass der Glaube „eine objektive Grö122 Eberhard Busch sieht in dieser Vorlesung einen „Fortschritt“ nicht nur über RömII, sondern auch die vorherigen Göttinger Vorlesungen hinaus, da Barth nun das ihm nach RömII angekreidete ekklesiologische Defizit in Angriff nehme (vgl. Schlatter, Karl Barths „Römerbrief “ [1922], 143f). Barth selbst hatte nach eigenen Angaben von diesem Hinweis sofort „aufmerksam und dankbar Kenntnis“ genommen (Vorwort zur dritten Auflagen, in: Barth, RömII, 26). Dabei habe sich ihm nun „‚die Kirche‘ vom Begriff des Bekenntnisses her eröffnet“ (Busch, Vorwort, 9). 123 „Symbol“ ist nach Barth die „feierliche[.] Wiederholung der alten vom heiligen Geist gegebenen und offenbarten Glaubensartikel, die ihrem Wesen nach selbst zu einem solchen Glaubensartikel werden muß“. Dieser Status komme aber nur der Schrift zu, für Bekenntnisschriften sei er abzulehnen: „Das in der Schrift Gegebene und Offenbarte bleibt mit dem von ihm Bekannten als dessen ewiger Ursprung unverworren [. . . , letzteres] wird aber dadurch nicht zu einer Art Unterstufe oder Auswickelung der scriptura. Schrift bleibt Schrift, einzigartig, inkommensurabel, außerhalb der Reihe“ (33).
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ße, nicht ein Akt der Willkür und des Beliebens des einzelnen Menschen, und darum eine öffentliche Angelegenheit“ sei (53). Ein Verpflichtungscharakter könne darum immer nur der „Lebendigkeit der Erkenntnis, aus der dieses Bekenntnis hervorgegangen war“, zukommen, niemals seinem Wortlaut (53). Was es am Bekenntnis zu bewahren gilt, ist damit die darin vorgefundene Bewegung, nicht das formulierte Ergebnis. Zwei Kurzdefinitionen des Bekenntnisbegriffs zitiert Barth zustimmend, zum einen Bullingers Rede von der „sincera fidei explicatio“, zum anderen Calvins „conceptae intus fidei testificationes“ (33): Erläuterung des Glaubens und Glaubenszeugnis kann das Bekenntnis sein – niemals Inhalt des Glaubens selbst. Als geradezu „rätselhaft-paradoxes Bild“ formuliert Barth: Die Bedeutung des Bekenntnisses in der reformierten Kirche besteht in seiner wesentlichen Nicht-Bedeutung, in seiner offenkundigen Relativität, Menschlichkeit, Vielheit, Veränderlichkeit, Vergänglichkeit [. . . Es ist] ein weichender Schatten. Wer sich bewusst ist, dass er damit etwas eminent Positives von ihm sagt, der mag und soll das nur laut und sicher sagen (63).
Barth verwendet Schillers Bild vom Glockenschlag, dessen Klang anzeigt, dass alles Irdische verhallt. Die Nicht-Bedeutung ist keine negative Qualität oder Schwäche, sondern die spezifische Positivität der Selbstrelativierung. Konstitutiv ist die Forderung: „Das reformierte Bekenntnis weist über sich selbst hinaus.“ (64) Das reformierte Bekenntnis ist nach Barth wesentlich Zeugnis, „und sein Zeugnis lautet, dass Gott sich bezeugt.“ (65) Gerade seine Relativität, genauer: seine Relationalität bilde aber auch den spezifischen Inhalt des reformierten Bekenntnisses – die „Relation auf das in der Schrift ausgesprochene Wort Gottes. Er steht nicht selbständig neben dieser Relation [. . . ], er fällt aber auch nicht mit dem Absoluten zusammen, sondern bleibt in der Relation.“ (72f) Das Wort Gottes bildet für Barth gewissermaßen einen weiteren – und zwar den bestimmenden! – Kontext des Bekenntnisses. Darum sei auch das Schriftprinzip124 „der einzige Glaubensartikel [. . . ], der sich bis in die Gegenwart in den Lehrbestimmungen aller reformierten Kirchen erhalten hat“ (102). Während für die Lutheraner prinzipiell Schrift, Konzilien und Bekenntnisse auf gleicher Ebene stünden, legten die Reformierten „Gewicht auf die isolierte Normativität der Bibel“, da sie ihnen „Abbild – als das einzige erlaubte und gebotene irdische Abbild! – der isolierten Autorität Gottes“ sei (80). Barth ordnet die Bekenntnisschriften gewissermaßen als „Zeugnis zweiter Ordnung“ dem in der Schrift gegebenen „Zeugnis erster Ordnung“ von Christus nach. Nur in ihrem Bezug auf dieses Zeugnis erster Ordnung und von ihm abgeleitet erhalten sie ihre Bedeutung. Insofern kann Barth von den Bekenntnisschriften sagen, „dass es besser wäre, wenn sie verschwinden würden“ (66) — zugunsten des direkteren Hinweises auf die Schrift. Während grundsätzlich Bekenntnisse und Schrift beide als (menschliche!) Zeugnisse von der göttlichen Offenbarung gese124 Das reformierte Schriftprinzip besteht nach Barth in der doppelt bindenden These: „Die Kirche erkennt die Regel ihrer Verkündigung allein im Worte Gottes und findet das Wort Gottes allein in der heiligen Schrift“ (67).
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hen werden, besteht Barth auf einem kategorialen Unterschied zwischen ihnen in Bezug auf Autorität und Bedeutung. Neben einer spezifisch reformierten Definition hat Barth damit ein eindeutiges Kriterium für den Wert eines Bekenntnisses gewonnen: seinen Schriftbezug und seine Selbstrelativierung auf die Schrift hin. Der Bekenntnisbegriff wird im Rahmen der Vorlesung so gut wie ausschließlich für die Bekenntnisschriften verwendet, nicht für den existentiellen Bekenntnisakt oder die Äußerung eigener Überzeugungen wie zuvor. Inhaltlich bedeutet „das reformierte Bekenntnis“ für Barth allerdings weniger das Festhalten an bestimmten als ‚reformiert‘ verstandenen Kernaussagen, als vielmehr eine Haltung, eine theologische Methode – ja: eine bestimmte Form christlicher Existenz. Wenn er sie auch selbstverständlich gegenüber dem Anspruch der Schrift relativiert, hat Barth doch inzwischen erkennbare Hochachtung vor „den Vätern“ – wie er zusammenfassend die Autorität der Tradition bezeichnen kann – und ihren authentischen Antworten auf das ergangene Wort Gottes gewonnen. Demgegenüber sei die aktuelle Theologie in einer ganz anderen Krise, die sich nicht durch größere Berührung und Bewegung der relevanten Fragen, sondern durch Hilf- und Mittellosigkeit auszeichne: Blicken wir auf unsere Theologie, so stehen wir zunächst vor einem Trümmerhaufen. Geschichtliche Orientierung darüber, wie eine wirkliche Theologie etwa aussehen würde, ist vielleicht das Beste, was augenblicklich geleistet werden kann. Darüber hinaus ist möglich ein ernsthaftes Stillstehen vor den ewigen Fragen und Antworten, die einst die Väter zum Bekennen genötigt haben. Das können wir tun, auch wenn wir nicht ohne Weiteres in der Lage sind, ihre Bekenntnisse auf unsere Lippen zu nehmen. Ich meine sogar, das müssen wir tun, wenn wir sie auch nur einigermaßen auch nur geschichtlich verstanden haben (349).
2.4 Bekenntnis und Bekenntnisgemeinschaft. Barth und der Reformierte Bund 1923–1925 2.4.1 Schuldbekenntnis statt Repristination oder Neuformulierung. „Reformierte Lehre, ihr Wesen und ihre Aufgabe“ 1923 Am 17.09.1923 trägt Barth auf der 19. Hauptversammlung des Reformierten Bundes in Emden über Reformierte Lehre, ihr Wesen und ihre Aufgabe vor.125 Es ist nicht bekannt, ob er mit besonderem Enthusiasmus auf die Einladung reagierte. Bekannt ist hingegen, dass er zuvor keine nennenswerte Verbindung zum Reformierten Bund hatte, nun aber von jenen Männern geladen wurde, die seine Ernennung in Göttingen maßgeblich ermöglicht hatten: August Lang und Johann Adam Heilmann.126 Auch wurde auf der Tagung über die Errichtung der Göt125 Barth, Reformierte Lehre, ihr Wesen und ihre Aufgabe [1923]. Zitate aus diesem Titel werden im Folgenden durch Seitenzahlen im laufenden Text nachgewiesen. Hervorhebungen entstammen dabei, soweit nicht anders angegeben, dem Original. 126 Vgl. a. a. O., 202, Anm. 2.
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tinger Honorarprofessur und Barths Berufung und Lehrtätigkeit dort Bericht erstattet, so dass er alles in allem wohl unter einem gewissen moralischen Druck stand. Er erschien und trug vor, gab aber dabei nach eigenem Empfinden der im Reformierten Bund herrschenden Meinung gehörigen Gegenwind. Im Rückblick formuliert er seine Distanzierung vom Geschehen in einem Rundbrief deutlich: „Weitere konfessionelle Proklamationen sind zunächst nicht von mir zu erwarten, nachdem dieses ‚Ganzopfer‘ an die reformierte Professur nun mit Würde dargebracht ist.“127 Das Thema des Vortrags hatte Barth selbst formulieren dürfen. So knüpft er thematisch an seine Vorlesung im Sommersemester an. Den Schlüsselbegriff „reformiert“ definiert Barth gleich zu Beginn als eine spezifische und auf Abgrenzung zielende Kategorie: „nicht katholisch, auch nicht lutherisch, auch nicht evangelisch in – schöner, allzu viel oder allzu wenig sagender – Allgemeinheit, sondern evangelisch-reformiert“ (210). Dieses Spezifikum leitet Barth aber vom Begriff der „Reformation“ ab, deren Anliegen er damit mit einem sprachlichen Manöver auch inhaltlich für die reformierte Tradition in Anspruch nimmt: „Wer sich ‚reformiert‘ nennt [. . . ], der vollzieht damit schlicht und nüchtern das, was vorhin etwas pathetisch eine ‚Rückwendung zum alten heiligen Erbe‘ der Reformation genannt wurde“ (210). Eine Rückbesinnung auf die reformierte Eigenheit könne aber nicht in einer gewissen traditionsorientiert-antiquarischen Liebe zum eigenen Erbe, nicht in Hochschätzung bestimmter typischer Ideen und Institutionen und auch nicht in der frommen Verehrung Calvins oder anderer Väter bestehen – auch wenn immer gelte: „Reformiert sein heißt in der Tat: sich als Christ an seinen geschichtlichen Ort, d.h. in die geistige Gemeinschaft dieser besonderen, durch ihre Vergangenheit, und zwar durch ihre ältere schärfer als durch ihre jüngere und jüngste Vergangenheit charakterisierte Kirche stellen“ (211). Gerade die Treue zur Reformation zeige sich in der Übernahme ihrer kritischen Bewegung: „Nicht Gegenstand liebevoll-andächtiger Verehrung, sondern Gegenstand ernster kritischer Prüfung war unsern Vätern das Geschichtlich gegebene, das ihnen vor die Füße gelegt war.“ (212) Positiv formuliert Barth sein Verständnis des reformierten Profils wie folgt: „Reformiert sein kann man nicht aus diesem oder jenem, sondern nur aus einem Grunde“ (216): [E]s gibt aber strenggenommen keine reformierte Tradition außer der einen zeitlosen: dem Appell an die offene Bibel und an den Geist, der aus ihr zum Geiste redet. Wohlüberlegterweise haben uns unsre Väter [. . . ] keine „Symbolischen Bücher“, die später wie die lutherischen in den Geruch der Inspiriertheit kommen konnten, sondern nur Bekenntnisse [hinterlassen], deren mehr als eines anfängt oder schließt mit dem offenen Vorbehalt künftiger besserer Belehrung. Ein Dogma im strengen hieratischen Sinn kennt die reformierte Kirche also gerade nicht (212f).
127 Barth/Thurneysen, BwTh II, 184.
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Die reformierte Vielfalt des Ausdrucks beruht auf der Einheit des Fundaments. Das Schriftprinzip – verstanden „nicht als Formal-, sondern als lebendigstes Materialprinzip“ – definiere die reformierte Kirche schon ihrem Namen nach: „Durch Gottes Wort reformiert, das ist der alte und sachgemäße Sinn des Namens, den wir tragen“ (227f). Nicht Dogma, sondern Schrift, darum aber auch nicht Symbole, sondern von der Schrift abgeleitete und auf ihr basierte, korrekturfähige Bekenntnisse dürfen in einer „durch Gottes Wort reformierten Kirche“ Autorität beanspruchen. Dabei seien Bekenntnisse bescheidener als Dogmen und hielten die Möglichkeit ihrer Neuformulierung offen, für die Barth in der Geschichte der reformierten Kirche legitime Vorläufer anführt. Darum gesteht Barth ihnen im Allgemeinen Schriftauslegungskompetenz zu, relativiert allerdings auch die Bedeutung jedes einzelnen Bekenntnisses. Eine Eigenbedeutung für „das Reformierte“ können sie dabei weder als Berufung auf ein partikularistisches Erbe haben (denn bei aller theologischen Wertschätzung der Konkretheit sei diese doch jeweils nur als relativ zu sehen) noch als Essentialisierungen eines reformierten Wesens oder Gehalts (die stets willkürlich sind und auch andere sein könnten), noch als Verehrung der die reformierte Tradition begründenden frommen Persönlichkeiten. Interessanterweise beruft Barth sich sowohl zur Abwehr dieser von ihm angeführten drei möglichen Konzeptionen von „Reformiertentum“ als auch als Beleg für die von ihm vertretene Zentralität des Schriftprinzips jeweils auf die Übereinstimmung mit den Bekenntnisschriften – obwohl er es ja gerade ablehnt, das „Reformierte“ durch sie definiert und von ihnen her abgeleitet zu verstehen. Vor dieser als dreifache inhaltliche Füllung des Schriftprinzips verstandenen Entfaltung reformierter Lehre kann nach Barth heutige reformierte Identitätsfindung in einer wohlüberlegten Repristination der Theologie des Genfer oder Heidelberger Katechismus oder der fünf Kapitel von Dordrecht bestehen,128 sie könnte aber auch – wenn wir uns die dazu nötige Vollmacht und Einsicht zutrauen – in der Aufrichtung eines neuen Bekenntnisses, einer Helvetica tertia bestehen [. . . ]. Beide Möglichkeiten sind in der reformierten Kirche gleich mögliche Möglichkeiten (214).
Während er Repristination und Neuformulierung also als grundsätzlich gleichberechtigte Optionen eigenen Bekennens ansieht, sei beides aber nicht möglich ohne die vorherige Klärung der Voraussetzungen reformierten Bekennens, und darum sehe er in der „Vorbereitung einer neuen Erfassung des ‚Schriftprinzips‘ [. . . ] den einzigen ernsthaften Programmpunkt einer reformierten Theologie für die nächste Zukunft.“ (229) Den hier gewonnenen Konfessionsbegriff, für den Barth meist in einem Atemzug Zwingli und Calvin als Kronzeugen nennt, stellt Barth in den Inhalten der 128 Barth gibt allerdings zweifelsfrei zu erkennen, dass er für diesen Fall persönlich „entschieden für den Catechismus Genevensis von 1545 eintreten würde“ (229), nicht für den HK. Nur wenig später spricht er in seiner Schleiermacher-Vorlesung davon, dass ersterer „durch das Erscheinen des praktisch viel brauchbareren Buches der Heidelberger Theologen Ursin und Olevian in den Schatten gestellt wurde“ (Barth, Die Theologie Schleiermachers, 365). Allerdings ist, wie bereits festgestellt, „Brauchbarkeit“ kein unzweifelhaftes Lob aus dem Munde Barths.
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Lehraussagen als „Kampffront“ in drei Punkten dar (231). Diese gliedern sich implizit entlang der drei Artikel des Glaubensbekenntnisses bzw. der Trinität. Polemisch habe die reformierte Lehre erstens gegen die römische Kirche einzuwenden, dass „das Subjekt im religiösen Verhältnis Gott sei und nicht der Mensch“ (230). Gegen die lutherische Lehre habe man zweitens christologisch anzugehen: Das Extra-Calvinisticum sieht Barth als die Spitze des reformierten Bestehens auf „einem dialektischen, indirekten Verständnis der Offenbarung und Selbstmitteilung Gottes, ihre Zurückhaltung, die auch im Akte höchster Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch Gott Gott sein lässt und den Menschen daran erinnert, dass er Staub und Asche ist“ (237). Den Verweis auf die Absolutheit Gottes verwendet Barth also zweifach negativ, jeweils in Abgrenzung von anderen konfessionellen Positionen, er bildet die negative Funktion des Bekenntnisses. Barth bleibt aber keineswegs bei der Negation stehen. Als positiven Inhalt des reformierten Bekenntnisses formuliert er drittens als Lehre vom Heiligen Geist im Spiegel des Schriftprinzips „mit Entschiedenheit die Wendung von der Anschauung Gottes (die in dieser Zeitlichkeit nur Eines sein kann, nicht Alles), zurück zum Leben, zum Menschen und seiner Lage.“ (238) Es gehe um ein „ganzes, entschiedene Aktivität des Menschen voraussetzendes Lebensprogramm“ (239), dessen Ethik sich „nicht auf die Liebe, sondern auf den Gehorsam gegen die Gebote“ gründet (241). Die „Heiligung des Einzelnen und der Gemeinde drunten“, ohne allen Heilssynergismus, sei „notwendiger Hinweis auf die aus der Bibel nicht wegzubehauptende Idee des tausendjährigen Reiches“ (243). Die positive Funktion des Bekenntnisses bedeutet für den Bekennenden, selbst Hinweis auf den Bekannten zu werden. Der hier gewonnene Konfessionsbegriff steht Barth zufolge aber auch in scharfem Kontrast zu dem Selbstverständnis der sich um den Reformierten Bund formierenden Bekenntnisbewegung. Die „Wahrung reformierter Belange“129 kann Barth nach seiner Konzeption reformierten Bekenntnisses nicht als legitimes Anliegen betrachten. Die von ihm herausgearbeiteten inhaltlichen Spezifika reformierter Lehre – Gott statt Mensch, indirekte Offenbarung, Heiligung des Menschen – erkennt er dem zeitgenössischen Reformiertentum nicht zu. Rücksichtslos konstatiert er vielmehr, „dass unser Name heute, ehrlich gesagt, keinen Sinn hat“ (228). Deswegen spricht er der reformierten Gemeinschaft die Fähigkeit sowohl zu einer echten Repristination des eigenen Erbes als auch zu einem neuen, eigenen Bekenntnis ab. Einzig möglich könne in der aktuellen Lage nur das SchuldBekenntnis sein, „dass wir unsre Schwachheit ernstlich und vorbehaltlos Schuld und nicht Schicksal nennen“ (247). Nur so könne man sich wieder anschicken, das Erbe der Väter zu „erwerben“, das man eben entgegen dem eigenen Selbstverständnis noch nicht „besitze“. Ganz bewusst setzt Barth mit seinem Vortrag nicht nur gegenüber anderen konfessionellen Positionierungen, sondern auch gegenüber seinen eigenen Glaubensgenossen auf Konfrontation. Einer vorschnellen Identifikation mit der Tradition
129 Vgl. Vorländer, Aufbruch und Krise, 9.
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und der Vereinnahmung durch ihre Vertreter verweigert er sich, nimmt aber „einige wichtigste Einzelaussagen des reformierten Bekenntnisses“ für sich in Anspruch (229). Enttäuscht bemerkt er aber: Die „eigentlichen reformierten Bundes-Männer [. . . ] redeten ungebrochen weiter, als wäre nichts geschehen“. Nur mit Mühe habe er „die Erstellung eines Friedensregenbogens über die sichtbar gewordenen Differenzen wenigstens formal verhindern“ können.130 Eine offene Benennung des Konflikts wäre Barth lieber gewesen, doch resigniert stellt er fest: „Mein Emdener Vortrag war die Stimme eines Predigers in der Wüste“.131 Ausgetragen wurde der Konflikt schließlich erst zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Im Hochdruck des Kirchenkampfes wurde der sich hier nicht nur andeutende, sondern von Barth geradezu provozierte Riss dann zunächst sichtbar und schließlich unüberbrückbar.132 2.4.2 „Wünschbarkeit und Möglichkeit eines allgemeinen reformierten Glaubensbekenntnisses“ 1925 Zunächst aber wurde Barth von den Reformierten weiterhin zu öffentlichkeitswirksamen Vorträgen eingeladen, und zwar auf allgemein geäußerten „stürmischen Wunsch“ sowohl auf die nächste Hauptversammlung des Reformierten Bundes 1925 in Duisburg-Meiderich als auch zur zeitnah stattfindenden Versammlung des Reformierten Weltbundes in Cardiff.133 Diesmal enthält Barth sich sowohl vor Ort als auch im brieflichen Kommentar der Polemik. Er zeigt sich durchaus beeindruckt von dem ihm begegnenden Reformiertentum: „[D]aneben ist es dann sehr gemütlich, und die Leute sind in ihrer Art wirklich vortrefflich.“134 Darüber hinaus lässt sich sein „reformiertes“ Engagement fortan auch auf den im Umfeld der Hauptversammlungen des Reformierten Bundes stattfindenden Theologischen Ferienkursen nachweisen, bei denen er beträchtliche Zuhörerscharen sammelt. Ab 1925 führt dies sogar zur Abhaltung von regelmäßigen „Theologischen Wochen“.135 Barth gibt seine Zusage, dort im Oktober 1925 zu sprechen, nach eigenen Angaben „mit weinendem Auge“.136 In einem Rundbrief poltert er heftig: „Die Diskussion ergab auch hier nichts Wesentliches. [. . . ] Ich werde nun in einem energischen Brief an Goeters feststellen, daß es so auf keinen Fall weitergeht mit dem reformierten Bund, jedenfalls was die Theologie betrifft. Es war einfach übel“.137 Dennoch lässt Barth sich zu einem Vortrag auf der 130 Barth an Thurneysen am 24.09.1923, in: Barth/Thurneysen, BwTh II, 186f. 131 Barth an Thurneysen am 25.09.1923, in: a. a. O., 189f. 132 S.u. Kap. 3.2.5, S. 109. 133 A. Lang in einem Brief am 04.02.1925, zit. nach: Barth, Wünschbarkeit und Möglichkeit, 609. Zitate aus diesem Titel werden im Folgenden durch Seitenzahlen im laufenden Text nachgewiesen. Hervorhebungen entstammen dabei, soweit nicht anders angegeben, dem Original. 134 Rundbrief am 07.06.1925, in: Barth/Thurneysen, BwTh II, 332. 135 Vgl. Goeters, Vorgeschichte, Entstehung und erstes Halbjahrhundert des Reformierten Bundes. 136 H. A. Hesse an Barth am 25.08.1927, zit. nach: Barth, Kirche und Theologie [1925], 647. 137 Rundbrief am 25.10.1925, in: Barth/Thurneysen, BwTh II, 380.
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2. Theologischen Woche 1927 bereden.138 Der „Gemeinde aus verkappten Theologen“ gibt Barth dort zunächst in Predigtform „etwas Gegendampf “ und versucht ihnen, die stets „scharfe Wacht“ hielten, „ob auch ja dem Menschen nichts zugesprochen und die Gnade allein gerühmt werde“, im Gespräch darzustellen, „daß das in dieser Unaufhaltsamkeit nicht gehe.“139 Barths Bemühung, auch die Polemik gegen die Pietisten zu dämpfen, wird von den Teilnehmern als „professorale Lauheit“ empfunden.140 Dennoch zeigt er sich nicht nur belustigt und irritiert, sondern auch beeindruckt von dem Ernst gerade der einfachen Leute als „einem von Fruchtbarkeit so dampfenden Acker“.141 Auf der 3. Theologischen Woche, auf der auch Barths Bruder Heinrich Barth vorträgt und Barth selbst über den Heiligen Geist und das christliche Leben referiert,142 entspinnt sich eine handfeste Kontroverse mit Hermann A. Hesse, die auch über das Kolleg hinaus Kreise schlägt und brieflich sowie in der RKZ weiter ausgetragen wird.143 1925 setzt Barth sich also vor den Generalversammlungen von Reformiertem Bund und Reformiertem Weltbund wie gebeten mit der Frage der „Wünschbarkeit und Möglichkeit eines allgemeinen reformierten Glaubensbekenntnisses“ auseinander, nachdem er offenbar zunächst mehrere Monate eine Antwort schuldig geblieben war.144 Barth hatte 1923 die Formulierung eigener, neuer Glaubensbekenntnisse als prinzipiell offenstehende Möglichkeit reformierten Glaubens angedeutet. Darum soll es nun explizit gehen, aber in der spezifischen Perspektive erwünschter reformierter Einheit. Dieser Zielrichtung erteilt Barth aber eine direkte Absage, wenn er als Ausgangspunkt seines Vortrags als „genaue historisch-dogmatische Bestimmung des Begriffs“145 ein Glaubensbekenntnis im reformierten Sinne wie folgt definiert: die von einer örtlich umschriebenen christlichen Gemeinschaft spontan und öffentlich formulierte, für ihren Charakter nach außen bis auf weiteres maßgebende und für ihr eigenes Lehren und Leben bis auf weiteres richtunggebende Darstellung der der allgemeinen christlichen Kirche vorläufig geschenkten Einsicht von der allein in der Heiligen Schrift bezeugten Offenbarung Gottes in Jesus Christus (610).
Einheit ist für Barth eben kein wesentliches Anliegen reformierten Bekenntnisses. Dessen Spontanität, Zeit- und Ortsgebundenheit sowie Vorläufigkeit bilden seine relativierenden Parameter, während Offenbarungsverweis, während Öffentlichkeitscharakter, Orientierungsfunktion in der Lehre und kirchliche Anbindung zu138 Barth, Das Wort in der Theologie von Schleiermacher bis Ritschl [1927]. 139 Barth an Thurneysen am 24.10.1927, in: Barth/Thurneysen, BwTh II, 535. 140 A. a. O., 536. 141 A. a. O., 535. 142 Barth, Der Heilige Geist und das christliche Leben [1929]. 143 Vgl. a. a. O., 459. 144 Busch, Vorwort, 10, hat den bereits am 03.06.1923 in Duisburg-Meiderich gehaltenen Vortrag als „genaues Summarium seiner Vorlesung von 1923“ bezeichnet. Veröffentlicht ist er als Barth, Wünschbarkeit und Möglichkeit, 605. Zitate aus diesem Titel werden im Folgenden durch Seitenzahlen im laufenden Text nachgewiesen. Hervorhebungen entstammen dabei, soweit nicht anders angegeben, dem Original. 145 Rundbrief am 06.06.1923, in: Barth/Thurneysen, BwTh II, 331.
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gleich Autorität verleihen. Darum bilde das Bekenntnis, das Barth hier und auch sonst häufig geradezu mit dem Begriff „Dogma“ im Sinne der doctrina gleichsetzen kann, „ein Drittes zwischen: einerseits dem unwandelbaren Gotteswort [. . . ] und andererseits den menschlichen religiösen Meinungen und Überzeugungen.“ (613) Das Reden von einem Dritten überrascht bei Barths sonstigen klar dual oder dialektisch verfassten Denkstrukturen. Das Dilemma, das Bekenntnis eindeutig der Schrift unterzuordnen, ihm aber doch als Tradition der Kirche einen über jede beliebige aktuale Äußerung hinausgehende Bedeutung zuzusprechen, löst er durch diese Zwischenverortung, beschreibt die resultierende Autorität aber als „scharfe dialektische Kurve“ (621): Nicht Glaubensgedanken, sondern Dogma, aber nun wieder: nicht starres, sondern grundsätzlich bewegliches, fließendes Dogma. Universal-christliche Wahrheit, aber jetzt und hier in bestimmter Weise erkannt und ausgesprochen von einer christlichen Gemeinde. Bestimmte, charakterisierte, ihrer Sache gewisse Kirche, ecclesia possidentium, aber durchaus und gerade als solche schola quaerentium. Gottes ewige Offenbarung, aber Offenbarung und ewig nur in dem Augenblick, in dem sie durch Gott selbst als solche erkannt wird (621).
Das Bekenntnis hat in erster Linie „praktische Bedeutung“ als „richtunggebender Kommentar zum Gesetz“ (619f). Keinesfalls dürfe es – wie im Luthertum – jemals selbst als inspiriert gelten (617). Die praktische Bedeutung ist eine öffentliche und politische: Ort des Bekenntnisses ist für Barth „der Marktplatz oder das Rathaus und daselbst die als christliche Abendmahlsgemeinde sich konstituierende Gemeinde der Stadt- oder Volksgenossen“ (617). Auch dürfe es nicht von oben herab erlassen werden, sondern sei irreduzibel Sache jedes Einzelnen. Der Bekenntnisakt konstituiert das Bild einer radikal-egalitären Bürgerschaft: „Kein Amt, kein Klerus darf sich hineinschieben zwischen den Imperator Christus im Himmel und die auf Erden souveräne christliche Landsgemeinde“ (618). Dass die Forderung eines persönlichen, öffentlich abgelegten und politisch relevanten Bekenntnisses selbst eine Nötigung des Einzelnen bedeute, die nicht gewaltfrei sei, gesteht Barth kritisch zu, hält aber dennoch an dessen Notwendigkeit fest (616f). Den zentralen Bezug auf die Schrift klärt Barth durch inhaltliche Zuspitzung. Anders als früher führt er Jesus Christus (in der Bezeugung durch die Schrift) statt die Schrift an sich als Inhalt und Ziel des Bekenntnisses an. Die ihm angetragene Forderung nach einem allgemeingültigen Bekenntnis lehnt Barth ab und verweist demgegenüber auf den besonderen Wert der Partikularität, der dem reformierten Kirchenbegriff seit ihrer Frühzeit besser entspreche (623–632). Er hebt die lokale Gemeindebindung hervor und sieht sich darin in Übereinstimmung mit den „Vätern“. Sowohl eine rückwärts gerichtete Allgemeinheit im Sinne der „Ökumenizität der römischen Reichskirche“ (625), auf deren Boden das Luthertum die CA formuliert habe, als auch eine vorwärts gerichtete Allgemeinheit im Sinne der Sammlung aller Evangelischen unter einem neuen Bekenntnis habe Calvin scharf abgelehnt. Nur eine „pia conspiratio“ im Sinne der „Bildung von erweiterten Partikularbekenntnissen“, der gegenseitigen Anerkennung oder Zusammenstellung privater Sammlungen sei auf Grundlage eines reformierten Kirchenbegriffs mög-
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lich (627). Nur als auf „konkreten Handlungen“ beruhender coetus ist die sichtbare Kirche denkbar. Ein wirklich allgemeines Glaubensbekenntnis wird dadurch zwar nicht prinzipiell unmöglich, aber extrem unwahrscheinlich (628f). Die Konkretheit reformierten Bekenntnisses bedeutet „Akt, Ereignis, Handlung, nicht nur als Erkenntnis Gottes in seiner Offenbarung, sondern auch und eben damit zugleich: als Demonstration wirklicher, menschlich-irdischer Gemeinschaft.“ (630) Diese Gemeinschaft – hier wird eine deutliche Differenz zum lutherischen Bekenntnisbegriff hergestellt – könne durch das Bekenntnis nicht hergestellt werden, sondern müsse ihm vorausgehen. Um so weit über das Unternehmen der Väter hinauszugehen müsse aber schließlich – neben der Erfüllung des spezifisch reformierten Bekenntnis- und Kirchenverständnisses – die höchste Notwendigkeit vorhanden sein, nämlich die, dem Willen Gottes zu gehorchen. Nur dann dürfe man die Aufstellung eines allgemeinen reformierten Bekenntnisses wagen. Eine wirklich ein solches Bekenntnis erfordernde Situation könne nur eine Extremsituation sein: „‚Credo‘ sagt man erst, wenn alle anderen Möglichkeiten erschöpft sind, wenn man, auf den Mund geschlagen, nichts mehr anderes sagen kann als eben ‚Credo‘“ (634). Aus solch einer Situation müsse ein allgemeines reformiertes Bekenntnis auch heute kommen, um genuin zu sein. Es müßte das Bekenntnis der von Gott Verlassenen und als solche von Gott Heimgesuchten, der Verlorenen und als solche Geretteten sein. Das Bekenntnis der am Willen Gottes Scheiternden und so sich Anklammernden. Sollte das in Frage kommende allgemeine reformierte Bekenntnis, denen der Väter gleich, ein solches Bekenntnis sein, wie sollte es dann, aber nur dann, nicht wünschbar und möglich sein? (635)
Beinahe prophetisch erscheinen Barths Überlegungen: Keine zehn Jahre später hält er die hier formulierte Extremsituation wohl für gekommen, wenn er an der Verfassung eines neuen, überkonfessionellen Bekenntnisses – der BTE – maßgeblich mit beteiligt ist und dort explizit Formulierungen aus dem HK übernimmt. Im Rückblick müssen die Überlegungen der beiden Vorträge vor dem Reformierten Bund als erste Vorankündigungen dieser Entwicklung gesehen werden, auch wenn Barth 1925 die aufgestellten Bedingungen bei allen sichtbaren äußeren Krisen nicht für gegeben hält und darum folgert: „Zu einem Glaubensbekenntnis aber besteht, von der deutschen und schweizerischen Theologie aus gesehen, heute keine ernsthafte Möglichkeit.“146 Erst die gleiche Krise erlaubt den gleichen Akt des Bekenntnisses. In einer solchen Notsituation bilde das Bekenntnis allerdings keine Rettung, sondern bleibe menschlich labil: „Das Bekenntnis bietet der Kirche äußerlich wenig, letztlich kei146 So kann man diesen Vortrag zwar vielleicht nicht mit Goeters als direktes „allererstes Präludium zur Barmer Erklärung von 1934“ (Goeters, Lehrstuhl und Studienhaus, 274) sehen, doch gehört er – v.a. aber auch schon die Vorlesung von 1923! – sicherlich in deren Vorgeschichte. Für wie maßgeblich Barth die hier gewonnene Form seiner Gedanken hält, geht daraus hervor, dass sie zu einem beträchtlichen Teil später direkt in die KD eingehen, und zwar im Jahr 1938 (Barth, KD I/2, 693–740).
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nen Schutz gegen eindringende Entartung.“ (620) Die wahre Extremsituation ist für Barth aber nicht in erster Linie die durch äußere Not induzierte, sondern liege in sich aus der Bibel neu aufdrängenden Einsichten, in einem konkreten Gebot Gottes, das konkret in die aktuelle Lage hineingesprochen werden müsse. Diese doppelte Not bilde „schematisch geredet, eine dogmatische und eine ethische Voraussetzung des Glaubensbekenntnisses“ (635).147 Aktuelle Anlässe für ein solches fallen Barth aber durchaus ein. Habe die Kirche denn aktuell etwas zu sagen, fragt er provokant, zu dem seit dem Krieg in allen Ländern in gleichförmiger Weise auftretenden faschistischvölkischen Nationalismus. Sagt die Kirche ja oder nein zu dieser Sache? sagt sie zum Antisemitismus ja oder nein? sagt sie zum Krieg prinzipiell und unbewußt ja oder hat sie etwa aller praktischen Vorbehalte ungeachtet ein letztes prinzipielles, aber eben als solches unbedingtes und unüberhörbares, nicht pazifistisches, sondern spezifisch christliches Nein gegen den Krieg auf den Leuchter zu stellen? (640f)
Die Versuchung, aus einer situationsbedingten und ethischen Notwendigkeit Stellung beziehen zu wollen, sei groß. Die Fragen, zu denen die Kirche Stellung zu beziehen habe, werden schon 1925 von Barth deutlich genannt: Krieg, Nationalismus, Antisemitismus – die ethische Voraussetzung ist erfüllt. Es sind politische Themen – und doch geht es nicht um eine politische, sondern eine christliche Stellungnahme. Doch ihnen gegenüber muss eine christliche Kirche etwas zu sagen haben, wenn sie überhaupt etwas zu sagen hat: „Ist sie hier ein stummer Hund, der seine Wächterpflicht nicht versteht, so taugt auch ihre beste Dogmatik nichts.“ (640) Die Frage sei aber, ob die Kirche an diesen Stellen jeweils auch „etwas zu sagen hat“ (641), ob die dogmatische Bedingung erfüllt sei. Auf den vom Reformierten Weltbund vorgegebenen148 Titel der Vorlesung zurückkommend formuliert Barth abschließend drei Bedingungen der Wünschbarkeit und Möglichkeit eines allgemeinen reformierten Glaubensbekenntnisses: 1. unsere Fähigkeit, den reformierten Begriff von der confessio ecclesiastica überhaupt zu vollziehen, und 2. Vereinbarkeit des Merkmals „allgemein“ mit dem reformierten Kirchenbegriff [und 3.] Vorhandensein des Willens Gottes zu diesem das Tun der Alten weit überbietenden Unternehmen, erkennbar am Vorhandensein bestimmter vorbereitender Voraussetzungen dazu. (641f)
Bei fehlenden Voraussetzungen urteilt Barth mit Schärfe über den bloß ‚subjektiven‘ Wunsch, ein gemeinsames Bekenntnis abzulegen: Solch „unnötiges und unaufgefordertes Bekennen aber hieße dann Gott versuchen“ (641). 147 Ein ethischer status confessionis wurde erstmalig in der Nachkriegszeit ausgerufen, so etwa in der Rüstungsdebatte oder in der Auseinandersetzung mit der Apartheid. Hier führt Barth zwar eine ethische Voraussetzung des status confessionis ein, dennoch ist sie deutlich der dogmatischen nachgeordnet und erhält ihr Recht von dieser. Auch im Kirchenkampf vollzieht sich die Auseinandersetzung mit den DC nicht anhand ethischer Fragen. Vielmehr wird ihre Kirchenpolitik als Verstoß gegen das Erste Gebot und damit als dogmatische Häresie gewertet. 148 In seinem Einladungsbrief vom 30.06.1924 an Barth hatte Generalsekretär John Robert Fleming das Thema formuliert: „Is a common Statement of Faith (Creed or Confession) desirable or practicable for the Reformed Churches of the world?“ (zit. nach: Barth, Wünschbarkeit und Möglichkeit, 604).
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2.5 An den Rändern der Aufmerksamkeit 2.5.1 Brunners Anfrage und Barths Schweigen 1924 Als Emil Brunner anlässlich seiner Berufung auf die Ragaz-Nachfolge in Zürich erstmalig Überblicks-Vorlesungen zu entwerfen hat, gehen er und Barth Anfang 1924 der Frage nach, auf welcher Grundlage man überhaupt Dogmatik betreiben könne. Zwischen verschiedenen Möglichkeiten schwankend und ihre jeweiligen Probleme erörternd, postuliert Brunner: „Das ehrlichste an Dogmatik ist immer: die auf den Bekenntnisschriften fußende.“149 Ganz konkret fragt er darauf nach Barths Erfahrungen mit dem HK aus dessen Vorlesung: „Du hast den Heidelberger Katechismus erprobt: Wäre das ein möglicher Ausgangspunkt? Ist er nicht schon zu sehr Produkt der nachreformatorisch orthodoxen Erstarrung?“150 In seiner Antwort scheint Barth es nicht einmal für nötig zu halten, auf diese konkrete Frage Auskunft zu geben, geschweige denn, sie als eigenständigen Vorschlag ernst zu nehmen.151 Seine stattdessen positiv entworfene „Tafel der Möglichkeiten“ zur Grundlegung der eigenen dogmatischen Arbeit führt folgende Optionen auf: 1. 2. 3. 4.
„Loci“ im Anschluss an den Römerbriff [sic!] ( Melanchthon!). Biblische Theologie à la Beck. Spekulative à la Biedermann. Scholastische (anstelle des Petrus Lombardus: Calvins Institutio, also wie dein ungarischer Gewährsmann, oder der Katechismus Genevensis 1545). 5. „Prophetische“, d.h. selber Calvin sein, auf den Tisch schlagen und unter beständiger Kontrolle 1. durch die Bibel, 2. durch das kirchliche Altertum + Reformation einen selbstgewählten Weg gehen. 6. Konfessionelle: Stoff der Dogmatik ist nun einmal das „Dogma“; gibt uns die verglunggte modern-reformierte Kirche kein solches an die Hand, so stehen wir offenbar wieder am Anfang der reformierten Reformation, haben zu fragen, was dort Dogma war vor den Bekenntnisschriften, kämen also auf das Apostolikum. Bekenntnis-Schrif-ten heuristisch zu verwenden. Autorität der Schrift als des Ursprungs des ganzen Krams selbstverständlich. 7. Der helle Unfug: Schleiermacher und, was hinter ihm kreucht und fleucht.152
Die Möglichkeiten 2, 3 und 7 schließt Barth von vornherein aus. Er selbst, gesteht er, neige derzeit zu einer Kombination der Optionen 5 und 6.153 Es ist bezeichnend, dass von sieben angedeuteten möglichen Wegen kein einziger den Ausgangspunkt 149 Brunner an Barth am 23.01.1924, in: Barth/Brunner, BwBr, 89. 150 A. a. O., 91. 151 Brunner hingegen beschäftigt sich weiter mit dem Thema. Am 16.12.1925 schreibt er an Barth: „Wir haben jetzt ein Pfarrkränzchen, wo wir den Heidelberger Katechismus miteinander lesen – unter Beiziehung der Helvetica posterior und des Genfer Katechismus – und ernsthafte theologische Gespräche führen. Es werden nahezu 30 Pfarrer aus Zürich, Schaffhausen und Glarus sein.“ Diese Erfahrung zeigt für ihn „die unverkennbare Tatsache, daß die Leute wieder ernstlich anfangen, Theologie zu studieren, die Studenten, aber auch die Pfarrer“ (a. a. O., 127). 152 Barth an Brunner am 26.01.1924, in: a. a. O., 94f. 153 McCormack widerspricht Barths Selbsteinschätzung: „Was er dann jedoch tatsächlich ausführte, kann am besten als eine Kombination des ‚scholastischen‘ Ansatzes und der ‚Loci‘-Methode
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bei den Bekenntnisschriften wählt, wie Brunner vorgeschlagen hatte. An zweiter Stelle aber sind sie stark präsent: als zu kommentierende Sätzesammlung („4. schien mir lange die einzige Möglichkeit“154 ), als eine externe Kontrollinstanz neben anderen (5.), als Instrument einer konfessionellen Dogmatik (6.). Sie fungieren aber nicht als Grundlage, sondern als rein „heuristisches“ Mittel auf dem Weg zu dem „vor den Bekenntnisschriften“ die Reformatoren Bewegenden. Der 6. Weg gibt eine Selbstinterpretation dessen, was Barth in seiner HK-Vorlesung unternommen hatte: den Vorstoß zum „Dogma“ als zur „vor“ der Bekenntnisschrift liegenden Sache,155 als Besinnung auf den „Anfang“ der Reformation, zu dessen Aufspürung die Bekenntnisschriften dienstbar gemacht werden können. Die Bekenntnisschriften im allgemeinen sieht Barth also keineswegs als legitimen Ausgangspunkt der Dogmatik an, der HK im besonderen scheint trotz der expliziten Frage seines Freundes nach ihm im Gegensatz zum zitierten Genfer Katechismus nicht einmal einen Kommentar wert. Auch jeder konfessionelle Weg, Dogmatik zu betreiben, müsse letzten Endes auf der Schrift fußen. Das einzige Bekenntnis, das Barth aufgrund des Mangels an reformiertem Dogma gelten lässt, ist das Apostolikum. 2.5.2 Der HK in den Göttinger und Münsteraner Predigten Auch wenn der HK ihm nicht zur Quelle der Dogmatik geworden ist, kann Barth ihn ab 1921 augrund der inzwischen gewonnenen Erkenntnisse in seinen Predigten mehrfach ambivalent bis unkommentiert zustimmend zitieren. Es fällt auf, dass er sich hierbei nicht nur auf die ausführlich behandelte Frage 1, sondern auch auf die im Rahmen der Vorlesungen vernachlässigten Fragen 54 und 122 bezieht. Doch erübrigt der Verweis auf den HK für Barth auch jetzt nicht den eigenen Weg: In einer Predigt über den „Namen des Herrn“ führt er Frage 122 in einem Atemzug mit dem Lutherischen Katechismus an als „treffliche Erklärungen“ über das Wort Gottes, die aber trotz ihrer Brauchbarkeit keine Lösung böten, sondern den Hörer vielmehr „ratlos“ zurückließen.156 1923 hält er es in einer Predigt über „Barmherzigkeit“ für „nicht nötig, das Kapitel von des Menschen Elend auch noch von der Kanzel aus zu illustrieren“.157 Einzelne Anspielungen in den Predigten der Göttinger Zeit belegen zwar, dass Barths eigene Lektüregänge und Studien ihn bereits damals über die in der ersten Vorlesung behandelten Fragen hinaus durch den Gesamtzusammenhang des Kaverstanden werden. Die Göttinger Dogmatik ist hauptsächlich ein Sentenzenkommentar [. . . ] zu Heinrich Heppes Textbuch der reformierten Dogmatik“ (McCormack, Dialektik und Realismus, 297). 154 Barth/Brunner, BwBr, 96. 155 Während Barth die Begriffe „Dogma“ und „Bekenntnis“ – im verschrifteten Sinne – oft synonym gebraucht, differenziert er hier explizit: „Ich suche nach dem System der Begriffe Offenbarung, Glaube, Geist, Kirche, Schrift, Dogma, Bekenntnis (für uns Reformierte nicht dasselbe!), Dogmatik, Predigt“ (a. a. O., 95). 156 Predigt am 19.11.1922 zu Spr 18,10, in: Barth, Predigten 1921–1935, 25. 157 Predigt am 09.12.1923 zu Lk 1,78f, in: a. a. O., 76, kursiv HR.
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techismus geführt hatten. Die ekklesiologische Frage 54, die auch später für Barth an erheblicher Bedeutung gewinnen wird, hat er hier also bereits für sich entdeckt.158 Dies passt zur Gesamtentwicklung der Göttinger Zeit, in der er durch die Entdeckung der Lehre auch die Kirche zunehmend als Autorität würdigen kann, statt sie, wie noch in RömII, nur als Ort des Gerichts anzusehen.159 Eine starke Wirkung der Auseinandersetzung mit dem HK auf Barths Predigtpraxis lässt sich jedoch nicht feststellen. In seiner Münsteraner Zeit schweigt Barth weitgehend nicht nur zum HK, sondern auch zur Bekenntnisfrage im allgemeinen. Dennoch lassen sich auch hier einzelne HK-Referenzen und -Zitate feststellen. Drei Predigten belegen eher, dass die über Frage 1 gewonnenen Einsichten in Barths aktiven Wortschatz übergegangen sind, als dass sie eine weitere Beschäftigung mit dem HK vermuten lassen. So greift Barth 1925 in einer Predigt zu Ps 119,165 das „Jesu-Christi-eigen-Sein“ als Ermöglichung christlicher Selbsterkenntnis und darin als Grundlage des „großen Friedens“ auf: [W]ir sind nicht unsere eigenen Herren, wir sind in der Macht Jesu Christi, wir sind „sein eigen“. Wir dürfen nicht dabei stehen bleiben, uns zu betrachten, uns zu verstehen und zu erkennen, wie wir in uns selber sind; [. . . ] denn als Jesu Christi Eigentum sind wir etwas anderes und haben wir einen Maßstab, zu messen und zu erkennen, was wir in uns selber sind.160
Der Erkenntniszusammenhang prägt auch die Referenz in einer Predigt 1927 zum Fischzug des Petrus: „Lasst uns die Augen auftun und sehen, ob diese geschenkte Fülle nicht vielleicht schon lange da ist auch für uns, das Wunder der göttlichen Güte gegen uns, das nur darauf wartet, von uns erkannt zu werden [. . . ], was doch wahr ist, dass ich im Leben und im Sterben nicht mein, sondern meines getreuen Heilands Jesu Christi eigen bin.“161 Die Differenzierung von schon jetzt und noch nicht bringt die Unterscheidung von ontischer und noetischer Dimension, Wirklichkeit und Erkenntnis der Wirklichkeit mit sich. Sie würdigt die subjektivaneignende Dimension gleichermaßen, wie sie ihr konstitutiven Wert aberkennt. In einer themenbasierten Karfreitagsbetrachtung 1930 schließlich greift Barth das ihm weiterhin ambivalente Trost-Motiv des HK auf und wendet es eschatologisch kontrafaktisch-aufschiebend. Der Trost ist ihm hier die Wirklichkeit Gottes „wider alles Schauen“. Sie widerspricht „dem Bild im Spiegel“, das der ungläubige Mensch sieht. Doch genau darum gilt auch: „Versöhnung ist wirklich als Hoffnung. [. . . ] Versöhntsein heißt diese Zukunft haben“.162
158 S.u. S. 118. 159 Vgl. McCormack, Dialektik und Realismus, 262. 160 Predigt am 12.07.1925 zu Ps 119,165, in: Barth, Predigten 1921–1935, 138f. 161 Predigt am 02.10.1927 zu Lk 5,1–11, in: a. a. O., 181. 162 Predigt „Die Wirklichkeit der Versöhnung“ am 18.04.1930, in: a. a. O., 590.
3. Confessio qua creditur und Confessio quae creditur. HK-Lektüren in Bonn 1930–1935 3.1 Der „Kirchenkampf “ als „Bekenntniskampf “ Brisant wird die Bekenntnisfrage in der Zeit des sog. ‚Kirchenkampfes‘1 . Auch unter Christen gibt es eine weitverbreitete Begeisterung für den nationalen Aufbruch. Dass ab April 1933 über eine grundlegende Umgestaltung der Kirche zu einer Reichskirche geredet wird, ist für viele eine hoffnungsvolle Perspektive, um der seit dem 19. Jahrhundert fortgeschrittenen landeskirchlichen Zersplitterung zu begegnen. Insbesondere mit dem Entstehen einer kirchlichen Verfassung identifiziert man sich. Doch die Rolle der Glaubensbewegung Deutsche Christen und die politische Einflussnahme auf diesen Prozess wecken auch Besorgnis. So sehen bald andere Christen in diesen Entwicklungen einen Moment der Bekenntnisnot: „Der anhebende Kirchenkampf wurde zu einem Kampf um das Bekenntnis.“2 In dieser Zeit ist schon terminologisch vielfach – und erstaunlich selbstverständlich – von Bekenntnis, Bekenntnisfrage, Bekenntnisstand die Rede.3 Dabei lässt sich fast durchgehend eine terminologische Unschärfe feststellen: die Berufung auf das Bekenntnis, also Bekenntnisschriften als rechtliche Grundlage der Kirche einerseits, der Aufruf zum Bekennen, also dem öffentlichen Zeugnisablegen für diese als bedroht wahrgenommenen Grundlagen andererseits. Während man das ei-
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Dass der Begriff „Kirchenkampf “ als Bezeichnung einer Epoche oder einer in ihr postulierten „Gesamthaltung der Kirchen in den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur“ aus verschiedenen Gründen „[v]öllig untauglich ist“, ist von der Forschung kritisch festgestellt worden (Mehlhausen, Art. Nationalsozialismus und Kirchen, 43, zuvor bereits Scholder, Kirchen 1). Keine Kirche führte einen „Kampf “ gegen die Diktatur des totalen Staates oder den Nationalsozialismus als Ideologie, vielmehr berief man sich gegenüber einer bestimmten Kirchenpolitik auf die durch den Staat selbst juristisch geschaffenen Grundlagen der jeweiligen Kirchen und appellierte so an eben jene Autorität, gegen die spätere Generationen gerne ‚Widerstand‘ gesehen hätten. Auf die während der Jahre 1933/34 innerkirchlich „sich ereignenden Auseinandersetzungen um die Leitung der Kirche, ihre Ordnung und ihren Bekenntnisstand“ ist der Begriff aber darum durchaus anwendbar (Mehlhausen, Art. Nationalsozialismus und Kirchen, 43) Reese, Bekenntnis und Bekennen im Kirchenkampf, 472, vgl. auch a. a. O., 467: „Der deutsche Kirchenkampf [. . . ] ist zu einem guten Teil, im Grundsätzlichen wie in konkreten Auseinandersetzungen, als ein Kampf um das Bekenntnis der Kirche geführt worden.“ Der Ruf zu Bekenntnissynoden und die Namensgebung der Bekennenden Kirche (BK) steht prominent in dieser Linie. Vgl. auch die Zeitschrift EvTh, deren Beiträge in den Jahren 1934 und 1935 fast durchgehend den Bekenntnisbegriff im Titel führen. Reese spricht von seiner geradezu „chiffrehaften Verwendung zur Bezeichnung des ‚Wesens‘ und ‚Auftrags‘, der Andersartigkeit und Eigenständigkeit der Kirche gegenüber anderen menschlichen Lebens- und Gemeinschaftsformen bis zu seinem spezifischen Gebrauch im Sinne der Bekenntnisse der Reformationszeit und der mit ihnen verbundenen konfessionellen Kirchentümer“ (ebd.).
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ne tendenziell mit dem traditionellen lutherischen,4 das andere tendenziell mit dem reformierten Vorverständnis identifizieren könnte, trägt diese Unterscheidung im Laufe der Auseinandersetzungen nicht mehr. Immer wieder werden Rufe nach einem neuen Bekenntnis oder der Rückbesinnung auf die alten Bekenntnisse laut, die reklamieren, der Liberalismus, der das Bekenntnis im Wesentlichen nicht aus ekklesiologischen, sondern aus territorialkirchlich-politischen Gründen abgelehnt habe, habe „mit seinem Offenbarungs- und Bekenntnisverständnis der Kirche das konfessorische Rückgrat gebrochen“.5 Das alte, ursprünglich die in einem Gebiet rechtlich geltenden Normen bezeichnende Wort „Bekenntnisstand“ wird umgedeutet und neu als aktuelle Verpflichtung auf das Evangelium inkl. aller öffentlichen und rechtlichen Konsequenzen für die Kirche verstanden.6 Bald führt eine Vielzahl neuverfasster Schriften den Begriff „Bekenntnis“ selbst im Titel, so dass die Grenzen zwischen Bekenntnis und Bekennen verschwimmen. Die erste in Form, Inhalt und Sprache als „Bekenntnis“ erkennbare Kundgebung bildet das „Wort und Bekenntnis Altonaer Pastoren zur Not und Verwirrung öffentlichen Lebens“7 , ausgelöst durch den sog. „Altonaer Blutsonntag“ am 17.07.1932, unter Federführung von Hans Asmussen. Die fünf Artikel (Von der Kirche; von den Grenzen des Menschen; vom Staate; von den Aufgaben des Staates; von den Geboten Gottes) werden jeweils durch die Formel „Wir glauben, lehren und bekennen“ eingeleitet, mit der der Text auch insgesamt schließt. Ebenso werden Verwerfungssätze abgeleitet.8 Doch gerade der Ruf nach dem Bekenntnis und seiner Beziehung auf die aktuelle Lage unterscheidet die Lager kaum. Vielmehr zeichnet dies gerade auch die DC aus, die die Kirche nach nationalsozialistischen Vorstellungen reformieren wollen. Linientreu zum Parteiprogramm der NSDAP formulieren sie: „Wir stehen auf dem Boden des positiven Christentums. Wir bekennen uns zu einem bejahenden artgemäßen Christus-Glauben, wie er deutschem Luther-Geist und heldischer Frömmigkeit entspricht.“9 Das Glaubensbekenntnis Deutscher Christen stellt im Mai 1933 eine Alternative zum Apostolikum auf: 4 5 6 7 8
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Zum lutherischen Bekenntnisbegriff dieser Zeit als konfessionalistischem Erbe vgl. kritisch Hauschild, Kirche und Wort Gottes [1984], 204. Jacobs, Bekenntnisverständnis, 415. Vgl. Reese, Bekenntnis und Bekennen im Kirchenkampf, 473; ders., „Bekenntnisstand“, „Lehre der Kirche“, „Irrlehre“ in der theologischen Diskussion vom 19. zum 20. Jahrhundert, 130f. Hermle/Thierfelder (Hg.), Herausgefordert, 64–70 (= HTh). Reese, Bekenntnis und Bekennen im Kirchenkampf, 468, sieht in Altona erstmals das „Bekenntnis als eine Gestalt der Verkündigung“ auftreten. Niesel, Die gegenwärtige theologische Lage in Deutschland, 158, erfindet beinahe bereits den ethischen status confessionis, wenn er über das Altonaer Bekenntnis sagt: „Diese Hinwendung unserer Theologie zur Ethik hat aber auch ein erfreuliches Ergebnis gehabt. [. . . ] Heute erleben wir es, daß diese vielgeschmähte Theologie anfängt, bekenntnisbildend zu wirken.“ Richtlinien der Glaubensbewegung „Deutsche Christen“ vom 26.05.1932, zit. nach: Schmidt (Hg.), Bekenntnisse 1933, 135. Das NSDAP-Parteiprogramm vom 24.02.1920 hatte erklärt, die NSDAP vertrete den „Standpunkt eines positiven Christentums, ohne sich konfessionell an ein bestimmtes Bekenntnis zu binden“ und fordere „die Freiheit aller religiösen Bekenntnisse im Staat, soweit sie nicht dessen Bestand gefährden oder gegen das Sittlichkeits- oder Moralgefühl der germanischen Rasse verstoßen“ (zit. nach: HTh, 29–32, Art. 24). Nicht nur der Staat, sondern auch das Christen-
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1. Ich glaube an Gott den Vater, den allmächtigen Schöpfer, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden. [. . . ] 2. Ich glaube an die ewige Berufung aller Menschen zu Gottes Mitarbeitern, zu Gottes Streitern, zu Gottes Kindern, wie uns das Jesus am klarsten vorgelebt hat. [. . . ] 3. Ich glaube an den ewigen sittlichen Geist, der von der Gottheit ausströmt und, wenn wir in voller Empfänglichkeit uns erschließen, auf uns überströmt und uns veredelt und erfüllt und uns treibt zu allem guten Werk und uns zu Gottes-Menschen und Gottes-Kindern macht hier zeitlich und dort ewig.10
Trotz formaler Anlehnung an die trinitarische Form ist der Übergang im 2. und 3. Artikel von einem Bekenntnis zu Gott zu einem Bekenntnis zum Menschen offensichtlich. Der Bezug auf Christus, seine Gottessohnschaft und sein Heilswerk fehlt ebenso vollständig wie Schrift- und Kirchenbezug. Jesus erscheint als Vorbild der allgemeinen menschlichen Vervollkommnung. Auch der Geist ist statt als „heiliger“ als ein „sittlicher“ kaum mehr vom Geist des Menschen zu unterscheiden. Nicht nur von den DC, sondern auch in anti-kirchlichen nationalen Kreisen finden sich Anfang der 1930er Jahre Formulierungen eigener, neuer Bekenntnisse, so etwa unter dem Titel Confessio Germanica oder Deutschapostolikum von 1933: Ich glaube an den Gott der Deutschreligion, der in der Natur, im hohen Menschengeist und in der Kraft seines Volked wirkt. Und an den Nothelfer Krist [sic!], der um die Edelkeit der Menschenseele kämpft. Und an Deutschland, das Bildungsland der neuen Menschheit.11
Romantisierte aufklärerisch-humanistische Wurzeln sind hier ebenso sichtbar wie die nationalistische Umgestaltung und die völkisch-religiöse Aufladung der Bekenntnisform. Der Hoheitsanspruch der Ideologie schlägt sich bereits in der Bezeichnungsmacht nieder („Deutschreligion“, „Nothelfer Krist“). Während die beiden ersten Artikel noch Spuren christlicher Vorstellungen bewahren, sind Pneumatologie und Ekklesiologie vollständig durch Aufklärungsanthropologie und nationale Begriffe ersetzt worden. So wird das Bekenntnis in der nationalen Bewegung auch insgesamt bald „lediglich ein Merkmal der völkischen Eigenart, Ausdruck des Volkstums oder auch Band der religiösen Volksgemeinschaft.“12 Die Richtlinien der Glaubensbewegung der Deutschen Christen wollen nach eigener Angabe „weder ein Glaubensbekenntnis sein oder ersetzen, noch an den Bekenntnisgrundlagen der evangelischen Kirche rütteln. Sie sind ein Lebensbekenntnis.“13 Damit nehmen sie in gewisser Abgrenzung und Verzicht auf seine
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tum wird damit vom Bekenntnis unabhängig erklärt, zugleich werden die Kirchen der Idee der Rasse untergeordnet. Verfasst durch Julius Reissinger, zit. nach: Schmidt (Hg.), Bekenntnisse 1933, 132. Zit. nach: a. a. O., 131. Das Bekenntnis geht zurück auf den Philosophen Ernst Bergmann, der versuchte, eine völkisch-nationale „Deutschreligion“ jenseits des Christentums zu erfinden. Reese, Bekenntnis und Bekennen, 49f. Strohm, Kirche und Nationalsozialismus, 189–192 spricht von „pseudoreligiösen“ Motiven, da die Rede vom „positiven Christentum“ sich bald als Teil einer „geschickt inszenierten Verschleierungstaktik“ der nationalsozialistischen Kirchenpolitik in ihrer „charakteristischen Doppelgesichtigkeit“ herausgestellt habe. Zit. nach Schmidt (Hg.), Bekenntnisse 1933, 135.
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religiösen und kirchenrechtlichen Dimensionen den Bekenntnisbegriff für sich in Anspruch. Neben und zusätzlich zu dem Festhalten am traditionellen Bekenntnis fordern die DC ein aktuelles Bekennen, das nicht in erster Linie religiös zu verstehen ist: „Wir treten ein [. . . ] für die völlige Wahrung des Bekenntnisstandes der Reformation, verlangen aber eine Weiterbildung des Bekenntnisses im Sinne scharfer Abwehr aller modernen Irrlehren, des Mammonismus, Bolschewismus und des unchristlichen Pazifismus.“14 Das Bekennen wird als politische Stellungnahme sowie Unterstützung und ideologische Legitimierung bestimmter politischer Linien eingefordert, wird also zum Element einer „politischen Theologie“ auch in der enggeführten Verwendung dieses Begriffs. Gegenüber dem Anspruch der DC, eine neue, in der nationalsozialistischen Machtergreifung geschichtlich ergehende Offenbarung zu verkündigen, und ihrer Forderung nach allerlei neuen bekenntnismäßigen Worten wird für die Opposition ihnen gegenüber die Inanspruchnahme von Schrift und Tradition geradezu kennzeichnend – das Bekenntnis zur Tradition in Abgrenzung zum Bekenntnis zur Gegenwart der DC.15 Als Gegenbekenntnis zum Fahneneid wird die BK später zum Glaubensbekenntnis im Gottesdienst aufstehen.16 Vor allem aber soll die Restitution der traditionellen Bekenntnisschriften der Kirche Halt geben. Die Jungreformatorische Bewegung bezieht sich v.a. auf die lutherischen Bekenntnisse. Doch auch auf reformierter Seite wird in Besinnung auf das konfessionelle Erbe der HK als „Wegweiser [. . . ], der uns hilft, die biblischen Linien aufzufinden“, wiederentdeckt.17 Frage 1 als Fundament des wieder allgemein in Gebrauch zu bringenden Bekenntnisses kann bis zum übergeschichtlich gültigen Glaubensdokument der Kirche stilisiert werden. Die Jungreformierten sehen die Überwindung der aktuellen „Not“ in der „Wiedergewinnung und Befestigung eben dieses Bekenntnisses“, denn sie sind der festen Überzeugung, daß wir in den beglaubigten Bekenntnisschriften der reformierten Kirche (sonderlich im Heidelberger Katechismus, der Confessio Helvetica Posterior und im Genfer Katechismus) die biblische Wahrheit in vollgültigen Zusammenfassungen und Erklärungen vor uns haben. Namentlich den Heidelberger Katechismus stellen wir als das für uns maßgebende und verbindliche Bekenntnis ins Licht, sofern uns nicht das Wort Gottes selbst [. . . ] zu einer besseren Erkenntnis führt.18
14 So in den sog. „Müller’schen Richtlinien“ zum Ziel der Glaubensbewegung „Deutsche Christen“ vom Mai 1933, zit. nach: HTh, 95, Hervorhebung i.O. 15 Mehlhausen hat nachgewiesen, wie die DC sich durch den „Verzicht auf jenes traditionelle biblisch-theologische Begriffsmaterial, das seit der Reformation öffentliche Kundgebungen des deutschen Protestantismus geprägt und geformt hat“, von der eigenen Tradition entfernt und eine „neue Kirchensprache“ geformt haben. In dezidierter Abgrenzung davon ist zu beobachten, dass Vertreter der BK sich „ganz entschieden der traditionellen biblisch-theologischen Sprache verpflichten“ (Mehlhausen, Schriftgebrauch, 219). 16 Vgl. Busch, Credo, 10. 17 Frick, Reformierter Glaube, 4. 18 Vorläufige Sätze der Jungreformatorischen Arbeitsgemeinschaft in Bonn, 392. Die Jungreformierten waren eine in der Schweiz gegründete Bewegung, die seit 1925 auch in Deutschland Einfluss gewann, dort aber „das erwachte reformierte Selbstbewusstsein nun stärker konfessionell im Gegenüber zum Luthertum zur Geltung“ bringen wollte (Freudenberg, Karl Barth und die refor-
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In der nationalsozialistischen Diktatur richtet sich der innerkirchliche Protest in erster Linie gegen den Übergriff der nationalsozialistischen Ideologie und des nationalsozialistischen Staates in den Bereich der Kirchenpolitik und ihre institutionelle und personelle Ausgestaltung. Die „Auseinandersetzung um das Bekenntnis“ bedeutet vielfach, dass Bekenntnistexte nun als kirchenrechtlich relevante Instanz für die Ordnung der eigenen Angelegenheiten gegen die politischen Glaubensbekenntnisse der DC in Anspruch genommen werden. Dies entspricht durchaus dem lutherischen Ansatz, Bekenntnisschriften als kirchengründende Dokumente zu verstehen, was im Zuge des CA-Jubiläums eine gewisse Renaissance feierte.19 So legen die zeitgenössischen Lutheraner besonderen Wert darauf, dass die CA nicht nur die eigene Tradition profiliert, sondern in der Kirche „rechtlich in Geltung steht und die Norm für ihre Lehre und Arbeit bildet.“20 Dieser Bekenntnisbegriff nötigt in der Konsequenz allerdings zur Aufrechterhaltung der konfessionellen Unterscheidung, um die rechtliche Eigenständigkeit im NS-Staat zu garantieren. Außerdem ist die Möglichkeit des Appells an die Geltung abhängig davon, keine neuen – konkurrierenden, nicht rechtlich abgesicherten – Bekenntnisschriften zu formulieren, so dass die Berufung auf das Bekenntnis bei den Lutheranern zu einer gewissen Reserviertheit gegenüber dem aktuellen Bekennen führt. Auf reformierter Seite entzündet sich die Kritik v.a. an der Führung der Reichskirche durch einen (lutherischen) Reichsbischof.21 Nach reformiertem Verständnis sei auch die Kirchenverfassung nach dem Wort Gottes, d.h. nach der Schrift zu gestalten und dürfe darum nur kollegial ausgeformt sein.22 Inhaltlich einigt
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mierte Theologie, 80, Anm. 324). Nach ersten Begegnungen im Rahmen des Reformierten Bundes geriet Barth auch in Bonn schnell in Konflikt mit ihnen. Zur Jungreformierten Bewegung vgl. ausführlich Aerne, Religiöse Sozialisten, Jungreformierte und Feldprediger. In diesem Zusammenhang entstand auch die Neuauflage: Die Bekenntnisschriften der evangelischlutherischen Kirche. Kundgebung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern am 17.03.1934, in: Schmidt (Hg.), Bekenntnisse 1934, 47. Umgekehrt darf aber keineswegs gefolgert werden, alle Reformierten hätten eine „feste Front gegen die Befürworter eines Bischofstitels“ gebildet (so Lekebusch, Die Reformierten im Kirchenkampf, 21). Neben der Radikalität eines Heinrich Forsthoff, der 1934 nach Hitlers Vorbild des Führerprinzips im neugeschaffenen Evangelischen Bistum Köln-Aachen die Presbyterien abschaffte, ist auch Otto Weber ein prominentes Gegenbeispiel. Weber war zeitweise als reformierter Vertreter im Geistlichen Ministerium ein enger und loyaler Mitarbeiter von Reichsbischof Müller, hatte auch dessen Stellung im Verfassungsentwurf mitformuliert und schrieb dessen Reden. Zu Webers kirchenpolitischer Arbeit 1933/34 vgl. ausführlich Bülow, Otto Weber (1902–1966), 98–151. Dies ist ein Grundgedanke, der zumindest dem „Führer“-Prinzip tatsächlich diametral entgegen steht. Dennoch müssen Schlüsse mit Vorsicht genossen werden, wie Vorländer, Aufbruch und Krise, 9 sie zieht: Er interpretiert die reformierte Bischofskritik als ausschlaggebend für das „verhältnismäßig frühe Gespür für die Irrlehre“ (51) auf reformierter Seite und kommt zu dem Urteil: „[I]n dem – wie auch immer zu beurteilenden – reformierten Misstrauen gegen eine Bischofskirche und in dem in reformierter Tradition wurzelnden presbyterial-synodalen Prinzip als dem Ausdruck des Gehorsams gegenüber dem Herrn der Kirche wird man die wichtigste Ursache dafür sehen dürfen, daß vornehmlich aus den Reihen der Reformierten und der reformiert Geprägten sich Protest gegen die Deutschen Christen erhob, als deren Parolen in weitesten Kreisen des
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man sich inner-reformiert vorläufig noch auf die Ablehnung der zentralistischen Reichskirchenstruktur unter einem Bischof, so in den Düsseldorfer Thesen, die sowohl Barth als auch die Jungreformierten unterzeichnen.23 Doch auch diese Einigkeit ist nicht von langer Dauer. Die Opposition gegen die nationalsozialistische Kirchenpolitik versteht sich in weiten Teilen als politisch gestaltende „Wahrung reformierter Belange“, während andere Gruppen innerhalb der reformierten Fraktion stärker auf ein „reformiertes Wächteramt im Dienst der Gesamtkirche“ verweisen. Letztere verstehen unter dem Stichwort Bekenntnis „in erster Linie das gegenwärtige Bekenntnis, zu dem die Kirche, unbeschadet ihrer besonderen konfessionellen ‚Herkunft und Verantwortung‘ von Gott herausgerufen ist“.24 In dem Versuch der Absicherung gegen die Bedrohung durch den Nationalsozialismus entdecken nun auch die Reformierten „das Bekenntnis“ als Gesetzestext und Grundlage des Kirchenrechts. Insoweit sie durchs Bekenntnis gedeckt ist, kommt der Kirche Rechtsstatus zu. Wo es um die Regelung von Bekenntnisfragen geht, besitzt die Kirche eine relative Autonomie gegenüber staatlichen Instanzen, also eine gewisse Eigenrechtlichkeit. Insofern fungiert die Anrufung der Bekenntnisse, die theologisch zuvor im reformierten Bereich keinen vergleichbaren Stellenwert genossen hatten, in dieser Lage bald stärker als formaler Appell an ein schützendes Gesetz denn als inhaltliche Berufung auf Glaubensinhalte im engeren Sinne.25 Neu ist das Bemühen, den Bekenntnisbegriff dabei nicht als kirchengründend oder eine bestehende Kircheneinheit ausdrückend zu verstehen, sondern als eine überkonfessionelle – und gerade darum autoritative – Größe. So formuliert Wilhelm Niesel: „Wer in der Konfession eine Gestalt sieht, eine Erscheinungsform des Christentums, neben der es selbstverständlich andere geben darf, der weiß nicht, was Konfessio, was Bekenntnis ist.“26 Auch für Barth ist klar: „Lutheraner und Reformierte können und dürfen heute nicht gegeneinander, sondern sie können und müssen heute evangelisch-lutherisch und evangelisch-reformiert miteinander bekennen.“27 Das eine Bekenntnis der Kirche wird hier angerufen, das sich von den Bekenntnissen qualitativ und autoritativ unterscheidet.28
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‚Kirchenvolkes‘ und seiner ‚Führer‘ entweder Verwirrung oder sogar begeisterte Zustimmung auslösten“ (64f). Ob es dabei wirklich um Erkenntnis von „Irrlehre“ ging oder inwieweit der de facto noch geäußerte Widerspruch gegen die nationalsozialistische Gleichschaltungspolitik aus konfessionalistischem Ressentiment gegen eine Vermengung mit dem Luthertum oder aus dem kirchenpolitischen Selbsterhaltungsinstinkt einer Minderheitensituation heraus betrieben wurde, wird an dieser Stelle offen bleiben müssen. Zit. nach: Schmidt (Hg.), Bekenntnisse 1933, 149f. Reese, Bekenntnis und Bekennen im Kirchenkampf, 485. Im Bezug auf konkrete Schriften („welches Bekenntnis“?) besteht dabei durchaus keine Einigkeit. So kann die Confessio Tetrapolitana als Alternative zur CA zitiert werden oder die Confessio Helvetica Prior gegen die Wittenberger Konkordie. Häufig aber wird tatsächlich der HK in Anspruch genommen. Niesel, Der Weg der Kirche im Gehorsam des Glaubens, 39. Barth, Gottes Wille, 6. Dies führt in den Flügeln des reformierten Lagers dazu, dass man sich gegenseitig ‚Unionismus‘ vorwirft (vgl. Lekebusch, Die Reformierten im Kirchenkampf, 156.265).
Der „Kirchenkampf “ als „Bekenntniskampf “
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Das Stichwort Bekenntnis appelliert nun auch auf reformierter Seite an ein „Eigentliches“ des allgemeinen christlichen Glaubens, das der Vereinnahmung durch die neue Politik und Theologie widerstehen soll. In diesem Sinne wird der Bekenntnisbegriff auch für den Gegenstand, den Inhalt des Glaubens verwendet, zu dem man sich im Bekennen und im Bekenntnis bekennt. Etwas überspitzt könnte man formulieren: Während die Lutheraner sich zum Bekenntnis bekannten, bekannten die Reformierten sich zu Gottes Wort in der Schrift. Gleichzeitig ermöglicht dies in der Tendenz eine größere Flexibilität in Bezug auf aktuelle NeuFormulierungen. Gegen die „natürliche Vernunft“ der DC und ihre Bekenntnisse zu aktuellen politischen Entwicklungen werden Bibel und Bekenntnisschriften als christliche Autoritäten angerufen, allerdings mit gemischten Ergebnissen: Da es keine einheitliche Konzeption gibt, wie die Schrift zu lesen ist, und Bibelzitate von den Vertretern bereits vorformulierter theologischer Positionen nachträglich belegartig „hinzuaddier[t]“ werden, wird „der Pluralismus der Positionen durch diesen Schriftgebrauch überhaupt nicht beeinflusst“.29 Insgesamt führt in dieser Zeit der Appell an das Bekenntnis eher noch zu einer stärkeren Isolation der einzelnen kirchlichen Traditionen, die unter Verweis auf ihr – sei es lutherisches, sei es reformiertes – Bekenntnis um ihre Eigenständigkeit gegenüber der Reichskirche ringen, sich so aber auch gegeneinander positionieren statt miteinander.30 Ein Weg zu einem gemeinsamen Bekennen eröffnet sich aus dieser kirchenpolitischen Gemengelage heraus gerade nicht, wie die Diskussion um die BTE anschaulich zeigt, die als Bekenntnis anzuerkennen sich verschiedenen Fraktionen als unmöglich darstellen würde. An verschiedenen Etappen werdender Bekenntnisse, die in die berühmte BTE münden, ist Barth in den Jahren des Kirchenkampfes unmittelbar beteiligt. Neben das Reden über Bekenntnisse im akademischen und kirchlichen Kontext, wie wir sie uns anhand von Barths Auslegungen des HK in den 1920er Jahren vor Augen geführt haben, tritt nun sozusagen das Reden vom Bekenntnis bzw. das eigene Bekennen. Hier soll insbesondere Gegenstand der Untersuchung sein, inwiefern beide Bereiche sich überschneiden, also inwiefern das ‚Reden von‘ auf das ‚Reden über‘ zurückgreift, bzw. inwiefern das eigene Bekennen sich als Zitation und Interpretation überkommener Bekenntnisformeln des HK artikuliert.
29 Mehlhausen, Schriftgebrauch, 226. Dies ändert sich nach Mehlhausen grundsätzlich erst mit der BTE, denn hier geht seiner Analyse nach „die hermeneutische Grundentscheidung dem Einsatz des einzelnen Schriftwortes normativ voraus. Das Schriftverständnis bestimmt den Schriftgebrauch. Die entschiedene Gegnerschaft zu den Lehren der DC ist biblisch-theologisch an einem Drehund Angelpunkt verankert und muß nicht fallweise neu bestimmt werden“ (a. a. O., 227). 30 Vgl. z.B. Sasse, Union und Bekenntnis [1934], 278: „Aber im gegenwärtigen Zeitpunkt eine Union zu erklären, das würde eine Lähmung unserer Kraft in dem schweren Kampf des Augenblicks bedeuten.“ Ähnliche Befürchtungen finden sich auch bei gemäßigteren Lutheranern und auf reformierter Seite.
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3.2 Der HK als Wortschatz eigenen Christusbekenntnisses 3.2.1 Evangelisches Bekenntnis. Kirchenpolitische Versuche Seit 1926 hatte Barth neben der schweizerischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft inne. Dass er 1931 in die SPD eintrat, signalisiert seine Anteilnahme an und Abgrenzung von den politischen Entwicklungen in Deutschland noch vor seinem kirchenpolitischen Engagement.31 Im Zusammenhang der Erarbeitung einer Verfassung für die DEK ist Barth im Mai 1933 an einem „Bekenntnisentwurf “32 unter dem Titel Was heißt: evangelisch sein? beteiligt. Zur Vorbereitung der Arbeit im Dreimännerkollegium, das kurz zuvor durch Hitler selbst auf Forderung der DC um ihren Vertreter Ludwig Müller erweitert worden war, beriet sich Hermann Albert Hesse als Vertreter der Reformierten mit Wilhelm Niesel und Karl Barth. Müllers Forderung danach, „dem Geschlecht unserer Tage deutlich zu machen, was es heißt, evangelisch zu sein“,33 versuchen sie durch einen eigenen Formulierungsversuch zuvorzukommen: Evangelisch sein heißt: auf das Gebot unseres Schöpfers hören [. . . ,] dem Allmächtigen danken [. . . ,] sich vor dem Heiligen Gott als Sünder beugen [. . . ,] auf den Vater im Himmel sein ganzes Vertrauen setzen. Evangelisch sein heißt: auf den Ruf des Herrn Jesu hören [. . . ,] ihn erkennen als den Sohn Gottes, der für uns Mensch wurde [. . . ,] ihn gelten lassen als den Heiland, der für uns Sünder gestorben und auferstanden ist [. . . ,] ihn erwarten als den kommenden Richter aller Menschen. Evangelisch sein heißt: auf das Trösten und Mahnen des Heiligen Geistes hören [. . . ,] ein lebendiges Glied der Kirche Jesu Christi sein [. . . ,] in den Sorgen und Verantwortung [sic!] dieses Lebens das uns heilsame Kreuz erkennen und auf uns nehmen [. . . ,] wachen und beten und hoffen auf die Verheißung: Siehe, ich mache alles neu!34
Mit diesem Entwurf wollen sie auf die entstehende Verfassung der Reichskirche theologisch Einfluss nehmen. In klassisch trinitarischer Struktur fasst der Text die unverzichtbaren Gegenstände evangelischen Glaubens zusammen. Der jeweilige Obersatz ordnet den drei Artikeln drei Formen des Hörens auf drei Formen des Wortes Gottes (Gebot, Ruf, Trösten/Mahnen) zu. Das Hören wird sofort näher be31 McCormack beschreibt, dass Barth in der Zeit der Weimarer Republik den Nationalismus zwar für absurd, aber ungefährlich gehalten habe. „Barths politisches Erwachen“ habe erst Anfang 1931 eingesetzt und erkläre auch seinen Eintritt in die SPD am 01.05.1931 (McCormack, Dialektik und Realismus, 348). 32 So von Barth selbst im Brief an W. Niesel am 15.05.1933 bezeichnet, in: Barth, Briefe 1933, 205. Insofern ist die Behauptung von Plasger nicht ganz richtig, dass Barth sich 1933 noch durchgehend gegen die Aufstellung eines neuen Bekenntnisses gewehrt habe und erst in Barmen dazu bereit gewesen sei (Plasger, Fehlende Klarheit). 33 Zit. nach: Scholder, Kirchen 1, 395f. 34 Hesse, Vom Werden der Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche, 254, Gliederung HR.
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stimmt durch ein wiederum jeweils dreifaches Antworten auf Gottes Wort. Charakteristisch ist, dass dieses nicht als zweiter Schritt auf das Hören folgt, sondern das Hören selbst eine aktiv-responsive Kategorie darstellt, statt in einem passivrezeptiven Vernehmen zu verbleiben. Das Antworten ist das Hören des Christen: Das Hören ist Ge-Hor-Sam. Das produktiv-überschießende Potential des Wortes Gottes kommt auch darin zum Ausdruck, dass es sich potenziert: Das dreimalige Hören setzt ein dreifach dreimaliges Antworten frei, das in allen Artikeln jeweils eine doxologisch-theologische, eine hamartiologisch-anthropologische und eine eschatologische Dimension aufweist. Relationale Verben dominieren (hören, danken, beugen, sein Vertrauen setzen, erwarten, auf sich nehmen, hoffen. . . ). Glaube ist weniger ein bestimmter Inhalt, der deklariert werden kann, als vielmehr eine Beziehung: ein Sich-Beziehen auf die dreifach ergehende Stimme, die Hören und Antwort verlangt. Dieses Hören-auf-Gott, in der doppelten Bedeutung von Aufmerksamkeit und Gehorsam, kennzeichnet „evangelisches“ Bekenntnis in Barths Verständnis. Dieses Hören-als-Gehorchen und Gehorchen-als-Hören lässt sich inhaltlich auf die klassische Bestimmung des Glaubens beziehen als notitia, assensus und fiducia. Der Entwurf organisiert diesen Dreiklang trinitarisch als (auf den Vater) vertrauen, (den Sohn) erkennen, (in der Kraft des Geistes) bekennen. Fides qua und fides quae, Glaubensakt und Glaubensschrift, Bekennen und Bekenntnis, Form und Inhalt werden dadurch konstitutiv miteinander verwoben. Die traditionelle erfahrungstheologische Reihenfolge35 wird umgedreht: Vertrauen folgt nicht auf Kenntnis und Zustimmung, sondern geht diesen voraus und ermöglicht erst Erkenntnis und Bekenntnis.36 Der jeweils futurisch-eschatologische Abschluss spitzt das Vertrauen zu: Es setzt das Hoffen auf die Zukunft Gottes kontrafaktisch gegen die Gegenwart, der gegenüber Gott sich als Richter und Erneuerer erweisen soll. Für den Rahmen der Reichskirchenverfassung verzichten alle Artikel auf spezifisch konfessionelle Lehren. Auch das Titel.Stichwort „evangelisch“ hat man in diesem Zusammenhang eher als „am Evangelium orientiert“ denn als konfessionelle Partikularidentität und -lehre zu verstehen. Die überkonfessionelle Orientierung am Evangelium drückt sich schon in der Grundbestimmung des „Hörens“ aus, die sich durch den Text hindurchzieht. Der Text greift sprachlich erkennbar auf biblische und Traditionsformulierungen zurück. Auch der HK klingt an, allerdings nicht – wie später in der BTE – mit den markanten christologischen Formulierungen aus Frage 1, sondern mit der ekklesiologischen Vorstellung des Christen aus Frage 54 als „ein lebendiges Glied der Kirche“. Es ist eben keine Suche nach
35 Vgl. allgemein zur Bestimmung des Glaubens als notitia, assensus, fiducia Slenczka, Art. Glaube VI. Reformation / Neuzeit / Systematisch-theologisch. Die Reihenfolge geht zurück auf Melanchthons Loci (Melanchthon, CR 21, 745f). Sie wurde in der lutherischen Orthodoxie durchgebildet, ist aber auch die calvinische und die des HK in Frage 21. 36 1937 und 1947 wird Barth diese dreifache Definition des Glaubens ausführlicher entfalten (Barth, Dogmatik im Grundriß, 16–38) und noch einmal verschieben, um sie in KD IV/1, §63 schließlich im Dreischritt „anerkennen – erkennen – bekennen“ zu organisieren.
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persönlichem Trost, um das es hier geht, sondern ein Kampf um die Kirche und die Frage, wer oder was ihre Gemeinschaft konstituiert und normiert. Barths Versuch, durch diese Form der Vorarbeit für das Dreimännerkollegium auf der Bühne der offiziellen Kirchenpolitik Einfluss zu nehmen, ist wenig erfolgreich. Das letztendliche Produkt, das Loccumer Manifest, spricht am 20.05.1933 ein kräftiges „Ja“ zur nationalen „Erhebung“, die es als „Gottes Fügung“ versteht, und bekräftigt: „In dieser Wende der Geschichte hören wir als evangelische Christen im Glauben den Ruf Gottes“.37 Dies unterscheidet sich für Barth nicht von der bereits festgestellten „alles übrige schlechterdings korrumpierende[n] und aufhebende[n] ‚Gleichschaltung‘“.38 Der zentrale theologische Kritikpunkt ist für ihn, in Loccum sei „ein ‚Bekenntnis‘ fabriziert worden [. . . ] in welchem leider die heilige Schrift nicht erwähnt wird, wogegen Jesus im zweiten Artikel als ‚Kämpfer‘ dargestellt wird.“39 „Bekenntnis“ kann für Barth aber nur das Bekenntnis zum Wort Gottes in der Schrift, zum Wort Gottes in Jesus Christus sein. Die Form ist demgegenüber zweitrangig, dieser Inhalt aber unverzichtbar. Enttäuscht wendet Barth sich nach seinem „kleine[n] Ausflug [. . . ] in die Kirchenpolitik“ von dieser ab und setzt fortan ebenso wenig Hoffnung in die Jungreformatorische Bewegung wie in die reformierten Bekenntniswahrer.40 Er schlägt im Folgenden einen anderen Weg ein, der überwiegend als Weg ‚von unten‘ bezeichnet werden kann.41 Dazu tritt er allerdings zunächst bei den angesetzten Kirchenwahlen auf lokaler Ebene mit einer eigenen Liste an. 3.2.2 „Für die Freiheit des Evangeliums!“ Kirchenwahl und Bekenntnis An den derart in den Raum gestellten Begriff des „Evangelisch-Seins“ knüpft Barth im Folgenden aber dabei unmittelbar an. So greift er die Frage „Was heißt evangelische Kirche?“ in den unter starker Mitwirkung von Laien erarbeiteten reformierten Düsseldorfer Thesen zur Gestalt der Kirche auf.42 Die Antwort wird auf Grundlage der Feststellung erarbeitet, die Kirche sei „aus dem Wort Gottes geboren“. Gegen die sich in Loccum abzeichnende Problematik wird diese Grundlage doppelt bestimmt: „Das Wort Gottes wird uns gesagt durch die Heilige Schrift Alten und Neuen Testamentes. Das uns gesagte Wort Gottes ist unser Herr Jesus Christus.“43 Gegen ein Führerprinzip in der Kirche ebenso wie gegen ein hierarchisches Bischofsamt werden die reformierte Ämtervielfalt und ihre christologische Begründung hervorgehoben: „‚Geistlicher Führer‘ der Kirche ist allein Jesus Christus, ihr himmlischer König, welcher auf Erden durch Seinen Geist in einem 37 38 39 40 41
Zit. nach: HTh, 96. Barth an G. Merz am 29./30.04.1933, in: Barth, Briefe 1933, 174. Barth an E. Hessel, in: A. a. O., 233. Zocher, „Was heißt: evangelisch sein?“, 60. Vgl. ebd.: „Nun beginnt seine konsequente Hinwendung zur Gemeinde, zur Arbeit mit und an der Basis“. 42 Vgl. dazu auch ausführlich a. a. O., 60–67. 43 Thesen 1–3, zit. nach: Schmidt (Hg.), Bekenntnisse 1933, 149.
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jeden lebt, der in Gehorsam gegen Seinen Auftrag in Seinem Dienst in der Kirche steht.“44 Auch in den unmittelbar nach Verabschiedung der Verfassung45 im Juli staatlich angesetzten Kirchenwahlen tritt Barth mit einer eigenen lokalen Liste unter dem Titel „Für die Freiheit des Evangeliums!“ an. Damit entwirft er nun auf lokaler Ebene ein Gegenprogramm nicht nur zu den DC, sondern auch zur Jungreformatorischen Bewegung, die zwar kirchliche Selbständigkeit gegenüber dem Staat bewahren will, die Abgrenzung zu den DC für Barth aber nicht eindeutig genug vollzieht. Ihren innerkirchlichen Protest gegen deren Lehre versuchen sie durch deutliche Bejahung des nationalsozialistischen Staates anschlussfähig zu halten.46 Als Wahlwerbung formuliert Barth einen kurzen Text, den er explizit als „Bekenntnis“ tituliert: „Die bevorstehende Kirchenwahl gibt uns Anlaß, dies zu bekennen.“47 In einer Rede am Vorabend der Wahl bekräftigt Barth: „Eine Kirchenwahl ist ein Akt des Glaubensbekenntnisses. [. . . ] Indem ich wähle, bekenne ich diesen oder jenen Glauben an die Kirche.“48 Obwohl es als „Wahlprogramm“ eine partikulare politische Äußerung darstellt, ist das Programm nicht als persönliches Bekenntnis Barths, sondern in Wir-Form formuliert und zeichnet sich nicht durch subjektive, sondern durch assertorische Sprache (z.B.: „Das Evangelium ist die Kraft Gottes, Jesus Christus“49 ) und biblische sowie reformatorische Zitate aus. Barth geht es offensichtlich nicht darum, eine Eigenmeinung und ein persönliches Programm zu formulieren, sondern den Inhalt, für den er steht, zu dem er sich bekennt, auf den Plan zu führen und selbst sprechen zu lassen. Als Wahlprogramm für ein
44 These 12, zit. nach: A. a. O., 150. 45 Verfassung der DEK vom 11.07.1933, reichsgesetzlich anerkannt am 14.07.1933, zit. nach: HTh, 103– 109. 46 Vgl. Barth an G. Merz am 29./30.04.1933, in: Barth, Briefe 1933, 174: „Ich bin bis jetzt noch auf keine Verlautbarung [. . . ] der gegen die ‚deutschen Christen‘ sich abhebenden Kirchenbewegung gestoßen, die nicht charakterisiert gewesen wäre durch ein [. . . ] Grundbekenntnis zu der Notwendigkeit, Rechtmäßigkeit, Erfreulichkeit und womöglich [. . . ] auch christlichen Erheblichkeit der seit dem 30. Januar vollzogenen politischen Entwicklung.“ Mehlhausen, Schriftgebrauch, 223, weist darauf hin, dass der Unterschied zwischen den Jungreformatoren und Barth insbesondere am Schriftgebrauch und der biblischen Sprache festzumachen sei, durch die jene formal nah an den DC standen. Vgl. dazu etwa den Aufruf der Jungreformatorischen Bewegung vom Mai 1933, in dem es heißt: „Auf Grund der bestehenden Einzelbekenntnisse hat die Kirche den Menschen von heute die Antwort des Evangeliums auf die Frage nach Rasse, Volk und Staat zu geben. Hieraus wird das neue Bekenntnis erwachsen, das die evangelische Kirche deutscher Nation nötig hat, wenn sie mehr sein soll als ein Zweckverband“ (zit. nach: HTh, 110). 47 Flugblatt der Bonner „Liste für die Freiheit des Evangeliums“ zur Kirchenwahl am 23.07.1933, zit. nach: a. a. O., 120, kursiv HR. 48 Barth, Freiheit, 3. Hier äußert Barth drei Thesen zur Kirche (Schrift als einzige Offenbarungsquelle, Verkündigung des Evangeliums als einziger Auftrag der Kirche, Taufe – nicht Rasse oder Blut – einzige Bedingung für Gliedschaft der Kirche, a. a. O., 7f). Diese bilden inhaltlich zwar einen gewissen Vorläufer zur BTE, sprachlich hingegen ist dies höchstens in sehr loser Weise der Fall. Insbesondere ist auffällig, dass das 1933er Wahl-„Bekenntnis“ sich wesentlich konkreter zu Fragen der zeitgenössischen Kirchenpolitik äußert als die BTE. So nimmt sie etwa sehr deutlich ablehnend zum sog. „Arierparagraphen“ Stellung. 49 Zit. nach: HTh, 119, kursiv HR.
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kirchenpolitisches Amt erhebt der Text Anspruch auf überindividuelle, nämlich repräsentative Geltung: Wer Barth wählt, lässt dieses Programm von ihm vertreten; wer Barth wählt, macht dieses Programm zur Direktive kirchlicher Politik und Gesetzgebung. So steht dieses Bekenntnis im demokratischen Prozess an der Schnittstelle zwischen persönlicher und allgemeiner Geltung durch den Anspruch auf Repräsentabilität. Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist der Begriff der Kirche zentral für Barths Zeitgenossenschaft. Einschlägig konfessionell-konfessionalistisches Vokabular vermeidet Barth. Weder appelliert er an partikulare Bekenntnisgrundlagen, noch ruft er ein reformiertes Grundgefühl an. Vielmehr beruft er sich auf den „evangelischen Glauben“ und die Aufgabe der „evangelischen Kirche“. Durch die Überschrift und die anfänglichen Thesen wird klargestellt: Das Stichwort „evangelisch“ ist hier nicht als konfessionelle (etwa: anti-römische) Positionierung zu verstehen, sondern als „evangeliumsgemäß“: Evangelischer Glaube ist der Glaube an das Evangelium Jesu Christi, die evangelische Kirche „weiß sich dem Evangelium allein unterworfen und verantwortlich“.50 Auch wenn Barth davon spricht, hier zu „bekennen“, ist damit offensichtlich keine konfessionelle Rückbesinnung gemeint und keine Bindung an eine Kirchenverfassung, auch keine Aufrichtung einer neuen kirchlichen Parteilichkeit. Vielmehr wird über jedes Gesetz hinaus das Evangelium als alleiniger Grund der Kirche bestimmt. Im Evangeliumsbegriff sind Christusbezug und Schriftbezug äquivalent gesetzt und doch inhaltlich qualifiziert.51 Obwohl Barth im Gegensatz zur Glaubensbewegung Deutsche Christen und der Jungreformatorischen Bewegung nur eine lokale Liste lanciert, erwirbt er in dieser Wahl aufgrund seines persönlichen Renommees einen Sitz im Bonner Presbyterium, wo er im Folgenden aber schnell isoliert wird. Mit politischer Unterstützung und Zugriff auf den staatlichen Propaganda-Apparat gewinnen die DC indes fast überall die Oberhand. Lediglich in Bayern, Hannover und Württemberg, wo sie nicht als konkurrierende Partei angetreten, sondern im Vorfeld in landeskirchliche Einheitslisten integriert worden waren, bleibt ihr Einfluss begrenzt.
3.2.3 „Theologische Existenz“ statt „politischer Glaubensbekenntnisse“ In seinem epochalen Aufsatz Theologische Existenz heute! erteilt Barth der nationalsozialistischen Bewegung eine vollständige Absage, die sich unter anderem auch am Umgang mit dem Bekenntnis bemisst. Waren die DC der Meinung, das Bekenntnis müsse von den alten Überresten biblischer Sprache gereinigt und einer moderneren Sprache angepasst werden, formuliert Barth dagegen:
50 HTh, 119. 51 Nicht erst für die BTE gilt also: „Statt eines eklektisch-biblizistischen Umgangs mit der Heiligen Schrift oder einer Lenkung des Schriftgebrauchs durch die Bekenntnisschriften des 16. Jahrhunderts fordert K. Barth, daß die Christologie als Voraussetzung und Mitte aller Theologie auch der hermeneutische Schlüssel im konkreten Konflikt sein und bleiben müsse. [. . . ] Dem solus Christus muß das sola scriptura entsprechen – und umgekehrt“ (Mehlhausen, Schriftgebrauch, 223).
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Das Bekenntnis der Kirche ist, wenn es weiterzubilden ist, nach Maßgabe der heiligen Schrift und auf keinen Fall nach Maßgabe der Positionen und Negationen einer zu einer bestimmten Zeit in Geltung stehenden, politischen oder sonstigen, auch nicht der nationalsozialistischen Weltanschauung weiterzubilden.52
Auch diese Forderung zeichnet sich wieder durch den singularisch-umfassenden Bekenntnisbegriff und seine Bindung an die Schrift aus. Als eine „nach Maßgabe der heiligen Schrift“ weiterzubildende Größe erscheint das Bekenntnis hier geradezu als Glosse zur Schrift, als Kommentar, als von ihrem Text abhängiger KoText. Der Vorbehalt gegenüber einer allzu leichten Weiterbildung bedeutet eine Absage an den Zeitgeist und an die Einschätzung, dass den aktuellen Entwicklungen direkte theologische Relevanz zukomme. Dies unterscheidet Barth von den „politischen Glaubensbekenntnissen“53 der DC. Er wehrt sich gerade gegen die Vermischung von Glauben und Politik, die zur religiösen Legitimierung und Aufladung der Politik führt. Darum hält Barth weiterhin daran fest, nicht den Nationalsozialismus als politische Bewegung abzulehnen und seinem politischen Bekenntnis ein politisches Gegenbekenntnis entgegenzuhalten.54 Stattdessen verurteilt er den Glauben der DC als Häresie gegen das Erste Gebot.55 Dass Barth hier die Anlehnung an politische Maßstäbe ablehnt, ist kein Ausdruck einer a-politischen oder un-politischen Haltung.56 Seine Relativierung des Politischen – in der Zeit ihrer Überhöhung und Totalisierung – ist gerade in ihrer Absage ans Politische eine sehr klare politische Positionierung. Hatte Barth als Reaktion auf den Ersten Weltkrieg keinesfalls weitergemacht, „als wäre nichts geschehen“, ruft er jetzt eben dazu auf.57 Schon dadurch ist deutlich: Es handelt sich hier nicht um eine überzeitlich-allgemeine Forderung, sondern um die seines Erachtens diesem Kontext gegenüber angemessene Antwort. Fern von einer Indif52 Barth, Theologische Existenz heute!, 24. 53 So Barths Vorwurf schon im April 1932 gegenüber Emanuel Hirsch (ders., OB I, 200). 54 So formuliert Barth auch nicht wie Gogarten oder gegen Gogarten eine politische Ethik (Gogarten, Politische Ethik). In diesem Sinne ist Barth „unpolitisch“: als Gegenentwurf gegen die „politische Theologie“ seiner Zeit, vgl. dazu bereits Niesel, Die gegenwärtige theologische Lage in Deutschland, 158. 55 1933 wehrt Barth sich mehrfach gegen die Aufstellung eines neuen Bekenntnisses, reagiert geradezu „erschrocken“ auf diese Forderung (vgl. Plasger, Fehlende Klarheit, 241). So lehnt Barth auf dem Oktobertreffen des Pfarrernotbundes ein Bekenntnis gegen den Arierparagraphen als verfrüht ab, da es die noch fehlende theologische Klarheit nicht herbeiführen könne (vgl. Barth, Reformationstag 1933, 93–113). Dies entspricht dem erläuterten Verständnis des Bekenntnisses als Ausdruck bestehender Einheit statt als kirchengründendem Dokument. 56 Zur Entstehung der Schrift Theologische Existenz heute! vgl. Stoevesandt, „Von der Kirchenpolitik zur Kirche!“, der auch deutlich macht, dass die ursprüngliche Fassung, die bereits ab Mai angedacht, ab Mitte Juni verfasst wurde, deutlich direkter zu politischen Ereignissen Stellung bezogen hatte, als die Druckfassung es schließlich tat. Ein erstes, „ganz politisches, unerhört scharfes Manifest“ überarbeitete Barth aufgrund der Reaktion der Hausgenossen (ebd., 121 unter Zitation von Gollwitzer, Reich Gottes und Sozialismus bei Karl Barth, 59). Erst unmittelbar vor Veröffentlichung wurden noch die Hinweise auf die aktuelle Lage nach der Einsetzung von August Jäger als Staatskommissar für alle Landeskirchen und dem Amtsverzicht von Friedrich von Bodelschwingh am 24.06.1933 eingefügt. 57 Diese Formulierung aus Barth, Theologische Existenz heute!, 3, hat immer wieder als Aufhänger für Diskussionen über Barths angeblich unpolitische Haltung herhalten müssen.
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ferenz gegenüber den politischen Entwicklungen verweigert Barth ihnen damit das, was sie in seinen Augen so gefährlich macht: die pseudoreligiöse Aufladung und Überhöhung, die auch durch eine direkte theologische Kampfansage an die Lage noch verstärkt würde.58 Theologie zu treiben, „als wäre nichts geschehen“, ist also der Versuch, diesen Tendenzen den Boden zu entziehen.59 Barths Zeitgenossen nahmen seine Absage an die Ideologie des absoluten Staates gerade in der Selbstbeschränkung auf theologische und kirchliche Belange frühzeitig sehr genau wahr. Hans Michael Müller erklärt Barth wegen der Theologizität seiner Haltung umgehend zum „Staatsfeind“.60 Der ehemalige Anhänger der dialektischen Theologie Fritz Tügel postuliert, der Aufsatz Theologische Existenz heute! müsste für Barth „den geraden Weg ins Konzentrationslager bedeuten“.61 Eben die Tatsache, dass er die theologische Loyalität über die Loyalität zum Führer, das Glaubensbekenntnis über das politische Bekenntnis stellt, wird als politische Kampfansage verstanden. So heißt es auch in einem Geheimdienstbericht an den SS-Reichsführer im Mai/Juni 1934: „Die Richtung Barths muß als wirkliche Gefahr bezeichnet werden. Er schafft in seiner Theologie Inseln, auf denen Menschen sich isolieren, um so der Forderung des heutigen Staates unter religiöser Begründung ausweichen zu können“.62 Barth selbst expliziert die theologische Relativierung des Politischen andernorts auf die Frage nach der irdischen Verwirklichung des Reiches Gottes wie folgt: Ich bin ehemals religiöser Sozialist gewesen. Und ich bin davon abgekommen, weil ich zu sehen glaubte, daß da die Not des Menschen und die Hilfe für ihn nicht so ernst und nicht so tief verstanden werden, wie sie die heilige Schrift versteht. Ich möchte nicht Nein sagen zu dem, was Sie vorbrachten. Ich möchte Ja sagen. Aber ich möchte Sie bitten, das Alles noch viel ernster zu nehmen.63
3.2.4 Rengsdorfer Thesen und Gegenthesen Mit der Wahl Müllers zum Reichsbischof sind die DC auf dem Gipfel ihrer Macht in der erfolgreichen kirchlichen Umgestaltung nach nationalsozialistischen und völkischen Zielen angekommen. Doch auch der Pfarrernotbund, im September gegründet in Protest gegen das als „Arierparagraph“ bekannt gewordene Gesetz zur Wiederherstellung des Berufbeamtentums, findet schnell großen Zulauf. Die sog. Rengsdorfer Thesen fassen im Oktober 1933 das Gedankengut der DC im Rheinland zusammen. Sie sind bewusst in Thesenform gehalten und ohne jeden Hinweis auf Bekenntnisschriften. Sich explizit gegen die abstrakt-offenbarungstheo58 Auch Barth hatte dies bereits am eigenen Leib feststellen müssen: Seine ersten Erfolge in Deutschland verdankten sich auch nationalistischen und antimodernen Kreisen, die seine gewaltigen Kampfansagen als „ein Stahlbad für uns“ empfunden hatten (Tügel, Unmögliche Existenz!, 9f). Schellong, Alles hat seine Zeit. Bemerkungen zur Barth-Deutung, 15, bezeichnet dies als „Erfolg aus Mißverstehen“. So etwas will Barth anscheinend nun nicht noch einmal zulassen. 59 Vgl. auch Rasmusson, „Deprive Them of Their Pathos“; Hancock, Karl Barth’s Emergency Homiletic 1932–1933. 60 Müller, Vom Staatsfeind. 61 Tügel, Unmögliche Existenz!, 17. 62 Boberach (Hg.), Berichte, 58. 63 Barth, Der Christ als Zeuge, 21.
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logische Formel Barths vom „Deus dixit“ abgrenzend führen sie ein „im deutschen Volkstum verwurzeltes Christentum“ ein, in dem eine „vorbehaltlose Stellung zum Evangelium einerseits und eine ebenso vorbehaltlose Stellung zum deutschen Volkstum andererseits (=nationalsozialistischer Staat)“ vereint sind.64 Auf diese Konkretisierung reagiert Barth prompt und hält ihr in seinen Gegenthesen zu den Rengsdorfer Thesen entgegen: „Das ‚christliche Glaubensbekenntnis‘ ist die einzige ‚vorbehaltlose‘ Stellung, die uns geboten und erlaubt ist. Von ihr aus sind alle anderen Stellungnahmen [. . . ] unter Vorbehalt gestellt.“65 Schon die singularische Formulierung verrät: Um ein konfessionalistisches Profil kann es bei dem Bekenntnis nicht gehen, das Attribut „christlich“ verstärkt dies noch. Es gibt ein gemeinsames christliches Bekenntnis jenseits aller partikularen Bekenntnisformulierungen: „Gottes Wort ist in Jesus Christus ein für allemal geschehen und in der Heiligen Schrift ein für allemal bezeugt.“66 Insofern die DC sich nicht zu dieser Exklusivität bekennen, sondern sie durch weitere Offenbarungsquellen erweitern, sie also durch ein „Christus und. . . “ ergänzen, hält Barth abschließend fest: Die „Theologie“ der Rengsdorfer Thesen ist eindeutig keine Theologie, sondern ein Spezimen der heute umgehenden mit christlichen Begriffen arbeitenden Gnosis, die weder den ersten noch den zweiten noch den dritten Artikel als Bekenntnis zum Worte Gottes, sondern alle drei als Explikationen des menschlichen Selbstverständnisses (in der heute üblichen Betonung des nationalen Momentes) auffasst und behandelt und die sich überdies durch Usurpation in den Besitz der äußeren kirchlichen Gewalt gesetzt hat.67
Der Verweis auf die drei Artikel legt nahe, dass Barth bei dem einen christlichen Glaubensbekenntnis an die altkirchlichen Symbole, das Nizaeno-Constantinopolitanum oder wahrscheinlicher noch das Apostolikum denkt. In Was heißt: evangelisch sein? hat er aber auch zum Ausdruck gebracht, dass nicht ein bestimmter Wortlaut, sondern Form und Inhalt in aktualisierender Interpretation für sein Bekenntnisverständnis ausschlaggebend sind. Es geht gewissermaßen um die confessio quae creditur statt um die confessio qua creditur: Der Gegenstand, zu dem sich das Bekenntnis bekennt kann nur und ausschließlich im Wort Gottes gefunden werden. Zwar formuliert Barth seine sieben Thesen als direkte Antwort auf die sieben Rengsdorfer Thesen und behält dabei deren Form und Aufbau bei. Zu jeder These fügt er aber einen Verwerfungssatz hinzu. Dieser bezieht sich jeweils auf die ursprüngliche These und hält fest, wer solches lehre, „stellt sich außerhalb der evangelischen Kirche“.68 So geht seine Antwort sowohl inhaltlich auf die Begründung durch das Bekenntnis ein als auch formal in die Struktur eines Bekenntnistextes über.
