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German Pages 266 [267] Year 2010
Beiträge zur historischen Theologie Herausgegeben von
Albrecht Beutel 152
Benjamin Dahlke
Die katholische Rezeption Karl Barths Theologische Erneuerung im Vorfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils
Mohr Siebeck
Benjamin Dahlke, geboren 1982; Studium der Philosophie und Theologie in Paderborn, München, Princeton und Mainz; 2009 Promotion; seit 2007 Assistent an der KatholischTheologischen Fakultät der Universität Mainz.
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort. e-ISBN PDF 978-3-16-151062-5 ISBN 978-3-16-150382-5 ISSN 0340-6741 (Beiträge zur historischen Theologie) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2010 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen aus der Garamond gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Vorwort Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Juli 2009 von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Mainz angenommen worden ist. Mein besonderer Dank gilt den Gutachtern, Herrn Prof. Dr. Leonhard Hell (Mainz) und Herrn Prof. DDr. Jörg Ernesti (Brixen). Beide haben die Arbeit an der Dissertation mit großem Interesse und Engagement begleitet sowie wichtige Anregungen gegeben. Ein anregendes und förderliches Umfeld fand ich am Lehrstuhl für Dogmatik und Ökumenische Theologie, an dem ich als Assistent von Prof. Hell tätig bin. Für die Aufnahme in die Reihe ‚Beiträge zur historischen Theologie‘ danke ich Herrn Prof. Dr. Albrecht Beutel (Münster), für die umsichtige und unkomplizierte Betreuung der Drucklegung dem Verlag. Zu großem Dank bin ich auch der ‚Studienstiftung des deutschen Volkes‘ für ein Promotionsstipendium verpflichtet. Überaus hilfreich war außerdem ein Forschungssemester in Princeton, großzügig gefördert vom Princeton Theological Seminary und begleitet von Prof. Dr. Bruce McCormack. Überhaupt habe ich im Rahmen meiner Forschungen vielfache Hilfe und freundliche Aufnahme erfahren, zumal im Bischöflichen Priesterseminar Mainz sowie im Basler Karl Barth-Archiv bei Herrn Dr. Hans-Anton Drewes. Danken möchte ich schließlich allen Kommilitonen, mit denen ich Thesen meiner Dissertation habe diskutieren können, namentlich meinem Bruder Matthias, Sebastian Lang und Ralf Sagner. Vieles ist mir erst im Gespräch mit ihnen aufgegangen. Mainz, den 3. 12. 2009
Benjamin Dahlke
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Themenstellung und Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der historische Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Zwischen den Zeiten: Der Aufbruch des deutschen Katholizismus, Karl Barth und die Neuscholastik (Kap. 1–7) . . . . . . . . . . . . . 2.2 Die theologische Wende der Theologie: Hans Urs von Balthasar, Karl Barth und das Ende der Neuscholastik (Kap. 8–11) . . . . . . .
1 3
Kapitel 1: ‚Der Römerbrief‘: Erste Reaktionen auf Karl Barth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 9 10 13 18 22 26 28
Kapitel 2: Antimoderne Moderne: Die philosophischen Voraussetzungen der Dialektischen Theologie. . . . . . . . . . . . . . .
31
2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Die Irrwege der modernen Theologie: Michael Gierens 2.3 Die Sprachlosigkeit der Dialektischen Theologie: Friedrich Maria Rintelen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Der Christus des Glaubens: Karl Rahner . . . . . . . . 2.5 Barths Kreaturbegriff: Hermann Volk . . . . . . . . . 2.6 Ertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7
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1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neue Wege der Verkündigung: Joseph Wittig . . . . . . . . . . . Die antihistorische Revolution in der Theologie: Joseph Engert . Immanenz, Transzendenz und analogia entis: Erich Przywara . Gott wider den Menschen: Karl Adam . . . . . . . . . . . . . . Der lange Schatten Przywaras: Josef Rupert Geiselmann . . . . Ertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
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31 33
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36 38 43 48
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VIII
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 3: Einheit im Glauben: Der Münsteraner Gesprächskreis, Robert Grosche und die Zeitschrift ‚Catholica‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Münsteraner Gesprächskreis . . . . . . . . . . . . . . Der Nutzen der Dialektischen Theologie: Robert Grosche Die Zeitschrift ‚Catholica‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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52 52 56 64 68
Kapitel 4: ‚Fides quaerens intellectum‘: Barths Studie über Anselm von Canterbury . . . . . . . . . . . . . . . .
70
3.1 3.2 3.3 3.4 3.5
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4.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Anselm in neuscholastischer Sicht: Franciscus Salesius Schmitt und Rudolf Allers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Gottesdienst auf dem Feld des Denkens: Anselm Stolz . . . . . 4.4 Ertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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70
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71 74 77
Kapitel 5: Ringen um den wahren Glauben: Katholische Theologen zu Gast bei Karl Barth . . . . . . . . . . . . . .
80
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80 81 86 89 91
Kapitel 6: Die Erfindung des Antichrist? Katholische Reaktionen auf Barths Verteufelung der analogia entis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
5.1 5.2 5.3 5.4 5.5
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Um die wahre Kirche: Erich Przywara . . . . . . . . . . . . . . . Die Notwendigkeit sakramentaler Vermittlung: Damasus Winzen Die Funktion der Mariologie: Robert Grosche . . . . . . . . . . . Ertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Die ‚Kirchliche Dogmatik‘ ohne die analogia entis: Heinrich Weisweiler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Die ‚Kirchliche Dogmatik‘ als ein Kuriosum: Bernhard Bartmann 6.4 Gott und das Sein: Daniel Feuling . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Eine thomistische Kritik: Jakob Fehr . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Unterwegs zu einer heilsgeschichtlichen Theologie: Gottlieb Söhngen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7 ‚Analogia entis‘ ist nicht gleich analogia entis: Erich Przywara . . 6.8 Der Versuch einer Rettung: Robert Grosche . . . . . . . . . . . . 6.9 Ertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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93
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100 101 104 107
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117 124 129 131
IX
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 7: Die Wende zur Eschatologie: Die Dialektische Theologie in der Sicht von Hans Urs von Balthasar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
137 139 144 154
Kapitel 8: Hans Urs von Balthasars Beitrag zur Erneuerung der katholischen Theologie . . . . . . . . . . . . . . . .
158
8.1 Die Problematik der Neuscholastik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Balthasars Lösungsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
158 161
Kapitel 9: Balthasars Wahrnehmung des Barthschen Denkens (1940–1948) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
166
9.1 Balthasars Unzufriedenheit mit der Schultheologie . . . . . . . . . . 9.2 ‚Analogie und Dialektik‘ (1944) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 ‚Analogie und Natur‘ (1945) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
166 170 178
Kapitel 10: Balthasars Aneignung des Barthschen Denkens (1948–1951) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
186
7.1 7.2 7.3 7.4
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ‚Geschichte des eschatologischen Problems‘ (1930) . ‚Apokalypse der deutschen Seele‘ (1937–1939) . . . Ertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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137
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186 193 193 202 207 211
Kapitel 11: Balthasars Fortschreibung des Barthschen Denkens (seit 1951) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
215
11.1 Das Verhältnis von Christologie und Pneumatologie . . . . . . . . . 11.2 Gott in seiner Offenbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
215 217
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
224
Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
229 255 257
10.1 Ein Gespräch auf Umwegen: Barth und die Nouvelle Théologie 10.2 ‚Karl Barth‘ (1951) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.1 Ein Beitrag zur theologischen Methodologie . . . . . . . 10.2.2 Barths theologische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . 10.2.3 Zu Bruce McCormacks Kritik an Balthasar . . . . . . . . 10.2.4 Zur unmittelbaren Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte
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Einleitung 1. Themenstellung und Forschungsstand Ein Klassiker zeichnet sich dadurch aus, interpretationsresistent zu sein, also derart perspektivenreich und vielschichtig, daß er stets neue Interpretationen hervorruft und diese zugleich überdauert.1 Insofern hat Karl Barth (1886–1968) gute Chancen, schon jetzt als ein Klassiker der Theologie zu gelten. Gerade sein ‚Römerbrief ‘ (1922) sowie die monumentale und doch Fragment gebliebene ‚Kirchliche Dogmatik‘ (1932 – 1967) sind von Anfang an höchst unterschiedlich gedeutet worden, und die Sekundärliteratur läßt sich inzwischen nicht mehr überschauen. Kaum weniger gehen die Meinungen darüber auseinander, wie sein Werk überhaupt zu bewerten ist, ob nun als zukunftsweisende Darstellung des christlichen Glaubens oder aber als Anachronismus angesichts des Problemstandes, mit dem sich die Theologie in der Moderne konfrontiert sieht. Wenn darüber in der evangelischen Theologie bis in die Gegenwart kontrovers diskutiert wird, ist das keineswegs verwunderlich. Barths Denken scheint nämlich in völligem Kontrast zu den Haupttendenzen des neueren Protestantismus zu stehen, besonders zu denen, die sich auf Friedrich Schleiermacher (1768–1834) zurückführen lassen. Plakative Entgegensetzungen wie diese prägen die Forschung jedenfalls bis in die unmittelbare Gegenwart.2 Im Grunde wird hier ein Streit darüber ausgetragen, wie sich die evangelische Theologie
1 Vgl. George Steiner: Errata. An examined life. London: Phoenix, 1998, 22: „It is as if the poem, the painting, the sonata drew around itself a last circle, a space for inviolate autonomy. I define the classic as that around which this space is perennially fruitful. It questions us. It demands that we try again. It makes of our misprisions, of our partialities and disagreements not a relativistic chaos, an ‚anything goes‘, but a deepening. Worthwhile interpretations, criticism to be taken seriously, are those which make their limitations, their defeats visible. In turn, this visibility helps make manifest the inexhaustibility of the object.“ 2 Dazu Dietrich Korsch: Wort Gottes oder Frömmigkeit? Über den Sinn einer theologischen Alternative zwischen Karl Barth und Friedrich Schleiermacher. In: ZDT 5 (1989), 195– 216; Bruce McCormack: What Has Basel to Do with Berlin? Continuities in the Theologies of Barth and Schleiermacher. In: PSB 23 (2002), 146–173; Jörg Dierken: Karl Barth (1886– 1968). In: Friedrich Wilhelm Graf (Hrsg.): Klassiker der Theologie. Bd. 2. München: Beck, 2005 (Beck’sche Reihe; 1631), 223–257; Christine Axt-Piscalar: Kontinuität oder Abbruch? Karl Barths Prolegomena zur Dogmatik im Lichte der Theologie des 19. Jahrhunderts – eine Skizze. In: ThZ 62 (2006), 433–451.
2
Einleitung
gegenüber der Moderne positionieren soll: positiv-affirmativ oder kritisch-distanziert.3 Aber nicht nur auf protestantischer, auch auf katholischer Seite hat Barths Werk Beachtung gefunden, und das in einem verblüffenden Ausmaß. Im folgenden wird nachgezeichnet, wie die Rezeption, also die Wahrnehmung und Aneignung seines Denkens, im deutschen Sprachraum bis zum Jahr 1958 verlief und warum sie überhaupt einsetzte. In welcher Weise die Rezeption in der englisch- und besonders der französischsprachigen sowie in der niederländischen katholischen Theologie vor sich ging, müßte eigens untersucht werden. In den USA beispielsweise bildeten die Katholiken in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch eine Art Parallelgesellschaft. Was sich im Protestantismus ereignete, war kaum von Interesse, folglich auch nicht das Werk Karl Barths.4 Während die Beschäftigung mit diesem im englischen Sprachraum, zumindest dem ersten Eindruck nach, eher spärlich war und erst recht spät einsetzte, war sie in der Frankophonie auffallend breit und begann bereits in den zwanziger Jahren. 5 Wie das zu erklären ist, muß hier offen bleiben, widmen sich die folgenden Studien doch der deutschsprachigen Theologie. Schon damit wird eine Forschungslücke geschlossen, denn abgesehen von einigen knappen Überblicken, die in ihrem Fokus entweder allzu weit oder allzu eng sind, ist das Thema bislang noch nicht bearbeitet worden. 6 3 Eine kritische Sichtung der Forschung in dieser Perspektive bieten Eberhard Busch: Weg und Werk Karl Barths in der neueren Forschung. In: ThR 60 (1995), 273–299, 430–470; Bruce McCormack: Beyond Nonfoundational and Postmodern Readings of Barth’s Critically Realistic Dialectical Theology. In: ZDT 12 (1997), 67–95, 170–194; Arne Rasmusson: Historiography and Theology. Theology in the Weimar Republic and the Beginning of the Third Reich. In: KZG 20 (2007), 155–180; Stefan Holtmann: Karl Barth als Theologe der Neuzeit. Studien zur kritischen Deutung seiner Theologie. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2007 (FSÖTh 118); Ders.: Karl Barth als Theologe der Neuzeit. Die Deutungen Trutz Rendtorffs, Falk Wagners und Friedrich Wilhelm Grafs. In: Martin Leiner / Michael Trowitzsch (Hrsg.): Karl Barths Theologie als europäisches Ereignis. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2008, 331–347; Georg Pfl eiderer: Karl Barths Dialektische Theologie als Paradigma des 20. Jahrhunderts. Versuch einer Selbstrezension eines Rezeptionsweges. In: ZDT 24 (2008), 31–47. 4 Es gab kaum katholische Theologen, die sich näher mit Barth auseinandersetzten, abgesehen vielleicht von Gustave Weigel: Protestant Theological Positions Today. In: TS 11 (1950), 547–566, hier: 552–559 mit Bezug auf Karl Barth: Dogmatics in Outline. New York: Philosophical Library, 1949; Ders.: A Survey of Protestant Theology in Our Day. Westminster, MD: The Newman Press, 1954, 29–34. 5 Vgl. Bernard Reymond: Théologien ou prophète? Les francophones et Karl Barth avant 1945. Lausanne: Edition l’Age d’Homme, 1985 (Symbolon), 116–132; Leonhard Hell: Früher katholischer Ökumenismus im deutsch-französischen Wechselspiel. In: Jörg Ernesti / Wolfgang Thönissen (Hrsg.): Die Entdeckung der Ökumene. Zur Beteiligung der katholischen Kirche an der Ökumene. Paderborn: Bonifatius / Frankfurt: Lembeck, 2008 (KS 24), 53–80, hier: 67–71. 6 Recht weite Überblicke bieten Grover Foley: The Catholic Critics of Karl Barth in Outline and Analysis. In: SJTh 14 (1961), 136–155; Emilien Lamirande: The Impact of Karl Barth on the Catholic Church in the Last Half Century. In: Martin Rumscheidt (Hrsg.):
2. Der historische Hintergrund
3
Die Beschäftigung mit der katholischen Barth-Rezeption lohnt aber keineswegs nur deshalb, weil sie Teile der Wirkungsgeschichte Barths und einige Aspekte seiner Biographie erhellt. Darüber hinaus bietet das Thema einen Einblick in den Diskurs der katholischen Theologie dieser Zeit. Nicht zuletzt um das Zweite Vatikanische Konzil besser zu verstehen, bedarf die Theologiegeschichte seit Ende des Ersten Weltkriegs eingehender Erforschung.7
2. Der historische Hintergrund Mit Blick auf die Geschichte der katholischen Kirche von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wird mitunter vom ‚pianischen Zeitalter‘ gesprochen. Was die Pontifikate von Pius IX. (1846–1858) bis Pius XII. (1939– 1958) miteinander verbindet, ist das gleiche Programm: einerseits die äußere Expansion, andererseits die innere Konsolidierung, zumal durch die Etablierung des in sich geschlossenen, sowohl die Philosophie als auch die Theologie umgreifenden neuscholastischen Systems. 8 In einer stetig pluraleren Welt ließ Footnotes to a Theology. The Karl Barth Colloquium of 1972. Waterloo, Ontario: The Corporation for the Publication of Academic Studies in Religion in Canada, 1974, 112–148; Philip J. Rosato: The Infl uence of Karl Barth on Catholic Theology. In: Gr. 67 (1986), 659–678; Geoffrey Bromiley: The Infl uence of Barth after World War II. In: Nigel Biggar (Hrsg.): Reckoning with Barth [. . .]. Oxford: Mowbray, 1988, 9–23; Paolo Ricca: Barth di fronte al cattolicesimo e all’ecumenismo. In: Sergio Rostagno (Hrsg.): Barth contemporaneo. Turin: Claudiana, 1990 (CFVT 16), 197–211; Denis Müller: Karl Barth. Paris: Cerf, 2005 (Initiations aux théologiens), 207–216. Auf einzelne Fragestellungen konzentrieren sich hingegen Emilien Lamirande: Roman Catholic Reactions to Karl Barth’s Ecclesiology. In: CJT 14 (1968), 28–42 und Alfons Nossol: Die Rezeption der Barthschen Christologie in der katholischen Theologie der Gegenwart. In: EvTh 46 (1986), 351–369. 7 Deutung und Bedeutung des Konzils sind noch immer strittig. Kontrovers diskutiert wird zumal, ob eine ‚Hermeneutik des Bruchs‘ angemessen ist oder aber eine ‚Hermeneutik der Kontinuität‘. Allzuoft wird dabei jedoch der historische Kontext vergessen oder zumindest zu wenig berücksichtigt, v. a. das Vorfeld. Dieses näher zu erforschen könnte insofern neue Perspektiven eröffnen. Über die Chancen historischer Forschung schreibt Quentin Skinner: Introduction: Seeing things their way. In: Ders.: Visions of Politics. Bd. 1. Cambridge u. a.: Cambridge University Press, 2002, 1–7, hier: 6: „If we approach the past with a willingness to listen, with a commitment to trying to see things their way, we can hope to prevent ourselves from becoming too readily bewitched. An understanding of the past can help us to appreciate how far the values embodied in our present way of life, and our present ways of thinking about those values, reflect a series of choices made at different times between different possible worlds. This awareness can help to liberate us from the grip of any one hegemonal account of those values and how they should be interpreted and understood. Equipped with a broader sense of possibility, we can stand back from the intellectual commitments we have inherited and ask ourselves in a new spirit of enquiry what we should think of them.“ 8 Vgl. Christoph Theobald: De Vatican I aux années 1950: Révélation, foi et raison, inspiration, dogme et magistère infaillible. In: Ders. / Bernard Sesboüé: Histoire des dogmes. Bd. 4. Paris: Desclée, 1996, 227–470; Giacomo Martina: Storia della Chiesa. Da Lutero ai nostri giorni. Bd. 4. Brescia: Morcelliana, 32001. Im übrigen besteht in der Forschung kein
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Einleitung
sich dieses Programm aber immer schwerer verwirklichen. Deshalb war die Neuorientierung, die Papst Johannes XXIII. (1958–1962) einleitete, schließlich unumgänglich. Bereits kurz nach seiner Wahl erklärte er, daß er ein Konzil einberufen wolle, dessen vorrangiges Anliegen das ‚aggiornamento‘ der Kirche sei. Während viele Gläubige davon völlig überrascht wurden, sah sich die Theologie schon seit langem mit einer Komplexität und Pluralität konfrontiert, die sich schwerlich in das starre neuscholastische System fügen ließ. Besonders deutlich wurde das zuerst in Deutschland, später dann in Frankreich.9 Von daher verwundert gar nicht, daß Bischöfe und Theologen aus diesen Ländern eine prominente Rolle auf dem Konzil spielten.10
2.1 Zwischen den Zeiten: Der Aufbruch des deutschen Katholizismus, Karl Barth und die Neuscholastik (Kap. 1–7) Waren die Katholiken zu Beginn des deutschen Kaiserreichs eine zumindest in intellektueller Hinsicht marginalisierte und isolierte Minderheit, drangen sie zunehmend in die Mitte der Gesellschaft. Dieser Prozeß kam während des Ersten Weltkriegs zu seinem Abschluß, als die allumfassende Mobilisierung der Gesellschaft bisherige Barrieren abbaute.11 Während der Weimarer Republik waren die Katholiken dann ein bestimmender Faktor.12 Mit dieser neuen Stellung verband sich die Notwendigkeit, anderen Kräften gegenüber Position zu beziehen. Das führte zu einer regen Beschäftigung mit der zeitgenössischen Literatur und Philosophie, aber auch mit der protestantischen Theologie. Zu dieser hatte es zuvor kaum Berührungspunkte gegeben. Sie schien nämlich zur historischen Kulturwissenschaft degeneriert zu sein, insofern nicht mehr Gott in seiner Offenbarung in ihrem Zentrum stand, sondern der Mensch Konsens darüber, wie die neuere Geschichte der Kirche zu periodisieren ist, so Martin Greschat: Epochengrenzen der Kirchengeschichte im 20. Jahrhundert. In: VF 47 (2002), 82–92. 9 Vgl. Étienne Fouilloux: I movimenti di riforma nel pensiero cattolico dal XIX al XX secolo. In: CrSt 24 (2003), 659–676, hier: 670 f. 10 Vgl. Melissa J. Wilde: Vatican II. A Sociological Analysis of Religious Change. Princeton, NJ / Oxford: Princeton University Press, 2007, 33–35. 11 Vgl. Thomas F. O’Meara: Church and Culture. German Catholic Theology, 1860– 1914. Notre Dame, IN / London: University of Notre Dame Press, 1992, 195 f.; Thomas Ruster: Theologische Wahrnehmung von Kultur im ausgehenden Kaiserreich. In: Hubert Wolf (Hrsg.): Antimodernismus und Modernismus in der katholischen Kirche. Beiträge zum theologiegeschichtlichen Vorfeld des II. Vatikanums. Paderborn u. a.: Schöningh, 1998 (Programm und Wirkungsgeschichte des II. Vatikanums; 2), 267–279; Anthony J. Steinhoff: Christianity and the creation of Germany. In: Sheridan Gilley / Brian Stanley (Hrsg.): The Cambridge History of Christianity. Bd. 8. Cambridge u. a.: Cambridge University Press, 2006, 282–300, hier: 296–300. 12 Vgl. Thomas Ruster: Die verlorene Nützlichkeit der Religion. Katholizismus und Moderne in der Weimarer Republik. Paderborn u. a.: Schöningh, 1994.
2. Der historische Hintergrund
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in seiner Selbst- und Weltdeutung. Dieses Programm verkörperten in den Augen damaliger Katholiken Adolf von Harnack (1851–1930) und Ernst Troeltsch (1865–1923).13 Mit der Dialektischen Theologie, die sich infolge von Barths ‚Römerbrief ‘ formierte, war allerdings eine neue Situation gegeben, wurde doch nun die Differenz zwischen Gott und der Kultur eingeschärft. Im Jahr 1931 schrieb ein Beobachter: „Von außen gesehen war der moderne Protestantismus scheinbar endgültig und unlösbar mit der idealistischen Philosophie und dem daraus hervorgegangenen Historismus verwoben. Troeltsch und Harnack waren die bezeichnenden Namen. Da tritt mitten in diesen Kreis der mehr und mehr sich in Religionswissenschaft und Religionsphilosophie sich verflüchtigenden Theologie die Dogmatik Calwins [sic!] und Luthers in alter, ja noch gesteigerter Strenge, ein Zeichen, daß die Lebenskraft der reformatorischen Glaubenshaltung unter der Decke weitergeströmt war, und eine Warnung für alle die, die das nahe Ende des Protestantismus bereits prophezeien zu dürfen glaubten. Es ist bewußte Wiederaufnahme der reformatorischen Fragestellung, verbunden mit einem starken Einfluß Kierkegaards, was sich in dem Werke Karl Barths, Eduard Thurneysens und Friedrich Gogartens vollzieht.“14
Mit der Dialektischen Theologie, die sich nach dem Ersten Weltkrieg als eine Interessen- und Arbeitsgemeinschaft formiert hatte, schien sich der Protestantismus von den ‚Irrwegen‘ der Moderne abzuwenden und wieder zu sich selbst zu finden. Verbindendes Element war die Ablehnung der im Protestantismus vorherrschenden geschichtsorientierten, psychologisierenden Theologie der religiösen Subjektivität. So unterschiedlich Barth, Emil Brunner (1889–1966), Rudolf Bultmann (1884–1976), Friedrich Gogarten (1887–1967), Georg Merz (1892–1959) und Eduard Thurneysen (1888–1977) ansonsten auch dachten – der massive und bisweilen polemische Gegensatz und Widerspruch zu dem, was sie als Liberale Theologie oder Neuprotestantismus identifizierten, vereinte sie und hielt sie zunächst zusammen. Mit ihrem allmählichen Übergang vom Pfarrins akademische Lehramt, der schon Anfang der zwanziger Jahre begann, setzte jedoch ein entscheidender Wandel ein. Dem Selbstverständnis ihrer Vertreter nach zunächst ein Korrektiv, mußte sich die Dialektische Theologie nun zur ausgeführten Lehrkonzeption weiterentwickeln. Aber je mehr die Aufgabe in den Vordergrund rückte, von der Kritik der überkommenen zur Gewinnung einer eigenen Theologie überzugehen, desto deutlicher traten die internen Differenzen hervor. Daß die Dialektische Theologie weniger eine theologische Schule mit einem verbindenden und verbindlichen Programm als ein überaus 13 Vgl. O’Meara (1992), 194. Exemplarisch dafür sind Hermann Joseph Wurm: Protestantismus. In: WWKL 10 (1897), 480–533, hier: 506–516 und Hermann Lange: Protestantismus. In: Joseph Braun (Hrsg.): Handlexikon der katholischen Dogmatik. Freiburg: Herder, 1926, 237 f. 14 Heinrich Getzeny: Strömungen in der protestantischen Theologie der Gegenwart. In: KathGed 4 (1931), 43–57, hier: 43. Ganz ähnlich lautet die Einschätzung von Bernhard Bartmann: Lehrbuch der Dogmatik. Bd. 2. Freiburg: Herder, 81932, 525.
6
Einleitung
fragiles Zweckbündnis von Denkern unterschiedlichster Prägung war, begründete ihren anfänglichen Erfolg, erklärt aber zugleich ihr Auseinanderbrechen Anfang der dreißiger Jahre aufgrund der höchst divergenten Einschätzung der natürlichen Theologie.15 Als sich die Bewegung um Karl Barth nach dem Ersten Weltkrieg formierte, war sie für Katholiken jedenfalls von großem Interesse. Im Gegensatz zum liberalen Protestantismus rückte sie an die Stelle der Religionsphilosophie erneut die Theologie, betrieb anstatt bloßer Dogmengeschichte wieder explizit Dogmatik, und das mit einer dezidiert kirchlichen Ausrichtung. Von hier aus erklärt sich, warum es zu einer regen Beschäftigung mit Barth kam. Er erweckte den Eindruck, wieder dort anzusetzen, wo die Reformatoren aufgehört hatten, also bei der Frage, was der wahre Glaube sei. Bemerkenswert ist insofern, daß im Unterschied dazu Friedrich Heilers (1892–1967) praktisch gleichzeitig formuliertes Modell einer ‚evangelischen Katholizität‘ auf Ablehnung stieß. Dem kulturprotestantischen Individualismus und liberalen Subjektivismus setzte der Marburger Religionswissenschaftler, der sich sogar zum Bischof ordinieren ließ, um in der apostolischen Sukzession zu stehen, einen am lutherischen Bekenntnis und an der Liturgie orientierten Protestantismus entgegen. Auf diese Weise wollte er auch eine Brücke zum Katholizismus schlagen.16 Die Betonung äußerer Formen kaschierte seine theologisch grundliberalen Überzeugungen jedoch nur notdürftig, weshalb sein Ansatz auf katholischer Seite weithin abgelehnt wurde. Barth schien weitaus mehr dogmatische Substanz zu haben und näher an den Reformatoren zu sein. Allerdings gab es auch kritische Stimmen, die auf die spezifisch modernen, mit der damaligen katholischen Theologie schwer in Einklang zu bringenden Elemente seines Denkens aufmerksam machten, wozu etwa der Einfluß Sören Kierkegaards (1813–1855) zählte. Wirkungsgeschichtlich fatal sollte sich aber das Vorwort zum ersten Band der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ erweisen, wo Barth die analogia entis als die Erfindung des Antichrist schlechthin und als entscheidenden Grund dafür bezeichnet, weshalb man nicht katholisch werden könne.17 Dieser offenbar achtlos dahingeworfene Satz führte dazu, daß Barth als die Verkörperung protestantischer Intransigenz betrachtet wurde. Dieser Eindruck bestimmte und hemmte die Auseinandersetzung deutschsprachiger katholischer Theologen mit seinem Denken massiv. 15 Vgl. Christof Gestrich: Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie. Zur Frage der natürlichen Theologie. Tübingen: Mohr, 1977 (BHTh 52); Walter Sparn: Natürliche Theologie. In: TRE 24 (1994), 85–98, hier: 91 f.; Eckhard Lessing: Geschichte der deutschsprachigen evangelischen Theologie von Albrecht Ritschl bis zur Gegenwart. Bd. 2. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2004, 456–464. 16 Vgl. Jörg Ernesti: Ökumene im Dritten Reich. Paderborn: Bonifatius, 2007 (KKTS 77), 406. 17 Vgl. KD I/1 (1932), VIII-IX.
2. Der historische Hintergrund
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Wenn es in den fünfziger Jahren dennoch eine erneute intensive Beschäftigung mit seinem Denken gab, die über dessen bloße Wahrnehmung hinaus noch die produktive Aneignung einschloß, ist das wesentlich auf Hans Urs von Balthasar (1905–1988) zurückzuführen. Daß er die ‚Kirchliche Dogmatik‘ studierte, während andere Katholiken dazu überhaupt keine Veranlassung sahen, erklärt sich vor dem Hintergrund seiner Ausbildung in Frankreich. Dort war die Theologie besonders innovativ.
2.2 Die theologische Wende der Theologie: Hans Urs von Balthasar, Karl Barth und das Ende der Neuscholastik (Kap. 8–11) In welcher Aufbruchsstimmung sich die französische Theologie befand, zeigt ein kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs veröffentlichter Artikel des Jesuiten Jean Daniélou (1905–1974), in dem er neben einer Rückkehr zu den Quellen, also zur Heiligen Schrift, zu den Kirchenvätern und zur Liturgie, ein größeres Interesse an der modernen Philosophie feststellte, schließlich das Bemühen um eine größere Lebensnähe von Theologie und Verkündigung.18 Insofern es sich dabei eher um eine Weitung des Thomismus als um eine Revolution handelt, ist die Bezeichnung des von Daniélou skizzierten Denkens als Nouvelle Théologie eigentlich irreführend.19 Aber schon daß die Gegner dieser Richtung einen solchen Begriff prägten, ist ein Indikator dafür, wie suspekt ihnen ein stärker geschichtliches Denken war. 20 Die Anhänger der Neuscholastik favorisierten eine Theologie, die sich ganz an der Metaphysik orientierte, d. h. an einer angeblich auf Thomas von Aquin zurückgehenden philosophia perennis. Auf dieser Grundlage wollten sie ein System etablieren, das aufgrund seiner Ungeschichtlichkeit geschlossen sein konnte. Konterkariert wurde das durch die historischen Forschungen französischer Dominikaner und Jesuiten, welche die Differenz zwischen Thomas und seinen späteren Interpreten herausstellten.21 Es war
18 Vgl. Jean Daniélou: Les orientations présentes de la pensée religieuse. In: Études Bd. 249 (1946), 5–21. 19 Zur Geschichte des Begriffs vgl. Albert Raffelt: Nouvelle Théologie. In: LThK 3 7 (1998), 935–937. 20 Vgl. Alessandro Doni: La riscoperta delle fonti. In: Rino Fisichella (Hrsg.): Storia della teologia. Bd. 3. Rom / Bologna: Edizioni Dehoniane, 1996, 443–474; Aidan Nichols: Thomism and the Nouvelle Théologie. In: Thom. 64 (2000), 1–19; Brian Daley: The Nouvelle Théologie and the Patristic Revival: Sources, Symbols and the Science of Theology. In: IJST 7 (2005), 362–382; Fergus Kerr: A Different World: Neoscholasticism and its Discontents. In: IJST 8 (2006), 128–148. 21 Vgl. Gerald McCool: The Neo-Thomists. Milwaukee, WI: Marquette University Press, 1994 (Marquette Studies in Philosophy; 3), 152; Herbert McCabe: Aquinas Himself. In: Ders.: On Aquinas. London / New York: Continuum, 2008, 1–5.
8
Einleitung
die Entdeckung dieser Differenz, die das neuscholastische System schließlich zum Einsturz bringen sollte.22 Zunächst sah es allerdings so aus, als obsiegten die Gegner der Nouvelle Théologie. In diesem Zusammenhang ist die Enzyklika Humani Generis aus dem Jahr 1950 zu nennen, in deren Folge viele Theologen gemaßregelt und zum Schweigen gebracht wurden. 23 Zu ihnen zählte der damals in Lyon wirkende Henri de Lubac (1895–1991). Er hatte in seinen Forschungen die strikte Unterscheidung zwischen Natur und der als Übernatur verstandenen Gnade, die den neuzeitlichen Thomismus kennzeichnete, historisiert und so in ihrer Bedingtheit enthüllt.24 Seine Einsichten machte sich Hans Urs von Balthasar zu eigen, der als Jesuit in den dreißiger Jahren in Lyon studiert hatte und seither mit Lubac befreundet war. Darin allerdings weit über die Nouvelle Théologie hinausgehend, brach der Schweizer grundsätzlich mit der thomistischen Tradition und versuchte, das Katholische auf andere Weise zu formulieren. Konkret plädierte er für eine theologische Wende der Theologie, indem er betonte, daß die Theologie statt bei irgendwelchen Abstrakta bei Gottes Offenbarung in Jesus Christus anzusetzen hat. In diesen Zusammenhang fügt sich seine Beschäftigung mit Karl Barth ein. Aus der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ bezog Balthasar Impulse für die Erneuerung der katholischen Theologie.
22 Vgl. Gerald McCool: From Unity to Pluralism. The Internal Evolution of Thomism. New York: Fordham University Press, 1989, 1–3, 200–233. 23 Vgl. Agnès Desmazières: Le sens d’une soumission. La réception française de l’encyclique Humani generis (1950–1951). In: RThom 105 (2005), 273–306. 24 Vgl. Jean-Pierre Wagner: Henri de Lubac. Paris: Cerf, 2001 (Initiations aux théologiens).
Kapitel 1
‚Der Römerbrief‘: Erste Reaktionen auf Karl Barth 1.1 Einführung Selten hat ein theologisches Buch eine derart breite und nachhaltige Wirkung entfaltet wie Karl Barths ‚Römerbrief ‘. Binnen kurzem sollte aus einem bis dahin nahezu unbekannten Schweizer Dorfpfarrer einer der prominentesten Theologen des deutschen Sprachraums werden. Bereits eine erste, im Jahr 1919 erschienene Fassung hatte ein lebhaftes Echo hervorgerufen und wesentlich dazu beigetragen, daß Barth eine Honorarprofessur in Göttingen angetragen wurde.1 Wie eine Revolution nahm sich dann jene zweite, Anfang 1922 veröffentlichte Fassung des ‚Römerbriefs‘ aus. 2 Obwohl viele hundert Seiten stark und aufgrund des mitunter eigenwilligen Stils nicht immer leicht zu verstehen, außerdem keiner literarischen Gattung eindeutig zuzuordnen, weil weder exegetischer Kommentar noch systematisch-theologischer Traktat geschweige denn Predigtsammlung, erlebte dieses merkwürdige Buch innerhalb kürzester Zeit gleich mehrere Auflagen. Hatte die bis dahin im Protestantismus dominierende Theologie das menschliche Subjekt als ihren Konstruktionspunkt betrachtet, pochte Barth nun auf den ‚unendlichen qualitativen Unterschied von Zeit und Ewigkeit‘.3 In der Theologie wie in der Verkündigung habe es nicht um die Selbst- und Weltdeutung des Menschen zu gehen, wohl aber um die Gottheit Gottes – das war die zentrale Überzeugung, die zu wiederholen er nicht müde wurde.4
1
Karl Barth: Der Römerbrief. Bern: Bäschlin, 1919. RB (1922). 3 So erklärte Barth in RB (1922), XIII: „Wenn ich ein System habe, so besteht es darin, daß ich das, was Kierkegaard den unendlichen qualitativen Unterschied von Zeit und Ewigkeit genannt hat, in seiner negativen und positiven Bedeutung möglichst beharrlich im Auge behalte.“ Dazu Peter S. Oh: Complementary Dialectics of Kierkegaard and Barth. Barth’s Use of Kierkegaardian Diastasis Reassessed. In: NZSTh 49 (2006), 497–512. 4 Vgl. Eberhard Busch: God is God. The Meaning of a Controversial Formula and the Fundamental Problem of Speaking about God. In: PSB 7 (1986), 101–113; John Webster: Karl Barth. In: Jeffrey P. Greenman / Timothy Larsen (Hrsg.): Reading Romans through the Centuries. From the Early Church to Karl Barth. Grand Rapids, MI: Brazos Press, 2005, 205–223; Dirk-Martin Grube: God or the Subject? Karl Barth’s Critique of the ‚Turn to the Subject‘. In: NZSTh 50 (2007), 308–324; Christian Link: Karl Barths Römerbrief (1921) als theologisches Signal. In: ZDT 23 (2007), 135–152. 2
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Kapitel 1: ‚Der Römerbrief‘
Welche Wirkung der ‚Römerbrief ‘ innerhalb des Protestantismus hatte, zumal im Kontext der akademisch betriebenen Theologie, ist inzwischen ebenso erforscht wie die Formierung der Dialektischen Theologie, jener Bewegung um Karl Barth.5 Bislang noch nicht in den Blick genommen wurde hingegen, wie beide Phänomene eigentlich von katholischer Seite wahrgenommen worden sind. Diese Fragestellung ist nicht nur deshalb von Interesse, weil die Rezeption schon wenige Monate nach Erscheinen des ‚Römerbriefs‘ einsetzte; bemerkenswerterweise fand sie auch an prominenter Stelle statt. In diesem Zusammenhang sind die beiden Zeitschriften ‚Hochland‘ und ‚Stimmen der Zeit‘ zu nennen, die zugleich im Klerus und unter theologisch aufgeschlossenen Laien verbreitet waren. 6 An den gleichen Adressatenkreis wandte sich das ‚Lexikon für Theologie und Kirche‘, das damals in erster Auflage erschien.7 Angesichts des Renommees und der Verbreitung dieses Referenzwerks wie jener beiden Zeitschriften, wird dem hier gezeichneten Bild der Dialektischen Theologie erhebliche Bedeutung beizumessen sein.
1.2 Neue Wege der Verkündigung: Joseph Wittig Im Gegensatz zu vielen anderen katholischen Theologen des 20. Jahrhunderts ist Joseph Wittig (1879–1949) noch nicht ganz vergessen. Das hat freilich weniger mit der Bedeutung und Tiefe seiner Schriften zu tun, als damit, daß er im Jahr 1926 exkommuniziert und unverhofft erst kurz vor seinem Tod rekonziliiert wurde. So wird er bis heute als Beispiel für die Intransigenz des damaligen Katholizismus angeführt. 8
5 Vgl. Cornelis van der Kooi: Karl Barths zweiter Römerbrief und seine Wirkungen. In: Michael Beintker u. a. (Hrsg.): Karl Barth in Deutschland (1921–1935). Aufbruch – Klärung – Widerstand [. . .]. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 2005, 57–75 bzw. Eckhard Lessing: Geschichte der deutschsprachigen evangelischen Theologie von Albrecht Ritschl bis zur Gegenwart. Bd. 2. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2004, 21–48. 6 Vgl. Bernard Bonnery: Les revues catholiques ‚Stimmen der Zeit‘ et ‚Literarischer Handweiser‘ dans l’Allemagne de 1918 à 1925. Frankfurt a. M. u. a.: Lang, 1978 (EHS.DS 253), 10–112 bzw. Hans Wagner: Hochland. In: LThK 3 5 (1996), 177 f.; Felix Dirsch: Das ‚Hochland‘. Eine katholisch-konservative Zeitschrift zwischen Literatur und Politik 1903–1941. In: Hans-Christof Kraus (Hrsg.): Konservative Zeitschriften zwischen Kaiserreich und Diktatur. Fünf Fallstudien. Berlin: Duncker und Humblot, 2003 (Studien und Texte zur Erforschung des Konservativismus; 4), 45–96. 7 Vgl. Abraham Peter Kustermann: Lexika. In: LThK 3 6 (1997), 872–874, hier: 873; Roland Kany: Summe eines Jahrhunderts. Vom Wandel der katholischen Theologie im Spiegel des Lexikons für Theologie und Kirche. In: ThQ 183 (2003), 1–15, hier: 1 f. 8 Dazu Karl Hausberger: Der ‚Fall‘ Joseph Wittig (1879–1949). In: Hubert Wolf (Hrsg.): Antimodernismus und Modernismus in der katholischen Kirche. Beiträge zum theologiegeschichtlichen Vorfeld des II. Vatikanums. Paderborn u. a.: Schöningh, 1998 (Programm und Wirkungsgeschichte des II. Vatikanums; 2), 299–322.
1.2 Neue Wege der Verkündigung: Joseph Wittig
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Eigentlich Professor für Kirchengeschichte an der Universität Breslau, erblickte Wittig seine Aufgabe weniger in historischen Studien denn in religiöser Schriftstellerei. Besonders in der Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg publizierte er neben zahlreichen Erzählungen viele eher populäre, jedenfalls nicht streng wissenschaftlich gehaltene Beiträge. Einer dieser Artikel, veröffentlicht im Jahr 1922, sollte ihm allerdings zum Verhängnis werden. Nicht zuletzt durch eigene Erfahrungen in der Seelsorge motiviert, hatte Wittig gegenüber einer ängstlichen Fixierung auf die Sünde das österliche Erlöstsein des Christen herausgestellt.9 Das konnte als Kritik an der damals üblichen Beichtpraxis aufgefaßt werden, und entsprechend heftig fielen die Reaktionen aus. Selbst wenn die an ihm geübte Kritik mitunter überzogen gewesen sein und an seinem eigentlichen Anliegen vorbeigezielt haben mag, so agierte der sogar des Modernismus geziehene Wittig nicht besonders glücklich. Obwohl er im Oktober 1923 durch den Heiligen Stuhl ausdrücklich getadelt worden war, veröffentlichte er kurz darauf und wiederum im ‚Hochland‘ einen Artikel, in dem er sich kritisch mit dem Zustand der Verkündigung in der katholischen Kirche auseinandersetzte. In diesem Zusammenhang kam er auch auf Barths ‚Römerbrief ‘ zu sprechen. Was den Zustand der Verkündigung anbelangt, ist Wittigs Befund überaus ernüchternd.10 Sowohl in Predigten als auch in religiösen Büchern werde schon seit Jahrzehnten immer nur das Gleiche auf die gleiche Art und Weise gesagt. Ebenso wie das verwendete Vokabular, sei sich auch der Stil gleichgeblieben. Zwar würden Hörer und Leser das mit schier bewundernswerter Geduld ertragen, doch sei unübersehbar, in welch hohem Maße sich die kirchliche Verkündigung inzwischen von der Sprachwelt ihrer eigentlichen Adressaten entfernt habe. Da sich die Homiletik noch auf dem Stand des 18. und 19. Jahrhunderts befinde, seien Predigten oftmals nicht viel mehr als Collagen aus Texten der Kirchenväter und allenfalls noch der Bibel. Von daher wirkt es auf Wittig geradezu tröstlich, daß der im Protestantismus gepflegte ‚Pastorenton‘ sogar noch sprichwörtlicher sei als der katholische ‚Kanzelton‘. Jedenfalls komme wohl niemand auf die Idee, freiwillig eine Predigtsammlung zu lesen. Überhaupt habe sich der in der Predigt kultivierte Sprachduktus in die religiösen Bücher eingeschlichen, und das sehr zu deren Nachteil.11 Wittig schwebt anderes vor: Werde über Religion gesprochen, dürfe das nicht in der Weise geschehen, als berichte man von etwas längst Bekanntem, sondern so, daß die Unbegreifl ich9
Vgl. Joseph Wittig: Die Erlösten. In: Hochl. 19,2 (1922), 1–26. Zum folgenden vgl. Joseph Wittig: Neue religiöse Bücher. In: Hochl. 21,1 (1923/1924), 415–430, hier: 415–417. 11 Mit Blick auf das religiöse Schrifttum schreibt Wittig (1923/1924), 416: „Es ist alles wahr, was da geschrieben ist; es ist auch oft sehr schön gesagt, aber man kann es kaum mehr lesen. Man liest es auch nicht, sondern schenkt es zu Geburtstagen. Oder man liest es zur ‚Betrachtung‘ oder zur ‚geistlichen Lesung‘, also aus Aszese, also fast in demselben Sinne, wie man Fasten und Abstinenz übt.“ 10
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Kapitel 1: ‚Der Römerbrief‘
keit des Erlebten gewahrt bleibe.12 Der tieferliegende Grund dafür, daß die Verkündigung sprachlich derart eingefahren, einfallslos und wenig ansprechend wirke, liege gerade darin, daß Gott begreifbar geworden sei.13 Vor diesem Hintergrund will Wittig seine Sichtung neu erschienener religiöser Literatur verstanden wissen. Die Wucht der Sprache ist ihm dabei Hinweis auf die Kraft des religiösen Erlebens des Autors. Voll des Lobes ist er darum aber nicht nur für Theologen der östlichen Orthodoxie, für Vertreter des Religiösen Sozialismus sowie Friedrich Gogarten, sondern gerade für Karl Barth. Über dessen ‚Römerbrief ‘ schreibt er: „Nichts von frechem oder gemütlichen Bekannttun ist in dem Buche. Es wirkt ungemütlich wie der Tod, wie es auch gleich diesem die Seele den Tiefen der Ewigkeit entgegenführt. Wie sehr auch im einzelnen die Ausführungen von der gewohnten theologischen oder gar kirchlichen Exegese abweichen, die Richtung ist doch einzigstark auf Gott. Nichts von Rationalismus, nur Glaube in dem ganzen Buche. Die Welt und alles irdische Fühlen und Denken wird darin gekreuzigt. Es drängt unmittelbar zur Anbetung, es zwingt zum Jenseitsdenken.“14
Über den ‚Römerbrief ‘ hinaus weist Wittig noch auf andere Publikationen Barths hin. Ausführlich geht er etwa auf jenen Vortrag ein, den Barth im Jahr 1919 im thüringischen Tambach gehalten hatte.15 Während dieser in der jüngeren Forschung große Aufmerksamkeit erfährt, weil in ihm bereits Leitmotive der Dialektischen Theologie in hochkonzentrierter und rhetorisch brillanter Form anklingen, interessiert sich Wittig weder für den historischen Kontext, in dem der Vortrag steht, noch für den Argumentationsgang selbst.16 Stattdessen wendet er seine Aufmerksamkeit dem Sprachduktus zu, und so reiht er auf fast 12
Vgl. Wittig (1923/1924), 424 f. Vgl. Wittig (1923/1924), 416: „Gott ist uns zu bekannt geworden. Wir haben ihn geistig verarbeitet, meinen wir, wenn wir es auch nicht zu denken und zu sagen wagen. Er ist uns keine erschreckende und keine entzückende Offenbarung mehr. Seine Offenbarung ist für uns ‚geschichtlich‘ geworden. Was spekulative Theologen noch an neuen Erkenntnissen beibringen, erscheint uns als Theologenspekulation, und sie sagen es ja selbst, daß es noch nichts für das gewöhnliche Volk sei. Da wir Gott schon genug ‚kennen‘, sind wir nicht mehr genug ehrfürchtig, wartend und heilsbegierig.“ 14 Wittig (1923/1924), 420 f. mit Bezug auf RB (1922). 15 Vgl. Wittig (1923/1924), 421–423 mit Bezug auf Karl Barth: Der Christ in der Gesellschaft. Eine Tambacher Rede. Würzburg: Patmos, 1920 (Der Bücher vom Kreuzweg 1. Folge). 16 Zum sog. Tambacher Vortrag vgl. Bruce McCormack: Karl Barth’s Critically Realistic Dialectical Theology. Its Genesis and Development 1909–1936. Oxford: Clarendon Press, 1995, 195–202 / Ders.: Theologische Dialektik und kritischer Realismus. Entstehung und Entwicklung von Karl Barths Theologie 1909–1936. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 2006, 179–185; Georg Pfl eiderer: Karl Barths praktische Theologie. Zu Genese und Kontext eines paradigmatischen Entwurfs systematischer Theologie im 20. Jahrhundert. Tübingen: Mohr Siebeck, 2000 (BHTh 115), 315–331; Christian Link: Bleibende Einsichten von Tambach. In: Beintker u. a. (2005), 333–346; Alf Christophersen: Kairos. Protestantische Zeitdeutungskämpfe in der Weimarer Republik. Tübingen: Mohr Siebeck, 2008 (BHTh 143), 27–40. 13
1.3 Die antihistorische Revolution in der Theologie: Joseph Engert
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eineinhalb Seiten Zitat an Zitat. Wenn auch nur kurz, weist Wittig außerdem auf Barths Vortrag über die ‚Not und Verheißung der christlichen Verkündigung‘ hin, der in dem soeben begründeten Publikationsorgan der Dialektischen Theologie, der Zeitschrift ‚Zwischen den Zeiten‘, erschienen war.17 Offensichtlich stach aber nicht nur Barth weit von dem ab, was Wittig von katholischer Seite ansonsten gelesen und gehört hatte. Zwar merkt er im Schlußteil seines Artikels noch an, daß viele der von ihm vorgestellten Bücher von starken Häresien durchsetzt seien (was wohl nichts anderes meint, als daß ihre Verfasser nicht römisch-katholisch waren), doch fügt er sogleich hinzu, wie sehr das, was er bei ihnen (also bei orthodoxen und protestantischen Autoren) fand, von einem echt religiösem Erleben zeuge.18
1.3 Die antihistorische Revolution in der Theologie: Joseph Engert Mit dem Zusammenbruch der von der Aufklärung favorisierten rationalistischen Metaphysik am Ende des 18. Jahrhunderts ging zunächst die ‚Wende zum Subjekt‘ einher. Dem folgend bildete sich während des 19. Jahrhunderts das heraus, was als ‚historisches Bewußtsein‘ bezeichnet werden kann. Läßt sich Wirklichkeit an sich gar nicht aussagen, sondern immer nur aus einer vielfältig bedingten, hochgradig subjektiven Perspektive, bedarf es einer hohen Sensibilität für die geschichtlichen Zusammenhänge, in denen sich die Aussagen über die Wirklichkeit herausgebildet und entwickelt haben.19 Diese Entwicklung war an der Theologie keineswegs spurlos vorübergegangen. Zumal an den deutschen protestantischen Fakultäten galt die Erforschung von Bibel und Dogma auf der Grundlage der historisch-kritischen Methode zunehmend als selbstverständlich, so daß die darauf rekurrierende Liberale Theologie zur dominierenden Richtung wurde.20 Insofern die Historisierung von Wissen und Denken immer auch Relativierung bedeutet, stellten sich alsbald große Verunsicherungen ein. Mit der Theologie- und Dogmengeschichtsschreibung trat die Rede über die Rede von Gott zunehmend an die Stelle der Rede von Gott. Was in wissenschaftstheoretischer Hinsicht ein Fortschritt gewesen sein mag, weil die Differenz zwischen Kanzel und Katheder deutlicher als zuvor herausgestellt wurde, erwies sich in anderer Hinsicht als problematisch. Verstanden 17 Vgl. Wittig (1923/1924), 423 Anm. * mit Bezug auf Karl Barth: Not und Verheißung der christlichen Verkündigung. In: ZZ 1 (1923), 3–25. 18 Vgl. Wittig (1923/1924), 430. 19 Vgl. Karl Ameriks: Kant and the Historical Turn. Philosophy as Critical Interpretation. Oxford: Clarendon Press, 2006, 1–12. 20 Vgl. Thomas Albert Howard: Protestant Theology and the Making of the Modern German University. Oxford u. a.: Oxford University Press, 2006, 273–303.
14
Kapitel 1: ‚Der Römerbrief‘
als systematische Reflexion des christlichen Glaubenslebens, kann sich Theologie nämlich nicht darin erschöpfen, bloß die Genese von Geltungsansprüchen nachzuzeichnen, die in der Vergangenheit vielleicht einmal erhoben worden sind. Um der Steigerung der Orientierungsfähigkeit und Gestaltungskraft des christlichen Lebens willen muß sie Geltungsansprüche auch zu begründen suchen. Wie diese Aufgabe unter den Bedingungen eines sich bisweilen zum Historismus auswachsenden ‚historischen Bewußtseins‘ eigentlich erfüllt werden könne, wurde damit zu einer drängenden Frage. Virulent war sie auch auf katholischer Seite, nicht nur auf protestantischer. Exemplarisch dafür ist Joseph Engert (1882–1964), Professor für Philosophie in Regensburg. 21 Laut eigener Aussage trieb ihn über Jahre hinweg die Frage um, wie Theologie unter neuzeitlichen Bedingungen überhaupt möglich sei. 22 In diesem Zusammenhang ist auch ein Anfang 1924 veröffentlichter Artikel zu verstehen, der sich entscheidend der Auseinandersetzung mit Barths ‚Römerbrief ‘ verdankt. 23 Neben seiner Lehrtätigkeit war Engert noch in der Seelsorge aktiv, und gerade hier zeigte sich, daß der Historismus mehr als ein rein abstrakt akademisches Problem war. Würden die biblischen Texte ganz im Kontext ihrer Genese aufgehen, so daß sie als bloß zeitbedingt und einer bestimmten Perspektive verpfl ichtet zu begreifen wären, hätten sie für die Gegenwart keine unmittelbare Relevanz. Tatsächlich war es die Not der Verkündigung angesichts des ‚historischen Bewußtseins‘, die Engert dazu bewogen hatte, den ‚Römerbrief ‘ zu lesen: „Ich gestehe, daß auch ich wie Barth aus der Not der seelsorglichen Aufgabe zu der Frage gekommen bin: Was will denn Paulus, was die Hl. Schrift unserer Zeit sagen? Die Frage hat essentiell nur Sinn, wenn es metaphysische Gründe gibt, aus denen Sinn und Gehalt der Wahrheit trotz des Wandels der Zeiten fl ießt, wenn es eine ewige, überzeitliche Wahrheit gibt, welche aller menschlich erkannten Wahrheit Regel und primäre Erfüllung bedeutet, ihr überzeitlich stets gegenwärtig ist.“24
Wenn die Verkündigung unter den Prämissen des Historismus unmöglich ist, erklärt sich zudem, warum es für Engert so wichtig ist, eine gegenläufige Entwicklung zu identifizieren. Wie er meint, sei der Historismus im Begriff, an sich selbst zu sterben. Mit der Metaphysik setze sich zunehmend eine andere Denkweise durch, nämlich der Glaube an eine transzendentale Wahrheit und Wirklichkeit, die jenseits aller menschlichen Auffassung liege und von daher allem menschlichen Tun regulativ und normativ gegenüberstehe. 25 Beleg für die Wen21 Zur Biographie vgl. Otto Weiß: Der Modernismus in Deutschland. Ein Beitrag zur Theologiegeschichte. Regensburg: Pustet, 1995, 299. 22 Vgl. Joseph Engert: Studien zur theologischen Erkenntnislehre. Regensburg: Manz, 1926, IX. 23 Vgl. Joseph Engert: Metaphysik und Historismus im Christentum. In: Hochl. 21,1 (1923/1924), 502–517, 638–651. Wie Engert selbst diesen Artikel verstanden wissen wollte, führt er an anderer Stelle aus, und zwar in Ders. (1926), VII. 24 Engert (1923/1924), 502. 25 Vgl. Engert (1923/1924), 502. Vgl. auch ebd., 503 f.
1.3 Die antihistorische Revolution in der Theologie: Joseph Engert
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de vom Historismus zur Metaphysik ist Engert Barths ‚Römerbrief ‘, dem er Friedrich Heilers im Jahr 1923 erschienene Monographie über den ‚Katholizismus‘ kontrastierend gegenüberstellt.26 Zwar hätten beide Autoren die historisch-kritische Schule durchlaufen, doch würden sie nun höchst unterschiedliche Richtungen einschlagen. Während Barth die bloß historische Orientierung hinter sich lasse, verharre Heiler in der gedanklichen Welt des 19. Jahrhunderts. 27 Der Grund dafür, daß sich Engert mit den Publikationen zweier Protestanten beschäftigt, ist die Suche nach der Denkform, die der Theologie wirklich angemessen ist und damit auch die Verkündigung ermögliche. Da seiner Ansicht nach ‚Geschichte‘ und ‚Wahrheit‘ zwei letztlich inkompatible Größen sind, lehnt er eine historische Orientierung der Theologie im Grundsatz ab und plädiert demgegenüber für eine metaphysische. Heiler scheint ihm der Exponent des Historismus schlechthin, und so läßt er an ihm kein gutes Haar. Was Engert über dessen ‚Katholizismus‘ schreibt, ist deshalb eine sich über knapp dreizehn Seiten erstreckende Kritik nicht bloß einzelner Punkte, sondern der anti-metaphysischen Denkform überhaupt. 28 Eine nähere Auseinandersetzung mit Heiler sei im Grunde müßig, weil er dem schon längst überholten Konzept des Historismus anhange und so etwas wie Unbedingtheit überhaupt nicht kenne. Stattdessen trage er nur eine Unmenge von Details zusammen, die sich zu keiner Ganzheit fügen wollen, und deshalb habe er der Gegenwart letztlich nichts zu sagen. 29 Weitaus positiver fällt hingegen Engerts Urteil über Barth aus, den er als Exponenten einer metaphysischen Orientierung der Theologie betrachtet, obwohl seine Zustimmung auch hier nicht uneingeschränkt ist. Neben dem systematischen Anliegen, die der Theologie und daraus sich ergebend der Verkündigung gemäße Denkform zu profilieren, verfolgt Engert nämlich noch ein kontroverstheologisches.30 Er will verdeutlichen, daß die katholische Theologie dem paulinischen Gedankengut sehr viel mehr entspreche als die protestantische, für die Barth die Referenz ist. Der Katholizismus wisse eben nicht nur um die Unbedingtheit Gottes an sich, die der Grund für eine an der Metaphysik als Denkform orientierte Theologie sei, sondern darüber hinaus noch um die Unbedingtheit Gottes in seinem Bezug zum Menschen. Für diese verwendet Engert den Begriff der ‚Theozentrik‘. Dem entspricht der Aufbau seines Artikels. Wird zunächst die sich aus der Voraussetzung der Unbedingtheit Gottes ergebende 26 Vgl. Engert (1923/1924), 502 mit Bezug auf RB (1922/21923) und Friedrich Heiler: Der Katholizismus. Seine Idee und seine Erscheinung. München: Reinhardt, 1923. 27 Vgl. Engert (1923/1924), 502. 28 Vgl. Engert (1923/1924), 638–650. 29 Vgl. Engert (1923/1924), 650. 30 Weder lassen sich die Gründe dafür rekonstruieren, noch läßt sich klar ausmachen, wie sich die beiden Anliegen Engerts, also das systematische und das kontroverstheologische, zueinander verhalten.
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Kapitel 1: ‚Der Römerbrief‘
Hermeneutik des Römerbriefs dargelegt, wird sodann geprüft, inwieweit im ‚Römerbrief ‘ die Unbedingtheit Gottes auch in ihrem Bezug auf den Menschen ernstgenommen ist.31 Im einzelnen kommen dabei die Themen der Gnadentheologie samt den Konsequenzen für die Sakramentenlehre, die Ekklesiologie und schließlich die Ethik zu Sprache.32 Was den ersten Punkt anbelangt, will Engert Barth dahingehend verstehen, daß er den Römerbrief nicht als einen Gegenstand der historischen Forschung lese, um etwa Aufschluß über die Situation im ersten nachchristlichen Jahrhundert zu gewinnen. Ebenso wie Paulus gehe es ihm vielmehr um ein sachliches Anliegen, und zwar die in Jesus Christus in der Zeit erschienene überzeitliche Wirklichkeit Gottes.33 Auch wenn diese nur in verschiedenen Perspektiven erkannt und reflektiert werden könne, gehe sie nicht in diesen auf. Die Bedingtheit der Erkenntnis sei doch etwas anderes als die Unbedingtheit der sich zu erkennen gebenden Wirklichkeit. Unbedingt sei sie deshalb, weil sie die Wirklichkeit des überzeitlichen Gottes selbst ist, woran die Zeitlichkeit ihres Auftretens nichts ändere. Das führt zum zweiten Punkt in Engerts Argumentation, also zur Theozentrik. Wie Gott in seiner Unbedingtheit im Zentrum des Paulinischen Briefes stehe, so auch die Unbedingtheit des göttlichen Gnadenhandelns: „Vor diesem Gott gilt alles menschliche Tun nur soviel, als Gott in ihm wirkt. Ja sogar, daß alle menschliche Mühe keinerlei Recht und Anspruch auf Gott erwerben kann, sondern daß alles, alles freie, ganz ungeschuldete Gabe, Gnade, ist. Das ist der stärkste Ausdruck für die absolute Transzendenz Gottes über Menschen und Welt: Gott die unendliche, ewige Eins vor allen menschlichen Nullen.“34
Damit vertritt Engert eine gnadentheologische Position, angesichts derer sich die reformatorische Leitdifferenz zwischen den opera Dei und den opera hominis noch als eine Unterbestimmung des göttlichen Wirkens ausnimmt. Denn ist das Heil nur dann gegeben, wenn Gott selbst und allein wirkt, stellt sich gar nicht mehr das Problem einer Konkurrenz von Gott und Mensch. Vor diesem Hintergrund weist Engert im weiteren immer auf die Unangemessenheit der protestantischen Vorwürfe gegen den Katholizismus hin. Da die Taufe, die Zugang zur von Gott gewirkten Auferstehung eröffnet, im strengen Sinn Werk Gottes ist, könne die katholische Sakramentenlehre nicht als Magie
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Vgl. Engert (1923/1924), 504–506 bzw. 506–516. Vgl. Engert (1923/1924), 506–509 (Gnadenlehre), 509–511 (Sakramentenlehre), 511– 515 (Ekklesiologie), 515 f. (Ethik). 33 Vgl. Engert (1923/1924), 504–506. 34 Engert (1923/1924), 507. Vgl. auch ebd., 509: „Der Kerngedanke des Römerbriefes, die Auflösung aller Probleme desselben einschließlich der ungemütlichen Punkte und zeitgeschichtlichen Reste ist der von der Allwirksamkeit Gottes im Heilswerk; vor ihm gilt nichts, ist nichts, was er nicht selbst wirkt mit seiner Gnade.“ 32
1.3 Die antihistorische Revolution in der Theologie: Joseph Engert
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oder Zauberei betrachtet werden.35 Eben weil Gott in seiner Souveränität in die menschliche Geschichte eingegriffen hat, sei die Kirche weder eine bloß menschliche Einrichtung, wie in der protestantischen Tradition angenommen, noch der institutionalisierte Versuch des Menschen, über Gottes Offenbarung verfügen zu wollen, wie Barth dies noch zugespitzter formuliere. Sie sei stattdessen die Gegenwart des Heils in der Geschichte. Von daher greife es zu kurz, wenn Barth einerseits die sichtbare Kirche mit der Kirche Esaus gleichsetze und sie als menschliche Stiftung bezeichne, andererseits aber allein die unsichtbare, typologisch mit dem Namen Jakobs verbundene Kirche der Erwählten als diejenige Gottes verstehen wolle. Im Anschluß an Paulus werde man die Kirche nämlich als Verwalterin der Erlösungsgeheimnisse wie als Anwalt Gottes gegenüber den Menschen betrachten müssen, was die katholische zu sein denn auch mit Recht für sich reklamieren könne.36 Und auch mit Blick auf die theologische Ethik entspreche die katholische Position weitaus besser den paulinischen Vorgaben als diejenige Barths. Dessen ‚Römerbrief ‘ zufolge ist menschliches Handeln bloß menschliches, nicht jedoch von Gott ermöglichtes Handeln, und das tue der Theozentrik nicht Genüge.37 Zusammenfassend meint Engert schließlich feststellen zu können, daß alle Paulinische Religion ohne Metaphysik überhaupt nicht zu verstehen ist. In dieser Hinsicht sei der Katholizismus allezeit der treue Anwalt des Paulinischen Christentums gewesen, weil er am stärksten den absolut metaphysischen und theozentrischen Charakter des Christentums vertreten habe.38 Mit Überlegungen wie diesen redet Engert einer ‚antihistorischen Revolution‘ das Wort, in welcher der scheinbaren Auflösung aller Werte und Ideen ins Bedingte durch einen bewußten Reflexionsabbruch unverbrüchliche und bleibende Gewißheiten entgegensetzt werden.39 So postuliert er die Überzeitlichkeit der Wahrheit, die zwar nur in verschiedenen Perspektiven erkannt und reflektiert, aber dennoch nicht in diese aufgelöst werden könne.40 Allerdings erläutert 35
Vgl. Engert (1923/1924), 511. Vgl. Engert (1923/1924), 514 f. 37 Vgl. Engert (1923/1924), 516. 38 Vgl. Engert (1923/1924), 516 f. 39 Zu einer ähnlichen systematischen Einschätzung gelangt in neuerer Zeit Friedrich Wilhelm Graf: Die ‚antihistorische Revolution‘ in der protestantischen Theologie der zwanziger Jahre. In: Jan Rohls / Gunther Wenz (Hrsg.): Vernunft des Glaubens. Wissenschaftliche Theologie und kirchliche Lehre. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1988 (FS Wolfhart Pannenberg), 377–405 und Ders.: Die Wiederkehr der Götter. Religion in der modernen Kultur. München: Beck, 2004, 249–278. Worin sich der katholische Philosoph und der der liberalprotestantischen Tradition verpfl ichtete Theologe allerdings massiv voneinander unterscheiden, ist die Bewertung: Verheißt die Dialektische Theologie für Engert die Rettung aus dem Elend des Historismus, ist sie für Graf nicht viel mehr als ein erratischer Block, den es wegzuwälzen gilt, damit die Theologie wieder ungestört den Weg zum kulturwissenschaftlichen Diskurs der universitären Welt einschlagen kann. 40 Vgl. Engert (1923/1924), 502. 36
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Kapitel 1: ‚Der Römerbrief‘
er nicht, wie die Perspektivität und damit die Bedingtheit der Wahrheitserkenntnis mit dem Anspruch einer unbedingten Geltung des Erkannten kompatibel sind.41 Da Engert keine tiefergehende philosophische Kritik des Historismus vorlegt, wird man seinen Artikel weniger als Problemlösung denn als Problemanzeige betrachten müssen. Das zeigt auch ein Vergleich mit Ausführungen Martin Heideggers (1889–1976).42 Wie der Freiburger Philosoph in einer Vorlesung während des Wintersemesters 1920/1921 herausstellt, hemme das gegenwärtig starke Bewußtsein der Geschichtlichkeit die Naivität des Schaffens, weil es das Gefühl der Vergänglichkeit und Relativität allen Tuns nähre. Daraus folgert er, daß dieses sich als belastend erweisende ‚historische Bewußtsein‘ zu überwinden sei.43 Was gefunden werden müsse, sei ein unbedingter Lebenssinn.44 Im Unterschied zu Engert will Heidegger dabei aber nicht die geschichtliche Relativität als solche ausschalten. Stattdessen versucht er, das sinnhafte Leben in seiner Zeitlichkeit zu denken, wozu ihm die Auseinandersetzung mit Paulus das Material liefert.45 Ob ihm dies gelungen ist, kann an dieser Stelle offen bleiben. Entscheidend ist hier nur, daß Heidegger das Problem des Historismus im Grundsätzlichen angeht und es nicht vorschnell für gelöst erklärt.
1.4 Immanenz, Transzendenz und analogia entis: Erich Przywara Ende September 1923 informierte Eduard Thurneysen seinen Freund Karl Barth über eine, wie ihm schien, höchst bemerkenswerte Neuerscheinung. In dem Brief heißt es: 41 Wenn er sich gegen den Historismus wendet, dann um der Unbedingtheit des Glaubens willen. Das zeigt sich exemplarisch bei Engert (1923/1924), 503 f.: „Der Wahrheitshunger unserer Zeit, der über allem Vergehen das Bleibende sucht, der sich selbst als den unendlichen Hunger nach der einen, ewigen Wahrheit (Ps. 80/81, 11) erkennt, hat uns die Augen wieder für das geöffnet, was jenseits aller Erfahrung, aller Geschichte, alles menschlichen Seins liegt. Wir gewinnen wieder den Mut, die ganze Verwegenheit des Urchristentums zu wagen, uns aller Erdenheit, aller ‚wissenschaftlichen‘ Philosophie zum Trotz, als Bürger des Himmelreiches jenseits der Erde zu stellen, vom Himmel her die Erde zu beurteilen, in ungeteilter Anerkennung jener urchristlichen Geisteshaltung, die Gott als unbedingte Realität jenseits der Erde und Geschichte sah.“ Warum sich das Problem des Historismus aber nicht einfach durch die Behauptung einer überhistorischen Sinnevidenz lösen läßt, erläutern Günter Figal / Friedrich Wilhelm Graf: Historismus. In: RGG4 3 (2000), 1794–1796 und Gunnar Hindrichs: Das Problem des Historismus. In: PhJ 109 (2002), 283–305. 42 Zum folgenden vgl. Martin Heidegger: Einleitung in die Phänomenologie der Religion. In: Ders.: Phänomenologie des religiösen Lebens. Frankfurt a. M.: Klostermann, 1995 (Gesamtausgabe; 60), 1–156, hier: 31–54. 43 Vgl. Heidegger (1995), 38: „Sofern nun alles darauf drängt, zu einer neuen geistigen Kultur zu kommen, muß das historische Bewußtsein in diesem belastenden Sinn ausgetilgt werden und so ist eigentlich das Sich-Behaupten gegen das Historische ein mehr oder minder lauter Kampf gegen die Geschichte.“ 44 Vgl. Heidegger (1995), 53 f. 45 Vgl. Heidegger (1995), 67–125.
1.4 Immanenz, Transzendenz und analogia entis: Erich Przywara
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„Verschaff dir doch Heft 11 der ‚Stimmen der Zeit‘, August 1923, Herder Freiburg. Dort ist ein merkwürdig scharfsinniger und ausführlicher Aufsatz über uns von Seiten des katholischen Partners. Er ist interessant, weil er den katholischen Standpunkt sehr deutlich sichtbar macht. Es fallen dabei wesentliche und eingehende Bemerkungen zu Augustin. Es ist ein Kenner, der da redet. Wir kommen gut weg, wenn auch unser eigentlichstes Anliegen nicht gesehen wird.“46
Den Artikel, den Thurneysen hier zur Lektüre empfiehlt, stammte aus der Feder von Erich Przywara (1889–1972).47 Seit dem Jahr 1922 Redakteur bei den ‚Stimmen der Zeit‘, verfaßte der Jesuit schier unaufhörlich Rezensionen und Artikel, in denen er auf so ziemlich alle geistigen Strömungen der Gegenwart einging. In den knapp zwei Jahrzehnten, die er für die Zeitschrift arbeitete, verfaßte er neben 25 Büchern sage und schreibe 277 Aufsätze, darüber hinaus hielt er 344 Vorträge.48 Diese enorme Produktion erklärt sich wohl nur dadurch, daß es Przywaras Herzensanliegen war, den Katholizismus als die Antwort auf die Fragen der Zeit zu erweisen.49 Die Methode, die er dabei anwandte, war im Grunde stets dieselbe: Er konstruierte zwei einander entgegengesetzte Pole, die zum Extrem tendierten und ihre Mitte allein im Katholizismus finden könnten. Geradezu idealtypisch dafür ist ebenjener Artikel, in dem er auf die Dialektische Theologie einging. Wie Przywara meint, war die Frage nach Gott in der Religionsphilosophie und Theologie der Gegenwart auf neue Weise virulent geworden.50 Anstatt wie bisher lediglich die Wirkungen des Gottesgedankens nachzuzeichnen, gehe es nun um die dahinter stehende Wirklichkeit. Die Zeit eines Adolf von Harnack und eines Ernst Troeltsch sei vorbei, eine neue Theologengeneration sei im Kommen. Zu dieser zählten namentlich Karl Barth und Friedrich Gogarten. Nicht ohne Befriedigung stellt Przywara fest: „Die religionsgeschichtliche und religionspsychologische Periode liegt im Sterben. [. . .] Das ‚Erwachen‘ der Gottesfrage im eigentlich philosophischen, d. h. letztlich metaphysischen Sinn, im scharfen und ausgesprochenen Gegensatz zur alten Psychologisierung und Historisierung, ist also unleugbar.“51 46
KBGA (1974), 190 (Eduard Thurneysen an Karl Barth, Brief vom 30. 9. 1923). Vgl. Erich Przywara: Gott in uns oder Gott über uns? (Immanenz und Transzendenz im heutigen Geistesleben.). In: StZ Bd. 105 (1923), 343–362. 48 Vgl. Martha Zechmeister: Gottes-Nacht. Erich Przywaras Weg Negativer Theologie. Münster: Lit, 1997 (Religion – Geschichte – Gesellschaft. Fundamentaltheologische Studien; 4), 74 Anm. 97. 49 Vgl. Thomas F. O’Meara: Erich Przywara, S. J. His Theology and His World. Notre Dame, IN: University of Notre Dame Press, 2002, 33–41. 50 Vgl. Przywara (1923), 343. 51 Przywara (1923), 343. Angesichts des verzweifelten Kampfes gerade des liberalen Establishments gegen die neuen Kräfte in der protestantischen Theologie zeichneten sich – wie Przywara (ebd., 343) vielleicht ein wenig dramatisch schreibt – schon „die dunklen, aber scharfen Konturen einer Sterbeszene“ ab. Offensichtlich hatte er sich intensiv mit der neuen Bewegung beschäftigt, führt er (ebd., 350 Anm. 1–3) doch eine ganze Reihe jüngerer Veröf47
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Kapitel 1: ‚Der Römerbrief‘
Stand die Gottesfrage auch wieder im Brennpunkt des Interesses, war damit noch gar nicht entschieden, über welchen Gott denn geredet, wie der Gottesbegriff konkret gefaßt würde. Diesbezüglich sah Przywara gar ein neues Zeitalter des konfessionellen Gegensatzes herannahen.52 Denn mit der Frage nach Gott sei unweigerlich die Frage nach dem Verhältnis von Freiheit und Gnade verbunden, und das werde in Katholizismus und Protestantismus höchst unterschiedlich aufgefaßt. Anstatt also vorschnell nach Konvergenzen zu suchen, solle man zunächst einmal den jeweils eigenen Gottesbegriff in den Blick nehmen.53 Der katholische Gottesbegriff gewinnt laut Przywara seine Konturen durch die Bestimmung des Verhältnisses Gottes zur Welt.54 Sich auf Augustinus berufend (Deus interior et exterior), versteht er Gott als denjenigen, der sowohl in allem als auch über allem, der immanent transzendent ist. Ein Denken, das dem entsprechen wolle, müsse sich folglich fern der Extreme halten, d. h. zwischen ihnen und damit in der katholischen ‚Mitte‘. Dem Gottesbegriff kommt von daher eine orientierende und zugleich normative Funktion zu. Inwieweit die Integration beider Aspekte, dem der Transzendenz und dem der Immanenz, gewahrt bleibe, stellt nach Ansicht Przywaras das entscheidende Kriterium für die Beurteilung theologischer Entwürfe dar. 55 Indem er diese Meßlatte an neuere Entwürfe katholischer wie protestantischer Autoren anlegt, kommt er zu dem Schluß, daß entweder die Immanenz oder aber die Transzendenz überbetont werde. Defizient scheint ihm deshalb auch die Dialektische Theologie zu sein, so sehr sie recht daran tue, den liberalen Protestantismus zu attackieren. Sowohl hier als auch bei Friedrich Heiler, dessen Denken Przywara genauso abstrus erscheint wie Joseph Engert, werde die Immanenz allzustark betont.56 fentlichungen an, sowohl Sekundärliteratur als auch Primärtexte. Den ‚Römerbrief ‘ zitiert Przywara übrigens nach einer kurz zuvor erschienenen Auflage, so ebd., 350 Anm. 1 mit Verweis auf RB (1922/21923). 52 Vgl. Przywara (1923), 343 f. 53 Vgl. Przywara (1923), 343 f. Mehr noch als den sich immer deutlicher abzeichnenden Untergang der Liberalen Theologie scheint Przywara allerdings zu beschäftigen, daß die Dialektische Theologie auch auf katholischer Seite einen gewissen Einfluß hatte entfalten können. Beleg dafür sind ihm (ebd., 343 mit Anm. 1) zwei kurz zuvor erschienene Artikel, in denen ihre Überzeugungen unreflektiert und ohne kritische Distanz übernommen worden seien, nämlich Ernst Michel: Extra ecclesiam nulla salus. Ein Schlußwort an die Katholiken. In: Die Tat 15,1 (1923/1924), 1–7 und Joseph Werle: Vom katholischen Priestertum. Laehmungsund Schoepfungskraefte. In: ebd., 61–68. Warum diese Artikel von der Dialektischen Theologie beeinflußt sein sollen, wird von Przywara freilich nicht erläutert. 54 Zum folgenden vgl. Przywara (1923), 344–347. Dazu Christophe Chalamet: Est Deus in Nobis? Die frühen Jahre der Barth-Przywara-Debatte. In: Martin Leiner / Michael Trowitzsch (Hrsg.): Karl Barths Theologie als europäisches Ereignis. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2008, 271–290, hier: 274 f. 55 Über sein Vorgehen schreibt Przywara (1923), 344: „Wir wollen ihn [den ‚eigentlich‘ katholischen Gottesbegriff] zunächst positiv entwickeln (1), um dann an ihm sowohl die neuprotestantischen (2) wie die neukatholischen (3) Strömungen zu prüfen.“ 56 Die Kritik an Heiler fi ndet sich bei Przywara (1923), 353–355.
1.4 Immanenz, Transzendenz und analogia entis: Erich Przywara
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Die Defizienz der Dialektischen Theologie gründe im protestantischen, wesentlich auf Luther zurückgehenden Gottesbegriff. 57 Kennzeichnend für den deutschen Reformator sei die Übersteigerung des ‚Gott über uns‘ und damit die Ausschließlichkeit der Transzendenz.58 Luther zufolge könne der Mensch von sich aus nichts in bezug auf Gott tun, alles menschliche Tun und Streben könne letztlich nur Sünde sein und müsse folglich auch vergehen. Sind die Versuche, die Rechtfertigung von sich aus zu ergreifen, an ihrer eigenen Unmöglichkeit zerschellt, sei aber Platz geschaffen für den Glauben. Bei diesem handle es sich um ein Geschehen, in dem der Mensch von Gottes Werk in Christus ergriffen wird.59 Von hier aus will Przywara auch die Dialektische Theologie verstehen. Mit ihr kehre Luther kraftvoll zurück und damit die Betonung des ‚Gott über uns‘. 60 Der Kerngedanke der Bewegung um Barth sei der, daß sich Gott und Mensch nicht bloß gegenüberstehen, sondern einander feindlich entgegengesetzt sind. Während nach katholischem Verständnis zwischen beiden eine Analogie bestehe, werde Gott hier als die reine Negation des Menschen aufgefaßt. 61 Aus diesem Grund könne es weder eine wahre Einheit zwischen Gott und Mensch geben, was im übrigen erhebliche Implikationen für die Christologie und Ekklesiologie habe, noch ein Mitwirken mit dem Wirken Gottes. 62 Bei diesen knappen Bemerkungen läßt Przywara es bewenden. Die Dialektische Theologie scheint ihm ein Teil des Grundproblems des Protestantismus zu sein, keineswegs aber dessen Lösung. Stehen Transzendenz und Immanenz in keinem ausgewogenen Verhältnis, wird das Pendel stets vom einen Extrem ins andere schwingen, und in dieser Logik ist die Dialektische Theologie lediglich ein vorübergehendes Phänomen, dem über kurz oder lang wieder ein Umschlag in Richtung Immanenz folgen wird. Weitaus mehr Aufmerksamkeit widmet Przywara darum der katholischen Theologie der Gegenwart. 63 Besonders unzulänglich scheint ihm übrigens das Denken Joseph Wittigs zu sein, insofern es die Immanenz zu stark gewichte. 64 Dagegen betont Przywara, daß allein der 57 Zum folgenden vgl. Przywara (1923), 347–355. Von einem einheitlichen protestantischen Gottesbegriff kann Przywara deshalb sprechen, weil für ihn Calvinismus und Luthertum letztlich ineins fallen. Zum Verhältnis beider theologischer Traditionen schreibt er (ebd., 352) bündig: „Es ist ein Formunterschied, kein Materialunterschied.“ Der Calvinismus sei ein in die französische Mentalität umgeformtes Luthertum. 58 Przywara (1923), 348. 59 Vgl. Przywara (1923), 349. 60 Laut Przywara (1923), 350 ist die Dialektische Theologie „nichts als eine urechte Wiedergeburt des Protestantismus.“ Mit ihr flackere nach langer Zeit „der Gluthauch alter Reformatorenleidenschaft“ wieder auf (ebd., 355). Auch in späteren Jahren hielt Przywara an der Deutung fest, Barth reanimiere das Denken Luthers. In diesem Sinne äußerte er sich in der Monographie Das Geheimnis Kierkegaards. München / Berlin: Oldenbourg, 1929, 60–70 und in seinem Artikel Luther konsequent. In: Schol. 12 (1937), 386–392, v. a.: 390 f. 61 Vgl. Przywara (1923), 350. 62 Vgl. Przywara (1923), 355. 63 Vgl. Przywara (1923), 356–362. 64 Vgl. Przywara (1923), 359–362.
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Kapitel 1: ‚Der Römerbrief‘
Gott, der in und zugleich über allem ist, alles echt Menschliche zu umschließen vermag. Außerhalb seiner gebe es nur verabsolutierte Subjektivismen, also entweder vermenschlichte Götter oder vergötzte Menschen. 65 Das eine wie das andere Extrem meinte Przywara mit seinem Konzept der analogia entis vermeiden zu können. Dieses sollte in den nächsten Jahren mehr und mehr in das Zentrum seines Denkens rücken, schien es ihm doch die Antwort auf die Fragen der Gegenwart zu sein. 66
1.5 Gott wider den Menschen: Karl Adam Kaum vier Jahre waren vergangen, seit der ‚Römerbrief ‘ erschienen war, da meinte Karl Adam (1876–1966), der seinerzeit zu den renommiertesten Dogmatikern im deutschen Sprachraum zählte, im ‚Hochland‘ bereits diagnostizieren zu können: „Es ist kein Zweifel, daß in der protestantischen Theologie, die noch vor wenigen Jahren dem fremden Beobachter auf weite Strecken hin wie eine dürre Sandwüste erscheinen mochte, über die der heiße Wind hemmungsloser Kritik dahinfegt, nun auf einmal Quellen aufbrechen, die man gerade in ihrem Bereich am wenigsten vermutet hätte. Ein neuer Sinn für die übernatürlichen Wirklichkeiten, für Gott und seine Offenbarung, für das Wunder und für den Glauben strebt empor und kämpft mit unerhörter Gewalt und mit geballtem Trotz gegen die alten Götter aus Erde und Menschenblut.“67
Was diesen tiefgreifenden Umschwung ausgelöst hat, ist für den Tübinger Dogmatiker evident: Es ist die ‚Theologie der Krisis‘, wie er – eine damals übliche Bezeichnung aufgreifend – die Dialektische Theologie nennt. Anstatt wie bisher nahezu ausschließlich historisch zu arbeiten und sich an der menschlichen Subjektivität zu orientieren, werde auf protestantischer Seite nun wieder richtige, an wirklichen Sachfragen interessierte Theologie betrieben. Ob dieser Umschwung nun durch den ‚Durchbruch des Objekts‘ (als Gegenreaktion zur ‚Wende zum Subjekt‘ Ende des 18. Jahrhunderts) in der Gegenwartsphilosophie oder die infolge des politischen, kulturellen wie wirtschaftlichen Zusammenbruchs bisweilen apokalyptische Stimmungslage der Nachkriegszeit veranlaßt gewesen sein mag, ist nach Ansicht Adams eine müßige Frage, weil dies allenfalls auslösende Momente seien. Die Ursache für den Klimawandel innerhalb der Theologie sei vielmehr die Wiederentdeckung des reformatorischen Erbes im Protestantismus. 65
Vgl. Przywara (1923), 362. Einen knappen und prägnanten Überblick dazu bietet Erich Przywara: Die Reichweite der Analogie als katholischer Grundform. In: Schol. 25 (1940), 339–362, 508–532, hier: 339. Vgl. zudem Julio Terán-Dutari: Die Geschichte des Terminus ‚analogia entis‘ und das Werk Erich Przywaras. In: PhJ 77 (1970), 163–179. 67 Karl Adam: Die Theologie der Krisis. In: Hochl. 23,2 (1926), 271–286, hier: 271. 66
1.5 Gott wider den Menschen: Karl Adam
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Obwohl sich das nicht zweifelsfrei nachweisen läßt, spricht doch einiges dafür, daß Adam Erich Przywaras Interpretation der Dialektischen Theologie übernimmt. 68 Es lassen sich nämlich auffällige Gemeinsamkeiten feststellen. So nähert sich Adam der Bewegung um Barth mit den Kategorien von Immanenz und Transzendenz. 69 Außerdem stellt er als entscheidenden Differenzpunkt zur katholischen Theologie den Gottesbegriff heraus. 70 Was Adam am meisten mit Przywara verbindet, ist jedoch das Ziel, das er mit seinem Artikel verfolgt, und zwar die Dialektische Theologie aus katholischer Sicht zu bewerten. Zu diesem Zweck stellt er, ausgehend vom ‚Römerbrief ‘, zunächst deren Grundgedanken vor. Die Dialektische Theologie gründe letztlich im ‚unendlichen qualitativen Unterschied‘ von Gott und Mensch. Infolge des Sündenfalls unweigerlich dem Tod zustrebend, steht der Mensch in denkbar größtem Kontrast zu dem Gott, der das Leben ist.71 Das habe weitreichende Konsequenzen für die Theologie, weil nicht der Mensch Jesus, nicht Bibel oder Credo, ebensowenig Ethos und Religion, selbst nicht die Kirche als solche zu Gott führen, weil sie allesamt der Fragwürdigkeit unterworfen sind, die allem Weltlichen eigen ist.72 Wenn sie dennoch keineswegs überflüssig sind, dann einzig aufgrund der ihnen zukommenden Funktion, in ihrer Fragwürdigkeit zum weltjenseitigen Gott zu führen. Dies bedeute der Dialektischen Theologie nämlich Erlösung: daß der seiner eigenen Fragwürdigkeit bewußt gewordene Mensch sich nicht nur in äußerster Verlegenheit und letzter Gebrochenheit an einen Abgrund gerückt sieht, sondern es dann auch wagt, in diese gähnende Leere, die sich vor ihm auftut, hineinzuspringen; und während er im freien Fall begriffen ist, von der Gnade Gottes ergriffen wird und so über dem Abgrund schweben bleibt.73 Wie ist die Dialektische Theologie aus katholischer Sicht zu bewerten? Adam zufolge ist zunächst einmal festzuhalten, daß sie sich im Unterschied zu den Reformatoren nicht primär gegen den Katholizismus wendet.74 Ihr eigentlicher Gegner seien die an Schleiermacher anknüpfenden Strömungen im Protestantismus, denen es anstatt um Gott in seiner Offenbarung um den Menschen in 68 Indiz dafür ist nicht zuletzt die Einschätzung von Erich Przywara: Neue Theologie? Das Problem protestantischer Theologie. In: StZ Bd. 111 (1926), 348–360, hier: 356 Anm. 2 mit Bezug auf Adam (1926a): Was Adam über die Dialektische Theologie geschrieben habe, stimme völlig mit seiner eigenen Interpretation überein. 69 Vgl. Adam (1926a), 272 u. ö. Vgl. außerdem ebd., 284: „Der Gott über uns ist zugleich der Gott in uns.“ 70 Vgl. Adam (1926a), 271 Anm. * mit Bezug auf RB (1922/31924). – Überhaupt ließe sich vermuten, daß Adam erst durch jenen Artikel Przywaras in den ‚Stimmen der Zeit‘ auf die Dialektische Theologie aufmerksam wurde, zitiert er den ‚Römerbrief ‘ doch nach einer Auflage, die nur wenige Monate später erschien. 71 Vgl. Adam (1926a), 271–273. 72 Vgl. Adam (1926a), 273–275. 73 Vgl. Adam (1926a), 275. 74 Vgl. Adam (1926a), 276.
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Kapitel 1: ‚Der Römerbrief‘
seiner Selbst- und Weltdeutung gehe. Damit hätten sie die Theologie ihres eigentlichen Charakters beraubt. Insofern bestünden zwischen der Dialektischen Theologie und dem Katholizismus sogar gewisse Parallelen, weil auch hier die Irrungen der Neuzeit bekämpft würden.75 Darüber hinaus gebe es eine ganze Reihe an Gemeinsamkeiten in der Gottes- und Gnadenlehre. 76 Diesen Gemeinsamkeiten zum Trotz bestehen nach Einschätzung Adams allerdings schwerwiegende Differenzen. Es ist die Annahme jenes ‚unendlichen qualitativen Unterschieds‘, der die katholische von der Dialektischen Theologie trennt. 77 Weit über Luther und Calvin hinausgehend, die – wie unzulänglich auch immer – wenigstens noch eine Verbindung zwischen Gott und Mensch angenommen hätten, betrachte Barth Gott und Mensch als einander völlig entgegengesetzt. Damit verabschiede er sich im übrigen auch endgültig von den biblischen Grundlagen des Christentums. Zumal was er aus den Schriften des Paulus meine herauslesen zu können, hat nach Meinung Adams recht wenig mit dem zu tun, was dort tatsächlich steht.78 Paulus stelle den Christen nun einmal nicht als einen Menschen dar, der ob seiner Sündhaftigkeit in dunkelste Verzweiflung verfällt und gerade noch das rettende Wort der Vergebung vernimmt. Für ihn sei der Christ aufgrund der Taufe vielmehr eine neue, nicht mehr der Sünde unterworfene Schöpfung. Während Barth also Gott im striktesten Gegensatz zur Welt meine verstehen zu müssen, begreife die katholische Theologie beider 75 Vgl. Adam (1926a), 276 f.: „Barths Römerbrief schlug gleich bei seinem ersten Erscheinen (August 1918) wie eine Bombe auf dem Spielplatz der Theologen ein, in seinen Wirkungen etwa vergleichbar der Antimodernistenenzyklika des Papstes Pius X. Pascendi vom 7. September 1907. Wie diese die katholische Theologie vor der mehr und mehr aufsteigenden Gefahr des Immanentismus und des Relativismus rettete und ihr die Transzendenz der Offenbarung und die Absolutheit und Unwandelbarkeit des Gotteswortes wieder ins Gewissen schrieb, so ist es Barths heißes Bemühen, die Theologie wieder zu ihrem θεὸς und dessen λογός zurückzuführen und die rein historisch und psychologistisch verfahrende Theologie zu töten. Seine Theologie ist insofern Ressentimentstheologie. Nicht eine neue Schule, eine neue Richtung, sondern ein Aufbrechen, Aufkochen, Aufpoltern des alten Glaubensgeistes gegen seine neuzeitliche Profanierung. Ein in ungeschlachten Wortklötzen gegen sämtliche theologischen Schulen und Richtungen geschleudertes quos ego!“ Eher als die martialische Rhetorik Adams erschließt sich im übrigen, warum er ein Lob auf jene Enzyklika anstimmt, in deren Gefolge eine regelrechte Verfolgung mißliebiger Theologen einsetzte. Was scheinbar nur dazu dienen soll, katholischen Lesern Barths Anliegen zu verdeutlichen, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als wohlplazierte Apologie in eigener Sache: Hatte Adam bereits während der damaligen Krise im Verdacht gestanden, ein Modernist zu sein, sah er sich erneut mit diesem Vorwurf konfrontiert, als er im Jahr 1924 seine Schrift über das Wesen des Katholizismus veröffentlichte (auf die weiter unten noch eingegangen wird), so Hans Kreidler: Eine Theologie des Lebens. Grundzüge im theologischen Denken Karl Adams. Mainz: Grünewald, 1988 (TTS 29), 296–315. Insofern verdächtige Theologen bereits mit teils massiven Sanktionen bis hin zur Exkommunikation belegt worden waren, kommt Adams Lob der Enzyklika wohl nicht zuletzt die Funktion zu, seine Distanz zum Modernismus herauszustreichen. 76 Vgl. Adam (1926a), 277 f. 77 Vgl. Adam (1926a), 278–282, v. a.: 282 mit Bezug auf RB (1922/31924), XIII. 78 Vgl. Adam (1926a), 280–282.
1.5 Gott wider den Menschen: Karl Adam
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Verhältnis im Sinne der Ähnlichkeit, und damit im Sinne der Natur und Übernatur koordinierenden analogia entis. Weder gleichwesentlich, noch unversöhnlich einander entgegengesetzt, sind Gott und Mensch insofern voneinander unterschieden und zugleich aufeinander bezogen, als ihr Verhältnis das von Schöpfer und Geschöpf ist. 79 Auf der Grundlage der analogia entis könne der Katholizismus sowohl die Möglichkeit der natürlichen Gotteserkenntnis annehmen als auch die potentia oboedientialis, verstanden als die immer gegebene Empfänglichkeit für das Wirken der Gnade. Darum brauche das Verhältnis von Gott und Mensch auch nicht wie bei Barth als Paradox oder Wunder, sondern könne als das einer wechselseitigen Bezogenheit beschrieben werden. 80 Adam stellt den katholischen Gottesbegriff als rundweg vernünftig und ausgewogen dar. Demgegenüber erscheint ihm der hypercalvinistische, von der Dialektischen Theologie vertretene Gottesbegriff überaus problematisch, wenn nicht sogar gefährlich. Ein in seiner unbedingten Weltüberlegenheit und totalen Freiheit alles Weltliche in Frage stellender Gott werde den Menschen nämlich entweder des Vertrauens zu sich selbst samt seiner Fähigkeiten berauben und ihn so zum weltabgewandten Frommen machen, oder aber zu einem der Welt verfallenen Diesseiter. 81 Die frischen Quellen, die Adam inmitten der dürren, von Stürmen durchtobten Sandwüste der protestantischen Theologie eingangs eigentlich hatte aufsprudeln sehen, haben sich letzten Endes als Fata Morgana erwiesen. Wie er am Schluß seines Artikels denn auch festhält, steht die Dialektische Theologie dem Leben nicht anders als feindlich gegenüber. 82 Für Adam hatte sich das Thema Karl Barth damit grundsätzlich erledigt. Gleichsam wie ein Nachtrag wirkt insofern seine Auseinandersetzung mit dem lutherischen Theologen Karl Heim (1874–1958). Wie vor ihm schon sein katholischer Kollege, hatte der Tübinger Systematiker im Jahr 1925 eine Schrift über das Wesen des Christentums veröffentlicht. 83 In einem umfangreichen Artikel, wie jener über die Dialektische Theologie im Jahr 1926 im ‚Hochland‘ erschienen, nahm Adam dazu Stellung. 84 Ihm schien, als bewege sich die deutschsprachige protestantische Theologie zwischen zwei Extremen. Auf der einen Seite zerschneide Barth in seinem hypercalvinistischen Denken das Band zwischen 79
Vgl. Adam (1926a), 282 f. Vgl. Adam (1926a), 283 f. 81 Vgl. Adam (1926a), 285 f. 82 Vgl. Adam (1926a), 286: „Nein, die Theologie der Krisis ist nicht Lebenstheologie. Pessimismus war noch immer Leichengeruch.“ ‚Leben‘ ist ein von Adam vielgebrauchter, wenn auch nicht scharf konturierter Begriff, so Kreidler (1988), 34–41, v. a.: 34. 83 Vgl. Karl Heim: Das Wesen des evangelischen Christentums. Leipzig: Quelle und Meyer, 1925 (Wissenschaft und Bildung; 209) bzw. Karl Adam: Das Wesen des Katholizismus. Augsburg: Haas und Grabherr, 1924 (Aus Gottes Reich). Zum Hintergrund vgl. Mariano Delgado (Hrsg.): Das Christentum der Theologen im 20. Jahrhundert. Vom ‚Wesen des Christentums‘ zu den ‚Kurzformeln des Glaubens‘. Stuttgart: Kohlhammer, 2000. 84 Vgl. Karl Adam: Karl Heim und das Wesen des Katholizismus. In: Hochl. 23,2 (1926), 447–469, 586–608. 80
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Kapitel 1: ‚Der Römerbrief‘
Gott und Welt. 85 Auf der anderen Seite vertrete Heim ein spiritualistisches Luthertum, in dem die Unterscheidung von Gott und Welt letztlich hinfällig wird. 86 Wenn ein Gottesbegriff angemessen sei, dann allein der des Katholizismus, dem zufolge Gott „‚über uns und in uns‘“ ist. 87 Adam übernimmt hier wörtlich eine Formulierung Przywaras. Das verdeutlicht noch einmal, in welchem Maße er dem Jesuiten in seiner Barth-Interpretation verpflichtet ist. Wie wirkmächtig diese war, mag man außerdem daran ersehen, daß ein Anhänger der Dialektischen Theologie bereits im Jahr 1928 notierte, Barth stehe auf katholischer Seite im Ruf, ausschließlich Gott in den Blick zu nehmen und darüber den Menschen zu vergessen. 88 Nur wenig später wurde diese Interpretation tatsächlich im ‚Lexikon für Theologie und Kirche‘ festgeschrieben.
1.6 Der lange Schatten Przywaras: Josef Rupert Geiselmann Obwohl erst seit dem Ende des Ersten Weltkriegs Professor in Tübingen, war Karl Adam bereits nach wenigen Jahren zu einem der einflußreichsten katholischen Theologen keineswegs nur des deutschen Sprachraums geworden. Nicht zuletzt um ihn in Tübingen zu halten, wurde ihm schon bald eine zusätzliche, mit einem umfänglichen Lehrauftrag verbundene Assistentenstelle zugestanden. 89 Diese hatte seit dem Jahr 1925 Josef Rupert Geiselmann (1890–1970) inne, der unter Leitung Adams sowohl promoviert als auch habilitiert worden war. Insofern Geiselmann zuvor weder über die neuere protestantische Theologiegeschichte gearbeitet hatte, noch in späterer Zeit durch entsprechende Beiträge hervortreten sollte, stellt sein Artikel über die Dialektische Theologie im ‚Lexikon für Theologie und Kirche‘ einen Solitär in seiner akademischen Biographie dar.90 Von hier aus verwundert auch nicht, daß er sich in seiner Darstellung auf bisherige Interpretationen stützte, darunter auf die seines akademischen Lehrers Karl Adam und auf die von Erich Przywara.91 Worin sich Geisel85 Vgl. Adam (1926b), 450 bzw. 469: Barth gehe vom „extrem formulierten Hauptsatz des Deo soli gloria“ aus und bezwecke „eine Restauration des strengen Calvinismus“. 86 Vgl. Adam (1926b), 453 f., 592 f. 87 Adam (1926b), 608. 88 Vgl. Paul Schempp: Randglossen zum Barthianismus. In: ZZ 6 (1928), 529–539, hier: 533 f. mit Bezug auf Przywara (1923) und Adam (1926a). 89 Vgl. Dominik Burkard: Theologie und Gesellschaft im Umbruch. Die KatholischTheologische Fakultät Tübingen in der Weimarer Republik. In: RoJKG 24 (2005), 51–85, hier: 64–67. 90 Vgl. Josef Rupert Geiselmann: Dialektische Theologie. In: LThK 3 (1930), 279–282. Aus nicht unmittelbar erkennbaren Gründen wandte er sich um das Jahr 1930 abrupt von der Erforschung der frühmittelalterlichen Theologie- und Dogmengeschichte ab und widmete sich fortan der historischen Erschließung der katholischen Tübinger Schule, so Leo Scheffzcyk: Josef Rupert Geiselmann – Weg und Werk. In: ThQ 150 (1970), 385–395, hier: 390. 91 Vgl. Geiselmann (1930), 281 f. (Literaturverzeichnis) mit Bezug u. a. auf Adam (1926a),
1.6 Der lange Schatten Przywaras: Josef Rupert Geiselmann
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mann allerdings von beiden unterscheidet, ist die konzentrierte Form der Darstellung. Auf gut drei Spalten stellt er sowohl die Grundgedanken der Dialektischen Theologie und die daraus sich ergebenden theologischen Ideen dar, als er auch eine kritische Würdigung aus katholischer Sicht bietet.92 Wenn sich die Dialektische Theologie im Gegensatz zu praktisch allen Richtungen der neueren protestantischen Theologiegeschichte wisse, dann weil sie die Offenbarung nicht als eine weltimmanent zu erfassende, sondern als eine transzendente Größe ansehe. Geiselmann will die Dialektische Theologie ganz von einem Gedanken her begreifen, und zwar dem des ‚unendlichen qualitativen Unterschieds von Zeit und Ewigkeit‘.93 Obschon sich die Offenbarung an den Menschen richte und damit notwendigerweise eine geschichtliche Gegebenheit darstelle, sei sie ebensosehr die Offenbarung Gottes und als solche nicht nur übergeschichtlich und unverfügbar, sondern zugleich Ende und Gericht des Menschen. Insofern die Offenbarung zwar innergeschichtlich auftrete, aber nie innergeschichtlich gegeben sei und so in ihrem Gehalt bestimmbar werde, könne die über sie reflektierende Theologie sie immer nur durch gegenläufige Aussagen zu umschreiben versuchen. Diese Gegenläufigkeit gelte es denn auch beizubehalten und sie weder zu harmonisieren, noch zu einer höheren Synthese fügen zu wollen. Soll sie ihrem paradoxen, weil immanent-transzendenten Gegenstand gemäß sein, also Gott, der in Jesus in die Welt gekommen ist, könne die Theologie nicht anders als dialektisch verfahren. Erkannt werde Gott in seiner Offenbarung allein im gottgewirkten, alle geschichtliche Bedingtheit hinter sich lassenden Glauben. Wie ist die Dialektische Theologie aus katholischer Sicht zu bewerten? Bescheinigt Geiselmann ihr einerseits, von tiefem Ernst und ehrlichem Ringen getragen die Offenbarung in ihren Geheimnissen erfassen zu wollen, hält er ihr andererseits vor, dabei einseitig vorzugehen.94 Indem sie die Offenbarung allein unter der Perspektive von Immanenz und Transzendenz meine betrachten zu müssen, zeichne sie ein verzerrtes Bild des Christentums. Dessen Kennzeichen sei gerade nicht die Dialektik von Zeit und Ewigkeit, sondern eine Dialektik in der Zeit. Was im Alten Testament und damit in der Vergangenheit verheißen, sei in der Offenbarung durch Jesus Christus bereits erfüllt und Gegenwart, sosehr es noch der endgültigen Vollendung in der zukünftigen Gottesschau harre. Darum laufe die Dialektische Theologie Gefahr, das Christentum auf die Stufe der alttestamentlichen Verheißung herabzudrücken.
Ders. (1926b), Erich Przywara: Ringen der Gegenwart. Gesammelte Aufsätze. 1922–1927. 2 Bde. Augsburg: Filser, 1929. 92 Vgl. Geiselmann (1930), 279–281 bzw. 281. 93 Vgl. Geiselmann (1930), 279–281. 94 Zum folgenden vgl. Geiselmann (1930), 281.
