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German Pages 584 Year 2018
Carl Schmitt Tagebücher 1925 bis 1929
Herausgegeben von Martin Tielke und Gerd Giesler
Duncker & Humblot · Berlin
Carl Schmitt Tagebücher 1925 bis 1929
Carl Schmitt Tagebücher 1925 bis 1929
Herausgegeben von Martin Tielke und Gerd Giesler
Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten © 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: Druckteam, Berlin Printed in Germany ISBN 978-3-428-15296-4 (Print) ISBN 978-3-428-55296-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-85296-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de
Editorisches Vorwort Mit vorliegender Veröffentlichung ist die Reihe der frühen Tagebücher Carl Schmitts von 1912 bis 1934 geschlossen; zur Geschichte des gesamten Unternehmens s. S. XXXV ff. Die autographe Vorlage des hier gedruckten Textes liegt im Nachlass Schmitts im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland in Duisburg unter den Signaturen RW 0265 Nr. 19585, 19598, 20498, 21673 und 21638. Die beiden Paralleltagebücher findet sich unter RW 0265 Nr. 19604 und 19606. Wie die anderen Tagebücher ist auch dieses in Gabelsberger Stenographie geschrieben, die von dem 2013 verstorbenen Hans Gebhardt noch in Klarschrift übertragen worden ist. Kleine Stellen, die Gebhardt ausließ, haben Andreas Kloner und Philipp Gahn übertragen. Das Tagebuch ist mit schwarzer Tinte geschrieben, gelegentlich finden sich Einträge mit Bleistift, die wahrscheinlich aus späterer Zeit stammen. Insgesamt ist die Quelle gut erhalten, sie hat allerdings zwischen dem 20. Oktober 1928 und dem 16. April 1929 kleinere, durch Einrisse bedingte Textlücken. Schmitt führte sein Journal als Chronik des gewesenen Tages, in der im Telegrammstil und in Kurzschrift dessen Ablauf knapp festgehalten ist. Die Folge der täglichen Einträge ist nicht lückenlos durchgehalten. Das Tagebuch des Jahres 1924 endet am 8. Dezember. Ab Ostern 1925 gibt es vereinzelte knappe Notizen, und erst mit dem 14. August 1925 beginnen die regelmäßigen Tageseinträge, die, mit Unterbrechungen während der Verlobungsreise nach „Illyrien“ vom 19. August bis zum 25. September sowie einer dreiwöchigen Pause im Oktober, bis zum 9. März 1926 fortgeführt sind. Darauf folgt erneut eine längere Pause bis zum 27. Juli, ab wann die Einträge bis zum 6. Dezember im täglichen Rhythmus weitergehen. Am 21. Januar 1927 wird die tägliche Eintragung wieder aufgenommen, um bis zum 11. April 1928 lückenlos beibehalten zu werden. Dann bricht das Tagebuch erneut ab, um erst am 16. Oktober wieder einzusetzen. Bis zum 4. August 1929 ist jetzt die Tagesfolge durchgehalten. Der Rest des Jahres 1929 ist nicht protokolliert. Schmitts oft nur sehr flüchtig, zuweilen mit blassem Bleistift hingeworfene Schrift ist auch für den erfahrenen Spezialisten nicht immer lesbar, was besonders für Seiten aus den Paralleltagebüchern gilt. Diese Stellen sind mit drei Punkten in spitzen Winkelklammern markiert. Wenn es mehr als ein Wort ist, ist das in eckigen Klammern vermerkt. Unsichere Lesungen sind ebenfalls mit spitzen Klammern deutlich gemacht. Die im Tagebuch erwähnten Briefe sind nach Möglichkeit nachgewiesen. Der Nachlass Carl Schmitts enthält fast 20 000 Briefe an ihn, eine ungewöhnlich hohe Zahl. Und dennoch: ein großer Teil der Briefe, die Schmitt laut Tagebuch im vorliegenden Zeitraum erhielt, ist in seinem Nachlass – und nicht zu vernachlässigen: ebenso im Nachlass von Piet Tommissen – nicht erhalten. Carl Schmitt hat sein Tagebuch ausschließlich für sich selbst im Telegrammstil abgefasst. Das bedeutet, dass dem Leser vieles unverständlich bleibt und vom Herausgeber kommentiert werden muss. Dieser Kommentar ist, wie schon in den anderen Tagebuch-Bänden, knapp gehalten, will aber, wo es um Werkzusammenhänge bzw. -genese geht, auf Dinge
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Editorisches Vorwort
hinweisen, die in der Schmitt-Forschung bislang so nicht bekannt waren. Die vielen im Tagebuch genannten Personen und Lokalitäten sind nur bei ihrer erstmaligen Erwähnung annotiert. Folgende Archive und Bibliotheken wurden dankbar benutzt: Staatsbibliothek Berlin, Universitätsarchiv Bonn, Archiv der Jur. Fak. der Univ. Bonn, Univ.- und Landesbibliothek Bonn, Stadtarchiv Bonn, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin, Landesarchiv Berlin, Archiv der Handelshochschule Berlin im Universitätsarchiv der HU Berlin, Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Berlin, Dompfarramt St. Hedwig Berlin, Botschaft von Finnland Berlin, Universitätsarchiv Frankfurt a. M., Stadtarchiv Braunschweig, Stadtarchiv Königswinter, Stadtarchiv Mühlheim a. d. Ruhr, Stadt- und Vestisches Archiv Recklinghausen, Archive du Cercle d’Études Jacques et Raïssa Maritain Kolbsheim, Archiv der Benediktinerabtei Maria Laach, Fliedner-Kulturstiftung Kaiserswerth, Museum Burg Altena, Landschaftsbibliothek Aurich. Von den zahlreichen Personen, die den Herausgebern mit Auskunft zur Seite standen, sind zwei hervorzuheben: zunächst Barbara Nichtweiß, Kennerin und Herausgeberin des Werkes von Erik Peterson. Das vorliegende Tagebuch reflektiert für die Bonner Zeit ein ständiges intensives Gespräch mit Peterson, dessen Inhalt, wenn er denn überhaupt genannt ist, oft nur kryptisch angedeutet wird. Die Entschlüsselung dieser Stellen und die verborgenen Abhängigkeiten Schmitts von Erik Peterson durch entsprechende Nachweise aus dessen Werk zu belegen, wäre ohne Barbara Nichtweiß kaum möglich gewesen. Zweitens muss Carl Erich Kesper besonders genannt sein. Er hat als Leiter der Bibliothek des Juristischen Seminars der Universität Bonn zahlreiche Auskünfte aus den Quellen der Bonner Universität geben können. Des weiteren sind zu nennen: Gabriele Berthel, Thomas Breitfeld, Hubertus Buchstein, Annett Büttner, Tuuli Elomäki, Katja Engel, Wolfgang Fietkau, Joseph Fischer, Michel Fourcade, Philipp Gahn, Tim Glander, Lydia Hamann-Reintgen, Britta Hemme, Claudia Hilse, Ernst Hüsmert, Lorenz Jäger, Gerhard Keiper, Andreas Kloner, Matthias Kordes, Daniel Laagland, Holger Lüders, Michael Maaser, Florian Meinel, Petrus Nowack, Martin Otto, Giuseppe Perconte Licatese, Angela Reinthal, Jens Roepstorff, Birgit Schaper, Mathias Schmoeckel, Patrick Schnell, Wolfgang Schuller, Wolfgang Hariolf Spindler, Ellen Thümmler, Christian Tilitzki, Auste Wolff, Johannes Ziegler. Last but not least sei das Nordrhein-westfälische Landesarchiv, Abteilung Rheinland, in Duisburg besonders genannt, das den Nachlass Schmitts hütet. Bei dessen Benutzung standen Matthias Meusch und Emmy Julia Rains den Herausgebern stets mit freundlicher Hilfsbereitschaft zur Verfügung, und Sabine Eibl hat aus den Quellen des Oberlandesgerichts Köln detaillierte Auskünfte zu Schmitts dortiger Tätigkeit gegeben. Für die Genehmigung der Benutzung und Veröffentlichung dieser Tagebücher ist dem Nachlassverwalter Schmitts, Jürgen Becker, zu danken. Für die finanzielle Förderung bei der Transkription aus der Gabelsberger Stenographie danken wir besonders Michele Nicoletti, Università di Trento, und Francesco Ghia für eine erste Manuskriptbearbeitung. Der Verlag Duncker & Humblot, der das Werk Carl Schmitts in vorbildlicher Weise pflegt, hat das auch bei diesem Buch getan; dem Verlagsleiter Florian Simon sowie Heike Frank für die drucktechnische Betreuung sei herzlich gedankt. Schließlich sind Herausgeber und Verlag der Gerda Henkel Stiftung für einen erneut gewährten Druckkostenzuschuss dankbar. Aurich und Berlin, im Herbst 2017 Martin Tielke und Gerd Giesler
Inhaltsverzeichnis Editorisches Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Rückblick auf die Editionsarbeit an den fünf Bänden Tagebücher Carl Schmitts aus den Jahren 1912 bis 1934 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X XXV TAGEBÜCHER 1925 –1929 Tagebuch 1925 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Tagebuch 1926 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Tagebuch 1927 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Tagebuch 1928 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Tagebuch 1929 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 PARALLELTAGEBÜCHER 1. Paralleltagebuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 2. Paralleltagebuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 ANHANG Briefe, Dokumente und Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 Abbildungs- und Quellennachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525
Einführung Von Martin Tielke Zu Beginn dieser Aufzeichnungen 1925 ist Carl Schmitt in Bonn fest etabliert und bekleidet eine angesehene Professur. Die rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität war eine der renommiertesten im Deutschen Reich. An ihr Professor zu sein, war fast so ehrenvoll wie eine Professur an der gleichnamigen Berliner Universität. Der Ruf der Bonner Universität zeigt sich daran, dass sie traditionell die Ausbildungsstätte der Kaisersöhne und des Hochadels war, was auch noch in der Republik galt. Prinz Wilhelm von Preußen, der älteste Sohn des deutschen Kronprinzen Wilhelm und Enkel Kaiser Wilhelms II., begann hier 1925 sein Jurastudium, und Schmitt – alles andere als ein Monarchist – erwartete ihn am 25. November aufgeregt, doch vergeblich in seinem Seminar. Das Leben im Rheinland litt nach dem verlorenen Weltkrieg unter der britischen und französischen Besatzung, was sich jedoch in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre normalisierte; vor allem, als die Franzosen sich im Januar 1926 aus der Kölner Zone, zu der Bonn gehörte, zurückzogen. Wie die große Mehrheit begrüßte auch Schmitt das und nahm an der Befreiungsfeier teil. Die Zugehörigkeit des linksrheinischen Gebietes zu Deutschland stand für ihn außer Frage, was er im April 1925 mit seinem Vortrag „Die Rheinlande als Objekt internationaler Politik“ auf der Jahrtausendfeier der rheinischen Zentrumspartei wirkungsvoll unterstrich. Als er am 6. August 1926 mit Erik Peterson in das Café Rittershaus gehen wollte und sah, dass dort die Flagge der separatistischen, Frankreich-freundlichen „Rheinischen Republik“ gehisst war, kehrte er um. Bei allen frankophilen Neigungen, die er in hohem Maße hatte, war ihm nationales Empfinden selbstverständlich. „Kirchheimer mangelt jedes Nationalgefühl, grauenhaft“, notiert Schmitt am 25. Februar 1928 über einen seiner Lieblingsschüler. Unter den Professoren der Bonner Universität war Carl Schmitt ein Star. Nicht nur Studenten füllten seine Vorlesungen, auch Bonner Bürger kamen regelmäßig, um ihn zu hören. Nach zahlreichen Zeugnissen war Schmitt ein charismatischer Lehrer, der problemlos eine zweistündige Vorlesung frei halten konnte. Ob er ein Manuskript hatte oder nicht, war egal: „5–7 Völkerrecht, es ging ebenfalls ganz gut (obwohl ich mein Manuskript verloren hatte)“ (28.5.29). Ein Lehrer, der sich derart souverän vom Text unabhängig zeigt, zieht die Studenten an. Als Schmitt im Wintersemester 1925 / 26 mit seiner Vorlesung zum Völkerrecht beginnt, ist der Hörsaal „überfüllt“ (10.11.25). „Ich habe in jedem Semester 5–600 Hörer“, schreibt er stolz an seinen Verleger Feuchtwanger.1 Auch im Wintersemester 1926 / 27 kann er notieren: „Vorlesung mit ungeheurem Erfolg“ (5.11.26), so dass er in einen größeren Hörsaal wechseln muss; eine Woche später wird die Vorlesung „immer voller“ (11.11.26). Selbst die Übung zum Verwaltungsrecht muss er in einem großen Hörsaal abhalten (4.11.26).
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BW Feuchtwanger, S. 146.
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Martin Tielke
Bei den Vorlesungen, die er zur Fortbildung der Beamten in Koblenz hält, war zwar der Adressatenkreis kleiner, der Andrang aber im Prinzip der gleiche; hier ist am 16. Dezember 1927 von 300 Hörern die Rede. Und auch nachdem er an die Handelshochschule in Berlin gewechselt ist, kann er berichten: „Vorlesung Staatsrecht, überfüllter Hörsaal, das tat mir gut“ (8.11.28). Die großen Hörerzahlen, die Schmitt hatte, sollten allerdings nicht den Eindruck erwecken, als handele es sich im Bonn der zwanziger Jahre bereits um jene Massenuniversität, wie sie sich in der zweiten Jahrhunderthälfte herausbildete. Die Universität Bonn hatte unter den Folgen des Weltkriegs besonders zu leiden. Die französische Besatzung schreckte die Studenten ab, und so blieben in den ersten Nachkriegsjahren die Studentenzahlen zunächst niedrig. Noch im Wintersemester 1923 / 24 hatte die Bonner Universität gerade einmal 2 977 Studierende, darunter 336 Frauen.2 Auffällig ist der starke Anteil der Juristen. Im Sommersemester 1926 zählte die Universität 3 921 Studierende, wovon 1 144 (1 103 Männer und 41 Frauen) in der juristischen Fakultät eingeschrieben waren.3 Die Zahlen gingen nach Ende der Besatzung schnell in die Höhe: Im Sommersemester 1928 konnten bereits 5 726 Studenten gemeldet werden, davon 593 Studentinnen.4 Neben seiner Lehr- und Prüftätigkeit an der Universität und bei der Fortbildung der Beamten in Koblenz sowie der Examinierung der Referendare am Oberlandesgericht Köln war Schmitt als Vortragsredner gefragt; nicht nur im wissenschaftlichen Kontext, sondern ebenso von Seiten der Politik wie der Wirtschaft. Und auch als Gutachter gewann er wachsende Reputation. Ende 1925 fragte die Vereinigung der Deutschen Hofkammern, die Interessenvertretung des hohen deutschen Adels, bei ihm an, ob er in der politisch stark umstrittenen Frage der Fürstenenteignung ein Gutachten machen wolle. Schmitt sagte zu, schrieb dieses Gutachten in zwei Tagen nieder und war unsicher, was er als Honorar verlangen konnte; die 7 500 Mark, die dann überwiesen wurden, empfand er als „großartig“ und als „Glücksfall“ (28.1.26). Der Glücksfall sollte schon bald Routine werden, denn es war der Beginn einer Gutachtertätigkeit, die Schmitts Einkünfte deutlich aufbesserte. In den Verhören durch Robert Kempner in Nürnberg 1947 gab er an, dass er vor 1933 durch gutachterliche Tätigkeit jährliche Einkünfte von 10–15 000 Mark gehabt habe.5 Nach der Volkszählung vom 31. Dezember 1926 hatte die Stadt Bonn 91 505 Einwohner, war also eine überschaubare mittlere Stadt. Ihren Mittelpunkt bildete die Universität, auf die sich das Leben mehr oder weniger ausrichtete. Das war ein begrenzter Horizont. Carl Schmitt suchte ihn durch häufiges Reisen zu erweitern. Erstmals erscheint in diesem Tagebuch das Zitat aus dem Anfang der Odyssee, das Odysseus als einen Mann vorstellt, der „vieler Menschen Städte sah und ihr Denken kennen lernte“: καὶ νόον ἔγνω. Schmitt zitiert das, als er am 7. Februar 1929 Unter den Linden in Berlin die vielen Passanten sah, und es
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Chronik 1923 / 24, 49 (N.F. 38), S. 43. Die Universitätschronik schlüsselt die Zahl der eingeschriebenen Studenten nicht nach Fächern auf; ich verdanke die Zahl der Jurastudenten Carl Erich Kesper, Univ. Bonn. Chronik 1927 / 28, 53 (N.F. 42), S. 28. Carl Schmitt, Antworten in Nürnberg. Hrsg. und komment. von Helmut Quaritsch, Berlin 2000, S. 71.
EinführungXI begleitete ihn bis ins Grab: das Zitat (mit der älteren – „juristischeren“ – Lesart νόμον statt νόον) steht auf seinem Grabstein. Seine Reisen führten ihn zunächst in die mit dem antiken Namen „Illyrien“ bezeichnete kroatische Heimat seiner künftigen Frau Duschka, was er zu einem Text verarbeitete, der seinen Schriften eine weitere Gattung hinzufügte: die Reisebeschreibung. Vor allem aber besuchte Schmitt die großen Städte. Nach München reist er, um seinen Verleger Ludwig Feuchtwanger, aber auch die Bekannten und Freunde aus seiner Münchener Zeit wie Theodor Haecker, Karl Muth, Hans Rupé und Georg Alexander Krause zu besuchen. In Berlin wohnt er bei dem väterlichen Freund, dem preußischen Justizminister Hugo am Zehnhoff; hier hält er im Mai 1927 seinen Aufsehen erregenden Vortrag über den Begriff des Politischen. Immer wieder fährt er nach Hamburg, wo sein engster Freund (und finanzieller Unterstützer) Georg Eisler zu Hause ist. Schmitt wohnt hier bei Georgs Mutter, die ihn nach dem Zeugnis von Annie Kraus „wie einen Sohn“6 behandelte und ihn im Zimmer des gefallenen Fritz Eisler schlafen ließ, des Straßburger Studienfreundes von Schmitt. Aber auch Reisen ins Ausland häufen sich. Im März 1928 reist Schmitt in Erwiderung der Besuche von Jacques Maritain sowie Jeanne und Pierre Linn nach Paris. Dort arbeitet er in Bibliotheken, spricht mit den Kollegen Gaston Jèze und Boris Mirkine-Guetzévitch (der dann die „Verfassungslehre“ besprechen sollte), trifft den Isalmwissenschaftler Louis Massignon, verschmäht aber auch nicht die Attraktionen der Stadt, geht in Buchhandlungen, ins Theater, die Oper und ins Varieté. Noch im gleichen Monat folgt er einer Einladung zu den Davoser Hochschulkursen, wo er zwei Vorträge hält. Im März / April des Jahres 1929 macht er einen wochenlangen Besuch bei Duschka, die im deutschen Kaiser-Friedrich-Krankenhaus in San Remo ihre Lungentuberkulose zu kurieren sucht. Er nutzt diese Zeit, um die Riviera bis nach Nizza – wo er Veilchen auf die Gräber von Léon Gambetta und Alexander Herzen legt – zu erkunden und anschließend weiterzufahren nach Rom. Hier besichtigt er berühmte Kunstwerke, diskutiert aber auch die Fragen seines Faches mit Gaetano Mosca und Giorgio Del Vecchio, mit denen er bereits in schriftlichem Austausch stand. Schließlich nimmt er die Einladung an, auf dem Kongress des Europäischen Kulturbundes im Oktober 1929 in Barcelona einen Vortrag über das Zeitalter der Neutralisierungen zu halten. Der auf Französisch gehaltene Vortrag begann mit einer für Schmitt typischen Paukenschlag-Eröffnung: „Wir in Mitteleuropa leben sous l’oeil des Russes“; Schmitt hielt ihn für so wichtig, dass er ihn 1932 der Buchausgabe seines „Begriff des Politischen“ beifügte. Von Barcelona reist er weiter nach Madrid, wo er einen Vortrag über Donoso Cortés hält. Er spricht mit dem Verfassungsrechtler Manuel Pedroso, der ihm spanische Übersetzungen von „Die Diktatur“ und „Verfassungslehre“ in Aussicht stellt, erlebt einen Stierkampf und ist sich angesichts des Escorial sicher, dass das durch einen „liberalen Mythos“ zum „Scheusal“ verfälschte Bild Philipps II. in weiterer Zukunft korrigiert werden wird.7 Diese Reise war der Beginn des später so intensiven Verhältnisses Schmitts zu Spanien.
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So sagt es Annie Kraus, die Kusine Georg Eislers, 1947 in einem Brief an Waldemar Gurian; Kopie im Nachlass Piet Tommissen, RW 0579 Nr. 672. BW Smend, S. 83; BW Feuchtwanger, S. 303 und 309.
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Martin Tielke Wissenschaft
Die Einführung zum Tagebuch von 1921 bis 1924 schließt mit dem Satz: „Fruchtbare Jahre liegen vor ihm“. In der Tat, in den Zeitraum dieses anschließenden Tagebuchs fallen die berühmtesten Titel des Autors Carl Schmitt: der „Begriff des Politischen“ und die „Verfassungslehre“ mit der dazu gehörigen Schrift „Der Hüter der Verfassung“. Neben diesen magistralen Werken hat Schmitt weiteres veröffentlicht: Er greift in die Debatte um einen Beitritt Deutschlands zum Völkerbund ein („Die Kernfrage des Völkerbundes“, 1926), äußert sich über „Volksentscheid und Volksbegehren“ (1927), schreibt zahlreiche Aufsätze und Rezensionen, verfasst Gutachten und hält ständig Vorträge (von denen man zuweilen, über die dürre, nicht einmal das Thema nennende Mitteilung im Tagebuch hinaus, bisher nichts weiß). Mit seinen wissenschaftlichen Veröffentlichungen beginnt Schmitt jetzt auch außerhalb des deutschen Sprachraumes zu erscheinen: schon 1925 liegt „Die Rheinlande als Objekt internationaler Politik“ auf Englisch vor, 1928 folgt die französische Ausgabe von „Politische Romantik“. Die Übersetzung der „Verfassungslehre“ ins Spanische, die ihm Pedroso 1929 ankündigte, ließ auf sich warten, erschien aber dann 1934. Der „Begriff des Politischen“ war ursprünglich als Teil eines größeren Werkes gedacht,8 verselbständigte sich jedoch im Prozess der Verfertigung. Am 27. März 1927 kommt Schmitt der Gedanke, den Text als eigenen Aufsatz zu veröffentlichen. Er freut sich über sein Werk, das er für sehr gelungen hält, trägt es, sozusagen testweise, im Mai auch in der Vorlesung vor und notiert wiederholt den großen Erfolg. Aber indem er ungeschminkt vom Feind spricht, provozierte er auch. Das lässt sich schön am Beispiel Hermann Hellers zeigen. Dieser war im April für eine Woche Gast bei Schmitt in seinem Friesdorfer Haus und hat sozusagen die Geburtsstunde des „Begriffs des Politischen“ unmittelbar mitbekommen. Sein Brief vom 17. April 1927, mit dem er sich für die „beglückenden Tage“ bei Schmitt bedankt, ist von großer, vorbehaltloser Herzlichkeit. Als Schmitt dann am 20. Mai seinen Text in der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin vortrug, sollte Heller ihn in der anschließenden Diskussion „rührend“ verteidigen. Heller schien ganz einverstanden mit Schmitt. Im folgenden Jahr sah das dann plötzlich vollkommen anders aus: Heller griff den Aufsatz an, indem er unterstellte, Schmitt gehe es um die „Vernichtung“ des Feindes. Das traf Schmitt schwer und führte zum Ende des bis dahin ausgesprochen freundschaftlichen Verhältnisses.9 Die Entzweiung von Carl Schmitt und Hermann Heller erfolgte also nicht, wie oft zu lesen, anlässlich des Prozesses Preußen contra Reich 1932; sie entstand 1928 aus einer Lesart des „Begriffs des Politischen“ durch Heller, mit der Schmitt sich böswillig falsch verstanden sah. Er hat darauf reagiert: In der Ausgabe 1932 seiner Schrift ist präzisiert, dass es nicht darum geht, den Feind zu „vernichten“, sondern vielmehr ihn „in seine Schranken zurückzuweisen“. Gegenüber der knappen Form war die umfassende und systematische Darstellung aller Aspekte eines Gebietes nicht die Sache Schmitts – mit der bedeutenden Ausnahme der „Verfassungslehre“. Der Prozess ihrer Entstehung ist im Tagebuch dokumentiert. Klagte Schmitt 1925 noch: „ich komme zu keiner großen Arbeit“ (1.11.25), so ist im folgenden Sommerse-
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Vgl. Eintrag vom 27. 3. 1927. Vgl. den BW Heller-Schmitt im Anhang.
EinführungXIII mester, in dem er eine Vorlesung über „Grundsätzliche Fragen des modernen Völkerrechts“ hält, davon die Rede, ein „Lehrbuch des Völkerrechts“ schreiben zu wollen (3.8.26). Zugleich ist das verbunden mit „Angst vor meiner Unfähigkeit zu gründlicher Arbeit“ (24.8.26). Sein Vorhaben teilte er auch Feuchtwanger mit, der die Gelegenheit beim Schopfe packen will und umgehend einen Vertragsentwurf schickt. Doch Schmitt zögert wegen des „fürchterlichen Ballastes, den man mitschleppen muß“.10 So kam dieses Lehrbuch nicht über den Stand eines bloßen Projektes hinaus. Im folgenden Jahr las Schmitt über „Politik (Allgemeine Staatslehre)“ sowie „Deutsches Reichs- und Landesstaatsrecht“, und wieder erwuchs aus dem Vorlesungsstoff ein Buchprojekt. Am 11. Juni dieses Jahres steht im Tagebuch: „will eine Verfassungslehre schreiben“. Noch am selben Tag schreibt er das auch an Feuchtwanger, und der erklärt sich zu den gleichen Konditionen wie beim „Lehrbuch des Völkerrechts“ bereit. Jetzt fängt Schmitt Feuer. „Immer mit Eifer an die Verfassungslehre gedacht!“, lautet der Tagebucheintrag vom 17. Juni. Er hat aber „Angst und Sorge wegen des Titels“ (16.7.27). Einerseits wollte er, da er die Epoche der Staatlichkeit an ihr Ende gekommen sah, keine „Staatslehre“ schreiben, sondern eine systematische Theorie des neuzeitlichen Verfassungsstaates vor allem am Beispiel der Weimarer Verfassung, andererseits wusste er um das gleichzeitige – und vom Verleger geschickt ins Feld geführte – Konkurrenzunternehmen des Berliner Kollegen Rudolf Smend, dessen große Befähigung Schmitt bewundernd anerkannte. Im Juli verdichten sich die Gedanken zu ersten Notizen, und am 31. Juli 1927 heißt es: „Angefangen, die Verfassungslehre zu schreiben.“ War aber Schmitt bei der Abfassung des Begriffs des Politischen sicher und selbstbewusst und mit dem Resultat hochzufrieden, so ist das bei der Verfassungslehre völlig anders. Im Unterschied zur gewohnten essayistischen Form musste er hier eine nüchterne und strengsystematische Darstellung bieten, was ihm eine erhebliche Selbstdisziplinierung abverlangte. Entsprechend mühsam gestaltete sich der Prozess des Schreibens. Schmitt hat „Angst vor der ungeheuren Aufgabe“ (5.9.27), mit der er sich herausgefordert sieht, „dem Liberalismus die Totenmaske abzunehmen“11 und die Grundlage der staatlichen Autorität auf die politische Einheit des Volkes zu gründen.12 Am 14. September beginnt er damit, den wahrscheinlich stenographisch hingeworfenen Text zu diktieren. Zu Anfang des Wintersemesters hat Schmitt das Diktat weitgehend beendet und beginnt am 22. Oktober mit dem Korrigieren des Typoskripts, das er am 5. Dezember an Feuchtwanger schickt, offenbar ohne eine Kopie zu haben. In den praktischen Dingen des Lebens hilflos, schafft er es nicht, die Sendung als Wertpaket zu versiegeln: „Zufällig kam der Briefträger und nahm es mit. Inzwischen geht es als einfaches Paket, mit 100 Mark versichert.“ Dem Verleger schreibt er: „Es ist mir nicht gelungen, den hohen technischen Anforderungen zu genügen, welche die Post mit Recht an die Verpackung und Versiegelung eines Wertpaketes stellt; schließlich habe ich den Kampf aufgegeben und das Paket in der bescheidensten Form geschickt.“13 Die Zweifel an seinem Werk lassen auch jetzt nicht nach: „immer Angst
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BW Feuchtwanger, S. 170 f., 195. BW Smend, S. 65. Vgl. Verfassungslehre, § 18. BW Feuchtwanger, S. 228.
XIV
Martin Tielke
wegen meiner Verfassungslehre, die mir erbärmlich, dilettantisch, flüchtig und oberflächlich vorkommt.“ (31.12.27). Als die Satzarbeiten und Korrekturgänge – bei denen Albert Hensel und Ernst Friesenhahn mitlasen – beendet sind und am 17. März die broschierten Exemplaren der Verfassungslehre eintreffen, ist Schmitt „sehr fröhlich darüber, dann wieder deprimiert.“ Lässt man die vorbereitende Arbeit im Juli und die Korrekturphase – die sich hinzog, weil Schmitt nicht nur Fehler korrigierte, sondern zum Verdruss Feuchtwangers in den Fahnen noch ungewöhnlich viel änderte – außer Acht, so hat Carl Schmitt seine Verfassungslehre, ein anspruchsvolles systematisches Werk von 400 Seiten, in nicht einmal drei Monaten geschrieben. Das ist höchst erstaunlich; umso mehr, als Schmitt in diesen Wochen sein gewohntes Leben kaum geändert hat. Er hält Vorlesungen und Seminare, fährt ins Sauerland, unterhält eine intensive Beziehung zur Geliebten, führt regelmäßig den Hund spazieren, nimmt in Köln Referendarexamen ab, macht die Neuausgabe seiner „Diktatur“ druckfertig, empfängt am 16. August Pierre und Jeanne Linn, die volle zwei Wochen zu Besuch bei ihm wohnen, und um die er sich sehr kümmert, ihnen ausgiebig die Schönheiten des Rheinlands und die Städte Bonn, Köln und Düsseldorf zeigt, empfängt aber auch noch Besuche von Eugen Rosenstock, Carl Brinkmann und Feuchtwanger, wie überhaupt nahezu täglich Besucher im Haus sind, fährt in ein Essener Bergwerk ein, liest nebenher Tschechow und ist auch mal „den ganzen Tag faul und müde“ und hat „herumgeschlafen“ (2.9.27). Er unterhält seine gewohnte umfangreiche Korrespondenz, trinkt viel Wein mit Freunden, sitzt in Cafés und sondiert seinen Wechsel nach Berlin. Daneben die Konzentration für ein so substantielles wissenschaftliches Werk aufzubringen und es in derart kurzer Zeit satzfertig zu machen, ist schwer nachvollziehbar.
Katholizismus und Ehescheidung Dieses Tagebuch setzt Ostern 1925 mit der Mitteilung ein: „In die Messe, Verlobung mit Duschka“. Das ist eine ebenso lapidare wie gewichtige Aussage. Sie zeigt erstens, dass Schmitt seinen katholischen Glauben, jedenfalls gelegentlich, praktizierte und zweitens dass er seiner Beziehung mit Duschka Todorovi´c eine Verbindlichkeit geben wollte. Diese zweite Ehe ist für Schmitt von kaum zu überschätzender Bedeutung. Mit Duschka gewinnt er einen ruhenden Pol in seinem haltlosen Leben, was freilich durch die lebensbedrohende, über den ganzen Zeitraum dieses Tagebuchs sich hinziehende Tuberkuloseerkrankung Duschkas und ihre dadurch bedingten langen Abwesenheiten immer fragil bleibt. Auch für Schmitts Verhältnis zur katholischen Kirche ist diese neue Eheschließung folgenreich. Die Kirche war für ihn zu diesem Zeitpunkt noch eine Autorität, was man an seinen verzweifelten Bemühungen ablesen kann, den sakramentalen Charakter der Ehe zu achten und sie unter Einhaltung der kirchlichen Vorschriften zu schließen. Das war in diesem Fall nicht einfach. Die erste Ehe mit Carita Doroti´c war vom Landgericht Bonn am 2. März 1924 für ungültig erklärt worden, doch was zivilrechtlich problemlos war, stellte kirchenrechtlich ein Ding der Unmöglichkeit dar. Die katholisch geschlossene Ehe war ein Sakrament und damit unauflöslich. Der einzige Weg zur erneuten Heirat bestand darin, die erste Ehe von einem Kirchengericht als nicht gültig geschlossen erklären zu lassen. Schmitt machte erhebliche Anstrengungen dazu und baute seine Argumentation auf „arglistige Täuschung“ auf; die
EinführungXV Frau habe sich fälschlich als Gräfin ausgegeben. Einen entsprechenden Betrugsparagraphen kannte das damals gültige kanonische Recht allerdings nicht, und so scheiterte Schmitt am 18. Juni 1925 mit seinem Bemühen in der ersten Instanz vor dem Offizialat der Erzdiözese Köln. Er ruft die zweite Instanz an, das Offizialat Münster, wohin er auch persönlich fährt. Doch ohne den Ausgang des Verfahrens abzuwarten, heiratet er am 8. Februar 1926 Duschka Todorovi´c, obwohl noch zwei Tage zuvor der Oberpfarrer am Bonner Münster ihn mit der „ehrerbietigen wie deutlichen Bitte“ ermahnt hatte, das Wiederverheiratungsverbot zu respektieren; alles andere wäre ein vollkommener Bruch mit der Kirche. Schmitts Reaktion darauf lässt erkennen, wie wenig gleichgültig ihm die kirchliche Autorität zu diesem Zeitpunkt noch war: „Empört, Wut, Schrecken vor dieser Unverschämtheit; zitterte“ (6.2.26). Der Priester Wilhelm Neuß, der sich schon in der ersten Instanz beim Kölner Weihbischof für Schmitt verwendet hatte, versucht auch noch nach der Eheschließung, den Bruch des Freundes mit der Kirche zu vermeiden und schreibt an den Münsteraner Dompropst Adolf Donders.14 Doch es bleibt alles vergeblich; auch die Berufungsinstanz gesteht die Ungültigkeitserklärung nicht zu. Vage Hinweise, wonach Schmitt als letzte Instanz noch die Rota Romana beim Vatikan angerufen habe, sind durch das Tagebuch nicht zu belegen und schon darum unwahrscheinlich, weil er die Ehe schloss, ohne die Entscheidung der zweiten Instanz abzuwarten. Diese Eheschließung erfolgte in einer auffällig beiläufigen Form, zweimal notiert Schmitt am Hochzeitstag: „ein seltsamer Tag“. Seit diesem Tag lebte er kirchenrechtlich in Bigamie und war exkommuniziert, also von den kirchlichen Sakramenten ausgeschlossen.15 In der Folge verschlechtert sich Schmitts Verhältnis zur katholischen Kirche. Es empörte ihn, dass der Betrug durch die erste Ehefrau nicht anerkannt wurde. „Betrug“ ist für Carl Schmitt ein zentrales Thema und zieht sich leitmotivisch durch seine Tagebücher. Zu Beginn des Jahres 1928 liest er den Roman „L’imposture“ (Der Betrug) von Georges Bernanos und notiert: „Bernanos’ L’imposture, schrecklich, er traf irgend einen Nerv bei mir.“ Der größte Betrug war ihm seine erste Ehe. Dabei war er klug genug, um zu sehen, dass es vor allem ein Selbstbetrug gewesen war, dass er die Schwindlerin Carita Doroti´c rechtzeitig hätte durchschauen müssen. Wie sehr diese Erfahrung traumatisch wirkte, sieht man an der Gründlichkeit mit der er alle Quellen über die Verbindung mit Carita beseitigte. Möglicherweise ist das eine Erklärung für das Fehlen der Tagebücher der Jahre 1916 bis 1921,16 also der Krisenzeit mit dem faktischen Ende der Beziehung, der Unterlagen zum Scheidungsprozess, sämtlicher einschlägiger Korrespondenz. Die lebenslange Besessenheit, mit der Schmitt diese Jahre seines Lebens annihilieren, mit der er nicht einmal die Nennung des Namens seiner ersten Frau ertragen wollte, ist beispiellos und zeigt die Schwere der Verletzung. 14
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Wilhelm Neuß an Adolf Donders vom 14. 2. 1926 und Donders an Neuß vom 4. 6. 1926; ULB Bonn, Handschriftenabt., Korrespondenznachlass Neuß (s. Anhang). Vgl. Wolfgang H. Spindler, Eine Art Vergangenheitsbewältigung. Carl Schmitts Beichte 1947, in: Die Neue Ordnung 62, 2008, S. 309–318. Aus vorliegendem Tagebuch ist zu ersehen, dass Schmitt auch in diesen Jahren, die in der Überlieferung fehlen, Tagebuch geführt hat. So ist davon die Rede, dass er im Tagebuch von 1917 (15.8.27) und 1920 (10.7.27) liest. Die Aussage „Carl Schmitt hielt sich an seinen Vorsatz, kein Tagebuch zu führen, bis 1921“ (TB II, S. VIII) muss entsprechend korrigiert werden.
XVI
Martin Tielke
Den „Betrug“ nicht anerkannt zu haben, erklärt die jetzt entstehende Wut auf die Kirche. Priester, die man als Katholik zu jener Zeit mit „Hochwürden“ anzureden pflegte, waren ihm nun „widerliche Pfaffen“. „Wut über die Pfaffen, die mich schlecht behandeln“, heißt es am 10. März 1926. Die „zölibatäre Bürokratie“, die Schmitt 1923 / 25 noch bewundernd (und mit kirchlichem Imprimatur) beschrieben hat, wandelt sich jetzt zum Feind, der es blieb, auch als mit dem Tode Duschkas 1950 die Exkommunikation aufgehoben war: „Vergiß nicht, daß du katholisch bist und zwar katholischer Laie, d. h. Kanonenfutter einer zölibatären Bürokratie“, heißt es am 13. September 1952 im „Glossarium“. Im Paralleltagebuch beschreibt er den Wandel seines Verhältnisses zur katholischen Kirche: „Meine Grunderfahrung mit der römisch-katholischen Kirche: Ich habe in deutscher Ehrlichkeit die institutionelle Kraft der römischen Kirche gerühmt, dann fechte ich meine Ehe an, weil ich durch eine Schwindlerin mit Urkundenfälschung und kriminellem Betrug zur Ehe bewogen wurde; ich suchte bei der Kirche Schutz vor dem Betrug und glaubte an ihre Art Justiz. Aber siehe da, die Kirche stellt sich auf Seiten der Betrügerin; merkst du endlich etwas, du deutscher Tölpel? Der Betrug liegt in dir. Lasse also die römische Kirche und lasse jene Betrügerin und bleibe bei deiner bescheidenen Harmlosigkeit.“ (s. unten, S. 444)
Dennoch verstand Carl Schmitt sich bis an sein Lebensende dezidiert als katholisch, und dass das mehr war als eine bloße kulturelle Prägung, geht beispielsweise aus der im Glossarium dokumentierten Beschäftigung mit dem Geistlichen Jahr der Annette von DrosteHülshoff hervor. Aber die Deutungshoheit über das, was katholisch war, behielt er sich selbst vor und überließ sie nicht der Kirche. Heirat und Haus Der erneute Ehestand führte zu einer gravierenden Veränderung der Wohnsituation. In Bonn lebte Schmitt in Pensionen bzw. Etagenwohnungen, zuletzt in der Endenicher Allee 20 als Mieter der Witwe des Geheimrats Prof. Johannes Franck. Die Witwe wohnte mit weiteren Familienmitgliedern zusammen im selben Haus, und das war häufig mit Lärm verbunden. Schmitt leidet unter der Belästigung. „Hätte ich erst eine Wohnung“, seufzt er am 17. Dezember 1925, und zwei Wochen später: „schauderhafter Lärm in der Wohnung, nicht zum Aushalten“ (3.1.26). Diesen Qualen wollte er aus dem Wege gehen und sucht schon darum, aber natürlich auch, um mit Duschka einen gemeinsamen Hausstand zu gründen, ein Haus. Er findet es schließlich in Friesdorf, einem alten, ursprünglich selbständigen Dorf, das 1904 nach Godesberg eingemeindet worden war, aber seinen ländlichen Charakter noch bewahrt hatte. Der Bonner Kaufmann Theodor Mendel hatte hier 1923 ein Haus gebaut, das er vermietete.17 Dieses Haus bezieht Schmitt zum 1. September 1926 zunächst allein, da Duschka wieder einmal in der Klinik liegt. An seinen Schwiegervater in Kroatien schickt er am 6. August 1926 „ein Bild unseres neuen Häuschens“. Das ist eine ziemliche Untertrei-
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Die damalige Adresse lautete: Bonner Straße 211. Inzwischen ist die Gegend völlig verstädtert, und die Straßenführung hat sich geänderte; aus der Bonner Straße wurde die Godesberger Allee. Das Haus, das noch weitgehend unverändert steht, hat hier die Nr. 155. Es befindet sich heute im Eigentum der Friedrich-Ebert-Stiftung.
EinführungXVII bung; handelt es sich doch um nichts weniger als eine stattliche Villa. Jetzt empfängt er häufig Besucher, die tagelang, manchmal wochenlang bei ihm zu Gast sind. Sie alle staunen über das prächtige Haus, das den für einen Professor üblichen Rahmen deutlich überstieg. Es wurde auch in einer Weise bewohnt, die einer Villa angemessen war: Die Rede ist von einer Hausdame (Frau Webers), zwei Hausmädchen (Lisbeth und Johanna), einem Gärtner und natürlich auch einem Hund, mit dem Schmitt regelmäßig Spaziergänge über die umliegenden Felder machte. Der Hund wurde angeschafft, weil zweimal des Nachts in das Haus eingebrochen wurde, was dann auch dazu führte, dass Schmitt sich Schusswaffen zulegte und im Garten regelmäßige Schießübungen veranstaltete. Trotz solcher Unannehmlichkeiten reißen in der Folge die begeisterten Äußerungen über die neue Wohnsituation nicht ab: „welch eine herrliche Wohnung“, heißt es am 13. Oktober 1926; „herrlich im Garten, ein ruhiges, intensives Lebensbehagen, wie ich es niemals gekannt habe, wundervoll. Freude an Duschka, Freude an meinem Beruf“ (20.7.27). Die rheinische Landschaft mit dem Siebengebirge trägt ihr Teil zur Begeisterung bei: „das Siebengebirge ist wie eine Krone“ (2.11.27). Immer wieder fährt Schmitt rheinaufwärts, um den Rolandsbogen auf dem Rodderberg mit der schönen Aussicht auf den gegenüber liegenden Drachenfels zu bewundern. Auch setzt er bei Mehlem mit der Fähre ans andere Ufer über, besucht Arnold Schmitz, der mit seiner Familie in Honnef wohnt, ist in Königswinter und wandert im Siebengebirge. Rheinland und Sauerland Westfalen und Rheinländer wurden 1946 von der britischen Besatzungsmacht in einem Bundesland vereint, obwohl sie sich traditionell wenig zu sagen haben. Bei Carl Schmitt ist von einem landsmannschaftlichen Gegensatz nichts zu spüren. Er sieht sich als Angehöriger beider Volksstämme, verweist gern auf seine moselländische Herkunft und beschreibt von daher sogar sein Wesen mit „tacito rumore Mosella“ (wie die mit leisem Murmeln dahin fließende Mosel). Allerdings war er vom rheinischen Frohsinn weit entfernt. Während sich die Freunde Oberheid, Becker, und selbst der Hamburger Peterson in den Kölner Karneval stürzten oder den Rektorenball besuchten, blieb er zu Hause. Seiner westfälischen Andersartigkeit war er sich bewusst: „einsam, überall Karnevalstreiben, sehr einsam“ (16.2.26). Wenn es auch keinerlei Hinweise dafür gibt, dass der gebürtige Westfale gegenüber den Rheinländern irgendwelche Reserven hatte, so zog es ihn doch – wie dann auch in seinen Berliner Jahren – immer wieder ins Sauerland, wo er die wahre Erholung fand: „Nach dem Essen auf die Spitze des Saley, im Schnee. Unbeschreiblich schön die Berge des Ebbegebirges, Ruhe, Verschwiegenheit, Kraft und Unberührtheit. Wundervoll“ (14.12.28). Von Beten ist bei dem Katholiken Schmitt im Tagebuch kaum die Rede, es sei denn, er kommt ins Sauerland: „nachmittags mit Jup auf den Saley, herrliches Wetter. Bete zur Landschaft“ (4.3.28). Schließlich unterschied ihn seine unüberhörbare sauerländische Aussprache deutlich von den Rheinländern. Als er 1926 zu einem Vortrag nach Recklinghausen fährt und die Grenze zu Westfalen knapp überschreitet, heißt es: „Froh, wieder in Westfalen zu sein, gerührt von den westfälischen Stimmen“ (29.1.26).
XVIII
Martin Tielke Der Wechsel nach Berlin
Die Berufung Carl Schmitts von der Universität Bonn an die Handelshochschule in Berlin gestaltete sich langwierig und kompliziert, und zwar auf beiden Seiten. Nicht nur gab es in Berlin starken Widerstand gegen Schmitt,18 auch er selbst zeigte sich lange Zeit zögerlich, war unsicher, ob er den Wechsel wollte oder nicht: „Die ganze Nacht wegen Berlin überlegt, Angst vor dem Neuen, dann wieder Freude an der großen Stadt, am Geld verdienen usw.“ (16.9.27). Einmal heißt es: „Welches Glück, dass ich von Bonn weg kann.“ (1.10.27); dann wieder: „Nachts traurig und verzweifelt, entsetzliche Angst vor Berlin“ (5.11.27). Der theoretische Meister der Dezision konnte sich lange zu keiner klaren Entscheidung durchringen und wandte sich an seine Freunde, damit die für ihn entscheiden. Im Tagebuch hält er fest, wer ihm zu-, wer abrät: der Bruder Jup, Georg Eisler, Am Zehnhoff, Oberheid sprachen für Berlin; Erik Peterson war – wohl auch weil er auf den Gesprächspartner nicht verzichten wollte – entschieden dagegen und meinte, es wäre Selbstmord. Verglichen mit der Universität Bonn war die Handelshochschule Berlin klein. Sie umfasste im Sommersemester 1928, in dem Schmitt hier seine Tätigkeit aufnahm, 1 601 Studierende. Dazu kamen, bedingt durch den traditionellen Praxisbezug, 826 andere Hörer.19 An ordentlichen Professoren gab es nicht einmal ein Dutzend; sie wurden allerdings durch einen großen Kreis weiterer Lehrkräfte ergänzt. Carl Schmitt war, nachdem Paul Eltzbacher im Oktober 1928 verstorben war, der einzige rechtswissenschaftliche Ordinarius. Am 11. Oktober 1927 teilt Schmitt dem Kuratorium der Handelshochschule mit, dass er den Ruf annimmt, und am 2. November 1927 erhält er vom Preußischen Minister für Handel und Gewerbe die Bestallungsurkunde als Nachfolger von Walther Schücking; zum Sommersemester 1928 hatte er seine Lehrtätigkeit aufzunehmen. Aber auch noch lange, nachdem die Würfel gefallen waren, ist Schmitt schwankend; im Februar 1928 notiert er in Friesdorf: „glücklich über die schöne Landschaft, unbegreiflich, dass ich hier weg ging, Dummheit und Feigheit, herrliches Haus.“ In Berlin sieht er sich nach einer neuen Wohnung um und bittet seinen neuen Arbeitgeber um Hilfe.20 Dr. Konrad Jacoby von der Industrie- und Handelskammer Berlin beauftragt mehrere Immobilienmakler, die Angebote von Häusern mit 7 bis 8 Zimmern im Südwesten der Stadt vorlegen. Der in diesen Dingen hilflose Schmitt verlässt sich ganz auf Georg Eisler. Ihn empfiehlt er am 20. November dem geschäftsführenden Vorsitzenden des Kuratoriums der Handelshochschule als seinen Vertrauten. Am 23. Februar 1928 vermeldet das Tagebuch: „hielt meine letzte Vorlesung, verabschiedete mich am Schluss mit einer schönen Rede, während der ich einen Augenblick vor Tränen und Rührung nicht sprechen konnte.“ Doch so schnell kam Schmitt von Bonn nicht los. Für das Friesdorfer Haus hatte er einen Mietvertrag mit seinem Vermieter Mendel geschlossen, der nicht kurzfristig kündbar war. Das war ihm durchaus recht; Schmitt ist „glücklich, dass ich den Sommer noch hier bleibe“ (24.2.28). Dennoch kam er natürlich nicht umhin, das Friesdorfer Haus aufzugeben und beauftragte den Bonner Makler Stückrath, mit Mendel eine vorzeitige Auflösung des Mietvertrags zu vereinbaren, was dieser dann zu Ende 18 19 20
Vgl. hierzu Tilitzki (1994). Vgl. FS HHB, S. 250. Zum Folgenden vgl. Universitätsarchiv Berlin, HUB UA, UK Personalia, PA Carl Schmitt Nr. 159a, Bd. III.
EinführungXIX Oktober erreichte. Bis dahin war Schmitts Wohnsitz weiter in Friesdorf, wo auch Duschka wohnen blieb. Im Personal- und Vorlesungsverzeichnis der Handelshochschule in Berlin ist Schmitt für das Sommersemester ohne Adresse verzeichnet. An Smend schreibt er am 30. April, dass er „vorläufig“ im Hotel Continental am Bahnhof Friedrichstraße untergekommen sei. Ab Mai wohnte er dann in der Villa des Architekten Muthesius, Potsdamer Chaussee 49, in Nikolassee, wo es „sehr schön und ruhig“ ist.21 Sobald das Sommersemester vorbei war, kehrte Schmitt nach Bonn zurück. Zum Wintersemester fand er in Berlin eine Wohnung in der am Nordrand des Tiergartens gelegenen Klopstockstraße 48;22 wahrscheinlich durch Vermittlung seiner alten Freundin Alice Berend, deren Schwester Charlotte mit ihrem Mann, dem Maler Lovis Corinth, Vormieterin war. Am 19. Oktober beginnt der Umzug durch die Bonner Spedition Norrenberg. Da Carl Schmitt damit völlig überfordert war und Duschka inzwischen in San Remo im Krankenhaus lag, überwachte Frau Braschoß, die ehemalige Vermieterin und Freundin Duschkas, den Auszug in Friesdorf. Jetzt, da es ernst wird, ist Schmitt „traurig“ und „bedrückt“. Er verabschiedet sich von den Freunden und den Nachbarn, fährt ein letztes Mal zu Schmitz nach Honnef, beendet seine Affäre mit Magda. Soweit ist er noch katholisch, dass er sich auch bei seinem zuständigen Ortspfarrer abmeldet, allerdings nicht, ohne ihm im Tagebuch ein „widerlicher, trotteliger Pfaffe“ nachzurufen (20.10.28). Dann fährt er, um sich von Bruder Jup, Lamberts und Am Zehnhoff zu verabschieden, über Köln, München-Gladbach und Düsseldorf nach Plettenberg, wo er noch einige Tage bleibt und durch die vertrauten Berge wandert. In Berlin trifft er am Abend des 28. Oktober ein: „traurig und deprimiert, verzweifelt; Angst, vernichtet“. Nach einer Nacht im Hotel Hessler in der Kantstraße holt er Hanna und Elli, die er als Hausmädchen engagiert hatte, vom Bahnhof ab und bezieht die Wohnung in der Klopstockstraße. Die Rolle der Beaufsichtigung der Möbelpacker, die Frau Braschoß in Friesdorf eingenommen hatte, übernahm hier Alice Berend, zu der Schmitt in den folgenden Jahren auch wieder engeren Kontakt haben sollte. Berlin war 1928 mit 4 249 800 Einwohnern erheblich größer als heute.23 In der Klopstockstraße wohnte Schmitt zentral und verkehrsgünstig, hatte auch den schönen großen Park fast direkt vor der Haustür. Aber verglichen mit der Villa in Friesdorf war diese Situation doch ein klarer Rückschritt. Schmitt äußert sich zunächst positiv: „der Ofen brennt in meinem Arbeitszimmer, die Bücher stehen in den Regalen, die Wohnung ist wunderbar ruhig. Sehr zufrieden“ (31.10.28). Das war allerdings ein flüchtiger erster Eindruck. Bald stört ihn wieder, wie schon in der Endenicher Allee in Bonn, der Lärm der Mitbewohner. Bereits am 5. November hat er Krach mit dem Kaufmann Österreicher im Parterre. Am 11. ist er „bedrückt von der kleinen, erbärmlichen Wohnung“ und beklagt sich über das Klavierspiel nebenan; am 13. ist es „grauenhaftes Geschrei einer Sängerin, die über mir wohnt“, was in den folgenden Tagen Auswirkungen bei ihm zeigt: „Ohrensausen von dem Geschrei der Sängerin. Scheußlich diese Hölle“. Obwohl die Sängerin nicht aufhört, gewissenhaft zu üben und Schmitt sich immer wieder über ihr „Geschrei“ beklagt, sollte er bis zum Oktober 1931 in der Klopstockstraße wohnen bleiben. 21
22 23
BW Feuchtwanger, S. 269 f.; Gerd Giesler, Carl Schmitt privat in Berlin. Adressen, Wohnungen und Gäste (Plettenberger Miniaturen 7), Plettenberg 2014. Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Mitteilungen des Statistischen Amtes in Berlin 1928, Nr. 11, Oktober 1929, S. 9.
XX
Martin Tielke
Durch die Eheschließung mit Duschka und mit der Wohnsituation in Friesdorf hatte Carl Schmitt etwas erreicht, was bei seiner nervösen Unausgeglichenheit für ihn unschätzbar war: Ruhe. Er selbst sagt es am 20. Januar 1928: „wunderbares Glücksgefühl, das schöne Haus, die Ruhe, diese physische Ausbalanciertheit, wunderbar.“ Warum wechselte er da nach Berlin? Wie konnte – um Franz Blei zu zitieren – dieser weinfrohe Mosellaner das rheinische Rebenland mit den Kartoffelfeldern Preußens vertauschen, die nur „Sprit ergaben, aber nicht Esprit“? Wie erklärt sich der Wechsel von einer hoch angesehenen Universität zu einer vergleichsweise bescheidenen Handelshochschule, die zwar seit 1926 Promotions-, aber kein Habilitationsrecht hatte, deren Studenten als angehende Kaufleute die Rechte nur nebenbei studierten, und mit denen Schmitt kaum sein „legendäres Seminar“ (Reinhard Mehring) von Bonn fortsetzen konnte? Ein Zerwürfnis mit der Fakultät oder schwerer Streit mit Kollegen gab es in Bonn nicht, zudem hatte Schmitt deutliche Reserven gegenüber Berlin. An Jacques Maritain schreibt er am 30. Mai 1928, Berlin sei eine „erstaunliche, un-europäische, unchristliche, beinahe unmenschliche Stadt […], die nicht mehr in Europa, sondern zwischen New York und Moskau liegt“.24 Dennoch hatte Schmitt natürlich seine Gründe für den Wechsel. Zunächst gab es da das finanzielle Argument.25 Die Gehälter der Professoren an den staatlichen Universitäten waren höchst unterschiedlich, da Berufungen bzw. die Ablehnung von Rufen über Geld geregelt wurden. Carl Schmitt erhielt Mitte der zwanziger Jahre in Bonn ein jährliches Grundgehalt von 9 630 Reichsmark. Das erhöhte sich nach Inkrafttreten des neuen Preußischen Besoldungsgesetzes am 1. Oktober 1927 auf 11 600 Reichsmark. In der Einkommensskala der Bonner juristischen Professoren lag er damit im unteren Feld; Max Grünhut und Heinrich Göppert bezogen das Gleiche; Schreuer, Zycha, Schulz und – mit 15 000 Reichsmark Spitzenverdiener – Graf Dohna lagen deutlich darüber; ebenso deutlich fiel Hans Dölle mit 6 600 Mark ab. Das war jeweils das Grundgehalt, wozu man weitere Einkommensbestandteile hinzurechnen muss. Kindergeld bezog Schmitt nicht, aber ein Wohngeldzuschuss stand ihm zu. Dieser schwankte zwischen 1923 und 1927 inflationsbedingt zwischen 1 400 und 8 800 Reichsmark. Dazu kamen die Promotions- und Habilitationsgebühren und vor allem die Kolleggelder, die Schmitts Einkommen bei der großen Hörerschaft, die er anzog, theoretisch kräftig erhöhten, praktisch aber in dieser Zeit durch staatliche Kappung begrenzt blieben. Insgesamt dürfte sich das jährliche Einkommen Schmitts am Ende seiner Bonner Zeit auf eine Summe von etwa 15 000 Reichsmark belaufen haben, was nach heutiger Kaufkraft 60 000 Euro entspricht. Da konnte die von der Wirtschaft finanzierte Handelshochschule Berlin ganz andere Angebote machen: Die 30 000 Reichsmark, die ihm Fritz Demuth am 15. September 1927 garantierte, bedeuteten eine glatte Verdopplung des Bonner Einkommens! Carl und Duschka waren, als sie dieses Angebot schwarz auf weiß lasen, „bang vor Staunen“ und öffneten eine Flasche Wein. 24
25
Archive du Cercle d’études Jacques et Raïssa Maritain (Strasbourg); Kopien des Briefes in: RW 0579 Nr. 495; vgl. auch unten, S. 435 sowie Anhang, S. 505–507. An Franz Blei schreibt Schmitt 1933, Berlin sei „ein Vakuum zwischen Osten und Westen, eine Passage in der es scheußlich zieht“. Franz Blei, Zeitgenössische Bildnisse, Amsterdam 1940, S. 21. Noch 1947 äußerte Schmitt sich gegenüber Nicolaus Sombart ebenso über Berlin; vgl. BW Sombart, S. 15–18. Vgl. auch Carl Schmitt, Ex Captivitate Salus, 4. erw. Aufl., Berlin 2015. S. 35. Zum Folgenden vgl. Maus, S. 225 ff.; Jens Hacke (Hrsg.), Briefwechsel Moritz Julius Bonn – Carl Schmitt, in: Schmittiana NF III, 2016, S. 233–250.
EinführungXXI Zu dem finanziellen Gesichtspunkt, der bei dem im Geldausgeben sorglosen und daher notorisch klammen Schmitt, der sich immer wieder vom Freund Georg Eisler helfen lassen musste, nicht gering zu schätzen ist, kam noch der Ärger über die katholische Kirche. Sie war im Rheinland besonders stark, auch mit ihrem politischen Arm, der Zentrumspartei, die hier einen Stimmenanteil hatte, der den Reichsdurchschnitt um das Doppelte übertraf. Schmitt bekam zu spüren, dass über seine Ehegeschichte in dem kleinen Bonn geklatscht wurde. Der starke politische Katholizismus reichte natürlich auch in die Hochschulpolitik. Bei einem Gespräch mit dem Kurator der Universität hatte Schmitt den Eindruck, dass man ihn „von Bonn weg haben“ wollte, um das Fach zu konfessionalisieren (17.9.27), dass man also an seiner katholischen Zuverlässigkeit zweifelte. Wenn Schmitt im Tagebuch von der „Feigheit“ seiner Entscheidung für Berlin spricht (6.2.28), so ist das auch als Flucht vor dem Klatsch über seine Person in Bonn zu verstehen. Mit dem Wechsel nach Berlin konnte er jedenfalls der Enge des katholischen Milieus entkommen. Ein weiteres Motiv wird sein, was Ernst Rudolf Huber aus seiner Erinnerung26 berichtet: Schmitt drängte von der Theorie zur Praxis, er wollte im Zentrum der Macht das theoretische Werk durch praktisch-politisches Wirken ergänzen. In dieser Hinsicht diente der Bonner Kollege Erich Kaufmann als Vorbild, der immer stärker von der Universität in die Politik hinüberglitt und als Berater der Regierung tätig war. Es kann kaum ein Zweifel bestehen, dass der Kritiker der indirekten Gewalten durchaus den Ehrgeiz hatte, im Vorhof der Macht Einfluss zu entfalten. Anfang Januar 1928 nimmt Schmitt an einer Tagung in Königswinter teil und hört hier einen Vortrag von Heinrich Brüning, dem späteren Reichskanzler. Er sprach „sehr weise, überlegen, erfahrener Politiker, sehr geschickt, gegen jeden freundlich. Freute mich, in Berlin mit ihm zusammen sein zu können.“ (3.1.28). Zu einer Zusammenarbeit mit dem politischen Katholizismus sollte es jedoch nicht kommen, und das Verhältnis zu Brüning wurde ein ausgesprochenes Nicht-Verhältnis.27 Dafür ergaben sich in der Reichshauptstadt bald Regierungskontakte auf Staatssekretärsebene, so zu dem Ministerialdirektor im Reichsfinanzministerium Herbert Dorn, zum dortigen Staatssekretär Johannes Popitz, der Schmitt dann 1933 zu seinem NS-Engagement bewegen sollte und ein enger Freund wurde,28 zu Erich Zweigert, der ab 1929 Staatssekretär im Innenministerium war. In Bonn dagegen begegnete Schmitt Politikern noch mit einer deutlichen Reserve. Als er am 10. Juni 1927 mit dem Zentrumspolitiker Albert Lauscher wegen Berufungsangelegenheiten einen Abend verbringt und eine Flasche Wein leert, war das „sehr schön“, und man unterhielt sich auch nett, Schmitt hatte „aber doch das unangenehme Gefühl, mich mit einem Politiker eingelassen zu haben.“ Mit dem Wechsel nach Berlin änderte sich das insofern, als er hier zwar kaum direkt mit Politikern zu tun bekam, wohl aber mit politischen Beamten und dem Brain Trust der Politik. Die Deutsche Hochschule für Politik, an der er 26
27 28
Ernst Rudolf Huber, Carl Schmitt in der Reichskrise der Weimarer Endzeit, in: Complexio oppositorum. Über Carl Schmitt. Vorträge und Diskussionsbeiträge des 28. Sonderseminars 1986 der Hochschule für Verwaltungswissenschaft Speyer. Hrsg. von Helmut Quaritsch, Berlin 1988, S. 33– 70. Vgl. TB V, S. 387. Vgl. Martin Tielke, Dunkelmann und Lichtgestalt. Carl Schmitt, Johannes Popitz und der Widerstand, in: Sinn und Form 65, 2013, S. 484–507; Florian Meinel, Der Beamtenpolitiker Johannes Popitz, in: Zeitschr. für Ideengesch. XI / 1, 2017, S. 113–118.
XXII
Martin Tielke
1927 seinen „Begriff des Politischen“ vorgetragen hatte, wurde jetzt von ihm regelmäßig besucht, sei es, um Vorträge zu hören, sei es, um selbst einen Vortrag zu halten. Für die Ausbildung des diplomatischen Nachwuchses hatte das Auswärtige Amt Lehrveranstaltungen eingerichtet, zu denen die angesehensten Professoren der Universität, der Handelshochschule sowie der Deutschen Hochschule für Politik herangezogen wurden. Carl Schmitt gehörte dazu und suchte den Umgang mit den jungen Attachés. Auch in den elitären politischen Debattierzirkeln der Hauptstadt war er als Diskutant und Referent gefragt. Davon blieb seine Thematik nicht unberührt. Diskutierte Schmitt in Bonn mit Gurian, Peterson und Maritain das grundsätzliche, theologisch grundierte Verhältnis von „potestas und auctoritas“, so rückte jetzt der Benjamin Constant entlehnte Begriff des „pouvoir neutre“ in den Mittelpunkt. In der durch wachsende Instabilität geprägten politischen Situation am Ende der zwanziger Jahre stellte sich verstärkt die Frage der Staatsautorität. Was waren die Bedingungen der Möglichkeit staatlichen Handelns, und wie war die Demokratie zu bewahren angesichts der an Einfluss gewinnenden Interessengruppen und vor allem wachsender antidemokratischer Parteien auf der Linken und der Rechten. Schmitts Antwort bestand in einer Weiterführung seiner Verfassungslehre und erschien 1929 als Aufsatz, 1931 dann als selbständige Schrift: „Der Hüter der Verfassung“. Sie war gemeint als Programmschrift zur Rettung der gelähmten Weimarer Republik durch eine Präsidialverfassung; die staatliche Handlungsfähigkeit sollte durch die plebiszitäre Stärkung der Stellung des Reichspräsidenten zurückgewonnen werden. Schmitt suchte damit auch gezielt Politiker anzusprechen und verteilte Sonderdrucke dieser Schrift an sie.29 Mit seinem Rezept eines autoritären Präsidialsystems war Schmitt auch unter liberalen Demokraten durchaus nicht isoliert. So gab es etwa in der Deutschen Hochschule für Politik im Sommer 1929 eine Vortragsreihe unter dem Thema „Probleme der Koalitionspolitik“, in der die aktuelle politische Lage diskutiert wurde. Schmitt sprach am 28. Juni über den „Mangel eines pouvoir neutre im neuen Deutschland“, Hermann Heller am 2. Juli über „Demokratische und autokratische Formen der Staatswillensbildung“, und Alexander Rüstow gab am 5. Juli seinem Vortrag ein Thema, das an Schmitts schon 1921 geprägten Begriff von der „kommissarischen Diktatur“ erinnert: „Diktatur innerhalb der Grenzen der Demokratie“. In der anschließenden Diskussion sprach sich auch Theodor Heuß für eine Stärkung der Stellung des Reichspräsidenten aus, was zeigt, dass angesichts der politischen Ausnahmelage ein „notstandsrechtliches Interim“ (E. R. Huber) bis in die Reihen der Liberalen hinein als Lösung akzeptiert wurde. Schließlich hat Schmitt, trotz seiner Kritik an Berlin die Vorteile zu schätzen gewusst, die die Metropole bot. Die pulsierende und stimulierende Atmosphäre der Hauptstadt beflügelt ihn: „wie viele Leute sieht man in Berlin“. (20.12.28). Es waren nicht nur die zahlreichen interessanten Menschen, denen Schmitt jetzt begegnete, es war auch das reiche kulturelle Angebot, das Bonn nicht bieten konnte. Die zwanziger Jahre waren die große Zeit des Berliner Theaters; 1927 gab es hier 49 Theater und gleichzeitig drei Opernhäuser (Lindenoper, Charlottenburger Oper sowie Krolloper). Auch im Musikleben behauptete Berlin mit Dirigenten wie Wilhelm Furtwängler, Otto Klemperer, Bruno Walter, Leo Blech und Erich Kleiber weltweit eine Spitzenstellung. Das galt ebenso für das Filmangebot. Es gab fast 400
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s. Empfängerliste im Nachlass, RW 0265 Nr. 19280.
EinführungXXIII Kinos, von denen einige riesige Ausmaße hatten, wie etwa der Ufa-Palast am Zoo, der 3 000 Menschen fasste. In der Stadt erschienen 45 Morgen-, zwei Mittags- und 14 Abendzeitungen. Fast 200 Verlage waren in Berlin ansässig.30 Schmitt nahm das alles interessiert wahr und ging nun häufig in Museen, ins Theater und in die Oper. Vor allem auch wurde er zum Kinogänger. Den Stummfilmklassiker „Johanna von Orleans“ von Carl Theodor Dreyer sah er mindestens zehnmal, und jedes Mal war er tief ergriffen. Kollegen, Freunde, Bekannte, Geselligkeit und ihr Gegenteil Carl Schmitt war ein ausgesprochen geselliger Mensch, sein Tagebuch lässt geradezu eine Prozession von Zeitgenossen vorüberziehen, mit denen er flüchtig oder auch nachhaltig zusammenkommt; nahezu täglich empfängt er in seiner Wohnung Besucher, auf die er offen und neugierig reagiert. Aber auch hier gilt: Schmitt war ambivalent. Bei aller Geselligkeit legte er Wert darauf, sich nie irgendwelchen Gruppen oder Vereinen angeschlossen zu haben.31 Immer wieder ist das Bedürfnis nach Alleinsein artikuliert: „Das ist doch das schönste, alleine zu sein“(8.12.25). Dann fühlte er sich sicher und stark „wie in meiner Jugend“, was heißen soll: wie in der Zeit vor dem „Betrug“. Diese Reminiszenz an die unbelastete Jugendzeit begegnet im Tagebuch häufig: „einsam für mich noch etwas spazieren, wieder wie in meiner Jugend, verschlossen, sicher, ruhig“ (5.11.25); Schmitt hat das „Gefühl, dass die Kraft meines Lebens in solchen Stunden liegt“ (27.1.28). Von den zahllosen Menschen, denen Schmitt in diesen Jahren begegnete, ergab sich mit vielen über die flüchtige Begegnung hinaus eine nähere Beziehung. Von seinen juristischen Kollegen in Bonn hatte Schmitt am ehesten zu Heinrich Göppert ein freundschaftliches Verhältnis, die anderen Professoren erscheinen im Tagebuch so gut wie gar nicht, mit Ausnahme von Erich Kaufmann. Für Schmitt wie Kaufmann gilt, dass sie beide aus dem Kreis der Bonner Juraprofessoren herausragten. Beide verband die Ablehnung des Rechtspositivismus, und das Verhältnis war zunächst durchaus freundschaftlich. Man verkehrte auch privat miteinander, und Frau Kaufmann besuchte regelmäßig Schmitts Vorlesungen. Am Tagebuch lässt sich dann ablesen, wie die Freundschaft Schmitts in eine immer stärkere Ablehnung umschlug, wobei die eigentlichen Gründe nicht ganz deutlich werden. Ein schwerer sachlicher Dissens waren die Verträge von Locarno, die eine Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund um den Preis einer Festschreibung seiner Westgrenze vorsahen. Kaufmann, der als Berater des Auswärtigen Amtes an den Verhandlungen beteiligt war, rühmte die Verträge „als eine große Sache“, worauf ihm Schmitt erwiderte: „ich halte es für ein großes Unglück“ (16.11.25). Hinzu kamen private Dinge, die Kaufmann – so sagt Schmitt – in Berlin „herumschwätzte“. Schmitt beschwerte sich wiederholt über „Gehässigkeiten“ Kaufmanns, was übrigens Heller und Smend ebenfalls taten. Von allen Juristen, mit denen Schmitt in dieser Zeit in Verbindung stand, war ihm Rudolf Smend wohl am nächsten. Schmitt erkannte seine überragende Qualifikation an und war 30
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Jürgen Schebera, Damals im Romanischen Café. Künstler und ihre Lokale im Berlin der zwanziger Jahre, Braunschweig 1988, S. 6; Szatmari, passim. „Ich habe niemals eine Gemeinschaft bilden wollen, am wenigsten eine verschworene Gemeinschaft.“ Carl Schmitt, Eine Tischrede (1938), in: Schmittiana V, 1996, S. 10.
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„glücklich, von ihm respektiert zu werden“ (4.2.28). Auch auf der menschlichen Ebene war ihre Beziehung sehr freundschaftlich. Anlässlich seiner Besuche bei Smend spricht Schmitt immer mit Sympathie von ihm und seiner Frau. Nach seinem Wechsel nach Berlin ist er oft mit ihnen zusammen; man besucht gemeinsam Theater- und Kinoaufführungen und trifft sich zum Wein. Aber dennoch gab es einen Vorbehalt bei Schmitt: Er durchschaute Smend nicht und hatte „Angst vor ihm und seiner Hintergründigkeit“ (11.1.29). Außerdem vermutete er bei dem dezidierten Protestanten Smend einen antirömischen Affekt: „er hasst mich offenbar als Katholiken“ (ebd.). Und als Smend 1929 eine ausführliche Einleitung zu einer Ausgabe der Weimarer Reichsverfassung schreibt, gibt es Schmitt einen Stich, dass dort zwar auf eine Reihe von einschlägigen Autoren verwiesen wird, nicht jedoch auf Schmitts Opus magnum, die Verfassungslehre. Die Abneigung, die er bei Smend zu spüren glaubte, machte ihn „traurig“ (26.1.29). Mit den Kollegen Carl Bilfinger in Halle und Erwin Jacobi in Leipzig treten weitere enge Weggefährten in Schmitts Leben. Jacobi besucht ihn im September 1926, als Schmitt gerade das Haus in Friesdorf bezogen hatte, und zeigt sich begeistert von der Wohnsituation und der rheinischen Landschaft, die Schmitt ihm ausgiebig vorführt. Bilfinger kommt nicht nur zu Schmitt nach Bonn, dieser besucht ihn auch öfter in Halle, und während Duschka in San Remo ist, verbringt Schmitt 1928 das Weihnachtsfest bei der Familie Bilfinger in Halle. In Berlin machte Schmitt die Bekanntschaft eines jungen Mannes, der „begeistert“ und „fanatisch“ im Jungdeutschen Orden aktiv war: Reinhard Höhn. Zweimal, am 26. Januar und 31. Mai 1929, kam er zu Besuch in die Klopstockstraße und suchte das Gespräch mit Schmitt. Doch der war enttäuscht von dem jungen Aktivisten; Höhn schien ihm „langweilig“ und „nicht klug“. Nach 1933 sollte Höhn dann eine SS-Karriere machen und als Kollege Schmitts an der Berliner Universität ein gefährlicher Feind werden. Die engsten persönlichen Freunde waren in Bonn nicht Juristen, sondern Theologen: Erik Peterson, Heinrich Oberheid, Werner Becker. Dazu kam der Musikwissenschaftler Arnold Schmitz. An erster Stelle steht ohne Frage Peterson, von dem Schmitt als „meinem besten Freunde“ an Smend schrieb.32 Der Göttinger Privatdozent Peterson wurde zum Wintersemester 1924 / 25 als Professor für Kirchengeschichte und Neues Testament an der EvangelischTheologischen Fakultät nach Bonn berufen. Erstmals ist in Schmitts Tagebuch ein Kontakt am 30. Oktober 1924 verzeichnet. Wenige Wochen später, am 16. Dezember, schreibt Schmitt an Feuchtwanger: „Hier ist ein ganz ausgezeichneter, junger protestantischer Theologe, Erik Peterson, als Gelehrter und als Mensch gleich vortrefflich, ein weißer Rabe also.“33 Damit hat Schmitt seine Gemeinsamkeit mit Peterson bezeichnet; er selbst sollte sich 1952 im Glossarium einen weißen Raben nennen, „der auf allen schwarzen Listen steht“.34 Mit Peterson verband ihn die Hochschätzung Kierkegaards, das Außenseitertum des Hochbegabten und die „Absage an die gesamte Bildungswelt“ (v. Wiese). Peterson war nicht nur der „Prototyp der Käuze“ (Edgar Salin), er war auch ein grandioser Wissenschaftler, der es sich erlauben konnte, seine Vorlesungen öfter ausfallen zu lassen, „weil er ein bohèmehaftes Leben führte. Wenn er trotzdem unerwartet wieder einmal erschien, waren die Hörer immer
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BW Smend, S. 47. BW Feuchtwanger, S. 104 f. Glossarium, S. 289.
EinführungXXV noch da.“35 Die Strenge und Genauigkeit, die sowohl Peterson wie Schmitt in ihrem jeweiligen Fach praktizierten, kontrastierte stark mit ihrer Lebensweise, die sehr unorthodox und antibürgerlich war. Sie saßen täglich in Cafés und Weinstuben, besuchten Bars, Cabarets und Kinos, hatten keinen regulierten Tagesablauf, klagten über ständige Geldnot, was sie nicht abhielt, ihre Studenten großzügig einzuladen. Peterson, der Autor der „Theologie des Kleides“, kleidete sich selbst höchst exzentrisch; oft ging er im Cut und mit Halbzylinder und gab den Bohémien, der z. B. einen Mittelscheitel trug, was längst völlig aus der Mode war. Für diese Exzentrik liefert Schmitt mit seinem Tagebucheintrag vom 4. August 1926 ein schönes Zeugnis: Er berichtet, wie er mit Peterson durch die Stadt ging, dabei seinem Vermieter begegnete und „erschrak, weil ich fürchtete, er würde es bereuen, mir sein Haus vermacht zu haben, wenn er mich in einem schlechten Anzug sieht und Peterson in einem ganz unmög lichen“. Und als Peterson 1929 zu Besuch in Berlin ist und mit Schmitt durch die Stadt geht, notiert dieser: „Kam mir neben Peterson vor wie das Paar Bouvard & Pécuchet.“ (12.1.29). Schmitt und Peterson sehen sich schon bald nahezu jeden Tag, manchmal sogar zweimal täglich; man könnte dieses Tagebuch der Bonner Zeit „Peterson-Tagebuch“ überschreiben. Wie eng die Freundschaft war, kann man daraus ersehen, dass Schmitt Peterson nicht nur als Trauzeugen für seine Ehe mit Duschka wählte, sondern mit ihm auch seine „erbärmliche Ehegeschichte“ mit der ersten Frau Cari besprach (18.11.25; 5.12.25); ein Thema, das er sonst mit der äußersten Diskretion behandelte. Da Peterson durch seine Kritik an der liberalen protestantischen Theologie und seine Annäherung an den Katholizismus innerhalb seiner Fakultät isoliert war, wurde ihm das Gespräch mit Schmitt umso wichtiger. Schmitt sei der „einzige vernünftige Mann“ in Bonn und „für einen Professor ungewöhnlich geistreich“, heißt es in einem Brief Petersons an Karl Barth vom Spätherbst 1924. Umgekehrt bezeichnete Schmitt das Gespräch mit Peterson als „für mich eine große Wohltat“,36 und die Arbeiten Petersons als „prachtvoll und hinreißend“.37 Zu dem kontinuierlichen Gespräch mit Peterson sind im Tagebuch nur gelegentlich inhaltliche Angaben gemacht, doch die haben es in sich, weil sie den wechselseitigen Einfluss bezeugen. Peterson machte das juristische und politisch-theologische Denken Schmitts für seine eschatologische Theologie fruchtbar, während umgekehrt der „Theologe der Jurisprudenz“38 von Peterson lernte. Die Faszination eines Denkens vom Ende her verband sie. Schon 1918 taucht bei Peterson der Begriff „Katéchon“ auf,39 der später für Schmitt so zentral wurde. Petersons erste Bonner Vorlesung des Wintersemesters 1924 / 25 über „Neutestamentliche Bedeutungslehre“ nennt den Katéchon explizit, was die Lukasvorlesung des folgenden Wintersemesters zwar nicht macht, jedoch mit „Geheimnis der Bosheit“ sich auf die entsprechende Bibelstelle (2 Thess 2,6–7) bezieht.40 Im Übrigen ist sie mit ihren
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v. Wiese, S. 124. BW Smend, S. 39. BW Muth, S. 148. So Schmitts Selbstcharakterisierung; Glossarium, S. 18. Tagebucheintrag vom 7.7.1918, in: Peterson AS 9 / 2, S. 71 f.; vgl. auch Peterson AS 7, S. 445. Die Vorlesung ist abgedruckt in: Peterson, AS 5. In einem vermutlich 1925 / 26 entstandenen Text mit der Überschrift „Imperium, Christus und Antichristus“ ist das Römische Reich als Katéchon bezeichnet; Peterson AS 4, S. 230.
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Exkursen zu Souveränität, Demokratie, Verfassung und vor allem der auffälligen Verwendung des Ausnahmebegriffs durchtränkt von Schmitt. Für diesen dagegen ist die Bedeutung der frühchristlichen „acclamatio“, Thema von Petersons Habilitationsschrift „Heis Theos“, zentral. „Heis Theos“ zitiert Schmitt in seiner 1927 entstandenen Schrift „Volksentscheid und Volksbegehren“, und „Akklamation“ wird ein wichtiger Begriff in seiner im selben Jahr geschriebenen „Verfassungslehre“. Das Gespräch mit Peterson mag auch für Schmitts Verständnis des Feindes im „Begriff des Politischen“ wesentlich gewesen sein. Peterson beschäftigte sich in seiner Vorlesung über das Lukasevangelium ausgiebig mit der sog. lukanischen Feldpredigt (Lk 6), dem Pendant zur Bergpredigt im Matthäusevangelium. Petersons theologische Auslegung des biblischen Gebots der Feindesliebe und sein Einfluss auf Schmitts Freund-Feind-Theorem wird durch das Tagebuch erhärtet (vgl. z. B. 14.1.26 und 19.1.26). Für seinen „Begriff des Politischen“ wünschte Schmitt sich Peterson als Rezensent, weil „niemand das besser, fruchtbarer, theologischer und christlicher machen könnte als er“.41 Die Freundschaft mit Peterson sollte ab 1938 verblassen. Mit Heinrich Oberheid dagegen hielt sie lebenslang. Oberheid begann 1926 mit dem Theologiestudium in Bonn, das er hauptsächlich bei Peterson absolvierte, der ihn mit Schmitt bekannt machte. Er hörte dann auch Vorlesungen bei Schmitt und saß in dessen Seminar, wo er durch ein „sehr gutes“ Referat auffiel (2.2.27). Bald entwickelte sich ein enges Verhältnis. Oberheid war ein merkwürdiger Mann. Im Ersten Weltkrieg hatte er sich einen Ruf als harter Nahkämpfer erworben, andererseits hatte er ein weiches Gemüt. Wenn er Schmitt besuchte, sang er gelegentlich, wobei Schmitt seine schöne Stimme bewunderte (1.1.27) und seinerseits in den Gesang einstimmte. Oberheid schwankte zwischen Ökonomie und Theologie. Ein erstes Studium der Theologie brach er ab, um 1919 in Heidelberg Nationalökonomie, Jura und Philosophie zu studieren, was er noch im selben Jahr mit der Promotion abschloss. Anschließend machte er eine rasante Karriere im Stinnes-Konzern, wo er bereits 1923 Direktor war. Das gab er aber schon 1926 wieder auf, um in Bonn erneut Theologie zu studieren. Auch mit dem Schwager Oberheids, Julius Sopp, der als Arzt an der Medizinischen Poliklinik in Bonn arbeitete, hatte Schmitt zeitweise Kontakt, der sich schon darum eng gestaltete, weil Sopp Besitzer eines Automobils war, das Schmitt, der nie in seinem Leben ein Auto, nicht einmal einen Führerschein besaß, gerne in Anspruch nahm. Zu Waldemar Gurian war die Beziehung Schmitts intensiver, als es der veröffentlichte Briefwechsel erkennen lässt. Die Beziehung beruhte wohl, und zwar was die Anziehung und auch Abstoßung angeht, auf einer „Wesensgleichheit“.42 Über Gurian gehen die Urteile auseinander. Raymond Aron beklagte seine intrigante Bösartigkeit, während Hannah Arendt von ihm sagt, dass er „es niemals wirklich böse meinte“.43 Das sind freilich Urteile über den späten Gurian. Dem Gurian von 1929 bescheinigt Benno von Wiese die „Vereinigung un gewöhnlich hoher Intelligenz, primitiver Scheußlichkeit und fast kindlicher Naivität“.44
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BW Muth, S. 156. Hürten, S. 13. Raymond Aron, Mémoires, Paris 1983, S. 266–268 (in der deutschen Ausgabe nicht enthalten); Hannah Arendt, Menschen in finsteren Zeiten, München 2001, S. 313. v. Wiese, S. 125 f.
EinführungXXVII Gurian traf Schmitt häufig, und er hat von ihm sehr profitiert. Schmitt gab ihm Hinweise auf französische Autoren (Maurras, Lamennais, Maritain) und wies ihn auf das Thema „Totalitarismus“; alles Themen, mit denen Gurian sich dann intensiv beschäftigte und über die er auf Anraten Schmitts (4.3.26) Bücher schrieb. Aber Schmitt profitierte auch von Gurian, der gute Beziehungen nach Frankreich hatte und die erste Übersetzung der Politischen Romantik ins Französische vermittelte. Die Freundschaft zerbrach dann durch wiederholte Indiskretionen Gurians hinsichtlich von Publikationsplänen Schmitts, und als Schmitt zu der Überzeugung kam, dass Gurian verantwortlich war für sein Zerwürfnis mit Hugo Ball, suchte er, wie er an Karl Muth schrieb, „die persönliche Beziehungen mit Gurian zu meiden“.45 Im Herbst 1927 spitzte sich der Konflikt zu. „Heftiger Disput mit Gurian, über den ich mich sehr ärgerte“, notiert Schmitt am 12. September 1927. Am 7. November erhält Schmitt einen langen Brief von Karl Muth, der ihm berichtet, wie Gurian Schmitt für seine eigene Publikationsstrategie ausnutzt. Kurz vor Weihnachten trafen sie sich dann zum letzten Mal. Am 20. Dezember vermerkt Schmitt, dass Gurian ihm zum Abschied nicht die Hand gab. Am Tag darauf heißt es: „mit Eschweiler zu Gurian, der sich lümmelhaft benahm. Ich ging weg. Es ist lächerlich.“ Das war das Ende der Freundschaft. Wie tief das ging, zeigt der Brief, den Gurian nach anderthalbjährigem Schweigen am 7. Juni 1929 an Schmitt schreibt, und mit dem er sich in aller Form für sein Verhalten entschuldigt.46 Eine Abschrift dieses Briefes hat Schmitt noch 1970 mehreren Personen zur Kenntnis gegeben; wohl um deutlich zu machen, dass die heftigen und zum Topos gewordenen Angriffe Gurians ab 1933 auf ihn („Kronjurist des Dritten Reiches“) eine Vorgeschichte haben. Die Universität dieser Zeit erlaubte noch eine persönliche Beziehung des Professors zu seinen Studenten. Bei Carl Schmitt war das besonders ausgeprägt. Mit seinen Doktoranden – genannt seien nur die Namen Werner Becker, Werner Weber, Ernst Rudolf Huber, Karl Lohmann, Ernst Friesenhahn, Otto Kirchheimer – pflegte Schmitt ein fast kollegiales Verhältnis, und mit nicht wenigen von ihnen blieb er lebenslang befreundet. Selbst Kirchheimer, der als Jude und Marxist 1933 in die Emigration getrieben wurde, nahm nach 1945 den Kontakt zu seinem alten Lehrer über alle politischen Differenzen hinweg wieder auf. Mit keinem von ihnen aber hatte Schmitt in Bonn so vertrauten Umgang wie mit Werner Becker. Man kann schon von mehr als einem „Lieblingsschüler“ sprechen; Werner Becker war in dieser Zeit ein Freund. Dabei war er gar nicht ständig in Bonn anwesend. Er begann zum Wintersemester 1925 ein Zweitstudium der katholischen Theologie, das ihn 1926 / 27 zu Jacques Maritain nach Paris führte. Benno von Wiese zeichnet Becker in seinen Erinnerungen als „völlig frei von Zweideutigkeit oder geheimer Fragwürdigkeit“. Auffällig ist dagegen, dass der Name eines Bonner Meisterschülers, der sich später zum Freund entwickeln sollte, im Tagebuch 1921 bis 1924 nur zweimal beiläufig, in dem vorliegenden Tagebuch aber für die Bonner Zeit nicht ein einziges Mal fällt: Ernst Forsthoff. Erst mit dem Wechsel nach Berlin begegnen sich Schmitt und Forsthoff öfter. Carl Schmitt pflegte mit seinen Schülern über die Lehrveranstaltungen hinaus geselligen Umgang, und das galt keineswegs nur für Doktoranden, sondern auch für einfache Studenten. Er begegnete ihnen ohne alle Starallüren, nahm sie mit zum Weintrinken (wo er dann
45 46
BW Muth, S. 145. BW Gurian, S. 92 f.
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selbstverständlich bezahlte) und empfing sie auch in seiner Wohnung. Was Norberto Bobbio am 4. Januar 1980 an den alten Schmitt schrieb, galt für dessen professorales Verhalten generell: „Ich habe den Besuch nie vergessen, den ich Ihnen in Berlin im Sommer 1937 abstattete. Ich war 28 Jahre alt und nicht nur jung, sondern auch unbekannt. Ich hatte oftmals Gelegenheit, mich an diese Begegnung zu erinnern […] Und ich habe es nicht versäumt, meine Verwunderung darüber zu äußern, daß ein Professor auf dem Höhepunkt seines Ruhmes, wie Sie es in diesen Jahren waren, einen jungen Mann bei seinen ersten Schritten auf dem Weg der Studien so liebenswürdig aufnahm.“47
Schmitt nahm auch emotional Anteil am Fortkommen seiner Studenten, und es gibt immer wieder Notate, die eine geradezu väterliche Sorge und Zuwendung bezeugen. Er war offenbar ein angenehm-unaufgeregter Prüfer. Als er sich am 24. Februar 1928 vom Vizepräsident des Kölner Oberlandesgerichts verabschiedet, stellt der ihm ein Zeugnis aus über seine Tätigkeit in der juristischen Prüfungskommission: Er habe hier Schmitts „Sachlichkeit, Ruhe und Sicherheit immer bewundert“. Der Künstlernatur Schmitts entspricht seine Unbeholfenheit in Dingen des praktischen Lebens und die Unfähigkeit zu Haushalten. Obwohl er als Professor und gefragter Gutachter, vor allem ab 1928 in Berlin, nicht zu den unteren Einkommensschichten gehörte, lebte er doch in ständigen Geldsorgen. Die waren natürlich zunächst durch die hohen Ausgaben bedingt, die Duschkas Krankheit verursachten, für die nicht nur Arzt-, sondern vor allem auch Pflegekosten anfielen. Aber auch ohne das wäre die Knappheit wohl die gleiche gewesen. Es ist „eine Schande, wieviel Geld ich ausgebe“, heißt es am 9. Dezember 1925 und im folgenden Jahr: „Grauenhafte Geldausgaben. Immer neue Rechnungen, zum Verzweifeln“ (13.8.26). Am 5. März 1926 bittet er beim Kurator der Universität um Vorschuss, und Anfang Juli heißt es: „Musste Eisler um Geld bitten.“ Das half offenbar wenig, denn am 19. September ist zu lesen: „Völlig ruiniert durch Geldsorgen“; im April 1927 hat er 12 000 Mark Schulden (16.4.27). Juden Für Schmitts Judenfeindlichkeit finden sich auch in diesem Tagebuch zahlreiche Belege. Sie sind abstoßend und widerwärtig, fallen aber, genau genommen, nicht unter „Antisemitismus“, da dieser im späten 19. Jahrhundert entstandene Begriff rassistisch definiert ist, und Carl Schmitt mag vieles gewesen sein – Rassist war er nicht. Was letztlich die Gründe seiner Judenfeindschaft waren, lässt das Tagebuch nicht erkennen, es zeigt allerdings auch hier eine tiefe Gespaltenheit. Mit vielen Juden verstand Schmitt sich bestens, wie etwa mit seinem Verleger Feuchtwanger, dem Kollegen Heinrich Wimpfheimer in Berlin, oder auch Erwin Jacobi in Leipzig. Die Verfassungslehre widmete er seinem gefallenen jüdischen Kommilitonen Fritz Eisler, dessen Bruder Georg dann zu einem Freund wurde, wie er ihn enger in seinem ganzen Leben nie hatte. Während Schmitt sich im Tagebuch zu anderen Freunden, selbst zu Erik Peterson, durchaus auch mal kritisch oder verärgert äußert, spricht er von Georg Eisler fast ausschließlich mit Liebe und herzlicher Zuwendung. Das hatte nichts da47
Zit. nach Tommissen (1997), S. 133.
EinführungXXIX mit zu tun, dass der begüterte Eisler ihm immer wieder mit finanziellen Zuwendungen unter die Arme griff (wofür Schmitt sich durchaus revanchierte, indem er Georg seine juristische Expertise zur Verfügung stellte). Wenn Georg seinen Besuch in Bonn ankündigte oder Schmitt zu ihm nach Hamburg fuhr, ist jedes Mal von großer Freude die Rede. Das Verhältnis zu Georg, seiner (Schmitt sehr sympathischen) alten Mutter, wie auch zu Georgs (Schmitt weniger sympathischen) Frau Käthe blieb völlig problemlos. Als er aber einmal mit der größeren Familie zusammensitzt, heißt es: „Zu Mittag mit Eisler, seiner Frau und deren Verwandten, Juden, mir wurde unheimlich in dieser Gesellschaft“ (3.2.28). Duschka … Das slawische Wort „Duška“ bedeutet „Seele“, und wie diese das Unsterbliche, aber schwer zu Definierende ist, so sprechen auch alle, die Schmitts zweite Ehefrau kannten, von einem ganz außergewöhnlichen, nur unvollkommen mit Worten zu beschreibenden Menschen. Wilhelm Grewe hat es vielleicht noch am besten getroffen, wenn er von einer „einzigartigen Verbindung von ungewöhnlichem Mut, Gelassenheit, Wirklichkeitssinn und menschlicher Wärme“ sprach.48 Von Schmitt wird Duschka immer hoch gepriesen als eine „herrliche“, „wunderbare“, „kluge und überlegene“ Frau, die seinem Leben „Ruhe“ (8.1.28) und „Ausbalanciertheit“ (20.1.28) gab. Er, der von sich sagte: „Ich sah, wie fern von mir meine Seele ist“ (15.8.27), fand diesen Mangel durch Duschka behoben: „Sie ist meine Seele“ (s. unten, S. 466). Schmitts Verhältnis zu Duschka war eines der Kompensation. Was ihm fehlte, fand er in seiner Frau: „Ich lebe von fremder Substanz und Kraft: Duschka“ (s. unten, S. 421). Ihre in sich ruhende Sicherheit und ihr Mut zogen den hektisch-nervösen, extremen Stimmungsschwankungen unterworfenen, feigen und ängstlichen Charakter Schmitts an. „Fühle mich sicher bei ihr. So wird mein Leben froh, ich brauche das als armer Schmitt“, heißt es am 10. Oktober 1927. Duschka war für ihn darum eine so ideale Partnerin, weil sie ihm mit ihrer gelassenen Lebenszuversicht Schutz bot vor seiner Lebensangst: „konnte kaum gehen, Angst vor jedem und allem, entsetzlich bedrückt, wäre nur Duschka endlich gesund, ich halte es nicht mehr aus“ (7.5.29). Die ersten Jahre dieser zweiten Ehe standen unter keinem guten Stern. Schon am Tag nach der Hochzeit verschärfte sich die Lungentuberkulose Duschkas; sie hustete Blut. Des milderen Klimas wegen reiste sie nach Kroatien – ohne großen Erfolg. Schmitt notiert: „Schreckliche Angst, traurig, bedrückt“ (9.2.26). Tuberkulose hieß zu dieser Zeit „Schwindsucht“ und war, da sie noch nicht mit Antibiotika behandelt werden konnte, ein schleichendes Todesurteil. Man schickte die Patienten entweder in Heilstätten, wo um den Preis langer Aufenthalte und geringer Erfolgsaussichten die Selbstheilungskräfte gestärkt werden sollten, oder man behandelte sie chirurgisch, was kaum größere Heilungschancen versprach. Bei Duschka kamen beide Therapien zur Anwendung. Seit dem Ausbruch der Krankheit 1924 hielt sie sich zumeist in Kurheimen oder Krankenhäusern auf. Allein im Kaiser-FriedrichKrankenhaus in San Remo verbrachte sie ab Mitte September 1928 mehr als ein Jahr. Im 48
So anlässlich des Todes von Duschka 1950 in seinem Kondolenzbrief an Schmitt; zit. nach Mehring (2009), S. 470.
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März 1929 verschlechterte sich ihr Zustand. Carl Schmitt reiste nach San Remo. Die Situation spitzte sich in lebensbedrohlicher Weise zu und wurde dramatisch: „wir weinten ununterbrochen“ (11.3.29). Das Paar bereitete sich auf den Tod vor. Duschka wünschte, in Plettenberg begraben zu werden und gab Anweisungen für ihr Begräbnis. Schmitt schreibt an die Eltern und an den Kaplan von Plettenberg-Eiringhausen wegen einer Beisetzung auf dem dortigen katholischen Friedhof. Er macht sich Gedanken, wie seine orthodoxe Frau nach römisch-katholischem Ritus zu bestatten sei und fragt deswegen seinen Priesterfreund Neuß. Dieser antwortete mit Bekehrungsversuchen, was Schmitt als „pfaffenhaft“ und „taktlose Apologetik am Sterbebett“ empfand (16.3.29). Der Arzt verlangt eine Operation, weshalb Schmitt sich an den Internisten und Bonner Kollegen Richard Siebeck (der 1949 / 50 in Heidelberg die Krebserkrankung Duschkas behandeln sollte) wendet. Siebeck verweist an den Sauerbruch-Schüler Alfred Brunner in St. Gallen, einen anerkannten Spezialisten für die chirurgische Behandlung der Tuberkulose. Paul Adams informiert am 18. März 1929 Erik Peterson über die Lage: „Es bestehen Eiterungen in der Lunge und sie muß stehend, ohne Narkose, operiert werden. Die Duschka muß furchtbar leiden.“49 Im Mai / Juni wird Duschka in St. Gallen insgesamt wohl fünfmal operiert und kehrt dann wieder nach San Remo zurück. Für die ganze Zeit dieses Tagebuchs ist ihr Leben eine einzige Leidensgeschichte am Rande des Todes. Anlässlich der tödlichen Erkrankung von Forsthoffs Frau 1959 blickt Schmitt auf seine eigene Situation zurück: „Die Krankheit meiner Frau, besonders in den Jahren 1926–1930, war ein schweres Unglück, aber meine Ehe wäre ohne solche Prüfungen nicht das wunderbare Geschenk Gottes geworden, das mich bis heute, noch zehn Jahre nach ihrem Tode, aufrecht hält und mir eine Sicherheit gibt, die jedem Schlag gewachsen ist. Dieses Leidvertrauen ist mehr als das, was man Glück nennt.“50
„Sicherheit“ ist auch hier das entscheidende Stichwort; Schmitt fand sie bei Duschka, selbst als sie auf den Tod krank war und sogar noch viele Jahre nach ihrem Tod. … und andere Frauen In krassem Kontrast zu den ohne jeden Zweifel ehrlichen Liebesbekundungen an seine Frau steht die notorische Untreue Schmitts, sein ständiger Umgang mit Geliebten und Prostituierten, der auch als Duschka sterbenskrank ist beibehalten wird. Nur gelegentlich sieht Schmitt, was er Duschka antut. In den Einträgen vom 10. und 11. März 1929 bekennt er, wie schäbig und erbärmlich er sich dieser Frau gegenüber verhält und gesteht ein „verzweifeltes Schuldbewusstsein“ (s. unten, S. 442). Das hat er dann allerdings schnell wieder vergessen, um auch in San Remo anderen Frauen hinterher zu laufen. Das Tagebuch bietet ein penibles Protokoll dieser sexuellen Obsessionen; es verzeichnet schonungslos jeden Koitus und alle Ejakulationen, was für den Leser eine peinigende und auch ermüdende Lektüre ist. Voyeure kommen dabei – das ist schon in der Einführung zum vorhergehenden Tagebuch gesagt – kaum auf ihre Kosten, denn Lust ist hier immer mit 49
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Zit. nach Nichtweiß (1994), S. 82. Da die eigentlichen Operationen erst zwei Monate später und sicher auch nicht ohne Narkose stattfanden, spricht Adams hier wohl von Punktionen. BW Forsthoff, S. 152.
EinführungXXXI Qual verbunden. In Bonn beginnt Schmitt am 9. August 1926 eine heftige Affäre mit einer Magda Lizki, ehemals Fabrikarbeiterin, jetzt Verkäuferin im Damenmodehaus Wittgensteiner, die aber auch noch eine Beziehung zu ihrem früheren Bräutigam unterhält, was Schmitt deprimiert. Er trifft sich häufig mit ihr, unternimmt Ausflüge, führt sie zum Essen aus und ist sehr verliebt. Dabei ist er sich „völlig klar darüber, dass ich unmöglich mit einer Verkäuferin in Beziehung treten kann“ (12.9.26), andererseits, sagt er sich, „ist das eine herrliche Ergänzung: eine klare, schöne, repräsentative Frau und eine Geliebte, mit der man sich nicht sehen lassen kann.“ (18.1.28). Die Beziehung bleibt intensiv bis zu Schmitts Weggang aus Bonn, und damit war sie ihm noch lange nicht aus dem Sinn: „Sehnsucht nach Magda, das war immer noch die Beste“, heißt es am 22. Januar 1929. Eine Nachfolgerin für Magda ließ in Berlin nicht lange auf sich warten. Am 2. Dezember 1928 trifft Schmitt auf einer Abendgesellschaft bei Moritz Julius Bonn die gleichaltrige Margot von Quednow, Witwe eines im Ersten Weltkrieg gefallenen Offiziers. Noch am selben Abend nimmt er sie mit zu sich nach Hause und schläft mit ihr. Konnte Schmitt sich mit der Verkäuferin Magda „nicht sehen lassen“, so ist das bei Margot von Quednow anders: Sie war eine Dame der Gesellschaft, verkehrte in den gleichen Kreisen wie Schmitt, hatte Freunde wie Moritz Julius Bonn und Viktor von Gebsattel und war es gewohnt, an deren Diskussionen teilzunehmen. Aber im Paralleltagebuch findet sich auch ein Vorbehalt gegen alle diese „germanischen“ Geliebten, die gegen Duschka im entscheidenden Punkt nicht ankommen: „Alle diese blonden Germanen, Preußen, sind ordinär, sind sachlich, vernünftig, nett, aber sie haben keine Seele, keine Seele; schöne Duschka.“ (s. unten, S. 463). Neben der Geliebten Margot von Quednow hatte Schmitt in Berlin zahllose weitere Frauenbekanntschaften, wobei es sich zumeist um Prostituierte handelte, die er auf der Straße ansprach. Von seiner Wohnung am Tiergarten befand sich die Handelshochschule vier S-Bahn-Stationen entfernt beim Bahnhof „Börse“ (heute: „Hackescher Markt“). Dazwischen lag die Friedrichstraße, ein Zentrum der käuflichen Liebe mit Bar an Bar, Stundenhotel an Stundenhotel. Von der Elendsprostitution im Osten der Stadt, am Alexanderplatz und um den Schlesischen Bahnhof, hielt Schmitt sich fern. Aber die „gehobenere“ Form des Angebots, die Straßenprostitution der Friedrichstraße, hat er ausgiebig wahrgenommen; ebenso frequentierte er die noch etwas besser manikürten Mädchen des Kurfür stendamms, der von der Klopstockstraße fußläufig zu erreichen war. Die Absteigen waren am Kurfürstendamm und in der Friedrichstraße keine schmuddeligen Privatquartiere, sondern Hotels. Nach einem zeitgenössischen Bericht gab es auf dem kurzen Stück der Friedrichstraße nebst Seitenstraßen zwischen Oranienburger Tor und Weidendammer Brücke, wo Schmitt hauptsächlich unterwegs war, 50 solcher Stundenhotels.51 Leben und Werk Am 22. Juni 1948 spricht Carl Schmitt im Glossarium von dem Gegensatz der Ordnung in seinen Gedanken und Begriffen und der Unordnung in seinem Privatleben. Das Tagebuch lässt Letztere in aller Schärfe hervortreten. Es macht aber zugleich auch deutlich, dass das
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Weka, S. 69 und 91.
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eine nicht vom anderen zu trennen ist. „Nervös, aber sehr produktiv“ beschreibt Schmitt sich (3.1.26) und markiert mit der Konjunktion „aber“ einen Widerspruch, wo eine Bedingtheit vorliegt: Die Nervosität Schmitts ist Bedingung der Möglichkeit seiner spezifischen Produktivität. Das schnell und flüchtig Hingeworfene im Tagebuch, der unzensierte chaotische Bewußtseinsstrom in den Paralleltagebüchern sind die Kehrseite der verführerischen Klarheit des elaborierten theoretischen Werkes. Leben und Werk gehören bei Schmitt gerade in ihrer Gegensätzlichkeit eng zusammen. Der Denker der Ausnahme lebte privat im permanenten Ausnahmezustand. Da bei Schmitt alles ambivalent ist, gehört zur Nervosität auch ihr Gegenteil. Schmitt ist nicht nur „immer sehr überreizt und nervös“ (9.11.27); er ist auch – Preis eines Lebens, das unter ständiger Hochspannung geführt wurde – oft „müde“. So etwa notiert er regelmäßig die Qualität seiner Vorlesungen, und es fällt auf, dass sie ihm am besten gerieten, wenn er müde war, das heißt, wenn seine nervöse Spannung gedämpft war. „Müde“ erscheint oft in der Steigerung „todmüde“. Das darf man durchaus wörtlich nehmen. Während im Tagebuch der Jahre 1921 bis 1924 noch öfter von Selbstmord die Rede ist, geht das – offenbar dank Duschka – ab 1925 zwar merklich zurück, wird aber noch immer als eine reale Möglichkeit ins Auge gefasst. Am 6. Dezember 1925 findet sich das Notat: „gegen Morgen dachte ich wieder an Selbstmord“, wofür der Gedanke an die Zeit „vor 7 Jahren“ der Auslöser ist, also die Krisenzeit der ersten Ehe. „Freute mich, dass ich einen Revolver habe und eines Tages Selbstmord begehen kann“, heißt es am 19. September 1926, und diesmal ist es die Furcht vor dem Scheitern der Ehe mit Duschka, die diesen Gedanken auslöst. Da Schmitt den Betrug als Selbstbetrug erkennt, richtet sich seine Reaktion gegen sich selbst; er fürchtet, darüber „irrsinnig“ (8.10.26) zu werden. „Immer morgens heftige Erektionen, heftige Gier, seit 20 Jahren alles verpfuscht. Lächerlich und erbärmlich. Mach endlich Schluss, du widerlicher Hund“, heißt es am 13. Juli 1929. Peterson muss die Gefährdung des Freundes erkannt haben und prophezeite ihm, kaum dass er ihn näher kennengelernt hatte, den Selbstmord, was er dann 1929 allerdings wieder zurücknahm. Als Schmitt 1907 sein Studium in Berlin aufnahm, schwankte er zwischen Jura und Philologie. Auch als sich dann die juristische Perspektive verfestigte, blieben die geisteswissenschaftlichen Neigungen lebendig. Das wissenschaftliche Werk des Juristen Carl Schmitt hat eine ausgeprägt literarisch-ästhetische Seite. Christoph Schönberger spricht von der „literarischen Jurisprudenz“ Schmitts, der sich als Jurist gegen seine ästhetischen Neigungen disziplinieren musste.52 Dieser Prozess spiegelt sich gerade im vorliegenden Tagebuch. An seinem Beginn steht der Aufsatz „Illyrien“, mit dem Schmitt offenbar sehr zufrieden war, denn er bedachte viele Leute mit einem Sonderdruck. „Illyrien“ ist ein Text des Literaten Schmitt, bei dem er seinen ästhetischen Neigungen freien Lauf ließ; Peterson nannte ihn „sehr schön und ‚dichterisch‘ “ (6.11.25), Kaufmann sprach spöttisch von einer „Verlobungsanzeige“ (11.11.25). Der qualvolle Entstehungsprozess der Verfassungslehre steht auch im Kontrast zum Begriff des Politischen, der kurz davor entstand. Dass Schmitt hier mit Freude an der Arbeit war, liegt zunächst an der essayistischen Form, die – nach der Definition der Encyclopédie – seinen Gegenstand behandelt „sans prétendre l’approfondir ni l’épuiser“. Der Essay als eine literarische Form entsprach der ästhetischen Seite Schmitts. Die essayistische Form bedeutet
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Christoph Schönberger, Carl Schmitts literarische Jurisprudenz, in: Merkur 70, 2016, S. 89–96.
EinführungXXXIII Prägnanz und einen apodiktischen Gestus, der die innere Unsicherheit stilistisch-ästhetisch zu überspielen erlaubt. Schmitts Stärke war die knappe Definition. Sie in vollkommener Weise zu finden, war sein Ehrgeiz. Gelang es, so war das beglückend, und es hatte nicht nur für seine Leser und Hörer, sondern auch für ihn selbst einen hohen ästhetischen Reiz. An Heinrich Oberheid schreibt er 1927 den aufschlussreichen Satz: „Der Himmel ist heute so klar wie eine gute Definition.“53 Das im Tagebuch dokumentierte chaotische Leben steht nicht nur im Widerspruch zur formalen Ordnung des Werkes, sondern auch zu dessen zentralen Begriffen, angefangen mit dem der Souveränität. Ihre hervorgehobene Stellung im Werk steht in auffälligem Kontrast zur wenig souveränen privaten Lebensführung des Autors. Und wenn Schmitt von Dezisionismus spricht, so lässt sein Tagebuch erkennen, wie wenig er selbst zu einer Entscheidung fähig war. Das war ihm auch völlig klar: „Ist das nicht alles lächerlich: Ich spreche von Dezision und kann mich nicht entscheiden.“ (s. unten, S. 447). Somit steht das Tagebuch zum Werk in einem Verhältnis der Komplementarität, oder vielleicht besser: der Kompensation. Man muss gar nicht die Psychoanalyse bemühen, denn es ist offensichtlich, dass Schmitt die geordnete Gedankenführung des Werkes gegen die innere Unordnung stellt, die schneidige Dezision gegen die eigene Entscheidungsschwäche, den privaten Ausnahmezustand gegen die theoretische Ausnahme, die die Regel erklärt. Seinen Vortrag in Barcelona 1929 schloss Schmitt mit einem Vergil-Zitat, auf das er auch später verschiedentlich zurückkommt: „Ab integro nascitur ordo“. Was er hier so effektvoll formuliert, kann er für das eigene Leben nicht in Anspruch nehmen; Werk und Leben klaffen auseinander und bleiben in ihrem Widerspruch doch aufeinander bezogen. Gewisse Elemente des Werkes sind e contrario im Tagebuch vorgegeben. Mit dem Werk sucht der Autor die Anarchie seiner privaten Lebensführung zu dementieren. Die stärkste Beziehung zwischen Werk und Tagebuch gibt es vielleicht im Begriff des Katéchon. Zwar ist er im Tagebuch nicht genannt, und auch im Werk erscheint er erst viel später. Er ist aber in Bonn schon virulent, und – wie dieses Tagebuch erkennen lässt – durch die Gespräche mit Peterson ziemlich sicher auch schon bekannt. Dass Schmitt sich früh schon mit dem Katéchon beschäftigte, sagt er selbst 1974 in einem Brief an Hans Blumenberg,54 und im Nachlass finden sich zahlreiche Materialien dazu.55 Das Tagebuch legt nahe, dass der Begriff für Schmitt auch eine persönliche Dimension hatte, wenn er darauf besteht, ihn nicht mit „Aufhalter“ zu übersetzen, sondern mit „Niederhalter“.56 Die große Bedeutung des Katéchon für Schmitt liegt so auch in seinem verzweifelten Bemühen, den 53 54
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RW 0265 Nr. 10482. „Seit über 40 Jahren sammle ich Material zu dem Problem κατέχων bzw. κατέχον (Thess. 2,2,6)“, Brief vom 20. 10. 1974, in: Hans Blumenberg / Carl Schmitt, Briefwechsel 1971–1978 und weitere Materialien. Hrsg. von Alexander Schmitz und Marcel Lepper, Frankfurt a. M. 2007, S. 120 mit Anm. auf S. 122 f. RW 0265, Nr. 20022, 20023, 20024, 20026, 20172, 21149. In einem Brief an Julien Freund heißt es 1969: „[…] le mot ‚Katechon‘ ne signifie pas retarder; c’est plutôt ‚tenir à bas‘.“ Schmittiana IV, 1994, S. 83. Vgl. auch Carl Schmitt / Hans-Dietrich Sander, Werkstatt-Discorsi. Briefwechsel 1967–1981. Hrsg. von Erik Lehnert und Günter Maschke, Schnellroda 2008, S. 65 mit Anm. 15 auf S. 97. Übrigens findet sich auch bei Peterson das Verständnis des Katéchon als Niederhalter; vgl. Peterson AS 4, S. 241.
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eigenen inneren Chaosdrachen niederzuhalten. Ein derartiges Lebensgefühl ist von Angst beherrscht: „Die schwarz beleckten Parasiten der Verzweiflung, der Angst und der Unsicherheit“ (s. unten, S. 343) sind Schmitts ständige Begleiter. Die Angst vor seiner „Unfähigkeit zum Leben“ (29.4.29) ist ein Leitmotiv seines Tagebuchs. Mit seinem Werk suchte er diese Lebensunfähigkeit zu überspielen. „Petit de taille, grand d’esprit“ – so beginnt das von Corina Sombart etwa 1952 verfasste Lobgedicht auf Carl Schmitt. In der deutschen Übertragung heißt das: „Ein großer Geist – in kleinem Mann“.57 Unter dem Eindruck der Tagebücher Schmitts möchte man anders übersetzen: „Schwach als Mensch – groß als Gelehrter“. Corina Sombart bewunderte Schmitt und meinte mit „petit de taille“ natürlich kein moralisches, sondern das physische Format. Das Bild des von ihr Besungenen beruhte auf dem Werk und vor allem der Erfahrung der geistreichen Konversation seines Schöpfers, dessen Inneres der Freundin Corina nicht zugänglich war, wie es überhaupt niemandem zugänglich war. Carl Schmitt blieb anderen Menschen gegenüber verschlossen. Enge Freunde wie etwa Paul Adams und Erik Peterson bemerkten wohl die Unruhe, die ihn trieb, seine nervöse Anspannung, kamen aber über die Wahrnehmung der äußeren Phänomene nicht hinaus. Den „Selbstbetrug“ offenbarte Carl Schmitt nur seinem Tagebuch. In ihm haben wir den seltenen Fall eines ohne jeden Vorbehalt geschriebenen Tagebuchs. Sein abbreviatorischer Charakter, die stilistische Sorglosigkeit und vor allem die „unleser liche“ Schrift lassen schon erkennen, dass es nicht für andere Leser, sondern für den Autor selbst als Mittel der Selbstvergewisserung geführt wurde, und zwar rücksichtslos gegenüber der eigenen Person. Schmitts Tagebuch kann als eine Beichte angesehen werden, und Beichten unterliegt, das war für den Katholiken klar, dem Beichtgeheimnis. Die öffentliche Beichte wird notwendig falsch; sie verletzt, mit Schmitt zu reden, ein „Arkanum“. Daher auch seine Reserven gegenüber Leuten, die ihre Tagebücher veröffentlichen. Wer das tut, landet unweigerlich in der Romantik, wo jeder „der eigene Dombaumeister an der Kathe drale seiner Persönlichkeit“ wird.58 Das Verwerten des eigenen Lebens zur Literatur war nicht die Sache Schmitts. Sein Motiv war einzig, sich Klarheit zu verschaffen über das eigene, ihm durchaus nicht klare Leben in einer Weise, die das Arkanum schon durch die hermetische Schriftform bewahrt. Letztlich bleibt Carl Schmitt ein Rätsel. Seine Tagebücher bieten nicht die Lösung, aber die Phänomenologie dieses Rätsels. Sie zeigen die extremen Schwankungen, denen Schmitt unterworfen war, und womit er alle Symptome des manisch-depressiven Typus bietet, der unwillkürlich an die Buchreihe „Genie, Irrsinn und Ruhm“ denken lässt. Der zentrale Begriff von Schmitts Werk, Souveränität, galt für ihn persönlich gerade nicht. Er war seinen Süchten hoffnungslos ausgeliefert, ein Getriebener, ein labiler Charakter, immer wechselnd zwischen Euphorie und Verzweiflung, Hochmut und Zerknirschung. Neben seiner Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft, Herzlichkeit und Menschenzugewandtheit zeigt er sich schwach und unsicher, als Verräter an seinen Freunden und an seiner großartigen Frau. Er zittert vor dem „Betrug“, dem er, wie er wusste, nicht entgehen konnte, und der, wie er ebenso wusste, Selbstbetrug war. Dieser Betrug war sein lebenslanges Trauma. In den Tagebüchern wird es erkennbar. 57 58
Vgl. BW Sombart, S. 224 und 226. Carl Schmitt, Politische Romantik, 2. Aufl., München / Leipzig 1925, S. 26.
Rückblick auf die Editionsarbeit an den fünf Bänden Tagebücher Carl Schmitts aus den Jahren 1912 bis 1934 Von Gerd Giesler Als im Jahr 2000 die „Jugendbriefe“ von Carl Schmitt an seine Schwester Auguste im Akademie Verlag, Berlin, erschienen, kamen der Herausgeber Ernst Hüsmert und der Verleger Gerd Giesler überein, Tagebücher Carl Schmitts aus dessen frühen Jahren zu edieren, die an diese Jugendbriefe anschließen. Der Plan war ein Wagnis, da fast alle Unterlagen in Gabelsberger Stenographie geschrieben waren, die Hüsmert etwas und Giesler gar nicht entziffern konnten, so dass unklar war, was der Inhalt dieser Tagebücher sein könnte. Die wenigen aus der Stenoschrift transkribierten Seiten von Anfang 1913 für die Briefedition gaben kaum inhaltliche Hinweise auf das Ganze. Auch wenn Hüsmert wie Giesler seit Jahrzehnten zu Lebzeiten Schmitts in dessen Haus verkehrt und zum engsten Freundeskreis gehört hatten, war ihnen bewusst, dass Carl Schmitt in privaten Angelegenheiten diskret war und Verletzungen seiner Privatsphäre durch Nachfragen etwa zu seiner ersten Frau nicht duldete. Dank der Zustimmung des Verwalters von Carl Schmitts wissenschaftlichem Nachlass, Prof. Jürgen Becker, wurde mit der Transkription der frühesten Tagebuchunterlagen begonnen. Ziemlich bald stellten sich nach ersten Übertragungen grundsätzliche Fragen: Sollten auch bei Wiederholungen von bestimmten Aussagen nach einer ersten die nachfolgenden knapp gekennzeichnet, aber nicht vollständig gebracht werden und sollten erotische oder sexuell obsessive Passagen in voller Länge gedruckt oder nur umschrieben werden. Nach einiger Diskussion und Abstimmung mit dem Nachlassverwalter wurde beschlossen, keinerlei Kürzungen, Regesten o. ä. zu bringen, sondern stets den gesamten integralen Text. Bestärkt wurden die Herausgeber in ihrer Entscheidung auch darin, dass Carl Schmitt seine Aufzeichnungen jahrzehntelang immer wieder neu, meist unter Angabe des Datums, gelesen hatte. Gründe mögen eine ständige Selbstvergewisserung gewesen sein, die Anlage eines Gedankenvorrats, der jederzeit abrufbar war oder auch durch tägliche Aufzeichnungen „mit sich selbst nicht zu intim“ (H. v. Doderer) zu werden. So war das Fazit, einem der weit über Deutschland hinauswirkenden Gelehrten seinen Publikationen autobiographisches Material an die Seite zu stellen, das helfen könnte, den Lebenskontext von dessen Denken und Schaffen zu verstehen und die Gestalt des Autors in seiner Komplexität vor Augen zu stellen, die vorschnelle Einordnungen obsolet werden lassen. Wichtig war von Anfang an, dass es sich bei der Texterstellung um eine Lesefassung handelt, eine kritische Ausgabe der Tagebücher kam schon aufgrund fehlender Ressourcen gar nicht in den Blick. Damit waren auch weitere Entscheidungen genereller Art naheliegend, etwa dass bei z. T. rasch und flüchtig hingeworfenen Steno-Notizen die nicht immer stim-
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Gerd Giesler
mige Syntax stillschweigend verbessert wurde, zwar Satzzeichen wie im Original wiedergegeben, aber zur besseren Lesbarkeit auch ergänzt wurden. Nicht entzifferbare Stellen wurden gekennzeichnet, unsichere Lesungen in Winkelklammern und Konjekturen der Herausgeber in eckige Klammern gestellt. Erarbeitet wurden die Transkriptionen von dem erfahrenen Stenographie-Sachverständigen Hans Gebhardt (1925–2013), der durch sein Entgegenkommen bei der Honorierung die Editionen der Tagebücher erst möglich machte. Aufgrund der Erfahrungen aus der Zeit nach Schmitts Tod war den Beteiligten klar, dass sie zunächst keine Chancen für die Förderung der Edition der frühen Tagebücher Carl Schmitts mit öffentlichen Mitteln erhalten würden. Die Tagebuch-Übertragungen wurden für die ersten drei Editionen vom Akademie Verlag in Berlin bezahlt, danach gab es für die weiteren Bände eine Förderung seitens der Universität Trento, Prof. Michele Nicoletti, und schließlich eine von der Gerda Henkel Stiftung.
Tagebücher Oktober 1912 bis Februar 1915. XI, 431 Seiten. 1. Aufl. Berlin 2003, 2. korr. Aufl. Berlin 2005, Akademie Verlag Herausgegeben von Ernst Hüsmert Mit der Transkription der ca. 250 A5-Original-Seiten begann Hans Gebhardt im letzten Quartal 2000 und beendete die Arbeit Mitte 2002. Nach der editorischen Bearbeitung und der Herstellung des Buches konnte das Werk Ende 2003 ausgeliefert werden; zwei Jahre später erschien eine 2., wesentlich verbesserte Auflage. Während der Editionsarbeiten an diesem ersten Tagebuch stellten Hüsmert und Giesler anhand der im Nachlass vorhandenen umfangreichen Tagebuchnotizen aus den anschließenden Jahren Überlegungen an, welche weitere für Publikationen infrage kämen. Aus den in fast allen Jahrzehnten seines Lebens geführten Tagebuchaufzeichnungen wurden wegen der wenig bekannten Lebens- und Zeitumstände und wegen der Bedeutung der in den 1920er Jahren veröffentlichten Schriften die aus der Zeit bis 1929 gewählt; später kamen dann noch die Notizen aus der Endphase der Weimarer Republik und dem Beginn des NS-Staates bis 1934 dazu.
Die Militärzeit 1915–1919. Tagebuch Februar bis Dezember 1915. Aufsätze und Materialien. X, 587 Seiten. Berlin 2005, Akademie Verlag Herausgegeben von Ernst Hüsmert und Gerd Giesler Da für diese Zeit nicht sehr umfangreiche Tagesnotizen überliefert sind – obwohl aus späteren Aufzeichnungen bekannt ist, dass Schmitt auch in diesen Kriegsjahren ständig Tagebuch geführt hatte – wurden bisher unbekannte Dokumente aus Schmitts Tätigkeit im stellvertr. Generalkommando des I. bayer. Armeekorps und seit langem vergriffene kleinere Publikationen in den Band aufgenommen. Die stenographischen Aufzeichnungen wurden in der 2. Hälfte 2002 und 2003 übertragen, der Band 2005 ausgeliefert.
Rückblick auf die Editionsarbeit
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Tagebücher 1930 bis 1934. XII, 519 Seiten. Berlin 2010, Akademie Verlag Herausgegeben von Wolfgang Schuller in Zusammenarbeit mit Gerd Giesler Bereits durch früher vom Landesarchiv NRW beauftragte Fachleute lagen ca. 60 % der Tagebuchnotizen aus dieser Zeit in Übertragungen vor, die weiteren Materialien wurden im Laufe von 2004 / 2005 transkribiert. Zu dieser Zeit konnte auch der Althistoriker und Jurist Wolfgang Schuller / Konstanz für die editorische Betreuung und Herausgeberschaft gewonnen werden. In Zusammenarbeit mit Gerd Giesler war das Manuskript 2009 fertiggestellt, das Buch konnte 2010 erscheinen. Als Besonderheit tauchte hier zum ersten Mal das Problem auf, dass Carl Schmitt nicht nur parallel einen Tageskalender mit Terminen sowie wichtigen Eintragungen geführt hatte, sondern vor allem auch ein weiteres Parallel- oder DenkTagebuch. Nach Prüfung der Übertragungen wurde beschlossen, auch sie in das Werk aufzunehmen. Das in drei Teile gegliederte Material umfasste schließlich im Druck 100 Seiten. Der Schatten Gottes. Introspektionen, Tagebücher und Briefe 1921 bis 1924. XXII, 601 Seiten. Berlin 2014, Duncker & Humblot Herausgegeben von Gerd Giesler, Ernst Hüsmert und Wolfgang H. Spindler Die ursprüngliche Planung der Edition der Aufzeichnungen für die Jahre 1921 bis 1929 ging davon aus, dass bei deren Umfang mehrere Bände vorzusehen seien. Für die Zeit 1920 bis 1923 / 24 waren zwei Teile vorhanden: nur wenig datierte Aufzeichnungen aus der Zeit 1921 / 22, kaum sortiert und meist ohne Pagina, sowie eine umfangreiche Sammlung, paginiert aber nicht datiert, mit dem von Schmitt notierten Titel „Schatten Gottes“. Dazu kam eine fest gebundene Kladde mit fast täglichen Notizen von 1923 bis 1929. Nach anfangs kontroversen Diskussionen im Herausgeberkreis wurde beschlossen, bei der chronologischen Ordnung zu bleiben und den „Schatten Gottes“ an das Ende des ersten Teils der 1920er Tagebücher zu stellen und danach die weiteren Jahre in einem zweiten Band zu pu blizieren. Bereits 2005 hatte Hans Gebhardt mit der Transkription der Notizen aus den ersten 1920er Jahren begonnen, letzte Arbeiten konnte er noch im Sommer 2013 vor seinem Tod abschließen. Da die Materialien fast unentzifferbare Teile enthielten und die editorische Bearbeitung ebenfalls als langwierig eingeschätzt wurde, bekam die Edition der Tagebücher 1930 bis 1934 Vorrang. Insbesondere durch die Beteiligung von P. Wolfgang H. Spindler / München konnte schließlich nach Vorarbeiten im Institut von Prof. Nicoletti / Universität Trento und von Ernst Hüsmert ab 2008 mit der editorischen Arbeit begonnen werden, die 2013 / 2014 abgeschlossen wurde, so dass das Buch 2014 ausgeliefert werden konnte. Tagebücher 1925 bis 1929, XXXVIII, 545 Seiten. Berlin 2018, Duncker & Humblot Herausgegeben von Martin Tielke und Gerd Giesler Der zweite Teil der Notizen aus der Kladde für die Zeit 1923 bis 1929 liegt mit diesem Band der Tagebücher vor, vermehrt um den Teil der Parallel-Tagebücher, die den bereits im Tagebuch 1930 bis 1934 dokumentierten vorausgehen. Die editorische Arbeit ist im Wesent-
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Gerd Giesler
lichen von Martin Tielke geleistet, der bereits bei der gänzlich neu bearbeiteten und erweiterten 2. Auflage des Tagebuches „Glossarium, Aufzeichnungen aus den Jahren 1947 bis 1958“, Berlin 2015, einen großen Teil der Edition besorgt hatte.
Carl Schmitt Tagebücher 1925–1929
Tagebuch 1925 Ostern 1925 In die Messe, Verlobung mit Duschka, In Alf. Mit Georg und Käthe Eisler (die ihr erstes Kind erwartet)1, schöne Fahrt nach Trier. 14. 4. 25 Großer Vortrag in Köln, über die Rheinlande als Objekt internationaler Politik.2 Freude an dem Erfolg, besonders weil Duschka dabei war. 16. 4. 25 Vortrag diktiert, sehr erfreut über die schnelle Erledigung. Die Nachricht über den Erfolg in der KV.[Kölnische Volkszeitung] mit größtem Behagen.3 1000 Mark Honorar.4 11. 7. 25 An meinem Geburtstag mit Duschka auf dem Kreuzberg. Schön gebetet.5 Wunderschönes, liebes Kind. Anfang August 1925 In Plettenberg mit Duschka, schöner Spaziergang zum Schwarzenberg6. Freitag, 14. 8. 25 Von Bonn mit Duschka abgereist, in den falschen Zug gestiegen, in Koblenz eine Stunde, dann weiter gefahren, abends müde und traurig in München angekommen, Duschka zur 1
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Schmitts Freund Georg Eisler (1892–1983) und seine Ehefrau Käte Eisler, geb. Basseches, bekamen am 2. 12. 1925 die Tochter Hannah Friederike, das erste von vier Kindern; Mehring, Eisler, S. 10; vgl. TB III, S. 327. Vortrag Schmitts auf der Jahrtausendfeier der Rheinischen Zentrumspartei, veröffentlicht in der Reihe „Flugschriften zum Rheinproblem“, Folge 2, Heft 4, 1925; komment. Neuausg. von Günter Maschke in: FoP, S. 26–50; Mehring (2009), S. 192; BW Feuchtwanger, S. 129 ff. In der Kölnischen Volkszeitung, dem wichtigsten publizistische Organ des politischen Katholizismus in Deutschland, erschien am 15. 4. 1925 in der Ersten Morgenausgabe ein ausführlicher Bericht über die Jahrtausendfeier, in dem über mehrere Spalten von der „einstündigen, klaren, fesselnden, zahlreiche neue Gedanken darbietenden Rede“ Schmitts berichtet wird, die „mit gespanntester Aufmerksamkeit angehört“ wurde. Schmitt war der Zeitung verbunden und veröffentlichte hier zwischen 1922 und 1930 sechs Beiträge; vgl. Dahlheimer, S. 442 f. Schmitt hielt auch darum Vorträge, weil er immer wieder in Geldnot war. 1000 Mark waren allerdings ein außergewöhnlich hohes Honorar. Auf dem Bonner Kreuzberg gab es ein Franziskanerkloster mit einer barocken Kapelle. Berg bei Plettenberg, mit einer Burgruine und schöner Aussicht in das Lennetal.
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Tagebuch 1925
Pension Bristol7, ich ins Hotel Continental8; nachts nicht geschlafen, Autos lärmten usw. Schrecklich. Samstag, 15. 8. 25 Krause9 telefoniert, zu Mittag verabredet, für den Nachmittag mit Muth10 verabredet, schön gefrühstückt in dem feinen Hotel, Duschka mittags getroffen, dann Krause und die kleine Lisa11, in der Neuen Börse12 auf der Terrasse zu Mittag gegessen, Krause fuhr nach Tölz, nachmittags zu Muth, seine Tochter13 kennengelernt, sehr schön unterhalten; er will meinen Aufsatz über den status q.[uo] im Oktoberheft als Zwischenaufsatz drucken.14 Fröhlich abends bei Duschka zu Abend gegessen. Sonntag, 16. 8. 25 Ein paar Besuche, aber niemand getroffen, auch Haecker15 nicht. Mittags mit Duschka in der Neuen Börse, nach dem Essen geruht, nachmittags bei Beyerle16, den Vortrag in Trier abgesagt,17 Abends mit Duschka im Kontor18 gegessen, sehr schön, aber sehr teuer (20 Mark), hatte sie sehr lieb. 7 8 9
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Schwanthaler Str. 51. Max-Josef-Str. 5. Georg Alexander Krause (1885–1955), mit Schmitt befreundeter Ingenieur und Fabrikbesitzer, Erfinder des Krause-Zerstäubungstrocknungs-Verfahrens, wohnte in München und besaß auch eine Wohnung in Tölz, wo Schmitt öfter zu Besuch war; DBA II 754, 51; Schmittiana NF I, 2011, S. 123; TB III, S. 85; Gilbert Merlio, Carl Muth et la revue Hochland. Entre catholicisme culturel et catholicisme politique, in: Grunewald / Puschner, S. 191–210. Carl (Karl) Muth (1867–1944), Publizist, gründete 1903 die dem „Renouveau catholique“ verpflichtete Monatsschrift „Hochland“; NDB 18, S. 644–647; Dahlheimer, S. 550–553; Koenen, S. 37; vgl. BW Muth. Liselotte Krause, genannt Lisa; Tochter von Georg Alexander Krause und seiner Ehefrau Elise. Café-Restaurant, Maximiliansplatz 8. Luise Maria Theresia („Lulu“) Muth (1897–1961). Carl Schmitt, Der Status quo und der Friede, in: Hochland 23 / 1, 1925, S. 1–9; komment. Wiederabdr, in: FoP, S. 51–72. Der Text beruht auf einem Vortrag, den Schmitt am 28. 7. 1925 frei gehalten und den ein Student mitgeschrieben hat; vgl. BW Feuchtwanger, S. 151. Theodor Haecker (1879–1945), Essayist und Übersetzer, der nach seiner Konversion 1921 zu einem der bekanntesten katholischen Publizisten Deutschlands wurde. Schmitt lernte ihn 1915 in München kennen und schätzte ihn als Polemiker wie als Kierkegaard-Vermittler; im „Glossarium“ urteilte er später kritisch über ihn. NDB 7, S. 425–427; Hanssler / Siefken; Dahlheimer, S. 540–545, Weiß, S. 135–141. Konrad Beyerle (1872–1933), seit 1918 Professor für Rechtsgeschichte an der Münchener Universität; NDB 2, S. 206 f.; Gespräch, S. 99 f.; Dahlheimer, S. 275 ff.; Thomas Hense, Konrad Beyerle, Frankfurt a. M. 2002. Auf der Tagung der Görres-Gesellschaft im Herbst 1925 in Trier sollte Schmitt einen Vortrag zum Thema „Staat und Souveränität im Zeitalter des modernen Imperialismus“ halten. Aus Verärgerung darüber, dass er bei der Gründung des „Spanischen Instituts“ der Görres-Gesellschaft in Trier 1925 durch Ludwig Kaas und Prälat Georg Schreiber nicht herangezogen wurde, sagte Schmitt seinen Vortrag ab; vgl. Schmittiana V, 1996, S. 326 (Corr. zu S. 65 Fn. 54); Briefwechsel von Wilhelm Neuß und Konrad Beyerle dazu in: RW 0579 Nr. 671 (Kopien). Restaurant, Aventinstr. 7.
August 1925
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Montag, 17. 8. 25 Mit Duschka nach Tölz gefahren, eine Station vorher holte uns Krause mit dem Auto ab, das war wunderschön. Abends noch herrliche Spazierfahrt an den Tegernsee. Ich freute mich, dass Duschka sich so freute. Abends wunderschön unsere Verlobung gefeiert, Krause wollte Feuerwerk bestellen. Ziemlich lange gesprochen, sehr gerührt. Dienstag, 18. 8. 25 Nicht genug geschlafen, aber doch munter. Nach dem Frühstück um 11 von Krause mit dem Auto nach München gefahren, sehr schön und schnell. Mittags um ½ 2 dann nach Triest abgefahren mit der Tauernbahn, abends in Salzburg eine Stunde, dann weiter gefahren, nicht müde; 2. Klasse, während Duschka 3. blieb. So ging die Reise sehr bequem. In Bad Gastein aus dem Zug geschaut. Durch die Alpen, herrlich. Mittwoch, 19. 8. 25 Am anderen Morgen durch Istrien. Mittags in Triest, Hotel Savoy. Nachdem ich mich ausgeruht hatte, durch Triest. Geilheit der Huren. Abends in einem italienischen Restaurant gegessen, müde ins Bett. Es war heiß und schwül, schrecklich. Donnerstag, 20. 8. 25 Vormittags lange das jugoslawische Schiff gesucht, mit dem wir fahren wollten. Missmutig, schließlich doch gefunden: Beograd. Nachmittags noch in der Kirche S. Giusto, die herr lichen Mosaiken.19 Gegen Abend abgereist, auf dem Schiff übernachtet. Freitag, 21. 8. 25 Den ganzen Tag an der dalmatinischen Küste entlang gefahren. Um 6 in Split, Fräulein Tadi´c20 war am Hafen, die sensationelle Stadt, durch den Palast Diokletians mit ihrem Schwager gegangen. Nachher Fahrt nach der Pension Schiller, mit dem Auto, fast ins Meer gefallen. Fantastisch. Samstag, 22. 8. 25 Tagsüber in Spalato21, abends weiter gefahren, zu viel Wein getrunken (Krainer), todmüde. Auf der Bank geschlafen. Sonntag, 23. 8. 25 Morgens um 6 auf, mit großer Verspätung erst gegen 10 in Gravosa22, dann zum Hotel Imperial, nachmittags weiter nach Kupari, abends gebadet, aber beschlossen, am anderen Tag wieder zurückzugehen.
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Die Kathedrale von Triest aus dem 13. Jahrhundert enthält aus dieser Zeit Mosaiken in der Apsis der Justuskapelle sowie Mosaikrest des Vorgängerbaus aus römischer Zeit auf dem Fußboden.
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Zlata Tadi´c (geb. 1901), Serbin, seit 1922 Studentin der Philologie in Bonn; Freundin von Duschka Todorovi´c; vgl. TB III, S. 205 und passim. Lat. Name für Split. Lat. Name für Gruž, heute das Hafenviertel von Dubrovnik.
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Sonntag, 23. 8. 2523 Frühmorgens gebadet. Von Kupari (lange auf das Auto gewartet) nach Ragusa24 zurück. Hotel Imperial, wunderschöne Aussicht von dem Zimmer aufs Fort Imperial. Allmählich wurde es aber zu laut, Tanzmusik bis 12 Uhr nachts. Schnaken, badete morgens wunderschön, einmal in der Bucht von Lacota, verbrannt. Schließlich ungeduldig. Duschka hatte Angst um ihren Vater, wir beschlossen am Vormittag, 27., Samstag abzureisen. Freitag, 28. August nach Cavtat (Ragusavecchia), mit einem Wagen. Es war so herrlich, dass wir beschlossen, dorthin zu gehen. Samstag, 29. 8. 25 Nach Cavtat, wohnte schön im Franziskaner-Kloster; der Prior trank gern Pivo25; kuriert von meiner Mönchsromantik. Arbeitete in der Bibliothek Bogiši´c26. Wir badeten jeden Tag, meist nach dem Essen, wunderschön, in der Adria. Am Sonntag, 7. 9. Spaziergang nach der 27 Cavtat in den dalmatinischen Bergen, mit dem Wagen zurück. Täglich schön in der Bibliothek Bogiši´c exzerpiert. Montag, 8. 9. 2528 Plötzlich Hexenschuss, konnte kaum gehen, im Bett gelegen, massiert von Frau Kukulica, langweilig, traurig, dabei dieses herrliche Meer und das herrliche Wetter. Dienstag, 16. 9. 2529 Abgereist (morgens in Ragusa den Schwager von Duschka getroffen, harmloser untypischer Serbe), beinahe das Schiff verfehlt (im letzten Augenblick in Gravosa) nach Korcˇula, nachmittags zu Pannwitz30, schön unterhalten.
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Die Datierung stimmt nicht; wahrscheinlich hat sich Schmitt um einen Tag vertan und meint Montag, den 24. 8. Lat. Name für Dubrovnik. Pivo (serbisch) = Bier. Valtazar Bogiši´c (1834–1908), aus Cavtat gebürtiger Jurist und Soziologe. In Cavtat wird seine bedeutende Bibliothek mit 18000 Bänden aufbewahrt. Vgl. hierzu die Schilderung, die Schmitt in seinem Brief an Rudolf Smend vom 14.9.25 gibt (BW Smend, S. 48–50). Mit Smend hatte Schmitt sich schon 1924 über Bogiši´c unterhalten (TB III, S. 333). Zu Bogiši´c: Werner G. Zimmermann, Valtazar Bogiši´c, 1834–1908. Ein Beitrag zur südslav. Geistes- u. Rechtsgesch. im 19. Jahrhundert, Wiesbaden 1962. Die Burg Sokol Grad oberhalb von Cavtat. Recte: 7. 9. 25. Recte: 15. 9. 25. Rudolf Pannwitz (1881–1969), Dichter und Kulturphilosoph, lebte seit Mai 1925 auf Korcˇula. Schmitt war möglicherweise über Theodor Däubler mit ihm in Verbindung gekommen. In Däublers Sammmlung „Attische Sonette“ ist das Gedicht „An Phaidros“ Rudolf Pannwitz, das Gedicht „Pegasus“ Carl Schmitt gewidmet. Anlässlich seines Besuches auf Korcˇula schenkte Pannwitz Schmitt: Rudolf Pannwitz, Orplid, München / Feldafing 1923, mit der Widmung: „Herrn Prof. Carl Schmidt [sic!] / in Ergebenheit / Rudolf Pannwitz“. In seinem Brief an Theodor Däubler vom 18. 11. 1925 berichtet Schmitt über seinen Besuch bei Pannwitz (in: Schmittiana VII, 2001, S. 360 f.).
August/September 1925
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Donnerstag, 17. 9. 25 Nach Split, mit dem Dampfer, sehr schöne Fahrt, an Hvar vorbei, abends im Hotel Bellevue. Freitag, 18. 9. 25 In Split herumgelaufen, gegen Abend zum Museum. Msgr. Buli´c31 kennengelernt. Samstag, 19. 9. 25 Nach Salona32 und Traú33. Abends mit der Bahn, Schlafwagen, nach Agram34. Sonntag, 20. 9. 25 bis Donnerstag, 24. 9. 25 in Agram. Den Vater von Duschka35 getroffen und fuhr mit ihm zusammen. Oft sehr traurig. Donnerstagabend abgereist, die Nacht durch. Freitag, 25. 9. 25 In München, morgens trotz der Reise munter, bei Muth, angeregt erzählt. Im Rheinischen Hof36 gewohnt, nachmittags mit Dr. Schröter37, abends mit Krause. Samstag, 26. 9. 25 Abends bei Krause (einen Agramer kennen gelernt), Nachmittag bei Feuchtwanger38. Sonntag, 27. 9. 25 München, morgens herumgelaufen, schauderhaft, nicht mit Krause Auto gefahren, abends im Rheinischen Hof, nett unterhalten.
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Siehe auch Ingeborg Villinger, Carl Schmitts Kulturkritik der Moderne. Text mit Kommentar und Analyse der „Schattenrisse“ des Johannes Negelinus, Berlin 1995, passim und TB II, S. 281. Frane Buli´c (1846–1934), Priester, Archäologe, langjähriger Direktor des archäologischen Museums in Split. Ital. Name für Solin, Kleinstadt bei Split. Ital. Name für Trogir. Dt. Name für Zagreb. Vasilije (Vaso) Todorovi´c (1872–?), Gutsverwalter und Notar, lebte von seiner Ehefrau getrennt in Poravska Slatina; Tommissen (1997), S. 103; Mehring (2009), S. 153 f. Hotel in München, Bayerstr. 21–23. Manfred Schröter (1880–1974), Philosoph, Redakteur der Neuen Münchner Nachrichten und Lektor im Verlag R. Oldenbourg, zusammen mit Alfred Bäumler Herausgeber des fünfbändigen Handbuches der Philosophie (München 1927–1934); vgl. Tilitzki (2002), S. 216 f. Zu diesem Handbuch war ein Beitrag von Carl Schmitt vorgesehen, den dieser jedoch zurückzog, weil er nicht mit Othmar Spann zusammen erscheinen wollte; vgl. die beiden Briefe von Schröter vom 12. 8. und 15. 10. 1925 (RW 0265 Nr. 14657 und 14658); NDB 23, S. 588 f. Ludwig Feuchtwanger (1885–1947), Leiter des Verlages Duncker & Humblot, in dem Schmitt hauptsächlich veröffentlichte; DBE 3, S. 291; vgl. BW Feuchtwanger; TB III, S. 77 und passim.
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Tagebuch 1925
Montag, 28. 9. 25 Um 6 Uhr abgereist, schöne ruhige Stunde allein im Coupé, 2. Klasse, mittags in Frankfurt, bei Frau v. Schnitzler39, sehr nervös, abends friedlich. Dienstag, 29. 9. 25 Nach Bonn zurückgekehrt. Montag, 19. 10. 2540 Müde um ½ 9 auf, an Duschka geschrieben, zärtlich und freundlich, um 10 zum Kasten gebracht, André41 kam zum Frühstück, machte den Kaffee. Wir frühstückten und unterhielten uns über seine Lage. Ich schrieb dann noch etwas, um 12 gingen wir zum Institut42, um 1 zum Essen bei Strassberger43, nach dem Essen kam er zu mir, ich schlief, Brief von Eisler, dass ich doch kommen soll, um 4 aufgestanden, Kaffee bei Scharrenbroich44, dann schön ½ Stunde für mich allein zu Hause, dann kam André. Wir überlegten, dass er an Krause schreiben soll. Um 7 kam Schulz45, sehr nett unterhalten, morgen Abend bei Heimberger46, um ½ 8 mit André zu Streng47, Wein getrunken, über die Pfaffen geschimpft (habe heute schon meinen Schriftsatz nach Münster geschickt),48 abends noch bei Schmitz49, lustig und 39
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Liliane (Lilly) von Schnitzler (1889–1981), Ehefrau von Georg von Schnitzler, mit Schmitt lebenslang befreundet; vgl. BW Schnitzler. Auf dem Kopf dieses Blattes der Handschrift notiert: „22. 10. 25 Nebbich (Käte Eisler)“. André Steinlein (1891–1964), Rechtsanwalt in Vic-sur-Seille (Lothringen), Sohn des gleichnamigen jüngeren Bruders von Schmitts Mutter. Mit dem Vetter war Schmitt seit Schülerzeiten zusammen. Institut für internationales Recht und Politik an der Universität Bonn, das der Juristischen Fakultät zugeordnet war und dessen Direktor Schmitt zusammen mit Erich Kaufmann war. Pension in Bonn, Beethovenstr. 31. Konditorei und Café, Bahnhofstr. (Hansa-Eck). Fritz Schulz (1879–1957), seit 1923 Professor für Römisches und Bürgerliches Recht sowie Vergleichende Rechtswissenschaft in Bonn, 1931 in Berlin, 1933 an der Ausübung seines Lehramts gehindert, 1934 zwangsemeritiert, 1939 über die Niederlande nach England emigriert; NDB 23, S. 714 f. und TB III, S. 88. Joseph Heimberger (1865–1933), seit 1903 Professor für Straf-, Prozess- und Kirchenrecht in Bonn, 1924 / 25 Rektor der Universität, zum 1. 10. 1925 nach Frankfurt berufen, dort 1928 / 29 Rektor; DBE 4, S. 583; Chronik 51 (N.F. 40), 1925 / 26, S. 40 und TB III, S. 74. Weinstube in Bonn, Mauspfad 6–8. Schmitts Bemühung, seine Ehe mit Pauline Marie Doroti´c kirchenrechtlich annullieren zu lassen, war in erster Instanz vom Bischöflichen Offizialat in Köln am 18. 6. 1925 abgelehnt worden. Dagegen hatte er Berufung eingelegt. Die zweite Instanz war das Offizialat Münster. Vgl. Schmittiana V, 1996, S. 180–182. Arnold Schmitz (1893–1980), Musikwissenschaftler, wurde 1919 Assistent von Otto Klemperer an der Kölner Oper, habilitierte sich 1921 in Bonn, Privatdozent, 1928 a. o. Professor in Bonn, 1929 o. Professor in Breslau, nach dem Krieg Professor in Mainz, dort 1953 / 54 und 1960 / 61 Rektor. Schmitz war seit 1922 ein enger und lebenslanger Freund Schmitts; vgl. im Nachlass Schmitt die Briefe von Schmitz sowie die Briefe Schmitts im Nachlass Arnold Schmitz im Universitätsarchiv Mainz. Zu Schmitz: Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG), Personenteil Bd. 14, Sp. 1480–1482; TB III, passim.
September/Oktober 1925
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guter Dinge. Müde zu Hause, Verzweifelt, einsam, öde. André hat immer Sorge, dass meine Ehe mit Duschka wieder ein Unglück wird. 20. 10. 25, Dienstag Wollte nicht nach Hamburg reisen. Mit André bei Strassberger gegessen, nachmittags bei mir zu Hause, etwas gearbeitet, Briefe geschrieben. Abends um ½ 9 Abschiedsfeier der juristischen Fakultät für Heimberger50, im Bürgerverein51. Landsberg52 nach Hause begleitet, müde, gleichgültig. Mit Schulz und Hensel53 nett unterhalten. Mittwoch, 21. 10. 25 Entschloss mich, morgen nach Hamburg zu reisen. Den ganzen Tag mit André zusammen. Wir entwarfen einen Brief an Krause, den er schreiben soll. Es geht ihm schlecht. Wollte immer nach Düsseldorf fahren, aber schließlich doch sparsam. Immer hat er Sorge wegen Duschka und meiner Dummheit. Um 5 nachmittags bei Frau Dr. Schmitz54 Kaffee getrunken, mit Ännchen55, immer müde. Abends eingepackt. Traurig, Sehnsucht nach Duschka.
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Heimberger wechselte an die Universität Frankfurt a. M. Bonner Bürger-Verein, Gesellschaftshaus, Poppelsdorfer Allee / Ecke Kronprinzentr. 3. In einer zeitgenössischen Beschreibung heißt es: „[…]am Eingang der Poppelsdorfer Allee erhebt sich wirkungsvoll der Prachtbau des ‚Bürgervereins‘, dem prunkvollen Äußeren entsprechend auch im Innern mit behaglicher Vornehmheit ausgestattet, auch er ein Sammelpunkt fröhlich-vornehmen rheinischen Lebens, auch den Fremden in seinem öffentlichen Restaurant gerne von edlen Weinen spendend, die er in seinen weiten Kellereien verwahrt.“ Bonn-Führer, S. 43; vgl. Abb. in TB III, S. 576. Ernst Landsberg (1860–1927) Professor für Römisches Recht und Strafrecht in Bonn, hatte Schmitts Berufung unterstützt; NDB 13, S. 511 f.; Nachruf von Fritz Schulz in: Chronik 52 (N.F. 41), 1926 / 27, S. 18–25; TB III, S. 79 und passim. Albert Hensel (1895–1933), Begründer des modernen Steuerrechts, seit 1923 a. o. Professor für Staats-, Verwaltungs-, Finanz- und Steuerrecht in Bonn, 1926 o. Professor in Königsberg, im April 1933 auf Grund des Arierparagraphen beurlaubt, Emigration nach Italien, dort im Oktober 1933 an einem Herzleiden gestorben. Schmitt schlug Hensel 1933 als seinen Nachfolger an der Handelshochschule vor; Tilitzki (1994), S. 187; Paul Kirchhof, Ein Kämpfer für ein rechtsstaatlich geordnetes Steuerrecht, in: Heinrichs, S. 781–791; Ekkehart Reimer / Christian Waldhoff, Einleitung zu: Albert Hensel, System des Familiensteuerrechts und andere Schriften, Köln 2000, S. 1–124. Annemarie Schmitz, die Ehefrau von Arnold Schmitz. Mit der Familie Schmitz verband Schmitt eine familiäre Freundschaft; Annemarie Schmitz wurde die Patentante von Schmitts Tochter Anima und wird in seinen Briefen als „liebe Mumie-Tante“ angesprochen. Vgl. Universitätsarchiv Mainz, Nachlass A. Schmitz, Nr. 35; TB III, passim. Anna Margarethe Schmitt (1902–1954), jüngste Schwester von Carl Schmitt, wurde Musiklehrerin und Organistin an der katholischen Kirche in Plettenberg-Eiringhausen, machte zu dieser Zeit in Bonn eine Ausbildung, vermutlich für ihren späteren Beruf. Vgl. Abb, in: Jugendbriefe.
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Tagebuch 1925
Donnerstag, 22. 10. 25 Mit André gefrühstückt, um ½ 10 mit der Rheinuferbahn56 nach Köln, dort nach Hamburg, 3. Klasse, sehr schön, im Zug immer den Aufsatz über Illyrien korrigiert,57 so dass die Zeit schnell vergangen. Am Bahnhof in Hamburg waren Kluxen58 und Eisler. Aßen zusammen in der Stadt, obwohl Frau Eisler das Essen vorbereitet hatte. Schrecklich mit diesem Kluxen. Um 8 im Auto nach Flottbek zur Jürgensallee59, Frau Eisler war spazieren gegangen. Abends etwas müde, fremd, zu viel gesprochen, traurig ins Bett. Freitag, 23. 10. 25 Morgens mit Eisler in die Stadt, bei Rosenbaum60, nett unterhalten, dann mit Kluxen über seine Trennung von der Frau,61 mit den beiden zu Mittag gegessen. Bei Jalant62, nachher ziemlich müde, Kluxen sagte mir, dass Frau Eisler heute mich für einen „Nebbich“ ; darüber sehr wütend.63 Abends mit Eisler zusammen nach Hause, traurig, heftige Kopfschmerzen auf dem linken Auge, ins Bett, allein, wollte morgen früh abreisen. Flucht.