64 65 66 67 68
Thesen 2–3 der Rengsdorfer Thesen der rheinischen DC, zit. nach: HTh, 169. Karl Barth, Gegenthesen zu den Rengsdorfer Thesen (06.11.1933), zit. nach: a. a. O., 170. A. a. O., 170, Hervorhebung i.O. A. a. O., 171, Hervorhebung i.O. A. a. O., 169f.
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Auch die Konkretheit der so verstandenen Kirche bestehe nicht in einer völkischen Identität, sondern darin, dass auf ihrem Boden „der eine Trost“69 offenbar werde. Dieser wiederum wird mit dem Evangelium Jesu Christi identifiziert. Hier klingt bereits die charakteristische Formulierung aus HK 1 durch. Auf der berühmten Sportpalastkundgebung im November 1933 fordert Reinhold Krause nur wenig später nach der lutherischen nun eine zweite, völkische Reformation. Diese bedeute die Befreiung des Glaubens von allen jüdischen Elementen und damit ebenso die Abschaffung des Alten Testaments wie die der paulinischen Theologie. Dies führt dazu, dass viele Christen in Deutschland nun die Situation tatsächlich „viel ernster“ nehmen. Die folgenden Unruhen auf Reichskirchen-, Landeskirchen- und Gemeindeebene leiten den Autoritätsverlust und schließlichen Niedergang der DC ein. 3.2.5 „Alter Irrtum“ und „altes Bekenntnis“. Die freie reformierte Synode in Barmen-Gemarke Januar 1934 In Protest gegen die Maßnahmen deutsch-christlicher Kirchenleitungen beginnen sich Synoden zusammenzufinden. Der sog. „Maulkorberlass“70 untersagt im Januar 1934 kirchenpolitische Äußerungen aller Art und versucht auf auch rechtlich fragwürdige Weise, von staatlicher Seite die innerkirchliche Unruhe zu unterdrücken. Am selben Tag eignet sich die Freie reformierte Synode in BarmenGemarke Barths Erklärung über das rechte Verständnis der reformatorischen Bekenntnisse in der Deutschen Evangelischen Kirche der Gegenwart an. Da der Titel explizit vom Verständnis „der reformatorischen Bekenntnisse“ handelt, ist es auffällig, dass im Text das Wort „Bekenntnis“ nur im Singular auftaucht. Barth fragt nicht nach der Geltung traditioneller Schriften. Vielmehr stellt er unter dem Stichwort „Bekenntnis“ die Einheit des reformatorischen Anliegens schlechthin her und fasst die aktuelle Situation mit in diese gemeinsame Schusslinie: Der in den kirchlichen Ereignissen von 1933 sichtbar werdende „Irrtum ist derselbe wie der Irrtum der Papstkirche und der Schwärmerei, gegen den sich das reformatorische Bekenntnis richtet.“71 Wohlgemerkt: „das“ Bekenntnis und nicht „die“ Bekenntnisse, und zwar das „reformatorische“, nicht das „reformierte“ Bekenntnis. Im Gegensatz zu den 1920er Jahren wählt Barth nun selbst im dezidiert reformierten Umfeld eher weite Begriffe – ohne die Singularität des Anspruchs preiszugeben. Die Exklusivität wird jetzt aber nicht als partikulare Abgrenzung, sondern als Anspruch auf Einheit formuliert. Insofern eine gemeinsame Bedrohung des gemeinreformatorischen Anliegens ersteht, ist das als Widerspruch und Widerstand gegen diese Bedrohung verstandene Bekenntnis auch als gemeinsames zu formulieren. Insofern sei die Kirche heute aufgefordert: „[D]em alten Irrtum muss das alte Bekenntnis mit neuer Freudigkeit und Bestimmtheit entgegengestellt wer69 HTh, 169. 70 Zit. nach: a. a. O., 143. 71 Zit. nach: a. a. O., 199.
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den.“72 Barth weigert sich, dem von den DC erhobenen Anspruch einer neuen geschichtlichen Stunde auch nur in dem Punkte zuzustimmen, dass dies ein neues Bekenntnis erfordern würde. Vielmehr habe die Kirche gegen den altbekannten Irrtum nun endlich zu lernen und lehren, was sie eigentlich seit Jahrhunderten wisse bzw. wissen müsste. Eine konfessionalisierte Form des Bekennens lehnt Barth dabei als grob situationsunangemessen ab. Keinesfalls dürfe die „berechtigte Vertretung lutherischer, reformierter oder unierter ‚Belange‘ noch immer den Erfordernissen des gemeinsamen evangelischen Bekennens und Handelns gegen den Irrtum und für die Wahrheit übergeordnet werden.“73 Was zuvor durch klug gewählte Formulierungen implizit durchschien, wird hier explizit gemacht: Der Einsatz für die konfessionellen Interessen wird in der gegebenen Situation geradezu als verhängnisvoll angesehen. Der schwelende Konflikt verschiedener Verständnisse der Rückbesinnung auf das eigene „Bekenntnis“, der sich als Spannung auch zwischen Barth und dem Reformierten Bund bereits seit 1923 andeutete, wird hier greifbar.74 Im Vorwort zur Veröffentlichung dieser Erklärung reflektiert Barth, sie sei zwar zunächst eine Erklärung deutscher Gemeinden reformierten Bekenntnisses. Es war mir aber ein Anliegen, gleich in der Überschrift von der „Deutschen Evangelischen Kirche der Gegenwart“ zu reden [. . . und auch ansonsten] alles so gesagt zu haben, daß es ernsthafte Lutheraner, ohne sich ihrerseits etwas zu vergeben, mit uns sagen könnten, so gewiß es selbstverständlich ist, daß ihr spontanes Bekenntnis eine andere Gestalt als das unsrige zeigen würde. Ich glaube so und nicht anders kann man und muß man heute bekennen in der Deutschen Evangelischen Kirche. Lutheraner und Reformierte können und dürfen heute nicht gegeneinander, sondern sie können und müssen heute evangelisch-lutherisch und evangelisch-reformiert miteinander bekennen.75
Während Barth sich 1925 ausdrücklich gegen die verallgemeinernde Bezeichnung „evangelisch“ statt des explizit-konfessionellen Labels „reformiert“ gewehrt hat, ist sie ihm nun zu einer Chance geworden. Der Begriff ist über den Bezug auf das Evangelium in Jesus Christus der dezidiert theologische Versuch, zugleich an die theologische „Sache“ zu appellieren und dabei der ökumenischen Verständigung zu dienen.76 Barth räumt zwar existente Differenzen zwischen Reformierten und Lutheranern ein, fordert aber die notwendigen Priorisierungen: Nicht in Sachen des Abendmahls, sondern in Sachen des ersten Gebots ist heute Streit in der Kirche und haben wir heute zu „bekennen“. Dieser unserer Not und Aufgabe gegenüber muß die der Väter zurücktreten, d.h. sie muß zu einem – immer noch ernsten, aber nicht mehr scheidenden, nicht mehr kirchenspaltenden Gegensatz der theologischen Schule werden.77 72 73 74 75 76
Ebd. Ebd. S.o. S. 84, vgl. auch Lekebusch, Die Reformierten im Kirchenkampf, insb. 19–22. Barth, Gottes Wille, 5f. Neuser betont, dass Barth schon in seiner Münsteraner Zeit über die konfessionellen Grenzen hinausgegangen war: „Barth war sich der reformierten Wurzel seiner Theologie bewußt, wollte aber nicht in den reformierten Grenzen bleiben, sondern suchte Anhänger im ganzen Protestantismus zu gewinnen“ (Neuser, Barth in Münster, 61). 77 Barth, Gottes Wille, 6f.
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Form und Gestalt des Bekennens ebenso wie die dadurch begründete Gemeinschaft haben sich nach Barth also nach dem Gegner zu richten, dem es zu widerstehen gilt. Anlass des Bekenntnisses ist damit klar die Notwendigkeit antihäretischer Abgrenzung, die politisch nun sekundär Allianzen produziert. Barth reflektiert bereits 1931: „Ich suche das Oekumenische sozusagen an Ort und Stelle, ohne Interesse für den geographischen Sinn des Begriffs.“78 Die Hierarchie der Abgrenzungsnotwendigkeiten wird aber durch das Gebot Gottes gegeben. Die Beziehung zu ihm konstituiert die Beziehung der Menschen untereinander als Freund und Feind, als Gemeinschaft und als Gegner. So kann sich Barth im Kirchenkampf mit „bekennenden“ Lutheranern stärker identifizieren und solidarisieren als mit „bekenntnis-wahrenden“ Reformierten. Die berechtigten Unterschiede zwischen den Konfessionen versteht Barth im Sinne eines „christozentrische[n] Partikularismus“ bzw. „christokratische[n] Dezentralismus“.79 Das Bekenntnis zu Christus kann und darf an unterschiedlichen Orten und Zeiten unterschiedliche Formen und Formulierungen annehmen. Es muss aber immer das exklusive Bekenntnis zu Jesus Christus sein. Das Bekenntnis selbst soll keine persönliche Erklärung, sondern Artikulation der Kirche sein. So markiert Barth selbst den prekären Status seiner Rede in diesem Gremium: Ich rede hier, weil ich den Auftrag dazu habe. Ich könnte die Verantwortung nicht tragen, ein Bekenntnis aufzustellen. Ich wüßte nicht einmal zu sagen, ob die Lage heute reif ist, ein Bekenntnis aufzustellen. Das Bekennen kann nur ein Akt der Kirche und nicht eines einzelnen Professors sein. Die Erklärung, die ich Ihnen vorlege, kann nur sein eine Frage, die ich an Sie richte und die Sie als die Vertreter der Gemeinden aufnehmen und beantworten müssen im Namen der Kirche. So und nur so entsteht wirkliches Bekenntnis.80
Als Einzelner will Barth die Beurteilung der Lage und das Handeln ihr gegenüber nicht verantworten: Die von den Gemeinden her konstituierte Kirche hat hier Subjekt und Träger der Entscheidungen zu sein.81 Die Synode versteht Barth aber als ihren legitimen Repräsentanten, indem sie sich seine Erklärung zu eigen macht.
78 Barth an A. Keller am 01.12.1931, zit. nach: Herwig, Ökumenische Bewegung, 25. Das Zitat entstammt Barths Widerspruch gegen den Versuch von Keller, Der Weg der dialektischen Theologie durch die kirchliche Welt, die grundlegenden Gemeinsamkeiten zwischen dialektischer Theologie und ökumenischer Bewegung nachzuweisen. 79 So Herwig, Ökumenische Bewegung, 25. 80 Barth, Bekenntnis der freien Kirchensynode, 20. 81 Immer wieder betont Barth in der Zeit des Kirchenkampfes: „Nur eine Kirche kann bekennen, nicht eine Gemeinschaft von Menschen [. . . und] nicht ein Einzelner“ (ders., Bekenntnis der Reformation, 5). Umgekehrt ist die Kirche der Ort, an dem Bekenntnis auch stattfinden muss: „Bekenntnislosigkeit ist jedenfalls Untätigkeit. Eine wirklich und wörtlich bekenntnislose Kirche, eine Kirche, der auch die Fähigkeit zum Bekenntnis abhanden gekommen wäre, wäre – wenn es das geben sollte – ipso facto eine tote Kirche. Bekenntnis heißt: die Kirche im Akt der Entscheidung“ (a. a. O., 7, Hervorhebung i.O.). Die Ekklesiologie wird hier geradezu vom Bekenntnis her gedacht – aber eben nicht von den Bekenntnisschriften und ihrer rechtlichen Geltung her, sondern vom aktualen Bekennen der Kirche, das immer konstitutiv Tatcharakter hat.
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3.2.6 „Das eine Wort Gottes im Leben und im Sterben“. Die Barmer Theologische Erklärung 1934 Zeitgleich läuft nach dem Scheitern der DC die kirchliche Gleichschaltungspolitik von höchster Stelle an. Eine Einladung der führenden Köpfe des Protestes gegen den Maulkorberlass bei Hitler persönlich im Januar 1934 führt nicht zu ihrer besseren Verständigung. Überraschend dem Verdacht ausgesetzt, Staatsfeinde zu sein, sehen sich der westfälische Präses Karl Koch, der Hannoveraner Bischof August Marahrens, der bayerische Bischof Hans Meiser, der württembergische Bischof Theophil Wurm und Martin Niemöller als Vertreter des Pfarrernotbundes zur Zusammenarbeit und zum Verzicht auf weitere Kritik genötigt. Ab April werden die Landeskirchen durch den neu eingesetzten Rechtsverwalter August Jäger unter Einschüchterung und massivem Druck der Reichskirche eingegliedert. In Reaktion darauf warnt die Ulmer Erklärung am 22.04.1934: „Das Bekenntnis ist in der DEK in Gefahr! [. . . ] Das Handeln der Reichskirchenregierung hat seit langer Zeit keine Rechtsgrundlage mehr. Es geschieht Gewalt und Unrecht, gegen welche alle wahren Christen beten und das Wort bezeugen müssen.“82 Damit beginnt die Vorbereitung zu einer Reichskirchensynode, die sich Ende Mai in WuppertalBarmen zusammenfindet, um sich als wahre DEK zu konstitutieren. In einem komplizierten ökumenischen Prozess bereiten Delegierte der verschiedenen konfessionellen Traditionen eine Erklärung vor, die dort verabschiedet werden soll.83 Bereits im Frühjahr 1934 hatte Barth für die Gründung einer Evangelischen Bekenntnisgemeinschaft in Bonn vier Thesen formuliert, die in Inhalt und Struktur als Vorläufer zur BTE erkennbar sind. Sie werden eingeleitet durch den Satz: „Wir bekennen uns angesichts der heute die Kirche verwüstenden Irrtümer insbesondere zu folgenden evangelischen Wahrheiten. . . “84 Intention, Form und Sprache machen klar, dass die „Thesen“ als Bekenntnis gemeint sind. In den einzelnen Formulierungen finden sich allerdings noch keine HK-Zitate. So lautet die berühmte These 1 in diesem Stadium: „Jesus Christus, wie er uns in der heiligen Schrift bezeugt ist, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir zu vertrauen und zu gehorchen haben.“85 Fast wortgleich ist sie in die BTE eingegangen – fast wortgleich: eben in der charakteristischen Erweiterung um die HK-Formel „im Le-
82 Zit. nach: HTh, 205. Die Ulmer Erklärung kann als erstes Dokument der BK gelten, insofern sich mit dem einladenden Theophil Wurm auch Hans Meiser und (der zu diesem Zeitpunkt bereits in den einstweiligen Ruhestand versetzte) Karl Koch als „rechtmäßige evangelische Kirche Deutschlands“ im Gegenüber zur Reichskirche erklärten. Auch Barth betrachtet sie als solche (vgl. Barth, Theologische Erklärung, 28f). 83 Um die materialreiche Aufarbeitung der verschiedenen Entstehungsstufen hat sich Barth, Bekenntnis im Werden verdient gemacht. Der Band wurde durch Nicolaisen aktualisiert und teilweise überholt, vgl. ausführlich Nicolaisen, Der Weg nach Barmen, 14–46. 84 Dieser Einleitungssatz führt zur Streichung der ursprünglich formulierten Einleitung jeder These mit der Wendung: „Wir bekennen, (daß)“. Hier und im folgenden zit. nach: Barth, Bekenntnis im Werden, 41, kursiv HR. Die Thesen wurden auf einem undatierten Flugblatt der evangelischen Bekenntnisgemeinschaft Bonn im Mai 1934 verteilt, vgl. Schmidt (Hg.), Bekenntnisse 1934, 98f. 85 Zit. nach: Barth, Bekenntnis im Werden, 41.
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ben und im Sterben“. Die Einfügung findet sich zuerst in Barths Entwurf für das Frankfurter Treffen am 15.05.1934 und wird dann von Hans Asmussen und Thomas Breit und schließlich in die Synodalvorlage übernommen.86 Bei dem berühmten Formulierungstreffen in Frankfurt, zu dem Barth seinen auf den Bonner Thesen fußenden Entwurf bereits mitgebracht hatte und auch die Voranstellung von Bibelworten anregt, entspinnt sich noch vor Beginn jeder eigentlichen Formulierungsarbeit eine erregte Diskussion „um die Frage der ‚Gattung‘“.87 Man verständigt sich schließlich darauf, nicht – wie von den Lutheranern befürchtet – ein neues Bekenntnis zu produzieren, sondern „eine Auslegung des Bekenntnisses“ für die Gegenwart zu formulieren.88 Die 1. Synode der sich damit konstituierenden BK verabschiedet in WuppertalBarmen die unter Barths Federführung erarbeitete Theologische Erklärung zur gegenwärtigen Lage der Deutschen Evangelischen Kirche in Form von sechs Thesen, die aufgrund von zentralen Schriftbelegen formuliert und mit daraus folgenden Verwerfungen flankiert sind. Im Text der BTE fällt auf, dass ein doppelter Bekenntnisbegriff verwendet wird. Zum einen versteht man sich in Berufung auf die Verfassung der DEK vom Juli 1933 als „Bund der aus der Reformation erwachsenen, gleichberechtigt nebeneinanderstehenden Bekenntniskirchen“89 , die an ihren jeweiligen verschiedenen Bekenntnissen (im Plural!) festhalten. Der Rechtsanspruch der Synode, überhaupt für die DEK zu sprechen, leitet sich also aus ihrer beanspruchten Konformität mit der Verfassung ab.90 Umgekehrt nimmt die Synode hier unter Berufung auf die von den Nationalsozialisten per Reichsgesetz bestätigte Verfassung für sich in Anspruch, die rechtmäßige Vertretung der DEK zu sein, die sie in der amtierenden Kirchenleitung nicht mehr sehen kann. Es geht also nicht um Opposition zum System, sondern um die Inanspruchnahme der Legalität des Systems. Man streitet sich um die Frage: Wer ist das Subjekt der rechtmäßigen Kirche? Zugleich sieht man sich in diesem Anspruch geeint durch „das Bekenntnis zu dem einen Herrn der einen, heiligen, allgemeinen und apostolischen Kirche“, das von den verschiedenen Bekenntnissen bezeugt werde.91 Dieses 86 Vgl. Nicolaisen, Der Weg nach Barmen, 173f. In den lutherischen Gegenentwürfen von Asmussen und Sasse, von Breit und von Christian Stoll fällt die HK-Referenz ebenfalls weg. Stoll will die erste These sogar durch ein explizites Zitat aus CA 7 einleiten (a. a. O., 171.174f). 87 Barth, Bekenntnis im Werden, 22. 88 „Breit: ‚Es darf keine bekenntnishafte Erklärung werden‘ . . . Barth: ‚Es handelt sich um eine Auslegung des Bekenntnisses, also Interpretation des Bekenntnisses‘“ (zit. nach: Nicolaisen, Der Weg nach Barmen, 74, Auslassung i.O.). Dennoch und gerade so tritt der paradoxe Sachverhalt ein, dass in Festhaltung der Differenzen, die es verunmöglichen, ein gemeinsames Bekenntnis zu formulieren, „das“ gemeinsame Bekenntnis als gegeben vorausgesetzt wird. 89 HTh, 206f. Bereits der handschriftliche Entwurf Barths vom 15.05. enthält den Hinweis auf die Verfassung der DEK. Er zitiert daraus die Art. 1, 2.1 und 4.1 als „theologische Voraussetzungen“ und protestiert gegen die DC und ihre Kirchenregierung, insofern durch diese die theologische Voraussetzung der Verfassung „durchkreuzt und unwirksam gemacht wird“ (zit. nach: Nicolaisen, Der Weg nach Barmen, 161). 90 Vgl. neben der Präambel insb. auch die der BTE vorangestellte Erklärung zur Rechtslage, zit. nach: HTh, 205–206. 91 A. a. O., 207, Hervorhebung i.O.
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wiederum muss als der Verfassung vorgeordnet, als Bedingung ihrer Möglichkeit verstanden werden. Die BK geriert sich in der BTE geradezu als Beschützerin der DEK-Verfassung: Von diesem einenden Bekenntnis her sei ihr nun „ein gemeinsames Wort in den Mund gelegt“.92 Mit dieser passiven Formulierung vermeidet man gezielt für die gemeinsame Erklärung das Wort „Bekenntnis“. Dennoch wird der Text der Erklärung eingeleitet mit den Worten: „Wir bekennen uns angesichts der die Kirche verwüstenden [. . . ] Irrtümer der ‚Deutschen Christen‘ und der gegenwärtigen Reichskirchenregierung zu folgenden evangelischen Wahrheiten“.93 Da das Bekenntnis (zu Jesus Christus) den verschiedenen Bekenntnisschriften als Grund und Maß vorgeordnet ist, muss der textinternen Logik zufolge die BTE, indem sie sich auch zu Jesus Christus bekennt und primär als Christuszeugnis versteht, als Bekenntnis angesehen werden.94 Dieser Eindruck verschärft sich noch, da die erwähnten Irrtümer hier mit der Erklärung versehen werden, mit ihnen höre „die Kirche nach allen bei uns in Kraft stehenden Bekenntnissen auf, Kirche zu sein.“95 Das ist aber schlicht die deutsche Zitation des lateinischen articulus stantis et cadentis ecclesiae, also die Berufung auf den – hier kirchenübergreifend gemeinsam gefassten! – Bekenntnisstand. Im Text der BTE wird nur auf Jesus Christus, wie er in der Schrift bezeugt ist, und nicht auf die Autorität von Bekenntnissen, Tradition oder Kirchenverfassung verwiesen. Der Wortlaut des HK klingt aber in These 1 an: „Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.“96 Barth selbst bestätigt später, dass „der erste Satz von Barmen nicht nur in formalem Anklang an Frage 1 des Heidelbergers formuliert“ worden sei und fährt fort: „Eine andere als eine auf das eine Wort Gottes in Jesus Christus begründete Theologie kann sich jedenfalls nicht auf den Heidelberger Katechismus berufen.“97 Der HK tritt in der BTE also als Vorbild und Vorgänger in Erscheinung, der
92 A. a. O., 207. 93 A. a. O., 207, Hervorhebung i.O. 94 Die gesamte Diskussion um die Frage der Anerkennung der BTE als Bekenntnis ist lang und unerfreulich. Sie wird nicht dadurch erleichtert, dass ein gemeinsamer Bekenntnisbegriff fehlt. Selbst diejenigen, die die BTE als Bekenntnis anerkennen, tun dies auf sehr verschiedenen Grundlagen, vgl. z.B. Moltmann, Einführung; Peters, Die Barmer Theologische Erklärung und das Luthertum; Kretschmar/Hauschild, Die lutherischen Kirchen und die Bekenntnissynode von Barmen 1934–1984 (Thesen); Hauschild, Kirche und Wort Gottes [1984]. Allerdings zeigt auch Barths Umgang mit der BTE, dass die Terminologie hier selbst als adiaphoron zu werten ist: Während er früh ausdrücklich darauf hinweist, die BTE sei im Vollsinne des Wortes als Bekenntnis zu verstehen, kann er diese Bezeichnung andernorts ohne Gewissensbisse zurücknehmen und zugleich die Wertung der Sache aufrechterhalten, vgl. Barth, Die Möglichkeit einer Bekenntnis-Union, 38– 43; ders., Barmen, insb. 10f; ders., „Barmen“ – damals und heute; ders., Was bedeutet uns Barmen heute? Rundfunkrede am 30. Mai 1954; ders., Gespräche 1963, 349f. 95 HTh, 207. 96 A. a. O., 208, kursiv HR. 97 Barth, Die christliche Lehre 1947, 20, s.u. S. 179. Dass Barth den HK auch ganz direkt als Bekenntnisgrundlage in den Auseinandersetzungen der Zeit empfehlen konnte, zeigt auch das im Dezember 1934 maßgeblich durch Barth formulierte Uelsener Protokoll. Darin lautet die vierte These:
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dieselbe ausschließliche Abhängigkeit von Jesus Christus bzw. der Heiligen Schrift als Zeugnis von ihm zu früheren Zeiten formuliert hatte. Eigene Autorität wird dem HK zwar nicht zuerkannt, vom konstitutiven Evangeliumsbezug her, der sich am Schriftzeugnis von Jesus Christus orientiert, fühlt Barth sich aber frei, anderen Texten abgeleitete, gewissermaßen geliehene Autorität zuzusprechen, soweit er in ihnen dasselbe Zeugnis wiederfindet. Offensichtlich gilt also inzwischen für Barth: Weil der HK sich selbst auf Jesus Christus ausrichtet, eignet er sich auch seinerseits als Ressource für eine an Jesus Christus ausgerichtete Theologie.98 Insofern dieser theologische Kon-Text sich gleich bleibt, kann Barth sagen: „Bekenntnis kann nicht bedeuten, hat es nie bedeutet und darf es nicht bedeuten: Neuerung. Bekenntnis ist eine Wiederholung, Bekenntnis ist eine Bestätigung zum Zeichen der Erhaltung der Kirche.“99 Hier fallen notitia und assensus gewissermaßen zusammen: Was bekannt ist, wird im Bekenntnis bekannt. Die BTE formuliert kein neues Bekenntnis, aber sie bekennt sich zum Christuszeugnis der Schrift, wie der HK dies vor ihr getan hat. In diesem Sinne ist die BTE eine „Wiederholung“ des HK – die von einer Repristination grundlegend zu unterscheiden ist. Die Rede vom „einen“ Wort Gottes in Jesus Christus vereinigt die Exklusivität des „einzigen“ mit der Inklusivität des „einigen“ Trostes. Beide hatte Barth in früheren Interpretationen von HK 1 hervorgehoben. Es gibt kein weiteres Wort über Christus hinaus – aber in Christus ist auch alles gesagt. Gleichzeitig wird die Unterteilung in mögliche zwei Worte – etwa den lutherischen Dual von Gesetz und Evangelium – christologisch abgewehrt: Das eine Wort Gottes bedeutet Zuspruch und Anspruch zugleich. Es relativiert zugleich die Berufung auf andere Worte – insbesondere die Bekenntnistexte. Statt an den HK zu appellieren, stellt Barth sich in einem parallelen Akt des Bekennens auf dieselbe Grundlage wie er und in seiner Redeform auch neben ihn. Darin wird eine überkonfessionelle Bekenntnisgemeinschaft ermöglicht.100
„Wir sind uns einig darin, daß unsere reformierte Kirche mit den anderen reformierten Kirchen Deutschlands in der heutigen Lage aufgerufen ist, sich in Erkenntnis und Leben unter das erste Gebot und unter die erste Frage des Heidelberger Katechismus zu stellen“ (zit. nach: Schmidt [Hg.], Bekenntnisse 1934, 33). Das Uelsener Protokoll war ein Versuch, die zerstrittenen Lager innerhalb der Reformierten Kirche – repräsentiert durch die Evangelisch-reformierte Kirche der Provinz Hannover auf der einen und den Reformierten Bund mit Barth auf der anderen Seite – wieder zusammenzuführen (vgl. ausführlich dazu Lekebusch, Die Reformierten im Kirchenkampf, 165– 181.219–223). Die explizite Empfehlung des HK bildet hier eine gemeinsame Grundlage. Insgesamt ist Barth in den Jahren des Kirchenkampfes im Vergleich zu seinen reformierten Glaubensgenossen eher zurückhaltend mit der direkten Berufung auf die Bekenntnisschriften. 98 Vgl. den Befund Niesels: „Barths Arbeit bewegte sich immer entschiedener um Gottes Offenbarung in Jesus Christus, und so berührte sie sich aufs stärkste mit dem Heidelberger, dessen gesamte Lehre, wie Frage 1 es kundtut, nichts anderes als Christuszeugnis sein will“ (Niesel, Karl Barth und der HK, 156). Krötke stellt sogar fest: „‚Christologischer Ansatz‘ – diese Kennzeichnung des Profils dieser Erklärung ist für Barth eigentlich viel zu schwach“ (Krötke, Der christologische Ansatz, 170). 99 Barth, Kurze Erläuterung, 12. 100Die überkonfessionelle Formulierung und die Bekenntnishaftigkeit der Erklärung veranlassten Elert sofort zum Vergleich mit der „Konsensusunion“ des sog. „Nitzschenums“ von 1846 (Elert,
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Kritisierte Barth früher, dass im HK die konfessionell reformierte Position nicht genügend klar zum Ausdruck komme,101 kann er gerade diese Offenheit nun in der Not des Kirchenkampfes als Stärke würdigen. Barth hebt in seiner explizit überkonfessionellen Formulierung die totale Herrschaft Christi über den Christen hervor, die durch den Bezug auf die Gesamtheit von „Leben und Sterben“ gegeben ist. In Übereinstimmung mit seiner früheren Kritik an der Konzentration auf den Menschen und seinen Trost bzw. seine Glückseligkeit taucht dieser Aspekt in der BTE zunächst nicht auf. Die Thesen setzen vielmehr ausschließlich bei Jesus Christus an und teilen dem Menschen von hier aus Vertrauen und Gehorsam als Antwortmöglichkeiten zu, anstatt ihm eine eigene Frage- oder Suchbewegung einzuräumen. Das von Barth bereits 1921 entdeckte und ins Zentrum gerückte Bild des „Jesu-Christi-eigen-Seins“ kehrt in der BTE mehrfach wieder. Es wird allerdings in Abwendung von der kritisierten Ich-Rede des HK nun über das Individuum hinaus ausgeweitet und auf die Kirche übertragen. Der Verwerfungssatz von These 2 lautet: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als gebe es Bereiche unseres Lebens, in denen wir nicht Jesus Christus, sondern anderen Herren zu eigen wären, Bereiche, in denen wir nicht der Rechtfertigung und Heiligung durch ihn bedürften.“102 In der ekklesiologischen These 3 wird das Eigentums-Motiv wieder aufgegriffen und mit dem Trost des HK verbunden: Die christliche Kirche ist die Gemeinde von Brüdern, in der Jesus Christus in Wort und Sakrament durch den Heiligen Geist als der Herr gegenwärtig handelt. Sie hat mit ihrem Glauben wie mit ihrem Gehorsam, mit ihrer Botschaft wie mit ihrer Ordnung mitten in der Welt der Sünde als die Kirche der begnadigten Sünder zu bezeugen, dass sie allein sein Eigentum ist, allein von seinem Trost und von seiner Weisung in Erwartung seiner Erscheinung lebt und leben möchte.103
Es ist also die Gemeinde, die hier als „allein sein Eigentum“ definiert wird, nicht der Einzelne. Indem Barth so die von ihm bemängelte „Missverständlichkeit“ des HK ausgeräumt hat, kann er auf Ebene der Kirche als Ort des Handelns Gottes (statt der Wünsche des Menschen) dann auch den im HK prominenten „Trost“ wieder zusprechen.104 Zu Recht merkt Hauschild an: „[D]er eigentliche Aussagesinn der BTE als ganzer ist ein ekklesiologischer“.105 In Abgrenzung zu individualistischen, nationalistischen und völkischen Ausgangspunkten wird die Kirche neu
Confessio Barmensis, 602). Dass die Formulierung aus HK 1 durchaus auch für eine lutherische Bekenntnistheologie anschlussfähig sein kann, belegt etwa ihr unkommentiertes Zitat durch Pöhlmann u. a., Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften, insb. 25. 101 So etwa 1921 und 1923, s.o. S. 40.78. 102 HTh, 208, kursiv HR. 103 A. a. O., 208, kursiv HR. 104 Barth hat also die Konsequenz seiner Erwählungslehre auch hier gezogen, die sich bereits in der Kollektivierung des „kontrafaktischen Ich“ in Christus 1921 andeutete, s.o. Kap. 2.2.4, S. 47. 105 Hauschild, Erforschung der BTE, 162.
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als relevante und eigenständige Größe gewonnen und auch darin ein deutlicher zeitgeschichtlicher Kontrapunkt gesetzt.106 Gleichzeitig ist dieses Grundbekenntnis vom „Jesu-Christi-eigen-Sein“ aber so unverzichtbar, dass dadurch alle anderen Herrschaftsansprüche ausgehebelt werden. Das hat eine enorme politische Bedeutung.107 Das „Jesu-Christi-eigen-Sein“ ist schlicht die ins Deutsche übertragene und aus der Perspektive des Menschen formulierte Akklamation „Ιἡσοῦς Κὑριος“. Die BTE ist darin ein besonders interessantes Dokument „kontextueller“ Theologie in einem ganz spezifischen Sinne. Sie ist unmittelbar aus der historischen Bedrohungssituation der Kirche durch die Ideologie und Kirchenpolitik der DC hervorgegangen. Dieser Kontext taucht in ihrer Formulierung aber explizit kaum auf. Ihre Kontextualität, ihr Umgang mit der Situation besteht vielmehr in der Absage, der Verweigerung ihr gegenüber, die bis ins Extrem reiner Negation und Verschweigung reicht.108 „Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes“ – d.h.: Das Wort, der Bezugstext ist Jesus Christus, und eben nicht der eigene historische Kontext. These 2 entfaltet die negative Bedeutung der alleinigen Herrschaft Christi als „frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt“.109 Die historische Kontextualität der BTE besteht gerade in ihrer Kontra-Textualität. In einer Zeit, in der vom Nationalsozialismus das religiöse Bekenntnis zu allerlei zeitgenössischen Fragen gefordert war,110 ist neben dem Festhalten am theologischen Herrschaftsanspruch Christi auch darin eine politische Gegenbewegung zu sehen. Dass er selbst den fehlenden expliziten Verweis auf zeitgeschichtliche Ereignisse nicht als Kontextlosigkeit sieht, äußert Barth andernorts sehr deutlich: Man kann das Entscheidende, das man als Theologe immer und so auch heute zu sagen hat, wenn es denn sein soll, wirklich auch ohne ausdrückliche Beziehungen auf das, was der Monat oder das Vierteljahr gerade gebracht hat, ohne direkte Beleuchtung der jeweils im Vordergrund stehenden Ereignisse und Gestalten sagen, ohne darum im „leeren Raum“ zu reden!111
Mit der Absage an andere Texte geht auch die Tatsache einher, dass Barth sich – trotz Zitation und Parallelisierung – gerade nicht explizit auf den HK als Bekenntnis beruft. Das Bekenntnis schützt nicht vor Irrlehre – es geht ums eigene Beken-
106 Vgl. dazu auch den ursprünglich geplanten Titel des Aufsatzes Theologische Existenz heute!: „Von der Kirchenpolitik zur Kirche!“ (vgl. Stoevesandt, „Von der Kirchenpolitik zur Kirche!“). 107 Ob die BTE selbst ein politisches Dokument ist oder nicht, ist Gegenstand langer kontroverser Diskussion geworden. Einen Überblick gibt Hauschild, Erforschung der BTE, 154–156. Vielfach ist behauptet worden: „Mit aller Entschiedenheit lehnte die fünfte These also ein unmittelbares politisches Mandat der Kirche ab“ (ebd., 177, vgl. Scholder, Kirchen 2, 198). Problematisch hieran ist die unspezifische Verwendung des Wortes „politisch“. Explizit wird die Übernahme staatlicher Aufgaben und Verantwortungen durch die Kirche abgelehnt. Dass der Bereich des Politischen sich aber mit dem der staatlichen Institutionen deckt, ist hiermit noch nicht notwendigerweise gesagt. 108 Elert, Confessio Barmensis, 606, bemerkt: „Der aufmerksame Leser [. . . ] weiß das meiste aus dem, was das Barmer Bekenntnis hier nicht sagt.“ 109 Schellong, Barmen II und die Grundlegung der Ethik, sieht darin die Begründung der christlichen Ethik und expliziert diese im Anschluss durch das dreifache Amt. 110 S.o. S. 96. 111 Barth, Der Christ als Zeuge, 3.
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nen.112 Barth erläutert: „Liebe Freunde, diese Entscheidung, das ist das Bekenntnis: der Akt, in welchem die Kirche sich zwischen der Heiligen Schrift und einem Zustand, in welchem sie sich befindet, sich aufs neue besinnt auf das, was Kirche ist.“113 Aktuose Selbstprüfung und Besinnung der Kirche zwischen ihren beiden Kontexten: der Situation und dem Wort Gottes – das ist für Barth Bekenntnis. Dieses sieht Barth mit der BTE für vollgültig gegeben an: „Es ist Ereignis geworden unter uns das Bekenntnis, das heißt die notwendige Anerkennung der Wahrheit, der Herrschaft, der Güte des einen Gottes in Jesus Christus gegenüber dem Abfall, gegenüber der Aufrichtung der falschen Götter.“114 Barths Hochschätzung ist gewaltig: „Das haben nicht Menschen getan, [. . . ] das hat nicht der Bruderrat getan, nicht die Synoden, das hat auch nicht die bekennende Gemeinde getan, das hat durch den Mund der Menschen Gott selber an uns getan.“115 Da nun aber dieses Bekenntnis auf der Ebene der Kirche Ereignis wurde, ist der Einzelne – jeder Einzelne – vor diesem Ereignis in die Verantwortung zur Antwort gerufen: „Nun stehen wir – ein jeder von uns – vor der Entscheidung. Nun heißt es: Gehorsam oder Ungehorsam. Nun heißt es: Bekenntnis oder Verleugnung. [. . . ] Jeder ist gefragt, Jeder muss Antwort geben, Zuschauer gibt es hier nicht.“116 Verabschiedet und veröffentlicht wird der Text der BTE nur in Zusammenhang mit dem erläuternden Einführungsvortrag von Hans Asmussen und mit dem Hinweis, man übergebe „diese Erklärung den Bekenntniskonventen zur Erarbeitung verantwortlicher Auslegungen von ihren Bekenntnissen aus.“117 Die bestehenden Bekenntnisse der einzelnen Kirchen bleiben so dem hier entstandenen Text normativ und interpretationsleitend vorgeordnet. Diese Aneignung in den Kirchen, die auch Barths Forderung nach „Antwort“ entspricht, würde im Folgenden allerdings weitgehend ausbleiben. Eine konfessionsübergreifende Einigung findet damit nur in rudimentären Ansätzen statt, und selbst diese wird sofort Gegenstand heftiger Kritik aus den Landeskirchen.118 Dies ist nicht nur den politischen Umständen, sondern auch dem konfessionell unterschiedlichen Verständnis des Bekenntnisbegriffs geschuldet.119 112 Zum Konflikt anhand der Linien „Bekenntnis“ vs. „Bekennen“ vgl. Lekebusch, Die Reformierten im Kirchenkampf. 113 Barth, Kurze Erläuterung, 12, Hervorhebung i.O. 114 Ders., Kirche gestern, heute, morgen, 292. 115 A. a. O., 292, man beachte auch die „demokratische“ Klimax des Satzes! 116 A. a. O., 292f, Hervorhebung i.O. 117 Schmidt (Hg.), Bekenntnisse 1934, 92. 118 Endgültig spaltete sich die BK nach der 4. Bekenntnissynode in Bad Oeynhausen vom 17.– 22.02.1936, vgl. Meier, Kirche und Judentum, II, 101–105. 119 Besonders auf lutherischer Seite regt sich Protest, da die theologischen und rechtlichen Voraussetzungen für ein Bekenntnis nicht gegeben gewesen seien. So sieht sich etwa Sasse, Das Bekenntnis der Lutherischen Kirche und die Barmer Theologische Erklärung 1934/36, 281 genötigt, gegen die BTE „als gegen eine Vergewaltigung der evangelisch-lutherischen Kirche feierlich zu protestieren“. Der als lutherische Reaktion formulierte „Ansbacher Ratschlag“ – in Wortwahl und Gestus an den „Ansbacher Evangelischen Ratschlag“ von 1524 angelehnt – bekennt sich gegen die BTE noch einmal explizit zu den lutherischen Bekenntnisschriften als „reine Darlegung des Inhalts der Heiligen Schrift [. . . ] vollendet in der Lehre“ (zit. nach: HTh, 209–211).
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3.2.7 „Ich“ oder „Wir“? Der HK als anti-individualistisches Argument in den Bonner Predigten Wenn man in Rechnung stellt, dass von Barth aus den Bonner Jahren 1930–1935 nur zwanzig gehaltene (und sechs Lese-)Predigten überliefert sind, erstaunt die relative Häufigkeit und Intensität der HK-Zitate. Neben Calvin und Luther ist der HK eine der kontinuierlichsten Referenzen. Während in den 1920er Jahren v.a. die Frage 1 mit ihrem im Wissen um das Jesu-Christi-eigen-Sein gefundenen Trost in Barths Wortschatz eingegangen war, rückt in den 1930er Jahren und der anhebenden Auseinandersetzung um die Kirche im Dritten Reich die ekklesiologische Frage 54 in den Fokus. 1931 bringt Barth im Rahmen einer Osterpredigt den von ihm zuvor aufgrund seiner Zuspitzung auf den Einzelnen kritisierten HK ausgerechnet gegen den empfundenen Heils-Individualismus und Subjektivismus seiner Zeit in Stellung. So poltert er: „Ist es wahr, daß ich Gnade vor Gottes Augen gefunden habe, dann kann ich nicht mit Ich, dann muß ich mit Wir weiterbeten. Ich bin Gottes Kind? Das ist eine Lüge. Wir sind Gottes Kinder.“120 Barth zitiert unmittelbar im Anschluss die Frage 54 des HK, der von der „auserwählte[n] Gemeinde“ spricht. Diese wird von Gott gesammelt, der Einzelne wird ihr erst an zweiter Stelle als „lebendiges Glied“ zugeordnet. Nur über die Teilhabe an der Gemeinde erhält er Anteil an der Gemeinschaft mit Gott.121 Während die sonstigen HK-Referenzen in seinen Predigten fast ausschließlich implizit geschehen, expliziert Barth hier ausdrücklich, dass er sich auf den HK beruft. Dasselbe tut er 1933, als er wiederum Frage 54 zitiert.122 Da der HK im Vergleich der Bekenntnisschriften gerade dafür bekannt ist, das „Ich“ besonders stark zu betonen und hervorzuheben, hält es Barth wohl an diesen Stellen für nötig, zu der hierzu gegen den Strich laufenden Frage 54 und ihrer Interpretation die Quelle anzugeben. So kann er deren Kontext im Sinne des eingespielten Konsenses verschieben, indem er den HK einfach – ohne eine gegenläufige Verwendung auch nur zu erwähnen – als Autorität für die Vorordnung der Gemeinde vor das Individuum in der Erwählungslehre in Anspruch nimmt, wie sie auch Barths „Neuansatz“ in KD II/1 später kennzeichnen wird.123 Auch 120 Andachten für die Passions- und Osterzeit 1931, in: Barth, Predigten 1921–1935, 616, Hervorhebung i.O. 121 A. a. O., 617. 122 In einer Predigt am 10.10.1933 zu Röm 15,5–13 (a. a. O., 298). Auch 1934 und 1936 zitiert er Frage 54 in seinen Predigten: am 15.04.1934 zu Joh 10,11–13 (a. a. O., 307) und am 14.06.1936 zu Apg 3,1–10 (ders., Predigten 1935–1952, 46) – wobei auch in dieser Zeit weitere Referenzen auf Frage/Antwort 1 erfolgen, so in einer Predigt am 01.12.1935 zu Mt 21,1–11 (a. a. O., 16); in einer Predigt am 07.10.1936 zu Joh 14,1 (a. a. O., 51); in einer Predigt am 29.01.1939 zu Mt 11,28–30 (a. a. O., 147); in einer Predigt am 21.04.1940 zu Joh 16,5–7 (a. a. O., 195) und in einer Predigt am 26.10.1941 zu Mk 14,32–42 (a. a. O., 244). Aber auch Frage 98 nimmt Barth auf in einer Predigt am 26.03.1935 auf der 2. Freien Reformierten Synode in Siegen zu Ex 20,4–6 (1935) (in: Ders., Predigten 1921–1935, 431). 123 Vgl. dort die Leitsätze §34: „Die Gnadenwahl ist als Erwählung Jesu Christi zugleich die ewige Erwählung der einen Gemeinde Gottes, durch deren Existenz Jesus Christus der ganzen Welt bezeugt, die ganze Welt zum Glauben an Jesus Christus aufgerufen werden soll“ und §35: „Der Gott gegenüber vereinzelte Mensch ist als solcher von Gott verworfen. [. . . ] Ihn wird die Zusage seiner
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hier zeigt sich Barths eigensinniger hermeneutischer Zugang, der weder nach der Intention der Autoren noch nach dem Kontext der Verwendung fragt, sondern den Text vielmehr ins theologische Konzert der biblischen Kon-Texte einordnet und ihn von dort her liest. In der Weihnachtspredigt von 1932 legt Barth die in Phil 4 empfohlene Freude als Trotz gegenüber dem vorgefundenen Zustand des Menschen aus. Dass dennoch Anlass zur Freude bestehe, begründet Barth wie 1921 mit dem nun im Weihnachtsgeschehen verorteten Eigentumswechsel, dem zufolge ich nicht mehr „mein, sondern meines getreuen Heilandes Jesu Christi“ eigen bin.124 1933 greift Barth in einer Predigt zur Barmherzigkeit nach Lk 6,36–42 – Richtet nicht, denn Gott richtet euch auch nicht! – das im HK formulierte Abendmahlsbild auf und wendet es im Sinne einer providentiellen Versorgung nicht der Gerechten, sondern der „Undankbaren und Boshaften“.125 Auf dem Reformierten Konvent in Osnabrück hält Barth am 18.04.1934 auf Wunsch von Hermann Albert Hesse die Eröffnungspredigt zu Joh 10,14–16. Sie soll den Teilnehmern „will’s Gott, den heute nötigen Ort des Bekennens verdeutlich[en]“, um sie so für die BK zu gewinnen.126 Bei dieser Gelegenheit zitiert Barth 1934 den HK nicht nur, sondern beschreibt ihn als Anlass für reformierten Stolz und als Schutz in den Kämpfen der Zeit: Wir haben Grund, uns unseres reformierten Bekenntnisses und der reformierten Gestalt unserer Gemeinden nicht nur nicht zu schämen, sondern ihrer froh und darauf stolz zu sein. Wir haben Grund, dafür dankbar zu sein, daß sich gerade in diesem Jahr der Versuchungen, der Kämpfe und Leiden bei allem, was auch uns Reformierten vorzuhalten sein mag, unser Calvin und unser Heidelberger und unsere Psalmen – oder sagen wir noch einfacher und direkter: unser reformiertes Schriftprinzip – bewährt haben, und zwar unbewußt und indirekt auch an so und so vielen, die nicht zu uns gehören und die es wohl lieber anders wahrhaben möchten. Wir wissen jetzt wieder aus dem Leben, was wir lange Zeit nur aus Büchern wußten: daß man mit jenen Waffen in der Hand allerlei Schlachten getrost bestehen kann.127
Als bewusste Waffe und unbewusstes Bollwerk, das das reformierte Bewusstsein gegen Versuchungen und Anfeindungen von außen schützt, führt Barth hier den HK zwischen dem verehrten Calvin und dem Genfer Psalter auf – und setzt ihn inhaltlich geradezu mit dem Schriftprinzip gleich. Weil und insofern der HK das reformierte Schriftprinzip manifestiert und in Gebrauch ruft, kommt ihm diese hohe Wertschätzung und Autorität zu. Das Bekenntnis Barths ist ein Bekenntnis zum Wort Gottes und darum ein Bekenntnis zur Schrift – und insofern der HK das auch ist, kann Barth sich auch zum HK bekennen. So warnt Barth die Kirchenversammlung: „Sie behandle die Schrift und das Bekenntnis nicht als InErwählung dazu bestimmen, als Glied der Gemeinde selber zum Träger ihres Zeugnisses an die ganze Welt zu werden“ (ders., KD II/2, 215.336). 124 Predigt am 18.12.1932 zu Phil 4,4–5, in: Ders., Predigten 1921–1935, 279. 125 Predigt am 09.07.1933, in: a. a. O., 290. Von reformierter Abendmahlszucht also keine Spur! 126 So der Auftrag von Seiten H. A. Hesses, zit. nach: a. a. O., 313. 127 Predigt am 18.04.1934 zu Joh 10,14–16, in: a. a. O., 321.
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stanzen, über deren Geltung man sich zuvor einigt, um nachher, in einem ganz anderen Raum, eine Politik zu machen, in der jene Instanzen doch nur Ornament und nicht Fundament sind!“128 Das Bekenntnis soll die verbindliche Grundlage des politischen Engagements darstellen, und nicht eine unverbindliche Absichtserklärung oder auf den privaten Raum beschränkte Maxime.129 Barths Appell zur Rückbesinnung auf die eigene reformierte Identität gegen die aktuellen kirchenpolitischen Ereignisse verhallt allerdings teilweise.130 Die Zeugnishaftigkeit des Bekenntnisses heißt eben auch, dass das Festhalten an der Bekenntnisschrift zwar Hilfe und Korrektiv bieten kann, als solches aber noch keinerlei wirklichen Schutz. Das Bekenntnis leitet an zu, ersetzt aber nicht das eigene Bekennen.131
3.3 Confessio quae statt confessio qua. Profilierung und Ausblick In den 1920er Jahren hatte Barth sich ausführlich mit dem HK auseinandergesetzt, ebenso mit der Frage nach seiner Repristination oder der theoretischen Möglichkeit eines neuen Bekenntnisses. Im Kirchenkampf greift er zunächst nicht auf den HK zurück. Immer wieder liest Barth den HK gegen die Interpretation seiner Anhänger. Eine direkte Berufung auf ihn als Autorität vermeidet er fast durchgehend. Einem Bekenntnisoptimismus gegenüber bleibt er skeptisch. Der vielfache Bezug auf den HK auch in seinen eigenen Bekenntnissen ist also sicher kein Beleg für eine Bekenntnis-Orthodoxie Barths. Trotz und gerade wegen des Appells an die Bekenntnisse, der Anfang der 1930er Jahre in den Kirchen als Gegenbewegung zur nationalsozialistischen Kirchenpolitik einsetzt, stellt Barth 1933 bitter fest, dass das Festhalten an Bekenntnisschriften allein noch keinerlei Sicherheit darstellt: „So billig sind auf einmal die tapferen ‚Entschließungen‘ und die orthodoxen Glaubensbekenntnisse zu haben, daß die Kirchen jetzt plötzlich davon widerhallen, während im Sommer, als es darauf ankam, fast ebenso allgemein geschwiegen 128 Barth, Predigten 1921–1935, 320. 129 1920 hatte Barth sich noch gegen Bekenntnisformeln in der Kirchenordnung gewehrt, s.o. Kap. 1.2.3, S. 27. Man kann in dieser Äußerung nun eine direkte Gegenrede Barths zu Lekebusch sehen, die behauptet, im Kirchenkampf sei zwischen verschiedenen reformierten Gruppierungen der „Handlungsunterschied“ zwar „beträchtlich“ gewesen, aber der theologische „Dissens geringer, als es den Anschein hat. [. . . Es herrschte] nämlich immer dann Einigkeit, wenn theologische Grundsätze formuliert wurden. Solange die Reformierten theologisch abstrakt argumentierten und die gemeinsame Basis des reformierten Bekenntnisses beschworen, vermittelten sie den Eindruck von Homogenität. [. . . ] Der Dissens wurde in dem Augenblick offenbar, als aus den theologischen Grundsätzen Handlungskonsequenzen gefordert wurden“ (Lekebusch, Die Reformierten im Kirchenkampf, 6f). Dies verkennt allerdings, dass die Unterscheidung von „Theologie“ und „Handlung“ nicht nur nicht hierarchiefrei zu treffen ist, wie Barths provokative Unterscheidung von Fundament und Ornament verdeutlicht, sondern selbst einen entscheidenden Streitpunkt darstellt. Vgl. zur Barmer Synode auch Hauschild, Kirche und Wort Gottes [1984], 205: „Theologisch war man sich in entscheidenden Punkten so wenig einig, dass die Synode daran beinahe gescheitert wäre.“ 130 Vgl. Barth, Predigten 1921–1935, 313f, Anm. 1. 131 Vgl. auch Barths späte Reserviertheit gegenüber einen Rückzug auf den Bekenntnisstand (ders., Gespräche 1964–1968, 100).
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oder mit den Wölfen geheult wurde.“132 Auch ganz konkret muss dies in Bezug auf den HK eingestanden werden. Frustriert schreibt Thurneysen an Barth, ein reformierter Mitstreiter133 habe „richtig eine Art Verräterei an der gemeinsamen Sache“ geübt, und klagt: „Wo, wo bleibt da nun eigentlich seine Bibel und sein darauf gegründetes Zeugnis? Wo der vielgerühmte Heidelberger? Wie erklärst du dir diesen Umfall? Er soll nämlich gerade die synodale Ordnung der Kirche ganz geringschätzig bei Seite geschoben haben.“134 Die implizite Erwartung, die Identifizierung mit dem Zeugnis des HK müsse zu bestimmten kirchenpolitischen Positionen und Aktionen führen, weicht der Ernüchterung, dass dies nicht der Fall ist. Anfang 1935 erklärt Barth sogar, es habe sich im konfessionellen Lager gezeigt, „daß die Leute wohl hundert Jahre lang noch ihren Heidelberger und ihren Lutherischen Katechismus gelernt hatten“, und dennoch diejenigen, „die das lutherische oder das reformierte Bekenntnis verhältnismäßig rein erhalten hatten, sich nicht als besonders wachsam erzeigten“, während umgekehrt „nicht zu leugnen ist, daß gerade die Union der Schauplatz des erwachenden Widerstandes wurde“.135 Der Zerfall der Reformierten entlang der Forderung nach „Wahrung reformierter Belange“ und der nach „Bekennen statt Bekenntnis“, der sich bereits in den 1920er Jahren abzeichnete, ist im Kirchenkampf nicht aufzuhalten.136 Hingegen findet Barth dort Gleichgesinnte, wo das eine Bekenntnis zu Jesus Christus über andere Sätze der Tradition und der Lage priorisiert wird. Ein Programm der Wahrung reformierter Belange durch Wiederbelebung der konfessionellen Identität und deren autoritativer Grundlagen, wie es die Jungreformierten oder die „Freunde des HK“ aufstellten, will Barth offensichtlich nicht unterstützen. Er hält das für eine Bewegung, die dem „politischen Glaubensbekenntnis“ der DC zu ähnlich ist. Weder ein Bekenntnis zu aktuellen geschichtlichen Ereignissen, noch eines zu den Formeln der Väter darf an die Stelle des Bekenntnisses zum einen Wort Gottes in Jesus Christus treten. Nicht auf die Autorität eines Textes und seiner rechtlichen Geltung, oder auch nur auf ihre theologische Überlegenheit kann man sich demgegenüber verlassen. Sie kann hilfreich 132 Ders., Die Kirche Jesu Christi, 6. 133 Es handelt sich um Fritz Horn, den Kohlbrüggianer und Schriftleiter des Korrespondanzblatts der Freunde des HK, der sich als Vertreter des sog. „Ordnungsblocks“ um Ausgleich mit Heinrich Forsthoff bemühte. Karl Barth hatte ihn 1921 kennengelernt und war neben Hermann Kohlbrügge von Horn besonders beeindruckt gewesen (vgl. Busch, Lebenslauf, 155). 134 Thurneysen an Barth am 23.03.1934, in: Barth/Thurneysen, BwTh III, 613. Auch Niesel, Gemeinschaft mit Jesus Christus, 190 steht verwundert „vor der merkwürdigen Tatsache, daß die nationalsozialistische Kirchenpartei, die Deutschen Christen, sich ebenso auf das Bekenntnis der Gemeinden, den Heidelberger Katechismus, beriefen wie diejenigen, die vom unverkürzten Evangelium von Jesus Christus nicht lassen wollten.“ 135 Barth, Die Möglichkeit einer Bekenntnis-Union, 38f. 136 Diese Unterscheidung trifft Lekebusch, Die Reformierten im Kirchenkampf, 6f; Meier, Der evangelische Kirchenkampf, II, 358, unterscheidet zwischen „statuarischem und aktualistischem Bekenntnis“; Vorländer, Aufbruch und Krise, 9, in „Wahrer reformierter Belange“ und Vertreter eines reformierten „Wächteramtes im Dienst der Gesamtkirche“. Einig sind sie sich darin, die Differenz sei latent schon vor 1933 vorhanden gewesen. In Bezug auf Barth deckt sich dies mit den in Kap. 2.4 aufgezeigten Spannungen.
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sein, ist aber für das eigene Bekennen nicht nötig: Für Barth gehört „die Existenz und Geltung von Bekenntnisformeln und Bekenntnisschriften nicht einmal zu den absoluten Kriterien des Bekenntnisses“.137 Das christliche Bekennen ist vielmehr dasjenige gehorsame „Handeln der Kirche“, das „sehr einfach besteht in der Anerkennung, daß Jesus Christus [. . . ] wirklich der Herr“ ist.138 Natürlich ist wahr: „Mit der Berufung auf das gemeinsame Bekenntnis zu Christus ist es nicht getan.“139 Auch im Kirchenkampf konnten alle Parteien einem nominellen Christusbekenntnis zustimmen. Doch nicht erst an den Folgen dieses Bekenntnisses, sondern an der Frage, welchen Status und welche Autorität dieses Christusbekenntnis hat, haben sich tatsächlich die Geister geschieden: „Die Frage blieb kontrovers, ob das aktuelle Bekenntnis ‚zu dem einen Herrn‘ für die Gegenwart entscheidend Kirchengemeinschaft bestimmt und begrenzt oder ob – jedenfalls für die lutherische Kirche – der in den Bekenntnisschriften des 16. Jh. gegebene consensus de doctrina evangelii das entscheidende kirchliche Einheitsband darstellt.“140 Von Barths Theologie her ist die Exklusivität und Inklusivität des Christus-Zeugnisses als Bekenntnis zu dem einigen und einzigen Trost auch theologisch bereits Scheidungs- und Unterscheidungsmerkmal. Den Gegensatz zwischen Bekennen und Bekenntnis versteht Barth aber nicht streng alternativ, wenn er sich auch in der Spannung zwischen eigenem Bekennen und Festhalten an der Bekenntnisbindung für das erste erklärt. Das eigene Bekennen findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern informiert durch die und auf den Schultern der Bekenntnisse der eigenen Tradition. Das zeigt sich darin, dass Barth die BTE nicht als Alternative und Ersatz für den HK versteht, sondern in der BTE den HK zitiert und aufnimmt. So will er ihn als Vorbild und Ressource eigenen Bekennens, als parallelen Bekenntnisakt verstehen, nicht aber als fertige Grundlage, die ein eigenes Bekennen überflüssig machen würde. Barths Reflexion 1935 kann man durchaus als Kommentierung seiner eigenen Pragmatik betrachten: „Echtes Bekenntnis geht darum nie mit, es ging immer gegen den Strom, gegen das geistige Fluidum, das jeweils in der Luft war, [. . . ] vor allem auch gegen die Tendenzen dessen, was jeweils Christentum hieß.“141 Gegen den Strom nicht nur der DC, sondern auch seiner landeskirchlichen Glaubensgenossen schwimmt Barth durchaus auch im Kirchenkampf. Er sucht in erster Linie den Schulterschluss mit anderen „Bekennern“, unabhängig von deren Konfession.142 Die Rede von der „evangelischen“ Kirche kristallisiert sich als ein
137 Barth, Bekenntnis der Reformation, 23. 138 A. a. O., 7.9, Hervorhebung i.O. 139 Brunotte, Die theologische Erklärung von Barmen, 159, ebd: „Alle Häretiker, von der Gnosis angefangen, haben sich zu Christus bekannt“. 140 Reese, Bekenntnis und Bekennen im Kirchenkampf, 487. 141 Barth, Evangelium, 24. 142 Dies erstreckt sich im Übrigen nicht nur auf die lutherische Schwesterkirche, sondern auch auf den Katholizismus. Der SS-Sicherheitsdienst berichtet im August 1935 besorgt, „dem ‚Reformierten Bund‘ und seinem geistigen Oberhaupt, dem bekannten Professor Karl Barth, wird mit Recht klargemacht, daß sie prinzipiell schon auf katholischem Boden angekommen sind. Der Jesuit Erich
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Hauptbegriff Barths im Kirchenkampf heraus: als ebenso überkonfessionelle wie gemein-reformatorische Größe, deren Fundament im Wort Gottes, d.h. in der Schrift bzw. in ihrem Zeugnis von Jesus Christus zu finden ist. Dies bildet Barths „Grundbekenntnis“ in dieser Zeit gegen alle konfessionalistischen und nationalistischen Bekenntnis-Ansätze.143 Um diesen je neu auszulegenden Inhalt geht es, nicht um eine Form. Wo eine Form über diesen Inhalt erhoben wird, ist darum für Barth auch eine Grenze erreicht. Von der Priorisierung des Bekenntnisinhalts Jesus Christus aus kommt es zu einer verstärkten Zusammenarbeit und auch theologischen Annäherung mit Lutheranern, was Verratsvorwürfe aus den eigenen Reihen hervorruft.144 Barth versteht das Ereignis von Barmen als im theologischen Sinne echte „Union“, wie es sie im 19. Jahrhundert nicht gegeben habe.145 Die Sammlung vollzieht sich nicht mehr auf der Grundlage der gemeinsamen reformierten Konfessionen, sondern auf der Grundlage der Loyalitätserklärung zu dem einen Herrn der Kirche.146 Innerhalb der BK kann Barth sich nicht lange durchsetzen. Andere Kräfte suchen den Kompromiss mit der Reichskirche, weswegen einige als „die größte Gefahr für die D.E.K. augenblicklich Karl Barth“ sehen.147 Als die Vorläufige Kirchenleitung den Reichsbruderrat ersetzt, tritt Barth am 22.11.1934 aus diesem aus. An der dritten Bekenntnissynode in Augsburg nimmt er bereits nicht mehr teil. Der bayerischer Bischof Hans Meiser hatte ihn geradezu ausgeladen – und Barth sieht nunmehr selbst seine „wirklich nicht angenehme Funktion in diesem kirchlichen Raum [. . . ] als beendigt“ an.148 Sein persönlicher status confessionis ereilt Barth mit der Aufforderung zum Führereid: „Mir war allerdings vom ersten Augenblick an, da ich in der Schweiz von der Forderung dieses Eides erfuhr, ganz deutlich, daß ich, sowie mich diese Forderung erreichen werde, so konkret und aktuell wie nur möglich in den status confessionis versetzt sein werde.“149 Barth lehnt den Eid Przywara sagt [. . . ], daß die Gläubigkeit, wie sie Karl Barth in seinen Kampfbroschüren ‚Theologische Existenz heute‘ fordert, eine seltsame Verwandtschaft mit der katholischen Gläubigkeit hat“ (zit. nach: Boberach [Hg.], Berichte, 95). 143 In den 1920er Jahren hatte Barth selbst noch starke Abneigung gegen die allzu allgemeine Selbstidentifikation „evangelisch“ geäußert, s.o. S. 82. 144 Vgl. Lekebusch, Die Reformierten im Kirchenkampf, 323. Algner bemerkt zu Recht über Barths Würdigung des Altonaer Bekenntnisses als „Wort zur Lage“: „Der Griff des reformierten Theologen nach dem bewusst lutherischen Altonaer Bekenntnis ist auch in Anbetracht des Gewichtes, das der konfessionellen Zugehörigkeit damals zukam, bemerkenswert. Barth ist gegenüber konfessionellen Unterschieden nicht gleichgültig. Doch auf dem Hintergrund seiner eigenen theologischen Voraussetzungen darf auch in dieser Hinsicht keine Parteilichkeit bestehen“ (Algner, Kirchliche Dogmatik im Vollzug, 46; über einen Brief an Thurneysen am 10.02.1933, in: Barth/Thurneysen, BwTh III, 357–364). 145 Barth, Die Möglichkeit einer Bekenntnis-Union, 39. 146 Nach Lekebusch, Die Reformierten im Kirchenkampf, 232, verläuft spätestens ab der 2. Freien Reformierten Synode von Siegen im März 1935 die Grenze nicht mehr entlang der Konfessionen: „Die Lutheraner waren jetzt Partner im Kampf gegen die Reichskirche.“ 147 So August Marahrens laut Barths Brief an Thurneysen am 23.11.1934, in: Barth/Thurneysen, BwTh III, 758. 148 Barth an H. A. Hesse am 30.06.1935, zit. nach: Busch, Lebenslauf, 274. 149 Barth an H. von Soden am 05.12.1934, zit. nach: a. a. O., 268.
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nicht rundweg ab, sondern bittet sich den Zusatz aus: „soweit ich es als evangelischer Christ verantworten kann“. In Anbetracht der Reichweite, den der Vorbehalt der Evangeliumsgemäßheit für ihn hat, ist es also kein Missverständnis, dass dies zu Barths sofortigen Suspendierung aus dem Amt am 26.11.1934 und zur endgültigen Versetzung in den Ruhestand am 22.06.1935 führt. Auf das Angebot eines Basler Lehrstuhls hin emigriert Barth zurück in die Schweiz, von wo aus er in den folgenden Jahren nicht nur zum theologischen, sondern verstärkt auch zum politischen und militärischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus aufruft. Insgesamt haben die Auseinandersetzungen der frühen 1930er Jahre gravierenden Einfluss auf das Denken und Auftreten bzw. auf die öffentliche Haltung und Strategie Barths ausgeübt. Dies betrifft die Verwendung der Bekenntnisschriften ebenso wie sein Verhältnis zum Konfessionalismus, das politische Agieren ebenso wie eine neue Wertschätzung der „Kirche“ und nicht zuletzt die Besinnung auf das grundlegend „Evangelische“: das Evangelium in Jesus Christus.150 In Bezug auf seine veränderte ökumenische Haltung reflektiert Barth im August 1935: „Wir haben nämlich in Deutschland die Erfahrung gemacht, daß es einen lutherischen, aber auch einen reformierten Konfessionalismus gibt, dessen Anrufung des ‚Bekenntnisses‘ von den bekannten Methoden der natürlichen Theologie nicht im Geringsten verschieden ist.“151 Die Einsicht, dass die Berufung auf das Bekenntnis nicht nur nicht vor Irrtum schützt, sondern in der Stunde der Gefahr sogar zersetzend-kontraproduktiv sein kann, hat Barth im Kirchenkampf gewonnen. Weder die Wahrung eines Bekenntnisstandes noch das aktuelle Bekennen ist dem Christen in erster Linie aufgegeben, sondern die Frage nach dem Gegenstand des Bekenntnisses, also dem einen Wort Gottes in Jesus Christus, wie er in der Heiligen Schrift bezeugt ist. Nur darin, darin aber zeige sich der Unterschied des christlichen Bekenntnisses zu politischen Weltanschauungen ebenso wie zu deutschchristlichen oder jungreformatorischen „Häresien“ tatsächlich. Wie gegen die von ihm angeprangerte „natürliche Theologie“, die Barth stark aus seiner Kritik an einer optimistischen Wertung menschlicher Vermögen versteht, hat darum die Theologie auch „in der Kirche Wächterdienst zu tun.“152 150 McCormacks Urteil, die Ereignisse des Kirchenkampfes seien unbedeutend für Barths Entwicklung zur Christozentrik gewesen, erscheint darum geradezu absurd: „Barths Rolle im deutschen Kirchenkampf 1933–1935 braucht hier nicht dargestellt zu werden. Es gibt keinen Grund zu der Vermutung, dass die Ereignisse dieser Jahre einen bedeutenden Einfluss auf den letzten größeren Entwicklungsschritt Barths hatten“ (McCormack, Dialektik und Realismus, 373). Unter Vernachlässigung der Ereignisse in Deutschland ist es unerklärlich, wie Barth, nachdem er noch im Sommer 1924 schreiben konnte: „Die Dogmatik und die ihr folgende Predigt wird es m.E. wieder wagen müssen, etwas weniger christozentrisch [. . . ] zu werden“ (Barth, UidcR, 110), im Sommer 1936 eine abrupte Wende zur Christozentrik vollzogen haben soll – nach Ansicht McCormacks ohne jeden zeitgeschichtlichen Bezug, nur unter dem Eindruck eines theologischen Vortrags zur Erwählungslehre. Barths zugespitzte Christozentrik lässt sich vielmehr als Konsequenz der Auseinandersetzung mit den DC verstehen, die er, wie wir gesehen haben, primär als eine Häresie gegen das Erste Gebot verstand. Auch Barths Neuansatz in der Erwählungslehre kann sicherlich vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund plausibilisiert werden. 151 Ders., Voraussetzungen, 24. 152 A. a. O.
4. Umbau und Trost. HK-Lektüren aus der Schweiz 1936–1945 4.1 Baustellenbesichtigung mit Nicht-Theologen. „Einführung in die reformierte Lehre auf Grund des HK“ 1937 4.1.1 Verstärktes Interesse am Bekenntnis und den Bekenntnissen Seit seiner ersten Vorlesung 1921/22 hatte Barth den HK nicht mehr zum gesonderten Gegenstand akademischer Untersuchung gemacht. Doch nach seinem Ausschluss von der Bonner Fakultät – wie auch später bei der Wiederaufnahme seiner Lehrtätigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg – wählt Barth ihn mehrfach als Grundlage seines Unterrichts: 1937 und 1938 trägt er das Anliegen der Besinnung auf Bekenntnis und Bekennen auch in die nicht „bekenntnis-gebundene“ Schweiz. Mit dem HK setzt Barth dabei nicht nur seine Arbeit an der Universität, sondern insbesondere auch seine Arbeit mit Laien, Gemeindegliedern, Religionslehrern und Pfarrern fort. Doch auch abgesehen von diesen im Folgenden näher zu behandelnden Texten legt Barth nun häufiger Bekenntnisschriften aus. Der HK ist keineswegs das einzige Bekenntnis, das er aufgreift, obwohl er eine besondere Stellung behält. Bereits im Winter 1932/33 hatte Barth in der Bonner Sozietät Luthers Großen Katechismus behandelt, im Sommer 1934 die Theologie der Konkordienformel.1 Eine Auslegung der „Hauptprobleme der Dogmatik dargestellt im Anschluß an das Apostolische Glaubensbekenntnis“ stellt Barth 1935 unter den schlichten Titel Credo mit der Widmung „1935! Den Pastoren Hans Asmussen, Hermann Hesse, Karl Immer, Martin Niemöller, Heinrich Vogel – im Gedenken an Alle, die standen, stehen, und stehen werden“.2 Das „Stehen“, als Metonym für das eigene Bekennen gelesen, setzt die Auslegung der Bekenntnistexte in Verbindung mit dem Bekenntnisakt. Im Juli 1935 erläutert Barth in Genf, im Januar 1937 in Lausanne und 1940 in Travers Calvins Catechismus Genevensis, im Wintersemester 1936/37 gibt er in Basel ein Seminar zur reformierten und lutherischen Deutung des Apostolikums.3 Im März 1937 interpretiert Barth vor schottischen Studenten im Rahmen der Aberdeener Gifford Lectures die Confessio Scotica.4 1937 und 1939 referiert er vor fran-
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Vgl. Busch, Lebenslauf, 232.257. Barth, Credo, 3. Vgl. Busch, Lebenslauf, 276.293.313. Barth, Gotteserkenntnis und Gottesdienst, Veröffentlicht als.
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zösischen Pfarrern die Confessio Gallicana.5 Nach Ausbruch des Weltkriegs legt er in Basel drei Semester lang die Confessio Helvetica Posterior aus.6 Eine solch intensive Beschäftigung mit Bekenntnisschriften wie in der Zeit von 1935–1940 lässt sich bei Barth weder vorher noch nachher feststellen. Auffällig ist dabei, dass er zur Auslegung häufig lokal spezifische Bekenntnisschriften wählt und so den Schotten die Scotica, den Franzosen die Gallicana, den Schweizern die Helvetica nahe bringt. Über ein bloß historisch-akademisches Interesse hinaus geht es ihm um die Aneignung der jeweils traditionellen Bekenntnisäußerungen im Dienst des eigenen aktuellen Bekennens. So reflektiert Barth, er habe seine Hörer Punkt für Punkt über den einstigen Sinn des Bekenntnisses unterrichtet, um dann [. . . ] wieder Punkt für Punkt zu sagen, in welcher Weise ich die Aussagen des Bekenntnisses als heute Lebender und selbst Denkender mit verantworten muß und kann. Wer sich dafür interessiert, der mag sich hier veranschaulichen, was ich unter Treue gegenüber dem kirchlichen Bekenntnis – im Unterschied zu einer Orthodoxie oder Positivität, die mir immer fremd (um nicht zu sagen widerwärtig) gewesen ist – verstehe und nicht verstehe.7
Bei der Beschäftigung mit „dem Bekenntnis“ geht es immer um das Eigene, das Spezifische, das Konkrete, das je Relevante. Für den jeweiligen Kontext werden bevorzugt die kontextuellen Kontra-Texte aufgerufen – ohne dass dadurch ein konfessionalistischer Exklusivismus betrieben würde. Nach seiner Rückkehr aus Deutschland in die Schweiz zeigt Barth sich zunehmend besorgt um den beobachteten „kaum noch verhüllten, planmäßig angesetzten und durchgeführten ‚Vernichtungskrieg‘ gegen den inneren und äußeren Bestand der christlichen Kirche“ in Deutschland.8 Barth stellt geradezu apokalyptisch fest: „Sicher ist dies [. . . :] das christlich-bürgerliche oder bürgerlich-christliche Zeitalter ist abgelaufen, der Bund [hier: zwischen Christentum und weltlicher Macht, HR], d.h. aber das Christentum in seiner uns bisher bekannten Gestalt ist zu Ende.“9 Gerade die äußerlichen Einschränkungen bedeuten für Barth die Forderung einer doppelte Ausweitung. Internationale Solidarität tut Not: „Der christliche Glaube kennt keine Landesgrenzen und keine Neutralitätserklärungen“.10 Enttäuscht wendet Barth sich darum zunächst von der ökumenischen Bewegung ab.11 Nach den Konferenzen in Oxford und Montreal 1937 wirft er ihr vor, dass 5 6 7 8
Vgl. Busch, Lebenslauf, 294.305. Vgl. a. a. O., 313. Barth, Gotteserkenntnis und Gottesdienst, 6. ders., Memorandum, 57. Die BK spaltet sich noch 1935 an der staatlichen Gleichschaltungspolitik. 1936 wurde ihr die Ausübung jeglicher kirchenregimentlicher Befugnisse verboten. Ab Juni 1937 durfte sie keine Kollekte mehr sammeln, der Reichsbruderrat wurde polizeilich aufgelöst. Im Juli 1937 wurde Martin Niemöller festgenommen, im September die theologische Ausbildung untersagt. Im November 1937 wurde Paul Schneider inhaftiert, der als erster Pfarrer im Konzentrationslager ermordet werden würde. 9 Ders., Evangelium, 33. 10 Ders., Memorandum, 61. 11 Zur Entwicklung von Barths von Anfang an skeptischem Verhältnis zur ökumenischen Bewegung vgl. ausführlich Herwig, Ökumenische Bewegung. Bereits Ende 1934, als sich seine Entlassung in Bonn abzeichnet, hatte Barth eine Einladung Visser ’t Hoofts nach Genf ausgeschlagen, die ihn
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sie sich nicht in der Rolle tatsächlicher konziliarer Verantwortung versteht und zu den Geschehnissen in Deutschland nur vage Formulierungen wählt, anstatt konkret zu werden.12 Die zweite Ausweitung, die Barth als Konsequenz dieser Situation vornimmt, ist die auf jeden Einzelnen: „Die Zeiten des offiziell anerkannten Gewohnheitschristentums sind vorbei. Die Christen sind wieder Mann für Mann gefragt, ob sie sich des Evangeliums schämen oder ob sie Gott mehr gehorchen wollen als den Menschen?“13 Es gilt also, nicht nur Theologen und Kirchleitung, sondern jeden Einzelnen zum Bekennen zu befähigen und zugleich darin eine weltweite, übernationale Gemeinschaft zu bilden. Dafür ist die Aufklärung über die eigene Tradition und deren Bekenntnisse eine wichtige Grundlegung und Hilfestellung.14 4.1.2 Konkretion – Lesen – Entscheidung In diesen Zusammenhang lässt sich ein Kolloquium in Basel 1937 einordnen, das explizit ausschließlich für Nicht-Theologen angesetzt ist.15 Eine Initiative von Studierenden aller Fakultäten hatte sich im Wintersemester 1936/37 mit einer Un-
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enger an die ökumenische Bewegung gebunden hätte, hielt dort aber durchaus Gastvorträge (vgl. ebd., 33). Vgl. den Briefwechsel mit Visser ’t Hooft in dieser Zeit (Barth/Visser ’t Hooft, BwV’tH, 57– 75). Nach starker Kritik durch Barth in seinen Briefen am 27.07.1937 und 18.08.1937 setzt sich das Gespräch höflich und respektvoll, aber merklich abgekühlt fort. Man bleibt über Kooperationsprojekte, wie die Hilfe für deutsche Flüchtlinge, Publikationen von Barths Schriften in internationalen Organen etc. in Kontakt. Weitergehende inhaltliche Zusammenarbeit, etwa die Gründung einer internationalen theologischen Zeitschrift Doctrina, lehnt Barth trotz mehrfacher Bitten Visser ’t Hoofts entschieden ab (vgl. Brief am 27.07.1937, in: a. a. O., 57–61 sowie den darauf folgenden Austausch). Barth, Memorandum, 61. Ein Versuch, den Einzelnen selbst vor die Entscheidung zu stellen, ist auch Barths Calvin-Referat 1936, in dessen Rahmen er sich weigert, über des Reformators Persönlichkeit, Wirkung oder Aktualität zu sprechen oder dessen Schriften auch nur zu kommentieren oder zu beurteilen. Stattdessen will er durch Zitation „ganz einfach Calvin selbst in Ihrer Mitte zu Worte kommen lassen“ (ders., Calvinfeier 1936, 6). Im KBA existiert die Stenogramm-Transkription eines Vorlesungsbeginns durch Charlotte von Kirschbaum unter dem Titel „Vorlesung. Einführung in die reformierte Lehre auf Grund des Heidelberger Katechismus“, die als Datum der in der Abschrift abgebrochenen 2. Sitzung den 12.05.1935 notiert. Da der 12.05. im Jahr 1935 ein Sonntag gewesen wäre und Barth zu diesem Zeitpunkt zudem im Umzug von Bonn nach Basel begriffen war, handelt es sich bei der Jahreszahl sicher um einen Schreibfehler (möglicherweise durch die später angefertigte Reinschrift). Jüngst wurde das Fragment veröffentlicht als Drewes/Rich, Einführung 1936. Rich/Drewes ordnen das Fragment einer Vorlesung von 1936 zu – die aber nur durch einen Brief von Ruth Epting an Karl Barth vom 01.06.1936 geschlussfolgert wird, insbesondere geht sie weder aus in den Unterlagen der Universität noch der Basler Zeitung hervor, auch in den Taschenkalendern von Barth und Charlotte von Kirschbaum findet sich kein Hinweis auf eine solche Vorlesung. Für das Sommersemester 1937 hat Barth hingegen nachweislich Mittwochs zwischen 19 und 20h an der Universität ein „Kolloquium zur Einführung in die reformierte Lehre (im Anschluss an den Heidelberger Kat.)“ gehalten, das in der Ankündigung explizit mit dem Vermerk „Nur für Nicht-Theologen!“ versehen ist. Über dieses Kolloquium berichtet auch Hadorn, Mitteilungen. Am 28.04.1937 schreibt Barth in seinem Taschenkalender: „Erste Vorlesung für ‚Nicht-Theologen‘“, am 05.05.1937 vermerkt Charlotte von Kirschbaum, sie habe mit Elisabeth Freiling im Colloquium gesessen (vgl. auch die briefliche
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terschriftensammlung an Barth gewendet. Sie baten um eine „Einführung in die christliche Lehre“ für Nicht-Theologen, mit dem expliziten „Verlangen, vor die christliche Lehre selber gestellt zu werden“.16 Von Barth wollten sie keine Schulmeinung erfahren, sondern „nichts anderes als die Sache selber“.17 Barth kommt dem nach. Der von ihm gewählte Titel des Kolloquiums balanciert nuanciert diese Anfrage mit seinem eigenen Verständnis der Situation. Er nimmt eine doppelte Konkretion der Anfrage vor: Statt über die christliche Lehre liest er über reformierte Lehre – denn das Christentum existiert nur in Form bestimmter Traditionen, nicht im allgemeinen.18 Gegenüber der Frage nach „der“ Lehre wählt Barth einen bestimmten Text. Dass er zur Einführung in „die reformierte Lehre“ einen Traditionstext als „Grund“ legt, begründet Barth mit dem Wesen der Theologie: „Man stellt sich – das ist ein Grundsatz, eine Regel in der Theologie – unter eine Autorität. Man – liest.“ (270) Und zwar nicht etwa eine Dogmatik, sondern eigentlich die Bibel, in deren Auslegung aber nun konkret eine Bekenntnisschrift: den HK. Dieser ist nicht an sich Gegenstand der Untersuchung, sondern als – inzwischen für würdig befundener – Vertreter reformierter Lehre geeignet, eine EinErwähnung Kirschbaum/Freiling, Briefwechsel von 1934–1939, 133), was eine Zuordnung zur Stenogramm-Abschrift der (auf den eine Woche vor dem 12.05. liegenden 05.05. zu datierenden) ersten Sitzung nahelegt. Ein jüngst im Nachlass Nelly Barths aufgetauchtes maschinenschriftliches Typoskript titelt „Glaube und Werke. Auszug aus der Vorlesung ‚Einführung in die reformierte Lehre auf Grund des Heidelberger Katechismus‘. S.S. 1937“ und entspricht damit perfekt nicht nur der Titel-Angabe in der von Rich/Drewes veröffentlichten Einleitungssitzung, sondern auch zu der dort von Barth vorgeschlagenen Gliederung der Themen „5. Glaube“ (Fragen 32, 21, 56, 60–61, 65, 26–28) und „6. Werke/Leben“ (Fragen 62–64, 86–91, 114–115). Von Titel, Inhalt und wichtigen Schlagworten her – so werden etwa die Zuhörer eindeutig als reine Nicht-Theologen angesprochen – passt die Stenogramm-Abschrift auch zum Bericht über Barths 1937er-Kolloquium nach Hadorn, Mitteilungen. Die Bezeichnung der Veranstaltung im Jahr 1937 als Kolloquium oder Vorlesung sowie als „an Hand von“, „auf Grund von“ und „im Anschluss an“ den HK variieren bereits in Barths eigenen Aufzeichnungen. Darum ist insgesamt, auch trotz der Betitelung als „Vorlesung“, also zu vermuten, dass das Transkript diesem Kolloquium zuzuordnen ist und es sich insgesamt um ein und dieselbe Veranstaltung handelt, nämlich ein im Sommersemester 1937 abgehaltenes Kolloquium für Nicht-Theologen zum HK, welches nachweislich durch von Kirschbaum wie durch Barth selbst ab und zu als Vorlesung bezeichnet wurde. Eine zweite, als Vorlesung abgehaltene Veranstaltung im Jahr 1937 ist nicht nachweisbar. Dass Barth die Veranstaltung 1937 explizit selbst als „Erste Vorlesung für Nicht-Theologen“ bezeichnet, macht es auch unwahrscheinlich, dass er im Vorjahr bereits eine solche gehalten hätte. Auch hätte dann wohl kaum eine Gruppe von Studierenden per unterschriftlicher Petition erst eine entsprechende Veranstaltung verlangt. Eine Datierung der Stenogramm-Abschrift auf eine weitere (ebenfalls kaum nachweisbare) Vorlesung im Jahr 1936 für Nicht-Theologen kann darum ebenfalls ausgeschlossen werden. Leider bricht die vermutlich anhand stenographischer Aufzeichnungen angefertigte Nachschrift von Charlotte von Kirschbaum in der 2. Sitzung nach wenigen Zeilen ab, so dass der weitere Verlauf von Barths Auslegung nur durch das Typoskript zu „Glaube und Werke“ sowie ansatzweise anhand der in der ersten Sitzung vorgeschlagenen Lesereihenfolge und dem Bericht von Hadorn rekonstruierbar ist. Seitenzahlen im Fließtext beziehen sich im Folgenden auf Drewes/Rich, Einführung 1936. 16 Hadorn, Mitteilungen, 142. 17 Ebd. 18 Der Begriff „reformiert“ wird in der Schweiz landläufig mit „evangelisch“ oder gar mit „christlich“ gleichgesetzt, bezeichnet also nicht in erster Linie eine konfessionelle Eingrenzung, sondern eine qualifizierende Benennung des Allgemein-Christlichen.
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führung in eben diese zu geben: „[E]r ist der Katechismus der alten reformierten Kirche geworden und [. . . ] wenn ich heute gefragt werde, was ist Lehre der reformierten Kirche, dann würde ich mir nicht erlauben, Ihnen das frei vorzutragen, sondern dann schlage ich dieses Büchlein auf.“ (271) Dies erhellt auch die neue Struktur des Textdurchgangs, die sich nun nicht mehr an der für den HK aufschlussreichen Christozentrik der Frage 1 orientiert, sondern an Loci christlichen Glaubens.19 Der Katechismus eignet sich schon aus didaktischen Gründen für eine „Laien“Unterweisung und insbesondere für die Frage-Antwort-Form eines Kolloquiums. Barth geht explizit auf seine Zuhörer ein mit der Ermutigung und dem Aufruf zur Verantwortung, selbst Subjekte der Theologie zu werden.20 Nicht persönliche Qualifikationen oder selbst der Glaube der Hörer ist relevant: Barth ruft sie unabhängig von allem, was sie mitbringen, in die Verantwortung: „Ich glaube es niemand, daß er ein Heide ist, auch nicht, daß er nicht interessiert ist. [. . . ] Sie sind alle dabei, Sie gehören dazu. Sie sind aufgerufen und verantwortlich in dieser Sache. Ich nehme Sie so ernst, wie ich Sie nur nehmen kann. Alles Übrige interessiert mich nicht.“ (270) Sich auf die Theologie einzulassen, erfordere, mit fremden Stoffen umzugehen, bestimmte Methoden zu erlernen, und überdies, „in eine Entscheidung gestellt [zu] werden. – Ich kann Ihnen diese drei Dinge nicht ersparen.“ (269) Die Zumutung spitzt Barth noch zu, indem er die Theologie mit einer Baustelle vergleicht: „[I]ch führe Sie durch ein Haus, in welchem die verschiedensten unangenehmen Dinge passieren: hier wird abgerissen und aufgebaut, im I. Stock ist leidliche Ordnung, im II. ist eine Familie im Umzug begriffen“ (269). Mit der Tatsache, dass er hier eine Bekenntnisschrift aufs Programm hebt, verfolgt Barth nicht nur ein didaktisches, sondern auch ein inhaltliches Interesse – und zwar kein historisches, wenn er auch einleitend auf Entstehung und Intention des HK eingeht. Den Umgang mit gegebenen Texten erklärt Barth vielmehr zur ersten Aufgabe der Theologie: „In der Theologie wird auch gedacht, aber sie fängt nicht damit an, sondern mit dem Lesen.“ (270) Die Texte begründen die Theologie, nicht das eigene spekulative Nachdenken – sie hat stets nur Kommentar und Ko-Text zum Wort Gottes zu sein. Die Wahl des HK bedeutet für Barth also zum einen die Konkretion der Lehre, zum anderen auch in der Bekenntnisauslegung die Aufforderung zum eigenen Bekennen. Es geht um die persönliche Entscheidung, diese ist aber nur möglich auf der Grundlage des Hörens bzw. Lesens. Zwar unterscheidet Barth das Lesen eines Katechismus von dem der biblischer Texte, gewährt ersterem aber sein Recht, da dieser „selbst nichts Anderes sein will als eine Erklärung der heiligen Schrift.“ (270) Trotz der Differenzierung zwischen beiden ist die Ausrichtung des HK auf die Schrift also legitime Begründung für die Anwendung schrifthermeneutischer Einsichten auch auf den Katechismus. 19 S.u. S. 130. 20 „Alle Glieder der Kirche sind Theologen, und alle, die erwacht sind zur Kirche, müssen auch zu dieser ihrer Eigenschaft als Theologen erwachen“ (268).
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4.1.3 „Diagonal lesen“ als neue Methode Barth setzt das bereits früh sich andeutende Modell der katechismus-internen Selbstauslegung nun auch methodisch und didaktisch um.21 Während er zuvor dem Aufbau des HK gefolgt war, empfiehlt Barth nun als „kleine Hilfe“, die Studierenden sollten den HK „diagonal lesen“ (271). Er gibt als Reihenfolge vor: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
„einmal, zweimal, dreimal die Frage 1“ als „Summa“; die darin implizierte „Entscheidung“, anhand der Fragen 94–97 und 30; der Mensch „in seinem Widerspruch gegen Gott“, anhand der Fragen 3–11; „Jesus Christus“, anhand der Fragen 15–19, 31, 33–34, 40, 45; „Glaube“, anhand der Fragen 32, 21, 56, 60–61, 65, 26–28; „Leben“ bzw. „Werke“, anhand der Fragen 62–64, 86–91, 114–115; „Gebet“, anhand der Fragen 116–118, 129; „Kirche“, anhand der Fragen 50, 54–55, 60–67, 83–85, 103, 98; „Hoffnung“, anhand der Fragen 49, 52, 57–58 (271f).
Nicht nur weicht Barth insgesamt von der durch den HK gegebenen Reihenfolge ab, wenn er auch dessen eigener Gliederung ein gewisses Recht belässt. Er stellt selbst eine Reihe dogmatischer Loci auf, denen er einzelne Fragen des HK zuordnet, und zwar auch innerhalb der einzelnen Themengebiete nicht HK-„chronologisch“. Wie ein Kommentar zu seinem Vorgehen liest sich die wenig später veröffentlichte Überlegung: [W]ir haben die sog. „analytische“ Methode, die am Anfang des 17. Jahrhunderts ihren Einzug in die protestantische Theologie gehalten hat und deren Ausdruck schließlich die Lehre von den Fundamentalartikeln gewesen ist, den Abschied zu geben [sic!]. Wir haben zu der Methode der Loci zurückzukehren [. . . ]. Gerade sie ist die in der Dogmatik allein wissenschaftliche Methode. Eben die Loci der älteren Orthodoxie waren nämlich noch solche dogmatische Grundsätze, die aus keiner höheren Einheit als eben aus der des Wortes Gottes selbst hervorgehen, keine höhere Synthese als eben die des Wortes Gottes selbst zum Ausdruck bringen wollten, die in keiner höheren Systematik als wiederum der des Wortes Gottes selbst begründet und zusammengehalten waren.22
Es geht nicht um Systematik, sondern um das Wort Gottes. Das System der Auslegung muss diese grundlegende Selbstrelativierung integrieren. Hatte Barth 1924 als Grundlage für die Entwicklung von Loci noch den Römerbrief, also ein biblisches Buch vorgeschlagen, dient ihm nun der HK dafür.23 Von den von ihm verwendeten Dogmatik-Kompendien (Schmid, Die Dogmatik der evangelischlutherischen Kirche; Heppe, Die Dogmatik der evangelisch-reformirten Kirche) aber auch Melanchthons Loci und Calvins Institutio weicht Barths Aufstellung dabei signifikant ab: Weder Gotteslehre noch Erkenntnistheorie spielen eine hervorgehobene Rolle, auch die Rechtfertigungslehre bekommt keinen eigenen Topos zugeordnet (dafür figuriert sie allerdings in Gestalt der Fragen 60–61 gleich doppelt in der Besprechung des Glaubens sowie, interessanterweise, der Kirche). 21 S.o. S. 68. 22 Barth, KD I/2, 973. 23 S.o. S. 90.
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Allerdings wählt Barth nun explizit den Ansatz beim Menschen, beim Individuum – aber eben nicht bei dessen ‚religiösem‘ Bedürfnis nach Trost, sondern bei seinem Ruf zur Entscheidung. Zugunsten der Loci-Methode werden weitläufige Auslassungen im Stoff des HK ebenso in Kauf genommen wie Doppelungen des Materials, dafür greift Barth insgesamt stärker als zuvor auf den Gesamtbestand des HK aus. Dass er die zuvor so vehement kritisierte Reihenfolge24 von Elend und Erlösung nicht umkehrt, überrascht: Die „pädagogische“ bzw. „psychologische“ Reihenfolge macht Barth sich nun aber für die Vermittlung unkommentiert zu Nutze.
4.1.4 Vom Menschen und vom Götzen aus. Negative Gotteslehre Das Anliegen des Trostes hebt Barth jetzt besonders würdigend hervor. Die Frage nach dem Trost sei „nicht mehr und nicht weniger als eben die Frage nach Gott.“ (272) Nicht im Bereich der Weltanschauung oder der expliziten Theologie seien die Gottesbilder zu suchen, sondern – in loser Anlehnung an Luther – in dem, worin der Mensch Trost suche und finde. Die Stärke dieser Frage sieht Barth in ihrer Konkretion: „Wäre hier mit einer theoretischen Frage begonnen, dann würde diese scheinbar sehr aufrichtig und sehr klar gestellte Wahrheitsfrage bedeuten, daß die eigentliche Wahrheitsfrage vernebelt und verdeckt würde.“ (272) Insofern rechtfertigt Barth den scheinbar anthropozentrischen Ansatz, korrigiert aber zugleich Frage 1 nach dem Trost des Menschen. Sie sei darum so signifikant, weil sich hier die Gottesfrage entscheide. Die Anthropozentrik dient nur ihrer eigenen Ausräumung durch die Priorität der Antwort 1, in der „der entscheidende Satz ganz kurz ist: dass ich nicht mein, sondern Jesu Christi eigen werde“ (274). Auffällig ist die – nicht weiter ausgeführte – Verschiebung in der Formulierung gegenüber dem HK durch das zwischen Futur und Passiv schillernde „werde“. Barth übersetzt das Verhältnis in das Bild von Herrn und Sklaven, was der passiven Interpretation eine höhere Wahrscheinlichkeit zukommen lässt. Er betont: „Alles Nachfolgende weist in keinem Sinn in das Herz oder Gemüt oder in die Erfahrung des Menschen. Sondern alles sind Aussagen über Jesus Christus und über das, was er für das, was ihm eigen ist, tut. [. . . ] Auf der ganzen Linie wird über den Menschen verfügt.“25 (274) Darin liege aber „Hilfe“ und „Trost“: „Die ganze Sorge um sein Leben, sie ist ihm abgenommen.“ (275) Zugleich ist der biblische Begriff von Trost – den Barth also scheinbar vom griechischen παρακαλεῖν her versteht – aber für Barth unbedingt „umfassender“ und habe „einen viel kräftigeren Sinn als unser deutsches Wort trösten. Außer dem Beschwichtigen, dem Menschen Helfen, Lindern liegt gleichzeitig darin der Begriff Ermahnen, Zusprechen, ihn auf die
24 S.o. S. 55. 25 In leicht abgemilderter Formulierung taucht es als das Bild von „Herr und Knecht“ in KD IV wieder auf. Auch dort bezeichnet es das beiderseitig christologisch definierte Verhältnis von Gott und Mensch.
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Füße Stellen! [. . . D]as, was dem Menschen Halt gibt, bedeutet einen Indikativ mit einem Imperativ.“ (273) Indem er die anthropologisch-funktional erscheinende Frage nach dem Trost als Frage nach Gott umdeutet, hält Barth fest, dass der Mensch nicht nur aus Selbstsucht und nicht nur beiläufig-okkasionell, sondern „in seiner Totalität“ Trost nötig habe. Damit ist die Frage nach dem Trost auch eine menschlich „sinnvoll zu stellende Frage“ (273). Genauso kategorisch erklärt er aber auch: „Es gibt nur einen Trost.“ (273) Mit der Formulierung „einiger Trost“, handle es sich um den streng „exklusiven, um den Trost“.26 Für Barth ist klar: Nur in Christus, nirgendwo sonst, ist das Heil zu finden, nur in der Tatsache, dass wir sein eigen sind, also der Trost. Nach der lutherischen Interpretation der Frage zitiert Barth nun Calvin als Gewährsmann für die Antwort. Nur beiläufig scheint hier die von Barth offensichtlich immer noch vorgenommene Aufteilung von Frage und Antwort auf unterschiedliche Ansätze durch, die ihm 1921/22 Anlass für Kritik gab. Neu integriert Barth in seiner diagonalen Leseanleitung die Fragen 94–97 in seine HK-Besprechung und setzt sie dafür gleich an um so prominentere Stelle: an den Anfang der Betrachtung gleich nach der Summe.27 Die von Barth mit Antwort 1 festgehaltene Exklusivität leitet über zum ersten Gebot. Das Götzenverbot ist die theologisch gewendete Einsicht dieses Tatbestandes – dem Jesu-Christieigen-Sein entspricht das Verbot anderer Herren. Man könnte dies eine negative Gotteslehre nennen. Anstatt mit dem Schöpfer einzusetzen, wird die Gotteslehre dabei unmittelbar anthropologisch rückgebunden: Nur in seiner Offenbarung – und Inanspruchnahme des Menschen – erscheint Gott überhaupt, nicht an sich. Dies ist aber nicht nur eine epistemologische Einsicht, sondern zugleich eine praktische Forderung. Vor dem Hintergrund der Einsichten von Barmen sind Gottes Herr-Sein und die Absagen an andere Herren, Gotteslehre und Götzenverbot untrennbar zu verbinden. Daraus erklärt sich auch die schroffe Exklusivität.28 Dass Barth Frage 30 (alleinige Heilsmittlerschaft Christi) mit der Auslegung des Ersten Gebotes zusammen unter diesen Punkt fasst, bedeutet eine streng christologische Füllung und Qualifizierung des Götzenverbots: Nur in Christus ist der eine Gott zu finden, neben dem es keine anderen Götter gibt.
26 Barth, Einführung auf Grund des HK 1937, Sitzung am 12.05.1937. 27 Ein Brief von Jörgen Smit am 13.06.1937 im KBA fordert ebenfalls die Besprechung der Frage 97 im Mittwochs-Kolloquium ein. Ein weiterer Brief von Ruth Speising vom 21.05.1937 belegt, dass zuvor am 19.05.1937 die „Fragen 3ff “ des HK besprochen worden waren. 28 Spätere Ausleger haben gerne betont, der HK formuliere bewusst „einiger“ statt „einziger“ Trost – bewusst inklusiv statt exklusiv. Diese beiden Aspekte versteht Barth allerdings nicht als Gegensatz: Den inklusiven Charakter (aller Trost ist in Christus auch ganz und gar zu finden) wird auch Barth ab 1946 hervorheben, s.u. Kap. 5.1, S. 161. Hier aber verhandelt er gerade unter dem Stichwort des „einigen“ Trostes dessen Exklusivität!
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4.1.5 Glaube, Werke, Hoffnung. Christliche Existenz als Christ-Sein Die eng aufeinander bezogenen Fragen 31–32 des HK nach dem „Christus“ und dem „Christen“ teilt Barth zwischen den Topoi „Jesus Christus“ und „Glauben“ auf – verbindet dadurch die beiden Themen untereinander aber um so enger. Dabei rückt sogar die klassische Frage 21 zur Definition des Glaubens hinter Frage 32 an nachgeordnete Stelle. Während HK 21 den Glauben des Christen doppelt als Erkenntnis und Vertrauen fasst, ist nach HK 32 der Glaube es erst, der den Menschen zum Glied Christi und damit zum Christen macht: Glaube heißt GliedChristi-Sein, Glaube heißt: Christ-Sein. So hält Barth fest, dass die in HK 32 entdeckten Ausführungen über den Glauben „in erster Linie Aussagen über ein Sein und erst in zweiter Linie [. . . ] auch Aussagen über ein bestimmtes Handeln das Menschen“ sind.29 Dieses Sein konstituiere sich in der Teilhabe an der Salbung Christi und sei darum „kein selbständiges Sein“ mehr: „Es ist ein Sein in der Relation und zwar in der Relation zu Jesus Christus“ (1). Glaube und Werke sind nicht zwei separate Aspekte, vielmehr bringt das neue Sein ein neues Tun konstitutiv hervor. Das dreifache Amt Christi und des Christen wird durch Barths Einordnung hier als dreifache Gestalt des Glaubens des Christen gefasst: Der erste Akt des Glaubens sei HK 32 zufolge, Christi Namen zu bekennen, sich ihm zu einem lebendigen Dankopfer hinzugeben und mit Christus zu streiten und zu herrschen. Dies erinnert an die enge Verbindung von Hören und Gehorchen, die Barth 1933 vorgenommen hatte.30 Barth unterscheidet zudem explizit zwischen dem individuellen Bekenntnis und dem der Kirche, wobei die Beschreibung durch HK 32 für ihn ersteres charakterisiert. Nach der Erfahrung des Versagens der Kirche rückt nun der Einzelne als Träger und Subjekt des Christseins in den Fokus. Der Glaube privilegiert den Christen selbst dabei durchaus nicht. Zum einen ist für Barth das Erreichen weltlicher Gerechtigkeit „auch in einem höheren Sinn“ keineswegs nur für Christen möglich (2). Zum anderen ist auch der Glaube des Christen nicht eine eigene Leistung. So gelte zwar, dass die Gerechtigkeit vor Gott nur aus dem Glauben komme, aber eben „nicht wegen seiner Grösse oder seiner Würdigkeit, sondern ganz allein wegen seines Gegenstandes“ (3f). Der christliche Glaube, verstanden als reines „Annehmen“ und „Geltenlassen des ‚Jesus Christus für mich‘“ ist dann keine „Bedingung“ der Gerechtigkeit, sondern ihr „notwendiges Gegenüber“ (4). Erst auf Sein und Tun folgt wiederum Erkennen und Vertrauen. Glaube ist nicht in erster Linie kognitives Wissen und Fürwahrhalten, sondern das Christ-Sein – das Gestalt-Annehmen-Christi im Menschen. Nach ausführlicher Behandlung des menschlichen Bekennens nach HK 32 folgt darum erst zum Schluss die Glaubensbeschreibung nach HK 21 als „eine gewisse Erkenntnis und ein herzliches 29 Barth, „Glaube und Werke“. Auszug aus der Vorlesung „Einführung in die reformierte Lehre auf Grund des Heidelberger Katechismus“. S.S. 1937, 1. Zitate aus diesem Titel werden im Folgenden durch Seitenzahlen im laufenden Text nachgewiesen. Hervorhebungen entstammen dabei, soweit nicht anders angegeben, dem Original. 30 S.o. S. 101.
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Vertrauen“. In dieser Auslegung dreht Barth die klassische Reihenfolge der Glaubensbegriffe also zu „bekennen – erkennen – vertrauen“ bzw. zu assensus – notitia – fiducia. Während die Möglichkeit zum Bekennen mit Frage 32 eindeutig in Jesus Christus und der Teilhabe an ihm festgemacht ist, wird Erkenntnis Gottes und Vertrauen zu ihm zwar auch durch Gott und seine Offenbarung selbst ermöglicht („dass es unser Tun ist, das ist Gottes Werk an uns“, 6), aber doch im „sichtbaren Raum der Kirche“ vergegenwärtigt, den Barth hier gut lutherisch durch Evangeliumsverkündigung und Sakramentsausteilung definiert. Barth nimmt Anfragen ernst, dass diese Profilierung des Glaubens eine „lebensfremde, ja lebensfeindliche Angelegenheit“ sei, dass diese Vorstellung von Christsein „eine Attacke auf dieses unser Leben“ darstellt (7). Doch gerade die Frage 32 widerlegt nach Barth die Lesart, dass durch die Rede von des Menschen Elend ebenso wie die Rede von seiner Erlösung „alles Gute und Schöne und Grosse des Menschenlebens [. . . ] ausgerottet“ würde (7). Vielmehr werde durch Frage 32 das Tun des Menschen nachdrücklich gewürdigt, aber eben – in Verbindung mit Frage 86 – als reines Tun der Dankbarkeit: „Dankbarkeit ist die Synthese zwischen völligem Elend und völliger Erlösung“ (8). Das Gotteswerk der Mitteilung des Heiligen Geistes ermöglicht tatsächlich, dass Christen „zu einer Entsprechung Jesu Christi selber“ werden (9). Das Leben in Dankbarkeit als „Heiligung“ ist wirklich „conditio sine qua non für den Christen“ (9), nicht im Sinne einer Vorbedingung, aber im Sinne einer notwendigen Konsequenz. Gegen eine quietistische Deutung der Rechtfertigungslehre poltert er: „Ein Christ sein heisst unter keinen Umständen: einer sein, der die Hände sinken lässt, oder der sie vielleicht auch faltet! Ein Christ sein heisst auch unter keinen Umständen: einer sein, der sich auf dem Verdienst Jesu Christi ausruht, sondern ein Christ sein heisst: durch den Glauben ein Glied Christi und also seiner Salbung teilhaftig sein, ‚auf dass ich seinen Namen bekenne, mich ihm zu einem lebendigen Dankopfer darstelle und mit freiem Gewissen in diesem Leben wider die Sünde und den Teufel streite und hernach in Ewigkeit mit ihm über alle Kreaturen herrsche‘.“ (8) Barth hält hier durchaus fest an den sperrigen Formulierungen in HK 87, weist aber auch darauf hin, dass es sich hier nach HK 43 mit seinem „je länger je mehr“ um einen „Weg“ handelt. Das neue Leben werde dabei nicht „moralisch geschildert, auch nicht in pädagogischen Kategorien“, sondern als christliche Existenz in „Freude, Lust und Liebe“ (10.11) nach HK 90. Zur Charakterisierung der christlichen „guten Werke“ zitiert Barth die Fragen 91, 114, 62 und 115 des HK. Zum einen geht es darin nicht um die Frage nach der eigenen Ehre oder der eigenen Seligkeit („dass wir in den Himmel kommen möchten“, 12), sondern um die „Ehre Gottes“, der uns bereits erlöst hat. Zum anderen geht es in den guten Werken nach Barth nicht um die eigene Intention, sondern um den Gehorsam gegenüber Gottes Wort, „das in seiner Fülle identisch ist mit Jesus Christus selber, aber auch mit dem, was uns im Alten und im Neuen Testament von Jesus Christus gesagt wird, also mit der Bibel“ (11).
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Auch bekommt in der Leseanleitung von 1937 erstmalig das Gebet einen herausgehobenen Platz.31 Als höchstes Werk der Dankbarkeit schließt es sich in Barths Gliederung der Darstellung des christlichen Lebens in Glauben und Werken an und bildet zugleich die Schnittstelle zwischen dem Einzelnen und der Kirche. Allerdings endet Barth nicht, wie der HK in Frage 129, mit dem „Amen“, sondern stellt noch dahinter die Behandlung der kirchlichen Gemeinschaft sowie der Eschatologie. Die Fragen zu Himmelfahrt, jüngstem Gericht und Auferstehung fasst Barth als letzten Topos unter den Begriff „Hoffnung“. Durchgehend wird die Eschatologie in tröstende Begriffe gefasst. Die hier verorteten Fragen verdeutlichen das schon in ihrer Formulierung: einmal „Was nützt dir?“ und dreimal „Was tröstet dich?“ Sämtliche Fragen des HK (nach Frage 1), die die Formulierung des Trostes im Titel tragen, sind hier versammelt. Der Trost wird von der geschehene Erlösung auf die Verheißung verlagert, von der Vergangenheit auf die Zukunft und – wie könnte es anders sein – vom Leben des Menschen auf den Christus. Die für Barth mit dem Trost verbundene subjektive Dimension ist das noch Ausstehende, während das objektive Heil bereits geschehen ist. In strenger Komplementarität gilt: Alle Tröstungen sind eschatologisch zu verstehen und nur in der Zukunft Jesu Christi zu finden – aber auch: Die gesamte Eschatologie ist damit Trost. Bereits 1937 versteht Barth das Gericht mit dem HK als rein tröstliche Vorstellung, aber nicht als Ver-Tröstung, sondern als dynamisierende Befähigung zum Leben im Hier und Jetzt.