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Kapitel 1: ‚Der Römerbrief‘
1.7 Ertrag Wenn sich Katholiken bereits Anfang der zwanziger Jahre näher mit der Dialektischen Theologie beschäftigten, dürfte das auf zwei Motive zurückzuführen sein. Erstens war ein deutliches Bewußtsein von Problemlagen innerhalb des Katholizismus vorhanden, für deren Bearbeitung man sich von der Dialektischen Theologie Impulse erhoffte. In diesem Zusammenhang sind namentlich Joseph Wittig und Joseph Engert zu nennen, die sich beide um die Verkündigung sorgten. Wittig konstatierte deren bemitleidenswerten Zustand, insofern die hier kultivierte Sprache nichts mit der Sprache der Menschen zu tun habe. Engert hinwiederum bedrängte das Problem, wie angesichts des alle Geltung im Kontext ihrer Genese begreifenden relativistischen Historismus überhaupt gepredigt werden könne. Was beide an Barths ‚Römerbrief ‘ schätzten, war entsprechend unterschiedlich. Während Wittig von dessen schier ungebändigter Sprachkraft fasziniert war, las Engert aus ihm eine antihistorische Wende heraus. Der zweite Grund dafür, daß sich katholische Theologen zu dieser Zeit mit der Dialektischen Theologie auseinandersetzten, war ungleich prosaischer. Die Bewegung um Barth war schlichtweg erfolgreich und damit ein unübersehbarer theologiepolitischer Faktor, mit dem fortan gerechnet werden mußte. Was Erich Przywara, Karl Adam und Josef Rupert Geiselmann motivierte, war im Unterschied zu Wittig und Engert also nicht die problemorientierte Auseinandersetzung mit einem systematisch-theologischen Entwurf (Aneignung), sondern die kritische Taxierung eines binnenprotestantischen Phänomens (Wahrnehmung). Ganz offensichtlich wurde der am Idealismus und der historischen Kritik orientierte Protestantismus mehr und mehr zurückgedrängt, die Dialektische Theologie schien den bis dahin an den Universitäten vorherrschenden Liberalismus zu überrollen. Hatten viele Katholiken zuvor noch gemeint, sich nicht weiter mit dem Protestantismus auseinandersetzen zu müssen, weil sich dieser nicht mehr um Gott in seiner Offenbarung, sondern lediglich um das deutungsfreudige menschliche Subjekt zu kümmern schien, war mit der Dialektischen Theologie eine völlig neue Situation gegeben, und diese forderte zu einer Stellungnahme heraus. Aber auch wenn Przywara, Adam und Geiselmann sehr aufmerksam zur Kenntnis nahmen, daß sich die Bewegung um Barth anschickte, die bislang dominierende liberale Richtung zu verdrängen, billigten sie ihr keinerlei Relevanz für den Katholizismus zu. Das erklärt, warum sich in der Folgezeit keiner der drei dazu veranlaßt fühlte, das Gespräch mit ihr zu suchen. Wohl erwähnte Przywara sie in vielen seiner großflächigen Situationsanalysen, in denen er die intellektuelle Landschaft der Weimarer Republik kartographierte, doch blieb seine Perspektive dabei ganz die seines Artikels aus dem Jahr 1923: die eines kritisch distanzierten Beobachters.95 Daß er, wie in einem der 95
Vgl. etwa Erich Przywara: Religionsbegründung. Max Scheler – J. H. Newman. Frei-
1.7 Ertrag
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folgenden Kapitel darzustellen sein wird, Anfang 1929 in Münster mit Barth zusammentraf, ist nicht auf seinen eigenen Antrieb zurückzuführen, sondern auf dessen Initiative.96 Überblickt man, wie die Dialektische Theologie anfänglich von katholischer Seite rezipiert wurde, zeigt sich, daß sich zwei Interpretationsrichtungen gegenüberstanden, die hinsichtlich ihres Rezeptionsinteresses und ihrer Bewertung der Dialektischen Theologie stark divergierten. Dessen war sich Barth selbst bewußt. Im Vorwort zur im Jahr 1924 erschienenen Auflage des ‚Römerbriefs‘ wies er auf die höchst unterschiedlichen Einschätzungen von Przywara und Engert hin und fuhr fort: „Vielleicht müssen sich auch die katholischen Herren Gesprächspartner erst unter sich verständigen, als was sie uns eigentlich anreden wollen. Dann werden wir ihnen weitere Antwort nicht schuldig bleiben. Vorläufig gestehe ich aber offen, daß ich die hier aufgetauchte Möglichkeit einer nicht nur historischen sondern sachlichen Unterhaltung mit den Theologen der alten Kirche als ein gutes und verheißungsvolles Zeichen für beide Teile aufgefaßt habe. Wer sich, wie ‚wir‘ es allerdings möchten, in die Nähe der reformatorischen Theologie begibt, der wird sich auch der ebendamit sich einstellenden Nähe der Voraussetzung jener: der Nähe der mittelalterlichen Theologie (bei gründlichstem Abscheu vor allen mystifizierenden, hochkirchlichen und ‚evangelischkatholischen‘ Dilettantismen) nicht schämen dürfen und – tut es auch nicht.“97
Nach Meinung Barths tat sich nichts weniger auf als die Möglichkeit eines theologischen Gesprächs zwischen den Konfessionen. Indem sich die Dialektische Theologie von den modernen Subjektskonzeptionen abwandte und wieder an die Reformatoren anknüpfte, mußte der Katholizismus zwangsläufig in ihren Blick geraten. Wenn es trotzdem zu keinem Gespräch kam, ist das nicht auf Barth zurückzuführen. Auf keinen Fall darf unterschätzt werden, wie wirkmächtig Przywaras Interpretation war. Nicht nur aufgrund seiner Fähigkeit, Entwicklungslinien pointiert herauszuarbeiten und mit griffigen Sätzen und Formeln zu beschreiben, sondern auch durch seine unablässige literarische Produktion, hatte der Jesuit wenigstens in den zwanziger und dreißiger Jahren auf katholischer Seite geradezu die Deutungshoheit über den Protestantismus.98 Schon von daher sollte sich die von ihm vorgegebene Interpretation durchsetzen. Wie durchschlagend sie tatsächlich war, zeigt sich aber nicht nur daran, daß burg: Herder, 1923, 4 Anm. 1.; Ders.: Ringen um Gott. In: StZ Bd. 107 (1924), 347–352, hier: 348 f.; Ders.: Neue Religiösität? In: StZ Bd. 109 (1925), 18–35, hier: 18 f.; Ders.: Neue Theologie? Das Problem protestantischer Theologie. In: StZ Bd. 111 (1926), 348–360, hier: 356 f.; Ders.: Eschatologismus. In: StZ Bd. 117 (1929), 229–235. 96 Vgl. Kap. 5.2. 97 RB (1922/31924), XXIV. 98 Beispielsweise schrieb niemand sonst als Przywara den Artikel Protestantismus II. Beurteilung vom Standpunkt des Katholizismus. In: RGG2 3 (1930), 1600–1603. Dazu Ruth Conrad: Lexikonpolitik. Die erste Aufl age der RGG im Horizont protestantischer Lexikographie. Berlin / New York: Walter de Gruyter, 2006 (AKG 97), 422–424.
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Kapitel 1: ‚Der Römerbrief‘
sie von Adam und Geiselmann in modifizierter Form übernommen wurde. Geradezu selbstverständlich liegt sie noch zwei Dissertationen über die Dialektische Theologie zugrunde, die eine Anfang, die andere Ende der dreißiger Jahre veröffentlicht.99 Festzuhalten ist jedenfalls, daß der ‚Römerbrief ‘ in zwei grundverschiedenen Perspektiven gelesen wurde. Entweder stand die Wahrnehmung einer theologiepolitisch interessanten Schrift im Zentrum oder aber die Aneignung eines systematisch relevanten Denkens. Zwischen diesen beiden Perspektiven sollte die katholische Barth-Rezeption in den folgenden Jahren oszillieren.
99 Zum einen vgl. Georg Feuerer: Der Kirchenbegriff der dialektischen Theologie. Freiburg: Herder, 1933 (FThSt 36), nach dessen Ansicht es sich beim ‚unendlichen qualitativen Unterschied‘ um die grundlegende Voraussetzung der Dialektischen Theologie handelt, so ebd., 6–9 mit Bezug auf RB (1922), XIII. Von hier aus sei auch deren Ekklesiologie zu verstehen. Die Bezüge auf Przywara sind zahlreich. Zum anderen vgl. Johannes Ries: Die natürliche Gotteserkenntnis in der Theologie der Krisis im Zusammenhang mit dem Imagobegriff bei Calvin. Bonn: Hanstein, 1939 (GFPT 14). Es finden sich zahlreiche Verweise auf Przywaras religionsphilosophische Schriften, etwa ebd., 163 mit Anm. 95, 255 f., 267, 273–280 jeweils mit Bezug v. a. auf Erich Przywara: Religionsphilosophie katholischer Theologie. München / Berlin: Oldenbourg, 1927 (HPh 2) und Ders.: Analogia Entis. Metaphysik. Bd. 1. München: Kösel / Pustet, 1932. Laut Ries (ebd., 86, 115 f., 126 f.) ist der ‚unendliche qualitative Unterschied‘, wie er im Vorwort des ‚Römerbriefs‘ begegnet, der Leitgesichtspunkt von Barths Theologie. Von daher erscheint sie ihm als heillos verstiegene Überbewertung der Transzendenz. Die Anklänge an Przywara sind dabei überdeutlich, etwa ebd., 262–267. Da sich die Thesen, die er schon Anfang der zwanziger Jahre aufgestellt hatte, lediglich bestätigten, konnte Przywara an Ries’ Studie nicht viel aussetzen, und entsprechend positiv ist seine Rezension in StZ Bd. 137 (1940), 132. Auch Hermann Volk, selbst stark Przywara verpflichtet, schrieb eine zustimmende Rezension in ThRv 39 (1940), 215–217.
Kapitel 2
Antimoderne Moderne: Die philosophischen Voraussetzungen der Dialektischen Theologie 2.1 Einführung Seit dem 18. Jahrhundert ist deutlich herausgestellt worden, daß Aussagen über Gott zunächst einmal Aussagen des Menschen über Gott sind, also an die Reichweite der Vernunft gebunden und von der Geschichtlichkeit des Verstehens bedingt. Die historisch-kritische Exegese legte die Vielschichtigkeit und Pluralität der biblischen Texte frei, aufgrund der Erkenntniskritik schien die überkommene Metaphysik an ihr Ende gelangt zu sein, und das wachsende historische Bewußtsein versah systematische Geltungsansprüche mit einem Zeitindex. Die konfessionellen Theologien reagierten darauf höchst unterschiedlich. Während die protestantische Theologie versuchte, unter der Voraussetzung von Aufklärung und Idealismus von Gott zu reden, avancierte in der katholischen nach parallelen Versuchen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert die mittelalterliche, im Sinne der frühneuzeitlichen Schulen interpretierte Scholastik zur maßgeblichen Autorität.1 Vor diesem Hintergrund ist die Auseinandersetzung einiger katholischer Theologen mit Karl Barth zu verstehen. Selbst von der Neuscholastik geprägt, nahmen sie die gänzlich anders gelagerte philosophische Ausrichtung seines Denkens nicht bloß wahr, sondern problematisierten sie auch. Ihre Diagnose lautete, daß die Dialektische Theologie zentrale Überzeugungen des Christentums allenfalls behaupten, aber nicht mehr rational durchdringen und aufweisen kann. Es ging ihnen also um die Frage der philosophischen Voraussetzungen der Theologie: Welche Philosophie ist überhaupt geeignet, und wieweit darf sie auf die Theologie Einfluß nehmen? 1 Vgl. Wolfhart Pannenberg: Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland. Von Schleiermacher bis zu Barth und Tillich. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1997 (UTB 1979); Albrecht Beutel / Volker Leppin (Hrsg.): Religion und Aufklärung. Studien zur neuzeitlichen ‚Umformung des Christlichen‘. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2004 (Arbeiten zur Theologie- und Kirchengeschichte; 14); Albrecht Beutel: Aufklärung in Deutschland. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2006 (KIG 4, Lfg. 02), 0345–0359 bzw. Gerald McCool: Catholic Theology in the Nineteenth Century. The Quest for a Unitary Method. New York: Seabury, 1977 (A Crossroad Book); Thomas F. O’Meara: Church and Culture. German Catholic Theology, 1860–1914. Notre Dame, IN / London: University of Notre Dame Press, 1992.
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Kapitel 2: Antimoderne Moderne
Im Jahr 1930 veröffentlichte der Jesuit Michael Gierens (1888–1937) einen Artikel, in dem er die Dialektische Theologie historisch in die Entwicklung des neueren Protestantismus einordnete und einer systematischen Kritik unterzog. 2 Was den Professor für Dogmatik aus Frankfurt (Sankt Georgen) dazu bewog, läßt sich nicht mehr rekonstruieren. Ungleich klarer ist das bei Friedrich Maria Rintelen (1899–1988), der als Paderborner Diözesanpriester in der mitteldeutschen Diaspora eingesetzt war.3 Gemäß eigener Aussage diente sein Promotionsstudium der Qualifizierung für Leitungsaufgaben im Bistum. 4 Seiner im Jahr 1934 erschienenen Dissertation liegt die These zugrunde, daß der gesamte neuere Protestantismus entscheidend Kant verpflichtet ist.5 Der dritte Theologe, auf den im folgenden eingegangen wird, ist Karl Rahner (1904–1984). Im Jahr 1936 publizierte der Jesuit einen Artikel zur protestantischen Christologie der Gegenwart, womit er sich offenbar ein ihm bislang unbekanntes Themenfeld erschließen wollte. 6 Viertens und letztens ist Hermann Volk (1903–1988) zu nennen, später Bischof seiner Heimatdiözese Mainz und sogar Kardinal. Seiner Auffassung nach sind in Barths vorgeblich rein theologischer Anthropologie sehr wohl philosophische, aber alles andere als scholastische Elemente gegeben
2 Vgl. Michael Gierens: Die ‚dialektische Theologie‘ in katholischer Sicht. In: StZ Bd. 118 (1930), 196–206. Zur Biographie vgl. Dorothea Nebel: Die Lehrstuhlinhaber für Apologetik/ Fundamentaltheologie und Dogmatik [. . .]. In: Hubert Wolf (Hrsg.): Die katholisch-theologischen Disziplinen in Deutschland 1870–1962. Ihre Geschichte, ihr Zeitbezug. Paderborn u. a.: Schöningh, 1999 (Programm und Wirkungsgeschichte des II. Vatikanums; 3), 164–230, hier: 200. 3 Zur Biographie vgl. Clemens Brodkorb: Rintelen, Friedrich Maria. In: Erwin Gatz (Hrsg.): Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945–2001. Berlin: Duncker und Humblot, 2002, 347–349. 4 Vgl. Friedrich Maria Rintelen: Erinnerungen ohne Tagebuch. Paderborn: Bonifatius, 2 1983, 78 f. 5 Vgl. Friedrich Maria Rintelen: Wege zu Gott. Eine kritische Abhandlung über das Problem des Gotterfassens in der deutschen protestantischen Theologie der Nachkriegszeit. Würzburg: Becker, 1934 (APPR 31/32). 6 Vgl. Karl Rahner: Die deutsche protestantische Christologie der Gegenwart. In: Seels. 1 (1936), 189–202. Wiederabgedruckt in Ders.: Sämtliche Werke. Bd. 4. Solothurn u. a.: Benziger / Herder, 1997, 299–312. Zur Einordnung des Artikels in Rahners theologische Entwicklung vgl. Andreas R. Batlogg: Vom Mut, Jesus um den Hals zu fallen. Christologie. In: Ders. u. a.: Der Denkweg Karl Rahners. Quellen – Entwicklungen – Perspektiven. Mainz: Grünewald, 2003, 277–299, hier: 288; Michael Kappes: Die Bedeutung der Theologie Karl Rahners für die Ökumene. Ein vergessenes Thema? In: Cath(M) 59 (2005), 1–35, hier: 3. Über Rahners Artikel schreibt Karl Lehmann: Karl Rahner und die Ökumene. In: Ingolf Dalferth u. a. (Hrsg.): Denkwürdiges Geheimnis. Beiträge zur Gotteslehre. Tübingen: Mohr Siebeck, 2004 (FS Eberhard Jüngel), 331–346, hier: 333 f.: „Aufschlussreich sind hier verwendete Kategorien wie z. B. einer Christologie ‚von unten‘, ‚von oben‘, auch wenn sich keine unmittelbare Beziehung zum Spätwerk ergibt. Der Beitrag bleibt etwas schematisch und wirkt wie ein in Auftrag gegebener Literaturbericht, der ein wenig zusammenhanglos im Frühwerk steht.“ Von einem „Seitenstück“ spricht Albert Raffelt: Editionsbericht. In: Rahner (1997), XIII–XXXVIII, hier: XVIII.
2.2 Die Irrwege der modernen Theologie: Michael Gierens
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und wirksam.7 Ende 1936 hatte Volk übrigens von Fribourg aus, wo er sein philosophisches Promotionsstudium absolvierte, Kontakt zu Barth aufgenommen und ihn um ein Gespräch ersucht, das kurz darauf tatsächlich stattfand. 8
2.2 Die Irrwege der modernen Theologie: Michael Gierens Wie die Dialektische Theologie aus katholischer Sicht zu beurteilen ist, lautet die Frage, auf die Michael Gierens eine Antwort geben möchte. Zu diesem Zweck ordnet er die Bewegung um Karl Barth zunächst in den Gang der protestantischen Theologiegeschichte ein und unterzieht sie dann einer systematischen Kritik.9 Nach Einschätzung von Gierens ist der Protestantismus, bedingt durch den freien Umgang mit Dogmen und Geboten, durch einen anhaltenden Verlust des spezifisch Christlichen gekennzeichnet.10 Anfangs noch hätten sich seine Anhänger in einer höchst komfortablen Situation befunden, konnten sie doch von dem reichen Traditionsgut zehren, das ihnen von der mittelalterlichen Kirche überkommen war. Mit diesem seien allerdings schon die Reformatoren recht großzügig umgegangen. Während sie an einigen Teilen als essentiell festhielten, verwarfen sie andere als unwesentlich. In der altprotestantischen Orthodoxie erhielten dann Lehren wie die Schriftinspiration, die Rechtfertigungs- und Prädestinationslehre eine Bedeutung, die sie zuvor nie hatten, wohingegen andere massiv relativiert wurden, beispielsweise die des besonderen Priestertums oder die der guten Werke, grundlegender noch: die Bedeutung der kirchlichen Tradition und die des kirchlichen Lehramts. Welche Folgen ein solches Auswahlprinzip hatte, sei offen erst zutage getreten, als die protestantische Theologie von der Moderne eingeholt wurde.11 So arbeitete die historisch-kritische Exegese die Distanz des heutigen Gläubigen zum biblischen Zeugnis heraus, der Ra-
7 Vgl. Hermann Volk: Die Kreaturauffassung bei Karl Barth. Eine philosophische Untersuchung. Würzburg: Becker, 1938 (APPR 47/48). 8 Vgl. KBA 9336.962 (Hermann Volk an Karl Barth, Brief vom 14. 12. 1936). Wie ein Eintrag in Barths Tagebuch dokumentiert, kam es am 6. 1. 1937 in Basel zu einem Gespräch. Für die Auskunft danke ich Hans-Anton Drewes (Basel). 9 Vgl. Gierens (1930), 196–199 bzw. 199–206. 10 Vgl. Gierens (1930), 196–199. 11 Vgl. Gierens (1930), 197: „Die durch den Humanismus eingeleitete Diesseitswendung der Kultur und des Lebensgefühls, die durch den Protestantismus auf religiösem, die Französische Revolution auf politischem und gesellschaftlichem Gebiet gefördert wurde und in den berauschenden Erfolgen der diesseitig eingestellten Naturwissenschaften Bewährung zu fi nden schien, drängte immer stärker hin auf die Schaffung einer Weltanschauungslehre, die den Menschen in den Mittelpunkt des Universums stellt und von ihm aus alles zu begreifen sucht, die mittelalterliche Theozentrik durch Anthropozentrik ablöst.“ Diese Weltanschauungslehre sei – so Gierens dann weiter – in Gestalt der kantischen Philosophie bereitgestellt worden.
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Kapitel 2: Antimoderne Moderne
tionalismus schaltete die Idee des Übernatürlichen und die Erkenntniskritik die Idee eines eigenständig Objektiven aus.12 Infolge der Einsicht, daß Aussagen über Gott zunächst einmal Aussagen des Menschen über Gott sind, setzte ein Transformationsprozeß ein, der laut Gierens die zweite Phase der protestantischen Theologiegeschichte ausmacht und entscheidend mit dem Namen Friedrich Schleiermachers verbunden ist. Da der Glaube kaum noch rational, durch den Bezug auf objektive Daten zu rechtfertigen war, habe er dessen Begründung in das Emotionale verlagert, in subjektive Stimmungen.13 Auf diese Weise sei allerdings jede inhaltliche Bestimmung des christlichen Glaubens etwa durch dogmatische Sätze oder ethische Weisungen entfallen. Weder lasse sich klar ausmachen, was dieses Absolute denn nun sei, noch daß es mit dem christlichen Gott identisch ist – so war Schleiermacher nach Ansicht Gierens’ Pantheist.14 An dieser Stelle komme die Dialektische Theologie ins Spiel. Ihr auffälligstes Kennzeichen sei gerade die Frontstellung gegen Schleiermacher und die ihm folgende Theologie des 19. Jahrhunderts. Damit verbinde sich der Anspruch, der Bibel und den Reformatoren gemäß zu sprechen, also dem vor-modernen Protestantismus wieder eine Stimme zu verleihen.15 Aus der kirchlichen Praxis herkommend und an ihr orientiert, trete ihren Vertretern die zentrale Problemlage der neuzeitlichen Theologie von der Verkündigung her entgegen: Allein Gottes Wort soll, aber nur Menschenwort kann gepredigt werden; geredet wird über irgend etwas, ausgesprochen wird aber nicht das Eigentliche.16 Diese Aporie meine die Dialektische Theologie dadurch lösen zu können, daß sie die subjektive, angesichts des Ernstes der Eschatologie drängende Entscheidung betone.17 Die Dialektische Theologie tritt also mit dem Anspruch auf, im Unterschied zum der Moderne verfallenen Protestantismus der biblisch-reformatorischen Botschaft gemäß zu reden. Dem hält Gierens entgegen, daß dies nur scheinbar der Fall ist, weil sie selbst in den Voraussetzungen der Moderne verfangen sei.18 Er läßt keinen Zweifel daran, daß eine wirklich christliche Theologie dann nicht möglich ist, wenn die Moderne als Denkrahmen akzeptiert wird.19 Die syste12
Vgl. Gierens (1930), 196 f. Vgl. Gierens (1930), 197, wo es über Schleiermacher heißt: „er faßte die Religion als Erlebnis, lediglich als Erlebnis, als Erlebnis eigener Art, als Gefühl und Anschauung oder lediglich als Gefühl. Als schlechthinniges Abhängigkeitsgefühl von irgend einem Absoluten.“ Es kann nur vermutet werden, daß ein solches Urteil über Schleiermacher typisch für die katholische Theologie dieser Zeit ist, weil entsprechende Studien bislang ausstehen. Auf dieses Desiderat wird hingewiesen von Kurt Nowak: Schleiermacher. Leben, Werk und Wirkung. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2001 (UTB 2215), 485 f. 14 Vgl. Gierens (1930), 197 f. 15 Vgl. Gierens (1930), 198 f. 16 Vgl. Gierens (1930), 198. 17 Vgl. Gierens (1930), 198 f. 18 Vgl. Gierens (1930), 199. 19 Vgl. Gierens (1930), 200: „Die biblisch-christlichen Ideen verhalten sich zu diesen hu13
2.2 Die Irrwege der modernen Theologie: Michael Gierens
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matische Alternative, die er an dieser Stelle eröffnet, ist die von ‚Idealismus‘ und ‚Realismus‘. 20 Fasse der Realismus das erkennende Subjekt als rezeptiv auf, insofern vom Objekt affiziert, begreife der Idealismus dieses als produktiv, weil es in gewisser Weise das Objekt erst hervorbringe – ein Gedanke, der Gierens im übrigen schon als in sich absurd erscheint. 21 Ob nun der Realismus oder der Idealismus zur erkenntnistheoretischen Voraussetzung der Theologie genommen wird, ist somit alles andere als bedeutungslos.22 Damit ist von vornherein entschieden, wie die Offenbarung zu denken ist, ob als ein Konstrukt des Menschen oder aber als eine freie, sich dem Menschen darbietende Gabe Gottes. Für Gierens besteht kein Zweifel daran, daß die Offenbarung allein unter Voraussetzung des Realismus als Offenbarung Gottes gedacht zu werden vermag. So mißt er die Dialektische Theologie daran, inwieweit sie den Idealismus oder den Realismus zu ihrer Voraussetzung hat und deshalb für sich beanspruchen kann, die Offenbarung in rechter Weise zu explizieren. Indem Gierens dieses Kriterium anlegt, kommt er zu einem ambivalenten Befund. Wohl werde der Idealismus durch das existentielle Denken prinzipiell überwunden, weil der Mensch, der sich als endlich und sündig erfährt, nicht nur sich selbst als wirklich anerkenne, sondern auch Gott, der all dies nicht ist. Trotzdem ließen die Vertreter der Dialektischen Theologie den Idealismus nicht hinter sich und akzeptierten den Realismus nicht als erkenntnistheoretische Voraussetzung.23 Um dem Monismus zu wehren, der sich zwangsläufig ergebe, wenn Gott als ein Produkt der menschlichen Verstandestätigkeit verstanden wird, werde stattdessen ein Dualismus behauptet, der freilich den Monismus zur stillschweigenden Voraussetzung habe.24 Dieser Dualismus von Gott und Mensch werde in der Formel vom
manistisch-naturalistischen Vorstellungen wie Feuer und Wasser. Sie können sich nicht vermählen. Sie können nicht einmal zusammenwohnen. In einem Gefäße, das mit Wasser gefüllt ist, kann das Feuer nicht brennen.“ Nicht minder deutlich äußert sich Gierens an anderer Stelle, nämlich ebd., 200 f.: „Nur der Realismus versteht das Erkennen ohne Sinnverdrehung und Umdeutung so, wie es seiner Urgegebenheit nach gemeint ist. Er ist auch allein die Philosophie, der die Offenbarung in ihrem ursprünglichen Sinne, ohne Bruch und Umdeutung entspricht. Es ist doch wahrhaftig ein Wahn, zu glauben, das Christentum werde vervollkommnet, wenn man seinen göttlichen Ursprung und seine Fülle in Gott und zu Gott hin auf bloße natürliche, anthropologische Gegebenheiten zurückführt, wenn man Gottes Offenbarung als bloße Menscheneinsicht, Gottes Gebot als ethische Forderung der Menschennatur, Gottes Verehrung als bloße gefühlsmäßige Geisteserhebung des Menschen begreifen will und dabei Offenbarung, Wunder, Gnade und Sakrament im ursprünglich gegebenen Sinne rundweg leugnet. Da würde es der Wahrhaftigkeit schon besser entsprechen, wenn man seinen Abfall vom Christentum offen eingestände.“ 20 Vgl. Gierens (1930), 199–201. 21 Vgl. Gierens (1930), 200 f. 22 Vgl. Gierens (1930), 200 mit kritischem Bezug auf CD (1927), 216. 23 Vgl. Gierens (1930), 201. 24 Vgl. Gierens (1930), 201–204. Ein analoger Fall fände sich in der Philosophiegeschichte mit Kierkegaards Verhältnis zu Hegel, so ebd., 202.
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Kapitel 2: Antimoderne Moderne
‚unendlichen qualitativen Unterschied‘ gefaßt und auf unterschiedliche Weise durchdekliniert, etwa als der von Zeit und Ewigkeit. 25 Welche Implikationen das hat, legt Gierens anhand der ‚Christlichen Dogmatik‘ exemplarisch für das Verständnis der Offenbarung dar. 26 So gehe Barth einerseits davon aus, daß Gott sich offenbart, bestreite aber andererseits, daß der Mensch davon Kenntnis erlangen kann, weil Gott sonst zu einem Produkt menschlicher Verstandestätigkeit würde. Damit gerate er aber in eine Aporie, denn wenn Gott dem Begriff immer entzogen ist, dann auch dem Begreifen, so daß der Agnostizismus die logische Konsequenz wäre. Besteht zwischen Gott und dem Menschen ein unüberwindlicher Graben, sind metaphysische Gewißheiten überhaupt nicht möglich, und eben das meint der Begriff Agnostizismus. Vermeiden ließe sich dieser Schluß nur, wählte man den Realismus als erkenntnistheoretische Voraussetzung. Dieser würde den Unterschied von unendlichem Gott und endlichem Menschen problemlos anerkennen und darum die Gotteserkenntnis nicht als unmittelbar, sondern als mittelbar, zugleich unvollkommen und dennoch grundsätzlich wahr begreiflich machen.27 Indem die Dialektische Theologie aller gegenteiligen Behauptung zum Trotz im Idealismus gefangen ist, kann sie die Inhalte des christlichen Glaubens nur noch behaupten, aber nicht mehr begründen. Warum das so ist, macht Gierens am Schluß seines Artikels noch einmal unmißverständlich deutlich: „Mit dem Widerspruch als Grundprinzip geht es nicht. Gott kann kein Gott des Widerspruchs sein. Unser Glaube muß ein vernünftiger Glaube sein; sonst kann er nicht bestehen.“28 Der Jesuit begründet seine Ablehnung der Dialektischen Theologie mit dem ‚unendlichen qualitativen Unterschied‘. Ganz ähnlich sollte vier Jahre darauf auch Friedrich Maria Rintelen argumentieren.
2.3 Die Sprachlosigkeit der Dialektischen Theologie: Friedrich Maria Rintelen In seiner Dissertation beschäftigt sich Rintelen mit der Religionsphilosophie in der protestantischen Theologie seit dem Ende des Ersten Weltkriegs, näherhin mit den Themenfeldern Gotteserkenntnis und Gottesgewißheit. 29 Dabei geht er auch auf die Dialektische Theologie ein.30 25 Vgl. Gierens (1930), 206 mit Bezug auf RB (1922), XIII. Vgl. auch ebd., 201–204, v. a.: 201 f.: „Man stößt [seitens der Dialektischen Theologie] auf letzte absolute qualitative Gegensätze, die letztlich allem zu Grunde liegen: Zeit und Ewigkeit, Gott und Welt, Sünde – Tod und Gnade – Erlösung.“ 26 Zum folgenden vgl. Gierens (1930), 204 f. mit Bezug auf CD (1927). 27 Vgl. Gierens (1930), 205 f. 28 Gierens (1930), 206. 29 Vgl. Rintelen (1934), V. 30 Wohl bezeichnet Rintelen (1934), 132 Barth als den eigentlichen Träger der neuen Be-
2.3 Die Sprachlosigkeit der Dialektischen Theologie: Friedrich Maria Rintelen
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Formal strukturiert Rintelen seine Dissertation ganz im Sinne der klassischen Kontroverstheologie. So stellt er zunächst die Positionen protestantischer Theologen dar, um dann aus katholischer Sicht kritisch zu ihnen Stellung zu nehmen. Den entscheidenden Unterschied erblickt er darin, daß in der katholischen Theologie sowohl ein übernatürlicher als auch ein natürlicher Weg des Menschen hin zu Gott angenommen werde. Man kenne also „den Weg des Glaubens auf dem Grund der Offenbarung und der Gnade und den Weg der natürlichen Erkenntnis mittels der geschaffenen Dinge und der geistigen Fähigkeiten der Menschenseele.“31 Anders sehe es hingegen in der neueren, religiös Luther und philosophisch Kant verpflichteten protestantischen Theologie aus, wo ein natürlicher Weg des Menschen zu Gott verneint werde. Da die ratio entthront sei, herrsche das Irrationale vor, wenigstens in der Art des Gotterfassens, vielfach auch im Gottesbegriff.32 Im Hintergrund stehe entscheidend Kant, dessen Transzendentalphilosophie trotz gegenläufiger Entwicklungen in der neueren Philosophie im Protestantismus augenscheinlich uneingeschränkte Gültigkeit habe. Seine Autorität sei noch derart stark, daß man unter Berufung auf ihn die Frage der natürlichen Erkennbarkeit Gottes entweder gar nicht mehr stelle oder seine Einwände gegen die Gottesbeweise bloß wiederhole. 33 Insofern das schlußfolgernde Denken als Weg der Gotteserkenntnis ausscheide, treten nach Darstellung Rintelens andere seelische Fähigkeiten des Menschen an die Stelle der Vernunft, etwa das Gefühl wie bei Denkern im Gefolge Schleiermachers oder eine gleichsam angeborene Gottesgewißheit wie in der Dialektischen Theologie.34 In diesem Punkt seien deren Vertreter allerdings inkonsequent, denn während sie einerseits eine Form des natürlichen Wissens um Gott annähmen, ließen sie andererseits allein den Glauben als Weg zu Gott zu, habe der Gott der Philosophen doch nichts mit dem Gott des Christentums zu tun.35 Für die Dialektische Theologie stelle das schlußfolgernde Denken also keinerlei Weg zu Gott dar, Gott selbst müsse sich schon zu erkennen geben.36 Begründet und zugleich gesichert werde dies durch den ‚unendlichen qualitativen Unterschied‘, das zentrale Axiom der Dialektischen Theologie.37 Hoffnungslos wegung innerhalb der protestantischen Theologie, wie er (ebd., 138) auch von der „Barthschen Richtung“ statt von der Dialektischen Theologie spricht. Doch widmet er Barth insgesamt nicht mehr Aufmerksamkeit als Brunner, Thurneysen und Gogarten – vgl. zudem ebd., X–XIV (Literaturverzeichnis). 31 Rintelen (1934), 3. 32 Vgl. Rintelen (1934), 11. Zu Luther und Kant vgl. ebd., 9–11. 33 Vgl. Rintelen (1934), 12. Überhaupt sei Kant „der ‚Philosoph des Protestantismus‘“ (ebd., 10). 34 Vgl. Rintelen (1934), 35 f. Speziell zur Dialektischen Theologie vgl. ebd., 39–41. 35 Vgl. Rintelen (1934), 39 f. Anm. 10 bzw. 41 mit Anm. 13. In diesem Zusammenhang kritisiert Rintelen (ebd., 48) im übrigen Barths Deutung von Anselms ontologischem Gottesbeweis. 36 Vgl. Rintelen (1934), 130–146. 37 Vgl. Rintelen (1934), 130 f.
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der Zeitlichkeit unterworfen, vermöge der Mensch den ewigen Gott nicht von sich aus zu finden. Stattdessen sei er bleibend auf diesen angewiesen, zumal die Offenbarung nie verfügbar werde.38 Ob dem wirklich so ist, wird von Rintelen jedoch in Zweifel gezogen. Das Pathos, mit dem die Vertreter der Dialektischen Theologie ihre Überzeugungen vortrügen, verschleiere lediglich, daß ihr Gottesbegriff mehr am Absoluten der Philosophie als am Gott der Offenbarung orientiert sei. Gewiß sei die von ihnen verwendete Sprache religiös, wenn nicht gar prophetisch, und doch sei der Grundgedanke ihres Systems weit mehr dem Deutschen Idealismus entnommen als dem christlichen Glauben.39 Was sich als reine Theologie präsentiere, sei in Wirklichkeit eine theologisch verbrämte Philosophie. Die Offenbarung werde also nicht nur mit der Begrifflichkeit des Idealismus expliziert, sondern bereits in dessen Sinne konzipiert. Nach Meinung Rintelens könne zwar nur begrüßt werden, daß der Begriff der Offenbarung im Protestantismus allem Anschein nach wieder ernstgenommen werde, doch gebe es keinerlei Berührungspunkte zwischen der Dialektischen Theologie und dem Katholizismus. 40 Die Annahme eines ‚unendlichen qualitativen Unterschieds‘ zwischen Gott und Mensch stehe dem im Weg.41 Letztlich führe die Dialektische Theologie zu nicht viel mehr als zur Sprachlosigkeit: „Bei dem Eifer, alles Geschöpfliche zu verneinen, bleibt die auf der Offenbarung sich aufbauende Theologie in widerspruchsvoller Dialektik stecken und ist lediglich eine Theologia negativa.“42
2.4 Der Christus des Glaubens: Karl Rahner Ebenso wie Michael Gierens und Friedrich Maria Rintelen interpretierte auch Karl Rahner die Dialektische Theologie vom ‚Römerbrief ‘ her, wohingegen er auf die ‚Kirchliche Dogmatik‘ nicht einmal hinwies. Nun geht es ihm allerdings 38 Vgl. Rintelen (1934), 132: „Der Gott der Religion ist ein Götze, da er vom Menschen nach seinem Bild und Gleichnis gemacht ist. Der wahre Gott ist nur gegeben in Offenbarung und Glaube. In der Offenbarung ist die senkrechte Linie gezogen, welche die Todeslinie durchschneidet und das Zeitliche trifft. Der Treffpunkt ist aber ein mathematischer Punkt, so daß die Offenbarung nicht etwa etwas Zeitliches wird, sondern Ewiges bleibt.“ Nicht an dieser, wohl aber an anderer Stelle findet sich ein Verweis auf den ‚Römerbrief ‘, nämlich ebd., 132–135 mit Bezug auf RB (1922/ 61933), 17, 73 f. 39 Vgl. Rintelen (1934), 141. Vgl. auch ebd., 142. 40 Vgl. Rintelen (1934), 146, 158. 41 Vgl. Rintelen (1934), 140–146, v. a.: 146: „Dialektische Theologie – das bedeutet absolute Trennung zwischen Gott und Mensch. Katholizismus – das bedeutet Menschwerdung Gottes und ‚Gottwerdung des Menschen‘; – Erlösung, Heiligung und Vergöttlichung des ganzen Kosmos durch Ihn, der das Haupt ist, Christus den Herrn!“ Zustimmend dazu äußerte sich übrigens Erich Przywara: Religiöser und weltlicher Mensch. In: StZ Bd. 129 (1935), 200–202, hier: 200. 42 Rintelen (1934), 158.
2.4 Der Christus des Glaubens: Karl Rahner
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um die systematische Erschließung der unterschiedlichen christologischen Entwürfe in der deutschen protestantischen Theologie der Gegenwart, nicht aber darum, die Dialektische Theologie in ihrer inneren Entwicklung vorzustellen. 43 Wenn in der protestantischen Theologie insgesamt von einer rationalen Glaubensbegründung abgesehen werde, dann weil eine solche nach dem Zusammenbruch der klassischen Metaphysik im 18. Jahrhundert und der Herausbildung des historischen Bewußtseins im 19. Jahrhundert gar nicht mehr möglich scheine.44 Aus diesem Grund drehe sich die Christologie in der deutschen protestantischen Theologie um das Schlagwort „Christus des Glaubens“.45 Entsprechend stellt Rahner zunächst das Verständnis des Glaubens dar, das der christologischen Reflexion zugrundegelegt werde, um dann von diesem aus die unterschiedlichen Konzeptionen der Christologie zu erschließen.46 Im protestantischen Verständnis des Glaubens griffen zwei Elemente ineinander, und zwar das prinzipiell subjektive Erlebnis sowie die tendenziell objektive Geschichte. Daß das erste Element das dominierende ist, werde deutlich, wenn man das protestantische mit dem katholischen Glaubensverständnis kontrastiere.47 In diesem Punkt kann Rahner auf die analysis fidei zurückgreifen. Unter diesem Stichwort ist in der neuzeitlichen katholischen Theologie das Problem der Glaubensbegründung erörtert worden, also die Frage, was der objektive Grund für die freie Zustimmung des Glaubenden zum Glauben der Kirche ist, und wie dieser Grund im Glaubensakt eigentlich erkannt und bejaht wird.48 Was den ersten Punkt anbelangt, macht Rahner keine Differenzen zwischen der katholischen und der protestantischen Theologie aus, denn daß der letzte und eigentliche Grund der Glaubenszustimmung nichts anderes als der sich offenbarende Gott ist, scheint hier wie dort unstrittig. Die Unterschiede treten allerdings deutlich bei der Frage hervor, in welchem Verhältnis der so benannte Grund der Glaubenszustimmung zu den Glaubwürdigkeitsgründen steht. So werde eine rationale Glaubensbegründung in der protestantischen Theologie schlichtweg abgelehnt, weswegen der Glaube auch in keinem positiven Verhältnis zur Vernunft stehe.49 Im Unterschied dazu gelte der katholischen 43 Vgl. Rahner (1936), 195 f. Die unterschiedlichen Konzeptionen werden ebd., 197–202 vorgestellt. 44 Vgl. Rahner (1936), 191 f. 45 Rahner (1936), 189. Vgl. ebd., 189 f.: „Die Christologie [. . .] könnte man definieren als die wissenschaftliche Beschreibung des Christus, der dem Menschen im protestantisch gefaßten Glauben gegeben ist. Damit ist gesagt, daß die Auffassung über Christus im wesentlichen eine Funktion dessen ist, was die einzelnen protestantischen Schulen unter Glauben verstehen.“ 46 Vgl. Rahner (1936), 189–195 bzw. 195–202. 47 Vgl. Rahner (1936), 190. 48 Vgl. Erhard Kunz: Glaubwürdigkeitserkenntnis und Glaube (analysis fi dei). In: HFTh 2 4 (2000), 301–330. 49 Vgl. Rahner (1936), 190: „Gottes Offenbarung wendet sich nicht an den an sich neutralen, einer objektiven metaphysischen Seinserkenntnis fähigen Intellekt des Menschen, son-
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Theologie die Erkenntnis metaphysischer und historischer Wahrheiten zwar nicht als hinreichende, so doch als notwendige Bedingung des Glaubensaktes, weil der Mensch als ein vernünftiges Wesen begriffen werde. 50 Um den katholisch-protestantischen Gegensatz auf eine Formel zu bringen: Wird die Glaubwürdigkeit des Glaubens hier durch objektive Wahrheiten gesichert, sind es dort subjektive Gewißheiten.51 Dem Protestantismus ist der Glaube also reines Erlebnis. Da ein solches aber prinzipiell nur subjektiv sein kann, stelle sich die Frage, wie der Subjektivismus des Glaubens überhaupt noch zu vermeiden ist. Dieses Problem sei in der jüngeren protestantischen Theologie durchaus gesehen worden, und deshalb gelte die Geschichte als objektives Korrektiv.52 Wie Rahner aber sogleich einwendet, ist diese in einem nur sehr eingeschränkten Sinn objektiv, weil über Ereignisse reflektiert und ein Ereigniszusammenhang konstruiert werden muß. Folglich werde der Subjektivismus keineswegs vermieden, sondern allenfalls gemildert.53 Den Glauben an die Geschichte zu binden, ist Rahner zufolge auf zweifache Weise möglich. Entweder kann eine Identität von Offenbarung und Geschichte überhaupt behauptet werden, oder aber eine bestimmte Geschichte wird als Heilsgeschichte ausgewiesen.54 Im zweiten Fall sei aber nicht nur zu klären, warum diese bestimmte Geschichte überhaupt Offenbarung ist, sondern entscheidender noch, in welchem Sinn Gott Teil der Geschichte wird. In dieser Hinsicht gibt es drei logische Möglichkeiten: Die Geschichte könne als Offenbarung, als Verhüllung oder als Offenbarung und Verhüllung zugleich angesehen werden.55 Der Subjektivismus bleibt trotzdem bestehen, egal wie das Verdern wird nur in einem Akt vernommen, der an sich schon, nicht nur in und durch seinen gemeinten Gegenstand, vom rationalen Erkennen des Menschen wesentlich verschieden ist und höchstens insofern zum intellektuellen Erkennen in Beziehung steht, als dieses durch seine eigene Unfähigkeit dem Transzendenten gegenüber für den Glauben Raum läßt und in einer ‚Weltanschauung‘ nachträglich mit ihm in Verbindung gebracht wird.“ 50 Vgl. Rahner (1936), 190: „Gewiß weiß auch der katholische Glaubensbegriff, daß der Glaube auch als Akt (seiner subjektiven Seite nach) ein eigenartiges, kompliziert aufgebautes Gebilde ist gegenüber den anderen seelischen Verhaltungsweisen des Menschen im Denken und Wollen, aber er weiß auch, daß diese Eigenart nicht die eines religiösen Apriori irgend einer Art ist, sondern eine Eigenart, die ganz vom intentionalen Objekt und seiner Eigentümlichkeit her zu bestimmen ist, vom Objekt, das an sich auf das neutrale Erkennen und Wollen auftrifft, weshalb die Beziehung und Verbindung des Glaubens mit dem übrigen Wissen und Wollen des Menschen gewahrt wird, wenn auch diese Verbindung und Beziehung damit noch lange nicht homogene Kontinuität besagt.“ 51 Nicht ohne polemischen Unterton spricht Rahner (1936), 192 bzw. 190 von der „rationale[n] Glaubensbegründung“ in der katholischen Theologie im Gegensatz zur „Irrationalität“ in der protestantischen. Dazu Karsten Kreutzer: Karl Rahners Kritik antiintellektualistischer Tendenzen in der deutschen Philosophie und Theologie während der nationalsozialistischen Ära. In: ThPh 76 (2001), 410–420, v. a.: 414. 52 Vgl. Rahner (1936), 192. 53 Vgl. Rahner (1936), 192. 54 Vgl. Rahner (1936), 192 f. 55 Vgl. Rahner (1936), 193.
2.4 Der Christus des Glaubens: Karl Rahner
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hältnis von subjektivem Erlebnis und scheinbar objektiver Geschichte im Akt des Glaubens konzipiert wird, weil der Glaubensbegriff immer schon festlegt, was überhaupt Glaubensaussage sein kann.56 Rahner weiß sehr wohl um die Problemkonstellationen, mit denen sich die protestantische Theologie seit dem 18. Jahrhundert konfrontiert sieht, doch scheint ihm die konkrete Problemlösung unzulässig, denn soll Gott Gott sein, darf seine Freiheit ihre Grenze nicht am Menschen finden.57 Dieses theologische Axiom kollidiert aber mit der philosophischen Einsicht der Moderne, wonach dem Subjekt ein konstitutives Moment in bezug auf das Objekt zugeschrieben werden muß. In der protestantischen Theologie werde der Glaube deshalb betont, weil er als der exklusive Zugang zur Selbsterschließung Gottes gelte. Christus ist das endgültige und entscheidende Offenbarungswort Gottes, in Christus offenbart sich Gott selber dem Glauben, in Christus hat der Glaube Gott selber.58 Das ist nach Ansicht Rahners die Grundüberzeugung der ganzen protestantischen Christologie und zugleich der Grundimpuls ihrer Reflexion. Es sei nämlich zu fragen, wie der Glaube sich Christus denken muß, damit er so in ihm den sich offenbarenden Gott tatsächlich habe. Dem Begriff des Glaubens komme somit entscheidende Bedeutung für die Christologie zu, und zwar weil jede Glaubensaussage am Glaubensbegriff normiert werde und Christus außerdem als geschichtliche und doch nur im Glauben erfaßte Tatsache lediglich ein Anwendungsfall der Bestimmung des Verhältnisses zwischen geschichtlichem Ereignis und Glaubenserlebnis sei.59 Die unterschiedlichen Konzeptionen der Christologie ergeben sich laut Rahner nun daraus, wie die Aspekte von göttlicher Natur bzw. Transzendenz (‚oben‘) und menschlicher Natur bzw. Immanenz (‚unten‘) in der Person des Offenbarers gewichtet werden. Diesbezüglich ließen sich insgesamt fünf Modelle ausmachen: Erstens eine Christologie unten, in der Jesus die Offenbarung des weltimmanenten Gottes im Weltimmanenten ist; zweitens eine Christologie von unten, welche Jesus als Offenbarung des Transzendenten aus dem bloß Immanenten betrachtet; drittens eine Christologie von oben, der Christus als der Eintritt des Transzendenten in das Immanente gilt; viertens eine Christologie von unten und von oben, in der Jesus als positives Zeichen des transzendent bleibenden Gottes und darum auch Ärgernis verstanden wird; und fünftens eine Christologie oben, die Jesus als bloßes Gericht des transzendenten Gottes über die Welt ansieht. 60
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Vgl. Rahner (1936), 194 f. Vgl. Rahner (1936), 195. Vgl. Rahner (1936), 195. Vgl. Rahner (1936), 195. Vgl. Rahner (1936), 196. Dieses Schema verdichtet noch ein zuvor (ebd., 195 f.) formu-
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Kapitel 2: Antimoderne Moderne
In seinem Artikel geht Rahner nur kursorisch auf Barth und Emil Brunner ein. Das begründet er interessanterweise damit, daß deren Denken in katholischen Kreisen ja ohnehin bekannt sei. Wenn er außerdem noch darauf hinweist, daß die Dialektische Theologie nicht mit der evangelischen Dogmatik identisch ist, zeigt das, in welchem Ausmaß sie Mitte der dreißiger Jahre die Wahrnehmung des Protestantismus bestimmte.61 Für Rahner ist sie jedoch ein bloß zeitbedingtes Phänomen. So erblickt er im Gang der jüngeren protestantischen Theologiegeschichte einen dialektischen Verlauf im Hegelschen Sinne. Hätten in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg liberale Strömungen den deutschen Protestantismus dominiert, stelle die Dialektische Theologie die Antithese zu diesen dar. 62 Da die Antithese aber nur überspitzend auf eine These reagiert, wendet Rahner den Ansätzen besondere Aufmerksamkeit zu, die zwischen beiden vermitteln und sich um eine Synthese bemühen. Aus diesem Grund geht er zumal auf Paul Althaus (1888–1966) ein, obgleich er ihm vorhält, Barth noch zu sehr verhaftet zu sein. 63 Festzuhalten ist jedenfalls, daß Rahner die Dialektische Theologie als eine zeitbedingt extreme und vorübergehende Richtung begriff. Von daher schien er keine Notwendigkeit zu sehen, ihr übermäßig viel Aufmerksamkeit zu schenken. Dafür führte er aber auch einen systematischen Grund an. So unterscheide sich die Dialektische Theologie von den anderen Richtungen der protestantischen Theologie darin, daß sie anti-historisch ist. Die tendenziell objektive Geschichte werde deshalb nicht als Korrektiv des prinzipiell subjektiven Glaubenserlebnisses angesehen, weil Unschärfe und Widerspruch als Signaturen der Geschichte erscheinen. 64 Eine begründende Funktion kann diese für den Glauben von daher nicht haben, Gott offenbare sich in völliger Verhüllung. 65 Wie Rahner anmerkt, hat das jedoch erhebliche Konsequenzen für die Christologie. Da historische Ereignisse in sich nicht eindeutig und darum beliebig interpretierbar sind, wird der Glaube des Menschen nicht herausgefordert wegen Jesus,
liertes. Was das im einzelnen heißt, wird von Rahner (ebd., 197–202) dann exemplarisch verdeutlicht. 61 Vgl. Rahner (1936), 189. 62 Vgl. Rahner (1936), 193: Rahner spricht hier von der „große[n] Linie von Schleiermacher über Ritschl, die bis zum Aufkommen der dialektischen Theologie den humanitär-kulturoptimistischen Protestantismus beherrscht hat.“ 63 Vgl. Rahner (1936), 193: „Diese Richtung trägt deutlich die Zeichen einer Auseinandersetzung mit der dialektischen Schule an sich. Sie ist der Versuch, das Erbe der Vorkriegstheologie mit dem neuen Geist der Dialektiker zu vereinen. So ist es einleuchtend, daß die Zahl ihrer Vertreter noch klein ist – die Alten werden das Erbe verteidigen, die Jungen sich erst einmal im andern Extrem wohl fühlen – und daß es doch berechtigt ist, ihr große Aufmerksamkeit zu schenken.“ Zu Rahners Kritik an Althaus vgl. ebd., 193 f. (zum Geschichtsbegriff), 196 (zur Christologie), 202 (zum Glaubensbegriff). 64 Vgl. Rahner (1936), 192 f. 65 Vgl. Rahner (1936), 193.
2.5 Barths Kreaturbegriff: Hermann Volk
43
sondern trotz seiner. 66 Infolgedessen läßt sich aber weder zeigen wie, noch überhaupt daß Gott wahrhaft Mensch geworden ist, denn ebenso wie Geschichte und Glaube stehen auch menschliche und göttliche Natur in Jesus Christus in keinem positiven Zusammenhang. 67 Auch in ihm ist Gott noch der ganz Jenseitige, der nie wahrhaft und wirklich Mensch wird. 68 Der entscheidende systematische Vorbehalt, den Rahner gegenüber der Dialektischen Theologie anmeldet, ist also der, daß sie das Dogma der Inkarnation allenfalls behaupten, dessen Gehalt aber nicht mehr einholen kann. Während Rahner die Dialektische Theologie aus theologischen Gründen kritisierte, problematisierte Hermann Volk in seiner im Jahr 1938 erschienenen Dissertation unmittelbar deren philosophische Prämissen.
2.5 Barths Kreaturbegriff: Hermann Volk Sowohl in der Philosophie als auch in der Theologie werden Aussagen über den Menschen getroffen. Die Frage ist dabei nur, wie das Verhältnis beider Reflexionsformen zueinander zu bestimmen ist. Auf diesen Punkt geht Hermann Volk gleich im Vorwort seiner Studie über Barths Kreaturbegriff ein, und im Grunde wird bereits hier die Perspektive der gesamten weiteren Untersuchung deutlich. Seiner Ansicht nach stehen Philosophie und Theologie in einer engen Wechselbeziehung, wobei diese jener letztlich übergeordnet ist – Volk schreibt der Philosophie gleichsam die Rolle der ancilla theologiae zu. 69 Eine ganz andere Konzeption des Verhältnisses von Theologie und Philosophie macht er hingegen in der Dialektischen Theologie aus, für die die wahre Situation des Menschen allein von der Offenbarung her zu erschließen sei und somit unter Ausschluß aller Bemühungen des Menschen, von sich her zu einem Selbstverständnis zu gelangen.70 Während Volk also der Philosophie einen Platz in der Theologie einräumt, unterstellt er der Gruppe um Barth, Theologie ohne Philosophie betreiben zu wollen. Das sei aber nur vorgeblich der Fall, so die Kernthese, die 66
Vgl. Rahner (1936), 201. Vgl. Rahner (1936), 196. 68 Vgl. Rahner (1936), 202. 69 Vgl. Volk (1938), V: „Das zentrale Problem der Philosophie ist das Selbstverständnis des Menschen. Der Mensch ist Kreatur Gottes, das ist das Kennzeichnendste, was Philosophie von dem Menschen zu sagen weiß. Rechte Fassung des Kreaturbegriffs ist darum eine Hauptaufgabe der Philosophie, aber auch eine ihrer Hauptsorgen. Jedoch auch die Theologie sagt ein wichtiges, ein wichtigeres Wort zum Verständnis des Menschen hinzu“. Bedenkt man allerdings, welch rasante Entwicklung die philosophische Anthropologie in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts tatsächlich gemacht hat, wirkt Volks Ansatz fast schon antiquiert. Weder wird der Personalismus erwähnt noch die Phänomenologie. 70 Vgl. Volk (1938), V: Die Dialektische Theologie trete mit dem Anspruch auf, „rechtes Verständnis des Menschen nur wider die Philosophie aus der Offenbarung allein zu empfangen.“ 67
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Kapitel 2: Antimoderne Moderne
er im Verlauf seiner Studie zu belegen sucht: In Barths scheinbar rein theologischer Anthropologie sind sehr wohl philosophische Elemente vorhanden und auch wirksam.71 Diese aufzudecken ist Volks erklärtes Ziel, nicht hingegen, systematisch eine Gegenposition zu derjenigen Barths zu entfalten.72 Barths Kreaturbegriff werde vor dem Hintergrund seines zentralen Anliegens verständlich, nämlich Gottes Anders- und Fremdheit herauszustellen und gegenüber der zur historisch informierten Religionswissenschaft degenerierten Universitätstheologie zu sichern.73 Ist Gott stets ganz anders, kann seine Offenbarung keine Ergänzung des menschlichen Wissens sein. Die Offenbarung stehe stattdessen in diametralem Gegensatz zu diesem und sei das absolute Paradox, die Aufhebung allen menschlichen Wissens. Nur wenn die Theologie von der Philosophie vollständig geschieden und jedem gefährdenden Einfluß von dorther endgültig entzogen sei, bleibe der Offenbarungsgehalt im Verständnis Barths gesichert. Da der Mensch von einer so paradoxen Offenbarung nur dialektisch zu sprechen vermag, werde die Richtung, für welche diese Auffassung grundlegend ist, zu Recht als Dialektische Theologie bezeichnet. 74 Barth entfalte seine Ursprungsintuition, Gott und Mensch strikt auseinanderzuhalten, immer mehr, und deshalb verlaufe seine theologische Entwicklung ohne alle Brüche.75 Dem Bewußtsein von Gottes Andersheit verschaffe er Geltung, indem er den strikten Dualismus von Gott und Mensch zum Organisationsprinzip seiner Theologie mache. Dieses Prinzip habe er im Vorwort seines ‚Römerbriefs‘ als den ‚unendlichen qualitativen Unterschied‘ bezeichnet.76 Da71
Vgl. Volk (1938), V, 20 f. Vgl. Volk (1938), 23. 73 Vgl. Volk (1938), 1–3. 74 Vgl. Volk (1938), 3 f. 75 Vgl. v. a. Volk (1938), 84 f., 101 f., 246. Wohl gebe es ‚Verschiebungen‘ in Barths Theologie, die aus der immer bestimmteren, wenngleich nicht vollständigen Distanzierung von philosophischen Konzepten hin zu einer stärker theologischen Argumentationsführung resultierten (ebd., V–VI, 10 f., 133, 161 f., 175 f., 304 mit Anm. 8, 305), obgleich dieser Prozeß noch nicht abgeschlossen sei (ebd., 302). Ganz sicher scheint sich Volk in seiner Einschätzung aber nicht zu sein. So läßt er (ebd., 6, 100 f.) etwa offen, ob Barth das Gleiche wirklich immer nur anders oder ob er, wenigstens ab einem gewissen Zeitpunkt im Verlauf der dreißiger Jahre, nicht doch etwas Neues sagen wollte. Festzuhalten ist jedenfalls, daß sich Volk in seiner Rekonstruktion von Barths Theologie vorrangig auf den ‚Römerbrief ‘ stützt und diesen von allen Schriften Barths am weitaus häufigsten zitiert, vgl. nur ebd., VII (Anmerkungen zur Zitationsweise). Die besondere Stellung ist wohl nicht zuletzt darin begründet, daß Volk (ebd., 10) den ‚Römerbrief ‘ als die „Programmschrift der gerade sich konstituierenden dialektischen Theologie“ bezeichnet. Ähnlich auch ebd., 297. 76 Vgl. Volk (1938), 3: „Im ‚unendlichen qualitativen Unterschied‘ ist der Ausdruck und die Formel für den Gegensatz zwischen Gott und Kreatur gefunden.“ Im weiteren bezieht sich Volk immer wieder auf die Formel. Hervorzuheben ist besonders ebd., 56: „‚Unendlicher qualitativer Unterschied‘ ist von der 2. Fassung des Rbr. an der herrschende Gesichtspunkt, unter dem Kreatur betrachtet wird. [. . .] Unendlicher qualitativer Unterschied wird zur stehenden Formel für das Unmaß, in dem Gott und Kreatur nun auseinander stehen, und das ist in sich und in seinen Konsequenzen das Hauptthema der dialektischen Theologie.“ 72
2.5 Barths Kreaturbegriff: Hermann Volk
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mit sei weit mehr gemeint als daß Gott und Mensch bloß unterschieden sind, vielmehr sind sie einander entgegengesetzt wie Ewigkeit und Zeit, Leben und Tod, Ja und Nein.77 Die so verstandene Formel habe zugleich eine kritische und eine konstruktive Funktion. Sie halte ebenso das Kriterium dafür bereit, die theologische Tradition auf ihre Brauchbarkeit hin zu sichten, wie sie auch das Fundament darstelle, auf das Barth sein eigenes Denken aufbauen möchte.78 Als das Grundprinzip von Barths Theologie steht der ‚unendliche qualitative Unterschied‘ nach Ansicht Volks auch im Hintergrund von Barths Anthropologie.79 Dies zeige sich nicht zuletzt am Kreaturbegriff. Dessen Konturen würden hervortreten, wenn man frage, wie der Mensch von Gott her, im Unterschied zu Gott, in sich selbst und schließlich in seiner Situation vor Gott eigentlich zu beschreiben ist. 80 Welche Antworten Barth auf diese Fragen gibt, legt Volk in mehreren Detailstudien dar. 81 Er gelangt zu dem Ergebnis, daß sich im Verständnis Barths die Zweiheit von Gott und Mensch zu keiner letzten Einheit füge, selbst nicht im Sinn der Dialektik, wie Volk in einer abschließenden, das Vorherige zusammenfassenden Studie darlegt. 82 Es sei also Barths zentrales Anliegen, Gott vor dem Zugriff des Menschen zu schützen. Das solle durch die Formel vom ‚unendlichen qualitativen Unterschied‘ erreicht werden. Zu der auf diese Weise ausgedrückten strikten Trennung von Gott und Mensch sei Barth aber nicht durch rein theologische Reflexion über die Offenbarung gekommen, sondern unter deutlichem Eindruck bestimmter philosophischer Traditionen. Im einzelnen benennt Volk den Idealismus, Transzendentalismus, Skeptizismus und Nominalismus. 83 Idealismus meint hier die Ansicht, daß die selbst nicht-seiende Idee der Ursprung des Seienden ist. Barth greife auf die platonische, durch Kant noch verschärfte Ideenlehre und nicht auf die Ursachen-Lehre der aristotelisch geprägten Scholastik zurück, weil er den unüberwindlichen Gegensatz von Gott und Mensch so besser meine ausdrücken zu können. Mit dem Begriff Transzendentalismus bezeichnet Volk die Transzendentalphilosophie im Sinne Kants, d. h. die Reflexion über die Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis überhaupt, die an die Stelle der Aussagen über die erkannte Wirklichkeit selbst tritt. Barth folgere aus 77 Vgl. Volk (1938), 56–72. Noch deutlicher wird Volk an anderer Stelle (ebd., 244): „Gott und Kreatur sind durch den unendlichen qualitativen Unterschied so unversöhnlich auseinandergespreizt, daß Gott als der ganz Andere, das Paradox, das Gericht und Nein für alle Kreatur ist, und daß das Sein der Kreatur in solchem Gegensatz zu Gott nicht nur qualitätslos, sondern negativ bestimmt ist.“ 78 Vgl. Volk (1938), 4–6. 79 Vgl. Volk (1938), 7. 80 Vgl. Volk (1938), 21–23. 81 Vgl. Volk (1938), 24–54 (Kreatur in ihrem Herkommen von Gott), 55–102 (Der Unterschied von Gott), 103–146 (Der materiale Gehalt der gefallenen Kreatur), 147–239 (Die Kreatur vor Gott). 82 Vgl. Volk (1938), 240–290, v. a.: 246–261. 83 Zum folgenden vgl. Volk (1938), 294–305.
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Kapitel 2: Antimoderne Moderne
dem philosophischen Gedanken, daß das Sein nur durch die Beziehung auf das Denken ist, Da-Sein also Abhängigkeit bedeutet, daß der Seinsbegriff nicht auf Gott angewendet werden könne. Gott sei reiner Akt, nicht statisches Sein, weswegen er in keinem System gefaßt zu werden vermag. Als das Nicht-Seiende ist Gott dem Seienden gegenüber stets frei, er stellt es sogar infrage. Unter Skeptizismus versteht Volk die Auffassung, wonach wahre Erkenntnis gar nicht möglich ist, das Denken das Sein also nie abzubilden vermag. Freilich läßt er offen, ob Barth das nun theologisch oder aber philosophisch begründet. 84 Entscheidender scheint ihm auch die Konsequenz dieser Auffassung zu sein. Ist Erkenntnis immer nur unwahr, ist so etwas wie die natürliche Gotteserkenntnis grundsätzlich ausgeschlossen. Die Sorge um die Freiheit Gottes lasse Barth schließlich den Nominalismus vertreten, denn gäbe es konstante, substantielle Wesenheiten, wäre Gott in seiner Freiheit eingeschränkt und gebunden. Was das bedeute, trete besonders in der Ethik zutage. So bestreite Barth die Existenz einer Schöpfungsordnung, weswegen auch die Vorstellung des Naturrechts hinfällig werde. Von daher könnten nicht einmal die Gebote für sich beanspruchen, eine absolute ethische Norm zu sein, weil der freie Gott sonst nicht mehr frei verfügen könnte, was der Mensch zu tun oder zu lassen hat. Nun geht es Volk freilich um mehr als den Aufweis, daß es in Barths vorgeblich rein theologischem Denken sehr wohl philosophische Elemente gibt: „Es ist nicht unsere Aufgabe, diese philosophischen Anschauungen, die sich im Ganzen finden, zu widerlegen. Wir haben nur festzustellen, daß in dieser ‚reinen‘ Theologie, die um jeden Preis philosophie-frei sein möchte, philosophische Anschauungen wirksam sind; es sind jene, durch welche die Philosophie der Neuzeit von den Grundpositionen der Scholastik abgerückt ist, und von welchen noch nicht erwiesen ist, daß auf ihrer Grundlage eine Theologie der Offenbarung möglich ist; vielmehr ist die Theologie, soweit sie sich in der Geschichte auf diese Philosophie eingelassen hat, um ihr Wesen gebracht worden.“85
Worauf Volk letztlich hinaus will, ist demnach die Frage, ob sich die Philosophie, auf die Barth sich stützt oder durch die sein Denken doch zumindest geprägt ist, überhaupt als Grundlage einer der Offenbarung adäquaten Theologie eignet. Wie die Antwort auszufallen hat, zeigt seiner Ansicht nach schon ein Blick in die Geschichte, denn Theologien, die unter den Bedingungen der Moderne meinten denken zu können, hätten sich letztlich selbst aufgelöst. Faktisch sei allein die mittelalterliche Scholastik der Offenbarung gemäß gewesen. Ob Idealismus, Transzendentalismus, Skeptizismus und Nominalismus Barth
84 Andeutungen dazu finden sich bei Volk (1938), 300, 302: Theologisch ließe sich der Skeptizismus begründen etwa durch die Verderbtheit der menschlichen Natur im Sinne Luthers, philosophisch etwa durch Rekurs auf Kants Unterscheidung von ‚Ding an sich‘ und ‚Phänomen‘. 85 Volk (1938), 305.
2.5 Barths Kreaturbegriff: Hermann Volk
47
wirklich beeinflußen, ist somit gar nicht entscheidend. 86 Die Begriffe haben nämlich eine weitere Bedeutungsebene, insofern sie über systematische Positionen hinaus philosophiegeschichtliche Epochen bezeichnen. Letztlich geht es Volk um die Alternative von einer rein scholastischen Philosophie einerseits und späteren ‚Dekadenzphänomenen‘ samt der neuzeitlichen Philosophie andererseits. Er läßt dabei durchblicken, daß sich als philosophische Voraussetzung einer der Offenbarung gemäßen Theologie allein die Philosophie der Scholastik eigne. 87 Barth dagegen habe sich für die Philosophie der Neuzeit entschieden, und hier zumal für Kant. 88 Wie Volk zu bedenken gibt, habe gerade Barths enger Anschluß an den Idealismus massive Konsequenzen für seinen Kreaturbegriff. So werde der Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf als der Unterschied zwischen Idee und Sein betrachtet. 89 Genauso wie im Marburger Neukantianismus, durch den Barth geprägt sei, die Idee dem Sein vorgeordnet wird, woraus sich ein qualitatives Gefälle ergibt, qualifiziere Barth lediglich den prälapsarischen Zustand des Menschen als gut, den postlapsarischen hingegen als böse.90 In der Konsequenz ist der Schöpfungsbegriff, der ansonsten gewährleistet, daß der Mensch auch nach dem Sündenfall in einer positiven Beziehung zu Gott steht, ausgehe-
86 Daß die vier Begriffe „etwas formelhaft“ sind, wird eingeräumt von Volk (1938), 294. Außerdem schreibt er ebd., 304: „Wenn die genannten philosophischen Lehren auch nur selten in der ganzen Breite philosophischer Systeme auftreten, soweit sie solche überhaupt sein wollen, in ihrem Gehalt, als Lehre von dem Wirklichen oder Möglichen sind sie doch wirksam, teils als Ursache, teils als Mittel zur Verdeutlichung, wobei eine Verschiebung der Position sehr rasch und ziemlich lautlos eintreten kann.“ 87 Vgl. Volk (1938), 305, 331 f. 88 Vgl. Volk (1938), 294, 299, 303. 89 Vgl. Volk (1938), 296. Gerade in bezug auf die Schöpfungslehre diagnostiziert Volk (ebd., 295) eine deutliche Prägung Barths durch das Ursprungsdenken des Marburger Neukantianers Hermann Cohen (1842–1918). Auf diese, d. h. auf Barths Konzeption des prälapsarischen Zustandes, geht Volk zu Beginn seiner Studie ein, nämlich ebd., 26–39 mit Bezug auf RB (1922/ 61933), freilich ohne Cohen namentlich zu erwähnen. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang darum die Rezension von Erich Przywara. In: StZ Bd. 137 (1940), 132: „So geht die Studie Volks über Karl Barth in einer vorzüglichen Analyse davon aus, daß im Ausgangspunkt Barths der Marburger Idealismus Cohens stehe (Gott als ‚Ursprung‘ im Sinne der reinen Idee, und darum Kreatur als reales Sein widersprüchlich zu Ihm).“ Offensichtlich ordnete Przywara von Volk gemachte philosophisch-systematische Beobachtungen philosophiegeschichtlich ein, so beispielsweise Volk (1938), 30: „Gott und die ursprüngliche [prälapsarische] Welt sind also in gleichem Sinn unanschaulich und im gemeinsamen Gegensatz zur Anschaulichkeit aller anderen von uns [im postlapsarischen Zustand] erkennbaren, erfahrbaren und erreichbaren Wirklichkeit, ein Zeichen für die unmittelbare Einheit der ursprünglichen Schöpfung mit Gott.“ Dazu Johann Friedrich Lohmann: Karl Barth und der Neukantianismus. Die Rezeption des Neukantianismus im ‚Römerbrief‘ und ihre Bedeutung für die weitere Ausarbeitung der Theologie Karl Barths. Berlin / New York: Walter de Gruyter, 1995 (TBT 72), 280–306, 400–403. 90 Vgl. Volk (1938), 42.
48
Kapitel 2: Antimoderne Moderne
belt.91 Barths scheinbar streng theologische Anthropologie ist in Wirklichkeit eine verkappt idealistische Philosophie, so Volks dezidiertes Urteil.92 Wie eine der Scholastik verpflichtete Anthropologie aussehen könnte, deutet Volk abschließend lediglich an. Dabei scheinen die Begriffe von Transzendenz, Immanenz und Analogie eine zentrale Rolle zu spielen.93 Wird das Verhältnis von Gott und Mensch als das von Schöpfer und Geschöpf aufgefaßt, was seinen entscheidenden Ausdruck in der Analogie findet, sei ein Konzept wie das des ‚unendlichen qualitativen Unterschieds‘ schlichtweg hinfällig.94 Entgegen eigener Einschätzung ist Barth also viel zu philosophisch und zu wenig theologisch, d. h. die Philosophie, auf die er sich meine stützen zu können, steht der Artikulation theologischer Inhalte geradezu im Weg.
2.6 Ertrag Die Dialektische Theologie versucht, unter den Bedingungen der Moderne von Gott zu reden – so der gleichlautende Befund von Michael Gierens, Friedrich Maria Rintelen, Karl Rahner und Hermann Volk. Ihre Vertreter bearbeiten die zentrale Problemkonstellation der Moderne, indem sie behaupten, daß der Mensch von sich aus, unter Absehung der Offenbarung, nichts über Gott zu sagen vermag. Von daher kann die Dialektische Theologie als antimoderne Moderne bezeichnet werden. Nach außen stilisiere man sich zum Erneuerer der genuin biblisch-reformatorischen Theologie im völligen Kontrast zu den dezidiert modernen Denkströmungen, zumal der Tradition Schleiermachers, bewege sich tatsächlich aber im Denkrahmen der Moderne, namentlich Kants.95 Die Dialektische Theologie teile ebenso wie alle anderen Strömungen des Protestantismus ungeprüft die Prämissen und damit Problemkonstellationen der Moderne, wolle aber nicht deren negative Konsequenzen hinnehmen. So sei es die Funktion der Formel vom ‚unendlichen qualitativen Unterschied‘, Gott und Mensch auseinanderzuhalten, um zu verhindern, daß Gott dem Menschen verfügbar werde. 91 Vgl. Volk (1938), 32. Dazu Peter Hilger: ‚Kreatürlichkeit‘. Hermann Volk als Theologe. In: Karl Lehmann / Peter Reifenberg (Hrsg.): Zeuge des Wortes Gottes. Hermann Kardinal Volk. Mainz: Grünewald, 2004, 88–112, hier: 89 f. 92 Vgl. Volk (1938), 43. 93 Vgl. Volk (1938), 305–332. 94 Vgl. Volk (1938), 332: „Weil alle Wirklichkeit außer Gott Gottes Schöpfung ist, darum heißt: Soli Deo gloria! nicht: Gott alles allein, sondern: Gott alles in allem! Nicht abschwächend, aber erläuternd und gegen Verzerrungen sichernd sagen wir darum zu Soli Deo gloria! hinzu: Regem, cui omnia vivunt, venite adoremus!“ 95 Ein expliziter Bezug auf Kant findet sich bei Gierens (1930), 197; Rintelen (1934), 12–20; Volk (1938), 45–47, 284, 294, 299. Wiewohl nicht namentlich, so doch der Sache nach, findet sich der Bezug auf Kant auch bei Rahner (1936), 191 f.
2.6 Ertrag
49
Daraus resultierten allerdings erhebliche Schwierigkeiten. Übereinstimmend stellen Gierens, Rintelen, Rahner und Volk eine gleich doppelte Sprachlosigkeit der Dialektischen Theologie fest. Einmal verhindere die strikte Trennung von Gott und Mensch, daß der Mensch wahre und nicht bloß dialektisch approximative Aussagen über Gott zu treffen vermag, d. h. Theologie ist schon formal unmöglich. Die Schlagworte, mit denen sie die Dialektische Theologie kennzeichnen, lauten dementsprechend „Agnostizismus“96 , „Theologia negativa“97, „Subjektivismus“98 und die grundsätzliche „Labilität“ theologischer Aussagen99. Die Sprachlosigkeit ergebe sich aber auch in inhaltlicher Hinsicht. Zentrale Überzeugungen des christlichen Glaubens könnten nicht mehr artikuliert werden. Weder ließen sich die Existenz der Offenbarung100 , Gottes Personalität und die Wirklichkeit der Kirche101, die Zweinaturenlehre, ja sogar das Faktum der Inkarnation überhaupt102 , noch die Geschöpflichkeit des Menschen103 schlüssig erklären. Gott werde von der Dialektischen Theologie als derart erdrückend dargestellt, daß letztlich kein Platz für den Menschen bleibe. Mag dies als Reaktion auf die Problemkonstellation, mit der sich die Theologie in der Moderne konfrontiert sieht, vielleicht verständlich sein, ist eine annehmbare und verantwortete Gestalt christlicher Theologie damit längst nicht gegeben.104 Angesichts dessen verwundert gar nicht, wenn sich keiner der genannten katholischen Autoren weitergehend mit Barth beschäftigte: Gierens zeichnete als Bearbeiter für zwei Auflagen eines dezidiert neuscholastischen Dogmatiklehrbuchs verantwortlich, in dem die Dialektische Theologie scharf kritisiert wird.105 Rintelen übernahm zunächst eine Stelle im ‚Bonifatiuswerk‘, einem Hilfswerk für Katholiken in der Diaspora, um wenig später Generalvikar und schließlich sogar Weihbischof des Erzbistums Paderborn zu werden. Im Okto96
Gierens (1930), 205. Rintelen (1934), 158. 98 Rahner (1936), 194. Die Aussage bezieht sich zwar auf den Glaubensbegriff der neueren protestantischen Theologie allgemein, doch ist damit auch die Dialektische Theologie gemeint. 99 Volk (1938), 11. Volk begründet dies (ebd.) damit, daß Barth zufolge der Theologie „Sicherheit und Konstanz vom Menschen her nicht zukommen kann, so daß den theologischen Aussagen zuletzt nur eine bedingte Verbindlichkeit zukommen kann.“ 100 Vgl. Gierens (1930), 204 f. 101 Vgl. Rintelen (1934), 140–146. 102 Vgl. Rahner (1936), 202. 103 Vgl. Volk (1938), 329 f. 104 Vgl. Gierens (1930), 198, 206; Rintelen (1934), 146; Volk (1938), 5, 7 f. bzw. Gierens (1930), 206; Rintelen (1934), 158; Rahner (1936), 195; Volk (1938), 332. 105 Vgl. Joseph Pohle / Michael Gierens (Bearb.): Lehrbuch der Dogmatik. 3 Bde. Paderborn: Schöningh, 81931–1933 (WH.T). Hier geht Gierens nur an einer Stelle näher auf die Dialektische Theologie ein, nämlich in Bd. 2 (1932), 509. Er hält Barth vor, zwischen Gott und Mensch zu scharf zu trennen. In der nur wenige Jahre später erschienenen neunten Auflage des Lehrbuchs sollte Gierens dann ausdrücklich Kritik an Barths Offenbarungsverständnis anmelden, und zwar in Bd. 1 (1936), 24 mit Bezug auf KD I/1 (1932), 43 ff. u. ö. 97
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Kapitel 2: Antimoderne Moderne
ber 1934 hatte er übrigens in Magdeburg einen Vortrag gehalten, in dem er die These vertrat, daß im Protestantismus aufgrund irriger philosophischer Vorannahmen das Christliche aufgelöst werde, weswegen allein die katholische Kirche der Hort der Wahrheit sei.106 Rahner widmete sich religionsphilosophischen Fragestellungen und grenzte sich dabei ausdrücklich gegen die protestantischen Versuche auf diesem Gebiet ab, nicht ohne Barth zumindest kurz zu erwähnen.107 Volk schließlich wandte sich in seinen weiteren akademischen Qualifikationsarbeiten Emil Brunner zu, einem moderaten Vertreter der Dialektischen Theologie.108 Wenn Barth auf seiten der katholischen Theologie auf Ablehnung stieß, dann wegen des ‚unendlichen qualitativen Unterschieds‘, den er im ‚Römerbrief ‘ als die Leitidee seines Denkens bezeichnet hatte. Die strikte Trennung von Zeit und Ewigkeit, Gott und Mensch erweckte den Eindruck, mehr eine philosophische Überlegung als der Offenbarung entnommen zu sein. Außerdem hatte sie erhebliche Folgen für die Theologie, besonders für die Christologie, weil die Wirklichkeit der Inkarnation gefährdet erschien. Daß Barth in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre dazu überging, sein Denken im Licht der Erwählungslehre zu reformulieren, wurde nicht mehr zur Kenntnis genommen. Barth 106 Vgl. Friedrich Maria Rintelen: Das Verhängnis der protestantischen Theologie. In: ThGl 27 (1935), 453–465 mit Bezug u. a. auf RB (1922/61933) und CD (1927). 107 Vgl. Karl Rahner: Hörer des Wortes. Zur Grundlegung einer Religionsphilosophie. München: Kösel-Pustet, 1941. Wiederabgedruckt in Ders. (1997), 2–278. Rahner macht in der protestantischen Religionsphilosophie zwei Richtungen aus: zum einen eine im Gefolge von Schleiermacher und Ritschl, zum anderen die Dialektische Theologie. Als deren Vertreter nennt er Karl Barth und Emil Brunner. Doch so unterschiedlich die beiden Richtungen auf den ersten Blick auch seien, letztlich würden sie zusammenfallen, so Rahner (1941), 37 f. = Ders. (1997), 44: „Offenbarung ist – soweit das Wort überhaupt noch gebraucht wird oder gebraucht werden kann – nur das Korrelat zum Wesen des Menschen selbst nur mit verschiedenem Vorzeichen: in der ersten Richtung mit positivem Vorzeichen: Gott der Sinn des Menschen und sonst nichts; in der zweiten Richtung mit negativem Vorzeichen: Gott das Nein zum Menschen und sonst nichts.“ Inwieweit sich Rahner in späterer Zeit näher mit Barth auseinandersetzte, wäre noch zu erforschen. Beide kommen etwa in der Kritik des Personbegriffs innerhalb der Trinitätslehre überein. Ob bzw. inwieweit Rahner KD I/1 (1932), 367– 404 (§ 9. Gottes Dreieinigkeit) kannte, läßt sich aber nur schwer belegen. In einem einschlägigen Aufsatz bezieht sich Rahner beispielsweise, ohne auf einen bestimmten Text zu verweisen, auf Barths Ablehnung des Personbegriffs, nämlich in Kleine Bemerkungen zum dogmatischen Traktat ‚De Trinitate‘. In: Ludwig Lenhart (Hrsg.): Universitas. Dienst an Wahrheit und Leben. Bd. 1. Mainz: Grünewald, 1960 (FS Albert Stohr), 130–150, hier: 145. Der Aufsatz ist mit einem leicht veränderten Titel wiederabgedruckt in Rahners Schriften zur Theologie. Bd. 4. Einsiedeln u. a.: Benziger, 1960, 103–133. Obwohl sich eine Rezeption Barths bei Rahner also nur schwer nachweisen läßt, wird sie behauptet von Christoph Theobald: Le passage de la théologie des manuels à de nouvelles formes de pensée. In: Emmanuel Durand / Vincent Holzer (Hrsg.): Les sources du renouveau de la théologie trinitaire au XXe siècle. Paris: Cerf, 2008 (CFi 266), 33–53, hier: 39–46. 108 Vgl. Hermann Volk: Emil Brunners Lehre von der ursprünglichen Gottebenbildlichkeit des Menschen. Emsdetten: Lechte, 1939; Ders.: Emil Brunners Lehre von dem Sünder [1943]. Münster: Regensberg, 1950.
2.6 Ertrag
51
galt fortan als dialektischer Theologe, obwohl er eigentlich einen anderen Weg eingeschlagen hatte. Gleich zu Beginn des zweiten Teilbands der ‚Kirchlichen Dogmatik‘, der im Jahr 1938 erschien, findet sich folgender Leitsatz: „Gottes Offenbarung ereignet sich nach der heiligen Schrift darin, daß Gottes Wort ein Mensch wurde, dieser Mensch also Gottes Wort gewesen ist. Die Fleischwerdung des ewigen Wortes, Jesus Christus, ist Gottes Offenbarung. In der Wirklichkeit dieses Ereignisses beweist Gott seine Freiheit, unser Gott zu sein.“109
109 KD I/2 (1938), 1 (Leitsatz von § 13. Gottes Freiheit für den Menschen). Zum Hintergrund vgl. Kap. 10.1.
Kapitel 3
Einheit im Glauben: Der Münsteraner Gesprächskreis, Robert Grosche und die Zeitschrift ‚Catholica‘ 3.1 Einführung Die These, die katholische Kirche habe erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine ökumenische Wende vollzogen, wird durch neuere Studien zunehmend in Zweifel gezogen.1 Wie intensiv bereits zuvor um die Einheit im Glauben gerungen wurde, zeigt auch der intensive Austausch zwischen einigen intellektuell regen und theologisch aufgeschlossenen Katholiken und Karl Barth. Aller Wahrscheinlichkeit nach im Jahr 1927 formierte sich in Münster ein regelmäßig zusammentretender Gesprächskreis. Als Barth dann einen Ruf an die Universität Bonn erhielt, brach das Gespräch aber keineswegs ab. Das ist wesentlich auf Robert Grosche zurückzuführen, auf dessen Initiative hin seit dem Jahr 1932 zudem die kontroverstheologische Zeitschrift ‚Catholica‘ erschien. Deren Schwerpunkt ist von Anfang an das Gespräch mit der Dialektischen Theologie, und so behandelt schon der allererste Artikel programmatisch deren Verhältnis zum Katholizismus. 2
3.2 Der Münsteraner Gesprächskreis Im Februar 1927 konnte Barth Eduard Thurneysen von einer überaus schönen Erfahrung berichten: „Letzten Montag hatte ich einen sehr guten Abend mit dem katholischen Religionsphilosophen Steinbüchel aus Gießen und seinem hiesigen Kollegen, dem Privatdozenten Rosenmöller, über Vernunft und Offenbarung, über Trinität und Christologie und Kirche, ein Gespräch, wie man es eben weit und breit mit keinem evangelischen Theologen 1 Vgl. Tom Stransky: Roman Catholic Church and pre-Vatican II ecumenism. In: Nicholas Lossky (Hrsg.): Dictionary of the Ecumenical Movement. Genf: WCC Publishing, 22002, 996–998; Jörg Ernesti: Ökumene im Dritten Reich. Paderborn: Bonifatius, 2007 (KKTS 77); Ders. / Wolfgang Thönissen (Hrsg.): Die Entdeckung der Ökumene. Zur Beteiligung der katholischen Kirche an der Ökumene. Paderborn: Bonifatius / Frankfurt a. M.: Lembeck, 2008 (KS 24). 2 Vgl. Robert Grosche: Die dialektische Theologie und der Katholizismus. In: Cath(M) 1 (1932), 1–18. Wiederabgedruckt in Ders.: Et intra et extra. Theologische Aufsätze. Düsseldorf: Patmos, 1958, 157–171.
3.2 Der Münsteraner Gesprächskreis
53
führen könnte. Beide, besonders St., seufzten übrigens erstaunlich offen über allerlei, was eben dort gerade an den umgekehrten Punkten als bei uns zu beseufzen ist! Man konnte sich ehrlich und freundlich die Hand geben und ahnte schon etwas von der Una Sancta.“3
Aus einem Treffen wie diesem dürfte der Münsteraner Gesprächskreis hervorgegangen sein, dessen Geschichte bislang praktisch unerforscht ist.4 Seine Anfänge reichen bis in das Jahr 1927 zurück, auch wenn sich nicht genau feststellen läßt, wann die Zusammenkünfte begannen.5 Treibende Kraft war der bereits erwähnte Bernhard Rosenmöller (1883–1974), ein ausgewiesener Religionsphilosoph. 6 Er, seine Frau, die Eheleute Hasenkamp und Barth trafen sich im Abstand von ein bis zwei Monaten. Einblick in die Treffen gewährt ein Brief Barths aus dem Jahr 1928: „Lieber Herr Dr. Hasenkamp! / Wollen Sie uns die Freude machen, nächsten Sonntag, den 4. November, wieder mit Ihrer verehrten Gattin und Rosenmöllers zur gewohnten Stunde zu uns zu kommen? Ich schicke Ihnen gleichzeitig zur Vorbereitung und Anregung einen Vortrag von mir, den ich Ihnen längst schuldig bin. Wenn Sie kommen kön-
3 KBGA (1974), 459 f. (Karl Barth an Eduard Thurneysen, Brief vom 4. 2. 1927), hier: 460. Seit dem Jahr 1926 Professor für Weltanschauungsfragen in Gießen, hält sich Theodor Steinbüchel (1888–1949) wohl eher zufällig in Münster auf. In einem Artikel war er bereits auf die Dialektische Theologie eingegangen, nämlich in Kant in der philosophischen Problematik der Gegenwart. In: Hochl. 22,1 (1924/1925), 421–436, 572–586, hier: 583 mit Anm. ***. Belegt ist ein weiterer gemeinsamer Abend im Hause Rosenmöller, laut KBGA (1974), 677–680 (Karl Barth an Eduard Thurneysen, Brief vom 6. 10. 1929), hier: 679 f. mit dem Braunsberger Dogmatiker Karl Eschweiler (1886–1936). Barth ließ ihm seinen Vortrag über den ‚Heiligen Geist und das christliche Leben‘ zukommen (auf den noch einzugehen sein wird), wofür sich dieser auch bedankte. So KBA 9329.677 (Karl Eschweiler an Karl Barth, Postkarte vom 29. 12. 1929). 4 Die bislang einzige Rekonstruktion stammt von Wilhelm Neuser: Karl Barth in Münster. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 1985 (ThSt[B] 130), 37–40. Sie stimmt allerdings in vielen Punkten nicht überein mit der autobiographischen Skizze von Gottfried Hasenkamp: Erinnerungen an Robert Grosche. Wie es zur Gründung der CATHOLICA und zu deren Weiterführung nach dem Kriege kam. In: Cath(M) 37 (1983), 163–171, hier: 164–166. Auf Neuser stützen sich wiederum Bruce McCormack: Karl Barth’s Critically Realistic Dialectical Theology. Its Genesis and Development 1909–1936. Oxford: Clarendon Press, 1995, 376 f. / Ders.: Theologische Dialektik und kritischer Realismus. Entstehung und Entwicklung von Karl Barths Theologie 1909–1936. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 2006, 319 und Lidija Matoševic´: Lieber katholisch als neuprotestantisch. Karl Barths Rezeption der katholischen Theologie 1921–1930. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 2005, 117 f. 5 Laut Hasenkamp (1983), 164 begannen die Treffen schon vor dem Jahr 1928 und dauerten bis zu Barths Weggang nach Bonn. Nachweislich fanden Treffen bereits Ende 1927 statt. Beleg dafür sind KBA 9327.630 (Gottfried Hasenkamp an Karl Barth, Postkarte vom 15. 12. 1927) und KBA 9327.451 (Bernhard Rosenmöller an Karl Barth, Brief vom 9. 10. 1927): „Hoffentlich sehen wir uns bald einmal wieder. Wir freuen uns jedesmal, wenn wir mit Ihnen zusammen sind.“ 6 Zur Biographie vgl. Emmanuel J. Bauer: Bernhard Rosenmoeller (1883–1974). In: Emerich Coreth u. a. (Hrsg.): Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts. Bd. 3. Graz u. a.: Styria, 1990, 159–171.
54
Kapitel 3: Einheit im Glauben
nen, so bedarf es keiner weitern Anzeige. / Mit freundlichen Grüßen und Empfehlungen / Ihr [Karl Barth]“.7
Vermittelt durch Gottfried Hasenkamp (1902–1990), Lektor beim Aschendorff Verlag, dürfte Robert Grosche (1888–1967) Anschluß an den Münsteraner Gesprächskreis gewonnen haben, waren die beiden doch schon seit Jahren miteinander befreundet. 8 Grosche reiste zu den Treffen extra aus Köln an, wo er als Studentenpfarrer tätig war. Zumindest zeitweilig nahm auch sein Münsteraner Kollege teil, der Jesuit Ernst Böminghaus (1882–1942).9 Spätestens im Herbst 1929 stieß auch eine junge in Gladbeck wohnende Dame namens Annemarie Nossen hinzu, die zum Katholizismus konvertiert war.10 Ebenso wie Barth hatte sie in Berlin bei Adolf von Harnack studiert, und so korrespondierten sie miteinander, als ihr gemeinsamer Lehrer im Jahr 1930 verstarb.11 Offensichtlich besuchte Frau Nossen Barth sogar noch dann, als dieser bereits Professor in Bonn war.12 Als Grundlage der Gespräche dienten Texte, die im vorhinein ausgetauscht wurden.13 Die abendlichen Diskussionen drehten sich um die Probleme etwa der trinitarischen Appropriationen oder von Sünde und Gnade.14 Überhaupt spielte die Gnadenlehre eine wichtige Rolle. So insistierte Barth wiederholt auf der Freiheit der Gnade, die den Menschen ergreifen kann oder eben nicht; die aber auch dann, wenn sie ihn ergreifen mag, frei bleibt – dies wollte den katholischen Gesprächsteilnehmern allerdings nicht einleuchten.15 Überhaupt schienen die Diskussionen nicht immer ganz harmonisch verlaufen zu sein. Nach
7 Neuser (1985), 73 (Karl Barth an Gottfried Hasenkamp, Brief vom 28. 10. 1928). Vgl. auch KBGA (2008), 89–92 (Karl Barth an Charlotte von Kirschbaum, Brief vom 5. 4. 1929), hier: 90 f.: Am Vortag waren die Ehepaare Rosenmöller und Hasenkamp zu Gast gewesen. 8 Vgl. die Hinweise bei Hasenkamp (1983), 163 f. Zu Hasenkamps Biographie vgl. RolfJoachim Erler. In: KBGA (2008), 91 Anm. 7. 9 Aller Wahrscheinlichkeit nach wird Böminghaus von Grosche zu den Treffen eingeladen. Im Jahr 1925 wurden beide in den Vorstand der ‚Vereinigung der Katholischen Studentenseelsorger‘ gewählt, so Clara Hartmann: Die Studentenseelsorge zwischen den beiden Weltkriegen. In: Paul Benkart / Wolfgang Ruf (Hrsg.): Katholische Studentenseelsorge. Geschichte und Gestalt. Paderborn: Bonifacius, 1965 (Phainomena. Eine Schriftenreihe zur Studentenseelsorge; 1), 39–66, hier: 52 f. 10 Vgl. KBGA (1974), 677–680 (Karl Barth an Eduard Thurneysen, Brief vom 6. 10. 1929), hier: 679 f.; KBA 9329.488 (Annemarie Nossen an Karl Barth, Brief vom 9. 10. 1929). 11 Vgl. KBA 9330.438 (Annemarie Nossen an Karl Barth, Brief vom 24. 7. 1930); KBA 9230.190 (Karl Barth an Annemarie Nossen, Brief vom 25. 7. 1930, Durchschlag); KBA 9330.454 (Annemarie Nossen an Karl Barth, Brief vom 2. 8. 1930). 12 Vgl. KBA 9330.595 (Annemarie Nossen an Karl Barth, Brief vom 5. 11. 1930); KBA 9230.285 (Karl Barth an Annemarie Nossen, Brief vom 24. 11. 1930, Durchschlag). 13 Vgl. Hasenkamp (1983), 165 f. 14 Vgl. Neuser (1985), 39, ergänzt durch Hasenkamp (1983), 165. 15 Vgl. Neuser (1985), 39.
3.2 Der Münsteraner Gesprächskreis
55
einem Treffen Anfang 1929 versicherte Rosenmöller Barth, daß ihn niemand als verletzend empfunden habe.16 Daß es sich bei all den genannten Themen um explizit dogmatische Fragen handelte, dürfte jedoch ganz im Sinne Barths gewesen sein. Es wurde nämlich unter der Voraussetzung der Wirklichkeit von Offenbarung diskutiert, wie theologisch von ihr zu reden ist. Mit Vertretern eines liberalen, historisch und religionsphilosophisch orientierten Protestantismus hätte Barth ein solches Gespräch kaum führen können. Hier wäre wohl eher überlegt worden, ob und unter welchen Bedingungen so etwas wie Offenbarung überhaupt gedacht werden könne. Von daher dürfte auch klar sein, daß es sich beim Münsteraner Gesprächskreis nicht um einen liberal gesinnten oder gar modernistisch orientierten Reformzirkel handelt, der das kirchliche Leben oder die katholische Theologie durch eine Rezeption protestantischer Ansätze von etwaigen Verkrustungen hätte befreien wollen, stattdessen steht er für eine aufgeschlossene Form des Katholizismus.17 So sind seine Mitglieder mit der klassisch-thomistischen Schultheologie wohlvertraut und hegen ihr gegenüber keinerlei Ressentiment, wissen sich zugleich aber auch anderen Denkern verbunden, etwa Augustinus, Johann Adam Möhler (1796–1838) und besonders Matthias Joseph Scheeben (1835–1888).18 Es ist deshalb gar nicht verwunderlich, daß Barth Weihnachten 1928 die vierbändige, kurz zuvor neu aufgelegte Dogmatik des Kölner Neuscholastikers Scheeben seinem Freund Eduard Thurneysen zum Geschenk macht.19 Ausgesprochen gut ist Barths Verhältnis zu Bernhard Rosenmöller. Er scheint in dem umfassend gebildeten und spekulativ begabten Philosophen einen kongenialen Gesprächspartner gefunden zu haben. Wie herzlich und eng sein Verhältnis zu ihm tatsächlich war, läßt ein Brief vom Oktober 1929 erkennen. Zu diesem Zeitpunkt steht für Barth bereits fest, daß er nach Bonn wechseln wird. Vor diesem Hintergrund ist es höchst bemerkenswert, wenn er über die Rosen16
Vgl. KBA 9329.14 (Bernhard Rosenmöller an Karl Barth, Brief vom 6. 1. 1929). In diesem Sinne äußert sich jedenfalls Hasenkamp (1983), 166. 18 Vgl. Hasenkamp (1983), 165 gegen Neuser (1985), 39. Zumal Grosche schätzte Möhler und Scheeben in hohem Maße. Beleg dafür sind seine Artikel Pilgernde Kirche. I. Der katholische Begriff der Kirche. In: Ders. (1938), 23–41 und Die Kirche heute. In: Ders.: Et intra et extra. Theologische Aufsätze. Düsseldorf: Patmos, 1958, 219–237 (Vortrag vor katholischen Marinepfarrern der Wehrmacht, 12. 8. 1941). Zur damaligen Scheeben-Rezeption vgl. Rudolf Michael Schmitz: Aufbruch zum Geheimnis der Kirche Jesu Christi. Aspekte der katholischen Ekklesiologie des deutschen Sprachraums von 1918 bis 1943. St. Ottilien: Eos, 1991 (MThS.S 46), 164–168. Grosche war dem Thomismus keineswegs abgeneigt. So schickte er Barth das Buch von Antonin Dalmace Sertillanges: Der heilige Thomas von Aquin. Hellerau: Hegner, 1928 (Veröffentlichungen des Katholischen Akademikerverbandes), das er selbst übersetzt hatte. In dem Begleitschreiben, das sich in KBA 9328.496 (Robert Grosche an Karl Barth, Brief vom 16. 11. 1928) findet, heißt es: „Daß von der Grundlage des wirklichen Thomas aus eine Diskussion zwischen katholischen und evangelischen Theologen in ganz anderer Weise als bisher möglich ist, erscheint mir als zweifellos.“ 19 Vgl. Neuser (1985), 39. 17
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Kapitel 3: Einheit im Glauben
möllers schreibt, sie seien die einzigen Menschen in Münster, die er nun wirklich ungern verlasse.20 Der Abschied von dem katholischen Ehepaar scheint ihm schwerer gefallen zu sein als der von seinen Kollegen an der evangelisch-theologischen Fakultät. Allerdings sollte es nicht Bernhard Rosenmöller sein, der nach Barths Weggang aus Münster das Gespräch fortführte. Er wurde im Jahr 1934 Professor in Braunsberg, und infolgedessen verlor sich der Kontakt zunehmend. 21 Robert Grosche übernahm nun die Initiative.
3.3 Der Nutzen der Dialektischen Theologie: Robert Grosche Im gleichen Jahr, da Barth ins Rheinland zog, wurde Grosche Pfarrer in BrühlVochem, einem kleinen Ort nur wenige Kilometer von Bonn entfernt. Praktisch unmittelbar nachdem er dort angekommen war, schrieb er an Barth und suchte Kontakt zu ihm. 22 Zwischen beiden kam es im weiteren zu einem guten Austausch.23 Zuvor war der katholische Priester fast zehn Jahre lang in der Hochschulseelsorge in Köln tätig. 24 In dieser Funktion sah er sich vor eine komplexe Aufgabe gestellt, hatten viele Studenten die Schrecken des Ersten Weltkrieges noch selbst miterlebt, während sich gleichzeitig der Glanz der Golden Twenties ankündigte. Von daher mußte Grosche sowohl auf die tiefen existentiellen Fra20 Vgl. KBGA (1974), 677–680 (Karl Barth an Eduard Thurneysen, Brief vom 6. 10. 1929), hier: 679 f. 21 Vgl. KBA 9353.161 (Bernhard Rosenmöller an Karl Barth, Brief vom 2. 4. 1953): „(Ich hatte seit 34 den Kontakt mit Ihrer Dogmatik verloren. Erst jetzt habe ich hier in Münster Gelegenheit, sie im Kath. Theol. Seminar einzusehen.)“ Wohl korrespondierten Barth und Rosenmöller Ende 1935 bezüglich der prekären ökonomischen Situation des wenige Jahre zuvor konvertierten Theologen Erik Peterson. Die Briefe sind zugänglich in Erik Peterson: Ausgewählte Schriften. Bd. 9/2. Würzburg: Echter, 2009, 349–355. Ob sie darüber hinaus noch Kontakt hatten, läßt sich aufgrund der vorliegenden Quellen nicht entscheiden. 22 Vgl. KBA 9330.439 (Robert Grosche an Karl Barth, Brief vom 25. 7. 1930). 23 Vgl. Hasenkamp (1983), 164 f. (Robert Grosche an Gottfried Hasenkamp, Postkarte vom 30. 1. 1931); Karl Barth: Briefe des Jahres 1933. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 2004, 35–37 (Karl Barth an Robert Grosche, Brief vom 17. 1. 1933). Im Februar 1932 erläuterte Grosche beispielsweise im Rahmen von Barths Seminar Fünf Thesen zur Mariologie. In: Cath(M) 2 (1933), 24–42. Dazu Kap. 5.4. Wie erfreulich der Austausch für Barth war, läßt sich ablesen an KBA 9237.214 (Karl Barth an Robert Grosche, Brief vom 29. 12. 1937, Durchschlag): „Unsre Begegnungen in Bonn und Vochem – eingeschlossen die Stunden, da ich bei Ihnen die Messe und die Predigt hörte – gehören zum Schönsten von dem, was aus meiner nun schon so fernen Bonner Zeit in meiner Erinnerung weiterlebt. Und es giebt [sic!] darüber hinaus zwischen Ihnen und mir ein solides – wenn auch innerhalb der diesseitigen Sicht der Kirche nicht wohl zu klärendes – Beieinandersein, das mir aus allen Ihren Schriften entgegentritt, von dem Sie wissen sollen, dass es mir eine Freude und so etwas wie eine Verheissung ist und bei dem es auch in Zukunft bleiben soll.“ 24 Dazu Richard Goritzka: Der Seelsorger Robert Grosche (1888–1967). Dialogische Pastoral zwischen Erstem Weltkrieg und Zweitem Vatikanischen Konzil. Würzburg: Echter, 1999 (STPS 39), 88–105.
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gen und Ängste als auch auf die sich überschlagenden kulturellen Entwicklungen eingehen. In seinen Predigten verarbeitete er darum ebenso moderne Literatur wie philosophische und theologische Publikationen. Die Beschäftigung mit Karl Barth wird erstmals in einem Predigtzyklus aus dem Wintersemester 1924/1925 greifbar. Wie Grosche freiheraus bekennt, lehnt er sich in diesem inhaltlich und stilistisch eng an Barth an.25 Auch in anderen Predigten, die er in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre hielt, greift er auf dessen Publikationen zurück. 26 Mag die Predigtvorbereitung für Grosche der Anlaß gewesen sein, sich näher mit der Dialektischen Theologie auseinanderzusetzen, ist die Ursache dafür doch anderswo zu suchen. Es sind drei Überzeugungen, die ihn dazu bringen: Kann die Beschäftigung mit der Dialektischen Theologie erstens durchaus von Nutzen für den Katholizismus sein, eröffnet sie zweitens wieder die Möglichkeit eines theologischen Gesprächs zwischen den Konfessionen. Aus ihrer Polemik gegen den Katholizismus resultiert drittens aber auch die Notwendigkeit der Apologetik. Wenn die Dialektische Theologie von Nutzen für den Katholizismus ist, dann weil sie auf dessen Schwachstellen hinweist. 27 Weniger akademischer Theologe als vielmehr theologisch interessierter Seelsorger, wird Grosches Blick auf das kirchliche Leben und zumal auf die Glaubenspraxis durch die Lektüre von Barths Schriften geschärft: „Wenngleich auch der Katholik nicht daran zweifelt, daß ‚der Weg zum Erleben der Erfüllung nur durch das Sterben aller menschlichen Herrlichkeit‘ geht, so ist er doch mehr als jeder andere der Gefahr ausgesetzt, zwischen Gott und den Menschen die Religion und die Kirche als sachlich-dingliche Größe, die für sich die Ehre in Anspruch nimmt, die Gott allein gebührt, einzuschieben und dadurch die Absolutheit Gottes abzuschwächen, so ist er doch mehr als jeder andere versucht, den Unterschied zwischen dem Absoluten und dem Relativen zu verwischen, das Absolute innerhalb der Grenzen der Humanität einzufangen und das Relative in die Sphäre der Absolutheit zu erheben.“28 25 Vgl. Robert Grosche: Der Kolosserbrief in Homilien erklärt. Paderborn: Schöningh, 1926 (Neutestamentliche Predigten; 12), 5. Überaus häufig nimmt Grosche auf Schriften Barths Bezug, so etwa ebd., 8 f., 21, 30, 33–37, 39, 43 Anm. 1, 56. Dieser las die später gedruckten Predigten offenkundig sogar, schreibt er doch an Thurneysen, er solle sie sich bestellen, und zwar „zu nachdenklicher Lektüre.“ So KBGA (1974), 406 f. (Karl Barth an Eduard Thurneysen, Brief vom 2. 3. 1926), hier: 407. 26 Vgl. Robert Grosche: Wenn du die Gabe Gottes kenntest. Frankfurt a. M.: Verlag der Carolus-Druckerei, 1930, 47 Anm. 1, 119, 127 jeweils mit Bezug auf Schriften von Karl Barth. 27 Vgl. Grosche (1926), 5: „Karl Barth erscheint mir als eine Mahnung auch an die katholische Theologie, die sich nur selber schadet, wenn sie – selbstzufrieden – die Mahnung überhören zu dürfen meint.“ Vgl. auch Ders. (1932), 1: „Diese Theologie aber ist eine Frage an die Katholiken, die ein Recht auf eine Antwort hat, weil sie eine wirkliche und ernste Frage ist.“ 28 Grosche (1926), 56. Diese Formulierung greift Grosche später wieder auf, und zwar in Ders. (1932), 8.