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Die Rheinuferbahn, eine der ersten elektrischen Bahnen in Deutschland, war die kürzeste und schnellste Verbindung zwischen Köln und Bonn. Die Züge verkehrten im 30-Minuten-Takt und benötigten für die Strecke 20 Minuten. Die preußische Staatsbahn fuhr über Brühl und brauchte länger. Carl Schmitt, Illyrien. Notizen von einer dalmatinischen Reise, in: Hochland 23 / 1, 1925, S. 293– 298; komment. Wiederabdr. in: SGN, S. 483–490. Franz Kluxen (1887–1968), Kaufmann und Kunstsammler, seit der Zeit auf dem Gymnasium in Attendorn mit Schmitt befreundet, in Straßburg Kommilitone. Im „Glossarium“ spricht Schmitt am 17. 5. 1948 von seiner „persönlichen Beziehungen zu Franz Kluxen (der mich in die durch und durch genialistische Geistigkeit des deutschen 19. Jahrhunderts, in R. Wagner und Otto Weininger, initiiert hat)“. Vgl. Tommissen (1997), S. 49–51; Gespräch, S. 58 und 135, Anm. 22; Jugendbriefe, S. 18 f. und passim (Abb. S. 29); N.N., Münsteraner war einer der größten Kunstsammler der Moderne, in: Westfälische Nachrichten vom 4. 3. 2016. Georg und Käte Eisler wohnten in der Jürgensallee 17 in Blankenese. Eduard Rosenbaum (1887–1979), Jurist und Nationalökonom, seit 1919 Syndikus der Handelskammer in Hamburg und Direktor der Hamburger Commerzbibliothek, zugleich Lehraufträge an der Universität, 1934 entlassen und Emigration nach England, wo er an der Bibliothek der London School of Economics tätig war. Rosenbaum hatte als Sachverständiger an den Friedensverhandlungen in Versailles teilgenommen und in mehreren Veröffentlichungen den Versailler Vertrag kritisiert. Er war ein Studienfreund von Schmitt und stimmte mit ihm weitgehend überein (vgl. seine Briefe an Schmitt, in: Schmittiana NF III, 2016, S. 32–68.), wandelte sich aber mit Schmitts NS-Engagement zum scharfen Kritiker, was Schmitt besonders traf. Hagemann, S. 574–576; Hamb. Biogr. 3, S. 319 f.; Tommissen (1997), S. 51–53. Kluxen war dreimal verheiratet. Restaurant in Hamburg, Mönckebergstr. 18. Zu Käte Eisler, der Frau Georgs, hatte Schmitt ein gespanntes Verhältnis, wohingegen er sich mit der seit 1924 verwitweten Mutter Georgs, Ida Ernestine Eisler, gut verstand (s. u.); vgl. Mehring, Eisler.
Oktober 1925
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Samstag, 24. 10. 25 Doch nicht abgereist. Den Vormittag im Bett. Nett unterhalten mit Frau Eisler64, nachmittags Kluxen, traurig, wütend über abends schöner Spaziergang mit Eisler. Allmählich ruhiger, den Aufsatz über Illyrien geschrieben. Sonntag, 25. 10. 25 Wieder lange geschlafen, schön gefrühstückt, Spaziergang an der Elbe. Abends zu Frau Eisler in die Benedictstraße.65 Mit Frau Eisler. Georg blieb zu Hause, weil er erkältet war. Bei Frau Eisler nett unterhalten, mir gefiel die lebhafte alte Frau. Kluxen war schrecklich. Um 10 zurück, Eisler hat den Aufsatz über Illyrien gelesen und ist sehr zufrieden. Das gefiel mir. Dachte dankbar an Duschka. Montag, 26. 10. 25 Gut ausgeruht. In die Stadt mit dem Auto. Herrliche Fahrt durch die herbstlichen Alleen. Telegrafiert, einiges besorgt, sehr zufrieden und glücklich durch die Straßen gelaufen. Mit Kluxen zu Mittag, nach dem Essen zu Frau Eisler, mit ihr Kaffee getrunken und dann zur Jürgensallee. (Nicht auf Kluxen gewartet, weil ich bei Aué66 zu Mittag gegessen hatte). Dienstag, 27. 10. 25 Noch nicht abgereist, in die Stadt, über die Straßen gelaufen, Sensation und allmählich Ra tionalismus. Blumen für Frau Eisler gekauft, Messias von Händel für Georg. Dann mit der Bahn zurück. Abends kam Kluxen, eine sonderbare kokottenhafte Jüdin war da. Disputiert über Bach und Händel. Er spielte. Er hat endlich den Vertrag mit der Frau unterzeichnet.67 Traurige, peinliche Geschichte. Ekelhaft. Mit Georg noch allein gesprochen. Er sagte, er wolle mir Geld fürs Haus leihen.68 Sehr schön und sympathisch. Gewann ihn sehr lieb. Mittwoch, 28. 10. 25 Morgens mit Georg über das Testament seiner Mutter, Schnell zum Oberregierungsrat Bertram69, um ihn zu fragen, mit ihm bei Aué gegessen, dann mit dem Auto zur Jürgensallee zurück. Sehr schön, habe große Freude an Hamburg und freue mich darauf, es Duschka zu zeigen. Dann von Georg und seiner Frau verabschiedet. Im Auto zum Hauptbahnhof Altona, 2. Klasse nach Münster, um 9 dort angekommen, noch über die Straßen gelaufen, schauerlich, traurig, dann müde ins Bett.
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Gemeint ist hier die Mutter von Georg Eisler, Ida Ernestine (1862–1939), bei der Schmitt während seines Hamburg-Besuches wohnte; vgl. Mehring, Eisler, S. 3 und 12. Die Mutter von Georg Eisler wohnte in der St. Benedictstr. 35 in Hamburg-Harvestehude. Hotel Aué, Dammtorstr. 29. Scheidungsvertrag. Schmitt beabsichtigte wohl schon zu dieser Zeit, seine Pensionistenexistenz zu beenden und ein Haus zu beziehen, was er dann zum 1. 9. 1926 in Bonn-Friesdorf tat. Alfred Bertram (1890–1937), Oberregierungsrat, ab 1927 Richter am Oberlandesgericht in Hamburg, wohnte Speersort 28; Hamb. Biogr. 4, S. 47–49. Die Bekanntschaft vermittelte Eduard Rosenbaum; vgl. Schmittiana NF III, 2016, S. 28 f. und TB III, S. 327.
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Tagebuch 1925
Donnerstag, 29. 10. 25 Um ½ 10 aufgestanden, dann zu den Popovi70, Donders71 sehr freundlich und großmütig, studenten Bonhomie freundlich, juristische Bedenken usw. Ich war im ganzen befriedigt, ging nach dem Hotel zurück, ruhte dort aus, um 4 nach Köln gefahren. Dort um ½ 8. Durch die Straßen gelaufen, , um ½ 9 mit der Eisenbahn nach Bonn weiter gefahren, zu Hause 4 Briefe von Duschka, der Schwester geht es wieder schlechter, schrieb ihr gleich, viele andere Briefe, sehr nervös, noch zum Bürgerverein, wo eine Abschiedsfeier für Heimberger war, mit Göppert72 nett unterhalten, dann noch mit Hanser73. Zufrieden ins Bett. Auf der Reise „Die deutsche Renaissance“ von einem Deutschen;74 sehr großer Eindruck, beherrscht und gesammelt. Freitag, 30. 10. 2575 Morgens behaglich etwas gearbeitet, zur Universität, zum Kurator, sehr nett, Peterson76 auf der Straße getroffen, mit ihm zu Mittag gegessen, nachher zu Hause mit ihm, etwas ausgeruht, während er im Zimmer herumlas, dann Kaffee bei Scharrenbroich, Fakultätssitzung,
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Popovi (serbisch) = Priester. Adolf Donders (1877–1944), kath. Priester, seit 1911 Domprediger in Münster, 1919 Professor für Homiletik und Universitätsprediger in Münster; BBKL 20, Sp. 396–400. Es geht hier um die Nichtigkeitserklärung von Schmitts Ehe. Heinrich Göppert (1867–1937), war Unterstaatssekretär im Preußischen Bewirtschaftungsamt, bevor er 1919 zum Professor für Industrie- und Handelsrecht nach Bonn berufen wurde; Göppinger, S. 220 f. Oliver Wolff, Heinrich Göppert, in: Schmoeckel (2004), S. 233–249; vgl. TB III, S. 84 und passim. Jurastudent; vgl. TB III, S. 308. Die deutsche Renaissance von einem Deutschen [d. i. Hans Blüher], Prien am Chiemsee 1924. Auf dem Kopf dieses Blattes der Handschrift notiert: „Hier zuerst Peterson?! Nein! Schon 5. 12. 1924“. Tatsächlich ist schon für den 30. 10. 1924 ein Kontakt verzeichnet; vgl. TB III, S. 372. Erik Peterson (1890–1960), seit dem WS 1924 / 25 Professor für Kirchengeschichte und Neues Testament an der Fakultät für Evang. Theologie in Bonn. Vermutlich wurde Peterson 1918 durch Theodor Haecker auf Schmitt aufmerksam; Haecker jedenfalls war Thema ihres ersten Gesprächs in Bonn (TB III, S. 372). Zwischen Schmitt und Peterson entwickelte sich in Bonn schnell eine sehr intensive Freundschaft. Petersons Hochschätzung der apostolischen Autorität für das Christentum und seine Ablehnung der im Protestantismus dominierenden „entmythologisierenden“ und „dialektischen“ Theologie näherten ihn immer mehr der katholischen Dogmatik an, was 1929 zum Austritt aus der Fakultät und 1930 zur Konversion in Rom führte, wo er ab 1933 als Privatgelehrter lebte. Mit seiner Monotheismus-Schrift von 1935 wurde er ein Antipode Schmitts, dessen „Politische Theologie“ er für „erledigt“ erklärte; eine „parthische Attacke“ (Hans Barion), die Schmitt lebenslang schmerzte und die er im hohen Alter (und zehn Jahre nach Petersons Tod) noch mit „Politische Theologie II“ zurückzuweisen bemüht war. Peterson muss das Schwankende in der Person Schmitts und seine Gefährdung früh schon erkannt haben und prophezeite ihm 1926 den Selbstmord (s. unten, 13.1.29). Vgl. Nichtweiß (1992), S. 728, Anm. 60; Dahlheimer, S. 480–486; Mehring (2009), S. 182–184; Giancarlo Caronello (Hrsg.), Erik Peterson. Die theologische Präsenz eines Outsiders, Berlin 2012; Meyer-Blanck; TB III, S. 372, 374.
Oktober 1925
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furchtbar aufgeregt wegen der Berufung von Mendelssohn-Bartholdy77, sah die Gemeinschaft der Juden, im übrigen mit Kaufmann78 und Göppert zusammen. Abends um 8 mit Kaufmann nach Hause, dort gegessen, leider bis 2 Uhr disputiert wegen des Sicherheitspaktes und mich über ihn geärgert.79 Fremd, einsam, traurig nach Hause, aber ohne Furcht. Samstag, 31. 10. 25 Nicht genug geschlafen, trotzdem morgens fleißig, schön an Duschka geschrieben. Meine Vorlesungen angekündigt.80 Mit Peterson zu Mittag und Gurian81, nett unterhalten, noch ei77
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Albrecht Mendelssohn-Bartholdy (1874–1936), seit 1920 Professor für Zivilprozess-, Auslandsrecht und Rechtsvergleichung in Hamburg, 1933 entlassen, 1934 Emigration nach Oxford; NDB 17, S. 62 f.; Hamb. Biogr. 5, S. 252–254. M.-B. sollte 1925 nach Bonn berufen werden und stand zusammen mit Alexander Graf zu Dohna-Schlodien gleichrangig auf dem ersten Platz der Berufungsliste. In einem Brief vom 8. 6. 1925 hat Eduard Rosenbaum Schmitt eindringlich vor MendelssohnBartholdy gewarnt. Dieser schwärme für ein „government by debating“, für europäische „Gespräche“, protestantisch-puritanische Bürgertüchtigkeit, mit einem biederen eidgenossenschaftlichen Einschlag. Von Mendelssohns Ironie sei wohl weniger zu befürchten als von dessen kleinbürgerlich-moralistischen Eigenschaften. Mendelssohn halte auch Schmitts „Decisionismus“ für verderblich (vgl. Schmittiana NF III, 2016 S. 30). Dieses Urteil des Freundes fand Schmitt dann bestätigt, als er sich im „Archiv des öffentlichen Rechts“ von Mendelssohn-Bartholdy angegriffen sah. Er suchte dessen Berufung nach Bonn mit einem zusammen mit Heinrich Göppert verfassten Sondergutachten zu verhindern (s. unten, 16.11.25), womit er auch Erfolg hatte: Berufen wurde Graf Dohna. Vgl. BW Feuchtwanger, S. 118; BW Smend, S. 44, Anm. 108; TB III, S. 544 f.; Mehring (2009), S. 188 und 194. Erich Kaufmann (1880–1972), 1913 Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie in Königsberg, 1916 in Berlin, 1920 in Bonn, 1927 Honorarprofessor in Berlin, 1934 dort ordentlicher Professor, im gleichen Jahr aus politischen Gründen emeritiert, 1939 Emigration in die Niederlande, 1946 Professor in München, ließ sich 1950 emeritieren, um – wie schon in der Weimarer Zeit – das Auswärtige Amt und das Bundeskanzleramt zu beraten. Schmitt, den mit Kaufmann der Antipositivismus verband, hatte zu ihm zunächst ein freundschaftliches, ab etwa 1927 ein strikt ablehnendes Verhältnis; NDB 11, S. 349 f.; Manfred Friedrich, Jurist in der Zeit und jenseits der Zeiten, in: Heinrichs, S. 693–704; Stefan Hanke / Daniel Kachel, Erich Kaufmann, in: Schmoeckel (2004), S. 387– 424; Helmut Quaritsch, Eine sonderbare Beziehung. Carl Schmitt und Erich Kaufmann, in: Bürgersinn und staatliche Macht in Antike und Gegenwart. Festschrift für Wolfgang Schuller, Konstanz 2000, S. 71–87; vgl. TB III, S. 12 und passim, TB V passim. Früher Beleg für den sich ausbildenden Gegensatz zu Kaufmann. Es ging um die Verhandlungen zwischen den Parteien des Weltkriegs, die zu dieser Zeit in der Schweiz stattfanden und zu den Verträgen von Locarno und zur Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund führten. Dabei war Erich Kaufmann beratend für das Auswärtige Amt tätig. Während Kaufmann die Verträge positiv beurteilte, stand Schmitt ihnen ablehnend gegenüber (s. unten, 16.11.25 sowie S. 340 u. 342 f.); vgl. Carl Schmitt, Die Kernfrage des Völkerbundes (Völkerrechtsfragen, 18), Berlin 1926; komment. Wiederabdr. in: FoP, S. 73–193. Im Wintersemester 1925 / 26 hielt Schmitt für Hörer aller Fakultäten donnerstags 16 Uhr im Neuen großen Hörsaal die Vorlesung „Staatstheorien“; dienstags, mittwochs, donnerstags und freitags hielt er jeweils um 12 Uhr die Vorlesung „Völkerrecht“. Dazu donnerstags 18–20 Uhr „Öffentlichrechtliche Übungen“ und ein zweistündiges „Staatsphilosophisches Seminar“ nach Vereinbarung. Waldemar Gurian (1902–1954), Politikwissenschaftler, von Max Scheler 1923 promoviert, zunächst mit Schmitt befreundet, in der Schweizer Emigration ab 1934 sein gefährlicher Gegner, der das
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Tagebuch 1925
nen kurzen Spaziergang mit Peterson, dann zu Hause geschlafen, bis ½ 6, aufgelöst, mit schwachen Nerven, aber sehr hellhörig im Nebel zu Scharrenbroich gegangen, Kaffee getrunken, dann zu Hause zu Abend gegessen (Rotwein aus Münster, Gänseleber82), sehr behaglich, sehr schön, ruhig und gesammelt, um 12 Uhr zu Bett. Ich muss abends immer zu Hause bleiben. Sonntag, 1. 11. 25 Morgens zu Hause, nach dem Kaffee nett herumgelesen, schlechte Dissertation von einem Ungarn,83 Brief an Duschka abgeschickt, oft traurig und betrübt, entsetzt von ihrem Horoskop ( !).84 Bei Strassberger gegessen, vorher bei Zehnhoff85, Liszt Völkerrecht 86 geholt, bei Schmitz, für den Abend verabredet. Bei Ännchen, die aber verreist war. Nach dem Essen auf dem Sofa geschlafen, dann Kaffee getrunken und wieder behaglich zu Hause; gelesen, geschrieben usw. Aber ich komme zu keiner großen Arbeit. Sehnsucht nach einem Heim, oft Zweifel. Abends zu Hause gegessen, um ½ 9 zu Schmitz, müde vom Wein, Peterson getroffen, ließ mir Chopin vorspielen. Wir lachten, aber im Grund müde und verzweifelt. Traf abends auf der Straße vor dem Haus noch Beyerhaus87, der von Meinecke erzählte und seinem Besuch in Berlin. Meinecke soll mit großem Respekt von mir sprechen.88 Na ja. Müde und gleichgültig zu Bett. Montag, 2. 11. 25 Lange geschlafen, den ganzen Tag müde, Druck auf den Augen. Ein schlimmer Zustand. Morgens Brief von Duschka, sie hat eine Nervenentzündung. Mein Gott. Ein Buch von
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Wort vom „Kronjurist des Dritten Reiches“ auf ihn münzte; Hürten; Thümmler; Dahlheimer, S. 526–536; Breuer, S. 235 ff.; BW Gurian; TB III, S. 139. Vermutlich eine Sendung von Kluxen. Ein ungarischer Doktorand Schmitts ist für Bonn nicht zu belegen. Astrologisches Zeichen für das Sternkreiszeichen Wassermann, vermutlich bezieht sich der nicht lesbare Eintrag davor auf das Geburtsdatum von Schmitts Frau, das eine auffällige Häufung von Sonne, Merkur, Jupiter und Saturn zeigt. Anders als Schmitts Auffassung ist das üblicherweise eine positive Konstellation (s. unten, 21.1.26). Hugo am Zehnhoff (1855–1930), Jurist und Politiker (Zentrum), von 1919 bis 1927 preußischer Justizminister. Schmitt war in Düsseldorf Referendar bei ihm und hatte seitdem in ihm einen väterlichen Freund; DBE 10, S. 811; TB I, S. 405–409. Franz von Liszt, Das Völkerrecht. Systematisch dargestellt, Berlin 1898 u. ö. (Standardwerk). Gisbert Beyerhaus (1882–1960), habilitierte sich 1920 in Bonn, Privatdozent für mittlere und neuere Geschichte, 1927 a. o. Professor in Bonn, 1932 o. Professor in Breslau; DBA II 118, 299–301; III 76, 370. Friedrich Meinecke (1862–1954), Archivar und Historiker, 1901 Professor in Straßburg, 1905 Freiburg, ab 1914 Berlin (NDB 16, S. 657–660). Meinecke hatte Schmitts „Politische Romantik“ 1920 in der Historischen Zeitschrift besprochen. Schmitt hatte ihn in seinem Buch kritisiert und bemerkte am 8. 11. 1925 zu Ludwig Feuchtwanger: „Die ganze Meinecke-Klique arbeitet wütend gegen das Buch.“ (BW Feuchtwanger, S. 146). Meineckes Buch über die „Idee der Staatsräson“ sollte Schmitt dann 1926 kritisch rezensieren, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 56, 1926, S. 226– 234.
Oktober/November 1925
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Heller89 über die politischen Ideenkreise, das mich freute, weil ich die starke Wirkung seiner Bücher sah – meine einzige Freude, so etwas festzustellen. Dann Briefe geschrieben, um ½ 12 zur Bank, 300 Mark an geschickt, Geld geholt, im Institut mit den jungen Leuten nett unterhalten, mittags bei Strassberger, nachher etwas spazieren für mich allein, dann zu Hause geschlafen, Kaffee bei Scharrenbroich, nicht recht wohl gefühlt, zu Hause fleißig, Besuch von dem alten Geheimrat Traeger90 aus Marburg, der als Vertreter hier Strafrecht liest. Lohmann91 brachte seine Dissertation über das Ermächtigungsgesetz,92 sie freute mich sehr. Aß zu Abend, müde, traurig, allmählich wieder etwas gearbeitet, aber ohne Schwung und Freude. Morgen beginnen also die Vorlesungen wieder. Um ½ 12 zu Bett. Wütende Gier, kaum zum Aushalten.
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Hermann Heller (1891–1933), Staatsrechtler, ab 1928 a. o. Professor in Berlin, auch Dozent an der Deutschen Hochschule für Politik, 1932 o. Professor in Frankfurt, zunächst ein sehr freundschaft liches Verhältnis zu Schmitt, was dann über Schmitts „Begriff des Politischen“ zerbrach (s. unten, 21.12.28). Im Prozess Preußen contra Reich 1932 als Vertreter Preußens war Heller Schmitts Gegner; Christoph Müller, Vom liberalen zum sozialen Rechtsstaat, in: Heinrichs, S. 767–780; Otto, S. 114 ff., 215 ff.; vgl. TB V, passim. Bei dem erwähnten Buch handelt es sich um: Hermann Heller, Die politischen Ideenkreise der Gegenwart (Jedermanns Bücherei / Abt. Rechts- u. Staatswissenschaft), Breslau 1926. Ludwig Traeger (1858–1927), Professor für Straf-, Strafprozess- und Zivilprozessrecht in Marburg, Geheimer Justizrat, als Emeritus 1926 mit Abhaltung von Vorlesungen in Bonn beauftragt, scharfer Gegner der Weimarer Republik; DBA II 1314, 81; III 925, 409. Karl Lohmann (1901–1996), Bonner Doktorand, hatte eine durch Unterbrechungen geprägte akademische Karriere, wurde in den 30er Jahren ein wichtiger Mitarbeiter Schmitts, war von 1938 bis 1941 sein Assistent, ging dann nach Heidelberg, wo er als Lehrbeauftragter Herbert Krüger vertrat, im März 1943 reichte er eine Habilitationsschrift ein, wurde zum Dozenten ernannt, aber sofort zur Wehrmacht eingezogen. Nach seiner Entlassung aus Kriegsgefangenschaft im Oktober 1945 verdingte er sich als Garten- und Landarbeiter, später Journalist. An Schmitt schreibt er 1978: „Systematisches Denken war nie meine eigentliche Sache. Ich neige wohl eher zu ‚okkasionalistischem‘ Reflektieren und war daher zeitlebens ein besserer Dozent als ein Autor“ (RW 0265 Nr. 8911). Noch 1983 gratuliert er Schmitt zum 90. Geburtstag (RW 0265 Nr. 18719); Mehring (2009), S. 178 f. und passim; Breuer, S. 192 ff., 211; TB V, S. 48 und passim. Lohmann hat seine Dissertation „Die Delegation der Gesetzgebungsgewalt im Verfassungsstaat“, die in den Promotionsakten der Bonner Juristischen Fakultät (Nr. 527) mit dem Klammerzusatz: „(Das Problem der Ermächtigungsgesetze)“ geführt wird, 1925 geschrieben; die mündliche Prüfung fand am 11. Dezember dieses Jahres statt. Unter dem 25. Mai 1928 ersuchte dann Lohmann die Fakultät um Befreiung vom Druckzwang und erklärte die späte Stellung des Antrags damit, dass ursprünglich die Publikation der Arbeit in einem Verlag beabsichtigt war. Daraufhin wurde am 30. Juni 1928 die Promotion vollzogen. Die Promotionsakte enthält auch das zweiseitige handschriftliche Gutachten von Schmitt, der am Ende das Prädikat „magna cum laude“ vorschlägt. Erich Kaufmann als zweiter Berichterstatter beschränkt sich auf ein „Ebenso“. (Frdl. Auskunft von Carl Erich Kesper, Bonn).
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Tagebuch 1925
Dienstag, 3. 11. 25 Durch den Kaffee frisch und munter geworden, schöner Brief vom Hochland93, Fuchs94 schreibt, seine Schwester wolle Gedicht von Boji´c (Bes Uswika) nachdichten.95 2 Stunden Vorlesungen, sehr anstrengend; mit Landsberg nach Hause. Bei Strassberger gegessen, schreckliche Gesellschaft, müde nach Hause, geschlafen, ein Vetter der Mutter, Bell, kam aus Blasweiler, ein Bauer, schauderhafter Kerl.96 Das also sind meine Ahnen. Lächerlich. Traurig, zu Dr. Rick97 in die Wohnung, seine erste Frau getroffen, dann mit ihm spazieren, gab ihm das Jail Journal98, nett unterhalten, zum Bürgerverein, dort auch Peterson getroffen. Hübsch unterhalten. Das Gedicht von Boji´c gefiel allen sehr gut. Um 10 nach Hause, müde, gleich geschlafen. Angst vor einer Nierenkrankheit.
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Die von Karl Muth begründete und bis 1939 geleitete Zeitschrift „Hochland“ erschien von 1903 bis 1941 (Verbot) und wieder von 1946 bis 1974. Sie war die führende katholische, aber mit ihrem Autorenkreis überkonfessionelle Kulturzeitschrift in Deutschland und stand für einen modernen, offenen Katholizismus. Weiß. Friedrich Fuchs (1890–1948), seit 1920 Redakteur der Zeitschrift „Hochland“, 1932 Hauptschriftleiter, 1935 aus politischen Gründen entlassen. Weiß. Der erwähnte Brief ist nicht überliefert, doch schreibt Fuchs am 28. 11.: „meine Frau hat sich gar sehr über das ihr dedizierte Bändchen mit den serbischen Gedichten gefreut.“ RW 0579 Nr. 101. Die bis heute nicht auf Deutsch vorliegenden Gedichte des serbischen Dichters Milutin Boji´c (1892–1917) lernte Schmitt durch seine Verlobte Duschka kennen, mit der zusammen er sie auch ins Deutsche übertrug; vgl. TB III, S. 203 f. und passim (S. 570: Abdruck des Gedichts „Magdalena“). Das Gedicht „Bes Uswika“ ist am Schluss der Reisebeschreibung „Illyrien“ wiedergegeben und interpretiert. Schmitt zitiert es noch 1948 im „Glossarium“ (S. 153). Am 9. 6. 1926 bedankt Fuchs sich bei Schmitt für die Übersendung eines Bildes von Boji´c und erhofft sich von ihm weitere Übersetzungen dieses Dichters (RW 0265 Nr. 11441). Die Mutter Carl Schmitts, Louise, ist 1863 als uneheliches Kind der Bauerntochter Auguste Louise Bell in Blasweiler, Kreis Ahrweiler (Nordosteifel) geboren, wo Nikolaus Steinlein von 1852 bis 1864 Pfarrer war. Auguste Louise heiratete 1865 dessen Bruder, den Trierer Zollbeamten Franz Josef Anton Steinlein, der das uneheliche Kind als sein eigenes anerkannte. Tatsächlicher Vater war aber vermutlich der Pfarrer Nikolaus Steinlein. Vgl. Schmittiana V, 1996, S. 284, 291–293; Mehring (2009), S. 18–20. Karl Rick (1882–?), Anglist, im Bonner Adressbuch von 1926 als Studienrat, wohnhaft in der Bennauerstr. 42 nachgewiesen, wechselte aber schon 1924 an ein Gymnasium in Aachen, erster Übersetzer Schmitts (engl. Ausgabe von „Die Rheinlande als Objekt internationaler Politik“, Cologne: Rhenish centre party 1925; vgl. RW 0579 Nr. 286). In einem Brief an Max Stefl vom 1. 8. 1924 schreibt Schmitt von Rick: „er ist ein ganz ungewöhnlicher Kenner (theoretisch wie praktisch) der englischen wie der französischen Sprache“ (Kopie in: RW 0579 Nr. 535). Duschka nahm bei Rick Englischunterricht. Vgl. BW Smend, S. 35 f.; Tommissen (1988), S. 95. Siehe auch TB III, passim. Titel eines 1854 erschienenen Werkes des irischen Autors John Mitchell (1815–1875), worin er seine Erfahrungen als Gefangener der Engländer in der Strafkolonie Tasmanien beschreibt; ein berühmter Text des irischen Nationalismus.
November 1925
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Mittwoch, 4. 11. 25 Um 5 aufgestanden und etwas gearbeitet, Brief an 99 geschrieben. Dann wieder zu Bett, müde, kein guter Kaffee, daher immer schläfrig. Vielleicht ist das gesünder. Brief von Duschka, der mich traurig machte, ohne dass ich weiß, weshalb. Schrieb ihr und schickte den Brief ab. Dann zur Universität, 2 Stunden Vorlesung. Nicht so müde wie gestern. Nach dem Essen geschlafen, bei vorbei, den ich (zu meiner Freude) nicht traf, bei Ännchen, die ich auch nicht traf, Kaffee im Hansa-Café100, geil, kaum noch zu beherrschen, von 6–8 Seminar, wenig Teilnehmer, gleichgültig, nachher mit Becker101 und Gurian im Bürgerverein zu Abend. Dann zu Frau Schmitz, Ännchen getroffen, etwas geschwätzt, müde nach Hause, rasende Gier und Verzweiflung. Donnerstag, 5. 11. 25 Müde auf, kein Brief des Morgens, 11–1 Vorlesung, nach dem Essen ausgeruht, 4–5 Publikum über Staatstheorie, sehr schön, großer Erfolg, aber was soll ich in der nächsten Stunde sagen, dann mit P. Stephan102 ein paar Schritte, zu Hause Brief von André, traurig, und von Dr. Rick, 6–8 Seminar, sehr schön, überlegen, sicher. Dann bei Streng vorbei, aber Peterson nicht getroffen. Bei Kieffer103 zu Abend, bei Neuß104 eine Stunde, gleichgültig, innerlich fremd und überlegen, einsam für mich noch etwas spazieren, wieder wie in meiner Jugend, verschlossen, sicher, ruhig. Freitag, 6. 11. 25 Morgens viele Briefe, Kluxen105 (der Bachofen gefunden hat), Frau Aschaffenburg106 usw. Bei Peterson vorbei, nett unterhalten, zur Universität, einen Studenten geprüft für sein Fleißexamen, 2 Stunden Vorlesung, sehr zufrieden, weil doch sehr viele Leute da waren. Bei 99
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Vermutlich Paul Hinneberg (1862–1934), Hrsg. des Rezensionsorgans „Deutsche Literaturzeitung“, in der Schmitts Rezension von Cochet erschien (s. unten, 23.11.25). NDB 9, S. 185. Hansa-Café, Bonn, Münsterplatz 2. Werner Becker (1904–1981), kam 1923 in das Seminar Schmitts und wurde von ihm bereits 1925 mit Summa cum laude über Hobbes promoviert. Ab 1926 studierte Becker Philosophie und Theologie und wurde 1932 zum Priester geweiht. Josef Gülden, Werner Becker, OR. – 70 Jahre alt, in: Catholica. Vierteljahresschr. für ökumenische Theologie 28, 1974, S. 161–168 (Bibliographie); Michael Ulrich, Zum Tode Werner Beckers, in: ebd. 35, 1981, S. 318–325 (erg. Bibliogr.); Dahlheimer, S. 511–515; v. Wiese, S. 123 ff.; vgl. BW Becker; TB III, S. 340 f. Pater Stephanus Hilpisch OSB (1894–1971), gehörte der Benediktinerabtei Maria Laach an, begann 1924 in Bonn ein Studium der Geschichte und Religionsgeschichte, das er 1927 mit der Promotion abschloss (frdl. Auskunft von Petrus Nowack, Kloster Maria Laach); vgl. auch BBKL 2, Sp. 869. Bahn-Hotel Kieffer, Bahnhofstr. 28. Wilhelm Neuß (1880–1965), kath. Priester, seit 1920 Professor für Kirchengeschichte und Geschichte der Christlichen Kunst und Archäologie in Bonn. Sein Nachlass in der Bonner Universitäts- und Landesbibliothek enthält auch Briefe von Schmitt; NDB 19, S. 185 f.; Dahlheimer, S. 498–500; Schmittiana VII, 2001, S. 328 f.; TB III, S. 90 und passim (Abb. S. 579). RW 0265 Nr. 7914. Maja Aschaffenburg, geb. Nebel (1878–?) Ehefrau von Gustav Aschaffenburg (1866–1944), forensischer Psychiater und Professor in Köln, 1938 Emigration in die USA; NDB 1, S. 410; TB III, S. 99.
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Tagebuch 1925
Strassberger zu Mittag, dann zu Hause plötzlich Frau Aschaffenburg getroffen. Mit ihr spazieren auf den Kreuzberg, was ihr anscheinend sehr gut gefiel. Dann noch im Königshof107 Kaffee getrunken. Um 5 verabschiedet, zu Hause Korrekturen meines Illyrien-Aufsatzes gelesen, um ½ 8 kam Peterson, fand den Aufsatz sehr schön und „dichterisch“, wir tranken Burgunder und unterhielten uns über die römische Kirche sehr freimütig. Um ½ 10 ging er, schwer vom Wein. Ich ordnete noch den Tisch, las herum, denke immer, wie Frau Aschaffenburg von den Russen sprach und sie liebte und dachte an Duschka. Im Grunde nihilistisch. Schickte an 108 die englische Ausgabe meines Rheinland-Vortrags109; die Korrekturen des Illyrien-Aufsatzes zurück. Abends konnte ich nicht einschlafen, aber beherrscht. Samstag, 7. 11. 25 Wieder kein Brief von Duschka, traurig, um ½ 11 mit Peterson (Beyerhaus begleitete mich an die Rheinuferbahn, ich gab ihm dummerweise die Korrekturen des Illyrien-Aufsatzes), nach 1 Uhr Frau Aschaffenburg erwartet, endlich getroffen (es ist kalt und regnerisch), im Atelier von Seewald110, sehr nett, Wunsch, Duschka malen zu lassen111; wie ich nachher sah, ist das eine Dummheit gewesen. Bei Aschaffenburg zu Mittag, nett unterhalten. Dr. Schneider112 war dabei, bis ½ 4, dann zum Café Fürstenhof113, wo ich Peterson traf, wir fuhren beide um 5 Uhr nach Hause, müde zu Hause, kein Brief, sehr traurig, abends lange herumgelesen, aufgeräumt, konnte nicht einschlafen. Sonntag, 8. 11. 25 Grauenhafte Gier und Geilheit, aber es ging gut. Morgens ein Brief von Duschka, sehr glücklich darüber, ferner ein Brief von dem Fräulein bei , lächerlich und dumm. Arbeitete etwas, nicht viel; herumgelesen, aber ich erledigte doch einiges,
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Hotel und Café Königshof (mit Rheinterasse), Koblenzer Str 11, vornehmstes Hotel Bonns; s. Abb. in TB III, S. 577. Paul Adams (1894–1961), wurde in Münster als Germanist promoviert und arbeitete seit 1925 in Bonn als freier Schriftsteller und Mitarbeiter verschiedener Zeitungen, seit 1928 als Theaterkritiker bei der Berliner „Germania“, ab 1932 wieder als feier Schriftsteller, auch beim Rundfunk in München, vgl. seinen handschriftlichen Lebenslauf (RW 0265 Nr. 21589); Dahlheimer, S. 537–539; Schmittiana III, 191, S. 117–124; Schmittiana VIII, 2003, S. 133–142; vgl. TB III, S. 375. s. oben, 3.11.25. Richard Seewald (1889–1976), Maler und Schriftsteller, war von 1924 bis 1931 Professor an den Kölner Werkschulen. Schmitt und Seewald kannten sich während ihrer Zeit in München, worüber Seewald in seinen Erinnerungen – er schrieb vier Autobiographien – nicht durchweg zuverlässig berichtet; NDB 24, S. 157 f.; TB II, S. 524–527. Tatsächlich ließ Schmitt Duschka malen, allerdings nicht von Seewald, sondern von dem Maler Pallenberg; Abb. in: Gretha Jünger / Carl Schmitt, Briefwechsel 1934–1953, Berlin 2007, S. 203; vgl. TB V, S. 244. Kurt Schneider (1887–1967), Dr. med., 1919 für das Fach Psychiatrie habilitiert, 1921 von Max Scheler zum Dr. phil. promoviert, ab 1931 Klinikdirektor in München, ab 1945 Professor für Psychiatrie und Neurologie in Heidelberg; NDB 23, S. 300 f.; vgl. TB III, S. 139. Hotel und Café Fürstenhof, Köln, Marzellenstr. 2–8.
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schrieb an Feuchtwanger, wegen der 2. Auflage des Parlamentarismus,114 schickte einen Brief an Duschka ab, aß bei Strassberger schnell zu Mittag und war sehr glücklich, dass ich dort esse;115 nachher zu Hause geschlafen, sehr müde, bei Scharrenbroich Kaffee getrunken, erwartete Beyerhaus, der aber nicht kam, wieder nach Hause, fleißig gearbeitet, wenn auch nicht viel. Immer aufgeregt usw. In großer Aufregung geschrieben, dass seine Arbeit nicht ausreichend ist.116 Zu Hause schön Abend gegessen, dann bei Schmitz, mit Peterson, über Bloy117 gesprochen, müde schon um ½ 11 nach Hause. Montag, 9. 11. 25118 Um ½ 9 aufgestanden, im ganzen beherrschter und ruhiger. Kein Brief von Duschka, die Einladung zu einem „Herrenclub“119. Ich gehöre nicht dahin. 11–12 Vorlesung, Staatsrecht, Examen Kaufmann im Dozentenzimmer, er teilte mir gleich mit, dass MendelssohnBartholdy kein Jude sei. Meinetwegen. Ich fühlte die Abneigung, die er gegen mich hat. Auch das ist mir ganz gleich. Nach der Vorlesung zum Institut, traf Kaufmann noch im Hause vor. Mit Gurian und Peterson schön über Bloy gesprochen. Nach dem Essen (bei Strassberger) müde zu Hause geschlafen, bis 4 Uhr. Zum Institut, glücklich ½ Stunde nett gearbeitet zu haben (ich habe vorher Kaffee getrunken bei Scharrenbroich), kleine Sitzung beim Oberbergamt,120 mit Hanser nett gesprochen, im Café Hansa unterhalten über Parlamentarismus. Dann Peterson getroffen, mit ihm in der Frühstücksstube Bols121 zu Abend gegessen. Dann nach Hause, Bedürfnis, alleine zu sein, etwas für mich abends spazieren, wieder das Selbstgefühl meiner Jugend. Darüber glücklich und ruhig. Zu Hause in Ruhe gelesen, gearbeitet, sehr zufrieden; bis 11 Uhr. Vertrauen zu Duschka, dass sie mich in meiner Einsamkeit nicht stört.
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Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 2. erw. und bearb. Aufl., München / Leipzig 1926; vgl. BW Feuchtwanger, S. 146. Im Bonn-Führer annoncierte die Pension Strassberger „Erstkl. Verpflegung“; Bonn-Führer, S. 93. Bezug unklar, möglicherweise ist die am 1. 11. genannte schlechte Dissertation gemeint. Léon Bloy (1848–1917), französischer kath. und polemischer Schriftsteller, für Schmitt lebenslang wichtig. Bloy hat, insbesondere auch mit der Herausstellung der Auserwähltheit der Juden in seinem Buch „Le salut par les juifs“ (1892 u. ö.), Petersons Einstellung zum Judentum beeinflusst. Der mit Peterson und Schmitt bekannte Arzt Franz Schranz übersetzte dieses Buch ins Deutsche; eine Veröffentlichung, um die Schmitt sich 1936 bemühte (vgl. Brief an Maritain in: RW 0579 Nr. 495) war in der NS-Zeit nicht opportun, und so blieb die Übersetzung Manuskript (im Nachlass Schranz erhalten, vgl. Schmittiana III, 1991, S. 70). Erstmals erschien „Das Heil durch die Juden“ 1953 auf Deutsch in der Übersetzung von Clemens ten Holder. Auf dem Kopf dieses Blattes der Handschrift notiert: „11. 12. 25 Examen Servatius, Romberg, Karl Lohmann (11. 12. Gerber), 16. 12. Werner Weber, Urban Friesenhahn, Groh, Werner Becker, scheußlich“. s. unten, 14.11.25. Über Schmitts Tätigkeit dort ist nichts bekannt. „Alt-Holland. Bols-Liqueurstube“, Bahnhofstr. 22.
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Tagebuch 1925
Dienstag, 10. 11. 25 Um 8 aufgestanden, darüber sehr froh, schöner langer Brief von Duschka und deshalb sehr glücklich und übermütig den ganzen Tag. Vorlesung von 11–1, sehr zufrieden, besonders Völkerrecht, wo der Hörsaal überfüllt war. Nach dem Essen zu Bett gelegen, Kaffee getrunken, mit Beyerhaus und Peterson, Gespräch wegen des Illyrien-Aufsatzes, schön zu Hause gearbeitet, Dissertation gelesen, zu Abend gegessen, Briefe geschrieben, um 9 zum Bürgerverein. Abschiedsfeier Nottarp122. Nett mit Geheimrat Schulte123, Kaufmann und Göppert unterhalten. Ich habe Kaufmann den Aufsatz gegeben, dass er sein Urteil darüber abgibt, ob ich ihn anonym veröffentlichen muss.124 Mittwoch, 11. 11. 25 ½ 9 aufgestanden, nett Kaffee getrunken (den die Mädchen inzwischen ganz nett machen), Vorlesung Staatsrecht und Völkerrecht; nach dem Essen wieder geschlafen. Während ich zu Bett lag, kam Kaufmann, sehr freundlich, wir unterhielten uns gut, er brachte eine Dissertation, währenddessen kam Hammacher125, von der Zentrumspartei, ich stand auf, unterhielt mich gut mit dem Hammacher, der sehr begeistert von meinem Aufsatz war. Trank mit ihm bei Scharrenbroich Kaffee, dann schnell zum Seminar, sehr gut gesprochen über den Adel als „öffentliche“ Person. Nachher mit Gurian und Becker und Peterson bei Streng Wein getrunken, über den Illyrien-Aufsatzes (den Kaufmann eine „Verlobungsanzeige“ genannt hatte, was Peterson als jüdische Taktlosigkeit bezeichnete). Konnte nicht einschlafen, grauenhafte Gier. Donnerstag, 12. 11. 25 Um ½ 9 aufgestanden, nicht recht ausgeschlafen, schrieb schnell an Duschka, nach Zagreb, eine Karte nach Daruvar126, 2 Stunden Vorlesung, mittags sehr müde, etwas geschlafen, Kaffee bei Scharrenbroich, um 4 Vorlesung über Staatstheorie, gegen Kelsen (der Staat als Kompromiss),127 leider nicht gut; dann eine Tasse Schokolade mit Gurian, Konditorei Kauf-
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Hermann Nottarp (1886–1974), seit Anfang 1925 a.o. Professor für Bürgerliches Recht in Bonn, ab Wintersemester 1925 / 26 o. Professor für deutsche Rechtsgeschichte sowie des bürgerlichen Handels- und Kirchenrechts in Königsberg, ab 1933 in Würzburg; DBE 7, S. 509; vgl. TB III, S. 106. Aloys Schulte (1857–1941), Professor für Geschichtswissenschaft in Bonn; NDB 23, S. 687–689; vgl. TB III, S. 83. Carl Schmitt, Die Rheinlande als Objekt internationaler Politik (Flugschriften zum Rheinproblem, 2 / 4), Köln 1925. Der Aufsatz wurde von der Zentrumspartei in deren Reihe veröffentlicht. Schmitt schreibt hier „Hammacher“; es muss aber lauten „Hamacher“; s. unten, Anm. 263. Heimatort der Großmutter von Duschka, bei der sie als Kind zeitweise lebte. Hier lebte auch die von ihrem Ehemann 1910 geschiedene Mutter Milica Todorović; HUB UA, UK Personalia, PA Carl Schmitt Nr. 159a, Bd. I, Bl. 5; Tommissen (1997), S. 103; Mehring (2009), S. 153 f. Vgl. dazu: Verfassungslehre, S. 8 f. Hans Kelsen (1881–1973), Staatsrechtler, Professor in Wien, 1930 in Köln, 1933 in Prag, 1938 in Genf, 1940 Emigration in die USA, wo er Professor in Berkeley war. Kelsen gilt als wichtigster Vertreter des Rechtspositivismus im 20. Jahrhundert und war damit ein Antipode zu Schmitt; NDB 11, S. 479 f.; Horst Dreier, „Jurist des Jahrhunderts“?, in: Heinrichs, S. 705–732; vgl. TB III, S. 336 f.
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mann128, dann 6–8 Übungen, sehr nett. Um ½ 8 zu Kieffer, traf dort Coenders129, der von Köln erzählte, Stier-Somlo130 Kelsen dorthin berufen!131 Peterson kam noch, wir machten einen Spaziergang bis halb auf den Kreuzberg, gut gegangen, dann müde zu Hause, las Léon Bloy, Napoléon132, und konnte gar nicht einschlafen; Brief von 133, der 810 Mark verlangt, Wutanfall, seit langem zum ersten Mal; nannte mich Narr und Hanswurst. Abends besprach ein Leitartikel der KV [Kölnische Volkszeitung] meinen Aufsatz über St. quo.134 Freitag, 13. 11. 25 Nicht ausgeschlafen, um ½ 9 aufgestanden, der Buchbinder kam, er scheint Geschmack zu haben, hoffentlich nicht zu viel; hielt meine Vorlesung Staatsrecht und Völkerrecht. Dann nach dem Essen nach Hause, im Bett ausgeruht, um ½ 4, ohne Kaffee, zur Fakultätssitzung, Beratung über die Berufung Mendelssohns,135 Göppert spricht sehr dagegen, Kaufmann eifrig dafür. Warum? Gleichgültig. Um 6 noch mit den Kollegen in die Konditorei Müller136. Ich nach Hause, dort müde, aber ruhig für mich. Ein schöner Brief von Duschka mit einem Bild von ihr aus dem Jahre 1915, das mir große Freude machte. Zu Hause zu Abend gegessen, etwas Rotwein, der aber anscheinend schlecht ist. Früh sehr müde zu Bett. Konnte nicht recht schlafen. Samstag, 14. 11. 25 Sehr müde des Morgens, etwas Hexenschuss oder jedenfalls Rückenschmerzen. Behaglich gefrühstückt, Brief von einem Freund von Pannwitz, der mich um ein Gutachten für Pannwitz beim Ministerium bittet.137 Unverschämt. Ich schrieb eine Karte wegen einiger Korrekturen an Dr. , ferner einen Brief an Kiener138. Brachte ihn zur Bahn, an den
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Konditorei und Café Kaufmann, Remigiusstr. 14. Albert Coenders (1883–1963), von 1923 bis 1949 Professor für Straf- und Strafprozessrecht in Köln; DBE 2, S. 375; TB III, S. 171. Fritz Stier-Somlo (1873–1932), Professor für Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht in Köln, dort 1925 / 26 Rektor der Universität, Vertreter des Rechtspositivismus und insofern Gegner Schmitts. Als er 1932 verstarb, wurde Schmitt als sein Nachfolger nach Köln berufen. Vgl. TB III, S. 310 und passim. Schon 1925 gab es auf Betreiben des Kölner Oberbürgermeisters Konrad Adenauer den Versuch, Kelsen an die Kölner Universität zu berufen, was Kelsen zunächst ablehnte, 1930 dann annahm. Léon Bloy, L’âme de Napoléon, Paris 1912 (u. ö.). Wahrscheinlich ein Rechtsanwalt, der vom Transkriptor auch als „Mühlenbeck“ oder „Müllbeck“ gelesen wird. Kölnische Volkszeitung vom 12. 11. 1925, Abend-Ausgabe. Der Artikel ist nicht namentlich gezeichnet. s. oben, 30.10.25. Konditorei und Café Paul Müller, Römerplatz und Bischofsgasse 4. Es handelt sich um Carl Albert Gempf in Halle (s. unten, 15.11.25). Der Brief befindet sich im Nachlass Schmitt, RW 0265 Nr. 4705. Fritz Kiener (1874–1942), Historiker, Professor in Straßburg und seit Schmitts Straßburger Dozententätigkeit mit diesem befreundet; vgl. TB II, S. 505 ff.
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Zug nach Frankfurt, traf dann auf der Straße Peterson. Er erzählte mir, dass Tirpitz meinen Aufsatz über den St.[atus] q[uo] rezensiert hat;139 wir kauften Zeitungen, das ist allerdings ein merkwürdiger Erfolg. Wir waren beide sehr munter, aßen etwas bei Kieffer, dann ging ich nach Hause, kleidete mich um, zum Königshof zu dem Herrenclub, traf zufällig, van Loë140, Göppert usw. Nettes Mittagessen. Nachher nette Debatte über Locarno, langweiliger Vortrag von , langweilige Debatte. Es wurde 6 Uhr, ging mit Göppert nach Hause und kaufte ihm die Deutsche Tageszeitung mit dem Aufsatz von Tirpitz. Dann Peterson in der Frühstücksstube getroffen, aß im Hofbräuhaus141 zu Abend, begleitete ihn nach Hause, Brief an und an Duschka geschrieben und abends noch zum Kasten gebracht. Dann Zeitungen gelesen, etwas aufgeräumt, allmählich müde, aber ich kann nicht mehr gut einschlafen. Sonntag, 15. 11. 25 Müde, bis 9 Uhr geschlafen, zu Hause nett gearbeitet, aber nicht viel, die Braut von Sebotta142 kam, elegant angezogen, und wollte die Erlaubnis haben, im juristischen Seminar einen Anschlag zu machen. , sexuelle Gier, schauderhafter Zustand. Um ½ 1 Besuch von Schrörs143, französische Zeitung gekauft, nach dem Essen mit Neuß spazieren, dann vergebens geschlafen. 2 Ejakulationen, schauderhaft, müde, Kaffee bei Scharrenbroich, dann zu Hause, Briefe geschrieben, besonders dem Herrn Gempf in Halle, dem Freund von Pannwitz, kurz geantwortet.144 Zu Hause zu Abend, um 9 zu Schmitz, dort Peterson getroffen. Herrliche Händelsche Krönungsmusik, Akklamationsmusik,145 dann begeistert Plan gefasst, in Berlin beim immer nur einen Satz sagen zu lassen. Um 11 müde nach Hause, etwas geschrieben, herumgelesen, kann nicht einschlafen! Erst um ½ 1.
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Alfred von Tirpitz (1849–1930), Großadmiral der kaiserlichen Marine, Politiker, besprach Schmitts Aufsatz in: Deutsche Allgemeine Zeitung (Ausgabe Groß-Berlin) vom 13. 11. 1925, wobei er Schmitt in seiner Ablehnung der Locarno-Verträge zustimmt; vgl. BW Feuchtwanger, S. 148 f. Clemens Freiherr von Loë ( 1866–1933), gehörte zum rechten Flügel des Zentrums und war Interessenvertreter der Grundbesitzer; NDB 15, S. 15 f. Restaurant „Zum Hofbräu“, Bahnhofstr. 32, gegenüber dem Hauptbahnhof und dem Rheinuferbahnhof. Offenbar ein Student. Heinrich Schrörs (1852–1928), Professor für Kirchengeschichte in Bonn, seit 1916 emeritiert; NDB 23, S. 582 f.; BBKL 15, Sp. 1259–1264; TB III, S. 317. In seinem Brief bedauert Schmitt die schwere Lage von Pannwitz, die ihm bisher nicht bekannt gewesen sei und betont, außerstande zu sein, ein wissenschaftliches Gutachten abzugeben, das einer offiziellen Stelle vorgelegt werden soll. Der Grund dafür liege in der nur sehr flüchtigen Kenntnis der Werke von Pannwitz, dessen Sprachleistungen er aufs höchste schätze. Außerdem sehe er sich nicht in der Lage, Pannwitz mit Geld zu unterstützen, da er schon zwei ältere Freunde, die Schriftsteller seien, unterstützen müsse (RW 0265 Nr. 13027). Bei den älteren SchriftstellerFreunden dürfte es sich um Däubler und Blei handeln. Vgl. auch Brief Schmitts an Däubler, in: Schmittiana VII, 2001, S. 360 f. Auch der Musikwissenschaftler Arnold Schmitz ist von Peterson beeinflusst, insofern er die Rolle der Akklamation in der Musik Beethovens und Mozarts betont, deren Vorbild die Händelschen Oratorien sind.
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Montag, 16. 11. 25 Um 6 wach, dann wieder eingeschlafen, müde, schlechter Traum. Morgens ein Brief von Georg Eisler, der mir Freude machte, Brief von Duschka, von der Reise nach Zagreb. Sonst nichts. Gar keine Resonanz des Tirpitz-Artikels. Brief an Duschka, eingeschrieben, mit dem Illyrien-Aufsatz, abgeschickt um 20 Uhr. Hielt um 11 meine Vorlesung über Staatsrecht, gleichgültig mit Kaufmann gesprochen (der Locarno als eine große Sache rühmte; ich sagte: ich halte es für ein großes Unglück), müde, reizbar, feindlich. Zu Hause, dann zum Essen, nachher geschlafen. Etwas spazieren, bei Göppert das Sondergutachten gegen die Berufung von Mendelssohn-Bartholdy abgegeben (das er und mir heute Morgen gebracht hat),146 dann bei Scharrenbroich Kaffee, zur Studentenbücherei und Zeitungen gelesen, zu Hause, Dissertation von Lohmann gelesen, zu Hause zu Abend gegessen, Butterbrot und ein Glas Wein, herumgelesen und gekramt, fast nichts getan, müde, gleichgültig, welch ein Leben. Dienstag, 17. 11. 25 Wieder schlecht geschlafen, ziemlich müde Vorlesung, aber gut. Traf von , der Geld verlangt, wütend, Anfall, das ist also ein Geldkomplex. Mittags mit Vormfelde147 im Königshof gegessen, dann mit ihm im Auto zur Petersbergstraße 20, Wingen148, eine schöne Wohnung besehen. Dann im Godesberger Hof149 Kaffee getrunken, um wieder zurück; in die Bibliothek, Platz150 getroffen, nach Hause, etwas gearbeitet; zu Hause zu Abend, dann zu Schmitz, wo ich Ännchen traf; todmüde, Schmitz las etwas vor über den Zauberer. Müde um ½ 11 nach Hause, traurig, deprimiert, angstvoll, verzweifelt, gleichgültig.
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Das von Schmitt gemeinsam mit Göppert verfasste, auf den 15. 11. 1925 datierte Gutachten gegen die Berufung von Albrecht Mendelssohn-Bartholdy (s. oben, 30. 10. 1925) liegt im Archiv der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (RStFak 42, Berufungsangelegenheiten). Es argumentiert damit, dass bei einer Berufung Mendelssohn-Bartholdys das durch Landsberg vertretene Strafrecht und Strafprozessrecht zu verwaisen drohe, da die Emeritierung Landsbergs, der dieses Fach vertrete, bevorstehe. MendelssohnBartholdy lehne es ab, darüber zu lesen. Karl Heinrich Vormfelde (1881–1944), seit 1919 bis zu seinem Tode Professor für Physik und Landmaschinenkunde an der Landwirtschaftliche Hochschule Bonn-Poppelsdorf, Freund Schmitts; DBA II 1349, 274–276; III 953, 45–50; TB III, S. 89 und passim, Abb. S. 579. Hans Paul Wingen, Kaufmann, der eine Wohnung vermietete. Hotel am Godesberger Rheinufer. Hermann Platz (1880–1945), Kulturphilosoph und Romanist, Gymnasiallehrer, wurde 1924 auf Veranlassung von Ernst Robert Curtius Honrarprofessor für franz. Geistes- und Gesellschaftsgeschichte in Bonn, 1945 von den englischen Besatzungsbehörden zum Kulturminister für das spätere Land NRW ernannt, starb jedoch schon am 4. 12. 1945; NDB 20, S. 519–521; Berning / Maier, passim; Koenen, S. 33 ff.; Weiß, S. 111–113; FoP, S. 48; vgl. TB III, S. 157. Siehe auch Hans Manfred Bock, Der Abendland-Kreis und das Wirken von Hermann Platz im katholischen Milieu der Weimarer Republik, in: Grunewald / Puschner, S. 337–362.
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Tagebuch 1925
Mittwoch, 18. 11. 25 Gut geschlafen, um ¼ 9 aufgestanden, frei wegen Buß-und Bettag, Brief von Duschka, der mich freute, von Däubler151, dem ich gleich antwortete,152 von , der meine Korrekturen nicht mehr berücksichtigen kann. Schade. Schön gefrühstückt, etwas gearbeitet, die angenehme Ruhe des Zimmers, gegen 11 kam ein Herr Hagen, Offizierstyp, sehr sympathisch, wegen einer Dissertation.153 Dann noch etwas zu Hause aufgeräumt, überlegt, einen Fall notiert, sehr zufrieden, aber nervös. Nach dem Essen Spaziergang mit Peterson zum Venusberg, er wurde sehr müde, ich ruhte aus, arbeitete schön zu Hause, schrieb an Duschka. Abends noch einmal zu Peterson, mit ihm im Bürgerverein Wein getrunken, von meinem Eheprozess erzählt. Traurig, wütend, schauerlich. Donnerstag, 19. 11. 25154 Den ganzen Tag Arbeit, die Vorlesung Staatstheorie ging ganz gut, nachher mit Gurian, der aber gleichgültig war, nach den Übungen Lohmann mitgenommen, Peterson getroffen, bei Kieffer zu Abend gegessen, müde nach Hause. Freitag, 20. 11. 25 Um 9 nach Köln, traf an der Rheinuferbahn Dempf155, sprach nett mit ihm, Dölle156 fuhr mit. 2 Leute traten zurück, das Examen war daher schnell zu Ende, ich ging um 12 zu Dr. Münch157 in die Victoriastraße, sehr nett unterhalten (über den AöR 158), aß bei ihm zu Mittag, mit seiner Schwester, begleitete ihn zur Bahn, lief noch etwas über die Straße, in ein Café, dann müde nach Hause, viele Briefe, aber traurig und müde, nichts getan, zu Hause zu Abend, müde früh zu Bett. Grauenhafte Ejakulation, widerlicher Zustand.
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Theodor Däubler (1976–1934), expressionistischer Lyriker; für Schmitt, der ihn seit 1912 kannte und 1916 eine Monographie über ihn veröffentlichte, war das Werk Däublers ein lebenslängliches Brevier; NDB 3, S. 470–472; vgl. TB I, S. 393–399. In dem erwähnten Brief aus Ägina schreibt Däubler über seine Reisen nach Kairo, Jerusalem, Damaskus und Konstantinopel und berichtet, dass R. Pannwitz über Schmitts Besuch am 16.9.25 erfreut gewesen sei: „Mehr als erfreut; er ist ganz beglückt gewesen.“ RW 0265 Nr. 2714. Schmittiana VII, 2001, S. 360 ff. Heinrich Hagen (1900–1980), wurde 1929 in Marburg mit der Dissertation „Eigentum an Forderungen“ promoviert und praktizierte ab 1933 als Rechtsanwalt und Notar in Emden. Auf dem Kopf dieses Blattes der Handschrift notiert: „Peterson Ehe-Prozess in Münster“. Alois Dempf (1891–1982), Privatdozent für Philosophie in Bonn, habilitierte sich 1926, später Professor in Wien und München, während der NS-Zeit vorübergehend suspendiert. DBE 2, S. 549; Schmittiana NF II, 2014, S. 153 ff.; Berning / Maier; Dahlheimer, S. 350–353; Tilitzki (2002), S. 307 f. Hans Dölle (1893–1980), Professor für Bürgerliches-, Verfahrensrecht und Ausländisches Recht an der Universität Bonn, 1941 bis 1945 in Straßburg, 1946 bis 1956 in Tübingen; DBE 2, S. 665; Martin Houbé, Hans Dölle, in: Schmoeckel (2004), S. 137–157. Franz Xaver Münch (1883–1940), kath. Priester, Generalsekretär des Katholischen Akademikerverbandes, wohnte in der Viktoriastr. 15 in Köln; NDB 18, S. 517 f.; BBKL 16, Sp. 1108–1117. Bezieht sich wahrscheinlich auf: Carl Schmitt, „Einmaligkeit“ und „gleicher Anlaß“ bei der Reichstagsauflösung nach Art. 25 der Reichsverfassung, in: Archiv des öffentlichen Rechts 8, 1925, S. 162–174.
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Samstag, 21. 11. 25 Müde aufgestanden, ein schöner Vormittag, aber fast nichts getan, ein paar Briefe geschrieben, Wut über Feuchtwanger, der mir auf unverschämte Weise nicht antwortet.159 Mittags zum Institut, einiges erledigt, immer müde und traurig. Als ich nach dem Essen nach Hause kam, war ein Telegramm von Jup160 da, der mich bittet, heute Abend nach Köln zu kommen, weil Onkel André161 da ist; ich will hinfahren. Ruhte schön aus, nachmittags um 5 Kaffee bei Scharrenbroich, um ½ 6 nach Köln gefahren, etwas durch die Straßen, aber ruhig und überlegen trotz aller Libidinösität. Dann zu Deis162, Jup und den Onkel getroffen, sehr nett unterhalten, über geschimpft, Jup erzählte, dass Bernhard Wüst163 über med. Einzelheiten meiner Ehe wüsste. Um 11 nach Hause gefahren, aufgeregt, geil, schauderhafter Zustand. Sonntag, 22. 11. 25 Müde um 9 aufgestanden, elender Zustand, grauenhaft, gedrückt, benommen, 2 schöne Briefe von Duschka, aber sie will einen Pelz für 450 Mark kaufen, das macht mich doch etwas nüchtern. Mittags kam Peterson, wir gingen etwas spazieren, nach dem Essen ruhte ich aus, um ½ 4 kamen Haecker und Seewald, wir holten Peterson ab und zeigten Haecker Bonn, Dann zum Kaiserhof164, wo es aber zu voll war; zu Streng, guten Wein getrunken. Ich bezahlte natürlich, dabei war es langweilig und Haecker erzählte nur von sich, wie er in Trier gelesen hat und der Bischof dabei war. Na ja. Mit Peterson noch zum Hansa-Café, dann zu Schmitz, Dr. Dempf, langweilig, müde, traurig. Um ½ 12 zu Hause. Im Bett wieder Wutanfall, Herzklopfen, dem Irrsinn nahe, kann unmöglich an Duschka schreiben; Gefühl des lächerlichsten Betrogenseins. Montag, 23. 11. 25 Wieder müde. Verzweifelt, traurig. Das erste Exemplar der Besprechungen von Cochet,165 die ich in Cavtat gemacht habe. Schrecklich, schlecht, traurig. Um 11 zur Universität, Frau
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Bezieht sich auf Schmitts Anfrage vom 8. 11. 1925 wegen einer 2. Auflage seiner Schrift „Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus“. Feuchtwanger antwortete mit Verzögerung am 5. 12. 1925, weist auf seine wirtschaftlichen Zwänge hin, will die 2. Auflage aber doch machen. Sie erschien dann tatsächlich 1926. Vgl. BW Feuchtwanger, S. 145 ff. Josef (Jup) Schmitt (1893–1970), Arzt in Köln-Kalk, Lahnstr. 5, Bruder von Carl Schmitt; Schmittiana VII, 2001, S. 343 ff. André Steinlein (1865-nach 1950), Bruder von Schmitts Mutter, Vater des gleichnamigen Vetters (s. oben, 19.10.25), reicher Grundstücks- und Immobilienmakler in Lothringen, der die Entscheidung des jungen Carl Schmitt zum Jurastudium beeinflusst hat und ihn auch finanziell unterstützte; Mehring (2009), S. 23 ff. Hotel und Weinhaus Deis, Köln, Unter Goldschmied 5–7. Bruder von Josef Wüst (s. unten, 4.8.27), mit dem Schmitt seit seiner Schulzeit befreundet war, kam aus dem zwischen Plettenberg und Attendorn gelegenen Weiler Hülschotten; vgl. TB III, passim. Hotel Kaiserhof, Bad Godesberg, Moltkestr. 43 Carl Schmitt, [Rezension von:] Marie-Anne Cochet, Essai sur l’emploi du sentiment religieux comme base d’autorité politique du IIIe aux XXe siècle, Paris 1925, in: Deutsche Literaturzeitung, 1925, Nr. 47, Sp. 2308–2310.
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Tagebuch 1925
166 Blumen geschickt, gleichgültige Vorlesung, von Kaufmann ignoriert, nach dem Essen auf dem Sofa geschlafen, der Bauer Bell kam wieder und wollte 500 Mark geliehen haben; gab sie ihm aber nicht, war aber traurig, wenn ich denke, dass Duschka das Geld für einen Pelz ausgeben will. Ich merke schon, wie das endet. Dann Haare schneiden. Der Friseur Dotterweich167 wollte 3000 Mark geliehen haben; immer dasselbe. Ich fühle mich immer gleich verpflichtet. Dann Kaffee getrunken und traurig zu Hause, etwas gearbeitet, Völkerrecht, das machte mich munter, aber nicht lange. Gurian kam, widerlich, dann zu Abend gegessen, Zeitung gelesen. Betrübt und traurig, Wut wegen Locarno, elender Zustand. Dienstag, 24. 11. 25 Um 6 wach, aber [trotz] aller Vorsätze wieder zu Bett und geschlafen, von Erich Kaufmann übel geträumt, erst um 9 Uhr auf, schnell Brief an Duschka, die den Pelz für 450 Mark gekauft hat. Aber etwas ruhiger. Nach dem Frühstück früh weg, zu Göppert, der aber nicht zu Hause war (wollte ihm sagen: der Vertrag von Locarno bedeutet eine Belgisierung der Rheinlande168), dann im Kaiserhof, Karte für den Geheimrat Traeger abgegeben, dann in der Bibliothek, im Euphorion die Auseinandersetzung von Burdach mit MendelssohnBartholdy gefunden,169 erinnert an diesen widerlichen, feigen, dilettantischen Juden und freute mich über die Entdeckung. Zeigte sie Zycha170 und Schreuer171, die beide sehr erstaunt waren, auch . 2 Stunden Vorlesung ziemlich harmlos, gleichgültig. Nach dem Essen etwas spazieren, dann ausgeruht, um 4 schön Kaffee getrunken, bei Scharrenbroich, zur Bibliothek, die Zeitschrift für Bücherfreunde geholt, in der Mendelssohn-Bartholdy seine Besprechungen über Romane und Einfälle veröffentlicht hat;172 widerlicher Schöngeist. Dann kam der Vater von Fräulein Esser, rührend, eine Stunde lang, wegen der Dissertation seiner unmöglichen Tochter.173 Dann aß ich zu Hause zu Abend, sah Bilder, Ejakulation, schrieb
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Die Professorenwitwe Frau Geheimrat Franck war Schmitts Vermieterin in der Endenicher Allee 20, wo sie auch selbst wohnte: vgl. TB III, S. 327. „Parfümerie- und Cologne-Haus A. Dotterweich“, Bonn, Hansa-Eck. Der Vertrag von Locarno schrieb die Entmilitarisierung des Rheinlandes fest. Konrad Burdach, Moderner Geschichtssubjektivismus und die Berliner Geschichtswissenschaft. Eine Warnung vor der Mainlinie des deutschen Geistes, in: Euphorion 26, 1925, S. 321–341. Auf S. 329–332 findet sich hier eine Auseinandersetzung mit den literarischen Urteilen MendelssohnBartholdys. Adolf Zycha (1871–1948), seit 1923 Professor für Deutsche Rechtsgeschichte, Bürgerliches Recht, Privat-, Handels- und Bergrecht in Bonn, 1932 Rektor, 1933 aus politischen Gründen abgesetzt, konnte seine Lehrtätigkeit aber bis 1937 fortführen; DBE 10, S. 914; Steffen Wiederholt, Adolf Zycha, in: Schmoeckel (2004), S. 603–639; vgl. TB III, S. 164. Hans Schreuer (1866–1931), Rechtshistoriker, Zivil- und Handelsrechtler, Geheimer Justizrat, seit 1908 Professor für Deutsches Recht in Bonn; Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 11, S. 219 f.; vgl. TB III, S. 86. Zeitschrift für Bücherfreunde N.F. 8, 1917, Beiblatt. Hier finden sich unter der Chiffre „M. B.“ mehrere Besprechungen von Albrecht Mendelssohn-Bartholdy. Die Studentin Esser, die schon einige Zeit an ihrer Dissertation arbeitete (s. TB III), wurde von Schmitt nicht promoviert, obwohl sich nicht nur der Vater, sondern auch der Bruder (s. TB III, S. 381) für sie einsetzten.
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an Duschka, zweifelnd zwischen Vertrauen und Hohn. Dann noch etwas gelesen, Staats theorie, angeregt, zufrieden und selbstbewusst. Mittwoch, 25. 11. 25 Morgens ein wunderschöner, tröstlicher, langer Brief von Duschka. Unglaubliches Glück, begeistert und gerührt, schönes, wunderbares Kind. Viele Briefe, Brinkmann174 schickte den Aufsatz über ,175 sehr gefreut. Stand erst um 9 Uhr auf, hielt 2 Stunden Vorlesung, ohne besondere Anstrengung, nach dem Essen geschlafen, um 4 kam Peterson, wir tranken zusammen Kaffee, Adams kam auch, bei Scharrenbroich, dann etwas gearbeitet (heimlich den Prinzen von Hohenzollern im Seminar erwartet, er kam aber nicht!176), schönes Seminar, ziemlich langweilig (Vortrag Groten177 über Plato), um 8 mit Huber178 und Gurian zur Frühstücksstube, Peterson getroffen, langweilig, müde, um ½ 10 nach Hause, 9 Mark umsonst ausgegeben. Donnerstag, 26. 11. 25 Um 8 aufgestanden, obwohl ich noch nicht ausgeschlafen hatte. Wieder ein schöner Brief von Duschka, die eine Korrektur eines Gedichtes von Boji´c mitteilt, leider zu spät (Schicksal, behüte ein solches Land).179 Vorlesung sehr anstrengend, mit Landsberg nach Hause, nach dem Essen zu Bett, Beyerhaus kam und lud mich für morgen Abend ein, nahm an, nicht genug ausgeschlafen, schnell Kaffee bei Scharrenbroich, dann 4–5 Vorlesung über Staatstheorie, der Staat als Vernunft, schlecht. Mit Friesenhahn180 bei der Konditorei Kauf174
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Carl Brinkmann (1885–1954), seit 1923 Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft in Heidelberg, 1942 Berlin, 1947 Tübingen. Schmitt war seit 1915 mit ihm in freundschaftlichem Kontakt; DBE 2, S. 84; vgl. TB I, S. 80. Der erwähnte Brief ist veröffentlicht in: Schmittiana NF III, 2016, S. 132; danach schickte Brinkmann die Revisionsbögen von zwei Beiträgen von ihm aus: Grundriß der Sozialökonomik, Abt. 9 (Tübingen 1926), nämlich „Die Aristokratie im kapitalistischen Zeitalter“ und „Die Umformung der kapitalistischen Gesellschaft“. Die Bonner Universität war traditionell die Ausbildungsstätte der Kaisersöhne und des Hochadels (Becker, S. 99). Prinz Wilhelm von Preußen (1906–1940), ältester Sohn des deutschen Kronprinzen Wilhelm von Preußen und Enkel Kaiser Wilhelms II., begann 1925 sein Jurastudium in Bonn. Curt Groten (1902–?), Schüler Schmitts, wurde 1929 in Bonn promoviert mit der Arbeit „Die Kontrolle des Völkerbundes über die Tätigkeit der Regierungs-Kommission der Saargebiets“. Ernst Rudolf Huber (1903–1990), Doktorand Schmitts und in der Endphase der Weimarer Republik sein wichtiger Mitarbeiter, 1933 Professor in Kiel, 1937 Leipzig, 1941 Straßburg, nach 1945 zunächst keine Professur, 1952 Honorarprofessor in Freiburg, 1957 Professor in Wilhelmshaven, 1962 Göttingen; Matthias Maetschke, Ernst Rudolf Huber, in: Schmoeckel (2004), S. 367–386; Breuer, S. 180 ff.; vgl. BW Huber; TB V, S. 50 und passim. Bezieht sich auf das Gedicht „Bes uswika“ des serbischen Dichters Milutin Boji´c (1892–1917), den Schmitt zusammen mit seiner Frau übersetzte (vgl. Tb III, S. 203 f. und passim), und mit dem der Aufsatz „Illyrien“ schließt. In der zweiten Strophe heißt es: „jetzt versuche ich dich, Schicksal!“, was Duschka offenbar anders übersetzt haben wollte. Ernst Friesenhahn (1901–1984) war seit 1924 Fakultätsassistent an der Bonner Universität, arbeitete aber vor allem mit Schmitt zusammen, von dem er 1928 promoviert wurde. 1932 habilitiert, hatte er als dezidierter Katholik und NS-Gegner Schwierigkeiten, eine Professur zu erhalten, erst
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mann, er ist ein guter, anständiger Kerl181 (in den Übungen, die Friesenhahn abhielt). Zu Hause, den ganzen Abend, zu Hause zu Abend gegessen, Völkerrecht gearbeitet, Bild von Duschka besehen, in größtem Glück und völligem Vertrauen. An Kiener geschrieben, an und an Duschka. Um ½ 12 zu Bett. Freitag, 27. 11. 25 8 aufgestanden, ein schöner Brief von Duschka, meine Vorlesung nett vorbereitet, Brief an Duschka, an Kiener, Drucksachen an und 182, 2 Stunden nach dem Essen ausgeruht, um 3 Kaufmann in dem Café Kaiser183 getroffen, nett unterhalten, er findet die Arbeit Lohmann ebenfalls sehr gut, gleichgültig und müde. Langweilige Sitzung bis 6 Uhr, zum Verzweifeln. Einsam nach Hause. Abends umgekleidet und zu Beyerhaus, langweilig, Professoren-Milieu, Peterson war auch da, die Kaufmanns, um ½ 1 nach Hause. Ruhig und gleichgültig. Othello gelesen.184 Samstag, 28. 11. 25 ¼ nach 8 aufgestanden, gut geschlafen, aber noch nicht genug. Behaglicher Vormittag, Samstagsmorgen, kein Brief; Notizen gemacht, den Tisch aufgeräumt usw. Müde. Leicht erregt (Wut über Feuchtwanger, der seit 3 Wochen nicht geantwortet hat). Mittags zum Institut, nett mit Lohmann und Huber unterhalten. Dort Groten; nach dem Essen zu Hause geschlafen, bis ½ 4, zu Neuß, der aber schon weggegangen war. Etwas spazieren, dann wieder ausgeruht, um 5 traf ich Ännchen bei Scharrenbroich, müde; nettes, braves Mädchen. Bei Schmitz vorbei, dann zu Hause zu Abend gegessen, aufgeregt, müde, nicht .
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1946 wurde er Professor in Bonn, von 1951 bis 1963 war er auch Richter am Bundesverfassungsgericht. Der Schwager Friesenhahns, der Rechtsanwalt Meyer, betrieb für Schmitt das Verfahren zur Annullierung seiner Ehe. Stefan Stolte, Ernst Friesenhahn, in: Schmoeckel (2004), S. 185–231; Dahlheimer, S. 522–526; vgl. TB III, S. 167 f. Dieses positive Urteil sollte sich ändern, als Friesenhahn wegen des NS-Engagements Schmitts ab 1933 zu ihm auf Distanz ging; vgl. dazu die harschen Äußerungen Schmitts im Glossarium. Vielleicht „Brinkmann“. Bonn, Kaiserplatz 16. Shakespeares Othello ist eine der literarischen Figuren, in denen Carl Schmitt sich spiegelte und seine Gefährdung sah. Im Illyrien-Aufsatz heißt es: „Die fabelhafte Figur Othello, der schwarze Gatte der weißen Desdemona, ‚Der gelben Wüste brauner Sohn‘, der Krieger ohne Heimat und ohne soziales Milieu, dessen Eifersucht nur der giftgrüne Schleier ist, in dem sich die Konsequenz eines Heimatlosen-Schicksals psychologisch verhüllt, der seine Frau nicht erschlägt oder ersticht, sondern erwürgt, um ihre weiße Reinheit nicht mit rotem Blute zu entweihen, der dunkle Held eines farbenfrohen Schauspiels, der Mohr mit dem germanischen Namen Otto, dem man ein italienisches Diminutiv angehängt hat, das ihn wie eine Schelle lächerlich macht, der edle General Othello, der arme, einsame Othello mit seinem germanischen Schicksal – er gehört vielleicht symbolisch nach Illyrien.“ (SGN, S. 485). Über seine Frau Duschka sagte Schmitt: „Sie hat mich vor dem Schicksal des Othello bewahrt; sie ist mein einziger Halt.“ (TB III, S. 328). Vgl. Andreas Höfele, No Hamlets. German Shakespeare from Nietzsche to Carl Schmitt, Oxford, 2016, Chapter 5 „Little Otto: Carl Schmitt and the Moor of Venice“, S. 160–191.
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Sonntag, 29. 11. 25185 Vormittags zu Hause aufgeräumt, wenig getan, aber ziemlich zufrieden. Brief von Duschka, aber kurz und eilig. Wartete auf den Abend, wo Dr. Münch kommen will. Mittags kam Peterson, wir gingen etwas spazieren, nach dem Essen bei Strassberger ruhte ich zu Hause aus, Telegramm von Münch, dass er nicht kommt. Peterson kam um 5 Uhr, wir unterhielten uns etwas; Beyerhaus war vorher dagewesen. Ich trank Kaffee bei Scharrenbroich und arbeitete dann schön zu Hause. Abends einen Augenblick bei Neuß, traf ihn aber nicht zu Hause. Konnte wieder nicht einschlafen, grauenhafter Zustand. Abends schönen Brief an Singer186 nach Hamburg geschrieben. Montag, 30. 11. 25 Brief von Duschka, aber kurz, sonst keine Korrespondenz, erbärmlich. Vorlesung strengte mich nicht an, zu Hause ein paar Sachen erledigt, nach dem Essen ausgeruht, um 4 Uhr Fakultätssitzung, freundlich mit Kaufmann unterhalten, der die Arbeit von Lohmann sehr gut nennt. Abends um ½ 6 beinahe nach Köln gefahren, furchtbare Gier und Wut, kaum zum Aushalten. Zu Hause, abends, nachdem ich zu Hause gegessen hatte, wollte ich Peterson treffen, er war aber nicht zu Hause, rannte zur Rheinuferbahn, um noch um ½ 9 nach Köln zu fahren, in derselben Sekunde, auf dem Geleise, traf er mich; ich hatte das Gefühl, dass er mich, wie ein Engel, auffängt, im letzten Augenblick. Wir tranken bei Kieffer Bier, ich erzählte von Rom, was ich bei Steed187 gelesen hatte, die schreckliche Geschichte von den Attentaten in Rom. Todmüde nach Hause. Konnte trotz des Biers nicht einschlafen. Nachts Misstrauen, Verzweiflung wegen Duschka. Dienstag, 1. 12. 25 Nicht recht ausgeschlafen, geiler Traum, kein Brief von Duschka, traurig. Um 10 kamen aber die Hefte des Hochlands mit meinem Illyrien-Aufsatz und einem Aufsatz von Martin über Romantik,188 an dem ich meine große Wirkung erkennen kann. Daher wieder angeregt (nicht fröhlich), hielt 2 Stunden Vorlesung, die mich sehr ermüdeten. Nach dem Essen ausgeruht, libidinös, kaum zum Aushalten, als ich um ½ 5 zum gehen wollte (vielleicht um nach Köln zu fahren), traf mich wieder Peterson. Wir sprachen bei Scharrenbroich über die Ehe, über Othello, er meinte, es wäre doch seltsam, dass ich heiraten will usw. Traurig
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Auf dem Kopf dieses Blattes der Handschrift notiert: „Peterson (fing mich wie ein Engel auf!), 30.11.25 und 1.12.25–5.12.25 (Peterson)“. – Vielleicht Anspielung auf: Erik Peterson, Der Lobgesang der Engel und der mystische Lobpreis, in: Zwischen den Zeiten 3, 1925, S. 141–153. Kurt Singer (1886–1962), Nationalökonom, Philosoph, Dichter, mit dem George-Kreis verbunden und mit Schmitt seit seiner Straßburger Studentenzeit bekannt, 1916 bis 1928 Chefredakteur des „Wirtschaftsdienstes“ in Hamburg, in dem auch Schmitt publizierte, 1920 habilitiert, 1924 a. o. Professor in Hamburg, 1931 Tokio, 1939 Australien, 1957 Athen; Hagemann, S. 656–658; Hamb. Biogr. 2, S. 396–398; vgl. Schmittiana NF III, 2016, S. 47–53; TB III, S. 158 und passim. Henry Wickham Steed (1871–1956), antihabsburgischer engl. Historiker und Journalist. Steed war von 1897 bis 1902 Korrespondent der „Times“ in Rom; Schmitt bezieht sich möglicherweise auf: H. W. Steed, Through thirty Years, 1892–1922. A personal narrative, vol. 1, London 1924. Alfred von Martin, Romantischer „Katholizismus“ und katholische „Romantik“, in: Hochland 23 / 1, 1925, S. 315–337.
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nach Hause, einige Exemplare des Illyrien-Aufsatzes verschickt, aber wenig, horoskopisch, gleichgültig, nach dem Essen an die Post, dann wieder nach Hause. Welch ein Dasein. Konnte nicht einschlafen, schauderhaft. Mittwoch, 2. 12. 25 Müde und gleichgültig, kein Brief, traurig, fühle mich verlassen. Schenkte einen IllyrienAufsatz Göppert. 2 Stunden Vorlesung, ziemlich anstrengend, nachher schön ausgeruht, um 4 aufgestanden, gewaschen, Frau Franck189 die Miete bezahlt und ihr ein Exemplar des Illyrien-Aufsatzes gegeben. Um 5 Ännchen bei Scharrenbroich getroffen, dann Seminar 6–8, sehr schlechtes Referat von Niessen190, aber gut besprochen, nachher mit Werner Becker in der Kaiserhalle191 zu Abend gegessen, dann zu Spiethoff192, Besprechung wegen des Dr. rer. pol.,193 mit Spiethoff, Beckerath194, Schumpeter195, Göppert, Zycha. Sehr nett, besonders Beckerath sehr sympathisch, wie er über Weltwirtschaftsdinge sprach. Erinnerte mich sehr an
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Die Vermieterin Frau Franck wohnte offenbar mit weiteren Familienmitgliedern im Haus; wiederholt klagt Schmitt über Lärmbelästigung, Kindergeschrei und bellenden Hund. Josef Niessen (1891–1962), Historiker, wurde 1924 in der Phil. Fak. promoviert mit der Arbeit „Landesherr und bürgerliche Selbstverwaltung in Bonn 1244 bis 1794“, später Gymnasiallehrer; vgl. Edith Ennen, Nachruf auf Josef Niessen (1891–1962), in: Bonner Geschichtsblätter 18, 1964, S. 7–10. Restaurant „Zur Kaiserhalle“, Martinstr. 1. Arthur Spiethoff (1873–1957), seit 1918 Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaften in Bonn, 1939 emeritiert. NDB 24, S. 696 f.; Kamp / Stamm, S. 26–44; TB III, S. 83 und passim. Die Wirtschaftswissenschaften waren an der Bonner Universität der philosophischen Fakultät zugeordnet, ihre Absolventen wurden zum „Dr. phil.“ promoviert. Schon 1913 gab es Bestrebungen, das zu ändern und einen „Dr. rer. pol.“ zu schaffen, was aber erst 1919 genehmigt wurde. In den folgenden Jahren war man bemüht, den Dr. rer. pol. von der Pflichtprüfung in den juristischen Fächern zu befreien und diese zu Wahlfächern zu machen. Der Titel sollte ein rein wirtschaftswissenschaftlicher werden. Mit Beginn des akademischen Jahres 1928 / 29 wurden die Ökonomen dann in die Juristische Fakultät aufgenommen, die sich von da an „Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät“ nannte. Vgl. Arthur Spiethoff, Das Institut für Gesellschaftswissenschaften, in: Geschichte der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität zu Bonn am Rhein, Bd. 2: Institute und Seminare 1818–1933, Bonn 1933, S. 300–302; Mathias Schmoeckel, Die Einrichtung einer „Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät“ an der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität Bonn, in: 75-Jahr-Feier der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (Bonner Akademische Reden, 88), Bonn 2004, S. 7–18. Herbert von Beckerath (1886–1966), seit 1925 Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaften und Direktor des Instituts für Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften in Bonn, emigrierte 1933 in die USA, wo er bis zu seiner Emeritierung 1955 lehrte. Er war der Vetter des mit Schmitt befreundeten Nationalökonomen Erwin von Beckerath (1889–1964); Hagemann, S. 34–36; Kamp / Stamm, S. 45–53. Joseph Alois Schumpeter (1883–1950), seit 1925 Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaften in Bonn, seit 1932 in Harvard; Kamp / Stamm, S. 54–66; Hagemann, S. 639–642; Esben Sloth Andersen, Joseph A. Schumpeter, Berlin 2015.
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Schaetzler196. Wir gingen zusammen nach Hause, ich hatte etwas viel Wein getrunken, Widerwille gegen Schumpeter,197 habe Göppert Stendhal, Rot und Schwarz, geliehen. Donnerstag, 3. 12. 25 Sehr erkältet, dachte daran, nicht zu lesen, aber um ½ 10 doch aufgestanden, natürlich kein Brief, elender Zustand. Hielt meine 2 Stunden, schrecklich anstrengend, gab Meissner198 den Illyrien-Aufsatz, nach dem Essen ausgeruht, um ½ 4 Kaffee, dann das Publikum über Staatstheorie, ziemlich gut, trotz der Erkältung, gab 199 den Illyrien-Aufsatz; wie dumm. Dann zu Hause, viele Briefe, von Duschka, von Münch, der sich entschuldigt, weil er Sonntag nicht gekommen ist, von über meinen „erlesenen“ Illyrien-Aufsatz, von der kleinen Isa Krause200. War froh darüber, hielt meine Übung, furchtbare Anstrengung der Stimme, aber es ging gut. Zum Glück traf ich nicht Peterson, aß bei Kieffer und ging dann [nach] Hause, räumte auf, erkältet, aber allmählich ruhiger, sehr nervös, Angst vor dem Besuch von Duschka. Armseliger Zustand, , konnte nachts nicht schlafen. Freitag, 4. 12. 25 Um 9 aufgestanden, nervös und müde. Zum Glück heute nur zwei Stunden Vorlesung. Brief von Duschka. Mittags müde nach dem Essen (bei Strassberger) im Bett ausgeruht, bei Scharrenbroich Kaffee getrunken; was soll ich tun; ein schrecklicher Zustand. Es ist eisig kalt. Abends zu Hause gegessen, angefangen, Arbeiten zu lesen, Peterson kam um 8, wir tranken eine Flasche Trabener bei Streng, Unterhaltung sehr schön, er erzählte von seiner Exegese der drei Versuchungen Christi.201 Angeregt nach Hause und daher seit langem wieder etwas besser geschlafen. Samstag, 5. 12. 25 2 Briefe von Duschka, wieder fröhlich und guter Dinge. Herumgelesen, nicht viel getan, um 12 zur Universität, (Friesenhahn hat mir einen Irrtum in den Übungen nachgewiesen. Sehr nervös und bedrückt deshalb. Dabei ist es gar nicht so schlimm). In der Bibliothek, eine Dissertation geholt, mit Beyerhaus, fühlte, dass er mich verlacht. Nach dem Essen mit Neuß spazieren, über die Höhen von Dottendorf nach Kessenich. Er sprach über meine Absicht, mich wieder zu verheiraten, bat mich, das nicht zu tun. Ich wäre sehr nervös, er sähe die ganze von solchen Menschen. Sehr traurig wieder die alte Geschichte, inzwischen habe ich einige gute Jahre gehabt, das alte Leid beginne wieder. Schauderhafter
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Karl Schaetzler (1900–1980), Mitarbeiter der Zeitschrift „Hochland“. Später urteilt Schmitt sehr positiv über Schumpeter; vgl. Glossarium, S. 76: „Es ist ein großes Vergnügen, mit ihm zu diskutieren.“ Rudolf Meissner (1862–1948), seit 1913 Professor für Germanische Philologie in Bonn, 1928 / 29 dort auch Rektor; Internationales Germanistenlexikon, 1800–1950. Hrsg. von Christoph König, Berlin / New York 2003, S. 1195 f.; vgl. TB III. Nicht ermittelt, vielleicht ein Student. Die Tochter Liselotte von Georg Alexander Krause, die ansonsten aber Lisa genannt wurde. Vgl. Peterson, AS 5, S. 124–140.
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Zustand, arme Duschka. Nachmittags Arbeiten gelesen. Abends zu Streng, traurig, Wein getrunken, dann kam Peterson, wir tranken noch zusammen und sprachen über die erbärmliche Ehegeschichte. Beyerhaus schwätze, Kaufmann schwätze, so spricht sich das herum. Ich werde beobachtet und ausgelacht. Schöner Zustand. Müde und bedrückt nach Hause. Kopfschmerzen und erkältet. Sonntag, 6. 12. 25 Freundlicher Brief von Duschka, das tat mir gut. Dann gegen Morgen dachte ich wieder an Selbstmord. Inzwischen soll alles wieder kommen wie vor 7 Jahren. Ganz entsetzlich. Es war sehr kalt im Zimmer, ich arbeite nur sehr wenig. Mittags Zeitungen gekauft und zum Bürgerverein gegangen, um Jup und Ännchen zu treffen. Aß mit ihnen zu Mittag, begleitete sie an die Siebengebirgsbahn, nett geplaudert, Jup Geschichte über Rom erzählt (die intrigantenhafte Prosperität der Prälaten),202 dann nach Hause, ausgeruht, etwas gearbeitet. Abends mit Peterson bei Streng, scheußliche rheinische Spießbürger. Montag, 7. 12. 25 Müde des Morgens, eine Stunde Vorlesung, Ekel vor Kaufmann, traurig deshalb (Wut, dass ich ihm den Illyrien-Aufsatz gegeben habe); nach dem Essen ausgeruht, um 4 kam Peterson, wir tranken zusammen Kaffee im Hansa-Café, dann wieder nach Hause, abends bei Schmitz; er sprach sehr nett über meinen Illyrien-Aufsatz. Dienstag, 8. 12. 25 Feiertag, ausgeschlafen, zu Hause wenig getan, aber langsam aufgeräumt. Briefe an Feuchtwanger,203 und an Blei204. Mittags bei Strassberger, dann allein einen Spaziergang gemacht über den Nachtigallenweg. Das ist doch das schönste, alleine zu sein. Zu Hause im Bett ausgeruht, um 4 kam Peterson, wir tranken im Hansa-Café Kaffee. Ich war müde und hatte das Gefühl, dass er über mich lacht. Dann wieder nach Hause, abends um 9 Peterson bei Streng abgeholt, dann zu Kieffer, Bier getrunken, müde und gleichgültig nach Hause. Mittwoch, 9. 12. 25 Einschreibebrief von Duschka, mit ihrem Bild. Ich war sehr glücklich und ganz verliebt. Begeistert und gestärkt, daher schöne Vorlesung 11–1. Nachher mit Neuenhofer205 und Mansour206 und Werner Becker im Bürgerverein zu Mittag gegessen. Über Ehe gesprochen. Nachher noch etwas spazieren. Bedrückt und gleichgültig zu Hause im Bett, um 5 zu Scharrenbroich, Ännchen getroffen, dann 6–8 Seminar, über die Autarkie des Staates; 202 203 204
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s. oben, 30.11.25. BW Feuchtwanger, S. 150 f. Franz Blei (1871–1942), Schriftsteller, Schauspieler, Übersetzer, Zeitschriftenherausgeber; NDB 2, S. 297; Dahlheimer, S. 545–550; TB III, S. 6 und passim. Schmitt antwortete auf einen Brief Bleis vom 5. 12. 1925; vgl. Blei, S. 65–67. Ernst Neuenhofer (?–?), Honorarkonsul in Bremen; vgl. TB II, S. 174 und TB III, S. XX, 73, 174. Laut Adressenverzeichnis (s. unten, S. 328): Dr. Salery Mansour (?–?), Königl. Vize-Konsul von Ägypten; vgl. TB III, S. 198 und passim.
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nachher Peterson im Bürgerverein; allein; zeigte ihm aber nicht das Bild von Duschka und freute mich darüber. Er ist ein Mensch. Es ist nicht gut, mit ihm zu verkehren. Um ½ 11 müde nach Hause. Das Essen ist schrecklich teuer; eine Schande, wieviel Geld ich ausgebe. Donnerstag, 10. 12. 25 Sehr müde nach 9 Uhr aufgestanden. Schöner Brief von Duschka mit ihrem Bild; Steuerzettel der Kirchengemeinde: 340 Mark! Aber ich zahle nur die Hälfte, weil ich in einer Mischehe lebe; sehr vergnügt über diese Entdeckung. Behaglich gefrühstückt, schöne Karte von Rick.207 Dann 2 Stunden Vorlesung, sehr nett; nach dem Essen ausgeruht, 4–5 Staatstheorie, es ging, ich war nicht zufrieden, 5–6 mit Friesenhahn eine Tasse Schokolade, dann 6–8 sehr schöne Übung, die Arbeiten (Haftung des Staates für den Volksschullehrer) besprochen. Nach Hause, bescheiden zu Hause gegessen, nicht mehr ausgegangen. Sehr müde, aber glücklich über das Bild von Duschka. Wut über die Italiener (las einen französischen Roman, der in Dalmatien spielt!). Früh ins Bett, nachts wach geworden. Freitag, 11. 12. 25 Um 9 aufgestanden. Angenehmes Gefühl, dass die Woche bald zu Ende ist. 2 Stunden Vorlesung, ziemlich müde, Gurian kam, erzählte von seinem Aufenthalt in Paris. Nach dem Essen traf ich ihn mit Peterson und Adams bei Scharrenbroich. Dann 3 ¼ Examen Servatius208, Romberg209, Lohmann (dieser magna cum), in Erwartung von Duschka, traf Peterson und dann Gurian bei < Cahn210>, ging mit Gurian nach Hause, er erzählte, dass ein Schriftsteller nicht verheiratet sein sollte. (Das ist wohl eine Wirkung seines persönlichen Aufenthalts)211, aßen zu Abend bei Kieffer, dann früh zu Hause, ging noch ein paar Schritte mit Gurian, sehr aufgeregt, nervös, um 9 wieder zu Hause, früh zu Bett. Erst um 12 eingeschlafen. Erzählte Gurian die Geschichte von Steed,212 die er als für sehr wahrscheinlich hielt. Samstag, 12. 12. 25 Durchgeschlafen bis 7, um ¼ 9 auf, Brief von Fohr213 aus Tölz und von Frau Aschaffenburg. Langsam angezogen, in Erwartung von Duschka, Schmitz kam, Neuß, der eine Nachricht 207 208
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Nicht überliefert. Hubert Servatius (1902–1963), seine Dissertation „Die Entwicklung der Stellung des Oberpräsidentenamtes, unter besonderer Berücksichtigung der Rheinprovinz“ vom 19. 3. 1926 wurde von Schmitt als Zweitgutachter mit „ausreichend“ bewertet (frdl. Mitteilung von Carl Erich Kesper, Bonn). Nicht ermittelt. Weinhandlung in der Friedrichstr. 14. Vielleicht auch zu lesen „Cohen“, Buchhandlung, Am Hof 30. In Bordellen. Zu Hannah Arendt sagte Gurian später, dass er große Angst vor der Hölle habe, mit der er wegen seiner „sexuellen Schweinereien“ wohl rechnen müsse; nach: v. Wiese, S. 126. s. oben, 30.11.25. Möglicherweise handelt es sich um Hans Fehr (1874–1961), Schweizer Rechtshistoriker; vgl. TB III, S. 315.
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von Münster hat.214 Welch ein Zusammentreffen! Frühstückte behaglich, dann um 11 zur Bahn, um ½ 12 kam der Zug. Sehr gerührt über die brave, gute Duschka.215 Brachte sie zur Pension Kalt,216 blieb auf ihrem Zimmer bis ½ 1, dann zu Schmitz, wo wir uns für morgen Abend einluden. Dann mit Duschka über die Poppelsdorfer Allee, Häuser besehen. Nach dem Essen zu Neuß, Nachricht von Münster, die Sache ist ziemlich aussichtslos, sehr aufgeregt, trank bei Scharrenbroich Kaffee, dann zu Hause ausgeruht, Schlosser217 kam wegen seiner Dissertation über den Religionsunterricht; man erklärte sie für nicht katholisch genug und will den Art. 149 da auslegen (nach den Grundsätzen der Religionsgesellschaft, d. h. nach Recht das heißt, der Religionsunterricht untersteht der Kirche und nicht der Schule; schönes Beispiel eines jesuitischen Sophismus).218 Wiederum sehr aufgeregt. Plötzlich heiße Wange, nervöses Zittern; schrecklicher Zustand. Weil [3 Wörter] mit dem Katholizismus. Sonntag, 13. 12. 25 Vormittags lange geschlafen, etwas aufgeräumt, gegen 11 kam Dr. Rick, nett unterhalten, dann Duschka. Wir gingen zusammen etwas spazieren, ich suchte Peterson, aß bei Kieffer zu Mittag, weil ich ihn nicht fand, dann müde nach Hause, zu Bett, ausgeruht, nachmittags Kaffee getrunken, Duschka kam und war 2 Stunden bei mir, sehr schön, dann gingen wir zu Schmitz und aßen zu Abend, mit Herrn v. Koblinski219; etwas langweilig, um ½ 10 müde nach Hause (mein Römischer Katholizismus an Maritain220). Montag, 14. 12. 25 Müde, benommen, eine Stunde Vorlesung, Kaufmann nicht gesehen, weil ich nicht ins Dozentenzimmer ging. Nachher mit Lohmann über seine Dissertation gesprochen, dann zum Mittagessen bei Strassberger, nachher geschlafen, nachmittags 5 zu Duschka, wir gingen spazieren, wunderschön am Rhein, dann ½ 8 Bürgerverein zu Abend gegessen mit Peterson, sehr schön über theologische Dinge unterhalten.
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Bezieht sich auf Schmitts Bemühung, seine Ehe kirchenrechtlich für nichtig erklären zu lassen; nach der ablehnenden Entscheidung des Offizialats Köln war Münster die Berufungsinstanz. Neuß setzte sich bei Dompropst Donders in Münster nachdrücklich für Schmitt ein. Nach dreimonatiger Abwesenheit kam Duschka aus Kroatien zurück. „Kleines, feines Fremden- u. Familien-Pensionat von Josefine Kalt, Bonn, Hohenzollernstr. 30“ (Bonn-Führer, S. 92). Josef Schlosser (1891–?), wurde 1926 mit der Dissertation „Die rechtliche Stellung der Religionsgesellschaften hinsichtlich des Religionsunterrichts nach der Reichsverfassung vom 11. Aug. 1919“ von Schmitt mit „magna cum laude“ promoviert, wurde später Studienrat. Mehring (2009), S. 626, Anm. 109; vgl. auch TB III, S. 200. Die Dissertation kommt zu dem Ergebnis, dass die Kirchen wohl ein Gestaltungsrecht für den Religionsunterricht haben, nicht jedoch eine geistliche Schulaufsicht ausüben können. Nicht ermittelt; möglicherweise identisch mit „v. Kobinenski“ in TB III, S. 160. Jacques Maritain (1882–1973), franz. thomistischer Philosoph, war in den zwanziger Jahren mit Schmitt befreundet, kritisierte ihn dann 1936 öffentlich in seinem Buch „Humanisme intégral“; Schmittiana V, 1996, S. 210–213; Marschler, S. 46 ff.
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Dienstag, 15. 12. 25 Wieder lange geschlafen, bis 9 Uhr (weil ich immer nachts wach werde!), niemand schrieb mir auf meinen Illyrien-Aufsatz. 2 Stunden Vorlesung, nach dem Essen ausgeruht, um 3 ¼ Uhr nationalökonomisches Examen; sehr langweilig. Um 6 zu Duschka, etwas spazieren, dann zum Bürgerverein, mit Peterson nett unterhalten, aber Sehnsucht nach einem richtigen staatsrechtlichen Gespräch. Müde und traurig nach Hause. Glücklich über Duschka, die sehr schön und klug gesprochen hat. Mittwoch, 16. 12. 25 Wieder zu lange geschlafen, zu spät auf, in Eile die Vorlesung vorbereitet, Völkerrecht und Staatsrecht, im Königshof mit Vormfelde, mit ihm nach Godesberg, Kaffee getrunken, er erzählte von seinen Weibergeschichten und will auch heiraten. Um ½ 4 zu Hause ausgeruht, dann zum Examen Merk221, langweilig, deprimiert, 6–8 Seminar, schlechter Laune, der Papst hat sich für Locarno ausgesprochen,222 widerlich; dann zum Bürgerverein, Duschka getroffen. Schön unterhalten. Heute Brief von Mendelssohn-Bartholdy! Wie lächerlich. Müde zu Hause. Donnerstag, 17. 12. 25 9 ¼ aufgestanden; todmüde, Brief von Kluxen, der die Doroti´c223 gesehen hat. Scheußlich. 2 Stunden Vorlesung, nachher ein Amerikaner Braxton, sehr nett. Dann zu Hause Arbeiten schnell zensiert, ausgeruht, um 5 ¼ kam Braxton, nett unterhalten, mit ihm im Hansa-Café, dann meine Übungen gehalten, um ½ 8 mit Gurian zum Bürgerverein, nett unterhalten, Peterson kam auch, um ½ 10 noch einen Augenblick mit Duschka spazieren, dann nach Hause, gleichgültig und müde. Hätte ich erst eine Wohnung. Freitag, 18. 12. 25 Um 9 auf, hielt meine 2 Stunden Vorlesung, war todmüde nachher, zum Glück ist es jetzt zu Ende. Nach dem Essen ausgeruht, Examen, Karl Josef Edler224, scheußlich dumm. Nach dem Examen um 6 zu Duschka, wir gingen spazieren, abends im Bürgerverein, Peterson kam nicht mehr, wohl aber Schmitz. Nachher müde nach Hause.
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Heinrich Merk (1902–1970), wurde 1927 zum Dr. phil. in Bonn promoviert, später im Vorstand der Metallgesellschaft; DBA II 879, 199. Der Heilige Stuhl unterstützte die am 1. 12. 1925 unterzeichneten Verträge von Locarno, die die Anerkennung der deutschen Westgrenze festschrieben. Aus dem Brief Kluxens (RW 0265 Nr. 7915) geht hervor, dass es sich um Schmitts erste Ehefrau Pauline Marie Doroti´c handelt, der Kluxen anlässlich eines Vortrags in München begegnet ist. Er schildert Schmitt diese Begegnung und meint, dass sowohl von der äußeren Erscheinung der Frau, wie von dem inneren Eindruck den sie ihm vermittelte, es ganz unvorstellbar sei, dass sie einmal Schmitts Frau war. Die Disseration hatte den Titel „Der 31. Abschnitt (Rechtsvereitelung) des Amtlichen Entwurfes eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches“. Eigentlich war Schmitt kein Prüfer, wurde aber von Landsberg in Ermanglung eines Kollegen hinzugezogen und hat das Urteil „ausreichend“ mit unterschrieben. Die Prüfung im zweiten Nebenfach durch Dölle bestand Edler lediglich mit „kaum ausreichend“, was Schmitts Bemerkung „scheußlich dumm“ erklären mag. (Frdl. Mitteilung von Carl Erich Kesper, Bonn).
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Samstag, 19. 12. 25 Um ½ 10, von Duschka begleitet, am Bahnhof, fuhr 3. Klasse nach Mainz, widerliche Rheinländer im Zug, die mit ihrem Automobil renommierten, die Frau erinnerte mich an Frau v. Schnitzler. Um 12 ½ in Mainz, fuhr mit der Elektrischen zum Hotel Holländer Hof, wartete auf Kiener, der um 1 kam, wir aßen schön zusammen. Unterhielten uns nett. Nach dem Essen Vermeil225. Ein sympathischer, netter Mensch, aber den Kopf voll von . Dann mit Kiener in die Stadt, Zeitungen gekauft, abends in einem Café, dann in einem kleinen Weinrestaurant, Rheingauer Weinstube, zu Abend gegessen. Er erzählte mit großem Vertrauen von sich, wie er sich freut, mit „Herr Professor“ angeredet zu werden; ich war sehr gerührt. Um 11 müde ins Bett. Sonntag, 20. 12. 25 Bis 10 geschlafen, dann mit Kiener gefrühstückt, wir gingen durch die Stadt spazieren, aßen im Hotel zu Mittag, um 2 zur Bahn, im Auto, ich verspätete aber den Zug und fuhr erst 3.17. Um 6 müde in Bonn, nach Hause, kein Brief, deprimiert. Um 8 Duschka am Bahnhof. Wir aßen an der Bahn zu Abend, hatte sie sehr lieb, müde nach Hause. Montag, 21. 12. 25 Morgens ausgeruht, aufgeräumt, froh, dass die Ferien begonnen haben. In der Universität mit Duschka, mittags ausgeruht, um 4 kam Werner Becker, wir gingen zusammen nach Scharrenbroich und tranken Kaffee, um 5.10 zur Bahn, aber André kam nicht, zu Schmitz, sehr traurig, bedrückt, Gefühl der Lächerlichkeit. André kommt erst Mittwoch oder Donnerstag. Abends auf Duschka gewartet, im Bürgerverein, bis 8 Uhr, sie kam aber nicht, traurig, wütend, ich traf sie, als ich gerade weggehen wollte; wir gingen zu Schmitz und gaben Weihnachtsgeschenke ab; dann noch ein schöner Spaziergang, schnelle Versöhnung. Dienstag, 22. 12. 25 Morgens aufgeregt, um 11 kam Duschka, etwas gearbeitet, mittags geschlafen, Neuß kam wegen des Eheprozesses, scheußliche Stimmung. Abends mit Jup, Ännchen und Schmitz bei Duschka (), zu Abend gegessen, , sehr nett. Las die nordischen Sagen und das Liederbuch von Duborg, das ich für Duschka zu Weihnachten gekauft habe.226 Mittwoch, 23. 12. 25 Wenig getan, spät aufgestanden, komme nicht vorwärts, wenig Briefe, gleichgültig und bedrückt wegen des Eheprozesses, habe an den Professor Lux227 geschrieben, nachdem er mir zuerst geschrieben hat. Nachmittags kam Gurian, als Duschka bei mir war. Dann Neuß. 225
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Edmond Vermeil (1878–1964), franz. Germanist, seit 1919 Professor für deutsche Kulturgeschichte an der Universität Straßburg, ab 1933 an der Sorbonne, veröffentlichte 1923 ein Buch über die Weimarer Verfassung (vgl. TB III, S. 316), auf das Schmitt sich in seiner „Verfassungslehre“ bezieht. Emil Duborg, Im Schein der Kerzen. Neue Lieder und Gedichte von Weihnachtsfreude und Weihnachtsfrieden für Schule und Haus, Bordesholm [1924]. Karl Lux (1872–1931), Professor für Kirchen- und Staatsrecht in Münster; DBA II 842, 221–223; III 588, 357. Schmitt schrieb ihm offenbar wegen der Nichtigkeitserklärung seiner Ehe.
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Gurian sagte mir, dass Janentzky eine schöne Besprechung meiner politischen Romantik im Logos veröffentlich hat;228 das tat mir gut. Das ist meine einzige wirkliche Freude. Neuß spricht von dem Prozess, ich war mild, aber innerlich doch wütend. Abends im Bürgerverein zu Abend gegessen. Donnerstag, 24. 12. 25 Mit Duschka um 12 zur Bibliothek, es war aber zu, dann noch in die Studentenbücherei, um die Besprechung von Janentzky zu lesen; sehr schön und zufrieden. Dann mit Duschka ein paar Schritte, sie begleitete mich zu Kieffer. Nach Hause, ausgeruht, um 5 trafen wir uns am Bahnhof, André kam nicht, wir telegrafierten und kauften noch ein paar Kleinigkeiten, dann bei mir zu Hause, wo wir einen machten, sehr arm. Dann schrieb ich an Eislers, André kam plötzlich, ich war froh. Wir unterhielten uns nett, es geht ihm besser als voriges Mal, dann wollten wir zu Abend essen, aber alle Lokale waren geschlossen, schließlich bei Streng, schönen Wein getrunken, gut unterhalten, sehr nett, Duschka war gut und brav. André wohnt bei Strassberger. Freitag (Weihnachten), 25. 12. 25 André frühstückte mit mir um 10 Uhr, nett unterhalten, dann kam Duschka, dann Dempf. Wir aßen zu Mittag im Bürgerverein, sehr gut, nach dem Essen etwas ausgeruht, dann bei mir zu Hause, abends in meinem Arbeitszimmer. Samstag, 26. 12. 25 Wieder mit André gefrühstückt, nett unterhalten, ging mit Schmitz, der heute gekommen ist. Aß mit Duschka im Bahnhof, nach dem Essen bei Schmitz ausgeruht, dann die Besprechung über Romier,229 überlegt, ob wir nach Rodenkirchen in Oldenburg fahren sollen.230 geschrieben, abends bei Schmitz vorgelesen und in den Kasten geworfen.
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Christian Janentzky (1886–1968), seit 1922 Professor für Neuere deutsche Literaturgeschichte in Dresden; Internationales Germanistenlexikon, 1800–1950. Hrsg. von Christoph König, Berlin / New York 2003, S. 836 f. Mit Schmitt war er aus seiner Zeit als Privatdozent an der Universität München bekannt, saß in der Bibliothek neben ihm. Seine Besprechung der 2. Aufl von Schmitts „Politische Romantik“ in: Logos. Internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur 14, 1925, S. 354–359. Bezieht sich auf: Lucien Romier, Explication de notre temps, Paris 1925. Gegenüber Rudolf Smend bezeichnete Schmitt dieses Buch als das „interessanteste[.], inhaltsreichste[.] und französischste[.] Buch der letzten Jahre“ (BW Smend, S. 45) und schrieb eine Rezension: Carl Schmitt, Eine französische Kritik der Zeit, in: Wirtschaftsdienst. Weltwirtschaftliche Nachrichten vom 7. 5. 1926, S. 593–594 (wieder abgedruckt in BW Smend, S. 165–168). Als Werner Becker 1926 / 27 in Paris Theologie studierte, interviewte er zusammen mit Waldemar Gurian Lucien Romier (abgedruckt in: Abendland 2, 1927, S. 169–172). Vgl. auch den undatierten Brief von Kiener über Romier, RW 0579 Nr. 184. Von einer Beziehung Schmitts nach Rodenkirchen ist nichts bekannt.
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Sonntag, 27. 12. 25 Bis ½ 10, hörte die von Frank-Rede.231 Vormittags kam André, dann Duschka. Duschka aß zu Hause, ich bei Schmitz, sehr traurig und deprimiert (André sagte, Duschka ist langweilig, primitiv, dabei sehr stolz, es wird nicht gut gehen, er mahnt zur Vorsicht usw.), nach dem Essen zu Hause ausgeruht, um 4 Uhr kam Pohl232, bis abends ganz gut unterhalten, er erzählte sehr viel, was mich natürlich sehr interessierte. Begleitete ihn zur Rheinuferbahn, dann bei Schmitz, sehr nett zu Abend gegessen, mit Duschka, guter Moselwein, sehr nett nachher gespielt, müde nach Hause. Montag, 28. 12. 25 Müde den ganzen Tag, scheußlich, schrieb ein paar Briefe, an Sandhagen233 (der mir schöne Bücher geschickt hat), an Port234, der Samstag kommen will, schickte meine Vermögenssteuererklärung ab, Duschka hat an einen serbischen , einen Freund von Boji´c, geschrieben. André kam um ½ 11, wir sprachen über seine Aufwertungssache, dann zur Post, zufällig dort Duschka getroffen. Dann zum , mit André bei Kieffer zu Mittag gegessen. Nach dem Essen ausgeruht, furchtbare Geilheit, um ½ 5 Haare schneiden, dann bei Scharrenbroich Duschka getroffen, sehr schön mit ihr unterhalten, sie ging mit zu mir, sehr schön in meinem Arbeitszimmer, wartete auf André. Er kam gegen 6 Uhr. Gleichzeitig der Eilbote, der ein Schreiben des Vereins Deutscher Standesherren235 brachte mit der Anfrage, ob ich in der Fürstenabfindungssache ein Gutachten machen will.236 Sehr erfreut. Wir unter-
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Nicht ermittelt. Heinrich Pohl (1883–1931), Völkerrechtler, seit 1920 Professor in Tübingen, 1929 Breslau; DBE 8, S. 4; vgl. TB III, S. 141 und passim. Anton Sandhagen (?–?) in der Erwachsenenbildung in Frankfurt a. M. tätig, versorgte Schmitt mit Büchern; vgl. seine Briefe, RW 0265 Nr. 12232–12238. Hermann Port (1898–?), katholischer Journalist, wurde in Frankfurt 1923 mit der Dissertation „Die Sozialtheorien Lamennais’. Ein Beitrag zum Problem der ‚Christlichen Demokratie‘ “ promoviert, gehörte zum „Abendland“-Kreis und den Jungkonservativen (Koenen, S. 112). Port wollte Carl Schmitt für die Zentrumspartei fruchtbar machen. Er rezensierte 1925 von Schmitt „Römischer Katholizismus und politische Form“ (in: Gelbe Hefte 2, 1925, H. 2, S. 451–456) und „Die Rheinlande als Objekt internationaler Politik“ (in: Hochland 23 / 1, 1925, S. 113 f.). Port regte auch die Übersetzung des letzten Titels ins Englische an; vgl. Brief Ports vom 9. 7. 1925 an Schmitt, RW 0265 Nr. 11182; Dahlheimer, S. 144–149; FoP, S. 49. Interessenvertretung des deutschen Adels. In der Folge spricht Schmitt einmal vom Verein Deutscher Standesherren und dann von der Vereinigung Deutscher Hofkammern; erster war umfassend, während die Hofkammervereinigung auf die ehemaligen Höfe begrenzt und also sehr viel exquisiter war. Schmitts wechselnder Gebrauch dürfte damit zusammenhängen, dass die Geschäfte der Vereinigung Deutscher Hofkammern seit 1921 teilweise vom Verein Deutscher Standesherren miterledigt wurden. Auftraggeber des Gutachtens war aber die Vereinigung Deutscher Hofkammern. Dieses Gutachten ist veröffentlicht: Carl Schmitt, Unabhängigkeit der Richter, Gleichheit vor dem Gesetz und Gewährleistung des Privateigentums nach der Weimarer Verfassung. Ein Rechtsgutachten zu den Gesetzentwürfen über die Vermögensauseinandersetzung mit den früher regierenden Fürstenhäusern, Berlin / Leipzig 1926. Auf Anregung Schmitts entstand: Otto Kirchheimer, Die Grenzen der Enteignung. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Enteignungsinstituts und zur Auslegung des Art. 153 der Weimarer Verfassung, Berlin 1930.
Dezember 1925
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hielten uns lebhaft darüber. Telegrafierte. Dann zu Abend gegessen mit Duschka (im Bahnhof) und zu Schmitz, nett unterhalten, erst um 12 Uhr nach Hause. Dienstag, 29. 12. 25 Mit André nach Köln, zu seinem Geschäftsfreund 237, dann in die Moltkestraße, ein Haus besehen, bei der Zentrumspartei vorbei, bei Fischer238 sehr teuer gegessen, Jup getroffen, todmüde nach dem Essen, Krawatte gekauft, um ½ 4 nach Hause, Kaufmann war da gewesen; ich ruhte aus, abends um 7 zu Streng (Duschka war bei mir heute Vormittag), mit Schmitz und André, nett unterhalten, aber bedrückt, weil die beiden zu viel über Duschka gelästert haben. Trank schönen, teuren Wein. Müde nach Hause. Mittwoch, 30. 12. 25 Mit André nach Münster gefahren, 3. Klasse, zur Vereinigung239. In Düsseldorf eine Stunde das neue Gebäude besehen (sehr interessant: Gelsenkirchener [Berg]werksvereins240 und ein neues Geschäftshaus mit einem modernen Café). In Münster Frau Kluxen getroffen, müde und langweilig, Ekel vor den Schweinereien Kluxens, abends um 12 wieder in Bonn. Donnerstag, 31. 12. 25 Müde, aber gut durchgeschlafen, durchs Frühstück der Familie Franck wach geworden. Scheußlich. Aufgestanden, Brief von Frau Eisler und Peterson241, sonst nichts. Schrieb an Janentzky und Lohmann. Behaglich gefrühstückt. Tue nichts für mein Gutachten, lächerlich. Um 11 kam Duschka, dann der Briefbote mit einem aus Berlin. Ziemlich nervös über die viele Arbeit. André kam mit Schmitz. Sie gingen aber bald wieder weg (Gefühl der Feindseligkeit und Koalition der beiden gegen Duschka), aß mit Duschka im Bahnhof (vorher Ejakulation). Brave, arme Duschka. Sie wird bald unwohl. Nach dem Essen geschlafen, dann mit André zu Kaufmann, dort Tee getrunken, nett unterhalten, bis 6 Uhr, begleitete Erich Kaufmann noch in die Stadt; keinerlei Geschäfte oder sachliche Dinge. Ich war müde und gleichgültig, dann kaufte ich etwas ein. Bei Streng dann, aß zu Hause zu Abend und überlegte das Gutachten; es kam nicht viel dabei heraus. Schrieb an Peterson, schickte den Brief ab. Müde, zu viel Wein. Traurig; Sehnsucht nach Duschka, große Liebe. Warum soll ich mich immer durch André?
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Möglicherweise „Ernst Ashauer“, Wein- und Spirituosengroßhandlung in der Hahnenstr. 43. Restaurant Louis Fischer, Köln, Hohe Straße, Passage. Möglicherweise der „Verein Deutscher Standesherren“ gemeint; vgl. unten, 1.1.26. Klassizistisches Geschäftshaus in der Breiten Str. 27, 1909 von dem Architekten Hermann vom Endt als Stadtpalais erbaut. RW 0265 Nr. 10901.
Tagebuch 1926 Freitag, 1. 1. 26242 Müde auf, schlechter Laune, nicht genug gearbeitet. André kam um 11, dann Duschka. Ich war traurig, als ich ahnte, dass sie gestern Abend bis 12 bei Braschoß243 war. Dann gingen wir zusammen zum Rhein, das Hochwasser besehen, mit Schmitz, die uns erst abgehalten. Ich telefonierte an die Vereinigung der Standesherren,244 aß mit Duschka im Bahnhof, sie war freundlich und gut. Wir gingen dann nach Godesberg zu Gurian.245 Trauriger Anblick seiner Frau246, die schwanger ist, abscheulich, Angst, Ekel. Dabei sind die Leute rührend. Wieder nach Bonn zurück, Kaffee getrunken bei Scharrenbroich, dann zu Hause geschlafen, ejakuliert, wunderschöne, gute Duschka. Abends mit Schmitz und André bei Schwarz247, aßen dort zusammen zu Abend, dann noch etwas bei Schmitz. Zu Hause etwas nachgeschaut, um 12 ins Bett, Hoffentlich kann ich schlafen. Samstag, 2. 1. 26 Um ½ 8 auf, beherrscht und fleißig, nach dem Frühstück zur Bank, glücklich, als ich hörte, dass mein Konto noch 2000 Mark beträgt. Hebe 300 Mark ab. In der Bibliothek fleißig nachgesehen, einiges Interessante gefunden, um 11 zu André, der bei Schmitz war, verabschiedet, dann nach Hause, Dr. H. Port kam, ein Student, K. Ver.248, nett unterhalten, belehrte ihn über die sierung der Rheinländer, dann bei Kieffer gegessen, nach dem Essen ausgeruht, um 3 ½ selber Kaffee gekocht, dann fleißig gearbeitet. Ein guter Anlauf, Duschka kam um ½ 6, wunderschön gearbeitet, wunderbares, gutes Kind, Abends um 8 zu Schmitz, 242
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Die ersten beiden Seiten der Handschrift enthalten nur bruchstückhaft lesbare stenographische Notizen. Fremden-Pension Braschoß in der Argelanderstr. 43, wo Duschka wohnte und sich mit Frau Braschoß anfreundete. Der „Küchenmeister“ Otto Braschoß annoncierte eine „vorzügliche Verpflegung“ (Bonn-Führer, S. 92). Vgl. auch die Briefe von Frau Braschoß an Duschka (RW 0579 Nr. 934). Gemeint: Verein Deutscher Standesherren. Gurian wohnte in der Victoriastr. 13 in Godesberg. Waldemar Gurian hatte Anfang 1924 Edith Schwarzer aus Breslau geheiratet; sie bekamen eine Tochter. Über Gurian sagt ein gemeinsamer Bekannter: „Lieben konnte man diesen Mann nicht, höchstens seine einfache, ihm so rührend ergebene, alles tolerierende Frau war dazu fähig.“ (v. Wiese, S. 126). Weinrestaurant Schwarz, Bonn, Kaiserstr. 19–21. Mit dem Inhaber Paul Schwarz verkehrte Schmitt offenbar auch persönlich; s. unten, 7.3.26. K. V. = Katholischer Akademikerverband. Zu seinem Programm, Mitarbeitern und dem Verhältnis zur Görres-Gesellschaft vgl. Weiß, S. 159–172. In der Reihe des Verbandes „Der katholische Gedanke“ erschien 1925 die 2. Auflage von Carl Schmitt, Römischer Katholizismus und politische Form.
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ihn abgeholt, zu Streng, Wein getrunken. Aber schließlich doch ekelhaft und die schöne Stimmung verdorben, über und (wie einsam gestorben), dann begleitete ich Duschka, die inzwischen bei Schmitz geblieben war, nach Hause, müde in meiner Wohnung. Angst vor dem Gutachten. Sonntag, 3. 1. 26 Schlecht geschlafen des Nachts, um 8 aufgestanden, starker Kaffee, dann schnell gearbeitet, es ging gut. Überlegte immer, ob ich nicht 10 000 Mark verlangen soll.249 Nervös, aber sehr produktiv. Es ging schnell vorwärts. Dann zu Neuß, den ich aber nicht traf, wünschte den alten Damen Neujahr, dann bei Beyerhaus, nett unterhalten (er wusste, dass ich , dann wieder zu Hause gut gearbeitet, Rick kam einen Augenblick, um ½ 2 zur Schreibmaschinenstube, für morgen bestellt. Am Bahnhof zu Mittag gegessen (vorher Bongartz250 getroffen), zu Hause eine Stunde ausgeruht, schauderhafter Lärm in der Wohnung, nicht zum Aushalten, dann kochte ich mir starken Kaffee und arbeitete glänzend, sodass ich glaubte, fertig zu sein. Rhetorischer Schluss.251 Duschka kam um 5 Uhr, wunderschön, sie im Zimmer zu haben, sie störte mich nicht und ich kann mich ganz bei ihr gehen lassen. Sehr glücklich mit ihr. Um ½ 8 an Guardini252 telegrafiert, der mich für morgen nach Köln gebeten hatte.253 Dann mit Duschka im Continental254 zu Abend gegessen, teuer und rauchig, unerträglicher Zustand. Begleitete sie nach Hause, dann noch ein paar Schritte durch den Wind, um ½ 10 zu Hause, müde.
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Als Honorar für das Gutachten zur Fürstenenteignung. Josef Bongartz (1898–1971), Student; vgl. TB III, S. 156. Der Schluss des Gutachtens zur Fürstenabfindung lautet: „Das Deutsche Reich ist heute wieder ein Verfassungsstaat. Was vorher, etwa im November 1918, als revolutionäre Maßnahme möglich war, kommt jetzt rechtlich nicht mehr in Betracht. Solange die Verfassung besteht, darf keine Verfassungspartei revolutionäre Maßnahmen, gleichgültig in welcher Form, treffen. […] Heute herrscht nicht mehr der Revolutionszustand der Monate November 1918 bis Februar 1919; es besteht auch nicht mehr die souveräne Diktatur einer Verfassunggebenden Nationalversammlung. Seit fast sieben Jahren gilt in Deutschland die Weimarer Verfassung.“ Romano Guardini (1885–1968), Priester, in der kath. Jugendbewegung aktiv, seit 1923 Professor für Religionsphilosophie und katholische Weltanschauung in Berlin, 1939 zwangsemeritiert, 1945 Professor in Tübingen, 1948 in München; DBE 4, S. 231; Dahlheimer, S. 500–506; Koenen, S. 39 ff.; Weiß, S. 150–158; vgl. TB III, S. 102. Guardini schickte Schmitt sein Buch „Der Gegensatz. Versuche zu einer Philosophie des Lebendig-Konkreten“ und schrieb ihm dazu im Brief vom 2. 1. 1926, dass er sich mit ihm treffen wolle. Im laufenden Semester lese er über „Das Verhältnis von Christentum und Kultur an der Problemstellung Kierkegaards“. Er möchte mit Schmitt über augenblicklich hervorbrechende Gegensätze, sowie über eine doppelte Form des Begriffs: des „Grenzbegriffs“ und des „möglichen Begriffs“ sprechen. Seine Schrift über den Begriff des Gegensatzes, an der er seit 20 Jahren herumlaboriere, sei nun erschienen und er gehe davon aus, daß die dort behandelten Fragen auch Schmitt beschäftigen.“ (RW 0265 Nr. 5391). Hotel Continental, großes Hotel gegenüber dem Bonner Hauptbahnhof.
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Tagebuch 1926
Montag, 4. 1. 26 Um 8 auf, um 9 zum Schreibbüro gelaufen, bis 12 diktiert, gut vorwärts gekommen, todmüde, im Bürgerverein gegessen, vergebens auf Guardini gewartet, dann nach Hause, etwas ausgeruht, Kaffee getrunken (Gurian und Dempf bei Scharrenbroich getroffen), wieder 3 Stunden diktiert, abends müde, traf Duschka um ½ 8, aß mit ihr im Bürgerverein, alles entsetzlich teuer und Sehnsucht nach einer Wohnung. Hoffentlich bringt das Gutachten Geld. Besorgnis darum. Nach dem Abendessen bei Schmitz, dann Duschka nach Hause begleitet, müde nach Hause. Zu Bett, konnte aber nicht gleich schlafen. Aufsatz von Bühler in der KZ über die Abfindung der Hohenzollern!255 , Angst. Dienstag, 5. 1. 26 Um ½ 8 auf, schnell etwas vorbereitet, um 10 zum Diktat, bis 12 wurde ich fertig. Konnte das Gutachten aber nicht mehr vormittags abschicken. Zu Hause noch 2 Stunden korrigiert, dann ausgeruht, um ½ 4 nach Köln, im Café Reichardt256 noch korrigiert, um ½ 6 zum Hauptpostamt und abgeschickt. Gefühl der Sicherheit und Sammlung. Dann müde durch die Straßen gelaufen, abgefahren (wegen des Hochwassers),257 im Continental zu Abend gegessen, um 8 schon zu Hause, plötzlich an Gerber258 in Leipzig geschrieben, dann müde früh zu Bett. Konnte nicht einschlafen. Wut, , scheußlich. Mittwoch, 6. 1. 26 Müde auf, behaglich gefrühstückt, nicht die richtige Freude über mein erledigtes Gutachten. Duschka kam um 11. Freute mich, sie zu sehen, sie ist gut und freundlich. Ging mit ihr um ½ 1 etwas spazieren, dann zu Strassberger essen, nachher ausgeruht. Neuß kam um ½ 4, erzählte und rühmte den Abgeordneten Schreiber259, lächerlich. Dann aufgestanden, Briefe geschrieben, um 6 kam Beyerhaus, der Kopfschmerzen hatte, ging mit ihm etwas spazieren, wir sprachen über seine Besprechung von , tranken bei Streng eine Flasche Trabener, sehr nett, dann zu Schmitz, traf Duschka und Frau Schmitz, todmüde, um 10 nach Hause, in der Nacht gut geschlafen. 255
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Ottmar Bühler, Grundsätzliches zur Frage der Hohenzollernabfindung, in: Kölnische Zeitung vom 4. und 6. Januar 1926. Ottmar Bühler (1884–1965), Professor für Öffentliches Recht in Münster, war ein führender Steuerrechtler und übernahm 1942 den ersten deutschen Lehrstuhl für Finanz- und Steuerrecht in Köln; DBE 2, S. 180. Traditionsreiches Café in Köln, Unter Fettenhennen 11. Im Januar 1926 gab es im Rhein ein Jahrhunderthochwasser; er stieg bei Köln auf einen Pegelstand von 10,70 m. Die Rheinuferbahn verlief ohne eigenen Gleiskörper auf der Rheinuferstrasse dicht am Fluss und war durch das Hochwasser bedroht. Hans Gerber (1889–1981), zu dieser Zeit Privatdozent für Öffentliches Recht in Marburg, seit 1927 Professor in Tübingen, 1934 Leipzig, 1941 Freiburg; Stolleis, S. 197; DBA II 439, 430–431; III 289, 157. Georg Schreiber (1882–1963), kath. Priester, Professor für mittlere und neuere Kirchengeschichte in Münster, von 1920 bis 1933 Zentrumsabgeordneter im Reichstag. 1933 drängte die NSDAP auf seine Entlassung und Versetzung nach Braunsberg, was er mit Hilfe von Karl Haushofer und Ferdinand Sauerbruch abwenden konnte, 1936 emeritiert und verfolgt, erhielt 1945 seinen Lehrstuhl in Münster zurück. Rudolf Morsey, Der Wissenschaftler Georg Schreiber als Kulturpolitiker und Wissenschaftsorganisator in der Weimarer Republik, in: Grunewald / Puschner, S. 211–230. NDB 23, S. 529 f.; vgl. TB III, S. 96.
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Donnerstag, 7. 1. 26 Gut ausgeschlafen, um 8 aufgestanden, Briefe geschrieben, viel erledigt. Einladung nach Recklinghausen.260 Gespannt auf Wirkung meines Gutachtens. Oft sehr stolz, oft kleinmütig. Zur Bank, zur Post, zum Rathaus (wegen meines Staatsangehörigkeitsausweises261), zum Institut, bei Strassberger gegessen, nachher zu Hause wieder geschlafen. Wieder nachmittags nicht Kaffee getrunken, etwas gearbeitet, Vorlesung vorbereitet, hatte aber nicht viel zu tun, um ½ 6 kam Duschka. Wir waren eine Stunde bei mir, dann in die Stadt, in ein paar Geschäfte, es regnete, in der Kaiserhalle bescheiden zu Abend gegessen, am Bahnhof plötzlich Gurian und Adams getroffen, mit ihnen zu Streng, Wein getrunken, aber zu viel. Um 10 Uhr nach Hause. Heute Nachmittag kam ein Telegramm des Rechtsanwalts Friedmann262, der um die Erlaubnis bittet, mein Gutachten mit Namensangabe zu verwerten; ich gab sie ihm. Freitag, 8. 1. 26 Nachts gut geschlafen (weil ich keinen Kaffee getrunken habe), morgens um ½ 8 auf, meine Vorlesung etwas vorbereitet, nicht viel, 2 Stunden müde und benommen Vorlesung gehalten, ohne besondere Freude. Mittags bei Strassberger, dann zu Hause geschlafen, um ½ 4 aufgestanden, wieder nicht Kaffee getrunken, Hamacher263 kam, nett unterhalten, braver Mann; dann kam Peterson, freute mich sehr, verabredete mich für den Abend. Um 6 Duschka, wir gingen in die Stadt etwas einkaufen, um ½ 8 traf ich Peterson bei Streng, nett unterhalten, aber müde und enttäuscht (er erzählte von Barth, dem calvinistischen Theologen, dass er mit einer Dame in Kutte ausreitet und verlegen an dem Reitstall vorbei ging, als er bemerkte, dass Peterson ihn sah; ekelhaft, deprimierend, das sind also die heutigen Christen; lächerlich264). Zu Hause gleich zu Bett und gut geschlafen.
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s. unten, 28.1.26. Die Bewohner des französisch besetzten Gebiets hatten einen eigenen Ausweis; vgl. Abb. in TB III, S. 574. Alfred Friedmann (Friters) (1880–?), mit einer kirchenrechtlichen Diss. bei Rudolf Sohm promoviert, Rechtsanwalt am Kammergericht Berlin. (DBA II 404, 118a-119). Er engagierte sich in der Sache der Fürstenabfindung, zu der er ebenfalls ein Gutachten schrieb: Alfred Friedmann, Fürsten„abfindung“ und Zuständigkeitsfrage. Ein Rechtsgutachten, Berlin 1926. Mit Friedmann, der auch Mitglied der Deutschen Gesellschaft sowie Lehrbeauftragter an der Handelshochschule Berlin war, sollte Schmitt ab 1928 öfter Kontakt haben; vgl. unten und TB V. Wilhelm Hamacher (1883–1951), Generalsekretär der Zentrumspartei des Rheinlandes, von 1926 bis 1933 vertrat er die Rheinprovinz im Reichsrat, 1946 kurzzeitig nordrheinwestf. Kultusminister, 1949 MdB; DBE 4, S. 392; vgl. TB III, passim. Karl Barth (1886–1968), seit 1925 Professor für Systematische Theologie in Münster, einer der bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts, begann um die Jahreswende 1925 / 26 in Göttingen ein Verhältnis mit seiner zukünftigen Assistentin Charlotte von Kirschbaum, das er lebenslang als „offene Dreierbeziehung“ neben seiner Ehe beibehielt. Peterson, der um die Jahreswende in Göttingen war, hatte offenbar die Anfänge dieser Beziehung beobachtet. Mit Barth blieb er befreundet, setzte sich auch für dessen Berufung nach Bonn ein, war gleichwohl seit Erscheinen der 2. Auflage von Barths Römerbrief-Buch 1922 ein scharfer Gegner in der Sache. Vgl. Karl Barth / Charlotte von Kirschbaum, Briefwechsel, Bd. 1, 1925–1935. Hrsg. von Rolf-Joachim Erler (Karl Barth, Gesamtausgabe, Bd. 5), Zürich 2008, S. XXXVIII; Nichtweiß (1992), S. 505 ff. Zum Verhältnis
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Samstag, 9. 1. 26 Um 8 auf, immer noch keine Nachricht von Berlin, beleidigt und wütend. Zeitungen über die Verhandlungen im Rechtsausschuss gelesen,265 Blamage eines Rechtsanwalts im Rechtsausschuss. Widerlich, diese Fürsten. Um ½ 11 zur Zahnärztin Foerster266, es ging sehr nett, dann zu Duschka, mit ihr auf den Venusberg, schöner Spaziergang bis ½ 1. Herrliches Wetter. Nach dem Essen geschlafen, ein Student, der nach London fährt und mit Laski267 befreundet ist, kam. Nett unterhalten, gab ihm als Anregung eine Arbeit über die recht. Das machte mich munter. Dann kam Duschka um ½ 6. Wir gingen in einige Läden, um ½ 8 bei Streng vergebens auf Peterson gewartet. Alleine etwas spazieren, zufrieden und stark. Bin ganz fertig mit dem Christentum, am liebsten allein. Um 10 zu Bett. Sonntag, 10. 1. 26268 Morgens kein Brief (ich stand schon vor 8 auf!). Wütend, dass die Vereinigung der Hofkammern den Eingang nicht bestätigt; wollte schon 10 000 Mark Honorar verlangen, fand das aber zu wenig.269 Entwarf nutzlos einen Brief. Schrieb dann an Kiener.270 Um ½ 11 zu Duschka, die gerade Kuchen backte, wartete ¼ Stunde, dann mit ihr nach Dottendorf, von dort über die Höhen und den Venusberg nach Bonn zurück. Schlechter Laune, erkältet. Nach dem Mittagessen bei Strassberger, zu Hause gefroren, Fieber, Grippe, ins Bett gelegt, , es wurde etwas besser. Ließ mir Kaffee kochen. Duschka kam um 6, ich war schrecklich nervös, arbeitete aber gut an meiner Völkerbundbroschüre. Daher wieder munter. Begleitete Duschka nach der Argelanderstraße, bei Streng (in der Hoffnung, Peterson zu treffen, vergebens) Wein getrunken. Schlechter Magen, scheußlich alles, hätte ich nur eine Wohnung, brave, liebe Duschka. Um ½ 10 zu Hause, Kopfschmerzen. Montag, 11. 1. 26 Nachts abscheulich geschlafen, geschworen, niemals wieder zu Streng zu gehen. Müde um 9 Uhr auf. Kein Brief von Berlin, Wut, lächerlich. Schrieb an Friedmann, nachher kam ein Eilbrief von ihm. Hielt eine Stunde Vorlesung, schlecht, verabredete mich mit Kaufmann.
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Schmitts zu Barth vgl. Mathias Eichhorn, Es wird regiert! Der Staat im Denken Karl Barths und Carl Schmitts in den Jahren 1919 bis 1938, Berlin 1994. Seit dem 7. 1. 1926 wurde im Rechtsausschuss des Deutschen Reichstags über die Abfindung der ehemals regierenden Fürstenhäuser beraten. Zahnärztin Anna Foerster, Königstr. 10. Harold Joseph Laski (1893–1950), englischer Politikwissenschaftler, Professor an der London School of Economics. Am 11. November 1925 berichtete Melchior Palyi aus London an Schmitt, dass Laski ihn kenne und sich nach ihm erkundigt habe; er schätze Schmitts Schriften (RW 0265 Nr. 10808). Das galt umgekehrt nicht: Gegenüber Smend bezeichnet Schmitt Laski 1925 als „in den Schafspelz des Pluralismus gekleidete[n] Prophet“ des Liberalismus (BW Smend, S. 49). Zu Laski finden sich stenogr. Notizen aus 1926 in: RW 0265 Nr. 20081, Bl. 19. Im „Begriff des Politischen“ steht 1927 eine Kritik an Laski, die in späteren Schriften fortgeführt wird (vgl. FoP, S. 203 mit der Anm. 14a von Günter Maschke auf S. 230). Auf dem Kopf des Blattes der Handschrift notiert: „Göppert ()“. Bezieht sich auf Schmitts Gutachten zur Fürstenabfindung. Vgl. das ausführliche Regest unten, S. 346.
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Nachmittags ausgeruht, dann Fakultätssitzung, nachher mit Schulz und Dölle, beide zu meiner Freude überredet; dann um 6 Uhr Kaufmann, in der Konditorei [mit] Kaufmann nett unterhalten. Er meinte, ich solle wegen meines Honorars fürs Gutachten bei Triepel271 fragen; er nennt 5–10 000 Mark als Summe. Noch lange auf der Straße auf und ab gegangen. Über die politischen Zustände unterhalten, nach 8 zur Argelanderstraße, Duschka hatte das Abendessen gemacht. Mit Schmitz und Ännchen zusammen (Peterson war leider nicht da) zu Abend gegessen. Ich war todmüde. Um 11 zu Hause. Entsetzlicher Rheumatismus im rechten Arm. Dienstag, 12. 1. 26 Gut geschlafen, aber Rheumatismus im Kopf und im Arm. Ekelhaft. Um ½ 9 auf, wieder kein Brief, Drucksache von , sonst nichts. 2 Stunden Vorlesung, sehr nett, mit großer Sicherheit. Nach dem Essen ausgeruht, ziemlich müde, nicht zu Neuß gegangen, der mich eingeladen hatte, um 4 kam Peterson, dann Schlosser, dann Dr. Zeck272 und Klein273. Peterson spricht überheblich über die heutigen Zustände, dass alles nichts mehr gilt, die Zerstörung der Welt durch die Industrie. „Das alles kann doch kein Auto aufhalten.“274 Wie kümmerlich die Enzyklika des Papstes über Christus-König.275 Dann ging er weg. Nachher kam Duschka (ich habe eine neue Schreibtischlampe gekauft, für 115 Mark, sie ist sehr schön). Freute mich über die gute, brave Duschka, die in der Lutherstraße eine Wohnung gefunden hat. Fröhlich in der Erwartung, endlich eine eigene Wohnung zu haben. Begleitete sie zur Argelanderstraße, aß bei Kieffer zu Abend, mit einem Referendar, den ich mit einem Mann verwechselte, der bei mir probereferiert. Sprach über die Fürstenabfindung. Dann zu Hause Brief an Friedmann, die Geschäftsstelle der Vereinigung Deutscher Hofkammern ( / 500 Mark Honorar verlangt) und an Bilfinger276, dem ich heute die Dissertation von 271
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Heinrich Triepel (1868–1946), von 1913 bis 1935 Professor für Staats- und Völkerrecht an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin und 1926 / 27 deren Rektor, 1922 Gründer und Vorsitzender der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer; Ulrich M. Gassner, Heinrich Triepel. Leben und Werk, Berlin 1999; Stolleis, passim; vgl. TB III passim. Möglicherweise Wilhelm Zeck (?–?), wurde 1923 in Köln mit einer sozialwissenschaftlichen Dissertation promoviert. Fritz Klein, Dr. iur.; vgl. TB III, S. 142. Dieses Gespräch hat seine Entsprechung in Notizen, die Peterson zu dieser Zeit niederschrieb, und in denen es (bei namentlicher Nennung Schmitts) u. a. heißt: „Jedes Auto ist ein Einwand gegen die Theologie, wie jedes Syndikat ein Einwand gegen den Staat ist.“ (Peterson, AS 9 / 1, S. 587). „Es hatte einmal einen Sinn, einen Ketzer zu verbrennen, aber es hat keinen Sinn, einen Autofabrikanten oder Autobesitzer zu verbrennen. Die Anonymität der Häresie fordert zu neuen Kampfmitteln auf. Privatisierung Schmitt – Anonymität Kierkegaard.“ (ebd., S. 588). (Frdl. Hinweis von B. Nichtweiß). Bezieht sich auf die Enzyklika „Quas primas“ vom 11. 12. 1925 zur Einsetzung des Christkönigsfestes. Carl Bilfinger (1879–1958), seit 1924 Professor für Öffentliches Recht und Völkerrecht in Halle, 1935 Heidelberg, 1944 Berlin, 1949 wieder Heidelberg, mit Schmitt befreundet und mit ihm und Erwin Jacobi Vertreter des Reiches im Prozess Preußen contra Reich 1932; Baden-württembergische Biographien 1, 1994, S. 25–28; BW Smend, S. 198–201 (Nachruf von Smend); vgl. TB III und V, passim. In Schmitts Brief ging es um einen Druckkostenzuschuss der Notgemeinschaft für die
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Lohmann schicken lasse. Brachte die Briefe noch zum Kasten. Dann zu Hause. Heute Nachmittag wieder kein Kaffee. Mittwoch, 13. 1. 26 Morgens gut aufgewacht, ziemlich gut geschlafen, kein Brief von Berlin, Vorlesung gut, nach dem Essen ausgeruht, um 5 Uhr kam Duschka, wir gingen zusammen zum Venusberg, 6–8 Seminar, sprach selbst sehr gut (darüber, dass der Vertrag keine Form begründen kann), nachher mit Huber bei Kieffer. Peterson kam auch noch. Um ½ 10 müde nach Hause. Becker hat mir seinen Aufsatz über Demokratie gegeben, den ich noch im Bett las.277 Donnerstag, 14. 1. 26 Nachts gut geschlafen, morgens, nachdem ich wieder eingeschlafen war, scheußlicher Traum: wirklich ein Incubus, ein kleines, halb erwachsenes Dienstmädchen entlässt ihren Besuch, packte mich am Steiß und hielt mich fest. Widerlich und schauerlich. Dann Brief von Dempf,278 ein Pater Abs279 kam, hielt 2 Stunden Vorlesung, dann ausgeruht (kein Brief von Berlin!), 4–5 Staatstheorie, leider zu aufgeregt und angestrengt, sonst sehr gut, dann mit Gurian in die Konditorei Kaufmann, 6–8 Übungen, glücklich, als es vorüber war. Mit einem Studenten etwas gesprochen, dann Peterson getroffen, mit ihm im Bürgerverein, er las mir seine Vorlesung über den „Armen“280 vor und war sehr munter. Ich ging um ½ 10 müde nach Hause. Froh, dass Göppert, dem ich mein Gutachten gegeben habe, sehr begeistert ist und einen Protest der juristischen Fakultät herbeiführen will.281
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Dissertation von Lohmann, was Bilfinger seinem Vetter Viktor Bruns weiterleitete, der Schmitt darauf mit einem Brief vom 1. 2. 1926 antwortete (RW 0265 Nr. 2114). Werner Becker, Demokratie und moderner Massenstaat, in: Die Schildgenossen 5, 1925, S. 459– 478. Schmittiana NF II, 2014, S. 157 f. Nicht ermittelt. Peterson schrieb seine Vorlesungen immer nur für den nächsten Termin und las sie dann ab. Hier handelt es sich um die Vorlesung über das Lukasevangelium, die er im WS 1925 / 26 hielt. Eine Seite des Manuskripts, das er Schmitt vorlas, ist abgebildet in dem Band von Petersons Werken, in dem auch die Vorlesung gedruckt ist (Peterson, AS 5, S. 216). Petersons Auslegung der Seligpreisungen der Armen wie auch des Gebotes der Feindesliebe bezieht sich auf die sog. lukanische Feldrede (Lk 6), die der Bergpredigt im Matthäusevangelium entspricht. Peterson argumentiert gegen das gängige moralisierende Verständnis der Bergpredigt, indem er deren eschatologischen Horizont betont, unter dem auch der Begriff des Feindes zu verstehen ist (vgl. ebd., S. 207–248, insbes. S. 210–236). Dieser Tagebucheintrag Schmitts erhärtet die von Barbara Nichtweiß schon vor Jahren geäußerte Vermutung, wonach das Freund-Feind-Theorem Schmitts auch im Austausch mit Peterson entstanden sei; Nichtweiß (1992), S. 760–762; Nichtweiß (1994a), S. 47 f. (der hier zitierte Peterson-Begriff „Freundcharakter des neuen Äons“ ist zu korrigieren in „Fremdcharakter des neuen Äons“, s. jetzt Peterson, AS 5, S. 242). Bezieht sich auf die geplante Berufung von Albrecht Mendelssohn-Bartholdy und das Sondergutachten Schmitts dagegen. Göppert sollte es schließlich mitunterzeichnen
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Freitag, 15. 1. 26 Nachts erkältet, aber nicht schlecht geschlafen, morgens viele Briefe, nichts von Berlin; 2 Stunden Vorlesung, sehr angestrengt und müde, Duschka holte mich nach der Vorlesung in der Universität ab, sie findet die Wohnung in der Poppelsdorfer Allee sehr schön, ich freute mich darüber. Nach dem Essen zu Hause ausgeruht, um 4 große Post, Gerber, 282, vor allem Berlin, aber ein Brief vom 11.! Erst heute Vormittag eingetroffen! Unglaublich. Nicht vom Juni. Das Gutachten wird bei de Gruyter gedruckt.283 Ein paar Studenten kamen von der Studentenschaft wegen eines politischen Vortrags, dann schrieb ich an Georg Eisler, müde. Um 6 kam Duschka, ich machte meine Steuererklärung. Um 7, als wir gehen wollten, kam Peterson, wir sahen uns das Haus in der Königstraße an, dann mit Peterson zum Bürgerverein, schönen Rotwein getrunken, scheußliche rheinische Bürger, um 9 nach Hause. Philosophische Arbeit . Müde, hoffentlich am 1. April in einer Wohnung. Samstag, 16. 1. 26 Morgens um 9 Uhr auf, den Aufsatz von Häntzschel284 über Art. 48, befriedigt, dass er sehr beachtet wird und doch die . Um 11 Uhr kam P.[ater] Abs, wir schimpften über den Völkerbund und die , hatte aber das Gefühl, dass er schwindelt und mir nach dem Mund spricht. Als wir weggingen, kam Göppert wegen des Protestes der Bonner J[uristen].285 Freute mich über sein Interesse. Immer noch nichts wegen des Honorars gehört. Mit dem Pater Abs in meinem Institut, nachher Haare schneiden lassen, zum Mittagessen bei Strassberger. Zu Hause, heftige Kopf- und Augenschmerzen den ganzen Tag. Scheußlich, Wut, geflucht. Um 4 Uhr viele Post, vor allem die Broschüren von de Gruyter, sehr gefreut, brachte Göppert ein Exemplar, dann mit Duschka die Wohnung besehen, sehr zufrieden, nervös, Angst wegen Duschka,286 trank bei Scharrenbroich Kaffee, dann zu Hause, schickte ein Exemplar an Schnitzler287, Eisler, Rosenbaum, Jup, Lamberts288, Frau
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Vgl. RW 0265 Nr. 10809. Da der Auftraggeber den Druck des Gutachtens zur Fürstenenteignung veranlasste, erschien der Titel nicht in Schmitts Verlag Duncker & Humblot. Kurt Häntzschel (1889–1941), Jurist, Presse- und Rundfunkrechtler, Ministerialdirigent, 1933 entlassen und vorübergehend inhaftiert, emigrierte über Wien 1937 nach Brasilien; DBE 4, S. 335. Ein Sonderdruck des Aufsatzes befindet sich mit Widmung des Verfassers im Schmitt-Nachlass: Kurt Häntzschel, Die Verfassungsschranken der Diktaturgewalt des Artikels 48 der Reichsverfassung, in: Zeitschrift für Öffentliches Recht 5, 1926, S 205–227. Schmitt bedankt sich mit Brief vom 24. 1. 1926 für den Aufsatz und geht darauf ein (RW 0265 Nr. 13063). Am 3. 2. 1926 weist er Ernst Forsthoff darauf hin; BW Forsthoff, S. 33 und 353. Gegen die geplante Berufung Mendelssohn-Bartholdys. Duschka war von labiler Gesundheit. Georg von Schnitzler (1884–1962), Dr. iur., Vorstandsmitglied der I.G. Farben, mit Schmitt seit der gemeinsamen Militärzeit beim stellvertretenden Generalkommando in München befreundet; DBE 9, S. 118; vgl. TB II, S. 35 und passim; BW Schnitzler, S. 113–256. In der Anwaltskanzlei des Justizrats Hugo Lamberts in München-Gladbach hatte der Referendar Carl Schmitt 1912 ein Praktikum absoviert. Seitdem bestand eine freundschaftliche Beziehung zu Hugo Lamberts wie auch zu seinem Bruder, dem Fabrikanten Arthur Lamberts. Beide unterstützten Schmitt, der als Referendar kein Einkommen hatte, finanziell, insbesondere mit einem Druck-
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Krause. Um 7 kam Peterson, wir begleiteten Duschka in die Argelanderstraße, aß mit Peterson im Continental, trank Tee dazu, schrecklich erkältet und Augenschmerzen. Traurig um 9 Uhr zu Hause, schrecklicher Zustand, Angst vor der kommenden Ehe. Angst um Duschka. Gefühl der Einsamkeit und des Betrogenseins. Sonntag, 17. 1. 26 Nachts gut geschlafen, aber am anderen Morgen fühlte ich die schreckliche Kälte in dem ganzen Zimmer. Es ist nicht zum Aushalten. Ein paar Briefe, aber nichts von Berlin. Um 11 Uhr brachte ich Neuß mein Gutachten, schickte es an Lohmann, um 11 kam Duschka, wir gingen um ½ 1 in die Stadt, ich kaufte Zeitungen, sie begleitete mich zu Strassberger, nach dem Essen ausgeruht, keinen Kaffee getrunken, um 5 Uhr Brinkmann am Bahnhof abgeholt, mit ihm zu Beckerath, schrecklich schweigsam, besonders bei den , von Schumpeter und seiner Frau. Bis 8 Uhr, dann zu Schwarz, wo Peterson auf uns wartete. Nett unterhalten, schöner Wein (40 M.), begleitete Brinkmann zum Hotel Stern, dann begleitete mich Peterson nach Hause. Ziemlich fröhlich, weil der Besuch gut verlaufen ist. Montag, 18. 1. 26 Gut geschlafen, aber nicht genug, müde um 8 Uhr auf, um 9 Uhr schnell zu Peterson. Drucksachen von Gerber und ,289 über die ich mich freute. Examen in Köln. Währenddessen las Dölle mein Gutachten und fand es „überzeugend“. Das freute mich. Nett mit ihm unterhalten. Um 4 Uhr war das Examen zu Ende (von 6 sind 4 durchgefallen), zu dem Studienrat Stahl290 (vom katholischen Akademikerverband), dann zu Hamacher, alles lächerlich, was geht das mich an, unter meiner Würde. Zu Dölle zum Abendessen (ein paar Weiber gesehen), Jup konnte leider nicht kommen, abends noch eine Stunde herumgelaufen, um 8 Uhr nach Hause; geil, aufgelöst, aber wütend, noch Ejakulation, dann gut geschlafen die ganze Nacht. Dienstag, 19. 1. 26 Ausgeschlafen, aber keine Korrespondenz, schade. 2 Stunden Vorlesung, gut. Nach dem Staatsrecht um 12 Uhr kam ein Pfarrer Röttgen291, der früher in Plettenberg war, und brachte Grüße von Rektor Weimann292, , ,293 gerührt. gegen das
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kostenzuschuss zu seiner Dissertation. Auch mit Arthurs Söhnen Ernst und Karl war Schmitt freundschaftlich verbunden. Vgl. Mehring (2009), S. 36; Jugendbriefe, passim; TB I, passim. Sonderdrucke von Emil bzw. Hans Gerber und Adolf Caspary (1898–1953); zu letzterem vgl. RW 0579 Nr. 686; TB V, S. 184 sowie Glossarium S. 65, 318. D. Stahl vom Katholischen Akademikerverband Köln hatte Schmitt um einen Vortrag am 13. 1. 1926 gebeten, was Schmitt abschlug. Daraufhin schrieb er ihm am 28. 12. 1925 und bat, die Absage zurückzunehmen (RW 0265 Nr. 16879); vgl. Koenen, S. 38. Gottfried Röttgen (1892–?), war von 1918 bis 1922 evang. Pfarrer in Plettenberg; vgl. 400 Jahre Evangelische Kirchengemeinde in Plettenberg (1555–1955), Plettenberg 1955. Ernst Weimann (1870–1937), Rektor und Heimatforscher in Plettenberg; Hassel; vgl. TB III, S. 291. „Sogol“ und „Heimberg“ nicht ermittelt.