4.1.6 „Selber Theologie treiben!“ Profilierung und Ausblick Dass Barth in der nicht bekenntnis-gebundenen Schweiz als Textgrundlage nicht die Bibel, sondern eine Bekenntnisschrift wählt, verstehen auch die etwa sechzig bis siebzig32 Zuhörer als Impetus, „daß aber die Sache selber aus sich heraus letztlich immer zu einer Entscheidung führe.“33 In Reaktion auf Barths Ausführungen stellen die Teilnehmer fest, „daß wir hier eigentlich genau so vor einem Entweder-Oder stehen wie die bekennende Kirche in Deutschland; nur daß wir meistens nicht merkten, was uns zugemutet wird und was wir alles hinnehmen“. Sie lassen sich zudem überzeugen, dass es dabei nicht nur um „Theologengezänk“ gehe, sondern auch die Laien nun in der Verantwortung stünden, „selber ‚Theologie‘ zu treiben.“34 Nicht nur Deutsche, auch Schweizer, nicht nur Theologen, auch Laien sind hier gefragt. Immer wieder greift Barth so gerade in der Arbeit auf Ge-
31 1921/22 hatte Barth die Fragen über das Gebet 116–119 vollständig ausgelassen, s.o. Kap. 2.2, S. 43. Hier werden sie durch die Auflistung besonders hervorgehoben. 32 Nach Barths Zählung, vgl. den im KBA vorhandenen Brief an seine Mutter Anna Barth am 14.08.1937. 33 So die Schlussfolgerung eines Teilnehmers: Hadorn, Mitteilungen, 142. 34 A. a. O., 143.
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meindeebene und mit Laien auf den HK zurück.35 Was dem frühen Barth nicht zum Konfirmandenunterricht taugte, dient jetzt der theologischen Mobilisierung der Basis. Dafür wird ihm insbesondere das Christsein nach Frage 32 wichtig, das ihm die Möglichkeit gibt, den Glauben nicht mehr als Frömmigkeit, Innerlichkeit, Wissens- oder Vertrauenskategorie zu beschreiben, sondern als Sein und Handeln des Christen in der Teilhabe an Christus.
4.2 Konsequente Christozentrik. „Einführung in den HK“ für Religionslehrer 1938 4.2.1 „Nicht mehr der Lehrer der Theologie, sondern der Politiker“? Der theologisch-politische Bindestrich Mehrfach hat Barth davon gesprochen, dass er sich als Schweizer in Deutschland und als Theologe in der Politik Zurückhaltung auferlegt hatte.36 Mit seiner frühen Dialektik von Zeit und Ewigkeit, nach der der Geschichte nie theologische Eindeutigkeit zukommen kann, hält er es für angemessener, den zeitgeschichtlichen Ereignissen keine eigene theologische Bedeutung zuzuerkennen und ihnen stattdessen durch den Verweis auf die theologischen Zusammenhänge ihren relativierten Ort zuzuweisen.37 Die Erhebung von zeitgeschichtlichen Fragen und politischen Loyalitäten in den Bekenntnisrang ist gerade sein stärkster Kritikpunkt am Nationalsozialismus. Dies hindert Barth allerdings nicht daran, sich schon frühzeitig auf den Ebenen nationaler ebenso wie lokaler Kirchenpolitik zu betätigen. Doch auch im Rahmen seiner Aktivität in der BK hält Barth stets daran fest, dass es sich gerade nicht um eine politische Option handele, sondern um die Abwehr einer kirchlichen Häresie: der Missachtung des Ersten Gebotes durch die DC, die genau dadurch gegeben ist, dass anstelle des Bekenntnisses zu dem einen Gott das Bekenntnis zu diesem „Gott und . . . “ erfolgt. Das Fremdgötterverbot und die Konkretion der Gotteslehre in der Christologie sind dabei stets zentraler Prüfstein für Barth. Die angebliche politische „Abstinenz“ Barths in dieser Zeit ist eine klare Gegenposition zum „politischen Glaubensbekenntnis“ des Nationalsozialismus durch die religiöse Aufladung von Geschichte und Politik. Diese Bedeutung spricht Barth ihnen gerade ab. Der Zeitgeschichte an sich gesteht er keine theologische Qualität zu – umgekehrt haben für ihn die Offenbarung und die dar35 Dazu ist auch die kurz später erfolgte Auslegung des HK für Religionslehrer zu zählen. Weiterhin hält Barth beispielsweise nach Abschluss des Semesters am 30.08.1937 – auf dem Weg in seinen Urlaub – noch einen theologischen Ferientag für Bündner Pfarrer in Davos auf Einladung durch Friedrich Fulda. Dies belegen Briefe von F. Fulda an Barth am 07.08.1937, von Barth an seine Mutter Anna am 21.08.1937 sowie von G. Schmidt an Barth am 03.09.1937, KBA. Separate Vorbereitungen oder Dokumentationen dieses Studientags sind nicht erhalten. 36 So etwa Barth, An die deutschen Theologen, 50, vgl. auch Neuser, Barth in Münster, 63. 37 Marquardt, Verwegenheiten, 443 spricht von „geschichtstheologischer Abstinenz“ und „theologische[r] Abstraktheit“ – diese Begriffe wiederum hätte Barth selbst vermutlich abgelehnt, s.u. S. 139.
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aus folgenden theologischen Einsichten hingegen aber sehr wohl auch politische Implikationen. Dennoch hat Barth sich später für seine Zurückhaltung teilweise Vorwürfe gemacht.38 Mit seinem Weggang in die Schweiz hatten sich bereits ab 1935 Verschiebungen für Barths Position ereignet. Zum einen befindet er sich nicht mehr in der Situation des „Ausländers“,39 zum anderen überschlagen sich in Deutschland die Entwicklungen, die Barth mit großer Sorge beobachtet. Zunehmend engagiert er sich auch außerkirchlich: Barth beteiligt sich an der Gründung des Schweizerischen evangelischen Hilfswerks für die Bekennende Kirche in Deutschland im Januar 1938, das nicht nur theologische und karitative Hilfe leistet, sondern bald zum Flüchtlingswerk wird. National und international ruft er zu Hilfe und Solidarität besonders für die jüdischen Flüchtlinge auf.40 1940 tritt Barth sogar für einige Monate der Schweizer Armee bei. Mit dem Jahr 1938 beginnt in Barths politischer Haltung nach seiner eigenen wie auch in verschiedenen Fremdwahrnehmungen eine neue Phase.41 Bereits in seinen Gifford Lectures in Aberdeen – wiederum im Rahmen einer Bekenntnisauslegung! – hatte Barth im März 1938 explizit die Kategorie eines „politischen Gottesdienstes“ eingeführt, der neben dem „Gottesdienst des christlichen Lebens“ und dem „kirchlichem Gottesdienst in dem engeren Sinn des Begriffs“ unabdingbar mit zur „Mission der Kirche“ gehöre.42 Auch in seinem Aufsatz Rechtfertigung und Recht reflektiert Barth im Juni den „inneren und notwendigen Zusammenhang der beiden Reiche“.43 Ausdrücklich weist er dabei auf eine „Lücke“, einen „Mangel“ in der Tradition hin: „Man bemerke: das Interesse dieser Frage fängt dort an, wo das Interesse der reformatorischen Bekenntnisschriften und überhaupt der reformatorischen Theologie aufhörte oder doch erlahmte“.44 Während Barth sich so spätestens 1937 dem Aufruf an den Einzelnen zum Bekennen und 1938 auch in seiner theologischem Reflexion dem „Politischen“ im engeren Sinne als einem inhärenten Aufgabenfeld des Christseins in der Welt zugewandt hatte, wird in der öffentlichen Wahrnehmung Barths „Wendung“ erst durch ein öffentliches Ereignis mit politischer Bedeutung registriert, nämlich durch sei38 S.u. S. 174. 39 Dass er 1926 die deutsche Staatsbürgerschaft erhält, ändert wenig an seiner Selbst- und Fremdwahrnehmung als Schweizer. 40 Vgl. insb. Barth, Memorandum; ders., An die kantonalen Kirchenräte und die Kirchenpflegen und Kirchgemeinden der reformierten Kirchen in der Schweiz [1938]; ders., An die Pfarrer; ders., An die Schweizer Öffentlichkeit [1942]. 41 Dieser Abschnitt spiegelt sich in ders., Eine Schweizer Stimme. Im Vorwort reflektiert Barth, der Bd. hätte eigentlich mit dem „berüchtigte[n] Brief nach Prag [. . . ] beginnen müssen“, der Aufsatz zu Rechtfertigung und Recht diene aber zur Einleitung in die „theologische Voraussetzung des Ganzen“, von der her das Ganze für ihn weiterhin verstanden werden muss (vgl. ebd., 11). Auch in dieser organisatorischen Frage entscheidet Barth sich dafür, den situativen Text vom theologischen Text her zu lesen anstatt umgekehrt – wenn auch die konkrete Entscheidung teilweise vorgängig ist und erst im Nachhinein in die theologische Reflexion Eingang findet. 42 Erschienen als ders., Gotteserkenntnis und Gottesdienst, 203–216, hier 204. 43 Ders., Rechtfertigung und Recht, 17. 44 A. a. O., 14.
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nen Brief an den Prager Theologieprofessor Josef Hromádka anlässlich der sog. „Sudetenkrise“. Als Hitler außenpolitisch gegenüber der Tschechoslowakei immer aggressiver auftritt, ohne dass ihm dabei international Einhalt geboten worden wäre, veröffentlicht Hromádka auf Anregung Barths dessen Brief vom 19.09.1938 in der Prager Presse.45 Darin ruft Barth in Vorausahnung des drohenden Krieges zum aktiven Widerstand gegen den Nationalsozialismus auf und folgert: „Jeder tschechische Soldat, der dann streitet und leidet, wird es auch für uns – und, ich sage es heute ohne Vorbehalt: er wird es auch für die Kirche Jesu Christi tun“.46 In diesem schicksalträchtigen Schreiben ruft Barth zum Gottvertrauen auch in der unmittelbaren Gefährdung auf, indem er HK 1 zitiert: Es wird nicht zuletzt auch dies Ihre Sorge sein: Ihr Volk in dieser schweren Gegenwart und vor einer vielleicht noch schwereren Zukunft an das Wort Gottes als an den alleinigen Trost im Leben und Sterben zu erinnern und wieder zu erinnern. Die deutschen Bataillone mögen stärker sein, aber ich wüßte nicht, wie und woher sie diese Zuversicht, die zuletzt allein wichtige und haltbare, haben sollten.47
Wie aus den vorausgegangenen theologischen Beiträgen Barths klar wird, ist dies allerdings kein unvermittelter Übergang vom Theologischen zum Politischen. Bereits innerhalb dieses Briefes wird deutlich: Barth zitiert hier nicht nur den HK; er zitiert sein eigenes HK-Zitat aus der BTE. Das zeigt, dass er zum einen die damalige und die jetzige Situation im Lichte der gleichen theologischen Grundeinsicht: des Herr-Seins Jesu Christi liest. Für beide Lagen gilt es, sich auf dieses Theologumenon zu besinnen. Zugleich stellt er die jetzige Situation in eine direkte Linie zur BTE: Der Einsatz der tschechischen Soldaten jetzt ist die Übersetzung des in der BTE gefassten Entschlusses in die aktuelle Situation. Mit der Anrufung einund derselben Bekenntnisformel stellt Barth gegen den Anschein des Bruches mit seinen eigenen theologischen Überzeugungen die Kontinuität seiner Haltung in den Vordergrund.48 Auch weiterhin steht der Name Jesus Christus für Barth im Zentrum der Überlegung, fungiert nun geradezu „direkt als politisches Radikal- und Realprinzip“.49 Barth selbst hat keine Scheu davor, später in „Bindestrich“-Konstruktionen von 45 Pangritz, Politischer Gottesdienst, 230 urteilt, das „Schlüsseldatum“ für Barths „Wendung von der kirchlich-theologischen Opposition mit allenfalls unausgesprochenen politischen Implikationen zu expliziter, direkt politischer Einmischung“ sei das sog. Münchner Abkommen vom 29./30.09.1938 gewesen, in dem England und Frankreich – ohne Beteiligung der Tschechoslowakei – ihre Zustimmung zur Eingliederung des Sudetenlandes in das Deutsche Reich gaben. Demgegenüber ist allerdings zu beachten, dass Barths Brief an Hromádka bereits vorher verfasst und veröffentlicht worden war – von der erwähnten theologischen Grundlegung ganz zu schweigen –, wenn auch die Enttäuschung über die Zurückhaltung der sog. „Schutzmächte“ Barth in seiner Haltung noch bestärkte. 46 Barth an Josef L. Hromádka am 19.09.1938, in: Barth, OB II, 114. 47 A. a. O., 115, kursiv HR. 48 Barths Haltung in der Hromádka-Affäre ist also nicht „nur“ als Bemühung um eine „Entfaltung politischer Ethik im Anschluß an die 5. Barmer These“ (Rohkrämer, Herbstkrise, 544) zu sehen, sondern bereits im Anschluss an die 1. Barmer These. 49 So Marquardt, Verwegenheiten, 453 Marquardt sieht darin keine Neuerung, sondern eine Kontinuität in Barths Denken, die allerdings zu bestimmten Zeiten bzw. unter bestimmten äußeren Umständen unterschiedliche Konsequenzen zeitigte: „Das Realprinzip Jesus Christus heißt im
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den „theologisch-politischen Traktaten“ dieser Zeit zu sprechen, konkretisiert den Begriff aber durch die Erklärung: „Eben das Bekenntnis zu der Alleinherrschaft Jesu Christi in seiner Kirche, das einst 1934 in Barmen unsre Freude und unser Trotz war, wollte als Bekenntnis zu seiner Alleinherrschaft auch in der Welt fortgesetzt und vollzogen sein.“50 Das Bekenntnis hat stets konstitutiv diese doppelte coram-Struktur, die seine Beziehung auf Gott ebenso wie auf die Welt einfordert. Konsequent weigert Barth selbst sich, in diesen augenscheinlichen Veränderungen eine Diskontinuität in seinem Denken zu sehen. Nicht er habe sich verändert, sondern seiner Wahrnehmung durch andere widerfahre eine Veränderung, die der Ent-Täuschung vorangegangener Missverständnisse geschuldet sei: Es existierte eine abstrakt eschatologische Erwartung ohne Gegenwartsbedeutung und es existierte die ebenso abstrakt nur mit diesem transzendenten Gott beschäftigte, von Staat und Gesellschaft durch einen Abgrund getrennte Kirche nicht in meinem Kopf, sondern nur in den Köpfen mancher meiner Leser, und besonders solcher, die Rezensionen und ganze Bücher über mich geschrieben haben.51
Es handle sich um dasselbe Zeugnis lediglich in neuen Kontexten, das nun als „das Zeugnis des politischen Gottesdienstes“ in Erscheinung tritt.52 Während Barth zufolge also sowohl seine inhaltlichen Überzeugungen als auch seine politischen Anliegen keine Wandlung erfahren, lässt sich die Veränderung der Wahrnehmung Barths einer Veränderung der Strategie von einem dezidiert impliziten hin zu explizitem politischem Engagement zurechnen.53 Innerhalb weniger Tage wird Barths Brief in Prag, in den Niederlanden und in Deutschland veröffentlicht. Er führt zu einem erheblichen Aufruhr in der gesamten deutschen Presse gegen den „Kriegshetzer“ und ‚Judenfreund‘ Barth.54 Noch im Oktober 1938 werden in der Folge sämtliche Werke Barths in Deutschland verboten. Auch Barths ehemalige Mitstreiter der BK sehen sich zu schärfster
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national-sozialistischen Deutschland politische Abstinenz, ja Abstraktheit, Reduktion Jesu Christi in die theologische Form. Es heißt unter den sozialen und politischen Entscheidungsbedingungen einer offenene Gesellschaft: Explikation des theologischen Gehalts ins unmittelbar politische Argument“ (ebd., 454). Barth, Vorwort, 5f. Barth nennt den Bd. auch insgesamt eine „[e]chte theologisch-politische Äußerung“ (ebd., 8). Ders., How My Mind Has Changed 1928–1958, 189. Ders., Vorwort, 6. Rohkrämer rückt Barths Haltung 1938 in Kontinuität zu dessen vorherigen Einsichten in eine stärkere Diskontinuität: „Barth ging [. . . ] konsequent auf der Linie seiner theologischen Grundentscheidung weiter, aber eben er ging konsequent weiter“ (Rohkrämer, Herbstkrise, 537). Pangritz spricht sogar von einer „Wendung hin zu explizit politischem Engagement“ (Pangritz, Politischer Gottesdienst, 216). Mit dem von mir gewählten Stichwort „Strategiewechsel“ soll die Kontinuität stärker betont werden: Dieselbe Grundentscheidung, dasselbe Ziel, nur eben ein anderes Vorgehen. Barth selbst verstand den Unterschied zu seinen vorherigen Stellungnahmen als einen durchaus äußerlichen. Eine Übersicht über die Reaktionen gibt Rohkrämer, Herbstkrise, 526–529. Der SS-Sicherheitsdienst führt in seinem Bericht im Frühjahr 1939 auch die „eindeutig deutschfeindliche Haltung“ des „Weltprotestantismus“ auf diesen Anlass zurück: „Gefördert wurde die anti-deutsche Hetze der protestantischen Kirchen des Auslandes hauptsächlich von dem Baseler Theologieprofessor und Begründer der Bekenntnisfront, Karl Barth“ (zit. nach: Boberach [Hg.], Berichte, 325).
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Abgrenzung genötigt.55 Nicht zuletzt aufgrund der Gefahr der eigenen Kompromittierung, aber auch mit echter theologischer Empörung beeilt man sich, sich offiziell von Barth zu distanzieren. So verlautbart die Vorläufige Kirchenleitung, Barth habe hiermit den Weg verlassen, den er als Lehrer der Kirche einst gewiesen hat. Aus seinen Worten redet nicht mehr der Lehrer der Theologie, sondern der Politiker. [. . . ] Die Bekennende Kirche hält gerade angesichts der für sie untragbaren Äußerungen Karl Barths an ihrem Auftrag fest, zu dem sie sich in Barmen bekannt hat.56
Der Lutherrat exkommuniziert Barth geradezu: Damit daß Karl Barth politische Bestrebungen mit der Sache Jesu Christi vermischte und die Notwendigkeit eines politisch-militärischen Kampfes gegen Deutschland gewissermaßen für einen Akt des Gehorsams gegen Gott den Herrn erklärte, hat er sich von der Gemeinschaft mit der Deutschen Evangelischen Kirche losgesagt.57
Weder vorher noch nachher: Wohl zu keinem Zeitpunkt war Barth von allen Seiten dermaßen öffentlich unter Beschuss wie im Zusammenhang mit der Hromádka-Affäre. Seine explizite politische Stellungnahme führt umgehend zu Reaktionen, die ihrerseits auch nur als politisch bezeichnet werden können. 4.2.2 Kontextualisierungen und Rahmungen Am 04.10.1938 – im selben Monat, in dem in Deutschland sämtliche Schriften Barths verboten werden, wenige Tage nach der Veröffentlichung des HromádkaBriefes, mitten im anhebenden Sturm der Empörung gegen ihn von staatlicher wie von kirchlicher, von Feindes- wie von Freundesseite58 – hält Barth einen Vortrag zur „Einführung in den Heidelberger Katechismus“ vor einem ReligionslehrerKurs in der Schweiz.59 Die Erinnerung an den einen Trost in Jesus Christus, den er Hromádka als Aufgabe in dieser Zeit geraten hat, setzt er hier aufs pointierteste um. Von diesem Trost her und auf diesen Trost hin nämlich wird nun der gesamte HK gelesen. Vor der Auslegung des Textes führt Barth erstmalig eine dreifache Kontextualisierung des HK durch, die seinem Widerspruch gegen eine abstrakte Wahrnehmung der Theologie Rechnung trägt: Er ordnet ihn zunächst in den unmittelbaren Textzusammenhang der kurpfälzischen Kirchenordnung, sodann in die historische Situation der ausklingenden Reformation mit der Verschärfung der konfessionellen Gegensätze und schließlich in die aktuelle Situation der Auslegung ein. Zuerst weist Barth darauf hin, es sei „wichtig, beim Studium des Heidelberger 55 Spannungen mit der BK waren dem endgültigen Zerwürfnis im Laufe des Jahres bereits vorausgegangen, insb. im Streit um die Ableistung des Führereides, vgl. Barth, OB II, 84–103. 56 Zit. nach: Rohkrämer, Herbstkrise, 533. 57 A. a. O., 534. 58 Vgl. Plasger, Relative Autorität, 66. 59 Barth, Einführung in den HK 1938, 3. Zitate aus diesem Titel werden im Folgenden durch Seitenzahlen im laufenden Text nachgewiesen. Hervorhebungen entstammen dabei, soweit nicht anders angegeben, dem Original.
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Katechismus die Absichten des Büchleins zu kennen“ (3), die seinem institutionellen und textuellen Kontext zufolge in seiner Bestimmung für Unterricht, Liturgie und Predigt liegen und damit dezidiert eine praktische Verwendung implizieren. Besonders hebt er die Verortung des Textes „im Mittelpunkt einer Gottesdienstordnung [. . . ] zwischen Tauf- und Abendmahlsformular“ hervor. Barth erläutert: „[A]n dieser Stelle, zwischen Taufe und Abendmahl, hat man den einigen Trost, von dem die grundlegende erste Frage redet, und ist man nun zugleich aufgerufen, sich über diesen Trost Rechenschaft zu geben“ (3). Inhalt und Kontext werden explizit von Barth aufeinander bezogen und im folgenden weiter ausgeführt. Schon in dieser ersten Kontextualisierung macht er deutlich, der HK stehe „nicht als ein Stück Theorie isoliert da“ (3). Das Stichwort des Gottesdienstes, das Barth in Aberdeen dreifach gefüllt hat, zeigt in dieser Auslegung auch, dass Barth hier nicht eine theologische Maxime aus der Kirche heraus in die Welt hineinträgt, sondern vielmehr den Raum des Politischen in den Gottesdienst hineinnimmt, der das gesamte Lebensbekenntnis des Christen geradezu sakramental rahmt.60 Die zweite Kontextualisierung, die Barth vornimmt, ist die des Textes in seine Entstehungszeit, die er als „Ende der Reformation“ beschreibt. Diese wertet er nicht mehr wie früher als „Epigonenzeit“ ab, sondern gesteht ihr vielmehr als Systematisierung und Profilierung unter der „Einwirkung der Gegenreformation“ ihre Bedeutung zu: Hier würden „gleichsam die Festungsgräben tiefer gezogen, die Mauern höher gebaut, die reformatorische Erkenntnis gründlicher und zusammenhängender ausgesprochen“ (3). Barth hält fest, dass der Katechismus hier trotz besonderer Würdigung der „reformierten, d.h. der von Calvin herkommenden Tradition [. . . ] das Beste der lutherischen Reformation“ mitverarbeite (3). Die früher so bemängelte Gliederung des HK preist er nun als „in ihrer Einfachheit eine geniale Wiedergabe der Substanz der gesamten Reformation“ (4). Nicht nur findet sich hier keinerlei Polemik gegen die lutherische Theologie, sondern darüber hinaus eine durchaus wohlwollende Identifikation mit ihren Anliegen. Aber nicht nur die innerreformatorischen Spitzen vermeidet Barth, sondern postuliert geradezu eine überzeitliche Einheit der Kirchengeschichte: Dass der HK traditionelle Hauptstücke (Apostolikum, Taufe und Abendmahl, Dekalog und Vaterunser) aufgreife, zeige auch, dass „die Reformation keine Neuerung sein wollte, sondern eben Reformation des alten und jederzeit gültigen Gehaltes der Kirche.“ Diese „Reihe von scheinbaren Fremdkörpern“ sei geradezu als eigentliche „Substanz der Aussagen“ des HK anzusehen (4). Als dritte Kontextualisierung wendet sich Barth der Frage nach dem heutigen Anliegen einer HK-Lektüre zu. „Ein wenig historisches Interesse“ lässt er dabei nicht als ausreichende Begründung gelten (4). Dabei geht er selbst kurz darauf ein, wie ungewöhnlich die Beschäftigung mit dem HK als Bekenntnisschrift der reformierten Kirche in seiner Vortragssituation in der Schweiz sei. Die Abschaffung der 60 Diese sakramentale Rahmung übernimmt Barth für die – nicht mehr ausgeführte, aber fragmenthaft aus dem Nachlass veröffentlichte – Ethik der Versöhnungslehre (ders., Das christliche Leben, s.u. S. 237).
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Bekenntnisbindung wischt Barth als „ein kurzes Jahrhundert der Ablehnung“ zur Seite. Demgegenüber würdigt er den HK als „klassisches Dokument des Glaubens der nach Gottes Wort reformierten Kirche“ und fordert: „[R]espektvolles Hinhören zum mindesten“ sei ihm gegenüber geboten. Zwar hebt Barth noch einmal hervor, dass als „vorbehaltlos“ anzuerkennende Autorität für die reformierte Kirche nur die Heilige Schrift in Frage käme, aber: „daneben – oder besser: darunter gibt es legitime Bezeugung der Heiligen Schrift“ (4). Als Zeuge für den Zeugen, als legitimen Zeugen zweiter Ordnung sieht Barth den HK also inzwischen und gesteht ihm die entsprechende abgeleitete Autorität zu.61 4.2.3 Konzentriertes Denken. Die christozentrische Neuordnung des HK anhand von Frage 1 Diese Kontextualisierungen münden aber nicht in eine historisierende oder textpragmatische Analyse, sondern bestärken Barth in der Entwicklung einer aus dem Text zu ersehenden Systematik für das Verständnis des HK. Den hermeneutischen Schlüssel findet er in dem auch brieflich Hrómadka gegenüber aufgerufenen Stichwort „Trost“ aus Frage 1. Schon auf den ersten Blick fällt auf, dass Barth seine Einführung in den HK nicht anhand der von diesem selbst vorgegebenen FragenReihenfolge abarbeitet, noch auch nur dessen eingängigem und theologisch aufgeladenem Schema von des Menschen „Elend – Erlösung – Dankbarkeit“ folgt. Vielmehr greift Barth das 1937 vorgeschlagene „diagonale“ Lesen wieder auf und strukturiert den Text vollkommen neu. Dies geschieht aber nicht mehr in einer quasi-synthetischen Aneinanderreihung einzelner Themen, wie noch im Vorjahr angedeutet. Stattdessen folgt er nun, gegen seine vorherige Betonung des LociPrinzips, der ‚analytischen‘ Methode des HK und liest den Gesamttext als Auslegung der 1. Frage: „Was ist dein einiger Trost im Leben und im Sterben?“ bzw. noch konzentrierter in Zuspitzung auf das Wort „Trost“, das er zuvor immer wieder problematisiert hatte. Die Voraussetzungen der Frage zerlegt Barth analytisch: „1. der Mensch hat Trost nötig, 2. es gibt solchen Trost [. . . ] und 3. es gibt Menschen, die diese erste Frage beantworten können“ (5). Diese drei Bedingungen spiegeln aber in gewisser Weise die drei Teile des HK vom Elend des Menschen, der Erlösung des Menschen und dem christlichen Leben in der Dankbarkeit wieder, so dass Barth de facto implizit den Inhalt des gesamten HK zur Voraussetzung seiner summarischen ersten Frage erklärt. Auch in diesem Sinne geht die Antwort der Frage voraus. Über den so ins Zentrum der Gedankenführung erhobenen Trost heißt es nun positiv: „Dass es diesen Trost gibt, das ist der Inhalt der christlichen Lehre.“ In dieser Tatsache, in diesem Ereignis des Trostes sei alles andere eingeschlossen. Allerdings ist es Barth weiterhin ein Anliegen, unter Trost nicht nur „Beruhigung und Zuversicht“, sondern auch „Mahnung und Aufruf “ zu verstehen (5). 61 Zur Konzeption der Zeugenschaft „zweiter Ordnung“ vgl. KD II/2, 425.
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Barth wendet sich gegen alternative Fragemöglichkeiten nach Gott, dem Menschen oder der Wahrheit als Ansatzpunkt. Er sieht sie gleichzeitig durch die Entfaltung dieser einen Frage aufgehoben und präzisiert, wenn er als Entfaltung dieses „konzentrierten Denkens“ „drei Schneisen“ (5) formuliert : 1. „Wer ist der Tröster?“ – setzt Barth an die Stelle der abstrakten ‚modernen‘ Frage nach Gott; 2. „Wer ist der, der getröstet wird?“ – setzt Barth an die Stelle der ‚modernen‘ Frage nach dem Menschen an sich; 3. „Wie wird da getröstet? Worin besteht der Trost?“ – setzt Barth an die Stelle der ‚modernen‘ Frage nach der Wahrheit. (6) Die so privilegierte Frage 1 liest Barth dabei wie bereits 1921 von ihrer Antwort her: „daß ich nicht mein, sondern meines getreuen Heilandes Jesu Christi eigen bin. Alle weiteren Aussagen von Frage 1 sind in Form von Relativsätzen an dieses Subjekt ‚mein getreuer Heiland Jesus Christus‘ angeschlossen“, um den sich also bereits architektonisch alles dreht (6). Dass Barth darum auch innerhalb seines Dreiklangs die Frage nach dem Tröster als „die Zentralfrage“ hervorhebt, sollte nach der bereits bekannten christologischen Zentrierung nicht weiter überraschen. Bedeutsam erscheint jedenfalls die christologisch-soteriologische Konzentration und die damit verbundene Abwertung jeglichen Ansatzpunktes beim Menschen. Alle Aussagen des HK seien „primär Aussagen von Jesus Christus [. . . ] In diesem Namen ist alles beschlossen“ (6). Dies wird allerdings nicht mehr mit mathematisch-abstrakten Bildern wie 1921, sondern inhaltlich mit dem christlichen „Trost“ gefüllt. Alle Elemente werden christologisch bestimmt, auch die Frage nach dem „Tröster“ wird christologisch beantwortet, obwohl biblisch zu diesem Stichwort eine pneumatologische Bezugnahme nahegelegen hätte.62 Die christologische Zentrierung bedeutet diesmal außerdem keineswegs, dass die Betrachtung des Menschen außen vor bleibt: Von Christus her wird vielmehr eine um so stärkere – da nun in einer absoluten Autorität gründende – Forderung an ihn gerichtet. „Und dann geht eben das darum mich an, weil er an mir handelt.“ Der Trost besteht in dem Wechsel in einen neuen „Zustand“ durch das Jesu-Christi-eigen-Sein. Alle weiteren Ausführungen des HK seien nur zu verstehen als „Erläuterung dieses ErIch-Verhältnisses“ (6). Hier zeigt sich auch, dass Barth keineswegs generell ein persönlich-individuelles Verhältnis Christi zum Christen ablehnt, hier kann Barth die Hochschätzung des Individuums im HK durch den ihm zugesprochenen Trost und der ihm zugemuteten Verantwortung durchaus teilen. Dass die erste Frage des HK programmatisch seinen weiteren Inhalt umfasst, ist an sich keine originelle Neuinterpretation. Bereits Ursinus stellte es in seinem 62 Vgl. Joh 14,16.26; 15,26; 16,7. Erst 1946 wird Barth neben der christologischen auch eine pneumatologische Dimension des HK einräumen, und nicht mehr Christus, sondern den Geist als „Tröster“ betiteln), 1947 dann diese sogar in den Vordergrund stellen (s.u. Kap. 5.1, insb. S. 170 und Kap. 5.2, S. 178).
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Kommentar zum HK so dar.63 Sowohl ältere als auch zeitgenössische Interpretationen sehen den HK in der ersten Frage summiert und inhaltlich christologisch fokussiert.64 Auch Barths Bemühungen um Frage 1 schon 1921 sind nicht zuletzt dem Bewusstsein zu verdanken gewesen, dass es sich hier um die auch für den Gesamtzusammenhang entscheidende Frage handelt. Die Besonderheit in Barths Interpretation 1938 liegt also nicht so sehr in der Hervorhebung der Frage 1 oder der christologischen Fokussierung an sich, sondern in der konsequenten Strukturierung und Entfaltung der gesamten Interpretation anhand dieser Erkenntnis und in der darin liegenden Rückwendung zur ‚analytischen‘ Methode. Damit geht er auch über die Betonung dieser Frage, wie er sie 1921/22 vorgenommen hatte, weit hinaus. Dieses Vorgehen führt neben einer Veränderung der Reihenfolge und Umgruppierung nach thematischen Gesichtspunkten auch zu einer katechismusinternen Neugewichtung, da einzelne Fragen sich nun mehrfach finden, ein Drittel der Fragen aber auch gar nicht mehr auftaucht.65 Barth entwickelt im Folgenden eine anhand der drei „Schneisen“ erfolgende Erzählung über den Menschen und sein Verhältnis zu Gott im Rückgriff auf das Material des HK. 4.2.4 „Wer ist der Tröster?“ Christus als Erlösung und Gerechtigkeit Auf die von ihm neu aufgestellte 1. Frage: „Wer ist der Tröster?“ antwortet Barth zufolge Frage 18, die von nun an in seiner HK-Auslegung eine zentrale Stellung einnehmen wird: „Unser Herr Jesus Christus, der uns zur vollkommenen Erlösung und Gerechtigkeit geschenkt ist.“ Die so vorgezogene christologische Charakterisierung in der Zweipoligkeit von „Erlösung und Gerechtigkeit“ verwendet 63 „Quaestio de consolatione ideo primo loco est posita, quia continet scopum et summam totius catechismi“ (= „Die Frage nach dem Trost ist deshalb an erste Stelle gesetzt, weil sie das Ziel und die Summe des gesamten Katechismus enthält“; Übersetzung HR); Ursinus, Corpus doctrinae Orthodoxae sive Catecheticarum Explicationum D. Zachariae Ursini Opus absolutum D. Davidis Parei Opera extrema recognitum, zit. nach: Meyer, Gedanken zum HK, 49, Anm. 2. 64 So z.B. a. a. O., 49: „Die erste Frage des Heidelberger Katechismus ist eine allumfassende. In ihr ist der ganze Inhalt des religiösen Lehrbuchs keimhaft verborgen wie im Samenkorn die Pflanze nach ihrer ganzen Anlage und späteren Entwicklung in Wurzel, Stengel, Blättern, Blüte und Frucht“; sowie Lang (Hg.), Der HK und vier verwandte Katechismen, LXXXVII: „Für die berühmte Frage 1 lagen die Materialien [. . . ] vor; das Ganze ist gleichwohl eine Neuschöpfung nicht nur durch seine unvergleichliche erbauliche Kraft, sondern vor allem durch den christologischen Ausgangspunkt, der den Reichtum der trinitarisch geordneten Einzelgedanken aufs ansprechendste zur Einheit verbindet.“ 65 HK 1, 31, 43, 54 und 60 begegnen nun in allen drei Abschnitten; HK 2–4, 22–24, 27, 29, 30, 38–42, 48, 61, 68, 69, 71–74, 77, 78, 80, 82–85, 92, 93, 119 und 121 fehlen dagegen vollständig. Insgesamt verhandelt Barth in den „drei Schneisen“ die folgenden Fragen: 1. Tröster: Fragen 1, 15–19, 25–26, 31, 33–37, 43–47, 49, 50–52, 54, 56–58, 60, 66–67, 70, 75–76, 79, 86, 120, 123–124, 127–128. 2. Getrösteter: Fragen 1, 5–10, 13, 20–21, 31–32, 34, 43, 45, 53–55, 60, 62–63, 65, 70, 76, 81, 88, 89–90, 113, 115, 117. 3. Trost: Fragen 1, 10–14, 19, 21, 26, 28, 31–32, 43–44, 49, 52–54, 57–60, 62, 64–65, 67, 81, 86–91, 94–96, 114–116, 118, 120, 122–129.
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Barth zur Strukturierung der Entfaltung seiner „Zentralfrage“ sowohl in Bezug auf die Person als auch das Werk Christi (6). Zur Person sei zu sagen, dass er nicht nur Erlösung und Gerechtigkeit wirke, sondern beides „selber ist“ (7). In ihrem Zeugnis dafür – das stellt Barth explizit gegen eine Unterscheidung in Gesetz und Evangelium oder anderweitige Abwertungen des AT heraus – bilden „das AT und NT das Evangelium“ (7). Dies erläutert er unter Hinzuziehung der Fragen 15–17, 19, 25–26, 29–30, 33–35, 94–95 und 120. Zur Charakterisierung des Werkes des Trösters verwendet Barth hingegen allein die Frage 31: „Warum wird er Christus, das heißt ‚Gesalbter‘ genannt?“ Sie wird nicht nur an dieser Stelle, sondern auch insgesamt durch die von Barth vorgenommene Neuordnung des HK jetzt neben Frage 1 besonders hervorgehoben. Im HK steht sie als Teil der christologischen Ausführungen im Rahmen der Erlösung des Menschen und greift die calvinische Lehre vom munus triplex Christi auf.66 Barth findet so einen christologischen Ausgangspunkt, den er im Rahmen jeder seiner drei Fragen neu entfaltet: Die Lehre vom dreifachen Amt gibt Aufschluss darüber, 1. wer der Tröster ist und worin 2. sein Handeln am Gläubigen (der Trost) besteht, und durch die christologische Fundierung von Anthropologie und Ekklesiologie sowohl auf ontologischer als auch auf erkenntnistheoretischer Ebene macht sie 3. auch Aussagen über die Bestimmung des neuen Menschen (den Getrösteten) – im HK in Frage 32, die Barth bereits im Vorjahr stark gemacht hatte. Die in Frage 31 aufgerichtete Struktur des dreifachen Amtes deutet Barth als Entfaltung des Werkes Christi und verbindet sie mit der von ihm vorgenommenen Charakterisierung der Person Christi als „Erlösung und Gerechtigkeit“. Dies gelingt ihm, indem er das prophetische Amt Christi schlichtweg ausklammert – von diesem sei im HK „kaum weiter die Rede“ (8) – und das priesterliche Amt mit der Erlösung, das königliche Amt mit der Gerechtigkeit in Beziehung setzt. Barth fasst den Christustitel hier als „Amtsnamen [. . . ] gegenüber dem Personennamen Jesus“ auf. Ohne nähere Begründung ordnet Barth dem priesterlichen Amt die Fragen 36–37, 44, 46, 49, 52, 56, 60, 66–67, 70, 79, dem königlichen Amt hingegen die Fragen 43, 45, 47, 49–52, 54, 57–58, 70, 75–76, 86, 123–124, 127–128 zu. Inhaltlich gewinnt so das Priesterliche schwerpunktmäßig seine Gestalt in den Bereichen von Soteriologie, Kreuzestheologie und Rechtfertigungslehre, das Königliche hingegen in Ekklesiologie, Eschatologie und der Heiligung des Menschen. Barth behauptet: „Der Nachdruck des Heidelberger liegt offensichtlich auf dieser zweiten Reihe, auf dem königlichen Amt Christi (Gerechtigkeit).“ (8) Die beiden Werke Christi charakterisiert Barth in ihrer Einheit als Antwort auf die Frage nach dem Tröster: Jesus Christus ist darum und darin unser Tröster, daß er vor Gott an unsere Stelle getreten ist (priesterliches Amt, Erlösung).67 [. . . ] Indem er aber so vor uns steht, überläßt er uns 66 Vgl. Calvin, Institutio, II, 15. 67 Barth interpretiert hier erstmalig das priesterliche Amt durch Frage 52 des HK. In ihrer Grundfigur des an unserer Stelle „gerichteten Richters“ figuriert sie später in KD IV/1 die Gesamtheit des priesterlichen Amtes (vgl. Barth, KD IV/1, §59). Etzelmüller verwendet HK 52 als Schlüssel zum Gesamtverständnis von Barths Gerichtstheologie – und interpretiert sie darum als Trost (Etzel-
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nicht uns selber, sondern er hat uns in die Hand genommen als sein Eigentum (königliches Amt, Gerechtigkeit) (8).
Das priesterliche Erlösungswerk charakterisiert Barth dabei als Werk „für uns“ in seinem Blut, das königliche Gerechtigkeitsamt als Werk „an uns“ in der „Mitteilung seines Geistes“ (11). Eine doppelte Bewegung des Menschen ereignet sich durch Christus: Stellvertretung und In-Besitz-Nahme. Der Mensch wird aus der Position des Sünders „verdrängt“ und stattdessen zu „Christi Eigentum“ (9). So steht der Mensch in der Teilhabe an Christus – in der „Einheit des Doppelten“ – schließlich am selben Ort wie zuvor, aber in einer ganz neuen Beziehung: nicht mehr allein und auf sich gestellt, sondern als Glied Christi in dessen Herrschaft (9). Diesen beiden Reihen ordnet Barth des Weiteren Christi Blut und Geist zu: „Die durch sein Blut rein geworden sind, begleitet er mit seinem Geist“ (9).68 Das Verhältnis von Christologie und Pneumatologie klärt Barth nicht abschließend. Insgesamt erfolgt die Betrachtung des Heiligen Geistes nur am Rande – wenn er auch bei der Auslegung von Frage 54 als starkes Subjekt in Erscheinung tritt (17). Wie alle Aussagen des HK auf Christus bezogen und von ihm und seinem Werk her bestimmt werden, wird auch der Geist abgesehen von dieser einen Stelle konsequent christologisch verortet und als „die Kraft der Auferstehung Christi“ gefasst (14). Doch auch in seiner Verankerung in und Bezogenheit auf Christus taucht der Geist in einer doppelten, einigermaßen uneindeutigen Rolle auf. Einerseits besteht Christi Werk der königlichen Linie gerade in der „Mitteilung seines Geistes“ an uns, d.h. also der Geist geht von Christus aus und wird von ihm auf die Seinen übertragen. Andererseits ist nach Frage 53 der Geist derjenige, der die Gläubigen „Christi und aller seiner Wohltaten teilhaftig“ macht und in seine Gemeinschaft hineinstellt – damit wäre der Geist das Subjekt, das die Übertragung der Ämter auf den Christen ermöglicht und vollbringt. Der Geist ist so einerseits spezifischer Inhalt von Christi königlichem Amt, andererseits die Bedingung der Möglichkeit für die Übertragung des gesamten dreifachen Amtes vom Christus auf den Christen. Es bleibt bei einer doppelten pneumatologischen Beschreibung des einen Trostes: Christus gibt uns seinen Geist, der Geist gibt uns Teilhabe an Christus. müller, „. . . zu richten die Lebendigen und die Toten“, 321–330). Für Beintker wird so „sprachlich exakt das Prae der Gnade im Gericht erkennbar“, das macht für ihn die „supplementäre Dialektik“ Barths aus (Beintker, Krisis und Gnade. Zur theologischen Deutung der Dialektik beim frühen Barth, 449). 68 Barth hebt die Kombination „Blut und Geist“ stark hervor. Auch dies muss wohl als Entfaltung der Relativsätze von Frage 1 verstanden werden („der mit seinem teuren Blut. . . darum er mich auch durch seinen Heiligen Geist. . . “, vgl. auch deren Echo in Frage 86: „nachdem er uns mit seinem Blut erkauft hat, uns auch durch seinen Heiligen Geist erneuert zu seinem Ebenbild. . . “), da die Kombination von „Blut und Geist“ im HK explizit ansonsten nur in der Tauflehre, dort aber in allen Fragen 69–74 erfolgt. Barths enge Verknüpfung von Taufe und Abendmahl mit dem Dual „Blut und Geist“ hingegen findet sich im HK so nicht, wo die Taufe zwar durchgehend mit „Blut und Geist“, das Abendmahl hingegen mit dem – nicht mit diesem kongruenten – Dual „Leib und Blut“ beschrieben wird. 1946 wird Barth die Anknüpfung von Blut und Geist an Frage 1 explizit formulieren, s.u. Kap. 5.1, S. 159.
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4.2.5 „Wer wird getröstet?“ Der erlöste Mensch als Glied Christi oder: „selber geradezu ein Christus“ Die von Barth vorgenommene schematisierende Verknüpfung Blut = Erlösung = Jesus Christus, der Priester Geist = Gerechtigkeit = Jesus Christus, der König (9)
mag etwas bemüht erscheinen, da Dreifaches (Amt) und Zweifaches (Erlösung und Gerechtigkeit, Blut und Geist, zwei Naturen Christi) quer zur expliziten Strukturierung des HK künstlich verbunden werden. Sie ermöglicht es Barth aber im Folgenden, das Leben des Christen in der Gemeinschaft mit Gott näher zu charakterisieren.69 Durch das Werk Christi in priesterlicher Stellvertretung und königlicher InBesitz-Nahme ist Barth formal bereits beim Menschen als Getröstetem angelangt. So ordnet er auch den beiden Linien das christologische „für uns“ resp. „an uns“ sowie die „Absterbung des alten“ resp. die „Auferstehung des neuen Menschen“ zu (10f). Inhaltlich beschreibt er den so Getrösteten durch die Übertragung des dreifachen Amtes vom Christus auf den Christen nach Frage 32 – also ebenfalls von Christus her. Barth formuliert ausdrücklich: „Frage 32 ist im Zusammenhang mit Frage 31 eine der wichtigsten und wegweisendsten des ganzen Heidelbergers!“ (9) Um zu erläutern, wie die Übertragung zustande kommt, schaltet Barth die Fragen 53 und 20 ein, um auf die konstitutive Rolle des Heiligen Geistes für die Teilhabe an Christus ebenso hinzuweisen wie auf die Beschreibung des Christen als „ihm eingeleibt“ (9). Als „ein Glied Christi“ wird der Glaubende daraufhin, so Barths Spitzenformulierung, „selber geradezu ein Christus“ (9)! Höher kann der Anspruch kaum formuliert werden: Wer Christ ist, ist mit Christus geradezu zu identifizieren! Gleichzeitig bedeutet dies aber nicht eine Überhöhung, sondern eine Relativierung des Menschlichen: Nur aus christologischer Perspektive kann überhaupt etwas über den Menschen ausgesagt werden: „Es ist uns keinen Augenblick erlaubt, über den Menschen an und für sich zu reflektieren!“70 Die christologisch fundierte Anthropologie begründet aber nicht nur die Aussagen über den Christenmenschen, sondern auch „[k]ein Wort von der Sünde darf abstrakt“ gesagt werden (10). Die vom HK vorgegebene Reihenfolge von Elend und Erlösung dreht Barth insofern unter der Hand um, nachdem er sie zu Beginn seines Vortrags noch lobend hervorgehoben hatte. „[S]o etwas wie einen Anknüpfungspunkt im Menschen [. . . , e]in Fünklein, das von der Asche zwar zugedeckt, aber noch nicht ganz und gar erloschen ist“ lehnt er wie bereits gegen Emil Brunner ab.71 Nicht die eigenen „düstern Farben“, sondern die Perspektive der bereits in Christus geschehenen Erlö69 Für die Struktur wird die Ausblendung des prophetischen Amtes in Kauf genommen. Barth knüpft dadurch stärker an die mittelalterliche und lutherische Vorstellung vom doppelten Amt Christi als Priester und König an als an die im HK formulierte reformierte Variante vom dreifachen Amt. 70 Barth, Einführung in den HK 1938, 10. 71 Ders., Nein!
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sung bestimme die Anthropologie: „Alle diese angeblich so schrecklichen ersten Sätze [. . . sind] bereits lauter Sätze der großen Dankbarkeit“ (13). Damit wird das dritte Gliederungsstichwort des HK „Dankbarkeit“ zum Schlüssel auch des ersten Teils von des Menschen „Elend“. Teilhabe am Heil und daraus erwachsender Verantwortung fasst Barth gleichermaßen präsentisch: „Wir stehen in diesem Lebenszusammenhang!“ (10) In der Bestimmung des Menschen als Getröstetem in der Verschränkung von Frage 31 und 32 gilt vom Christen: Er ist nicht, was er selbst ist, sondern das, was von Christus her über ihn auszusagen ist. „Eigentlich bin ich es nicht. Sondern Er ist’s.“ So ist die Identität des Christen gewissermaßen eine stellvertretende oder geliehene. Er ist ein lebender Hinweis auf Christus. In der Entfaltung der Struktur des dreifachen Amtes wird der Christ damit „selbst ein Prophet [. . . ], selbst ein Priester [. . . ], selbst ein König“ (9). Das Christ-Sein wird dadurch nicht in erster Linie im Glauben, sondern in der Tat, also in der Ethik verortet. Mit der Struktur des dreifachen Amtes kann Barth seine bereits früh entwickelte Idee eines kontrafaktischen Ich des Menschen nicht nur abstrakt postulieren, wie er es 1921/22 von Frage 1 her getan hat, sondern nun von HK 31–32 auch konsequent christologisch herleiten und inhaltlich füllen. Gleichzeitig bedeutet das nach Barth aber keine individualistische Engführung: Nur als „Glied Christi“ und damit auch als „Glied der Kirche“ nach Frage 54 dürfe der Mensch betrachtet werden. Der getröstete Mensch ist der „auf dem Wege [. . . ] von der Taufe zum Abendmahl“ (10). Er ist sakramental eingerahmt in die personale Gegenwart Christi. Mit dieser Formulierung kommt Barth gleichzeitig auf die Kontextualisierung des gesamten HK in den „Weg“ der kurpfälzischen Kirchenordnung von 1563 zurück, wie er sie im Eingangsteil vorgenommen hatte. Nicht nur textintern, sondern auch textextern findet er die Aufhebung des Menschen in diesen gottesdienstlichen Rahmen vor. Konsequent zur Hervorhebung des königlichen Amtes führt Barth die über das Stichwort „Gerechtigkeit“ eingeführte Rechtfertigungslehre breit aus, das Stichwort „Erlösung“ tritt demgegenüber zurück. So wird Frage 60 „Wie bist du gerecht vor Gott?“ zu „eine[r] der Zentralfragen des Heidelberger“ erklärt (14). In Zusammenhang mit den Fragen 62, 63, 81, 117 und 115 wird nun doch die zuvor als doppelte Linie entworfene Zweiheit in die Einheit der „‚fremde[n]‘ Gerechtigkeit Jesu Christi“ zurückgeführt, in der beides zusammengefasst wird: „die Kraft seines Blutes und seines Geistes ist an uns ‚wirksam‘“ (15). So wird die Außenstruktur der Doppellinie von Blut und Geist auf zweiter Ebene noch einmal in ihre Innenstruktur hineingespiegelt. 4.2.6 „Worin besteht der Trost?“ Bewahrung – Versicherung – Bereitmachung Auch zur Beschreibung des durch das Christusgeschehen gegebenen Trostes unterlässt Barth es nicht, „erneut klarzustellen, daß der ganze Nachdruck der Aussagen des Heidelberger Katechismus auf den Aussagen über den Tröster liegt.“ (15)
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Nur von dorther abgeleitet könne über den Trost gesprochen werden. Vor Optimismus in Bezug auf diesen Trost warnt Barth ebenso wie zuvor vor Pessimismus in Bezug auf das Elend des Menschen und steuert so jeweils der naheliegenden Vereinseitigung entgegen. In einer ersten, leitsatzartigen Formulierung definiert Barth: „Es wird so und damit getröstet, daß der Tröster als der, der er ist – wahrer Gott und wahrer Mensch, Priester und König – mit uns ist – den Sündern, die glauben dürfen. [. . . ] Die Gegenwart des Trösters ist der Trost“ (16). Um den Trost zu charakterisieren, stützt Barth sich nun auf den Dreiklang der Relativsätze in Antwort 1 und entfaltet diese inhaltlich als Vorsehung („mich bewahrt“), Berufung des Einzelnen und der Kirche („durch seinen Heiligen Geist des ewigen Lebens versichert“) und als Teilhabe an den Ämtern Christi („ihm hinfort zu leben von Herzen willig und bereit macht“). Der christologischen Zukunft des Trostes tritt dabei die Gegenwart im Geist als „Gegenpfand“ zur Seite (18). Kam zuvor der Mensch als Getrösteter nur als Glied des Leibes Christi in Betracht, bezieht Barth den Trost nun positiv auf das Individuum. Die Konzentration des HK auf den Einzelnen nimmt Barth hier ernst und ordnet sogar die Erwählung dementsprechend: Es handle sich zunächst „um das Herausrufen, um die Wahl jedes Einzelnen“, wenn dem auch sofort „das Herausrufen zu dieser Schar, der Kirche“ folge, aber eben folge (17). All die „Zugriffe auf mich selber“ des HK bedeuten für Barth aber keine Betonung des Individualismus, sondern v.a. eine Hervorhebung der immer persönlich angeeigneten Realität des Glaubens und der wirklichen und unentrinnbaren Beteiligung jedes Einzelnen: „Es gibt kein Beschauen dieses himmlisch-irdischen Schauspiels des Priester- und Königtums Christi. Ich bin vielmehr selber in die Sache hinein verwickelt“ (19). Nicht erst Frage 32, sondern schon die letzten Aussagen von Frage 1 stellen „unzweideutig klar, wie unzweideutig wir da beteiligt sind.“ (19) Nicht nur geht das soteriologische Geschehen den Einzelnen unmittelbar an, sondern es führt in seinen Konsequenzen auch zur Demokratisierung des Gottesvolkes. Während die Soteriologie auf der Stellvertretung Christi beruht, wird gerade in Ekklesiologie und Ethik der Einzelne unvertretbar und ist zum eigenen Christsein herausgerufen. Während HK 31 in allen drei Teilen des Vortrags (Tröster – Getrösteter – Trost) aufgenommen wird, wird HK 32 zweifach, in der Beschreibung des Getrösteten, aber auch in der Entfaltung des Trostes aufgegriffen. Dies deckt sich mit Barths Qualifizierung des Trostes als „nicht einfach ein wenig Beruhigung und Zuversicht. Sondern darüber hinaus: Mahnung und Aufruf. Unter dem Zuspruch des Trostes wird man auf die Füße gestellt, und als solchen auf die Füße Gestellten wird uns Zuversicht gegeben.“ (5) Der Trost ist nichts, was über den passiven Menschen ergeht oder ihn gar noch stillstellt. Er aktiviert den Menschen zum Getrösteten in der Aufgabe des dreifachen Amtes. Den Spalt zwischen Frage 31 und 32 minimiert Barth dabei zur Gleichzeitigkeit: Die Ämter des Christus „entsprechen“ wirklich denen des Christen! Damit geht Barth auch über den Begriff von „Gleichnis“ oder „Analogie“ hinaus: Glaube ist Teilhabe an Person und Werk Christi. „Nicht: ich glaube an Jesus Christus
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und dann bekenne, danke und streite ich. Das sind nicht zwei Dinge. Der Glaube selber ist ja unser Teilhaben an Christus und also an seinem Tun.“ (20) Die Aktivität und unmittelbare Tathaftigkeit des Glaubens wird durch Barth hervorgehoben und für ekklesiologische und ethische Folgerungen fruchtbar gemacht. Der Glaube zeigt oder manifestiert sich nicht in der Ethik, sondern wird mit ihr unmittelbar gleichgesetzt. Damit wird nicht nur die Unterscheidung von Glaube und Werken des Glaubens aufgehoben. Die Werke des Glaubens werden geradezu als (Teilhabe am) Werk Christi verstanden, nicht nur als tathafte Antwort des Menschen auf das Werk Christi. Der Mensch, den Barth als Ausgangspunkt der Betrachtung stets abgelehnt hat, kommt so in der Konstitution im Glauben durchaus wieder stark in den Blick – aber eben von Christus her. Anstatt von „des Menschen“ spricht Barth also gewissermaßen von „des Christen“ Elend, Erlösung und Dankbarkeit. Die Verknüpfung von Christologie und Anthropologie bzw. Ekklesiologie im munus triplex ermöglicht es Barth nicht nur, seinen christologischen Primat aufrechtzuerhalten und den Stoff des Katechismus in diesem Sinne neu zu ordnen. Sie legt auch unmittelbar praktische und politische Konsequenzen nahe. Die Betonung der königlichen Dimension entspricht im Handeln Christi an uns dem Streben nach Gerechtigkeit und der „Mitteilung seines Geistes“ zu diesem Zwecke, so dass wir „je länger je mehr der Sünde absterben und in einem gottseligen unsträflichen Leben wandeln“ (11). Die Teilhabe an Christus durch den Glauben lässt das Leben nicht unberührt: „Sobald man sich auf die Trennung von Glauben und Leben einlässt, hat man diese Lehre verfälscht. Es gibt kein Glauben, das nicht Bekennen, Danken, Streiten wäre!“ (20) Gerade die christologische Zuspitzung des HK fordert den Christen zum aktiven Bekennen auf, als das Barth das Leben in der Dankbarkeit versteht (21). Auch wenn Barth gegenüber der Eigenmächtigkeit des Menschen vorsichtig bleibt („Christus ist das Subjekt dieser Dankbarkeit, der guten Werke und des christlichen Lebens!“ [22]), ist in diese Aktivität auch das Gebet einbegriffen, das Barth im HK im Vorjahr erst entdeckt hatte. Jede einzelne Bitte des Vaterunsers formuliert Barth als präsentisch-performative Handlung des Glaubens. Indem ich „bete: Dein Name werde geheiligt, beginne ich die rechte Erkenntnis, die Heiligung, den Ruhm und Preis Gottes. [. . . ] Indem ich bete: Dein Wille geschehe, unterwerfe ich mich dem Willen Gottes“ usw. (22). Barth erklärt das Gebet gar zum „Streit- und Alarmruf, der den Menschen in die Arbeit hineinruft“ (22). Das Gebet wird zur Tat, ja zum Gebot christlichen Lebens. Weist die Dankbarkeit durchgehend aktive, öffentliche, ja politisch relevante Züge auf, wird umgekehrt gerade für das Gesetz ein usus civilis nicht eingeführt. Nur von seiner Funktion als Sündenspiegel sowie von seiner Verwendung in der Erneuerung des Menschen ist die Rede (23). Während das Gebet die Gebote christlichen Lebens enthält, hat so das Gebot umgekehrt die Funktion, die Menschen ins Gebet zu Gott zu führen.
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4.2.7 Freiheit zum Text. Profilierung der Auslegung Neben den Fragen 1 und 31–32 sind auch die Fragen 43 („getötet und begraben mit Christus“), 54 (Kirche) und 60 (Gerechtigkeit durch den Glauben aus Gnade) dadurch hervorgehoben, dass sie von Barth jeweils in allen drei „Schneisen“ (1. Tröster, 2. Getrösteter, 3. Trost) angesprochen werden. Andere Fragen, denen Barth in früheren Auslegungen des HK große Bedeutung zugemessen hatte, werden 1938 deutlich vernachlässigt. Dies betrifft insb. die Fragen 12–18 (Satisfaktionslehre), 26–28 (Schöpfungs- und Vorsehungslehre inkl. Prädestination) sowie 47f (das sog. Extra-Calvinisticum). Da Barth sich an anderen Stellen zu diesen Artikeln äußert, kann die Nicht-Behandlung hier als dezidiertes Schweigen – „key silences“72 , um mit Bierma zu sprechen – interpretiert werden.73 Es steht zu vermuten, dass diese Nicht-Behandlung der interkonfessionell umstrittenen Stücke in der kirchenpolitischen Notsituation der 1930er Jahre eine Entscheidung gegen eine konfessionalistische Positionierung und innerchristliche Grabenkämpfe um „Adiaphora“ bedeutet.74 Im Kirchenkampf hat Barth anscheinend vom HK gelernt, dass nicht die in den 1920ern gelobte „reformatorische Unruhe“ und Kritik an sich produktiv sind, sondern Konzentration auf die richtigen Fronten Not tut. Mit der Neuordnung des Textes hebt Barth diejenigen Punkte hervor, die ihm wertvoll erscheinen und führt sie weiter, andere erwähnt er nicht und gibt innerprotestantischen Streitigkeiten somit keinen Raum. Diesem Vorgehen Barths entspricht passenderweise auch die irenisch-vermittelnde Grundhaltung des HK, der sich zu fast allen innerprotestantischen Streitgegenständen seiner Zeit in Schweigen hüllt und nur expliziert, worauf sich mehr oder weniger alle Parteien (gegen den Katholizismus allerdings) einigen konnten.75 Diese implizite Strategie des HK stellt inzwischen für Barth offensichtlich eine Stärke dar, was erklären könnte, warum er gerade in und nach seinen Erfahrungen des ‚Kirchenkampfes‘ verstärkt auf den HK zurückgreift. In einer Zeit, in der man vielfach davon ausgeht, dass es schwierig bis unmöglich sei, die Christologie dem modernen Menschen verständlich zu machen, findet Barth durch die Konzentration auf die Lehre vom dreifachen Amt einen Punkt, an dem sich die Christologie strukturell mit Pneumatologie, Anthropologie, Ekklesi72 Bierma, An Introduction to the Heidelberg Catechism, 78, vgl. auch die Rede von „critical silence“, ders., Doctrine of the Sacraments, 21 u.ö. 73 So verteidigt er beispielsweise das Extra-Calvinisticum nach HK 48 noch 1924 und 1927 (Barth, UidcR, 196, ders., CD, 251f.360–364), während er es 1947 als „theologischen Betriebsunfall“ bezeichnen wird (ders., Die christliche Lehre 1947, 71). Zu Barths Kritik des Extra-Calvinisticum vgl. jüngst Sumner, The Twofold Life of the Word, der allerdings fast ausschließlich auf die KD Bezug nimmt, aber ebd., 53, Anm. 38 auch frühere Positionen andeutet. Barths Entwicklung zu diesem Lehrstück im Zusammenhang seiner HK-Auslegung zeichnet Plasger, Relative Autorität, 77–79 nach, vgl. auch Niesel, Karl Barth und der HK. 74 Auch Plasger führt diesen Gesinnungswechsel auf Barths Erfahrungen der interkonfessionellen Zusammenarbeit im ‚Kirchenkampf‘ zurück (Plasger, Relative Autorität, 78). 75 In Bezug auf den HK ist allerdings umstritten, inwiefern dies Ausdruck einer „irenischen“ Überzeugung ist und inwiefern lediglich den politischen Notwendigkeiten unter dem Augsburger Religionsfrieden geschuldet.
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ologie und Ethik verknüpfen lässt. Auch die Verbindung zur Zwei-Naturen-Lehre wird gelegt, wenn Barth parallelisiert, Christus sei der „Tröster als der, der er ist – wahrer Gott und wahrer Mensch, Priester und König“ (16). Erstmalig spielt das Amt Christi in Barths HK-Interpretation eine tragende Rolle. Entgegen der expliziten Vorgabe von HK 31–32 interpretiert er es allerdings durchgehend nur als zweifaches Amt von Priester und König. Die eigenwillige Umstrukturierung des HK entgegen der Leseanweisung in Antwort 2 dient Barth aber bereits hier zur christologischen Begründung christlichen Engagements in der Gesellschaft und insbesondere auch im politischen Raum, wie es ihm 1938 besonders wichtig geworden ist. Obwohl Barth 1938 beansprucht, den HK selbst auszulegen und nicht nur als Schlüssel zur Lehre zu verwenden, kommt er zu seiner vorläufig freiesten Interpretation, die insbesondere für die Lehre vom dreifachen Amt fruchtbar ist. Die Kritik tritt zurück zugunsten der selbständigen Variation hervorgehobener Aspekte. Barth steht dem Bekenntnis in einem Verhältnis von Berufung auf Autorität und Freiheit der Interpretation gegenüber, das er selbst später als Dialektik von Freiheit und Dankbarkeit beschreiben wird.76 Gerade diesen hermeneutischen Begriff von „Dankbarkeit“ – als einer Freiheit zur Tat in Bindung an und Verpflichtung gegenüber dem Empfangenen – kann man durchaus mit dem Begriff von Dankbarkeit im HK parallelisieren.77 Das angedeutete Verhältnis dankbarer Freiheit stellt Barth in den folgenden Jahren nicht mehr grundlegend in Frage. Vielmehr nähert er sich nun durchaus wieder dem Text des HK an, ohne seine eigene Linie aufzugeben. Nachdem er sich durch die freiere Auslegung in einige Distanz zum HK begeben hat – die Betonung also eher auf dem Pol der „Freiheit“ lag, kann er sich im Folgenden auch wieder in Freiheit enger auf ihn einlassen – also den Pol der „Dankbarkeit“ stärken.
4.3 Kontroverstheologische Profilierung. „Die römisch-katholische Kritik am HK“ 1944 In den Kriegsjahren widmet Barth sich verstärkt der Arbeit an der KD. Als sich 1944 die endgültige Wende abzeichnet, sagt er Vortragsreisen in die USA ab, „weil er jetzt und bei Kriegsschluß seine Aufgabe in Europa habe.“78 Er setzt den Einsatz für Flüchtlinge fort. So richtet er im Juni 1944 ein Gesuch an den frisch gewählten sozialdemokratischen Bundesrat zur Rettung der ungarischen Juden. Zugleich bereitet er sich aber auch auf eine neue Interpretation der Deutschen vor: „Wenn 76 Barth, Die christliche Lehre 1947, 15. 77 Die beiden kritischen Beobachtungen von Plasger, Relative Autorität, 68 (1. „Mit Wertungen hält Barth sich zurück“, 2. mit der Neugliederung verstehe Barth „den Katechismus besser, als er selber sich versteht“) lassen sich so inhaltlich zueinander ins Verhältnis setzen: Gerade die „verstehende“ (wenn auch natürlich hoch konstruierende!) Interpretation des HK ermöglicht es Barth, ihn für seine Anliegen fruchtbar zu machen und Kritik überflüssig zu machen – wobei er in genau dieser Doppelbewegung die theologisch geforderte ‚Treue zum Text‘ sieht. 78 Busch, Lebenslauf, 335.
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irgendein Volk heute, ob es das weiß oder nicht, unzweideutig vor Jesus Christus steht als vor dem, der gekommen ist, die Sünder zu retten und nicht die Gerechten, dann ist es neben dem jüdischen Volk – und in merkwürdiger Ähnlichkeit gerade mit ihm – das deutsche Volk.“79 Barth sieht die christliche Gemeinde, die er nicht institutionell, sondern vom Namen Jesu Christi her versteht,80 in dieser Zeit in einer besonderen Verheißung, die er in Anlehnung an HK 1 formuliert: „Eine Zusage, ein Versprechen, eine Garantie, kann man auch sagen. Indem sie in der Zeit lebt, ist sie doch des Herrn Jesus Eigentum.“81 Die Notwendigkeit theologischen „Lesens“ dehnt Barth nun über die Texte der Tradition hinaus auch auf die Geschichte aus: Man könne die Regierung Gottes im Zeitgeschehen mit einer großen Handschrift in lauter einzelnen mächtigen Buchstaben vergleichen. Diese Buchstaben sehen wir wohl. Sie stehen ja deutlich vor uns, geschrieben in dem Material der menschlichen Taten und Erlebnisse, das das Radio und die Zeitung täglich und stündlich vor uns ausbreiten. Wir müßten aber wissen, daß das Alles nicht nur irgendwelche wunderlichen Formen, sondern eben Buchstaben sind. Und wir müßten das Alphabet und die Sprache kennen, zu der diese Buchstaben gehören. Wir müßten sie lesen und wir müßten aus den Buchstaben das geschriebene Wort zusammensetzen können. Dann würden wir im Zeitgeschehen den Willen und die Regierung Gottes erkennen, obwohl sie verborgen sind. Das ist die große Frage: ob wir lesen können?82
Denn nur das Lesen ermögliche der christlichen Gemeinde das von ihr geforderte Zeugendasein. Weil aber in „jener großen Handschrift [. . . ] der regierende Gott nicht offenbar, sondern verborgen ist“,83 ruft Barth nicht zu einer direkten Interpretation der Zeitereignisse auf, sondern zur Lektüre der Bekenntnisschriften. Mehr denn je bewegt ihn die Frage nach dem christlichen Leben, dessen Konzeption er im Sommer 1944 in Auslegung der reformierten Bekenntnisschriften ausarbeiten will. Aufgrund von „erschwerter Literaturbeschaffung“84 hält Barth dann aber stattdessen in Kooperation mit Hans Urs von Balthasar ein Seminar unter dem Titel „Römisch-katholische Kritik am Heidelberger Katechismus“.85 Als Grundlage dient die im Jahr zuvor erschienene Gegenüberstellung von HK und CR von Jo-
79 Barth, Verheißung und Verantwortung, 330. 80 „Die im Namen Jesu versammelt und also die rechte christliche Gemeinde sind, sind nämlich die, denen Jesus seinen Namen ins Herz und ins Gewissen geschrieben hat. [. . . G]erade die Hauptsache in der christlichen Gemeinde sind nicht die Christen und nicht einmal das Christentum, sondern Christus“ (a. a. O., 308.310). Diesen Vortrag hielt Barth am 23.07.1944, also unmittelbar nach dem Attentat Stauffenbergs auf Hitler. 81 A. a. O., 317. 82 A. a. O., 311. 83 Ebd. 84 Barth/Balthasar, Kritik, 1. Sitzung am 03.05.1944. 85 Busch, Lebenslauf, 313 führt es als „die Sicht des Katholizismus im Heidelberger Katechismus“ „in den Kriegsjahren“.
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hann Stähelin.86 Thematisiert werden als Vergleichspunkte des HK Frage 1: Fehlt dem Trost nicht die Ermahnung?; Frage 5: Ist das keine gar zu negative Anthropologie?; Frage (20–)22: Fehlt in der Glaubensdefinition nicht die Kirche? sowie die Fragen 69–74 nach dem Taufverständnis.87 In der ersten Sitzung gibt Barth eine kurze Einführung in den HK, der weitgehend mit den Ergebnissen seiner Arbeit von 1938 übereinstimmt. So gliedert er ihn wiederum anhand dreier – inhaltlich den 1938 gewonnenen entsprechender, jetzt aber nicht mehr in Frageform formulierter – „Längsschnitte: 1) er, Jesus Christus, der Tröster, 2) ich, der Mensch, der Getröstete, 3) worin dieser Trost besteht“ und stellt wie 1938 „Erlösung und Gerechtigkeit“ als „2 Begriffe, die sich ebenfalls längsschnittartig durch die großen drei Längsschnitte hindurch finden“, heraus.88 Diese bezieht er wiederum auf Christi hohepriesterliches bzw. königliches Amt zu, reichert diese aber dadurch weiter an, dass er dem hohepriesterlichen Amt „die Satisfaktio, den historischen Akt der Erlösung und Genugtuung am Kreuz [. . . und] die Intercessio, das bleibende Sein dessen, der diese Genugtuung vollbracht [in der] Himmelfahrt“ zuordnet, das königliche Amt hingegen „mit der Auferstehung Christi“ verbindet. Kreuz und Auferstehung werden dem doppelten Amt zugerechnet, doch selbst die als dritte Station der Heilsgeschichte angesprochene Himmelfahrt hindert Barth nicht daran, das dritte Amt stillschweigend unter den Tisch fallen zu lassen. Er bezieht stattdessen auch die Himmelfahrt auf das Priesteramt und macht damit deutlich, dass er trotz heilsgeschichtlicher Zuordnung nicht an eine chronologische Abfolge der Ämter denkt. Auch die Teilhabe des Menschen an Christus differenziert Barth aufbauend auf HK 1 und 34 – also in der Verbindung des Bildes vom Jesu-Christi-eigen-Sein mit dem des Herr-Seins Christi – wieder durch die „beiden Längs-Linien Erlösung und Gerechtigkeit“. Der Trost wird wie 1938 schon anhand der drei Relativsätze von Antwort 1 verhandelt und mit Frage 32 zusammengefasst: „Denn nach Frage 32 ist die Existenz des Christen auf der ganzen Linie ein Tun, ein Bekennen, Danken und Streiten.“89 Die derartig aktiv gefasste christliche Existenz ordnet Barth dem Trost, nicht dem Getrösteten zu! Hatte Barth 1938 das Gebet als Aktivität beschrieben, wird es auch hier in große Nähe zu den ‚Werken‘ gebracht, allerdings aus der Perspektive von oben: So „können die Bitten des Unser Vater als Gebote und umgekehrt die 10 Gebote als Gebete aufgefasst werden.“90 In der zweiten Sitzung werden der HK und der CR als „in ihrer abgegrenzten und prägnanten Form zwei gleiche Gegner“ eingeführt: Hier stünden sich „die Re86 Stähelin (Hg.), Katholisch oder Reformiert? Römischer und Heidelberger Katechismus. Die Gegenüberstellung ist als theologischer Unterricht für Konvertiten gedacht. Laut Protokoll hatte Stähelin aus Benken (St. Gallen) Barth den Katechismus initiativ zugeschickt. 87 Barth/Balthasar, Kritik, 3. Sitzung am 17.05.1944. 88 A. a. O., 1. Sitzung am 03.05.1944. Zur Erläuterung des Getrösteten verwendet Barth die christologischen Fragen 1 und 34; zur Beschreibung des Trostes zieht er die Fragen 15–17, 35 und 47–48 heran. 89 A. a. O., 1. Sitzung am 03.05.1944. 90 A. a. O., 1. Sitzung am 03.05.1944.
„Die römisch-katholische Kritik am HK“ 1944
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formation und die Gegenreformation mit guten und gleichen Waffen gegenüber“. Der Katholik habe wohl durch die Wahl des HK als Dokument lutherischen und reformierten Glaubens „zwei Fliegen mit einem Schlag erledigen“ wollen. Zudem sei der HK „als ein Stück der Gottesdienstordnung nicht bloss und in erster Linie eine Kampfschrift“, sondern „ein Stück positiven eigenen Kirchenaufbaus“. Nicht nur in der Negation, sondern auch explizit trete hier „das den Reformierten Eigene“ hervor: Darin sei der HK „mehr eine evangelische als eine protestantische Schrift“.91 Die erste Kritik Stähelins an der einseitigen Betonung des Trostes „verstanden als consolatio, also ohne Ermahnung“ findet Barth in der „Tendenz“ richtig, hält aber fest, der HK meine mit Trost „nicht nur die Erlösung, sondern auch unsere Gerechtigkeit. Darin liegt alles, was Stähelin unter Pflicht versteht.“92 Weder die Pflicht des Menschen noch die Doxologie kämen im HK zu kurz, obwohl den Katholiken bleibend die Vorordnung des Evangeliums vor das Gesetz irritiere. Barth hält also an seiner Praxis fest, den HK seinen Auslegern positiv wie negativ wieder abzuinterpretieren. Barth bringt sein Unverständnis darüber zum Ausdruck, dass Stähelin in seinem Vergleich den dritten Teil des HK vollständig weglässt, vermutlich, weil es sich hier nicht mehr um den „wirklichen Menschen“ handle, während sich um Frage 5 eine „Gesamtkontroverse“ zur Anthropologie entspanne.93 Außerdem ergeben sich erste Irritationen im Verhältnis von Barth und von Balthasar, da letzterer die Autorität Stähelins anzweifelt, für den Katholizismus zu sprechen, während Barth dem die Pflicht entgegenhält, „den katholischen Autor ernst zu nehmen“.94 Diese Diskussion flackert in den folgenden Sitzungen mehrfach wieder auf.95 Außerdem ergeben sich Spannungen in der Einordnung der Grundlagentexte. So hält von Balthasar fest, dass der HK „mehr eine Bekenntnisschrift sei und damit der Dogmatik näher stehe, wogegen der CR ‚nur‘ ein Handbuch“ darstelle. Ein direkter Vergleich sei darum kaum möglich, denn: „Eine Confessio im Sinn des protestantischen Bekenntnisses gibt es [. . . ] in der römischen Kirche nicht“.96 Beiden Urteilen widerspricht Barth. Zum einen betont er, „dass der HK gar nicht ein Bekenntnis im eigentlichen Sinne sei, wie z.B. die Confessio Helvetica“, und zum anderen „zeige ja gerade die Confessio97 des Tridentinums, dass es auch im
91 A. a. O., 2. Sitzung am 10.05.1944. Barth knüpft also an seine 1923 vorgenommene Einordnung des HK als „positive“, nicht nur polemische Lehre an (s.o. S. 75), und wendet sich gegen die noch früher vorgenommene Definition über die Opposition (s.o. S. 26). 92 A. a. O., 2. Sitzung am 10.05.1944. 93 A. a. O., 3. Sitzung am 17.05.1944. 94 A. a. O., 4. Sitzung am 25.05.1944, ebd.: „[B]is zum Beweis der völligen Nichtigkeit von Stähelins Ausführungen sei er ernst zu nehmen.“ 95 A. a. O., 3. Sitzung am 17.05. und 4. Sitzung am 25.05.1944. 96 A. a. O., 3. Sitzung am 17.05.1944. 97 Barth benutzt den Begriff fälschlicherweise – entweder unbewusst, oder aber, um seinen Punkt durchzusetzen. Der Römische Katechismus wurde unter den Titel Professio fidei Tridentinae, und gerade nicht unter den der Confessio gestellt.
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Katholizismus zusammenfassende Bekenntnisses gebe.“98 Beide Konfliktpunkte mit Hans Urs von Balthasar haben damit zu tun, dass Barth die vorliegenden Texte ernst, geradezu unangenehm ernst nimmt bzw. ihn als erst einmal in der vorliegenden Form als Autorität versteht. Barth weist außerdem darauf hin, dass in der katholischen Ausgabe „aus dem ‚einigen‘ Trost des Heidelbergers ein – offenbar ganz gewöhnlicher – Trost geworden sei. Damit sei alles abgeschwächt, relativiert, ja unterboten.“99 Während Barth anscheinend durchaus katholische Kritik an Frage 2 erwartet hätte, wird eine „Totalgegenüberstellung“ katholischer und evangelischer Lehre erst in der Anthropologie vorgefunden.100 Gegenüber der katholischen Infragestellung der „pessimistischen“ Sicht des Menschen und dem Eindruck der „nicht wirklich“ eintretenden Veränderung durch die Gnade Gottes hält Barth hier einerseits die „bleibende Sündhaftigkeit auch im getauften und Christus eingeleibten Menschen“ fest, andererseits aber auch dessen bleibende Abhängigkeit vom Christus: „Christus bleibt der primäre Eigenthümer [der rechtfertigenden Gnade, HR], wir haben nur teil, insofern wir Glieder sind an seinem Leib.“101 Gleichzeitig führt er aus dem HK die Fragen 32, 43, 89, 114, 122 und 127 an, um aufzuzeigen, dass dadurch aber auf reformierter Seite weder eine rein negative noch rein passive Anthropologie formuliert werde.102 Im Gegenangriff auf die katholische Lehre stellt Barth fest, „dass man in der katholischen Erbsündenlehre die letzte Konsequenz leider vermissen würde.“103 In Bezug auf die „pessimistische“ anthropologische Einschätzung des Menschen verteidigt Barth wie schon 1921/22 diesen vehement gegen alternative Ansätze in scharfer Diskussion mit von Balthasar. Als nächster größerer interkonfessioneller Unterschied wird die Ekklesiologie festgestellt, die hier interessanterweise nicht auf der Grundlage ihrer Explikation in HK 54, sondern anhand ihres Nicht-Vorkommens in Frage 22 („Was ist für einen Christen notwendig zu glauben? – Alles, was uns im Evangelium zugesagt wird, wie es uns unser allgemeines, wahrhaftiges, christliches Glaubensbekenntnis zusammengefasst lehrt“) diskutiert wird. Es stellt sich die „Formalfrage: Wer entscheidet darüber, was Evangelium ist?“104 Während auf reformatorischer Seite die Gesamtheit des so benannten Evangeliums in der Bibel gefunden wird, bestreite die katholische Kritik, dass dieses ausreichend sei ohne „Tradition
98 Barth/Balthasar, Kritik, 3. Sitzung am 17.05.1944. 99 A. a. O., 3. Sitzung am 17.05.1944. 100A. a. O., 4. Sitzung am 25.05., fortgesetzt in der 5. Sitzung am 31.05.1944. 101 Im Protokollheft steht hier von Protokollantenhand: „bleibende böse Neigung“ mit der verbessernden Einfügung: „Sündhaftigkeit“ sowie von Protokollantenhand: „Gott bleibt aber. . . “, mit Barths Korrektur: „Christus bleibt aber. . . “ (a. a. O., 5. Sitzung am 31.05.1944). 102 A. a. O., 5. Sitzung am 31.05.1944. 103 A. a. O., 6. Sitzung am 07.06.1944. Barth stellt ein katholisches Selbstverständnis als Gesetzeserfüller neben das protestantische als „armer Schlucker“. Von Balthasar wirft Barths Zuspitzung daraufhin unfaire Einseitigkeit vor: „Nein! Der Katholik ist nicht der jüdische Mensch, zu dem sie ihn hier gemacht haben.“ 104 A. a. O., 8. Sitzung am 21.06.1944.
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und vor allem eine Kirche“.105 Was der HK nur in Christus finde, sehe die katholische Lehre „noch deutlicher im Sakrament“ geoffenbart.106 Nicht im Rahmen der Glaubensdefinition, aber unter dem Stichwort „Versicherung“ aus Antwort 1 sieht Barth dann allerdings „das ganze Leben der Kirche samt Sakramenten eingeschlossen“.107 Des Weiteren stößt das Seminar auf Unterschiede in der Tauflehre. Der katholischen Kritik, die Taufe werde im HK zu einem bloßen Erinnerungszeichen ohne jeden „klaren Effekt“ und darum auch ohne jedes „Mitwirken des Getauften“ herabgestuft, spricht Barth hier vom HK aus das Recht ab: „Das gähnende Loch, welches bei uns (für den Katholiken) klafft, ist gefüllt.“108 Denn dem HK ginge es „beim erinnern und versichern ebenso um die Zuwendung des objektiven Geschehens wie dem CR“. Allerdings sei nach evangelischem Verständnis wichtig, dieses Geschehen nicht dem Wasser als selbständigem Subjekt zuzuschreiben, sondern immer Christus.109 Zumindest an dieser Stelle des Konfliktes kommt das Seminar zu dem Schluss: „Sollte tatsächlich der ganze Unterschied die Folge eines Missverständnisses sein, dann wäre wohl doch Lessing im Recht, nach welchem die grosse Bewegung der Reformation im 16. J.H. auf einem ‚Mönchsgezänk‘ beruht“.110 Gegen die katholische Kritik an der evangelischen Ekklesiologie und Sakramentenlehre hält Barth also fest, dass deren Begründung in Christus die Füllung bereits gewährleiste, die die Katholiken zu vermissen meinen. Zum Abschluss des Seminars wird noch einmal grundlegend über die Einstufung des evangelischen Glaubens von katholischer Seite reflektiert, der als „nur in mangelhafter Weise“ Christus teilhaftig angesehen wird. Das Seminar stellt jedenfalls eine differenzierteres Bild vom Katholizismus zwischen dem CR, Stähelin und dem lebendigen Hans Urs von Balthasar fest. Letzterer hingegen zieht über den ihm begegnenden evangelischen Glauben den Schluss: Die Analogie und die Relation fehlen euch wirklich, und das ist traurig, aber sie fehlen euch auch nicht ganz; der Katholik kann sich ganz gut zu Hause fühlen bei dem, was hier
105 A. a. O., 8. Sitzung am 21.06.1944. 106 A. a. O., 4. Sitzung am 25.05.1944. 107 A. a. O., 4. Sitzung am 25.05.1944. 108 A. a. O., 7. Sitzung am 14.06.1944. 109 A. a. O., 9. Sitzung am 28.06.1944. Unmittelbar im Vorfeld war Barths Schrift herausgekommen, in der er sich erstmalig öffentlich gegen eine Kindertaufe aussprach (Barth, Taufe; vgl. dazu Hubert, Der Streit um die Kindertaufe). Der Gesinnungswechsel deutet sich bereits in den 1930er Jahren an. So schreibt Barth am 24.05.1938 an Brunner: „[I]ch sah mit Befriedigung, daß du es auch gegen die Kindertaufe hast. Dies ist nämlich auch mein Fall“ (Barth/Brunner, BwBr, 300). 1922 hatte Barth im Rahmen seiner ersten HK-Vorlesung noch vertreten: „Eben darum, weil die Taufe nicht mehr ist als Zusage, können keine Bedenken bestehen gegen die Kindertaufe“ (Barth, Der HK 1921/22, 70r). 110 Barth/Balthasar, Kritik, 9. Sitzung am 28.06.1944. Barth hält allerdings als entscheidenden Unterschied das „Auch-Dabeisein des Geschöpfes, die Analogia entis“ fest. Diese bezeichnet er ähnlich wie bereits im Vorwort zu KD I/1 als „Erfindung des Antichristen und den einzigen rechtmässigen Grund, um dessen willen man nicht katholisch werden könne“ (a. a. O., 10. Sitzung am 05.07.1944).
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im Seminar gesagt wird. Ihr seid zwar häretisch, aber doch nicht ganz und vielleicht sogar katholischer als ihr selber denkt.111
Positiv vermerken beide Dozenten einen Unterschied zwischen dem frühneuzeitlichen und dem im Seminar erlebten Verhältnis zwischen Protestantismus und Katholizismus. Ob der Grund dafür in heutigen oder damaligen Wahrnehmungsfehlern auf der einen oder der anderen Seite zu suchen sei, lassen sie offen. Sie verschieben aber die Differenz von der interkonfessionellen auf die historische Dimension. Neben harte gegenseitige Kritik und auch grundsätzliche Einwände zur Art und Methode des geführten Dialogs treten zum Abschluss des Seminars relativ verständigungsfreundliche Einschätzungen auf beiden Seiten. Mit dem HK, das ist deutlich zu ersehen, identifiziert Barth sich (bzw. die evangelische Position) in dieser Veranstaltung fast auf voller Linie und hat zu ihm ein dreifach positives Verhältnis: Zum einen ist er für ihn sowohl legitimer als auch geeigneten Vertreter reformatorischer Grundanliegen, zum anderen hält er die Spitzen des HK gegen katholisch anderslautende Lehren immer wieder hoch, und schließlich nimmt er ihn an anderen Stellen auch gegen katholische Kritik als missverstanden in Schutz.
111 Barth/Balthasar, Kritik, 10. Sitzung am 05.07.1944.
5. Trümmer und Erbauung. HK-Lektüren in der Nachkriegszeit 1946–1948 5.1 Umstrukturierungen. „Der HK“ in Basel 1946/47 5.1.1 Neugewichtung anhand der Lehre vom dreifachen Amt Unmittelbar nach Kriegsende hält Barth zwei aufeinander folgende Veranstaltungen zum HK: ein Seminar 1946/47 in Basel und eine Vorlesung 1947 in Bonn. Im Seminar1 nimmt die Lehre vom dreifachen Amt nun den größten Raum ein: Die 7.–13. Sitzung beschäftigen sich mit dem dreifachen Amt Christi, Sitzung 14.– 16 mit dem dreifachen Amt des zu seinem Ebenbild bereiteten und so getrösteten Menschen. Aus Barths Vorbereitungsnotizen geht eine neue Begriffsaufteilung seiner beiden bereits bekannten „Linien“ von priesterlichem und königlichem Amt hervor. So trete hier „ein Objektives: durch sein Blut erlöst und bezahlt“ neben „ein Subjektives: durch seinen Geist versichert und willig und bereit macht“. Die drei Relativsätze des Trostes werden auf die beiden privilegierten Ämter aufgeteilt und mit den Elementen Blut und Geist korreliert, die nun als objektive und subjektive Dimension von Christi Heilswerk gefasst sind (V2v). In der Erläuterung von Frage 31 fasst Barth den – nun immerhin erwähnten – Propheten als „Offenbarer des himmlischen Rates und Willens Gottes“, den Priester als „Erlöser“ und „Fürsprecher“, während der König uns „[r]egiert durch Wort und Geist“ (V3v). Obwohl Barth hier drei Relativsätze behandelt, verteilt er sie auf zwei Ämter – so wird der Prophet unmittelbar im Anschluss fallen gelassen, bereits die Vorbereitungskarten beschäftigen sich nur noch mit dem priesterlichen und dem königlichen Amt.2 Der Priester wird als „Mittler zwischen Gott und Mensch als Sünder“ (V3r) beschrieben, worunter Barth insbesondere die vollbrachte Heilstat am Kreuz sowie Zwei-Naturen- und Rechtfertigungslehre betrachtet; dem König ordnet er zusammen mit der Auferstehung insbesondere Gaben und Schutzwirkungen des Heiligen Geistes und das Leben in christlicher Dankbarkeit, Buße und Heiligung im Raum der Kirche zu. Beim königlichen Amt fällt insbesondere ins Auge, dass die Reihenfolge der behandelten Fragen der des HK entspricht (was beim priesterlichen Amt nicht der Fall ist!), bis auf die Vor1
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Barth, Der Heidelberger Katechismus, 1946/47. Zitate aus diesem Titel werden im Folgenden durch Seitenzahlen im laufenden Text nachgewiesen. Hervorhebungen entstammen dabei, soweit nicht anders angegeben, dem Original. Zu dieser Veranstaltung existieren im KBA auch handschriftliche Vorbereitungskarten Barths, im Folgenden zitiert als „V“. Zur Erläuterung des priesterlichen Amtes zieht Barth die Fragen 10–18, 34, 36–40, 43–45, 49, 52, 56, 60–62, 66–67, 70, 79, 81, 126 heran, zur Erläuterung des königlichen Amtes die Fragen 1, 26, 31–32, 34, 42–43, 45, 47, 49–54, 57, 65, 70, 74–76, 86–90, 102–103, 113, 115, 123–124, 127, vgl. V3r–5v.
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ziehung der Frage 18, die dadurch eine herausgehobene Stellung erhält. Dies allerdings bedeutet, dass das Begriffspaar von Erlösung und Gerechtigkeit nun nicht mehr wie zuvor auf die beiden Ämter aufgeteilt, sondern insgesamt dem königlichen Amt zugeordnet wird (V3r–5v). HK 32 wird unter dem Stichwort „Erneuerung zu seinem Ebenbild“ (V4r und 5v) eingeführt und im Bereich des „Trösters“ behandelt. Der Abschnitt „der getröstete Mensch“ wird allerdings nicht wie 1938 anhand dieser Frage konzipiert, sondern mit den Fragen 60 – der schon 1938 hervorgehobenen Rechtfertigungslehre – und 86 sowie 26, 57f und 117.3 5.1.2 Die Entdeckung der pneumatologischen Dimension des HK Ohne zu zögern bezeichnet Barth 1946 den HK als „Bekenntnisschrift“.4 Zur Einführung weist er auf die Wirkungsgeschichte hin, die er inzwischen als Durchsetzung nicht mehr trotz, sondern „dank seines besonderen Inhaltes“ positiv würdigen kann. Von der Rezeptionsgeschichte grenzt er sich nun lediglich insofern ab, als diese pädagogische Einwände gegen den als zu schwer empfundenen HK geltend machte. Unter diesen Inhalt zählt er insbesondere die gelungene Mischung aus reformiertem Profil und Aufnahme der „wesentlichen Elemente sowohl der calvinischen wie der lutherischen Reformation“.5 Barth warnt davor, „dass allfällige Modernisierungen nicht seinem Inhalt Gewalt antun“. Ebenso hat er aber Vorbehalte gegenüber einfachen „Wiedereinführungstendenzen“, denn: „Das JaSagen zu den Bekenntnissen der Väter enthebt nicht von der Pflicht, in der Gegenwart selbst aus dem Evangelium heraus ein eigenes Bekenntnis abzulegen.“6 Die positive Beziehung zum HK ist gerade einem Bekennen nicht abträglich, das als Weitergehen auf dem Weg der Väter zu sehen ist. Hatte Barth 1923 und 1925 den Anschluss an ein altes Bekenntnis und die Aufstellung eines neuen als Alternativen gefasst, bleiben beide Optionen hier als von einander unabhängige und durch einander nicht zu ersetzende Doppelnotwendigkeit neben einander stehen. Das dialektische Verhältnis zwischen überliefertem Bekenntnis und eigenem Be3
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Die Vorbereitungskarten zeigen, dass Barth die Veranstaltung im laufenden Semester entwarf: So ist der Erstansatz zur Behandlung des Trösters mit HK 18f und 34 mit Ausgriffen auf Fragen 1 und 33 entworfen, alsbald aber durchgestrichen und – wohl nach einer Diskussion mit Studierenden in der Sitzung – neu durch Fragen 19, 31, 45 und 49 mit Verweisen auf Fragen 1, 18, 65 und 67 konzipiert worden. Immer wieder sind mit Bleistift Ergänzungen nachgetragen. Barth, Der Heidelberger Katechismus, 1. Sitzung am 23.10.1946. Zwar hatte Barth diese Bezeichnung in den 1920er Jahren unproblematisch verwendet (vgl. z.B. ders., Der HK 1921/22, 4v), war später aber vorsichtiger geworden. 1938 nennt Barth den HK schlicht „dieses Dokument“ oder höchstens noch „ein in seiner Art klassisches Dokument des Glaubens“ (ders., Einführung in den HK 1938, 5); 1937 bezeichnet er ihn als „Handbüchlein“ und „Norm für Pfarrer und Lehrer“, meist aber schlicht als „Katechismus“ (1. Sitzung am 05.05.1937); 1944 hatte er als direkte Antwort auf von Balthasars Bezeichnung des HK als „Bekenntnisschrift“ (im Gegensatz zur Professio fidei Tridentinae) behauptet, „dass der HK gar nicht ein Bekenntnis im eigentlichen Sinne sei“ (3. Sitzung am 17.05.1944). Ders., Der Heidelberger Katechismus, 1. Sitzung am 23.10.1946. Im weiteren Verlauf werden konfessionelle Differenzlehren nicht mehr angesprochen. Insbesondere findet trotz ausführlicher Besprechung der Fragen 46–49 das Extra-Calvinisticum keine Erwähnung. A. a. O., 1. Sitzung am 23.10.1946, vgl. Barths Umgang mit dem HK im Kirchenkampf, s.o. Kap. 3.
Umstruktierungen. „Der HK“ in Basel 1946/47
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kennen stellt Barth unter das Stichwort „lebendige Orthodoxie“: „Weil wir in der Gemeinschaft der Heiligen aller Zeiten drin stehen, können wir nicht genug von den Autoritäten der Kirche abhängig sein. Auf der anderen Seite ist man als Theologe ganz frei: nach dem eindringlichen Hören der Lehrer soll man in ihrer Bewegung weiterschreiten.“ Nicht der Wortlaut soll übernommen werden, sondern die Bewegung des Bekenntnisses – dieser Grundimpetus Barths hat sich seit 1921/22 durchgehalten. Ebenfalls nicht neu sind die Betonung des „vielfachen Zweck[s]“ des HK sowie die Erläuterung der Situierung des Textes innerhalb der kurpfälzischen Kirchenordnung zwischen Taufe und Abendmahl als aufschlussreicher Hinweis auf seine Bedeutung: er ist nicht nur eine Sache der Kirchenordnung, sondern gehört in das Leben der Kirche hinein. Auf dem Weg von der Taufe, da Gottes Gnade geschehen ist, zum Abendmahl, da sie folgen wird, empfängt man den Trost, von dem der Katechismus redet.7
Wichtig ist Barth geworden, im HK ein „Gemeinschaftswerk“ zu sehen, das sogar unter Mitwirkung „[e]inige[r] Nichttheologen“ zu Stande gekommen sei und dass er darum als Ausdruck christlicher Gemeinschaft versteht.8 Die fünf integrierten Hauptstücke bezeichnet Barth als „das Knochengerüst“ des Büchleins. Erstmalig hebt er hervor, dass im Sinne der Weiterarbeit an der Linie der Reformation „der 3. Artikel des Apostolikums im Vordergrund“ stehe und darum auch der HK „mit dem Subjektiven“ beginne. Er fährt allerdings sofort fort: „Man darf ihm daraus aber keinen Vorwurf machen. Der Beginn beim Subjektiven ist nicht a priori falsch, wenn man dabei nur Gott nicht vergisst.“ Der HK habe in diesem Spannungsfeld immer „die rechte Mitte“ bewahrt.9 Neu ist, dass Barth mit der Verankerung des subjektiven Ansatzes in der Pneumatologie eine positive Beziehung zu dieser Tendenz des HK auch theologisch begründen und reformatorisch rückbinden kann, statt diesen als Problem zu betrachten.10 Wieder einmal beginnt Barth mit den einschlägigen Formulierungen der Frage 1: „Leben und Sterben“ regelten die Umfassendheit des „seienden und nichtseienden Menschen“, das Attribut „einig“ sei eben umfassender als die Alternative „einzig“: „Der ‚einige Trost‘ ist derjenige Trost, der vollauf genügt im Leben und im Sterben.“11 Formal bestünde der Trost „in einem bestimmten Verhältnis“, nämlich dem „Christi Eigentum“-Sein, inhaltlich in der Identität von Richter und Retter in Jesus Christus. Dieses gegenwärtige Verhältnis beruhe aber auf den heilsgeschichtlichen Perfekta der Relativsätze in Antwort 1. Gegenüber der frühen Dialektik von Zeit und Ewigkeit tritt hier erstmalig eine dreifach gegliederte Zeit in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in Barths HK-Lektüre auf. Als Subjekt des Eigentumsverhältnisses stellt Barth wie gewohnt Jesus Christus heraus, schließt aber mit Verweis auf HK 53 die biblisch naheliegende Überlegung an:
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A. a. O., 1. Sitzung am 23.10.1946. A. a. O., 2. Sitzung am 30.10.1946. Historisch ist es allerdings sicherlich übertrieben, hier ein besonders demokratisches Element in der Entstehung am Werk zu sehen. 9 A. a. O., 2. Sitzung am 30.10.1946. 10 Auf V1r hatte Barth über diese Disposition notiert: „gefährlich, ist aber legitim“. 11 Barth, Der Heidelberger Katechismus, 3. Sitzung am 06.11.1946.
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[W]äre es legitim gewesen, auch im 1. Artikel des Katechismus und dann konsequenterweise auch im Folgenden den Heiligen Geist als den Tröster zu bezeichnen, also nicht von der 2. sondern von der 3. Person der Trinität auszugehen? Sicher ja! Wir hätten an Stelle eines christozentrischen einen pneumatozentrischen Katechismus, was aber seinen Glaubensgehalt nicht ändern würde. Der Heilige Geist führt uns gerade und erst recht zu Jesus Christus hin. Diese Ausgangsstellung läge auch der Reformation nahe, die in allem Objektivismus Roms wieder nach der Bedeutung des echten christlichen Subjekts fragte.12
Bei aller Übereinstimmung im Inhalt führt Barth zur Begründung der dennoch erfolgten christozentrischen Entscheidung des HK an, dass „die Gefahr bestand, dass der Heilige Geist mit sehr unheiligen Geistern verwechselt werden könnte. Schwärmer, Humanisten, aber auch gerade Rom haben mit ihrem Reden vom Geist doch immer wieder den Menschen auf Gottes Thron zu heben versucht.“13 Die explizite Reflexion auf die pneumatologische Dimension taucht hier erstmalig in Barths Auslegung des HK auf, allerdings noch als theoretische Überlegung zu einem (vom HK nicht gewählten!) alternativen Aufbau, der durchaus als Vorüberlegung Barths zur Architektur der KD betrachtet werden kann. Dennoch wird der Heilige Geist stärker hervorgehoben und auch selbständiger in seinen Wirkungen charakterisiert als früher, weiterhin aber streng christologisch rückgebunden und so als „Kraft Christi“14 und als „Mittel seiner Regierung“15 verstanden. 5.1.3 Trost im Sterben Das Stichwort „Trost“, das 1938 die Auslegung bestimmte, wird nun von der bereits im Vorjahr angedeuteten eschatologischen Bedeutungsnuance her gefasst.16 Die Fragen 52, 57 und 58 treten zur Interpretation des Trostes in den Vordergrund, so dass er nun durch das künftige Gericht, die Überwindung des Todes und die Zukunft des Menschen gefüllt wird.17 Wird das ganze Leben als unter dem Schatten des Todes stehend verstanden, so wird doch selbst der Tod in diesen Trost einbegriffen. Der Trost bezieht sich damit nicht in erster Linie auf die Gegenwart, sondern insbesondere auf die Zukunft des Menschen. Der fraglichen, ja tödlichen Zukunfts-Aussicht stellt Barth das Präsens der umfassenden Zusage entgegen, dass „ich, Mensch, Christi Eigentum bin“.18 Dass die Erlösung sich tatsächlich in Jesu Blut ereignet hat, ist für Barth zentral: „Die Frohbotschaft ist kein psychologisches oder pädagogisches Flickwerk.“19 Dennoch ist dieses Präsens ein eschatologisches – und gerade so kann es seine kontrafaktische Macht entfalten, da mit ihm zugleich auch „ein letzter Vorbehalt“ über dem erlebten Leben menschlicher 12 13 14 15 16 17 18 19
Barth, Der Heidelberger Katechismus, 4. Sitzung am 13.11.1946. A. a. O., 4. Sitzung am 13.11.1946. A. a. O., 13. Sitzung am 05.02.1947. A. a. O., 12. Sitzung am 29.01.1947. S.o. S. 130. Barth, Der Heidelberger Katechismus, 3. Sitzung am 06.11.1946. A. a. O., 3. Sitzung am 06.11.1946, Hervorhebung i.O. A. a. O., 4. Sitzung am 13.11.1946.
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Existenz liegt. Die Fragen 52, 57 und 58 stellt Barth als „Kernfragen des 2. Artikels“ wie einen Rahmen zu Beginn und zum Abschluss des Semesters in den Fokus und folgert daraus: „Der einige und ewige Trost liegt im Eschaton. Man könnte die ganze Lehre vom getrösteten Menschen sich zuspitzen lassen im Unser Vater, wo die menschliche Bedürftigkeit vor Gott in Zuversicht ausgebreitet wird.“20
5.1.4 Drei Ämter und zwei Reihen. Strukturübungen Die festgestellten „zwei Ausgangsreihen“ unterscheidet Barth diesmal anhand ihrer zeitlichen Dimension, die außerdem das Verhältnis Rechtfertigung – Heiligung anklingen lässt: „I. Durch sein Blut am Kreuz hat Christus mich, den Schuldner losgekauft. [. . . ] II. Aussagereihe: Die Erlösung ist ein Geschenk, von dem her ich leben soll. Die Gabe ist Aufgabe. Für dieses Leben in Heiligung macht mich Gott durch den Heiligen Geist richtig.“21 Die Parallelstruktur der beiden Ämter wird also sukzessive angereichert. Alle großen Linien, die später in KD IV integriert werden, werden so im Laufe der Zeit anhand der HK-Interpretation gesammelt. Nach diesen Vorstrukturierungen geht Barth nach dem gewohnten Dreischritt der Fragen nach dem Tröster, dem Getrösteten und dem Trost vor. Die Seminarteilnehmer machen Barths Plan, den Tröster über die Kombination von Frage 31 und 18 zu erläutern, allerdings einen Strich durch die Rechnung, indem sie stattdessen vorschlagen, bei der „Himmelfahrtsfrage 49“ anzusetzen. Über diese Alternative entspinnt sich eine lebhafte Diskussion, die die gesamte 5. Sitzung in Anspruch nimmt: „Wollen wir bescheiden mit Frage 18 beginnen und in induktivem Verfahren (über Frage 34) die ganze Christologie erarbeiten oder wollen wir mit Frage 49 gleichsam vom Gipfel des Erlösungswerkes aus in gewaltigem Höhenflug zu den einzelnen Teilen vorstossen?“22 Erst zum Ende der Stunde einigt man sich auf eine „Kompromisslösung: Wir wollen überschriftartig von Frage 49 ausgehen, um dann gleich mit Frage 18 in die Einzeluntersuchung vorzustossen.“23 Barth lässt also anscheinend widerstrebend einen Exkurs gegenüber seinem ursprünglichen Plan zu, dem er die folgende 6. Sitzung zugesteht, um danach mit dem ursprünglich geplanten Vorgehen fortzufahren.24 In der Auslegung von Frage 49 wird die räumliche Trennung des Menschen in Frage 1 vom Christus verdeutlicht, die allerdings doppelt überbrückt sei. Zum einen stehe Christus als Fleischgewordener im Himmel „als Pfand, als Brückenkopf für uns“, zum anderen sei „uns
20 A. a. O., 16. Sitzung am 26.02.1947. Die Charakterisierung des getrösteten Menschen, also des christlichen Lebens wird Barth auch in KD IV/4 mit dem Vaterunser strukturieren, s.u. S. 237. 21 A. a. O., 4. Sitzung am 13.11.1946. 22 A. a. O., 5. Sitzung am 20.11.1946. 23 A. a. O., 5. Sitzung am 20.11.1946. 24 A. a. O., 6. Sitzung am 27.11.1946. Auf V3v und 3r ist allerdings Frage 49 als erste unter der Überschrift „Der Tröster“ aufgeführt, Frage 18 wird einseitig dem priesterlichen Wirken Jesu Christi zugeordnet, statt den Dual von Erlösung und Gerechtigkeit auf Priester und König zu verteilen.
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ein Gegenpfand gegeben [. . . ], der Geist, der uns lehrt, hinaufzuschauen“.25 Barth bindet diesen innertrinitarischen Platzwechsel zurück an „Frage 1 mit ihren beiden Polen Blut und Geist. Christus, durch sein Blut unser Fürsprecher, und der Geist, das wird das Gerippe für unser weiteres Vorgehen sein.“26 Waren zuvor beide „Elemente“ Christus und den von ihm gestifteten sakramentalen Bezügen zugeordnet, so werden sie nun zunehmend den beiden trinitarischen Personen Christus und dem Heiligen Geist gewidmet. Dies verstärkt nicht nur die Bedeutung und Eigenständigkeit der pneumatologischen Dimension in Barths Interpretation, sondern auch den Gedanken der Äquivalenz von Christus und Geist im Sinne der gegenseitigen Stellvertretung. Statt lediglich eine diesem zu- und untergeordnete Kraft Christi darzustellen, tritt der Geist nun als dessen gleichwertiges Gegenüber auf. Gleichzeitig wird den beiden Aussagereihen auch eine spezifische Zeitdimension zugeordnet: Perfekta kennzeichnen die geschehene Erlösung, präsentische Formulierungen die bleibende Aufgabe, in die der Mensch nun im Geist hineingestellt ist.27 Nach dieser Zwischenüberlegung geht das Seminar ab der 7. Sitzung dennoch nicht wie vorgesehen auf die anvisierte Frage 18, sondern vielmehr ausführlich auf das munus triplex nach Frage 31 ein, begründet durch die alttestamentliche Auskunft: „Prophet, Priester, König beruhen auf der Salbung, sie sind die Χριστοι des AT.“28 In ihrer Kombination beschreiben sie für Barth die Gesamtheit des Christusgeschehens: „Die drei Grössen des munus triplex Christi ‚offenbart, erlöst, regiert‘ beschreiben das ganze Werk und die Person Christi.“ Erstmalig erscheint eine (wenn auch dürftige) inhaltliche Begründung für die Vernachlässigung des prophetischen Amtes: Es gilt Barth als reine „Voraussetzung des Katechismus“. Das Amt der Offenbarung des Willens Gottes sei mit der Vollendung der Erlösung und ihrer Mitteilung in Jesus Christus an ein Ende gekommen: Darum braucht es auch keine weiteren Offenbarungen mehr: die alttestamentliche Prophetie ist abgeschlossen [. . . ]. Auch die neutestamentliche Prophetie kann nicht Fortsetzung der alttestamentlichen sein, sondern nur eine der Möglichkeiten des christlichen Dienstes, der auf Christus weist.29
Strukturell ist die christologische Exklusivität allerdings kein Alleinstellungsmerkmal des prophetischen Amtes. So hält Barth fest: „Christus ist der ewige Hohepriester [. . . ], damit sind alle anderen Priester, alles andere Einsetzen und Vermitteln ausgeschlossen.“30 Gerade das priesterliche, vermittelnde, für die Sünder einstehende Amt ist für Barth das zentrale Erlösungswerk Christi. Noch stärker als die beiden anderen Ämter sei dieses darum auch exklusiv christologisch. In Bezug auf Barths frühere Interpretationen des dreifachen Amtes, die das königliche Amt
25 26 27 28 29 30
Barth, Der Heidelberger Katechismus, 6. Sitzung am 27.11.1946. A. a. O., 6. Sitzung am 27.11.1946. Vgl. a. a. O., 4. Sitzung am 13.11.1946, s.o. S. 161. A. a. O., 7. Sitzung am 04.12.1946. A. a. O., 7. Sitzung am 04.12.1946. Das Protokoll notiert in Klammern, Barth habe die Exklusivität von Christi Priesteramt extra „2x betont“ (a. a. O., 7. Sitzung am 04.12.1946).