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Grosche wird durch Barth also für die Frage sensibilisiert, ob wirklich immer und überall Gott die Ehre gegeben wird oder ob sich nicht doch der Mensch in kirchlicher Prachtentfaltung und religiöser Hochgestimmtheit bloß selbst gefällt. 29 Die Dialektische Theologie fordere den Katholizismus aber nicht nur zu einer Gewissenserforschung heraus, mit ihr eröffne sich auch wieder die Möglichkeit des theologischen Gesprächs zwischen den Konfessionen – das ist Grosches zweite Überzeugung. Ermöglicht werde das durch die Umkehrung der verhängnisvollen Entwicklung, welche die protestantische Theologie seit dem 19. Jahrhundert nahm. Anstatt ‚Gott‘ habe sie die ‚Religion‘ als ihren Leitbegriff angesehen und damit das deutungsfreudige, seine Erlebnisse verobjektivierende Subjekt.30 Genau dagegen wende sich die Dialektische Theologie: „Die Schleiermachersche Theologie, die bis heute den Protestantismus beherrschte, wird von Barth aus den Angeln gehoben – im Rückgang auf die Reformation.“31 Nun gelte die Bibel nicht mehr als irgendein religionsgeschichtliches, historisch-kritisch zu erforschendes Dokument, sondern als wirkliches Wort Gottes; das Dogma und die Bekenntnisschriften würden wieder als verbindliche Autoritäten und nicht als bestenfalls historisch interessante Dokumente längst vergangener Tage betrachtet.32 Warum Grosche darin die Möglichkeit eines ökumenischen Gespräches eröffnet sehen kann, erklärt sich vor dem Hintergrund der geradezu diametral entgegengesetzten Wege, welche die konfessionellen Theologien im Gefolge der Aufklärung einschlugen.33 Die katholische Theologie versuchte, den Geltungsanspruch des christlichen Glaubens formal zu sichern, also ohne Bezug auf des29 Vgl. Grosche (1932), 16: „[W]ir dürfen und müssen uns fragen, ob der ganze Ernst des ‚Tu solus Dominus‘, der zweifellos in der Liturgie der Kirche und im Dogma da ist, auch zur Geltung kommt in der praktischen Frömmigkeit unserer Gläubigen, und nicht bloß dort, sondern auch in der Lehrverkündigung und Predigt und besonders auch in manchen Erscheinungen unserer religiösen Literatur.“ Konkret wäre etwa zu überprüfen, ob das landläufige Gnadenverständnis nicht latent mechanistisch ist, so ebd., 18: „Wir müssen uns fragen, ob nicht nun doch ein versteckter Pelagianismus hinter der Werkfreudigkeit eines guten Teils der katholischen Frömmigkeit steht, und ob er nicht dahintersteht, weil er durch die religiöse Erziehung gefördert worden ist.“ 30 Vgl. Grosche (1926), 57 f., Ders.: Augustin und die dialektische Theologie. Eine Auseinandersetzung mit Karl Barth. In: ABK 45 (1930), 86–98, hier: 87 f.; Ders. (1932), 3–14. 31 Grosche (1926), 58 (Original: alles kursiv). 32 Vgl. Grosche (1932), 5–7. 33 Zum folgenden vgl. Wolfhart Pannenberg: Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland. Von Schleiermacher bis zu Barth und Tillich. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1997 (UTB 1979), 32–35; Thomas Albert Howard: Protestant Theology and the Making of the Modern German University. Oxford u. a.: Oxford University Press, 2006 bzw. Aidan Nichols: Catholic Thought Since The Enlightenment. A Survey. Pretoria: Unisa Press / Leominster, UK: Gracewing, 1998; Johann Reikerstorfer: Apologetische und fundamentaltheologische Momente und Modelle in der Geschichte. III. Fundamentaltheologische Modelle der Neuzeit. In: HFTh 2 4 (2000), 242–264, hier: 250–252.
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sen Inhalte. Sie reagierte auf den intellektuellen Plausibilitätsverlust des christlichen Glaubens, indem sie dessen Inhalten autoritative Gewährleistungsinstanzen wie etwa das unfehlbare Lehramt und die fehlerfrei inspirierte Bibel vorschaltete. Umgekehrt ging die protestantische Theologie dazu über, den christlichen Glauben in Auseinandersetzung mit dem damaligen Wahrheitsbewußtsein inhaltlich neu zu fassen. Dies ist das große Projekt der protestantischen Universitätstheologie, die hochreflexiv, historisch informiert und philosophisch dem Idealismus verpflichtet, im Streit der Fakultäten gut positioniert war. War angesichts solch massiver Unterschiede an ein Gespräch zwischen den Konfessionen im Grunde nicht zu denken, hat sich das nach Ansicht Grosches nun grundlegend geändert: „Das Bekenntnis zur dialektischen Theologie bedeutet innerhalb des deutschen Protestantismus eine Wende von ungeheurer Tragweite, insofern als dadurch – in Karl Barths Römerbrief eigentlich mit einem Schlage! – nicht bloß die das gesamte 19. Jahrhundert beherrschende ‚Erlebnistheologie‘ aus den Angeln gehoben worden ist, sondern sogar – durch die ausdrückliche Erklärung ihrer bedeutendsten Vertreter – der lange Weg von etwa drei Jahrhunderten verleugnet wird, auf dem der Protestantismus zum Schöpfer der modernen Welt geworden ist.“34
Allerdings eröffnet die Dialektische Theologie laut Grosche nicht bloß die Möglichkeit eines Gesprächs zwischen den Konfessionen. Indem sie sich von der Moderne ab- und den Reformatoren zuwendet, erfordere sie von katholischer Seite erhöhte apologetische Anstrengungen – und das ist sein dritter Grundgedanke.35 Es werde nämlich wieder bewußt, daß der Protestantismus insofern an den Katholizismus gebunden ist, als er im Protest gegen die überkommene Form des Christentums entstand. Daraus folgert Grosche, daß die Zeit der konfessionellen Kontroverse wiedergekommen ist.36 Zu dieser Einschätzung mag ihn ein Vortrag veranlaßt haben, den Barth ihm im Jahr 1929 zugeschickt hatte. Dieser stellte ihn alles andere als zufrieden, und so schrieb Grosche: „Sehr verehrter Herr Professor, ich danke Ihnen herzlich für Ihren Vortrag über den Heiligen Geist und das christliche Leben, den ich nach Ihrer Ankündigung (daß es wohl 34 Grosche (1930), 87. Vgl. auch Ders. (1932), 9: Die Dialektische Theologie „macht ernst mit dem Faktum der Offenbarung.“ 35 Vgl. Grosche (1930), 88: „Die dialektische Theologie weiß sich, wie man sieht, als Wiederaufnahme, ja als Fortsetzung der Reformation. Sie will mit äußerster Strenge und Folgerichtigkeit den lutherisch-kalvinischen Grundgedanken der absoluten Transzendenz Gottes zu Ende denken.“ 36 Vgl. Grosche (1932), 14; Ders.: Evangelisches Denken und Katholizismus. In: Cath(M) 1 (1932), 191–193, hier: 193; Ders.: Katholizismus und Protestantismus. In: Ders.: Pilgernde Kirche. Freiburg: Herder, 1938, 109–116 (Radiovortrag in der ‚Deutschen Welle‘ vom 31. 1. 1933). Was Grosche hier ausführt, findet sich später auch in seinem Editorial Zum Wiedererscheinen der ‚Catholica‘. In: Cath(M) 9 (1952), 1–3, hier: 1. ‚Catholica‘ erschien damals als kontroverstheologisches Jahrbuch, nicht als Zeitschrift.
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das Unkatholischste sei, was Sie geschrieben hätten,) – wie Sie sich denken können – sogleich mit großer Spannung gelesen habe. Weil es sich nur um eine ganz rasche Durchsicht, nicht um ein gründliches Studium handelt, kann ich [. . .] noch nicht sehr viel dazu sagen. Aber es geht mir auch diesmal so wie sonst: bei der Hälfte dessen, was Sie sagen, gehe ich völlig mit, d. h. bei allem, was Sie gegen die Immanenztheologie – um mich antimodernistisch auszudrücken – auf dem Herzen haben. Dann aber kommt die andere Hälfte, die ich entweder nicht verstehe, wie das ‚simul peccator et justus‘, oder nicht mitmachen kann. Es wäre vieles zu sagen. Aber ich müßte Zeit haben.“37
Tatsächlich sollte es mehrere Monate dauern, bis Grosche dazu kam, eine Erwiderung zu verfassen. Diese sandte er Barth zu, bevor er sie veröffentlichte.38 Da vieles von dem, was Grosche hier schreibt, mehr Andeutung denn stringente Argumentation ist, wird im folgenden eine Rekonstruktion versucht, die sich theologischer Fachtermini bedient.39 Wenn Wahrheit die Übereinstimmung einer Aussage mit der ausgesagten Wirklichkeit ist, entscheidet sich die Wahrheit theologischer Aussagen daran, ob und inwieweit sie das Verhältnis Gottes zum Menschen abbilden. Dieses Verhältnis kann als das einer Beziehung in Differenz beschrieben und entsprechend nach zwei Seiten hin entfaltet werden.40 Aufgrund von Schöpfung und Erlösung besteht einerseits eine Beziehung zwischen Gott und Mensch. Diese wird allerdings erst in der Offenbarung durchsichtig, durch die Gott dem Menschen sein eigenes Selbst und Wirken bekanntmacht und aufgrund derer Aussagen über Gott erst möglich werden. Denn zwischen Gott und Mensch besteht eine grundsätzliche Differenz, unterscheiden sich beide doch wie Jenseits und Diesseits, Unendlichkeit und Endlichkeit. Der Mensch vermag aufgrund der ihm wesentlichen Begrenzungen die Wirklichkeit Gottes als des Ganz-Anderen nicht zu treffen, weshalb Gottes Transzendenz letztlich auch im Geschehen der Offenbarung gewahrt bleibt. Will sie der Wirklichkeit, von der sie zu sprechen versucht, entsprechen, kann Theologie nicht anders als dialektisch sein. Ihre Aussagen können immer nur Ja und zugleich Nein sein, weil auf diese Weise das Verhältnis zweier Größen als das einer Beziehung in Differenz gefaßt wird.41 Um wahr zu sein, muß eine 37
KBA 9329.662 (Robert Grosche an Karl Barth, Brief vom 23. 12. 1929). Vgl. KBA 9330.439 (Robert Grosche an Karl Barth, Brief vom 25. 7. 1930). Barth replizierte umgehend und machte das Recht seiner Augustinus-Auslegung geltend, so KBA 9230.198 (Karl Barth an Robert Grosche, Brief vom 1. 8. 1930, Durchschlag). Grosche hielt dennoch an seiner Kritik fest, so KBA 9330.559 (Robert Grosche an Karl Barth, Brief vom 21. 10. 1930). 39 Zum folgenden vgl. Grosche (1930), v. a.: 88–98 mit Bezug auf Karl Barth: Der heilige Geist und das christliche Leben. In: Ders./ Heinrich Barth: Zur Lehre vom heiligen Geist. München: Kaiser, 1930 (ZZ.B 1), 39–105. Wiederabgedruckt unter dem Titel Gott und die Welt. I. Zum Werk eines Theologen. In: Ders. (1938), 77–95. 40 Vgl. Grosche (1930), 86–88. 41 Vgl. Grosche (1930), 86. Grosche erwähnt hier folgendes Beispiel: Daß Gott gut sei, ist in gewisser Weise eine ebenso richtige Aussage wie die, daß Gott nicht gut sei, insofern damit 38
3.3 Der Nutzen der Dialektischen Theologie: Robert Grosche
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theologische Aussage allerdings zwei notwendige Bedingungen erfüllen: Weder darf der Aspekt der Beziehung so stark gemacht werden, daß der Aspekt der Differenz verwischt, noch darf die Differenz von Gott und Mensch auf Kosten der vorhergehenden Beziehung betont werden.42 Daß Gott transzendent ist und folglich nur dialektisch von ihm gesprochen werden kann, scheint eine allgemeinchristliche Überzeugung zu sein. 43 Doch ob die Rede von Gottes Transzendenz allem Menschlichen gegenüber in den Konfessionen und ihren Theologien ein bloßes, wenngleich frommes Lippenbekenntnis ist, oder ob sie auch theologisch eingeholt wird, ist damit noch gar nicht entschieden. Überprüft werden kann das daran, ob die Spannung, die zwischen transzendentem Gott und endlichem Menschen besteht, nicht vielleicht doch nach einer Seite hin aufgelöst wird. Wäre dem so, würde die Theologie nicht dialektisch sein. Von daher geht Grosche in einem ersten Schritt auf den Vorwurf ein, den Barth gegenüber dem Katholizismus erhoben hat, nämlich daß weder Augustinus noch die ihm folgende katholische Tradition eine wahrhaft dialektische Theologie betreibe, weil sie die Spannung, die zwischen den beiden Polen der Dialektik notwendigerweise besteht, zum Menschen hin auflöse. Zwischen Gott und Mensch werde eine ungebrochene Kontinuität angenommen, weswegen weder in der Schöpfungs- noch in der Erlösungsordnung die Transzendenz Gottes allem Menschlichen gegenüber gewahrt bleibe. 44 So verstehe Augustinus und mit ihm die katholische Theologie den Menschen als ein abgeschlossenes, in sich ruhendes und sich selbst genügendes Naturwesen, womit ihm geradezu göttliche Qualitäten zugeschrieben würden. 45 Außerdem vertrete Augustinus aller gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz den Synergismus, d. h. er unterscheide nicht fein säuberlich zwischen dem opus Dei und den opera hominis und räume dem Menschen so die Möglichkeit ein, an seiner eigenen Erlösung mitzuwirken.46 Aus der Sicht protestantischer Theologie völnicht gemeint sei, daß Gott schlecht sei, sondern insofern als er durch den Begriff der Güte nur höchst unzureichend beschrieben werden kann. 42 Vgl. Grosche (1930), 86 f. 43 Bezüglich des Protestantismus verweist Grosche (1930), 88 auf die Dialektische Theologie, die mit dem Anspruch auftrete, die Intuitionen der Reformatoren nicht bloß wiederaufzunehmen, sondern sie noch konsequenter weiterzuführen: „Sie will mit äußerster Strenge und Folgerichtigkeit den lutherisch-kalvinischen Grundgedanken der absoluten Transzendenz Gottes zu Ende denken.“ Konkret heißt das (ebd., 86): „Zwischen Gott und Mensch liegt ein – wenigstens vom Menschen aus nicht zu überbrückender Abgrund. Gott ist der ‚ganz Andere‘, zu dem nichts Menschliches hinreicht. Zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf gibt es keine Kontinuität. Daher ist, von hier aus gesehen, jede menschliche Aussage über Gott unmöglich.“ Was den Katholizismus angeht, verweist Grosche (ebd.) auf die ‚Summa theologiae‘: „Da wird ganz deutlich, daß alle Theologie zuletzt darum dialektisch sein, in der Thesis und Antithesis bestehen muß, weil Gott der Welt absolut transzendent ist.“ 44 Vgl. Grosche (1930), 88. 45 Vgl. Grosche (1930), 89. 46 Der Begriff ‚Synergismus‘ findet sich bei Grosche (1930), 93, 94.
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lig unannehmbar, werde damit auch die Heiligung der Rechtfertigung vorgeordnet.47 Barths Vorwurf ist nach Eindruck Grosches in beiden Fällen der gleiche, nämlich daß in der katholischen Theologie der Aspekt der Differenz zugunsten dessen der Beziehung aufgegeben wird. Unzulässigerweise würden damit in der Schöpfungs- wie in der Erlösungsordnung Grenzen überschritten, die zwischen Gott und Mensch bestehen: hier die kreatürliche, indem der schöpferische Geist des Menschen in die Nähe des Schöpfergottes gerückt wird, dort die eschatologische, indem die katholische Theologie die Gnade als Vorgriff auf das letzte Heil verstanden wissen will.48 Grosche zufolge lassen sich diese Vorwürfe freilich leicht entkräften. Der christliche Schöpfungsgedanke fasse sowohl die Kontinuität als auch die Diskontinuität im Verhältnis von Schöpfer und Geschöpf, was zumal in der scholastischen Theologie beachtet werde. 49 Was die Erlösungsordnung anbelangt, finde Barths Interpretation schlichtweg keinen Anhalt bei Augustinus selbst.50 Dieser stelle Gott und Mensch nun einmal nicht auf eine Stufe, wie Barth das offensichtlich annehme, außerdem unterscheide er durchaus zwischen dem opus Dei und den opera hominis, weswegen Barths Kritik an der Sache vorbeigehe.51 Insgesamt könne mit Blick auf Augustinus und die ihm folgende theologische Tradition also festgestellt werden, daß der Zustand des Geschaffenseins und der Zustand der Begnadigung dialektisch konzipiert sind.52 Folglich kann die katholische Theologie mit Recht für sich in Anspruch nehmen, dialektische Theologie zu sein. Ist der entsprechende Vorwurf Barths damit als haltlos erwiesen, kann in einem zweiten Schritt die Rückfrage gestellt werden, ob die Dialektische Theologie eigentlich selbst dialektisch ist. Um dies zu entscheiden, sind auch hier die Schöpfungs- und die Erlösungsordnung in ihrem Verständnis zu überprüfen. Grosche zufolge zeigt sich dabei, daß Barth den christlichen Schöpfungsgedanken nur in seiner Schärfe, nicht aber in seiner Tiefe erfaßt.53 Während die christliche Rede von Schöpfer und Geschöpf notwendigerweise eine gewisse Kontinuität zwischen Gott und Mensch voraussetze, nehme er lediglich die Diskontinuität an. Um dennoch eine gewisse Kontinuität denken zu können, spreche 47 48 49 50
Vgl. Grosche (1930), 93. Vgl. Grosche (1930), 89 bzw. 97. Vgl. Grosche (1930), 89 f. Vgl. Grosche (1930), 93–95 mit Anm. mit Bezug auf verschiedene Texte von Augusti-
nus. 51 Vgl. Grosche (1930), 94: „Er hätte erkennen müssen, daß hier bei Augustin nicht Gott und Mensch als selbständige Partner des Heilsvorgangs einander gegenübergestellt werden, und daß das von ihm so schmerzlich empfundene ‚et. . .et‘ nur grammatisch eine Koordination, in Wirklichkeit die radikalste Subordination bedeutet.“ 52 Vgl. Grosche (1930), 95. 53 Vgl. Grosche (1930), 89.
3.3 Der Nutzen der Dialektischen Theologie: Robert Grosche
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er dann von ‚einem zweiten Wunder der Liebe Gottes‘. 54 Was damit eigentlich gemeint ist, lasse sich allenfalls vermuten und weise auf weitere Unklarheiten hin, zumal in Barths Hamartologie.55 Festzuhalten sei jedenfalls, daß das Verständnis von Schöpfung in der Dialektischen Theologie undialektisch ist.56 Weitaus freundlicher fällt Grosches Urteil über Barths Konzeption der Erlösungsordnung aus. In dieser werde über weite Strecken eine Theologie vertreten, die das Verhältnis von Gott und Mensch, von homo peccator und Deus iustificans vel salvator wirklich im Sinne der Dialektik versteht.57 So nehme Barth einen Zusammenhang von Rechtfertigung und Heiligung an, d. h. gerecht durch Glauben ist der Mensch als ganzer, einschließlich seiner Werke geheiligt.58 Das sei umso bemerkenswerter, als die Rechtfertigung in der reformatorischen Tradition gegenüber der Heiligung ansonsten derart stark betont worden sei, daß diese überhaupt nicht mehr vorzukommen schien.59 Gleichwohl schimmere das reformatorische Verständnis der Rechtfertigung im Sinne der Imputativgerechtigkeit wieder durch, wenn Barth behaupte, die Werke des gerechtfertigten und geheiligten Menschen seien keine opera hominis, sondern reine opera Dei, konkreter noch: opera Spiritus Sancti. 60 Damit werde dem Menschen jedoch abgesprochen, wirkliches Subjekt zu sein. Wenn die Rechtfertigung dem Menschen rein äußerlich bleibt und somit nicht zur Heiligung führt, ist der von Barth behauptete Zusammenhang beider Größen wieder aufgelöst. Trotzdem meint Grosche festhalten zu können, daß die Konzeption der Erlösungsordnung der Dialektischen Theologie zumindest über weite Strecken als dialektische und darum als wahre Theologie gelten kann. 61 Überblickt man Grosches Argumentation, ergibt sich folgendes Bild: In einem ersten Schritt weist er Barths Vorwurf an die Adresse der katholischen Theologie als haltlos zurück, die Differenz von Gott und Mensch werde zugunsten der Beziehung beider nicht oder nur ungenügend beachtet, so daß aufgrund dieses entspannten Verhältnisses gar keine dialektische Spannung gegeben sei. In einem zweiten Schritt wendet er die kritische Frage der Dialektischen Theologie auf diese selbst zurück. Er kommt zum Schluß, daß gerade sie nicht dialektisch von Gott und Mensch redet, weil sie beider Differenz derart massiv heraus54
Vgl. Grosche (1930), 89, 91. Vgl. Grosche (1930), 91 f. 56 Vgl. Grosche (1930), 89: „Geschaffenheit ist nur dialektisch zu verstehen als Sein und Nichtsein, und Barth fällt hier schon sofort von der dialektischen Theologie ab, während etwa die Scholastik [. . ..] das Verdienst hat, hier beides gesehen zu haben“. 57 Vgl. Grosche (1930), 97. 58 Vgl. Grosche (1930), 96. 59 Vgl. Grosche (1930), 95 mit kritischem Bezug auf Martin Luther. 60 Vgl. Grosche (1930), 96. Zwar verwendet Grosche nicht den Begriff der Imputativgerechtigkeit, spricht aber (ebd., 95 Anm. 25) von der dem Menschen äußerlich bleibenden Gerechtigkeit. 61 Vgl. Grosche (1930), 96, 98. 55
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stellt, daß ihre Beziehung nicht mehr deutlich wird und eine dialektische Spannung somit nicht mehr gegeben ist. So gelangt Grosche zu folgendem Fazit: „Wenn dialektische Theologie sein soll, dann kann die Augustins und der katholischen Kirche wahrhaftig beanspruchen, eine solche zu sein, während alle andere Theologie ‚einlinig‘ und darum ‚häretisch‘ ist, mag sie auch in dieser Einlinigkeit als ‚Randbemerkung zu jeder Theologie‘ von solcher Bedeutung sein wie die Karl Barths.“62
3.4 Die Zeitschrift ‚Catholica‘ Während es heutzutage eine stattliche Anzahl ökumenischer Zeitschriften gibt, fehlten diese zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Diese Lücke suchte der ‚Hochkirchlich-ökumenische Bund‘ zu schließen, eine im Jahr 1924 entstandene überkonfessionelle Vereinigung. 63 Sie verantwortete zunächst die Zeitschrift ‚Una Sancta‘, unter deren Herausgebern und Mitarbeitern sich auch Katholiken fanden. 64 Als diese auf Weisung des Heiligen Offiziums hin von einer Mitarbeit Abstand zu nehmen hatten, wurde die Zeitschrift eingestellt. Vorsichtig an diese Tradition anzuknüpfen versuchte die ‚Religiöse Besinnung‘, letztlich erfolglos. 65 Um ein Gespräch mit Barth führen zu können, mußte ein neues, v. a. aber unverdächtiges Forum gefunden werden. Die Idee, eine eigene Zeitschrift zu gründen, stammte von Gottfried Hasenkamp und Robert Grosche, zwei Mitgliedern des Münsteraner Gesprächskreises. 66 Um sie zu verwirklichen, mußte aber erst noch ein Verleger gefunden werden. So trat Hasenkamp an den damaligen Direktor des Paderborner Theologenkonvikts heran, Max ten Hompel (1882–1960). Dieser war zu jener Zeit Vorsitzender des ‚Winfriedbundes‘, einer im Jahr 1920 gegründeten und bis heute bestehenden Vereinigung mit Sitz in Paderborn, die auf die Wiedervereinigung im Glauben hinarbeiten will. 67 Bereitwillig griff ten Hompel den Vorschlag auf, eine Zeitschrift zu lancieren, außerdem willigte er ein, Grosche die 62 Grosche (1930), 98 mit Zitat aus RB (1922). Fast identische Formulierungen finden sich in Ders. (1932), 8. 63 Zum folgenden vgl. Dominik Burkard: . . . Unam Sanctam (Catholicam?). Zur theologiegeschichtlichen Verortung des Ökumenismusdekrets ‚Unitatis redintegratio‘ aus der Sicht des Kirchenhistorikers. In: Thomas Franz / Hanjo Sauer (Hrsg.): Glaube in der Welt von heute. Theologie und Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Bd. 1. Würzburg: Echter, 2006 (FS Elmar Klinger), 57–109, hier: 65–83. 64 Una Sancta. Zeitschrift des Hochkirchlich-Oekumenischen Bundes 1 (1925) – 3 (1927). 65 RelBes 1 (1928) – 5 (1933). 66 Vgl. Hasenkamp (1983), 166. 67 Vgl. Jörg Ernesti: Der franziskanische Beitrag zur Ökumene. In: WiWei 70 (2007), 231–241, hier: 234–238. Der Gründer des Bundes, der Franziskaner Gisbert Menge (1871– 1943), gibt in seinem Artikel Winfriedbund. In: LThK 10 (1938), 937 als dessen Ziel die „Rückgewinnung [. . .] der von der Kirche getrennten Christen“ an. Ein solches Verständnis von ‚Rückkehrökumene‘ teilt der Kreis um Grosche aber offensichtlich nicht.
3.4 Die Zeitschrift ‚Catholica‘
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Schriftleitung anzuvertrauen. Im Verlag des ‚Winfriedbundes‘ erschien so seit dem Jahr 1932 ‚Catholica. Vierteljahrschrift für Kontroverstheologie‘. Der Titel der Zeitschrift ist programmatisch, soll doch von einem dezidiert katholischen Standpunkt aus ein kritisches Gespräch mit dem Protestantismus geführt werden. Was das konkret heißt, wird im Klappentext eines jeden Heftes erläutert: „Catholica versucht, zu den evangelischen Christen von heute zu sprechen: nicht um durch die Herausstellung der Gegensätze die Welt noch mehr zu entzweien, aber auch nicht, um auf dem Wege illegitimer Kompromisse zu einer Einigung in einer abstrakten oder überkirchlichen una sancta zu kommen, sondern einfach, um den evangelischen Christen aus der Katholiken und Protestanten in gleicher Weise verpflichtenden Situation unserer Zeit heraus die Lehre der Ecclesia catholica darzulegen. Wir wissen, daß tiefgreifende Unterscheidungen uns trennen: ‚Die Ansicht, es seien keine erheblichen und ins Herz des Christentums eingreifenden Unterscheidungen vorhanden, kann nur zu gegenseitiger Verachtung führen; denn Gegner, denen das Bewußtsein einwohnt, daß sie keine ausreichenden Gründe haben, sich zu widersprechen und es dennoch tun, müssen sich verachten‘ (J. A. Möhler). So nehmen wir in neuer Form das Anliegen der Symbolik auf, trotzdem wir um diese Unterschiede wissen; sie sind da, aber sie machen das Gespräch nicht unmöglich, im Gegenteil: sie fordern es.“68
Weder will ‚Catholica‘ also einen konfessionalistischen Konfrontations- noch einen irenischen Kompromißkurs fahren, weder wird ein allzu enges Verständnis des Katholischen zugrundegelegt noch irgendeine überkonfessionelle Metaperspektive in Anspruch genommen. Stattdessen soll die Lehre der konkreten römisch-katholischen Kirche im Gespräch mit dem Protestantismus entfaltet werden. Damit grenzt sich ‚Catholica‘ nicht nur gegenüber Zeitschriften wie der ‚Una Sancta‘ oder der ‚Religiösen Besinnung‘ ab, sondern zugleich gegen das Modell einer ‚evangelischen Katholizität‘, das mit dem Namen Friedrich Heilers verbunden ist. Ohne formell zu konvertieren, bekannte sich Heiler, später Professor für Religionswissenschaft in Marburg, seit dem Jahr 1919 zum lutherischen Glauben. Er betrachtete das aber keineswegs als Abfall vom Katholizismus, sondern als eine ökumenische Geste. Die Kirche, die ihm vorschwebte und die er nicht zuletzt durch sein Engagement in der anfangs durchaus einflußreichen Hochkirchlichen Vereinigung Wirklichkeit werden lassen wollte, stand über den vorhandenen Konfessionen. 69 Von einer solch luftigen Ekklesiologie distanziert sich ‚Catholica‘ in aller Deutlichkeit.70 Zur selben Zeit 68
Dieser Klappentext findet sich in allen Heften von Cath(M) 1 (1932) – 8 (1939). Vgl. Ernesti (2007), 30–39, 44–46. 70 So stellt Grosche (1932), 192 Heiler als Fluchtpunkt der längst überholten Gedankenwelt des 19. Jahrhunderts dar. Aber nicht irgendwelche diffuse religiöse Erfahrung, mag sie auch hochkirchlich verbrämt sein, sondern das Dogma der Kirche ist der feste Grund, auf dem das Gespräch zwischen Katholizismus und Protestantismus stattfi nden kann. Das betont Grosche in seinem Artikel Die katholisch-protestantische Auseinandersetzung. In: Cath(M) 1 (1932), 96: „Während vielfach auch dort, wo anscheinend gemeinsamer Boden betreten wird, wie etwa in dem starken evangelischen Kirchenbewußtsein oder in dem im Protestantismus 69
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Kapitel 3: Einheit im Glauben
markiert im übrigen auch Karl Barth seine grundsätzliche Distanz zu Heiler. 71 Wenn es eine Einheit der Kirche gibt, dann nur im dogmatisch gefaßten Glauben, so die verbindende Überzeugung. Nicht Konfrontation und nicht Kompromiß ist das Ziel von ‚Catholica‘, sondern das kontroverstheologische Gespräch. Dieses wird im Sinne von Johann Adam Möhlers Schrift ‚Symbolik‘ verstanden, die gerade in den 1930er Jahren starke Beachtung fand.72 Weil die theologische Beschäftigung mit dem Protestantismus alles andere als selbstverständlich war, bestand offenbar die Notwendigkeit, das eigene Tun irgendwie zu verorten. Von daher fügt sich ‚Catholica‘ durch den Rekurs auf die ‚Symbolik‘ in einen größeren theologiegeschichtlichen Zusammenhang ein. Auf den ersten Blick scheint Möhler freilich keine signifikante Rolle zu spielen. Beispielsweise zitiert Grosche, immerhin die treibende Kraft hinter der Zeitschrift, nur gelegentlich aus seinen Schriften. 73 Außerdem erscheint erst Jahre nach Gründung der Zeitschrift ein Artikel, in dem die ‚Symbolik‘ samt der Kontroverse, die sich an ihr zwischen Möhler und seinem protestantischen Tübinger Kollegen Ferdinand Christian Baur (1792–1860) entsponnen hatte, für das interkonfessionelle Gespräch erschlossen wird.74 So könnte man tatsächlich meinen, der Bezug der ‚Catholica‘ auf Möhler sei eine bloß theologiegeschichtliche Reminiszenz. Dagegen spricht jedoch ein provielfach erwachten Sinn für das Liturgische und Kultische, dieser gemeinsame Boden sich als Schein erweist, weil etwa dieses Kirchenbewußtsein nicht so sehr in Christus, dem Haupt, als in der Not der plötzlich auf sich gestellten evangelischen Kirche oder in einem zunächst noch ganz natürlichen Gemeinschaftserlebnis der Zeit begründet erscheint oder das Kultverständnis auf das neue Körpererlebnis zurückgeht und somit noch durchaus in der Linie eines naturalistischen Sakramentalismus zu liegen scheint, ist in der dialektischen Theologie entschieden der Boden des Dogmas betreten, auf dem schließlich unter Christen allein sich sinnvoll miteinander reden läßt.“ 71 Vgl. KD I/1 (1932), 106. 72 Dazu Josef Rupert Geiselmann: Johann Adam Möhler. Die Einheit der Kirche und die Wiedervereinigung der Konfessionen. Ein Beitrag zum Gespräch zwischen den Konfessionen. Wien: Friedrich Beck (Schöningh & Haindrich), 1940, 89–95. 73 Vgl. Grosche (1932), 191; Ders.: Zum Gespräch zwischen den Konfessionen. In: Cath(M) 8 (1939), 85 f. 74 Vgl. Ludwig Lambinet: Das Prinzip des Protestantismus nach J. A. Möhler. In Cath(M) 7 (1938), 37–53. Zu Möhlers Debatte mit Baur vgl. Hans Jörg Urban: Die Frage nach den konfessionellen Prinzipien vom 17. bis 19. Jahrhundert. In: HÖ 3/1 (1987), 201–223, hier: 209–220. Ungleich intensiver wird seitens der gegenwärtigen protestantischen Systematik auf diese Debatte zurückgegriffen, um die Differenzpunkte zwischen den Konfessionen auszuloten. Zu nennen sind hier etwa Notger Slenczka: Die Einheit der Kirche und die Wahrheit der Reformation. Theologiegeschichtliche Erinnerungen an die Kontroverse zwischen J. A. Möhler und F. C. Baur angesichts der aktuellen Situation der Ökumene. In: KuD 48 (2002), 172– 196, hier: 179–193; Christof Gestrich: Zur Situation der Evangelischen Kirche. Systematisch-theologische Gesichtspunkte. In: ThLZ 132 (2007), 899–910, hier: 901–903. Soweit zu sehen ist, rekurrierte die protestantische systematische Theologie in den dreißiger Jahren nicht auf diese Debatte. Rein historisch sind etwa die Beobachtungen von Kurt Frör: Die Wesensbestimmung des Katholizismus unter der Einwirkung des Hegelschen Idealismus. In: NKZ 43 (1932), 336–370, 385–390, hier: 350–356.
3.4 Die Zeitschrift ‚Catholica‘
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grammatischer Artikel von Bernhard Rosenmöller, in dem er das Verständnis von Kontroverstheologie erläutert, dem sich die Zeitschrift verpflichtet weiß.75 Für Rosenmöller ist Kontroverstheologie allgemein eine Form des Gesprächs zwischen den konfessionellen Theologien.76 Speziell die katholische Kontroverstheologie sehe sich vor gleich mehrere Aufgaben gestellt: Erstens muß sie das, was die Gesprächspartner verbindet und trennt, präzise und klar herausarbeiten, um es dann anhand der Wahrheitsfrage zu messen; zweitens muß sie den protestantischen Gesprächspartner kritisch und auf eine solche Weise anfragen, daß dieser auch eine Antwort geben könne; drittens hat sie auf die Frage zu hören, die der Protestantismus an den Katholizismus richtet, um sie dann entsprechend beantworten zu können. Genau das versucht Möhler in seiner ‚Symbolik‘ ja: ausgehend von einer phänomenologischen Betrachtung die prinzipiellen Unterschiede zwischen den Konfessionen herauszuarbeiten. Da sie gegenüber dem NS-Regime ihren rein wissenschaftlich-unpolitischen Charakter nicht zweifelsfrei hatte nachweisen können, mußte ‚Catholica‘ im September 1939 eingestellt werden.77 Damit gab es für das Gespräch mit der Dialektischen Theologie auf katholischer Seite kein eigenes Forum mehr. Zwar stellte Grosche bereits im Jahr 1943 Überlegungen an, welche Autoren und Fragestellungen für künftige Hefte in Frage kämen, und bereits kurz nach Kriegsende setzte sich Hasenkamp mit ihm und ten Hompel in Verbindung, damit ‚Catholica‘ baldmöglichst wiedererscheinen konnte, doch sollte das noch bis zum Jahr 1958 dauern.78 Herausgeber war nun das kurz zuvor gegründete Paderborner Johann-Adam-Möhler-Institut, zu dessen vorrangigen Aufgaben die wissenschaftliche Begleitung des ökumenischen Prozesses zählt. 79
75 Vgl. Bernhard Rosenmöller: Katholische Kontroverstheologie. In: Cath(M) 2 (1933), 48. Nach Einschätzung von Siegfried Wiedenhofer: Ökumenische Theologie (1930–1965). Versuch einer wissenschaftsgeschichtlichen Rekonstruktion. In: Cath(M) 34 (1980), 219–248, hier: 224 Anm. 15 handelt es sich bei diesem Artikel um eine der frühesten Reflexionen über die Methode und das Ziel der Kontroverstheologie. 76 Vgl. Rosenmöller (1933): Ist hier von einer „Aussprache“ zwischen katholischer und protestantischer Theologie die Rede, so bei Grosche (1939) von einem „Gespräch zwischen den Konfessionen“. 77 Vgl. Ernesti (2007), 177 mit Anm. 524. Der letzten Nummer der Zeitschrift lag eine hektographierte Mitteilung des Verlegers bei: „Paderborn, den 21. September 1939 / An die verehrlichen Bezieher der Catholica! / Wir beehren uns, Ihnen das Juliheft der Catholica zu übersenden. Die Zeitschrift beschließt mit diesem Heft ihren achten Jahrgang und stellt ihr weiteres Erscheinen ein. Wir danken den verehrlichen Lesern verbindlichst für die wohlwollende Unterstützung unseres Werkes und bitten freundlichst, die Hälfte des Bezugspreises für die erschienen [sic!] beiden Hefte des Jahrganges 1939 auf unser Postscheckkonto Hannover 476 28 gütigst zu überweisen. Wenn die Zeitumstände das Erscheinen der Zeitschrift wieder gestatten, dürfen wir gewiß annehmen, daß Sie sie auch weiterhin zu beziehen wünschen. / Mit den besten Grüßen / ergebenst / Winfriedbund / P. Gisbert Menge“. 78 Vgl. Hasenkamp (1983), 167 f.; Ernesti (2007), 179. 79 Vgl. Aloys Klein: Möhler-Institut. In: LThK 3 7 (1998), 375.
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Kapitel 3: Einheit im Glauben
3.5 Ertrag Entstanden als kontroverstheologische Zeitschrift und als solche nach dem Zweiten Weltkrieg wiederbegründet, erscheint ‚Catholica‘ seit ihrem zweiundzwanzigsten Jahrgang 1968 als ‚Zeitschrift für Kontroverstheologie und Ökumenik‘. Die erneuerte Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils ließ das bisherige Programm als ergänzungsbedürftig erscheinen: Neben die Kontroverstheologie, die das zwischen den Konfessionen Unterscheidende herausarbeitete, trat nun die Ökumenik, die das Verbindende und Gemeinsame betonte. 80 In den dreißiger Jahren wurde die Kontroverstheologie allerdings weniger als Apologetik denn als Konfessionskunde verstanden. Sie stand deshalb in keinem Gegensatz zur Ökumene und konnte durchaus als ein Beitrag zur Einheit der Kirche aufgefaßt werden. 81 Damals schrieb etwa Bernhard Rosenmöller: „Ist der Katholik auch überzeugt, daß die Kirche als Hüterin des depositum fidei nichts vom Häretiker empfangen kann, so weiß er doch, daß die Theologie und das praktisch religiöse Leben der Gläubigen sehr wohl der Vertiefung und Vervollkommnung bedarf. Er wird demnach jeden theologischen Wahrheitsgehalt, der ihm in der protestantischen Position begegnet, nicht nur als solchen anerkennen, er wird auch versuchen, ihm in der eigenen Theorie und Praxis jenen Ort zu sichern, der ihm nach dem theologischen Gewicht zukommt.“82
Im Hintergrund dieser Aussage steht das Akt-Potenz-Schema der scholastischen Philosophie, nach dem der actus die entfaltete Wirklichkeit ist, die potentia die reale, wenn auch von sich aus unentfaltete Möglichkeit oder Befähigung zum actus. 83 Gewendet auf die Theologie heißt das: Was die katholische Kirche potentialiter bereits immer ist, nämlich die wahre Kirche, das muß sie actualiter, also auch in ihren Selbstvollzügen, noch stärker und noch deutlicher werden, wobei das Gespräch mit dem Protestantismus durchaus von Nutzen sein mag. 84 Barth selbst hatte mit der – wie er sie nannte – ‚dogmatischen Intoleranz‘ des Kreises um Rosenmöller und Grosche überhaupt kein Problem, sie schien ihm 80 81
Dazu Wiedenhofer (1980), 224–226 mit Anm. 17. Vgl. Heinrich Fries: Konfessionen und Ökumene. In: CGG 29 (1982), 189–233, hier:
198. 82 83
Rosenmöller (1933). Vgl. Johannes Baptist Lotz: Akt. I. Ontologisch. In: LThK 2 1 (1957), 247–249, hier:
247. 84 Vgl. Rosenmöller (1933): „An erster Stelle ist [in ‚Catholica‘] die Kontroverse mit Karl Barth und seiner Schule im engeren und weiteren Sinne aufgenommen. Wir können das nur begrüßen, denn erst Karl Barth hat die Möglichkeit zu einer Kontroverse geschaffen und vertritt eine Position, mit der eine Auseinandersetzung immer anregend und lohnend ist.“ ‚Anregend‘ und ‚lohnend‘ ist sie für den katholischen Gesprächspartner! Auch in anderen ökumenischen Publikationen der dreißiger Jahre findet sich das Akt-Potenz-Schema, etwa bei Yves Congar: Chrétiens désunis. Principes d’un ‚œcuménisme‘ catholique. Paris: Cerf, 1937 (UnSa 1), 277–308 und Arnold Rademacher: Die Wiedervereinigung der christlichen Kirchen. Bonn: Hanstein, 1937, 37 f.
3.5 Ertrag
69
sogar erst die Voraussetzung für ein fruchtbares interkonfessionelles Gespräch. 85 Doch sollte es gerade nicht Barth sein, der in dieses eingebunden wurde. Das hängt weniger damit zusammen, daß er seit dem Jahr 1935 in Basel lebte und das Deutsche Reich nicht mehr betreten durfte. Vielmehr waren er und ihm verbundene Theologen bereits zuvor gezielt aus der Ökumene herausgehalten worden. Als im Jahr 1934 in Berlin-Hermsdorf und im Anschluß daran 1936 im englischen Chichester katholisch-protestantische Konsultationen stattfanden, repräsentierten liturgisch orientierte und dogmatisch konservative Lutheraner den Protestantismus, unter ihnen Wilhelm Stählin (1883–1975), der Barth alles andere als geneigt war. 86 Vertreter anderer Richtungen wie der Liberalen und der Dialektischen Theologie waren erst gar nicht eingeladen und in das Gespräch einbezogen worden. 87 Dabei blieb es auch, als der mittlerweile Landesbischof von Oldenburg gewordene Stählin mit dem Paderborner Erzbischof Lorenz Jaeger (1892–1975) nach dem Zweiten Weltkrieg einen Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen begründete. 88 Inzwischen zeichnet sich jedoch ein Wiedererstarken besonders des liberalen Denkens ab. 89 Damit scheint der oft mühsam errungene Konsens zur Disposition zu stehen.90 Es wäre allerdings zu fragen, ob dafür nicht auch die Anlage des ökumenischen Prozesses verantwortlich ist.
85
Vgl. KD I/2 (1938), 924, wo sich Barth in Seitenlänge zur ‚Catholica‘ äußert. Vgl. Ernesti (2007), 42–134. 87 Obwohl sie im Geheimen stattfand, bekam auch Barth Wind von der Konferenz in Berlin-Hermsdorf. Beleg dafür ist KBA 9234.228 (Karl Barth an Damasus Winzen, Brief vom 3. 7. 1934, Durchschlag): „Aus dem[,] was Sie in Ihrem Brief von Berlin schreiben, vermute ich, dass Sie dort an einer ökumenischen oder doch interkonfessionellen Konferenz teilgenommen haben, von der ich aber nur habe munkeln hören. Ob es dieselbe war, an der besonders die sog. Berneuchener Theologen unter Führung von Stählin-Münster mit katholischen Theologen verhandelt haben sollen? Dann wollte ich Sie wohl einmal von Ihren Eindrücken reden hören.“ Der Benediktiner Winzen stand mit Barth in engem Kontakt, wie in Kap. 5.3 dargelegt wird. Wie sehr die Liberale Theologie im deutschsprachigen Raum damals weiterhin präsent war, zeigt Matthias Wolfes: Protestantische Theologie und moderne Welt. Studien zur Geschichte der liberalen Theologie nach 1918. Berlin / New York: Walter de Gruyter, 1999 (TBT 102). 88 Vgl. Barbara Schwahn: Der ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen 1946 bis 1975. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1996 (FSTÖ 74). 89 Exemplarisch dafür sind die programmatischen Artikel von Maurice Wiles: Theology in the Twenty-First Century. In: Theol. 103 (2000), 403–411; Jörg Lauster: Liberale Theologie. Eine Ermunterung. In: NZSTh 50 (2007), 291–307; Gary Dorrien: The Crisis and Necessity of Liberal Theology. In: AJTP 30 (2009), 3–23. 90 Vgl. Friedrich Wilhelm Graf (Hrsg.): Jenseits der Einheit. Protestantische Ansichten der Ökumene. Hannover: Lutherisches Verlagshaus, 2001; Ulrich H. J. Körtner: Wohin steuert die Ökumene? Vom Konsens- zum Differenzmodell. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2005. 86
Kapitel 4
‚Fides quaerens intellectum‘: Barths Studie über Anselm von Canterbury 4.1 Einführung Welche argumentative Schlüssigkeit das ontologische Argument hat, das Anselm von Canterbury (1033–1109) im ‚Proslogion‘ für die Existenz Gottes darlegt, wird bis in die Gegenwart ebenso kontrovers diskutiert wie die Frage, was der gelehrte Mönch und Bischof eigentlich mit seiner Schrift wollte.1 Von daher liegt der Schluß nahe, daß es wohl kaum möglich ist, Anselms Denken abschließend zu bilanzieren und erschöpfend zu interpretieren. 2 Entsprechende Versuche sagen deshalb mindestens genausoviel über dieses Denken wie über das seiner Interpreten aus; jede Anselm-Deutung läßt in nicht geringem Maß die systematischen Vorentscheidungen der Anselm-Deuter zutage treten. Das gilt wohl auch für Barths 1931 erschienene Studie ‚Fides quaerens intellectum‘.3 Ob es sich bei ihr bloß um eine theologiegeschichtliche Untersuchung oder aber um die Beschreibung seines eigenen systematisch-theologischen Programms handelt, ist nach wie vor strittig.4 Barth selbst hat sich diesbezüglich jedenfalls nicht eindeutig geäußert. Während er im Vorwort zu ‚Fides quaerens intellectum‘ noch unterstrich, er habe lediglich Anselm auslegen wollen und nichts anderes, räumte er viele Jahre später ein, daß die Auseinandersetzung mit 1 Vgl. Michel Corbin: Saint Anselme. Paris: Cerf, 2004 (Philosophie & Théologie), 24–44; Brian Davies: Anselm and the ontological argument. In: Ders. / Brian Leftow (Hrsg.): The Cambridge Companion to Anselm. Cambridge u. a.: Cambridge University Press, 2004 (Cambridge Companions to Religion), 157–178; Brian Leftow: The Ontological Argument. In: William J. Wainwright (Hrsg.): The Oxford Handbook of Philosophy of Religion. Oxford u. a.: Oxford University Press, 2005, 80–115. 2 Vgl. Rolf Schönberger: Anselm von Canterbury. München: Beck, 2004 (Denker), 151– 154. 3 Vgl. Karl Barth: Fides quaerens intellectum. Anselms Beweis der Existenz Gottes im Zusammenhang seines theologischen Programms. München: Kaiser, 1931 (FGLP 3). 4 Exemplarisch dafür ist die Kritik von Bruce McCormack: Karl Barth’s Critically Realistic Dialectical Theology. Its Genesis and Development 1909–1936. Oxford: Clarendon Press, 1995, 421–448 / Ders.: Theologische Dialektik und kritischer Realismus. Entstehung und Entwicklung von Karl Barths Theologie 1909–1936. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 2006, 352–373 an der Deutungslinie, die zurückgeht auf Hans Urs von Balthasar: Karl Barth. Darstellung und Deutung seiner Theologie. Köln: Hegner, 1951. Diese ist unlängst freilich wieder starkgemacht worden von Timothy Stanley: Returning Barth to Anselm. In: MoTh 24 (2008), 413–437. Zum Hintergrund dieser Debatte vgl. Kap. 10.2.3.
4.2 Anselm in neuscholastischer Sicht: Franciscus Salesius Schmitt und Rudolf Allers 71
dem ‚Proslogion‘ für die Formung seines eigenen Denkens von großer Bedeutung gewesen ist, gerade im Hinblick auf die ‚Kirchliche Dogmatik‘.5 In der Tat versteht er hier wie dort die Theologie als menschliches Nachdenken der Offenbarung Gottes. 6 Ohne vorausgesetzte Offenbarung, auf die sie sich ausrichten könnte, würde die Vernunft ins Leere gehen. Bedeutet Erkenntnis zunächst und vor allem Anerkenntnis, ist auch jede Form natürlicher Gotteserkenntnis ausgeschlossen. Es war wohl diese so völlig andere Rollenzuweisung an die Philosophie innerhalb der Theologie, die katholische Leser von ‚Fides quaerens intellectum‘ aufmerken ließ. Sowohl dezidierte Anhänger der Neuscholastik wie Franciscus Salesius Schmitt und Rudolf Allers als auch Anselm Stolz, der sich ungleich schwerer einordnen läßt, setzten sich in den dreißiger Jahren mit Barths Anselm-Deutung auseinander.
4.2 Anselm in neuscholastischer Sicht: Franciscus Salesius Schmitt und Rudolf Allers Wenn die Neuscholastik im Verlauf des 19. Jahrhunderts immer mehr zur dominierenden Richtung innerhalb der katholischen Theologie wurde, dann gewiß nicht aufgrund bloßer kirchen- oder theologiepolitischer Ränke. Stattdessen schien sie Antworten auf die Fragen zu bieten, mit denen sich die Kirche zu dieser Zeit konfrontiert sah. Als besonders bedrängend wurde der Rationalismus empfunden, der einer geschichtlich kontingenten Offenbarung skeptisch bis ablehnend gegenüberstand.7 Um dem Atheismus und Agnostizismus zu be5 Zum einen vgl. Barth (1931), VIII: „Dem [. . .] naheliegenden Verdacht, ich möchte in den Denker des 11. Jahrhunderts dies und das hineingelesen haben, um es, von seinem Schatten gedeckt, im 20. vorzubringen, sehe ich gleichmütig entgegen: Wer hat andere Augen zum Lesen als seine eigenen? Unter diesem Vorbehalt meine ich doch sagen zu dürfen, daß ich hier nichts vorgebracht habe, als was ich bei Anselm gelesen habe.“ Zum anderen vgl. Karl Barth: Fides quaerens intellectum. Anselms Beweis der Existenz Gottes im Zusammenhang seines theologischen Programms. Zollikon: Evangelischer Verlag, 21958, 10: „Verhältnismäßig Wenige, zu denen z. B. Hans Urs von Balthasar gehört, haben bemerkt, daß jene Beschäftigung mit Anselm für mich alles Andere als ein Parergon war, wieviel ich mir dabei vielmehr – ob ich nun den Heiligen historisch mehr oder weniger richtig verstand! – angeeignet oder, meinem eigenen Stern folgend, zum Bewußtsein gebracht habe. Den Meisten ist es wohl entgangen, daß man es in diesem Anselmbuch wenn nicht mit dem, so doch mit einem sehr wichtigen Schlüssel zum Verständnis der Denkbewegung zu tun hat, die sich mir dann eben in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ mehr und mehr als die der Theologie allein angemessene nahegelegt hat.“ 6 Vgl. Barth (1931), 37–60 bzw. KD I/1 (1932), 261–310 (§ 7. Das Wort Gottes, das Dogma und die Dogmatik). Wie wenig Barth einem Fideismus anhängt, zeigt sich schon in KD I/1 (1932), 89–128 (§ 4. Das Wort Gottes in seiner dreifachen Gestalt): Zwischen dem einen Wort Gottes und seinen verschiedenen Gestalten besteht ein dialektisches Verhältnis. 7 Vgl. Gerald McCool: Catholic Theology in the Nineteenth Century. The Quest for a Unitary Method. New York: Seabury, 1977 (A Crossroad Book), 32–35.
72
Kapitel 4: ‚Fides quaerens intellectum‘
gegnen, versuchte die Neuscholastik darum zunächst den Gottesgedanken als solchen zu sichern, um sodann die übernatürliche Gotteserkenntnis aufgrund des Glaubens anzuschließen. 8 Von hier aus erklärt sich, warum Leser, die durch die stark philosophisch ausgerichtete neuscholastische Theologie geprägt waren, nur wenig mit Barths Studie anfangen konnten. In diesem Zusammenhang ist etwa Franciscus Salesius Schmitt (1894–1972) zu nennen. Der Benediktiner der schlesischen Abtei Grüssau hatte mit der kritischen Edition der Werke Anselms begonnen.9 Zu der Zeit, da ‚Fides quaerens intellectum‘ erschien, war er gerade mit dem ‚Proslogion‘ befaßt, was auch erklären dürfte, warum er auf Barths Studie aufmerksam wurde und sie rezensierte.10 Schmitt läßt keinen Zweifel daran, was er von ‚Fides quaerens intellectum‘ hält, nämlich nicht allzuviel. Obwohl die Studie eine Fülle von Anregungen und zutreffenden Bemerkungen biete, könne sie als ganze und in ihren Hauptergebnissen keinesfalls zufrieden stellen. Im Grunde handle es sich gar nicht um eine Interpretation des ‚Proslogion‘: „Die Darlegungen B.s, namentlich im ersten Teile, mögen ein wohl mögliches Programm irgendeines Theologen – sagen wir beispielsweise eines Karl Barth – enthalten, den Anspruch, das Programm eines Anselm von Canterbury zu sein, können sie m. E. nicht erheben. Nur mit einseitiger Ausdeutung der Texte war eine solche Verschiebung möglich.“11
Ausdrücklich widerspricht er Barths These, im ‚Proslogion‘ liege überhaupt kein ontologischer Gottesbeweis vor. Wie Schmitt bemerkt, traue Anselm der Vernunft sogar zu viel zu, insofern er selbst nicht vor Glaubenstatsachen wie der Trinität und der Inkarnation, die nur durch Offenbarung zugänglich sind, halt mache. Anselm tendiere also zum Rationalismus.12 Jedenfalls lasse das ‚Proslogion‘ keine andere Interpretation als die traditionelle zu, die bei Barth in Mißkredit stehe.13 Anselm habe einen schlüssigen, rational nachvollziehbaren Beweis entfaltet, der ohne Hinzunahme von Glaubensaussagen auskomme, und 8 Exemplarisch dafür sind Bernhard Bartmann: Lehrbuch der Dogmatik. Bd. 1. Freiburg u. a.: Herder, 71928 (ThBib), 80–96 und Franz Diekamp: Katholische Dogmatik nach den Grundsätzen des heiligen Thomas. Bd. 1. Münster: Aschendorff, 61930, 95–118. Ausführlich setzen sich sowohl Bartmann (ebd., 85–87) als auch Diekamp (ebd., 108–118) mit ihrer Meinung nach irrigen Ansätzen auseinander, zuvorderst dem neuzeitlichen Atheismus. 9 Die Edition hat der Forschung einen enormen Auftrieb gegeben, so Wolfgang L. Gombocz: Anselm von Canterbury. Ein Forschungsbericht über die Anselm-Renaissance seit 1960. In: PhJ 87 (1980), 109–134, v. a.: 112–116. 10 Vgl. den Rezensionsartikel von Franciscus Salesius Schmitt: Der ontologische Gottesbeweis Anselms. In: ThRv 32 (1933), 217–223. Erst nach ‚Fides quaerens intellectum‘ erschien Schmitts kritische Edition von Anselms Liber Proslogion [. . .]. Bonn: Hanstein, 1931 (FlorPatr 29). Denn Barth (1931), VIII–IX äußerte sein Bedauern darüber, daß ihm die längst angekündigte Edition noch nicht vorlag, 11 Schmitt (1933), 217. 12 Vgl. Schmitt (1933), 221. 13 Vgl. Schmitt (1933), 222.
4.2 Anselm in neuscholastischer Sicht: Franciscus Salesius Schmitt und Rudolf Allers 73
darum sei die Einbettung des Beweisganges in ein Gebet lediglich literarische Einkleidung.14 Mit einer solchen Einschätzung stand Schmitt keineswegs allein da. Auch Rudolf Allers (1883–1963) betrachtete das ‚Proslogion‘ als eine rein philosophische Schrift.15 Im Jahr 1936 legte der umfassend gebildete Psychotherapeut und Publizist eine Hinführung zu Anselm vor, in der er außerdem dessen Werke in eigener Übersetzung präsentierte.16 Während er ausführlich auf die Diskussion des ontologischen Gottesbeweises bei Thomas von Aquin, Descartes und Kant eingeht, erwähnt er ‚Fides quarens intellectum‘ lediglich in den Anmerkungen. Entschieden wendet sich Allers gegen die These, Anselm gehe von Glaubenssätzen aus, die er als gegeben voraussetze.17 Er selbst vertritt genau die entgegengesetzte Position: „Anselm steht durchaus auf dem Boden der von der Kirche stets, zuletzt im Vaticanum (Denz. 1806) vertretenen Lehre, daß der menschlichen Vernunft die Erkenntnis vom Dasein Gottes erreichbar sei.“18 Nicht einmal der Glaube werde von Anselm vorausgesetzt, er argumentiere einzig und allein mit philosophischen Mitteln.19 Allers will das ‚Proslogion‘ also im Sinne der gegen den Atheismus und Agnostizismus gerichteten Offenbarungskonstitution ‚Dei Filius‘ her verstehen, der zufolge Gott kraft der Vernunft sicher aus den geschaffenen Dingen erkannt werden könne. 20 Zwar hatte das Vatikanische Konzil ebenso konstatiert, daß sich Gott auch auf übernatürliche Weise geoffenbart hat, doch wurde dies in Reaktion auf den ‚Modernismus‘, mit dem der moderne Relativismus in die katholische Theologie einzudringen schien, weitaus weniger betont. 21 Aber je stärker auf die Rationalität des Glaubens abgehoben wurde, desto mehr schien dessen Unverfügbarkeit in den Hintergrund zu geraten. Das wurde durchaus als problematisch empfunden. So schrieb der Valkenburger Dogmatiker Heinrich Weisweiler (1893–1964) im Jahr 1939:
14
Vgl. Schmitt (1933), 221. Zur Biographie vgl. den Eintrag Allers, Rudolf. In: Deutsche Biographische Enzyklopädie 1 (1995), 91. 16 Vgl. Rudolf Allers: Anselm von Canterbury. Leben, Lehre, Werke. Wien: ThomasVerlag Jakob Hegner, 1936, hier: 11–250 (Einleitung) mit 565–639 (Anmerkungen). 17 Vgl. Allers (1936), 593 f. zu Anm. 1, 594 f. zu Anm. 3, 598 f. zu Anm. 25. 18 Allers (1936), 598 zu Anm. 25. 19 Vgl. Allers (1936), 599 zu Anm. 25. 20 Vgl. DH 3004. Zum Hintergrund vgl. Hermann-Josef Pottmeyer: Der Glaube vor dem Anspruch der Wissenschaft. Die Konstitution über den katholischen Glauben ‚Dei Filius‘ des Ersten Vatikanischen Konzils und die unveröffentlichten theologischen Voten der vorbereitenden Kommission. Freiburg u. a.: Herder, 1968 (FThSt 87), 168–236; Klaus Schatz: Vaticanum I. 1869–1870. Bd. 2. Paderborn u. a.: Schöningh, 1993 (KonGe.D), 313–355. 21 Dem im Jahr 1910 eingeführten und bis 1967 verpflichtenden ‚Antimodernisteneid‘ zufolge handelt es sich bei der natürlichen Erkenntnis Gottes um die katholische Lehre (DH 3537 f.). 15
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Kapitel 4: ‚Fides quaerens intellectum‘
„Die Auseinandersetzung mit dem Atheismus der vergangenen Jahrzehnte und die aus ihr stärker hervorgegangene ‚natürliche Apologetik‘ hatte [. . .] das Sehnen der Natur besonders betont. Nicht als ob dies kein verdienstvolles Werk gewesen und auch heute noch wäre, wo wiederum Abertausende einen anderen als den Glaubensweg gehen, die wir nie und nimmer vergessen und lieblos, in unserem Vollbesitz der Wahrheit nur um uns bekümmert, in die Leere des Lebens gehen lassen dürfen. Denn wehe der Theologie, die nur ihre eigenen Gedanken in stiller Abgeschlossenheit und im Kreis des Glaubens, der Übernatur, weit fern von den Forderungen der Zeit und fern von den vielleicht harten Realitäten und Wirklichkeiten des Lebens spinnt. Aber gerade deshalb ist es an der Zeit, das was zeitgemäß war und ist, zeitgemäß weiterzugestalten – und das ist heute wesentlich stärker wie früher die übernatürliche Sicht, das Rufen der erlösten Seele nach Gott.“22
Um diese ‚übernatürliche Sicht‘ bemühte sich jedenfalls Anselm Stolz.
4.3 Gottesdienst auf dem Feld des Denkens: Anselm Stolz Ebenso wie Franciscus Salesius Schmitt und Rudolf Allers ist Anselm Stolz (1900–1942), der die längste Zeit seines Lebens in Rom lehrte, fast gänzlich in Vergessenheit geraten.23 Wer sich jedoch näher mit dem Werk des Benediktiners aus der westfälischen Abtei Gerleve befaßt, wird auf einen der vielleicht interessantesten und ganz gewiß eigenwilligsten katholischen Dogmatiker des 20. Jahrhunderts stoßen.24 Bemerkenswert ist zumal seine unvollendet gebliebene lateinische Dogmatik, die hinsichtlich ihrer spekulativen Kraft und gedanklichen Weite deutlich von vergleichbaren Werken aus dieser Zeit absticht. 25 Bei aller stupenden Gelehrsamkeit war die Theologie für Stolz jedoch alles andere als ein intellektuell anregender Zeitvertreib. Anstatt am neuzeitlichen universitären Wissenschaftsideal orientierte er sich an der frühmittelalterlichen Klosterschule, und so ist das Gebet für ihn der Ausgangs- und zugleich Endpunkt aller theologischen Reflexion. 26 Auf dieser Linie liegt auch seine Anselm-Interpretation. Deren Kernthese ist es, daß Anselms Verfahren im ‚Proslogion‘ weder 22 Heinrich Weisweiler: Natur und Übernatur in Glaube und Theologie. In: Schol. 14 (1939), 346–372, hier: 347. Weisweiler bezieht sich übrigens ausdrücklich auf das neuerwachte Interesse an Anselm von Canterbury. 23 Zur Biographie vgl. Pius Engelbert: Geschichte des Benediktinerkollegs St. Anselm in Rom [. . .]. Rom: Pontificio Ateneo S. Anselmo, 1988 (StAns 98), 140–142, 154–164. 24 Während über Stolz’ Theorien zur Mystik viel geschrieben worden ist, steht eine eingehende Würdigung seiner Theologie noch aus. Wichtige Vorarbeiten dazu finden sich im Sammelband von Elmar Salmann (Hrsg.): La Teologia mistico-sapienziale di Anselm Stolz. Rom: Pontificio Ateneo S. Anselmo, 1988 (StAns 100). 25 Vgl. Anselm Stolz: Manuale theologiae dogmaticae. 6 Bde. Freiburg: Herder, 1939– 1943. 26 Vgl. Fabio Bressan: Alla ricerca della figura spirituale della teologia e del teologo: l’Introductio in Sacram Theologiam di Anselm Stolz o.s.b. (1900–1942). In: Ben. 48 (2001), 61–96.
4.3 Gottesdienst auf dem Feld des Denkens: Anselm Stolz
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darin bestehe, auf die Offenbarung hinzudenken (Philosophie) noch diese nachzudenken (Theologie), sondern sich dem lebendigen Gott zu nähern – Gottesdienst auf dem Feld des Denkens. Barth kam Stolz in gewisser Weise zuvor, war der Benediktiner doch gerade selbst mit dem ‚Proslogion‘ befaßt. In seiner Rezension, die in der Zeitschrift ‚Divus Thomas‘ erschien, referiert und kommentiert er wohl den Gedankengang von ‚Fides quarens intellectum‘, doch scheint es, als habe er die Studie eher zum Anlaß genommen, seine eigene Sicht der Dinge vorab darzulegen. 27 Was das allgemeine theologische Programm Anselms anbelangt, weiß sich Stolz mit Barth einer Meinung. Völlig zu Recht weiche er von Johannes Brinktrine (1889– 1965) ab, einem Neuscholastiker römischer Prägung. Dessen Übersetzung beruhe auf der falschen Annahme, daß es sich beim ‚Proslogion‘ um eine rein philosophische Schrift handle. 28 Im offenen Gegensatz dazu habe Barth den dezidiert theologischen Charakter des Beweisganges herausgearbeitet, der die Offenbarung des Namens Gottes voraussetze und eben nicht rational erschließe. Stolz stimmt der Interpretation seines reformierten Kollegen also deshalb zu, weil er die gängige katholische als falsch betrachtet. Andere Wege als Barth schlägt er jedoch hinsichtlich der speziellen Methode ein, die dem ‚Proslogion‘ zugrundeliege. So stellt Stolz die These in den Raum, Anselm lege weder einen rein philosophischen noch einen bloß theologischen Beweis für das Dasein Gottes vor, sondern bemühe sich um die Einsicht in die vom Glauben gelehrte eigene Seinsweise Gottes.29 Zwar merkt er sogleich an, daß dies noch ausführlicher zu begründen sei, doch gewinnt seine Auffassung, daß das ‚Proslogion‘ nicht auf einen rationalen Beweis als vielmehr auf eine mystische Erfahrung ziele, bereits hier Konturen. Es ist für Stolz überhaupt nicht die Frage, ob Anselm nun einen philosophischen oder aber einen theologischen Gottesbeweis vorgelegt habe. Bei der ‚Einsicht‘, auf die das ‚Proslogion‘ ziele, handelt es sich um eine Kenntnis Gottes jenseits der wie auch immer gewonnenen Erkenntnis, um eine Schau. 27 Vgl. die Rezension von Anselm Stolz. In: DT 10 (1932), 560 f. Der inzwischen zum Katholizismus konvertierte Exeget und Kirchenhistoriker Erik Peterson hatte nach eigener Aussage Stolz dazu gedrängt, sich mit ‚Fides quaerens intellectum‘ zu befassen, so Erik Peterson: Ausgewählte Schriften. Bd. 9/2. Würzburg: Echter, 2009, 325–327 (Erik Peterson an Karl Barth, Brief vom 15. 10. 1932), hier: 326. 28 Vgl. Stolz (1932), 561 mit Bezug auf Anselm von Canterbury: Proslogion. Zum erstenmal ins Deutsche übertragen und mit Einleitung und Anmerkungen versehen von Dr. J. Brinktrine. Paderborn: Schöningh, 1925 (Sammlung philosophischer Lesestoffe; 2). Wie Barth (1931), X anmerkt, handelt es sich bei dieser Übersetzung um „eine in keiner Hinsicht bedeutsame Leistung.“ 29 Vgl. Stolz (1932), 561. Genau die gleichen Überlegungen finden sich im übrigen in der Rezension von Hermann Keller. In: BenM 14 (1932), 324 f. Laut Engelbert (1988), 139 f. war der Beuroner Benediktiner Stolz’ Lieblingsschüler, und so hatten sich beide zuvor wohl über die Interpretation des ‚Proslogion‘ ausgetauscht. Soweit bekannt, hat Keller keine weiteren Beiträge über Anselm veröffentlicht.
76
Kapitel 4: ‚Fides quaerens intellectum‘
Daß das ‚Proslogion‘ als ein Text intellektueller Mystik zu interpretieren ist, legte Stolz dann in einem längeren Artikel dar, der im Jahr 1933 in der Zeitschrift ‚Catholica‘ erschien.30 Er stimmt mit Barth darin überein, daß es sich beim ‚Proslogion‘ um keine philosophische Schrift handelt, in der etwa ein ontologisches Argument für die Existenz Gottes entwickelt werde.31 Damit haben sich die Gemeinsamkeiten aber schon erschöpft. Der Dissens deutet sich bereits an, wenn Stolz die Frage, wie Anselm im ‚Proslogion‘ eigentlich Theologie treibe, dahingehend beantwortet, dies geschehe betend. 32 Insofern unterscheide sich die Schrift schon formal von Anselms sonstigen Werken und könne auch nicht, wie Barth meine, im Kontext irgendeines allgemeinen theologischen Programms interpretiert werden. Laut Stolz will Anselm durch das Erkennen dessen, was der Glaube über Gott sagt, zur Schau Gottes selbst gelangen. Auf dem Wege rationaler Erkenntnis werde die mystische Erfahrung angestrebt.33 Von daher lehnt er die neuscholastische Interpretation des ‚Proslogion‘ ebenso ab wie diejenige Barths, kommen beide doch in der Annahme überein, daß hier ein Beweis geführt werden soll.34 Um einen solchen gehe es Anselm aber nun gerade nicht.35 Mit einer solchen Deutung bezieht Stolz eine völlige Außenseiterposition, mit der er sich auch nicht hat durchsetzen können.36 Umgehender Widerspruch kam beispielsweise von einem brillanten Mediävisten wie Étienne Gilson (1884–1978), der darauf hinwies, daß das ‚Proslogion‘ weder eindeutig der Philosophie oder Theologie noch der Mystik zuzuordnen sei.37 Wenn Stolz in seiner im Jahr 1935 veröffentlichten Replik behauptete, die Schrift gehöre ihrem ganzen Charakter nach in die Reihe der Orationen und Meditationen, dann wirkt das doch arg konstruiert und ist ein Zeichen dafür, wie schmal seine argumentative Basis im Grunde war.38
30
Vgl. Anselm Stolz: Zur Theologie Anselms im Proslogion. In: Cath(M) 2 (1933), 1–24. Vgl. Stolz (1933), 1 f. 32 Stolz (1933), 2. 33 Vgl. Stolz (1933), 3, 8. Das ‚Proslogion‘ ist für Stolz (ebd., 4, 24) deshalb ein Exempel mystischer Theologie. Wenige Jahre später veröffentlichte der Benediktiner dann seine Theologie der Mystik. Regensburg: Pustet, 1936. 34 Vgl. Stolz (1933), 19–21. 35 Vgl. Stolz (1933), 24. Das betont Stolz in seinem Artikel ‚Vere esse‘ im Proslogion des hl. Anselm. In: Schol. 9 (1934), 400–409, hier: 408 f. 36 Vgl. Arthur C. McGill: Recent Discussions of Anselm’s Argument. In: Ders. / John Hick (Hrsg.): The Many-Faced Argument. Recent Studies on the Ontological Argument for the Existence of God. New York: Macmillan, 1967, 33–110; Elmar Salmann: Die AnselmInterpretation bei A. Stolz. In: Ders. (1988), 101–124. 37 Vgl. Étienne Gilson: Sens et nature de l’argument de saint Anselme. In: AHDL 9 (1934), 5–51. Laut eigener Aussage (ebd., 5) durch die Studien von Barth und Stolz angeregt, hatte sich der Franzose Anselm zugewandt. 38 Vgl. Anselm Stolz: Das Proslogion des hl. Anselm. In: RBen 47 (1935), 331–347, hier: 336, 346 f. 31
4.4 Ertrag
77
Stolz nahm ‚Fides quarens intellectum‘ also lediglich als Aufhänger für seine eigene Interpretation – Barth war ihm weniger ein Gesprächspartner als vielmehr Anregung. Vollends deutlich wird das an einer Einleitung, die er im Jahr 1937 einer Übersetzung ausgewählter Schriften Anselms voranstellte.39 In einem Abschnitt, in dem er auf die unterschiedlichen Interpretationen des ‚Proslogion‘ hinweist, erwähnt er Barths rein theologische Deutung zumindest, räumt ihr aber keine größere Relevanz ein.40 Für seine eigene mystische Anselm-Deutung, an der er ungeachtet aller Kritik festhielt, hatte er inzwischen andere Gewährsleute gefunden: „Das Proslogion ist also keine ‚Abhandlung‘ über Gottes Dasein und Wesenseinheit, es ist ein auf der augustinischen Lehre vom Bilde des Dreifaltigen in der Menschenseele mit Hilfe der Lehre des hl. Gregor von der Beschauung aufgebauter Versuch, in betender Erkenntnis zur Erfahrung des Dreieinigen voranzuschreiten.“41
4.4 Ertrag Als ‚Fides quaerens intellectum‘ Ende der fünfziger Jahre in zweiter Auflage erschien, schrieb Barth ein neues Vorwort. Zurückblickend meinte er – ohne freilich Namen zu nennen –, daß die von katholischer Seite an seiner Studie geübte Kritik „meist sachnäher, verständnisvoller und bedenkenswerter“ gewesen sei als die von protestantischer.42 Eine solche Einschätzung ist insofern verwunderlich, als ‚Fides quaerens intellectum‘ von katholischen Theologen zwar umgehend registriert, aber lediglich zum Anlaß genommen wurde, über die Schlüssigkeit von Anselms Denken zu reflektieren.43 Aus diesem Grund war das so schnell entfachte Interesse an Barths Studie alsbald wieder erloschen. 1939 etwa erschien eine Dissertation, in der die wenige Jahre zuvor erst begonnene Debatte über die rechte Anselm-Deutung bereits historisiert wird: Adolf Kolping (1909–1997), später Professor in Münster und Freiburg, entwickelt seine eigene Deutung entlang der bisherigen Versuche, das ‚Proslogion‘ entweder als 39 Vgl. Anselm Stolz: Einleitung. In: Ders.: Anselm von Canterbury. München: KöselPustet, 1937 (Gestalten des christlichen Abendlandes; 1), 7–43. 40 Vgl. Stolz (1937), 16. 41 Stolz (1937), 19. 42 Barth (1958), 10. 43 Bezeichnend dafür ist neben der Rezension von August Deneffe. In: Schol. 7 (1932), 608 der Beitrag von Maieul Cappuyns: L’argument de saint Anselme. In: RThAM 6 (1934), 313–330, hier: 313 f., wo jeweils nur kurz auf Barth (1931) eingegangen wird. Im Zentrum steht stattdessen die Frage, inwieweit das ontologische Argument wirklich schlüssig ist. Für Franciscus Salesius Schmitt hinwiederum tendiert Anselm zum Rationalismus. An dieser These, erstmals von Schmitt (1933), 221 formuliert, hat er zeitlebens festgehalten, etwa in seinem Lexikonartikel Anselm v. Canterbury. In: LThK 2 1 (1957), 592–594, hier: 593 und in seinem Beitrag Der ontologische Gottesbeweis und Anselm. In: AnAns 3 (1972), 81–94, hier: 93 f.
78
Kapitel 4: ‚Fides quaerens intellectum‘
philosophische oder aber als theologische Schrift zu lesen.44 Der von Barth und Stolz vertretenen Interpretation gegenüber ist er deshalb besonders skeptisch, weil sie ihm mehr dem negativen Affekt gegenüber einem philosophischen Gottesbeweis zu entspringen schien als einer sauberen historischen Analyse der Quellen.45 ‚Fides quaerens intellectum‘ wurde jedenfalls als Studie über Anselm gelesen. Welche Stellung ihr in Barths eigener theologischer Entwicklung zukam oder ob es sich um eine theologische Programmschrift handelte, spielte überhaupt keine Rolle.46 So könnte man tatsächlich zu dem Schluß gelangen, es habe „vor allem die Frage nach der historischen Triftigkeit von Barths Anselm-Deutung im Vordergrund gestanden.“47 Damit ist allerdings nur eine von insgesamt drei Dimensionen der katholischen Rezeption von ‚Fides quaerens intellectum‘ erfaßt. Neben der Angemessenheit von Barths Deutung stand nämlich zweitens zur Debatte, worum es im ‚Proslogion‘ überhaupt geht. Während es sich für Franciscus Salesius Schmitt und Rudolf Allers um einen rein philosophischen Traktat handelte, wollte Anselm Stolz in ihm einen Anweg intellektueller Mystik sehen. Hier deutet sich schon an, daß die Diskussion über die historische und hermeneutische noch eine dritte, sehr viel grundsätzlichere Dimension hatte. Betonten Schmitt und Allers ganz im Sinne der Neuscholastik die innere Hinordnung des ordo naturalis auf den ordo supernaturalis, unterstrich Stolz, daß es sich beim Glauben um mehr als ein fein ausbalanciertes System wahrer Aussagen handelt. Wenn beide Seiten nichts mit Barths Anselm-Deutung anfangen konnten, dann weil sie entweder zu ‚modern‘ war, insofern sie im Gegensatz zur neuscholastischen Theologie die Möglichkeit der theologia natura44 Vgl. Adolf Kolping: Anselms Proslogion-Beweis der Existenz Gottes. Im Zusammenhang seines spekulativen Programms Fides quaerens intellectum. Bonn: Hanstein, 1939 (GFTP 8), 1–9. Kolping möchte die Alternative von philosophischer oder theologischer Interpretation überwinden und einen dritten Weg einschlagen, indem er (ebd., 12, 22, 152 f.) ‚fides quaerens intellectum‘ als das Programm der spekulativen Erfassung des Glaubens bestimmt. Der Glaube verlangt nach Einsicht, und das ist etwas ganz anderes als die wissenschaftstheoretische Frage, wie das Verhältnis von Philosophie oder Theologie näher zu bestimmen ist. Deshalb spricht Kolping (ebd., 153) auch lediglich von ‚philosophischen Tendenzen‘ in Anselms Programm. Kolpings Studie war wiederum Anlaß für den Artikel von Karl Thieme: Fides quaerens Intellectum. In: DT 22 (1944), 452–459. Wiederabgedruckt in Ders.: Gott und die Geschichte. Zehn Aufsätze zu den Grundfragen der Theologie und der Historik. Freiburg: Herder, 1948, 49–65. Im wesentlichen im Frühjahr 1939 entstanden, sollte der Artikel eigentlich in Cath(M) 8 (1939) erscheinen, so KBA 9345.8 (Karl Otto Thieme an Karl Barth, Postkarte vom 11. 1. 1945). Doch wurde die Zeitschrift im gleichen Jahr kriegsbedingt eingestellt (vgl. Kap. 3.4). 45 Vgl. Kolping (1939), VI. 46 Lediglich Erich Przywara, Redakteur der ‚Stimmen der Zeit‘, streifte sie in seinem ansonsten etwas sperrigen Artikel Sein im Scheitern – Sein im Aufgang. In: StZ Bd. 123 (1932), 152–161, hier: 158 f. mit Bezug auf Barth (1931). 47 Dietrich Korsch: Intellectus fidei. Ontologischer Gottesbeweis und theologische Methode in Karl Barths Anselmbuch [1989]. In: Ders.: Dialektische Theologie nach Karl Barth. Tübingen: Mohr, 1996, 191–213, hier: 191.
4.4 Ertrag
79
lis bzw. der praeambula fidei verneinte, oder aber zu ‚konservativ‘, insofern sie innerhalb der fein säuberlichen Unterscheidung von Philosophie und Theologie, Natur und Gnade zu verharren schien anstatt diesen Denkrahmen endlich zu verlassen.
Kapitel 5
Ringen um den wahren Glauben: Katholische Theologen zu Gast bei Karl Barth 5.1 Einführung In einem Vortrag, den er im Juli 1927 vor der Münsteraner Hochschulgruppe der Zentrumspartei und damit vor angehenden katholischen Akademikern hielt, beklagte Barth die gegenwärtige Leidenschaftslosigkeit im Streit zwischen den Konfessionen: „Im 16. und 17. Jahrhundert haben sich Katholiken und Protestanten noch in die Augen gesehen, grimmig, aber in die Augen, und dann haben sie miteinander geredet, scharf und böse, aber wirklich miteinander geredet, während wir heute, des langen Haders, aber vielleicht doch auch des christlichen Ernstes in dieser Hinsicht müde, so ziemlich auf der ganzen Linie an einander vorbeisehen und vorbeireden, in einer unfruchtbaren, in einer des hohen Geheimnisses, um das es hüben und drüben auf alle Fälle geht, nicht würdigen Weise gegen oder vielmehr im Grunde teilnahmslos neben einander stehen.“1
Diesen ‚Mißstand‘ sollte Barth in den nächsten Jahren beheben, indem er selbst das Gespräch mit katholischen Theologen suchte. Das war überaus ungewöhnlich, sahen die allermeisten seiner Kollegen doch überhaupt keinen Grund, sich näher mit dem ‚römischen Aberglauben‘ auseinanderzusetzen – catholica non leguntur. Ganz ohne Hintergedanken war Barth allerdings auch nicht, und ebensowenig ging es ihm um die Förderung des ökumenischen Gedankens. Wenn er – wie in diesem Kapitel nachgezeichnet werden soll – Erich Przywara, Damasus Winzen und Robert Grosche in seine Seminarveranstaltungen einlud und mit ihnen diskutierte, dann weil ihm die zeitgenössische protestantische Theologie weder sonderlich interessant noch überhaupt relevant zu sein schien. Um ein genuin protestantisches Denken wiederzugewinnen, brauchte er jedoch einen starken Gegner, mit dem er sich messen konnte, und einen solchen erblickte er im Katholizismus. 2 Vollends sichtbar wird dies in den Prolegomena der ‚Kirchlichen Dogmatik‘, in denen der rechte evangelische Glaube in Abgrenzung von der ‚Häresie‘ des römischen Katholizismus einerseits und der des liberalen Neupro1
Karl Barth: Der Begriff der Kirche. In: ZZ 5 (1927), 365–378, hier: 365 f. Dazu Reinhard Hütter: Karl Barth’s ‚Dialectical Catholicity‘: Sic et Non. In: MoTh 16 (2000), 137–157; Alexander Maßmann: Ein ambivalentes Erbe. Karl Barth zwischen Neuprotestantismus und Katholizismus. In: EvTh 68 (2008), 144–149. 2
5.2 Um die wahre Kirche: Erich Przywara
81
testantismus andererseits entwickelt wird.3 Während dieser das moderne religiöse Subjekt in den Mittelpunkt rücke, statte jener die Kirche mit geradezu göttlicher Vollmacht aus. In beiden Fällen werde das eingeschränkt, was nicht eingeschränkt werden dürfe, nämlich Gottes Souveränität. Verglichen mit dem Neuprotestantismus schien Barth der Katholizismus dennoch das geringere Übel zu sein, weil dieser die Wirklichkeit des Göttlichen wenigstens nicht als menschliche Konstruktion betrachte. Um eine genuin protestantische Theologie wiederzugewinnen, setzte er sich darum auch primär mit diesem auseinander. Die Strategie, die er dabei wählte, kann als ‚dialektische Katholizität‘ bezeichnet werden, als Ja und zugleich Nein zum römischen Katholizismus.4 Indem er dem Realismus, den das Verständnis von Bibel, Gnade und Dogma seiner Ansicht nach hier prägt, die von den Reformatoren herausgestellte Souveränität Gottes entgegenhielt, gewann er ein Verständnis kritisch gebrochener, sich selbst als dezidiert evangelisch begreifender Orthodoxie. Das Gespräch, das Barth Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre mit Przywara, Winzen und Grosche führte, stellt deshalb ein wichtiges Kapitel in der Weiterentwicklung seines Denkens im Vorfeld der Prolegomena zur ‚Kirchlichen Dogmatik‘ dar. In der im Jahr 1927 erschienenen ‚Christlichen Dogmatik‘ spielt die kritische Auseinandersetzung mit dem Katholizismus nämlich noch keine sonderliche Rolle. Hier steht der Protest gegen den modernen Protestantismus und seine Theologie im Zentrum. Mit Bedauern stellte Barth in seinem Vorwort fest, daß es keine wirkliche Dogmatik mehr gebe, es sei denn, man denke an die entsprechende Arbeit, welche die römisch-katholische Theologie leiste.5
5.2 Um die wahre Kirche: Erich Przywara Erich Przywara hatte auf katholischer Seite zu den ersten gezählt, die sich mit der Dialektischen Theologie beschäftigten. Schon seit Anfang der zwanziger Jahre hatte er ihre Entwicklung aufmerksam verfolgt. 6 Bis er dem Verfasser des ‚Römerbriefes‘ persönlich begegnete, sollte es freilich bis zum Jahr 1929 dauern. Auf Einladung der Fachschaft der evangelisch-theologischen Fakultät in Mün3 Exemplarisch dafür ist KD I/1 (1932), 35–43 (§ 2.2 Die Möglichkeit dogmatischer Prolegomena). Barth bezeichnet (ebd., 33) den römischen Katholizismus und den ,pietistischrationalistischen Modernismus‘ als die beiden Häresien, mit der sich die wahre Kirche konfrontiert sehe. Zum Begriff des Neuprotestantismus und seiner Problematik vgl. Eilert Herms: ‚Neuprotestantismus‘. Stärken, Unklarheiten und Schwächen einer Figur geschichtlicher Selbstorientierung des evangelischen Christentums im 20. Jahrhundert. In: NZSTh 51 (2009), 309–339. 4 Vgl. Hütter (2000), 142. 5 Vgl. CD (1927), VIII. 6 Vgl. Kap. 1.4.
82
Kapitel 5: Ringen um den wahren Glauben
ster hielt der umtriebige Redakteur der ‚Stimmen der Zeit‘ am 5. Februar einen Vortrag, nahm an einer Sitzung von Barths Seminar teil und verbrachte zwei Abende mit ihm samt seiner Familie.7 Daß es dazu kam, ist nicht unwesentlich auf Barth zurückzuführen. Von der Idee der Hochschulgruppe der Zentrumspartei angetan, den Vertreter einer anderen Konfession um einen Vortrag zu bitten, wünschte eine Gruppe evangelischer Theologiestudenten den Vortrag eines Katholiken. Da niemand von der örtlichen katholisch-theologischen Fakultät gewonnen werden konnte, wurde der Name Przywaras ins Spiel gebracht. Zwar wurde auch Friedrich Muckermann (1883–1946) in Erwägung gezogen, der ebenfalls ein Jesuit war, doch schien Barth wenig von der Aussicht begeistert, sich mit dem Herausgeber der Zeitschrift ‚Der Gral‘ auseinandersetzen zu müssen. Jedenfalls wandte er sich an Przywara, setzte ihn über die Überlegungen der Fachschaft in Kenntnis und gab ihm zu verstehen, daß er seine Zusage doch sehr begrüßen würde. 8 Dem kam Przywara postwendend nach, vorbehaltlich der Zustimmung der katholisch-theologischen Fakultät.9 Nachdem diese ihr Einverständnis erklärt hatte, sagte er definitiv zu und schlug vor, über das ‚katholische Kirchenprinzip‘ zu sprechen.10 Genauso war dann auch sein Vortrag überschrieben, der noch im gleichen Jahr in der Zeitschrift ‚Zwischen den Zeiten‘ erschien.11 Erstaunlich ist die Schnelligkeit, mit der das Treffen arrangiert wurde, war doch in nicht einmal zwei Wochen alles geklärt. Es scheint, als hätten Przywara und Barth nur darauf gewartet, sich persönlich kennenzulernen. Tatsächlich eröffnete der Jesuit dem protestantischen Theologen noch kurz vor ihrem Zusammentreffen, er hätte in ihm schon immer den Gegner erblickt, mit dem zu ringen sich lohne.12 So verstand Przywara seinen Vortrag ausdrücklich als ‚Antwort‘ auf denjenigen Barths.13 Er selbst formuliert das so: 7 Die wichtigste Quelle über Przywaras Münsteraner Auftritt ist KBGA (1974), 649–656 (Karl Barth an Eduard Thurneysen, Brief vom 9. 2. 1929), hier: 651–654. Bislang unveröffentlichte Protokolle werden einbezogen in der Rekonstruktion von Amy Marga: Partners in the Gospel. Karl Barth and Roman Catholicism, 1922–1932. PhD diss., Princeton Theological Seminary, 2006, 194–241. 8 Vgl. KBA 9228.195 (Karl Barth an Erich Przywara, Brief vom 6. 11. 1928, Durchschlag). 9 Vgl. KBA 9328.484 (Erich Przywara an Karl Barth, Brief vom 9. 11. 1928). 10 Vgl. KBA 9328.498 (Erich Przywara an Karl Barth, Brief vom 18. 11. 1928). 11 Vgl. Erich Przywara: Das katholische Kirchenprinzip. In: ZZ 7 (1929), 277–302. 12 Vgl. KBA 9329.46 (Erich Przywara an Karl Barth, Brief vom 21. 1. 1929): „[. . .] ich habe das auch immer so empfunden, dass ich in Ihnen den Gegner habe, auch und gerade mit der Freude an der hierdurch unvernebelt klaren Situation. So sende ich Ihnen folgerichtig auch meinerseits den ‚huldigenden Degengruss‘. Andererseits werden Sie und ich gleicherweise das Wort ‚Gegner‘ in unserer Situation wie eine ‚subjektive Profanation‘ empfi nden. Es geht um res divina. Da gilt einerseits eine wahre ‚Unmenschlichkeit‘, andererseits aber die Demut von Mensch zu Mensch. Doch, mir scheint, damit sind wir schon mitten in der Kontroverse, da ich ‚einerseits – andererseits‘ gesagt habe.“ Diese Aussage ist deshalb von Interesse, weil sich Przywara wenige Monate zuvor mit Paul Tillich (1886–1965) getroffen hatte, dessen Denken er aber offenbar weniger substantiell empfand als das Barths. Zu dem Treffen vgl. Thomas F.
5.2 Um die wahre Kirche: Erich Przywara
83
„Karl Barths Frage an die katholische Theologie über das katholische Kirchenprinzip bezog sich auf Catech. Rom. I 10 q. 18 ‚fide solum intelligimus in Ecclesia claves regni coelorum esse‘. In diesem Satz sah er zugespitzt, was den ersten Teil seines Vortrags bildete: weitgehende Übereinstimmung zwischen katholischer und protestantischer Lehre über das Verhältnis zwischen Glauben als subjektiver Christlichkeit und der Kirche als dem objektiven Christentum. Vom selben Satze aus aber entwickelte er auch die protestantische Lehre als, wie er selbst sagt, ‚schroffe Antithese zu der römisch-katholischen Lehre‘. Über denselben Satz erfragt er von katholischer Theologie die katholische Deutung.“14 13
Nun ging es Barth aber keineswegs um das Verhältnis von Subjektivität und Objektivität, sondern die grundlegende methodische Verknüpfung von Ekklesiologie und Soteriologie als dem Kern des protestantischen Kirchenverständnisses. Zwar bezögen sich Katholiken wie Protestanten auf dieselbe Wirklichkeit, wenn sie über die Kirche redeten, nämlich die eine heilige, katholische und apostolische Kirche des gemeinsamen Glaubensbekenntnisses, doch werde diese höchst unterschiedlich verstanden.15 Barth führt den ‚Catechismus Romanus‘ an, nach dem im Glauben zu erkennen sei, daß die Kirche keine bloß menschliche Institution ist, sondern von Gott mit Vollmacht ausgestattet.16 Genau an dieser Stelle lokalisiert er den entscheidenden Gegensatz zwischen den Konfessionen. Gemäß protestantischem Verständnis erlange der Mensch das Heil aufgrund von Gottes freier Gnade, nicht durch eigene Werke. Die Kirche sei insofern der Ort, wo und das Mittel, mit dem das geschieht, weil sie das Wort Gottes verkündige, das den Glauben herausfordere und aufgrund dessen der Sünder begnadigt werde. Sie ist Mittel zum Zweck, weswegen sie auch nicht selbst über O’Meara: Paul Tillich and Erich Przywara at Davos. In: Gr. 87 (2006), 227–238. In der gleichen Woche, in der Przywara nach Münster kam, war auch Tillich zu Gast bei Barth. Allerdings schätzte Barth den damals in Dresden und Leipzig lehrenden Religionsphilosophen nicht sonderlich. Das zeigt KBGA (1974), 651. 13 Vgl. Przywara (1929), 277 mit Bezug auf Barth (1927). Insofern es Przywara weniger darum geht, eine Frage zu beantworten als vielmehr eine Entgegnung vorzulegen, ist die harsche Kritik von Karl Gerhard Steck überzogen. Er moniert in seinem Artikel Über das ekklesiologische Gespräch zwischen Karl Barth und Erich Przywara 1927/29. In: Ernst Wolf u. a.: Antwort. Zollikon / Zürich: Evangelischer Verlag, 1956 (FS Karl Barth), 249–265, daß der Jesuit überhaupt nicht auf Barth eingegangen sei. Im übrigen hatte Barth Przywara vorgeschlagen, den Vortrag als Entgegnung auf seinen eigenen anzulegen – so KBA 9228.195 (Karl Barth an Erich Przywara, Brief vom 6. 11. 1928, Durchschlag). 14 Przywara (1929), 277. 15 Vgl. Barth (1927), 366–372. 16 Vgl. Barth (1927), 371 f. mit Zitaten aus dem ‚Catechismus Romanus‘ I, 10: „Cum igitur hic articulus, non minus quam ceteri, intelligentiae nostrae facultatem et vires superet, jure optimo confitemur, nos ecclesiae ortum, munera et dignitatem non humana ratione cognoscere sed fidei oculis intueri. . . . Neque enim homines hujus ecclesiae auctores fuerunt sed Deus ipse immortalis. . . . Nec potestas quam accepit, humana est, sed divino munere tributa. Quare, quemadmodum naturae viribus comparari non potest, ita etiam fi de solum intelligimus in ecclesia claves caelorum esse eique potestatem peccata remittendi, excommunicandi, verumque Christi corpus consecrandi traditam.“
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Kapitel 5: Ringen um den wahren Glauben
ihre Eigenschaften verfügt. Allein Gott verfügt über die Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität seiner Kirche.17 Dem stellt Przywara das katholische Kirchenprinzip gegenüber.18 Für dieses ist die Bestimmung der Kirche als Leib Christi zentral.19 Die Kirche ist von daher die konkrete Gegenwart Gottes in der Welt, wofür er eine prägnante Formel findet: „Gott in Christo in der Kirche“. 20 Hierin sieht Przywara den zentralen Unterschied zum Protestantismus, der kein vermitteltes Verhältnis zwischen Gott und Mensch kenne. 21 Auf den ersten Blick könnte man meinen, der Jesuit vertrete einen geradezu unbedingten ekklesiologischen Realismus. So präsentiert er den Katholizismus als ein in sich geschlossenes und festgefügtes System, in dem alles seinen Platz hat, vom opus operatum über die notae ecclesiae und die Lehre von den guten Werken bis hin zum Antimodernisteneid. Ferner zitiert er Stelle um Stelle aus dem ‚Denzinger‘, jenem bis heute im Gebrauch befindlichen Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen.22 Um eine unkritische oder gar einfältige Sicht des Katholischen handelt es sich aber keineswegs. Mit der analogia entis liegt all dem nämlich ein zwischen Philosophie und Theologie oszillierendes Konzept zugrunde, das jeglichem Positivismus wehren soll. Was dieses genau meint, deutet Przywara in seinem Vortrag lediglich an. 23 Ausführlich hatte er dies in seiner zwei Jahre zuvor erschienenen ‚Religionsphilosophie katholischer Theologie‘ erläutert, der Barth im übrigen zwei Sitzungen seines Seminars gewidmet hatte, um sich mit seinen Studenten auf den Gast vorzubereiten. 24 Aufgrund der Spannung zwischen Dasein und Sosein ist der Mensch wesensmäßig offen auf Gott, der die Identität von beidem ist. Damit wird Gott aber nicht zur Funktion des menschlichen Strebens, weil sich die Andersheit Gottes je deutlicher zeige, desto mehr der Mensch seiner inne werde. Die analogia entis besage kurz Gott in-über Geschöpf von Gott her. 25 Genau diese Formel rückte Przywara in das Zentrum seines Münsteraner 17 Vgl. Barth (1927), 376–378, v. a.: 378. Barth legt den Akzent hier auf die Pneumatologie, so Paul Brazier: Barth and Rome. A Critical engagement with Catholic thinkers. In: DR 123 (2005), 137–152, hier: 147 f. 18 Zum folgenden vgl. Przywara (1929), 278–291. 19 Vgl. Przywara (1929), 279, 283, 285. 20 Przywara (1929), 283 u. ö. Das Sichtbare der Kirche bezeichnet Przywara (ebd., 283) als „die geschöpflich-sichtbare Gestalt Gottes“. 21 Zum folgenden vgl. Przywara (1929), 291–301. 22 Zu diesem vgl. Bernard Sesboüé: Le rôle du Denzinger du XIXe siècle à nos jours [1997]. In: Ders.: Le magistère à l’épreuve. Autorité, vérité et liberté dans l’Église. Paris: Desclée de Brouwer, 2001, 55–61. 23 Vgl. Przywara (1929), 289, 300 f. mit Bezug auf D 432. 24 Zum folgenden vgl. Erich Przywara: Religionsphilosophie katholischer Theologie. München / Berlin: Oldenbourg, 1927 (HPh 2), 22–25. Vgl. die Notiz in KBGA (1994), 355 Anm. 16. 25 Vgl. Przywara (1927), 67.
5.2 Um die wahre Kirche: Erich Przywara
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Aufenthaltes. Das berichtete Barth zumindest später in einem Brief an Eduard Thurneysen: „Erich Przywara S. J. hat einen zweistündigen Vortrag gehalten über die Kirche, der kunsthandwerklich betrachtet, einfach ein Leckerbissen, ein Meisterstück war, hat in meinem Seminar nochmals zwei Stunden brilliert in Beantwortung unserer sorgfältig vorbereiteten Fragen, hat mich endlich noch zwei Abende lang hier ‚überströmt‘, wie nach seiner Lehre der liebe Gott, wenigstens innerhalb der katholischen Kirche, die Menschen nur so überströmt mit Gnade, sodaß die Formel ‚Gott in-über Mensch von Gott her‘ das Stenogramm seiner Existenz und zugleich die Auflösung aller protestantischen und modernistischen, transzendentistischen und immanentistischen Dummheiten und Verkrampfungen im Frieden der analogia entis bedeutet.“26
Barth war sich allerdings höchst unschlüssig darüber, wie er den brillanten und zugleich schillernden Auftritt des Jesuiten einordnen sollte. So fragte er wohl nicht nur Thurneysen, was ihm da eigentlich begegnet sei, ob nun ein Engel des Antichrist oder aber ein Bote Gottes.27 Kaum weniger unsicher äußerte er sich dem inzwischen nach München zurückgekehrten Przywara gegenüber, wie ein von Ende Februar datierter Brief belegt: „Ich bleibe schon bei meinem Eindruck, dass Sie unbedingt auf den Stuhl Petri gehörten. Sie verstehen schon, dass das in meinem Munde nicht nur ein Kompliment ist, sondern auch bedeutet, dass ich in Ihrer Lehre den alt bösen Feind auf dem Plane sehe. Aber da das nur ein eschatologischer Aspekt sein kann, wird es nicht hindern sondern fordern, dass wir, wie Sie zuletzt unter der Haustüre sagten, die so glücklich gewonnene Fühlung weiter pflegen.“28
Nachweisbar ist wohl, daß Barth nach Przywaras Auftritt zunehmend kritischer diesem gegenüber wurde. Er begann sich mit dem Realismus auseinanderzusetzen, den er in dessen Denken meinte entdecken zu können. Das ‚von Gott her‘ in der Formel der analogia entis schien ihm nicht auszureichen, um einem Griff des Menschen nach Gott zu wehren. 29 Bemerkenswerterweise schien Przywara selbst dieser möglichen Gefahr gewahr zu sein. Angeregt durch das Treffen mit Barth begann er laut eigener Aussage damit, die theologischen Aspekte der analogia entis verstärkt herauszuarbeiten.30 Zusätzlicher Anstoß dürfte ein zweiter Auftritt in Barths Seminar gewesen sein, das sich im Winterseme26
KBGA (1974), 651 f. Vgl. KBGA (1974), 654. 28 KBA 9229.67 (Karl Barth an Erich Przywara, Brief vom 27. 2. 1929, Durchschlag). 29 Vgl. Bruce McCormack: Karl Barth’s Critically Realistic Dialectical Theology. Its Genesis and Development 1909–1936. Oxford: Clarendon Press, 1995, 384–391 / Ders.: Theologische Dialektik und kritischer Realismus. Entstehung und Entwicklung von Karl Barths Theologie 1909–1936. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 2006, 325–330. In seinem Gefolge Marga (2006), 242–282 und Keith L. Johnson: Analogia entis. A Reconsideration of the Debate Between Karl Barth and Roman Catholicism, 1914–1964. PhD diss., Princeton Theological Seminary, 2008. 30 Vgl. Erich Przywara: Analogia Entis. Metaphysik. Bd. 1. München: Kösel / Pustet, 1932, VI. 27
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ster 1931/1932 dem ‚Problem der natürlichen Theologie‘ widmete.31 Am 7. 12. 1931 stand Przywara in Bonn Rede und Antwort über die Dogmatische Konstitution Dei Filius, in der das Vatikanische Konzil den katholischen Glauben darlegt.32 In seinem wenige Monate später publizierten Hauptwerk ‚Analogia entis‘ ging er nicht nur ausführlich auf diese Konstitution ein, sondern modifizierte überdies seine Formel ‚Gott in-über Geschöpf‘ in ‚Gott über-in Geschöpf‘, um die Distanz zwischen Gott und Mensch in ihrer Beziehung noch deutlicher herauszustellen.33 Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Barth keinerlei Kenntnis von diesen Akzentverschiebungen, scheint er ‚Analogia entis‘ doch nicht gelesen zu haben.34 In den Prolegomena zur ‚Kirchlichen Dogmatik‘ wird die analogia entis dann als Chiffre für die der Offenbarung widerstreitende natürliche Theologie fungieren.35 Daß sich Przywara inzwischen auf ihn zubewegt hatte, registrierte Barth nicht, und darum hat seine Polemik etwas Unglückliches.
5.3 Die Notwendigkeit sakramentaler Vermittlung: Damasus Winzen Ein gutes halbes Jahr vor Przywara war ein anderer Katholik in Barths Seminar zu Gast gewesen: Im Juni 1931 hatte der Benediktiner Damasus Winzen (1901– 1971) über die Sakramentenlehre referiert. Begegnet waren sich die beiden in der Abtei Maria Laach, die Barth wiederholt von Bonn aus besuchte. Maria Laach stand damals in hoher Blüte, dem Konvent gehörten mehrere hundert Mönche an, das Kloster beherbergte das philosophische Studienhaus der Beuroner Benediktinerkongregation. Bei einer seiner Visiten traf Barth auch Damasus Winzen, einen ausgewiesenen Kenner der Werke von Thomas von Aquin.36 Obwohl der reformierte Professor für Theologie und der katholische Philosophiedozent inhaltlich meilenweit voneinander entfernt waren, entstand zwischen beiden ein wenn nicht freundschaftliches, so doch überaus herzliches Verhältnis. Aber vielleicht war es gerade Winzens dezidiert katholische Position, die Barth so schätzte. Zumindest lud er ihn ein, im Rahmen seines Seminars im Sommersemester 1931 einen Vortrag zu halten; laut eigener Aussage, um etwas Authentisches über die katholische Sakramentenlehre in Erfahrung zu bringen. 37 Dieser 31 Vgl. Johann Friedrich Gerhard Goeters: Karl Barth in Bonn 1930–1935. In: EvTh 47 (1987), 137–150, hier: 145–150, hier: 142. 32 Vgl. Caren Algner. In: KBGA (2000), 191 Anm. 2 mit Bezug auf DH 3000–3045. 33 Vgl. Przywara (1932), 58–60, 153 f. bzw. 42 mit Anm. 2. 34 Vgl. Kap. 6.7. 35 Vgl. Kap. 6.1. 36 Vgl. die Notiz bei Eberhard Busch: Karl Barths Lebenslauf. Nach seinen Briefen und autobiographischen Texten. München: Kaiser, 1975, 228. Wann sich die beiden genau kennenlernten, wäre noch zu klären. 37 Vgl. KBGA (2000), 140–146 (Karl Barth an Eduard Thurneysen, Brief vom 29. 5. 1931), hier: 144.