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Rheinland. Nach dem Essen im Bett gut ausgeruht, keinen Kaffee getrunken, Telegramm aus Berlin, dass die Broschüre vorbereitet wird,294 sehr gut, darüber wieder guter Dinge. Schrieb an K.V.[Kölnische Volkszeitung], an die KZZ295 und an Friedmann. Hoffentlich kommt das Geld bald.296 Depressionen wegen des Geldes. Um 6 kam Duschka, um 7 Peterson, wir begleiteten Duschka, aßen dann im Continental zu Abend, um 9 wieder zu Hause, sehr schön über die „Reichen“297 gesprochen. Mittwoch, 20. 1. 26 Nachts wach geworden, Geldsorgen, scheußlicher Zustand. Um 8 Uhr auf, ein paar Briefe, aber nichts Besonderes. Nichts von Berlin. Auch nicht der Heimatschein von Köln.298 Bereitete meine Vorlesung nett vor, 2 Stunden, dann mit Göppert nach Haus und wegen des Antrages an die Fakultät gesprochen.299 Nach dem Essen zu Bett, geschlafen. Um 4 wieder keine große Post, Brief von Frau Krause. Um ½ 5 kam Duschka, ich schimpfte, dass ich kein Geld habe, nachher aber gerührt und freundlich, Urbans300 kam wegen seiner Dissertation, um 6 Uhr Seminar (keinen Kaffee getrunken), sprach selbst, weil Becker verhindert ist, dann mit Gurian zum Continental, Abend gegessen, Peterson ist nicht gekommen. Um 9 nach Hause, noch etwas gelesen. Unsicher, unzufrieden, unbehaglich, weil morgen die Vorlesung über Staatstheorie ist. Donnerstag, 21. 1. 26 Viel geschlafen, bis ½ 9, trotzdem müde, wahrscheinlich Grippe. Behaglich angezogen und gefrühstückt, Brief von Kiener,301 das tat mir wohl. Dann Notizen gemacht für Vorlesung, einiges vorbereitet, bekam den Staatsangehörigkeitsausweis (O · !)302 hielt 2 Stunden Vorlesung, ganz nett, mit Landsberg nach Hause, immer das Gefühl geheimer Feindschaft. Nach dem Essen etwas ausgeruht, dann zurecht gemacht, ziemlich gut meine Vorlesung über Staatstheorie, froh, dass es vorbei ist. Nach Hause, aber kein Brief war da, im Wohnungsamt, alles wusste schon, dass ich eine Ausländerin heiraten will. Aber ziemlich fröhlich und sicher. Hielt meine Übungen sehr nett, nachher im Erfrischungsraum ein Brötchen gegessen,
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Carl Schmitt, Die Kernfrage des Völkerbundes (Völkerrechtsfragen, 18), Berlin 1926; komment. wieder abgedr, in: FoP, S. 73–193. Es dürfte die „Kölnische Zeitung“ gemeint sein, die eine der großen deutschen Tageszeitungen war und der DVP nahestand. Honorar für das Fürstengutachten. Bezieht sich auf die am 14.1.26 erwähnte Vorlesung Petersons, in der er den Wehe-Ruf über die Reichen (Lk 6,24) auslegt; Peterson, AS 5, S. 224–230. Wurde wahrscheinlich für die beabsichtigte Eheschließung mit Duschka benötigt. Betr. die Berufung von Albrecht Mendelssohn-Bartholdy, die Schmitt und Göppert ablehnten; s. oben, 30.10.25. Möglicherweise identisch mit „Werner Urbaum“, der am 9.2.27 von den Schwierigkeiten mit seiner Dissertation berichtet (RW 0265 Nr. 16705). RW 0579 Nr. 184. Die Konstellation Sonne im Tierkreiszeichen Wassermann steht für Unabhängigkeit und Ideenreichtum.
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dann Vortrag Beckerath303 über Faschismus, nichts Neues, aber es interessierte mich doch sehr.304 Allein nach Hause. Immer wieder allein, merkwürdig, und übersehen. Im Continental gegessen, dann ½ 11 zu Hause, um 11 kam Beyerhaus, wir sprachen über und die Kirche (ich sagte: die protestantische Kirche hat keine Priester, die katholische keine Laien). Er blieb bis 12, müde zu Bett. Freitag, 22. 1. 26 Schläfrig, nicht ausgeschlafen, wütend über den bellenden Hund und das Kindergeschrei. Um 9 Uhr auf, behaglich gefrühstückt, wieder kein Brief von Berlin, 2 Stunden Vorlesung, sprach mit Schulte über Cartellieri305, über die Rheinländer usw. Scheußlich. Duschka holte mich ab, sehr freundlich und fröhlich. Nach dem Essen ausgeruht, um ½ 5 auf, froh über eine Karte von Martin Wolff, der sich von meinem Gutachten „völlig überzeugt“ erklärt.306 Glücklich von der Juristischen Wochenschrift um eine Besprechung von Anschütz Kommentar gebeten zu werden.307 Trank Kaffee bei Scharrenbroich, ging zur Studentenbücherei, las den Tenor von Dallago über mich als „Professor“;308 dumm; Friesenhahn hat mir heute
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Erwin von Beckerath (1889–1964), Professor für Wirtschaftswissenschaften in Köln, Vetter von Herbert v. B.; DBE 1, S. 477; Schmittiana NF III, S. 190–219. Das 1927 erscheinende Buch „Wesen und Werden des fascistischen Staates“ von Erwin von Beckerath sollte Schmitt ausführlich besprechen, in: Schmollers Jahrbuch 53, 1929, S. 107–113. Siehe auch Marco Cotza, Ein Wirtschaftsleben zwischen kritischer Analyse und Bewunderung des italienischen Faschismsus. Erwin von Beckerath (1889–1964), in: Geschichte in Köln 39, 1996, S. 35–49. Am Faschismus blieb Schmitt stark interessiert; vgl. seine Vorträge darüber am 22. 1. 27 und 3. 2. 1928 (s. unten); zum Verhältnis Schmitts zum Faschismus vgl. Breuer, S. 72 ff. Otto Cartellieri (1872–1930), Historiker, Generallandesarchivar von Baden; vgl. Brief von Fritz Kiener an Schmitt vom 8. 3. 1920 in TB II, S. 505. RW 0265 Nr. 18395. Martin Wolff (1872–1953), seit 1921 Professor für Bürgerliches Recht, Handelsrecht und Internationales Privatrecht in Berlin, 1934 als Jude entlassen, emigrierte 1938 nach England und wurde Fellow am All Souls College in Oxford. Wolff gilt zusammen mit Carl Schmitt als Begründer der „Institutionellen Garantien“ (vgl. Verfassungslehre, S. 170 ff.). Wolff hatte sich auch schon zur 2. Aufl. der Politischen Romantik sehr lobend gegenüber Schmitt geäußert; Dieter Medicus, Ein Meister an Klarheit, in: Heinrichs, S. 543–553; Eschenburg, S. 218 f.; vgl. BW Feuchtwanger, S. 133. Carl Schmitt, Gerhard Anschütz: Die Verfassung des deutschen Reiches vom 11. August 1919, in: Juristische Wochenschrift LV / 19 vom 2. 10. 1926, S. 2270–2272 (s. auch unten, 19.8.26). Der Kommentar von Anschütz war der maßgebliche zur Reichsverfassung. Carl Dallago (1869–1949), Schriftsteller, Kulturphilosoph; DBE 2, S. 485; vgl. Blei, S. 134 f. In der Zeitschrift „Der Brenner“ hatte Dallago einen Aufsatz über Dostojewski veröffentlicht, in dem er den Schriftsteller zum Gewährsmann macht gegen die institutionelle Kirche, insbesondere die römische, und meint: „Kein Wunder, daß einer ihrer neuesten Apologeten, der deutsche Professor Carl Schmitt, der sich kirchenpolitisch genügend versiert zeigt, um für das wahre Christliche nichts mehr übrig zu haben, den potenziellen Atheisten in Dostojewski hervorkehrt und die Darstellung des ‚Großinquisitors‘ (der bei Dostojewski bekanntlich das antichristliche Prinzip vertritt) mit der Behauptung zu entkräften sucht: ‚Hier hat Dostojewski mit großer Gewalt seinen eigenen, potenziellen Atheismus in die Kirche projiziert.‘ “ Carl Dallago, O diese Welt!, in: Der Brenner 9, 1925, S. 267 f. Auch an anderer Stelle hat sich Dallago kritisch zu Schmitt geäußert; vgl. Elmar Locher,
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den Aufsatz aus der Rhein-Mainischen Volkszeitung „Der Romantiker Carl Schmitt“ gebracht.309 Ein Karnevals-Feuilleton. Traf Gurian, wir aßen zusammen im Continental, nett unterhalten, dann kam Peterson, wir gingen zu , tranken Wein, sprachen über meine Ehe, darüber, dass ich dadurch vielleicht Möglichkeiten verliere, meine „Person“ aufgebe usw.311 Schönes Gespräch. Ich lieh Peterson 50 Mark. Um ½ 10 zu Hause, müde, gleichgültig, froh, bald verheiratet zu sein. Samstag, 23. 1. 26 Morgens mit Duschka zum Standesamt, nervös, weil die Beamten die Bescheinigung des griechischen Geistlichen verlangten, dass er bereit sei, uns zu trauen.312 Kopfschmerzen und müde. Bei Göppert nett unterhalten über mein Gutachten: . Nach dem Essen ausgeruht, nachmittags zu Hause schön aufgeräumt, etwas gearbeitet, Duschka kam um 7 Uhr. Sie war in Köln und hatte die Bescheinigung besorgt. Sehr froh darüber, munter sie nach Hause begleitet. Bei Schmitz zu Abend gegessen, um 11 müde zu Hause.
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„Kirche“ und „Faschismus“ in der Zeitschrift DER BRENNER (1921–1932) unter besondere Berücksichtigung von Carl Dallago, Theodor Haecker und Carl Schmitt, in: Richard Faber / Elmar Locher (Hrsg.), Italienischer Faschismus und deutschsprachiger Katholizismus, Würzburg 2013, S. 205–229. Johannes Kirschweng, Der Romantiker Carl Schmitt, in: Rhein-Mainische Volkszeitung vom 21. 1. 1926 (Kopie im Nachlass Schmitt; Abdruck in: Schmittiana NF I, 2011, S. 108–110). Weinstube Weber, Mozartstr. 49. Peterson, der Trauzeuge bei Schmitts zweiter Eheschließung war, hat sich wiederholt um die Eheproblematik Schmitts gekümmert. Er hat auch angeregt, nach dem Scheitern der kirchlichen Annullierung in Deutschland einen Vorstoß in Rom zu unternehmen und wurde dazu selbst aktiv. Am 24. Dezember 1930 schreibt er an Schmitt: „Und nun noch etwas, was Sie betrifft. Wollen Sie es mir bitte nicht übel nehmen. Der Pönitentiär von St. Peter, bei dem ich Unterricht hatte, nahm mit mir die katholische Lehre von der Ehe durch. Da habe ich von Ihren Schwierigkeiten gesprochen, natürlich ohne Sie zu nennen. Er nahm die Sache wichtig und bat mich, in Sie zu dringen, Sie möchten doch die Akte Ihres Prozesses hierher senden, wo sie übersetzt und dann den gewiegtesten Kennern zur Begutachtung vorgelegt werden sollte. Sie sollte erst begutachtet werden, und je nach Ausgang sollte die Sache dann der Rota vorgelegt werden oder nicht. Wollen Sie nicht vielleicht doch einmal etwas in diesem Sinne tun? Der Pönitentiär, der doch auch etwas von diesen Fragen versteht, war sehr hoffnungsvoll. Ich würde mich so freuen, wenn diese unangenehme Sache aus der Welt geschafft werden würde. Ich habe mir ausgedacht, wenn der Papst mich in nächster Zeit empfängt und dann etwa fragt, um was für eine Gnade ich ihn bitte wolle, dann will ich ihn darum bitten, dass er Ihre Sache in Ordnung bringt.“ (RW 0265 Nr. 10918). Von einer Befassung Roms mit Schmitts Ehesache spricht schon 1927 der Bonner Rechtsanwalt Joh. Henry in einem Brief an den Vorsitzenden der Zentrumsfraktion im Preuß. Landtag vom 21. 5. 1927 (Kopie in: RW 0579 Nr. 671). 1929 soll auch Maritain in der Sache aktiv geworden sein (vgl. Schmittiana V, 1996, S. 181). Nach orthodoxem Recht war die kirchliche Heirat möglich, obwohl Schmitts erste Ehe nicht kirchenrechtlich für ungültig erklärt worden war.
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Sonntag, 24. 1. 26 Müde, geschlafen, etwas gearbeitet, nicht viel, besuchte die Schumpeter313, wie ich es erst vor hatte, arbeitete etwas, Pohl kam, bat um das Manuskript für den Völkerbundaufsatz,314 will also fleißig sein, Duschka kam um ½ 12, nett mit Pohl unterhalten, dann Zeitungen gekauft. Nach dem Essen ausgeruht, nachmittags gearbeitet, Duschka dann bei mir, keinen Kaffee getrunken, deshalb nicht viel getan, abends Briefe geschrieben. Montag, 25. 1. 26 Immer noch keine Nachricht aus Berlin. Nervös. Der Oberlandesgerichtsrat Neuß315 besuchte mich, um 11 Vorlesung, Kaufmann brachte mir Grüße von Triepel und sagte, das höchste für mein Gutachten seien 5000 Mark. Sehr traurig deshalb. Müde um 12 nach Hause. Ein paar Briefe geschrieben (an Triepel), nach dem Essen ausgeruht (im Schauspieler die Notizen über , man will meiner Anregung völlig Kostüm geben[)]316, gut ausgeruht, um 4 kam Kisky317, sprach über den Mercier-Aufsatz.318 Gab ihm mein Gutachten, er rauchte eine Zigarre, scheußlich, wir tranken Kaffee bei Scharrenbroich, sehr herzlich und nett. Dann sehr fleißig zu Hause den Völkerbundaufsatz, gut vorangekommen. Duschka kam um 7, hatte sie sehr lieb. Begleitete sie nach Hause. Um 8 im Continental mit Peterson, Beyerhaus kam auch noch, müde nach Hause. Dienstag, 26. 1. 26 Müde auf, Brief von Rieker319 aus Erlangen, der meinem Gutachten zustimmt, das freute mich, aber nichts von Berlin. 2 Stunden Vorlesung, ziemlich gleichgültig. Nach dem Essen geschlafen (freute mich beim Essen über die Begeisterung des Schauspielers Hermann320 über meinen Illyrienaufsatz. Um 4 ½ Kaffee, dann wieder fleißig am Völkerbundaufsatz, Duschka war bei mir, freute mich über sie, um 8 begleitete ich sie nach Hause, traf Peterson
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Joseph Schumpeter hatte 1925 die zwanzig Jahre jüngere Annie Reisinger geheiratet, die bei der Geburt ihres ersten Kindes am 3. 8. 1926 verstarb; Esben Sloth Andersen, Joseph A. Schumpeter, Berlin 2015, S. 130. Heinrich Pohl war Herausgeber der Reihe „Völkerrechtsfragen“, in der Schmitts Schrift im Verlag Dümmler erschien. Anton Neuß (1885–1957), seit 1923 Oberlandesgerichtsrat in Köln mit einem Lehrauftrag für Bürgerliches Recht an der Universität Bonn; DBA III 663, 340; Berchem, S. 354. Der Bruder von Wilhelm Neuß war übrigens geschieden und wiederverheiratet, was dasVerständnis von Wilhelm Neuß für Schmitts Eheprobleme erklären mag. Zusammenhang unklar. Wilhelm Kisky (1881–1953), Historiker und Archivar, Freund von Hugo am Zehnhoff; DBA II 707, 430–433; III 481, 444–445; vgl. TB III, S. 7 und passim. Wilhelm Kisky, Kardinal Mercier und wir, in: Hochland 23 / 2, 1925 / 26, S. 156–171. Der belgische Kardinal Mercier war die Symbolfigur des Widerstands gegen die deutsche Besetzung seines Landes im Ersten Weltkrieg. Über den Aufsatz urteilte Schmitt: „rational eine Blamage“ (BW Feuchtwanger, S. 162 f.). RW 0265 Nr. 11629. Karl Rieker (1857–1927), evang. Theologe und Kirchenrechtler, seit 1903 Professor für Öffentliches Recht und Rechtsgeschichte in Erlangen; DBE 8, S. 404. Möglicherweise Anton Hermann (um 1856–1937); DBA III 383, 70.
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im Continental, um 10 wieder zu Hause. Müde. Freute mich darüber, dass ich in der Zeitschrift für Soziologen immer wieder zitiert bin.321 184 übliche Arbeiten! Mittwoch, 27. 1. 26 Wieder nichts von Berlin. Traurig, deprimiert. Hielt meine Vorlesung ganz nett. Mittags geschlafen, kein Kaffee, 6–8 Seminar. Referat Werner Becker, ganz nett. Nachher zum Continental, Peterson getroffen. Nachher kam noch Gurian, müde, gleichgültig, um 10 zu Bett, gut geschlafen. Sorge wegen der Wohnung in der Poppelsdorfer Allee, dass die Luft schlecht sein soll. Brief von der KV.[Kölnischen Volkszeitung], dass sie nun Gutachten über die Fürstennachforderung besprechen will; sehr schön. Donnerstag, 28. 1. 26 Morgens Eilbrief von Recklinghausen, dass ich Referent bin,322 sehr nett: gut ausgeschlafen, schön gefrühstückt, etwas an meiner Völkerbundbroschüre. Mittags 2 Stunden Vorlesung, um 11 gab mir der Briefträger auf der Straße den Brief von der Vereinigung Deutscher Hofkammern: das Honorar von 7500 Mark ist überwiesen! Großartig, ich las es, als ich in die Elektrische einstieg, mit Frau Beyerhaus und ihrem , munter und fröhlich; eigentlich lächerlich. Freute mich um 1, um es Duschka zu sagen. Nett mit ihr unterhalten, wir waren beide froh, das Geld zu haben. Welcher Glücksfall. Sie war gestern in Rheinbach bei dem Schreiner. Nach dem Essen ausgeruht, 4–5 Staatstheorie, sehr gut über Vertrag; dann mit Friesenhahn und Gurian bei Kaufmann Schokolade getrunken, nett unterhalten, 6 – ½ 8 Übungen, Schumpeter im Dozentenzimmer getroffen. Er rühmte mich merkwürdig. Zum Continental, Peterson kam um 8, wir waren beide müde. Gleichgültig, froh, das Geld zu haben. Um 9 zu Hause. Morgen nach Recklinghausen. Nachts bis 1 Uhr noch gearbeitet. Interessante völkerrechtliche Literatur gefunden. Freitag, 29. 1. 26 Sehr müde, nachts nicht gut geschlafen, hielt meine 2 Vorlesungen, ziemlich anstrengend, nach dem Essen zu Hause ausgeruht, um 4 auf, bei Scharrenbroich, um 5 mit der Rheinuferbahn nach Köln, dann nach Recklinghausen, Sehnsucht nach Duschka, um 8.20 in Herne, vom Landrat mit dem Auto abgeholt, hielt meinen Vortrag323 ganz nett, war aber etwas müde und gedrückt, 173 Mark, dann zum Hotel Wiener Hof324, irgendwo gegessen und zu
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Gemeint sind die 1921 von Leopold von Wiese begründeten „Kölner Vierteljahreshefte für Soziologie“ (heute: „Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie“). Carl Schmitt wurde als Referent eingeladen von der Vestischen Verwaltungsschule, einer Schulungs- und Fortbildungseinrichtung für Beamte der Kreisverwaltung Recklinghausen. Der Vortrag in Recklinghausen hatte das Thema „Der deutsche Parlamentarismus und seine ausländischen Vorbilder“. Laut Recklinghäuser Zeitung behandelte er die Weimarer Reichsverfassung im Vergleich zum auf ungeschriebener Verfassung beruhenden englischen Parlamentarismus und des dortigen Zweiparteiensystems, dem Schmitt erheblich mehr Stabilität zutraute; vgl. Matthias Kordes, Zwischen Parlamentarismus-Dekonstruktion und Verfassungslehre. Drei Vorträge Carl Schmitts in Recklinghausen (1926 / 27), in: Vestische Zeitschrift 106, 2016 / 17, S. 223–240 (mit ausführlichen Zeitungsberichten). Recklinghausen, Bahnhofstr. 10.
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Bett. Froh, wieder in Westfalen zu sein, gerührt von den westfälischen Stimmen, da gerade ein Männerchor sang. Meinen Nihilismus verdanke ich wirklich Duschka. Samstag, 30. 1. 26 Um 7 aufgestanden, um 8.29 von Recklinghausen über Wanne nach Bonn gefahren, durchgehend Schnellzug, 2. Klasse, gut an meinem Aufsatz über den Völkerbund gearbeitet. Um 12 in Bonn, schnell zum Institut, Literatur für meinen Aufsatz, vieles gefunden und sehr eifrig, mit Peterson zu Mittag gegessen bei Kieffer, dann zu Hause, hörte, dass ich die Wohnung in der Poppelsdorfer Allee besehen soll. Daher zu Duschka, traf sie auf der Straße, sie war gerade zur Siegburger Straße, gutes, liebes Kind. Fuhr dann nach Hause, ruhte mich bis ½ 5 aus (ekelhaftes Geschrei im ganzen Haus), dann Kaffee bei Scharrenbroich, traf Gurian, der mich nach Hause begleitete, dann wunderschön gearbeitet, Duschka kam um 6 Uhr, großartig gearbeitet, wunderschönes Kind, herrliche Frau, hatte sie sehr lieb und war sehr glücklich. Um ½ 8 ging sie, ich arbeitete noch bis gegen 9, dann ging ich etwas essen. Müde nach Hause. Sonntag, 31. 1. 26325 Morgens meine Völkerbundbroschüre diktiert, sehr zufrieden deshalb, Duschka kam mittags, wir gingen schön spazieren. Schnor, der Besitzer des Hauses Poppelsdorfer Allee sagte, ich solle heute Nachmittag um 3 Uhr die Wohnung besehen. Nach dem Essen ruhte ich aus, traf um 4 Duschka und besah die Wohnung (Ännchen war dabei), wir waren entschlossen, sie zu nehmen. Ich ging dann zu Scharrenbroich Kaffee trinken, der Stenograf kam um 5 Uhr, diktierte bis 7, dann zu Schmitz, wir aßen zusammen zu Abend, mit Peterson, spielte 326, ich war traurig, Duschka war deshalb betrübt, wir begleiteten sie durch die Stadt, dann in die Argelanderstraße, ging noch mit Peterson auf den Münsterplatz, Befreiungsfeier327, es war aber sehr traurig und deprimierend, um ½ 1 müde nach Hause. Schrecklich. Montag, 1. 2. 26 Feiertag. Diktierte den ganzen Tag. Zum Glück ist wegen der Befreiung keine Vorlesung. Nachmittags bei Scharrenbroich, dann wieder dem Stenografen diktiert. Abends mit Duschka an die Universität, bei der Befreiungsfeier, freute mich über ihren Enthusiasmus. Um 10 müde zu Hause und gleich zu Bett. Dienstag, 2. 2. 26 Um 8 Uhr auf und an der Völkerbundbroschüre gearbeitet, 2 Stunden Vorlesung, nachmittags Kaffee getrunken, denn Völkerbundbroschüre gearbeitet, ½ 6–9 diktiert, todmüde, um ½ 10 im Continental gegessen, müde nach Hause, gleichgültig, konnte nicht schlafen.
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Auf dem Kopf des Blattes der Handschrift notiert: „Hochzeit mit Duschka 8. 2. 26“. Vielleicht Mozart, KV 331, 3. Satz: Alla Turca. Feier zur Beendigung der französischen Besetzung der „Kölner Zone“.
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Mittwoch, 3. 2. 26 Erst um 9 auf, schnell Vorlesung vorbereitet, 2 Stunden, dann kam ein Herr, der beim Vermögensamt ist und wusste [eine] neue Wohnung. Welches Glück, sehr aufgeregt und nervös deshalb. Freundlich mit Göppert gesprochen. Nach dem Essen ausgeruht, mit großer Liebe und Freude an Duschka gedacht, wieder froh, dass wir [eine] neue Wohnung haben. Traf Duschka um ½ 5, bei Scharrenbroich, besah mit ihr Porzellan bei Bernartz328, dann zum Konsul Lehmann329 wegen meiner Völkerbundbroschüre, sehr angeregt, 6–7 Seminar, dann mit Gurian und Becker im Continental, nett unterhalten, gelacht und geplaudert, Bewunderung für de Maistre330. Um 9 von den beiden und von Landsberg nach Hause begleitet. Noch etwas Rotwein, nervös und doch das Gefühl, Glück zu haben, große Liebe zu Duschka. Heute habe ich den Eltern und Eisler meine bevorstehende Vermählung mitgeteilt. Donnerstag, 4. 2. 26 Sehr viel Arbeit, 5 Stunden Vorlesung, dazwischen um 5 schnell zum Krankenhaus, wo Frau Aschaffenburg war. Mit Gurian, um 5 zu Duschka gelaufen, traf sie auf ihrem Zimmerchen, schöne Ejakulation. Meine Vorlesung Staatstheorie sehr gut. Konnte aber wenig arbeiten. Nach den Übungen zum Continental, Duschka brachte mir das Manuskript der Völkerbundbroschüre. Peterson und Gurian kamen, Gurian hat heute Nachmittag eine Tochter Johanna bekommen. Wir tranken eine Flasche Ürziger Würzgarten, der sehr gut war. Dann nach Hause, begleitete Duschka und ging bald zu Bett. Freitag, 5. 2. 26 Morgens etwas das Manuskript der Völkerbundbroschüre korrigiert, dann 2 Stunden Vorlesung. Mit Duschka, um 1 Uhr, sehr nett unterhalten. Sie ist gut und klug, ich liebe sie von Herzen. Ich aß bei Kieffer mit Peterson zu Mittag, ruhte zu Hause etwas aus, um ½ 5 traf ich Duschka bei Scharrenbroich. Um 5 Uhr fuhr ich mit der Rheinuferbahn nach Köln und von da nach Recklinghausen. Wurde in Herne mit dem Auto abgeholt, hielt einen guten Vortrag über Parlamentarismus (Beamtenstaat)331, dann noch mit dem Studienrat Döring332
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„Rheinisches Engros-Haus“ in der Bonngasse 13. Antonio Lehmann (1871–1941) Konsul von Costa Rica und Leiter des Verlags Dümmler, den er 1916 erworben und von Berlin nach Bonn verlegt hatte; hier erschien 1926: Carl Schmitt, Die Kernfrage des Völkerbundes (komment. Wiederabdr. in: FoP, S. 73–193). (Die Angabe in TB III, S. 226, ist entsprechend zu korrigieren). Joseph de Maistre (1753–1821), politischer Philosoph, bedeutender Vertreter der Gegenaufklärung; Schrenck-Notzing, S. 358 f. sowie Wilhelm Schmidt-Biggemann, Politische Theologie der Gegenaufklärung. Saint-Martin – de Maistre – Kleuker. Berlin 2004. Schmitt, der gerade in den Weihnachstferien die deutsche Übersetzung der „Considérations sur la France“ von de Maistre rezensiert hatte (in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 79, 1925, S. 727 f.), stand ihm nicht nur bewundernd gegenüber; vgl. TB III, S. 98. Teil 2 des Vortrags, den Schmitt am 29.1.26 in Recklinghausen gehalten hatte (s. dort). Bernhard Döring (1861–1934), Dr. theol., Studienrat für Religion, Hebräisch und Latein am Gymnasium Paulinum in Münster.
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bis abends ½ 12. Müde in dem kleinen westfälischen Hotel zu Bett. An meinem Völkerbundaufsatz korrigiert. Samstag, 6. 2. 26 Um 7 auf, pünktlich die Züge bekommen, sehr schön meinen Aufsatz korrigiert. Um ½ 11 in Düsseldorf am Bahnhof Duschka getroffen, die von Winnen333 gekommen war. Wir besahen Porzellan und sehr schöne Möbel bei Sporrer334, freute mich über das tüchtige und kluge Kind. Aßen in der Tonhalle, kauften ein paar schöne Krawatten. Um 3.50 nach Köln und mit der Rheinuferbahn wieder nach Bonn. In der Bahn hübsch meinen Aufsatz korrigiert. Große Liebe zu Duschka und zufrieden und ruhig wegen der Trauung nächsten Montag. Als ich nach Hause kam, war ein unfrankierter, also durch Boten überbrachter Brief von Pfarrer Hinsenkamp335 da, der mir mitteilte, wenn ich mich verheiraten würde, so wäre das ein vollendeter Bruch mit der Kirche für mich usw. Empört, Wut, Schrecken vor dieser Unverschämtheit; zitterte. Ging zu Bett, ruhte etwas aus, ziemlich müde und nervös durch diese Geschichte. Um ½ 8 auf, eine Stunde den Völkerbundaufsatz korrigiert, dann zum Continental, hoffte Peterson zu treffen, blieb aber allein. Es ist vielleich auch besser so. Sors de l’enfance.336 Es ist ein Glück, dass ich von den Pfaffen loskomme. Um ½ 11 wieder zu Hause, todmüde, weil ich diese Nacht wenig geschlafen habe. Hoffentlich werde ich mit dem Völkerbundaufsatz schön fertig. Sonntag, 7. 2. 26 Müde auf, den ganzen Vormittag an dem Völkerbundaufsatz korrigiert, in großer Eile und Nervosität. Mittags um 1 Uhr kam Duschka, sie hatte wieder Wohnungen besehen, ich freute mich sehr über sie und begleitete sie noch etwas. Dann zu Kieffer, dort mit Friesenhahn und Peterson zu Mittag gegessen, mit Peterson noch etwas spazieren, zu Hause mit Frau Franck gesprochen, zum 1. April gekündigt, dann fleißig korrigiert, den ganzen Nachmittag bis Abend gegen 8. Dann kam Duschka (sie war in Rheinbach gewesen bei dem Schreiner), ich begleitete sie zu ihrer Wohnung, ging dann zum Königshof, traf Peterson, aß mit ihm zu Abend, wir waren traurig und schimpften auf die reichen Leute; um 10 Uhr, im letzten Augenblick, als wir gerade gehen wollten, kam Vormfelde, für morgen verabredet. Abends noch bis 1 Uhr den Völkerbundaufsatz korrigiert, dann müde ins Bett.
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Möglicherweise der Schreiner Winnen in Bonn, Frongasse 6. Möbelgeschäft an der Königsallee in Düsseldorf. Johannes Hinsenkamp (1870–1949), Oberpfarrer an der Bonner Münsterkirche. Schmitt war schon am 1. 11. 1924 von ihm wegen seiner Ehesache ermahnt worden und bezeichnete ihn als „widerliche[n] Kerl“ (TB III, S. 371). Zitat aus: Jean Jacques Rousseau, La Nouvelle Héloise, 5e Partie. Der 1. Brief beginnt: „Sors de l’enfance, ami, réveille-toi; ne livre point ta vie entière au long sommeil de la raison. L’âge s’écoule; il ne t’en reste plus que pour être sage.“ Schmitt zitiert das bereits 1922 im „Schatten Gottes“ (TB III, S. 416) und auch noch am 7. 1. 1947 im Glossarium. Im TB V (S. 419) übersetzt er es mit „Weg mit Gott Vater“.
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Montag, 8. 2. 26 Um ½ 9 aufgestanden, Völkerbundaufsatz korrigiert und fertig geworden; ein Referat über eine Dissertation (von Wiese337) schnell geschrieben und Schwickardy338 mitgegeben. Dann kam der Briefträger und brachte die Gesammelten Werke von Machiavelli,339 eine Karte von Salin340 zu spät, wie seltsam alles, ein Buch von Herbert Kraus über Staatsethos.341 Um ¼ 11 kam Vormfelde mit seinem Auto, wir fuhren zum Rathaus, Duschka war mit Peterson schon da, die Zeremonie fand sofort statt, ohne jede Aufregung und Mühe, dann bei Schwarz gefrühstückt mit Duschka, Ännchen, Peterson, Vormfelde. Um 1 Uhr zu Spiethoff, traf Salin auf der Straße, nett mit ihm unterhalten. Aufgeregt nach Hause, welch ein seltsamer Tag. Etwas ausgeruht, um 4 Uhr Kaffee bei Scharrenbroich, Haare schneiden, dann zu Hause. Duschka kam, ich bereitete meinen kleinen Vortrag über Demilitarisierung342 vor, kleidete mich um, um ½ 8 zur Bahn, in Köln von Studenten abgeholt, kein guter Eindruck, im Hotel Disch343 dann meinen Vortrag gehalten,344 (hörte, dass Stier-Somlo abgelehnt hat zu kommen; weil ich gegen die Kölner Universität eine solche Frontstellung bezöge!345). Mit
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Fritz Wiese (1903–?), wurde 1926 mit der Dissertation „Die parlamentsrechtliche Stellung des deutschen Reichspräsidenten“ von Schmitt mit „ausreichend“ promoviert. Karl Schwickardy (?–?), von 1900 bis 1928 Pedell der juristischen Fakultät. Es handelt sich um die sog. Testina, eine fünfbändige Ausgabe der Werke Machiavellis, die, um den Index librorum prohibitorum zu unterlaufen, das Erscheinungsjahr 1550 trägt, tatsächlich aber später, wohl nach 1588 in Genf erschien. Schmitt vermeldet am 14. 2. 1926 den Kauf an Feuchtwanger (vgl. BW Feuchtwanger, S. 153). Diese Ausgabe hat Schmitt 1966 verkauft; vgl. Schmittiana NF I, 2011, S. 308. Edgar Salin (1892–1974), Nationalökonom und Georgeaner, seit 1924 a. o. Professor in Heidelberg, von 1927 bis 1962 o. Professor in Basel. Schmitt kannte ihn vermutlich durch Ludwig Feuchtwanger; NDB 22, S. 372 f.; BW Feuchtwanger; vgl. TB III, passim; Schmittiana NF III, 2016, S. 54–77. Nach 1933 wurde Salin zu einem scharfen Kritiker Schmitts (vgl. dazu Schmittiana III, 1991, S. 163–168). Schmitts Briefe an Salin in: RW 0579 Nr. 520 (Kopie). Herbert Kraus (1884–1965), Professor für Staats- und Völkerrecht in Königsberg. Das erwähnte Buch „Gedanken über Staatsethos im internationalen Verkehr. Vortr. geh. anlässl. der 1. Jahresversammlung der Königsberger Gelehrten Gesellschaft am 10. Jan. 1925, Berlin 1925“ hat Schmitt 1954 verkauft. Vgl. auch Tilitzki (1994), S, 169. Auf Einladung der Kölner katholischen Studentenverbindung Rhein-Rappoltstein; vgl. Mehring (2009), S. 195. Hotel Disch, Köln, Brückenstr. 19. s. den Bericht darüber in der Kölnischen Volkszeitung vom 16. 2. 1926; Exemplar in: RW 0265 Nr. 21522. Der Kölner Kollege Stier-Somlo hatte Schmitts Schrift über die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus am 2. 2. 1924 in der Kölnischen Zeitung in einer Weise rezensiert, die Schmitt „ekelhaft und lächerlich“ fand (TB III, S. 310). Er erwog, darüber eine Broschüre zu publizieren (BW Feuchtwanger, S. 120), revanchierte sich dann aber lediglich mit einer Rezension; vgl. TB III, S. XIX f.; Benoist, S. 89, B 33; Mehring (2009), S. 188; BW Smend, S. 155 ff. Bei der Frage einer möglichen Berufung Schmitts an die Handelshochschule Berlin gab Stier-Somlo ein ziemlich gewundenes Gutachten ab: Schmitt sei zwar „eine nicht zu unterschätzende geistige Potenz“, jedoch: „er hat sich den Kölner Kollegen gegenüber und auch mir gegenüber keineswegs angemessen benommen.“ Tilitzki (1994), S. 170.
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Ebers346 nett unterhalten, guter Vortrag, um 11 nach Hause, traf in der Bahn zufällig Beckerath, sehr nett unterhalten, besonders über Brinkmann, er begleitete mich nach Hause, ½ 11 zu Bett. Ein seltsamer Tag. Dienstag, 9. 2. 26 Ziemlich spät aufgestanden, in Eile die Vorlesung vorbereitet, kaum fertig. Um 12 war Duschka am Hörsaal. Ich lief mit zu einem Schokoladengeschäft und kaufte mir Pralinen, das liebe gute Kind, um 1 zu Neuß, sagte ihm von meiner Trauung, er war nett und gratulierte Duschka sehr sympathisch. Ich ging mit Duschka über die Poppelsdorfer Allee, dann zu Hause bis 3 geschlafen, zu Neuß, mit Peterson kleiner Spaziergang, dann müde zu Hause (ich habe nicht genug ausgeruht mittags), um ½ 6 kam Duschka, sie hat wieder Blut gehustet. Schreckliche Angst, traurig, bedrückt, allmählich wieder beruhigt. Sorgen. Um 8 begleitete ich sie nach Hause, morgen früh will sie reisen, aß im Continental zu Abend, zuviel Bier, müde und traurig zu Bett. Mittwoch, 10. 2. 26347 Um ½ 9 auf, gut geschlafen (weil ich gestern Nachmittag keinen Kaffee getrunken hatte, aber immer noch Schlafbedürfnis), das Auto kam um 9 Uhr. Ich holte Duschka ab, mit ihr und Ännchen zur Bahn, sehr traurig, aber sie schien fröhlich und guter Dinge zu sein. Mit Ännchen zu Scharrenbroich, dann zu Hause Vorlesung vorbereitet, ziemlich spät zur Universität, an Duschka einen Brief abgeschickt; gute Vorlesung (Staatskirchenrecht, dann Völkerrecht), nachher bei Strassberger gegessen, zu Hause ausgeruht bis 4 ¼, dann kam Friesenhahn mit den Prüfungsarbeiten, ich lasse ihn morgen die Prüfung abhalten. Mit ihm gegangen, bei Schwarz die Rechnung348 bezahlt (77 M! viel zu teuer!), mein Seminar, allein gesprochen, aber sehr gut (Duschka heute nachmittags nochmals geschrieben, zum Geburtstag gratuliert) mit Werner Becker im Continental zu Abend gegessen, dann zu Hause von 9–12 gearbeitet, Vorlesung gut vorbereitet, etwas ruhiger. Während des Abendessens schreckliche Unruhe um Duschka, Angst um sie, verzehrende Liebe oder Sehnsucht. Donnerstag, 11. 2. 26 Ziemlich gut ausgeschlafen, fröhlich, an Duschka geschrieben, ein paar Kleinigkeiten er ledigt, froh, die Vorlesung gut vorbereitet zu haben, zur Post und zur Bank, Illyrien-Aufsatz an Michels349 geschickt, geantwortet, der die physische Verordnung vom
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Godehard Josef Ebers (1880–1958), seit 1919 Professor für Staats-, Verwaltungs-, Völker- und Kirchenrecht sowie Staatslehre in Köln, 1935 aus politischen Gründen entlassen, 1936 in Innsbruck, wo er 1938 wieder entlassen wurde und sein Amt erst 1946 wieder antreten konnte; DBE 2, S. 804. Auf dem Kopf des Blattes der Handschrift Daten von späterer Relektüe notiert: „12.2.26, 7.2.52, 56, 61, 67, 27.5.72, 1978 Pasel, 20.3.78“. Rechnung des Hochzeitsessens. Robert(o) Michels (1876–1936), dt.-ital. Soziologe und Politikwissenschaftler, Schüler Max Webers und bedeutender Theoretiker der politischen Parteien; NDB 17, S. 451 f.; Schrenck-Notzing, S. 372–374; vgl. TB III, S. 159. Sein Briefwechsel mit Schmitt ist veröffentlicht in: Tommissen (1997), S. 83–112.
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23 / 1 23350 entdeckt hat und wunders meint, was das wäre. Hielt meine Vorlesung sehr gut, aber angestrengt, nachher mit Gurian, der mir erzählte, dass die Wohnung von Dempf351 in der Argelanderstraße frei werde. Sehr aufgeregt deshalb. Nach dem Essen etwas ausgeruht, um 4 Uhr Vorlesung, furchtbar anstrengend, nicht gut, obwohl inhaltlich sehr schön, besonders das Gefühl, ausgelacht zu werden. Nachher zu Frau Schmitz, ihr mitgeteilt, dass wir uns haben trauen lassen. Dann zu Dempf, eine hässliche Wohnung, traurig, einsam nach Hause, (Friesenhahn hielt die Übungen), zu Hause an über Zehnhoff geschrieben, das Gutachten an Ebers geschickt,352 müde, gleichgültig, zum Continental, Peterson nicht getroffen, besser, einsam gegessen, guter Wein, nach Hause. Müde, gleichgültig, an Duschka geschrieben. Freitag, 12. 2. 26 Morgens ein ganz abscheulicher Traum: Ich bin in Gießen an der Lahn (denke, dass dieser Fluss bei Marburg vorbeifließt und denke an Kathleen353), ich soll dort einen Vortrag über Parlamentarismus halten, sah Gmelin354 sprach mit ihm und einigen anderen. Duschka sitzt neben mir mit einer entsetzlich karikierten spitz-flachen slawischen Nase, ich spreche in dummer Weise davon, dass ich Geld für meinen Vortrag haben will; nachher gehe ich mit Duschka an einem Teich spazieren, sie geht neben mir, sagt plötzlich, sie wolle tanzen lernen und zur Bühne gehen, ein Professor habe ihr gesagt, sie sei begabt dazu. Sie lacht mich aus und sagt, sie hat mich wieder belogen. Ich bin entsetzt und sage: Einen Tag nach der Eheschließung! Angst vor ihrem serbischen Gesicht, vor ihrer slawischen Schlauheit; mit großer Angst erwacht.355 Gut ausgeschlafen, aber etwas . Es ist Zeit, dass die Ferien kommen. Lust zum Reisen und irgendwohin zu gehen; spät aufgestanden, langsam gefrühstückt, behaglich, nichts getan. Meine Vorlesung gehalten, 2 Stunden, gut. Nachher ruhig zu Strassberger, müde (rührend, wie der Schauspieler356 mit mir über meinen Illyrienaufsatz spricht), nach dem Essen gut ausgeruht, bis 4 Uhr, um 5 kam der Student Bechtel357, ich gab ihm eine Dissertation über ein Gemeinderecht, dann zu Hause gearbeitet, nett notiert, aber nervös, müde, bedrückt, Angst, keinen Kaffee getrunken, um 7 kam Peterson und holte mich zum Abendessen ab, erzählte von anderen Stellen bei Lukas, die ganz gnostisch klingen.358 Ich war sehr müde, wir aßen in der Bols-Stube zu Abend, Adams und Gurian kamen 350
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Sinn nicht ganz klar. Am 23. 1. 23 lernte Schmitt Duschka kennen und empfand es als „unheimlich“, dass sie am Tag seiner Eheschließung mit Cari Geburtstag hat; vgl. TB III, S. 146. Dempf wohnte in der Argelanderstr. 142; vgl. unten, 27.2.26. Das Gutachten zur Fürstenenteignung; s. oben, 28.12.25. Kathleen Murray (1895-nach 1970), von 1921–1922 irisch-australische Geliebte Schmitts, die unter seiner wesentlichen Mithilfe in Marburg bei Ernst Robert Curtius ihre Dissertation über Taine verfasste; Mehring (2009), S. 131 ff.; vgl. TB III, S. 560–563 (Abb.) und passim. Hans Gmelin (1878–1941), Professor für Öffentliches Recht in Gießen; DBA II 455, 225–226; III 300, 420–431. An dieser Stelle später notiert: „(Wieder gelesen 7. 7. 52) – Anima / wieder gelesen 11. 2. 56“. s. oben, 26.1.26. Werner Bechtel (1904–?), wurde 1929 in Würzburg mit der Dissertation „Volksbegehren und Volksentscheidung nach bayerischem Gemeinderecht“, promoviert. Zur von Peterson erkannten Gnostik im Lukasevangelium vgl. Peterson, AS 5, S. 314–337.
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auch, ich sprach mit Adams über Shakespeare und meine Othello-, die ihm einleuchtete. Er will sie also bald drucken lassen.359 Müde um 9 nach Hause, noch etwas he rumgelesen, für die Völkerbundbroschüre. So wurde es ½ 11; schnell an Duschka geschrieben. Müde und nicht recht gesund. Wahrscheinlich habe ich zu wenig Bewegung. Konnte nachts nicht einschlafen. Samstag, 13. 2. 26 Bis ½ 8 gut geschlafen, dann auf, nicht recht frisch; hätte ich nur Bewegung, gute Briefe, schöner Brief von Duschka aus München, sehr gerührt und erfreut; arbeitete sehr langsam, machte ein paar Notizen für Korrekturen des Völkerbundaufsatzes, der mir immer dümmer vorkommt. Es wurde ½ 12, brachte den Brief für Duschka zum Bahnhof (begegnete unterwegs Neuß und erzählte ihm von der Blamage Kiskys360), warf den Brief in den Zugkasten, dann zum Institut, in Ruhe einiges erledigt, in dem Lesesaal der Universitätsbibliothek noch ein paar wichtige Sachen für meinen Aufsatz gefunden, deshalb sehr froh, sonst müde und etwas benommen. Nach dem Mittagessen ausgeruht, um 4 Uhr auf, Kaffee bei Scharrenbroich, dann zur Studentenbücherei, Zeitungen gelesen (die Augsburger Postzeitung: wer mit der „politischen Romantik“ (von mir) an die wirkliche Romantik heranging, würde auf jeder Seite Bankrott machen!). Was habe ich mit den zu tun?361 Zu Hause Vorlesung vorbereitet, munter und froh deshalb. Für mich allein im Continental zu Abend gegessen, ein Butterbrot, dann plötzlich auf den Venusberg gelaufen, zum Marienhospital, einsam, wieder gnostische Stimmungen, um ½ 10 zu Hause, die Dissertation von Gerber362 schnell überflogen, froh, in Ruhe meine Arbeit erledigen zu können. Furchtbare Wut über Erich Kaufmann, der wohl den Minderheitenschutz wieder einführen will.363 Sonntag, 14. 2. 26 Vormittags schön und behaglich gearbeitet, Vorlesung vorbereitet, Briefe geschrieben (Feuchtwanger364, Eisler, Smend365), bekam eine Anfrage vom Sekretär des Kronprinzen, ferner ein Brief von Maritain, der meine Politische Romantik übersetzen lassen will.366 Sehr 359 360 361
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Möglicherweise plante Schmitt eine Veröffentlichung über Othello. s. oben, 11.2.26. Die Augsburger Postzeitung war eine der wichtigsten katholischen Zeitungen Deutschlands; 1935 verboten. Emil Gerber (1897–?), Doktorand Schmitts; dessen Dissertationsgutachten („cum laude“) vom 15. 2. 1926 ist abgedruckt in: BW Smend, S. 163 f. Gerber, der zunächst Altphilologie und Germanistik studiert hatte, veröffentlichte 1934 in Zürich einen Band mit Gedichten, der in Deutschland verboten wurde. Er fiel im Zweiten Weltkrieg; vgl. TB III, S. 158. Im Völkerbund wurde zu dieser Zeit über die Stellung der Minderheiten diskutiert. Schmitt war gegen eine Ausdehnung des Minderheitenschutzes, weil er darin eine Gefahr für die Autonomie der Staaten sah; vgl. FoP, S. 113 ff. mit Anm. 101 des Hrsg. G. Maschke auf S. 178 ff. BW Feuchtwanger, S. 153 f. BW Smend, S. 51. Rudolf Smend (1882–1975), Staats- und Kirchenrechtler, 1909 Professor für öffentliches Recht in Greifswald, 1911 in Tübingen, 1915 in Bonn und 1922 in Berlin. 1935 wurde er nach Göttingen strafversetzt (Rektor 1945 / 46), wo er bis zu seinem Tode wirkte; NDB 24, S. 510 f. RW 0265 Nr. 9052. Auf Anregung von Waldemar Gurian und mit Unterstützung durch Jacques Maritain (vgl. RW 0265 Nr. 9052; RW 0579 Nr. 495) übersetzte der zum Kreis um Maritain gehö-
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stolz und glücklich. An Duschka herzlich geschrieben. Mittags mit Auto schnell Besuch bei Schumpeter gemacht,367 schon nach einer Viertelstunde wieder zu Hause (Rick war inzwischen bei mir und hat mich verfehlt), dann noch etwas gelesen. Nach dem Mittagessen Spaziergang zum Venusberg, zu Bett, geschlafen, gut ausgeruht, nachmittags gut gearbeitet, bis ½ 8, im Wartesaal der Reinuferbahn ein Glas Bier, dann bei Schmitz. Peterson getroffen, es war aber langweilig, über Fiedler368 und den politischen Sinn gesprochen, müde um 10 Uhr nach Hause. Montag, 15. 2. 26 Morgens wieder gut gearbeitet, Schmitz kam um ½ 11 und (um sich über Honoratioren zu informieren),369 dann hielt ich meine Vorlesung Staatsrecht, bequem und ruhig. Nachher zu Hause, nach dem Essen wieder spazieren, als ich zurückkam, war die Korrektur des Völkerbundaufsatzes da. Sehr aufgeregt und erfreut. Den ganzen Nachmittag und Abend bis 12 Uhr korrigiert, mühselig, oft verzweifelt. Dienstag, 16. 2. 26 Brief von Duschka aus Zagreb, das arme, liebe Kind, von Eisler370, der nach der Trauung fragt (sein Brief hat sich mit meinem gekreuzt), von Kaiser371 usw. Behaglich gefrühstückt, fleißig korrigiert, 2 Stunden Vorlesung, die aber doch sehr anstrengend waren. Nach dem Essen geschlafen, dann zu Frau Braschoß wegen einer Wohnung Hindenburgstraße, gerührt über ihre Bewunderung für Duschka, Angst und Sorge um mein Kind, traf auf der Straße Frau v. Wandel372, die mir gratulierte, begleitete sie ein paar Schritte, dann mit Dyroff373 über Stier-Somlo gesprochen, ganz , bei Scharrenbroich, Gurian und Adams getroffen, um 6 zu Hause und fleißig korrigiert. Um 8 zum Continental, Peterson nicht getroffen,
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rende Pariser Bankdirektor Pierre Linn (1897–1966) Schmitts „Politische Romantik“ (leicht gekürzt) ins Französische (Paris 1928); es war die erste Schrift, mit der Carl Schmitt in Frankreich erschien. Mit Pierre Linn war Schmitt dann gut befreundet. Er wies Linn auf Peterson hin, der später ebenfalls von Linn übersetzt wurde; Nichtweiß (1994b), S. 74; BW Gurian, S. 89; BW Feuchtwanger, S. 153. Schumpeter wohnte in der Koblenzer Str. 39. Möglicherweise: Kuno Fiedler (1895–1973), evang. Theologe, der mit seinem Buch „Luthertum oder Christentum“ (1920) gegen das Kriegschristentum des Ersten Weltkriegs und mit „Der Anbruch des Nihilismus“ (1922) gegen die Verbürgerlichung der Religion polemisierte. Schmitt lieh ihm wahrscheinlich: Max Weber, Grundriß der Sozialökonomik. Bearb. von S. Altmann … (= Wirtschaft und Gesellschaft, 1.3 / 1: Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte), Tübingen 1921 (RW 0265 Nr. 22242). RW 0265 Nr. 3155. Theodor Kaiser aus Teindeln bei Plettenberg; vgl. TB III, S. 80 und passim. Katharina von Wandel (1873–?), Witwe des Generals, Governeurs von Köln und Stellvertretenden Preußischen Kriegsministers Franz Gustav von Wandel, Vermieterin von Schmitts früherer Wohnung in der Meckenheimer Allee 45 (DBA II 1365, 40). Die Tochter Margarete von Wandel (1899– ?) war Schülerin Schmitts und wurde 1923 zum Dr. rer. pol. promoviert. Schmitt bewertete ihre Dissertation als Zweitgutachter mit „gut“; vgl. TB III, S. 75, 156 und passim. Adolf Dyroff (1866–1943), von 1903 bis 1934 Professor für katholische Philosophie in Bonn, 1925 / 26 Rektor der Universität; NDB 4, S. 212 f.; Tilitzki (2002), passim; vgl. TB III, S. 97.
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einsam, überall Karnevalstreiben, sehr einsam, Angst um Duschka, um 9 todmüde zu Hause, noch lange korrigiert, müde zu Bett. Mittwoch, 17. 2. 26 Morgens spät auf, 9 Uhr, immer noch korrigiert, sehr nett, es wurde 11. Im Auto zur Kaiserstraße, Lehmann das Manuskript gezeigt,374 dann zur Universität, meine halbstündige Übung gehalten, nachher mit Göppert bei Schwarz gegessen, müde zur Universität, Doktorexamen, dann gegen 4 Uhr zu Hause, traf den jungen Lehmann375, , im Bett etwas ausgeruht, um ½ 6 kam Gerber, wir tranken zusammen Kaffee bei Scharrenbroich, zum Institut, mit Schulz nett über Landsberg unterhalten, dann Seminar, zum Continental, von Werner Becker (der Fasching mitgemacht hat) begleitet, allein zu Abend gegessen, müde und traurig nach Hause, zu Bett. Konnte nicht einschlafen, Arbeiten korrigiert, schließlich todmüde, aber sehr nervös. Heute Brief von Smend, der mich sehr erfreute.376 Donnerstag, 18. 2. 26 Um 9 Uhr auf, sah in der Kölnischen Zeitung den Aufsatz von Kisky über mein Fürstengutachten,377 sehr erfreut darüber. Sonst kein Brief; hielt 2 Stunden Vorlesung, ziemlich gleichgültig, nachher bei Schwarz mit Peterson und Göppert, um 2 zu Hause, ausgeruht, todmüde, dann trotz allem sehr schöne Vorlesung über Staatstheorie, 4–5, wieder zu Hause, aufgeregt, grauenhafte Erektionen, scheußlicher Zustand, Sehnsucht nach Duschka, Verzweiflung usw. Freitag, 19. 2. 26 Morgens im Bett schreckliche Erektionen, kaum zum Aushalten. Um ¼ 9 auf, rasiert, gefrühstückt. Brief von Duschka, das Buch von Salin über Augustinus.378 Dann kam Glaser379 und hatte wieder Wohnungen. Ich sah ein Haus in der Haydnstraße alleinstehend, dann zu spät zur Vorlesung, 2 Stunden erledigt. Mit Göppert und Peterson zu Mittag bei Schwarz
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In der Kaiserstr. 35 wohnte Antonio Lehmann, der Leiter des Dümmler-Verlages, in dem Schmitts Völkerbundbroschüre erschien. Willy Lehmann (1900–1987), Sohn von Antonio Lehmann, dem er später als Leiter des Verlags Dümmler nachfolgte. Smend kündigt in dem Brief an, dass er gemeinsam mit Günther Holstein den Abhandlungsteil des Archivs für öffentliches Recht übernehmen und ihn in der (antipositivistischen) Richtung „Bilfinger-Holstein-Kaufmann-Schmitt-Triepel“ profilieren will. Er fordert Schmitt auf, dabei mitzumachen (BW Smend, S. 52 f.). Bei Benoist nicht nachgewiesen und in der Kölnischen Zeitung vom 17. und 18.2.26 nicht gefunden. Edgar Salin, Civitas Dei, Tübingen 1926; mit Anm. im Nachlass Schmitt, RW 0265 Nr. 25761. Zur kritischen Einschätzung Schmitts siehe BW Feuchtwanger, S. 155 und Schmittiana NF III, 2016, S. 64; vgl. auch unten, S. 350. Peterson kritisierte das Buch öffentlich in einer Rezension (Schmollers Jahrbuch 50, 1926, S. 174–176), was für Oberheid – wie er in einem Brief an Salin sagt (Schmittiana III, 1991, S. 164 ff.) – Anlass war, alle Beziehungen zu Peterson abzubrechen. Das steht im Widerspruch zu vorliegendem Tagebuch! Offenbar ein Wohnungsmakler (im Bonner Adressbuch von 1926 nicht ermittelt).
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und Kaffee im Kaiser-Café, dann 3 bis 6 Examen, Gerber, Wiese, 380. Um 6 nach Hause, ausgeruht, um 8 zum Continental, Gerber kam um ½ 9, ich trank mit ihm eine Flasche Moselwein, er erzählte sehr , von den Katholiken, ein guter, braver Kerl, aber arm und geduckt, er begleitete mich um 10 nach Hause, ich ging noch etwas für mich alleine spazieren, habe Sir Galahad gegen die Russen gelesen,381 zu Hause aufgeregt und doch müde, scheußlicher Zustand. Wird es besser, wenn Duschka hier ist? Samstag, 20. 2. 26 Vormittags behaglich ausgeruht, 1. Revisionsbogen, sehr erfreut und immer wieder gelesen.382 Mittags um ½ 12 Brief zur Bahn gebracht für Duschka, dann zum Institut, etwas gelesen, zum Lesesaal, um 1 mit Göppert bei Schwarz gegessen, nachher zu Hause ausgeruht, um ½ 5 Lehmann vergebens erwartet. Dann kam Peterson, abends beim Hospiz383 vorbei (Marie Hasbach384 ist gekommen), um 8 zu Göppert, mit Peterson, viel Wein getrunken, nett unterhalten, um 1 ¼ nach Hause. Sonntag, 21. 2. 26 Müde, Schmerzen auf dem rechten Auge, die Folge des Moselweins, scheußlich, um ½ 1 zur Universität, mit schrecklichen Augenschmerzen im Talar auf den Hof, Befreiungsfeier385, sehr hübsches Bild, Rede von Franqué386. Abscheuliche pazifistische Rede eines Studenten;387 mit Göppert nachher bei Schwarz gegessen, froh, dass ich bis ½ 4 zu Hause war, zu Bett, bis 7 Uhr, todmüde geschlafen, es ging dann etwas besser. Um 8 zu Schmitz, zu Abend geges380
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Evtl. Heinrich Lenz (1901–1986), er wurde 1926 mit der Dissertation „Autorität und Demokratie in der Staatslehre von Hans Kelsen“ von Schmitt promoviert. Sir Galahad [= Bertha Eckstein-Diener], Idiotenführer durch die russische Literatur. Gewidmet dem Rückgrat der Welt, München 1925. Es handelt sich um: Carl Schmitt, Die Kernfrage des Völkerbundes; s. oben, 19.1.26. Evangelisches Hospiz, Bonn, Poppelsdorfer Allee 27 (christliches Hotel). Marie Hasbach (1891–1978), Nationalökonomin russischer Staatsangehörigkeit, besuchte das Gymnasium in Bonn, studierte in Cambridge, Berlin, Moskau und Freiburg, wo sie 1922 zum Dr. rer. pol. promoviert wurde, von 1922 bis 1927 in der väterlichen Sperrholzfabrik in Bialystock tätig, 1927 / 28 Assistentin an der TH Berlin, 1939 bis 1944 wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Auswärtigen Amt zur Auswertung erbeuteter Akten, nach 1945 Fürsorgerin beim Luther-Bund. Im Nachlass Schmitt liegen vier Briefe und eine Postkarte von 1943–1968 (RW 0265 Nr. 5738–5742), im Nachlass Tommissen ein Brief an Duschka (RW 0579 Nr. 934); Biogr. Hb. A. D. 2, S. 203 f. Der Festakt anlässlich der Befreiung von der französischen Besetzung fand in der Beethovenhalle unter Beteiligung des Reichsministers Wilhelm Marx, des preußischen Kultusministers Carl Heinrich Becker und des Regierungspräsidenten Graf Adelmann statt. Im Anschluss zog man in einem Festzug zur Universität, wo das Denkmal der im Ersten Weltkrieg gefallenen Universitätsangehörigen enthüllt wurde. Ein ausführlicher Bericht mit Redeauszügen in: Bonner Zeitung vom 22. 2. 1926. Otto von Franqué (1867–1937), seit 1912 Professor für Gynäkologie in Bonn, war 1922 / 23 Rektor der Universität, trat von diesem Amt zurück, als die Franzosen mit Schließung der Universität drohten, war aktiv in der DVP; DBE 3, S. 466. Es handelt sich um den Vorsitzenden der Bonner Studentenschaft, cand. iur. Peter Schell. Seine Rede ist in der Bonner Zeitung vom 22. 2. 1926 ausführlich wiedergegeben.
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sen, Ännchen war auch da, ich war müde, um 10 brachte ich Ännchen nach Hause, Peterson begleitete mich, müde zu Bett. Montag, 22. 2. 26 Morgens gut ausgeschlafen aufgestanden, 2 schöne Briefe von Duschka, sehr erfreut darüber, eine Stunde Vorlesung, nachher von Becker begleitet zur Argelanderstraße. Dann mit Göppert bei Schwarz gegessen, nachher ausgeruht, bis 4 Uhr, bei Scharrenbroich Kaffee (das Gegengutachten von Stier-Somlo388 bekommen, nervös und aufgeregt deshalb). 1. Revisionsbogen an Pohl geschickt,389 dann zum evangelischen Hospiz, Fräulein Hasbach abgeholt, Spaziergang zum Venusberg, dann zu Schmitz, dann zum Königshof, leider Vormfelde nicht getroffen, nett unterhalten mit Fräulein Hasbach, um ½ 10 brachte ich sie nach Hause, müde und gleichgültig zu Bett. Konnte nicht schlafen, wieder aufgestanden, erst gegen ½ 4 geschlafen. Dienstag, 23. 2. 26 Todmüde, 9 Uhr aufgestanden, 2 Revisionsbogen der Völkerbundbroschüre, sehr erfreut darüber, schnell an Duschka geschrieben, 2 Stunden Vorlesung, ziemlich müde und gleichgültig, nachher mit Göppert bei Schwarz zu Mittag und schön unterhalten, zu Hause ausgeruht, bis 4 Uhr, dann kam Friesenhahn mit den Korrekturen, ich ging dann allein zu Scharrenbroich, las die Korrekturen und brachte sie zur Post, dann einsam, sehnsüchtig, geil, he rumgelaufen. Bei Schmitz vorbei, wieder zu Hause, Becker kam, Peterson, der mich fragte, ob ich mit nach München reise. Becker brachte ein Buch von Gerber über Geld und Staat,390 ich schrieb an Maritain. Dann zum Essen und zum Vortrag von Martin Spahn391, über Großdeutschland, sehr schön, sehr patriotisch, ein guter Redner. Nachher sprach ich ein paar Worte mit ihm. Mit Göppert zum Hähnchen392, dort ein paar nationale Studenten und Spahn, aber nicht besonders unterhalten, das Gefühl der Kühle und Fremdheit, um 12 mit Göppert nach Hause, sehr nett und freundschaftlich mit ihm unterhalten. Mittwoch, 24. 2. 26 Wieder zu spät auf, in Eile Korrekturen gelesen, Vorlesung vorbereitet, 2 Stunden gelesen, nachher mit Göppert bei Schwarz zum Mittagessen, für Samstagabend verabredet, nach dem
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Zum Gutachten Schmitts über die Wahlordnung für das Saargebiet; vgl. unten, 8.3.26; RW 0265 Nr. 2156, 8103, 8104, 18521; Benoist, S. 90 f. Von der Völkerbund-Schrift, die in der Reihe „Völkerrechtsfragen“ erschien, die Pohl herausgab; s. oben, 24.1.26. Hans Gerber, Geld und Staat. Eine Untersuchung über die Geldverfassung als Problem des Staatsrechtes im Rahmen einer allg. Systematik des Rechtes, Jena 1926. Das Buch hat Schmitt 1954 verkauft. Martin Spahn (1875–1945), Historiker und Politiker, MdR. Die Berufung des 26-jährigen Katholiken auf eine Professur in Straßburg führte 1901 zum „Fall Spahn“. Seit 1920 war Spahn Professor für Geschichte in Köln. Politisch wanderte der deutsch-nationale Katholik vom Zentrum über die DNVP zur NSDAP; NDB 24, S. 613 f.; zum Vortragsthema vgl. Martin Spahn, Großdeutsch, in: Großdeutsche Blätter 2, 1925, S. 171–178. Altdeutsches Bierhaus „Hähnchen“, Bonn, Vivatsgasse 2.
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Essen mit Göppert bei Scharrenbroich Kaffee, Peterson getroffen, der zu Gurian nach Godesberg ging. Dann zu Hause ausgeruht, um 5 Uhr mit den Korrekturen zu Scharrenbroich, Ännchen getroffen, zur Postbank, die aber geschlossen war, Postkarten gekauft, 6–8 Seminar, mit dem Schweden393 für morgen Abend verabredet, nach dem Seminar allein, im Continental gegessen, dann zu Fräulein Elisabeth Rick394, Fräulein Hasbach war da und einige , auch . Ich war müde und gleichgültig, froh, Duschka zur Frau zu haben und nicht diese Hasbach, die schließlich doch eine alte Jungfer ist. Um 10 Uhr müde nach Hause. Donnerstag, 25. 2. 26 Des Nachts besser geschlafen, daher ziemlich munter, aber die Wohnung ist doch unerträglich. Erledigte schnell die Korrekturen der Völkerbundbroschüre, hielt 2 Stunden Vorlesung, dann bei Kieffer gegessen, mit Peterson, der schöne theoretische Entdeckungen gemacht hat (über den „Menschensohn“395), zu Hause ausgeruht bis 4 Uhr, Korrekturen gelesen, Duschka geschrieben, Notizen für die Übungen, alles in größter Eile, keinen Kaffee getrunken, 6–8 Übungen, sehr nett, nachher kam Gurian, dann Herr Westlinden396, der Schwede, wir gingen zu Wiedinger397 und aßen zu Abend, sehr hübsch, der Schwede lud mich ein für den Herbst nach Stockholm und Uppsala. 20 Mark; müde um 11 Uhr zu Hause. Freitag, 26. 2. 26 Um 8 müde auf, dann aber schnell munter, gut, dass ich gestern keinen Kaffee getrunken habe. Um 9 nach Köln, nettes Examen (Daniels398 und Dr. Junge399 kommen), um 1 Uhr Jup telefoniert, Dr. Münch nicht getroffen, man versprach mir aber das Geld für meine Abhandlung.400 Bei Meier am Dom gegessen, Junge kam für eine halbe Stunde, nett unterhalten, er hat viele Arbeiten, um 3 noch etwas herumgelaufen bis ½ 4, dann nach Bonn, ein Mädchen, das mich im Gesicht an Daniels erinnerte. Haare schneiden bei Dotterweich, müde zu Hause ausgeruht, um 6 Uhr kam Frau 401 wegen der Wohnung, ich soll sie am
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s. unten, 25.2.26. Laut Bonner Adressbuch: Elsbeth Rick-Wansleben, Bennauerstr. 42 (gleiche Adresse wie Karl Rick). Tatsächlich handelt es sich nicht um ein „Fräulein“, sondern um die Ehefrau von Karl Rick, geborene Wansleben, mit dem sie drei Kinder hatte; vgl. Margot Pizzini, Familienarchiv und Sammlung Wassermann (Niederdorf), Bozen 2009, S. 6. Peterson sprach in einem Exkurs seiner Lukasvorlesung über den „Menschensohn“ (Peterson, AS 5, S. 354–365). Im Wintersemesters des folgenden Jahres sprach er über „Das Mysterium des Menschensohnes“ (Peterson AS 9 / 1, S. 254–260). Lennart Westlinden (?–?), aus Stockholm, vermutlich Student., s. unten, Adressenverzeichnis, S. 328. Ein Restaurant dieses Namens gab es in Bonn nicht; vielleicht „Wiener Hof“, Bahnhofstr. 10. Wilhelm Daniels (1903–1977), Gerichtsreferendar, wurde 1928 mit „cum laude“ promoviert, war dann Notar und von 1956 bis 1969 Oberbürgermeister von Bonn; DBE 2, S. 494. Möglicherweise Kurt Heinrich Junge, der 1923 in Hamburg mit der Dissertation „Die Grundsätze des Beweisverfahrens in der deutschen Zivilprozessordnung und in den Prozessordnungen der internationalen gemischten Schiedsgerichte des Versailler Vertrages“ zum Dr. iur. promoviert worden war. Carl Schmitt, Die Rheinlande als Objekt internationaler Politik, Köln 1925. Möglicherweise „Bücheler“, Hindenburgstr. 13.
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Mittwoch besehen. Dann müde zur Bahn, Korrekturen an Pohl abgeschickt, in den Postzugkasten geworfen, zu Schmitz, wo ich Eschweiler402 traf und mich für sein Buch bedankte.403 Dann allein zum Essen im Continental, müde um 9 Uhr zu Hause. Grauenhafte Geilheit, nicht zum Aushalten. Gut geschlafen. Samstag, 27. 2. 26 Gut ausgeschlafen, morgens schönen Brief an Duschka geschrieben, behagliches Gefühl der Ferien, um 11 Uhr Institutsvorlesung Dempf404, dann mit Gurian, Becker, Lützeler405 ein paar Schritte. In meinem Institut ist gestern Abend ½ 9 eingebrochen worden, man hat 170 Mark gestohlen, merkwürdig, wahrscheinlich waren es Studenten. Angeblich haben sie auf den Seminardiener Leutz geschossen. Ich aß bei Kieffer, traf dort Peterson, nachher kam der Schwede Westlinden, der aber gleich wieder weg ging. Trank keinen Kaffee. Zu Hause ausgeruht, dann um 5 Uhr zu Schwarz, alles vorbereitet, bei 406 ein Gutachten von mir gekauft (hörte, dass er über 50 Stück verkauft hat), schnell um 8 zu Schwarz, mit Göppert, Peterson, Schmitz einen schönen Abend, guter Wein (Ungsteiner) und Liebfrauenmilch407. Um 11 gingen wir nach Hause. Göppert war lustig und guter Dinge, ich freute mich darüber, heimlich immer mit großer Liebe und großem Stolz an Duschka gedacht, besonders wenn Göppert von der Frau Stresemann oder von der Frau Dohlen als einem „Mäuschen“ sprach.408 Sonntag, 28. 2. 26409 Gut ausgeschlafen, aber nervös, schnell Brief an Duschka, nachdem ich einen wunderschönen Brief von ihr bekommen hatte. Große Liebe und Zärtlichkeit, Sehnsucht. Um ½ 2 zu Konsul Lehmann wegen der Adressen, an die meine Broschüre verschickt werden soll. 402
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Karl Eschweiler (1886–1936), kath. Theologe und Priester, seit 1922 Privatdozent in Bonn, seit 1923 auch Pfarrer in Berkum bei Bonn, 1928 Professor für Systematische Theologie an der Katholischen Akademie in Braunsberg / Ostpr., wo er sich stark für den Nationalsozialismus engagierte und deswegen von seinem Bischof suspendiert wurde. Vgl. Dahlheimer, S. 486–493; Marschler. Karl Eschweiler, Die zwei Wege der neueren Theologie, Georg Hermes – Matth. Jos. Scheeben. Eine krit. Untersuchung des Problems der theologischen Erkenntnis, Augsburg 1926 (von Schmitt 1966 verkauft). Im Bonner Vorlesungsverzeichnis nicht enthalten. Heinrich Lützeler (1902–1988), Philosoph, Kunst- und Literaturhistoriker, in Bonn 1924 promoviert, 1934 habilitiert, von 1946 bis 1970 Professor für Kunstgeschichte und Ästhetik in Bonn, auch politisch im Zentrum aktiv; DBE 6, S. 619; Tilitzki (2002), S. 311. Eine Buchhandlung dieses Namens gab es in Bonn nicht; evtl. der Name eines Buchhändlers. Die in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts als billiger süßer Supermarktwein in Verruf geratene Marke war noch in der 1. Hälfte einer der besten Weißweine Europas. Bevor Heinrich Göppert Professor in Bonn wurde, hatte er eine lange Karriere als höherer Ministerialbeamter bei der preußischen und der Reichsregierung gemacht, wobei er den Außenminister Stresemann „mit seiner schlanken, schwarzen Gattin, die übrigens eine ausgezeichnete Tangotänzerin ist“ (Szatmari, S, 99 f.) kennen gelernt haben dürfte. Käte Stresemann, geb. Kleefeld (1883– 1970). „Dohlen“ nicht ermittelt, vielleicht zu lesen „Dölle“. Auf dem Kopf des Blattes notiert: „Peterson 1. / 3.26, 3. / 3. Gurian “.
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Dann zum Königshof, zum Hotel Reinckens410, dort 411 und den Schweden Westlinden getroffen. Wir aßen zusammen zu Mittag, tranken eine Flasche Moselwein, dann im Königshof, mit Vormfelde für Mittwoch Abend verabredet. Kaffee getrunken, gut unterhalten, aber Peterson langweilte sich, schließlich wurde ihm übel und den Schweden an die Bahn gebracht. Müde nach Hause. Auf dem Sofa geschlafen bis ¼ vor 7. Gut ausgeruht, das tat mir wohl (alles, weil ich keinen Kaffee mehr trinke!), dann eine Karte an Pohl, Beyerhaus kam und sprach über seine Beförderungsaussichten, traurige Geschichte,412 um 8 im Bahnhof ein Butterbrot, darauf zu Schmitz, guter Dinge und nett unterhalten, um 11 wieder zu Hause. Montag, 1. 3. 26 Gut ausgeschlafen, fröhlich, ein paar Studenten kamen wegen des Examens, ein Student aus Düsseldorf, ein netter Burschenschaftler, will über Laski arbeiten. Ging mit ihm zum Institut, sprach mit Friesenhahn, hat an Heimberger geschrieben. Mittags mit Peterson zu Mittag bei Kieffer, dann zu Hause ausgeruht, die Tochter von Bücheler413 kam wegen des Geldes, um ½ 5 auf, Brief geschrieben, der jüdische Student Ascher414 aus Berlin kam, wir machten einen Spaziergang auf den Kreuzberg, wir sprachen über alles Mögliche, er ist ziemlich taktlos, will vielleicht über Art. 153 arbeiten. Müde zu Hause, aber nicht Kaffee getrunken. Etwas aufgeregt, um 8 zum Continental, mit Peterson zu Abend gegessen, gleichgültig, müde, Billett gekauft für morgen, früh wieder zu Hause, Brief an den Vertreter des K geschrieben, dass ich nächste Woche nach Berlin komme, ferner an Singer. Heute Morgen Karte von Sandhagen. Dienstag, 2. 3. 26 Müde um 8 auf, aber schnell munter, um 9.00 mit Göppert und Peterson nach Düsseldorf, die Stadt besehen, die neuen Gebäude, bei gegessen, in dem Cafe 415 Kaffee getrunken, dann noch herumgegangen, schließlich sehr müde, die Frauen wenigstens, ich ging zur 416, traf zufällig Schwarz, ruhte etwas aus, dann noch über die Straße, um 6.38 nach Köln, dort eine Stunde, (Else Schmitz417), um 9 wieder nach Bonn, mit einem Bibliothekar nett unterhalten, erleichtert, ruhig, gleichgültig, erschrocken, weil kein Brief von Duschka da ist; sonst viele Briefe. 410 411 412 413 414
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Cassiusgraben 11. Nicht ermittelt. Gisbert Beyerhaus erhielt erst 1932, also mit 50 Jahren, eine ordentliche Professur (in Breslau). Es handelt sich um die oben (26.2.26) erwähnte Wohnungsvermieterin. Bernhard Ascher (1904–?), wurde 1926 in Bonn mit der Dissertation „Die Rechtsgrundlage des stückelosen Effektenverkehrs“ zum Dr. iur. promoviert. Erstgutachter war Göppert, der „cum laude“ bewertete. Ascher emigrierte später nach Palästina. Im Nachlass liegt ein ausführlicher Brief mit Literaturempfehlungen für Schmitt (RW 0265 Nr. 531). Im Unterschied zu dieser negativen Charakterisierung („ziemlich taktlos“) erscheint er unten (2.8.26, 26.7.29) positiv. Café Gründig, Tonhallenstr. 6. Konnte im Düsseldorfer Adressbuch von 1926 nicht verifiziert werden. Vielleicht Prostituierte (vgl. unten, 29.3.27), vielleicht auch Verwandtschaft von Arnold Schmitz, dessen Eltern in Köln lebten (s. unten, 14.12.27).
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Mittwoch, 3. 3. 26 Morgens wunderbares, behagliches Gefühl, fröhlich und munter angekleidet, 2 wunderschöne Briefe von Duschka, sehr behaglich und munter, aber fast nichts erledigt, keinen Brief und keine Adressen geschrieben. Wohnung von Frau blich besehen. Im Lesesaal der Bibliothek (um 1 traf ich Peterson bei Kieffer, nachher zu Hause und ausgeruht, um ½ 5 nach Godesberg, zu Gurian und seiner Frau. Das Kind gesehen, aber doch einen kaum klein, um 6 wieder nach Hause, zu Hause ein schöner Brief von Singer, über den ich mich freute, abends ½ 9 zu Vormfelde, langweilig, Peterson kam zum Glück, herzlich von ihm verabschiedet. Donnerstag, 4. 3. 26 Um 8 auf, ziemlich munter, ein paar Karten gleich beantwortet, sehr behaglich, um 10 kam Ännchen, wir gingen zusammen zur Post, um Zigarren für den Vater zum Geburtstag abzuschicken. Dann bei der Bank, in der Quästur, zur Bismarckstraße (überflüssigerweise) bei Frau Braschoß wegen des Hauses (der Vermieter kommt morgen oder übermorgen), die Steuerkarte erledigt, im Lesesaal der Bibliothek einen schönen Aufsatz über Parteiwesen, freute mich, dass meine Schrift über den Parlamentarismus so intelligent zitiert wird. Bei Kieffer zu Mittag, dann bei Scharrenbroich Kaffee (seit 1 Woche zum ersten Mal), Gurian und Adams getroffen, nett unterhalten, beide überredet, Bücher zu schreiben, von ihnen heim begleitet, ausgeruht, um ½ 5 wieder auf, müde zum amt, sitze mit Sp, Beckerath und Schumpeter. Langweilig und müde, mit Beckerath nach Godesberg, im Adler418 nett zu Abend gegessen. Sehr schön unterhalten, erinnerte mich oft an Schnitzler, um ½ 1 nach Hause zurück. Fröhlich über die gute Unterhaltung. An Duschka geschrieben. Freitag, 5. 3. 26 Behaglich angekleidet, gefrühstückt, der Vermittler war bei mir, um 11 zum Kurator, über ein Buch in meinem Seminar gesprochen, dann über eine Wohnung und Vorschuss. Froh, das erledigt zu haben. Nachher zum Lesesaal, bei Kieffer gegessen, überlegte, ob ich reisen soll, schrieb an Georg Eisler wegen Geld (aber vorsichtig), nachmittags mit Neuß und Braubach419 am Rhein spazieren. Nachher um 4 sehr müde zu Hause, konnte nicht schlafen, weil im Esszimmer nebenan ein solcher Lärm war, zum Verrücktwerden. Müde auf, kein Kaffee, mit Schmitz etwas spazieren, bei Kieffer zu Abend, müde nach Hause. Samstag, 6. 3. 26 Vormittags zu Hause herumgearbeitet, schönen Brief an Duschka, behagliche Stunde. In der Bibliothek, mittags bei Kieffer. Nachmittags zu Hause ausgeruht. Konnte aber nicht schlafen, um 4 Uhr aufgestanden, in der Stadt herumgelaufen, einiges besorgt. Abends ½ 8 zu Schmitz, bei ihm zu Abend gegessen, müde schon um 9 Uhr nach Hause und bald ins Bett. 418 419
Hotel Zum Adler, Bad Godesberg, Koblenzer Str. 60. Bernhard Braubach (1892–1930), 1919 bereits in Philosophie promoviert, wurde 1923 von Schmitt mit der seltenen Note „ausgezeichnet“ zum Dr. iur. promoviert, obgleich Schmitt ihn nicht mochte (vgl. 19.7.27: der „scheußliche Braubach“). 1928 habilitierte Braubach sich in Philosophie; DBA III 109, 12; TB III, S. 97 und passim; BW Smend, S. 162 f. (dort auch das Gutachten Schmitts).
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Sonntag, 7. 3. 26 Viele schöne Briefe: von Duschka, von Feuchtwanger,420 die Revisionsbögen der Völkerbundbroschüre, behaglich angezogen und sehr fröhlich, ziemlich lange Briefe geschrieben, an Duschka usw. Es wurde 2 Uhr. Aß bei Kieffer, nachher Kaffee bei Schwarz, der mich für 5 Uhr einlud, weil Graf Dohna421 bei ihm ist; ruhte aus und ging hin, nett unterhalten, versprach, an Holstein mein Möglichstes zu tun, um ihn nach Bonn zu bringen,422 nachher begleitete ich ihn zum Poppelsdorfer Schloss. Zu Hause einen Brief an Singer geschrieben und an Bilfinger, dann um ½ 9 bei Schwarz gegessen; um 9 kam Graf , er etwas müde, ich auch, nett unterhalten, um ½ 11 nach Hause. Angeregt durch die Unterhaltung. Montag, 8. 3. 26 Ziemlich gut ausgeruht, behaglich einiges erledigt, will morgen nach Berlin reisen, zu Lehmann wegen der Exemplare,423 um 12 nach Köln, traf Jup um 1 in Kalk, freute mich, dass es ihm gut geht und dass er so sachlich ist. Aß mit ihm bei Deis. Er wird nachher vernommen vom Gericht,424 vor ½ 1 zurück, zufällig kam auch Beckerath in den Wagen, wir unterhielten uns nett, in Bonn etwas besorgt. Im 425 Gurian getroffen, nachher Eschweiler, nett bei Scharrenbroich unterhalten, Haare schneiden lassen, müde um 7 nach Hause, vergebens Brief von Kisky oder Eisler erwartet; schöner Brief von Duschka. Brief aus Saarlouis über mein Gutachten.426 Einen Augenblick Wut über Stier-Somlo, schnell ruhig. Abends Brief an Duschka abgeschickt. Die Besprechung über Marr und Rosenbaum427 an Thoma428, im Bahnhof ein Butterbrot, dann zu Hause, fleißig und dadurch wieder ruhig.
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BW Feuchtwanger, S. 154. Alexander Graf zu Dohna-Schlodien (1876–1944), wurde 1926 als Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie von Heidelberg nach Bonn berufen; Alexander Morell, Alexander Graf zu Dohna, in: Schmoeckel (2004), S. 105–136; vgl. oben, 30.10.25. Schmitt hat sich dann allerdings gegen Holstein ausgesprochen. Betrifft die Völkerbundbroschüre. Vielleicht Zusammenhang mit 20.10.27. Vielleicht Gastwirtschaft Rösler, Argelanderstr. 139. RW 0265 Nr. 18521. Bezieht sich auf: Carl Schmitt, Gutachten zu der Frage der Anwendung der Wahlordnung für das Saargebiet vom 29. April 1920 auf die Gemeinde Saarlouis-Roden, 1925 (Benoist, S. 30 und 90 f.); ein Exemplar des Gutachtens im Historischen Archiv der Stadt Köln; vgl. Mehring (2009), S. 631, Anm. 24. Stier-Somlo schrieb ein Gegengutachten. Der Vorsitzende der Zentrumspartei, Ortsgruppe Saarlouis-Roden, Pfarrer Funk, schrieb deshalb an Schmitt. Der Frankfurter Privatdozent Heinz Marr (1876–1940) hatte Schmitt in einem Vortrag über „Klasse und Partei in der modernen Demokratie“ plagiiert, worüber die Redaktion der Deutschen Literaturzeitung Schmitt am 17. 7. 1925 brieflich informiert hatte (RW 0265 Nr. 11391). Eduard Rosenbaum machte am 26. 2. 1926 (in: Wirtschaftsdienst 11, 1926, S. 280) das Plagiat öffentlich; vgl. auch seinen Brief an Schmitt vom 10. 10. 1925 (Schmittiana NF III, 2016, S. 31). Vgl. BW Feuchtwanger, S. 143 ff.; BW Smend, S. 50; Brief Schmitts an Robert Michels vom 20. 7. 1925, in: Tommissen (1997), S. 87 f. Richard Thoma (1874–1957), Professor für Öffentliches Recht in Heidelberg, 1928 Nachfolger von Schmitt in Bonn; Fabian Sösemann, Richard Thoma, in: Schmoeckel (2004), S. 555–580.
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[Dienstag, 9. 3. 26] Reise zu am Zehnhoff (9. 3), dann zu Eisler. Freitag, 12. [3. 26] Abends Telegramm von Duschka, dass sie eine schwere Lungenblutung hat. Entsetzliche Angst, Aufregung, konnte nicht schlafen.429 Am anderen Tag ruhiger. [Montag,] 22. 3. 26 Bei Bilfinger in Halle, dann zu Hause. [Dienstag,] 30. 3. 26 In Münster, Staatsrechtsvortrag, gleichgültig, schlechtes Referat von Kaufmann,430 Wut über die Pfaffen, die mich schlecht behandeln. Ostern [4. 4. 26] zu Hause, traurig, Angst und Sorge um Duschka. Sie ist nach 431. Oft Wutanfälle. Mai 1926 Schöne Vorlesung Verwaltungsrecht gemacht, im Auditorium maximum. Sonntag nach Ruppichteroth432 zu Duschka. Ende Juni 1926 Nehme Duschka von Ruppichteroth nach Bonn, wohnte ein paar Tage bei mir in der Endenicher Allee und bekam dann Rippenfellentzündung433 und wurde zu Hirsch434 in die medizinische Klinik, später zu Garrè435 in das Johanniter-Hospital436 gebracht. Schreckliche Zeit. Anfang Juli Besuch von Georg Eisler, auf der Hohen Acht437. Musste Eisler um Geld bitten. 429 430
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Vgl. unten, S. 351. Auf der Staatsrechtslehrertagung 1926 in Münster, auf der Schmitt nicht sprach, begann mit den Referaten von Kaufmann und Nawiasky der „Methodenstreit“ der Weimarer Staatsrechtslehre; Kaufmann bekannte sich hier gegen den Positivismus zum Naturrecht, stieß damit aber nicht nur bei Positivisten auf Widerspruch. Vgl. Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 3, 1926; Stolleis, S. 189 ff.; BW Smend, S. 53. Wahrscheinlich zu lesen: „Ruppichteroth“; s. folgenden Eintrag. In dem Luftkurort im Bergischen Land hielt Duschka sich wegen ihrer Tuberkulose auf; vgl. TB III, S. 353 ff. Tatsächlich Lungentuberkulose, an der Duschka seit 1924 litt. Karl Hirsch (1870–1930), Internist, Direktor der medizinischen Klinik, Theaterstr. 5, Geheimrat und Professor an der Universität; DBE 4, S. 876. Carl Garrè (1857–1928), Oberarzt am Johannes-Hospital, Kölnstr. 54, Professor für Chirurgie an der Universität Bonn, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie; NDB 6, S. 73 f.; vgl. den Nachruf in: Chronik 54 (N.F. 43), 1927 / 28, S. 10–15. Evangelisches Johanniter-Krankenhaus in der Johanniterstr. Laut Bonner Adressbuch von 1926 war Carl Garrè nicht hier tätig, sondern am Johannes-Hospital in der Kölnstr. 54. Höchster Berg der Eifel mit Aussichtsturm, in der Nähe von Adenau.
März – August 1926
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Dienstag, 27. 7. 26 Abends bei Göppert, zu lange, zuviel getrunken. Scheußlich. Mittwoch, 28. 7. 26 Heftige Kopfschmerzen. In großer Eile Vorlesung über Verwaltungsrecht, oft traurig und wütend, nachmittags Examen, eine Stunde angefügt, dann zu Duschka. Traurig, geweint, wütend über den Lärm. Donnerstag, 29. 7. 26 Mietvertrag unterschrieben bei Mendel438. Mittags nach dem Essen mit Vormfelde und Peterson im Auto bei dem schönen Haus vorbei.439 In Godesberg Kaffee, Deutschkirche440. Abends Übungen. Freitag, 30. 7. 26 Letzte Vorlesung, sehr erleichtert, nachmittags Examen. Samstag, 31. 7. 26 In Köln Referendarexamen, mit Jup bei Deis, mit ihm im Auto (und Fräulein 441) nach Bonn. Zeigte ihm meine neue Wohnung. Sonntag, 1. 8. 26 Aufgeräumt, Briefe geschrieben, mittags mit Peterson bei Schmitz gegessen. Nachmittags zu Duschka, abends frühzeitig zu Hause. Montag, 2. 8. 26 Morgens ausgeschlafen (gestern keinen Kaffee), bei Franck Besuch, schauderhaft, behaglich gefrühstückt, aber . Der Morgen war verdorben, dann Bücher zur Bibliothek, mit Segalowitsch442 über Disraeli unterhalten, 3 Stunden auf Geheimrat Garrè gewartet, um ihn wegen Duschka zu fragen, dann todmüde um 2 allein bei Kieffer gegessen, zu Hause im Bett ausgeruht. Um 4 holte mich der Student Ascher aus Berlin ab, erzählte nett, ich habe ihn gern, merkwürdig, wie ich immer da mit Juden zusammengeführt werde. Wir aßen bei Rit-
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Der Vermieter des Hauses in Friesdorf war der Bonner Kaufmann Theodor Mendel, Inhaber eines Modehauses in der Neutorstr. 5. Schmitt bezog zum 1. September ein Haus in Bad Godesberg-Friesdorf, Bonner Str. 211. Das Haus hatte Mendel 1923 gebaut, 1934 verkaufte er es an den Bonner Kaufmann Hans Riegel. Es befindet sich heute im Eigentum der Friedrich-Ebert-Stiftung und hat die Adresse Godesberger Allee 155 (frdl. Auskunft von Tim Glander, Stadtarchiv Bonn). An Smend schreibt Schmitt am 25. 9. 1926: „Ich wohne jetzt in Friesdorf. Das Land ist so schön wie ein Bild von Claude Lorrain.“ BW Smend, S. 57; vgl. auch BW Feuchtwanger, S. 184. Nicht ermittelt. Nicht ermittelt. Boris Segalowitsch (1899–1944), Historiker, wurde 1927 in Bonn mit der Arbeit „Benjamin Disraelis Orientalismus“ promoviert, wo er im Vorwort Schmitt als einen seiner Lehrer nennt, starb im Konzentrationslager Dachau; vgl. TB V, S. 14.
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tershaus443 Eis. Dann zum Krankenhaus. Erst traurig und wütend wegen der vielen Ausgaben, bedrückt und verzweifelt, allmählich getröstet und gestaunt über die Klugheit und Güte von Duschka. Sie sagte mir, meine Traurigkeit beruhe nur auf meinem Stolz und meinem Hochmut. Als ich damals das viele Geld fürs Gutachten über die Fürsten verdiente, habe sie sich gleich gesagt, dass kein Segen darauf sei. Ich war gerührt und ging ruhig nach Hause. Bei Kieffer zu Abend, dann zu Hause, ruhig, gefasst, aber Kopfschmerzen und nervös. Dienstag, 3. 8. 26 Wieder gut ausgeschlafen, guter Dinge (weil mir Richard Schmidt444 einen Abdruck geschickt hatte), Papiere geordnet, unternehmend, dachte wieder daran, das Lehrbuch des Völkerrechts zu schreiben,445 um 11 Brief von , sehr froh darüber, zur Bibliothek, mit Peterson bei Kieffer, dann bei Rittershaus, aber keinen Kaffee (schon seit Freitag nicht), zu Hause im Bett ausgeruht, nachmittags Spaziergang mit Weber446 (über Besitz, Askese gesprochen) auf den Kreuzberg, um 6 zu Duschka, sie will nicht nach Badenweiler reisen, um 7 kam Jup, um ½ 8 Peterson, Jup fuhr ihn (und 2 Leute, die er bei sich hatte) zur Stadt hinein, ich kam zu Fuß nach, wir unterhielten uns nett, aber etwas langweilig, ich erkältete mich, müde um ½ 10 zu Hause und gleich zu Bett. Schrieb aber noch vorher nach Badenweiler. Mittwoch, 4. 8. 26 Morgens wieder behaglich (aber etwas erkältet) zu Hause, Feriengefühl, schrieb an Richard Schmidt, dann zu Kaufmann (hörte, dass Frau Schumpeter gestorben ist447), nett mit ihm gesprochen, trotz seiner Trostlosigkeit, übernehme einen Vortrag über Garantie und Sank 443 444
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Hof-Conditorei und Café C. Rittershaus, Bonn, Kaiserstr. 1 d. Richard Schmidt (1862–1944), Professor für Strafrecht, Staatsrecht und Zivilprozessrecht in Leipzig; NDB 23, S. 214 f. Bei dem erwähnten „Abdruck“ handelt es sich möglicherweise um einen Sonderdruck von: Richard Schmidt, Verfassungsbau und Weltreichsbildung, in: Gedenkschrift für Ludwig Mitteis, Leipzig 1926, S. 139–223. Schmitt hat ihn in seinem Dankesbrief offenbar gebeten, auch an Peterson einen Sonderdruck zu schicken; vgl. RW 0265 Nr. 12607. Bei der Berufung Schmitts an die Handelshochschule Berlin, gab Schmidt ein Gutachten ab; vgl. Tilitzki (1994), S. 171. Am selben Tag schrieb Schmitt an Feuchtwanger: „Jetzt beeile ich mich, […] Ihnen mitzuteilen, daß ich ein Lehrbuch des Völkerrechts, etwa 20 Bogen, am 1. Mai 1927 abliefern möchte.“ Zugleich sagt er, dass er deswegen bereits mit dem Verlag Stilke verhandele. Daraufhin schickt Feuchtwanger umgehend einen Vertragsentwurf mit einer Honorargestaltung, auf die Schmitt sich aber offenbar nicht einlässt und Feuchtwanger zur Nachbesserung nötigt (ein entsprechendes Schreiben Feuchtwangers ist nicht überliefert). Im Vertragsentwurf ist „Lehrbuch des Völkerrechts“ später handschriftlich geändert in: „Verfassungslehre“. Vgl. BW Feuchtwanger, S. 166 ff. Werner Weber (1904–1976), Schüler Schmitts, der ihn 1928 mit „summa cum laude“ promovierte, 1930 Assistent Schmitts an der Handelshochschule Berlin, 1931 Berufung ins preußische und Reichskultusministerium, 1935 Professor für Öffentliches Recht als Nachfolger Schmitts an der Handelshochschule, 1942 in Leipzig, 1949 in Göttingen, dort von 1956 bis 1958 Rektor; Christian Starck, Würdigung – Erinnerung an Werner Weber (geb. 1904), in: Die Öffentliche Verwaltung 57, 2004, S. 996–1000; Tilitzki (1994), S. 184; DBE 10, S. 447. Annie Schumpeter starb am 3. 8. 1926 bei der Geburt ihres ersten Kindes, das ebenfalls verstarb.
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tionen.448 Dann zur Quästur, hörte, dass ich 2800 Mark bekomme und war sehr froh darüber. Mit Peterson bei Kieffer, dann wollten wir zu Rittershaus gehen, kehrten aber wieder um, weil er eine grünweiße Flagge (die Separatistenflagge449) hat; dabei sah ich Mendel, meinen Vermieter, erschrak, weil ich fürchtete, er würde es bereuen, mir sein Haus vermacht zu haben, wenn er mich in einem schlechten Anzug sieht und Peterson in einem ganz unmög lichen.450 Dummer Effekt. Wir gingen in ein Kaffee, ich trank wieder nicht Kaffee, dann zu Hause geschlafen, Zeitung gelesen, um ½ 5 zu Schmitz, dann zu Duschka, wo ich Frau Braschoß traf, nett unterhalten, etwas müde und gleichgültig, Gefühl der schrecklichen Belastung, um 7 weggegangen, bei Kieffer zu Abend, traf Eschweiler und nett mit ihm gesprochen, aber innerlich fremd und gleichgültig, dann noch bei Frau Schmitz, die für Duschka ein Kleid kaufen soll, müde um 9 nach Hause. Zu Bett, eingeschlafen, dann wieder wach, weil Francks vom Theater nach Hause kamen. Scheußlich. Donnertag, 5. 8. 26 Gut geschlafen bis 8 Uhr, keine Post, behaglich gefrühstückt, (scheußlich nebenan das Frühstück von Francks, nicht zum Aushalten), Brief an Onkel Babi´c451 und an Georg Eisler geschrieben, aufgeregt, unternehmend, zur Post, zum Bahnhof (wegen der Fahrt von Duschka), Peterson beim Essen nicht getroffen, nach Hause, auf dem Sofa ausgeruht. Gelesen, ziemlich fleißig, um ½ 5 bei Scharrenbroich eine Tasse Schokolade (seit einer Woche keinen Kaffee), dann zu Duschka, wo Frau Braschoß und Frau Schmitz mit Einkaufen beschäftigt waren. Nachher allein bei Duschka, die freundlich und liebevoll war. Ich hatte sie lieb, aber ich bin meine Angst nicht los. Ein schauderhafter Zustand. Sah die Rote-FrontKämpfer bei einer Demonstration. Bei Kieffer zu Abend, dann mit Adams unterhalten, bei Neuß vorbei, den ich aber glücklicherweise nicht traf. Der Telegrammbote brachte mir eine Depesche von Badenweiler, ich telegrafierte zurück (weil kein Zimmer frei), dann zu Hause, einsam, ruhig, weltfremd; in Erwartung der neuen Wohnung. Freitag, 6. 8. 26 Gut geschlafen, schon um 7 Uhr auf, fleißig, aufgeräumt, Notizen über Völkerrecht gemacht, ziemlich hoffnungsvoll und unternehmend, keine Post, um 11 Einladung zur Leibnizgesellschaft452, dann bei Mendel vorbei (wegen des Dienstmädchens), aber nicht getroffen, an den Vater von Duschka ein Bild unseres neuen Häuschens geschickt, zur Bibliothek, im Institut Kaufmann getroffen, freundlich unterhalten (obwohl er mir widerlich ist mit 448 449
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Nicht ermittelt. Grün-weiß-rote Flagge der „Rheinischen Republik“, die 1923 ihre Unabhängigkeit erklären wollte, tatsächlich aber die enge Anlehnung an Frankreich anstrebte. Während die deutsche Beflaggung verboten war, hat die Besatzungsmacht die separatistische geduldet. Die separatistische Bewegung blieb aber eine Minderheit. Peterson hatte – darin noch ausgeprägter als Carl Schmitt – nach dem Zeugnis vieler Bekannter stark bohémienhafte Züge; vgl. Nichtweiß (1992), S. 242–244. Möglicherweise ein Onkel von Duschka. Die heutige Leibniz-Gesellschaft wurde erst nach 1945 gegründet. Es gab aber schon früher eine Gesellschaft dieses Namens, die eine Schriftenreihe mit dem Titel „Leibniz-Archiv“ herausgab, wovon 1930 drei Nummern im Verlag Reichl, Darmstadt, erschienen.
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seiner Taktlosigkeit und Unverschämtheit), für heute Abend verabredet, bei Kieffer mit Peterson, Gurian kam aus Sachsen und erzählte von katholischen Akademikerverbänden, erwähnte auch, dass ein Jurist erzählt habe, er stehe inzwischen sehr schlecht mit dem Kultusministerium. Bedrückt und traurig. Dann bei Rittershaus Kuchen gegessen (keinen Kaffee), zu Hause im Bett, um 4 aufgestanden, zu Duschka, der es wieder schlechter geht, schauderhaft bedrückt, traurig, armes Kind. Bei Mendel wegen des , dann zu Ehrhard453, der sich für meinen Prozess interessieren wollte. Ich war aber gleichgültig und bin froh, mit diesen Kirchen nichts zu tun zu haben. Ehrhard ist ein rührender, großartiger Mann. Dann bei Kieffer zu Abend gegessen, Gurian und Adams kamen auch, traurig, bedrückt, fühlte mich verhöhnt, bei Kaufmann vorbei (der oben Licht hatte), hörte aber, dass er mir abgeschrieben hat. Alles das deprimierte mich. Traurig, einsam zu Hause, Juristische Wochenschrift gelesen, Angst vor der großen Arbeit über Völkerrecht, Angst wegen Duschka, Telegramm aus Badenweiler, dass vorläufig kein Zimmer frei, schauderhaft. Samstag, 7. 8. 26 Bis 9 im Bett, sehr behaglich, aufgeregt, unternehmend, guter Dinge, weil keine Rechnung kam. Der Student Saika trug seine Arbeit vor, Bücher zur Bibliothek (Werner454 half mir tragen). Dann zu Hirsch, der nett mit mir sprach und meinte, Duschka sollte nicht reisen. Mittags mit Peterson, nachher bei Rittershaus, zu Hause ausgeruht, zu Duschka, man packte schon ein, abends bei Kieffer gegessen, dann zu Frau Schmitz, wo ich hörte, dass die Schwester455 sich weigert, mit nach Badenweiler zu fahren, weil Duschka zu krank sei. Scheußlich, elend, erbärmlich; von Peterson begleitet nach Hause. Trauriges Dasein. Zum Glück gleich eingeschlafen. Sonntag, 8. 8. 26 Um ½ 8 auf, nach München-Gladbach, Lamberts getroffen, das stärkte und tröstete mich, nett unterhalten, , abends Dr. Hohn456 vom Volksverein da, sehr nett, gerührt von der Freundin von Lamberts. In einem Hotel übernachtet, geil, gierig, scheußlich, aber gut geschlafen. Montag, 9. 8. 26457 Um 7 auf, guter Dinge, herrliche Luft, Lust am Reisen, nach Köln (im Regen), dann nach Bonn, wo ich um 11 ankam. Ein rührender Brief von Blei. Zu Duschka, wollte mit ihr nach Badenweiler, sah aber, dass es nicht ging, also soll sie morgen zum Johanniter-Krankenhaus. 453
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Albert Ehrhard (1862–1940), kath. Priester, Professor für Kirchengeschichte in Bonn, war zwischen 1903 und 1918 Professor in Straßburg, wo Schmitt ihn vielleicht schon kannte, seit 1920 Professor in Bonn, hatte als Modernist Schwierigkeiten mit der Kirche; NDB 4, S. 357; DBE 2, S. 562 f.; Berning / Maier, S. 44–46 und passim; Weiß, S. 31–34; vgl. TB III, S. 80 (mit falschen Daten). Entweder Werner Becker oder Werner Weber. Krankenschwester. Wilhelm Hohn (1871–1954), Priester, Generaldirektor des „Volksverein für das katholische Deutschland“, einer 1890 gegründeten Organisation gegen den Einfluss der Sozialdemokratie in der katholischen Arbeiterschaft; Berning / Maier, S. 110; DBA II 607, 313–317; III 410, 430. Auf dem Kopf des Blattes der Handschrift notiert: „Hamburg 14. 8.“
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Herumgelaufen, telefoniert; zu Frau Schmitz, aber alles sehr energisch und entscheidend, sodass ich alles in Ordnung brachte. Dann mit Peterson gegessen, nach dem Essen bei Rittershaus, gab der einen . Also die Anknüpfung.458 Nimm dich in Acht. Zu Hause ausgeruht. Um ½ 5 kam Frau Braschoß, dann zum Krankenhaus, traurig, bedrückt. Traf Peterson, mit ihm bei Kieffer zu Abend. Gurian und Adams kamen auch noch; zu Schmitz, müde und traurig. Lützeler ein armer ressentimentgeladener Krüppel.459 Müde und verzweifelt zu Hause. Dienstag, 10. 8. 26 Etwas gearbeitet, Briefe geschrieben, Rechnungen, scheußlich, zur Bank, zum Krankenhaus, schlechter Laune. Endlich der Transport nach Dottendorf460, zeigte Duschka unser schönes Haus. Sprach mit dem Arzt Bohland461, deprimiert, wütend geflucht, es ist nicht zum Aushalten. Diese Frau wird mich töten. Traurig nach Hause, bei Kieffer gegessen, ausgeruht, Dr. Hamacher kam, freute mich darüber, Sehnsucht zum Arbeiten, einsam, betrübt. Zum Glück ein Brief von Eisler. Meine Schuld an wurde von einem Gläubiger gepfändet. Scheußlich, obwohl es mir doch gleich sein kann. Arbeitete noch etwas, wartete vergebens auf Peterson, aß bei Kieffer zu Abend, sah Fräulein Lizki, sprach mit ihr in der Rheinuferbahn, wir gingen zum Stadtgarten462 und hörten die Musik, begleitete sie um 11 nach Hause. Wie seltsam. Mittwoch, 11. 8. 26 Etwas müde, aber gehoben durch den Erfolg. Vormittags aufgeräumt, ein paar Briefe geschrieben, Peterson kam, traf ihn wieder um 12 an der Bahn (wäre beinahe mit ihm nach Köln gefahren), er bedauerte mich wegen der hohen Arztrechnungen, die ich bekam. Scheußlich. Zur Bank, Geld geholt, bei Kieffer zu Mittag, nicht zu Rittershaus, zu Hause ausgeruht, dann zu Duschka nach Dottendorf, traf Frau Braschoß. Es ging besser, ich hatte wieder Hoffnung. Es ist aber alles traurig und deprimierend. Abends zu Schmitz, lud beide ein. Wir aßen im Bürgerverein, sehr nett, dann noch zu Frau Braschoß, ein Mädchen engagiert.463 Müde nach Hause, sofort eingeschlafen.
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Es handelt sich um eine Person, die in den folgenden Tagen als „Fräulein Lizki“ und dann als „Magda“ erscheint. Sie wurde Schmitts Geliebte und blieb es bis zu seinem Weggang nach Berlin. Offenbar war sie zu diesem Zeitpunkt Serviererin im Café Rittershaus, später Verkäuferin im Damenmoden-Haus Wittgensteiner (vgl. unten, 17.9.26). Heinrich Lützeler litt unter einer Rückgratverkrümmung. Im Johanniter-Krankenhaus in Bonn-Dottendorf wurde Duschka wegen ihrer Tuberkulose behandelt. Karl Bohland (1861–?), Leiter der Inneren Abeilung des Johanniter-Krankenhauses in Bonn und a. o. Professor an der Universität; behandelnder Arzt von Duschka; DBA I 121, 418; II 149, 356; III 93, 429. Restaurant am Rhein, neben dem Alten Zoll. Dienstmädchen für das neue Haus in Friesdorf.
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Donnerstag, 12. 8. 26 Gut ausgeschlafen, herumgearbeitet. Dachte viel an mein Lehrbuch des Völkerrechts. Oft unternehmend, oft zitternd vor Geldsorgen und Nervosität; ein elender Zustand. Nach dem Essen wieder nicht zum Kaffee, ausgeruht, nach Dottendorf. Ziemlich traurig und bedrückt, arme Duschka, allmählich wurde mir aber besser (nachdem wir viel geweint hatten), ich fuhr dann unternehmend zurück, immer nur Völkerrechtsliteratur lesend, schleppte den Koffer nach Hause, schnell zurück, um Fräulein Lizki zu sehen, traf sie an der Rheinuferbahn, wohin sie gegangen war, um mich zu sehen, schöne Geschichte, wir fuhren mit Eisenbahn nach Köln, gingen über die Straße, dann ins Café Fürstenhof, dann mit der Eisenbahn zurück, sehr schön, große Befreiung, dabei führt es zu nichts. Begleitete sie zur Goethestraße, stolz über den Erfolg, welche Erlösung. Freitag, 13. 8. 26 Bis 9 Uhr im Bett, Brief von Onkel Babi´c, herumgelesen, zum Institut, Notizen gemacht, nach dem Essen (für mich allein) Haare schneiden, dann zu Rittershaus, sehr nett mit Lizki unterhalten, dann zu Hause ausgeruht, nach Dottendorf, wie traurig, arme, liebe Duschka, sie hat immer Angst zu sterben, doch sagt der Arzt, es ginge ihr besser. Oft erschrak ich vor ihrem Serbentum. Das ist doch die wahre Natur. Ich durchschaue jetzt alles. Sie liebt mich als ihren Schützer. Grauenhafte Geldausgaben. Immer neue Rechnungen, zum Verzweifeln. Abends um 7 zurück, traf noch einmal an der Rheinuferbahn Lizki, sie war nett und freundlich, um nach Hause, eingepackt, an Duschka geschrieben, todmüde. Samstag, 14. 8. 26 Nachts grauenhafte Gier und Geilheit, Ejakulation. Zu spät auf, zum Finanzamt, Vorauszahlung der Umsatzsteuer. Scheußlich, wütend, Anfall, aber schnell erholt. Im letzten Moment zur Rheinuferbahn, noch Gleiswagen, in Köln 10.43 nach Hamburg, 3. Klasse, überfüllter Zug, schrecklich, dumm, stumpfsinnige Fahrt, ½ 7 in Hamburg, Eisler ist an der Bahn, sehr froh, bei ihm zu sein, wir fuhren nach Blankenese in seine wunderschöne Wohnung im Baurs-Park, herrlicher Blick auf die Elbe mit ihren großen Schiffen. Abends Besuch bei Eisler, weil er Geburtstag hatte. Wunderschöne Händel-Arien gesungen, die alte Frau Eisler gefiel mir sehr gut. Um ½ 12 munter ins Bett, großartig geschlafen, Jud Süß von Feuchtwanger gelesen.464 Sonntag, 15. 8. 26 Gut ausgeschlafen, herrlich gefrühstückt auf der Terrasse, nachher in der Elbe gebadet und geschwommen, wundervoll. Aber nachher ziemlich kühl. Dann Mittagessen zu Hause, nachher bis 5 geschlafen, schöner Kaffee, durch den Park zu Frau Eisler und der Mutter von Käthe Eisler; guter Dinge, munter, tief traurig wegen Duschka (mein Leben ist verpfuscht). Geil, Gier nach dem Leben, traurig, bedrückt, grässlich, dann wieder frech unternehmend. Das Kind von Eisler ist sehr groß und ist gesund, es fing inzwischen an zu schreien. Abends zu Hause gegessen, schön unterhalten, um ½ 10 schon zu Bett.
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Der Roman „Jud Süß“ von Lion Feuchtwanger, dem Bruder von Ludwig Feuchtwanger, erschien erstmals 1925 und erlebte zahlreiche Auflagen.
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Montag, 16. 8. 26 Morgens Brief von Duschka, das arme Kind kann kaum schreiben, traurig, bedrückt, meiner elenden Lage wieder bewusst. Für mich spazieren durch Blankenese, dann allein im Haus, ein paar Briefe geschrieben, es ist ruhig, aber etwas kalt; benommen, etwas erkältet. Mittags spät gegessen, nachher geschlafen bis 5, Eisler kam, wir gingen baden, schwomm etwas, es war sehr schön, abends wunderschön in Blankenese gegessen, getrunken, großartig geschlafen die ganze Nacht. Dienstag, 17. 8. 26465 Gut ausgeschlafen, zu Frau Ida Eisler466, mit ihr und ihrem Bruder Emil467 im Hirschpark spazieren, sehr nett unterhalten, um 12 zurück. Um ½ 2 mit Frau Eisler gegessen. Nach dem Essen um 3 mit Frau Eisler in die Stadt. Wir fuhren dann nach Bergedorf, um das Geburtshaus von Johann Adolf Hasse zu sehen,468 dann in den Sachsenwald, Grab von Bismarck, schrecklich, kalt. Ging spazieren, einen Baumstumpf auszureißen. Nach einer anstrengenden Fahrt um ½ 9 zu Hause, müde zu Bett, las Nietzsche. Mittwoch, 18. 8. 26 Nachts entsetzliche Herzkrämpfe, schauerliche Angst, um 2 aufgestanden. Zitternd morgens um 8 auf, etwas beruhigt, als ich das schöne Land sah. Kein Brief von Duschka, allmählich wird mir diese Sorge zu viel, grauenhafter Zustand. Mit Eisler in die Stadt, Rosenbaum und Singer nicht getroffen, im Alsterpavillon eine Tasse Schokolade, herumgeschaut, müde herumgelaufen, es ist sehr schwül, etwas gekauft, viel Geld ausgegeben. Um 1 Eisler abgeholt, wir aßen zu Mittag und fuhren mit Auto nach Blankenese, dort ausgeruht, um 5 Kaffee, den ganzen Abend herumgelegen, erzählt, philosophiert (der Begriff des Lebens), Gefühl der Einsamkeit, Verkommenheit, Verworfenheit. Grauenhafter Zustand. Donnerstag, 19. 8. 26 Etwas besser geschlafen, etwas ruhiger, immer Angst vor diesen Herzanfällen; ruhig für mich allein den ganzen Vormittag. Besprechung Anschütz geschrieben;469 Einsamkeit, Brief an Duschka, Elend und Sorge, Geldnot, zum Verzweifeln. Diese Frau wird mich töten, aus Liebe natürlich. Las bei Nietzsche, dass die Liebe nicht rettet, sondern verdirbt und verrät.
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Auf dem Kopf dieses Blattes der Handschrift notiert: „26. 8. Hänels bei Eisler (während Duschka todkrank im Krankenhaus liegt und wir in die neue Wohnung umgezogen!! Unvorstellbar, wenn ich es heute lese (Ostern 1979).“ Mutter von Georg Eisler; s. Mehring, Eisler. Emil Eysler (1874–?), Kaufmann, trat 1901 aus dem Judentum aus; vgl. Anna L. Staudacher, „… meldet den Austritt aus dem mosaischen Glauben.“ 18 000 Austritte aus dem Judentum in Wien 1848–1914: Namen-Quellen-Daten, Frankfurt [u. a.] 2009, S. 123. Im Haus Johann-Adolf-Hasse-Platz 1 wurde der spätbarocke Komponist Johann Adolf Hasse (1699–1783) geboren; Wolfgang Hochstein, Johann Adolf Hasse. Eine biographische Skizze, Hamburg 1989. Besprechung Schmitts von: Gerhard Anschütz, Die Verfassung des deutschen Reiches vom 11. August 1919, in: Juristische Wochenschrift LV / 19, 1926, S. 2270–2272; wiederabgedr. in: Schmittiana NF I, 2011, S. 17–23.
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Mittags mit Frau [Käthe] Eisler zur Stadt, nett unterhalten über Kant, über den Begriff der Unendlichkeit. Mit ihr und Georg Eisler bei Fick470 zu Mittag, sehr nett unterhalten und gelacht (der glückhafte Schiffer als Hochzeitsgeschenk471). Mit Frau Eisler zu Dr. einem . Ich war ziemlich müde und gleichgültig. Er sprach über geheime Gesellschaften. Dann zu der Großmutter von Frau Eisler, unheimliche Jüdin von 90 Jahren, klug und diesseitig. Dann zu Georg zurück, wir fuhren nach Hause, aßen zu Abend, tranken Bier, Eisler wurde von einem Schweden massiert. Ich ging um 10 todmüde zu Bett. Freitag, 20. 8. 26 Des Nachts wach, immer diese schauerlichen Vorstellungen, scheußlich, das Gefühl widerlichen Betrogenseins, Angst vor meiner Schuld, Geldsorgen, fluchend und verzweifelt aufgestanden. Kein Brief. Bis 10 Uhr im Bett. Elendes Dasein. Begleitete die alte Frau Eisler in einen hübschen Park, zur Post, Blumen gekauft, an Duschka geschrieben, am Zehnhoff, die Besprechung gebracht, herumgelungert, schauerlich. Samstag, 21. 8. 26 Morgens mit Eisler zum Geschäft, Besprechung diktiert,472 1 ½ Stunden, sehr fröhlich deshalb, fröhlich an Duschka geschrieben, mit Eisler und seiner Frau im Englischen Hotel473 zu Mittag gegessen, dann nach Hause, ausgeruht, schöner Nachmittag und Abend. Mit dem Schiff auf der Elbe gefahren (immer an Illyrien gedacht), großartig geschlafen die ganze Nacht. Sonntag, 22. 8. 26 Wunderschöner Vormittag, herrlicher Spaziergang an der Elbe im Wind, in Blankenese, nach dem Essen gut ausgeruht, behaglich für mich eine Stunde, abends mit MüllerHartmann474 und einigen Musikern, die eine Georg Eisler gewidmete Sonate spielten. Angeregt um ½ 12 ins Bett, konnte natürlich nicht einschlafen. Montag, 23. 8. 26 Vormittags Frau [Ida] Eisler im Hirschpark besucht, nett unterhalten, dann mittags zu Hause, mit der Mutter von Frau Eisler, , mit Käthe Eisler und Frau in die Stadt, 4-Jahres-Zeiten gegessen,475 dann Müller-Hartmann getroffen, mit ihm Kaffee im Esplanade-Hotel,476 bis 7 Uhr, durch die Straßen gelaufen, wunderschöne Frauen, schauerliche
470 471
472 473 474
475 476
Hotel Fick, Hamburg, Am Fischmarkt. Möglicherweise: Johannes Fischart, Das Glückhafft Schiff von Zürich, wovon 1926 ein FaksimileDruck der Erstausgabe von 1576 erschien. s. oben, 19.8.26. Hotel d’Angleterre, Große Bleichen 52. Robert Müller-Hartmann (1884–1950), Komponist, Musikwissenschaftler und -pädagoge, Dozent für Harmonie- und Kompositionslehre an der Universität Hamburg, als Jude 1933 entlassen, 1937 Emigration nach England; Die Musik in Geschichte und Gegenwart 9, Kassel u. a. 1961, Sp. 873 f. Hotel Vier Jahreszeiten, Neuer Jungfernstieg 9–14. Stephansplatz 10.
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Gier, abends zu Hause den russischen Juden mit seiner schottisch aussehenden Frau, Widerwille und Ekel, plötzlich sah ich einen Brief von der Schwester Johanna. Sie schrieb mir, dass es Duschka sehr schlimm gehe und dass sie es mir verschweigt; Angst, gezittert, traurig zu Bett, wieder fühle ich die Herzgeschichte. Dienstag, 24. 8. 26 Zitternd auf, der gute Georg Eisler, telefonierte an Jup nach Kalk, der mir sagte, es sei schlimm, Eiterungen usw. Gleichzeitig kam ein rührender, freundlicher Brief von Duschka. Mittags in die Benedictstraße, mit Georg Eisler zum Friedhof nach Ohlsdorf, sah das schöne Grab Heinrich Eislers,477 in der Benedictstraße gegessen und geschlafen, hörte, dass die Doroti´c meine Liebesbriefe vorgelesen und hat, der alte Eisler mich daraufhin für einen unzuverlässigen Menschen hielt. Scham, Wut, Angst vor meinem jetzigen Zustand. Um ½ 5 mit dem Wagen in die Stadt, herrliches Wetter, schöne Frauen, Sehnsucht, grauenhafte Gier. Wie traurig alles das. Dann mit Eisler nach Blankenese gefahren, nett mit ihm zu Abend gegessen, 478 getrunken, etwa vierhundert gezahlt, konnte nicht einschlafen. Die Sache gelesen, Angst vor meiner Unfähigkeit zu gründlicher Arbeit. Mittwoch, 25. 8. 26 Mit Eisler morgens in die Stadt gefahren, fühlte mich sicher bei ihm, aber trotzdem immer die Angst und Wut über meinen erbärmlichen Zustand, Schulden, kranke Frau etc. In der Stadt die Sache , dann bei ihm Bertram getroffen und mit ihm bei Ehmke479 gegessen (schöne Mädchen), dann kam Eisler. Wir fuhren mit dem Schiff vom Hafen nach Blankenese, sehr schön, waren aber beide müde. Dann suchten wir am Strand Frau Eisler, verabschiedet mittags im Hirschpark von den alten und dem . Zu Abend gegessen, müde, nett unterhalten (über am Zehnhoff und den Justizrat Floeth480). Am ½ 10 schon zu Bett. Habe Post bekommen, zum Glück keine Rechnungen (ob Duschka dem Schmitz das gesagt hat?). Netter Brief von Krause, Richard Schmidt481 usw. Donnerstag, 26. 8. 26 Früh wach, ziemlich gut ausgeschlafen. Um ½ 7 aufgestanden, hörte morgens einen Specht singen (während ich sonst seit Wochen einen Raben krächzen hörte; , führte mein Tagebuch weiter, dachte nach, will die Sache noch kurz beenden. Bekam gute Nachrichten über Duschka von Frau Dr. Schmitz. Daher wieder fröhlich und guter Dinge. Zu Frau [Ida] Eisler, von der ich mich herzlich verabschiedete, nachher mit Käthe Eisler in die Stadt. Traf Georg, diktierte einen Schriftsatz, wir gingen zusammen zur Bahn, sehr nett, wie 2 gute Freunde, ich habe ihn sehr lieb. Dann nach Berlin gefahren, eine ziemlich ermüdende Reise,
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Abbildung in: Mehring, Eisler, hintere Umschlagklappe. österr. Wein aus dem Weinviertel. Restaurant Ehmke, Gänsemarkt 50. Peter Floeth (1859–1938), Anwalt und SPD-Stadtverordneter in Krefeld, ein alter Freund Hugo am Zehnhoffs; vgl. TB I, passim. RW 0265 Nr. 12607.
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in Berlin am Zehnhoff, den Baron Schell-Vittinghoff482, Fräulein Schneider483, nett unterhalten, bewunderte meine neue Wohnung. Abends bei Abendessen viel getrunken, Witze erzählt, kurz guter Dinge. Freitag, 27. 8. 26484 Lange geschlafen, Kopfschmerzen, zum Weinen, Palyi485 ruft an, mit ihm für den Mittag verabredet. Sehr nett mit am Zehnhoff gesprochen, mittags mit Palyi im Rheingold486, nett unterhalten, für morgen Nachmittag verabredet. Dann nach Hause, ausgeruht, etwas Aufstoßen. Um 5 Kaffee mit mehreren Geheimräten, dann noch etwas Aufstoßen, also Bellegan487, eine Sächsin aus Dresden, wundervoll. Um 8 Uhr wieder bei am Zehnhoff, übermütig, Witze erzählt, mit Fräulein Schopf488 noch bis 12 Uhr geschwätzt, von ihrer Zukunft gesprochen, müde und zu Bett. Samstag, 28. 8. 26 Gut ausgeschlafen, morgens bei dem Präsidenten Reichartz489 Besuch gemacht (er sprach von der Strenge von Happ490), mittags mit am Zehnhoff gegessen, nachher ausgeruht, um 4 zu Palyi, seine Frau491 kennen gelernt, eine russische Jüdin, die seiner Schwester sehr ähnlich ist. Wir haben also alle für den Osten optiert. Unheimliche Sache. Angst vor diesen fremden Menschen. Aber sehr schön unterhalten, um ½ 7 nach Hause zurück. Abends wollten wir erst ins Theater, freute mich aber, als es nicht dazu kam. Um ½ 12 müde zu Bett. Sonntag, 29. 8. 26 Um ½ 9 erst auf, herzlich verabschiedet von dem guten am Zehnhoff. 9.50 zur Bahn, der Zug hatte große Verspätung, konnte etwas liegen, daher ging der Tag herum. Las Morand,
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Friedrich Freiherr von Vittinghoff, genannt Schell zu Schellenberg (1874–1959), von 1908 bis 1918 Mitglied des preußischen Herrenhauses, Zentrumspolitiker, 1921 von Papst Benedikt XV. zum päpstlichen Geheimkämmerer ernannt. Nichte von Hugo am Zehnhoff, die in seinem Haus lebte, wahrscheinlich identisch mit „Adelchen“ in TB I, S. 257; TB III, passim. Auf dem Kopf des Blattes der Handschrift notiert: „27. 8. – 29. 8. in Berlin, am Zehnhoff, Palyi, 30. 8. 28: “. Melchior Palyi (1892–1970), ungar. Nationalökonom und Finanzwissenschaftler, 1928 Wirtschaftsexperte der Deutschen Bank in Berlin, 1929 Honorarprofessor an der Handelshochschule Berlin, 1933 über England in die USA emigriert, wo er in Chicago lehrte; FS HHB, S. 196–197; Hagemann, S. 519–523; NDB 20, S. 25 f.; vgl. TB III, S. 99. Weinhaus Rheingold, Berlin, Bellevuestr. 19 / 20. Prostituierte. Vielleicht das im TB I, S. 95, 98 und 100 als Bürokraft Hugo am Zehnhoffs erwähnte „Fräulein Schatz“. Heinrich Reichartz (?–?), Präsident des Oberlandesgerichts Köln von 1922 bis 1932. Ernst Happ (1862–?), Vizepräsident am Oberlandesgericht Köln und Mitglied der Kommission für die 1. juristische Prüfung; Berchem, S. 330. Raïssa Palyi (1900–1992). Das Paar wohnte Meinekestr. 6.
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Nachtbetrieb,492 mit großem Interesse, um ¼ 8 in Köln, noch nach Bonn gefahren. Zu Francks, dort auch übernachtet, nachdem ich bei Schmitz gewesen war. Wir tranken Wein im Bürgerverein, ich konnte des Nachts nicht schlafen, grauenhaft. Keine besonderen Briefe. Leider keine Sonderdrucke meines Meinecke-Aufsatzes.493 Montag, 30. 8. 26 Morgens todmüde, weil ich nicht schlafen konnte. Packte ein, Frau Braschoß kam, um meine Bücher abholen zu lassen. Sie hat aus Liebe zu meiner Frau diesen ganzen Umzug übernommen. Ich miete im Continental ein Zimmer, verabschiedete mich von Frau Franck, aß im Continental zu Mittag, ruhte aus, dann nach Dottendorf ins Johanniter-Krankenhaus zu Duschka, armes Kind; um 7 Uhr fuhr ich mit der Bahn zurück, wollte am Kaiserplatz aussteigen, fuhr aber weiter bis Endstation, sah Lizki bei Frings494 im Café, ging zu ihr, sie war sehr erregt und erfreut, dass sie mich sah (sie hatte Angst, ich wäre bei dem Eisenbahnunglück von Leiferde verunglückt495); wir fuhren nach Königswinter, aßen dort zu Abend, dann am Rhein zurück. Wunderschön, lieber Junge. Müde im Hotel. Dienstag, 31. 8. 26 Endlich etwas ausgeschlafen. Morgens Lizki getroffen, nach Köln zum Museum, den Klub 496 besehen, liebes, gutes Kind. Im Domhotel gefrühstückt, mittags ausgeruht, dann um 5 nach Dottendorf zu Duschka, der es langsam besser geht. Abends wieder Lizki in der Rheinuferbahn einen Augenblick getroffen. Dann zu Schmitz, todmüde. Mittwoch, 1. 9. 26 Morgens um 7 auf, mit Lizki auf den Petersberg, herrlich, wir kinderten großartig herum, gefrühstückt auf dem Petersberg, dann über Königswinter zurück. Guter, lieber Kerl. Wie weiß ist ihre Haut, wie küsst sie. Nachmittags etwas ausgeruht, Hotel bezahlt, nach Friesdorf, wo der Umzug schon begann. Nachts auf einer Bank im Haus übernachtet, mit Schmitz Wein getrunken, leider gestört durchs Geräusch der Wasserleitung, das ich nicht erklären konnte. Sonst herrlich, wunderbare Landschaft und Ruhe. Brief von Frau v. Schnitzler.497
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Paul Morand, Nachtbetrieb [Erzählung], Berlin [1926]. Carl Schmitt, Zu Friedrich Meineckes „Idee der Staatsräson“, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 56, 1926, S. 226–234 (Besprechung von: F. Meinecke, Die Idee der Staatsräson in der neueren Geschichte, Berlin / München 1924). Café Frings, Bahnhofstr. 38. In der Nacht vom 18. auf den 19. August gab es bei Leiferde (Nds.) einen Überfall auf den Nachtschnellzug von Berlin nach Amsterdam, um dessen Bahnpostwagen auszurauben. Der Zug überfuhr unbeschädigt die manipulierten Schienen, der folgende Schnellzug von Berlin nach Köln jedoch entgleiste, es gab 21 Tote und zahlreiche Verletzte. Nicht ermittelt. Es handelt sich wahrscheinlich um den Brief Nr. 15 in: BW Schnitzler, S. 137–139, der statt auf „1925“ auf 1926 zu datieren ist.
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Donnerstag, 2. 9. 26 Todmüde wach geworden. Den ganzen Tag Einzug. Freute mich über das wunderschöne Haus und war stolz in meiner neuen Situation.498 Frau Braschoß und Frau Schmitz sehr rührend. Mittags in der Stadt bei Kieffer gegessen, einen Augenblick zu Rittershaus zu Lizki. Rührend, wie sie mich liebt. Wieder nach Friesdorf, zu Duschka, der es immer besser geht. Abends kam Jup, wir aßen bei mir zu Abend, freuten uns über das schöne Haus, tranken Wein, Ännchen kam auch, fuhr dann nach Köln zurück in seinem Auto. Behaglich zu Bett, gut ausgeruht. Freitag, 3. 9. 26 Endlich einmal etwas ausgeschlafen. Vormittags der Einzug, mittags nach Bonn, bei Kieffer Adams getroffen, nicht zu Rittershaus, müde nach Friesdorf, dann Duschka, der es viel besser geht, abends mit Frau Schmitz zu Abend gegessen, Schmitz holte seine Frau ab, wir tranken herrlichen Wein (Kanzemer Altenberg, 20) und waren davon begeistert. Um ½ 11 zufrieden ins Bett. Samstag, 4. 9. 26 Leider nachts wach geworden, aber ziemlich gut ausgeruht. Um 7 auf, gut angezogen. 8.10 an die elektrische Bahn, Frau Schmitz stieg aus! Zum Glück sah sie nichts. Traf Lizki, wir fuhren nach der , dann am Rhein entlang nach 499. Wie weiß ist sie, wie schön ihre Arme, ihre Beine, ihre Hüften, küsste sie oft; sie ist rührend, oft traurig, sie bedauert, dass sie mich nicht früher kennen gelernt hat, also immer dasselbe, aber lieb und nett. Frühstückten auf dem Rodderberg500, dann über Mehlem zurück, ich ging nach Hause, dann nach Bonn, bei Kieffer gegessen und mit Gurian und Adams unterhalten, ½ 3 bei Rittershaus, Lizki Billett für Remagen gegeben, wieder nach Hause, einige Bücher schön aufgestellt, zu Duschka, der es besser geht, mit Braschoß und seiner Frau (grauenhafter Geschmack), dann zu Hause, zum ersten Mal allein zu Abend gegessen, großartig, aber verzweifelt, mittellos, gleichgültig, resigniert; ich weiß nicht was. Denke mit Freude an Lizki, sagte ihr: „Wir wollen dem Schicksal ein paar schöne Tage stehlen“. Sonntag, 5. 9. 26 Lange geschlafen (des Nachts wieder um 3 Uhr wach), behaglich angekleidet, Freude an der schönen Wohnung. Vormittags Bücher ausgepackt, Briefe geschrieben, an Eisler einen schönen Brief, begeistert von der herrlichen Landschaft, dann um 1 zu gegenüber, nett, deutsche Leute, Vormfelde kam, stellte sein Auto in die Garage, wir aßen zusammen zu Mittag, tranken nachher Kaffee vor dem Haus, nett unterhalten. Er freut sich über die schöne Wohnung. Während wir da saßen, kamen Ännchen und Jup mit dem Auto. Wir lachten und unterhielten uns nett, um 4 gingen alle wieder weg. Ich ruhte etwas aus, dann zu
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Schmitt bewohnte jetzt ein gemietetes großzügiges Haus in Friesdorf, Bonner Str. 211 (heute: Godesberger Allee 155), s. auch oben, 29.7.26 und Abb. im Anhang. Im Godesberger Adressbuch wird er fälschlich als Eigentümer genannt. Vielleicht auch zu lesen: „nach dem Rodderberg“, vgl. unten, 5.10.26. Vulkanischer Berg oberhalb von Rolandswerth mit dem Ausflugslokal „Zum alten Vulkan“.
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Duschka, der es besser geht. Nett unterhalten. Abends zurück, müde, allein zu Hause, Schmitz kam noch, aber ich konnte mich kaum aufrecht halten. Um 9 ging er wieder. Todmüde zu Bett. Montag, 6. 9. 26 Um 7 auf, fröhlich angekleidet, unternehmend, der herrliche Rheinnebel. Um 8.10 zur elektrischen Bahn, nach Godesberg gefahren, dort in den Zug gestiegen, Magda getroffen. Allein im Coupé, wunderschön, küsste sie, ihr weißes Fleisch, schöne Ejakulation, wir stiegen in Remagen aus, gingen am Rhein spazieren, über die Ludendorffbrücke zur Erpeler Allee, dann zu Carraciola501, aßen genusshaft und tranken Sekt, sie war glücklich und traurig, fuhren mit D-Zug um 12 allein im Coupé zurück, ich war müde, aber es war ein wunderschöner Vormittag. Aß allein zu Hause zu Mittag, dann geschlafen, gut ausgeruht bis ½ 4, um 4 kam der Student Nix, dann Dr. Rommen502 aus München-Gladbach. Sprachen über seine Dissertation, er scheint ein schlauer, anpassungsfähiger Mensch zu sein. Er begleitete mich zum Krankenhaus, Duschka war sehr guter Dinge, fröhlich, ich auch (obwohl ich erst traurig war), wir waren sehr fröhlich, ich blieb bis nach 7, wunderte mich über ihre Solidität, ihren Verstand, ihren sinn und freute mich, dass sie meine Frau ist. Zu Hause allein zu Abend gegessen, Korrektur der Besprechung von Anschütz,503 behaglich, etwas müde, allmählich wieder Freude am Arbeiten und an meinem Beruf. Dienstag, 7. 9. 26 Gut geschlafen, um 8 aufgestanden, behaglich angekleidet und gewaschen, um 9.05 nach Bonn gefahren (es regnet etwas und ist stürmisch), Magda getroffen, wir fuhren nach Königswinter, bei eine Flasche Chablis und Gänseleber, sie war lieb und nett, aber ein armes Mädchen und nicht entfernt so großartig wie Duschka. Auf der Rückreise war sie verliebt, drückte mich, wollte , ich kaufte ihr . Wir verabschiedeten uns am Klosterplatz, sie war gebrochen und tat mir leid. Zu Hause zu Mittag, ausgeruht, müde und durstig, schlechter Kaffee zu Hause, am Schreibtisch etwas besser dran, dann zu Duschka, braves, schönes Kind, dann nach Bonn, telefonierte Magda, traf sie an der Rheinuferbahn, sie war glücklich, dass ich sie gerufen hatte, ich war zufrieden, denn ich machte mir Sorge um sie. Begleitete sie zur 504 (sie hat einen wundervollen Gang), Schmitz getrof-
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Hotel und Weinhandlung in Remagen. Heinrich Albert Rommen (1897–1967), war 1925 in Münster mit der rechts- und staatswissenschaftlichen Dissertation „Max Scheler als Soziologe“ promoviert worden. In Bonn wurde er Schüler Schmitts und erwarb neben dem Dr. rer. pol. 1927 auch den Dr. iur. mit der mit „summa cum laude“ bewerteten Dissertation „Die Staatslehre des Franz Suarez S.J.“ Als Mitarbeiter des „Volksvereins für das katholische Deutschland“ in München-Gladbach wurde er 1933 in Schutzhaft genommen und emigrierte 1938 in die USA. Seit 1953 war er Professor an der Georgetown University in Washington. Im Zuge der Naturrecht-Renaissance nach 1945 gewann Rommen als katholischer Vertreter des Naturrechts verstärkt Aufmerksamkeit. DBA II 1092, 349–350; III 759, 285. s. oben, 19.8.26. Eine Strasse dieses Namens gab es in Bonn nicht, vielleicht „Bergstrasse“.
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fen, um ½ 9 nach Hause zurück. Für mich allein zu Abend gegessen, Rothenbücher505 gelesen, lächerliches Buch. Mittwoch, 8. 9. 26 Gut geschlafen, Vormittag verdorben durch eine Rechnung von ; täglich 20 Mark kostet mich eine Pflegerin, Monat 600 Mark. Wutanfall. Nach Bonn, bei Franck, , Neuß vorbei, traf den Referendar Schmidt aus , auch Magda, die freundlich grüßte, was mir wohltat. Um 1 nach Friesdorf zurück, behaglich gegessen, etwas ausgeruht, um 3 Uhr Neuß abgeholt, der sich sehr über mein schönes Haus wunderte. Wir tranken zusammen Kaffee und gingen dann zu meiner Frau ins Krankenhaus. Frau Braschoß kam auch. Nachher allein wieder Klagen wegen des vielen Geldes. Allmählich staune ich doch über die Selbstverständlichkeit, mit der die milde Duschka mich bezahlen lässt. Sagte ihr also, sie müsse am 1. Oktober entweder zu mir ins Haus oder 2. Klasse. Sie schlief und aß gut, es kann also nicht mehr so schlimm sein. Zu Hause allein zu Abend gegessen. Aufsatz über Donoso Cortés überlegt.506 Bis 10 Uhr, todmüde ins Bett, großartig geschlafen. Donnerstag, 9. 9. 26 Wundervoll ausgeschlafen, herrlich gebadet, schönes Wetter, wunderschönes Haus, ein schöner Vormittag, glücklich und zufrieden; ganz mittellos, freute mich über mein kleines Abenteuer mit Magda; süße Geilheit; behaglich ein paar Briefe geschrieben. Schöner Brief von dem guten Referendar Huber.507 Angefangen über D. Cortés. Um 11 Uhr zurück nach Bonn, traf Konen508, nett unterhalten, um ½ 1 wieder zurück, schön gegessen, nachher gut geschlafen, 2 Stunden, unglaubliches Behagen, dann machte ich mir selbst Kaffee, schrieb eine Seite am Aufsatz über D. C. [Donoso Cortés], unterdessen ging Fräulein Webers509 ins Krankenhaus zu Duschka, ich ging um 6 ¼ nach. Nett und freundlich unterhalten, Duschka will auch die Nachtschwester entlassen, Gott sei Dank. Inzwischen kann ich allmählich aufatmen. Abend[s] um ½ 8 zurück, wundervoll das Siebengebirge, fröhlich den Petersberg betrachtet (durch den Ausflug mit Magda), zu Hause schnell gegessen. Noch etwas herumgelesen, notiert, gearbeitet, aber ziemlich müde.
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Karl Rothenbücher (1880–1932), Professor für Kirchen- und Staatsrecht in München; NDB 22, S. 120 f. S. auch TB III, S. 313 u. TB V, S. 69 und passim. Bei dem Buch handelt es sich um Karl Rothenbücher, Über das Wesen des Geschichtlichen und die gesellschaftlichen Gebilde 1801–1816, Tübingen 1926. Carl Schmitt, Donoso Cortés in Berlin (1849), in: Max Ettlinger / Philipp Funk / Friedrich Fuchs (Hrsg.), Wiederbegegnung von Kirche und Kultur in Deutschland. Eine Gabe für Karl Muth, München1927, S. 338–373. Später übernommen in: Carl Schmitt, Donoso Cortés in gesamteuropäi scher Interpretation, Köln 1950. Der Brief ist nicht erhalten. Es ging, wie aus dem Antwortbrief Schmitts vom gleichen Tag hervorgeht, um Hubers Dissertation; vgl. BW Huber, S. 57. Heinrich Konen (1874–1948), seit 1920 Professor für Physik in Bonn, 1929 bis 1931 Rektor der Universität, 1933 zwangsemeritiert und als Gutachter in der Industrie tätig, kehrte 1945 auf seinen Bonner Lehrstuhl zurück, 1946 bis 1948 Kultusminister von Nordrhein-Westfalen; NDB 12, S. 485 f. Die „Hausdame“, s. 12.9.26.
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Freitag, 10. 9. 26 Behaglich ausgeruht, schön gebadet, fühlte mich sehr wohl, schrieb einige Seiten Cortés, überwand die vielen Rechnungen, um 11 nach Bonn gefahren, zur Bank, Buchhandlung usw. erledigt. Schöner Brief von Gerber, der Dienstag kommen will, freute mich darauf. Mittags zurück, nach dem Essen geschlafen, dann Kaffee gekocht, großartig; den Aufsatz über Cortés geschrieben, dann zu Duschka, die lieb und munter war. Habe sie sehr gern. Zu Hause gegessen, umgekleidet, 7.40 nach Friesdorf eingestiegen, Magda war im Zug (sie hatte ihr schwarzes Kleid an, das mir so gut gefiel), wir fuhren nach Mehlem, gingen am Rhein entlang, schöne Ejakulation, ihr wundervolles Knie, sie sagte , wie die Frankfurter, dann tranken wir eine Flasche Wein im Hotel Drachenfels, herrlicher Blick auf den Drachenfels, schöne Lichter, verabredeten eine Nacht in Remagen für Samstag in 8 Tagen. Aber sie wird mir allmählich langweilig, wenn ich auch physisch nicht von ihr loskomme. Übrigens ist sie ein lieber Kerl. Sie erzählte vom Geschäft und ist anscheinend guter Dinge, aber schon etwas und . Wir werden ja sehen. Müde und aufgeregt nach Hause, Angst vor Einbrechern, dann gut eingeschlafen. Samstag, 11. 9. 26 Schöner Vormittag, leider Brief von dem Dr. David, der die Forderung von gepfändet hat, widerlicher Hund. Aber ein sehr schöner Brief von Brinkmann, glücklich und erfreut darüber (er nennt meine Besprechung von Meinecke ein Meisterwerk510), schickte Meinecke ein Exemplar der Besprechung mit einem höflichen Brief. Etwas an dem Cortés-Aufsatz gearbeitet, dann gegen 11 zur Bank, ein paar Einkäufe, Ännchen getroffen, Frau Braschoß bezahlt. Um 1 zurück, nach dem Essen ausgeruht, behaglich und bequem. Mit Ännchen und Fräulein Webers Kaffee getrunken, dann zu Duschka ins Krankenhaus, sie war lieb und guter Dinge, hoffentlich geht es ihr bald so gut, dass sie kommen kann. Abends auf den Referendar Huber gewartet, der nach 8 kam und mit mir aß, wir tranken Moselwein, unterhielten uns gut, erst über seine Dissertation (Art. 138 RV),511 dann über politische Dinge. Ich habe ihn sehr gern. Um 10 ging er, ich hatte zu viel Wein getrunken. Heimlich immer überlegt, ob ich Samstag nach Remagen gehen soll mit Magda oder nicht. Sonntag, 12. 9. 26 Nachts einmal wach, etwas Nervenschmerzen. Morgens war es besser. Immer an Magda und den nächsten Samstag gedacht. Vielleicht ist es besser, nicht zu gehen, dann wieder meine Gier und Geilheit. Bisher habe ich noch jede versäumte Gelegenheit bereut. Um ½ 9 aufgestanden, nette Post, keine Rechnungen, daher sehr zufrieden, behaglich durch den 510
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Im Brief von Brinkmann heißt es: „Ihre Meinecke-Rezension kannte ich schon und halte sie für ein Meisterwerk taktvoll schonender und doch deutlicher Zurechtweisung einer ziemlich verunglückten Leistung unseres verschwommenen Historikergeistes.“ Schmittiana NF III, 2016, S. 132 f. Die Dissertation Ernst Rudolf Hubers hatte den Titel: „Die Gewährleistung der kirchlichen Vermögensrechte durch die Weimarer Verfassung“. In seinem Guachten spricht Schmitt von der „musterhaften Sachlichkeit und der ruhigen Sicherheit, mit der ein besonders schwieriges und delikates Thema behandelt ist“ und möchte unter dem Vorbehalt der mündlichen Prüfung ein „summa cum laude“ vergeben. Tatsächlich wurde Huber dann mit magna cum laude promoviert. Das Gutachten Schmitts in: BW Huber, S. 394 f.
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Garten, wunderschön, ein paar Klimmzüge, gefrühstückt, Briefe geschrieben, etwas gearbeitet. Ziemlich müde, Schmitz kam um 12, las etwas aus seinem Buch vor,512 wir saßen im Garten, ich war sehr müde, aßen zusammen zu Mittag, sehr nett, um 2 kam Huber, wir tranken zusammen Kaffee, der leider schlecht war. Wut über die Hausdame, um ½ 4 ging der Besuch, ich legte mich zu Bett und schlief bis ½ 6. Die Hausdame ging weg, ich war allein, dachte daran, Magda zu fangen, tat es schließlich nicht, schrieb ein paar Briefe, arbeitete etwas über D. Cortés, aß für mich allein, es war sehr schön, allein im Hause zu sein. Wurde allmählich ruhiger, aber oft Geilheit und Gier, dabei völlig klar darüber, dass ich unmöglich mit einer Verkäuferin in Beziehung treten kann. Wir werden sehen. Montag, 13. 9. 26 Behaglich gebadet, welches Behagen, herrlicher Morgen, ging im Garten spazieren und wartete auf den Briefträger, der kam und ein paar nette Briefe brachte, keine Rechnungen. Las etwas D. C. [Donoso Cortés], schrieb ein paar Kleinigkeiten, telefonierte wegen des Hundes, dachte an Magda, verliebt, geil, und sehe allmählich, welcher Art [von mir begehrte] Frauen sind: immer nur veräußerlicht, das sich aber dispersionistisch steigert und natürlich zusammenbrechen muss. Schauerlich. Hängt vom Präzedenzfall ab. Mittags nach Bonn, immer gehofft, Magda zu sehen. In der Landwirtschaftlichen Hochschule, Hund gekauft, damit nach Hause, nach dem Essen ausgeruht, müde und nervös, machte mir Kaffee, dann wurde es etwas besser; zu Duschka, die sehr brav und lieb war und der es besser geht. Deshalb fröhlich nach Hause, umgekleidet, zu Abend gegessen, 8.10 Magda, nach Mehlem, am Rhein, ganz wunderschöne Ejakulation, wie lieb sie ist; wir waren beide der Meinung, dass wir besser nicht nach Remagen fahren, sie ist gut und verständig, hatte großes Vertrauen zu ihr. Um 9 ¼ fuhren wir nach Godesberg, tranken im Adler eine Flasche HenkellSekt, sehr nett und schön; ich war glücklich, gingen dann zu Fuß nach Hochkreuz513, küsste sie oft. Braver, lieber Junge. Glücklich zu Hause und bald eingeschlafen. Dienstag, 14. 9. 26 Um 6 wach, glücklich und zufrieden, ich sah, dass ich solche Ausflüge wie gestern brauche; also mein Unglück ist eine gestörte Sexualität. Stand auf, ärgerte mich über die Hausdame, die noch schlief, ging mit dem Hund spazieren, herrlicher Morgen, fühlte mich sehr wohl und gesund. Dachte freundlich an Magda und freue mich, wenn Duschka ins Haus kommt. Endlich werde ich ein vernünftiger Mensch. Las eine katholische Dissertation über Suárez. Widerlich.514 Wunderschönes Frühstück in dem herrlichen Esszimmer, freue mich, eine Reproduktion von Lorrain in dieses Zimmer zu hängen.515 Dann herumgelesen, angenehme Post (Jacobi516 am Morgen), schön gebadet und angekleidet, um 11 nach Bonn, 512 513 514
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Arnold Schmitz, Das romantische Beethovenbild. Darstellung und Kritik, Berlin / Bonn 1927. Stadtteil von Bad Godesberg, benannt nach einem bis 1979 dort stehenden Wegekreuz. Francisco Suárez (1548–1617), spanischer Jurist, Jesuit. Es handelt sich um die Dissertation von Heinrich A. Rommen (s. oben 6.9.26), deren Bewertung mit „Summa cum laude“ sehr im Gegensatz zu diesem „Widerlich“ steht. Vgl. BW Smend, S. 57; BW Feuchtwanger, S. 188. Erwin Jacobi (1884–1965), Professor für Staats- und Kirchenrecht in Leipzig, von 1933 bis 1945 zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Jacobi besuchte Schmitt in diesen Tagen, um sich in Fach-
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Kefir gekauft für Duschka. Glücklicher Platz von , herumgelaufen, Bilder gekauft, nach Hause, etwas mit dem Hund spazieren, nach dem Essen geschlafen, bis 4 Uhr, dann schöner Kaffee, mit dem Hund zum Krankenhaus, band ihn an die Leine, er lief weg, große Aufregung, dann kam er doch wieder, nahm ihn mit in das Zimmer von Duschka, sie ist unwohl gewesen, sonst geht es ihr gut, sie war schön, ich freute mich darüber. Aber in Sorge, ob ich mit dem Geld auskomme. Um ½ 7 zurück, behaglich zu Hause, aufgeräumt, etwas gearbeitet, schön für mich allein zu Abend, welche Ruhe im Haus. Nach dem Abendessen noch etwas gearbeitet, ziemlich faul und nachdenklich, die Hausdame ist nach Bonn gefahren, ich hatte etwas Rheumatismus, Angst vor dem Winter, ordnete meine Bücher, dann zu Bett. Mittwoch, 15. 9. 26 Behaglicher, schöner Morgen, um 11 nach Bonn, einiges gekauft für den Besuch von Jacobi, nett unterhalten mit Dahs517 und Friesenhahn über den Prozess Isay gegen Eisler.518 Nach dem Essen eine halbe Stunde zu Bett, dann nach Bonn gefahren, um Jacobi abzuholen, traf ihn an der Rheinuferbahn, wir fuhren mit dem Auto nach Friesdorf, er war erstaunt über mein schönes Haus, die praktische Einrichtung. Ich war natürlich stolz über seine Freude. Wir tranken Kaffee, dann gingen wir mit dem Hund zum Krankenhaus. Duschka war nett und lieb, Jacobi war sehr begeistert von ihr; das freute mich. Nach dem Abendessen fuhren wir nach Mehlem, aßen in dem Hotel Drachenfels und sahen auf den Rhein, er erzählte von seinem Referat vom Juristentag,519 es war wunderschön, um 11 wieder zu Hause und gut geschlafen. Donnerstag, 16. 9. 26 Um 7 ¼ auf, Jacobi geweckt, wir frühstückten sehr hübsch um 8, unterhielten uns nett über -Akten,520 Verfassungsänderung usw. Dann um 9 nach Bonn, zeigte ihm die Universität, den Alten Zoll, das Münster. Dann fuhren wir nach Dottendorf, gingen nach Heisterbach, auf den Petersberg, schönes Wetter, großartige Beleuchtung. Über Königswinter, Mehlem nach Hause zurück. Nach dem Essen eine Stunde geschlafen. Dann Kaffee ge-
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fragen abzustimmen; vgl. seine Briefe vom 8. 9. und 19. 9. 1926, in: BW Jacobi, S. 45–48; Otto, S. 107 ff. Hans Dahs (1904–1972), seit dem 1. 7. 1925 Fakultätsassistent. Nach 1945 wurde er ein bekannter Strafverteidiger. DBE 2, S. 481 f. Bezieht sich auf einen Erbschaftsstreit zwischen Georg Eisler und seinem Schwager Hermann Isay, bei dem Schmitt Eisler beriet; vgl. Mehring, Eisler, S. 9. Auf dem 34. Juristentag, der vom 12. bis 15. September 1926 in Köln stattfand, hielt Jacobi ein Referat zum Thema „Empfiehlt sich eine Abänderung der Bestimmungen über parlamentarische Untersuchungsausschüsse, um den ungestörten Verlauf des Strafverfahrens und die Unabhängigkeit des Richtertums sicherzustellen?“. Vgl. Otto, S. 104–107. Vermutlich ist hier von Samuel Pufendorf die Rede, der unter dem Pseudonym „Severinus de Monzambano“ schrieb. Auf Pufendorf berief Schmitt sich mit seinem Konzept von Homogenität als Bedingung der Demokratie; vgl. Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 7. Auf., Berlin 1991, S. 20; sowie Verfassungslehre, S. 47 ff. (Frdl. Hinweis von Martin Otto).