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hervorhob, ergibt sich hiermit eine auffällige Verschiebung: Sowohl historisch als auch theologisch wird nun das priesterliche Amt Christi priorisiert.31 Doch auch das Königsamt Christi entfernt nach Barth „alle anderen Könige, die eine Salbung, ein Charisma beanspruchen wollten. David und Salomo als Vorbilder Christi sind endgültig gestorben und begraben und mit ihnen alle Theokratie (hierarchische oder demokratische), alle Chiliasmen und andere politische Schwärmereien!“32 Es gilt also eine strenge wechselseitige Identität der Ämter mit Christus: Die Einheit des dreifachen Amtes macht die Gesamtheit seines Werkes und seiner Person aus – umgekehrt sind die Ämter vollständig an ihn gebunden und nicht etwa delegierbare Funktionen. Für die Gegenwart als Zeit „nach Christus“ hält Barth dies unverhandelbar fest. Die alttestamentliche Bezeugung anderer Amtsträger – ohne die auch die Bezeichnung Jesu als Prophet, Priester und König weder verständlich noch sinnvoll wäre – erklärt Barth für „abgeschlossen“. Hatte er 1921 die Relativierung aller Unterschiede zwischen AT und NT gefordert,33 wird nun doch eine Zäsur eingeführt: Christus ist das Ende der alttestamentlichen Prophetie und des alttestamentlichen Priester- und Königtums. Doch wird menschlichen „Amtsträgern“ vor und nach Christus letzten Endes eine ähnliche und ähnlich relative Bedeutung zugesprochen: als „Vorbilder Christi“ die einen, als Hinweis auf Christus die anderen. Das Königsamt wird einerseits als politisches Amt gefasst. Barth beschreibt in diesem Zusammenhang das Verhältnis von „Kirche und Staat“, von „Christengemeinde und Bürgergemeinde“ analog zur Zwei-Naturen-Lehre als „ungetrennt aber unvermischt“ – unbeschadet der Tatsache, dass „die Kirche ein gewisses politisches Element notwendigerweise in sich birgt.“34 Darüber hinaus führt er aber als Mittel der Regierung „die h[ei]l[ige] Schrift, wo Wort und Geist nicht zu trennen sind“, an.35 Der König ist in der christlichen Spezifizierung wie bereits im Alten Testament also nicht nur Herrscher, sondern Schriftgelehrter und Philosophenkönig.36 Barth stolpert selbst über die Zusammenfügung von doppelten und dreifachen Linien, so etwa in der Kombination des Duals von Blut und Geist mit der Dreiteilung der Fragen 45 und 49. „Wie sieht der Katechismus das zusammen?“ fragt er und stellt fest: So führt die Verbindungslinie über das offenbarte Geheimnis in Christus vom Priester und König zum Pfand. Ein anderes Schema aber als das Blut-Geistschema, etwa eines mit aufund absteigenden Vertikalen und einer abschliessenden, horizontalen Dritten, würde wohl aus der Methode, nach der der Katechismus angelegt ist, herausführen. Das Blut- und Geist-
31 32 33 34
A. a. O., 8. Sitzung am 11.12.1946, anders noch s.o. S. 145. A. a. O., 7. Sitzung am 04.12.1946. S.o. S. 64. Barth, Der Heidelberger Katechismus, 7. Sitzung am 04.12.1946. Barths berühmter Aufsatz unter demselben Titel entstand fast zeitgleich (ders., Christengemeinde und Bürgergemeinde), vgl. auch u. S. 169. 35 Ders., Der Heidelberger Katechismus, 7. Sitzung am 04.12.1946. 36 Vgl. Dtn 17,18–20.
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schema ist vor allem in den Tauffragen zu stark verankert. Wo wäre dann, sachlich gefragt, das Prophetenamt hingekommen, welches nach der vorgeschlagenen Dreiteilung doch dargelegt werden müsste. Das ist eben die Voraussetzung des Katechismus: Gott hat sich offenbart.37
Das „andere Schema“, das Barth andenkt und verwirft, wird er später zur Grundlage der Gliederung seiner Versöhnungslehre machen.38 Dass er das prophetische Offenbarungsamt zur Voraussetzung des Katechismus überhaupt erklärt, ermöglicht es Barth, die problematische Ausklammerung innerhalb seiner Ausführungen zu legitimieren. Allerdings bleibt die Lösung unbefriedigend. So stößt er bereits in Frage 19 sogar auf eine vierfache Einsetzung des Evangeliums durch Gott, der es „offenbart, verkündigt, fürgebildet, erfüllt“ habe. Barth trennt das erste Glied der Kette („offenbart“) als Verweis auf eine „Uroffenbarung Gottes im Paradies ohne die Notwendigkeit eines Mittlers“ von den anderen ab und parallelisiert den verbleibenden Dreischritt mit dem dreifachen Amt.39 So wird einerseits die zuvor dem Prophetenamt zugeordnete Funktion „offenbart“ nun ausgeklammert, dennoch behält das Prophetische in den verbleibenden drei Funktionen seinen Platz. Außerdem steht Christus in Frage 19 explizit als Subjekt der letzten Aktion „erfüllt“, was bei Parallelisierung mit dem dreifachen Amt sein königliches Amt hervorheben, Propheten und Priester hingegen eher als heilsgeschichtlich vorbereitende Instanzen auch außerhalb des Christusgeschehens verorten würde. Hatte Barth zuvor Frage 18 als strukturbildend für das gesamte Christuswirken gesehen und die Aspekte Erlösung und Gerechtigkeit auf die Ämter von Priester und König verteilt, heißt es jetzt vereinseitigend: „Frage 18 redet deutlich vom priesterlichen und nicht vom königlichen Amt Christi.“40 Barth bezieht dies auf die Sakramentsfragen 65 und 67 und weist selbst darauf hin: „Auf den ersten Blick scheint es uns, der Katechismus habe in diesen Fragen nun seine bisher festgestellte doppelte Grundlinie verlassen zu Gunsten der einen des Blutes und das königliche Amt Christi sei auf der Strecke geblieben.“41 Demgegenüber hält er fest, dass das Priesterliche sicherlich nach Meinung der Verfasser auch als „Ausgangspunkt“ und „Grund“ allen Heils zu verstehen sei, aber dennoch „sofort und mit gleichem Nachdruck das königliche Amt, das mit dem Geist zusammenhängt“, hinzugefügt werde. Barth hebt hervor, dass in HK 65 und 67 allerdings nicht mehr Christus, sondern der Geist das Subjekt der Aussage bilde, der nun als Lehrer „diesen Ausgangspunkt und Grund unserer Seligkeit im priesterlichen Amt Christi belehrt und mit diesen Verweisen auf Golgatha einen Einsatz beim königlichen Amt Christi gerade verwehrt!“42 Der (königliche!) Titel des κὑριος sei mit Frage 34 als Konsequenz des primär als priesterlich gefassten Wirkens Christi zu verstehen.
37 38 39 40 41 42
Barth, Der Heidelberger Katechismus, 7. Sitzung am 04.12.1946. S.u. Kap. 6.1. Barth, Der Heidelberger Katechismus, 7. Sitzung am 04.12.1946. A. a. O., 8. Sitzung am 11.12.1946. A. a. O., 8. Sitzung am 11.12.1946. A. a. O., 8. Sitzung am 11.12.1946.
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Beide Ämter allerdings werden nun pneumatologisch begründet, während zuvor der Geist-Bezug spezifisch dem König zugeordnet war. Das besondere „Herr-Sein“ Christi charakterisiert Barth im Unterschied zu jeder anderen Herrschaft als Befreiung „von der teuflischen ‚Macht an sich‘.“43 Die darin liegende Kritik richtet sich nicht gegen jede Form von Macht, sondern gegen jene, die „Macht an sich“ in den Vordergrund stellen. Demgegenüber könnte man Christi Herrschaft als „Macht für“ bezeichnen: Als Christi Eigentum werde der Mensch nicht einfach einem neuen Herrn untertan, sondern frei von allen Herren. Die beiden Wirkungen „Erlösung und Gerechtigkeit“ bezeichnet Barth als „neues Strukturprinzip des HK, neben dem von Blut und Geist“. Er führt beide nicht zusammen, sondern hält sie getrennt. Im Protokoll findet sich die tabellarische Gegenüberstellung und Parallelisierung44 : Die Erlösung weist nach unten, auf das negative, Befreiung von. . .
Die Gerechtigkeit weist nach oben, auf das positive, Befreiung zu. . .
Deutlich ist hier bereits die Struktur von KD IV/1–2 mit ihren Bewegungen von oben nach unten und von unten nach oben präfiguriert, während der dritte Teilband mit seiner zusammenfassenden Klammer noch keinen Vorläufer findet.45 Die Verknüpfung zwischen den beiden Spalten stiftet Barth durch den Hinweis: „Die Erlösung macht uns gerecht.“46 Damit bildet die rechte Spalte die fortgesetzte Wirksamkeit der linken. Hatte Barth früher Erlösung und Gerechtigkeit geradezu mit Christus identifiziert,47 lockert er die Verbindung nun ein wenig zu einem „ἐν Χῷ [. . . ]: In ihm (nicht in mir) ist das Heil für mich“, obwohl er weiter an der engen Verbindung festhält: „Christus und seine Gaben sind nicht zu trennen.“48 Dass das Heil allein in Christus und in ihm auch vollkommen zu finden sei, dürfe zudem nicht zur theoretischen Postulierung einer ἀποκατ´αστασις παντῶν verleiten, obwohl „praktisch aber nicht“ davon Abstand zu nehmen sei.49 Die Zwei-Naturen-Lehre, wie HK 10–17 sie entfaltet, beschreibt Barth als „Vorgeschichte des priesterlichen Amtes Christi“.50 Die von Barth zuvor theoretisch verteidigte Anlehnung des HK an die anselmsche Satisfaktionslehre muss sich praktisch bewähren, als in der Diskussion die Frage aufkommt, „ob die Reihenfolge 10–18 nicht etwas unbehaglich wird.“51 Auch kommt eine gewisse Schieflage darin zum Ausdruck, dass durch Barths Zuordnung der Eindruck entsteht, die 43 44 45 46 47 48 49 50 51
A. a. O., 8. Sitzung am 11.12.1946. A. a. O., 8. Sitzung am 11.12.1946. Vgl. ders., KD IV/1, 133f.148, ders., KD IV/2, 117f u.ö. Ders., Der Heidelberger Katechismus, 8. Sitzung am 11.12.1946, Hervorhebung i.O. Man denke an die Gleichheitszeichen 1938, s.o. S. 147. Barth, Der Heidelberger Katechismus, 8. Sitzung am 11.12.1946. A. a. O., 9. Sitzung am 18.12.1946. A. a. O., 9. Sitzung am 18.12.1946. A. a. O., 10. Sitzung am 15.01.1947.
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Zwei-Naturen-Lehre gehöre nun speziell zum priesterlichen Amt statt zur Christologie als ganzer. Dass die Spalten der Tabelle aber auf die beiden Ämter bezogen werden können, daran lässt Barth durch seine eigenen Stichwortverknüpfungen keinen Zweifel. Als „Zusammenfassung über das priesterliche Amt Christi“ formuliert Barth im neuen Jahr: „Die Erlösung ist das Werk des Priesters Jesus Christus.“ Diese wiederum charakterisiert er als „Opfer“ in seinem Tod am Kreuz, aber auch schon in seinem Leben in Niedrigkeit, Knechtsgestalt und Armut – „die Schatten seines Todes liegen über seinem ganzen Leben.“52 Das abstrakte „unten“ wird nun drastisch verdeutlicht: „Die Trennung von Gott ist die Hölle selbst. Wie Calvin sagt, die Gottverlassenheit ist die Strafe, der Inbegriff aller Strafe. Christus fragt: ‚Warum hast du mich verlassen?‘ Hierin besteht sein Priesteramt, dass er das gelitten hat.“53 In doppelter Stellvertretung nimmt nicht nur Christus unsere Schuld auf sich, sondern stellt uns umgekehrt auch in seine Gerechtigkeit. Dass Christi Stellvertretung „fraglos effektiv“ sei, dass hierin das forensische als wirkliches und wirksames Urteil ergehe, hält Barth dem katholischen „Unverständnis“ entgegen und greift Einsichten aus dem Seminar von 1944 auf.54 Auch die Polemik gegen die Messopferlehre nach Frage 80 leitet Barth von der Einzigkeit des hohepriesterlichen Amtes Christi her. Abschließend hält Barth noch einmal die begründende Rolle des Priesteramtes Christi für alles Weitere fest, aber auch die tatsächliche Folge seines königlichen Amtes: „Die Beziehung des priesterlichen Amtes Christi zu seinem königlichen Amt darf nicht bezweifelt werden. Von dem Priestertum Christi aus führt der Weg zu allem kommenden.“55 Die Beziehung zwischen den Ämtern beschreibt er wieder in einer Verschränkung der Fragen 1 und 34. Die priesterliche Erlösungstat begründet erst die Herrschaft des Königs, das Ihm-Eigen-Sein: „Weil Christus sich uns ihm zum Eigentum erlangt und erlöst hat, ist er unser Herr und König. Als Erlöser ist er also der, der Macht hat über uns.“56 Dass diese Herrschaft eine exklusive ist, hebt Barth überdeutlich hervor: Herr-Sein bedeutet Befehlsgewalt und Richtergewalt, bedeutet Würde und Herrlichkeit haben, Herr-Sein bedeutet Souveränität, d.h. die Macht haben, seinen Befehlen Hochachtung zu verschaffen. Wenn das gilt, dann ist damit, dass er unser Herr und König ist, auch und viel stärker als mit dem Begriff Priester gesagt, dass ein anderes Königtum ausgeschlossen ist.57
Als Anknüpfungspunkt für das Königsamt, die Königsherrschaft Christi, die „in konkreter Gestalt die Königsherrschaft Gottes“ sichtbar macht, schlägt Barth Fra-
52 53 54 55 56 57
Barth, Der Heidelberger Katechismus, 11. Sitzung am 22.01.1947. A. a. O., 11. Sitzung am 22.01.1947. S.o. Kap. 4.3. Barth, Der Heidelberger Katechismus, 11. Sitzung am 22.01.1947. A. a. O., 12. Sitzung am 29.01.1947, kursiv HR. A. a. O., 12. Sitzung am 29.01.1947.
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ge 50 des HK vor.58 Das Sitzen zur Rechten Gottes charakterisiere die Herrschaft Christi als „doppeltes“ Regiment – also gerade nicht als zwei Regimenter: als Haupt seiner Kirche und zugleich als Regent der ganzen Welt. Welt und Kirche verhielten sich bildhaft wie „zwei konzentrische Kreise mit verschieden grossem Umfang [. . . zueinander], deren Mittelpunkt Christus ist.“59 Christus und Welt sind damit gerade keine unterschiedenen oder gar entgegengesetzten Bereiche: „Nein, wenn die Königsherrschaft Christi gilt, leben wir in einer einheitlichen Welt, die ganz unter seiner Herrschaft steht.“ Barth betont nachdrücklich, dass man es also mit einem weiterhin „handelnden Gott“ zu tun habe und dass die Macht dieses Gottes „die Macht der Liebe ist.“ Christus zur „Rechten Gottes“ sei gerade „Gott in seinem Handeln“. Die Dimension der Diakonie wird also mit dem Königsamt Christi verbunden, auch und gerade in Bezug nicht nur auf die Kirche, sondern auf die Welt. Mit „den Mitteln von Wort und Geist“ führe Christus dabei seine „Sammlung und Erhaltung seiner Gemeinde, [. . . ] seine Herrschaft über die Kirche, aber auch die Herrschaft über die Welt“ aus. Trotz des Modells der konzentrischen Kreise widerspricht Barth aber der Idee, in Form von „Christianisierung oder Verchristlichung der Welt das Reich Gottes“ herzustellen. Vielmehr stünden Kirche und Welt sich auch bleibend gegenüber: „Die Kirche wird immer der Welt gegenüber sein, aber mit der Verheissung der ganzen und endgültigen Offenbarung“.60 Trotz der eingehenden studentischen Vorschläge zur weiteren Interpretation der Königsherrschaft durch HK 32, 103, 115, 127 oder 128 fährt Barth mit Frage 51 fort, die er wiederum als zweifache Struktur fasst: „Die Gaben sind gleichsam der innere, der Schutz gegen alle Feinde der äussere Bereich der Herrschaft Christi.“61 Barth knüpft damit an die explikative Differenzierung des alttestamentlichen Königsamtes als Hirte (nach innen) und Richter (nach außen) an.62 Glaube, Teilhabe an den Wohltaten Christi und Gemeinschaft mit Christus, Trost, Erneuerung und ewiges Leben sind die Gaben Christi, die Barth ebenso als „Gaben des Geistes“ bezeichnen kann. In „einer relativen Selbständigkeit“ dazu stehe auch das Schützen und Erhalten „als Prädikat für die Wirksamkeit des Heiligen Geistes.“63 Das
58 A. a. O., 12. Sitzung am 29.01.1947. Der etwas vorlaute Protokoll-Vermerk: „Andere Vorschläge finden keine Gnade, z.T. weil es eine kirchlich muffige Angelegenheit geben würde“ ist mit Barths blauer Korrektur-Tinte durchgestrichen. 59 A. a. O., 12. Sitzung am 29.01.1947. 60 A. a. O., 12. Sitzung am 29.01.1947. Die Differenz wird Barth später in der Unterscheidung von königlichem und prophetischem Amt konkretisieren, s.u. Kap. 6.3. 61 A. a. O., 13. Sitzung am 05.02.1947. 62 Vgl. Müller, Art. Jesu Christi dreifaches Amt. Diese Zuordnung ist zwar nicht ungewöhnlich, doch ergibt sie eine gewisse Spannung zu Barths späterer Gleichsetzung des priesterlichen mit dem Richter-Amt, vgl. Barth, KD IV/2, 303. Allerdings ist trotz der Homonymie zu beachten, dass der alttestamentliche „Richter“ (als Heerführer und Gotteskrieger) wenig mit dem neuzeitlich-juridischen Verständnis des Begriffs gemein hat, wiewohl alttestamentlich auch das spezifisch juridische dem Königs-, und nicht dem Priesteramt zuzuordnen wäre. 63 Ders., Der Heidelberger Katechismus, 13. Sitzung am 05.02.1947.
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Königsamt wird durch die von ihm verliehenen Gabe wie auch schon in seiner Konstituierung besonders eng mit dem Geistwirken verbunden. Barth legt Wert darauf, dass sich Christi Herrschaft nicht in seinen Gaben erschöpft, was sein Wirken einseitig auf die „christliche Erfahrung im Leben des Einzelnen oder der Kirche“ beschränken würde. Es geht weder um reine Innerlichkeit noch um eine individuelle Perspektive: Auch „unabhängig von uns“ stehe Christus für die Kirche und garantiere ihre Existenz. Dass dies durch die Geschichte nicht bewiesen werde, sondern ihr zum Trotz daran festgehalten werden muss, hebt Barth ausdrücklich hervor.64 Gegenüber verschiedenen Anfragen aus dem Seminar verstärkt Barth noch die Betonung von Christus als dem alleinigen „Herr und Machthaber des Kosmos“. Dass dies nicht nur theologische, sondern auch politische Konsequenzen haben könnte, bleibt implizit. Erst auf die Rückfrage hin, ob der HK bei den „‚Feinden‘ wohl an konkrete Erscheinungen seiner Zeit gedacht hat“, hält Barth ausdrücklich fest, dies sei „zu bejahen“.65 Auf eine weitere Rückfrage hin hebt er die zeitübergreifende Qualität dieser Herrschaft hervor, insbesondere auch, dass Christus „schon vor der Inthronisation die drei Ämter innegehabt habe“.66 Barth wendet sich also gegen eine heilsgeschichtliche Chronologisierung der drei Ämter ebenso wie gegen ihre Verwendung als lediglich rückwirkende Interpretationskategorien.67 Stattdessen charakterisieren sie für ihn die Gesamtheit und Geschlossenheit des Werkes Christi mit allen sich daraus ergebenden politischen Implikationen. Als Subjekt der Ausgießung von Christi Gaben auf den Menschen hebt Barth mit Frage 51 den Heiligen Geist heraus. Ihn bezeichnet er nun als „Tröster“ – ohne dazu ins Verhältnis zu setzen, dass er zuvor stets Christus als Tröster identifiziert hatte.68 Der Geist sei dem Menschen gegeben und dieser so „von Christus her durch den heiligen Geist gehalten.“ Der Geist ist Werkzeug und Mittel der Herrschaft Christi. Insbesondere gegen die lutherische Ubiquitätslehre betont Barth, dass der Geist nicht von Blut und Wort gelöst werden dürfe, ebensowenig die Gottheit von der Menschheit Christi. Ein gewisses kontroverstheologisches Moment tritt nach Barths Zurückhaltung im Kirchenkampf wieder in die Auslegung ein und lässt ihn konfessionelle Differenzen benennen. Nicht nur als Überträger der Gaben, sondern auch als Urheber der Teilhabe, des ἐν Χριστῶ εἰναι ist der Geist 64 Barth, Der Heidelberger Katechismus, 13. Sitzung am 05.02.1947. Trotzig hält er ebd. fest, dass „sich das Gute zuletzt immer mehr als das Schlechte durchsetzen wird, dass einfach das Wort nicht untergeht.“ 65 A. a. O., 13. Sitzung am 05.02.1947. 66 A. a. O., 13. Sitzung am 05.02.1947. 67 So bereits 1944, s.o. S. 154. 68 Barth, Der Heidelberger Katechismus, 14. Sitzung am 12.02.1947. Gegenüber der strengen Christozentrik von 1938 ist spätestens hier eine deutliche Verschiebung festzustellen (s.o. S. 143), die schrittweise aus der Ausarbeitung der Linien von Blut und Geist, Rechtfertigung und Heiligung erwachsen ist. Später wird Barth die Differenz zwischen beiden Interpretationsansätzen, dem christozentrischen und dem dualistisch christologisch-pneumatologischen überbrücken, indem er den Geist streng als „Geist Christi“ fasst, s.u. S. 235.
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aktiv: „Es ist der heilige Geist, der den Menschen in den Leib Christi einordnet und uns zu Gliedern Christi macht.“69 Als Zeichen, „im Sinn von significare, auf das wirkliche Geschehen des heiligen Geistes hinzeigen“, versteht Barth auch das Abendmahl. Da der Heilige Geist nach HK 76 „zugleich in Christus und in uns wohnt“, nehme die Vereinigung immer mehr zu: „Durch dieses magis ne magis ist die Beziehung zwischen Christus und Mensch im heiligen Geist deutlich als eine dynamische bezeichnet, d.h. als eine fortschreitende Folge von Ereignissen.“70 Der Geist ist Dynamik und Bewegung, wenn auch nicht im Sinne eines Fortschrittsoptimismus, aber er ist auch der Ort der Begegnung, die „im“ Geist stattfindet. Und schließlich ist der Geist der Autor der Erneuerung des Menschen „zu Christi Ebenbild, gleichsam zu seinem Spiegelbild“. Barth warnt aber mit Frage 32: „Der Christusmensch ist nicht ein zweiter Christus, aber ein Wesen, das christusgemäss gestaltet ist.“ Als Kriterium formuliert Barth: Nur dann „bin ich ein wirklicher χριστιἁνος, wenn man in mir die drei Ämter Christi abgebildet sieht und ich darum wirklich zu Christus gehöre und in Ihm bin.“71 Um Christ zu sein, muss der Christ öffentlich sichtbar werden – dafür ist die Übernahme des dreifachen Amtes zentral. Die Teilhabe des Christen an Christi Amt bezeichnet Barth als „[d]ie erste Gabe Christi“.72 Die tatsächliche Erneuerung im eigenen Leben – „d.h. in dieser Zeit des Entscheidens und der Entscheidung“ – ebenso wie das damit untrennbar verbundene „[p]raktische[.] Wandeln in dieser Erneuerung“ sind „durch den heiligen Geist“ konstituiert.73 Dies sei nicht im Sinne der „imitatio, der Selbsterlösung, oder gar der in uns und durch uns vollzogenen Erlösung“ zu verstehen, sondern als Einverleibung in Christus. Dabei gehe es „nicht um statisches Erlebnis, sondern um dynamisches Ereignis.“74 Auch in diesem Seminar führt Barths christologische Schwerpunktbildung zu einer gewissen Unwucht im Stoff. Die Frage nach dem Trost wird gar nicht mehr behandelt, nach dem „getrösteten Menschen“ kann Barth nur noch in einer Sitzung fragen.75 Als Ausgangspunkt hierfür dient ihm wie bereits 1938 die Frage 60.76 Die Situation des getrösteten Menschen beschreibt Barth in starker Nähe zum lutherischen simul iustus et peccator als weiterhin gewissensgeplagt und zum Bösen geneigt, aber „dennoch gerecht, insofern als Gott schenkt, was er nicht schaffen kann, nämlich Genugtuung, Gerechtigkeit und Heiligkeit“. „Dieses Geschenk anzunehmen, und nicht nur in theoretischer Betrachtung zu verharren, sondern damit zu leben, es zu brauchen; das ist der Glaube.“77 Nicht Wissen, Vertrauen oder Fürwahrhalten: Glaube ist Leben im Glauben! Zudem ist der Glaube 69 70 71 72 73 74 75 76 77
A. a. O., 14. Sitzung am 12.02.1947. A. a. O., 14. Sitzung am 12.02.1947. A. a. O., 14. Sitzung am 12.02.1947. A. a. O., 14. Sitzung am 12.02.1947. A. a. O., 15. Sitzung am 19.02.1947. A. a. O., 15. Sitzung am 19.02.1947. A. a. O., 16. Sitzung am 26.02.1947. S.o. S. 148. Barth, Der Heidelberger Katechismus, 16. Sitzung am 26.02.1947.
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nicht Bedingung zum Heil, sondern ist genau wie die guten Werke dessen Konsequenz. Als Werke der Dankbarkeit haben sie nach Barth dreifache Funktion: in der Gottesbeziehung (Lobpreis), der Selbstbeziehung (Vergewisserung) und der Beziehung zu anderen (Mission). Ausführlich kann Barth am Semesterende nicht mehr über den getrösteten Menschen sprechen, das für ihn Entscheidende ist aber bereits gesagt: Die christliche Anthropologie des HK „ist vollkommen in der Christologie begründet und ganz von ihr bestimmt.“78 5.1.5 Dogmatik in der Werkstatt. Profilierung der Auslegung Gegenüber den früheren Auslegungen treten 1946/47 auffällige Neugewichtungen hervor. Statt (verschiedener Elemente) der Frage 1 werden die Fragen 31–32 zum Strukturprinzip der Darstellung erhoben. Innerhalb der Figur des munus triplex verschiebt sich der Schwerpunkt vom königlichen auf das priesterliche Amt. Das Interesse an einer auf der Christologie gegründeten Denkstruktur bleibt, doch die strenge Christozentrik wird um die Öffnung einer pneumatologischen Dimension angereichert, auch wenn das Verhältnis von Christologie und Pneumatologie noch unausgewogen wirkt. Mit der pneumatologischen Interpretation geht auch eine neue Toleranz gegenüber gewissen „subjektivistischen“ Formulierungen des HK einher, die nun theologisch rückgebunden und aufgehoben werden. Neben die Zeit-Ewigkeit-Dialektik tritt eine Dreiteilung der geschichtlichen Zeit in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Systematisierungsversuche haben unabgeschlossenen, ja experimentellen Charakter, der mit einigen Inkonsistenzen und Spannungen, aber auch mit Neuentdeckungen und kreativen Verschiebungen verbunden ist. Die Suche nach einem einheitlichen Gliederungsprinzip zeichnet sich ab, indem die Lehre vom dreifachen Amt immer mehr Parallelstrukturierungen (Blut und Geist, Gerechtigkeit und Erlösung, Rechtfertigung und Heiligung, dreifache Zeit usw.) an sich zieht. Eindeutig ist Barth in ein neues Verhältnis zum HK eingetreten: Anstelle von apologetisch-polemischer Erläuterung des HK oder der Anwendung eigener theologischer Ansichten auf ihn lässt Barth sich von ihm zu neuen Denkbewegungen und Experimenten in Bezug auf die Architektur der Dogmatik inspirieren. Das Seminar von 1946/47 gibt einen ungewöhnlichen „Werkstatt“-Einblick in die Entwicklung der Barthschen Theologie und bildet ein wichtiges Dokument auf dem Weg zu KD IV.
5.2 Wiederaufbau. „Die christliche Lehre nach dem HK“ in Bonn 1947 5.2.1 „Die christliche Lehre“. Titel und Einleitung Nach Kriegsende will die Bonner Universität Barth zurückholen, bietet ihm sogar die Stelle des Rektors an. Hin- und hergerissen zwischen den verschiedenartigen 78 Barth, Der Heidelberger Katechismus, 16. Sitzung am 26.02.1947.
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Aufgaben theologischen Wiederaufbaus entscheidet sich der bereits 60-Jährige, seine Kraft primär dem Wachstum seiner Dogmatik zu widmen, unterrichtet aber zwei Gastsemester in Bonn.79 Die Verhältnisse sind prekär: Die Veranstaltungen finden teilweise in den Ruinen des Schlosses unter freiem Himmel statt, Heizkohle und Lehrbücher fehlen. Nur die Hälfte der Hörer sind Theologen.80 Barth schlägt didaktisch neue Wege ein: „Die Rückkehr in die Urzustände, in denen ich Deutschland traf, machte es mir unwiderstehlich nötig, zu ‚reden‘ statt zu ‚lesen‘.“81 Als Anknüpfungspunkt für eine Theologie nach dem Krieg wählt er Bekenntnistexte: das Apostolikum als auswendig verfügbaren Text für eine Dogmatik im Grundriss 1946 und 1947 den HK für eine Einführung in die christliche Lehre.82 In gewisser Weise „liest“ Barth seine Studenten dabei wie den HK gegen den Strich: Ihn interessiert nicht, dass sie noch vor wenigen Monaten Nazi-Fahnen geschwenkt haben. Er liest sie von der Gegenwart her und gegen ihre Ambivalenzen von einem kontrafaktischen Anknüpfungspunkt aus, um die Vergangenheit zu überwinden und sie in seine auf Christus ausgerichtete Theologie zu integrieren. Auf die wiederholte Frage, ob er nicht wisse, dass viele seiner Hörer keine Christen seien, antwortet Barth, er „habe dann immer gelacht und gesagt: ‚das ist mir gleichgültig‘. Es wäre ja furchtbar, wenn der Christusglaube den Menschen trennen und absondern wollte von den Anderen.“83 In einer flammenden Freundschaftserklärung ruft Barth den Deutschen zu: Her zu mir, ihr Unsympathischen, ihr bösen Hitlerbuben und -mädchen, ihr brutalen SSSoldaten, ihr üblen Gestapo-Schurken, ihr traurigen Kompromißler und Kollaborationisten, ihr üblen Herdenmenschen alle, die ihr nun so lange geduldig und dumm hinter eurem sogenannten Führer hergelaufen seid! Her zu mir, ihr Schuldigen und Mitschuldigen, denen nun widerfährt und widerfahren muß, was eure Taten wert sind! Her zu mir, ich kenne euch wohl, ich frage aber nicht, wer ihr seid und was ihr getan habt, ich sehe nur, daß ihr am Ende seid und wohl oder übel von vorne anfangen müßt, ich will euch erquicken, gerade mit euch will ich jetzt vom Nullpunkt her neu anfangen!84
79 Vgl. ders., How My Mind Has Changed 1928–1958, 196.199. Busch kommentiert: „Seinen wichtigsten Beitrag zu dem, was in der Zeit des Kriegsendes nach seiner Meinung zu tun war, sah Barth in der beharrlichen Fortführung seiner Dogmatik – ‚das ist nun eben mein Hilfswerk‘“ (Busch, Lebenslauf, 335). Zu Barths Rolle im „Wiederaufbau“ vgl. Greschat, Kirchliche Reorganisation. 80 Vgl. Kinzig, Wort Gottes in Trümmern, 46. 81 Barth, Dogmatik im Grundriß, 6. 82 Die zeitnahe Veröffentlichung der HK-Vorlesung ist der nachdrücklichen schriftlichen Bitte der lokalen Pfarrer zu verdanken. Sie schilderten ihre Pflicht, den HK „ohne literarische Hilfsmitel“ unterrichten zu müssen, als „Not“ und „seit langem empfundene schmerzliche Lücke“ und kümmerten sich selbst um Papier und Drucklegung (vgl. Brief von Ludwig Quaas an Charlotte von Kirschbaum und von Pfarrer Prinzeß an Barth am 06.06.1947, KBA). Beinahe ohne Beteiligung Barths erschien sie als ders., Die christliche Lehre 1947. Zitate aus diesem Titel werden im Folgenden durch Seitenzahlen im laufenden Text nachgewiesen. Hervorhebungen entstammen dabei, soweit nicht anders angegeben, dem Original. Bis heute ist diese Vorlesung die bekannteste HKAuslegung Barths. 83 Ders., Dogmatik im Grundriß, 110. 84 Ursprünglich veröffentlicht als ders., Die Deutschen und wir, hier ders., Eine Schweizer Stimme, 354f. Zu Barths Umgang mit der Frage von Schuld, Vergebung und Neuanfang nach dem Krieg
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Während Barth sich für die Übernahme von Verantwortung durch die Deutschen einsetzt, ist er ebenso daran interessiert, ihnen einen Neuanfang zuzugestehen. Gerade als Menschen am politischen und existentiellen „Nullpunkt“ eignen sich die deutschen Studenten besonders für das, was Barth als Programm einer jeden Theologie versteht: Dogmatik als Buße,85 die ihren Ausgang immer wieder beim (christologischen) Anfang zu nehmen hat, in der Einsicht, dass ein menschlicher Neuanfang unmöglich ist. Dies ist für Barth aber kein abstraktes Programm, das er nun anhand der vor ihm liegenden Situation (bzw. der vor ihm sitzenden Hörer) durchführt. Vielmehr nimmt er die konkrete Situation und die Menschen vor ihm auch menschlich ernst: Ein ungewohnt tröstlicher und erbaulicher Ton zieht sich durch die gesamte Darstellung. Damit unterscheidet sich diese Interpretation grundlegend von den eher destruktiv oder aber frei konstruierend vorgehenden früheren. In der Situation nach dem Krieg ist Barths Anliegen nicht mehr, eine für selbstverständlich gehaltene Kultur zu erschüttern, sondern nun ist seelsorgerliche Aufbauarbeit angesagt. Der „Strom“, gegen den es jetzt zu schwimmen gilt, ist ein anderer als zuvor. Es geht nicht um Kritik, sondern darum, Grundlagen zu schaffen, an denen man sich jetzt, da alles weggebrochen ist, orientieren kann. Das Interesse an positiver Lehre hebt die Auslegung auch vom experimentellen Charakter des vorangegangenen Seminars 1946 in Basel ab. In Aufbau und Inhalt unterscheiden sich die beiden Veranstaltungen signifikant voneinander. Hatte Barth im Winter sein Prinzip „diagonalen Lesens“ mit der Zuspitzung auf die Lehre vom dreifachen Amt umgesetzt, folgt er jetzt der Struktur und dem Wortlaut des HK enger als je zuvor. „Die christliche Lehre nach dem Heidelberger Katechismus“ überschreibt er die Vorlesung. Damit geht Barth über die früheren Verortungen des HK als „positive“ Lehre noch hinaus, indem er ihn als repräsentativ nicht nur für den reformierten oder allgemein-reformatorischen, sondern den christlichen Glauben überhaupt darstellt. Das „nach“ ist kein temporales, sondern ein instrumentales: Es geht um die christliche Lehre, d.h. „nicht Dogmengeschichte, sondern Dogmatik [. . . ]. Uns interessiert primär die christliche Lehre als solche und nicht der Heidelberger Katechismus“ (15). Inhaltlich ist diese Lehre doppelt
vgl. Beintker, Karl Barth und die Frage nach der Schuld der Deutschen. Greschat urteilt in Bezug auf Barths Einschätzung der Lage nach 1945: Barth ging „von einer Stunde Null aus, die es nicht gab; und wo dementsprechend die Fülle der Möglichkeiten, Neues zu schaffen – mit der man rechnete – nicht existierte“. Er „überforderte die Gegebenheiten und Möglichkeiten jeder Gemeinde und erst recht diejenige der Kirche insgesamt“ (Greschat, Kirchliche Reorganisation, 263f). 85 Auch Barth legt zu Kriegsende ein eigenes öffentliches Schuldbekenntnis ab: „Ich will Ihnen darum offen gestehen: Wenn ich mir selbst im Blick auf meine in Deutschland verbrachten Jahre etwas vorwerfe, so ist es dies, daß ich es damals aus lauter Konzentration auf meine theologisch-kirchliche Aufgabe und auch in einer gewissen Scheu vor der Einmischung des Schweizers in deutsche Angelegenheiten unterlassen habe, vor den Tendenzen, die mir, seit ich 1921 den deutschen Boden betreten hatte, in der mich umgebenden Kirche und Welt sichtbar und unheimlich genug waren, zu warnen: nicht nur implizit, sondern explizit, nicht nur privatim, sondern auch öffentlich zu warnen! Die mich damals gekannt haben, werden mir vielleicht das Zeugnis geben, daß ich nicht einfach stumm gewesen bin. Aber so laut und deutlich, wie damals hätte geredet werden müssen, habe auch ich damals nicht geredet“ (Barth, An die deutschen Theologen, 50).
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charakterisiert: Als „Evangelium von Jesus Christus“ ist sie zum einen „frohe Botschaft“ und zum anderen über den Namen konkreter Hinweis „auf eine Person“ (11). Barth setzt dabei offensichtlich voraus, dass die christliche Lehre im HK in einer inhaltlich angemessenen und pädagogisch verwendbaren Art und Weise zum Ausdruck kommt. Dass der HK nicht sich selbst in den Vordergrund stelle, sondern das, worauf er hinweist, zeichne ihn aus, ebenso wie sein überkonfessioneller Charakter als „Dokument allgemeiner evangelischer Erkenntnis“ (18). Nur insofern der HK ein gelungener und geschichtlich bewährter Versuch ist, die allgemeine Erkenntnis schriftgemäß zu formulieren, hat er für Barth Bedeutung. Darum will er „der Kurve dieses Textes im Großen und Ganzen folgen, aber wir werden uns Abweichungen gestatten, wo uns dies notwendig erscheint.“ (15) Die Orientierung an „der“ Lehre befreit zur Freiheit gegenüber ihrem partikularen Vertreter. Um diese festzustellen und zu legitimieren, muss sie an der Schrift geprüft werden. Darum ist Barth der festen Überzeugung: Gerade „in solchen Abweichungen werden wir in Übereinstimmung mit dem sein, was der Heidelberger Katechismus eigentlich wollte.“ (15) Es gilt nicht, auf Formulierungen, sondern auf die Haltung und Bewegung zurückzukommen: Nur ein „unreformatorisches Verfahren“ könnte an einer Schrift aus dem 16. Jahrhundert unverändert festhalten, die schließlich auch nur einen „Versuch christlicher Lehre“ in ihrer Zeit darstelle (15). Als „reformatorisch“ kennzeichnet Barth nicht die Epoche und ihre Produktion, sondern das Unterfangen, legitimes Schriftzeugnis zu geben. Als daraus hervorgegangenen Zeugen für das Zeugnis der Schrift liest Barth den HK. Unter denselben Vorbehalt wie den HK stellt er auch seine eigene theologische Arbeit: Auch diese Vorlesung sei nur „[e]in solcher Versuch“ (12). Die christliche Lehre „als solche“, die Barth darstellen will, liegt aber nirgendwo vor. Methodisch folgert er daraus ein notwendiges „Dass“ der Konkretion, deren „Was“ aber kontingent ist und variabel bleibt. So gibt es „keine absolute Methode [. . . ] und es ist weniger wichtig, welcher Weg hier eingeschlagen wird, als wie er beschritten wird“ (14). Konkretion verlangt, dass es tatsächlich auch notwendig ist, sich beim Versuch ihrer Formulierung auf andere Bezeugungen zu stützen. Als „Hauptregel“ formuliert Barth dabei, von der „konkreten Gestalt“ der Schrift „und also von der Exegese“ herzukommen und zu Schrift und „besserer Exegese und also Sichtbarkeit dieser konkreten Gestalt“ wieder hinzuführen.86 Eine „erste Nebenregel“ als zweite Bedingung für „rechte christliche Lehre“ sei, dass sie nicht in einem luftleeren Raum einsamen Denkens sich ereignen wird, sondern daß sie ihren Ort in der Gemeinschaft der Heiligen und also im Zusammenhang mit dem Leben, Denken und Erkennen der ganzen christlichen Kirche nicht nur der Gegenwart, sondern auch der Vergangenheit wählen wird. (14)
In diesem Sinne kann Barth nun ganz gelassen die durch den HK vorgegebene Struktur verwenden, um alle theologischen Loci christlicher Lehre an ihm entlang 86 Anders als in früheren HK-Auslegungen argumentiert Barth nun auch durchgehend mit biblischen Verweisen. Dabei verwendet er zum Teil die dem HK als Belege beigegebenen Zitate, zum Teil Bibelstellen eigener Auswahl. Allerdings lässt die Intensität der biblischen Argumentation im Verlauf der Vorlesung nach, möglicherweise aufgrund von Zeitknappheit.
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in der durch die Fragen vorgegebenen Reihenfolge abzuarbeiten. Die Überlegung folgt dem HK „in der freien Ehrfurcht und Dankbarkeit, in der wir einem guten Bekenntnis der Väter der evangelischen Kirche verpflichtet sind“ (11). 5.2.2 Sieben Nägel. Der HK als Vertreter der gemeinsamen Wahrheit Relativ kurz führt Barth in den HK ein, bevor er mit der Textauslegung beginnt. Nachdem Barth die Notwendigkeit des „Dass“ der Konkretion christlicher Lehre in Form ihres Traditionsbezuges festgehalten hat, begründet er nun das „Was“ – das Ausgehen vom HK – damit, dass diesem die Konkretion in Form des Praxisbezugs besonders eigne. So behauptet Barth, den HK als Bekenntnisschrift zeichne vor „alle[n] anderen“ – lutherischen wie reformierten Vertretern dieser Gattung – aus, dass er „deutlicher [. . . ] aus dem unmittelbaren Lebensbedürfnis einer Kirche hervorgegangen“ sei (16). Das „Zeitalter der anhebenden Gegenreformation“, die Einordnung in die Kirchenordnung zwischen Taufe und Abendmahl und die „praktische Absicht“ des HK führt Barth als Belege dafür an.87 Die auch schon im Vorjahr erfolgte Hervorhebung seines Charakters als „Gemeinschaftswerk“ intensiviert Barth noch einmal: Nicht nur hätten eben mehrere Theologen und auch Nicht-Theologen daran gearbeitet, sondern der Text sei wirklich „aus der Gemeinde hervorgegangen“ (17). Dies versteht Barth anscheinend im doppelten Sinne einer praktischen Rückbindung und einer als „demokratisch“ wahrgenommenen Entstehungsgeschichte.88 Hatte Barth früher das besondere (calvinisch-)reformierte Profil des HK hervorgehoben, vertritt er nun mit Nachdruck, dass der HK gerade keinen spezifisch reformierten Bekenntnischarakter habe. Gegen eine Vereinnahmung dieser Schrift durch eine bestimmte Tradition warnt er, dass er den Konfessionalismus „für etwas vom Bedenklichsten halte, was sich heute in der deutschen Theologie und Kirche ereignet“ (16).89 Der Wert des HK liege gerade in seiner Vermeidung konfessioneller Positionierungen: „Reformierte Sonderlehren spielen in diesem Katechismus doch nur eine kleine Rolle. [. . . ] Wir haben es im Heidelberger Katechismus mit einem Dokument allgemeiner evangelischer Erkenntnis zu tun. 87 Die Verwurzelung im Gottesdienst und die Stellung zwischen Taufe und Abendmahl hebt besonders hervor. Er beschreibt die beiden Sakramente als „Vorbild aller Bekenntnisse“ und verknüpft dies mit dem alttestamentlichen זכר, um das Bekenntnis als „Gedächtnis der Geschichte Jesu Christi“ zu definieren (Plasger, Relative Autorität, 260.274f). Die Bedeutung dieser Rückbindung des Bekenntnisbegriffs entgeht Fangmeier, Rez. zu: Georg Plasger, Die relative Autorität des Bekenntnisses bei Karl Barth, Neukirchen-Vluyn 2000, 310 S. 70. 88 Dass darüber hinaus der HK auch inhaltlich Potentiale für eine „demokratische“ Ekklesiologie aufweist, wird später zu zeigen sein, s.u. Kap. 80. 89 Nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs fand in Deutschland kein kirchlicher Aufbruch unter Überwindung alter Gräben statt, sondern vielmehr eine „Restauration, wenn nicht sogar Reaktion“ (Greschat, Kirchliche Reorganisation, 251). So beobachtet Barth enttäuscht „das alte Interesse an dem formalen, ordnungsmäßigen Bestand der ‚Landeskirchen‘: nicht eben verbessert durch das Interesse an allerlei neuen Wunderlichkeiten, an einem verstärkten Konfessionalismus und Klerikalismus vor allem, und daneben an einem in allen Spielarten florierenden Liturgismus“ (Barth, How My Mind Has Changed 1928–1958, 195).
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Auch ein vernünftiges Luthertum sollte sich [. . . ] auf diesen Boden stellen können“ (18f). Die reformierten Spezifika verschweigt Barth zwar nicht und nennt als solche explizit die Fragen 47–48 nach dem Modus der Allgegenwart Christi, das Verhältnis zwischen Wasser und Sündenabwaschung in der Tauffrage 72 und die Beschreibung der Realpräsenz im Abendmahl in Fragen 75–79. Diese wenigen Punkte seien aber auch schon „die einzigen, die als exklusiv reformierte Lehre angesprochen werden“ könnten (18). Während der Gegensatz zum Katholizismus klar hervortrete, sei innerevangelisch der HK „nicht [als] ein anderes, sondern nur ein verschieden formuliertes Bekenntnis der einen evangelischen Erkenntnis“ anzusehen (19). Zurückkommend auf den Titel der Vorlesung begründet Barth, der HK sei „bezeichnend für den positiven Sinn der Reformation“,90 und darum „brauchbar als Grundlage einer Entfaltung der christlichen Lehre“ (19). Sowohl diese Lesart als auch die theologische Würdigung der darin festgestellten Haltung hat sich bei Barth im Laufe des Kirchenkampfes gefestigt. Insofern der HK gut reformatorisch ist, kann er, wie der Titel der Vorlesung es verlangt, als Instrument zur Entfaltung der christlichen Lehre dienen. Wie im Kirchenkampf bereits beobachtet, setzt Barth die Begriffe „reformatorisch“, „evangelisch“ und „christlich“ geradezu gleich – nicht als Ausdruck einer bestimmten Kirchenzugehörigkeit, sondern insofern er in ihnen eine sachliche Übereinstimmung feststellt: ihre Bezugnahme auf das Evangelium in Jesus Christus.91 Verschiedene konfessionelle Traditionen können und müssen sich darin aufgehoben wissen. Gleichzeitig hält Barth aber stets an der Konkretion fest: Das Christentum kommt nur in partikularer Gestalt vor, eine abstrakte Einheitskirche ist nicht intendiert. Während das „Dass“ der Konkretion – das Barth aber in der Gemeinde, nicht in der Konfession verortet! – notwendig ist, ist das „Was“ der Konkretion historisch-kontingent, wenn auch nicht beliebig.92 So ist Barth auch in Abgrenzung von der Strategie der von ihm kritisierten zeitgenössischen ökumenischen Bewegung ein Anliegen, die existierenden konfessionellen Differenzen – in all ihrer Relativität – offen zu benennen, anstatt sie diplomatisch zu übergehen.93
90 Vgl. Barths bereits 1923 vorgenommene Einordnung des HK unter die „positiven“, statt antirömisch, anti-lutherisch oder anti-modern polemischen Bekenntnisschriften (ders., Bekenntnisschriften, 109), s.o. S. 75. 91 Vgl. dazu Barths eigene Bekenntnisformulierungen, s.o. Kap. 3.2. 92 Dies lässt sich als Fortführung der 1921 entwickelten Geschichtsdialektik verstehen, s.o. S. 37. 93 In der Vorbereitung der konstituierenden Vollversammlung des ÖRK von 1948, an der Barth sich aktiv beteiligt, ist einer seiner Hauptkritikpunkte, dass nicht „in gleicher Klarheit“ artikuliert wurde, „in was wir einig und in was wir nicht einig waren“ (Brief an Visser’t Hooft am 12.01.1947, in: Barth, OB II, 211). Visser ’t Hooft beschreibt Barths Engagement als „ökumenischen Ringkampf “ (ebd., 214). Nach einigem Hin und Her in der Planung hält Barth schließlich den Eröffnungsvortrag (ders., Unordnung), dessen konstruktive Auseinandersetzung mit dem Anlass doch auch kritische Spitzen nicht vermeiden kann. So mahnt er mit Jes 8: „Beschließet einen Rat und es wird nichts daraus; denn hier ist Immanuel!“ (zit. nach: Herwig, Ökumenische Bewegung, 163). Dennoch kommt Barth nach seiner früheren Skepsis und Kritik „gewissermaßen als ein neubekehrter ‚Ökumeniker‘“ (Barth, Eindrücke von Amsterdam, 20) aus Amsterdam zurück: „Aber in diesem Fall muß ich [. . . ] bekennen: My mind has changed“ (ders., How My Mind Has Changed 1928–1958, 197).
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Die im HK verortete „Substanz reformatorischer Erkenntnis“ gliedert Barth in als gemein-christlich präsentierte „sieben Grundwahrheiten“, denen gegenüber jegliches Sich-Versteifen auf konfessionelle Differenzen lediglich „Zeit- und Kraftverlust“ bedeuten würde (22). Sinngemäß lassen sich diese Grundwahrheiten wie folgt zusammenfassen: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Gott ist der dem Menschen gegenüber freie Gott; Er ist der in Jesus Christus offenbare Gott; Alles Heil liegt in Jesus Christus; Menschlicher Empfang dieser Wohltat ist der Glaube – nicht die Werke; Der Glaube gibt Freiheit zum Handeln; Menschliche und göttliche Freiheit begegnen sich in der Gemeinde; All dies steht unter dem eschatologischem Vorbehalt.94
Bereits in dieser vorangestellten Zusammenfassung zeigen sich Akzentverschiebungen. Der als erste „Grundwahrheit“ formulierte Ausgangspunkt bei Gott statt beim Menschen bestimmt das grundsätzliche Programm in Barths Theologie. Er hält es aber für nötig, besonders darauf hinzuweisen, damit dies unter dem Eindruck der „soteriologisch und also am Heil des Menschen interessiert[en]“ Einteilung des HK nicht übersehen werde (19). Damit legt er eine neue hermeneutische Strategie an den Tag. Statt für seine Theologie problematische Aspekte im Text zu „überlesen“ oder subversiv gegen den Strich zu lesen, bietet er nun explizite Problemanzeigen. Auch im weiteren Verlauf der Vorlesung formuliert Barth immer wieder offen eigene Korrekturen am HK. Ein Beispiel für diese Strategieveränderung findet sich bereits in der Einleitung. Barth hebt hervor, dass der HK „ausgesprochen eine Theologie des dritten Artikels, eine Theologie des Heiligen Geistes darstellt“. Dies zeigt eine deutliche Verschiebung gegenüber seiner Einschätzung noch Ende 1946, wo Barth zwar über die theoretische Möglichkeit eines pneumatologischen Ausgangspunktes reflektiert, aber behauptet hatte, der HK vermeide diesen – aufgrund der mit ihm verbundenen Problematiken – zugunsten seiner Christozentrik. 1947 zeigt er die pneumatologische Orientierung des HK auf, macht aber ebenso offen deutlich, dass er diese als ambivalent bewertet: Ein solcher Ansatz stehe immer schon „in der Gefahr des Anthropozentrismus“ (19). Zur Differenzierung seiner Wertschätzung und Kritik wählt Barth statt der reinen Gegenüberstellung eines Ausgehens von Gott mit einem Ausgehen vom Menschen eine trinitarische Verortung der Stoffeinteilung: Der Ansatzpunkt beim dritten Artikel ist ein Ausgehen von Gott und damit ein theologisch eindeutig legitimes, aber gleichzeitig mit spezifischen Problematiken verbundenes Vorgehen. Trotz der bereits im ersten Punkt erfolgten Akzentuierung der pneumatologischen Konzentration des HK erklärt dies, warum Barth im Folgenden die Pneumatologie dennoch kaum entfaltet. StattdesAusführlich berichtet Herwig, Ökumenische Bewegung, 154–194 über Barths Teilnahme an der Vollversammlung. 94 Vgl. Barth, Die christliche Lehre 1947, 19–22.
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sen konkretisiert er die theologische Grundbestimmung sofort im zweiten Punkt christologisch und liest den HK von seiner Zitation in BTE I her: „Eine andere als eine auf das Wort Gottes in Jesus Christus begründete Theologie kann sich jedenfalls nicht auf den Heidelberger Katechismus berufen (20).“ Neben der bereits angesprochenen öffnenden Interpretation des HK als allgemein evangelisches bzw. christliches Dokument vollzieht Barth eine weitere Öffnung der Perspektive, indem er – nun in Anlehnung an BTE II – auch über die Beschränkung auf das Christentum hinausgeht. In Jesus Christus gehe es um das „eine und völlige Heil“ für alle Menschen. Dies müsse im Sinne „echter evangelischer Lehre“ als „Korrektur“ gegen die „Neigung“ des HK angemerkt werden, „diese Wohltat zu beschränken auf die Christenheit, bzw. auf die Kirche.“ (20) Hatte Barth 1946 noch mit dem HK die Herrschaft Christi über die ganze Welt behauptet,95 formuliert er diese nun als Korrektur am HK. Sein hermeneutisches Vorwort löst er ein, indem er dies ausführlich aus der Schrift begründet, insbesondere aus den im HK selbst angegebenen Schriftbelegen. So berichtigt er den HK von der Schrift her, zeigt aber gleichzeitig auf, inwiefern die Ausweitung „über die Kirchenmauern hinaus“ bereits in Ansätzen als interne Selbstkorrektur des HK formulierbar sei (20). Barths „Grundwahrheiten“ betonen die Aktivität des Menschen: Die menschliche „Freiheit für die Gnade“ im Glauben und die „Freiheit zum Handeln“ in den Werken werden zwar selbstverständlich „in der Freiheit des gnädigen Gottes“ begründet, doch wird am Glauben als „Ja“ des Menschen zu Gott und an der als „eucharistia“ einem Echo gleich auf die „charis“ folgenden „tapferen Tat des Menschen“ festgehalten (21).96 Verglichen mit Luther gebe der HK „klarere Anweisungen über das Verhältnis von Dogmatik und Ethik“ (21).97 Der Betonung des menschlichen Handelns entspricht auch die demokratisierende Ausweitung der Verantwortung auf die gesamte Gemeinde „ohne Zwischenschaltung eines ‚Amtes‘“: Wie der gesamten Gemeinde das Evangelium gelte, sei auch der gesamten Gemeinde „der Dienst am Evangelium anvertraut“ (21). Insbesondere die letzte der „Grundwahrheiten“ eröffnet eine neue Dimension in Barths Lektüre des HK. Hatte er früher das bereits erfolgte Ereignis des Heils und seine Konsequenzen für die Gegenwart im perfektisch-präsentischen „ist“ betont, verschiebt er nun wie im Vorjahr, aber ausführlicher, den Akzent auf die Zukunft: „Das alles aber steht im Heidelberger deutlich unter dem Zeichen des
95 S.o. S. 169. 96 Den Aufruf Zwinglis: „Tut um Gottes willen etwas Tapferes!“ verstand Barth 1922 als Zusammenfassung Zwinglis, den er damals noch in nahtloser Übereinstimmung mit Calvin sieht (ders., Die Theologie Calvins, 104; vgl. ders., Die Theologie Zwinglis, 87.119f.128.131.147.186.212.425.483.500 u.ö.). 97 Barth parallelisiert das Verhältnis von göttlicher und menschlicher Freiheit, von Evangelium und Gesetz mit dem Verhältnis von Dogmatik und Ethik. Diese entspricht also nicht etwa dem Verhältnis von Theorie und Praxis oder Lehre und Anwendung, sondern dem von theologischer Rede von Gott und vom Menschen. Dies klärt auch die enge Verknüpfung von Ekklesiologie und Ethik bei Barth.
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‚noch nicht‘, d.h. der noch nicht eingetretenen letzten Offenbarung.“ (21f) Der in Frage 1 angesprochene „Trost im Leben und im Sterben“, der zuvor als etwas bereits Geschehenes gedeutet wurde, an dem man sich nun festhalten könne, weise darauf hin, „daß noch nicht erschienen ist, was wir sein werden“, dass wir vielmehr „in Erwartung dieser künftigen Offenbarung“ leben (22).98 Die Gesamtheit der „sieben Nägel, die im Heidelberger Katechismus eingeschlagen sind“, bezeichnet Barth singularisch als „Gemeingut der ganzen Reformation“ und als „die gemeinsame große Wahrheit“ (22). Die immer wieder erfolgende Betonung, dass der HK nicht für ein reformiertes Sondergut, sondern für die evangelische bzw. christliche Lehre stehe, entpuppt sich als eines der deutlichsten Anliegen dieses Textes. 5.2.3 Ein anderer Trost: im Sterben, im Tod, im Gericht, im Leid. Verobjektivierung und Eschatologisierung In der Einzelauslegung setzt Barth neu an: Frage 1 bildet nicht mehr das umfassende Paradigma. Die Fragen 31–32 erfahren ebenfalls nur eine knappe Darstellung.99 Barth behandelt alle Fragen jetzt gewissermaßen enzyklopädisch und chronologisch. Nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ verschiebt er den Schwerpunkt in die Mitte des HK, indem er feststellt: „Statistisch beachtlich ist an der Einteilung des Ganzen, welchen Raum die einzelnen Abschnitte einnehmen: 9 Fragen handeln von des Menschen Elend, 74 Fragen von des Menschen Erlösung und 26 Fragen von des Menschen Dankbarkeit“ (41). HK 1 und 2 fasst Barth zusammen. Der Trost wird vom theologischeren Begriff des „Evangeliums“ her gelesen. Bereits hier kommt der Ausbau der eschatologischen Perspektive zum Tragen: Trost ist nicht die Überwindung der schweren Situation, in der der Mensch sich befindet, sondern ihr zum Trotz ein Grund „– trotzdem er ernsten, ja dringenden Anlass hätte zum Gegenteil! – dennoch auszuharren, dennoch Mut zu fassen, dennoch fröhlich zu sein“ (22). Barth kommt darüber hinaus zu dem ihm neuen Schluss, dass bei dem Hendiadyoin von „Leben und Sterben“ der Nachdruck „offensichtlich“ auf dem Aspekt des Sterbens liege.100 Er beschreibt es als „eschatologischen Rand“ des Lebens, durch den der Mensch „vom Nicht-Sein“, von der „totale[n] Destruktion seines Seins, seiner Seele und seines Leibes“ bedroht ist (23). Dieser eschatologischen Schwere stellt er 98 Die in der unausgeführten Gliederung von 1937 (s.o. S. 135) vermutete Verlagerung des Trostes in die Zukunft und die Definition der Eschatologie über den Trost bestätigt sich damit hier. 99 Nimmt Frage 1 etwa die Hälfte seiner Vorlesung von 1921/22 ein, so 1947 nur noch eine Sitzung. Auch wenn Barth anmerkt: „Diese Frage [32] ist eine der interessantesten des ganzen Katechismus“, wird die „Entsprechung des Lebens Jesu Christi“, zu der der Christ aufgerufen ist, hier nicht inhaltlich durch das dreifache Amt charakterisiert (61). 100 Woraus dies so „offensichtlich“ werde, erläutert Barth nicht. Im Laufe des Semesters hielt Barth noch einen Vortrag über HK 1 in der Pfarrbruderschaft in Oberkassel. Dort wird der HK anhand der durch Frage 1 gegebenen Stichwörter erläutert. Wie in der Vorlesung ist auch hier in dem Begriffspaar „Leben und Sterben“ das Sterben durch Unterstreichung hervorgehoben (Barth, Heidelberger Katechismus Frage 1).
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nun die eschatologische Hoffnung gegenüber, das „dennoch“ des – ebenso „totalen“ – Trostes. Das existentiale Vokabular prägt nicht nur die Problembeschreibung, sondern auch die Lösung: Das Jesu-Christi-eigen-Sein bedeute, dass dem Menschen „die Sorge für mich selber“ als „der umfassende Ausdruck für das Dasein eines ungetrösteten Menschen“ abgenommen sei (24). Während die inklusive Dimension des Trostes („einig“) in neue Begriffe übersetzt wird („total“, „vollkommen“), wird die exklusive Dimension durch das Attribut „einzig“ ebenfalls hervorgehoben.101 Wie die Not des Menschen eine einzige sei, sei auch sein Trost ein einziger, nämlich das Wissen: „ich existiere exzentrisch“ in Jesus Christus (24). Diese gegen den äußeren Schein festgestellte exzentrische Existenz des Christen ist für Barth der Inhalt des Trostes. In den Ruinen des Bonner Schlosses erläutert Barth aber nicht nur das Stichwort „Trost“ für die Zuhörer: Seine Auslegung des HK verkündigt diesen Trost geradezu. Die „zwei Aussagereihen“ von Blut und Geist führen wieder die Dimensionen von Vergangenheit (geschehenem Erlösungswerk) und Gegenwart (christlicher Existenz) ein. Sie werden auch aufgeteilt in Christi „objektives Tun für uns“ und „sein subjektives Tun an uns und in uns“. Die Gegenwart sei aber von der Zukunft her geprägt: durch die Versicherung des ewigen Lebens gegen die „Sorge vor dem Kommenden“ (27) und durch die „klare Direktion“, die dadurch in das Leben des Menschen komme (28). Die Systematisierung der christlichen Lehre nach Frage 2, die Barth früher noch als melanchthonisch kritisiert hatte, nimmt er nun in Schutz, zunächst bezüglich der kognitiv-intellektualistischen Formulierung: Es bedürfe tatsächlich eines „bestimmten Wissens“, der christliche Glaube sei „nicht irrational“, sondern ein „vernünftiger Gottesdienst“ (28f).102 Die Einteilung des HK bezeichnet Barth mit aus der Architektur entlehnten Bildern als „Plan“ bzw. „drei Linien, auf denen weitergebaut werden soll“ (29). Die bekannten Schlagwörter des HK von Elend, Erlösung und Dankbarkeit übersetzt Barth in neue Begriffe und redet stattdessen von „Not“, „Bewahrung“ und freier „Dienstbarkeit“ des Menschen (29). Bei bleibender Betonung der persönlichen Schuld des Menschen wird die mit diesen Termini verbundene Ambivalenz und Problematik des Daseins ebenso wie die Antwort auf die Erlösung deutlich von einer möglichen innerlichen Interpretation nach außen verschoben: So wie „Not“ eher eine objektive Größe darstellt als ein subjektiv empfundenes „Elend“, wie die „Bewahrung“ eher einen äußeren Schutz intendiert als die innerlich verkürzbare „Erlösung“, so wird auch die „Dankbarkeit“ als „Dienstbarkeit“ und somit klar als öffentliche und tatkräftige Verantwortung statt als persönliches (und möglicherweise still bleibendes) Gefühl gefasst. In der Freiheit gegenüber dem Text geht Barth relativ weit, wenn er behauptet:
101 Ähnlich charakterisiert Barth später Gott in seinem Wort: „Er ist es vollständig“, d.h. einig, und: „Er ist es ausschließlich“, d.h. einzig (51). 102 Allerdings verzichtet Barth darauf, die Vernünftigkeit der christlichen Lehre wie zuvor konfessionsspezifisch als reformierten „Intellektualismus“ oder melanchthonische Disposition zu verorten (vgl. 28f).
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Es ist beachtlich, daß hier nur von der objektiven Seite von des Menschen Elend gesprochen wird. Es wäre doch auch wohl noch manches Subjektive zu sagen von dem Elend des Menschen [. . . ]. Der Katechismus hat seine Ausführungen hier abgebrochen bei der Frage des göttlichen und menschlichen Rechtes. Ihm scheint das zu genügen, und es genügt in der Tat (40).103
„So tröstlich kurz“ nur solle auch der Prediger des Menschen Elend berücksichtigen (40f). Neben der Statistik spreche dafür auch die strukturell und semantisch enge Anbindung des ersten Teils an den folgenden Abschnitt von „Gottes Gerechtigkeit“. Die von Barth hergestellte Verobjektivierung als Abwehr einer subjektivistischen Tendenz zeigt sich auch in den Überschriften: „Objektiv“ ist für Barth Gott allein – statt von des „Menschen Elend“ ist darum selbst im „anthropologischen“ ersten Teil von „Gottes Anklage“ (HK 3–9) und „Gottes Urteil“ (HK 10– 11) die Rede. Durch die parallel strukturierte Überschrift von „Gottes Gerechtigkeit“ (HK 12–18) werden die ersten beiden Teile des HK eng verbunden. Selbst die Betrachtung der menschlichen Existenz zu Beginn wird so von einer möglichen Anthropozentrik und Subjektivierung in eine von Gott ausgehende Bewegung verschoben: Das „[i]ndem Christus. . . “ bildet den Ausgangspunkt auch der Anthropologie. Nur rückwirkend und ohne „Reflexion auf besondere Untaten des Menschen“ betrachtet, erhält die Anthropologie so keine Eigenbedeutung. Sie entspringt für Barth „nicht aus Optimismus oder Pessimismus“, sondern „vielmehr aus dem Hören auf das Gesetz Gottes.“ (33) Darum ist ausgerechnet an dieser Stelle – in der Reflexion auf das Elend bzw. die Not und Sünde des Menschen – die sonst von Barth so häufig eingeforderte Konkretion nicht zu finden. Auch in der im Zusammenhang mit Frage 46 angesprochenen Erlösung geht es Barth um „objektive Todesüberwindung“ und „objektive Lebensherrlichkeit“, mit der dezidierten Klarstellung, dass es um eine „geschichtliche Entscheidung gehe, die über uns fällt und also zunächst in keiner Weise in uns“ (69). Barth besteht darauf, das Gesetz Gottes nicht mit dem Gewissen oder dem Naturrecht zu identifizieren, sondern mit dem „Bund der Gnade“, der „voll heimlichen Trostes des Evangeliums“ sei (34). So seien auch die beiden Teilabschnitte vom „Elend“ des Menschen unbedingt von der Grundaussage des Trostes her zu interpretieren: „Schon das ist Trost“ für den Menschen – so heißt es zweimal – „daß eben Jesus Christus es ist, der diese Anklage gegen ihn erhebt“ bzw. „der ihm dieses Urteil spricht“ (30.35). Auch Gericht und Verurteilung werden nun konsequent von Christus her nicht als Bedrohung, sondern als Trost verstanden.104 Von diesem aus dem Evangelium gelesenen Gesetz Gottes her sei aber dennoch zu sagen: „[D]er Mensch ist böse“. Es sei zum einen „heute deutlicher als es noch vor 30 oder 40 Jahren war, [. . . ] daß die Tünche von Humanismus und Kultur vielmehr als peinlich dünn sich erweist“ (33). Zum anderen belegt Barth mit einer Samm103 Diese Strategie, den HK im Widerspruch gegen dessen landläufige Interpretation zu verwenden, hatte Barth 1921/22 bereits in Bezug auf Frage 1 und in den 1930er Jahren in Bezug auf Frage 54 angewendet, s.o. Kap. 2.2.4 und 3.2.7. 104 Diese tröstliche Interpretation hielt Barth 1921 noch für undurchführbar, s.o. S. 61.
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lung von anschließenden Bibelzitaten, dass dieses Urteil grundsätzlich bereits in biblischer Zeit über den Menschen feststand. Barth weigert sich, die unangenehmen Aussagen von Zorn und Fluch Gottes „durch eine kunstvolle Exegese zu eliminieren“, sieht aber auch diese Aussagen als „voll Trost und Evangelium“ (36). Sie belegen, dass der Mensch Gott „zu Herzen“ gehe: Gott „wehrt sich gegen die Feindschaft des Menschen.“ (37) Allerdings hält er fest, dass auch die „Grenzsituationen“ der Kriegsjahre mit echter Erkenntnis des Zornes Gottes „noch nichts zu tun“ hätten (38). In schonungsloser Ehrlichkeit spricht Barth vor seinen deutschen Hörern von den ermordeten „6 Millionen Juden“, von „Verbannung“, „Grauen und Not aller Art“ und von den noch drohenden „Atombomben“. Provokativ weist er darauf hin, dass auch all dies nicht die Umkehr gebracht habe, die ein echtes Gericht Gottes bedeuten würde: Ist auch nur ein einziger Mensch wirklich von Grund aus anders geworden durch die fallenden Bomben? Und wenn es noch ein wenig schlimmer kommen würde, als es gewesen ist, es würde kaum etwas anders werden. Atombomben zur Veränderung und Neuwerdung des Menschen? Es ist absurd, das zu denken! (38f)
Trotz allen Leides und aller Bestürzung, trotz aller Forderung nach Buße und Neuanfang wehrt Barth sich gegen die theologische Vereinnahmung und Bewältigung der Katastrophe. Das Leiden habe keinen auch nur pädagogischen Sinn und sei ganz bestimmt nicht als Warnung oder Gericht Gottes zu interpretieren. „Fallende Häuser und einstürzende Mauern sind nicht das Wort Gottes. Das Wort Gottes ist Jesus Christus“ (39). Das eine Wort Gottes ist nicht nur das Wort des Evangeliums, sondern das umfassende und darum eben auch das des Gerichts.105 Während den Katastrophen der Geschichte so selbst noch jeder negative Sinn verweigert wird – die Theodizeefrage ist eben nach Barth keine christliche Frage! –, wird gleichzeitig das tatsächliche Gericht Gottes unter das tröstende Vorzeichen gestellt, dass es Teil des Christusgeschehens sei und sonst nirgendwo erfolge. Indem das Elend des Menschen christologisch angezeigt und aufgehoben wird, tritt es zwar als ernstzunehmende, aber immer schon „vorletzte Wirklichkeit“ in den Blick (40). Wie das Gericht, so stellt Barth auch die ebenso ungemütliche Satisfaktionslehre in HK 12–18 im Anschluss unter das Stichwort des Trostes (41). Wie früher grenzt er sich auch jetzt von Langs Einschätzung ab, die „sachlich zweifellos ein Fehlurteil“ sei.106 Stattdessen demonstriert er durch eine detaillierte Nachzeichnung des im HK geführten „Schriftbeweises“ als „Analyse der vom Alten und vom Neuen Testament bezeugten Christus-Tatsache“, dass die Satisfaktionslehre nicht durch „apriorische Deduktion“ (42) zustande komme. Sie zeige durchaus legitim, dass „die Christus-Tatsache [. . . ] nicht eine zufällige und willkürliche Tatsache ist, sondern ein sinnvolles, notwendiges, logisches Geschehen“ (43). Die Argumentation kumuliert in Frage 18, in der Barth neue Akzente setzt. Zum einen fasst er die zuvor häufiger aufgeteilte Linie von Erlösung und Gerechtigkeit nun in eine einzige zusammen und dreht auch ihren inneren Bezug um: „Jesus Christus 105 S.o. S. 67. 106 Barth, Die christliche Lehre 1947, 42, s.o. S. 62.
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ist unsere vollkommene Erlösung durch Gerechtigkeit“ (44, kursiv HR). Während die königliche Gerechtigkeit noch 1946 aus der priesterlichen Erlösung entsprang, scheint nun jene diese erst zu erwirken. Zum anderen differenziert Barth nun aber zwischen der geschehenen Erlösung in ihm und der „noch nicht geschehenen Erfüllung dieser Verheißung“ an uns (45). Statt zwei Dimensionen in Christi Werk zu unterscheiden, stellt er sie in ein Verhältnis eschatologischer Spannung von schon jetzt und noch nicht bzw. von Wirklichkeit und Verwirklichung. Barth führt ein halbes Dutzend – nicht der HK-Ausgabe entlehnter – Bibelstellen an, um zu belegen, dass „wir heute wieder stärker, als dies im 16. Jahrhundert der Fall war, das Gewicht darauf legen [müssen], daß der Vollzug unserer Erlösung, unsere Einordnung in die wiederhergestellte Rechtsordnung, Sache unserer Hoffnung ist, Sache der Zukunft Jesu Christi in seiner Offenbarung.“ (45) Wie nie zuvor entfaltet Barth die tröstende Dimension des HK. In dieser eindrücklichen geschichtlichen Situation findet sich keine Polemik mehr gegen menschliche Bedürfnisse, Barths ganze Auslegung des HK kann als Zusage dieses Trostes an seine Hörer gelesen werden. Zugleich versteht er diesen Trost mehr denn je eschatologisch. Er ist nicht Besitz und gemachte Erfahrung, sondern Ausdruck der christlichen Hoffnung auch und gerade im 1945 so augenscheinlichen menschlichen Elend, das darum aus der Perspektive von Erlösung und Dankbarkeit behandelt wird. 1947 erklärt Barth das Credo – das Bekenntnis im Bekenntnis! – zum „Mittelstück des Katechismus“, das außerdem noch von „Abschnitten, die vom Glauben handeln“ umgeben ist (45). Der Glaube, der sich im Bekennen niederschlägt, steht genau in der bereits angedeuteten eschatologischen Spannung an der Schnittstelle zwischen geschehener Erlösung und noch ausstehender Erfüllung der Verheißung. Die erste Frucht, also die tatsächliche Wirksamkeit des Wortes Gottes ist, „daß es Zeugen findet, ein Volk von Zeugen“ (46). Nur in dieser Vermittlung durch die Zeugen kommt das Wort schon immer zu uns. Deren Existenz ist aber als „Aparche“ bzw. „Arrabon“ zu verstehen: „ein Erstes, das ein Größeres verheißt. An diesem Volk, das seine Existenz nur im Worte Gottes begreifen kann, wird die Erlösung durch Gerechtigkeit vorläufig und relativ,107 aber höchst wirksam Ereignis und als solches auch erkennbar.“ (46) Konsequent zu seiner Vorrede korrigiert Barth stillschweigend die Heilseingrenzung des HK auf die Gläubigen durch die wiederholte Betonung des eschatologischen Vorbehalts: „[N]och haben nicht alle, die es gesehen haben, es auch ergriffen.“ Das existente Gottesvolk – mit dem Barth nicht Israel, sondern die Kirche meint – sei „ein neuer Anfang der ganzen Menschheit [. . . ,] nicht Selbstzweck und nicht das Endziel.“ (47) Auch hier fügt er zur Begründung mehrfach Bibelzitate ein, die über den HK hinausgehen. Den Glauben selbst beschreibt Barth mit lauter Aktiva, wie etwa „ergreifen“, „setzen“, „bezeugen“. Die Erkenntnis des Glaubens wird so zum Akt des Glaubens. Ja, die Offenbarung selbst wird in den
107 Die Adjektive „vorläufig und relativ“ gebrauchte Barth bereits 1923 und 1925 mit Vorliebe als Adjektive zur Charakterisierung des reformierten Bekenntnisverständnisses, s.o. S. 79.86.
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Aktionsbereich des Menschen hineingezogen: „Offenbarung ist Sache einer Wahl und Auswahl, Sache eines Aufgerufenwerdens und einer Entscheidung“ (47). Aber auch explizit geht Barth „bewußt über den Literalsinn des Katechismus hinaus“ (48). Bereits der Begriff des Literalsinns und die Abgrenzung von der alleinigen Betonung desselben stellen Barths Bekenntnishermeneutik in Parallele zur Schrifthermeneutik. Barth legt offen, er sei in seiner Auslegung über den HK hinausgegangen: zum einen „entsprechend dem eschatologischen Charakter der Erlösung durch Gerechtigkeit“ in der Betonung des „vorläufigen Charakter[s] der Offenbarung und des Glaubens“ (48), sodann im Verständnis des Glaubens als „nicht nur individuell, sondern auch ekklesiologisch“ bedeutsam, und schließlich („im Gegensatz zu der etwas egoistischen, engen und ‚muffigen‘ Luft, unter der man in Frage 20 sonst leicht leiden könnte“) in der Betonung, dass der Glaube nicht nur dem individuellen Heil diene, sondern „als Ausrüstung der Christen für ihren Auftrag in der Welt verstanden“ werden wolle (49). 5.2.4 Das Wort vor Gott und Welt. Christologie als Ausgangspunkt für Trinitäts- und Schöpfungslehre Aber nicht nur explizit, auch stillschweigend verbessert Barth den HK weiterhin. Die trinitarischen Artikel sortiert er nicht nach ihrer Aufzählung in Frage 24, sondern nach der Definition Gottes in Frage 25. Dass der eine Gott derjenige sei, „der sich in seinem Wort geoffenbart hat“, nimmt Barth zum Anlass, alle drei Artikel christologisch zu zentrieren und aus der Perspektive des Menschen zu formulieren: 1. Der in Jesus Christus erlöste Mensch hofft als solcher auf das Kommen des ewigen Reiches der Freiheit, dessen Herr eben sein Erlöser, Jesus Christus, Gott der Sohn ist. Dieser ist Gott. 2. Der in Jesus Christus erlöste Mensch sieht in dem Reich, auf das er hofft, den Grund seiner Existenz und aller Existenz überhaupt, in dessen Herrn also seinen Schöpfer, Gott den Vater. Dieser ist Gott. 3. Der in Jesus Christus erlöste Mensch findet sich von diesem Reich schon jetzt und hier umfaßt, in dessen Herrn also den, der ihn heiligt, den Heiligen Geist. Dieser ist Gott. (50)
Ausgangspunkt der Formulierungen ist nun erstaunlicherweise der Mensch, allerdings eben der Mensch in Christus. Die in der Form „Gott der Erlöser, Gott der Schöpfer, Gott der Heilige Geist“ aufgebaute Trinität wird dabei doppelt christologisch privilegiert, zum einen durch die unkonventionelle Voranstellung der „zweiten“ Person, zum anderen durch die Verankerung aller drei Personen in der Erlösungstat Jesu Christi. Dies zeigt sich auch in der dreifachen Terminologie von Gott als „Herr“ (κὑριος) – für Barth eindeutig ein christologischer Titel. Barth führt als Begründung für diese Schwerpunktsetzung und Gewichtung innerhalb der Trinitätslehre wiederum die Statistik des HK selbst an: „3 Fragen sind dem 1. Artikel zugewendet, 24 Fragen dem 2. Artikel und 7 Fragen dem 3. Artikel.“ (57) Die im HK als Jesu-Christi-eigen-Sein formulierte Herr-Schaft Gottes über den Menschen verbindet sich mit Barths Neuentdeckung der eschatologischen
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Dimension, indem er das in dieser Herrschaft implizierte Reich als kommendes und erhofftes in die Zukunft verlagert, zugleich aber als in der bereits angebrochenen Kraft des Geistes „schon jetzt und hier“ präsentes vorstellt (50). Wie Appropriationen ordnet Barth den trinitarischen Personen die Dimensionen der Zeit zu: dem Sohn das Kommen der Zukunft, dem Schöpfer die gründende Vergangenheit, dem Geist die Gegenwart. „[I]n unmittelbarem Zusammenhang mit der Erkenntnis unserer Erlösung in Jesus Christus“ formuliert Barth auch die Schöpfungslehre, anstatt sie – wie der HK selbst dies vorgibt – dem Vater zuzuordnen (52). Nur in dieser christozentrischen Fokussierung gewinnen die schwierigen Schöpfungsfragen 26–28 an Bedeutung gegenüber Barths früheren Auslegungen.108 So lobt er sie als „Rückgrat der christlichen Lehre“ (51) und als die „theologischen Glanzstücke des Katechismus“ (53). Immer wieder hebt er dafür allerdings die ontische und noetische Begründung auch der Schöpfungslehre in der Christologie hervor.109 Anstatt biblische Anthropomorphismen in der Beschreibung Gottes zu problematisieren, versteht Barth alle Rede vom Menschen umgekehrt als Theomorphismus (55f). Von der christologischen Begründung her werden auch Natur und Gnade nicht analog zu Schöpfung und Erlösung einander gegenübergestellt, sondern Gnade mit Natur gleichgesetzt, während außerhalb der Gnade „nur das Nicht-Sein“ Platz hat (53). Christus wird so geradezu zur alleinigen Wirklichkeit erklärt. 5.2.5 Der Herr als Bruder – und „des Heilands leibliche Brüder“ Bevor er sich der komplementären Betrachtung vom „Recht Gottes in Jesus Christus“ (HK 35–44) und dem „Recht des Menschen in Jesus Christus“ (HK 45–49) zuwendet, erläutert Barth die Fragen 29–34. Für die Ausführung der Apostolikums-Aussage „Jesus Christus, Gottes Sohn, unsern Herrn“ wählt er den etwas überraschenden Titel „Jesus und seine Brüder“ – in den Kriegsruinen der NaziUniversität Bonn eine deutliche Anspielung auf das Volk Israel. In einem späteren Gespräch antwortet Barth auf die Frage „Sind die Juden auch irgendwie [. . . ] unsere Brüder und Schwestern?“: Umgekehrt! Die Juden sind das ursprüngliche Volk Gottes. Wir, die Christen, sind nur nachträglich dazugekommen. Wir können heilfroh sein, wenn wir ihre Brüder und Schwestern sind. [. . . ] Und nun ja nicht Judenmission treiben! Treiben wir lieber Christenmission! [. . . Wir haben] an Jesus Christus gesündigt, der ja nicht nur ein Mensch, sondern ein Jude geworden ist.110 108 Dies deckt sich mit Barths expliziter Kritik an deren fehlender christologischer Charakterisierung in Barth, KD III/3, 131. 109 Systematisch hat Barth dies zeitnah in KD III/1 durchgeführt: „Die Absicht und also auch der Sinn der Schöpfung ist [. . . ] die Ermöglichung der Geschichte des Bundes Gottes mit dem Menschen, die in Jesus Christus ihren Anfang, ihre Mitte und ihr Ende hat: Die Geschichte dieses Bundes ist ebenso das Ziel der Schöpfung wie die Schöpfung selbst der Anfang dieser Geschichte ist“ (ders., KD III/1, 44). 110 So ders., Titusgemeinde, 306. Bereits 1933 hatte Barth in einer Predigt unmissverständlich konstatiert: „Jesus Christus war ein Jude“ (Predigt am 10.10.1933 zu Röm 15,5–13, in: Ders., Predigten
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Der Titel Jesus und seine Brüder hält die Erinnerung an den heilsgeschichtlichen Primat Israels aufrecht. 1945 hatte Barth programmatisch erklärt: „Die Judenfrage ist die Christusfrage. Daß die Juden Christus in ihrer Mehrzahl verworfen haben und in ihrer Mehrzahl noch heute verwerfen, ändert daran gar nichts, daß sie das Christusvolk sind“.111 Während alle „allgemein“-theologischen Topoi christologisch hergeleitet wurden, wird nun konsequenterweise gerade das Christus-Amt seinerseits von Barth im Judentum begründet: Es sei ein „im alten Bund vorgebildetes charismatische[s]“ Amt. 1947 geht es Barth nicht um eine abstrakte, spekulative oder deduktive Christologie. Die Pointe der Christologie bildet vielmehr die Mahnung, dass „Altes und Neues Testament, Juden und Christen [. . . ] in unlöslicher Weise zusammen“ gehören (59).112 Bartht trennt die im HK eng verbundenen Fragen 31 und 32 und rahmt mit ihnen die restlichen Fragen.113 Die Stichwörter von Erlösung „durch Gerechtigkeit“, von Blut und Geist tauchen zwar auf, werden aber nicht systematisch auf zwei oder drei Linien verteilt. Mit Frage 32 als einer „der interessantesten des ganzen Katechismus“ (61) beschreibt Barth das Leben des Christen. Er geht dabei weder auf den Glauben noch den Heiligen Geist als Bedingungen der Teilhabe an Christus ein, sondern formuliert die „Entsprechung“ zu ihm geradezu als Notwendigkeit und Automatismus: Indem Jesus Christus ein vollkommener Heiland ist [. . . ], wird unser Leben durch ihn geformt, folgen die Glieder ihrem Haupt nach. Der Christ ist ein Mensch, der mit Christus lebt, der Seiner Salbung teilhaftig wird. Sein Leben muß notwendig zur Entsprechung des Lebens Jesu Christi werden [. . . ]. Der Christ wird seinen Namen bekennen, er wird sich „ihm selbst zur Danksagung aufopfern“ (Frage 43) und er wird endlich „mit freiem Ge-
1921–1935, 302). 1938 zog er daraus die Konsequenz: „Antisemitismus ist Sünde gegen den Heiligen Geist“ – also die einzige wirklich unvergebbare Sünde (ders., Die Kirche und die politische Frage von heute, 90). Während des Krieges rief Barth zur Flüchtlingshilfe auf, „nicht obwohl sie Juden sind, sondern gerade weil sie Juden und als solche des Heilands leibliche Brüder sind“ (ders., An die Schweizer Öffentlichkeit [1942], 356). Vgl. zu Barths Haltung gegenüber der „Judenfrage“ ausführlich Busch, Unter dem Bogen des einen Bundes. 111 Barth, Verheißung und Verantwortung, 318. Dies bildet noch eine Steigerung gegenüber der schon 1938 getroffenen Aussage: „So ist die Judenfrage die Christenfrage. Die Unerlöstheit der Juden, ihre Blindheit und ihr Leiden rufen die Christen zur Buße“ (ders., An die Pfarrer, 420). Nicht mehr nur als Christenfrage, als Anfrage an die Christen in ihrem Christsein, sondern als Christusfrage stellt Barth die engst-mögliche Verbindung zum Zentrum christlicher Theologie her. Während des Krieges hatte er ähnlich, aber weiterhin auf die Christen bezogen formuliert: „Ich hoffe so sehr, daß meine ungarischen Freunde sich klar sind darüber, daß die Judenfrage heute sozusagen die christliche Bekenntnisfrage ist, die unter keinen Umständen falsch beantwortet werden darf “ (Barth an I. Tökés am 25.09.1940, in: Ders., OB II, 156, Anm. 25). 112 Die Verhältnisbestimmung steht damit in Kontinuität zu seiner frühester Auslegung 1921 (s.o. S. 65), hat aber inzwischen ungleich mehr politische Brisanz bekommen. Insofern ist es besonders aussagekräftig, dass Barth sie hier im Zentrum der Christologie und der Ekklesiologie verortet. 113 Da Barth sonst in seiner Vorlesung streng der Fragen-Reihenfolge des Katechismus folgt, fallen die wenigen Ausnahmen ins Auge: die überschriftartige Vorziehung von Frage 18 vor Fragen 13–17 (43), die hier erwähnte Rahmung der auch intern umgestellten Fragen 34–33–29–30 durch Fragen 31–32 (58–61) sowie die Einschaltung der Himmelfahrts-Frage 49 zwischen Fragen 45 und 46 (67).
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wissen“ in diesem Leben wider die Sünde und den Teufel streiten, in Ewigkeit mit ihm herrschen (61).114
Kein „er soll“, „kann“ oder „muss“, sondern ein schlichtes „er wird“ (und zwar „notwendig“!) gehört zu all diesen Bestimmungen des christlichen Lebens und drückt die Unverhandelbarkeit der Herrschaft Christi im Leben des Christen aus. Trotz bleibender Distanz und Zukünftigkeit muss nicht erst eine sekundäre Vermittlung und Aneignung erfolgen. Damit wird der Mensch aber auch nicht als passives Instrument der Herrschaft Christi beschrieben: Barth legt Wert darauf, dass es sich hier „um eine unio activa“ handelt, für die die „Werke“ der Gemeinde – außerhalb jeder Werkgerechtigkeit, innerhalb der christlichen „Dankbarkeit“ – unverzichtbar sind (61). In HK 32 sieht Barth das Programm der „Existenz des Christen von seinem Herrn her“ und damit den Grundriss dessen, was im 3. Teil „von des Menschen Dankbarkeit“ zu entfalten ist (61). Indem Barth HK 35–44 und 45–49 als Charakterisierung des Werkes Jesu Christi auslegt, wird deutlich, dass er die Rede vom dreifachen Amt in Frage 31–32 nicht mehr wie zuvor unter Christi Amt, sondern nun unter Christi Person fasst. Sein Verkündigen, Hingeben, Herrschen sind konstitutiv für seine Person, nicht erst sein Werk, ebenso ist auch das Bekennen, Aufopfern, Streiten und Herrschen des Christen nicht seine Aufgabe, sondern Ausdruck seines neuen Seins in Christus, seine christliche Personalität. Dies erhellt auch den ‚Automatismus‘ der Beschreibung: Nicht nachdem der Mensch Christ wird, entscheidet er sich in einem weiteren Schritt, seinen Glauben zu bekennen usw. – überhaupt handelt es sich nicht um eine Entscheidung, sondern ein EntschiedenSein. Christus und die Christen dennoch als „Jesus und seine Brüder“ zu beschreiben, legt die gnadenhafte Selbsterniedrigung Gottes in seiner Menschwerdung aus: Der Herr ist kein absoluter Herrscher, sondern freundlich-zugewandter Bruder.115 Gleichzeitig bietet die Formel vom Herrn als Bruder der Brüder eine Neubeschreibung der klassischen Terminologie der Christen als Kinder Gottes, die bereits Barths Doppelbewegung in KD IV/1–2 andeutet: „Er, der sich – Phil 2 – nicht begnügt hat, selber Gottes Sohn zu sein, wurde Mensch, damit wir würden, was er ist: Gottes Kind.“ (59) 5.2.6 Menschenrecht und Gottesrecht Die Betonung der Nähe und Menschenfreundlichkeit Gottes prägt auch die folgenden Ausführungen über das Recht Gottes als „Gericht, aber hilfreiches Gericht“ (64). Dieses Stichwort unterteilt Barth in das „Recht Gottes in Jesus Christus“ (HK 35–44) im status exinanitionis bzw. der theologia crucis und das „Recht des Menschen in Jesus Christus“ (HK 45–49) im status exaltationis bzw. der theologia gloriae. Angesichts der entsetzlichen Verfallenheit macht Gott sich „zum Bru114 In KD IV/4 erhebt Barth den Begriff der ‚Entsprechung‘ zur Leitkategorie christlichen Lebens, s.u. Kap. 6.2. 115 Eine deutliche Verschiebung gegenüber 1921, s.o. S. 49.
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der der Sünder“ und vollzieht darin die „Wende“ im wörtlichen Sinne: Durch den Platzwechsel Jesu mit seinen Brüdern schafft er eine „neue Menschheit“. Diesen Akt beschreibt Barth in Kategorien der Verzeitlichung: „So schafft Jesus Christus auf der einen Seite eine Vergangenheit, eine Welt des Gewesenen, die die Welt des alten Adam war [. . . ]. Und auf der anderen Seite schafft er eine Zukunft: Er zeigt uns nicht nur den Weg, Er geht ihn und er ist ihn schon für uns gegangen.“ (65) Die Schöpfung der Geschichte selbst ist damit als Akt der Gnade konfiguriert und verleiht dem Begriff „Heilsgeschichte“ eine neue Dimension. Hat Barth früher explizit präsentisch gedacht, fällt auf, dass nun nach der durch Christus vollzogenen Teilung der Geschichte in eine Vergangenheit und eine Zukunft von der Gegenwart keine Rede mehr ist. In der Vorstellung des Platzwechsels ist die Gegenwart voll und ganz durch Christus ausgefüllt: Es gibt also keine allgemeine Kategorie des Präsens, sondern Er ist der Präsens. Dieser unanschaulich-eschatologische Punkt, der die Zeiten aufspannt, ist formal dem Christus des frühen Barth – dem „mathematischen Punkt“, dem „Loch in der Mitte“ – nicht so unähnlich. Die räumlichen Metaphern haben nun aber zeitlichen Platz gemacht. Der Mensch hat von Christus her eine Vergangenheit (der „alte Mensch“) und eine Zukunft (der „neue Mensch“), gegenwärtiges Sein aber hat er nur „im Christus“. Vom „Recht des Menschen“ spricht Barth in dezidierter Anlehnung an und Abgrenzung vom zeitgenössischen Konzept der „Menschenrechte“.116 So formuliert er in Auslegung des HK eine theologische Begründung der Menschenrechte und ihre inhaltliche Konkretion. Ein allgemeines Recht des Menschen könne „einen legitimen Ort [. . . nur] in der Osterbotschaft“ haben, hier aber habe es auch tatsächlich seinen Ort (66). Im Zusammenhang von Auferstehung und Himmelfahrt erwähnt Barth den Heiligen Geist ausführlicher.117 Als „Gegenpfand“ für die nun nicht mehr gegebene Gegenwart Christi auf Erden wird er streng auf Christus bezogen. Der Auferstandene rufe die Christen: „Dieses Rufen des Auferstandenen als lebendiges Wort Gottes, das ein für allemal gesprochen ist, nennt das Neue Testament den Heiligen Geist“, definiert Barth und warnt sofort: „Der Heilige Geist ist nicht ein Fluidum, sondern schlicht das Wort Gottes, das zu uns kommt und das wir vernehmen.“ (68) Durch die Gleichsetzung mit dem Wort Gottes wird der Heilige Geist geradezu mit Christus identifiziert, allerdings unter der qualifizierenden Einschränkung: Wort Gottes, insofern es bei uns ankommt. Unter Abwehr von Entmythologisierung ebenso wie von Historismus hält Barth die Geschichtlichkeit der Offenbarung Christi fest und stellt die Rede von Christus und dem Heiligen Geist als „Pfand“ wiederum in den eschatologischen Zusammenhang der Dialektik von Wirklichkeit und Wirklichwerden, Objektivität und Subjekti116 Im Januar 1947 hatte die Expertenkommission unter Leitung von Eleanor Roosevelt die Erarbeitung eines Internationalen Menschenrechts-Kodex’ begonnen. 117 Selbst bei expliziten Erwähnungen durch den HK hatte Barth den Heiligen Geist bislang eher vernachlässigt. So kommentiert er etwa die Forderung nach der Wiedergeburt durch den Geist in Frage 8 nur durch ein unspezifisches: „Es bedürfe eines ‚neuen Starts‘, wenn es anders werden sollte.“ (32) Auch im Zusammenhang mit den Fragen 31f „übersieht“ Barth den Geist im Zuge seiner christologisch fundierten unio activa (59–61).
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vität: „Es ist Alles vollbracht. – Aber es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden“ (70).
5.2.7 Die Königsherrschaft Christi und die christlichen Konfessionen Den in Frage 47f belegten „Trauerstreit über das Abendmahl“ zwischen Reformierten und Lutheranern, in dem „mit falschen Thesen auf falsche Anti-Thesen geantwortet“ worden sei (71), hatte Barth etwa in der 1938er-Auslegung und andernorts nicht näher betrachtet, da ihm damals politische Fragen vor geschichtlich gewachsene Belastungen, die konfessionelle Einigkeit vor konfessionentrennende Details gegangen war. Nach dem Abklingen der Not der Stunde kann der ältere Dissens wieder ins Gedächtnis gerufen werden – nur um festzustellen, dass es sich hier um ein gegenseitiges Missverständnis gehandelt habe. So sei „dieser ganze Streit verfehlt“ gewesen und habe keinesfalls mehr „kirchentrennende Bedeutung“ (72). Frage 47f nennt Barth darum nun in scharfer Abgrenzung einen „theologischen Betriebsunfall“ und lehnt sogar das reformierte „extra“ – zumindest „[p]ost Christum“ – als „Aussage des Unglaubens“ ab (71). In etwas abenteuerlicher Stichwortverknüpfung der Rede vom „Recht“ (Gottes und des Menschen) mit dem Sitzen „zur Rechten“ leitet Barth die Ausführung der Königsherrschaft Christi nach HK 50–52 ein, die sich über die Kirche hinaus auf den ganzen Kosmos erstrecke (73). Als Haupt der Kirche herrsche er „innerlich und direkt“, als Herr der Welt sei seine Herrschaft eine „äußerliche und indirekte“ (74). Damit sei die Weltgeschichte aber nicht sich selbst überlassen, sondern stehe als Gnadenzeit vor der Zukunft Christi (74). Barth mahnt zur Zurückhaltung vor der Ausmalung farbenprächtiger Endzeitvisionen. In der Eschatologie sieht er vielmehr den Anlass für die Aufstellung von „Fundamentalprinzipien der christlichen Ethik“: den „schlechthinnigen Primat“ des Christlichen im Leben des Christen ebenso wie die „unbedingte Notwendigkeit der Beziehung des Christen zur Welt“ (76). Von der Königsherrschaft Christi her lasse sich keines von beiden gegen das andere ausspielen, auf keines von beiden verzichten. Statt düstere Weltgerichtsspekulationen zu treiben, seien Christen „dazu aufgerufen, zu bekennen und zu bezeugen, dass Christus für alle Menschen gestorben ist.“ (76) Die Verbindung mit dem Zeugnis der Christen in Verkündigung und Ethik macht deutlich, dass es in der Eschatologie nicht um ein jenseitiges oder zukünftiges, sondern ein in der Gegenwart wirksames und diese verwandelndes Geschehen geht. Auch ohne explizit von einer ἀποκατ´αστασις παντῶν zu sprechen, klingt diese in Barths Ausweitung des Christusgeschehens über die Gemeinde hinaus als eschatologische Vision an. Der Auftrag des Christen vor diesem Panorama ist weder die individuelle Heiligung noch die Vergemeinschaftung der Frommen, sondern das Zeugnis in der Welt in Wort und Tat – nicht Sammlung, sondern Sendung.
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5.2.8 „Deus in nobis“. Der Geist, die Gemeinde und der Einzelne „Gott ist Geist“ – als Zusammenfassung des dritten Artikels nach HK 53–58 stellt Barth diesen positiven Satz auf (77) und lehnt sich damit an das johanneische Diktum an (Joh 4,24). Wie in seiner Entfaltung der Trinitätslehre schon angezeigt, legt er diesen als den subjektiven Aspekt des Glaubensbekenntnisses aus: „[I]ch glaube, daß ich existieren darf, daß Gott der Vater und Schöpfer und Gott der Sohn und Erlöser auch mein Schöpfer und Erlöser ist, daß also auch ich sein Geschöpf und sein Erlöster bin. [. . . ] Dieses ‚ich glaube‘ ist der Inhalt des dritten Artikels.“ (77) Nicht mehr wie 1919 in seinem berühmten Tambacher Vortrag 118 im Rahmen der Christologie, sondern nun im Rahmen der Pneumatologie formuliert Barth die „unermeßliche“ Aussage: „Gott ist in mir. Deus in nobis!“ (78) Während der Christus als unverfügbare Heilstatsache das extra nos darstellt, ist der Heilige Geist als Kraft Gottes in nobis wirksam.119 Dies lässt sich als Entsprechung zum im Vorjahr beschriebenen innertrinitarischen „Platzwechsel“ verstehen, in dem Barth Christus als Brückenkopf im Himmel für den Menschen, den Geist als Gegenpfand für den Menschen auf Erden vorgestellt hatte.120 Die Rede vom Heiligen Geist und vom Glauben besagt, „daß ich des in Jesus Christus objektiv beschafften Trostes auch subjektiv schon teilhaftig bin“ (79). Barth will die Rede vom Heiligen Geist von Frage 1 her fassen und festhalten: „[D]ieses Gegebensein des Heiligen Geistes kann keinen Augenblick statisch verstanden werden.“ (79) Die subjektiv klingenden Ausführungen bindet Barth zurück an die Ausbreitung der Herrschaft Christi in der ganzen Welt: Der Glaube stellt den Christen in die Gemeinschaft der Heiligen. Schroff formuliert Barth: „Es gibt kein Privatchristentum. [. . . ] Nicht ich und mein Glaube sind das Ziel der Wege Gottes, sondern die Durchführung seines Werkes.“ (79) Der Einzelne und die Gemeinde werden also nicht gegeneinander ausgespielt. Gerade die Betonung des Einzelnen und seiner individuellen und persönlichen Verantwortung mit dem HK eröffnet die Gemeinschaftsdimension, die aber nicht an den Kirchengrenzen haltmacht. Während der Christus das ist, was inhaltlich den wahren Menschen definiert, ist der Geist nicht seine Innerlichkeit, sondern gerade seine Öffnung nach außen: die Öffnung der Trinität für den Menschen, die Öffnung des Menschen für andere. Trotz der umgekehrten Herleitung wird nun der Einzelne der Kirche in der Gottesbeziehung sogar nachgeordnet. Damit gelte „in voller Strenge: extra ecclesiam nulla salus.“ (80) Barth fährt – geradezu ungerührt durch den Text und die Auslegungsgeschichte des HK – feststellend fort: „Man wird sagen dürfen, daß es schön ist, wie der Heidelberger Katechismus die Existenz des einzelnen Christen gleichsam nur im Nachsatz zur Existenz der Gemeinde erwähnt“ (80). Von der Gemeinde her beschreibt Barth auch das Verhältnis der Christen zueinander: „Ein jeder Christ hat vollen Anteil an der Gabe, die Jesus Christus selber ist. Und anderseits
118 Barth, Der Christ in der Gesellschaft [1919]. Ausführlicher s.u. Kap. 6.1.1. 119 Vgl. Barths 1921 geäußerten Gedanken vom Geist als dem Anderen in uns, s.o. S. 47. 120 S.o. S. 164.
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sind alle aufgerufen, sich ganz und gar in den Dienst zu stellen ‚zum Nutzen und Heil der andern Glieder‘ und gerade so zum Nutzen und Heil aller Menschen.“ (80) So erteilt Barth einer möglichen Amtstheologie eine Absage. Gabe wie Verantwortung kommt jedem Christ in gleichem, nämlich in vollem Maße zu. Die Lehre von der Rechtfertigung in HK 59–64 bezeichnet Barth „als einen Midrasch zu Frage 53“ (83). Gerade die Betonung von Glauben gegenüber Werken, die oft zu Lasten eines als reiner „Gesetzesreligion“ verkürzten Judentums ging, bringt Barth so positiv mit einer Kategorie jüdischer Textauslegung zusammen. Angesichts des Vorlesungskontextes ist die Verwendung eines solchen Begriffes als explizite Identifikation der eigenen Tradition mit der des Volkes Israel zu sehen: Man steht auch hermeneutisch in seiner Spur. Indem er den Glauben als „Antizipation unseres Standes im Endgericht“ fasst, verweist Barth wiederum auf seine neue eschatologische Gesamtperspektive (83). Und schließlich wiederholt er auch in diesem Abschnitt wörtlich sein bereits mehrfach geäußertes Anliegen: „Es gibt kein Privatchristentum. Wie das Endgericht eine höchst öffentliche Sache ist, so ist auch unser Stand in der Rechtfertigung eine Existenz in der communio sanctorum.“ (84) Nicht nur die anfängliche Zuwendung Gottes zur ganzen Welt oder das Ziel seiner Herrschaft über alle Welt, sondern auch die Öffentlichkeit des Endgerichts stellt den Christen in die Gemeinschaft und Publizität der Menschen. Dass die Rechtfertigung allein aus Glauben und damit allein aus Gnade geschehe, hält Barth mit drei Negationen fest. In Anlehnung an die Vollständigkeit der Einteilung des HK gesteht Barth erstens kein ursprünglich gutes Sein des Menschen zu, sodann keinen guten Rest im Menschen nach dem Fall und schließlich auch keinen guten Wandel der Dankbarkeit nach der Erlösung. Ganz und gar ist die Rechtfertigung „das Werk des Heiligen Geistes“ (86), darum muss auch die Vorstellung von der Rechtfertigung durch Glauben mit Vorsicht behandelt werden, denn auch der Glaube ist immer noch „ein menschliches Tun“. Ähnlich wie schon 1937 hält Barth korrigierend fest: „Nicht sein Glaube rechtfertigt den Menschen, sondern der Gegenstand und Inhalt seines Glaubens“ (86). Die nach der Ekklesiologie einsetzende Sakramentenlehre behagt Barth nicht recht. Im Leitsatz vermeidet er sogar den Begriff, indem er die Sakramente als „ereignismäßige Zeugnisse von Gottes gerechtem Handeln in Jesus Christus“ umschreibt (87). Wirksamkeit komme nicht ihnen, sondern der Predigt zu, die Sakramente sind nur deren Zeichen und Bestätigung. Dass die Reformatoren keine dementsprechende Lehre entfaltet hätten, bemängelt Barth. Er will die Sakramente unter eine allgemeine Predigtlehre als eine „bestimmte Gestalt der Verkündigung“ subsummieren (88). Auch die Sakramente seien „keine Privatangelegenheiten, sondern sie gehören in die Gemeinde.“ (89) Taufe und Abendmahl zeigen für Barth „den Raum an, in welchem der christliche Glaube leben darf “ (90). Damit bindet er die Sakramentenlehre zurück an den ‚Sitz im Leben‘ (bzw. im Buch) des HK: Die inhaltliche Auslegung bestätigt die Beobachtung zu seiner Situierung in der Kirchenordnung zwischen Tauf- und Abendmahlsformular, mit der nun nach der christologischen Gründung der Zeit die sakramentale Eröffnung des Raumes beschrieben wird (90).