5.3 Die Notwendigkeit sakramentaler Vermittlung: Damasus Winzen
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Vortrag erschien im Folgejahr in der soeben begründeten und von Robert Grosche herausgegebenen Zeitschrift ‚Catholica‘.38 Wie Winzen eingangs erklärt, wolle er aus dem Gegensatz zur Dialektischen Theologie den tiefen Sinn der kirchlichen Sakramentenlehre und ihre innere Berechtigung aufzeigen.39 Barths Denken ist folglich die Kontrastfolie, vor deren Hintergrund die katholische Position, die in Anschluß an die ‚Summa theologiae‘ rekonstruiert wird, umso heller erstrahlt – eben ihr tiefer Sinn und ihre innere Berechtigung. Dabei geht es Winzen gleichwohl nicht um billige konfessionalistische Polemik. Er wirft vielmehr die Frage auf, ob die Dialektische Theologie die Zueignung des von Christus gewirkten Heils an den Einzelnen schlüssig erklären könne. Das scheint ihm nicht der Fall zu sein, weshalb er mit einem hymnischen Lob auf die katholische Kirche endet. 40 Der entscheidende Fehler der Dialektischen Theologie bestehe darin, Christus lediglich als den Ort des Heils zu betrachten, insofern Gott und Mensch in ihm miteinander versöhnt seien. Deswegen könne das Sakrament bloß ein äußeres Zeichen sein, das Christus als das eigentliche Heil bezeugt und verheißt.41 Im Gegensatz dazu verstehe die katholische Theologie die Erlösung im Sinne der Wirkursächlichkeit.42 Das Subjekt des Heils ist nicht bloß der Logos, sondern Jesus Christus, ganz Gott und ganz Mensch. Deshalb werde das von ihm ein für alle mal gewirkte Heil dem Einzelnen auf sakramentale Weise zugeeignet. Genauso wie die menschliche Natur Christi das Instrument des Heils war (als instrumentum conjunctum divinitatis), sind es jetzt die Sakramente (als instrumenta separata). Von daher handle es sich bei ihnen um äußere, sichtbare Handlungen, die das enthalten, was sie bezeichnen (ex opere operato).43 Wie Winzen unterstreicht, habe das aber nichts mit Magie zu tun, weil die Fruchtbarkeit des Sakraments von der persönlichen Disposition des Empfängers abhänge.44 Das Thema, das hier angesprochen wird, ist kontroverstheologisch bis in die Gegenwart relevant. Während der Katholizismus dazu neigt, die Eucharistie als Erneuerung des Opfers Christi zu verstehen, wird im Protestantismus strikt
38 Vgl. Damasus Winzen: Die Sakramentenlehre der Kirche in ihrem Verhältnis zur dialektischen Theologie. In: Cath(M) 1 (1932), 19–36. Zu , Catholica‘ vgl. Kap. 3.4. 39 Vgl. Winzen (1932), 19. 40 Vgl. Winzen (1932), 36. Der Gedanke, daß die Dialektische Theologie die Heilszueignung nur unzureichend erklären könne, findet sich auch in Winzens Kommentaren zur Sakramentenlehre der ‚Summa theologiae‘, und zwar in den Anmerkungen. In: DThA 29 (1935), 377–473, hier: 388 mit Bezug auf KD I/1 (1932), 71 sowie in den Anmerkungen. In: DThA 30 (1938), 383–469, hier: 410. 41 Vgl. Winzen (1932), 27 f., 34 f. jeweils mit Bezug auf Karl Barth: Die Lehre von den Sakramenten. In: ZZ 7 (1929), 427–460. 42 Vgl. Winzen (1932), 24 f. u. ö. 43 Vgl. Winzen (1932), 26 f. 44 Vgl. Winzen (1932), 32–34.
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zwischen sacrificium und sacramentum unterschieden. 45 Das kann durchaus auf divergierende christologische Grundüberzeugungen zurückgeführt werden.46 Auch Winzen tut das, indem er bei Barth – um eine später geprägte Begrifflichkeit zu verwenden – eine Einigungschristologie ausmacht, in welcher Jesus Christus der Ort der Versöhnung ist. Im Gegensatz dazu liege dem Katholizismus eine Trennungschristologie zugrunde, die aufgrund der funktionalen Unterscheidung der zwei Naturen Christus als das Mittel der Erlösung ansieht. Da sich nach Überzeugung des Benediktiners nur so die Heilszueignung konsistent erklären läßt, lehnt er die Dialektische Theologie rundweg ab: „Wir sehen nicht, wie wir dort durch die Gemeinschaft des Leidens und Blutes Christi dem Tod entrissen und für das ewige Leben wiedergeboren und genährt werden. Wir lieben deshalb gerade auf diesem Hintergrunde neu unsere hl. Kirche als Hüterin und Spenderin der Sakramente“.47
Obwohl Winzen einen scharfen Ton anschlug, faßte Barth seine Ausführungen keineswegs als Affront auf. In der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ nahm er ausdrücklich auf sie Bezug und empfahl der protestantischen Polemik, das katholische Sakramentenverständnis nicht einfachhin als magisch zu bezeichnen.48 Außerdem traf er sich mit dem Benediktiner weiterhin zu teils persönlichen, teils theologischen Gesprächen. 49 Wenn sich ihr Verhältnis in den nächsten Jahren dennoch eintrübte, dann aufgrund von divergierenden kirchenpolitischen Auffassungen. Während Barth zunehmend auf Konfrontationskurs zum NS-Regime ging, versuchte Winzen eine Brücke zu den neuen Machthabern zu schlagen.50 Im Jahr 1933 etwa veröffentlichte er einen Artikel über eine ‚Theologie des Reiches‘.51 Da er wohl schon mit Barths Groll rechnete, bat er ihn sogleich um eine Aussprache.52 Als Winzen im Jahr 1936 schließlich zur klaren Erkenntnis der Unvereinbarkeit von Katholizismus und Nationalsozialismus gekom45 Vgl. Walter Sparn: ‚Eph’hapax. . .‘. Historische und systematische Aspekte des christlichen Opferbegriffs. In: NZSTh 50 (2008), 216–237, hier: 222–225, 233 f. 46 Vgl. Lee Palmer Wandel: The Eucharist in the Reformation. Incarnation and Liturgy. New York: Cambridge University Press, 2006, 260 f. 47 Winzen (1932), 36. 48 Vgl. KD I/1 (1932), 70 mit Bezug auf Winzen (1932), 19 f. 49 Vgl. etwa Karl Barth: Briefe des Jahres 1933. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 2004, 63 f. (Karl Barth an Damasus Winzen, Brief vom 16. 2. 1933), hier: 63: „Sehr schön wäre es, wenn Sie zum Abendbrot bei uns sein könnten, und noch schöner, wenn Sie nachher auch an unserer Sozietät teilnehmen könnten. Es geht zwar um ein Stück aus Luthers Großem Katechismus, aber warum sollten wir dazu nicht gerne Ihren Rat und Ihre Meinung entgegennehmen?“ 50 Zum folgenden vgl. Marcel Albert: Die Benediktinerabtei Maria Laach und der Nationalsozialismus. Paderborn u. a.: Schöningh, 2004 (VKZG.F 95), 44–56, 149–151; Jörg Ernesti: Ökumene im Dritten Reich. Paderborn: Bonifatius, 2007 (KKTS 77), 55 f., 175. 51 Vgl. Damasus Winzen: Gedanken zu einer ‚Theologie des Reiches‘. In: Cath(M) 2 (1933), 97–116. 52 Vgl. KBA 9333.541 (Damasus Winzen an Karl Barth, Brief vom 24. 7. 1933).
5.4 Die Funktion der Mariologie: Robert Grosche
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men war, hatte Barth das Land bereits verlassen müssen. Der Kontakt zwischen beiden verlor sich zudem, weil Winzen bald darauf in die USA geschickt wurde, um für den Fall der Auflösung Maria Laachs die Möglichkeit einer Neugründung auszuloten. Nicht viel anders als Winzen ließ sich auch Robert Grosche zunächst vom Nationalsozialismus beeindrucken. In der von ihm herausgegebenen Zeitschrift ‚Catholica‘ erschienen im Jahr 1933 gleich mehrere Artikel, die aus heutiger Sicht zumindest bedenklich sind, darunter auch derjenige des Benediktiners.53 Das hielt Barth freilich nicht davon ab, mit Grosche weiterhin Umgang zu pflegen. Dafür kannten sie sich schon zu lange. Beispielsweise hatte Grosche im Februar 1932 in Barths Seminar zu einem kontroverstheologischen Thema referiert.
5.4 Die Funktion der Mariologie: Robert Grosche Anlaß von Grosches Vortrag ist der in der ‚Christlichen Dogmatik‘ erhobene Vorwurf, die Mariologie habe sich innerhalb des Katholizismus verselbständigt. Sie sei nicht nur eine überflüssige und künstliche, sondern zudem eine verderbliche Spielerei, die durch nichts gerechtfertigt werden könne, und außerdem habe der Wallfahrtsbetrieb in Kevelaer und Einsiedeln nichts mit dem Wort Gottes zu tun.54 Demgegenüber will Grosche das Recht und den Sinn eines eigenständigen mariologischen Traktates aufzeigen. Die Mariologie sei eben keine Wucherung, wie Barth meine.55 Innerhalb der Dogmatik habe sie vielmehr eine ganz bestimmte Funktion, und zwar die Lehre von den zwei Naturen Christi zu bekräftigen.56 Darüber hinaus unterstreiche sie sowohl die Notwendigkeit als auch die Möglichkeit der Erlösung. Das leiste besonders das Dogma der unbefleckten Empfängnis, indem es die grundsätzliche Verderbtheit des Menschen unterstreiche, aber ebenso belege, daß eine Befreiung von der Sünde tatsächlich möglich ist.57 Auf den zentralen Kritikpunkt, den Barth gegenüber dem Katholizismus äußert, geht Grosche allerdings gar nicht ein, nämlich ob eine eigenständige Behandlung der Mariologie nicht unweigerlich dazu führt, daß sie mehr Aufmerk53
Vgl. Ernesti (2007), 174–177. Vgl. CD (1927), 265. Mit dieser Polemik fügt sich Barth übrigens gut in die neuzeitliche protestantische Mariologiekritik ein. Einen Überblick dazu bietet Achim Dittrich: Protestantische Marienrede von Martin Luther bis Karl Barth. In: EphMar 57 (2007), 251–281, hier: 261–271. 55 Vgl. Robert Grosche: Fünf Thesen zur Mariologie. In: Cath(M) 2 (1933), 25–42, hier: 25 Anm. 3 mit Bezug auf CD (1927), 265. 56 Vgl. Grosche (1933), 26, 42. 57 Vgl. Grosche (1933), 42. 54
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samkeit erhält als eigentlich nötig. In der ‚Christlichen Dogmatik‘ etwa handelt Barth sie im Zusammenhang mit der Inkarnation ab.58 So ist es auch keine Überraschung, daß ihn Grosches Ausführungen nicht überzeugten. Dies geht aus einem Brief hervor, in dem er außerdem anmerkt, Grosche sei im Vergleich zu Winzen und Przywara doch eher schwach gewesen. 59 Überhaupt war Barth skeptisch gegenüber dem Bild, das Grosche ihm vom Katholizismus zeichnete. Ende 1937 schrieb er ihm: „Lieber Herr Pfarrer, was ist denn da los? Lese ich im Denzinger und in den andern mehr oder weniger guten Büchern[,] aus denen ich mich zu unterrichten pflege, einen Katholizismus, den es, wenn Sie ein guter römischer Theologe sind, gar nicht giebt [sic!]? Oder sind Sie zwar – das steht fest – ein sehr guter, nur leider kein sehr guter römischer Theologe? Ob uns das erst im Himmel oder irgendeinmal schon auf Erden klar werden wird?“60
In dem kurz darauf erschienenen zweiten Teilband der Prolegomena zur ‚Kirchlichen Dogmatik‘ erklärte Barth dann unter ausdrücklichem Bezug auf Grosche, daß die Mariologie eine Wucherung und damit eine krankhafte Form des theologischen Denkens ist, und Wucherungen müßten nun einmal abgeschnitten werden. 61 Dieser geradezu verletzende Tonfall wird verständlich vor dem Hintergrund seiner Polemik gegen das, was er als die analogia entis meinte identifizieren zu können. 62 Erich Przywara, auf den der Begriff zurückgeht, hatte ihm während seines Besuches im Jahr 1929 erklärt, Maria sei im Grunde ein Synonym für die analogia entis. 63 Das dürfte Barths ohnehin schon vorhandene Aversion gegenüber der Mariologie noch verstärkt haben. In der Versöhnungslehre der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ wird er die Mariendogmen von 1854 und 1950 dann für überflüssig erklären, insofern niemand anderer als Jesus Christus der von Gott erhöhte Mensch ist. 64 Im Verständnis Barths ist eine eigenständige Mariologie unnötig, weil sie nicht mehr leistet als die Christologie.
58
Vgl. CD (1927), 254–284 (§ 16. Die Geburt des Herrn). Vgl. KBA 9232.89 (Karl Barth an Jakob Fehr, Brief vom 5. 3. 1932, Durchschlag), wo es etwa heißt: „Der Vortrag von Dr. Grosche wird in der Catholica erscheinen, aber ich fürchte eigentlich, er müsste zuvor wesentlich verstärkt werden, um als kontrovers-theologische Darlegung, was er doch sein soll, den nötigen Eindruck zu machen.“ 60 KBA 9237.214 (Karl Barth an Robert Grosche, Brief vom 29. 12. 1937, Durchschlag). 61 Vgl. KD I/2 (1938), 153. 62 Vgl. KD I/2 (1938), 153–160 mit Bezug auf Przywara (1927) und Grosche (1933). 63 Vgl. KBGA (1974), 653. 64 Vgl. KD IV/2 (1955), VI–VII. Übrigens hätte Barth fast selbst an der Dogmatisierung der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel teilgenommen. Einzig die kurzfristige Absage Hans Urs von Balthasars verhinderte dies, so Manfred Lochbrunner: Karl Barth und Hans Urs von Balthasar. In: Ders.: Hans Urs von Balthasar und seine Theologenkollegen. Sechs Beziehungsgeschichten. Würzburg: Echter, 2009, 259–403, hier: 321–323. 59
5.5 Ertrag
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5.5 Ertrag Vergleicht man die ‚Christliche Dogmatik‘ mit dem ersten Band der ‚Kirchlichen Dogmatik‘, so zeigen sich nur wenig Unterschiede. Mit guten Gründen ist deshalb herausgestellt worden, daß zwischen ihnen grundsätzliche Kontinuität besteht. 65 Worin sich die beiden Entwürfe dogmatischer Prolegomena dennoch signifikant voneinander unterscheiden, ist die Bedeutung, die jeweils dem Katholizismus zukommt. Wird dieser in der ‚Christlichen Dogmatik‘ an nur wenigen Stellen überhaupt erwähnt, ist der Bezug auf ihn in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ nicht bloß durchgehend, sondern stellt auch ein konstitutives Element dar: Barth entwickelt sein eigenes Denken, das er als genuin protestantisch versteht, in kritischer Absetzung von der römischen ‚Häresie‘. Sein Bild des Katholizismus gerät damit notwendigerweise ein wenig holzschnittartig. Es wäre schlichtweg nicht zweckdienlich, umständliche Differenzierung vorzunehmen. Zentrales Kennzeichen des Katholizismus ist nach Barth die Annahme einer ungebrochenen Kontinuität von Gott und Mensch. Die Chiffre dafür ist die analogia entis, d. h. die naturhafte Beziehung des Menschen zu Gott, welche Glaube und Offenbarung unstatthafterweise relativiere. 66 Ein weiteres Kennzeichen ist das ungebrochene Verständnis des Dogmas. Das Dogma werde als eine von der Kirche definierte Offenbarungswahrheit aufgefaßt, während es in Wirklichkeit doch die Übereinstimmung der kirchlichen Verkündigung mit der in der Heiligen Schrift bezeugten Offenbarung sei. 67 Beleg dafür sind Barth die damals weitverbreiteten, einen eher positiven Ansatz vertretenden Lehrbücher von Bernhard Bartmann (1860–1938) und Franz Diekamp (1864–1943). 68 Mit all dem zeichnete Barth aber nicht bloß eine Karikatur, die innerhalb eines theoretischen Modells eine bestimmte Funktion erfüllt. Er scheint wirklich angenommen zu haben, daß der Katholizismus durch ein ungebrochenes Verhältnis von Gott und Mensch sowie eine ungebrochene Auffassung des Dogmas gekennzeichnet ist. Im Hintergrund stehen mit ziemlicher Sicherheit die für ihn offensichtlich sehr eindrücklichen Begegnungen mit Erich Przywara, der die analogia entis zur Grundform des Katholizismus erklärt hatte und durch den extensiven Gebrauch des ‚Denzinger‘ den Eindruck erweckte, der Katholizismus biete ein in sich geschlossenes, aller Zeitlichkeit enthobenes dogmatisches System. Noch im Jahr 1951 mußte Hans Urs von Balthasar klarstellen, daß Przywara keinesfalls der Exponent der katholischen Theologie ist. 69 Allerdings 65
Vgl. McCormack (1995), 441–448 / (2006), 368–373. Vgl. KD I/1 (1932), 40; KD II/1 (1940), 657 f.; KD II/2 (1942), 588 f. 67 Vgl. KD I/1 (1932), 280–291, v. a.: 280 f. 68 In der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ insgesamt, also nicht bloß in deren Prolegomena, stützt sich Barth auf Bernhard Bartmann: Lehrbuch der Dogmatik. 2 Bde. Freiburg u. a.: Herder, 7 1928 (ThBib) und Franz Diekamp: Katholische Dogmatik nach den Grundsätzen des heiligen Thomas. 3 Bde. Münster: Aschendorff, 61930. 69 Vgl. Hans Urs von Balthasar: Karl Barth. Darstellung und Deutung seiner Theologie. 66
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wäre zu fragen, ob Barth nicht einem Mißverständnis erlag, denn weder ist die analogia entis nach Auffassung Przywaras ein philosophisches Prinzip fern der Offenbarung noch ist sein Autoritätsverständnis so simpel, wie es auf den ersten Blick wirken mag. Das ist ja gerade das Merkwürdige bei dem Jesuiten: Scheint er in formaler Hinsicht der Neuscholastiker schlechthin zu sein, insofern er die damals gängigen lateinischen Termini verwendet und seine Gedankengänge penibel mit Belegen aus der dogmatischen Tradition garniert, ist er in inhaltlicher Hinsicht ein völlig unkonventioneller Denker, der in dem Bewußtsein ein System konstruiert, daß es ein solches gar nicht geben kann.70 Offenbar hat Barth die darin zum Ausdruck kommende fundamentale Gebrochenheit von Przywaras Denken nicht bemerkt. 71 Auf einer tieferen Ebene wußte er sich dem Jesuiten vielleicht trotzdem eng verbunden. Zumindest schrieb Barth einmal: „Allein es ist merkwürdig, aber es ist so: die sich von Kirche zu Kirche nicht verstehen, das sind nicht die theologisch Interessierten und Bewegten, sondern gerade die theologischen Müßiggänger, Amateure, Eklektiker und Historiker hüben und drüben, während gerade zwischen denen, die sich ein ordentliches, folgerichtig entwickeltes, notwendiges Sic et Non gegenüberzustellen haben, bei allem Widerspruch eine geheime Begegnung und Gemeinschaft in der Sache stattzufi nden pflegt, um die sie sich von so verschiedener Seite und in so schmerzlich verschiedener Weise bemühen. Diese Sache könnte aber Jesus Christus und damit die Einheit der Kirche sein.“72
Köln: Hegner, 1951, 44 f., 48. Dazu Kap. 10.2. Bereits im Jahr 1929 wollten die Mitglieder des Münsteraner Kreises, auf den in Kap. 3 näher eingegangen wird, dem Eindruck wehren, daß Przywara die katholische Lehre vertrete, was Barth verwunderte – so KBA 9229.67 (Karl Barth an Erich Przywara, Brief vom 27. 2. 1929, Durchschlag). 70 Vgl. Thomas F. O’Meara: Erich Przywara, S. J. His Theology and His World. Notre Dame, IN: University of Notre Dame Press, 2002. 71 Beispielsweise schrieb er im Jahr 1934 an Damasus Winzen, von dem er sich merkwürdigerweise über das katholische Sakramentenverständnis hatte belehren lassen: „Pater Anselm Stolz in Rom hat mir einen interessanten Artikel über das Dogma geschickt. Sie werden ihn kennen. Wenn ich ihn recht verstehe, so müsste nicht nur Przywara aufhören[,] so unverwüstlich mit dem Denzinger in der Faust seine Schlachten zu schlagen, sondern es müssen dann auch die Dogmatiken etwa von Bartmann und Diekamp ein wenig anders u.zw. weniger langweilig sein als sie es jetzt sind. Ich weiss nur nicht, ob nicht die Denzinger-Theologie trotz Allem und Allem auf einem folgerichtigeren Verständnis des spezifisch Römischen im Katholizismus beruht. Auch darüber würde ich sie gerne reden hören.“ So KBA 9234.228 (Karl Barth an Damasus Winzen, Brief vom 3. 7. 1934, Durchschlag). Bei dem erwähnten Artikel handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Anselm Stolz: Neue Dogmen? In: BenM 16 (1934), 187–201. Zu Stolz vgl. Kap. 4.3. 72 Karl Barth: Die Kirche und die Kirchen. München: Kaiser, 1935 (TEH 27), 23 f.
Kapitel 6
Die Erfindung des Antichrist? Katholische Reaktionen auf Barths Verteufelung der analogia entis 6.1 Einführung Anfang Juli 1968 erhielt Barth Besuch von einer Gruppe von Studenten der Kirchlichen Hochschule Wuppertal. Angesprochen auf das Vorwort zum ersten Teilband der ‚Kirchlichen Dogmatik‘, wo er unmißverständlich erklärt hatte, er halte die analogia entis für die Erfindung des Antichrist schlechthin und denke, daß man ihretwegen nicht katholisch werden könne, antwortete er: „Das war so eine Pointe, gelt. Ich habe das niedergeschrieben auf dem Monte Pincio in Rom selber, habe da im Morgenglanz zwischen 5 und 6 Uhr am Morgen den Petersdom gesehen, und dann ist mir das so in die Feder gerutscht: aha! Das ist die analogia entis, da drüben!, und das sollen die in Deutschland nur hören! Es war mehr so ein bißchen literatenhaft, wie ich das so hingeschrieben habe. Und als ich dann hörte, wie das ein tausendfältiges Echo erweckte in der theologischen Welt und alle sich nun den Kopf zerbrochen haben: analogia entis, analogia fidei . . . usf., habe ich gesagt: na ja, schwatzt ihr weiter über das Zeug! So habe ich’s nicht gemeint! [. . .] Natürlich haben wir ganz anderes zu tun gehabt, als gegen den Katholizismus zu kämpfen.“1
Zwar täuschte sich Barth in diesem Fall in seiner Erinnerung, weil er das besagte Vorwort auf dem Bergli bei Oberrieden im Kanton Zürich und nicht im fernen Rom niedergeschrieben hatte.2 Doch versuchte er es aus gutem Grund herunterzuspielen: Bereits Ende der sechziger Jahre waren dutzende Artikel, ja sogar Monographien und ganze Dissertationen erschienen, in denen seine Verteufelung der analogia entis zum Thema gemacht wurde.3 Das Vorwort zum 1 KBGA (1997), 472–521 (Gespräch mit Wuppertaler Studenten am 1. 7. 1968), hier: 484 f. mit Bezug auf KD I/1 (1932), VIII. Vergleichbar ließ sich Barth in einem anderen, vier Jahre zuvor geführten Interview verlauten. Dieses ist dokumentiert ebd., 10–20 (Interview von Dietmar Schmidt vom 18. 2. 1964), hier: 16 f. 2 Vgl. Eberhard Busch. In: KBGA (1997), 484 Anm. 48. Wohl entstanden Teile der Schrift Nein! Antwort an Emil Brunner. München: Kaiser, 1934 (TEH 14) in Rom, nämlich ebd., 32–45. Seitdem Martin Luther erklärt hatte, daß der Widersacher auf dem Papstthron sitze, hat der Terminus ‚Antichrist‘ in der protestantischen Polemik reichlich Verwendung gefunden. Dazu Gottfried Seebaß: Antichrist. IV. Reformations- und Neuzeit. In: TRE 3 (1978), 28–43. 3 Es mag genügen, nur einige wenige Beispiele anzuführen, nämlich Johannes Jacobus Louët Feisser: De strijd tegen de analogia entis in de theologie van Karl Barth. Amsterdam: Uitgeverij H. J. Paris, 1948; Battista Mondin: The Principle of Analogy in Protestant and
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ersten Teilband der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ hatte in der Weise lektürelenkend gewirkt, daß der eigentliche Haupttext von ihm her interpretiert wurde. 4 Das ist jedoch keineswegs zwingend. Liest man das eine wie das andere für sich, ergibt sich eine ganz andere Perspektive. Es zeigt sich nämlich, daß die Polemik gegen die analogia entis im Vorwort eine andere Funktion hat als die inhaltliche Auseinandersetzung mit ihr, wie sie sich im eigentlichen Haupttext findet. Geht es hier um ein in der katholischen Theologie vorgeblich verwendetes metaphysisches Konzept, das wahre Aussagen über Gott auch unabhängig von der Offenbarung möglich macht, handelt es sich dort lediglich um ein griffiges Schlagwort, das der Abgrenzung gegen den Katholizismus dient. Die Forschung ist bisher jedoch einem anderen Weg gefolgt. Im Zentrum stand die Frage, ob und inwieweit Barth das Konzept der analogia entis wirklich richtig verstanden hat.5 Damit wurde seine spätere Retraktation: so habe er es nun nicht gemeint, aber nicht eingeholt. Die analogia entis stellt in der Tat nicht eine konfessionelle Unterscheidungslehre dar, sie ist kein punctum stantis et cadentis ecclesiae. Wenn Barth die analogia entis als die Grundform des Katholischen ausmachte, ist das zweifelsohne auf seine Bekanntschaft mit Erich Przywara zurückzuführen. In den Lehrbüchern, die er in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ ansonsten heranzog, um Aufschluß über die Position der katholischen Theologie zu gewinnen, findet sich der fragliche Terminus nämlich gar nicht. 6 Außerdem ist in anderen Publikationen dieser Zeit höchstens von der ‚Seinsanalogie‘ oder der Catholic Theology. The Hague: Martinus Nijhoff, 1963; Horst Georg Pöhlmann: Analogia entis oder Analogia fi dei? Die Frage der Analogie bei Karl Barth. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1965 (FSÖTh 16). 4 Wenn im folgenden von der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ die Rede ist, dann ist damit KD I/1 (1932) gemeint. 5 Exemplarisch dafür ist die Studie von Henry Chavannes: L’analogie entre Dieu et le monde selon saint Thomas d’Aquin et selon Karl Barth. Paris: Cerf, 1969 (CFi 42). Sie ist vor dem Hintergrund von Barths Bemerkung in KD I/1 (1932), 252 zu verstehen, wonach es sich bei der analogia entis um eine thomistische Lehre handle. Nach einer Sichtung des Materials kommt Chavannes (ebd., 225) allerdings zu dem Ergebnis: „Quoi qu’il en soit, malgré la différence des points de vue, la comparaison sur ce premier point de doctrine nous a permis de constater un accord essentiel sur le fond. Karl Barth et saint Thomas rejettent l’un et l’autre une analogie qui permettrait à l’homme d’affirmer son pouvoir sur Dieu.“ Erstaunlich ist eine solche Einsicht freilich nicht, ist Thomas’ Seinsbegriff doch nicht univok. Darauf wird hingewiesen von Ralph McInerny: Aquinas and Analogy. Washington, DC: The Catholic University of America Press, 1996, 152–163; Laurence Paul Hemming: Analogia non Entis sed Entitatis. The Ontological Consequences of the Doctrine of Analogy. In: IJST 6 (2004), 118–129; Fergus Kerr: God in the Summa Theologiae: Entity or Event? In: Jeremiah Hackett / Jerald Wallulis (Hrsg.): Philosophy of Religion for a New Century. Dordrecht u. a.: Kluwer Academic Publishers, 2004 (FS Eugene Thomas Long; SPAR 25), 63–79. Von daher ist Barth zu widersprechen, der in KD II/1 (1940), 658 die analogia entis auf Thomas zurückführt. Überhaupt ist seine Thomas-Rezeption von Mißverständnissen geprägt, so Jozef Wissink: Karl Barth über Thomas von Aquin in der Kirchlichen Dogmatik. In: ZDT 6 (1990), 11–20. 6 In der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ insgesamt, also nicht bloß in deren Prolegomena, stützt sich Barth auf Bernhard Bartmann: Lehrbuch der Dogmatik. 2 Bde. Freiburg u. a.: Herder, 7 1928 (ThBib) und Franz Diekamp: Katholische Dogmatik nach den Grundsätzen des heili-
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‚Analogie des Seins‘ die Rede.7 Przywaras Denken kreiste jedoch um die analogia entis, oder zumindest um das, was er darunter verstand. Was Barth nun genau dazu bewogen hat, von ihr als der Erfindung des Antichrist zu sprechen, ist bislang noch nicht eindeutig geklärt. Höchstwahrscheinlich spielte dabei die Auseinandersetzung mit Georg Wobbermin (1869–1943) eine wichtige Rolle. 8 Wobbermin, Professor für Systematische Theologie in Göttingen, wußte sich dem liberalen Protestantismus und zumal Schleiermacher verpflichtet. Schon frühzeitig erblickte er in Barth seinen Antipoden. Zunächst mußte er aber den stetig wachsenden Einfluß der Dialektischen Theologie hinnehmen, ohne dagegen etwas tun zu können. Als sich im Jahr 1932 dann zwei bekannte Theologen zur Konversion entschlossen, bot sich ihm endlich die Gelegenheit, zum Angriff überzugehen. Nachdem zuvor schon der Bonner Kirchengeschichtler Erik Peterson (1890–1960) katholisch geworden war, entschloß sich auch Oskar Bauhofer (1897–1976) dazu. Pfingsten 1932 wurde der ordinierte reformierte Theologe, der für die ‚Europäische Zentralstelle für gen Thomas. 3 Bde. Münster: Aschendorff, 61930. Spätere, teilweise überarbeitete Auflagen beider Lehrbücher berücksichtigte er nicht mehr. 7 Vgl. Christian Pesch: Gott der Eine und Dreieine. Dogmatische Darlegungen. Düsseldorf: Schwann, 1926, 48; Gallus Maria Manser: Das Wesen des Thomismus. In: DT 6 (1928), 385–404 und ebd., 7 (1929), 3–30, 322–347, 373–399; Josef Santeler: Die Lehre von der Analogie des Seins. In: ZKTh 55 (1931), 1–43. – Wann der Terminus Eingang in die deutschsprachige Theologie gefunden hat, wäre näher zu untersuchen. Es ist durchaus möglich, daß es Barth selbst war, der durch die pointierte Gegenüberstellung von analogia entis und analogia fi dei die Schärfung des begrifflichen Instrumentariums der Neuscholastik forcierte. Dafür spricht zumindest Franz Diekamp: Katholische Dogmatik nach den Grundsätzen des heiligen Thomas. Bd. 1. Münster: Aschendorff, 8/91938, 125: „Hinsichtlich unserer Erkenntnis Gottes pflegt man die analogia entis und die analogia fi dei zu unterscheiden. Die analogia entis ist die mit der natürlichen Vernunft erkennbare verhältnismäßige Gleichheit in der Beziehung Gottes und der Geschöpfe zum Sein (und zu den auf das Sein gegründeten reinen Vollkommenheiten). Es ist eine wirkliche Gleichheit, insofern das gemeinsame Analogon (das Sein, das Wahre, das Gute, das Leben usw.) Gott und den Geschöpfen wirklich zukommt; aber es ist nur eine verhältnismäßige Gleichheit, insofern das gemeinsame Analogon in den Geschöpfen nur geworden, bedingt und beschränkt ist, während es Gott ungeworden, unbedingt und in unbegrenzter Vollkommenheit eigen ist. Die analogia fi dei ist die uns durch die übernatürliche Offenbarung Gottes bekannt gewordene, in unserer Sprache geformte verhältnismäßige Gleichheit in den Beziehungen Gottes und der Geschöpfe. Sie gibt uns über Gottes Sein und Leben und über seine Ratschlüsse und sein Wirken weit höhere Aufschlüsse als die analogia entis.“ Diekamp wendet sich kurz darauf (ebd., 127) nachdrücklich gegen das Analogieverständnis von KD I/1 (1932). In der sechsten Auflage des Lehrbuchs, die auch Barth verwendete, findet sich all dies noch nicht. 8 Dazu Matthias Wolfes: Protestantische Theologie und moderne Welt. Studien zur Geschichte der liberalen Theologie nach 1918. Berlin / New York: Walter de Gruyter, 1999 (TBT 102), 322–327; Brent A. R. Hege: Liberal Theology in the Weimar Era. Schleiermacher and the Question of Religious Subjectivity in the Methodenstreit between Georg Wobbermin and Karl Barth. In: ThZ 64 (2008), 33–48. Wie von Amy Marga: Partners in the Gospel. Karl Barth and Roman Catholicism, 1922–1932. PhD diss., Princeton Theological Seminary, 2006, 18 f. herausgestellt, besteht zwischen Wobbermins Anschuldigungen und Barths Polemik gegen die analogia entis ein Zusammenhang.
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kirchliche Hilfsaktionen‘ mit Sitz in Genf gearbeitet und sich rege in der ökumenischen Bewegung betätigt hatte, in die katholische Kirche aufgenommen.9 Dies war für Wobbermin ein willkommener Anlaß, die Dialektische Theologie zu attackieren. In einem offenen Brief behauptete er einen Zusammenhang zwischen ihr und jenen Konversionen. Sowohl Peterson als auch Bauhofer seien von der Dialektischen Theologie ausgegangen, und bereits bevor sie formell konvertierten, hätten sie ein Verständnis des Dogmas gehabt, das gänzlich unevangelisch gewesen und dem katholisch-scholastischen nahegekommen sei.10 Über den heftigen Schlagabtausch, der sich infolgedessen zwischen Wobbermin und Barth entspann, berichtete sogar die Tagespresse. Es ist durchaus möglich, daß Barth seine Distanz zum Katholizismus noch einmal unmißverständlich deutlich machen wollte, als er im August 1932 das Vorwort für die ‚Kirchliche Dogmatik‘ schrieb. So geht er unmittelbar im Anschluß an seine Polemik gegen die analogia entis auf die Vorwürfe ein, denen er sich schon seit längerem ausgesetzt sah, nämlich daß er sich in seinem Denken geschichtlich, formal und sachlich auf den Wegen der Scholastik befinde und damit des Kryptokatholizismus verdächtig sei.11 Im Hintergrund dessen dürfte Wobbermin stehen, der insinuiert hatte, daß Barths Theologie Protestanten dazu bringe, katholisch zu werden. Die Verteufelung der analogia entis, wie sie sich im Vorwort findet, hat also die Funktion, von vornherein dem Eindruck zu wehren, die ‚Kirchliche Dogmatik‘ befördere den Katholizismus. Immerhin handelte es sich um ein Werk, das mit dem ausdrücklichen Anspruch auftrat, kirchlich und nicht freisinnig, Dogmatik und nicht Glaubenslehre zu sein. Eine ganz andere Funktion als im Vorwort hat die Identifikation der analogia entis als Grundform des Katholischen hingegen im eigentlichen Hauptteil der ‚Kirchlichen Dogmatik‘. Seit dem Bruch mit der Liberalen Theologie bemühte sich Barth um eine Grundlegung seines Denkens, und als ein Teil dieses sich über viele Jahre erstreckenden Prozesses sind auch die Prolegomena zu verstehen.12 So werden hier zwei Extreme konstruiert, einerseits der Neuprotestantis9 Zur Biographie vgl. Roger Liggenstorfer: Bauhofer, Oskar. In: Historisches Lexikon der Schweiz 2 (2003), 96. Als Vertreter von Life and Work nahm Bauhofer etwa an einer Konferenz britischer und deutscher Theologen teil, die im März 1931 im englischen Chichester stattfand. Dazu Charlotte Methuen: The Anglo-German Theological Conferences 1927– 1931. Some Preliminary Refl ections. In: KZG 20 (2007), 418–449, hier: 422 mit Anm. 15, 438–444. Zu seiner Tätigkeit für das Hilfswerk vgl. Marianne Jehle-Wildberger: Adolf Keller (1872–1963). Pionier der ökumenischen Bewegung. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 2008, 562. 10 Vgl. Georg Wobbermin: Ein neuer Fall ‚Peterson‘. In: EvDt 9 (1932), 180. Sich selbst sah Bauhofer im übrigen in keiner sonderlichen Nähe zur Dialektischen Theologie. Das erklärte er in seinem Artikel ‚Katholische Tendenzen im Protestantismus‘? In: SchwRd 32 (1932/1933), 562–564, hier: 563. 11 Vgl. KD I/1 (1932), IX–X. 12 Vgl. Thomas Schlegel: Theologie als unmögliche Notwendigkeit. Der Theologiebegriff Karl Barths in seiner Genese (1914–1932). Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 2007.
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mus und andererseits der Katholizismus, um in deren Mitte die wahrhaft evangelische, der biblisch bezeugten Offenbarung gemäße Theologie zu entwikkeln.13 Gleich zu Beginn seiner Überlegungen erklärt Barth: „Wir verstehen unter ‚Prolegomena zur Dogmatik‘ (praecognita Theologiae, wie manche von den Alten noch gehaltvoller gesagt haben) den Versuch einer expliziten Rechenschaftsablage über den besonderen Erkenntnisweg, der in der Dogmatik begangen werden, man könnte auch sagen: über den besonderen Punkt, von dem aus in der Dogmatik gesehen, gedacht und geurteilt werden soll.“14
Dieser besondere, gleichsam archimedische Punkt konnte für Barth jedenfalls nicht der sein, den er in der neuprotestantischen und katholischen Theologie als solchen ausmachte. Anstatt zuvor schon einen Standpunkt festzulegen, von dem aus sie entwickelt werden solle, müsse sich die Theologie von ihrem Gegenstand bestimmen lassen, von Gott in seiner freien Offenbarung. Aus diesem Grund müsse sie sich auch als Erkenntnisbewegung verstehen: „In beiden Fällen, in den Prolegomena modernistischer und katholischer Dogmatik, kann man vorher, bevor man ihn antritt, wissen und sagen, welches der rechte Erkenntnisweg sein wird. Evangelische Dogmatik kann das nicht. Sie kann es nur wagen, ihren Weg anzutreten, um dann auf diesem Weg – sei es denn, wie wir dies als notwendig erkannt haben, zuerst, aber auf diesem Weg – sich um die Erkenntnis der Richtigkeit dieses Weges zu bemühen. Sie weiß, daß man in den in sich geschlossenen Kreis dieser Bemühung nicht von außen hineintreten kann, weder von einer allgemeinen menschlichen Möglichkeit, noch von einer kirchlichen Wirklichkeit her. Sie weiß, daß alle ihre Erkenntnis – auch und gerade die Erkenntnis von der Richtigkeit ihrer Erkenntnis – nur Ereignis sein, nicht aber von einem Ort abseits und oberhalb dieses Ereignisses als richtige Erkenntnis gesichert werden kann.“15
Einen solchen Standpunkt abseits der Offenbarung und oberhalb ihrer beziehe der Neuprotestantismus, wenn er das Selbstverständnis des Menschen zum Vorverständnis mache, in dessen Zusammenhang die Offenbarung erörtert werde.16 Gleiches tue aber auch der Katholizismus, indem er die Offenbarung als der Kirche zuhanden betrachte, weil in Schrift, Tradition und Lehramt gegeben.17 Von daher stelle die evangelische Theologie die einzig sachgemäße Form dar, von Gott zu reden, wisse sie doch um die Aktualität der Offenbarung: „Von Jesus Christus als dem Sein der Kirche her ist die freie persönliche Entscheidung darüber zu erwarten, welches der rechte Inhalt christlicher Rede und also auch: welches der Weg zu seiner Erkenntnis, zur Erkenntnis des Dogmas sein soll. Wie alles Erkennen13 Zum folgenden vgl. KD I/1 (1932), 23–43 (§ 2. Die Aufgabe der Prolegomena zur Dogmatik). Dazu Kap. 5.1. 14 KD I/1 (1932), 24. 15 KD I/1 (1932), 42. 16 Vgl. KD I/1 (1932), 35–39. 17 Vgl. KD I/1 (1932), 39 f.
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wollen des Dogmas selbst, so kann auch alle Verständigung über die Richtung dieses Erkennenwollens nur eine besondere Form der auf die Verheißung gestützten bereiten Erwartung dieser Entscheidung des Herrn sein. Das heißt dann aber jedenfalls: es bestätigt sich die Einsicht, die auf dem Boden römisch-katholischer Dogmatik selbstverständlich und auch auf dem der modernistischen Dogmatik schließlich nicht zu vermeiden ist: Prolegomena zur Dogmatik sind nur möglich als ein Teilstück der Dogmatik selber. Die Silbe Pro- in dem Wort Prolegomena ist uneigentlich zu verstehen: es handelt sich nicht um die vorher, sondern um die zuerst zu sagenden Dinge.“18
Barth versteht die Prolegomena demnach nicht als Reflexion über die Bedingung der Möglichkeit von Offenbarung, sondern er geht von vornherein von deren Wirklichkeit aus. Von sich aus habe der Mensch überhaupt nicht die Möglichkeit, Aussagen über Gott zu treffen, weil Gott kein Gegenstand der Welt ist. Darüber hinaus offenbart sich Gott in dem, was ihm entgegensteht, eben in der Welt. Aufgrund dieser doppelten Indirektheit ist die Offenbarung dem menschlichen Zugriff grundsätzlich entzogen, sie ist Gottes Geheimnis und bleibt es auch.19 Im Unterschied zu den damals gängigen Dogmatiken handelt Barth die Trinitätslehre darum bereits in den Prolegomena ab. 20 Sie gewährleistet seiner Einschätzung nach, daß Gott zuvor schon in sich das ist, was er in der Offenbarung dann für uns wird, und zwar freies und in sich selbst gründendes Subjekt. 21 Insofern die Gotteserkenntnis die von Gott ermöglichte Teilgabe an der Erkenntnis seiner selbst ist, handelt es sich bei ihr in der Weise um einen Erkenntnisakt, verstanden als Entsprechung von Denken und Gedachtem, daß das Undenkbare anerkannt und erst als solches wirklich erkannt wird. 22 In diesem Zusammenhang führt Barth unter Rekurs auf Röm 12, 6 den Begriff der analogia fidei ein, ohne freilich näher zu erläutern, was darunter zu verstehen sei. 23 Erst sehr viel später wird er den Gegensatz von analogia entis und analogia fidei voll ausbilden und ausgiebig verhandeln.24 Barths Ablehnung der natürlichen Theologie und der analogia entis als deren (angeblich) katholischer Spielart erklärt sich aufgrund seines zentralen Anliegens, Gott der Verfügung des Menschen zu entziehen. Gott ist Gott und der Mensch ist Mensch, wie er zumal gegenüber dem vorherrschenden liberalen Protestantismus einzuschärfen nicht müde wurde. 25 Daß der Mensch über seine 18
KD I/1 (1932), 41. Vgl. KD I/1 (1932), 128–194 (§ 5. Das Wesen des Wortes Gottes). 20 Vgl. KD I/1 (1932), 311–514 (§§ 8–12). 21 Vgl. KD I/1 (1932), 367 (Leitsatz von § 9. Gottes Dreieinigkeit): „Der Gott, der sich nach der Schrift offenbart, ist Einer in drei eigentümlichen, in ihren Beziehungen untereinander bestehenden Seinsweisen: Vater, Sohn und Heiliger Geist. So ist er der Herr, d. h. das Du, das dem menschlichen Ich entgegentritt und sich verbindet als das unauflösliche Subjekt und das ihm eben so und darin als sein Gott offenbar wird.“ 22 Vgl. KD I/1 (1932), 194–261 (§ 6. Die Erkennbarkeit des Wortes Gottes), v. a.: 213–217. 23 Vgl. KD I/1 (1932), 257. 24 Vgl. KD II/1 (1940), 200–287 (§ 27. Die Grenzen der Erkenntnis Gottes). 25 Vgl. Eberhard Busch: God is God. The Meaning of a Controversial Formula and the 19
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Endlichkeit hinausragt, war aber gerade das, was die katholische Theologie zu dieser Zeit nachdrücklich unterstrich. Die Befürchtungen waren hier ganz andere, als daß Gott dem Menschen verfügbar würde. Angesichts des praktischen und theoretischen Atheismus sowie des Agnostizismus, die im 18. Jahrhundert zunächst salonfähig geworden waren und im 19. Jahrhundert dann in breiten Bevölkerungsschichten Anklang gefunden hatten, bemühte man sich, den Gottesgedanken als solchen überhaupt zu sichern. Dazu wurde eine starke Orientierung an der Metaphysik als besonders geeignet empfunden, und so wurde in der Neuscholastik ein Seinsbegriff favorisiert, der Gott und Mensch gleichermaßen umfaßte. 26 Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, warum nahezu alle katholischen Theologen, die sich mit der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ beschäftigten, nur wenig mit ihr anfangen konnten. Was Barth auf aberhunderten Seiten entfaltete, schien vielleicht anregend und kenntnisreich zu sein, letztlich aber doch ohne wirkliche Bodenhaftung in der Luft zu schweben. Bedeutet Offenbarung aller bleibenden Verhülltheit zum Trotz die Enthülltheit Gottes für den Menschen, muß der Mensch sie erkennen und in ihrer Relevanz für sich selbst verstehen können. Ohne vorhergehenden rationalen Aufweis des Gottesgedankens (praeambula fidei) hat die Offenbarung Gottes auf seiten des Menschen gar keinen Anknüpfungspunkt, sie bleibt ihm fremd und dunkel. Das war zumindest die Überzeugung der allermeisten katholischen Theologen, die sich in den dreißiger Jahren mit der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ auseinandersetzten, namentlich von Bernhard Bartmann, Daniel Feuling und Jakob Fehr. Eine Ausnahme stellt in dieser Hinsicht der Jesuit Heinrich Weisweiler dar, auf den deshalb zuerst eingegangen wird.
Fundamental Problem of Speaking about God. In: PSB 7 (1986), 101–113. Im gleichen Jahr, da er die analogia entis attackierte, begann Barth jene theologiegeschichtlichen Vorlesungen zu halten, die später erschienen sind unter dem Titel Die protestantische Theologie im 19. Jahrhundert. Ihre Vorgeschichte und ihre Geschichte. Zollikon / Zürich: Evangelischer Verlag, 1947. 26 Exemplarisch dafür sind die Ausführungen von Bernard Kälin: Lehrbuch der Philosophie. Bd. 1. Sarnen: Benediktinerkolleg Sarnen, 51957. Kälin warnt (ebd., 68 f.) vor den Gefahren einer bloß metaphorisch analogen Auffassung des Seins: „In der Gotteslehre droht damit das Absinken in die verschiedenen Formen des Anthropomorphismus (Fetischismus, Totemismus, Animismus, Mythologie; in gewissem Sinne auch der psychologisch immanente Modernismus). Auch in der Erklärung des Verhältnisses von Gott und Welt führt die metaphorische Seinsauffassung zum bloßen Symbolismus, der schließlich im Agnostizismus endigt (Schleiermacher, + 1834, und andere). Es ist im Grunde ein Vorherrschen des sinnlich Anschaulichen vor der Idee.“
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6.2 Die ‚Kirchliche Dogmatik‘ ohne die analogia entis: Heinrich Weisweiler Schon in den dreißiger Jahren findet sich im Rezensionsteil der Zeitschrift ‚Scholastik‘ eine Rubrik, in der Werke von protestantischen Theologen und Veröffentlichungen über sie besprochen wurden. Verantwortet wurde sie von Heinrich Weisweiler (1893–1964), der an der Hochschule seines Ordens in Valkenburg Dogmatik lehrte. Bereits kurz nachdem die ‚Kirchliche Dogmatik‘ erschienen war, rezensierte er sie. 27 Welchen Stellenwert er ihr beimaß, mag man daran ersehen, daß er sie als die „wesentlichste theologische protestantische Neuerscheinung des vergangenen Halbjahres“ bezeichnet. 28 Nach Ansicht Weisweilers ist es Barths Grundanliegen, Gott dem Zugriff des Menschen zu entziehen, d. h. die Offenbarung als objektiv Gegebenes und nicht, wie in der protestantischen Universitätstheologie ansonsten üblich, als subjektiv Erschlossenes begreiflich zu machen.29 Diesem Grundanliegen habe er zunächst dadurch Rechnung zu tragen versucht, daß er die Offenbarung in bezug auf ihren Inhalt als dialektisch verstanden und dementsprechend eine dialektisch operierende Theologie konzipiert habe. Wie die ‚Kirchliche Dogmatik‘ aber zeige, habe er inzwischen einen anderen Weg gefunden. Nun wolle er unterschiedslos und grundsätzlich alle Philosophie innerhalb der Theologie ausschalten.30 Aber genau hierin sieht Weisweiler das Problem. Indem Barth eine reine, ganz und gar der Offenbarung verpflichtete Theologie betreiben wolle, falle er letztlich in die Philosophie zurück. Das zeige sich besonders deutlich daran, daß er die Trinitätslehre allein aus dem Offenbarungsbegriff und nicht vom biblischen Befund her entwickle.31 Doch ist Weisweiler weniger an Fragen wie diesen als an einer Apologetik des Katholischen interessiert. Zu dieser fordert ihn der Vorwurf heraus, im Katholizismus stelle sich der Mensch über Gott. Was Barth nicht beachtet und was zu diesem Mißverständnis geführt habe, sei die in der katholischen Theologie vorgenommene Unterscheidung von ‚Glaubensmotiv‘ und ‚Glaubenskriterium‘. Gott und nur Gott allein ist der Beweggrund dafür, einer von der Kirche als 27
Vgl. die Rezension von Heinrich Weisweiler. In: Schol. 8 (1933), 599–601. Weisweiler (1933), 599. 29 Nach Weisweiler (1933), 600 ist dies das Grundanliegen der Dialektischen Theologie: „‚Gott allein‘, und das Bestreben, jeden Historizismus, Idealismus, Psychologismus aus der Theologie zu verbannen, da sie nur dazu dienen können, den Menschen zum Träger der Gottesoffenbarung zu machen“. Vgl. auch ebd., 601. 30 Vgl. Weisweiler (1933), 600. 31 Vgl. Weisweiler (1933), 601 mit Bezug auf KD I/1 (1932), 311–514 (§§ 8–12). Ganz ähnlich argumentiert Wolfhart Pannenberg: Die Subjektivität Gottes und die Trinitätslehre. Ein Beitrag zur Beziehung zwischen Karl Barth und der Philosophie Hegels. In: KuD 23 (1977), 25–40. Wiederabgedruckt in Ders.: Grundfragen systematischer Theologie. Gesammelte Aufsätze. Bd. 2. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1980, 98–111. 28
6.3 Die ‚Kirchliche Dogmatik‘ als ein Kuriosum: Bernhard Bartmann
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geoffenbarte Glaubenswahrheit vorgelegten Aussage Glauben zu schenken, wie im übrigen auch auf dem Vatikanischen Konzil definiert worden sei. Davon müsse die in den praeambula fidei verhandelte Frage unterschieden werden, welche Gründe dafür sprechen, einer Aussage überhaupt Glauben zu schenken.32 Weisweiler illustriert das mit folgendem Beispiel: „Es ist genau so, wie man einem Freunde glaubt, nachdem man sich versichert hat, daß er den Brief geschrieben hat. Das Motiv ist dann nicht die eigene Untersuchung über den Brief, sondern die Autorität des Freundes. Es ist selbstverständlich keinerlei Sich-überden-Freund-Stellen, wenn man sich vorher der Echtheit des Briefes versichert. Ja, nur so allein wird in einer so eminent wichtigen Entscheidung ein der vernünftigen Menschennatur angemessenes Vorangehen ermöglicht.“33
Aber nicht nur auf diese, sondern noch auf andere Weise wehre die katholische Theologie dem Subjektivismus. So gewährleiste die Lehre vom depositum fidei die Unverfügbarkeit und Objektivität der Offenbarung, und das unfehlbare Lehramt halte in Gottes Kraft den Glauben sowie die Offenbarung rein.34 Für Weisweiler ist es deshalb völlig abwegig, daß Barth dem Katholizismus vorwerfe, subjektivistisch zu sein. Bemerkenswerter noch als das, was Weisweiler schreibt, ist allerdings, was er übergeht. Weder erwähnt er die analogia entis noch die analogia fidei, obwohl er die ‚Kirchliche Dogmatik‘ durchaus als Infragestellung des Katholizismus begreift. Das ist ein Beleg dafür, daß man sie auch lesen konnte, ohne sich an der analogia entis aufzuhalten. Zugegebenermaßen stand Weisweiler auf katholischer Seite damit recht allein da, wie man schon an Bernhard Bartmanns 1934 erschienener Rezension sehen kann.
6.3 Die ‚Kirchliche Dogmatik‘ als ein Kuriosum: Bernhard Bartmann Als Bernhard Bartmann (1860–1938) die ‚Kirchliche Dogmatik‘ rezensierte, konnte er auf eine überaus lange und erfolgreiche Lehrtätigkeit zurückblicken. Seit dem Jahr 1898 Professor an der Philosophisch-Theologischen Akademie in Paderborn, hatte er ganze Studentengenerationen geprägt. Auch sein ‚Lehrbuch der Dogmatik‘ erfreute sich größter Beliebtheit. Immer wieder überarbeitet, lag es in mehreren Auflagen vor, und schon bald sollten Übersetzungen folgen. Aber nicht nur katholische Theologiestudenten griffen auf das zweibändige Werk zurück, um Aufschluß über die Lehre ihrer Kirche zu erlangen. Ebenso konsultierte Barth das Lehrbuch, und zwar in dessen siebten, Ende der zwanziger Jahre erschienenen Auflage.35 32 33 34 35
Vgl. Weisweiler (1933), 600 f. mit Zitat von D 1789. Weisweiler (1933), 601. Vgl. Weisweiler (1933), 601. Vgl. die Stellen, die aufgelistet sind in KD I/1 (1932), 521 jeweils mit Bezug auf Bernhard
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Wie eingangs bereits dargelegt, entwickelt Barth im ersten Teilband der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ sein Denken v. a. in kritischer Absetzung von der ‚Häresie‘ des römischen Katholizismus. Indem er dem Objektivismus, den das katholische Verständnis von Bibel, Gnade und Dogma präge, die von den Reformatoren herausgestellte Souveränität Gottes entgegenhält, gewinnt er ein Verständnis kritisch gebrochener, sich selbst als dezidiert evangelisch begreifender Orthodoxie. Von hier aus erklärt sich, warum Barth in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ so extensiv aus Dogmatiken zitiert, die in der katholischen Theologie seinerzeit gängig waren und im Lehrbetrieb Verwendung fanden, etwa die von Matthias Joseph Scheeben, Hugo von Hurter (1832–1914) und Franz Diekamp.36 Insgesamt siebenmal, und damit am häufigsten, führt er freilich Bartmanns Lehrbuch an. Dieses ist stark biblisch-patristisch und dogmengeschichtlich orientiert, vertritt also einen positiven Ansatz im Unterschied zum spekulativen. So werden dogmatische Lehrsätze mit einer möglichst großen Zahl an biblischen, patristischen, scholastischen und lehramtlichen Belegstellen versehen. Damit fügte es sich überaus gut in das Bild, das Barth sich vom Katholizismus gemacht hatte. Obwohl sein Lehrbuch in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ häufig zitiert wird, erwähnt Bartmann dies in seiner Rezension mit keinem Wort.37 Diese ist insgesamt nüchtern, schnörkellos und informativ, der Leser wird sowohl über den Verfasser und sein theologisches Anliegen als auch über den Inhalt des Werkes knapp und präzise unterrichtet.38 Immer wieder eingestreute, aus ganz unterschiedlichen Abschnitten der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ stammende Zitate lassen auf eine eingehende Lektüre schließen. Bartmann erblickt in der strikten Unterscheidung von Gott und Mensch den Leitgesichtspunkt von Barths Denken. Nur wenn Gott sich ihm unmittelbar offenbare, könne der Mensch in rechter Weise von Gott reden, von sich aus vermöge er es nie.39 In diesem Zusammenhang sei auch die derbe Polemik gegen die analogia entis zu verstehen.40 Diese sei zunächst einmal äußeren Umständen geschuldet. Da sich Barth mit dem Vorwurf des ‚Kryptokatholizismus‘ konBartmann: Lehrbuch der Dogmatik. 2 Bde. Freiburg: Herder, 71928–1929. In CD (1927) hatte Barth die sechste, im Jahr 1923 erschienene Auflage des Lehrbuchs verwendet. 36 Vgl. KD I/1 (1932), 521–523. 37 Vgl. Bernhard Bartmann: Die Dogmatik von Karl Barth. In: ThGl 26 (1934), 205– 213. 38 Vgl. Bartmann (1934), 205 f. mit (werk-)biographischen Informationen; ebd., 207–210 mit Bezug auf KD I/1 (1932), 47–310 (§§ 3–7) bzw. ebd., 210–212 mit Bezug auf KD I/1 (1932), 311–514 (§§ 8–12). 39 Zum einen gehe Barth von einer „unendlichen Diastase Gottes“ aus, so Bartmann (1934), 206. Zum anderen – wahrscheinlich mit Blick auf KD I/1 (1932), 204 f. – bezeichnet er (ebd., 207) es als Barths „fundamentalen Grundsatz, daß keinerlei Weg und Steg vom Menschen zu Gott möglich ist, daß die Menschengewißheit auf der Gottesgewißheit, nicht umgekehrt sich aufbaue.“ 40 Zum folgenden vgl. Bartmann (1934), 206 f. mit Zitat von KD I/1 (1932), VIII.
6.3 Die ‚Kirchliche Dogmatik‘ als ein Kuriosum: Bernhard Bartmann
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frontiert gesehen habe, meinte er offenbar, seine feste Verwurzelung im Protestantismus unter Beweis stellen zu müssen. Dies sei ihm zweifelsohne gelungen, wie Bartmann überaus trocken kommentiert. Allerdings sei Barths Polemik nicht nur strategisch motiviert. Indem der Katholizismus eine analoge Übertragung der geschöpfl ichen Vollkommenheiten auf das göttliche Wesen lehre, ebne er in unstatthafter Weise die Unterscheidung von Gott und Mensch ein. Barth verteufle die analogia entis letztlich also aus theologischen Gründen. Auf diese geht Bartmann in der Weise ein, daß er Autoritäten anführt, die Barth offenbar meine ignorieren zu können, namentlich das Vatikanische Konzil, Augustinus sowie Paulus. Schon seit Augustinus rede die katholische Theologie von einer theologia naturalis und damit von einem natürlichen Weg zu Gott, an den der übernatürliche sich dann konsequent anschließe und der den Menschen vom religiösen Heiden zum religiösen Christen mache. Selbst seine Anhänger hätten Barth nahegelegt, doch eine natürliche Theologie zu entwickeln. Wenn sie damit nicht durchgedrungen seien, dann weil der Mensch für Barth von sich aus unfähig ist, in ein Verhältnis zu Gott zu treten. Dies begründe er erstens mit dem Axiom der calvinistischen Theologie, wonach das Endliche das Unendliche unmöglich fassen könne (finitum incapax infiniti), zweitens mit dem Sündenfall, durch den der Mensch dauernd und radikal korrumpiert sei, und drittens mit dem steten Wandel der Welt, der eine Gotteserkenntnis, die von der Welt anheben will, von vornherein unmöglich mache.41 Für Barth sei der Mensch ganz auf sich und seine Welt beschränkt, ein darüber hinausgehender Bezug auf Gott sei ihm bleibend verwehrt. 42 Selbst daß Paulus im Römerbrief etwas anderes lehre, scheine ihn offenbar nicht weiter zu bekümmern. Die beiden Stellen, die Bartmann in diesem Zusammenhang anführt, nämlich Röm 1,20 und Röm 2,14 f., gelten als die klassischen Belegstellen für die natürliche Theologie. Erstere war bereits im Abschnitt De revelatione in der Dogmatischen Konstituition des Vatikanischen Konzils dafür in Anspruch genommen worden. 43 Zwar ist Bartmann mit vielem, was er bei Barth über einzelne dogmatische Fragestellungen liest, durchaus zufrieden, beispielsweise daß die Trinität als Dogma anerkannt oder daß Thomas von Aquin nicht nur fünfunddreißigmal, sondern zumeist sogar zustimmend zitiert wird. 44 Im Ganzen aber betrachtet er die ‚Kirchliche Dogmatik‘ als gewiß wortreichen, in einigen Punkten vielleicht sogar herausfordernden, letztlich jedoch inkonsistenten Entwurf. Als inkonsistent gilt er ihm deshalb, weil die Offenbarung überhaupt nichts offenbaren kann.45 Ist die Unterscheidung von Gott und Mensch nämlich unaufhebbar, eröffnet selbst der Glaube keinerlei Möglichkeit der Gotteserkenntnis, denn er 41 42 43 44 45
Vgl. Bartmann (1934), 207. Vgl. Bartmann (1934), 207 mit Zitat aus KD I/1 (1932), 251. Vgl. DH 3004 mit Zitat von Röm 1,20. Vgl. Bartmann (1934), 211. Vgl. Bartmann (1934), 212 f.
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Kapitel 6: Die Erfi ndung des Antichrist?
müsse ebenso wie die Offenbarung selbst geglaubt werden. Für Bartmann ist das ein infiniter Regreß oder aber ein logischer Zirkel, jedenfalls nichts, was ihn überzeugen würde.46 Das Denken, das ihm in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ begegnet, scheint ihm ein exotisches Kuriosum zu sein.47 Zu einer ganz ähnlichen Einschätzung sollte auch Daniel Feuling gelangen.
6.4 Gott und das Sein: Daniel Feuling Daniel Feuling (1882–1947) war nicht nur ein herausragender Kenner des Thomismus, sondern auch anderer philosophischer und theologischer Richtungen. 48 Der Benediktiner traf Martin Heidegger und Edith Stein, mit Edmund Husserl korrespondierte er. Nicht zuletzt da er selbst einige Zeit in England verbracht hatte, initiierte er in den zwanziger Jahren eine deutsche Gesamtausgabe der Werke John Henry Newmans. Nach einer längeren Lehrtätigkeit an der Universität Salzburg kehrte er im Jahr 1933 schließlich in sein Heimatkloster Beuron zurück, an dessen Theologischer Hochschule er fortan dozierte. Ungeachtet aller Aufgeschlossenheit und intellektuellen Weite, die Feuling zweifelsohne kennzeichneten, war er fest in der Neuscholastik verwurzelt – offensichtlich empfand er dies auch nicht als Gegensatz. Daß die Rede von der Offenbarung nur auf der Grundlage der natürlichen Theologie sinnvoll sei, war für ihn jedenfalls eine ausgemachte Sache. Entsprechend galt sein besonderes Interesse der Metaphysik, zu der er später eine umfängliche Monographie vorlegen sollte. 49 Die Metaphysik ist auch die Perspektive, in der Feuling die ‚Kirchliche Dogmatik‘ betrachtete. Noch bevor seine Rezension, die im Jahr 1934 in der ‚Benediktinischen Monatsschrift‘ erschien, in den Druck ging, hatte er sie Barth zugesandt. Der Begleitbrief ist ausgesprochen herzlich und zeugt von großer Wertschätzung und Achtung.50 Gleiches läßt sich über die Rezension sagen, insofern Feuling Barth, 46 Vgl. Bartmann (1934), 213. Offensichtlich bezieht er sich hier auf KD I/1 (1932), 190: „Das Wort Gottes ist auch in seinem zum Ziel Kommen beim Menschen, im Ereignis des menschlichen Glaubens an das Wort Gottes Gottes Wundertat. Wir müssen an unseren Glauben nicht weniger glauben als an das geglaubte Wort, d. h. wir können unser Verhalten dem Worte Gottes gegenüber, gerade wenn wir es als ein positives Verhältnis zu ihm meinen verstehen zu dürfen und zu müssen, wenn wir also unseren Glauben bekennen, als positives nur als von Gott her möglich und wirklich, nur als Wunder des heiligen Geistes und nicht als unser eigenes Werk verstehen.“ 47 Vgl. Bartmann (1934), 213 mit Zitat aus Werner Petersmann: Die ‚Theologie der Krisis‘ in Japan. In: ChW 48 (1934), 27–30, hier: 27. 48 Zur Biographie vgl. Johannes Schaber: Der Beuroner Benediktiner Daniel Feuling (1882–1947). In: FDA 124 (2004), 73–84. 49 Vgl. Daniel Feuling: Hauptfragen der Metaphysik. Einführung in das philosophische Leben. Salzburg / Leipzig: Pustet, 1936. 50 Vgl. KBA 9334.343 (Daniel Feuling an Karl Barth, Brief vom 12. 3. 1934).
6.4 Gott und das Sein: Daniel Feuling
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den er für den Vorkämpfer einer gläubigen protestantischen Dogmatik hält, nicht nur einen großen Reichtum des Denkens bescheinigt, sondern auch dessen nicht geringe Originalität herausstellt. 51 Was ihn besonders für ihn einnimmt, ist seine offene Absage an die modernistische, d. h. also neuprotestantische Position. Die Offenbarung ist nicht, wie von den Vertretern jener Richtung behauptet, ein Produkt menschlicher Selbst- und Welterfahrung, sie wird vielmehr von Gott gegeben.52 Daran, so Feuling weiter, schließe sich allerdings die theologisch zentrale Frage an, wie der Mensch in seiner Endlichkeit die Mitteilung des unendlichen Gottes überhaupt erfassen kann. 53 Die Verständlichkeit der Offenbarung sei jedenfalls das Problem, mit dem Barth in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ durchgehend ringe.54 Wie Feuling darlegt, löst die katholische Theologie dieses Problem, indem sie bei der Metaphysik der Erkenntnis ansetzt.55 Demnach bezieht sich der erkennende Geist auf das Sein, verstanden als alles, was ist. Dieses Sein ist zugleich Eines und Vieles, denn es ist, indem es in verschiedenen Seienden ist, die wiederum nur sind, weil das eine Sein ist. Das Sein ist also eine einheitliche Vielfalt, insofern es das Verhältnis mehrerer Seiender zueinander und damit in sich analog ist (analogia entis). Es ist aber ebenso eine vielfältige Einheit, insofern es vermittelst der Seienden aufgrund der einen Seinsidee und damit analog erkannt werden kann (analogia cognitionis). Von hier aus erklärt sich nach Ansicht Feulings auch, wie dem Menschen in seiner Endlichkeit die Offenbarung des unendlichen Gottes verständlich wird. Insofern Gott existiert, ist er und kann damit in seiner Existenz auch vom Menschen erkannt werden, der seinerseits in endlicher Weise am unendlichen Sein Anteil hat. Allerdings liegen weder Gottes Wesen noch Handeln in der Reichweite menschlicher Erkenntnis, sie sind Gegenstand eigentlicher Offenbarung. Doch stehen die Gotteserkenntnis aufgrund der Vernunft und diejenige aufgrund des Glaubens nicht einfach unverbunden nebeneinander, die eine hängt vielmehr innerlich mit der anderen zusammen. Da das eine Sein der Grund der verschiedenen Seienden ist, wird dieser Grund in der Erkenntnis von Seiendem offenbar. ‚Offenbar‘ bedeutet hier ein Doppeltes: Wird das Sein auf der einen Seite als Grund des Seienden enthüllt, weil dieses ohne jenes gar nicht wäre, wird es auf der anderen Seite zugleich verhüllt, weil es selbst nicht seiend ist. Mit der Enthüllung ist unweigerlich die Verhüllung verbunden. Entsprechend wird Gott im Erkennen der Welt als ihr unergründlicher Grund offenbar. Einmal wird er enthüllt, weil alles Seiende eine Ursache haben und es entsprechend einen Schöpfer geben muß, und 51 Vgl. Daniel Feuling: Das Gotteswort der Offenbarung. In: BenM 16 (1934), 123–130, hier: 124. 52 Vgl. Feuling (1934), 124 f. mit Bezug auf KD I/1 (1932), 62. 53 Vgl. Feuling (1934), 125. 54 Vgl. Feuling (1934), 125 f. 55 Zum folgenden vgl. Feuling (1934), 126–128.
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dabei zugleich verhüllt, insofern er nicht seiend ist und sein inneres Wesen und Wirken folglich dem Erkennen entzogen bleibt. Von sich aus vermag der Mensch wohl zu erkennen, daß ein Gott existiert, nicht hingegen, wie er in sich selbst ist. Nur dann wird Gott wirklich erkannt, wenn er sich von sich aus zu erkennen gibt, indem er, das Seinsverständnis des Menschen aufnehmend, sich selbst zum Gegenstand menschlichen Erkennens macht. Erst wenn die Offenbarung auf der Grundlage (wohlgemerkt: nicht aufgrund!) von Seinserkenntnis ergangen ist, kann es Offenbarungserkenntnis geben. Erst dann tritt neben die analogia entis samt der analogia cognitionis noch die analogia fidei und damit die Analogie zwischen den einzelnen Glaubensaussagen. Ebensowenig wie bloße Seinserkenntnis schon Offenbarung bedeutet, ist diese nicht ohne jene denkbar. Ansonsten würde Offenbarung nur irgendein den Menschen nichts angehendes Wort über Gott anstatt Gottes ihn betreffendes Wort sein. Feuling drückt das so aus: „Diese Analogie des Glaubens bliebe dem Menschen äußerlich und schlechthin ohne Sinn und Wahrheit, schlechthin unverständlich und nicht offenbarend, wenn sie, diese Analogie des Glaubens, nicht innerlich und wesentlich mit der Analogie des Seins und der Erkenntnis eine Einheit bildete – in der Einheit einer von Gott in ihrem Sein und ihrem ‚Meinen‘, ihrer Intentionalität, erhöhten Seinsidee.“56
Von daher will sich ihm einfach nicht erschließen, warum Barth die analogia fidei gegen die analogia entis ausspielt. Unverständlich ist ihm zumal, was er im Vorwort der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ lesen muß.57 Offensichtlich habe Barth überhaupt nicht verstanden, worum es bei der analogia entis gehe, er beurteile und verdamme etwas, das er gar nicht wirklich kenne. Seine Position sei insofern selbstwidersprüchlich, als er einerseits annehme, daß sich Gott und Mensch durch Glaube und Gnade in einer realen Seinsgemeinschaft befinden, andererseits jedoch bestreite, daß es einen mit dem Seinsbegriff beschriebenen Zusammenhang von Gott und Mensch gibt. Wie Feuling betont, gewährleistet die analogia entis aber gerade die Wirklichkeit der Verbindung von Gott und Mensch in der Offenbarung, und deshalb könne Barth die Seins- samt der Erkenntnisanalogie letztlich gar nicht leugnen.58 Freilich möchte der Benediktiner seine Kritik keineswegs als kontroverstheologische Polemik verstanden wissen, sondern als aufrichtig freundliche Einladung an Barth, sich doch einmal intensiver mit der katholischen Position auseinanderzusetzen. Feulings Rezension der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ läßt den scheinbar fundamentalen Gegensatz erkennen, der zwischen einer am Seinsbegriff orientierten Theologie und einer nicht-metaphysischen besteht. Die Unvereinbarkeit beider Perspektiven wird auch Jakob Fehr herausstreichen, ebenso wie Feuling ein de56 57 58
Feuling (1934), 128. Vgl. Feuling (1934), 129 mit Bezug auf KD I/1 (1932), VIII. Vgl. Feuling (1934), 129 f.
6.5 Eine thomistische Kritik: Jakob Fehr
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zidierter Thomist. Ihm leuchtete die Entkopplung von Metaphysik und Offenbarung, die in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ mit der Ablehnung aller natürlichen Theologie programmatisch vollzogen wurde, einfach nicht ein. Einen duplex ordo cognitionis, wie ihn das Vatikanische Konzil festgestellt und die Neuscholastik gelehrt hatte, konnte es für Barth gar nicht geben. 59
6.5 Eine thomistische Kritik: Jakob Fehr Fehrs Verhältnis zur Dialektischen Theologie Als Summe einer mehrjährigen Beschäftigung mit der Dialektischen Theologie veröffentlichte Jakob Fehr (1907–1971), zu dieser Zeit in der Seelsorge tätig, 1939 eine Monographie, die in den Schweizer Medien weithin beachtet wurde. 60 In der ‚Neuen Zürcher Zeitung‘, im ‚Kirchenblatt für die reformierte Schweiz‘ sowie in ‚Divus Thomas‘ erschienen durchaus wohlwollende Rezensionen. 61 Fehr selbst hatte sein Buch unter anderem Oskar Bauhofer zugesandt. Obwohl dessen Konversion für Barth wahrscheinlich Anlaß gewesen war, die analogia entis zu verteufeln, stand er, mittlerweile Publizist mit Sitz in Zürich, weiterhin in gutem Kontakt zu ihm. So wandte sich Bauhofer im Sommer 1939 brieflich an Barth, offensichtlich um ihn zu besänftigen: „Ich bin etwas erstaunt über das Ausmass der Hilflosigkeit Fehrs, Ihrer Theologie etwas ‚abzugewinnen‘. Aber dieses Versagen scheint mir schon damit für ihn unausweichlich geworden, dass er gar keinen Versuch macht, die thomistische Schulsprache ins Unkonventionell-Biblische aufzulockern und so erst eine gemeinsame Basis, eine gemeinsame ‚Sprache‘ mit Ihnen zu finden. Hier rächt es sich, wenn man als katholischer Theologe das Gespräch ad extra unter Zugrundelegung des Thomismus oder irgend eines andern fertigen Systems glaubt führen zu dürfen. Den Thomismus in allen Ehren – aber er ist nicht der Richterstuhl, vor den man evangelische Theologie so ohne weiteres bringen könnte; man vergisst allzu leicht, dass zwischen einem hochentwickelten System mit einer ‚fertigen‘ Begriffswelt und andererseits einer unmittelbar von der Aktualität der Heiligen Schrift getragenen Theologie eine direkte Gleichung oder Vergleichbarkeit nicht möglich ist. (Dass der evangelische Theologe sich sein katholisches Gegenüber beispielsweise am Thomismus vergegenwärtigt, ist umgekehrt ganz in der Ordnung – er muss sich an eine bestimmte Konkretion des Katholischen halten.)“62
59 Exemplarisch dafür ist KD I/1 (1932), 194 (Leitsatz von § 6. Die Erkennbarkeit des Wortes Gottes). 60 Vgl. Jakob Fehr: Das Offenbarungsproblem in dialektischer und thomistischer Theologie. Freiburg (Schweiz) / Leipzig: Verlag der Universitätsbuchhandlung Freiburg (Schweiz), 1939. Zur Biographie vgl. Caren Algner. In: KBGA (2000), 144 Anm. 13. 61 Vgl. die Rezensionen von Walter Nigg. In: Neue Zürcher Zeitung (Ausgabe vom 25. 10. 1939); Werner Tanner. In: KBRS 96 (1940), 26–29; Paul Wyser. In: DT 19 (1941), 332–340. 62 KBA 9339.438 (Oskar Bauhofer an Karl Barth, Brief vom 24. 7. 1939).
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Damit hatte Bauhofer das grundsätzliche Problem, welche Rolle also die Metaphysik in bezug auf die Offenbarung spielt, ziemlich präzise benannt. Während das Interesse der Metaphysik dem Allgemeinen und Notwendigen gilt, ist die Offenbarung durch geschichtliche Partikularität und Freiheit gekennzeichnet. Beides muß sich nicht zwangsläufig widerstreiten, doch ineinsfallen kann es ebensowenig. Nicht zuletzt aufgrund des Studiums an der von den Dominikanern geführten Theologischen Fakultät in Fribourg, die zu den bedeutendsten Zentren des Neuthomismus zählte, waren Fehrs Präferenzen indes völlig eindeutig. 63 Nachdem er das Lizenziat erworben hatte, verbrachte er ein weiteres Studienjahr an deutschen Universitäten: das Wintersemester 1930/1931 in Tübingen, wo er vorrangig Karl Adam hörte, das folgende Sommersemester in Bonn. Hier nahm er an Barths Seminar teil und beeindruckte diesen nachdrücklich.64 Im Anschluß daran kehrte Fehr nach Fribourg zurück, wo er im Jahr 1932 aufgrund einer Dissertation über das Offenbarungsverständnis der Dialektischen Theologie promoviert wurde. Während er Vikar in Basel-Riehen war, nahm er an Treffen eines Gesprächskreises teil, der sich um Eduard Thurneysen gebildet hatte. Anhand von Karl Adams erstmals im Jahr 1924 erschienener gleichnamiger Schrift sollte hier das Wesen des Katholizismus studiert werden. 65 Nach zwei Abenden wurde Fehr allerdings nicht wieder eingeladen, weil es zu keiner konstruktiven Debatte mit ihm gekommen war. 66 Offenbar verliefen die Treffen 63 Zum Thomismus, den die Dominikaner in Fribourg, Toulouse und Rom vertraten, vgl. Henry Donneaud: Une école thomiste en sa tradition contemporaine. XIXe –XXe siècles. In: Serge-Thomas Bonino u. a.: Thomistes ou de l’actualité de saint Thomas d’Aquin. Paris: Parole et Silence, 2003 (Sagesse et Cultures), 255–264. 64 Vgl. KBGA (2000), 140–146 (Karl Barth an Eduard Thurneysen, Brief vom 29. 5. 1931), hier: 144: „In meinem Seminar wirkt übrigens ein richtiggehender römisch-katholischer Theologe namens Fehr aus St. Gallen mit. Sehr aufgeschlossen und munter, aber auch sehr gegründet in seiner Sache, die er nach dreijährigem Studium bei den Dominikanern in Freiburg i.U. außerordentlich gut intus hat. Er ist bei den Diskussionen in der Lage, ganze Partien seiner Voten in glattem Lateinisch vorzutragen, in dem sich ja auch Alles viel besser sagen läßt. Ich fürchte sehr, ein evangelischer Normal-Student würde sich, in einen entsprechenden katholischen Kreis versetzt, sehr viel weniger gut und einleuchtend benehmen.“ Voll des Lobes ist Barth auch in dem Zeugnis, das er Fehr im Anschluß an das Semester in Bonn ausstellte. Eine Kopie desselben findet sich in KBA 9231.201 (Zeugnis von Karl Barth für Jakob Fehr vom 15. 7. 1931, Durchschlag). 65 In mehreren Briefen berichtete Eduard Thurneysen Barth von den Treffen, nämlich KBGA (2000), 629–638 (Eduard Thurneysen an Karl Barth, Brief vom 18. 5. 1934), hier: 636; ebd., 652–654 (Eduard Thurneysen an Karl Barth, Brief vom 23. 5. 1934), hier: 654. 66 Aufschluß darüber gibt KBGA (2000), 660–666 (Eduard Thurneysen an Karl Barth, Brief vom 20. 6. 1934), hier: 664 f.: „Unser Dir gemeldetes Gespräch mit dem Papisten Fehr hat bereits zu zweien Malen stattgefunden. Es waren ganz gute und lehrreiche Abende. Nur muß ich sagen: irgendetwas Jesuitisches an der Gesprächsführung Fehrs hat mir gar nicht eingeleuchtet. Es wurde immer wieder alles abgestritten, was von uns aus gesehen an der katholischen Position unannehmbar ist. Wir sollten an allen Punkten sozusagen mithereingenommen werden. Wir sind nun dazu gelangt, für die weiteren Abende unter uns zu bleiben.“
6.5 Eine thomistische Kritik: Jakob Fehr
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nicht ganz so harmonisch, wie Thurneysen sich das eigentlich erhofft hatte. Ob Fehr dies dazu veranlaßte, Stellung zur Dialektischen Theologie zu beziehen, läßt sich aufgrund der Quellenlage nicht sagen. Jedenfalls veröffentlichte er in den Jahren 1936 bis 1939 insgesamt sechs Artikel, in denen er das Offenbarungsverständnis der Dialektischen Theologie mit dem des Thomismus konfrontierte. 67 Ergänzt um eine Rezension der inzwischen abgeschlossenen Prolegomena der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ stellte er die Artikel schließlich zu einer Monographie zusammen, auf die eingangs bereits hingewiesen wurde. 68 Insgesamt besehen ist Fehrs Auseinandersetzung mit der Dialektischen Theologie streng systematisch. Er erörtert, ob das Offenbarungsverständnis ihrer Exponenten wirklich konsistent ist. Als Kontrastfolie und zugleich als Kriterium der Beurteilung dient ihm dabei die thomistische Theologie. 69 Doch da jeder Gedanke in einem bestimmten historischen Kontext entwickelt und erst in diesem vollends verständlich wird, ordnet Fehr die Dialektische Theologie zunächst in den Kontext der neueren Theologiegeschichte ein. Nach seiner Ansicht kam es im Protestantismus im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu einem folgenschweren Wandel. Nicht mehr Gott in seiner Offenbarung, sondern der religiös ergriffene Mensch sei als das der Theologie zur Reflexion aufgegebene Formalobjekt betrachtet worden. Genau dagegen richte sich im 20. Jahrhundert die Bewegung um Barth, die die Offenbarung als das eigentliche Thema der 67 Vgl. Jakob Fehr: Der Weg zur dialektischen Theologie. In: DT 14 (1936), 163–180; Ders.: Zweierlei Offenbarung? Gedanken zu einer protestantischen Kontroverse. In: DT 14 (1936), 399–420; Ders.: Die Offenbarung als ‚Wort Gottes‘ bei Karl Barth und Thomas von Aquin. In: DT 15 (1937), 55–64; Ders.: Offenbarung und Analogie. Ihr Verhältnis in dialektischer und thomistischer Theologie. In: DT 15 (1937), 291–307; Ders.: Offenbarung und Glaube. Ihr Verhältnis in dialektischer und thomistischer Theologie. In: DT 16 (1938), 15–32; Ders.: Offenbarung, Heilige Schrift und Kirche. Ihr Verhältnis in dialektischer und thomistischer Theologie. In: DT 16 (1938), 309–330. Außerdem veröffentlichte Fehr einen Rezensionsartikel, in dem er auf KD I/1 (1932) sowie KD I/2 (1938) einging, nämlich ‚Offenbarungstheologie‘. Eine Buchbesprechung. In: DT 17 (1939), 99–107. 68 Vgl. Fehr (1939a). Im einzelnen: Ders. (1936a) = Ders. (1939a), 1–18; Ders. (1936b) = Ders. (1939a), 19–40; Ders. (1937a) = Ders. (1939a), 41–50; Ders. (1937b) = Ders. (1939a), 51–68; Ders. (1938a) = Ders. (1939a), 69–86; Ders. (1938b) = Ders. (1939a), 87–108; Ders. (1939b) = Ders. (1939a), 109–122. Die Artikel wurden in inhaltlicher Hinsicht grundsätzlich unverändert und unbearbeitet wiederabgedruckt, abgesehen von zwei kleineren Texterweiterungen, die inhaltlich freilich keine Veränderungen bedeuten: vgl. zum einen Ders. (1937b), 307 mit Ders. (1939a), 67 f., zum anderen Ders. (1939b), 107 mit Ders. (1939a), 117–122. – Bei Hans Markus Wildi (Bearb.): Bibliographie Karl Barth. Bd. 2. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 1992, 413 wird Fehr (1939a) fälschlicherweise als theologische Dissertation bezeichnet. Obwohl Fehr bei der Abfassung der schließlich zu einer Monographie zusammengestellten Artikel auf seine Dissertation aus dem Jahre 1932 zurückgegriffen haben dürfte, ist doch unübersehbar, daß diese und jene nicht miteinander identisch sein können. Zum einen geht Fehr (1936b) auf die Kontroverse zwischen Barth und Brunner ein, die ihren Höhepunkt erst Mitte der dreißiger Jahre erreichen sollte, und zum anderen findet in den Artikeln beginnend mit Fehr (1938a) noch KD I/2 (1938) Berücksichtigung. 69 Vgl. Fehr (1936a), 163 Anm. 1; Ders. (1939a), V–VI.
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Theologie wiederzugewinnen versuche.70 Ob dies aber wirklich gelungen sei, ist für Fehr die Frage: „Wie der ganzen fortschreitenden Auflösung der protestantischen Theologie im letzten Jahrhundert eine Auflösung des christlichen Offenbarungsgedankens zugrundelag, so wird sich an dieser nämlichen Stelle zeigen müssen, ob dieser neue Ansatz der dialektischen Theologie eine wirkliche oder nur eine Scheinlösung der Krisis evangelischer Theologie und protestantischen Christentums überhaupt bildet.“71
Barth und der Thomismus Die Offenbarung als Wort Gottes zu verstehen, wie das auch die Dialektische Theologie tue, impliziert Fehr zufolge nicht nur, daß der Mensch überhaupt zu hören vermag, was Gott spricht. Vorausgesetzt ist damit außerdem, daß das Gehörte angemessen versprachlicht werden kann. Was der Mensch in seine Begrifflichkeit gefaßt hat, muß wahrer, wenngleich unzulänglicher Ausdruck des göttlichen Wortes sein, weswegen von hier auch ein Weg zum Gott der Offenbarung besteht.72 Mit diesem Vorbegriff der Offenbarung hat Fehr einen Leitfaden, anhand dessen er die Position Barths und – kontrastierend dazu – diejenige des Thomismus darstellen kann: Während Thomas von Aquin eine Verbindung zwischen Gottes und des Menschen Wort annehme, wolle Barth strikt zwischen beiden unterschieden wissen. 73 Insofern der reformierte Theologe davon ausgehe, daß der Mensch aufgrund der Korruption durch die Sünde Gott nicht mehr erkennen könne, beziehe er den Offenbarungsbegriff ganz auf Gott. In sich trinitarisch, sei Gott sich selbst Subjekt, Akt und Objekt der Offenbarung, zugleich Offenbarer, Offenbarungsereignis und Offenbarsein. Mache er sich bekannt, geschehe das zwar im Menschen, nicht jedoch im Gegenüber zu ihm. Gott sei allein sich selbst offenbar, indem er als Vater redet und sich im Sohn ausspricht, dieses Wort aber auch im Heiligen Geist hört.74 Was Barth über die Verschränkung von Offenbarungs- und Trinitätslehre ausführt, läßt Fehr allerdings völlig unbeeindruckt. Bei allem intellektuellen und rhetorischen Aufwand, den er in dieser Hinsicht betreibe, komme Barth letzlich nicht um eine Antwort auf die Frage herum, wie 70 Vgl. Fehr (1936a), 164–180, v. a.: 180: „Die dialektische Theologie sieht ihren Ausgangspunkt nicht mehr in der ‚Tatsache des Religionhabens überhaupt‘, sei es in der Form ‚frommer Gemütserregung‘ oder in der Gestalt ‚reinen Denkens‘ oder ‚vorbildlicher ethischer Berufstreue‘, sondern sie sieht christlichen Glauben und christliche Kirche wieder in etwas begründet, was schlechterdings von außen und von oben kommt, im ‚Wort Gottes‘, in der Offenbarung. Der dialektische Theologe weiß sich unter die Offenbarung Gottes gestellt.“ An anderer Stelle, nämlich in Ders. (1938b), 317 f., 322, interpretiert Fehr die Dialektische Theologie als Gegenbewegung zum Historismus. 71 Fehr (1936a), 180. 72 Vgl. Fehr (1937a), 56, 61; Ders. (1938a), 15 f. 73 Vgl. Fehr (1937a), 56–61 bzw. 61–64. 74 Vgl. Fehr (1937a), 61.
6.5 Eine thomistische Kritik: Jakob Fehr
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es möglich sei, daß der Mensch das Wort Gottes vermittelst menschlicher Worte hören und dann auch in rechter Weise von ihm reden könne. 75 Effektvoll kontrastiert Fehr die für ihn zwar so überaus komplexe und spekulative, das eigentliche Problem allerdings nur umgehende Argumentation Barths mit derjenigen des Thomas von Aquin, die sich ihr gegenüber geradezu simpel ausnimmt.76 Nach Thomas spreche Gott zum Menschen gleich einem Lehrer, der seinen Schüler durch das Mittel des Wortes unterrichte.77 Hier sei völlig evident, daß von der Offenbarung als Wort Gottes nur mit menschlichen Worten und Metaphern, also annäherungsweise gesprochen werden könne, und damit gelangt Fehr zum Analogiebegriff als dem eigentlichen Problem. Wichtig ist ihm zunächst die Feststellung, daß die Analogielehre kein konfessionelles Sondergut, sondern eine systematisch-theologische Notwendigkeit darstellt, was Barth im übrigen auch anerkenne. 78 Insofern Analogie weder absolute Identität noch absolute Differenz als vielmehr eine relative Einheit meint, eine Gemeinsamkeit verschiedener Analogata in Bezug auf ein Analogon, ist sie für die Theologie unerläßlich. 79 Als menschliche Rede von Gott kann die Theologie ohne Rückgriff auf sie überhaupt nicht auskommen. Zu einer konsistenten Konzeption des Analogiebegriffs gelangen die Vertreter der Dialektischen Theologie nach Einschätzung Fehrs aber gerade nicht. Stattdessen bringen sie ihn um seine eigentliche Pointe. So betone Barth den Aspekt der Differenz derart, daß sich der Analogiebegriff letztlich auflöse. 80 Vehement bestreite er jede Möglichkeit natürlicher Gotteserkenntnis, weil die analogia entis für ihn der fragwürdige Ersatz von Gottes Offenbarung ist. Außerdem verneine er die Möglichkeit der Gotteserkenntnis aufgrund der biblischen Texte, insofern menschliche Begriffe von Gott niemals die Wirklichkeit Gottes abzubilden imstande seien. Werde Gott überhaupt erkannt, dann nur, wenn er das sündige und verkehrte Wort des Menschen im Heiligen Geist zu seinem eigenen mache. 81 Im Gegensatz zu Barth, der den Aspekt der Differenz in der Analogiebe-
75
Vgl. Fehr (1937a), 62, 64. Vgl. Fehr (1937a), 62–64. 77 Vgl. Fehr (1937a), 64. 78 Vgl. Fehr (1937b), 291. 79 Dieser Vorbegriff läßt sich rekonstruieren anhand von Fehr (1937b), 295, 298. 80 Vgl. Fehr (1937b), 291–295, v. a.: 294 f. 81 Vgl. Fehr (1937b), 294 mit Bezug auf KD I/1 (1932): „Unser kreatürliches Denken und Reden besitzt im Verhältnis zu Gott keine ‚Gleichnisfähigkeit‘, und darum bedarf es ‚der Ausgießung des Heiligen Geistes‘, um das, was wir als Wort kennen, zu solcher Gleichnisfähigkeit je und je zu erwecken und zu erheben, damit es Wahrheit werde, wenn wir Jesus Christus das Wort Gottes nennen. Die biblischen Begriffe und Gleichnisse sind also nicht an sich, nicht nach ihrem natürlichen Sinngehalt, geeignet, Analogien für Gott und göttliche Dinge zu sein, sondern sie müssen solche Analogien je und je werden, indem der Heilige Geist sie im Akt seines zu-uns-Redens (und für-uns-Hörens!) als solche qualifiziert (KD, 123, 252 f., 352 f.)!“ 76
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Kapitel 6: Die Erfi ndung des Antichrist?
ziehung überbewerte, überspanne Emil Brunner den Aspekt der Identität. 82 Er nehme nämlich an, daß die Gottebenbildlichkeit die eigentliche Natur des Menschen sei, und so gehe der Mensch durch den Sündenfall nicht etwa seines übernatürlichen Bezugs verlustig, sondern seine Natur werde lediglich solange verdunkelt, bis sie in der Offenbarung wiederum erhellt wird. Von daher müsse Brunner beispielsweise die traditionelle Erbsündenlehre aufgeben, was sein Denken für Fehr schlichtweg indiskutabel macht. Im Unterschied zu den Exponenten der Dialektischen Theologie, die keine konsistente Analogiekonzeption vorlegen können, biete der Thomismus eine ausgewogene Konzeption. Die Gotteserkenntnis auf der Grundlage der analogia entis ist hier die Voraussetzung für die Gotteserkenntnis auf der Grundlage der analogia fidei, wie Fehr ausführt. Genuiner Ort der analogia entis ist ihm zufolge die ‚natürliche Metaphysik‘. 83 Ausgehend von den gewordenen und bedingten Seienden werde auf ein absolut unbedingtes, ganz in sich selbst gründendes Sein geschlossen. Dieses werde als der Schöpfer identifiziert, dem das Sein innerlich-wesentlich zukommen muß, denn wäre er nicht, könnte er gar nicht die Ursache des Seienden sein. Auf dem Prinzip der so beschriebenen analogia entis beruhe die Möglichkeit der natürlichen Gotteserkenntnis. Genauso wie Gott in analogem, aber wirklichem Sinne als der Seiende bezeichnet werde, können von ihm auch alle anderen auf dem Sein gegründeten Eigenschaften ausgesagt werden, die aus sich eine reine Vollkommenheit bedeuten, gleich ob nur beschränkt oder absolut verwirklicht. Allerdings ermöglicht die analogia entis nach Ansicht Fehrs nicht nur die Erkenntnis Gottes, sondern begrenzt sie zugleich auch, eben weil sie ihren Ort in der natürlichen Metaphysik hat. Zwar könne erkannt werden, daß in Gott Vollkommenheiten wie etwa Sein, Geist und Leben sind, nicht hingegen, in welcher Weise. Gott werde gerade nicht in dem ihm eigenen Wesen erkannt. Darum seien die harschen Vorwürfe, die Barth gegen die analogia entis erhebe, schlichtweg haltlos. Weder diene sie dazu, Gottes Offenbarung in ihrem Geheimnis zu durchschauen, noch um die Indirektheit der Offenbarungserkenntnis in eine Direktheit umzuwandeln. 84 Die natürliche Gotteserkenntnis aufgrund der analogia entis ist und bleibt indirekt, inadäquat und dunkel. 85 Wiewohl in ihrer Reichweite begrenzt, sei sie trotzdem alles andere als überflüssig. Hätte der Mensch keine natürliche Kenntnis von Gott, könnte er weder als diesem verantwortlich begriffen werden noch als Sünder, denn ein solcher könne er nur angesichts eines ihm bekannten Gottes sein. 86 Wie Fehr unterstreicht, kann die Metaphysik als Reflexion, die sich vom Endlichen aus zum Unendlichen bewegt, dennoch keinerlei Ersatz für die Of82 83 84 85 86
Vgl. Fehr (1937b), 295–297, v. a.: 296. Vgl. Fehr (1937b), 297–302. Vgl. Fehr (1937b), 300 mit Bezug auf KD I/1 (1932), 175, 180. Vgl. Fehr (1937b), 300. Vgl. Fehr (1937b), 301.
6.5 Eine thomistische Kritik: Jakob Fehr
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fenbarung sein. Der Verstand vermag nämlich nur von dem anzuheben, was ihm in der konkret-sichtbaren Welt begegnet. Von dieser sind folglich auch die gebildeten Analogien abhängig. Nun ist aber Gott nach seinem eigentlichen, inneren Wesen kein Gegenstand der Welt und damit auf natürliche Weise überhaupt nicht zu erkennen. Wolle Gott sich dem Menschen offenbaren, bedürfe es nicht nur einer extensiven Erweiterung der menschlichen Erkenntnisgegenstände innerhalb des gleichen formalen Erkenntnisgrundes. Darüber hinaus müsse der Mensch Gottes Wesen unter einem neuen, höheren Erkenntnisgrund erreichen können. 87 Bei diesem Erkenntnisgrund handelt es sich um den Glauben. Um die Konturen der Gotteserkenntnis, die in diesem geschieht, stärker hervortreten zu lassen, stellt Fehr sie derjenigen gegenüber, die dem Menschen einst in der seligen Anschauung Gottes gewährt werden wird. 88 Was in der visio beata vollkommen geschehen werde, vollziehe sich im Glauben jetzt noch höchst unvollkommen: Gott mache sich selbst zum Grund menschlicher Erkenntnisfähigkeit. Folglich sind weder die Gotteserkenntnis aufgrund des Glaubens und noch viel weniger diejenige aufgrund der natürlichen Metaphysik direkt. Sowohl die metaphysischen als auch die theologischen Begriffe sind immer nur analog. Allerdings bestünden zwischen den beiden Arten der Gotteserkenntnis gewichtige Unterschiede.89 Erstens bedeute diejenige des Glaubens verglichen mit derjenigen aufgrund der natürlichen Metaphysik ein ‚Mehr‘, verglichen mit der aufgrund der visio beata jedoch ein ‚Weniger‘. Zweitens seien die Analogien des Glaubens im Unterschied zu den reflexiv, auf natürlichem Wege erschlossenen immer Gegenstand eigentlicher Offenbarung, weil sich auf dem Wege der analogia entis zwar erkennen lasse, daß Gott vollkommen, nicht hingegen, daß er trinitarisch ist. Im Unterschied zu Barth und Brunner, bei denen sich der Analogiegedanke auflöse, konzipiere der Thomismus diesen in einer Weise, die der Offenbarung gerecht werde. Fehr faßt die thomistische Position so zusammen: „In jedem Satz der Heiligen Schrift und in jedem Dogma der Kirche ist ein vernünftig denkbarer, wenngleich nicht einsehbarer Sinn enthalten; Gott kleidet sein Wort in Gleichnisse und Analogien, die unserm natürlichen Sprachschatz entnommen sind und in einer bestimmten Beziehung zu seinem verborgenen Sein und Wesen sind, wenngleich diese Beziehung uns nicht einsichtig ist. Wir sollen im Glauben die Beziehung dieser geoffenbarten Analogien zu seiner innergöttlichen Wirklichkeit auf Gottes Autorität hin bejahen, denn letzten Endes ist es der Sinn der göttlichen Offenbarung, daß ‚jeder unserer Gedanken gefangen und Christus gehorsam gemacht werde‘ (II Kor. 10, 5). In diesem Sinne ist die Analogielehre die Schicksalsfrage jeder Theologie.“90
87 88 89 90
Vgl. Fehr (1937b), 303. Vgl. Fehr (1937b), 304–306. Zum folgenden vgl. Fehr (1937b), 306 f. Fehr (1937b), 307.
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Gotteswort im Menschenwort Die Ausgangsfrage, wie der Mensch Gottes Wort hören und in rechter Weise von ihm reden könne, ist für Fehr damit freilich nur zum Teil beantwortet. Zu klären bleibe nämlich noch, warum der Mensch in bestimmten menschlichen Worten das Wort Gottes zu erkennen vermag.91 Daß dies nicht in eigener, sondern immer nur in Gottes Kraft geschehen könne, ist dabei vorausgesetzt. Das wirft die Frage auf, welche Bedeutung eigentlich dem Glauben zukommt. In diesem Punkt wirke sich aus, wie das Verhältnis von Begriff und Wirklichkeit bestimmt wird. Da Barth zwischen dem Wort des Menschen und demjenigen Gottes keine Verbindung sehe und der Analogiegedanke folglich keinerlei Rolle spiele, könne auch der Glaube diese Differenz nicht überwinden. Dem Menschen ist eine wirkliche Erkenntnis der Offenbarung Gottes unmöglich. 92 Nun ist und bleibt es aber die Aufgabe der Theologie, von Gott zu reden, und genau hierin liegt für Fehr das Problem der Dialektischen Theologie. Ist nicht nur alles natürliche Erkennen verkehrt und unwahr, sondern auch der Glaube, kann über Gott eigentlich gar nichts gesagt werden. Soll aber dennoch von Gott die Rede sein, bleibt als Erkenntnisquelle lediglich das existentielle Erlebnis übrig.93 So sehr die Dialektische Theologie sich auch als Gegenbewegung zu aller liberalen Erlebnistheologie gerieren mag, so wenig ist sie das nach Fehrs dezidiertem Urteil in Wirklichkeit.94 Außerdem überwinde sie nicht den Historismus, gegen dessen Vorherrschaft in der protestantischen Theologie sie ja ursprünglich angetreten sei. Anstatt nämlich zu erläutern, wie Bibel und Dogma in ihrer Bedingtheit unbedingte Geltung haben können, erkläre sie beides zum bloß relativen Menschenwort, um dann zu einem geschichtsjenseitigen Aktualismus der Offenbarung Zuflucht zu nehmen.95 Bejahe man im Anschluß an Thomas von Aquin hingegen die Möglichkeit der Analogie, können die biblischen Schriften und das kirchliche Dogma als das gedacht werden, von dem aus der Mensch zur Erkenntnis Gottes gelangt.96 Der in seiner Offenbarung erkannte 91
Vgl. Fehr (1938a), 15. Vgl. Fehr (1938a), 20. 93 Vgl. Fehr (1938a), 26 f. 94 Vgl. Fehr (1938a), 27–29. 95 Vgl. Fehr (1938b), 317–322, v. a.: 318: „Die ‚Methode‘ der dialektischen Theologie besteht darin, einerseits die Relativität alles Geschichtlichen gelten zu lassen und durch den Erbsündengedanken noch zu radikalisieren und andererseits doch immer wieder so zu tun, ‚als ob‘ es eine Möglichkeit gäbe, von der Aufhebung dieses Relativismus durch Gottes (unzugängliches!) Wort selbst Kenntnis zu erhalten. Was sich daraus ergibt und was nach der Applikation des dialektischen Schemas auf die konkrete Frage nach der Autorität, der Heiligen Schrift, des Kanons, der Lehre der Kirche usw. jeweilen übrig bleibt, ist jenes merkwürdige Gemisch von ‚Schein und Möglichkeit‘ [Erik Peterson], das gerade Barths Antworten auf die konkreten Probleme der tatsächlichen Offenbarungsvermittlung charakterisiert.“ 96 Vgl. Fehr (1938a), 23: „1. Der Glaube ist auch für Thomas eine Erkenntnis, die nicht in unsern natürlichen Kräften liegt. Er besteht ja im Erkennen und Anerkennen von Gottes ‚über-natürlichem‘ Offenbarungswort. 2. Soll solcher Glaube möglich werden, dann muß 92
6.5 Eine thomistische Kritik: Jakob Fehr
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Gott werde dem Menschen damit aber keineswegs verfügbar. Das gewährleiste schon die Unterscheidung von äußerem und innerem Vernehmen der Offenbarung. Hört der Mensch das Wort Gottes, ist das zunächst einmal ein äußerer Akt, über den hinaus der Heilige Geist den Hörer des Wortes noch erleuchten muß, damit dieses auch zum Wort Gottes werde.97 Überblickt man Fehrs Überlegungen, ergibt sich folgendes Bild: Wie die Dialektische Theologie die Offenbarung auffaßt, ist sie für ihn alles andere als plausibel, zumal im Vergleich zum Thomismus. Zwar reden Barth und Brunner viel über die Offenbarung, aber im Grunde ist das reine Rhetorik. Wenn zwischen Gott und Mensch ein unüberwindlicher Graben besteht, wie von ihnen behauptet, kann der Mensch eigentlich gar nichts über Gott sagen, zumindest nichts Wahres. Dadurch gerät die Theologie aber in eine höchst prekäre Lage, denn sie kann ihrer ureigenen Aufgabe, von Gott zu reden, überhaupt nicht nachkommen. Wie die Dialektische Theologie mit dieser Verlegenheit umgeht, erläutert Fehr in einer Rezension der beiden Bände der Prolegomena zur ‚Kirchlichen Dogmatik‘.98 Anders als in seinen Artikeln, in denen er auf materiale Themen eingeht, arbeitet er nun die Formalprinzipien von Barths Denken heraus. Was auf den zusammen knapp eintausendfünfhundert Seiten ausgebreitet werde, lasse sich im Grunde auf zwei eng miteinander verbundene Ideen zurückführen, und zwar die Dialektik als Methode der Theologie sowie den Aktualismus der Offenbarung. Obwohl Barth die Offenbarung als absolut transzendent bestimme, könne er sich überaus wortreich und beredt über sie äußern. Dies ermögliche ihm die dialektische Methode, auf die er in seiner Theologie so virtuos zurückgreife. Während er auf der einen Seite die völlige Relativität alles Menschlichen und damit auch die Unmöglichkeit menschlicher Rede von Gott behaupte und so radikal wie möglich zur Geltung bringe, nehme er auf der anderen Seite mit Verweis auf das Wirken des Heiligen Geistes an, daß die an sich unmögliche menschliche Rede von Gott doch möglich sei.99 Indem Barth von einer aktualistischen Selbstvergegenwärtigung der Offenbarung ausgehe, könne er ihrer Transzendenz zum Trotz überaus ausführlich von ihr reden. An sich ist zwar alles, was der Mensch über Gott meine sagen zu müssen, falsch und grundverGott dem Menschen dazu die Fähigkeit schenken. Dies geschieht, indem Gott durch seine Gnade den menschlichen Verstand und Willen fähig und geneigt macht, in der ‚geschöpflichen Gestalt‘ des Bibelwortes und der Kirchenlehre Gottes Wort zu erkennen und anzuerkennen.“ Vgl. auch Ders. (1938b), 322: „Das ist der Sinn der echten ‚analogia fidei‘: Gott selber gibt in der Offenbarung seinem ewigen Worte eine unserem gegenwärtigen Stande der Erwartung angepaßte, in unserer Sprache geformte und insofern unzulängliche, aber dennoch wahre und positive Gestalt.“ 97 Vgl. Fehr (1938a), 30–32. 98 Zum folgenden vgl. Fehr (1939b). 99 Vgl. Fehr (1939b), 101.