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trunken, gut unterhalten über den Begriff „vor“ der Verfassung,521 dann kam Beyerhaus, wir gingen durch den Garten, um 7 kam Jup mit seinem Auto. Wir fuhren zum Krankenhaus, Duschka hat heute erbrochen, schade, aber sie sah freundlich. Wir aßen dann zu Hause zu Abend, nett unterhalten, um ½ 9 fuhr Jacobi mit Jup nach Köln, ich trank noch ein Glas Wein, berauschte Stimmung, wunderbar der Claude Lorrain, der bei mir hängt, gerührt von dem Begriff „Mensch“, führte dann den Hund noch spazieren. Um ½ 10 zu Bett. Gier und Sehnsucht, dachte an Magda und und freute mich auf morgen Abend. Freitag, 17. 9. 26 Morgens müde bis ½ 9 geschlafen, behaglich gebadet und angekleidet, gefrühstückt, schöner Brief von Frau Krause und nette Korrespondenz, zufrieden, an Georg Eisler geschrieben wegen der Sache Isay, um ¼ 12 nach Bonn gefahren, traf im Institut Gurian und ein paar Studenten, mit Gurian unterhalten (der Papst hat die Action française verboten522), wider licher Kerl, dieser Gurian.523 Nach Friesdorf zurück, nach dem Essen geschlafen bis 4 Uhr, Göppert kam mit seinem Sohn,524 wir tranken auf der Terrasse Kaffee, nett unterhalten, freute mich, ihm die schöne Wohnung zeigen zu können. Er ging mit zum Krankenhaus, wir verabschiedeten uns dort, dann zu Duschka, der es viel besser geht; freute mich darüber, hatte sie sehr lieb. Um 7 nach Hause zurück (mit dem Hund). Nach dem Essen 8.10 Magda in der Bahn getroffen, sie hatte eine Augenentzündung, außerdem ein hässliches Kleid; nach Mehlem, am Rhein, in der ruhigen Straße wunderbare Ejakulation, dann nach Godesberg zurück, im Adler waren zu viele Menschen, zum Kaiserhof, Flasche Saarwein, nett unterhal-
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Bezieht sich auf die Bedeutung der Präposition „vor“ in Art. 109, Abs. 1 WRV („Alle Deutschen sind vor dem Gesetz gleich“), was Schmitt in seiner Rezension des Verfassungskommentars von Gerhard Anschütz diskutiert (Wiederabdruck in: Schmittiana NF I, 2011, S. 17–23, hier S. 18). Über diese Rezension hat Schmitt mit Jacobi gesprochen (vgl. BW Jacobi, S. 47). (Frdl. Hinweis von Martin Otto). Die nationalistische und monarchistische Gruppierung L’Action française wurde zur Zeit der Dreyfus-Affäre gegründet. Ihr geistiger Führer war Charles Maurras (1868–1952), der die Kirche nicht als politischen Ordnungsfaktor, aber als eine übernatürliche Gemeinschaft anerkennen wollte und der von sich sagte: „Je suis athée, mais catholique.“ (vgl. Schrenck-Notzing, S. 363–366). Das Verhältnis der katholischen Kirche zur Action franÇaise ist verwickelt. Schon 1914 wurde sie vom Vatikan verurteilt, doch machte man in Rücksicht auf den Weltkrieg das Urteil nicht öffentlich. Nachdem der französische Kardinal Andrieu im September 1926 die Action franÇaise öffentlich kritisierte (worauf sich Schmitt hier offenbar bezieht), griff Papst Pius XI. die Sache wieder auf; die formelle Verurteilung durch den Vatikan erfolgte aber erst am 20. 12. 1926 (vgl. Ernst Nolte, Der Faschismus in seiner Epoche. Action franÇaise, italienischer Faschismus, Nationalsozialismus, 9. Aufl., München 1995, bes. S. 114–119). Waldemar Gurian beschäftigte sich zu dieser Zeit intensiv mit der Action franÇaise, von der er sowohl angezogen wie abgestoßern war und verglich Carl Schmitt mit Charles Maurras; vgl. Hürten, S. 34–40; Thümmler, S. 47 ff., 61 ff.; BW Gurian, S. 60 und 88 sowie seinen bei Nichtweiß (1992), S. 729, Anm. 63, zitierten Brief an Peterson. Die Verstimmung Schmitts beruht auf Indiskretionen hinsichtlich seiner Publikationspläne, für die er Gurian verantwortlich machte; vgl. BW Gurian, S. 88, 90 f.; BW Muth, S. 136 ff. Heinrich Göppert hatte zwei Söhne: Ernst (geb. 1919) und Eberhard (geb. 1922). Beide fielen im Zweiten Weltkrieg; Oliver Wolff, Heinrich Göppert, in: Schmoeckel (2004), S. 249.
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ten (über die Söhne des Kronprinzen, die bei Wittgensteiner525 kaufen, von denen einer sie eingeladen hat), um ½ 12 nach Hochkreuz zu Fuß, netter, lieber Junge, dann zu Hause, wundervoller Mondenschein; „der Aufklärung“. Samstag, 18. 9. 26 Bis ¼ 9 geschlafen, gut ausgeschlafen, Gier und Sehnsucht, gestern Abend war nicht erschöpfend; aber immerhin behaglich. Herrliches Wetter, wunderschöne Wohnung, ich war sehr zufrieden. Machte einen Spaziergang im Garten, führte den Hund etwas spazieren, schön gefrühstückt; dann am Schreibtisch gesessen, aber zunächst nichts gearbeitet. Es ist zu schön. Las Donoso Cortés, nicht nach Bonn, mit dem Hund einen Spaziergang über die Felder, wunderbare, schöne warme Sonne, nach dem Essen geschlafen, von 2 bis 4, dann Kaffee, Wut über eine Schwesternrechnung, im übrigen war alles sehr schön, zu Duschka, erst traurig, nachher sehr nett; dann nach Bonn, Briefe in den Kasten (an Frau v. Schnitzler, dass ich Dienstag komme), telefonierte an Magda, die heute noch nicht im Geschäft war, dann mit Schmitz nach Hause. Unterhielten uns über sein Beethovenbuch (er hat die Signale von der Direktion des Generalstabs bekommen526), sehr nett unterhalten, wunderbarer Vollmond, um 10 den Hund etwas spazieren geführt, dann nach Hause. Müde, seltsam, unternehmend, dabei physisch schwach. Konnte nicht einschlafen, scheußlicher Zustand. Sonntag, 19. 9. 26 Morgens wütend über die vielen Ausgaben, das Geld, das mich Duschka gekostet hat, den ganzen Vormittag Wutanfälle, geschimpft, , Esel, Rindvieh, Dummkopf; Kopfschmerzen, Herzschmerzen, unmöglicher Zustand. Um 12 zu Duschka, sie weinte natürlich, scheußlich, widerlich, dann nach Hause, nach dem Essen geschlafen, bis ½ 4, die Hausdame ging weg, allein den ganzen Vormittag und Abend zu Hause, Kaffee gekocht, mit dem Hund spazieren, den Aufsatz über Cortés geschrieben, unterbrochen immer von Wutanfällen über meine erbärmliche Lage, dabei ist es herrlich im Hause! Überwiegend schönes Wetter, herrliche Sonne, wundervolle Rosen im Garten. Mir war alles widerwärtig und gleichgültig. Völlig ruiniert durch Geldsorgen, erstaunt über die Naivität, mit der Duschka mich plündert. Inzwischen erst merke ich allmählich, was es bedeutet, dass sie zwei Pflegerinnen hatte, ich Dummerjan. Immer neue Wutanfälle. Wohin soll das führen? Wie komisch. Will niemanden sehen, ärgere mich, dass ich zu Schnitzler fahre, wütend, wenn ich an Peterson denke, ich bin allein in meiner Wut und Dummheit. Habe auch nicht an Magda telefoniert, obwohl sie es wahrscheinlich erwartet. Es ist immer dieselbe Geschichte, sie will schließlich auch Geld. Freute mich, dass ich einen Revolver habe und eines Tages Selbstmord begehen kann. Grauenhafter Zustand.
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Wittgensteiner „Das führende Damenmoden-Haus in Bonn“ (Eigenreklame im Adressbuch), Remigiusstr. 11. Schmitts Geliebte Magda war hier Verkäuferin. In seinem Buch „Das romantische Beethovenbild“ beschäftigt sich Schmitz mit den bei Beethoven vorkommenden militärischen Signalthemen (Trompetensignale), etwa der französischen Revolu tionsarmee.
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Montag, 20. 9. 26 Morgens sehr schön gebadet, behaglich, etwas gearbeitet, zur Stadt, Anprobe, wieder zurück, nach dem Essen ausgeruht, um 4 wunderschöner Kaffee und ein paar Notizen über Cortés, dann zu Duschka. Frau Dr. Schmitz kam auch, sehr nett, abends umgekleidet, in anregender Stimmung mit Magda nach Mehlem, unheimliche Ejakulation, sie zitterte in Konvulsionen vor Erregung. Schönes, liebes, armes Kind. Dann fuhren wir nach Godesberg, zum Adler, tranken eine Flasche Sekt, zu Fuß nach Hochkreuz und Friesdorf, unterwegs wieder grauenhafte Geilheit, gestreichelt, geküsst, unheimlich, bis ½ 1 todmüde nach Hause. Dienstag, 21. 9. 26 Gut geschlafen, um 9.35 nach Bonn (schöne Post, Brief von Bilfinger, der 21. Oktober kommen will), Fakultätssitzung, Begrüßung von Dohna527, sehr nett, nachher Anprobe, etwas eingekauft, noch schnell zu Duschka, die sehr lieb war, dann gegessen und eingepackt. Nach Godesberg, dort noch schnell Kaffee getrunken (den Bibliothekar Schnütgen528 getroffen), nach Frankfurt gefahren, 3. Klasse, oft traurig, meist stumpfsinnig und gleichgültig. Um ½ 7 angekommen, zu Schnitzlers, traf Schnitzler zu Hause, er war liebenswürdig und korrekt. Im Grunde genommen gleichgültig, Frau v. Schnitzler und der Prinz Rohan529 kamen, wir aßen zu Abend und unterhielten uns sehr nett. Frau v. Schnitzler war müde und schlief. Wir sprachen über die Taubheit Beethovens, über die Kirchen; um ½ 12 zu Bett, froh, so frühzeitig zu schlafen. Sehr guter Dinge. Mittwoch, 22. 9. 26 Behaglich ausgeschlafen, schön mit Frau v. Schnitzler gefrühstückt, dann mit ihr und dem Prinzen in die Stadt gefahren, an Smend telegrafiert. Nach dem Essen ausgeruht, um ½ 5 herunter, die Antwort von Smend war schon da,530 ich war sehr fröhlich deshalb, allein in der Stadt gelaufen, gierig herumgesehen, Karten abgegeben bei Strupp531, Sandhagen, 527
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Graf zu Dohna hatte seine Stelle als Professor und Direktor des juristischen Seminars zum 1. 8. 1926 angetreten; Chronik 51 (N.F. 40), 1925 / 26, S. 41. Alexander Schnütgen (1883–1955), Dr. phil., seit 1916 Bibliotheksrat an der Universitätsbibliothek Bonn, 1927 Abteilungsdirektor an der Preußischen Staatsbibliothek Berlin, Neffe des gleichnamigen Kunstsammlers; Richard Mummendey, Die Bibliothekare des wissenschaftlichen Dienstes der Universitätsbibliothek Bonn 1818–1968, Bonn 1968, S. 62 ff.; Hömig, S. 606. Karl Anton Prinz Rohan (1898–1975), Jurist, Publizist, Herausgeber der „Europäischen Revue“ und Gründer des „Europäischen Kulturbundes“, vertrat einen konservativen Abendlandgedanken, wofür er Schmitt vergeblich zu gewinnen suchte. Schrenck-Notzing, S. 463–465. Über seine Beziehung zu Schmitt vgl. Koenen, passim; Dahlheimer, S. 565–569. Vgl. auch die krit. Notizen von Schmitt zu Rohan unten, S. 366. Telegramm Schmitts und Antwort Smends nicht überliefert. Wie sich aus dem Brief Schmitts vom 25. 9. ergibt, bat Schmitt Smend, den Prinzen Rohan zu empfangen, der ihn für die Tagung des Kulturbundes vom 16. bis 20. Oktober 1926 in Wien als Referenten gewinnen wollte. Wie schon Schmitt, sagte auch Smend ab; vgl. BW Smend, S. 55–58. Karl (auch Carl) Strupp (1886–1940), seit 1926 a. o., seit 1932 o. Professor für Völkerrecht und internationales Privatrecht in Frankfurt, 1933 entlassen, Emigration in die Türkei, bis 1936 Professor in Istanbul, danach Berater im dänischen Außenministerium, ab 1938 in Paris; DBE 9, S. 794.
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Giese532; dann wieder zu Hause, bis 6 Uhr gewartet auf Rückkehr der Frau v. Schnitzler, Tee getrunken, gleichgültig unterhalten, dann große Abendgesellschaft, interessant, [was] der Direktor Dr. Mühlen533 von der I. G. über Moskau erzählte; den ganzen Abend auf ihn gehört, im übrigen müde, bedrückt, gleichgültig. Frau v. Schnitzler und der Prinz gingen noch aus, ich ging nicht mit, sprach eine halbe Stunde mit Schnitzler, über den Prinzen; Schnitzler ist klug und kalt, dann zu Bett. Donnerstag, 23. 9. 26 Gut ausgeschlafen, wieder schönes Frühstück mit Frau v. Schnitzler, nett geplaudert, ich habe sie sehr gern, dann mit ihr und dem Prinzen im Auto durch die Stadt gefahren, Grammophonplatten gehört (Unvollendete Sinfonie von Schubert und Largo von Händel), nach dem Essen ausgeruht, plötzlich deprimiert, Widerwillen vor dem Prinzen, müde,534 etwas geschlafen, dann etwas spazieren, wieder zu Hause, Tee getrunken, todmüde, beim Abendessen der Maler Bermann535, der Bruder von Schnitzler536, dessen Frau (Dichterin),537 Professor Wilhelm538, ein paar junge Leute, besonders Bergsträsser539. Mit ihm unterhalten, leider zu heftig, , erst um 2 Uhr ins Bett, vom Prinzen verabschiedet, gleichgültig. Immer Scham und Wut wegen Schnitzler. Freitag, 24. 9. 26 Um 8 auf, erst müde, dann schnell munter. Schön gefrühstückt mit Frau v. Schnitzler, sehr nett unterhalten, sie gab mir ein Geschenk für Duschka (Parfüm), war überhaupt rührend und lieb. Zur Bahn, guter Dinge. Während der Fahrt munter, Bedürfnis nach Schönem, was aber ohne jedes Objekt; in Bonn, nach Friesdorf, froh, zu Hause zu sein, zum Glück keine unangenehme Post, etwas ausgeruht, dann Kaffee getrunken, zu Duschka, die sehr gut aus-
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Friedrich Giese (1882–1958), seit 1914 Professor für Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht in Frankfurt. Im Prozess Preußen contra Reich war Giese 1932 der Vertreter Preußens und damit Gegner Schmitts; NDB 6, S. 377 f. Friedrich Wilhelm Mühlen (1872–1945), Banklehre, im Ersten Weltkrieg Direktor der deutschen Zivilregierung in Brüssel für Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung, Prokurist bei der Bayer AG, häufige Reisen in die UDSSR, 1926–1937 stellvertr. Vorstandsmitglied er IG-Farben; Jens Ulrich Heine, Verstand & Schicksal. Die Männer der I.G. Farbenindustrie A.G. (1925–1945) in 161 Kurzbiographien, Weinheim1990, S. 113. Vgl. dazu unten, S. 366. Bermann (Adolf Cipri) (1862–1942); vgl. AKL 9, S. 480 f. Werner von Schnitzler (1886–?), Jurist und Bankier. Eleonora (Nora) von Schnitzler, geb. von Goerschen (1901–?), als Dichterin nicht nachweisbar. Richard Wilhelm (1873–1930), evang. Theologe, Missionar, Sinologe und Übersetzer klassischer chinesischer Texte, 1922 Professor in Peking, 1924 Lehrauftrag in Frankfurt, 1928 o. Professor für Chinesische Geschichte und Philosophie in Frankfurt, wohnte zeitweise bei Schnitzler; DBE 10, S. 641; BW Schnitzler, S. 137 f. Arnold Bergsträsser (1896–1964), Politikwissenschaftler, 1919 bis 1928 Lehrbeauftragter an der Handelshochschule Berlin, 1928 in Heidelberg habilitiert, Dozent an der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin, 1932 a. o. Professor in Heidelberg, 1935 entlassen, 1937 Emigration in die USA, 1954 Professor in Freiburg; DBE 1, S. 568.
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sah, daher habe ich sie wieder sehr lieb (von dem Parfüm wollte sie nichts wissen), bis 7 Uhr bei ihr geblieben, zu Hause allein zu Abend, Tagebuch geführt, früh zu Bett. Wieder ruhig und gleichgültig. Samstag, 25. 9. 26 Nachts gut geschlafen, bis morgens um 10, unglaublich. Fühlte mich aber behaglich dabei. Um 11 nach Bonn, Anprobe, bei Geheimrat Hirsch, der sich freute, dass ich kam. Bild zum Einrahmen gebracht, wieder nach Hause, nach dem Essen geschlafen, bis 4, unglaublich. Es ist sehr kalt, trank Kaffee, sehr schön, wurde munter, schrieb an Smend wegen Rohan.540 Dann zu Duschka, der es sehr gut geht, nach Bonn, geil und sehnsüchtig, brachte die Briefe zur Post, traf den jungen Schmidmeier541 und sprach sehr nett mit ihm, kaufte mir Handschuhe für morgen, gegessen, nachmittags todmüde, etwas herumgelesen, bedrückt, Angst vor dem Leben, Bedürfnis, fleißig und bescheiden zu sein. Sonntag, 26. 9. 26 Bis 9 geschlafen, schläfrig, wenig Post, nach dem Frühstück (Schokolade) umgekleidet, Besuch bei dem Nachbarn, es war aber niemand zu Hause, dann zu Duschka, die lieb und nett war und der es sehr gut geht. Immerhin sehe ich, dass es wahrscheinlich niemals zu einer erotischen Befriedigung kommt. Nach dem Essen wieder geschlafen, bis 4, immer müde, aufgestanden, selber Kaffee gemacht (die Hausdame ist aus), munter, eine schöne Stunde, mit dem Hund spazieren, wundervoll, ein paar Briefe geschrieben, wieder unternehmend und guter Dinge, herrlicher, kalter Nachmittag, wundervolle Landschaft. Um 7 kam Schmitz mit seiner Frau, wir aßen zu Abend, tranken Wein und unterhielten uns nett, über sein Beethovenbuch (er will es mir widmen542), um 10 gingen sie. Ich blieb noch etwas mit dem Hund, dann wieder zu Hause, Bier getrunken, aufgeregt, schließlich zu Bett. Montag, 27. 9. 26 Lange geschlafen, angenehme Post, Schokolade zum Frühstück, um 11 zur Stadt, einiges gekauft, schnell fertig, nach dem Mittagessen geschlafen bis ½ 4, dann kamen Adams und Gurian und ein Student, Segalowitsch, wir sprachen über Katholizismus, , tranken Kaffee. Um 5 gingen wir, ich besuchte Duschka, der es ziemlich gut geht und die sehr lieb ist. Um 7 nach Hause, gegessen, nach Mehlem gefahren, im Zuge mit Magda, die ihr schönes schwarzes Kleid trug, in unserem verschwiegenen Weg am Rhein, es regnete etwas, sie wahr lieb und hingebend, wundervoller Leib (rasiert), wir gingen nach Godesberg, da es im Adler zu voll war, in den Kaiserhof, tranken Sekt (Saarfels), bis 12, allein im Lokal, sehr nett unterhalten, sie war lieb und hingebend, klug und verständig, hat eine wunderschöne Figur, unglaublich schöne, weiche Haut. Um ½ 12 gingen wir zu Fuß nach Hochkreuz, dort noch einmal wunderbar gesteigert, aber den ganzen Abend keine Ejakulation. Um ½ 1 fuhren wir
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BW Smend, S. 55–57. Vermutlich Student. Schmitt lehnte das ab (s. unten, 8.10.26). Schmitz dankt aber im Vorwort seines Buches Schmitt für „wertvolle Anregungen“.
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mit der Bahn weiter, ich nach Friesdorf, sie nach Bonn. Lieber, guter Junge. Sehr zufrieden, berauscht, physisches Glück, zu Bett und gut eingeschlafen. Dienstag, 28. 9. 26 Herrlich geschlafen, wundervoll gebadet, Ruhe und Zufriedenheit nach der wunderbaren Nacht. Schöne Post, von 543, Walter Fuchs544, Peterson usw. Ein paar Briefe geschrieben, es ist ziemlich kalt, zu Hause geblieben, mit dem Hund spazieren, fühlte mich als Bauer und mit dem Land verbunden, gesund und ungeistig. Nach dem schlechten Mittagessen (lauter Brei), geschlafen, 2 Stunden, um 5 auf, Brief von Eisler, gleich geantwortet, dann mit dem Hund zu Duschka, es geht ihr gut, sie hat 2 Pfund zugenommen, ist lieb und nett. Wir sprachen schön über Lermontow545, um 7 zurück, immer noch beglückt von der Eroberung an dem Leib Magdas. Abends noch an Georg Eisler geschrieben, dann zu Bett. Mittwoch, 29. 9. 26 Um 9 auf, nette Post, der Schreiber kam, diktierte 1 Stunde. Es ging langsam und interessiert mich nicht. Um ½ 12 nach Bonn gefahren, einiges besorgt, dann auf Magda gewartet, von 12 bis 1, wie ein verliebter Knabe, unentschlossen, klein, unbedeutend, habe ihr den Junker von Ballantrae gekauft,546 sah sie, als ich ihr Geld als Drucksache in den Kasten werfen wollte, ging ein paar Schritte mit ihr, dann nach Friesdorf, nach dem Essen ausgeruht, Joyce547 gelesen, mit großem Interesse, um 4 kam Neuß, wir tranken Kaffee, dann über die Felder zu Duschka, sie war fröhlich, ich auch (in Gedanken an Magda), um 7 nach Hause zurück, Oberheid548 war dagewesen, ich wartete auf ihn, aß zu Abend, er kam um 9 Uhr, 543
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Felix Genzmer (1878–1959), Rechtshistoriker und Öffentlichrechtler, Prof. in Rostock, Marburg und Tübingen; NDB 6, S. 195 f. Walter Fuchs (1888–1966), Dr. iur. et rer. pol., Diplomat, als Jude in der NS-Zeit entlassen, praktizierte als Rechtsanwalt in Shanghai, 1952 Rückkehr nach Deutschland und bis 1954 im diplomatischen Dienst der BRD tätig, publizierte auch unter dem Pseudonym „Alopex“; mit Schmitt seit Münchener Zeiten bekannt; Biogr. Hb. A.D. 1, S. 625 f.; DBA II 415, 414; III 273, 25–26; vgl. TB III, S. 113. Briefe an Schmitt in: RW 0579 Nr. 102. Michail Jurjewitsch Lermontow (1814–1841), russischer romantischer Dichter. Robert Louis Stevenson, Der Junker von Ballantrae, erstmals 1924 in deutscher Übersetzung erschienen. Schmitt schenkte das Buch 1928 ebenfalls an Gisela Smend (BW Smend, S. 73); vgl. auch BW Jünger, S. 12 und 422. James Joyce (1882–1941), irischer Schriftsteller. Schmitt las wahrscheinlich von ihm: „Jugendbildnis“, in der ersten dt. Übersetzung von George Goyert, Basel 1926 (s. auch unten, 3.11.26). Heinrich Josef Oberheid (1895–1977), brach das Studium der evang. Theologie zunächst ab zugunsten von Nationalökonomie, Jura und Philosophie, das er 1919 mit der Promotion abschloss, war dann im Stinnes-Konzern als Direktor tätig, begann im Sommersemester 1926 in Bonn erneut mit dem Theologiestudium bei Erik Peterson, das er nicht sehr intensiv betrieb, aber 1931 mit gutem Examen beendete. 1933 schloss er sich den Deutschen Christen an und wurde Bischof der Rheinischen Provinzialkirche, zog sich aber aufgrund interner Streitigkeiten von diesem Amt wieder zurück und wurde 1937 Pfarrer der Thüringischen Landeskirche. Nach 1945 aus dem kirchlichen Dienst entlassen, ging Oberheid zurück in die Wirtschaft und arbeitete als Generalbevollmächtigter einer Düsseldorfer Stahlfirma. Mit Schmitt blieb er lebenslang befreundet. NDB 19, S. 386 f.; Faulenbach.
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wir tranken eine Flasche Moselwein, unterhielten uns schön, über Besitz, Askese, in der Küche noch eine Tasse Kaffee, die ich gekocht hatte, um 12 fuhr er zurück. Ich war munter und angeregt von dem Besuch. Donnerstag, 30. 9. 26 Trotz des Kaffees gut geschlafen, aber immer noch die Nervosität davon gespürt. Viel an Magda gedacht, morgens diktiert, dann zur Stadt, bei Schmitz, durch die Kronprinzenstraße mit Schlosser, hoffte, Magda zu sehen, sie kam aber nicht, aufgelöst nach Hause zurückgefahren, die Seele aus dem Leib gewartet. Zu Hause, nach dem Essen geschlafen, um 4 wieder Kaffee, der trotz allem gut schmeckte, zu Duschka, der es gut ging; nett unterhalten. Abends um 8 kam der Schreiber, wurde mit dem Aufsatz fertig, trank noch eine Flasche Bier, dann müde zu Bett. Joyce gelesen. Freitag, 1. 10. 26 Bis 9 ¼ im Bett, behaglich angekleidet, es ist schon ziemlich kalt, immer Sehnsucht nach Magda. Korrigierte den Aufsatz über Donoso etwas, aß um ½ 1 zu Mittag (um nachher Magda zu treffen), Werner Becker kam, wir unterhielten uns nett, er aß bei mir zu Mittag, wir fuhren zusammen nach Bonn, gingen lang durch die Weberstraße, dann zu Magda in ihrem ärmlichen Zimmer, wir trafen uns dann am Hansa-Café, das aber geschlossen war, dann zu Kaufmann549. Nett und verliebt. Schümann550 saß auch da, sah uns aber nicht. Ich sprach nachher, als Magda weggegangen war, noch mit ihm, dann etwas eingekauft, zu Rittershaus, Frau Aschaffenburg antelefoniert, und dummerweise mitgenommen nach Friesdorf, sie trank bei mir Tee, bewunderte den Garten, wir gingen dann zum Krankenhaus. Als ich ankam, hatte Duschka gerade erbrochen; schauderhaft. Frau Aschaffenburg ging also wieder weg, ich blieb 1 Minute bei Duschka. Es ist zum Verzweifeln. Dann in der Dämmerung nach Hause, unternehmend, die Heizung wurde angemacht; erst sehr schön, dann stellte sich heraus, dass sie durchgerostet ist. Schauderhaft, so ist alle Freude trügerisch: kranke Frau, schlechtes Haus. Fräulein Webers ging um ½ 9 weg, ich rief Magda, sie kam nah 9, erwartete sie nervös. Wie schön, ihr schwarzes, enges, kurzes Kleid, herrliche Ejakulation, dann plötzlich benommen. Um 10 brachte ich sie zur Bahn, sie war gut und lieb. Fräulein Webers kam 5 Minuten später zurück, ärgerte mich über die technik verunstalteten Wände. Bilfinger will morgen kommen. Nachher wunderbar frei und erlöst. Dachte immer daran, dass Magda sagte: hoffentlich geht es Deiner Frau morgen besser. Ist sie wirklich so gut? Ist es weibliche Schlauheit? Samstag, 2. 10. 26 Des Nachts oft Angst, morgens fröhlich, dass ich Magda habe kommen lassen. Lange geschlafen (Nachwirkung von dem Kaffee bei Rittershaus), um ½ 1 noch in die Stadt, eingekauft für den Besuch, wieder nach Hause, geschlafen, um 4 nach Bonn, Bilfinger abgeholt, mit seinem Sohn Adolf, wir fuhren im Auto am Münster vorbei. Zu mir, er fand das Haus wunderschön, wir tranken Tee, gingen etwas spazieren, dann aßen wir zu Abend, sehr schön
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Konditorei und Café, Remigiusstr. 14. Vermutlich ein Student.
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mit drei Gängen, drei Weinen, er war anscheinend sehr überrascht. Abends um ½ 10 brachten wir Adolf nach Hause, um ½ 11 zu Bett. Hatte zu viel Wein getrunken, des Nachts heftige Augenschmerzen. Sonntag, 3. 10. 26 Heftige Augenschmerzen, scheußlich, aber um 8 Uhr auf, schnell angekleidet, mit Bilfinger eine Tasse Kaffee; dann nach Bonn, zum Hotel Continental, wo sein Sohn Adolf übernachtet hat. Er fuhr um ½ 10 nach Stuttgart. Wir gingen dann zu Neuß, zu Schmitz, dann zum Krankenhaus, freute mich, dass Duschka sehr schön aussah und sich sehr gut benahm. Hatte sie sehr lieb. Bilfinger gab mir rührende Ermahnungen, immer gut zu ihr zu sein. Wir aßen zu Mittag, ruhten eine Stunde aus, dann tranken wir schön Kaffee vor dem Haus, fuhren nach Mehlem zur Fähre, ließen uns übersetzen, am Rhein entlang bis Honnef, wieder zurück, um ½ 8 gegessen, ganz schön, nachher noch eine Flasche Wein. Angst vor dem vielen Geld, das ich ausgebe, ohne etwas zu verdienen, während Bilfinger durch Börsenspekulationen viele Tausende verdient. Unterhielten uns nett bis ½ 11 Uhr. Montag, 4. 10. 26 Morgens behaglich ausgeschlafen, Bilfinger badete, wir frühstückten zusammen und fuhren nach Bonn, Bilfinger besuchte Göppert, ich telefonierte unterdessen Magda, kaufte etwas ein und traf dann Göppert und Bilfinger; wir gingen auf den Markt (wollte Artischocken kaufen, fand aber keine), um 1 Uhr fuhren wir nach Friesdorf zurück, aßen zu Mittag und ruhten aus, nachmittags zu Duschka, dann wieder zu Hause. Abends kamen Schmitz und seine Frau, später auch Neuß, wir aßen zu Abend, tranken Wein und unterhielten uns; ich war furchtbar müde. Um 11 zu Bett. Dienstag, 5. 10. 26 Spaziergang von Mehlem am Rhein entlang nach Rolandseck, dann auf den Rodderberg, denselben Weg, den ich mit Magda gemacht hatte, aßen auf dem Rodderberg zu Mittag, um 4 müde zu Hause, noch zu Duschka, dann zu Hause auf Göppert gewartet, der mit dem Staatssekretär Fischer551 kam, wir gingen nach Godesberg, zum Adler, aßen zu Abend, leider kein guter Wein. Müde um 11 nach Hause, noch etwas mit Bilfinger unterhalten, dann müde zu Bett. Mittwoch, 6. 10. 26 Morgens nach Remagen, denselben Weg wie mit Magda, an die ich mit zärtlicher Liebe dachte, müde in Remagen, schön zu Mittag, zu Carraciola, Weinprobe, freute mich, dass es Bilfinger gut gefiel. Um 6 zurück, zum Krankenhaus, dann todmüde zu Hause gegessen, nachher noch im Garten spazieren und philosophiert, über das Christentum und eine neue Religion. Habe viel zu viel gesprochen. Müde zu Bett, konnte aber nicht einschlafen.
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Johann David Fischer (1873–1934), Staatssekretär im Reichsfinanzministerium.
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Donnerstag, 7. 10. 26 Um ½ 8 auf, mit Bilfinger schön gefrühstückt, brachte ihn zur Rheinuferbahn nach Bonn, um ½ 10 fuhr er ab. Sehr zufrieden mit dem Besuch. Dann ließ ich mir die Haare schneiden, zur Bank, Magda telefoniert, um 11 nach Friesdorf zurück, dort zahllose Rechnungen, Mellenburg usw. Sah, dass ich mehr Schulden als Vermögen habe. Erst ruhig, allmählich grauenhafte Anfälle, nach dem Essen etwas geschlafen, aber nervös, gereizt, wütend, schlug mich an den Kopf, fluchte und schimpfte Rindvieh, Idiot, verfluchte meine Ehe und die Dummheit, die mich dahin führte, rechnete mir aus, dass ich über 30.000 Mark weggeworfen habe. Zum Krankenhaus. Duschka suchte mich zum Reden zu bringen, mich zu trösten, sprach von unserem Leben, weinte natürlich. So wird es noch Jahre weitergehen auf der Grundlage einer fortdauernden . Scheußlich, widerlich, ekelhaft. Immerhin erleichtert nach Hause. Nach dem Abendessen herumgelesen, todmüde, kann überhaupt nicht arbeiten und habe das Gefühl der angehenden Katastrophe. Ging zu Bett, las noch Seeck über ,552 traurig, verzweifelt. Freitag, 8. 10. 26 Gut ausgeschlafen, aber immer traurig, Wutanfälle, erst um 1 / 2 10 aufgestanden, herrliches Wetter, herrliche Wohnung, aber alles macht mich noch trauriger. Führte den überflüssigen Hund spazieren, gefrühstückt und stand fast vor Depressionen. So vergeht der Tag. Die ganze grauenhafte Dummheit meiner 2. Ehe wird mir jetzt erst klar. Ich werde irrsinnig darüber. Aß zu Mittag, fuhr um 1 nach Bonn, traf Magda im Hofgarten, verabredete mich bei Kaufmann, der aber geschlossen war, schließlich im Beethovencafé553, wo wir alleine saßen, sehr hübsch, es beruhigte meine Nerven, sie hatte wieder ihr schwarzes, enges Kleid an. Verabredeten uns für heute Abend. Ich war wieder fröhlich und guter Dinge, aber immer noch müde. Zu Schmitz, ihn gebeten, mir das Beethovenbuch nicht zu widmen. Mit Frau Schmitz und der kleinen Zizi554 zum Glashaus555, dann zu Duschka, der es besser geht. Aber immer müde und traurig. Um 7 nach Hause, umgekleidet, zu Abend gegessen. 8.10 mit Magda nach Mehlem, herrlich in unserem kleinen Weg am Rhein. Ihr weißer Leib, berauscht von ihrem Fleisch, sie ist gut und mütterlich, wir lachten wie verliebte Kinder, tranken noch in dem Hotel am Rhein ein Glas Bier, um ½ 12 nach Hause, guter Dinge, beruhigte Nerven, herrlich geschlafen. Heute kein Kaffee, das ist die beste Medizin. Samstag, 9. 10. 26 Um 6 wach, weil der Hund anschlug, dann wieder geschlafen, dadurch müde und nervös, aber immer das Gefühl größter Erlösung seit gestern Abend. Mit dem Hund gespielt, gefrühstückt, müde und faul, um 11 nach Bonn, Examen eines armen Kriegsbeschädigten, traf Schmitz, holte meine , wartete an der Bahn, ob ich nicht vielleicht Magda sehe, ging zur Weberstraße, dachte an morgen Abend und freute mich darauf. Nach Friesdorf gefahren, nach dem Essen geschlafen, bis 4 Uhr, gut ausgeruht, kalt gewaschen, freute mich über
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Otto Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt, Bd. 4, Stuttgart 1911 (u. ö.). Bonn, Münsterplatz 20. Cecil, die zweite Tochter von Arnold und Annemarie Schmitz. Palmenhaus im Bonner Botanischen Garten.
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die schöne Wohnung. Dann ein paar Briefe geschrieben, um ½ 6 mit dem Hund zu Duschka, sie war lieb und freundlich und hatte einen Brief von ihrer Schwester bekommen, freute mich über ihre Gesundheit und hatte sie lieb. Auf dem Heimweg durch den Regen und Wind, Freude an der schönen Landschaft und am Rhein, etwas Gewissensbisse und Bewußtsein der Dummheit dieser Gewissensbisse, meine Beziehung zu lächerlich empfunden vor der unbedingten Klugheit von Duschka. Nun ja. Zu Hause gegessen, Arbeiten korrigiert, todmüde nach dem Essen, aber allmählich etwas munterer. Immer an morgen Abend gedacht. Konnte etwas arbeiten, um 12 zu Bett, mit dem Bewußtsein, ein gesunder Mensch zu sein. Will keinen Kaffee und möglichst keinen Wein mehr trinken. Sonntag, 10. 10. 26 Gut ausgeschlafen, um 9 aufgestanden, Gefühl der Gesundheit und Ruhe. Freude an der schönen Wohnung und der herrlichen Landschaft. Fräulein Webers ging zur Kirche, ich war ein paar Stunden allein und arbeitete etwas, sehr wenig, aber doch wieder in dem Gefühl, arbeiten zu können. Um 12 mit dem Hund zum Krankenhaus. Duschka ging es gut, sie will in das Haus, ist lieb und nett. Aber ich hasse ihre Verwandten und die ganze Herkunft. Ich freue mich, dass sie kommt. Nach dem Mittagessen geschlafen, gut ausgeruht bis 4 Uhr, dann keinen Kaffee, Gefühl der Gesundheit und Reinheit; große Geilheit, Lust nach Magda, immer Versuchung, ihr zu telefonieren (Fräulein Webers ist ausgegangen). Ordnete etwas alte Papiere, wartete ungeduldig auf Magda, so wurde es 7 Uhr. Sie kam pünktlich, in einem grünsamtigen Abendkleid, wir aßen zusammen zu Abend, sehr schön, zweimal herrliche Ejakulation über ihr, ihre weiße Haut, ihren weißen Nacken, ihre weißen Schultern, weißen Leib, schrieb nach Düsseldorf, (sie nahm den Brief mit), sie war lieb und dankbar, um 10 brachte ich sie zur Station, dann kam Fräulein Webers zurück, ich war müde und erschöpft, aber angenehm erlöst und erleichtert, dachte daran, daß Duschka doch die Hausfrau ist und die Herrin im Haus. Angenehme Müdigkeit, bald eingeschlafen. Montag, 11. 10. 26 Großartig geschlafen, um ½ 9 auf, gebadet, herrliches Wetter, im Garten, wundervolle Wohnung. An das Finanzamt geschrieben, ein paar Kleinigkeiten erledigt, an Schulz telefoniert und ihn für heute Nachmittag eingeladen. Um 11 zur Stadt, ein paar Kleinigkeiten erledigt, unbeschreibliches Wohlgefühl, Seligkeit des Sexualismus, der Student Kircheimer556 kam und meldete sich fürs Seminar an, fuhr um 1 nach Hause, nach dem Essen ausgeruht, furchtbare Geilheit und Ejakulation, um 4 Uhr Schulz mit seiner Frau557 abgeholt, sie bewunderten das Haus und den Garten und tranken bei mir Tee. Um ½ 6 zu Duschka, die auf war und ihr Kleid trug, sie ist lieb und nett, ich bin wieder verliebt in sie, wir unterhielten uns 556
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Otto Kirchheimer (1905–1965), seine Dissertation „Zur Staatslehre des Sozialismus und Bolschewismus“ begutachtete Schmitt 1928 mit „sehr gut“. 1933 emigrierte der Jude und Sozialist Kirchheimer in die USA, arbeitete mit Horkheimers Institut für Sozialforschung in New York zusammen und wurde später Professor für Political Science an der Columbia University. Kirchheimer, der den Kontakt zu Schmitt nach der NS-Zeit wieder suchte, war – trotz seines marxistischen Internationalismus (s. unten, 25.2.28) – ein Lieblingsschüler Schmitts. Vgl. Mehring (2014a), S. 31–46; Breuer, S. 113 ff.; TB V, passim. Dr. med. Martha Schulz, geb. Plaut (1887–1977).
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sehr hübsch, ich habe einen Brief von Georg Eisler bekommen, er will mich Dienstag oder Mittwoch besuchen; sehr glücklich darüber, ferner einen Brief von Smend, der mir sehr schön schrieb;558 Gefühl der Bedeutung und fröhlicher Stolz. Zu Abend gegessen, nachher noch etwas unterhalten, nicht viel gearbeitet, aber sehr glücklich und zufrieden. Freude an meiner schönen Wohnung. Dienstag, 12. 10. 26 Um ¼ 6 auf, sehr ruhig und nicht mehr schläfrig, angekleidet, durch den Garten spazieren gegangen mit dem Hund. Wunderbarer Morgen, sah „fern die blauen Berge“559, herrlich. Dann etwas notiert und gearbeitet. Nahm mir vor, nicht mehr Kaffee und möglichst wenig Wein zu trinken. Diese paar Tage Enthaltsamkeit waren eine bessere Erholung als eine lange Badereise. Dagegen brauche ich eine Befriedigung und Abwechslung in meiner Sexualität. Schöne, sympathische Post, sehr fröhlich darüber, mittags früh gegessen, dann in herrlicher Laune nach Bonn gefahren, Weberstraße, traf Magda nicht in ihrer Wohnung, später auf der Straße, ging dann zum Beethovencafé, dort eine halbe Stunde bei ihr, für den Abend verabredet; sehr vergnügt, ein paar Kleinigkeiten besorgt, zu Dr. Schmitz, dann nach Dottendorf ins Krankenhaus, Duschka wiegt 100 Pfund und war sehr vergnügt. Um ½ 7 nach Hause, 8.10 nach Mehlem, mit Magda am Rhein, es regnete leider, im Hotel Drachenfels, schöne, liebevolle Unterhaltung (sie erzählte von dem Juristen, den sie geliebt hat). Zuletzt zitterte sie vor Verliebtheit, wir fuhren bis Plittersdorf, gingen noch zu Fuß über Hochkreuz über Friesdorf, wundervoll, hingebende Frau, sie blühte auf. Es war prachtvoll. Um ¼ 1 müde, aber selig zu Hause. Mittwoch, 13. 10. 26 Bis 9 im Bett, nicht richtig ausgeschlafen, auf den Anruf von Eisler gewartet, etwas mit dem Hund im Garten, gefrühstückt, welch eine herrliche Wohnung. Ein paar Korrespondenzen erledigt, ziemlich müde und unausgeschlafen. Den ganzen Vormittag zu Hause, großer Spaziergang in die Gegend von Annaberg,560 mit dem Hund. Freute mich, das alles Georg Eisler zu zeigen. Nach dem Essen gut ausgeschlafen, zu Duschka, sie war auf und sehr gesund. Plötzlich kam Oberheid, wir unterhielten uns sehr schön und freundlich, er erzählte von seinen Jungens,561 was Duschka sehr interessierte. Sie gefiel ihm gut und den ganzen Abend sprach er von dieser „herrlichen Frau“. Als wir um 7.10 nach Hause kamen, sagte Fräulein Webers, Eisler habe angerufen und komme um 7.21. Wir fuhren sofort mit dem Auto in 5 Minuten nach Bonn, warteten dort auf den Zug, Eisler kam, ich war sehr glücklich. Wir fuhren dann nach Friesdorf, Oberheid stellte sein Auto bei mir unter, wir aßen zu Dritt zu Abend, sehr nett unterhalten, tranken Wein und eine Flasche Sekt. Nachher Kaffee und Sli-
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BW Smend, S. 57 f. Zitat aus dem Gedicht „Der Ring“ von Anton Alexander Graf von Auersperg (Pseud.: Anastasius Grün). Die 6. Strophe lautet: „Und weiterhin die Ebne, / Die stolz der Strom durchzieht; / Und fern die blauen Berge, / Grenzwächter von Granit!“. Hügel oberhalb von Bonn-Friesdorf, auf dem ein Schloss stand, das heute dem Baltisch Christlichen Bund als Tagungslokal dient. Oberheid hatte drei Söhne: Jochen (1920–1956), Peter (1921–2003), Hugo (1925–1968).
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bowitz. Ich war aber müde und hatte Augenschmerzen. Um ½ 12 brachten wir Oberheid zur Elektrischen, Eisler bewunderte das Haus, ich war sehr froh darüber. Donnerstag, 14. 10. 26 Um 6 auf, heftige Schmerzen auf dem rechten Auge, wie immer, nachdem ich zu viel Wein getrunken habe, durch den Garten gegangen, aber es half nicht viel. Um 7 wieder – angekleidet – zu Bett. Eisler stand gegen 9 Uhr auf, badete und war sehr zufrieden. Ich war glücklich, dass er bei mir war. Wir frühstückten zusammen, um ½ 11 kam Oberheid und fuhr uns nach Rolandseck (über Godesberg, wo wir seine Schwiegermutter kennenlernten, entzückend), am Rhein verabschiedeten wir uns (er wollte nach Remagen, Champagner trinken). Wir gingen auf den Rodderberg, herrliche Aussicht, Eisler erzählte mir von seiner Frau, auf dem Aussichtsturm, dann nach Mehlem zurück. Um ½ 3 aßen wir zu Mittag und ruhten dann aus. Um ½ 5 Kaffee, dann zu Duschka, sie erwartete uns im Korridor, war wunderschön, gesund und munter, herrliche Augen, ich war sehr stolz (und bedrückt), Eisler war begeistert, wir blieben bis ½ 8 und unterhielten uns sehr schön. Zu Hause trafen wir Ännchen, aßen zu Abend, waren beide ziemlich müde, um ½ 10 nach Bonn, um 10 fuhr Eisler mit der Rheinuferbahn ab. Ich fuhr nach Hause zurück, bald zu Bett. Freitag, 15. 10. 26 Nicht gut geschlafen, öfters wach, aber schön gebadet und dann wieder sehr wohl gefühlt. Ein paar Kleinigkeiten erledigt, bis 11 Uhr am Schreibtisch, wundervoll. Dann nach Bonn, Brief zur Post (an Georg Eisler), etwas eingekauft, 562 getroffen und mit ihm gegangen, in der Bahn eine auffällige Schülerin ( in !563). Nach dem Essen zwei Stunden geschlafen, aber unruhig und ohne Erleichterung. Um 4 schöner Brief von Feuchtwanger mit einer Besprechung Belows über meine Kernfrage des Völkerbundes.564 Dann zu Duschka, die sehr lieb und schön war und täglich gesünder wird. Unglaublich gut, ehrlich und liebevoll. Sehr glücklich bei ihr. Erst um 7 nach Haus. Fräulein Webers ging aus, daher einen Augenblick im Zweifel, ob ich Magda rufen sollte, hatte schon angemeldet, war aber schließlich doch zu müde. Ruhte auf der Bank aus, spielte mit dem Hund, der nichts wert ist, dann etwas notiert, müde zu Bett. Samstag, 16. 10. 26 Gut ausgeschlafen, herrlich gebadet, ein schöner Vormittag, ein wenig gearbeitet, herrliche Fahrt nach Bonn (traf unterwegs Zehnhoff, dessen Frau auch in Dottendorf im Krankenhaus ist), am Bahnhof, Billett nach Düsseldorf, im Beethovencafé Magda getroffen, sie war lieb und nett, gab ihr das Billett, kaufte ihr „Die Sanfte“ von Dostojewski,565 einiges erledigt, dann zu Schmitz, den ich aber nicht traf, nach Hause, schöne Post, dann zu Duschka ins 562 563
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Vielleicht ein Student. Astrologisches Zeichen für die Konstellation Mond im Tierkreiszeichen Wassermann, steht für Sehnsucht und Mitgefühl. BW Feuchtwanger, S. 189 f. Die Besprechung von Georg von Below in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft 50, 1926, S. 863–865. Fjodor M. Dostojewski, Die Sanfte. Eine phantastische Erzählung, Leipzig 1914 (u. ö.). Das Buch war 1923 / 24 eine beunruhigende Lektüre für Schmitt gewesen; vgl. TB III, S. 259, 320, 492, 509.
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Krankenhaus, es geht ihr täglich besser, sie ist lieb und munter. Abends schon um 9 zu Bett, so müde war ich. Sonntag, 17. 10. 26 Des Nachts öfters wach, weil ein Auto vor meinem Haus eine Panne hatte. Herrlich gebadet um ½ 8, schön gefrühstückt, dann nach Godesberg, wundervoll, in Bonn stieg Magda ein, wir waren bis Düsseldorf allein, zweimal Ejakulation, in Düsseldorf zur Königsallee, bei Hemesath566 gefrühstückt, dann allein zur Kunsthalle, traf Gilles567, ein da, allmählich gefielen mir seine Bilder, Magda telefonisch gerufen, bei Türkel zu Mittag, nachher mit dem Schiff zur GeSoLei568, herrliche Architektur, um 6 von Gilles verabschiedet, nach Friesdorf eingeladen, mit Magda auf dem Korso569, sie erzählte mir, dass sie 8 Jahre [Fabrikarbeiterin570] war! Großartiges Kind. Um ½ 8 fuhren wir mit dem Eilzug zurück. Von Düsseldorf bis Bonn allein, wunderschöne Ejakulation, sie war aber sehr ernst. Ich staune über ihre Willenskraft und hatte sie sehr lieb. Um 9 in Bonn. Bei Schmitz vorbei, dann zu Hause. Mit der Post war nur die Sitzung für die Akademie571 gekommen. Widerlich. Montag, 18. 10. 26 Um ½ 8 auf, sehr müde, allmählich munter, schöne Fahrt nach Bonn und Köln, im Zug den Referendar Türk572 getroffen und nett unterhalten über Verwaltungsfragen. In Köln Examen, sehr langweilig, um ½ 2 im Belgischen Hof573 Jup getroffen, der gut aussah und erzählte, daß Onkel André sich scheiden läßt. Steinlein-Schicksal. Mir wurde schlecht. Wenn ich an das Geld denke, das ich für die Krankheit von Duschka ausgegeben habe. Eine Stunde durch die Straßen, dann um 4 todmüde nach Bonn, zum Krankenhaus, nach Hause, Post (Brief von Anschütz), ausgeruht. Zu Göppert, zu Abend gegessen, schnell St.-Péray574; Pro-
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Café, Königsallee 48. Werner Gilles (1894–1961), spätexpressionistischer, mit Carl und Duschka Schmitt befreundeter Maler, der 1941 in Berlin zeitweise bei ihnen wohnte und von ihnen unterstützt wurde; Schmitt besaß mehrere Bilder von Gilles. Die Bekanntschaft hat Heinrich Oberheid, der in Mülheim mit Gilles zur Schule ging, vermittelt. NDB 6, S. 397 f.; Alfred Hentzen, Werner Giller, Köln 1960; Faulenbach, S. 223, Anm. 65. Es handelt sich um die „Große Ausstellung Düsseldorf 1926 für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen (GeSoLei)“ vom 8. Mai bis 15. Oktober 1926, die größte Messe der Weimarer Republik. Leitender Architekt für die zahlreichen Bauten auf dem Messegelände war Wilhelm Kreis, der auch das heute als Tonhalle genutzte Gebäude entwarf. Gemeint ist die Königsallee. s. unten, S. 370. Möglicherweise die oben (6.8.26) erwähnte Leibniz-Gesellschaft. Oskar Wilhelm Türk (1893–1978), Dr. med. und Dr. iur, im Kommunaldienst der Stadt Köln tätig, seit 1936 Stadtkämmerer, 1937 Dozent und 1942 Honorarprofessor an der Universität Köln, nach 1945 Landtagsabgeordneter (FDP); DBA II 1323, 52. Hotel Belgischer Hof, Köln, Komödienstr. 13–25. Saint-Péray ist ein Weinort an der nördlichen Rhone, in dem vor allem weiße Schaumweine produziert werden, deren durch Napoléon und Richard Wagner begründeter Ruhm allerdings in keinem Verhältnis zu ihrer heutigen Qualität steht.
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fessor Rothfels575 aus Königsberg und seine Frau576. Sehr nett. War munter und guter Dinge, um ½ 12 nach Hause, angeregt von dem guten Wein, den ich mir endlich auch bestellen will. Dienstag, 19. 10. 26 Herrlicher Morgen, Tau auf den Rosen, konnte nicht viel arbeiten, es war zu schönes Wetter. Um ½ 12 fuhr ich nach Bonn, im Institut ein paar Unterschriften, mit einigen Studenten gesprochen, mit Werner Becker durch die Weberstraße, sah Magda, sprach sie einen Augenblick allein, dass sie heute Abend kommt. Kaufte mir schweren Wein. Nach dem Essen kam die 577, konnte erst um 3 schlafen, war sehr müde, um 4 wieder auf, der Student Guhr kam, der über interalliierte Militär-Kontrolle arbeitet,578 er begleitete mich zum Krankenhaus, bei Duschka, die sehr lieb und nett war, aber der Gedanke an ihre Krankheit und das viele Geld, das sie kostet, ernüchtert mich doch. Die Beziehung ist zu einseitig, für mich eine Last, für sie ein unglaublicher Vorteil. Na, zu spät. Steinlein-Schicksal. Um 7 nach Hause, Fräulein Webers ging um ½ 8, ich wartete auf . 8.10 kam Magda, wir aßen zu Abend, sie war sehr nervös, dann eine herrliche Stunde im Bett. Ihr weißes Fleisch, wundervoll, 2 Mal Ejakulation, unglaublich schön, Befreiung und Rausch. Um 10 begleitete ich sie bis zur Siebengebirgsstraße nach Bonn, ein schöner Spaziergang, sie ist lieb und hingebend, aber oft rauh, und ich könnte sie nicht heiraten. Doch bin ich glücklich, dass ich das noch erlebt habe. Nachher noch gegessen, herrliche Müdigkeit, prachtvoll geschlafen. Mittwoch, 20. 10. 26 Um 9 Uhr auf, wunderbar gebadet, glücklich in der Erinnerung an den Abend, behaglich am Schreibtisch, ein paar Briefe geschrieben, mittags zu Hause, herrlich erholt. Gefühl der Gesundheit, nach dem Essen bis 4 geschlafen, gut ausgeruht, kein Kaffee, Schlosser kam und fragte wegen einer rechtlichen Frage. Er begleitete mich zum Krankenhaus, dort bei Duschka, die aufstand; Furcht vor den Arztrechnungen. Sie bewunderte Joyce (vielleicht aus Klugheit, um mir Freude zu machen; mein Misstrauen ist fürchterlich). Um 7 nach Hause, schöner Spaziergang über die Felder, immer Gefühl der Gesundheit. Nach dem Abendessen müde, den Hund bellen lassen, Gefühl der Sicherheit und Ruhe; wunderschönes Haus und herrliche Landschaft, in der ich wohne. Um ½ 11 zu Bett, gewaschen, gymnastische Übungen, ruhig eingeschlafen. Donnerstag, 21. 10. 26 Nachts um 4 Uhr wach, beherrscht, entschlossen, für mich, los und munter. Wieder eingeschlafen, um ½ 9 angekleidet, ein paar Klimmzüge, mit dem Hund gespielt, herrlicher Morgen, Gefühl der Sicherheit und Festigkeit. Allmählich gesammelt und ruhig; herrliches Gefühl der Gesundheit. Den ganzen Vormittag zu Hause, nach dem Essen rasiert, Brief an
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Hans Rothfels (1891–1976), Schüler von Friedrich Meinecke, 1926 bis 1934 Professor für Geschichte in Königsberg, dann als Jude zwangsemeritiert, Emigration nach England und in die USA, 1946 Professor in Chicago, ab 1950 / 51 in Tübingen; NDB 22, S. 123–125. Hildegard Elisabeth, geb. Consbruch (1893–1961). Nicht ermittelt. Hans Guhr, Sieben Jahre interalliierte Militär-Kontrolle, Breslau 1927.
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Anschütz geschrieben,579 eine Stunde gut geschlafen, dann nach Bonn gefahren, bei Bohland, Wut auf Ärzte und Wut auf meine Geilheit; ein paar Einkäufe gemacht, dann zu Duschka, bei der ich ziemlich kalt und gleichgültig war, um 7 nach Hause, um 8.10 Magda in der Bahn getroffen, wir fuhren nach Mehlem, gingen im Regen nach Rolandseck über die ziemlich stille Chaussee, ein herrlicher Spaziergang, man sah den Drachenfels, bis Rolandseck, bei Decker580 eine Flasche Kupferberg Gold, wundervoll, sie wurde munter und lustig, wir fuhren mit dem Personenzug 10.27 nach Bonn zurück. In Bonn bis Köln weiter, im Coupé herrliche Ejakulation, sie war prachtvoll, hingebend, schön. In Köln eine Stunde etwas spazieren um den Dom, im Café Fürstenhof, ich wurde allmählich müde, um 12.56 zurück, allein im Coupe, herrliche Ejakulation im Anblick ihrer Beine und Seidenstrümpfe. Um 2 waren wir in Bonn, ich begleitete sie zur Weberstraße, dann zu Fuß nach Friesdorf, wo ich ¼ 3 ankam. Ziemlich müde, froh zu Hause zu sein. Freitag, 22. 10. 26 Schön gebadet und dadurch wieder frisch. Um ¼ 9 auf, meine Klimmzüge gemacht, mit dem Hund gespielt, schönes, behagliches Haus, mit Freude an die gestrige Ausschweifung gedacht, konnte nicht viel arbeiten. Schrieb ein paar kleine Briefe, mittags um ½ 12 nach Bonn, Haare schneiden, zur Bank, dann zurück, nach dem Mittagessen ausgeruht, um 5 Uhr kam der Buchbinder, ich ging dann zum Krankenhaus und verabredete, dass sie schon Montag nach Hause kommt. Das machte mich wieder munter, während ich sonst ziemlich deprimiert war beim Anblick der Krankheit. Um 7 nach Hause, Fräulein Webers ging nach Bonn, ich telefonierte also, Magda kam für eine Stunde, wunderschöne Ejakulation, herrliche Beine, ich kann mich nicht satt sehen, ein lieber, guter, gesunder Kerl; hätte ich nur eine so gesunde Frau. Um ½ 10 brachte ich sie nach Dottendorf, nahm den Hund mit, schenkte ihr Puder, einen großen und eine Zeitung, verabschiedeten uns sehr schön und herrlich (das ist die Chaussee, die sie täglich gegangen ist), ich ging zurück, sehr glücklich und zufrieden über den schönen Abend mit einem lieben Mädchen. Samstag, 23. 10. 26 Gut ausgeschlafen, behagliches Gefühl. Um 9 Uhr auf, etwas Rheumatismus [im] linken Arm, schöne Post, den ganzen Morgen Briefe geschrieben, um ½ 1 zu Mittag, 1.21 nach Bonn gefahren, zu Magda, traf sie im Café Reitz581, wir unterhielten uns eine Stunde sehr schön, über , über Malerei, und eine Verabredung für morgen. Ein lieber Junge, ich bin glücklich, und wenn ich auf der Straße eine Frau mit schönem Gang und schönen Füßen sehe, so war ich beruhigt beim Gedanken an Magda. Ging durch die Stadt, kaufte für sie, ein paar Kleinigkeiten, dann bei Rittershaus Pralinen gekauft für die Schwestern im Krankenhaus, um 4 nach Dottendorf, zu Duschka, die anscheinend guter Dinge war, Fräulein Webers, Frau Braschoß und Ännchen kamen auch. Ich gab Ännchen 40 Mark. Scheußlich. Dann nach Hause, gelesen über Othello, was mich sehr interessierte. Um 7 plötzlich
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s. davon unten das Regest, S. 371. Hotel Decker beim Bahnhof Rolandseck. Bonn, Sternstr. 79.
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müde und eingeschlafen. Nach dem Abendessen müde und bald zu Bett, glücklich beim Gedanken, dass ich Magda morgen sehe. Früh zu Bett. Sonntag, 24. 10. 26 Um ½ 9 auf, schön angekleidet, schnell gefrühstückt, wunderschöner Brief von Georg Eisler, der schrieb, er sei glücklich, dass Duschka seinen Namen genannt habe. Ging um ½ 10 nach Dottendorf, traf dort Magda,wir warteten (weil es regnete) auf die nächste Bahn und fuhren nach Godesberg, frühstückten sehr hübsch im Godesberger Hof. Bis 12 Uhr sehr hübsch. Dann fuhr ich zum Krankenhaus, Duschka war lieb und nett, nach dem Mittagessen ruhte ich etwas aus, bis 3 Uhr, wollte Kaffee trinken, es kam aber nicht dazu, schrieb ein paar Briefe (wegen des Ausführungsgesetzes zu Art. 48,582) wartete auf Magda, sehr nervös, machte die Läden zu, endlich war es ½ 7, sie kam, wir aßen zu Abend, dann gingen wir zu Bett. Herrlicher weißer Leib, sie war aufgeregt, wollte ein Kind von mir, wandte sich konvulsivisch, 2 Mal herrliche Ejakulation, dann müde. Um 10 Uhr begleitete ich sie nach Bonn, bis zur Reuterstraße, sie war sehr aufgeregt, zuckte und stöhnte, armes Kind. Ich fuhr um 11 nach Hause zurück, traf zu meinem Glück noch Fräulein Webers an, die gerade die Tür abschließen wollte. Dann noch etwas herumgelesen, todmüde zu Bett. Montag, 25. 10. 26 Schlecht geschlafen, unruhig, unzufrieden, müde und erschöpft von gestern Abend. Bis ½ 10 im Bett, dann zu Haus, wenig getan, mittags um 11 nach Bonn, Fakultätssitzung, sehr langweilig, immer bedrückt und voller Angst, Gefühl der Zersetzung. Dann auf den Straßen, um Magda zu sehen. Sah sie um 10 vor 1, als sie aus dem Geschäft herauskam, dann war sie plötzlich verschwunden, lief zur Bahn, traf dort Peterson, wir liefen zusammen hinauf, um ½ 2 kam Sandhagen, wir aßen bei Kieffer zu Mittag und fuhren zu Dritt nach Friesdorf, wo wir Tee tranken. Ich war müde und gleichgültig. Um ½ 4 mit Peterson weg, ich ging zum Krankenhaus, zu Duschka, war aufgeregt, müde, schlug mich vor den Kopf, weil wir gedacht hatten, sie würde heute schon entlassen. Schauerlich. Um ½ 6 zurück, nett unterhalten mit Sandhagen, der bei mir zum Abendessen blieb. Ännchen kam zum Abendessen, ging aber schon um 9 Uhr, um 10 ging auch Sandhagen. Wir sprachen sehr nett, ich war aber todmüde.
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Der Art. 48 WRV gab dem Reichspräsidenten weitgehende Vollmacht zum Regieren im Ausnahmezustand. Das in Abs. 5 angekündigte Ausführungsgesetz ist jedoch nie ergangen, weshalb der Art. unter den Staatsrechtlern umstritten blieb. Während die Mehrheit unter ihnen dem Präsidenten die Möglichkeit zum Erlass von Notverordnungen zubilligte, wollte eine Minderheit, zu der auch Schmitt gehörte, das nicht (vgl. Stolleis, S. 116, Otto, S. 86 ff.). Bereits auf der Staatsrechtslehrertagung 1924 hatte Schmitt zusammen mit Erwin Jacobi auf ein begrenzendes Ausführungsgesetz zum Art. 48 gedrungen (vgl. Carl Schmitt, Die Diktatur des Reichspräsidenten nach Art. 48 der Reichsverfassung, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Berlin / Leipzig 1924, S. 63–104). Am 22. Oktober 1926 bekam Schmitt einen Brief von der Redaktion der Kölnischen Volkszeitung mit der Bitte, eine Abhandlung zum Art. 48 zu schreiben (RW 0265 Nr. 11451), was er auch umgehend tat (vgl. unten, 28.10.26).
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Dienstag, 26. 10. 26 Gut ausgeschlafen, aber Rheumatismus im Arm. Um 9 Uhr auf, behaglich gebadet und angekleidet, schöne Post (Brief von Frau Eisler, Karte von Anschütz), arbeitete morgens sehr schön ein paar Stunden, endlich. Ging mittags nach Bonn, obwohl ich oft Lust hatte, Magda zu sehen, die mir heute ein Bild geschickt hat, das übrigens nicht schön war. Nach dem Mittagessen mit dem Hund gespielt, dann zu Bett, gut ausgeruht, um 4 Uhr auf, große Lust, Kaffee zu trinken, es ging aber vorbei, Dr. Rommen kam, wir tranken Tee, nett unterhalten, er gefällt mir gut. Um 6 zum Krankenhaus, wunderschön bei Duschka, die ein liebes, kluges Mädchen ist. Hatte sie sehr lieb und verstand nicht, wie ich zu Magda gehen konnte. Blieb bis nach 7, zu Hause gegessen, nachher müde. Um 10 sehr beherrscht zu Bett. Mittwoch, 27. 10. 26 Gut geschlafen, um 8 Uhr aufgestanden (weil die Hausdame noch nicht die Läden aufgemacht hatte) sehr frisch und munter, Kaffee getrunken, nachdem ich spazieren gegangen und geturnt hatte, den ganzen Vormittag bis ½ 1 sehr fleißig gearbeitet, notiert und geordnet, guter Dinge, schöne Post 583. Nach dem Essen gut geschlafen, herrlich ausgeruht, um 4 Uhr kam Werner Becker, der die Erlaubnis bekommen hat, nach Paris zu gehen, und sich verabschiedete, ein netter, lieber Junge; er will Maritain hören.584 Während er bei mir war, kam Vormfelde, um guten Tag zu sagen, der Gute wollte bei mir hören in den Beamtenhochschulkursen.585 Begleitete Werner Becker zur Bahn, dann zu Hause wieder gut gearbeitet, dazwischen geturnt und spazieren gegangen; ganz herrlicher Tag. Abends ging die Hausdame weg, telefonierte aber nicht an Magda, sondern blieb allein und arbeitete, turnte, ruhig und beherrscht. Donnerstag, 28. 10. 26 Um ½ 9 auf (wieder starke Sexualität, wüste Träume), schnell angezogen, den Aufsatz über die Ausführungsgesetze zu Art. 48 entworfen,586 um 12 gegessen, umgekleidet. Nach Bonn, wartete bei Reitz auf Magda, sie kam, lieb und gut, ich , ich hatte sie wieder lieb, freute mich an ihrer Anhänglichkeit, schön, Beine und Seidenstrümpfe zu sehen. Lieber Junge. Sie blieb bis 10 vor Drei, ich blieb noch etwas, ging zur Bibliothek, holte ein paar Bücher, dik-
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BW Feuchtwanger, S. 193 f. Im Wintersemester 1926 / 27 setzte Werner Becker sein Theologiestudium am Institut catholique in Paris fort, wo er auch Maritain hörte. Dieser äußert sich in einem Brief vom 4. Januar 1928 an Charles Journet mit folgenden Worten über Becker: „… mon jeune ami Werner Becker, qui se prépare à être prêtre, et qui est un fidèle disciple de saint Thomas. Il travaille surtout les questions sociales et politiques, a fait ses études avec Carl Schmitt, de Bonn, qui l’estime beaucoup.“ Charles Journet / Jacques Maritain, Correspondance, vol. 1: 1920–1929, Fribourg / Paris 1996, S. 532 f. Die Mittelrheinische Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie in Bonn bot wöchentliche Hochschulkurse für Beamte, die u. a. von Schmitt bestritten wurden; vgl. Mehring (2009), S. 198 mit Anm. 39 auf S. 632. Carl Schmitt, Das Ausführungsgesetz zu Art. 48 der Reichsverfassung (sog. Diktaturgesetz), in: Kölnische Volkszeitung vom 30. 10. 1926; komment. Wiederabdr. in: SGN, S. 38–43.
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tierte dann bei Schneider587 meinen Aufsatz und die beiden Briefe (schrieb die Vossische Zeitung ab)588, dann zu Scharrenbroich, eine Tasse Schokolade, war munter (obwohl ich nicht geschlafen hatte) und sehr unternehmend, gierig und sehnsüchtig. Hatte fest auf Magda gewartet, fuhr aber um ½ 7 nach Hause, las etwas Zeitungen, aß zu Abend, noch etwas im Garten, schön geturnt, fühlte mich stark und gesund, große Arbeitslust. Freitag, 29. 10. 26 Bis 6 gut geschlafen, wach, wieder eingeschlafen, starke Sexualität, wieder Rheumatismus, Brief von München, Fuchs, wegen meines Aufsatzes für Festschrift Muth589, den ich im Hochland veröffentlichen will; sehr gern, dann bekomme ich Honorar; Brief an Feuchtwanger geschrieben,590 um 12 nach Bonn, zur Bank, zur Bibliothek, sehr beherrscht, sah die Gesichter der Professoren, die im Hause Vorlesungen halten, besonders den Streber Galle591. Um 1 sah ich Magda, ging aber an ihr vorbei, zu Kieffer, wo ich Peterson und Eschweiler traf, wir fuhren zusammen nach Friesdorf (wieder diese Schülerin), sie tranken bei mir Kaffee, besahen das Haus, ich war müde und deprimiert. Um 4 gingen sie wieder. Ich ruhte etwas aus, dann Dissertationen gelesen, über die von Huber sehr gefreut, etwas gearbeitet, nicht viel, müde und bedrückt; Geschwür im Nacken, oft geil, aber nur aus Langeweile. Froh, dass Duschka morgen kommt. Samstag, 30. 10. 26 Bis 9 geschlafen, nachts bellte der Hund (es stellte sich heraus, dass ein Einbrecher im Garten war, er hat den Gartenzaun mit einer Schere durchschnitten), morgens war es [mehrere Wörter] machte den Garten schön für Duschka und eine Girlande kam wegen Gießen, seine Frau bei ihm, mit 8 Jahren ein Kind. Ich schrieb noch einige Briefe (an Fuchs, dem ich das Manuskript über [für das] Hochland schickte592) und fuhr schon um 1 nach Bonn, traf Magda nicht in ihrer Wohnung, zu Reitz, wo sie schon um 1 ¼ ankam. Rührendes, liebes Kind. Ich schenkte . Sie war lieb und anhänglich, freute mich über ihre schöne Figur, ganz hingerissen kaufte ich ihr in einem Blumenladen 2 Chrysanthemen fürs Grab ihres Vaters und 3 schöne Nelken für sie. Dann wegen des Autos tele-
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Fräulein Schneider arbeitete als Sekretärin für Schmitt und war vielleicht eine Studentin; vgl. unten, 14.6.27. Wie die Kölnische Zeitung hatte die Vossische Zeitung bereits am 30. 8. 1926 einen Aufsatz Schmitts zum Art. 48 WRV erbeten (RW 0265 Nr. 11492) und diese Bitte am 26. 10 wiederholt (RW 0265 Nr. 11493). Es handelt sich um die Festschrift für Karl Muth (s. oben, 8.9.26). Ursprünglich wollte Schmitt den Aufsatz im „Hochland“ veröffentlichen, brachte ihn dann aber auf Bitten von Friedrich Fuchs in der Muth-Festschrift unter; vgl. den Brief von Fuchs vom 17. 5. 1927 (RW 0265 Nr. 11442). BW Feuchtwanger, S. 194 f. Die Rede ist von einem Studenten, der 1928 von Schmitt examiniert wurde („dumm“, s. unten, 28.2.28): Gustav Galle (1899–1992), wurde 1934 aus dem Staatsdienst entlassen, weil er nicht bereit war, den Eid auf Hitler zu leisten, von 1952 bis 1964 Regierungspräsident in Detmold. Seine nicht von Schmitt betreute Dissertation von 1928 hatte den Titel: „Anstiftung zum Selbstmord im geltenden und künftigen Strafrecht und die gewaltsame Hinderung am Selbstmord“. Der Aufsatz erschien nicht im Hochland, vgl. oben, 29.10.26.
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foniert, eine Stunde bei Rittershaus, müde und gleichgültig, mit dem Auto nach Dottendorf, Duschka abgeholt, traurig und verzweifelt, weil es regnete (Gefühl: sie hat kein Glück), als wir aussteigen wollten, zerbrach eine Flasche (wie damals, als ich in die Schraudolphstraße593 einzog, verflucht), allmählich ruhiger, Duschka besah das Haus, sie war lieb und gut. Wir tranken zusammen Schokolade, dann ruhten wir aus, ich war todmüde. Nachher ging es mir besser. Wir aßen schön zu Abend, sie war sehr schön. Nach dem Essen noch etwas in der Diele, dann ging sie um 9 zu Bett, lieb und brav. Ich ging noch durch den Garten, mit dem Hund, Unruhe wegen der Einbrecher. Ein paar Klimmzüge. Ruhig und in etwas verzweifelt heroischer Stimmung. Sonntag, 31. 10. 26 Nachts nicht gut geschlafen, immer krampfhaft gehorcht, ob nicht Einbrecher da wären. Daher morgens müde und krank, aber gerührt über die liebe und zarte Duschka. Nach dem Ankleiden schön gefrühstückt, Kaffee, schöne Post, freundlich mit Duschka unterhalten, der Polizeibeamte kam wegen des Einbruchs und bekam einen Schnaps. Dann holte ich den Chauffeur Müller von gegenüber, der mit seinen Söhnen kam und mit dem wir uns nett unterhielten. Mittag schönes Mittagessen, das Duschka hatte kochen lassen. Nachher ausgeruht, aber ich konnte nicht schlafen. Um ½ 4 kam Ännchen, dann Jup mit seinem Auto, Duschka war unten und sehr liebenswürdig. Wir tranken Kaffee, unterhielten uns nett, Jup wurde sehr gesprächig, als er Wein getrunken hatte. Aßen zu Abend (mit dem Dr. Schönbeck, einem Begleiter von Jup), um ½ 8 fuhren sie zurück. Nachdem sie noch Slibowitz getrunken hatten und sehr lustig waren. Ich ging gleich zu Bett. Freute mich über die schöne Figur von Duschka, Ejakulation, konnte aber nicht einschlafen, daher noch einmal aufgestanden, eine Flasche Bier getrunken, Völkerrecht gearbeitet. Duschka stand auch auf, liebes, schönes Kind. Montag, 1. 11. 26 Nachts ein paar Stunden gut geschlafen, um ½ 9 auf, fröhlich, weil Duschka da war. Schöner Kaffee und eine Stunde gut gearbeitet. Merkwürdiges Gefühl, dass Frau im Haus. Duschka ist munter und lieb. Ich fuhr um 12 nach Bonn, um die Kölnische Volkszeitung zu holen mit meinem Aufsatz,594 um ½ 1 wieder zurück, traf Peterson (er sprach über die Frage: ob der Tod eine Person ist595); blieb zum Mittagessen. Wir tranken schönen Moselwein (Weingut
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In der Schraudolphstr. 5 in München wohnte Schmitt mit seiner ersten Frau vom 1. Mai 1915 bis zum Herbst 1921. s. oben, 28.10.26. Mit dem Tod hat Peterson sich zeitlebens intensiv beschäftigt (vgl. Peterson AS 2, S. 141 f.). In seiner Bonner Zeit schlägt sich das vor allem in der Römerbriefvorlesung nieder, genauer: in der Auslegung von Röm 5,2 (vgl. Peterson, AS 6, S. 151 und 152, Anm. 108). Zur Zeit des Schmitt-Notats arbeitete Peterson in der Menschensohnvorlesung (s. oben, 25.2.26) gerade drei Stadien in der Entwicklung dieses Begriffes heraus: „1. Der Menschenohn als Symbol in Dan 7; 2. Der Menschensohn als Figur (Augsgangspunkt von Henoch 46 und Apk 1); 3. Der Menschensohn als Person“. Das ist bislang nicht veröffentlicht, aber gerade die Auslegung von Dan 7 mit den Tieren aus dem Abgrund ist im Blick auf Schmitt und das damals so intensive Gepräch nicht uninteressant (es wird sogar einmal Hobbes erwähnt). In der Apokalypsevorlesung dieses Wintersemesters streift
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Bischöfliches Priesterseminar), nachher Kaffee, dann gingen wir über die Felder nach Dottendorf. Ich ging nach Hause zurück und legte mich zu Bett. Um ½ 4 sagte das Mädchen, dass Krause aus München gekommen sei. Ich war sehr erfreut, kleidete mich schnell an, er war mit Isa und einem Architekten Steindächer596 da. Wir tranken Tee, waren fröhlich, am Schluss ein Glas St.-Péray, um ¼ nach 4 fuhren sie wieder nach Köln und wollen morgen wiederkommen. Inzwischen kam Professor Beling597. Ich war glücklich und aufgeregt vor Freude über den Besuch. Für 6 hat sich Herr Mendel angesagt. Er kam ziemlich pünktlich, wir unterhielten uns sehr nett, er aß bei uns zu Abend und blieb bis ½ 9. Wir plauderten nachher eine Stunde, ordneten das Haus, Duschka war sehr glücklich, ich war aufgeregt und müde und konnte weder schlafen noch arbeiten. Krause ließ abends telefonieren, dass er morgen nicht zum Essen kommt, sondern nur einen Augenblick Guten Tag sagt. Dienstag, 2. 11. 26 Um ½ 5 aufgestanden und etwas an der Vorlesung geschrieben. Wundervolles, schönes, ruhiges Haus. Wieder zu Bett, geschlafen. Zu Duschka ins Bett, um 9 Uhr auf, herrlicher Morgen, schöner Brief von Georg Eisler. Machte meine Vorlesung, um ½ 12 nach Bonn, der Hörsaal XI war ganz voll, nicht gut gelesen. Nachher einiges besorgt, hörte, dass Kaufmann sich wieder vertreten lässt, beleidigend,598 fuhr nach Friesdorf, schön auf Mittag, dann auf Krause gewartet und ausgeruht. Sie kamen um 3 Uhr, sehr nett, Frau Krause war begeistert von der Wohnung, wir tranken zusammen Kaffee, lachten und waren guter Dinge. Um 4 fuhr Krause fort. Ich war plötzlich müde und bedrückt. Ging zu Bett, eine Stunde ausgeruht, schrecklicher Nebel, dann zu Duschka ins Bett, schön und ruhig. Nachher aufgestanden, gewaschen, eine Stunde sehr schön gearbeitet. Um ½ 9 zu Abend gegessen, wunderschön, unglaublich, diese kluge und korrekte Frau. Trank ein Glas St.-Péray, das von gestern noch übrig war. Nachdenklich, philosophiert; seltsam, dieses Glück mit der Wohnung. Mittwoch, 3. 11. 26 Nachts gut geschlafen, um ½ 9 auf, sehr munter und guter Dinge. Herrliches Wetter, freute mich für Duschka, die lieb und nett ist. Arbeitete an meiner Vorlesung, um ½ 12 nach Bonn, zur Bank, sehr schöne Vorlesung (weil ich den jungen Hirsch599 sah und einen Borussen), nach der Vorlesung schnell zu Magda, eine traurige und gedrückte Situation, armes, liebes Kind; Gefühl, dass es zu Ende ist. Nach Friesdorf, schön gegessen, nachher sehr schön ausgeruht bei Duschka im Bett. Um 5 nach Bonn, Kaffee bei Scharrenbroich, schö-
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Peterson die Frage etwas später bei der Auslegung der apokalyptischen Reiter (Peterson, AS 4, S. 81–84). (Frdl. Mitteilung von B. Nichtweiß). Nicht ermittelt. Ernst von Beling (1866–1932), Strafrechtswissenschaftler, Prof. in Tübingen bis 1912, danach in München; Schmitt zitiert dessen Hauptwerk „Die Lehre vom Verbrechen“ oft in seiner Dissertation „Schuld und Schuldarten“ Breslau, 1910. Durch seine Beratertätigkeit für die Reichsregierung war Erich Kaufmann häufig abwesend. Carl Georg Hirsch (1903-nach 1968), Sohn des Geheimrats Karl Hirsch (s. dort), Schüler Schmitts, von ihm 1928 promoviert, trat als Generalkonsul im Auswärtigen Amt 1968 in den Ruhestand; vgl. Mehring (2014a), S. 34.
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nes Seminar. Referate verteilt (Fräulein Liebreich600 war da, sehr schön gekleidet), sprach nach dem Seminar sehr nett mit dem jungen Hirsch, dann mit Dr. Rommen. Um 8 zu Hause, nach dem Essen sehr müde, noch etwas herumgelesen. Am Schreibtisch gesessen, eine Flasche Bier getrunken, todmüde, um ½ 11 zu Bett. Morgen Namenstag, sagte Duschka absichtlich nichts. Habe heute Nachmittag Peterson Joyce J601 geschenkt [etwa 5 Wörter]. Donnerstag, 4. 11. 26 Sagte absichtlich nichts von meinem Namenstag, war den ganzen Tag müde und gleichgültig, Gier und Sehnsucht. Gut geschlafen, sehr schöne Vorlesung Völkerrecht (musste den Hörsaal wechseln602). Um 9 zur Weberstraße, traf aber Magda nicht. Mit der nächsten Bahn nach Friesdorf gefahren. Nach dem Essen mit Duschka in den Garten, dann ausgeruht bis 4 Uhr, um 5 nach Bonn, bei Frings603 Kaffee, dann sehr schöne Übung in einem großen Hörsaal über Verwaltungsrecht. Freute mich meiner Sicherheit. Um ½ 8 etwas mit Friesenhahn gesprochen, dann nach Friesdorf. Aufgelöst vor Sehnsucht und Gier. Duschka gratulierte mir schön, ich schenkte ihr den , den Huber mir gegeben hat,604 wir gingen abends 10 zu Bett. Ejakulation. Aber es war keine Erlösung. Keine Erlösung ohne Eroberung. Freitag, 5. 11. 26 Nicht gut geschlafen, Schweißausbrüche, um 9 Uhr auf, durch das Bad schnell munter, fröhlich die Vorlesung gemacht in meinem herrlichen Arbeitszimmer. 12–1 schöne Vorlesung mit ungeheurem Erfolg, [2 Wörter] Magda, obwohl ich Zeit gehabt hatte, in der Bahn, die jüdische Handelsschülerin, es ist aber nichts; saß ihr gegenüber. Nach dem Mittagessen mit Duschka im Garten, von 3–5 geschlafen, wieder Schweiß; Wut über die Hitler-Rede605. Um 5 Uhr müde, mild aufgestanden, kein Kaffee, aber Sehnsucht und Gier, dabei lieb zu Duschka. Große Freude in der Erinnerung an die Stunden mit Magda, Gefühl, nicht betrogen zu sein. Kein Kaffee [2 Wörter], abends nach dem Abendessen todmüde zu Bett.
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Liese Liebreich (?–?), später Rechtsanwältin, emigrierte 1933 mit ihrer Schwester, der Kunsthistorikerin Änne Liebreich, nach Paris. Eva Weissweiler, Notre Dame de Dada. Luise Straus – das dramatische Leben der ersten Frau von Max Ernst, Köln 2016. Vermutlich: James Joyce, Jugendbildnis, Basel 1926 (s. oben, 29.9.26). Wegen des großen Andrangs. Konditorei Frings, Bonn, Bahnhofstr. 38. Ernst Rudolf Huber kam aus Oberstein, wo es eine Edelsteinmine gab; vgl. BW Huber, S. 58 f. Zuletzt hatte Hitler am 20. 10. 1926 eine Rede auf der NSDAP-Versammlung in Berchtesgaden gehalten über „Kultur und Weltanschauung, Persönlichkeits- und Führerprinzip“, veröffentlicht in: Völkischer Beobachter vom 31. 10. 1926; Regest in: Adolf Hitler, Reden, Schriften, Anordnungen. Februar 1925 bis Januar 1933. Hrsg. vom Institut für Zeitgeschichte, Bd. 2: Vom Weimarer Parteitag bis zur Reichstagswahl, Juli 1926–Mai 1928, Teil 1: Juli 1926–Juli 1927. Hrsg. und komment. von Bärbel Dusik, München [u. a.] 1992.
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Samstag, 6. 11. 26 Morgens guter Kaffee, ein paar Stunden herrlich gearbeitet, mein Vortrag zu Berlin.606 Nach dem Essen ausgeruht, Ejakulation bei Duschka, aber immer Gier und Geilheit, Sehnsucht nach schönen Frauen, Gier. Nachmittags um 6 zur Stadt, herumgelaufen, daher Magda getroffen, schließlich doch um 7 nach Hause. Schmitz und seine Frau waren da, wir aßen zusammen nett zu Abend, munter und fröhlich. Um 10 zu Bett, gut eingeschlafen. Sonntag, 7. 11. 26 Schönes Wetter, Duschka schlief lange, ich wurde munter und telefonierte Magda, sie kam um 10, wir fuhren nach Godesberg, sehr hübsch im Godesberger Hof gefrühstückt, der Rhein war herrlich im Herbstwetter und Sonnenschein. Um 12 zurück (Magda hatte ein neues Kleid, war dankbar und lieb, aber etwas kalt), zu Hause mit Duschka eine Stunde im Garten bei herrlichem Wetter, nach dem Essen schreckliche Leibschmerzen, Durchfall, Angst vor der Ruhr. Um 4 aufgestanden, Peterson und Ännchen kamen, konnte keinen Tee trinken, lag auf der Bank in der Diele, Peterson erzählte von Scheler607, den er in Köln getroffen hat, wir tranken eine Flasche schäumenden Burgunder, ich ging um 7 ins Bett, schlechter Laune und krank und legte mir ein Heizkissen auf den Leib. Montag, 8. 11. 26 Um 9 müde auf, scheußlicher Zustand, Durchfall, es geht aber etwas besser. Morgens nichts getan, Wutanfall; dem Spediteur telefoniert usw. Mittags zur Stadt, bei den Spediteuren herumgelaufen, um 1 Magda bei Reitz getroffen, sie brachte mir Seidenproben mit, bestellte etwas für Duschka, dann um ½ 2 nach Hause (im Hochland Hugo Ball608 gelesen, der sich über meine politische Romantik äußert609), etwas gelesen, nachher am Mittag schönes 606 607
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s. unten, 3.12.26. Max Scheler (1874–1928), Professor für Philosophie und Soziologie in Köln; NDB 22, S. 644–646. Über die ambivalente Beziehung Petersons zu Scheler vgl. Nichtweiß (1992), S. 343 f. mit einer Auflistung von Peterson-Äußerungen über Scheler in der Anm. 34 auf S. 344; Peterson, AS 9 / 1, S. LVIII–LX; Caronello. Zum Tode Schelers schrieb Peterson 1928 einen berühmten Nachruf in: Peterson, AS 9 / 1, S. 559–561. Hugo Ball (1886–1927), Schriftsteller, mit Schmitt problematisch befreundet; NDB 1, S. 559 f.; Ellen Kennedy, Carl Schmitt und Hugo Ball. Ein Beitrag zum Thema „Politischer Expressionismus“, in: Zeitschrift für Politik N.F. 35, 1988, S. 143–168; Dahlheimer, S. 553–559; Mehring (2009), S. 169–177; vgl. TB III, S. 121 und passim; BW Feuchtwanger, passim. Hugo Ball, Der Künstler und die Zeitkrankheit, in: Hochland 24 / 1, 1926 / 27, S. 129–142, 325–344. Hier heißt es zu Schmitt: „Man hat, in der Absicht den Sinn des zeitgenössischen Bürgertums zu ermitteln, vielfache Anstrengung aufgewandt, den Geist der Romantik zu definieren. Der weitaus stärkste Versuch dieser Art war derjenige des Bonner Professors Carl Schmitt (‚Politische Romantik‘, 1919). Die Problemstellung dieser Schrift bezog ihre Schärfe aus dem Gegensatze des denkbar unpolitischesten Themas. Schmitt suchte die Romantik aufzuräumen, indem er, ausgehend von Adam Müller, einen ideologischen Bogen nach rückwärts spannte bis zu Malebranche. Einen säkularisierten Gnadenbegriff der Descartesschule, den Okkasionalismus reklamierte er als das bestimmende Element. Indem er den schwächsten Punkt der Romantik, ihre Politik angriff und die Romantik auf staatliche Normen bezog, hatte er leichtes Spiel, eine dilettantische Wertverwirrung aufzueigen. Sein Argument aber blieb eine Konstruktion; denn auch Goethe wäre dann, eigenem
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Fleisch gegessen, ausgeruht, bei Duschka im Bett, ¼ 5 auf, Friesenhahn kam, nett unterhalten, nachher 610, Professor Bohland besuchte Duschka, ich wurde allmählich ruhig, morgen Abend beginnen die Beamtenhochschulkurse. Nachts ging es mir schlecht. Dienstag, 9. 11. 26 Sehr müde, Durchfall um ½ 9, ohne gefrühstückt zu haben, mit der elektrischen Bahn nach Köln, trank ein Glas Wermuth, fuhr mit dem Auto zum Reichensperger Platz,611 leidliches Examen, mit Geheimrat Eckert612 bekannt geworden, Frau v. Schnitzler hatte ihn heute Morgen angerufen wegen des Prinzen Rohan. Wir unterhielten uns nachher sehr nett. Ich fuhr um 1 nach Bonn zurück, müde und krank, aß zu Hause nichts, um 5 schon wieder weg, in der Stadt herumgelaufen, bei Kieffer ein Butterbrot gegessen, mit Mühe meinen Vortrag vor den Beamten gehalten, um 8 einsam und allein herumgelaufen, todmüde und einsam nach Hause, bald zu Bett. Mittwoch, 10. 11. 26 Immer noch krank; mit Mühe meine Vorlesung gehalten, dann zu Hause, nach dem Essen ausgeruht, um ½ 6 nachmittags kam der Student Walter, der nach Paris geht und bei mir eine Arbeit machen will , gut gesprochen über den Staat, aber furchtbare Anstrengung. Nachher noch etwas mit Rommen, der mich aber enttäuscht. Traurig und deprimiert nach Hause. Kann nichts essen und trinken, dabei immer Durst. Donnerstag, 11. 11. 26 Wieder müde und krank, mühselige Vorlesung, aber immer voller. Nachmittags meine Übungen ganz gut, aber um ½ 8 plötzlich wieder heftiger Durchfall. Werner Weber kam nach der Vorlesung, ich war krank und müde, wollte zu Magda gehen, es war aber kein Licht bei ihr. Nach Hause. Krank zu Bett. Freitag, 12. 11. 26 Es ging mir ziemlich schlecht, bereitete morgens meine Vorlesung vor, ein Telegramm aus Hamburg kam, es sei etwas Schreckliches passiert, ob ich nicht nach Hamburg kommen wollte. Sonst Georg. Ich sprach mit Duschka. Wir telegrafierten gleich (telefo-
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Geständnis zufolge, Okkasionalist gewesen; das Gelegenheitsgedicht hielt der Herr Geheimrat für die erfreulichste Gattung der Lyrik. Ex contrario könnte man sagen, daß die Romantik politisch nicht begriffen werden kann, weil sie gerade politisch nicht begriffen werden will; weil sie der Politik vorsätzlich widerstrebt.[…]“ (S. 135). Nicht ermittelt. Am Reichensperger Platz befand sich das Oberlandesgericht, an dem Schmitt die Referendarprüfungen abnahm. Christian Eckert (1874–1952), Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaften, Planer und 1919 Gründungsrektor der Kölner Universität, 1933 entlassen, ab 1936 Aufsichtsratsvorsitzender der Cornelius Heyl AG in Worms, von 1946 bis 1949 Oberbürgermeister von Worms; Andreas Freitäger, Christian Eckert (1874–1952), Köln 2013.
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nisch), dass die Beiden613 doch gleich kommen sollten. Dann meine Vorlesung, sehr nett. Nachher nach Hause (die dumme Handelsschülerin), nach dem Essen ausgeruht, abends nach Bonn, bei Schmitz, um 7 zu Magda telefoniert, zu Kieffer, ein Glas Wermuth, traf Magda im Hofgarten, ging mit ihr in die Wohnung. Schöne Ejakulation, große Befreiung, um ½ 9 wieder zu Hause, Pfefferminztee getrunken, die ganze Nacht großartig geschlafen. Samstag, 13. 11. 26 Bis 9 gut geschlafen, Eisler telefonierte, er war schon in Bonn. Ich kleidete mich rasch an und erwartete ihn. Die Beiden kamen mit der elektrischen Bahn um ½ 10. Ich war sehr glücklich, wir frühstückten zusammen, gingen durch den Garten, es war schönes Wetter. Er erzählte die schreckliche Geschichte von Isay614, der die Leiche von Lilly hat ausgraben und nach Hamburg bringen lassen.615 Wir fuhren um 11 nach Mehlem, setzten über, fuhren mit einem Wagen zum Drachendenkmal, dann auf den Drachenfels und wieder herunter. Um 2 ¼ waren wir wieder zu Hause, nach dem Essen ausgeruht, nachmittags schöner Kaffee, sehr schön miteinander gesprochen, zu Abend gegessen. Um 10 zu Bett. Abends mit Frau Eisler im Garten, sie sprach von ihrer Angst wegen der Zahl 27 und vor dem kommenden Jahr 1927. Sonntag, 14. 11. 26 Nicht gut geschlafen, schreckliche Träume die ganze Nacht. Um 9 auf, Eisler hatte nicht gut geschlafen, schade. Wir gingen morgens eine Stunde spazieren, auf die Godesberger Höhe, wunderschön. Mittags kam Huber, wir aßen zusammen zu Mittag. Nachher ruhten die anderen aus, ich sprach mit Huber über seine Dissertation bis 4 Uhr.616 Dann müde, Spaziergang mit Eisler über die Felder. Als wir zurückkamen, war Jup da, ich ruhte etwas aus und kleidete mich um. Zusammen zu Abend gegessen, war aber traurig und müde, obwohl wir viel lachten und lustige Geschichten erzählten. Um 9 fuhr Jup zurück, ich fuhr mit Eislers um ½ 10 nach Bonn, um 10 Uhr fuhren sie ab. Ich dachte an Lilly und weinte. Um ½ 11 zurück. Müde ins Bett, zum Glück geht es meinem Darm besser. Montag, 15. 11. 26 Bis 9 Uhr gut geschlafen, herrlicher Kaffee und Frühstück, wunderschönes Wetter, wunderschönes Haus. Aber nicht viel gearbeitet. Um 12 nach Bonn, im Seminar, Fräulein Liebreich, um 1 mit ihr zu Magda, die mir die Seide brachte. Dann schnell nach Friesdorf zurück, nach dem Essen ausgeruht, immer guter Dinge und Duschka sehr lieb gehabt. Um 5 aufgestan613 614
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Wohl Georg Eisler und seine Mutter. Hermann Isay (1873–1938) Notar und Rechtsanwalt für Patentsachen am Kammergericht Berlin, a. o. Professor an der TH Berlin, 1933 als Notar entlassen, 1935 emeritiert; DBA II, 179–180; III 432, 297–299; Göppinger, S. 223 f. Die Schwester Georg Eislers, Julie („Lilly“), war mit Hermann Isay verheiratet. Nach der Geburt des zweiten Kindes 1920 war sie verstorben und in Berlin begraben worden. Isay ließ die Leiche 1926 nach Hamburg umbetten (s. Mehring, Eisler, S. 9 f.). Die Dissertation von Huber wurde von Schmitt betreut, 1932 habilitierte er sich bei Heinrich Göppert, bei dem 1930 auch Hubers Frau Tula Simons promoviert wurde.
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den, wieder zur Stadt, einiges besorgt. Die von Jahrreiss über den ,617 oft traurig und bedrückt beim Gedanken an Eisler. Brief von Bilfinger. Dienstag, 16. 11. 26 Schöne Vorlesung, abends Vortrag Rohan, nachher Königshof mit Oberheid, Peterson, Neuß, dem jungen Hirsch, Becker. Nett unterhalten, aber 50 Mark ausgegeben. Mittwoch, 17. 11. 26 Todmüde, zum Glück ist Feiertag (Buß- und Bettag), nichts getan, Seewald mit seiner Frau zu Besuch, dann Oberheid, Peterson, der Prinz Rohan, Ännchen, nettes Abendessen, bis ½ 12. Donnerstag, 18. 11. 26 Vorlesung und Übungen, nicht viele, müde, wartete auf Nachricht von Eisler. Freitag, 19. 11. 26 Vorlesung bereitet, nachmittags entschlossen, nach Berlin und Hamburg zu reisen. Abends im Schlafwagen nach Berlin, gut geschlafen. Samstag, 20. 11. 26 In Berlin, bei am Zehnhoff, zum Glück traf ich ihn noch (er will [am] Abend abfahren), er freute sich, dass ich kam, mittags die Sachen besprochen. Nach dem Essen auf dem Sofa geschlafen, abends um 5 zu Eisler. Sonntag, 21. 11. 26 Nachts sehr gut ausgeschlafen, schön gefrühstückt (Müller-Hartmann kam mit seinem Sohn), mittags großartiger Wein, St.-Péray, schön mit Eisler gesprochen, nachmittags wieder geschlafen, schöner Spaziergang an der Alster, abends bei der alten Frau Eisler, um 10 Uhr abgereist, gerührt von der Frau Georgs. Montag, 23 [recte: 22.]. 11. 26 Nachts allein im Schlafwagen, gut ausgeruht, um 7 in Köln angekommen, keine besondere Post, etwas gearbeitet, nicht viel. Dienstag, 23. 11. 26 8.10 nach Godesberg, mit Magda gefrühstückt (Kaiserhof), mit der Eisenbahn nach Bonn, glückliche Stunde (nachher Angst, die Tasche vergessen zu haben), schlechtes Examen, mit Hamacher zu Mittag gegessen, müde nach Hause, gute Beamtenvorlesung.
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Hermann Jahrreiß, Völkerbunds-Mitgliedschaft und Reichsverfassung. Leipziger Antrittsvorlesung, Leipzig 1926.
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Mittwoch, 24. 11. 26 Morgens kamen Peterson und Oberheid, nach der Vorlesung bei 618 zu Mittag gegessen, todmüde nach Hause, schlechtes Seminar, traurig und bedrückt, abends ruhig für mich. Donnerstag, 25. 11. 26 Schlechte Vorlesung, glaubte mittags Magda zu sehen, stieg aus, ging zu ihr, sie war krank. Glücklich, bei ihr zu sein. Abends schöne Übung (in freudiger Erwartung), dann eine halbe Stunde bei Magda, herrliche Ejakulation, wunderbar lieb. Freitag, 26. 11. 26 Morgens 9 Uhr Peterson (sehr behaglich, selbstherrlich), an Eisler geschrieben, gut ausgeschlafen, keine sehr gute Vorlesung (sah den Prinz Wilhelm), nachmittags war Gerber zum Tee, nachher sehr schön 2 Stunden über Minderheitsrecht gearbeitet und den Aachener Vortrag vorbereitet, abends Schmitz mit seiner Frau, langweilig. Samstag, 27. 11. 26 Ruhiger, behaglicher Vormittag, mit Freude an Magda gedacht, der junge Hirsch und sein Freund, Dr. v. und machten Besuch, sehr nett. Wir tranken ein Glas Wermuth. Dann wurde ich müde und ging zu Bett. Nachmittags sehr erkältet. Sonntag, 28. 11. 26 Sehr erkältet, den ganzen Tag zu Bett. Scheußlich. Kann vielleicht morgen den Vortrag in Aachen nicht halten. Nachmittags etwas auf, abends eine Flasche St.-Péray. Montag, 29. 11. 26 Heftige Augenschmerzen des Morgens, immer noch erkältet. Um 12 Uhr in Friesdorf abgefahren, zum Glück allein im Coupé nach Aachen, konnte nicht sprechen. Traf Rick um ½ 4, schöner Gang durch die Stadt, wir tranken Kaffee und unterhielten uns sehr schön, dann im Hotel, im Bett. Große Geilheit und Gier, glücklich, alleine zu sein. Ein ruhiger, glücklicher Moment. Um 8 Uhr der Vortrag, trotz der Heiserkeit sehr schön, nachher im „König von Spanien“619 mit Blumenthal620, Meusel621, Rick usw. Nett unterhalten, um ½ 1 nach Haus.
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Ein Hotel / Gastwirtschaft dieses Namens gab es in Bonn nicht; vielleicht: „Pierrot“, Cassiusgraben 8. Hotel in Aachen, Kleinmarschierstr. 52. Otto Blumenthal (1876–1944), seit 1906 Professor für Mathematik an der RWTH Aachen, 1933 als Jude entlassen, 1934 in die Niederlande emigriert, von dort 1940 nach Theresienstadt deportiert; DBE 1, S. 735. Alfred Meusel (1896–1960), 1925 a. o., 1930 o. Professor für Volkswirtschaftslehre und Soziologie an der RWTH Aachen, 1933 als Jude entlassen, 1934 über Dänemark nach England emigriert, wo er sich der Exil-KPD anschloss, 1938 Aberkennung der Staatsbürgerschaft und des Doktortitels, 1946 Rückkehr in die Ostzone Deutschlands, Professor für Neuere Geschichte an der HumboldtUniversität in Berlin und ab 1949 Mitglied der Volkskammer der DDR, 1952 Direktor des Museums für deutsche Geschichte; NDB 17, S. 272–274.
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Dienstag, 30. 11. 26 Fröhlich aufgestanden, schöne Fahrt, glücklich und zufrieden, nach Friesdorf (weil ich mein Manuskript für die Vorlesung vergessen hatte), leidliche Vorlesung, nach dem Essen ausgeruht, sehr schöne Beamtenvorlesung um 7 Uhr, Abends glückliche Stunde bei Magda. Mittwoch, 1. 12. 26 Um 7 auf, 20 vor 8 in die elektrische Bahn nach Godesberg, traf Magda, wir frühstückten im Adler. Um 8.54 mit der Eisenbahn nach Bonn zurück. Fröhlich, das gemacht zu haben, den ganzen Vormittag in der Bibliothek sehr fleißig, aber etwas müde. Ziemlich schlechte Vorlesung, nach dem Essen 2 Stunden geschlafen, gut ausgeruht, sehr schönes Seminar (weil ich keinen Kaffee getrunken hatte), Brief von Lilli622, um 8 angerufen und 623 gratuliert. Müde zu Bett. Donnerstag, 2. 12. 26 Traum von Göppert: Er sah Magda und ist wütend, ließ mich stehen. Um 7 auf, morgens die Vorgänge gegen Herrn aufgesetzt und fertig gemacht, als Eilbrief an Eisler geschickt. Ziemlich schlechte Vorlesung, nachmittags gut geschlafen, um 6 schöne Übung im Verwaltungsrecht. Nachher bei Magda bis 9 Uhr; gerührt und glücklich (dabei sehe ich, dass eigentlich unmöglich ist: ich werde ihr [2 Wörter] schon zeigen, wenn sie wieder Seide kaufen will). Ich lasse ihr täglich den „Mittag“624 zurücklegen. Freitag, 3. 12. 26 Um 7 ¼ auf, Vorlesung etwas besser vorbereitet und leidlich gehalten. Aber immer erkältet. Traurig, bedrückt, einsam, isoliert. Mittags wieder geschlafen, dann wollte ich nach Godesberg, die gute Duschka riet mir zu, aber es regnete und ich war zu müde. Sehr schön an meinem Berliner Vortrag gearbeitet,625 den ganzen Vormittag und abends bis 11 Uhr. Endlich ein fleißiger Tag. Am Zehnhoff telefoniert. Ich besuche ihn Montag. Abends noch fleißig. Samstag, 4. 12. 26 Für den Vortrag gearbeitet, immer noch etwas entdeckt, endlich wieder etwas Arbeitsfreude und Eifer. Mittags nicht in die Stadt, nachmittags etwas gearbeitet, um 6 kam Lohmann, wir sprachen über seinen Entschluss, wieder zu studieren und den Referendar zu machen. Sehr nett, lieber Kerl, geblieben zum Abendessen, Neuß kam auch und schenkte uns eine schöne
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Vielleicht Lilly v. Schnitzler oder Lisa Krause. Nicht ermittelt. Der Mittag – Zeitung für Rhein und Ruhr, eine in Düsseldorf in hoher Auflage erscheinende bürgerlich-liberale Zeitung. Die Berliner Juristenvereinigung hatte Schmitt für ihre Dezembersitzung 1926 zu einem Vortrag eingeladen; Schmitt sprach über Volksbegehren und Volksentscheid. Vgl. Andreas Fijal, Die Geschichte der Juristischen Gesellschaft zu Berlin in den Jahren 1859 bis 1933, Berlin / New York 1991, S. 126 f.; vgl. auch die Zeitungsberichte darüber in: RW 0265 Nr. 20105.
November / Dezember 1926
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Zeichnung von Kobell626. Schönes Abendessen, Rotwein getrunken. Um ½ 11 Neuß an die Bahn gebracht. Er hat mit Duschka über Katholizismus gesprochen. Sonntag, 5. 12. 26 Morgens den ganzen Vormittag gut gearbeitet, nach dem Essen konnte ich nicht schlafen, aufgeregt, Sehnsucht nach dem weißen Fleisch von Magda. Nachmittags mit Duschka nett unterhalten über meinen Vortrag. Dadurch wieder fleißig. Abends Bier getrunken, plötzlich müde, aber immer noch aufgeregt, zu Bett, konnte nicht einschlafen. Montag, 6. 12. 26 Bis 9 Uhr geschlafen, herrliches Winterwetter, nachts Ejakulation, schauerliche Gier, morgens schön gearbeitet, um ½ 12 in die Stadt, viele Briefe abgeschickt (an Bilfinger, am Zehnhoff, Kiener), mittags traurig und deprimiert, nach dem Essen ausgeruht, wieder Ejakulation. Etwas gearbeitet, dann kam Eschweiler, trank Kaffee und blieb zum Abendessen (kam wegen seiner Berufung627), wir sprachen über Nation und , Erziehungsprobleme etc. Ich war innerlich überlegen und gleichgültig. Dann angefangen, meinen Vortrag zu schreiben, um ½ 10 traf Oberheid ein, [einige Zeichen nicht erkennbar], wir tranken eine Flasche Sekt, unterhielten uns sehr schön, er ging um ½ 1 Uhr. Ich war munter und guter Dinge. Sehnsucht nach Magda. 24. 12. 26 Wunderschöner Weinachtsabend. Duschka war glücklich.
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Sepia-Zeichnung „Felslandschaft“ von Franz Kobell (1749–1822), nicht signiert, mit Rückenschild „Kunsthandlung J. Kleinschmidt, Bonn, Rathausgasse No. 11“ (jetzt im Besitz G. Giesler). An die Katholische Akademie in Braunsberg / Ostpreußen.
Tagebuch 1927 Sonntag, 1. 1. 27 Besuch von Frau Schnitzler; sie blieb bis Dienstag; Montag Abend war Oberheid da, lange in der Küche gesessen und erzählt; er sang sehr schön. Freitag, 21. 1. 27 Brief von Bonn628, Angebot an die Handelshochschule Berlin. Samstag, 22. 1. 27 Vortrag in Karlsruhe über Faszismus.629 Der sympathische Berl.630 Sonntag, 23. 1. 27 Nicht nach Frankfurt (Berl zeigte mir morgens Karlsruhe, sehr schön). Sofort nach Bonn, Sehnsucht nach Magda, um 5 schon wieder zu Hause. Montag, 24. 1. 27 Den Vortrag vorbereitet über Sanktionen. In Bonn.
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RW 0265 Nr. 1938. Moritz Julius Bonn (1873–1965), seit 1920 Professor für Nationalökonomie und Politikberater, schlug Schmitt vor, an die Berliner Handelshochschule zu wechseln, wo gerade eine Professur für Öffentliches Recht frei sei. Bonn hatte schon 1919 als Direktor der Handelshochschule München Carl Schmitt eine Dozentur dort verschafft. 1933 emigrierte Bonn über Österreich nach England, wo er bis 1938 an der School of Economics lehrte, dann verschiedene Gastprofessuren in den USA innehatte, ab 1946 lebte er bis zu seinem Tode in London. In seinen Memoiren „So macht man Geschichte“ (1953, zuerst engl. 1948) zeichnet er ein sehr kritisches Bild von Schmitt; FS HHB, S. 183–186; Hagemann, S. 60–64; Tilitzki (1994), S. 161 f. (hier ist Bonns Darstellung seines Verhältnisses zu Schmitt korrigiert); vgl. TB II, S. 515; vgl. den Briefwechsel Bonn-Schmitt in: Schmittiana NF III, 2016, S. 233–250. In seinem Vortrag führte Schmitt aus, dass der Faschismus kein Programm habe, sondern auf einem Mythos beruhe. Das wiederum sei nicht italienisch; es gehe auf Georges Sorel zurück, dessen Betrachtungen „der Schlüssel zu allen politischen Theorien der Gegenwart“ seien. Nach: Karlsruher Tageblatt vom 28. 1. 1927 (Ausschnitt in: RW 0265 Nr. 20105). Vgl. auch: Badischer Beobachter vom 24. 1. 1927 (in: ebd.). Heinrich Berl (Pseud. für Heinrich Lott, 1896–1953), Journalist, Schriftsteller, historischer Chronist von Baden; DBE 1, S. 571. Vgl. Brief vom 26. Januar 1926 an Ludwig Feuchtwanger: „Vorigen Samstag habe ich in Karlsruhe einen Vortrag gehalten und bei dieser Gelegenheit den Verfasser des Buches ‚Das Judentum in der Musik‘ kennen gelernt, Heinrich Berl, einen sehr sympathischen und gescheiten Menschen. Wollen Sie bitte veranlassen, dass man ihm auf meine Rechnung ein Exemplar der politischen Romantik schickt …“; BW Feuchtwanger, S. 200 f.
Januar 1927 117 117 Dienstag, 25. 1. 27 Abends Vortrag über Sanktionen,631 überfüllt, neuer, großer Hörsaal, nachher mit Peterson und Oberheid zu mir, zu lange, zu viel Wein, scheußlich. Mittwoch, 26. 1. 27 Vorlesung, Seminar ohne Oberheid, kein Referent. Donnerstag, 27. 1. 27 Vormittag nach Recklinghausen, Vortrag.632 Freitag, 28. 1. 27 Mittags beim Landrat Hüsker633 von Recklinghausen, dann nach Vortrag, nachts nach Essen im Auto, über die Straßen, mit dem Schlafwagenzug nach Berlin.634 Samstag, 29. 1. 27 Morgens in Berlin, guter Laune, Justizministerium, Gefühl, das letzte Mal dort zu sein.635 Am [Zehnhoff] war rührend. Telefoniert, vormittags bei de Gruyter,636 dann im Auto zurück. Unter den Linden ganz zufällig Frau Landsberg637 getroffen! Ging mit ihr in die , 638 sehen, dann zum Ministerium zurück, nach dem Essen ausgeruht, 631
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Im Rahmen einer Vortragsreihe der Bonner Universität zu Tagesfragen hielt Schmitt einen Vortrag mit dem Titel „Garantien und Sanktionen“, der sich mit dem Versailler Vertrag auseinandersetzte; vgl. den Bericht in: Deutsche Reichs-Zeitung vom 29. 1. 1927 (Ausschnitt vorhanden in: RW 0265 Nr. 20105). Wie schon am 29. 1. und 5. 2. 1926 hielt Schmitt wiederum auf Einladung der Vestischen Verwaltungsschule in Recklinghausen einen Vortrag über den „Zweiten Hauptteil“ der Weimarer Reichsverfassung; s. oben, 29.1.26. Max Huesker (1884–1961), von 1925 bis 1927 Landrat des Kreises Recklinghausen und in dieser Funktion Nachfolger von Erich Klausener. Zweck dieser Reise war die mögliche Berufung an die Handelshochschule in Berlin auf den vakant gewordenen Lehrstuhl von Walther Schücking, der nach Kiel wechselte. Die Berufungsgeschichte für die Nachfolge gestaltete sich schwierig; vgl. Tilitzki (1994), S. 164 ff. Hugo am Zehnhoff war krank und trat deshalb am 5. März 1927 von seinem Ministeramt zurück. Im Berliner Verlag de Gruyter war von Carl Schmitt gerade das Rechtsgutachten zur Fürstenabfindung erschienen (s. oben, 28.12.25). 1927 erschien bei de Gruyter: Carl Schmitt, Volksentscheid und Volksbegehren (s. unten, 4.7.27). Anna Landsberg, geb. Silverberg (1878–1938), Ehefrau von Ernst Landsberg, Mutter von Paul Landsberg. Schmitt äußerte sich beim ersten Kennenlernen negativ über sie (TB III, S. 85), fand dann aber schnell ein gutes Verhältnis zu ihr („gewann die Frau lieb“, 27.6.23) und verkehrte in seiner Bonner Zeit regelmäßig mit ihr, die in ihrem Haus einen literarisch-philosophischen Salon führte. Als ihr 1938 ein Ausreiseantrag zu ihrem emigrierten Sohn Paul nach Paris nicht genehmigt wurde, nahm Anna Landsberg sich das Leben, indem sie sich vor einen Zug warf; vgl. Gedächtnisschrift für Ernst, Anna und Paul Ludwig Landsberg. Hrsg. von der Rechts- und Staatswiss. Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn, Bonn 1953; v. Wiese, S. 123. Werke des Bildhauers Wilhelm Lehmbruck (1881–1919) waren in der Sammlung zeitgenössischer Kunst im Kronprinzenpalais zu sehen.
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Tagebuch 1927
nachmittags zu Blei,639 ein paar Mädchen waren da, nett gesprochen mit ihm, Abend mit am Zehnhoff, zwischendurch ein paar Mal auf der Straße. Fräulein Schneider mit 640 auf dem Presseball. Sonntag, 30. 1. 27 Mittags bei Bonn, bei ihm gegessen, nett unterhalten, bekomme wahrscheinlich keine 30.000 Mark.641 Nachmittags im Ministerium, zwischendurch auf der Straße, herumgelaufen, müde, schlechter Laune. Montag, 31. 1. 27 Im Kultusministerium, musste zu lange warten und ging wieder weg. Richter642 ist verlässlich. Nach dem Essen ausgeruht, nachmittags etwas herumgelaufen, Kaffee mit den Ministerialdirektoren, abends bei am Zehnhoff, um ½ 11 im Schlafwagen nach Köln. Dienstag, 1. 2. 27 Morgens ziemlich frisch in Köln. Mittags nahm ich den jungen Hirsch mit zum Essen. Abends schöne Vorlesung bei den Beamten. Mittwoch, 2. 2. 27 Schönes Seminar, schlechtes Referat von Hirsch, Oberheid und Kirchheimer sprechen sehr gut. Donnerstag, 3. 2. 27 Abends schöne Übungen, nicht zu Magda, die ich über die Straße gehen sah, war sehr aufgeregt. Zu Hause waren Oberheids, froh darüber. Wir tranken Sekt. Freitag, 4. 2. 27 Besuch von Oberheids, Magda rief mittags an, ich wurde nervös; nett, etwas anstrengend; nach der Vorlesung nach Hause. Abends kam Oberheid mit Peterson, viel Wein getrunken, traurig, Peterson war ganz übel, mit seinem 643, tanzte, traurig zu Bett. 639
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Franz Blei war 1926 von Wien nach Berlin gezogen und wohnte am Barbarossaplatz 2 in Schöneberg. Nicht ermittelt. Carl Schmitts Gehalt an der Handelshochschule Berlin belief sich dann tatsächlich auf 30 000 Mark, ein Gehalt, das weit über dem üblichen Ordinariengehalt der staatlichen Universitäten lag; vgl. Tilitzki (1994), S. 183; Maus, S. 219–224; Schmittiana NF III, 2016, S. 244 f. Werner Richter (1887–1960), Germanist, Professor in Greifswald, ab 1920 einflussreicher Ministerialdirigent, dann Ministerialrat im preußischen Kultusministerium, wo er u. a. für Berufungen zuständig war, 1933 als „Halbjude“ entlassen, 1939 in die USA emigriert, kehrte 1949 zurück und lehrte in Bonn, dort von 1951 bis 1953 Rektor. Schmitt verhandelte mit Richter wegen seines möglichen Wechsels an die Berliner Handelshochschule. DBE 8, S. 380; Hans Moser / Theodor Schäfer, Werner Richter 1887–1960, in: 150 Jahre Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn 1818–1868, Bonner Gelehrte. Beiträge zur Geschichte der Wissenschaften in Bonn. Sprachwissenschaften, Bonn 1970, S. 151–167; v. Wiese, S. 196 ff. Laut Barbara Nichtweiß neigte Peterson dazu, sich ständig über alles zu beklagen.
Januar/Februar 1927 119 119 Samstag, 5. 2. 27 Müde auf, mittags mit Oberheids gegessen, abends gingen sie zum Rektorenball, ich arbeitete etwas, spät zu Bett, hörte sie nicht zurück kommen. Sonntag, 6. 2. 27 Morgens schön gefrühstückt, freute mich über Oberheid, mittags war Beckerath da, erzählte von Amerika, der arme Oberheid war traurig, sprach von Stinnes644. Mittags traurig herumgelegen, mit Oberheid zur Stadt, dann noch nach Köln, weil ich ihn nicht so traurig fahren lassen wollte. Um ½ 10 schon wieder zu Hause. Montag, 7. 2. 27 Gut ausgeruht, etwas gearbeitet, schöne Klimmzüge gemacht, spazieren gegangen mit dem Hund. Dienstag, 8. 2. 27 Schöne Vorlesungen, allmählich starke Muskeln. Abends nicht zu Magda, obwohl ich nahe war. Nachmittags kein Kaffee. Mittwoch, 9. 2. 27 Schönes Seminar, Referat Rospatt645, Oberheid war auch da, nachher bei Geheimrat Hirsch, sehr schön unterhalten, hatte ihn sehr gern, um 12 nach Hause. Donnerstag, 10. 2. 27 Stark und sicher, wollüstig, ohne Furcht. Abends schöne Übungen (ohne Brille), dann zu Magda in ihrer neuen Wohnung, wunderbares weißes Fleisch.
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Hugo Stinnes (1870–1924), Unternehmer, machte die Hugo Stinnes GmbH nach dem Ersten Weltkrieg zu einem der größten Montan-, Industrie- und Handelskonzerne Deutschlands. Heinrich Oberheid war bis 1923 als Direktor der Stinnes-Eisen tätig. Mit Edmund Hugo Stinnes (1896– 1980), dem ältesten Sohn von Hugo Stinnes, war Oberheid seit seiner Gymnasialzeit befreundet; Bernhard-Michael Domberg / Klaus Rathje, Die Stinnes. Vom Rhein in die Welt. Geschichte einer Unternehmerfamilie, Wien 2009; vgl. auch das Porträt bei Moritz Julius Bonn, So macht man Geschichte, München 1953, S. 245 f. Heinrich von Rospatt (1903–?), wurde 1927 mit der Dissertation „Hehlerei an Forderungen“ promoviert. Schmitt war Zweitgutachter. Von Rospatt war später als Wirtschaftsjurist bei der I.G. Farben angestellt, nach dem Krieg als Verteidiger der I.G.-Farben-Manager in Nürnberg tätig, dann Rechtsanwalt und Notar in Frankfurt, später im Bundeswirtschaftsministerium; Stephan H. Lindner, Hoechst. Ein IG-Farben-Werk im Dritten Reich, München 2005.
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Tagebuch 1927
Freitag, 11. 2. 27 Wieder früh auf, Klimmzüge, großartige Muskeln, schöne Vorlesung, nachmittags Examen Steiniger646 und Bolton647, deprimierend, Angst, abends Angst, weil 3 Leute vor dem Tor standen, mit dem Hund spazieren, müde, physisch stark. Von 7 bis 8 bei Magda, herrliches Fleisch, Ejakulation. Samstag, 12. 2. 27 [ohne Eintrag] Mittwoch, 16. 2. 27 Abends schönes Seminar, dann mit Oberheid, Peterson, Becker im Auto nach Köln, mit Becker im Schlafwagen nach Berlin. Donnerstag, 17. 2. 27 Morgens telefoniert, 6 Scheffer648, zu meiner Freude. Mittags wurde ich von dem Ministerialdirektor Richter weggeschickt, bis 4 Uhr , beleidigt, um 4 musste ich wieder eine halbe Stunde warten, dumm, war beleidigt, hörte, dass die Handelshochschule Koellreut646
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Peter Alfons Steiniger (1904–1980), Schüler Schmitts, war bereits zu dieser Zeit kommunistisch engagiert, u. a. als Autor der „Weltbühne“. Seine von Albert Hensel betreute Dissertation („Die Fragen der Provinzialreform in Preußen“; Exemplar im Nachlass Schmitt, RWN 0260 Nr. 215) wurde 1926 vom Zweitgutachter Erich Kaufmann vermutlich aus politischen Gründen abgelehnt, woraufhin Schmitt um ein Votum gebeten wurde. Auch er lehnte die Arbeit ab, bescheinigte Steiniger aber große Begabung und Scharfsinn und regte eine Umarbeitung an. Steiniger legte 1928 eine neue Dissertation vor, die von Hensel und Schmitt übereinstimmend mit „rite“ bewertet wurde. Ab 1928 war Steiniger in Berlin als Rechtsberater und Repetitor tätig und hatte auch privat Kontakt zu Schmitt (s. unten). Das Referendariat blieb ihm verwehrt, da er einen böhmischen Juden als Vater hatte und kein deutscher Staatsbürger war. Nach der Einbürgerung wurde er Referendar, jedoch 1933 als Jude wieder entlassen. In der NS-Zeit war er gefährdet, da er in Deutschland blieb. Er arbeitete als Bankangestellter und publizierte unter dem Pseudonym Peter A. Steinhoff Romane (von denen einer den Titel „Der Schatten Gottes“ trägt). In der frühen DDR war Steiniger der führende Öffentlich- und Völkerrechtler. Vgl. Stolleis, S. 107 f. und passim; Kristin Kleibert, Die ersten neuberufenen Professoren an der Juristischen Fakultät der Berliner Universität nach 1945 – Ein Vergleich von Peter Alfons Steiniger und Walther Neye, in: Forum historiae juris (online unter: http: / / www.forhistiur.de / zitat / 0905kleibert.htm [Juni 2016]); dies., Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin im Umbruch. Die Jahre 1948 bis 1951, Berlin 2010; s. auch BW Forsthoff, S. 374. Eberhard Percy Bolton (1904–?), wurde von Schmitt „cum laude“ promoviert. Seine Dissertation, die umgearbeitet werden musste und erst 1928 vorlag, hatte das Thema: „England und die neuere Entwicklung des preußischen Verwaltungsrechts“. Paul Scheffer (1883–1963), Journalist, Auslandskorrespondent des Berliner Tageblatts auf verschiedenen Posten, vor allem in der Sowjetunion, 1933 Leiter der außenpolitischen Redaktion in Berlin, 1934 Chefredakteur, verließ Ende 1936 Deutschland, da er die Unabhängigkeit der Zeitung nicht bewahren konnte (NDB 22, S. 613; Margret Boveri, Wir lügen alle. Eine Hauptstadtzeitung unter Hitler, Freiburg i. Br. 1965, S. 105 ff.). Laut Schmitt hatte Scheffer entscheidenden Einfluss auf seinen Stil: „Paul Scheffer hatte die unvergleichliche Gabe, einen an der richtigen Seite zu fassen und im richtigen Moment zu treffen, wofür ein Wort genügte. Mich hat er so von zwei Erbfehlern des
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ter649 und Jellinek650 berufen will, traurig, dann zu , herrlich im Café 651 bis ½ 8 unterhalten, dann Christel652, um 8 zu am Zehnhoff, wo Lauscher653 und Stemmler654 mit ihm zu Abend aßen. Freitag, 18. 2. 27 Morgens lange geschlafen, mit am Zehnhoff Fürstenberg-Bier getrunken, Heller getroffen in das Café am Tiergarten, sah schöne Tänze, großer Alabaster-Saal655, abends zum Rechtsanwalt Kann656 wegen und Eisler, dann zu Geber657, Scheffer getroffen, zu Kuczynski658, um 12 müde nach Hause.
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deutschen Gelehrtenstils befreit, spielend, nicht etwa ironisch.“ Zit. nach Tommissen (1988), S. 97, Anm. 74; vgl. TB III, S. 71 und passim. Otto Koellreutter (1883–1972), Professor für Öffentliches Recht in Jena; NDB 12, S. 324 f.; zu seiner Berufung an die Handelshochschule s. Tilitzki (1994), S. 175 ff. Walter Jellinek (1885–1955), seit 1919 Professor für Öffentliches Recht in Kiel, 1929 Heidelberg, 1935 entlassen, konnte als „Volljude“ mit knapper Not die NS-Zeit überleben und wurde 1945 wieder eingesetzt. Wie Koellreutter sagte auch Jellinek für Berlin ab; vgl. Klaus Kempter, Die Jellineks. Eine familienbiographische Studie zum deutschjüdischen Bildungsbürgertum, Düsseldorf 1998, S. 440 ff.; BW Jellinek; Tilitzki (1994), S. 181. Vielleicht Café Gepler, Oranienstr. 13 / 14. Vermutlich eine Prostituierte. Albert Lauscher (1872–1944), kath. Priester, seit 1917 Professor für Moraltheologie in Bonn, Zentrumspolitiker, 1919 Mitglied des Preußischen Landtags, 1920 bis 1924 des Reichstags, 1934 zwangspensioniert; DBE 6, S. 284 f. Ferdinand Stemmler (1868–1939), Arzt, Mitglied des Preußischen Landtags (Zentrum), war als Oberpräsident der separatistischen rheinischen Republik vorgesehen; DBA II 1262, 139; III 883, 152. Das von Oskar Kaufmann gebaute und im Januar 1927 eröffnete Café am Tiergarten (Schottenhaml), Bellevuestr. 11a, das über mehrere Säle, darunter einen großen Alabastertanzsaal verfügte. Es wurde von der Presse als schönstes Kaffeehaus Berlins bezeichnet und annoncierte sich als „Die kontinentale Sehenswürdigkeit“ (Berlin Führer, S. 263); Wolffram, S. 31–39 (Abb.). Dr. Richard Kann, Rechtsanwalt und Notar, Berlin, Schöneberger Ufer 46. Nicht ermittelt. Schmitt schreibt klarschriftlich „Kuscynski“. Tatsächlich dürfte es sich handeln um: Robert René Kuczynski (1876–1947), wohnhaft in Schlachtensee, Terrassenstr. 17, Statistiker, Ökonom und Jurist, Herausgeber mehrere Fachzeitschriften, begründete 1925 den „Ausschuss zur Durchführung des Volksentscheides für die entschädigungslose Enteignung der deutschen Fürstenhäuser“, emi grierte 1933 über die Tschechoslowakei und die Schweiz nach London, lehrte ab 1938 Demographie an der London School of Economics. Er ist der Bruder des Wirtschaftshistorikers Jürgen Kuczynski; Hagemann, S. 338–340; NDB 13, S. 164 f.
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Tagebuch 1927
Samstag, 19. 2. 27 Morgens kam Becker, dann für mich herumgelaufen, ½ 2 zu Bonn, wo ich mit Demuth659 frühstückte. Nette, sachliche Leute, fröhlich nach Hause, um 6 Uhr nach Hamburg gefahren, abends bei Eisler, , nett erzählt, aber müde. Sonntag, 20. 2. 27 In Hamburg, viel geschlafen, abends in Hansa-Theater; der italienische Jongleur.660 Schöner Spaziergang mit Georg Eisler (freundlich und fröhlich). Montag, 21. 2. 27661 Wieder lange geschlafen. Nachmittags wieder schöner Spaziergang mit Eisler, abends um 10 im Schlafwagen nach Köln zurück. Dienstag, 22. 2. 27 Im Schlafwagen erkältet, um ½ 9 in Friesdorf, traurig, bedrückt, Duschka war natürlich noch im Bett; mittags Vorlesung, abends Beamtenhochschul-Vorlesungen beendet. Mittwoch, 23. 2. 27 Vorlesung, abends Seminar, sehr erkältet, nicht schön, Oberheid war traurig, nachher mit Peterson und Becker im Continental, Däubler getroffen. Mittagessen mit Däubler, Oberheid. Donnerstag, 24. 2. 27 Letzte Übung; abends auf Magda gewartet, traf sie aber nicht. Dann Vortrag Däubler im germanistischen Seminar; fürchterlich, nachher im Stadtgarten. bei Hoch Gutachten.662
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Fritz Demuth (1876–1965), Syndikus der Industrie- und Handelskammer Berlin, Vorsitzender des Kuratoriums der Berliner Handelshochschule, 1933 Emigration in die Schweiz, 1936 nach London. Unter seiner Ägide vollzog sich die Akademisierung der Handelshochschule; FS HHB, S. 145–147; Tilitzki (1994), S. 159 f. Schmitt sah hier den berühmten Jongleur Enrico Rastelli (1896–1931), der auch Gegenstand von Walter Benjamins Geschichte „Rastelli erzählt …“ ist. Vgl. Pietro Barachetti, Enrico Rastelli. Il signore dell’equilibrio, Bergamo 1996. Auf dem Kopf dieses Blattes der Handschrift notiert: „23. 2. Däubler, 25. 2. Vorlesung Däubler, 27. 2. Däubler bei Landsberg“. Schmitt sollte offenbar ein Gutachten zur Ilseder Hütte abgeben, was er aber ablehnte, und das dann Richard Thoma machte: Richard Thoma Rechtsgutachten über die Rechtsgültigkeit eines Abkommens zwischen dem Deutschen Reich und einer Aktiengesellschaft, durch welches die letztere Verpflichtungen übernommen hat gegen Zusage der Zurückziehung eines von der Reichsregierung eingebrachten Gesetzentwurfs auf Enteignung sämtlicher Aktien zugunsten des Reichsfiskus. Im Auftr. der Aktiengesellschaft Ilseder Hütte zu Großilsede erstattet, Hannover [1927]; vgl. unten, 27.2.27 und 18.1.28.
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Freitag, 25. 2. 27 Letzte Vorlesung Völkerrecht des Semesters, Peterson und Oberheid und [Name gestrichen] mitgenommen, der ganz krank war und weinte, die bei mir zum Mittagessen, dann ausgeruht. Nachmittags Examen, eine halbe Stunde zu Magda, sie begleitete mich über die Koblenzer Straße, Vorlesung Däubler; manches sehr schön,663 nachher wieder im Stadtgarten, früh nach Hause. Samstag, 26. 2. 27 Examen in Köln, deprimiert und gleichgültig, früh nach Haus, dann ausgeruht, abends erkältet; abends bei Magda [einige Wörter]664; deprimiert nach Hause. Sonntag, 27. 2. 27 Spät auf, an Isay geschrieben wegen des Gutachtens, abgelehnt,665 Däubler bei Landsberg abgeholt; den ganzen Tag bei ihm, erst im Continental, dann im Hansa-Café, nett unterhalten, abends mit Schmitz [im] Bahnhof gegessen, er fuhr um 9 Uhr, müde noch zu Magda; um 10 nach Hause. Montag, 28. 2. 27 Immer noch erkältet, versuchte auszuruhen, abends bei Magda, eine Flasche Sekt (St.-Péray!). Dienstag, 1. 3. 27 Lange geschlafen, müde, traurig, nichts getan, abends bei Magda (Fastnachts-Dienstag). Mittwoch, 2. 3. 27 Nachmittags Dr. Rommen, Thema gegeben (verwaltungsrechtliche Akte des Parlaments);666 abends bei Magda. Donnerstag, 3. 3. 27 Nachmittags Georg Hirsch und v. Rospatt, nett unterhalten, dann noch zu Magda, fröhlich nach Hause. Freitag, 4. 3. 27 Ausgeruht, nichts getan, der Tag verging schnell. Duschka muss wieder ins Krankenhaus, weil sie Fieber hat. Angst und Depression, nachmittags bei Frau Landsberg, abends zu Magda. 663 664 665
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Vgl. dagegen die negative Bewertung unten, S. 376. Das Fehlende ergibt sich aus PTB I, unten, S. 378. Bezieht sich auf das Gutachten zur Ilseder Hütte (s. unten, 18.1.28). Ernst Isay (1880–1943), Richter, daneben seit 1919 Privatdozent für Internationales und Öffentliches Recht in Bonn, ab 1925 in Münster, 1926 Oberlandesgerichtsrat in Köln, 1927 Oberverwaltungsgerichtsrat ebd., 1933 als Jude entlassen und emigriert, starb in Brasilien; DBA II 638, 177–178; III 432, 293–296; Berchem, S. 347 f.; vgl. TB III, S. 78. Das Dissertationsthema von Heinrich Rommen war dann allerdings ein anderes (s. oben, 6.9.26).
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Tagebuch 1927
Samstag, 5. 3. 27 Ausgeruht, den Vormittag allein zu Hause und gut geschlafen. Abends bei Magda, herrliche Ejakulation, berauscht und glücklich. Sonntag, 6. 3. 27 Mit Magda an die Ahr (wegen des Geburtstages); um 6 müde und deprimiert zurück; gleich zu Bett. Montag, 7. 3. 27 Den ganzen Tag herumgearbeitet zu Hause, ein Referendar Müller667 aus Osnabrück. Unsympathisch. Abends zu Duschka ins Krankenhaus, fröhlich und übermütig, dann zu Magda, Ejakulation, aber schon etwas kühl. Dienstag, 8. 3. 27 Morgens von Lisbeth668 geweckt, weil in der Nacht eingebrochen war, man hatte meinen Schreibtisch durchwühlt, Zigaretten geraucht, aber kein Geld gefunden (nur ein paar Groschen, Briefmarken, die Uhr, die ich in Hamburg gekauft hatte und die schöne Mappe von Duschka weggenommen); erst munter und gleichgültig, allmählich nervös und deprimiert. Den ganzen Tag zu Hause, schön gearbeitet, Wut über den Hund, der nicht gebellt hat; Gefühl der Unsicherheit. Nachts konnte ich nicht einschlafen, aber schließlich doch geschlafen. Mittwoch, 9. 3. 27 Um 3 wach, aufgestanden. Beruhigt wieder eingeschlafen, morgens nicht viel getan. Um 12 in die Stadt, herumgelaufen, hörte, dass ich noch 1000 Mark Kolleggelder bekomme, aber es geht ja alles drauf für die Krankheit. Scheußlicher Zustand. Mittags traf ich 669 auf der Straße, nach dem Essen nicht zu Bett, ausgeruht, Kaffee getrunken, schön gearbeitet. Herrlicher Nachmittag, bei Duschka, die wieder Fieber hat, grauenhafter Zustand. Um ½ 8 zu Magda, die unwohl war, um ½ 9 nach Hause. Etwas müde, nicht viel gearbeitet, aber sehr unternehmend. Schrieb an Eisler und an das Postamt wegen des Telefonanschlusses. Donnerstag, 10. 3. 27 Herrlicher Morgen, unbeschreiblich schöner Frühling, nicht nach Bonn, Nachmittag Ausflug mit Frau Landsberg nach Rodderberg, abends noch zu Duschka, die herrlich munter und guter Dinge war. Dann nach Hause, einen Fehler im meinem „“670 entdeckt, nervös und unruhig deshalb.
667 668 669 670
Nicht ermittelt. Hausmädchen. Vielleicht identisch mit dem „Schümann“ vom 1.10.26. Unklar.
März 1927
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Freitag, 11. 3. 27 Gut ausgeschlafen, herrlicher Morgen, um 12 nach Bonn, Gurian getroffen und nett unterhalten, für morgen eingeladen, nachmittags bei Frau Weber671, nette Unterhaltung, der Mann ein Partisan, sonderbar, ich war aber fröhlich und angeregt. Sprach über den Selbstmord von Kleist, sehr schön; bis ¼ 8 zu Magda, nett unterhalten, ihre herrlichen Beine, angeregt nach Hause. Duschka wird doch operiert, schrecklich. Samstag, 12. 3. 27 Nachts heulte der Hund, konnte nicht schlafen, schrecklich. Morgens herrlicher Vormittag, ein Referendar kam mittags, mit Gurian zu Mittag gegessen, dann ausgeruht, nachmittags etwas herumgelesen, fast nichts getan, Telegramm von den guten Oberheids, zu Duschka, traurig und deprimiert, sie hatte sich aber vorgenommen, zu sein wie ein „Fräulein“. Rührend, liebes, schönes, gutes Kind. Fröhlich nach Hause, 2 Flaschen Bier, ein paar , Steuererklärung. Nicht viel getan, aber doch besser, als wenn ich verreist wäre. Sonntag, 13. 3. 27 Morgens schön gearbeitet, Herr Will672 kam mit einem Hund, den ich aber nicht kaufen konnte; dann mit dem Referendar Weber673 zum Krankenhaus, nachher mit ihm zu Mittag gegessen, um ½ 3 ging er weg, ich war unternehmend und rief Magda an, traf sie aber nicht (weil ich die falsche Nummer anrief), um 4 in die Stadt, sie hatte Besuch von einer Kollegin; eine Stunde zu Schmitz, bei Scharrenbroich gegessen und Notizen zum Staatsrecht gemacht. Dann zu Magda, nett unterhalten, bis 8 Uhr, allmählich überzeugt, dass Lisbeth den Einbruch selbst begangen hat oder dabei war. Montag, 14. 3. 27 Gut ausgeschlafen, herrlicher Morgen, schön gearbeitet, Aufsatz von Grau674 über Diktatur, munter und guter Dinge, Steuererklärung gemacht, herumgelaufen, Klimmzüge, abends zu Duschka, dann zu Magda, aber nur eine Minute. Aufgeregt wegen Lisbeth nach Hause. Steuererklärung um ½ 7 in den Postkasten in Bonn geworfen.
671 672 673 674
Vielleicht die Frau von Hans Emil Weber, Bonn, Arndtstr. 33 (s. unten, 9.6.27). Hans Will, Samenhandlung, Bonn, Franziskanerstr. 1 a. Werner Weber. Richard Grau (1899–?), jüdischer Rechtsanwalt in Berlin, 1938 Emigration nach USA. Bei dem Aufsatz handelt es sich um: Richard Grau, Diktaturgewalt und Reichsverfassung, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Berlin 1927 (Sonderdruck mit Widmung des Verfasser im Nachlass Schmitt). Grau hatte in seiner bei Heinrich Triepel entstandenen Dissertation von 1922 „Die Diktaturgewalt des Reichspräsidenten und der Landesregierungen auf Grund des Artikels 48 der Reichsverfassung“ die „wichtigste Monographie“ zum Thema geschrieben (M. Otto) und die Lehre von der „Unantastbarkeit der Reichsverfassung“ begründet, worauf sich Carl Schmitt in seiner Verfassungslehre und auch an anderer Stelle bezieht. Sein Exemplar im Nachlass (RW 0265 Nr. 22350) ist mit Annotationen versehen. Otto, S. 86; vgl. auch Brief Graus an Schmitt vom 29. 8. 1927 (RW 0579 Nr. 115).
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Dienstag, 15. 3. 27 Gut ausgeschlafen, gut gearbeitet, infolge dessen sehr fröhlich. Mittags rief Magda an, dass ich heute Abend kommen soll, munter und fröhlich deshalb. Im Zimmer von Duschka, grauenhafter Gedanke der Bronchitis; deprimiert. Abends zu Magda (Wut über Lisbeth, die wieder nicht zu Hause war), eine schöne Stunde, schöne Ejakulation. Wir gingen noch eine halbe Stunde spazieren, weil ich den Zug verfehlte. Lieber Kerl. Abends bald zu Bett und gleich eingeschlafen. Mittwoch, 16. 3. 27 Um 6 aufgestanden, ziemlich munter, mit dem Hund spazieren, die Läden selber aufgemacht, herrliches Wetter, berauscht von diesem Frühling. Den ganzen Vormittag telefoniert. Staatsgeschichte langsam vorwärts,675 nervös und leicht ermüdet. Mittags nach dem Essen geschlafen, nachmittags traurig und deprimiert, kein Kaffee, weil Johanna676 nicht da war, in den Garten, wunderbar, schrieb schnell an Georg Eisler. Um ½ 7 zum 677, um 8 zurück; auch Duschka fand, dass Lisbeth verdächtig ist, dann sehr fröhlich zu Hause, herrlich das Siebengebirge. Donnerstag, 17. 3. 27 Morgens zum Kommissar in Godesberg, er will morgen um 4 kommen; herrlicher Morgen, zu Hause gut geschrieben, schön gewaschen, um 11 kam Wolgast678, wir machten einen Spaziergang auf die Höhe, sprachen meist über Tönnies679 (sagte ihm meine Staatsdefinition: der Staat ist ein Zustand680), er blieb zum Mittagessen und ging am ½ 3. Guter Kerl, ich wurde aber zuletzt müde; erzählte ihm die Geschichte von Stier-Somlo.681 Dann 2 Stunden ausgeruht, leider habe ich Wein getrunken. Um 5 wieder auf, etwas notiert, schöner Kaffee, herrliches Wetter, um ½ 7 zum Krankenhaus, das Siebengebirge unglaublich schön, mit dem vollen, weißen Mond in der Dämmerung. Zu Duschka, wo Frau Braschoß war. Ekelhaft diese Sache mit der Lisbeth. Dann zu Magda, die einen neuen Morgenrock hat. Unglaub liche Erlösung und Befreiung, herrliche Ejakulation, [3 Wörter] nachher vor Lust und Erlösung. Um 9 nach Hause, gegessen, etwas notiert, ziemlich müde. 675
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Carl Schmitt hielt im Institut für internationales Recht und Politik im WS 1926 / 27 ein Seminar zum Thema „Definition des Staates“, im SS 1927 eines zum Thema „Einheit und Undurchdringbarkeit des Staates“; vgl. Chronik 53 (N.F. 42), 1926 / 27, S. 40. Offenbar ein Hausmädchen. Unklar, vielleicht: Altdeutsches Bierhaus „Hähnchen“, Bonn, Vivatsgasse 2. Ernst Wolgast (1888–1959), Privatdozent, ab 1929 Professor für Allgemeines Staatsrecht, Verwaltungsrecht und Kirchenrecht in Rostock, 1934 bis 1945 in Würzburg, 1946 Verteidiger in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen, 1948 bis 1954 Professor in Nürnberg; DBA II 1428, 236– 238; III 1008, 169–170. Ferdinand Tönnies (1855–1936), Professor für Soziologe in Kiel, Gründer der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Hobbes-Spezialist; DBE 10, S. 60–62; vgl. Breuer, S. 95–97; Schmittiana NF III, 2016, S. 103–118. s. Verfassungslehre, S. 4 f. Über Stier-Somlos Angriff auf Schmitt und dessen Reaktion vgl. TB III, S. 310 und passim; BW Smend, S. 32 f., 155 ff.
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Freitag, 18. 3. 27 Nachts 2 Mal aufgestanden, etwas erkältet, Rheumatismus im Kopf. Morgens lange geschlafen, gebadet, sehr behaglich, aber dann kam Beyerhaus, sodass ich nicht arbeiten konnte. Es ist nicht mehr schön, neblig und Regen. Mittags nach dem Essen nicht ausgeruht, um 4 ging Lisbeth weg (morgens war sie auch weg, ich hatte schreckliche Wut), der Kommissar kam, in ihrem Zimmer fanden wir nichts. Man hat in dem Dorf ihres Bräutigams Haussuchung gehalten. Der Kommissar ging um 5 wieder weg. Ich war zufrieden, dass das erledigt war. Arbeitete etwas, aber was hat es für einen Zweck? Um ½ 7 zum Krankenhaus, traf Duschka, die morgen operiert werden soll; sie sah gut aus. Um ½ 8 nach Dottendorf, sah , fieser Kerl, aber war freundlich. Dann zu Magda, schöne Ejakulation, lieber, guter Kerl. Dann um 9 nach Hause. Lisbeth weinte, weil ihr Bräutigam antelefoniert hat, es sei bei ihm Haussuchung gehalten worden; sie weinte sehr. Ich trank eine Flasche Wein, schrieb Briefe an Huber,682 Unger683, Bilfinger, habe heute an Heller geschrieben, der mir einen netten Brief geschickt hat, Heller meldete sich an für Anfang April. Es wurde ½ 12. Der Wein trägt mich über alles hinweg. Die schöne Magda. Samstag, 19. 3. 27 Gut ausgeschlafen, aber etwas müde von dem Wein. Schön gebadet, nervös den ganzen Tag. Morgens zu Hause gearbeitet, Wut über die verlogene Lisbeth, scheußlicher Zustand, nach dem Essen ausgeruht, todmüde geschlafen, um ½ 5 auf, zum Krankenhaus, traf Jup, wartete auf Bohland völlig resigniert und mir ausmalend, was der beste Ausweg aus diesem ruinösen Zustand sei. Hörte, dass die Operation gut verlaufen sei, Duschka aber noch 3 bis 4 Wochen im Krankenhaus bleiben muss. Elend. Nahm Jup mit zum Kaffee, wir lachten über den Einbruch, fuhr mit ihm nach Bonn, traf Ännchen auf der Straße, ging zu Schmitz, aß zu Abend bei ihm, dann weg (mit dem Gefühl, mich lächerlich gemacht zu haben), eine Viertelstunde zu Magda, die mich an die Bahn brachte, zu Hause, müde zu Bett. Sonntag, 20. 3. 27684 Nachts um 3 Uhr auf und das Haus versperrt, dann wieder zu Bett, morgens ziemlich munter auf, schöne Post, Oberheid will Montag Abend kommen, freute mich darüber. Morgens wieder Staatsdefinition getrieben. Sehr schön vorwärts, aber immer nervöser und unruhiger. Ärger über Lisbeth, die aber sehr devot und folgsam war, sodass ich immer mehr von ihrer Schuld überzeugt bin. Mittags schön gegessen, nachher ausgeruht und rasiert (Frau Kaufmann war einen Augenblick da mit ihrem Bruder, ein prachtvoller deutscher Typ mit blauen Augen685). Dann Magda telefoniert, um 3 zu ihr, bis 7 geblieben, brachte ihr eine Flasche von dem roten Sekt. Schöne Ejakulation, aber ganz, ganz müde. Sie hat ein Ressentiment 682 683
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BW Huber, S. 64. Erich Unger (1887–1950), Philosoph, Schüler von Oskar Goldberg, leitete in Berlin eine philosophische Diskussionsgruppe, mit der auch Schmitt in Verbindung stand, emigrierte 1933 nach Paris und 1936 nach London; DBA II 1329, 204–206; III 938, 323–328. Auf dem Kopf dieses Blattes der Handschrift notiert: „Oberheid“. Hedwig Kaufmann, die Frau von Erich Kaufmann, war eine geborene Pankok. Sie hatte zwei Brüder: den Arzt Adolf Pankok und den Maler Otto Pankok. Welcher der beiden bei Schmitt war, ist unklar.
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und will es der [1 korrigiertes Wort und 3 Anschlusswörter]. Müde nach Hause, etwas , Neuß kam zum Abendessen, nett unterhalten, bis ½ 11, dann ein Glas Bier getrunken, noch etwas geschrieben, nervös, müde. Montag, 21. 3. 27 Ausgeschlafen, immer an der Staatslehre geschrieben,686 mittags nicht in die Stadt, nach dem Essen geschlafen, um 5 deprimiert und in scheußlicher Stimmung zur Universität, dummes Examen Weinberg687, Fakultätssitzung, müde, gleichgültig, schnell zu Duschka, der es gut geht. Um 8 zu Hause, wo ich Oberheid traf, der müde und krank war. Wir aßen zu Abend, tranken Bier, gingen über die Felder spazieren, dann eine Flasche St.-Péray; wunderschön unterhalten. Um ½ 1 müde ins Bett und gleich geschlafen. Dienstag, 22. 3. 27 Um ½ 8 aufgestanden, obwohl ich noch sehr müde war, schön gefrühstückt mit Oberheid, über sein theologisches Studium gesprochen (ich war gerührt, wie ich sah, dass er recht hat. Als Deutscher muss er evangelische Theologie studieren; das ist der Clou des Deutschtums688). Um 8 fuhr er fort. Ich arbeitete morgens sehr gut, Staatslehre, trank Kaffee dazu. Herrliches Wetter, der Gärtner machte den Garten zurecht. Nach dem Essen todmüde, ohne recht ausruhen zu können. Nachmittags schöner Brief von Georg Eisler, müde, Vormfelde kam mit Fräulein Altmann689 und trank Kaffee, langweilig, Referendar Friesenhahn; ich war müde und gleichgültig. Um 6 zu Duschka, wunderschön unterhalten, sie war munter und guter Dinge, freute mich über ihre Klugheit und Standhaftigkeit. Dann zu Magda, eine halbe Stunde, ziemlich gleichgültig. Um ½ 9 zu Hause, Abend gegessen, Pannwitz Staatslehre gelesen,690 ziemlich gleichgültig, Furcht und Sorge, zu Bett. Mittwoch, 23. 3. 27 Nachts um 2 Uhr wach, eine Stunde wach gelegen, sonst ziemlich gut ausgeschlafen, den ganzen Vormittag an der Staatsdefinition gearbeitet, ein Kapitel geschrieben, froh und guter Dinge, Kaffee getrunken, nach dem Essen ausgeruht, um ½ 5 zu Frau Landsberg, nett unter-
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Die Verfassungslehre kann hier nicht gemeint sein, da Schmitt erst am 1.8. mit der Niederschrift begann. Hans Weinberg (1905–?). Es handelt sich um die mündl. Doktorprüfung, die Schmitt mit „noch ausreichend“ benotete. Weinberg, der nicht in Bonn, sondern in Berlin studiert hatte, wurde von Alexander Graf zu Dohna mit einer strafrechtlichen Arbeit („Der Verbotsirrtum“, 1928) promoviert. Vgl. die Tischrede, die Schmitt anlässlich seines 50. Geburtstags hielt, und in der er über Oberheid sagte: „Er wurde für mich, der ich aus dem katholischen Teil Westfalens stamme, zu einem wahren Initiator in die Welt, ohne deren innerste Eroberung man nicht Deutscher sein kann – in die Welt des lutherischen Christentums, lutherischer Gottes- und Gnadengläubigkeit, Luthersprache-Muttersprache!“ (Schmittiana V, 1996, S. 11). Margarete Altmann (1900-nach 1969), wurde 1929 an der Landwirtschafts-Hochschule BonnPoppelsdorf mit der Arbeit „Stand und Entwicklung des Melkerwesens in Deutschland“ promoviert, 1933 Emigration in die USA; DBA II 24, 281. Rudolf Pannwitz, Staatslehre, T. 1: Lehre von den Mächten, Feldafing 1926. Sein Exemplar hat Schmitt 1954 verkauft.