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Die Kindertaufe bezeichnet Barth gegen HK 74 als inkonsistent. Er warnt vor der Identifikation der Kirche mit einem corpus christianum im Sinne einer Volksbildung ebenso wie vor einer verfehlten Angst um die Volkskirche (96f): Gegen jede nationalistische und Nationalkirchenidee stellt nicht das eigene Blut, sondern der Geist Gottes das Element des Bundes dar. Die Sakramente bilden als „Zeichen“ aber nicht „nur“ Hinweise, sondern auch eine „Realgestalt“ des Wortes Gottes (90), die den Gläubigen Christus gleichgestaltet. So ist die Taufe „Homoioma, das Gleichnis des Todes Christi“ und das Abendmahl „das Homoioma des Lebens Jesu Christi“ (92.99), beide jedoch sind damit „eine Gestalt des Wortes Gottes“ (94). Die christologische Zuspitzung geht hier so weit, dass selbst das „Leben und Sterben“ aus Frage 1 nicht das des Menschen selbst, sondern das Christi ist – darum kann es tröstlich sein. Mit seinem Gleichnisbegriff bezieht Barth das Sakrament als verbum visibile zugleich unmittelbar zurück auf das Wort Gottes. Damit gelingt Barth eine Anknüpfung an die traditionelle Terminologie von der Realpräsenz Christi bei gleichzeitigem Verständnis des Sakramentes als zeichenhaftem Geschehen. Während er die innerevangelischen Differenzen auch im Verständnis des Abendmahls übergeht oder relativiert, bleibt er bei der Absage des HK an den Katholizismus in Frage 80.121 Gegen die „große Ahnungslosigkeit“, die heutige Protestanten dazu verleite, „die Differenzen zur katholischen Lehre zu verharmlosen“, hält er fest: „[M]an darf sich nicht darüber täuschen, daß das katholische Denken die ihm eigene Struktur niemals preisgeben wird. Es gilt hier zu wählen zwischen ‚Christus allein‘ und ‚Christus und . . . ‘“ (105). Im Lichte der vorangegangenen Auseinandersetzungen ist klar: Dies ist kein konfessionalistisches Ressentiment, sondern die Abwehr der „Mächte und Gewalten“. Der Vorwurf des Götzendienstes, der bei Barth im „Christus und. . . “ anklingt, ist einer der schärfsten, die er formulieren kann. Im Anschluss an die Abendmahlslehre weist Barth noch einmal explizit auf eigene Akzentuierungen seiner Auslegung gegenüber dem HK hin. Unaufgeregt korrigiert Barth von der Sache her: Der HK habe „die Begriffe Leib und Blut einseitig auf die physische Seite der menschlichen Natur Jesu Christi bezogen“, er hingegen wolle sie „auf den totus homo und totus Christus“ bezogen wissen (105). Der HK habe die Einsetzungsworte „einseitig auf die Elemente des Abendmahls“ bezogen, er hingegen „auf die ganze Handlung“ (105). Und schließlich habe der HK das Abendmahl „einseitig auf die Erinnerung an den Gekommenen“ bezogen, er aber auf „das Leben des Auferstandenen Christus in der Gemeinde“ und damit „auf den Wiederkommenden“ (106). Als letzte Äußerung des veröffentlichten Teils steht hier wiederum Barths Ausweitung der Interpretation und insbesondere seine Eschatologisierung, nicht die konfessionalisierende Kritik.
121 Auch später wird Barth zwar an der inhaltlichen Abgrenzung festhalten, die scharfe Formulierung des HK aber relativieren, vgl. Barth, Gespräche 1964–1968, 367f.
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5.2.9 Gebet und Gebot. Fragen 81–129 Die Fragen 81–129 sind auch in dieser Vorlesung Barths wohl nicht mehr vorgetragen worden. Nur vorformulierte Leitsätze zu ihnen sind veröffentlicht.122 Hatte Barth 1921 jede Form von Kirchenzucht abgelehnt,123 konstatiert er jetzt: „Um der Sendung willen bedarf es der Reinigung – der Prüfung des Glaubens – der Scheidung zwischen Gläubigen und Ungläubigen – des Schlüsselamtes.“ Es geht hierbei nicht um die Reinheit einer esoterischen Gemeinschaft oder um ein Züchtigungsinstrument, sondern darum, des Christentums „Leistungsfähigkeit für die Welt“ zu sichern.124 Hervorgehoben wird in diesen unausgeführten Paragraphen wiederum mehrfach der aktive Charakter des Glaubens: „Wir sind als Christen dazu verpflichtet; nicht, um uns durch sie aus unserem Elend zu befreien, nicht als Beitrag zu unserer Erlösung, wohl aber als eine Konsequenz daraus.“ (T20) Barth betont nachdrücklich: Glaube ist auch eine „verantwortliche Lebensentscheidung“ und „Verpflichtung zu guten Werken“ als „Konsequenz“ der Erlösung: als Entsprechung zu ihr – „die ganze Ethik kann nur auf dieser Basis Sinn haben“ (T20). Entlastend gilt aber auch die Begrenzung des Glaubensgehorsams durch die Herrlichkeit Gottes (T21). Auch die Auslegung des Dekalogs habe dementsprechend über die theologia crucis zu erfolgen. Die Verbote des Gesetzes formuliert Barth positiv als Gebote: Gehorsam sei, was auch die menschliche Ehre respektiert, daß es das menschliche Leben in jeder Gestalt schont und fördert, daß es die Würde der Beziehung zwischen Mann und Frau zur Geltung bringt, daß es die Gemeinschaft der Arbeit und des Lohnes sichtbar und die menschliche Sprache zum Instrument der Wahrheit macht (T22).
Bei Barth ist das Menschenrecht „Gehorsam“ gegenüber dem Gesetz Gottes, aber als solches nicht nur Schutz und Grenze, sondern positiv ausformuliert. Als „Menschenrecht“ begründet er es christologisch – über die Inkarnation, die Menschwerdung Gottes, die den Menschen erst hervorbringt: „Wir haben in uns selbst und im Nächsten den Menschen heilig zu halten, Christus.“ (T22) Barth spricht sich vehement für die Notwendigkeit auch einer sozialen und wirtschaftlichen „magna charta“ aus.125 Er begründet: „Hier wird nicht das sakrosankte Eigen122 Karteikarten zur Vorbereitung der Vorlesung (zit. als V) enthalten vorformulierte Leitsätze von Barths Paragraphen, zu §§1–19 (bis zur Behandlung von Frage 85) zusätzlich getippte Erläuterungen, zu §§20–28 noch handschriftliche Stichpunkte. Außerdem existiert ein von Barth nicht autorisiertes Typoskript mit der nicht veröffentlichten Auslegung der Fragen 80–129 und einem Schlusswort Barths (zit. als T). Eberhard Busch und Christian Link haben es dankenswerter Weise für diese Arbeit zugänglich gemacht. 123 S.o. S. 67. 124 V19. In Klammern vermerkt Barth selbst noch den warnenden Stichpunkt: „Ihre in Frage 85 vorausgesetzte Form nicht kanonisch!“ Die Kritik an der Kirchenzucht-Lehre des HK hält sich bei Barth damit seit 1921/22 durch und wird bis in KD IV/3 immer wieder bestätigt, vgl. z.B. Barth, KD IV/3, 987. 125 Zwischen West und Ost war in der Erstellung der UN-Charta der Menschenrechte insbesondere umstritten, inwiefern auch wirtschaftliche und soziale Recht hier eingehen sollten, vgl. Huber, Art. Menschenrechte / Menschenwürde.
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tum geschützt, sondern der Mensch in seiner Arbeit [. . . V]om Evangelium her ist es uns erlaubt, Sozialismus – auch in seiner radikalen Weise – durchzuführen.“ (T22) Das Zehnte Gebot in Frage 113 gliedert Barth aus: Es handle sich hier um eine Zusammenfassung der Lehre vom Gesetz, um ein „rücksichtsloses Ja zur Notwendigkeit des Gehorsams!“ (T23) Auch zur Funktion des Gesetzes bekennt Barth sich klar: „Der usus tertius legis müsste eigentlich der usus primus genannt werden, denn Gott hat uns seine Gebote nicht zuerst dazu gegeben, damit wir sehen, wie arme Tröpfe wir sind, sondern damit etwas geschieht“ (T23). Aber nicht nur die Pflicht, auch die Freiheit will Barth vom Gehorsam gegen Gott her begründet wissen: Gegen jeden Glaubenszwang hebt er das vom HK selbst betonte „freie Gewissen“ hervor: „Wäre der Heidelberger Katechismus in dieser Sache auch nur von seinen Bekennern richtig gehört worden, wer weiß, ob sich später die ‚Aufklärung‘ samt der französischen Revolution und einigen anderen Revolutionen nicht von selbst erübrigt hätten!“ (61) Nicht nur die Grundsubstanz der Reformation und des christlichen Glaubens, auch die guten Aspekte von Aufklärung und Moderne sieht Barth im HK grundgelegt. Anstelle eines Zehnten Gebotes setzt Barth „an die Spitze aller Gebote“ die Forderung des Gebets: nicht als Bitte, sondern als Dank, nicht als Frage, sondern als Antwort auf Gott (T24). Auch dies wird an Christus zurückgebunden: „[E]r ist der erste Beter, und wir dürfen die letzten sein, ganz im Sinn von Frage 32“ (T24).126 Auch die nicht selbstverständliche Freiheit zum Gebet begründet Barth damit, dass wir „in Christus Gottes Kinder sind“ (T25). Von dieser Anwendung der Ämterlehre her ergibt sich umgekehrt noch einmal die Teilnahme des Menschen an Gottes Werk: Christus hat unser Fleisch angenommen. Das dehnt sich aus auf die Christen: Wir sind aufgerufen, uns neben dies Fleisch gewordene Wort zu stellen, in diesem Dienst an Gott und Menschen, in diesem Gebet teilzunehmen an Gottes Werk. Das ist ganz unerhört, denn hier treten die Christen ein in die Weltregierung, nicht herrschend, verfügend, sondern betend, flehend, suchend, anklopfend. (T26)
Weil das Gebet sich dem Gott zuwendet, der sich liebend dem Menschen zugewandt hat, kann Barth das Gebet in dieser aktiven Funktion der Fürbitte sogar als „die magna charta der Humanität“ bezeichnen (T27). Mit dem Verweis auf die Gebetserhörung, die „in und mit Gottes Wort schon im Kommen ist“ (T28), behält schließlich die hier wie auch später in KD V nicht mehr ausformulierte Eschatologie das letzte Wort. Abschließend bündelt Barth das Ganze der christlichen Lehre, wie sie sich ihm im Anschluss an den HK darstellt, zu einem schlichten Dreiklang: Sie sei 1. Botschaft, 2. frohe Botschaft, 3. praktische Botschaft. „Diese drei Dinge kann man nicht trennen: Jesus Christus, die große Freude, dann das praktische nüchterne Leben in der Tat, in den großen und kleinen, inneren und äußeren, kirchlichen und politischen Aufgaben.“ (T28) Schließlich warnt Barth ebenso davor, das Ge126 Die inhaltliche Füllung der Ethik durch das Gebet bzw. das Verständnis des Gebets als Gebot und als Teilhabe am Dienst Christi mit Frage 32 des HK legt Barth auch in der – unvollendet gebliebenen – Versöhnungsethik zugrunde, vgl. Barth, Das christliche Leben, s.u. S. 237.
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hörte ungeprüft zu übernehmen,127 wie auch davor, das Gehörte leicht wieder loswerden zu wollen. Über seinen eigenen Weg, mitsamt allen Veränderungen, reflektiert Barth: Ich studiere schon über 40 Jahre Dogmatik, habe das auch in Bonn getan. In diesen Monaten habe ich Dinge gesagt, wie ich es früher noch nicht getan habe. Ich bin selbst ein Mann, der unterwegs ist, der seine Freunde damit überrascht, dass er auf einmal wo anders ist. Es gibt nur eine Theologie, das ist die theologia viatorum. Diese Theologie ist es wert, sich mit ihr zu beschäftigen, mit ihr zu wandern. Und dazu wollte ich Sie einladen, mit mir zu wandern (T29).
5.2.10 Trost und Zukunft auf dem Weg. Profilierung der Auslegung Auch wenn Frage 1 in der Auslegung von 1947 nicht besonders exponiert behandelt wird, sondern in das Gesamtkonzert des HK eingeordnet ist, lässt sich guten Gewissens behaupten, dass die Vorlesung insgesamt unter der heimlichen Überschrift des Trostes steht, ja selbst tröstend und aufbauend die Hörer anspricht. Der hier dargestellte, man muss fast sagen: verkündigte Gott zeigt Nähe und Menschenfreundlichkeit, ist kein abstrakter Punkt und kein ferner Herr, sondern menschenfreundlicher Gott und Bruder. Selbst das Gericht ist Trost – gerade weil Barth sich gleichzeitig gegen eine vorschnelle Identifizierung der Geschichte mit dem Gericht Gottes wendet. Weil das eine Wort Gottes Jesus Christus ist, ist auch nur dort das Gericht über den Menschen gesprochen – und darum nicht voller Schrecken, sondern voller Trost. Dies verbindet sich mit einer Neuentdeckung der Eschatologie, die den Trost nicht in erster Linie als vergangenes Erlösungswerk, sondern als zu-künftige, als auf den Menschen zukommende Offenbarung versteht. In diesem Sinne formuliert Barth anhand des HK geradezu eine ‚Theologie der Hoffnung‘: Der Trost ist keine Vertröstung, sondern Aktivierung des Menschen aus der Vergangenheit heraus auf die Zukunft hin zu einer christlichen Existenz in der Welt.128 Die aktive Dimension des Glaubens wird eingefordert und der Einzelne zugleich nicht nur in den Dienst für die Gemeinde, sondern für die ganze Welt gestellt. Betont Barth schon äußerlich die Hervorbringung des HK als Gemeinschaftswerk, hebt er auch in seiner Auslegung des HK die aktive Mitwirkung jedes Einzelnen in der dort formulierten Gemeindetheologie hervor. Neben der christologisch begründeten Demokratisierung des Gottesvolkes entfaltet Barth auch eine in der Inkarnation Gottes begründete und positiv ausgestaltete magna charta der Menschlichkeit. Dabei ist der Glaube die Schnittstelle der eschatologischen Spannung zwischen geschehener Erlösung und ausstehender Erfüllung, zwischen Wirklichkeit und Wirklichwerden des Christus-Ereignisses. Der Christ wird nicht als von der Welt 127 O-Ton: „Wenn Sie jemand treffen, der sagt, er sei Barthianer, sagen Sie ihm, ich lasse ihn grüßen, ich sei keiner“ (T29). 128 Man könnte gegen Sauter, Warum ist Karl Barths Kirchliche Dogmatik keine „Theologie der Hoffnung“?, einwenden, Barths Eschatologie bilde damit doch eine „Theologie der Hoffnung“ aus – wenn auch nicht als „Futurismus“ und nicht aus „Prinzip“.
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getrenntes Wesen begriffen. Die Christusherrschaft gilt der ganzen Welt und so ist auch der Christ in die Welt gestellt und in die Welt gesandt. Immer wieder mahnt Barth: „Es gibt kein Privatchristentum!“ In beeindruckender Weise gelingt Barth in dieser Auslegung eine komplementäre Stärkung der subjektiven und der objektiven Dimension des Christseins. Gerade in der Verobjektivierung – der Verlagerung des Heils in eine äußere, unverfügbare Dimension – wird der subjektive Trost gesehen: Weil wir uns selbst nicht erlösen können, ist es beruhigend, dass der Trost extra nos liegt. Während stärker als zuvor die individuelle Not und ihre Tröstung sowie die individuelle Befähigung und Aktivierung ernst genommen werden, wird zugleich auch der öffentliche und politische Auftrag des Christen betont. Wie zuvor ist Barths Auslegung durch und durch christozentrisch, aber mit anderen Schwerpunkten. Von Christus her strukturiert und begründet er Trinität und Schöpfung neu. Zugleich entdeckt er stärker die pneumatologische Dimension des HK und macht sich diese – unter gleichzeitiger Herausstellung ihrer Ambivalenzen – zunutze. Während Barth Christus der objektiven Dimension zuordnet und diese Heilsdimension universal ausweitet, verortet er den Geist als „Deus in nobis“ subjektiv. Wirkt Christus das Heil extra nos, so eignet der Geist es uns in uns zu – was aber in der Folge zu einer Wendung des Christen nach außen in die Welt führt. Aus Ansätzen zu einer Geistchristologie, die zuweilen im HK gesehen wird,129 formuliert Barth eine christologische Pneumatologie: Der Geist ist das Wort Gottes (Christus!), insofern es zu uns kommt, und ermöglicht erst unser Christ-Sein, unser Christus-in-der-Welt-Darstellen. Besondere Bedeutung hat in der unmittelbaren Nachkriegszeit vor einem deutschen Publikum sicherlich Barths besondere Betonung der Rolle Israels. Indem er den Christus-Titel aus den alttestamentlich-jüdischen Überlieferungen heraus erklärt, verankert Barth nicht nur einen Nebenaspekt, sondern mit der Christologie die Begründung der gesamten christlichen Theologie im Judentum. Insgesamt zeigt sich, dass Barth inhaltlich wie formal in einer großen Freiheit nicht nur gegenüber seiner Textgrundlage, sondern auch gegenüber seinen eigenen früheren Erkenntnissen vorgeht. Unaufgeregt lässt er sich auf neue Einsichten aus neuen Lektüregängen ein und formuliert in neuen Kontexten neu gefundene Strukturen. Die Gelassenheit beinhaltet aber auch die Möglichkeit, auf zuvor Gefundenes zurückzukommen. Im Vergleich zu früheren, manchmal brutal anmutenden Lektürebewegungen gelangt Barth zu einer neuen Transparenz bezüglich der von ihm bezogenen Positionen. Anstatt in den HK hineinzulesen, lässt er ihn mehrfach in divergierender Haltung stehen, um seine eigene Ansicht als Korrektur am HK deutlich zu machen. Gleichzeitig führt das nicht zu dessen Abwertung als überholt, sondern zu einem ernsthaften theologischen Gespräch mit ihm. Vor dem Hintergrund der Diktatur in Deutschland könnte man dies auch als neue Pädagogik verstehen, die nun nicht mehr auf Selbstdurchsetzung abzielt, sondern
129 Vgl. Kraus, Eine Christologie des Heiligen Geistes.
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auf die Pluralisierung von Meinungen und die Erziehung zur eigenen Meinungsbildung auch in Abweichung von Autoritäten. Neben dem HK und in Auslegung des HK greift Barth nun auch stärker als früher explizit auf biblische Belege für seine Argumentation zurück. Mit der Rede von „der christlichen Lehre“ führt Barth keine neue Vereinheitlichung des Dogmas herbei. Mit dem Zusatz „nach dem Heidelberger Katechismus“ ist ihre Bearbeitung in Barths dialektisches Geschichtsbild eingebunden. Zwar geht es um die Lehre (absolut, einzig, universal), die aber als solche nie vorhanden ist. Sie wird nur konkret in einer partikularen, geschichtlichen Tradition und ihrer Auslegung. Das Konkrete ist ebenso relativ wie unverzichtbar. Das erhellt auch die Ablehnung des Konfessionalismus: Wenn eine bestimmte Tradition nicht als solche, sondern lediglich als Schlüssel zum Christusereignis relevant ist, ist eine prinzipielle Versteifung auf sie kontraproduktiv und schädlich. Christentum ist nach Barth nicht in Parteien zu gliedern: Die eine Kirche besteht in der Pluralität lebendiger Gemeinden an ihrem jeweiligen Ort und in ihrer jeweiligen Situation.130 Die im Kirchenkampf gewonnene irenische Grundhaltung samt einer Sensibilität für in historischen Kontexten geäußerten Anliegen hat sich in Barths Interpretation des HK durchgehalten und noch verstärkt. Dass er die hier formulierte Lehre als gesamt-christlich postuliert und zugleich die Polemik gegen den Katholizismus beibehält, erklärt sich aus der Definition des Christlichen durch Christus. Die durchgehende Begründung aller Topoi in der Christologie ermöglicht es Barth, die Bezeichnung des christlichen im wörtlichen Sinne – und nicht als (über)konfessionelle Größe! – für sich in Anspruch zu nehmen und zugleich als ökumenisch-irenischen Rahmen zu behaupten, wie auch gegenüber nicht streng christologisch bezogenen Lehrbildungen kritisch zu bleiben. Gleichzeitig wird die Konzentration auf den einen – christologischen – Inhalt, der im Kontext der nationalsozialistischen Bedrohung nötig erschien, wo nicht zurückgenommen, so doch mit der Behandlung einer Anzahl weiterer Themen abgemildert. Die existentielle Eindringlichkeit und Unbedingtheit ist etwas gezähmt, nüchterner vorgetragene dogmatische Einzelzusammenhänge gewinnen an Raum. Die 1947er Vorlesung ist Barths einzige HK-Auslegung, die unmittelbar gedruckt wurde und größere Verbreitung fand. Dennoch behält er seinen Aufenthalt „als einen Misserfolg in Erinnerung“: „Ich habe meine Sache wohl nicht gut gemacht, das rechte Wort nicht gefunden.“131 Die zunehmende Polarisierung der Studierenden in Barthianer und Anti-Barthianer missfällt ihm ebenso wie die „immer stärker sichtbar werdenden restaurativen Tendenzen in den Landeskirchen“.132 Statt ein drittes Semester in Bonn zu unterrichten, kommt Barth einer Einladung nach Ungarn nach. Nicht Sicherung gewonnener Ergebnisse, sondern Re-Kontextualisierung des einen Wortes Gottes ist auch dort sein Anliegen. In der Frage, wie die ungarische Kirche sich zum neuen kommunistischen Regime verhalten soll, 130 Vgl. zeitgleich Barth, Unsere reformierten Kirchen und der Weltrat der Kirchen. 131 Barth an W. Niesel am 08.08.1950, zit. nach: Busch, Lebenslauf, 364. 132 Kinzig, Wort Gottes in Trümmern, 54.
Ausblick
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dürfe „ihre Situation und ihr besonderes Problem nicht einfach nach dem Vorbild des Verhältnisses der westeuropäischen Kirchen zum Nationalsozialismus behandelt werden[, sondern sei] vom Evangelium her und im Blick auf die besondere ungarische Vergangenheit und Geschichte selbständig zu beurteilen“.133
5.3 Ausblick Auch im weiteren Verlauf der Nachkriegsjahre nimmt Barth HK-Formulierungen in seine Predigten auf. So zitiert er in Auslegung von 1 Joh 2,17 die tröstliche Dimension der in Frage 52 gefundenen Rede vom gerichteten Richter.134 Neben eine einmalige Zitation von Frage 75135 treten weiterhin v.a. Referenzen auf Frage 1.136 Barths explizite Auseinandersetzung mit dem HK (aber auch mit Bekenntnisschriften überhaupt) geht nach 1947 fast vollständig zurück.137 Auch die Bekenntnisfrage im Allgemeinen diskutiert Barth nur im Zusammenhang der BarmenJubiläen einerseits und der Auseinandersetzung um Atombewaffnung und die Bewegung „Kein anderes Evangelium“ 1962 noch einmal. Den verschiedentlich an ihn herangetragene Wunsch, ein neues Bekenntnis zu formulieren, lehnt Barth durchgehend ab.138 Dies könnte dem geschuldet sein, dass er die dafür als notwendig erachtete „Extremsituation“ nicht mehr gegeben sieht. Man könnte auch die Feststellung der theologia viatorum als inhaltlichen Abschluss der Überlegung verstehen. Auf der Ebene theologischer Theorie wird Barth seine Vorstellung vom Bekennen noch in eine neue Tauflehre umsetzen.139 Die gewonnene Wertschätzung für den HK bleibt allerdings in Barths Schriften präsent, nicht zuletzt in der KD, wo der HK schlicht als Referenz, um nicht zu sagen: als Autorität zitiert wird.140 Der HK gilt Barth als erster Kommentar zur 133 Barth, How My Mind Has Changed 1928–1958, 197. Barths Gastvorträge in Ungarn sind dokumentiert in ders., Christliche Gemeinde im Wechsel der Staatsordnungen. 134 Predigt am 10.11.1946 zu 1 Joh 2,17, in: Ders., Predigten 1935–1952, 346. 135 Predigt am 07.09.1952 zu Joh 16,33, in: a. a. O., 399. 136 So in seinen Predigten in der Basler Strafanstalt am 01.08.1954 zu Ps 73,23; am 05.08.1956 zu Ps 39,8 und am 24.02.1963 zu 2 Kor 5,10 (ders., Predigten 1954–1967, 7.54.232). 137 Eine Ausnahme bildet ders., Glaubensbekenntnis. 138 So etwa im Brief an Brunner am 06.06.1948, in: Barth/Brunner, BwBr, 357–363; Interview von H. Knorr/R. Rohlinger, WDR (02.05.1966), in: Barth, Gespräche 1964–1968, 249 u.ö. 139 Ders., KD IV/4. Vgl. auch Plasgers Schlusskapitel (Plasger, Relative Autorität, 251-275). 140 Explizit lobt er die Sakramentsdefinition (Barth, KD I/1, 57), die Trinitätslehre (a. a. O., 328, ders., KD I/2, 9–11), die Zwei-Naturen-Lehre als der Offenbarung entsprechende Rationalität des Glaubens (ders., KD I/1, 432), die Beschreibung des Leidens Christi (ders., KD IV/2, 684–686), das Verständnis des Gebets (ders., KD III/4, 103–121), die rechte Würdigung der Werke (ders., KD II/2, 369.776), das Verständnis der Heiligung (ders., KD IV/2, 304–307.753), der Kreuzesnachfolge (a. a. O., 684) und der Auferstehung (ders., KD IV/3, 335) sowie schließlich den Kirchenbegriff (ders., KD III/4, 561). Er kritisiert das Verständnis des HK von der Erbsündenlehre (ders., KD IV/1, 550), die Trennungstheologie im Extra-Calvinisticum (ders., KD II/1, 550, ders., KD IV/3, 412), die Kindertauflehre (ders., KD IV/4, 182.210) sowie die Kirchenzucht (ders., KD IV/3, 987). Die Figur des „gerichteten Richters“ aus Frage 52 dient Barth gar zur Präfiguration des gesamten §59 (ders., KD IV/1, 231). Mehrfach werden Fragen aus dem HK auch ohne weitere Er-
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1946–1948 Trümmer und Erbauung in der Nachkriegszeit
Schrift,141 als eindrucksvolles Beispiel theologischer Methode,142 als Vertreter einer ausgewogenen biblischen Theologie,143 Anwalt konkreter Theologie144 sowie als gemeinreformatorisches Erbe.145 Dass er den HK höher schätzt als den lutherischen Katechismus, formuliert Barth mehrfach.146 Die Moderne kann er geradezu als Abfall vom HK verstehen.147 Auch die Lehre theologischer Weggefährten wird an Formulierungen des HK gemessen.148 V.a. die Fragen 1,149 5,150 21,151 26152 , 52153 und 54154 greift er häufig auf. Die ekklesiologische Frage 54 ist nach HK 1 die in der KD meistzitierte Frage des HK. Insbesondere Formulierungen aus Frage 1 („ein(z)iger Trost im Leben und im Sterben“ sowie das „Jesu-Christi-eigen-Sein“) und Frage 5 („von Natur geneigt, seinen Nächsten zu hassen“) gehen außerdem geradezu in Barths theologisches Vokabular über. Diese implizite Rezeption ohne weiter erfolgende explizite Thematisierung kann letztlich als größter Beleg der inzwischen selbstverständlich gewordenen Wertschätzung Barths für den HK angesehen werden. Plasger kommt mit gutem Recht zum Schluss: „Es ist nicht zu viel gesagt, wenn man den Heidelberger Katechismus als einen der herausragenden Gesprächspartner Barths in der Kirchlichen Dogmatik bezeichnet.“155 In einem Gutachten zu einem Katechismus der Pfalz schreibt Barth 1948, man stoße im vorgelegten Entwurf „kaum auf irgend eine saftige Ketzerei, aber auch kaum (mit Ausnahme der aus Luthers und aus dem Heidelberger Katechismus entnommenen Sätze und Redewendungen) auf irgend einen frohen, bestimmten und originellen Glaubenssatz“.156 Die HK-Referenzen des neuen Katechismus würdigt Barth also, aber nur, um seine Abwertung des Gesamtunternehmens um so deutlicher zum Ausdruck zu bringen. Barth rät vollständig vom vorgelegten Entwurf ab und reflektiert stattdessen: läuterung als summarische Wiedergabe der rechten Lehre an den Schluss eines Abschnittes gesetzt (so z.B. die Fragen 60, 61 und 64 in Barth, KD IV/1, 717f sowie die Fragen 86 und 91 in ders., KD IV/2, 676). 141 Ders., KD I/2, 728. 142 Vgl. z.B. a. a. O., 9–11.970. 143 Vgl. z.B. a. a. O., 83.915; ders., KD II/1, 146. 144 Im Sinne von christologisch konkretisierender Theologie, vgl. z.B. ders., KD I/2, 417. 145 A. a. O., 608. 146 So etwa im Gespräch mit rheinischen Jungpfarrern (04.11.1963), in: Ders., Gespräche 1963, 267. 147 Ders., KD I/2, 319f. 148 Vgl. ders., KD I/1, 133. 149 So z.B. ders., KD I/2, 10f; ders., KD II/1, 760; ders., KD II/2, 364; ders., KD IV/1, 853; ders., KD IV/2, 293.304.681; ders., KD IV/3, 618.693.749. 150 So z.B. ders., KD II/2, 765.829; ders., KD IV/1, 440.555; ders., KD IV/2, 497.601. 151 So z.B. ders., KD I/1, 246; ders., KD II/1, 12. 152 So z.B. ders., KD I/2, 417; ders., KD II/2, 146; ders., KD III/1, 32.42.130.329; ders., KD III/3, 15.19.35.130. 153 So z.B. ders., KD II/2, 89.364; ders., KD IV/1, 131; ders., KD IV/2, 304.664; ders., KD IV/3, 1059. 154 So z.B. ders., KD I/2, 236; ders., KD II/2, 89.364; ders., KD III/3, 231; ders., KD IV/1, 164.780; ders., KD IV/2, 747f; ders., KD IV/3, 875. 155 Plasger, Relative Autorität, 71. Eine frühe, unvollständige Übersicht der HK-Referenzen in Barths KD gibt tabellarisch anhand der Registerbände Halaski, Der Heidelberger Katechismus in der Kirchlichen Dogmatik von Karl Barth. 156 Barth, Gutachten zum Katechismus der vereinigten prot.-evang. Christlichen Kirchen der Pfalz, 7.
Ausblick
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Die beste Lösung wäre dann gegeben, wenn es einigen pfälzischen Pfarrern in überzeugender Weise gegeben sein sollte, der dortigen Kirche einen auf Grund des heutigen Standes der Erforschung der Heiligen Schrift und der Reformation und auf dem praktischen Hintergrund der Erfahrungen des deutschen Kirchenkampfes und der ganzen Hitlerzeit zu erstellenden von Grund aus neuen Katechismusentwurf vorzulegen. Die Rückkehr zu den Katechismen der Reformationszeit könnte ich doch nur als zweitbeste Lösung bezeichnen.157
Gegenüber dem explizit als positives Gegenbeispiel angeführten HK nimmt sich der neu vorgelegte Katechismus für Barth fad und langweilig aus, vor der Originalität des HK bleibt das Moderne zurück. Dennoch rät Barth von der reinen „Rückkehr“ zu altbewährten Texten ab.158 Die eigene Erfahrung, die eigenen Kontexte müssen bekennend verarbeitet werden – ein Text aus vergangenen Kontexten kann dies nicht auf direktem Wege ersetzen. Neue wissenschaftliche Erkenntnis und neue politische Erfahrungen erfordern die Formulierung eines neuen Katechismus. Lediglich in Ermangelung eines solchen könnten die alten Schriften herhalten.159 Zu bekennen wie die Reformatoren heißt nicht, deren Schriften, sondern deren Bewegung und Haltung zu übernehmen und mit ihnen in der eigenen Situation eigene Formulierungen aufzustellen. Die Bekenntnisschrift ist weder Ersatz für eigenes Bekennen noch deren direktes Instrument, sie kann aber als Gleichnis und Vorbild eigenen Bekennens dieses inspirieren. Es kann keine Rückkehr zum Bekenntnis geben, sondern nur seine „Wiederholung“. Die Bedeutung dieser Aufgabe stellt vor eine Verantwortung, die nicht nur die alten Texte, sondern auch Barths eigene Theologie relativiert. Die Unersetzbarkeit und Unvertretbarkeit eigenen Bekennens macht Barth darum auch in einem Brief nach Deutschland stark, in dem er um Verständnis für sein Fernbleiben bittet, da er die Entwicklungen und Verhältnisse in eurer Kirche nicht mehr so übersehe und verstehe, um einigermaßen deutlich zu wissen, für und gegen was und wen, in welcher besonderen Richtung ich von meinen Voraussetzungen aus im heutigen Deutschland konkret reden sollte. Vielleicht ist etwas dran an dem, was der Amerikaner Niebuhr mir nun wiederholt vorgeworfen hat: daß meine Art von Theologie sich faktisch für Zeiten der akuten Krisis besser eigne als für solche des Übergangs und des ruhigen Aufbaus.160 Aber auch wenn er nicht recht hätte, möchte ich zunächst ein wenig warten dürfen: auf dringlich und präzis gestellte neue Fragen – vielleicht auch auf die Freiheit, auf die alten Fragen statt der längst gegebenen und offenbar nicht genügenden meinerseits neue, bessere und wirklich hilfreiche Antworten zu geben. [. . . ] Hat euch übrigens das, was ich anderwärts gesagt habe, nicht doch ein wenig Eindruck gemacht: daß das Entscheidende, was in Deutschland heute nö-
157 A. a. O., 8. 158 Vgl. auch seine Rede von der „Rückkehr zu den Fleischtöpfen der Bekenntnisse“ nach der BTE (ders., Barmen, 14). 159 Zwischen den früher gleichwertig befundenen Alternativen gewichtet Barth nun deutlich, s.o. Kap. 2.4.1, S. 83. 160 Vgl. z.B. Niebuhr, Wir sind Menschen und nicht Gott. Zu Niebuhrs Auseinandersetzung mit Barth im Rahmen der Amsterdamer Vollversammlung des ÖRK vgl. Herwig, Ökumenische Bewegung, 188–194.
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tig ist, von deutschen Menschen selber gesagt und getan werden müßte? Ich wollte mich damit gewiß nicht von euch „absetzen“, vielmehr vielen von euch und besonders auch den Jüngeren unter euch energisch „zusetzen“: daß ihre eigene Stunde – in der sie Karl Barths Dogmatik gemächlich und wohl auch mit Gewinn lesen, Karl Barth selbst aber nicht mehr nötig haben werden – nun bald einmal schlagen könnte, vielleicht schon geschlagen hat.161
161 An den Coetus Reformierter Prediger Deutschlands, Wuppertal 1949, in: Barth, OB III, 181f.
6. „. . . bin ich ein wirklicher Christianos“. Materialdogmatische Entfaltung christlichen Bekennens anhand der HK-Lehre vom munus triplex 6.1 Der HK und die Architektur der Kirchlichen Dogmatik 6.1.1 Die Entwicklung des munus triplex Christ(ian)i in Barths HK-Lektüren Für die Rehabilitierung der Lehre vom munus triplex Christi im 20. Jahrhundert mit ihrer systematischen Ausgestaltung einerseits und der zunehmenden Betonung des prophetischen Amtes andererseits ist in starkem Maße Karl Barth mitverantwortlich gewesen. Wir haben gesehen, dass neben Frage 1 die Fragen 31–32 des HK eine wichtige und im Laufe der Auslegungen stetig zunehmende Bedeutung für Barth gewonnen haben. Es ist nicht die Lehre vom dreifachen Amt an sich, als christologischer Topos, die für Barth von besonderem Interesse ist. Als attraktiv für ihn hat sich insbesondere die spezifische Verbindung vom dreifachen Amt Christi mit dessen Konsequenzen für das Wirken des Christen in der besonderen Verschränkung von HK 31–32 herausgestellt.1 Sie bietet eine in der Christologie fundierte und von ihr her strukturierte Denkfigur für die Verbindung von Christologie und Ethik, Gotteslehre und Anthropologie, Trinitätslehre und Ekklesiologie oder kurz: für das „Problem ‚Christus und Welt‘“, das Barth seit langem beschäftigte.2 In der im HK vorgefundenen spezifischen Form der Lehre vom dreifachen Amt Christi gewinnt Barth eine Ressource, die es ihm ermöglicht, eine streng christozentrische Theologie differenziert zu texturieren und zugleich für menschliche Belange relevant zu machen, nicht zuletzt in einer politisch und kontextuell sensiblen und reaktionsfähigen Urteils- und Handlungstheorie. Grundentscheidungen und Anliegen, die sich implizit in Barths Auslegung des HK durch die Zeit gezeigt haben, finden in dieser Variante der Lehre vom dreifachen Amt eine explizite dogmatische Handhabe. Darum soll die These gewagt werden, dass die Lehre vom dreifachen Amt aus HK 31–32 schließlich für Barths vielleicht bedeutendste systematisch-theologische Leistung – die Versöhnungslehre in KD IV/1-3 – strukturgebend wurde. Um dies näher zu begründen, wird im Folgenden zunächst Barths Weg mit dem HK noch einmal zugespitzt auf die Bedeutung und Entwicklung der Lehre vom dreifachen Amt profiliert. Ich erlaube mir, textlich knapp über die unmittelbare 1
2
Neben seiner Einheit im Christustitel ist auch aus diesem Grund die Rede vom „dreifachen Amt“ für Barth wie für den HK angemessener als die Rede von „drei Ämtern“, vgl. dazu auch Welker, Die Reformation als geistliche Erneuerung und bleibende Aufgabe in Theologien und Kirchen. Vgl. Barth, KD IV/3, VII.
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Material-dogmatische Entfaltung. Der HK und das munus triplex
HK-Auslegung Barths hinauszugreifen, indem ich zwei Vorträge einbeziehe, die in direkter zeitlicher Rahmung zu Barths HK-Auslegung m.E. besonders erhellend für die hier bearbeitete Spannung sind: den Tambacher Vortrag Der Christ in der Gesellschaft von 1919 und den 1947 mehrfach gehaltenen Vortrag Christus und wir Christen.3 Daraufhin sollen Barths strukturelle Parallelen und Bezüge zur munus-triplex-Lehre des HK in KD IV nachgezeichnet werden, und zwar sowohl in Bezug auf die Christologie als auch in Bezug auf die Bedeutung der Christologie für die Gesamtarchitektur. In Anlehnung an HK 31–32 werde ich sodann die in den drei Teilbänden entfalteten Konsequenzen der Christologie für Anthropologie, Ekklesiologie und Ethik, kurz: für das Amt des Christen ausführen, wie sie sich als Bekenntnis des Christen zum Christus darstellen. Schon den frühen Barth hatte das Verhältnis vom Christus und den Christen, wie es durch den gemeinsamen Christusnamen nahegelegt ist, sowie dessen auch innerweltliche Wirkmächtigkeit beschäftigt. Er legt zunächst vor allem Wert darauf, zwischen Christus und dem Christen zu unterscheiden. In seinem berühmt gewordenen Tambacher Vortrag betont Barth gegenüber dem religiösen Sozialismus, wenn der „Christ in der Gesellschaft“ – so seine Titelvorgabe – thematisiert werde, so sei man „wohl einig darin, dass damit nicht die Christen gemeint sein können“. Vielmehr sei in aller Exklusivität festzuhalten: „Der Christ ist der Christus.“4 Barth fährt allerdings sofort fort: „Der Christ ist das in uns, was nicht wir sind, sondern Christus in uns.“5 Nicht wir Christen und erst recht nicht die Gesellschaft gestaltende Kräfte, und wenn sie sich als noch so christlich verstehen, sind „Christ“, wenn nicht zuerst und zuvor Christus in uns und in der Gesellschaft objektiv wirksam ist. Die missverständliche Formulierung vom „Christus in uns“ aus dem Kolosserbrief präzisiert Barth bereits im Laufe des Vortrags und wehrt sich damit gegen die Vereinnahmung Gottes nicht zuletzt durch die Christen. Zum einen ist nicht die Kirche, nicht der Christ Mittler des christlichen Heils in die Gesellschaft: Es ist der Christus selbst, der direkt und unmittelbar mit der Welt in Kontakt tritt und in der Gesellschaft steht. Zum anderen vollzieht dieser „eine Revolution, die vor allen Revolutionen ist, wie sie vor allem Bestehenden ist.“6 Bei all dem vielen, das in der Gesellschaft zu tun ist, gelte: „Wir können ja doch nur eines tun, nicht vieles. Und das eine tun gerade nicht wir.“ Das eine, das der Christ in der Gesellschaft tun könne, und was ihn erst zum Christen in der Gesellschaft macht, ist, „dem Tun Gottes aufmerksam zu folgen“.7 Das „folgen“ steht hier in der Doppelbedeutung des Aufmerkens (im Hören) und der Nachfolge (im Gehorsam). Indem er in der Gesellschaft, in der so viele verschiedene Forderungen an ihn herangetragen werden, dem Tun Gottes in Christus nachgeht, ist der Christ Christ.
3 4 5 6 7
Barth, Der Christ in der Gesellschaft [1919]; ders., Christus und wir Christen. Ders., Der Christ in der Gesellschaft [1919], 557. Ebd. A. a. O., 577, Hervorhebung i.O. A. a. O., 598, Hervorhebung i.O.
Der HK und die Architektur der Kirchlichen Dogmatik
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In Tambach wehrt sich Barth sowohl gegen eine vorschnelle Inanspruchnahme Jesu als Vorbild als auch gegen die direkte Identifikation des christlichen Tuns mit dem Werk Christi. Dennoch kehrten seine religiös-sozialistischen Hörer von der Wirksamkeit des „Christus in uns“ her die Stoßrichtung unter der Hand um. Sei Christus erst einmal in ihm, stelle konsequenterweise auch der Christ den Christus in der Gesellschaft dar, Gott handle durch den Menschen in der Gesellschaft.8 Gegen diese Lesart seines Vortrags hat Barth sich im Anschluss gewehrt, und auch seine Umstrukturierung des Römerbrief-Kommentars, bei der nach eigener Aussage „kein Stein auf dem anderen geblieben“ ist, ist wohl nicht zuletzt diesem (Miss-)Verständnis geschuldet.9 Wie an anderen Stellen, so lässt sich auch hier bezweifeln, ob es sich um eine inhaltliche Änderung in Barths Denken handelt oder doch eher um einen Strategiewechsel angesichts der beobachteten Folgen seiner Rede. Marquardt verortet die Problematik des Tambacher Vortrags in der abstrakten Christologie: „Und was nicht alles wurde in Tambach als Gleichnis des Reiches in Anspruch genommen. Es fehlte ein organisierendes Zentrum dieses Prädestinatianismus. Mit Barths Entdeckung des Judentums für die christliche Theologie sind wir heute einen wichtigen Schritt weiter.“10 Solange die Christologie relativ abstrakt war, konnte sie auch relativ abstrakt auf alles angewendet werden. Eine abstrakte Christozentrik liefert noch kein Unterscheidungskriterium. Erst die Konkretion der Christologie durch den Anschluss an biblisch-theologische, nicht zuletzt alttestamentliche Traditionen führte zu einer inhaltlichen Klärung. Erst die Figur vom dreifachen Amt als alttestamentlich informierte und in hohem Maße konkretisierende Rede von Person und Werk Christi verlieh dem christologischen Text Barths differenzierende Textur. In seiner weitgehend skeptischen ersten Vorlesung über den HK wird Barth 1921/22 erstmalig aufmerksam auf die in Frage 32 beschriebene Übertragung der Ämter Christi auf den Christen. Er kommentiert: Frage 31 entwickelt in etwas konventioneller Weise die kirchliche Lehre vom munus triplex, während man bei Frage 32: Warum bist du ein Christ genannt? – und ihrer Antwort: Teilnahme am Leib und also an der Salbung des Messias, Bekenntnis seines Namens, das Leben im Dankopfer durch Streit wider Sünde und Teufel mit freiem Gewissen, ewiges Herrschen mit ihm über alle Creaturen — unwillkürlich den frischen Luftzug des spezifischen Interesses spürt, das die Verfasser gerade an diesen Punkten, lauter calvinische Lieblingsgedanken, genommen haben. Es ist bezeichnend, daß die „Vergebung der Sünden“, die in einer lutherischen Darstellung sicher nicht hätte fehlen dürfen, in diesem Zusammenhang nicht
8
Es finden sich auch weitere Formulierungen Barths, die diese Interpretation erlauben, so etwa: „Die großen Synthesen des Kolosserbriefes, sie können uns nicht ganz fremd sein. [. . . ] Wir selbst vollziehen sie“ (a. a. O., 576, Hervorhebung i.O.). 9 Busch, Antworten, 15, urteilt: „Eher war es so, daß ihm durch die Art, in der sein Vortrag Zustimmung fand, Zweifel kamen, ob er seine Sache recht gemacht habe.“ 10 Marquardt, Der Christ in der Gesellschaft: 1919–1979, 114.
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Material-dogmatische Entfaltung. Der HK und das munus triplex
erwähnt wird, sondern lauter aktive, aber der Welt gegenüber kritische Momente. Es ist etwas von Gegenweltgeist, was aus dieser Frage 32 redet.11
Während das munus triplex Christi in seiner „konventionellen“ Form Barths Aufmerksamkeit nicht weiter weckt, findet er die Vorstellung vom munus triplex des Christen originell. Es geht um Aktivität in der Welt, aber eine ihr gegenüber kritische Aktivität. Barth dringt noch zu keiner vertieften Auseinandersetzung mit der Doppelfrage 31–32 vor, doch sie wird später für ihn zu einem weiteren Schwerpunkt neben der Frage 1. In der Vorlesung von 1923 zitiert Barth die Fragen 31–32 als bereits im zweiten Teil des HK zur „Erlösung“ stattfindende Vorbereitung des dem dritten Teil zuzurechnenden Themas der „Dankbarkeit“.12 Barth demonstriert an eben diesen Fragen die doppelte Bedeutung des Gesetzes für Rechtfertigung und Heiligung im reformierten Verständnis. Dies legt nahe, dass er weiter an den aktiven Charakter des beschriebenen Christseins denkt; vom munus triplex ist in diesem Zusammenhang aber nicht weiter die Rede. Schon hier deutet sich aber an, dass Barth das Christsein nicht über die Tat Christi definieren will (denn die gilt aller Welt) – Christsein besteht vielmehr darin, dass der Mensch (durch Christus dazu befähigt) auf die Heilstat Christi antwortend diese bekennt und sich zu dieser bekennt. In der Vorlesung von 193713 fällt auf, dass die Fragen 31–32 auf die beiden benachbarten Themengebiete „Jesus Christus“ und „Glaube“ (unter der überschriftartigen Frage: „Was ist die grundsätzliche Haltung des Menschen angesichts des aufgehobenen Widerstandes?“) verteilt sind: Dabei steht Frage 31 in der Christologie an zweiter Stelle, möglicherweise als Erläuterung des Werkes Christi nach der Entfaltung der Person in der Zwei-Naturen-Lehre durch die Fragen 15–19. Zur Beschreibung der Existenz des Christenmenschen im Glauben steht Frage 32 sogar an erster Stelle noch vor der thematisch sich nahelegenden Frage 21. Der Glaube wird so als ontologische sowie wesentlich aktive Kategorie gefasst. Statt nur Vertrauen oder Anerkennen und Erkennen ist der Glaube immer auch ein tatkräftiges Bekennen.14 In Barths Vortrag von 1938 gewinnt die Lehre vom dreifachen Amt Christi weiter an Gewicht. Zwar erfolgt die Auslegung in Form der Entfaltung des Stichwortes „Trost“ aus Frage 1 in den bereits diskutierten drei „Schneisen“. Da die Aussagen aller Schneisen nach Barth aber „primär Aussagen von Jesus Christus“ sind, beginnt sich als heimliches zweites Gliederungsschema eine Differenzierung von zwei aus der Salbung durch den Heiligen Geist abgeleiteten Ämtern Christi und ihrer Bedeutung für den Gläubigen zu ziehen, die Barth wie folgt benennt:
11 12 13 14
Barth, Der HK 1921/22, 68r. Ders., Bekenntnisschriften, 172f. Ders., Einführung auf Grund des HK 1937; Drewes/Rich, Einführung 1936, vgl. Die Trias Anerkennen – Erkennen – Bekennen behandelt Barth ausführlich in Barth, KD IV/1, §63.
Der HK und die Architektur der Kirchlichen Dogmatik
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Blut = Erlösung = Jesus Christus, der Priester. Geist = Gerechtigkeit = Jesus Christus, der König.15
Dieses doppelte Amt verbindet Barth mit der Zwei-Naturen-Lehre: „wahrer Gott und wahrer Mensch, Priester und König“.16 Das dritte, prophetische Amt erwähnt Barth zwar auch, hält es aber für im HK nicht weiter ausgeführt. Barth stellt allerdings in Bezug auf die beiden Ämter bereits die „Einheit des Doppelten“ fest, die in KD IV dann als eigene Qualität zum dritten, prophetischen Amt ausdifferenziert wird.17 Querbeet beginnt er nun die einzelnen Fragen des HK dem priesterlichen und dem königlichen Amt zuzuordnen und betont dabei, wie bereits Calvin und auch der HK, das Königsamt, das er in besonderer Weise pneumatologisch ausformuliert. Aber nicht nur Christus, der Tröster, wird über diese Ämter charakterisiert, sondern auch der Mensch. Über ihn dürfe nicht an sich reflektiert werden, sondern nur als durch Christus Getrösteten: als neuen Menschen. Frage 32 nennt Barth darum „eine der wichtigsten und wegweisendsten des ganzen Heidelbergers!“18 Er trifft die Spitzenaussage: Nach ihr wird der Mensch, der ein Christ wird, selber geradezu ein Christus. In der hier gebotenen strengen Abhängigkeit wird er – entsprechend dem dreifachen Amt Christi selber (Frage 31) – selbst ein Prophet – in Frage 32 beschrieben: „daß auch ich seinen Namen bekenne“ –, selbst ein Priester – beschrieben: „daß ich mich ihm zu einem lebendigen Dankopfer darstelle“ –, selbst ein König – beschrieben: „daß ich mit freiem Gewissen . . . wider die Sünde und den Teufel streite und hernach . . . über alle Kreaturen herrsche.“19
Damit sei es aber nicht nur unmöglich, von Christus unabhängig vom Menschen zu sprechen, zugleich dürfe fortan auch von dem in Christus offenbarten Sein des Menschen nicht mehr abgesehen werden: „Wir können nicht so tun, wie wenn Jesus Christus auch nur einen Augenblick lang aufhörte, Prophet, Priester und König zu sein, an dem wir Anteil haben.“20 Gegenüber dem Tambacher Vortrag hat Barth die Raummetapher modifiziert, indem er sie invertiert: Keine Vorstellung vom „Christus in uns“ lässt sich mehr subjektivistisch oder aktivistisch vereinnahmen, sondern die menschliche Teilhabe an Christus durch den Glauben bedeutet: „Von unserer Existenz bleibt ja nur das übrig, was in Christus existiert.“21 Des (neuen) Menschen Sein ist nicht sein eigenes, sondern das durch das Jesu-Christi-eigen-Sein des HK charakterisierte. Insofern dies gelte, also „sofern ich ein Glied Christi bin“, komme es dann auch tatsächlich
15 16 17 18 19 20 21
Ders., Einführung in den HK 1938, 9. A. a. O., 16. A. a. O., 9. Ebd. A. a. O., 9f, Auslassungen i.O., kursiv HR. A. a. O., 10. A. a. O., 20, kursiv HR.
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Material-dogmatische Entfaltung. Der HK und das munus triplex
zu dieser Dankbarkeit, zu diesen guten Werken, zu christlichem Leben, indem ich dabei bin bei seinem prophetischen, priesterlichen und königlichen Amt und nun auch meinerseits seinen Namen bekenne, mein Leben zum Dankopfer gebe, mit freiem Gewissen wider die Sünde und den Teufel streite.22
Die unzweideutige Beteiligung jedes Einzelnen führt zu einer starken Aufwertung und Verantwortung in der Entsprechung zum Christus: Selbst ein Prophet, selbst ein Priester, selbst ein König ist der Christ, insofern er Christ, also Christi und seiner Gaben teilhaftig ist. Für die Darstellung dieses christlichen Amtes bleibt Barth vorerst bei den Formulierungen des HK. Im Rahmen der in KD IV aus der Versöhnung folgenden Ekklesiologie und Ethik aber formuliert er dieses Amt als „Zeugendienst“ anhand der paulinischen Trias Glaube – Liebe – Hoffnung aus.23 Im kontroverstheologischen Seminar von 1944 zieht Barth HK 32 zur Differenzierung der Rede vom Trost heran, die ihm früher so unbehaglich war: Der Trost sei nicht nur consolatio, sondern auch das Hineingestellt-Sein in die aktive christliche Existenz und ihre Verantwortlichkeit, die durch Frage 32 inhaltlich gefüllt wird. Die Betonung der Aktivität – bei bleibender Abgrenzung von einer Werkgerechtigkeit – geht so weit, dass Barth die Bitten des Vaterunsers als „Gebote und umgekehrt die 10 Gebote als Gebete“ auffassen kann.24 Mit Verweis auf HK 32 wird nicht nur das katholische Vorurteil des Quietismus abgewehrt, sondern auch das der negativen, pessimistischen Anthropologie.25 Die ihm in Christus zugeeigneten Gaben würden dadurch aber keineswegs zum Eigentum des Christen: Christus „bleibt der primäre Eigenthümer, wir haben nur teil, insofern wir Glieder sind an seinem Leibe.“26 Gerade die Auffassung vom ‚Leib Christi‘, deren Bildsprache den Vortrag prägt (Gliedschaft, Einverleibung, Teilhabe. . . ), charakterisiert das christliche Leben aber umfassend über die in Christus ermöglichte eigene Aktivität: „Denn nach Frage 32 ist die Existenz des Christen auf der ganzen Linie ein Tun, ein Bekennen, Danken und Streiten.“27 Die Aktivität des Christen kann so zwar nicht als Mitwirkung am Werk Christi, wohl aber als Werk des Glaubens bezeichnet werden. Die Lehre vom dreifachen Amt als solche greift Barth in seinem Basler Seminar 1946/47 wieder auf, führt sie dabei allerdings zunächst weiter als Dual aus: Priesterliches und königliches Amt – verbunden mit den Stichwörter-Paaren Erlösung und Gerechtigkeit, Blut und Geist – werden als „doppelte Grundlinie“ und „neues Strukturprinzip“ durch die drei zuvor benannten „Längsschnitte“ (Tröster – Getrösteter – Trost) bezeichnet.28 Als zusätzliches Begriffspaar tritt hier der heilsgeschichtliche Dual von Kreuz und Auferstehung hinzu, was als erster Schritt zu 22 23 24 25 26 27 28
Barth, Einführung in den HK 1938, 22f, kursiv i.O. S.u. Kap. 6.2. Barth/Balthasar, Kritik, 1. Sitzung am 03.05.1944. A. a. O., 5. Sitzung am 31.05.1944. A. a. O., 5. Sitzung am 31.05.1944. A. a. O., 1. Sitzung am 03.05.1944. Barth, Der Heidelberger Katechismus, 8. Sitzung am 11.12.1946. Ähnlich über das Begriffspaar „Erlösung“ und „Gerechtigkeit“ schon Barth/Balthasar, Kritik, 1. Sitzung am 03.05.1944.
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Barths späterer Verbindung der Ämter-Systematik mit der Lehre von den beiden Ständen Christi (Erniedrigung – Erhöhung) in KD IV gesehen werden kann. 1946/47 spricht Barth dezidiert von der „Drei-Ämter-Lehre“, führt aber wie zuvor nur zwei Ämter aus. Dabei verbindet er den bereits verwendeten Dual des Wirkens Christi in Blut und Geist mit einer neuen Systematik: Dass er uns durch sein Blut erlöst, sei „ein Objektives“, dass er uns „durch seinen Geist versichert und willig und bereit macht“, sei „ein Subjektives“.29 Hier bereitet sich die von Barth in KD IV vorgenommene Ausweitung des Duals auf die Trias unter besonderem Ausbau der Pneumatologie vor: Dort wird er unter der objektiv und für die ganze Welt bereits geschehenen Zueignung die mit dem priesterlichen und königlichen Wirken Christi verbundene Rechtfertigung und Heiligung verorten, während die subjektiv nur von den Christen vollzogene Aneignung durch das Wirken des Geistes zustande komme und den Christen zu seinem prophetischen Zeugen mache.30 Die Kategorien objektiv und subjektiv werden dadurch gewissermaßen doppelt belegt. Zum einen werden die ersten beiden Ämter dem objektiven Handeln Christi zugeordnet, während sein Offenbarsein für uns im dritten Amt der Übertritt in den subjektiven Bereich ist. Zum anderen ist Christi Heilswerk (in allen Ämtern) objektiv verstanden, dessen Zueignung und Aneignung durch den Geist – in allen drei Ämtern – das subjektive Moment. Trotz seiner christozentrischen Auslegung bezeichnet Barth den HK als in besonderem Maße pneumatologisch qualifiziert, darum stehe der 3. Artikel des Apostolikums und überhaupt die subjektive Komponente, vor deren grundsätzlicher Kritik Barth an dieser Stelle sogar warnt, im Vordergrund. Dass die Rede vom Heiligen Geist hier nur christologisch vermittelt auftauche (so wird z.B. selbst der traditionell dem Geist zugeschriebene Titel des „Trösters“ Christus zugeordnet), begründet Barth mit der Notwendigkeit des Schutzes vor menschlichen Vereinnahmungen des Geistes zurück: „Schwärmer, Humanisten, aber auch gerade Rom haben mit ihrem Reden vom Geist doch immer wieder den Menschen auf Gottes Thron zu heben versucht.“31 In dieser Veranstaltung bekommt die Lehre vom munus triplex Christi ein besonderes Gewicht: Sie wird erstmalig zur vollständigen Entfaltung der Christologie und Soteriologie verwendet. „Die drei Größen des munus triplex Christi: ‚offenbart, erlöst, regiert‘ beschreiben das ganze Werk und die Person Christi.“32 Barth verweist dabei insbesondere darauf, dass es sich bei den den ChristusNamen interpretierenden drei Salbungsämtern um eine alttestamentliche Tradition handelt.33 Die Übertragung dieser Ämter auf Christus und auf Christus allein
29 Barth, Der Heidelberger Katechismus, V2v. 30 Dabei ist selbstverständlich Christi Werk kein Sein an sich, sondern immer schon seine Tat für uns. Der „Übergang“ vom Christus zu den Christen, der bereits in §59 ausführlich thematisiert wird, kommt dennoch hauptsächlich im Wirken des Geistes zustande und zieht sich darum auch durch alle drei christologischen Ämter. 31 Barth, Der Heidelberger Katechismus, 4. Sitzung am 13.11.1946. 32 A. a. O., 7. Sitzung am 04.12.1946. 33 Vgl. a. a. O., 7. Sitzung am 04.12.1946.
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bedeute die Kritik und das Ende aller menschlichen Berufungen auf göttlich legitimierte Macht, insbesondere auch politische.34 Barth bezieht hier erstmalig auch das prophetische Amt expliziter in seine Ausführungen ein, auch wenn das priesterliche und königliche Amt weiterhin den größeren Raum einnehmen. Er reflektiert explizit auf diese Spannung, indem er über den HK feststellt: „Das Blut- und Geistschema ist vor allem in der Tauffragen zu stark verankert“, darum bleibe doch das Doppel-Schema beherrschend. Als ein „anderes Schema“, das über den HK allerdings hinausführen würde, deutet Barth hier „etwa eines mit auf- und absteigenden Vertikalen und einer abschließenden, horizontalen Dritten“ an. So wird er es selbst einige Jahre später in KD IV anlegen und dabei dem prophetischen Amt dort mehr, ja sogar den dominierenden Raum zugestehen. Über den HK führe das aber hinaus, hier bilde das prophetische Amt „eben die Voraussetzung des Katechismus“.35 Den Geist und die Geistverleihung ordnet Barth einerseits weiterhin dem Königtum Christi zu, ja konzipiert sie beide nur als Teilbereich desselben: So bildeten die Gaben des Geistes den inneren Bereich, der Schutz gegen alle Feinde den äußeren Bereich seiner Herrschaft.36 Andererseits gilt in umfassenderer Weise: „Es ist der heilige Geist, der den Menschen in den Leib Christi einordnet und uns zu Gliedern Christi macht.“37 Diese Beziehung sei als eine „dynamische“ zu sehen, wie das wiederholte „magis ne magis“, „je mehr und mehr“ des HK betone. In dieser dynamischen Angleichung zum „Spiegelbild“ Christi liege die „renovatio hominis“. Zwar sei der „Christusmensch nicht ein zweiter Christus, aber ein Wesen, das christusgemäß gestaltet ist“ und als solcher „an seinem Amt teilnehmen dürfe“. Ein „wirklicher Christianos“ sei ich dann, „wenn man in mir die Drei Ämter Christi abgebildet sieht.“38 In der Bonner Vorlesung von 1947 wird Frage 32 als „eine der interessantesten des ganzen Katechismus“ hervorgehoben.39 Barth charakterisiert hier die Entsprechung des Christen zu Christus allerdings nicht mehr wie zuvor über die Stichworte Blut und Geist, sondern in Anlehnung an und Kontrast zur lutherischen unio mystica als unio activa. Diese Aktivität sei aber mit dem HK nicht als Werkgerechtigkeit, sondern als Dankbarkeit zu sehen: Bereits 1923 hatte Barth darauf hingewiesen, dass Frage 32 in den dritten Teil des Katechismus hinüberweise.40 Wie eine Klammer zur Tambacher Erkenntnis „Der Christ ist der Christus“ stellt der Nachkriegsvortrag Christus und wir Christen 1947 anhand des Chris-
34 35 36 37 38 39 40
Vgl. Barth, Der Heidelberger Katechismus, 7. Sitzung am 04.12.1946. A. a. O., 7. Sitzung am 04.12.1946. A. a. O., 13. Sitzung am 05.02.1947. A. a. O., 14. Sitzung am 12.02.1947. A. a. O., 14. Sitzung am 12.02.1947. Ders., Die christliche Lehre 1947, 61. S.o. S. 76.
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tustitels das spezifische Verhältnis von Christus und Welt dar.41 Damit bilden beide Vorträge auch den Rahmen um die gesonderte Beschäftigung Barths mit dem HK, die sich über den Zeitraum 1921–1947 erstreckt. Im genannten Vortrag formuliert Barth nun wie der HK in Frage 32 den Übergang vom Christus zu den Christen über den gemeinsamen Namen, der bedeute, dass Menschen durch ihre Berufung durch Christus zu Christen in das Verhältnis zu Christus eintreten (3). Der „Christenname“ ist es, in dem Jesus Christus „Gottes Wort für uns“ wird, und damit „Anrede und Aufruf und Berufung“. Die Anrufung mit dem Christusnamen ist die Berufung des Menschen zum Christ-Sein: In seinem Bekenntnis zu uns redet Christus uns als Christen an.42 Dieses Christ-Sein ist nun aber gerade „nicht Selbstzweck“, vielmehr habe uns Christus „gewürdigt, uns an seinem Christsein zu beteiligen.“ (11) Was das bedeutet, erklärt Barth durch den Verweis auf den HK: „Besser lässt es sich nicht sagen, als es im Heidelberger Katechismus in Frage 32 ausgeführt wird: [. . . ] Was wir als Christen empfangen, empfangen wir als Ausrüstung zur Beteiligung am Dienst Christi [. . . ]: die durch unser Leben sichtbar zu machende Botschaft, der Dienst des Zeugen“ (10f). Gleichzeitig warnt Barth jedoch vor einer mit dieser Teilhabe verbundenen Gleichsetzung: „Wehe uns, wenn wir selber kleine Christusse sein wollten!“ (11) Der Dienst des Christen sei vielmehr als „Dienst des Zeugen“ zu begreifen. Sein Christ-Sein bestehe im Hinweis auf Christus, im Bekennen Christi, darin, „Christus bekannt und also Gottes Erbarmen sichtbar zu machen.“ (11) Es gelte, „Gleichnis zu werden mit allem, was wir sind und tun“ – nicht weniger, aber eben auch nicht mehr als das (12). Das seit dem Tambacher Vortrag deutliche Anliegen Barths, keinesfalls den Menschen mit Christus gleichzusetzen, zugleich dem Christen aber durchaus eine Verantwortung in der Welt zuzusprechen, kommt in diesem Zeugen-Begriff zum Ausdruck. Der Heilige Geist stellt uns in die Gemeinschaft mit Christus, in den Leib Christi, ja in den Christus hinein und zugleich „mit beiden Füßen auf diese Erde“ und unter die Menschen, um ihnen eben das an uns Geschehene zu bezeugen (9). So gelte einerseits: „Die frohe Botschaft lautet: Es ist vollbracht!“ (18) Nicht irgendein menschliches Amt führe das Evangelium herbei. Aber diejenigen, die sich – als Christen – dieses Angebots bewusst seien, wüssten andererseits, dass es nicht nur ihnen gelte: „Es handelt sich ja hier um ein totales Angebot Christi. Wir dürfen unter diesem totalen Angebot leben und dürfen darum auch den Anderen den Weg zu einem Leben unter der Herrschaft dieses totalen Angebotes zeigen.“ (19) Diesem christlichen Dienst „sind alle Christen in gleicher Weise verpflichtet und verantwortlich“ – das Amt liegt schon in ihrem Namen (14).
41 Barth, Christus und wir Christen, Zitate aus diesem Titel werden im Folgenden durch Seitenzahlen im laufenden Text nachgewiesen. Hervorhebungen entstammen dabei, soweit nicht anders angegeben, dem Original. 42 Der Spiegel berichtet über den Vortrag in Hamburg und bezeichnet Barth daraufhin als „Verfechter des ‚radikalen Christentums‘“ (Mit den Anfängen anfangen, 18).
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In der weiten Zeitspanne von 1919–1947 zeigt sich: Die munus-triplex-Lehre des HK bietet Barth eine Brücke zwischen seinem hohen ethischen Anspruch und dem Bestehen auf der menschlichen Unmöglichkeit und der Christuszentrierung. Hatte er 1919 vom „Christus in uns“ gesprochen, war dies im Sinne der religiösen Sozialisten missverstanden worden. So fühlte er sich im Folgenden genötigt, immer wieder aufs Schärfste zu betonen: „Wir sind nicht Christus“.43 Das messianische dreifache Amt kennzeichnet klar nur Jesus als den Christus. In der Übertragung der drei Ämter durch Glauben und Geist auf den Menschen, der dadurch zum Christen wird, kann Barth aber beides – die christologische Ausschließlichkeit und die Aktivität des Menschen – festhalten.44 „Selbst geradezu ein Christus“ – genau in der minimalen Differenz zwischen demjenigen, der selbst der Christus ist und dem Anteilhaben an Christus durch die Übertragung der drei Ämter im Christsein kann Barth seinen Anspruch wahren. Der bleibende Unterschied zwischen Jesus Christus und dem Christen ist der ontologische: Während Christus sein Sein in sich selbst hat, hat der Christ sein Sein im Nicht-sein-eigen-, sondern Jesu-Christi-eigen-Sein. Insofern kann man feststellen, dass Barth die Antwort auf die in Tambach aufgeworfene „Frage“ im HK, genauer gesagt, in der Verschränkung der Fragen 31 und 32 gefunden hat. 6.1.2 Das munus triplex als Struktur der Versöhnungslehre in KD IV Die beobachtete sukzessive dogmatische Anreicherung, die Barth in seiner Interpretation der munus-triplex-Lehre des HK vornimmt, geht in ihrer Bedeutung über seine HK-Auslegung hinaus. Sie gipfelt im Entwurf der Versöhnungslehre: Was Barth aus dem HK gewinnt, ist nicht weniger als die Struktur von KD IV.45 Barth versteht seine Theologie wie den HK selbst als Re-Lektüre des Wortes Gottes in der Schrift. Im Folgende soll die spezifischere Textur dieses Grundtextes „Jesus Christus“ herausgearbeitet werden, wie Barth sie in Anlehnung an die HKLehre vom dreifachen Amt Jesu Christi in der KD unternommen hat. Dass Barth seine Versöhnungslehre anhand der Lehre vom dreifachen Amt Christi strukturiert und dabei geschickt die alternativen Gliederungsmöglichkeiten von ZweiNaturen-Lehre und der Lehre von den beiden Ständen Christi integriert, ist vielfach beobachtet, aber nicht auf seine Auseinandersetzung mit dem HK zurückgeführt worden.46 43 Barth, Der HK 1921/22, 4v u.ö. 44 Für Freudenberg liegt genau darin der Unterschied in der Konzeption der Lehre vom dreifachen Amt zu Calvin: „Christi Eintreten geschieht nicht nur für die Christen, sondern auch gemeinsam mit den Christen“ (Freudenberg, Vom dreifachen Amt Christi zu den Diensten der christlichen Gemeinde, 52; Dagegen Plasger, Leser Calvins). 45 In seinem ersten Anlauf 1924 hatte Barth zunächst die Bekenntnisschriften als Ausgangspunkt der eigenen Dogmatik verworfen, s.o. S. 91. 46 Zwar ignoriert die häufig als Erstzugriff auf die KD genutzte Zusammenfassung Otto Webers die Lehre vom dreifachen Amt vollständig (Weber, Kirchliche Dogmatik, insb. 201f). Sie ist aber seither vielfach berücksichtigt worden (vgl. insb. Bornkamm, Amt Christi; dies., Christus – König und Priester; Plasger, Leser Calvins; Butin, Threefold Office). Butin hebt die strukturelle Par-
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Dabei vermeidet Barth zunächst die direkte Charakterisierung der Christologie über die Lehre vom dreifachen Amt. Die Rede vom wahren Gott als erstem christologischen und die Rede vom wahren Menschen als zweitem christologischen Aspekt steht zu Beginn in KD IV/1 im Vordergrund.47 Von hier aus ist auch deutlich, warum Barth den dritten christologischen Aspekt nicht als ebenso eigenständigen, sondern als „Ursprung und Zusammenfassung der beiden ersten“ (148) konzipiert: Es ist die Person Christi als „Gottmensch“, die Einheit der Person aus den beiden Naturen, die darin zur Sprache kommt. In den beiden ersten Aspekten verbindet Barth die abstrakt wirkende Rede von den Naturen – in Protest gegen ihre Abstraktion als Konzeption eines „Seins an sich“ – chiastisch mit der reformierten Lehre von den beiden „Ständen“ Christi, die stärker das Werk und Wirken Christi beleuchten. Gott darf nicht statisch als „hoch“, der Mensch statisch als „niedrig“ verstanden werden: Die wahre Gottheit Christi kommt gerade in der Erniedrigung, die wahre Menschheit Christi gerade in seiner Erhöhung zum Ausdruck (147). Diese doppelte Wahrheit in Bewegung formuliert Barth in den Titeln „Jesus Christus, der Herr als Knecht“ und „Jesus Christus, der Knecht als Herr“, die er als die „präziseren und zugleich umfassenderen“ Übersetzungsversuche der Rede von Christi hohepriesterlichem und königlichem Amt deklariert (148). Wie Barth in seinen Auslegungen des HK das hohepriesterliche und königliche Amt hervorgehoben und parallel durchgeführt hatte, sind die Teilbände KD IV/1 und IV/2 stark aufeinander bezogen und symmetrisch gestaltet. In ihrer Anlehnung an Zwei-Naturen- und Zwei-Stände-Lehre erheben sie ja den Anspruch, in ihrer Doppelgestalt bereits die Christologie bzw. Soteriologie umfassend darzustellen: „Alles Materielle, was von Jesus Christus und von der in Ihm geschehenen Versöhnung zu sagen ist, ist in dem Doppelten [. . . ] erschöpfend gesagt“ (149). Der „dritte Aspekt“ stelle lediglich die „Anschauung dieser Geschichte in ihrer Einheit und Ganzheit“ dar (149). Wäre darum auch „sachlich“ eine Lehre vom munus duplex erschöpfend, wie Calvin sie zugespitzt auf das königliche und Luther sie zugespitzt auf das priesterliche Amt Christi vorgetragen haben,48 gilt
allele von HK 31–32 und Barths Versöhnungslehre (sowie dem Genfer Katechismus) hervor. Er unterlässt es allerdings, die Entwicklung dieses Schemas in Barths Denken nachzuzeichnen, die, wie hier gezeigt werden konnte, mit den Stufen seiner Beschäftigung mit dem HK einhergeht. Außerdem bleibt er in der Betrachtung des munus triplex Christi stehen und vernachlässigt damit sowohl die Pointe des HK als auch die von Barths Versöhnungslehre: dass von Christus her eben auch Anthropologie und Ekklesiologie zu verstehen und zu strukturieren sei. Die Übertragung der Ämter vom Christus auf den Christen in HK 32 und in den Teilbänden von KD IV kommt bei ihm nicht in den Blick. Plasger hält den HK zwar für „einen der herausragenden Gesprächspartner Barths in der Kirchlichen Dogmatik“, bezieht sich dabei aber v.a. auf die vielfache Aufnahme einzelner Fragen (Plasger, Relative Autorität, 71). Die Gesamtarchitektur von KD IV führt er nicht auf den HK, sondern auf die Aufnahme Calvins durch Barth zurück (ders., Leser Calvins). 47 Barth, KD IV/1, 140–148. Zitate aus diesem Titel werden im Folgenden durch Seitenzahlen im laufenden Text nachgewiesen. Hervorhebungen entstammen dabei, soweit nicht anders angegeben, dem Original. 48 Zur reformatorischen Lehre vom munus duplex bzw. munus triplex Christi vgl. Luther, Von der Freiheit eines Christenmenschen; Calvin, Institutio, II, 15. Ihre Entwicklung bei Calvin vom zweifachen zum dreifachen Amt beschreibt Blaser, Calvins Lehre von den drei Ämtern Christi. Wie
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dennoch: Es gibt – ganz anders, aber nicht minder ernsthaft als die beiden ersten aufzuwerfen und zu beantworten – noch ein drittes Problem der Versöhnungslehre, ohne dessen Beachtung, Entfaltung und Beantwortung sie ihrem Gegenstand gegenüber ebenso im Rückstand, ein Torso bliebe.49
Es gehe in Bezug auf die ersten beiden Teile zwar nicht um einen zusätzlichen „Wahrheitsgehalt, wohl aber um den Wahrheitscharaker“ beider, in dem sich das göttliche Gnadenwerk worthaft selbst bezeuge (149). In Jesus Christus ist die Versöhnung nicht nur Ereignis, sie wird auch als Ereignis für uns offenbar. Erst damit tritt sie im eigentlichen Sinne der Welt verheißend und sich selbst verbürgend gegenüber. Nur unter Einbeziehung dieses Aspektes werde die objektiv bereits geschehene und vollständige Wirklichkeit der Erlösung Wahrheit für uns. Erst das prophetische Amt Christi bezieht den Menschen in die göttliche Bewegung ein und ermöglicht Teilhabe durch Kommunikation und Kommunion. In dieser Hinsicht weist der dritte Teilband über sich hinaus in Richtung der Eschatologie in der – nicht mehr geschriebenen – KD V. Während das prophetische Amt Christi in gewisser Weise separat und zusätzlich zu den beiden ersten Ämtern zu stehen kommt, will Barth dies weder als Fortführung der Tradition sehen, in der dieses Amt – „ihnen gewöhnlich als eine Art Auftakt vorgeordnet – eine etwas kümmerliche, jedenfalls nicht eine als eigentlich wichtig einleuchtende Rolle spielte“, noch will er sich der „sehr fatalen Gestalt“ der Aufwertung des prophetischen Amtes Christi in Form einer Lehrer- und Vorbildchristologie anschließen (151). Durch die Abhebung des dritten Teils der Versöhnungslehre fällt die Betonung durchaus, wie auch insgesamt in der KD, auf das prophetische Amt.50 Dies stellt eine signifikante Selbstkorrektur Barths gegenüber seinen bislang vorgenommenen HK-Auslegungen der Lehre vom dreifachen Amt dar, die selbst der von ihm hier beklagten Vergessenheit des dritten Amtes schuldig wurden. Im zur Figur des Richters umgeformten Amt des Priesters erscheint nun „der Herr als Knecht“; in seinem königlichen Amt tritt in Christus „der Knecht als Herr“ auf; während der als „der wahrhaftige Zeuge“ konzipierte Prophet als Bürge der Wahrheit bleibend die ersten beiden Ämter bzw. Stände bzw. Naturen darstellt.51 Diese Verschränkung gibt dem Namen „Jesus Christus“ Textur: Die hohepriesterliche Bewegung bedeutet, den Christus als „Jesus“ zu lesen; die königliche Bewegung bedeutet, Jesus als den „Christus“ zu lesen; und die prophetische Bewegung schließlich hält das Gleichheitszeichen zwischen beiden Namensteilen und damit seine Lesbarkeit fest. Die minimale Textur, die in der Doppelpoligkeit des Namens Jesu Christi aufscheint, konkretisiert sich weiter in der alttestamentlichen Beschreibung des Messiastitels, der in der Akklamation als „Christus“ auf
schon Jansen, Calvin’s Doctrine of the Work of Christ, betont er die demokratisierenden Konsequenzen der Lehre vom dreifachen Amt. 49 Barth, KD IV/3, 5. 50 Das prophetische Amt nennt Bornkamm „die systembestimmende Größe“ und urteilt: „Ihm aber gilt Barths eigentliches Interesse“(Bornkamm, Amt Christi, 19f). Ähnlich Butin, Threefold Office, 204; Freudenberg, Das dreifache Amt Christi, 251. 51 Barth, KD IV/1, 148.
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Jesus übertragen ist. Diese Textur liefert ein Differenzierungspotential und Unterscheidungskriterium zu abstrakten „Christentümern“ und „Weltanschauungen“: Das Wesen dieser Möglichkeit, in welchem alle ihre erwähnten Bestimmungen zusamment effen [sic!] und die dann auch mit ihren äußeren Kennzeichen identisch ist, besteht darin, daß die Weltanschauungen samt und sonders für Jesus Christus keine Verwendung haben. Mag sein: für einen abstrakten Gott. Mag sein: für einen abstrakten Menschen. Nicht aber für ihn, den Gottmenschen. Mag sein: für einen aus dem Zeugnis des Neuen Testamentes herausgelösten angeblich historischen Jesus. Mag sein: für eine mittelst eines ähnlichen Abstraktionsverfahrens gewonnene Christusidee. Nicht aber für den lebendigen Herrn, nicht für den Hohepriester, nicht für den König und erst recht nicht für den Propheten Jesus Christus.52
In der Lehre vom dreifachen Amt findet Barth den Schlüssel zu einer konkreten Christologie, die für die gesamte Dogmatik fruchtbar wird. Als Mittler bildet Jesus Christus die Mitte der Theologie. Die Zentralität des Namens Jesu Christi für Barths Dogmatik zeigt sich hier in einem Doppelten. Zum einen hält Barth fest: „Die Christologie ist der Schlüssel zu diesem Ganzen“ – kein theologischer Satz ist in Absehung und Unabhängigkeit von der Christologie zu entfalten (151). Zum anderen lehnt er aber umgekehrt auch eine Christologie als einzelnen, „abgesonderten Locus“ der Theologie ab (135): Es gibt kein Sein Jesu Christi an sich, denn „Jesus Christus existiert in der Totalität seines Werkes als Versöhner“ und so kann keine Rede von ihm umhin, ihn unmittelbar und „sofort in Beziehung zu dem zu setzen, was er nicht für sich, sondern für uns, was er in der Vollstreckung der Versöhnung ist“ (136f). In diesem Sinne werden im Spiegel der Christologie in den drei Teilbänden jeweils davon abhängige Aspekte von Hamartiologie, Soteriologie und Pneumatologie entfaltet, wobei das Wirken des Geistes in Kirche (gewissermaßen als kommunitäre Pneumatologie) und christlichem Leben (gewissermaßen als individuelle Pneumatologie) differenziert wird. In Verweis auf den Zusammenhang von HK 31 und 32 – dem Zusammenhang der Ämter Christi mit denen des Christen – soll im Folgenden insbesondere die Frage der ‚Entsprechung‘ des Christen mit dem Christus beleuchtet werden, die unter Verknüpfung mit der paulinischen Trias Glaube – Liebe – Hoffnung als christliche Existenz in der Welt konzipiert wird und als solche ein Bekenntnis vom und zum Christus darstellt. Dass Barth diese Gesamtstruktur tatsächlich in Auseinandersetzung mit dem HK gewonnen hat, lässt sich im Zuge der beobachteten Auslegungsentwicklung untermauern, in der der Aufteilung der Ämter Christi parallelisierend immer mehr Themen zugeordnet wurden. Hinzu kommt, dass Barth 1938, als er auf den letzten 52 ders., KD IV/2, 296. Zu Lesbarkeit und Narratologie des Namens vgl. auch Barths wechselseitige Interpretation von Person und Werk Christi: „Nur daß wir diese beiden Loci hier wie in den beiden ersten Teilen nicht in der Beziehungslosigkeit, in der sie in der alten Dogmatik aufeinander folgen, stehen ließen, sie also nicht nur unterschieden, sondern zugleich in gegenseitige Verbindung setzten – in der Weise, daß wir nicht nur das Tun und Werk Jesu Christi durch seine Person, sein Sein, sondern auch seine Person, sein Sein durch sein Tun und Werk erklärt haben. Eben darum hatten wir gerade in [sic!] vorangehenden Abschnitt so viel Nachdruck auf die Geschichtlichkeit der Prophetie Jesu Christi legen und schließlich ihre Geschichte, soweit sie erzählt werden kann, geradezu erzählen müssen“ (ebd., 317).
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Seiten von KD I/2 die Grundzüge der in den folgenden Bänden zu entwerfenden Theologie im Überblick beschreibt, die später realisierte Aufteilung von KD IV noch nicht anklingen lässt. Die ursprüngliche Skizze des Aufbaus lautete: Vier große Kreise werden uns hier beschäftigen: Einmal der von Gott aufrechterhaltene und bestätigte Bund zwischen Gott und Mensch; hier und nur hier, also zum vornherein im Licht der Lehre von der Gnade wird des entsprechenden Schattens zu gedenken, wird also die Lehre von der Sünde zu entwickeln sein. Sodann: die objektive Tatsache der göttlichen Versöhnung in der Person und im Werk des gott-menschlichen Mittlers Jesus Christus. Sodann: die subjektive Zueignung der Versöhnung an den Menschen durch die Gegenwart Jesu Christi im Heiligen Geist im Raume der Kirche, auf dem Wege, der dem Menschen durch die Sakramente der Taufe und des Abendmahls bezeichnet ist,53 durch des Menschen Berufung, Rechtfertigung, Heiligung und Bewahrung. Endlich – auch die theologische Ethik muss hier eine zweite Wendung vollziehen – die Inanspruchnahme des Menschen durch das Gebot Gottes, sofern es uns jetzt als den unter Gottes Gericht gestellten, aber auch durch Gottes Gnade Angenommenen begegnet als Gottes unsere Sünde aufdeckendes und strafendes, aber eben so auch heilsames und zurechtweisendes Gesetz, sofern jetzt, in der Kirche, der Mitmensch unser Nächster und Bruder wird, der in seiner eigenen Not einen Auftrag und eine Hilfe für uns bedeutet, der uns das Gebot Gottes zu sagen hat.54
Die hier angegebenen vier „Kreise“ wird Barth zwar in KD IV auch tatsächlich entfalten. In der 1938 vorausgeschickten Erläuterung der anderen Bände spricht Barth allerdings ebenfalls von „Kreisen“, erläutert unter diesem Stichwort dann aber die sukzessive Einteilung in Teilbände. Dementsprechend ist zu vermuten, dass Barth bei der ersten Skizze des Gesamtentwurfs 1938 auch in der Versöhnungslehre plante, einen ersten Teilband zum göttlichen Gnadenbund, einen weiteren zum objektiven Heilsgeschehen in Jesus Christus, einen dritten zur subjektiven Heilsaneignung des Menschen mit ersten ethischen Konsequenzen und schließlich, wie schon in KD II und III, einen letzten ethisch ausgerichteten Teilband zu konzipieren. In der Durchführung hält Barth zwar an diesen vier Themenkreisen fest, doch entfaltet er sie nicht mehr wie ursprünglich vorgesehen nacheinander, sondern – gewissermaßen um 90 Grad gedreht – als horizontal durch alle drei Teilbände gehende Dimensionen, während er die Teilbände nun durch die Struktur der Lehre vom dreifachen Amt gliedert, die in dem Entwurf in KD I/2 noch mit keinem Wort anklingt. Die besondere Pointe im Aufbau der Versöhnungslehre ist also nicht nur die Integration von drei verschiedenen christologischen Modellen – der Zwei-NaturenLehre, den beiden Ständen, und der Lehre vom dreifachen Amt – im Aufriss der Teilbände, auch wenn dies eine wichtige Leistung ist und insbesondere der Aufspaltung von Person und Werk Christi wirksam entgegentritt. Sie liegt vielmehr darin, dass in diesen christologischen Aufriss, aus ihm abgeleitet und in ihn verschränkt, alle weiteren Themen der Dogmatik mit eingebettet sind: Anthropolo53 Diese Figur hatte Barth im Kontext seiner HK-Lektüre aufgedeckt, genauer gesagt in seiner Einbettung in die kurpfälzische Kirchenordnung, s.o. S. 141. 54 Barth, KD I/2, 987.
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gie, Hamartiologie, Soteriologie, Ekklesiologie und Pneumatologie sind innerhalb dieser Konzeption parallel aufgebaut und Konsequenz der christologischen Struktur (vgl. Tabelle):55 KD IV/1
KD IV/2
KD IV/3
Zwei Naturen Zwei Stände Dreifaches Amt Christologie
vere deus status exinanitionis Priester Der Herr als Knecht
vere homo status exaltationis König Der Knecht als Herr
– – Prophet Der wahrhaftige Zeuge
Hamartiologie Soteriologie Ekklesiologie Christl. Leben
Hochmut + Fall Rechtfertigung Sammlung Glaube
Trägheit + Elend Heiligung Auferbauung Liebe
Lüge + Verdammnis Berufung Sendung Hoffnung
Gerade diese Verknüpfung ist aber eine Besonderheit, die in der Verschränkung der Fragen 31–32 des HK angelegt ist, wo das dreifache Amt, das das Wirken Christi gliedert, sowohl in seinen Auswirkungen als auch als Beschreibung seines eigenen christlichen Lebens auf den Christen übertragen wird.56 Die im Zuge von Barths Lektüren des HK an die Ämter-Lehre sukzessive angesammelten topoi kehren nun in der horizontalen Ebene der Versöhnungslehre wieder, wie sie ab 1953 veröffentlicht wird.57 Erweitert sind sie aber nun konsequent um das dritte Amt, das Barth in seinen HK-Auslegungen weitgehend außen vor gelassen hatte, das er nun aber mit dem Begriff des Zeugnisses zum Scharnier zwischen dem Amt Christi und dem Amt des Christen ausbaut. Die Struktur der Tabelle lenkt in ihrer Parallelität nämlich von einer grundsätzlichen Differenz zwischen der christologischen und der menschlichen Dimension ab, die Barth selbst in geometrischen Bildern beschreibt: „Die Vertikale ist das versöhnende Handeln Gottes in Jesus Christus. Die Horizontale ist dessen Gegenstand: der Mensch und die Menschheit“ (719). Obwohl also in einem gewissen Sinne das Wirken Christi inklusive der Übertragung seiner Ämter auf den Christen beide ganz nahe zusammenrückt, bleiben sie in einem fundamentalen Sinne voneinander auch und gerade in der „aktiven Anteilnahme des Menschen an Gottes Versöhnungstat“ unterschieden (719). Es ist der Ausbau des prophetischen als des kommunikativen Amtes, das Barth die Verschränkung der Vertikalen mit der Horizontalen erlaubt. 55 Ähnliche tabellarische Darstellungen des Aufbaus von KD IV finden sich bei Weber, Kirchliche Dogmatik, 197 und Jüngel, Barth-Studien, 54. Es ist diese Verschränkung von Themengebieten durch die „Ausarbeitung der christologisch-anthropologisch-politischen Vermittlungen (also des Zusammenhangs von Christologie, Hamartiologie, Soteriologie, Ekklesiologie und politischer Ethik)“, durch die Barth nach Dannemann eine „konsistente Theorie politischen Handelns“ entwickelt (Dannemann, Theologie und Politik, 232). 56 Plasger, Leser Calvins, ordnet die Struktur von KD IV der Aufnahme von Calvins Lehre vom dreifachen Amt zu, weil er die Pointe lediglich in der Verknüpfung von Werk und Person Christi (und nicht auch in der Verknüpfung anderer Topoi mit der Christologie) sieht. 57 Als Vorlesung begann Barth die Versöhnungslehre ab dem SoSe 1951 vorzutragen, vgl. Busch, Lebenslauf, 339f.
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In Analogie zu den drei Ämtern Christi werden hier sowohl die Bestimmung von kirchlicher Gemeinschaft als auch die Bestimmung des Einzelnen gefasst (deren Negativ-Folie die jeweilige Formulierung der Sünde bildet).58 Bekenntnis heißt: Der Christ wird zum „Zeugen“, zum Hinweis auf Christus, zum Gleichnis Christi in der Welt. Dieses Zeugnis realisiert sich in drei Gestalten, wird aber zugleich erst in der dritten Gestalt begründet, die noch einmal gesondert unter der Überschrift des „Zeugen“ steht. Obwohl die Erschließung der christologischen Ämter und ihre Aneignung sich durch alle drei Bereiche zieht und so in Bezug auf die Kirche Erweckung, Aufbau und Sendung durch den Heiligen Geist, in Bezug auf den Einzelnen das christusgemäße Leben in Glaube, Liebe und Hoffnung konstituiert, ist auffällig, dass von einer geistgewirkten Übertragung der Ämter bei Barth explizit fast ausschließlich in Bezug auf das dritte, prophetische Amt die Rede ist, dort aber durchgehend und nachdrücklich. Die kommunikative Wirkung des Geistes in der Übertragung der Ämter Christi auf den Christen prägt so im dritten Teilband in besonderem Maße eine pneumatologische Komponente aus – auch wenn die pneumatologische Anund Zueignung in allen dreien formuliert wird. In Bezug auf Christi priesterliches und königliches Amt werden dabei aber insbesondere deren Wirkungen übertragen, in Bezug auf sein prophetisches aber durchaus auch die Übernahme eigener prophetischer Verantwortung vorgesehen. Damit vermittelt Barth die calvinische Version der Lehre vom dreifachen Amt, die den Gläubigen vor allem die beneficia des Heilswerkes Christi zukommen lässt,59 mit ihrer Gestalt im HK, die auch eine Aktivierung des Christen in der Teilhabe an seinen Ämtern vorsieht. In beiden Aspekten zeigt sich die „überflüssige“ Wirkung des Geistes: Durch den Geist strömen dem Menschen sowohl die beneficia Christi zu als auch die aktive Teilhabe an seinem Amt. Letztere ist aber nicht selbst heilsnotwendig, sondern eine Folge der Heilszueignung, die den Menschen zum Christen macht.
6.2 Glaube – Liebe – Hoffnung. Das dreifache Tatbekenntnis des Christen als Zeugnis vom Christus 6.2.1 Vom wahrhaftigen Zeugen zum Zeugnis des Christen als Tat der Hoffnung. Das munus propheticum nach KD IV/3 Im prophetischen Amt Christi geht es Barth gegenüber den ersten beiden Ämtern nicht um ein drittes Was, sondern „um das dem Was des Versöhnungsgesche-
58 In diesem Sinne ist die Rede von einer „high ecclesiology“ Barths (begründet in seiner „high Christology“) durchaus gerechtfertigt (Laubscher, A Search for Karl Barth’s „Public Theology“, 242). Bereits Bäumler versteht Barths Ekklesiologie als Entfaltung des dreifachen Amtes Christi, auch wenn er nur die prophetische Dimension eingehender beschreibt und so den Gesamtansatz nicht weiter untersucht (Bäumler, Die Lehre von der Kirche in der Theologie Karl Barths). 59 Vgl. Calvin, Institutio, II, 15,3–6.
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hens unveräußerlich eigentümliche Wie“.60 Hatten KD IV/1-2 Barths Verständnis das Versöhnungswerk an sich inhaltlich umfassend behandelt, muss es nun für uns noch Wirklichkeit, d.h.: uns offenbar werden. Das prophetische Amt Christi ist dasjenige Wirken, in dem sein gesamtes Werk uns zugeeignet und zugänglich wird. In besonderer Weise wird im dritten Teilband von KD IV zum prophetischen Amt darum der „Übergang“ zwischen Christus und den Christen behandelt (328 u.ö.). So ist dies auch der Ort, wo das zeitgenössisch breit diskutierte „Problem ‚Christus (bzw. die Kirche) und die Welt‘“ in den Blick kommt, das Barth bereits im Vorwort aufgreift (VII). Er bemängelt in der Debatte das Fehlen einer „streng am evangelischen Zentrum orientierten theologischen Grundlage“. Sein Lösungsangebot lautet dahin, dass das auf der ganzen Linie aufzunehmende und durchzuführende „Bekennen vor den Menschen“ nicht nur an den Rand, sondern – weil es in dem Tun des lebendigen Jesus Christus selbst begründet ist – in die Mitte des Lebens des Christen in der christlichen Gemeinde gehört, ja daß es sich am Problem des Zeugnisses entscheidet, ob der Christ ein Christ, die christliche Gemeinde christliche Gemeinde ist oder nicht ist (VIII).
Christ ist der Mensch also nicht dadurch, was Christus für ihn getan hat, sondern dadurch, dass Gott ihn zum Zeugnis von Christus in Wort und Tat ermächtigt, so dass er sein Zeuge in und vor der Welt wird.61 So sehr Barth im ersten und zweiten Teilband Wert darauf legt, in Christus, und in Christus allein, nicht in irgendeiner Mitwirkung des Menschen, liege das Heil, so sehr besteht er nun darauf: Christus ist „nicht ohne die Seinen“.62 Zwar ist und bleibt Christus der einzige Hohepriester und der ewige König und bildet damit Grenze und Ende allen Priesterdienstes und aller Herrschaft. Das dritte Amt hingegen wird durch die Selbstbezeugung Christi nicht aufgehoben, sondern selbst als Amt des Christen eingesetzt. So spricht Barth sehr wohl und sehr direkt von einer Übertragung des prophetischen Amtes Christi als dem „wahrhaftigen Zeugen“ auf den Christen, indem der Heilige Geist der Gemeinde „den Dienst an seinem prophetischen Wort“ anvertraut (780). Christus bezeugt sich selbst – gerade in und durch die Seinen. Christ ist der Mensch gerade insoweit und insofern er Zeuge von Christus, dem ewigen Zeugen, ist. Insofern ist auch das Amt des Christen in erster Linie das prophetische, das Christus bekennend bekannt macht. Dieses ist auch das einzige, das im engeren Sinne vom Christus auf den Christen übertragen wird. Da aber alle drei Ämter Christi die Tat des Christen in Form der Bezeugung verlangen und einsetzen, lässt sich behaupten, dass für Barth alle christlichen Ämter im dritten, prophetischen 60 Barth, KD IV/3, 7. Zitate aus diesem Titel werden im Folgenden durch Seitenzahlen im laufenden Text nachgewiesen. Hervorhebungen entstammen dabei, soweit nicht anders angegeben, dem Original. 61 Vgl. in Barths Gefolge und in Auslegung des HK Niesel, Gemeinschaft mit Jesus Christus, 20: „Das ist das erste, was mein Christsein ausmacht, daß ich zum Missionar berufen werde [. . . und] nicht, daß ich ein begnadeter Sünder bin“, s.o. S. 67. 62 Ebd., 321, ähnlich auch 752.872 u.ö. Die Unterscheidung zwischen Mitwirkung als Synergismus und der tatkräftigen Teilnahme am Werk Christi, die Barth dem Christen zumutet, verdeutlicht er durch den Vergleich mit der katholischen Messe: Der Christ sei nicht selbst Priester, sondern Messdiener des einen Priesters Christus (Barth, KD IV/3, 687).
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Amt Christi, in seiner Selbstbezeugung begründet sind. Von ihm her wird jedes christliche (als Christus folgende) Tun als Zeugendienst bestimmt. Indem es aber Christus folgt, muss es auch dessen differenziertes Wirken abbilden. Zum Amt63 des Christen als Zeugendienst in Antwort auf Christi Zueignung des Heils gehört damit die Bezeugung und Verkündigung des hohepriesterlichen, des königlichen und des prophetischen Werkes Christi. So spiegelt der Zeugendienst des Christen die christologische Ämterdifferenzierung in der Unterscheidung des Zeugnisses des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung wider. Nur als Zeuge Christi und also in Übernahme des prophetischen Amtes, aber als solcher ist der Christ auch Hinweis auf Christi königliches und priesterliches Wirken. Darum wird im Folgenden das prophetische Amt des Christen nach KD IV/3 zuerst erläutert. Erst im Anschluss daran kommt sein prophetisches Zeugnis von Christi hohepriesterlichem und königlichem Wirken zur Sprache. Diese nehmen in ‚Entsprechung‘ und ‚Analogie‘ zu jenem als Tat des Glaubens und der Liebe selbst hohepriesterliche und königliche Züge an, verbleiben dabei aber stets in der Form des (im prophetischen Amt angesiedelten) Zeugnisses. Indem das Wort Gottes, das der Christ bezeugt, in der Person Jesu Christi durch die Struktur des dreifachen Amtes charakterisiert ist, muss auch sein Zeugnis diese Differenzierung widerspiegeln. So wird zwar strenggenommen von den drei Ämtern Christi nur das prophetische auf den Christenmenschen übertragen. Da dieses aber die Kundgabe des Seins Jesu Christi bedeutet, bildet sich darin die Struktur das dreifachen Amtes ab. So legt der Christ in seinem Sein, Reden und Tun das Zeugnis des Glaubens von Christi priesterlichem Werk ab, das Zeugnis der Liebe von Christi königlichem Werk und das Zeugnis der Hoffnung von Christi prophetischem Werk. Die verschiedenen Grundformen des christlichen Zeugnisses benennt Barth in biblischer Zwölfzahl als 1) Gotteslob, 2) Predigt, 3) Unterricht, 4) Evangelisation, 5) Mission, 6) Theologie 7) Gebet, 8) Seelsorge, 9) Vorbilder, 10) Diakonie, 11) i.e.S. prophetisches Handeln, 12) Gemeinschaftsbildung. All diese Formen sind und bleiben in ihrer Zeugnishaftigkeit Elemente des prophetischen Dienstes der christlichen Gemeinde. Dennoch fällt es nicht schwer, in ihnen auch „Entsprechungen“ und „Gleichnisse“ des spezifisch priesterlichen und königlichen Werkes Jesu Christi zu entdecken.64
63 In Bezug auf den Christen qualifiziert Barth allerdings die Rede vom „Amt“, da dies missverständlich im Sinne einer hierarchischen Amtstheologie ist, wie sie sich in der römisch-katholischen oder der lutherischen Tradition findet. Barth zieht es darum vor, von „Dienst“ zu sprechen (vgl. Barth, KD IV/2, 787). 64 So greift Barth etwa bei der Erläuterung des diakonischen Amtes das Stichwort der Liebe auf, das das Bekenntnis des Christen in der königlichen Dimension charakterisiert. In der Diakonie als christlichem Liebesdienst „solidarisiert sich die Gemeinde ausdrücklich mit den ‚Geringsten‘“ (1021), hier geht es darum, „wenigstens zeichenhaft den kosmischen Charakter der in Jesus Christus geschehenen Versöhnung, des Reiches, der Liebe zu Gott und zum Nächsten und also des Inhalts ihres Zeugnisses sichtbar zu machen, [. . . ]: gerade hier, wo sie sich im Besonderen für den physisch und materiell existierenden und also für den ganzen Menschen einsetzt.“ (1022) Als Tat der Liebe müsse Diakonie unbedingt Teil der Gemeinde bleiben und dürfe sich vom Wohlfahrtsstaat nicht
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Der Leitsatz von §69, dem christologischen Einleitungsparagraphen zu KD IV/3, ist der einzige Leitsatz der KD, der aus einem Zitat besteht: der ersten These der BTE mit ihrem HK-Zitat. In demselben Paragraphen findet sich in der höchsten Häufung von HK-Zitaten aller KD-Paragraphen auch die nun explizite Entfaltung des lang aufgeschobenen prophetischen Amtes Christi.65 „Der wahrhaftige Zeuge“ und der Zeugendienst der christlichen Gemeinde in der Welt werden eng miteinander verbunden. Selbst wenn die ersten beiden Ämter noch als reines Handeln Christi in Rechtfertigung und Heiligung an passiv bleibenden Gläubigen hätten gefasst werden können – wir werden aber sehen, dass auch dort bereits aktivierende Konsequenzen gezogen werden –, stellt das dritte Amt als Amt der Berufung den Menschen als Christen endgültig in die Verantwortung und Aktivität in der Welt und in die Welt. Christus ist der wahrhaftige Zeuge; der Mensch, der Christ wird, ist Zeuge, indem er diesen Zeugen bezeugt. Indem in Jesus Christus Gott selbst von sich zeugt, ist seine Prophetie zwar von aller anderen vorläufigen und begrenzten Prophetie unterschieden und bildet ihre Grenze und ihr Ende, wie sein priesterliches und königliches Wirken auch alles menschliches Priester- und Königtum begrenzt. Gleichzeitig setzt Gottes Selbstoffenbarung in Jesus Christus aber das wahre Zeugentum erst ein. Der Grundcharakter des munus propheticum besteht für Barth in der Offenbarung: dem Offenbar-Machen und Offenbar-Sein der in den beiden anderen munera vollständig vollzogenen Versöhnung (7). Die Interpretation des prophetischen als Offenbarungsamt entspricht damit der Formulierung aus HK 31 mit ihrer Rede von Jesus Christus als „unserem obersten Propheten und Lehrer, der uns Gottes verborgenen Rat und Willen von unserer Erlösung vollkommen offenbart“. Das dritte Amt weist in seiner grundlegend kommunikativen Gestalt darauf hin, dass es nicht nur um einen abgeschlossenen Prozess in Gott (mit objektiven, real-ontologischen Folgen für den Menschen) geht, sondern dass Gott die Beteiligung des Menschen an diesem Prozess will: als Erkennendem, aber auch als selbst Handelndem. Im prophetisch-offenbarenden Wirken Jesu Christi, das Menschen zu Christen macht, kommt es zu einer wirklichen Vermittlung zwischen Christus und den Christen. Barth kann sogar von einer „Vereinigung“ mit zwei Momenten sprechen. So bringt er nun selbst die zwischen 1919 und 1947 aufgemachte Spannung wörtlich zusammen: „Christus in den Christen“ und „die Christen in Christus“ (628). Die doppelte Stellvertretung findet, bevor sie sich zwischen Gott und der Welt ereignet, zwischen Christus und den Christen statt, so „daß die räumliche ersetzen lassen: „Gemeinde ohne diakonische Verantwortlichkeit wäre keine christliche Gemeinde“ (1024). 65 In §69 (Die Herrlichkeit des Mittlers) wird der HK 7x explizit als Referenz angegeben. Weitere Häufungen expliziter Verweise auf den HK finden sich je 5x in den §20 (Die Autorität in der Kirche), §48 (Die Lehre von der Vorsehung, ihr Grund und ihre Gestalt) und §53 (Freiheit vor Gott), je 4x in den §30 (Die Vollkommenheiten des göttlichen Liebens), §49 (Gott der Vater als Herr seines Geschöpfs) und §60 (Des Menschen Hochmut und Fall), sowie je 3x in den §13 (Gottes Freiheit für den Menschen), §35 (Die Erwählung des Einzelnen), §50 (Gott und das Nichtige). Implizite Zitate und Referenzen sind durchgehend noch wesentlich häufiger zu finden.
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Distanz zwischen Christus und den Christen verschwindet, daß Christus auch räumlich dort ist, wo die Christen sind, die Christen auch räumlich dort sind, wo Christus ist“ (629).66 Diese reale Vergegenwärtigung führt nicht zu einer Gleichsetzung, sondern zu einer gegenseitig exzentrischen Konstituierung: Daß Christus in den Christen ist, heißt also, daß er als der Mittler zwischen Gott und den Menschen nicht nur für sich und insofern nicht nur konzentrisch, sondern in seinem prophetischen Werk, in der Berufung seiner Jünger und Christen, ohne sich das Geringste zu vergeben, indem er vielmehr gerade darin aufs Höchste er selbst ist, auch exzentrisch existiert: auch in und mit dem Vollzug der Existenz dieser Menschen, als das beherrschende Prinzip der von ihnen in eigener Freiheit gelebten Geschichte (629).
Und umgekehrt: Daß die Christen in Christus sind, heißt also mutatis mutandis auch für sie, daß sie als die von dem einen Mittler zwischen Gott und den Menschen in Ausübung seines prophetischen Amtes Berufenen nicht nur für sich und insofern konzentrisch, sondern ohne daß ihrer Menschlichkeit Eintrag geschähe, vielmehr eben darin zu echter Menschlichkeit erweckt, auch exzentrisch existieren (630).
Vom prophetischen Amt und seiner exzentrischen Konstitution des Christenmenschen her ist es darum auch zu verstehen, dass das christliche Sein ebenso wie das christliche Ethos niemals „als Selbstzweck verstanden“ werden kann (643). Dies käme nach Barth einem „sacro egoismo“ gleich (652). Christ-Sein ist in seiner Exzentrizität keine selbstbezügliche Figur, sondern eine Ausgießung der Geschichte Jesu Christi: „Eine Geschichte also, die ihrerseits Geschichte macht!“ (575) Da Jesus Christus tatkräftig wirkt, kann auch die Gemeinschaft mit Christus nur „Tatgemeinschaft“ sein (685): „Es handelt sich darum, daß sein Werk von da aus gerade als Vergegenwärtigung dieses damals Geschehenen weiter geht.“ (694) In dieser Vergegenwärtigung Christi ist der Christ der doppelt extra se gerichtete Mensch; er ist „auf Gott, der ihn an seinen Nächsten weist und auf seinen Nächsten, an den er von Gott gewiesen ist, ausgerichtet, nicht auf sich selbst.“ (747) So ist der Christ auf der einen Seite „ein in besonderer Weise zu Jesus Christus Gehöriger“, also einer, der nicht sein, sondern nach HK 1 Jesu Christi Eigentum und von ihm berufen ihm gehorsam geworden ist (604f). Er hat in der Nachfolge Christi „dem de facto übereignet zu werden, in Freiheit sich selbst dem auszuliefern, dem er de jure gehört – und um in derselben Erkenntnis dem de facto enteignet zu werden, in Freiheit sich selbst dem zu entziehen, dem er de iure nicht gehört: sich selber“ (617). Auf der anderen Seite gilt für die Christen in aller Radikalität: „[S]ie haben mit ihrem ganzen Dasein, Tun, Lassen und Verhalten und dann auch in Wort und Rede mitten unter den anderen Menschen [. . . ] eine bestimmte Botschaft auszurichten. “ (660) Dieser Auftrag ist mehr als ein beiläufiges Tun. Insofern er das ganze Sein das Christen bestimmt, ist er ein Person und Werk integrierendes Amt: „Sie sind Zeugen. Sie sind Verbi divini ministri.“ (661) Dieses Amt liegt im ChristSein selbst, ist also nicht an bestimmte Amtsträger delegierbar: Christus ist der 66 Vgl. dazu schon Kap. 2.2, S. 47.
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wahrhaftige Zeuge – und von ihm her ist es jeder Christ. Barth stellt fest, dass die Lehre vom dreifachen, insbesondere aber dem prophetischen Amt Jesu Christi in diesem Sinne eine anti-römische Spitze enthält. Er referiert, dass der bedeutende katholische Theologe Joseph Matthias Scheeben „grämlich, aber offen zugab, die Protestanten seien in dieser Sache vorangegangen: ihr böses Motiv sei freilich dies gewesen, die Offenbarung Jesus Christus allein zuzuschreiben“ (13).67 Die Einbettung des doppelten Amtes Christi in das prophetische, das aber ebenfalls Christus zugeordnet ist, verunmöglicht sowohl ein Verständnis der Kirche als Heilsmittlerin als auch eine hierarchische Differenzierung zwischen den Christen als Christen. Den prophetischen Geist hatte nur Jesus Christus „in seiner Fülle – und das nicht nur für seine Person, sondern auch für die Seinigen, für das Leben seines ganzen irdischen Leibes, der Kirche“ (13). Barth zitiert Frage 32 des HK, um sowohl eine reformierte Engführung des Zeugenamtes auf die „biblischen Propheten und Apostel“ (im Sinne einer historischen Privilegierung) als auch eine katholische Beschränkung „auf die Träger des im Papst repräsentierten kirchlichen Lehramtes“ (im Sinne einer hierarchischen Privilegierung) abzuwehren (16). Barth jubiliert geradezu: Herrlich die Durchbrechung jener reformierten und dieser katholischen Engführung in jenem Satz des Heid. Kat. Fr. 32, laut dessen ich – nicht nur die Propheten und Apostel, und nicht nur ein lehrender Klerus, sondern ich! – darin ein Christ bin, daß ich durch den Glauben ein Glied Christi und also seiner Salbung teilhaftig bin: „auf daß auch ich“ – niemand ist da ausgeschlossen und niemand darf sich da ausschließen – „seinen Namen bekenne“! (16f, Hervorhebung i.O.)