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kehrt, aber sofern Gott des Menschen Wort zu seinem eigenen mache, werde selbst das Falsche wahr.100 Für Fehr ist das jedoch alles andere als schlüssig: „Die dialektische Theologie lebt ihr üppiges Leben sozusagen ausschließlich auf Kosten dieser aktualistischen Fiktion: als ob eine Gotteserkenntnis durch das Mittel menschlicher Begriffe und Analogien, die zunächst grundsätzlich und mit Emphase als unmöglich, bzw. als lauter menschliche Finsternis erklärt wurde, doch wenigstens in einem vorübergehenden ‚Ereignis‘, in einem aktuellen und somit transitiven Geschehen, also sozusagen ‚punkthaft‘, in einem imaginären ‚Augenblick‘ möglich sein könnte. Wer die starken Negationen, in welchen Karl Barth über die Unmöglichkeit, von Gott überhaupt zu reden, spricht, noch nicht vergessen hat, wird zwar weniger darüber staunen, daß von einem Theologen dieser Grundsatz nicht aufrecht erhalten werden kann, als vielmehr darüber, wie denn der Dialektiker, dessen Erkennen auch im Glauben Finsternis sein will, von der göttlichen Durchbrechung jener Unmöglichkeit Kunde erhalten haben soll.“101
Daß die Dialektische Theologie auf diese Weise die Systemlosigkeit zum System erkläre, mache sie aus katholischer Sicht aber letztlich unannehmbar. In der schrankenlosen Relativierung aller menschlichen Rede von Gott werde man nicht nur eine völlige Auflösung des Offenbarungsgedankens erblicken müssen. Mehr noch würde der Entscheidung und Gehorsam verlangende Charakter der Offenbarung aufgehoben. Vermag der Mensch das Wort Gottes gar nicht zu hören, kann er ihm auch nicht gehorsam werden und dies in seinem Denken, Reden und Tun bewähren.102 Nach diesem Frontalangriff findet Fehr ganz am Ende seines Rezensionsartikels zwar noch ein paar anerkennende Worte für den Ernst und die Konsequenz, mit der Barth sein Denken entwickelt habe.103 An seiner grundsätzlichen Distanz gegenüber der Dialektischen Theologie ändert dies aber nichts. Das hinderte ihn freilich nicht daran, Barth ein Exemplar seiner Monographie über den Offenbarungsbegriff der Dialektischen Theologie zuzusenden.104 Als hätte er dessen Reaktion vorausgeahnt, schreibt er in dem beiliegenden Brief: „An meiner Arbeit tut mir etwas am meisten leid: dass sie gar so sehr den Eindruck macht, dass ich glaube mit Ihrer Theologie fertig geworden zu sein. Das ist nicht der Fall, viel weniger als es scheinen mag. Das ist freilich richtig: Ihre Theologie ist mir im letzten etwas Unbegreifliches, das ich nicht mitmachen könnte. Aber es ist an ihr doch so vieles, das mir immer eine heilsame Beunruhigung war und bleiben wird.“105
Zwar zeigte sich Barth, wie er in seinem Antwortschreiben deutlich machte, keineswegs pikiert, obwohl ihm manche Äußerung Fehrs bitter und bösartig zu 100
Vgl. Fehr (1939b), 103 f. Fehr (1939b), 104. 102 Vgl. Fehr (1939b), 106 f. 103 Vgl. Fehr (1939b), 107. 104 Der Notiz in KBGA (2000), 650 Anm. 30 zufolge lautet die Widmung: „Herrn Prof. Dr. K. Barth in dankbarer Erinnerung an mein Bonner Studium gewidmet vom Verfasser“. 105 KBA 9339.403 (Jakob Fehr an Barth, Brief vom 28. 6. 1939). 101
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sein schien, doch hatte er deutliche inhaltliche Rückfragen an seine Interpretation, die viel zu sehr auf die Dialektik abgehoben habe.106 Fehr replizierte umgehend und verwahrte sich gegen Barths Eindruck, seine Äußerungen grenzten an Bitterkeit, kalte Bösartigkeit und beinahe an Verbalinjurie. Wohl räumte er die Mängel seiner Arbeit unumwunden ein und schrieb sie vorrangig seiner „unbeholfenen und mangelhaften Darstellungsgabe“ zu.107 Barths inhaltliche Einwände scheinen ihm hingegen nicht nachvollziehbar gewesen zu sein. Er hätte durchaus die Gelegenheit gehabt, seine harsche Kritik an der Dialektischen Theologie wenn nicht zu relativieren, so doch wenigstens im Ton zu mäßigen, als er im März 1941 im Rahmen der Thomas-Festakademie der Theologischen Fakultät Luzern einen Vortrag hielt, in dem er auf Barths theologische und geistesgeschichtliche Bedeutung einging.108 Stattdessen trug er seine bereits vorgelegte Interpretation inhaltlich und stilistisch unverändert vor. Spätestens damit dürften sich seine und Barths Wege vollends getrennt haben. Soweit zu sehen ist, brach der Kontakt zwischen ihnen ab. Ganz anders, menschlich erfreulicher und theologisch ergiebiger, sollte sich Barths Verhältnis zu Gottlieb Söhngen gestalten, der sich wie kaum ein anderer Katholik der Dialektischen Theologie annäherte.
6.6 Unterwegs zu einer heilsgeschichtlichen Theologie: Gottlieb Söhngen Indem die katholische Theologie den Gottesgedanken gegenüber dem Atheismus und dem Agnostizismus durch eine starke Betonung der praeambula fidei sichern wollte, machte sie sich den Rationalismus, der die neuzeitliche Philosophie kennzeichnet, ironischerweise selbst zu eigen. Ob und inwieweit die Differenz, die zwischen dem Gott der Philosophen und dem Gott der Bibel gedacht werden muß, tatsächlich noch gedacht werden konnte, wurde damit fraglich. Mitunter schien es, als bestehe zwischen der natürlichen und der übernatürli106 Vgl. KBA 9239.119 (Karl Barth an Jakob Fehr, Brief vom 2. 7. 1939, Durchschlag): „Kann ich es jenen prot. Liberalen allenfalls verzeihen, wenn sie sich damit begnügen, die Unerträglichkeit meiner Stellungnahme in jener formalen Frage wieder und wieder zu beschreien, so hätte ich von Ihnen nun eigentlich doch erwartet, dass Sie sich mindestens der Abwechslung halber darauf eingelassen hätten, die Absurdheit meiner ‚Dialektik‘ – wer hiess Sie, auf dieses alte Schlagwort zurückzukommen? – an irgendwelchen Misslichkeiten und Verkehrtheiten meiner sachlichen Behandlung des Dogmas nachzuweisen. Und hätte Sie das dann nicht – ich will nicht sagen: zu positiveren, aber zu fruchtbareren Erwägungen hinsichtlich der Deutung jenes Skandals als solchen führen können? Kurzum, ich wollte wohl, Sie hätten mich etwas weniger stur verstehen und sich dann – auch selber etwas weniger stur mir gegenüberstellen können. Aber das ging nun offenbar diesmal nicht anders.“ 107 KBA 9339.416 (Jakob Fehr an Karl Barth, Brief vom 4. 7. 1939). 108 Vgl. Jakob Fehr: Karl Barths theologische und geistesgeschichtliche Bedeutung. In: SKZ 109 (1941), 121–123, 133–136.
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chen Gotteserkenntnis ein lediglich gradueller Unterschied, derart stark war die metaphysische Ausrichtung der Neuscholastik. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde demgegenüber daran erinnert, daß der Gott der Philosophen nicht einfach mit dem Gott der Bibel identisch ist.109 In diesem Zusammenhang ist auch Gottlieb Söhngen (1892–1971) zu nennen, seit dem Jahr 1937 Professor zunächst im ostpreußischem Braunsberg, nach dem Zweiten Weltkrieg dann in München. Aufgrund seiner methodologischen, d. h. theologietheoretischen Überlegungen, durch die er wesentlich zur Überwindung des vornehmlich metaphysischen Denkens der Neuscholastik beigetragen hat, zählt Söhngen zu den wichtigsten Figuren der katholischen Theologiegeschichte dieser Zeit.110 Obwohl er die natürliche Theologie nicht rundweg ablehnte, stand er ihr doch überaus skeptisch gegenüber. Er bezeichnete sie einmal als den großen und gefährlichen Gegenspieler einer göttlich-übernatürlichen Offenbarung und überhaupt jeder lebendigen, nicht von der Blässe des Gedankens angekränkelten Religion.111 Söhngen selbst machte sich dagegen für einen heilsgeschichtlichen Ansatz stark.112 Erste Überlegungen in diese Richtung hatte er bereits zu Beginn seiner Lehrtätigkeit angestellt. Schon sein Habilitationsvortrag, den er im Juli 1931 an der 109 Vgl. Aidan Nichols: Catholic Thought Since The Enlightenment. A Survey. Pretoria: Unisa Press / Leominster, UK: Gracewing, 1998, 107: „Up to the end of the nineteenth century, Catholic thought since the Enligthenment (it seems safe to say) had been dominated by philosophical issues – in which it reflected, malgré lui, the agenda set by the Enlightenment itself. This did not mean that the themes of the Trinity and Christology, salvation and grace, the Church, the Mother of God, the saints, the Last Things, had ceased to be taught or written about in the theological schools. But the flash-points of debate were philosophical and fundamental theology; the principal protagonists worked on the interface between reason and revelation. The first half of the twentieth century, by contrast, was marked by the desire for a more theological theology, for an intellectual culture more pervasively saturated by dogmatic thought, for more direct influence from revelation’s heartlands. The movement of ressourcement – recursus ad fontes, ‚going back to the sources‘ of revelation in Tradition and Tradition’s primary momument, Scripture – was the chief form which this desire took.“ 110 Vgl. Georg Kraus: Gotteserkenntnis ohne Offenbarung und Glaube? Natürliche Theologie als ökumenisches Problem. Paderborn: Verlag Bonifatius-Druckerei, 1987 (KKTS 50), 169–197; Josef Graf: Gottlieb Söhngens (1892–1971) Suche nach der Einheit der Theologie. Ein Beitrag zum Durchbruch des heilsgeschichtlichen Denkens. Frankfurt a. M. u. a.: Lang, 1991 (RSTh 39); Martin Hailer: Theologie als Weisheit. Sapientiale Konzeptionen in der Fundamentaltheologie des 20. Jahrhunderts. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1997 (Neukirchener theologische Dissertationen und Habilitationen; 17), 45–87. Speziell zu Söhngens Bedeutung für die Entwicklung der katholischen Fundamentaltheologie vgl. Max Seckler: Fundamentaltheologie: Aufgaben und Aufbau, Begriff und Namen. In: HFTh 2 4 (2000), 331–402. 111 Vgl. Gottlieb Söhngen: Natürliche Theologie. I. Im katholischen Verständnis. In: LThK 2 7 (1962), 811–816, hier: 812. 112 Vgl. Gottlieb Söhngen: Die Weisheit der Theologie durch den Weg der Wissenschaft. In: MySal 1 (1965), 905–980. An der Neuscholastik kritisierte Söhngen besonders ihre ungeschichtliche Sicht der Geschichte, so etwa in seinem Artikel Neuscholastik. In: LThK 2 7 (1962), 923–926, hier: 924 f.
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Universität Bonn hielt, läßt ein reges Interesse an theologietheoretischen Fragestellungen erkennen, das sich alsbald mit einer intensiven Auseinandersetzung mit der Dialektischen Theologie verbinden sollte.113 Den Anstoß dazu gab Robert Grosche, auf den noch näher einzugehen sein wird.114 In der von ihm herausgegebenen Zeitschrift ‚Catholica‘ erschienen im Jahr 1934 denn auch zwei einschlägige Beiträge Söhngens, die sich in hohem Maße der Beschäftigung mit der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ verdanken.115 Im Unterschied zu Bernhard Bartmann und Daniel Feuling, die sich zur selben Zeit zu ihr äußerten, verwunderte sich Söhngen nicht über Barths Verwerfung der analogia entis. Vielmehr schärfte sie seine eigene Wahrnehmung der katholischen Theologie der Gegenwart: „Auf der Suche nach Auskunft über analogia fidei habe ich den Eindruck gewonnen, daß bei den deutschen scholastischen Theologen und Philosophen unserer Zeit über Analogie guter Rat in Fülle zu holen ist, freilich über analogia entis, nicht gerade über analogia fidei, oder genauer beurteilt nicht über Sonderfrage und Eigengehalt einer analogia fi dei gegenüber der analogia entis. Oder ist die analogia fidei ein Teil, etwa die höchste Stufe der analogia entis, so daß in dem allgemeinen Anliegen der analogia entis das besondere einer analogia fidei mitbesorgt wird? Doch wie mag dies sein? Die analogia entis ist wie das ens Gegenstand der Metaphysik als der Grundwissenschaft vom Seienden, ist also ein philosophischer Sachverhalt; die analogia fidei, streng verstanden, ist dagegen ein theologischer Sachverhalt. Und dieser sollte in jenem mitgesetzt sein? Die analogia entis rein in sich genommen ist auch rein in sich oder rein philosophisch verständlich; aber ihr 113 Der Habilitationsvortrag, den Söhngen im Juli 1931 in Bonn hielt, erschien im Folgejahr unter dem Titel Die katholische Theologie als Wissenschaft und als Weisheit. In: Cath(M) 1 (1932), 49–69. Bereits hier finden sich erste Hinweise darauf, daß sich Söhngen mit der Dialektischen Theologie befaßte, nämlich ebd., 49 Anm. 1 mit Bezug auf Heinrich Scholz: Wie ist eine evangelische Theologie als Wissenschaft möglich? In: ZZ 9 (1931), 8–53. 114 Vgl. Joseph Ratzinger: Das Ganze im Fragment. Gottlieb Söhngen zum Gedächtnis. In: Christ in der Gegenwart 23 (1971), 398 f., hier: 398. 115 Vgl. Gottlieb Söhngen: Analogia entis: Gottähnlichkeit allein aus Glauben? In: Cath(M) 3 (1934), 113–136; Ders.: Analogia entis: Die Einheit in der Glaubenswissenschaft. In: ebd., 176–208. Nach Erscheinen der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ hatte Söhngen über zwei Semester hinweg Seminarübungen zum Thema Analogie angeboten, die laut eigener Aussage für seine Urteilsbildung von erheblicher Bedeutung waren. In diesem Zusammenhang weist er (ebd., 115) auf die Referate von Wilhelm Bange und Mannes Koster hin. Der Pallottiner Bange publizierte sein Referat, in dem er sich sehr kritisch mit Przywara (1932) auseinandergesetzt hatte, unter dem Titel Form-Einheit von Philosophie und Theologie? In: Cath(M) 3 (1934), 10–26. Nachdem er im Jahr 1937 aufgrund einer Dissertation über Meister Eckharts Seinslehre in Bonn promoviert worden war, lehrte er an der Hochschule seines Ordens in Limburg Fundamentaltheologie und alttestamentliche Exegese, so Joachim Schmiedl: Die Hochschule der Pallottiner in Limburg. In: Dominik Burkard / Wolfgang Weiß (Hrsg.): Katholische Theologie im Nationalsozialismus. Bd. 1/1. Würzburg: Echter, 2007, 647–657, hier: 652 f. Das Referat, das der im Jahr 1938 aufgrund einer ekklesiologischen Dissertation in Bonn promovierte Dominikaner Koster hielt, blieb ausweislich seiner Bibliographie in FZPhTh 18 (1971), 378–380 unveröffentlicht. Kritisch gegenüber Barths Fassung der analogia fidei äußerte er sich in einem später erschienenen Artikel, nämlich in Theologische Besinnung [. . .]. In: Cath(M) 7 (1938), 89–113, hier: 89–91.
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Verhältnis zur analogia fidei kann nicht rein aus der analogia entis selbst verständlich gemacht werden, sondern muß von der analogia fidei her bestimmt sein und werden.“116
Gegen wen sich diese wenn auch nur vorsichtig formulierte Kritik richtet, führt Söhngen freilich nicht näher aus. Klarheit bringt ein (übrigens an Barth gerichteter) Brief vom November 1934, in dem er Erich Przywara als seinen eigentlichen Gegner und als Hauptvertreter des ‚Neukatholizismus‘ identifiziert.117 Was er damit meint, erschließt ein Blick in die ‚Kirchliche Dogmatik‘. Hier hatte Barth dem Neuprotestantismus vorgehalten, das menschliche Selbstverständnis zum dominierenden Vorverständnis der Offenbarung zu machen.118 Vergleichbares tue auf katholischer Seite die von Przywara repräsentierte Richtung, so bedeutete Söhngen, indem sie der natürlichen Theologie eine derart zentrale Stellung zubillige, daß die Gotteserkenntnis aufgrund der Offenbarung lediglich ein Anhängsel der natürlichen Gotteserkenntnis zu werden drohe. Nun könnte dieser Brief zunächst den Eindruck erwecken, als habe Söhngen sein eigenes Denken einzig in kritischer Abgrenzung gegenüber demjenigen Przywaras gewonnen. Nicht minder wichtig war für ihn jedoch die Auseinandersetzung mit der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ selbst. Wie bereits bei Przywara bemängelt er auch bei Barth das Verständnis des Seins, das dieser seiner Theologie zugrunde lege. Da das Denken dem Sein folge, komme es entscheidend darauf an, wie dieses aufgefaßt wird.119 Hatte Söhngen bei Przywara ein univokes Seinsverständnis ausgemacht, das insofern auf einen ontologischen Monismus hinauslaufe, als eine letzte Gemeinschaft zwischen dem Sein Gottes und dem des Menschen bestehe, sieht er bei Barth ein äquivokes Seinsverständnis gegeben. Wenn Barth die analogia entis grundsätzlich ablehne und lediglich die analogia fidei gelten lassen wolle, erkläre sich das vor dem Hintergrund des 116
Söhngen (1934), 113 f. Vgl. KBA 9334.1071 (Gottlieb Söhngen an Karl Barth, Brief vom 9. 11. 1934): „Ich gestehe, daß es mir nicht zuerst um eine Auseinandersetzung mit Ihnen und Brunner geht, sondern um eine Abwehr dessen, was ich nicht anders denn als ‚Neukatholizismus‘ benennen kann. Hauptvertreter dieses Neukatholizismus in unserer Zeit ist mir – Przywara. Dabei gehöre ich nicht zu denen, die neukatholische und jesuitische Theologie in eins setzen.“ Wie aus diesem Brief außerdem hervorgeht, hatten Barth und Söhngen bereits zuvor korrespondiert und auch Publikationen ausgetauscht. Tatsächlich hatte Barth in seiner Streitschrift ‚Nein! ‘, die vom Oktober 1934 datiert, auf einen der Artikel Söhngens verwiesen – vgl. Barth (1934), 27 mit Bezug auf Söhngen (1934), 113–136. – Auf die Entwicklung der deutschen katholischen Theologie seit Ende des Ersten Weltkriegs zurückschauend schreibt Gottlieb Söhngen: Analogia entis oder analogia fi dei? In: WiWei 9 (1942), 91–100, hier: 91: „In der katholischen Theologie wurde die analogia entis gleichsam zum Feldgeschrei, in welchem sich katholische Siegesgewißheit kundgab; und bis in die sogenannte Laientheologie, d. h. bis in das theologische Schrifttum für den katholischen Akademiker, wurde die Losung von der analogia entis hineingetragen.“ Explizit verweist Söhngen (ebd., 91 Anm. 1) auf Schriften Przywaras. 118 Vgl. KD I/1 (1932), 35–39. 119 Ganz in scholastischer Manier unterscheidet Söhngen (1934), 114 zwischen dem ordo cognoscendi und dem ordo essendi. 117
6.6 Unterwegs zu einer heilsgeschichtlichen Theologie: Gottlieb Söhngen
121
ontologischen Dualismus, der für den Protestantismus insgesamt kennzeichnend sei.120 Allein durch den Glauben und nur in ihm bestehe gemäß protestantischer Auffassung eine Beziehung zwischen Gott und Mensch, weil beider Sein einander gänzlich unähnlich sei und das auch stets bleibe. Darum lasse sich Barths Analogielehre in diesem einen Satz zusammenfassen: „Analogia fidei ereignet sich streng gegen analogia entis (in der Folgerichtigkeit des reformatorischen sola fide und simul iustus et peccator).“121 Wenn Emil Brunner im Gegensatz zu Barth auf die Notwendigkeit einer natürlichen Theologie und damit auf eine stärkere Rolle der Philosophie hinweise, mag das sicherlich sachgemäßer sein, dafür aber auch weniger protestantisch.122 Denn nach Luther sei der Mensch gänzlich von der Sünde korrumpiert und habe darum keinerlei Ähnlichkeit mit Gott.123 Gegen diesen, wie ihm scheint, ontologischen Dualismus wendet Söhngen jedoch ein, daß sich die Wirklichkeit der Teilhabe des Menschen an Gott nicht mehr schlüssig erklären lasse.124 Gott habe in Jesus Christus wirklich am Menschsein teilgehabt, und deshalb müsse der Mensch durch Christus auch an Gott teilhaben können.125 Für Söhngen steht aber nicht dieser soteriologische Einwand im Zentrum. Stattdessen stellt er gegenüber Barth heraus, daß eine offenbarungsgemäße Theologie eine natürliche Theologie notwendigerweise einschließt. Gott habe sich nämlich sowohl in der Natur als auch in der Geschichte geoffenbart.126 Aufgrund des Bezugs, der zwischen der Schöpfung und ihrem Schöpfer und Erhalter bestehe, könne die menschliche Vernunft durchaus auf einen Gott schließen. Söhngen führt in diesem Zusammenhang mit Röm 1, 20 die vielleicht 120
Vgl. Söhngen (1934), 115–117 mit Bezug auf KD I/1 (1932), VIII–IX, 250–261, 352–
367. 121
Söhngen (1934), 117. Vgl. zudem ebd., 120, 123. Vgl. Söhngen (1934), 117–120 mit Bezug auf Emil Brunner: Natur und Gnade. Zum Gespräch mit Karl Barth. Tübingen: Mohr, 1934. An der Debatte, die sich zwischen Barth und Brunner um die natürliche Theologie entwickelt hatte, beteiligte sich Söhngen mit dem Artikel Natürliche Theologie und Heilsgeschichte. Antwort an Emil Brunner. In: Cath(M) 4 (1935), 97–114. 123 Vgl. Söhngen (1934), 121–136. Darüber, wie das simul des iustus et peccator interpretiert werden müsse, herrscht in der katholischen Theologie der dreißiger Jahre freilich kein Konsens. Dies zeigt exemplarisch der womöglich als Reaktion auf denjenigen Söhngens entstandene Beitrag von Robert Grosche: Simul peccator et iustus. Bemerkungen zu einer theologischen Formel. In: Cath(M) 4 (1935), 132–139. 124 Vgl. Söhngen (1934), 134: „Die participatio fidei will mithin als participatio corporis Christi oder participatio Dei in corpore Christi verstanden sein. Und diese unsere Gottesteilhabe im Christusleib ist participatio entis, freilich per fi dem, aber eben per fidem caritate formatam, Teilhabe durch den Glauben, der in der Liebe ein wirkliches und wirkendes Sein in uns ist, wirkliches Teilhaben, menschliche Seinswirklichkeit, wenn anders das ‚Wort‘ Mensch, wirklich Mensch geworden ist, wirklich an der Menschheit teilhat.“ 125 Vgl. Söhngen (1934), 134 f. 126 Vgl. Söhngen (1934), 198: Die Unterscheidung, die Söhngen hier vornimmt, ist die von „natürlicher“ und „übernatürlicher“, „naturhafter“ und „gnadenhafter“ Offenbarung. 122
122
Kapitel 6: Die Erfi ndung des Antichrist?
klassischste Belegstelle für die natürliche Theologie an.127 Obwohl die Gotteserkenntnis, die sich auf diesem Wege ergebe, nur eine höchst schwache sei, handle es sich bei ihr um eine wirkliche, denn daß Gott der Schöpfer ist, stellt eine wahre Aussage über ihn dar. Aber so sehr die Schöpfung Offenbarung Gottes ist, sowenig ist sie die Offenbarung seiner selbst.128 Wie Gott in sich selbst ist, nämlich trinitarisch, müsse eigens geoffenbart werden.129 Wenn sich das eine nicht aus dem anderen ergebe, dann weil das Sein dem Tun zwar logisch vorausgeht, noetisch es sich jedoch umgekehrt verhält: „Operari sequitur esse – Das Tun folgt dem Sein. Das gilt in der Seinsordnung. Darum strebt der Metaphysiker, die Tätigkeiten auf ihre Seinsgrundlagen zurückzuführen. Aber gerade dieses Verfahren zeigt auch, daß unsere Erkenntnis den umgekehrten Weg geht: Esse sequitur operari – Die Seinserkenntnis folgt der Tätigkeitserkenntnis. Und wenn dies in der natürlichen Erkenntnisordnung gilt, um so mehr wiegt es in der Erkenntnisordnung des Glaubens. In der Tat redet die Bibel die Sprache der dynamischen Analogie.“130
Von daher lasse sich Gott als Gott zwar von seinem nach außen gehenden schöpferischen Handeln her erkennen, vorrangig und in sich selbst jedoch allein aufgrund seines geschichtlichen Handelns. Weder daß Gott sich selbst offenbare noch als was er sich erweise, vermag der Mensch auch nur zu ahnen, und so schreibt Söhngen pointiert: „Die Selbsterschließung Gottes kann selbst allein in eben dieser göttlichen Selbsterschließung erkannt werden.“131 Ohne dies zu explizieren, befindet er sich hier in allergrößter Nähe zu Barth, der in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ den Grundsatz formuliert hatte, daß das Wort Gottes erkennbar wird, indem es sich erkennbar macht.132 Allerdings ist Söhngen weit davon entfernt, die natürliche Theologie in Bausch und Bogen zu verwerfen. Nicht jede Aussage des Menschen über Gott sei von vornherein falsch, aber genausowenig kann alles automatisch als richtig gelten. Das Kriterium, an dem sich die Metaphysik zu messen hat, ist die Heilsgeschichte, d. h. was aufgrund der geschichtlichen Offenbarung über Gott auszusagen ist, fungiert als Regulativ der natürlich möglichen Erkenntnis Gottes 127
Vgl. Söhngen (1934), 198 f. Vgl. Söhngen (1934), 204: „Gottes Offenbarung in der Natur ist weder seins- noch erkenntnismäßig Mitteilung seiner selbst, d. h. seiner göttlichen Natur. Gott setzt hier die Menschennatur und ihre Welt in ihr eigenes Sein und Tun, und eben darum ohne sie in seinen eigenen Seins- und Lebensbereich zu versetzen. Die wesentliche Grenze der mit jener natürlichen Offenbarung grundgelegten analogia et participatio entis ist demnach, daß sie keinerlei analogia et participatio divinae naturae bedeutet.“ 129 Vgl. Söhngen (1934), 204 f. Aus diesem Grund ist Söhngen (ebd., 205 mit Anm. 39) überaus skeptisch gegenüber der Lehre von den vestigia trinitatis. 130 Söhngen (1934), 198. 131 Söhngen (1934), 204. 132 Vgl. KD I/1 (1932), 260. Noch pointierter wird Barth in KD II/1 (1942), 200–287 (§ 27. Die Grenzen der Erkenntnis Gottes) als Grundsatz formulieren, daß Gott nur durch Gott erkannt wird. 128
6.6 Unterwegs zu einer heilsgeschichtlichen Theologie: Gottlieb Söhngen
123
aus seiner Schöpfungsoffenbarung. Die Heilsgeschichte begrenzt nach Ansicht Söhngens die Metaphysik, ohne sie jedoch überflüssig zu machen.133 So ist die analogia entis einerseits zwar eigenständig gegenüber der analogia fidei, ordnet sich andererseits aber in diese ein. Der letzte Grund dafür sei Gottes Offenbarung in Jesus Christus: „Jesus Christus, Deus et homo, Verbum Divinum assumens humanam naturam est nostra analogia fidei assumens analogiam entis.“134 Was dies nun genau meint, bleibt freilich recht vage. Überhaupt scheint es, als benenne Söhngen in den beiden Artikeln aus dem Jahr 1934 eher das Problem, als daß er eine schlüssige Lösung anbiete. Auf jeden Fall schwebt ihm eine theologische Wende der Theologie vor. Anstatt wie in der Neuscholastik üblich bei einem abstrakt-philosophisch erschlossenen Gottesbegriff anzusetzen, geht es ihm um eine Theologie, die sich aus der geschichtlichen Konkretheit der Offenbarung herleitet. Das impliziert eine andere Bestimmung des Verhältnisses von Philosophie und Theologie als ansonsten üblich. Entsprechend sollten Söhngens Überlegungen in der Folgezeit einmal dahin gehen, die Metaphysik angesichts des Kontingenten und Unableitbaren der Offenbarung zu relativieren.135 Außerdem wandte er sich der stärker Augustinus folgenden Tradition der katholischen Theologie zu und profilierte etwa Bonaventura als Denker der analogia fidei.136 Das Projekt einer heilsgeschichtlich orientierten Theologie, das sich in all diesen Versuchen, die metaphysisch orientierte Neuscholastik durch eine andere Form des Denkens abzulösen, bereits in Umrissen abzeichnet, verdankt sich jedenfalls entscheidend der Beschäftigung mit der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ Anfang der dreißiger Jahre. Barth stand diesem Projekt von Anfang an positiv gegenüber. In seiner 1940 vorgelegten Gotteslehre referierte er die beiden Artikel, die Söhngen in ‚Catholica‘ veröffentlicht hatte, und bekundete seine Zustimmung.137 Allerdings merkte er sogleich an, daß es sich wohl kaum um das katholische Verständnis der analogia entis handeln könne. Dieses schienen ihm eher Daniel Feuling und Jakob Fehr zu repräsentieren.138 Barth begleitete Söhngens Weg dennoch mit großer Sympathie, sah er in ihm doch den Vorreiter einer neuen Form der katholischen Theologie.139 Nicht zufällig konvergierte diese neue Form mit seinem eigenen Denken. 133
Vgl. Söhngen (1934), 204. Söhngen (1934), 208. 135 Vgl. Gottlieb Söhngen: Wunderzeichen und Glaube. Biblische Grundlegung der katholischen Apologetik. In: Cath(M) 4 (1935), 145–164, hier: 145 f.; Ders.: Philosophie. In: LThK 8 (1936), 244–247, hier: 246. 136 Vgl. Gottlieb Söhngen: Bonaventura als Klassiker der analogia fi dei. In: WiWei 2 (1935), 97–111, v. a.: 99 f. 137 Vgl. KD II/1 (1940), 89–91 mit Bezug auf Söhngen (1934). 138 Vgl. KD II/1 (1940), 89 mit Bezug auf Feuling (1934) und Fehr (1937b). 139 Vgl. Eberhard Busch: Karl Barths Lebenslauf. Nach seinen Briefen und autobiographischen Texten. München: Kaiser, 1975, 444 mit 540 Anm. 74 (Karl Barth an Markus Barth, 134
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Kapitel 6: Die Erfi ndung des Antichrist?
6.7 ‚Analogia entis‘ ist nicht gleich analogia entis: Erich Przywara Während Barth einem heilsgeschichtlichen Denken, wie es ihm etwa bei Gottlieb Söhngen begegnete, rundweg positiv gegenüberstand, lehnte er jede Form natürlicher Theologie strikt ab. Bei der analogia entis handelt es sich für ihn um deren katholische Spielart.140 Zusätzlich zur Offenbarung und neben ihr werde eine vom Menschen erschließbare Beziehung zu Gott unterstellt, wodurch der Glaube seinen unbedingten Ernst verliere.141 So will Barth die analogia entis als ein ontologisches Konzept verstehen, dem ein bestimmtes Verständnis der Gotteserkenntnis korrespondiert. Ausgehend von der Erkenntnis, daß Gott ist, werde darauf geschlossen, wie er ist. Damit greife die Metaphysik jedoch in den Bereich der Offenbarung über und relativiere sie unstatthafterweise. Es dürfte unstrittig sein, daß Barth den Terminus analogia entis von Erich Przywara entlehnt hat. Diskussionswürdig ist hingegen, ob er im Hauptteil der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ wirklich auf den Münchner Jesuiten zielt, denn diesem geht es gewiß um anderes als um die natürliche Theologie. Das zeigt schon ein kurzer Blick in seine im Jahr 1927 veröffentlichte ‚Religionsphilosophie katholischer Theologie‘, die Barth nachweislich intensiv studiert hatte.142 Hier wird die analogia entis als eine ontologische Struktur verstanden, nicht jedoch als ein noetisches Prinzip.143 So sieht Przywara den Menschen durch die Spannung von Sosein und Dasein gekennzeichnet. Von daher sei er auf etwas offen, das außerhalb seiner selbst liegt. Die im Geschöpf bestehende Spannung weise auf den hin, in dem Dasein und Sosein wesenhaft eine Einheit bilden, nämlich Gott, der damit freilich nicht zur Funktion des menschlichen Strebens werde.144 Dieses Brief vom 15./16. 7. 1957). Zur Festschrift, die anläßlich des siebzigsten Geburtstags Barths erschienen war, steuerte Söhngen einen Artikel bei, nämlich Analogia entis in analogia fi dei. In: Ernst Wolf u. a.: Antwort. Zollikon / Zürich: Evangelischer Verlag, 1956 (FS Karl Barth), 266–271. 140 Deutlichster Hinweis darauf ist wohl KD I/1 (1932), 527, wo sich folgende Ordnung der Stichwörter findet: „Theologie“ > „natürliche Theologie“ > „analogia entis“. Sprechend ist ferner ein Abschnitt in Credo [. . .]. München: Kaiser, 1935, 77, in dem Barth die analogia entis in einem Atemzug mit dem anthropologischen Anknüpfungspunkt Brunners nennt. 141 Vgl. KD I/1 (1932), 40. Um Gott zu erkennen sei der Glaube deshalb zentral, weil sich Gott – lutherisch gesprochen – sub contrario offenbare, nämlich „in der Ärgerlichkeit der Krippe und des Kreuzes“ (ebd., 180). 142 Vgl. Erich Przywara: Religionsphilosophie katholischer Theologie. München / Berlin: Oldenbourg, 1927 (HPh 2). 143 Zum folgenden vgl. Przywara (1927), 3–25. Die zentralen Aussagen finden sich ebd., 24 f. 144 Vgl. Przywara (1927), 22: „Gott ist also, nach einer Seite hin, der geheimnisvolle ‚Sinn‘, auf den die Gesamtheit des Geschöpfl ichen im Gewebe ihrer Spannungseinheiten gleichnishaft hindeutet. Aber Er ist, nach der anderen Seite, weder irgendwie der ‚innere‘ Sinn dieses Geschöpflichen [. . .] noch ist ‚dieses‘ Geschöpfl iche eine irgendwie ‚notwendige‘ Offenbarung Seines Wesens und Wirkens oder Begrenzung neuer Wege Seiner Selbstoffenbarung.“
6.7 ‚Analogia entis‘ ist nicht gleich analogia entis: Erich Przywara
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Verhältnis zwischen Gott und Mensch, das Przywara als analogia entis bezeichnet, soll einer positivistischen Sicht der Offenbarung wehren. Treffe der Mensch in der Offenbarung auf Gott, begegne ihm nicht etwas gänzlich Fremdes, sondern das Fremde als das, worauf er immer schon hin ist, und insofern (aber auch nur insofern!) als das Ureigene. Przywara unterstreicht außerdem, daß diese Struktur überhaupt erst in der Begegnung aufscheint und keinesfalls unabhängig von ihr zu erschließen ist. Die notwendige Beziehung des Menschen zu Gott wird erst in der freien Beziehung Gottes zum Menschen deutlich. Ausdrücklich wendet er sich gegen die Auffassung, daß ein gradliniger Weg von der natürlichen Gotteserkenntnis zur Offenbarung führt und betont demgegenüber den Unterschied von Philosophie und Theologie.145 Angesichts dessen ist es eigentlich verwunderlich, daß Przywara davon ausging, Barth entwickle in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ sein eigenes Denken in kritischer Abgrenzung zu ihm.146 Daß er zu einer solchen Einschätzung gelangen konnte, erklärt sich durch einen anderen Umstand. Im April 1932 hatte er sich mit der Bitte an Barth gewandt, sein neues, im Erscheinen begriffenes Buch zu rezensieren, am besten für die Zeitschrift ‚Zwischen den Zeiten‘.147 Barth hatte seine Absage damit begründet, daß ihm Rezensionen nicht sonderlich lägen, wiewohl ihn das Werk durchaus interessiere.148 Auch wenn Przywara die Absage bedauerte, hatte er doch vollstes Verständnis. Ferner versprach er, ihm alsbald ein Exemplar zukommen zu lassen.149 Im Sommer erschien dann ‚Analogia entis‘.150 Obwohl sich in Barths privater Bibliothek ein Exemplar dieser Schrift findet, ist mehr als fraglich, ob er sie überhaupt gelesen hat. Zwar sind nicht wenige Lesespuren vorhanden wie etwa Markierungen und Randnotizen. 145
Vgl. Przywara (1927), 58, 61 f. Vgl. Erich Przywara: Die Reichweite der Analogie als katholischer Grundform. In: Schol. 25 (1940), 339–362, 508–532, hier: 340; Ders.: Um die analogia entis [1952/1955]. In: Ders: In und gegen. Stellungnahmen zur Zeit. Nürnberg: Glock und Lutz, 1955, 277–281, hier: 279. 147 Vgl. KBA 9332.210 (Erich Przywara an Karl Barth, Brief vom 26. 4. 1932). Unbedingt zu korrigieren ist von daher Eberhard Busch: Karl Barths Lebenslauf. Nach seinen Briefen und autobiographischen Texten. München: Kaiser, 1975, 228 mit Zitat von KD I/1 (1932), VIII–IX: „Im Winter [1931/1932], in dem er sein Seminar über die derzeit insbesondere zwischen den Vertretern der ‚Dialektischen Theologie‘ strittigen ‚Probleme der natürlichen Theologie‘ diskutieren ließ, tauchte in einer Sitzung wieder Erich Przywara auf. Dieser war eben [sic!] im Begriff, sein Buch über die ‚analogia entis‘ zu veröffentlichen. Dieser Titel [sic!] gab Barth nun das Stichwort zur Formulierung seines Dissensus gegenüber dem Katholizismus: ‚Ich halte die analogia entis für die Erfindung des Antichrist und denke, daß man ihretwegen nicht katholisch werden kann. Wobei ich mir zugleich erlaube, alle anderen Gründe, die man haben kann, nicht katholisch zu werden, für kurzsichtig und unernsthaft zu halten.‘“ 148 Vgl. KBA 9232.150 (Karl Barth an Erich Przywara, Brief vom 6. 5. 1932, Durchschlag). 149 Vgl. KBA 9332.257 (Erich Przywara an Karl Barth, Brief vom 9. 5. 1932). 150 Vgl. Erich Przywara: Analogia Entis. Metaphysik. Bd. 1. München: Kösel / Pustet, 1932. Das Imprimatur (ebd., IV) datiert vom 2. Juni. 146
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Sie stammen aber weder von Barth selbst noch von seiner Sekretärin Charlotte von Kirschbaum (1899–1975), sondern vermutlich von einem Studenten, der während des Winters 1948/1949 im Haus mitlebte.151 Aller Wahrscheinlichkeit nach studierte Barth das Werk also gar nicht, was Przywara allerdings verborgen blieb. Als Ende 1932 die ‚Kirchliche Dogmatik‘ erschien, mußte er deshalb zu dem Eindruck gelangen, Barth habe ‚Analogia entis‘ im Blick, wenn er die analogia entis als die Erfindung des Antichrist schlechthin bezeichnete. Noch zwanzig Jahre später war das seine feste Überzeugung, obgleich ihm zu dieser Zeit langsam dämmerte, daß dies augenzwinkernd gemeint war.152 Wohl hätte Przywara schon vorher stutzig werden können, wird seine im Sommer 1932 erschienene Studie doch an keiner Stelle der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ auch nur erwähnt. Warum er sich nicht um Klärung bemühte, ist freilich rätselhaft.153 Rätselhaft ist ebensosehr, wieso er nicht unmittelbar reagierte. Erst Ende 1933 ging er auf die ‚Kirchliche Dogmatik‘ ein, und das auch nur beiläufig. Mit dem Artikel, der in den ‚Stimmen der Zeit‘ erschien, war Barth durchaus zufrieden.154 So schrieb er an Thurneysen: „Von Przywara kam eben eine solenne Anzeige des ersten Bandes, dessen Finessen dieser Fino [d. h. Schlaukopf] jedenfalls zu würdigen wußte.“155 Um das geistige Leben der Gegenwart begreiflich zu machen, rekurriert Przywara auf den Begriff des Dynamismus. Wie er meint, handelt es sich beim 151 Für diese Information danke ich Hans-Anton Drewes (Basel). Aufschlußreich ist ferner eine grundsätzliche Bemerkung Barths zu seiner eigenen Arbeitsweise. Diese Bemerkung findet sich in KBA 9232.150 (Karl Barth an Erich Przywara, Brief vom 6. 5. 1932, Durchschlag): „Es wird Ihnen ja kaum entgangen sein, dass ich kaum alle paar Jahre einmal mit einer Besprechung eines Buches herausrücke. Es hängt damit zusammen, dass ich eigentlich immer nur langsam und nach und nach zu den Dingen Stellung nehmen kann und mir oft erst nach Jahren klar darüber werde, wie ich zu einem Buch nun eigentlich stehe [. . .].“ 152 Zum einen vgl. KBA 9352.181 (Erich Przywara an Karl Barth, Brief vom 30. 3. 1952): Schon wie Barth von Przywara adressiert wurde, ist aufschlußreich, nämlich „antichristus ad christum, – gemäss Dogmatik I 1 Vorwort!“ Weiter heißt es in dem Brief: „Damit Sie Ihren ‚Antichrist‘ wieder einmal ‚von Angesicht‘ sehen, lege ich einen Humanitas-Prospekt bei, in dem er abkonterfeit ist.“ Przywara bezieht sich hier auf sein Werk Humanitas. Nürnberg: Glock und Lutz, 1952, in dem er in ganz verschiedenen Zusammenhängen auf Barth zu sprechen kommt. Zum anderen vgl. Przywara (1952/1955): Nachdem er zunächst sein Verständnis der analogia entis dargelegt hat, schreibt Przywara (ebd., 279): „Wenn das ‚Erfi ndung des Antichrist‘ ist, oder wenigstens ‚willkürliche Simplifi kation‘, so müßte mein alter Freund Karl Barth (falls sein Wort nicht eine ‚kameradschaftliche Sottise‘ ist, wie ich längst glaube), bei den alten griechischen Mönchen die ‚Unterscheidung der Geister‘ neu lernen.“ 153 Es ist denkbar, daß Przywara durch die Arbeit an der Auslegung des ignatianischen Exerzitienbuches derart in Beschlag genommen war, daß er den Gang der Debatte nicht verfolgte. Nach jahrelanger Arbeit veröffentlichte er schließlich Deus semper maior. Theologie der Exerzitien. 3 Bde. Freiburg: Herder, 1938–1940. 154 Vgl. Erich Przywara: Dynamismus. In: StZ Bd. 126 (1933/1934), 155–168, hier: 162– 165 mit Bezug auf KD I/1 (1932). 155 KBGA (2000), 553–556 (Karl Barth an Eduard Thurneysen, Brief vom 29. 11. 1933), hier: 556. Wiederabgedruckt in Ders.: Briefe des Jahres 1933. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 2004, 559 f.
6.7 ‚Analogia entis‘ ist nicht gleich analogia entis: Erich Przywara
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diesem um die Signatur der Gegenwart. Der Mensch erfahre sich in der modernen, von den Gesetzen der Ökonomie gesteuerten Welt als ungeborgen, seiner Wurzeln beraubt und rastlos. Aus diesem Grund suche er nach dem Unbedingten und nach einer sinnstiftenden Aufgabe, der er sich in entsagungsvoller Pflicht hingeben könne.156 Przywara begreift das als einen Anruf an das Christentum, eine Antwort auf die Fragen der Gegenwart zu geben. Warum zumindest das reformatorische Christentum das nicht vermag, läßt sich Przywara zufolge anhand der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ studieren. Als Barths Grundgedanken macht er den Aktualismus aus, d. h. Gottes Offenbarung ist ein unverfügbares, niemals zuständliches Ereignis.157 Eine entsprechende Theologie müsse also die Mitte zwischen dem römischen Katholizismus und dem modernistischen Protestantismus halten, weil hier wie dort über Gott verfügt werde.158 Als ließen sich die Vollmachten Christi auf Menschen übertragen, verstehe der Katholizismus etwa die Sukzession mechanisch und gerade nicht pneumatisch. Auf diese Weise werde aber nicht nur Christus als der eigentliche Herr der Kirche entthront, sondern auch die Dynamik Gottes zu einem statischen Besitz des Menschen gemacht. Kaum weniger falsch scheine Barth der protestantische Modernismus zu sein, der lediglich den Menschen als Handlungssubjekt in den Blick nehme, Gott als solches hingegen ausblende. Was Przywara besonders betont, ist der von Barth unterstellte unüberwindliche Widerspruch zwischen Gott und dem Menschen. Selbst im Glauben blieben beide unverbunden, so daß es im Grunde auch keine analogia fidei geben könne.159 Die Verteufelung der analogia entis erwähnt er hingegen nur flüchtig, ohne näher auf sie einzugehen.160 Wichtiger scheint ihm die Feststellung, daß ein Denken wie dasjenige Barths den Menschen in der allseits beklagten Entwurzelung und Ungeborgenheit belasse. Von daher gelangt er zu einem dezidierten Urteil: „In dieser Form ist der reformatorische Dynamismus wahrhaft die Religiosität, die der jäh zuckenden Gewalt des heutigen Dynamismus entspricht. Er ist stärkster Ausdruck und Ausbruch. Er ist nicht Erlösung und Klärung.“161
Das führt Przywara zu seinem eigentlichen Ziel, nämlich den Katholizismus als die Erlösung und Klärung der weithin empfundenen existentiellen Not zu präsentieren.162 Sein Gedankengang, der hier nicht im Detail nachgezeichnet zu werden braucht, läuft darauf hinaus, die ignatianische Spiritualität als Schlüssel 156
Vgl. Przywara (1933/1934), 155–162. Vgl. Przywara (1933/1934), 163 f. 158 Zum folgenden vgl. Przywara (1933/1934), 163 mit Bezug v. a. auf KD I/1 (1932), 23– 43 (§ 2. Die Aufgabe der Prolegomena zur Dogmatik). 159 Vgl. Przywara (1933/1934), 164. 160 Vgl. Przywara (1933/1934), 163 mit Bezug auf KD I/1 (1932), VIII. 161 Przywara (1933/1934), 165. 162 Zum folgenden vgl. Przywara (1933/1934), 165–168. 157
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dazu hinzustellen. Sie räume dem Menschen bei der Verwirklichung des göttlichen Heilsplans nämlich eine wirkliche Bedeutung ein, wodurch das Leben auch einen Sinn erhalte.163 Soweit zu sehen ist, hat sich Przywara in der folgenden Zeit nicht weiter zur ‚Kirchlichen Dogmatik‘ geäußert. Erst im Jahr 1940 veröffentlichte er einen Artikel, in dem er die Analogie als Grundform des Katholizismus darlegte.164 Verständnislos nahm er zur Kenntnis, daß sowohl die Philosophie als auch die Theologie Wege eingeschlagen hatten, die ihm nicht genehm waren. Mit seiner Analogiekonzeption, welche die Problematik der Gegenwart lösen sollte, stand er weithin allein da. Sogar Hans Urs von Balthasar, sein Protegé, schien sich von ihm entfernt zu haben.165 Vor diesem Hintergrund entfaltete Przywara erneut sein Konzept der Analogie. Dabei ging er lediglich in einer Anmerkung auf die – wie er fand – unnützen Versuche Barths und Söhngens ein, eine gegen die analogia entis stehende analogia fidei zu entwickeln.166 Es konnte gar nicht anders sein als von ihm angenommen, und so stellte er in den fünfziger Jahren bitter fest, daß sein Konzept der analogia entis statt zum Ausgangspunkt einer fruchtbaren Auseinandersetzung zu dem einer grotesken Verzerrung geworden war.167 Warum man seine Richtigstellung nicht angenommen hatte, war für ihn hierin begründet: „Hätte man diese Klärung angenommen, so wäre freilich die ‚Lieblings-Karnevals-Puppe‘ verloren gewesen.“168 Völlig abwegig ist diese Diagnose wohl nicht. Die analogia entis wurde nicht nur sehr schnell zum Schlagwort für eine der Offenbarung widerstreitende natürliche Theologie. Mit Verweis auf Przywara stilisierten protestantische Theologen sie gar zu einer konfessionellen Unterscheidungslehre.169 Damit drohte 163
So schließt Przywara (1933/1934), 168 auch mit einem Gebet von Ignatius von Loyo-
la. 164 Vgl. Erich Przywara: Die Reichweite der Analogie als katholischer Grundform. In: Schol. 25 (1940), 339–362, 508–532. 165 Vgl. Przywara (1940), 341 mit Bezug auf Hans Urs von Balthasar: Apokalypse der deutschen Seele. Studien zu einer Lehre von letzten Haltungen. 3 Bde. Salzburg / Leipzig: Pustet, 1937–1939. Näher zu Balthasars Werk vgl. Kap. 7.3. 166 Vgl. Przywara (1940), 530 Anm. 24. 167 Vgl. Przywara (1952/1955), 278. 168 Przywara (1952/1955), 278 mit Bezug auf Ders. (1940). 169 Vgl. Hermann Diem: Analogia fidei gegen analogia entis. Ein Beitrag zur Kontroverstheologie. In: EvTh 3 (1936), 157–180, hier: 157: „Eine Preisgabe der Lehre von der analogia entis zugunsten der neutestamentlichen analogia fidei (Röm. 12, 6), wie es von Barth gefordert wird, kann für katholische Theologen nicht in Betracht kommen, wenn auch der Begriff selbst sich in der kanonischen Kirchenlehre nicht findet. Auch Thomas von Aquino hat den Begriff nicht, mit dem man seiner Lehre von der Gottähnlichkeit auch des gefallenen Geschöpfes den zutreffenden Ausdruck gab. Aber die durch die Lehre von der ‚Seinsähnlichkeit‘ ermöglichte Feststellung einer Ähnlichkeit zwischen Gott und Geschöpf, auch bei Anerkennung einer noch so großen Unähnlichkeit, ist das unaufgebbare Fundament katholischer Dogmatik und Ethik. Es kann sich also für die katholischen Kontroverstheologen nur um den Versuch handeln, innerhalb der durch die analogia entis bezeichneten Voraussetzung Raum zu schaffen für eine analogia fidei, die dem Akt des Glaubens den Charakter einer jeweils
6.8 Der Versuch einer Rettung: Robert Grosche
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die ohnehin schon geringe Akzeptanz Barths auf katholischer Seite vollends zu schwinden. Kaum drei Jahre nach Erscheinen der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ unternahm der ihm schon lange sehr zugetane Robert Grosche einen geradezu verzweifelten Versuch, ihn für das interkonfessionelle Gespräch zu retten.
6.8 Der Versuch einer Rettung: Robert Grosche Neben seiner Tätigkeit als Pfarrer verantwortete Robert Grosche (1888–1967) die Zeitschrift ‚Catholica‘.170 In dieser veröffentlichte er im Jahr 1935 einen knappen Beitrag, in dem er auf Barths Verteufelung der analogia entis eingeht.171 Was im Vorwort der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ zu lesen ist, relativiert sich für ihn durch eine jüngst erschienene Schrift Barths, nämlich ‚Das Evangelium in der Gegenwart‘, wo ein Vortrag dokumentiert ist, den Barth Anfang Juni 1935 in Bern und Basel gehalten hatte.172 Dieser hat mit der Debatte um die analogia entis freilich nicht im entferntesten etwas zu tun, nicht einmal wird der Begriff genannt. Vielmehr geht Barth hier auf das (offenbar schon damals unübersehbare) Phänomen der Säkularisierung ein. So kommt er zu einem ernüchternden Befund: Selbst in den Kreisen, in denen es überhaupt noch vorzufinden sei, habe das Christentum seine Selbstverständlichkeit verloren, es lebe zur Miete in fremden Häusern, deren Wert und Dauerhaftigkeit überdies noch fraglich sei.173 Vor diesem Hintergrund erinnert er daran, daß das Evangelium nicht mit dem freien Entscheidung läßt, in der sich die göttliche Neuschöpfung aus dem Nichts vollzieht.“ Ganz ähnlich argumentieren später dann Heinrich Vogel: Gott in Christo. Ein Erkenntnisgang durch die Grundprobleme der Dogmatik. Berlin: Lettner, 1951, 302 f.; Otto Weber: Grundlagen der Dogmatik. Bd. 1. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1955, 219–241; Karl Hammer: Analogia relationis gegen analogia entis. In: Eberhard Busch u. a.: Parrhesia. Zürich: EVZ-Verlag, 1966 (FS Karl Barth), 288–304; Helmut Thielicke: Der evangelische Glaube. Grundzüge der Dogmatik. Bd. 1. Tübingen: Mohr, 1968, 535–553. Demgegenüber erklärt Eberhard Jüngel: Gott als Geheimnis der Welt. Zur Begründung der Theologie des Gekreuzigten im Streit zwischen Theismus und Atheismus. Tübingen: Mohr, 1977, 388, daß Przywaras analogia entis „so ziemlich das Gegenteil dessen [ist], was protestantische Polemik aus ihr gemacht hat.“ Geradezu grotesk wirkt von daher die wiederum konfessionalistische Töne anschlagende Dissertation von Keith L. Johnson: Analogia entis. A Reconsideration of the Debate Between Karl Barth and Roman Catholicism, 1914–1964. PhD diss., Princeton Theological Seminary, 2008. Sachlich steht sie in einer Linie mit der Polemik der sog. Barthianern gegen die natürliche Theologie. Barths Parteigänger, zu denen die meisten der zuvor genannten Systematiker zählen, spitzten seine Thesen noch einmal zu. Darauf wird hingewiesen von Eckhard Lessing: Geschichte der deutschsprachigen evangelischen Theologie von Albrecht Ritschl bis zur Gegenwart. Bd. 3. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2009, 121–147. 170 Vgl. Kap. 3. 171 Vgl. Robert Grosche: Karl Barth und die Analogia entis. In: Cath(M) 4 (1935), 185 f. 172 Vgl. Grosche (1935) mit Bezug auf Karl Barth: Das Evangelium in der Gegenwart. In: Ders.: Das Evangelium in der Gegenwart. München: Kaiser, 1935 (TEH 25), 18–36. 173 Vgl. Barth (1935), 18.
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Kapitel 6: Die Erfi ndung des Antichrist?
Christentum identisch ist. Jenes sei nämlich die mächtige Botschaft, die im Christentum gemeint ist, auf die sich dieses stets mehr schlecht als recht gründe und beziehe.174 Wenn sich der über Jahrhunderte währende Bund, den das Evangelium mit der abendländischen Kultur eingegangen sei, nun endgültig löse, bedeute das also keineswegs das Ende des Christentums, wohl aber dessen Gestaltwandel.175 Über das nun an ein Ende gekommene Zeitalter, das er als das bürgerlich-christliche bezeichnet, schreibt Barth: „Es sollte diese Zeit der Synthese – ein einziges großes Traumgesicht sozusagen, ein menschlicher, allzu menschlicher Abglanz und Widerhall der Inkarnation – ein Zeichen sein, um allen Zeiten zu sagen, wo sie herkommen, wo sie hingehen. Sie war ein vorübergehendes Zeichen, ein vergängliches Gleichnis, aufgerichtet inmitten der Hinfälligkeit aller menschlichen Dinge und selber dieser Hinfälligkeit teilhaftig, dem Stillstand und Verderben geweiht, lange bevor es auch nur von fern Vollkommenheit gewonnen hätte. Sie war dennoch und gerade so ein Zeichen und Gleichnis ewiger Dinge, eine freundliche Veranstaltung der Vorsehung zur Überwinterung des Evangeliums.“176
Grosche macht auf genau diesen Abschnitt aufmerksam, zitiert ihn sogar wörtlich.177 Was ihm daran bemerkenswert erscheint, ist offenbar die Logik des Gedankens, daß das Evangelium aller Kultur gegenüber grundsätzlich frei ist. Damit ist zunächst einmal eine Freiheit von ihr gemeint, weil beide nie in eins fallen dürfen. Sodann gibt es aber auch eine Freiheit des Evangeliums zu einer bestimmten Kultur, insofern es nie als solches, gleichsam rein gegeben ist, sondern als Text immer in einem Kontext steht. Von daher ist die eigentlich entscheidende Frage die, inwieweit die Freiheit des Evangeliums in der Verbindung mit einer bestimmten Kultur eigentlich gewahrt bleibt. In diesem Sinne will Grosche jedenfalls die analogia entis verstanden wissen. Gestehe Barth schon zu, daß der Bund, der zwischen dem Evangelium und der abendländischen Kultur bestanden habe, nicht grundsätzlich verwerflich gewesen sei und die Integrität des Christlichen infragegestellt habe, werde das wohl auch für die analogia entis gelten. Nicht allein schon ihr Konzept könne als die Erfindung des Antichrist bezeichnet werden. Stattdessen sei zu fragen, inwieweit es dabei helfe, das Evangelium zu artikulieren.178 So erinnert Grosche daran, daß der Sauerteig, von dem im Neuen Testament die Rede ist, nicht dazu da ist, um rein bewahrt zu werden, sondern alles zu durchdringen.179 Für ihn stellt die analogia entis eine kontingente Denkform dar, keineswegs aber ein unumgängliches metaphysisches Konzept. 174 Vgl. Barth (1935), 22 f. Eine vergleichbare Unterscheidung fi ndet sich übrigens bei Adolf von Harnack: Lehrbuch der Dogmengeschichte. Bd. 1. Tübingen: Mohr, 51931, 18–25. 175 Vgl. Barth (1935), 26–36. 176 Barth (1935), 33. 177 Vgl. Grosche (1935), 186 mit Zitat von Barth (1935), 33. 178 Vgl. Grosche (1935), 186. 179 Vgl. Grosche (1935), 186 mit Bezug auf Mt 13,33.
6.9 Ertrag
131
Wie Grosche begründet, daß Barth die Verteufelung der analogia entis in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ nicht wirklich gemeint haben kann, wirkt recht konstruiert. Auch geht er überhaupt nicht auf die Gründe ein, die dort angeführt werden. Anstatt in eine inhaltliche Auseinandersetzung einzutreten, weist er auf einen im Grunde abseitigen Vortrag Barths hin, der außerdem in keinem Zusammenhang mit der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ steht. Offensichtlich wollte er dem Bild entgegenarbeiten, das sich in der katholischen Theologie von Barth festzusetzen begann. Blickt man auf die zuvor erschienenen Rezensionen und Stellungnahmen katholischer Theologen, wird das durchaus verständlich. Weder Heinrich Weisweiler und Erich Przywara, noch Bernhard Bartmann und Daniel Feuling konnten der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ allzuviel abgewinnen. Barths Denken schien ihnen eher der Ausdruck protestantischer Intransigenz zu sein. Praktisch zeitgleich mit Grosche stellte Max Pribilla (1874–1956), Redakteur bei den ‚Stimmen der Zeit‘ und wacher Beobachter der ökumenischen Bewegung, eine Verschärfung des konfessionellen Gegensatzes fest: „Die Lehrunterschiede der Vergangenheit wirken auch in der Gegenwart weiter fort und haben sich zu Fragen und Gegensätzen zugespitzt, von denen das 16. Jahrhundert in dieser Fassung nichts geahnt hat. Ja sie haben zu Unterschieden in der theologischen Grundhaltung geführt, die bis zum Begriff Gottes, der Religion und der Offenbarung hinab- oder hinaufreichen. Man denke etwa an das Bekenntnis Karl Barths: ‚Ich halte die ‚analogia entis‘ für die Erfindung des Antichrist und denke, daß man ihretwegen nicht katholisch werden kann. Wobei ich mir zugleich erlaube, alle andern Gründe, die man haben kann, nicht katholisch zu werden, für kurzsichtig und unernsthaft zu halten.‘“180
6.9 Ertrag Ist Gott dasjenige, über das hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, dann läßt sich eher feststellen, was er nicht ist, als daß genau gesagt werden könnte, was und wie er ist. Die Erkenntnis Gottes ist insofern die Einsicht in die ihr eigenen Grenzen. Jeder Versuch, dennoch etwas über Gott zu sagen, bleibt darum notwendigerweise unzulänglich. Wird Gott beispielsweise als das Sein bezeichnet, hört er auf, das unangefochtene Subjekt des Satzes zu sein, weil er wesentlich durch das Prädikat bestimmt ist.181 Da Definitionsakte aber Herrschaftsakte sind, droht Gott in seiner Freiheit eingeschränkt und dem Menschen verfügbar zu werden. Eine solche Weise, von Gott zu reden, ist deshalb 180 Max Pribilla: Nach vierhundert Jahren. In: StZ Bd. 129 (1935), 155–168, hier: 164 mit Zitat von KD I/1 (1932), VIII–IX. 181 Vgl. Georg Friedrich Wilhelm Hegel: Werke. Bd. 3: Phänomenologie des Geistes. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 51996 (stw 603), 59. Mit Bezug auf den Satz ‚Gott ist das Absolute‘ findet sich eine ähnliche Überlegung bei Martin Heidegger: Was heißt Denken? Tübingen: Niemeyer, 51997, 101.
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Kapitel 6: Die Erfi ndung des Antichrist?
oft als Ontotheologie diffamiert und als der Offenbarung inadäquat abgelehnt worden.182 Nicht zuletzt von hier aus erklären sich die Versuche in der Theologie der Gegenwart, Gott eher als Ereignis denn als Sein zu verstehen.183 Wenn die neuscholastische Theologie mit dem Konzept des Seins operierte, hatte sie dafür aber ihre Gründe. Läßt sich nämlich vom endlich-bedingten Sein auf ein unendlich-unbedingtes schließen, ist der Gedanke Gottes gesichert, insofern es einen Schöpfer geben muß. In einem zweiten Schritt bleibt dann noch zu zeigen, daß sich dieser Schöpfergott in seiner Offenbarung als Erlöser definitiv selbst bestimmt hat. Angesichts des theoretischen und praktischen Atheismus sowie des Agnostizismus, die im Gefolge der Aufklärung en vogue geworden sind, erweist sich das Konzept des Seins für den Aufweis des Gottesgedankens als überaus hilfreich. Gleichwohl ist es ambivalent. Es vermag den Geltungsanspruch, den der christliche Glaube erhebt, zwar rational zu untermauern und so einem Offenbarungspositivismus zu wehren, tendiert dabei jedoch zum Rationalismus. Kann Gott auch durch die Vernunft erkannt werden, besteht zur Erkenntnis aufgrund des Glaubens nämlich lediglich ein gradueller Unterschied. Von daher legt Barth den Finger durchaus auf einen wunden Punkt, wenn er die natürliche Theologie als Relativierung der Offenbarung verwirft. In diesen Zusammenhang fügt sich seine Kritik an der analogia entis ein, zumindest die, die er im Corpus der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ anbringt. Hier geht es ihm darum, einen Ansatz für sein eigenes Denken zu gewinnen. Das methodische Verfahren, das er dabei anwendet, besteht darin, Katholizismus und Neuprotestantismus als das zu profilieren, was dem evangelischen Glauben widerstreitet. Die Abgrenzung gegen die analogia entis, die er hierbei vornimmt, erfüllt also eine ganz bestimmte Funktion. Sie dient dazu, die wahrhaft evangelische Theologie zu gewinnen, die in der schwebenden Mitte zwischen Katholizismus und Neuprotestantismus placiert ist. Barth war sich dabei durchaus bewußt, daß die Position der römisch-katholischen Theologie weitaus differenzierter war. Beleg dafür ist die Streitschrift ‚Nein!‘ aus dem Jahr 1934, die seinen Bruch mit Emil Brunner markiert.184 Hatte sein einstiger Weggefährte der katholischen Theolo182 Vgl. Joel Lonfat: Métaphysique et ontothéologie: éléments pour l’histoire de l’analogie de l’être. In: FZPhTh 54 (2007), 264–274. Für klärende Gespräche danke ich William Richardson (Chestnut Hill, MA). 183 Vgl. beispielsweise Colin Gunton: Act and Being. London: SCM Press, 2002; Jean-Luc Marion: Dieu sans l’être. Paris: Presses Universitaires de France, 22002 (Quadrige; 129); Fergus Kerr: God in the Summa Theologiae. In: Ders.: After Aquinas. Versions of Thomism. Oxford u. a.: Blackwell, 2002, 181–206. 184 Zum Hintergrund vgl. Gerhard Sauter: Theologisch miteinander streiten – Karl Barths Auseinandersetzung mit Emil Brunner. In: Michael Beintker u. a. (Hrsg.): Karl Barth in Deutschland (1921–1935). Aufbruch – Klärung – Widerstand [. . .]. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 2005, 267–284; Frank Jehle: Emil Brunner. Theologe im 20. Jahrhundert. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 2006, 293–321.
6.9 Ertrag
133
gie eine von der Wirklichkeit der Sünde scheinbar unangekränkelte, ganz auf die Vernunft setzende natürliche Theologie unterstellt, bezeichnete Barth dies als arge, an der Sache vorbeigehende Verzeichnung: „So wie Brunner und manche Andere die katholische theologia naturalis sich vorstellen, existiert sie in der heute maßgebenden katholischen Theologie sicher nicht.“185 Ungeachtet dessen hielt er in den kommenden Jahren unverdrossen an seinem methodischen Verfahren fest.186 Als er schließlich den Ansatzpunkt für sein eigenes Denken gefunden hatte, änderte sich das jedoch schlagartig. In keinem Band der ‚Kirchlichen Dogmatik‘, der der im Jahr 1942 veröffentlichten Erwählungslehre folgt, geht Barth näher auf die analogia entis ein. Fortan war er damit beschäftigt, seine Theologie im Lichte der Einsicht zu entfalten, daß Gott den Menschen in Jesus Christus für sich erwählt und sich so zugleich zum Gott des Menschen bestimmt hat.187 Für die fortgehende und sich allmählich verselbständigende Diskussion der Fragestellung schien er sich nicht weiter zu interessieren. Daß er sich nicht erklärte und etwa auf die Funktion hinwies, die die Verteufelung der analogia entis hatte, nämlich dem damals kolportierten Verdacht entgegentreten, er bringe Protestanten dazu, katholisch zu werden, sollte sich aber als verhängnisvoll erweisen. Zunehmend fand eine Konfessionalisierung statt, und das nicht nur auf seiten der evangelischen Theologie. Ausgerechnet Oskar Bauhofer, dessen Konversion Barth aller Wahrscheinlichkeit nach erst zu seiner Polemik veranlaßt hatte, erklärte die analogia entis zum ‚Kardinalsatz‘, und das in einem Artikel, in dem er sich auf das Kritischste mit der Dialektischen Theologie auseinandersetzte.188 Zu allem Überfluß meinte der Essayist Theodor Haecker (1879–1945), selbst ein Konvertit, für Przywara das Wort führen zu müssen. In einem Beitrag, der zugleich in der weitverbreiteten Zeitschrift ‚Hochland‘ und als Teilkapitel eines vielgelesenen Buches erschien, griff er Barth scharf an und schwadronierte von einer noch über die 185 Barth (1934), 34. Vgl. zudem ebd., 37–40. Daß Brunner den Thomismus karikiert, bemängelt Barth in KBA 9234.228 (Karl Barth an Damasus Winzen, Brief vom 3. 7. 1934, Durchschlag). 186 Vgl. Karl Barth: Gotteserkenntnis und Gottesdienst nach reformatorischer Lehre [. . .]. Zollikon: Verlag der Evangelischen Buchhandlung Zollikon, 1938, 45 f. Wie wenig Barth allerdings beanspruchen konnte, den damaligen Protestantismus zu repräsentieren, zeigt schon ein Blick auf Louis Berkhof: Reformed Dogmatics. Bd. 1. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1932, 13–21, wo eine sehr differenzierte Position gegenüber der natürlichen Theologie bezogen wird. Gleiches läßt sich sagen über Dietrich Bonhoeffer: Akt und Sein. Transzendentalphilosophie und Ontologie in der systematischen Theologie. Gütersloh: Bertelsmann, 1931 (BFChTh 34/2), 56–60 mit Bezug auf Przywara (1927). 187 Vgl. KD II/2 (1942). Zum Hintergrund vgl. Matthias Gockel: Barth and Schleiermacher on the Doctrine of Election. A Systematic-Theological Comparison. Oxford u. a.: Oxford University Press, 2006, 158–197. 188 Vgl. Oskar Bauhofer: Dialektik oder Theologie. In: Cath(M) 2 (1933), 49–60, hier: 58: „Die analogia entis ist aus katholischer Lehre nicht wegzudenken: die ganze Metaphysik schwingt um diesen Kardinalsatz – aber nicht weniger fordert die Theologie den durch ihn metaphysisch festgelegten und geklärten ontologischen Tatbestand.“
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Kapitel 6: Die Erfi ndung des Antichrist?
analogia entis hinausgehenden analogia trinitatis.189 Weder fing Haecker damit die Komplexität von Przywaras Überlegungen ein, noch wurde er Barth wirklich gerecht. Er trug hingegen dazu bei, daß sich bei vielen Katholiken der Eindruck zementierte, Barth verkörpere gleichsam die protestantische Intransigenz, indem er Gott und Mensch so weit als möglich auseinanderreiße. Wie sehr sich dieses Bild mit der Zeit festgesetzt hatte, mag man daran ersehen, daß Hans Urs von Balthasar nicht nur in seiner Darstellung und Deutung der Theologie Barths aus dem Jahr 1951 dagegen anschreiben mußte.190 Wohl gelang es ihm, eine Debatte über das Problem der Analogie anzustoßen, die bis in die sechziger Jahre währen sollte.191 An dem schlechten Klang, den der Name Barths in der katholischen Theologie mittlerweile hatte, änderte das jedoch kaum etwas. Noch bis in die Gegenwart hinein ist das Diktum bestimmend, wonach die analogia entis die Erfindung des Antichrist schlechthin ist.192 Es ist gar von der ‚neueren reformatorisch-katholischen Kontroverse‘ die Rede.193 Gegenüber der Konfessionalisierung der analogia entis-Thematik, gleich von welcher Seite und egal aus welchen Gründe betrieben, ist allerdings zu betonen, 189 Vgl. Theodor Haecker: Analogia trinitatis. In: Hochl. 31,2 (1934), 499–510 = Ders.: Schöpfer und Schöpfung. Leipzig: Hegner, 1934, 135–168. Dazu Roland Kany: Augustins Trinitätsdenken. Bilanz, Kritik und Weiterführung der modernen Forschung zu ‚De trinitate‘. Tübingen: Mohr Siebeck, 2007 (Studien und Texte zu Antike und Christentum; 22), 272 f. 190 Vgl. Hans Urs von Balthasar: Karl Barth. Darstellung und Deutung seiner Theologie. Köln: Hegner, 1951. Auf dieses Werk wird in Kap. 10.2 eingegangen. 191 Vgl. Wolfhart Pannenberg: Zur Bedeutung des Analogiegedankens bei Karl Barth. Eine Auseinandersetzung mit Urs von Balthasar. In: ThLZ 78 (1953), 17–24; Jacob Taubes: Dialectic and Analogy. In: JR 34 (1954), 111–119; Ders.: Theodicy and Theology. A Philosophical Analysis of Karl Barth’s Dialectical Theology. In: ebd., 231–243; Walter Kreck: Analogia fidei oder analogia entis? In: Ernst Wolf u. a.: Antwort. Zollikon / Zürich: Evangelischer Verlag, 1956 (FS Karl Barth), 272–286; Eberhard Jüngel: Die Möglichkeit theologischer Anthropologie auf dem Grunde der Analogie. Eine Untersuchung zum Analogieverständnis Karl Barths. In: EvTh 22 (1962), 535–557; Hammer (1966) jeweils mit Bezug auf Balthasar (1951). Im Jahr 1955 schloß Pannenberg seine unlängst erstmals publizierte Habilitationsschrift ab, in der er sich dem zur Debatte stehenden Thema widmete, nämlich Analogie und Offenbarung. Eine kritische Untersuchung des Analogiebegriffs in der Lehre von der Gotteserkenntnis. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2007. 192 Vgl. Maurus Heinrichs: Theses Dogmaticae. Bd. 2. Hong Kong: Studium Biblicum O. F. M., 21954, 35–42 (§ 8. De praerequisitis ad fidem theologicam), hier: 37 f.; Walter Brugger: Theologia Naturalis. Pullach: Berchmanskolleg Verlag, 1959, 209 f.; Michael Schmaus: Katholische Dogmatik. Bd. 1. München: Hueber, 61960, 216–244 (§ 30. Die natürliche Erkennbarkeit Gottes), hier: 219; Josef Schmidt: Philosophische Theologie. Stuttgart: Kohlhammer, 2003 (Grundkurs Philosophie; 5), 31 mit Bezug auf KD I/1 (1932/51947), VIII. Noch sehr viel weiter geht in jüngster Zeit der orthodoxe Theologe David Bentley Hart: The Beauty of the Infi nite. The Aesthetics of Christian Truth. Grand Rapids, MI / Cambridge: Eerdmans, 2003, 241–249, v. a.: 242: „If the rejection of the analogia entis were in some sense the very core of Protestant theology, as Barth believed, one would still be obliged to observe that it is also the invention of antichrist, and so would have to be accounted the most compelling reason for not becoming a Protestant.“ 193 So Gerhard Ludwig Müller: Analogie. II. Theologisch. In: LThK 3 1 (1993), 579–582, hier: 581.
6.9 Ertrag
135
daß es um zwei Kernprobleme der systematischen Theologie geht, nämlich in welchem Verhältnis die menschliche Rede über Gott zur Wirklichkeit Gottes selbst steht und wie das Sein der Welt zu demjenigen Gottes.194 Auch wenn zwischen der analogia nominum und der analogia entis sinnvollerweise zu unterscheiden ist, sind beide Analogiearten aufeinander bezogen und durchdringen einander. Um überhaupt Aussagen treffen zu können, muß die auszusagende Wirklichkeit einen wie auch immer zu fassenden ontologischen Status haben, weshalb die Rede über Gott nicht ohne Ontologie auskommt, und sei es bloß eine funktionale. Dabei geht es gleichwohl nicht um metaphysische Spitzfi ndigkeiten. Insofern die Anthropologie der Horizont der Theologie ist, stellt sich die Frage, ob die Rede von Gott auf seiten des Menschen und seines Selbstverständnisses oder aber bei Gott und seiner Selbstmitteilung ansetzen soll.195 Darüber wird seit Jahrzehnten innerprotestantisch wie innerkatholisch kontrovers diskutiert.196 Aus der an sich berechtigten Sorge einer anthropologischen Reduktion heraus die Positivität der Offenbarung zu betonen, geschieht um den Preis, daß deren humane Relevanz kaum noch aufgewiesen werden kann. Genau das wollte die Neuscholastik aber vermeiden, indem sie die natürliche Theologie stark machte. Barth hingegen hatte eine ganz andere Befürchtung: Sowohl in der protestantischen Theologie seit der Aufklärung als auch in der katholischen Theologie der Gegenwart sah er die Vermenschlichung der Offenbarung vor sich gehen. Gegenüber beiden ‚Häresien‘ betonte er, daß Gott nur durch Gott erkannt werden kann, und das bedeutet durch Jesus Christus im Heiligen Geist.197 Bei der analogia entis handelt es sich von daher um eine systematisch-theologische Grundfrage, nicht jedoch um einen Gegenstand der Kontroverstheologie. Es zeigt sich also, daß die Debatte von Anfang an unglücklich verlief. Das bestätigte Barth jenen Wuppertaler Studenten, die ihn 1968 besuchten: 194 Vgl. Jüngel (1977), 357–383 (§ 17. Das Problem analoger Rede von Gott); Philip A. Rolnick: Realist Reference to God: Analogy or Univocity? In: William P. Alston (Hrsg.): Realism and Antirealism. Ithaca, NY / London: Cornell University Press, 2002, 211–237; William P. Alston: Religious Language. In: William J. Wainwright (Hrsg.): The Oxford Handbook of Philosophy of Religion. Oxford u. a.: Oxford University Press, 2005, 220–244, v. a.: 239–241; Paul J. Griffi ths / Reinhard Hütter (Hrsg.): Reason and the Reasons of Faith. London / New York: T&T Clark, 2005 (Theology for the Twenty-first Century). 195 Vgl. Louis Dupré: Philosophy and the Natural Desire for God. An Historical Refl ection. In: IPQ 40 (2000), 141–148, v. a.: 146 f. 196 Vgl. Jüngel (1977), 16–44 (§ 2. Ist Gott notwendig?), v. a.: 19 f. Anm. 6 mit kritischem Bezug auf Wolfhart Pannenberg: Anthropologie und Gottesfrage. In: Ders.: Gottesgedanke und menschliche Freiheit. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1972 (Sammlung Vandenhoeck), 9–28 bzw. Hans Urs von Balthasar: Cordula oder der Ernstfall. Einsiedeln: Johannes, 1966 (Kriterien; 2), 85–97 mit kritischem Bezug auf diverse Bände von Karl Rahner: Schriften zur Theologie. 197 Vgl. KD II/1 (1940), 67–200 (§ 26. Die Erkennbarkeit Gottes), hier: 78 f. (‚modernistischer Protestantismus‘) bzw. 86–92 (‚römischer Katholizismus‘).
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Kapitel 6: Die Erfi ndung des Antichrist?
„Es war mehr so ein bißchen literatenhaft, wie ich das so hingeschrieben habe. Und als ich dann hörte, wie das ein tausendfältiges Echo erweckte in der theologischen Welt und alle sich nun den Kopf zerbrochen haben: analogia entis, analogia fidei . . . usf., habe ich gesagt: na ja, schwatzt ihr weiter über das Zeug! So habe ich’s nicht gemeint! [. . .] Natürlich haben wir ganz anderes zu tun gehabt, als gegen den Katholizismus zu kämpfen.“198
198
KBGA (1997), 484 f.
Kapitel 7
Die Wende zur Eschatologie: Die Dialektische Theologie in der Sicht von Hans Urs von Balthasar 7.1 Einführung War die ‚Lehre von den letzten Dingen‘ in den dogmatischen Handbüchern zuvor oft nur ein bloßes Anhängsel, wird ihr in der Theologie des 20. Jahrhunderts ein zentraler Platz eingeräumt.1 Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, daß das ‚Letzte‘ nicht nur das Zukünftige, sondern auch das Gegenwärtige ist. Worauf der Mensch hinlebt, entscheidet darüber, wie er jetzt lebt; das von ihm in den Blick genommene ‚Letzte‘, das ‚Eschaton‘, ist handlungsleitend. Darum handelt der entsprechende Traktat auch über geschichtstheologische Fragestellungen, nicht nur von Himmel, Hölle und Fegfeuer. Feststellen läßt sich die Wende zur Eschatologie zunächst in der protestantischen Theologie.2 Untrennbar verbunden ist dies mit Barths im Jahr 1922 veröffentlichtem ‚Römerbrief ‘. Indem hier Gott als Gott in den Blick genommen wurde, war es aus mit der Selbstsicherheit, mit welcher der Mensch sein Leben meinte führen und als hochgemutes religiöses Subjekt seine Gottesbeziehung gestalten zu können. Ein Christentum, das nicht völlig eschatologisch ist, hat nach Ansicht Barths nichts mit Christus zu tun.3 In der katholischen Theologie hingegen kann von einer eschatologischen Wende frühestens ab den fünfziger Jahren gesprochen werden.4 Treibende Kraft war dabei zweifelsohne Hans Urs von Balthasar, in dessen weitverzweigtem Œuvre der Eschatologie eine, wenn nicht sogar die entscheidende Rolle zukommt.5 Werkbiographisch läßt sich dies nicht zuletzt darauf zurückführen, daß er sich bereits in den zwanziger Jahren mit der eschatologischen Wende innerhalb der protestantischen Theologie be1 Vgl. David Fergusson: Eschatology. In: Colin Gunton (Hrsg.): The Cambridge Companion to Christian Doctrine. Cambridge u. a.: Cambridge University Press, 1997 (Cambridge Companions to Religion), 226–244, v. a.: 226. 2 Dazu Carl Heinz Ratschow: Eschatologie VIII. Systematisch-theologisch. In: TRE 10 (1982), 334–363. 3 Vgl. RB (1922), 300. 4 Vgl. Peter C. Phan: Roman Catholic Theology. In: Jerry L. Walls (Hrsg.): The Oxford Handbook of Eschatology. Oxford u. a.: Oxford University Press, 2008, 215–232, hier: 216 f. 5 Vgl. Geoffrey Wainwright: Eschatology. In: David Moss / Edward Oakes (Hrsg.): The Cambridge Companion to Hans Urs von Balthasar. Cambridge u. a.: Cambridge University Press, 2004 (Cambridge Companions to Religion), 113–127.
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Kapitel 7: Die Wende zur Eschatologie
schäftigt hatte. Er nahm die damaligen Entwicklungen aber nicht bloß wahr, sondern machte sie sich in nicht unbeträchtlichem Maß zu eigen. Um seine Promotion vorzubereiten, war Balthasar nach prägenden und intensiven Semestern in Wien und Berlin nach Zürich zurückgekehrt, wo er sein Studium auch begonnen hatte. Im Oktober 1928 legte er das Doktoratsexamen in Philosophie und Germanistik ab. Seine Dissertation, die im Grenzgebiet beider Fächer angesiedelt war, liegt heute nicht mehr im Original, sondern nur in einer überarbeiteten und wenig später unter dem Titel ‚Geschichte des eschatologischen Problems in der modernen deutschen Literatur‘ veröffentlichten Fassung vor. 6 In deren Vorwort kündigt er an, schon bald eine umfangreichere Publikation folgen zu lassen. 7 Bis es tatsächlich dazu kam, sollten freilich noch einige Jahre vergehen. Inzwischen war Balthasar nämlich Jesuit geworden, und bedingt durch die langwierige ordensinterne Ausbildung war nunmehr wenig Zeit vorhanden, das angekündigte Projekt weiterzuverfolgen: Auf das Noviziat in Feldkirch (1929–1931) folgten zunächst philosophische Studien in Pullach bei München (1931–1933), dann theologische in Lyon (1933–1937). Durch diese Studien erschloß sich Balthasar über die deutschsprachige Literatur hinaus allerdings noch weitere Dimensionen der westlichen Geistesgeschichte. Mit dieser thematischen Weitung ging auch eine des Umfangs einher. Das zeigte sich deutlich, als Balthasar, inzwischen in der Redaktion der ‚Stimmen der Zeit‘ in München tätig (1937–1939), seine schon seit langem angekündigte Publikation endlich vorlegen konnte. Ist die ‚Geschichte des eschatologischen Problems in der modernen deutschen Literatur‘ mit knapp 250 Seiten noch vergleichsweise schmal, zählt die ‚Apokalypse der deutschen Seele‘ insgesamt mehr als 1.600 Seiten, verteilt auf drei Bände. 8 Weite Passagen von Balthasars in überarbeiteter Fassung veröffentlichter Dissertation und des daraus hervorgegangenen dreibändigen Werks erschließen sich dem Leser nicht unmittelbar. Oftmals läßt sich nur wenig mehr als mutmaßen, was eigentlich gemeint sein könnte, und trotz mühsamer Versuche, die 6 Vgl. Hans Urs von Balthasar: Geschichte des eschatologischen Problems in der modernen deutschen Literatur. Abhandlung zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät I der Universität Zürich. Zürich: Selbstverlag des Verfassers, 1930. Im folgenden zitiert nach Geschichte des eschatologischen Problems in der modernen deutschen Literatur. Freiburg: Johannes, 21998 (Studienausgabe Hans Urs von Balthasar; 2). 7 Vgl. Balthasar (1930/21998), 9, auch: 13. 8 Vgl. Hans Urs von Balthasar: Apokalypse der deutschen Seele. Studien zu einer Lehre von letzten Haltungen. 3 Bde. Salzburg / Leipzig: Pustet, 1937–1939, im einzelnen: Bd. 1 (1937): Der deutsche Idealismus; Bd. 2 (1939a): Im Zeichen Nietzsches; Bd. 3 (1939b): Die Vergöttlichung des Todes. Inzwischen liegt auch eine von Druckfehlern bereinigte seitenidentische Neuausgabe vor, erschienen in Freiburg: Johannes, 21998 (Studienausgabe Hans Urs von Balthasar; 3, I–III). – In welchem Zusammenhang Balthasar (1930/21998) und Ders. (1937–1939) stehen, ist aufgearbeitet worden von Robert Nandkisore: Hoffnung auf Erlösung. Die Eschatologie im Werk Hans Urs von Balthasars. Rom: Editrice Pontificia Università Gregoriana, 1997 (Tesi Gregoriana, Serie Teologia; 22), 13–54, v. a.: 46–54.
7.2 ‚Geschichte des eschatologischen Problems‘ (1930)
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Texte zu verstehen, bleibt Vieles dunkel und vage. Daß der ‚Apokalypse der deutschen Seele‘ keine nennenswerte Rezeption beschieden gewesen ist, mag seinen Grund auch darin haben.9 Überhaupt scheint es, als sei das monumentale Werk verspätet, weil zu einem Zeitpunkt erschienen, da sich die Diskussion längst anderswohin verlagert hatte. Im selben Jahr, in dem die ‚Apokalypse der deutschen Seele‘ geschlossen vorlag, also 1939, stellte ein Beobachter knapp fest: „Die Eschatologie ist nicht mehr der aufregende Mittelpunkt der theologischen Diskussion.“10
7.2 ‚Geschichte des eschatologischen Problems‘ (1930) Balthasars auf der Grundlage seiner Dissertation erarbeitete Studie entzieht sich einer einfachen Kategorisierung. Von ihrem Ansatz her ist sie der ‚Geistesgeschichte‘ verpflichtet, einer Richtung der Germanistik der zwanziger Jahre, deren Ziel es war, den Menschen in der Fülle seiner Gestalten zu erkennen. Allerdings reiht sie sich nicht einfach in den damaligen Wissenschaftsdiskurs ein, weil die geistesgeschichtliche Methode für ein anderes Ziel als bloß historische Erkenntnis in den Dienst genommen wird.11 So schreibt Balthasar: „Eschatolo9 Einen Überblick zumal zur frühen Rezeption bietet Alois M. Haas: Hans Urs von Balthasars ‚Apokalypse der deutschen Seele‘. Im Spannungsbereich von Germanistik, Philosophie und Theologie. In: IkaZ 18 (1989), 382–395, hier: 387–389. Eine Auflistung der Rezensionen aus den dreißiger und vierziger Jahren findet sich ebd., 387 Anm. 20 f. Die wohl massivste Kritik an Balthasar (1937–1939) äußerte seinerzeit Karl Thieme: Apokalypse oder Requiem? In: Hochl. 36,2 (1939), 158–162: In seinem Rezensionsartikel beanstandete er (ebd., 158) das „für den Freund sauberen Denkens sehr schwer erträgliche Schillern des Sprachgebrauchs, das sich durch die ganzen sechzehnhundert Seiten des Gesamtwerkes fortsetzt, eine Fülle von Äquivokationen bewirkt, und es durchwegs maßlos erschwert festzustellen, was der Verfasser jeweils eigentlich sagen will.“ Angesichts solch deutlicher Vorbehalte ist zumindest auffällig, wie überaus positiv die jüngere Forschung die ‚Apokalypse der deutschen Seele‘ beurteilt, etwa Haas (1989); Aidan Nichols: Scattering the Seed. A Guide through Balthasar’s Early Writings on Philosophy and the Arts. London / New York: T&T Clark, 2006 (Introduction to Hans Urs von Balthasar), 33–229; Guido Vergauwen: Einleitung. In: Barbara Hallensleben / Ders. (Hrsg.): Letzte Haltungen. Hans Urs von Balthasars ‚Apokalypse der deutschen Seele‘ – neu gelesen. Fribourg: Fribourg University Press, 2006 (Studia Oecumenica Friburgensia; 48), 7–21, v. a.: 11: „Es ist nicht verwunderlich, dass kaum eine Rezension der Materialfülle der Einzelanalysen, der synthetischen Kraft der Durchblicke und der Sprachgewalt der gesamten Apokalypse gewachsen war.“ 10 Harald Diem: Das eschatologische Problem in der gegenwärtigen Theologie. In: ThR 11 (1939), 228–247, hier: 229. 11 Vgl. Stefan Bodo Würfel: Endzeit-Philologie. Hans Urs von Balthasars germanistische Anfänge. In: Hallensleben / Vergauwen (2006), 63–82, v. a.: 63–67. Nach Lutz Geldsetzer: Geistesgeschichte. In: HWP 3 (1974), 207–210, hier: 209 besteht das Kennzeichnende der modernen geistesgeschichtlichen Forschung „nicht mehr in einem vage mit ‚Geist‘ bezeichneten Forschungsgegenstand, sondern in der systematischen Nutzung aller irgend vorhandenen hermeneutischen Hilfsmittel aller historischen Disziplinen zu historischen Forschungen, die sich allen historischen Phänomenen zuwenden können.“
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gie ist die Lehre vom Verhältnis des Geistes, sofern er als Einheit betrachtet wird, zu seinem endgültigen oder ewigen Schicksal.“12 Bei der Eschatologie handelt es sich eher um einen geisteswissenschaftlichen Erkenntnismodus als um eine materiale theologische Lehre. Balthasar geht in seiner ‚Eschatologie‘ der Frage nach, wie sich der endliche Mensch zum Ewigen verhält. Um dieses Verhältnis bestimmen zu können, sind seiner Ansicht nach weitere Differenzierungen vorzunehmen.13 So sei zwischen der individuellen und der allgemeinen oder sozialen Eschatologie zu unterscheiden. Gehe es in jener um das Verhältnis des Einzelnen zum Ewigen, so in dieser um das Verhältnis aller Menschen zum Ewigen. Weiter sei zwischen der axiologischen und der teleologischen Eschatologie zu unterscheiden. Werde der Geist in ersterer als seiender verstanden, d. h. entweder durch den (Nicht-)Besitz des Ewigen oder aber durch die paradoxe Einheit von Besitz und Nichtbesitz begriffen, werde er in letzterer als ein werdender aufgefaßt, der sich das Ewige im Verlauf eines Prozesses immer mehr aneigne.14 Insofern der Geist die dialektische Zweieinheit von Axiologie und Teleologie ist, ließen sich beide Aspekte freilich nicht auseinanderdividieren. Aus ihrer unterschiedlichen Zuordnung ergeben sich nach Ansicht Balthasars jedoch zwei Grundtypen der Eschatologie: Während die christliche Eschatologie die Axiologie der Teleologie vorordne, also von einer Spannung von Besitz und Nichtbesitz des Ewigen im endlichen Geist ausgehe und zur spannungslösenden, wenn auch nur transzendent gegebenen Situation des Besitzes voranschreite, verhalte sich dies in der idealistischen Eschatologie genau umgekehrt. Obwohl diese bei der Teleologie einsetze, schreibe sie dem menschlichen Geist einen unmittelbaren Besitz des Ewigen zu, weil sie den transzendenten Faktor vollständig ausschalte. ‚Eschatologie‘ meint bei Balthasar also das Verhältnis des endlichen Menschen zum Ewigen. Wie sich dieses in der westlichen Geistesgeschichte, und hier vorrangig in der Moderne darstellt und wandelt, wird von ihm in mehreren, eher lose gefügten Einzelstudien nachgezeichnet. So dominierte im Mittelalter der Grundtypus der christlichen Eschatologie, in der Moderne dann die idealistische, doch in der Gegenwart – wenn man es aus heutiger Sicht so formulieren will: in der Postmoderne – gewinne die christliche wieder an Plausibilität: 12
Balthasar (1930/21998), 13. Zum folgenden vgl. Balthasar (1930/21998), 13 f. 14 Die Begriffe ‚Axiologie‘ und ‚Teleologie‘ dürfte Balthasar übernommen haben von Georg Hoffmann: Das Problem der letzten Dinge in der neueren evangelischen Theologie. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1929 (SSTH 2). Diese Studie, die selbst eine Auseinandersetzung mit den Eschatologien von Ernst Troeltsch und Paul Althaus darstellt, wird zitiert bei Balthasar (1930/21998), 242 Anm. 474. Deutlicher noch zeigt sich die Abhängigkeit bei Balthasar (1937), 13–16. Zu Hoffmanns Studie vgl. Sigurd Hjelde: Das Eschaton und die Eschata. Eine Studie über Sprachgebrauch und Sprachverwirrung in protestantischer Theologie von der Orthodoxie bis zur Gegenwart. München: Kaiser, 1987 (BEvTh 102), 429–468. 13
7.2 ‚Geschichte des eschatologischen Problems‘ (1930)
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„Aus der Einheit der mittelalterlich-christlichen Eschatologie werden fortlaufend einzelne Stücke herausgebrochen, bis endlich der Hauptpfeiler, die Transzendenz, stürzt. An ihre Stelle tritt als einzig möglicher Ersatz der Fortschrittsglaube, welcher den einheitlichen Fundamentalgedanken der ganzen Epoche von [Leibniz] bis Nietzsche bildet, die im Idealismus ihren Höhepunkt findet. Im 19. Jahrhundert wird die innere Unhaltbarkeit der idealistischen Eschatologie aufgedeckt. Kierkegaard und Nietzsche stellen eine neue Alternative auf, das 20. Jahrhundert bildet zunächst die Bausteine für ein neues System, das die Gegenwart auszubauen beginnt.“15
Wo ist in diesem Gefüge die Dialektische Theologie zu verorten? Balthasar zufolge steht sie auf der Schwelle, genau zwischen der an ein Ende gelangten idealistischen Eschatologie und der neue Plausibilität gewinnenden christlichen Eschatologie. Wenn der Idealismus als ganzer und damit auch seine Eschatologie an ein Ende kommt, sei das entscheidend den exakten Naturwissenschaften geschuldet, die Mitte des 19. Jahrhunderts zu Bedeutung gelangen.16 So stelle die Psychologie heraus, daß der Mensch noch vor aller Spekulation und Abstraktion zunächst in seinem Alltag und in seiner konkreten Geschichte steht, und unter dem Eindruck dieser Erkenntnis vollziehe sich eine Abkehr vom transzendentalen hin zum empirischen Ich. Durch die Biologie rücke das Unfaßliche, das sich spekulativer Bewältigung entziehende Schrecknis des Todes deutlich in den Blick. In der Folge komme es, wenn auch nicht sofort, so doch schrittweise, in den Geisteswissenschaften zu einer Wiedergewinnung der Eschatologie, und zwar in ihrer christlichen Form. Aus ganz verschiedenen Ecken werden Bausteine zusammengetragen, um das verfallene Gebäude der Eschatologie wiederaufzubauen.17 Hinsichtlich der individuellen Eschatologie übernehme dies die Dialektische Theologie, hinsichtlich der allgemeinen der Sozialismus.18 Nach Ansicht Balthasars ist der geistesgeschichtliche Hintergrund der Dialektischen Theologie die Enteschatologisierung des Christentums. Bedingt durch die historisch-kritische Forschung werde die christliche Eschatologie in der Theologie seit dem 18. Jahrhundert entschärft, was zugleich den Weg zur idealistischen Umformung des Christentums freimache.19 Ist alles historisch relativ, kann existentiell nichts mehr wirklich wichtig sein. Doch komme es, vielfach schon vorbereitet, im Gefolge des Ersten Weltkriegs zu einer Wiedergewinnung der unbedingten Ernsthaftigkeit der Eschatologie:
15
Balthasar (1930/21998), 14. Ausführlicher entfaltet wird dies ebd., 232–242. Zum folgenden vgl. Balthasar (1930/21998), 165 f. 17 Gleich einem Leitmotiv, durchzieht die Metapher vom Neubau eines Gebäudes und den dazu benötigten Steinen die gesamte Studie. Sie fi ndet sich bei Balthasar (1930/21998), 14, 200, 201, 231, 232. 18 Vgl. Balthasar (1930/21998), 164. Zur Dialektischen Theologie vgl. ebd., 190–200; zum Sozialismus vgl. ebd., 201–231. 19 Vgl. Balthasar (1930/21998), 190–197. 16
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Kapitel 7: Die Wende zur Eschatologie
„Wo die Gegenwart so fragwürdig geworden ist, daß im Axiologischen die Distanz vom Ewigen fühlbarer ist als sein Besitz in der Zeit, wo die Krisis der Todesgewißheit das naiv-sichere Voraushaben des ewigen Lebens erschüttert hat, da muß sich entsprechend die Vorstellung vom Ende und Jenseits der Geschichte wandeln und an die Stelle des vorgewußten glücklichen Ausgangs die letzte Krisis: das Gericht, treten.“20
Ebendiese Krisis werde von der Dialektischen Theologie in das Zentrum gerückt.21 Gott und Mensch stehen einander in absolutem Gegensatz gegenüber. Während Gott alles Gute zugeschrieben wird, erscheint der Mensch als das Böse, Gott ist alles, der Mensch dagegen nichts. 22 Das führt zu einer überzeitlichen Eschatologie, in der das Unendliche zugleich den Tod und das Leben des Endlichen bedeutet. Wohl mit Blick auf den ‚Römerbrief ‘ schreibt Balthasar dazu: „Ende der Welt ist Gott, jeder Augenblick strandet an der Grenze des Absoluten. Jede Bewegung in der Welt fällt sofort unter das göttliche Gericht. Ein zeitlicher Zusammenhang endlicher Dinge ist unmöglich, da jeder endliche Wert und Wertzuwachs Nichts ist gegenüber dem Wert Gottes. Andererseits ist auch die ‚Mitte der Geschichte‘ die Erlösung, unmittelbar zu jeder Zeit, damit auch Parusie und Reich Gottes. Über die Paradoxie der überzeitlichen Simultaneität von Verwerfung und Erlösung ist nicht hinauszukommen.“23
Eine solche Konzeption hat indes auch ihre Schwierigkeiten, wie Balthasar zu bedenken gibt. Konsequent zuende gedacht, werde sie absurd und selbstwidersprüchlich. Wird nämlich der eine Pol zum Nichts verflüchtigt, zur reinen Funktion des anderen aufgelöst, könne es keine Dialektik mehr geben.24 Und gerade das geschehe, wenn der Mensch angesichts der Absolutheit Gottes als ein bloßes Nichts erscheint – die Dialektische Theologie hört auf, dialektisch zu sein. Dieses Problem werde in einer zweiten Phase der Dialektischen Theologie dadurch gelöst, daß an die Stelle des absoluten Gegensatzes von Gott und Mensch die Vermittlung von Gott und Mensch in Christus als Ausgangspunkt der Theologie tritt. 25 In Christus ist der Graben, der Gott und Mensch voneinander trennt, vorgängig schon überbrückt, mag dies dem Denken auch unzugänglich sein und bleiben. Es läßt sich nur sagen, daß Unendlichkeit und Endlichkeit keine letzten Gegensätze darstellen, wie das genau zu verstehen ist, ist gar nicht entscheidend. Weitaus wichtiger ist, daß die zum Ausgangspunkt der Theologie gemachte Vermittlung von Gott und Mensch es ermöglicht, dem Menschen eine zumindest beschränkte Berechtigung neben Gott zuzubilligen. Waren Endliches und Unendliches in der Vergangenheit, also in der histori20 21 22 23 24 25
Balthasar (1930/21998), 241. Vgl. Balthasar (1930/21998), 197 f. Vgl. Balthasar (1930/21998), 198 f. Balthasar (1930/21998), 199. Vgl. Balthasar (1930/21998), 198. Vgl. Balthasar (1930/21998), 198.
7.2 ‚Geschichte des eschatologischen Problems‘ (1930)
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schen Gestalt Jesus Christus, schon einmal vermittelt, braucht der Gegensatz von Gott und Mensch in der Gegenwart nicht ein absoluter zu sein. 26 Damit werde eine individuelle, näherhin axiologische Eschatologie wieder möglich. Infolgedessen könne dem Menschen nun auch – gleich wie gering dieser Faktor zu veranschlagen sein mag – ein Besitz des Ewigen zugestanden werden, nicht mehr bloß der Nichtbesitz.27 Insgesamt besehen liefere die Dialektische Theologie viele der für den Wiederaufbau der Eschatologie benötigten Bausteine. Im einzelnen sind dies „die neue Wertung des Todes, die Dialektik der endlichen Person, das neue Verständnis für axiologische Eschatologie.“28 Damit liegen zwar viele, keineswegs aber alle Bausteine bereit. Mit „Schöpfung und Gemeinschaft“ steuert der Sozialismus noch zwei wesentliche bei. 29 ‚Schöpfung‘ meint in diesem Zusammenhang die positiv qualifizierte, Neues hervorbringende Tat des Menschen, unter dem Begriff ‚Gemeinschaft‘ wird hier der Aspekt des Sozialen, Überindividuellen verstanden. Der wichtige Beitrag des Sozialismus zeige sich gerade im Vergleich mit der Dialektischen Theologie. Wie Balthasar meint, ist diese nämlich vergangenheitsorientiert, insofern sie das Eschaton als bereits gegeben annimmt. Obwohl transzendent, ist das Reich Gottes durch die Auferweckung Christi bereits in der Welt gegenwärtig. Allerdings kann der Mensch ihm nur in absoluter Passivität entgegensehen, weil es sich wesensnotwendig erst im Tod des Individuums enthüllt. Im Unterschied dazu ist der Sozialismus aktiv zukunftsorientiert. Das Eschaton wird hier nicht als bereits gegeben verstanden, sondern als Utopie (wörtlich: als das noch Ortlose), weswegen es durch aktive Weltgestaltung herbeizuführen ist.30 Anstatt auf die Tat Gottes kommt es auf die Tat des Menschen an, revolutionäres Handeln, nicht passives Erwarten ist geboten. 31 Bei aller Einseitigkeit wird zumindest eigenständig menschliches Handeln, das Schöpferische, positiv qualifiziert. Aber nicht nur in diesem, noch in einem zweiten Punkt stellt der Sozialismus nach Einschätzung Balthasars einen Fortschritt gegenüber der Dialektischen Theologie dar. Da diese lediglich das Verhältnis des Einzelnen zu Gott thematisiert, kann sie wohl eine individuelle, letztlich aber keine allgemeine Eschatologie konzipieren; indem sie mit dem Individuum alle von diesem ausgehende Kultur unter das göttliche Gericht gestellt sieht, kann sie zwar dem idealistischen Fortschrittsoptimismus absagen, wird dem Über-Individuellen, dem Aspekt menschlicher Gemeinschaft jedoch nicht voll-
26 27 28 29 30 31
Vgl. Balthasar (1930/21998), 198. Vgl. Balthasar (1930/21998), 200. Balthasar (1930/21998), 200. Balthasar (1930/21998), 201. Vgl. Balthasar (1930/21998), 202. Vgl. Balthasar (1930/21998), 205 f.
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Kapitel 7: Die Wende zur Eschatologie
ends gerecht.32 Das hängt nicht zuletzt mit der zuvor schon erläuterten Unterbewertung des Schöpferischen seitens der Dialektischen Theologie zusammen. Denn nur falls der Mensch eine auch angesichts des Ewigen gültige Leistungsmöglichkeit hat, kann von einer gemeinsamen Verantwortung für ein Ziel gesprochen werden.33 Genau das tut aber der Sozialismus, indem er die Menschen in einer Schicksalsgemeinschaft vereint begreift.34 Während die Dialektische Theologie also die individuelle Eschatologie erneuert, so der Sozialismus die allgemeine. Damit liegen endlich all die Bausteine vor, die für den systematischen Wiederaufbau der Eschatologie benötigt werden. Nun ist die vorrangige Aufgabe einer Dissertation weniger die systematische Konstruktion als vielmehr die historische Rekonstruktion. Dessen ist sich Balthasar sehr wohl bewußt, weshalb er – um im Bild zu bleiben – die Schaufel zu Boden legt und die Baustelle verläßt.35 In späteren Jahren sollte er die Arbeit auf ihr wieder aufnehmen, und zwar in der ‚Apokalypse der deutschen Seele‘.