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halten, aber eigentlich überflüssig. Dann zu Magda, Ejakulation, trotz aller sensueller Befriedigung etwas ekelhaft und traurig. Um ½ 9 nach Hause, gelesen, sah, [welche] Lektüre mir fehlt. Ziemlich müde, traurig zu Bett, heute war ich nicht bei Duschka. Donnerstag, 24. 3. 27 Morgens den ganzen Vormittag geschrieben über Staat und Politik. Es ging ziemlich vorwärts. Mittags kam ich nicht in die Stadt. Nachmittags todmüde, nervös, um ½ 5 in die Stadt, ein paar Sachen erledigt, dann zu Duschka; Magda hat telegrafiert, dass sie heute Abend zu Hause ist, ging aber nicht hin. Duschka geht es sehr gut. Mir ekelt vor diesem Kranksein. Abends um 10 zu Bett, die Nacht gut geschlafen. Freitag, 25. 3. 27 Guter Dinge, schöne Korrespondenz: Mohr will auf meine Empfehlung die Arbeiten von Huber drucken,691 ein paar Bogen Korrekturen von Pierre Linn, sehr zufrieden.692 Schnell etwas geschrieben, Vorbereitungen erledigt, mittags nicht nach Bonn, nach dem Essen ausgeruht, nachmittags um 6 in die Stadt. Zur Post, herumgelaufen, ein paar Rosen für Magda, traf Gurian, sprach mit ihm bis 8 Uhr, dann bei Magda, zu schnelle Ejakulation, müde nach Hause, herumgelesen, todmüde zu Bett. Samstag, 26. 3. 27 Brief von Eisler wegen Isay. Antwortete ihm ausführlich. Rechnungen vom Krankenhaus, wütend und verzweifelt, Ekel vor diesem Zustand, Staunen über die unbeirrte Ruhe, mit der Duschka mich ausbeutet. Mittags in die Stadt, im Lesesaal, Aufsatz von Schumpeter über Klassenbildung mit der gelesen,693 mit Werner Becker nach Hause, er aß bei mir zu Mittag, ich war müde und traurig, etwas ausgeruht, wieder Kaffee. Schumpeter gelesen, etwas geschrieben, verzweifelt, Ännchen kam, es rührte mich; grauenhaft diese Ausbeutung durch eine kranke Frau. Traurig herumgegangen, Ekel vor diesem Dasein, Selbstmordgedanken, Wutanfall. Sonntag, 27. 3. 27 7 Stunden gut geschlafen, welches Glück, um 7 auf, herrlicher Morgen, Spaziergang, dann Tee getrunken, was mir besser tut als Kaffee. Den ganzen Vormittag fleißig an dem Kapitel „Begriffsbestimmung des Politischen“ gearbeitet. Brief vom Arch. f. Soz. Will ihm vielleicht das Kapitel als Aufsatz schicken;694 das machte mich wieder unternehmend. Um ¼ 12 ins 691
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Im Verlag J. C. B. Mohr in Tübingen erschien 1927 die Dissertation: Ernst Rudolf Huber, Die Garantie der kirchlichen Vermögensrechte in der Weimarer Verfassung. Zwei Abhandlungen zum Problem der Auseinandersetzung von Staat und Kirche. Vgl. dazu die Briefe des Verlegers Siebeck an Schmitt (RW 0265 Nr. 15135) und BW Huber, S. 60 ff. Betrifft die französische Übersetzung von Schmitts „Politische Romantik“ durch Pierre Linn (s. oben, 14.2.26). Joseph A. Schumpeter, Die sozialen Klassen im ethnisch homogenen Milieu, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 57, 1927, S. 1–67. Demnach war der „Begriff des Politischen“ ursprünglich als ein Kapitel der Verfassungslehre gedacht. Im Archiv für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik erschien er dann erstmals 1927 als ei-
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Krankenhaus, Wutanfall wegen des vielen Geldes, muss wieder Eisler anpumpen, Duschka weinte. Widerlicher Zustand. Leidlich versöhnt dann nach Hause, nach dem Essen geschlafen, Magda , libidinöser Traum nachmittags Kaffee, wütend gearbeitet, verbannt und ruiniert, langsam vorwärts gekommen, zu Hause zu Abend, bis 10 Uhr herumgelesen, Exzerpte durchgesehen usw. Dann ein paar Briefe zum Kasten (Lederer695, Rick, am Zehnhoff, den ich Dienstag besuchen will, Drucksache Wiener696 an Paul Adams), etwas spazieren über die Felder, las ein paar Notizen Kathleen,697 wie rührend und doch scheußlich. Montag, 28. 3. 27 Morgens an dem Aufsatz über Politik gearbeitet, oft behaglich und munter, mittags zur Bibliothek, ein paar Notizen, sehr nett, nach dem Essen ausgeruht. Nachmittags zu Duschka, der es gut geht. Dann zu Magda, Ejakulation, um 9 nach Haus. Dienstag, 29. 3. 27 Zu am Zehnhoff, 3. Klasse gefahren, unterwegs nett gearbeitet, traf ihn in seiner Düsseldorfer Wohnung, rührend, der arme, alte Mann; Geheimrat war auch da. Nach dem Mittagessen mit Fräulein Schneider in das Café Hemesath; sie war nett und bescheiden. Abends herrlicher Wein ( 1921), um 7 nach Köln gefahren, aufgeregt, unternehmend, herrliche Notizen gemacht in der Bahn. Wieder Else Schmitz699, die ewigen ; aber sehr überlegen und gleichgültig, dachte mit großer Liebe an Duschka. Um 9 nach Bonn, um 10 zu Hause, müde zu Bett. Keine Nachricht von München, auf die ich gewartet hatte. Mittwoch, 30. 3. 27 Um 8 ziemlich munter auf, schön gebadet, sehr zufrieden. Des Morgens gearbeitet, um 11 kam der Referendar Daniels, nett unterhalten, nach dem Essen geschlafen, nachmittags wieder Kaffee, ein paar schöne Briefe (von , der den Aufsatz von Kirchheimer drucken will,700 von Walter Fuchs,701 aber nichts von München; auch nichts von Berlin über meine
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genständiger Titel. Der Verleger Siebeck, in dessen Verlag die Zeitschrift erschien, hatte Schmitt am 24. März geschrieben (RW 0265 Nr. 15135). Emil Lederer (1882–1939), Professor für Nationalökonomie in Heidelberg, 1923 bis 1925 in Japan, 1931 Nachfolger Werner Sombarts an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, 1933 Emigration in die USA, wo er an der New School for Social Research lehrte. Lederer war zusammen mit Joseph Schumpeter und Alfred Weber Herausgeber des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik. Hagemann, S. 354–362; NDB 14, S. 40 f.; vgl. den Briefwechsel Lederers mit Carl Schmitt in: Schmittiana NF III, 2016, S. 77–85. Unklar. Offenbar las Schmitt in seinem Tagebuch 1921 über die Beziehungen zu seiner damaligen Geliebten Kathleen Murray. Wohl Johannes Fuchs (1874–1956), Zentrumspolitiker, Oberpräsident der Rheinprovinz. s. oben, 2.3.26. Unklar, welcher Aufsatz Kirchheimers gemeint ist. Möglicherweise in: RW 0579 Nr. 102 (undatiert).
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Broschüre702). Um 6 zu Duschka ins Krankenhaus, sie war fröhlich und guter Dinge, ein entzückendes Kind, sie hat ein geschirr (das liegt ihr doch am meisten am Herzen), ich habe sie sehr lieb, ohne die geringste sexuelle Empfindung. Dann zu Magda, um 8 Uhr, herrliches physisches Austoben; wunderbar, gebissen und gestreichelt, aber keine Ejakulation; sie fragte: liebst du mich. Müde, aber physisch glücklich nach Hause, schön gegessen, ein paar Briefe geschrieben und zum Kasten gebracht. Freue mich morgen meinen Aufsatz über Politik zu diktieren. Donnerstag, 31. 3. 27 Morgens diktiert bei Frau Schneider über den Begriff der Politik, müde, mutlos. Nach dem Essen ausgeruht, dann wieder diktiert. Abends bei Magda vorbei, weil sie noch nicht zu Hause war, fuhr nach Friesdorf und telefonierte ihr. Müde bald ins Bett. Wut über das Dienstmädchen. Freitag, 1. 4. 27 Morgens wieder bei Frau Schneider diktiert. Nach dem Essen ausgeruht, im Zimmer von Duschka, um 5 kamen Landsbergs zum Tee, nett unterhalten, freundlich und harmlos, sie blieben bis 7, ich fuhr mit nach Dottendorf. Zu Duschka, sehr schön unterhalten, dann gelaufen, um die Bahn noch zu bekommen, gefallen, heftige Rippenschmerzen (Lumbalgie), zu Magda, sehr schöne Ejakulation, um 9 nach Hause, Ännchen war da. Samstag, 2. 4. 27 Vormittags wieder diktiert, allmählich wird es doch besser. Keine Nachricht von Heller, oft Wut über Dienstmädchen. Mittags etwas eingekauft, unglaublich hinreißende Geilheit, jede Frau mit schönen Beinen setzt mich in Entzücken, ein Glück, dass ich Magda habe.Nach dem Essen ausgeruht, Ejakulation. Heftige Rippenschmerzen. Nachmittags am Manuskript korrigiert, Brief von Lederer,703 dass ich es schicken soll, um 6 zu Duschka, wollte ihr vorlesen, aber es kam nicht dazu, Ännchen war auch da. Staune über die Ruhe und Sicherheit von Duschka; aber ich bin der Dumme. Um 8 wieder nach Hause, nach dem Abendessen bis ½ 12 fleißig korrigiert. Es wird sehr schön. Zufrieden mit mir selbst. Sonntag, 3. 4. 27 Des Nachts immer noch Rippenschmerzen, um ½ 9 auf, schöner Kaffee, Brief von Linn mit den Korrekturen.704 Etwas korrigiert, um 11 zu Duschka und ihr den Aufsatz über Politik vorgelesen. Sie fand ihn großartig und schien begeistert. Das freute mich einen Augenblick. Ihre Bronchitis riecht sehr stark. Dann nach Hause, mit Ännchen gegessen, nach dem Essen
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Vom Verlag de Gruyter wegen der Völkerbundbroschüre. Der Brief ist nicht überliefert, dagegen ein Brief vom 17. 6. 1927, in dem Lederer Schmitt das Einverständnis des Verlages für eine Sonderveröffentlichung von „Der Begriff des Politischen“ mitteilt; Schmittiana NF III, 2016, S. 81. Die Rede ist von den Korrekturfahnen der Übersetzung von Schmitts „Politische Romantik“ ins Französische durch Pierre Linn; vgl. seinen Brief vom 19. 3. 1927, RW 0265 Nr. 8799.
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ausgeruht, um 4 zu Magda, sie hatte den Glückspilz von Berend gelesen705 und fand, dass er dem sehr gleiche („Unheimlich“ sagt er ), traurig, deprimiert, dann Ejakulation, aber es ist keine Begeisterung mehr. Um ¼ 6 nach Hause, Kaffee getrunken, aber müde und traurig, dabei gleichgültig, konnte nicht recht arbeiten. Ob Heller morgen kommt? Montag, 4. 4. 27 Um 7 auf, um 8 nach Bonn, mit Ännchen, die Examen macht und voller Angst ist.706 Zu Frau Schneider, diktiert, fertig. Es kostet aber 25 Mark, viel zu teuer und . Froh, fertig zu sein. Kaufte Magda ein paar Nelken, telefonierte sie im Geschäft an, als [2 Wörter], dass sie sie abholen soll. Dann nach Friesdorf, ins Dorf gegangen, zum Pfarrer, über die Lisbeth nett unterhalten, ruhig nach Hause, wunderschöner Spaziergang. Glücklich und zufrieden. Nach dem Essen geschlafen, um ½ 5 bis 8 korrigiert an dem Aufsatz, dann zu Duschka, vorgelesen, sie war lieb und nett, ein großartiges Kind. Blieb bis ½ 9, nicht zu Magda, Heller hat telefoniert, dass er morgen Abend kommt. Sang mit Ännchen Volkslieder und freute mich auf den Besuch von Heller. Dienstag, 5. 4. 27 Morgens etwas gearbeitet und aufgeräumt, abends kam Heller, ich holte ihn in Bonn ab, wir tranken eine Flasche St.-Péray, er erzählte nett von München, ich war todmüde. Mittwoch, 6. 4. 27 Müde aufgestanden, aber glücklicherweise ohne Augenschmerzen von dem Wein. Vormittags herumgegangen, abends zu dem Licentiaten Schmidt707, wo wir Zehnhoff und einige andere Professoren trafen, hörte die unglaublichen Schwätzereien und Verleumdungen, die Kaufmann über mich in Berlin verbreitet hat. Wut und Ekel. Nachmittags bei Duschka im Krankenhaus, über 708 gesprochen, was sie aufregte, abends holte ich Ännchen bei ab. Sie hat ihr Examen .
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Alice Berend, Der Glückspilz, München 1919, Schlüsselroman über Carl Schmitt, den die Autorin seit seiner Zeit in München kannte, vgl. Brief v. 26.12.1919 an Schmitt (RW265 Nr. 1259). Alice Berend (1875–1938), Schriftstellerin mit hohen Auflagen, 1933 verboten und Emigration nach Italien, wo sie vergessen und völlig verarmt starb. Alice war die Schwester von Charlotte BerendCorinth, der Ehefrau des Malers Lovis Corinth, in dessen Haus in der Klopstockstraße 48 in Berlin Schmitt von 1928 bis 1931 wohnte (s. unten, 29.10.28 u. ff.); NDB 2, S. 69; DLL-20. Jh. 2, Sp. 335 f. und 337 f.; Gerd Giesler, Carl Schmitt privat in Berlin. Adressen, Widmungen und Gäste (Plettenberger Miniaturen, 7), Plettenberg 2014, S. 3–5, Abb. Nr. 7: Gemälde eines Porträts Alice Berends von L. Corinth; vgl. TB I, S. 13. Vermutlich handelt es sich um die staatliche Privatmusiklehrerprüfung, auf die man sich am Bonner Ziskoven-Konservatorium, Koblenzerstr. 22, vorbereiten konnte; vgl. Bonn-Führer, S. 110. Albert Schmidt (1893–1945), Theologe, evang. Pfarrer und Politiker (MdR), nach 1933 in der Bekennenden Kirche aktiv; DBA II 1160, 74–75; III 806, 254. Eugen Rosenstock-Huessy (1888–1973), Rechtshistoriker, Professor in Breslau, zum Katholizismus konvertierter Jude, der auch in der Zeitschrift „Hochland“ publizierte. 1933 Emigration in die USA; NDB 22, S. 75 f.; Schmittiana VII, 2001, S. 333 ff.
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Donnerstag, 7. 4. 27 Morgens mit Heller unterhalten, über sein Referat,709 über Kaufmann710 usw. Nachmittags zu Landsberg, abends Gurian, Adams und Kirchheimer im Continental getroffen. Freitag, 8. 4. 27 Vormittags nach Honnef zu Frau Schmitz, nett unterhalten, das Haus besehen, müde nach Hause, abends kam Schmitz, über sein Beethoven-Buch, Beethoven, die Politik unterhalten, dann schönen 1921 getrunken. Heller bat um eine Flasche für seine Frau. Samstag, 9. 4. 27 Den ganzen Vormittag zu Hause, gut unterhalten, mittags ausgeruht, nachmittags immer weiter gesprochen. Zu Duschka ins Krankenhaus, sie war lieb und freundlich. Sonntag, 10. 4. 27711 Um 11 fuhr Heller ab, ich schenkte ihm noch Bernanos712; dann zu Duschka, nachmittags bei Magda, Ejakulation, aber zu schnell. Montag, 11. 4. 27 Examen in Köln, abends müde nach Hause, wollte dann noch zu Magda, sie hatte aber Besuch. 4 Mal an der Tür, elender Zustand. Dümmste infantile Aspekte. Dienstag, 12. 4. 27 Morgens den Aufsatz über Politik fertig gemacht und zur Post gebracht. Fröhlich, das erledigt zu haben. Nach dem Essen ausgeruht, abends bei Magda, herrliche Ejakulation, unglaublich schön. Mittwoch, 13. 4. 27 Morgens wenig getan, etwas behaglich und ruhig. Nachmittags kam Oberheid, wir gingen zu Duschka, ich freute mich, dass er da war, zu Neuß, mit dem ich mich verabredet hatte, um 9 noch schnell zu Magda, ganz prachtvolle Ejakulation, um ½ 10 Oberheid an der Joachimstraße getroffen, mit ihm nach Friesdorf, abends las er mir seine Arbeit über Revolu-
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Bezieht sich auf das Referat mit dem Titel „Begriff des Gesetzes in der Reichsverfassung“, das Hermann Heller am 25. März 1927 auf der Tagung der Vereinigung deutscher Staatsrechtslehrer in München, an der Schmitt nicht teilnahm, gehalten hat, und das ein scharfer Angriff auf die positivistische Rechtslehre war; vgl. Stolleis, S. 193. Erich Kaufmann hatte in der an das Referat Hellers anschließenden Diskussion Stellung bezogen. Auf dem Kopf diesese Blattes der Handschrift notiert: „Heller, Oberheid“. Schmitt schenkte Heller: Georges Bernanos, Die Sonne Satans, Hellerau 1927. Franz Blei hatte Schmitt am 1. Januar auf dieses Buch hingewiesen; vgl. Blei, S. 72. Heller bedankt sich am 17.4.27 für den Bernanos: „Es ist religiös und ästhetisch das großartigste Buch der heutigen Zeit. […] Als Ergänzung Ihrer politischen Besessenheit ist mir Ihre Liebe zu diesem Buch menschlich eine sehr große Freude.“ (RW 0265 Nr. 5872).
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tion mit dem Territorialfürstentum.713 Sehr interessant und bedeutend. Wir tranken Valwiger Herrenberg, dann noch Bier. Müde ins Bett, aber sehr angeregt und munter. Dienstag, 14. 4. 27 Morgens badete Oberheid, dann frühstückten wir zusammen und sprachen immer noch über seine Arbeit. Nach dem Mittagessen ins Krankenhaus zu Duschka, die heute Nachmittag entlassen wird. Sie kam um ½ 5, wir freuten uns alle darüber. Um 6 mit Oberheid zum Krankenhaus, dann nach Hause zurück. Abends früh ins Bett. Freitag, 15. 4. 27 Müde, morgens Hoffnung, Duschka würde gesund, schrecklich, es ist ein Elend. Mittags todmüde, vor Aufregung aber nicht schlafen können. Abends in die Stadt, zu Magda, traf sie aber nicht zu Hause, wartete eine halbe Stunde, ihr früherer Bräutigam wird dagewesen sein, traurig und deprimiert nach Hause, scheußlicher Zustand.714 Karsamstag, 16. 4. 27 Den ganzen Tag herumgelegen, widerlicher Zustand, kann nichts arbeiten, völlig erschöpfte Nerven, oft Wutanfälle, eine kranke Frau, 12 000 Mark Schulden. Abends Magda angerufen, zum Glück war sie da, für morgen verabredet, kaufte ihr Blumen zu Ostern. Nachts Wutanfall, an der Kopf geschlagen. Ostersonntag, 17. 4. 27 Morgens müde auf, traurig am Schreibtisch, nervös, mittags weinte Duschka, plötzlich kamen Blumen von Oberheid, das machte mich wieder froh. Nach dem Essen nicht zu Bett, um 4 zu Magda, Ejakulation auf ihrem Bett. Um 6 nach Haus. Abends sehr schön und freundlich, wunderbare, liebe Frau. Ostermontag, 18. 4. 27 Um ¼ 6 aufgestanden, nach Bonn gefahren (traf Frau Oertgen715), mit Magda nach Beuel, von dort nach Unkel, dort gefrühstückt, nach Remagen gegangen, auf der Erpeler Ley,716 herrlicher Blick, schöner Spaziergang, in Orsberg etwas gegessen, zu Fuß am Rhein entlang, um 3 in Honnef, wo sie zurückfuhr. Ich ging noch zu Schmitz, trank dort Kaffee, dann müde und traurig nach Hause. Duschka sprach abends mit mir, wunderbar, sachlich, klug, überaus vornehm und gut. Ich war hingerissen und gerührt.
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Die Arbeit ist nicht separat veröffentlicht; sie ging ein in: Heinrich Oberheid, Unpolitisches deutsches Christentum. Ein Wort über das „politische Christentum“ des Professor Paul Althaus, Bonn 1936. Die entsprechenden Passagen sind zitiert bei Faulenbach, S. 21 ff. Vgl. dazu unten, S. 378. Es handelt sich um die Nachbarin Oertgen (vgl. unten, 17.7.27). Basaltfelsen am Rhein bei Erpel.
April 1927
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Dienstag, 19. 4. 27 Morgens schöner Brief von Heller,717 der mich freute. Nachmittags Fakultätssitzung, Kaufmann war da, ich sprach nicht mit ihm. Abends traurig. Zu Magda, Ejakulation, um ½ 9 zu Hause, müde, zu viel Bier getrunken. Mittwoch, 20. 4. 27 Herrlicher Tag, nichts getan, schöner Brief von Arthur Sommer718 und Rudolf Liepmann719. Wir schossen mit der Pistole, Janker720 war zum Tee da. Zufrieden. Abends rief Oberheid an, früh zu Bett. Donnerstag, 21. 4. 27 Gut ausgeschlafen, vormittags zur Stadt, bei 721 wegen der Pistole, mittags mit Oberheid zu uns. Wir aßen zu Mittag, währenddessen kam Fräulein Schneider und blieb bis ½ 4. Nachher schön ausgeruht, dann kam Herzfeld722. Ich blieb abends zu Hause, Abends im Garten mit Duschka, herrlicher Abend, wir waren sehr glücklich über das schöne Haus. Freitag, 22. 4. 27 Schöner Tag, abends Oberheid. Samstag, 23. 4. 27 Abends schöner Besuch von Peterson (der Rheinländer723 ist ein Glück, die Negermusik, wir arbeiten, bis wir schwarz werden) Oberheid und seine Frau, wir sangen Lieder, fröhlich bis ½ 12; Oberheid wohnte bei uns. Abends ist , Gespräch mit Oberheid und Peterson über das politische Universum, das vom Christentum vorausgesetzt wird.
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s. unten, S. 504. RW 0265 Nr. 15444. Arthur Sommer (1889–1965), Privatdozent für Wirtschaftswissenschaften in Heidelberg (DBA II 1234, 240–242). Mit dem Brief übersandte er seine Studie über Friedrich List und schrieb, dass dafür Schmitts Veröffentlichungen, insbesondere die „Politische Romantik“, fruchtbar gewesen seien. Rudolf Liepmann (1894–?), Offizier, 1919 einer der Mörder Karl Liebknechts, infolge seiner Beteiligung am Kapp-Putsch verletzt, Jurastudium, 1926 in Leipzig bei Erwin Jacobi zum Dr. iur. promoviert, 1936 als Jude aus dem Staatsdienst entlassen, 1938 Emigration nach Shanghai, wo sich 1940 seine Spur verliert. Schmitt weist Forsthoff 1926 auf die Dissertation Liepmanns hin (vgl. BW Forsthoff, S. 34). Der erwähnte Brief ist nicht überliefert, wohl aber zwei andere (RW 0265 Nr. 8759 und 8760), aus denen hervorgeht, dass Liepmann im Januar 1927 zu Gast in Schmitts Haus war und mit ihm über Volksentscheid sprach, worüber er einen Aufsatz veröffentlichte: Rudolf Liepmann, Um den Volksentscheid, in: Zeitschrift für Öffentliches Recht 6, 1927, S. 609–617 (Sonderdruck im Nachlass Schmitt). Nicht ermittelt. Büchsenmacher und Waffenhändler in der Poststr. 21 und Münsterplatz 17a. Evtl. „Fräulein Herzfeld“ (TB III, S. 85 und 122). Möglicherweise ist der gleichnamige Tanz gemeint.
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Tagebuch 1927
Sonntag, 24. 4. 27 Ausgeschlafen, sehr munter, um 12 mit Oberheid zur Stadt, dann an Magda telefoniert, traf sie einen Augenblick. Herrliche Geilheit, abends für mich, sehr schön. Montag, 25. 4. 27 Nach Köln, um 8, in Köln in West ausgestiegen, durch die Straßen gelaufen, im Auto zum , dort gefrühstückt, sehr nett, im Auto bis zur , dort stieg sie aus.724 Dann Examen, mittags mit Becker gegessen, er zeigte mir die , dann ins Kino (Messalina725). Angeregt nach Hause, ausgeruht, Oberheid war zum Abendessen da. Ich war aber sehr müde und schlief fast ein. Dienstag, 26. 4. 27726 Nicht in die Stadt, Oberheid kann erst morgen fahren, weil die Kinder erst heute operiert werden. Mittwoch, 27. 4. 27 Fuhr mit Oberheid mit der Eisenbahn nach Köln, Ohligs, nach Lennep, dann mit dem Auto nach Schlechtenbeck727 mit dem Pfarrer Klingbeil728. Unterhaltung über Christus und die Kirche. Spaziergang, abends schöner Wein. Donnerstag, 28. 4. 27 Große Wanderung an der Talsperre729 entlang über 730, um 5 zu Hause, todmüde, aber sehr angenehm, ausgeruht, abends mit Oberheid Gespräch über Referendariat.
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Offenbar Begegnung mit einer Prostituierten. Italienischer Film von 1923 unter der Regie von Enrico Guazzoni. Auf dem Kopf diesese Blattes der Handschrift notiert: „Oberheid“. Hof Schlechtenbeck, ein kleines Landgut bei Radevormwald, das Oberheid nach seinem Ausscheiden bei Stinnes 1923 erworben und verpachtet hatte, in dessen Herrenhaus er aber mit seiner Familie wohnte. Daneben hatte er eine Wohnung in Mülheim und in Bonn, wo er im Adressbuch von 1927 als „Professor Dr.“ in der Hohenzollernstr. 21 nachgewiesen ist. Vgl. Faulenbach, S. 18 ff. Ernst Helmut Klingbeil (1898–1957), von 1924 bis 1930 evang. Pfarrer in Radevormwald; hatte ähnliche politische Vorstellungen wie Oberheid, war aber theologisch ein scharfer Gegner. Als Oberheid 1933 zum Bischof ernannt wurde, beurteilt er ihn als für dieses Amt völlig ungeeignet. Oberheid, mit dem er viele Gespräche geführt habe, habe einen „extrem liberalen Standpunkt“. Gläubige Gemeindeglieder, die ihn zu Bibelstunden einluden, habe er zwar „immer sehr freundlich angehört, aber er hat sie ganz regelrecht, wie man so sagt, dabei durch den Kakao gezogen. […] Es wurde viel erzählt von seinem ganz weltlichen Wesen und von seinem Trinken …“ In diesen Auseinandersetzungen wurde Oberheid u. a. von Landespfarrer Heinrich Forsthoff, dem Vater des Schmitt-Schülers Ernst Forsthoff, verteidigt. Vgl. Faulenbach, S. 19, 83, 112 f., 115. 500 Meter von Hof Schlechtenbeck entfernt liegt der Ennepe-Stausee. Straße und kleiner Zufluss der Ennepe oberhalb des Stausees.
April/Mai 1927
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Freitag, 29. 4. 27 Morgens Gespräch über Luther, Bauernkrieg usw. Nach dem Essen ausgeruht, der Schwager von Oberheid731 kam mit seiner Frau732. Wir spielten abends auf der Terrasse Krickett. Sehr schön, abends nett unterhalten. Samstag, 30. 4. 27 Schöner Spazierang in der Richtung Halver. Zum Essen kam Felderhoff733, ausgeruht, schöner Tee, abends bis ½ 4 Gespräch über Reformation und Christentum, seine politischen Möglichkeiten in Deutschland. Todmüde zu Bett, Gefühl der Unsicherheit meiner politischen Stellung. Sonntag, 1. 5. 27 Wir fuhren im Auto nach Bonn zurück. Wenig Post, Duschka war lieb und freundlich, ich war sehr glücklich. Herrliche Wohnung und herrlicher Garten. Montag, 2. 5. 27 Zur Stadt, einige Sorgen wegen des Beginns der Vorlesungen,734 nachmittags schön vorbereitet, sehr glücklich mit Duschka, herrliche Wohnung und herrlicher Garten. Dienstag, 3. 5. 27 Erste Vorlesung Staatsrecht und allgemeine Staatslehre. Für Staatsrecht musste ich den Hörsaal wechseln. Immer noch nicht sicher. Nachmittags wunderschön gearbeitet, herrliche Wohnung. Mittwoch, 4. 5. 27 Schöne Vorlesung, las meinen Aufsatz über den Begriff des Politischen vor, großer Erfolg. Nachmittags staatsrechtliche Übung (habe mit Landsberg getauscht, dummerweise). Abends müde nach Hause, nicht zu Magda.
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Julius Wilhelm Sopp (1898–1936), Dr. phil. Heidelberg 1920, Dr. med. Bonn 1933, dann Arzt an der Medizinischen Poliklinik in Bonn; vgl. Faulenbach. S. 157, Anm. 20. Madeleine Sopp, geb. Coupienne (?–?), arbeitete nach 1935 zeitweise als Sekretärin für Oberheid; Faulenbach, S. 157, Anm. 20. Arthur Felderhoff (?–?), 1921 in Heidelberg zum Dr. phil. promoviert, Nationalökonom aus Mülheim, Freund und Trauzeuge von Oberheid; Faulenbach, S. 18. Im Bonner Einwohnerbuch von 1927 ist Felderhoff mit der Adresse Godesberger Str. 1 verzeichnet. Im Sommersemester 1927 hielt Schmitt die Vorlesungen „Deutsches Reichs- und Landesstaatsrecht“, Mo–Fr 11 Uhr, sowie „Politik (Allgemeine Staatslehre)“, Mo–Fr 12 Uhr. Dazu kamen „Staatsrechtliche Übungen mit schriftl. Arbeiten“, Donnerstags 18–20 Uhr (den Termin verlegte er er dann im Tausch mit Ernst Landsberg auf Mittwoch, s. unten, 4.5.27).
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Tagebuch 1927
Donnerstag, 5. 5. 27 Wieder schöne Vorlesung, sehr glücklich darüber; der Erfolg des Aufsatzes ist doch sehr groß. Schönes Mittagessen, herrliches Gefühl. Nachmittag zu Paul Landsberg735, er las mir seinen Aufsatz über den Confessio-Begriff über Augustinus vor,736 interessant. Dann Seminar (vorher mit Beckerath gesprochen wegen Felderhoff). Abends nach dem Seminar mit Becker auf eine Stunde gewartet, dann zu Magda, wunderschöne Ejakulation, glücklich und erleichtert. Um 9 nach Hause, herrlich geschlafen. Freitag, 6. 5. 27 Wieder schöne Vorlesung, der Aufsatz ist spannend und eindrucksvoll.737 Nachher glücklich zu Hause. Nach dem Essen ausgeruht, prachtvoll, ich fühle mich unbeschreiblich wohl in diesem Hause, mit meinem Leben und schöner Frau. Nachmittags zu Hause, schön gelesen, die Vorlesung vorbereitet, im Garten gesessen, freute mich über die Schönheit von Duschka, ihre Vornehmheit und Güte, abends waren Oberheids zu Besuch. Wir sangen, ich war aber müde und gleichgültig. Samstag, 7. 5. 27 Herrlicher Morgen, glücklich über das schöne Haus und die Wohnung, etwas gearbeitet, dann kamen Oberheids und brachten ihre Kinder, wir tollten im Garten herum, ich wurde davon müde, führte Tagebuch. Mittags kam Oberheid mit seiner Frau, ich wurde todmüde (er hat mir das Geld nicht zurückgegeben), das Gefühl einer großen Distanz. Nachmittags bedrückt, traurig, blieb aber zu Hause. Herrlicher Tag; sehr warm. Sonntag, 8. 5. 27 Den ganzen Tag zu Hause, schön gearbeitet, meine Vorlesung vorbereitet, Duschka ist lieb und gut. Telefonierte auch nicht an Magda. Sehr glücklich zu Hause, auch keinen Wein getrunken. Montag, 9. 5. 27 Die Korrektur des Aufsatzes über den Begriff des Politischen kam. 2 Stunden Vorlesung von 11–1 (Staatsrecht und allgemeine Staatslehre), sehr schön, nachmittags zu Hause, schön gearbeitet, abends im Garten Blumen begossen. Herrliche Zeit.
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Paul Ludwig Landsberg (1901–1944), Sohn von Ernst Landsberg. Der Schüler Max Schelers und Dozent für Philosophie in Bonn habilitierte sich 1928 mit einer Arbeit über Augustinus. Im Unterschied zu den Eltern hatte Schmitt zum Sohn Paul, dem Benno von Wiese „beträchtlichen geistigen Hochmut“ bescheinigt, ein problematisches Verhältnis. Paul Landsberg wurde, obwohl katholisch, aber „nicht-arisch“, 1933 entlassen, emigrierte nach Spanien, 1937 nach Frankreich, wo er an der Sorbonne unterrichtete. 1943 wurde er in das KZ Sachsenhausen deportiert, wo er umkam. Vgl. Gedächtnisschrift für Ernst, Anna und Paul Ludwig Landsberg. Hrsg. von der Rechts- und Staatswiss. Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn, Bonn 1953; v. Wiese, S. 122 f.; Schmittiana NF II, 2014, S. 161–168; TB III, S. 79 und passim. Wohl erst 1939 auf Französisch erschienen: Paul Louis Landsberg, La confession de Saint Augustin, in: La vie spirituelle 21, 1939, S. 1–22. Die Rede ist von Schmitts „Begriff des Politischen“.
Mai 1927
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Dienstag, 10. 5. 27 Wieder um ½ 7 auf, etwas spazieren, es wird plötzlich kalt (die Eisheiligen), arbeitete sehr schön des Morgens. Sehr schöne Vorlesung über Macchiavelli, nachher gab Herr Beyerhaus die Korrekturen meines Aufsatzes zurück. Mittag mit einem Herrn Siemens738 aus Godesberg zurückgefahren, glaubte Magda zu sehen, einen Augenblick heftige Sehnsucht. Schnell [abgewandt]. Nachmittags schön geschlafen, wunderschön zu Hause gearbeitet, glücklich, Ruhe, seit langem die erste, gesammelte, schöne Stunde, wie in den besten Tagen meiner Knabenzeit. Fühlte eine Vorsehung, Führung, nicht Gott, aber einen Bundesgenossen; Vertrauen und Ruhe. Abends Korrekturen gelesen und die Vorlesung vorbereitet. Mittwoch, 11. 5. 27 Schöner Vormittag, schöne Vorlesung, nachmittags sehr schöne Übung, fröhlich und vergnügt, zu [Magda,] herrlicher Ausbruch, um 9 nach Hause, wunderbar geschlafen. Donnerstag, 12. 5. 27 Kaltes Wetter (die Eisheiligen), etwas angestrengt bei der Vorlesung, nach dem Essen ausgeruht, interessantes Seminar, abends wieder bei Magda; schön und lieb. Mit Duschka über Oberheid gesprochen, der das Geld noch nicht bezahlt hat. Die Schwägerin von Oberheid ist plötzlich gestorben. Freitag, 13. 5. 27 Meine Vorlesung gehalten, froh, dass die Woche zu Ende ist. Nachmittags ausgeruht, nicht in die Stadt. Herrlich gearbeitet, wunderbar abends mit Duschka, glückliches, ruhiges Leben. Samstag, 14. 5. 27 Vormittags einen Augenblick in die Stadt, traf Schmitz und Peterson. Dann ausgeruht, gut geschlafen, abends kamen Peterson und Beckerath; Beckerath erzählte über Amerika, Duschka hörte nett zu, bis 11 Uhr, schönes Essen und guter Wein (Erdener Treppchen 22, Romanée). Sonntag, 15. 5. 27 Herrlicher Vormittag zu Hause, schön gearbeitet, Vorlesung vorbereitet, Brief von Berlin, dass ich Freitag kommen soll, wollte Magda anrufen, tat es aber nicht, nach dem Essen ausgeruht, Tee getrunken, abends schön mit Duschka geplaudert, die ihr Regal bekommen und mit schönen Büchern gefüllt hat. Neuß kam, nett unterhalten, aber etwas heftig über Maurras739. Augenschmerzen, Übermüdung der Augen.
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Im Godesberger Adressbuch nicht verzeichnet, wohl aber ein Kaufmann Karl Simons. Charles Maurras, s. oben, 17.9.26.
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Tagebuch 1927
Montag, 16. 5. 27 Herrlicher Vormittag, Spaziergang, 2 schöne Vorlesungen, dann wunderschön zu Hause gegessen, ausgeruht, etwas gearbeitet. Abends mit Duschka den Garten gesprengt, keine den ganzen Tag, gesammelt und ruhig zu Bett. Dienstag, 17. 5. 27 Wunderschön ausgeruht, herrlicher Vormittag, nach dem Spaziergang schön gearbeitet. Welches Glück. Schöne Vorlesung, ohne jede Müdigkeit, nachmittags schön zu Hause, abends ruhig und beherrscht. Welches Glück, Schlafwagen bestellt. Mittwoch, 18. 5. 27 Wieder mein schöner Morgenspaziergang um 7 Uhr und ein paar schöne Vormittagsstunden. Nachmittags Übung, sehr schön. Dann zu Magda, schöne Ejakulation. Armes Kind. Nach einigem Überlegen doch keine Verabredung für morgen Abend. Habe kein Geld. Ruhig und fröhlich nach Hause. Donnerstag, 19. 5. 27 Vorlesung, nachmittags Seminar, dann wieder nach Friesdorf zurück. Allein (kein Auto, um Geld zu sparen) mit meinem Koffer nach Köln, allein im Schlafwagen, glücklicherweise. Freitag, 20. 5. 27 Um ½ 8 nach Berlin, im Hotel (Zentralhotel740), unternehmend und aufgelegt. Telefoniert. Wunderschön gefrühstückt, um 12 bei Franz Blei, sehr nett unterhalten, er will heute Abend kommen. Um 2 in die Deutsche Gesellschaft741 mit Simons742, Heller, Wolfers743 usw. Sehr nett und glückverheißend. Dann mit Heller im Auto nach Schlachtensee, in seiner Wohnung, seine Frau744 kennen gelernt, dann zu Smend, freundlich aufgenommen, nett unterhal740
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742
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Das Central-Hotel war ein großes Luxushotel in der Berliner Friedrichstraße 143–149; im Zweiten Weltkrieg zerstört. Gemeint ist die „Deutsche Gesellschaft 1914“, ein einflussreicher überparteilicher Debattierclub von hohen Beamten und Professoren, in dem Schmitt häufig Gast, aber nicht Mitglied war; dort lernte er Johannes Popitz kennen; vgl. unten, 26.9.29 u. ö.; Koenen, S. 140; TB V, S. 5 und passim. Hans Simons (1893–1972), Jurist, Sohn des Reichsgerichtspräsidenten Walter Simons und Bruder der Schmitt-Schülerin Tula Simons. Hans Simons war 1925 bis 1929 Dozent an der Deutschen Hochschule für Politik und gehörte auch deren Vorstand an, emigrierte 1933 in die USA, wo er Professor an der New School for Social Research in New York wurde, 1947 / 49 als amerikanischer Verbindungsoffizier zum Parlamentarischen Rat an der Entstehung des Grundgesetzes beteiligt; vgl. Eschenburg, S. 250; TB V, S. 167. Arnold Wolfers (1892–1968), Politikwissenschaftler mit juristischer Ausbildung, habilitierte sich 1929 in Berlin, war dann Dozent und 1930 geschäftsführender Direktor der Deutschen Hochschule für Politik, wanderte 1933 in die USA aus (ob aus politischen oder akademischen Motiven, ist unklar), zunächst Gastprofessor, ab 1935 o. Professor in Yale; International biographical dictionary of Central European Emigrés 1933–1945, vol. II / 2, München [u. a.] 1983, S. 1259 f.; vgl. TB V, S. 28 und passim. Gertrud Heller, geb. Falke (1891–1984), Tänzerin, Tochter des Dichters Gustav Falke, emigrierte in der NS-Zeit nach Schottland.
Mai 1927
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ten, erzählte ihm meinen Aufsatz über das Politische. Bekam ein schönes Abendessen und guten Wein. Rührende, liebe Frau.745 Um 7 zurück. Schnell umgekleidet; müde und nervös zur Hochschule, roter Koffer (Sombart746 war da, Blei mit einer schönen Frau), verlor die Übersicht, kein guter Vortrag,747 deprimiert. Abscheuliche Diskussion (der Assistent Bloch748 von Sombart, Paul Landsberg sehr schön, Heller verteidigte mich rührend), dann noch zu traurig, müde, ohne Erfolg. Man gab mir auch kein Honorar. [2 Wörter] nach dem Hotel über die Friedrichstraße, scheußlicher Zustand, stundenlang, konnte nicht einschlafen, widerlicher Zustand. Samstag, 21. 5. 27 Um 10 zu Smend in die Vorlesung, sehr interessant,749 um 11 traf ich ihn. Wir gingen ins Kaiser-Friedrich-Museum750, besahen Bilder (besonders Karl V.751), sehr schön unterhalten, freute mich über seine Feinheit, lud ihn für den Herbst ein, er ging noch mit ins Hotel, um 1 fuhr er nach Nikolassee zurück. Ich packte schnell ein, zum Anhalter Bahnhof, vorher im Café , in den , Kleiststraße 40,752 aus . Wunderschön. Sie stöhnte vor Wollust im Hotel Kranz, Kurfürstenstraße.753 Stolz über den Erfolg. Dann nach Halle, traf Bilfinger zu Hause, sein Vetter Weizsäcker754, ein Kunsthistoriker, nett zu Abend gegessen, herrlicher Wein (Scharzhofberger), bis 12 Uhr, nett unterhalten, Bilfinger will offenbar den Ruf nach Bonn, angenehmes Gefühl, bei soliden und reichen Leuten zu sein.
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749 750 751
752 753 754
Gisela Smend, geb. Hübner (1899–1992). Werner Sombart (1863–1941), Wirtschaftshistoriker und Soziologe, 1890 Professor für Staatswissenschaften in Breslau, 1906 Handelshochschule Berlin, 1918 Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin; NDB 24, S. 562 f.; BW Sombart. Im Rahmen der Vortragsreihe „Probleme der Demokratie“ gab es an der Deutschen Hochschule für Politik im Sommersemester 1927 Vorträge von Carl Schmitt, Hermann Heller, Max Hildebert Boehm, Ernst Michel, Fritz Berber und Hans Simons. Sie sind – mit Ausnahme des Vortrags von Simons – veröffentlicht in: Politische Wissenschaft. Schriftenreihe der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin und des Instituts für Auswärtige Politik in Hamburg, H. 5, 1928. Schmitts Vortrag „Der Begriff des Politischen“ hier auf S. 1–34. Zuvor war er bereits erschienen in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik LVIII / 1, 1927, S. 1–33; s. auch BW Sombart. Kurt Bloch (1900–1976), Nationalökonom und Soziologe, bis 1933 bei der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse in Berlin tätig, dann Emigration nach Shanghai, 1937 nach New York; Hagemann, S. 52–54. (Im Archiv der Humboldt-Universität nicht als Sombart-Assistent nachweisbar!). Vgl. Schmitts Vorlesungsnotizen unten, S. 398–401. Heute: Bode-Museum. Das Porträt Karls V. von Christoph Amberger hängt heute in der Berliner Gemäldegalerie am Kulturforum. In der Kleiststr. 40 ist im Berliner Adressbuch ein „Café Frau Aschinger“ nachgewiesen. Vielleicht das Kurfürsten-Hotel von Hermann Koehn, Nürnberger Str. 2. Heinrich Weizsäcker (1862–1945), seit 1904 Professor für Kunstgeschichte in Düsseldorf; DBE 10, S. 524.
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Tagebuch 1927
Sonntag, 22. 5. 27 Um ½ 8 auf, schön gefrühstückt, nett mit dem guten Vetter Weizsäcker, um ½ 11 abgefahren, langweilige Reise, aber erträglich, besonders weil ich die letzte Zeit liegen konnte, um 9 in Köln, dann gleich nach Hause, kein Auto. Um ½ 11 in Friesdorf, traurig, bedrückt, Duschka war krank im Bett. Montag, 23. 5. 27 Traurig, aber allmählich besser, weil Duschka freundlich und liebenswürdig ist. Hielt meine Vorlesung, 2 Stunden, ganz gut. Nachmittags zu Hause, glücklich, Ruhe zu haben. Wunderschöner ruhiger Abend. Dienstag, 24. 5. 27 Schöner ruhiger Tag, nachmittags nicht in die Stadt, Vorlesung schön vorbereitet. Netter Brief von Liepmann755, der mich rührte. Mittwoch, 25. 5. 27 Allmählich müde, 2 Stunden Vorlesung, nachmittags Übung, dann zu Magda. Sie tat mir sehr leid. Schöne Ejakulation, aber es ist schon gleichgültig geworden. Müde nach Hause, freute mich über mein übermütiges Kind Duschka. Donnerstag, 26. 5. 27 (Himmelfahrt) Viel geschlafen, aber immer noch etwas müde, den Vormittag schön gearbeitet. Mittags Telegramm von Eisler, dass sie heute Abend kommen; sehr glücklich. Nach dem Essen ausgeruht, wartete auf den Bezirksamts-Stölzl756 aus Bergzabern, der sich angemeldet hatte. Stölzl kam abends, ich war sehr enttäuscht, er scheint krank zu sein. Er fuhr mit mir im Auto nach Bonn, stieg am Hofgarten aus, ich holte Eislers in Beuel ab, wir waren sehr fröhlich, fuhren nach Friesdorf und aßen schön zu Abend. Machte mit Eisler einen herrlichen Spaziergang über die Felder. Freitag, 27. 5. 27 Fröhlich aufgestanden, Eislers waren in meiner Vorlesung Politik (sprach über private Rechte), dann mit Eislers und Stölzl bei uns zu Mittag gegessen, nachher müde ausgeruht. Nachmittags mit Eisler einen schönen Spaziergang über die Höhen nach Annaberg. Über das römische Imperium gesprochen.
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s. oben, 20.4.27. Erwin Stölzl (1893–1947), war nach dem Examen im Bayerischen Staatsdienst beschäftigt, seit 1925 als Bezirksamtmann in Bergzabern, ab 1932 in verschiedenen Ämtern, zuletzt als Leitender Regierungsdirektor beim Landwirtschaftsamt in München. Er war mit Schmitt möglicherweise seit seinem Studium bei Max Weber bekannt. Stölzls Kollegnachschriften, die die Witwe 1961 an Johannes Winckelmann schenkte, sind jetzt in der kritischen Max Weber-Ausgabe berücksichtigt (vgl. Max Weber, Gesamtausgabe, Abt. III, Bd. 7, Tübingen 2009, Editorischer Bericht, S. 52 f.). Auf Wunsch Schmitts hatte Stölzl ihm am 25. 1. 1927 seinen Aufsatz „Die Pfalz und der deutsche Staat“ geschickt und im begleitenden Brief ausführliche Anmerkungen dazu gemacht; RW 0265 Nr. 15875.
Mai/Juni 1927
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Samstag, 28. 5. 27 Morgens Fakultätssitzung wegen der Vorlesungen, mit Eschweiler zu uns gefahren, mit Eislers und Eschweiler nett zu Mittag und gut unterhalten. Rührend Eschweiler mit Frau Eisler. Nachmittags waren Eislers in Köln bei Jup. Sie kamen [am] Abend spät zurück. Sonntag, 29. 5. 27 Schöner Vormittag, über die Felder spazieren gegangen, nach dem Mittagessen ausgeruht, nachmittags kam Jup, später Peterson und Oberheid. Wir tranken viel Wein. Eislers blieben noch die Nacht. Oberheid war sehr komödienhaft theatralisch wegen des Todes seiner Schwägerin. Ekelhaft. Peterson war lustig und besoffen. Montag, 30. 5. 27 Morgens schnell zum Rathaus, für Frau Eisler einen Pass besorgt, dann zur Bahn. Frau Eisler fuhr in die Schweiz zu ihrer Mutter. Ich ging noch zu Peterson, wir sprachen über Oberheid, verabredeten uns für den Nachmittag, dann hielt ich meine Vorlesungen, nachmittags um 4 kam Peterson, wir machten einen wunderschönen Spaziergang nach Annaberg, sprachen über Liberalismus und unterhielten uns gut.757 Als wir zurückkamen, waren Eschweiler und Oberheid da. Wir aßen zusammen zu Abend, um ½ 9 ging alles weg. Dienstag, 31. 5. 27 Vorlesung, nett, der übliche Tag. Herrlicher Vormittag, Spaziergang über die Felder. Mittwoch, 1. 6. 27 Vorlesung, nachmittags Übungen, dann zu Magda. Erster normaler Koitus. Erleichtert nach Hause. Donnerstag, 2. 6. 27 Vorlesung 11–1 (Staatslehre und Politik), nachmittags Seminar, Referat von Dr. Rommen über das jus belli. Interessant. Nachher nett unterhalten, mit Becker und Kirchheimer. Müde nach Hause, ziemlich erschöpft. Freitag, 3. 6. 27 Letzte Vorlesung vor den Ferien. Fröhlich nach Hause, gut ausgeruht. Nachmittags Besuch von Landsbergs. Samstag, 4. 6. 27 In der Stadt einiges erledigt, Gefühl der Ausspannung. Oft Gefühl des Erledigtseins; um 11 nach Honnef zu Dr. Schmitz, schöner Spaziergang auf die Oberburg758, dann gegessen, das Kind von Dr. Schmitz gesehen. Es heißt Maria Magdalena. Abends müde nach Hause zurück. 757
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In der Ablehung des Liberalismus war Peterson mit Schmitt einig. Der Kampf gegen die liberale Theologie durchzieht das Werk Petersons, stellvertretend sei hingewiesen auf: Peterson, AS 4, S. 238–246. Teil der Löwenburg, oberhalb von Bad Honnef.
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Tagebuch 1927
Pfingstsonntag, 5. 6. 27 Den ganzen Tag zu Hause, schön ausgeruht, fröhlich mit Duschka. Pfingstmontag, 6. 6. 27 Spaziergang auf die Oberburg mit Magda, es regnete und stürmte oft. Wir aßen auf der Oberburg zusammen. Nachmittags müde zurück, ausgeruht, Neuß und Schmitz waren zu Abend da. Dienstag, 7. 6. 27 Morgens schöner Vormittag, wie immer in diesen Tagen. Nachmittags die Eltern in Bonn abgeholt. Erschrak vor ihrem kümmerlichen Aussehen. Abends kam Jup, nett unterhalten, Duschka war rührend. Mittwoch, 8. 6. 27 Zum Glück für mich allein, schön gearbeitet des Morgens, Examensarbeiten gelesen, Vortrag in der Geffrub759 angenommen, mittags ausgeruht, nachmittags zu Lauscher, wegen der Berufung Holsteins,760 fröhlich. Nachher zu Magda, wieder Koitus. Aber es deprimiert nachher. Donnerstag, 9. 6. 27 Spaziergang nach und Remagen mit Neuß; sehr schön. Nachmittags ausgeruht. Professor Hans Weber761 und seine Frau kamen. Duschka war entzückend. Jup kam auch noch. Abends müde bald zu Bett. Freitag, 10. 6. 27 In die Stadt, Haare schneiden, auf der Bank Geld geholt, Bücher gekauft, nach dem Essen schön ausgeruht. Nachmittags Besuch von Dölle, wegen des Instituts, dann zu Lauscher. Eine Flasche Bernkasteler Rosenberg, sehr schön, nett unterhalten, aber doch das unangenehme Gefühl, mich mit einem Politiker eingelassen zu haben. Müde bald ins Bett.
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Gesellschaft von Freunden und Förderern der Universität Bonn. Die Gesellschaft förderte die Ausstattung von Schmitts Seminarbibliothek durch regelmäßige Geldzuweisungen; Karl H. Büchel, 80 Jahre Gesellschaft der Freunde und Förderer der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Ein Blick durch ihre Geschichte, in: Bonner Universitätsblätter 1997, S. 9–22; Becker, S. 110. Günther Holstein (1892–1931), seit 1924 Professor für evang. Kirchenrecht und Staatsrecht in Greifswald (NDB 9, S. 552 f.), war von Rudolf Smend als Nachfolger seines Lehrers Erich Kaufmann in Bonn empfohlen worden. Dagegen votierte Carl Schmitt; vgl. BW Smend, S. 60 ff. Bei dem Zentrumspolitiker und MdL Lauscher suchte Schmitt wohl Unterstützung gegen diese Berufung. Hans Emil Weber (1882–1950), Professor für Systematische Theologie in Bonn; BBKL 13, Sp. 400– 404.
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Samstag, 11. 6. 27 Den Morgen Briefe geschrieben, (Kurt Singer, Feuchtwanger762, Heller), Smend hat mir noch nicht geantwortet!763 Oft unangenehmes Gefühl; will eine Verfassungslehre schreiben.764 Oft Plan, dann wieder ganz verzweifelt. Herrlicher Morgenspaziergang und eine schöne Stunde am Arbeitstisch. Abends war Jup da. Schönen Wein getrunken. Sonntag, 12. 6. 27 Zu Hause gearbeitet, mittags nach Bonn, Weber getroffen, für morgen eingeladen, die Eltern waren mit Anna in der Kirche. Nachmittags mit dem Vater nach Annaberg. Er erzählte von seinem Leben, an der Post, an der Bahn, bei Graewe & Kaiser765. Abends schön gegessen, früh zu Bett. Montag, 13. 6. 27 Eine schöne Stunde morgens, Spaziergang und Frühstück. Sonst wenig getan wegen des Besuches. Dienstag, 14. 6. 27 Von den Eltern verabschiedet, sie fuhren um 12, Duschka war ganz rührend. Ich hielt meine Vorlesung, war aber ziemlich müde. Nachmittags Sitzung im Oberbergamt,766 nett mit Zehnhoff gesprochen, im Seminar Fräulein Schneider, dann nach Hause. Mittwoch, 15. 6. 27 Brief von Feuchtwanger, dass ich die Verfassungslehre schreiben soll, wenn auch Smend eine schreibt.767 Eifrig, plötzlich wieder Feuer und , sehr glücklich. Hielt meine Vorlesung sehr gut, war gut ausgeruht. Nachmittags sehr schöne Übung, dann zu Magda, herr liche Ejakulation, frisch und munter zu Fuß nach Hause, sehr glücklich und erleichtert. Freundlich zu Duschka, ohne jede moralische Bedenken, sehr gut geschlafen. Donnerstag (Fronleichnam), 16. 6. 27 Morgens herrlicher Spaziergang, herrliches Frühstück, herrlich gearbeitet. Über , dann die für Linn gelesen, schönen Brief an ihn, schöner Aufsatz
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BW Feuchtwanger, S. 205 f. Nämlich auf Schmitts Brief vom 1. 6. 1927, in dem es um die Nachfolge Kaufmanns in Bonn geht. Vgl. BW Smend, S. 60 ff. Vgl auch die spöttischen Bemerkungen zu Holstein unten, S. 440. Zu dieser Zeit änderte Schmitt sein Vorhaben, ein Lehrbuch des Völkerrechts zu schreiben und nahm sich stattdessen eine Verfassungslehre vor. Feuchwanger unterstützte das und war bereit, dafür die gleichen vertraglichen Konditionen gelten zu lassen; vgl. BW Feuchtwanger, S. 202 ff. Schrauben- und Mutterfabrik in Plettenberg, wo der Vater Carl Schmitts als kaufmännischer Angestellter tätig war. Preußisches Oberbergamt, Bonn, Konviktstr. 2. (Zusammenhang unklar, vgl. oben, 9.11.25). BW Feuchtwanger, S. 207 ff. Der Brief ist ein Meisterstück verlegerischer Motivationskunst unter Ausnutzung der Konkurrenzsituation.
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über Macch.[iavelli].768 Nachmittags etwas ausgeruht, dann nach Bonn, traf Magda nicht zu Hause, bei Rittershaus Kaffee und den Aufsatz über Macch.[iavelli]. Fuhr nach Hause. Freitag, 17. 6. 27 Nachts nicht gut geschlafen, weil ich nachmittags Kaffee getrunken hatte, aber bald wieder erholt. Schöner Morgen, hielt meine Vorlesung gut, bei furchtbarer Schwüle, sah Friedrich769 und wurde unruhig . Traf mittags Magda und verabredete mich für abends. Nachmittags um 6 zum Diktat, sehr nett der Macchiavelli-Aufsatz. Dann eine halbe Stunde bei Magda. Eine merkwürdige Beruhigung, das erledigt zu haben; sie ist ein armes, rührendes Kind. Wahrscheinlich bin ich aber doch wieder da hereingefallen. Jedenfalls froh nach Hause. Sehr nett zu Duschka, schöner Spaziergang über die Felder, guter Dinge zu fröhlich zu Bett. Immer mit Eifer an die Verfassungslehre gedacht! Samstag, 18. 6. 27 Nach Köln zum Referendar-Examen. Traf an der Bahn Dr. Lützeler und Behn770, fuhr mit ihnen zusammen, nett unterhalten, wahrscheinlich habe ich aber die anderen nicht genug reden lassen. Im Examen Lüttig771 und Hedding772, einer fiel durch, im übrigen gleichgültig. Ein kluger Dr. Brenner773. Dann zur K.V.[Kölnischen Volkszeitung]. Mit Hoeber774 nett unterhalten, brachte ihm den Aufsatz über Macch.[iavelli]. Noch über die Straßen, aber ruhig und überlegen. Mit der Bahn nach Hause, dummerweise, es war rauchig und voll. Um 3 wieder zu Hause, gegessen (herrlich, mir ekelt vor den Restaurants), zu Bett, schön bei Duschka im Bett, dann Tee getrunken, Friesenhahn brachte die Übungsarbeiten, plötzlich um 7 rief Kluxen an, vom Königshof. Ich erwartete ihn, er kam um ½ 9, hatte schon gegessen. Wir unterhielten uns, ich fand seine kindisch-pennälerhafte Art zu sprechen komisch und im Grunde frech und unverschämt. Offenbar sucht er einen Sklaven. Um ½ 11 ging er wieder. Er will morgen wiederkommen, mir ist das gleichgültig.
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Carl Schmitt, Macchiavelli. Zum 22. Juni 1927, in: Kölnische Volkszeitung vom 21. 6. 1927 (Leitartikel auf S. 1); komment. Wiederabr, in: SGN, S. 102–107. Nicht ermittelt. Siegfried Behn (1883–1970), a. o. Professor für Philosophie an der Pädagogischen Akademie in Bonn, ab 1931 o. Professor an der Universität Bonn, 1935 Lehrverbot; DBE 1, S. 497; Becker, S. 107; Tilitzki (2002), S. 267 f. Heinrich Lüttig (1863–1932), seit 1921 Senatspräsident am OLG Köln und stellvertretender Vorsitzender des juristischen Prüfungsamtes; Berchem, S. 335. Otto Hedding (1881–1960), Dr. iur., Honorarprofessor in Köln, Abteilungspräsident im Landesfinanzamt Köln, 1930–1932 Präsident des Landesfinanzamtes Oberschlesien, ab 1932 Ministerialdirektor im Reichsfinanzministerium. Er war offensichtlich Prüfer. Nicht ermittelt. Karl Hoeber (1867–1942), Chefredakteur der Kölnischen Volkszeitung, führender Kopf der katholischen Tagespresse, auch im Kartellverband katholischer deutscher Studenten (KV) aktiv; DBE 5, S. 13.
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Sonntag, 19. 6. 27 Leider gestern Abend etwas Wein getrunken, überflüssig und schädlich. Bis 9 im Bett, dann aber schöner Spaziergang mit dem Hund über die Felder, schönes Frühstück, nett gearbeitet den ganzen Vormittag; Kluxen scheint nicht zu kommen, auch Peterson nicht. War sehr froh darüber. Schrieb an Bruns775. Merkwürdig, diese Hemmung in meinen Publikationen. Mittags nach dem Essen schön ausgeruht, nachmittags fleißig gearbeitet, wunderschön mit Duschka zu Hause. Herrliches Abendessen, sauber und rein. Montag, 20. 6. 27 Schöner Spaziergang und gefrühstückt, schöne Korrespondenz (Brief von Kluxen776: Ich habe 5 Todsünden erwürgt, an einer 6. krankt meine Seele; er warnt mich: Bevor ich mich endgültig entschließe, komisch zu werden). Ich antwortete ihm gleich, es tat mir wohl, dass er Duschka vortrefflich [findet und] mir sagt, ich sei sehr gut verheiratet. Er selber ist ein übler Typ von Wilhelminiker. Noch ein paar Briefe. Vorlesung, ziemlich müde, mittags mit Werner Becker, nachmittags um 5 kam der junge Hirsch, nett unterhalten über seine Arbeit ( Beamter777), im Garten Erdbeeren gepflückt, abends noch ziemlich fleißig gearbeitet und guter Dinge zu Bett. Dienstag, 21. 6. 27 Wieder ein schöner Spaziergang und schöner Morgen, wenig Post, morgens kam der , gute Vorlesung über . Es ist heißes, schönes Wetter. Nach dem Essen etwas ausgeruht, bei Duschka, wunderschön kalt gebadet, dann den Nachmittag gut gearbeitet, aber abends ziemlich müde. Nachmittags schöner Brief von Smend über Holstein778, der mich sehr freute und versöhnte. Abends etwas über die Felder. Duschka wird gesund und sehr dick. Für mich immer die Angst, sehr komisch zu werden. Mittwoch, 22. 6. 27 Schöne Vorlesung und Übung, abends zu Magda, nett, müde, plötzlich ging die Tür auf und der Schlosser Langnickel779 erschien und bat um die Zeitung. Ich ging lachend heraus, war innerlich völlig fertig mit der Sache.
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Viktor Bruns (1884–1943), Professor an der Friedrich-Wilhelms-Universität und seit 1924 Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht in Berlin, Richter an internationalen Schiedsgerichten; NDB 2, S. 687. Schmitt schrieb wegen eines Vortrags, der gedruckt werden sollte. Mit Brief vom 29. 6. 1927 entschuldigt Bruns sich für die Verzögerung; RW 0265 Nr. 2115. RW 0265 Nr. 7916. Die Rede ist von der Dissertation Hirschs mit dem Titel „Die rechtliche Stellung der internationalen Beamten unter besonderer Berücksichtigung der Funktionäre des Völkerbundsekretariats in Genf“ (s. unten, 20.2.28). Nicht überliefert. Der Schlossermeister Wilhelm Langnickel ist im Bonner Adressbuch 1927 zweimal vertreten: Engeltalstr. 12 und Schumannstr. 56.
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Donnerstag, 23. 6. 27 Hielt meine Vorlesung, abends Seminar, nett, besonders Kirchheimer, telefonierte von Kieffer an Magda, dass ich nicht komme. Ruhig nach Hause, fröhlich mit Duschka, abends früh zu Bett. Freitag, 24. 6. 27 Froh, dass die Woche zu Ende ist. Nachmittags Karte von Frau Eisler, dass sie heute kommt. Sie kam im Auto, fröhlich und aufgeregt. Fuhr im Auto zur Sitzung nach Bonn, um ½ 8 zurück. Sehr vergnügt abends mit Frau Eisler; aufgeräumt, stolz auf Duschka. Samstag, 25. 6. 27 Fröhlich aufgestanden, mit Frau Eisler den ganzen Morgen im Garten spaziert. Morgens fotografiert von Becker780, die beiden blieben zum Mittagessen, Frau Eisler ist des Lobes voll über unser Haus, über Duschka, das gefiel mir sehr gut. Nachmittags ausgeruht, wir fuhren dann nach Remagen und besahen den riesenhaften Bogen.781 Abends bald zu Bett. Schöner Brief von Feuchtwanger: ich muss die Verfassungslehre schreiben. Sonntag, 26. 6. 27 Morgens schön im Garten spazieren, nachmittags plötzlich nach Honnef gefahren zu Schmitz, mit Frau Eisler, sehr nett, sah das kleine Kind. Abends zurück. Peterson mit Frau782 waren auch da, sind aber weggegangen, Jup kam, wir unterhielten uns nett. Montag, 27. 6. 27 Im Auto zu den Vorlesungen, sehr stolz nachmittags Frau Eisler, war nett, sie blieb noch einen Tag länger und lobte immer von neuem Duschka (ein Engel), nachmittags nach Berkum783 gefahren, auf einer Kirmes, abends waren Peterson und Frau Reinach784 da, nett Ball gespielt und zu Abend gegessen, mit Frau Reinach spazieren, eine kluge und gescheite Frau. 780
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Curt Becker (1905–1987), Bruder von Werner Becker, 1928 in Bonn von Heinrich Göppert zum Dr. iur. promoviert, später Unternehmer und CDU-Politiker (MdB); Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949–2002. Hrsg. von Rudolf Vierhaus und Ludolf Herbst unter Mitarb. von Bruno Jahn, Bd. 1, München 2002, S. 48 f.; vgl. BW Becker, S. 11. Aus dem Eintrag vom 18.8.27 ist zu vermuten, dass es sich hier um Curt und nicht um Werner Becker handelt. Rolandsbogen oberhalb von Rolandswerth. Erik Peterson war zu dieser Zeit nicht verheiratet, wahrscheinlich ist Anne Reinach gemeint (s. folgenden Eintrag). Südlich von Bonn, heute zu Wachtberg eingemeindet. In dem Ort versah Karl Eschweiler neben seiner Privatdozentur an der Bonner Universität das Pfarramt. Anne Reinach, geb. Stettenheimer (1884–1953), promovierte Physikerin, Witwe des Philosophen Adolf Reinach, mit Peterson seit seiner Göttinger Zeit lebenslang befreundet, jüdisch, ließ sich 1916 in die evangelische Kirche aufnehmen und konvertierte 1923 zum katholischen Glauben, 1937 Oblatin des Benediktinerklosters Beuron, 1942 Flucht auf Grund einer Denunziation nach Spanien, kehrte 1950 nach München zurück. Nichtweiß (1992), S. 236–238; Peterson AS 9 / 2, Einleitung. Vgl. auch Petersons Gedenkbuch für sie: Erik Peterson, Als ich gestorben war, München 1957 (Privatdruck des Kösel-Verlages).
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Dienstag, 28. 6. 27 Um ½ 10 fuhr Frau Eisler ab, sehr gerührt. Ich fuhr mit bis Bonn, lief noch etwas herum, in der Bibliothek, hielt meine Vorlesung, dann nach Hause. Mittwoch, 29. 6. 27 Feiertag, zum Glück.785 Rippenschmerzen. Den ganzen Tag zu Hause, auch abends nicht an Magda telefoniert, sehr glücklich über Duschka. Donnerstag, 30. 6. 27 Morgens Vorlesung, nachmittags Seminar, Kirchheimer war klug und nett, telefonierte nicht an Duschka786, war todmüde und fuhr nach Hause. Freitag, 1. 7. 27 Vorlesung, todmüde, glücklich, dass die Woche zu Ende ist. Nachmittags Fakultätssitzung, dummerweise mit Göppert zu Müller787, deprimiert wegen Holstein, scheußlich, traurig nach Hause. Samstag, 2. 7. 27 Morgens fleißig gearbeitet, nicht in die Stadt, nachmittags kamen die beiden Becker788 und 2 Studenten, dann Peterson und Frau Landsberg, sehr netter Nachmittag. Frau Landsberg half fleißig Johannisbeeren pflücken. Entzückend. Sehr schön unterhalten mit Peterson über Scheler (). Abends noch schönen Wein getrunken, Lieder gesungen und getanzt. Müde, aber zufrieden zu Bett. Jup kam nachmittags plötzlich und erzählte, dass Onkel André von ihm das Geld zurück verlangt hat;789 Angst, er würde auch von mir es verlangen; dumme Angst. Sonntag, 3. 7. 27790 Den ganzen Tag fleißig, morgens heftige Augenschmerzen, arbeitete über Parlamentarismus, schrieb etwas, immer im Gedanken an die Verfassungslehre. Abends wunderschön spazieren mit Duschka über die Felder. Sie ist klug und lieb, glücklich über diese Frau. Montag, 4. 7. 27 Morgens Vorlesung, arbeitete sehr, nachmittags ein holländischer Jude: Fleischhauer791, erinnerte mich an Plog792, sehr nette Unterhaltung, er sagte, es sei eine Fügung Gottes, dass er
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Peter und Paul. Muss wohl heißen „Magda“. Café Müller. Werner und Curt Becker. Der Onkel André Steinlein, reicher Immobilienmakler in Lothringen, hatte schon den Studenten Carl Schmitt finanziell unterstützt und hat ihm und Jup offenbar Geld geliehen. Auf dem Kopf dieses Blattes der Handschrift notiert: „Vleeschhouwer, 4. 7. und 6. 7. “. Identisch mit Vleeschhouwer, s. unten, 14.7.27. Unklar.
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mich getroffen habe; es gibt doch einen Geist. Abends noch für meine Vorlesung gearbeitet. Heute ist mein Buch über den Volksentscheid erschienen.793 Dienstag, 5. 7. 27 Sehr früh auf, schön gearbeitet (etwas Rippenschmerzen immer noch), 2 Stunden Vorlesung. Mit Dölle über Braubach. Sah mittags Magda, stieg aber nicht aus. Nachmittags zu Hause, immer fleißig gearbeitet, auch abends nach dem Essen. Mittwoch, 6. 7. 27 Müde, ausgeschlafen, 2 Stunden Vorlesungen, ausgeruht, ½ 5 Examen, dann mit Fleischhauer eine halbe Stunde bei Schmitz in dem Café an der Haltestelle der Godesberger Bahn, dann Übungen, sehr nett, abends nach Hause, rief bei Magda an, sie war aber nicht zu Hause. Umso besser. Donnerstag, 7. 7. 27 Plötzlich Sehnsucht nach Magda. Mittags schöne Vorlesung (Parlamentarismus), sah sie aber mittags nicht. Nachmittags um ½ 6 zur Stadt, Seminar, Referat Stiel794, ganz nett, dann mit Kircheimer und Rommen zur Elektrischen, sah an der Weberstraße Magda, stieg aus, sprach mit ihr, ging aber nicht zu ihr, sie tat mir leid. Für Mittwoch nach Köln verabredet, dann nach Hause, Duschka war fabelhaft gesund. Ich war todmüde, trank noch etwas Bier. Lasterhaft, Sinnlosigkeit, tiefe dieses Dasein. Freitag, 8. 7. 27 Vorlesungen glücklich zu Ende, nachmittags nicht in die Stadt, gut gearbeitet, der Büchsenmeister war da, Duschka schoss mit viel Freude. Nachmittags Kaffee, herrlich gearbeitet, bis 12 Uhr, dann gut geschlafen. Peterson fährt nicht mit nach Düsseldorf. Samstag, 9. 7. 27 Um 5 auf, eine Stunde gearbeitet, dann auf der Ottomane geschlafen, mit der Bahn nach Köln, etwas müde, langweiliges Examen, sehr freundlich mit Leopold v. Wiese795. Dann nach Düsseldorf, bei am Zehnhoff, traurig, deprimiert, es geht im schlecht, er kann sich kaum bewegen.796 Fräulein Fuchs797 und Fräulein Schneider waren da. Ich fuhr um 7.23 zurück. Zum Glück gab es keinen Wein. Im Zuge müde, mir aber gleichgültig, in Köln nicht ausgestiegen, gleich weitergefahren bis Bonn. Um 10 schon da. Froh über die liebe, gute Duschka, dankbar für diesen herrlichen Haushalt. Des Nachts großartig geschlafen, nichts gehört, als Duschka 3 Mal schoss.
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Carl Schmitt, Volksentscheid und Volksbegehren. Ein Beitrag zur Auslegung der Weimarer Verfassung und zur Lehre von der unmittelbaren Demokratie, Berlin 1927 (Neuaufl. 2014). Ein Student. Leopold von Wiese und Kaiserswaldau (1876–1969), seit 1919 Professor für wirtschaftliche Staatswissenschaften und Soziologie in Köln; DBE 10, S. 616. Hugo am Zehnhoff litt an starker Gicht und war auf den Rollstuhl angewiesen. Vielleicht eine Verwandte des Kölner Zentrumpolitikers Eduard Fuchs (1844–1923).
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Sonntag, 10. 7. 27 Den ganzen Tag gearbeitet, an meiner Verfassungslehre, las nach in den Tagebüchern von 1920, vor 7 Jahren, wie ich die Diktatur schrieb.798 Das gab mir Mut. Welch schauerlicher Zustand damals, Dankbarkeit gegen Georg Eisler und Duschka. Jup kam nachmittags mit seinem Wagen, wir unterhielten uns nett, ich arbeitete bis 8, weil Duschka und Jup spazieren gingen über die Felder. Nach dem Abendessen ausgeruht, dann noch etwas gearbeitet, Brief an Feuchtwanger, mit den Vertragsniederschriften für Diktatur, 2. Auflage und für die Verfassungslehre.799 Montag, 11. 7. 27 Schöner Vormittag, schöne Vorlesung, 2 Stunden. Nachmittags war Arthur Sommer bei uns, blieb bis zum Abend, sehr schön unterhalten, schönen Spaziergang nach Annaberg, bis abends um 10 Uhr. Er sprach wunderschön über Krieg und Feindschaft. Dienstag, 12. 7. 27 Morgens große Sehnsucht nach [Magda,] dabei Liebe zu Duschka. Arbeitete fleißig an meiner Vorlesung (Parlamentarismus). Mittwoch, 13. 7. 27 Fleißig, 11–1 meine Vorlesungen, nachmittags ausgeruht, Übungen von 6–8, sehr nett, dann zu Magda; schöner, ruhiger, erlösender Koitus. Zufrieden nach Hause. Donnerstag, 14. 7. 27 Vorlesung und Seminar, abends mit Vleeschhouwer800 zu uns gefahren, sehr schön unterhalten, rührender Anblick eines frommen Juden (das Häubchen beim Beten). Duschka war lieb und gut. Freitag, 15. 7. 27 Froh, die letzte Vorlesung dieser Woche, todmüde. Nachmittag langweiliges volkswirtschaftliches Examen, abends Dr. Schmitz, der die jugoslawische Musik von der Frankfurter Musikausstellung rühmte.801 Samstag, 16. 7. 27 Glücklich, einen Vormittag arbeiten zu können, sehr schön über 2-Kammer-System,802 aber es geht langsam vorwärts, nachmittags wieder dummes Examen. Sprach mit einem hübschen Mädchen, das immer auf der Elektrischen fährt, ein dummes, rührendes Ding. Abends noch
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Das Tagebuch 1920 ist nicht erhalten. BW Feuchtwanger, S. 216. E. Vleeschhouwer (?–?), niederländ. Jurist aus Rotterdam; vgl. oben, 4.7.27 und seinen Brief an Schmitt vom 28. Oktober 1927 (RW 0265 Nr. 17332). Vom 11. Juni bis zum 28. August 1927 fand in Frankfurt a. M., begleitend zum Konzertfestival „Sommer der Musik“, die internationale Ausstellung „Musik im Leben der Völker“ statt. Vgl. Verfassungslehre, S. 293 ff.
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lange gearbeitet, müde zu Bett. Hätte ich nur mein Buch fertig. Oft Angst und Sorge wegen des Titels.803 Lange ohne Nachricht von Georg Eisler, sehr besorgt. Sonntag, 17. 7. 27 Wieder ein schöner Vormittag, fleißig, um 11 kam Dohna, aber etwas befangen, dann mit Duschka bei Frau Oertgen804, unserer Nachbarin, deren Tochter aber sehr krank war, sodass wir sie nicht besuchen konnten. Nach dem Essen schön ausgeruht, dann Kaffee und fleißig bis abends gearbeitet. Montag, 18. 7. 27 Morgens schön die Korrekturen meines Aufsatzes über das Politische erledigt, zu meiner Freude noch Spranger berücksichtigen können.805 Dann kam Oberheid, er war nett und . Wir fuhren zusammen nach Bonn, verabschiedeten uns in der Universität, vor dem Lesesaal von Peterson,806 dann meine beiden Vorlesungen, wurde ziemlich müde. Nach dem Essen geschlafen, mit Duschka gebadet, müde, aber arbeitsam, oft Sorge wegen meines Buches, unerklärliche Angst, physiologisch, über die ich dann lache. Warte auf Schulz und Dölle, die heute kommen wollen. Netter Abend, Dölle lachte über Smends Äußerung von Holstein, dass bei diesem alles „ein unformulierter Lebensvorgang seiner Persönlichkeit“ sei.807 Wir tranken erst Saarwein, dann Romanée. Ich war sehr zufrieden mit dem Abend, schrieb noch ein Referat über die Dissertation von Reiners (Bolingbroke).808 Dienstag, 19. 7. 27 Bis ½ 9 geschlafen, sehr behaglich gefrühstückt, viele Drucksachen, aber keine Briefe, einer von Georg Eisler,809 dem ich gleich antwortete (aus Wut darüber, dass sich über Ar803
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Schmitt wollte ausdrücklich keine „Staatslehre“ schreiben, „denn es gibt keinen Staat mehr“ (BW Feuchtwanger, S. 213). Andererseits stand er in Konkurrenz zu Rudolf Smend, der zeitgleich an einem Buch „Verfassung und Verfassungsrecht“ arbeitete. Laut Godesberger Adressbuch von 1927 wohnte in der Bonner Str. 209 die Witwe Oertgen. Eduard Spranger (1882–1963), seit 1920 Professor für Pädagogik und Philosophie in Berlin; NDB 24, S. 743–745. In der Anmerkung 2 des „Begriff des Politischen“ von 1927 zitiert Schmitt Sprangers Darstellung des „Machtmenschen“, die aber zu sehr in der Sphäre des Individualpsychologischen und Privaten verbleibe und das spezifisch Politische nicht in den Blick bekomme. In den späteren Fassungen ist das gestrichen. Am 26. 11. 1927 bedankt sich Spranger für den „Begriff des Politischen“ und schreibt zum bevorstehenden Wechsel Schmitts nach Berlin: „Ich freue mich unsagbar, Sie dann in der Nähe zu haben.“ (Schmittiana NF II, 2014, S. 136). Zur späteren Kritik Sprangers am „Begriff des Politischen“ und zu seiner Distanz zu Schmitt vgl. ebd., S. 147–152, sowie Schmittiana V, 1996, S. 205–207. Oberheid hörte Vorlesungen Petersons. Bezieht sich auf: Günther Holstein, Von Aufgaben und Zielen heutiger Staatsrechtswissenschaft, in: Archiv für öffentliches Recht 50, 1926, S. 1 ff. Gegen diesen „Subjektivismus im Erleben“ wendete sich Smend z. B. in Rudolf Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, München / Leipzig 1928. Hermann Reiners (1900–?), war nach 1945 Richter am Oberlandesgericht Saarbrücken. Seine Dissertation von 1927 „Bolingbrokes politische Lehren“ erschien 1932 in Köln im Druck. Schmitt bewertete sie mit „cum laude“; Mehring (2009), S. 627, Anm. 113. Nicht überliefert.
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nold Schmitz beschwert). Nach der Vorlesung sehr müde und erschöpft. Der scheußliche Braubach. Nachmittags ausgeruht, dann Kaffee und gearbeitet, über den Begriff des Bundes,810 sehr schön. Abends mit Duschka auf den Feldern spazieren, wundervoll. An und Rosenbaum ein Exemplar des „Volksentscheid“. Mittwoch, 20. 7. 27 Gut ausgeschlafen, herrlich im Garten, ein ruhiges, intensives Lebensbehagen, wie ich es niemals gekannt habe, wundervoll. Freude an Duschka, Freude an meinem Beruf. Abends bei Magda, keine Übungen gehalten. Donnerstag, 21. 7. 27 Volle Vorlesungen, Seminar, dann zur Lese811. Vortrag bei der Akademischen Gemeinschaft812 (Freiherr v. Hagen813 über Deputat). Es war eigentlich überflüssig, der Prinz von Preußen; lächerlich, viel Wein getrunken, im Auto nach Hause. Freitag, 22. 7. 27 Froh, dass die Woche vorbei ist. Nachmittags fürs wirtschaftliche examen, langweilig. Samstag, 23. 7. 27 Examen in Köln, mit Zehnhoff, Mittag gegessen und nach Hause gefahren, über Braubach unterhalten, Kaufmann. Müde zu Hause. Sonntag, 24. 7. 27 [Ohne Eintrag] Montag, 25. 7. 27 Wieder Vorlesungen, mühselig vorwärts.
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Vgl. Verfassungslehre, S. 366 ff. Die Lese- und Erholungsgesellschaft von 1784, kurz „Lese“ genannt, war eine immer noch lebendige Bürgergesellschaft der Aufklärung, die ihr prachtvolles Vereinslokal „Zur Lese“ (mit exquisitem Weinkeller) seit 1897 in der Koblenzer Str. 35 und 37 hatte (heute in der Adenauerallee 37). „… seitdem die ‚Lese‘ ihr neues glänzendes Heim an der Koblenzer Straße mit herrlichen Terassen und Anlagen am Rhein bezogen hat, dürfte es wenig Gesellschaften vornehmeren Stils und prächtigeren Rahmens in deutschen Landen geben.“ (Bonn-Führer, S. 43). Carl Schmitt war nicht Mitglied. Adolf Dyroff, Festschrift zur Feier des 150jährigen Bestehens der Lese- und Erholungsgesellschaft zu Bonn, Bonn 1937, (mit Abb.). Vielleicht die Akademisch-Literarische Verbindung im Katholischen Lehrerverband (K. L. V.), Konviktstr. 10. Rüdiger vom Hagen (1868–1947), Fideikomissherr auf Möckern, Mitglied des Corps Borussia Bonn, dessen Mitglieder fast ausschließlich aus dem preußischen Adel, auch dem Herrscherhaus, kamen.
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Dienstag, 26. 7. 27 Fröhlich, Brief von Triepel über mein Buch: „Fest glaube ich, dass es recht und gut ist“.814 Nachmittags Vormfelde zum Tee, dann Examen. Mittwoch, 27. 7. 27 Vorlesung, nachmittags letzte Übungsstunde, es ging nicht besonders gut (die Arbeit über Volksentscheid), dann zu Magda, aber ziemlich müde, schöner Koitus. Donnerstag, 28. 7. 27 2 Stunden Vorlesung, abends letztes Seminar, nett unterhalten. Freitag, 29. 7. 27 Glücklich die letzte Stunde, mühselig Staatsrecht und Politik zu Ende (11–1). Nachmittags Examen, Doktorexamen Rospatt. Dann schnell nach Hause , Schumpeter, Beckerath und Arnold Schmitz waren zum Abendessen da; sehr nett unterhalten, Schumpeter sprach viel, ich war froh, dass alles gut verlief (wir tranken Weldricher Port815 und Romanée). Nachher war ich ziemlich müde. Samstag, 30. 7. 27 Morgens ausgeruht, müde, der Assessor war da, langweilig, enttäuscht. Abends am Zehnhoff, Beckerath und Professor Seltman816 von der Cambridge817-University, nach Köln, schönes Essen, mit Scheler und Hartmann818, guter Wein. Sonntag, 31. 7. 27 Etwas müde und Kopfschmerzen, aber bald erholt. Angefangen, die Verfassungslehre zu schreiben, ein paar Seiten, auch nachmittags sehr fleißig.
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Brief nicht überliefert; bezieht sich offenbar auf „Volksentscheid und Volksbegehren“. Vielleicht „Weldrick Port-Wine“ oder „Wehlener Plateau“ (s. unten, 16.8.27). Charles Seltman (1886–1957), Kunsthistoriker und Numismatiker, Fellow am Queens-College in Cambridge. Schmitt schreibt klarschriftlich „Columbia“. Nicolai Hartmann (1882–1950), Professor für Philosophie in Köln, vertrat wie Scheler eine materiale Wertethik und prägte die später für Schmitt bedeutsame Wendung von der „Tyrannei der Werte“; NDB 8, S. 2–4.
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Montag, 1. 8. 27 Verfassungslehre geschrieben, die ersten Seiten. Roßkopf819 telefonierte ab, fand das als Beleidigung. Magda telefoniert, abends bei ihr, Ejakulation. Müde nach Hause. Brief an Aloys Schulte820 wegen seines 70. Geburtstages (morgen). Dienstag, 2. 8. 27 Morgens eingepackt, aufgeräumt, nicht viel geschrieben, Bücher zur Bibliothek, mittags zur Bahn, um ½ 2 Magda im Café Frings getroffen, gutes Kind, dann nach Köln und Plettenberg, im Zug etwas Nöte, Jup holte mich in Altena ab, mit Bernhard Wüst, wir tranken in Werdohl wunderschön Dortmunder (Hotel zur Post), dann zu Hause, früh zu Bett. Mittwoch, 3. 8. 27 Morgens auf den Saley821, nachmittags in die Bommecke822 mit Jup sehr nett. Nachts schlecht geschlafen, bedrückt. Donnerstag, 4. 8. 27 Im Auto nach Landemert zum Sonneborn823, Josef Wüst824 getroffen, eine Stunde dort gelegen, nett unterhalten, über die Schulgesetze, dann im Auto nach Attendorn, bei Rauch825 zu Mittag, dann zur Lister-Talsperre, gebadet, herrlich, müde nach Hause, nachts gut geschlafen. Freitag, 5. 8. 27 Morgens kleiner Spaziergang, vormittags im Haus herumgelungert, mittags zur Bahn, 3. Klasse nach Friesdorf, froh, wieder zu Hause zu sein, aber deprimiert und traurig unter dem Eindruck von Plettenberg. Kein besonderer Brief, schöner Brief von Smend.826
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Veit Roßkopf (1898–1976), Germanist, Publizist und Rundfunkredakteur. Schmitt bereitete mit ihm zusammen das am 1. Februar 1933 im Rundfunk ausgetragene Streitgespräch mit Ernst Jünger über den Krieg vor (s. TB V, S. 254). Hier vertrat Jünger seine bekannte agonale Sichtweise, während Paul Adams als Stimme Carl Schmitts den Standpunkt behauptete, wonach der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln und sein Sinn der Friede sei. In der 3. Auflage seines ‚Begriff des Politischen‘ zitiert Schmitt dieses Gespräch als exemplarisch für den Gegensatz von bloß-kriegerischer und politischer Haltung. (Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, 3. Ausg., Hamburg 1933, S. 10). Vgl. Gespräch, S. 89, TB V passim. Der Brief ist im Nachlass Schulte erhalten (Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, S 2782,1). Berg bei Plettenberg-Eiringhausen. Tal mit Bommecke-Bach bei Plettenberg, seit 1985 unter Naturschutz; Hassel. Schmitt ging als Schüler den Weg vom Gymnasium in Attendorn zurück nach Plettenberg oft zu Fuß über die Berge, entweder über den Weiler Hülschotten oder über die Bergbauernschaft Sonneborn, die beide südöstlich des Dorfes Landemert liegen. Hassel; vgl. TB III, S. 94. Josef Wüst (1878–?), Lehrer, ab 1919 sozialdemokratischer Schulrat in Frankfurt a. M., mit Schmitt seit der Schulzeit befreundet; Bruder von Bernhard Wüst. Vgl. Gespräch, S. 30 f., 97. Hotel Rauch; vgl. TB III, S. 242. Nicht überliefert.
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Samstag, 6. 8. 27 Examen in Köln (Roloff827 aus Plettenberg), sehr nett, mit Beckerath. Früh nach Hause, nachmittags ausgeruht. Sonntag, 7. 8. 27 Den ganzen Tag fleißig geschrieben, ein paar Seiten, nervös und aufgeregt. Nachmittags war Peterson da, blieb bis Abend, nett unterhalten. Montag, 8. 8. 27 Den ganzen Tag geschrieben, Verfassungslehre, nachmittags rief Kaufmann an, freundlich unterhalten über Wolgast. Abends Chianti getrunken und gut gearbeitet. Dienstag, 9. 8. 27 Morgens müde, 2 Mal Kaffee, fleißig geschrieben bis mittags, dann müde, ausgeruht, abends etwas geschrieben, um ½ 8 zu Magda, sie war aber nicht zu Hause, vergebens gewartet, auf der Straße herumgegangen, nervös, deprimiert, dumme neurotische Affekte, dann zu Hause, müde, gleichgültig. Mittwoch, 10. 8. 27 Morgens zur Stadt, Blumen für Magda gekauft, antelefoniert, aber keinen , zu Hause herumgesessen, etwas geschrieben, aber zu wenig, abends gearbeitet, mit Duschka über die Felder, Brief von Kaufmann aus Berlin,828 sehr elend. Donnerstag, 11. 8. 27 Ein paar Seiten mühselig geschrieben, abends mit Duschka über die Felder. Freitag, 12. 8. 27 Brief von Kiener, schrieb ihm gleich (über die -Organisation im Luxus). Nachmittags kam Lohmann, nett unterhalten, er blieb zum Abendessen, Peterson kam nicht. Die Nachricht von der Ermordung des Mallinckrodt829, eines Verwandten der Frau v. Schnitzler. Samstag, 13. 8. 27 Mit Duschka in die Stadt, zur Post, an Kiener mein Buch geschickt. Abends zu Magda, Koitus schön, aber nachher Ekelgefühl.
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Werner Roloff (?–?), wurde 1929 in Köln mit der Dissertation „Die Banküberweisung durch Umschreibung (Girozahlung) nach heutigem Recht“ zum Dr. iur. promoviert. RW 0265 Nr. 7319. Paul von Mallinckrodt (1869–1927), Herr auf Schloss Wachendorf (Mechernich), wurde am 11. August 1927 zusammen mit seiner Frau Elsa in Franken von einem geisteskranken Förster erschossen. Vgl. die Todesanzeigen: http: / / www.woenge.de / 2011 / 632todesanzeigen1927.html [Sept. 2016]. Lilly von Schnitzler war eine geborene von Mallinckrodt.
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Sonntag, 14. 8. 27 Den ganzen Tag gearbeitet, 10 Seiten geschrieben, ein schweres Vorwärts, viel Kaffee, Wein (Chianti), nachher krank. Montag, 15. 8. 27 Müde um 5 Uhr auf, eine Seite geschrieben, herumgelaufen, über die Felder mit dem Hund, dann schlechter Magen, zu Bett, Tagebücher aus dem Jahr 1917 gelesen,830 scheußlicher Zustand; mir wurde übel. Fühlte, dass Duschka eine gute Frau für mich ist und freute mich auf K. Aber der Betrug der 1. Ehe war zu schlimm. Ich sah, wie fern von mir meine Seele ist und möchte eine der Reinigung und des Vergessens durchmachen; mich taufen lassen. Dienstag, 16. 8. 27 Morgens gut gearbeitet, glücklich mit Duschka, oft noch Angst und Sorge. Mittags in die Stadt, zur Bank, einiges erledigt, eingekauft für den Besuch, Gurian getroffen. Zu Haus ein Telegramm von Linn, die schon um ½ 3 kommen. Aufgeregt und erfreut. Zugleich rief Werner Becker an. Holte mit Becker und Gurian die Linns am Bahnhof ab, nette, liebe Leute. Linn wirkt ganz deutsch, wie Krause, Kluxen, Prinz Rohan zusammen. Wir fuhren zu uns, die waren sehr sympathisch, ruhten aus, tranken Tee, Becker blieb den ganzen Nachmittag und Abend, unterhielten uns dann, spielte Klavier während Frau Linn ausruhte; schönes Abendessen, guter 1917, dann noch bis 11 Uhr geplaudert. Mittwoch, 17. 8. 27 Um 7 ½ auf, schön ein paar Stunden für mich gearbeitet an meiner Verfassungslehre, Kaffee getrunken, um 10 gefrühstückt mit dem Besuch, dann nach Bonn, das Münster und die Universität gezeigt, mittags nach dem Essen gut unterhalten (die 3 Versuchungen831), ausgeruht, schöner Tee mit Professor Neuß, schöner Spaziergang über die Godesberger Höhen nach Kesselruth, herrlicher Blick auf den Rhein, über theologische und kunsthistorische Themen gesprochen, um 8 zum Abendessen, Duschka war sehr lieb und schön, dann Beethoven und Händel gespielt. Donnerstag, 18. 8. 27 Um ½ 8 auf und eine Stunde gut gearbeitet, sehr zufrieden. Oft Angst vor immer noch [quälenden] Nachwirkungen meiner unglücklichen Zeit in München. Oft Sorge wegen meiner Verfassungslehre, oft das des unglaublichen Glücks meiner derzeitigen Situation. Morgens zu Hause geblieben, ein paar Schritte mit Linn spazieren, nachmittags schöner Kaffee, Curt Becker war nachmittags da und fotografierte uns, abends kam Gurian mit sei830
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Offenbar muss die Aussage „Carl Schmitt hielt sich an seinen Vorsatz, kein Tagebuch zu führen, bis 1921“ (TB II, S. VIII) korrigiert werden (s. schon oben, 10.7.27). Gemeint ist die dreimalige Versuchung Jesu durch den Teufel (Mt 4, Lk 4). Wohl angeregt durch den Besuch des Bonner Münsters, in dem am Chorgestühl eine romanische Skulptur zu sehen ist, die den Teufel bei der Buchführung über seine Versuchungen zeigt. Sicher aber auch beeinflusst durch Erik Peterson, der in seiner Vorlesung über das Lukasevangelium die Versuchungen Jesu behandelte und darüber mit Schmitt sprach (s. oben, 4.12.25).
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Tagebuch 1927
ner Frau, wir aßen zusammen zu Abend, spielten und sangen etwas, aber müde. ( Wachenheimer 21, sehr gut). Freitag, 19. 8. 27 Wieder eine Stunde schön gearbeitet, sehr zufrieden, über die Gewaltenteilung,832 es regnete ziemlich heftig. Linn ist zu Gurian. Nachmittags mit Linns zu Neuß, im Regen auf den Kreuzberg, bei Neuß zu Abend gegessen, 833 war auch da. Um ½ 10 nach Hause. Samstag, 20. 8. 27 Es regnete fürchterlich, wir gingen trotzdem nachmittags auf den Drachenfels, fuhren mit einem Wagen zur Drachenhöhe, dann in dem Restaurant Bowle getrunken, um 8 Uhr müde nach Hause, früh zu Bett. Sonntag, 21. 8. 27 Um 7 auf, um 8 nach Köln, ½ 10 Hochamt im Dom, dann die Schatzkammer besehen, dann durch Köln, im Café 834 schön unterhalten, Linn sehr lieb gewonnen, um ½ 2 trafen wir Jup bei Deis, er fuhr uns nach dem Essen nach Friesdorf, es regnete öfters, wir gingen daher nicht nach Remagen. Tranken zusammen Kaffee, zu Abend schön unterhalten, Klavier gespielt, schöner Rheinwein, Niersteiner Glöck 17 getrunken. Montag, 22. 8. 27 Morgens wenig gearbeitet, Linn las Lütkens835, mit dem Besuch nach Bonn, in mein Institut, dann mit Schmitz im Haus, nachher schön [aus dem] gegessen (das serbische Gericht mit ); nach dem Essen auf der Wiese gespielt, Flobert836 geschossen, dann Kaffee, dann gingen Linns nach Godesberg zu Gurian, ich ruhte aus, las Tschechow, war glücklich, eine Stunde alleine zu sein. Dann in milder, ruhiger Stimmung durch den Garten, seit heute Morgen ist herrliches Wetter, ein wunderbarer, ruhiger Abend. Linn bei Gurian, sie kamen 10 Uhr. Dienstag, 23. 8. 27 Wir fuhren nach Düsseldorf, besahen die Stadt, mit Werner Becker, besonders das Haus des Gelsenkirchener Bergwerksvereins in der Breiten Straße, dann die Ausstellungsgebäude am
Vgl. Verfassungslehre, S. 182 ff. Vielleicht die unten (15.9.27) genannten Sekretärin Kaiser. 834 Komödienstr. 13–25. 835 Möglicherweise: Gerhard Lütkens, Das Kriegsproblem und die marxistische Theorie, Tübingen 1922 (Diss. phil. Heidelberg 1922). 835a „sporett“ = serbisch Backofen. 836 Ein leichtes Gewehr für den Schießsport. 832 833
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Rhein,837 aßen mit ihnen an der Terrasse838 zu Mittag (es regnete öfters), um ½ 5 zu am Zehnhoff, Wein getrunken, um 8 Uhr müde nach Hause. Mittwoch, 24. 8. 27 Gut ausgeruht, zur Stadt. Bei Magda vorbei, sie war aber weg gegangen. Einiges besorgt, nach dem Mittagessen ausgeruht, abends kam Neuß. Donnerstag, 25. 8. 27 Morgens zum Zollamt, in die Stadt, traf Magda, [mehrere Wörter]. Nach dem Mittagessen ausgeruht, nachmittags nach Honnef, mit dem Schiff über den Rhein gefahren auf der Mehlemer Fähre nach Honnef, abends herrlicher Blick auf den Rodderberg. Freitag, 26. 8. 27 Fuhr in die Stadt, ließ mir die Haare schneiden. Als ich zurück kam, war Oberheid da, aß mit uns zu Mittag, wir schossen nachher auf der Wiese, er blieb zum Abendessen. Wir gingen früh zu Bett. Samtag, 27. 8. 27 Mit Neuß nach Schloss Annaberg. Sonntag, 28. 8. 27 Morgens im Auto nach Bonn, bei Neuß in die kleine Kapelle, Messe, Linn und seine Frau kommunizierten. Bei Neuß gefrühstückt, dann in das Provinzialmuseum, mittags kam Jup um 2. Wir aßen zusammen zu Mittag und fuhren zu 5. über Remagen, Andernach in Jups Wagen nach Maria Laach; mußten zweimal aussteigen, weil die Straße zu steil war. In Maria Laach war es herrlich, über Niedermendig zurück. Zu Abend gegessen (serbisches Gericht mit 839 Rotwein). Müde zu Bett. Montag, 29. 8. 27 Um ½ 9 kam Dr. Sopp840, frühstückte bei uns und fuhr dann (mit Linn und Duschka) nach Schlechtenbeck. Herrlich über Altenberg, wo wir den Dom besahen, bei herrlichem Wetter, ein schöner Tag in Schlechtenbeck bei Oberheid, wir gingen an die Talsperre, schossen mit dem Gewehr, Duschka wurde unwohl. Abends zurück, um ½ 12 wieder zu Hause. Tief ergriffen von dem traurigen Blick auf Linn.
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Gebäude für die GeSoLei von 1925 (s. oben, 17.10.26). Die 160 Gebäude erstreckten sich über fast zwei Kilometer auf der rechten Seite des Rheins. Das Großrestaurant „Rheinterrasse“ wurde im Zusammenhang mit der GeSoLei 1924–25 erbaut. Hier richtete 1953 der unter dem Namen „Academia Moralis“ firmierende Freundes- und Unterstützerkreis Schmitts die Feier zu dessen 65. Geburtstag aus. Vgl. Schmittiana IV, 1994, S. 137 f. Seltener Rotwein (Rosenmuskateller). Schwager von Oberheid, s. oben, 29.4.27.
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Dienstag, 30. 8. 27 Dr. Sopp blieb den ganzen Tag bei uns, fuhr Linn und mich nachmittags nach Remagen, wo wir den Bogen besahen, herrlicher Abend am Rhein. Mittwoch, 31. 8. 27 Sopp fuhr uns morgens über Bonn nach Heisterbach auf den Petersberg, großartig; dann fuhr ich mit Linn um 12, 3. Klasse, nach Essen, lasen unterwegs die Politische Romantik.841 Dort trafen wir Oberheid, Tengelmann842, aßen im Kaiserhof, gingen in das Bergwerk (Gottfried Wilhelm), 500 Meter tief. Um 6 wieder zu Hause. Mit dem Direktor Tengelmann, um 8.18 nach Hause zurück. Sehr müde. Donnerstag, 1. 9. 27 Ausgeruht. Mit Linn morgens nach Godesberg, Gurian nicht getroffen, im Café Schneider843 in Godesberg gegessen, sehr hübsch über die katholische Politik Napoleons III. Dann zu Mittag gegessen, nachher ausgeruht, Linn ging nach Bonn und kaufte Blumen und Bücher, er schenkte mir ein Buch über Cusanus von Hommes.844 Ich hatte ihn sehr gern und wir tranken Kaffee, besprachen die Politische Romantik. Abends kam Eschweiler, aß mit uns zu Abend und blieb die Nacht da. Mit Linn um ¼ vor 11 im Auto zur Bahn, auch Duschka fuhr mit, sehr traurig beim Abschied. Freitag, 2. 9. 27 Einsam den ganzen Tag, herumgegangen, es ist plötzlich neblig geworden. Arbeitete nichts, war müde und bedrückt. Trank keinen Kaffee den ganzen Tag. Froh, dass Eisler nächste Woche kommt. Um 10 bei Magda, traf sie aber nicht zu Hause, traf Felderhof; nachmittags lange geschlafen, ekelhafter Traum von Kaufmann. Glück und Freude an Duschka. Den ganzen Tag faul und müde, herumgeschlafen. Früh zu Bett. Samstag, 3. 9. 27 Morgens gut gearbeitet, bei Magda angerufen, es gab aber niemand Antwort. Den ganzen Tag zu Hause, herumgelegen, etwas geturnt, nachmittags müde, abends früh zu Bett. Sonntag, 4. 9. 27 Gut gearbeitet an meiner Verfassungslehre, viel Kaffee getrunken, morgens um 9 bei Magda angerufen, ohne Antwort. Glück und Freude an Duschka. Viele Briefe (an Feuchtwanger,845 846, Kluxen, Tengelmann, der die Fotografie von unserer Bergwerksbesichtigung 841 842
843 844
845 846
Wohl die französische Übersetzung von Linn. Ernst Tengelmann (1870–1954), seit 1913 Generaldirektor und Vorstandsvorsitzender der Essener Steinkohlebergwerke, machte das Unternehmen zu einer der führenden deutschen Bergbaugesellschaften; DBE 9, S. 889; vgl. TB III, S. 147. Konditorei und Café Joseph Schneider, Bahnhofstr. 2. Jakob Hommes, Die philosophischen Grundlehren des Nikolaus Kusanus über Gott und das Verhältnis Gottes zur Welt, Augsburg usw. 1926. BW Feuchtwanger, S. 218. Es handelt sich um Oskar oder Werner Siebeck, Inhaber des Verlags Mohr-Siebeck in Tübingen (s. unten, 8.9.27).
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geschickt hat).847 Abends eine Flasche teuren Moselwein für mich allein getrunken. Munter, Notizen gemacht, allmählich müde. Montag, 5. 9. 27 Morgens munter, gut gearbeitet, aber Angst vor der ungeheuren Aufgabe, eine Verfassungslehre zu schreiben. Nach dem Essen nach Bonn, traf Magda nicht, der Zeitungsverkäufer sagte mir, sie sei im Venusberghospital, lief hin, mit einer Zeitschrift und , sie war aber nicht da, dann zur Schedestraße traf die Frau848, sie ist im Malteserkrankenhaus. Bat, ihr die Sachen zu bringen und fuhr nach Hause, müde, verschwitzt, es ist schwül und heiß. Zu Hause ausgeruht, bei gewaschen, dann kam Dr. Rommen, langweilig, dann mit Duschka über die Felder, schönen Wein zum Abendessen, todmüde, Verzweiflung wegen des Buches, das ich schreiben will. Freute mich auf den Besuch von Georg Eisler. Noch eine Flasche Bier, ruhig zu Bett. Dienstag, 6. 9. 27 Morgens spät auf (erst 8), schöner Kaffee und gut gearbeitet, immer resigniert und erschöpft, das furchtbare Material. Keine besondere Nachricht, blieb den ganzen Tag zu Haus, langsam geschrieben (über Verfassungsstreitigkeiten849), mittags ausgeruht, Frau Braschoß war da und besuchte Duschka, ich trank für mich Tee und schrieb ein paar Seiten. Es wird erbärmlich. Dachte oft an Linn, wollte ihm schreiben, schrieb aber nicht. Brief von Georg Eisler, er kommt nicht. Traurig. Allmählich resigniert, etwas ruhiger, abends mit Duschka über die Felder, dann noch etwas gelesen und gearbeitet. Still für mich, ich brauche diese Einsamkeit, bin aber zu schwach, sie mir selbst aufzuerlegen. Mittwoch, 7. 9. 27 Herumgedrückt an der Arbeit, schlecht vorwärts, nicht in die Stadt, morgens nach Godesberg, Brief (mit Bildern) an Linn und Peterson, zur Post gegangen. Nachmittags Tee, abends früh zu Bett. Nachmittags schöner Brief von Linns,850 sehr froh darüber (meine „nette “). Donnerstag, 8. 9. 27 Um 8 auf, ziemlich gut gearbeitet, Nachricht von Mohr851, dass das Honorar kommt (eine Karte von Geheimrat Hirsch, die mich sehr freute). Nachmittags ausgeruht, um ½ 4 in die Stadt, Geld an der Bank geholt, Magda telefoniert, traf sie, sie Café in . Armes Kind, sie war im Malteser Krankenhaus operiert worden; blieb eine Stunde bei ihr, ruhig unterhalten, dann nach Hause, fröhlich und von neuem angeregt. Herrlicher Kaffee, gut gearbeitet, mit Duschka über die Felder, über meine Arbeit gesprochen, gut vorwärts gekommen, abends geschrieben, gegessen, Beethoven gespielt, bis nach 11 fleißig Notizen gemacht und das Gefühl, mit der Arbeit vorwärts zu kommen. 847 848 849 850 851
s. Anhang. Vielleicht die Vermieterin von Magda. Vgl. Verfassungslehre, S. 112 ff. RW 0747 Nr. 14 (Kopie). Brief nicht überliefert. Gemeint ist der Verlag J. C. B. Mohr in Tübingen, in dessen „Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“ Schmitt seinen „Begriff des Politischen“ veröffentlicht hatte.
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Freitag, 9. 9. 27 Gut gearbeitet, nachmittags müde und bedrückt, in die Stadt, traf Werner Weber. Wir tranken bei Frings Kaffee, dann nach Hause, abends frühzeitig zu Bett. Samstag, 10. 9. 27 Gut ausgeruht, morgens gut gearbeitet, aber oft besorgt und zweifelhaft. Nachmittags zur Stadt, um 5 zu Magda, sie war noch krank und will noch 14 Tage zu Hause bleiben. Ganz gleichgültig, Ejakulation, traf vorher auf der Elektrischen die haft aussehende Handelsschülerin aus Godesberg,852 sprach mit ihr, sie war nett und freundlich, hatte Angst. Zu Hause etwas gearbeitet, um 11 zu Bett. Sonntag, 11. 9. 27 Viel geschlafen, fühlte mich wohl, eine herrliche Minute bei Duschka im Bett. Wunderschöner frischer Morgen, eine Viertelstunde im Garten, prachtvoll; die Luft klar und wässrig, die Berge dunkelgrün. Briefe von Brinkmann853 und Feuchtwanger854, der Ende September kommen will. Sehr fleißig den ganzen Tag, nachmittags etwas ausgeruht, herrlicher Kaffee, dann den ganzen Nachmittag und Abend gearbeitet, bis in die Nacht. Duschka war wunderbar lieb und freundlich, ich wurde allmählich gesammelt, kam gut vorwärts und schämte mich meiner dummen Extratouren zu einer Verkäuferin. Beherrscht, meine stoische Humanitas und Religion, seit langem wieder ein gesammelter, stiller Abend. Montag, 12. 9. 27855 Früh auf, gut gearbeitet, mittags zur Stadt, mit Gurian und Kirchheimer. Heftiger Disput mit Gurian, über den ich mich sehr ärgerte (über den Unterschied von pot.[estas] und auct. [oritas]856). Dann nach Hause, nach dem Essen ausgeruht und gearbeitet, abends nochmals zur Stadt, aber die Bibliothek war geschlossen. Die Broschüre von Ludendorff über die Freimaurer857 zu Hause gelesen, todmüde, die Angst wegen der Freimaurer, wahrscheinlich inter[national]. Dienstag, 13. 9. 27 Nachts schlecht geschlafen, aber lange, bis morgens 9 (Traum: der Anschlag von Juda, ich werde ermordet, halb tot stehe ich doch auf, unter größter Willensanstrengung). Morgens nicht viel gearbeitet. Zur Stadt, viele Bücher geholt, eifrig, um 1 Uhr nach Hause (nachdem ich mich mit Lützeler unterhalten hatte), in der Bahn die Kleinmann858, nett. Zu Hause, 852 853 854 855 856
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Vgl. 15.10., 29.10., 5.11., 12.11.1926; vermutlich identisch mit „Kleinmann“, s. unten, 13.9.27. Schmittiana NF III, 2016, S. 132. BW Feuchtwanger, S. 218 f. Auf dem Kopf dieses Blattes der Handschrift notiert: „Gurian, Kirchheimer“. Zur Unterscheidung von potestas und auctoritas vgl. Verfassungslehre, S. 75 f., Anm.; vgl. auch BW Smend, S. 66 f. Erich Ludendorff, Die Vernichtung der Freimaurer durch Enthüllung ihrer Geheimnisse, München 1927. Die Handelsschülerin (s. oben, 10.9.27), wohl Tochter des Schmieds Philipp Kleinmann in Godesberg, Annabergerstr. 282.
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nach dem schönen Mittagessen ausgeruht, nachmittags Kaffee, Frau Braschoß war da, schön gearbeitet, Duschka war schön und freundlich. Abends wieder wunderschönes, sauberes Essen. Dann noch etwas gearbeitet. Draußen ist es herrlich, etwas kalt, welche [3 Wörter]. Mittwoch, 14. 9. 27 Morgens in die Bibliothek, viele Bücher geholt, mit und Weber nett unterhalten, sah mittags wieder die Kleinmann, sprach aber nicht mit ihr. Nachmittags um 5 zum Diktieren, angefangen, sehr deprimiert. Was ist das alles für ein Unsinn, was ich schreibe, wie erschöpft und erledigt bin ich. Traurig abends nach Hause, [2 Wörter] und ausgeglitten, traurig zu Bett. Donnerstag, 15. 9. 27 Morgens das Diktat vorbereitet (zu lange geschlafen, Duschka ist wunderbar, lieb, fröhlich und gesund, bin sehr verliebt in sie und verstehe nicht, wie ich zu Magda gehen konnte). Nach dem Essen ausgeruht, um 3 war ich schon bei Fräulein Kaiser, diktierte bis 7, sehr müde, es ist nichts, scheußlich. Abends Brief von der Handelshochschule, sie bietet mir 30 000 Mark, Duschka und ich waren bang vor Staunen,859 tranken zusammen eine Flasche Wein, dann wieder fröhlich und munter. Freitag, 16. 9. 27 Morgens todmüde, nicht gut geschlafen. Aber Duschka weckte mich, ich stand um ½ 8 auf, weil ich um 9 zum diktieren muss. Trank Kaffee, es ging herrlich, diktierte bis auf Seite 42, war fröhlich und guter Dinge und fand die Arbeit wieder besser und schöner. Die ganze Nacht wegen Berlin überlegt, Angst vor dem Neuen, dann wieder Freude an der großen Stadt, am Geld verdienen usw. Mittags sah [1 oder 2 Wörter] scheußlich, war ziemlich kuriert. Nachmittags ausgeruht, wunderschöne Ejakulation bei Duschka, sie ist wunderschön, wird gesund und frisch, ich konnte keine bessere Frau finden. Schrieb gute Briefe, Peterson, Oberheid usw. Will Mittwoch nach Duisburg. Dann etwas notiert, schön zu 859
Am 11. 9. 1927 hatte Schmitt an die Handelshochschule Berlin geschrieben und um ein konkretes finanzielles Angebot gebeten, woraufhin ihm Fritz Demuth, der geschäftsführende Vorsitzende des Kuratoriums der Handelshochschule, am 13. 9. den Vertragsentwurf schickte und 30 000 Reichsmark Einkommen garantierte, bei einer Lehrverpflichtung von acht Stunden wöchentlich, worin eine einstündige öffentliche Abendvorlesung enthalten sein sollte. Mit Schreiben vom 11. 10. nahm Schmitt das Angebot an; HUB UA, UK Personalia, PA Carl Schmitt Nr. 159a, Bd. III, Bl. 23 f., 30– 32, der Vertrag ebd., Bl. 49–51; vgl. Tilitzki (1994), S. 183. Dass Schmitt angesichts des Angebots „bang vor Staunen“ war, wird verständlich, wenn man bedenkt, dass er in Bonn seit dem 1. 10. 1927 ein Grundgehalt von 11 600 Reichsmark bezog. Maus, S. 225 ff. Auch wenn man in Rechnung stellt, dass die Handelshochschule gewöhnlich höhere Gehälter bot, um prominente Wissenschaftler anzuziehen, so fiel Schmitt mit einem solchen Gehalt doch aus dem Rahmen. Moritz Julius Bonn schreibt ihm am 28. 2. 1927: „Wenn Sie sich darüber klar sind, dass das Maximaleinkommen, das irgendeiner von uns hier bezogen hat 27 000 M nicht überstiegen hat (und der hatte viele Kinder), so werden Sie einsehen, dass ich bei der Handelskammer keinen Erfolg habe, wenn ich wesentlich darüber hinausgehende Forderungen vertreten soll. Ob ich Erfolg habe, wenn ich 30 000 M vorschlage, weiss ich nicht; aber das wäre das alleräußerste.“ Schmittiana NF III, 2016, S. 244.
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Abend gegessen, Duschka vorgespielt, sehr glücklich, hoffnungsvoll, wir freuen uns beide schon auf Berlin und machten Pläne. Samstag, 17. 9. 27 Morgens zu Hause, um 11 zur Stadt, zur Bank, zum Kurator860, der sehr nett war (ich glaube aber, man will mich von Bonn weg haben, [um] das ganze Fach zu konfessionalisieren), Haare schneiden, dann zu Hause, nach dem Essen ausgeruht, nachmittags kein Kaffee, zur Stadt, aber nicht zu Magda, brachte es nicht fertig, bin verliebt in Duschka. Als ich abends zurück kam, war Sopp da, sehr nett, wir tranken eine Flasche Valwiger, er blieb des Nachts bei uns; spielte Beethoven, nett unterhalten, in der Küche, Kaffee gekocht. Sonntag, 18. 9. 27 Vormittags gearbeitet, nicht viel, aber doch so, dass ich guter Laune blieb, Sopp unterhielt sich nett mit Duschka, fuhr in die Stadt, brachte Fräulein Hüttmann861 mit, eine Studentin der Philologie, die über arbeitet. Wir fuhren nachmittags nach Honnef, zu Schmitz, Professor 862 aus Aachen war da; Sopp, Fräulein Hüttmann, Schmitz und ich fuhren mittags im Auto auf die halbe Höhe des Rodderbergs, sahen den Drachenfels, dann wieder nach Haus; um ½ 8 wieder in Friesdorf. Müde, gleichgültig, schwätzte; abends musste Sopp nach Mülheim zurück. Er ist ein lieber Kerl, aber zu langweilig. Chianti getrunken. Montag, 19. 9. 27 Sehr müde, von 9–12 diktiert; einfach vorwärts, durch alle Schwierigkeiten hindurch. Mittags müde nach Hause, nach dem Essen eine Stunde ausgeruht. Dann aufgestanden, keinen Kaffee getrunken, überlegter, allmählich beschlossen, nach Berlin zu gehen. Auch die liebe, gute Duschka. Abends billigen Moselwein, etwas notiert, fast nichts getan. Ein paar Exemplare meines Aufsatzes über den Begriff des Politischen verschickt.863 Am Zehnhoff rät mir zu, nach Berlin zu gehen. Dienstag, 20. 9. 27 Morgens wieder schön diktiert. Sehr zufrieden, nachmittags zu Hause, Vorwort für 2. Auflage der Diktatur,864 fleißig gearbeitet. Kaffee getrunken, es wurde ziemlich gut. Erst um 12 zu Bett.
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Johann Norrenberg (1864–1931), Geheimer Oberregierungsrat und Professor der Physik, Kurator der Universität Bonn. Gerda Hüttmann wohnte Helmholtzstr. 18 (s. unten, Adressenverzeichnis). Fritz Wüst (1860–1938), Honorarprofessor für Eisenhüttenkunde an der TH Aachen, 1920 Gründungsdirektor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung; DBE 10, S. 763. Darunter „Verehrungsvoll mit herzlichen Grüßen“ an Rudolf Smend; vgl. Schmittiana NF III, 2016, S. 328. Carl Schmitt, Die Diktatur. Von den Anfängen des modernen Souveränitätsgedankens bis zum proletarischen Klassenkampf, 2. Aufl., München / Leipzig 1928. Das neue Vorwort ist datiert „August 1927“.
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Mittwoch, 21. 9. 27 Mit Duschka um 11 zur Bahn gefahren, dann nach Duisburg, 3. Klasse, unterwegs mein Vorwort zu Ende korrigiert. In Duisburg trafen wir im Duisburger Hof Geheimrat , sehr nett unterhalten, alles anscheinend schön. Duschka ruhte auf dem Zimmer von aus. Um 3 kam Dr. Sopp und fuhr uns nach Mülheim, dort bei Oberheid und seiner Frau,865 sehr nett unterhalten, um 5 nach Düsseldorf, unterwegs wurde es Duschka schlecht, sie musste erbrechen, dann bei am Zehnhoff, rührender Mann (Fräulein Salmann866 war da), Duschka blieb nur einige Minuten. Dann fuhr sie der gute Sopp nach Bonn. Ich blieb bei am Zehnhoff bis 10 Uhr, dann zur Bahn, nach Köln, unterwegs Zeitungen gelesen, mit der Rheinuferbahn nach Bonn, um 12 zu Hause, sehr müde zu Bett. Donnerstag, 22. 9. 27 Müde um ½ 9 auf, von 10–1 diktiert, langsam und schlecht. Nachmittags kein Kaffee, nicht viel gearbeitet, fühlte mich aber wohl und gesammelt. Spaziergang mit Duschka über die Felder, ein herrlicher Nachmittag, wir beschlossen, nach Berlin zu gehen und den Ruf der Handelshochschule anzunehmen. Freue mich immer mehr über die gute und brave Duschka. Abends Bier getrunken, nicht viel getan, herrlicher Brief von Frau Linn.867 Freitag, 23. 9. 27 Morgens schön diktiert, kam auf Seite 100, ebenso nachmittags. Kein besonderer Brief, müde, abends bei Schulz, wir sprachen über Holstein usw. Kaufmann war bei ihm gewesen, scheußlich, diese widerliche Aktivität.868 Angst vor ihm. Abends war Werner Weber bei uns, ich war aber zu müde, trank noch eine Flasche Bier (wir haben über Inkompatibilitäten869 gesprochen), Brinkmann will Sonntagabend kommen, müde zu Bett. Samstag, 24. 9. 27 Vormittags zu Hause, gut gearbeitet, Brief von Frau v. Schnitzler, sehr glücklich darüber, rief bei Dohna an, für morgen verabredet. Nachmittags mit Duschka über die Felder, erkältet, abends trotzdem Bier getrunken, früh zu Bett. Sonntag, 25. 9. 27 Schön Kaffee getrunken, dann zur Stadt, bei Dohna (sehr nett unterhalten, für morgen Mittag eingeladen), Beyerhaus (brachte ihm meinen Aufsatz über den Begriff des Politischen), zu Neuß, er will Donnerstag nach Paris reisen, um ½ 8 fuhren wir zusammen zurück. 865
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Neben Hof Schlechtenbeck bei Radevormwald hatten Oberheids auch eine Wohnung in Mülheim, Friedrichstr. 32. Nicht ermittelt. Mehrere undatierte Briefe von Jeanne Linn in: RW 0265 Nr. 8801, RW 0579 Nr. 219 und RW 0747 Nr. 14. Es ging um die Nachfolge Kaufmanns in Bonn, wofür dessen Schüler Günther Holstein vorgeschlagen war, was Kaufmann unterstützte. Schmitt, der sich über die „schnoddrige Art“ Holsteins ärgerte (TB III, S. 172), war dagegen; vgl. oben, 8.6.27. Das Thema der Bonner Dissertation von Werner Weber lautete: „Parlamentarische Unvereinbarkeiten (Inkompatibilitäten)“, Tübingen 1930.
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Brinkmann aus Heidelberg kam mit der Rheinuferbahn, ich fuhr ihn zu uns, er war gesprächig und freundlich, aßen gut zu Abend, schöner Wein (Niersteiner Glöck), wir waren aber müde und gingen früh zu Bett. Montag, 26. 9. 27 Um 8 müde auf, total erkältet, Schnupfen und Husten, aber etwas für mich arbeiten können, Brinkmann kam um 10, wir gingen nach Annaberg spazieren, leider regnete es, um 1 kamen wir [nach] Hause. (Schmitz, Beckerath, Dohna), sehr schönes Mittagessen, serbisches Gericht und Hähnchen, guter Wein, alles ist guter Laune. Nett unterhalten über die Schulgesetzgebung870 usw. Um 5 mit Beckerath und Brinkmann zum Bahnhof Godesberg und verabschiedet. Einsam und traurig nach Hause, gleich zu Bett gegangen, etwas bei Duschka. Sehr bedrückt durch schwere Erkältung, kann gar nicht mehr sprechen. Dienstag, 27. 9. 27871 Den ganzen Tag bis abends im Bett. Trotzdem wird die Erkältung nicht besser. Ein herr licher Brief von Georg Eisler, der meinen Aufsatz über das Politische bewundert.872 Freute mich sehr darüber. Lag im Bett herum, mit Duschka geplaudert, besorgt, weil ich morgen so viel diktieren muss und vielleicht nicht damit fertig werde. Stand um 6 auf, arbeitete etwas, trank Kaffee. Druck am Kehlkopf abends. Mittwoch, 28. 9. 27 Diktiert trotz meiner starken Erkältung, morgens 3 Stunden, nachmittags kam ich wieder zum Diktieren, musste aber warten und ging wütend weg. Im Grund ganz froh, dass ich nicht zu diktieren brauchte. Donnerstag, 29. 9. 27 Den ganzen Tag diktiert, morgens 9–12 (traf und Schulz an der Bahn), nachmittags von 5–7. Dr. Sopp war bei uns, er hat gesucht. Netter, lieber Kerl. Ich bin immer noch erkältet. Freute mich auf den Besuch von Feuchtwanger. Freitag, 30. 9. 27 Vormittags etwas gearbeitet, ein paar Seiten fürs Diktat vorbereitet (über den rechtsstaat lichen Gesetzesbegriff873),dann kam Werner Weber und verabschiedete sich. Er erzählte, dass Landsberg gestorben ist;874 das traf mich sehr. Erkannte die Unsicherheit des menschlichen Lebens, mein Behagen war gestört. Um 1 zur Bahn, traf Dr. Sopp, wir holten Feuchtwanger
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Zu dieser Zeit gab es einen heftigen Parteienstreit über ein Reichsschulgesetz, für das mehrere Entwürfe vorgelegt wurden. Auf dem Kopf dieser Seite der Handschrift notiert: „Dohna“. Georg Eisler meint in seinem Brief vom 25. 9. 1927, dass Schmitts Abhandlung alle weiteren überflüssig mache; RW 0265 Nr. 3158. Verfassungslehre, S. 138 ff. Ernst Landsberg starb am 29. September 1927 in Bonn.
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ab, der um ½ 2 [kam], freute mich, dass er kam. Sopp fuhr uns in seinem FIAT nach Friesdorf, nett zusammen geplaudert. Nach dem Essen fuhren wir nach Remagen, besahen den Bogen, tranken zu Hause Kaffee, ich telefonierte schnell am Zehnhoff, besorgte noch bei Wurster875 Gläser usw., Sopp fuhr mich nach Bonn, wir holten seine Frau876 ab, ich kam mit Beckerath nach, kaufte im Bürgerverein guten Wein (Wachenheimer 21), schönes Abendessen, Schulz war auch da, nett unterhalten, der Wein war großartig, um 11 fuhren die Gäste im Auto nach Hause zurück. Freute mich, dass alles gut gelungen war. Trank noch eine Flasche Bier mit Feuchtwanger und Sopp. Um ¼ [?] zu Bett. Samstag, 1. 10. 27 Schlief bis 9, Feuchtwanger war schon um 8 aufgestanden. Wir frühstückten zusammen, sprachen über die Verfassungslehre (Smend will auch im Oktober fertig werden!877). Ich wurde sehr eifrig und machte gute Vorsätze, entschlossen, nach Berlin zu gehen. Welches Glück, dass ich von Bonn weg kann. Sopp fuhr uns um 11 in die Stadt, Feuchtwanger war noch bei am Zehnhoff; dann fuhren wir nach Friesdorf zurück, frühstückten bei uns, fuhren zur Bahn, verabschiedeten uns herzlich. Ich freute mich, dass es Feuchtwanger gut gefiel, dass Duschka so gesund und freundlich war und war stolz, dass Feuchtwanger inzwischen meinen neuen Status gesehen hat. Nachmittags müde, ausgeruht, von 6–7 Spaziergang auf die Godesberger Höhen; das tat mir gut, konnte aber fast nichts arbeiten, ging schon um ½ 10 zu Bett. Duschka hat einen Steuerberater kommen lassen und hofft, Geld zurück zu bekommen. Ich habe sie sehr lieb. Sonntag, 2. 10. 27 Bis 9 im Bett, gut ausgeruht, die Erkältung ist besser. Morgens schön gefrühstückt, genoss die Ruhe des Hauses nach den vielen Gästen, sah, wieviel ich noch arbeiten muss, viele Briefe, aber ruhig und gleichgültig; denke mit großer Freude an Berlin, dankbar, dass ich Duschka gefunden habe und große Sorge, dass sie gesund bleibt. Nachmittags ausgeruht, ein paar Stunden gearbeitet, dann kam der Besuch, Frau Weber mit ihrem Mann und Schmitz mit seiner Frau, die einen Hasen brachten. Unterhielten uns nett, tranken zu viel Wein ( 1922), die erstaunte Frau Weber. Um ½ 11 gingen sie weg. Müde zu Bett, aufgeregt, schöne Ejakulation bei Duschka. Montag, 3. 10. 27 Todmüde um ½ 8 auf, kleines Examen, mit Lüttig; nachher kam der Referendar Peen zu mir, ich fuhr gleich nach Hause zurück trotz meiner fürchterlichen Geilheit. Zu Hause traf ich Jup mit Üssi878 und Anna. Wir tranken zusammen Kaffee, Jup erzählte mir nachher von der hübschen Hure, die er getroffen hat und die ihm von Max Scheler erzählte (er schrieb ihr 875 876 877
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Weder im Adressbuch von Bonn noch von Godesberg zu finden. Madeleine Sopp, s. oben, 29.4.27. Smend hatte Feuchtwanger die Manuskriptabgabe seines Buches „Verfassung und Verfassungsrecht“ für den 25. Oktober 1927 angekündigt; vgl. BW Feuchtwanger, S. 223. Auguste Schmitt (1891–1992), die zweite Schwester von Carl Schmitt, wurde Volksschullehrerin, zuletzt an der katholischen Volksschule („Jüttenschule“) in Plettenberg-Eiringhausen, wo sie 1957 in den Ruhestand ging; vgl. Jugendbriefe.
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lange Briefe, schenkte ihr seine Bücher. Hier: sprich nicht von der Sünde, ich werde die Sünde heiligen usw.879). Musste doch lachen über den Philosophen und sah zu meiner Beruhigung, dass ich noch nicht der Dümmste bin. Dann zu Bett, ausgeruht, beherrscht, Misstrauen gegen Duschka. Aber sie war lieb und ruhig, großartig. Um 8 zu Abend gegessen, noch etwas gearbeitet und notiert, Angst um mein Buch, dann wieder Hoffnungen. Um 10 zu Bett. Dienstag, 4. 10. 27 Den ganzen Tag diktiert (9–12, 5–7), nachmittags kein Kaffee, komme gut vorwärts, 33 Seiten. Zufrieden zu Bett. Mittwoch, 5. 10. 27 Um 7 auf, um ½ 9 zum Diktieren, es geht gut vorwärts. Nachmittags bei Rittershaus Kaffee, denke allmählich wieder an Magda, dann zum Diktieren, bis 7 Uhr. Paul Adams getroffen, er ging mit mir nach Hause und aß bei mir zu Abend (2 Flaschen Valwiger), sehr nett unterhalten, über , Gurian, die Zustände in der katholischen Kirche, die Borniertheit des Klerus usw. Donnerstag, 6. 10. 27 Wieder um 7 auf, ½ 9 zum Diktieren, den ganzen Vormittag bis ½ 12, aber schon etwas müde und nervös; nachmittags etwas spazieren, herrlich, schöner Kaffee, wunderschön gearbeitet, schöner Brief von Feuchtwanger, der das Honorar avisiert und ein Bild seines Sohnes schickt.880 Fröhlich und glücklich über die gute, liebe und gerechte Duschka. Abends rief Rosenstock an, freute mich, er kommt morgen zum Mittagessen. Duschka schrieb noch an Frau Linn, ich antwortete Feuchtwanger.881 Freitag, 7. 10. 27 Um 7 auf, mit der Elektrischen zur Stadt, ½ 9 – ½ 12 diktiert (Die Unterscheidung der Gewalten882), ziemlich gut vorwärts, dann zur Beringstraße, Rosenstock und seine Frau883 abgeholt. Wir fuhren zu uns, aßen zu Mittag, sehr interessant unterhalten, über Akklamation884, römische Kirche, Universitäten usw. Aber das Gefühl: reiner Schein (er sprach auch über 879
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881 882 883
884
Bezieht sich vielleicht auf Max Scheler, Das Ressentiment im Aufbau der Moralen, in: ders., Gesammelte Werke. Studienausgabe, Bd. 3, 6. Aufl., Bonn 2007, S. 86. BW Feuchtwanger, S. 221 f. Der Sohn: Edgar Joseph Feuchtwanger (geb. 1924), vgl. dessen Vorwort zum BW Feuchtwanger sowie: Edgar Feuchtwanger, Erlebnis und Geschichte. Als Kind in Hitlers Deutschland – Ein Leben in England, Berlin 2010. BW Feuchtwanger, S. 222 f. Verfassungslehre, S. 182–199. Eugen Rosenstock hatte 1914 / 15 Margrit Huessy (1893–1956) geheiratet; er nannte sich dann ab 1925 „Rosenstock-Huessy“. Vgl. Carl Schmitt, Volksentscheid und Volksbegehren. Neuausgabe mit Korrekturen und editorischer Nachbemerkung (von Gerd Giesler), Berlin 2014, S. 52 ff., sowie ders., Verfassungslehre (Sachregister). Mit dem Begriff „Akklamation“ bezog Schmitt sich – wie auch Arnold Schmitz bei seinen Beethoven-Studien (s. oben, 15.11.25) – auf die Habilitationsschrift von Erik Peterson, Heis
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Heller, ich hatte Angst vor diesem Juden). Um ½ 4 kam der Referendar Peen wegen einer Dissertation („Auf Grund eines Gesetzes“), dann mit Rosenstock zur Stadt zurück, schenkte ihm noch meinen Volksentscheid und lieh im persönlich [einige Wörter]. Dann wieder diktiert, bis 7, der gute Dr. Sopp holte mich ab, ich war todmüde, wir aßen zu Abend, er spielte Laute, bei Ännchen und Üssi. Todmüde zu Bett, ziemlich gut geschlafen. Samstag, 8. 10. 27885 Um 7 auf, 8 zur Stadt, herrliches Wetter, diese wunderschöne Siebengebirgs-rheinische Luft. Gut diktiert von ½ 9 – ½ 12 (Seite 268!), dann Geld geholt, nach Hause. Oft wieder Sehnsucht nach Magda. Merkwürdig, vielleicht nur das schöne Wetter. Bezahlte die Zeitungen für sie, dachte daran, sie anzurufen; nachmittags ausgeruht, konnte aber nicht schlafen. Duschka ist traurig und empört über den Besuch Rosenstocks, mit Recht. Sie ist eine großartige Frau. Nachmittags kam Jup, er fuhr Duschka und die Mädchen886 nach Honnef zu Frau Schmitz. Unterdessen kam zu mir Dr. Julius Löwenstein887 aus Köln, ein sympathischer, kluger, bescheidener Jude. Wir sprachen über Hegel, Kierkegaard, machten einen Spaziergang nach Annaberg. Zu Hause trank er noch mit uns einen Steinhäger und fuhr dann mit Jup zusammen nach Köln. Ich war müde, schlief bald ein, wurde aber nachts wach; nicht gut geschlafen. Heute Nachmittag freundlicher Brief von Demuth,888 der mich sehr freute. Brief von Kaufmann (Ehrendoktor für Apponyi889), widerlich. Sonntag, 9. 10. 27 Nicht ausgeschlafen, Brief von Ministerialdirektor Richter,890 unverschämt und taktlos; das kränkte mich und deprimierte mich. Also ich muss nach Berlin. Las morgens herum statt zu arbeiten, Angst wegen der Krankheit von Duschka. Einige Sehnsucht nach Magda (es ist herrliches, klares und kaltes Wetter), den ganzen Tag gearbeitet, aber nicht viel, langsam vorwärts, über Demokratie891. Schäme mich wegen meines Buches, es wird schlecht und oberflächlich, peinlich. Dachte immer an Magda, Sehnsucht nach ihrem weißen Fleisch,
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Theos, Göttingen 1926, in der die Akklamationsformeln der frühen Kirche untersucht werden (mit Anm. im Nachlass, RW 265 Nr. 24566). Auf dem Kopf dieser Seite der Handschrift notiert: „13. 10. 27 wieder gelesen, neuerlich 8. / 9. Okt. 77 (Sache Schleyer) – sehr interessant die Situation: Göppert würde mich in Bonn halten; indessen Georg und Jup und der alte Am Zehnhoff und Oberheid raten mir, nach Berlin zu gehen. Nachtrag-Notiz vom 8. 10.77!!“ Die Schwestern Auguste und Anna Schmitt. Julius Löwenstein (1874–1946), Rechtsanwalt, Zionist, erhielt 1933 Berufsverbot und emigrierte 1934 nach Palästina; DBA III 574, 408. Schmitt hatte ihm ein Exemplar seines „Begriff des Politischen“ geschickt, woraufhin Löwenstein am 3. 10. 1927 um ein Gespräch bat; RW 0265 Nr. 8896. Universitätsarchiv HUB UA, UK Personalia, PA Carl Schmitt Nr. 159a, Bd. III, Bl. 31. Mit Schreiben vom 11. 10. nahm Schmitt das Angebot an, ebd., Bl. 32; vgl. Tilitzki (1994), S. 183, Anm. 118. Der Brief von Kaufmann ist nicht überliefert; offenbar geht es um Albert Graf Apponyi (1846– 1933), der auf der Pariser Friedenskonferenz 1919 in Versailles ungarischer Delegationsführer war. Apponyi erhielt mehrere Ehrendoktorate und war fünfmal Kandidat für den Nobelpreis. RW 0265 Nr. 11618. Das Schreiben bleibt ganz kurz und förmlich und ist mit stenographischen Notizen Schmitts versehen. Verfassungslehre, S. 223 ff.
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abends eine Flasche Wein, mit Üssi und Ännchen, die gute Duschka. Um 10 zu Bett. Vielleicht treffe ich morgen Magda. Montag, 10. 10. 27 Um 9 auf, heftige Augenschmerzen, Übelkeit, Schweiß, trotzdem zum Diktieren. Sah Magda morgens, um 8 ¼, von der Elektrischen zum Geschäft gehen, beinahe ausgestiegen. Unter heftigen Schmerzen von ½ 9 bis ½ 12 diktiert, dann zum Kurator, nett mit ihm gesprochen, aber man will mich von Bonn weg haben und nach Berlin bringen, um dann das Fach zu konfessionalisieren. Froh, dass diese Sache entschieden ist, nach Hause. Sah Magda nicht, nach dem Essen ausgeruht, es geht mir besser, Duschka ist großartig, klug und überlegen. Sie will nach Berlin und ist froh, dass wir hinkommen. Nachmittags um ½ 5 nach Bonn, bei Frings, zu 892, Göppert und Dölle getroffen, nett unterhalten, besonders mit Göppert (der meinen Aufsatz über den Begriff des Politischen in Schlesien893 bei seinen Bekannten vorgelesen hat). 2 schöne Briefe von Werner Becker894 und von Julius Löwenstein895 über meinen Aufsatz. Dann 1 ½ Stunden diktiert, schlecht. Um ½ 8 nach Hause, sah mich nach Magda um, aber ich sah sie nicht. Allein nach Hause. Dachte immer an Berlin. Duschka ist klug und überlegen. Fühle mich sicher bei ihr. So wird mein Leben froh, ich brauche das als armer Schmitt. Schrecklicher Eindruck die Apathie von Üssi und Jup. Schrieb an Geheimrat Demuth, dass ich annehme.896 Trank heute Abend kein Bier und keinen Wein. Dienstag, 11. 10. 27 Diktierte den ganzen Tag, über Seite 300. Abends wieder kein Bier und kein Wein, nachmittags kein Kaffee, sehr zufrieden im Selbstbewusstsein. Mittwoch, 12. 10. 27 Wieder den ganzen Tag diktiert, nachmittags um 5 Magda im Geschäft angerufen (sie sagte am Telefon „mein Gott“), traf sie abends in ihrer Wohnung, um 8, einen Augenblick, sie weinte; armes, gutes Kind. Für morgen verabredet, morgen Abend in Köln. Zu Hause war Sopp, wir tranken Wein, ich trank zuviel, aber sehr schön unterhalten.
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Nicht ermittelt. Göppert stammt aus Schlesien. BW Becker, S. 38 ff. (undatiert). RW 0265 Nr. 8897. Löwenstein bezieht sich auf das Gespräch mit Schmitt (s. oben, 8.10.27) und erläutert ihm sein Buch „Hegels Staatsidee“, Berlin 1927, wovon er ihm ein Exemplar ankündigt, das sich mit Anmerkungen Schmitts und einem eingelegten Brief in seinem Nachlass befindet (RW 0265 Nr. 26483). Über das Buch sprach Schmitt als von einer „ausgezeichneten Abhandlung“; BW Muth, S. 147. Universitätsarchiv HUB UA, UK Personalia, PA Carl Schmitt Nr. 159a, Bd. III, Bl. 32; vgl. T ilitzki (1994), S. 183, Anm. 119.
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Donnerstag, 13. 10. 27 Um 7 auf, traf Magda am Bahnhof und gab ihr ein Billett nach Köln, dann nach Köln, im Oblandesgericht Rust897, hörte aber, dass ich erst morgen Examen habe, wie dumm, ich bin unfähig fürs Leben; nach Düsseldorf, zu am Zehnhoff, die Bibliothek wurde umgebaut, am [Zehnhoff] war freundlich, aß mit Fräulein Schneider zu Mittag, sie erzählte [von] dem jungen v. Elmenau898, der in Belgrad einen Studenten getroffen hat, der von dem Vater Duschkas erzählte; es sei ein Kaufmann, was man in Deutschland einen Schieber nennen würde usw. Traurig und beleidigt, ausgeruht, durch die Stadt, aber beherrscht und kein Kaffee. Nachmittag wieder mit am Zehnhoff. Merkte allmählich, warum ich nach Berlin soll, weil mein Anstoß erregt. Scheußlich. Um 8 nach Köln, war sehr müde, traf Magda, wir gingen durch die Straßen, dann in das Café Fürstenhof; armes, liebes Kind. Fuhren dann mit dem Personenzug nach Bonn zurück, brachte sie im Auto nach der Joachimstraße, todmüde in Friesdorf. Brief von Josef Wüst, sonst nichts. Freitag, 14. 10. 27 Um ½ 8 auf, Examen in Köln, langweilig, schnell nach Haus, ausgeruht, zur Fakultätssitzung, Kaufmann redete immer; ich sah, wie dumm und lächerlich er ist, Disput wegen Holstein. Ich war aber ruhig und ziemlich überlegen. Gerührt über den guten Göppert, der vorschlägt, dass die Fakultät an Richter telegrafiert, dass ich in Bonn bleiben soll. Abends nach Hause, Duschka war krank. Trank Bier und ging zu Bett. Samstag, 15. 10. 27 Morgens um 7 auf, traf die gute Magda, die sich sehr freute, eine Sekunde, dann fröhlich zum Diktieren, es ging leidlich, Seite 345, dann durch die Stadt, Blumen für Magda besorgt, nach Hause, keine besondere Post. Nachmittags müde ausgeruht und geschlafen, kein Kaffee, ich wollte spazieren gehen, Sopp kam mit seinem Wagen und fuhr mich nach 899, Abend, dann bald zu Bett. Sonntag, 16. 10. 27 Ausgeschlafen, nachts schoss Duschka und meinte, es wären Einbrecher da. Morgens schöner Kaffee und etwas gearbeitet, mittags zur Stadt, bei Landsbergs vorbei, es war niemand zu Hause, um ihm zu sagen, dass er nicht schreibt, bei Schulz, nett eine Stunde unterhalten, nach Hause, geil und gierig. Nach dem Essen geschlafen, grauenhafte Geilheit, kranke Frau, scheußlich. Nachmittags nicht spazieren, obwohl es mir gut getan hätte, etwas gearbeitet, nach dem Lesen (gestaunt über Karl Marx) an Smend900, Linn, Bilfinger, Fleisch-
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Otto Rust (1861–?), Generalstaatsanwalt in Köln; vgl. Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland, Gerichte Rep. 145 Nr. 271 (Besetzung der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht, Bd. 3, 1920– 1926). Johannes Hugo von Elmenau (1906–1998), Sohn von Leonhard von Elmenau, Geschäftsfreund von Hugo am Zehnhoff; vgl. TB I, S. 98, 174 und passim. In Berkum war Karl Eschweiler Pfarrer. BW Smend, S. 64 f.
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hauer901 geschrieben. Abends traurig, elend, verheiratet zu sein, Geld für eine kranke Frau, lächerlich, Duschka weinte, Georg Eisler rief an, er ist traurig, dass ich nach Berlin gehe. Montag, 17. 10. 27 Besser geschlafen, schöner Kaffee und eine Stunde gut gearbeitet, zur Stadt, im Institut, etwas mit Kirchheimer gesprochen. In der elektrischen Bahn wieder die kleine Hure aus Godesberg, aber langweilig und dumm; sie ist übrigens aus Berlin. Nach dem Essen geschlafen, geschwitzt vor Nervosität, nachmittags Reifferscheid902 eine Dissertation (Heilige Allianz und Völkerbund); dann zur Rektoratsübergabe903, bei Göppert, der traurig war, dass ich weggehe, was mich sehr rührte, einige Augenblicke Lust, zu Magda zu gehen, aber doch nach Hause. Fleißig 2 Stunden gearbeitet, Löwenstein gelesen,904 um 10 zu Bett. Dienstag, 18. 10. 27 Morgens Magda getroffen, einen Augenblick, sehr nett. Den ganzen Tag diktiert. Nachmittags keinen Kaffee, 33 Seiten vorwärts, sehr schnell (Parlamentarismus905), ziemlich zufrieden. Mittwoch, 19. 10. 27 Wieder den ganzen Tag diktiert, abends holte mich Sopp ab, mit Fräulein Hüttmann, wir holten dann Hirsch und fuhren zu uns, aßen zu Abend und tranken viel Wein. Der junge Hirsch ist aber langweilig. [An dieser Stelle, zwischen Blatt 61 und 63 der Handschrift, liegt ein Blatt mit wenigen Notizen, von denen zu lesen ist:] So entstand das s Lehrbuch „Verfassungslehre“! So kam der Entscheid zustande, den Ruf an die H. H. anzunehmen: Ich beschloss garnichts. Jup riet zu ; auch Am Zh. riet zu. Oberheid . ja für Berlin: Jup, am Zehnhoff, Oberheid ja für Bonn: Peterson (Es ist Selbstmord) Was sagte der Georg Eisler? Göppert (die Ehe mit Duschka ) Fragestellung: Schon die Frage ja für Berlin einige sagen ja zu Berlin ohne für Bonn zu sagen.
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D. i. Vleeschhouwer, s. oben, 4.7. und 14.7.27. Adolf Reifferscheid (1896–?), Der Versailler Völkerbund und die heilige Allianz von 1815. Eine rechtswissenschaftliche Untersuchung ihrer Organisation, ihrer Zwecke und ihrer Rechtsnatur. Diss. iur. Leipzig 1925. Zum WS 1927 / 28 übernahm der Germanist Rudolf Meißner das Rektorat von dem Theologen Hans Meinhold. Julius Löwenstein, Hegels Staatsidee, Berlin 1927 (s. oben, Anm. 895). Verfassungslehre, S. 303 ff.
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Donnerstag, 20. 10. 27 Wieder diktiert, aber schon ermüdet; morgens über den Bund;906 manches gut, manches sehr schlecht. Oft verzweifelt. Abends aufgehört, bei Magda, geil und gierig, Ejakulation, schön, ich freundlich, aber zu roh, zu Hause war Jup. Er hat einen Brief bekommen, in welchem ihm einige tausend Mark abverlangt werden wegen eines angeblichen Kunstfehlers. Wir sprachen darüber. Oft Angst der Familie Schmitt. Froh, dass Duschka mutig und sachlich ist. Jup blieb des Nachts bei uns. Freitag, 21. 10. 27 Um ¼ 6 auf, um nach Jup zu sehen, machte ihm eine Tasse Tee und brachte sie ihm ans . War ziemlich munter und ausgeschlafen, obwohl ich nur 3 Stunden geschlafen hatte. Dann wieder zu Bett und ausgeschlafen. Abends zu Göppert (Sopp fuhr mich hin), Frau Kaufmann getroffen, schweigsam und ruhig, Göppert interessierte sich für meinen Aufsatz über Cortés. Schöner Rheinwein (Oppenheimer), aber nicht viel. Samstag, 22. 10. 27 Ausgeruht, ein paar Briefe geschrieben, das Buch korrigiert, viel Arbeit. Nervös und schlechter Laune. Sonntag, 23. 10. 27 Den ganzen Tag korrigiert, Kaffee getrunken, verzweifelt vor der vielen Arbeit, Fräulein Dünner907 bei uns. Montag, 24. 10. 27 Den ganzen Tag korrigiert, allmählich vorwärts gekommen, abends um 7 kam Arnold Schmitz, wir tranken Valwiger, müde zu Bett. Dienstag, 25. 10. 27 Morgens meinen Vortrag über den Völkerbund vorbereitet, Brief von Georg Eisler über sein Geschäft, schrieb ihm gleich nach Hannover, er kann wahrscheinlich nicht kommen. Nachmittags kam Hermann Carl908, dann zu Frau Landsberg, sehr nett mit ihr und ihrem Sohn, sie schenkte mir 2 schöne Bilder ihres Mannes. Abends schön zu Hause bei Duschka, nachts konnte ich nicht schlafen, scheußliche Nervosität, dieses weichliche, elende Klima. Mittwoch, 26. 10. 27 Bis ½ 10 Uhr im Bett, dann etwas gearbeitet, zu Hause geblieben, nachmittags schöner Spaziergang mit Duschka über die Felder. Nach dem Essen schön ausgeruht, dann gearbeitet, Frau Braschoß war da, ich fuhr nach Bonn, zum Seminar, sah Gurian und sprach freundlich
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Verfassungslehre, S. 363 ff. Maria Dünner (1873–1949) Nachbarin in Friesdorf, s unten, 22.1.28. Schmitt ließ ihr im Mai 1928 ein Exemplar seiner Verfassungslehre zukommen; BW Feuchtwanger, S. 266 f. Hermann Carl war Student bei Schmitt. Als Rechtsanwalt in Düsseldorf schreibt er 1951 an Schmitt und erinnert sich an diese Zeit; vgl. RW 0265 Nr. 2521; TB V, S. 66.
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mit ihm, schickte Boehm909 meinen Aufsatz über das Politische. Nach Hause, nicht zu Magda, obwohl ich einmal daran dachte, dann nach dem Essen gleich zu Bett, kann überhaupt nichts arbeiten, schrecklicher Zustand. Donnerstag, 27. 10. 27 Bis 9 Uhr im Bett, aber gut ausgeruht, eine herrliche Stunde, herrliches klares Wetter, dieses unbeschreiblich schöne Land; dachte wehmütig an den Abschied. Ekel und Widerwille gegen Kaufmann, Wut über die Frankfurter Zeitung, die den Freispruch des Juden Schwarzbart910 begrüßte, aus Rechtsgefühl natürlich. Meinen Vortrag für Samstag schön vorbereitet, endlich eine schöne Linie; glücklich darüber. Genoß den herrlichen Vormittag. Nachmittags bei Fräulein Kaiser, Hochstaden-Ring, diktiert, Daniels getroffen und Sopp, der mich im Auto hinfuhr und abends zurück, wir tranken eine Flasche Wein, ich trank zu viel, war aber munter und guter Dinge. Abends im Bett las ich noch Duschka meinen Vortrag über den Völkerbund vor, er war schlecht. Freitag, 28. 10. 27 Etwas müde, um ½ 11 kam der junge Hirsch, besprach mit ihm seine Arbeit, er fuhr mich dann zum Hochstaden-Ring, wo ich meinen Vortrag zu Ende diktierte. Nach dem Essen auszuruhen versucht, um 4 Uhr Hut gekauft, dann Fakultätssitzung, Kaufmann redete, ich gab im Wesentlichen nach, es war mir gleichgültig, teils Schwäche, teils Überlegenheit. Als Holstein [mehrere Wörter], für mich aber kein separates Votum. Ging allein nach Hause, plötzlich wieder interessiert, traurig, aber ganz , traf Magda, einen Augenblick zu ihr, schöne Ejakulation, zu Hause guter Dinge und bald ins Bett. Samstag, 29. 10. 27 Ziemlich gut ausgeschlafen, den ganzen Morgen noch an dem Vortrag korrigiert, mittags im Auto zur Stadt gefahren, dann um 12 ½ Vortrag in der Geffrub über Völkerbund und Europa,911 sehr gut, großer Erfolg, war sehr zufrieden, besonders weil auch Geheimrat Duisberg912 anscheinend einen schönen Eindruck hatte. Guter Dinge, zu Mittag in der
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Max Hildebert Boehm (1891–1968), Soziologe und konservativer Politiker; Schrenck-Notzing, S. 74 f. Boehm bedankt sich am 10. November 1927 für die Übersendung des Sonderdruckes und begrüßt Schmitts bevorstehende Übersiedlung nach Berlin; RW 0265 Nr. 1923. Samuel Schwarzbart (1886–1938), Mitglied der Liga für Menschenrechte, hatte im Mai 1926 den Führer der ukrainischen Unabhängigkeitsbewegung, Simon Petljura, auf dem Boulevard SaintMichel in Paris erschossen, was er damit begründete, dass Petljura für Pogrome verantwortlich wäre. Schwarzbart wurde am 26. 10. 1927 von einem Gericht in Paris freigesprochen. Der Vortrag „Der Völkerbund und Europa“, den Schmitt in der Aula der Universität Bonn hielt, wurde im Jahresband 1927 der Geffrub gedruckt, 1928 erschien er im „Hochland“; komment. Wiederabdr, in: FoP, S. 240–254. Carl Duisberg (1861–1935), Chemiker, Industrieller, Aufsichtsratsvorsitzender der I.G. Farben, Förderer der Wissenschaft (NDB 4, 181 f.). Duisberg war Vorsitzender der Geffrub und hatte maßgeblich an der Einrichtung eines Lehrstuhls für Handels- und Industrierecht mitgewirkt, auf den dann 1919 Heinrich Göppert berufen worden war (Schmoeckel (2014), S. 245 f.). In einem Brief vom 31.10.27 bedankt Duisberg sich bei Schmitt für den Vortrag und erbittet das Manuskript;
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Mensa, von Tengelmann eingeladen, mit einem Direktor der Sprengstofffabrik Wahn, Mettegang913, der mich zum Direktor machen will und sagte, ein solches Lehrgenie habe er noch nicht gesehen, nachher sprach Beckerath, aber zu akademisch. Am meisten freute mich die Anerkennung des Landrats von Reumont.914 Dann nach Hause, ausgeruht, abends zum Königshof, aber wieder ziemlich einsam, bei Zycha und seiner Frau, sprach mit Geheimrat Schulte, der einen schönen Eindruck hatte (er sagte mir: „Ich hätte die französische Klarheit, aber ohne die Phrase“), mit Duisberg (der von Schnitzler freundlich aber etwas zurückhaltend sprach, als einen gewandten und zuverlässigen Mann, etwas subaltern915), dann noch zu Magda, herrlicher Koitus, eine halbe Flasche Kupferberg Gold, zufrieden nach Hause, noch eine Flasche Bier getrunken und prachtvoll geschlafen. Sonntag, 30. 10. 27 Ein herrlicher, glücklicher Vormittag, das wunderschöne Land, gut ausgeschlafen, schöne Erinnerung an den gestrigen Abend, an den Erfolg meines Vortrages, die köstlichen Minuten bei Magda. Ganz , sensuell und spirituell, merkwürdiges Glück. Kostbare Sekunden, es rinnt wie klares, frisches Wasser durch meine Hände. Fing an, mein Buch zu korrigieren. Nach dem Essen ausgeruht, den Nachmittag etwas korrigiert, abends früh zu Bett. Jup kam nachmittags einen Augenblick, auch Sopp mit Fräulein Hüttmann; wir sprachen über die Politische Romantik. Müde, zu viel Wein. Schade. Montag, 31. 10. 27 Morgens und nachmittags korrigiert, ziemlich müde davon, abends um ½ 9 zu Magda, traf sie aber nicht, dann wieder nach Hause, bald zu Bett. Dienstag, 1. 11. 27 Meinen Vortrag um 11 Uhr vor den Beamten im neuen großen Hörsaal gehalten (Beamter und Völkerrecht), ganz nett. Nachher freundlich mit Hensel gesprochen, glücklich, mich mit ihm versöhnt zu haben. Er will die Korrekturen meiner Verfassungslehre lesen.916 Nach dem Essen ausgeruht, nachmittags behaglich korrigiert, sehr glücklich darüber, um ½ 7 zu Magda, sie war schön angezogen (hellblaue Bluse), mit furchtbarer Wut herrliche Ejakulation. Dann fröhlich zu Hause, korrigiert, nervös, aber stark.