In der prophetischen Dimension multipliziert das prophetische Amt die Öffnung, die es konstituiert: „[Z]u diesem Volk redet Christus in der Absicht und mit dem Auftrag, daß gerade es seinerseits zur Welt reden, in deren Mitte sein und Botschafter sein soll.“ (17) In dieser Offenheit lebt die Offenbarung nicht von einem vergangenen, sondern von einem zukünftigen Geschehen: der noch ausstehenden Offenbarung Gottes für alle Welt. In dieser Offenheit auf das zu-künftige, das auf sie zukommende Sein steht das prophetische Zeugnis des Christen als Tat der Hoffnung: [D]ie Zukunft, der der Christ entgegensieht und entgegengeht, ist gerade keine dunkle, neutrale, ambivalente Zukunft [. . . ] die Zukunft, in die der Christ als solcher allein blicken kann, ist die Parusie Jesu Christi in ihrer letzten Gestalt, sein Kommen im Abschluß seines prophetischen Werkes und zu seiner vollendenden Offenbarung. (1066)
67 Barth zitiert hier nicht ganz wörtlich Scheeben, Handbuch der katholischen Dogmatik, 234. Über Scheeben ging die Lehre vom dreifachen Amt auch erstmalig in der Neuzeit in die katholische Dogmatik ein, wobei der Schwerpunkt quantitativ und qualitativ massiv auf dem priesterlichen Wirken liegt. Zu ihrer Entwicklung in der katholischen Ekklesiologie vgl. Schick, Das dreifache Amt Christi und der Kirche. Dass die Lehre vom munus triplex in entgegengesetzter Interpretation durchaus auch von einer katholischen Amtslehre in Anspruch genommen werden kann, zeigt Semmelroth, Die Präsenz der drei Ämter Christi im gemeinsamen und besonderen Priestertum der Kirche sowie die Enzyklika Rahner/Vorgrimler (Hg.), Lumen Gentium [1964]. Auch für Barth bedeutet das „allgemeine Priestertum aller Gläubigen“ aber keine Gleichmacherei: So weist er in KD IV/2 darauf hin: „Der Dienst der Gemeinde ist ein gegliederter, er ist aber ein gegliedertes Ganzes“ (Barth, KD IV/2, 786), vgl. auch ders., KD IV/3, 36.1018.
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Rechtes Zeugnis gibt der Christ dann, wenn „die Tat, das Werk seines Lebens im Ganzen und eben darum auch im Einzelnen ein Werk, eine ununterbrochene Reihe von Werken dieser seiner Hoffnung wird: zum Tatzeugnis von dem nicht nur gekommenen, nicht nur gegenwärtigen, sondern künftig wiederkommenden Herrn.“ (1067) Diese Hoffnung hat der Christ nicht in erster Linie für sich selbst, sondern für all diejenigen, die von der Offenbarung noch nicht erreicht sind: „für die noch Hoffnungslosen“ (1071). In seiner Hoffnung ist der Christ nach Barth Platzhalter nach zwei Seiten: er besetzt und hält nämlich die Position, die Wache, ohne deren Funktion Gott das Geschehen in der in Jesus Christus mit ihm versöhnten, aber von daher ihrem Ziel und Ende erst entgegengehenden Welt nicht seinen Lauf nehmen lassen will (1071).
Darin ist der Christ „Gottes Platzhalter“ (1072), in der Tat seines Hoffens zugleich aber auch „Platzhalter für die ganze ihn umgebende, jetzt scheinbar weit und breit nur eben schlafende Menschheit. [. . . ] Vorläufig hofft die Kirche und die Welt nun eben in seiner Person, durch ihn vertreten, in ihm repräsentiert.“ (1072) So ist der Christ in seinem prophetischen Amt Platzhalter der Welt vor Gott und Platzhalter Gottes in der Welt. Gegenüber diesem der Welt zugewandten und sie miteinbeziehenden Zeugendienst muss sowohl die mittelalterliche Idee eines bereits existierenden, in sich geschlossenen und selbstgenügsamen corpus christianum als auch die neuzeitliche Konzeption der Diastase zwischen Kirche und Welt als Verfehlung des ursprünglich Christlichen gesehen werden (20f).68 Der Begriff „Platzhalter“ steht dabei in enger und unübersehbarer Parallele zu dem des „Stellvertreters“, hält aber die bleibende Differenz fest: Der Christ füllt die Stelle gerade nicht aus, sondern hält sie in seiner Person offen. Die abstrakte leere Mitte, die Barth Anfang der 1920er Jahre durch die Theologie freihalten lassen wollte, wird also nun gerade durch die Konkretion und Uneinholbarkeit der Person Jesu Christi vor endgültiger Füllung bewahrt, 69 In dieser PlatzhalterFunktion bezeugt der Christ nicht nur die geschehene Versöhnung, sondern vor allem die auf die Welt zukommende Erlösung. Sein Zeugnis ist darin ebenso nachfolgend wie vorläufig. Als Tat der Hoffnung hält er vor Gott für die Welt und in der Welt für Gott einen Platz frei.
6.2.2 Vom geopferten Priester bzw. gerichteten Richter zum Bekenntnis des Christen als Tat des Glaubens. Das munus sacerdotale nach KD IV/1 Unter den drei Ämtern hat Barth mit dem Vokabular des priesterlichen Amtes auffälligerweise die größten Schwierigkeiten. Statt von dem für uns geopferten Hohepriester redet er durchgehend vom Richter als dem an unserer Stelle Gerichteten. Diese Figur konzipiert Barth in ausdrücklicher Berufung auf den HK:
68 Dies kann auch als Selbstkorrektur Barths an seiner frühen, relativ abstrakten Dialektik gelesen werden, vgl. Kap. 2.2. 69 S.o. S. 62.
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Ich hatte bei der Formulierung dieses Titels zunächst an Frage 52 des Heidelberger Katechismus gedacht, wo der wiederkommende Christus „eben der Richter“ genannt wird, „der sich vor dem Gerichte Gottes für mich dargestellt und alle Vermaledeiung von mir hinweggenommen hat“, dessen der Christ also „in aller Trübsal und Verfolgung mit aufgerichtetem Haupt“ gewärtig sein darf.70
Barth interpretiert das Richteramt juristisch. Diese Sprache ist für die mittelalterliche Satisfaktionslehre Anselms, dessen Frage „Cur deus homo?“ Barths Ausführungen durchzieht, ebenso anschlussfähig wie für die forensische Rechtfertigungslehre im Gefolge der Reformatoren Luther und Melanchthon. Insofern bietet sie sich an, um wichtige Erkenntnisse verschiedener theologischer Traditionen christologisch zu integrieren. Gleichzeitig weitet Barth den Begriff über den juristischen Bereich hinaus aus und weist darauf hin, dass das Hauptamt der Richter im Alten Testament als das von Nothelfern und Heilanden in den immer wiederkehrenden Bedrängnissen des Volkes durch die umliegenden Fremdstämme beschrieben wird, während sie, wie es scheint, nur im Annex dieser „außenpolitischen“ Funktion auch in richterlicher Tätigkeit in jenem engeren Sinn des Begriffs standen (238).
Dieses Verständnis sieht Barth auch im Neuen Testament fortgesetzt: Der „Richter“ sei auch dort in erster Linie „Helfer“ und „Erretter“ – sein Kommen aber unweigerlich mit Gericht verbunden (238). Auch das Gericht aber sei nicht nur juristisch zu verstehen, sondern meine den Tag des Herrn und die Wiederherstellung der Beziehung zwischen Gott und Mensch.71 Zwar beschreibt Barth im Folgenden das Richteramt Jesu Christi in all seinen Dimensionen in juristischer Begrifflichkeit: „[1.] Er trat als Richter an unsere Stelle. [2.] Er trat an unsere Stelle als Gerichteter. [3.] Er wurde gerichtet an unserer Stelle. [4.] Er hat an unserer Stelle das Rechte getan.“ (300) Ausdrücklich weist Barth aber darauf hin, er hätte diesen Teil der Erlösungslehre stattdessen auch in finanzi-
70 Barth, KD IV/1, 231. Zitate aus diesem Titel werden im Folgenden durch Seitenzahlen im laufenden Text nachgewiesen. Hervorhebungen entstammen dabei, soweit nicht anders angegeben, dem Original. Ich lege in diesem Kapitel besonderen Wert auf die strukturelle Leistung des HK für Barths Versöhnungslehre. Gerade in Bezug auf KD IV/1 kann aber auch die inhaltliche Rezeption des HK kaum hoch genug veranschlagt werden. Die Rechtfertigungslehre kann Barth zusammenfassend mit einem, wie er selbst es formuliert, „kommentarlosen Zitat“ von HK 60, 61 und 64 beschreiben (a. a. O., 717f). Barths ekklesiologischer Ansatz legitimiert die Voranstellung der Behandlung der Gemeinde vor die Behandlung des Einzelnen in allen drei Teilbänden mit Frage 54 des HK (a. a. O., 164.780). Die Figur der Erniedrigung Gottes wird unter Verweis auf Frage 37 des HK von der Passionsgeschichte auf die gesamte irdische Existenz Jesu ausgedehnt (a. a. O., 181). Die Radikalität der Sünde und ihre Tödlichkeit für den Menschen wird unter Zitation von Fragen 5–7 des HK verdeutlicht (a. a. O., 440.550). Die impliziten Bezugnahmen auf den HK sind auch über diese prominenten Stellen hinaus überaus zahlreich. 71 Hier verschwimmen in gewisser Weise die Grenzen zwischen den Ämtern – das alttestamentliche Richteramt wird traditionell als Vorläufer bzw. Bestandteil der Königswürde aufgefasst. Waren die Richter v.a. Heerführer, sind umgekehrt später Gerichtsbarkeit und Einsatz für Gerechtigkeit in erster Linie Aufgabe des Königs. Bei Barth ist das priesterliche Amt aber weniger durch die spezifischen Funktionen und Aufgaben als vielmehr durch die Figur hoheitlicher Selbsterniedrigung bestimmt, die in ihnen zum Ausdruck kommt.
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ellen oder militärischen, insbesondere aber auch „in Bildern und Kategorien der kultischen Sprache“ artikulieren können (302). Dies formuliert er in makelloser Parallelität zur zuvor entfalteten juristischen Begrifflichkeit auch aus: 1. „Er ist der Priester, der für uns, für das von seinen Sünden niedergedrückte, um ihretwillen bedrohte, ihrer Sühnung bedürftige Volk [. . . ] eintritt“ (303). 2. Jesus Christus „hat sich selbst dazu hergegeben, der für uns zur Beseitigung unserer Sünde Geopferte zu sein.“ (305) 3. „Er hat an unserer Stelle vollkommen geopfert“ (309). 4. „[I]n ihm wurde, indem er als dieser Priester sich selbst opferte, das annehmbare, mehr noch: das von Gott, indem es ihm dargebracht wurde, schon angenommene, schon gutgeheißene, das von Seiten des Menschen zum Geschehen seiner Versöhnung notwendige Werk getan“ (310). Als „der gerichtete Richter, der geopferte Priester“ der jeden menschlichen Priesterdienst ablöst, ist Christus alleiniger Heilsmittler und Fürsprecher für das Volk (386). Von einem Richter- bzw. Priesteramt des Christen ist darum bei Barth gerade keine Rede.72 Die kommunikative Wirkung des Geistes in Bezug auf das priesterliche Amt Christi besteht laut Barth nicht in der Weitergabe priesterlicher Aufgaben – diese sind ein für allemal erfüllt. In expliziter Kritik an der katholischen Amtstheologie erläutert Barth, dass das Opfer Jesu „zugleich das Wesen und die Erfüllung und doch auch die Aufhebung und Erledigung alles menschlichen Priesterwerkes“ auf der einen Seite bedeute (304), auf der anderen Seite auch „die Erfüllung dessen, was mit allen Opfern gemeint ist und zugleich das Ende aller Opfer“ (305). Dennoch stellt das versöhnend-priesterliche Handeln den Menschen nicht in die Passivität, sondern schafft sogar dezidiert Zeit, eine Gnadenzeit, in der die Kirche zur „Entsprechung“ zum Handeln Christi kommen soll (824). Ihre Existenz als Leib Christi, als „irdisch-geschichtliche Existenzform“ Christi ist aber keine selbstgenügsame. Sie entspricht dem Sein Christi darin, dass auch ihr Sein ein doppeltes Für-Sein ist. In ihrem Sein „für Gott“ ist ihr Bekenntnis „eine menschliche Antwort darauf, ein menschliches Ja“ zum priesterlichen Handeln Gottes (824). In ihrem Sein „für die Welt“ hat ihr Bekenntnis „als vorläufige Darstellung der in Jesus Christus geschehenen Rechtfertigung das in ihr aufgerichtete, ihr gegebene, sie rufende Zeichen, das in ihr scheinende [. . . ] Licht zu sein“ (826). Den Unterschied zwischen Christen und Nicht-Christen sieht Barth damit nicht auf der Seite des Handelns Christi, das vielmehr universal ist. Er liegt stattdessen im „Vollzug der Entsprechung“ des Christen zum Christusgeschehen (829). Dass es der Glaube ist, der den Christen zum Christen macht – und damit der Heilige Geist das Subjekt der „Konstituierung des christlichen Subjektes ist“ (837), bedeutet für Barth, dass der Geist die Gemeinde ebenso wie den Einzelnen als ihr lebendiges Glied „beruft, an ihn zu glauben, ihn als den Herrn zu anerkennen, zu 72 Auch die sich nahelegende Formulierung vom „Priestertum aller Gläubigen“ nimmt Barth aufgrund der Missverständlichkeit im Zusammenhang mit der Rede von Christi Priesteramt im gesamten Zusammenhang von KD IV/1 nicht ein einziges Mal auf. Er legt Wert darauf, gerade das kenotische Priesteramt von der königlichen Erhöhung des Menschen zu unterscheiden. Stattdessen äußert er sich dazu in den anderen beiden Teilbänden ausführlich (vgl. Barth, KD IV/2, 786f, Hervorhebung i. O. und ders., KD IV/3, 34–37).
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erkennen und zu bekennen, der gerade für ihn Knecht wurde“ (826). Damit ist es der Geist, der den Christen „als den Zeugen seiner Tat und Offenbarung, ihn als einen Christen“ erschafft (841). Der Glaube hat für Barth Tat-Charakter. Im Glauben als der spezifisch priesterlichen Tat wird eine Beziehung zwischen Christus und dem Christen konstituiert. Als Gehorsam in der Entsprechung gegenüber Christus ist der Glaube die „christliche Grundtat“, ja „des Christen Lebenstat: die alle seine anderen und einzelnen Taten und Tätigkeiten zusammenfassende und regierende, sie wie der Sauerteig von Matth. 13,33 durchdringende und bestimmende Tat“, die sich in Anerkennen, Erkennen und Bekennen gliedert (847). Zugleich ist es Barth wichtig, deren „nur kognitiven Charakter“ hervorzuheben: „Es verändert nichts, es ist als menschliche Tat nur die Bestätigung einer schon geschehenen Veränderung“ (840). Die Einzigkeit des Priestertums Christi wird so auch und gerade in der Entsprechung des Glaubenden aufrechterhalten, sie ist nur „Kenntnisnahme“ und „Wiederspiegelung“, aber auch keine „automatisch sich ereignende Wiederspiegelung“ (847). Dass es im Glauben nicht um ein abstraktes (wohl aber „ein objektives und als solches theoretisches Wissen“ [856]) geht, verdeutlicht Barth unter mehrfacher Bezugnahme auf HK 1. Das besondere Wissen des Christen bestehe darin, dass er „weiß, daß er selbst der Mensch ist, der dieses Herrn Eigentum ist“ (857). Gerade so sei der Glaube aber trotz seines grundlegend kognitiven Charakters nicht das Für-Wahr-Halten bestimmter Sätze, sondern ein „spontanes, ein freies, ein tätiges Geschehen.“ (847) Der tätige Charakter dieses Wissens besteht in seinen Konsequenzen, also darin, „daß es von jenem Wissen her übergreift auf das Dransein, d.h. auf das Selbstverständnis und auf die Selbsterfassung des ganzen Menschen, daß es zu einer Aktion und Entscheidung des ganzen Menschen wird.“ (857) Diese Entscheidung ist „erkennendes Ergreifen seines Seins und Tuns“ – „nicht dessen Wiederholung“, wie Barth immer wieder betont (859). Sie bedeutet, dass der Mensch sich „sich in Entsprechung zu ihm, an den er glaubt, gestalten muß, daß er nur noch im Gleichnis Jesu Christi als des für ihn Gestorbenen und Auferstandenen Mensch sein kann und will“ (860). Barth zögert nicht, für das Sein des Christen den Begriff der „Analogie“ einzuführen (859). Dies bedeute aber nicht „die phantastische Vorstellung, als ob ich selbst so etwas wie ein zweiter Jesus Christus wäre“ (860). Barth kennzeichnet das umgehend durch das passive genus verbi: Der Mensch als Analogie ist damit „analogatum“ zum „analogans“ des Werkes Christi (861). Der Mensch steht damit weder in Gleichheit noch in einfacher Ungleichheit zu Christus, sondern „bei aller Unähnlichkeit in Ähnlichkeit, bei aller Ungleichheit in Parallele und Entsprechung zu ihm [. . . ], in aller Bescheidenheit ein Gleichnis seines Seins und Tuns“ (863).73 Die aus der Anerkennung des Versöhnungswerkes Christi folgende 73 Damit nimmt Barth begrifflich die römische Analogienlehre im Gefolge von Thomas von Aquin und dem 4. Lateranankonzil (2. Canon) auf. In Bezug auf die negativen wie die positiven Folgen des Versöhnungswerkes Christi formuliert Barth auch abgrenzend die Rolle theologischer Reflexion: „Böse Theologie eines Ausgreifens nach der Gleichheit mit Jesus Christus, eines Perfektionismus,
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Selbst-Erkenntnis bedingt die „radikale Entscheidung“, dass der Christ, „indem er in Christus die Überwindung seines Hochmuts und Falls, aber auch die Herstellung seines Rechtes und Lebens erkennt, im Blick auf dieses Geschehen in Buße, aber auch in Zuversicht mit Christus sein darf.“ (867) Die Berufung zu diesem Dienst der Entsprechung bedeutet für Barth konsistent zum kognitiven Charakter des Glaubens auch die Einsetzung der Theologie als Wissenschaft. Der Einzigkeit des Christusgeschehens entspricht die Absage an eine theologische Legitimierung anderer Autoritäten und damit die Demokratisierung des Dienstes: „Der Satz muß gewagt sein: daß jeder Christ als solcher [. . . ] auch ein Theologe ist und ohne Rücksicht auf seine Primitivität oder Schulung auch ein guter Theologe sein [. . . ] kann und muß“ (855). Das „Priestertum“ aller Gläubigen tritt bei Barth also in KD IV/1 in Form eines Theologentums aller Gläubigen auf.74 Aber nicht nur das theologische Fragen und Nachdenken ist die Aufgabe jedes Christen: „Seine Kenntnisnahme ist sofort auch Kenntnisgabe. [. . . ] Die Freiheit, zu der er einen Menschen recht frei macht – frei dazu, an ihn zu glauben – ist in ihrem Ziel die Freiheit, sein Zeuge zu sein.“ (868) Der Christ ist zum öffentlichen Bekenntnis seines Glaubens aufgerufen, ob das nun seinen persönlichen „Wünschen und Abneigungen“ entspricht oder nicht (869). Dies definiert Barth wie folgt: Bekennen ist, allgemein gesagt, das Moment in der Tat des Glaubens, in welchem der Glaubende zu seinem Glauben, vielmehr: zu dem, an den er glaubt, zu dem von ihm Anerkannten und Erkannten, zu dem lebendigen Jesus Christus steht, und zwar jetzt nach außen, wieder allgemein gesagt: den Menschen gegenüber steht (869).
Während das Anerkennen und Erkennen eine spezifische Entscheidung des Christen erfordere, tritt in diesem Bereich, der in besonderem Maße die Aktivität und Aktivierung des Menschen fordert, für Barth geradezu ein (normativer) Automatismus ein: Der „Lichtglanz Gottes [. . . ] bricht gewissermaßen durch ihn hindurch, indem er ihn selbst hell macht“ (868), oder, mit einem ähnlichen Bild: „Indem er als kleines Licht Reflex des großen Lichtes ist, hebt sich sein Tun faktisch von dem Anderer ab, wird er zum Zeugen des großen Lichts.“ (870) Das Zeugnis der den Unterschied zwischen mir und ihm nicht wahrhaben wollte!“ – aber auch: „Böse Theologie des Beharrens in der Ungleichheit zwischen mir und Jesus Christus, des frommen Schlummerkissens, die es bei der Feststellung meines Unterschiedes von ihm sein Bewenden haben lassen wollte!“ (862) „Böse Theologie einer angemaßten Gleichheit mit Jesus Christus, einer falschen, weil eigenmächtigen Heilsgewißheit“ – aber auch: „Böse Theologie einer in der Ungleichheit mit Jesus Christus verharrenden, einer von ihm nun doch wieder weg und auf eine von ihm unveränderte Situation des Menschen blickenden, einer nun doch wieder auf irgend eine große oder feine Werkgerechtigkeit zurückfallenden Heilsungewißheit!“ (864f) Anmaßung und Stillstellung bilden hier also die beiden abgelehnten Konsequenzen, die auch Barths Aufteilung der Sündenlehre in „Hochmut“ und „Trägheit“ in den ersten beiden Teilbänden abbildet. 74 Klassisch wurde die Theologie eher am Amt des bald als Lehrers verstandenen Propheten angesiedelt als am Priesteramt. Mit der Verortung im Priesteramt ist Barth aber deutlich näher an den biblisch-historischen Grundlagen einer Lehre vom dreifachen Amt. Die Rede vom „Priestertum“ aller Gläubigen vermeidet Barth wohl auch, um keine Anklänge an eine hohe Amtstheologie aufkommen zu lassen.
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des Bekennens ist also solches „gar keine besondere Aktion des Christen, es ist die reflexhafte Entsprechung zu Christus, der nach außen sichtbare Widerschein des Lichtes Christi in seinem Leben. Verlangt ist nur, dass er sei, der er ist“, dass der Christ also gerade als auf Christus gegründeter und verweisender Mensch erkennbar sei (869). Dieses Zeugnis vollzieht sich nach Barth in einer doppelten Öffentlichkeit und „Mitmenschlichkeit“. Barth wird nicht müde, ein privates Christentum abzulehnen: „Privatexistenz heißt Räuberexistenz“ (870).75 Zum einen geschieht das Zeugnis des Christen konkret von der Gemeinde her und zur Gemeinde hin, von ihr getragen und sie weiter führend. Zum anderen geschieht sein Zeugnis „nicht minder konkret“ vor der Welt, „die Jesus Christus nicht bekennt, weil sie ihn offenbar nicht anerkennt und nicht erkennt“ (871). Dass die Welt die göttliche Offenbarung in Christus nicht zur Kenntnis nimmt, stellt den Christen vor eine besondere Verantwortlichkeit: „Ihm aber ist es gegeben, das in menschlicher Sprache für menschliche Ohren und mit der Tat seines menschlichen Lebens vor menschlichen Augen bekanntzugeben“ (871). Der Reflex des priesterlichen Wirkens Christi im Leben des Christen ist der Glaube als Empfangen: die Entscheidung in der Anerkennung und Erkenntnis dieses Geschehens ebenso wie das bezeugende Bekennen dieses Geschehens durch Wort und Tat, ja durch die „Lebenstat“ seines Glaubens (846). 6.2.3 Vom erhöhten Gekreuzigten zur Zeugenschaft gegenüber dem Nächsten als Tat der Liebe. Das munus regium nach KD IV/2 Die Aussagen in KD IV/2 lassen sich durchgehend als Parallelen bzw. Komplemente zu denen aus KD IV/1 feststellen. Auch in Bezug auf das königliche Wirken Christi besteht nach Barth der Reflex des Christen zunächst in der Anerkennung, dass in Christus alles geschehen sei. Die Königsherrschaft Christi ist dabei für Barth nicht wie für Calvin rein geistlich verfasst – nein: Christus ist für Barth vielmehr dezidiert auch „Herr der Welt“.76 Die Herrschaft Gottes tritt in Konkurrenz zu anderen Herrschaftsansprüchen, aber der Gehorsam dieser gegenüber befreit auch von jenen. Dies zeigt sich am in Gottes Herrschaft lebenden, königlichen Menschen: Es gab für ihn keinen Menschen, keine Natur- und keine Geschichtsmacht, kein Schicksal und keine Ordnungen und offenbar auch keine inneren Grenzen und Hemmungen, an die er gebunden war, mit denen er stehen und fallen mußte, die er zu fürchten hatte: eben weil es für ihn nur ein Müssen gab. (180)
So charakterisiert Barth den vere homo, um den es in KD IV/2 geht. Der „Mensch“ ist dabei für ihn aber kein Gattungsbegriff. Auf die Frage, wer der hier behandelte von Gott geliebte und liebende Mensch sei, antwortet Barth: 75 Ähnliche Aussagen finden sich Barth, KD IV/3, 1080 u.ö. 76 Vgl. Calvin, Institutio, II, 15,3–4 vs. Barth, KD IV/2, 164. Zitate aus diesem Titel werden im Folgenden durch Seitenzahlen im laufenden Text nachgewiesen. Hervorhebungen entstammen dabei, soweit nicht anders angegeben, dem Original.
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Der Israelit? Eigentlich offenbar nicht dieser und jener, geschweige den jeder, sondern der eine, dieser Israelit, Israels verheißener und gekommener Messias, der Mensch Jesus! Der Christ? Eigentlich offenbar wieder nicht dieser und jener, geschweige denn jeder, sondern – identisch mit jenem einen Israeliten – der eine, dieser, der Christ, von welchem alle anderen ihren Namen haben, in welchem die Gemeinde aus Juden und Heiden ihren Herrn hat (934).
Auch im königlichen Amt Christi, das sich in der Hingabe der Liebe realisiert, gilt für Barth: Der Christ – ja der Mensch – ist der Christus. Nur in im wahrsten Sinne des Wortes un-eigentlicher Weise („nicht mein, sondern Jesu Christi eigen“), nämlich, indem er Träger des Namens Christi wird, ist auch der Christ „Christ“. In dieser un-eigentlichen Weise gilt die königliche Freiheit auch dem Christen als in Christus königlich erhobenen Menschen, sie kommt ihm als beneficium seines Werkes zu Gute. Die Erhebung und Erhöhung des einen Menschen Jesus schließt für Barth auf Grundlage des HK77 „antizipierend schon die Erhebung und Erhöhung – oder sagen wir unterscheidend und ein wenig zurückhaltend: die Aufrichtung aller derer in sich [. . . ], die als Menschen dieses Einen Brüder sind“, ein (304). Der Christ ist dann im Sinn des Neuen Testamentes ein freier und das heißt nicht nur negativ ein unabhängiger, sondern positiv ein vermögender, ein mächtiger Mensch: ein in der ihm durch seinen Umgang mit Gott gegebenen Bestimmtheit und Begrenztheit unbedingt, unbeschränkt könnender Mensch. [. . . So] berührt sich also der Glaube mit der freien Gnade Gottes selber, darf er wohl deren anthropologische Entsprechung genannt werden (268).
Die anthropologische Entsprechung erhält die unüberwindliche Unterschiedenheit und Abhängigkeit des Christen vom Christus aufrecht, aber auch die reale Ähnlichkeit, so dass nach Barth der Christ „sich verhalten darf und wird: als ein sehr kleiner Bruder des Herrn, des königlichen Menschen Jesus, aber als sein Bruder und damit auch in Bruderschaft mit Allen, die ihn mit ihm als ihren großen Bruder erkennen und bekennen“ (418). Zwar bleiben auch die Christen Sünder. „Es ist aber noch wahrer, daß sie, indem sie sich aufrichten, eine Bewegung vollziehen, in der ihr Dasein, wie anfechtbar sie sie auch vollziehen mögen, seinem Dasein, dem Dasein ihres Herrn konform wird und ist.“ (599) Darum sind alle Aussagen über den Menschen „direkt auf Jesus Christus und dann, als in Ihm für uns erfüllt und für uns mächtig wahr gemacht, indirekt auf unsereins zu beziehen“ (659). Dieser indirekte Bezug wird nach Barth ganz analog zu HK 32 ermöglicht in der Gliedschaft und Teilhabe an Christus durch den Heiligen Geist: „kraft dessen, daß Er unser Haupt ist, wir seine Glieder sind [. . . ,] daß Er uns durch seinen Heiligen Geist mit dem, was eigentlich Er und nur Er ist und hat, überkleidet [. . . ,] daß Er uns an seinen Gütern teilnehmen läßt.“ (659) Diese indirekte Begründung bedeutet eine bleibende Unterscheidung der Christen vom Christus gemäß dem bereits in KD IV/1 formulierten Analogie-Begriff nun auch im königlichen Amt: „Sie sind und werden nicht selbst König und Herr“, sondern sind als Volk und Gefolgschaft des einen Herrn „mit ihrem Handeln Zeu77 Im Zusammenhang dieses Satzes zitiert Barth ausführlich HK 43, 45, 52 sowie 76 und 49 (304–307).
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gen seiner Gegenwart und also des von ihm aufgerichteten, ihnen von ihm zum Gesetz gemachten Rechtes“ (792). Gerade darin ist ihr Gehorsam aber bezeugende Entsprechung zum Bild des gekreuzigten Königs, dessen Herrschaft in der Niedrigkeit besteht: „Erhebung in die Niedrigkeit, in der er gedient hat und dient, um als Dienender zu herrschen“ (782).78 Diese indirekte Begründung schließt eine direkte Identifizierung des Christen mit Christus auch in Bezug auf das Wirken beider in der Liebe als spezifisch königlicher Tat aus. „Der umfassende Begriff “ für die christliche Liebe als Erfüllung des Gebotes ist in diesem Sinne weiterhin „der Begriff des Zeugen“ (921): Die christliche Liebe „ist der menschliche Zeugendienst, in welchem der Eine dem Anderen gegenüber für die Zuwendung Gottes zu seinem Volk und für die Zuwendung seines Volkes zu Gott gut steht“ (927). Der Eine könne dem Anderen zwar nicht ein „zweiter Christus“, wohl aber im Namen und in der Schule Christi ein Darsteller dessen sein, was Er ihnen Allen ist: ein kleiner Zeuge, Bürge, Nächster, Bruder, Samariter, der als solcher nur davon lebt, dass Er der große ist, der aber eben davon leben darf und von etwas Anderem als davon nicht zu leben begehrt (935).
Auch in KD IV/2 ist das Tun des Christen vom Zeugnisbegriff her konzipiert. In Bezug auf das königliche Amt ist es das christliche Zeugnis von der göttlichen Zuwendung zum Menschen und der ihn erhebenden Liebe, die sich in der Erniedrigung der Inkarnation und der Lebenshingabe Christi zeigt. Der Mensch „ist dazu aufgerufen, der Bewegung, in der Gott begriffen ist, als Mensch zu folgen: als Mensch, und also abbildend, gleichnishaft zu tun, was Gott urbildlich, original tut.“ (854) Während der „Glaube als Empfangen“ Zeugnis vom priesterlichen Amt Christi ablegt, gibt die Liebe als „die Tat eines jenem Empfangen entsprechenden reinen, ganzen Gebens, Hergebens, Hingebens“ in der Zuwendung zum Anderen Zeugnis von Christi königlichem Dienst (828). Es ist auch in KD IV/2 das doppelte Für-Sein Christi, das der Christ in der Tat seiner eigenen Liebe abbildet: Sie vollzieht sich als Hingabe an Gott und an den Mitmenschen. Inhaltlich und sprachlich schließt sich an dieser Stelle der Kreis zum Tambacher Vortrag. Das Tun der Liebe besteht, wie Barth mit HK 1 formuliert, „in immer neuer Bereitschaft und Willigkeit, [Christi] Handeln zu folgen“ (909). Die christliche Liebe richtet sich zunächst auf Gott, aber weil Gott aus Menschenliebe Mensch geworden sei, stets auch auf den Nächsten. Dieser ergibt sich nicht aus einer zeitlichen oder räumlichen Nähe, sondern aus dem Stehen in der gemeinsamen Heilsgeschichte. Die Verbindung von Liebe und Christsein ist unmittelbar und unverzichtbar, so dass Menschen, „weil zu Christen, darum zu Liebenden, zu Liebenden, indem sie Christen“ werden (884). Darin sind sie „zum Spiegel“ und „Ebenbild“ der göttlichen Liebe eingesetzt (883). Nur, „indem in ihm auch das Ereignis wird“, ist ein Leben ein „christliches Leben.“ (889) Der Zeugnischarakter des christlichen Liebeshandelns ist so stark, dass Barth sie mit geradezu sakramentaler Qualität beschreibt, so dass es sich, „wo die Liebe Ereignis wird, um nicht
78 Zur Charakterisierung christlicher Kreuzesnachfolge zitiert Barth HK 37 und 44 (ebd., 676).
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mehr und nicht weniger als um eine Offenbarung der Realpräsenz Gottes in Jesus Christus handelt.“ (890) Eine Besonderheit der Liebe ist, dass sie als Zuwendung zum Nächsten nur konkret auftreten kann. Auch insofern entspricht sie der inkarnatorischen Bewegung der Liebe Gottes. Die sich in Christus zeigende Liebe geht stets ins Geschichtliche, Physische, Partikulare. „Dieser Übergang ins Konkrete und ins Physische ist das Besondere des Glaubens dieser Menschen: der Überschuß, den er sichtbar macht.“ (272) Die sich in der Liebe zeigende Gnade „ist dann eben nicht nur universal allen Menschen gleich, sondern auch partikular diesen und diesen Menschen ganz besonders zugewendet.“ (272) Nur in der Konkretheit der Liebe, in dieser Konkretheit aber kann der Christ dem anderen zum Zeugen werden. Zugleich bleibt er selbst auf den Zeugendienst des anderen angewiesen: „Der Nächste ist mir Zeuge. Ich bin es aber auch ihm.“ (921) In dieser höchsten Konkretion ist der Dienst des Christen auch nach KD IV/2 unvertretbar und hat darum konstitutiv demokratisierende Konsequenzen: Da gibt es kein Delegieren des Dienstes auf Andere – gibt es nämlich keine Stellvertretung, ist jeder – und Jeder in gleichem Ernst! – berufen, dabei zu sein [. . . ] kann und darf sich niemand unter dem Vorwand, daß ja auch Andere ihn ersetzen könnten, von seiner Dienstpflicht frei oder doch teilweise frei sprechen [. . . ] Ordnung und Recht in der Gemeinde ist nie und nimmer das besondere Priestertum einiger, sondern das allgemeine Priestertum aller Gläubigen (786).
6.3 Der Christ und die Christen. Das dreifache Tatbekenntnis als Christsein im Vollzug Im Rückblick auf die drei Gestalten des Christseins nach KD IV/1–3 lässt sich sehr knapp zusammenfassen, was das Christ-Sein ausmacht: Der Christ „glaubt an Christus und hofft auf ihn. Er liebt ihn. Er folgt ihm nach. Darin ist er ein Christ.“79 In diesem Dreiklang von Glaube, Liebe, Hoffnung legt nach Barth der Einzelne ebenso wie die christliche Gemeinde Zeugnis vom Werk Christi ab. Alles christliche Sein und Tun ist so konstituiert im prophetischen Amt, bildet in sich aber den Dreiklang des Amtes Christi ab. Barths Fassung der Lehre vom munus triplex Christi, die in Aufnahme der christologischen Grundlinien im HK auch ein munus triplex Christiani konfiguriert, macht den Zeugnis- bzw. Bekenntnisbegriff zum Grundprogramm des Christseins. Der Christ ist voll und ganz – in seinem Sein, Reden und Tun – definiert durch seine konstitutive Beziehung auf Christus. Er ist lebendiges Christusbekenntnis.80 Dadurch kann Christentum aber niemals Privatsache sein: Als Bekenntnis spielt sich das Christsein immer schon im Horizont der Welt ab. Als 79 Barth, KD IV/2, 356. 80 Allerdings muss man festhalten, dass der HK für Demokratisierung und Aktivierung, kurz: für aktives Christsein in der Teilhabe am dreifachen Amt Christ größeres Potential bietet, als Barth entfaltet. Hier könnte man aufbauend auf den HK über Barth hinausgehen.
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Entsprechung zum Amt Christi ist es stets ethisch und öffentlich sichtbar zu konkretisieren. Diese Entsprechung zu realisieren ist die Berufung des Christen. Als solche ist sie Auftrag und Verantwortung. Sie stellt den Menschen in die höchstmögliche Würde und Pflicht: Vergegenwärtigung Christi in der Welt zu sein – Platzhalter Gottes bei den Menschen, Platzhalter der Menschen vor Gott. Im Dreiklang ihres Christuszeugnisses in Glaube, Liebe und Hoffnung gilt darum wirklich: „Die christliche Gemeinde darf und soll sich im neutestamentlichen Vollsinn des Begriffs als Gleichnis verstehen. Sie ist als solches nachträgliche und vorläufige Darstellung der von ihr unterschiedenen gottmenschlichen Wirklichkeit.“81 Nachträglich: durch das geschehene Christusereignis konstituierte und getragene Nachfolge. Vorläufig: von der Vollendung im Kommen des Christus lebende Ankündigung. Darstellung: dennoch berufene und wirksame Vergegenwärtigung dessen, der war und der kommt. Zugleich hat das christliche Tun keinerlei Heilsrelevanz, sondern ist nur Effekt und Kundgabe der bereits – für alle, nicht nur für die Christen! – geschehenen Heilstat Christi auf dem Weg zu ihrer kommenden Vollendung. In allen drei Gestalten beschreibt Barth das Christsein des Christen als „Reflexion“ des Christus, als „Spiegel“ und „Entsprechung“, als „Analogie“ und „Gleichnis“. In allen drei Gestalten – als Empfangen, Hingeben und Bezeugen – findet der Christ so sein Sein außerhalb seiner selbst: im Christus. In der dreifachen Gestalt des Amtes Christi als Priester, König und Prophet vollendet Gott sein Werk selbst. Die Ämter des Christen sind und bleiben darum stets „in diesem herrlichen Sinn wirklich ‚überflüssig‘“, sie leben „nur davon, daß Christus ihnen ihr dienendes Mittun, das er wohl verachten und entbehren könnte, erlaubt und gebietet, ihm seinen Lauf läßt, mehr noch: sich seiner bedient, mehr noch: sich dazu bekennt, ihm auch seinen Beistand nicht versagt, sondern gewährt.“82 Christus bekennt sich zu den ihn bekennenden Christen. Des Christen Aufgabe ist, dass er Christus „so folgt, daß er dieses Wort in der Tat seiner ganzen Existenz anzuzeigen, es zu bezeugen hat. Er kann und wird es nie selber sprechen.“83 Aber: „Er darf Hörer des Wortes sein, um sein Täter zu werden.“84 Durchgehend versteht Barth das christliche „Werk“, wie er es in der Ethik entfalten wollte, dialektisch von „seinem korrespondierenden und also eigenständigen Charakter gegenüber dem IV1–3 [sic!] umrissenen göttlichen Versöhnungswerk“ her.85 Gerade insofern das Tun des Christen „nur“
81 Barth, KD IV/3, 906. Butin spricht von „a comprehensive symmetry between the work of Christ itself (Christology proper) and its implications in terms of his ministry pro nobis (pneumatology).“ Dies ist allerdings streng gesehen nur innerhalb des prophetischen Amtes korrekt, ebenso seine Folgerung ebd.: „As the subjective appropriation of Christ’s work in the community and the believer, the Holy Spirit renders believers ‚companions‘ in the work of Christ, such that we share in the exercise of his threefold office“ (Butin, Threefold Office, 214). 82 Barth, KD IV/3, 697. 83 A. a. O., 697, kursiv HR. 84 A. a. O., 698. 85 Ders., KD IV/4, IX.
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in Entsprechung zu und insofern abgeleitet vom Tun Christi erfolgt, hat es diesem gegenüber aber auch seine besondere, relative Selbstständigkeit. Die Übertragung des dreifachen Christuszeugnisses auf die christliche Gemeinde und jeden einzelnen Christen hat aktivierende, emanzipatorische und demokratisierende Effekte. Unter Berufung auf den HK setzt Barth jede innerkirchliche Hierarchie außer Kraft. Er formuliert in Auslegung der munus-triplex-Lehre nicht nur ein „Theologentum aller Gläubigen“, sondern analog auch ein „Königtum“ und insbesondere ein „Prophetentum“ aller Gläubigen im Zeugendienst. Weil sich diese Ämter von Christus ableiten, wäre es vielleicht am angemessensten, zugespitzt vom „Christentum aller Gläubigen“ zu sprechen. Das mag banal klingen, wenn man sich aber verdeutlicht, dass es darum geht, dass jeder Gläubige – abgeleitet von und als Hinweis auf ihn, aber dennoch: jeder Gläubige – „selbst ein Christus“ genannt wird, zeigt sich die Sprengkraft dieser Formulierung. Dies gibt jedem Einzelnen eine hohe Würde, aber auch eine hohe Verantwortung. Keine Kirche und keine Hierarchie darf sich mehr zwischen den Christen und den Christus setzen, aber keine Hierarchie kann ihn auch mehr von dieser Verantwortung entlasten. Nicht durch Ämter und Würden, sondern durch die Salbung Christi, an der sie durch die (Geist-)Taufe partizipieren, haben alle Christen – qua Christentum! – Anteil an seinem Christ-Sein, an seiner Salbung und damit auch an seinen Aufgaben. Damit sind sie nun selbst die Verkörperung des Christus, der „Christ in der Gesellschaft“, bleiben gerade darin aber auch immer vorläufiger Hinweis auf ihn, den Christus: sein Platzhalter. Als Propheten, Priester und Könige sind sie lebendiges Zeugnis von und Bekenntnis zu Christus. Eine weitere inhaltliche Stärke, die Barth aus der Verschränkung von HK 31 und 32 ausbaut, ist die intime Verbindung von Pneumatologie und Christologie. Alle drei Teile der Versöhnungslehre sind pneumatologisch grundiert: Während die Erlösung des Menschen in Rechtfertigung, Heiligung und Berufung zwar in Christus eine objektive Wirklichkeit für alle Menschen darstelle und ihnen zugeeignet sei, sei deren „Aneignung [. . . ], die subjektive Realisierung“ dieses Wirkens, die diese Menschen zu Christen mache, das Werk des Geistes.86 Aber auch Jesus wird zum Christus in seinem dreifachen Werk erst durch den Heiligen Geist: Die besondere Existenz des Sohnes Gottes als Mensch und wieder die besondere Existenz dieses Menschen als Gottes Sohn, die Existenz Jesu Christi als des Herrn, der Knecht, und des Knechtes, der Herr wird, seine Existenz als Bürge der Wahrheit endlich ist selbst schon im Sein und Wirken des Heiligen Geistes begründet. Er ist conceptus de Spiritu sancto.87
Der Heilige Geist ist so der göttliche Lesevorgang, der Jesus zum Christus und Gott zu diesem Menschen macht. Er setzt das Gleichheitszeichen und die Anführungszeichen, die den Namen „Jesus Christus“ zum Text machen. Geschickt verknüpft Barth die verschiedenen Traditionen der munus-triplex-Lehre. Er übernimmt die pneumatologische Begründung des Werkes Christi, wie Calvin und der HK sie vornehmen, verlagert sie aber aus der Taufe als „Salbung“ mit dem Heiligen Geist in die geistgewirkte Empfängnis Christi („conceptus“) und optiert 86 Barth, KD IV/1, 162. 87 A. a. O., 163.
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so gegen ein adoptianistisch missverständliches Geistverleihungsschema für Luthers ontologische Qualifizierung.88 Die kommunikative Dimension der Ämter als Geistesgaben wird so beibehalten, ohne sie zu einer sekundär zu Christi Person hinzutretenden Angelegenheit werden zu lassen. Ganz eng wird der Heilige Geist selbst an Jesus Christus zurückgebunden, weil er nichts Anderes ist als die Gegenwart und Aktion Jesu Christi selber: sein eigener verlängerter Arm gewissermaßen, er selbst in der Kraft seiner Auferstehung, d.h. in der in und mit seiner Auferstehung anhebenden und von da aus weiterwirkenden Kraft seiner Offenbarung. [. . . ] Er ist die Kraft, in der Jesus Christus mitten unter diesen Menschen lebendig ist und sie damit zu seinen Zeugen macht – die Kraft, in deren Wirkung es ihnen erlaubt, geboten, ermöglicht ist, in der sie in den Grenze und Schranken ihres menschlichen Seins dazu frei werden und sind, seine Zeugen zu sein, als solche zu denken, zu reden, zu handeln. [. . . ] Und so ist der Geist, der die Christen zu Christen macht, diese Kraft des Offenbarwerdens Jesu Christi selber, sein Geist.89
Die enge Verbindung von Christologie und Pneumatologie wird konsequent wechselseitig durchgeführt: So ist der Geist immer der Geist Christi, während umgekehrt Christus zum Christus nur durch das Wirken des Geistes wird. Beide bilden so das determinierende Subjekt des jeweils anderen. Auch diese beiden trinitarischen Personen sind in gewisser Weise also exzentrisch konstituiert. Während der Christ stets nur Platzhalter Christi sein kann, ist der Geist sein Platzfüller. Gegenüber einer modernen Intuition, die das Geistwirken als allgemeinere Kategorie des Wirkens Gottes in der Welt neben einer spezifischer sich auf das Wirken Christi berufenden christlichen Kirche empfindet, kehrt Barth den Spieß um: Das Wirken Christi ist für ihn die universale, da 1. objektive und 2. auf die ganze Welt bezogene Größe. Das Wirken des Heiligen Geistes hingegen bezieht er im engeren Sinne auf die Entstehung von Christenmenschen und Christengemeinde durch die subjektive Aneignung des Glaubens.90 Der Unterschied zwischen Christus und Welt ebenso wie der zwischen Christen und anderen Menschen besteht nicht im Wirken Christi oder im Zuteil-Werden seiner beneficia – „Jesus Christus ist für sie alle geboren, gestorben, auferstanden. [. . . ] Gerechtfertigt, geheiligt und berufen sind sie insofern, sind objektiv, sie Alle“91 –, sondern im besonderen Wirken des Geistes: in der Salbung zum Amt. Das Besondere, das hier zur Sprache kommen muß, ist aber dies, daß das Sein und Wirken Jesu Christi [. . . ] von da ab als das Sein und Wirken seines Heiligen Geistes, bzw. als sein eigenes geistliches Sein und Wirken zu verstehen sei. Die Aneignung der uns zugeeigneten Gnade Jesu Christi, die subjektive Realisierung der objektiv in ihm geschehenen Versöhnung der Welt mit Gott, die Existenz von Christenmenschen setzt voraus und schließt in sich die Gegenwart, das Geschenk und den Empfang, das Wirken und Vollbringen seines Heiligen Geistes.92
88 89 90 91 92
Vgl. dazu auch Bornkamm, Amt Christi; dies., Christus – König und Priester. Barth, KD IV/2, 361. Vgl. ders., KD IV/1, 164. A. a. O., 163. A. a. O., 162f.
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Die Teilhabe an Christus und seinem Werk geschieht nach Barth durch den Heiligen Geist, den er als die „von seiner Auferstehung her souverän wirkende Kraft der Offenbarung und so des Übergangs von ihm zu uns, seiner Kommunikation mit uns“ definiert.93 Als Kraft des Übergangs ist seine Bewegung aber immer nach außen gerichtet. Barth zitiert die ekklesiologische Definition nach HK 54, um sowohl den gemeinschaftlichen Charakter nach innen als auch den Öffentlichkeitscharakter nach außen festzuhalten und konkludiert: „Der Heilige Geist ist kein Privatgeist“.94 Gerade so ist er der Schöpfer des Christenmenschen und der christlichen Gemeinde: Er schafft es, daß Menschen wie alle anderen, in denselben Grenzen und Schranken existierend wie sie, auch Zeugen Jesu Christi sein können und sind. Er schafft es, daß Andere durch ihr Zeugnis erweckt und bewegt werden, Jesus Christus mit ihnen und wie sie und sich selbst mit ihnen und wie sie in Jesus Christus zu erkennen, um von dieser Erkenntnis her neu, anders als zuvor, bestimmt durch diese Erkenntnis, zu denken, zu reden, zu wollen, zu handeln. Er schafft die Gemeinschaft, in der die Zeugen und die durch ihr Zeugnis Erreichten, Betroffenen und Veränderten Brüder und Schwestern in Jesus Christus und so Eines werden und bleiben: sein Volk, seine Gemeinde.95
Kurz: Der Heilige Geist als Geist Jesu Christi ist es nicht nur, der Jesus zum Christus macht, sondern er ist es auch, der den Menschen zum Christen als Zeugen Christi in all seinem Wirken macht.96 Der Heilige Geist ist die „Kraft, mit der wir zu rechnen haben, wenn es einen Übergang von Jesus Christus zu anderen Menschen, eine Gemeinschaft, eine Einheit zwischen ihm und ihnen, wenn es also Christen wirklich gibt“.97 Der Heilige Geist sondert die Christen aus, aber er führt nicht zu einer Unterscheidung „in Erwählte und Verworfene, in Gerettete und Verlorene, wohl aber in Christen und Nichtchristen“.98 Es ist die „Einheit mit Christus“, in die die Christen mit ihrem durch den Heiligen Geist erweckten Ja eingetreten sind, die Christen von Nicht-Christen unterscheidet, nicht mehr und nicht weniger.99 Der Heilige Geist liefert die spezifische Textur des Christseins,
93 Barth, KD IV/2, 356. 94 Ders., KD IV/1, 164. 95 ders., KD IV/2, 357. Barth spricht in Anspielung auf HK 1 auch davon, der Heilige Geist vollbringe es, „daß ihre eigenen Augen und Ohren, ihre Sinne und ihre Vernunft, ihr Herz ihrerseits für ihn offen, willig und bereit werden“ (ders., KD IV/1, 163, kursiv HR). 96 Butin nennt Barths Lehre vom dreifachen Amt „a classically Reformed resolution to a typically Reformed challenge: that of how properly to relate Christology and pneumatology.“ Barth „affirms with the early Reformed Catechisms the reality of the Work of the Holy Spirit (in the context of the Trinity) as the crucial link between the existence of the man Jesus and the existence of the Christian community, and the crucial power of the transition from the one to the other“ (Butin, Threefold Office, 206.209). 97 Über den Heiligen Geist als Kraft des Übergangs vom Christen zum Christus, der darin die Abbildung der innertrinitarischen Partnerschaft selbst ist, vgl. ausführlich Barth, KD IV/2, 357–387, hier 369. 98 a. a. O., 366. Barth strukturiert bereits seine Erwählungslehre in KD II so, dass Christus allein die Verwerfung trägt, während in ihm alle Menschen erwählt sind. 99 Ebd.
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„er gibt den Christen, indem er sie als solche schafft, auch die ihnen zukommende Kontur, Prägung, Gestalt, Richtung“.100 Barth hatte vor, die wie schon im HK direkt in der Christologie verankerten, aber durch die Pneumatologie ermöglichten Sätze vom Christsein aus KD IV/1–3 in einem weiteren, im engeren Sinne ethischen Teilband „als Darstellung der dem göttlichen Gnadenwerk und -wort (IV1–3 [sic!]) entsprechenden freien menschlichen Tatantwort“ auszuführen.101 Dazu kam es nicht mehr. Im Vorwort des noch vor seinem Tod veröffentlichten Tauffragments beschreibt Barth aber den geplanten Aufbau: Als Darstellung der Begründung des christlichen Lebens war in §75 die Lehre von der Taufe (als Werk Gottes selbst: Taufe mit dem Heiligen Geist – und als gottesdienstliches Menschenwerk: Taufe mit Wasser!) zu entfalten. Im Anschluß daran hätte dann (auf die Sache gesehen: das eigentliche Corpus des Kapitels) am Leitfaden des Herrengebets die Artikulation der verschiedenen praktischen Aspekte christlichen Lebens folgen sollen, endlich abschließend und krönend die Lehre vom Abendmahl (als die auf die Präsenz Jesu Christi in seinem Selbstopfer antwortende und seiner Zukunft entgegenblickende Danksagung).102
1938, am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, hatte Barth aus dem HK die Erkenntnis gezogen und umgehend in die Skizze der KD übertragen: „[A]n dieser Stelle, zwischen Taufe und Abendmahl, hat man den einigen Trost, von dem die grundlegende erste Frage redet, und ist man nun zugleich aufgerufen, sich über diesen Trost Rechenschaft zu geben“.103 Zwischen Taufe und Abendmahl ist der Mensch von Gott angesprochen und hat die dem entsprechende Antwort zu geben. Wie ganz konkret im Falle der Textverortung des HK, so bilden sie hier in einem übertragenen, aber nicht minder realen Sinne den Rahmen, den „Raum“ in dem sich der Weg des Menschen vollziehen kann.104 Seine Lebensantwort ist so eingebunden in den großen Gottesdienst, der auch den „politischen Gottesdienst“ umgreift, fordert und trägt. Diese Konfiguration übernimmt Barth für seine Ethik in KD IV/4 und erklärt: Hervorgehobenen göttlichen Befehlen und Anordnungen folgende menschliche Handlungen sind ja beide: die Spendung und der Empfang der Taufe und die Begehung des Abendmahls: die Taufe in besonderer Beziehung zur Begründung, das Abendmahl in besonderer Beziehung zur Erneuerung des christlichen Lebens. Beide beziehen sich auf die sich zwischen dem gnädigen Gott und dem ihm gehorsamen Menschen abspielende Geschichte. Wobei es in der Taufe im Besonderen um deren Anheben geht: um eines Menschen Eintritt in die Gemeinschaft eines durch die Anrufung Gottes bestimmten Lebens – im Abendmahl aber im Besonderen um den Fortgang jener Geschichte: um die Erhaltung der Menschen in der Gemeinschaft jenes Lebens und also in der Anrufung Gottes. So gehören die Taufe und das Abendmahl in die Ethik, und zwar in die im besonderen Licht des versöhnenden Handelns Gottes zu entfaltende Ethik.105 100A. a. O., 357. 101 Ders., KD IV/4, IX. 102 Ebd. 103 Ders., Einführung in den HK 1938, 3, s.o. S. 141. Vgl. auch ders., Der Heidelberger Katechismus, 1. Sitzung am 23.10.1946, s.o. S. 237. 104 S.o. S. 192. 105 Barth, Das christliche Leben, 71f.
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Material-dogmatische Entfaltung. Der HK und das munus triplex
1938 war Barth der Kontext des HK zwischen Tauf- und Abendmahlsformular in der Kirchenordnung als Anweisung für menschliches Handeln zu Bewusstsein gekommen. Taufe und Abendmahl bezeichnet er nun beide nicht mehr als Sakramente, sondern als „menschliche Handlungen“ im Rahmen der Ethik, versteht sie aber doch als solche, die als mit der Geschichte Gottes verbundene Zeichen das Handeln des Menschen tragen. Der Sakramentsbegriff wird so vom Bekenntnis als menschlicher Antwort auf das Handeln Gottes her neu gedacht.106 Jegliches Handeln des Menschen findet auf dem Weg zwischen dem von Gott gestifteten Anheben des Glaubens in der Geisttaufe und dem von Gott versprochenen und im Abendmahl je und je neu zugesagten Fortgang seiner Geschichte seinen Trost. Dieser Trost ist charakterisiert durch die ebenfalls am HK entwickelte Doppelgestalt von consolatio und admonitio, als Zuspruch und Anspruch bzw. als „Erlösung“ und „Gerechtigkeit“.107 Die Ethik innerhalb des so gesetzten Rahmens wird darum nun am Leitfaden des Vaterunsers aufgezogen. 1944 und 1947 hatte Barth in seinen HK-Auslegungen das Gebot als Gebet, die Einzelbitten des Gebets hingegen als Gebot für das Leben des Christen bestimmt.108 1946 hatte er angedeutet, das Leben des getrösteten Menschen könne mit dem HK in den Bitten des Herrengebets entfaltet werden.109 Dies setzt Barth nun um und wählt als Leitbegriff für die Ethik passend dazu den Begriff der „Anrufung Gottes“, nicht ohne ausführlich darzulegen, dass der Begriff „Dankbarkeit“, wie ihn der HK wähle, aus sprachlichen, inhaltlichen und historischen Gründen eine ebenso „gute Möglichkeit“ darstellen würde.110 Nicht nur die in engem Zusammenhang zur munus-triplex-Lehre komponierten Teilbände KD IV/1–3, sondern auch die geplante Fortführung der speziellen christlichen Ethik sind also durch und durch von Gedankengängen gegliedert, die Barth in der Auseinandersetzung mit dem HK gewonnen hat. Sowohl strukturell 106 S.o. S. 176, vgl. auch Plasger, Relative Autorität, 251–276. 107 S.o. S. 208. 108 S.o. S. 154 und 195. 109 S.o. S. 163. 110 Barth, Das christliche Leben, 606: „Es gibt einen schönen sprachlichen Grund, der mächtig für die Wahl dieses Begriffs spricht – nur daß das leider im deutschen Wort ‚Dank‘ nicht sichtbar wird: die greifbare Korrespondenz und Analogie zwischen ἐυχαριστ´ıα und χ´αρις, gratitudo und gratia. Ein historischer Grund kommt hinzu: wir befänden uns, wählten wir diesen Begriff, in sachlichem und wörtlichem Anschluß an den Heidelberger Katechismus, dessen für den ganzen calvinistischen Bereich der Reformation so charakteristischer dritter, sein ethischer Teil bekanntlich überschrieben ist ‚Von der Dankbarkeit‘: Christus, der uns mit seinem Blut erkauft hat, erneuert uns durch seinen Heiligen Geist, ‚daß wir mit unserm ganzen Leben uns dankbar gegen Gott für seine Wohltat erzeigen und er durch uns gepriesen werde‘ (Frage 86; vgl. 32, 43, 64). Wir könnten bei diesem lebendigen und reichen Begriff gewiß freudig und ohne Bedenken stehen bleiben. Über das, was dem Menschen in seinem Verhältnis zu dem gnädigen Gott – und eben damit entscheidend und Alles umfassend – geboten ist, gibt der Begriff der Dankbarkeit oder konkreter: der Danksagung tatsächlich präzise und erschöpfende Auskunft.“ Ein relativierendes „Aber“ folgt nicht. Den Begriff der Dankbarkeit als Grundbegriff christlicher Ethik führt Barth auch weiterhin mit. So zitiert er Frage 116 (über das Gebet als wichtigste Gestalt der Dankbarkeit) zur Begründung der Konzeption vom Vaterunser her (a. a. O., 68). Auch in der Entfaltung der einzelnen Bitten nimmt Barth mehrfach auf den HK Bezug (insb. auf Fragen 116, 122, 123, 129, vgl. a. a. O., 68.170.261.414).
Der Christ und die Christen. Christsein im Vollzug
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als auch inhaltlich wird deutlich: Auch wenn die Einzel-Auslegungen des HK in den Nachkriegsjahren enden, haben die aus dem HK gewonnenen Erkenntnisse und Einsichten Barth wertvolle Denkhilfen und Werkzeuge an die Hand gegeben, die ihn in seinem systematisch-theologischen Denken bis zum Ende seines Lebens begleitet haben. Dass formal die Versöhnungsethik unvollendet geblieben ist, entspricht der inhaltlichen Einsicht: Als Christen ist uns aufgetragen, der lebendige Text zu werden, den KD IV/4 nicht mehr formuliert hat.
7. Ein entschiedenes „je nachdem“. Die theologische Kontextualität der Theologie Karl Barths 7.1 Bekenntnisauslegung in dialektischer Kontextualität. . . Jede Theologie ist kontextuelle Theologie.1 Die beeindruckende systematische Abstraktionsfähigkeit und Kraft, die Barths Theologie zeitigt, darf nicht davon ablenken, dass seine Dogmatik vielfach auf unmittelbare zeitgenössische Anliegen reagiert und von ihnen herkommt. Barth selbst gibt unumwunden zu: „Wer hat andere Augen zum Lesen als seine eigenen?“2 Schon dass er sich an exponierten Stellen so intensiv mit dem HK beschäftigt hat, gibt Aufschluss darüber, dass sein Bekenntnisverständnis nicht überzeitlich, sondern kontextuell ist: Sein Interesse gilt nicht einer abstrakten, universal anwendbaren Glaubensformel. Stattdessen wählt er in seinem kirchenpolitischen und theologischen öffentlichen Wirken in Deutschland den Text, der dort die reformierte Theologie geprägt hat, um selbst in die dortigen Zusammenhänge hineinzusprechen. Prägnant formuliert Barth, die reformierte Kirche besitze keine universal gültigen Bekenntnisse, aber: „Ihr
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Der Kontext-Begriff entspringt dem Bild des lat. contexere und bezeichnet die Verwebung und Verknüpfung einzelner Teile zu einem Ganzen ebenso wie das daraus resultierende Ganze (Stierle, Zur Begriffsgeschichte von „Kontext“, 144). Bis ins 19. Jahrhundert begegnet der Begriff ausschließlich in der theologischen und juristischen Fachsprache: Er bezeichnet „den Text, der als Kommentar, Glosse, einem Bezugstext beigegeben ist und seiner Erhellung dient“ und ist „ein von nachträglicher Auslegungsarbeit hergestellter Bezugsrahmen, der das Verständnis sichern soll.“ (a. a. O., 146) Dabei gilt: Nicht jede sprachliche Äußerung ist schon Text: „Erst die Kommentarwürdigkeit macht den Text zum Text im eigentlichen Sinn“ (ebd.). In Vergessenheit dieser älteren theologischen Bedeutung bezeichnet Kontext heute als linguistische und soziologische Kategorie meist „die Umgebung, in die sprachliche Äußerungen, aber auch Typen von Äußerungen, eingebettet sind“ (Lorenz, Art. Kontext, 454), mit der Pointe, dass diese sprachlichen und situativen Text-Umgebungen Textentstehung und Textbedeutung organisieren und beeinflussen, ja geradezu bestimmen, so dass der Text ohne ihre Berücksichtigung nicht adäquat verstanden werden kann. Der Kontextbegriff wird dabei oft auf nicht-sprachliche, situative Umgebungen verengt, teilweise unter expliziter Differenzierung zwischen sprachlichem Ko-Text und nicht-sprachlichem, situativem Kontext (Bar-Hillel, Argumentation in Pragmatic Languages). Dagegen will ich daran festhalten, dass „Kontext“ gerade den Verweis auf Texte im weitesten Sinne markiert: Der Bezug auf die Situation ist von deren Textualität her zu verstehen – nicht umgekehrt. Da Kontexte keine stabilen, gegebenen Größen darstellen, sondern selbst „veränderlich, offen und relativ unbestimmt“ bleiben (Miege, Art. Kontext, 1643), wirkt Kontextualisierung von Texten nicht nur vereindeutigend, sondern eröffnet zusätzliche Bedeutungsspielräume und Bezüge. Die Interpretation wird so vertieft und erweitert, aber auch verkompliziert und unabschließbar. Barth, Fides quaerens intellectum, 4.
Bekenntnisauslegung in dialektischer Kontextualität. . .
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Bekenntnis ist in Deutschland der Heidelberger Katechismus.“3 Im Rückblick gewinnt seine frühe Bemerkung an Tiefe: Ich stehe eigentlich in einem merkwürdigen Verhältnis zu diesen alten Texten. Fortwährend könnte ich ungefähr alles gut und nicht gut heißen, wenn ich mir die historischen Zusammenhänge und den Sinn überlege, je nachdem entscheide ich mich dann zu Belehrungszwecken für das Eine oder für das Andere.4
Barth beschreibt die Wertung des Bekenntnisses als doppelt kontextuell eingebunden: einerseits in den historischen Entstehungshintergrund des Textes und seine ursprünglichen Anliegen; andererseits in die Erfordernisse aktueller pädagogischer Verantwortung. Damit wird auch deutlich: Zwar ist der Text zunächst einmal sein eigener Kontext, in sich selbst trägt er das Kriterium für seine Beurteilung aber nicht.5 Das sui ipsius interpres gilt nur in Kombination mit der Frage danach, „was Christum treibet“. In Barths HK-Auslegungen treten im Laufe der Zeit die historischen Entstehungszusammenhänge in den Hintergrund, während die je aktuellen Umstände und Anliegen relevant bleiben. In der Auseinandersetzung mit diesen beiden Kontexten bleibt es aber bei einem „je nachdem“ – die Interpretation des Textes kann sich mit der Veränderung der Kontexte immer wieder verändern. Diese kontextuelle Relativität ist aber als dezidiert theologisches Anliegen zu würdigen. Sie bildet keine einfach vom Kontext abgeleiteten und abhängigen Interpretationen, sondern basiert auf einer ganz konkreten Entscheidung dem Kontext gegenüber und teilweise auch in Widerspruch zu ihm. Doch woher erwächst diese Möglichkeit? Der junge Barth klagt 1923: „O dieser vielhundertjährige Sumpf, in dem wir stecken! Es ist so grässlich schwer, immer wieder das Gegenteil auch nur zu denken, geschweige denn zu sagen, geschweige denn formuliert und im Zusammenhang zu sagen“.6 Am eigenen Schopf kann man sich auch und gerade theologisch nicht aus dem Sumpfe ziehen. Die Möglichkeit zu einer Distanzierung gegenüber den jeweiligen Kontexten erwächst nicht aus ihnen selbst und auch nicht aus dem interpretierenden Subjekt, sondern erst aus der Inanspruchnahme eines konkreten Kontra-Textes. Das Angebot einer solchen Alternative macht die kirchliche Gemeinschaft ihren Gliedern durch das Festhalten an Bekenntnisschriften, die einem anderen Kontext als dem unmittelbar eigenen entstammen. Diese sind aber nicht beliebig: Theologisch findet Barth das Objektivierungskriterium in der Bindung an Jesus Christus. Insofern diese aus den Texten der Tradition spricht, können sie ihm zum jeweils konkreten Kontra-"Text werden. Einen solchen findet Barth im Nichtmein-eigen-Sein
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So ders., Theologische Erklärung, 57, vgl. auch ders., Bekenntnisschriften, 175: Der HK sei aufgrund der dortigen Besonderheiten „jedenfalls für Deutschland das gegebene Lehrbuch reformierten Christentums“. Barth an Thurneysen am 11.02.1922, in: Barth/Thurneysen, BwTh II, 37. Vgl. Dalferth, Die Mitte ist außen. Zit. nach: Busch, Lebenslauf, 169, Hervorhebung i.O.
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Die theologische Kontextualität Karl Barths
des HK, der sich darin zu einem Hauptbezugstext seiner Theologie entwickelt.7 Die von Plasger festgestellte „relative Autorität des Bekenntnisses“8 ist insofern als relationale zu konkretisieren: Das Bekenntnis wird auf seine Verweisfunktion auf Christus hin und von dieser her gelesen. Aus dieser Relationalität folgt erst die Relativität der anderen Kontexte. Sie ermöglicht die „evangelische Freiheit“, die von Barth umrissene Dialektik von Freiheit und Dankbarkeit gegenüber der eigenen Tradition, wie sie in seinem Umgang mit dem HK auch praktisch zum Ausdruck kommt.9 In KD IV/2 reflektiert Barth über sein theologisches Vorgehen: Wir haben uns nun offen dazu bekannt, daß wir, indem wir hier die Lehre von der Inkarnation nachzudenken und in unserer Weise zu formulieren versuchten, tatsächlich einen bestimmten vorgegebenen Text gelesen und ausgelegt haben. Die Texte der alten Theologie? oder die der kirchlichen Symbole? oder die der Bibel? Gewiß: sie alle – aber in all diesen Texten ihren Grundtext. [. . . ] Jesus Christus in seiner Selbstoffenbarung also ist der Grundtext, den schon die Apostel gelesen und ausgelegt, als seine unmittelbaren Zeugen bezeugt haben und nach ihnen, ihr Zeugnis aufnehmend, die Symbole und die Theologie der Kirche, und wieder nach ihnen endlich und zuletzt auch wir, indem wir es wagten, die Arbeit der christlichen Theologie im Blick auf jenes Faktum aufzunehmen und fortzusetzen.10
Wonach sich demzufolge die jeweilige Entscheidung gegenüber Text und Kontext richtet, ist die Tatsache, die den Bekenntnischarakter der Interpretation selbst ausmacht: dass nämlich Bekenntnisschrift und Bekenntnisinterpretation sich gemeinsam auf die Schrift11 bzw. auf Jesus Christus als „das eine Wort Gottes“ beziehen. „Jesus Christus“ – dieser Name bildet die kürzeste Form des christlichen Bekenntnisses. Der Name ist der reine Text. Er ist vor und nach jeder konkreten Erzählung von ihm und jeder Dogmenbildung über ihn wieder und wieder lesbar und weist so eine potentiell unendliche Multikontextualität auf. Das „Wort Gottes“ könnte man so – insofern es in einem konkreten Text als Wort begegnet – als dritten und entscheidenden Kon-Text des Bekenntnisses postulieren. Von hier aus entschieden, kann das Bekenntnis in relativer Freiheit gegenüber historischen
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Schröter, Bemerkungen über den reformierten Charakter des theologischen Ansatzes Karl Barths, 155 geht so weit, Barths gesamten theologischen Ansatz in dem unkommentierten Zitat aus HK 1 „summarisch“ zusammenzufassen: „Das ich mit Leib vnd Seel beyde in leben vnd in sterben nicht mein sonder meines getrewen Heilands Jesu Christi eigen bin“. 8 Plasger, Relative Autorität. 9 Vgl. Barth, Die christliche Lehre 1947, 15. Auch die kritische Relativierung versteht Barth übrigens von der theologischen Kontextualisierung her: „Relativieren heißt ja wohl kritisch: etwas an seinen bestimmt begrenzten Ort stellen. Es heißt aber auch positiv: es eben damit in eine gerade durch die Grenze dieses Ortes angezeigte Beziehung setzen [. . . ,] in das, was wir eben ihren Kontext nannten. Ihr Kontext ist aber die Schöpfung, deren innerer Grund der Bund ist“ (ders., KD IV/2, 186f). 10 A. a. O., 135f. 11 Lindbeck, Barth and Textuality, spricht wegen der Zentralität der Schrift als Grundlage für die Theologie Barths von einer konstitutiv theologischen „Intratextualität“ im Gegensatz zur „Intertextualität“ als Modewort unserer Zeit.
Bekenntnisauslegung in dialektischer Kontextualität. . .
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und zeitgenössischen Kontexten eine eigene Entscheidung markieren.12 In Barths Interpretation des HK handelt sich also nicht um ein schwankendes, sondern um ein entschiedenes „je nachdem“. Offenbarung hat nicht nur Ereignischarakter. Als frohe Botschaft ist sie selbst auch sprachlich strukturiert. Offenbarung heißt: Gott sorgt dafür, dass sein Wort auch in der bleibenden Gestalten von Zeugnissen vorliegt und für uns lesbar wird. Das „Wort Gottes“ begegnet in diesem Sinn immer als konkreter Text und nie als abstrakte Größe, sei es schließlich in der kanonischen Schriftlichkeit biblischer Zeugnisse, sei es in der Bezeugung durch menschliche Rede, sei es in Jesus Christus selbst. Das Wort Gottes kommt in seiner Personhaftigkeit immer schon in der Sprachgestalt konkreter Texte zu uns und wird von uns in dieser Gestalt zur Kenntnis genommen.13 Es ist so eine uns externe, aber nur darum auch eine interpretationsfähige, „lesbare“ Größe: „In der Theologie wird auch gedacht, aber sie fängt nicht damit an, sondern mit dem Lesen.“14 Ein relativer Primat liegt darum stets in seiner materialen Form, die mit der Interpretationsfähigkeit zugleich die bleibende Interpretationsbedürftigkeit festhält, der es immer wieder Platz einzuräumen gilt.15 Das Hören auf das Wort Gottes lässt sich so auch immer als Vorgang des Lesens verstehen: „Man stellt sich [. . . ] unter eine Autorität. Man – liest.“16 Nur im Vollzug des nachgehenden Verstehens kann die Textur des Wortes Gottes in den Texten und Kontexten erhoben werden. In Barths Worten: Wir können dann jenen Grundtext nur eben lesen und auslegen, wie es die Apostel zuerst und grundlegend nur eben getan haben. Wir können uns nur eben verhalten als solche, denen er vorgegeben ist. Wir können also nicht „dahinter“ kommen wollen: weder hinter sein Vorgegebensein, noch dahinter, wie es uns möglich und erlaubt sein soll, uns selbst seinem Vorgegebensein entsprechend zu verhalten. [. . . ] Jener Grundtext besteht ja eben in 12 Hier zeigt sich der innere Zusammenhang von Kontextualität und Beweglichkeit bei Barth, vgl. Freudenberg, Karl Barth und die reformierte Theologie, 10, in Bezug auf die Göttinger und Algner, Kirchliche Dogmatik im Vollzug in Bezug auf die Bonner Zeit. 13 Auch für die Weitergabe dieses Wortes Gottes gilt: „Vom Sein, Handeln und Reden Jesu Christi kann man nur im Blick auf besondere Ereignisse reden: nur in Form von Erzählung einer Geschichte und ihrerseits je und je sich zutragenden Geschichten. Christologie als Darstellung dieses seines Seins, Handelns und Tuns kann, soll es sich dabei um etwas besseres als um eine dunkle Metaphysik handeln, in allen ihren Teilen und unter jedem denkbaren Aspekt nur die Entfaltung eines Dramas sein“ (Barth, KD IV/2, 154). 14 Drewes/Rich, Einführung 1936, 270. Dies gesteht Barth – bei aller Ablehnung einer „natürlichen“ Theologie – sogar in Bezug auf die Schöpfung zu: „Im Blick auf den Menschen darf und muß gesagt werden: die von Gott geschaffene Welt ist auch (nicht nur, aber auch!) ein lesbarer und verständlicher Text und zugleich ihr eigener Leser und Ausleger“ (Barth, KD IV/2, 159). 15 Vgl. auch Barths Rede von der dreifachen Gestalt des Wortes Gottes in KD I/1. Jesus Christus ist das Wort Gottes, während Schrift und Verkündigung es nur je werden können. In der „Beziehung ihrer Verkündigung auf ein konkretes Außen“ (104) hat die Schrift dabei einen Vorrang vor der Predigt: „Die Unterschiedenheit des Hauptes vom Leibe und seine Überlegenheit über ihn drückt sich konkret darin aus, daß der Verkündigung in der Kirche eine ihr als Phänomen höchst ähnliche, wie sie selbst zeitliche und nun doch von ihr verschiedene und ihr ordnungsmäßig überlegene Größe gegenübersteht“ (ders., KD I/1, 103). Zu der Kontinuität in Barths Hermeneutik bemerkte bereits Eichholz, Der Ansatz Karl Barths in der Hermeneutik, 54: „Man stößt bei Karl Barth [. . . ] von seiner Römerbriefauslegung an bis zum letzterschienenen Band seiner Kirchlichen Dogmatik auf ein betontes Reden vom ‚Text‘, vom biblischen Text. Der Text hat Vorrang“. 16 Drewes/Rich, Einführung 1936, 270.
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Die theologische Kontextualität Karl Barths
der Selbstoffenbarung dieses Faktums, vielmehr des dieses Faktum schaffenden göttlichen Majestätsakts.17
Die je und je neu zu unternehmende interpretative Einholung des Christusgeschehens im nachgehenden Verstehen liest dieses als Text. Zugespitzt ließe sich die christliche Identität mit Barth wie folgt definieren: „Sie kann lesen“ – dies, und nur dies, unterscheidet die christliche Gemeinde von anderen Menschen.18 Zugleich dringt diese Lektüre je und je in die Versprachlichung. Die Offenbarung will offenbar sein und werden. Auch dieser zweiten Tendenz zur Textualität trägt Barth Rechnung: In seiner Konzeption ist das prophetische Amt des „Zeugen“ die Grundfunktion des Christ-Seins.
7.2 . . . christologischem Texturgewinn. . . Während die christologische Grundlegung der Theologie für Barth nicht zur Debatte steht, verändert sich ihre Durchführung und Füllung durchaus, wie sich gezeigt hat. 1921/22 betont Barth das exklusive Jesu-Christi-eigen-Sein als Absage an menschliche Suche nach Trost und Glück. Als kritisches und nahezu abstraktes Prinzip hält es das „Loch“ in der Mitte der Theologie frei. Im Laufe der Zeit gewinnt Barths Christologie aber zunehmend an Konkretion. Der „Name Jesus Christus“ bezeichnet „die gesamte Kraft der christlichen Botschaft“ und „ihren ganzen Inhalt“, steht alttestamentlich für Gott selbst.19 Zugleich entzieht sich der Name jeder Definition und Spekulation, man kann sich ihm nur im immer neuen Lesen und Erzählen seiner Geschichte nähern. Der Name „Jesus Christus“ als christliches Grundbekenntnis, die wechselseitige Identifizierung von Wort Gottes und Jesus Christus sowie das im Christustitel verankerte dreifache Amt verleihen Barths Christologie Textur. Gott wird Mensch im jüdischen Mann Jesus. Jesus ist der Christus. Der Christus wirkt als Prophet, Priester und König Erlösung und Gerechtigkeit und offenbart sich in der Welt. In der Objektivität dieses Christusereignisses, ihrer realen Gegenwart und steten Zukünftigkeit, liegt der einige und einzige Trost des Menschen. Diese Struktur immer neu zu lesen und lesbar zu machen führt zur zunehmenden Anreicherung und Konkretion von Barths Theologie. Die Lehre vom munus triplex Christi ermöglicht Barth eine biblisch fundierte und qualifizierte Rede vom Christus, die vielfältige Verknüpfungen mit anderen theologischen Topoi erlaubt. Der bewusste Anschluss an alttestamentliche Überlieferungen ist vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus in Deutschland auch eine politische Erklärung. Sie kann als direkte Antwort auf Barths eigene Proklamation: „Die Judenfrage ist die Christusfrage“20 verstanden werden. 17 Barth, KD IV/2, 138. 18 Ders., Verheißung und Verantwortung, 317. 19 Ders., KD IV/1, 18. Eine instruktive Reflexion zu Barths Verständnis des Namens gibt auch Siller, Kirche für die Welt, 119–124. 20 Barth, Verheißung und Verantwortung, 318.
. . . und christologischer Kontra-Textualität
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Der Ausbau der Christologie über die Lehre vom dreifachen Amt verschränkt diese ebenso unmittelbar mit der Pneumatologie wie mit Ekklesiologie und Ethik. Sie ermöglicht eine nicht mehr rein negativ verfasste Anthropologie. Am Ort des Namens ereignet sich die Begegnung zwischen Christus und den Christen. Was Christsein bedeutet, kommt einerseits als Verantwortung in den Blick, andererseits wird der Horizont für die stärkere Möglichkeit einer erbaulich-tröstlichen Zuwendung zum Menschen, auch zum Individuum geöffnet. Dem entspricht, dass Barths zunächst einseitig kritisch wirkender Ansatz tröstenden Formulierungen weicht, er von negativen zu positiven, von destruierenden zu erbaulichen Auslegungen gelangt. Trotz der Einräumung der prinzipiellen Möglichkeit, diese Theologie ebensogut von der Pneumatologie aufziehen zu können, hält Barth am Ausgangspunkt der Christologie in vorsichtig-kritischem Vorbehalt fest.21 Der Name gewährt auch die richtige Konkretion der Pneumatologie, die ansonsten ungesichert bleibt: Der Heilige Geist wird streng als Geist Jesu Christi konzipiert.
7.3 . . . und christologischer Kontra-Textualität Barth entdeckt im Laufe der Zeit den HK von seiner Ausrichtung auf Jesus Christus als Grundtext der Theologie und seiner biblisch qualifizierten Rede von ihm her. So wird der HK für Barth zu einem wertvollen Verbündeten gegenüber dessen historischen und seinen eigenen zeitgenössischen Kontexten.22 Die Betonung der Exklusivität und Zentralstellung Christi ist dabei nicht nur innertheologisch relevant als „dogmatischer“ Topos, sondern macht Barths Auslegung unmittelbar politisch – wenn man den Begriff des Politischen von der Verhandlung von Machtansprüchen her denkt. Am deutlichsten zeigt sich dies in der BTE, wo mit dem HK gesprochen aus der Tatsache, dass wir Jesu Christi Eigentum sind, gefolgert wird, dass „andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten“ keine göttliche Autorität beanspruchen könnten.23 Theologie zu treiben, als wäre nichts geschehen, bedeutet die Absage an den Totalitätsanspruch jeder Politik. Diese Absage geht bis zum Verschweigen der zeitgenössischen Kontexte – ein expliziter Verweis auf die Situation fehlt in der BTE ja gerade. Darin ist die äußerste Konsequenz der theologischen Kontra-Textualität zu sehen: Sich neu in einem anderen Grundtext zu verorten führt bis zum textuellen Abschneiden vom „eigenen“ Kon-
21 In Fortführung der angedeuteten Überlegungen Barths schlägt Obst eine Theologie des Heiligen Geistes vor, die konsequent zu den für Barths Christologie festgestellten Charakteristika formuliert ist. In der christologischen Entfaltung sieht sie stärker das kritische, in der pneumatologischen das tröstende Element von Theologie zur Geltung kommen (Obst, Veni creator spiritus!, 386f). 22 Schon Lang hob die „christozentrische Richtung“ des HK hervor und sah darin einen Anknüpfungspunkt an Luther (Lang [Hg.], Der HK und vier verwandte Katechismen, CIII). Barths Betonung dieser Einsicht hat sich auch die nachfolgende Theologengeneration zu eigen gemacht, vgl. u.a. Weber, Analytische Theologie, 30; Jacobs, Reformatorisches Bekenntnis, 43.46. 23 BTE I, zit. nach: HTh, 208.
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Die theologische Kontextualität Karl Barths
text. Dies ist nicht als politischer „Protest“ zu verstehen, sondern als Bekenntnis.24 Es geht nicht nur um kritische Abarbeitung am Vorhandenen, sondern positiv um die Verkündigung des Evangeliums, um das Zeugnis des Namens. In den Verhandlungen der Herrschaftsfrage zeigt sich Barth als „Streittheologe“25 , der in der Dimension von Machtkonflikten – und damit politisch! – denkt. Barths Theologie ist also nicht an sich politische Theologie, da sie politischen Geschehnissen den Anspruch verwehrt, theologische Reflexion zu begründen.26 Aber sein Christusbekenntnis ist als exklusives Bekenntnis „Χρἱστος Κὑριος“, als Bekenntnis zum Herr-Sein Christi politisch relevant und fordert unmittelbar auch politische Konsequenzen.27 Der entscheidende Punkt ist der Exklusivitätsanspruch: Autorität ist für Barth allein das Wort Gottes in Jesus Christus – abzulehnen ist hingegen jedes „Christus und. . . “. Dadurch geht Barths Verständnis des Politischen aber zugleich über die Herrschaftsdimension hinaus. Der Bekenntnisbezug verschiebt es von rein christologisch angelegter Selbstdurchsetzung hin zu pneumatologisch differenzierter Loyalitätsgewinnung. In diesem Sinne wird auch Be-
24 Auf die Rückfrage: „Was haben Sie gegen den Begriff ‚Protestanten‘?“ antwortet Barth: „Daß er so negativ ist! Es gibt Haufen von Nicht-Katholiken, die immer nur ‚protestieren‘. Evangelisches Christentum ist aber nicht so etwas Negatives, wo man andauernd davon lebt, gegen den Papst und gegen die Maria zu sein, sondern etwas Positives, wo man für etwas ist und eintritt. . . “ (Barth, Titusgemeinde, 306, Hervorhebung i.O.). 25 Schellong u. a. (Hg.), Karl Barth: Der Störenfried?, 70. 26 Butler, Barth and Political Theology, 458 definiert: „The distinguishing characteristic of political theology is that socio-political reality is given a hermeneutical status. This is something that Barth steadfastly and continually refused to do.“ Butler beschreibt Barths theologische Haltung entsprechend einer der exegetischen Methode ähnlichen Dekontextualisierung: „One does not bring to the situation a bundle of world views, political philosophies, social systems, etc. [. . . ] Their systematic force is broken“ (a. a. O., 446). 27 Dannemann, Theologie und Politik und Algner, Kirchliche Dogmatik im Vollzug stimmen darin überein, dass Barths Denken von der Dogmatik zur Politik läuft, indem aus theologischen Gedanken politisch-ethische Konsequenzen gezogen werden. Vgl. Marquardt, Theologie und Sozialismus; ders., Motivationen. Insb. Hunsinger (Hg.), Radical Politics wertet die politische Dimension noch stärker, dreht aber das Verhältnis dabei geradezu um: „Barth was always concerned about ‚theory‘ for the sake of ‚praxis‘, never about ‚theory‘ in itself. [. . . ] In each case it was a political crisis which compelled Barth to rethink the conceptual basis of his theology. In each case, furthermore, he was largely seeking a better basis for his social action“ (ebd., 224). Während ich dem engen Zusammenhang von politischen Entwicklungen und theologischen Formulierungen im Denken Barths zustimmen würde, halte ich die Verhältnisbestimmung von Hunsinger für problematisch, insofern sie ein Primat der politischen Ereignisse und eine Abhängigkeit, ja Instrumentalisierung von Barths theologischen Entscheidungen ihnen gegenüber behauptet. M.E. führten politische Ereignisse Barth zum Überdenken seiner Strategie, nicht aber seiner „conceptual basis“. Diese findet sich durchaus stabil in einem streng christozentrischen und biblisch fundierten Denken, deren Äußerung und Formulierung aber in den verschiedenen Kontexten strategisch neu entworfen wird. Weinrich, Konflikte theologischer Zeitgenossenschaft, 176 versucht einen dritten Weg zu formulieren, indem er behauptet, dass die „Welt“ (als weitest-möglicher Begriff für Politik, gesamter politischer Handlungsraum) für Barth nur insofern in den Blick kommt, als sie „gleichnisfähig“ ist. Er folgert: „Wenn man einmal unter dieser Perspektive Barth zu lesen gelernt hat, wird sich zeigen, wie politisch Barths Theologie ist, gerade darin, dass sie keine politische Theologie ist“ (209), schließlich gehe es darin nicht um eine „Synthese von Theologie und Politik, sondern um konsequente Theologie in der Welt“ (210).
Treue zur Bewegung. Dogmatik als theologia viatorum
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kenntnisauslegung zum politischen Akt der Ausbildung einer kritischen KontraTextualität. Die Berufung auf einen Bekenntnistext bietet dabei eine Ressource, aber keinerlei Sicherheit gegenüber der „Irrlehre“. Der HK kann und darf für Barth das eigene Bekennen nicht ersetzen, wird aber in seiner Christozentrik zu einem wichtigen Verbündeten und zum Wortschatz eigenen Bekennens.28 Dieser Umgang mit dem Text legitimiert sich aus der von Barth postulierten vornehmlich „praktischen Bedeutung“ des Bekenntnisses.29 Dass Barth aus dem bereits 1921 als Jesu-Christi-eigen-Sein bezeichneten Herrschaftsverhältnis erst Anfang der 1930er implizite und 1938 explizitere politische Konsequenzen zeitigt, ist eher als auf situative Reaktionen reagierender Strategiewechsel zu verstehen denn als inhaltliche Verschiebung. Im Sinne dieses exklusiven Herrschaftsanspruchs Christi zeigt sich die theologische Kontextualität auch konkret in erster Linie als Kontra-Textualität. Barth zieht dafür das früh postulierte kontrafaktische Ich ebenso heran wie die christliche Hoffnung. Eine gewisse Vorliebe für Interpretationen „gegen den Strom“ scheint Barth wichtiger zu sein als etwa die Kohärenz seiner eigenen HK-Auslegungen durch die Zeit.30 Im Widerspruch gegen alle anderen Herrschaftsansprüche zeigt sich die theologische Kontra-Textualität in Inhalt und Form auch als subversive Praxis der Bekenntnisauslegung. 31
7.4 Treue zur Bewegung. Dogmatik als theologia viatorum In den verschiedenen Auslegungen des HK durch Barth sucht man nach einem einzelnen einheitstiftenden Prinzip vergebens. Zu veränderlich erscheinen Struktur und Pointen der einzelnen Aussagen. Man müsste sogar sagen: Die Suche nach einem Prinzip verfehlt den entscheidenden Punkt. Die Wandlungsfähigkeit von Barths HK-Lektüre bei gleichzeitigem Festhalten an gewissen hermeneutischen 28 „Der Heidelberger als Resilienzressource?“ fragt Hans-Georg Ulrichs provokativ, um anhand von verschiedenen historischen Gestalten reformierter Theologen zu belegen, es habe sich „nicht erwiesen, dass man mit dem Heidelberger schon per se auf dem richtigen Weg ist“ (Ulrichs, Mit freiem Gewissen glauben und leben). 29 Barth, Wünschbarkeit und Möglichkeit, 619. 30 So wehrt sich Barth 1921/22 sowohl gegen die Vorwürfe, als auch gegen das Lob der Rezeptionsgeschichte gegenüber dem HK. Die auf Anselm von Canterbury zurückgehende und oft kritisierte Satisfaktionslehre des HK hingegen verteidigt er nachdrücklich gegen die Modernisierer, ebenso dessen „pessimistische“ Anthropologie. Den Befürwortern einer Bekenntnisbindung hält Barth deren Unmöglichkeit entgegen, den Liberalen hingegen ihre bleibende Autorität in der Kirche. Den erbaulichen Zug, die Betonung des Individuums und seines Trostes im HK lehnt Barth ab, verwendet aber den HK gegen dessen eigene Rezeptionsgeschichte, um zu zeigen, dass das Individuum gleichsam nur „im Nachsatz“ stehe. Gegenüber der angeblichen Anthropozentrik hebt Barth die Christozentrik des HK hervor. Nachdem er ihn gründlich 1921/22 ausgeräumt hat, kann Barth 1938 und 1947 den Trost aber durchaus zugestehen. 31 Vgl. Marquardt, Verwegenheiten, 468f: Bei Barth lerne man, „daß der theologische Begriff erst liquide werden kann, wenn er auf Widerstand, statt auf Affirmation auf umwälzende Praxis hin, gebildet wird“. Tatsächlich entwickelt Barths Theologie ihre Potentiale nicht so sehr, wo sie zur „herrschenden“ Theorie wird. Als subversive Praxis hingegen ist sie im Grunde anti-autoritär.
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Grundentscheidungen deutet darauf hin, dass die Kontinuität in Barths Denken in der Radikalität der primären Christus-Kontextualität besteht, die gleichzeitig auch seine Diskontinuität bedingt.32 Barths Denken ist dabei in einem intensiven Verhältnis zur Zeitgeschichte und gerade in seinem systematisch a-systematischen Denken auch selbst spezifisch neuzeitlich geprägt.33 Bereits 1922 wehrt Barth sich in der Rezeption seines RömII gegen „Momentaufnahmen“, gegen „leblose Eindeutigkeit“: „Gerade dieses Bewegungsmäßige ist der Punkt meiner Theologie (der entscheidende!), der mir von den Allerwenigsten (auch meiner Lobredner!) abgenommen wird.“34 Zeitgleich wiederholt Barth in seiner HK-Auslegung bis ans Neurotische grenzend immer wieder Metareflexionen zur Unmöglichkeit der Theologie, die höchstens in Form von Selbst-Dekonstruktion noch „Geburtshelferarbeit“ leisten könne. Nicht um positive Setzungen geht es ihm in der Theologie, sondern im Gegenteil um deren je neue Überwindung zugunsten der unverstellten Lesbarkeit des Namens. Auch später stellt Barth fest, „daß ich selber – bei gleich gebliebener Absicht – mich auf das seinerzeit beim Römerbrief durchgeführte Verfahren nicht festlege, sondern am Suchen bin“.35 Auch wenn das Pathos und die explizite Reflexion des theologischen Nicht-Könnens im Laufe der Zeit 32 Schon der frühe Barth zeitigt eine Methode theologischer Selbst-Dekonstruktion, die seine späteren Neuansätze als konsequente Entfaltungen theologischer Grundeinsichten erscheinen lassen. Seiner 1921/22 entwickelten Hermeneutik bleibt Barth gerade in den Diskontinuitäten und Kontextualitäten späterer Auslegungen treu. Vgl. Marquardt, Verwegenheiten, 461: „Barth ist dies Problem der politisch-dogmatischen Widersprüchlichkeit seines Theologisierens voll bewusst gewesen, ohne daß er es konsequent systematisiert hätte; ja, systematische Inkonsequenz, Brüche der Argumentation, unvermittelte Gegensätze waren die Mittel, mit denen er dies formal zum Ausdruck brachte. Der inhaltliche Sinn dieser unsystematischen Form war die Offenheit auf geschichtliche Veränderung hin, die Barth ‚von oben her‘, vom ‚lebendigen Gott‘ erwartet hat, für die er aber immer auch eine ‚menschlich gesehene‘ und dann vor allem politische Perspektive besaß, ohne die das ‚von oben her‘ für ihn irreal geblieben wäre, weil der lebendige Gott für ihn eben nie ein ‚zweites Reales‘, ‚von einem vermeintlich jetzt und hier Realen‘ Verschiedenes war.“ 33 Zwar distanziert er sich stets und vehement davon, durch die Zeit die Theologie diktieren zu lassen. Darum wird Barth gerne ein anti-moderner Zug bescheinigt und tatsächlich stehen gewisse charakteristisch „moderne“ Züge theologischen Denkens bei ihm unter Generalverdacht, am prominentesten sicherlich die anthropozentrische Wende (vgl. z.B. Steck, Karl Barths Absage an die Neuzeit). Gleichzeitig ist gerade sein im Ringen mit der Theologie und Politik seiner Zeit immer wieder neu ansetzendes Denken, Lesen und Formulieren, sein „elastisches Denken“ charakteristisch für (spät-)moderne Rationalitätskonzepte (Schellong, Barth als Theologe der Neuzeit, 102). Dennoch versteht Barth dies v.a. als Ausdruck eines spezifisch theologischen Grundsatzes. 34 Barth an Bultmann am 14.04.1922, in: Barth/Bultmann, BwBu, 7. 35 Zit. nach: Busch, Lebenslauf, 185. Ebd., 222: „[I]ch konnte und wollte dasselbe sagen wie einst; aber so wie ich es einst gesagt, konnte ich es jetzt nicht mehr sagen. Was blieb mir anders übrig, als von vorne anzufangen und zwar noch einmal dasselbe, aber dasselbe noch einmal ganz anders zu sagen?“ Auch Dietrich Bonhoeffer sagt über Barth: „Es ist da eine Offenheit, Bereitschaft für den Einwand, der auch auf die Sache zielen soll, und dabei eine derartige Konzentration und ein ungestümes Drängen auf die Sache, der zuliebe man stolz oder bescheiden, rechthaberisch oder völlig unsicher reden kann, wie es sicher nicht der eigenen Theologie in erster Linie zu dienen bestimmt ist“ (zit. nach ebd., 227f). Jüngel urteilt, Barth sei ein „anfänglicher Mensch“ gewesen, van der Kooi bezeichnet Barths Theologie als „suchende und fragende Theologie [. . . , als] in besonderem Sinn anfängliche Theologie“ und beobachtet: „Das Ergebnis seiner Arbeit hat er nie als letztes Wort betrachtet, mit dem schon alles gesagt sei und seinen endgültigen Platz bekommen hätte. Der
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zurücktreten, zeigt Barths Weg mit dem HK doch, dass er „dieses Bewegungsmäßige“ methodisch umsetzt und konsequent praktiziert. In den verschiedenen Etappen seiner HK-Auslegung hat Barth nur sehr selten direkt auf Ergebnisse früherer Auseinandersetzungen zurückgegriffen.36 Die enorme Textproduktion ist so von dem Ernst der weitergehenden Suche durchdrungen. Diese ist aber nicht nur Ausdruck mangelhafter Ergebnisse und Unzufriedenheit, sondern der Aufgabe von Theologie schlechthin, ihre eigene Prekarität darzustellen. Gleichzeitig gibt die offene Suche auch Spielräume für ein Ernstnehmen der Zeit – in all ihrer Relativität – aus der heraus und in die hinein der Theologe zu reden hat. Dem Versuch, die Haltung weitergehender Suche auch didaktisch an seine Schüler zu vermitteln, entspricht Barths 1921 geäußertes Anliegen, in seiner Interpretation den Bekenntnistext nicht in erster Linie zugänglich machen zu wollen. Stattdessen will er die Fortsetzung der Arbeit mit ihm – bei gleichzeitigem Festhalten an ihrer bleibenden Notwendigkeit – „so schwer wie möglich“ machen. Der geradezu programmatisch-ostentativ ständig vollzogene Neuansatz ist dabei inhaltlich oft nicht so umwälzend, wie Barth ihn darstellt: Viele Entscheidungen, Einsichten und Ergebnisse stellen sich auch im wiederholten Lesen wieder ein oder vertiefen sich. Die grundsätzliche Bereitschaft aber, neu auf den Text zu hören und ihn in neuen Situationen neu sprechen zu lassen, ist das dahinter sichtbare Anliegen. Darin zeigt sich keine Schwäche im Sinne einer System-Inkonsistenz und keine Einschränkung der getroffenen Aussagen nur für den projektierten Kontext.37 Vielmehr ist dies konsequente Theo-Logie, ja in Bezug auf den bewegtbewegenden Text: „konsequente Exegese“.38
Umfang seines Werkes darf nicht verdecken, daß er seine Arbeit für ‚Vorarbeit‘ und ‚Anfang‘ hielt“ (Jüngel, Barth-Studien, 17; Kooi, Anfängliche Theologie, 11). 36 McCormack äußert über die Zeit 1923–24: „Offensichtlich befand sich Barths Denken noch sehr im Fluss“ (McCormack, Dialektik und Realismus, 286). Ebenso „offensichtlich“ gilt dies auch später noch. 37 Friedrich Wilhelm Grafs Barth-Deutungen wurden jüngst gesammelt veröffentlich in Graf, Der heilige Zeitgeist. Graf versteht und unternimmt die Historisierung Barths als dessen Relativierung, ist darin selbst aber unschwer als antibarthianische Reaktion historisierbar (vgl. Holtmann, Karl Barth als Theologe der Neuzeit, 328). Selbstverständlich ist auch die vorliegende Arbeit nicht interessenfrei, aber geprägt durch ein konstruktives Bemühen, durch Kontextualisierung Barths theologische Entscheidungen klarer zur Geltung zu bringen als theologische Entscheidungen: Kontextualität ist keine Korruption und Schwäche, die es zu überwinden gilt, sondern eine mit der Intention der Inkarnation konform gehende theologische Pointe. 38 So im Rückgriff auf eine Formulierung E. Jüngels C. van der Kooi, Anfängliche Theologie, 235, da stets „die Offenbarungserfahrung das mehr oder weniger verborgene Zentrum seines Denkens“ geblieben sei, das Barth immer wieder neu und anders versucht habe zu explizieren (ebd., 244). Dies gilt auch und gerade für die relativ formal wirkenden Züge in Barths Arbeit, wie etwa das dialektische Denken. Auch hier ist mit Beintker festzuhalten: „Barth hatte kein Interesse an der Dialektik als solcher. Die Dialektik in ihren verschiedenen Ausformungen und Bewährungsfeldern steht im Dienste des theologischen Leitgedankens, die Beziehungen zwischen Gott und Mensch in der erforderlichen Angemessenheit ‚sub ratione Dei‘ (von Gott her) zur Sprache zu bringen“ (Beintker, Dialektik, 204).
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7.5 Treue zum Text. Bekenntnisauslegung als „konsequente Exegese“ Dass Barth sich in erster Linie als Exeget – wenn auch in spezifisch theologischem Sinne: als Leser der Heiligen Schrift als Zeugnis von Jesus Christus – versteht,39 zeigt sich auch in seiner HK-Lektüre. Die festgestellte Freiheit Barths gegenüber dem Text ist für ihn kein Widerspruch zu, sondern vielmehr Ausdruck einer grundlegenden Treue zum Text. Diese Treue gilt zunächst nur einem ganz bestimmten Text: dem Wort Gottes in Jesus Christus. Da Barth das Bekenntnis nicht als Symbol, sondern als aktuelle öffentliche Schriftauslegung versteht, lassen sich für ihn Grundsätze der Bibel- auf die Bekenntnis-Exegese übertragen.40 Barth reflektiert über seine Bekenntnisauslegung: Was habe ich getan? Ich habe mich Punkt für Punkt über den einstigen Sinn des Bekenntnisses unterrichtet, um dann [. . . ] wieder Punkt für Punkt zu sagen, in welcher Weise ich die Aussagen des Bekenntnisses als heute Lebender und selbst Denkender mit verantworten muß und kann. Wer sich dafür interessiert, der mag sich hier veranschaulichen, was ich unter Treue gegenüber dem kirchlichen Bekenntnis – im Unterschied zu einer Orthodoxie oder Positivität, die mir immer fremd (um nicht zu sagen widerwärtig) gewesen ist – verstehe und nicht verstehe.41
Nach dem „einstigen Sinn“ fragt Barth dabei teilweise explizit historisch. Einbettung in den Erscheinungstext, Verortung in der Entstehungsgeschichte, Abgrenzung gegenüber der Rezeptionsgeschichte und Überprüfung an der norma normans sind wichtige Schritte seiner Bekenntnis-Exegese. Im Vordergrund seiner Lektüre steht aber nicht die historische, sondern die systematische und aktuelle Auseinandersetzung mit dem Text. In einer Hermeneutik der Gleichzeitigkeit, in der Barths Theologie und die des HK Ausdruck derselben Krise und desselben Bekennens gegenüber dieser Krise sind, können sie füreinander sprachfähig werden. Die Treue besteht darum nicht im Nachvollzug, sondern in der Aktualisierung, die nach der Bedeutung der Bekenntnisschriften heute fragt und darauf vertraut, dass es eine solche gibt. Im Immer-wieder-Lesen der Texte vor diesem Hintergrund stellt Barths „konsequente Exegese“ der Bekenntnistexte einen „Übergang von systematisch-theologischer zu exegetischer Arbeitsweise“ her.42 Nicht nur theologische Lernprozesse, sondern auch zeitgeschichtliche Veränderungen und politische Erfahrungen spiegeln sich dabei in Barths HK-Lektüre. Die Freiheit zur Relektüre ist ebenso wie die Einsicht in die Sinnhaftigkeit der wei39 Zuletzt hat Nina Mützlitz an Hand von Barths Paulus-Rezeption herausgestellt: „Karl Barth hat seine Theologie immer als Exegese verstanden“ (Mützlitz, Gottes Wort als Wirklichkeit, VII). 40 Zu Barths Verständnis der Treue zum biblischen Text vgl. sein Vorwort zur dritten Auflage des Röm in: Barth, RömII, 27–29. 41 Ders., Gotteserkenntnis und Gottesdienst, 6. Worin ein solches verfehltes, „widerwärtiges“ Festhalten am Text in seinen Augen besteht, gibt Barth im Brief an Niemöller am 29.06.1946 zu erkennen: Eine Bekenntnisorthodoxie würde den „bequemeren Ersatz“ für ein eigenes Bekennen darstellen! (in: Ders., OB III, 87f). 42 Welker, Barth und Hegel. Zur Erkenntnis eines methodischen Verfahrens bei Barth, 321.
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tergehenden Beschäftigung mit einem solchen historischen Text getragen von der Überzeugung, dass der HK als Christus-Bekenntnis zu lesen ist, Christus bezeugt und auf ihn verweist. Nicht als Quelle im Sinne eines historischen Dokuments, aber auch nicht als ewige Wahrheit ist der Text zu lesen, sondern wie die Schrift, so muss auch das Bekenntnis von der Kategorie des Zeugnisses her begriffen werden. Damit bleibt Barth konsequent in seinem früh formulierten Ruf „Ad fontes“ 43 : Es gilt nicht, zurück zur ursprünglichen Einsicht, Idee, Gestalt oder einem anderweitigen statischen Bezugspunkt zu gelangen. Ad fontes bedeutet die Rückkehr zum Quellen und Fließen, zu dem, was im Fluss ist, zum ursprünglichen Bewegtwerden des Denkens durch die Offenbarung in Jesus Christus. Dieses in der eigenen Zeit neu zu formulieren, neu zu treiben, macht für Barth die Treue zum Bekenntnis aus, das nicht durch den Selbstbezug gekennzeichnet ist, sondern durch sein Hinweis- und Zeugnissein, nicht durch eine Substanz, sondern durch eine Richtung.44 Da mit dem Verweis auf Jesus Christus der Maßstab des Bekenntnisses außerhalb seiner selbst – seines Textes, seiner Intentionen und seiner Geschichte – liegt, kann Barth sehr frei mit dem Bekenntnis umgehen, aber auch in der Entscheidung zur ‚Treue‘ gegenüber dem Text auf ein inhärentes Catechismus sui ipsius interpres vertrauen. In der Konsequenz ihrer Christusbezogenheit und der Konsequenz der Relativierung jeder darauf aufbauender Systembildung (auch der der Autoren und auch der eigenen) bildet Barths HK-Auslegung ein eindrucksvolles Zeugnis theologischer Hermeneutik, d.h. des Unternehmens, jeden theologischen Text als Auslegung des Grundtextes Jesus Christus zu lesen. Die „entschiedenen“ Stellungnahmen Barths verweisen auf die Vorgängigkeit einer Entscheidung dem Text gegenüber – vor jeder einzelnen Textlektüre. Diese Entscheidung vor und gegenüber dem Text aber hat Bekenntnischarakter. Dies erhellt, warum Barths Auslegung sich von starker Skepsis zu großer, wenn auch nicht unkritischer Wertschätzung wandelt: Bekenntnis ist ihm der HK erst im Hören auf ihn geworden.45
7.6 Konfessionalität als bekennende Partikularität. Ökumenische Potentiale Das Bekenntnis zum Bekenntnis bildet aber nicht nur den Ausgangspunkt für die jeweils neue Lektüre, sondern auch für die eigene konfessionelle Einordnung. Für Barth bedeutet das Bekenntnis die notwendige Konkretion des Kirche-Seins: „Wir, hier, heute – bekennen dies!“ Statt eines universalen Anspruchs geht es ihm um die partikulare Konkretheit und Verbindlichkeit des Bekenntnisses: Für Außen43 Barth, Der HK 1921/22, 24r. 44 Stoevesandt redet darum vom „Wegweiser“: „Mehr als ein Wegweiser [zur Gnade Gottes, HR] will Barths Theologie nicht sein“ (Stoevesandt, Karl Barth – verstaubter Kirchenvater oder theologischer Wegweiser im 21. Jahrhundert?, 358). 45 Vom Hören her interpretiert auch Busch, „Jesus Christus, dein einziger Trost“, Barths HK-Lektüre.