7.3 ‚Apokalypse der deutschen Seele‘ (1937–1939) Was Balthasar in der ‚Apokalypse der deutschen Seele‘ vorlegt, ist nichts weniger als eine Gesamtinterpretation der jüngeren Geistesgeschichte. Wird im ersten Band der Deutsche Idealismus behandelt, so im zweiten die Lebensphilosophie des 19. Jahrhunderts und im dritten schließlich die Existenzphilosophie des 20. Jahrhunderts. Dabei geht es Balthasar nicht darum, historische Entwicklungslinien sine ira et studio nachzuzeichnen, er will keine handbuchartige Philosophie- oder Kulturgeschichte schreiben. Worauf der junge Ordenspriester vielmehr zielt, kann als ein ‚Beichtgespräch‘ bezeichnet werden.36 Balthasar bittet verschiedene Entwürfe menschlicher Existenz in seinen ‚Beichtstuhl‘ und befragt sie daraufhin, inwieweit sie die Wirklichkeit, mit der sich der Mensch konfrontiert sieht, zu bewältigen vermögen. Kriterium dafür ist ihre Lebbarkeit. Die Wirklichkeit, mit der sich der Mensch konfrontiert sieht, ist der Widerstreit von Immanenz und Transzendenz. Aufgrund dieses Widerstreits hat die 32
Vgl. Balthasar (1930/21998), 201. Vgl. Balthasar (1930/21998), 224. 34 Vgl. Balthasar (1930/21998), 225: „Dem Westen war auch im Protestantismus das Wissen um Schicksalsgemeinschaft so abhanden gekommen, daß es dieser mächtigen neuen Eruption des Sozialismus bedurfte, ihm das Bewußtsein davon wieder zu wecken.“ 35 Vgl. Balthasar (1930/21998), 232. 36 Vgl. Hans Urs von Balthasar: Unser Auftrag. Bericht und Entwurf. Einsiedeln: Johannes, 1984, 32: „Wenn ich meinem Dissertationsthema und der daraus entwickelten ‚Apokalypse der deutschen Seele‘ nachsinne, so war der Grundimpuls der Wunsch, die großen Gestalten der modernen deutschen Geistesgeschichte auf ihre letzte, oft verborgene religiöse Haltung hin zu ‚enthüllen‘ (apokalyptein heißt ja enthüllen), sie gleichsam beichten zu lassen.“ 33
7.3 ‚Apokalypse der deutschen Seele‘ (1937–1939)
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Existenz immer etwas Sinnloses und Widersinniges, resultieren aus ihm doch Entzweiung und Gespaltenheit. Mit dieser seiner Wirklichkeit kann der Mensch auf ganz unterschiedliche Weise umgehen. Damit stellt sich die Frage, vor welchem Deutungshorizont er sein Leben eigentlich führen möchte. Die konkrete Weise, in der das geschieht, wird von Balthasar als ‚Eschaton‘ bezeichnet. Darunter versteht er die konkrete Sinngebung für den Unsinn des Widerstreits von Immanenz und Transzendenz.37 Ist die menschliche Existenz immer zwischen beidem gespannt, kann sie rein logisch auf dreifache Weise geführt werden. Erstens kann sich der Mensch dazu entschließen, Immanenz und Transzendenz als miteinander kompatibel zu betrachten. Dem Widerstreit beider Größen bleibend unterworfen zu sein, erscheint hier nicht als ein schreckliches Widerfahrnis, das es zu überwinden gilt, sondern als Signatur endlichen Seins. Im Unterschied dazu kann der Mensch versuchen, in seiner Existenz der Transzendenz den Vorzug gegenüber der Immanenz zu geben. Die dritte Möglichkeit besteht schließlich darin, ganz der Immanenz zu leben, also den eigenen Kräften und Möglichkeiten vertrauend in den endlichen Zwecken aufzugehen. Bei diesen drei Modellen handelt es sich für Balthasar aber nicht bloß um logische Möglichkeiten, sondern auch um historische Wirklichkeiten. Entsprechend ordnet er den drei Modellen menschlicher Existenz jeweils ein Leitbild zu. Diese personifizieren, wie der Mensch zu unterschiedlichen Zeiten meint, die Entzweiung seiner Existenz doch zu einer Einheit fügen zu können.38 Im einzelnen sind dies Christus, Prometheus und Dionysos. ‚Christus‘ ist das Leitbild des Mittelalters, in dem die Spannung, welche die menschliche Existenz kennzeichnet, als die von Sünde und Erlösung interpretiert wird. Obwohl immer wieder dem Endlichen verfallen, ist der Mensch doch zur unendlichen Glückseligkeit bestimmt. Ihren Einheitspunkt hat die Welt in Christus, in dem sowohl das Individuum und die Menschheit als ganze als auch die Natur vollendet werden.39 Leitbild für eine Existenz, die den Aspekt der Transzendenz im Sinne reflexiver Distanz gegenüber der Immanenz betont und dabei auf das Gegensatzpaar von Gott und Welt abhebt, ist dagegen ‚Prometheus‘.40 Dieses Mo37 Die entsprechenden methodologischen Überlegungen finden sich bei Balthasar (1937), 3–17. 38 Anstatt von ‚Leitbildern‘ spricht Balthasar von ‚Mythen‘. Laut Balthasar (1939b), 394 ist der ‚Mythus‘ „die aus dem gesamten Werk sich ergebende Letztform der endlichen Wahrheit. Denn in ‚Mythus‘ faßt sich zusammen die Endlichkeit, Sinnlichkeit und Geschichtlichkeit dieser Wahrheit.“ 39 Vgl. Balthasar (1937), 21 f. 40 Vgl. Balthasar (1937), 139–157. Vgl. auch Ders. (1939a), 5: „Prometheus-Prinzip war jene Letzthaltung des Menschen gewesen, die sich als der glorreiche und zugleich tötende Mittlerpunkt zwischen Gott und Welt verstand: als Vermittlung zwischen Gott-Alles zu Welt-Nichts und von Welt-Alles zu Gott-Nichts und in diesem doppelten δια als Ruhm und Schmerz der Dialektik.“
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Kapitel 7: Die Wende zur Eschatologie
dell ist das des Deutschen Idealismus, beginnend mit Johann Gottlieb Fichte.41 ‚Dionysos‘ schließlich steht für eine Existenz, in welcher der Immanenz wider alle Verflüchtigung ins Transzendente der Vorrang eingeräumt wird.42 Vordenker und entschiedenster Exponent dieses Modells ist Friedrich Nietzsche. Der Widerstreit von Immanenz und Transzendenz wird hier als der Gegensatz von ‚Geist‘ und ‚Leben‘ gefaßt. Diese drei Modelle sind in ihrer historischen Abfolge nicht einfach zufällig, sondern sie stehen in einem inneren Zusammenhang. Obwohl dies nur andeutet wird, scheint Balthasar ihre Abfolge im Sinne von Hegels dialektischem Dreischritt zu verstehen, wonach die These bereits ihre Antithese in sich birgt und mit jener schließlich in die Synthese hinein aufgehoben wird. 43 Da die mittelalterliche Deutung einseitig ist, ruft sie in der Moderne eine nicht minder einseitige Gegenreaktion hervor. Wird das Endliche zunächst unterbetont, insofern man einen unvermittelten Einbruch des Unendlichen in Gestalt der Parusie Jesu Christi annimmt, wird es im Gegenzug in der Moderne überbetont, indem auf den unbedingten Eigenwert des Endlichen insistiert wird. 44 Das geschehe im Ansatz schon im Deutschen Idealismus, bis in letzte abgründige Konsequenz dann bei Nietzsche. 45 Wenn Balthasar die verschiedenen Entwürfe menschlicher Existenz in der Moderne daraufhin befragt, inwieweit sie der Wirklichkeit, mit der sich der Mensch konfrontiert sieht, tatsächlich gemäß sind, legt er dabei als Kriterium an, ob sie wirklich lebbar sind. Die Fragwürdigkeit der modernen Existenzdeutungen trete umso deutlicher zutage, desto mehr sie zu leben versucht werden. Unentwegt nach der Transzendenz zu streben, um dennoch immer wieder schmerzlich zu den Peinlichkeiten der Immanenz zurückkehren zu müssen, wie das bei einer Existenz im Zeichen des ‚Prometheus‘ der Fall ist, habe im 19. Jahrhundert bei vielen zunächst zur Müdigkeit und schließlich zur Resignation geführt.46 In dieser Situation seien dann Kierkegaard und Nietzsche aufgetreten, die beide, wenn auch auf höchst unterschiedliche Weise, der menschlichen Existenz wieder einen Ernst verleihen wollten.47 Aber nicht Kierkegaard, der ‚Christus‘ als Leitbild ins Gespräch habe bringen wollen, setzte sich nun durch, 41
Vgl. Balthasar (1937), 139–734. Vgl. Balthasar (1939a), 11: „Dionysos ist der Herrscher der Welt selber, der als Leben zeitlich sich entwickelt, als Zeitlicher vom Widerspruch zerrissen wird (wie der Mythus ihn als den wilden Zerreißer und zuletzt selber von Mänaden Zerrissenen verkündet) und der doch als solcher der Gott ist (in der mythischen Endgültigkeit zwischen Zerrissenwerden und Auferstehen).“ 43 Vgl. Balthasar (1939b), 396. Auf Balthasars Affinität zu Hegel wird an anderer Stelle ausführlicher eingegangen, und zwar in Kap. 8.2. 44 Vgl. Balthasar (1937), 23. 45 Vgl. Balthasar (1939a), 6. 46 Vgl. Balthasar (1939a), 5 f. 47 Vgl. Balthasar (1937), 695–734. 42
7.3 ‚Apokalypse der deutschen Seele‘ (1937–1939)
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sondern Nietzsche, der wider alle weltflüchtigen Tendenzen der Immanenz zu ihrem Recht habe verhelfen wollen. Wie Balthasar feststellt, endete er allerdings in geistiger Umnachtung: Im Wahnsinn allein fand er letztlich Sinn für all den Unsinn, mit dem er sich im ‚Leben‘ konfrontiert sah.48 Woran sowohl eine Existenz im Zeichen des ‚Prometheus‘ als auch die im Zeichen des ‚Dionysos‘ scheitern muß, ist die Unaufhebbarkeit des Widerstreits von Immanenz und Transzendenz. So sehr man beispielsweise versucht, sich in seiner kleinen Welt irgendwie einzurichten und sie geschäftig zu organisieren, so wenig kann man in diesem Mühen aufgehen, steht man der Welt doch immer in letzter reflexiver Distanz gegenüber. Umgekehrt werden alle hochstrebenden Gedankenflüge immer wieder schmerzlich geerdet, weil der Mensch nie gänzlich der Immanenz enthoben ist. Dieser unaufhörliche Widerstreit stellt sich näherhin als eine dialektische Bewegung dar: Um der Transzendenz das Vorrecht zu lassen, muß alle im Wege stehende Immanenz überwunden werden und umgekehrt. Entsprechend steigt der Komplexitätsgrad einer Existenz, die den Akzent auf einen der beiden Pole legt, stetig an, bis sie gar nicht mehr lebbar ist. Weder der Idealismus Fichtescher Prägung noch die Lebensphilosophie Nietzsches haben sich bei der Deutung der menschlichen Existenz als erfolgreich erwiesen. Beide Ansätze widerlegen sich ganz offensichtlich selbst, weder ‚Prometheus‘ noch ‚Dionysos‘ eignen sich als Leitbilder. Angesichts dessen vermag eine Existenz im Zeichen ‚Christi‘ wieder neue Plausibilität zu gewinnen – auf die Anti-These folgt die Synthese. Für diese Entwicklung gibt es nach Ansicht Balthasars bereits erste Anzeichen. Es ist nämlich eine bange Ahnung, die den Menschen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschleicht: „Wenn (was dem Menschen immer wieder gegen alle angeborenen Denkgewohnheiten geht) das endliche Wesen so endlich wäre, daß es nicht einmal die Bedingungen der Möglichkeit seiner Voll-Endung in sich trüge? Wenn es diese Bedingungen auch nicht außerhalb oder oberhalb seiner in einer objektiven Wert- oder Ideenwelt zuhanden vorfände, sondern sie von einer absoluten Freiheit erbetteln müßte? Ja, wenn selbst dieses Betteln in keinem inneren, wesentlichen Zusammenhang mit ihrer schließlichen Erlangung stünde?“49
Mit jeder dieser Fragen wird ein Fragezeichen mehr hinter die Möglichkeit menschlicher Selbstvollendung gesetzt, und die Ahnung wird (wenigstens für den Leser der ‚Apokalypse der deutschen Seele‘) mehr und mehr zur Gewißheit:
48 Vgl. Balthasar (1939a) und verstreute Hinweise in Ders. (1939b). Zu Balthasars Nietzsche-Deutung vgl. Jean-Claude Wolf: Balthasar und Nietzsche. In: Hallensleben / Vergauwen (2006), 179–213. 49 Balthasar (1939b), 317 f.
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Kapitel 7: Die Wende zur Eschatologie
„Das hieße, daß mitten durch den scheinbar lückenlosen Prozeß der Enthüllung und Selbstverwirklichung der Seele ein absoluter Riß ginge, eine Diskontinuität, die von keiner objektiven Wesensbetrachtung überbrückt werden kann. Es hieße ferner, daß wenn es dem Menschen gegeben ist, sich zu vollenden, ja noch mehr: wenn ihm überhaupt der Horizont einer möglichen Vollendung vorgegeben ist, dies nur von der vorgängigen Überbrückung des absoluten Risses her möglich sein kann, also von der absoluten Priorität der Freiheit Gottes her.“50
Warum Gott überhaupt ins Spiel kommt, wenn der Mensch in seinen Möglichkeiten an ein Ende gerät, wird von Balthasar mit dem Hinweis auf die ihm zufolge maßgeblichen Exponenten des damaligen Geisteslebens erläutert. Sowohl bei Nietzsche und Dostojewskij als auch bei Heidegger und Rilke scheine die Grenze der Selbsttranszendenz der Seele auf, an der sich das Endlichwerden des Menschen vollzieht. Aber indem sie die Grenze nicht als durch Gott gezogen, ja Gott nicht selbst als diese Grenze in den Blick nähmen, fehle ihnen eine letzte Konsequenz. Denn erst durch sein Enden an dieser Grenze werde der Mensch wirklich endlich, und das Streben nach eigener Voll-Endung weiche dem Bewußtsein der Un-Vollendbarkeit der menschlichen Existenz im Endlichen. 51 Ist dieses Bewußtsein einmal gegeben, beginnt etwas ganz anderes aufzuleben. Was sich jetzt ereignen kann, ist das, was Balthasar mit dem ‚Gesetz der Umkehrung‘ meint. Von einer ‚Umkehrung‘ kann deshalb gesprochen werden, weil der Mensch nun davon Abstand nimmt, sich das Eschaton selbst zu entwerfen, und es sich von außerhalb seiner selbst geben läßt. Die Aktivität, das geschäftige Bestreben eigener Selbstvollendung weicht der Passivität des Empfangens eines möglichen Vollendungshorizonts.52 Bei dieser ‚Umkehrung‘ handelt es sich insofern um ein ‚Gesetz‘, als der ganze Prozeß mit innerer Notwendigkeit abläuft. Denn je mehr der Mensch mit sich und seinen Abgründen zu tun bekommt, desto weniger schlüssig werden ihm seine Selbstdeutungen erscheinen. Sie sind und bleiben Selbstentwürfe, die als solche die Problematik des Selbst, seine Zerrissenheit und Zweiheit, nicht abzustreifen vermögen. Weder eine Existenz, die den Akzent auf die Transzendenz legt (‚Prometheus‘), noch eine solche, welche die Immanenz betont (‚Dionysos‘), gelangt über den Widerstreit beider Größen hinaus; hier wie dort wird das Problem statuiert anstatt gelöst. Je fraglicher dem Menschen seine Selbstdeutungen also werden, desto offener wird er für ein Deutungsangebot sein, das für sich reklamiert, eine Deutung von jenseits seiner selbst zu bieten. Da sich offensichtlich weder die Exi50
Balthasar (1939b), 318. Vgl. Balthasar (1939b), 318–324, v. a.: 324. 52 Vgl. Balthasar (1939b), 325: „Langsam denkt darum die Seele daran, ihre Brücken abzubrechen, ihre Fundamente als zu schwach für den Turm in den Himmel zu erachten. Allmählich lernt sie, auf alle Forderungen zu verzichten und die große ‚Umkehrung‘ zu vollziehen.“ Die Begriffe ‚Umkehrung‘ bzw. ‚Gesetz der Umkehrung‘ durchziehen das gesamte Kapitel über Barth. Sie finden sich ebd., 316, 321, 325 f., 332 f., 338, 342, 345, 365 f., 370, 376, 380. Zentral ist natürlich der ‚Die Umkehrung‘ überschriebene Abschnitt (ebd., 316–346). 51
7.3 ‚Apokalypse der deutschen Seele‘ (1937–1939)
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stenz im Zeichen des ‚Prometheus‘ noch die im Zeichen des ‚Dionysos‘ als lebbar erwiesen hat, verdient die im Mittelalter verbreitete Existenz im Zeichen ‚Christi‘ am Ende der Moderne erneute Aufmerksamkeit. Einerseits werde im Rahmen einer solchen Existenz angenommen, daß sich die durch Zerrissenheit und Zweiheit gekennzeichnete menschliche Existenz gar nicht aus sich heraus zu einer letzten Ganzheit und Einheit fügen kann, andererseits, daß dies von Gott her durchaus möglich ist. Letzteres zeige Jesus Christus, der als Gekreuzigter den Widerstreit von Transzendenz und Immanenz durchlitten, als Auferweckter die Vollendung der in sich nicht vollendbaren menschlichen Existenz verheißen hat und damit selbst das Eschaton ist, also das Deutungsangebot, das den Unsinn erst wirklich sinnvoll und die menschliche Existenz folglich lebbar zu machen vermag. So paradox dies auch klinge, so wahr sei aber doch, „daß der Mensch faktisch, wie wir ihn einzig kennen, aus sich einer letzten Haltung überhaupt nicht fähig ist, sowenig er sich ohne Gottes Offenbarung voll-enden kann. Die Welt als ganze mag wohl einen Sinn haben, sie kann aber, in sich betrachtet, keinen letzten Sinn haben. Die Welt ist faktisch in sich unvollendbar. Aber dieser Satz ist ewig sekundär und abgeleitet gegenüber dem ewig primären Satz, daß sich Gott eben geoffenbart hat und Welt also vollendbar ist.“53
Deutlichster Beleg dafür, daß die ‚Umkehrung‘ sich zu ereignen im Begriff ist, ist Balthasar die Theologie Barths. Da alle menschlichen Möglichkeiten enden, kommt Gott in seiner absoluten Freiheit wieder in den Blick. 54 Doch so sicher Barth die ‚Umkehrung‘ vollziehen wolle, so wenig gelinge ihm das vollends, obwohl er sich im Verlauf seiner theologischen Entwicklung von einer ‚dionysischen Theologie‘ hin zu einer ‚Theologie Christi‘ bewegt habe. 55 Was die zeitliche Eingrenzung beider Phasen angeht, bleibt Balthasar überaus vage. Einerseits sieht er die erste Phase, als deren zentraler Ausdruck ihm der ‚Römerbrief ‘ gilt, in der ersten Hälfte der dreißiger Jahre an ihr Ende gelangt, betrachtet er die im Jahr 1935 veröffentlichte Erklärung des kirchlichen Glaubensbekenntnisses doch bereits als ein Dokument der zweiten Phase. 56 Andererseits meint er feststellen zu können, daß sich Barths Denken, beginnend um das Jahr 1929, in einem sich über Jahre erstreckenden Prozeß in eine neue Richtung bewegt habe.57 Wie sich die eine Beobachtung zur anderen verhält, erläutert Balthasar 53
Balthasar (1939b), 339. Vgl. Balthasar (1939b), 318. 55 Vgl. Balthasar (1939b), 346–365 (Dionysische Theologie) bzw. 365–379 (Theologie Christi). 56 Vgl. Balthasar (1939b), 365–391 mit häufigem Bezug auf Karl Barth: Credo [. . .]. München: Kaiser, 21935. 57 Nicht nur schreibt Balthasar (1939b), 346: „Die Theologie, die Barth ungefähr seit 1929 betreibt, ist nicht mehr die Theologie seines Römerbriefkommentars.“ Ferner heißt es ebd., 366: „Seit 1929 etwa verschwinden immer mehr aus Barths Wortschatz die Ausdrücke ‚Dialektik‘, ‚Identität‘, ‚Todesgrenze‘, es tritt dafür, mit der Untersuchung über Anselms Gottesbeweis, das lebendige Bewußtsein der ‚Nezessität‘ von Gottes objektiver Heilsordnung 54
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freilich nicht. Es geht ihm offensichtlich weniger um die Frage, wann genau Barth in seinem Denken eine Neuausrichtung genommen hat, sondern vielmehr warum. Ihm scheint weniger deren konkretes Datum von Interesse zu sein als ihr systematischer Grund. Hier ist aber sogleich anzumerken, daß Balthasar die von ihm konstatierte Kehre nicht als einen Bruch mit dem Vorherigen verstanden wissen will, sondern zwischen beiden Phasen eine tiefgreifende Kontinuität sieht. Mag sich die Ausdrucksweise auch ändern, so bleibe das sachliche Anliegen Barths doch das gleiche.58 Wenngleich wider seine eigene Intention, so setze Barth in seinem Denken zunächst noch beim Menschen und der ihm eigenen Problematik einer in so zahlreiche Gegensätze zerrissenen Existenz an. Der Perspektivwechsel, der mit der ‚Umkehrung‘ eigentlich verbunden sein müßte, sei in einer ersten Phase von Barths theologischer Entwicklung noch nicht konsequent vollzogen. Kennzeichnend für diese ist laut Balthasar die Dialektik. Besteht zwischen Gott und Mensch absolute Differenz, so daß sich Gott in seiner Offenbarung als der ganz Andere erweist, kann eine über diese Offenbarung reflektierende Theologie nicht anders als dialektisch sein, insofern endliches Denken den unendlichen Gott doch niemals zu fassen vermag.59 Eine wirkliche Gottesbeziehung gebe es insofern nur jenseits der Todeslinie. Was jetzt unmöglich, das sei erst in der Auferstehung der Toten möglich. Jenes dann von Gott erschaffene, nicht mehr den Bedingungen der Endlichkeit unterworfene neue Subjekt sei allerdings nicht nur weltjenseitig, sondern bereits jetzt im Glauben existent. 60 Wieso Barth in seinem frühen Denken nicht den Forderungen der ‚Umkehrung‘ entspricht, erklärt sich Balthasar zufolge dadurch, daß er die Hölle als Basis des Himmels betrachte. 61 Meint ‚Hölle‘ in diesem Zusammenhang die Erfahrung der Nicht-Identität im Endlichen, daß also menschliches Erleben unaufhörlich zwischen Gewißheit und Zweifel, Trost und Verzweiflung oszilliert, durch die Spannung von Idealität und Realität gekennzeichnet ist, meint ‚Himmel‘ die Erfahrung, daß die Identität dieser Gegensätze in der Unendlichkeit Gottes gegeben ist. Könne die menschliche Existenz nach Meinung Barths auf der einen Seite prinzipiell nie etwas anderes als Hölle sein, weil das sie ausmachende Ja und Nein zusammen immer nur ein Nein gegenüber dem Ja der Gnahervor, und damit wird die subjektive Problematik der menschlichen Nichtigkeit, Ohnmacht, Sünde und Verlorenheit immer stärker hinüberverlegt in das objektive Problem der Kenosis Gottes in Christus.“ Diese Behauptung begegnet bereits in Ders.: Die Krisis der protestantischen Theologie. In: StZ Bd. 134 (1938), 200 f. 58 Vgl. etwa Balthasar (1939b), 361, 379. 59 Vgl. Balthasar (1939b), 346–351, v. a.: 346 f. 60 Vgl. Balthasar (1939b), 349: „Glaube meint also je schon diese Parusie, und insofern sie Gottes Gnade und unseres Geistes Stehen vor Ihm ist, ist sie je schon da. Darum heißt diese Theologie die dialektische, weil es ihr um den utopischen Übergang des Glaubens aus einer Identität in eine neue Identität geht.“ 61 Vgl. Balthasar (1939b), 351–363, v. a.: 351.
7.3 ‚Apokalypse der deutschen Seele‘ (1937–1939)
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de bedeute, habe auf der anderen Seite Jesus Christus in seinem Leiden und Tod die Hölle bereits aufgehoben und damit potentiell den Zugang zum Himmel erschlossen. Dieser Übergang von der Verwerfung hin zur Gnade sei schon jetzt im Akt des Glaubens erfahrbar. 62 Je schmerzhafter die Nicht-Identität im Endlichen erfahren wird, desto überwältigender sei die Wirkung der im Unendlichen gegebenen und im Glauben proleptisch erfahrbaren Identität auf den Menschen. Genau hier liegt Balthasar zufolge aber das Problem, denn weil eine solche Eschatologie das Erlebnis von Scheitern und Hölle als die Möglichkeitsbedingung von Gnade und Himmel begreift, entspricht sie nicht der ‚Umkehrung‘. 63 Sie ist stattdessen dionysisch, Nietzsche verpflichtet, insofern sie keine Erlösung von der Welt bedeute, sondern deren schmerzlichste, vermittelst der Dialektik erreichte Ekstasen geradezu verkläre. Was bei Nietzsche das Pathos der positiven Möglichkeiten des Menschen, das sei bei Barth das Pathos von dessen Scheitern. Ob ihrer Identitätskonzeption sei seine Eschatologie eine existentiale, wenngleich theologisch abgefederte Neuauflage Schellings. So wie dessen Denken beruhe die von Barth favorisierte dialektische Methode auf der Annahme einer hinter den endlichen Gegensätzen verborgenen letzten Identität: Was vor dem Sündenfall eins gewesen sei, werde es nach der Parusie wiederum sein. In der zwischen den Zeiten zu führenden menschlichen Existenz jedoch könne die schmerzvolle Entzweiung nicht überwunden werden. Wie Balthasar meint, ist Barth in dieser Phase seiner theologischen Entwicklung noch zu sehr der eigentlich an ihr Ende geratenen Epoche verpfl ichtet. Dessen sei er sich aber selbst bewußt geworden, und so habe er sich später ausdrücklich von entsprechenden Tendenzen seines ‚Römerbriefes‘ distanziert. 64 Was zuvor noch als strikt entgegengesetzt verstanden worden sei, nämlich der endliche Mensch auf der einen und der unendliche Gott auf der anderen Seite, könne von Barth in einer zweiten Phase seiner theologischen Entwicklung als in wechselseitige Beziehung gesetzt begriffen werden, und zwar aus folgendem Grund: „Was ist geschehen, daß die bisher unmögliche Einheit plötzlich als wirklich zugestanden wird? Sehr wenig: es wurde das einzige zentrale Objekt jeder christlichen Theologie, das bisher gleichsam ungesehen und unerkannt am Wendepunkt des Geschehens stand, entdeckt und wie zum erstenmal angeschaut: Christus. Was bisher als eine subjektive und eben darum abstrakte Dialektik erschien, enthüllt sich auf einmal als eine ob62 Vgl. Balthasar (1939b), 357 f.: „Im Glauben ist die unumkehrbare Bewegung zum Heil mitvollzogen, Glaube ist Heilsgewißheit, im selben Sinn, wie idealistische Schau eschatologische Heilsgewißheit war. Dieses ‚wissen, was Gott weiß‘ ist nun gewiß stets in das Nichtwissen der Weltlichkeit des Gotteswortes verhüllt. Es ist kein Schauen, sondern eine Gnade, die nur im Scheitern zuteil wird. Grenzüberschreitung heißt, von der Welt aus, Verbluten am Stacheldraht. Entsühnung heißt die Qual der religiösen Möglichkeit, ihrer furchtbaren Zweideutigkeiten, ihrer Höllen. Aber in dieser Hölle ist der Glaube Gewißheit“. 63 Zum folgenden vgl. Balthasar (1939b), 364 f. 64 Vgl. Balthasar (1939b), 365 f. mit Bezug auf KD I/2 (1938), 55 f.
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Kapitel 7: Die Wende zur Eschatologie
jektive, historische Tatsache. Gerade so aber wird erst wirklich Ernst gemacht mit dem Gesetz der Umkehrung, bei dem das Eschaton nicht mehr vom Menschen und den dionysischen Spannungen seines Schicksals her gesehen, sondern von Gottes objektivem, transzendentem, wenn auch innergeschichtlichem Handeln her empfangen wird.“65
In Jesus Christus sind Gott und Mensch in der Weise miteinander vermittelt, daß in ihm der unendlich transzendente Gott ganz in die endlich immanente Existenz des Menschen eintritt. Damit macht sich Gott die Entzweiung, welche die menschliche Existenz kennzeichnet, bis in die letzten Abgründe zu eigen. Ist unter Sünde nämlich die Trennung des Menschen von Gott zu verstehen, kann nur Gott selbst vollends ermessen, was diese bedeutet. Allein in Jesus Christus, und damit jenseits unserer selbst, zeigt sich ganz unverstellt unsere eigentliche Wirklichkeit. 66 Doch ist das den Menschen ausmachende Selbst, das dieser nicht mit Blick auf sich selbst, sondern allein mit Blick auf Jesus Christus zu erkennen vermag, in dem Moment, da er es erkennt, schon gar nicht mehr sein Selbst, insofern Gott im auferweckten Gekreuzigten die Entzweiung, welche die menschliche Existenz kennzeichnet, bereits schon überwunden hat. 67 Aufgrund dieser Einsicht wird die Dialektik, auf die Barth zuvor rekurrierte, als Prinzip der Theologie hinfällig. Der Mensch scheidet als dialektischer Gegenpol zu Gott aus, weil er sich in seiner Existenz angesichts des versöhnenden Handelns Gottes in Jesus Christus nur als zutiefst relativ, weil relativiert begreifen kann. 68 Der Blick auf Jesus Christus lenkt den Blick des Menschen weg von sich und seiner Problematik, und das führt laut Balthasar zu jener Neuausrichtung von Barths Denken: „An die Stelle der dämonisch-dionysischen Erlebnisdialektik zwischen Hölle und Himmel ist der Blick auf Christus getreten, in dem allein das Endgültige, Eschatologische verwirklicht wird.“69 War zunächst die Dialektik von Endlich- und Unendlichkeit der Leitgedanke Barths, ist dies nach Einschätzung Balthasars nun die Vermittlung beider Größen in Jesus Christus.70 Aufgrund dieser so gefaßten Vermittlung habe sein Denken fortan eine sakramentale Prägung. Was ihm zuvor als unmöglich galt, betrachte er nun als durchaus wirklich, nämlich die wahre göttliche Gegenwart im wahren weltlichen Zeichen in Analogie zum Verhältnis der beiden Naturen 65
Balthasar (1939b), 366. Mit Blick auf Jesus Christus formuliert Balthasar (1939b), 366: „Seine Entleerung erst wird zum Spiegel unserer Leere, im ‚Ecce homo‘ erst wird uns das wahrhaft enthüllende, wahrhaft apokalyptische Bild unserer Seele vorgehalten.“ 67 Vgl. Balthasar (1939b), 367 f., v. a.: 368: „Wir sind ‚wahr‘ nur in Ihm – der wir nicht sind. Er ist endlich jener immer gesuchte ‚Spiegel‘, der zugleich auch ‚Fenster‘ ist. Denn Er zeigt uns uns selbst, wie wir sind, und hebt uns gleichzeitig über alles hinweg, was wir in uns sind. Indem Er uns das Endgültige über unser Sein eröffnet, verschließt Er uns endgültig den Blick in unser Sein.“ 68 Vgl. Balthasar (1939b), 368. 69 Balthasar (1939b), 374. 70 Zum folgenden vgl. Balthasar (1939b), 370–379. 66
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in der einen Person Jesu Christi. Infolge der Relativierung alles Menschlichen angesichts von Gottes Heilshandeln am Menschen in Jesus Christus sei es Barth überdies noch möglich, die Aneignung des Werkes Christi durch die Freiheit des Menschen zu denken. Denn wenn menschliches Handeln zutiefst relativ ist, kann es überhaupt nicht in Konkurrenz zum Handeln Gottes stehen. 71 So sehr Balthasar den Schritt weg von der Dialektik hin zum sakramentalen Denken auch anerkennend feststellt, so wenig verbirgt er gewisse Vorbehalte hinsichtlich der Konsequenz, mit der Barth diesen Weg beschritten hat. Doch bevor er sich dieser Thematik zuwendet, nimmt er Stellung zu Mißverständnissen auf seiten Barths. Diese beträfen zwei Grundbegriffe der katholischen Theologie, nämlich die analogia entis und die potentia oboedientialis. Schon aufgrund seiner eigenen Voraussetzungen sei nicht nachvollziehbar, wenn er gegen beide als in systematischer Hinsicht falsche, außerdem als typisch katholische und darum häretische Konzeptionen polemisiere.72 Denn gäbe es keinerlei Ähnlichkeit von Gott und Mensch, könnte die von ihm ja ausdrücklich gelehrte Immanenz des transzendenten Gottes in der menschlichen Freiheit gar nicht gedacht werden. Nicht minder unberechtigt sei Barths Polemik gegenüber der potentia oboedientialis, die nichts anderes meine, als daß alles geschöpfliche Sein restlos Gott verfügbar ist und eben nicht Gott irgendwie in seinem Handeln einschränken will. Da die beiden Begriffe katholischer Theologie dem ‚Gesetz der Umkehrung‘ vollauf entsprächen, Barth dennoch und unnötigerweise meine, gegen sie polemisieren zu müssen, gelangt Balthasar zu dem Schluß, daß das Problem doch wohl eher bei Barth zu suchen sei. Die Dialektik, die er einst als inhaltliches Prinzip betrachtet und die sich bis in die Sprachform hinein gespiegelt habe, wirke offensichtlich noch immer nach, obwohl sie eigentlich bereits überwunden sei.73 Das führt zurück zur Frage, inwieweit er den von ihm eingeschlagenen Weg wirklich konsequent beschritten hat. Nach Ansicht Balthasars besteht das sich durchhaltende Grundanliegen Barths darin, die Freiheit und Souveränität Gottes gegenüber den Versuchen des Menschen, über Gott verfügen zu wollen, zu sichern.74 In jener ersten, vorrangig mit dem ‚Römerbrief ‘ verbundenen Phase seiner theologischen Entwicklung habe er diesem Anliegen dadurch Geltung zu verschaffen versucht, daß er zwischen Gott und Mensch einen unüberwindlichen Graben aufriß. Allerdings – so wendet Balthasar kritisch ein – werde durch die angeblich prinzipielle Inkompatibilität von Transzendenz und Immanenz weder Gottes Freiheit gewahrt noch des Menschen Wirklichkeit angemessen berücksichtigt. Wird Gott dadurch unfrei gemacht, daß ihm überhaupt nicht mehr zugestanden ist, 71
Vgl. Balthasar (1939b), 376. Zum folgenden vgl. Balthasar (1939b), 380–383. 73 Vgl. Balthasar (1939b), 383. Offensichtlich gebe es aber noch „Relikte“ der ersten Phase von Barths theologischer Entwicklung, die in der zweiten nachwirken, so ebd., 390. 74 Vgl. Balthasar (1939b), 385 f. 72
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in seiner Transzendenz in der Immanenz zu handeln, wird der Mensch auf bloße Immanenz reduziert, indem die ihm eigene Ausrichtung auf die Transzendenz theologisch abgesprochen wird.75 In der zweiten Phase seiner theologischen Entwicklung sei Barth zwar zu einem ausgeglicheneren Verhältnis beider Größen gelangt, aber eben nicht zu einem vollends ausgeglichenen: „In dem nunmehr wahrer gesehenen Doppelgeheimnis von Immanenz und Transzendenz wird die letzte so überbetont, daß ihr die Freiheit genommen wird, auch innerweltlich da zu sein.“76 Damit werde der ‚Umkehrung‘ nur partiell entsprochen, insofern theologisch nicht vollends eingeholt wird, daß sich Gott in Jesus Christus ja faktisch schon auf die zwischen Immanenz und Transzendenz gespannte Existenz des Menschen eingelassen hat. Mag Barth in der zweiten Phase seiner theologischen Entwicklung auch zu einer konsistenteren Konzeption gelangt sein, so bestehe dennoch weiterer Klärungsbedarf.77
7.4 Ertrag In einem vielbeachteten Artikel, der im Jahr 1957 erschien, bezeichnete Balthasar die Eschatologie als den ‚Wetterwinkel‘ der Theologie. Von ihr her würden jene Gewitter aufsteigen, die das ganze Land fruchtbar bedrohten, also zugleich verhageln und erfrischen könnten.78 Die Ambivalenz der Eschatologie zeige schon ein Blick auf den Protestantismus. Zwar habe der lange vorherrschende theologische Liberalismus unter dem Eindruck der Dialektischen Theologie und ihrer Betonung des Gegensatzes von Gott und Welt zurückgedrängt werden können, doch stelle die in jüngster Zeit von Rudolf Bultmann forcierte Entmythologisierung und Existentialisierung der Theologie eine Reduktion des Christlichen im Zeichen der Eschatologie dar.79 Balthasars Sympathien galten dabei zweifellos dem Kreis um Barth, zumal dieser in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ dem einseitigen Eschatologismus seiner Frühschriften abschwor. 80
75
Vgl. Balthasar (1939b), 387. Balthasar (1939b), 388. Was Barth in KD I/2 (1938), 50–133 (§ 14. Die Zeit der Offenbarung) über das Verhältnis des scheinbar Überzeitlichen zur Geschichte ausführt, dient Balthasar (ebd., 388–390) zur Illustration dessen. 77 Vgl. Balthasar (1939b), 390 f. 78 Vgl. Hans Urs von Balthasar: Eschatologie. In: Johannes Feiner u. a. (Hrsg.): Fragen der Theologie heute. Einsiedeln u. a.: Benziger, 1957, 403–421, hier: 403. Wiederabgedruckt unter dem Titel Umrisse der Eschatologie. In: Ders.: Verbum Caro. Skizzen zur Theologie I. Einsiedeln: Johannes, 1960, 276–300. 79 Vgl. Balthasar (1957), 403. Kritisch dazu Hans Friedrich Geißer: Grundtendenzen der Eschatologie im 20. Jahrhundert. In: Konrad Stock (Hrsg.): Die Zukunft der Erlösung. Zur neueren Diskussion um die Eschatologie. Gütersloh: Kaiser / Gütersloher Verlagshaus, 1994 (Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie; 7), 13–48. 80 Vgl. Balthasar (1957), 403 mit Verweis auf KD III/ 2 (1948). 76
7.4 Ertrag
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Mit der durch die Dialektische Theologie beförderten eschatologischen Wende hatte sich Balthasar schon in den zwanziger Jahren im Rahmen seiner germanistischen Dissertation vertraut gemacht. Diese erschien in überarbeiteter Fassung unter dem Titel ‚Geschichte des eschatologischen Problems‘ (1930) und stellte wiederum die Grundlage für ein stärker theologisch ausgerichtetes dreibändiges Werk über die ‚Apokalypse der deutschen Seele‘ dar (1937–1939). Überblickt man Balthasars Denkweg, wie ihn diese Publikationen dokumentieren, so fällt auf, daß er sukzessive der Dialektischen Theologie eine immer größere Beachtung schenkte. Ist Barths Name in der Dissertationsschrift noch einer unter vielen, findet sich in der ‚Apokalypse der deutschen Seele‘ ein mehr als siebzig Seiten langes Kapitel nur über ihn. 81 Läßt dieses eine recht gute Kenntnis der Schriften Barths erkennen, wird man zumindest bezweifeln können, ob sich die entsprechenden Passagen in der ‚Geschichte des eschatologischen Problems‘ überhaupt auf eigene Lektüre stützen, verweist Balthasar hier doch lediglich auf Sekundärliteratur. 82 Der Grund dafür, daß er der Dialektischen Theologie zusehends Aufmerksamkeit zuwandte, war deren Bedeutung für das, was er die ‚Umkehrung‘ nannte. Da sich die zwischen Immanenz und Transzendenz gespannte und insofern von Zweiheit und Zwiespalt geprägte menschliche Existenz ungeachtet aller entsprechenden Versuche zu keiner Ganzheit und Einheit fügen lassen will, weil sich weder eine die Transzendenz betonende Existenz im Zeichen des ‚Prometheus‘ noch eine auf die Immanenz abhebende im Zeichen des ‚Dionysos‘ als lebbar erwiesen hat, scheint Balthasar nun die Zeit gekommen, daß der Mensch den Blick von sich weg hin auf Jesus Christus lenke. Wirklichkeitsgemäß und damit in einem echten Sinne menschlich ist nämlich nur eine Existenz in seinem Zeichen. Aufgrund des unweigerlichen Widerstreits von Immanenz und Transzendenz ist ihr gleichsam ein horizontaler und ein vertikaler Balken eingezeichnet. Menschliche Existenz ist somit immer schon eine Existenz im Kreuz, wie sie sich auch erst in diesem aufklärt.83 Auf diese Weise wird Jesus Christus 81
Vgl. Balthasar (1939b), 316–391. Vgl. Balthasar (1930/21998), 199 Anm. 395 mit Bezug auf Siegfried Marck: Die Dialektik in der Philosophie der Gegenwart. Bd. 1. Tübingen: Mohr, 1929; ebd., 228 Anm. 460 mit Bezug auf Erich Przywara: Eschatologismus. In: StZ Bd. 117 (1929), 229–235; ebd., 242 Anm. 474 mit Bezug auf Hoffmann (1929). 83 Ansätze zu einer systematischen Darstellung der menschlichen Existenz in ihrem Bezug auf Jesus Christus finden sich bei Balthasar (1939b), 434–442. In diesem Zusammenhang führt Balthasar einen Gedanken ein, der in dieser Weise zuvor noch nicht vorkam: Was der Mensch in seiner Existenz als Widerstreit von Transzendenz und Immanenz erfährt, sei letztlich auf die Realdistinktion von ‚So‘ und ‚Da‘ zurückzuführen. Von hier aus erklären sich auch recht abstrakte Überlegungen zur Durchdringung von Geschichte und Ontologie (ebd., 438 f.). Anschaulicher drückt Balthasar dies in einem anderen, zur gleichen Zeit veröffentlichten Text aus, nämlich in seinem Nachwort zur deutschen Übertragung. In: Paul Claudel: Der seidene Schuh oder Das Schlimmste trifft nicht immer zu. Salzburg / Leipzig: Müller, 1939, 427–469, hier: 438: „Das Kreuz ist kein abgetrennter, die Welt verneinender Marter82
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überdies zum Erkenntnismedium: Nicht nur lehrt der Blick auf ihn, daß die Welt aus sich nicht zu vollenden ist, von Gott aus aber schon, sondern auch, daß der Mensch seine Zerrissenheit als zutiefst relativ begreifen darf, insofern ihm die Vollendung seiner eigenen Unvollendetheit in der Auferweckung verheißen ist. Diese ‚Umkehrung‘ in ihrer Bedeutung erkannt und sie auch artikuliert zu haben, ist nach Ansicht Balthasars entscheidend das Verdienst Karl Barths. Was sich schon um die Jahrhundertwende im vorsichtigen Zweifel an den modernen Deutungen menschlicher Existenz angedeutet habe, sei von ihm klar zum Ausdruck gebracht worden. 84 Allerdings habe Barth die ‚Umkehrung‘ nicht gänzlich vollzogen. Obwohl er die Gestalt Christi in den Blick genommen habe, sei er doch davor zurückgeschreckt, Gott in einem wirklichen Sinne Mensch sein zu lassen, und so müsse man mit Barth über Barth hinausgehen. 85 Diese Gedankenfigur sollte überhaupt für Balthasars weitere Interpretation der Theologie Barths charakteristisch werden: einerseits ihren Grundintuitionen zuzustimmen, sie geradezu zu bewundern, sie aber andererseits als zu unausgewogen und damit ergänzungsbedürftig zu betrachten. Die Ergänzung zu liefern schickte sich Balthasar selbst an, wie sich schon im Schlußteil der ‚Apokalypse der deutschen Seele‘ andeutet. 86 Er führt hier den Begriff des ‚Spiels‘ ein. Um das Verhältnis von Gott und Mensch zu beschreiben, eigne sich dieser aus folgenden drei Gründen besonders gut: „Denn ‚Spiel‘ sagt, daß die Tragödie der Welt, bis hinab in ihre Höllen, doch umklammert ist von einem schauenden, wägenden Blick, daß sie ‚Spiel vor . . .‘ ist und so nicht ein Absolutes. ‚Spiel‘ sagt weiter, daß die Welt das ist, was Nietzsche in ihr sah: das schwerelose Gleichgewicht von Kräften, ein Tanz von Wellen, die in allem Bäumen ein Geheimnis der Lust verbergen, etwas, was in allem pathetischen Gebaren zu Tanz und Torheit wirbt. Und ‚Spiel‘ sagt endlich, daß es ein Geheimnis der Gemeinschaft, des Gesprächs und des Reigens ist, in das wir hineingenommen sind ohne mögliches Entrinnen.“87
pfahl; die Welt selbst und die Liebe zur Welt, bis ans Ende ihrer innern Logik entwickelt, stehen im Schatten von Golgotha. Der ungeheure Widerspruch der ewigen pfeilgeraden Sehnsucht und der geschlossenen, kreis- und kugelförmigen Weltlichkeit sind das dem Weltsein eingebrannte Zeichen des Kreuzes. Der Horizont der Welt ist das Kreuz.“ Ursprünglich sollte die ‚Apokalypse der deutschen Seele‘ mit einem Kapitel über den französischen Dichter schließen, der Verlagsankündigung bei Balthasar (1937), 736 zufolge „Das totale Weltbild von Paul Claudel“ überschrieben. 84 Vgl. Balthasar (1939b), 392: „Karl Barth deckt unter all diesem Sehnen und Sträuben das theologische Apriori auf. Weder Leben noch Geist sind absolut, ihre Spannung ist vielmehr das Zeichen ihrer Relativität. Und so vermag auch endliches Dasein gar nicht zu seiner Wahrheit, zu seinem Eschaton zu gelangen, wenn es nicht im voraus angesprochen wird von Gott.“ 85 Vgl. Balthasar (1939b), 393. 86 Vgl. Balthasar (1939b), 392–449. 87 Balthasar (1939b), 442.
7.4 Ertrag
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Was Balthasar hier als ein ‚Spiel‘ beschreibt, sollte er in seinem späteren theologischen Œuvre mit Hilfe der Kategorie des Dramatischen zu verstehen suchen: das Verhältnis von Gott und Mensch als das Drama zweier Freiheiten, derjenigen Gottes und derjenigen des Menschen. 88 Jedenfalls zeigt sich bereits angesichts der ‚Apokalypse der deutschen Seele‘, wie sehr die Auseinandersetzung mit Barth für ihn ein wichtiger Stimulus war, sein eigenes theologisches System zu entwickeln. Indem Balthasar eine anstehende ‚Umkehrung‘ in der Geistesgeschichte ausmacht, sie von Barth als nicht mit Konsequenz vollzogen betrachtet, ist es nun an ihm selbst, ihr Ausdruck zu verleihen. Tatsächlich schreibt Balthasar seiner ‚Apokalypse der deutschen Seele‘ eine propädeutische Funktion zu. Er will deren Lesern begreiflich machen, in einer Umbruchphase zu leben, und sie so dahin zu bringen, die ‚Umkehrung‘ mitzuvollziehen. 89 Das bedeutet freilich nicht, daß Balthasar sich von Barth entfernt und sich nicht weiter mit dessen Theologie auseinandergesetzt hätte. Kein Katholik beschäftigte sich in den vierziger und fünfziger Jahren intensiver mit dem Denken Barths, wie in den folgenden Kapiteln gezeigt wird. Wurde bislang der Aufbruch des deutschen Katholizismus nach dem Ersten Weltkrieg thematisiert, wird in diesen die Erneuerung der katholischen Theologie im Vorfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils in den Blick genommen, an der Hans Urs von Balthasar federführend beteiligt war.
88 Vgl. Rudolf Voderholzer: Apokalypse der Balthasar’schen Seele. Auf der Suche nach dem theologischen Apriori im Frühwerk. In: Hallensleben / Vergauwen (2006), 239–264, hier: 262. 89 Vgl. Balthasar (1939b), 342: „Aber wie Hegels Phänomenologie im Ganzen nur die existentielle Vorschule seiner Logik war, die Ermöglichung der Systematik, so können unsere Studien als Vorschule der Umkehrung gelten. Sie haben aber diese Umkehrung nicht etwa zu ihrem Ende, sondern durchaus schon zu ihrem heimlichen Anfang.“ Instruktiv ist in diesem Zusammenhang darum die Beobachtung von Ralf Konersmann: Wende. In: HWP 12 (2004), 534–538, hier: 534: „Spezifisch für W.n ist, daß sie im nachhinein statuiert werden, um die Konditionen der Gegenwart als Konsequenz des längst schon Geschehenen begreifl ich zu machen.“
Kapitel 8
Hans Urs von Balthasars Beitrag zur Erneuerung der katholischen Theologie 8.1 Die Problematik der Neuscholastik Welch hohes Ansehen Hans Urs von Balthasar (1905–1988) im Vatikan genoß, mag man daran ersehen, daß er 1988 zum Kardinal nominiert wurde. ‚Mittlerweile‘ müßte man eigentlich hinzusetzen, denn wenige Jahrzehnte zuvor war er alles andere als der Maßstab römischer Orthodoxie. Nicht zuletzt wegen seiner kritischen Wortmeldungen galt er als Querdenker und revolutionärer Geist. Anfang der fünfziger Jahre veröffentlichte er etwa eine Kleinschrift, in der er für eine weltoffene Kirche eintrat – ‚Schleifung der Bastionen‘ lautete ihr programmatischer Titel.1 In der bewegten Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil jedoch geißelte er den inzwischen schon sprichwörtlich gewordenen ‚antirömischen Affekt‘ vieler Katholiken. 2 Balthasars Erhebung in den Kardinalsstand erklärt sich aber weniger durch kirchenpolitische Linientreue, sondern aufgrund seines Beitrags zur Erneuerung der katholischen Theologie.3 In diesem Zusammenhang ist zumal seine in den Jahren 1961 bis 1988 veröffentlichte Trilogie zu nennen. Sie besteht aus den jeweils mehrbändigen Teilen der Ästhetik (Herrlichkeit), Dramatik (Theodramatik) und Logik (Theologik), wird von einigen Aufsatzbänden flankiert (Skizzen zur Theologie) und abschließend kurz in einem schmalen Band zusammengefaßt (Epilog).4 Hatte der theologische Betrieb über lange Zeit nur beiläufig vom nahezu unablässig anschwellenden Œuvre Balthasars Notiz genommen, ist die Sekundärliteratur mittlerweile kaum mehr zu überschauen, und nahezu kein Aspekt scheint nicht wenigstens einmal beleuchtet worden zu sein.5 So ist bereits mehrfach untersucht worden, welch hohen Stellenwert Balthasar der protestanti1 Hans Urs von Balthasar: Schleifung der Bastionen. Von der Kirche in dieser Zeit. Einsiedeln: Johannes, 1952 (ChHe 9). 2 Hans Urs von Balthasar: Der antirömische Affekt. Freiburg u. a.: Herder, 1974 (HerBü 492). 3 Vgl. Adrian J. Walker: Love Alone. Hans Urs von Balthasar as a Master of Theological Renewal. In: Com(US) 32 (2005), 517–540. 4 Die Architektonik seines eigenen Werkes erläutert Hans Urs von Balthasar: Versuch eines Durchblicks durch mein Denken. In: IkaZ 18 (1989), 289–293. 5 Vgl. Stefan Hartmann: Zum Gang der Balthasar-Rezeption im deutschen Sprachraum. In: FKTh 21 (2005), 48–57; Manfred Lochbrunner: Eine Summe der Theologie im 20. Jahr-
8.1 Die Problematik der Neuscholastik
159
schen Theologie beimaß. 6 Tatsächlich zeigt schon ein kurzer Blick egal in welchen Band der monumentalen Trilogie, wie intensiv und ausgiebig er sich mit dieser auseinandersetzte. Zentrale Bedeutung hatte dabei zweifelsohne Karl Barth, der mit Abstand am häufigsten zitiert wird.7 Mit guten Gründen wird in der Forschung darum die These vertreten, er stelle die entscheidende Bezugsgröße für Balthasar dar. 8 Warum er sich überhaupt mit Barth auseinandersetzte und zumal die ‚Kirchliche Dogmatik‘ studierte, ist bislang aber noch nicht hinreichend untersucht worden. In der Literatur wird zumeist nur festgestellt, daß dies geschah, nicht aber erklärt, wieso eigentlich. Balthasars Motivation wird klarer, wirft man einen Blick auf die damals gängige Form der katholischen Theologie, die Neuscholastik. Auch wenn sie sich als Antwort auf die Anfragen der Aufklärung gerierte, war sie in Wirklichkeit wesentlich von ihr bestimmt.9 Die Neuscholastik teilte etwa unhinterfragt deren zentrale Prämisse, es gebe etwas, das dem Menschen an sich zukomme und ihm vermittelst der Vernunft einsichtig sei. Indem ein tendenziell autonomer Bereich des Natürlichen unterstellt wurde, ließen sich Gnade und Offenbarung jedoch nicht anders denn als das noch hinzukommende Übernatürliche bestimmen.10 So wurde strikt zwischen der Gotteserkennthundert. Ein Versuch zur Rezeptionsgeschichte und zur Gestalt der Theologie Hans Urs von Balthasars. In: ThRv 101 (2005), 354–370. 6 Vgl. etwa Steffen Lösel: Kreuzwege. Ein ökumenisches Gespräch mit Hans Urs von Balthasar. Paderborn u. a.: Schöningh, 2001; Rodney Howsare: Hans Urs von Balthasar and Protestantism. The Ecumenical Implications of his Theological Style. London / New York: T&T Clark, 2005. 7 Vgl. John Thompson: Barth and Balthasar. An Ecumenical Dialogue. In: Bede McGregor / Thomas Norris (Hrsg.): The Beauty of Christ. An Introduction to the Theology of Hans Urs von Balthasar. Edinburgh: T&T Clark, 1994, 171–192; Ben Quash: Von Balthasar and the Dialogue with Karl Barth. In: NBl 79 (1998), 45–55; Ders.: Exile, Freedom and Thanksgiving: Barth and Hans Urs von Balthasar. In: Mike Higton / John C. McDowell (Hrsg.): Conversing with Barth. Aldershot, UK / Burlington, VT: Ashgate, 2004 (Barth Studies), 90–119; Aidan Nichols: Divine Fruitfulness. A Guide through Balthasar’s Theology beyond the Triology. London / New York: T&T Clark, 2007 (Introduction to Hans Urs von Balthasar), 75–107; Stephen D. Wigley: Karl Barth and Hans Urs von Balthasar. A Critical Engagement. London / New York: T&T Clark, 2007. 8 Vgl. Martin Bieler: Die kleine Drehung. Hans Urs von Balthasar und Karl Barth im Gespräch. In: Walter Kasper (Hrsg.): Logik der Liebe und Herrlichkeit Gottes. Hans Urs von Balthasar im Gespräch. Mainz: Grünewald, 2006 (FS Karl Lehmann), 318–338, hier: 319; Wigley (2007), 156–162; Fernando Bellelli: Cristocentrismo e storia. L’uso dell’analogia nella cristologia di Hans Urs von Balthasar. In: DT(P) 49 (2008), 3–344, hier: 33–46. 9 Vgl. Aidan Nichols: Catholic Thought Since The Enlightenment. A Survey. Pretoria: Unisa Press / Leominster, UK: Gracewing, 1998, 107. Zum folgenden vgl. Guido Pozzo: La Manualistica. In: Rino Fisichella (Hrsg.): Storia della teologia. Bd. 3. Rom / Bologna: Edizioni Dehoniane, 1996, 309–336. 10 Exemplarisch dafür sind Johannes Brinktrine: Offenbarung und Kirche. Fundamental-theologische Vorlesungen. Bd. 1. Paderborn: Schöningh, 1938, 78–96; Karl Feckes: Übernatürlich. In: LThK 10 (1938), 354–356; A. Michel: Surnaturel. In: DThC 14 (1941), 2849– 2859, z. B.: 2849: „La notion de surnaturel est fondamentale dans la théologie catholique.
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Kapitel 8: Hans Urs von Balthasars Beitrag zur Erneuerung
nis aufgrund von Offenbarung und der aufgrund von Vernunfteinsicht unterschieden. Die Apologetik zielte nun darauf, die natürliche Gotteserkenntnis als unzulänglich und die christliche Religion als göttlich geoffenbart zu erweisen, wobei auf die Beglaubigung durch Wunder und die Erfüllung prophetischer Verheißung verwiesen wurde. Wenn auch aus anderen Gründen, doch kaum weniger nachhaltig, war die Gnadenlehre durch die strikte Unterscheidung zwischen Natur und Übernatur geprägt. Im Hintergrund steht die konfliktträchtige Entwicklung des Traktates seit Ende des 16. Jahrhunderts. Verbunden ist diese zumal mit dem Namen des Löwener Theologen Michael Bajus (1513– 1589), der die später verurteilte These vertrat, der paradiesische Urzustand habe sowohl Adams Bestimmung zur Seligkeit als auch seine ursprüngliche Gerechtigkeit notwendigerweise eingeschlossen.11 Das stellte jedoch die absolute Gratuität der Gnade infrage. Um diese zu sichern, wurde in der katholischen Theologie fortan auf das Konzept der natura pura zurückgegriffen, wonach der Mensch zumindest hypothetisch nicht der Gnade bedarf. Gleichzeitig hielt man aber an der traditionellen Vorstellung fest, daß der Mensch erst durch die Teilhabe an der übernatürlichen Wirklichkeit Gottes vollendet wird. Daraus ergab sich das Paradox, daß die Natur der Gnade bedarf, dies aber eigentlich nicht statthaft ist. Unterscheidungen zu treffen ist allerdings das eine; ein anderes hingegen, das Unterschiedene wiederum in Bezug zueinander zu setzen. Doch gerade an dieser Stelle zeigt sich die Problematik der Neuscholastik. So wie in ihr das Verhältnis von Natur und Übernatur bestimmt wurde, ließ sich kaum der Eindruck abweisen, es handle sich nicht um bloß logisch, sondern um ontisch unterschiedene Wirklichkeiten. Da Gnade und Offenbarung in keinem inneren Bezug zum Menschen stehen durften, blieben sie ihm äußerlich. Genau diese fundamentale Unzulänglichkeit war es, die das neuscholastische System schließlich zum Einsturz bringen sollte.12
Cette théologie, en effet, affirme, contre les naturalistes et les rationalistes de toute espèce, la possibilité et l’existence d’un ordre surnaturel permettant à la religion de s’originer à la révélation de mystères proprement dits et de se manifester dans l’âme humaine par une vie supérieure aux exigences de la nature.“ 11 Vgl. Luis F. Ladaria: Nature et surnaturel. In: Bernard Sesboüé (Hrsg.): Histoire des dogmes. Bd. 2. Paris: Desclée, 1996, 375–413, hier: 392–407; Athanase Sage: Augustinisme et Théologie moderne. In: REAug 12 (1966), 137–156. Wiederabgedruckt in REAug 50 (2004), 175–194. 12 Vgl. Fergus Kerr: Quarrels about grace. In: Ders.: After Aquinas. Versions of Thomism. Oxford u. a.: Blackwell, 2002, 134–148.
8.2 Balthasars Lösungsversuch
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8.2 Balthasars Lösungsversuch Einen wichtigen Beitrag, das Katholische auf neue Weise zu formulieren, leistete Hans Urs von Balthasar. Eine wichtige Anregung war ihm dabei das Denken Barths. Was ihn an diesem genau faszinierte, läßt ein Brief erkennen, den er im Mai 1940 an Barth schrieb. Dort heißt es: „Gewiss ist in der katholischen Theologie das ungeheure Wahrheitsmoment, das durch den Protestantismus ins Christliche gekommen ist, noch nicht wirklich und voll assimiliert; die Gegenreformation war dazu zu stark Gegenreformation; die Belastung durch die mittelalterliche Theologie ist eine ungeheure; denn diese Theologie hatte in der damaligen Situation zwar ihre relative Berechtigung, sie bleibt aber als solche eine Stufe, auf der man nicht ungestraft verbleiben kann. Ich hoffe, dass Ihr grosses Werk diese Selbstbesinnung auch der katholischen Theologie fördern helfen wird; und dass diese ebenso mutig Distanz gewinnt zu ihren Entwicklungsstufen, wie Sie selbst Distanz genommen haben von der ganzen Geschichte der Theologie.“13
Als Balthasar dies schrieb, schwebte ihm offenbar bereits vor, einen genuinen Neuentwurf katholischer Theologie jenseits der Scholastik zu wagen, ob nun der mittelalterlichen oder der neuzeitlichen. Bei diesem maß er Barth eine erhebliche Bedeutung zu. Obwohl er nicht präzisierte, worin jenes „ungeheure Wahrheitsmoment“ bestehe, das durch den Protestantismus in das Christliche Eingang gefunden habe, ist doch geradezu evident, daß es für ihn in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ zum Ausdruck kam. Gut zwei Jahre zuvor hatte er in einem knappen Beitrag für die ‚Stimmen der Zeit‘ mit Verweis auf den zweiten Teilband der Prolegomena eine Veränderung in Barths Denken festgestellt.14 Ursache dessen sei die Einsicht, daß sich Offenbarung nicht erst durch ein abstraktes Prinzip wie das der Dialektik ereignet, sondern bereits durch eine konkrete Person erfolgt ist, nämlich durch Jesus Christus. Hätten sich in einer ersten Phase von Barths theologischer Entwicklung Gott und Welt als zwei einander gänzlich widersprechende Wirklichkeiten gegenübergestanden, werden sie nach Ansicht Balthasars in einer zweiten als durch Jesus Christus vermittelt gedacht. Während er als ewiger Sohn des Vaters auf der Seite Gottes stehe, fasse er als Mensch die Welt in sich. Deswegen vollziehe sich das Gegenüber innerhalb des offenbarungshaften, trinitarischen Gegenübers. Der gedankliche Fortschritt, der durch die Reformulierung des Offenbarungsereignisses unter Rückgriff auf die Trinitätstheologie erreicht wird, bestehe darin, daß es Barth nun möglich sei, die bislang nur rein negativ gesehene Wirklichkeit des Endlichen positiv zu qualifizieren. Der Welt könne nun ein gewisser Eigenstand eingeräumt werden, Gott ist ihr nicht mehr vollkommen 13
KBA 9340.234 (Hans Urs von Balthasar an Karl Barth, Brief vom 4. 5. 1940). Zum folgenden vgl. Hans Urs von Balthasar: Die Krisis der protestantischen Theologie. In: StZ Bd. 134 (1938), 200 f. mit Bezug auf KD I/2 (1938), 400, 405 f., 411, 435. 14
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entgegengesetzt. Barth sei also dazu gelangt, Gott ein echtes Gegenüberstehenlassen zuzugestehen und damit eine echte Ähnlichkeit zwischen Gott und Kreatur (in der je größeren Unähnlichkeit) anzuerkennen. Das habe Konsequenzen für die Gnadenlehre, denn gibt Gottes Handeln prinzipiell den Rahmen vor, in dem vom Menschen zu denken ist, gilt das auch für sie. Laut Balthasar ist es nichts als echtester Augustinismus, wenn den ‚guten Werken‘ der Heiden kein bißchen mehr Affinität zur Gnade zugestanden wird als ihren schwärzesten Sünden. Die Gnade könne überall anknüpfen, und tue die heiligmachende Gnade (gratia sanctificans) dies bei der vorgängig unterstützenden (gratia adiuvans), seien das höchst relative Scheidungen innerhalb des einen Gnaden-Wirkens. Mit diesen ein wenig kryptischen Sätzen schließt Balthasar seinen Beitrag, der von der Forschung bislang unbeachtet geblieben ist, obwohl er erkennen läßt, daß Balthasar die ‚Kirchliche Dogmatik‘ vor dem Hintergrund der Gnadenlehre zu lesen begann. Bemerkenswerterweise findet sich im thematisch eigentlich gänzlich anders gelagerten dritten Band der ‚Apokalypse der deutschen Seele‘ aus dem Jahr 1939 ein Abschnitt genau zu dieser Thematik.15 Und wie noch darzulegen sein wird, bemühte sich Balthasar in der nachfolgenden Zeit intensiv um eine Revision der damals gängigen Gnadenlehre, mehr noch: um eine grundlegende Erneuerung der Dogmatik. Das führt zurück zu jenem Brief vom Mai 1940, näherhin zu Balthasars darin bekundeter Hoffnung, Barths Werk möge die Selbstbesinnung der katholischen Theologie befördern. Ihm schien Barth insofern ein Vorbild zu sein, als er seiner eigenen konfessionellen Tradition mit großer innerer und zugleich konstruktiver Freiheit gegenüberstand. Tatsächlich greift Barth auf die Beschlüsse der altkirchlichen Konzilien sowie die reformatorischen Bekenntnisschriften zurück, ist ihnen gegenüber jedoch ziemlich frei. Er weiß sich ihnen nur verpflichtet, keineswegs aber durch sie gebunden. Nicht die historisch kontingente Formel ist für ihn nämlich bindend, sondern das, was sie bezeugt, also Gottes nie begreifbare Offenbarung in Jesus Christus.16 Jedenfalls steht Balthasars Brief vom Mai 1940, im übrigen der zweite in ihrer überlieferten Korrespondenz, am Beginn des intensiven, sowohl sachlichen als auch persönlichen Austausches zwischen beiden, der sich schließlich über fast drei Jahrzehnte erstrekken sollte.17 15 Vgl. Hans Urs von Balthasar: Apokalypse der deutschen Seele. Studien zu einer Lehre von letzten Haltungen. Bd. 3. Salzburg / Leipzig: Pustet, 1939, 333–338. Ausführlich zu diesem Werk vgl. Kap. 7.3. 16 Vgl. Georg Plasger: Die relative Autonomie des Bekenntnisses bei Karl Barth. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 2000; Robert Jan Peeters: Teken van de levende Christus. De openbaringsdynamische traditieopvatting van Karl Barth. Zoetermeer: Boekencentrum, 2002. 17 Einen Gesamtüberblick dazu bieten Hans-Anton Drewes: Karl Barth und Hans Urs von Balthasar – ein Basler Zwiegespräch. In: Magnus Striet / Jan-Heiner Tück (Hrsg.): Die Kunst Gottes verstehen. Hans Urs von Balthasars theologische Provokationen. Freiburg u. a.:
8.2 Balthasars Lösungsversuch
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Seit dem Frühling 1940 lebte Balthasar in Basel. Von seinen Ordensoberen vor die Wahl gestellt, entweder Professor an der Gregoriana zu werden und dort ein ökumenisches Institut aufzubauen oder aber als Studentenpfarrer in die Schweiz zu wechseln, entschied er sich für letzteres. Warum er das an sich reizvolle Angebot, in Rom tätig zu sein, ausschlug, erläuterte er Barth wie folgt: „Daß ich in München schrecklich eifersüchtig auf P. Przywara war, das will ich Ihnen gleich auch noch verraten, denn als ich den ‚Römerbrief‘ und dann den Rest gelesen habe, erfaßte mich eine solche Lust, Sie zu kennen, ich hatte Sie so lieb gewonnen (ich wußte, daß hier etwas Definitives passiert war) und zugleich hatte ich solche Lust mit Ihnen zu zanken, daß ichs als eine Fügung begrüßte, als Basel in Sicht kam.“18
Balthasar spielt hier auf seine philosophische Studienzeit in Pullach an, während derer Erich Przywara sein Mentor war.19 Unzufrieden mit dem, was er zu lernen hatte, bot ihm der viele Jahre ältere Mitbruder wichtige Orientierung, und so verfaßte er seine philosophische Lizentiatsarbeit über dessen Metaphysik. 20 Damit ist ein Thema angesprochen, das in seiner Auseinandersetzung mit Barth eine durchaus erhebliche Rolle spielen wird. Balthasar fühlte sich offenbar als Sachwalter Przywaras, dessen Verhältnis zu Barth stark getrübt war, seitdem dieser in seiner ‚Kirchlichen Dogmatik‘ die analogia entis als die Erfindung des Antichrist schlechthin bezeichnet und sich damit anscheinend gegen den Jesuiten gewandt hatte. 21 Allerdings ging es Balthasar weniger darum, beide miteinander zu versöhnen. So wie sich die Debatte entwickelt hatte, schien es, als bestehe zwischen den Konfessionen ein unüberwindbarer Dissens, und deshalb wandte er sich ihr Anfang der vierziger Jahre zu. Darüber hinaus motivierte ihn ein weiteres und kaum weniger drängendes Problem, sich mit Barth auseinanderzusetzen. Klingt die Frage, wie sich das Verhältnis von Natur und Gnade bestimmen läßt, bereits in früheren Veröffentlichungen an, steht sie in seiner Darstellung und Deutung der Barthschen Theologie aus dem Jahr 1951 im Zentrum. 22 Für diese Frage war er durch das Theologiestudium in Lyon in Herder, 2005, 367–383 und Manfred Lochbrunner: Karl Barth und Hans Urs von Balthasar. In: Ders.: Hans Urs von Balthasar und seine Theologenkollegen. Sechs Beziehungsgeschichten. Würzburg: Echter, 2009, 259–403. 18 KBA 9342.305 (Hans Urs von Balthasar an Karl Barth, Brief vom 30. 8. 1942). 19 Zum Verhältnis beider vgl. Eva-Maria Faber: Künder der lebendigen Nähe des unbegreifl ichen Gottes. Hans Urs von Balthasar und Erich Przywara. In: Striet / Tück (2005), 384–409; Manfred Lochbrunner: Erich Przywara und Hans Urs von Balthasar. In: Ders. (2009), 17–146. 20 Vgl. Hans Urs von Balthasar: Die Metaphysik Erich Przywaras. In: SchwRd 33 (1933), 489–499. 21 Vgl. Kap. 6. Zu berücksichtigen ist außerdem, daß Przywara seit dem Jahr 1941 zunehmend durch eine Nervenkrankheit eingeschränkt war und sich infolgedessen nicht mehr auf der Höhe seiner Möglichkeiten befand. Dazu Thomas F. O’Meara: Erich Przywara, S. J. His Theology and His World. Notre Dame, IN: University of Notre Dame Press, 2002, 9, 12. 22 Vgl. Hans Urs von Balthasar: Karl Barth. Darstellung und Deutung seiner Theologie. Köln: Hegner, 1951.
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besonderer Weise sensibilisiert. Sein dortiger Mentor, der Jesuit Henri de Lubac (1895–1991), hatte ihn auf sie aufmerksam gemacht. 23 Während seiner Studienzeit wuchs also Balthasars Unbehagen an der Neuscholastik zunehmend. Sie zu überwinden und durch eine andere Form des Denkens zu ersetzen, war deshalb sein Ziel. Es ging ihm um eine theologische Wende der Theologie, um eine Hinwendung zu ihrem eigentlichen Grund. 24 Bevor diese These näher entfaltet wird, ist noch auf eine Besonderheit der Veröffentlichungen hinzuweisen, auf die im weiteren eingegangen wird. Wie sich zumal mit Blick auf die Trilogie zeigen läßt, hat Balthasar sein eigenes Denken in Absetzung von Hegels Umformung theologischer Gehalte in ein in sich geschlossenes philosophisches System entwickelt. 25 Doch hat er ebenso mit und keineswegs nur gegen Hegel gedacht, beispielsweise indem er dessen Konzepte und Begrifflichkeiten verwendete. Obwohl sich ein ausdrücklicher Rekurs nur schwer belegen läßt, erschließen sich viele seiner Überlegungen erst von der Beschäftigung mit dem idealistischen Philosophen her. Das gilt besonders im Hinblick auf die Dialektik. Auch wenn Hegel selbst nie einen simplen Dreischritt von These, Antithese und Synthese formuliert hat, können die triadischen Muster seines Denkens auf diese Weise schematisiert werden. 26 Die These birgt also immer schon ihre Bestreitung in sich, die das Bewußtsein sich anzueignen hat, um zu einem umfassenderen Begriff seiner selbst zu gelangen.27 Hegel nennt den Prozeß, in dem das geschieht, die Aufhebung. Dieser schließt 23 Zum Verhältnis beider vgl. Michael Figura: Das Geheimnis des Übernatürlichen. Hans Urs von Balthasar und Henri de Lubac. In: Striet / Tück (2005), 349–366 und John Milbank: The Suspended Middle. Henri de Lubac and the Debate concerning the Supernatural. London: SCM Press, 2005, 62–78. 24 Programmatisch äußert sich Hans Urs von Balthasar: Es stellt sich vor: Hans Urs von Balthasar [1945]. In: Ders.: Mein Werk. Durchblicke. Einsiedeln / Freiburg: Johannes, 1990, 9–14, hier: 13: „Wie viel an Theologie wäre neu zu gestalten, um den Menschen von heute neu an das Lebendigste Gottes, Christi, der Kirche heranzuführen!“ 25 Vgl. Michael Schulz: Die Logik der Liebe und die List der Vernunft. Hans Urs von Balthasar und Georg Wilhelm Friedrich Hegel. In: Kasper (2006), 111–133. 26 Vgl. Vittorio Hösle: Hegels System. Der Idealismus der Subjektivität und das Problem der Intersubjektivität. Bd. 1. Hamburg: Meiner, 1988, 127–133. 27 Vgl. Michael Forster: Hegel’s dialectical method. In: Frederick C. Beiser (Hrsg.): The Cambridge Companion to Hegel. Cambridge u. a.: Cambridge University Press, 1993 (Cambridge Companions to Philosophy), 130–170, hier: 131–133. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise zu verweisen auf Georg Friedrich Wilhelm Hegel: Werke. Bd. 5: Wissenschaft der Logik I. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 31993 (stw 605), 49: „Das Einzige, um den wissenschaftlichen Fortgang zu gewinnen – und um dessen ganz einfache Einsicht sich wesentlich zu bemühen ist –, ist die Erkenntnis des logischen Satzes, daß das Negative ebensosehr positiv ist oder daß das sich Widersprechende sich nicht in Null, in das abstrakte Nichts auflöst, sondern wesentlich nur in der Negation seines besonderen Inhalts, oder daß eine solche Negation nicht alle Negation, sondern die Negation der bestimmten Sache, die sich auflöst, somit bestimmte Negation ist; daß also im Resultate wesentlich das enthalten ist, woraus es resultiert, – was eigentlich eine Tautologie ist, denn sonst wäre es ein Unmittelbares, nicht ein Resultat. Indem das Resultierende, die Negation, bestimmte Negation ist, hat sie einen Inhalt. Sie ist ein neuer Begriff, aber der höhere, reichere Begriff als der vorhergehende; denn sie ist um dessen Nega-
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das Positive des Bewahrens und das Negative des Beendens ein. 28 Auf die so verstandene Dialektik greift Balthasar als Denkfigur zurück, um Barths theologische Entwicklung zu fassen und um eine neue Sicht der katholischen Theologie zu gewinnen, die Synthese im Sinne Hegels.
tion oder Entgegengesetztes reicher geworden, enthält ihn also, aber auch mehr als ihn, und ist die Einheit seiner und seines Entgegengesetzten.“ 28 Zu verweisen ist etwa auf einen Abschnitt in der ‚Wissenschaft der Logik‘, nämlich Hegel (1993), 113 f.: „Aufheben und das Aufgehobene (das Ideelle) ist einer der wichtigsten Begriffe der Philosophie, eine Grundbestimmung, die schlechthin allenthalben wiederkehrt, deren Sinn bestimmt aufzufassen und besonders vom Nichts zu unterscheiden ist. – Was sich aufhebt, wird dadurch nicht zu Nichts. Nichts ist das Unmittelbare; ein Aufgehobenes dagegen ist ein Vermitteltes, es ist das Nichtseiende, aber als Resultat, das von einem Sein ausgegangen ist; es hat daher die Bestimmtheit, aus der es herkommt, noch an sich. Aufheben hat in der Sprache den gedoppelten Sinn, daß es soviel als aufbewahren, erhalten bedeutet und zugleich soviel als aufhören lassen, ein Ende machen. Das Aufbewahren selbst schließt schon das Negative in sich, daß etwas seiner Unmittelbarkeit und damit einem den äußerlichen Einwirkungen offenen Dasein entnommen wird, um es zu erhalten. – So ist das Aufgehobene ein zugleich Aufbewahrtes, das nur seine Unmittelbarkeit verloren hat, aber darum nicht vernichtet ist.“
Kapitel 9
Balthasars Wahrnehmung des Barthschen Denkens (1940–1948) 9.1 Balthasars Unzufriedenheit mit der Schultheologie Bereits kurz nach seiner Ankunft in Basel suchte Balthasar den persönlichen Kontakt zu Barth.1 Am 25. April 1940 schrieb er ihm, erklärte sich mit dessen Auseinandersetzung mit der analogia entis nicht zufrieden und erbat ein Gespräch. 2 Wie ein fast fünfseitiger Brief dokumentiert, den er in dessen Nachgang an Barth schrieb, machte es auf ihn nachhaltigen Eindruck. Dieser vom 4. Mai datierende Brief ist nicht zuletzt deshalb aufschlußreich, weil Balthasar hier seine Unzufriedenheit mit der Theologie, die er in seinem Studium hatte lernen müssen, freien Lauf ließ: „Es hat mir seit Jahren eine Aussprache mit Ihnen vorgeschwebt, denn der ‚Gespräche‘, die ich mit Ihnen gehalten habe, sind unzählige. Ich sagte Ihnen schon, wie sehr ich von dem Schulbetrieb, den ich in Seminarien mitmachen musste, abgestossen worden bin, obwohl ich mir klar machte, dass unter den gegebenen Umständen hier nicht viel zu ändern sei. Immer hatte ich ausgeblickt nach einer Dogmatik, die nicht nur ein ödes Schema und eine Sammlung rationalisierter Thesen enthielte, sondern auch in der Form und im Ton etwas von der Form und dem Ton der Offenbarung selbst spüren liesse. Es ist eben bei uns der vorläufig unbehebbare Misstand [sic!] vorhanden, dass die theologische Ausbildung zugleich eine praktische Propädeutik und eine ernsthafte Theologie sein will; dass sie – eigentlich seit der Scholastik – einen Kompromiss darstellt zwischen Wissenschaft und ‚Schule‘ und die erstere dabei notwendig sehr zu kurz kommt. Ihr gewaltiges Werk ist für mich eine Quelle grösster Freude gewesen, weil sie [sic!] zum erstenmal das Ideal verwirklicht, das mir vorschwebte. Ich hatte selbst im Sinn, eine grössere katholische Dogmatik zu schreiben und alle meine Publikationen waren als eine Vorübung zu dieser gemeint. Aber die gewaltige Leistung, die Sie uns geschenkt haben, macht sehr vieles, das ich darstellen wollte, eigentlich schon überflüssig.“3
1 Vgl. Hans-Anton Drewes: Karl Barth und Hans Urs von Balthasar – ein Basler Zwiegespräch. In: Magnus Striet / Jan-Heiner Tück (Hrsg.): Die Kunst Gottes verstehen. Hans Urs von Balthasars theologische Provokationen. Freiburg u. a.: Herder, 2005, 367–383, hier: 368 f. 2 Vgl. KBA 9340.216 (Hans Urs von Balthasar an Karl Barth, Brief vom 25. 4. 1940). 3 KBA 9340.234 (Hans Urs von Balthasar an Karl Barth, Brief vom 4. 5. 1940). Der gesamte Brief ist abgedruckt bei Manfred Lochbrunner: Karl Barth und Hans Urs von Balthasar. In: Ders.: Hans Urs von Balthasar und seine Theologenkollegen. Sechs Beziehungsgeschichten. Würzburg: Echter, 2009, 259–403, hier: 269–279.
9.1 Balthasars Unzufriedenheit mit der Schultheologie
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Tatsächlich hatte sich Balthasar im Spätsommer 1939 mit seinem Mitbruder Karl Rahner in Innsbruck getroffen, um ein neues Handbuch der Dogmatik zu konzipieren, das eine Alternative zu den sonst gängigen Lehrbüchern bieten sollte.4 Obwohl bereits ein detaillierter Plan skizziert und zudem ein Verlag gefunden war, sollte das Projekt nie verwirklicht werden.5 Verantwortlich dafür war nicht zuletzt Balthasar selbst, sagte er doch im Spätherbst 1941 mit Verweis auf Arbeitsüberlastung und die Einbeziehung ihm nicht genehmer Mitarbeiter seine Beteiligung endgültig ab. Aber wie der eben zitierte Brief zeigt, dürfte er mittlerweile keinen gesteigerten Wert auf das Projekt gelegt haben – in gewisser Weise machte die ‚Kirchliche Dogmatik‘ eine neue katholische Dogmatik überflüssig. Balthasar schien dabei besonders den im Jahr 1940 erschienenen ersten Teilband der Gotteslehre im Blick zu haben, in der Barth in monographischer Länge die Eigenschaften Gottes behandelt. 6 In jenem Brief vom 4. Mai stimmte er ein geradezu hymnisches Lob darauf an. Bemerkenswert fand er zumal, daß hier der Gedanke der Personalität und damit der Freiheit Gottes in das Zentrum gerückt werde, weshalb er sie auch als die erste systematisch konsequente Gotteslehre skotistischer Prägung bezeichnete.7 An dieser Einschätzung ist entscheidend, daß der Skotismus als Gegenrichtung des Thomismus und damit der gängigen neuscholastischen Theologie zu verstehen ist. Wie sehr Balthasar jenen Band der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ schätzte, mag man im übrigen daraus ersehen, daß er ihn damals nahezu ständig bei sich hatte: So wie eine Katze ihr Junges schleppe er den Band mit sich umher, bemerkte Barth damals. 8 Zu dieser Zeit, also im Sommersemester 1941, nahm Balthasar an Barths Seminar über die Sakramentenlehre des Konzils von Trient teil. Den Protokollen der Sitzungen nach zu urteilen, spielte er dabei eine wichtige Rolle.9 Aber nicht 4 Zum folgenden vgl. Andreas R. Batlogg: Hans Urs von Balthasar und Karl Rahner: zwei Schüler des Ignatius. In: Striet / Tück (2005), 410–446, hier: 424–430. Nach dem Zweiten Weltkrieg verfolgten französische Dominikaner und Jesuiten ein ähnliches Projekt, das aber ebenfalls nicht über den Planungsstand hinausgelangen sollte. Davon berichtet Henri de Lubac: Mémoire sur l’occasion de mes écrits. Namur: culture et vérité, 1989, 144 f. 5 Der damals skizzierte Plan wurde später veröffentlicht von Karl Rahner: Über den Versuch eines Aufrisses einer Dogmatik. In: Ders.: Schriften zur Theologie. Bd. 1. Einsiedeln u. a.: Benziger, 1954, 9–47. Darauf stützten sich wiederum die Herausgeber der heilsgeschichtlich orientierten, unter dem Titel ‚Mysterium Salutis‘ erschienenen Dogmatik, deren erster Band, also MySal 1 (1965), im übrigen Balthasar gewidmet ist. 6 Vgl. KD II/1 (1940), 495–764 (§ 31. Die Vollkommenheiten der göttlichen Freiheit). Dieser Paragraph beeindruckte Balthasar sehr, so Werner Löser: Der herrliche Gott. Hans Urs von Balthasars ‚theologische Ästhetik‘. In: Rainer Kampling (Hrsg.): Herrlichkeit. Zur Deutung einer theologischen Kategorie. Paderborn u. a.: Schöningh, 2008, 269–293, hier: 272–274. 7 Vgl. KBA 9340.234 (Hans Urs von Balthasar an Karl Barth, Brief vom 4. 5. 1940). 8 Vgl. Eberhard Busch: Karl Barths Lebenslauf. Nach seinen Briefen und autobiographischen Texten. München: Kaier, 1975, 316 (Karl Barth an Christoph Barth, Brief vom 31. 5. 1941). 9 Vgl. Drewes (2005), 370.
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Kapitel 9: Balthasars Wahrnehmung des Barthschen Denkens (1940–1948)
nur, daß Balthasar den protestantischen Studenten die katholische Position darlegen konnte; wie er nach Abschluß des Seminars an Barth schrieb, hatte er einen ganz neuen Blickwinkel, gleichsam eine Beobachterperspektive gewinnen können: „Es sind so viel Mißverständnisse zwischen den Konfessionen. Für mich war das Lehrreichste an diesem Seminar eigentlich dies: wie sich Katholizismus durch die Brille des Protestantismus gesehen ausnimmt. Man sieht eine ganz neue, völlig veränderte Landschaft. Viel mag die povere [sic!] moderne Lehrbuch-Theologie verschuldet haben, die freilich nicht ganz ohne Einfluß auf die Praxis bleiben konnte. Und doch treffen die ‚Abusus‘ auch hier nie die Substanz des ‚Usus‘.“10
Balthasar nahm diese Erfahrung zum Anlaß, noch während des Sommers 1941 eine Abhandlung zu schreiben, deren Titel ‚Analogia. Gespräch mit Karl Barth‘ lautete.11 Grundlage war ihm dabei ein im Vorjahr veröffentlichter Aufsatz, in dem Erich Przywara sein Verständnis der analogia entis erläuterte.12 Darüber hinaus griff Balthasar auf die Gotteslehre der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ zurück, die ihm ja so imponiert hatte.13 Im November war nicht nur das Manuskript fertiggestellt, sondern außerdem ein Verlag gefunden. Was einzig noch fehlte, war die Druckerlaubnis seiner Oberen. Auch wenn Balthasar auf zügige Gewährung drang, zog sich die ordensinterne Zensur noch bis zum Januar 1942 hin. Der Bescheid war zudem negativ. Daraufhin überarbeitete Balthasar das Manuskript, um es erneut zur Prüfung vorzulegen. Als die Zensoren aber auch gegenüber dieser Fassung Vorbehalte anmeldeten, wurde das Manuskript aller Wahrscheinlichkeit nach noch im Mai desselben Jahres nach Rom geschickt. Die Ordensleitung bestimmte einen eigenen Zensor, dessen Gutachten im September vorlag. Obwohl er die Möglichkeit offengelassen hatte, das Buch nach erneuter Umarbeitung zu veröffentlichen, entschied der Provinzkonsult der Schweizer Jesuiten, daß davon abgesehen werden solle. Kurz zuvor waren mehrere Publikationen auf den Index gesetzt worden, darunter das Plädoyer des französischen Dominikaners Marie-Dominique Chenu (1895–1990) für eine historisch informierte Thomas-Deutung.14 Gleiches, so die Befürchtung, könnte auch mit Balthasars ‚Analogia. Gespräch mit Karl Barth‘ geschehen. 10 KBA 9341.373 (Hans Urs von Balthasar an Karl Barth, Brief ohne Datum [vermutlich: Juli 1941]). Zur Datierung vgl. Drewes (2005), 370. Der gesamte Text ist abgedruckt bei Manfred Lochbrunner: Karl Barth und Hans Urs von Balthasar. In: Ders. (2009), 259–403, hier: 280 f. 11 Zum folgenden vgl. Drewes (2005), 370 f.; Manfred Lochbrunner: Die schwere Geburt des Barth-Buches von Hans Urs von Balthasar. Ein Beitrag zur Werkgenese. In: Albrecht Graf von Brandenstein-Zepplin u. a. (Hrsg.): Die göttliche Vernunft und die inkarnierte Liebe. Weilheim-Bierbronnen: Gustav-Sieverth-Akademie, 2007 (FS Joseph Ratzinger), 631– 664, hier: 635–647. Der Beitrag von Lochbrunner ist titelgleich wiederabgedruckt in Ders. (2009), 405–447. 12 Vgl. Przywara (1940). 13 Vgl. KD II/1 (1940). 14 Zum Hintergrund vgl. Christian Bauer: Geschichte und Dogma. Genealogie der Ver-
9.1 Balthasars Unzufriedenheit mit der Schultheologie
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Ende 1943 kam jedoch erneut Bewegung in die Angelegenheit. Ungeachtet der Entscheidung des Konsults machte der Provinzial Balthasar den Vorschlag, das Manuskript wenn auch nicht in Form einer Monographie, so doch in mehreren Faszikeln zu veröffentlichen. War Balthasar zunächst skeptisch, willigte er schließlich ein und nahm Kontakt zum Herausgeber der in Fribourg erscheinenden Zeitschrift ‚Divus Thomas‘ auf. Bis die Artikel, in die er das Manuskript auflöste, endlich gedruckt werden konnten, sollte allerdings wiederum einige Zeit verstreichen: Ein erster Artikel erschien 1944, ein zweiter im Folgejahr.15 Ein dritter, in dem es um die Frage der natürlichen Gotteserkenntnis gehen sollte, wurde wohl auf Geheiß der Oberen nicht mehr veröffentlicht.16 Ob noch weitere Artikel folgen sollten, muß aufgrund der Quellenlage einstweilen ebenso offen bleiben wie die Frage, welchen Umfang das ursprüngliche Manuskript eigentlich hatte.17 Balthasars Schwierigkeiten mit der Zensur hatten aber mehr als nur kirchenoder ordenspolitische Gründe. Sowohl sein Provinzial als auch die verschiedenen Zensoren befanden nahezu einhellig, er stelle die vorherrschende katholische Theologie weitaus zu abschätzig und bitter dar.18 Außerdem wich er in seiner Interpretation der natürlichen Gotteserkenntnis signifikant von der gängigen Lehre der Neuscholastik ab. Während diese den Eindruck vermittelte, es gebe eine in sich stehende natürliche Ordnung, zu der noch eine übernatürliche hinzutrete, behauptete Bathasar beider faktische und durchgängige Einheit, bei völliger Wahrung ihrer sachlichen Verschiedenheit. Wenn Gott vermittelst der Vernunft erkannt werde, dann nur innerhalb der faktischen Überhöhung durch die Gnade, so erklärte er.19 Mit Barth hat all das insofern etwas zu tun, als Balthasar durch die Beschäftigung mit dessen Denken für die Schwachstellen der neuscholastischen Theologie sensibilisiert worden zu sein scheint und auch konkrete Lösungsvorschläge meinte entdecken zu können. Er folgt Barth darin, Jesus Christus zum Ausgangspunkt der Theologie zu machen, nicht aber eine abstrakte philosophische Reflexion über das Natürliche, wie das in der Neuscholastik der Fall war. Es geht ihm um eine theologische Wende der Theologie. urteilung einer Schule der Theologie. In: M.-Dominique Chenu: Le Saulchoir. Eine Schule der Theologie. Berlin: Morus, 2003 (Collection Chenu; 2), 9–50. 15 Vgl. Hans Urs von Balthasar: Analogie und Dialektik. Zur Klärung der theologischen Prinzipienlehre Karl Barths. In: DT 22 (1944), 171–216; Ders.: Analogie und Natur. Zur Klärung der theologischen Prinzipienlehre Karl Barths. In: DT 23 (1945), 3–56. 16 Es deutet alles darauf hin, daß dieser Artikel später in Balthasar (1951) Eingang fand. Dort findet sich ein Abschnitt, in dem die fragliche Thematik abgehandelt wird, nämlich ebd., 314–335 (Die Natur im Vatikanum). 17 Während Drewes (2005), 371 einen Umfang von 160 Seiten annimmt, mutmaßt Lochbrunner (2007), 647, es seien etwa 300 oder 400 gewesen. 18 Vgl. Lochbrunner (2007), 636. 19 Vgl. Lochbrunner (2007), 637.
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Unmittelbarer Anlaß, sich mit Barth auseinanderzusetzen, war für ihn allerdings dessen Kontroverse mit Erich Przywara. 20 Nach Einschätzung Balthasars ging sie weit über den Streit zwischen zwei einzelnen Theologen hinaus. Wie ein Blick auf seinen Artikel ‚Analogie und Dialektik‘ zeigt, auf den gleich eingegangen werden soll, maß er der Kontroverse eine erhebliche ökumenische Bedeutung bei. Überhaupt spielte die Ökumene in den zahlreichen Gesprächen, die er mit Barth führte, eine große Rolle. Das läßt ein Brief vom Herbst 1942 deutlich erkennen: „Im Grunde reden wir ja – und müssen es wohl auch, wenn man überhaupt reden soll – immer miteinander, als ob wir beide irgendwelche Unionstheologen wären. Und wenn man sich besinnt, steht man immer nur vor dem Fürchterlichen, das durch 400-jährige Dauer kein bisschen erträglicher oder schöner geworden ist. Vielleicht haben Sie sich damit nach langem Kämpfen und Ringen resigniert abgefunden. Ich möchte mir den Kopf lieber daran einrennen, als einen Augenblick lang mich damit abzufinden.“21
9.2 ‚Analogie und Dialektik‘ (1944) Wenn Balthasar auf die Kontroverse zwischen Erich Przywara und Karl Barth rekurriert, dann keineswegs weil er zwei in der Sache uneinige Theologen wieder miteinander versöhnen will. Nicht um die Schlichtung persönlicher Animositäten ist es ihm zu tun, sondern um die Klärung von Sachfragen. Wie ihm die Theologie Barths als die erste und vielleicht sogar einzig konsequente Form protestantischen Denkens gilt, so erscheint ihm diejenige Przywaras die genuin katholische Form zu sein.22 Von daher stehen sich nicht bloß zwei einzelne Theologen gegenüber, sondern letzten Endes zwei Konfessionen. Unter dieser Prämisse ist die Annahme eines konfessionellen Grunddissenses allerdings insofern unvermeidlich, als es sich bei der von Barth verteufelten Analogie nach Ansicht Balthasars tatsächlich um das Prinzip des Katholischen handelt; womit zugleich impliziert ist, daß dem Protestantismus ein gänzlich anderes Prinzip zugrunde liegt. Wäre dem so, würde schon der Versuch einer ökumenischen Verständigung sinnlos sein und zwingend zum Scheitern verurteilt. Obwohl Balthasar an keiner Stelle diesen Schluß zieht, ist das doch die Folie, vor der seine Ausführungen erst verständlich werden. Von hier aus erklärt sich zudem, warum es, wie es im gleichlautenden Untertitel beider Artikel heißt, um Barths theologische Prinzipienlehre geht: Nur dann ist ein Austausch überhaupt sinn20
Zu dieser Kontroverse vgl. Kap. 5.2 und Kap. 6. KBA 9342.382 (Hans Urs von Balthasar an Karl Barth, Brief vom 28. 10. 1942). Welch hohen Stellenwert die Ökumene für Balthasar auch in späteren Jahren hatte, zeigt besonders deutlich sein Artikel Fühlung zwischen den Konfessionen. In: Die Schweiz. Ein nationales Jahrbuch 24 (1953), 145–150. 22 Vgl. Balthasar (1944), 171. 21
9.2 ‚Analogie und Dialektik‘ (1944)
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voll, wenn es eine gemeinsame Grundlage gibt. Dafür will Balthasar den Beweis erbringen: „Wir geben uns in der vorliegenden Studie bereits zufrieden, wenn wir nach Aufweis der Wendung der dialektischen Theologie – die ja zunächst gerade nicht auf der Grundlage der Analogie, sondern des Widerspruchs (δια-λέγεσθαι) beruhte – zur Anerkennung der Analogie als eines ‚tatsächlich unvermeidlichen‘ (D 3, 254) Begriffs, eine echte Gemeinsamkeit in der Prinzipienlehre als gesichert feststellen können. Wäre damit nicht schon Unverhofftes gewonnen?“23
Was Balthasar zu der hoffnungsfrohen Einschätzung führt, daß die katholische Theologie mit derjenigen Barths im Grundsätzlichen übereinstimmt, ist der erste, im Jahr 1940 erschienene Teilband der Gotteslehre der ‚Kirchlichen Dogmatik‘, aus dem er in beiden Artikeln ausgiebig zitiert. Dieser erscheint ihm deshalb wichtig zu sein, weil Barth hier von der analogia fidei spricht und damit wenigstens partiell einen Begriff aufnimmt, gegen den er zuvor noch vehement meinte polemisieren zu müssen. Die eigentlich spannende Frage scheint ihm nur zu sein, in welchem Grade sich Barth der katholischen Position angenähert hat, zumal aufgrund der ökumenischen Bedeutung dieses Punktes: „Da sich Barth des Kennworts Analogie bemächtigt hat, ist in diesem wenigstens ein Minimum von Gemeinsamkeit erreicht, während die Differenz sich offenbar in den Worten ‚Entis‘ und ‚Fidei‘ konzentriert. Dann aber wird es von absolut entscheidender Bedeutung sein, den Sinn des Gemeinsamen wie des Trennenden mit jeder nur möglichen Präzision zu bestimmen. Es geht, man beachte es wohl, um den letzten Wesensunterschied von Katholisch und Protestantisch. Also um Tödlich-Ernstes und nicht um müßiges Theologengezänk. Infolgedessen wird alles daran liegen, weder den einen noch den andern Standpunkt voreilig festzulegen und zu verengen, indem wir ihn etwa mit der Meinung einer bestimmten Schule, Richtung, Tendenz gleichsetzen, die nicht schlechthin repräsentativ für die ganze Kirche, die sie verteidigt, einsteht. Beide Standpunkte sind so zu bestimmen, daß sie als universale Formprinzipien beider Konfessionen gelten können.“24
Um die Gemeinsamkeiten zu bestimmen, die sich hinsichtlich des Prinzips der Analogie ergeben, greift Balthasar auf jenen Paragraphen der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ zurück, der von den Grenzen der Gotteserkenntnis handelt.25 Hier stellt Barth zunächst heraus, daß Gott allein aufgrund seiner Offenbarung erkannt werden kann, um sodann darzulegen, daß der Mensch Gott, wenn er sich denn 23
Balthasar (1944), 173 mit Zitat aus KD II/1 (1940), 254. Balthasar (1944), 172. 25 Zum folgenden vgl. KD II/1 (1940), 200–287 (§ 27. Die Grenzen der Erkenntnis Gottes). Der Leitsatz lautet (ebd., 200): „Gott wird nur durch Gott erkannt. Wir erkennen ihn also nicht durch die Kraft der Anschauungen und Begriffe, mit denen wir auf seine Offenbarung im Glauben zu antworten versuchen. Wir erkennen ihn aber auch nicht ohne daß wir, von seiner Erlaubnis Gebrauch machend und seinem Befehl gehorchend, diesen Versuch unternehmen. Das Gelingen dieses Unternehmens und also die Wahrhaftigkeit unserer menschlichen Gotteserkenntnis besteht darin, daß unser Anschauen und Begreifen zur Teilnahme an der Wahrheit Gottes durch Gott selbst in Gnaden aufgenommen und bestimmt wird.“ 24
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zu erkennen gegeben hat, auch tatsächlich in seiner Offenbarung zu erkennen vermag. 26 In diesem Zusammenhang führt er den Begriff der Analogie ein. 27 Wenngleich dieser Paragraph in der Forschung im Detail unterschiedlich interpretiert wird, so herrscht doch Übereinstimmung darüber, daß es entscheidend auf den Kontext ankommt, in dem die Analogie in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ verhandelt wird, und das ist die theologische Epistemologie. 28 Von diesem Kontext sieht Balthasar aber gerade ab, wenn er meint, es gehe bei der Analogie um das Verhältnis von Gott und Mensch. 29 Dieses könne weder das hintergründiger Identität noch das letzter Differenz sein, sondern allein das der Nähe und Distanz einschließenden Beziehung. Damit sei freilich nicht gemeint, daß sich Gott und Mensch auf einer Ebene befänden, denn je ähnlicher der Mensch Gott zu sein scheint, desto deutlicher zeige sich die Unähnlichkeit. Mit steigender Nähe wachse automatisch die Distanz, handle es sich doch um die Beziehung des Absoluten zum ganz und gar Relativen. Zwischen Gott und Mensch bestehe nur in dem Sinne eine Analogie, daß beider Beziehung die der je größeren Unähnlichkeit ist. Festzuhalten ist jedenfalls, daß Balthasar in der Analogie ein gleichsam universelles Prinzip erblickt, das er keinesfalls nur im Kontext der theologischen Epistemologie verortet wissen will. Weiter handelt es sich für ihn bei der Analogie weder um einen bloß philosophischen noch um einen rein theologischen Begriff. Das Verhältnis von Gott und Mensch als die Wirklichkeit, die dieser Begriff fassen soll, entziehe sich einer solchen Kategorisierung.30 Mit Blick auf den gegenwärtigen Forschungsstand wäre schon an dieser Stelle mit gutem Grund einzuwenden, daß Balthasars Interpretation höchst eigenwillig ist, wenn nicht gar ein Konstrukt, das einer näheren historischen Überprüfung nicht standzuhalten vermag. Damit würde man ihm allerdings nicht vollends gerecht. Seitdem Barth die analogia entis als die Erfindung des Antichrist und den letzten Grund dafür bezeichnete hatte, nicht katholisch zu wer26 Vgl. KD II/1 (1940), 200–229 (§ 27.1 Die Verborgenheit Gottes) bzw. 229–287 (§ 27.2 Die Wahrhaftigkeit menschlicher Gotteserkenntnis). 27 Vgl. KD II/1 (1940), 252–275. 28 Vgl. Bruce McCormack: § 27 ‚The Limits of the Knowledge of God‘. Theses on the Theological Epistemology of Karl Barth. In: ZDT 15 (1999), 75–86; Dirk-Martin Grube: Analogia fi dei. Zum ‚Analogiegeschehen‘ bei Karl Barth. In: Werner Schüßler (Hrsg.): Wie läßt sich über Gott sprechen? Von der negativen Theologie Plotins bis zum religiösen Sprachspiel Wittgensteins. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2008, 117–131. 29 Zum folgenden vgl. Balthasar (1944), 174–177 mit Bezug auf KD II/1 (1940), 253–255, 264 f., 269, 273. 30 Vgl. Balthasar (1944), 177: „Wie es [. . .] nie eine andere Geschöpflichkeit gab als eine gnadenhaft erhobene, so hat es faktisch auch nie eine andere Beziehung zwischen Gott und Geschöpf gegeben als eine solche, die ihr entscheidendes Maß von dieser Gnade und Offenbarung her bezog. Wenn wir also ‚außer‘ der theologischen Analogie noch eine ‚philosophische‘ werden fordern müssen, so kann dieses ‚Außer‘ jedenfalls kein ‚Außerhalb‘ bedeuten, sondern es muß als ein Moment an und in der faktisch allein bestehenden Gesamt-Beziehung begriffen werden.“
9.2 ‚Analogie und Dialektik‘ (1944)
173
den, wurde sein Denken von katholischen Theologen nahezu einhellig als auf die Spitze getriebener Protestantismus eingeordnet und entsprechend abgelehnt. Diesem Eindruck entgegenzuwirken und damit überhaupt erst wieder die Möglichkeit einer produktiven Auseinandersetzung mit Barth zu schaffen, war ein zentrales Anliegen Balthasars. Noch während er bei den ‚Stimmen der Zeit‘ arbeitete, veröffentlichte er einen Artikel, in dem er mit Nachdruck die These vertrat, daß sich Barth inzwischen fortentwickelt habe. 31 Zwar räumte er ein, daß Barths Theologie einst dem Prinzip der Dialektik gefolgt sei, was auch die Ablehnung der analogia entis erkläre. Aber wie seine jüngeren Publikationen zeigten, sei er mittlerweile darüber hinaus. Während etwa noch im ‚Römerbrief ‘ Schöpfung und Sünde miteinander identifiziert worden seien, werde beides nun entflochten, weswegen dem Endlichen jetzt ein Eigenstand zugebilligt werden könne: „In seiner ‚Kirchlichen Dogmatik‘ hat Barth verschiedentlich ausgesprochen katholische Positionen bezogen. An Stelle des altlutherischen Subjektivismus ist nun ein starker Zug nach Objektivität getreten: Offenbarung geschieht in einer objektiven Kirche, durch sichtbare Spender, in objektiv wirksamen Sakramenten. Ja, diesem sichtbaren Eintreten der Offenbarung in den Raum der Welt entspricht nun sogar eine Positivität der aufnehmenden Natur selbst: eine Eigenwirklichkeit menschlicher Vernunft und Freiheit innerhalb des Glaubens, eine Anerkennung selbst der ‚geschaffenen Gnade‘. Hier und in vielen Einzelfragen hat Barth die Grundlagen seiner Dialektik durchbrochen.“32
Balthasar will in der theologischen Entwicklung Barths also zwischen einer durch die Dialektik charakterisierten Phase einerseits und einer mit der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ verbundenen Phase andererseits unterschieden wissen. Damit ist die Frage aufgeworfen, wie beide Phasen eigentlich miteinander zusammenhängen, denn offensichtlich stellt sich Barths Entwicklung weder als völliger Bruch noch als ungebrochene Kontinuität dar. Das führt zu jenen Artikeln in ‚Divus Thomas‘ zurück, in denen Balthasar eine Antwort auf diese Frage zu geben versucht. Um Barths theologische Entwicklung zu beschreiben, greift er hier – ohne dies freilich zu explizieren – auf den Hegelschen Dreischritt von These, Antithese und Synthese zurück.33 Aus gleich mehreren Gründen ist der Rekurs auf diese Denkfigur überaus geschickt: Gegenüber den katholischen Theologen kann Balthasar erklären, daß ihre Ablehnung Barths hinsichtlich seiner dialektischen Phase zwar verständlich, hin31 Vgl. Hans Urs von Balthasar: Karl Barth und der Katholizismus. In: Seels.B 3 (1938; F. 2, 1939), 126–132. Dieser Artikel ist von der Forschung bislang praktisch unbeachtet geblieben, obwohl er ein wichtiges Zwischenglied darstellt: Die Arbeit an der ‚Apokalypse der deutschen Seele‘ war inzwischen beendet, und Balthasar konnte nun nach vorn blicken. 32 Balthasar (1939c), 131. 33 Vgl. Balthasar (1944), 173 f., 186–201. Schon die hier verwendeten Begriffe lassen die Anleihen bei Hegel erkennen. So spricht Balthasar (ebd., 173) sowohl von einem mit innerer Notwendigkeit verlaufenden „Dreischritt“, in dem sich alle theologische Reflexion vollziehe, als auch vom „Gesetz einer fortschreitenden Selbstfindung der Theologie“.