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RW 0265 Nr. 3051. Zu Duisberg vgl. jetzt: Werner Plumpe, Carl Duisberg, 1861–1935. Anatomie eines Industriellen, München 2016. Hans Mettegang (1864–1940), Dr. phil., Direktor der Dynamitfabrik Wahn der Deutschen Sprengstoff A.-G. Alfred von Reumont (1863–1942), Landrat im Kreis Erkelenz; Personalakte im Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland, 2090, PA 173. (Schmitt schreibt klarschriftl. „Reymont“). Schnitzler seinerseits urteilte 1956 sehr positiv über Duisberg; vgl. BW Schnitzler, S. 217. Zu seinem Kollegen Hensel hatte Schmitt ein ambivalentes und konfliktäres Verhältnis; neben Äußerungen des Ärgers und der Wut stehen freundliche; vgl. auch TB III; BW Smend, S. 37 f.; BW Feuchtwanger, S. 230.
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Mittwoch, 2. 11. 27 Gut ausgeschlafen, morgens korrigiert, mittags zur Stadt, Haare schneiden, herrliches Wetter, das Siebengebirge ist wie eine Krone. Mittags kamen Oberheid und Sopp, wir aßen zusammen zu Mittag, fuhren dann mit Duschka nach Remagen, tranken auf der Terrasse Kaffee. Um 5 zurück. Zu Hause war die Bestallungsurkunde vom Handelsministerium.917 Also es ist fertig. Trank mit Oberheid und Sopp eine Flasche Sekt. Ich glaube, er überschätzt mich. Um ½ 7 fuhr er nach Schlechtenbeck. Ich habe ihn sehr lieb. Arbeitete noch etwas, aber ohne Eifer, sehe die furchtbare Masse der Korrekturen. Duschka lieb und freundlich, sie hatte Besuch von Frau Braschoß. Donnerstag, 3. 11. 27 Beginn der Vorlesungen, schöne Vorlesung Völkerrecht von 12–1, nachmittags schöne Übungen, dann zu Magda, gewaltiger Koitus. Nervös und aufgeregt nach Hause. Freitag, 4. 11. 27 Zu lange geschlafen, wieder eine schöne Vorlesung Völkerrecht. Mittags kam Peterson, wir gingen zu mir und aßen zu Mittag, er gratulierte zum Namenstag,918 erzählte viel, von seiner Aktion, jammerte nur kindisch, künstlicherweise, dass ich fort gehe; ich glaube ihm kein Wort.919 Leider kam ich um meine Mittagsruhe. Um ½ 4 in die Stadt, hielt meine Vorlesung über allgemeine Staatslehre improvisiert (weil Hasenkamp920 und Adams da waren), dann zur Bahn, nach Koblenz, todmüde, aber von 7 – ¼ 9 2 Vorlesungen über Staatstheorie vor den Beamten, großartig. Unternehmend, um 9 nach Hause zurückgefahren, herrliche Fahrt am Rhein, bei Andernach, große Sehnsucht und Sentimentalität. Traurig nach Hause. Samstag, 5. 11. 27 Nachts traurig und verzweifelt, entsetzliche Angst vor Berlin, den ganzen Tag korrigiert, allmählich krank (habe immer noch Rippenschmerzen von dem Fall am Dienstag), Zu Hause den ganzen Tag, immer korrigiert, mittags ausgeruht, dann wieder korrigiert, kein Kaffee, traurig und deprimiert. Abends verzweifelt und todmüde zu Bett. Mit großer Rührung Hugo Ball gelesen.921
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Bestallung zum Professor für Öffentliches Recht an der Handelshochschule Berlin, in: RW 0265 Nr. 21564. Die Urkunde ist auf den 26. 10. 1927 datiert. Tilitzki (1994), S. 183. Der 4. November ist der Tag des hl. Carl Borromäus. In der Tat war der Weggang Schmitts für Peterson ein schwerer Schlag, er klagte noch Jahre später über die „Treulosigkeit“ des Freundes; vgl. Nichtweiß (1992), S. 127 ff. Gottfried Hasenkamp (1902–1990), Schriftsteller und Germanist, der 1923 über Hölderlin promovierte, Lektor im Verlag Aschendorff in Münster, später Journalist, mit Paul Adams befreundet; DBE 4, S. 478; Nichtweiß (1992), S. 723; Schmittiana IV, 1994, S. 256–261. Schmitt las: Hugo Ball, Die Flucht aus der Zeit, München / Leipzig 1927. An Karl Muth schreibt er am 15. 11. 1927: „Am meisten ist es der Gedanke an Hugo Ball, der mich nicht losläßt. Ich hatte schon monatelang vor seinem Tode lebhaft an ihn gedacht, der Aufsatz über den ‚Begriff des Politischen‘ ist eigentlich an ihn gerichtet, ich las, mitten in einer nervenaufreibenden Berufsarbeit, täglich und nächtlich seine ‚Flucht aus der Zeit‘, die ich früher wegen ihrer Notizenhaftigkeit nicht leiden konnte und jetzt plötzlich liebte wie die Briefe eines Bruders. […] Ich bleibe dabei, daß in
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Sonntag, 6. 11. 27 Um 7 auf, todmüde, immer korrigiert an meinem Manuskript, traurig und verzweifelt, bedrückt, Kaffee getrunken, einen Augenblick besser, Sausen im Kopf, keine Korrespondenz, um 12 kamen Huber und Lohmann, war aber müde, nett unterhalten, Huber sah krank aus. Nach dem Essen noch etwas geplaudert, um 4 kam Jup, telefonierte an Göppert, der Huber um 6 Uhr erwartet. Dann auf der Ottomane gelegen, mit Jup unterhalten, langweilig. Fing Mittag wieder an zu korrigieren, zum Verzweifeln, schauderhaft, kam nicht vorwärts, habe erst Seite 130 (das Buch hat 450!), dazu heftige Rippenschmerzen, Ohrensausen, Kopfschmerzen usw. Montag, 7. 11. 27 Den ganzen Tag korrigiert, nur langsam vorwärts. Nicht in die Stadt, Ohrenschmerzen, die Korrekturen der französischen Übersetzung der Politischen Romantik.922 Duschka ist lieb und gut. Dienstag, 8. 11. 27 Vormittags Ohrensausen, trotzdem fleißig korrigiert, 12–1 schöne Vorlesung, der neue große Hörsaal voll, nach dem Essen sehr freundlich mit Frau Weber, nach Hause, ausgeruht, mittags kam für Duschka Besuch von Fräulein Hausels923. Ich bekam einen langen Brief von Professor Muth924 über meinen Aufsatz „Begriff des Politischen“, Gurian, vor allem auch Hugo Ball, der mich sehr erschütterte. Nachmittags ein Student Schunger, dem ich Bilder von Frau Linn zeigte. Von 6–7 Vorlesung Allgemeine Staatslehre, sehr nett (glaubte, Frau Kaufmann zu sehen), nachher mit dem amerikanischen Austauschstudenten Robson925 bei Kieffer, ein Glas Wein, dann zu Magda, zu gewaltsam und aufgeregt, aber schöner Koitus. Um 9 zu Hause, müde, Summen im Kopf, bald zu Bett. Mittwoch, 9. 11. 27 Bis 9 geschlafen, aber immer Summen im Kopf. Schrecklich. Korrigierte etwas, hielt meine Vorlesung gut, aber Ohrensausen. Nach dem Mittagessen ausgeruht, etwas ruhiger und . Aber immer sehr überreizt und nervös. Nachmittags müde zur Stadt, traf den
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der moralischen, intellektuellen und geistigen Sphäre, in der ein Mann als geistige Person lebt, niemand Hugo Ball existenziell so nahestand und verwandt war wie ich.“ BW Muth, S. 144. Carl Schmitt, Romantisme politique (Bibliothèque française de philosophie, 13), Paris 1928. Gegenüber der deutschen Originalausgabe ist diese Ausgabe um den Schluss und einen Teil der Anmerkungen gekürzt. Weder im Godesberger noch im Bonner Adressbuch verzeichnet. In seinem Brief vom 7. 11. 1927 geht Muth ausführlich ein auf Schmitts „Begriff des Politischen“, auf die Probleme mit Waldemar Gurian und das tragische Missverstehen zwischen Carl Schmitt und Hugo Ball; BW Muth, S. 140–143. Charles Baskerville Robson (1900–?), kam zum WS 1927 / 28 nach Bonn und wechselte im April 1928 nach Berlin, später Professor für Political Science in Chapel Hill (s. BW Smend, S. 72). Robson verschaffte Schmitt Bücher aus Amerika (s. unten, 24.2.28) und war auch bei Schmitts ParisBesuch im März 1928 dabei (s. unten, 13.3.28). Im Sommer 1929 ist er wieder in Amerika; vgl. RW 0265 Nr. 11675.
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Studenten Dudachter, der über Kant eine Dissertation macht.926 Sehr schön mit ihm im Kaisercafé unterhalten. Um 8 müde nach Hause. Donnerstag, 10. 11. 27 Müde, Rippenschmerzen, Kopfsausen. Hielt meine Vorlesung gut, nach dem Essen ausgeruht, geschlafen, von 6–8 Übungen, dann zu Magda, nur ihre Beine, keine Ejakulation. Wir wollen morgen uns in Andernach treffen. Nach Hause, noch etwas gearbeitet. Freitag, 11. 11. 27 Etwas korrigiert, schöne Vorlesung Völkerrecht, aber ich kam um 10 Minuten zu spät, guter Laune (denn der Tempel denk ich in Geduld, denk der in Ungeduld927). Nach dem Essen ausgeruht, um 4 zur Vorlesung, Frau Kaufmann wieder da, schön über Hegel und Kierkegaard; Göppert kam und fragte wegen des Berichtes über die Befreiungen,928 er begehrte meine Unterschrift. Schnell zur Bahn, in Koblenz Schokolade in einem Café, geil; meine Vorlesung vor den Beamten, 2 Stunden, sehr anstrengend über Hegel; todmüde, zur Bahn, um 9.15 in Andernach Magda getroffen, wir aßen am Rhein bei Deis, nachdem wir durch die hübsche Stadt gegangen waren, tranken schönen Rheinwein, um 11 nach Hause, ich war todmüde; ein hübsches Mädchen im Café, von Godesberg zu Fuß, etwas kalt, ich habe Kopfschmerzen. Samstag, 12. 11. 27 Morgens ziemlich munter, das kleine Abenteuer machte mir Spaß. Dann wenig korrigiert, Brief an entworfen, mittags zur Bibliothek, nett mit Beyerhaus, Gurian gesehen, aber nicht gesprochen. Nach dem Essen gut geschlafen, um 5 kam Peterson, trank Bier, wir gingen etwas spazieren, er erzählte von seinen Plänen, von dem Vortrag Schelers über den allgemeinen Ausgleich (Mann und Frau),930 er blieb zum Abendessen, nachher spielten wir noch und freuten uns an Verdis Rigoletto.931 Ich war aber ziemlich müde und bedrückt, um ½ 11 ging Peterson.
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Vielleicht Rudolf Schwenger (1901–?), Der Begriff der bürgerlichen Gesellschaft bei Kant und Fichte, Diss. phil. Bonn 1927. Quelle des Zitats unklar. Möglicherweise ein Bericht über den Fortgang der Beendigung der französischen Rheinlandbesetzung. Willy Haas (1891–1973), Herausgeber der Wochenzeitung „Die literarische Welt“, hatte sich am 19. Oktober bei Schmitt für einen Brief bedankt, in dem dieser eine Veröffentlichung von Haas kritisierte; RW 0265 Nr. 5518 (darauf stenogr. Notiz von Schmitt). Am 5. 11. 1927 hatte Max Scheler an der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin einen Vortrag unter dem Titel „Der Mensch im Weltalter des Ausgleichs“ gehalten (jetzt in: Max Scheler, Gesammelte Werke, Bd. 9, 2. Aufl., Bonn 1995, S. 145–170). Vgl. dazu Peterson, AS 6, S. 40. Dass Schmitt, wie mit seiner Schwester (s. TB III, S. 189 und unten, 24.10.28), mit Peterson vierhändig Klavier spielte, ist unwahrscheinlich, da von einer Beherrschung irgendwelcher Musikins trument bei Peterson nichts bekannt ist; vielleicht hat er die Verdi-Arien gesungen. In seinen liturgietheologischen Schriften (Buch von den Engeln) hat er sich für die reine Gregorianik ohne die
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Sonntag, 13. 11. 27 Den ganzen Tag korrigiert, sehr fleißig, von S. 167–200; nach dem Essen ausgeruht, nachmittags um ½ 6 zu Magda, armes, liebes Kind, nervös, übereilter Koitus, sonst war es schön, sie rührt mich sehr. Um 7 nach Hause, zu Hause noch bis 12 Uhr fleißig gearbeitet; immer korrigiert. Nachts geil und gierig. Grauenhafte Erotik, hört nicht auf. Montag, 14. 11. 27 Den ganzen Tag korrigiert, S. 200–240. Herrliches Wetter, morgens fühlte ich mich sehr wohl, grunzte vor Behagen. Nicht in die Stadt, an Demongeot geschrieben wegen des Buches über den status mixtus bei Thomas.932 Ein Bekannter von Eisler, Schlesmann933 in Düsseldorf, rief an und fragte, ob Professor Bern934 in Berlin einen Vortrag halten könnte. Ich freute mich, Eisler einen Gefallen zu tun. Duschka ist klug und unbeschreiblich lieb. Dienstag, 15. 11. 27 Morgens nichts korrigiert, Brief an Muth geschrieben,935 meine Vorlesung über Völkerrecht schön gehalten, nach dem Essen ausgeruht, nachmittags todmüde, krank, Kopfschmerzen, zur Stadt, bei Rittershaus Kaffee, traf Gurian und , wir sprachen über den Begriff der Verfassung, dann meine Vorlesung Staatslehre, sehr nett, nachher mit dem Amerikaner Robson, traf Schmitz, dann zu Magda, eine halbe Stunde auf der Straße herumgelaufen im Regen, bei ihr, eine Stunde ruhig erzählt, nett, , zufrieden zu Bett. Mittwoch, 16. 11. 27936 Den ganzen Tag korrigiert, morgens entschlossen, nach Hamburg zu reisen, als ich den Eilbrief von Georg Eisler mit den Vertragsentwürfen bekam: was verstehe ich davon?937 Müde, Kopfschmerzen, abends kam Sopp, wir fuhren zur Stadt, um Peterson zu treffen, er war aber nicht zu Hause. Ich hasse ihn, weil ich fühle, dass er mich auslacht. Abends müde, Sopp plauderte mit Duschka; also morgen Hamburg.
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Beimischung von „mechanischen Musikinstrumenten“ (incl. Orgel) ausgesprochen. (Frdl. Hinweis von Barbara Nichtweiß). Marcel Demongeot, La Théorie du Régime mixte chez Saint-Thomas d’Aquin, Paris, Univ., Diss. iur. 1927. Schmitt benutzte das Buch für seine Verfassungslehre (S. 202). Zum Dank ließ er dem Autor 1928 ein Dedikationsexemplar zukommen; vgl. BW Feuchtwanger, S. 263. Vielleicht Hermann Schlessmann (1897–?), Generalvertreter der NSU-Werke für Rheinland / Westfalen, Düsseldorf, Bilker Allee 181; DBA II 1152, 422. Vielleicht zu lesen: „Behn“; Siegfried Behn (1884–1970) war a. o. Professor für Philosophie in Bonn, s. auch oben, 18.6.27. BW Muth, S. 144 f.; vgl. oben, 5.11.27. Auf dem Kopf dieses Blattes der Handschrift notiert: „16. 11. 27 Peterson: lacht mich aus; ich hasse ihn, weil ich fühle, dass – Bin nicht nach Hamburg weil – Einstieg die Verfassungslehre!“. Bezieht sich vermutlich auf den Prozess Isay gegen Eisler (s. oben, 15.9.26).
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Donnerstag, 17. 11. 27 Nachts schlecht geschlafen, Augenschmerzen, Kopfschmerzen, Ohrensausen. Stand aber doch auf, rasierte mich, es war schon eingepackt, Duschka redete mir zu, nicht zu reisen, ich fuhr also nicht. Sehr froh darüber, den ganzen Morgen fleißig an meiner Verfassungslehre korrigiert, aber immer Ohrensausen; schrecklich; den ganzen Tag zu Hause, nicht heraus. Mittags ausgeruht, nachmittags Schokolade getrunken, immer korrigiert, gut vorwärts, eine Menge guter Bemerkungen eingefügt. Telegramm von Eisler, dass er Samstag kommt. Freitag, 18. 11. 27 Nachts wieder Ohrensausen, schrecklich, die ganze Nacht. Morgens um 9 müde auf, den ganzen Tag korrigiert, nachmittags nach Godesberg gefahren, in einem Café Schokolade, Trauben für Duschka gekauft, dann nach Hause, korrigiert, vieles eingefügt, große Freude, dass ich zu Hause geblieben bin. Die 3. Auflage des Strafrechts von Calker kam, er erinnert sich dankbar an „Wilhelm Eisler“; das tat mir schrecklich weh.938 Schickte ein Exemplar meiner Diktatur an Grau (Bilfinger und Smend haben schon eins). Bekam ein gebundenes Exemplar vom Verlag, herrlich.939 Abends im Garten spazieren mit Duschka, fühle mich wohler, habe 2 Tage keinen Alkohol getrunken; das ist die Sache; ich darf einfach keinen Wein trinken. Samstag, 19. 11. 27 Vormittags um ½ 8, eine Stunde sehr schön korrigiert, dann kam Georg Eisler um 9 Uhr. Wir freuten uns sehr. Unterhielten uns schön, gingen über die Felder spazieren. Dann noch etwas korrigiert, mittags nach dem Essen ausgeruht, Duschka blieb zu Bett, nachmittags nach Godesberg. Sonntag, 20. 11. 27 Vormittags im Auto nach Remagen, den Bogen besehen, nachmittags ausgeruht, abends um 10 Uhr fuhr Eisler nach Köln und Berlin. Montag, 21. 11. 27 Den ganzen Tag korrigiert, gut vorwärts, aber schreckliche Arbeit, Ohrensausen, aber etwas besser. Abends zu Magda, schöner Koitus.
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In Fritz van Calker, Strafrecht. Grundriß zu Vorlesungen und Leitfaden zum Studium, 3. durchgearb. Aufl., München / Berlin / Leipzig 1927, heißt es im Vorwort: „Bei der Herausgabe dieser 3. Auflage ist es mir ein besonderes Bedürfnis, meiner treuen Mitarbeiter aus der Straßburger Zeit Dr. Carl S c h m i t t , jetzt Professor in Bonn, und Wilhelm E i s l e r (gefallen 1916 in Frankreich) in herzlicher Dankbarkeit zu gedenken.“ Es ist unklar, ob Schmitts Schmerz durch die Erinnerung an den toten Freund oder die Unrichtigkeit dieser Erinnerung hervorgerufen ist; neben dem Vornamen ist auch das Todesjahr falsch: Fritz Eisler (geb. 1887) fiel am 27. 9. 1914; Tommissen (1997), S. 47–49; Jugendbriefe, passim (Abb. S. 29 mit falscher Legende „Hans Eisler“); Mehring, Eisler, S. 4–7. Die Rede ist von der 2. erw. Aufl. von Carl Schmitt, Die Diktatur, München / Leipzig 1928 [recte: 1927]; vgl. BW Feuchtwanger, S. 225.
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Dienstag, 22. 11. 27 Morgens korrigiert, Vorlesung, nachmittags André abgeholt, dann zur Vorlesung und wieder zurück. Abends ein Glas Wein. Nett unterhalten, Duschka ging zu Bett, wieder klar. Mittwoch, 23. 11. 27 André war in meiner Vorlesung Völkerrecht (über Amerika und den Völkerbund), nach dem Essen spazieren nach Godesberg, nicht geschlafen, etwas korrigiert, nicht viel. Donnerstag, 24. 11. 27 Vorlesung und abends Übungen, dann nach Hause, geil, sah Magda, Sopp war zu Hause, fuhren zurück, hörte noch den Schluss des Vortrags von Beyerle, lächerlich. Mit Neuß, André und Sopp bei Streng, dann zum Bürgerverein, bei Beyerle (erstaunt, dass er Rothenbücher940 das Gehalt verschafft hat, dass Rothenbücher in München bleibt).941 Müde nach Hause, Kopfschmerzen. Freitag, 25. 11. 27 Morgens etwas korrigiert, zu spät mit der elektrischen Bahn, Magda das Billett nach Andernach gekauft, ziemlich guter Dinge. Nachmittags ausgeruht, 4–5 gute Vorlesung, dann nach Koblenz, sehr schöne Vorlesung, trotz der Müdigkeit, ziemlich munter und fröhlich nach Andernach, Magda getroffen, wir aßen am Rhein in einem Hotel zu Abend, sehr hübsch, schön unterhalten, guter Dinge, gab ihr 20 Mark, fuhren um 11 nach Godesberg, unterwegs schöner Spaziergang, ihr schönes weißes Fleisch. Dann zu Hause, Ejakulation bei der lieben Duschka. André ist bei Schmitz. Samstag, 26. 11. 27 Morgens fleißig korrigiert, ziemlich gut vorwärts, mittags Hirsch, abends kam Schmitz zum Essen, nett unterhalten. Ich war aber ziemlich müde, Sopp führte Kino vor, es war sehr nett. Frau Schmitz sprach den ganzen Abend mit Duschka, die zu Bett geblieben ist. Mit Wittich942 nett unterhalten. Sopp hat sich mit Wittich gut unterhalten, wir tranken Wein, Romanée.
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Karl Rothenbücher (1880–1932), Professor für Kirchen- und Staatsrecht in München, sollte auf Wunsch der Bonner Fakultät einer der Nachfolger für die freiwerdenden Stellen von Kaufmann und Schmitt sein. Rothenbücher war wie Schmitt Teilnehmer des Dozentenseminars von Max Weber. Schmitts Erstaunen mag daher rühren, das Rothenbücher als Sozialist im katholischen Bayern einen schweren Stand hatte; vgl. Tilitzki (1994), S. 164 f. Die Handelshochschule Berlin wollte Rothenbücher berufen, was in München offenbar durch eine Gehaltsaufbesserung verhindert wurde, die von Konrad Beyerle, der auch Politiker war und beste Beziehungen zu bayerischen Staatsregierung hatte, initiiert war. Werner Wittich (1867–1937), Finanzwissenschaftler, Wirtschaftsgeograph, war bis 1918 Professor in Straßburg, blieb als einziger deutscher Professor 1919 in Frankreich und war deshalb in Deutschland stark angefeindet (DBA II 1419, 223). Vgl. Briefe im Nachlass, RW 0265 Nr. 18357– 18363 und RW 0579 Nr. 428.
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Sonntag, 27. 11. 27 Morgens mit Wittich nach Mehlem, am Drachenfels vorbei, nett unterhalten, ich war aber müde. Nach dem Essen ausgeruht, während Wittich mit André spazieren ging. Dann mit Wittich geplaudert, abends allein mit Wittich und André, ich war ziemlich müde und gleichgültig. Frau 943 kam mit ihrem Sohn Thomas vorbei. Um 11 zu Bett. Montag. 28. 11. 27 Morgens mit Wittich zur Bahn, er fuhr um ½ 10 ab. André begleitete mich. Dann nach Hause, schön und fleißig korrigiert. Schade, dass ich so viel Zeit verloren habe. Nach dem Essen mit André spazieren. Nachmittag in der Stadt Peterson getroffen, wir nahmen ihn mit, abends kamen die beiden Beckeraths, Erwin mit seiner Frau, leider sehr langweilig, Sopp führte sein Kino vor, sehr nett. Ich war müde und traurig; trank fast keinen Wein. Dienstag, 29. 11. 27 Morgens korrigiert, schnell meine Vorlesung, nachmittags ausgeruht, 6–7 schöne Vorlesung, im Wartesaal etwas gegessen und gewartet, dann zu Magda, Koitus, aber zu schnell und nervös. Fröhlich nach Hause, noch etwas spazieren, Duschka ist noch immer im Bett. Mittwoch, 30. 11. 27 Morgens korrigiert, bald fertig. Nachmittags wieder korrigiert, etwas mit André spazieren über die Chaussee. Donnerstag, 1. 12. 27 Korrigiert, aber viele Vorlesungen, morgen Völkerrecht, nachmittags 6–8 Übungen, ging nicht zu Magda, mit André spazieren, dann früh zu Bett. Freitag, 2. 12. 27 Morgens Haare schneiden, Billetts gekauft, Vorlesung. Nach dem Essen etwas ausgeruht. 4–5 schöne Vorlesung, ganz frei, ohne Brille. Dann nach Koblenz, traf den Geheimrat Hartmann944 von der Schulabteilung, über das Zentrum unterhalten. Dann in Koblenz herumgelaufen, hielt meine Vorlesung von 7–½ 9, nach Andernach, Magda getroffen. Wieder in demselben Hotel gegessen, sehr nett unterhalten, in Godesberg ausgestiegen. Auf dem Heimweg herrliche Ejakulation, unglaublich genossen und sensuelle Sensation. Samstag, 3. 12. 27 Bis ½ 10 gut ausgeruht, korrigiert, nachmittags in die Stadt, Zeit verloren, Peterson getroffen und bei Rittershaus. Er sprach über das Blut Christi, die Notwendigkeit einer physischen Veränderung der Welt.945 Zu Hause war Sopp, er blieb zum Abendessen, führte Duschka, die aufgestanden ist, Kino vor. Wundervolle Ejakulation abends bei Duschka.
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Vielleicht die Witwe Sterzenbach, die in der Nachbarschaft (Bonner Str. 202) wohnte. Nicht ermittelt. Steht im Zusammenhang der Römerbriefvorlesung Petersons und bezieht sich auf Röm 3,25, Röm 4,25 und Röm 5,8; vgl. Peterson AS 6, S. 88–90, 111–113, 122–125.
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Sonntag, 4. 12. 27 Korrigierte den Vormittag fleißig, mittags nicht zur Stadt, herumgelesen, erschüttert über die Schilderung vom Tode Bindings,946 freute mich, nachher Magda zu sehen. Geil und gierig. Um ½ 7 zu ihr, Ejakulation, schön, wild, aber im ganzen doch nicht frei genug. Sie war nett und lieb, macht mit mir offenbar einen Vornehmheitskomplex. Zu Hause, abends noch eine Flasche Bier, gut gearbeitet, verbessert, Duschka ging bald zu Bett. Montag, 5. 12. 27 Um 8 auf, den ganzen Vormittag fleißig korrigiert, mittags zum Institut, ein paar Sachen nachgeschlagen, Kirchheimer, Hirsch und Rommen getroffen. Wieder nach Hause, korrigiert, nach dem Essen todmüde ausgeruht, wollte nachmittags das Paket einpacken und zur Post bringen, aber ich konnte es nicht versiegeln. Zufällig kam der Briefträger und nahm es mit. Inzwischen geht es als einfaches Paket, mit 100 Mark versichert.947 Abergläubisch. Dann ausgeruht bei Duschka, Ejakulation. Aber bedrückt und nicht frei. Dann umgekleidet, zur Stadt, eingekauft (aus Mitleid bei dem armen Mädchen an der Haltestelle Godesberger Straße), Gefühl der Freiheit, nachdem das Buch weggeschickt ist. Abends gleichgültig, ruhig. André ist gestern und heute bei Schmitz in Honnef. Er will morgen Nachmittag zurückkommen. Dienstag, 6. 12. 27 Behaglich ausgeruht, fühlte mich leicht, übte meine Vorlesung in Ruhe, Gefühl großer Freiheit, kaufte Magda Pralinen und Blumen zu Nikolaus, nachmittags 6–7 Vorlesung, Frau Kaufmann war nicht da. Nach Hause gefahren, dort Nikolaus, Dr. Sopp und Fräulein Hüttmann hatten Geschenke mitgebracht und an einen Kranz aus Tannenzweigen gehängt (ein Buch: Verfassungslehre von Carl Schmitt), für André eine Wurst mit 3 Schälchen, für Duschka eingemachte Früchte. Wir lachten und waren sehr fröhlich. Holte um 9 Uhr Professor Neuß, nett unterhalten, ich aber war sehr müde und gleichgültig. Um 11 ging alles nach Hause, Duschka war sehr fröhlich. Mittwoch, 7. 12. 27 Müde, lange geschlafen, bis 10 Uhr, meine Vorlesung gehalten, froh, fertig zu sein. Nachmittags ein langer Spaziergang durch den Kottenforst mit André, nachher nicht geschlafen,
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Karl Binding(1841–1920), Professor für Strafrecht, bekannt durch sein zusammen mit dem Psychiater Alfred Hoche 1920 postum publiziertes Werk „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“; NDB 2, S. 244 f. Zu Schmitts Verhältnis zu Binding vgl. seinen Glossarium-Eintrag vom 2. 5. 1950 sowie: Carl Schmitt, Die Tyrannei der Werte, Berlin 2011, S. 29. (Möglicherweise handelt es sich um den Juristen und Kollegen Schmitts, Karl Bergbohm, der am 12.11.27 in Bonn gestorben war.). Schmitt schickte das offenbar unikate Typoskript der Verfassungslehre am 5. 12. als einfaches Paket: „Es ist mir nicht gelungen, den hohen technischen Anforderungen zu genügen, welche die Post mit Recht an die Verpackung und Versiegelung eines Wertpaketes stellt; schließlich habe ich den Kampf aufgegeben und das Paket in der bescheidensten Form geschickt.“ (BW Feuchtwanger, S. 228). Bei der Sendung fehlte noch der letzte Abschnitt über die „Verfassungslehre des Bundes“, den Schmitt noch schreiben musste (vgl. unten, 27.12.27).
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sondern dummerweise Kaffee getrunken. Dadurch sehr munter, etwas gearbeitet, Examensarbeiten erledigt, aber abends konnte ich nicht einschlafen. Großer Kummer über die elenden Klausurarbeiten zum Referendar-Examen (über den deutschen Bund und das Deutsche Reich).948 Donnerstag, 8. 12. 27 Feiertag, Brief von , er will den Aufsatz .949 Morgens gingen wir zu Fuß in die Stadt, nachmittags Spaziergang über die Godesberger Höhen, dann kam Rektor950 aus Köln-Mülheim, verprach, mit nach Boppard zu kommen.951 Abends noch Spaziergang mit André nach Godesberg. Brief von Feuchtwanger: der Brief ist angekommen.952 Sehr glücklich. Freitag, 9. 12. 27 Müde, schlecht ausgeruht, Vorlesung über Völkerrecht, dann müde nach Hause, etwas ausgeruht, vor dem Café Eschweiler, im Café Rittershaus getroffen, Vorlesung (Frau Kaufmann war da), dann nach Koblenz gefahren, mit Neuß, 3. Klasse; nett unterhalten, in Koblenz etwas herumgegangen, hielt meine Vorlesung, Ekel und Erbitterung wegen dieser elenden mittleren Beamten, die mich auslachen. Traurig, ein Glück, dass es zu Ende ist. Um 9 nach Andernach, dort stieg Magda ein, wir fuhren nach Remagen, wir aßen im Hotel Zum Anker zu Abend, ich war todmüde, freute mich über ihre weiße Haut, ihre proletarische Ausgewachsenheit und ihren Bildungshunger. Um ½ 12 nach Godesberg, ich dachte, Sopp würde mich abholen, er war aber nicht da. Ging zu Fuß nach Hause, durch den Nebel. Glücklich in meiner Einsamkeit, aber todmüde und heftige Kopfschmerzen. Samstag, 10. 12. 27 Bis 10 im Bett, langsam angezogen, nichts gearbeitet, die Dissertation von Demongeot kam zu meiner großen Freude.953 Mit André in die Stadt, im Institut, Kirchheimer getroffen, dachte mit Schrecken an mein Buch, wie schlecht es ist. Wir fuhren zurück, nach dem Essen geschlafen, um 5 kam Jup, um 8 ¼ zur Stadt, zu Magda, prachtvoller, rücksichtsloser Koitus; wie schön sind ihre Brüste und Arme. Aber dummerweise psychische . Jedenfalls erleichtert nach Hause, um 10 Uhr zu Bett. 948 949
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Vgl. dazu unten, S. 410. Bezieht sich möglicherweise auf Schmitts Aufsatz „Der Völkerbund und Europa“, der im Januar 1928 im „Hochland“ erschien (vgl. auch unten, 13.12.27). Nicht ermittelt. s. unten, 1.1. – 3.1.1928. Mit Brief vom 7. 12. 1927 bestätigt Feuchtwanger den Eingang des 400 Blatt umfassenden Typoskripts der Verfassungslehre. Es sei bereits der Druckerei zugestellt worden; die Satzarbeiten seien bis 15. Januar beendet. Wenn Schmitt die Fahnenkorrektur ohne größere Änderungen bis Ende Januar zurückgebe, sei mit dem Umbruch Mitte Februar zu rechnen. Bei postwendender Rücksendung der imprimierten Bogen würden die Druckarbeiten etwa am 10. März abgeschlossen sein; zwei bis drei Wochen benötigten dann die buchbinderischen Arbeiten. Vgl. BW Feuchtwanger, S. 228–230. s. oben, 14.11.27.
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Sonntag, 11. 12. 27 Morgens Ohrensausen, Migräne, schlechte Laune. Duschka den ganzen Tag im Bett. Vormittags erst um ½ 11 aufgestanden, um 12 zu Ehrhard, seine Schwester besucht, nett unterhalten, über den , den prachtvollen, aber . Scheußlich. Froh, das erledigt zu haben. Nach dem Essen langer Spaziergang über die Godesberger Höhen mit André, um 4 zurück, Tee getrunken, nachmittags heftige Rippenschmerzen. Schreckliches Ohrensausen. Wollte zu Bett gehen, viele Briefe geschrieben, brachte sie abends mit André zur Post zu Fuß hin und zurück. Das tat mir gut; noch eine Flasche Bier getrunken, dann zu Bett. Demongeot gelesen. Angst vor Berlin. Scheußlicher Zustand; Gefühl, geplündert zu werden. Montag, 12. 12. 27 Um ½ 10 auf, behaglich gefrühstückt, André stört mich etwas, aber er ist bescheiden und ruhig. Ich räumte meinen Tisch auf, das tat mir gut. Freundlicher Brief von Gerber, der mir gut gefiel, etwas Ohrensausen, aber besser, blieb ruhig zu Hause. Abends kam Sopp, war sehr aufgeräumt (wahrscheinlich hat er Erfolg bei den Frauen!). Wir tranken Wein. Ich war sehr munter. Dienstag, 13. 12. 27 Um 5 wach, aufgestanden, etwas korrigiert, dann wieder zu Bett und bis ½ 11 geschlafen. Hielt meine Vorlesung. Nach dem Essen müde, aber nicht geschlafen, umgekleidet, um ½ 5 zur Stadt, bei Rittershaus Kaffee, Korrektur meines Aufsatzes fürs Hochland mit großer Freude gelesen, dann meine Vorlesung Allgemeine Staatslehre (Repräsentation), nachher mit Frau Kaufmann zu uns, sie aß bei uns zu Abend, rief noch Sopp, ich war müde, zum Glück war der gute Sopp da, der sie unterhielt und nach Hause brachte. Müde zu Bett. Oft geärgert, dass ich sie eingeladen habe, dann wieder zufrieden; ich weiß nicht, was ich will. Mittwoch, 14. 12. 27 Morgens todmüde, im Auto zur Stadt mit André, er bat mich um Geld, ich gab ihm 10 Mark. Wir fuhren mit der Eisenbahn nach Köln, trafen 954 ich ging zum Examen, langweilig (der kleine Danzebrink955 hat voll befriedigend, was mich freute), dann mit zu am Dom, wir trafen dort Seewald,957 Jup, André, unterhielten uns über die Juden, dann im Café Fürstenhof, ging weg, wir gingen in die Ausstellung von Seewald,958 954 955
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Lt. Schmitts Tagebuch-Register (RW 0265 Nr. 20952) ist für diesen Tag Dempf eingetragen. Franz Danzebrink (1899–1960), wurde 1923 in Köln zum Dr. iur. promoviert. Danzebrink war von 1930 bis 1945 Oberbürgermeister von Fulda, starb als Ministerialrat in Bonn; DBA II 253, 1. In TB V, S. 215, als „Danzenbein“. Hotel Disch, Köln, Brückenstr. 19. Über ein Treffen mit Schmitt in dieser Zeit berichtet Seewald in einem Bief an Theodor Haecker: „Es war grauslich. Ich kann ihn nicht mehr gut vertragen. Da das Katholische jetzt bei ihm erledigt ist, hat er sich ganz dem Völkischen verschrieben und kokettiert mit Bauhausieren usw. Ich war entsetzt über soviel Enge und Starrheit und Blutlosigkeit. Aber er hält mich wohl seinerseits für einen hoffnungslosen ‚Liberalen‘.“ Zit. nach Hanssler / Siefken, S. 207. Seewald hatte 1927 eine Einzelausstellung im Kölnischen Kunstverein.
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nett, aber süßlich, es geht ihm anscheinend gut, dann noch in sein Atelier, besahen die Bilder von Max Scheler.959 Todmüde, noch herumgelaufen, ging zu Schmitzens Eltern, ich lief herum, geil, aber . Dann in die Universität, Vortrag von Robert Michels960, Limburg961, dumm, fu, ich ging nach dem Vortrag nicht zu ihm, wir fuhren um ½ 8 nach Hause, traf , dumm. Sprach lebhaft mit ihm über den Begriff der Öffentlichkeit und des Politischen. Dann zu Hause, schöne Briefe (Feuchtwanger962, Wittich963, Maritain964, der Mittwoch kommen will), Oberheid telefonierte, dass er morgen mit Edmund Stinnes965 kommt. Aufgeräumt, herumgelesen, müde, aber guter Dinge zu Bett. Donnerstag, 15. 12. 27 Wieder spät auf, erst gegen 10, gefrühstückt, mit André geplaudert, daher fast nichts getan. Nach der Vorlesung nach Hause, um 3 Fakultätssitzung, bis 4 (wegen der Rückfrage des Kultusministers, der nach Berlin bringen will), sehe meine Dummheit, von Bonn wegzugehen; Heckel966 kommt, es wäre für mich sehr schön gewesen. Nach der Sitzung allein herumgelaufen, bei Ehrhard vorbei, ihn aber nicht getroffen; dann bei Rittershaus Kaffee und einige gute Einfälle für mein Buch (Verdross967 gelesen), dann Gurian getroffen, armer Kerl. In die Buchhandlung, noch zur Bibliothek, um 7 Friesenhahn aus der Übung abgeholt, hörte ihn die letzten Minuten dozieren, sehr gut. Dann bei Magda vorbei, eine Viertelstunde gewartet, sie aber nicht getroffen, zur Bahn, traf zufällig Sopp und Fräulein Hüttmann, nach Hause, froh, Duschka zu sehen, sie war aufgestanden und ist sehr schön.
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Scheler wurde etwa gleichzeitig von Otto Dix und Richard Seewald gemalt. Während Scheler mit dem Dix-Bild ganz einverstanden war, war ihm das von Seewald peinlich; vgl. Wilhelm Mader, Max Scheler in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1980, S. 98 f.; vgl. auch Seewald an Schmitt vom 20. 3. 1926 (Poststempel), RW 0265 Nr. 16517. Der Vortrag erschien im Druck: Robert Michels, Wirtschaftliche und politische Betrachtungen zur alten und neuen Welt. (Italien und die Vereinigten Staaten von Nordamerika) (Kölner Vorträge, 3 / 2), Leipzig 1928. In Limburg wohnten die Eltern von Robert Michels. BW Feuchtwanger, S. 231 ff. RW 0265 Nr. 18361. RW 0265 Nr. 9053. Maritain besuchte Schmitt auf dessen Einladung hin. Edmund Hugo Stinnes (1896–1980), Dr.-Ing., leitete zusammen mit seinen Brüdern die Stinnes AG, seit der gemeinsamen Schulzeit Freund von Oberheid, emigrierte als NS-Gegner Mitte der dreißiger Jahre in die USA, wo er als Professor für Nationalökonomie tätig war. Bernhard-Michael Domberg / Klaus Rathje, Die Stinnes – Vom Rhein in die Welt. Geschichte einer Unternehmerfamilie, Wien 2009. Johannes Heckel (1889–1963), seit 1926 a. o. Professor für Kirchenrecht in Berlin, wurde zum 1. 4. 1928 nach Bonn berufen; Sabine Busch / Alexander Morell / Sara Scheik, Johannes Heckel, in: Schmoeckel (2004), S. 281–298. Alfred Verdroß-Droßberg (1890–1980), seit 1925 Professor für Völkerrecht, Rechtsphilosophie und internationales Privatrecht in Wien; DBE 10, S. 234 f.
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Freitag, 16. 12. 27 Wieder lange geschlafen, bis 1 / 2 10, ruhig, ausgeruht, schöne Vorlesung über Völkerrecht. Nach dem Essen ausgeruht, 4–5 Vorlesung Allgemeines Staatsrecht, sehr schön und munter (vorher bei Rittershaus), Frau Kaufmann war wieder da. Lief zur Bahn, fuhr nach Koblenz, in Ruhe vorbereitet, eine schöne, glückliche Stunde. In Koblenz im Café, dann 2 Stunden Vorlesung, schöner Schluss, sehr zufrieden, 300 Zuhörer. In Andernach Magda getroffen, am Rhein schön zu Abend gegessen, eine Flasche Matthäus Müller, fröhlich, erst nach 12 nach Hause gefahren, wilder Ausbruch meiner Gier, schöne Ejakulation im Zuge. Herrlich, dann müde, geschlafen. Um ½ 2 von der Bahn mit dem Auto nach Hause. Eiskalt, Schnee und Eis. Samstag, 17. 12. 27 Bis ½ 10 geschlafen, herrlich ausgeruht, sensuelles Glück von gestern Abend. Duschka geht es gut, ich war fröhlich und zufrieden. Exzerpierte den Aufsatz von Marbury über die Grenze der verfassungsändernden Gewalt;968 der Teppichhändler kam, André schoss nach einem Raben, ein herrlicher Vormittag. Nachmittags … [kein Eintrag]. Sonntag, 18. 12. 27 Vormittags lange geschlafen, wenig getan, nachmittags Besuch von Schmitz, mit André und Schmitz bei kaltem Wetter zu Fuß nach Bonn, nett zu Abend gegessen, bis 11 Uhr. Montag, 19. 12. 27 André reiste ab, das Auto kam zu spät und zog nicht, im allerletzten Augenblick bekam er noch den Zug. Nett verabschiedet, gab ihm 40 Mark. Nachmittags ausgeruht, ein paar Kölner, die sich angemeldet hatten, vergebens erwartet, um ½ 7 zur Rheinuferbahn, traf Gurian im Zug, nett unterhalten, über sein Leben, dann mit ihm, Peterson und dem Pater Thomas969 nach Köln. Vortrag von Maritain,970 wir waren enttäuscht,971 ein bescheidener, lächelnder, nervöser armer Mann. Mit Peterson und Pater Thomas zurück. Müde, von Peterson verabschiedet.
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William L. Marbury, The limitation upon the amending Power, in: Harvard Law Review 33, 1919 / 20, S. 223 ff.; vgl. Verfassungslehre S. 106. Thomas Michels OSB (1892–1979), Benediktiner aus Maria Laach, Patristiker und Liturgiewissenschaftler, wurde 1929 Dozent in Salzburg, musste als NS-Gegner nach der Besetzung Österreichs 1938 fliehen, lehrte bis 1947 in den USA, danach wieder in Salzburg, Freund Petersons; NDB 17, S. 452 f.; Nichtweiß (1992), S. 420 f. und passim; Nichtweiß (1994b), S. 81. Maritain hielt auf Einladung des Katholischen Akademikerverbandes einen Vortrag in französischer Sprache mit dem Titel: „La signification de la pensée de saint Thomas pour le temps présent“; Philippe Chenaux, L’influence de Jacques Maritain en Allemagne, in: Bernard Hubert (Ed.), Jacques Maritain en Europe. La réception de sa pensée, Paris 1996, S. 96 f.; Caronello, In: MeyerBlanck, S. 299 ff. Es gibt auch gegenteilige Zeugnisse über die Aufnahme des Vortrags: Franz Xaver Münch schrieb in einem Brief an Maritain vom 20. 1. 1928, der Vortrag sei aufgenommen worden „avec un sentiment de profonde adhésion et reconnaissance“; nach Philippe Chenaux, a. a. O., S. 97.
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Dienstag, 20. 12. 27 Morgens lange geschlafen, Vorlesung, zum Glück ist es Mittwoch aus. Nachmittags geschlafen, 6–7 letzte Vorlesung, früh aufgehört, nach Köln, zu Münch, Maritain abgeholt, nach Bonn gefahren mit Eschweiler und Gurian. Gurian war anscheinend müde und gab mir beim Abschied nicht die Hand. Ich fuhr mit Maritain zu uns, Duschka erwartete uns, Maritain ist freundlich und gut, wir gingen bald zu Bett. Mittwoch, 21. 12. 27 Morgens um 7 auf, mit Maritain zur Kirche in Friesdorf, wo er kommunizierte. Rührend972. Dann gefrühstückt und den ganzen Morgen unterhalten, wunderschön; über Bloy973, Lenin, die Armut usw. Um 12 nach Mehlem, um ihm das Siebengebirge zu zeigen, es war aber nicht viel zu sehen. Dann nach Bonn, ich hatte Vorlesung, mittags Oberheid abgeholt, er ist aber krank. Mit Neuß nach Hause, Eschweiler und seine Nichte waren zum Essen da, die Nichte sang nachher sehr schön, Händel und Mozart.974 Um 5 mit Eschweiler zu Gurian, der sich lümmelhaft benahm. Ich ging weg. Es ist lächerlich.975 Eschweiler kam nachher nach mit dem Manuskript der Übersetzung von Maritains Vortrag, in Deutsch vorbereitet,976 ich war zu müde, im letzten Augenblick wurde Maritain fertig, im neuen großen Hörsaal vor 300 Studenten, der Vortrag in deutscher Sprache, wunderschön, trotz der fremden Aussprache.977 Ich war glücklich, als alles gut verlaufen war. Dann noch zur Kaiserhalle (Landsberg, Adams, Peterson, Eschweiler usw.). Dann nach Hause, ein Stück Brot mit Butter gegessen. Donnerstag, 22. 12. 27 Um ½ 7 auf, mit Maritain gefrühstückt, die elektrische Bahn fuhr uns vor der Nase weg. Ärgerlich und schnell getröstet. Den ganzen Vormittag mit Maritain schön unterhalten über
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Dass das nicht ironisch zu verstehen ist, zeigt Schmitts Brief an Feuchtwanger: „Vorige Woche hatten wir Jacques Maritain, den Thomisten der Pariser katholischen Universität,einige Tage zu Besuch; ein wunderbarer, heiligmäßiger Mann, dabei klug und fein.“ BW Feuchtwanger, S. 236. Unter dem Einfluss von Léon Bloy waren Jacques Maritain und seine Frau Raïssa 1906 zur katholischen Kirche konvertiert. Eschweiler war sehr musikalisch, hatte zeitweise als Gesangslehrer am Theologenkonvikt gewirkt und etliche Titel zur Musik publiziert. Bezieht sich auf Indiskretionen Gurians hinsichtlich von Publikationsplänen Schmitts und Instrumentalisierung Schmitts für eigene Publikationen (s. oben, 17.9.26 und 8.11.27; BW Muth, S. 142 f.). Ein Zusammentreffen Schmitts mit Gurian ist im Tagebuch ab jetzt nicht mehr verzeichnet. Für sein „lümmelhaftes“ Verhalten an diesem Tag sollte Gurian sich sehr viel später, am 7. 6. 1929, brieflich entschuldigen (BW Gurian, S. 91 f.), worauf Schmitt nicht antwortete (s. unten, 11. und 13.6.29). Jacques Maritain, Der Thomismus und der Mensch in der Zeit. Übertr. e. Vortrages: Le thomisme et la civilisation. Hrsg. von Neudeutschland, Älterenbund, Köln [1931]. Als Übersetzer ist hier allerdings Karl Holzamer genannt. Eschweiler gab aber von Maritain 1927 „Der Künstler und der Weise“ und 1930 „Antimodern“ heraus. Maritain hat am 21. in Bonn einen Vortrag offenbar auf Deutsch gehalten, vgl. seinen Brief an Schmitt, RW 0265 Nr. 9053.
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potestas und auctoritas.978 Er ist lieb und gut. Mittags etwas geschlafen, nach dem Essen mit dem Auto zur Stadt, um 2 Uhr abgefahren, aber die Rheinuferbahn hatte Verspätung, ich telefonierte zu Sopp, der bereit war, uns nach Köln zu fahren, aber inzwischen kam die Rheinuferbahn. Wir stiegen ein, nach einer Viertelstunde auf der Strecke und kamen nicht weiter! Merkwürdig. Inzwischen immer mit Maritain unterhalten, sehr schön, aber doch nervös und anstrengend. Wir verfehlten in Köln den 2. Zug nach Lüttich, unterhielten uns im Café Fürstenhof, bis 6 Uhr, dann fuhr Maritain nach Lüttich. Sehr herzlich verabschiedet, müde nach Hause, wo Sopp und Fräulein Hüttmann waren. Viel Wein getrunken, gesungen (Figaro), gut unterhalten, aber Angst, wahrscheinlich physiologisch bedingt. Freitag, 23. 12. 27 Lange geschlafen, todmüde von dem plötzlichen Wetterumschlag, Föhnwetter. Um 11 zur Stadt, einiges eingekauft, für die Kinder von Oberheid für 23 Mark eine Rheinbahn, für Magda eine Kamelie, telefonierte bei ihr an, sie war aber nicht zu Hause, suchte sie im Bergischen Hof und bei Rittershaus. Dann nach Hause, geschlafen, um 5 kam Wilckens979, erzählte von Honnef und war sehr munter, was mich freute. Abends zur Stadt, noch etwas gekauft, um 8 zu Magda, geil, eine halbe Stunde gewartet, sie kam aber nicht. Nach Hause, fröhlich mit Duschka. Sie ist wunderschön, freute sich auf Weihnachten. Müde zu Bett, schöne Ejakulation bei Duschka. Samstag, 24. 12. 27 Um ½ 8 aufgestanden, Briefe von Lamberts und am Zehnhoff. Todmüde übrigens, erschöpfte Nerven, ich weiß nicht, was ich machen soll. Die Korrekturen sind noch nicht gekommen. In die Stadt, eingekauft, traf Schulz, Beyerhaus, sah Göppert, scheußlich. Traf Magda einen Augenblick, sie sah müde und alt aus, hatte sie aber sehr lieb. Dann nach Hause. Duschka hat herrliche Geschenke bekommen (von Frau Linn eine schöne Decke), mittags nach dem Essen ausgeruht, dann nachmittags etwas notiert, erschöpfte Nerven; von Walter ein paar Bücher, schauderhaft, sein Fleiß. Der arme Smend ist krank und deprimiert. Ich denke mit Sorge und Angst an Berlin. Schöner, rührender Brief von Maritain.980 Abends wunderschöne Weihnachten. Duschka war glücklich über die viele Geschenke und den herrlichen Weihnachtsbaum. Die Mädchen wurden reich beschenkt. Abends um 11 zu Bett.
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Darüber berichtet Schmitt am 18. 12. 1927 an Smend: „Wir sprachen über den Unterschied von postestas und auctoritas. Er hat in einem neulich erschienenen Brief La primauté du Spirituel die übliche Lehre von der potestas directa und potestas indirecta wiederholt, während meine These dahin geht, dass der Papst nur auctoritas, keine potestas habe, übrigens auch kein Papst vor dem 11. Jahrhundert potestas beansprucht hat.“ BW Smend, S. 66 f. Johann Heinrich Wilckens (1903–1962), Doktorand Schmitts, Sohn des Bonner Professors für Geologie Otto Rudolph Wilckens (1876–1943), nach längerem Aufenthalt in Genf wurde er ca. 1937 Regierungsrat im Reichswirtschaftsministerium in Berlin, ab ca. 1941 Geschäftsführer der Textilfirma Gütermann GmbH in Gutach (Baden); s. auch unten, 20.2.28. Mehring (2014a), S. 36; Irmgard Wilckens wird 100 Jahre alt, in: Badische Ztg. vom 21.11.2016. Karte vom 23. 12. 1927; RW 0265 Nr. 9054.
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Sonntag, 25. 12. 27 Morgens bis 10 geschlafen, die ersten Korrekturbogen der Verfassungslehre, sehr glücklich. Schnell zu Magda um 11 Uhr, ihr weißes Fleisch, herrlich, fuhren nach Königswinter, las in der Bahn Korrekturen, sehr zufrieden, gingen hinter dem Hirschberg gar zum Drachenfels, aßen dort zu Mittag (sie aß Gänsebraten mit Burgunder), freute mich, ihr eine Freude zu machen, sie sagte, sie esse zum ersten Mal in ihrem Leben Gänsebraten, was ich nicht glaube. Um 3 zurück, nach Bonn, ich war müde, wäre aber beinahe noch mit auf ihr Zimmer gegangen. Fuhr nach Hause, die gute Duschka war noch zu Bett, ruhte aus, kleidete mich um, war ziemlich munter. Um 8 erwarteten wir Neuß, der aber erst um ½ 9 kam, aßen herrlichen Truthahn, es war aber langweilig, ich war müde und schläfrig; um ½ 11 ging Neuß, müde zu Bett. Duschka war lieb und klug. Freute mich über meine Korrekturen. Montag, 26. 12. 27 Um ½ 8 auf, gearbeitet, Korrekturen gelesen, mit Hensel telefoniert, mittags rasiert, guter Laune, mittags ausgeruht, schlechter Laune, nervös, schlechter Magen, um 5 schnell an Professor 981 geschrieben, Hensel die Korrekturbogen gebracht, zu Magda, Ausbruch unserer Sexualität, Koitus, sie ist herrlich, weiß, erleichtert, aber dann doch wieder Misstrauen, wenn sie lacht. Wir tranken Müller Extra. Um ½ 8 ging ich nach Hause, sehr erleichtert. Nach dem Abendessen müde, gleich zu Bett und großartig geschlafen. Dienstag, 27. 12. 27 Bis ½ 8 großartig geschlafen. Gut ausgeruht, aber erkältet. Vormittags neue Korrekturen, viele Briefe geschrieben, freute mich, wieder ein herrlicher Vormittag, sehr glücklich über die schöne Wohnung, die Befriedigung meiner Sexualität, das schöne Buch, das ich fertig habe, die vielen Briefe. Herrlicher Brief von Frau Linn an Duschka.982 Den ganzen Vormittag zu Hause, nach dem Essen ausgeruht, Korrekturen gelesen, nachmittags kein Brief, die Ausführungen über Verfassungslehre des Bundes geschrieben,983 langsam vorwärts, kein Kaffee, Duschka ist lieb und freundlich, glücklich über unser schönes Haus. Ich habe sie sehr lieb und bin ganz gleichgültig gegen Magda, obwohl meine Sexualität wieder sehr stark ist und ich bei ihr sein möchte. Sonderbar. Angst vor der christlichen Verwirrung aller In stinkte und Begriffe. Abends kein Bier getrunken, fröhlich, guter Dinge, etwas gearbeitet, sehr zufrieden deshalb, kein Kaffee. Um 10 zu Bett. Mittwoch, 28. 12. 27 Um 5 wach, wieder erkältet, wieder eingeschlafen, davon Kopfschmerzen, um 9 aufgestanden, allmählich besser, herrlicher Vormittag in voller Sonne, ein paar Einfügungen in die Korrekturen, glücklich und zufrieden über meine schöne Wohnung, die Möglichkeit zu arbeiten, wie es meiner Produktivität entspricht. Herrlich, auf Hensel gewartet, der mit den Korrekturen kommen soll. Er kam um 12, nett besprochen, sehr vergnügt, den ganzen Tag zu Hause, nach dem Essen etwas ausgeruht, dann kam nachmittags Friesenhahn, etwas Kaf981 982
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Im BW Muth ist ein Brief Schmitts vom 23. 12. 1927 enthalten. Mehrere undatierte Briefe von Jeanne Linn an Duschka in: RW 0265 Nr. 8801, RW 0579 Nr. 219 und RW 0747 Nr. 14 (Kopien). Verfassungslehre, S. 361–391.
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fee getrunken, dann etwas geschrieben, herumgeplaudert, fröhlich mit Duschka, der es gut geht und die sehr lieb ist. Abends um ½ 11 zu Bett. Nach Duisdorf984 telefoniert, aber keinen Anschluss bekommen. Donnerstag, 29. 12. 27 Um ½ 10 erst auf, allmählich sehr munter, schöner Kaffee, herrlicher Vormittag, schön gearbeitet, mittags ausgeruht, nachmittags wieder Korrekturbogen, allmählich Sorge, dann zur Stadt, im Café Hansa Korrekuren gelesen, an Magda telefoniert, dann zu Neuß und Frau Landsberg, eine halbe Stunde nett unterhalten, mit ihrem Sohn und dem jungen 985, über Maritain, Hölderlin usw. Dann zu Magda, herrliche Ejakulation, he rumgetobt wie ein Junge, gar keine Hemmungen mehr, herrlich, ihre rotblonden Haare und ihr weißes Fleisch. Sehr fröhlich nach Hause, zu Abend gegessen, noch etwas gearbeitet allmählich müde, aber übermütig und guter Dinge. Freitag, 30. 12. 27 Den ganzen Tag sehr fröhlich, zu Hause gearbeitet, nachmittags einen Spaziergang über die Höhen, das tat mir sehr gut, nach Bonn, auf der Straße Pater Thomas getroffen, der noch über die judicant gentes986 nachdenkt. Dann nach Hause, Friesenhahn war schon weggegangen, ich war müde, ruhte aus, las Korrekturen, ganz verzweifelt, abends kam Hensel, dumm und langweilig, ich bedauere, dass ich mich mit ihm eingelassen habe. Er aß bei uns zu Abend, wir plauderten etwas, ich brachte ihn um 11 zur Bahn. Des Nachts sehr gut geschlafen. Samstag, 31. 12. 27987 Wieder lange geschlafen, gut ausgeruht, unbeschreibliches Wohlgefühl und Behagen. Morgens Korrekturen gelesen, schöne Verbesserungen,988 mittags gleich nach Bonn gefahren, zu Friesenhahn, Korrekturen abgeschickt, mit Friesenhahn bei Rittershaus, nett unterhalten, aber doch immer Angst wegen meiner Verfassungslehre, die mir erbärmlich, dilettantisch, flüchtig und oberflächlich vorkommt. Dann Haare schneiden lassen, etwas eingekauft, zu Hause, Duschka ging früh zu Bett, ich schrieb ein paar Briefe, bis nach 12 Uhr. Ziemlich nervös, unruhig, dabei physisch sehr wohl gefühlt. 984 985
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Südwestlich von Bonn, 1969 nach Bonn eingemeindet. Percy Gothein (1896–1944), Schriftsteller, Georgeaner, war zu dieser Zeit Assistent am romanischen Seminar in Bonn. Als Homosexueller war er in den 30er Jahren mit Strafverfahren bedroht und emigrierte 1936 nach Italien. 1944 wurde er in Amsterdam mit einem minderjährigen Holländer überrascht und ins Konzentrationslager Neuengamme verbracht, wo er umkam; vgl. Thomas Karlauf, Stefan George. Die Entdeckung des Charisma, München 2007, S. 420–426, 540–546 und passim; DBE 4, S. 61. Bezieht sich wohl auf Apostelgeschichte (Act 9,1–22) und Mt 19,27–29; vgl. Carl Schmitt / Álvaro d’Ors, Briefwechsel. Hrsg. von Montserrat Herrero, Berlin 2004, S. 109. Auf dem Kopf dieser Seite der Handschrift notiert: „Korrekturen der Verfassungslehre“. Schmitt nahm in den Fahnen der Verfassungslehre noch zahlreiche Änderungen und Ergänzungen vor, weshalb Feuchtwanger sehr ungehalten war. Schmitt entschuldigt sich: Änderungen seien „dem Begriff der Korrektur gewissermaßen immanent“. BW Feuchtwanger, S. 239 f.; vgl. auch unten, 11.1.28.
Tagebuch 1928 Sonntag, 1. 1. 28 Wieder lange geschlafen, morgens bei der guten Duschka im Bett. Freue mich, mit ihr verheiratet zu sein; aufgestanden, schön gefrühstückt und gearbeitet, wieder neue Korrekturen, sehr froh darüber, um ½ 12 kam Geheimrat Hirsch mit seiner Frau zu Besuch, sehr froh darüber, Duschka kam herunter und war wunderschön. Nach dem Essen machte ich einen Spaziergang über die Höhen bei Dottendorf, zurück, müde, etwas Kaffee, Bernanos „L’imposture“ gelesen,989 Angst und Ekel vor dem katholischen Milieu, was tue ich überhaupt dabei. Depressionen, die weiter nichts sind als infantile Neurosen. Eingepackt, umgekleidet, nach Boppard gefahren.990 Abends angekommen, sah Brüning991 im Kurhotel Spiegel; auch einige andere, sprach mit (aus Attendorn) und Dempf, aß mit Brüning, der freundlich, liebenswürdig, augurenhaft ist, nett, aber ich fühle mich etwas überflüssig und zurückgesetzt. Nachts in einem eiskalten Zimmer gefroren. Montag, 2. 1. 28 Um ½ 9 auf, scheußliche Kälte, aber ziemlich munter, schlechtes Hotel, vormittags Vorträge von Ehrenberg992, dann Diskussion, interessant, aber Ehrenberg erinnert mich an Erich Kaufmann, übel, er sprach von der Auflösung der Zeit, verlangte eine Theokratie gegenüber der Demokratie. Nach dem Essen spazieren gegangen, Freude an der herrlichen Rheinlandschaft, dachte daran, Duschka und Magda hierher zu bringen. Dann umgekleidet, munter,
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Georges Bernanos, L’imposture, Paris 1927; der zweite Roman von Bernanos erschien auf Deutsch 1929 bei Hegner zusammen mit dem Roman „Die Freude“ unter dem Titel „Der Abtrünnige“, in späteren Ausgaben separat u.d.T. „Der Betrug“. In Boppard fand eine Tagung des „Werl-Soester-Kreises“ statt, in dem sich katholische ehemaliger Straßburger Studenten und Angehörige der katholischen Jugendbewegung Quickborn versammelten. Der Kreis wurde von dem mit Brüning seit gemeinsamer Straßburger Studentenzeit befreundeten Werler Gymnasiallehrer Theodor Abele (1874–1965) organisiert. Von den Vorträgen (u. a. von Brüning, Guardini, Aussem, Michel, Ehrenberg, Schmitt) sind nur der von Brüning in Auszügen (nach Mitschrift von Abele) und der von Schmitt nach der Mitschrift von Werner Becker bekannt (Berning / Maier, S. 113 f.; Hömig, S. 48 ff., 217 ff.). Der Vortrag von Ehrenberg dürfte inhaltlich mit seinem unten zitierten Beitrag übereinstimmen. Heinrich Brüning (1885–1970), Zentrumspolitiker, MdR, von 1930–1932 Reichskanzler; Hömig; Eschenburg, S. 279 ff.; Koenen, S. 132 ff.; vgl. TB V, passim. Hans Ehrenberg, Auflösung, Apokalyptik und Messianismus als Zeichen unserer Zeit, in: Die Schildgenossen 8, 1928, S. 143–147. Hans Ehrenberg (1883–1958), Philosoph und Theologe, 1910 Privatdozent, 1919 a. o. Professor für Philosophie in Heidelberg, gab die akademische Karriere auf, um ev. Pfarrer zu werden, einflussreicher religiöser Sozialist; DBE 2, S. 858.
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kein Kaffee, Vortrag Aussem993, langweilig, beim Abendessen nett mit unterhalten, ferner mit Ernst Michel994. Abends früh zu Bett, schon um 9 Uhr. Wärmeres Zimmer. Dienstag, 3. 1. 28 Gut geschlafen, behaglich um 9 Uhr auf, gefrühstückt, hielt mein Referat über den bürgerlichen Rechtsstaat,995 schneidig, ein Augenblickserfolg, dann war man unzufrieden, es war nicht moralisch treffend genug; gleich nach mir sprach Brüning, sehr weise, überlegen, erfahrener Politiker, sehr geschickt, gegen jeden freundlich.996 Freute mich, in Berlin mit ihm zusammen sein zu können. Nach dem Essen eingepackt, gleich Diskussion, aber müde, Gefühl, nicht recht durchzudringen. um ½ 5 gegangen nach dem Bahnhof, für mich allein nach Godesberg zurück gefahren. Unterwegs Bernanos gelesen, froh, wieder zu Hause zu sein, fröhlich bei Duschka, der es gut geht; viele Briefe, Korrekturen; sehr munter und übermütig. Abends kam Friesenhahn, wir lasen Korrekturen, er nahm sie abends mit. Munter, etwas abgespannt zu Bett. Mittwoch, 4. 1. 28 Um ½ 8 müde auf, zu spät, im Auto zur Bahn, in Köln Referendarexamen mit Huber und dem Präsidenten Hedding; 3 fielen durch; dann traf ich Jup bei Meier am Dom, sprach nett mit ihm, es geht ihm gut, er ist sehr vergnügt und trinkt kein Bier und keinen Wein mehr; dann fuhr ich nach Düsseldorf, traf dort Fräulein Schneider und am Zehnhoff und Frau Buddberg997; fühlte mich nicht am Platze, zurückgesetzt und heimlich ausgelacht. Schöner Wein des Abends, am Zehnhoff sprach aber kaum mit mir und war offenbar froh, als ich weg ging. 3. Klasse nach Hause, im Zug Korrekturen gelesen, grauenhaft geil, dann müde, Bernanos’ L’imposture, schrecklich, er traf irgend einen Nerv bei mir.998 Müde zu Hause,
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Josef Aussem (1888–1956), Burgkaplan der Burg Rothenfels, Schriftleiter der „Schildgenossen“. Katja Marmetschke, „Nicht mehr Jugendbewegung, sondern Kulturbewegung!“ Die Zeitschrift Die Schildgenossen in der Weimarer Republik, in: Grunewald / Puschner, S. 281–318. Ernst Michel (1889–1964), linkskatholischer Journalist, Kulturphilosoph, Psychotherapeut; 2 Briefe im Nachlass. Zu seinem Verhältnis zu Schmitt vgl. Bröckling, S. 65–84; Koenen, S. 57 f.; Lönne, S. 27–30. Carl Schmitt, Der bürgerliche Rechtsstaat, in: Die Schildgenossen 8, 1928, S. 127–133 (nach der Mitschrift von Werner Becker, von Schmitt autorisiert); komment. Wiederabdr, in: SGN, S. 44–54; vgl. BW Becker, S. 121. Hömig, der sich auf veröffentlichte Auszüge des Vortrags über den Staatsmann von Brüning bezieht, urteilt: „Seine Ausführungen besaßen im Gegensatz zu einem späteren Vortrag über dasselbe Thema, den er 1946 in Chicago hielt, etwas Prätentiöses. Sie illustrieren Anliegen und Anspruch in der für Brüning typischen Verbindung von partieller Klarheit, oft unnötiger Kompliziertheit und Eitelkeit. Sie offenbaren ein ausgeprägtes Sendungsbewußtsein …“; Hömig, S. 217. Im Übrigen läge Brüning mit seinem Vortrag „nicht allzu weit entfernt von den ‚etatistischen‘ Thesen Carl Schmitts.“ Ebd., S. 219. Zur Einschätzung Brünings durch Schmitt s. auch unten, S. 416. Wohl identisch mit der 1913 erwähnten „Frau Boddenberg“; vgl. TB I, S. 128. „L’imposture“ gilt als der düsterste Roman von Bernanos. Er handelt von einem katholischen Priester, der den Glauben verloren hat, dies aber weder sich selbst noch seiner Umwelt eingesteht und so zum Heuchler und Verräter an Gott wird.
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viel schöne Post, Mosca999 schickte mir seine Sachen, schöner Brief von Feuchtwanger, der meine Verfassungslehre viel besser findet als die von Smend,1000 fröhlich mit Duschka gesprochen. Donnerstag, 5. 1. 28 Um 7 schon auf, nachdem ich um 6 wach geworden war, gefrühstückt, zum Diktieren zu Fräulein Kaiser im Hochstaden-Ring, den Schluss über die Bundesverfassungslehre, froh, fertig zu sein; sie schrieb schnell, aber ungebildet und schlecht, mit identischen Fehlern. Dann zur Bibliothek, mit dem Direktor von Rath1001 gesprochen, der meinte, durch die Stellung an der Handelsschule sei ich doch aus dem akademischen Leben heraus (vermutlich hat ihm Kaufmann das gesagt). Traurig. Zu Hause wieder Korrekturen, es geht sehr schnell. Nach dem Essen fleißig korrigiert, die Druckseiten fertig gemacht dann etwas ausgeruht, um 6 nach Bonn, zur Post, im Café Hansa, Magda angerufen, dann zu Friesenhahn, die Korrekturen (bis 80) abgeschickt. Zu Magda, herrlich ausgetobt, herrliche Ejakulation, erleichtert nach Hause, Duschka war den ganzen Tag im Bett, gegessen, etwas notiert, froh, ausschlafen zu können. Dem armen Georg Eisler geschrieben. Freitag, 6. 1. 28 Den ganzen Tag Korrekturen gelesen, mittags Spaziergang in strömendem Regen auf die Höhen, wieder das Gymnasiastengefühl der Einsamkeit und des Selbstgenügens. Ausgeruht, keinen Kaffee getrunken, früh zu Bett, gut geschlafen. Die Sonderdrucke des Hochlandaufsatzes sind erschienen,1002 verschickte einige (Smend, Bilfinger usw.). Samstag, 7. 1. 28 Morgens eine Stunde von ½ 6 – ½ 7 das Vorwort zur Verfassungslehre geschrieben, dann wieder zu Bett, aufgeregt, weil das [2 Wörter] zu ist. Den ganzen Morgen Korrekturen, mittags über die Höhen nach Godesberg, kaufte Umschläge, zur Post, an Mendel telegrafiert, der wieder geheiratet hat, müde nach Hause. Dann noch etwas gearbeitet, Korrekturen, abends zur Stadt, um nach Heisterbach an Joos1003 zu telefonieren, froh, das erledigt zu haben, ging nicht zu Magda, zu Hause bald zu Bett.
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Gaetano Mosca (1858–1941), Politikwissenschaftler, Senator, Professor für öffentlichs Recht an der Universität Rom. Schmitt schickte ihm ein Exemplar der Verfassungslehre und sollte ihn 1929 besuchen, s. unten, 13. und 15.4.29. BW Feuchtwanger, S. 237–239. Erich von Rath (1881–1948), Dr. iur., Bibliothekar, seit 1921 Direktor der Bonner Universitätsbibliothek, seit 1924 auch Honorarprofessor in Bonn; Richard Mummendey, Die Bibliothekare des wissenschaftlichen Dienstes der Universitätsbibliothek Bonn 1818–1968, Bonn 1968, S. 82–84; s. auch TB III, S. 85 und 271. s. oben, 13.12.27. Josef Joos (1878–1965), Journalist, Zentrumspolitiker, MdR, NS-Gegner, 1940 verhaftet und von 1941 bis 1945 im Konzentrationslager Dachau; vgl. M.d.R., die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933–1945. Eine biographische Dokumentation. Hrsg. von Martin Schumacher, 3., erhebl. erw. und überarb. Aufl., Düsseldorf 1994, S. 234–236.
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Sonntag, 8. 1. 28 Bis ½ 10, dann Korrekturen gelesen, Vorwort geschrieben, sehr behaglich, um 11 kam Joos, nett 2 Stunden unterhalten, auch mit Duschka sprach er sehr schön, aß bei uns zu Mittag (schöner Wachenheimer 21er), freute mich über seine Anständigkeit und Unabhängigkeit, brachte ihn um 2 Uhr zur Rheinuferbahn, dann noch bei Magda, gewaltsame Ejakulation, schade. Zu Hause müde, um 4 kam Jup, blieb den Nachmittag, abends, als er wegfahren wollte, blieb sein Wagen im Garten stecken. Er schimpfte und verlor die Ruhe; wir fuhren nach Bonn, holten bei Viehoff1004 ein Auto und die Sache war schnell wieder in Ordnung. Ich dachte mit großer Liebe an Duschka, der ich meine Ruhe verdanke. Montag, 9. 1. 28 Den ganzen Tag korrigiert, große Freude und Aufregung, weil die Revisionsbogen so schnell vorwärts gehen. An Friesenhahn telegrafiert, dass er heute Abend kommt; mittags nur kurzer Spaziergang mit dem Hund, dann wieder fleißig. Abends mit Friesenhahn nett gesprochen, er blieb zum Essen und nahm die Korrekturen mit. Dienstag, 10. 1. 28 Schwänzte die Vorlesung, las den ganzen Tag Korrekturen, abends ziemlich Kopfschmerzen und schrecklich nervös (Frau Schmitz war zum Abendessen da, sie hat Duschka einen schönen lothringischen Teller geschenkt), große Angst vor der Oberflächlichkeit meiner Ausführungen, verschickte eine Reihe von Aufsätzen „Völkerbund und Europa“, schöner Brief von Bilfinger, der rührend eingeht und mich mit Ranke vergleicht.1005 12 zu Bett. Mittwoch 11. 1. 28 Um 7 auf, trotzdem gut ausgeschlafen, munter (weil ich gestern kein Bier und keinen Wein getrunken habe). Morgens sehr fleißig korrigiert, 300 Übungsarbeiten, Unterschriften, um ½ 12 zur Vorlesung Völkerrecht, strengte mich an, dann mit Werner Weber, wegen seiner Dissertation, kaufte Blumen für Frau Oertgen, besuchte sie und sprach nett mit ihr, nachher zu Hause, sehr müde, kein Spaziergang, ausgeruht, traurig, nervös, Angst wegen des Buches, dann allmählich in die Arbeit und zufrieden, das erledigt zu haben, die Korrekturen fertig, aber mit vielen Ansätzen und Einschaltungen, sodass ich etwas Angst vor Feuchtwanger habe. Dann abends noch drei Briefe (an Aussem, Georg Eisler, Harms1006), dass ich am 21. März in München den Vortrag halten will. Zufrieden. Kein Bier und keinen Wein den ganzen Tag.
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Autowerkstatt und -vermietung in der Kaiserstr. 159. RW 0265 Nr. 1357. Bilfinger bedankt sich mit Brief vom 9. 1. für die Zusendung des VölkerbundAufsatzes und schreibt, dass Schmitts frühere Kritik und Schärfe einer abgedämpften und verhaltenen Form Platz gemacht habe, wodurch der Autor besser geworden sei. Schmitts kritische Art erinnere ihn an Ranke. Bernhard Harms (1876–1939), Professor für Nationalökonomie in Kiel, Gründer und Direktor des Instituts für Weltwirtschaft, Freund von Johannes Popitz; vgl. Biographisches Lexikon für Ostfriesland. Hrsg. von Martin Tielke, Bd. 3, Aurich 2001, S. 191–196.
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Donnerstag, 12. 1. 28 6 Stunden gut geschlafen, um 7 Uhr auf, die Übung vorbereitet, das Vorwort zur Verfassungslehre geschrieben, im Garten spazieren und mit dem Hund gelaufen, wie schön ist es hier, dachte mit einiger Sorge dass ich bald weg muss. Korrekturen gelesen, mittags nette Vorlesung, nach dem Essen ausgeruht, etwas nervös wegen der vielen Übungsarbeiten, dann zur Stadt, bei Rittershaus, hielt eine sehr schöne Übung, traf nachher Peterson, und Adams, nicht zu Magda, Streng, trank Burgunder, nett mit Peterson unterhalten, aber großes Misstrauen gegen ihn. Um ½ 11 mit Eschweiler zur Godesberger Bahn gerannt und noch rechtzeitig nach Hause, ärgerte mich, dass ich Wein getrunken habe und ich in das scheußliche, Tabak qualmende Lokal gegangen bin. Freitag, 13. 1. 28 Um 7 auf, nicht ausgeschlafen, machte einen Spaziergang mit dem Hund über die Felder. Trank Kaffee, keine Korrekturen, das macht mich schon nervös. Hielt meine Vorlesung, todmüde, aber es ging mir besser, nach dem Essen geschlafen und ausgeruht, todmüde, um 5 auf, zur Stadt, bei Rittershaus, hielt eine schöne Vorlesung Allgemeine Staatslehre, dann mit Kirchheimer und Curt Becker über die Poppelsdorfer Allee, nett unterhalten, allmählich Aufregung wegen meiner Verfassungslehre. Dann auf Magda gewartet, lange herumgelaufen, traf sie, lieber Kerl, sie ging mit nach Friesdorf; trotz ihrer Müdigkeit. Um 9 zu Hause, Duschka war zu Bett und sehr munter. Aß zu Abend, glücklich in meinem sauberen, reinen Haus zu sein. Samstag, 14. 1. 28 Konnte nachts nicht einschlafen, aber morgens um ½ 8 frisch aufgestanden, Korrekturen erwartet, schöner Spaziergang in der Dämmerung über die Felder, herrliches Gefühl, etwas gearbeitet, Inhaltsübersicht gemacht. Dann kamen 2 Bogen Korrekturen, sonst nichts, den ganzen Tag. Auf meinen Völkerbundaufsatz antwortete mir niemand außer Bilfinger.1007 Mittags zur Stadt, Blumen für Magda, Freiberg1008, in der Bibliothek vieles nachgesehen, bei Zehnhoff im Seminar usw. Mit Platz nach Hause. Nach dem Essen ausgeruht, geschlafen bis 4, kein Kaffee, spazieren auf die Godesberger Höhen, das tat mir gut, aber melancholisch den ganzen Tag, im Grunde verzweifelt. Etwas gearbeitet, Sachregister gemacht. Duschka kam und war sehr schön und freundlich. Abends nach dem Essen um 9 zu Magda, herrlich, wunderbar, schöner Koitus, erleichtert nach Hause, um ½ 10, noch eine Flasche Bier und etwas Korrekturen gelesen. Sonntag, 15. 1. 28 Nachts gut geschlafen, immer noch gefiebert von der vollen Erschöpfung. Um 7 wach, noch 2 Stunden geschlafen. Keine Korrekturen, langsam etwas gearbeitet, Inhaltsübersicht gemacht, ziemlich gleichgültig und traurig. Um ½ 1 kam Peterson und aß bei uns zu Mittag. Wir gingen nachher über die Godesberger Höhen nach Bonn, tranken noch bei Rittershaus 1007
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Das ist nicht korrekt: Neben Bilfinger (s. oben, 10.1.28) äußerte sich Albert Mirgeler in einem Brief vom 12. 1. 1928 dazu (RW 0265 Nr. 196); vgl. Maschke in: FoP, S. 253 f. Zwei Obst und Gemüsehändler in Wasserland 1 und Kölnstr. 43, wo auch Blumen zu kaufen waren.
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Kaffee, dann ging ich um 5 nach Hause, ich stieg Joachimstraße aus, besuchte Magda, gab ihr ein Kuvert mit 100 Mark, sie schien gerührt. Ich freute mich, dass ich bei ihr war, es tat mir gut. Dann zu Hause, Revisionsbogen durchgesehen, allmählich fertig, ziemlich ruhig, aber nervös, müde, kein Bier und kein Wein, bis 10 herumkorrigiert, Feuchtwanger geschrieben.1009 Montag, 16. 1. 28 Nachts 2 Mal wach, bis 9 im Bett, dann aber ziemlich munter, es kamen 2 Bogen Revision, sonst nichts, niemand antwortet mir auf meinen Völkerbundaufsatz. Lächerlich. Ziemlich bedrückt und trüb, aber Freude an dem schönen Wetter und dem schönen Haus. Um ½ 12 zur Stadt, bei Göppert, nett unterhalten, ich war schwach und nervös und fühlte mich erbärmlich, gab Friesenhahn die Revisionsbogen, dann nach Hause gefahren, müde, nach dem Essen geschlafen, todmüde und erschöpft, muss endlich ausruhen. Etwas spazieren, das tat mir gut; dann kam um 5 Uhr der Freiherr von Gagern1010, nett unterhalten, über sein Examen (er ist zurückgetreten), über Urgroßvater1011, dann zu Fuß nach Bonn mit ihm über 1012 und worauf die Einheit beruht. Er weiß doch vieles. Er möchte Professor werden. Dann nach Hause, müde. Nach dem Essen noch etwas gearbeitet, Korrekturen gelesen, kaum fähig, die Hände zu rühren. Kein Bier und keinen Wein getrunken. Dienstag, 17. 1. 28 Morgens ausgeschlafen, Wohlgefühl, aber sehr schnell müde. Hielt meine Vorlesung gut, nach dem Essen ausgeruht und geschlafen, Duschka ist unwohl. Nachmittags zwei Bogen Revision, fröhlich zu Rittershaus, Kaffee getrunken, Beckerath getroffen, nett unterhalten, dann gute Vorlesung, aber ganz unvorbereitet, nachher mit Kirchheimer zu Friesenhahn, den wir aber nicht trafen, er hat die Korrekturen, die ich ihm gab, gar nicht gelesen. Ich kam mir dumm und lächerlich vor, zu Hause traf ich Sopp, sehr froh darüber, wir tranken Wein, spielten serbische Lieder, aber ich wurde schnell müde, um 11 ging er, zu Bett, schnell eingeschlafen. Mittwoch, 18. 1. 28 Um 9 Uhr auf, Thoma schickte das Gutachten über die Ilseder Hütte1013, es hat es also für Isay gemacht. Arbeitete etwas für mich, merkwürdig, dass niemand auf meinen Völkerbundaufsatz reagiert. Ruhig, etwas resigniert, gleichgültig, das Gefühl der Unsicherheit wegen der Wohnung, vertraue auf die Tüchtigkeit Duschkas, obwohl sie krank ist, oft physiologische Sehnsucht nach Magda. Eigentlich ist das eine herrliche Ergänzung: eine klare, schöne, repräsentative Frau und eine Geliebte, mit der man sich nicht sehen lassen kann. Aber mit physischem Erfolg.
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BW Feuchtwanger, S. 243 f. Hans von Gagern (?–?), war später Rechtsanwalt in Köln; vgl. seinen Brief von 1954 (RW 0265 Nr. 4629). Heinrich von Gagern (1799–1880), Politiker, Präsident der Nationalversammlung von 1848. Vielleicht zu lesen: „Bern“. s. oben, 24. und 27.2.27.
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Donnerstag, 19. 1. 28 Vorlesung vorbereitet, nervös wegen meines Buches, möchte noch manches einfügen und revidieren, Sätze überlegt. Gute Vorlesung, nachher Herr v. Dahl1014, der inzwischen aussieht wie ein Schweinchen; scheußlich. Wie er ein armer Teufel war, sah er anständig aus. Mit Georg Hirsch nach Hause gefahren, er erzählte von den Zuständen in seiner Familie und gab seine Dissertation ab. Fröhlich und munter zu Hause, mit Duschka, übermütig, nach dem Essen ausgeruht, um 5 zur Stadt (immer noch kein Echo auf meinen Völkerbundaufsatz), bei Rittershaus, nett die Übung vorbereitet, sehr gut gehalten (über Enteignung), dann noch etwas mit Friesenhahn, um 8 zu Magda, ganz herrlich ausgetobt, gerast, gebissen, geküsst, wunderbar, erlösender Koitus, ihr weißes Fleisch, prachtvoll, hingerissen, verrückt. Um 9 nach Hause, fröhlich und guter Dinge, bald zu Bett. Freitag, 20. 1. 28 Gut geschlafen, herrlich ausgeruht, morgens unsägliches Behagen, wunderbar, dazu die Korrekturen des letzten Abschnittes, wunderbares Glücksgefühl, das schöne Haus, die Ruhe, diese physische Ausbalanciertheit, wunderbar. Hielt meine Vorlesung gut, nachher ausgeruht, um 5 zur Stadt, im Hansa-Café Kaffee getrunken, Vorlesung Allgemeine Staatslehre, aufgeregt, aber das Gefühl der Befremdung. Frau Kaufmann war übrigens da. Traf v. Dahl, aber langweilig. Dann nach Hause. Samstag, 21. 1. 28 Spät auf, müde, neue Revisionsbogen und die letzten Fahnen, aufgeregt; dann kam Sopp, frühstückte bei uns, das hielt mich auf, dann etwas korrigiert. Mittags nach dem Essen mit Sopp und Fräulein Hüttmann nach Remagen gefahren, aber das Gefühl, dass es unpassend ist, mit diesen jungen Leuten zu fahren, deprimiert, zu Hause, Rothenbücher war bei mir gewesen, wollte erst telefonieren, tat es aber nicht, weil er weiter keine Adresse hinterlassen hatte. Dann zu Hensel, sehr nett unterhalten, über mein Buch, auch seine Frau1015 war sehr nett, er sprach über Smend, den er getroffen und der anscheinend keine besondere Meinung von mir hat. Dann zu Hause, noch etwas gearbeitet. Sonntag, 22. 1. 28 Gut geschlafen, seit langem zum ersten Mal wieder. Brief von André, sonst nichts. Oft Sorge wegen der Wohnung, keine neuen Korrekturen. Etwas gearbeitet, um 11 kam Friesenhahn, wir sprachen über die Korrekturen, ich war deprimiert, wir gingen über Dottendorf in seine Wohnung, holte dort die Revisionsbogen. Nach dem Essen geschlafen auf der Ottomane, um 4 kam Jup, um 5 zu Magda (gleichzeitig Brief von Feuchtwanger zur Post, mit dem Vorwort und der Inhaltsübersicht),1016 herrliche Ejakulation, wunderbar getobt, nachher 1014
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Walther vom Dahl (1901–1943), war 1924 von Schmitt mit der Dissertation „Über die Umwandlung der Stellung der Frau im öffentlichen Recht“ mit der Note „gut“ promoviert worden, später Richter in Hagen, im Zweiten Weltkrieg gefallen; vgl. TB III, S. 164. Marieluise Hensel, geb. Flothmann (1894–1942). Bei dem Versuch, jüdische Freunde 1942 über die Schweizer Grenze zu bringen, wurde sie verhaftet und nahm sich im Untersuchungsgefängnis das Leben. Heinrichs, S. 783. Vgl. BW Feuchtwanger, S. 245.
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eine halbe Flasche Müller Extra. Wundervoll, dann nach Hause, Duschka hatte Besuch, Fräulein Dünner und Fräulein Oertgen1017, unsere Nachbarn. Duschka sah gesund und wunderbar aus, eine herrliche Frau. Jup blieb bis 7 und fuhr dann zurück. Ich war müde, arbeitete etwas, konnte aber nicht viel tun. Nach dem Essen eingeschlafen. Montag, 23. 1. 28 Morgens ½ 8 auf, nach Köln zum Examen, sehr nett, schickte in Köln die Revisionsbogen ab, dann bei Fischer getroffen, darauf zu Erwin Beckerath, sehr nett unterhalten, Faschismus, Kaffee getrunken, abends etwas Post, Revisionsbogen 21. Müde zu Bett. Dienstag, 24. 1. 28 Morgens keine Revisionen, gut ausgeschlafen, 12–1 Völkerrecht, dann zu Hause ausgeruht, um 5 bei Rittershaus Kaffee, die letzten Fahnenkorrekturen (Verfassungslehre des Bundes) abgeschickt. Traf unterwegs Staudacher1018, hielt meine Vorlesung gut, dann übermüdet, Frau Kaufmann war nicht da, lud Fräulein Göppert1019 für den 15. Februar ein. Dann kam Gabler1020 und lud mich für heute Abend ein, ich ging noch zu Magda, traf sie aber nicht, wohl unterwegs, einen Augenblick bei ihr, dann zur Lese, Vortrag von Lüning1021 über einen christlichen Staat. Langweilig, aber nette junge Leute, besonders der 1022. Trank viel Wein (Niersteiner, 1921), die Jungs begleiteten mich nach Hause, es wurde 2 Uhr, war guter Dinge, aber zu viel Wein. Duschka war sehr lieb. Mittwoch, 25. 1. 28 Müde, Kopfschmerzen, nie wieder Wein; keine Korrekturen und Revisionen, scheußlich, hielt meine Vorlesung Völkerrecht, müde nach Hause, mit Hennersdorf1023, der bei mir aß. Etwas spazieren nach Dottendorf, dann geschlafen, allmählich ging es mir besser. Fuhr abends nach Bonn, habe Smend usw. geschrieben wegen Joos1024. Früh zu Bett, verlorener Tag. Donnerstag, 26. 1. 28 Gut ausgeschlafen, aber keine Revisionsbogen, schrieb an die Druckerei, den Verlag usw. Hielt eine schöne Vorlesung Völkerrecht, nachmittags eine schöne Übung, sah vorher bei 1017 1018 1019
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Tochter der Witwe Oertgen in der Bonner Str. 209. Vielleicht Student. Gertrud Göppert (1905–?), Tochter von Heinrich Göppert, studierte Jura und wurde in Bonn 1932 promoviert; Oliver Wolff, Heinrich Göppert, in: Schmoeckel (2004), S. 248 f. Nicht ermittelt, offenbar Mitglied der „Lese“. Vielleicht Hermann von Lüninck (1893–1975), wohnhaft in Bonn, Sebastianstr. 62, Präsident der Rheinischen Landwirtschaftskammer, 1933 Oberpräsident der Rheinprovinz (bis 1935) und Preußischer Staatsrat (bis 1937), im Krieg Mitglied des Widerstands, nach dem 20. Juli 1944 verhaftet, blieb vor der Vollstreckung des Todesurteils nur durch das Kriegsende bewahrt, war als Katholik ein scharfer Gegner des organisierten Katholizismus; NDB 15, S. 470 f. Wohl identisch mit dem am 15.2.28 erwähnten Theo Pilars. Vielleicht ein Student. Brief nicht überliefert; vgl. oben, 7. und 8.1.28.
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Rittershaus die Frau Zoubkoff, die Schwester des Kaisers, wie ein alter Lämmergeier saß sie da.1025 Dann meine Übung, nachher zu Magda, sehr schöner Koitus. Fröhlich nach Hause, gegessen, Duschka vorgespielt. Dann müde. Fühle mich etwas besorgt, Gefühl der Vereinsamung, mein Buch ist [2 Wörter] und schlecht; sehe viele Lücken. Freitag, 27. 1. 28 Gut geschlafen, aber physisch mehr vor der Sexualität, todmüde bis 9 Uhr, aufgestanden, keine Revisionsbogen; darüber ungeduldig und geflucht. Eilbrief von Georg Eisler, der arme Kerl will nach Wien reisen. Hielt meine Vorlesung gut, ein Glück, dass ich Vorlesungen halten muss. Nachher zu Hause, müde, Duschka war traurig, weil das Mädchen frech war, mich deprimiert das auch. Ruhte aus, wartete auf den Briefträger, aber wieder keine Revisionsbogen. Scheußlich. Dann behaglich umgekleidet, zur Stadt gefahren, bei Rittershaus Kaffee, meine Vorlesung nett gehalten, mit Kirchheimer geplaudert, der mich zur Bahn begleitete, einsam nach Hause, zum Glück Sopp nicht da, Duschka war zu Bett, ich hatte deshalb den Abend für mich allein, räumte den Tisch auf, trank kein Bier, war beherrscht und ruhig, ohne Hoffnung und ohne Illusionen, mit dem Gefühl, dass die Kraft meines Lebens in solchen Stunden liegt, ruhig und gleichgültig, an nichts gedacht. Völlig verzweifelt wegen meines Buches, lächerlicher Dilettant; aber gleichgültig und ruhig auch mir gegenüber. Samstag, 28. 1. 28 Morgens 2. Revision der ersten Bogen, wütend deshalb; nicht viel getan, schön rasiert, behaglich zur Stadt, noch viele Korrekturen angebracht. Nach dem Essen auf die Godesberger Höhen gelaufen, das tat mir gut, kein Kaffee, aber müde, herumgelungert, nachmittags schöner Brief von Feuchtwanger1026 und rührender Brief von Smend, der mich einlädt,1027 zu , [der] meinen Aufsatz über den Völkerbund ganz famos findet, von meinem Buch spricht usw. Ich war sehr gerührt. Abends brachte ich noch einen Revisionsbogen (21) zur Bahn, müde nach Hause, nichts mehr getan, früh zu Bett. Abends gebadet, mit Duschka, etwas erkältet. Sonntag, 29. 1. 28 Gut ausgeschlafen, aber müde, viele Revisionen, sehr glücklich und aufgeregt darüber, den ganzen Morgen korrigiert, nach dem Essen geschlafen, herrliches Bett, um 5 zur Stadt, Friesenhahn getroffen und ihm die Revisionsbogen gegeben, dann zu Magda, Ejakulation, schön, aber zu sehr forciert. Um 7 nach Hause erleichtert, Inzwischen war Mendel bei uns gewesen und hatte sich anscheinend nett mit Duschka unterhalten. Wir aßen zu Abend, ich trank noch eine Flasche Bier. Schrieb ein paar Briefe (an Spranger, Linn usw.). Dann müde zu Bett. Kann fast nichts mehr arbeiten.
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Die Schwester Kaiser Wilhelms II., Prinzessin Viktoria (1866–1929), hatte am 19. November 1927 in zweiter Ehe zum Entsetzen der Familie den 35 Jahre jüngeren Russen Alexander Zoubkoff (1901–1936) geheiratet. BW Feuchtwanger, S. 246 f. Smend lud Schmitt ein, während seines Berlin-Aufenthalts bei ihm zu wohnen; BW Smend, S. 68 f.
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Montag, 30. 1. 28 Lange geschlafen, morgens gut gearbeitet, nach dem Essen gleich nach Honnef, zu Schmitz, unterwegs Revision gelesen, wir machten einen schönen Spaziergang ins Siebengebirge auf die . Dann um 6 nach Hause, Werner Becker kam und blieb zum Abend essen und nachts bei uns. Aber ich war ziemlich müde. Wir sprachen über seine HobbesArbeit1028; kam zu nichts mehr. Dienstag, 31. 1. 28 Morgens fleißig Revisionen erledigt, Becker stand um 9 auf, nett zusammen geplaudert, über Hobbes. Um 11 ging er weg, ich hielt meine Vorlesung gut, nach dem Essen ausgeruht, bei Rittershaus, dann meine Vorlesung Allgemeine Staatslehre (über Monarchie, nett), zu Magda, sie hat Blinddarmreizung, armes Kind, war gut und nett, nach Hause, erleichtert. Mittwoch, 1. 2. 28 Morgens Korrekturen, meine Vorlesung Völkerrecht gehalten, nachmittags Spaziergang nach Annaberg, beherrscht und ruhig. Kein Kaffee, abends bei Magda, dann bei Sopp. Donnerstag, 2. 2. 28 Gut ausgeschlafen, Reisevorbereitung, mittags ausgeruht, um ½ 6 bei Rittershaus Friesenhahn getroffen, dann nach Haus, um 8 mit der Elektrischen zum Bahnhof, dann nach Köln, Schlafwagen nach Berlin, alles ruhig und gleichmäßig, ein paar Briefe geschrieben (an Platz1029, Werner Wittich), meinen Vortrag über Faschismus überlegt.1030 Freitag, 3. 2. 28 Um ½ 8 in Berlin, Zentralhotel, scheußlich, noch etwas spazieren, dann umgekleidet, um ½ 10 rief zu meiner Überraschung Georg Eisler an, er kam aus Budapest diese Nacht mit seiner Mutter, freute mich sehr und war glücklich, er freute sich über die Widmung meiner Verfassungslehre.1031 Schnell munter, gefrühstückt, mit Frau Eisler und einer Cousine von Georgs Frau. Dann zur Handelshochschule, bei Rektor Tießen1032, der mir viel erzählte,
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Werner Becker, Die politische Systematik der Staatslehre des Thomas Hobbes, Diss. iur. Bonn 1928. Diese Dissertation schätzte Schmitt außerordentlich und promovierte seinen Schüler Becker mit der höchstmöglichen Note. Dass die Dissertation ungedruckt blieb, beklagte Schmitt noch 1980: Diese „verschollene“ Hobbes-Arbeit „hat für die europäische kontinentale Wissenschaft den neuen Horizont eröffnet.“ Brief an B. Willms, zit. nach: BW Becker, S. 13. Das Promotionsgutachten von Schmitt ist abgedruckt in BW Smend, S. 164 f. Schmitt antwortete Platz offenbar auf dessen (nicht erwähnten) Brief vom 23. 1. (RW 0265 Nr. 11094), mit dem dieser ihn zur Mitarbeit an einem Sammelband mit dem Titel „Untersuchungen zur abendländischen Geistesgeschichte“ gewinnen wollte. s. unten, 3.2.28. Die gedruckte Widmung der Verfassungslehre lautet: „Dem Andenken meines Freundes / Dr. Fritz Eisler / aus Hamburg / gefallen am 27. September 1914“. Ernst Tießen (1871–1949), Geograph, seit 1919 Professor an der Handelshochschule Berlin, von 1927 bis 1929 und 1934 Rektor; FS HHB, S. 224–227; DBE 10, S. 39; vgl. Tilitzki (1994), S. 177, Anm. 96.
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langweilig, etwas deprimiert. Zu Mittag mit Eisler, seiner Frau und deren Verwandten, Juden, mir wurde unheimlich in dieser Gesellschaft. Nach dem Essen ausgeruht, zu Bett, meinen Vortrag1033 überlegt, bis ½ 7 herumtelefoniert wegen der Wohnung, dann um 7 hinunter, Spranger kam (der ungarische ) ziemlich schlecht, nachher deprimiert, es kamen viele Studenten, besonders Katholiken. Wir gingen mit Eislers und Marie Hasbach zu Habel1034, dann wollte Käthe Eisler noch ins Kabarett, scheußlich, wir warteten im Kabarett bis 1 auf den Komiker Valentin1035, lachten sehr, aber erst um ½ 3 zu Bett, widerlich. Samstag, 4. 2. 28 Um 9 auf, nicht ausgeschlafen, dann mit Georg Eisler und seiner Frau zum Anwalt Friedländer, über die Adoption seines Neffen (das Kind von Isay) gesprochen,1036 dann mit Georg Eisler nach Dahlem, Wohnungen besehen, deprimierend, dabei Korrekturen gelesen. Eine schöne Wohnung Hohe Ähren 3.1037 Sehr begeistert, Georg Eisler wollte es usw. Mir wäre etwas Angst, aber das Haus ist zu schön und meine Angst zu groß. Ekelhafte Feigheit. In die Stadt zurück. Bei Kempinski1038 gegessen, dann zum Hotel, kleidete mich um und fuhr zu Smend nach Nikolassee1039 (fuhr an der Station vorbei, bis nach Babelsberg, müde und deprimiert, völlig verzweifelt). Dann bei Smend, der freundlich und nett, auch seine Frau. Eine wahre Erholung, bei diesen anständigen Leuten zu sein. Er zeigte mir sein Buch über Verfassung, das er gerade bekommen hatte.1040 Wir sprachen nett zusammen, tranken eine Flasche Bordeaux, um ½ 12 zu Bett. Glücklich, aus dem Hotel heraus zu sein. Las das Buch von Smend, mit großer Freude, wurde glücklich, von ihm respektiert zu werden. Sonntag, 5. 2. 28 Schön ausgeschlafen bis 9 Uhr, dann mit Smend und seiner Frau gefrühstückt, sehr nett geplaudert, bis ½ 12, Georg Eisler rief an, dann Duschka (als wir gerade spazierengehen woll-
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Schmitt hielt an diesem Abend in der Berliner Universität im Rahmen des Kursus „Italien und seine Stellung im Mittelmeer“ den Schlussvortrag mit dem Titel „Krise des Parlamentarismus und Diktatur“; Ankündigungszettel in: RW 0579 Nr. 671 und 21370; vgl. Mehring (2009), S. 221. Weinstube Habel, Unter den Linden 30. Karl Valentin (1882–1948), trat im „Kabarett der Komiker“ am Kurfürstendamm auf, das im Mendelssohn-Bau am Lehniner Platz (heute Schaubühne) residierte und als bestes der vielen Berliner Kabaretts galt; vgl. Moreck, S. 95; Szamarti, S. 107. Georg Eisler adoptierte die Kinder seiner verstorbenen Schwester, Gerda Charlotte Juliane (geb. 1918) und Hans Friedrich Hermann, genannt „Fritz“ (geb. 1920); vgl. Mehring, Eisler, S. 9 f. Diese Adresse wird auch in einem Brief Georg Eislers an Dr. Jacoby von der Industrie- und Handelskammer Berlin vom 13. 2. 1928 erwähnt, der sich um Wohnungsangebote für Schmitt bemühte. Der jährliche Mietpreis sollte 7000 Mark, der Kaufpreis 80 000 Mark betragen. Universitätsarchiv HUB UA, UK Personalia, PA Carl Schmitt Nr. 159a, Bd. III, Bl. 97 und 103. Weinrestaurant, Leipziger Str. 25 und Kurfürstendamm 27. „Kempinski bietet für verhältnismäßig billiges Geld eine ausgezeichnete Küche, und wer eine gute Flasche Wein trinken will, wird bei ihm auch diese finden.“ Szatmari, S. 63. Smend wohnte in Berlin-Nikolassee, Teutonenstr. 1. Smend schenkte Schmitt ein Exemplar mit folgender, auf den 5.2.28 datierten Widmung: „Carolo Schmitt / hospiti et lectori / benevolentissimo“. Abb. in BW Smend, nach S. 144.
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ten), wir gingen an der Havel spazieren, bei Schwanenwerder vorbei, erzählte von Kaufmann, Heller usw. Alles tat mir sehr gut. Wir aßen zu Mittag, dann ausgeruht. Nachher schöner Kaffee. Smend spricht sehr schön über meine Verfassungslehre, deren Korrekturen er gelesen hat. Ich staunte, wie viel er gesehen hat. Um ½ 5 zur Bahn, nett verabschiedet, dann zum Bahnhof Friedrichstraße gefahren, traf 1041, war deprimiert, die Frau, die mir heuchlerisch und feindlich vorkam, begleitete sie zum Bahnhof, lief etwas herum, Kurfürstendamm, zu dumm alles, Café Prinz Albrecht,1042 war aber zu, dann über die Friedrichstraße (Hertha) zum Bahnhof, ein Schinkenbrötchen und ein Glas Sekt, im Schlafwagen gut ausgeruht (ein russischer Professor aus Kiew war mein Reisegenosse). Montag, 6. 2. 28 Um ½ 7 in Köln, ziemlich munter, aber deprimiert und Angst vor den Juden. Frühstückte im Wartesaal, mit der Rheinuferbahn nach Bonn, Korrekturen gelesen, nach Friesdorf, glücklich über die schöne Landschaft, unbegreiflich, dass ich hier weg ging, Dummheit und Feigheit, herrliches Haus. Las meine Post (nichts Besonderes, nur neue Revisionen), erledigte etwas, freundlich mit Duschka, Angst vor dem Geldausgeben, zum Glück war Duschka vernünftig und nachgiebig. Nach dem Essen geschlafen, sehr müde, geil. Dann bei Rittershaus Kaffee, Revisionen gelesen, Friesenhahn getroffen und einiges gesagt, nach Hause zurück. Abends auf Anraten von Duschka gleich an Georg Eisler geschrieben, dass er sich nicht mehr um das Haus bemühen soll.1043 Glücklich über die kluge, vernünftige Duschka, froh, die Juden los zu werden. Dabei liebe ich Georg von Herzen, aber die Angst vor der Frau ist schon groß, noch mehr vor den Verwandten der Frau. Brachte den Brief noch an den Kasten in Bonn, zu Fuß, ruhig und gesammelt, gute Vorsätze und beherrscht, mit der Bahn bis Dottendorf, dann zu Fuß zurück. Genieße dieses schöne Land, dachte an Plettenberg und meine Jugend und hoffte, endlich ein sauberes Leben zu führen. Dienstag, 7. 2. 28 Gut ausgeschlafen, herrliches Frühstück. Korrekturen erledigt, hielt meine Vorlesung sehr nett, zu Hause ausgeruht, nachmittags bei Rittershaus schönen Kaffee, dann Vorlesung, nachher mit Frau Kaufmann, sie zu Dölle begleitet, dann zu Magda, die krank war und morgen ins Krankenhaus soll (Blindarmreizung), traurig nach Hause. Mittwoch, 8. 2. 28 Schöner Vormittag, nach der Vorlesung fröhlich nach Hause, nachmittags kein Kaffee, herumgelaufen, todmüde, kann nichts mehr arbeiten. Donnerstag, 9. 2. 28 Spät auf, schnell meine Vorlesung, nachmittags bei Rittershaus, dann Übungen, gut gesprochen, zu Neuß, bei ihm zu Abend gegessen, dann rief Sopp an, dass Oberheid bei uns zu Besuch ist, er fuhr mich nach Hause. Oberheid und seine Frau waren da, sehr nett unterhalten.
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Möglicherweise die Frau aus dem Kreis von am Zehnhoff, s. 29.1.27 und 22.10.28. Prinz-Albrecht-Str. 9. Das Haus in Berlin, Hohe Ähren 3; s. oben, 4.2.28.
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Freitag, 10. 2. 28 Oberheids schliefen bis ½ 11, ich war schon um 8 aufgestanden und arbeitete schön. Oberheid fuhr mich zur Stadt, hielt meine Vorlesung. Dann holte er mich ab (traf Werner Becker und sprach mit ihm wegen seines argentinischen Stipendiums1044), nach dem Essen ausgeruht, nachmittags zur Stadt. Examen nachher bei Rittershaus, dann nach Hause, Peterson kam abends, auch Sopp und die Oberheids, wir aßen nett zu Abend, dann las Peterson seine Vorlesung vor, über Paulus, die Einpfropfung des Ölbaums, die Christen als Juden 2. Klasse usw.1045 Wir waren alle empört, Peterson geknickt und deprimiert.1046 Um ½ 12 fuhr er nach Hause. Ich trank noch mit Oberheid Bier. Samstag, 11. 2. 28 Nett mit Oberheids gefrühstückt, um 11 fuhren sie ab. Ich arbeitete etwas, fuhr zur Stadt, in den Lesesaal, freute mich, dass die Historische Zeitschrift meinen Aufsatz über den Begriff des Politischen erwähnt,1047 dann nach Hause, ausgeruht, abends behaglich zu Bett; abends bei Göppert, mit Heckel.
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Unklar. Werner Becker war seit dem 1. 12. 1925 in Bonn für Theologie immatrikuliert, studierte im Winter 1926 / 27 in Paris, kam dann nach Bonn zurück und wechselte zum Sommersemester 1928 nach Tübingen. Im April 1930 trat er in das Priesterseminar Bensberg ein. Von einem Stipendium ist nichts bekannt. Bezieht sich auf das Ölbaumgleichnis in Röm 11,16–24, das Peterson in seiner Vorlesung über den Römerbrief im WS 1927 / 28 auslegte; Peterson, AS 6, S. 318–323. Vgl. auch unten, S. 420. Auskunft von Barbara Nichtweiß: „Trotz der Empörung hat Peterson diese seine Sicht der Heilsgeschichte [wonach nämlich die Juden das erstberufene und auserwählte Volk sind, M.T.] in anderer Form 1928 in der Streitschrift ‚Die Kirche‘ veröffentlicht; 1932 als Katholik dann in nur leicht überarbeiter Form die Bonner Vorlesungsexegese von Röm 9–11 bei den Salzburger Hochschulwochen erneut vorgetragen und Anfang 1933 unter dem Titel ‚Die Kirche aus Juden und Heiden‘ drucken lassen – unter Hinzfügung von Belegen aus der Patristik, um zu demonstrieren, dass seine Auslegung keineswegs eine neue Erfindung ist; 1951 wurde ‚Die Kirche aus Juden und Heiden‘aufgenommen in die Theologischen Traktate. Außerdem gibt es von 1936 noch eine in der Schweizer Rundschau veröffentlichte Kurzfassung in Essayform mit demselben Titel ‚Die Kirche aus Juden und Heiden (II)‘ (jetzt in Peterson AS 2, Marginalien); Peterson, wiewohl einst ‚geknickt und deprimiert‘, hat hier also nicht nachgelassen.“ – Zum Verhältnis Petersons zu den Juden vgl. Peterson AS 1, S. XVI–XVIII; Barbara Nichtweiß, Beobachtung zum Verhältnis Juden – Heiden bei Peterson, in: Ekklesia (Peterson AS, Sonderband), Würzburg 2010, S. 136–144 (mit dem Hinweis auf Bloy und Schmitt in der Anm. 108). Vgl. auch oben, Anm. 117. In der Historischen Zeitschrift 137, 1928, S. 349 zeigt Gerhard Masur den Aufsatz Schmitts an: „Den ‚Begriff des Politischen‘ sucht C. Schmitt (Arch. f. Sozialw. 58,1) zu bestimmen, indem er das Politische, als ein Sondergebiet gleich dem Moralischen, Ästhetischen, Ökonomischen ausgrenzt. Wie Gut und Böse im Moralischen herrsche im Politischen der Gegensatz von Freund und Feind, wobei unter Feind nicht der private Feind (inimicus), sondern der öffentliche Feind (hostis) zu verstehen sei, den es im Konfliktsfalle existentiell zu vernichten gälte. – Auch wer Schmitts extremistisches und dezisionistisches Denken nicht teilt und glaubt, daß mit diesem Gegensatzpaar dem ganzen Problem der inneren Politik nicht beizukommen ist und daß zuletzt doch der Begriff des Politischen vom Begriff des Staates aus gewonnen werden muß, wird sich dieses bedeutenden Versuches dankbar freuen.“ – Dass hier Schmitt unterstellt wird, der Feind sei „existenziell zu
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Sonntag, 12. 2. 28 Um 11 kam Heckel und aß bei uns zu Mittag, nett unterhalten, hörte über Heller einiges (ich sei ganz klein geworden), begleitete ihn nachmittags, hatte einen guten Eindruck. Montag, 13. 2. 28 Duschka Geburtstag, Blumen gekauft; mittags in die Stadt, Heckel mittags noch einmal gesehen mit Hensel, abends zu Hause, müde zu Bett. Dienstag, 14. 2. 28 Nach Köln, Referendarexamen, 1048 gab ich im Mündlichen sehr gut, Kirchheimer gut. Nachher bei Fischer mit Beckerath, dann todmüde nach Hause, geschlafen, abends mit dem Physiker Konen1049, nett zu Abend gegessen, zu viel Wein, über Aubach, die Stipendien einbehalten,1050 Einblick in das Zentrumsmilieu, froh, davon unabhängig zu sein. Um 11 nach Hause, durch die Poppelsdorfer Allee gerannt, um die Bahn noch zu bekommen. Mittwoch, 15. 2. 28 Heftige Augenschmerzen, scheußlich. Nie wieder Wein. Hielt meine Vorlesung mit Mühe, aber gut. Nachmittags ausgeruht, es wurde dann besser, trank bei Rittershaus Kaffee, abends der Baron Gagern und Theo Pilars1051 mit Fräulein Göppert zum Abendessen, nett unterhalten über Katholizismus und Deutschtum; bis ½ 11. Sehr sympathisch und anregend. Donnerstag, 16. 2. 28 Munter und guter Dinge, gut ausgeschlafen, Vorlesung, nachmittags bei Rittershaus, meine Übungen hielt Friesenhahn, sehr erleichtert. Abends zu Hause; früh zu Bett. Freitag, 17. 2. 28 Morgens besuchte ich Dyroff und lud ihn für Montag ein, armer, netter Kerl. Dann meine Vorlesung. Nach dem Essen geschlafen, immer sehr müde, um 5 zur Stadt, Rittershaus, den Hagenau1052 getroffen, er tat mir leid, aber er gefiel mir nicht. Dann meine Vorlesung, nachher herumgelaufen, zu Magda, sie ist aber nicht mehr schön, hatte einen , roch hässlich, Ejakulation. Deprimiert nach Hause, hatte Duschka sehr lieb, wie schön und jung sie ist.
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vernichten“, regte Schmitt erstaunlicherweise nicht auf. Im Falle Heller sollte das ganz anders werden; vgl. unten, 21.12.28. Wilckens wurde nach dem 1. Staatsexamen 1924 Referendar. Heinrich Konen (1874–1948), Professor für Physik in Bonn, Zentrumspolitiker, als NS-Gegner 1934 zwangsemeritiert, nach 1945 CDU-Politiker, 1945–1948 erster Nachkriegsrektor in Bonn; NDB 12, S. 485 f. Zusammenhang unklar. Nicht ermittelt; vgl. oben, 24.1.28. Nicht ermittelt.
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Samstag, 18. 2. 28 Behaglich um 8 auf, schöne Briefe, schöner Vormittag. Mittags kam Curt Becker und holte die Arbeit seines Bruders. Mit ihm zur Stadt und wieder zurück. Nach dem Essen wieder geschlafen, nachmittags kam Sopp, fuhr mich nach Bonn, wir tranken bei Rittershaus Kaffee, ich ging dann noch durch die Stadt, dann wieder zurück, abends Besuch von Tengelmann1053, Robson, Lohmann, Huber, Sopp, nett, aber etwas kalt. Bis 12 Uhr. Sonntag, 19. 2. 28 Zu lange geschlafen, schöner, ruhiger Vormittag, Dissertationen gelesen, freute mich über die Arbeit von Werner Weber,1054 nach dem Essen geschlafen, dann nicht zur Stadt, bei Magda abtelefoniert, ziemlich müde und leid; zu Hause Kaffee getrunken, Dissertationen gelesen. Abends nach dem Essen nach Godesberg und zurück, noch etwas gearbeitet, Duschka ist ganz wundervoll, führt die Bücher und ist überlegen und ruhig, ich fühle mich alt und schlossen werden. Montag, 20. 2. 28 Brief von Bilfinger, der mich sehr freute. Sonst keine Post. Mittags zur Stadt, großer Trubel wegen des Rosenmontags, gab meine 4 Dissertationen beim Dekan ab (Wilckens1055, Weber1056, Kirchheimer1057, Hirsch1058). Dann wieder nach Hause. Die Mädchen gingen den Karnevalszug ansehen und blieben den ganzen Nachmittag weg. Unverschämt. Fuhr nachmittags zur Stadt, zu Rittershaus mit Adams. Interessant unterhalten über die Sprache (Schottelius1059), aber ich komme mir immer ausgelacht vor. Nach Hause, auf Dyroff gewartet, der um 7 Uhr kam. Nett zu Abend gegessen, guten Wein (Rauenthaler 1921) getrunken. Um 10 ging er weg; armer Kerl. Müde zu Bett. Dienstag, 21. 2. 28 Zu lange geschlafen, herrlicher Vormittag, sehnsüchtig an diesem Land gehangen, hielt meine Vorlesung, müde nach Hause, ausgeruht, nachmittags um 5 bei Rittershaus, sah da
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Herbert Tengelmann (1896–1959), Jurist, Kaufmann und Textilindustrieller, studierte 1927 / 28 Rechtswissenschaften in Bonn. Im Nachlass Schmitt liegt ein Brief von ihm aus dem Jahr 1959; DBA II 1297, 174–177. Herbert Tengelmann ist der Sohn des oben (31.8.27) genannten Ernst Tengelmann. Werner Webers Dissertation hatte den Titel „Parlamentarische Unvereinbarkeiten (Inkompatibilitäten)“; sie erschien erst 1930 im Buchhandel. Die mündliche Prüfung bestand Weber am 25. 2. 1928. Schmitt promovierte Weber mit dem Prädikat „summa cum laude“. Johann Heinrich Wilckens, Die Entwicklung des Abrüstungsbegriffs, Bremen 1930. Schmitt hatte die Arbeit mit „gut“ bewertet; vgl. Mehring (2014a), S. 36. s. oben, 19.2.28. Otto Kirchheimer, Zur Staatstheorie des Sozialismus und Bolschewismus. Auszug gedruckt in: Zeitschrift für Politik 17, 1928, S. 593–611. Prädikat: sehr gut; vgl. Mehring (2014a), S. 31–46. Carl Georg Hirsch, Die rechtliche Stellung der internationalen Beamten unter besonderer Berücksichtigung der Funktionäre des Völkerbundsekretariats in Genf, Bonn 1928. Prädikat: „ausreichend“. Vgl. Mehring (2014a), S. 36. Justus Georgius Schottelius (1612–1676), Dichter und Sprachwissenschaftler.
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Rommen und Peterson, sprachen mit mir, ich hielt meine letzte Vorlesung Allgemeine Staatslehre von 6–7, nicht besonders gut, sehr anstrengend, dann zu Magda, Ejakulation, schön, aber die Sache ist aus; armes Kind. Hoffentlich wird sie nicht krank. Um ½ 9 nach Hause, früh zu Bett. Mittwoch, 22. 2. 28 Wieder lange geschlafen, aber immer müde, nur durch eine Tasse Kaffee bin ich für eine Stunde munter. Sah einen dicken Fehler in meinem Buch und war verzweifelt. Hielt meine Vorlesung gut, herrliches Wetter, mit Duschka im Garten spazieren. Um 5 zur Stadt, mit dem Katholiken Bung1060; es ist doch im Grunde widerlich mit diesen Katholiken: er schwärmte von den Franzosen und war stolz, nicht als Deutscher behandelt worden zu sein.1061 Dann noch herumgelaufen, um 6 nach Hause, zehn Übungsscheine unterschrieben, der Prospekt von Davos,1062 schön für mich zu Abend gegessen (Duschka blieb zu Bett), etwas spazieren, müde, gleichgültig, philosophisch, bedrückt und traurig; ich armer Kerl. Donnerstag, 23. 2. 28 Früh auf, herrlicher nebliger Morgen, fühlte mich außerordentlich wohl und glücklich. Arbeitete etwas, dann nach Bonn, ließ mir die Haare schneiden, traf Beyerhaus, der mit mir ging, hielt meine letzte Vorlesung, verabschiedete mich am Schluss mit einer schönen Rede, während der ich einen Augenblick vor Tränen und Rührung nicht sprechen konnte. Dann nach Hause, ausgeruht. Friesenhahn kam um 5, wir gingen zu Rittershaus, dann Fleiß-Prüfungen, hielt meine letzte Übung, vorher plötzlich heftiger Wunsch, Sekt zu trinken, zum Glück war niemand da, der mitging, der Freiherr von Gagern hatte einen Vortrag. Zu Magda, eine halbe Stunde, armes gutes Kind. Dann zu Hause, zum Glück keinen Wein, etwas gearbeitet, Davos geschrieben.
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Hubertus Bung (1908–1981), Student bei Schmitt, 1933–1934 sein Assistent im NS-Rechtswahrerbund, später Rechtsanwalt, promovierte erst 1947 in Tübingen zum Dr. iur. (maschr. Diss. im Nachlass Tommissen, RW 0579 Nr. 1098); vgl. Schmittiana II, 1990, S. 100. Dazu passt das Zeugnis, das Bung als Entlastung für Schmitt am 8. 4. 1947 Duschka anbot: Er habe Schmitt von 1927 bis 1943 gekannt; dieser sei kein Nazi gewesen, sondern habe als Vertreter französischer Denkungsart in Deutschland gegolten. Nach: Dirk van Laak, Gespräche in der Sicherheit des Schweigens. Carl Schmitt in der Geistesgeschichte der frühen Bundesrepublik, Berlin 1993, S. 53 f. Das Programm der Davoser Hochschulkurse (18. 3. – 14. 4. 1928), das in 5000 Exemplaren verschickt wurde. Organisator war Gottfried Salomon, der 49 prominente internationale Wissenschaftler zu Vorträgen verpflichtete. Das Programm gliedert sich in zwei Abteilungen: „Philosophie und Literaturwissenschaft“ (19. bis 31. März), und „Jurisprudenz und Sozialwissenschaft“ (26. bis 14. April). Hier sind zwei Vorträge von Schmitt angekündigt. Zur Eröffnung hielt Albert Einstein am 18. März den Festvortrag „Über die Grundbegriffe der Physik und ihre Entwicklung“. Eingeladen waren zu den Kursen auch Studenten, wovon insgesamt 364 teilnahmen. Außerdem nahmen 400 Einwohner von Davos, Einheimische und Kurgäste teil. Vgl. Bericht Davos. Ein Programm befindet sich im Nachlass Tommissen, RW 0579 Nr. 671. Siehe auch Schmittiana NF III, 2016, S. 86–102.
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Freitag, 24. 2. 28 Um 7 auf, herrliches Wetter, glücklich durch den Garten gelaufen, unbeschreibliches Glück. Schön gefrühstückt, nach Köln gefahren, letzte Referendarprüfung (Haverkamp, Berg, Rotberg, , Kurt Hirsch)1063. Alle kamen an diesem Tag durch. Von Happ ganz rührend verabschiedet, er habe meine Sachlichkeit, Ruhe und Sicherheit immer bewundert. Gerührt zur Stadt, im Café Fürstenhof eine Tasse Kaffee, unternehmungslustig, zum Glück fand sich niemand. Mit Jup telefonisch für Sonntag verabredet, dann nach Hause gefahren, mit der Rheinuferbahn, müde, zu Hause keine besondere Post, nachher zu Bett, mit Duschka, nachmittags schöner Brief von Bilfinger, der mich freute (über meine „ungeheuren Leistungen“, schöne Besprechung meines Volksentscheids und Volksbegehrens). Dann kam Dr. Sopp, nett unterhalten, glücklich, dass ich den Sommer noch hier bleibe,1064 übermütig, ein paar Seiten Calhoun1065 gelesen, guter Dinge, nachmittags Abschiedsfeier im Königshof.1066 Dumme Rede, Göppert war rührend, kam mir doch vernachlässigt vor. Traurig zu Fuß nach Hause wie damals nach der Abiturkneipe 1907. Samstag, 25. 2. 28 Morgens Examen, Werner Weber, Kirchheimer, Hirsch, Wilckens, bei Göppert Mittag gegessen und ausgeruht, dann noch Iserloh1067 (der zurücktrat) und Curt Becker, der ebenfalls zurücktrat,1068 müde nach Hause, abends Peterson und Kirchheimer; Kirchheimer mangelt jedes Nationalgefühl, grauenhaft. Um 11 gingen sie nach Hause. Sonntag, 26. 2. 28 Schönes Wetter, nicht zu Magda. Nachmittag Kaffee getrunken, etwas gearbeitet. Montag, 27. 2. 28 Morgens herrliches Wetter, vormittags mit Sopp nach Remagen, herrliches Wetter, den Bogen fotografiert, bei Fürstenberg1069 über Peterson philosophiert. Abends die Doktoranden und Friesenhahn, nett zu Abend gegessen, gesungen (Hirsch, Friesenhahn, Wilckens, Sopp, Werner Weber).
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Namen nicht ermittelt. Bei „Kurt Hirsch“ könnte es sich um Carl Georg Hirsch handeln. Obwohl Schmitt im Sommersemester in Berlin Vorlesungen halten musste, behielt er seine Wohnung in Bonn noch bis Oktober 1928 bei. George Miller Calhoun (1886–1942), amerikanischer klass. Philologe und Rechtshistoriker. Der Schmitt-Schüler Charles B. Robson schreibt am 31. 7. 1929 aus North Carolina an Schmitt und schildert seine Bemühungen, ihm die Bücher von Calhoun zu beschaffen (RW 0265 Nr. 11675); vgl. auch Verfassungslehre, S. 373 ff. Schmitt schied zum 1. 4. 1928 aus dem preußischen Staatsdienst aus. Rudolf Iserloh (1904–?), Schmitt bewertete seine Dissertation mit „ausreichend“. Die Arbeit wurde umgearbeitet und erschien 1930: „Die Kontrolle des Völkerbundes über die B-Mandate“; vgl. Mehring (2014a), S. 36. Curt Becker wurde aber noch im selben Jahr von Heinrich Göppert promoviert. Hotel Fürstenberg in Remagen (später abgerissen und durch ein Hochhaus ersetzt).
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Dienstag, 28. 2. 28 Morgens lange geschlafen, Examen Galle, dumm; zur Stadt. Mittwoch, 29. 2. 28 In der Stadt einiges erledigt, Hund für Duschka gekauft bei Geier, Besuch von Spenlé1070, sehr nett, nachmittags Spaziergang nach Mehlem, gut unterhalten, um ¼ 7 fuhr er weg, lange auf der Straße, auf Magda gewartet, schließlich ½ 9 gefahren (den Referendar vom Dahl getroffen und gesprochen, war aber ohne ). Donnerstag, 1. 3. 28 Mittags zur Stadt, Magda nicht getroffen, lange herumgelaufen, zu Hause, nach dem Essen ausgeruht, abends Peterson, sehr nett unterhalten, aber todmüde. Freitag, 2. 3. 28 Morgens wieder lange geschlafen, Seewald telefonierte an wegen des Vortrags von Haecker.1071 Nachmittags telefonierte Werner Becker, Ärger über Peterson, fuhr um ½ 6 mit Becker zu Dempf nach Köln, traf dort im Café Kaiser Wust1072, Hirsch, Leber1073 und andere. Gut unterhalten (Wust warf mir vor, ich sei , sprach von Persönlichkeit, erwartete die Christianisierung Europas wegen , Vortrag Haeckers langweilig, nachher im Restaurant des Opernhauses, Dempf usw., mit Dempf zurück, er sprach sehr schön und interessant (es gibt keine ganze Ordnung mehr, es gibt nur noch ).1074 Samstag, 3. 3. 28 Morgens um 10 zur Rheinuferbahn, Peterson getroffen, Haecker kam auch von Köln, wir gingen durch die Stadt, zum Alten Zoll1075, zu Rittershaus, dann aßen Haecker, Seewald und Dempf bei mir zu Mittag (Peterson ist nach Göttingen1076 gefahren). Um 2 fuhren wir alle ab. Ich fuhr ½ 3 mit Werner Becker nach Köln, dann über Hagen nach Plettenberg. Kam müde um 8 Uhr an. Herrliches Wetter, Jup war auch da. Schlief die Nacht ganz prachtvoll.
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Jean-Édouard Spenlé (1873–1951) elsässischer Germanist, seit 1920 Professor in Straßburg. Er besprach Bücher Carl Schmitts in: Mercure der France vom 1. 8. 1928, S. 715–728 (teilw, abgedr, in: Schmittiana III, 1991, S. 144–146); Schmittiana II, 1990, S. 65 f.; III, 1991, S. 143 f. Theodor Haecker hielt Anfang März 1928 offenbar auf Initiative seines Freundes Richard Seewald in Köln einen Vortrag und stieg im Hotel „Ewige Lampe“ ab. Im Vorfeld korrespondierte Seewald mit Haecker darüber, ob auch Erik Peterson und Carl Schmitt zum Vortrag kämen (vgl. Hanssler / Siefken, S. 208). Das dürfte der Grund des Telefonats gewesen sein. Peter Wust (1884–1940), Philosoph, von 1910 bis 1930 im höheren Schuldienst, zuletzt in Köln, ab 1930 Professor für Philosophie in Münster; BBKL 14, Sp. 193–200; Tilitzki (2002), S. 250 f. Nicht ermittelt. Vielleicht zu lesen „Weber“. Vgl. unten, S. 425: „Es gibt heute keine Moral mehr, es gibt nur noch Eschatologie.“ Biergarten in einer ehemaligen Bastion, am Rhein unterhalb des Bonner Hofgartens. Peterson fuhr regelmäßig nach Göttingen. Drei Tage später, am 6. 3. schreibt er aus Göttingen an Jacques Maritain: „… leider war es mir dieses Mal nicht möglich, mit Herrn Schmitt nach Paris zu kommen …“. (Frdl. Mitteilung von Barbara Nichtweiß).
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Sonntag, 4. 3. 28 Herrlich ausgeruht, mit Jup nach Plettenberg, Dumme Predigt von Pfarrer Freiburg1077, dann über den Saley zurück. Nach dem Mittagessen geschlafen, nachmittags mit Jup auf den Saley, herrliches Wetter. Bete zur Landschaft. Montag, 5. 3. 28 Nachts nicht so gut geschlafen, mit Jup auf den Saley, dann fuhren wir zusammen nach Hagen und zu Üssi, nach Fley1078, freute mich über das feine und liebe Mädchen, wir gingen nach Hagen zu Resa,1079 fuhren dann um 5 nach Köln, im Zug sehr frisch und munter, abends mit meinem Koffer zu Magda, schöne Ejakulation, aber traurig und müde, dann nach Hause, ein paar Briefe, nicht viel, Duschka war lieb und freundlich, müde zu Bett. Dienstag, 6. 3. 28 Lange geschlafen, müde, kein besonderer Brief, in der Stadt, an der Bank alles in Ordnung gebracht, Bibliothek, Reisebüro usw. Im Bergischen Hof1080 ein Glas Bier, , der arme Hammel ist wieder davon gelaufen, rührend. Nach dem Essen ausgeruht, um 4 kam Platz mit seiner Frau1081, Gefühl des Unbehagens. Nett unterhalten, allmählich Sorge wegen der Reise, Notizen gemacht, abends schön gegessen, Reisefieber. Mittwoch, 7. 3. 28 Um ½ 7 auf, nach Köln, von dort nach Paris, sehr nett, ohne große Schwierigkeiten, Linn holte mich am Gare du Nord ab, zum Hotel Mont Thabor1082, ausgeruht, um ½ 8 holte er mich mit Frau Linn ab, wir aßen bei Michaud1083, sehr schön, aber müde nach Hause. Guter Burgunder, Gänseleber. Begleitete Linns zum Bahnhof St. Lazare, müde zurück. Donnerstag, 8. 3. 28 Behaglich ausgeruht, fühlte mich sehr wohl, unternehmend, Nationalbibliothek, mit Linn in kleinem Restaurant gegessen, nachmittags herumgelaufen, Simone1084, abends im Theater, Vient de paraître1085; aber todmüde.
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Anton Freiburg (1877–1957) war laut Auskunft von Pfarrer Patrick Schnell, Plettenberg, von1925 bis 1930 katholischer Pfarrer in Plettenberg. Schmitt hörte allerdings noch am 23. 8. 1931 hier eine Predigt von ihm; s. TB V, S. 133. Heute Ortsteil von Hagen, bis 1929 selbständige Gemeinde. Auguste Schmitt war dort Lehrerin. Vermutlich eine Verwandte. Hotel Bergischer Hof, Münsterplatz 24. Paula, geb. Kurtz (1884–1960), seit 1907 mit Hermann Platz verheiratet. 34 Rue Mont Thabor. Das Hotel hatte ihm Maritain empfohlen, auch Neuß sei da schon abgestiegen. Restaurant in der Rue des Saints-Pères 29, wo Hemingway und Joyce regelmäßig verkehrten. Vermutlich Prostituierte. Komödie von Édouard Bourdet, spielte seit der Premiere am 25. November 1927 im Théâtre de la Michodière, 4 bis Rue de la Michodière.
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Freitag, 9. 3. 28 Nationalbibliothek, herrlich durch die Tuilerien, Linn begleitete mich zur Buchhandlung1086 und zeigte mir etwas die Stadt. Nachmittags um 5 Simone getroffen, aber weiter nichts, langweilig. Abends . Samstag, 10. 3. 28 Morgens Nationalbibliothek, mittags mit Linn, nachmittags mit Maritain, der mich im Hotel besuchte. Hörte bei ihm eine Stunde Kolleg,1087 dann einsam nach Hause. Abends Oper, früh zu Bett; schlecht geschlafen. Sonntag, 11. 3. 28 Nach St. Germain.1088 Mit Linns in die Kirche, schöner Spaziergang vor dem Schloss1089, bei Linns gegessen, rührend, nachher geschlafen auf dem Bett, sehr kalt die Wohnung, um 5 schöner Spaziergang, dann nach Paris ins Theater (Le Baptême1090). Montag, 12. 3. 28 Vormittags im Quartier Latin, bei Jèze1091, nicht getroffen, viele Bücher gekauft, abends nochmals, dann zu Mirkine-Guetzévitch1092 etwas deprimiert, nachher Folies Bergère1093, sehr amüsant. Dienstag, 13. 3. 28 Mittags mit Linn zum Montmartre, Robson begleitete uns, abends mit Linn und seiner Frau1094 im Casino de Paris1095, begleitete sie zum Bahnhof St. Lazare.
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Wohl die Verlagsbuchhandlung Emile-Paul Frères, 100 Rue du Faubourg St. Honoré, deren Adresse sich in Schmitts Verzeichnis findet (s. unten). Am Institut Catholique, 21 Rue d’Assas. Saint-Germain-en-Laye, 19 Kilometer westlich von Paris, Wohnort von Linn. Die große Schlossanlage in Saint-Germain-en-Laye diente bis zum Bau von Versailles als Residenz der französischen Könige. Stück von Alfred Savoir (Pseud. für Alfred Poznanski), spielte im Théâtre de l’Oeuvre, 55 Rue de Clichy. Gaston Jèze (1869–1953), Professor für Öffentliches Recht und Finanzwissenschaftler. Schmitt ließ ihm ein Besprechungsexemplar der „Verfassungslehre“ zukommen (vgl. BW Feuchtwanger, S. 264), die dann auch umgehend in der von Jèze herausgegebenen Zeitschrift „Revue du droit publique et de la science politique en France et à l’étranger“ (vol. 45, 1928, S. 432 ff.) besprochen wurde. Der nicht genannte Verfasser war Boris Mirkine-Guetzévitch (vgl. BW Feuchtwanger, S. 255 f.). Boris Mirkine-Guetzévitch (1892–1955), russisch-französischer Verfassungsrechtler, Professor für Völkerrecht an der Sorbonne. Varieté in der Rue Richer 32. Jeanne Linn. Paul Adams schreibt in einem Brief an Erik Peterson vom 6. 9. 1927 über sie: „Sie ist eine ungewöhnlich kluge Frau, Liebling von Frau Maritain, ein echt jüdisches Temperament mit Pariser Erziehung. Es ist eine erlesene Freude ihr zuzuhören.“ Nichtweiß (1994b), S. 74. Musikhalle in der Rue de Clichy 16.
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Mittwoch, 14. 3. 28 Vormittags Bibliothek, Massignon1096, dann mit Linn zu Michaud, seinen Freund getroffen. Netter Junge, der mich an Wisotzki1097 erinnerte. Schöner Burgunder, Gänseleber. Nachmittags ausgeruht, dann um 7 zu Maritain nach Meudon1098, die Frau gefiel mir nicht,1099 dort zu Abend gegessen, Fische, den Zug verfehlt, traurig nach Hause. Donnerstag, 15. 3. 28 Morgens um 9, beim Ankleiden, plötzlicher Anfall von Nierenkolik, scheußlich, 2 Mal, herumgezappelt, Schweiß am Kopf, den Arzt kommen lassen, Linn kam um 2 in mein Hotelzimmer, sehr nett, auch Frau Linn, dann der Arzt, der colique néphrétique feststellt und 200 Franc verlangte; Gefühl der Verlassenheit, des menschlichen Elends, beschloss, nach Hause zu reisen. Nachmittags aufgestanden, Linn 2 Mal verfehlt, auch in der Agence, an , um 9 vergebens gewartet, dann müde nach Hause und zu Bett. Freitag, 16. 3. 28 Morgens in der Bibliothek viele Briefe und Karten geschrieben, mit Linn im , nach dem Essen Billett gekauft usw. Abends Maritain und seiner Frau am Bahnhof St. Lazare abgeholt, in den Dibbuk1100 gegangen. Samstag, 17. 3. 28 Um ½ 7 auf, Frau Linn kam um ½ 8, wir fuhren zum Bahnhof, Linn kam auch, leider hatte ich keine Blumen, fuhr im Zug ohne besondere Mühe, während der Fahrt bedrückt, aber ziemlich gefasst, ein kleiner Jude von 4 Jahren mit einer lächerlichen Gouvernante verdarb mir die Laune, ich werde dabei ganz lächerlich. Um 6 in Köln, während der Fahrt Thibaudet de prof. gelesen.1101 Die Passkontrollen, Zollkontrollen gingen ziemlich gemütlich. Um 6 1096
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Louis Massigon (1883–1962), Islamwissenschaftler, Professor am Collège de France. (Schmittiana III, 1991, S. 136, Anm. 12). An Feuchtwanger berichtet Schmitt über die Begegnung: „Ich hatte von ihm persönlich einen außerordentlichen Eindruck und habe eine Schwäche für diese Art lebhafter und kluger Franzosen.“ (BW Feuchtwanger, S. 260). In einem Brief an Schmitt vom 24.5.1928 bedankt Massignon sich für die französische Ausgabe der Politischen Romantik. (Schmittiana III, 1991, S. 137). An dem Orientalistenkongress, der im August 1928 in Bonn stattfand, hat Massigon wahrscheinlich teilgenommen und bei Schmitt gewohnt (vgl. BW Feuchtwanger, S. 269). Evtl. eine Plettenberger Jugendbekanntschaft. In ihrem Wohnort Meudon bei Paris gründeten Jacques und Raïssa Maritain den „Cercle d’études thomiste“, der ein bedeutender Treffpunkt katholischer Intellektueller in Frankreich war. Schmitt hatte zu Jacques Maritain in dieser Zeit ein gutes Verhältnis. Das änderte sich mit Schmitts NS-Engagement, als Maritain von ihm abrückte, wofür Schmitt die Ehefrau Maritains, Raïssa (1883–1960), Tochter russisch-jüdischer Emigranten, verantwortlich machte. Zu ihr war Schmitts Verhältnis von Anfang an gespannt; im „Glossarium“ heißt es am 5. 6. 1948: „… der Schwächling Maritain und seine haßerfüllte Raïssa“. Im Studio des Champs-Èlysées wurde 1928 die französische Version des russisch-jüdischen Theaterstücks „Der Dibbuk“ gezeigt. In der ostjüdischen Folklore ist der Dibbuk ein böser Geist, der in den Körper eines Lebenden fährt und zur Besessenheit führt. Albert Thibaudet, La République des professeurs, Paris 1927.
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in Köln, mit der Rheinuferbahn, traf dort einen Studenten, der mir beim Aussteigen half und fühlte mich wieder in der Heimat. Wir lachten, von hier weg und nach Berlin zu gehen. Im Auto nach Hause, Duschka war lieb und gut. Ich war sehr gerührt, glücklich, wieder zu Hause zu sein. Die broschürten Exemplare meiner Verfassungslehre sind da, sehr fröhlich darüber, dann wieder deprimiert. Sonntag, 18. 3. 28 Lange zu Bett, müde, immer noch Drücken in den Nieren. Übles, dummes Gefühl. Wenig getan, der Tag verging, Spaziergang mit Duschka über die Felder, die Hunde waren sehr nett. Abends früh zu Bett. Montag, 19. 3. 28 Wieder lange zu Bett, immer noch das Drücken und Ziehen in den Nieren. Schleppte mich vormittags zur Stadt, dachte an Magda, zum Buchhändler, schöner Brief von Feucht wanger,1102 der mich freute. Nachmittags kamen die gebundenen Exemplare meiner Ver fassungslehre, herrlich. Aber es kommt mir alles unsäglich dumm und oberflächlich vor. Nachmittags wieder zur Stadt, zu den Buchhändlern, müde nach Hause, bald zu Bett. Bedrückt. Dienstag, 20. 3. 28 Morgens Bordelltraum mit Magda; das lag mir den ganzen Tag in den Gliedern. Herrliches Bett, aber Frühling, dumm. Ging mit dem Hund über die Felder spazieren. Nachmittags zur Stadt, zu den Buchhändlern wegen meines Buches, passabel, zum Schneider, traurig, bedrückt, ohne Unternehmungsgeist. Dachte viel an Magda, oft mit unwiderstehlicher Begierde, oft mit Ekel und moralischer Angst. Abends erkältet. Mittwoch, 21. 3. 28 Nachts gut geschlafen, aber zu lange, wieder von Magda geträumt, um 10 Uhr aufgestanden, keine besondere Korrespondenz. Gleichgültig ohne die Stimulantien, die ich sonst hatte: Kaffee, Korrekturen usw. Zur Stadt, einiges besorgt, Bücher zu den Buchhändlern gebracht, Magda angerufen, sie bei Frings getroffen, freute mich ihrer guten Gesundheit, glaubte aber, sie auf einer Lüge zu ertappen (sie hat gesagt, ich sei in Paris, nachher fragte ich sie, ob sie das gesagt habe, sie sagte nein), gab ihr ein schönes Parfum und habe ihr Blumen gekauft. Dann nach Hause, fröhlich, sehr freundlich zu Duschka, nach dem Essen etwas spazieren mit dem Hund, dann im Bett ausgeruht, kalt gewaschen, gute Vorsätze, seit langem wieder. Abends nicht zu Magda, [2 Wörter]. Donnerstag, 22. 3. 28 Um 7 aufgestanden, beherrscht und gefasst. Schöner Spaziergang mit dem Hund Olaf über die Felder. Ein paar Briefe geschrieben. Um ½ 11 zur Stadt, beim Passamt, Universität, Quästur, Schneider. Herrliches Frühlingswetter. Nach dem Essen etwas spazieren, dann ausgeruht, um ½ 5 kam Friesenhahn, der leider nicht nach Davos gekommen war, was mir
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BW Feuchtwanger, S. 257 ff.
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sehr leid tat. Er war nett und vergnügt, begleitete mich nach Dottendorf, dachte in die Stadt zu gehen, dann aber wieder zurück. Herrliches Wetter, mit Duschka spazieren, Abendessen, nicht zu Magda gegangen, früh zu Bett. Augenschmerzen. Wunderschön bei Duschka, die lieb und schön ist. Freitag, 23. 3. 28 Um 5 wach, leider, erst um 9 auf, herrliches Wetter, wundervoller Spaziergang mit dem Hund über die Felder. Ein paar Notizen, behaglich, guter Dinge, beim Augenarzt angemeldet. Mittags um 12 gegessen, zur Stadt, Magda getroffen, mit ihr im Bergischen Hof, wo sie zu Mittag aß, für Sonntag verabredet. Dann zu Neuß, mit ihm Spaziergang über die Godesberger Höhen nach Friesdorf, Duschka lag zu Bett, als wir kamen. Sie hat wieder Blut gespuckt. Erst ruhig, Neuß ging um 4 Uhr, dann plötzlich wieder Anfall der Angst und Bedrücktheit des letzten Jahres, Mitleid und Rührung mit Duschka, aber Gefühl des Unglücks, armes, liebes Kind. Warum lässt man sich aufs Schöne ein? Schlief etwas von 5–6, Oberheid kam nicht, dann umgekleidet, ein paar Klimmzüge, auf Hensel gewartet, der nach 7 kam, freundlich gesprochen, schenkte ihm ein gebundenes Widmungsexemplar meines Buches (mit herzlichem Dank für Hilfe bei der Korrektur und zur Erinnerung an mein letztes Bonner Semester), er aß bei mir zu Abend, wir plauderten über Smend, er ist ganz gescheit, um 10 fuhr er zurück. Immer das Gefühl des Scheusalmäßigen, Bedrückten, ; Gleichgültigkeit, Angst, dann wieder philosophisch ruhig, Gefühl der Übelkeit (dumme Besorgnis, weil ich einem Polizeibeamten, der den Pass für Duschka brachte, 2 Mark gab; das ist Bestechung). Samstag, 24. 3. 28 Morgens nicht ausgeschlafen, etwas Druck im Rücken, sonst sehr wohl, aber gar keine Post. Nach dem Essen ausgeruht, abends zu Magda, Ejakulation, schön, aber etwas deprimiert, ohne Lust. Sonntag, 25. 3. 28 Um 6 auf, um 7 mit Magda zum Ölberg1103 (mit dem Auto hinter der elektrischen Bahn hergefahren, in Königswinter im Düsseldorfer Hof1104 gefrühstückt), das Klettern tat mir sehr gut. Auf dem Ölberg. Mittags todmüde nach Hause, ausgeruht, Jup kam um 5, war lieb und nett, um 7 fuhr er wieder zurück. Wir sprachen von meiner Nierenkolik, er will meinen Urin untersuchen. Ich arbeitete noch etwas, sehr ruhig und gleichmäßig. Müde zu Bett. Duschka liegt noch bis Mittwoch zu Bett. Montag, 26. 3. 28 Allmählich wieder wohl und sicher gefühlt, viele Briefe des Morgens, aber noch keine Empfangsbestätigung für „Verfassungslehre“ und nichts von Georg Eisler. Schrieb ein paar Briefe, fühlte mich wohl nach dem Spaziergang zu Geheimrat , Augustinerstraße.1105 1103 1104
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Der Große Ölberg bei Königswinter ist der höchste Berg des Siebengebirges. Rheinallee 14–15; heute nur noch als Fassade erhalten, hinter der sich moderne Eigentumswohnungen befinden. Eine Augustinerstraße gab es weder in Bonn noch in Godesberg, hier jedoch eine Augustastraße, in der in Nr. 24 der Geheimrat Prof. Dr. Claissen wohnte.
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Nach dem Essen geschlafen. Nachmittags zu Schmitz nach Honnef, gerührt von dem schönen Familienleben, den schönen Töchtern der Frau Schmitz. Um 10 nach Hause zurück über Bonn. Herrliches Land. Dienstag, 27. 3. 28 Vormittags sehr wohl, mittags Institut, nachmittags Friesenhahn, sehr nett und rührend, mit ihm und dem Hund nach Dottendorf, müde zurück, abends etwas gearbeitet. Mittwoch, 28. 3. 28 Erste Grundbesichtigung von Kiener, sehr nett, freute mich, dass die Sache in Gang gekommen ist.1106 Um ½ 11 Buddeberg1107, der mir sein Referat über politische Theologie vorlas, interessant, aber langweilig. Blieb mittags zu Hause, ruhte nach dem Essen aus, um 5 zur Stadt, Anprobe, dann nach Köln (las unterwegs Spranger, Verfassungslehre). Bei Jup, rührend diese p Gegend,1108 er untersuchte meinen Urin. Um 9 nach Köln, um 10 in Bonn, zu Magda, die schon zu Bett war; sehr schön, befreiender Koitus. Um ½ 11 glücklich und zufrieden nach Hause. Donnerstag, 29. 3. 28 Gut augeruht, um ¼ nach 8 aufgestanden, um ½ 11 zur Stadt, zur Bank, Geld geholt, beim Schneider usw. Leider bekam ich keinen Schlafwagen, traf mittags im Bergischen Hof Magda, gab ihr fünfzig Mark und eine Dose Pralinen für Ostern, hatte sie lieb und [war] vertraulich zu ihr, bestellte ihr usw. Dann nach Hause, Freiherr v. Gagern aß bei uns zu Mittag, nachher gingen wir über die Godesberger Höhen hinter Annaberg spazieren und sprachen über seine Habilitation. Dann von Wahn mit der elektrischen Bahn zurück. Zu Hause müde, kam, um Duschka zu sehen, der Student Sorges erzählte von dem Pfarrer Bartholomé1109 in Steffeln (Eifel). Trank Malzkaffee, fröhlich, behaglich zu Hause. Herumgelesen, wunderbare Zufriedenheit und Ruhe. André hat heute Nachmittag geschrieben. Freitag, 30. 3. 28 Morgens über den Vortrag nachgedacht, nachmittags um 5 mit der Bahn nach Siegburg, dort Vortrag über Stellung Deutschlands gegen den Völkerbund und den vor den Industriellen des Siegkreises. Sehr großer Erfolg, die Fabrikanten sehr sympathisch, nachher Essen, war sympathisch und nett; man sang Deutschland über alles, ich war sehr gerührt. Um ½ 10 weg, musste eine Stunde auf die elektrische Bahn warten, dachte an Magda, ging aber nicht mehr hin. Müde nach Hause, wo alles schön eingepackt war. 1106
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Bezieht sich vielleicht auf die Weitervermietung des Friesdorfer Hauses, dessen Mietvertrag Schmitt vorzeitig kündigen wollte. Karl Theodor Buddeberg (1905–?), wurde 1932 mit der Dissertation „Gott und Souverän. Über die Führung des Staates im Zusammenhang rechtlichen und religiösen Denkens“ an der Universität Marburg promoviert; ein Auszug erschien in: Archiv des öffentliches Rechts N.F. 28, 1937, H. 3, S. 257–325. Schmitts Bruder Jup praktizierte als Arzt in dem proletarischen Stadtteil Kalk, auf dem rechten Rheinufer. Friedrich Wilhelm Bartholomé (?-1940), von 1910 bis 1940 Pfarrer in Steffeln.
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Tagebuch 1928
Samstag, 31. 3. 28 Mittags abgereist (Wut über den verlorenen Kofferschlüssel), im Zug Sängerin, die von der Schule in schwärmte; abends in Basel; schönes Hotel. Sonntag, 1. 4. [28] Morgens in Basel, im Münster; das Grab des Erasmus; nicht gefunden.1110 Mittags nach Zürich, bequeme Reise, Gespräch mit einer russisch sprechenden Holländerin. In Davos war Werner Becker,1111 abends Bankett mit dummen Reden; alles sehr nett.1112 Saß neben Radbruch1113 mit Becker, nett gegen mich. Montag, 2. 4. [28] Hörte Vorträge; mit Nierenschmerzen; abends früh zu Bett, gut ausgeschlafen. Dienstag, 3. 4. [28] Hielt meinen Vortrag,1114 guter Erfolg, nachmittags Kaffee, abends …[kein Eintrag]. Mittwoch, 4. 4. [28] Vortrag von 10–12, sehr gut.1115 Aber unsicher geworden die Tänzerin, wütend, , blond, weißes Fleisch [eingeschobener Text nicht lesbar]1116.
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Möglicherweise ist die Grabplatte des Baseler Bürgermeisters Konrad Schaler (gest. 1316) gemeint, die sich im Seitenschiff des Baseler Münsters befindet. Vgl. Beckers Bericht über die Tagung: Werner Becker, Hochschulkurse in Davos. Ein Beitrag zur heutigen Situation der deutschen Wissenschaft, in: Schritt der Zeit. Sonntagsbeilage der Kölnischen Volkszeitung Nr. 335 vom 6. 5. 1928. Tagungsort war das Grand Hotel Curhaus, wo die Teilnehmer auch wohnten. Gustav Radbruch (1878–1949), Rechtsphilosoph, SPD-Politiker, MdR, von 1921 bis 1923 Reichsjustizminister, seit 1926 Professor in Heidelberg, 1933 entlassen, 1945 erneut Professor in Heidelberg; NDB 21, S. 83–86. Der Vortrag von 11.45–12.30 Uhr hatte den Titel „Moderne Verfassungslehre“; Vortragsdisposition im Nachlass (RW 0265 Nr. 20109), s. Schmittiana NF III, 2016, S. 86 f., 99 f. In der „Davoser Revue“. Heft 7 vom 15. 4. 1928, S. 28 f. findet sich eine knappe Zusammenfassung: „Schmitt […] ging davon aus, daß die heutigen (modernen) Verfassungen nicht mehr in Einklang stünden mit den alten, aber mustergültigen Verfassungen von 1776 (U.S.A.), 1789 (Frankreich) und in starkem Maße abgebeugt wurden. Der Versuch, die Gesetzgebung auf ihre Verfassungsmäßigkeit durch die Rechtsprechung nachprüfen zu lassen, lehnte Schmitt ab und forderte als bestes Mittel gesunder Reform die Schaffung der echten Repräsentation des Staats-Volkes.“ Vgl. auch die ambivalente Schilderung eines Zuhörers: Elias Hurwicz, Erinnerungen eines Abseitigen, in: Hochland 45, 1952 / 53, S. 552 f. Schmitts zweiter Vortrag unter gleichem Titel. In Schmitts Namenregister (RW 0265 Nr. 20952) ist für diesen Tag „Rappard“ indiziert. William Rappard (1883–1958), Wirtschaftshistoriker und Diplomat.