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stehende müsse erkennbar werden: „in dieser Kirche handelt es sich nicht um Alles und Jedes (oder vielleicht auch um nichts!), sondern um diese bestimmte Sache.“46 Für Barth hat das Bekenntnis damit keine kirchengründende Funktion, sondern ist umgekehrt Ausdruck bestehender kirchlicher Gemeinschaft. Begründet ist die Kirche in Barths Verständnis als „irdisch-geschichtliche Existenzform“ des Leibes Christi, als Basis und Gemeinde, nicht als rechtliches Institut.47 Insofern das Bekenntnis Zeugnis dieser theo-logischen Begründung von Kirche ist, tritt es spontan, gewissermaßen „natürlich“ als Reaktion darauf auf. Als rein menschlichzeitliche Äußerung ist es darum aber pragmatisch zu handhaben. Kirche muss bekennen. Aber nicht die Kirche steht und fällt mit ihrem Bekenntnis, sondern das Bekenntnis steht und fällt mit der Kirche. Theologie kann sich nur in konkreter Konfessionalität vollziehen – bei gleichzeitiger Indifferenz gegenüber der Wahrung von Gruppeninteressen: Primär hat sie sich nur auf Jesus Christus zu beziehen und nicht auf sich selbst. Nach Gottes Wort hat sie sich immer wieder reformieren zu lassen und kann darum nie konfessionalistisch sein.48 Gegen eine direkte Berufung auf den HK zeigt Barth sich darum auch im ‚Kirchenkampf‘ vorsichtig. Auch hier greift sein reformatorisches Verständnis des Ad fontes: In der Spannung von „Bekenntnis vs. Bekennen“ optiert Barth entschieden für letzteres.49 Gerade die Aspekte, die Barth als antikonfessionalistisch betrachtet, kennzeichnen dabei aber sein Bekenntnisverständnis im Kern als reformiert: die Betonung von Partikularität und Relativierbarkeit des Bekenntnisses, die Schriftfundierung, die Vorstellung der Königsherrschaft Christi, die Rede von dem „einen“ Wort Gottes, die Zentralität des Christusbezuges bei gleichzeitiger Relativierung anderer Inhalte. Auch seine durchgehende Bemühung um die Weltzugewandtheit theologischen Denkens und seine Konsequenzen für die Ethik ist als spezifisch reformierter Zug erkennbar.50
46 Barth, UidcR, 294. Vgl. auch Jüngel, Barth-Studien, 18: Barth gehe es um einen „bestimmten, einen konkreten Anfang [. . . ] Die allgemeine Frage nach der arché bewegte ihn wenig. ‚Latet periculum in generalibus!‘ Barths Theologie ist eine entschlossene Wendung zum Besonderen, Bestimmten, Konkreten, um von daher auch das Allgemeine noch als konkrete Bestimmtheit zur Geltung zu bringen.“ 47 Barth, KD IV/1, 738 u.ö. 48 Natürlich soll hier nicht behauptet werden, es gäbe nicht auch einen reformierten Konfessionalismus. Hier wird lediglich die These aufgestellt, dass Barths Selbstverständnis als „reformiert“ sich weder auf eine bestimmte Gruppenzugehörigkeit oder deren Interessen noch auf bestimmte rechtlich in Geltung stehende Sätze zu beziehen ist, sondern auf die Ausrichtung auf Gottes Wort. 49 Auch Freudenberg stellt fest, Barth habe schon früh – noch vor seiner Göttinger Zeit – ein „aktualistisches Verständnis der theologischen Tradition [. . . ] gegen jede archaistische, heroisierende und pseudoreligiöse Weihe einer zurückliegenden Epoche“ entwickelt, in der „Überzeugung, daß die Beschäftigung mit der theologischen Tradition in den Dienst der gegenwärtigen theologischen Aufgabe und Anforderung zu stellen und auf ihre aktuelle Relevanz im Ringen um die Wahrheit hin zu befragen ist“ (Freudenberg [Hg.], Chronik, 54). 50 Vgl. Webster, The Theology of the Reformed Confessions.
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Das „irenische“51 Profil des HK hatte der frühe Barth als Schwäche und Erstarrung empfunden und demgegenüber versucht, seine Schroffheiten und innere Dynamik hervorzuheben. Im Kirchenkampf gewinnt der HK für Barth an Wert durch die Tatsache, dass das interkonfessionell Gemeinsame hier gerade in der christozentrischen Orientierung zu finden ist, die menschliche Ansprüche auf Erkenntnis und Macht relativiert. Nur unter dem Namen Jesus Christus entsteht Eindeutigkeit gegenüber den DC, die für Barth ein unzulässiges Bekenntnis zu „Christus und. . . “ fordern.52 Barths HK-Auslegungen geben Aufschluss über seine Entwicklung zum „reformierten“ Theologen: Lehnt er zu Beginn die Bindung an diesen Text der Tradition ab, kann er ihn später wertschätzen, insofern dies kein Stehenbleiben bei diesem Text selbst, sondern eigenen Gehorsam gegenüber demselben Jesus Christus in demselben Hören auf die Schrift bedeutet. Darin kann Barth sich als „nicht konfessioneller Reformierter“53 verstehen und sein Anliegen ebenso als „reformatorisch“ („nach Gottes Wort reformiert“), „evangelisch“ (das „Evangelium“ bezeugend) oder „christlich“ (in „Jesus Christus“ gegründet) beschreiben. Wichtig ist ihm dabei aber der Bezug auf den positiven Inhalt des Bekenntnisses. Die reine Abgrenzungsbewegung zur Begründung der eigenen Identität hingegen lehnt er ab: „Ich bin ganz entschieden gegen das Wort ‚Protestanten‘. Protestieren ist bei weitem nicht genug. Das ist nicht das, was die Kirche nötig hat. Aber was sie nötig hat, ist Bekenntnis.“54 Auch wenn Biermas These der „key silences“ bzw. „critical silence“ in Bezug auf den HK nicht unumstritten ist,55 verdient vielleicht Barths spezifische Strategie ökumenischer Theologie diese Beschreibung, da sie kontroverstheologische Themen und Formulierungen in der BTE ausspart und nur das gemeinsame Christusbekenntnis auf Grundlage des Schriftzeugnisses als Moment der Einigung, etwa gegen die DC, in Anspruch nimmt. So ist dieses Dokument vom Anspruch her überkonfessionell-irenisch, in der spezifischen Form dessen aber typisch reformiert. „Irenik“ bedeutet keine Profillosigkeit und nicht den Verzicht auf eine eigene Position; eine bestimmte Form von Irenik zeigt sich vielmehr als Programm einer bestimmten Position und als daraus erwachsende Partikularität. Das Beste51 Während der Begriff „Irenik“ und seine Anwendung auf den HK breit diskutiert wurde und wird, ist so gut wie unumstritten, dass der HK „weitgehend innerprotestantisch konsensfähige Antworten“ bietet (Strohm, Entstehung des Heidelberger Katechismus, theologisches Profil und Forschungsgeschichte, 418). 52 Vgl. Marquardt, Motivationen, 453f, s. auch o. S. 138. Dessen unbenommen behält natürlich die Warnung von Brunotte ihr Recht: „Mit der Berufung auf das gemeinsame Bekenntnis zu Christus ist es nicht getan. Alle Häretiker, von der Gnosis angefangen, haben sich zu Christus bekannt“ (Brunotte, Die theologische Erklärung von Barmen, 159). 53 Interview von H. A. Fischer-Barnicol, Südwestfunk (05.05.1964), in: Barth, Gespräche 1964– 1968, 151. 54 Gespräch mit dem Maria-Stein-Kreis 1967, in: a. a. O., 382, vgl. auch o. S. 246. 55 S.o. S. 151. Vgl. jüngst Opitz, Der Heidelberger Katechismus im Licht der „Schweizer“ Katechismustradition(en), der gerade das von Bierma als überkonfessionell-„irenisch“ verstandene Schweigen des HK zu bestimmten konfessionell umstrittenen Topoi als spezifisches Profil der Theologie Bullingers aufzeigt. Wohl nicht umsonst hielt dieser also den HK „für den besten Katechismus der je erschienen ist“ (zit. nach: Lang, Zum 350jährigen Gedächtnis, 65).
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hen auf der exklusiven Zentralstellung Jesu Christi und der Argumentation aus der Schrift und demgegenüber die Relativierung aller Ausdrucksformen dessen als kontextuell und demokratisch verhandelbar ist eben kein christlicher Allgemeinplatz, sondern in Barths Verständnis eine spezifisch reformierte Forderung.
7.7 Theologie als Bekenntnis Die Untersuchung zeigt: Barths Auslegung des Bekenntnisses ist selbst Bekenntnis – Bekenntnis zum Bekenntnis. Schon sehr früh kommt Barth zu dem Schluss, dass „alle religiöse Gedankenbildung – Dogmatik und Predigt in gleicher Weise! – immer nur ein Bekenntnis des Glaubens zum Glauben sein kann“.56 Trotz aller Verschiebungen in Barths Denken hält das sich durch. Doch statt der anfänglichen Relativierung des Dogmas ist darin später seine Relationierung zu sehen: Der Bekenntnischarakter, d.h. die auf Jesus Christus weisende und ihm Gehorsam zeigende Bezugnahme ist das Konstitutivum jeder theologischen Aussage, von dort her muss sie sich auch korrigieren lassen. So kann der späte Barth das Wesen des gesamten Dienstes der christlichen Gemeinde mit dem schlichten Begriff „Zeugnis“ beschreiben.57 Als eine spezifische Form des Zeugnisses versteht Barth von Anfang an auch die Theologie „als Wissenschaft neben anderen Wissenschaften“: Als kritische „Rechenschaft über die Angemessenheit und Unangemessenheit [. . . ] ihres Zeugnisses im ganzen“ zeichnet die Theologie selbst die Bewegung des Zeigens dieses Zeugnisses nach und richtet es neu auf Jesus Christus aus.58 In diesem Sinne ist auch die Theologie Bekenntnis. In ihrem besonderen Auftrag ist sie von den anderen Grundformen des Zeugnisdienstes der Gemeinde unterschieden, aber ihnen verwandt.59 Der Isenheimer Altar, auf dem Johannes der Täufer mit übergroßem Zeigefinger auf Christus am Kreuz zeigt, ist für Barth zentraler Ausdruck dessen gewesen, was Theologie leisten muss und kann: Der Zeigefinger verdeutlicht ihre 56 57 58 59
Barth, VuklA 1905–1909, 362. Ders., KD IV/3, 967. A. a. O., 1007, s.o. Kap. 2.2, S. 38. So erklären sich auch gewisse Form- und Genre-Unterschiede zwischen Barths oft sehr explizit zeitgeschichtlich bezogenen „Gelegenheitsschriften“ und dem Versuch der KD, „als eine Art Stern der Weisen so etwas wie ein in allen Zeiten und Räumen gültiges ‚Dogma‘“ als Richtschnur anzunehmen, das die Dogmatik selbst zwar nie einholen, „wohl aber für einmal wieder auf einen angemessenen Nenner“ bringen kann (a. a. O., 1009, kursiv HR). Auch für die KD wäre es aber ein lohnendes Unterfangen, hinter den programmatisch sich direkten Bezügen enthaltenden Formulierungen ihren jeweiligen Kontextualitäten nachzuspüren. Während Barth Gott als „ewig“ und „überzeitlich“ beschreiben kann, lehnt er das Attribut „zeitlos“ für den sich in der Geschichte offenbarenden Gott grundsätzlich ab – und damit auch für jede Dogmatik (und jede Schrifttheologie), die von diesem Gott zu reden versucht (vgl. z.B. ders., KD I/2, 940; ders., KD II/1, 526.692– 702.749–759; ders., KD III/1, 72f.205; ders., KD III/4, 12; ders., KD IV/3, 935). Auch die Tatsache, dass Barth im Laufe seines Lebens mehrfach neu mit der Formulierung einer Dogmatik begonnen hat, gibt ebenso wie die auch innerhalb der KD auftretenden Neuansätze über die Kontextualität des Unternehmens Aufschluss.
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Haltung als Bekennende.60 Damit ist Bekenntnis für Barth zwar auch, aber nicht nur „Empfangsbestätigung“ und „Kommentar“.61 Es spielt sich nicht nur in der Er-Ich-Beziehung zwischen Christus und mir ab, sondern ist Zeugnis im öffentlichen Raum und damit sowohl Verkündigung als auch politisches Statement. Dieses Zeugnis-Geben ist für Barth das grundlegende Amt, das den Christen zum Christen macht.62 Hierunter zählt für ihn auch die Aufgabe der Dogmatik als wissenschaftliche Selbstreflexion der christlichen Verkündigung. Nötig werde sie in dieser besonderen Form, weil ich fest überzeugt bin, daß es zu den Klärungen besonders auf dem weiten Feld der Politik, die heute nötig sind und zu denen die Theologie heute ein Wort sagen möchte (wie sie denn auch in der Tat ein Wort dazu zu sagen haben sollte!) nicht kommen kann, ohne daß es zuvor zu denjenigen umfassenden Klärungen in der Theologie und über die Theologie selbst gekommen ist, um die es hier gehen soll [. . . und w]eil ich tatsächlich glaube, daß eine bessere kirchliche Dogmatik (auch abgesehen von allen ethischen Nutzanwendungen) ein letztlich wichtigerer und soliderer Beitrag auch zu Fragen und Aufgaben wie etwa der der deutschen Befreiung sein möchte, als das meiste von all dem Wohlgemeinten, was so viele auch unter den Theologen angesichts dieser Fragen und Aufgaben dilettantisierend meinen leisten zu sollen und zu können.63
In einem gewissen Sinne ist die genuin theologische Reflexion also als Prolegomena zur Politik zu verstehen – wobei nach Barth ja mit den Prolegomena auch alles gesagt sein könnte.64 Indem die Theologie das Bekenntnis an dem Kriterium prüft, ob es seinem Auftrag, öffentlich auf Christus zu verweisen, gerecht wird, verweist sie selbst auf ihn. „Jeder dogmatische Satz muss ein Pfeil sein, der, wenn auch aus noch so großer Ferne, dahin zeigt“, hatte Barth schon in der CD formuliert.65 Die Bindung an Bekenntnisschriften, vor allem aber die existentielle und aktuale Verwiesenheit der Theologie in ihrer Bekenntnishaftigkeit sowie der durch beides bedingte kirchliche Charakter von Theologie verunmöglichen sowohl ihre „Objektivität“ im akademischen als auch ihre „Subjektivität“ im religiösen Sinne. Stattdessen oszilliert sie bleibend zwischen kritischer Selbstprüfung und positivem Wahrheitsanspruch. Es kann aber postuliert werden, dass dies sie nicht wesentlich von anderen Wissenschaften unterscheidet. Nicht die Universalität, sondern die Partikularität im stets vorläufigen Diskurs macht dann die Universität aus und legitimiert sie als Ort theologischer Rede, gerade auch aufgrund des in deren Bekenntnishaftigkeit stets mitgesetzten öffentlichen und diskursiven Charakters.66
60 Ders., KD I/1, 277 u.ö. 61 So Plasger, Relative Autorität, 9, unter Zitation von Barth, Bekenntnisschriften, 65, und ders., KD I/2, 694f. 62 Vgl. ders., KD IV/3, §71.4: „Der Christ als Zeuge“, 637–703. 63 Ders., KD I/1, XIf. 64 Vgl. ders., Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie [1922], 175. 65 Ders., CD, 445. 66 S.o. S. 79.
8. Grundriss einer Theologie des Bekenntnisses. Fundamentaltheologische Skizze 8.1 „Aequivocatio mater errorum“? Risse im Bekenntnisbegriff Die Untersuchung von Barths Lektüren des HK über die Zeit hinweg und die Analyse seiner Versöhnungslehre als Umsetzung der Struktur von HK 31–32 geben ein vertieftes Verständnis von Bekenntnis und Bekennen. Durch Barths Interpretationen und die von ihm entwickelte Hermeneutik wird auch der Bekenntnisbegriff selbst neu gefüllt: als Christsein im Vollzug und damit als bleibende Aufgabe und Herausforderung. Im Lichte der gewonnenen Erkenntnisse soll der Bekenntnisbegriff im Folgenden auf fundamentaltheologischer Ebene thesenartig neu beleuchtet werden. Dabei treten zunächst auch seine Spannungen und Grenzen zu Tage. Der Bekenntnisbegriff ist in der Theologie-Geschichte historisch gesehen ein relativ junger und semantisch betrachtet ein äquivoker.1 „Aequivocatio mater errorum“, stellte Martin Luther fest.2 Eberhard Jüngel warnte im Anschluss an ihn davor, Begriffe äquivok zu gebrauchen: Dies entleere sie jeglicher Bedeutung und mache sie „theologisch belanglos [. . . ] und in diesem Sinne gefährlich“.3 . Kann die Polysemie des Begriffs seine Einzelbedeutungen unangetastet lassen, so dass sie sauber trennbar und isoliert betrachtbar sind? Oder ist im Gegenteil die begriffliche Vieldeutigkeit auch erst die Bedingung der Möglichkeit der Einzelbedeutungen?4 1
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Äquivokation wird wie folgt definiert: „Äquivok (gleichbedeutend) heißen Namen, die doppelsinnig, zweideutig, unbestimmt sind (‚termini aequivoci‘ im Gegensatz zu den ‚univoci‘)“ (Eisler [Hg.], Wörterbuch, 75). Moderner: „Von lat. aequus, ‚gleich‘ und vocare, ‚benennen‘: Doppel- oder Mehrdeutigkeit. Wörter werden äquivok genannt, wenn sie zwei oder mehr Bedeutungen haben. Die Äquivokation ist — wie die Homonymie oder die Polysemie – eine Form der lexikalischen Mehrdeutigkeit, wobei eine etymologische Verwandtschaft zwischen den verschiedenen Bedeutungen vorliegt.“ (Spree, Äquivokation). Luther, WA, 39/II, 28b:27. Jüngel, Vom Tod des lebendigen Gottes, 108f Auch Eisler (Hg.), Wörterbuch, 75 mahnt, Äquivokationen seien „in der Philosophie zu vermeiden“. Ein prominentes säkulares Beispiel für die Problematik von Äquivokation inszeniert Shakespeares Macbeth, wo die Mehrdeutigkeit der Prophezeiungen als verheerende Lüge gedeutet wird: „I pull in resolution and begin / To doubt th’equivocation of the fiend / That lies like truth“(Shakespeare, The Tragedy of Macbeth, Akt V, Szene 5, Vers 41f). Den Hinweis auf Macbeth verdanke ich Alexander Maßmann. Vielleicht sollte es bedenklich stimmen: Der Begriff der Äquivokation ist selbst äquivok. Semantisch werden damit Homonyme bezeichnet, informationstheoretisch die Information, die bei der Übertragung über einen Kanal zwischen einer Informationsquelle (Sender) und einer Informationssenke (Empfänger) verloren geht. Auf Spanisch bedeutet „equivocación“ schlicht „Irrtum, Fehler“, so dass hier die Äquivokation nicht mehr die „Mutter“ des Fehlers, sondern gewissermaßen ihr eigenes „Kind“ – der Fehler selbst – ist. Dann und nur dann ist sie aber nicht mehr äquivok. Es
„Aequivocatio mater errorum“? Risse im Bekenntnisbegriff
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Zwar ist der HK nicht der einzige als Katechismus formulierte Text, der in den Rang einer Bekenntnisschrift erhoben wurde. Neben anderen reformierten Beispielen gilt dies etwa auch von Luthers Kleinem und Großem Katechismus, die 1580 ins Konkordienbuch eingingen. Dennoch verdient die Tatsache einen Moment der Aufmerksamkeit, dass diese „Gattung“, die sich vom klassischen Glaubens- und Lehrbekenntnis deutlich unterscheidet, dennoch als „Bekenntnis“ fungieren kann. In der Alten Kirche war das Bekennen mit dem Sprechakt des ὁμολογεῖν verbunden. Einleitende Formeln wie „Ich bekenne, dass. . . “, „Wir bekennen, dass. . . “ oder „Die Kirche Jesu Christi bekennt, dass. . . “ kennzeichneten die entstehenden Bekenntnistexte, die biblisch in dieser Form keine Vorläufer hatten.5 Die solcherart eingesetzten Sätze und Attribute wurden als unverzichtbarer Grundbestand christlichen Glaubens und Lehrens festgehalten, deren Formulierung bindend galt. Oft folgte darum der positiven Formulierung ein den negativen Raum absteckendes Anathema: „Verdammt sei, wer sagt. . . “ Neben der Essentialisierung der Identitätsbildung erfolgte so auch die explizite Benennung der Grenze. Dass in einem derartig über Form, Struktur und Semantik gekennzeichneten gattungskritischen Sinn ein Katechismus kein Bekenntnis darstellt, ist deutlich. Statt performativer Bestätigung und Verdammung formuliert er Fragen und Antworten. Der Sitz im Leben ist die Unterrichtssituation mit der Heranführung an den Glauben, seine Vertiefung und Artikulation. Statt gedrängtester Formeln treten erläuternde Ausführungen auf den Plan. Als Gemeinsamkeit kann man die assertorische Ausformulierung von Lehraussagen unter Konzentration auf die zentralen Inhalte des Glaubens festhalten. Dies allein scheint aber keine hinreichende Charakterisierung von „Bekenntnis“ zu bilden, gilt dies doch auch für andere Texte der Dogmatik. Auch wenn das Bekenntnis gern als religiöser Grundvollzug bezeichnet und als Bekenntnisse Taufhomologien ebenso wie altkirchliche Dogmen geführt werden, wurde dieser Begriff offensichtlich erst nachträglich auf sie angewendet. Das deutsche Wort ‚Bekenntnis‘ ist wohl zuerst eine Übersetzung des lat. confessio gewesen, genauer gesagt: anlässlich der Confessio Augustana geprägt worden.6 Vorher wurde es anscheinend nicht auf „Glaubensbekenntnisse“, Symbole oder Lehrzusammenfassungen angewendet. Die Überschrift greift vor dem Augsburger Reichstag geschickt den Rechtshorizont auf und wählt die zwischen „Sündenbekenntnis“ und „Gotteslob“ schillernde Confessio als Mittel des Unschuldsbekenntnisses,
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bliebe zu zeigen, ob nicht die Möglichkeit der Äquivokation bzw. der Überbrückung semantischer Differenzen durch die begriffliche Er- und Zusammen-Fassung die Voraussetzung für sinnhafte Sprache überhaupt darstellt. Vgl. Weldenfels u. a., Art. Glaubensbekenntnis, 700–702. Auch Kelly, Altchristliche Glaubensbekenntnisse, 30 hält fest: „Man kann nicht oft genug wiederholen, daß im eigentlichem Sinne der Worte ein Glaubensbekenntnis, eine Beteuerung des Glaubens oder eine Glaubensformel im Neuen Testament nicht entdeckt werden können; die einzige mögliche Ausnahme bilden solche kurzen Losungen wie Kyrios Jesous“. Fürst, Art. Bekenntnis I. (Konfession), 826.
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als Selbstrechtfertigung des Glaubens und der Lehre gegenüber dem Vorwurf der Neuerung. Wissenschaftsgeschichtlich hat sich der Begriff „Bekenntnis“ erst im 19. bzw. 20. Jahrhundert in der Theologie eingebürgert. Bis heute ist er nicht nur ein schillernder, sondern auch ein theoretisch wenig durchdrungener geblieben. Die vorhandene Literatur ist zum größeren Teil katechetischer Natur und beschäftigt sich mit der Darstellung der wichtigsten Inhalte christlicher Lehre anhand ausgewählter Bekenntnisschriften – oder sie ist historischer Natur und beschäftigt sich mit Entstehung und Inhalt derselben. Reflexionen zu Wesen und Begriff des Bekenntnisses finden sich kaum. Aufschlussreich ist schon ein erster Blick in die Wörterbücher der letzten beiden Jahrhunderte. Zwar findet sich in Grimms Wörterbuch der Eintrag: „Bekanntnis, f. Oder n. Confessio, von bekannt confessus gebildet: die bekantnus des glaubens“.7 Von den theologischen Lexika hat aber lediglich die RGG seit der 2. Auflage einen Artikel „Bekenntnis“ eingeführt, der seitdem aufs vierfache des ursprünglichen Umfangs angewachsen ist. In RE und TRE sucht man hingegen vergeblich nach diesem Lemma. Neben dem sich darin andeutenden Fehlen eines traditionellen Ortes in der theologischen Enzyklopädie lässt sich außerdem beobachten, dass die weitere Tendenz zu einer Vervielfältigung des Begriffsbestandes geht: Beinhaltet die RE lediglich ein Stichwort, das sich mit Bekenntnisphänomenen befasst (Art. „Symbolische Schriften“8 ), verfügt ihre Nachfolgerin TRE über drei entsprechende Artikel: „Bekenntnisschriften“9 , „Glaubensbekenntnis(se)“10 und „Konfession, Konfessionalität“11 , aber über keinen unter dem Lemma „Bekenntnis“. Die RGG1 enthält an der Wende zum 20. Jahrhundert die Stichwörter „Credo“12 (zum Apostolikum), „Konfession“13 sowie im Artikel „Symbole“ den Unterpunkt „2. Bekenntnisschriften“14 . Die RGG2 führt Ende der 1920er Jahre die Stichworte „Bekenntnis“15 und „Sündenbekenntnis“16 ein und wandelt nun den Unterpunkt „Bekenntnisschriften“ in „Kirchliche Bekenntnisse“17 ab. In der RGG3 bekommen letztere dann ihr eigenes Lemma „Bekenntnisschriften“18 . Die RGG4 differenziert zwischen „Bekenntnis“19 (worunter „Credo“ und „Glaubensbekenntnis im Gottesdienst“ integriert werden), „Bekenntnisschriften“20 , „Deno-
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Grimm (Hg.), Deutsches Wörterbuch, 1414. Mallet, Art. Symbolische Bücher; Kattenbusch, Art. Symbole, Symbolik, vgl. auch Heppe/ Kawerau, Art. Corpus doctrinae. Wirsching, Art. Bekenntnisschriften. Lanczkowski u. a., Art. Glaubensbekenntnis(se). Ratschow, Art. Konfession / Konfessionalität. Scheel, Art. Credo. Friedrich, Art. Konfession. Köhler, Art. Symbole, Symbolik. Ihmels, Art. Bekenntnis. Clemen, Art. Sündenbekenntnis. Mulert, Art. Symbole: III. Kirchliche Bekenntnisse. Wolf, Art. Bekenntnisschriften. Bochinger u. a., Art. Bekenntnis. Peters/Hauptmann, Art. Bekenntnisschriften.
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mination“21 , „Konfession“22 , „Sündenbekenntnis“23 und „Zeugnis“24 .25 Am stärksten fächert allerdings der katholische Kontrapart LThK3 das Spektrum auf. Die in den beiden ersten Auflagen bereits vorhandenen Artikel „Bekenntnis“26 , „Bekenntnisschriften“27 , „Credo“28 , „Denomination“29 , „Glaubensbekenntnis“30 und „Konfession“31 werden dort noch um die Einträge „Schuldbekenntnis“32 , „Symbolum“33 und das rechtliche „Zeuge, Zeugnis, Zeugenschaft“34 erweitert. In allen Enzyklopädien besprechen darüber hinaus separate Artikel einzelne Bekenntnisschriften sowie die jeweils darauf aufgebauten Konfessionen. So tritt der Begriff „Bekenntnis“ einerseits – und zunächst – an Stelle dessen, was früher unter „Glaubenssymbol“ bzw. „Symbolische Bücher“ verhandelt wurde: die Bekenntnisschriften, die in einer kirchlichen Gemeinschaft die verpflichtende Grundlage von Leben und Lehre bilden. Dabei geht es nicht um eine übertragene oder gar metaphorische Bedeutung, sondern als Symbol ist zu verstehen, „wo künstliche Zeichen mit genau festgelegten Gebrauchskonventionen an die Stelle von Ausdrücken der gewachsenen Umgangs- und Wissenschaftssprache treten“, wobei der Zeichencharakter von Symbolen „allein in ihrem eingerichteten (z. B. vereinbarten) Gebrauch besteht“.35 In diesem Sinne sind die Bekenntnisschriften als Texte festgesetzten Wortlauts mit kirchlich genau definierter Bedeutung zu verstehen. Die Entstehung dieser Art von Bekenntnisschriften ist aber eine „spezifische Erscheinung der Reformationszeit und der sie beerbenden protestantischen Frühorthodoxie.“36 Die RE versteht als „Symbolische Schriften“ die 21 22 23 24 25
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Richey, Art. Denomination / Denominationalismus. Oberdorfer, Art. Konfession. Schwier, Art. Sündenbekenntnis. Assel, Art. Zeugnis. Die jüngste RGG – die englischsprachige RPP – versammelt zwar weitgehend eine Übersetzung der Artikel der RGG4 , aber in folgender leicht variierter Aufteilung: Flynn, Art. Creed, Ohst u. a., Art. Confession, Oberdorfer, Art. Confession (Denomination), Bochinger u. a., Art. Confession (of Faith), Schwier, Art. Confession (of Sins). Trotz der klassisch-lateinischen Unterscheidung von Confessio und Professio fidei findet letztere nur Eingang in Vries, Art. Professio Fidei, lediglich spezifiziert auf die „Professio fidei Tridentinae“ auch in die protestantischen Lexika, so etwa Reiter, Art. Professio fidei Tridentina (Tridentinisches Glaubensbekenntnis); Leppin, Professio fidei Tridentinae. Knecht, Art. Bekenntnis, Konfession; Zeller u. a., Art. Bekenntnis; Hoheisel u. a., Art. Bekenntnis. Krebs u. a., Art. Bekenntnisschriften; Zeller u. a., Art. Bekenntnisschriften; Meyer, Art. Bekenntnisschriften. Eisenhofer, Art. Credo; Kunz, Art. Credo; Probst, Art. Credo. Algermissen, Art. Denomination (1); ders., Art. Denomination (2); Klein, Art. Denomination. Manser, Art. Glaubensbekenntnis (Symbolum, Confessio, Credo); Fransen/Stenzel, Art. Glaubensbekenntnis; Weldenfels u. a., Art. Glaubensbekenntnis. Hofmann, Art. Konfession; Deuerlein, Art. Konfession, Konfessionalismus; Feige, Art. Konfession. Bürk, Art. Schuldbekenntnis. Vincent, Art. Symbolum. Wirth, Art. Zeuge; Beutler u. a., Art. Zeuge. Gräfrath/Kambartel, Art. Symbol, 158f. Wirsching, Art. Bekenntnisschriften, 488. Zum Unterschied gegenüber dem Symbolverständnis der Alten Kirche vgl. Ritter, Art. Glaubensbekenntnis(se) V.
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öffentlichen Bekenntnisschriften der verschiedenen christlichen Kirchen oder „Confessionen“ oder solche öffentlich anerkannte Schriften, in welchen eine Kirchengemeinschaft unter gegebenen Verhältnissen zu dem Inhalt ihres Gottesglaubens sich bekannt und diesen Inhalt vor der Welt wie gegenüber anderen Kirchengemeinschaften in der Regel eben so thetisch wie antithetisch, bald mehr apologetisch, um sich als christlich zu legitimieren, und bald mehr polemisch, um Fremdartiges, Häretisches abzuweisen, dargelegt hat.37
Es ist auffällig, dass es in der traditionellen Betrachtung des Themas prominent um die institutionelle und institutionalisierte Gestalt des Bekenntnisses geht, also um rechtsverbindlich eingesetzte Schriftcorpora, die einzelne Gruppen als Kirchen konstituieren. Die hinter den Bekenntnisschriften stehende Rede vom Bekenntnisstand hat doppelte Bedeutung und kann sich deskriptiv auf die in Gemeinden, Schulen und Fakultäten verwendeten Schriften beziehen (faktische Autorität), aber auch auf die reichs- und kirchenrechtliche Einsetzung als Lehrgrundlage (rechtliche Autorität). Da die Bindungskraft des Bekenntnisses bis zur Definition der Grenzen dieses Gemeinwesens geht, hat sich der lateinische Begriff Confessio im 19. Jahrhundert sogar als Name für die jeweiligen kirchlichen Gemeinschaften eingebürgert – obwohl die verschiedenen Konfessionen sich nicht nur auf verschiedene „Bekenntnisschriften“ stützen, sondern diesen auch in sehr unterschiedlichem Maße Autorität und Gestaltungskraft zumessen.38 Als Summe und Definition des Glaubens im Symbol, aber auch als dessen performative Anerkennung hat das Credo seinen Platz in der Liturgie und gerät in große Nähe zur Anrufung Gottes im Gebet. In der Liturgie steht es damit an der Grenze zwischen individuellem und kollektivem Bezug. Die der Confessio verwandte Professio dagegen gilt als öffentliche Kundgabe des überlieferten Lehrbestandes.39 In all diesen Varianten stellt das Bekenntnis eine materiale, ja institutionelle Größe dar. Gleichzeitig wird darunter aber auch der – meist individuell verortete – ursprüngliche Akt des Zeugnis-Ablegens für den Glauben verstanden, woraus erst die Übertragung des Begriffs auf den Inhalt dieses Glaubens und dessen Institutionalisierung resultiere.40 Die Aktuosität und Ereignishaftigkeit des Bekenntnis-Ablegens scheint erst in jüngerer Zeit Interesse und Reflexion geweckt zu haben. Gerade dieser Aspekt wird aber als besonders „ursprünglich“ markiert: Seit frühester Zeit hätten Christen ihren Glauben „bekannt“: Schon die Formulierung Ιἡσοῦς Κ´υριος bzw. bereits der Name Ιἡσοῦς Χριστ´ος stelle ein Bekenntnis 37 Mallet, Art. Symbolische Bücher, vgl. Kattenbusch, Art. Symbole, Symbolik. 38 Der Symbol-Begriff entspricht traditionell allerdings insbesondere dem lutherischen BekenntnisVerständnis, so stellt schon die RE3 fest: „Auf reformierter Seite ist der Titel ‚Symbole‘ nicht üblich geworden, sondern der offenbar sachlich als besser empfundene, den Formeln sicherer einen religiösen Charakter gewährende Titel ‚Bekenntnisse‘ (hier erscheinen auch deutlicher die Kirchen als solche als diejenigen, die ihren ‚Glauben‘ aussprechen und ihre ‚Lehre‘ bestimmen). Doch haben die reformierten Bekenntnisse an ihrem Orte praktisch kaum eine andere Rolle gespielt, [sic!] als die lutherischen Symbole“ (a. a. O., 201f). 39 So leitet etwa die LThK2 „Bekenntnis“ nicht von der lat. confessio, wie protestantisch üblich, sondern von der professio ab, indem sie feststellt: „Das Wesen des Bekennens liegt im Kundmachen.“ 40 Vgl. z. B. Zeller u. a., Art. Bekenntnis, 142.145; Bochinger u. a., Art. Bekenntnis, 1265; Ritter, Art. Glaubensbekenntnis(se) V, 400.
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in diesem Sinne dar – während formelhaft artikulierte und offiziell sanktionierte Symbole erst im 4. Jahrhundert entstanden seien.41 Als solches erwächst das Bekenntnis aus der Homologie und gehört in die Situation der Verkündigung, aber auch der Verfolgung des Glaubens. So reicht es vom gerichtlichen Zeugnis (testimonium) über die Tat bis zum martyrium – und darüber hinaus bis zum den Tod des Märtyrers überdauernden testamentum. Von der Confessio her wird unter Bekenntnis aber nicht nur das Glaubensbekenntnis, das spontan-individuell erfolgt oder auch rechtlich und liturgisch verankert ist, sondern auch das SchuldBekenntnis verstanden.42 Aus beiden Varianten der persönlichen Confessiones haben sich gar die Anfänge der modernen Literaturgattung der Autobiographie ergeben.43 Ausgehend von der Vielfalt der im Bekenntnisbegriff vereinten Phänomene werden ihm auch eine Reihe verschiedener Funktionen zugesprochen: Es diene der Selbstdefinition, der Gemeinschaftsstiftung, der Abgrenzung und Verteidigung gegenüber Andersgläubigen und habe darüber hinaus kerygmatische, doxologische und katechetische Funktion.44 Je nach der Gewichtung der im Bekenntnisbegriff vereinigten Phänomene und Funktionen wird auch der „Sitz im Leben“ außerordentlich unterschiedlich beurteilt. Taufkatechese, Initiationsritus, Doxologie, antihäretische oder polemische Abgrenzungen, gemeinschaftliche Selbstdefinition, Reichsrecht, Verfolgungssituationen, dogmatische Summenbildung ebenso wie Schrifthermeneutik und nicht zuletzt Verkündigung werden je als „Ursprung“ dessen geltend gemacht, was man unter Bekenntnis versteht. Aus der Vielfalt seiner Bezüge müsse das Bekenntnis geradezu zur „Lebens- und Sprachbewegung des Glaubens“ schlechthin erklärt werden, die stets auf die „Grundhomologie: ‚ich glaube an Jesus Christus‘“ rückführbar sein müsse.45 Auch als Inhalte des Bekenntnisses werden sehr unterschiedliche Gehalte angegeben: Lob Gottes, Hinwendung bzw. Loyalitätsbekundung zu Gott, die Verkündigung Gottes vor den Menschen, Sünde und Not des Menschen, Selbsterkenntnis, der individuelle oder der offiziell-kirchliche Glaube, ethische Entscheidungen,46 die Kontinuität zu den Vätern im Glauben, Bekundung der Zugehörigkeit zu einer kirchlichen Gemeinschaft usw. – so dass die Folgerung naheliegt: 41 So etwa Kelly, Altchristliche Glaubensbekenntnisse; Ritter, Art. Glaubensbekenntnis(se) V. 42 Theologisch können beide nicht nur von Lutheranern durchaus zusammengedacht werden: „Das Schuldbekenntnis gehört zur Rechtfertigung des Sünders und ist auch Glaubensbekenntnis (confessio)“ (Weldenfels u. a., Art. Glaubensbekenntnis, 285). 43 Augustins Confessiones (Augustinus, Confessiones) wirkten hier gattungsbildend auch für die säkulare Autobiographie, vgl. insb. Rousseau, Bekenntnisse. 44 Vgl. Schwarz, Art. Glaubensbekenntnis(se) IX. 45 Schröer, Art. Glaubensbekenntnis(se) X, 442.445. 46 Auch wenn gern behauptet wird, der „ethische“ status confessionis sei erst mit der Weltkirchenkonferenz von Uppsala 1968 und später erfunden worden (vgl. z.B. ders., Art. Glaubensbekenntnis(se) X, 444; Slenczka, Bekenntnis als Deutung, 257–259), lässt sich doch ein starker ethischer Bezug auch früher aufweisen, vgl. z. B. Zeller u. a., Art. Bekenntnis, 142, aber auch Barths Aufstellung einer „ethischen Bedingung“ für das Bekenntnis (Barth, Wünschbarkeit und Möglichkeit, 635, s. o. S. 89).
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„Es gibt grundsätzlich nichts, was nicht in einer bestimmten Situation zum Inhalt eines Bekenntnisses werden könnte. Insofern sind die Inhalte des Bekenntnisses unbegrenzt und unbestimmt.“47 Umgekehrt wird aber geltend gemacht, auch die Form des Bekenntnisses sei unbestimmt, darum sei es gerade der Inhalt, der für das Bekenntnis ausschlaggebend sein müsse.48 Vorläufig lässt sich darum festhalten: Das Ansehen einer Schrift als Bekenntnis ist weder an ihrer Form noch an ihrem Inhalt festzumachen. Ebenso vorläufig soll die kirchenrechtlich autoritativverbindliche Geltung für eine Gemeinschaft als konstitutiv für eine „Bekenntnisschrift“ angenommen werden. In diesem Sinne wäre der HK durch Friedrich III. zum Bekenntnis der Kurpfalz und durch die Dordrechter Synode zum Bekenntnis der reformierten Kirche geworden. Der Bekenntnisbegriff zeigt sich als ebenso polysem wie disseminierend. Er überbrückt die Spaltung von Privatem und Öffentlichem, von Subjektivem und Objektivem, von Recht, Politik und Religion. Bei all dem verwundert es kaum, wenn zwischen Euphorie und Resignation schwankend feststellbar ist, der Bekenntnisbegriff erstrecke „sich so weit wie das menschliche Wesen selbst“.49 Der Begriff ist relativ neu – behauptet aber, das von ihm beschriebene Phänomen sei so alt wie das Christentum bzw. wie die Geschichte Gottes mit den Menschen. Der Begriff ersetzt einen sehr spezifischen Begriff – zieht aber sofort eine Menge weiterer Bedeutungen an. Diese Bedeutungen sind alle im Bekenntnisbegriff vereinigt – drängen aber zurück in die Pluralisierung und Differenzierung, um nicht zu sagen: Diffundierung. Auch Barth redet in vielfacher Weise vom „Bekenntnis“: als Ausdruck persönlich-subjektiver Meinungen und als Synonym für „Dogma“, als vorläufig-partikulare Größe und als kirchliche Autorität, als Bezeichnung konfessionellen Eigentums und politischer Stellungnahmen, als bestimmte Schrift und als christliches Leben, als göttlicher Akt und als Inbegriff des Menschseins, als Text und als Inhalt, als Tradition und als Aktualität, als Zeugnis von Jesus Christus in Wort und Tat. Der Begriff des Zeugnisses: des Hinweisens auf Christus in der Relationalität des Bekennens scheint mir darin das Verbindende zu sein, das alle weiteren Nuancen erst ermöglicht und bleibend bedingt. Im Schillern des Begriffs, könnte man folgern, sind verschiedene Phänomene beschrieben, die als Phänomene differenzierbar und darum auch begrifflich trennbar sind – vielfach begegnet darum das Plädoyer für eine höhere Sprachhygiene, die in einer definitorischen Unterscheidung bestünde: So könnte etwa Credo für die liturgische Glaubensformel, Confessio für das Schuldbekenntnis, Denomination für die kirchliche Gruppierung, Bekenntnisschrift für die sie konstituie-
47 Bochinger u. a., Art. Bekenntnis, 1258. 48 Bochinger beschreibt Wendungen wie „Ich glaube. . . “ oder „Wir bekennen. . . “ als deutliche Indizien, die zur Ablegung eines Bekenntnisses aber kaum nötig seien. Darum könne nicht formal oder gattungskritisch, sondern lediglich inhaltlich bestimmt werden, ob eine Aussage ein Bekenntnis darstelle (ebd.) . 49 So Melzer, Das Wort in den Wörtern, 37.
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renden Texte stehen.50 Der Begriff des Bekenntnisses zieht aber Fäden und Linien zwischen all diesen Phänomenen ein, die ohne ihn verborgen blieben. In Abgrenzung von einem Unterscheidungsansatz soll im Folgenden der Begriff „Bekenntnis“, der all diese nur partiell fassbar – und partiell nicht fassbaren – Phänomene verbindet, gerade als diese Naht zum Vorschein gebracht werden. Nicht Unterscheidungen, sondern Übergänge sollen Ziel der Untersuchung sein: Sie müssen nicht als willkürliche und zufällige Unschärfen und Aberrationen abgetan werden, sondern können in ihrem Sinnstiftungspotential ausgewertet werden. Wie verändert sich der Begriff durch die Risse zwischen den Phänomenen? Wie verändern sich die Phänomene durch ihre Vernähung qua Begriff? Im Folgenden werde ich zwölf Thesen für eine theologische Beschreibung des Bekenntnisbegriffs formulieren, die aus der Lektüre von Barths implizitem und explizitem, auslegendem und strukturierendem Umgang mit dem HK als Bekenntnis erwachsen sind. Zugleich versuchen sie, die innere Vielfältigkeit des Bekenntnisbegriffs an einzelnen Stellen neu zueinander in Bezug zu setzen und zu vernähen.
8.2 Zwölf Thesen These 1: Jedes menschliche Bekennen als Loyalitätserklärung zu Gott hängt am doppelten Bekenntnis der Treue Gottes zu ihm. „Die christliche Gemeinde erkennt, daß ihr Bekenntnis zu Jesus Christus [. . . ] doch nur ihre dankbare Antwort darauf sein kann, daß vor allem und zuerst Jesus Christus sich zu ihr bekannt hat, noch und noch bekennt, wieder und wieder bekennen will und wird.“51 Nach biblischem Verständnis wird als wahrer Zeuge Gott selbst angerufen.52 Als Sitz im Leben bzw. „Sitz im Glauben“ der Bekenntnisvorstellung erweist sich in der Schrift wie in der Alten Kirche das gerichtliche Zeugnis.53 Gott ist aber nicht nur absoluter Zeuge der Wahrheit im (Götter-)Gericht. Mit Bund und Inkarnation bekennt er sich zu seinem Volk in performativer Selbstverpflichtung und Bindung in Treue an dessen partikulare Geschichte. Dieser Akt des Bekenntnisses Gottes zum Menschen ist der Ruf, dessen Antwort das 50 So differenziert Wirsching, Art. Bekenntnisschriften, 488, zwischen Bekenntnisakt (als Vollzug in Wort und Tat), Bekenntnishaltung (als „darin zum Ausdruck kommende Handlungsweise“), Bekenntnisinhalt („Tatbestand“), Bekenntnisaussage (sprachliche Form) und Bekenntnisgemeinschaft (konstituierte Gruppe, Bekenntnisstand). Er schlägt daraufhin eine begriffliche Aufteilung in confessio (Akt), symbolum (Credo im liturgischen Sinne) und doctrina (kirchenbindende Urkunde) vor. 51 Barth, KD IV/3, 903f, vgl. auch ders., Evangelium, 24. 52 Vgl. Gen 31,50; 1 Sam 12,5; Hiob 16,19; Jer 42,5; Mal 2,14; 3,5; 2 Kor 1,18.23; Phil 1,8; 1 Thess 2,5.10. 53 Vgl. Scholz, Art. Zeuge, Zeugnis I, 1317: „Die Begriffe Zeuge und Zeugnis sind von alters her aus den Sphären des Rechts und der geoffenbarten Religion vertraut.“ Zur ursprünglich politischen und juristischen, erst später religiösen Funktion des antiken Bekenntnisbegriffs vgl. Bornkamm, Homologia.
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Bekenntnis des Menschen zu diesem Gott bildet. Jenes geht diesem voraus und ermöglicht es erst. Das Bekenntnis Gottes zum Menschen ist dem Bekenntnis des Menschen zu Gott darum konstitutiv vor-läufig. Zugleich ist das Bekenntnis Gottes zum Menschen dem Bekenntnis des Menschen zu Gott stets nach-folgend. Jesus Christus gilt als der „treue Zeuge“ im Gericht (Apk 1,5), der verheißt: „Wer nun mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater“ (Mt 10,3254 ). Jedes christliche Bekenntnis lebt nicht nur davon, dass Gott sich zum Menschen bekannt hat, sondern auch davon, dass er sich dereinst wieder zu ihm bekennen wird. Vom doppelten Bekenntnis Gottes umschlossen und getragen steht das Bekenntnis des Menschen als Antwort auf das erfolgte und als Vertrauen auf das noch zu erfolgende Bekenntnis Gottes zum ihn bekennenden Menschen. Die Rede vom Gericht deutet darum nicht auf eine endzeitliche Bewertung des menschlichen Zeugnisses als wahr oder falsch. Vielmehr geht es im gegenseitigen Bekennen um die wechselseitige Anerkennung und Loyalitätsbekundung zwischen Gott und Mensch. These 2: Bekennen heißt Bekannt-Machen. Insofern ist es konstitutiv öffentliches Zeugnis. Das Bekenntnis Gottes zum Menschen ergeht inkarnatorisch in seiner Selbstkundgabe: der Offenbarung in Jesus Christus. So ist sie zugleich seine Bekanntmachung unter ihnen. Das doppelte Bekenntnis Gottes zum (Bekenntnis des) Menschen ruft das Bekenntnis des Menschen zu diesem sich zum Menschen bekennenden Gott vor der Welt heraus. Die Christen sind dazu eingesetzt, ihn ihrerseits vor allen Menschen zu bekennen, sie alle zu ihm zu rufen und so der ganzen Welt bekannt zu geben, daß der in ihm geschlossene Bund zwischen Gott und Mensch der erste und letzte Sinn ihrer Geschichte und daß dessen künftige Offenbarung ihre große, jetzt und hier schon wirksame und lebendige Hoffnung ist.55
Im Bekenntnis Gottes zum Menschen und der damit implizierten Verantwortung des Menschen gegenüber Gott liegt der Auftrag zur Zeugenschaft, Gottes Gerechtigkeit (seine Treue, sein Bekenntnis zum Menschen) vor der Welt zu bekunden.56 So wird das Bekenntnis Ausdruck persönlicher Entscheidung: Auf das hörende Zur-Kenntnis-Nehmen und Erkennen folgt das sprechende Anerkennen und Bekennen – die Bejahung des göttlichen Bekenntnisses und die antwortende Selbstverpflichtung in und vor der Welt. Theologisch ist es darum als Gehorsam zu fassen, der selbst wiederum zum Hören aufruft. Das Bekenntnis als immer auch juristisch und politisch relevantes Bezeugen Gottes vor und gegenüber einer mögli-
54 Eine bis heute lesenswerte Auslegung dieser Stelle im Umfeld der BK liefert Bornkamm, Das Wort Jesu vom Bekennen [1935]. 55 Barth, KD IV/3, 780, Leitsatz §72. Vgl. auch Schlink, Pflicht und Versuchung christlichen Bekennens, 14: Bekennen bedeute „nichts anderes als Träger des Wortes werden, das Gott sprach“. 56 Vgl. z. B. Jes 43,10–12; 55,4; Apg 1,8.
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cherweise auch feindseligen Welt ist dabei vom Zeugnis als allgemeiner Kategorie christlicher Existenz her zu verstehen. Im Gefolge des wahrhaftigen Zeugen Jesus Christus werden Christen Zeugen. In ihrer Zeugenschaft in Wort und Tat vermitteln Menschen die göttliche Offenbarung in die Welt hinein.57 Das Bekenntnis wird zur Bekannt-Machung, an die die etymologische Wurzel des deutschen Wortes erinnert58 : Es ist zuerst und zunächst Verkündigung, nicht begründet in einem individuellen Bedürfnis, sondern im „Öffentlichkeitsinteresse Gottes“59 , der sich in die Welt hinein hinaussagt. Als Zeugnis ist es nicht Ausdruck persönlicher Überzeugungen, sondern Vergegenwärtigung des objektiven Christusereignisses: „Es handelt sich darum, daß sein Werk von da aus gerade als Vergegenwärtigung dieses damals Geschehenen weiter geht.“60 Die Offenbarung Gottes ist „eine öffentliche Angelegenheit, und so ist der Christ – da hilft keine Bescheidenheit und kein Seufzen über solche Zumutung! – eine öffentliche Person. Er ist gerade nur insofern Christ, als er jener Berufung zum Zeugen gehorsam, als er ein Bote Jesu Christi ist.“61 Der bekennende Mensch steht vor dem doppelten Forum („Gericht“) von Gott und Welt. Bekenntnis ist ein konstitutiv öffentlicher Akt der Bekundung („Bekanntmachung“) von Loyalität und der Bezeugung persönlicher Bindung. Jede Aussage des Glaubens ist als Äußerung ein Nach-Außen-Treten, das sich bis in Verschriftungen und Institutionen materialisieren kann. Jede sprachliche oder aktuose Äußerung eröffnet eine Öffentlichkeit, im Falle des Bekenntnisses sogar eine doppelte. Auf diesem Forum sieht sich der Mensch in eine doppelte Relation gestellt: zu diesem Gott und zu dieser Welt. Insofern ist das Bekenntnis stets relational. Dies kennzeichnet das Bekenntnis auch als ein ambivalentes Geschehen in der Spannung zwischen Gott und Welt. Die Relationen bestimmen auch seinen doppelten Ort, seine doppelte Kontextualität und seine doppelte Verpflichtung. Insofern aus der Relationalität und in die Relationalität eine Entscheidung erwächst, wirkt das Bekenntnis auch relativierend. Hier ist der Ort von Ausrichtung und Gericht. In dem „vor“ liegt ein „zu“: Insofern das Bekenntnis vor Gott zu Gott redet, ist es konstitutiv doxologisch. Insofern es vor der Welt zur Welt redet, ist es konstitutiv politisch. In beiden Hinsichten ist es konstitutiv öffentlich. Ein privates Glaubensbekenntnis wäre eine contradictio in adiecto.
57 Vgl. auch Hoheisel u. a., Art. Bekenntnis, 175: „Bekenntnis als Akt, Inhalt und Sprachgestalt entspringt der definitiven Selbstmitteilung Gottes in Jesus Christus und ist somit mehr und anderes als Ausdruck allgemeiner religiöser Überzeugungen. Bekenntnis ist Mitvollzug und Vergegenwärtigung des Bekenntnisses Gottes zum von den Menschen am Kreuz verworfenen Mittler der Gottesherrschaft“. 58 Kluge, Art. Bekenntnis; vgl. auch Zeller u. a., Art. Bekenntnis, 142. 59 A. a. O., 144. 60 Barth, KD IV/3, 694. 61 A. a. O., 397.
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These 3: Das Bekenntnis ist Symbol als Sakrament des Unnennbaren. Das Bekenntnis bezeugt die Offenbarung Gottes in der Welt vor der Welt.62 Als Rede von Gott kommt ihm so die unmögliche Aufgabe zu, das Unnennbare, den Unnennbaren sprachlich zu vergegenwärtigen. Als Gleichnis und Entsprechung ist das Zeugnis der Gemeinde „nachträgliche und vorläufige Darstellung der von ihr unterschiedenen gottmenschlichen Wirklichkeit.“63 Die Gegenwart Gottes, die sich der Gemeinde in Jesus Christus ereignet hat, der sie begegnet ist und von der sie bekennend Zeugnis ablegt, ist nicht in Worten zu be- und ergreifen, Sprache kann nur von ihr her und auf sie hinweisen. Ereignishaft bleibt seine Person – selbst wenn man ihr in „Erfahrung“ und Begegnung nahe kommt – eine immer schon vorübergegangene und zukünftige, nie verfügbare Gegenwart. Im vollen Sinne „vergegenwärtigen“ kann das Bekenntnis die Präsenz Jesu Christi nicht: Es bleibt testamentum – Rede von einer je schon ergangenen Gegenwart, aber deren wirkmächtiges Vermächtnis. Gerade durch seine sprachliche Verfassung stellt das Bekenntnis eine Distanz zu dieser Offenbarung und eine Differenz zu ihr her, in der es sich selbst als Bekennend-nicht-das-Bekannte, als Zeigend-nicht-das-Gezeigte darstellt. Die sprachliche Form zeigt die irreduzible Mittelbarkeit der Offenbarung auf. Sie bringt in ihrer Sprachlichkeit die Grenzen des Sagbaren und ihr eigenes Nicht-SprechenKönnen zur Sprache. So spricht Bekenntnis vom Unnennbaren als Unnennbarem, vergegenwärtigt es das Unverfügbare als Unverfügbares. Dies zeigt sich am deutlichsten im Bekenntnis zum lebendigen Jesus Christus in der Anrufung seines Namens, aber auch in den narrativen, paradoxen und negativen Formulierung von Glaubenssätzen durch die Geschichte. Doch selbst wo Bekenntnis in definitorischer Sprache ergeht, grenzt es als De-Finition das Offenbarte nicht ein, sondern aus seiner eigenen Form heraus. Es unterscheidet sich als confessio qua creditur von der von ihm bezeugten confessio quae creditur. Das als verbindlich gesetzte Bekenntnis ist „nicht einfach mit den genannten Bekenntnisschriften identisch“, sondern bleibt als „Voraussetzung der Kirche gerade deren Verfügung entzogen“.64 Das Bekenntnis geht nicht in der Diskursivität seiner Zeichen auf, sondern bleibt darin auch Platzhalter des von ihm Bezeugten. In diesem Sinne ist Bekenntnis Symbol: künstliches Zeichen, das auf etwas anderes verweist, weil mehr als ein Hinweis nicht darstellbar ist; Gegenstand, dessen Be-Deutsamkeit durch Konvention und Tradition vereinbart und gesichert wird – und doch stets über diese hinausweist. Beide Aspekte sind in der alten Bezeichnung der Glaubensbekenntnisse und Bekenntnisschriften als „Symbola“ bzw. „Symbolische Bücher“ bewahrt. 62 Vgl. Wirsching, Art. Bekenntnisschriften, 487: „Bekennen heißt: von einem anderen statt von sich selber reden.“ 63 Barth, KD IV/3, 906. 64 Mildenberger, Bekenntnisschriften, 13. In der kirchenrechtlich paradox-doxologischen Feststellung: „Das Bekenntnis ist nicht Gegenstand der kirchlichen Rechtsetzung“ (Art. 72 KVerf der Ev.Luth. Kirche in Bayern, zit. nach: Ebd.) zeigt sich sogar ein „Zeugnischarakter des kirchlichen Rechts“ (Stein, Evangelisches Kirchenrecht, 22–28).
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Gegenwart ist, was „in meinem Gesichtskreis gegen mich gekehrt oder gegen mich herkommend“65 ist. Als akklamatorische und proklamatorische Vergegenwärtigung der Offenbarung – der Realpräsenz Gottes in Welt und Geschichte – hat Bekenntnis geradezu „sakramentalen“ Charakter. Als Form von Anwesenheit, die auf Abwesenheit beruht, setzt es den Tod (und die Auferstehung!) Gottes in der Welt voraus: Nur wenn die absolute Anwesenheit der Offenbarung abwesend geworden ist, kann sie von denen, die sie bezeugen, Dritten durch einen Platzhalter vergegenwärtigt werden. Das Bekenntnis hält einen Raum für Gott in der Welt offen – und einen Raum für die Welt vor Gott. In der Mittelbarkeit seiner Form kann das Zeugnis zum Wort Gottes nur je wieder werden: „Die Beziehung zum Abendmahl ist nicht als bloß beiläufig zu verstehen. Man kann sich das, was für Verkündigung und Kirche überhaupt gilt, nicht besser vergegenwärtigen als eben am Sakrament“.66 These 4: Das Bekenntnis ist charakterisiert durch eine sich pluralisierende Einzigkeit und eine Unübersetzbarkeit, die neue Zeugen zeugt. Das öffentlich abgelegte Bekenntnis bezieht Stellung und ist insofern Ausdruck und Performanz eines je eigenen Gehorsams gegenüber dem ergangenen Wort. Im Vorbild des göttlichen Bekenntnisses gründet sich die Form des menschlichen Bekenntnisses zu ihm: „Offenbarungswahrheit ist Zeugniswahrheit. Von Jesus Christus her ist personales Zeugnis die der Offenbarung [. . . ] angemessene Vermittlungsgestalt.“67 In seinem personalen und ereignishaften Charakter ist jedes Bekenntnis einzigartig bis zur Unübersetzbarkeit. Zwar hat es als Bekanntmachung: Mitteilung und Verkündigung selbst auch „werbenden Charakter [. . . ,] ein missionarisches Element.“68 Es ergeht aber nicht in einer reinen „Weiter-Gabe“ des Gehörten, Erfahrenen, Geglaubten – dieses ist ja kein Gegenstand, der unbeeinflusst von Hand zu Hand gehen könnte. Es vergegenwärtigt den in seiner Anwesenheit Anwesenden das Bezeugte in Form seines Zeugnisses und macht die Hörer ihrerseits zu Zeugen des Zeugnisses.69 Indem es das Wort an sie richtet, stellt das Bekenntnis sie selbst ins Hören und in den Ruf zum Gehorsam. Das Zeugnis be-zeugt sich gewissermaßen selbst: nicht als Inhalt seines eigenen Zeugnisses, wohl aber als Multiplikation der eigenen Zeugenschaft durch die Schöpferkraft des Wortes. Als Zeugnis zeugt das Bekenntnis für sein Zeugnis neue Zeugen.70 Zugleich bringt das Zeugnis den Christen als Zeugen und also: als Christen erst hervor: 65 66 67 68 69
Grimm (Hg.), Deutsches Wörterbuch, 2281. So Barth, KD I/1, 90, über die dreifache Gestalt des Wortes Gottes. Beutler u. a., Art. Zeuge, 1442. Triebel, Strukturen des Bekennens, 325. Vgl. Barths Rede von der ersten Frucht des Wortes, die darin besteht, „daß es Zeugen findet, ein Volk von Zeugen“ (Barth, Die christliche Lehre 1947, 46, s. o. S. 184). 70 Vgl. ders., Offenbarung, Kirche, Theologie, 15: „Wir können von Offenbarung nicht sprechen, ohne diesen Begriff sofort zu sehen in seiner Beziehung zu zwei anderen Begriffen. Sie heißen: Zeugnis und Bekenntnis. Es gäbe ja keine Offenbarung für uns, wenn sie nicht zu uns käme durch das
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Das Wort des lebendigen Jesus Christus ist der schöpferische Ruf, durch den er Menschen zu tätiger Erkenntnis der Wahrheit erweckt und so in den neuen Stand der Christen, nämlich in eine besondere Gemeinschaft mit ihm aufnimmt, indem er sie als seine bedrängten, aber wohl ausgerüsteten Zeugen in den Dienst seines prophetischen Werkes stellt.71
These 5: Als kreative Aktualisierung der Tradition durch Re-Zitation bildet das Bekenntnis die partikulare Zitationsgemeinschaft der Konfession. Die Bezeugung vorgängiger Zeugnisse, die Zitation der Zitation bildet den Übergang zwischen der individuellen Confessio und dem kirchlichen Credo.72 In der wachsenden Kette der Zeugen, die vom Kreuz ausgehend über die Schrift bis zu uns reicht, überbrücken die Bekenntnisse den Abstand von der Offenbarung Gottes in Jesus Christus bis zu unserer Gegenwart und vergegenwärtigen ihn in alle Zeiten. Jedes neue Bekenntnis, sei es auch Ausdruck einer noch so „unmittelbaren“ Erfahrung, steht als Zeugnis in der Vermittlung. Die jeweilige „Kette“ der Zeugen ist nicht in erster Linie als chronologische und insbesondere nicht als homogene und lückenlos-kontinuierliche Reihe vorzufinden.73 Sie bringt vielmehr die Tatsache zum Ausdruck, dass auch die individuellste Äußerung immer schon antwortet und antwortend immer schon zitiert. Auch darum kann es kein „Privatchristentum“ geben. Zugleich beinhaltet auch die formalste Re-Zitation vorgegebener Formeln das kreative Element personaler Aneignung und Entscheidung.74 Jeder neu formulierte (Bekenntnis)-Text verweist auf ein Konzert von Kon- und Ko-Texten, auf die er zustimmend und/oder sich abgrenzend zurückgreift. Jeder Text webt sich damit in eine ganz bestimmte Kette von Zeugen ein, die als solche nur in seinem Text aktualisiert und (mehr oder weniger) greifbar wird.75 Zugleich stellt sich jeder sich auf das Wort Gottes in Christus beziehende Text – über eine scheinbar „längere“ oder „kürzere“ – Kette solcher Zeugnisse hinweg zu diesem Jesus Christus in das Verhältnis der Gleichzeitigkeit (Vergegenwärtigung!). Auch „als Zeuge zweiten, dritten oder vierten Grades“76 ist er in dasselbe Hören und vor denselben Gehorsam gestellt wie die ersten Jünger: „Wir sind in erster Linie Zeitgenossen Jesu Christi, mit verschlossenen oder offenen oder blinzelnden Augen, ob passiv
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Zeugnis von ihr. [. . . ] Offenbarung empfangen und annehmen heißt also für uns: dieses Zeugnis empfangen und annehmen. Und dies eben ist der Akt des Bekenntnisses.“ Barth, KD IV/3, 553 = Leitsatz von §71: „Des Menschen Berufung“. Schröer, Unser Glaubensbekenntnis heute, 99. Sie bildet auch kein „Zeugen-Kontinuum der Gläubigen bis auf den heutigen Tag“ (so Beutler u. a., Art. Zeuge, 1443). Als ob ein griechischer Text aus dem 4. Jahrhundert mit seiner – wortgleichen – Rezitation im 21. Jahrhundert in einer deutschen Kirche identisch wäre! Aufgrund dieser rückwärtigen Konstituierung durch zitierenden Verweis ließe sich statt von „apostolischer Sukzession“ eher von „apostolischer Re-zession“ sprechen. Barth, KD IV/3, 397.
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oder aktiv, unmittelbare Zeugen seines Tuns [. . . ] dabei, neben ihm, mit ihm. Sein Heute ist ja wirklich das unsrige, unser Heute das seinige.“77 In den sich ausbildenden Ketten von Vergegenwärtigungen durch Zitation bewähren sich bestimmte Zeugnisse, indem sie von Einzelnen oder Gruppen als ihre eigenen angenommen und übernommen werden. So kann ein Zeugnis durch Deund Rekontextualisierung zur kanonisierten und institutionalisierten Bekenntnisschrift werden. Dieses verlangt nach einer immer neuen Aneignung und Bezeugung durch Zitation und Interpretation, wenn es seinen Charakter als Bekenntnis behalten soll. „Eine absolute Trennung von Praxis und Geschichte ist unmöglich. Bekenntnis als Tradition ist vom aktuellen Bekennen nicht zu scheiden“78 : Als „Konfession“ konstituiert sich die kirchliche Gemeinschaft nicht durch „konfessionalistische“ Wahrung der ihr eigenen Inhalte, Abgrenzungen und Interessen. Als „Konfession“ ließe sich so vielmehr die in der beständigen Zitation und Rezitation gemeinsamer Texte bestehende Erzählgemeinschaft beschreiben. Das Bekenntnis steht damit in der Linie alttestamentlicher Identitätsbildungsprozesse wie dem Sh’ma Israel und seiner Einbettung in familiale Tradierungsvorgänge: „Wenn dich nun dein Sohn morgen fragt. . . “ (Dtn 6,20).79 Wie das jüdische, so ist auch das christliche Bekenntnis ein „geschichtliches Credo“ im doppelten Sinne: Zum einen beruht es auf geschichtlichen Erfahrungen statt auf metaphysischen Spekulationen oder logischen Deduktionen, zum anderen bildet der Fortgang der Zitation und Aktualisierung dieser Erfahrungs-Formulierungen seine spezifische Geschichte aus – seine Tradition. „Bekenntnis“ ist das, wodurch ein Einzelner oder eine Gruppe sich in die Geschichte des dreieinigen Gottes mit seinem Volk bejahend und kritisch einordnet und sich dadurch von anderen Loyalitäten abgrenzt. Partikular ist die Formulierung, der Ausdruck wie auch die individuelle Geschichte mit diesem Gott. Durch diese je partikulare Geschichte kann kein Bekenntnis Anspruch auf universale Geltung erheben, universal ist höchstens der Anspruch, dass ebenfalls partikulare Bekenntnistraditionen artikuliert werden sollen. These 6: Das Bekenntnis als produktive Re-Produktion, als kreative Zitation der Tradition ist vorläufig verbindlich und verbindlich vorläufig. Nur in der sich in Zitation, Rezitation und Interpretation ereignenden Aktualisierung gewinnt die Formel ihre Bekenntnishaftigkeit je wieder und verbindet die sie so Aktualisierenden zu einer Bekenntnisgemeinschaft. Bereits in der reinen Zitation und Rezitation multipliziert das Bekenntnis seine Kontexte, wird vom Zeugnis zum immer wieder Bezeugten. So verunmöglicht es seine Endgültigkeit, gerade indem es zum verbindenden – verbindlich zu zitierenden – Traditionsgut wird. Eine Fixierung lässt sich nicht durch Festhalten an einem bestimmten Sinn erreichen, höchstens durch Festhalten an bestimmten Buchstaben. Derartig fest77 A. a. O., 419. 78 Schröer, Art. Glaubensbekenntnis(se) X, 113. 79 Vgl. Kapitel III: „‚zachar‘ – Gedenken“, in: Plasger, Relative Autorität, 269–276.
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gehalten kann der Text verbindlich im wörtlichen Sinne sein: In seinen Formulierungen verbindet er die ihn zitierenden Texte und Kontexte und wirkt so in gewisser Weise reduktiv und einigend. Doch auch die festgelegteste Formulierung stößt sprachlich an Grenzen der Vereinheitlichung. So bleibt sie stets übersetzungsbedürftig nicht nur in andere, sondern (in Form der Interpretation) bereits in ihre eigene Sprache, während ihre semantischen Gehalte disseminieren. Auch das offenste Bekenntnis drängt als Äußerung in die Festlegung, auch die geschlossenste Formel bleibt semantisch uneinholbar. Jedes Bekenntnis bleibt vorläufig. Seine Bedeutung besteht in seiner wesentlichen Nicht-Bedeuttung, in seiner offenkundigen Relativität, Menschlichkeit, Vielheit, Veränderlichkeit, Vergänglichkeit [. . . Es ist] ein weichender Schatten. Wer sich bewußt ist, daß er damit etwas eminent Positives von ihm sagt, der mag und soll das nur laut und sicher sagen.80
Neben der fortlaufenden geschichtlichen Auslegung und Re-Interpretation, aber auch seiner eventuellen zukünftigen Neuformulierung bleibt das Bekennen stets auch vorläufig in Bezug auf den Vorbehalt eschatologischer Annahme durch den göttlichen Richter (Mt 10,32). In dieser Spannung ist der Christ zur μετἁνοια, zum Um-Verstehen, Neu-Erkennen, Nach- und Wieder-Denken nicht nur aufgerufen, sondern schlechthin gezwungen. Selbst wer mit der Tradition gehen will, muss mit ihr umgehen, d. h.: sich in Distanz zu ihr begeben. Wer Neues formulieren will, muss es sagen, d. h.: zitieren. Weder ist ein Stehenbleiben und Sichbegnügen möglich, noch ein Sich-Entledigen des Vorgegebenen. Confessio semper reformanda – confessio semper reformulanda: Das Bekenntnis muss immer wieder neu formuliert werden. Zwischen der Bindung an das Vorläufige und der Vorläufigkeit jeder Bindung webt das Bekenntnis. These 7: Das Bekenntnis lebt vom ursprünglichen Akt des Bekennens, hat aber einen doppelten Zug zur Schrift. Der Ursprung des Bekenntnisses liegt im spontanen Akt, den Glauben zu bezeugen: „Non est autem firma fides, quae non ostendit se in confessione.“81 Der Glaube drängt danach, auf das Wort Gottes zu antworten und sich zu äußern. Das Bekenntnis gilt gar als „Lebens- und Sprachbewegung des Glaubens“, die allen Worten und Taten der Kirche bekennenden Charakter zukommen lässt.82 Es reagiert dabei auf das in der Schrift vernommene Wort, dessen Zeugnis es pointiert zusammenfasst und sich aneignet (verbum abbreviatum). Letzte norma normans kann nur Gottes Selbstoffenbarung und Selbstbezeugung in Jesus Christus sein. Sein Name ist der reine Text, der in allen Schriften der Kirche wieder und wieder gelesen und bezeugt wird.83 Insofern der Glaube akklamiert, dass die Schrift 80 81 82 83
Barth, Bekenntnisschriften, 63. Melanchthon, Apologia Confessionis Augustanae [1531], IV, 385. Bochinger u. a., Art. Bekenntnis, 1262. Zum neutestamentlichen Befund als reine Wiederholung des Namens Jesu Christi vgl. Bornkamm, Hebräerbrief, 192f.
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Christus bezeugt, kann er sie darum als durch Christus normierte Norm zur abgeleiteten norma normans, zu einer zweiten Gestalt des Wortes Gottes erklären. Entsprechend kann auch die kirchliche Verkündigung, insofern sie im Wort Gottes ihren Auftrag und Gegenstand, ihr Urteil und ihr Ereignis hat, als Zeugnis vom Wort Gottes zum Wort Gottes werden.84 Zwischen diesen beiden indirekten Gestalten des Wortes Gottes, zwischen Verkündigung und Schrift, Akt und Materialität, Spontanität und Normativität changiert das Bekenntnis und stellt so „ein Drittes zwischen: einerseits dem unwandelbaren Gotteswort [. . . ] und andererseits den menschlichen religiösen Meinungen und Überzeugungen“85 dar. Insofern der Schrift aufgrund ihrer größeren Unmittelbarkeit zur Offenbarung eine höhere Autorität zugesprochen wird, wird das Bekenntnis an seiner Ent-Sprechung zur Schrift gemessen, daran, ob es aus dem Hören auf die Schrift heraus spricht. Schon als schlichte Zusammenfassungen der Schrift bilden Bekenntnisse aber Kommentare, ja Interpretationen ihres Inhaltes, die nach eigener Maßgabe Wichtiges vom Unwichtigen trennen und Hauptaussagen oder gar „Mitten“ der Schrift setzen. Wo sie für eine Gemeinschaft verbindlich werden, bilden sie einen Schlüssel zum Verständnis der Schrift durch die Erfahrungen der eigenen Tradition. So lässt sich durchaus von einer „hermeneutische[n] Vorordnung des Bekenntnisses“ vor die Schrift sprechen.86 Hinzu kommt eine ontologische und chronologische Vorordnung des Bekennens vor die Schrift: Der „Zug zur Schrift“87 , der in jedem Bekennen am Werk ist, schreibt sich aus dem apostolischen Osterzeugnis bereits in die Entstehung des biblischen Kanons ein. Dieser selbst kann in seiner festen Gestalt nur als institutionalisierte Verkörperung urchristlicher Bekenntnisse, als primäre Bekenntnisschrift und als Norm für weiteres Bekennen verstanden werden.88 Vor jeder hermeneutischen und inhaltlichen Grundentscheidung stellt bereits die Deklaration eines Kanons und seine Akklamation als „Heilige Schrift“ einen Bekenntnisakt dar.89 Welche Schriften gelesen werden und welcher Stellenwert ihnen theologisch und kirchlich zukommt, ist eine Entscheidung der Kirche. Bestimmte antike Texte sind nicht in und an sich Wort Gottes, sondern werden von der Kirche als Wort Gottes bekannt.90 So ist nicht nur die Schrift konstitutive und konstituie84 85 86 87 88
Vgl. Barth, KD I/1, 90–96. Ders., Wünschbarkeit und Möglichkeit, 613. Bochinger u. a., Art. Bekenntnis, 1261; vgl. auch Dalferth, Die Mitte ist außen. Zeller u. a., Art. Bekenntnisschriften, 147. Ein Beispiel, die Schrift als Auslegung des urchristlichen Bekenntnisses zu lesen, gibt Bornkamm, Hebräerbrief, 202. 89 Nicht von ungefähr erhebt man sich zur Evangeliumslesung im Gottesdienst und bezeugt das Vorgetragene als „Wort des lebendigen Gottes“ – Aktualisierungen des Bekennens zur Autorität der Schrift als Wort Gottes. Auch Barth meditiert die Tatsache, dass die Bezeichnung der Schrift als Wort Gottes selbst ein Bekenntnissatz ist, in Barth, KD I/2, 545. Vgl. dazu auch Plasger, Relative Autorität, 53: „Barths Lehre von der Schrift ist selber Bekenntnis.“ 90 Vgl. auch Mildenberger, Theologie für die Zeit, 151: „Jedenfalls kommen wir nicht an der Kirche vorbei zum Text und der Geschichte Gottes, von der dieser Text redet. Vielmehr weist uns die
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rende Grenze des Bekenntnisses, sondern auch das Bekenntnis konstitutive und konstituierende Grenze der Schrift. Das Bekenntnis kommt aus der Schrift und führt zu ihr zurück. Aber auch der Akt des Bekenntnisses geht selbst in die Schriftlichkeit. Der Drang der Offenbarung auf Offenbarsein und der Drang des Glaubens auf Kommunikation verlangen für die größere Eindeutigkeit, Öffentlichkeit und Vermittelbarkeit dieser Mitteilung nach Verschriftung. Insofern dieser Inhalt wiederholt wird – und zur Prüfung, Beratung und Bestätigung wiederholbar sein muss – drängt er selbst in die Fixierung.91 Äußere Zwänge wie politischer Druck und innere Bedürfnisse wie kirchliche Spaltungen verstärken dies. Die konfrontative Grundsituation, die das Bekenntnis hervorbringt, forciert dessen Formulierung als Definition, um Gemeinsamkeiten und Abgrenzungen zu anderen Bekenntnisakten feststellen und daraus Einheit stiften zu können. „Hat ursprünglich das Wort Bekenntnis immer den Sinn: Bekenntnisakt [. . . ] so wird langsam der Inhalt des Bekenntnisses selbst Bekenntnis genannt“.92 Gerade als rein performativ und damit ereignishaft gedachter Sprechakt, der den Sprecher zum Bekenner – und damit zum Vertreter der Kirche – macht sowie diese Gruppe als Kirche konstituiert, bringt das Bekenntnis stets Institutionen hervor: in Form von Bekenntnisschriften, aber auch von rechtlichen Regelungen und Einrichtungen, die über deren Auslegung, Einhaltung und Tradierung wachen. Der Übergang vom Akt des Bekennens in die Materialität von Bekenntnisschriften wird sehr verschieden beurteilt.93 Theologisch ist festzuhalten: Die Materialität der Bekenntnisschriften entspricht der Mittelbarkeit der Gotteserfahrung im geschichtlichen Menschen Jesus Christus. Verschriftlichungs- und anderweitige Dogmatisierungsprozesse würdigen in all ihrer Ambivalenz und Gefährdung den inkarnatorischen Charakter der göttlichen Offenbarung. Sie stellen keinen Abfall von unmittelbar-bekenntnishafter „Eigentlichkeit“ dar, sondern „haben ja Anteil an der Realisation der Gegenwart des Heils-von-Gott-her in der Geschichte.“94 Die produktive Spannung zwischen Ereignishaftigkeit und Verschriftung sowie dem Wieder-Ereignis-Werden durch Relektüre – sei es in Interpretation, Auslegung und Verkündigung der Bibel, sei es in der eigenen bekennenden Ant-
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Kirche ein in den Text und das in ihm bezeugte Geschehen, wie uns umgekehrt der Text wieder in die Kirche als die Gemeinschaft der auf das Wort hin Glaubenden einweist“. Vgl. Krüger, Strukturen konfessorischer Rede, 33. Zeller u. a., Art. Bekenntnis, 145. Er kann als Versteinerung, Erfahrungsverlust und Entfremdung gegenüber einer angeblichen Unmittelbarkeit des Gottvertrauens im Bekenntnisakt gesehen werden (so z. B. Track, Schrift, Bekenntnis und Erfahrung, 23; Mulert, Art. Symbole: III. Kirchliche Bekenntnisse, 941). Akt und Schrift können in der Dialektik von Evangelium und Gesetz als spannungsvoll-irreduzibles Verhältnis interpretiert werden (so z. B. Rommel [Hg.], Bekenntnisse des Glaubens, 16). Nach Fagerberg, Bekenntnis, Kirche und Amt, 146, zeigt die Existenz von Bekenntnisschriften, „daß das Christentum primär nicht Lehre ist, aber notwendiger Weise doch Lehre werden muss. Vgl. auch Gloege, Art. Bekenntnis, 998f: ‚Bekenntnis ohne Bekennen ist stumm. [. . . ] Bekennen ohne Bekenntnis ist leer.‘“ Wenzel, Die Identität der Glaubenswahrheit und die Transformationsprozesse der Moderne, 281.
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wort auf die tradierten Bekenntnisschriften – bleibt für die Geschichte des in Jesus Christus fleischgewordenen Wortes Gottes mit den Menschen konstitutiv und unauflösbar. These 8: Jedes Bekenntnis ist im ethischen Sinne kontextuell. Dass Bekenntnisse – betrachte man sie nun primär als spontanen Akt oder als verschriftete Formel – insofern kontextuell sind, als sie aus einer spezifischen Situation heraus und durch diese beeinflusst entstehen sowie von dieser Situation her interpretationsfähig und -bedürftig sind, ist offensichtlich. Alle bestehenden Bekenntnisschriften sind in ihrer Formulierung, Veröffentlichung und Dogmatisierung nachweislich beeinflusst durch Abgrenzung gegen konkurrierende Lehren, politischen Druck und die Notwendigkeit kirchlicher Einigung. Zur Diskussion steht nur, welche Faktoren jeweils in welchem Maße für das Verständnis des Textes zu gewichten sind.95 Ich möchte aber dazu einladen, die spezifische Kontextualität des Bekenntnisses nicht nur als deskriptive oder normative Kategorie, sondern darüber hinaus als ethische Kategorie zu verstehen. Der primäre Kontext des Bekenntnisses als theologischer Rede ist das Wort Gottes. Dieses ist durchaus nicht nur metaphorisch zu verstehen, sondern „ist“ stets in der ganz konkreten Gestalt der Heiligen Schrift auch Text, dessen KonText, im ursprünglichen Sinne der Glosse, der Auslegung, die theologische Rede bildet. Dieser Text ist Anrede an den Menschen. Er fordert eine Antwort, ruft in die Verantwortung, reißt den Hörer aus seinem je situativen Kontext heraus und stellt ihn diesem gegenüber in den Kontext des Wortes Gottes. Das Bekenntnis ist als Konsequenz und Affirmation dieses Kontextwechsels dessen Anerkennung als Herrschaftswechsel. Das Bekenntnis hört und zitiert das Wort Gottes, stellt sich in den Gehorsam gegenüber dem Namen Jesus Christus. Die Kontextualität als Bindung an einen bestimmten Text bedingt immer auch eine Kontra-Textualität als damit einhergehende Distanzierung und Emanzipation von alternativen (Kon)Texten aus der jeweiligen Gegenwart und Vergangenheit. Die spezifische Kontextualität des Bekenntnisses besteht darum nicht in einer (auch aus anderen Gründen fragwürdigen!) „Indigenisierung bzw. Inkulturation“96 in bestimmte Kulturen, sondern zunächst als „Kontra-Kulturation“ in 95 Dies ist in der Theologie ein Hauptarbeitsgebiet sowohl der klassischen Exegese als auch der Theologie- und Dogmengeschichte. Auch in der Dogmatik ist man sich seit der Aufklärung und insb. in den 1960er und 1970er Jahren zunehmend bewusst geworden, dass text-externe Faktoren die Produktion theologischer Texte beeinflussen. Dies trifft nicht nur auf häufig als „Kontextuelle Theologien“ bezeichnete Entwürfe zu, die sich dadurch auszeichnen, dass sie bestimmte (meist politische) Verortungen ihrer Theologie – inkl. der Intention, ihre Situation durch Textproduktion wiederum zu beeinflussen – reflektieren und explizieren, sondern auf jede Theologie. Zur unterschiedlichen Bewertung dieses Tatbestands vgl. z. B. die Diskussion Slenczka, Kontext und Theologie; Leiner/Grünschloss, Kontextuell „verbindliche“ Theologie? 96 So wird die „Kontextualität“ der sog. „Kontextuellen Theologien“ oft verstanden, vgl. Collet, Art. Kontextuelle Theologie, 328. Eine Alternative könnte der Begriff der „Lokalisierung“ bieten, vgl. Schreiter, Abschied vom Gott der Europäer, 15.
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seinem Widerspruch gegen die Vereinnahmung durch diese: Das Zeugnis (testimonium) tritt auf in der Gestalt von Pro-Test, dem Zeugen für als Zeugen gegen. Der Protest ist aber keine Möglichkeit an sich, sondern abgeleitet von der Loyalität gegenüber einer anderen, positiven Größe. Protestant kann nur werden, wer schon evangelisch ist. Zugleich gilt: „Kontra zu geben“, ist aber nur sehr konkret und situationsbezogen möglich. Bekenntnis ist darum „die aufgrund des Lehrganzen getroffene Entscheidung der Kirche, an einem bestimmten Ort den Kampf aufzunehmen.“97 Ein Bekenntnis zu einem Gott, der sich zum Menschen und zur Welt bekennt und dies inkarnatorisch und verschriftend materialisiert, kann – wenn es sich selbst, also der Bindung an diesen Gott treu sein will – nicht in der reinen Absage an die Welt stehen bleiben. „Protestieren ist bei weitem nicht genug. Das ist nicht das, was die Kirche nötig hat. Aber was sie nötig hat, ist Bekenntnis.“98 Das Bekenntnis zu Gott in Jesus Christus ist keine negative, sondern eine positive Größe. So ermöglicht die Freiheit von einem Kontext durch den Kontextwechsel in den Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes erst eine Freiheit gegenüber anderen Kontexten, die zu einer Freiheit für sie werden kann. Gottes der Welt zugewandtes Wort ruft dazu auf, sich ihr ebenso zuzuwenden und sie sich neu zum Kontext zu machen. Dieser Kontext ist keine normierende und determinierende Kraft, sondern vielmehr Gegenstand seines aktiven Bezugnehmens, Wählens und Handelns. Die so konstituierte Kontextualität ist eine ethisch zu gestaltende Aufgabe, wie sich sich durch das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter (Lk 10,25–37) illustrieren lässt. Darin ist Kontextualität keine durch die Situation vorgegebene Größe. Obwohl der unter die Räuber Gefallene für den Priester, den Leviten und den Samariter gleichermaßen als Bestandteil ihres Weges vorkommt, lesen sie ihn nicht gleichermaßen als solchen. Ihre spezifische Nähe zu ihm lässt sich nicht durch objektiven Abstand oder situativ-gemeinsame Verortung charakterisieren. Die entscheidende Frage: „Wer ist diesem zum Nächsten geworden?“ zeigt an, dass erst das Handeln an diesem Menschen durch die Herstellung von Nähe in Form einer aktiven Ent-Fernung 99 ihn in den Kontext des Samariters holt, ihn zu seinem Kontext macht. Auf die Frage nach dem ewigen Leben, die die Erzählung provoziert und einleitet, reagiert Jesus mit der Gegenfrage: „Was steht geschrieben? Was liest du?“ (Lk 10,26) Die Frage nach dem Nächsten könnte also auch lauten: „Welchen 97 Bonhoeffer, Kirchenkampf und Finkenwalde, 227. Auch Barths Einsatz des HK als deutscher reformierter Bekenntnisschrift in Deutschland über die Jahre hinweg ist Ausdruck dessen, dass dieser „Kontext“ keine gegebene Größe darstellt, sondern durch Kontextualisierung aufgrund bewusster Wahl sowohl produziert als auch entkräftet werden kann. 98 Gespräch mit dem Maria-Stein-Kreis 1967, in: Barth, Gespräche 1964–1968, 382, vgl. auch Barths zum Ausdruck gebrachte Abneigung gegen den Begriff „Protestantismus“, s. o. S. 246. Daraus spricht die Überzeugung, dass es nicht um Negation um der Negation willen oder um Protest um des Protestes willen gehen kann. Insofern aber auch bei Barth aus dem ‚Ja‘ Gottes abgeleitet ein – und durchaus starkes – ‚Nein‘ erfolgt, behält in einer solch abgeleiteten Form auch der Begriff „Protestantismus“ sein Recht und seinen Ort. 99 Vgl. Heidegger, Sein und Zeit, 105.
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Text zitierst du?“ oder: „Was ist dir zum Kontext geworden?“ Kontexte sind nicht äußerlich gegebene Größen im Sinne einer einfachen Vorhandenheit von determinierenden Bezügen. Kontextualität wird hergestellt durch das Hören auf Texte: den Gehorsam gegenüber dem Wort. Erst Distanz (Hinausstehen, Wegstehen) – wie sie durch den Kontextwechsel in das Wort Gottes eröffnet wird – ermöglicht Reflexion und konstruktive oder kritische Bezugnahme. Bekenntnis ist immer das aktive und explizierende Sich-Beziehen und Antworten auf bestimmte Texte und das verschweigende oder explizierende Brechen mit anderen. Seine sprachliche Verfasstheit fordert eine dezidierte Feststellung dieser Bezüge. „Bekenntnisfreiheit“ im modernen verfassungsrechtlichen Sinn – als Freiheit vom Bekenntnis wie auch als Freiheit von jeglichem Kontext-Bezug – kann es darum nicht geben. Bekenntnisfreiheit ist vielmehr die Artikulation bestimmter Sätze und Handlungen aus bestimmten (Kon-)Texten in zu bestimmende (Kon-)Texte hinein. In allem, was wir tun, legen wir Zeugnis ab: „Tota nostra operatio confessio est.“100 Zur Verhandlung steht, wen oder was wir in unseren Worten und Taten, in unserem Tun und Nicht-Tun, in unserem Ergriffen-Werden und Partei-Ergreifen jeweils bekennen. Das Bekenntnis ist insofern im ethischen Sinne kontextuell, als es das verknüpfende Hören auf bestimmte Bezüge und Bestimmungen impliziert und zur Ablegung von Rechenschaft darüber: zur antwortenden Verantwortung seines Hörens aufgerufen ist. These 9: Das Bekenntnis ist (kontra-)faktischer Ausdruck der kirchlichen Gemeinschaft, die es zugleich erst konstituiert. Darum ist jeder Bekenntnisbegriff selbst Ausdruck der konfessionellen Zugehörigkeit, die er beschreibt. Bekenntnis bedeutet die öffentliche Verhältnisbestimmung von Einzelnem, Gemeinschaft, Welt und Gott durch die Aufstellung bestimmter Behauptungen in zustimmender und abgrenzender Auslegung des bereits bestehenden Verhältnisses und seiner bisherigen öffentlichen Erklärungen. So wirkt das Bekenntnis identitätsbildend nach innen und abgrenzend nach außen. Es ist sowohl Ausdruck faktischer Übereinstimmung als auch deren kontrafaktische Behauptung, zugleich Deskription und Performanz. Erst die iterierbare, zitierbare und kommunizierbare sprachliche Gestalt ermöglicht Gemeinschaft unter gleichzeitiger Einziehung ihrer Grenzen.101 Darum wird im lutherischen Sinne das Bekenntnis als kirchengründend verstanden.102
100Luther, WA, 57, 137:5. 101 Vgl. Weldenfels u. a., Art. Glaubensbekenntnis: „Als Ausdruck und Ermöglichung von Einheit verleihen G[laubensbekenntnis]se dem Glauben eine für die Glaubensgemeinschaft verbindliche Sprachgestalt.“ 102 Diese Definition machte es in der Neuzeit schwierig, neue kirchliche Erklärungen als „Bekenntnisse“ anzuerkennen. BTE oder Leuenberger Konkordie halten an den jeweils vorhandenen – verschiedenen – Bekenntnisständen fest und artikulieren darauf aufbauend den gemeinsamen Glauben, ohne nun eine neue, gemeinsame Kirchlichkeit zu etablieren. So sind sie tatsächlich kein
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„Ex confessione cognoscitur Ecclesia“.103 Kirchliche Gemeinschaften können als „Konfessionen“ bezeichnet werden, wenn man das Wesen der Kirche im Bekenntnis sieht und ihre Grenzen anhand der Zugehörigkeit zum Bekenntnis definiert.104 Dies entspricht juristisch gesehen dem Augsburger Religionsfrieden, in dessen Folge das lutherische Bekenntnisverständnis zur formalen Anerkennungsnorm kirchlicher Gemeinschaften geriet.105 Diese Konzeption hat die Gesetzgebung in Deutschland bis heute geprägt, wo die „Bekenntnisfreiheit“ auf weitere „Bekenntnisstände“, ja sogar auf die Bekenntnislosigkeit als Quasi-Bekenntnis – Bekenntnis zum Nicht-Bekenntnis – ausgeweitet wurde. So ist der Begriff der „Konfession“ zur komparatistischen Kategorie innerhalb des Christentums und sogar darüber hinaus verallgemeinert worden.106 Die Unterscheidung von Konfessionen unterstellt die Vergleichbarkeit von Vorhandensein, Form und Status von „Bekenntnissen“, die nur in Inhalten und Formulierung differierten.107 Tatsächlich ist es vielmehr so, dass verschiedene Konfessionen ein durchaus unterschiedliches Verhältnis zu ihren jeweiligen Bekenntnissen beziehen. „Nicht jede Kirche kann einem nach dem Modell des Konkordienbuches erhobenen Lehrbegriff folgen und damit im Sinne ihr unterlegter Libri symbolici konfessionell sein“.108 Ekklesiologisch gesehen stellt sich das Luthertum als die einzige „Konfession“ heraus: eine kirchliche Gemeinschaft, die sich als solche durch ihre Grundlegung in Bekenntnisschriften definiert.109 Aus lutherischer Perspektive zeigen sich die reformierten Bekenntnisschriften „zahlreicher als die lutherischen“110 und werden als „mehr oder minder arbiträre Privatarbeiten ohne amtlich festgestellte Geltung“111 oder Ausdruck von „Zeitgemäßheit“ bis hin zum „Bekenntnisrelativismus“ diskreditiert.112 Reformierte TheoBekenntnis im lutherischen Sinne, werden höchstens als neue „Art von Bekenntnis“ bezeichnet (Schwarz, Art. Glaubensbekenntnis(se) VIII, 435). 103 Luther, WA, 39/2, 161:14. 104 Vgl. z. B. Ihmels, Art. Bekenntnis, 873: „Die Tatsache eines Bekenntnisses in der Kirche ist vom Wesen der Kirche aus zu verstehen.“ 105 Es verwundert nicht, dass der Bekenntnisbegriff die uns heute geläufige Bedeutung erst „in und seit der Reformation“ gewonnen hat (Fürst, Art. Bekenntnis I. (Konfession), 826). Zum Unterschied gegenüber der Alten Kirche vgl. auch Wirsching, Art. Bekenntnisschriften, 488–490; Schröer, Art. Glaubensbekenntnis(se) X, 444; Meyer, Art. Bekenntnisschriften, 179. 106 Vgl. Hofmann, Art. Konfession, 114. Durch die Verwendung über das Luthertum hinaus tritt übrigens auch der paradoxe – aber für komparatistische Kategorien wenig überraschende – Fall ein, dass das Bekenntnis als religiöser Allgemeinbegriff angesehen, gleichzeitig aber die darauf beruhende Konfessionalität als spezifisches Merkmal des Christentums ausgeflaggt wird (vgl. Lanczkowski, Art. Glaubensbekenntnis(se) I, 384f; Ratschow, Art. Konfession / Konfessionalität, 424). 107 Vgl. etwa Wirsching, Art. Bekenntnisschriften, 487. 108 A. a. O., 498. 109 Kühn, Das Bekenntnis als Grundlage der Kirche, 396, bezeichnet das Bekenntnis gar als „nota ecclesiae“ des Luthertums. Zum konfessionell unterschiedlichen Verhältnis zum eigenen KonfessionSein vgl. auch Ratschow, Art. Konfession / Konfessionalität, 419; Feige, Art. Konfession, 236; Schwarz, Art. Glaubensbekenntnis(se) VII, 419. 110 Ebd. 111 So etwa Wirsching, Art. Bekenntnisschriften, 502, ähnlich aber an vielen Orten. 112 Schwarz, Art. Glaubensbekenntnis(se) VII, 419.
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logen stellen ihrerseits fragend das Fehlen einer „Theologie reformierter Bekenntnisschriften“ fest, die in sich bereits „ein problematisches Unternehmen“, ja ein „Wagnis“ darstelle.113 Die stets betonte Pluralität, Zeitgemäßheit, Vorläufigkeit und Unabgeschlossenheit reformierter Bekenntnisbildung macht sie dem lutherischen Begriff mit Anspruch auf universale Wahrheit und Geltung schlechthin inkompatibel. Wird von lutherischer Seite gern betont, auch der Katholizismus sei erst im Zuge der Reformation (und Gegenreformation) selbst zur „Konfession“ geworden,114 ist rein sprachlich festzustellen, dass auf römisch-katholischer Seite dennoch nicht die Rede von „Confessio“, sondern „Professio fidei“ ist.115 Anstelle eines kirchengründenden Bekenntnisaktes findet sich – in Form, Funktion und Performanz deutlich von diesem unterschieden – die Proklamation und Bestätigung der bereits gültigen Lehre als nachträgliche Zusammenfassung der Dogmatik. Kirchengründend sind römisch-katholisch hingegen christologische Stellvertretung und apostolische Sukzession. Tradition und Lehramt als kirchliche Autoritäten gründen sich nicht auf Bekenntnisse, sondern bringen sie hervor.116 Noch stärker lässt sich von den orthodoxen Kirchen sagen, dass Bekenntnisse ihnen im Grunde „fremd“ geblieben seien.117 Das Nizaeno-Constantinopolitanum gilt als verbindliche und endgültige Glaubensnorm, weitere Schriften, insbesondere Sammlungen konfessorischer Texte, bleiben „reine Privatarbeiten“.118 Ökumenisch gesehen führt der Begriff der „Konfession“ zu einer doppelten Engführung: Zum einen werden über das Luthertum hinaus religiöse Gruppen an ihrer Bekenntnisbindung gemessen (und subsequent für zu leicht befunden), anstatt verschiedene Kirchenverständnisse zuzugestehen. Zum anderen verkürzt die hier ihren Ausgang nehmende „Symbolik“ das Bekenntnis „im Grunde zur konfessionellen Unterscheidungslehre“119 . Für die Bekenntnisformulierung und Konfessionsbildung vor dem Horizont christlicher Katholizität gilt: Nicht nur die wechselseitige Anerkennung einzelner Bekenntnisse, sondern der Stellenwert von Bekenntnis überhaupt ist Gegenstand ökumenischer Differenzen. Es gibt keine Möglichkeit, hinter ein konfessionelles Bekenntnis-Verständnis zurückzukommen. Dies legt zwei Folgerungen nahe:
113 Jacobs, Theologie reformierter Bekenntnisschriften in Grundzügen, 7. Jacobs verzichtet explizit zweifach auf den bestimmt-bestimmenden Artikel und spricht statt von „der Theologie der reformierten Bekenntnisschriften“ schlicht von (einer) „Theologie reformierter Bekenntnisschriften“. 114 So etwa Schwarz, Art. Glaubensbekenntnis(se) VII, 426. 115 Vgl. z. B. Kasper, Die gesamtkirchliche Relevanz der reformatorischen Bekenntnisschriften, 125. Das Tridentinum stellte kein neues Bekenntnis auf, sondern begnügte sich mit der Bekräftigung der Gültigkeit des Nizaeno-Constantinopolitanum. Die sog. Professio fidei Tridentinae wurde erst 1564 von Pius IV vorgelegt (vgl. Bochinger u. a., Art. Bekenntnis, 1253). 116 Weldenfels u. a., Art. Glaubensbekenntnis, 707. Vgl. Meyer, Art. Bekenntnisschriften, 179f. 117 Vgl. a. a. O., 180; Bochinger u. a., Art. Bekenntnis, 1274. Erst recht gilt dies für die altorientalischen Kirchen. 118 Ebd. 119 Wirsching, Art. Bekenntnisschriften, 498. Vgl. auch Dombois, Das Recht der Gnade, 698: „Der Charakter des Bekenntnisses als sekundäres Grundgesetz der Kirche (nach der Schrift) höhlt fortwährend seinen Bekenntnischarakter selbst aus.“
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Zum einen ist die je konfessionell basierte, aber rationalitätsöffentliche Reflexion über das eigene Bekenntnisverständnis notwendig. Zum anderen zeigt sich ein in gewisser Weise typisch reformierter Bekenntnisbegriff als hilfreich, der die Vielfalt der auftretenden Bekenntnisse nicht als Unfall und Konkurrenz verurteilen muss, sondern sie als partikulare und vorläufige Ausdrucksformen verschiedener de facto existierender Gemeinschaften würdigen und anerkennen kann.120 These 10: „Das Bekenntnis macht Subjekte aus uns allen.“121 In inhärenter Ambivalenz bedeutet das Bekenntnis zugleich die Gründung des autonomen Subjektes wie seine Unterwerfung unter sein Gesetz. Das Bekenntnis begründet die neuzeitliche Autonomie des Subjekts. Als SichSelbst-ein-Gesetz-Geben vereint es in einem Akt höchste Freiheit mit konstitutivem Unterworfen-Sein. Seit dem Augsburger Religionsfrieden wurde die Subjektivität selbst, nämlich der Status als Rechtssubjekt vom Bekenntnis abhängig.122 Zwar wird behauptet: „Dieser Bekenntnisbegriff des modernen weltlichen Staates ist durch und durch säkularisiert, relativistisch-liberal und deshalb vollständig inhaltsleer.“123 Formal ist dem zuzustimmen. Gerade die Form ist aber keine neutrale, sondern beruht auf der Auffassung, dass sich die Kirche auf der Grundlage des gemeinsamen Bekenntnisses konstituiert.124 Die rechtliche Fixierung des Bekenntnisbegriffs als Grundlage für die Religionsgemeinschaften in Deutschland bedeutet eine hegemoniale Durchsetzung des 120 Niesel, Gemeinschaft mit Jesus Christus, 189, hält fest, die Pluralität der Bekenntnisse sei „nicht zufällig, sondern sachlich begründet. Die Vielheit und Verschiedenheit der Glaubensbekenntnisse reformierter Kirchen machen unübersehbar, dass nach dem Verständnis dieser Kirchen ein Glaubensbekenntnis immer ein Bekenntnis zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Orte ist.“ Vgl. auch Busch, Nähe der Fernen, 589: Das „eigentümlich bewegliche Verhältnis der Reformierten zum kirchlichen Bekenntnis“ habe „entscheidend theologische Gründe“. 121 In Anlehnung an Butler, Psyche der Macht, 101: „Das Gewissen macht Subjekte aus uns allen.“ 122 „Seit dem Augsburger Reichstag 1530 ist das Bekenntnis ein Zentralbegriff des deutschen Reichsrechts geworden“ (Heckel, Reichsrecht, 15, Hervorhebung i.O.). Zwar ist nach geltendem Staatskirchenrecht die Rede von „Religionsgesellschaften“. Doch bis in die aktuelle Rechtssprechung hinein wird in Deutschland die „Religionsgemeinschaft“ juristisch über das Bekenntnis definiert (vgl. Pieroth/Görisch, Was ist eine „Religionsgemeinschaft“?), da weiterhin die Auslegung der Weimarer Reichsverfassung durch Anschütz maßgeblich ist. Dieser versteht die Religionsgesellschaft als ein „die Angehörigen eines und desselben Glaubensbekenntnisses – oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse (unierte evangelische Landeskirchen!) – für ein Gebiet (ein Land, Teile eines Landes, mehrere Länder, das Reichsgebiet) zusammenfassender Verband zur allseitigen Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben“ (Heckel, Reichsrecht, 15f, vgl. Anschütz, Verfassung, 633). 123 Heckel, Reichsrecht, 16. Heckel kann umgekehrt aber auch von einer „prinzipiellen Konfessionalisierung der Rechtsordnung“ sprechen (ders., Reichsrechtliche Bedeutung, 57). 124 Dass das Bekenntnis auch im säkularen Recht zum Denominationsmerkmal wird, bedeutet, dass „das für lutherische Kirchengemeinschaft angemessene Wort ‚Konfession‘ [. . . ] im deutschen Sprachgebrauch zur Allgemeinbezeichnung für die Pluralität von Christentümern in der Neuzeit [wird], unabhängig davon, ob sich derartige Gemeinschaften tatsächlich primär durch ein Lehrbekenntnis gebunden und verbunden wissen“ (Kretschmar, Barmen 1934, 144).
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Luthertums: Nicht „cuius regio eius religio“, sondern „cuius religio eius regio“! Dieser Bekenntnisbegriff erlaubte es, unterschiedliche Interessen anzusprechen und so die Oberherrschaft zu gewinnen.125 Die Vielzahl der Interessen, die zu politischen Allianzen in der Verwendung des Bekenntnisbegriffs führte, macht plausibel, wie dieser eine solche Vielzahl von Bedeutungen ansaugen konnte: liturgische und rechtliche, katechetische und dogmatische, gemeinschaftsstiftende und abgrenzende, individualisierende und vergemeinschaftende.126 Mit der Durchsetzung des lutherischen Bekenntnisbegriffs wird der Akt des individuellen Bekennens zugleich als Inbegriff persönlicher und religiöser Freiheit dargestellt und zum Rechtsstatut bürgerlicher Identifikation und Kontrolle erhoben.127 In gewisser Weise etabliert sich darin die reformatorische Idee vom „Priestertum aller Gläubigen“ als überkonfessionelles und staatlich sanktioniertes Modell von Religion. Religiöses Subjekt wird nur, wer sich in einem Bekenntnisakt als solches erklärt, sich damit aber auch einem nicht von ihm, sondern institutionell verwalteten Gesetz unterwirft. Dem Einzelnen räumte dies ein gewisses Maß an Freiheit ein128 genau in dem Maße, wie es ihn zum Untertan (‚Subjekt‘) des so 125 Einem Territorialherren des 16. Jahrhunderts ermöglichte er einerseits die Emanzipation von Kaiser und Papst, andererseits die Erfassung, Normierung und Kontrolle der Untertanen. Dem Kirchenrecht gab er eine als Gesetzestext verwaltbare Gründungsurkunde an die Hand, die staatlich nicht mehr kontrollierbar war und religiöse Gemeinschaftsbildung ebenso ermöglichte wie Abgrenzung nach außen. Einem aufgeklärten Individuum versprach er persönliche Freiheit, Subjektivität und eine demokratische Gemeinschaftsbildung unter dem Stichwort „Priestertum aller Gläubigen“. Dem säkularen Staat gab er ein Konzept an die Hand, anhand dessen Religionsgemeinschaften nicht nur definierbar wurden, sondern auch zentrale Institutionen und Gewalten als Ansprechpartner ausbilden sowie ihre inneren Standpunkte transparent und überprüfbar artikulieren mussten. Der lutherische Bekenntnisbegriff funktioniert als Bündel, das nach vielen Seiten Freiheit verspricht und gerade so Herrschaft sichert. So schreibt Heckel, Reichsrecht, 12: „Das Bekenntnis war nicht nur ein Politicum, sondern auch ein Juridicum ersten Ranges, das gerade als solches erst zum Politicum geworden ist.“ Damit wurde das „Recht ambivalenten Zielen zugeordnet: Einerseits trat es ganz in den Dienst der Konfession, wurde [. . . ] wesensmäßig bekenntnisbestimmt und bekenntnisgebunden und so zum Aufbau der Kirchenordnungen und des konfessionellen Staates benützt. Andererseits wurde es dem Bekenntnis übergeordnet und von ihm abstrahiert, wurde neutralisiert und relativiert und diente zur weltlich-politischen Begrenzung und Entmachtung des Bekenntnisanspruchs beider Konfessionen“ (ders., Reichsrechtliche Bedeutung, 58; vgl. auch Jacobs, Bekenntnisverständnis, 421). 126 Historisch ist die unter dem Stichwort des Bekenntnisses eintretende Totalisierung des Glaubens und des glaubenden Subjekts sowie seiner Vergemeinschaftung eine deutschsprachige Besonderheit. Wo die Verbindung von Verfassungsrecht und Kirchenrecht nicht gegeben war, bildete sich keine vergleichbar umfassende Konzeption heraus. So steht etwa im englischsprachigen Bereich, wo Religionsfreiheit frühzeitig nicht verfassungs-, sondern individualrechtlich geregelt wurde, „confession“ für das Beichtinstitut und damit verbunden für das Sündenbekenntnis. Mit dem liturgischen „creed“ und der lehrhaften „profession of faith“ oder dem „statement of faith“ hat es wenig bis gar nichts zu tun und erst recht nicht mit der konfessionellen „denomination“. 127 Vgl. die kritische Rückfrage von Heckel, Reichsrechtliche Bedeutung, 78: „Zwang das Reichsrecht also die Katholiken insoweit doch zur partiellen Übernahme der ihnen völlig fremden, ja feindlichen reformatorischen Theologie, wenn auch nur im Rahmen der juristischen Normverweisung und Norminterpretation des Reichsrechts hinsichtlich der CA?“ 128 So ist es auch die rechtliche Bindung an das Bekenntnis, deren Anrufung der BK im Kirchenkampf eine gewisse Form von „Widerspruch“ gegen staatliche Übergriffe ermöglicht. Gerade der
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in Form des Bekenntnisses aufgerichteten Gesetzes macht. Das Individuum wird ernst genommen – insbesondere in seinem Gefährdungs- und Störungspotential für die Gemeinschaft. Durch den verpflichtenden Eid129 wird seine Identität in Festlegung auf einen Text konstituiert, der zugleich jederzeit als Gesetz und Gericht angerufen werden kann. Als Zugehöriger zu einem Bekenntnis wird der Einzelne zählbar, verwaltbar, richtbar.130 Auch die Kritik der Aufklärung an der Bekenntnisbindung als Unterdrückungsinstrument führte nicht zu ihrer Aufhebung, sondern lediglich zu ihrer Ausweitung auf weitere diskrete Ausprägungen von Gesetzestexten. Das Gesetz des Bekenntnisses („Du musst dich bekennen!“) wurde so immer noch umfassender.131 Theologisch wurde die Unterwerfung unter das Bekenntnis als Unterwerfung unter den Willen Gottes beschrieben.132 Dies liegt durchaus in der Fluchtlinie bereits des alttestamentlichen ידה, das zugleich Schuldbekenntnis und Doxologie ist. Dieses Modell der Subjektkonstitution lässt sich als aus dem Gehorsam Gott gegenüber folgende Freiheit fassen. So gibt es für den königlichen Menschen „keinen Menschen, keine Natur- und keine Geschichtsmacht, kein Schicksal und keine Ordnungen und offenbar auch keine inneren Grenzen und Hemmungen, an die er gebunden war, mit denen er stehen und fallen mußte, die er zu fürchten hatte: eben weil es für ihn nur ein Müssen gab.“133 Doch bleibt zu fragen: Wird hier einem politischen Instrument hegemonialer Herrschaftssicherung ein religiöser Heiligenschein verliehen? Wird eine ambivalentes Modell der Subjektkonstitution durch Unterwerfung theologisch abgesegnet?