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sichtlich jener neuen, mit der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ verbundenen Phase jedoch unberechtigt ist. Barth gegenüber kann er wiederum aufzeigen, warum es tatsächlich unumgänglich war bzw. ist, die Analogie anstelle der Dialektik zum Prinzip der Theologie zu machen. Balthasar rekurriert in der Weise auf Hegel, daß er die erste Fassung des ‚Römerbriefs‘ als die These identifiziert, dessen zweite Fassung und alle weiteren Schriften bis einschließlich der Prolegomena zur ‚Kirchlichen Dogmatik‘ als Ausdruck der Antithese. Anfänglich mit dem Prinzip der Identität, werde das Verhältnis von Gott und Mensch sodann mit dem des Widerspruchs konzipiert, um schließlich vom Prinzip der Analogie abgelöst zu werden. Letzteres geschehe in der Gotteslehre der ‚Kirchlichen Dogmatik‘, mit der dann die Synthese erreicht sei. Würde die Dialektik lediglich eine Sprechweise bezeichnen, wäre Barths Rückgriff auf sie völlig unproblematisch.34 Da es in der Theologie um den auch in seiner Offenbarung unverfügbarer Gott geht, bedarf es ihrer in der Tat als Warnung und Korrektiv, weswegen jede Aussage über Gott zugleich durch ihre Gegenaussage zu relativieren ist. Wie Balthasar zu bedenken gibt, habe die Dialektik für Barth anfangs jedoch mehr als eine bloße Methode dargestellt. Wenigstens in jener Phase seiner theologischen Entwicklung, die mit der zweiten Fassung des ‚Römerbriefs‘ verbunden ist, habe er dem Unterschied von Gott und Mensch in der Weise Rechnung tragen wollen, daß er beide als voneinander völlig verschiedene Größen begriff: auf der einen Seite Gott, der Gott ist, und auf der anderen der Mensch, der sich schon als solcher im ontischen Widerspruch zu Gott befindet. Nach Meinung Balthasars war dies in systematischer Hinsicht allerdings inkonsistent, weil sich Unterschiede nur auf der Basis von Gemeinsamkeiten aussagen lassen. Wird aber wie im ‚Römerbrief ‘ ein ‚unendlicher qualitativer Unterschied‘ angenommen, sei das jedoch nicht mehr möglich. Gott und Mensch wären nicht mehr nur voneinander unterschieden, sie wären völlig voneinander geschieden. Aus diesem Grund mußte Barth die als ontischen Widerspruch verstandene Dialektik als Prinzip seiner Theologie aufgeben. Balthasar versteht die innere Notwendigkeit, mit der sich Barths theologische Entwicklung vollzogen habe, im Sinne Hegels.35 Zunächst noch ganz unter dem Einfluß von Idealismus und religiösem Sozialismus, hatte Barth in der ersten Fassung des ‚Römerbriefs‘ Gott und Mensch als miteinander identisch verstanden. Diese Identität sei die unausgesprochene Voraussetzung seines Denkens geblieben, weswegen er in der zweiten, im Jahr 1922 erschienenen Fassung auch so vehement auf der absoluten Differenz beider insistiert habe – die Antithese hängt auf das Engste von der These ab. Sollen Gott und Mensch derart strikt voneinander geschieden sein, gerät die Theologie in eine erhebliche Verle34 35
Vgl. Balthasar (1944), 177–186. Zum folgenden vgl. Balthasar (1944), 186–201.
9.2 ‚Analogie und Dialektik‘ (1944)
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genheit. Weder läßt sich erklären, wie so etwas wie Inkarnation überhaupt möglich sein soll, noch – und das sei zu jener Zeit Barths eigentliches Anliegen gewesen – kann die Sünde als Widerspruch des Menschen Gott gegenüber verstanden werden.36 Um das aussagen zu können, was er von Anfang an habe aussagen wollen, mußte Barth von Identität und Dialektik als Prinzipien seiner Theologie abrücken und an ihre Stelle die Analogie setzen, aufgrund derer sich Gemeinsamkeit zuallererst aussagen läßt – These samt Antithese werden in der Synthese aufgehoben. Die Gemeinsamkeit, welche die Bedingung der Möglichkeit von Unterschiedenheit ist, läßt sich nach Ansicht Balthasars am besten mit Rekurs auf die Protologie formulieren. Als Geschöpf ist der Mensch nämlich einerseits gänzlich von Gott her und auf Gott hin, andererseits freies Subjekt.37 Kreatürlichkeit bedeute damit zugleich die Abhängigkeit des Menschen von Gott und seinen Eigenstand diesem gegenüber, was noch dahingehend präzisiert werden könne, daß der Eigenstand nur aufgrund der Abhängigkeit besteht.38 Erst unter dieser Voraussetzung seien überhaupt die Voraussetzungen dafür gegeben, das Phänomen der Sünde zu denken. Denn hätte der Mensch keinen wirklichen Eigenstand, wie von Barth in den beiden Fassungen des ‚Römerbriefs‘ angenommen, könnte die Sünde eine allenfalls mögliche, nie jedoch eine wirkliche Möglichkeit sein.39 In dem Moment, da er sich wider den Gott stellte, von dem er gänzlich abhängig ist, würde er nämlich zum Nichts, und mit ihm selbst wäre auch das Problem verschwunden. Allein auf der Grundlage jenes Eigenstandes, wie er mit dem Begriff des Subjekts ausgesagt ist, läßt sich die Sünde wirklich als Widerspruch des Menschen zu Gott denken. Soll sie als moralische Tat zuschreibbar sein, darf sie den Eigenstand des Geschöpfs überdies weder aufheben
36 Zum einen schreibt Balthasar (1944), 195 mit Zitat aus RB (1922), 6: „Das Entscheidende dabei ist, daß hier das zentrale Geschehen des Christentums, die Menschwerdung Gottes, unmöglich wird. Wo das Göttliche die Welt nur berührt, ‚wie die Tangente einen Kreis‘ (6), der unendliche qualitative Unterschied wirklich die einzige Beziehung Gottes zur Welt ist, da gibt es kein mögliches Leben Christi, sondern wirklich nur einen Tod Christi als Sinn und Summe der Inkarnation [. . .]. Damit ist der Eschatologismus bis zur Aufhebung der Möglichkeit Christi selbst verschärft.“ Zum anderen führt er (ebd., 196) aus: „Jedes wirkliche ‚Wider‘ setzt eine wie immer zu verstehende Beziehung, und also ein Minimum von Gemeinschaft voraus, um wirklich ein ‚Wider‘ und kein restlos unbezügliches ‚Anders‘ zu sein. Nur auf Grund einer Analogie ist Sünde möglich.“ 37 Vgl. Balthasar (1944), 196–201. 38 Vgl. Balthasar (1944), 201: „Es ist eine Gegenseitigkeit, freilich eine solche, die, in welcher Ordnung sie immer betrachtet werden mag, auf einer vorgängigen restlosen Einseitigkeit (des Geschaffen- und Begnadetseins) aufruht. Das Geschöpf ist so sehr von Gott her, daß es von ihm sogar dies erhält: nicht nur zu empfangen, sondern auch zu antworten. Oder besser gesagt: auch dies zu empfangen, daß es antworten kann, und so antworten, daß auch und gerade diese ‚selbständige‘ Antwort ein höchstes Empfangen bleibt. Das eben heißt Analogie.“ 39 Vgl. Balthasar (1944), 201–216.
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noch korrumpieren, wie Barth das noch in der zweiten Fassung des ‚Römerbriefs‘ gemeint habe.40 Das Verhältnis von Gott und Mensch ist also weder das der Identität noch das des Widerspruchs; es ist vielmehr das unähnlicher Ähnlichkeit. Diese besteht unverbrüchlich zwischen Schöpfer und Geschöpf, und sei es negativ wie in der Sünde, verstanden als der widersinnige Versuch des Geschöpfs, die Abhängigkeit von seinem Schöpfer zu bestreiten.41 Aber ebenso wie der Mensch Gottes Geschöpf ist und als ein solches Eigenstand besitzt, ist er das Geschöpf Gottes und dadurch von diesem abhängig. Aufgrund dessen steht der Mensch keineswegs auf einer Stufe mit Gott. Wie Przywara und Barth übereinstimmend feststellen, ist er ihm strikt untergeordnet. 42 In diesem Sinne will Balthasar auch die zwischen Gott und Mensch bestehende Analogie verstanden wissen.43 Von daher seien die Unterschiede zwischen der von Przywara favorisierten analogia entis und der analogia fidei, von der Barth spricht, weniger groß, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Erkenne der Mensch nämlich, einerlei ob durch den Glauben oder aber durch die Vernunft, daß er ein Geschöpf ist, werde er zugleich seines Schöpfers ansichtig; und allein darum ist diese Erkenntnis überhaupt möglich, weil Gott sich zuvor schon zu erkennen gegeben hat. 44 Damit ist für Balthasar erwiesen, daß die Vorwürfe, die Barth an die Adresse Przywaras und des Katholizismus insgesamt meint erheben zu müssen, haltlos sind. Genauso wie ihm selbst gehe es der katholischen Theologie um die Wahrung der Souveränität Gottes, hier wie dort solle dem Griff des Menschen nach Gott gewehrt werden.45 Wenn sich Barth gegen den Neuprotestantismus wendet, dem er vorhalte, alle Distanz von Gott und Mensch einzuebnen, stellt er laut Balthasar in materialer Hinsicht die objektive und vorgegebene Offenbarung heraus, in formaler Hinsicht das Prinzip der Analogie. Beides diene dazu, die Unterscheidung zu wahren.46 Insofern teile er mit der katholischen Theologie nicht nur das Ziel, sondern auch die Auffassung über die Mittel und Wege, die zu diesem führen sollen. Darum treffe Barths Polemik keineswegs das wirklich 40
Vgl. Balthasar (1944), 204–208. Vgl. Balthasar (1944), 205, 208. 42 Vgl. Balthasar (1944), 209–211 mit Bezug auf Erich Przywara: Analogia Entis. Metaphysik. Bd. 1. München: Kösel / Pustet, 1932 und RB (1922) u. a. 43 Vgl. Balthasar (1944), 211–213. Zum einen vgl. ebd., 211: „Die Analogie hat, wie wir sahen, darin ihre Echtheit, daß sie der Ausdruck der je größeren Distanz des (sowohl ‚nichtigen‘ wie ‚eigenständigen‘) Geschöpfes zu Gott ist.“ Zum anderen vgl. ebd., 212: „Die Grundgestalt der Analogie wird also, zunächst noch gleichgültig ob als rein theologische oder auch als philosophische betrachtet, jedenfalls eine solche sein, die in jedem Aufstieg vom Geschöpf zu Gott die umgreifende, begründende und ermöglichende Vorgängigkeit des Abstiegs Gottes zum Geschöpf sieht. Sonst wäre es eben kein Aufstieg zu Gott.“ Indem sich Gott in seiner Offenbarung selbst bestimmt, macht er sich dem Menschen als Gott zugänglich. 44 Vgl. Balthasar (1944), 212 f. 45 Vgl. Balthasar (1944), 213 f. 46 Vgl. Balthasar (1944), 214. 41
9.2 ‚Analogie und Dialektik‘ (1944)
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katholische Verständnis der Analogie, sie richte sich allenfalls gegen Verzerrungen desselben. Gewiß sei ein Griff des Menschen nach Gott immer möglich und ein entsprechender Mißbrauch nie vollends auszuschließen, doch hänge das nicht mit dem Prinzip der Analogie zusammen, sondern mit der Art und Weise seiner Verwendung. Zwar bedürfe die Dogmatik immer wieder der Erinnerung, daß Gott auch in seiner Offenbarung unverfügbar bleibe, und insofern der Dialektik. Allerdings könne sie sich unmöglich auf den Hinweis beschränken, wie inadäquat menschliche Begriffe in bezug auf die Wirklichkeit Gottes sind. Stattdessen müsse sie auf diese zurückgreifen, um positive Aussagen über Gott treffen zu können. Ganz in diesem Sinne sei Barth in der Gotteslehre der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ ja selbst mit dem Begriff des Seins umgegangen.47 Von daher wirft Balthasar die Frage auf, ob er damit nicht wenigstens stillschweigend seine ursprüngliche, in den wenige Jahre zuvor erschienenen Prolegomena dargelegte Position revidiert habe: „Also immer noch Analogia entis als ‚die Erfindung des Antichrist‘?“48 Obwohl Barth im Verlauf seiner Entwicklung dazu gelangt sei, die Analogie als ein theologisches Prinzip anzuerkennen, und deshalb zu fragen sei, inwieweit er eine recht verstandene Seinsanalogie überhaupt noch ablehnen könne, räumt Balthasar ein, daß der entscheidende Einwand, den er ihr gegenüber erhebt, bislang noch gar nicht angesprochen worden ist: Für Barth ist die analogia entis das Kennwort der natürlichen Theologie, welche die Offenbarung dadurch relativiere, daß sie die Möglichkeit eines vermittelst der Vernunft erschließbaren Gottesverhältnisses unterstelle. 49 Was allein dem Glauben möglich sei, scheine durch die Vernunft doch auch so erreichbar. Balthasar pfl ichtet Barth diesbezüglich nur bei: Würde die analogia entis dazu dienen, ein Gottesverhältnis unabhängig von der Offenbarung herzustellen, hätte er wirklich damit recht, in ihr den Griff des Menschen nach Gott zu erblicken und sie folgerichtig als die Erfindung des Antichrist zu verwerfen.50 Um diesen Einwand, der die bislang aufgewiesenen Gemeinsamkeiten aufheben und die konfessionelle Spaltung als unüberwindbar offenbaren würde, zu entkräften, sieht sich Balthasar zu einem weiteren Gedankengang veranlaßt. Er will den Nachweis erbringen, daß die im Sinne Przywaras verstandene analogia entis nicht Ausdruck jener von Barth befehdeten, Philosophie und Theologie, Vernunft und Glaube miteinander vermengenden natürlichen Theologie ist. Das führt ihn zu der Frage, wie sich das Verhältnis von Natur und Gnade bestimmen läßt.
47 48 49 50
Vgl. Balthasar (1944), 215 mit Bezug auf KD II/1 (1940), 291 f. Balthasar (1944), 215 mit Zitat aus KD I/1 (1932), VIII. Vgl. Balthasar (1944), 215. Vgl. Balthasar (1944), 215 f. mit Rückbezug auf ebd., 171 f.
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Kapitel 9: Balthasars Wahrnehmung des Barthschen Denkens (1940–1948)
9.3 ‚Analogie und Natur‘ (1945) Balthasar wendet sich nachdrücklich gegen das ‚Zweistockwerkdenken‘, das der Neuscholastik eigen war. Was Natur ist und was Gnade, lasse sich deshalb nicht unabhängig voneinander definieren, weil der eine Begriff als Gegenbegriff des anderen fungiere. Wie die Gnade immer nur Gnade für etwas ist, das als Natur bezeichnet wird, so könne umgekehrt von dieser allein in der Abgrenzung zu jener gesprochen werden.51 Da Natur und Gnade faktisch immer nur miteinander auftreten, lassen sie sich auch nur mit Bezug aufeinander definieren.52 Wenn aber dennoch strikt zwischen beiden unterschieden werden müsse, dann weil eine in ihrem Eigenstand begriffene Natur die Wirksamkeit der Gnade sicherstelle.53 In dieser Hinsicht sei der ‚duplex ordo‘, von dem das Erste Vatikanische Konzil sprach, völlig angemessen.54 Nach Einschätzung Balthasars beachtet die gängige Schultheologie jedoch nur unzureichend die Analogie des Naturbegriffs in Theologie und Philosophie. So gingen die Handbücher bei der Bestimmung des Verhältnisses von Natur und Gnade üblicherweise von dem der aristotelischen Philosophie entlehnten Begriff der Natur aus, wonach diese der dynamische Wesensplan eines Seienden ist.55 Um den damit an sich unvermeidlichen Schluß zu vermeiden, daß die Gnade dem Menschen nötig sei, insofern dessen letztes Ziel in der Anschauung Gottes bestehe, werde diese dann als Übernatur definiert. Gnade ist demnach das, was nicht Natur ist. Aber da das eine nur in bezug auf das andere definiert werden könne, ist diese bloß formale Bestimmung nach Ansicht Balthasars höchst unzureichend. Was sich auf diese Weise ergebe, sei nämlich ein in einem gleich doppelten Sinn analoger Naturbegriff, der freilich nicht als der theologisch relevante bezeichnet werden könne.56 Außerdem werde dabei überhaupt nicht deutlich, daß die Gnade als die Gnade Gottes nicht etwas ist, über das der Mensch verfügen könnte, und sei es defi nitorisch.57 Die rein formale, von materialen Aspekten absehende Bestimmung 51
Vgl. Balthasar (1945), 16. Vgl. Balthasar (1945), 11, 23. Wofür Balthasar noch mühsam hatte argumentieren müssen, wird in Veröffentlichungen, die nach dem Ende der Neuscholastik entstanden sind, als geradezu selbstverständlich genommen, nämlich daß es sich bei Gnade und Natur um Komplementärbegriffe handelt. Dies zeigen exemplarisch die Artikel von Robert Spaemann: Natur. In: HPhG 4 (1973), 956–969 sowie Eva-Maria Faber: Natur u. Gnade. In: LThK 3 7 (1998), 667–671. 53 Vgl. Balthasar (1945), 3–8. 54 Vgl. Balthasar (1945), 5 f. mit Bezug auf D 1795 f. 55 Vgl. Balthasar (1945), 8 f., 10. 56 Vgl. Balthasar (1945), 11. 57 Vgl. Balthasar (1945), 14: „Die positive Defi nition der Gnade kann nur durch die Gnade selber gegeben werden; was Gott innerlich ist, das muß er selbst offenbaren. Die Kreatur kann sich diesem ihr Unbekannten gegenüber nicht selbst abgrenzen und darum auch nicht wissen, worin sie sich (als theologisch verstandene bloße ‚Natur‘) von ihm unterscheidet.“ 52
9.3 ‚Analogie und Natur‘ (1945)
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des Verhältnisses von Natur und Gnade, wie sie die Barock- und Neuscholastik kennzeichne, habe jedenfalls zu einer massiven Verengung geführt, werde die Gnade doch vorrangig unter dem Gesichtspunkt der Gratuität betrachtet, anstatt die diese zuallererst begründende Göttlichkeit ins Zentrum zu rücken.58 Vor diesem Hintergrund ist Balthasars eigene Konzeption des Verhältnisses von Natur und Gnade zu verstehen. Statt wie in den Handbüchern üblich beim philosophischen Begriff der Natur anzusetzen, um von hier aus den Begriff der als Übernatur verstandenen Gnade zu erschließen, geht er vom theologischen aus, wonach Natur das ist, was nicht Gnade ist.59 Nur a posteriori, durch das Verfahren der Subtraktion, nicht a priori, lasse sich ausmachen, was die theologisch verstandene Natur ist. 60 Angesichts der Wirklichkeit der gnadenhaften Selbstmitteilung Gottes erschließt sich überhaupt erst die Bedingung ihrer Möglichkeit: „Indem Offenbarung ergeht, hebt sich Natur von ihr als der Vorraum ab, der als solcher nicht selbst Gnade ist.“61 Diese Bestimmung der Natur ist aber rein formal, und so kann gefragt werden, ob darüber hinaus nicht eine materiale möglich wäre, was die Natur also in sich, unabhängig von der Gnade ist. Dabei verwahrt sich Balthasar ausdrücklich gegen das Konzept der natura pura. Obwohl eine von der Gnade völlig unberührt bleibende Natur eine mögliche Hypothese darstelle, insofern die Gnade frei ist und bleibt, müsse ebenso klar sein, daß eine solche faktisch niemals gegeben sei. 62 Aber gerade das scheine in der scholastischen Tradition nicht immer bewußt gewesen zu sein: „Im ganzen besteht in der neueren Theologie eine gewisse Tendenz, den Bereich der Natur dadurch sicherzustellen, daß man ihn auch faktisch von der Ordnung der Gnade isoliert. Während die Reformation durch einen falschen Gnadenbegriff, der faktisch so oder so zu einem Wesensbestandteil des Menschen wurde, zu einem falschen Begriff der Sünde gelangte (da diese auf Grund des Gnadenverlustes auch die Natur des Menschen selbst zerstört), glaubte die Gegenreformation die Integrität der Natur auch in der Sünde nicht durch eine sachliche Abgrenzung der Natur gegenüber Sünde und Gnade, sondern durch eine weitgehende, auch faktische Heraustrennung dieser natürlichen Sphäre si58
Vgl. Balthasar (1945), 12–17. Vgl. Balthasar (1945), 17. 60 Vgl. Balthasar (1945), 15. 61 Balthasar (1945), 18. 62 Vgl. Balthasar (1945), 23–26. Wie Balthasar (ebd., 23) ausführt, dürfe die Unterscheidung zweier Ordnungen nicht so verstanden werden, „als ob nun, durch die tatsächliche Offenbarung, ein neuer Sachbereich ‚neben‘ (‚über‘) der Natur sich auftun würde. In der Terminologie der Scholastik: die Gnade ist nicht eine der natürlichen Substanz (als ‚oberes Stockwerk‘) hinzugefügte zweite, ‚übernatürliche‘ Substanz, der Glaubensakt nicht ein neuer, oberhalb der menschlichen Vernunft sich vollziehender zweiter, ‚übernatürlicher‘ Akt, sondern die Gnade ist durchwegs Gnade für eine Natur, an einer Natur. Sie ist insofern keine ‚Substanz‘, sondern ein ‚Akzidens‘, ein ‚Modus‘ der Natur, freilich ein solcher, der über alle Möglichkeiten der Natur selbst überschwänglich [sic!] erhaben ist. Auch wenn Gott immer das primäre Subjekt der Gnade und somit auch des Glaubensaktes bleibt, so ist Gnade doch nie eine Art neuer, überweltlicher Weltlichkeit, eine Art ‚Drittes‘ zwischen Gott und Geschöpf. Sie hat ihren Beziehungspunkt, ihr Woran stets an der Natur selbst.“ 59
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cherstellen zu müssen. Blieb auch zunächst die zur Abwehr des Baianismus aufgebrachte Spekulation über die mögliche ‚reine Natur‘ eine Hilfshypothese über ein irreales Objekt, so hat sie schließlich doch auf die Konzeption der real existierenden Ordnung abgefärbt.“63
Was Balthasar hier mit wenigen Strichen skizziert, ist die komplexe Entwicklung der katholischen Gnadentheologie seit Ende des 16. Jahrhunderts. Um die absolute Gratuität der Gnade zu sichern, wurde das Konzept der natura pura als hilfreich betrachtet. Für Balthasar ist dieses jedoch höchst problematisch. Aufgrund der faktischen Einheit von Natur- und Gnadenordnung lasse sich die eine nämlich kaum von der anderen unterscheiden; wie überhaupt Gnade keine irgendwie zuhandene Größe sei, sich so der exakten Bestimmung entziehe und allenfalls versuchsweise in immer unzulänglich bleibender Annäherung umschrieben werden könne. 64 Da die Natur in sich, unabhängig von der Gnade nun einmal nicht bestimmt werden könne, falle ihre formale Bestimmung letzten Endes mit ihrer materialen zusammen. Soll der Mensch wirklich Offenbarung vernehmen und Gnade empfangen können, müsse er nun einmal das sein, was man in der Philosophie als Subjekt bezeichne. 65 Letztlich könne sich auch Barth diesem Schluß nicht entziehen. Habe im ‚Römerbrief ‘ und noch in den ersten Bänden der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ die Tendenz bestanden, nur dem begnadeten Menschen zuzubilligen, wirkliches Subjekt zu sein, könne ein solches Verständnis mit der Gotteslehre der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ als überwunden betrachtet werden. 66 Allerdings besteht laut Balthasar nicht nur zwischen dem philosophischen und dem theologischen Begriff der Natur eine Analogie. Bei Natur und Gnade handle es sich letztlich nicht um zwei grundverschiedene Dinge, sondern um zwei Modi der Beziehung von Schöpfer und Geschöpf, wie sie die analogia entis zum Ausdruck bringe. 67 Weder läßt sich die Gnade ausgehend von der Natur auf induktivem Wege erreichen, wie die gängige katholische Theologie offensichtlich meine, noch kann die Natur aus der Gnade deduziert werden, was bei Barth zumindest eine stete Gefahr sei. Wenn Balthasar herausstellt, daß Natur und Gnade nicht völlig voneinander verschiedene Wirklichkeiten sind, wendet er sich gegen die neuscholastische Gnadentheologie. Diese vermittelte den Eindruck, als ob es einen säuberlich 63
Balthasar (1945), 25. Vgl. zudem ebd., 25 f. Vgl. Balthasar (1945), 26 f. 65 Vgl. Balthasar (1945), 29. 66 Vgl. Balthasar (1945), 29–33, v. a.: 33 mit Bezug auf KD II/1 (1940), 729 f., 756. 67 Vgl. Balthasar (1945), 33: „Die Analogie im Naturbegriff, wie sie oben entwickelt wurde, ist nun selber schon Spiegelung und Ausdruck der Analogie zwischen Natur und Gnade. Dieses Zwischen kann ja stets nur in jenem ‚In‘ erscheinen. Denn es handelt sich bei Natur und Gnade nicht um zwei von einem höheren Standpunkt aus überschaubare, vergleichbare Größen, sondern um zwei Zustandsformen, Ausprägungen, Seinsweisen der einen und selben Analogia entis.“ 64
9.3 ‚Analogie und Natur‘ (1945)
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abgezirkelten ‚natürlichen‘ Bereich gebe, zu dem die Gnade lediglich hinzutrete. In diesem Sinne wurde die auf Thomas von Aquin zurückgeführte Formel gratia supponit, extollit, non destruit, perfi cit naturam verstanden. 68 Zwischen Natur und Gnade vermittelte dann die potentia oboedientialis. 69 Zwar greift Balthasar diese beiden Formeln auf, doch interpretiert er sie in einem abweichenden Sinn.70 Zunächst zur ersten Formel: Auch wenn sachlich und logisch zwischen Natur und Gnade unterschieden werden müsse, bilden beide faktisch doch eine strikte Einheit, und zwar in der einen Person Jesu Christi.71 Obwohl der Mensch allein von Christus her erfahre, was Gnade und damit auch, was Natur ist, sei sogleich hinzuzusetzen, daß durch ihn nichts anderes zur Anschauung gelangt als das, was in der Schöpfung ursprünglich ohnehin schon angelegt ist: Im concretissimum zeigt sich das abstractissimum, ohne daß beides miteinander identisch wäre.72 Festzuhalten sei jedenfalls, daß die analogia entis eine christologische Signatur hat, insofern Schöpfer und Geschöpf normativ in der hypostatischen Union miteinander vermittelt sind.73 Ist für Balthasar damit erwiesen, daß die Gnade nicht bloß äußerlich zur Natur hinzutritt, gilt es gleiches mit Blick auf die zweite Formel neuscholastischer Theologie, die der potentia oboedientialis, darzulegen.74 Das sei nicht zuletzt aus kontroverstheologischen Gründen nötig: „Die potentia oboedientialis muß für Karl Barth gleichsam den Quellpunkt aller katholischen Irrtümer und Übergriffe darstellen. Denn falls hier wirklich, wenn auch noch so verhüllt, dem Menschen eine ‚Potenz‘ zur Gnade zugeschrieben wird, eine Möglichkeit also, von sich aus als Natur der Gnade zur Verfügung zu stehen, für sie offen zu sein, sie aufzunehmen, sie gar von Natur her als möglich, als wahrscheinlich, als erwünscht zu erkennen und demnach mit ihr zu rechnen, sich vielleicht sogar auf sie vorzubereiten -: dann strömen durch diese Öffnung alle ‚Naturalismen‘ unaufhaltsam herein, die das unterscheidende Wesen des Katholizismus zu bilden scheinen.“75
Die systematisch entscheidende Frage, die Balthasar in diesem Zusammenhang ausmacht, ist die, wie sich Wirklichkeit und Möglichkeit zueinander verhalten. Da die Begnadung des Geschöpfs offenbar wirklich ist, muß sie auch als mög68
Vgl. Albert Raffelt: Gratia (prae)supponit naturam. In: LThK 3 4 (1995), 986–988. Vgl. Albert Raffelt: Potentia oboedientialis. In: LThK 3 8 (1999), 459 f. 70 Zum folgenden vgl. Balthasar (1945), 34–38. Es muß offen bleiben, ob sich Balthasar in seiner Interpretation auf einen Artikel Erich Przywaras stützt, nämlich Der Grundsatz ‚Gratia non destruit, sed supponit et perfi cit naturam‘. In: Schol. 17 (1942), 178–186. 71 Vgl. Balthasar (1945), 34: „Analogie von Natur und Gnade existiert konkret – seit dem Sündenfall – nur als Analogie von sündiger Natur und erlösender Gnade in Christus und seiner Kirche, und, sofern Christus als menschgewordener Gott die letzt-zuständige Einheit von Gott und Geschöpf darstellt: nur als Analogie zwischen göttlicher Natur und menschlicher Natur in der vollen soteriologischen Konkretheit in Christus selber.“ 72 Vgl. Balthasar (1945), 35. 73 Vgl. Balthasar (1945), 38. 74 Zum folgenden vgl. Balthasar (1945), 38–49. 75 Balthasar (1945), 39. 69
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lich zu denken sein, wobei sie weder eine dem Menschen eigene Möglichkeit sein kann, noch allein die Möglichkeit Gottes und damit die Un-Möglichkeit des Menschen.76 Im ersten Fall wäre sie nicht die Gnade Gottes, im zweiten nicht die Gnade Gottes. Balthasar zufolge löse sich das Problem allerdings auf, frage man nach dem Subjekt der potentia oboedientialis. Dieses sei nämlich primär Gott und erst sekundär der Mensch, auch wenn dieser nicht minder ihr Subjekt sei. Doch komme es entscheidend darauf an, diese Reihenfolge zu beachten: „Nur von der wirklich vollzogenen Offenbarung her, die zugleich seinshafte Erhebung in die Region des ‚personalen‘ Gottes und noetische Einweihung in diesen Bezirk durch die offenbarende Rede Gottes besagt, wird die Möglichkeit solcher Erhebung und damit solchen Hörenkönnens begreiflich. Daß hier (wie Barth unermüdlich, doch mit Recht betont) Wirklichkeit vor Möglichkeit geht, hat seinen Grund darin, daß diese Wirklichkeit so sehr von Gott ist, daß sie keine naturhafte Potenz, Fähigkeit, Anlage, Sehnsucht, Bereitschaft, Resignation oder existentielle Aufgebrochenheit und Verzweiflung im Geschöpf als korrespondierend voraussetzt, daß sie vielmehr mit der Wirklichkeit die Möglichkeit selber mitbringt. Gnade ist möglich, weil Gott gnädig sein will.“77
Es ist demnach nicht so, als existiere auf seiten des Menschen immer schon ein Punkt, an den Gott nur noch anknüpfen müßte, um sich in Gnade und Offenbarung selbst mitzuteilen. Es gibt keine Bedingung der Möglichkeit von Offenbarung, wie auch Przywara betont habe, vielmehr schaffe sich diese, indem sie wirklich wird, selbst die Bedingungen dafür, möglich zu sein. 78 Aus diesem Grund wendet sich Balthasar kritisch gegen den religionsphilosophischen Ansatz seines Mitbruders Karl Rahner, dem er die Annahme einer naturhaften Horchbereitschaft des Menschen für Gottes Offenbarungswort attestiert. 79 Überhaupt hätten in der Tradition scholastischen Denkens in dieser Hinsicht Unklarheiten bestanden. Bereits Thomas von Aquin sei einerseits von einem naturhaften, mit philosophischen Mitteln beweisbaren Verlangen des Menschen nach der Anschauung Gottes ausgegangen, während er aufgrund von theologischen Erwägungen andererseits meinte annehmen zu müssen, daß letztere das Erkennen und Sehnen des Menschen übersteigt. 80 Demgegenüber stellt Balthasar fest: „Potentia oboedientialis heißt primär Gehorsam, Verfügbarkeit, 76 Vgl. Balthasar (1945), 38 f. Auf das in dieser Hinsicht paradoxe Verhältnis von Natur und Gnade hatte Balthasar (ebd., 33) bereits hingewiesen: Während die Gnade einerseits die Erfüllung und Vollendung der Natur ist, ohne damit eine in ihr immer schon angelegte Möglichkeit zu verwirklichen, ist sie andererseits keine äußerliche Zutat, sondern innerste Vollendung der Natur. 77 Balthasar (1945), 44. 78 Vgl. Balthasar (1945), 45 mit Bezug auf Przywara (1932), 86–91. 79 Vgl. Balthasar (1945), 42–44 Anm. 1 mit Bezug auf Karl Rahner: Hörer des Wortes. München: Kösel-Pustet, 1941. Den von Rahner gewählten transzendentaltheologischen Ansatz hatte Balthasar zuvor bereits kritisiert, und zwar in einem Rezensionsartikel in ZKTh 63 (1939), 371–379, v. a.: 375–379. 80 Vgl. Balthasar (1945), 47 mit Bezug auf S.c.G 3, 50 und S.th I–II q.114 a.3.
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Dienst und nicht ein – noch so entbehrend sehnsüchtiger! – ‚Vorgriff‘ nach der Gnade.“81 An der scholastischen Tradition kritisiert Balthasar also, daß die Natur als Voraussetzung der Gnade begriffen werde. Dabei werde allerdings vergessen, daß beides in Jesus Christus immer schon miteinander vermittelt ist. Nicht minder akzeptabel erscheint ihm aber auch das andere Extrem zu sein, die Natur aus der Gnade zu deduzieren. Zwar sei die Gnade immer nur die Gnade Christi, wie überhaupt alle Dinge durch Christus geschaffen sind und in ihm Bestand haben. 82 Doch ist er eine Person in zwei Naturen, ganz Gott und ganz Mensch. Aus diesem Grund ist an ihm abzulesen, wie sich Natur und Gnade zueinander verhalten, d. h. wie sie in einer Hinsicht voneinander unterschieden und in anderer wiederum aufeinander bezogen sind. 83 Obgleich Barth zumindest in der Gefahr stehe, die Natur aus der Gnade heraus zu deduzieren, sei er sich dessen sehr wohl bewußt. 84 Von hier aus gelangt Balthasar zu seiner Ausgangsfrage zurück. Soll die Sünde als Widerspruch des Menschen gegen Gott möglich sein, muß zwischen beiden eine Beziehung zu denken sein. Dafür eignet sich nach Meinung Balthasars in besonderer Weise die Begrifflichkeit von Schöpfer und Geschöpf, weil sie es gleichermaßen erlaube, Nähe und Distanz von Gott und Mensch auszusagen. Normiert sei diese Beziehung durch Jesus Christus, der kraft seiner menschlichen Natur ganz auf der Seite des Geschöpfs steht, kraft seiner göttlichen wiederum ganz auf der des Schöpfers. In der Person Jesu Christi bilden Natur und Gnade eine faktische Einheit, obschon sie sachlich und logisch voneinander zu unterscheiden sind. Folglich handelt es sich nicht um voneinander verschiedene Realitäten, die außerdem noch aufeinander aufbauen, noch kann die eine aus der anderen abgeleitet werden. Um das Verhältnis von Gott und Mensch auszusagen, sei folglich unmöglich auf den Begriff der Analogie zu verzichten. 85 Obwohl Balthasar der scholastischen Tradition gegenüber deutliche Vorbehalte anmeldet, lehnt er sie keineswegs rundum ab. Zwar kritisiert er in seinen Artikeln einige der wohl bekanntesten und am weitesten verbreiteten Autoren dogmatischer Lehrbücher seiner Zeit, namentlich Joseph Pohle (1852–1922), Bernhard Bartmann (1860–1938) sowie Ludwig Lercher (1864–1937). 86 Aber wenn er die Natur als das definiert, was nicht Gnade ist und damit die Subtrak81
Balthasar (1945), 48. Vgl. Balthasar (1945), 49 mit Zitat von Kol 1, 15–17 (Vg.). 83 Vgl. Balthasar (1945), 52. 84 Vgl. Balthasar (1945), 53–55 mit Bezug v. a. auf KD II/1 (1940). 85 Vgl. Balthasar (1945), 56. 86 Vgl. Balthasar (1945), 12 mit Zitaten aus Joseph Pohle: Natur und Übernatur. In: Gerhard Esser / Joseph Mausbach (Hrsg.): Religion, Christentum, Kirche. Eine Apologetik für wissenschaftlich Gebildete. Bd. 1. Kempten: Kösel, 1911, 315–476, hier: 318; ebd., 12 mit Zitat aus Bernhard Bartmann: Lehrbuch der Dogmatik. Bd. 2. Freiburg: Herder, 4/51921, 3; 82
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tion als das Verfahren benennt, mittels dessen sich der theologisch relevante Naturbegriff überhaupt erst erschließen läßt, rekurriert er ebenfalls auf Vertreter der Scholastik. Im einzelnen sind dies der spanische Jesuit Juan Martínez de Ripalda (1594–1648) und Johann Baptist Heinrich (1816–1891), Professor am Mainzer Priesterseminar. 87 Es scheint, als sei Balthasar durch seine Beschäftigung mit Barth für die Schwachstellen der Schultheologie hinsichtlich der Frage von Natur und Gnade sensibilisiert worden. Diese wollte er aber zunächst im Kontext der Scholastik überwinden. Wenige Jahre später wird er zu dem Schluß gekommen sein, daß die dem Aristotelismus verpflichtete und deswegen stark philosophisch orientierte scholastische Theologie als solche das Problem ist. An dieser Stelle ist ein Seitenblick auf Karl Rahner aufschlußreich. Nicht minder mit der gängigen Lehrbuchtheologie unzufrieden als sein Schweizer Mitbruder, verblieb er bewußt in dem Rahmen, den ihm die Neuscholastik vorgegeben hatte. Während sich Rahner in der Scholastik beheimatet wußte, fühlte sich Balthasar offenbar hier nicht nur nicht zuhause, sondern sogar fremd. 88 Wofür sich Balthasar mangels einer Alternative halbherzig entschied, wählte Rahner mit Bedacht. Exemplarisch dafür sind gerade seine Beiträge zur Gnadenlehre. 89 Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang ein im Jahr 1939 veröffentlichter, seinerzeit vielbeachteter Artikel.90 Ausdrücklich klammert Rahner hier die Frage aus, ob sich Offenbarung und Gnade als das, was Gott und Menschen miteinander verbindet, nicht auch oder sogar noch besser etwa mit der ebd., 10 f. mit Zitaten aus Ludwig Lercher: Institutiones Theologiae dogmaticae in usum scholarum. Bd. 2. Innsbruck: Rauch, 31940, 344. 87 Zum einen vgl. Balthasar (1945), 15 mit Bezug auf Juan Martínez de Ripalda: De ente supernaturali. Disputationes in universam theologiam. Bd. 1. Bordeaux: Guillermus Millangius, 1634. Zum anderen vgl. ebd., 11 f. Anm. 1, 15 jeweils mit Bezug auf Johann Baptist Heinrich: Dogmatische Theologie. Bd. 5. Mainz: Kirchheim, 21888, 368 ff. Was der Mainzer Dogmatiker hier über Natur und Gnade ausführt, steht im Kontext von ebd., 368–499 (III. Von der natürlichen und übernatürlichen Ordnung und ihrem Verhältniß zu einander im allgemeinen). 88 Vgl. Fergus Kerr: Twentieth-Century Catholic Theologians. From Neoscholasticism to Nuptial Mysticism. Malden, MA u. a.: Blackwell, 2007, 87–104, 121–144; Bernard Sesboüé: La genese d’une œuvre ou comment sortir de la „néoscolastique“? In: Henri Jérôme Gagey / Vincent Holzer (Hrsg.): Balthasar, Rahner – Deux pensées en contraste. Paris: Bayard, 2005 (Theologia), 47–67, hier: 48: „L’un et le autre sont sortis de la néoscolastique mais selon des itinéraires complètement différents. Rahner a cherché à dominer la scolastique pour pouvoir ensuite s’en libérer, tandis que Balthasar n’y est pratiquement jamais entré. Rahner s’est fait lui-même à partir d’une formation classique, tandis que Balthasar s’est laissé fasciner par une série de maîtres.“ Für klärende Gespräche danke ich Gerard Wilkens (Kerkrade). 89 Neuere Gesamtdarstellungen bieten Paul Rulands: Selbstmitteilung Gottes in Jesus Christus: Gnadentheologie. In: Andreas R. Batlogg u. a.: Der Denkweg Karl Rahners. Quellen – Entwicklungen – Perspektiven. Mainz: Grünewald, 2003, 161–196 und Stephen J. Duffy: Experience of grace. In: Declan Marmion / Mary E. Hines (Hrsg.): The Cambridge Companion to Karl Rahner. Cambridge u. a.: Cambridge University Press, 2005 (Cambridge Companions to Religion), 43–62. 90 Zum folgenden vgl. Karl Rahner: Zur scholastischen Begriffl ichkeit der ungeschaffenen Gnade. In: ZKTh 63 (1939), 137–157. Wiederabgedruckt in Ders. (1954), 347–375.
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Begrifflichkeit der personalistischen Philosophie aussagen ließen. Stattdessen versucht er, das Problem mit der klassischen Terminologie zu bearbeiten, und so erwägt er, was eigentlich unter der ‚ungeschaffenen Gnade‘ zu verstehen ist. Ganz ähnlich ging Rahner vor, als sich wenige Jahre später, ausgelöst durch die Nouvelle Théologie, das Problem der Bestimmung des Verhältnisses von Natur und Gnade noch einmal verschärft stellte. Um beide Größen miteinander in Beziehung zu setzen, ohne sie jedoch voneinander abhängig zu machen, führte er den moderne und scholastische Aspekte kombinierenden Begriff des ‚übernatürlichen Existentials‘ ein.91 Aus heutiger Sicht war es genau dieser Weg, der sich als der erfolgreichere erweisen sollte: die Neuscholastik von innen her immer mehr zu weiten. Wenn sich Rahner noch weit über den deutschen Sprachraum hinaus zu dem katholischen Theologen entwickelte, hängt das nicht zuletzt damit zusammen, daß er die von allen Studenten, Dozenten und Priestern verstandene scholastische Begrifflichkeit wenigstens gebrauchte, obwohl er im einzelnen kleine, mitunter aber erhebliche Bedeutungsverschiebungen und -erweiterungen vornahm. Balthasar hingegen manövriert sich von vornherein in eine Außenseiterposition, indem er unverhohlen seine Distanz zur Schultheologie bekundet und sich mit Karl Barth einem Denker annähert, der für viele damalige Katholiken nicht nur ob seiner Konfession inakzeptabel war. Desweiteren nimmt er das Kernproblem der neuscholastischen Gnadenlehre zwar in den Blick, nämlich das, was man als ‚Zweistockwerkdenken‘ bezeichnen könnte. Eine wirkliche, klar formulierbare und damit auch rezipierbare Lösungsperspektive eröffnet er jedoch nicht. Die beiden Artikel aus ‚Divus Thomas‘ haben somit auch etwas Verqueres und Gewundenes. Von daher ist es auch nicht weiter verwunderlich, daß ihnen in der katholischen Theologie keine nennenswerte Rezeption beschieden war. Auch in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ werden sie nicht erwähnt.92 Es bedurfte offenkundig eines neuen Anlaufs.
91 Vgl. Karl Rahner: Über das Verhältnis von Natur und Gnade. In: Ders. (1954), 323– 345. Eine erste Fassung dieses Artikels war erschienen als Erwiderung auf D.: Ein Weg zur Bestimmung des Verhältnisses von Natur und Gnade. In: Orien. 14 (1950), 138–141, und zwar ebd., 141–145. Was er mit dem Terminus meint, erläutert Rahner prägnant in seinem Artikel Existential, übernatürliches. In: LThK 2 3 (1959), 1301. 92 Allerdings nahmen Theologen im Umfeld Barths die Artikel wahr, nämlich Gustaf Wingren: Gott und Mensch bei Karl Barth. In: StTh 1 (1948), 27–53, hier: 45 Anm. 1 und Emil Brunner: Die christliche Lehre von Schöpfung und Erlösung. Dogmatik Band II. Zürich: Zwingli-Verlag, 1950, 50 jeweils mit Bezug auf Balthasar (1944) und Ders. (1945).
Kapitel 10
Balthasars Aneignung des Barthschen Denkens (1948–1951) 10.1 Ein Gespräch auf Umwegen: Barth und die Nouvelle Théologie „Soyez gai“, seien Sie heiter – mit diesen Worten schloß Balthasar im Juli 1950 einen Brief an Henri de Lubac.1 Seit dem Theologiestudium, das er an der in Lyon gelegenen Hochschule von Fourvière absolviert hatte, verband ihn eine enge Freundschaft mit dem französischen Jesuiten. Nun waren aber Angehörige ebendieser Hochschule in Bedrängnis geraten: Mehrere Dozenten waren ihrer Aufgaben entbunden, einer überaus strengen Zensur unterworfen und zum Wechsel ihres Wohnorts angehalten worden. Mit diesen ziemlich massiven Maßnahmen wollte die Ordensleitung Schlimmeres verhindern, etwa die Indizierung oder gar ein kirchliches Strafverfahren. Es war nämlich ruchbar geworden, daß sich eine Enzyklika in Vorbereitung befand, die sich auch gegen die von einigen Jesuiten im Umfeld von Fourvière vertretende theologische Strömung der Nouvelle Théologie richten sollte. Da Lubac als deren Exponent galt, war er in besonderer Weise von den Repressionsmaßnahmen betroffen. Von ihm darüber in Kenntnis gesetzt, reagierte Balthasar mit Bestürzung. Dies zeigt ein Brief, den er noch vor der im August veröffentlichten Enzyklika Humani Generis an Lubac schrieb: Er könne kaum glauben, was er da erfahre; daß so etwas habe geschehen können, sei bestürzend und unbegreiflich. Aber letztlich würde man, wie Balthasar seinen einstmaligen Mentor aufzumuntern versuchte, seine Forschungsergebnisse als wahr anerkennen müssen, es sei nur eine Frage der Zeit. Im übrigen, so Balthasar weiter, habe er ein Buch fertiggestellt, bei dem es sich im Grunde um eine Diskussion zwischen ihm, also Lubac, und Barth handle. Dieses Buch wolle er ihm zueignen, zumal weil es ihm nahezu alles verdanke. Einstweilen solle er den Mut nicht sinken lassen, sondern so weiterarbeiten, als sei nichts geschehen. Wie Balthasar Lubac versicherte, wolle er alles dafür tun, um seine Forschungen in deutschen Landen bekannt zu machen. Soweit der Brief, der insofern bemerkenswert ist, als Balthasar einen Zusammenhang zwischen seiner im Oktober 1951 unter dem Titel ‚Karl Barth. Dar1 Abgedruckt bei Elio Guerriero: Hans Urs von Balthasar. Eine Monographie. Freiburg: Johannes, 1993, 409 f. (Hans Urs von Balthasar an Henri de Lubac, Brief vom Juli 1950). Eine deutsche Übersetzung findet sich ebd., 410 Anm. 3.
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stellung und Deutung seiner Theologie‘ erschienenen Monographie, auf die er in dem Brief zweifelsfrei anspielt, und Lubacs Studien herstellt. Dieser Spur ist die Forschung bislang erstaunlicherweise nicht nachgegangen. Berücksichtigt man jedoch jenen Brief, ordnet sich ‚Karl Barth‘ in die nach dem Zweiten Weltkrieg geführte Diskussion über das Verhältnis von Natur und Gnade ein: Balthasar versuchte, für die von Lubac benannte Problemstellung durch Rekurs auf Barth eine Lösung zu finden. Deswegen schrieb er seinem einstigen Mentor, es handle sich bei seinem soeben fertiggestellten Buch im Grunde um eine Diskussion zwischen ihm und Barth. Schon früh war Lubac auf das Thema gestoßen, das ihn sein ganzes Leben beschäftigen sollte: das Konzept des Übernatürlichen. 2 Als Ergebnis langjähriger Forschungen veröffentlichte er im Jahr 1946 seine epochemachende Monographie ‚Surnaturel‘.3 In dieser rekonstruierte er minutiös, wie es in der katholischen Theologie dazu gekommen war, daß das Verhältnis von Natur und Gnade als das des Natürlichen zum Übernatürlichen betrachtet wurde. Dies sei im 16. Jahrhundert geschehen, als die Gnade durch Theologen wie Bajus naturalisiert zu werden drohte. Um demgegenüber ihre Ungeschuldetheit zu wahren, habe man die Lehre vom doppelten Ziel des Menschen und damit von der natura pura eingeführt. Der Preis dessen sei allerdings gewesen, daß die Gnade vom inneren Vollzug des Menschen abgekoppelt wurde. Weit über Frankreich hinaus stießen Lubacs brisante Thesen auf ein reges Interesse. Sie erhöhten das Bewußtsein für den Weg, den die Gnadenlehre seit der Frühen Neuzeit eingeschlagen hatte, und regten zahlreiche weitere Studien an. Was immer schon katholisch gewesen zu sein schien, entpuppte sich bei näherer Betrachtung als zutiefst zeitbedingt. 4 Allerdings stießen seine Thesen nicht auf uneingeschränkte Zustimmung.5 Strittig war weniger Lubacs historische Analyse als die von ihm vorgeschlagene Bestimmung des Verhältnisses von 2 Als Überblick vgl. Georges Chantraine: La théologie du Surnaturel selon Henri de Lubac. In: NRTh 119 (1997), 218–235. 3 Vgl. Henri de Lubac: Surnaturel. Études historiques. Paris: Aubier, 1946 (Theol[P] 8). Zum historischen Kontext vgl. Étienne Fouilloux: Henri de Lubac au moment de la publication de Surnaturel. In: RThom 101 (2001), 13–30. In recht komprimierter Form präsentierte Lubac seine Thesen später in dem Artikel Le mystère du surnaturel. In: RSR 36 (1949), 80–121. 4 Vgl. etwa Henri Rondet: Le problème de la nature pure et la théologie au XVIe siècle. In: RSR 35 (1948), 481–521; Pieter Smulders: De oorsprong van de theorie der zuivere natuur. Vergeten meesters der Leuvense school. In: Bijd. 10 (1949), 105–127; Juan Alfaro: Lo natural y lo sobrenatural. Estudio histórico desde santo Tomás hasta Cayetano (1274–1534). Madrid: Consejo Superior de Investigaciones Cientificas, 1952. 5 Überhaupt ist festzustellen, daß Anfang der fünfziger Jahre erschienene Lehrbücher von Lubac (1946) nicht einmal Notiz nehmen und die überkommene Bestimmung der Gnade als Übernatur schlichtweg fortführen. Das gilt etwa für Matthias Premm: Katholische Glaubenskunde. Ein Lehrbuch der Dogmatik. Bd. 4. Wien: Herder, 1953, 3–6 und Joseph Pohle / Josef Gummersbach (Bearb.): Lehrbuch der Dogmatik. Bd. 1. Paderborn: Schöningh, 101952 (WH.T), 565–569, v. a.: 567: „Natura sive naturale est omne id, quod alicui rei debetur, i.e.
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Natur und Gnade. 6 Anstatt der Freiheit der Gnade gegenüber der Natur wollte Lubac die Hinordnung der Natur auf die Gnade herausstellen: Insofern der Mensch nie ohne Bezug auf Gott existiere, könne es einen status naturae purae gar nicht geben.7 An dieser Stelle hakten seine Kritiker jedoch ein. Ob die Gratuität der Gnade überhaupt noch gewahrt werden könne, wenn der Mensch als solcher nicht ohne Hinordnung auf sie und die Gottesschau zu denken sei, schien ihnen mehr als fraglich. 8 Ohne Lubac namentlich zu nennen, wurde genau dieser Kritikpunkt schließlich in Humani Generis angeführt. Pius XII. warnte in der Enzyklika vor gewissen, die Fundamente der katholischen Lehre gefährdenden Meinungen, wozu er ausdrücklich die Relativierung der Gratuität der übernatürlichen Ordnung rechnete.9 Zwar hatte Lubac eine drängende Problemstellung benannt, aber wie die anschließende Debatte zeigte, war er zu keiner zufriedenstellenden Lösung gelangt. Dessen war sich auch Balthasar bewußt, unbeschadet der grundsätzlichen Zustimmung, die er seinem einstigen Mentor in jenem aufmunternden Brief signalisiert hatte. In seinem Barth-Buch übt er ganz offen Kritik an Lubacs Konzept, das der Intention nach gewiß grundkatholisch sei, konsequent weitergedacht dies jedoch kaum bleiben könne.10 Dabei handelt es sich keineswegs um eine bloß Humani Generis geschuldete Schelte. Balthasar sah durchaus die Schwächen von Lubacs Versuch, den Dualismus von Natur und Gnade zu überwinden. Die Lösung für diese Problemstellung meinte er anderswo zu finden, und zwar in Barths ‚Kirchlicher Dogmatik‘. Vielversprechend erschien ihm hier das, was er später selbst als ‚Christozentrik‘ bezeichnen sollte. Das Jahr 1936 stellt einen markanten Einschnitt in Barths theologischer Entwicklung dar. Fortan sollte nicht mehr die theologische Epistemologie, d. h. das geistgewirkte Wissen um Gott, sondern die Christologie im Zentrum seines Denkens stehen.11 Hintergrund dessen ist Barths Auseinandersetzung mit dem quod constitutive vel consecutive vel exigitive ad eam pertinet. [. . .] Supernaturale est donum Dei, naturae indebitum et superadditum.“ 6 In jüngster Zeit wächst allerdings die Zahl derer, die auch Lubacs historische Analysen in Frage stellen. Zu nennen sind hier Ralph McInerny: Praeambula fi dei. Thomism and the God of the philosophers. Washington, D. C.: The Catholic University of America Press, 2006, 69–90; Karim Schelkens / Marcel Gielis: From Driedo to Bellarmine. The Concept of Pure Nature in the 16th Century. In: Aug(L) 57 (2007), 425–448; Rupert Johannes Mayer: Zum desiderium naturale visionis Dei [. . .]. In: Ang. 85 (2008), 737–763. 7 Vgl. die differenzierten Darlegungen von Michael Figura: Der Anruf der Gnade. Über die Beziehung des Menschen zu Gott nach Henri de Lubac. Einsiedeln: Johannes, 1979 (SlgHor 13), 199–211. 8 Einen Überblick zur Debatte bietet Figura (1979), 328–353. 9 Vgl. DH 3891: „Alii veram ‚gratuitatem‘ ordinis supernaturalis corrumpunt, cum autument Deum entia intellectu praedita condere non posse, quin eadem ad beatificam visionem ordinet et vocet.“ 10 Vgl. Balthasar (1951), 308. So stimmt Balthasar (ebd., 306–310, 412 Anm. 54) zwar Lubacs historischen Analysen zu, teilt jedoch nicht seine systematischen Schlußfolgerungen. 11 Vgl. Bruce McCormack: Karl Barth’s Critically Realistic Dialectical Theology. Its Ge-
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Lehrbestand der reformierten Theologie.12 Hier wurde die doppelte Prädestination gelehrt; man nahm also an, daß der Mensch entweder zum Himmel oder zur Hölle vorherbestimmt ist. Angestoßen durch ein internationales Symposion, das 1936 im Rahmen der Feierlichkeiten zum 400. Reformationsjubiläum in Genf stattfand, reformulierte Barth dieses Lehrstück im Sinne der Einsicht, daß sich der Wille Gottes allein an Gottes Werk in Jesus Christus ablesen lasse und folglich nur von einem Heilswillen auszugehen sei: Da Gott sich dem Menschen in Jesus Christus zuwende, sei Theologie wesentlich Christologie. Von hier aus machte sich Barth daran, seine eigene Theologie einer umfassenden Revision zu unterziehen. Dieser sich über einen längeren Zeitraum erstreckende Prozeß kulminiert in der im Jahr 1942 erschienenen Erwählungslehre der ‚Kirchlichen Dogmatik‘, wo es heißt: „Die Gnadenwahl ist der ewige Anfang aller Wege und Werke Gottes in Jesus Christus, in welchem Gott in freier Gnade sich selbst für den sündigen Menschen und den sündigen Menschen für sich selbst bestimmt und also die Verwerfung des Menschen mit allen ihren Folgen auf sich selber nimmt und den Menschen erwählt zur Teilnahme an seiner eigenen Herrlichkeit.“13
Der ‚Gottes Gnadenwahl‘ betitelte Band stellt geradezu das systematische Herzstück von Barths Œuvre dar. Was in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ noch alles folgte, kann als Entfaltung der grundstürzenden Einsicht, daß Theologie wesentlich Christologie ist, verstanden werden. Balthasar scheint die Fokussierung auf Jesus Christus, die sich in Barths Denken immer deutlicher bemerkbar machte, erstaunlicherweise erst Ende der vierziger Jahre in ihrer ganzen Tragweite erfaßt zu haben. In den Artikeln, die er zuvor über Barth veröffentlichte, wird die Erwählungslehre überhaupt nicht erwähnt.14 Erst im Zuge der Vorbereitung von insgesamt zehn Vorträgen, die er zwischen Oktober 1948 und Januar 1949 in Basel zum Thema ‚Karl Barth und der Katholizismus‘ zu halten hatte, scheint er sich näher mit ihr auseinandergesetzt zu haben.15 Darauf deutet ein Brief hin, in dem er von den hektischen nesis and Development 1909–1936. Oxford: Clarendon Press, 1995, 453–463 / Ders.: Theologische Dialektik und kritischer Realismus. Entstehung und Entwicklung von Karl Barths Theologie 1909–1936. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 2006, 375–384. 12 Zum folgenden vgl. Matthias Gockel: Barth and Schleiermacher on the Doctrine of Election. A Systematic-Theological Comparison. Oxford u. a.: Oxford University Press, 2006, 158–197. 13 KD II/2 (1942), 101 (Leitsatz von § 33. Die Erwählung Jesu Christi). Vgl. zuvor schon ebd., 1 (Leitsatz von § 32. Die Aufgabe rechter Lehre von Gottes Gnadenwahl). 14 Vgl. Balthasar (1944); Ders. (1945). 15 Zu der Vortragsreihe vgl. Lochbrunner (2007), 647–650. In der ‚Karl Barth‘ betitelten Monographie, die im Gefolge der Vorträge entstanden ist, geht Balthasar ausführlicher auf KD II/2 (1942) ein. Wie Balthasar (1951), 187 schreibt, ist die Erwählungslehre „ohne Zweifel der großartigste, einheitlichste und am sorgfältigsten fundierte Teil des Gesamtwerkes, der mit der größten Liebe verfaßte, das Herzstück der barthschen Theologie, eine Art Dithyrambus von fast 600 Seiten, den man in seiner Kühnheit und vorsichtigen Nüchternheit
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Vorbereitungen der Vorträge berichtet: Seit dem Jahr 1942 habe er, so schreibt Balthasar wörtlich, „nichts mehr nachgelesen, und Barth publiziert enorm viel“.16 Bedenkt man, woran er zuvor überall gearbeitet hatte, ist es sehr plausibel, daß er kaum Zeit dafür fand, Barth ausgiebig zu studieren. Zu erinnern ist nur an seine zeitraubende Tätigkeit als Übersetzter, Verleger und Herausgeber.17 Sein Basler Gesprächspartner hinwiederum war auch nicht untätig geblieben, hatte er doch die vulminöse, insgesamt mehr als 1.200 Seiten zählende Schöpfungslehre der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ vorgelegt.18 All das macht es sehr wahrscheinlich, daß Balthasar die knapp sechs Jahre zuvor erschienene Erwählungslehre erst im Winter 1948/1949 zur Kenntnis nahm oder sie zumindest erst zu diesem Zeitpunkt wirklich ernsthaft studierte. Anstoß dazu dürfte ein praktisch zeitgleich veröffentlichter Rechenschaftsbericht gewesen sein, in dem Barth auf seinen Denkweg während der dreißiger Jahre zurückblickte und auf die ‚christologische Konzentration‘ hinwies, die er zu dieser Zeit zunehmend vollzogen habe.19 Balthasar sollte dafür später den Begriff der ‚Christozentrik‘ verwenden. 20 Damit wollte er den Gedanken einfangen, daß die in ihrer Einmaligkeit das Allgemeine offenbarende Person Jesu Christi der Grund aller theologischen Erkenntnis ist. 21 selber lesen muß, weil ein trockenes Resümieren ihn notwendig entstellt.“ Barths universalistische Prädestinationslehre habe ihm Längstgesuchtes bestätigt, so bekennt er rückblickend in Rechenschaft 1965. Einsiedeln: Johannes, 1965 (ChHe 7), 6. 16 Lochbrunner (2007), 649 (Hans Urs von Balthasar an Karl Thüer, Brief vom 6. 11. 1948). 17 Dazu Manfred Lochbrunner: Hans Urs von Balthasar als Autor, Herausgeber und Verleger. Fünf Studien zu seinen Sammlungen (1942–1967). Würzburg: Echter, 2002. 18 Vgl. KD III/1 (1945); KD III/2 (1948). 19 Vgl. Karl Barth: ‚Parergon‘. In: EvTh 8 (1948/1949), 268–282, hier: 272: „[Ich] hatte in diesen Jahren zu lernen, daß die christliche Lehre ausschließlich und folgerichtig und in allen ihren Aussagen direkt oder in direkt Lehre von Jesus Christus als dem uns gesagten lebendigen Wort Gottes sein muß, um ihren Namen zu verdienen und um die christliche Kirche in der Welt zu erbauen, wie sie als christliche Kirche erbaut sein will. [. . .] Meine neue Aufgabe war, alles vorher Gesagte noch einmal ganz anders, nämlich jetzt als eine Theologie der Gnade Gottes in Jesus Christus durchzudenken und auszusprechen.“ Diese Aufgabe bezeichnet Barth – und das ist die Formulierung, auf die es hier ankommt – als „christologische Konzentration“. 20 Vgl. Balthasar (1951), 40, 46 f. u. ö. Überhaupt steht zu vermuten, daß er diesen Begriff geprägt und in den theologischen Diskurs eingeführt hat. In den einschlägigen Lexika fi nden sich zwar Artikel zu diesem Stichwort, trotzdem liegt die Geschichte des Begriffes bislang im Dunkeln. Klar scheint allerdings, daß die ‚Kirchliche Dogmatik‘ in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle spielt. Welch erschließende Kraft Balthasars Begriffsprägung hat, mag man nicht zuletzt daran ersehen, daß sogar in der gegenwärtigen Forschung von Barths Christozentrik die Rede ist, die etwa bei Marc Cortez: What does it mean to call Karl Barth a ‚christocentric‘ theologian? In: SJTh 60 (2007), 127–143 mit Bezug u. a. auf McCormack (1995). 21 Vgl. Hans Urs von Balthasar: Drei Merkmale des Christlichen. In: WuW 4 (1949), 401–415, hier: 407 f.: „Kein Einzelnes kann als solches das Allgemeine sei, kein Allgemeines das Einzelne. Aber Gott ist auch hier Identität [von Sosein und Dasein]. Und Gott bringt sich
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Da Balthasar die Erwählungslehre erst ziemlich spät rezipierte, kam in jenem Vortragszyklus die von Barth vollzogene ‚christologische Konzentration‘ noch nicht in aller Deutlichkeit zum Ausdruck. Allerdings scheint er sehr schnell realisiert zu haben, was hier vor sich gegangen war. Das Konzept der Christozentrik ist es jedenfalls, das es ihm ermöglichen sollte, das Verhältnis von Natur und Gnade in einer Weise zu bestimmen, die ihm weitaus angemessener erschien als die der Neuscholastik. Endlich hatte er für das Problem, das er – wie seine Artikel vom Anfang der vierziger Jahre zeigen – schon seit langem als bedrückend empfand, einen Lösungsansatz gefunden. Von hier aus erklärt sich auch, warum er alles daran setzte, seine Monographie über Karl Barth schnellstmöglich zu veröffentlichen. Mit größtem Eifer trieb er seit Anfang 1950 die Drucklegung voran, und das obwohl er sich zu dieser Zeit mit ganz anderen Problemen konfrontiert sah. Von seinen Oberen vor die Wahl gestellt, entweder die Gesellschaft Jesu zu verlassen oder aber die Leitung der von ihm mitbegründeten Johannesgemeinschaft abzugeben, entschied sich Balthasar schweren Herzens für den Austritt.22 Eine ihm von der Diözese Chur angebotene Stelle im mondänen Kurort St. Moritz ausschlagend, zog er sich nach Zürich zurück, um intensiv und konzentriert am Manuskript arbeiten zu können. Gleichzeitig traf er erste Absprachen mit dem Verlag, damit das Buch schnellstmöglich, am besten noch im Herbst desselben Jahren erscheinen konnte. Außerdem benannte er dem Churer Ordinariat, dem die Gewährung der kirchlichen Druckerlaubnis oblag, mögliche Gutachter. Während Karl Rahner ein inoffizielles Gutachten erstellen sollte, schwebte ihm Johannes Feiner (1909–1985), ein überaus moderater und ökumenisch aufgeschlossener Professor des diözesanen Priesterseminars, für das offizielle vor.23 Mit welcher Energie sich Balthasar seinem Projekt widmete, zeigt sich vor allem daran, daß er das Manuskript bereits im Juli fertigstellen konnte. Wie er Henri de Lubac damals brieflich mitteilte: „Soyez gai“, seien Sie heiter. Hatte Balthasar gehofft, das Buch bereits im Herbst in den Händen zu halten, sollte noch ein gutes Jahr verstreichen, bis ‚Karl Barth‘ tatsächlich erscheinen konnte. Verantwortlich dafür war nicht nur, daß Rahner aufgrund von Arbeitsüberlastung absagte und mit Robert Grosche ein neuer Gutachter bestellt werselber mit in der Menschwerdung Christi. Christus ist weder ein Individuum unter andern, denn er ist der unvergleichliche Gott in Person, noch ist er die Norm als das Allgemeine, denn er ist dieser Einzelne. Er ist, weil er Gott ist, ein Universale concretum, ein Concretum universale. Schon darum ist er ein Ende für unsere elementarsten Denkgewohnheiten. Er kann in keiner Hinsicht eingereiht werden. Er ist weder im Einzelnen wie im Allgemeinen mit anderem vergleichbar.“ Dazu Eva-Maria Faber: Universale concretum bei Hans Urs von Balthasar. In: IkaZ 29 (2000), 258–273. 22 Zum folgenden vgl. Lochbrunner (2007), 650 f. 23 Zum Verhältnis beider vgl. Manfred Lochbrunner: Johannes Feiner und Hans Urs von Balthasar. In: Ders.: Hans Urs von Balthasar und seine Theologenkollegen. Sechs Beziehungsgeschichten. Würzburg: Echter, 2009, 481–513.
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den mußte.24 Entscheidender noch war die im August publizierte Enzyklika Humani Generis, die Balthasar zu größter Vorsicht mahnte. Er beorderte das bereits beim Kölner Verlag Hegner liegende Typoskript zurück, um es noch einmal durchzusehen, und so ist ‚Karl Barth‘ mit (selbstverständlich zustimmenden) Zitaten aus der Enzyklika geradezu gespickt. Auf diese Weise wollte er offenbar eventuellen Schwierigkeiten vorbeugen. Das gelang ihm aber nur teilweise. Der Innsbrucker Jesuit Engelbert Gutwenger (1905–1985) warf ihm vor, denselben Fehler wie Henri de Lubac zu begehen, also eine Hinordnung der Natur auf die Gnade anzunehmen und damit deren Gratuität infrage zu stellen.25 Balthasar, der nur zu gut um die Schwierigkeiten wußte, in welche die Vertreter der Nouvelle Théologie inzwischen geraten waren, bemühte sich eilends, diese Anschuldigung zu zerstreuen. Umgehend verfaßte er eine Erwiderung, die zusammen mit einer Replik Gutwengers noch im selben Jahr erschien. 26 Bemerkenswert an Balthasars Erwiderung ist, daß er seine Überlegungen nun unter Bezugnahme auf Karl Rahners Theorem des ‚übernatürlichen Existenzials‘ präsentierte und seinem Kritiker damit jedwede Angriffsfläche nahm, wollte er sich nicht offen gegen seinen Innsbrucker Kollegen stellen und dessen Orthodoxie anzweifeln.27 Gutwenger blieb somit nichts anderes übrig, als zähneknirschend zu schreiben: „Hätte sich Balthasar in seinem Buch so klar und gemäßigt ausgedrückt wie in seinem Artikel, so wären manche Mißverständnisse nicht eingetreten. Ich stelle mit Freuden fest, daß zwischen seinen und meinen Ansichten nicht jener Abgrund klafft, der eine konstruktive Aussprache unmöglich macht. Doch um der Gerechtigkeit willen, auf die auch ein Kritiker Anspruch hat, sei darauf hingewiesen, daß Balthasar seine Theorie stark modifiziert hat. Eigentlich geht es nicht an, mir von seinen neuen Positionen aus entgegenzutreten. Nicht der Inhalt seines Artikels, der Inhalt seines Buches stand zur Diskussion.“28
Obwohl für Balthasar alles glimpflich ausging, läßt diese Episode doch erkennen, mit welcher Vorsicht er vorgehen mußte – und das umso mehr, als ‚Karl Barth‘ wirklich dogmatischen Sprengstoff enthält.
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Zu Grosches Verhältnis zu Barth vgl. Kap. 3. Vgl. Engelbert Gutwenger: Natur und Übernatur. Gedanken zu Balthasars Werk über die Barthsche Theologie. In: ZKTh 75 (1953), 82–97, hier: 86–92. Damals ordneten auch andere Theologen ‚Karl Barth‘ in die von der Nouvelle Théologie angestoßene Diskussion ein, etwa Léopold Malevez: La gratuité du surnaturel. In: NRTh 75 (1953), 561–586, 673–689 und Richard Bruch: Das Verhältnis von Natur und Übernatur nach der Auffassung der neueren Theologie. In: ThGl 46 (1956), 81–102. 26 Vgl. Der Begriff der Natur in der Theologie. Eine Diskussion zwischen Hans Urs von Balthasar, Zürich, und Engelbert Gutwenger S. J., Innsbruck. In: ZKTh 75 (1953), 452–464. Die Stellungnahme Balthasars findet sich ebd., 452–461, die Replik Gutwengers ebd., 461– 464. 27 Vgl. Balthasar / Gutwenger (1953), 453. 28 Balthasar / Gutwenger (1953), 461. 25
10.2 ‚Karl Barth‘ (1951)
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10.2 ‚Karl Barth‘ (1951) 10.2.1 Ein Beitrag zur theologischen Methodologie Schlicht und unprätentiös ist der Titel, den Hans Urs von Balthasar seiner im Jahr 1951 veröffentlichten Monographie gab: ‚Karl Barth. Darstellung und Deutung seiner Theologie‘. Was er auf knapp 400 Seiten entfaltet, sperrt sich trotzdem dem unmittelbaren interpretatorischen Zugriff, derart vielfältig sind die angesprochenen Themen. Mit der analogia entis und dem Verhältnis von Natur und Gnade werden wenigstens zwei große Problemfelder behandelt, und als wäre das nicht schon genug, mißt Balthasar dem ganzen noch eine ökumenische Bedeutung bei. Auf ebendiesen Aspekt hat sich die Forschung bislang konzentriert, so daß ‚Karl Barth‘ praktisch ausschließlich als Beitrag zum ökumenischen Dialog gelesen wird. 29 Obwohl diese Perspektive zweifellos einen hohen heuristischen Wert hat, erklärt sich durch sie auch nicht alles. Von daher wird im folgenden eine alternative Deutung vorgeschlagen. Diese basiert auf der Annahme, daß es Balthasar weniger um die inhaltliche Auseinandersetzung mit Barth geht als vielmehr darum, eine neue Form der katholischen Theologie zu gewinnen. Nicht ohne Grund nimmt er dabei häufig, sowohl explizit als auch implizit, auf Hegel Bezug. Dessen Philosophie, zumal die in ihr dargelegte Selbstbewegung des Denkens, ist gewissermaßen der Subtext von ‚Karl Barth‘.30 Im Unterschied zu Hegel geht es Balthasar allerdings nicht darum zu beschreiben, wie der Geist im Modus des absoluten Wissens zum Begriff seiner selbst gelangt. Ungleich prosaischer, aber nicht minder kühn, zielt er darauf, durch die Konfrontation der überkommenen Form der katholischen Theologie mit dem Denken Karl Barths zu einer neuen Form zu gelangen. In ‚Karl Barth‘ werden also weniger theologische Inhalte verhandelt als Überlegungen zur theologischen Methodologie oder Prinzipienlehre angestellt. In dieser Hinsicht steht ‚Karl Barth‘ in der katholischen Theologie des 20. Jahrhunderts keineswegs einzig da. Angesichts des immer offensichtlicheren Endes des neuscholastischen, Philosophie und Theologie gleichermaßen umgreifenden Systems, das im Katholizismus seit langem dominiert hatte, wurden in den sechziger und siebziger Jahren entsprechende Überlegungen angestellt, die zumal an der Transzendentalphilosophie orientiert waren.31 Im Gegensatz 29 Vgl. Thompson (1994); John Webster: Balthasar and Karl Barth. In: David Moss / Edward Oakes (Hrsg.): The Cambridge Companion to Hans Urs von Balthasar. Cambridge u. a.: Cambridge University Press, 2004 (Cambridge Companions to Religion), 241–255; Howsare (2005), 77–99; Werner Löser: Von Balthasars Karl-Barth-Buch – eine theologische Würdigung. In: Wolfgang W. Müller (Hrsg.): Karl Barth – Hans Urs von Balthasar. Eine theologische Zwiesprache. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 2006 (Schriften Ökumenisches Institut Luzern; 3), 71–96; Wigley (2007), 11–48. 30 Vgl. Balthasar (1951), 419. 31 Vgl. Henri Bouillard: Logique de la foi [. . .]. Paris: Aubier, 1964 (Theol[P] 60); Bernard Lonergan: Method in Theology. London: Darton Longman & Todd, 1972; Karl
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dazu argumentiert Balthasar vom historischen Bewußtsein her. Das entspricht seiner Prägung durch die Nouvelle Théologie, deren Hauptkennzeichen gerade die Betonung der Geschichtlichkeit von Offenbarung und Dogmenentwicklung war, womit sich außerdem eine verstärkte Zuwendung zur Heiligen Schrift verband.32 Zumindest in methodologischer Hinsicht ist der Bruch mit der Neuscholastik bei Balthasar grundsätzlicher als bei jenen anderen Theologen, insofern er das geschichtlich Konkrete dem spekulativ Abstrakten klar vorordnet. Demgegenüber bleibt die der Transzendentalphilosophie verpflichtete Theologie der Neuscholastik verhaftet. Hintergrund der Überlegungen Balthasars ist die Einsicht in den komplexen Zusammenhang von menschlichem Denken und göttlicher Offenbarung. Klar ist, daß zwischen beidem eine fundamentale Differenz bestehen muß, deretwegen die Offenbarung spekulativ nie eingeholt werden kann. Was begriffen wird, ist nämlich per definitionem nicht Gott. Trotzdem kann die Offenbarung nicht anders als im Denken erschlossen werden, weil sie sonst gar keine Enthüllung eines zuvor Verhüllten wäre. Aufgrund der ‚Wende zum Subjekt‘, die sich in der Moderne vollzieht, wird aber gerade das zum Problem. Ist das Erkennen immer bloß perspektivisch und damit vom Kontext des Erkennenden abhängig, gibt es weder eine Übervernunft noch eine Übersprache, die es erlaubten, Erkanntes eindeutig und in einer auf alle Zeit gültigen Weise zu formulieren. Mag das Gedachte auch unbedingt sein, das Denken selbst ist vielfältig bedingt. Der Bezug, der zwischen dem menschlichen Denken und der göttlichen Offenbarung besteht, ist als solcher variabel. Wie mit dieser Einsicht umzugehen ist, stellt allerdings eine erhebliche Herausforderung dar. Beispielsweise ist zu überlegen, ob auf verschiedene Weise tatsächlich das gleiche gedacht wird. Diese Frage stellt sich noch einmal verschärft, wenn die Theologie als eine Funktion der Kirche begriffen wird, insofern kirchliche Einheit wenigstens bis zu einem gewissen Grad die Einheit im Denken erfordert. Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde im Katholizismus des späten 19. und frühen 20. Jahrhundert mit dem Thomismus neuscholastischer Prägung eine Denkrichtung als der Offenbarung angemessen behauptet. Erheblichen Anteil daran hatte das kirchliche Lehramt, das den Eindruck vermittelte, die katholische Theologie sei auf ein bestimmtes metaphysisches System festgelegt.33 Damit drohte allerdings nicht nur übersehen zu werden, daß zwischen Denken und Offenbarung eine fundamentale Differenz besteht, sondern auch, Rahner: Grundkurs des Glaubens. Einführung in den Begriff des Christentums. Freiburg u. a.: Herder, 1976. 32 Vgl. Rudolf Voderholzer: Die Bedeutung der so genannten ‚Nouvelle Théologie‘ (insbesondere Henri de Lubacs) für die Theologie Hans Urs von Balthasars. In: Kasper (2006), 204–228, v. a.: 205–212. 33 Angesichts der offenkundigen Präferenz für den Thomismus läßt sich schwerlich der Eindruck abweisen, es gebe im 19. und 20. Jahrhundert keine spezielle Philosophie des kirchlichen Lehramtes. So jedenfalls die Einschätzung von Clemens Sedmak: Katholisches Lehr-
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daß alles Denken grundsätzlich unzulänglich, weil perspektivisch und kontextuell ist. Das führt unmittelbar zu den Überlegungen von ‚Karl Barth‘. Wie wenig der neuzeitliche Thomismus von Unzulänglichkeiten frei war, zeigte nach Einschätzung Balthasars wohl kaum jemand so deutlich, wie Henri de Lubac in ‚Surnaturel‘ hinsichtlich des Verhältnisses von Natur und Gnade.34 Nachhaltig beeindruckte ihn die von Lubac vorgenommene Einbettung von Thomas von Aquin in den geistesgeschichtlichen Kontext. Genauso wie sein einstiger Mentor sieht Balthasar ihn auf der Schwelle zwischen der vorwiegend theologisch interessierten Patristik und der vorwiegend philosophisch denkenden Neuzeit, vom Alten herkommend und auf das Neue zuschreitend. Balthasar bezeichnet das schlicht als ‚Übergänglichkeit‘.35 Überdeutlich zeige sich diese anhand des zwischen Philosophie und Theologie oszillierenden thomasischen Begriffs der Natur.36 Dessen Schwachstellen träten im späten 16. Jahrhundert hervor, als der Löwener Theologe Michael Bajus die Notwendigkeit der Gnade für die Natur behauptet. Denn ist der Mensch, wie von Thomas ausdrücklich gelehrt, grundsätzlich auf die Anschauung Gottes hingeordnet, kann sie ihm von Gott eigentlich nicht verweigert werden. Sofern jede Finalität die Möglichkeit ihres Erreichens voraussetze, spreche zumindest rein philosophisch nichts gegen diesen Schluß. Doch verbiete es sich aus theologischen Gründen, aus dem dynamischen Aspekt des menschlichen Wesens bereits dessen Hinordnung auf die Anschauung Gottes zu folgern. Genau hierin sieht Balthasar aber das Problem, denn indem der neuzeitliche und damit auch neuscholastische Thomismus der philosophischen Perspektive den Vorzug gebe, müsse er dann umso deutlicher die Ungeschuldetheit der Gnade herausstellen und sie infolgedessen als Übernatur bestimmen, als das, was die in sich stehende Natur noch einmal übersteigt. Entsprechend widersinnig seien die Definitionen, die sich in den neuscholastischen Lehrbüchern finden.37 Bei diesen werde gleich doppelt gegen die elementare Formallogik verstoßen, insofern der Terminus des zu Definierenden bereits in der Definition selbst Verwendung finde. Um das Natürliche zu bestimmen, von dem aus dann auch noch der Begriff des Übernatürlichen abhänge, werde der Begriff der Natur als der statische und dynamische Wesensplan eines Seienden vorausgesetzt.38 Obwohl sich Balthasar scheut, dies in letzter Klarheit auszusprechen, ist für ihn der Thomismus als solcher das Problem. Wenngleich auch hier verklausuamt und Philosophie. Eine Verhältnisbestimmung. Freiburg u. a.: Herder, 2003 (QD 204), 364. 34 Vgl. Balthasar (1951), 306 mit 404 Anm. 1 jeweils mit Bezug auf Lubac (1946), bes.: 431–480. Ganz ähnlich wird Balthasar argumentieren in Herrlichkeit. Eine theologische Ästhetik. Bd. 3/1,1. Einsiedeln: Johannes, 1965, 354–370. 35 Vgl. Lubac (1946), 187–321 bzw. Balthasar (1951), 278–282 mit 404. 36 Zum folgenden vgl. Balthasar (1951), 284–287. 37 Vgl. Balthasar (1951), 287 mit 405 Anm. 9. 38 Vgl. Balthasar (1951), 287.
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liert, so doch deutlicher als in ‚Karl Barth‘ läßt er dies in einem 1953 veröffentlichten Artikel durchblicken, der ‚Thomas von Aquin im kirchlichen Denken heute‘ überschrieben ist.39 Dort redet er „einer erneuten ‚Entphilosophisierung der Theologie‘“ das Wort.40 Das ist unmißverständlich gegen den Thomismus gerichtet, dessen Tendenz es sei, „die Offenbarung philosophisch durchzunormieren und gleichsam rational soweit als nur möglich aufzuarbeiten“.41 Demgegenüber solle sich die Theologie unmittelbar Gottes geschichtlichen Heilstaten zuwenden.42 Balthasar geht es also um eine theologische Wende der Theologie, d. h. er will Gottes unableitbare, weil freie Rede zum Menschen in Jesus Christus in das Zentrum rücken. Blickt man auf die zwei Jahre zuvor erschienene Monographie zurück, so zeigt sich, daß Balthasar dies bereits hier tut und nach Wegen sucht, das Katholische auf andere Weise als in der Neuscholastik zu formulieren. Den Raum dafür schafft er, indem er herausstellt, daß zwischen Denken und Offenbarung eine fundamentale Differenz besteht. 43 Auf diese Weise kommt das Denken in seiner ganzen Bedingtheit in den Blick, und es wird deutlich, daß es auch nicht bloß ein Modell geben kann, die Offenbarung im Denken zu erschließen.44 Von besonderer Bedeutung erscheint Balthasar hierbei, auf welche Weise die Refle39 Vgl. Hans Urs von Balthasar: Thomas von Aquin im kirchlichen Denken heute. In: GlDei 8 (1953), 65–76. Vergleichbare Überlegungen finden sich in Balthasars Artikel Was soll Theologie? Ihr Ort und ihre Gestalt im Leben der Kirche. In: WuW 8 (1953), 325–332. Wiederabgedruckt unter dem Titel Der Ort der Theologie. In: Ders.: Verbum Caro. Skizzen zur Theologie I. Einsiedeln: Johannes, 1960, 159–171. Wie forsch Balthasar seine Vorbehalte vortrug, zeigt sich deutlich im Vergleich mit den betont gemäßigten Bemerkungen von Heinrich Fries: ‚Im Geist des hl. Thomas von Aquin‘. In: ThQ 131 (1951), 139–162. 40 Balthasar (1953), 69. 41 Balthasar (1953), 68. 42 Vgl. Balthasar (1953), 75 f. Wie Balthasar Thomas deutete, ist lediglich für die Trilogie aufgearbeitet, und zwar von James J. Buckley: Balthasar’s use of the Theology of Aquinas. In: Thom. 59 (1995), 517–545. 43 Zum einen macht Balthasar (1951), 22 auf die Bedingtheit des Denkens aufmerksam, ohne damit die Unbedingtheit des Gedachten bestreiten zu wollen: „Epochen der Geschichte und der Kultur sind durch gewisse, oft schärfer, oft schwächer gegeneinander abgegrenzte Denkstile und Denkformen gekennzeichnet, die zwar einerseits weitgehend neutral gegenüber dem ausgedrückten Inhalt sein können – so daß der gleiche Inhalt an menschlichen Grunderkenntnissen (nennen wir ihn philosophia perennis) sich in diesen verschiedenen ‚Sprachen‘ formulieren ließe –, die andererseits aber, wie Sprachen es eben zu tun pflegen, ihre eigenen Gesetze haben und den ausgedrückten Inhalt in fühlbarer Weise abschatten können. Weltliche Wahrheit ist geschaffen und besitzt, trotz aller Teilnahme an der Unveränderlichkeit des Ewigen, ihre geschichtliche Dimension, die ihre Fülle in einem Reichtum von Formen und Sprachen auslegt.“ Ganz ähnlich äußert sich Balthasar an anderer Stelle (ebd., 229): „Die Offenbarung ist nicht auf eine einzige menschliche Denkform hin prädestiniert. Womit nichts gegen den Gehalt einer philosophia perennis gesagt ist.“ Zum anderen weist er (ebd., 263) darauf hin, daß die Offenbarung, über welche die Theologie zu reflektieren hat, je größer ist als das, was sich begrifflich fassen läßt. Als Offenbarung Gottes sei sie nämlich ebenso unendlich und geheimnisvoll wie Gott selbst. 44 Vgl. Balthasar (1951), 265.
10.2 ‚Karl Barth‘ (1951)
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xion über Inhalte organisiert ist, wofür er den Begriff der ‚Denkform‘ verwendet.45 Nicht die Offenbarung selbst ist also sein Thema, sondern wie sie in den vielfältig bedingten Formen des Denkens erschlossen wird. So stellt Balthasar zunächst das Denken Barths und die von ihm verwendete Denkform vor, um dann das gleiche für den Katholizismus zu tun. 46 Diese beiden Teile, die das Herzstück der Monographie bilden, stehen allerdings nicht einfach bloß nebeneinander, sondern in einem inneren Zusammenhang. Wie Balthasar unterstreicht, werde die katholische Theologie durch das Denken Barths nämlich infrage gestellt, und es fordere sie zu einer Antwort heraus. Da Barth wirklich etwas zu sagen habe, das es zunächst aufmerksam zu hören und zu verstehen gelte, könne es sich bei dieser weder um eine bloße Erwiderung noch um eine schroffe Entgegnung handeln. Als Antwort auf eine konkrete Frage ist die Antwort vielmehr eine neue Selbstaussage des Angefragten.47 Zwar expliziert Balthasar das nicht, doch steht (einmal mehr) die Hegelsche Dialektik im Hintergrund: In der Denkbewegung, die er in ‚Karl Barth‘ entfaltet, schreibt er dem Thomismus der Neuscholastik die Rolle der These zu und dem Denken der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ die der Antithese. Worin sich das eine vom anderen fundamental unterscheidet, legt er dar mit Blick auf verschiedene Begriffspaare wie etwa Metaphysik und Geschichte, Möglichkeit und Wirklichkeit, Allgemeines und Besonderes, Sein und Akt. Die Frage sei nämlich, in welchem Verhältnis das eine zum anderen stehe. Während Thomas und mit ihm die Neuscholastik vom Abstrakten her auf das Konkrete schließe, leite Barth das Abstrakte aus dem Konkreten ab. Nach Einschätzung Balthasars stehen sich diese beiden Denkformen diametral gegenüber.48 Entsprechend der aristotelischen Denkweise sei der Thomismus betontes Denken von unten her, weswegen der Philosophie vor und innerhalb der Theologie entscheidende Bedeutung beigemessen werde.49 Ansetzend bei Erfahrung 45 Was unter dem Begriff zu verstehen sei, definiert Balthasar (1951), 201–203 wie folgt: Eine Denkform ist eine bewußte oder unbewußte Philosophie, eine Weltanschauung, ein Denkschematismus. Zur Begriffsgeschichte vgl. Helmut G. Meier: Denkform. In: HWP 2 (1972), 104–107. 46 Vgl. Balthasar (1951), 65–259 bzw. 261–386. 47 Vgl. Balthasar (1951), 27. 48 Laut Balthasar (1951), 187 ist es Barths Kernthese, „daß man Gottes Geheimnis nur aus seiner Selbstoffenbarung in Jesus Christus verstehen darf, daß jedes Zurückgehen in einen ‚abstrakten‘ Gott, wie die Philosophie ihn vorstellt, überall, und hier mehr als je, für die Theologie verheerende Folgen zeitigt.“ An anderer Stelle (ebd., 276 f.) führt er aus: „Der besondere Denkstil des Thomas, mit seiner betonten Vorliebe für Induktion (jeweils aus dem Untern die Beispiele für das Obere ziehend und schließlich aus dem philosophischen Bereich die Erläuterungen für den theologischen nehmend) ist, wie ersichtlich, der besonderen, exklusiv theologischen Denkweise Barths schärfer als andere entgegengesetzt. So sehr sich Barth in der theologischen ‚Rationalität‘ Anselms zuhause fühlen kann, so wenig vermag er es in der mehr philosophischen des hl. Thomas.“ Von Induktion spricht Balthasar ebd., 276, 293; von Deduktion ebd., 254, 313. 49 Zum folgenden vgl. Balthasar (1951), 273–278, v. a.: 276 f.
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und Sinnlichkeit werden auf dem Wege der Abstraktion die Allgemeinbegriffe samt der darin liegenden Prinzipien erschlossen. Wie Balthasar einwendet, stelle das jedoch eine vorwiegend philosophische Methode dar, die innerhalb der Theologie nur begrenzt Anwendung finden könne. Gott ist nämlich auch in seiner geschichtlich kontingenten Offenbarung das Konkrete schlechthin, bei dem es nichts zu abstrahieren gebe. Da der Thomismus nicht von Gottes freien Geschichtstaten her denke, sondern von jenen notwendigen Vernunftwahrheiten, die dem Menschen grundsätzlich zugänglich sind, drohe der Mensch über Gott definitorische Hoheit zu erlangen und ihn damit in seiner Souveränität einzuschränken. Im Gegensatz dazu reklamiere Barth für sich, unmittelbar bei Gottes Offenbarung in Jesus Christus anzusetzen, also beim Konkreten, um von hier aus zum Abstrakten zu gelangen. Um das zu veranschaulichen, fi ndet Balthasar ein einprägsames Bild: „Man kann sich dieses Denken auch unter dem Bild einer Sanduhr klarmachen, deren beide Gefäße (Gott und Geschöpf) nur durch die enge Stelle in der Mitte: die Begegnung beider in Jesus Christus, sich treffen. Eine andere Beziehung des untern Gefäßes zum obern gibt es nicht. Und wie der Sand von oben her rinnt, so ist die Offenbarung Gottes eine einseitige, freilich so, daß dadurch der Sand im untern Gefäß wirklich ansteigt, durch die erste Bewegung, und durch sie allein, eine Gegenbewegung entsteht. Alles aber hängt zuletzt an der Spitze in der Mitte: gerade die engste Stelle ist die entscheidende, ist der Akt, die Berührung, das Ereignis, wovon alles, was Natur und Zustand heißt, sich ableitet.“50
Demnach ist Jesus Christus für Barth mehr als nur der Offenbarer und damit der bloße Grund menschlicher Gotteserkenntnis. Im Hintergrund stehe die zumal durch Schleiermacher vermittelte starke Prägung seines Denkens durch den deutschen Idealismus.51 Ganz in idealistischer Manier nehme Barth einen transzendenten, die Gegensätze in sich vereinigenden Punkt an, der als der Ursprung das Denken bewege.52 Wie Balthasar zu bedenken gibt, werde damit zwar ein philosophisches Schema benutzt, aber mit einem theologischen Gehalt gefüllt und folglich sogleich wieder gesprengt. Als den Punkt, der das Denken bewege, betrachte Barth nämlich nicht das wie auch immer zu beschreibende Bewußtsein. Als solchen mache er vielmehr die Begegnung des völlig Entgegengesetzten aus: von gnädigem Gott und sündigem Menschen, von der als Wort Gottes verstandenen Offenbarung und menschlichem Glauben. Letztlich ist der Einheitspunkt also Jesus Christus, ganz Gott und ganz Mensch.53 Zwar verwahrt sich Balthasar ausdrücklich dagegen, Barths Theologie einfach als verkappte Philosophie abzutun, gleichsam als kryptoidealistische Spe50 51 52 53
Balthasar (1951), 210. Zum folgenden vgl. Balthasar (1951), 210–259. Vgl. Balthasar (1951), 213 f. Vgl. Balthasar (1951), 214.
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kulation.54 Dennoch meint er feststellen zu müssen, daß die in ihr verwendete philosophische Form den zu denkenden theologischen Gehalt in ein allzu starres Schema presse. Zumindest der Tendenz nach und wider die eigenen Intentionen erliege Barth dem idealistischen Systemzwang.55 Besonders deutlich werde das daran, daß er zur Deduktion der Anthropologie aus der Christologie neige. Wenn in Jesus Christus die Einheit von Gott und Mensch in vollkommenster Weise gegeben ist, dann ist er nicht bloß Offenbarer und damit Grund der Gotteserkenntnis des Menschen, sondern auch der Grund des menschlichen Seins. Durchaus doppelsinnig spricht Balthasar deshalb von der ‚christologischen Engführung‘, die das Denken Barths kennzeichne.56 Mit diesem theologischen Neologismus beschreibt er, daß Barth das Verhältnis von Gott und Mensch allein über den Gottmenschen erschlossen wissen will. Kritisch weist er zugleich auf die Verengung hin, die darin angelegt ist, wenn das Menschsein immer nur verbunden mit Jesus Christus in den Blick kommt. Anstatt eine offene Form des Denkens zu wählen, wie sie der Offenbarung angemessen wäre, neige Barth dazu, theologische Daten in einen geschlossenen metaphysischen Rahmen einzupassen. Aus der ‚christologischen Engführung‘ resultiere deshalb auch die sehr viel tiefergreifende Problematik seiner Ekklesiologie. Ist das Verhältnis von Gott und Mensch in Jesus Christus schon normiert, stellt der Unglaube nicht mehr als eine unmögliche Möglichkeit dar. Insofern der Mensch als solcher in Jesus Christus immer schon von Gott erwählt ist, werde in der Kirche bestenfalls das zur Anschauung gebracht, was verborgen immer schon gegeben sei, nämlich Gottes Souveränität gegenüber allem, was er selbst nicht ist. 57 Eine besondere Gemeinschaft, die von der ungläubigen Welt unterschieden wäre, kann es daher gar nicht geben, wohl aber eine Gemeinschaft, von der der Triumph des Glaubens bezeugt wird. Damit werde die Kirche in ihrer Bedeutung grundsätzlich relativiert, sie drohe gar in die Welt hinein aufgelöst zu werden. Von hier aus erkläre sich auch der bei Barth von jeher vorhandene scharfe antiinstitutionelle Zug.58 Soweit Balthasars kritische Exposition, die nicht zuletzt auf den Nachweis zielt, daß Barths vorgeblich exklusiv theologisches Denken doch latent philosophisch ist, insofern es sich bei der ‚christologischen Engführung‘ im Grunde
54
Vgl. Balthasar (1951), 228 f. Vgl. Balthasar (1951), 251–259. 56 Vgl. Balthasar (1951), 253–255. Bei der ‚Engführung‘ handelt es sich um ein Steigerungsmittel, das in der Fuge häufig verwendet wird, so Emil Platen: Fuge. In: MGG2 Sachteil 3 (1995), 930–957, hier: 933. Die Themeneinsätze lösen sich nicht mehr einfach nur ab, sondern folgen in derart verkürztem Abstand aufeinander, daß sie gleich einem Teleskop zusammengeschoben sind. Auf diesen Hintergrund verweist Balthasar in Karl Barth. Darstellung und Deutung seiner Theologie. Köln: Hegner, 21962, II Anm. 1. 57 Vgl. Balthasar (1951), 257 f. 58 Vgl. Balthasar (1951), 258. 55
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um eine metaphysische Verengung handle.59 Unter anderen Vorzeichen kehrt für Balthasar damit dasselbe strukturelle Problem wieder wie im Thomismus der Neuscholastik, denn in beiden Fällen schiebe sich das Denken – hier der Aristotelismus, dort der Idealismus – vor die Offenbarung, zwänge sie in ein Korsett und schränke sie so in ihrer Freiheit ein. Damit sind These wie Antithese unzulänglich, und so gelangt Balthasar schließlich zur Synthese. In dieser sind die Denkformen des Thomismus und Barths ‚aufgehoben‘. Anstatt vom Abstrakten zum Konkreten oder vom Konkreten zum Abstrakten zu gehen, solle das Denken dort ansetzen, wo beides unverkürzt gegeben sei, und zwar bei Jesus Christus. 60 Was sich für den heutigen Leser zunächst einmal recht unspektakulär anhören mag, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als geradezu revolutionär. Denn Balthasar zielt auf nichts Geringeres als eine Neuerfindung der katholischen Theologie, die Gewinnung eines Denkens jenseits der Neuscholastik. Ihm schwebt eine Theologie vor, die sich ihrer eigenen Prinzipien und genuinen Methoden besinnt und darum beim unableitbaren Faktum der Offenbarung einsetzt. 61 Konkret bedeutet das eine Hinwendung zu Gottes konkreter Selbsterschließung, die mit einer Abkehr vom metaphysisch orientierten Thomismus einhergeht. Balthasar zielt also auf eine an der Heilsgeschichte orientierte und darum auch christozentrische Theologie. Von hier aus erschließt sich außerdem, warum er meint, Barths Einsichten könnten bei der Neuausrichtung der katholischen Theologie entscheidende Hilfe leisten. 62 Tatsächlich hatte sich Balthasar in den vorhergehenden Kapiteln durch die Beschäftigung mit der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ Einsichten Barths angeeignet. 63 Zentraler Bezugspunkt ist ihm dabei der erste, im Jahr 1945 erschienene Teilband der Schöpfungslehre, in dem Barth die Schöpfung als äußeren Grund des Bundes und den Bund als inneren Grund der Schöpfung bestimmt. 64 Übersetzt 59
Vgl. Balthasar (1951), 258. Vgl. Balthasar (1951), 278. 61 Vgl. Balthasar (1951), 274–278: Eine Formulierung des Ersten Vatikanischen Konzils aufgreifend (DH 3019), plädiert Balthasar gleich mehrfach für eine Theologie, die der ihr eigenen Prinzipien und Methode gewahr sei. Eine solche Theologie könne nichts anderes als eine scientia de singularibus sein. Damit wendet er sich explizit gegen Thomas von Aquin (S. th I q. 1 a. 2 arg. 2), der Gottes geschichtliche Heilstaten lediglich als Beispiele seiner überzeitlichen Weisheit betrachten wolle. Von hier aus erklärt sich, daß Balthasar dem Nominalismus zumindest hinsichtlich seiner Intention positiv gegenüber steht. Hierbei handelt es sich im übrigen um einen Gedanken, den weiterzuverfolgen es wert sein dürfte. In der katholischen Theologie gilt der Nominalismus bis heute oftmals als bloßes Dekadenzphänomen, als Abfall von den Höhen des Thomismus, obwohl man ebensogut die These vertreten könnte, daß er die erste genuin aus dem Christentum entwachsene Philosophie darstellt. So jedenfalls die Einschätzung von Peter Henrici: Das Christentum gibt zu denken. In: IkaZ 37 (2008), 514– 529, hier: 516. 62 Vgl. Balthasar (1951), 278. 63 Zum folgenden vgl. Balthasar (1951), 124–181. 64 Vgl. Balthasar (1951), 131–136 mit Bezug auf KD III/1 (1945), 103–377. Was Barth hier ausfaltet, steht im Kontext von KD III/1 (1945), 44–377 (§ 41. Schöpfung und Bund). Der 60
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in die Begrifflichkeit katholischer Schultheologie heißt das, daß die Schöpfungs- und die Erlösungsordnung einerseits zwar voneinander verschieden, andererseits aber aufeinander bezogen sind. 65 Wie beides nun genau miteinander zusammenhängt, legt Balthasar dar, indem er mit dem Begriffspaar von Setzung und Voraussetzung operiert. 66 Die Schöpfungsordnung bzw. Natur ist der Erlösungsordnung bzw. Gnade in der Weise vorausgesetzt, daß sie auf diese hingeordnet ist. 67 Deutlich werde das allerdings erst im Licht der Setzung, der Offenbarung in Jesus Christus. 68 Das ist die zentrale Einsicht, die Balthasar der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ entnimmt: Die Ordnungen von Schöpfung und Erlösung sind zwar voneinander verschieden, in Jesus Christus aber miteinander vermittelt, in dem sie als solche auch erst ansichtig werden. Im Sinne der so bestimmten Christozentrik unternimmt Balthasar dann eine Relecture des Natur-Gnade-Problems. 69 Was er diesbezüglich ausführt, ähnelt weit eher einer Skizze als es einer ausgefeilten Systematik nahekommt. Das ist aber keineswegs verwunderlich, geht es ihm doch zunächst darum, eine neue Denkform für die katholische Theologie jenseits der Neuscholastik zu gewinnen. Entscheidend ist insofern auch nicht, wie er das Verhältnis von Natur und Gnade nun genau bestimmt; wichtig ist vielmehr, daß er dies anders tut als in der Neuscholastik üblich. In ‚Karl Barth‘ wird vorrangig nach einer neuen Methodologie gesucht, weniger nach der unmittelbaren Lösung eines dogmatischen Problems.
Leitsatz dieses Paragraphen lautet (ebd., 44): „Die Schöpfung ist das erste in der Reihe der Werke des dreieinigen Gottes und damit der Anfang aller von Gott selbst verschiedenen Dinge. Indem sie auch den Beginn der Zeit in sich schließt, entzieht sich ihre geschichtliche Wirklichkeit aller historischen Beobachtung und Berichterstattung und kann sie auch in den biblischen Schöpfungsgeschichten nur in reiner Sage bezeugt werden. Die Absicht und also auch der Sinn der Schöpfung ist aber nach diesem Zeugnis die Ermöglichung der Geschichte des Bundes Gottes mit den Menschen, die in Jesus Christus ihren Anfang, ihre Mitte und ihr Ende hat: Die Geschichte dieses Bundes ist ebenso das Ziel der Schöpfung wie die Schöpfung selbst der Anfang dieser Geschichte ist.“ Anstatt es aber bei diesem schwebenden Miteinander zu belassen, neige Barth in den weiteren Bänden der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ dazu, die Schöpfungs- auf die Erlösungsordnung zu reduzieren, so Balthasar (1951), 139–148 mit Bezug auf KD III/2 (1948) und KD III/3 (1950). 65 Vgl. Balthasar (1951), 131: Was Barth als ‚Schöpfung‘ und ‚Bund‘ bezeichnet, nennt Balthasar „die Ordnung der Natur“ und „die Menschwerdungs- und Erlösungsordnung“. Noch weitaus scholastischer schreibt er (ebd., 313), es gebe „das absolute Prius der Gnadenordnung vor der Naturordnung (in ordine intentionis) und das relative Prius der Schöpfungsordnung vor der Gnadenordnung (in ordine executionis)“. 66 Vgl. Balthasar (1951), 129–131. Zwar verwendet Barth in KD III/1 (1945) Begriffe aus dem Wortfeld ‚Setzung‘, im Unterschied zu Balthasar (ebd., 252, 254) aber nicht im Sinne der idealistischen Philosophie. Zum begriffsgeschichtlichen Hintergrund vgl. Thomas Leinkauf / Tobias Trappe: Setzen / Setzung. In: HWP 9 (1995), 697–721. 67 Vgl. Balthasar (1951), 134–136. 68 Vgl. Balthasar (1951), 137. 69 Vgl. Balthasar (1951), 278–386, v. a.: 335–386.
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10.2.2 Barths theologische Entwicklung Es war Balthasars feste Überzeugung, daß sich durch die Beschäftigung mit der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ richtungsweisende Impulse gewinnen ließen, um das Katholische auf andere Weise zu formulieren als in der Neuscholastik. Damit stand er jedoch weithin allein da. Wurde über Emil Brunner, mit dem sich Barth über die Frage der natürlichen Theologie zerstritten hatte, recht viel publiziert, setzten sich katholische Theologen in den vierziger und frühen fünfziger Jahren nur noch sporadisch mit diesem auseinander.70 So mußte Balthasar ein nahezu völliges Desinteresse an der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ feststellen.71 Dem landläufigen Vorurteil zufolge sei Barth die reinste Verkörperung protestantischer Intransigenz.72 Das sei nicht zuletzt auf jenes Diktum zurückzuführen, wonach die analogia entis die Erfindung des Antichrist schlechthin sei.73 Barth werde im Lichte der hier zum Ausdruck kommenden strikten Unterscheidung von Gott und Mensch verstanden. So weist Balthasar auf eine im Jahr 1949 publi70 Zum einen vgl. Oskar Bauhofer: Bemerkungen zu Emil Brunners Christlicher Anthropologie. In: StZ Bd. 134 (1938), 327–331; Philipp Dessauer: Das Übernatürliche, die Fiktion der ‚sauberen Horizontale‘ und die Sprache der Abstraktion. Zu Emil Brunners theologischem Begriff der Person. In: Cath(M) 8 (1939), 67–84; Hermann Volk: Emil Brunners Lehre von der ursprünglichen Gottebenbildlichkeit des Menschen. Emsdetten: Lechte, 1939; Ders.: Emil Brunners Lehre von dem Sünder [1943]. Münster: Regensberg, 1950; Lorenz Volken: Der Glaube bei Emil Brunner. Freiburg/Schweiz: Paulusverlag, 1947 (SF NF 1); Wilhelm Stolz: Theologisch-dialektischer Personalismus und kirchliche Einheit. Apologetisch-kritische Studie zu Emil Brunners Lehre von der Kirche im Lichte der thomistischen Theologie. Freiburg/ Schweiz: Universitätsverlag, 1953 (SF NF 6). Die beiden zuletzt genannten Dissertationen waren zuerst in Form von Artikelserien erschienen, und zwar in DT 24 (1946) bzw. DT 28 (1950) – 30 (1952). Zum anderen vgl. Albert Walkenbach: Der Glaube bei Karl Barth. Dargestellt im Licht seiner kirchlichen Dogmatik [1949]. Limburg: Lahn-Verlag, 1955; Albert Ebneter: Der Mensch in der Theologie von Karl Barth. In: Orien. 14 (1950), 201–203, 216– 219, 239–242, 252–256; Karl Adam: Zum Problem der Apokatastatsis. In: ThQ 131 (1951), 129–138 mit Bezug auf KD II/2 (1942), 453–563 (§ 35.3 f.). Ebneters Artikelserie erschien auch in monographischer Form unter dem Titel Der Mensch in der Theologie Karl Barths. Zürich: Verlag der Orientierung, 1952. Bezeichnend ist zudem, daß die Publikationen Walkenbachs und Ebneters auf Dissertationen beruhen, die in Rom bzw. Löwen entstanden. 71 Vgl. Balthasar (1951), 21: „Kein Zweifel, daß in weiten Gebieten des Katholischen nicht nur allgemein geistige Geruhsamkeit und Trägheit herrscht (vielleicht in gefährlicher Verkennung der berühmten hegelschen Dialektik von Herr und Knecht!), sondern daß man es sich geradezu zugut hält, möglichst wenig von protestantischer Theologie zu wissen. Man möchte wetten, daß zwei Hände genügen, vielleicht gar eine, um die katholischen Theologen zu zählen, die Barths Dogmatik auch nur zu lesen für nötig ansehen.“ 72 Vgl. Balthasar (1951), 33. 73 Vgl. Balthasar (1951), 56 f. mit Bezug auf KD I/1 (1932), VIII–IX. Wie hartnäckig und weitverbreitet diese Einschätzung tatsächlich war, zeigt sich nicht zuletzt daran, daß sie sich in zeitgleich entstandenen maßgeblichen neuscholastischen Lehrbüchern findet, etwa bei Pohle / Gummersbach (1952), 138 und Johannes Brinktrine: Die Lehre von Gott. Bd. 1. Paderborn: Schöningh, 1953, 43 f. jeweils mit Bezug auf KD I/1 (1932). Zu verweisen ist auch auf Johannes Cornelis Groot: Karl Barth en het theologische Kenprobleem. Heiloo: Kinheim, 1946, 147–158.