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Donnerstag, 5. 4. [28] Nett mit Lewald1117 gesprochen. Nachmittags sehr nett mit Brinkmann und Salomon1118, sehnsüchtig gierig, zerrissen vor Gier. Wut über Radbruch, der mir [Rest fehlt]. Karfreitag, 6. 4. [28] Langweilig,1119 nachmittags mit Frau Br spazieren, fade, abends früh zu Bett, Sehnsucht nach Magda, Frau , (ich hätte ). Karsamstag, 7. 4. [28] Den ganzen Morgen Vorträge (Salomon1120, Radbruch1121, Lewald1122), Plan für Reise mit Magda, Gier, Sehnsucht. Nachmittags bei Brinkmann-Vortrag,1123 nach dem Abendessen früh zu Bett. Ostersonntag, 8. 4. [28] Gut ausgeschlafen, Spaziergang mit Werner Becker und Albers1124 auf Schatzalp. Nach dem Essen ausgeschlafen, nachmittags Kaffee, schönes langes Gespräch mit Oppenheimer1125, über seine , [das] mich sehr freute. Abends mit Lewald, nachher mit Brinkmann, der mir zuredet, dass ich mich nicht mit jedem gemein machen dürfe. Sehr gerührt und . Um 10 zu Bett. Ostermontag, 9. 4. [28] Nachts Traum, gesprochen mit Tänzerin über Koitus (man spürt etwas, wenn man es ). Herrliches [mehrere Wörter], aber immer Druck im Kopf. Abends früh zu Bett
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Hans Lewald (1883–1963), Professor für Römisches Recht in Frankfurt, 1932 bis 1935 in Berlin, dann in Basel; NDB 14, S. 411 f. Gottfried Salomon (ab 1933: Salomon-Delatour) (1892–1964), seit 1925 a. o. Professor für Soziologie in Frankfurt, von 1926 bis 1932 Präsident der Davoser Hochschulkurse, 1933 Emigration nach Frankreich, 1941 nach USA, wo er Professuren an verschiedenen Universitäten bekleidete (NDB 22, S. 393 f.). Schmitt kannte Salomon aus seiner Münchener Zeit, s. Schmittiana NF III, 2016, S. 86–102; TB V, S. 98 u. passim. Am Karfreitag fanden keine Vorträge statt. Gottfried Salomon hielt von 9.15–10.30 Uhr einen Vortrag zum Thema „Politische Soziologie “. Gustav Radbruch hielt von 10.45–11.30 Uhr einen Vortrag „System der Rechtsphilosophie “. Hans Lewald hielt von 11.45–12.30 einen Vortrag „Internationales Privatrecht“. Carl Brinkmann sprach von 17.15–18.00 Uhr zum Thema „Kapitalismus“. Nicht ermittelt. Franz Oppenheimer (1864–1943), Arzt, Soziologe, Nationalökonom, von 1919 bis zu seiner Emeritierung 1929 Professor für Soziologie und Theoretische Nationalökonomie in Frankfurt, emigrierte unter schwierigen Umständen 1938 über Japan und China nach Los Angeles (Hagemann, S. 514–517; NDB 19, S. 572 f.). Oppenheimer, der ein Außenseiter seines Faches war, hielt in Davos zwei Vorträge, die unter dem Titel „Theoretische Ökonomie“ angekündigt waren. Im Gegensatz zu diesem freundlichen Tagebucheintrag äußert Schmitt sich im „Begriff des Politischen“ (S. 75 f.) sehr kritisch zu Oppenheimer.
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Tagebuch 1928
und gut geschlafen. Kein Spaziergang. Nett mit Radbruch im Café. Abends Ball, langweilig, nicht getanzt. Osterdienstag, 10. 4. [28] Ausgeschlafen, Wohlgefühl, morgens 9 Uhr Salomon1126, schlecht, mit interessanten Einzelheiten, freute mich aber über den Eindruck, den ich machte.1127 Nachher spazieren gelaufen, Haare schneiden, Krawatte gekauft; Curie1128 bat mich um eine Unterschrift, nett mit ihr gesprochen, nach dem Essen ausgeruht, behaglich Kaffee getrunken, etwas notiert, [2 Wörter], abends nach dem Essen Diskussion,1129 neben Georgette1130, dumm gesprochen, Salomon stellte schlechte Thesen auf, ich war gar nicht auf der Höhe und enttäuschte sehr. Nachher mit Lewald und Georgette Champagner getrunken, allmählich vertrauter, erzählte ihr Geschichten, begleitete sie um 2 nach Hause, geküsst und . Lieber Junge, sagte sie, eine Stunde, zufrieden nach Hause, um 3 Uhr. Mittwoch, 11. 4. [28] Morgens gebadet, etwas getrödelt, gut ausgeruht, anscheinend ist der Exzess ohne Folgen geblieben. Hörte Brinkmann.1131 Wunderschön über die Zukunft des Kapitalismus, dachte an Georgette und war besorgt, dass sie vielleicht beleidigt ist. Hörte einen langweiligen Vortrag von Mauss1132 und fragte mich, was diese Juden eigentlich wollen.
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Gottfried Salomon sprach von 9.15–10.30 Uhr zum Thema „Theorie der Macht und die Demokratie“. Schmitt beteiligte sich offenbar – bei dem Thema naheliegend – an der Diskussion. Möglicherweise eine Studentin. Die Abende dieser Woche waren der Besprechung der Dozenten mit den Studenten im Rathaussaal vorbehalten. Georgette Boner (1903–1998), Schauspielerin und Malerin, wurde 1928 in Zürich mit einer Dissertation über die Frauengestalten Arthur Schnitzlers promoviert; Eberhard Fischer / Eva-Maria Preiswerk (Hrsg.), Georgette Boner. Bilder, Texte, Theater / Museum Rietberg Zürich, Zürich 1996. Am 13.4. notiert Schmitt im PTB II: „glücklich der hysterischen Georgette entronnen“ (S. 430). Carl Brinkmann sprach von 10.45–11.30 Uhr zum Thema „Die Zukunft des Kapitalismus“. Dazu machte Schmitt stenographische Notizen, die als separates Blatt dem Tagebuch beiliegen: „Brinkmann: Ist der Unternehmer ein Führer? Ein rationaler Führer zu sein in einer ganz materiellen Welt, das ist unmöglich. Der Kapitalist, eine riesenhafte Figur; die 2.-Klasse-Gesellschaft; das Führerproblem ist rational [1 Zeile nicht lesbar] ein solches Führerproblem. Der Führer kann nichts bieten als an einen materiellen Mechanismus; die Tendenz zu , in das Endlose, nicht vorausschauend. In der Unrealität dieser Figur des Kapitalismus liegt der vielleicht vor einem Absturz, von Macht (bald hinunter, bald hinauf).“ Marcel Mauss (1872–1950), französischer Soziologe und Ethnologe, Professor für Soziologie am Collège de France in Paris, sprach von 11.45–12.30 Uhr zum Thema „Résultats des méthodes d’éthnographie“.
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[Bis zum 16. 10. 1928 keine weiteren Einträge überliefert.] Dienstag, 16. 10. 28 Wieder schlecht geschlafen, aber bis 10 im Bett. Dann kam die Spedition Norrenberg1133 und besah die Möbel und die Wohnung. Zur Bank, dem Vermittler Stückrath 126 Mark gegeben.1134 Im Buchladen. Brief von Duschka,1135 nach Hause zurück. Mit Sopp gegessen, geärgert über die Unverschämtheit, mit der er mich nicht spazieren fährt. Schmerzen im Rücken, vielleicht wieder die Nieren. Innerlich verzweifelt, verdummt. Nachmittags kein Kaffee. Abends bei Magda, sie war unwohl, Ejakulation, ohne Zufriedenheit. Sie tat mir leid. Müde und gleichgültig schnell zu Bett. Mittwoch, 17. 10. 28 Lange geschlafen, schöner Brief von Duschka. In der Stadt, Abschiedsbesuche. Nach dem Essen wieder ausgeruht, abends schnell zu Magda, Ejakulation, dann auf Werner Becker gewartet, holte ihn mit Sopp im Auto vom Café Fürstenhof1136 mit Dempf. Eine Stunde nett unterhalten, Dempf war fürchterlich. Wir brachten dann Beide zum Bahnhof und fuhren müde zurück. Donnerstag, 18. 10. 28 Letzter normaler Tag in der Friesdorfer Wohnung. Sehnsucht und Liebe zu Duschka. Morgens in die Stadt, zur Bibliothek, mittags mit Sopp gegessen, dann zu Bett, um 3 kam Peterson, sprach sehr nett über Parrhesie,1137 ich wurde munter, wir tranken zusammen Kaffee. Dann fuhren wir nach Godesberg, am Zehnhoff war aber schon abgereist, dann, gegen 1133
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Bonner Spedition C. Norrenberg, deren spezifizierte Rechnung des Umzugs sich in der Personalakte Schmitts befindet; Universitätsarchiv HUB UA, UK Personalia, PA Carl Schmitt Nr. 159a, Bd. III, Bl. 76–77. Karl Stückrath, Hypotheken- und Immobilien-Händler in Bonn, Herwarthstr. 1, vermittelte zwischen Schmitt und seinem Vermieter Theodor Mendel wegen der vorzeitigen Auflösung des Mietvertrags für das Haus in Friesdorf; vgl. Brief Schmitts an Stückrath, Universitätsarchiv der HUB UA, UK Personalia, PA Carl Schmitt Nr. 159a, Bd. III, Bl. 70. Duschka befand sich seit Mitte September im deutschen Kaiser-Friedrich-Krankenhaus und Erholungsheim in San Remo, Via Goethe 75, wo sie wegen ihrer Tuberkulose behandelt wurde. Das kleine, 1888 gegründetet Krankenhaus diente der Pflege ausländischer Kurgäste und konnte 30 Personen in Ein- und Zweibettzimmern aufnehmen. Träger war ein privater Wohltätigkeitsverein, der sich aus Mitgliedern der evangelischen Gemeinde in San Remo zusammensetzte und dessen Vorsitz satzungsgemäß beim deutschen Botschafter in Rom lag. Die Pflege leisteten Diakonissinnen aus Kaiserswerth. Heute heißt das Gebäude „Villa Speranza“ und beherbergt ein Seniorenheim. P. Schober, Das Kaiser-Friedrich-Krankenhaus in San Remo, in: Deutsche medizinische Wochenschrift, 1935, S. 970–971 (Abb.) (hier ist allerdings gesagt, dass das Krankenhaus keine Tuberkulosepatienten aufnahm!); Jahresberichte des Kaiser-Friedrich-Krankenhauses im Archiv der Fliedner-Kulturstiftung, Kaiserswerth; Akten zur auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland. Teil: 1953, Bd. 1., 1. Januar bis 30. Juni 1953, Berlin / München / Boston 2001, S. 52. Im Unterschied zu dem oben öfter erwähnten Kölner Café handelt es sich diesmal um das Bonner Café Fürstenhof, Poststr. 12. Werner Becker studierte zu dieser Zeit Theologie in Tübingen. Vgl. Erik Peterson, Zur Bedeutungsgeschichte von παρρησία, in: W. Koepp (Hrsg.), ReinholdSeeberg-Festschrift, Bd. 1. Zur Theorie des Christentums, Leipzig 1929, S. 283–297.
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Abend, schnell nach Remagen, besahen den Bogen, Sopp sagte, die schönen Deutungen des Engländers (, , Christen). Schnell nach Hause, Kallen1138 kam um 7, freundlich und behäbig, wir aßen, Neuß kam auch, tranken Moselwein, dann Sekt. Peterson hielt eine Rede, freundlich und gut gemeint, ich sprach nicht. War etwas bedrückt. Wir sangen noch Lieder (Siegreich wollen wir Frankreich schlagen), aber es war keine rechte Stimmung. Dann brachte Sopp alle nach Hause. Ich wartete noch auf ihn. Wir sprachen noch eine halbe Stunde über Duschka. Freute mich seiner Bewunderung. Müde zu Bett. Freitag, 19. 10. 28 Um 8 kamen schon die Packer und machten Lärm, um 9 Frau Braschoß. Ich frühstückte um 9 mit Sopp. Dann zur Stadt, traf Peterson bei Kieffer und ging mit ihm zu Frings, wir plauderten, aber nicht mehr so lebhaft wie gestern. Dann zum Bergischen Hof, wo ich Magda traf, die sehr traurig war, weil nichts aus unserer Reise wird. Ich war auch bedrückt. Fuhr nach Hause, aß zum letzten Mal dort Mittag. Alles ist schon eingepackt. Ruhte aus. Abends traf ich Schmitz in Bonn, wir fuhren nach Honnef, aßen dort zu Abend mit Frau Schmitz und ihren Eltern; um 9 wieder zurück, über die Mehlemer Fähre; der Wind wehte heftig. Gleichgültig, aber doch Gefühl des Abschieds. Zum letzten Mal in Friesdorf ins Bett. Samstag, 20. 10. 28 Zum letzten Mal gefrühstückt, es ist schon viel eingepackt. Machte Abschiedsbesuch beim Pfarrer Dünner1139 (widerlicher, trotteliger Pfaffe). Seine Schwester nett (dem Haushalt fehlt die Seele, wenn die Frau weg ist), dann bei Frau Oertgen und bei Müllers1140 gegenüber. Traurig, dabei gefasst, weil ich im Grunde mit allem einverstanden bin. Später in die Stadt, zu Magda; sie weinte; ich gab ihr 110 Mark, das tröstete sie; denn es kommt ihr aufs Geld an. Oft fühle ich ihre proletarische Kraft und Gewinnsucht. Dann traf ich Peterson, wir aßen bei Kieffer, gingen zu Rittershaus, dort mit Sopp und Fräulein Hüttmann. Über den Begriff des Tragischen disputiert, sehr eifrig, dann zur Bahn, mit Kaiser zu unterhalten. [Im Folgenden Lücken durch Papierausrisse] Er möchte den Ruf … hat sich auch [mit] Beckerath getroffen. Freundlich verabschiedet. Bei Dotterweich Haare … nach Hause … dann im Auto zur Bahn. Hoffte heimlich, Peterson sei an der Bahn, das war aber lächerlich. Traf in Köln Jup, wir aßen bei … wieder Sekt (Müller), um 9 in seiner Wohnung, bald zu Bett. Merkwürdig diese Einsamkeit von Jup. Ich hielte es ohne Frau nicht aus. Sonntag, 21. 10. 28 Ziemlich gut ausgeschlafen in dieser Proletariergegend.1141 Um 9 auf, nett mit Jup gefrühstückt und unterhalten. Dann zur Bahn, nach München-Gladbach gefahren, im Zug Zeitun-
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Gerhard Kallen, Historiker und Jurist, 1925 Prof. für mittlere und neuere Geschichte in Münster, seit 1927 in Köln, sein Forschungsschwerpunkt war Nikolaus von Kues; DBE 5, S. 465; vgl. TB III, S. 370. Wilhelm Dünner, Godesberg, Annabergerstr. 201. Monteur Müller, Godesberg, Bonnerstr. 348. Der rechtsrheinische Stadtteil Kalk.
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gen gelesen, den Peterson-Aufsatz1142, von Blei über die Fleischessünde1143. Bei Lamberts, wo es nett war; dachte mit großer Dankbarkeit an die Güte dieses Mannes, der mir geholfen hat.1144 Auch Frau Lamberts war nett. Karl lag krank zu Bett. Aß zu Mittag, unterhielt mich gut, ruhte nach dem Essen aus, trank noch Kaffee, dann nach Düsseldorf zu am Zehnhoff. Traf dort den Ministerialrat Hiecke1145, ferner Kisky, Fräulein Rost1146 aus Freiburg. Sprach zu viel. Blieb über Nacht da. Montag, 22. 10. 28 Gut ausgeschlafen, wieder geil und gierig, gefrühstückt. Mit Fräulein Schneider durch die Stadt, kaufte ihr Schokolade, ein Buch (Männer von Ballantrae1147) Blumen. Am Zehnhoff war sehr nett. Ich solle bei in München nach fragen. Er spricht freundlich wie immer (dass mich niemand von Bonn weggebissen hat). Fuhr Mittag ab, von Kaiser und Fräulein Schneider an die Bahn begleitet; im Zug eine Musikstudentin, hurenhaft; sie war während des Krieges in München und sprach gleich von „Schicksal“. Einen Augenblick Versuchung, mit ihr auszusteigen. Es ging aber gut. Dann in Hagen meine Koffer zum Plettenberg-Zug geschafft, um 5 in Plettenberg. Der Vater war an der Bahn. Man erzählte von der Jubiläumsfeier bei Ostermann1148. Ich hatte ihn sehr lieb. Ännchen gibt fleißig Stunden. Abends um 9 ins Bett. Beherrscht und voller guter Vorsätze. Dienstag, 23. 10. 28 Lange geschlafen, nach dem Frühstück herumgelesen, nach dem Essen herrlicher Spaziergang über Plettenberg, über die Höhe des Saley, bis ½ 5. Sehr froh, furchtbar geschwitzt. Dann herumgesessen, ein paar Briefe geschrieben. Um 9 schon zu Bett. Schöner Brief von Kiener,1149 der mich sehr rührte.
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Wahrscheinlich: Erik Peterson, Die Kirche, München 1929 [recte: 1928] (wieder abgedruckt in: Peterson, AS 1). Wenige Tage später, am 2. 11. 1928, schreibt Peterson an Schmitt: „Meine Schrift über die Kirche findet natürlich keine Replik. Ich mache etwas Sinnloses. Ich erwarte eine Diskussion, die nicht geführt wird.“ Er bittet Schmitt, bei Franz Blei nachzufragen, ob der etwas für ihn tun könne, was Blei dann auch umgehend und mit Vehemenz in der Literarischen Welt vom 14. 12. 1928 tat: Peterson sei, so heißt es hier, „ein bedeutender Theologe, der einzige von hohem Rang, den der Protestantismus heute besitzt. Daß die heutige Kirche ihn totschweigt, ehrt ihn.“ Zit nach: Nichtweiß (1992), S. 639. Franz Blei, Die Sünde des Fleisches, in: ders., Formen der Liebe, Berlin 1930 (Neuausg. Marbach / Neckar 1956, S. 125–128). Schmitt las vermutlich das Manuskript. s. oben, Anm. 288. Robert Hiecke (1876–1952), Architekt, seit 1918 im Preußischen Kultusministerium Leiter der staatlichen Denkmalpflege Preußens; NDB 9, S. 106 f. Nicht ermittelt. Robert Louis Stevenson, Der Junker von Ballantrae. Das Buch hat Schmitt sehr geschätzt; vgl. z. B. seinen Briefwechsel mit Ernst Jünger. Hugo Ostermann (?–1943), Besitzer des gleichnamigen Hotels in Plettenberg; Hassel. RW 0265 Nr. 7560.
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Mittwoch, 24. 10. 28 Wieder bis ½ 11 geschlafen, fühlte mich aber gesund, immer gute Vorsätze. Plan für Berlin, dabei oft Angst vor Kaufmann. Käme ich doch nur einmal aus diesem Gefühlschaos heraus. Morgens viele Briefe, auch von Duschka. Ging nach dem Essen nach Plettenberg, kletterte dann den Kirchlöh hinauf;1150 plötzlich eine Ader geplatzt. Humpelte zum nächsten Arzt, Dr. Röll1151, wartete etwas, komische Wirtschaft, dann ging ich wieder. Mit einem alten Wagen nach Öhringhausen,1152 dort Tagebuch geführt, Brief an Blei,1153 Duschka geschrieben, auf den Arzt gewartet, Kaffee getrunken, aber gemütlich, weil ich keine Bewegung habe. Der Arzt erklärte die Sache für ganz ungefährlich und harmlos, nicht einmal sei nötig. Das beruhigte mich sehr. Abends noch etwas geschrieben, mit Ännchen gespielt, geplaudert. Um ½ 10 zu Bett. Konnte nachts nicht einschlafen. Donnerstag, 25. 10. 28 Nachts Ejakulation. Konnte nicht schlafen. Morgens bis ½ 12 im Bett. Dummes Gefühl wegen des Beines. Es regnete die ganze Nacht. Es scheint etwas besser zu gehen. Viele Post, von Duschka, ein paar Studenten usw. Eltzbacher1154 ist gestorben. Schrieb an die Dresdner Bank, die Kasse der Handelshochschule, Duschka, Eisler. Große Lust, spazieren zu gehen. Pluralistisch. Schickte das Manuskript an de Gruyter zurück.1155 Aufgeregt, weil das arme Ännchen so furchtbar arbeiten und putzen muss und die Mutter so geizig ist. Abends mit Ännchen zur Sonne1156 spazieren gegangen, dann kam Üssi von Fley1157. Ich war gerührt, sie sieht gut aus. Wir machten einen Spaziergang zum 1158, sie erzählte von sich, bescheiden und gutmütig. Gedrückt und beherrscht von dem Gefühl, im Leben nicht fertig zu werden. Um 10 zu Bett.
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Die Straße Am Kirchlöh in Plettenberg liegt am Fuße des Saley und steigt an. Dr. med. Röll war Arzt am Evangelischen Krankenhaus, seine Frau praktizierte als Ärztin am Maiplatz. Kleine Gemeinde in der Nähe von Drolshagen. Der Brief wurde 2008 bei Stargardt verauktioniert. In ihm kritisiert Schmitt einen (nicht genannten) Text von Blei, der sich gern hinter der Kunstfigur „Prinz Hypolit“ verbarg: „Ich finde, daß die Schilderung der … Druckseite durch ‚Hippolyt‘ [sic!] gestört und sofort lebendig und natürlich wird, wenn Sie statt dessen ‚ich‘ sagen … Hippolyt assoziiere ich an ‚Prinz Hippolyt‘; ein Prinz aber … riecht nach Thron und Altar, nach Hofdamen und anderen Ranzigkeiten, Modergeruch der Legitimität, ausgestopfter Löwen etc. Auch Märchen- und Romanfiguren haben ihre Zeit …“ Stargardt-Auktionskatalog 688 vom 1. / 2. April 2008, Nr. 506, S. 212. Paul Eltzbacher (1868–1928), seit 1906 Professor der Rechte an der Handelshochschule Berlin, hatte vehement versucht, die Berufung Carl Schmitts zu verhindern; FS HHB, S. 204 f.; DBE 3, S. 48; vgl. Tilitzki (1994), S. 160 f., 179 f.: das ablehnende Gutachten Eltzbachers. Evtl. ein Manuskript, das Schmitt zur Begutachtung vom Verlag erhielt. Haus Zur Sonne, großes Jugendstilhaus in Plettenberg, Wilhelmstr. 25, das eine Gaststätte beherbergte. s. oben, 5.3.28. Ein Ortsteil von Plettenberg-Eiringhausen, wo der Bruder von Schmitts Vater ein Haus gebaut hat (frdl. Auskunft von Ernst Hüsmert).
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Freitag, 26. 10. 281159 Bis 11 im Bett. Fürchterlicher Gestank im Haus. Es regnete. Schrieb ein paar Briefe (Kondolenz für Eltzbacher, an , nach dem Essen mit dem Vater einen Spaziergang über Böddinghausen [3 Wörter]. Traurig, bedrückt, so ein armer, alter Mann, in seiner Gutmütigkeit, Hilflosigkeit und Unterschichtenhaftigkeit. Bedrückt zu Hause Kaffee. Schlechtes Wetter. Vorsatz für , bescheiden. Dachte an Duschka, aber sie beutet mich schließlich nur aus. Wie soll ich aus dem Chaos von Kollerhaftigkeit herauskommen? Abends wenig gegessen, kein Bier, früh zu Bett. Konnte nicht einschlafen, bis nach 2 Uhr gelegen, gebetet um Befreiung von meiner Schlechtigkeit; Vorsatz, Krampf. Samstag, 27. 10. 28 Bis 11 im Bett, zuletzt doch noch geschlafen, schnell gefrühstückt, nach dem Essen mit Ännchen nach Plettenberg. Mit Ida Siepmann1160 in der Konditorei, nett unterhalten, gerührt von der Mütterlichkeit und Güte dieser Frau. Dann über den Saley zurück. Nach dem Kaffee wieder zum letzten Mal allein an den Saley, unter die Tannen, ruhiger Abend, geschlossen und beherrscht, große Liebe zu Duschka. Alle edlen und ruhigen Empfindungen wurden stark in mir. Also morgen nach Berlin. Dachte oft mit Ekel an Kaufmann. Nachmittags gerührt von den anständigen Kindern der Minna1161, besonders Marie und Alfons. Sonntag, 28. 10. 28 Erst gegen Morgen eingeschlafen, um 7 auf, Abschied genommen, der Vater, Ännchen, Alfons und [Marie] brachten mich zur Bahn. Fuhr 2. Klasse. Schön nachgedacht und notiert, in Hagen gleich Anschluss, mit einem scheußlich selbstgefälligen Schweden und seiner scheußlichen Verwandten im Coupé. Unterwegs eine Stunde gelegen, beherrscht, gesammelt, mit guten Vorsätzen. In Berlin im Hotel Hessler1162, schlecht und teuer, einen Augenblick über die Straße, beherrscht, es ging gut. Im Restaurant Scala1163 zu Abend, traurig und deprimiert, verzweifelt; Angst, vernichtet. Um 11 zu Bett. Montag, 29. 10. 28 Um ½ 8 auf, nicht ausgeschlafen, dann holte ich Hanna und Elli auf der Bahn ab,1164 zum Glück trafen sie mich zufällig. Wir fuhren zur Klopstockstraße, die Packer waren schon da, aber nicht Frau Berend1165. Rannte mit Elli, um zu frühstücken, telefonierte Frau Berend. Sie
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Auf dem Kopf dieses Blattes der Handschrift notiert: „22. / 10. / 28–28. / 10. / 28 in Plettenberg Berlin“. Ida Siepmann war 1925 Schützenkönigin in Plettenberg-Eiringhausen; Hassel. Wilhelmine („Mina“) Schmitt geb. Luke, Ehefrau von Carl Schmitts Stiefbruder Ernst Schmitt (1880–1919); vgl. TB III, S. 189; Jugendbriefe, Register. Kantstr. 165–166. Auch als Café mit ungarischem Publikum bekannt; Moreck, S. 44., Szatmari, S. 27 und 59. Restaurant des Theaters Scala, Lutherstr. 22–24. Es handelt sich um die beiden Dienstmädchen Schmitts. Hier wohl Charlotte Berend-Corinth (1880–1967), Malerin, Ehefrau des Malers Lovis Corinth und Schwester der mit Schmitt bekannten Alice Berend, Wohnungsvermieterin Schmitts ( s. oben,
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war schon da, als wir zurückkamen. Rührend und nett. Das tat mir gut in den scheußlichen Depressionen. Mittags gingen wir zusammen in das Hotel mit Hanna essen, dann legte ich mich bei ihr aufs Sofa und ruhte aus, schlief eine Stunde, war frisch; Senatssitzung in der Handelshochschule wegen des Eltzbacher, war froh, dass ich mich nicht anstrengen brauchte. Abends nach Hause, ein Stück Brot und Himbeersaft, dann wieder in mein Bett, sehr glücklich darüber, schön geschlafen. Dienstag, 30. 10. 28 Den ganzen Tag die Packer im Hause, sehr ungemütlich, ich war aber froh, wenigstens in meinem Bett zu schlafen. Habe gut ausgeruht. Die gute Frau Berend half, wir gingen mittags zusammen etwas spazieren, aß mit ihr zu …[ab hier wieder Lücken durch Papierausrisse], weg. Dann … Packer … verabredete mich für den Abend mit Blei, fuhr um 7 zum Bahnhof Zoo, traf dann Margarethe1166, aß mit ihr in der … zu Abend … dann zu Blei, nett unterhalten, aber noch zu aufgeregt von dieser Geschichte. Gut unterhalten, über die Pfaffen geschimpft, um ½ 11 nach [Hause] behaglich und mit dem Gefühl der Befreiung eingeschlafen … verabredet, mit Smend wegen des „Rheinischen Beobachters“.1167 Mittwoch, 31. 10. 28 Gegen 9 Uhr auf, behaglich ausgeschlafen, ausgeruht, leider ist der Ofen noch nicht fertig, so dass ich keinen Kaffee trinken konnte. Fuhr zum Bahnhof Friedrichstraße (sah dort Margarethe, sprach aber nicht mit ihr, seltsame Sache) frühstückte bei Kranzler1168, dann zum Leipziger Platz, wo ich traf, nett unterhalten, will mit 1169 zusammen meinen Aufsatz veröffentlichen. Dann zur Handelshochschule, mein Gehalt geholt. Nach Hause, zum ersten Mal zu Hause zu Mittag. Sehr froh darüber, denn ich war deprimiert bei dem Gedanken, im Restaurant zu essen. Nach dem Essen eine Stunde ausgeruht, im Bett. Behaglich. Dann Briefe geschrieben am Schreibtisch, um ½ 5 zu Fuß durch den Tiergarten zum Wien1170, traf dort Sternthal1171, unterhielt mich nett mit ihm (Naturzustand zwischen den
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3.4.27). In ihrem Haus in der Klopstockstr. 48 unterhielt Charlotte Berend-Corinth seit 1927 eine Malerschule. DLL-20. Jh. 2, Sp. 335 f. Nicht ermittelt, vermutlich Prostituierte. Schmitt hatte am 5. Oktober auf dem Deutschen Geschichtslehrertag in Heppenheim einen Vortrag mit dem Thema „Völkerrechtliche Probleme im Rheingebiet“ gehalten, der in der Halbmonatszeitschrift „Rheinischer Beobachter“ (7, 1928, S. 340–344) veröffentlicht wurde; komment. Wiederabdruck in: FoP, S. 255–273. Café Kranzler, Unter den Linden 25 (im Krieg zerstört). Ludwig Kaas (1881–1952), kath. Theologe und Jurist, Vorsitzender des Zentrums (NDB 10, S. 713 f.); er bezieht sich 1929 zustimmend auf Schmitts Vortrag; vgl. FoP, S. 269, Anm. 12. Café Wien, Kurfürstendamm 19, war eines der mondänsten Cafés in Berlin. „Mit zwei Stockwerken vertritt das große Café Wien die weltberühmte Kaffeeküchen-Kultur der Donaumetropole …“, Moreck, S. 44. Friedrich Sternthal (1889–1964), Nationalökonom und Journalist, hatte 1924 Schmitts „Römischer Katholizismus“ rezensiert, wie Schmitt fand, „sehr vornehm“, emigrierte 1939 in die USA; Brunsvicensia Judaica. Gedenkbuch für die jüdischen Mitbürger der Stadt Braunschweig 1933– 1945, Braunschweig 1966, S. 219; vgl. BW Feuchtwanger, S. 61 und 77.
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Völkern), angeregt nach Hause, zu Fuß durch den Tiergarten, dann fleißig Briefe geschrieben (Anmeldung, an Duschka, Frau , noch einmal mit dem Hund spazieren, schön bescheiden zu Abend gegessen, ruhig, beherrscht, der Ofen brennt in meinem Arbeitszimmer, die Bücher stehen in den Regalen, die Wohnung ist wunderbar ruhig. Sehr zufrieden. Jetzt große Freude an Berlin. Donnerstag, 1. 11. 28 Erster Vorlesungstag. Gut ausgeruht, leider schlechter Kaffee, um 11 zur Handelshochschule mit der Stadtbahn, hielt meine 2 Stunden gut, aber zu wenig Hörer, daher etwas deprimiert. Dann gleich zum Essen, schönes, sauberes Mittagessen, dann gleich ausgeruht; geschlafen, sehr müde, die Vorlesung hat mich angestrengt. Um ½ 5 auf, zu Fuß durch den Tiergarten, bei Aschinger Kaffee,1172 dann mein Seminar. Es waren einige Zuhörer da, aber nicht viele, enttäuscht, meine Wirksamkeit in Berlin ist doch erbärmlich. Nach dem Seminar (das übrigens hochinteressant ist, über Weimarer Verfassung als Kompromiss1173) mit Ascher zum Kaiserhof1174, dort ordentlich Bier getrunken. Überflüssig. Um 9 nach Hause. Mit Hanna und [Elli] in der Küche geplaudert. Das tat mir gut. Tagsüber gelegentlich geil, im Ganzen überlegen und ruhig. Freitag, 2. 11. 28 Behaglich ausgeschlafen, wundervoller Kaffee, vormittags zu Hause geblieben, weil es mir am Schreibtisch so gut gefiel. Sehr glücklich über Berlin. Nach dem Essen einen Augenblick ausgeruht (immer meine Bibliothek in Ordnung gebracht), dann kam Frau Berend und Breinlinger1175, wir gingen zusammen durch den Tiergarten spazieren, sie erzählte nett (von Polen, Grete Hart1176). Wir gingen noch zum Kranzler, wo sie mir von ihrer früheren Ehe1177 erzählte. Die Art im Schicksal mit mir ist doch sehr groß. Um 7 zurück, dann kam Landshut1178 von Hamburg, den ich überflüssigerweise zum Abendessen eingeladen hatte, etwas frech und anmaßend. Wir aßen zusammen zu Abend, tranken , er ging gegen
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Aschinger unterhielt zu dieser Zeit in Berlin 15 Konditoreien und eine Vielzahl an Restaurants, „wo man für sehr billiges Geld verhältnismäßig ganz gut essen kann“ (Szatmari, S. 66; BerlinFührer, S. 281 f.). Vgl. Verfassungslehre, S. 28 ff. Hotel Kaiserhof, Wilhelmplatz (heute nicht mehr existent); Szatmari, S. 22. Hans Breinlinger (1888–1963), expressionistischer Maler, seit 1926 Ehemann von Alice Berend; AKL 14, S. 85. Grete Hart (1885–1971), Malerin, Tochter des Literaturkritikers und Herausgebers Julius Hart, Teilnahme an Ausstellungen der Berliner Sezeession 1917 und 1918 sowie an der Großen Berliner Kunstausstellung 1930–1932. Nachlass in: Landesbibl. Dortmund, Akad. der Künste Berlin, Heimatverein Berlin-Zehlendorf. Alice Berend war seit 1904 in erster Ehe mit dem schwedischen Schriftsteller John Jönsson (1875– 1952) verheiratet, von dem sie sich 1924 scheiden ließ. Siegfried Salomon Landshut (1897–1968), Politikwissenschaftler, zu dieser Zeit Assistent des Sozialökonomen Eduard Heimann in Hamburg, 1933 Emigration nach Ägypten, Palästina und England, seit 1951 Professor in Hamburg; Hamb. Biogr. 1, S. 173 f.; s. Schmittiana NF III, 2016, S. 230–232 zu einer gutachterlichen Stellungnahme Schmitts für Landshut.
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10 Uhr. Ich war müde. Er ist übrigens Straßburger, dummerweise gab ich ihm eine Empfehlung an Wittich. Ich bin immer da schwach, schon aufgeregt vom Wein; noch etwas herumgelesen. Samstag, 3. 11. 28 Wieder bis 9 geschlafen, gut ausgeruht, die dumme Vorlesung eine Einführung in die Rechtswissenschaft überlegt, schön Kaffee getrunken, behaglich zur Handelshochschule, nett mit Hanna gesprochen, hielt meine Vorlesung, gut, dass ich fertig bin. Dann zu Hause schön zu Mittag, nachher zum Meldeamt, mit dem Hund am Salzufer spazieren, dann fast 2 Stunden im Bett, ausgeruht. Kein Kaffee, abends brachte ich die Mädchen zum Bahnhof Zoologischer Garten, sie wollen in ein Kino gehen, ging allein nach Hause. Sehr einsam, gleichgültig; verzweifelt, Gefühl, von unsichtbaren Händen gepackt zu sein, Angst, keine Aussicht, dass Duschka gesund wird, schrecklich; Trost in den Büchern, bekümmert, , verzweifelt. Die Mädchen kamen um ½ 12 zurück; dann müde und gleichgültig zu Bett. Sonntag, 4. 11. 28 Bis ½ 10 geschlafen, behaglich aufgestanden, Spaziergang, es regnete aber sehr, dann wunderschöner Kaffee und eine schöne Stunde am Schreibtisch; sehr zufrieden, machte mir Notizen, räumte meine Bibliothek auf, bis ½ 2, dann etwas Kopfschmerzen, aß zu Mittag, ging zu Bett (die Köchin ist erkältet) bis ½ 6, sehr gut ausgeruht. Fühlte mich gereinigt und wohl, trank keinen Kaffee, gute Vorsätze und . Dann ein paar Briefe geschrieben (an Duschka, Fräulein Hasbach, Frau Schmitz, Versicherungsgesellschaft), die gute Hanna schrieb auch an Duschka, dann wollte ich ins Deutsche Theater gehen, die Verbrecher sehen.1179 Es war aber alles ausverkauft (oder nur noch teure Plätze), fuhr zum Schiffbauerdamm, Dreigroschenoper,1180 auch hier alles ausverkauft, dann zum Admiralspalast, Revue,1181 ganz nett, im Ganzen aber Casino de Paris, daher ging ich schon um ½ 11, gelegentlich geil und gierig, meistens beherrscht, jedenfalls ziemlich ruhig nach Hause gefahren. Glücklich, dass ich sehr bequem wohne. Beherrscht, mit guten Vorsätzen, nichts gegessen als einen Apfel und ein Stück Brot, noch eine Probearbeit gelesen, etwas notiert, dann gesammelt und ruhig ins Bett.
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Im Deutschen Theater wurde das Stück „Die Verbrecher“ von Ferdinand Bruckner in der Regie von Heinz Hilpert mit Hans Albers als Kellner Gustav Tunichtgut gezeigt; einer der größten Erfolge der Spielzeit 1928 / 29. In der Rolle des Frank Berlesson spielte der junge Schauspieler Mathias Wieman (1902–1967), mit dem Schmitt später auch privat verkehrte. Eine zeitgenösssiche Kritik ist abgedruckt in: Herbert Ihering, Von Reinhardt bis Brecht. Vier Jahrzehnte Theater und Film, Bd. 2: 1924–1929, Berlin 1961, S. 362–364. Brechts „Dreigroschenoper“ war am 31. August 1928 im Theater am Schiffbauerdamm unter der Regie von Erich Engel uraufgeführt worden und wurde ein ungeheurer Erfolg; bis 1930 gab es mehr als 10 000 Vorstellungen des Stückes. Im Admiralspalast in der Friedrichstraße sah Schmitt wahrscheinlich die Revue „Schön und Schick“.
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Montag, 5. 11. 28 Wieder bis 10 Uhr im Bett, gut ausgeruht, herrlich gebadet, sehr behaglich mit dem Hund spazieren gegangen, dann kam Fräulein Kraus1182, sie ging mit spazieren, trank dann mit mir eine Tasse Kaffee, unterhielt mich freundlich mit ihr, sie sieht sehr schön aus, ich war aber vorsichtig. Dann arbeitete ich etwas, sehr guter Dinge, an meinem Schreibtisch, ordnete die Bücher und war sehr vergnügt. Schöner Brief von Duschka, der mir wohl tat. Gute, liebe Frau. Nach dem Essen zu Bett, bis 4 Uhr, vorher Briefe geschrieben, auch an Seeckt1183, in einer ruhigen Entschlossenheit, fröhlich, dass er auch NW 87 wohnt. Um 4 zu Frau Berend1184, ging mit ihr durch den Tiergarten zum Café Stadt Wien, trank eine Tasse Kaffee (das hätte ich besser nicht getan), wir sprachen über ihr Buch vom Spießbürger,1185 sie gab mir das Manuskript. Um ½ 7 wieder zu Haus, einige Briefe geschrieben, schön am Schreibtisch gearbeitet. Nach dem Essen mit dem Hund spazieren, Krach mit dem Hausbewohner Parterre, einem Herrn Österreicher1186, blieb äußerlich sehr ruhig, regte mich aber innerlich furchtbar auf, Depressionen wegen der Gemeinheit der Menschen, wegen des dummen Geschwätzes eines Überfalls, Angst, wahrscheinlich alles infantil. Erst am Schreibtisch wieder ruhig. Nachts nicht eingeschlafen, nahm mir vor, keinen Kaffee mehr zu trinken. Dienstag, 6. 11. 28 Bis 10 Uhr geschlafen, ziemlich munter auf, zur Handelshochschule, von der Arbeitsstelle für christliche Gewerkschaften1187 bat mich für Mitte Dezember um einen Vortrag in Königswinter. Ich nahm an. 2 Stunden Staatsrecht, das Auditorium war ganz voll, daher
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Annie Kraus (1900–1991), war die Tochter von Georg Eislers Tante Olga, studierte Philosophie bei Husserl in Freiburg, seit 1927 in Berlin, und arbeitete danach als Sprachlehrerin und Übersetzerin. Das Dritte Reich überlebte sie mit Hilfe verschiedener Personen als Illegale im Untergrund. 1942 konvertierte sie zum katholischen Glauben und wurde 1967 von Karl Rahner in Theologie promoviert. Zusammen mit Ernst Hüsmert bahnte sie 1983 die Versöhnung Schmitts mit Georg Eisler an. Über das Zustandekommen ihrer Beziehung zu Schmitt berichtet sie selbst 1947 in einem Brief an Waldemar Gurian: „Ich war während der Abwesenheit seiner damals schwer kranken Frau nicht ganz ein Jahr bei ihm, u. zwar auf Wunsch meiner Tante, in deren Haus er als der beste Freund meines Vetters wie ein Sohn verkehrte. Meine Verwandten wollten, daß ich mich etwas um ihn kümmerte. […] Ich selbst habe bei C. S. mehr gelernt als auf der Universität.“; RW 0579 Nr. 672 (Kopie). Auf ihre sehr zurückhaltende Kritik an Schmitts Verhalten im Dritten Reich reagierte dieser allergisch. Andreas Mix, Hilfe im katholischen Milieu. Das Überleben der Konvertitin Annie Kraus, in: Überleben im Dritten Reich. Juden im Untergrund und ihre Helfer. Hrsg. von Wolfgang Benz, München 2006, S. 131–142; Reinhard Mehring, Der Würgeengel Carl Schmitts, in: FAZ vom 20.7.2007; Glossarium, S. 155; vgl. TB V, S. 34 und passim. Hans von Seeckt (1866–1936), Generaloberst, seit 1920 Chef der Heeresleitung, nahm 1926 seinen Abschied; NDB 24, S. 139 f. Alice Berend wohnte Rankestr. 25. Alice Berend veröffentlichte 1924: „Betrachtungen eines Spießbürgers“. Da hier (und unten) aber von einem Manuskript die Rede ist, könnte es sich handeln um: Alice Berend, Spießbürger, Zürich 1938. Ihr letztes Werk war eine Naturgeschichte des Spießbürgers, die erst 1962 unter dem Titel „Die gute alte Zeit. Bürger und Spießbürger im 19. Jahrhundert“ erschien. Arnold Österreicher, Kaufmann. Recte: „Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften Deutschlands“.
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war ich guter Dinge. Freute mich über mein schönes Zimmer (von Professor Bonn). Müde mittags nach Hause, schön gegessen, gleich zu Bett, bis 5 Uhr im Bett, gut ausgeruht, schön gebadet, fühlte mich sehr frisch, weil ich keinen Kaffee getrunken habe. Dann meine Übungen bis 8 ½, gut. Zufrieden, aber müde nach Hause, aß etwas, war dann todmüde, wusste nicht, ob ich zu der Feier der [Premiere zu] Kranzler gehen sollte (der Londoner verlorene Sohn1188), war aber zu schläfrig und erschöpft. Ging gleich zu Bett und schlief auch gleich ein. Mittwoch, 7. 11. 28 Bis 7 geschlafen, dann wieder geschlafen bis 9, erst gegen 10 Uhr aufgestanden, hatte Kopfschmerzen, sehr deprimiert. Brief von Frau Braschoß, sehr aufgeregt, Anfall, wütend, traurig und deprimiert. Um ½ 12 zu Dr. Jacoby1189 vor der Handelskammer, nett mit ihm gesprochen und über Berlin geklagt. Etwas eingekauft, müde, mit Augenschmerzen, nach Hause zum Mittagessen. Dann etwas mit dem Hund spazieren, zu Bett eine Stunde ausgeruht, Ejakulation. Gott sei Dank, so brauche ich nicht zu einer Frau zu gehen. Badete, heute wieder keinen Kaffee getrunken. Zur Fakultätssitzung, Bonn war ostentativ gleichgültig gegen mich, das tat mir weh. Die Sitzung dauerte bis 9 Uhr, scheußliche Schwätzerei. Fand es entwürdigend, blieb aber ruhig und innerlich gleichgültig. Dann zu Hause schön gegessen, die Vorlesung fürs Auswärtige Amt vorbereitet, einiges , ich kann überhaupt nicht mehr arbeiten. Schwere Depression, abends wurde es besser. Der Zustand ist im Grunde genommen unerträglich. Donnerstag, 8. 11. 28 Nachts wach, erkältet, morgens ging es besser, heiß gebadet, um ½ 8 auf, schöner Kaffee, um 9 ¼ war ich schon im Auswärtigen Amt, ein kam und unterhielt sich nett mit mir, 20 sympathische Jungens, ich hielt meinen Vortrag1190 sehr gut und war natürlich froh und guter Dinge. Ging zur Handelshochschule zu Fuß, ohne jede Müdigkeit, dann 2 Stunden Vorlesung Staatsrecht, überfüllter Hörsaal, das tat mir gut. Nach dem Essen ausgeruht, im Bett, nachmittags kein Kaffee, Schokolade bei Schön1191, ekelhafter Tabakgestank, 6–8 Semi-
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Die Rede ist von dem apokryphen Shakespeare-Stück „Der verlorene Sohn“, das an diesem Tag Premiere hatte; s. dazu unten, 9.12.28. Konrad Yoram Jacoby (1906–1997), Dr. iur., Assistent des Syndikus der Industrie- und Handelskammer Berlin, emigrierte 1934 nach Palästina und wurde Diplomat, seit 1957 als israelischer Gesandter in Deutschland (Göppinger, S. 290). Jacoby half Schmitt bei der Wohnungssuche (vgl. Anm. 1037). Die Ausbildung des diplomatischen Nachwuchses wurde von der Universität, der Handelshochschule und der Deutschen Hochschule für Politik gemeinsam bestritten, wobei besonders angesehene Professoren herangezogen wurden; die Lehrveranstaltungen fanden im Auswärtigen Amt statt. Schmitts Vorlesung 1928 / 29 war angekündigt unter dem Titel „Praktische Fragen des Verfassungs- und Verwaltungsrechts (unter besonderer Berücksichtigung des Auslandes).“ Vgl. Deutsche Hochschule für Politik. Vorlesungsverzeichnis für das Winterhalbjahr 1928 / 29, 17. Semester, S. 16. (Frdl. Mitteilung von Dr. Martin Kröger, Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin). Französische Str. 50.
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nar, ganz nett, mit Herrn Wirmer1192 nach Hause, Breinlinger und Adams kamen, auch Fräulein Kraus. Nett unterhalten, über Theater-Kritik usw. Leider trank ich zu viel Wein. Um ½ 1 ins Bett. Breinlinger und Adams sehr sympathisch. Freitag, 9. 11. 28 Nachts sehr erkältet, scheußlich, heißes Bad, Kaffee, dann ging es mir etwas besser, den ganzen Vormittag zu Hause, oft traurig, Gefühl einer Grippe, Angst vor dem Leben, vor Berlin. Fräulein Kraus kam um 12, vielleicht kann sie mir doch etwas helfen, sie besorgt mir jedenfalls eine Schreibmaschine1193. Nach dem Essen das Manuskript von Frau Berend gelesen, oft sehr peinlich, manchmal schön.1194 Um 5 zur Stadt, zu Fuß durch den Tiergarten, ernst und ruhig. Wollte Theaterbillett für Hanna kaufen, bekam aber nichts. Mit einigen Zeitungen zurück. Die Schreibmaschine kam, war sehr vergnügt, aber manchmal Angst, mich damit der technischen Zeit zu verschreiben. Ist das nun Unter oder Christlichkeit? Im Ganzen fröhlich und angeregt. Früh zu Bett, bald eingeschlafen, aber nachts wach geworden. Samstag, 10. 11. 28 Um ½ 8 todmüde geweckt und aufgestanden. Mit der Erkältung ist es etwas besser. Schöner Kaffee, dadurch wurde ich wieder munter. Vormittags Examen, furchtbar langweilig, froh, das erledigt zu haben. Mittags nach Hause, schön gegessen, etwas geschlafen, dann bei kaltem Wetter zu Frau Berend (vorher telefonisch mit Briefs1195 für Mittwoch verabredet), nett unterhalten, über ihr Manuskript vom Spießbürger, über ihren Pastor Seifert in Hamburg1196 usw. Für Freitag Abend eingeladen. Am meisten freute mich, mit welcher Wärme sie von meiner Frau spricht, sie wäre zauberhaft schön, ihr Lächeln, ihr Gang. Um 7 nach Hause, zu Abend gegessen, etwas mit der Schreibmaschine geschrieben, Brief an Peterson, an Duschka, dann ruhig zu Bett. Sonntag, 11. 11. 28 Gut ausgeschlafen, um 9 Uhr auf, schönes Frühstück, an Duschka verliebt geschrieben, eigenhändiger Dankbrief von Seeckt, sehr glücklich darüber, schickte ihn Duschka, dann mit Besuche gemacht: Frau Erzberger1197 (eine unangenehme Bremerin), bei 1192
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Otto Wirmer (1903–1981) studierte schon in Bonn bei Schmitt, wurde 1930 in Erlangen zum Dr. iur. promoviert und war später Rechtsanwalt und Notar in Frankfurt a. M. 1968 half er Schmitt bei dem Verkauf von Bildern (vgl. Mehring (2009), S. 539 und 720; BW Forsthoff, S. 480). Der Bruder Josef wurde 1944 als NS-Widerstandskämpfer hingerichtet. Diese Schreibmaschine ist heute als Leihgabe des Plettenberger Heimatvereins im Museum der Burg Altena zu besichtigen; s. Abb. im Anhang. s. oben, 5.11.28. Gottfried Anton, gen. Goetz Briefs (1889–1974), Nationalökonom, seit 1926 o. Professor an der TH Berlin-Charlottenburg und Lehrbeauftragter an der Handelshochschule, als dezidierter Katholik ab 1933 bedroht, emigrierte er 1934 in die USA, lehrte hier an verschiedenen Universitäten und beriet die US-Regierung; Hagemann, S. 78–82; BBKL 25, Sp. 132–137. Figur aus einem Roman von Alice Berend. Nicht ermittelt.
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Sombart Karte abgegeben, Briefs war nicht zu Hause, beim Rektor komisch mit dem Zylinder. Na ja. Um 1 wieder zu Hause, gegessen, eine Stunde im Bett, dann mit den beiden Mädchen zum Staatlichen Schauspielhaus, kaufte ihnen Billetts für Charleys Tante,1198 dann alleine bei Kranzler eine Tasse Kaffee, nach Hause, eine Stunde gut aufgeräumt, gearbeitet, gesammelt, in einem plötzlichen Anfall telefoniert, zur Rankestraße bei Margot,1199 schnell erledigt, im Grunde ekelhaft und teuer (30). Beruhigt nach Hause, die Mädchen haben sich im Theater gut amüsiert. Arbeitete noch etwas, gestört vom Klavierspiel nebenan, dachte viel über Duschka nach, gleichgültig, bedrückt von der kleinen, erbärmlichen Wohnung, aber zum Glück ist es billig, das ist mein Trost. Montag, 12. 11. 28 Nicht ausgeschlafen, morgens mit Fräulein Kraus aufgeräumt, sie war nett und freundlich und half mir. Mittags nach dem Essen ausgeruht, kein Kaffee, abends um 7 mit Fräulein Kraus etwas zu Abend gegessen, dann in die Scala gefahren, dumm und langweilig. Nachher noch mit ihr bei Mitscher1200, nett unterhalten über Pluralismus usw. Sie ist sympathisch und anständig. Um 12 todmüde zu Hause und gleich eingeschlafen. Dienstag, 13. 11. 28 Sehr müde des Morgens (wenn ich nicht um 10 zu Bett gehe, bin ich den ganzen folgenden Tag müde), Fräulein Kraus kam um 10, ich diktierte ihr einige Briefe. Dann zur Handelshochschule, hielt meine Vorlesung Staatsrecht 2 Stunden, strengte mich aber zu sehr an, so dass mir der Rachen weh tat. Müde nach Hause, schlecht gegessen, dann 2 Stunden zu Bett, aufgestanden, durch den Tiergarten zu Fuß nach den Linden, bei Kranzler Kaffee getrunken, Zeitschriften gelesen, zur Handelshochschule, meine Übungen nett gehalten, aber wieder zu viel gesprochen. Zum Zoologischen Garten, im Zoo, Blei getroffen, freundlich und nett, aber ich war zu sehr herunter durch die Schreierei und schämte mich geradezu. Versprach ihm daher, dass ich eine Gespensterlehre schreiben will. Ich soll einmal Schrecker1201 anrufen. Um 10 müde nach Hause, im Bett Zeitungen gelesen, grauenhaftes Geschrei einer Sängerin, die über mir wohnt. Mittwoch, 14. 11. 28 Bis 9 Uhr im Bett, gut ausgeschlafen, aber immer noch Kopfschmerzen und Ohrensausen von dem Geschrei der Sängerin. Scheußlich diese Hölle. Frühstückte behaglich, dann kam Fräulein Kraus, wir räumten etwas auf, plauderten über Kierkegaard, Guardini (den sie hasst), über den Reichtum, Georg Eisler usw. Ich fühlte mich als armer Proletarier sehr traurig. Um ½ 2 kam Briefs zum Mittagessen, war nett und freundlich, erzählte viel, es 1198 1199 1200
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Farce von Brandon Thomas. Vermutlich ein Bordell. Weinrestaurant Gebr. Cramer / Ludwig Mitscher, Französische Str. 17 / 18, „wo die Leute von der Oper und die Musikerkreise Berlins verkehren“; Szatmari, S. 61 und 137. Paul Schrecker (1889–1963), Professor für Mathematik, später für Philosophie, Leibniz-Spezialist, 1929 bis 1933 Sekretär der Preußischen Akademie der Wissenschaften, emigrierte 1940 in die USA, wo er an verschiedenen Universitäten Philosopie lehrte. DBA II 1183, 221–222; vgl. Blei, S. 84 und 171.
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schien ihm zu gefallen. Ich begleitete ihn um 3 zur Bahn. Zum Schneider, einen Frack für 435 Mark bestellt! Erleichtert, froh, das erledigt zu haben. Zu Fuß durch den Tiergarten nach Hause. Zu Bett, todmüde, Geschrei und Geklimper der Sängerin. Ich suchte mich innerlich zu beherrschen. Es ist aber grauenhaft. Donnerstag, 15. 11. 28 Bis 8 Uhr geschlafen, aber immer noch todmüde. Schön angekleidet und gefrühstückt, zum Auswärtigen Amt, meine Vorlesung ganz nett, hatte aber den Eindruck, dass die Zuhörer lachen oder sich langweilen. An der Staatsbibliothek vorbei, musste 5 Mark Gebühr bezahlen (was die Universitätsdozenten nicht brauchen), traurig, deprimiert. Hielt meine 2 Stunden Vorlesung Staatsrecht, es ging ganz gut ohne besondere Anstrengung. Zu Hause kam Fräulein Kraus, ging aber bald wieder. Sprach freundlich mit ihr. Nach dem guten Mittagessen geschlafen, bis ¼ 4, im Auto zur Handelskammer, dort Sitzung, die mir gut tat (erst hatte ich Angst davor), Demuth gefiel mir sehr gut, ich war wieder begeistert, auch die Kaufleute. Das ist doch etwas anderes als ein Kultusministerium mit boshaften Beamten. Fröhlich zum Café Schlosscafé1202, traf Frau Berend und Breinlinger, sehr munter darüber, trank Kaffee, dann zur Handelshochschule, politisches Seminar, allein gesprochen (soziale Gleichgewichtsstruktur), nachher sehr nett mit und Klinkenberg1203. Er tat mir leid. Müde nach Hause, aber nicht deprimiert. Langes Telefongespräch mit Smend, daher sehr munter, von seiner Güte und Liebenswürdigkeit. Fröhlich zu Abend gegessen (herrlich), etwas notiert, für morgen vorbereitet, dann guter Dinge zu Bett. Es wurde wieder bis nach 12 Uhr gesungen, blieb aber ziemlich ruhig. Schlecht geschlafen. Freitag, 16. 11. 28 Bis 9 Uhr geschlafen, Oberheid rief an, war sehr fröhlich und aufgeräumt deshalb. Diktierte Fräulein Kraus Briefe, dann rief Breinlinger an und bat mich, mit ihm in die Ausstellung von Hofer1204 zu gehen. Ging um 12 Uhr hin, sehr interessant und angeregt mit Breinlinger gesprochen. Zu Hause traf ich Oberheid, wir aßen zusammen zu Mittag, er erzählte schön von Duschka und seinem , wir gingen zusammen durch den Tiergarten, dann zum Schneider, wieder nach Hause, müde 2 Stunden ausgeruht, schön gemacht, zu Frau Berend, dort waren Hofer, Blei, Adams, Oberheid. Nett unterhalten, aber ich fühlte mich zurückgesetzt und missachtet, sah, dass Frau Berend kein Interesse mehr an mir hat, weil ich ihr doch nicht viel nützen kann; Blei war ganz entzückend. Bis 12 Uhr dort geblieben. Oberheid. Ging traurig nach Hause. Müde zu Bett, guter Wein.
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Unter den Linden / Ecke Friedrichstr. Nicht ermittelt; vgl. TB I, S. 102, 240; TB II, S. 164; TB V, S. 27. Karl Hofer (1878–1955), expressionistischer Maler, galt ab 1933 als „entartet“, verlor sein Amt als Hochschullehrer, gründete nach Kriegsende die Hochschule für Bildende Kunst in Berlin und wurde 1947 Präsident der Akademie der Künste (AKL 74, S. 61–63). Von der erwähnten Ausstellung gibt es einen Katalog: Kollektivausstellung Karl Hofer. Katalog der 55. Ausstellung der Berliner Secession; die Ausstellung ist in Gemeinschaft mit der Galerie Flechtheim veranst. Nov.– Dez. 1928, Berlin 1928.
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Tagebuch 1928
Samstag, 17. 11. 28 Um ¼ nach 8 auf, ziemlich guter Dinge, schnell zur Handelshochschule im Auto, Examen, langweilig, dann fröhlich nach Hause. Oberheid kommt nicht. Aß mit Fräulein Kraus, die sehr schön über Kierkegaard spricht. Dann 2 Stunden geschlafen, sehr guter Dinge, fühlte mich wohl und sah gut aus. Um 5 Uhr kam Paul Schrecker. Schön unterhalten über philosophische Dinge, Leibniz, Sprachphilosophie. Wir gingen durch den Tiergarten zum Bahnhof Zoologischer Garten, will für ihn mit Spranger sprechen.1205 Zurück durch den Regen, zu Hause an Kiener geschrieben, brachte den Brief noch zum Kasten, froh, zu Hause zu sein. Es ist ganz ruhig, glücklicherweise. Sprach mit Hanna in der Küche, auch mit Ella. Wie traurig ist es in Berlin. Aber ich will mich zusammennehmen. Zum Glück war es abends ruhig. Sonntag, 18. 11. 28 Gut geschlafen, gut ausgeschlafen, behaglich um 9 Uhr aufgestanden und gefrühstückt. Fräulein Kraus einige Briefe diktiert, dann schön gekleidet und nach Nikolassee zu Briefs.1206 Langweilig, er erinnert mich an Erzberger1207; die Frau1208 ist sehr nett. Sombart kam mit seiner Frau, erschrak über die balkanische Roheit der Frau Sombart.1209 Gutes Essen, sehr guter Moselwein, bis 6 Uhr geplaudert, war aber nicht auf der Höhe. Sombart herum. Dann zu Smend, nett unterhalten, hatte ihn sehr lieb, auch die Frau war nett. Blieb bis nach 10 Uhr da, aß zu Abend, lange gesprochen, über Pluralismus usw. Müde nach Hause, glücklich, dass ich nicht in Nikolassee wohne. Angst vor der traurigen Verlassenheit und Öde dieser Landschaft. Zu Hause war Hanna schon zu Bett (habe ihr 3 Mark fürs Theater gegeben); sie war , was ich wollte. Ella kam erst um 1. Erst wollte ich mich aufregen, dann ruhig. Schöner Brief von Duschka. Montag, 19. 11. 28 Bis 10 geschlafen, gut ausgeruht, um 11 im Auto zu Adam1210, Frack-Anprobe, dann Haare schneiden, noch etwas herumgelaufen, zu Spranger nach Dahlem,1211 zu Mittag gegessen, er war ganz rührend und liebevoll, gut unterhalten, aber immer Angst, ich falle ihm zur Last. Um 5 Uhr nach Hause zurück, todmüde, umgekleidet, ein schöner Brief von Duschka, ausgeruht, umgekleidet, um ½ 8 zu Willy Haas, Steglitzer Straße1212, nett unterhalten, über die 1205 1206 1207
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Wegen seiner Anstellung als Sekretär der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Götz Briefs wohnte in der Gerkrathstr. 8. Matthias Erzberger (1875–1921), Zentrumspolitiker, Reichsfinanzminister, unterzeichnete als Bevollmächtigter der deutschen Regierung 1918 das Waffenstillstandsabkommen von Compiègne, wurde von Attentätern der Organisation Consul ermordet; vgl. Matthias Erzberger. Ein Demokrat in Zeiten des Hasses. Hrsg. vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Verbindung mit der Landeshauptstadt Stuttgart, Karlsruhe 2013. Goetz Briefs war seit 1919 verheiratet mit Anna Weltmann (1881–1946), Leiterin der Berliner katholischen Sozialen Frauenschule. Corina Sombart, geb. Leon (1892–1971), war seit 1921 die zweite Ehefrau Werner Sombarts. Sie stammte aus Rumänien. Vgl. BW Sombart. Bekleidungsgeschäft S. Adam, Leipziger Str. 27 / 28 und Friedrichstr. 194–196. Spranger wohnte in der Fabeckstr. 13 in Dahlem; an dem Haus hängt heute eine Gedenktafel. Haas wohnte, wie aus Schmitts Adressenverzeichnis hervorgeht (s. unten), Steglitzer Str. 75.
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Deutschen, über , um 10 nach Hause, Gier, aber es ging vorbei. Nachts gut geschlafen, Ejakulation. Dienstag, 20. 11. 28 Bis 9 Uhr im Bett, sehr gut ausgeruht, schönes Frühstück, dann zur Handelshochschule, traf unterwegs Palyi, sprach freundlich mit ihm, gut, dass ich das erledigt habe, er schimpfte über die Handelshochschule, über Bonn, Eulenburg1213 usw. Ich war freundlich und zurückhaltend. Dann kam der Professor Balogh1214, ein ungarischer Jude, fleißig und gelobt, ich war freundlich und kühl. Hielt meine 2 Stunden Vorlesung gut und ohne besondere Anstrengung. Nach Hause, wartete eine Stunde auf Smend, er kam, wir aßen zusammen, unterhielten uns nett; er blieb bis ½ 5. Dann rief Frau Berend an und holte mich mit Breinlinger ab. Nett mit Smend unterhalten (über den Hüter der Verfassung), gab ihm einige Bücher, war zufrieden mit dem Besuch. Mit Frau Berend durch den Tiergarten, in einem Café unterhalten (erzählte ihr die der Situation Kierkegaards gegen Hegel1215), um 6 im Auto zur Handelshochschule, sehr gute Übung gehalten, müde, etwas geil nach Hause, bescheiden zu Abend gegessen, etwas gelesen, ruhig und ziemlich beherrscht. Mittwoch, 21. 11. 28 Gut ausgeschlafen, behagliches Gefühl. Vormittags Fräulein Kraus einige Briefe diktiert, dann für mich allein gegessen, ausgeruht bis 5 Uhr, dann zu Fuß zu Wimpfheimer1216 in die Victoriastraße, mit ihm die Liste für an der Handelshochschule überlegt, nett und freundlich unterhalten, er hat herrliche Teppiche und Bilder (Selbstportrait von ); aß bei ihm zu Abend, sehr nette Unterhaltung. Dann ging ich noch durch die Siegesallee über die Friedrichstraße, im Café Central1217 eine Tschechin, ein Reisegirl. War aufgeregt, sie wohnte bei . Wollte Freitag Nachmittag in die Konditorei 1213
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Franz Eulenburg (1867–1943), 1905 a. o. Professor für Nationalökonomie in Leipzig, 1917 o. Professor an der TH Aachen, 1919 Universität Kiel, seit 1921 an der Handelshochschule Berlin, 1943 in Gestapo-Haft gestorben (NDB 4, S. 684). Eulenburg hatte sich neben Moritz Julius Bonn am entschiedensten für die Berufung Schmitts an die Handelshochschule Berlin eingesetzt; FS HHB, S. 186–189; Tilitzki (1994), S. 162 f. und passim; vgl. TB V, S. 10 und passim. Elemér Balogh (1881–1955), Spezialist für österreichisches und ungarisches Recht, seit 1922 o. Professor in Kaunas (Litauen), 1927 Gastprofessor an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin, 1933 in Paris, 1936 Johannesburg, dort 1947 emeritiert; Leonie Breunung / Manfred Walther, Die Emigration deutschsprachiger Rechtswissenschaftler ab 1933. Ein bio-bibliographisches Handbuch. Bd. 1: Westeuropäische Staaten, Türkei, Palästina, Israel, lateinamerikanische Staaten, Südafrikanische Union, Berlin / Boston 2012, S. 48–50. „Kierkegaards Größe besteht darin, daß er die Großen der deutschen Erhebung, Goethe und Hegel, als Brüder vom sanft lebenden Fleisch erkannte, als Verräter des Geistes, was sie auch waren, der Hegel der Phänomenologie des Geistes – ich möchte wissen, ob Kierkegaard sie überhaupt gelesen hat – und der Goethe des Urfaust.“ Glossarium, S. 329. Heinrich Wimpfheimer (1877–1934), Rechtsanwalt und Notar, seit 1920 Lehrbeauftragter, 1925 Dozent, 1930 Honorarprofessor an der Handelshochschule Berlin, wohnte Viktoriastr. 8; DBA II 1411, 160–161; III 996, 389; vgl. TB V, S. 14 und passim. Im Hotel Central, Friedrichstr. 143–149, „besonders in Artistenkreisen sehr gut bekannt“ (Szatmari, S. 27).
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Wien kommen. Blaue Augen und sehr schöne Figur. Fuhr nach Hause, war froh, dass alles noch gut gegangen. Ejakulation. Müde zu Bett, Ekel vor dem Tabakrauch der Lokale, Angst vor dem morgigen Tag. Donnerstag, 22. 11. 28 Um 8 auf, müde, allmählich munter, im letzten Augenblick zum Auswärtigen Amt, hielt eine sehr schöne Vorlesung. Nachher kam der Attaché Wolf1218, der mich von München her kennt, ein Kaffee, die Frau Willich begleitete mich und war freundlich und nett. Das tat mir wohl. Beim Schneider, den Frack anprobiert, zufrieden, zur Handelshochschule im Auto, hielt meine Stunden von 11–1 ohne besondere Anstrengung. Zu Hause gut ausgeruht, um 5 zur Stadt, bei Kranzler Kaffee, eine Stunde Seminar (Referat Horiosk), mit H. in der Stadtbahn um 7 zurück, kleidete mich um, etwas verspätet (Überlegung, ob ich den Zug nehmen soll), kam noch rechtzeitig, Demuth war sehr nett, gutes Essen und guter Wein, rede von Tießen, fühlte mich wohl und munter, sprach mit einigen Leuten, aber rot im Gesicht, dumm, mit [2 Wörter]. Schließlich um 12 mit nach Hause. Freitag, 23. 11. 28 [Im Folgenden größere Lücken durch Papierausriss] … kam und schrieb einige Briefe, um 12 zur Handelshochschule, Examen, war gleich zurück. Mit Fräulein Kraus zu Mittag gegessen. Begleitete sie noch … zu Hause, ausgeruht, um 5 zum Café Wien, zum Glück kam niemand.1219 Trank Schokolade, kaufte mir …, dabei scheußlich und vergnügungssüchtig, … sah mit großer Erschütterung und weinend [den Film über Johanna von Orleans] zufrieden nach Hause. Samstag, 24. 11. 28 zu Bonn in sein finanzwissenschaftliches Institut,1220 zu Demuth in die Handelskammer, freundlich unterhalten. kam mir ordentlich vor und bin in Gefahr, lächerlich zu werden, weil ich mich wichtig nehme. Zu Hause schön gegessen und gleich zu Bett, etwas ausgeruht, um 3 rief Blei an, für morgen verabredet. Um 4 Adams, weil Eschweiler da ist. blieb bis ½ 7 im Bett, gut ausgeruht, Vorbereitungen meines Aufsatzes über das Reichsgericht als Hüter der Verfassung. Infolgedessen eine große Aufregung und Freude. Telefonierte mit Bilfinger. Eschweiler rief an und kam gleich zum Abendessen, freundlich und nett unterhalten, besonders über Peterson. Dann gingen wir zusammen zum Kino und sahen die heilige Johanna; erschütternd.1221 Noch ins Café Wien, auf dem Rückweg über katholische Kirche und Volk. Leider zu viel gesprochen und gesagt. Um 12 zu Bett. 1218
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Wahrscheinlich: Gerhard Wolf (1896–1971), hatte u. a. in München studiert, seit 1927 im Auswärtigen Dienst, bis 1961 auf verschiedenen auswärtigen Posten; Biogr. Hb. A.D. 5, S. 321 f. Gemeint ist das tschechische Mädchen, s. oben, 21.11.28. Moritz Julius Bonn hatte an der Handelshochschule Berlin ein Institut für Finanzwesen gegründet und war dessen Leiter. Gemeint ist der in Frankreich gedrehte Filmklassiker „Die Passion der Jungfrau von Orleans“ von Carl Theodor Dreyer aus dem Jahr 1928, der die Gerichtsverhandlung gegen Johanna von Orleans darstellt. Diesen Film hat Schmitt in den folgenden Monaten immer wieder gesehen und sollte ihn noch 1963 in der „Theorie des Partisanen“ zitieren. Vgl. auch unten, S. 455.
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Sonntag, 25. 11. 28 Um 9 auf, nicht recht ausgeruht, [trotz] des vielen Schlafes und Liegens. Die Woche war zu anstrengend, aber schön und interessant. Überlegte, ob ich [2 Wörter] soll. Frühstückte, machte Ordnung auf meinem Schreibtisch, sehr behaglich, die Mädchen sind zur Kirche und bleiben lange aus. Fühlte mich wohl in meiner Wohnung, etwas Ohrensausen von der sexuellen Anstrengung der Woche. Mittags geschlafen, bis 5 Uhr, dann eine Stunde Korrekturen gelesen, um ½ 6 zu Franz Blei, mit ihm über den Begriff des Politischen, Freund und Feind, Pluralismus der Welt unterhalten (er ist ein alter Aufklärer), über seine Selbstbiografie,1222 über die zum Heiraten. Um ½ 9 Uhr ging er mit mir in meine Wohnung, wir aßen dort bescheiden zu Abend, Pfannkuchen, tranken , der aber nicht schmeckte, nachher Sliwowitz. Blei nannte die Wohnung traurig und unwürdig, dort könnten nur Juden wohnen wie Corinth und seine Frau. Ich war traurig. Über Oberheid sprach er mit großer Verachtung, als und Pseudo-Mensch. Um 12 brachte ich ihn zum Auto. Ging traurig zu Bett und will ganz zurückgezogen leben (die von dem Juden Weininger1223, den ich früher einmal getroffen habe). Montag, 26. 11. 28 Etwas Beschwerden von dem Wein, es ging aber noch gut, bis ½ 10 im Bett, gut geschlafen, schnell munter, schöner Brief von Duschka, Hensel1224 und Steiniger1225. Zur Handelshochschule, Examen, telefonierte, dann nach Hause, ein Brief von Richard Thoma1226, freundlich, aber hinterlistig. Immerhin freute es mich, dass er schreibt. Ging etwas mit dem Hund spazieren, nach dem Essen zu Bett, bis 5 Uhr, kein Kaffee, etwas korrigiert, Fräulein Kraus kam, diktierte ihr, dann um 7 mit ihr gegessen und zum Film „Johanna von Orleans“. Wieder ergriffen. Um 9 Uhr mit Fräulein Kraus wieder nach Hause, um ½ 10 schon wieder im Zimmer für mich am Schreibtisch, fühlte mich aber nicht ganz wohl. Die gute Hanna ist in der Küche und schreibt, Ella bei . Dienstag, 27. 11. 28 Gut bis 7 Uhr geschlafen, dann nochmals bis ½ 10. Behaglich angekleidet, schöner Kaffee, zur Handelshochschule, meinen Schirm in der Bahn stehen lassen, hielt meine Vorlesung 11–1 Staatsrecht, war aber müde und angestrengt. Nach Hause, wo Smend gerade angekommen. Freute mich sehr darüber, wir unterhielten uns nett über meine „Gegenständlichkeiten“, aßen schön zu Mittag, er war aber offenbar sehr müde und wollte heute Abend in den 1222 1223
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Franz Blei, Erzählung eines Lebens, Leipzig 1930; vgl. Blei, S. 72. Otto Weininger (1880–1903), frauen- und judenfeindlicher Philosoph, der sich vor allem mit der Geschlechterproblematik beschäftigte (BBKL 18, Sp. 1495–1501). Zur Bedeutung Weiningers für den frühen Schmitt, der Weininger allerdings kaum „getroffen“ haben kann, vgl. TB I, passim, TB II, S. 4 f. RW 0265 Nr. 5953. Steiniger schlägt Schmitt ein „Bündnis“ vor: „Wäre es nicht sinnvoll, hier in Berlin – etwa um Ihr Auditorium herum – ein loses Bündnis von Menschen zu konstituieren, die sich in gemeinsamer Arbeit unter Ausschluß von Schmus und bloßem Akademismus um die nicht phänomenologischen Essentialia des öffentlichen Rechts bemühen wollen?“ RW 0265 Nr. 15769. RW 0265 Nr. 16006.
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Film Johanna gehen. Um 3 begleitete ich ihn zum Autobus, ging etwas mit dem Hund spazieren, traurig, einsam. Nach Hause zu Bett bis 5 Uhr, ½ 6 im Auto zum Hotel Bristol1227 gefahren, um Geheimrat Schreiber zu treffen, wartete eine Viertelstunde und ging dann weg. Café eine Tasse Kaffee, 6–8 Übungen, die ganz nett waren, ich bin auch nicht auf der Höhe. Dann nach Hause in der Hoffnung, Smend zu sehen, er hat aber nicht angerufen. Etwas enttäuscht, zu Hause, die Sängerin über mir übt und schreit, Wut über die Frau König, eigentlich über meine Nervosität und Dummheit. Führte Tagebuch und will bald zu Bett gehen. Konnte aber nicht einschlafen. Mittwoch, 28. 11. 28 Lange geschlafen, um 11 Uhr kam Fräulein Kraus, ich diktierte ihr einige Briefe. Mittags um 1 kam Briefs und aß bei mir zu Mittag. Er war mit seiner Frau in dem Film Johanna und war sehr begeistert. Wir sprachen über die Verlogenheit des deutschen Volkes. Er ging um 3 Uhr. Ich ruhte aus, um 5 zum Schlosscafé, traf aber niemand, zur Handelshochschule, traf Nicklisch1228 und Wimpfheimer. Die [Handeshoch-]Schule mit mir einig und wegen der Berufungen. Senatssitzung. Sie dauerte lange, bis ich schließlich um ¼ 9 wegging, um Smend zu treffen, der den Film Johanna von Orleans sehen will. Rannte zum Zoologischen Garten, der Film war ganz herrlich. Sprach noch nachher in einen Kinorestaurant eine halbe Stunde mit Smend und seiner Frau sehr schön, über Reformation, Protestantismus, er meinte, mit diesem Film sei eine neue Dimension entdeckt, eine Erneuerung nicht nur im Reiche des Schönen, sondern auch des Wahren. Froh nach Hause. Donnerstag, 29. 11. 28 Ziemlich müde auf, aber schnell wieder frisch. Hielt meine Vorlesung im Auswärtigen Amt sehr gut, dann mit dem Attaché Wolf ein paar Schritte gegangen, ließ mir die Haare schneiden, wieder geil und gierig. Schnell im Taxi zur Handelshochschule, 2 Stunden gelesen, aber zu angestrengt. Dann zu Hause ausgeruht. Um ¼ vor 4 auf Frau Berend gewartet am Bahnhof Tiergarten. Mit ihr und Breinlinger durch den Tiergarten zum Schlosscafé. Wir sprachen über den Film Johanna, den alle sehr bewunderten, über Gerhart Hauptmann, wieder sehr nett. Dann mein politisches Seminar von 6–8, in dem Kirchheimer war und gut mitredete. Sprach über den [2 Wörter] mit Adams, seinem Bruder1229 und Herrn Dörries1230, zu meiner Wohnung, eifrig geplaudert, Frau Berend und Breinlinger kamen auch noch, wir aßen zu Abend. Das serbische Gericht, tranken Burgunder dazu, Frau Berend erzählte sehr lustig, ich war todmüde. Um ½ 12 ging der Besuch nach Hause, ich todmüde zu Bett. 1227
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Luxushotel, Unter den Linden 5–6; Szatmari, S. 21 f., 1944 durch einen alliierten Luftangriff zerstört. Heinrich Nicklisch (1876–1946), Betriebswirtschaftler, seit 1921 Professor an der Handelshochschule Berlin; NDB 19, S. 199 f.; FS HHB, S. 162–164; Tilitzki (1994), S. 164; vgl. TB V, S. 84 und passim. Alfons Adams (1899–1973), Dr. phil. et iur., schon in Bonn mit Schmitt bekannt, wurde später Leiter des DAAD in Madrid, wohin er Schmitt 1929 zu einem Vortrag über Donoso Cortés verpflichtete, ab 1946 Professor an der Pädagogischen Hochschule in Köln, seit 1950 an der PH Paderborn; Schmittiana VIII, 2003, S. 133–135. Helmut Dörries, ein Göttinger Studienfreund von Erik Peterson; vgl. Nichtweiß (1994b), S. 80.
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Freitag, 30. 11. 28 [An diesem und den folgenden zwei Tagen größere Lücken durch Papierausriss] Wartete immer auf Bestätigungen meines Rheinland-Aufsatzes1231 (40 Stück sind verschickt), aber niemand schreibt. Stand erst um ½ 10 auf, diktierte Fräulein Kraus den Bericht für das Kuratorium, wartete dann auf Scheffer, der um 2 Uhr mit seiner Frau1232 kam. Es war nett, das Essen gut, die Frau war freundlich, sehr sympathisch, fein, ich verstehe, dass er in sie verliebt ist. Aber Duschka ist viel hoheitsvoller und . Ich traue ihr nicht, wie keinem Menschen. Scheffer liebe ich sehr. Er war bei Mussolini. Sie blieben bis ½ 4, zuletzt hatte ich den Eindruck, dass ihnen meine Wohnung doch zu arm und ich selber zu wenig bin. Sie gingen dann weg, ich war sehr traurig. Ging zu Bett, ruhte aus bis 7 Uhr, dann zu Demuth … dummerweise nicht. Unbehaglich, viele Gäste, Hilferding1233, Georg Bernhard1234. Ich dann deprimiert. Bis 12 Uhr blieb ich da. Dann traurig … Samstag, 1. 12. 28 Bis ½ 11 im Bett, aber einigermaßen ausgeschlafen. Fräulein Kraus kam … Hochschule … der Urkundenfälschung und Unterschlagung gemacht hat. Er wurde über das Reichsgericht als Hüter der Verfassung … ihn immer lieb. Um 7 nach Hause. Sonntag, 2. 12. 28 [1. Zeile nicht vorhanden] Smend an, versprach ihm den Aufsatz. Dann kam Tießen und machte Gegenbesuch, wie man gegen mich intrigiert hat.1235 Nachmittags Spaziergang mit dem Hund, dann zu Bett, bis 7 Uhr, gut ausgeruht, zu Bonn in die Landgrafenstraße,1236 kam mit Paul Scheffer zusammen vor der Tür. Scheffer war gleichgültig und überlegen, die Frau ist überaus sympathisch und weich. Bonn war freundlich und vernünftig, Lichtenberger1237 kam später, eine Frau v. Quednow1238 hatte ihn als Tischherrn. Sprach etwas mit ihr, dann mit Lichtenberger über Scheffer und die Dialektik des Faschis-
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s. oben, zum 30.10.28. Paul Scheffer hatte 1925 Natalja, geb. Loukine, geschiedene Fürstin Wolkonsky (1889–1981), geheiratet; vgl. Paul Scheffer, Augenzeuge im Staate Lenins, München 1972, S. 43 (Einleitung von Margret Boveri). Rudolf Hilferding (1877–1941), Sozialwissenschaftler, Politiker (MdR), 1923 und 1928–1929 Reichsfinanzminister, 1933 Emigration in die Schweiz, 1938 nach Frankreich, wahrscheinlich von der Gestapo ermordet. NDB 9, S. 137 f. Georg Bernhard (1875–1944), seit 1920 Chefredakteur der Vossischen Zeitung, seit 1928 auch Honorarprofessor an der Handelshochschule, emigrierte 1933 nach Paris, 1941 nach New York; NDB 2, S. 117; vgl. TB V, S. 99. Bezieht sich auf die Berufung Schmitts an die Handelshochschule; vgl. Tilitzki (1994). Moritz Julias Bonn wohnte in der Landgrafenstr. 6 II. André Lichtenberger (1870–1940), franz. Historiker, Soziologe und Romanschriftsteller; vgl. TB V, S. 93. Margot von Quednow (1888–?), Tochter des preußischen Generals Ernst von Hoeppner, seit 1909 verheiratet mit Max von Quednow, der 1915 als preußischer Hauptmann in Frankreich fiel (vgl. Gothaisches genealogisches Taschenbuch der adeligen Häuser. Alter Adel und Briefadel, T. 2, 1921, S. 351; vgl. TB V, S. 6 und passim). Margot von Quednow wohnte in der Bredtschneider
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mus. Um ½ 1 nach Hause, von Scheffer gleichgültig verabschiedet. Es hat keinen Zweck, mich um ihn zu bemühen. Fuhr mit Frau v. Quednow zu mir, bis ½ 4, Ejakulation; erleichtert, beherrscht, innerlich überlegen. Wir tranken eine Flasche zusammen. Brachte sie noch im Taxi zur straße. Tiefer Widerwille vor ihrer Roheit, hysterischen Kompliziertheit. Dann rührte sie mich wieder. Montag, 3. 12. 28 Bis 10 geschlafen, ziemlich gut ausgeschlafen, Brief von Duschka, sie hat wieder Blut gespuckt, frühstückte schön, mit Fräulein Kraus, die um 11 kam, nett unterhalten, ein paar Briefe diktiert, nach dem Essen 2 Stunden ausgeruht, um ½ 5 Kuratoriumssitzung über die Vorschlagsliste, ganz unterhaltsam, habe die Kaufleute gern. Um ½ 8 nach Hause, nach dem Essen etwas mit dem Hund spazieren, ruhig, überlegt, ob ich Frau Quednow anrufen soll. Zu Hause Tagebuch geführt, früh zu Bett. Dienstag, 4. 12. 28 Lange geschlafen, herrlich ausgeruht, um 10 Uhr auf, schön gefrühstückt, hielt meine 2 Stunden Vorlesung bequem und ohne müde [zu sein]. Zu Hause nach dem Essen ausgeruht, sehr müde, Smend kommt heute nicht zum Essen, nachmittags bis ½ 5 mit Fräulein Kraus durch den Tiergarten, im Café Schottenhaml1239, merkte, dass sie wie alle Juden berechnend und streberisch ist. Fuhr zur Handelshochschule um 6 und hielt meine Übung, nicht so gut wie sonst. Todmüde zu Frau Berend, dort nett gegessen, zu viel Champagner getrunken, mit Hofer disputiert über die Deutschen, bis ½ 2 (er sagte mir auf dem Heimweg, ich schimpfe nicht aus Hass, sondern aus Liebe zu Deutschland); gleichgültig und müde zu Bett. Mittwoch, 5. 12. 28 Bis 10 geschlafen, ziemlich munter auf, Fräulein Kraus ein paar Briefe diktiert. Mittags kam Briefs zum Essen, freundlich unterhalten, er ging um 3 Uhr, ich ruhte dann noch eine Stunde aus und ging um ½ 6 zur Sitzung, sie dauerte bis 9. Martens1240 fuhr mich nach Hause, wo Steiniger wartete, er erzählte von seiner Repetitor-Stunde, erst amüsierte es, allmählich langweilig, bis 12 Uhr. Todmüde zu Bett. Heute Mittag um 5 Uhr die gute Frau v. Quednow angerufen, für Montag Abend verabredet. Geile Erwartung. Wie dumm. Donnerstag, 6. 12. 28 Bis 9, nicht gut geschlafen, sehr nervös. Schnell aufgestanden, hielt meine Vorlesung im Auswärtigen Amt, für morgen eine weitere Stunde, (weil ich nächste Woche ausfallen lasse), dann kaufte ich mir einen schöne Borsalinohut und war froh, das erledigt zu haben. 2 Stunden Staatsrecht gelesen, oft sehr geil, zu Hause todmüde gegessen und ausgeruht, um 4 Uhr
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str. 18 III. In den folgenden Jahren war sie Geliebte Schmitts. 1937 verzog sie nach Bayern, von wo sie noch 1940 an Schmitt schreibt (RW 0265 Nr. 11280–11287). „Wer ein vornehm-ruhiges Milieu vorzieht, der gehe ins Café Schottenhaml am Kemperplatz.“ Moreck, S. 72. Friedrich Franz Martens (1873–1939), seit 1906 Professor der Physik an der Handelshochschule, 1920–22 Rektor; Tilitzki (1994), S. 194, Anm. 150; DBA II 857, 312–317; vgl. TB V, S. 38.
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mit Frau Berend durch den Tiergarten und bei Kranzler. Sie erzählte von Paul Adler1241, dem hysterischen Juden und von allerlei. Was mag sie von mir erzählen. Heute Morgen schöner Brief von der armen Duschka, die wieder krank ist. Um 6 Uhr Seminar, gutes Referat Schneider1242, war nicht auf der Höhe, traurig nach Hause, dort einmal Bücher gelesen, sehe die gute Wirkung, die sie mir schaffen; wie gleichgültig. Las Briefe von Hugo Ball,1243 die schlecht sind, aber doch mit Rührung und Scham. Las herum, entwarf eine Erklärung über den Film „Johanna von Orleans“, dachte immer an Ball. Aber warum schrieb er so lächer liche Briefe, wie ich an meine erste Frau? Hatte heute etwas . Freitag, 7. 12. 28 Gut und lange geschlafen, bis 10 Uhr. Frühstückte mit Kaffee, arbeitete etwas, wartete auf Fräulein Kraus, die aber nicht um 11 Uhr kam, fuhr dann im Auto zum Auswärtigen Amt, hielt meine Vorlesung über den Hüter der Verfassung sehr gut, alle taten interessiert mit, was mich sehr freute. Dann allmählich nach Hause, die Literarische Welt gekauft in der Hoffnung, die Besprechung Franz Bleis über meine Lehre zu finden, aber war enttäuscht.1244 Zu Hause bescheiden gegessen, dann eine Stunde geschlafen, um ½ 5 eilig zu Wertheim1245, wo ich Rühlmann1246 traf. Ich war etwas befangen, ich weiß nicht warum, unterhielten uns über meinen Aufsatz, die Auswahl für „Probleme des deutschen Westens“. Er erzählte von der Delbrück-Feier1247, bis 6 Uhr, dann noch herumgelaufen, gierig, aber doch urteilsfähig und daher ging es gut. Zu Hause um 7 Uhr, um ½ 8 kam Leibholz1248, aß bei mir 1241
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Paul Adler (1878–1946), Dr. iur. und zunächst Richter, dann Schriftsteller, zeitweise in Berlin Mitarbeiter bei Pfemferts „Aktion“, veröffentlichte auch in der Zeitschrift „Summa“; DBE 1, S. 53; vgl. TB II, S. 134. Nicht näher bekannter Student, vgl. unten, 30.4.29. Im Nachlass Schmitt sind vier Briefe von Hugo Ball aus den Jahren 1924 / 25 erhalten. Sie sind veröffentlicht in: Hugo Ball, Briefe 1904–1927, Hrsg. und komment. von Gerhard Schaub und Ernst Teubner, Bd. 2 (Sämtliche Werke und Briefe, 10 / 2), Göttingen 2003. Die Besprechung von Schmitts „Verfassungslehre“ durch Franz Blei erschien später in der Literarischen Welt, Jg. 5, 1929, Nr. 24, S. 4. Café. „Wer das wahrhaft elegante Milieu einer vornehmen Privatwohnung, in der der beste Sammlergeschmack die Möbelstücke zusammengetragen hat, genießen und in flüsternder Stille seinen Mokka schlürfen oder seinen Tee trinken will, der besuche Wertheim in der Bellevuestraße.“ Moreck, S. 72. Paul Martin Rühlmann (1875–1933), Historiker, ab 1917 wiss. Mitarbeiter im Ausw. Amt, danach im Reichsinnenministerium, Mitbegründer der HHB, Herausgeber von Quellensammlungen für den Geschichtsunterricht (s. FoP, S. 272 f.). Schmitts Vortrag „Völkerrechtliche Probleme im Rheingebiet“ ist abgedruckt worden in: Friedrich Metz (Hrsg.), Probleme des deutschen Westens. Eine Aufsatzfolge im Auftrage des Verbandes deutscher Geschichtslehrer (Rheinische Schicksalsfragen 27 / 28), Berlin 1929, S. 76–89. Rühlmann war Herausgeber der Reihe. Feier zum 80. Geburtstag des Historikers Hans Delbrück (1848–1929); vgl. den Bildbericht in der Berliner Illustrirten Zeitung vom 25. 11. 1928. Gerhard Leibholz (1901–1982), von 1926 bis 1929 Richter am Kammergericht in Berlin, 1929 Professor in Greifswald, 1931 Göttingen, 1935 als Jude zwangsemeritiert, 1938 Emigration nach England, kehrte 1947 nach Göttingen zurück, von 1951 bis 1971 einflussreicher Richter am Bundesverfassungsgericht; NDB 14, S. 117–119., s. TB V, S. 38 und passim.
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zu Abend, war liebenswürdig und bescheiden, wir sprachen über den Begriff der Repräsentation1249, er blieb bis 12, begleitete ihn zum Hansaplatz. Todmüde zu Bett und gleich eingeschlafen. Samstag, 8. 12. 28 Wieder lange geschlafen, bis ½ 10, fühlte mich wohl, weil ich seit 2 Tagen keinen Alkohol trinke. Morgens zum Frühstück Milch statt Kaffe, wusste nicht recht, was ich mit meiner Zeit anfangen sollte. Tat nichts, um den Vortrag in Königswinter vorzubereiten. Sonntag, 9. 12. 28 Morgens mit Smend telefoniert, der Dienstag nicht zum Essen kommt. Nachmittags bei dem Rechtsanwalt Friedmann, nett unterhalten. Abends mit Fräulein Kraus im Schillertheater, der Londoner verlorene Sohn1250, wundervoll. Die Philosophie des barocken Begriffs der Versorgung, die Schönmacher, Scheuner1251 war auch im Theater, sehr nett unterhalten, nachher bei Kutschera1252 fröhlich nach Hause. Montag, 10. 12. 28 Stand etwas eher auf, fuhr im Auto zur Voßstraße1253, brachte Friedmann meine Verfassungslehre, dann Haare schneiden, Hochschule, Bank usw. Nach dem Essen ausgeruht, um 5 Uhr kam Ministerialrat hausen, nett unterhalten, sehr interessant. Dann kleidete ich mich um, Smoking, fuhr zur Bredtschneider Straße, allein mit Frau v. Quednow, ruhig, steif, nett unterhalten, sie war freundlich, kann aber offenbar nichts mit mir anfangen, findet mich hart und kalt. Ich ging um 11 Uhr nach Hause. Es ist sehr kalt. Dienstag, 11. 12. 28 Lange geschlafen, gut ausgeruht. Hielt meine 2 Stunden Vorlesung, mittags nach dem Essen eine Stunde ausgeruht, dann kam Fräulein Kraus, fuhr mit ihr zu dem Café Wilhelmshalle1254, sie begleitete mich zum Bahnhof Zoologischer Garten, fuhr nach Köln, es ging
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Leibholz arbeitete zu dieser Zeit an seiner Habilitationsschrift „Die Repräsentation in der Demokratie“ (1929). „Der verlorene Sohn“ ist ein damals viel gespieltes apokryphes Shakespeare-Stück, das am 6. November 1928 im Schillertheater in der Regie von Erich Engel Premiere hatte und bis 1932 gespielt wurde, mit dem Schauspieler Albert Steinrück, den Schmitt wohl schon aus seiner Münchener Zeit kannte. Am folgenden Tag äußert er sich dazu gegenüber Rudolf Smend: „Jetzt muß ich Sie wieder ins Theater treiben. Der Londoner verlorene Sohn von Shakespeare im Schillertheater Charlottenburg in einer vortrefflichen Regie mit Steinrück, der aber nur bis zum 15. Dezember spielt. Ein höchst wichtiges und lehrreiches Kapitel Politischer Theologie …“; BW Smend, S. 78 f. Ulrich Scheuner (1903–1981), Privatdozent, Schüler von Smend und Triepel, ab 1933 Prof. für Staatsrecht und Staatskirchenrecht in Jena, Göttingen, Straßburg, ab 1950 in Bonn; s. TB V, S. 9 u. passim. Café-Restaurant S. Kutschera, Bismarckstr. 109. Alfred Friedmann, zu dem Schmitt fuhr, wohnte Voßstr. 7. Hardenbergstr. / Ecke Joachimstaler.
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ziemlich gut, arbeitete etwas, nachts um 12 Uhr traf ich an der Rheinuferbahn Schmitz, fuhr dann nach Bonn, übernachtete im Hotel Continental, ziemlich gut geschlafen. Mittwoch, 12. 12. 28 Um 8 Uhr auf, schöner Kaffee, mit Peterson gefrühstückt, nett unterhalten, über Seeckt, über seine Broschüre1255 usw. Dann fuhr ich nach Königswinter, vormittags Vortrag, Dempf, dilettantisch und schlecht. Ich schämte mich. Nachher mit Tadi´c nach Honnef gefahren, wo Frau Schmitz mich erwartete, sie hat unheimliche Augen und sah müde aus. Aß dort zu Mittag, badete, ruhte aus, die wunderschönen Kinder, das märchenhaft schöne Haus. Heimweg in Sehnsucht nach dem Rhein. Um ½ 3 zurück nach Königswinter, hielt meinen Vortrag1256 sehr gut, großer Eindruck, freute mich darüber. Um 5 nach Bonn, bei Hensel, Dölle, dann Bürgerverein, traf Neuß und Peterson, nett unterhalten, schließlich Sekt getrunken, mit Peterson bis 12 Uhr. Dann zum Continental zurück. Donnerstag, 13. 12. 28 Um 8 auf, mit Peterson gefrühstückt, nach Duisburg gefahren, über Mittag bei am Zehnhoff, nett mit Fräulein Schneider unterhalten, die von Peterson schwärmte. Am Zehnhoff rühmte meinen Aufsatz über die Rheinlande. Dann nach Plettenberg, (im Zug eine hübsche Hannoveranerin, aber nicht mit ihr ausgestiegen), in Plettenberg um 5 Uhr, es war schon dunkel. Freute mich, die Eltern als gut aussehend zu finden, der gute, brave Vater, Ännchen gibt fleißig Stunden, ich ging früh zu Bett, auf dem Schlafzimmer war es furchtbar kalt. Freitag, 14. 12. 28 Mit dem Vater spazieren nach dem Soen, sehr schön. Nach dem Essen auf die Spitze des Saley, im Schnee. Unbeschreiblich schön die Berge des Ebbegebirges, Ruhe, Verschwiegenheit, Kraft und Unberührtheit. Wundervoll. Abends noch einmal etwas hinaus. Dann eingepackt und früh zu Bett. Schön an Duschka geschrieben, in großer Liebe. Samstag, 15. 12. 28 Noch einmal Spaziergang an den Soen. Es liegt tiefer Schnee. Um ½ 1 abgereist, mit Ännchen und Marie (die sehr sympathisch, aber furchtbar hässlich ist), im überfüllten Zug nach Hagen, dort Üssi getroffen, im Café Victor Meckler, einen Teppich für Ännchen gekauft, die Literarische Welt mit dem Aufsatz von Blei über Peterson1257 und der rühmenden Erwähnung meiner Verfassungslehre. Dann nach Berlin gefahren, ziemlich bequem, aber nicht viel gearbeitet, Ehrenburg die Verschwörung der Gleichen gelesen,1258 die Üssi mir geschenkt hatte. Abends ½ 11 zu Hause. Es war alles in Ordnung, einige Briefe. Bald zu Bett.
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Erik Peterson, Die Kirche, München 1928 (vordatiert auf 1929). Schmitt hielt einen Vortrag auf Einladung des Gesamtverbands der christlichen Gewerkschaften (s. oben, 6.11.28); das Thema ist nicht bekannt. In der Literarischen Welt vom 14. 12. 1928 (s. oben, 21.10.28). Ilja Ehrenburg, Die Verschwörung der Gleichen. Das Leben des Grachus Babeuf, Berlin [1928]. Das Buch hat Schmitt 1966 verkauft.
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Sonntag, 16. 12. 28 Gut ausgeruht, wie schön; fühle es oft als ein Glück, dass ich von Bonn weggegangen bin. Trank schön Kaffee zum Frühstück, mittags kam Fräulein Kraus und ihre Schwester und aßen bei mir zu Mittag, begleitete sie durch den Tiergarten, dann wieder nach Hause. Etwas ausgeruht, schön für mich gearbeitet, fleißig, abends mit Fräulein Kraus in [2 Wörter] Oper. Deprimierend, Schande und Dreck.1259 Noch zu Kranzler, durch den Tiergarten zu Fuß nach Hause. Montag, 17. 12. 28 [Textverlust in der Quelle; lesbar ist:] Lange geschlafen, todmüde, Angst … mich aufregte, diktierte Fräulein Kraus 4 Stunden lang Briefe, sie aß mit mir zu Mittag; ruhte dann aus. Abends zu … man beschließt einen streik), dann noch bis ½ 11 herumgelaufen, im Café Wien, aufgeregt, eine … schließlich gleichgültig, aber doch etwas erleichtert nach Hause; physisch erleichtert, moralische Verschmutzung). Dienstag, 18. 12. 28 Um 10 Uhr auf Vorlesung von 11–1 gut gehalten, , welche Studenten mir Eindruck machen, rührender Brief von Göppert über sehr freute. Nach dem Essen etwas mit dem Hund spazieren, (der gern hat); dann ausgeruht, kein Kaffee, mit Fräulein Kraus in den Buchladen, sie war rührend und anhänglich, hielt meine Übungen von 6–8 sehr hübsch und war guter Laune, ohne Anstrengung, zu Hause bescheiden gegessen, schickte Leibholz den Rheinland-Aufsatz, mit dem Hund etwas spazieren, ruhig zu Hause und Tagebuch geführt und früh zu Bett. Mittwoch, 19. 12. 28 Gut ausgeschlafen, um 11 Uhr kam Fräulein Kraus, diktierte ihr. Nicht viel getan. Mittags kam Frau Brinkmann und aß mit ihr zu Mittag, nett unterhalten. Sie ging schon um 3 Uhr, ruhte etwas aus, dann zu Frau Berend, die Depressionen hatte, um ½ 6 zur Stadt, Senatssitzung bis 9 Uhr, in das Seminar von Bonn, nett unterhalten, vielleicht zu viel gesprochen (über Franz Eulenburg), nachher nett geplaudert, mit Wolfers (unheimlicher Freimaurer), aufgeregt an dem Fräulein Frenkel, die der Falconetti1260 sehr ähnlich sieht. Unruhig um 12 Uhr nach Hause, nachts noch den Roman von Wilder, Die Brücke von San Luis Rey1261 gelesen, wunderschön, spät eingeschlafen. Donnerstag, 20. 12. 28 Spät aufgestanden, schnell gefrühstückt, meine Vorlesung trotzdem sehr gut gehalten, um 1 müde nach Hause, Fräulein Kraus aß mit mir zu Mittag, wir gingen noch am Salzufer mit
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Laut Auskunft des Landesarchivs Berlin wurde an diesem Tag in der Staatsoper Unter den Linden die Oper „Der singende Teufel“ von Franz Schreker gegeben. Renée Falconetti (1892–1946), Schauspielerin, spielte die Titelrolle in dem Film „Die Passion der Jungfrau von Orleans“. Thornton Wilder, Die Brücke von San Luis Rey, Wien 1929 [recte: 1928], erste deutsche Übersetzung dieses frühen Romans von Wilder.
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dem Hund spazieren. Dann ruhte ich schön aus, fühlte mich sehr wohl, fuhr zur Handelshochschule, ohne Kaffee, hielt mein Seminar (ein Dr. Neumann1262 aus Leipzig war da), sprach fast ganz allein. Nachher eine Stunde mit Paul Adams, zur Schadowstraße, Deutsche Gesellschaft, außenpolitisches Kom, Vortrag von Hans Siegfried Weber1263 und einem Juden, Cohn Meier1264, Ministerialrat. Langweilig, war bedrückt und befangen und sprach nicht. Um ½ 12 mit Gebsattel1265 nach Hause. Unzufrieden, immerhin, wie viele Leute sieht man in Berlin. Freitag, 21. 12. 28 Wieder gut und lange geschlafen, um 11 kam Fräulein Kraus, diktierte ihr einen Brief an Heller (der geantwortet hat, er habe diese Worte „beigefügt“),1266 um 12 im Auto zum Ministerium des Inneren, Hans Simons gesprochen, über den Fall seines Vaters,1267 versprach 1262
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Sigmund Neumann (1904–1962), 1927 von Hans Freyer promoviert, Archivdienst an der Dt. Hochschule f. Politik, ab 1929 hier Dozent, 1931 Leiter der Volkshochschule Berlin, 1933 Emigration über England in die USA, Lehraufträge für Soziologie, 1949 Rückkehr nach Deutschland, Gastprofessuren in München und Berlin; NDB 19, S. 161 f., s. Michael Kunze, Sigmund Neumann. Demokratielehrer im Zeitalter des internationalen Bürgertums, Berlin 2015. Hans-Siegfried Weber (1899-ca. 1955), Professor für Politikwissenschaft; DBA II 1370, 119–120. Nicht ermittelt. Viktor Emil von Gebsattel (1883–1976), Psychiater; BBKL 26, Sp. 443–457; vgl. Sombart; TB V, S. 253. Gebsattel kannte Schmitt seit der Münchener Zeit. Dies ist der Beginn vom Ende des freundschaftlichen Verhältnisses Schmitts zu Hermann Heller. Heller hatte nach Schmitt im Sommer 1927 an der Deutschen Hochschule für Politik seinen Vortrag „Politische Demokratie und soziale Homogenität“ gehalten, in dem er ausführlich auf seinen Vorredner eingeht. Hier sagte er u. a.: „Ließen sich tatsächlich alle politischen Handlungen zurückführen auf die Unterscheidung von Freund und Feind, wobei der letztere ‚in einem besonders intensiven Sinne existenziell etwas Anderes und Fremdes‘ bedeuten soll, das abgewehrt oder bekämpft, gegebenenfalls vernichtet wird, um die eigene seinsmäßige Art von Leben zu bewahren, dann wäre die Entstehung und Existenz der politischen Einheit etwas höchst Unpolitisches.“ (Hier zit. nach: Hermann Heller, Gesammelte Schriften, Bd. 2, 2. Aufl., Tübingen 1992, S. 425). Der Vortrag, bei dem Schmitt nicht anwesend war, wurde erst 1928 in der Reihe „Probleme der Demokratie“ gedruckt, und zwar gleich hinter dem „Begriff des Politischen“. Als Schmitt das zu Gesicht bekam, protestierte er umgehend bei Heller und bat um korrekte Zitierung (RW 0265 Nr. 13078–13079). Doch Heller beharrte darauf, dass er den Sinn nicht verfälscht habe, versicherte Schmitt im übrigen seine Hochschätzung: „Ich bedaure das, nein, ich empfinde es geradezu schmerzlich und das umso mehr, als ich der ehrlichen Überzeugung bin, daß Sie zu den zwei oder drei politischen Denkern gehören, die der Gegenwart etwas zu sagen haben und für eine wesentliche Diskussion in Frage kommen.“ (RW 0265 Nr. 13079). Als Schmitt dann 1933 Staatsrat wird, erhält er aus dem nach Spanien emigrierten Heller eine sarkastische (maschinenschriftliche) Glückwunschkarte: „Zu der so überaus wohlverdienten Ehrung durch Herrn Minister Goering beglückwünscht Sie Hermann Heller.“ (RW 0265 Nr. 5872–5873). s. Anhang. Der Reichsgerichtspräsident Walter Simons (1861–1937) wurde seit 1926 wegen seiner Ablehnung sozialdemokratischer Richter angegriffen (u. a. von Gustav Radbruch), er trat nach einem Konflikt mit dem Reichspräsidenten und der Reichsregierung um die Besetzung von Stellen im Reichsbahndirektorium 1928 im folgenden Jahr von seinem Amt zurück. Auf Vorschlag Carl Schmitts erhielt er einen Lehrauftrag an der Handelshochschule Berlin. Vgl. NDB 24, S. 441–443.
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ihm, die Revisionsbögen meines Aufsatzes zu schicken.1268 Fröhlich nach Hause, zufrieden, in Berlin zu sein. Zu Hause mit Rosenbaum und Fräulein Kraus zu Mittag gegessen, Rosenbaum plauderte sehr witzig und nett, er ging um 3 Uhr, ruhte einen Augenblick aus, dann kam Landrat Zimmer1269 mit einem Fräulein Schuller, trank Kaffee, sprachen über den Osten, gab ihm meinen Aufsatz über die Rheinlande. Sie gingen um ½ 7, ich war ziemlich munter, da kam ein Brief von Corinth1270, ich soll 68 Mark für den Installateur bezahlen. Regte mich furchtbar auf, schön dumm. Entwarf noch lange an dem Brief für Heller, korrigierte bis 12 Uhr herum. Schöner Brief von der guten Duschka. Heute Abend nach Halle telefoniert, will Weihnachten bei Bilfinger sein. Frau v. Quednow hat mir [etwa 3 Wörter]. Samstag, 22. 12. 28 Wieder lange und gut ausgeschlafen. Erst um 10 Uhr auf. Rührender, schöner Brief von der meinen Aufsatz über die Rheinlande bewundert. Um 11 Uhr Fräulein Kraus den Brief an Heller noch einmal diktiert, ferner die Entscheidungsgründe in dem Disziplinarverfahren gegen den Studenten . Froh, das erledigt zu haben, ebenso Antwort an . Um ½ 2 kam ein Wiener Dr. Gross1271, aß bei mir zu Mittag, er hat über Pazifismus gearbeitet, ich hatte auf die Dauer keinen guten Eindruck, erzählte ihm von Heller und der Beifügung der „ Vernichtung“. Er ging um 3 Uhr, dann kam Fräulein Kraus, wir gingen zur Handelshochschule, dann kauften wir ein, durch die Stadt, ließ mir die Haare schneiden, um 7 müde zu Hause. Glücklich zu Hause, Fräulein Kraus aß mit mir zu Abend, ich begleitete sie mit dem Hund nach Hause, dann noch etwas mit der guten Hanna geplaudert, ich will morgen einen Weihnachtsbaum machen. Sonntag, 23. 12. 28 Gut ausgeschlafen, kein besonderer Brief, Kaffee getrunken, mit dem Hund spazieren gegangen, dann rief Frau Berend an, ging zu ihr, schenkte ihr Wilder Die Brücke und Arnold Schmitz, Beethovenbild.1272 Wir gingen mit Breinlinger durch den Tiergarten
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Wahrscheinlich handelt es sich um: Carl Schmitt, Der Hüter der Verfassung, in: Archiv des öffentlichen Rechts 16, 1929, H. 2, S. 161–237. Alois (Aloys) Zimmer (1896–1973), wurde 1924 in Bonn von Schmitt zum Dr. iur promoviert und begann eine Laufbahn als Verwaltungsbeamter in Trier, 1928 Landrat von Stuhm / Westpr., 1933 einstweiliger Ruhestand, bis 1947 Winzer und Landwirt bei Trier, 1945 Mitbegründer der CDU, MdL, 1951–1957 Innen- und Sozialminister in Rheinland-Pfalz, 1957–1965 MdB; Rudolf Vierhaus / Ludolf Herbst (Bearb.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949–2002, Bd. 2, München 2002, S. 986 f.; Mehring (2009), S. 626, Anm. 102; vgl. TB V, S. 115. Die Vermieterin Charlotte Berend-Corinth. Leo Gross (1903–1990), österr. Jurist, 1927 von Kelsen promoviert, dessen Assistent er in Köln wurde, emigrierte 1933 zunächst nach London, 1935 nach Paris, 1940 in die USA, wo er als Professor für Völkerrecht und Berater des Außenministeriums und der Vereinten Nationen tätig war. Schmitt besaß: Leo Gross, Pazifismus und Imperialismus. Eine krit. Untersuchung ihrer theoret. Begründungen (Wiener Staats- und Rechtswissenschaftliche Studien, 17), Leipzig / Wien 1931 (heute in der Bibl. des Bundesgerichtshofes, 208002573220). Arnold Schmitz, Das romantische Beethovenbild, Berlin 1927.
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spazieren, zum Café , sehr nett gegessen und unterhalten („auch ein sehr netter Herr“), um 4 Uhr mit Breinlinger am Zoologischen Garten vorbei zurück. Müde, ausgeruht, etwas gelesen und notiert, dann kam Fräulein Kraus, wir machten den Weihnachtsbaum, unterhielten uns nett, sangen Weihnachtslieder, besonders „Es ist ein Ros’ entsprungen“, war sehr gerührt, aß mit Fräulein Kraus zu Abend, begleitete sie nach Hause, dann noch Briefe geschrieben, um 12 zu Bett, unruhig, weil Ella noch nicht zurück ist. Konnte nicht einschlafen. Montag, 24. 12. 28 Um 9 auf, die letzten Stunden gut geschlafen, trank schön Kaffee, Brief von Duschka, der mir sehr gut tat, schöne, liebe Frau. Diktierte Fräulein Kraus Brief an Maritain1273, packte ein, es wurde schnell 1 Uhr. Fuhr nach Halle, im Zug Lorenz von Stein1274 gelesen, ziemlich müde, kam um 5 Uhr in Halle an, fuhr gleich zu Bilfinger, dort rührend aufgenommen, schöner Weihnachtsabend; bekam eine Porzellantasse geschenkt. Wir tranken dann Scharzhofberger, leider zu viel. Er schmeckte herrlich. Sprach bis 1 Uhr mit Bilfinger, über berufliche Dinge, staunte über das schöne Haus und die schönen Bilder. Dienstag, 25. 12. 28 Bis ½ 10 geschlafen, ziemlich gut ausgeruht, Angst wegen der Niere. Vormittags im kalten Wind mit Bilfinger und Adolf einen Spaziergang, viel gesprochen und unterhalten, nach dem Essen geschlafen, 2 Stunden lang, abends etwas Rheinwein (Rauenthaler, 21),schon um 11 Uhr zu Bett. Heinrich Mann „Untertan“ gelesen. Ekelhaft, dabei ein guter .1274a Mittwoch, 26. 12. 28 Wieder bis ½ 10 geschlafen, sehr munter und guter Dinge, mit Bilfinger und Frau Bilfinger1275 durch Halle, in die Marienkirche, wo wir zufällig eine Hochzeit sahen. Nach dem Essen nicht lange ausgeruht, dann in die psychologische Klinik mit Bilfinger und seiner Frau. Der arme Carl1276 sprach eifrig und aufgeregt, um 5 nach Hause, den ganzen Abend mit Bilfinger geplaudert, über meine Verfassungslehre, über seine Pläne, um ½ 1 müde zu Bett. Nachts bis 3 Heinrich Manns „Untertan“ gelesen. Donnerstag, 27. 12. 281277 Müde auf, allmählich munter, schön gefrühstückt und mit Bilfinger geplaudert. Telefonierte nach Berlin, Hanna sagte mir am Telefon, dass in der Wohnung ein Rohrbruch war, scheußRW 0579 Nr. 495 (Kopie). Lorenz von Stein (1815–1890), Staatsrechtler und Nationalökonom; NDB 25, S. 154–156. Zum Verhältnis Schmitts zu Lorenz von Stein vgl. Dirk Blasius, Zeitdiagnosen. Carl Schmitt und Lorenz von Stein, in: Sozialer Wandel und kulturelle Innovation. Historische und systematische Perspektiven. Eckart Pankoke zum 65. Geburtstag, hrsg. von Thomas Drepper, Berlin 2005, S. 71–84. 1274a Zu Schmitts Beurteilung des Romans s. auch unten, S. 458. 1275 Bilfinger war verheiratet mit Margarethe, geb. Schuler (1887–1951). 1276 Bilfinger hatte offenbar neben seinem Sohn Adolf noch einen weiteren Sohn Carl, der psychisch krank war; vgl. auch unten, 20.4.29, 6.5.29 und 23.5.29. 1277 Bei diesem und den folgenden beiden Tagen gibt es in der Quelle Ausrisse. 1273 1274
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lich, ekelhaft. Unbeherrscht, …. Nach dem Essen noch mit Bilfinger in seinem Zimmer gesessen. …, um 3 Uhr zur Bahn und nett verabschiedet. Auf der Fahrt … Neumanowitsch im Speisewagen, begleitete sie zu … straße, aufgeregt, aber nur wegen der …, welche Freundschaft. Schrieb an Duschka, regte mich furchtbar auf wegen der Ella, die ausgegangen [war], angstvoll. Ich wartete auf sie bis ½ …, sehr aufgeregt zu Bett. Dann nicht gut geschlafen. Freitag, 28. 12. 28 Morgens munter, obwohl ich wenig geschlafen habe, sprach mit Ella sehr ernst … Mittagessen, ich ruhte mich etwas aus, um 5 Uhr … nett unterhalten, hatte aber das Gefühl, dass die Frau mich nicht … von Duschka, schöne liebe Duschka. Nach Hause, [2 Wörter], an meine frühere Geilheit, aß zu Abend, ging früh zu Bett. ziemlich Lärm in …. Samstag, 29. 12. 28 Um 8 Uhr auf, Spaziergang in [2 Wörter], mit dem [Hund] Olaf. Dann gefrühstückt …, Kraus kam um 11, diktierte ihr die Besprechnung1278 …; sehr froh, das erledigt zu haben. Sie ist rührend nett. [3 Wörter] bis 3 Uhr, ging dann zu Bett, schlief, sehr munter und frisch um ½ 6 auf, ein paar Briefe geschrieben, dann zur Friedrichstraße, eingekauft, 2 Exemplare des Buches von Wilder, an Frau Smend und Frau Briefs. Um ½ 8 zurück, bescheiden zu Abend, Milch getrunken, herumgelesen (Jeanne d’Arc von Delteil1279). Ziemlich müde. Sehnsucht nach Duschka, lieb, Wunsch von ihr ein Kind zu haben. Sonntag, 30. 12. 28 Ziemlich erkältet, Fräulein Kraus kam vormittags, sie blieb zum Essen, müde und schlechter Laune, überlegt, ob ich kündigen soll, abends mit dem Hund spazieren (fürchte, dass er weggelaufen ist und war traurig darüber), zu Bett; mit fürchterlichen Kopfschmerzen die Theaterbesprechung1280 korrigiert. gelesen. Montag, 31. 12. 28 Den ganzen Tag fürchterlich erkältet. Fräulein Kraus schrieb den Aufsatz über Beckerath noch einmal. Schöner Brief von Duschka, der mich sehr freute. Schönes, liebes Kind. Mittags ausgeruht, nachmittags Besuch von Klinkenberg und seinem Freund, kein guter Eindruck, und abends gearbeitet, bis 12 Uhr, die Mädchen sind beim Hausverwalter und feiern Silvester. Ich ging müde zu Bett. Beherrscht und mit guten Vorsätzen. Telegramm von Krause1281, dass er Ende der Woche in Berlin ist. Sehr froh darüber.
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Schmitt diktierte Annie Kraus: Carl Schmitt, Wesen und Werden des fascistischen Staates, in: Schmollers Jahrbuch 53, 1929, S. 107–113 (Rezension des gleichnamigen Buches von Erwin von Beckerath, Berlin 1927); vgl. unten, 31.12.28. Joseph Delteil, Jeanne d’Arc, Paris 1926. Mehring hält es für möglich, dass Schmitt die Aufführung von „Der verlorene Sohn“ in einer Zeitung besprochen hat; Mehring (2009), S. 638, Anm. 54. Es handelt sich um Georg Alexander Krause.
Tagebuch 1929 Dienstag, 1. 1. 29 Immer noch erkältet, aber gut geschlafen. Morgens nach dem Kaffee eine Stunde schön an meinem Aufsatz über den Hüter der Verfassung gearbeitet. Oft geil an die Neumann1282 gedacht. Nach dem Essen mit dem Hund spazieren, dann gut ausgeruht. Angst vor einer Nierenkrankheit. Um 5 Uhr aufgestanden, die Mädchen blieben zu Hause und steckten den Weihnachtsbaum an; ging über den Kurfürstendamm, im Café Wien, sah eine Frau, die mich an Magda erinnerte und regte mich sehr auf. Es fällt Schnee, die Luft ist sehr schön. Allmählich nach Hause, um 8 Uhr mit großem Hunger, schön, bescheiden zu Abend gegessen und etwas notiert. Abends nochmals heraus, in die Mittelstraße, eine Leni Walden, Sekt getrunken, schließlich das Lächerliche der Situation eingesehen und weggegangen. Mittwoch, 2. 1. 29 Ziemlich munter auf, an meinem Aufsatz geschrieben,1283 Fräulein Kraus sehr nett Briefe diktiert, sie blieb zum Mittagessen, nachher mit ihr am Salzufer spazieren, schön ausgeruht, nachmittags um 6 zum Café Revue1284 am Wittenbergplatz, aber vergebens gewartet. Das tat mir gut. Ruhig zurück, zu Hause an meinem Aufsatz für Smend1285 geschrieben. Ruhig und beherrscht zu Bett. Donnerstag, 3. 1. 29 Morgens wieder nett gearbeitet. Fräulein Kraus blieb zum Mittagessen, etwas spazieren, ausgeruht, den ganzen Nachmittag Bücher gelesen, die Fräulein Kraus von der Bibliothek geholt hat, besonders 1286 der Jeanne d’Arc. Dann umgekleidet, zu Frau v. Quednow, wir fuhren zum Café , aßen schön zu Abend, tranken Moët & Chandon; wurde allmählich munter, sie war lieb und freundlich, brachte sie nach Hause, bis ½ 3 dort, Angst vor ihrem Gesicht, Koitus, sie stöhnte und schrie; sie scheint in mich verliebt zu sein. Müde nach Hause. Nachts Angsttraum wegen Duschka (ich verliere sie in der Eisenbahn).
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Wohl identisch mit „Neumanowitsch“ vom 27.12.28. „Der Hüter der Verfassung“. Nicht im Adressbuch, wohl aber besuchte Schmitt am Wittenbergplatz das Café Adler. „Der Hüter der Verfassung“, siehe Eintrag v. 20.11.28 und Brief v. 10.12.28 an Smend, BW Smend, S. 78. Der klarschriftliche Verfassername ist schwer zu lesen, aber wahrscheinlich handelt es sich um: Jules-Étienne Quicherat (Éd.), Procès de condamnation et de réhabilitation de Jeanne d‘Arc, dite la Pucelle. Publ. pour la première fois d’après les manuscrits de la Bibliothèque royale, suivis de tous les documents historiques qu’on a pu réunir et accompagnés de notes et d’éclaircissements, vol 1–5, Paris 1841–1849.
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Freitag, 4. 1. 29 Erst etwas müde und Kopfschmerz, gebadet, es ging schnell besser, Fräulein Kraus hat Kopfschmerzen, tat fast nichts; bekam nur ein paar Rechnungen, deprimiert, telefonierte lange mit Smend, sah, dass mein Aufsatz keine Eile hat; Angst vor den Professoren, mittags blieb Fräulein Kraus zum Essen, dann ruhte ich schön aus; nachmittags zur Stadt, Haare schneiden, bei Adam einen neuen Anzug bestellt, Kaffee bei Hilbrich1287, schön, etwas notiert für meinen Aufsatz, behaglich nach Hause (immer das Gefühl: bald bricht das Unglück herein), zu Hause (die neue Deckenbeleuchtung). Allmählich munter, gut gearbeitet, notiert, herumgelesen, an Duschka geschrieben, ruhig und guter Dinge, dachte auch mit Vergnügen an den gestrigen Abend. Samstag, 5. 1. 29 Etwas früher auf, etwas gearbeitet, Fräulein Kraus kam und schrieb ein paar nebensächliche Briefe. Mittags Eschweiler und Adams zum Mittagessen, mit Fräulein Kraus. Eschweiler nannte Frau Käthe Eisler die schönste Frau, die er kenne. Sie blieben bis 3 Uhr. Dann ging ich mit Eschweiler zu Frau Berend; sie schimpfte über Thornton Wilder, ich fühlte irgend etwas Böses dabei, war traurig. Breinlinger zeigte die Zeichnungen von seiner sterbenden Mutter. Sehr groß und bedeutend; aber es stieß mich doch ab. Traurig um 7 nach Haus, abends fror ich in meinem Arbeitszimmer; Krach wegen des Hundes, wütend darüber, dass mich solche Probleme belästigen, traurig zu Bett. Konnte nicht einschlafen. Krause hat nicht angerufen. Sonntag, 6. 1. 29 Um 9 Uhr auf, etwas an meinem Aufsatz geschrieben, erst in netter Laune, dann kam Fräulein Kraus, freundlich unterhalten. Schöner Brief von Frau Briefs über „Die Brücke“.1288 Kein Brief von Duschka. Unruhig und besorgt. Mittags mit Fräulein Kraus gegessen, etwas mit dem Hund spazieren (ohne Maulkorb), dann ausgeruht, todmüde, geschlafen bis 5 Uhr. Ziemlich munter nach Paul Schöner1289, wo ich Eschweiler traf. Schöner hat eine hübsche, liebenswürdige junge Frau. War deshalb traurig. Um 8 nach Hause, noch ein paar Minuten herumgelaufen; es ist sehr kalt. Todtraurig; die Mädchen sind ausgegangen, der Hund heult und will spazieren geführt werden. Aß für mich zu Abend, führte den Hund spazieren, war wütend und beschimpfte mich selbst. Die Frau beutet mich aus, der Hund beutet mich aus; armer, elender Narr. Donnerstag, 7. 1. 29 Morgens todmüde, aber gut geschlafen. Bis 10 Uhr im Bett, ein Brief von Duschka. Traurig und unruhig. Dann schön gefrühstückt, etwas notiert. Fräulein Kraus kam, freute mich über sie, nett unterhalten, sie ging zur Bibliothek. Schöne Karte von Duschka. Wir aßen zusam-
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Konditorei Hilbrich, Café des Westens, Kurfürstendamm 24. Anna Briefs, die Ehefrau von Götz Briefs, bedankt sich für die Übersendung des Buches von Thornton Wilder, Die Brücke von San Luis Rey und schreibt über Madame de Sévigné, Cyrano de Bergerac und Dostojewski. RW 0265 Nr. 2028. Nicht ermittelt; vgl. TB V, S. 94.
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men zu Mittag, dann zum Schneider, dann müde nach Hause. Ausgeruht. Todmüde, wieder munter, sah gut aus, zum Potsdamer Platz, eine Tasse Mokka bei Telschow1290, traf Eschweiler und Adams an der Bahn, holte Peterson ab. Ich war gleichmütig und freundlich. Wir fuhren zu mir, aßen gut zu Abend (rührender Brief von Duschka an Hanna), Peterson gern . Dann kam der müde Adams, alle gingen in die Scala. Ich blieb zu Hause und war sehr froh darüber. Allmählich verging auch meine Müdigkeit. Sah meine Einsamkeit. Ganz ruhig, etwas resigniert, aber zufrieden und bescheiden. Dienstag, 8. 1. 29 Peterson war zu Erich Seeberg1291, ich fuhr zur Handelshochschule und hielt meine erste Vorlesung, 11–1, Staatsrecht. Sehr anstrengend das Sprechen. Zu Hause mit Peterson, dann ausgeruht, um 4 mit Frau Berend durch den Tiergarten. Wir tranken bei Kranzler Kaffee und disputierten heftig über das Sakrament der Buße bei der Heilsarmee. Ich hielt dann meine Übung, nach Hause, wieder allein und sehr froh darüber. Mittwoch, 9. 1. 29 Behaglich ausgeschlafen, mit Peterson gefrühstückt, mittags kam Triepel und machte seinen Gegenbesuch, dann Briefs und Rosenbaum. Wir aßen zusammen zu Mittag und unterhielten uns gut. Nachmittags hatte ich Senatssitzung, vorher mit Peterson im Schlosscafé, das ihm nicht gefiel. Führte Protokoll in der Senatssitzung. Langweilig; sie dauerte bis ½ 9. Dann nach Hause. Donnerstag, 10. 1. 29 Wieder gut ausgeschlafen, schön gefrühstückt, zum Universitätsamt, nette Unterhaltung, von 11–1 Vorlesung Staatsrecht. Nach dem Essen zu Hause ausgeruht und mich auf abends (Theater mit Smend) gefreut. Trank bei Aschinger am Bahnhof Börse1292 schnell Kaffee, hielt mein Seminar, um ½ 8 mit Auto zum Schillertheater. Wartete auf Peterson und Smend, sie kamen spät; dann sahen wir den Londoner verlorenen Sohn, Frau Berend und Breinlinger waren auch da. Breinlinger ging aber am Schluss des Theaters nach Hause, weil er plötzlich grippekrank wurde. Wir gingen mit Smend zum Café, tranken dort Pommery, Frau Smend. Sehr nett unterhalten.1293 Smend sprach wundervoll über das Stück. Dann von der notwendigen Front gegen die , blieb noch mit Peterson bis 1 Uhr. Freitag, 11. 1. 29 Gut ausgeruht, etwas von dem Wein, der herrlich war, mit Peterson gefrühstückt und über Smend gesprochen, allmählich wieder Angst vor ihm und seiner 1290 1291
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Café Telschow, Potsdamer Str. 141 / Leipziger Str. 8. Erich Seeberg (1888–1945), evang. Kirchenhistoriker, 1920 Professor in Königsberg, 1924 Breslau, 1926 Halle, 1927 Berlin (NDB 24, S. 136 f.). Peterson beteiligte sich 1929 an der Festschrift für Seeberg mit einem Beitrag, über den er am 18.10.28 mit Schmitt sprach (s. oben). Heute: S-Bahnhof Hackescher Markt. Am 8.1.1948 schreibt Schmitt an Smend: „Ich erinnerte mich in diesen Januartagen daran, dass wir vor zwanzig Jahren in Berlin im Theater waren, in dem ‚Londoner verlorenen Sohn‘, und anschliessend ein Gespräch über die Ontologen hatten.“ BW Smend, S. 123.
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Hintergründigkeit usw.; er hasst mich offenbar als Katholiken. Ich armes Huhn. Dann ging Peterson zur Universität, ich schrieb ein paar Briefe, Fräulein Kraus krank. Wir aßen zu Mittag und ruhten etwas aus. Ich telefonierte um 12 an Fräulein Neumanowitsch. Sehr aufgeregt, verliebt, abenteuerlustig, ungeduldig auf Montagabend. Nachmittags mit Peterson durch den Tiergarten zum Kurfürstendamm, wir wollten den Film „Feuer über Alaska“ sehen, aber es war geschlossen. Tranken Kaffee bei , (ich dachte immer an die Neumanowitsch), gingen zurück, aßen bei mir zu Abend mit Bilfinger, Rosenbaum, Adams. Etwas langweilig. Schöner Rotwein. Bis 12 Uhr. Ich war müde und deprimiert, fühle mich betrogen. Samstag, 12. 1. 29 Bis 9 Uhr gut geschlafen, mit Peterson gefrühstückt, denn besuchten wir Fräulein Kraus, die krank ist. Kam mir neben Peterson vor wie das Paar Bouvard & Pécuchet.1294 Peterson zu einem Bekannten, pumpte mich an, das deprimierte mich. So werde ich mein Geld los, dummer Kerl. Nachmittags nach dem Essen zum Schneider, Anzug anprobiert, zum Kabarett der Komiker.1295 Traf dort Frau Berend, Charlotte1296 und Peterson, hörten uns das Varieté an, es war scheußlich, ekelhaft, deprimiert. Dann zum Café 1297, mit den beiden Adams, Däubler und Peterson, gelacht, die Hölle der Gelehrten, bis 12. Müde und traurig nach Hause. Aus Schwäche und Weichheit für morgen Mittag zugesagt zum Mittagessen bei Frau Berend mit Däubler1298. Sonntag, 13. 1. 29 Bis 10 Uhr geschlafen, das war gut, etwas Hexenschuss und Angst davor, mit Peterson gefrühstückt, von Schmollers Jahrbuch,1299 Gesetz über , Brief von Bilfinger, der mich auf eine besonders üble Besprechung von Wittmayer hinweist.1300 Erschrak und war traurig. Mit Peterson darüber gesprochen, auch dass ich mich auf nicht[s] verlassen kann. Er sagte mir übrigens, dass er seinen Satz vom September 1926, was ich tue, sei Selbstmord, nicht mehr aufrecht erhalte. Wir gingen zu Frau Berend, Däubler kam auch und ein
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Titel eines satirischen Romans von Gustave Flaubert, in dem die beiden in symbiotischer Beziehung stehenden Hauptfiguren in der Wissenschaft dilettieren und scheitern. Das „Kabarett der Komiker“ spielte seit September 1928 im Mendelssohn-Bau am Lehniner Platz. Charlotte Berend-Corinth. Café Josty, am Potsdamer Platz, „eine beliebte Rendevousstelle der Berliner Jugend“ (Szatmari, S. 79). Däubler war mit Alice Berend schon früh in Berliner Künstler- und Schrifstellerkreisen bekannt geworden, z. B. über den Stammtisch Max Reinhardts im Café Monopol, und hatte ihr Gedichte gewidmet. Schmitt veröffentlichte in Schmollers Jahrbuch im Februar 1929 seinen Rezensionsaufsatz über Erwin von Beckerath, Wesen und Werden des fascistischen Staates, Berlin 1927. Leo Wittmayer (1876–1936), Professor für Staatsrecht an der Universität Wien. Wittmayer, der schon 1925 im Archiv des öffentlichen Rechts die Parlamentarismus-Schrift Schmitts sehr kritisch besprochen hatte, besprach 1929 im Reichs-Verwaltungs-Blatt (Jg. 50, H. 1, S. 10) die „Verfassungslehre“; vgl. Mehring (2009), S. 187 f.
Januar 1929 251 251 Sohn von Professor Warburg1301. Däubler war sehr sympathisch und großartig. Wir unterhielten uns sehr gut, über heilige Städte, über Deutschland, Faschismus usw.1302 Bis 6 Uhr, dann ging ich mit Peterson nach Hause, er ging in die Oper (Figaros Hochzeit), ich war glücklich, alleine zu Hause zu sein, sprach etwas mit Hanna, aß bescheiden zu Abend, war sehr müde und deprimiert über meine völlige Erfolglosigkeit. Was mag das morgen Abend mit der Neumanowitsch geben? Angst vor meinen großen Ausgaben. Montag, 14. 1. 29 Vormittags etwas notiert an meinem Aufsatz, kam nicht vorwärts. Schrecklich. Telefonierte Neumanowitsch, sie war krank und „ganz kaputt“. Also erst morgen Abend. Umso besser. Peterson reist mittags ab, ich habe etwas Hexenschuss. Fräulein Kraus ist krank. Aß zu Mittag, ruhte aus, lief durch den Tiergarten, über die Straße, geil, lange Beine, es ging aber gut. Dann zu Hause, etwas gearbeitet und abends ruhig und bescheiden zu Bett. Der neue Anzug ist gekommen, passt aber nicht. Dienstag, 15. 1. 29 Gut ausgeschlafen, [2 oder 3 Wörter] hielt meine Vorlesung 11–1, gut, fröhlich nach Hause, nach dem Essen ausgeruht, dann bei Aschinger am Bahnhof Börse, meine Übungen in sehr guter Laune, zum Deutschen Theater gefahren, lange gewartet, bis 8 Uhr, sie kam endlich, sah aber alt aus. Wir mussten den 1. Akt stehen (Die Verbrecher1303), das Stück war naturalistisch interessant, sonst ein Zeitungsartikel illustriert; mit 1304, 1305, sie sah gut aus, kannte die Schauspieler usw. Wir gingen nachher zu Mitscher, tranken St.-Péray, aßen etwas, sie erzählte, fuhr sie um ¼ nach 1 zu ihrer Wohnung, küsste ihre Hand. Sie bat mich, sie anzurufen, war aber sonst reserviert und ohne besonderes Interesse. Guter Eindruck, etwas langweilig. Trotzdem erfreut nach Hause, erleichtert, dass das Abenteuer gut verlaufen ist. Mittwoch, 16. 1. 29 Bis um ½ 10 geschlafen, nachts , dann Traum von Elli mit Pollution. Immerhin befreit und erleichtert. Rührender Brief von Duschka. Smend telefonierte an und bat mich für Freitagabend zu Besuch (ich wollte schon wieder nichts mit ihm zu tun haben), ein jun-
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Max Moritz Warburg (1867–1946), Bankier in Hamburg, Vater von Erich (Eric) Warburg (1900– 1990). Beide emigrierten 1938 in die USA. Erich Warburg kehrte nach Kriegsende als amerikanischer Offizier zurück und verhörte Hermann Göring bei den Nürnberger Prozessen, begründete dann in Hamburg das Bankhaus M. M. Warburg erneut; Hamb. Biogr. 2, S. 438–440 und 3, S. 399 f.; vgl. TB V, S. 56 und 172. Erik Peterson berichtet darüber in einem Brief vom 30. Juli 1947 an Ludwig von Ficker: „… Däubler, den ich das letzte Mal in Berlin in Gesellschaft von Alice Berend u. einem jungen Warburg sah, trat zwischen die Türpfosten und hielt eine Rede, die gegen die Demokratie gerichtet, die Prophezeiung des Untergangs von Berlin enthielt.“ Zit. nach: Marbacher Magazin 30, 1984, S. 43. s. oben, 4.11.28. Egon Erwin Kisch (1885–1948), kommunistischer Schriftsteller und Reporter, 1933 aus Deutschland ausgewiesen; NDB 11, S. 682 f. Sonik Rainer, eigentl. Antonia Steinkleiber (1907–?), Schauspielerin.
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ger Mann namens Schogan ist gekommen, Schule von Laski. Das freute mich doch. Nachmittags zu Fräulein Kraus, die noch zu Bett liegt. Freundlich mit ihr unterhalten. Nach dem Essen ausgeruht. Kaffee bei Aschinger, langweilige Sitzung, nachher mit Wimpfheimer zu 1306 in die Jägerstraße. Nett unterhalten, aber doch das Gefühl der Fremdheit. Um 11 traurig nach Hause und zu Bett. Es ist sehr kalt. Donnerstag, 17. 1. 29 Oft Gefühl der Einsamkeit, des Betrogenseins, des elenden und lächerlichen Zustandes meiner Ehe mit einer seit Jahren kranken Frau. Kümmerlich. Stand um 8 Uhr auf, die Mädchen lagen noch im Bett, ein netter Haushalt, alles widerlich, dumm unerträglich. Sehnsucht nach Bonn, nach Ruhe nach Regelmäßigkeit, nach normalen Verhältnissen. Bereitete mich schnell auf meine Vorlesung im Auswärtigen Amt vor, fuhr im Wagen hin, es ging ausgezeichnet (wie immer, wenn ich etwas müde bin), dann Haare schneiden, beim Schneider wegen des Anzugs, zur Handelshochschule, 11–1 Staatsrecht, erregt über eine Studentin mit langen Beinen und einem harten Blick; hob ihr den Füllfederhalter auf. Allmählich ruhig, Oppikofer1307, nach Hause, Fräulein Kraus war da und aß mit mir, dann ging ich zu Bett, schlief etwas, um 5 zu Kranzler, wo ich Oppikofer traf und nett mit ihm sprach. 6–8 Seminar, Referat Fräulein Vornhagen, um ½ 8 nach Hause, schöner Brief von Linn, der mir La Rochefoucauld geschickt hat.1308 Traurig, es ist eiskalt, Angst wegen der Gesundheit von Duschka, bedrückt, verzweifelt, stöhnend, ein elendes Leben, faul, konnte nicht arbeiten, kaum eine Hand bewegen. Wie schrecklich. Freitag, 18. 1. 29 Müde auf, nicht viel getan, dafür die Neumanowitsch, die ich lächerlich finde, für morgen Abend verabredet. Um ½ 12 zur Handelshochschule, Reichsgründungsfeier, im Talar, dumme Rede von Spies1309, sonst war es nett und anständig. Dann zur Deutschen Gesellschaft, Frühstück der Hochschule für Politik1310, neben Meinecke1311 gesessen, ein arger alter Mann, nachher mit Heller, der mir leid tat, den ich lächerlich fand, und doch wieder mit seinen unverschämten Insinuationen, ekelhaft. Wir tranken bei Kranzler Kaffee, dann müde
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Weinrestaurant Haußmann, Jägerstr. 5. Hans Oppikofer (1901–1950), schweizer Jurist, 1926 Privatdozent für Handelsrecht, Bürgerliches Recht und Deutsches Recht an der Universität Königsberg, 1928 Professor in Mannheim, 1929 Königsberg, 1935 Leipzig, 1939 Zürich; Professorenkatalog der Universität Leipzig / Catalogus Professorum Lipsiensium.Hrsg. vom Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte, Historisches Seminar der Universität Leipzig (http: / / www.uni-leipzig.de / unigeschichte / professorenkatalog / leipzig / Oppikofer_508 [Juni 2016]). RW 0747 Nr. 14 (Kopie). François de La Rochefoucauld, Oeuvres de François duc de La Rochefoucauld (Collection des prosateurs français), Paris 1818. Schmitt verkaufte das Buch 1966. Heinrich Spies (1873–1962), Anglist, 1902 Privatdozent an der Friedrich-Wilhelms-Universität, Berlin, daneben 1906 bis 1914 Dozent an der Handelshochschule Berlin, 1914 o. Prof. Greifswald, 1926 bis 1945 wieder an der Handelshochschule (ab 1935: Wirtschaftshochschule) Berlin, 1946 Universität Berlin; DBE 9, S. 551; Tilitzki (1994), S. 178. Deutsche Hochschule für Politik, Schinkelplatz 6 (in der Alten Bauakademie). Friedrich Meinecke saß im Vorstand der DHP.
Januar 1929 253 253 nach Hause, schnell umgekleidet und nach Nikolassee zu Smend gefahren, dort Dr. Eschmann1312, ein fils de famille, gefiel mir nicht. Wir sprachen über La Rochefoucauld, über Faschismus usw. Ich war müde, traurig um ½ 12 nach Hause. Samstag, 19. 1. 29 Müde herumgelegen vormittags, Fräulein Kraus diktiert, nach dem Essen ausgeruht, bis abends, in Ruhe angekleidet, im Smoking mit dem Autobus zur Westendstraße, bei Frau v. Quednow gegessen, sehr nett unterhalten, sie war lieb und nett. Erzählte von Bonn. Wir gingen dann um ½ 12 in die Nachtvorstellung von Orpheus1313, es war entzückend, dachte an die gute Duschka, nachher noch eine Flasche Sekt in einem kleinen Lokal in Charlottenburg. Sehr nett unterhalten, gewann Frau v. Quednow sehr lieb. Um 3 Uhr nach Hause. Sonntag, 20. 1. 29 Bis 10 Uhr im Bett, dann ziemlich munter. Fräulein Kraus diktiert, nach dem Essen etwas ausgeruht, dann nach Nikolassee zu Briefs, dort nett unterhalten, Schulze-Gaevernitz1314 kam, sehr sympathischer alter Liberaler, etwas trottelig. Ging um ½ 8, fuhr mit einer Kindergärtnerin namens Lutz im Auto, zu dumm. Dann gleichgültig nach Hause und bald zu Bett. Montag, 21. 1. 29 Morgens endlich Brief von Duschka, worüber ich sehr froh war. Überlegte, ob ich der Neumanowitsch telefonieren sollte. Fräulein Kraus kam, diktierte ihr etwas. Schließlich telefonierte ich um 12 Uhr, sie war nicht mehr zu Hause. Umso besser. Das wäre erledigt. Zum Mittagessen kam Hans Pichler1315 aus Greifswald, freundlich unterhalten, er ist etwas schwerhörig; erzählte von Gebsattel, aus Greifswald (dessen Frau1316 einen Lebenswandel führt; armer Kerl). Dann begleitete ich ihn zur Elektrischen durch den Tiergarten, freundlich verabschiedet, er sagte mir, dass Leibniz pl. .1317 Traurig nach Hause, geil und gierig. Zu dumm. Zu Bett, Ejakulation. Dann Fräulein Kraus diktiert. Mit ihr zu Abend geges-
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Ernst Wilhelm Eschmann (1904–1987), Soziologe und Kulturphilosoph, Schüler und Protegé von Smend, politischer Schriftsteller (vor allem für die Zeitschrift „Die Tat“), ab 1933 Dozent an der Deutschen Hochschule für Politik, nach deren Eingliederung in die Friedrich-Wilhelms-Universität dort a. o. Professor, nach 1945 Retraite in der Schweiz, 1969 auf die eigens für ihn geschaffene Professur für Kulturphilosophie an der Universität München berufen; Schrenck-Notzing, S. 161 f.; M. Frederik Plöger, Soziologie in totalitären Zeiten. Zu Leben und Werk von Ernst Wilhelm Eschmann (1904–1987), Berlin 2007; Breuer, S. 75 f.; vgl. TB V, S. 314. Jean Cocteaus „Orphée“ wurde in einer Nachtvorstellung in der Kroll-Oper gezeigt. Gerhart von Schulze-Gaevernitz (1864–1943), Nationalökonom, bis 1923 Professor in Feiburg, politisch in der DDP aktiv; NDB 23, S. 722 f. Hans Pichler (1882–1958), Philosoph, seit 1921 Professor für Philosophie in Greifswald, mit Schmitt seit dessen Greifswalder Zeit befreundet; Tilitzki (2002), S. 104–106; vgl. Schmittiana NF II, 2014, S. 123–130; TB III, S. 11 und passim. Gebsattel war seit 1920 mit der Kinderärztin Karoline von Falkenhayn verheiratet. Unklar, aber Hans Pichler arbeitete über Leibniz.
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sen und zum Kino, Waterloo mit Otto Gebühr.1318 Sehr dumm. Noch im Café, Schokolade getrunken, dann sehr traurig nach Hause. Dienstag, 22. 1. 29 Großartig geschlafen, herrlich ausgeruht, heftige Erektionen, Sehnsucht nach Magda, das war immer noch die Beste. Kein Brief, ein paar Drucksachen erledigt, mit Frau v. Quednow für nächsten Dienstag verabredet, ihr den Aufsatz von Ball geschickt,1319 an Pichler den „Begriff des Politischen“,1320 Leibholz die Korrekturen der Besprechung Beckeraths. Dann zur Handelshochschule, die Vorlesung 11–1 sehr nett. Zu Hause mit Fräulein Kraus zu Mittag. Dann ausgeruht, um 4 mit ihr etwas spazieren, dann allein durch den Tiergarten, im Café , ekelhaft. Traf auf der [Straße] Landsberg und verabredete mich für Freitag um 5 Uhr mit ihm. Traurig, hielt dann meine Übungen, ganz nett. Fuhr gleich nach Hause, aß zu Abend, schrieb an Linn und Georg Eisler, führte Tagebuch und war ziemlich traurig und bedrückt. Mittwoch, 23. 1. 29 Gut ausgeschlafen, Diktierte etwas dem Fräulein Kraus, mittags kam Briefs, unterhielt sich nett mit mir, aber es geht ihm offenbar nicht gut, kümmerlich, er fürchtet, nicht an die Universität zu kommen.1321 Begleitete ihn zum Bahnhof Tiergarten, dann zu Frau Berend, bei der ich den kennenlernte. Mit Frau Berend spazieren, zum Café , über (den sie für böse hält, aber sehr interessant und sympathisch), Georg Eisler, dessen Reichtum sie hasst. Nach Hause im Auto, Fräulein Kraus noch diktiert; dann zu Guardini, langweilig, müde nach Hause. Donnerstag, 24. 1. 29 Konnte nicht einschlafen, nur 4 Stunden geschlafen, trotzdem morgens ziemlich munter. Im Auswärtigen Amt sehr nett, mit dem Attaché Wolf zur Leipziger Straße, bei Adam Anzug anprobiert, schnell zur Hochschule, 11–1 Vorlesung, sehr gut, zu Hause ausgeruht, um 4 Uhr Doktor-Examen Gartenschmidt1322, schlecht, [2 Wörter], bei Bonn in seinem Institut Tee getrunken. Dann Seminar 6–8, müde und traurig nach Hause, zum Verzweifeln. Freitag, 25. 1. 29 Gut ausgeschlafen, Fräulein Kraus den Aufsatz „Hüter der Verfassung“1323 diktiert, nachmittags wieder ausgeruht, um 5 Paul Landsberg getroffen, Café Adler1324, nett geplaudert, 1318
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Stummfilm von 1928. Unter der Regie von Karl Grune spielte Otto Gebühr den Feldmarschall Blücher. Wahrscheinlich: Hugo Ball, Carl Schmitts Politische Theologie, in: Hochland 21 / 2, 1924, S. 263– 286. Von Hugo Ball fühlte Schmitt sich mit dieser fulminanten Interpretation am besten verstanden. Vgl. das (undatierte) Dankschreiben Pichlers, in: Schmittiana NF II, 2014, S. 130. Briefs war seit 1926 Professor an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg. Nicht ermittelt. Carl Schmitt, Der Hüter der Verfassung, in: Archiv des öffentlichen Rechts 16, 1929, H. 2, S. 161– 237 (erschien 1931 in erweiterter Form als selbständiges Buch). Café Adler, Wittenbergplatz.
Januar 1929 255 255 über 1325, sein , schnell nach Hause, umgekleidet, in großer Hast, Wut über den schlechten Haushalt. Zu Demuth, dort auch Frau [Berend-]Corinth, war aber gleichgültig und kühl. Machte wieder eine schlechte Figur. Um 10 zum Anhalter Bahnhof, Bilfinger abgeholt, nett unterhalten, bei mir zu Abend gegessen, schönen Wein getrunken. Um ½ 1 zu Bett. Samstag, 26. 1. 29 Um 8 auf, nicht genug geschlafen, mit Bilfinger nett gefrühstückt, dann in die Stadt, Chinesische Ausstellung,1326 Institut für öffentliches Recht, sehr nett mit Leibholz unterhalten. Dann nach Hause, nach dem Essen erst zu Wertheim, beim Bildhändler, müde nach Hause, dort der junge Mann vom Jungdeutschen Orden, Dr. Höhn1327, begeistert, fanatisch, aber . Schließlich langweilig, Bilfinger hörte zu. Ich war freundlich und nett. Dann zu dem Film Johanna von Orleans, der auch Bilfinger gefiel, er fand das Buch der Heiligen . Dann nach Hause, zu Abend gegessen, wieder zur Stadt, Smend getroffen, von der FichteGesellschaft abgeholt, im Fürstenbergbräu1328 ein Glas Bier, war traurig, fühlte die Abneigung von Smend. Um ½ 1 nach Hause. Sonntag, 27. 1. 29 Gut geschlafen, um 9 Uhr auf, Bilfinger hat Magenschmerzen, wir frühstückten zusammen, sprachen nett, dann zum Kaiser-Friedrich-Museum1329, Bilder besehen, sehr schön, mit der Straßenbahn nach Zehlendorf, dort ließ ich mein Manuskript im Zug liegen. Aufgeregt, nicht zu Berend. Fand das Manuskript in Nikolassee, nach Hause, ein Butterbrot gegessen, ausgeruht, um 5 zu , dort waren viele Gäste, die schöne Frau Wolfers1330, Jüdin, angeregt, geil, mit Friedmann nett unterhalten, dann nach Hause, wo Fräulein Kraus auf mich wartete. Aß mit ihr zu Abend, diktierte ihr etwas.
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Paul Landsberg hatte im Dezember 1928 in Bonn seine Antrittsvorlesung über Pascal gehalten: Paul Ludwig Landsberg, Pascals Berufung, Bonn 1929. Die Abteilung für Ostasiatische Kunst am Völkerkundemuseum in Berlin zeigte 1929 erstmals in Europa in einer Ausstellung das gesamte Spektrum chinesischer Kunst; vgl. Ausstellung Chinesischer Kunst, 12. Januar bis 2. April 1929. Veranst. von der Ges. für Ostasiat. Kunst / Preuß. Akademie der Künste Berlin, Berlin 1929. Reinhard Höhn (1904–2000), promovierte 1929 zum Dr. iur., Habilitation 1934 in Heidelberg, dann Professor an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, politisch vor 1933 im Jungdeutschen Orden aktiv, 1933 Eintritt in die NSDAP und schnelle Karriere in der SS, fanatischer NSJurist und scharfer Gegner Schmitts, dem er mangelnde völkische Grundlage vorwarf, nach 1945 Leiter der „Akademie für Führungskräfte“ in Bad Harzburg; Helmut Heiber, Walter Frank und sein Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands, Stuttgart 1966, S. 880–898; DBE 5, S. 23 f.; vgl. TB V, S. 170 und passim. Gaststätte am Potsdamer Platz. Heute: Bode-Museum. Doris Wolfers, geb. Farrer.
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Montag, 28. 1. 29 Gut ausgeschlafen; abends diktiert, dann mit Fräulein Kraus im Vortrag Däubler über die Möglichkeiten einer Dante-Übersetzung;1331 sehr schlecht. Sah Landsberg, Frau Berend, durch den Tiergarten nach Hause, gut geschlafen. Dienstag, 29. 1. 29 Herrlich ausgeschlafen, die Vorlesung in guter Laune, nach dem Essen ausgeruht, Übungen von 6 – ½ 8, dann zu in die Hardenbergstraße,1332 wo ich Frau von Quednow traf. Wir aßen zu Abend und gingen dann in den Film „Johanna von Orleans“. Sie war sehr ergriffen. Dann bei ihr zu Hause, tranken Bordeaux, schöner Koitus. Sie war reizend, mit ihrem herrlich beweglichen Körper. ½ 3 selbstbewusst nach Hause. Mittwoch, 30. 1. 29 Um 10 auf, gestärkt durch sexuelle Entspannung, den ganzen Vormittag zu Hause. Mittags kamen Briefs, nett unterhalten, Nachmittags früh Senatssitzung, dann Vortrag McGuire1333, ein netter, jungenhafter Irländer, der die Inquisition rühmte. Nachher nett mit Simons und Wolfers unterhalten. Um ½ 12 nach Hause, noch eine halbe Stunde herumgelaufen, geil, dann nach Hause. Konnte nicht einschlafen. Donnerstag, 31. 1. 29 Um 8 Uhr auf, trotz der Schlaflosigkeit munter, hielt meine Vorlesung im Auswärtigen Amt, sehr nett, dann zur Bank, das Geld an Duschka schicken lassen, meine Vorlesung Staatsrecht 11–1, zu Hause ausgeruht, um 6 zur Hochschule und Seminar bis 7, dann zu Hause umgekleidet, zu Triepel, hatte Frau Sombart als Tischdame, gut unterhalten, über geärgert, widerlich diese Universitätsseele. Nett mit Flechtheim1334 (ein kölnisch assimilierter Jude) und Ernst Wolff1335. Um ½ 12 geil und aufgeregt nach Hause. Sah ein armes Mädchen
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Der Vortrag erschien im Druck: Theodor Däubler, Über die Möglichkeit einer Deutschen DanteÜbersetzung, in: Veröffentlichungen der Preußischen Akademie der Künste. Jahrbuch der Sektion für Dichtkunst 1929, S. 287–310. „Herzbauer“ gab es in der Hardenbergstraße nicht; hier kommt nur das „Bräustübl und Café Wilhelmshallen am Zoo“ in Betracht. Constantine E. McGuire (1890–1965), aus Irland stammender Historiker und Finanzberater aus den USA, der die Finanzsituation des Deutschen Reiches untersucht hat und zu dieser Zeit Gastprofessor in Berlin war. Vgl. Carroll Quigley, Constantine McGuire. Man of Mystery, in: Courier, Dez. 1965. S. 16–20 (Online unter: http: / / www.carrollquigley.net / Articles / constantine_mcguire_ man_of_mystery.htm [Juli 2016]). Julius Flechtheim (1876–1940), seit 1924 Honorarprofessor an der Universität Berlin, auch nebenamtlicher Dozent an der Handelshochschule, 1925 Leiter der Rechtsabteilung der I.G. Farben, Aufsichtsratsmitglied in mehreren Unternehmen, 1933 Entzug der Lehrbefugnis, 1938 Emigration in die Schweiz; Annegret Heymann, Der Jurist Julius Flechtheim. Leben und Werk, Köln usw. 1990. Ernst Wolff (1877–1959), Rechtsanwalt und Notar, von 1929 bis 1933 Vorsitzender der Berliner Rechtsanwaltskammer, emigrierte 1939 nach England, kehrte 1947 nach Deutschland zurück; Heinrichs, S. 643–654; vgl. TB V, S. 17.