Unterwerfungs- und Bindungscharakter des Bekenntnisses wird hier zur politischen Freiheitsgewinnung fruchtbar gemacht, aber nicht nur in Anrufung der Herrschaft Gottes durch das neu eingeführte liturgische Aufstehen zum Bekenntnis, sondern v. a. auch in Anrufung der rechtlicher Geltung des Bekenntnisses in der von den Nationalsozialisten selbst eingesetzten Reichskirchenverfassung. 129 Erstmalig mussten unter Jean Calvin 1536 in Genf alle Bürger der Stadt einen Eid auf den neuverfassten Katechismus leisten. 130 Bis heute gibt es Länder, in denen die Zivilgerichtsbarkeit in den Händen der einzelnen Religionsgemeinschaften liegt, so dass es tatsächlich das Bekenntnis ist, das den Einzelnen direkt einem bestimmten Gericht unterstellt, etwa im Libanon. Aber auch in Deutschland wurde beobachtet, wie das Bekenntnis mit der Preußischen Agendenreform im 19. Jahrhundert analog zur Heeresparade verstanden wurde: „nicht Äußerung des Glaubens, sondern Ausdruck des Gehorsams gegenüber einer an die Kirche herangetragenen Vorschrift, durch die deren Glieder gleichsam auf Vordermann gebracht werden sollten“ (Busch, Credo, 11). 131 Noch die 1848/50 zugestandenen Bürgerrechte in Preußen sind religionsabhängig, erst 1871 wird die individualrechtliche Freiheit aller Reichsbürger von der Religionszugehörigkeit unabhängig gemacht. Im 19. Jahrhundert verlagert sich die Verrechtlichung des Bekenntnisbegriffs vom Reichsins Kirchenrecht. Die Rheinisch-Westfälische Kirchenordnung von 1835 ist die erste, die die Bekenntnisgrundlage und -bindung des Kirchenrechts 1853 in ihre Präambel einführt. 132 So charakterisiert etwa Track das Bekenntnis als „Ausdruck einer Bestimmtseinserfahrung, einer Mächtigkeitserfahrung“ und zwar explizit als „Zustimmung zur Bestimmtheitserfahrung. Der Bekennende bejaht die Mächtigkeit des ihn Bestimmenden. Unter diesem Aspekt ist Bekenntnis das Gegenteil von Emanzipation“ (Track, Schrift, Bekenntnis und Erfahrung, 169f). 133 Barth, KD IV/2, 180.
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Es scheint, dass der Mensch zum Gehorsam – zur Autonomie – geschaffen ist: Lebt er nicht im Hören auf und Bekenntnis zu Gott, muss er sich selbst ein Gesetz geben, dem er sich unterwirft. Er hat keine Wahl außer die, zu wählen. Kritisch lässt sich zumindest anmerken: Der Verrechtlichung des Bekenntnisses muss jeweils insoweit gewehrt werden, als sie die „confessio qua“ über die „confessio quae creditur“ erhebt.134 Vorsichtsmaßnahmen könnten darum ebenso in der Betonung des selbstrelativierenden Hinweischarakters von Bekenntnistexten bestehen wie auch in der Ablehnung ihrer Permanenz. Statt zu einer überzeitlich gültigen Größe zu werden, können sie je nur als Ausdruck einer spezifischen Extremsituation Gültigkeit beanspruchen.135 Von ihr abgesehen müssen sie wieder in den Hintergrund treten, statt sich zu vergesetzlichen. These 11: Das Bekenntnis setzt durch Berufung auf einen Akt des Glaubens die Ordnung des darauf gegründeten Wissens ein. In ihm ist der Unterschied zwischen Glauben und Wissen sowohl ununterscheidbar wie auch erst begründet. Gerade insofern ist der Ort des Bekenntnisses die Universität. Nicht nur politisch, sondern auch epistemisch gesehen steht das Bekenntnis stets in einer Situation existentieller Ungesichertheit, in der es sich und seine Rede zu verantworten sucht. Dies gilt übrigens nicht nur für das religiöse, sondern auch für das juristische Zeugnis: Es ist anerkanntes, unersetzbares und wichtigstes Beweismittel in Prozessen streng dort, wo es keine Beweise gibt bzw. geben kann.136 Zeugenaussagen werden eingeholt, wo Beweise im engeren Sinne fehlen. Das Zeugnis stellt vor die allgemeine epistemologische Frage nach dem Status von vermitteltem Wissen und dem Verhältnis von Glauben und Wissen. Von Kant bis zu aktuellen kommunitären Zeugnis-Theorien lässt sich festhalten, dass letztlich jede Form von Wissen als sprachlich gefasstes auf Vermittlung und damit Glauben beruht, so dass ein kategorialer Unterschied zwischen Glauben und anderen Erkenntnisquellen, zwischen Zeugnis und Beweis nicht durchgehalten werden kann.137 Als prototypischer Akt des Bekenntnisses hat Luthers Auftritt vor dem Wormser Reichstag Geschichte gemacht. Er weigerte sich zu widerrufen, wenn er nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde; denn weder dem Papst noch den Konzilien allein glaube ich, da es feststeht, daß sie öfter geirrt und sich selbst widersprochen haben, so bin ich durch die Stellen der heiligen Schrift, die ich 134 Vgl. die Kritik von Track, Schrift, Bekenntnis und Erfahrung, 23: „Aus dem Bekenntnis des Glaubens wird ein Glaubensgegenstand gemacht.“ 135 Vgl. die Warnung von Krüger, Strukturen konfessorischer Rede, 39: „Es ist vielleicht zu wenig beachtet worden, dass die Reformationskirchen selbst keine Dogmen, sondern Bekenntnisse formuliert haben.“ 136 Vgl. Derrida, „A Self-Unsealing Poetic Text“; Alloa, Testimony. 137 Einen kurzen Überblick gibt Scholz, Art. Zeuge, Zeugnis I, 1322f. Zur aktuellen Diskussion des epistemischen Status von Zeugnissen vgl. White, Metahistory; Coady, Testimony; Kusch, Knowledge by Agreement; ders., Testimony and the Value of Knowledge; Tozzi, The Epistemic and Moral Role of Testimony. Zu Kant vgl. Gelfert, Kant on Testimony.
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angeführt habe, überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!138
Reformatorisch lässt sich der Glaube verstehen als dieses „Überwunden-Sein“, „Überzeugt-Sein“139 durch die Worte der Heiligen Schrift – das aus dieser Überzeugung heraus gegen andere Überzeugungen diskursiv streitet. Gerade im Zeugnis als unverbrüchlicher Selbstverpflichtung auf das Wort Gottes „erschließt sich eine Freiheit zur Kritik“140 . Während neuzeitlich das Zeugnis als Basis sicherer Aussagen angezweifelt wird, bleibt die Theologie dabei, dass es gegenüber „bloßen Berichten von geschichtlichen Tatsachen“ durch seinen Verweis auf ihre „übergeschichtlichen Werte“ bekenntnisbindend sei, denn „zu einem wirksamen Zeugnis wird die Aussage nur bei gläubiger Beteiligung an dem Gegenstande“.141 Selbst Kant stellt aber fest: Der sogenannte historische Glaube kann daher eigentlich auch nicht Glaube genannt und dem Wissen entgegengesetzt werden, da er selbst ein Wissen sein kann. Das Fürwahrhalten auf ein Zeugnis ist weder dem Grade noch der Art nach vom Fürwahrhalten durch eigene Erfahrung unterschieden.142
Auch angeblich vom Glauben zu unterscheidende Formen des Wissens beruhen auf dem Anerkennen, dem Fürwahrhalten eigener und fremder Erfahrungen und bleiben davon stets abhängig. Ereignisse können nicht aus Datenmengen abgeleitet werden, sondern sich nur durch „Wirklichkeit“ auszeichnen, d. h. durch die Hervorbringungen von Wirkungen. Die Anerkennung der Wirkungen durch den Glauben erst ist es, die in der Bewegung des fides quaerens intellectum „Fakten“ hervorbringt (von lat. facere!).143 Die Existenz einer Wissenschaft wie der Theologie – die auch vor und ohne jede Bindung an spezifische Bekenntnisschriften vom Zeugnis des Glaubens abhängig ist – ist so einerseits ein bleibendes Ärgernis, andererseits aber in ihrem Wesen „als Notstandsmaßnahme“144 nicht einmal ein Sonderfall innerhalb der Universität. Das Festhalten an bestimmten Glaubenssätzen – Axiomen und Methoden, Zielen und Kriterien des Arbeitens – unterscheidet sie nicht von anderen Disziplinen. Wissenschaftstheoretisch lässt sich eine Bekenntnisbindung sogar im Sinne von „good scientific practice“ als transparente Offenlegung gesetzter Grundlagen verstehen. Die Theologie hält wissenschaftlich die Prekarität ihres öffentlichen Zeugnisses als Ertragen der letzten Beweislosigkeit und notwendige Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis fest. Jeder angeblichen abstrakt-universalen Wissenschaftlichkeit hält sie den Spiegel vor und zwingt auch andere Wissenschaf-
138 Wrede (Hg.), Deutsche Reichstagsakten, 581f. 139 Vgl. Grimm (Hg.), Deutsches Wörterbuch, 647–679. 140 Lüpke, Art. Zeuge, Zeugnis II. Theologie, 1326. 141 Kähler, Die Wissenschaft der christlichen Lehre, 23f. 142 Kant, Logik, 9,69. 143 Vgl. auch Barth, Evangelium, 29. 144 Ders., Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie [1922], 156.
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ten, sich zu bekennen: und sei es nur in Abgrenzung zur Bekenntnishaftigkeit der Theologie. Anerkenntnis ermöglicht Erkenntnis, Erkenntnis ermöglicht Bekenntnis im Sinne der Bekanntmachung145 : Die im Christustitel angelegte Spannung zwischen dem universalen Heilshandeln Gottes im priesterlichen und königlichen Amt und der je und je partikularen Zueignung im prophetischen Amt hält den Auftrag zur Verkündigung an alle Welt offen. Die Geschichte Gottes mit den Menschen ist noch nicht vollendet, solange das Christusgeschehen nicht allen offenbar ist.146 „Die ‚Seinen‘ sind virtuell, prospektiv, de iure: alle Menschen als solche – aktuell, effektiv und de facto: die an ihn glaubenden, ihn erkennenden, ihm dienenden und darin auch unter sich verbundenen Glieder seines Leibes, die Christen.“147 In der partikular-geschichtlichen der Offenbarung mit ihrem bleibenden universalen Wahrheitsanspruch dringt das Christusgeschehen bereits ex officio in die Verhandlung auf dem öffentlichen wissenschaftlichen Forum der Universität: „Ex officio: weil es hier um die besondere Bestimmung des officium mediatorium als officium propheticum, als sein Sein und Tun im Ausspruch seiner selbst geht.“148 Das öffentliche Verhandeln und Ringen um die geltenden Grundlagen verhindert den Rückfall der Theologie in die Subjektivität sowohl einer konfessorischen Individualität als auch eines gemeinschaftlichen Konfessionalismus. Das Bewusstsein der Entscheidungsqualität des Bekenntnisses gegenüber diesen – bestimmten – Grundlagen wiederum verhindert die Überhebung in Universalismus. Die sich in dieser Spannung konstituierende Partikularität ist von nichts weiter entfernt als von einem sog. „Bekenntnisrelativismus“149 . Sie hält vielmehr fest, dass erst auf der Grundlage der autoritativen Anerkennung bestimmter Realitäten Erkenntnis entstehen kann: Wirklichkeit kommt vor Möglichkeit, Anerkennung vor Erkenntnis.150 Partikularität (von lat. partes) ist das dezidierte, überzeugte ParteiErgreifen für eine Position im Unterschied und im Gegensatz zu anderen Positionen aufgrund eigenen Ergriffenseins. Es ist ein Streiten für, und darum auch ein Streiten mit anderen, aber als Streit der Überzeugungen auf das Gespräch, und damit auf die Aushandlung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden angewiesen. Die universitas der Universität liegt in der Ent-Scheidung: der Wendung der Differenzen ins gemeinsame Gespräch, in dem Partikularitäten einander wechselseitig als partikulare – nicht subjektive, nicht Universalität beanspruchende, sondern sich ihrer bestimmten Partikularität bewusste und sich zu ihr bekennende – Größen vor Augen treten. Die gemeinsame Sprache und der Verweis auf gemeinsame 145 Vgl. ausführlich ders., KD IV/1, §63. 146 „Er kann aber der Welt und ihnen noch nicht offenbar sein als der, der wie sein hohepriesterliches und königliches, so auch sein prophetisches Werk schon vollendet hat und damit am Ziele ist. Er ist eben noch nicht an diesem Ziele“ (ders., KD IV/3, 301f, Hervorhebung i.O.). 147 A. a. O., 321. 148 Ebd., 323. Ein Appell dafür, „das Geschäft der Theologie von ihrem konfessorischen Ansatz her zu durchdenken und zu betreiben“ findet sich auch bei Krüger, Strukturen konfessorischer Rede, 46. 149 Vgl. Busch, Nähe der Fernen, 588: „Wo Relativismus ist, da ist kein Bekenntnis.“ 150 Vgl. insbesondere Barth, KD IV/1, §63 (Der Heilige Geist und der christliche Glaube).
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Texte bildet den einzig möglichen Anknüpfungs- und Vermittlungspunkt.151 Das homologische Reden der verschiedenen Disziplinen ist dabei nie vor dem Ideologieverdacht geschützt, stellt sich dem aber in der Konfrontation und Diskussion. In der Gemeinsamkeit der Unterschiedenheit in Partikularitäten bestünde die Universität, ohne aus ihnen eine Universalität zu verfügen. Sie verbliebe in der Drehung und Wendung des Partikularen mit- und gegeneinander. Nicht von ungefähr kommt von der Professio fidei als öffentlichem Bekennen des Lehrbestandes nicht nur die Profess (das Mönchsgelübde), sondern auch der akademische Beruf des Professors: Der Professor ist derjenige, der öffentlich den Glauben zu bekennen, ihn zu lehren und für ihn einzustehen hat. Er erklärt den Glauben im doppelten Sinne. Das universitäre Lehramt – auch über die Theologie hinaus, aus der die Bezeichnung ursprünglich stammt, bevor sie auch auf die Amtsträger anderer Wissenschaften angewendet wurde – begründet sich also nicht auf die Ordnung des Wissens, sondern die Ordnung des Glaubens, die jener zugrunde legt, sie erst ermöglicht und von ihr transparent gemacht wird. Auch im weiteren Sinne ist jede „Profession“ die öffentliche Darstellung der Antwort auf die eigene Berufung: „Beruf “. These 12: „Niemand zeugt für den Zeugen.“152 Bekenntnis heißt Christsein im Vollzug und ist als Amt des Christen im dreifachen Sinne unersetzbar. Doch nicht nur juristisch und epistemisch ist das Zeugnis konstitutiv: Die Selbstoffenbarung Gottes vergegenwärtigt sich im Zeugnis und macht dieses unersetzbar für seine Gegenwart in der Welt. Umgekehrt gilt auch: Der Christ ist zum Zeugen Gottes aufgerufen. Nichts kann im Leben eines Christen sein Zeuge-Sein ersetzen. „Die christliche Gemeinde erkennt, daß, was sie, durch die Macht des Heiligen Geistes dazu ermächtigt, von sich aus, in ihrer menschlich-kreatürlichen Spontanität tun, wirken, ausrichten kann, alles zusammengenommen, gerade nur in ihrem Bekenntnis zu Jesus Christus bestehen kann.“153 Alles Heil ist in Christus bereits gewirkt. Nun gilt es, dem Handeln Christi zu folgen und es in der Welt bekannt zu machen: zu bekennen. „Confessio enim est opus fidei precipuum“154 . Die Unersetzbarkeit des christlichen Bekennens lässt sich in drei Bedeutungsnuancen modellieren, die mit dem Lebenszeugnis im dreifachen Amt korrelieren. „Niemand zeugt für den Zeugen“ bedeutet in diesem Sinne: 1. „Niemand zeugt zugunsten des Zeugen“: In seinem prophetischen Amt muss der Christ als Zeuge auch ohne Unterstützung und Rückhalt bekennen. Der 151 Vgl. Schröer, Unser Glaubensbekenntnis heute, 113. 152 Celan, Aschenglorie, 68. 153 Barth, KD IV/3, 901. Vgl. auch die Feststellung von Schlink, Die Struktur der dogmatischen Aussage als ökumenisches Problem, 262, nachdem er als fünf verschiedene Formen theologischer Redeweisen unterschieden hat: „Im Bekenntnis fallen Gebet und Zeugnis, Doxologie und Lehre in eigentümlicher Weise zusammen [. . . ] Die verschiedenen Grundformen der Antworten des Glaubens sind im Bekenntnis geeint und konzentriert in einer unerhörten ‚Sachlichkeit‘ der Aussage.“ 154 Luther, WA, 56, 419:21.
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Welt ins Gesicht bezeugt er in seinem tätigen Bekenntnis der Hoffnung – im Notfall allein – den Willen Gottes. In diesem Ertragen hat er einen hermeneutischen und ideologiekritischen Auftrag gegenüber den Mächten und Gewalten. Niemand, insbesondere nicht er selbst, kann ihm dabei Durchsetzung oder auch nur Gehör verschaffen. 2. „Niemand zeugt an der Stelle des Zeugen“: In seinem hohepriesterlichen Amt tritt der Christ stellvertretend für die Welt vor Gott in Fürbitte und für die Welt in Hingabe ein. In seinem tätigen Bekenntnis des Glaubens hält er die Vermittlung Gottes zu seinen Mitmenschen fest und setzt sich für sie ein. Er hält in der Welt den Platz für Gott und vor Gott den Platz für den Menschen frei. 3. „Niemand zeugt dem Zeugen gegenüber“: In seinem königlichen Amt findet der Christ als Zeuge keinen Richter als Gott allein. Dass er nicht sein, sondern Jesu Christi eigen ist, befreit ihn zum tätigen Bekenntnis der Liebe. So stellt er die Verheißung und Erfüllung der Gerechtigkeit Gottes in der Welt dar und hat darin einen diakonischen und messianischen Auftrag. Der Christ wird nicht zum Christus. Aber indem die Gläubigen Christen sind, haben sie an Christus teil und geben seinem Zeugnis folgend Zeugnis von ihm. So stellen sie in der Welt Pfeile dar, sind Hinweise auf ihn und Gleichnis seiner Gestalt. Wie diese Gestalt aussehen könnte, lässt sich in Auslegung der Rede vom prophetischen, priesterlichen und königlichen Amt konkretisieren. In seinem dreifachen Amt gewinnt der Christus Gestalt im Leben des Christen, wird das christliche Leben zum Christusbekenntnis: Martyria, Leiturgia, Diakonia – Ideologiekritik, Fürbitte, Einsatz für die Schwachen, oder ganz klassisch: Glaube, Liebe, Hoffnung. In der Textur dieser Trias, der man unterschiedliche Namen geben kann, vollzieht sich die bekenntnishafte Existenz des Christentums aller Gläubigen.
Abkürzungen Im Allgemeinen richten sich Abkürzungen nach Duden und H.D. Betz u. a. (Hg.), Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 8, Tübingen 4 2005 sowie S.M. Schwertner (Hg.), Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin/New York 2 1994. Ergänzend bzw. abweichend werden verwendet: Schriften Barths BwBr BwBu Bw ChvK Bw V’tH BwTh I BwTh II BwTh III
CD
GA KD OB I OB II OB III RömI
K. Barth/E. Brunner, Briefwechsel 1916–1966, hg. von E. Busch, GA V.33, Zürich 2000 K. Barth/R. Bultmann, Briefwechsel 1911–1966, hg. von B. Jaspert, GA V.1, Zürich 1971 K. Barth/C.v. Kirschbaum, Briefwechsel I: 1925–1935, hg. von H. Stoevesandt, GA V.45, Zürich 2008 K. Barth/W.A. Visser ’t Hooft, Briefwechsel 1916–1968, hg. von T. Herwig, GA V.43, Zürich 2006 K. Barth/E. Thurneysen, Briefwechsel I: 1913–1921, hg. von E. Thurneysen, GA V.3, Zürich 1973 K. Barth/E. Thurneysen, Briefwechsel II: 1921–1930, hg. von E. Thurneysen, GA V.4, Zürich 1974 K. Barth/E. Thurneysen, Briefwechsel III: 1930–1935. Einschließlich des Briefwechsels zwischen Charlotte von Kirschbaum und Eduard Thurneysen, hg. von C. Algner, GA V.34, Zürich 2000 K. Barth, Die christliche Dogmatik im Entwurf [1927]. Bd. 1: Die Lehre vom Worte Gottes. Prolegomena zur christlichen Dogmatik, hg. von G. Sauter, GA II.14, Zürich 1982 Gesamtausgabe Karl Barth, Zürich 1971–heute K. Barth, Die Kirchliche Dogmatik, 4 Bde. in 14 Teilbänden, Zollikon-Zürich 1932–1967 K. Barth, Offene Briefe 1909–1935, hg. von D. Koch, GA V.35, Zürich 2001 K. Barth, Offene Briefe 1935–1942, hg. von D. Koch, GA V.36, Zürich 2001 K. Barth, Offene Briefe 1945–1968, hg. von D. Koch, GA V.15, Zürich 1984 K. Barth, Der Römerbrief 1919, hg. von H. Schmidt, GA II.16, Zürich 1985
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RömII UidcR VuklA 1905–1909 VuklA 1909–1914 VuklA 1914–1921 VuklA 1922–1925 VuklA 1925–1930 VuklA 1930–1933
Abkürzungen
K. Barth, Der Römerbrief. Zweite Fassung 1922, hg. von C.v.d. Kooi, GA II.47, Zürich 2010 K. Barth, Unterricht in der christlichen Religion [1924]. Bd. 1: Prolegomena, hg. von H. Reiffen, GA II.17, Zürich 1985 K. Barth, Vorträge und kleinere Arbeiten 1905–1909, hg. von H.-A. Drewes/H. Stoevesandt, GA III.21, Zürich 1992 K. Barth, Vorträge und kleinere Arbeiten 1909–1914, hg. von H.-A. Drewes/H. Stoevesandt, GA III.22, Zürich 1993 K. Barth, Vorträge und kleinere Arbeiten 1914–1921, hg. von F.-W. Marquardt/H.-A. Drewes, GA III.48, Zürich 2012 K. Barth, Vorträge und kleinere Arbeiten 1922–1925, hg. von H. Finze-Michaelsen, GA III.19, Zürich 1990 K. Barth, Vorträge und kleinere Arbeiten 1925–1930, hg. von H. Schmidt, GA III.24, Zürich 1994 K. Barth, Vorträge und kleinere Arbeiten 1930–1933, hg. von M. Beintker u. a., GA III.49, Zürich 2013 Sonstige Abkürzungen
BK BTE CR DC GS GW HK HTh
KBA WA
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Literatur Die in den Fußnoten abgekürzten Titel werden hier vollständig bibliographiert. Soweit Titel in den Fußnoten abgekürzt wurden, sind die Kurztitel-Stichworte im Literaturverzeichnis durch Kursivierung hervorgehoben. Zur besseren Lesbarkeit habe ich ältere Zitate teilweise behutsam an moderne Rechtschreibung angepasst. Zitate, die durch starken Abkürzungsgebrauch hervortreten (z.B. Lexikonartikel und Handschriften Barths), habe ich in Übereinstimmung mit dem sonstigen Abkürzungsgebrauch ausgeschrieben. Bei der Zitation von Manuskripten steht der Vermerk „v“ für Vorderseite, „r“ für Rückseite. Protokollhefte von Barths Lehrveranstaltungen werden, sofern sie nicht paginiert sind, unter Angabe von Nummer und Datum der jeweiligen Sitzung zitiert. Werke Karl Barths Barth, K., „Glaube und Werke“. Auszug aus der Vorlesung „Einführung in die reformierte Lehre auf Grund des Heidelberger Katechismus“. S.S. 1937, Typoskript aus dem Nachlass Nelly Barths, KBA. — Moderne Theologie und Reichsgottesarbeit [1909], in: VuklA 1905–1909, hg. von H.-A. Drewes/H. Stoevesandt, GA III.21, Zürich 1992, 334–366. — Vorträge und kleinere Arbeiten 1905–1909, hg. von H.-A. Drewes/H. Stoevesandt, GA III.21, Zürich 1992. — Predigten 1914, hg. von U. Fähler/J. Fähler, GA I.5, Zürich 1974. — Vorträge und kleinere Arbeiten 1909–1914, hg. von H.-A. Drewes/H. Stoevesandt, GA III.22, Zürich 1993. — Predigten 1915, hg. von H. Schmidt, GA I.27, Zürich 1996. — Predigten 1916, hg. von H. Schmidt, GA I.29, Zürich 1998. — Predigten 1917, hg. von H. Schmidt, GA I.32, Zürich 1999. — Der Christ in der Gesellschaft [1919], in: VuklA 1914–1921, hg. von F.-W. Marquardt/H.-A. Drewes, GA III.48, Zürich 2012, 546–598. — Der Römerbrief 1919, hg. von H. Schmidt, GA II.16, Zürich 1985. — Der Heidelberger Katechismus. Vorlesung gehalten an der Universität Göttingen im Wintersemester 1921/22, handschriftliches Manuskript, KBA. — Konfirmandenunterricht 1909–1921, hg. von J. Fangmeier, GA I.18, Zürich 1987. — Predigten 1921, hg. von H.-A. Drewes, GA I.44, Zürich 2007. — Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie [1922], in: VuklA 1922–1925, hg. von H. Finze, GA III.19, Zürich 1990, 144–175. — Der Römerbrief. Zweite Fassung 1922, hg. von C.v.d. Kooi, GA II.47, Zürich 2010.
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3
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12–14, 24f, 35f, 43–45, 47, 50, 52– 54, 60, 63, 68, 76f, 91f, 96, 101, 108, 113–115, 118, 129–132, 135, 138, 142–146, 148f, 151, 153f, 157, 159– 161, 163f, 168, 172, 180, 182, 191, 193, 196, 199f, 203, 206, 222, 227, 231, 236, 242 35f, 43, 54–56, 60, 63, 76f, 152, 156, 180f –4 144 56, 60 –5 132 –9 182 –11 130 –21 77 56, 77 –5 77 12, 25, 56f, 77, 154f, 200 –7 225 –10 144
6 –8 57, 67 8 189 9 58 10 59 –11 59, 182 –14 144 –17 167 –18 159, 167 12 –18 12, 60, 151, 182f –19 60 –21 59 13 144 –14 61 –17 187 15 –17 60, 145, 154
–19 130, 144, 206 62f, 67, 144, 160, 163f, 166, 183, 187 –21 61f 19 62f, 144f, 160, 166 20 65, 67, 147, 185 –21 144 21 43, 50, 101, 128, 130, 133, 144, 200, 206 22 154, 156 –24 144 –129 43, 66 24 185 25 43, 66, 185 –26 144f 26 43, 144, 159f, 200 –28 12, 128, 130, 151, 186 27 144 –28 43, 66f 28 144 29 144, 187 –30 43, 145 –34 186 30 130, 132, 144, 187 31 14, 17, 66, 76, 130, 144f, 147–149, 159f, 163f, 187, 205–207, 212, 215, 221, 234 –32 18, 43, 77, 133, 144, 148, 151f, 159, 172, 180, 188f, 203f, 206, 213, 217, 256 32 14, 17, 66f, 76, 128, 130, 133f, 136, 145, 147–149, 154, 156, 160, 169, 171, 180, 187f, 195, 205–208, 210–213, 215, 223, 230, 234, 238 33 160, 187 –34 43, 130 –35 145 –37 144 18
Register der Stellen des HK
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144, 154, 159f, 163, 166, 168, 187 154 –36 43 –44 186, 188 145 –40 159 145, 225, 231 –42 77 –44 43 –42 130
144
–43 159 66, 134, 144f, 151, 156, 187, 230, 238 –44 144 –45 159 –47 144 44 145, 231 45 43, 66, 77, 130, 144f, 159f, 165, 187, 230 –49 186, 188 46 145, 182, 187 –49 160 –56 43, 67 47 145, 159 –48 12, 151, 154, 177, 190 48 144, 151 49 54, 77, 130, 144f, 159f, 163, 165, 187, 230 –54 159 50 130, 145, 169 –52 144, 190 51 145, 169f 52 25, 66, 130, 145, 159, 162f, 199f, 225, 230 –54 144 53 54, 146f, 161, 192 –55 144 –58 191 54 12, 25, 67, 91f, 101, 118, 144–146, 148, 151, 156, 182, 200, 225, 236 –55 130 43
57
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67, 77 128, 130, 145, 159 –58 144 43, 145, 159, 162f –58 130, 160 –60 144 43, 54, 145, 162f
–64 43, 192 144f, 148, 151, 160, 171, 200, 225 –61 128, 130 –62 159 –67 130 61 144, 200, 225 62 134, 144, 148 –63 144 –64 128, 130 63 148 64 77, 200, 225, 238 –65 144 65 128, 130, 144, 159f, 166 –68 43, 67 66 145 –67 144, 159 67 144f, 160, 166 68 144 69 144 –74 43, 67, 146, 154 70 77, 144f, 159 71 –74 144 72 177 74 193 –76 159 75 25, 145, 199 –76 144 –79 177 –81 43, 67 76 77, 144f, 171, 230 77 144 78 144 79 25, 144f, 159 80 25f, 144, 168, 193 –129 194 60
38 40 42
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Register der Stellen des HK
144, 148, 159 –91 77 –129 13, 194
82 –85
43, 66f, 144
83 –85 130 194 12, 54, 134, 144–146, 160, 200, 238 –90 159 –91 43, 128, 130, 144 87 134 88 144 89 156 –90 144 90 134 91 134, 200 92 144 –113 43 93 144 94 –95 145 –96 144 –97 130, 132 97 132 98 25, 118, 130 85 86
102 –103 159 103 130, 169 113 144, 159, 195 114 134, 156 –115 128, 130 –116 144 115 77, 134, 144, 148, 159, 169 116 238 –118 130 –119 43, 135 117 144, 148, 160 118 144 119 144 120 144f –129 43 121 144 122 91, 156, 238 –129 144 123 12, 145, 238 –124 144, 159 124 145 126 159 127 145, 156, 159, 169 –128 144 128 145, 169 129 130, 135, 238
Personenregister Achelis, Ernst Christian 21f Adam 189 Aerne, Peter 97 Algermissen, Konrad 259 Algner, Caren 123, 243, 246 Allen, R. Michael 69 Alloa, Emmanuel 281 Alpen, Heinrich Simon van 34 Althaus, Paul 34, 51 Anschütz, Gerhard 278 Anselm von Canterbury 14, 41, 60f, 167, 225, 247 Asmussen, Hans 94, 112, 117, 125 Assel, Heinrich 259 Athanasius 41 Augustinus, Aurelius 261 Balthasar, Hans Urs von 14, 17, 73, 153–158, 160, 208 Bar-Hillel, Yehoshua 240 Barth, Anna 135f Barth, Christoph 111f Barth, Fritz 20–22, 29 Barth, Heinrich 36, 86 Barth, Nelly 128 Barth, Peter 24 Bäumler, Christof 218 Bautz, Friedrich Wilhem 20 Beck, Johann Tobias 90 Beintker, Michael 14, 146, 174, 249 Bergmann, Ernst 95 Bertholet, Alfred 31 Beutler, Johannes 259, 267f Biedermann, Alois Emanuel 90 Bierma, Lyle D. 151, 253 Blaser, Klauspeter 213 Blumhardt, Christoph 35, 41 Blumhardt, Johann 35
Boberach, Heinz 106, 123, 139 Bochinger, Christoph 258–260, 262, 270f, 277 Bodelschwingh, Friedrich von 105 Bonhoeffer, Dietrich 248, 274 Bornkamm, Günther 263f, 270f Bornkamm, Karin 212, 214, 235 Breit, Thomas 112 Bretschneider, Karl Gottlieb 60 Brunner, Emil 36, 90f, 147, 157, 199 Brunotte, Heinz 122, 253 Bullinger, Heinrich 35, 44, 80, 253 Bülow, Vicco von 97 Bultmann, Rudolf 30, 51, 70, 248 Bürk, Bruno 259 Busch, Eberhard 12f, 20f, 23, 27, 29, 31, 35f, 61, 73, 79, 86, 96, 121, 123, 125f, 152f, 173, 187, 194, 198, 205, 217, 241, 248, 251, 278, 280, 283 Butin, Philip W. 212, 214, 233, 236 Butler, Gerald A. 246 Butler, Judith 278 Calvin, Jean 30f, 35, 41f, 44, 53, 55– 59, 64, 73, 75, 77f, 80, 82f, 87, 90, 118f, 125, 127, 130, 132, 141, 145, 168, 179, 207, 212f, 217f, 229, 234, 280 Celan, Paul 284 Clemen, Carl 258 Coady, Tony 281 Collet, Giancarlo 273 Crimmann, Ralph P. 14 Dalferth, Ingolf U. 51, 241, 271 Dalton, Hermann 35, 40 Dannemann, Ulrich 15, 217, 246 David 165 Denecke, Axel 33
314
Personenregister
Derrida, Jacques 281 Deuerlein, Ernst 259 Dilthey, Wilhelm 64 Dobschütz, Ernst von 51 Doedes, Jakob Isaak 35 Dombois, Hans Adolf 277 Dostojewski, Fjodor 35 Drewes, Hans-Anton 127f, 206, 243 Drews, Paul 21f Eichholz, Georg 243 Eisenhofer, Ludwig 259 Eisler, Rudolf 256 Elert, Werner 114, 116 Epting, Ruth 127 Etzelmüller, Gregor 145 Fagerberg, Holsten 272 Fangmeier, Jürgen 20, 23f, 54, 56, 176 Feige, Gerhard 259, 276 Finsler, Georg 20, 23 Fischer, Friedhelm 36 Fischer-Barnicol, Hans Adolf 30, 253 Fleming, John Robert 89 Flynn, William 259 Forsthoff, Heinrich 97, 121 Fransen, Piet 259 Freiling, Elisabeth 128 Freudenberg, Matthias 12–14, 16, 20, 24, 29–32, 40, 72, 75, 96, 212, 214, 243, 252 Frick, Max 96 Friedrich III. (Pfalz) 262 Friedrich, Karl 258 Fulda, Friedrich 136 Fürst, Walther 257, 276 Gelfert, Axel 281 Genest, Hartmut 33 Gerhardt, Paul 27 Gloege, Gerhard 272
Goebel, Max 40 Goeters, Johann Friedrich Gerhard 29, 32, 85, 88 Goethe, Johann Wolfgang von 37, 68 Gogarten, Friedrich 36, 63f, 105 Gollwitzer, Helmut 105 Gooszen, Maurits Albrecht 35 Görisch, Christoph 278 Gorringe, Timothy 15 Graf, Friedrich Wilhelm 249 Gräfrath, Bernd 259 Greschat, Martin 173f, 176 Greshake, Gisbert 61 Grimm, Jacob 258, 267, 282 Grünewald, Matthias 51 Grünschloß, Andreas 273 Hadorn, Fritz 127f, 135 Halaski, Karl 200 Hancock, Angela Dienhart 106 Härle, Wilfried 29 Harnack, Adolf von 29 Hauptmann, Peter 258 Hauschild, Wolf-Dieter 94, 113, 115f, 120 Heckel, Martin 278f Heidegger, Martin 274 Heilmann, Johann Adam 29f, 81 Heppe, Heinrich 76, 91, 130, 258 Hermle, Siegfried 94 Herrmann, Wilhelm 21f, 29, 49 Herwig, Thomas 110, 126, 177f, 201 Hesse, Hermann Albert 85f, 100, 119, 123, 125 Hessel, Egon 102 Hirsch, Emanuel 32, 105 Hitler, Adolf 97, 100, 111, 138, 153, 201 Hofmann, Konrad 259, 276 Hoheisel, Karl 259, 265 Holtmann, Stefan G. 249 Horn, Fritz 121 Hromádka, Josef L. 138, 140, 142
Personenregister
315
Huber, Wolfgang 194 Hubert, Hans 157 Hunsinger, George 15, 51, 246
Kunz, Lucas 259 Kupisch, Karl 30 Kusch, Martin 281
Ihmels, Ludwig 258, 276 Immer, Karl 125
Lampe, Friedrich Adolph 34 Lanczkowski, Günter 258, 276 Lang, August 29, 34, 41, 60, 81, 85, 144, 183, 245, 253 Lao-Tse 35, 62, 71 Lasko, Johannes a 35, 44 Laubscher, Martin 218 Lauterburg, Moritz 35 Leiner, Martin 273 Lekebusch, Sigrid 97f, 109, 114, 117, 120f, 123 Leppin, Volker 259 Lessing, Gotthold Ephraim 157 Lindbeck, George 242 Link, Christian 194 Lorenz, Kuno 240 Lüpke, Johannes von 282 Luther, Martin 35, 41, 44, 53–55, 57, 68, 78, 94, 118, 125, 131, 179, 200, 213, 225, 235, 245, 256f, 275f, 281, 284
Jacobs, Manfred 94, 279 Jacobs, Paul 245, 277 Jäger, August 105, 111 Jansen, John Frederick 214 Johannes der Täufer 38, 48, 52, 254 Jud, Leo 35, 44, 56 Jüngel, Eberhard 68, 217, 249, 252, 256 Kähler, Martin 282 Kambartel, Friedrich 259 Kant, Immanuel 281f Kasper, Walter 277 Kattenbusch, Ferdinand 258, 260 Kawerau, Gustav 258 Keckermann, Bartholomäus 55 Keller, Adolf 110 Kelly, John N. D. 257, 261 Kierkegaard, Søren 35, 41, 48 Kinzig, Wolfram 173, 198 Kirschbaum, Charlotte von 128 Klappert, Bertold 16 Klein, Aloys 259 Kluge, Friedrich 265 Knecht, August 259 Koch, Karl 111 Kohlbrügge, Hermann 121 Köhler, Walther 258 Kooi, Cornelis van der 249 Kraus, Hans-Joachim 197 Krause, Reinhold 108 Krebs, Engelbert 259 Kreck, Walter 15 Kretschmar, Georg 113, 278 Krötke, Wolf 15, 114 Krüger, Friedhelm 272, 281, 283 Kühn, Ulrich 276
Mallet, H. 258, 260 Manser, Anselm 259 Marahrens, August 111, 123 Marquard, Reiner 52 Marquardt, Friedrich-Wilhelm 14f, 136, 138, 205, 246–248, 253 Maßmann, Alexander 256 McCormack, Bruce L. 12, 14–16, 29, 36, 70, 91f, 100, 124, 249 Mehlhausen, Joachim 93, 96, 99, 103f Meier, Kurt 117, 121 Meiser, Hans 111, 123 Melanchthon, Philipp 35, 56f, 64, 76, 90, 101, 130, 225, 270 Melzer, Friso 262 Merz, Georg 102f Meyer, Harding 259, 276f
316
Personenregister
Meyer, Wilhelm G. A. 144 Micron, Marten 35, 44 Miege, Frank 240 Mildenberger, Friedrich 16, 266, 271 Moltmann, Jürgen 14, 113 Mulert, Hermann 258, 272 Müller, E. F. Karl 29, 31, 34, 169 Müller, Hans Michael 106 Müller, Ludwig 97, 100, 106 Mützlitz, Nina-Dorothee 250 Neuser, Wilhelm H. 109, 136 Nicolaisen, Carsten 111f Niebuhr, Reinhold 201 Niemöller, Martin 111, 125f, 250 Niesel, Wilhelm 12–14, 72, 94, 98, 100, 105, 114, 121, 151, 219, 278 Oberdorfer, Bernd 259 Obst, Gabriele 245 Ohst, Martin 259 Olevian, Caspar 20, 44, 55, 83 Opitz, Peter 253 Otterbein, Georg Gottfried 34 Outrein, Johannes d’ 34 Pangritz, Andreas 138f Paulus 37, 41, 56, 70, 108, 250 Peters, Albrecht 113 Peters, Christian 258 Petrus 92 Petrus Lombardus 90 Pieroth, Bodo 278 Pius IV 277 Plasger, Georg 11–14, 42, 61, 72, 74, 78, 100, 105, 140, 151f, 176, 199f, 212f, 217, 238, 242, 255, 269, 271 Plato 35 Plitt, Jakob Theodor 35 Pöhlmann, Horst Georg 115 Probst, Manfred 259 Proksch, Otto 51 Przywara, Erich 123
Qu, Thomas 37 Quaas, Ludwig 173 Rade, Martin 29 Ragaz, Leonhard 90 Rahner, Karl 223 Rasmusson, Arne 106 Ratschow, Carl Heinz 258, 276 Reese, Hans-Jörg 93–95, 98, 122 Reichel, Hanna 33 Reissinger, Julius 95 Reiter, Ernst 259 Rich, Patricia 127f, 206, 243 Richey, Russell E. 259 Ritter, Adolf Martin 259–261 Rohkrämer, Martin 138–140 Rommel, Kurt 272 Roosevelt, Eleanor 189 Rothen, Bernhard 54 Rousseau, Jean-Jacques 261 Sack, Karl Heinz 35 Salomo 165 Sasse, Hermann 99, 112, 117 Sauter, Gerhard 196 Scheeben, Matthias Joseph 223 Scheel, Otto 258 Schelhas, Johannes 51 Schellong, Dieter 106, 116, 246, 248 Schick, Ludwig 223 Schiller, Friedrich 35, 80 Schlatter, Adolf 79 Schleiermacher, Friedrich 31, 70, 83, 90 Schlink, Edmund 264, 284 Schmid, Heinrich 130 Schmidt, Kurt Dietrich 94f, 97f, 102f, 111, 114, 117 Schmithals, Walter 71 Schneider, Paul 126 Scholder, Klaus 93, 100, 116 Scholl, Hans 54 Scholz, Oliver R. 263, 281
Personenregister
Schreiter, Robert J. 273 Schröer, Henning 261, 268f, 276, 284 Schröter, Fritz 242 Schwarz, Hans 261, 276f Schwier, Helmut 259 Semmelroth, Otto 223 Shakespeare, William 256 Siller, Annelore 244 Slenczka, Notger 273 Slenczka, Reinhard 101, 261 Southern, Richard W. 61 Spengler, Oswald 36, 59 Spoendlin, Wilhelm 23, 29, 32 Spree, Axel 256 Stähelin, Christoph 34 Stähelin, Johann 154f, 157 Stange, Carl 32 Stauffenberg, Claus Schenk Graf von 153 Steck, Karl 248 Stein, Albert 266 Stenzel, Alois 259 Stierle, Karlheinz 240 Stoevesandt, Hinrich 54, 105, 116, 251 Stoll, Christian 112 Strohm, Christoph 95, 253 Sudhoff, Karl 20, 35 Sumner, Darren O. 151 Tersteegen, Gerhard 27 Thelemann, Otto 35 Thierfelder, Jörg 94 Thomas von Aquin 56f, 227 Thurneysen, Eduard 18, 24, 27, 29, 31–34, 36, 39, 43, 45, 55f, 60–64, 66, 73, 75, 78, 82, 85f, 121, 123, 241 Tökés, Istvan 187 Torrance, Thomas F. 14 Tozzi, Veronica 281 Track, Joachim 272, 280f
317
Triebel, Johannes 267 Trillhaas, Wolfgang 31f, 71, 73 Troeltsch, Ernst 64 Trowitzsch, Michael 71 Tshaka, Rothney S. 13, 16 Tügel, Franz 106 Ulrichs, Hans-Georg 247 Ursinus, Zacharias 20, 35, 44, 55f, 58, 64, 73, 144 Vincent, Markus 259 Visser ’t Hooft, Willem Adolf 126f, 177 Vogel, Heinrich 125 Vorgrimler, Herbert 223 Vorländer, Herwart 84, 97, 121 Vries, Jan 259 Wackernagel, Jakob 30 Weber, Otto 55, 97, 212, 217, 245 Webster, John B. 252 Weinrich, Michael 16, 246 Weldenfels, Hans 257, 259, 261, 275, 277 Welker, Michael 69, 203, 250 Wenzel, Knut 272 White, Hayden 281 Wirsching, Johannes 258f, 263, 266, 276f Wirth, Paul 259 Witte, Petrus de 34 Wolf, Ernst 258 Wolff, Klaus 48 Wolters, Albrecht 35 Wrede, Adolf 282 Wurm, Theophil 111 Zeller, Hermann 259–261, 265, 271f Zocher, Peter 102 Zwingli, Huldrych 20, 35, 75, 83, 179
Sachregister a posteriori 45 a priori 57, 60, 161, 183 Aargau 23 Abendmahl 42, 87, 109, 119, 141, 146, 148, 161, 171, 176f, 179, 190, 192f, 214, 216, 237f, 267 Aberdeen 125, 137, 141 Absolutheit 62, 71, 80, 84, 106, 122, 143, 175, 188, 263 Abstraktheit 27, 62, 107, 136, 139f, 143, 147f, 168, 174, 177, 187, 196, 205, 213, 215, 224, 227, 240, 243f, 279, 282f Abwesenheit 267 ad fontes 50, 251f Adiaphora 113, 151 advocatus diaboli 70 Agendenreform 280 Akklamation 116, 214, 267, 270f Akt 50, 80f, 84, 87f, 103, 110, 117, 121f, 125, 133, 140, 154, 166, 184, 189, 235, 247, 260, 262f, 265, 268, 270– 273, 277–279, 281 Aktivierung 149, 196f, 218, 228, 232, 234 Aktivität 53, 67, 84, 136, 150, 154, 179, 196, 206, 208, 210, 212, 221, 228, 269, 274f Aktualisierung 268f Aktualismus 72, 121, 252 Aktualität 127, 262 Allversöhnung 167, 190, 235 Alte Kirche 90, 257, 259, 263, 276 Altes Testament 38, 59, 64f, 73, 102, 108, 134, 145, 164f, 169, 176, 183, 187, 197, 205, 215, 225, 244, 269, 280 Altonaer Bekenntnis 94, 123
Ambivalenz 11, 13, 34, 36, 44, 46, 59, 66, 68, 73, 78, 92, 173, 181, 197, 223, 265, 272, 278, 280 Amsterdam 201 Amt 67, 87, 102, 124, 179, 187f, 192, 204, 211, 220, 222f, 225f, 228, 232, 255, 284 Amt, dreifaches 14f, 17f, 66, 116, 133, 145–152, 159, 164–166, 170–172, 174, 180, 195, 203, 205f, 208, 210, 212, 216–218, 232, 235f, 238, 244, 284f Amt, königliches 67, 102, 145–150, 152, 154, 159f, 163–170, 172, 207– 210, 212–214, 218–221, 229–232, 280, 283, 285 Amt, priesterliches 67, 145, 147– 149, 152, 154, 159, 163–169, 172, 207–210, 212–214, 218–221, 224– 229, 283, 285 Amt, prophetisches 67, 145, 147f, 154, 159, 164–166, 169, 203, 207– 210, 212, 214, 218–224, 228, 268, 283–285 Analogie 149, 157, 165, 186, 218, 220, 227, 230, 233, 238 analytisch 55, 130, 142, 144 Aneignung 22, 92, 117, 126, 188, 216, 218, 234f, 268f Anerkennung 87, 122, 206, 227– 229, 264, 277, 282f Anfang 90f, 173f, 183f, 186, 248f, 252 Angebot 124, 211, 241 Anrede 211, 273 Ansbacher Ratschlag 117 Anschaulichkeit 49, 55, 57, 70, 126, 189
Sachregister
Anspruch 81, 96, 112, 114, 212, 238, 269 Anthropologie 14, 19, 47, 57f, 72, 77, 95, 101, 145, 147f, 150f, 154–156, 172, 182, 203f, 208, 213, 217, 245, 247 Anthropozentrik 43, 45f, 74, 131, 178, 182, 247 Anti-These 53, 190, 260 Antisemitismus 89, 187 Antwort 76, 81, 101, 103, 110, 115, 117, 129, 150, 157, 181, 195, 201, 226, 237f, 263f, 268, 270, 273, 275, 284 Anything goes 59 Apartheid 89 Apokalyptik 36, 126 Apologetik 20, 26, 57, 63, 67, 72, 75, 172, 260 Aporie 58f, 61, 66, 69 Apostel 223, 242f, 265 Apostolikum 90f, 94, 107, 125, 141, 161, 173, 186, 209, 258 Äquivokation 256f Arbeit 53, 62, 97, 102, 114, 125, 152, 175, 194f, 242, 248, 282 Arierparagraph 103, 105f assensus 101, 114, 133 Atombombe 183, 199 Auferstehung 50, 69, 100, 135, 146, 154, 159, 189, 193, 199, 208, 227, 235, 267 Aufhebung 47, 49–51, 148, 226, 280 Aufklärung 20, 95, 195, 273, 280 Augenblick 33, 41, 87, 147, 191, 207 Augsburg 123 Augsburger Reichstag 257, 278 Augsburger Religionsfrieden 151, 276, 278 Ausgießung 53, 170, 222 Autobiographie 261 Autonomie 98, 278, 281 Autor 70f, 119, 155, 171, 251
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Autorität 11, 13, 18, 21, 26, 29–31, 42, 65, 79–81, 83, 87, 90, 92f, 98f, 108, 113f, 118–122, 128, 142, 152, 155f, 161, 198f, 221, 242f, 246f, 260, 262, 271, 277, 283 Bad Oeynhausen 117 Barmen 100, 108, 111f, 123 Barmer Theologische Erklärung 13f, 17, 88, 99, 101, 103f, 111–117, 122, 132, 138, 140, 179, 199, 201, 221, 245, 253, 275 Barmherzigkeit 62, 91, 119 Barthianer 196, 198, 249 Basel 124, 126f, 139, 159, 174, 199, 208 Bau 58, 129, 155, 181, 217f Bayern 97, 104, 111, 266 Beichte 279 Bekanntmachung 264f, 267, 283f Bekennen 11, 13, 15, 17f, 83, 89, 93f, 96f, 99, 101, 110, 119, 121f, 124f, 127, 129, 134, 150, 154, 160f, 184, 188, 199, 201, 206, 211, 219, 227–229, 247, 250, 252, 256, 262, 264, 266, 269–272, 279, 284 Bekennende Kirche 93, 111, 119, 123, 126, 135–137, 139f, 264, 279 Bekenntnisauslegung 13, 15, 74, 137, 140, 185, 203, 247, 250 Bekenntnisbegriff 12–15, 19, 21f, 27f, 33, 75, 79–81, 88, 94, 96, 98f, 105, 112f, 117, 176, 256, 260–263, 276, 278f Bekenntnisbindung 20, 28, 122, 125, 142, 247, 255, 282 Bekenntnisfrage 17f, 28, 92f, 98, 187, 199 Bekenntnishaftigkeit 13, 15, 18, 283 Bekenntnislosigkeit 110, 276 Bekenntnispredigt 25 Bekenntnisschriften 11, 17, 20f, 23–25, 27f, 30f, 33, 37, 75–81, 83, 90f, 93, 96f, 99, 104, 106, 110, 113f,
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Sachregister
117f, 120, 122, 124–126, 137, 153, 177, 199, 212, 241, 250, 258f, 266, 269, 272f, 276, 282 Bekenntnisstand 89, 93f, 96, 113, 120, 123f, 261, 263, 275f Berlin 20 Berner Synodus 75 Berufung 95, 149, 211, 216f, 221f, 228, 233f, 265, 284 Bewahrung 72, 148, 181, 216 Bewegung 12, 18, 30, 34, 50f, 56, 58, 62, 69, 73, 80f, 121, 146, 157, 161, 167, 171, 175, 182, 201, 214, 230–232, 236, 249, 254, 261, 270, 282 Beweis 22, 41, 63f, 155, 183, 281, 283 Bezahlung 60, 159 Bischof 97f, 102, 106 Blut 52, 103, 146–148, 159, 162–167, 170, 172, 181, 187, 193, 207–210, 238 Bolschewismus 22, 96 Bonn 97, 103, 112, 118, 125, 127, 159, 172, 181, 186, 198, 210, 243 Brauchbarkeit 59, 76, 83, 91, 177 Bruch 29, 33, 138, 248, 275 Brüchigkeit 58f, 73 Bruderrat 117, 123 Buße 159, 174, 183, 187, 270 Buchstabe 64, 153, 270 Bund 28, 126, 182, 186f, 193, 216, 242, 263f calvinisch 30, 40, 44, 50, 53–56, 67, 77f, 101, 160, 176, 205, 218 Cardiff 85 Catechismus Genevensis 44, 56, 83, 90f, 96, 125, 213, 280 Catechismus Romanus 73, 155, 157, 160 Charisma 29, 165, 187 Christ 14, 18, 46, 54, 66, 82, 101f, 108, 111, 115, 124, 127, 133, 136, 141, 146–150, 153, 156, 171, 173, 180f, 185–188, 190, 194, 196f, 203–212,
215, 217–219, 221–224, 226–237, 245, 260, 264f, 268, 270, 283–285 Christentum 42, 57, 63, 65, 75, 78, 94f, 98, 107, 122, 126–128, 153, 177, 179, 194, 198, 211, 215, 229, 232, 234, 241, 246, 262, 272, 276, 278, 285 christlich 12, 14, 18f, 25, 27, 30, 41, 44, 48, 50, 53, 57, 60, 62f, 71, 81, 86f, 89, 92, 95, 99, 103, 107, 116, 124, 126, 128f, 134, 137, 142f, 150, 152f, 156, 165, 170, 172, 174–179, 181, 183, 195, 198, 204f, 208, 211, 215, 217, 219, 231, 233–238, 242, 244, 247, 253– 255, 257f, 260, 262, 265 Christologie 14, 19, 42, 49, 58, 60, 62f, 66, 102, 104, 114, 132, 136, 143f, 146–148, 150f, 163, 168, 171f, 174, 179, 185–187, 189, 191f, 197f, 200, 203–206, 209, 213–215, 217, 233– 237, 243–246, 277 Christozentrik 14, 17, 41, 110, 114, 124, 129, 143, 162, 170, 172, 178, 197, 205, 212, 245–247, 253 Christsein 15, 18, 67, 134, 136f, 149, 197, 206, 211f, 219, 229, 231–234, 237, 244f, 256, 284f Coetus 88, 202 conditio humana 58 Confessio Augustana 78, 87, 97f, 112, 134, 257, 278f Confessio Gallicana 126 Confessio Helvetica Posterior 44, 90, 96, 126 Confessio Helvetica Prior 98 Confessio Helvetica Tertia 83 Confessio Scotica 125 Confessio Sigismundi 75 Confessio Tetrapolitana 75, 98 Consensio mutua in re sacramentaria 75 corpus christianum 193, 224 creatio continua 25 Credo 88, 125, 184, 258–260, 262f, 268f
Sachregister
Dankbarkeit 76, 101, 119, 134f, 142, 148, 150, 152, 154, 159, 172, 176, 180f, 184, 187f, 192, 206, 208, 210, 238, 242, 263 Dankopfer 67, 133f, 205, 207f Dasein 58, 181, 222, 230 Davos 136 Deduktion 183, 187, 269 Definition 133, 155, 185, 198, 244, 261f, 266, 272, 275, 278 Dekalog 141, 154, 194f, 208 Dekonstruktion 248 Demokratie 149, 161, 165, 176, 179, 196, 214, 228, 232, 234, 254 Denomination 259, 262, 278f Destruktion 58f, 62, 180 Determinismus 58 Deutschapostolikum 95 Deutsche Christen 89, 93–97, 99f, 103–109, 111–113, 116, 121f, 124, 136, 253 Deutsche Evangelische Kirche 100, 108f, 111f, 123, 140 Deutschland 17, 36, 55, 78, 95f, 100, 106, 108, 124, 126f, 135–137, 139f, 173f, 176, 201, 240f, 244, 274, 276, 278, 280 Deutschreligion 95 Dezentralismus 110 diagonal 130, 132, 142, 174 Diakonie 169, 220, 285 Dialektik 31, 34, 36–38, 47, 49f, 53, 57, 61–64, 66, 69–72, 87, 136, 146, 152, 160f, 172, 177, 189, 198, 224, 234, 242, 249, 272 Dialektische Theologie 14, 30, 36, 38, 106, 110 Diastase 30, 53, 224 Didaktik 24, 55, 79, 129f, 173, 249 Dienst 42, 72, 74, 98, 103, 121, 164, 179, 181, 192, 195f, 211, 220f, 223, 228, 231f, 252, 254 Diktatur 93, 97, 197 Diskontinuität 14f, 139, 248
321
Distanz 16, 26, 29, 33, 50, 52, 57, 152, 188, 222, 266, 270, 273, 275 doctrina 87, 122, 127, 263 Dogma 26, 50, 82f, 87, 90f, 198, 254, 257, 262, 281 Dogmatik 11, 13f, 17–19, 21f, 31, 33, 51, 53f, 58f, 63, 65, 78, 89–91, 124f, 128, 130, 155, 172–174, 179, 196, 202, 212, 215f, 223, 246, 254f, 257, 273, 277, 279 Dordrecht 75, 83, 262 Doxologie 101, 155, 220, 261, 265f, 280, 284 Dreimännerkollegium 100, 102 Drittes Reich 17, 118 Duisburg 85f Düsseldorfer Thesen 98, 102 Dynamik 11, 26, 34, 47, 63, 87, 135, 171, 210, 253 Egoismus 185, 222 Ehre 38, 60, 134, 194 Eigentlichkeit 230, 272 Eindeutigkeit 45, 136, 248, 253, 272 Einheit 21, 40, 49, 53, 55, 57, 77, 79, 86, 98, 108, 122, 130, 141, 144f, 148, 177, 203, 207, 213, 236, 270, 272, 275, 284 Einsetzungsworte 193 Ekklesiologie 12, 14, 19, 67, 79, 92, 95, 102, 110, 115, 118, 145, 149f, 152, 156f, 176, 179, 185, 187, 192, 199f, 203f, 208, 213, 217f, 223, 245, 276 Elend 55f, 76, 91, 131, 134, 142, 147– 150, 180–184, 194, 217 Emanzipation 234, 273, 279f Emden 81, 85 Emder Katechismus 44 Empirie 46 England 138 Enteignung 47, 222 Entfremdung 52, 272 Entmythologisierung 189
322
Sachregister
Entscheidung 12, 23, 55, 57, 74, 84, 110, 117, 129–131, 135, 137–139, 151, 162, 171, 182, 185, 188, 194, 227–229, 242, 249, 251, 253, 261, 264f, 268, 271, 274, 283 Entsprechung 134, 180, 187f, 191, 194, 208, 210, 215, 220, 226–231, 233f, 266, 271 Entweder-Oder 70, 135 Enzyklopädie 180, 258f Epheserbrief 31f, 43, 64, 74 Erbarmen 211 Erbauung 44, 49, 56, 70, 159, 217 Erbe 43, 55f, 65, 73, 82–84, 96, 200 Erbsünde 58, 156, 199 Ereignis 47, 88, 116f, 121, 123f, 136, 142, 171, 179, 184, 192, 196, 231, 233, 243f, 260, 265–267, 271–273, 282 Erfahrung 22, 27, 55, 57, 101, 124, 131, 151, 170, 184, 201, 266, 268f, 271f, 282f Erhebung 37, 102, 136, 230f Erkenntnis 48f, 51–54, 56, 58, 65, 69, 71, 74, 80, 88, 91f, 96, 98, 101, 114, 130, 133f, 145, 150, 175, 183f, 186, 201, 206, 227–229, 236, 253, 256, 264, 268, 281–283 Erlebnis 52, 63, 153, 171 Erlösung 55, 61–63, 72, 76, 131, 134f, 142, 144–148, 150, 154f, 159f, 162–164, 166–168, 171f, 180–187, 192, 194, 196, 206–208, 214, 221, 224f, 234, 238, 244 Ermahnung 100, 131, 142, 149, 154f, 238 Erstes Gebot 89, 105, 109, 124, 132, 136 Erwählung 78, 115, 118, 124, 149, 221, 236 Erweckung 218, 222, 236, 268 Eschatologie 50, 53, 92, 101, 135, 139, 145, 162f, 178, 180f, 184–186, 189f, 192f, 195f, 214, 270
Ethik 12, 14, 51, 84, 89, 94, 105, 116, 138, 141, 148–150, 152, 179, 190, 194f, 203f, 208, 216f, 233, 237f, 245, 252, 255, 261, 273, 275 Europa 152, 199 evangelisch 26, 40, 82, 98, 100– 102, 104, 107, 109, 111, 113, 122–124, 128, 155, 158, 175–177, 180, 242, 246, 253, 278 Evangelische Bekenntnisgemeinschaft 111 Evangelium 61, 63f, 67, 73, 103f, 107–109, 114, 121, 124, 127, 134, 145, 155f, 160, 162, 166, 175, 177, 179f, 182f, 195, 199, 211, 246, 253, 271f Ewigkeit 36–38, 49–51, 54, 63f, 68, 136, 161, 172, 188 Exegese 43, 51, 69–71, 74f, 175, 183, 246, 249f, 273 Existenz 12, 14, 18f, 33, 37, 48f, 51, 54, 81, 104–106, 116, 118, 122f, 134, 154, 163, 170, 174, 181f, 184f, 188, 191f, 196, 198, 207f, 215, 222, 225f, 233–235, 252, 265, 281f, 285 Exklusivität 107f, 110, 114, 122, 126, 132, 164, 181, 204, 212, 245–247 Expressionismus 36 extra nos 51, 65, 191, 197 Extra-Calvinisticum 13, 67, 84, 151, 160, 190, 199 Extremsituation 88f, 199, 281 exzentrisch 181, 222, 233, 235 Fahneneid 96 fides quaerens intellectum 282 fiducia 101, 133 Fixierung 269, 272, 278 Fluch 183 Flüchtlinge 127, 137, 152, 187 forensisch 168, 225 Fortschritt 36, 64, 79, 171 Fragilität 52, 59 Fragment 66, 71, 74, 127, 141, 214 Frankfurt 112
Sachregister
Frankreich 138 Freiheit 11, 18, 41, 94, 103, 116, 152, 167, 175, 178f, 181, 185, 195, 197, 201, 221f, 228, 230, 242, 250, 274–276, 278–280, 282 Fremdheit 32, 48, 126, 205, 250, 260, 277 Freude 75, 119, 134, 139, 195 Frieden 37f, 73, 85, 92 Frömmigkeit 38, 42, 94, 136 Führer 97f, 102, 106, 173 Führereid 123, 140 Fundament 61, 96, 120, 123 Fundamentalismus 63 Fundamentaltheologie 12, 19, 51, 256 Fürbitte 195, 285 Gabe 53, 77, 159, 163, 167, 169–171, 191, 208, 210, 235 Gattung 112, 257 Gebet 43, 100, 111, 118, 130, 135, 150, 154, 195, 199, 208, 220, 238, 260, 284 Gebot 84, 89, 100, 110, 150, 154, 195, 208, 216, 231, 238 Geburt 61, 69, 248 Gefühl 22, 104, 181 Gegenreformation 141, 155, 176, 277 Gegenwart 34, 37f, 53, 72, 80, 96, 101, 112, 126, 135, 138f, 148f, 160– 162, 164f, 172f, 175, 179, 181, 186, 189f, 216, 231, 235, 237, 244, 266f, 269, 272f, 284 Gehorsam 54, 76f, 84, 97, 101, 103, 113, 115, 117, 122, 133f, 140, 194f, 204, 227, 229, 231, 237, 253f, 264, 267f, 273–275, 280f Geist Christi 70, 102, 146, 148, 150, 159, 170, 209, 235f, 245 Geist, Heiliger 14, 27, 47, 52–54, 56, 65, 76, 79, 82, 84, 86, 91, 95, 100f, 115, 134, 146f, 149, 159, 162–
323
167, 169–172, 178, 181, 185–187, 189, 191–193, 206–212, 216, 218f, 226, 230, 233–238, 245, 284 Geist, menschlicher 44, 95 Geist, sittlicher 95 Geistchristologie 197 Geistverleihung 35, 210, 235 Gelassenheit 197 Geltung 79, 96f, 104f, 108, 110, 121f, 252, 262, 269, 276f, 280, 283 Gemeinde 17, 23, 46, 84, 87, 102, 108–110, 115, 118f, 121, 136, 153, 169, 176–179, 188, 190–193, 198, 219– 221, 223, 225f, 229, 232–234, 236, 244, 254, 263, 266, 269, 284 Gemeinschaft 46, 82, 84, 86, 88, 102, 110, 140, 146, 161, 192, 194, 196, 218, 220, 236f, 241, 252, 259–261, 268f, 272, 275f, 278–280 Gemeinschaft der Heiligen 46, 161, 175, 191f Gemeinschaft mit Christus 49f, 169, 211, 222 Gemeinschaft mit Gott 118, 147 Genf 23, 28, 125f, 280 Genfer Bekenntnis 75 Genfer Psalter 119 Gerechtigkeit 28, 53, 62, 133, 144– 148, 150f, 154f, 160, 163, 166–168, 171f, 182–185, 187, 207f, 225, 238, 244, 264, 285 Gericht 48, 51f, 92, 135, 145f, 162, 182f, 188, 190, 192, 196, 216, 225, 263–265, 280f Geschichte 46, 59f, 63f, 73, 81, 83, 102, 136, 153, 170, 174, 176, 183, 186, 189, 196, 198f, 213, 215, 222, 229, 237f, 243f, 251, 254, 256, 262–264, 266f, 269, 271–273, 280f, 283 Geschöpf 46, 58, 67, 157, 191, 205, 207, 221 Gesellschaft 139, 152, 204f, 234
324
Sachregister
Gesetz 26, 56, 61, 64, 76f, 87, 98, 104, 114, 145, 150, 155, 179, 182, 192, 194f, 206, 231, 272, 276, 278–281 Gewissen 67, 113, 134, 153, 171, 182, 188, 195, 205, 207f, 278, 282 Gewissheit 46, 48, 50 Gifford Lectures 125, 137, 141 Glarus 90 Glaube 20, 22f, 26, 28, 46, 52f, 61, 65, 76f, 79f, 86, 91, 99–101, 103f, 108, 115, 118, 126, 128–130, 133, 136, 142, 148–151, 154, 157, 160, 162, 169, 171, 173f, 178f, 181, 184, 187f, 191f, 194, 196, 199, 206–208, 212, 215, 217f, 220, 223, 226–229, 232–234, 254, 257f, 260f, 263, 265, 270, 272, 275, 279–282, 284f Glaubensbekenntnis 20–22, 27, 84, 86, 88f, 94–97, 103, 105–107, 120f, 136, 156, 191, 257–259, 261, 265f, 275, 278 Gleichnis 37, 39, 49, 51, 60, 62–64, 68, 70f, 149, 193, 201, 205, 211, 218, 220, 227, 231, 233, 246, 266, 274, 285 Gleichschaltung 98, 102, 111, 126 Gleichzeitigkeit 48–50, 68, 149, 250, 268 gloria Dei 44 Glosse 105, 240, 273 Glückseligkeit 44f, 50, 115, 244 Gnade 46, 61, 86, 115, 118, 146, 151, 156, 161, 169, 179, 182, 186, 188f, 192, 214, 216, 226, 230, 232, 235, 237, 251 Gnosis 107, 122, 253 Gott 14, 27, 30, 34, 37f, 44–48, 50– 53, 55–60, 62–65, 80, 84, 86–89, 94f, 98, 100–103, 110, 114f, 117f, 127, 130–134, 136, 138–140, 143–145, 148, 150, 153, 156, 159, 161, 163f, 166, 168f, 171f, 178f, 182f, 185f, 188, 190f, 195f, 204f, 213, 216, 220–222, 224– 226, 229–235, 237f, 243f, 248f, 254, 260–269, 272, 274f, 280–285
Gottebenbildlichkeit 57, 146, 159f, 171, 231 Götter 50, 117, 132, 263 Götterdämmerung 29 Gottesdienst 96, 137, 139, 141, 148, 155, 176, 181, 237, 258, 271 Gotteslehre 58, 66, 130, 132, 136, 203 Göttingen 14f, 17, 29, 63, 79, 81, 91f, 243, 252 Götzendienst 26, 48, 132, 193 Grenze 58, 123, 194, 229, 235f, 242, 256f, 260, 266, 270, 272, 275f, 280 Güte 92, 117 Hamartiologie 101, 215, 217 Hamburg 211 Hannover 104, 111, 114 Häresie 45, 89, 105, 122, 124, 136, 253, 260f Harmonisierung 40, 56 Heil 47, 54, 58, 65, 76, 84, 95, 118, 132, 135, 148, 159, 172, 178f, 184f, 191f, 197, 204, 206, 209, 216, 218f, 223, 228, 233, 272, 282–284 Heiland 25, 48, 92, 100, 119, 143, 161, 187, 225 Heiligung 47, 53f, 76f, 84, 115, 134, 145, 150, 159, 163, 170, 172, 185, 190, 199, 206, 209, 216f, 221, 234 Heilsgeschichte 154, 189, 231 Heimat 24 Hermeneutik 12–15, 17f, 36, 42, 50f, 54, 60, 64, 68, 71–73, 99, 104, 119, 129, 178, 185, 192, 243, 248, 250f, 256, 261, 271, 285 Herr 49, 52, 64, 91f, 97, 100, 102, 112, 115–117, 122f, 131f, 138, 140, 144, 146, 153f, 165, 167f, 170, 185f, 188, 196, 213–215, 217, 224–226, 229f, 234, 273 Herrschaft 134, 167–170, 179, 185, 188, 190–192, 197, 210, 219, 229, 231, 246f, 279f
Sachregister
Hierarchie 102, 110, 120, 165, 220, 223, 234 Himmel 87, 95, 100, 134, 163, 173, 191 Himmelfahrt 135, 154, 163, 187, 189 Hingabe 188, 231, 285 Hinweis 37, 52, 80, 84, 148, 161, 165, 175, 193, 211, 218, 234, 242, 251, 262, 266, 281, 285 historisch 47–51, 54–57, 62, 64, 68, 70–75, 86, 116, 129, 140f, 154, 158, 165, 177, 198, 238, 241f, 245, 251, 256, 258, 282 historisch-kritische Methode 30, 55 Historisierung 68, 249 Historismus 64, 189 Hoffnung 37, 48, 52f, 66, 79, 92, 101, 130, 135, 181, 184f, 196, 208, 215, 217f, 220, 223f, 232f, 247, 264, 285 Hölle 168 Höllenfahrt Christi 21 Homiletik 25, 70, 192 Homilie 54 Homologie 257, 261, 284 Hören 13f, 26, 100f, 129, 133, 142, 161, 182, 204, 233, 243, 251, 253, 264, 268, 271, 275, 281 horizontal 53, 165, 210, 217 Humanismus 95, 162, 182, 209 Humanität 195 Hypothese 70 Ich 46f, 49f, 74, 115, 118, 148, 162, 191, 255 Idealismus 27 Identität 46, 75, 83, 120f, 148, 161, 165, 253, 257, 261, 275, 280 Ideologie 93, 95, 97, 106, 116, 284f Ideologiekritik 15, 285 imitatio Christi 171 Imperativ 132 Indigenisierung 273 Indikativ 132
325
Individualismus 21f, 118, 148f Individualität 268f, 283 Individuum 46f, 84, 87, 110, 115, 117f, 127, 131, 143, 149, 170, 185, 191, 197, 208, 218, 234, 245, 247, 261, 269, 275, 279f Induktion 163 Inkarnation 62, 100, 188, 194–196, 231f, 242, 249, 263f, 272–274 Inklusivität 114, 122, 132, 181 Inkommensurabilität 79 Inkonsequenz 58, 248 Inkulturation 273 Innerlichkeit 49, 170, 181, 190f Inspiration 65, 82, 87 Intellektualismus 54, 62, 68, 181 Intercessio 154 Intertextualität 242 Intratextualität 242 Irenik 40f, 68, 72f, 151, 198, 253 Irrlehre 96–98, 116, 247 Irrtum 108f, 111, 113, 124, 256, 281 Isenheimer Altar 52, 254 Israel 64, 184, 186f, 192, 197, 230, 269 Ja
48, 52, 89, 102, 106, 160, 179, 195, 236, 264, 269, 274 Jesu-Christi-eigen-Sein 25, 36, 43, 45, 48–50, 71f, 77, 92, 115f, 118f, 131f, 143, 146, 153f, 161f, 167f, 181, 185, 200, 207, 212, 222, 227, 242, 244, 247 Jesus Christus 11, 14, 18, 27, 29f, 36, 38, 43, 47–52, 60–64, 66, 69, 72, 74, 80, 86f, 92, 94f, 100, 102–104, 107– 109, 111, 113–118, 121–124, 130–136, 138, 140, 143–147, 149, 153f, 156f, 161–171, 173, 175–179, 181–183, 185– 189, 191–193, 195–198, 203f, 206– 208, 210–216, 218f, 221–230, 232– 238, 241–246, 250–255, 257, 261– 268, 270, 272–274, 284f Jesus, historischer 48f, 215
326
Sachregister
Judenfrage 187, 244 Judentum 65, 108, 152, 156, 183, 186f, 192, 197, 205, 230, 269 Jünger 53, 222, 268 Jungreformatorische Bewegung 96, 102–104, 124 Jungreformierte Bewegung 96, 98, 121 Kanon 194, 243, 269, 271 Katechese 20, 47, 56, 70, 257f, 261, 279 Katechismen, lutherische 54, 91, 121, 125, 200, 257 Katechismuspredigt 25 Katholizismus 17, 23, 26, 67, 73, 75, 82, 84, 87, 104, 122, 151, 153, 155–158, 162, 177, 193, 198, 219f, 223, 226f, 277, 279 Kindertaufe 157, 193, 199 Kindschaft 27, 61, 76, 95, 118, 188, 195 Kirche 16, 27, 29, 40f, 48, 50, 53, 65, 67, 79f, 82–84, 86–98, 100–104, 107–110, 112–118, 120, 122–124, 126, 129f, 134, 137–142, 148f, 151, 154, 157, 159, 161, 165, 169f, 174–176, 179, 184, 190f, 193, 198f, 201, 204, 216, 218f, 221, 223f, 226, 234f, 240, 242, 251–253, 257, 260, 262, 266–272, 274–278, 280 Kirchen, altorientalische 277 Kirchen, orthodoxe 277 Kirchenkampf 15–17, 85, 89, 93, 99, 110, 114f, 120–124, 151, 160, 170, 177, 198, 201, 252f, 279 Kirchenordnung 27, 140, 148, 161, 176, 192, 216, 238, 279f Kirchenpolitik 76, 89, 93, 95, 97– 100, 102–104, 116, 120, 136 Kirchenrecht 26, 79, 96–98, 260, 266, 279f Kirchenzucht 67, 73, 194, 199 Klerikalismus 176
Klerus 87, 223 Ko-Text 105, 129, 240, 268 Kollegialität 97 Kolosserbrief 204f Kommentar 70f, 87, 105, 129f, 199, 205, 240, 255, 271, 273 Kommunikation 214, 217, 226, 272 Kommunismus 198 Kompromiss 40, 44f, 123, 163 Konfession 25, 31, 83f, 98, 122f, 177, 252, 258–260, 268f, 276–279 Konfessionalisierung 278 Konfessionalismus 94, 99, 124, 151, 176, 193, 198, 252 konfessionell 18, 30f, 33, 39–41, 55f, 66, 73, 75, 78f, 82, 84, 90f, 94, 96– 98, 101, 104, 109, 111, 114, 117, 121, 123, 128, 151, 156, 158, 160, 175–178, 190, 198, 251, 253, 262, 275–279 Königsherrschaft Christi 168f, 190, 229, 252 Konkordienbuch 257, 276 Konkordienformel 125 Konkretheit 63, 83, 88, 108, 126f, 131, 137, 198, 215, 232, 251f, 273f Konkretion 18, 37, 129, 136, 175– 177, 182, 189, 200, 205, 224, 232, 244f, 251, 285 Konstruktion 43, 62, 138, 152 Kontext 11, 15, 34, 64, 80, 99, 105, 116–119, 126, 139, 141, 198, 201, 238, 240–243, 245, 249, 268, 270, 273– 275 Kontextualisierung 11, 15, 33, 140– 142, 148, 198, 240, 242, 249, 269, 274 Kontextualität 11, 13, 16, 18, 33, 74, 116, 203, 240, 243, 247–249, 254, 265, 273–275 kontextuell 275 Kontextuelle Theologien 16, 116, 240, 273 Kontinuität 11, 14f, 65f, 138f, 187, 248, 261, 268
Sachregister
Kontra-Text 18, 116, 126, 241, 245, 247, 273 kontrafaktisch 46f, 49, 52, 62, 74, 92, 101, 115, 148, 162, 173, 247, 275 Kontroverstheologie 67, 73, 170, 208, 253 Konzentration 49, 151, 198, 248, 257, 284 Konzentrationslager 106, 126 Kreativität 40, 172, 268f Kreuz 49f, 52, 69, 100, 145, 154, 159, 163, 168, 199, 208, 231, 254, 265, 267f Krieg 139 Krise 29, 36, 39, 67, 74, 81, 88, 201, 250 Kriterium 64f, 68, 81 Kritik 35f, 38, 40, 42–45, 47f, 53, 56–59, 61, 65, 67–72, 82, 111, 115, 117, 124, 127, 132, 136, 151f, 155–158, 167, 174, 177f, 186, 194, 206, 209f, 226, 242, 254, 269, 275, 280–282 Kultur 22, 29f, 59, 174, 182, 273 Kulturpessimismus 36 Kunst 59, 183, 266 Kurpfalz 262 Kyrios 49, 116, 166, 185, 246, 257, 260 Laien 102, 125, 129, 135f, 173 Lausanne 125 Legalität 41, 112 Lehramt 223, 277, 284 Lehrbekenntnis 23, 257 Lehre 17, 26, 31, 71, 73, 75, 77f, 81, 83f, 86, 92, 97, 101, 103, 114f, 117, 127–130, 150, 152, 155–158, 163, 173– 177, 179–181, 186, 192f, 195, 198, 200, 257–260, 271–273, 277, 284 Leib Christi 46, 65, 146f, 149, 156, 171, 193, 205, 208, 210f, 226, 230, 243, 252, 283 Leid 49, 119, 180, 183, 187, 199 Leidenschaft 11, 30
327
Lesen 70f, 128f, 142, 152f, 174, 212, 215, 234, 240, 243f, 248–250, 270 Leuenberger Konkordie 275 Libanon 280 Liberale Theologie 29, 42, 94, 247 Liebe 134, 169, 208, 215, 217f, 220f, 230–233, 285 Liturgie 141, 260, 262, 280, 285 Lobpreis 172 Loccumer Manifest 102 Loch 62f, 66, 157, 189, 244 Loci 17, 35, 56, 71, 90, 129–131, 175, 215 Logik 63, 269 Lokalisierung 273 Lösung 48, 61, 74, 91, 166, 181, 201 Loyalität 106, 136, 246, 261, 263– 265, 269, 274 lutherisch 32, 36, 44, 54–56, 67f, 74–78, 82, 84, 94, 96–99, 101, 109, 115, 117, 122, 124f, 134, 141, 147, 155, 160, 171, 176f, 210, 220, 260, 275– 279 Lutherrat 140 Macht 92, 162, 167–169, 210, 245, 253, 280 magis ne magis 134, 171, 210 Mammonismus 96 Marburg 20 martyrium 261, 285 Materialisierung 265, 274 Materialität 260, 271f Matthäusevangelium 31 Maulkorberlass 108, 111 melanchthonisch 36, 54, 76f, 181 Mensch 14, 27, 30, 37f, 42–53, 55– 62, 65f, 72, 77, 80, 84, 91f, 94f, 100, 106, 115–119, 127, 130–133, 135, 142– 145, 147–150, 154, 156, 159, 161f, 164, 167, 170–174, 178–183, 185– 188, 190f, 195f, 205–207, 209–216, 218–222, 225, 227, 229–231, 233–
328
Sachregister
238, 243–245, 248f, 261–264, 268, 272–274, 280f, 283 Menschenfreundlichkeit 188, 196 Menschenrechte 189, 194 Menschheit 27, 95, 170, 184, 189, 224 Menschlichkeit 80, 196, 270 Messdiener 219 Messias 205, 214, 230, 285 Messopfer 26, 168, 219 Metaphorik 60, 259, 273 Metaphysik 31, 47, 243, 269 Methode 11, 22, 36–38, 43, 48, 51, 58, 62–65, 67–69, 71, 74, 81, 90, 124, 129–131, 142, 144, 158, 175, 197, 200, 246, 282 Midrasch 192 Mission 21, 137, 172, 186, 219f, 267 Missverständnis 47, 66, 76, 106, 124, 139, 157f, 190, 205, 226 Mitmenschlichkeit 216, 229, 231 Mitte 62f, 66, 104, 115, 127, 161, 169, 180, 184, 186, 189, 215, 219, 223f, 244, 249, 271 Mitteilung 69, 134, 146, 150, 164, 267 Mittelalter 53, 147, 224 Mittler 62f, 159, 166, 204, 215f, 221f, 265 Mitwirkung 196, 208, 219 Moderne 21f, 40, 42–45, 50, 59, 73, 75, 78, 90, 96, 104, 151, 160, 177, 195, 200f, 248, 275 Möglichkeit 36, 38, 50f, 58, 61, 63, 65f, 83, 86, 88–90, 113, 120, 129, 134, 174, 178, 215, 230, 256, 282f Montreal 126 Moral 134 Multiplikation 223, 267, 269 Münchner Abkommen 138 Münster 17, 32, 61, 92, 109 Mut 27, 180 Mythologie 58
Nachfolge 199, 204, 222, 224, 231, 233, 264, 284f Nächste 194, 200, 216, 220, 222, 229, 231f, 274f Nähe 52, 231, 274 Name 67, 69, 83f, 91, 133f, 138, 143, 145, 150, 153, 175, 187, 204f, 209, 211, 214f, 223, 230f, 234, 242, 244–246, 248, 253, 256, 260, 266, 270, 273, 285 nassauisches Bekenntnis 75 Nationalismus 89, 95, 100, 103, 107, 115, 123, 193 Nationalsozialismus 93, 95, 97f, 103–105, 112, 116, 120, 124, 136, 138, 173, 198f, 244, 280 Natur 95, 186, 193, 200, 213f, 217, 229, 280 natürliche Theologie 124, 243 Naturrecht 182 Negation 39, 47f, 50–53, 56, 63, 67, 69, 71, 84, 105, 116, 192, 266, 274 negative Theologie 51, 62 Negativität 39, 47, 62, 154, 156, 246 Nein 57, 89, 106, 274 Neues Testament 64f, 73, 102, 134, 145, 164, 183, 187, 189, 215, 225, 230, 257 Neuprotestantismus 20, 40, 42, 77 Neuschöpfung 46f, 144 Neutralität 37, 126, 223, 278 Nicht-Ich 47, 49f, 148, 212 Niederlande 139 Nitzschenum 114 Nizaeno-Constantinopolitanum 107, 277 Norm 80, 97, 117, 228, 250, 270f, 273f, 277, 279 Normativität 22, 80, 99, 271, 273 Not 36f, 88f, 96, 106, 109, 115, 151, 173, 181–183, 190, 197, 216, 261 notitia 101, 114, 133 Notstandsmaßnahme 38, 282
Sachregister
Notwendigkeit 49, 61, 88f, 103, 151, 153, 166, 176, 187, 190, 195, 249 NSDAP 94 Nullpunkt 173f Objektivität 65, 72, 76, 79, 135, 157, 159, 162, 181f, 189, 191, 197, 204, 209, 214, 221, 234f, 241, 244, 255, 262 Offenbarung 37, 45, 49–51, 61, 63– 65, 79f, 84, 86–88, 91, 94, 96, 103, 107, 114, 132, 134, 136, 164, 166, 169, 178, 180, 184f, 189, 196, 199, 209, 219, 221, 223f, 227, 229, 235, 242– 244, 249, 251, 254, 264–268, 270– 272, 283f Offenheit 58, 71, 223f, 248, 270, 277 Öffentlichkeit 15, 22, 79f, 85–87, 150, 174, 181, 192, 197, 228f, 255, 260, 262, 264f, 267, 272, 275, 278, 283f Ökumene 17f, 79, 87, 109–111, 124, 158, 177, 198, 253, 277 Ökumenische Bewegung 110, 126, 177 Ökumenischer Rat der Kirchen 201, 261 Opfer 82, 168, 187f, 224–229, 237 Optimismus 56f, 124, 149, 171, 182 Ordnung 75, 80, 93, 97, 115, 121, 142, 229, 232, 280f, 284 Orthodoxie 14, 30f, 41, 70, 79, 101, 120, 126, 130, 161, 250, 259 Osnabrück 119 Oxford 126 Pädagogik 55, 70, 76f, 131, 134, 160, 162, 175, 183, 197, 241 Papst 223, 246, 279, 281 Paradies 166 Paradox 51, 62, 80, 112, 266, 276 Partikularität 14f, 23, 79, 83, 87, 108, 110, 175, 177, 198, 232, 252f, 255, 262f, 268f, 278, 283f
329
Parusie 223 Passion 49, 118, 225 Passiv 58, 67, 131, 156, 221, 226, 269, 275 Pazifismus 89, 96 Performanz 69, 267, 275, 277 Pessimismus 56–58, 149, 156, 182, 208, 247 Pfand 149, 165, 189, 191 Pfarrernotbund 105f, 111 Pfingsten 53 Pflicht 155, 160, 195, 233 Philosophie 52, 246, 256 Pietismus 22, 77, 86 Platzhalter 224, 233–235, 266f, 285 Platzwechsel 164, 189, 191 Plausibilisierung 59 Pluralisierung 198, 262, 267 Pluralität 47, 76, 99, 112, 198, 277f Pneumatologie 14, 47, 52, 60, 95, 146, 151, 160–162, 164, 170, 172, 178, 191, 197, 209, 215, 217f, 233–237, 245f Polemik 41, 46, 66, 73–75, 84–86, 141, 155, 168, 172, 184, 198, 260f politisch 11, 13, 15f, 18, 87, 89, 98– 100, 103–105, 110, 116f, 121, 124, 136–140, 150, 165, 170, 174, 187, 190, 195, 197, 201, 203, 210, 237, 244– 248, 250, 255, 262–265, 272f, 279– 281 politische Theologie 96, 105, 246 Position 41, 47, 52f, 69, 71, 73f, 84, 105, 146, 151, 158, 224, 253, 283 Positivität 39, 50, 60, 62, 64, 80, 94, 126, 246, 250, 253, 270, 274 Prag 137–139 Praxis 54, 69, 72, 176, 179, 195, 246f, 269, 282 Predigt 12, 14, 16, 22, 25f, 28, 30f, 33, 43, 45, 67, 86, 91f, 118f, 124, 141, 186, 192, 199, 220, 243, 254 Prekarität 38, 110, 173, 249, 282 Presbyterium 104
330
Sachregister
Preußen 280 Priestertum aller Gläubigen 226, 228, 232, 279 Prinzip 63, 196, 244, 247 privat 87, 174, 229, 232, 262, 265, 276f Privatchristentum 191f, 197, 268 Privileg 48, 143, 159, 185, 223 profan 48 Profess 284 Professio fidei 259f, 277, 279, 284 Professor 284 Proklamation 267, 277 Prolegomena 66, 255 Prophetie 90, 221, 223 Protestantismus 26, 42, 96, 109, 139, 155f, 158, 193, 253, 260, 274 Psalmen 119 Psychologismus 45, 60, 77, 131, 162 Punkt 37, 62, 189, 196 Quelle 12, 50, 68, 74, 118, 251 Quietismus 134, 208 Radikalität 44, 59, 138, 195, 222, 225, 248 Rasse 94f, 103 Rationalismus 26, 44, 60, 63, 68, 71, 77 Rationalität 199, 278 Rätsel 46, 52, 80 Raum 47, 61, 66, 69, 71f, 116, 122, 175, 192, 237, 255, 267 Realismus 48, 51, 138, 193 Realität 45, 149, 283 Realpräsenz 177, 193, 232, 267 Rechenschaft 141, 237, 254 Recht 60, 98, 103, 137, 157, 182, 184, 186, 188–190, 228, 231f, 261–263, 266, 275, 278–280 Rechtfertigung 46, 53f, 73, 77, 115, 130, 134, 137, 145, 148, 159f, 163, 168, 170, 172, 192, 206, 209, 216f, 221, 225f, 234
Reflex 228f, 233 Reformation 23, 26, 30, 35, 40–42, 44f, 53, 55f, 68, 72f, 82, 90f, 93, 96, 103, 108, 112, 140f, 155, 157, 161f, 174, 177, 180, 192, 195, 200f, 238, 253, 259, 276f, 279, 281f reformiert 14, 17, 20, 29–33, 35, 38– 40, 42, 54f, 59, 64, 67, 72f, 75f, 78– 84, 86–91, 96–99, 102, 104, 108f, 114, 119–121, 124f, 128f, 141, 147, 155f, 160, 174, 176f, 180, 223, 236, 240, 252–254, 260, 262, 274, 276– 278 Reformierter Bund 29, 81f, 84–86, 88, 97, 109, 114, 122 Reformierter Weltbund 85f, 89 Reformiertes Studienhaus (Göttingen) 31 Regiment 52, 169 Reich Gottes 22, 24, 27, 52, 84, 106, 165, 169, 185f, 205, 220 Reichskirche 87, 93, 97–101, 103, 108, 111, 113, 123, 279 Relation 47, 51, 80, 101, 133, 139, 157, 254, 265, 267, 275 Relationalität 52, 80, 242, 262, 265 Relativierung 39, 47, 51, 71, 78, 86, 105f, 147, 165, 201, 242, 249, 251f, 254, 279 Relativismus 21–23, 47, 276, 278, 283 Relativität 11f, 47, 54, 70, 80, 177, 184, 198, 241f, 249, 270 Relevanz 72, 81, 105, 116, 233, 252 Religion 22, 27f, 38, 41, 44, 51, 56f, 61, 77, 262f, 279f Religionsfreiheit 279 Religionsgemeinschaft 278–280 Religionskritik 57 religiös 26, 31, 36, 48f, 55, 72, 84, 87, 94–96, 106, 116, 131, 136, 255, 257, 260, 263, 265, 271, 276f, 279–281 Rengsdorfer Thesen 106f Repristination 83f, 114, 120
Sachregister
Restauration 176, 198 Revolution 195, 204 Rezeptionsästhetik 70 Rezeptionsgeschichte 34, 39, 72, 160, 247, 250 Richter 100f, 145, 161, 168f, 199, 214, 224–226, 270, 285 Riss 19, 85, 263 Rom 162, 209 Romantik 95 Römerbrief 27, 29, 31, 33, 36f, 46f, 52, 62, 68f, 75, 79, 90, 130, 205, 243, 248, 250 rückwärts 45f, 59, 68, 72, 87, 268 Ruf 100, 102, 129, 150, 185, 189, 211, 267f Sache 12, 18, 20, 31f, 36, 40, 44, 59, 64, 68f, 71, 73, 113, 121, 128, 135, 140, 149, 177, 184, 193, 205, 213, 278, 284 Sachgemäßheit 15, 21, 46, 55, 68, 83 Safenwil 24–26, 28, 31 Sakrament 14, 67, 75, 115, 134, 141, 157, 164, 176, 192f, 199, 216, 232, 238, 266f säkular 256, 261, 278f Säkularisierung 278 Salbung 67, 133f, 145, 164f, 187, 205f, 209, 223, 234f Samariter 231, 274 Sammlung 72, 87, 123, 169, 190, 217 Satisfaktion 60f, 151, 154, 167, 183, 225, 247 Schaffhausen 90 Schicksal 52, 63, 76, 84, 102, 229, 280 Schlüssel, hermeneutischer 14, 72, 77, 104, 142, 145, 148, 152, 198, 215, 271 Schmalkaldische Artikel 56 Scholastik 61, 90 Schöpfer 95, 100, 132, 185f, 191, 236, 267f
331
Schöpfung 25, 58, 151, 186, 189, 197, 242f Schrift 175, 201, 243, 260, 262, 270, 272, 274, 277, 281f Schrift, Heilige 23, 25–27, 29–31, 35, 53, 64f, 72, 79f, 82–84, 86f, 89–91, 95–97, 99, 101–106, 111–114, 116f, 119, 121, 123f, 129, 131, 134f, 142, 156, 161, 165, 175, 179, 183f, 186, 198, 200f, 205, 212, 228, 242f, 245, 250f, 253f, 263, 268, 270–273, 282 Schriftauslegung 25, 30, 43, 54, 64, 83, 250 Schriftprinzip 80, 83f, 104, 119 Schroffheit 41, 56f, 59, 73, 191, 253 Schuld 48, 58, 84, 163, 168, 173, 181 Schuldbekenntnis 84, 174, 257– 259, 261f, 279f Schwärmer 162, 165, 209 Schweigen 15, 17, 28, 90, 92, 151, 185, 245, 253, 275 Schweiz 17, 30, 96, 100, 123–126, 128, 135–137, 140f, 174 Seele 95, 180 Seelsorge 174, 220 Selbstbezeugung 23, 220, 270 Selbsterkenntnis 50, 92 Selbsterlösung 61, 171 Selbsterniedrigung 188, 225 Selbstkorrektur 45, 54, 68, 179, 214, 224 Selbstkritik 63 Selbstmitteilung 84, 265 Selbstrechtfertigung 58, 258 Selbstrelativierung 51, 54, 65, 80, 130, 281 Selbstverpflichtung 264, 282 Sendung 190, 194, 217f Shibboleth 67 Siegen 118, 123 simul iustus et peccator 171 Singular 47, 105, 108 Situation 11–13, 15, 23, 36f, 39, 47, 64, 68, 70, 72, 88f, 94, 108, 110, 116f,
332
Sachregister
123, 127f, 137f, 140, 171, 174, 180, 198f, 201, 240, 249, 261f, 273f, 281 Sitz im Leben 192, 257, 261, 263 Solidarität 110, 126, 137, 220 solus Christus 104 Sorge 100, 131, 138, 181 Soteriologie 66, 143, 145, 149, 178, 209, 213, 215, 217 Souveränität 87, 168 Sozialdemokratie 22, 100, 152 Soziale Frage 29 Sozialismus 14f, 22, 29, 106, 195, 204f, 212 Spontanität 86, 109, 227, 252, 261, 270f, 273, 284 Sportpalast 108 Sprache 94, 96, 103f, 111, 153, 194, 226, 229, 240, 243, 257, 259, 261, 266, 270, 275, 277, 281, 283 Staat 93f, 97, 103, 106, 139, 165, 278f Staatskirchenrecht 278 status exaltationis 188, 209, 213, 216f status exinanitionis 188, 209, 213, 216f, 231 Stellvertretung 47, 146–149, 164, 168, 221, 232, 277, 285 Sterben 49f, 150, 180 Strafe 60f, 168, 216 Subjekt 23, 27, 46f, 49f, 65, 77, 84, 110, 112, 129, 143, 146, 150, 157, 161f, 166, 170, 226, 235, 278–280 Subjektivismus 23, 41, 47, 65, 77, 118, 172, 182 Subjektivität 21f, 27, 46, 65, 89, 92, 103, 159, 161, 181, 190f, 197, 209, 234f, 255, 262, 278f, 283 Substanz 61f, 66, 141, 178, 251 Subversion 178, 247 Sudetenkrise 138 sui ipsius interpres 54, 60, 68, 241, 251 Sukzession, apostolische 268, 277
Sünde 45, 48, 53, 58, 67, 100, 115, 134, 146f, 150, 153, 156, 159, 164, 177, 182, 187–189, 205, 207, 216, 218, 221, 225f, 230, 261 Sündenfall 44f, 57f, 63, 69, 217, 221 Symbol 33, 79, 82f, 242, 250, 257– 261, 266, 277 Synergismus 84, 219 Synthese 53, 130, 134, 142, 205, 246 System 55f, 59, 66, 68, 71, 76, 112, 130, 141f, 172, 181, 209, 214, 248f, 251 Taufe 53, 103, 141, 146, 148, 154, 157, 161, 166, 176f, 192f, 199, 210, 216, 234, 237f Teilhabe 118, 133f, 136, 146–150, 154, 169–171, 187, 195, 205, 207f, 210, 212, 214, 218, 230, 232, 236 testamentum 261, 266 testimonium 261, 274 testimonium internum 65 Teufel 67, 134, 157, 167, 188, 205, 207f Text 11f, 30, 34–38, 42f, 46, 50f, 55, 59, 64, 67–74, 78, 101, 105, 108, 116, 119, 121, 128f, 137, 140, 142, 148, 151– 153, 156, 161, 176, 178, 180, 191, 201, 205, 234, 239–244, 247, 249–251, 253, 257, 262f, 268–273, 275, 280, 284 Textualität 240, 244 Textur 203, 205, 212, 214f, 243f, 285 Theodizee 183 Theokratie 165 theologia crucis 145, 188, 194 theologia gloriae 188 theologia viatorum 196, 199, 247– 249 These 53, 190, 260 Tod 50f, 53, 162, 168, 180, 182, 193, 237, 261, 267 Tradition 14, 17, 28, 30f, 38f, 64, 72f, 75f, 79, 81f, 84, 87, 96, 101, 113,
Sachregister
121f, 127f, 137, 141, 153, 156, 176f, 198, 214, 234, 241, 252f, 262, 266, 268–271, 277 Transparenz 68, 71, 197, 279, 282, 284 Transzendenz 139 Travers 125 Treue 18, 25, 70, 82, 106, 152, 250f, 263f, 270, 274 Tridentinum 73, 155, 277 Trinität 66, 84, 95, 100, 144, 162, 164, 178, 185, 191, 197, 199, 203, 235f, 269 Trost 14, 18, 24f, 36, 43–46, 50, 54, 61, 66, 72, 76f, 92, 100, 102, 108, 114f, 118, 122, 131f, 135, 138, 140–145, 148f, 151, 154–156, 159, 161–163, 169, 171, 174, 180–184, 191, 196f, 199f, 206, 208, 237, 244f, 247 Trotz 119, 139, 170, 180 Trümmer 18, 81 Tschechoslowakei 138 Tübingen 20 Tugend 60 überflüssig 122, 152, 218, 233 Ubiquitätslehre 170, 177 Uelsener Protokoll 113f Ulmer Erklärung 111 Unableitbarkeit 50, 69, 72 Unbedingtheit 49, 68, 89, 190, 198, 230 Ungarn 152, 187, 198f Unglaube 57, 63, 194 unio mystica 210 Union 40, 98f, 109, 114, 121, 123, 188f, 278 Universalität 37f, 79, 87, 89, 190, 198, 235, 240, 251, 255, 269, 277, 282–284 Universität 38, 255, 281–284 Unmittelbarkeit 193, 204, 231, 242, 268f, 271f
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Unmöglichkeit 36, 38, 48, 50f, 58, 67, 69, 174, 212, 247f, 266 unpolitisch 105 Unruhe 33f, 38, 41, 68, 108, 151 Unterricht 20, 23f, 28, 136, 141, 220, 257 Unterwerfung 278, 280 Unübersetzbarkeit 267 Uppsala 261 USA 15, 152 usus tertius legis 195 Vaterunser 23, 141, 150, 154, 163, 208, 237f Verantwortung 58, 100, 110, 116f, 126, 129, 135, 143, 148, 174, 179, 181, 191, 201, 208, 221, 233f, 241, 245, 264, 273, 275 Verfassung 93, 97, 100f, 103f, 112f, 275, 277–279 Vergänglichkeit 37, 80, 270 Vergangenheit 72, 79, 82, 135, 161, 172f, 175, 181, 186, 189, 196, 199, 273 Vergebung 67, 173, 205 Vergegenwärtigung 222, 233, 265– 269, 284 Verheißung 33, 45, 53f, 61, 100, 135, 153, 169, 184, 264, 285 Verkörperung 234, 271 Verkündigung 25, 36, 67, 80, 94, 103, 134, 181, 188, 190, 192, 220, 243, 246, 255, 261, 265, 267, 271f, 283 Vermittlung 44, 188, 267f, 281, 285 Vernunft 52, 63, 99, 181, 236, 281 Versöhnung 18, 92, 141, 166, 203, 212–217, 219–221, 224f, 227, 233– 235, 239, 256 vertikal 53, 165, 210, 217 Vertrauen 67, 100f, 113, 115, 133f, 136, 138, 171, 206, 264, 272 Verwerfung 94, 107, 112, 115, 236 Volk 28, 87, 95, 98, 103, 107f, 115, 138, 149, 153, 184, 186, 223, 225f, 230f, 236, 263, 267, 269
334
Sachregister
völkisch 95 Volkskirche 193 Vollkommenheit 95, 144, 167, 181, 184, 187, 221, 226 Vollmacht 83 Voraussetzung 28, 49f, 68, 83, 89, 104, 112, 117, 137, 142, 164, 166, 210, 266 Vorbehalt 61, 69f, 73, 77, 82, 89, 105, 107, 124, 138, 160, 162, 175, 184, 245, 270 Vorbild 49, 73, 95, 113, 122, 165, 199, 201, 214, 220, 267 Vorläufige Kirchenleitung 123, 140 Vorläufigkeit 14f, 184f, 233, 262, 264, 270, 277f Vorsehungslehre 35, 42, 52, 65, 67, 119, 151, 205, 221 Württemberg 104, 111 Wächteramt 89, 98, 121, 124 Wahrheit 26, 38, 48, 54, 57f, 62, 64, 72, 76, 87, 109, 111, 113, 117, 131, 143, 180, 194, 213f, 234, 251f, 255f, 263f, 267f, 277, 283 Wahrung reformierter Belange 84, 98, 102, 109f, 121, 124 Weg 20f, 23, 26f, 42, 48, 51, 58, 60f, 63, 66, 69, 79, 90f, 96, 99, 102, 106, 140, 147f, 160f, 168, 172f, 175, 189, 191, 196, 203, 207, 211, 216, 233, 237f, 246f, 249, 251, 274 Weimar 278 Weimarer Republik 100 Welt 18, 53, 57, 62, 115f, 118, 137, 139, 141, 169, 174, 179, 185, 189–192, 194, 196f, 203f, 206, 211, 214f, 218f, 221, 223f, 229, 233, 235, 244, 246, 252, 260, 264–267, 274f, 283–285 Weltanschauung 105, 124, 131, 215 weltfremd 57 Weltkrieg, Erster 29, 36, 43, 89, 105 Weltkrieg, Zweiter 125f, 138, 152f, 159, 172–174, 176, 183, 187, 197, 237
Werk Christi 145, 149f, 164f, 170, 184, 188, 191, 205f, 208f, 215f, 218f, 227, 232, 235, 284 Werke 51, 77, 95, 128, 133f, 145, 150, 154, 172, 178f, 188, 192, 194, 199, 208, 224, 237, 275 Werkgerechtigkeit 188, 208, 210, 228 Westfalen 111 Widerspruch 58, 130, 140, 241, 248, 250, 274 Widerstand 93, 108, 121, 124, 206, 247 Wiederaufbau 18, 173 Wiedergeburt 189 Wiederholung 79, 114, 201, 227, 270 Wirklichkeit 51, 61, 64, 92, 183f, 186, 189, 196, 214, 219, 233f, 266, 282f Wirklichwerden 189, 196 Wissen 54, 118, 133, 136, 171, 181, 227, 281f, 284 Wissenschaft 21f, 26, 33, 53, 130, 201, 228, 254f, 282–284 Wittenberger Konkordie 98 Wohlfahrtsstaat 220 Wormser Reichstag 281 Wort 53, 63, 70, 113–116, 123, 153, 159, 165, 169f, 190, 219, 229, 233, 242f, 248, 255, 262, 264f, 267f, 270, 274f Wort Gottes 11, 16, 26, 29, 53, 65, 72, 74, 80f, 83, 87, 91, 96f, 99– 102, 107, 111, 113f, 116f, 119, 121, 123f, 129f, 134, 138, 142, 179, 183f, 189, 193, 195–197, 211, 220, 242– 244, 246, 250, 252f, 264, 267f, 270f, 273–275, 282 Wunder 60f, 92 Würde 46, 82, 168, 194, 225, 233f Zeichen 266
171, 179, 192f, 226, 259,
Sachregister
Zeigen 52, 171, 211, 233, 254, 266 Zeit 36–38, 49, 59, 63, 84, 86, 113f, 118f, 136, 151, 153, 161, 164f, 172, 189, 192, 226, 249, 251, 278 Zeitgemäßheit 105, 276f Zeitgenossenschaft 11, 104, 240, 268 Zeitgeschichte 116, 124, 136, 254 Zeugnis 12, 15, 22f, 30, 38f, 52, 58, 68, 70f, 74, 80, 93, 113f, 118–123, 139, 142, 145, 174f, 190, 192, 211, 217–221, 223f, 227–229, 231f, 234, 236, 242f, 250–252, 254f, 259–271, 274f, 281– 285 Zitation 199 Zorn 59, 183
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Zueignung 216, 218, 220 Zufall 49f Zukunft 52f, 79, 83, 101, 131, 135, 138, 149, 161f, 172, 179, 181, 184, 186, 188–190, 196, 223, 237, 244, 264, 270 Zumutung 129, 143, 265 Zürcher Bekenntnis 75 Zürich 90 Zuspruch 114, 149, 238 Zuwendung 46, 157, 192, 231f, 245, 274 Zwei-Naturen-Lehre 61f, 147, 149, 152, 159, 165, 167f, 199, 206f, 212f, 216