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zierte Studie von Jérôme Hamer (1916–1996) hin. 74 Der belgische Dominikaner stützte sich vorrangig auf die Prolegomena der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ und gelangte zu dem Ergebnis, daß Barths Denken als ganzes durch diese eine Idee gekennzeichnet ist: Nie sei die Offenbarung etwas Gegebenes, sondern immer nur unverfügbares Ereignis.75 Von dem fortlaufend zunehmenden Gewicht der Christologie gegenüber der Pneumatologie, wie sie in Barths Denken seit den dreißiger Jahren zweifellos zu erkennen ist, nahm Hamer keinerlei Notiz. Das war in der katholischen Theologie dieser Zeit überhaupt typisch. Auch in anderen, von Balthasar nicht erwähnten Veröffentlichungen bestimmte der ‚Römerbrief ‘ weiterhin die Wahrnehmung, so als fasse Barth das Verhältnis von Gott und Mensch noch immer ausschließlich im Sinne des ‚unendlichen qualitativen Unterschieds‘ auf.76 Barth haftete also der Makel an, ein dialektischer Theologe zu sein. Um ihn überhaupt salonfähig zu machen, mußte Balthasar folglich zuerst den Beweis antreten, daß dies nicht der Fall war; jedenfalls nicht mehr, denn daß die Dialektik im ‚Römerbrief ‘ eine zentrale Rolle gespielt hatte, ließ sich kaum abstreiten. Die Aufgabe war somit die, das Verhältnis von Kontinuität und Diskontinuität in Barths theologischer Entwicklung bis hin zur ‚Kirchlichen Dogmatik‘ angemessen zu bestimmen. Dafür gibt es nach Ansicht Balthasars zwei Optionen.77 Beide hätten aber ihre Schwierigkeiten. Zu meinen, Barth habe sich in seinem Denken nicht fortentwickelt, entspreche weder den sachlichen Gegebenheiten, noch nehme es seine zahlreichen Retraktationen ernst.78 Ebensowenig tue man ihm mit der Annahme Recht, wonach das Denken, das seinen Ausdruck im ‚Römerbrief ‘ gefunden habe, durch die ‚Kirchliche Dogmatik‘ überwunden 74 Vgl. Balthasar (1951), 69 mit Bezug auf Jérôme Hamer: Karl Barth. L’occasionalisme théologique de Karl Barth. Étude sur sa methode dogmatique. Paris: Desclée, 1949. 75 Vgl. Hamer (1949), 167–172. 76 Exemplarisch dafür sind Friedrich Maria Rintelen: ‚Der Römerbrief‘ und ‚Das Evangelium‘. In: ThGl 34 (1942), 330–333 mit Bezug auf RB (1922/ 61933); Michael Schmaus: Katholische Dogmatik. Bd. 3,2. München: Hueber, 3/41951, 95; Yves Congar: Barth. In: Cath. 1 (1948), 1267 f., hier: 1268: „Barth se défend d’avoir un système; il a, au début, défi ni sa pensée comme une sorte de glose en marge de toute théologie: une glose visant à rétablir, sur tous les points, le point de vue souverain de Dieu seul, contre toute attribution de quelque efficacité que ce soit, dans le domaine du salut ou du christianisme, à l’action de la créature. Aussi a-t-il poussé à son paroxysme l’opposition du protestantisme au catholicisme, lequel affi rme une certaine proportion entre le fini et l’infini (analogia entis) et une union du divin et de l’humain, choses que Barth critique comme représentant la négation de la pure grâce de Dieu et de la qualité de ‚tout à fait Autre‘ qu’on doit reconnaître à Dieu.“ Congar blendet hier ganz offensichtlich Aussagen Barths zusammen, die RB (1922) und KD I/1 (1932) entnommen sind. 77 Vgl. Balthasar (1951), 67: „[H]aben wir in der Entwicklung Barths mit dem Hinzukommen wesentlicher Motive zu rechnen, die in den Frühschriften nicht vorhanden sind, so daß diese im entscheidenden Sinn als überholt zu gelten hätten, oder liegen die Motive allesamt – vielleicht noch ungeklärt, aber desto dichter – im Frühwerk beisammen?“ 78 Vgl. Balthasar (1951), 68 mit Bezug auf RB (1922/41926); KD I/2 (1938), 55 f.; KD II/1 (1940), 715.
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und damit obsolet sei.79 Um diese Aporien zu vermeiden und die Kontinuität in der Diskontinuität denken zu können, rekurriert Balthasar – ohne dies freilich zu explizieren – auf das, was Hegel als ‚Aufhebung‘ bezeichnet: das Positive des Bewahrens durch das Negative des Beendens. So fragt Balthasar mit Blick auf Barths theologische Entwicklung, „in welchem Sinne die Dialektik innerhalb der Analogie überwunden, in welchem sie darin mitgenommen und bewahrt ist.“80 Obwohl er die ‚Kirchliche Dogmatik‘ ohne jeden Zweifel als die reife Form von Barths Denken betrachtet, meint er keineswegs, daß alles zuvor Geschriebene hinfällig und damit allenfalls historisch interessant sei. Denn im ‚Römerbrief ‘ scheint ihm bereits angelegt, was später in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ entfaltet wird. Hier erst werde vollends klar, worauf Barth von Anfang an gezielt habe. 81 Der Hegelsche Begriff der Aufhebung beschreibt einen Prozeß, der das Beenden wie das Bewahren umfaßt. Indem Uneigentliches als solches erwiesen und ausgeschieden wird, bleibt das Eigentliche bestehen, ja es tritt sogar noch deutlicher hervor als zuvor. In diesem Sinne will Balthasar auch die theologische Entwicklung Barths verstanden wissen. 82 Diese stelle sich als Abfolge dreier Perioden dar: Zunächst noch von der Liberalen Theologie geprägt, stehe Barths Denken in einer zweiten Periode ganz im Zeichen der Dialektik. 83 In seinen frühen Schriften bis einschließlich zur Neufassung des ‚Römerbriefs‘ sei der Widerspruch nicht nur rhetorisches Mittel, sondern durchaus eine ontologische Basisannahme. Aber genau hierin liege das Problem. Falls mit dem ‚unendlichen qualitativen Unterschied‘ alles über das Verhältnis von Gott und Mensch gesagt sein soll, werde es unmöglich, sich dem Mysterium der Inkarnation spekulativ überhaupt nur anzunähern – wie Gott in Jesus Christus wirklich hat Mensch werden können, bleibe letztlich unerklärlich. 84 Aus diesem Grund vollziehe Barth allmählich die Wendung zur Analogie. Das ist die dritte Periode 79
Vgl. Balthasar (1951), 69–71. Balthasar (1951), 71. 81 Vgl. Balthasar (1951), 69 f.: „Aus der Rückschau von der ‚Dogmatik‘ her auf den ‚Römerbrief‘ (sogar auf die seltsam phantastische erste Auflage des sensationellen Buches) wird man mit Erstaunen feststellen, daß das wahre und eigentliche Anliegen dieser ersten Periode trotz allem gegenteiligen Anschein dasselbe war wie das der reifen ‚Dogmatik‘. Und da diese nicht mehr in der abrupten und expressionistischen Wort- und Begriffssprache der ‚Dialektik‘, sondern in einfachem und klassischem Deutsch ihre Anliegen darlegt, so wird man billigerweise annehmen müssen, daß jene Dialektik nicht ‚die Sache selbst‘ war, sondern eine Methode, ein Mittel und ein Hinweis auf die gemeinte Sache. Ein Mittel, das seinen Dienst getan, durch die fatale Verwechslung mit der Sache nicht wenig Verwirrung gestiftet hat, und jetzt weitgehend entbehrlich geworden ist.“ Wenn Balthasar es als fatal bezeichnet, daß das Denken Barths als dialektisch betrachtet wurde, hat er vorrangig wohl dessen Wahrnehmung in der katholischen Theologie im Blick. 82 Zum folgenden vgl. Balthasar (1951), 67–181. 83 Vgl. Balthasar (1951), 71–93. 84 Vgl. Balthasar (1951), 79. 80
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seines Denkens. 85 Diese Wendung geschehe nicht abrupt, sondern in einem sich über viele Jahre erstreckenden Prozeß, der erst mit der 1940 erschienenen Gotteslehre der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ zu einem Abschluß komme. 86 Innerhalb dieses Prozesses spiele Barths Anselm-Studie eine besondere Rolle, weil hier erstmals greifbar werde, daß er Gott und Mensch nicht mehr als gänzlich einander entgegengesetzt, sondern als in Jesus Christus vermittelt betrachte. 87 Aber erst da er die am Dogma von Chalcedon orientierte Christologie ganz in das Zentrum rücke, gelange sein Denken zu seiner eigentlichen Vollgestalt.88 Aufgrund der Einsicht, daß Jesus Christus zugleich ganz Gott und ganz Mensch ist, könne das Endliche, das zuvor angesichts des Unendlichen als bedeutungslos erschien, positiv qualifiziert werden. 89 Nun könnte man freilich einwenden, Balthasar presse den Gang von Barths theologischer Entwicklung in eine der Philosophie entlehnte Schablone. Was sehr viel verwickelter und komplexer sei, werde allzu stark schematisiert. So naheliegend der Einwand sein mag, so wenig trifft er: Indem Balthasar auf das Hegelsche Konzept der Aufhebung rekurriert, vermag er Barth in hohem Maße gerecht zu werden. Von besonderer Bedeutung ist hier ein Ende der vierziger Jahre erstmals im deutschen Original verfügbarer Rechenschaftsbericht, in dem Barth auf seine theologische Entwicklung während der Jahre 1928 bis 1938 zurückblickte.90 Seine eigene theologische Entwicklung wollte er ausdrücklich als ,Vertiefung‘ gedeutet wissen.91 Zunehmend habe er sich von philosophischen 85
Vgl. Balthasar (1951), 93–123. Vgl. Balthasar (1951), 116 f.: „Die Ersetzung des Prinzips der Dialektik durch das der Analogie geschieht nicht plötzlich und ist nicht an einem einzelnen Texte greifbar. Sie vollzieht sich langsam, unmerklich in den ersten Bänden der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ und kann mit dem dritten Band (‚Die Lehre von Gott‘ 1940) und den zeitlich umliegenden Schriften (besonders ‚Credo‘ 1935, ‚Gotteserkenntnis und Gottesdienst‘ 1938) als endgültig gewonnen gelten, während der zweite Band (1938) zwar die Prinzipien sichtet, ohne Gelegenheit zu haben, sie auszuwerten. Die Lehre entfaltet sich dann von Band zu Band klarer und siegreicher, so sehr, daß sie in der Schöpfungs- (1945), Menschen- (1948) und Vorsehungslehre (1950) zum eigentlichen Hauptthema aufrückt. Wer diese Entfaltung nicht beachtet, vielmehr im ersten Band (1932) schon die fertige Formel sucht, der wird sie dort vergeblich suchen.“ Ganz ähnlich argumentiert Balthasar an anderer Stelle, nämlich ebd., 124 f. mit Bezug auf KD I/2 (1938), 134–221 (§ 15. Das Geheimnis der Offenbarung) und KD II/1 (1940): „Die christologische Grundlegung beginnt ernsthaft im zweiten Band der Prolegomena, wo die Christologie in vorläufiger Weise entwickelt wird (2, 134–221); vom dritten Band an wird sie systematisch entfaltet.“ Was Balthasar hier ausführlich darlegt, hatte er zuvor bereits angedeutet, nämlich ebd., 62 f. 87 Vgl. Balthasar (1951), 101 f. mit Bezug auf Karl Barth: Fides quaerens intellectum. Anselms Beweis der Existenz Gottes im Zusammenhang seines theologischen Programms. München: Kaiser, 1931 (FGLP 3). 88 Vgl. Balthasar (1951), 124–181. 89 Vgl. Balthasar (1951), 124. 90 Vgl. Barth (1948/1949), 268–275. Bei diesem Text handelt es sich um das Original einer autobiographischen Skizze Barths, die bis anhin nur in einer im Jahr 1938 veröffentlichten Übersetzung ins Amerikanische vorlag. 91 Vgl. Barth (1948/1949), 272. 86
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Prämissen frei gemacht und sich immer stärker auf Jesus Christus besonnen, so gab er zu Protokoll. In diesem Prozeß der ‚christologischen Konzentration‘ komme nicht etwa der gegen Emil Brunner gerichteten Schrift ‚Nein!‘ entscheidende Bedeutung zu, sondern der davor erschienenen Studie ‚Fides quaerens intellectum‘.92 Balthasar stützt sich gleich mehrfach auf diesen Rechenschaftsbericht.93 Er folgt Barths Selbstdeutungen in der Weise, daß er sie in das Hegelsche Konzept der Aufhebung einordnet. Mit diesem faßt er, was Barth mit dem Begriff der ‚Vertiefung‘ benennt und als zunehmende Emanzipation von philosophischen Prämissen zugunsten einer stärkeren Berücksichtigung der Christologie erläutert, also eine grundlegende Kontinuität in der scheinbaren Diskontinuität seines Denkens. Insofern es sich bei der Aufhebung um eine Bewegung handelt, in der wirkliche Brüche nicht vorkommen, kann Balthasar jenem Rechenschaftsbericht außerdem problemlos darin folgen, der Anselm-Studie lediglich eine besondere, keineswegs aber die entscheidende Rolle für den Übergang vom ‚Römerbrief ‘ zur ‚Kirchlichen Dogmatik‘ zuzuschreiben.94 Durch den Rekurs auf Hegel ist es gar nicht nötig, Brüche in Barths theologischer Entwicklung zu behaupten, um zu zeigen, daß sein Denken erst nach einem langwährenden Prozeß vollends zu sich selbst gekommen ist. Mit dem Konzept der Aufhebung vermag Balthasar aber nicht nur Barths Selbstdeutungen zu entsprechen. Es ist daran zu erinnern, daß die primären Adressaten seiner Studie katholische Theologen sind. Wie Balthasar nachdrücklich betont, will er keineswegs eine Einführung in das Werk Barths vorlegen, denn eine solche sei am ehesten aufgrund von eigener Lektüre zu erlangen.95 Sein Anliegen ist es vielmehr, mit dem Verhältnis der natürlichen zur gnadenhaften Ordnung ein damals überaus virulentes theologisches Problem anzugehen. Was Barth selbst als ‚christologische Konzentration‘ bezeichnet, scheint ihm diesbezüglich ein vielversprechender Lösungsansatz zu sein. Denn in der einen Person Jesu Christi sind zwei Naturen gegeben, die weder gänzlich voneinander geschieden noch völlig miteinander identisch sind. Daß sich dies auf das Natur-Gnade-Problem übertragen läßt, war Balthasars grundstürzende Einsicht. Aber da Barth in der damaligen katholischen Theologie alles andere als einen guten Stand hatte, insofern sein Name noch immer mit den Radikalis92 Vgl. Barth (1948/1949), 272 mit Bezug auf Ders. (1931) und Nein! Antwort an Emil Brunner. München: Kaiser, 1934 (TEH 14). 93 Vgl. Balthasar (1951), 69, 101 f., 417 jeweils mit Bezug auf Barth (1948/1949), 268– 275. 94 Vgl. Balthasar (1951), 101 f. mit Bezug auf Barth (1931). Es ist also nicht so, als identifiziere Balthasar ‚Fides quaerens intellectum‘ als Einschnitt in Barths theologische Entwicklung. Vielmehr betrachtet er (ebd., 155) die Anselm-Studie als den „erste[n] klare[n] Ausdruck der endgültigen Position“ Barths. Den „Wendepunkt“ selbst lokalisiert er (ebd., 101) hingegen nur recht vage: „ungefähr 1930“. An anderer Stelle (ebd., 145) spricht Balthasar von „der Wendung um 1930 zu einem positiven Kreaturbegriff“. 95 Vgl. Balthasar (1951), 10.
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men seiner frühen Schriften behaftet war, mußte aufgezeigt werden, warum sich sein jüngeres Denken von seinem früheren signifikant abhob. Um das Augenmerk katholischer Theologen vom ‚Römerbrief ‘ weg auf die ‚Kirchliche Dogmatik‘ hinzulenken, rekurrierte Balthasar auf Hegel. 10.2.3 Zu Bruce McCormacks Kritik an Balthasar Balthasar erblickte also in der Christozentrik, wie er selbst die ‚christologische Konzentration‘ Barths nannte, die Lösung für das Problem, wie sich die natürliche und die übernatürliche Ordnung zueinander verhalten. Vor diesem Hintergrund ist auf eine Debatte einzugehen, die sich an Balthasars Rekonstruktion der theologischen Entwicklung Barths in den letzten Jahren innerhalb der Forschung entzündet hat und die noch in der unmittelbaren Gegenwart immer wieder einmal aufflackert. Angestoßen wurde sie durch Bruce McCormack (* 1952), Professor am Princeton Theological Seminary, der seine im Jahr 1995 veröffentlichte, inzwischen auch auf Deutsch vorliegende Studie ‚Karl Barth’s Critically Realistic Dialectical Theology‘ ausdrücklich als kritische Auseinandersetzung mit Balthasar versteht.96 Während dieser in ‚Karl Barth‘ die Diskontinuität in Barths theologischer Entwicklung betone, wolle er die Kontinuität stark machen, so McCormack. Barth sei also stets und nicht etwa nur in der Phase, die mit dem ‚Römerbrief ‘ verbunden ist, ein dialektischer Theologe.97 Mit seinen Überlegungen ist McCormack ebenso auf Zustimmung gestoßen wie er auch Widerspruch provoziert und Advokaten Balthasars auf den Plan gerufen hat.98 Inzwischen scheint die Debatte festgefahren zu sein und auf der Stelle zu treten, insofern beide Seiten durchaus Gründe für ihre Ansichten vorbringen können. Anstatt diese hier zu referieren und gegeneinander abzuwägen, wird im folgenden ein Perspektivwechsel vorgeschlagen. Wurde bislang nach der historischen Wahrheit der Interpretationen Balthasars respektive McCormacks gefragt, soll einmal das theologiepolitische Interesse in den Blick genommen werden, das mit ihnen jeweils verbunden ist. Zweifelsohne war Balthasars Auseinandersetzung mit Barth interessegeleitet, wollte er doch Impulse für 96
Vgl. McCormack (1995), 1–28 / (2006), 25–48. Vgl. McCormack (1995), 18 / (2006), 40. 98 Zustimmend zu McCormack (1995) äußern sich etwa John Webster: Karl Barth. London / New York: Continuum, 2000 (Outstanding Christian Thinkers), 22–24 mit 45 Anm. 3; Gary Dorrien: The Barthian revolt in modern theology. Theology without weapons. Louisville, KY: Westminster John Knox Press, 2000, 144 f., 163–165; Christophe Chalamet: Dialectical Theologians. Wilhelm Herrmann, Karl Barth and Rudolf Bultmann. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 2005, 225–249. Kritisch, wenn nicht sogar ablehnend äußern sich hingegen Reinhard Hütter: Barth between McCormack and von Balthasar. A dialectic. In: Pro Ecclesia 8 (1999), 105–109; Stephen D. Wigley: The von Balthasar thesis. A re-examination of von Balthasar’s study of Barth in the light of Bruce McCormack. In: SJTh 56 (2003), 345–359; Ders. (2007), 39–44; Timothy Stanley: Returning Barth to Anselm. In: MoTh 24 (2008), 413–437. 97
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die Reformulierung der katholischen Theologie jenseits der Neuscholastik gewinnen. In der Diskussion ist bisher allerdings unberücksichtigt geblieben, daß auch McCormack ein Ziel verfolgt, wenn er Balthasar kritisiert und ein anderes Modell vorschlägt, Barths theologische Entwicklung zu periodisieren. Es geht ihm keineswegs nur um die rein historische Rekonstruktion. Vielmehr will eine in der angelsächsischen Welt noch häufig anzutreffende Einordnung von Barths Theologie aufbrechen. Dieser Vorschub geleistet zu haben, lastet er wesentlich Balthasar an. Auf dessen Studie bezugnehmend hätten namentlich Thomas F. Torrance (1913–2007) und Hans W. Frei (1922–1988) den ‚Mythos‘ von Barth als neoorthodoxem Theologen geschaffen.99 Mit seiner Kritik an Balthasar zielt McCormack im Letzten auf die Barth-Interpretation, die über Jahrzehnte hinweg zumindest in der angloamerikanischen Theologie vorherrschend gewesen ist. Deshalb ist zunächst auf den Zusammenhang einzugehen, den er zwischen der These Balthasars und der – von ihm so genannten – neoorthodoxen Lesart Barths herstellt. Hans Frei zählt zu den bedeutendsten amerikanischen Systematischen Theologen im 20. Jahrhundert.100 Im Rahmen seiner Lehrtätigkeit in Yale machte er zahlreiche Studenten, von denen viele heute selbst Professoren sind, mit dem Denken Barths vertraut. Bereits in seiner im Jahr 1956 abgeschlossenen Dissertation, in der er sich praktisch durchgängig auf Balthasars Studie bezieht, hatte er sich mit Barths theologischer Entwicklung beschäftigt.101 Frei wollte diese als innerlich dialektisch verstehen. Durch die Liberale Theologie geprägt, sei Barth zunächst der Überzeugung gewesen, es gebe eine Immanenz Gottes im einzelnen Gläubigen, um nach seinem Bruch mit dem Denken seiner Lehrer dann die Transzendenz Gottes zu betonen, schließlich aber dahin zu gelangen, das Verhältnis von Gott und Mensch im Sinne der Analogie, also als das von Ähnlichkeit in Unähnlichkeit zu denken.102 Explizit greift Frei hier auf die entsprechenden Überlegungen Balthasars zurück.103 Allerdings geht er über diese hinaus, wenn er die Anselm-Studie nicht bloß als „turning point“, sondern sogar als eine „revolution“ bezeichnet.104 99
Vgl. McCormack (1995), 23–25 / (2006), 29 f. Vgl. John F. Woolverton: Hans W. Frei in Context. A Theological and Historical Memoir. In: AThR 79 (1997), 369–393. 101 Vgl. Hans W. Frei: The Doctrine of Revelation in the Thought of Karl Barth, 1909 to 1932. The Nature of Barth’s Break with Liberalism. PhD diss., Yale University, 1956: Im ersten von insgesamt drei Teilen der Dissertation wird Barths theologische Entwicklung zwischen 1909 und 1932 dargestellt (ebd., 1–202), im zweiten der historische Kontext erläutert (ebd., 203–428) und im dritten eine Interpretation von Barth Offenbarungsverständnis während seines Bruches mit der Liberalen Theologie vorgelegt (ebd., 429–549). Es schließt sich (ebd., 550–577) noch eine Zusammenfassung an. 102 Vgl. Frei (1956), 1–6. 103 Vgl. Frei (1956), 4 Anm. 2 mit Bezug auf Balthasar (1951), 93–123 (Die Wendung zur Analogie). 104 Vgl. Frei (1956), 6: „The turning point in this development away from dialectical theo100
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Auch Torrance, der in den dreißiger Jahren in Basel studiert hatte und später Professor in Edinburgh wurde, setzte sich nachdrücklich für Barths Theologie ein. Er trieb die Übersetzung der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ ins Englische voran und verschaffte dem Denken Barths speziell in Schottland einen weitreichenden Einfluß, der bis heute sowohl in der akademischen Theologie als auch im Leben der Church of Scotland spürbar ist.105 Wie sehr er in seiner Interpretation Balthasar verpflichtet war, dessen Studie er unmittelbar nach ihrem Erscheinen rezensiert hatte, zeigt vor allem seine Einführung in Barths frühe Theologie aus dem Jahr 1962.106 Torrance unterscheidet hier zwischen drei Phasen. Anfangs ganz von der Liberalen Theologie geprägt, sei Barth nach dem Bruch mit ihr zunächst zum dialektischen Theologen geworden, um endlich zur ‚Kirchlichen Dogmatik‘ zu gelangen, welche Torrance zufolge auch die vollentfaltete Form seines Denken darstelle.107 Warum Frei und Torrance erkenntlich stärker an der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ als beispielsweise am ‚Römerbrief ‘ interessiert waren, erklärt sich vor dem Hintergrund des ihnen gemeinsamen theologischen Projekts. Zeitlebens rangen sie um eine doktrinäre Orthodoxie unter den Bedingungen der Moderne, weshalb sie ein dezidiertes Interesse an Barths reifer, explizit dogmatischer Theologie hatten. Beiden war Barth ein Modell dafür, wie eine via media zwischen der Beliebigkeit des Liberalismus und der Starre des Fundamentalismus aussehen könnte.108 Sie erblickten in ihm gleichsam einen ‚Kirchenvater der logy toward a theology of analogy is Barth’s book on Anselm of Canterbury’s Proslogium, which he wrote between the two editions of The Doctrine of the Word of God.“ Mit letzterem gemeint sind CD (1927) und KD I/1 (1932). Vgl. zudem ebd., 193–200 mit Bezug auf Barth (1931), v. a.: 193 f.: „Barth’s book on Anselm is absolutely indispensable for a knowledge of the revolution in his thought between the two editions of The Doctrine of the Word of God.“ 105 Vgl. Anne-Kathrin Finke: Karl Barth in Großbritannien. Rezeption und Wirkungsgeschichte. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1995, 221–245; David Fergusson: Schottland, Theologie in. In: RGG4 7 (2004), 998–1001, hier: 1000. Für Hintergrundinformationen danke ich David Shedden (Glasgow). 106 Vgl. Thomas F. Torrance: Karl Barth. An Introduction to his Early Theology, 1910– 1931. London: SCM Press, 1962 (The Preachers Library). Im ersten Teil der Studie werden Person und Werk Karl Barths vorgestellt (ebd., 13–25), im zweiten dann seine theologische Entwicklung (ebd., 27–198), im dritten schließlich wird Barths Stellung in der modernen Theologie thematisiert (ebd., 199–217). Wie sehr Torrance von Balthasar beeinflußt ist, zeigt sich gerade in diesem letzten Abschnitt, den er mit einem fast zweiseitigen Zitat aus Balthasars Barth-Studie schließt – vgl. ebd., 216 f. mit Zitat von Balthasar (1951), 35 f. Einleitend dazu heißt es (ebd., 216): „None of Barth’s contemporaries discerns or appreciates more the positive relation of his theology to historic culture than Hans Urs von Balthasar. It is therefore fitting to end this study with a fine tribute from him to Barth.“ – Torrance’ Rezension von Balthasar (1951) erschien in der Tageszeitung The Scotsman (Ausgabe vom 14. 4. 1952). 107 Vgl. Torrance (1962), 33–47, v. a.: 34 Anm. 2 mit Bezug auf Balthasar (1951), 220– 229 bzw. ebd., 48–132 bzw. ebd., 133–198, v. a.: 140 Anm. 1 mit Bezug auf Balthasar (1951), 92–123 (Die Wendung zur Analogie). 108 Vgl. Hans W. Frei: Five Types of Theology. In: Ders.: Types of Christian Theology. New Haven, CT / London: Yale University Press, 1992, 28–55, hier: 38–46 bzw. Thomas F. Torrance: Karl Barth. Biblical and Evangelical Theologian. Edinburgh: T&T Clark, 1990.
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Moderne‘, und das ist es, was McCormack als neoorthodoxe Lesart bezeichnet, die befördert zu haben er Balthasar vorhält. Aus welchem Grund wendet er sich aber überhaupt gegen diese, und warum insistiert er darauf, daß Barth stets ein dialektischer Theologe war? Das ist die eigentlich interessante Frage, die in den Blick zu nehmen die inzwischen festgefahrene Diskussion weiterführen könnte. Eine Antwort findet sich, wenn man bedenkt, daß jene kirchlichen Gemeinschaften, die sich auf die reformatorischen Bekenntnisschriften beziehen, in den USA schon seit Jahren massive Mitgliederverluste hinnehmen müssen.109 Sowohl die Lutheraner als auch die Reformierten drohen zunehmend zwischen der katholischen und orthodoxen Kirche einerseits, den Freikirchen und pfingstlerischen Gruppierungen andererseits aufgerieben zu werden.110 In produktiver Aneignung von Barths Denkens erhofft sich McCormack, der sich selbst der presbyterianischen Tradition verbunden weiß, Impulse für einen profilierten, theologisch verantworteten Protestantismus reformierter Prägung, den er in der Mitte zwischen einem traditionsverhaftetem hierarchischen Christentum und einem traditionslosen pragmatischen plazieren will.111 Um Freiheit gegenüber der kirchlichen Lehrtradition zu gewinnen, ohne jedoch die Bindung an sie zu verlieren, will er Barth vorrangig als dialektischen Theologen verstanden wissen.112 Auf diese Weise wird dessen Denken außerdem für verschiedene Denominationen und Strömungen anschlußfähig, gerade für die stetig wachsende evangelikale Bewegung.113 Diese stand Barth bislang deshalb reserviert gegenüber, weil sie ihn als einen neoorthodoxen Theologen betrachtete. Sollte es in den USA zur Wiederkehr einer genuin protestantischen Theologie kommen, dann am ehesten durch den Rekurs auf Karl Barth – so hat McCor-
109 Vgl. zuletzt Eileen W. Lindner (Hrsg.): Yearbook of American and Canadian Churches 2009. Nashville, TN: Abingdon Press, 2009. 110 Ein solches Szenario zeichnet Bruce McCormack: Karl Barth’s Christology as a Resource for a Reformed Version of Kenoticism. In: IJST 8 (2006), 243–251, hier: 251. 111 Vgl. Bruce McCormack: Die Barth-Renaissance in den USA. Eine Stellungnahme. In: Cath(M) 61 (2007), 218–221 [= dt. Übersetzung von The Barth Renaissance in America. An Opinion. In: PSB 23 (2002), 337–340]. Dazu Benjamin Dahlke: Warum Karl Barth? Eine Einführung zu Bruce McCormacks Stellungnahme. In: Cath(M) 61 (2007), 216 f. Ähnliche Überlegungen wie hier stellt McCormack an in seinem Artikel The End of Reformed Theology? The Voice of Karl Barth in the Doctrinal Chaos of the Present. In: Wallece M. Alston / Michael Welker (Hrsg.): Reformed Theology. Identity and Ecumenicity. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2003, 46–65, v. a.: 53. 112 Exemplarisch läßt sich dies studieren anhand von Bruce McCormack: The Actuality of God. Karl Barth in Conversation with Open Theism. In: Ders. (Hrsg.): Engaging the Doctrine of God. Contemporary Protestant Perspectives. Grand Rapids, MI: Baker / Edinburgh: Rutherford House, 2008, 185–242. 113 Exemplarisch dafür ist Bruce McCormack: The Being of Holy Scripture is in Becoming. Karl Barth in Conversation with American Evangelical Criticism. In: The Princeton Theological Review 9 (2004), 4–15.
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mack es einmal allgemein formuliert.114 Damit hat er zugleich seine persönliche Motivation benannt, sich dessen Werk zu widmen. Wird also nach dem theologiepolitischen Interesse gefragt, das sich mit der jeweiligen Rekonstruktion von Barths theologischer Entwicklung verbindet, und nicht nach ihrer historischen Wahrheit, erscheint die in den letzten Jahren geführte Debatte in einem ganz neuen Licht. Sowohl Balthasars als auch McCormacks Beschäftigung mit Barth ist interessegeleitet. Ist es hier die Überwindung des Dualismus’ zweier Ordnungen, ist es dort die Wiedergewinnung eines genuin protestantischen Denkens. Sie unterscheiden sich voneinander jedoch hinsichtlich des Hintergrunds, vor dem sie das tun: Während Balthasar dem Anschein entgegenwirken muß, Barth sei noch immer ein dialektischer Theologe, will McCormack gegenüber einer allzu starren neoorthodoxen Interpretation Barth gerade als solchen profilieren. Was trägt diese Historisierung und Kontextualisierung der Positionen Balthasars und McCormacks zur Debatte bei, die innerhalb der Forschung über die theologische Entwicklung Barths geführt wird? Zunächst einmal ist festzuhalten, daß sich die historische Rückfrage keineswegs erübrigt, denn jede Periodisierung hat systematische Implikationen, die durchaus erheblich sein können. Doch sollte die Einsicht in die grundsätzliche Perspektivität des Erkennens und Verstehens vor voreiligen Schlüssen und wechselseitigen Vorhaltungen bewahren. Von hier aus wäre weiterzufragen, ob die Barth-Interpretationen Balthasars und McCormacks eventuell nicht sogar komplementär sind. In welchem Maße ‚Karl Barth‘ weiterhin die Gemüter bewegt, mag man jedenfalls als ein weiteres Indiz für den theologischen Rang der Studie nehmen. Tatsächlich hat sie bereits in den fünfziger Jahren eine erstaunliche Anziehungskraft gehabt, wie im nächsten Abschnitt gezeigt werden soll. 10.2.4 Zur unmittelbaren Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte Um die Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte von ‚Karl Barth‘ aufzuarbeiten, wäre wohl eine eigene Studie nötig. Balthasars Monographie wurde nämlich nicht nur über Sprach- und Konfessionsgrenzen hinweg in nahezu allen einschlägigen theologischen Zeitschriften gewürdigt, selbst die Tagespresse berichtete ausgiebig.115 Das ist umso erstaunlicher, als das Interesse an Barth Anfang der fünfziger Jahre eigentlich im Abflauen begriffen war.116 Hintergrund 114
Vgl. McCormack (2007), 218. Vgl. Hans Markus Wildi (Bearb.): Bibliographie Karl Barth. Bd. 2. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 1992, 67. Für den Hinweis auf weitere dort nicht verzeichnete Publikationen danke ich Frau Cornelia Capol (Basel). 116 Vgl. Balthasar (1951), 31: „Wir sprechen nicht darum mit Barth, weil er das Haupt einer starken Strömung im heutigen Protestantismus ist. Strömungen sind Zeiterscheinungen, sie schwellen ab und verebben. Und es fehlt ja nicht an Stimmen, die vielleicht mit Recht 115
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dessen ist nicht zuletzt die hitzige Kontroverse um Rudolf Bultmanns Programm der Entmythologisierung, das zu dieser Zeit auch die Aufmerksamkeit katholischer Theologen auf sich zog.117 Auf jeden Fall erschienen, angeregt durch ‚Karl Barth‘, im weiteren Verlauf der fünfziger Jahre zahlreiche Beiträge zu fundamentaltheologischen und dogmatischen Sachfragen.118 In diesem Zusammenhang sind besonders die Dissertationen von Henri Bouillard (1908– 1981) und Hans Küng (*1928) zu erwähnen, beide von Balthasar wohlwollend begleitet.119 Zwar hatte es bereits seit den zwanziger Jahren in der frankophonen katholischen Theologie eine rege Beschäftigung mit Barth gegeben, doch hat keine Studie den Einfluß gewinnen können wie diejenige Bouillards.120 Dabei entstand sie aus einer Verlegenheit heraus. Infolge der Enzyklika Humani Generis hatte der Jesuit seine Lehrtätigkeit an der Hochschule von Fourvière einstellen müssen und war nach Paris gezogen. Dort begann er, sich mit dem Werk Barths zu beschäftigen.121 Frucht dessen war eine vulminöse dreibändige Studie, mit der er im Juni 1956 an der Sorbonne das staatliche Doktorat erwarb.122 Zur Verteiund nicht ohne Befriedigung feststellen zu können glauben, der Einfluß Barths befinde sich bereits wieder im Sinken.“ 117 Dazu Klaus Hollmann: Existenz und Glaube. Entwicklung und Ergebnisse der Bultmann-Diskussion in der katholischen Theologie. Paderborn: Bonifacius-Druckerei, 1972 (KKTS 30), 80–110. 118 Vgl. Joseph Ternus: Chalkedon und die Entwicklung der protestantischen Theologie. Ein Durchblick von der Reformation bis zur Gegenwart. In: Aloys Grillmeier / Heinrich Bacht (Hrsg.): Das Konzil von Chalkedon. Geschichte und Gegenwart. Bd. 3. Würzburg: Echter, 1954, 531–611; Hermann Volk: Die Christologie bei Karl Barth und Emil Brunner. In: ebd., 613–673; Albert Brandenburg: Der Zeit- und Geschichtsbegriff bei Karl Barth. In: ThGl 45 (1955), 357–378; Thomas Sartory: Die Ökumenische Bewegung und die Einheit der Kirche. Ein Beitrag im Dienste einer ökumenischen Ekklesiologie. Meitingen: Kyrios-Verlag, 1955; Heinrich Fries: Bultmann, Barth und die katholische Theologie. Stuttgart: Schwabenverlag, 1955 (Peter und Paul Bücherei); Anno Quadt: Die Offenbarung der heiligsten Dreifaltigkeit in der Existenz des Menschen. Darstellung einer dogmatischen Grundansicht Karl Barths. In: ThGl 46 (1956), 102–125; Heinrich Fries: Kirche als Ereignis. Zu Karl Barths Lehre von der Kirche. In: Cath(M) 11 (1958), 81–107. Der zuletzt genannte Artikel erschien auch in monographischer Form unter dem Titel Kirche als Ereignis. Düsseldorf: Patmos, 1958. 119 Vgl. KBA 9353.359 (Hans Urs von Balthasar an Karl Barth, Brief ohne Datum [vermutlich Sommer 1953]): „Bouillard läßt Sie grüßen und möchte Ihnen 2 Kapitel als Vorgeschmack seines Besuches vorlegen, darf ich sie Ihnen schicken, haben Sie Zeit und Lust dazu? Er ist ein aufmerksamer, kritischer Geist. – Ein junger Theologe aus Rom (Küng, Sursee), geweckt, will auch über Sie dissertieren; ich wies ihn zur Abwechslung auf die Ethik ([. . .] ev. auf ‚Wort Gottes‘ und ‚Jesus Christus‘).“ 120 Zur Bedeutung von Bouillards Studie für die Frankophonie vgl. Benoît Bourgine: Die Rezeption der Hermeneutik Barths in der katholischen Theologie Frankreichs und Belgiens. In: Martin Leiner / Michael Trowitzsch (Hrsg.): Karl Barths Theologie als europäisches Ereignis. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2008, 30–47, hier: 33 f. 121 Vgl. Michel Castro: La rencontre de Henri Bouillard avec Karl Barth et la relation de l’homme à Dieu. In: Gr. 88 (2007), 512–532. 122 Vgl. Henri Bouillard: Karl Barth. 3 Bde. Paris: Aubier, 1957 (Theol[P] 38 f.). Wie
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digung der Dissertation reiste Barth zusammen mit Balthasar aus Basel an, auch Hans Küng war anwesend.123 Dieser war noch weitaus stärker als Bouillard Balthasar verpflichtet. Im Februar 1957 wurde Küng in dessen Beisein am Pariser Institut Catholique mit einer Arbeit über die Rechtfertigungslehre bei Barth und in der katholischen Theologie promoviert.124 Balthasar förderte seinen jungen Schweizer Landsmann nach Kräften, indem er etwa seine Dissertation verlegte und durch das Versenden zahlreicher Rezensionsexemplare gewährleistete, daß ‚Rechtfertigung‘ breit rezipiert wurde. Überhaupt war die Studie ein kalkulierter Erfolg. So erbat Küng von Barth einen Begleitbrief, ferner lancierte er einen Artikel in der Zeitschrift ‚Una Sancta‘, die in ökumenischen Kreisen viel gelesen wurde.125 Entscheidender noch war allerdings Küngs verblüffendes und pointiert formuliertes Ergebnis, wonach die Rechtfertigungslehre – recht verstanden – nicht mehr als kirchentrennend zu betrachten sei.126 Ein solches Ergebnis mußte Aufsehen erregen, wurde doch nichts weniger behauptet, als daß die seit der Reformation bestehende Kirchenspaltung im Grunde überwunden sei. Mit diesem Paukenschlag wurde Küng zu einem der bekanntesten jüngeren Theologen weltweit, alsbald auch Ordinarius in Tübingen. Ob Küng mit seiner These tatsächlich recht hatte, ist jedoch ein ganz anderes Thema. Selbst wenn seine Darstellung der Rechtfertigungslehre Barths und seine Interpretation des Konzils von Trient korrekt sind, woran im übrigen keine ernsthaften Zweifel bestehen dürften, fragt sich, ob er die Differenzen, die zwischen Barth und Luther bestehen, nicht zu sehr herunterspielt.127 Während der deutsche Reformator den Menschen als stets angefochten versteht, weshalb sich auch der Getaufte seiner Rechtfertigung je neu versichern muß, ist der Mensch nach Ansicht Barths in Jesus Christus bereits mit Gott versöhnt.128 Dennoch erweckt Küng den Eindruck, als repräsentiere Barth den Protestantismus als Bouillard (ebd., Bd. 1, 272) deutlich macht, ist er Balthasar (1951) stark verpflichtet. Beide hatten in den dreißiger Jahren gemeinsam in Lyon studiert. 123 Vgl. die Schilderungen von Lubac (1989), 72 und Hans Küng: Erkämpfte Freiheit. Erinnerungen. München / Zürich: Piper, 2002, 178 f. 124 Vgl. Hans Küng: Rechtfertigung. Die Lehre Karl Barths und eine katholische Besinnung. Einsiedeln: Johannes, 1957 (Horizonte; 2). 125 Vgl. Karl Barth: Ein Brief an den Verfasser. In: Küng (1957), 11–14 bzw. Hans Küng: Ist in der Rechtfertigungslehre eine Einigung möglich? In: US 12 (1957), 116–121. 126 Vgl. Küng (1957), 274. 127 Im ersten Teil seiner Studie stellt Küng die Rechtfertigungslehre Barths dar, auf die er im zweiten dann eine Antwort aus der Perspektive der katholischen Theologie formuliert. Vgl. Küng (1957), 19–101 bzw. 103–276. 128 Vgl. Carl E. Braaten: Justifi cation. The Article by Which the Church Stands or Falls. Minneapolis, MN: Augsburg Fortress, 1990, 63–79; Gerhard Sauter: Rechtfertigung VI. Das 19. und 20. Jahrhundert. In: TRE 28 (1997), 336–352, hier: 341; Alister E. McGrath: Iustitia Dei. A History of the Christian Doctrine of Justifi cation. Cambridge u. a.: Cambridge University Press, 32005, 392–406.
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Kapitel 10: Balthasars Aneignung des Barthschen Denkens (1948–1951)
ganzen.129 Genau das ist aber gerade von protestantischer Seite vehement in Abrede gestellt worden.130 Küng mag vielleicht mit Barth einen Konsens erreicht haben, mit der lutherischen Theologie jedoch nicht. ‚Rechtfertigung‘ ist insofern eine theologiepolitische Meisterleistung, keinesfalls aber der Meilenstein auf dem Weg ökumenischer Verständigung, als den ihn Küng und sein Umfeld noch immer gerne darstellen.131 Zumindest entspann sich zwischen Barth und Küng eine Freundschaft, die so eng war, daß der katholische Theologe im Jahr 1968 sogar eine Ansprache im Rahmen von Barths Beerdigung hielt.132 Während sich Barth offensichtlich prächtig mit Küng verstand, entfremdeten er und Balthasar sich zunehmend. Darauf wird im nächsten Kapitel einzugehen sein.
129
Vgl. Küng (1957), 274–276. Vgl. Peter Brunner: Trennt die Rechtfertigungslehre die Konfessionen? Neue Wege in der Kontroverstheologie. In: ZW 30 (1959), 524–536; Ders.: Rechtfertigung und Kircheneinheit. Katholisches Dogma, lutherisches Bekenntnis und Karl Barth. In: ebd., 594–608; Alister E. McGrath: Justifi cation: Barth, Trent and Küng. In: SJTh 34 (1981), 517–529. 131 Bis in die Gegenwart behaupten Küng und sein Umfeld, die seit über vierhundert Jahren währende Kirchenspaltung sei durch ‚Rechtfertigung‘ eigentlich längst überwunden, was lediglich starrsinnige, um ihre Macht bangende Kirchenfunktionäre nicht anerkennen wollen. In diesem Sinne äußern sich etwa Christa Hempel: Rechtfertigung als Wirklichkeit. Ein katholisches Gespräch. Karl Barth – Hans Küng – Rudolf Bultmann und seine Schule. Bern / Frankfurt a. M.: Lang, 1976 (EHS.T 55); Johannes Brosseder: Konsens im Rechtfertigungsglauben [. . .]. In: Hermann Häring / Karl-Josef Kuschel (Hrsg.): Hans Küng. Neue Horizonte des Glaubens und Denkens. München: Piper, 1993 (FS Hans Küng), 344–363, hier: 347–351; Küng (2002), 196–200; Hermann Häring: Rechtfertigung. In: Michael Eckert u. a. (Hrsg.): Lexikon der theologischen Werke. Stuttgart: Kröner, 2003, 620. Damit wird an einer Forschungslegende gearbeitet. Richtig ist wohl, daß Küng von Barth Impulse für eine erneuerte katholische Theologie aufnahm. Exemplarisch dafür ist sein Beitrag Karl Barths Lehre vom Wort Gottes als Frage an die katholische Theologie. In: Heinrich Fries / Joseph Ratzinger (Hrsg.): Einsicht und Glaube. Freiburg u. a.: Herder, 1962 (FS Gottlieb Söhngen), 75–97. 132 Vgl. Hans Küng: Ansprache. In: Karl Barth 1886–1968. Gedenkfeier im Basler Münster. Zürich: EVZ-Verlag, 1969 (ThSt[B] 100), 43–46. Dazu äußert sich Küng in Umstrittene Wahrheit. Erinnerungen. München / Zürich: Piper, 2007, 138–140. 130
Kapitel 11
Balthasars Fortschreibung des Barthschen Denkens (seit 1951) 11.1 Das Verhältnis von Christologie und Pneumatologie Hocherfreut stellte Karl Barth im Jahr 1953 eine ‚christologische Renaissance‘ innerhalb der katholischen Theologie der Gegenwart fest.1 Dabei hatte er nicht nur, aber vor allem Balthasars Darstellung und Deutung seines Denkens im Blick. Was die in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ angestrebte Konzentration auf Jesus Christus und den damit implizierten christlichen Wirklichkeitsbegriff anbelange, finde er sich in dieser Monographie weitaus besser verstanden als von den allermeisten Bestandteilen der kleinen Bibliothek, die sich mittlerweile um ihn angesammelt habe. Unmittelbar auf dieses Lob folgt jedoch eine starke Einschränkung: „Aber nun hat H. U. v. Balthasar gerade in jüngster Zeit auch noch eine kleine Reihe von anderen, ebenfalls bemerkenswerten Büchern geschrieben: über Therese von Lisieux, über Elisabeth von Dijon, über Reinhold Schneider. Und wenn ich deren theologischen Gehalt recht verstehe, so scheint es mir doch deutlich: es geht auch ihm [. . .] von jener von ihm so klar und schön erfaßten Mitte her um ein ganzes Feld möglicher und teilweise schon verwirklichter Repräsentationen der Geschichte Jesu Christi, um heilige oder heiligmäßige Wiederholungen bzw. Nachvollzüge seines Seins und Tuns, die dann in des Autors Sicht und Darstellung in sich und als solche so bedeutungsvoll, so positiv, so aufregend mitten in der Geschichte post Christum und mitten in unserer Gegenwart Ereignis werden und sind, daß der, dessen Sein und Tun da angeblich nachvollzogen wird, neben oder hinter seinen Heiligen merkwürdig verblaßt. Ich ahne jetzt, was ich zunächst nicht verstehen konnte: was mit dem mir von meinem Darsteller und Kritiker in aller Mildigkeit gemachten Vorwurf der bei mir vorliegenden ‚christologischen Engführung‘ gemeint sein könnte. Die Rückfrage an ihn drängt sich auf, ob Jesus Christus über der ganzen ihn angeblich repräsentierenden und wiederholenden geistlichen Pracht seiner Heiligen bei ihm nun nicht doch – nicht theoretisch, aber praktisch! – aufgehört haben möchte, Gegenstand und Ursprung des christlichen Glaubens zu sein.“2
1
Zum folgenden vgl. KD IV/1 (1953), 858. KD IV/1 (1953), 858 f. mit Bezug auf Hans Urs von Balthasar: Therese von Lisieux. Geschichte einer Sendung. Olten: Hegner / Summa, 1950; Ders.: Elisabeth von Dijon und ihre geistliche Sendung. Köln / Olten: Hegner, 1952; Ders.: Reinhold Schneider. Sein Weg und sein Werk. Köln / Olten: Hegner, 1953. 2
216
Kapitel 11: Balthasars Fortschreibung des Barthschen Denkens (seit 1951)
Barths Vorwurf, Balthasar relativiere die Person und das Werk Jesu Christi, ist höchst aufschlußreich, denn er läßt die verschiedenen systematischen Weichenstellungen hervortreten, die bei aller Gemeinsamkeit doch vorhanden sind. Beide unterscheiden sich voneinander in der Gewichtung von Pneumatologie und Christologie. Wenn der Akzent auf Gottes je neue Selbstvergegenwärtigung im Heiligen Geist gelegt wird, tritt Gottes unüberbietbare Gegenwart im Menschen Jesus von Nazareth zurück. Wird umgekehrt ebendiese räumlich und zeitlich beschreibbare Gegenwart betont, stellt sich die Frage, wie man eigentlich von Christus zum Christen gelangen soll. Seitdem Barth die Erwählungslehre in das Zentrum gerückt hatte, war sein Denken durch die Christologie gekennzeichnet. Insofern das Verhältnis von Gott und Mensch in Jesus Christus definitiv festgelegt ist, Gott sich also zum Gott des Menschen bestimmt hat und diesen damit zugleich zum Menschen Gottes, ist das Wesentliche schon ein für alle Mal geschehen. Der Christ ist von daher ein Mensch, der Gottes in Jesus Christus bereits erlangte Herrschaft anerkennt und sie so wirklich werden läßt.3 Im Unterschied dazu legt Balthasar den Akzent stärker auf die Pneumatologie. Ebenso wie Christus den Willen des Vaters erfüllte, muß der Christ den ihm von Gott zugewiesenen Auftrag suchen und in Freiheit annehmen. Dies geschieht im Heiligen Geist und durch ihn, der derselbe ist damals wie heute. Von daher ist das christliche Leben eine stete imitatio Christi, es vollzieht sich analog zum Leben Christi. 4 Aus diesem Grund macht Balthasar in ‚Karl Barth‘ die Ekklesiologie als verbleibendes Problemfeld 3 Vgl. KD III/3 (1950), 67–326 (§ 49. Gott der Vater als Herr seines Geschöpfes). Zur Interpretation dieses Paragraphen vgl. Terry J. Wright: Reconsidering Concursus. In: IJST 4 (2002), 205–215; Paul T. Nimmo: Karl Barth and the concursus Dei – A Chalcedonianism Too Far? In: IJST 9 (2007), 58–72; Ders.: Being in Action. The Theological Shape of Barth’s Ethical Vision. London / New York: T&T Clark, 2007, 118–125. Daß die Christologie bei Barth nicht einfachhin die Pneumatologie erdrückt, zeigt im übrigen schon KD III/3 (1950), 275– 279. Wie sehr sie dennoch sein Denken dominiert, wird besonders deutlich in seinem Vortrag Die Menschlichkeit Gottes. Zollikon / Zürich: Evangelischer Verlag, 1956 (ThSt[B] 48), v. a.: 10 f. 4 Vgl. Balthasar (1951), 386: „Die Gnade Gottes ist Teilgabe an seinem innergöttlichen Leben, und als solche Erhebung der Kreatur über jeden Anspruch und jede Ahnung hinaus. Diese Teilgabe ist weder bloß forensisch noch bloß eschatologisch, sondern real, innerlich und gegenwärtig. Sie ist, gerade damit sie als das Ereignis, das sie ist, recht verstanden werde, als eine das Sein des Geschöpfs selbst ergreifende Verwandlung zu fassen. Und weil sie das ist, läßt sie Raum für all die realen Ereignisse und Phasen, die den Weg des Menschen zu Gott ausmachen: Bekehrungen, Fortschritte, Rückfälle, Mitwirkungen und Hemmnisse. Nicht eine Erlösung in Bausch und Bogen, von der her all dies Kleinmenschliche zuletzt doch als wesenlos erscheint, da es von der Warte der Ewigkeit aus besehen schon immer Vergangenheit war und die Kraft gegenwärtigen Seins nie erlangte, sondern ein Mitwandeln auf den Spuren des menschgewordenen Herrn, wo die Schritte ihren eigenen Sinn und ihr besonderes Gewicht haben, und wo die Entscheidungen von Gott selber ernst genommen und je jetzt in seine Pläne eingebaut werden.“ Von hier aus erklärt sich auch, warum Balthasar in seinem Werk den Heiligen eine so exponierte Rolle beimißt. Dazu David Moss: The saints. In: Ders. / Oakes (2004), 79–92.
11.2 Gott in seiner Offenbarung
217
aus.5 Wird die Christologie der Pneumatologie vorgeordnet, läßt sich die Kirche nämlich schwerlich als der durch die Zeit schreitende Leib Christi verstehen. So sehr sich Balthasar dem Denken Barths angenähert und von ihm wichtige Impulse aufgenommen haben mag, so sind im Grundsätzlichen doch erhebliche Differenzen festzustellen. Diese traten umso deutlicher hervor, je mehr er dazu überging, sein eigenes theologisches System zu entfalten. Das gilt es abschließend zu zeigen.
11.2 Gott in seiner Offenbarung Wie in der gegenwärtigen katholischen Theologie stets betont wird, teilt Gott in der Offenbarung nicht etwas über sich mit, sondern sich selbst; und da sich Gott dem Menschen in seiner Unendlichkeit erschließt, kann dies nur aspektweise wahrgenommen und in unendlicher Annäherung eingeholt werden. 6 Selbstoffenbarung oder Selbstmitteilung sind im 20. Jahrhundert nicht zuletzt deshalb zu theologischen Zentralbegriffen avanciert, weil sie die Verengungen aufbrachen, die sich aus dem instruktionstheoretischen Offenbarungsverständnis der Neuscholastik ergaben.7 Worin diese Verengungen bestanden, läßt sich bestens beim Dominikaner Réginald Garrigou-Lagrange (1877–1964) studieren, der als einer der bedeutendsten neuscholastischen Denker überhaupt gelten kann. 8 Wie er ausführt, enthüllt Gott in der Offenbarung dem Menschen ihm bislang verborgene oder zumindest dunkle Wahrheiten.9 Aufgrund der Belehrung zunächst durch die alttestamentlichen Propheten und schließlich aufs Neue durch Jesus Christus wird der Mensch über das Ziel in Kenntnis gesetzt, auf das hin er geschaffen ist, und zwar die ewige Anschauung des göttlichen Wesens.10 Für Garrigou-Lagrange handelt es sich bei der Offenbarung letztlich 5
Vgl. Balthasar (1951), 393–397. Exemplarisch dafür sind die Ausführungen von Jürgen Werbick: Das Medium ist die Botschaft. Über einige wenig beachtete Implikationen des Begriffs der ‚Selbstoffenbarung Gottes‘ – mit Blick auf die Auseinandersetzung um die fundamentalistische Versuchung im Christentum. In: Ders. (Hrsg.): Offenbarungsanspruch und fundamentalistische Versuchung. Freiburg u. a.: Herder, 1991 (QD 129), 187–245. 7 Vgl. Max Seckler: Der Begriff der Offenbarung. In: HFTh 2 2 (2000), 41–61, hier: 42– 48. 8 Zum folgenden vgl. Reginaldus Garrigou-Lagrange: De revelatione per Ecclesiam catholicam proposita. Bd. 1. Rom: Ferrari, 31925, 56–72 (Definitio et divisio Revelationis). Wie sehr Garrigou-Lagrange die damals gängige Doktrin wiedergab, mag man nicht zuletzt daran ersehen, daß Papst Benedikt XV. im Jahr 1919 seinen Traktat ausdrücklich belobigte (ebd., 6). Laut Kerr (2007), 10 war er der „model Thomist – not only in Dominican mythology“. 9 Vgl. Garrigou-Lagrange (1925), 57: „Revelatio igitur significat manifestationem rei antea occultae vel saltem obscurae.“ 10 So definiert Garrigou-Lagrange (1925), 58 die Offenbarung wie folgt: „Actio divina libera et essentialiter supernaturalis, qua Deus, ad perducendum humanum genus ad finem supernaturalem qui in visione essentiae divinae consistit, nobis loquens per prophetas et novis6
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Kapitel 11: Balthasars Fortschreibung des Barthschen Denkens (seit 1951)
um eine satzhafte, durch äußere Autorität in ihrer Wahrheit verbürgte Belehrung.11 Der Vorgang der Offenbarung spielt im Vergleich mit ihrem Inhalt eine deutlich untergeordnete Rolle. Weitaus entscheidender als ihr Wie ist das Was. Allerdings kann die Offenbarung sich unmöglich darin erschöpfen, lediglich die Instruktion über einen propositionalen Gehalt zu sein, und so stellte das Zweite Vatikanische Konzil in seiner Konstitution ‚Dei Verbum‘ fest, daß Gott sich selbst in Wort und Tat geoffenbart habe.12 Schon bevor sich das kirchliche Lehramt um ein Offenbarungsverständnis bemühte, das gegenüber dem der Neuscholastik umfassender war, waren in der katholischen Theologie entsprechende Versuche unternommen worden. In diesem Zusammenhang ist Balthasars vulminöses Werk ‚Herrlichkeit‘ zu nennen, in dem er das erkenntnistheoretische Fundament legt, auf dem seine Trilogie als ganze ruhen sollte. Von zentraler Bedeutung ist dabei der einleitende, ‚Schau der Gestalt‘ überschriebene Band aus dem Jahr 1961.13 Schon dessen Titel ist programmatisch, geht es Balthasar doch keineswegs um die bloß analytische Kenntnisnahme eines propositionalen Gehaltes, als vielmehr um die synthetische Wahrnehmung eines mehrdimensionalen Sinngefüges, das er als ‚Gestalt‘ bezeichnet. Bei dieser sich zur Schau darbietenden Gestalt handle es sich um Gottes alles andere als abstrakte Selbstkundgabe, die es in ihrer ganzen Konkretheit zu erkunden gelte, insofern in der Unscheinbarkeit Jesu Christi Gottes Herrlichkeit aufscheint.14 Damit wendet er sich unmißverständlich gegen das instruktionstheoretische Offenbarungsverständnis der Neuscholastik. sime per Christum, sub quadam obscuritate manifestavit mysteria supernaturalia naturalesque religionis veritates, ita ut deinceps infallibiliter proponi possint ab Ecclesia sine ulla significationis mutatione, usque ad fi nem mundi.“ 11 Vgl. Garrigou-Lagrange (1925), 64–68, v. a.: 64 (Leitsatz von § II.): „Revelatio divina est formaliter locutio Dei ad homines, per modum magisterii.“ 12 Vgl. DH 4202. 13 Vgl. Hans Urs von Balthasar: Herrlichkeit. Eine theologische Ästhetik. Bd. 1. Einsiedeln: Johannes, 1961. Grundlinien werden bereits deutlich in dem unmittelbar zuvor veröffentlichten Artikel Offenbarung und Schönheit. In: Ders.: Verbum Caro. Skizzen zur Theologie I. Einsiedeln: Johannes, 1960, 100–134. Für klärende Gespräche danke ich Mark McInroy (Cambridge, MA). 14 Vgl. Balthasar (1961), 445–505. Prägnant wird dies zusammengefaßt von Stephan van Erp: The Art of Theology. Hans Urs von Balthasar’s Theological Aesthetics and the Foundations of Faith. Leuven: Peeters, 2004 (Studies in Philosophical Theology; 25), 133 f.: „The form of revelation is the main theme of Balthasar’s theological aesthetics because it is the glorious evidence of divine agency in the world. The human mind is capable of seeing in the multitude of perceptions of worldly being a unity of meaning which cannot be deduced from the various elements perceived. Balthasar calls this meaningful unity ‚form‘ (Gestalt). A form is not a sign or a reference to something else but a manifestation of that which makes it possible and inspires it. A form is a presence rather than a symbol. Jesus Christ is the ultimate, while most concrete form of revelation in Balthasar’s theological aesthetics. Jesus after all does not refer to the Father but represents the Father himself (Jn. 14,9). This means that Jesus should be called a form, not a sign or a symbol. As a form, He is not a reference to God but a theophany in the concrete history of man.“
11.2 Gott in seiner Offenbarung
219
Auch wenn die theologische Ästhetik, die in ‚Schau der Gestalt‘ entfaltet wird, in der neueren katholischen Theologiegeschichte singulär sein dürfte, ist sie keineswegs aus dem Nichts heraus entworfen. Unübersehbar sind etwa die Anleihen bei Vertretern der philosophischen Ästhetik, die im Gegensatz zu Kant den Akzent nicht auf das Subjekt legten, das im Akt der Erkenntnis das Objekt zuallererst konstituiert, sondern umgekehrt auf das Objekt, das sich zu erkennen gibt. Ausgiebig werden Johann Georg Hamann (1730–1788) und Johann Wolfgang Goethe (1749–1832) zitiert.15 Für einen katholischen Theologen weitaus erstaunlicher ist jedoch, mit welcher Häufigkeit Balthasar auf Karl Barth Bezug nimmt.16 Beispielsweise schreibt er ihm das historische Verdienst zu, die tiefsitzende Abwertung der Ästhetik innerhalb der protestantischen Theologie überwunden zu haben. Dabei bezieht er sich auf jenen Abschnitt der ‚Kirchlichen Dogmatik‘, wo über Gottes Ewigkeit und Herrlichkeit auch in seiner Offenbarung gehandelt wird.17 Bei allem Lob, das Balthasar dafür anbringt, weist er einschränkend darauf hin, daß Barth die Schönheit rein theologisch zu gewinnen suche und zwischen der Herrlichkeit Gottes und der Schönheit der Welt keinerlei Verbindung sehen wolle.18 Eine solche müsse es jedoch geben, weil sich Gott nicht nur in jener Geschichte, die im Alten und Neuen Testament bezeugt ist, sondern auch in seiner Schöpfung offenbare.19 Enthüllt sich Gott im Sein wie im Akt, gibt es weder eine theologiefreie Ontologie noch eine Theologie fern der Ontologie. Beides steht jedoch nicht unverbunden nebeneinander, denn die Schöpfungs- und die Christusoffenbarung unterscheiden sich zwar, sind jedoch nicht voneinander geschieden. Wie beides nun genau zusammenhänge, erläutert Balthasar durch den Rekurs auf eine der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ entlehnte Denkfigur, nämlich daß die Schöpfung der äußere Grund des Bundes ist und dieser der innere Grund jener.20 Wie bereits in seinen früheren
15 Vgl. Balthasar (1961), 661 bzw. 660. In einem Jahre später gegebenen Interview – unter dem Titel Geist und Feuer erschienen in HerKorr 30 (1976), 72–82, hier: 76 – erklärt Balthasar: „Rahner hat Kant, oder wenn Sie wollen, Fichte gewählt, den transzendentalen Ansatz. Und ich habe Goethe gewählt – als Germanist. Die Gestalt, die unauflösbar einmalige, organische, sich entwickelnde Gestalt – ich denke an Goethes ‚Metamorphose der Pflanzen‘ – diese Gestalt, mit der Kant auch in seiner Ästhetik nicht wirklich zu Rande kommt . . .“ 16 Vgl. Balthasar (1961), 659. Welch hoher Stellenwert Barth in ‚Herrlichkeit‘ allgemein und speziell in ‚Schau der Gestalt‘ zukommt, ist in der Forschung inzwischen bereits mehrfach herausgestellt und zuletzt von Wigley (2007), 49–87 dargelegt worden. Instruktiv sind auch die Beobachtungen von Fergus Kerr: Foreword: Assessing this ‚fiddy Synthesis‘. In: Lucy Gardner u. a. (Hrsg.): Balthasar and the End of Modernity. Edinburgh: T&T Clark, 1999, 1–13, hier: 9–12. 17 Vgl. Balthasar (1961), 49–53 mit Bezug auf KD II/1 (1940), 685–764 (§ 31.3 Gottes Ewigkeit und Herrlichkeit). Ähnliche Überlegungen fi nden sich in Herrlichkeit. Eine theologische Ästhetik. Bd. 3/2,2. Einsiedeln: Johannes, 1969, 18–22. 18 Vgl. Balthasar (1961), 53. 19 Vgl. Balthasar (1961), 413–444. 20 Vgl. KD III/1 (1945).
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Kapitel 11: Balthasars Fortschreibung des Barthschen Denkens (seit 1951)
Schriften spielt diese Denkfigur auch in ‚Schau der Gestalt‘ eine prominente Rolle, ohne daß dies allerdings expliziert würde: „Die Offenbarung des dreieinigen Gottes in Christus ist freilich nicht die einfache Verlängerung oder Intensivierung der Schöpfungsoffenbarung, aber sie widerspricht doch ihrem Wesen so wenig, dass vom letzten Plan Gottes aus betrachtet die Schöpfungsoffenbarung um der Christusoffenbarung willen erfolgte und ihr zur Vorbereitung und Ermöglichung diente. Die Christusoffenbarung aber sollte, über alle Hoffnung und Erwartung der Geschöpfe hinaus[,] alles Himmlische und Irdische in einem gottmenschlichen Haupte zusammenfassen, ihm damit eine gnadenhafte Krönung schenken, deren Herrlichkeitsglanz, dem Kyrios der Welt zugehörig, über die gesamte Schöpfung ausstrahlen sollte. Damit wird die Weltgestalt selbst, die als solche schon Offenbarung der göttlichen δόξα war, in Christus und in dem durch ihn ausgegossenen Heiligen Geist zu einem Tempel, der wie die Stiftshütte und der Salomonsbau den Kabôd Gottes in sich und über sich birgt.“21
Was Balthasar über die Funktion der Christusoffenbarung ausführt, hätte Barth wohl kaum so formuliert. Die Schöpfung ist für ihn zwar der äußere Grund des Bundes, doch fällt vom Bund her kein besonderer Glanz auf die Schöpfung zurück. Bezeichnenderweise verzichtet Barth in jenem erwähnten Abschnitt der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ auf alle ontologischen Überlegungen und legt stattdessen seitenweise schöpfungstheologische Aussagen gerade des Alten Testaments auf Jesus Christus hin aus.22 Für Balthasar stellt es hingegen eine Verengung dar, wenn Barth den Fokus ganz auf die Offenbarung in Jesus Christus richtet. Dementsprechend bemüht er sich, den Blickwinkel zu weiten. Hat er in ‚Schau der Gestalt‘ zunächst nachgezeichnet, wie es im Verlauf der Theologiegeschichte sowohl auf protestantischer als auch auf katholischer Seite zur Entästhetisierung gekommen ist, wirft er die Frage auf, welcher Weg nun einzuschlagen sei, nämlich „ob derjenige Karl Barths, der die innere Schönheit der Theologie und der Offenbarung selbst wiederentdeckt, oder ob (vielleicht in der Position Barths schon einschlussweise mitgesetzt) nicht doch ein echtes Verhältnis dieser theologischen Schönheit mit der Weltschönheit und damit – trotz aller diesem Unternehmen innewohnenden Gefahr – eine echte Begegnung auch mit der Antike möglich, ja unvermeidlich und auferlegt wäre.“23
Eine solche Formulierung ist für Balthasars Umgang mit Barth bis zu den frühen sechziger Jahren insgesamt typisch. Um das Katholische auf andere Weise zu formulieren als in der Neuscholastik üblich, rekurriert er zwar auf dessen Überlegungen und läßt sich von ihnen leiten, modifiziert sie dann aber in entscheidenden Punkten. Das methodische Verfahren, das er dabei anwendet, erin21
Balthasar (1961), 415. Vgl. KD III/1 (1945), 258–377 (§ 41.3 Der Bund als innerer Grund der Schöpfung) mit Bezug v. a. auf Gen 1 f. 23 Balthasar (1961), 75 f. 22
11.2 Gott in seiner Offenbarung
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nert stark an die Hegelsche Dialektik. So stellt Balthasar der philosophielastigen Neuscholastik (These) die seiner Ansicht nach einseitig theologische ‚Kirchliche Dogmatik‘ gegenüber (Antithese) und gelangt so zu einem Denken, in dem Sein und Akt, die Weltlichkeit der Welt und die Göttlichkeit Gottes miteinander kompatibel sind (Synthese). Je deutlicher sich die Konturen dieses – wenn man so möchte – ‚reformierten Katholizismus‘ abzeichneten, desto mehr bewegte er sich von Barth weg. Während dieser immer mehr die Geschichte des in Jesus Christus geschlossenen Bundes zwischen Gott und dem Menschen umkreiste, grundierte Balthasar diese Geschichte durch eine Metaphysik, und darum liegt seiner Theologie eine theologische Ontologie zugrunde. 24 Das erklärt, warum zwischen beiden eine stetig wachsende Entfremdung beobachtet werden kann. Barth selbst brachte dies in einem Brief ins Wort, den er Balthasar im Oktober 1962 schrieb: Wie sich zwei Schiffe auf offener See begegnen, sich freundlich grüßen, dann aber aneinander vorbeifahren, so sei im Rückblick wohl auch ihr Verhältnis zueinander gewesen. Er selbst wolle, wie Barth betonte, konsequent und einzig Theologie treiben, was für Balthasar offenbar nicht nachvollziehbar sei. Umgekehrt könne er ihm nicht in ein Jenseits von Philosophie und Theologie folgen, und so schloß er mit dem Wunsch, daß es im Himmel doch besser werden möge. 25 Obwohl der Kontakt zwischen ihnen in den sechziger Jahren nicht gänzlich abriß, reduzierte er sich doch auf ein recht bescheidenes Maß. Wie weit sich – um im Bild zu bleiben – die beiden Schiffe mit der Zeit voneinander entfernt hatten, läßt sich anhand von zwei Vorträgen ermessen, Ende Februar 1968 im Rahmen eines Treffens der ökumenischen Gesprächskommission der Schweiz gehalten. Während sich Barth höchst erfreut über die überall vor sich gehende kirchliche Erneuerung zeigte, wobei er ausdrücklich das Zweite Vatikanische Konzil im Blick hatte, äußerte sich Balthasar sehr viel zurückhaltender. In einem Brief, den er im Mai 1940 an Barth geschrieben hatte, hatte er noch bemerkt, daß das ungeheure Wahrheitsmoment, das durch den Protestantismus ins Christliche gekommen ist, in der katholischen Theologie noch nicht wirklich und voll assimiliert sei, weil sich die Gegenreformation zu sehr gegen den Protestantismus gerichtet habe.26 Nun jedoch erklärte er: „Das heutige ökumenische Gespräch wird nicht selten zwar als ein gemeinsames Suchen nach der christlichen Wahrheit im Aufblick zum gemeinsamen Herrn, aber dabei auch als eine radikale Reduktion auf das angeblich ‚Wesentliche‘ verstanden, unter Ausscheidung aller entbehrlichen und das Verständnis störenden Beigaben. Daß unter solchen Voraussetzungen der katholische Partner notwendig den Kürzeren ziehen wird, ist klar, 24 Vgl. Nicholas J. Healy: The Eschatology of Hans Urs von Balthasar. Being as Communion. New York: Oxford University Press, 2005 (Oxford Theological Monographs). 25 Vgl. KBA 9262.177 (Karl Barth an Hans Urs von Balthasar, Brief vom 30. 10. 1962, Durchschlag). 26 Vgl. Kap. 8.2.
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Kapitel 11: Balthasars Fortschreibung des Barthschen Denkens (seit 1951)
denn die Reformation hat schon vor vierhundertfünfzig Jahren das Schiff von all seinem angeblichen ‚Ballast‘ erleichtert und redet heute angesichts der innerkatholischen Vorkommnisse nicht ohne Genugtuung von einem ‚Nachholbedarf‘. Da der Protestantismus im Lauf seiner Geschichte die verschiedensten und widersprüchlichsten Formen annahm: strenge Orthodoxie, Pietismus im alten und neueren schleiermacherschen Stil, schließlich Liberalismus bis zur Grenze einer ‚Theologie nach dem Tode Gottes‘, kann die ökumenische Verständigung aufgrund solchen Ballastabwerfens ebenfalls auf unterschiedlichstem Niveau vor sich gehen, und die Preisgabe von katholischem (angeblich vor allem ‚gegenreformatorischen‘) Gut kann dann mehr oder weniger summarisch betrieben werden.“27
Verblüffenderweise erwähnt Balthasar weder, daß er sich selbst seit Anfang der vierziger Jahren rege darum bemüht hatte, eine Form katholischer Theologie fern der Barock- und Neuscholastik zu gewinnen, noch daß er dies in produktiver Auseinandersetzung mit dem Denken Barths unternahm. Balthasar eignete sich die christologische Konzentration, die vor allem in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ festzustellen ist, in der Weise an, daß er die Christozentrik zum Konstruktionspunkt seines eigenen Denkens machte. 28 In der Trilogie von ‚Herrlichkeit‘, ‚Theodramatik‘ und ‚Theologik‘ spielt das Denken Barths wohl eine Rolle, verglichen mit früheren Publikationen eine jedoch deutlich untergeordnete. Balthasar hatte die ‚Kirchliche Dogmatik‘ zwar wahrgenommen und sich angeeignet, sich dann aber angeschickt, sie fortzuschreiben. Daß er sich überhaupt mit ihr befaßte, hängt – wie in den vorhergehenden Kapiteln erläutert – entscheidend mit der Neuscholastik zusammen. Deren Kennzeichen ist die Unterscheidung zweier Ordnungen, der natürlichen und der übernatürlichen. Wurde als Reaktion auf den neuzeitlichen Rationalismus zum einen die natürliche Gotteserkenntnis stark gemacht, meinte man zum anderen um der Freiheit der Gnade willen einen tendenziell selbständigen gnadenfreien Bereich als deren Voraussetzung annehmen zu müssen. Die Neuscholastik war entsprechend stark philosophisch orientiert. Demgegenüber plädierte Balthasar für eine theologische Wende der Theologie. Seiner Ansicht nach sind die gnadenhafte und die natürliche Ordnung zwar voneinander unterschieden, sie können aber nicht voneinander getrennt behandelt werden. Vielmehr sind sie von Jesus Christus her zu erschließen, der in seiner Person beides vereint. Diese Einsicht verdankt sich entscheidend der Auseinandersetzung mit dem Denken Karl Barths. Seitdem Balthasar im Jahr 1940 nach Basel gezogen war, beschäftigte er sich zumal mit der ‚Kirchlichen Dogmatik‘. Von dieser nahm er Impulse auf, um einen Entwurf katholischer Theologie fern der Neuscholastik zu entwickeln. Je mehr er dazu überging, diesen Entwurf auszuführen, desto weiter 27 Hans Urs von Balthasar: Einigung in Christus. [. . .]. In: Ders. / Karl Barth: Einheit und Erneuerung der Kirche. Freiburg/Schweiz: Paulusverlag, 1968 (ÖBFZPhTh 2), 19–37, hier: 36. 28 Dies zeichnet sich bereits ab in Hans Urs von Balthasar: Glaubhaft ist nur Liebe. Einsiedeln: Johannes, 1963 (ChHe 1), v. a.: 33–39.
11.2 Gott in seiner Offenbarung
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entfernte er sich von Barth. Insofern ist sein Basler Gesprächspartner hier nur ein Einfluß unter vielen, wenn auch ein wichtiger.
Zusammenfassung In dieser Studie wurde die katholische Rezeption des Werkes von Karl Barth in der deutschsprachigen Theologie der Jahre 1922 bis 1958 nachgezeichnet. Da der Ertrag am Ende der jeweiligen Kapitel nach Möglichkeit festgehalten wurde, kann hier darauf verzichtet werden, diesen noch einmal zu präsentieren. Stattdessen wird im folgenden versucht, die Untersuchungsergebnisse unter den Erkenntnisinteressen, die die Studie geleitet haben, zu perspektivieren.
Karl Barth und die katholische Theologie Als Barth, inzwischen hochbetagt, im Jahr 1960 auf sein Leben zurückblickte, schien ihm ein besonderes Wort darüber angebracht, was sich zwischen ihm und der katholischen Theologie zugetragen hatte. Wohl kein evangelischer Theologe seit der Reformation habe derart viel Kritik, aber auch Zustimmung aus ihren Reihen erfahren wie er, und abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen stammten die umfassendsten Darstellungen, die treffendsten Analysen sowie die interessantesten Beurteilungen seines Werkes von Katholiken.1 Tatsächlich stießen praktisch alle seine einschlägigen Publikationen bei diesen auf reges Interesse, sei es der ‚Römerbrief ‘2 , die Anselm-Studie ‚Fides quaerens intellectum‘3 oder die ‚Kirchliche Dogmatik‘4 . Ob dabei die Kritik oder aber die Zustimmung überwog, hing entscheidend davon ab, wie stark das Dialektische in seiner Theologie veranschlagt wurde. In den zwanziger und frühen dreißiger Jahren standen sich hier zwei Positionen gegenüber. Auf der einen Seite wurde der ‚unendliche qualitative Unterschied von Zeit und Ewigkeit‘, den Barth im ‚Römerbrief ‘ als die Leitidee seines Denkens bezeichnet, problematisiert. Vergegenwärtigt sich Gott im Heiligen Geist stets selbst, läßt sich sinnvollerweise über Gott nur schweigen, abgesehen davon, daß eine vermittelnde Größe wie die Kirche letztlich überflüssig wird.5 Auf der anderen Seite frohlockten katholische Interpreten, daß der Protestantismus mit Barth 1 2 3 4 5
Vgl. Karl Barth: How my mind has changed. In: EvTh 20 (1960), 97–106, hier: 104 f. Vgl. Kap. 1 und Kap. 7. Vgl. Kap. 4. Vgl. Kap. 6 und Kap. 8–11. Vgl. Kap. 2.
Zusammenfassung
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wieder zu sich selbst finde, insofern nun wieder wirkliche, an den Reformatoren orientierte Theologie getrieben werde. Das war für das interkonfessionelle Gespräch von Interesse, denn zu einem Protestantismus, wie ihn die Liberale Theologie zeichnete, hatte es keine Berührungspunkte gegeben. 6 Als jedoch Barth im Vorwort des ersten Bandes der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ die analogia entis als die Erfindung des Antichrist schlechthin bezeichnete und als entscheidenden Grund, weshalb man nicht katholisch werden könne, gewann die erste Deutungsrichtung die Oberhand.7 Dafür war Barth im Grunde selbst verantwortlich, denn in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ entwickelt er die rechte evangelische, der Offenbarung gemäße Theologie anfänglich in der Abgrenzung vom Neuprotestantismus einerseits und vom Katholizismus andererseits. Kennzeichen der römischen ‚Häresie‘ ist seiner Ansicht nach die analogia entis, die für ihn die Chiffre der natürlichen Theologie und damit für den unstatthaften Griff des Menschen nach Gott ist. Als er mit der Erwählungslehre einen Ansatzpunkt für die Entfaltung seines Denkens gefunden hatte, erübrigte sich die polemische, wenn auch funktionale Absetzung vom Katholizismus jedoch. Barth war spätestens seit den vierziger Jahren damit beschäftigt, seine Theologie im Licht der Einsicht zu entfalten, daß sich Gott in Jesus Christus zum Gott des Menschen bestimmt hat und diesen zugleich zum Menschen Gottes. Diese Weiterentwicklung seines Denkens wurde auf katholischer Seite aber nicht mehr wahrgenommen – Barth wurde vorrangig als dialektischer Theologe betrachtet. Von daher mußte Hans Urs von Balthasar umständlich darlegen, warum sein Basler Gesprächspartner nicht die Verkörperung protestantischer Intransigenz ist, als er unter Rekurs auf die ‚christologische Konzentration‘, die mittlerweile ihren Niederschlag in der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ gefunden hatte, eine neue Form der Theologie fern der Neuscholastik gewinnen wollte. 8 Obwohl Barth in all den Jahren in intensivem fachlichen und persönlichen Austausch mit katholischen Theologen stand, ließ er von seiner Distanz gegenüber dem Katholizismus nicht ab. Erst im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils, das er ausdrücklich als ein ‚Reformkonzil‘ bezeichnete und als solches begrüßte, begann er, seine Meinung deutlich zu differenzieren, vielleicht sogar zu revidieren.9 Von besonderer Bedeutung schien ihm die Offenbarungskonstitution ‚Dei Verbum‘ zu sein, weil sie die Heilige Schrift deutlich aufwer6
Vgl. Kap. 3. Vgl. Kap. 6. 8 Vgl. Kap. 8–11. 9 Vgl. Karl Barth: Ad Limina Apostolorum. Zürich: EVZ-Verlag, 1967, 23, 59; Ders.: Kirche in Erneuerung. In: Ders. / Hans Urs von Balthasar: Einheit und Erneuerung der Kirche. Freiburg/Schweiz: Paulusverlag, 1968 (ÖBFZPhTh 2), 9–18, hier: 13. Zu Barths RomReise im September 1966 sowie seiner Sicht des Konzils vgl. Santiago Madrigal: K. Barth, A las puertas de San Pedro. In: Ders.: Memoria del Concilio. Diez evocaciones del Vaticano II. Madrid: Desclée de Brouwer, 2005 (Biblioteca de teología Comillas; 13), 277–296. 7
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tete.10 Hatte das Erste Vatikanische Konzil noch die natürliche Theologie herausgestellt, wurde nun die in der Bibel bezeugte geschichtliche Offenbarung Gottes ins Zentrum gerückt. Damit bringt das Konzil im übrigen nur ins Wort, was in der katholischen Theologie zuvor bereits gedacht wurde. Auf diesen Aspekt gilt es nun einzugehen.
Die katholische Theologie und Karl Barth Der Neuscholastik, die im 19. Jahrhundert nicht ohne Zutun des kirchlichen Lehramts praktisch zur einzigen Richtung der katholischen Theologie avancierte, lag eine zeitenthobene Metaphysik zugrunde.11 Wenn auf eine philosophia perennis rekurriert wurde, dann weil das moderne Geschichtsbewußtsein Geltungsansprüche im Kontext ihrer Genese begreift und so ihre Unbedingtheit relativiert, und das schien dem Glauben nicht zuträglich.12 Aber je deutlicher die geschichtliche Bedingtheit der Neuscholastik selbst in den Blick geriet, desto weniger vermochte sie ihre Monopolstellung zu halten. War sie in den Jahren vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil ohnehin schon in verschiedene Richtungen zersplittert, verschwand sie in dessen Gefolge dann sang- und klanglos.13 Die nun favorisierte geschichtliche Orientierung stürzte die katholi10
Vgl. Barth (1967), 58 f. Vgl. Emerich Coreth u. a. (Hrsg.): Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts. Bd. 2. Graz u. a.: Styria, 1988. 12 Vgl. Gerald McCool: Catholic Theology in the Nineteenth Century. The Quest for a Unitary Method. New York: Seabury, 1977 (A Crossroad Book); Georg Essen: ‚es wackelt alles!‘ Modernes Geschichtsbewusstsein als Krisis katholischer Theologie im 19. und 20. Jahrhundert. In: CrSt 22 (2001), 565–604. 13 Vgl. Gerald McCool: From Unity to Pluralism. The Internal Evolution of Thomism. New York: Fordham University Press, 1989, 2: „By the middle of the century, through its own internal development, the unitary system of the nineteenth-century Neo-Scholastics had fragmented into a plurality of opposing philosophies. On the basis of their own historical research and of their application of St. Thomas’s epistemology and metaphysics to contemporary problems, a number of Thomists explicitly abandoned the Scholastic theology of grace and nature which the nineteenth-century Neo-Scholastics had strenuously defended. There were Thomists too who called into question the ability of St. Thomas’ Aristotelian science of theology to serve as the authentic mediator of the Church’s historical tradition. On the basis of St. Thomas’s own epistemology and metaphysics, these Thomists went so far as to defend the legitimacy of pluralism in philosophy and theology. When their fellow-Thomists disagreed with them, the result was a violent dispute within the school which, in effect, brought the Neo-Thomist movement to an end.“ Welche inner- und außertheologischen Faktoren bei der Ablösung der Neuscholastik eine Rolle spielten, erläutert Michel Fourcade: Thomisme et antithomisme à l’heure de Vatican II. In: RT 108 (2008), 301–325. Auf die Bedeutung der Kategorien Geschichtlichkeit bzw. Temporalität für die Interpretation des Konzils weisen hin Nicholas Lash: What Happened at Vatican II? In: Ders.: Theology for Pilgrims. Notre Dame, IN: University of Notre Dame Press, 2008, 240–248 und Stephen Schloesser: Against Forgetting: Memory, History, Vatican II. In: David G. Schultenover (Hrsg.): Vatican II. Did Anything Happen? New York / London: Continuum, 2008, 92–152. 11
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sche Theologie allerdings in eine Grundlagenkrise, an der sie seither laboriert.14 Das Fach befindet sich bis heute in einer Phase der Rekonstruktion, deren Ergebnis völlig offen ist.15 Die Zeit, die in dieser Studie in den Blick genommen wurde, stellt insofern eine Phase des Übergangs dar. Waren die allermeisten Theologen noch von der Neuscholastik geprägt, weshalb ihnen Barths so gänzlich anders gelagertes Denken fremd blieb, nahmen es einige wenige nicht bloß wahr, sondern machten es sich auch zu eigen. In diesem Zusammenhang sind vor allem Gottlieb Söhngen und Hans Urs von Balthasar zu nennen, die aus der Beschäftigung mit der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ Impulse für eine Theologie aufnahmen, die nicht auf einer zeitenthobenen Metaphysik aufruhte.16 Der heilsgeschichtliche bzw. christozentrische Ansatz, den sie propagierten, sollte für die katholische Dogmatik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts prägend werden. Es ist deshalb keine Übertreibung, die katholische Barth-Rezeption als einen Anstoß der Erneuerung der katholischen Theologie im Vorfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils zu verstehen. Anzumerken ist aber auch, daß theologische Grenzgänger wie Anselm Stolz und Erich Przywara, die sich einer einfachen Kategorisierung entziehen, aus dem Rahmen fallen. Obwohl sie der Neuscholastik distanziert gegenüberstanden, konnten sie mit Barth nur sehr bedingt etwas anfangen.17 Ob und inwieweit das Denken Barths auf einzelne Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils Einfluß hatte, bedarf weiterer Forschung. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Kirchenkonstitution ‚Lumen Gentium‘.18 Es wäre überhaupt wert, die in der Versöhnungslehre der ‚Kirchlichen Dogmatik‘ ausge14 Vgl. Gianfranco Coffele: Storia della teologia. In: Giacomo Canobbio / Piero Coda (Hrsg.): La Teologia del XX secolo. Un bilancio. Bd. 1. Rom: Città Nuova, 2003, 249–325; John M. McDermott: The Path and Progress of Twentieth-Century Catholic Theology. In: Josephinum Journal of Theology 15 (2008), 11–42. 15 Weiterhin gilt die Feststellung von Bernard Lonergan: Method in Theology. London: Darton, Longman & Todd, 1972, 281: „The era dominated by Scholasticism has ended. Catholic theology is being reconstructed.“ Bemerkenswert ist außerdem die Einschätzung von Bernhard Welte: Geschichtlichkeit und Offenbarung [1967/1968]. Frankfurt a. M.: Knecht, 1993, 24: „Der Durchbruch der Geschichtlichkeit der Geschichte im Denken hat alles geistige Leben in neue Bewegung gebracht und in neue Fragen geworfen, und noch werden wir nicht alle lösen können. Aber es ist uns nicht mehr erlaubt, uns ihnen nicht zu stellen.“ Kritisch gegenüber der in der katholischen Theologie seither feststellbaren Tendenz zur Historisierung äußert sich unlängst jedoch Neil Ormerod: What is the Goal of Systematic Theology? In: IThQ 74 (2009), 38–52. 16 Vgl. Kap. 6.6 bzw. Kap. 7–11. 17 Vgl. Kap. 4.3 bzw. Kap. 1.4, Kap. 5.2, Kap. 6.7. 18 Wichtig sind die Hinweise von John Yoccum: What’s Interesting about Karl Barth? Barth as Polemical and Descreptive Theologian. In: IJST 4 (2002), 29–44. Yoccum stellt (ebd., 38) mit Blick auf ‚Lumen Gentium‘ (sowie ‚Dei Verbum‘) fest: „It would be far to simplistic to ascribe these developments to Barth’s impact, but some of the key figures in twentieth century Catholic theology – von Balthasar, Congar, Daniélou, Rahner, to mention some of the most important – acknowledge a large debt to Barth.“
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führte Ekklesiologie mit derjenigen des Konzils zu vergleichen. Gerade die jeweilige Bestimmung des Verhältnisses Jesu Christi zur Kirche könnte interessante Perspektiven eröffnen, etwa was die oftmals unterschätzte Leistungsfähigkeit der Leib Christi-Metapher betrifft.19 Eine solche systematische Studie würde ferner wohl zeigen, wie anregend die Auseinandersetzung mit Barth ist, selbst wenn man ihm nicht in allen Punkten folgen mag. Ganz ähnlich ist die Rezeption seines Denkens in der katholischen Theologie seit den zwanziger Jahren ja verlaufen. Zwar wurde Barths Werk auch nach dem hier in den Blick genommenen Zeitraum auf katholischer Seite intensiv studiert, und das ist bis in die unmittelbare Gegenwart so geblieben. Allerdings hat sich der Kontext wesentlich verändert, geht es doch nicht mehr um die Erneuerung der katholischen Theologie angesichts der Erstarrungen der Neuscholastik, sondern um deren Rekonstruktion angesichts des modernen Problembewußtseins und der postmodernen Beliebigkeit. Aus ganz verschiedenen Gründen bietet sich Barth als ein Gesprächspartner hierbei an, nicht zuletzt deshalb, weil er die Theologie gerade in diesem Kontext zu ihrer ureigenen Sache ruft: „Gibt es nicht gerade im wissenschaftlichen Betrieb eine Menge von sogenannter Arbeit, zum Beispiel die in des Menschen besten Jahren an die Examina um der Examina willen verwandte, oder die Arbeit an jenem Paternosterwerk, in welchem ein Strom von Dissertationen jahraus, jahrein aus den Schächten der Bibliotheken heraufsteigt, um (öfters für immer) eben dahin zurückzukehren – und gibt es nicht auch sonst so viel sogenannte Produktion literarischer Art, angesichts derer es zwar klar ist, daß da wieder einer leben, es zu etwas bringen und zu diesem Zweck etwas unternehmen will, aber ebenso unklar, was dabei nun eigentlich für die Sache des Menschen getan sein möchte?“20
19 Nach KD IV/1 (1953), 738–746 ist die als Leib Christi verstandene Gemeinde die irdisch-geschichtliche Existenzform Jesu Christi. In ‚Lumen Gentium‘ (DH 4112–4118) wird die Leib Christi-Metapher ebenso verwendet wie in ‚Unitatis redintegratio‘ (DH 4190). 20 KD III/4 (1951), 609.
Bibliographie Abkürzungen Sämtliche Abkürzungen und Siglen sind entnommen Siegfried Schwertner (Bearb.): Theologische Realenzyklopädie. Abkürzungsverzeichnis. Berlin / New York: Walter de Gruyter, 21994. Hinzu kommt noch IJST für das International Journal of Systematic Theology. Oxford u. a.: Blackwell. Mit Erlaubnis der Nachlaßkommission wurden ungedruckte Quellen im Karl BarthArchiv (Basel) eingesehen. Diese werden mit dem Kürzel KBA unter Angabe der archivinternen Katalogisierungsnummern zitiert. Für Werke Barths sowie die Bände der Karl Barth-Gesamtausgabe werden teilweise eigene Sigel verwendet, wie im nächsten Abschnitt aufgeschlüsselt.
Werke von Karl Barth einschließlich der Gesamtausgabe Verwendet werden folgende Siglen: RB (1922): Der Römerbrief. München: Kaiser, 1922. CD (1927): Die christliche Dogmatik im Entwurf. Bd. 1. München: Kaiser, 1927. KD: Die Kirchliche Dogmatik. 4 Bde. in 13 Teil-Bden. München u. a.: Kaiser u. a., 1932– 1967. KBGA (1974): Eduard Thurneysen (Hrsg.): Karl Barth – Eduard Thurneysen. Briefwechsel. Bd. 2. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 1974 (Gesamtausgabe V. Briefe). KBGA (1994): Hermann Schmidt (Hrsg.): Karl Barth. Vorträge und kleinere Arbeiten 1925–1930. Zürich: Theologischer Verlag Zürich (Gesamtausgabe III. Vorträge und kleinere Arbeiten). KBGA (1997): Eberhard Busch (Hrsg.): Karl Barth. Gespräche 1964–1968. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 1997 (Gesamtausgabe IV. Gespräche). KBGA (2000): Caren Algner (Hrsg.): Karl Barth – Eduard Thurneysen. Briefwechsel. Bd. 3. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 2000 (Gesamtausgabe V. Briefe). KBGA (2008): Rolf-Joachim Erler (Hrsg.): Karl Barth – Charlotte von Kirschbaum. Briefwechsel. Bd. 1. Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 2008 (Gesamtausgabe V. Briefe).
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Personenregister Adam, Karl 22–30, 108, 202 Anm. 70 Allers, Rudolf 71–74, 78 Althaus, Paul 42, 140 Anm. 14 Anselm von Canterbury 70–79, 197 Anm. 48 Augustinus 19 f., 55, 60 Anm. 38, 61 f., 64, 77, 103, 123, 162 Bajus, Michael 160, 180, 187, 195 Balthasar, Hans Urs von 7 f., 70 Anm. 4, 71 Anm. 5, 90 Anm. 64, 91, 128, 134, 137– 223, 227 Bange, Wilhelm 119 Anm. 115 Bartmann, Bernhard 72 Anm. 8, 91, 92 Anm. 71, 94 f. Anm. 6, 99, 101–104, 119, 131, 137, 183 Bauhofer, Oskar 95 f., 107 f., 133, 202 Anm. 70 Baur, Ferdinand Christian 66 Böminghaus, Ernst 54 Bonaventura 123 Bouillard, Henri 212 f. Brinktrine, Johannes 75 Brunner, Emil 5, 37 Anm. 30, 42, 50, 109 Anm. 68, 112 f., 115, 120 Anm. 117, 121, 124 Anm. 140, 132 f., 202, 206 Bultmann, Rudolf 5, 154, 212 Calvin, Johannes 5, 24 Chenu, Marie-Dominique 168 Cohen, Hermann 47 Anm. 89 Congar, Yves 68 Anm. 84, 203 Anm. 76, 227 Anm. 18 Daniélou, Jean 7, 227 Anm. 18 Descartes, René 73 Diekamp, Franz 72 Anm. 8, 91, 92 Anm. 71, 94 f. Anm. 6, 95 Anm. 7, 102 Dostojewskij, Fjodor Michailowitsch 148 Engert, Joseph 13–18, 20, 28 f. Eschweiler, Karl 53 Anm. 3 Fehr, Jakob 90 Anm. 59, 99, 106–117, 123
Feiner, Johannes 191 Feuling, Daniel 99, 104–107, 119, 123, 131 Fichte, Johann Gottlieb 146 f., 219 Anm. 15 Frei, Hans W. 208–210 Garrigou-Lagrange, Réginald 217 f. Geiselmann, Josef Rupert 26–30 Gierens, Michael 32–36, 38, 48 f. Gilson, Étienne 76 Goethe, Johann Wolfgang von 219 Gogarten, Friedrich 5, 12, 19, 37 Anm. 30 Grosche, Robert 52–69, 80 f., 87, 89 f., 119, 121 Anm. 123, 129–131, 191 Gregor der Große 77 Gutwenger, Engelbert 192 Haecker, Theodor 133 f. Hamann, Johann Georg 219 Hamer, Jérôme 203 Harnack, Adolf von 5, 19, 54, 130 Anm. 174 Hasenkamp, Gottfried 53 f., 64, 67 Hegel, Georg Friedrich Wilhelm 35 Anm. 24, 42, 146, 157 Anm. 89, 164 f., 173–175, 193, 197, 202 Anm. 71, 204–207, 221 Heidegger, Martin 18, 104, 148 Heiler, Friedrich 6, 15, 20, 65 f. Heim, Karl 25 f. Heinrich, Johann Baptist 184 Hurter, Hugo von 102 Husserl, Edmund 104 Jaeger, Lorenz 69 Johannes XXIII. 4 Kant, Immanuel 32, 33 Anm. 11, 37, 45, 46 Anm. 84, 48, 73, 219 Anm. 15 Keller, Hermann 75 Anm. 29 Kierkegaard, Sören 5 f., 9 Anm. 3, 35 Anm. 24, 141, 146 Kirschbaum, Charlotte von 126 Kolping, Adolf 77 f. Koster, Mannes 119 Anm. 115
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Personenregister
Küng, Hans 212–214 Leibniz, Gottfried Wilhelm 141 Lercher, Ludwig 183 Lubac, Henri de 8, 164, 186–188, 191 f., 195 Luther, Martin 5, 21, 24, 37, 46 Anm. 84, 63 Anm. 59, 88 Anm. 49, 93 Anm. 2, 121, 213 McCormack, Bruce 207–211 Menge, Gisbert 64 Anm. 67, 67 Anm. 77 Merz, Georg 5 Möhler, Johann Adam 55, 65–67 Muckermann, Friedrich 82 Newman, John Henry 104 Nietzsche, Friedrich 141, 146 f., 148, 151, 156 Nossen, Annemarie 54 Peterson, Erik 56 Anm. 21, 75 Anm. 27, 95 f., 114 Anm. 95 Pius IX. 3 Pius X. 24 Anm. 75 Pius XII. 3, 188 Pohle, Joseph 183 Pribilla, Max 131 Przywara, Erich 18–23, 26–30, 38 Anm. 41, 47 Anm. 89, 78 Anm. 46, 80–86, 90–92, 94 f., 120, 124–129, 131, 163, 168, 170, 176 f., 182, 227 Rahner, Karl 32 f., 38–43, 48–50, 167, 182, 184 f., 191 f., 219 Anm. 15, 227 Anm. 18 Ries, Johannes 30 Anm. 99 Rilke, Rainer Maria 148 Rintelen, Friedrich Maria 32, 36–38, 48–50
Ripalda, Juan Martínez de 184 Ritschl, Albrecht 42 Anm. 62, 50 Anm. 107 Rosenmöller, Bernhard 52–56, 67 f. Scheeben, Matthias Joseph 55, 102 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 151 Schleiermacher, Friedrich 1, 23, 34, 37, 42 Anm. 62, 48, 50 Anm. 107, 58, 95, 99 Anm. 26, 198, 222 Schmitt, Franciscus Salesius 71–74, 77 Anm. 43, 78 Söhngen, Gottlieb 117–123, 128, 227 Stählin, Wilhelm 69 Stein, Edith 104 Steinbüchel, Theodor 52 f. Stolz, Anselm 71, 74–78, 92 Anm. 71, 227 ten Hompel, Max 64, 67 Thomas von Aquin 7, 55 Anm. 18, 61 Anm. 43, 73, 86 f., 94 Anm. 5, 103, 110 f., 114, 117, 128 Anm. 169, 168, 181 f., 195– 197, 200 Anm. 61, 226 Anm. 13 Thurneysen, Eduard 5, 18 f., 37 Anm. 30, 52 f., 55, 57 Anm. 25, 85, 108 f., 126 Tillich, Paul 82 f. Anm. 12 Torrance, Thomas F. 208–210 Troeltsch, Ernst 5, 19, 140 Anm. 14 Volk, Hermann 30 Anm. 99, 32 f., 43–49, 202 Anm. 70, 212 Anm. 118 Weisweiler, Heinrich 73 f., 99–101, 131 Winzen, Damasus 69 Anm. 87, 80 f., 86–90, 92 Anm. 71, 133 Anm. 185 Wittig, Joseph 10–13, 21, 28 Wobbermin, Georg 95 f.
Sachregister analogia entis 6, 22, 25, 84–86, 90–136, 153, 163, 166, 168, 170–173, 176 f., 180 f., 193, 202, 203 Anm. 76, 225 analogia fi dei 93, 95 Anm. 7, 98, 101, 106, 112, 115 Anm. 96, 119–121, 123, 127 f., 136, 171, 176 ‚Christliche Dogmatik‘ 36, 81, 89–91, 102 Anm. 35 christologische Engführung 199 f., 215 christologische Konzentration / Christozentrik 151–153, 155 f., 189–191, 200 f., 205 f, 215 f., 225, 227 Denzinger 84, 90, 92 Anm. 71 Dialektische Theologie 5 f., 9–51, 56–64, 69, 87, 107–117, 141–144, 154 f., 173–175, 207–211, 224 f. ‚Fides quaerens intellectum‘ 70–79, 205 f., 208, 224 Gegenreformation 161, 179, 221 f. Gnadenlehre 8, 16, 54, 61–63, 160, 162–164, 169, 178–185, 187 f., 195, 201, 206, 213 f. Heilsgeschichte 40, 117–123, 167 Anm. 5, 200, 227 Historismus 5, 14 f., 17 f., 28, 58, 110 Anm. 70, 114 Idealismus 5, 28, 31, 35 f., 38, 45 f., 48, 141, 144, 146 f., 174, 198–200, 201 Anm. 66 ‚Kirchliche Dogmatik‘ 1, 6–8, 38, 50 Anm. 107, 51, 71, 80 f., 86, 88, 90 f., 93– 136, 154, 159, 161–163, 166–168, 171–174, 177, 180, 185, 188–190, 197–207, 209, 215, 219–228
Liberale Theologie / Neuprotestantismus 1, 4–6, 13, 19 f., 23 f., 28, 34, 42, 44, 48 f., 55, 58–60, 69, 80 f., 96–98, 100, 105, 109 f., 114, 117 Anm. 106, 120, 127, 132, 154, 176, 204, 208 f., 222, 225 Modernismus / Antimodernismus 11, 24 Anm. 75, 55, 73, 99 Anm. 26 natura pura 160, 179 f., 187 f. Neukantianismus 47 Neuscholastik / Neuthomismus 3 f., 7 f. 31, 58 f., 71–74, 78 f., 98 f., 105, 107 f., 117 f., 123, 132, 135, 159 f., 166–169, 176, 178–181, 184 f., 193–201, 217 f., 221–223, 226–228 Nouvelle Théologie 7 f., 185–188, 192, 194, 212 Ökumene / interkonfessionelles Gespräch 29, 52, 57–59, 64–69, 80, 170 f., 193, 213 f., 221 f. potentia oboedientialis 25, 153, 181–183 ‚Römerbrief ‘ 1, 5, 9–30, 35–38, 44, 47 Anm. 89, 50, 59, 81, 137, 142, 149, 151, 153, 173–176, 180, 203 f., 206 f., 209, 224 ‚unendlicher qualitativer Unterschied‘ 9, 23 f., 27, 30 Anm. 99, 35–38, 44 f., 48, 50, 175 Anm. 36, 203 f., 224 Vaticanum I 73, 86, 101, 103, 107, 178, 200 Anm. 61, 226 Vaticanum II 3 f., 52, 68, 157 f., 218, 221, 225–228