Januar/Februar 1929 257 257 auf dem Kurfürstendamm, die müde ging. Etwas hinter ihr gegangen, aber nicht angesprochen. Müde nach Hause, es ist schauerlich kalt. Freitag, 1. 2. 29 Bis 9 gut geschlafen, etwas diktiert, 11–1 Examen Thannhäuser1336, ausreichend, um ½ 2 schnell nach Hause, weil Fräulein Hasbach bei mir zu Mittag aß. Sie war nett und freundlich, blieb bis ½ 4, dann ruhte ich aus. Um ½ 5 zu Kamnitzer1337, der mir seine NovalisAusgabe1338 schenkte. Nett über Turandot und die 3 Rätsel unterhalten.1339 Er war freundlich und sympathisch. Um ½ 7 nach Hause, sah zufällig, als ich zum Vortrag von Heller gehen wollte, das Mädchen von gestern Nacht, sprach sie an; sie hatte Hunger, die Beine gebrochen, sich von Jokic usw., aß mit ihr im , war gerührt, eine lächerliche Situation, überlegte, wie ich sie unterbringen sollte. Um 11 ging ich müde nach Hause, gab ihr 20 Mark. Sie soll morgen Abend zu uns in die kommen. Dummer Kerl. Samstag, 2. 2. 29 Vormittags wieder diktiert, fröhlich, weil es weiter geht und der Aufsatz bald fertig ist. Telefonierte mit Smend. Es hat aber keinen Zweck, er hasst mich. Zum Mittagessen kam Frau v. Quednow. Sehr nett. Ich war glücklich. Sie hatte ein schönes blaues Kleid an und hat die Figur eines entzückenden Mädchens. Ich fühlte, dass sie mich liebt. Wir sprachen über Bonn, über Wolfers (dessen Habilitation misslungen ist1340). Um ½ 4 verabschiedete sie sich. Dann mit dem Hund spazieren und dann zu Bett. Sehr guter Dinge. Abends noch diktiert, um 8 Uhr zur . Adams und sein Bruder kamen, ein sehr sympathischer Russe Koschinewsky1341 oder so ähnlich, Fräulein Hasbach. Das Mädchen von gestern Abend kam nicht.
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Eberhard Thannhäuser (1906–?) wurde mit der Dissertation „Die Finanzierung des deutschen Einfuhrhandels“ promoviert; Tilitzki (1994), S. 189. Ernst Kamnitzer (1885–1946), Dr. iur., Schriftsteller, Verleger, begründete 1922 den TheatinerVerlag, in dem Schmitt 1925 die 2. Ausgabe seines „Römischen Katholizismus“ veröffentlichte, emigrierte 1933 nach Frankreich, 1942 in die Schweiz. Kamnitzer war Herausgeber des apokryphen Shakespeare-Stücks „Der verlorene Sohn“, mit dessen Erfolg er „seine klägliche Lebensführung aufbessern“ konnte (Thea Sternheim, Tagebücher 1903–1971. Hrsg. von Thomas Ehrsam und Regula Wyss, Bd. 2, S. 190), (s.auch oben, 9.12.28). Kamnitzer übersetzte 1934 zusammen mit Pierre Linn Petersons „Kirche aus Juden und Heiden“ ins Französische (Nichtweiß 1994, S. 76, Anm. 46); DLL-20.Jh. 25, Sp. 339 f.; vgl. TB V, S. 36. Nicht die vierbändige Ausgabe der sämtlichen Werke, die Kamnitzer 1923 / 24 herausgab, sondern: Novalis [d. i. Friedrich von Hardenberg], Fragmente. Erste vollständig geordnete Ausg. hrsg. von Ernst Kamnitzer, Dresden 1929. Kamnitzer schenkte das Buch mit Widmung an Schmitt, der es 1966 verkaufte. Im Theaterstück „Turandot“ von Carlo Gozzi will Turandot, die Tochter des Kaisers von China, nur den Prinzen heiraten, der die drei Rätsel, die sie ihm aufgibt, lösen kann. Arnold Wolfers hatte 1927 seine Arbeit „Zoll und Preisniveauspanne“ als Habilitationsschrift eingereicht, die abgelehnt wurde. Mit der zweiten Habilitationsschrift hatte er dann 1929 Erfolg. Es handelt sich um: Wladimir Koschewnikow (1905–?), Tänzer, Schriftsteller. Die Transkription seines Namens folgt hier der in TB V; vgl. Sombart, S. 108–116 (Sombart schreibt „Koschevnikof, Valodja“); Nichtweiß (1994b), S. 84; TB V, S. 6 und passim.
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Wir sprachen über Werners1342, einen von Natur guten oder bösen Menschen, sehr schön. Bis ½ 12. Dann wurde ich müde. Lief in der schrecklichen Kälte nach Hause. Renate doch wieder nachgelaufen. Dann heftiger Durchfall, glücklich noch reumütig nach Hause und zu Bett. Sonntag, 3. 2. 29 Gut ausgeschlafen und ausgeruht, sehr munter aufgestanden, Kaffee getrunken, Fräulein Kraus den Aufsatz zu Ende diktiert. Mit ihr zu Mittag gegessen, dann rief Wimpfheimer an, mit ihm durch den Tiergarten (er erzählte von der Rücksichtslosigkeit Erich Kaufmanns). Zu Hause dann schön ausgeruht, behaglich, wollte Kaffee trinken, tat es aber nicht, sondern arbeitete an meinem Schreibtisch. in den „Verlorenen Sohn“. Ging abends um ½ 10 mit dem Hund spazieren am Salzufer. Seit langem wieder ruhig für mich und beherrscht. Korrigierte meinen Aufsatz, der ganz schön wird. Überlegte, führte Tagebuch, aber schrecklich gequält von meinen Erektionen. Montag, 4. 2. 29 Wieder gut ausgeschlafen, morgens korrigiert, gut vorwärts, darüber vergnügt und fröhlich. Kein Brief. Nach dem Mittagessen mit Fräulein Kraus und mit dem Hund spazieren am Salzufer, ziemlich weit, erfrischt zurück, ausgeruht. Nachmittag wieder korrigiert, dann umgekleidet und zu Sombart, dort viele neue Bekanntschaften: Graf Finkenstein1343, der finnische Gesandte1344, Gräfin Hardenberg1345, Ansorge1346 und Frau, Gebsattel (der Freund der Frau v. Quednow); rot im Gesicht, sprach zu viel. Guter Wein, nett mit Sombart unterhalten. Um ½ 12 nach Hause, noch über Kurfürstendamm, geil, aber beherrscht nach Hause. Dienstag, 5. 2. 29 Schreckliche Erektionen, dachte an die gute Frau Quednow. Um 10 gut ausgeschlafen aufgestanden, schön gefrühstückt, 11 bis 1 meine Vorlesung gehalten, Forsthoff1347, ich war nett zu ihm. Mittags mit Fräulein Kraus gegessen, dann ausgeruht bis 5 Uhr. Kaffee bei Aschinger, Übungen 6–8, es war anstrengend. Dann nach Hause, trotz großer Nervosität und Geil-
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Nicht ermittelt. Finck von Finkenstein (welcher konkret nicht ermittelt). Finnischer Botschafter war zu dieser Zeit Wäinö Wuolijoki (frdl. Auskunft der Botschaft von Finnland, Berlin). Nicht ermittelt. Arnulf Ansorge (1894–1954), Studienrat am Französischen Gymnasium in Berlin, später Professor für griechische Philosophie in Belo Horizonte; Sombart, S. 63 und 297; vgl. die kritischen Charakterisierungen in TB V, S. 139, 215. Ernst Forsthoff (1902–1974), wurde 1925 von Schmitt promoviert, die Habilitation gestaltete sich durch Schmitts Weggang von Bonn schwierig und gelang schließlich 1930 in Freiburg, 1933 Professor für Öffentlichs Recht in Frankfurt a. M. (als Nachfolger Hermann Hellers), 1935 Hamburg, 1936 Königsberg, 1941 Wien, ab 1943 mit Unterbrechung Heidelberg, 1960 bis 1963 Präsident des Obersten Verfassungsgerichtshofes Zypern; Florian Meinel, Der Jurist in der industriellen Gesellschaft. Ernst Forsthoff und seine Zeit, Berlin 2011; Breuer, S. 187 ff.; vgl. TB V, S. 6 und passim; BW Forsthoff.
Februar 1929 259 259 heit. Aß schön zu Abend und korrigierte mein Manuskript, bis 11 Uhr. Dann ziemlich müde. An Duschka geschrieben. Große Gier und Geilheit; ich armer Trottel. Mittwoch, 6. 2. 29 Wieder gut ausgeschlafen, Erektionen, dachte an Frau Quednow. Korrigierte mein Manuskript, sehr vergnügt, es wird schön. Mittags war , Mannheim1348 aus Heidelberg und Fräulein Hasbach bei mir. Mannheim beschwätzte mich. Er ging um ½ 4. Ich schrieb noch etwas, ging spazieren, ruhte aus, dann wieder korrigiert, zum Glück keine Senatssitzung. Abends im Restaurant am Zoo, Breinlinger und Frau Berend getroffen. Sehr langweilig, traurig um ½ 12 nach Hause. Donnerstag, 7. 2. 29 Um 8 auf, noch halb im Schlaf, schnell gefrühstückt und die Vorlesung vorbereitet; es geht immer im letzten Augenblick. Hielt wieder eine sehr schöne Vorlesung, Grenzen der Justizförmigkeit.1349 Mit vielen guten Einfällen. Dann in herrlicher Laune Unter den Linden (καὶ νóον ἔγνω1350), wundervoll, meine Vorlesung 11–1, mit der Augarten, die vor dem Sitz in der Stadtbahn, fröhlich und guter Dinge, ruhte nach dem Essen aus, ging mit dem Hund spazieren, dann zu Bett, um 6 wieder zur Hochschule, Seminar, Forsthoff war da, Schunger1351 usw. Nettes Referat von Fräulein Wilkens1352, nachher zu Kannenberg1353 mit Fräulein Hasbach, Koschewnikow1354 (den ich sehr liebe), Adams (der mich heimlich auslacht), einem Vetter1355 von Fräulein Hasbach. Nett unterhalten, von Goethe geschwärmt, guter Wein, aber teuer, so dass ich sehr deprimiert nach Hause ging. Ich bin schwach und dumm. Sehnsucht nach Duschka, die heute einen herrlichen Brief geschrieben hat. War ganz glücklich über diesen Brief.
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Karl Mannheim (1893–1947), Soziologe, 1926 Privatdozent in Heidelberg, 1930 Professor in Frankfurt, 1933 entlassen, Emigration nach London, wo er an der London School of Economics und an der Universität lehrte; NDB 16, S. 67–69; vgl. Carl Schmitt, Ex Captivitate Salus, Berlin 2015, S. 13–24; s. auch Mannheims Brief v. 4.2.1927 an Schmitt, RW 265 Nr. 225. Vgl. Carl Schmitt, Der Hüter der Verfassung, 5. Aufl., Berlin 2016, S. 22 ff. Zitat aus dem Anfang der „Odyssee“, in der Übersetzung von Kurt Steinmann: „und er lernte ihr Denken kennen“. Hier taucht erstmals das für Schmitt zentrale Zitat auf, das auch auf seinem Grabstein steht; allerdings bestritt er später die Lesung νóον zugunsten von νóμον; vgl. Carl Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, 3. Aufl., Berlin 1988, S. 45–47; s. auch unten, S. 461. Student, s. oben, 8.11.27. Hildegard Wilkens fiel 1932 durchs Examen; vgl. TB V, S. 204. Oskar Kannenberg, Restaurationsbetriebs-Aktiengesellschaft, Dorotheenstr. 70; gehobenes Restaurant. s. oben, 2.2.29. Ein gewisser Dorn; vgl. TB V, S. 30.
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Freitag, 8. 2. 29 Immer noch glücklich von dem Brief Duschkas. Korrigierte den ganzen Morgen sehr schön und wurde fast fertig. Mittags zu Wimpfheimer, traf dort Dorn1356, Popitz1357 und Zweigert1358. Sehr schön gefrühstückt und unterhalten. Soll ein Gutachten gegen Kaufmann machen.1359 Aufgeregt, gefreut, glücklich, so gute und ordentliche Beziehungen zu haben. Ließ mir die Haare schneiden (in der Friedrichstraße), zu Hause ausgeruht, um 7 aufgestanden, das Gutachten von Kaufmann ist miserabel, will morgen Wimpfheimer telefonieren, dass ich es annehme. Schrieb noch schnell an Duschka. Um 8 zu Frau v. Quednow, wir aßen Kaviar, den Paul Scheffer geschickt hat, nachher deutschen Sekt, allmählich verliebt, Gier, gebissen, schließlich Koitus im Pyjama. Um 2 Uhr nach Hause. Erleichtert, aber es war ein Kampf dabei, nicht zufrieden, nicht einfach genug, dachte sehnsüchtig an Duschka und wünschte, dass sie gesund wäre (Frau Quednow nannte mich einen Satan). Samstag, 9. 2. 29 Um ½ 10 auf, etwas müde und angestrengt, aber sehr schnell munter, Wimpfheimer telefonierte, ich soll also das Gutachten machen. Entzückt und aufgeregt. Nett gesprochen mit Leibholz. Angefangen zu notieren, dazu an meinem Aufsatz über den Hüter der Verfassung 1356
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Herbert Dorn (1887–1957), Jurist, Wirtschaftswissenschaftler, Politiker, seit 1914 im preußischen Justizdienst, 1919 holte Popitz ihn in das Reichsfinanzministerium, seit 1926 Ministerialdirektor, daneben seit 1920 Lehrbeauftragter, seit 1927 Honorarprofessor an der Handelshochschule Berlin, 1931 Präsident des Reichsfinanzhofs in München, 1934 aus rassischen Gründen entlassen, 1937 Emigration in die Schweiz, 1939 über Kuba in die USA, 1947–1952 Professor in Delaware (Göppinger, S. 275 f.). Dorn hatte sich gegen eine Berufung Schmitts an die Handelshochschule ausgesprochen; Tilitzki (1994), S. 167; vgl. TB V S. 10 und passim. Johannes Popitz (1884–1945), Finanzwissenschaftler und -politiker, 1921 Ministerialdirektor, 1925 Staatssekretär im Reichsfinanzministerium, seit 1923 Honorarprofessor an der Universität Berlin, von 1920 bis 1926 auch Lehrbeauftragter an der Handelshochschule, 1932 Reichsminister ohne Geschäftsbereich, ab 1933 preußischer Finanzminister mit großem Zuständigkeitsbereich, entwickelte sich ab etwa 1938 zum Widerständler, nach dem 20. Juli 1944 verhaftet und hingerichtet; NDB 20, S. 620–622; Lutz-Arwed Bentin, Johannes Popitz und Carl Schmitt (Münchener Studien zur Politik, 19), München 1972; Anne C. Nagel, Johannes Popitz (1884–1945). Görings Finanzminister und Verschwörer gegen Hitler. Eine Biographie, Köln 2015. Erich Zweigert (1879–1947), Jurist, seit 1929 Staatssekretär im Reichsinnenministerium, quittierte als NS-Gegner nach dem 30. Januar 1933 den Dienst. Schmitt schreibt 1958, dass sein „Hüter der Verfassung“ „in unmittelbarem Kontakt mit hervorragenden Sachkennern, insbesondere mit dem Referenten des für Verfassungsfragen federführenden Reichsministerium des Innern, Staatssekretär Zweigert“ entstanden sei; Carl Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924– 1954, Berlin 1958, S. 100 (s. dazu im Register der Neuausgabe des „Hüters der Verfassung“, 2016, unter „Zweigert“); vgl. TB V, S. 11 und passim. Erich Kaufmann hatte ein Gutachten „Betreffend den Entwurf eines Gesetzes über Entschädigung von Betrieben und Arbeitnehmern auf Grund der Einführung des Branntweinmonopols“ für die dem Reichsfinanzminister unterstellte Reichsmonopolverwaltung verfasst (im Nachlass Schmitt, RW 0265 Nr. 21490). Das Gegengutachten Schmitts hat den Titel: „Gutachten über die Frage, ob die gesetzliche Aufwertungsregelung des vorliegenden Entwurfes eines Gesetzes über Entschädigung von Betrieben und Arbeitnehmern auf Grund der Einführung des Branntwein-Monopols im Wege eines einfachen Reichsgesetzes verfassungsrechtlich zulässig ist.“ (RW 0265 Nr. 20915).
Februar 1929
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korrigiert. Dr. Clauss1360 von der Europäischen Revue kam und wollte einen Aufsatz über die römische Frage. Erst nett, er aß bei mir zu Mittag, dann sah ich seine . Er war mir unsympathisch, ich ihm wahrscheinlich auch. Um ½ 3 ging er. Ich ging zu Bett, ruhte aus, antelefoniert von Friedmann, der mit dem Ministerialrat Fuchs1361 gesprochen hat (er wird meine Verfassungslehre in der Juristischen Wochenschrift besprechen). Wieder animiert, notierte mir etwas, las das Gutachten von Kaufmann nochmals, es ist abscheulich schlecht, flüchtig und frech. Fräulein Kraus kam, ging nicht zum russischen Gottesdienst, wie ich es verabredet hatte, schickte Fräulein Kraus hin. Im Café am 1362, aber traurig, deprimiert, Angst vor diesem Publikum, Flucht zu irgend einer Frau, aber Frau v. Quednow wird es nicht sein, Sehnsucht nach Duschka, wäre sie nur gesund. Glücklich, als ich wieder zu Hause war, am Schreibtisch. Machte ein paar schöne Notizen, allmählich vorwärts, es wird anscheinend ein schönes Gutachten. Unternehmend, aber vorsichtig und nervös wegen des . Sonntag, 10. 2. 29 Den ganzen Vormittag herumgearbeitet, vorwärts gegangen, aber zu aufgeregt und nervös. Mittags zu Wolfers, dort nett gefrühstückt, etwas langweilig und misstrauisch. Unterhalten, zu viel geredet. Um 5 nach Hause, es ist schrecklich kalt. Fräulein Kraus war schon weg, ich arbeitete also (ging nicht zu Franz Blei) den ganzen Abend, bis nachts. Montag, 11. 2. 29 Morgens um ½ 9 auf, fleißig gearbeitet, nervös Notizen gemacht, glaubte fertig zu werden. Mittags auf Fräulein Kraus gewartet, ihr den Aufsatz über Enteignung für die Juristische Wochenschrift diktiert,1363 sehr müde, schöner Brief von Duschka, sehr glücklich, dass es ihr gut geht, große Liebe zu ihr. Ruhte eine Stunde aus, abends zum Staatssekretär [Au]gust Müller1364, Sombart, Briefs, v. Gleichen1365 waren da. Langweilig, dumm, ich fühlte das Miss-
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Max Clauss (1901–1988), Journalist und Romanist, erster Übersetzer von Paul Valéry und André Malraux, schied 1932 wegen Meinungsverschiedenheiten mit Prinz Rohan aus der Redaktion der Europäischen Revue aus, arbeitete ab 1933 für Ribbentrop, während der deutschen Besetzung Frankreichs dort propagandistisch tätig. Seine unveröffentlichten Erinnerungen liegen im Institut für Zeitgeschichte in München. Vgl. TB V, S. 24 und passim. Richard Fuchs (1886–1970), Jurist, seit 1922 Ministerialrat im Reichsfinanzministerium, 1933 entlassen, 1939 Emigration nach England; DBA III 272, 243. Fuchs besprach Schmitts „Verfassungslehre“, in: Juristische Wochenschrift 60, 1931, Sp 1659–1664. Evtl. „Nollendorfplatz“ oder „Zoo“. Carl Schmitt, Die Auflösung des Enteignungsbegriffs, in: Juristische Wochenschrift 58, 1929, Sp. 495–497; komment. Wiederabdruck in: Carl Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze, Berlin 1958, S. 110–123. August Müller (1873–1946), Nationalökonom, Politiker, 1918 Staatssekretär des Reichswirtschaftsamtes, Lehrbeauftragter für das Genossenschaftswesen an der Handelshochschule Berlin und a. o. Professor an der Universität; DBE 7, S. 241; vgl. TB V, S. 84. Heinrich von Gleichen-Russwurm (1882–1959), Gründer des konservativen Deutschen Herrenklubs, Zeitschriftenherausgeber; Schrenck-Notzing, S. 211–213; Koenen, passim; Breuer, S. 179 f.; vgl. TB V, S. 34.
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trauen der anderen. Um 12 deprimiert nach Hause. Aber günstige Reichsgerichtentscheidungen, sehr nervös, überlegt, ob ich das Gutachten aufgeben soll. Dienstag, 12. 2. 29 Um 8 Uhr wach, bis dahin gut geschlafen, aber Augenschmerzen vor Nervosität. Schöner Brief von Hilferding, um ½ 10 aufgestanden, nichts getan, überlegt, schließlich Wimpfheimer telefoniert. Nicht abgesagt. 11–1 Vorlesung, in der Handelshochschule viele neue Literatur, wieder eifrig. Nach Hause zum Essen, Frau v. Quednow war da, lieb und freundlich, sie ermunterte mich, das Gutachten zu machen, frühstückte bei mir, war nett, entzückend, hatte sie sehr gern. Sie ging nach 3 Uhr, ich ruhte dann aus, um 5 kam Fräulein Kraus. Der Aufsatz über den Hüter der Verfassung ist bald fertig. Froh darüber. 6–8 Übungen, sehr müde; aber es ging. Etwas Augenschmerzen. Dann bescheiden gegessen. Nachher den Aufsatz für die Juristische Wochenschrift fertig gemacht. Immer fröhlich an Frau v. Quednow gedacht. Mit Smend telefoniert, er kommt morgen Abend mit seiner Frau; auch Frau v. Quednow. Das macht mir Freude. Hoffentlich wird es nett. Allmählich weniger nervös und ruhiger. Mittwoch, 13. 2. 29 Gut ausgeschlafen, morgens an dem Gutachten gearbeitet, den Aufsatz für die Juristische Wochenschrift ( der Enteignung) korrigiert. Duschka geschrieben. Mittags da (Blei hat abgesagt). Nach dem Essen ausgeruht, um 5 zur Senatssitzung, langweilig, um 8 kam Wimpfheimer, sehr nett mit ihm unterhalten, im Schlosscafé, über meinen Aufsatz, er schien zufrieden zu sein, war wieder unternehmend und guter Dinge. Um ½ 9 in der Kälte zur Universität, holte Smend und seine Frau ab, fuhr mit ihnen zum Café Kutschera, wo Frau v. Quednow auf mich wartete, wir fuhren zu mir, aßen zu Abend, Geburtstag von Duschka, schöner Rheinwein, schöner Bordeaux dann Sekt (Matthäus Müller), freute mich, dass Smend und Frau v. Quednow sich gut unterhalten, bis ½ 12, dann begleitete ich alle mit dem Hund zur Bahn, mit Frau v. Quednow noch bis zum Noor1366. Dann nach Hause, etwas verliebt in Frau v. Quednow, die ich sehr gern habe. Glücklich, dass alles gut ging und über den schönen Geburtstag von Duschka. Froh, dass mein Aufsatz für die Juristische Wochenschrift gleich gedruckt wird.1367 Donnerstag, 14. 2. 29 Müde um 8 aufgestanden, zum Auswärtigen Amt, wieder eine schöne Vorlesung, glücklich, dass es fertig ist, aber doch etwas angestrengt. Zur Handelshochschule, Juristische Wochenschrift gelesen und darin mein Gutachten entdeckt. Aufgeregt, nervös, Neuralgien. Hielt meine 2 Stunden Vorlesung, in der 2. saß eine ältere Studentin mit Skorpionaugen, was mich faszinierte und geil machte. Zu Hause sehr müde, nach dem Essen ausgeruht, um 6 kam Fräulein Kraus, die fleißig abschrieb. Traf Dr. Ball1368 im Dozentenzimmer und verabredete
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Unklar; s. oben, 9.2.29. Vgl. hierzu die kritischen Äußerungen zu Smend, unten S. 461. Kurt Ball (ab 1945: Jakob Ball-Kaduri) (1891–1976), seit 1920 im Reichsfinanzministerium tätig, habilitierte sich 1926 an der Handelshochschule Berlin, Dozent ebd., praktizierte ab 1927 auch als
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mich für nächsten Donnerstag. Hielt mein Seminar, Referat Wirmer1369 über Staatsgerichtshof. Ganz nett. Er ging nachher mit mir in meine Wohnung, wir aßen zu Abend, ich war sehr müde, er ist ein lieber und netter Kerl. Um 10 Uhr ging ich zu Bett. Freitag, 15. 2. 29 Heftiger Hexenschuss, der vor allem die Partie am Steiß [betrifft]. Scheußlich. Konnte mich kaum bewegen, kroch herum, saß mit dem Heizkissen am Schreibtisch, schrieb an dem Gutachten, sehr langsam vorwärts, Angst, kann nichts mehr fassen. Dabei habe ich doch sicher Recht. Mittags nach dem Essen gleich zu Bett, heißes Bad, es ging allmählich besser, dann schöner Kaffee, am Schreibtisch gesessen, langsam herumnotiert. Abends diktiert und früh zu Bett. Samstag, 16. 2. 29 Es ging besser, früh aufgestanden, das Gutachten zu Ende entworfen, wieder hoffnungsvoller, Fräulein Kraus diktiert. Mittags um 1 zum Examen, die Korrekturen von der Juristischen Wochenschrift kamen. Sehr fröhlich, dass alles klappt. Examen, wieder die Studentin mit dem Skorpionblick. Zu Hause Korrekturen gelesen, kam nicht zu Bett, wieder diktiert, noch nicht fertig geworden. Abends um 7 umgekleidet, Senatsessen im Kaiserhof, nett, mit Frau Tießen1370 und nachher Frau Bernhard1371 gut unterhalten. Um ½ 12 nach Hause. Der Wein hat mich wieder gesund gemacht. Freute mich auf Frau von Quednow. Sonntag, 17. 2. 29 Ziemlich munter aufgestanden, um 9, schöne Notizen, das Gutachten wird fertig, plötzlich wieder Hoffnung und Mut. Diktierte Fräulein Kraus um 12 Uhr das Ende, sie fing gleich an zu schreiben. Erleichtert nach dem Essen spazieren gegangen, mit dem Hund, dann im Bett, von 4–6, langsam angekleidet, gelesen, um ½ 8 zu Frau v. Quednow, über unterhalten, über die sie mir [2 Wörter], schönen Wein getrunken, um 12 Uhr sehr verliebt, im Bademantel schön, rasende Vereinigung, als ich 2 Stunden später gehen wollte, noch einmal auf ihrem Bett, sie sagte „Geliebter“. Wie schön. Glücklich nach Hause, ¼ 3 Uhr. Montag, 18. 2. 29 Bis 10 im Bett, trotz der wenigen Stunden Schlaf munter, gesteigert, stolz. Sehnsucht nach Qu.[ednow]. Schöner, fröhlicher Brief von Duschka, der mir sehr wohl tat. Ich machte mit Fräulein Kraus das Gutachten fertig, auf einmal wieder Angst, unsicher, es kommt mir oberflächlich und abstrakt vor. Kaufmann wird die Wut bekommen. Mittags nach dem Essen etwas ausgeruht, um 4 mit Fräulein Kraus zu Wimpfheimer, sie gab das Gutachten ab.
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Anwalt für Steuerrecht, 1933 Entzug der Lehrbefugnis, 1938 vorübergehend im KZ Sachsenhausen, Ende 1938 Emigration nach Palästina; DBA II 62, 53, 65–67; III 38, 308–311; vgl. Tilitzki (1994), S. 183 f. Laut Namenregister Schmitts (RW 0265 Nr. 20952) handelt es sich um Otto Wirmer (s. oben, 8.11.28). Hildegard Tießen, geb. v. Hippel (1872–1937), trat unter ihrem Mädchennamen als Schriftstellerin hervor; DLL-20. Jh. 18, Sp. 527. Fritze Bernhard, geb. Mühsam (1899–?), Ehefrau des Professors Georg Bernhard; s. unten, 8.5.29.
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Dann bei Adam, Rechnung bezahlt, beim Friseur, Haare schneiden, mit Fräulein Kraus im Café Imperator1372. Nett unterhalten. Sie ist erkältet; guter Dinge, Sehnsucht nach Frau v. Quednow, habe ihr Blumen schicken lassen. Abends um 7 zu Hause, der Ofen ist fast explodiert, traurig, dumm, müde, verzweifelt, dann wieder ganz fest und entschlossen. Dienstag, 19. 2. 29 Gut ausgeschlafen, um 10 Uhr Examen, mit dem Auto hingefahren, mit Pohl nett unterhalten, hielt meine Vorlesung von 11–1, dann zu Hause Koschewnikow, der entzückend war, Frau v. Quednow, aßen sehr nett, tranken schönen Chablis, Frau Quednow erst interessiert an Koschewinkow, ich war eifersüchtig und traurig, Dempf kam noch, um ½ 4 gingen sie, Frau v. Quednow begleitete mich durch den Tiergarten bis an das Brandenburger Tor, dann fuhr sie nach Hause, ich war schlecht angezogen, fühlte, dass sie das unmöglich fand. Entsetzlich traurig. Allein weiter gegangen, sah Seeckt, wie lächerlich, enttäuscht, er trug ein Päckchen mit Kuchen. Zu Kranzler, eine Hure sah mich an, das interessierte mich, Adams kam wegen einer Zuschrift, traurig und langweilig, ging zur Handelshochschule, todmüde, hielt aber meine Übung trotzdem gut. Dann nach Schluss Wimpfheimer, den der [2 Wörter]. Ging zu Kannenberg mit, sehr nett unterhalten, er lobte mein Gutachten, ist klug und gebildet. Um 10 fröhlich nach Hause, dabei aber immer schreckliche Sehnsucht nach Frau v. Quednow. Peinlich, lächerlich. Besah das Bild von Duschka, es beruhigte mich etwas. Mittwoch, 20. 2. 29 Lange im Bett, bis ½ 11, gut ausgeschlafen, endlich; immer überlegt, ob ich Frau von Quednow anrufen soll. Schrecklich, tat es nicht. Ich bin dumm und stolz. Mittags zum Reichsministerium des Inneren, ein paar Aufsätze über Enteignung, freute mich, das erledigt zu haben, nette Leute, die sich freuten, dass ich komme. Zu Mittag waren Franz Blei und Rosenbaum da, sehr nettes Gespräch über die Zustände unter den Bauern, über Cons tant1373, Journal. Bis ½ 4. Dann etwas spazieren. Zu Bett bis 7 Uhr, gut ausgeruht, Fräulein Kraus etwas diktiert, abends zum Alexanderplatz, mit Rosenbaum und Frau Eckardt1374, Johanna von Orleans, es ergriff mich wieder, dachte aber immer an Frau v. Quednow. Wimpfheimer war da, ich freute mich darüber. Nachher mit Rosenbaum und Frau v. Eckardt zu Kannenberg, nett unterhalten, sie zitierte: „Was hat mein ganzer Tag gefrommt / wenn heut das blonde kind nicht kommt“1375; erschüttert, ergriffen, immer an Frau v. Quednow gedacht. Wie dumm. Um ½ 12 nach Hause. Rosenbaum ist sehr nett. Nachts Sehnsucht nach Qu.
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Imperator-Diele und Café, Friedrichstr. 66 / 67; Wolffram, S. 97–105 (Abb.). Benjamin Constant (1767–1830), Staatstheoretiker, Schriftsteller, gilt als Urheber des Begriffs „pouvoir neutre“; vgl. Carl Schmitt, Der Hüter der Verfassung, 5. Aufl., Berlin 2016, S. 132 ff. In „Ex Captivitate Salus“ spricht Schmitt von Constant als Autor „eines überraschenden journal intime“ (S. 76). Vgl. auch unten, S. 460. Gertrude von Eckardt, geb. Dannheißer (1895–1987), Tochter von Hedwig Wimpfheimer. Aus dem Gedicht „Seelied“ von Stefan George.
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Donnerstag, 21. 2. 29 Um 8 Uhr auf, ziemlich frisch, hielt meine Vorlesung im Auswärtigen Amt sehr schön, dann zur Hochschule, an Frau v. Quednow telefoniert, sehr schön, den Vers, glücklich darüber. Dann 2 Stunden Vorlesung, ohne besondere Mühe, zu Habel, für Qu. 6 Flaschen Bernkasteler Doctor1376, zum Hotel Fürstenhof1377, mit Brinkmann und seiner Frau sehr schön gefrühstückt, nett unterhalten, er klagt über die Verjudung und Internationalisierung in Heidelberg. Wir gingen nachher in den Film Johanna von Orleans am Alexanderplatz. Wieder ergriffen, Brinkmann anscheinend auch. Um 5 Uhr verabschiedet, müde, auf mein Zimmer in der Handelshochschule einen Augenblick ausgeruht, dann Seminar, Kurt 1378, leidlich, fuhr mit ihm in der Stadtbahn nach Hause, zu Hause bescheiden gegessen und gleich zu Bett. Behaglich ausgeruht. Freitag, 22. 2. 29 Um 7 Uhr auf, zum Glück nicht mehr so entsetzlich verliebt, Examen den ganzen Tag, bis 1 Uhr, langweilig, es ging bei. Las dazwischen Maxime Leroy1379, zu Hause schöner Brief von Duschka, die Sehnsucht nach mir hat. Gerührt. Noch keine Korrekturen oder gar Abdrucke. Nach dem [Mittagessen] mit Fräulein Kraus und dem Hund spazieren, dann schön ausgeruht, den ganzen Nachmittag, bis ½ 7, kein Kaffee. Um 8 zum Bahnhof Zoologischer Garten, vor statt Menzauer1380 Eulenburg und seine Frau1381 getroffen, im Restaurant nett unterhalten, zu viel , um ½ 12 nach Hause, gut geschlafen, aber etwas Kopfschmerzen auf den Wein. Ungeduldige Sehnsucht nach Qu. Samstag, 23. 2. 29 Gut geschlafen, aber nicht gründlich genug, um 9 Uhr auf. Behaglich angezogen, immer in Erwartung. Um ½ 11 telefoniert, sie erwartet mich. Fuhr eilig hin. Sehr glücklich, küsste sie herzlich, sie wollte herausfahren, hatte gestern Abend Gäste, ging aber mit ins Museum, wir fuhren hin, besahen die schöne Madonna von Botticelli1382 und die Teppiche von .1383 Sie war freundlich und liebevoll, nachher zu Habel gefrühstückt, eine halbe Flasche Champagner, dann fuhr ich sie nach Hause. Glücklich über ihre Liebe. Zu Hause gegessen, ausgeruht, aber Augenschmerzen von dem vielen Wein. Wartete auf Eislers. Sie kamen, ich war gleichgültig und traurig. Wir unterhielten uns, Frau Eisler umarmte mich, ich war gerührt. Wir aßen zu Abend und gingen dann zu Reinhardt „Lustige Weiber von 1376 1377 1378 1379
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Eine der berühmtesten und teuersten Weinlagen an der Mosel. Hotel „Der Fürstenhof“, Potsdamer Platz; Szatmari, S. 23. Kurt Wendlandt, fällt am 5. 2. 1930 durchs Examen; vgl. TB V, S. 14. Maxime Leroy (1873–1957), franz. Jurist und Sozialhistoriker. In seinem Vortrag vor der Kantgesellschaft am 22. 5. (s. unten) weist Schmitt einleitend auf die Bedeutung von Leroy hin. Dessen Buch „Descartes. Le philosophe au masque“, Bd. 1–2, Paris 1929, wurde 1938 für Schmitts „Leviathan“ wichtig. Nicht ermittelt. Franz Eulenburg war in zweiter Ehe mit Gertrud Luthardt verheiratet. Im Kaiser-Friedrich-Museum, heute in der Gemäldegalerie am Potsdamer Platz. Gemeint sind wohl die Teppiche in der Islamischen Abteilung des Kaiser-Friedrich-Museums, heute im Pergamon-Museum.
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Windsor“.1384 Ich war müde und traurig. Falstaff von Werner Krauß1385 war sehr schön. Nachher bei Kannenberg schönen moussierenden Burgunder getrunken. Nach 1 nach Hause. Traurig, dass ich wieder so viel Wein getrunken habe. Sonntag, 24. 2. 29 Bis 10 geschlafen, aber noch lange nicht genug, dann behaglich angekleidet und gefrühstückt, den Schreibtisch aufgeräumt. Juristische Wochenschrift mit meinem Aufsatz, schöner, ruhiger Vormittag. Um 1 Uhr kamen Eislers, wir aßen schön zu Mittag, schrieben Duschka eine Karte, Eisler war müde, weil er nachts nicht geschlafen hat. Nach dem Essen mit Frau Eisler und dem Hund am Salzufer spazieren, nett unterhalten, aber ich falle immer herein. Dann zu Hause herumgelegen, Kaffee getrunken, mit Eisler geplaudert, sehr müde, um 7 ging er weg. Ich kleidete mich um und fuhr zu Qu. Sie war freundlich und lieb, wir tranken Bernkastler Doctor, nachher sehr zärtlich und wild, wundervolle Raserei, hingerissen, überwältigt, dann aber müde; will mit mir nach Dresden. Schließlich sehr traurig und schickte mich um 1 nach Hause. Montag, 25. 2. 29 Gut geschlafen, aber aufgeregt. Exzentriert, dachte immer über den Abend nach, Wunsch, zu ihr zu laufen. Um ½ 10 aufgestanden, gefrühstückt, kein besonderer Brief, Forsthoff kam, dann Fräulein Kraus. Ich fuhr zu Qu., gab meine Karte ab (se présente p. d. peutêtre souhaite le voir), sie war nicht zu sprechen. Traurig nach Hause. Wie lächerlich, sowohl der Elan, mit dem ich hinfuhr, wie die dumpfe Traurigkeit, mit der ich zurückfuhr, Dann wieder zu Hause und krampfhaft Haltung bewahrt. Fräulein Kraus schrieb ein paar Briefe. Nach dem Essen etwas spazieren durch den Tiergarten, etwas ruhiger, dann ausgeruht und gewartet, dass es ½ 7 wird. Um ½ 7 mit der elektrischen Bahn zur Soorstraße, etwas vor dem Haus auf und ab, zu Qu.; sie war freundlich und lieb, ich sprach gleich von mir, sie war gestern Abend beleidigt, sagte aber nicht weshalb. Ich war glücklich, bei ihr zu sein, küsste sie. Wir gingen dann zum Herrenhaus, Vortrag Seeckt. Abstoßend, kalt, ohne Feuer. Ich war glücklich, neben ihr zu sitzen; wie ist sie schön, ihr Pelz, ihr Hut. Berauscht, begeistert. Dann fuhren wir zu Kannenberg, aßen Austern und Haselhuhn, tranken alten Chablis und nachher eine halbe Flasche Veuve Clicquot. Herrlich. Verliebt, glücklich, berauscht, hingerissen, fuhr sie nach Hause, sie sagte: Geliebter. Glückselig nach Hause. Unbeschreibliches (sie war beleidigt, weil ich sagte: mir dass ich das Gefühl, sie liebe das ). Dienstag, 26. 2. 29 Ausgeschlafen, von 11–1 Vorlesung, telefoniert an Qu., dann zum Frühstück bei Wimpfheimer, in die Deutsche Gesellschaft, Kaufmann war auch da, mit Popitz, Dorn usw. Sehr nett unterhalten, freundlich mit Kaufmann. Er lud mich ein, wir sprachen natürlich nicht von meinem Gutachten. Um 4 Uhr mit Wimpfheimer durch den Tiergarten nach Hause, sehr 1384
1385
Schmitt sah das Shakespeare-Stück im Deutschen Theater (Intendant Max Reinhardt) unter der Regie von Heinz Hilpert. Die Rolle des Fenton spielte Mathias Wieman. Werner Krauß (1884–1959), einer der bedeutendsten deutschen Schauspieler des 20. Jahrunderts, von 1926 bis 1931 am Deutschen Theater in Berlin; NDB 12, S. 718 f.
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fröhlich, ein Brief vom Monopolamt, Scheck über 3000 Mark.1386 Ruhte etwas aus, zog den Smoking an, zur Handelshochschule, hielt meine Übung, um ½ 8 nach Grunewald, dort Herrenabend bei Oskar 1387, sehr sympathisch und nett, viele Juden, um ½ 12 nach Hause mit Wimpfheimer, über Pazifismus gesprochen. Korrekturen des Aufsatzes über den Hüter der Verfassung. Mittwoch, 27. 2. 29 Bis 10 im Bett, dann behaglich gefrühstückt, Steuererklärung gemacht, hoffentlich geht es gut. Frau v. Qu. telefonierte, herrliches Wetter, immer verliebt und sehr glücklich. Fräulein Kraus kam, diktierte etwas, mittags Briefs, der sehr nett war. Ausgeruht, bis 5 Uhr, dann kam [, der] sein Assessorexamen macht und auch nett war. Sitzung Handelshochschule, freute mich über Bonn, er ging um ½ 9 mit mir, aß bei mir zu Abend, war freundlich und liebenswürdig; dachte immer an Qu., war übermütig und angeregt, sprach aber nicht von ihr, er natürlich auch nicht. Er sah aber das Bild, das sie mir geschenkt hat. Um ½ 12 ging er weg. Ich war aufgeregt, dachte an Qu., oft überlegen, dann wieder verliebt. Habe ihr heute meinen Aufsatz über die Rheinlande geschickt. Donnerstag, 28. 2. 29 Um 8 auf, schnell munter, schöne Vorlesung bei den Attachés im Auswärtigen Amt, aber traurig, weil ich das Gefühl habe, dass ich im Sommer nicht wieder lesen darf. Ging mit dem jungen Wolf, sehr nett, zur Handelshochschule. Meine Vorlesung über Staatsrecht 11–1 schön gehalten, um 11 an Qu. telefoniert. Sie war freundlich und interessierte sich besonders für den Abend mit Bonn, lobte meinen Aufsatz. Ich war glücklich. Dann noch Examen und Scheck eingereicht. Zu Hause schnell gegessen, etwas ausgeruht, um ½ 4 Examen mit Eulenburg und Sombart, ganz interessant.1388 6–8 Seminar, Fräulein Kraus war da, ich war guter Dinge, fertig, nachher mit Koschewnikow, Adams, 1389, Forsthoff, Dorn1390, Fräulein Kraus zu Habel, Graacher Himmelreich1391 getrunken, nett geplaudert, besonders mit Koschewnikow (er ist restlos entzückend, sagt Fräulein Kraus, aber er schwimmt schon), dachte immer an Qu. Um 12 Uhr mit Fräulein Kraus nach Hause. Freitag, 1. 3. 29 Bis ½ 10 im Bett, sehnsüchtig an Qu. gedacht, dann aber oft schon wieder ganz frei und gleichgültig. Rief sie an, aber sie war noch nicht zu Hause. Das traf mich wie ein Schlag. Dummer Kerl. Korrigierte meinen Aufsatz „Der Hüter der Verfassung“, traurig, bedrückt, 1386
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RW 0265 Nr. 11526. Es handelt sich um das Gutachtenhonorar der Reichsmonopolverwaltung für Branntwein. Unklar; vielleicht zu lesen „Hindenburg“. Geprüft wurde der Doktorand Kurt Siebert (1905–?) über Grundrechte der Weimarer Verfassung, Privateigentum, Vertragsfreiheit und Kontrahierungszwang; vgl. Tilitzki (1994), S. 190. Vielleicht Josef Koninski (1908–?), wurde 1932 an der Handelshochschule promoviert; vgl. TB V, S. 200. Friedrich Dorn (1906–1970), Student der Betriebswirtschaft an der Handelshochschule, 1934 Promotion, dann Karriere in der SS, nach 1945 Manager der Zellstoffindustrie; DBA III 186, 2–8. Berühmter Mosel-Riesling.
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kam nicht dazu, mir die Haare schneiden zu lassen, schrieb an Duschka, Eisler, Eschweiler usw. Aß traurig zu Mittag, ruhte dann aus, um 4 Uhr zu Kranzler, traf dort den Baron 1392, der ist sehr klug und nett, gewann ihn lieb. Um 5 zum Examen mit Bonn, der nett war, aber alt aussah, nachher noch etwas mit ihm spazieren. Dann traurig und einsam nach Hause. Eine Karte von Duschka. Habe sie wieder lieb, fürchte sie aber. Wieviel besser ist sie als Qu., vornehmer und edler, reiner und schöner trotz ihrer Krankheit. Dachte an einige ordinäre Bewegungen und der Qu. Traurig und einsam für mich zu Abend gegessen, um ½ 9 rief Eisler plötzlich an. Sehr glücklich darüber. Er kam noch, wir unterhielten uns, ich begleitete ihn durch den Tiergarten zum Esplanade-Hotel1393 und ging zu Fuß zurück. Beherrscht und ruhig zu Bett. Samstag, 2. 3. 29 Ruhig, innerlich fertig mit Qu. Las Thomas von Kempen1394. Stand um 9 Uhr auf, unter der Post war ein Brief von Qu., sehr freundlich, eine Karte von Diedenhofen, war gerührt, rief sie an, sie war freundlich und sagte, dass sie immer abwesend sei, immer an mich dachte, ich war zuletzt wieder sehr glücklich. Telefonierte mit Smend, der meinen Aufsatz rühmte als besonders ehrlich. Zufrieden den ganzen Tag, wartete vergnügt auf Eisler, der mittags kam und bei mir aß, mit Annie Kraus, dann ruhte ich aus, ging etwas mit dem Hund spazieren, dann zu Bett, um 5 kam ein Student (Schoder, ein Postinspektor), dann tranken wir Kaffee, fuhren mit dem Auto zur russischen Kirche am Fehrbelliner Platz, ich dachte an Koschewnikow, der aber nicht da war. Wir gingen dann noch etwas zusammen, fuhren nach Hause, aßen bei mir zu Abend, sprachen über Krieg, Pazifismus, Eisler blieb bei mir und war rührend gut und nett. Ich habe ihn wieder sehr gern. des Aufsatzes über Faschismus, einige signiert, verschickt, sehr vergnügt deshalb. Sonntag, 3. 3. 29 Bis 9 Uhr geschlafen, ruhig; seit 2 Tagen keinen Wein. Mit Eisler sehr nett zusammen gefrühstückt, dann zu Kaiser-Friedrich-Museum gefahren, sahen unterwegs Fräulein Kraus und brachten sie zur Hedwigskirche. Im Museum Botticelli. Freute mich über den guten und klugen Eisler. Dann zum Lehrter Bahnhof. Allein nach Hause zurück, dort der Dr. Zechlin1395 aus Marburg und Friesenhahn, nett geplaudert, nachher mit dem Hund am Salz ufer spazieren, dann zu Bett, ruhig, beherrscht, eigentlich immer nur auf morgen Abend gewartet. Um ½ 6 kam Fräulein Kraus, diktierte ein paar Briefe, die gute Hanna ist nach einem kurzen Spaziergang zurück gekommen. Ordnete den Schreibtisch, behaglich und gesammelt.
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Zu Baron Giersch s. TB V, S. 157. Bellevuestr. 16–18a; „eines der am schönsten und modernsten eingerichteten Berliner Hotels“, Szatmari, S. 22. Thomas von Kempen (ca. 1380–1471), Augustiner-Chorherr, einflussreicher mystischer Autor. Egmont Zechlin (1896–1992), Historiker, habilitierte sich 1929 in Marburg, 1934 dort Professor, 1936 Hamburg, 1937 Lissabon, 1940 Berlin, 1948 erneut Hamburg; Hamb. Biogr. 1, S. 357 f.
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Montag, 4. 3. 29 Gut ausgeruht, etwas auf dem Schreibtisch geordnet, immer in Erwartung des Abends, um ½ 12 kam Koschewnikow, aß etwas bei mir, wir fuhren dann zum Kunstgewerbemuseum1396. Es war geschlossen. Wartete auf Smend und seine Frau, dann wurde uns doch aufgemacht, wir besahen die , eine Enttäuschung, Smend war kalt und gleichgültig, überlegen, gebildet. Traurig mit Koschewnikow zum Café Imperator, dort gegessen, Kaffee getrunken, viel mit Kosch. geschwätzt, mein Herz über Smend ausgeschüttet. Dann Haare schneiden, Unterwäsche eingekauft, bei Adam (ein schönes Mädchen verkaufte), traurig und bedrückt nach Hause, etwas ausgeruht, umgekleidet, mit Smoking zu Qu. Dort erst müde, allmählich unter der Einwirkung meiner herrlichen Weine (Chablis und besser als ), munter, blieb die Nacht da, schöner Koitus, große Erlösung. Dienstag, 5. 3. 29 Dann Ejakulation, dann müde von 3 Uhr ab, nicht viel geschlafen, nachgedacht. Immer an Isay gedacht und die deutsche Frau, die ihn beherrscht, Margot war gütig und tröstete mich, aber ich werde die Angst nicht los, fehlt, die Ewigkeit. Sie hat keine Seele. Wie lächerlich all dieser Trost, sie schlief, atmete sehr schnell und kurz, dann ruhiger, bis 8 Uhr, entschlossen, nach Dresden zu reisen, dann schickte sie die Köchin weg, wir frühstückten zusammen, um ½ 12 ging ich weg. Zu Hause müde, Qu. rief an: zusammen. Nach dem Essen eine Stunde ausgeruht, dann kam Neuß, empfing ihn im Bett, etwas geschlafen, abends Senatssitzung, sah Bonn, der durch ein Telefongespräch herausgerufen und nicht wusste, dass es Qu. ist. Sprach ihm davon, dass Duschka sehr krank ist. Er wurde ernst. Begleitete ihn zum Taxi, wusste, dass er zu Qu. fährt. Traurig zum Vortrag Neuß, der erst dumm und haft war, dann sehr gut und inhaltsreich wurde. Ging mit den Leuten zum Siechen[bräu] in die Behrensstraße.1397 Nett unterhalten, nervös angeheizt durch die Erinnerung an Qu., trank Bier, um ½ 12 todmüde nach Hause. Wollte bald reisen. Mittwoch, 6. 3. 29 Etwas ausgeschlafen, soll ich nach Dresden fahren, hin und her, Brief von ihr, lieber Kerl. Rief um 10 bei Margot an, sie war empört, abstoßend, Bonn hatte ihr gesagt, dass ich bald reisen will. Ich soll heute Abend anrufen. Traurig und deprimiert. Soll ich trotzdem reisen? Sehr traurig. Vormittags in die , mit Fräulein Kraus, Neuß in der Bibliothek abgeholt, auch der nette Koschewnikow war dabei. Wundervoll geführt von Neuß, herrlich die Erklärungen, wollte es gleich Margot zeigen. Dann zur Deutschen Gesellschaft, traf dort Kaufmann, Wimpfheimer, Popitz, Dorn. Nett unterhalten. Kaufmann will gegen meine Verfassungslehre schreiben. Dumme renommistische Schwätzerei, widerliche Taktlosigkeit. Dann müde nach Hause, ausgeruht, um ½ 5 bei Margot angerufen, sie war mild und freundlich, ich soll nachher kommen. Fuhr aufgeregt um 7 Uhr hin, Versöhnung, weinte, sie war gerührt, ich soll gleich nach San Remo fahren, ich war gerührt usw. Wir fuhren dann in die Stadt, durchs Brandenburger Tor, zu Mitscher, dort schön gegessen und herrlicher Wein
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Im Berliner Stadtschloß, heute am Kulturforum. Behrensstr., Nr. 22 / 24.
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(alter Chambertin1398, dann : wein und nachher Goulet1399), erzählte ihr die Geschichte vom treuen Zigeuner, sie von Max v. Quednow1400, wir waren wieder verliebt, erst wollten wir um 10 zu Hause sein, dann wurde es 12. Wieder berauscht und begeistert, fühlte eine Beziehung zum Hause v. Quednow, todmüde nach Hause. Will morgen fahren. Donnerstag, 7. 3. 29 Gut geschlafen, aber voraus wach, der Wein war doch gut. Um ½ 10 aufgestanden, einige Briefe, Feuchtwanger und Beckerath sind in Berlin, hoffentlich kann ich sie noch treffen. Um 11 Uhr fuhr ich zum Bahnhof Zoologischer Garten, zum Blumengeschäft Koschel1401, eine herrliche Orchidee für 45 Mark gekauft, Margot geschickt mit dem Manuskript des treuen Zigeuners und einem herrlichen Begleitschreiben.1402 Dann beruhigt nach Hause (obwohl es rasend ist, [was für ein] Geld ich ausgebe), dann Billetts bestellt, mittags kam der Attaché Wolf, ich war aber müde, er besorgte noch einen Schlafwagen, heute allein Unter den Linden, müde ½ 4 zurück, etwas ausgeruht, an Margot telefoniert, sie war freundlich und versöhnt, ich soll gleich zu ihr, um 5 kam Breinlinger, einen Augenblick unterhalten, er ist doch unerträglich, dann aufgeregt zu Margot. Sie war sehr freundlich, nett, weinte, freute sich über die Blume und den schönen Brief. Verabschiedete mich freundlich. Ich ging also ruhig weg. Wer betrügt den andern? Zu Hause kamen Adams, P. Thomas Michels und Koschwenikow zum Abendessen. Tranken guten Wein, ich war munter, aber schläfrig. Sie brachten mich zur Bahn,1403 dort noch ein Glas Bier im Wartesaal, Fräulein Kraus kam auch noch, fuhr um 10 Uhr ab. Schlafwagen mit einem netten Partner. Schnell zu Bett und bald geschlafen. Eifersüchtig auf Margot, geil und anspruchsvoll. „Vor mit ihrem Maß an “. Freitag, 8. 3. 29 Schlief gut, stand ½ 9 auf, nett im Speisewagen gefrühstückt, bei Bruchsal, dann sehr vergnügt durch Baden gefahren, bei Appenweiler, unter dem Eindruck der Erinnerung an Straßburg an Margot eine Karte. Plötzlich leuchtet mir ihr Name, bunt und schön. Die schöne Preußin. Gab das einem Dienstmann in Offenburg. Dann beruhigt. Mittags müde, eine Stunde geschlafen. Der Partner (Herr Töpfer aus Berlin) war nett und rücksichtsvoll. Nachmittags überlegt, nachgedacht, hin und her zwischen Duschka und Margot, manchmal getaumelt.Abends durch den Gotthard und den Tessin, ein Pole kam zu uns ins Coupé, die Zollrevision in Chiasso war sehr harmlos, dann zu Bett, nicht gut geschlafen, öfters wach und nach der Uhr geschaut. 1398 1399 1400
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Einer der besten Rotweine des Burgund. Champagnermarke. Max von Quednow (1882–1915), der im Ersten Weltkkrieg gefallene Ehemann von Margot von Quednow. Blumenhandlung Adolf Koschel, Joachimsthalerstr. 4. s. unten, S. 464. Am 18. 3. 1929 schreibt Paul Adams an Erik Peterson: „Schmitt ist Donnerstag vor 8 Tagen plötzlich nach San Remo Kaiser-Friedrich-Krankenhaus. Italien. Wir haben abends bei ihm gegessen und ihn zur Bahn gebracht: P. Thomas, Koschewnikoff und ich. Er hatte ein sehr verweintes Gesicht, war sehr gerührt, ich habe ihm Katharina von Siena als Reiselektüre mitgegeben.“ Zit. nach: Nichtweiß (1994b), S. 82.
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Samstag, 9. 3. 29 Müde um 7 Uhr auf, an der Küste entlang gefahren, eine ziemliche Enttäuschung. Aber der Eindruck des Naturlandes. Um ½ 10 in San Remo. Wollte zum Postamt, telegrafisch Margot um einen , hatte das Telegramm schon entworfen, unentschlossen, musste etwas warten, daher doch nicht telegrafiert. Welch ein Zustand. Dann in einer Kutsche zum Krankenhaus. Kam an, Duschka war sehr krank. Hohes Fieber, wir weinten. Armes, liebes Kind. Wie schön und klug ist sie. Sie will sich nicht operieren lassen; sehr überlegen, war traurig und müde, frühstückte bei ihr, dann nach dem Mittagessen ausgeruht. Den ganzen Tag nicht mehr heraus. Nachmittags schön geplaudert. Abends um 9 zu Bett, nachts gefroren. Briefe an Georg[,] Kraus und Margot (Bericht von der Reise, in der Nacht Eifersucht, dann die Dämmerung des Abends und der Nacht, dann über Duschka, wie sie ruhig und überlegen wie stets). Der Abend war schön und beruhigend. Sonntag, 10. 3. 29 Bis 9 Uhr geschlafen, leider etwas gefroren, es ist heute sehr heiß und schwül. Frühstückte bei Duschka, sie hatte weniger Fieber und war guter Dinge. Wie ist sie schön und weiblich, wie herrlich ihre Augen, wie klug jedes Wort. Ich ging um 11 Uhr etwas in die Stadt, müde, traurig, bedrückt, Gefühl meiner Erbärmlichkeit; am Meer, das wundervoll rauscht, dachte mit Angst und Schrecken an Margot, wie dumm bin ich. Welches dumme Theater, wie verschwindet alles vor der Klugheit und Sachlichkeit dieses Bauernmädchens. Mittags nach dem Essen 2 Stunden geschlafen, aber mit Kopfschmerzen. Dann schöner Kaffee, den ganzen Nachmittag und Abend bei Duschka, sehr schön geplaudert, über Romane (Thornton Wilder), wie ist sie klug und sicher. Wie durchschaut sie alles schön, wahrscheinlich auch mich. Welches Unglück, dass sie krank ist. Sie hatte nicht mehr so hohes Fieber, aber sie wird kaum gesund werden; bis ½ 10 bei ihr, dann ziemlich erschüttert in mein Zimmer, führte Tagebuch, dachte nach, die Affaire mit Margot liegt unendlich weit zurück. Vielleicht war diese Reise meine Rettung. Aber wie unsagbar dumm bin ich. Und wie betrüge ich mich selbst. Ich bin feige. Betrug, Lüge, Feigheit, alles ist dasselbe.1404 Montag, 11. 3. 291405 Ein Tag der Tränen. Um 9 Uhr auf, habe des Nachts gefroren. Duschka ging es sehr schlecht. Sie sagte, sie werde sterben, bat, in Plettenberg begraben zu werden, gab Anweisungen für einen Todesfall, wir weinten ununterbrochen. Sie sagte: Ich werde Sie beschützen, auch wenn ich sterbe. Wie schrecklich traurig, wie elend und jämmerlich habe ich mich gegen diese wunderbare Frau benommen. Ging mittags zur Stadt. Kaufte Freimarken, telegrafierte Frau Berend, dass sie kommt. Dann müde nach Hause, arme Duschka, nach dem Essen noch eine Stunde zu ihr. Dann ruhte ich aus, konnte aber nicht schlafen. Trank schön Kaffee, ganzen Nachmittag bei Duschka. Sie hustete schrecklich, muss entsetzliche Schmerzen haben, ihr Herz ist schwach geworden. Sie will ihr Testament machen, rührend, wie sie für alles sorgt und an alles denkt. Ich schrieb Briefe an den Kaplan in Eiringhausen,1406 die El-
1404 1405 1406
Vgl. hierzu unten, S. 464 f. und 467. Auf dem Kopf dieses Blattes der Handschrift notiert: „San Remo“. Wegen der Beerdigung der orthodoxen Duschka.
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tern, Neuß und Georg Eisler in entsetzlicher Traurigkeit. Abends bis ½ 10 bei Duschka, wie lieb ist sie, wie gütig. Ich soll ihrer Mutter 500 Mark schicken, wenn sie stirbt, für schwarze Kleider, den Schwestern 100 Mark geben usw. Bin ganz erschüttert, aber abends doch wieder Hoffnung. Wenn sie nur [bis zur] warmen Jahreszeit aushält. Des Nachts große Willensanspannung, gebetet, bleibe am Leben, bleibe am Leben, liebe Duschka. Bleibe am Leben, Beschwörungen, Gelübde, will beherrscht sein. Dienstag, 12. 3. 29 Nachts um 2 aufgestanden, als die arme Duschka so schrecklich hustete, armes, liebes Kind. Schlief trotzdem gut, fror nicht, morgens ziemlich frisch, schön bei Duschka gefrühstückt, obwohl sie nicht geschlafen hat, geht es ihr besser. Erleichtert, wieder wohl, gab der Schwester 10 Mark, dann schrieb ich einen Brief an Hanna wegen meiner Wäsche (es fehlen die bunten Hemden), wartete am Korso auf Frau Berend, die erst um 1 Uhr kam. Sah die Frauen, gleichgültig, manchmal neugierig, sah immer wieder Margot, wie ist sie häßlich, widerlich. Welch grauenhafte Gesichter sieht man hier. Freute mich, Frau Berend zu sehen, sie war aber sehr nervös, wir tranken einen Wermut, fuhren dann zum Krankenhaus, Duschka war lieb und nett, freute mich an der Bewunderung, die Frau Berend für Duschka hat, wir tranken schönen Wein, wurden munter und gesprächig, dann fuhren wir zurück, noch eine Stunde am Korso, in einer Konditorei, die arme, gute Frau Berend erzählte viel, immer aufgeregt, traurig mit ihr zurückgefahren. Um 4 Uhr nach Hause. Allmählich schon wieder geil, immerhin noch leidlich überwunden. Duschka geht es besser, obwohl sie nicht geschlafen hat. Las abends Gide, Der verlorene Sohn,1407 das regte mich sehr auf, es ist ein Signal Margots. Duschka war freundlich und überlegen, ganz unfassbar und innerlich unnahbar. Herrliche Frau. Ging früh zu Bett. Mittwoch, 13. 3. 29 Duschka hustete unaufhörlich. Erbärmlicher Zustand, morgens Korso und Spielbank. Mit dem Arzt gesprochen, der eine Operation verlangt, also muss es wohl sein. Schrieb gleich an Siebeck1408 usw. Aufgeregt, mittags gleich wieder zu Bett, herumgelegen, Bauchschmerzen, nachmittags Rizinusöl, dann ging es besser. Donnerstag, 14. 3. 29 Nachts besser geschlafen, Gefühl der Reinigung, allmählich wieder wohl, Briefe geschrieben an Wimpfheimer, Bilfinger. Nachmittags etwas spazieren, durch die Altstadt, die Kirche Santuario Madonna della costa1409, schön, Jesuitenkirchen1410 besehen, Ausdruck der sarazenischen Macht, welche Niederlage des Christentums. Abends waren viele Briefe zu Hause, ein Brief von Margot, ich atmete auf, sehr glücklich, die Schrift zu sehen, der Brief war gütig
1407 1408
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1410
André Gide, Die Rückkehr des verlorenen Sohnes, Leipzig 1914 (u. ö.); vgl. unten, S. 333 und 466. Richard Siebeck (1883–1965), Internist, 1924 Professor in Bonn, 1931 Heidelberg, 1934 Berlin, 1941 wieder Heidelberg, dort behandelte er Duschka 1949 / 50; vgl. TB V, S. 51. Am oberen Ende der Altstadt auf einem Hügel mit schöner Aussicht gelegene barocke Kuppelkirche aus dem 15. Jahrhundert. Romanisch Kirche Santo Stefano an der Piazza Cassini.
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und klug. Brief von Fräulein Kraus, Professor Muth, der mich sehr freute, abends fröhlich zu Bett, Duschka geht es besser. Freitag, 15. 3. 29 Nachts Ejakulation mit einem dummen jungen Mädchen (nicht doch), ekelhaft, aber das verfolgt mich anscheinend. Allmählich munter, Telegramm von dem guten Neuß, der kommen will, und von Georg Eisler, der auch kommen will. Gerührt. Schrieb an Margot, sehr schön,1411 an Georg Eisler und Kraus, es wurde Mittag, Duschka geht es besser, aber sie hat immer noch nicht geschlafen. Nach dem Essen ging ich zur Stadt, kaufte etwas ein, besorgte die Briefe an der Post, telegrafierte Eisler [Einschub von 4 Wörtern], dann müde zurück, es ist sehr warm und heiß, das Mittelmeer ist wunderbar, aber ich denke immer an die Sarazenen1412. Dann ausgeruht. Schön Kaffee getrunken bei Duschka, brachte ihr eine Flasche Champagner mit, dann bat sie mich, ihrer Mutter Geld zu leihen, 750 Mark. Erschrak und sah plötzlich meine Dummheit. Das also war der Zweck des Geldes, um das sie bat (für schwarze Kleider sagte sie damals), fühlte mich ausgebeutet und düpiert. Ging aber sehr ruhig weg und dachte an Margot. Nachts Ejakulation, konnte nicht einschlafen, sehr aufgeregt, auf einmal wieder Durchfall. Entsetzliche Nacht. Samstag, 16. 3. 29 Nicht geschlafen, Durchfall, scheußlich. Traurig, mit Duschka über das Geld gesprochen, sie ist ganz vernünftig, ich bin ein Narr. Morgens Brief vom Vater, der rührende Mann hat mit dem Kaplan in Eiringhausen gesprochen, schöner, rührender Brief, innerlich vornehm und anständig. Mittags Eilbrief von Neuß, der natürlich sofort Bekehrungsversuche macht, pfaffenhaft; taktlose Apologetik am Sterbebett. Ich hatte den ganzen Tag Durchfall, schrieb an Mme Linn, an das Standesamt Düsseldorf, brachte die Briefe zur Post, müde zurück, nach dem Essen gleich wieder zu Bett, immer Durchfall, scheußlich. Abends Wermut, Rotwein, dann Dreck heraus. Es wurde etwas besser. Schön mit Duschka über den Brief von Neuß. Großartig, wie sie antwortet: Diese Religion hat mir die Gnade vermittelt, das viele schwere Leid meines Lebens zu tragen, sie wird mir wohl auch die Gnade vermitteln, ruhig und in Frieden mit Gott zu sterben. Abends sehr schön und liebevoll mit Duschka geplaudert, sie ermuntert, tapfer zu sein, es geht ihr doch anscheinend besser. Früh zu Bett, gut geschlafen, abends rührender Brief von Hanna. Sonntag, 17. 3. 29 Gut geschlafen, gutes Frühstück (aber dünner Kaffee), fühlte mich wieder wohl, aber doch sehr schwach. Telegramm von Siebeck, der Professor Brunner1413 in St. Gallen empfiehlt. Das ist sympathisch. Duschka hat auch gut geschlafen und ist fröhlich. Ich schrieb an 1411 1412
1413
s. Regest unten, S. 466 f. Das mittelalterliche San Remo wurde defensiv gegen die Einfälle der Sarazenen und Piraten angelegt. Alfred Brunner (1890–1972), ehemaliger Assistent von Sauerbruch, seit 1926 Chefarzt der chirurgischen Abteilung des Kantonsspitals St. Gallen, Spezialist für die chirurgische Behandlung der Lungentuberkulose; vgl. Historisches Lexikon der Schweiz (Online unter: www.hls-dhs-dss. ch / textes / d / D14307.php).
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Hanna, Fräulein Kraus und Jup, brachte die Briefe mittags zur Post, kaufte die Kölnische Zeitung, müde nach Hause, herrliche Sonne, nach dem Mittagessen mit Duschka geplaudert, wieder zur Stadt, herumflaniert, am Meer, das wunderbar ist, im Kino, T der Papst segnete das Volk, lächerliches Theater, müde nach Hause, schön ausgeruht, zum Glück geht es den ganzen Tag gut mit meinem Darm, aber immer noch unsicheres Gefühl. Sprach abends noch Duschka über den Brief von Neuß, wir waren erstaunt über seine Taktlosigkeit und Dummheit. Antwortete ihm abends, wie Duschka es gesagt hatte. Freute mich über den schönen Brief, aber auf einen Pfaffen macht nichts Eindruck, der ist keiner menschlichen Regung mehr fähig. Montag, 18. 3. 29 Nachts gut geschlafen, wieder Ejakulation, ein Mädchen mit dunkelblauem Kleid (Magda), sehr schön übrigens. Wieder dünner Kaffee, ordentliches Frühstück, Briefe geschrieben und bekommen (von Fräulein Kraus), schrieb an Hanna (dass sie Urlaub hat), Fräulein Kraus, Jup. Brachte die Briefe mittags zum Kasten. An Münch (mit meinem Aufsatz über Faschismus), Drucksache an Ernst 1414. Nach dem Essen herumspaziert, auf dem Korso, gegen 4 nach Hause, 2 Stunden im Bett ausgeruht, dann fühlte ich mich sehr wohl, habe mir Stendhal Promenades dans Rome gekauft und las herum. Schöner Brief von Siebeck, schrieb ihm auch wieder. Abends schön mit Duschka geplaudert, der Pfarrer Lessing1415 aus Florenz war da, guter Mann, sehe immer deutlicher, dass Deutschtum und Protestantismus gleich sind.1416 Trank noch etwas Champagner mit Duschka, um 9 todmüde zu Bett. Viel zu früh, aber gleich eingeschlafen. Duschka hat gut geschlafen und kein Fieber mehr. Dienstag, 19. 3. 29 Um 4 wach, aber wieder eingeschlafen, etwas Kopfschmerzen, vielleicht zu viel Schlaf. Es geht mir besser, mein Darm scheint wieder in Ordnung zu sein. Mit dem Pfarrer Lessing, der sich als Seelsorger anbietet, das [2 Wörter], herrlicher Kaffee des Morgens, schöner Brief von Siebeck, Telegramm von dem guten Georg Eisler, das uns sehr rührte. Er schickt einen Scheck für den Krankentransport. Ich schrieb an Siebeck, Auswärtiges Amt (wegen des Geldes für Februar). Frau Schmitz brachte die Briefe zur Post, dann zum Essen zurück, mit Duschka freundlich geplaudert, sie hat gut geschlafen und kein Fieber mehr, wird vergnügt und hoffnungsvoll. Nach dem Essen schönen Brief an Georg geschrieben, über Duschkas Befinden. Brachte den Brief zur Post und telegrafierte ihm. Dann mit der Bahn nach Ospedaletti1417, dort in die Konditorei Alexandra, Kaffee und Kuchen. In der heißen Sonne gesessen, dann schönen Artikel der Stampa1418 gelesen, über einige Deutsche geärgert, um ½ 5 zurück. Duschka geht es sehr gut, wir plauderten fröhlich zusammen, wieder ein 1414
1415
1416 1417
1418
Ernst Jaeckh (1885–1959), liberaler Journalist, Diplomat, Mitbegründer der DDP und der Deutschen Hochschule für Politik, emigrierte 1933 nach England; NDB 10, S. 264–267. Eugen Lessing (1866–1942), Dr. theol., seit 1899 Pfarrer der deutschen evang.-lutherischen Gemeinde in Florenz, war Mitglied im Vorstand des Kaiser-Friedrich-Krankenhauses in San Remo. Vgl. Carl Schmitt, Eine Tischrede, in: Schmittiana V, 1996, S. 11. Dorf sechs Kilometer westlich von San Remo, beliebtes Ausflugsziel mit bedeutendem Blumenmarkt. La Stampa, überregionale italienische Tageszeitung.
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Telegramm von Georg. Nach dem Abendessen wieder ein Glas Champagner, dann müde noch einen Brief an Mutter Eisler geschrieben, Tagebuch geführt und um ½ 11 zu Bett. Nachts viele Herzaffekte, Angst, eine Sekunde aufgewacht. Schnell wieder ruhig. Morgens Wassertraum. Mittwoch, 20. 3. 29 Um 8 Grütze gegessen (wie schon seit 3 Tagen), behaglich angezogen, herrliches Wetter, Duschka hat gut geschlafen, wunderschöner Kaffee, Brief von Bilfinger, der mich sehr freute, dazwischen Briefe geschrieben (an Brinkmann, Frau Trumic´1419), Karte an Leibholz mit der Nummer der Stampa, freundlich mit Duschka gesprochen, die munter ist, zur Stadt, an der Post meine Sachen erledigt. Behaglich herumflaniert, mittags nach Hause, nach dem Essen eine Stunde mit Duschka geplaudert, wieder ein Telegramm von Eisler, rührend, Karte an Smend,1420 dann wieder zur Stadt, wollte nach Ospedaletti, aber ich musste lange auf die Tram warten, ging also zurück, ein kleines Aas, doch bin ich unsicher und dumm, zum Glück war sie plötzlich verschwunden. Bei Kuchen und schlechten Kaffee, dann bequem nach Hause, ausgeruht, Notizen gemacht über den neutralen Staat. Abends mit Duschka Champagner, dann noch an Bilfinger geschrieben (aber ganz illusionslos, über Duschka, ihre Antwort an den katholischen Theologen), müde zu Bett, gleich geschlafen, überspannter Brief von Frau Linn. Donnerstag, 21. 3. 29 Viel geschlafen, Erektionen, aber morgens etwas Augenschmerzen. Behaglich angekleidet, einige Briefe geschrieben, wunderschön gefrühstückt, schöner Kaffee, mit Duschka freundlich geplaudert, zur Stadt, Post, Hemden bestellt, kleiner Einkauf, behaglich nach Hause, es ist nicht mehr so heiß wie gestern. Nach dem Essen sehr müde, Stendhal gelesen, etwas geschlafen, zur Stadt, im Kino Le rouge et le noir, tief ergriff mich 1421. Warum begegnet mir hier Stendhal[?], nach Hause, ein Butterbrot und etwas Wein, mit Duschka schön geplaudert, wie ist sie klug und schön, wie unmöglich Margot daneben. Ziemlich müde und benommen den ganzen Tag. Traurig und gedrückt wegen der Lage Deutschlands. Freitag, 22. 3. 29 Wieder viel geschlafen und morgens geil, Sehnsucht nach Magda. Behagliches, schönes Frühstück, der Konsul Geibel1422 rief morgens an, in plötzlicher guter Laune Brief an Jacobi geschrieben, ferner Brief an von Duschka, brachte sie fröhlich zum Postkasten, nach 1419
1420
1421
1422
Bekannte von Duschka in der kroatischen Stadt Ilok; im Adressenverzeichnis (s. unten, S. 327) ist ein Forstingenieur Danilo Trumic´ aus Ilok notiert; vgl. auch TB III, S. 238, 244, 484. Nicht überliefert, doch hat Schmitt die Ausgabe der „Stampa“ an Smend geschickt, wie aus dessen Antwort vom 29. 3. 1929 hervorgeht; BW Smend, S. 80. Lil Dagover (1887–1980), Film- und Bühnenschauspielerin, die in der Verfilmung des StendhalRomans (unter dem Titel „Der geheime Kurier“) durch Gennaro Righelli (1928) mitspielte. Otto Karl Geibel (1874–?), Rittmeister, deutscher Konsul in San Remo, Bruder des Inhabers des Duncker & Humblot-Verlages Carl Geibel (DBA II 433, 306; vgl. die Empfehlung, die Feuchtwanger für Schmitt schrieb, BW Feuchtwanger, S. 298 f.). Konsul Geibel war im Vorstand des Kaiser-Friedrich-Krankenhauses in San Remo.
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dem Mittagessen etwas ausgeruht, dann nach Ospedaletti gefahren, aber nicht in das Café, sondern hinter einem großen Felsen am Mittelmeer herumgelaufen. Mit Steinen geworfen, wundervoll. Fühlte mich stark und frisch, brachte die Tasche voll Steine mit nach Hause, trank keinen Kaffee, freundlich mit Duschka gesprochen, abends Wein (Orvieto), schmeckte wie 21er Rheinwein, früh zu Bett und sehr müde. Einige Briefe bekommen, aber nichts von Wimpfheimer. Samstag, 23. 3. 29 Großartig geschlafen nach dem Spaziergang von gestern. Sehnsucht und Hunger nach Magda. Behaglich angekleidet und gefrühstückt, an Mohr1423 geschrieben, Frau Braschoß usw., Fräulein Kraus. Im Auto zum Konsul Geibel, der aber nicht zu Hause war. In der Stadt noch ein paar Besorgungen, nach Hause, nach dem Essen eine Stunde ausgeruht, wieder zur Stadt, geil und und traurig. In der Konditorei Rendez-vous Orangeade. Dann nach Hause, Duschka war lieb und freundlich, mit der Oberin geplaudert, fühle, dass ich allmählich vernünftig werde. (Das fühle ich schon seit 40 Jahren, vergeblich). Barbaresco getrunken, dann bald ins Bett. Sonntag, 24. 3. 29 Nicht gut geschlafen, Nachts um 2 Uhr wach, wahrscheinlich zu wenig Bewegung. Las die Bibel, wüstes Zeug. Morgens behaglich aufgestanden, sehr wohl gefühlt. Gier nach Magda, von Margot gar nichts mehr. Mittags zur Stadt, Plebiszit1424, alles ruhig und vergnügt, freute mich darüber und hatte einen guten Eindruck von wirklichem Staat. Nach dem Essen ausgeruht, etwas über den Korso gelaufen, langweilig, nach Haus zurück, mit der schönen, lieben Duschka geplaudert, abends ruhig zu Bett. Müde. Montag, 25. 3. 29 Morgens behaglich ausgeschlafen und angezogen, viele Briefe, (Brinkmann, Wimpfheimer, Siebeck, Neuß, Jup), sehr vergnügt darüber. Schrieb an Wimpfheimer eine Karte, neugierig aufs Ergebnis des Plebiszits. Nach dem Essen geschlafen, schreckliche Qualen, nach Ospedaletti, viel gelaufen, wieder am Mittelmeer, herrlich, eine T kam, aber sie war zu hässlich. Um ½ 4 frisch zurück, kein Kaffee, in der Konditorei Rendez-vous, dann den Film , dumm, langweilig, zu Duschka nach Hause, schön unterhalten, zum Essen Wein getrunken, um ½ 10 zu Bett. Staune über die kluge Duschka, wie richtig und sachlich sie urteilt, wie scharf ihre Spitze. Dienstag, 26. 3. 29 Sehr gut geschlafen, behaglich angekleidet, , Briefe geschrieben, mittags nach Ospedaletti gefahren, wieder am Meer, herrlich das Salzwasser, um ½ 4 zurück, in den Film Fräulein Josette – meine Frau,1425 dumm und gleichgültig, etwas Kuchen gegessen, zu Duschka, die lieb und freundlich ist. Bei ihr zu Abend gegessen und Wein getrunken (Barbaresco). 1423 1424
1425
Verlag J. C. B. Mohr in Tübingen. Am 24. März 1929 gab es in Italien ein Plebiszit zur Bestätigung der faschistischen Einheitsliste der Kandidaten für das Parlament. Es brachte eine große Zustimmung zum Regime Mussolinis. Deutsch-französischer Film (1926) des Regisseurs Gaston Ravel.
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Mittwoch, 27. 3. 29 Wieder gut geschlafen, sehr behaglich, werde braun im Gesicht, schön gefrühstückt bei Duschka, den ganzen Vormittag geschrieben, zur Bank 4500 L[ire], Scheck eingelöst. Mittags nach dem Essen zur Post, dann noch herumgelaufen, über den Korso, im Kino ein Stück von einem deutschen Soldaten, der als Franzose in Frankreich lebt, mit französischen Papieren, die er einem gefallenen Franzosen wegnimmt. Der Deutsche erinnerte mich an Quednow.1426 Dachte viel an den [2 Wörter], zu Hause ein Brief von Margot!1427 Duschka einen Augenblick misstrauisch, schöner Brief von Fräulein Kraus, besonders einer von Anschütz über meinen Enteignungs-Aufsatz.1428 Allmählich fröhlich und vergnügt zu Duschka, aß bei ihr zu Abend, erzählte von Frau v. Quednow, die freundlich, aber etwas zu herzlich schrieb. Abends etwas berauscht von dem guten Barbaresco, sehr übermütig, stolz, munter, froh über den Brief von Margot, übermütig wegen des dummen Anschütz. Um ½ 10 zu Bett und gleich eingeschlafen. Donnerstag, 28. 3. 29 Nachts von 3–4 wach, vielleicht zu viel Wein, dann gut geschlafen; morgens viele Briefe geschrieben (am Zehnhoff, , Peterson), schön gefrühstückt bei Duschka, wunderschöner langer Brief von Georg Eisler, gerührt von seiner Hilfsbereitschaft und Freundschaft, er hat bei allen Ärzten gefragt usw. Schrieb an Käthe die Antwort. Brachte die Briefe zur Post, kaufte Zeitungen, habe mein Hemd an, sehr vergnügt darüber, bestellte neue, fröhlich zum Essen zurück, Duschka in meinem Zimmer, worüber ich sehr fröhlich war. Nach dem Essen müde und fröhlich zu Hause, unbeschreiblich schönes Wetter. Nachmittags nochmals im Kino, herumgelaufen. Früh zurück. Mit Duschka geplaudert, Wein getrunken (Barolo Classics), noch an Margot geschrieben (die Geschichte von der Antwort an den katholischen Theologen), müde zu Bett. Freitag, 29. 3. 29 Um ½ 6 wach, sonst gut geschlafen, herrliches Wetter, wunderbar blauer Himmel, herrliches Meer. Behaglich gefrühstückt, Brief an Frau Weber und andere geschrieben, mit Duschka freundlich geplaudert, zur Stadt, die Briefe besorgt, Zeitungen gekauft, vergnügt über das herrliche Wetter, wieder nach Hause, Duschka war bei mir im Zimmer und liest meinen Aufsatz über die Auflösung des Enteignungsbegriffs. Nach dem Essen zur Stadt, nach Ospedaletti gefahren, herrliche am Meer, Steine gesucht, um 4 zur Pizzeria Alexandra, dort eine dicke Frau, sie sprach mich nachher an, eine ungarische Landgutbesitzerin, halb Polin, halb Österreicherin, , für den , rührend, etwas peinlich, wir tranken noch bei Kaffee, merkwürdige Bekanntschaft, dachte an Frau v. Quednow, um ½ 7 zu Duschka, die meinen Aufsatz gelesen hat und wunderbar lieb und klug darüber sprach. Aß zu Abend, kein Wein, mit Duschka geplaudert und mich über sie gefreut, dann früh zu Bett. Geil, die dicke Frau, Ejakulation.
1426 1427 1428
Kann sich nur auf eine Fotografie beziehen, da Max von Quednow 1915 gefallen war. RW 0265 Nr. 11280. RW 0265 Nr. 415.
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Samstag, 30. 3. 29 Herrlicher Vormittag, wundervolles Wetter, mit Duschka den Brief an Anschütz1429 überlegt und mich über ihren Stolz und ihre Klugheit gefreut, ich antwortete ganz kurz, schrieb noch an Wimpfheimer, dann nach dem Essen zur Stadt, Einkauf beim Konditor für Ostern, Haare schneiden, mit Frau nach Ospedaletti, dann im Wagen nach Bordighera, die Nationalbibliothek war aber geschlossen,1430 wir fuhren zurück, herrliche Meeresbucht, wunderbare Sonne, trank in Ospedaletti Kaffee, dann mit der elektrischen Bahn zurück. Sie ist dumm und langweilig, dick, ekelhaft dieses halb österreichische Gewäsch, diese Mischung von Preußentum und Wienertum. Deprimiert nach Hause, Duschka war entzückend, guter Dinge, hat meinen Aufsatz über Enteignung gelesen. Ich trank Wein und ging um 10 zu Bett. Erbärmlicher Brief von Peterson,1431 der mir wieder leid tat. Ostersonntag, 31. 3. 29 Sehr gut geschlafen, herrliches Wetter, will nicht hier weg, es ist zu schön. Dummer Kerl. Sehe ich eine schöne Landschaft, kann ich mir keine andere mehr denken und will da bleiben, sehe ich eine schöne Frau, klammere ich mich Rindvieh. Wunderschöner Morgen, schön angezogen, Freude an meinen schönen Kleidern, der schönen Seidenwäsche, der klugen, schönen und guten Duschka, dann wieder Angst vor der Operation usw. Behaglich angekleidet und aufs Frühstück gewartet, schön gefrühstückt, den ganzen Vormittag zu Hause, mit Duschka im Garten, sie ist wunderbar klug und überlegen; sprach freundlich mit der Gräfin von Schwerin1432. Karte von Leibholz, die mich sehr freute, weil ihn der Aufsatz aus der Stampa sehr interessierte. Nach dem Essen etwas ausgeruht, um ½ 3 die dicke Person getroffen, scheußlich, etwas am Meer spazieren, am Rendez-vous um 4 Uhr weg und verabschiedet, Gott sei Dank, ekelhaft, diese Halbbildung und diese Kombination von Pazifismus und Furcht. Erleichtert nach Hause, Glücklich, bei Duschka zu sein, wir plauderten fröhlich, abends tranken wir in einem Zimmer mit den Schwestern Agnes1433 und Auguste moussierenden Cinzano, um ½ 10 zu Bett. Ostermontag, 1. 4. 29 Duschka ging es schlechter, weil ihr Zahn weh tat. Ich zog mich behaglich an, blieb den ganzen Vormittag bei ihr, machte Pläne wegen ihrer Operation, Brief von Smend,1434 der mich freute, aufgeregt (die Harmlosigkeit, mit der die Deutschen meiner Verfassungslehre 1429
1430
1431 1432 1433
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RW 0265 Nr. 13591. Schmitt antwortet auf den Brief von Anschütz über Enteignung, s. oben, 27.3.29. Bordighera, Stadt von 6000 Einwohnern, etwa 12 km westlich von SanRemo, besaß eine umfangeiche Stadtbibliothek. RW 0265 Nr. 10909. Nicht ermittelt. Agnes Beer (1886–1964), Diakonisse aus Kaiserswerth, von 1927 bis 1940 am Kaiser-FriedrichKrankenhaus in San Remo. (Frdl. Mitteilung von Annett Büttner, Fliedner Kulturstiftung Kaiserswerth). Schwester Agnes unterrichtete Schmitt auch brieflich und telefonisch über das Befinden Duschkas, s. unten, 27.5., 6.6., 7.6., 9.6. und 14.6.29. Ein Brief befindet sich in: RW 0579 Nr. 667. BW Smend, S. 79 f.
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gegenüberstehen). Nach dem Essen etwas ausgeruht. Dann schöne Autofahrt nach Bajardo1435 (fast 1000 m), herrlich auf einem Felsen am Alpenrand gelegen mit 2 Schwestern und den entzückenden Mädchen Elfriede und Hiz. Wir tranken oben in dem italienischen Städtchen Wein, ließen uns fotografieren, fuhren vergnügt zurück, der Abstieg war besonders herrlich, die Ölbaumwälder verführen einfach, süß und verliebt. Um ½ 7 waren wir wieder zu Hause, Duschka war wegen ihres Zahnes krank, aber klug und freundlich wie immer. Ich freute mich, wie alle sie verehren und bewundern. Aß zu Abend, trank bei ihr ein Glas Wein, war sehr glücklich bei ihr zu sein und möchte gar nicht von hier weg gehen. Elfriede nett zur Nacht gesagt. Viele Briefe (von Kiener, Fräulein Kraus usw.). Dienstag, 2. 4. 29 Nachts sehr gut geschlafen, behaglich angekleidet, über den gestrigen Nachmittag noch sehr glücklich und vergnügt. Unbeschreibliches Behagen (jedes Behagen ist natürlich unbeschreiblich; es gehört sogar dazu, dass man nicht einmal den Wunsch hat, sich durch eine Beschreibung zu stören). Schön gefrühstückt, mit Duschka den ganzen Vormittag geplaudert. Nach dem Essen durch die Stadt, dann nach Taggia1436 ans Meer, große Wellen, müde nach Hause. Duschka ist zum Zahnarzt. Herrlichen Kaffee getrunken und Osterkuchen gegessen, Duschka war nett und guter Dinge. Abends trank ich bei ihr Wein, morgen will ich nach Nizza. Konnte nicht einschlafen. Mittwoch, 3. 4. 29 Erst gegen 3 Uhr eingeschlafen, trotzdem morgens sehr munter, herrliches Wetter, um 8 auf, lief um 9 noch eine Stunde in der Stadt herum, weil der Wagen erst um 10 fährt, um 10 an der Küste entlang über Ospedaletti, Bordighera, Mentone, Roquebrune, Monte Carlo, Dondea nach Nizza. Schöne Fahrt, herrliches Wetter, scheußliche Deutsche als Begleitung (eine grauenhafte, hässliche alte Jüdin), der Wagen hatte voraus eine Panne, in Monte Carlo eine halbe Stunde, in Nizza um ½ 3, herrliche Stadt, wundervoll die gebleichten Ziegeldächer, fuhr zum Friedhof, besah das Grab von Gambetta1437, ließ mir 2 Veilchen geben, das Grab von A. Herzen1438, ferner Gaston Leroux1439, herrliche Aussicht auf die Alpen und das Meer, ergriffen, am Grabe Gambettas zu sein. Dann zurück zu einem Buchladen, kaufte einiges, aber nichts Besonderes, noch herumgegangen, schöne sympathische Hure, um 5 zurück mit der scheußlichen Begleitung, der Wagen keuchte furchtbar, es war kalt, um ½ 9 wieder in San Remo. Gleich zu Duschka, die munter und guter Dinge war. Tranken Barbera, warf ein Glas um, um 10 müde zu Bett. Gleich eingeschlafen, voll von Gedanken über den französischen Staat.
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Bergdorf auf 900 m Höhe, etwa 20 km nördlich von San Remo. Städtchen, 4 km aufwärts im Taggiatal; am Meer liegt das Dörfchen Arma di Taggia, wovon hier wohl die Rede ist. Léon Gambetta (1838–1882), franz. Politiker, entschiedener Gegner des deutschen Kaiserreiches, 1881 / 82 Premierminister. Alexander Herzen (1812–1870), russischer Philosoph und Schriftsteller, starb in Paris und wurde zunächst dort begraben, später aber nach Nizza überführt, wo das Grab seiner Frau war. Gaston Leroux (1868–1927), Jurist, Journalist und (Kriminal-)Schriftsteller.
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Donnerstag, 4. 4. 29 Um 5 wach, konnte nicht wieder einschlafen, der Hund von Hotel Bellevue bellte, scheußlich, ärgerlich, um 9 auf. Allmählich wieder munter. Schön mit Duschka unterhalten, gestaunt über die Klugheit und Gerechtigkeit. Mittags die Sonderdrucke meines „Hüters der Verfassung“ geholt, sehr glücklich darüber, an Popitz, Kaufmann, Meißner1440 und Brinkmann ein Exemplar. Abends zur Stadt, Anprobe beim , abends Wein und früh zu Bett. Freitag, 5. 4. 29 Gut geschlafen, schickte ein paar Exemplare weg, nachmittag geschlafen, um 5 Uhr munter, um 6 zur Stadt, Anzug anprobiert, abends bei Duschka, Wein getrunken, rührender Brief von Brinkmann. Samstag, 6. 4. 29 Morgens den ganzen Vormittag zu Hause, mit Duschka wunderschön gesprochen, wie ist sie überlegen und klug. Schickte einen Sonderdruck an Anschütz. Nachmittags nach dem Essen gleich zur Post, zum Reisebüro, dann nach Taggia, die Dominikanerkirche besehen, herrliches Land, um 6 zurück. Abends mit Duschka, herrlichen Barolo di Fontanafredda getrunken. Vergnügt zu Bett. Sonntag, 7. 4. 29 Wieder behaglich ausgeschlafen, herrlich gefrühstückt, prachtvoller blauer Himmel. Schrieb an paar Briefe (Feuchtwanger1441, Wimpfheimer, Professor Brunner), blieb vormittags zu Hause. Nach dem Essen mit Duschka geplaudert, um 3 mit den Mädchen (Elfriede, Gerti, Lisbeth, Paula) ins Kino, La locandiera1442, ein Sänger. Dann ins Café, gab viel Geld aus, dann in den Tre Corone, Wein gekauft, 6 Rossese1443, abends um ½ 10 kamen die Schwestern, Schwester Sabine, Auguste, Agnes und Elfriede und Käthe, schön getrunken, sehr lustig, bis ½ 12. Elfriede war süß, streichelte ihr die Haare. Montag, 8. 4. 29 Um 6 wach, sehr frisch und munter, aber etwas Kopfschmerzen, zitterte vor Gier und Geilheit, Ejakulation. Schrieb an Linn einen Brief, ging um 7 wieder zu Bett, um 10 auf, herrlicher Morgen, wunderbar klar. Plauderte mit der schönen Duschka, mittags fuhren wir nach Mortola1444, durch den schönen Garten, Wut auf die Engländer, die sich so etwas leisten können. Duschka hielt die Fahrt ziemlich gut aus, in Ventimiglia zum Blumenmarkt, viele 1440
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Otto Meißner (1880–1953), Staatssekretär im Büro des Reichspräsidenten in der Weimarer Republik, dann bis 1945 Chef der Präsidialkanzlei des Führers, Verfasser des offiziellen Kommentars zur Weimarer Verfassung; NDB 16, S. 702 f.; vgl. TB V, S. 198. BW Feuchtwanger, S. 300 f. Verfilmung des gleichnamigen Komödie von Carlo Goldoni durch den italienischen Regisseur Telemaco Ruggieri, 1929. Schmitt schreibt klarschriftlich „Rossete“, meint aber wohl den ligurischen Rotwein der Sorte „Rossese“. Capo Mortola, kurz vor der italienisch-französischen Grenze, berühmt wegen seines botanischen Gartens, der Ende des 19. Jahrhunderts von dem Engländer Thomas Hanbury angelegt wurde.
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Nelken und andere Blumen gekauft, Duschka weinte vor Freude, um 6 wieder zu Hause, schön ausgeruht, abends bei Duschka, die zu Bett lag. Wein getrunken, der letzte Abend [einige Wörter]. Der neue Anzug kam. Dienstag, 9. 4. 291445 Gut geschlafen, herrliches Frühstück, Freude an dem neuen Anzug. In die Stadt, nett von dem jungen Armiglia verabschiedet. Mittags nach dem Essen ausgeruht, Duschka überwachte nachmittags das Einpacken, sie ist wunderbar, ich sprach noch mit der Freundin der Gräfin Schwerin, versprach ihr, an am zu schreiben wegen eines Sachverständigengutachtens, dann mit Duschka schön zu Abend gegessen, verabschiedet, gutes, liebes, schönes Kind; hoffentlich wird sie gesund; zur Bahn, allein auf dem Bahnhof auf den Zug gewartet, Schlafwagen 1. Klasse, für mich allein, ruhig, Drieu la Rochelle, Blèche1446 gelesen, das ist ja fast meine Geschichte mit Margot. Früh zu Bett, ziemlich geschlafen, um 7 auf, durch Italien gefahren, armes Land, pünktlich 8.45. Mittwoch, 10. 4. 29 Pünktlich in Rom angekommen, aufgeregt, zur straße1447, dort war aber kein Zimmer, mein Handgepäck weiter geschleppt zur Straße Cola di Rienzo 190, dort bei Frau Kohn ein elendes, schmutziges Zimmer für 12 Lire den Tag. Gleich in die Stadt, erstaunt herumgelaufen, Piazza di Spagna, Korso 1448, Piazza Venezia, dann das Forum und das Colosseum; es war sehr heiß, durch zahlreiche Kirchen, abends todmüde zu Hause, mein Gepäck ist noch nicht da, abends Angst, Sorge um das Gepäck. Gefühl des Verlassenseins, ziemlich gut beherrscht, um 8 noch mal herumgefahren, zur Oper, ein Billett gekauft, weil die Aufführung verlegt ist (Barbier von Sevilla), in der Matriciana1449 gegessen, gesehen, aber fremd. Todmüde nach Hause. Donnerstag, 11. 4. 29 Gut geschlafen, daher wieder frisch, das Gepäck gleichgültig, zur Polizei, sehr nett (buongiorno professore), zur Galerie Colonna.1450 Fabelhaft, hingerissen, wollte Bilfinger einen langen Brief schreiben, erstaunt besonders über Poussin [und] Tizian.1451 Dann zum Spediteur, der mein Gepäck einfach nicht geholt hat, ging selbst zur Bahn und bestellte den Gepäckträ1445 1446
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Auf dem Kopf dieser Seite der Handschrift notiert: „Rom 10 / 4 / 29–18 / 4 / 29“. Pierre Drieu La Rochelle, Blèche, Paris 1928. Der Roman handelt von einem einsamen Intellektuellen, der von den Menschen selbst seiner nächsten Umgebung, wie seiner Sekretärin Blèche, keine Ahnung hat. Vgl. unten, S. 421. Drieu La Rochelle (1893–1945), franz. Schriftsteller, Kritiker der dekadenten Oberschicht und NS-Kollaborateur wahrend des Vichy-Regimes. Vermutlich Via degli Scipioni. Feuchtwanger adressiert einen Brief „Via Alessandro Farnese 18, Diakonissinnenheim“; BW Feuchtwanger, S. 301. Vermutlich Via del Corso. Restaurant, Via del Viminale, 44. Die Galleria Colonna im Palazzo Colonna, Piazza dei Santi Apostoli 66, ist eine bedeutende Kunstsammlung in Rom. In der Galleria Colonna befinden sich große Landschaftsbilder von Poussin (1613–1675) sowie Bilder von Tizian (?-1576).
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ger. Froh, das erledigt zu haben. Mittags Restaurant Roma, müde nach Hause, das Gepäck kam um ½ 3; ruhte aus, glücklich, saubere Wäsche und einen anderen Rock anziehen zu können, kleidete mich um, durch die Straßen gelaufen, in Buchläden, abends am Palazzo Chigi,1452 die , gegessen, todmüde nach Hause; vergebliche Rennerei auf der Straße. Freitag, 12. 4. 29 Wieder gut geschlafen, zum Glück. Sah das Pantheon, wieviel größer ist das heidnische Rom, wie elend die christlichen Kirchen. Dann der Palazzo Doria,1453 nicht so großartig wie Colonna, aber ein schönes Bild Torregianos1454, mittags Restaurant Sciarra1455 gut gegessen, dann herumgelaufen, eine dumme Hure, Ada, lächerlich, scheußlich, nachher todmüde nach Hause, sah vor der Brücke Umberto I. Bertha Santi (rührend, sie nannte sich Elsa, weil sie sah, dass ich ein Deutscher bin). Vom [mehrere Wörter] etwas enttäuscht, im Café , dann ging sie zur Ped, ich nach Hause, ruhte etwas aus, dann holte ich sie um 7 ab, dann zum Film Jeanne d’Arc, der ihr gut gefiel, dann zur Oper, vorher eine Kleinigkeit bei Giglio1456 gegessen, dann die Oper, sehr schön, aber zu alt und zu lang, nachher bei gegessen, dann zur Albergo Nettuno, mit Bertha, die Nacht bei ihr, sie war süß, zärtlich, schwor nichts ab, sagte langsam Carl, oder „che bello corpo“, wollte an meiner Brust sein usw. Aber erst morgens eine Ejakulation. Samstag, 13. 4. 29 Wir standen auf, gefrühstückt in einem Café, ging zur Post, verabredeten uns am Piazza di Spagna, ich fuhr müde nach Hause, kein Brief, wusch mich, war gleich , bei den vorbei, 4 Briefe, zum Glück schrieb Duschka, aber Brief vom Mittwoch. Fröhlich und erleichtert zur Stadt, im Café Aragno,1457 Brief an Duschka geschrieben, dann in einem Anfall zum Senat, traf Mosca, er war rührend freundlich, sympathisch, alter Liberaler; wir plauderten, gingen zusammen zur Universität, seine Vorlesung fiel aber aus, weil ein Professor gestorben ist. Die Universität sehr interessant, dann lud er mich für Montag ein, schenkte mir ein Buch,1458 das ich gerade sah, fröhlich zum Bahnhof, um 6 Bertha getroffen, (sie kam eine Viertelstunde zu spät, ich wollte den Augenblick benutzen, um wegzulaufen), Café , dann ins Kino, langweilig, dann zum Restaurant Abruzzi1459, sehr gut, schöner Wein, wir waren lustig, dann noch zu einem Café sie erzählte von Serboli, ihrem Freund. Dann fuhr ich sie nach Hause, zum Glück kein Geld mehr, einen Augenblick wieder geil. 1452
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Von 1922 bis 1961 Sitz des italienischen Außenministeriums, heute Amtssitz des italienischen Ministerpräsidenten. Palazzo Doria-Pamphilj. Bartolomeo Torregiani (1590–1660), ital. Landschaftsmaler. Restaurant Galleria Sciarra, Piazza dell’Oratorio 75. Ristorante del Giglio, Via Torino. Cafè Aragno, berühmtes Künstlercafé in der Via del Corso, 2014 geschlossen. Gaetano Mosca, Saggi di storia della scienza politica. 1: Il Principe di Machiavelli quattro secoli dopo la morte del suo autore. 2: Lo Stato citta antico e lo Stato rappresentativo moderno (Politeia, 10), Roma 1927 (Mit Widmung des Verf. im Nachlass; RW 0265 Nr. 25956). Ristorante Abruzzi, Via del Vaccaro 1.
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Sonntag, 14. 4. 29 Bis ½ 9 gut geschlafen, behaglich (trotz des elenden Zimmers), zum Hochamt in die Peterskirche, ohne besonders großen Eindruck, durch die Peterskirche, dann zum Palazzo Borghese, Freude an den schönen Palästen, besonders aber an Tizian, himmlische und irdische Liebe,1460 sehr begeistert. Dann die schönen Putten von Canova.1461 Habe kein italienisches Geld mehr. Mit der Elektrischen zum Bahnhof, in einem Hotel gewechselt, am Bahnhof zu Mittag gegessen, sehr schön und gut, eine Flasche Grignolino dazu und schönen Käse Robiola. Dann durch die Stadt, wollte langsam nach Hause gehen, dachte ziemlich geil und gierig an Bertha, in die Kirche Maria Maggiore, traf Kirchheimer und seine Frau1462, wir plauderten über eine Stunde zusammen, im Café Venezia,1463 über Sozialismus, den Staat usw. Müde um 4 nach Hause, umgekleidet, ausgeruht, nervös, weil ich nicht wusste, ob ich mich für 6 oder 8 mit Bertha verabredet habe. Tagebuch geführt, erstaunt darüber, dass ich erst 4 Tage in Rom bin, die Zeit kommt mir fast ewig vor. Ich ging um 8 zum Café Greco, wartete eine halbe Stunde vergebens, dann überließ ich mich dem Schicksal, ging halb unbewusst zum Kino, sah noch einmal den Film Johanna von Orleans, zwei junge Franzosen machten dumme Witze darüber, ein Engländer hinter mir lachte; ich war ergriffen, sah aber die vielen Schwächen. Dann ging ich langsam nach dem Corso Ghiberti zurück, geil und gierig, plötzlich sah ich Bertha mit einem Herrn am Arm aus einem anderen Kino kommen, ein Herr mit einer Hornbrille. Ich war einen Augenblick traurig, sie sah mich an, dumm, musste ich doch lachen. Was bin ich für ein dummer Ochse. Ich ging ein paar Schritte hinterher, um mich zu überzeugen, sie ist es tatsächlich; dann ruhig und gefasst nach Hause. Wie seltsam und geheimnisvoll. Große Liebe und Sehnsucht zu Duschka. O Gott, wenn sie nicht am Leben bleibt, bin ich verlassen. Montag, 15. 4. 29 Spät aufgestanden, gegen 9 Uhr, zurecht gemacht, auf die Post gewartet, ein schöner Brief von Duschka, aber sehr besorgt, da sie wieder Fieber hat. Dann zur Universität, hörte eine Vorlesung von Giorgio Del Vecchio1464. Er war nachher sehr nett und bat mich, morgen Vormittag zu kommen. Dann lief ich durch die Stadt, aß nicht zu Mittag, sondern trank Kaffee, an der Post Briefe geschrieben, todmüde nachmittags um 4 nach Hause, bis 6 im Bett, dann umgekleidet, Smoking, um 7 zum Senat gefahren, Mosca, entzückend, wir fuhren zusammen zu seiner Wohnung, seine Frau, seine Tochter, sein Sohn, Kaffee, sehr netter Abend, französisch unterhalten, [2 Wörter], aßen, guter Wein. ½ 11 verabschiedete ich 1460
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Der Palazzo Borghese in der Via dell’Arancio ist einer der großen Palazzi Roms mit bedeutender Kunstsammlung, darin Tizians Bild „Himmlische und irdische Liebe“. Antonio Canova (1757–1822), Bildhauer, im Palazzo Borghese ist seine Skulptur der Pauline Bonaparte („Venus victrix“), der Schwester Napoleons, ausgestellt sowie Gemälde mit Putten. Hilde Neumann, geb. Rosenfeld, geschiedene Kirchheimer (1905–1959), Dr. iur., emigrierte 1933 nach Frankreich, 1940 in die USA, 1941 nach Mexiko, 1947 Rückkehr nach Deutschland und Karriere im Justizwesen der DDR. Sie heiratete Kirchheimer 1929, ließ sich 1941 scheiden und heiratete den Arzt Rudolf Neumann; DBE 7, S. 422. An der Piazza Venezia. Giorgio Del Vecchio (1878–1970), Rechtsphilosoph, Professor an der Universität Rom; Schmitt tauschte mit ihm schon länger Schriften aus, vgl. BW Feuchtwanger.
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mich, der Neffe begleitete mich noch, wir kamen ins Gespräch, gingen zuletzt in ein kleines italienisches Café, wo wir Wein tranken; ein Neapolitaner spielte auf einer Ziehharmonika, großartig, als er merkte, dass ich Deutscher war, deutsche Lieder, „Muss i’ denn“, Kölner Karnevalslieder. Ich gab ihm viel Geld. Dann todmüde von dem Wein nach Hause. Dienstag, 16. 4. 29 Todmüde auf, also der letzte Tag, glücklich, das schmutzige Zimmer zu verlassen, Vormittags um 10 zu Del Vecchio, er war sehr freundlich, zeigte mir seine Bücher, schenkte mir viele, er ist mit [einige Wörter]. Sein Sekretär begleitete mich. Dann kaufte ich noch eine , aß am Bahnhof etwas, … [Textverlust in der Quelle], bestellte den Gepäckträger für 5 Uhr, zu Hause ausgeruht, schnell eingepackt, dann zur Bahn, . Mittwoch, 17. 4. 29 Schlief gut aus [½ Zeile], sehr behaglich und guter Dinge, an Duschka geschrieben, um 11 zu , auf dem Kapitol Um 6 noch etwas herumgelaufen, eine traurig blickende Frau, groß, mit schwarzen Augen, die in die Kirche [Santa Maria] della Vitt.[oria] ging, dort kniete und sich dann Theresia von Bernini besah.1465 Wie sonderbar. Schließlich wurde sie abgeholt. Ich aß am Bahnhof zu Abend, dann zum Hotel, schon um 8 Uhr am Zug, am Bahnhof fröhlich auf und ab, mein Reisegenosse war der Prinz Georg von Sachsen.1466 Den Zug entlang mit dem König von Schweden.1467 Sehr froh darüber, vertraue auf den guten Stern, fröhlich eingeschlafen, geil, Magda. Donnerstag, 18. 4. 29 Um 8 Uhr auf, der Prinz Georg hatte sich schon angezogen, war aufgeregt und guter Dinge. Wir frühstückten zusammen im Speisewagen, unterhielten uns sehr nett, über die Möglichkeit einer kirchlichen Beerdigung von Duschka, dann über Rom, China, das er kennt, er rühmt die Zeitschrift über Geopolitik.1468 Mittags aßen wir zusammen, ebenso zu Abend, ein schöner Tag, wunderschön besonders die Reise durch die Po-Ebene, Verona, Südtirol, der Brenner. Mein Gepäck usw. alles war in bester Ordnung, der Tag verging sehr schön. Abends Rheinwein getrunken und über Kunst gesprochen, schön usw. Er will das Grab der Stuarts schöner machen.1469 Freundlich verabschiedet. Zum Hotel Grünwald1470, Feuchtwanger angerufen, der aber krank ist, dann zu Frau Krause, die entzückend lieb war, Isa, die sehr schön geworden ist. Trank Sekt. Brachte noch eine ungarische Sänge1465
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In der Cornaro-Kapelle der Kirche Santa Maria della Vittoria befindet sich Berninis Statue „Die Verzückung der heiligen Theresa“. Georg von Sachsen (1893–1943), letzter Kronprinz von Sachsen, Jesuit; Johannes Sembdner, Georg von Sachsen. Kronprinz, Oberstleutnant, Tertiarier O.F.M., Pater S.J., Heiligenstadt 2006. Unklar. Die „Zeitschrift für Geopolitik“ erschien seit 1924 und bekam unter dem Einfluss von Karl Haushofer wachsende Bedeutung. Dürfte sich beziehen auf das Grab der Augusta von Sachsen-Coburg-Altenburg (1719–1772) in der Westminster Abbey in London. Sie war die Gemahlin von Frederick Louis, Prince of Wales, und die Mutter des englischen Königs George III. München, Altorstr. 38.
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rin nach Hause, die dort zu Besuch war. Rührend die Liebe und Bewunderung der Frau Krause zu Duschka. Freitag, 19. 4. 29 Gut ausgeschlafen, um 11 Uhr fertig, gefrühstückt, zur Hochlandredaktion, aber nur Fuchs getroffen. Zu Feuchtwanger, geärgert, dass er mich mit Michels zusammen in der Juristischen Wochenschrift angekündigt hat. Er ist nett, aber sehr kühl, er sieht krank aus. Aß bei ihm zu Mittag, die Frau1471 ist sehr sympathisch, der Sohn Josef1472 entzückend. Ich ging dann nach Hause, ruhte aus, kleidete mich um, traf Feuchtwanger um ½ 6 im Café Fürstenhof, nett unterhalten. Er war sehr sympathisch, treibt Sprachstudien, ist rührend fleißig. Um ½ 8 zu Hause, allein mit Frau Krause und Isa gegessen. Fast nur von Duschka gesprochen. Müde um ½ 12 nach Hause ins Hotel. Samstag, 20. 4. 29 Um ½ 8 auf, schnell angezogen, zu Krauses, traf Georg Krause, der großartig ist. Er erzählte von seiner neuen Erfindung (Verwertung des Silbers),1473 wir plauderten sehr schön, ich ging um ½ 11 zum Hotel zurück, Professor Muth war dort gewesen, erledigte schnell meine Rechnung, fuhr zur Hochlandredaktion, traf Muth, der freundlich und gütig war, rührend. Er begleitete mich zur Bahn. Wir sprachen sehr schön miteinander, fuhr fröhlich ab, las dabei Eberz und das männliche Zeitalter.1474 Telefonierte an Bilfinger nach Halle, er möchte an den Zug kommen. Um ½ 7 in Halle, Bilfinger war an der Bahn, ich stieg aus, nahm im Hotel Stadt Hamburg1475 ein Zimmer. Dann zu Bilfinger, nett unterhalten, Wein getrunken, Barolo, den ich mitgebracht hatte, dann Scharzhofberger, bis 2 Uhr, über seinen Aufsatz (Pan1476), über Gemälde, besahen die Fotografien, die er mitgebracht hat. [3 Wörter], die Karl unterrichtet, Dame, sehr sympathisch.
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Erna Rosina Feuchtwanger, geb. Rheinstrom. Nicht Josef, sondern Edgar Joseph; vgl. seine Memoiren: Edgar Feuchtwanger, Erlebnis und Geschichte. Als Kind in Hitlers Deutschland – Ein Leben in England, Berlin 2010. Georg Alexander Krause erfand 1928 eine Methode, auf elektrolytischem Weg Silberionen in verunreinigtes Wasser abzugeben, um dieses bakteriologisch zu reinigen. Daraus entstand das heutige Schweizer Unternehmen Katadyn A.G. Otfried Eberz, Aufgang und Niedergang des männlichen Weltalters, in: Hochland 26 / 2, 1929, S. 1–25. Der Aufsatz hatte in den folgenden Bänden des „Hochland“ zwei Fortsetzungen und erschien 1931 erstmals als Monographie. Mit dem Religionsphilosophen Otfried Eberz (1878–1958) hatte Schmitt in München Kontakt: „Das Thema ‚Matriarchat‘ habe ich damals viel mit Otfried Eberz diskutiert“, Schmitt an Hansjörg Viesel, 25. 3. 1973, in: Hansjörg Viesel, Jawohl, der Schmitt. Zehn Briefe aus Plettenberg, Berlin 1988, S. 5; vgl. auch BW Sombart, S. 121. Halle, Große Steinstr. 55–57. Carl Bilfinger, Der Streit um das Panzerschiff A und die Reichsverfassung, in: Archiv für Öffentliches Recht N.F. 16, 1929, H. 3, S. 416–443 (Sonderdruck mit Widmung im Nachlass, RW 0265 Nr. 24246).
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Sonntag, 21. 4. 29 Morgens munter, obwohl ich nur 6 Stunden geschlafen hatte, um 10 zu Bilfinger, nett zusammen gefrühstückt, das schöne Bild von A. Canale1477 besehen, nett geplaudert über seinen Aufsatz, um ½ 12 zur Bahn, nach Berlin gefahren. Beherrscht und guter Dinge. 2 Uhr in Berlin, Fräulein Kraus holte mich ab, zu Hause war alles in Ordnung, die Mädchen waren rührend, ein schöner Brief von Duschka, dass es ihr gut geht,und ein Brief von Professor 1478. Viele Bücher usw. Aß mit Fräulein Kraus zu Mittag, ging mit ihr und dem Hund spazieren. Dann zu Bett, müde, deprimiert, zum Verzweifeln. Frau v. Quednow hat öfters angerufen. Will sie erst morgen anrufen. Abends rief der Attaché Wolf an, Frau Schöner. Stand um 7 auf, aß bescheiden zu Abend, plauderte noch mit Hanna. Ordnete meinen Schreibtisch, führte Tagebuch. Ruhig und resigniert. Ob Duschka gesund wird? Oft keine Hoffnung, dann wieder Angst und Hoffnungslosigkeit. Dienstag, 22. 4. 29 Gut geschlafen, behaglich gefrühstückt, Brief von einem Moskauer Professor, schöner Brief von Duschka, der mich sehr glücklich macht. Auf dem Schreibtisch aufgeräumt, schrieb einen Brief an Duschka. Telefonierte an Margot, Verabredung für morgen Abend. Smend ist schon abgereist. Um 12 kam Fräulein Kraus, diktierte ihr viele Briefe, wir aßen zu Mittag, ich ging dann allein spazieren, um ½ 4 zu Hause, ins Bett, ausgeruht. Traurig, deprimiert, resigniert. Gegen ½ 7 auf, umgekleidet, etwas gegessen, dann ruhig und beherrscht (immer mit Gedanken an Duschka), zu Lutter und Wegener,1479 dort Vortrag vor den „Hoheiten“1480, eine sehr sympathische Gesellschaft junger Leute, der junge Wolf, Rahn1481, Rheinbaben1482,
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Vermutlich Giovanni Antonio Canal, genannt Canaletto (1697–1768), Veduten- und Landschaftsmaler. Vielleicht zu lesen „Brunner“. In der Weinstube Lutter und Wegener am Gendarmenmarkt kam der „Club der Quiriten“ (s. unten) regelmäßig zu politischen Diskussionen zusammen. Dazu wurde gewöhnlich ein namhafter Politiker oder Wissenschaftler zu einem Vortrag eingeladen. Was hier mit „Hoheiten“ transkribiert ist, muss wohl gelesen werden als „Quiriten“. Es handelt sich um einen von Theodor Eschenburg, den Attachés Gerhard Wolf und Rudolf Rahn 1928 gegründeten politischen Debattierzirkel, der sich nach der Bezeichnung für die römischen Staatsbürger „Die Quiriten“ nannte; vgl. Rudolf Rahn, Ruheloses Leben. Aufzeichnungen und Erinnerungen, Stuttgart / Zürich [1951], S. 116; sowie Eschenburg, S. 258–263, wo der Abend mit Carl Schmitt, der über die Krise der parlamentarischen Demokratie sprach und ein Plädoyer für eine kommissarische Diktatur des Reichspräsidenten hielt, ausführlich dargestellt ist. Entgegen Schmitts Notat „ich war müde“ war er laut Eschenburg hochkonzentriert. Eschenburg datiert Schmitts Vortrag ungenau „nach der Bestellung Brünings zum Reichskanzler“, also nach dem 30. März 1930. Tatsächlich war Schmitt auch später noch in diesem Club; das Tagebuch verzeichnet Besuche für den 13. März 1930 sowie den 9. Februar 1931, an diesem Termin hielt er einen weiteren Vortrag (TB V, S. 31 und 88). Rudolf Rahn (1900–1975), seit 1928 Attaché im Auswärtigen Amt, diplomatische Karriere auf verschiedenen Stationen; vgl. seine Erinnerungen; Biogr. Hb. A.D. 3, S. 557–559. Werner von Rheinbaben (1878–1975), Politiker, Diplomat, seit 1926 Mitglied der deutschen Delegation zur Völkerbundversammlung; Biogr. Hb. A.D. 3, S. 638 f.; NDB 21, S. 488 f.
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Eschenburg1483 usw. Erst gegessen, dann über die Stellung des Reichspräsidenten, offenbar gefiel es allen; ich war müde, aber doch auch angeregt von dieser Unterhaltung. Angst vor dem Typus Rheinbaben (nach der Lektüre von R. Benjamin1484 über Genf1485), um 12 brachte man mich nach Hause. Las noch Bernanos, Der Abtrünnige,1486 dann bald eingeschlafen. Etwas Herzbeschwerden. Heute schöne Karte von Dohna1487 über meinen Aufsatz, die mich besonders freute. Dienstag, 23. 4. 29 Bis ½ 9 geschlafen, nette Post, vergnügt, schöner Kaffee, auf dem Schreibtisch aufgeräumt, konzentriert, gesammelt, an die Vorträge gedacht, die ich zu halten habe. Große Liebe zu Duschka. Mein Leben hängt davon ab. Schön aufgeräumt, schöner Brief von Hensel über meinen Aufsatz,1488 mittags einige Briefe diktiert, nach dem Essen (mit Fräulein Kraus) noch etwas aufgeräumt, dann einen Augenblick zu Bett, um ½ 4 zu Frau Berend, nett unterhalten, aber die Stimme von Breinlinger ist schrecklich. Um 5 zu Franz Blei (mit der Untergrundbahn hin und her gefahren, aber ruhig und konzentriert), freundlich mit Blei unterhalten, über Bücher, , dann zum Reichskanzlerplatz1489 mit der Untergrundbahn (kein Auto), bei Frau v. Quednow, sie war sachlich, sehr hübsch und entzückend, wir tranken Rheinwein, dann Deinhardt Kabinett. Aber das Ganze war gequält, sie spricht [einige Wörter], sie sagte, alle Männer sind feige. Ich fühlte mich dumm, rot im Gesicht, widerlich. Um 11 nach Hause mit der Untergrundbahn. Müde und gleichgültig zu Bett. Mittwoch, 24. 4. 29 Bis 10 Uhr im Bett, ausgeruht, Angst vor den roten Bäckchen. Frau Kraus kam, ein Brief von Friesenhahn, nicht viel getan. Mittags kamen Adams, Koschewnikow und Franz Blei. Frau v. Quednow hatte abgesagt. Nett gefrühstückt, ich war aber sehr müde, besonders nachmittags, Blei blieb bis 7 Uhr, Koschwenikow bis 5. Es kam noch Herr Schrecker, um 5 Uhr, natürlich wollte er etwas (dass ich mit Spranger über ihn spreche1490). Nett unterhal-
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Theodor Eschenburg (1904–1999), Jurist und Politikwissenschaftler, Mitarbeiter des Reichsaußenministers Stresemann, dann Rechtsanwalt mit neuerdings umstrittener Haltung zum NS, seit 1952 Professor für Politikwissenschaft in Tübingen; Udo Wengst, Theodor Eschenburg 1904– 1999. Biographie einer politischen Leitfigur, Berlin [u. a.] 2015. René Benjamin (1885–1948), franz. Schriftsteller und Journalist, vor allem durch seinen Kriegsroman „Gaspard“ (1915) bekannt. René Benjamin, Les Augures de Genève, Paris 1929 (eine Polemik gegen den Völkerbund und die pazifistische Politik des französischen Außenministers Aristide Briand). Georges Bernanos, Der Abtrünnige, Hellerau 1929. Dohna hatte sich am 19.4.29 für eine Zusendung (Hüter der Verfassung?) bedankt; RW 0265 Nr. 3050. RW 0265 Nr. 5954. Hensel bedankt sich für die Zusendung der Beckerath-Rezension, des Gutachtens zur Fürstenteignung sowie des noch unveröffentlichten „Hüter der Verfassung“, auf den er näher eingeht. Heute: Theodor-Heuß-Platz. Vermutlich wegen seiner Einstellung als Sekretär der Preußischen Akademie der Wissenschaften, deren Mitglied Spranger war und deren Sekretär Schrecker 1929 wurde.
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ten, literarisch, aber ich war furchtbar müde und hatte Herzbeschwerden. Endlich gingen sie um 7. Ich ging etwas spazieren, um 8 kam Eschweiler und aß bei mir zu Abend. Erzählte begeistert von Eislers (wenn alle Juden so wären, dann wäre der Jüngste Tag bald da). Begleitete ihn um 10 an die Bahn, noch einen Augenblick im Tiergarten, dann müde, einsam und resigniert nach Hause. Heute schöner Brief von Leibholz über meinen „Hüter der Verfassung“. Donnerstag, 25. 4. 29 Nachts etwas Herzbeschwerden, wach geworden, aber gut ausgeschlafen, morgens schönes Frühstück, behaglich eine Tasse Kaffee, herumnotiert, fühlte mich sehr wohl, für eine Stunde. Fräulein Kraus kam mittags, es war nicht viel zu tun, wir aßen zu Mittag, nach dem Essen ging ich durch den Tiergarten zum Friseur, Haare schneiden, kaufte Kragen bei Adam, beherrscht und entschlossen wieder zu Fuß zurück. Dann 2 Stunden im Bett, ausgeruht. Nachher gut angezogen, etwas unternehmend, aber doch sehr vernünftig, rief Frau v. Quednow an. Sie war aber kurz und abweisend. Nun ja. Aß zu Abend, bei Frau Berend angerufen, um sie nachher zu besuchen. Noch einen Augenblick in schöner Ruhe notiert und am Schreibtisch. Bei Frau Berend nett unterhalten, schöner Wein (Johannisberg 21) um ½ 12 nach Hause. Ich hätte nicht trinken sollen. Freitag, 26. 4. 29 Gut ausgeschlafen, herumnotiert, schön gefrühstückt, mittags eingepackt. Um ½ 3 mit Fräulein Kraus zum Lehrter Bahnhof. 2. Klasse nach Hamburg, im Zug über Pluralismus und Ethik gelesen. In Hamburg waren Georg Eisler und Mutter Eisler an der Bahn und holten mich ab. Wir aßen alle zusammen in der Benedictstraße, ich wohne im Zimmer von Fritz. Wir tranken Wein, um ½ 12 müde ins Bett, gut geschlafen. Samstag, 27. 4. 29 Gut ausgeruht, bis 10 Uhr, behaglich angekleidet, mit der Mutter Eisler gefrühstückt, immer von Duschka geschwärmt. Dann Georg Eisler abgeholt, in einem Weinrestaurant, Fontenay, gegessen, nach dem Essen im Fremdenzimmer geschlafen, bis ½ 6, dann Kaffee, allmählich wieder munter, Spaziergang mit Georg in die Stadt, Platten gekauft (Donizetti und Bizet) dummerweise Geld ausgegeben. Abendessen, viel Wein, nachher am Kamin Grammofon gespielt, lange geplaudert, erst gegen 2 Uhr nach Hause. Georg Eisler begleitete mich. Sprach nicht vom Geld, das er Duschka geschickt hat. Sonntag, 28. 4. 29 Bis 10 Uhr geschlafen, mit Frau Eisler gefrühstückt, dann fuhren wir alle hinter die Lüneburger Heide, zu dem kleinen Fritz1491, der in einem Landschulheim ist, sehr nett und inte ressant. Erinnerte mich meiner Jugend in Attendorn, dachte viel an Duschka. War traurig und gleichgültig. Nachher langer Spaziergang mit Georg Eisler und Käthe durch die Heide, nett geplaudert, um 7 waren wir wieder zu Hause. Angst vor den Niedersachsen und Ger-
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Hans Friedrich Hermann, 1920 geborener Sohn der bald nach der Geburt verstorbenen Julie (Lilly) Eisler, verh. Isay; Mehring, Eisler, S. 9.
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manen. Bei Georg Eisler zu Abend gegessen, Wein getrunken, am Kamin, dann um 11 mit Mutter Eisler nach Hause. Die Mutter Eisler wollte Duschka einen herrlichen japanischen Schlafanzug schenken. Montag, 29. 4. 29 Wieder gut ausgeschlafen, behaglich angekleidet, morgens beim Frühstück mit Mutter Eisler über Duschka gesprochen, Freude an ihrer Bewunderung über Duschka. Dann in die Stadt gefahren, [2 Wörter] vorbei, die verreist, von Käthe Eisler verabschiedet (sie ist unverschämt), traurig zu Georg Eisler, dann mit ihm bei seiner Mutter gegessen, rührend, die Mutter Eisler brachte mich an den Bahnhof, fuhr um 3 in einem vollen Zug, habe kein Geld mehr (über 100 Mark ausgegeben, für Blumen usw.). Um 6 in Berlin, traurig und verzweifelt nach Hause, dort viele Briefe, schöner Brief von Duschka, schrieb ihr, von Bilfinger,1492 der mich freute, weil er meinen Aufsatz lobt und rühmt, zu Abend gegessen, dann kam Fräulein Kraus, dumm und frech, wir gingen spazieren mit dem Hund, ich war traurig, dachte mit brennender Scham an meine Schulden gegen die Eislers und an die Frechheit von Käthe Eisler. Sehr traurig zu Hause, verzweifelt, nichts, müde. Morgen beginnen die Vorlesungen wieder, grauenhaftes Theater. Über mir klimpert eine Sängerin. Angst vor den Juden, Angst vor meinen Schulden, Angst vor einer Inflation, Angst vor meiner Unfähigkeit zum Leben. Dienstag, 30. 4. 29 Gut geschlafen, um ½ 8 wach, noch eine Stunde gelegen, dann fröhlich aufgestanden. Frisch, weil ich gestern keinen Alkohol getrunken habe. Schönes Frühstück, kein besonderer Brief, bereitete meine Vorlesung vor, holte mein Gehalt, ruhig und zufrieden zur Handelshochschule, meine Vorlesung Staatslehre sehr schön gehalten, dann ausgeruht, zur Bank, langsam zur Deutschen Gesellschaft (unterwegs eine Hure mit langen Beinen, erschrak, völlig über den Haufen geworfen, grauenhafter Anfall, Gefühl, in Scheiße zu treten, dabei doch eine große Sensation); am Tisch mit Wimpfheimer, Lassar1493 (der auch da war), Popitz, Kaufmann. Dieser sprach viel mit mir über Smend, Popitz, erzählte von Griechenland usw., sehr schön. Leider zu viel mit Kaufmann. Angststimmung. Popitz sagt, er hätte in 14 Tagen einfach kein Geld mehr.1494 Traurig mit Kaufmann und Lassar weggegangen, Kaufmann ist verdächtig freundlich, ganz schwach und müde. Ging mit Lassar durch den Tiergarten nach Hause. Müde etwas zu Bett, Briefe und Drucksache aus Moskau, über meine politische Theologie, was mich sehr freute.1495 Um 6 zur Handelshochschule (hätte aber schon um 5 da sein sollen), hielt meine Vorlesung sehr nett, um 7 ruhig, traurig, melancholisch, aber erträglich, weil ich keinen Alkohol getrunken habe. Der Student Schneider, ein sachlicher, ruhiger
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RW 0265 Nr. 1358. Gerhard Lassar (1888–1936), seit 1925 Professor für Öffentliches Recht in Hamburg, 1933 entlassen; Hamb. Biogr. 6, S. 181–183; vgl. TB V, S. 56. Die finanzielle Situation des Deutschen Reiches war zu dieser Zeit sehr angespannt, es drohte die Zahlungsunfähigkeit; mit dem Young-Plan versuchte man, die im Versailler Vertrag auferlegten Reparationszahlungen zu mildern. Russische Besprechung von „Politische Theologie“, „Politische Romantik“ und „Die Diktatur“; Exemplar in: RW 0265 Nr. 28408.
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Kerl. Im übrigen geil und nervös. Zu Hause furchtbarer Durst, aber kein Bier getrunken, sondern Himbeersaft, bescheiden gegessen, traurig, deprimiert, etwas gelesen, im Grunde völlig aufgelöst und verzweifelt. Die dumme und lästige Vorlesung morgen Mittag. Das Buch von Hermann1496, der mich viel zitiert, was mich wegen Eisler freute. Mittwoch, 1. 5. 29 Gut ausgeschlafen, Gefühl der Sauberkeit, weil ich seit 2 Tagen keinen Wein trinke, schön gefrühstückt, herumgelesen und notiert. Behaglich, Telefonanruf von Hamburg, Eisler teilt mit, dass Georg nach Berlin kommt, ich war aufgeregt und freute mich. Fräulein Kraus kam, fuhr mit zum Bahnhof Börse, ich schickte 1000 Mark nach San Remo, hielt dann meine Vorlesung 12–1 (einstündig Rechtswissenschaft), mit Mühe und Not wurde ich fertig, dann nach Hause, aber Eisler war nicht da. Aß allein, ging dann zu Bett, schlief etwas, bis 6 Uhr im Bett, dann angezogen, über Bismarcks Staatsstreichplan,1497 um ½ 8 nach Halensee gefahren (nicht im Auto!), bei Sombart, mit Briefs und seiner Frau und einem italienischen Professor aus Mailand,1498 nett unterhalten, sah, dass Frau Sombart mich gern hat und freute mich darüber, dachte sehnsüchtig an Duschka. Aufgeregt und geil nach Hause gefahren mit dem italienische Professor, brachte ihn zur Mittelstraße, dann eine Hure, armes Luder, ekelhaft. Um ½ 2 zu Hause, aufgeregt und müde, nicht geschlafen. Donnerstag, 2. 5. 29 Müde, nicht genug geschlafen, um ½ 10 auf, schnell angekleidet und schön gefrühstückt, kein Brief, freute mich auf meine Vorlesung Staatslehre und hielte sie sehr schön (11–1), nachher Fräulein Lifschütz die russische Besprechung1499 gegeben. Zu Hause mit Fräulein Kraus gegessen, war aber müde und ging bald zu Bett. Ruhte etwas aus, bis 5 Uhr, aufgestanden, viele Bücher, zur Hochschule, mein Seminar, es waren aber nicht viele Leute, war müde und enttäuscht, nachher mit Dorn und Bilfinger durch den Tiergarten zurück. Zu Hause bescheiden gegessen, kein Bier und kein Wein, ruhig und beherrscht, gute Vorsätze, dachte sehnsüchtig und herzlich an Duschka. Bis 12 gelesen, fleißig, ruhig und beherrscht zu Bett. Freitag, 3. 5. 29 Schön geschlafen, wollte erst ½ 8 aufstehen, schlief aber wieder ein. Gut ausgeruht und guter Laune, morgens herumnotiert, Fräulein Kraus viele Briefe diktiert, alle Briefschuld erledigt. Sie blieb zum Mittagessen, ruhte aus, ich ging um ½ 4 zur Post, dann durch den Tiergarten spazieren, ruhte etwas aus, kleidete mich um, aß zu Abend, zum Schauspielhaus am Gendarmenmarkt, mit Omnibus, um Geld zu sparen, aber im Theater merkte ich, dass ich mein Billett vergessen hatte. Im Auto zurück und wieder zum Theater, kostete 4 Mark.
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Hermann Isay, Rechtsnorm und Entscheidung, Berlin 1929. Carl Schmitt ist hier im Register 22 mal verzeichnet. s. dazu unten, 16.6.29. Vielleicht Guido Bortolotto, italienischer Staatsrechtler; vgl. BW Sombart, S. 179; TB V, S. 215 und 291. s. oben, 30.4.29.
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Dann mit Adams „König Johann“ von Shakespeare gesehen. Inszenierung durch Jeßner1500. Fühlte die grauenhafte Macht der Juden, die nichts mit uns zu tun haben und uns beherrschen. Entsetzlich. Die Inszenierung war schlecht und jämmerlich,1501 das Stück hat einige sehr schöne Szenen und herrlich barocke . Nach dem Theater mit Adams zu Kempinski, eine Flasche Sekt getrunken, 13 Mark, über Peterson unterhalten, ich habe Adams sehr gern. Dann zum Bahnhof Friedrichstraße, eine Polin, die im Metropol tanzt, armes, nettes Mädchen, verliebt, freundlich, im Bayerischen Hof,1502 sie wurde geil und bekam heiße Backen, wie nett. Es tat mir sehr wohl. Um ½ 2 zu Hause. Samstag, 4. 5. 29 Nicht recht ausgeschlafen, aber erleichtert von dem gestrigen Abend. Darf keinen Sekt mehr trinken. Um 10 auf, behaglich gefrühstückt, etwas notiert, Fräulein Kraus kam, viele Briefe, Hüter der Verfassung an Saenger1503, Brief an Wittich usw. Schöner Brief von Duschka, der mich sehr freute, es geht ihr anscheinend besser. Wage aber nicht an die Operation zu denken und kann mir kaum noch eine Heilung vorstellen. Schön gegessen, dann ausgeruht, um 4 mit Frau Berend und Breinlinger nach Schildhorn1504, Kaffee getrunken, herumgeschwätzt (leider zu viel disputiert), über Tizian, die Gestalt der Erde usw. Um 7 wieder zu Hause, gleichgültig, froh zu Hause zu sein, dachte traurig an Duschka, aß zu Abend mit Himbeersaft. Dann noch etwas gelesen, notiert. Beherrscht und ruhig zu Bett. Sonntag, 5. 5. 29 Um 6 Uhr wach, aber wieder eingeschlafen, fühlte mich wohl und sauber, weil ich keinen Wein getrunken habe. Wollte Besuch bei Martin Wolff machen, versäumte es aber, notierte herum, fühlte mich wohl, behaglich und guter Dinge. Fräulein Kraus etwas diktiert, Brief an Steinbömer1505. Dann mit ihr zu Mittag gegessen und mit ihr und Olaf zum Grunewald, etwas herumgelaufen, es war sehr warm, vom Bahnhof Eichkamp zurück. Traurig, müde, 2 Stunden im Bett, ausgeruht, konnte aber nicht schlafen, las die Zeitung, dann fleißig exzerpiert über Pluralismus in amerikanischen Zeitschriften. Ella und Hanna kamen um ½ 9 vom Zoologischen Garten zurück. Aß etwas zu Abend, dann müde, arbeitete aber noch etwas.
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Leopold Jeßner (1878–1945), Theater- und Filmregisseur, seit 1928 Generalintendant der Schauspielbühnen des Staatstheaters Berlin, emigrierte 1934 (NDB 10, S. 427 f.). Es war die Premiere dieser Inszenierung mit Rudolf Forster in der Titelrolle und Helene Weigel in der Rolle der Konstanze. Vgl. die Besprechung der Aufführung durch Alfred Kerr, Mit Schleuder und Harfe. Theaterkritiken aus drei Jahrzehnten, München 1985, S. 458–462. Ein Hotel „Bayerischer Hof“ gab es in Berlin nicht; vielleicht „Hotel Bavaria“, Friedrichstr. 113. Samuel Saenger (1864–1944), Journalist und Diplomat, emigrierte 1939 nach Palästina, 1941 in die USA (Biogr. Hb. A.D. 4, S. 4 f.), zu dieser Zeit Mitherausgeber der „Neuen Rundschau“, vgl. seinen Dankesbrief, RW 0265 Nr. 11992. Traditionelles Ausflugslokal an der Havel. Gustav Steinbömer (1881–1972), Offizier, Schriftsteller, Dramaturg am Deutschen Theater in Berlin, schrieb auch unter dem Pseudonym Hillard; vgl. Biographisches Lexikon für Ostfriesland. Hrsg. von Martin Tielke, Bd. 2, Aurich 1997, S. 349–352.
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Heute wieder plötzlicher Anfall bei dem Gedanken, wieviel Geld die Krankheit von Duschka kostet. Grauenhafter Zustand, große Selbstverachtung. Montag, 6. 5. 29 Gut geschlafen, um ½ 8 frisch aufgestanden. Wartete auf den Briefträger (nichts Besonderes), ging etwas spazieren, trank schön Kaffee, machte Notizen und las über Pluralismus, diktierte Fräulein Kraus einige Schreiben für die Handelshochschule, dann mit ihr zum Bahnhof Börse, übermütig (wenn es mir so gut ginge wie dem jungen Bilfinger, bekäme ich auch Tobsuchtsanfälle1506), dann Examen, 3 Stunden, langweilig, widerlich. Angst vor den Juden, zum Haareschneiden, todmüde. Es ist sehr heiß. Nach Hause, todmüde zu Bett, etwas Rückenschmerzen, wahrscheinlich nervös. 2 Stunden gelegen, aufgestanden, konnte aber nicht gut arbeiten, herumgedrückt, zu Abend gegessen, kein Kaffee und kein Wein, nachher schönen Durst und etwas Bier. Verzweifelt, Angst, Duschka würde sterben, grauenhafte Zustände, völlig aufgelöst, unter einem gräßlichen Druck. Dienstag, 7. 5. 29 Gut geschlafen bis 6 Uhr, um 8 auf, wollte mich fein machen für heute Mittag, aber schläfrig, meine Vorlesung etwas vorbereitet, keine rechte Freude, es ist noch schönes Wetter, Wimpfheimer teilte mit, dass Popitz und er heute Mittag nicht da sind, schön; morgens viele Briefe (Saenger1507, Haas, Jellinek1508 usw.), aber müde und bedrückt, meine Vorlesung von 11–1 gehalten, Fräulein Lifschütz übersetzte mir die russische Besprechung meiner Bücher, war ziemlich gleichgültig. Nach dem Essen ausgeruht, todmüde, Druck im Rücken, konnte kaum gehen, Angst vor jedem und allem, entsetzlich bedrückt, wäre nur Duschka endlich gesund, ich halte es nicht mehr aus. Nachmittags beherrscht, kein Kaffee (bisher noch niemals seit meiner Rückkehr aus Hamburg), 5–7 Vorlesung Völkerrecht, ganz nett, in der Bahn traf ich eine kleine Schlesierin, sie war süß, aber langweilig und etwas , einsam und traurig zu Hause, schön sauber, wenig gegessen, nachher konnte ich mich vor Müdigkeit nicht mehr aufrecht halten. Las etwas, konnte nichts arbeiten, was soll das hier. Der Tod kommt immer näher. Mein Gott. 7 Jahre kriminelle Frau, dann 7 Jahre kranke Frau. Wie schrecklich. Mittwoch, 8. 5. 29 Morgens frisch und wohlbehaglich. Fast eine Woche keinen Wein und wenig Kaffee. Den ganzen Morgen zu Hause, herumnotiert, Aufsatz über Pluralismus gelesen, Fräulein Kraus mehrere Briefe diktiert, mittags gegessen, nach dem Essen etwas geschlafen, um 4 mit Fräulein Kraus durch den Tiergarten zur Bibliothek, G. Grote, Griechische Geschichte,1509 eine Staatslehre-Vorschrift (über Verfassungsmoral), dann Sitzung, ganz nett, Georg Bernhard1510
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Die Rede ist offenbar von dem kranken Sohn Bilfingers; s. oben, 26.12.28. RW 0265 Nr. 11992. Schmittinana NF II, 2014, S. 91. George Grote, Geschichte Griechenlands, 2. rev. Aufl., Bd. 1–6, Leipzig 1880–1882. Georg Bernhard (1875–1944), Journalist, seit 1920 Chefredakteur der Vossischen Zeitung, seit 1916 auch Dozent an der Berliner Handelshochschule, 1928 dort Honorarprofessor für Bank-,
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ein Exemplar meines „Hüters der Verfassung“, nachher Sitzung mit Bonn sehr , nett zu Abend gegessen, leider viel Wein getrunken (21er Graacher, aber wahrscheinlich moussiert), sehr nett unterhalten, bis 11 Uhr, noch über den Kurfürstendamm, müde nach Hause. Er sprach von Frau v. Quednow, ich soll sie anrufen. Sorge und Angst wegen Duschka. Donnerstag, 9. 5. 29 (Himmelfahrt) Morgens schnell munter, trotz der Flasche Wein, kalt gebadet, Sorge und Angst wegen Duschka. Vormittags herumgelesen, Figgis1511 mit großer Begeisterung, die aber allmählich schwand. Was bin ich für ein Narr. Nach dem Mittagessen geschlafen, um 4 nach Nikolassee, es war heiß und fing an zu regnen. Traf bei Kaufmann seine Frau, Frau Dohler und Frau Zarhof.1512 War gleichgültig und nett und fühlte den Hass der Frau Kaufmann. Das Haus ist sehr komfortabel und nett,1513 innerlich Verachtung für diese Art Geschichtemacherei, seine Gutachtertätigkeit, dieses Affektionspathos, das noch ekelhafter ist als das der Pfaffen; Kaufmann sprach über Heller, schimpfte usw. Es machte keinen Eindruck auf mich, widerliche Personalquatscherei. Aber ich hatte ihn ganz gern und blieb innerlich ruhig. Er begleitete mich zu Smend, ich aß dort bescheiden zu Abend, Frau Smend war sehr nett, Smend herzlich, lachte in einem fort (wie Braubach, mit dem er sehr große Ähnlichkeit hat). Ich war dumm und sprach zuletzt vom Alten Testament und dessen Sinnlosigkeit; er verteidigte es, pastorenhaft, aber ohne mich ernst zu nehmen. Ging sehr traurig und deprimiert nach Hause, um 12 zu Bett. Schreckliches Leben, trübes Dasein, schmerzt die Lüge und Feigheit. Zitternd oft vor Gier und Sehnsucht nach einer schönen Frau. Denke viel an Magda, obwohl ich weiß, dass sie alt ist. Freitag, 10. 5. 29 Kalt gebadet, dadurch frisch. Sonst die traurige, gedrückte Stimmung der letzten Woche. Ein Brief von Duschka, lang und freundlich, aber ich fühlte, dass sie wieder krank war. Es ist nicht zum Aushalten. Hanswurst, du wirst es aushalten. Las Hensels „ von Ebert“,1514 was soll aus meinem Vortrag1515 werden? Sah, dass Smend in seiner Einleitung zur Verfassung mich nicht zitiert hat (während er Anschütz, Giese, Poetzsch-Heffter usw. [2 Wörter] zitiert hatte [Rest der Einklammerung nicht deutbar]).1516 Traurig und deprimiert deshalb. Um 11 kam Fräulein Kraus, diktierte ein paar Kleinigkeiten, sie aß mit mir
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Börsen- und Geldwesen, emigrierte 1933 über Kopenhagen nach Paris, 1941 in die USA; FS HHB, S. 181–183; NDB 2, S. 117 f. John Neville Figgis (1866–1919), anglikanischer Priester, Historiker und Philosoph. „Eines der wichtigsten Bücher, von denen die angelsächsische pluralistische Theorie ausgeht, ist (neben Gierke und Maitland) John Neville Figgis’ ‚Churches in the modern state‘ (1913)“. Carl Schmitt, Staatsethik und pluralistischer Staat, in: ders., Positionen und Begriffe, 4. Aufl., Berlin 2014, S. 154. „Dohler“ und „Zarhof“ nicht ermittelt. Erich Kaufmann wohnte in Nikolassee in der Sudetenstr. 54 a (heute: Lückhoffstr.). Unklar. Gemeint ist der Vortrag „Staatsethik und pluralistischer Staat“, den Schmitt am 22. Mai 1929 auf der 25. Tagung der deutschen Kantgesellschaft in Halle halten sollte. Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919. Eingeleitet von Rudolf Smend, Berlin 1929. Am Ende seiner umfangeichen Einleitung gibt Smend eine summarische Literaturangabe, in
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zu Mittag, dann ruhte ich aus, stand um 4 auf, wartete Unter den Linden auf Frau Sombart, um mit ihr in den Film „Johanna von Orleans“ zu gehen. Große blonde, schlanke Hure. Erschrak, zitterte, Anfall rasender Gier und Geilheit. Etwas nach 5 kam Frau Sombart, wir tranken noch bei Kranzler eine Zitronenlimonade, dann in den Film, der herrlich ist, weinte wieder, wunderbare Orgelbegleitung. Auch Frau Sombart war erschüttert. Ich ging vor 7, fuhr nach Hause, kleidete mich rasch um, zum Herrenklub1517 Pariser Platz, schönes Abendessen, guter Moselwein, zwischen Gleichen[-Russwurm] und Steinbömer gesessen, nachher sehr interessantes, gutes Referat G. Briefs’, langweilige Diskussion, sprach nicht, Heller war da und trat trotzig auf, schlechter Versammlungsstil. Blieb bis 12 Uhr, sprach stolz, etwas zu viel (über den Begriff des Politischen), dann mit Steinbömer nach Hause, müde, zum Glück, sonst wäre ich vor Geilheit zersprungen. Samstag, 11. 5. 29 Nur 6 Stunden geschlafen, heftige Erektionen, dann aber frisch, kalt gebadet, schöner Kaffee, ein paar Notizen, mit Begeisterung Evola, Heidnischer Imperialismus gelesen,1518 dann kam Fräulein Kraus, etwas geplaudert. Sie blieb aber nicht zum Essen, nachher ausgeruht, Evola gelesen, um ½ 4 bei Wimpfheimer, mit ihm und Fräulein Fuchs (Österreicherin) nach Ferch zu seinem Wochenendhaus gefahren, sehr schöne Stille unterwegs, freundlich mit ihm geplaudert, über Kaufmann usw. Ich habe Vertrauen zu ihm. Blieb zum Abendessen da, wir tranken guten Steinwein (Würzburger Pfaffenberg 21), dann begleitete er mich zum Autobus. Ich fuhr resigniert und traurig nach Hause, Potsdamer Bahnhof, noch einen Augenblick Unter den Linden, aber sehr müde, um 11 nach Hause, müde und resigniert zu Bett. Oft erschrak ich vor Gier und Geilheit, Sehnsucht nach weißem Fleisch, sah frech badende Mädchen, darunter eine mit rotblonden Haaren, die ganz weißes Fleisch hatte, wie Magda. Das traf mich wie ein elektrischer Schlag. Sonntag, 12. 5. 29 Etwas länger geschlafen, wieder wahnsinnige Erektionen, sehr behaglich kalt gebadet und schöner Kaffee. Machte ein paar Notizen. Den ganzen Vormittags, besonders beim Bad,
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der er außer auf die genannten Autoren noch auf Heinrich Triepel, Fritz Freiherr Marschall von Bieberstein und Alfred Schulze hinweist, Schmitt jedoch nicht erwähnt (S. XXVI f.). Der 1924 gegründete „Deutsche Herrenklub“ war ein konservativer politischer Debattierklub, in dem regelmäßig Vorträge stattfanden und dessen Organ die Zeitschrift „Der Ring“ war; Breuer, S. 173 ff. Julius Evola (1898–1974), ursprünglich Maler und Dichter, dann heidnisch-sakraler, antimodernistischer Kulturphilosoph mit Sympathien für den Faschismus und auch den Nationalsozialismus; Schrenck-Notzing, S. 165–167; Florian Turcanu, Mircea Eliade. Der Philosoph des Heiligen oder Im Gefängnis der Geschichte, Schnellroda 2006, S. 82–84. Bei dem erwähnten Buch handelt es sich um: Julius Evola, Imperialismo Pagano, Rom 1928, das Schmitt im italienischen Original gelesen haben muss, da die deutsche Übersetzung erst 1933 erschien. 1937 kam es auch zu einer persönlichen Begegnung Schmitts mit Evola (vgl. BW Jünger, S. 72), möglicherweise auch schon 1934 (TB V, S. 331). Evola rezensierte 1938 Schmitts „Leviathan“ in „La vita italiana“, nachgedruckt in: Lo Stato. Rivista di scienze politiche, giuridiche ed economiche 10, 1939, S. 24–33; seine Briefe an Schmitt sind veröffentlicht: Julius Evola, Lettere di Julius Evola a Carl Schmitt, 1951– 1963 (Quaderni di testi Evolani 36), Roma 2000.
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eine vernichtende Gier und Geilheit, immer überlegt, was ich heute Nachmittag tun soll. Völlig betäubt, bis in die Wurzel meines Daseins, alles versinkt vor diesem Trieb. Dabei fand ich es nicht gräßlich oder teuflisch, sondern nur nichtig; auch nicht dumm, nicht berechtigt, nicht vernünftig. Ich weiß nicht. Fräulein Kraus kam, ich diktierte ihr einen Entwurf meines Vortrages über die Verfassung,1519 wir aßen zusammen. Dann müde zu Bett, war so aufgeregt, dass ich zitterte, Herzklopfen hatte, Schweiß. Konnte nicht schlafen, las herum, bis 4 Uhr, kleidete mich an, ging Unter den Linden, traf 1520. Im Edenhotel1521 auf der Dachterrasse Kaffee, dann an die Taubenstraße, Hotel Roter Adler1522. Eine herrliche Stunde, wundervolle schlanke, dünne Beine, prachtvoll, besonders ihr weißes Gesicht, etwas starr, dann in Ekstase geraten, wundervoller Typ. War sehr glücklich, verabredete mich für ihren Geburtstag, den 4. 6.; sehr erleichtert und fröhlich nach Hause. Geheilt. Angenehme Müdigkeit, etwas herumnotiert, bald zu Bett. Montag, 13. 5. 29 Morgens Gefühl großer Erleichterung und Befreiung nach dem schönen Koitus. Dann in Sorge auf Nachricht von Duschka gewartet, beunruhigt (wahrscheinlich unbewusstes Schuldgefühl). Mit Fräulein Kraus geplaudert und gegessen, dann zur Handelshochschule, ½ 3 – ½ 4 Examen, ging über die Linden, hoffte, Rita1523 zu sehen, durch den Tiergarten nach Hause, müde und deprimiert, kein Brief, bis 6 im Bett, konnte aber nicht schlafen, dann umgekleidet, abends zu Frau Berend, dort Walter M1524, erinnerte mich etwas an Fritz Eisler, war mir aber sehr unsympathisch, Däubler und sein Sekretär, Däubler las Bernanos vor, die großartige Stelle über die Erbsünde,1525 wir waren alle ergriffen, um ½ 1 müde nach Hause. Dienstag, 14. 5. 29 Gut geschlafen nach dem herrlichen Koitus. 11–1 Vorlesung Staatslehre, sehr müde, Rief Frau v. Quednow an, verabredete mich für morgen Abend, sie war rührend bescheiden und demütig. Mittags brachte mir Fräulein Kraus einen Brief von Duschka, war sehr fröhlich darüber, weil der Brief munter war. Dann vergnügt nach Hause, nach dem Essen ausgeruht, konnte wieder nicht schlafen, immer aber todmüde. 5–7 Seminar Völkerrecht, sehr anstrengend, sprach in der Pause mit Liebert1526 wegen Halle, vielleicht bekomme ich doch Honorar. Dann abends todmüde nach Hause, etwas gegessen, herumgelegen deprimiert, Angst 1519 1520 1521 1522 1523 1524 1525 1526
s. unten, 17.5.29. Wahrscheinlich handelt es sich um Rita Temp (vgl. folgenden Tag). Eden-Hotel, Budapester Str. 18. Im Berliner Adressbuch nicht ermittelt. Wahrscheinlich die Hure Rita Temp, s. TB V, S. 168, 175. Walter Mehring (1896–1981), Schriftsteller; NDB 16, S. 626–628. Georges Bernanos, Die Sonne Satans, Hellerau 1927, S. 209–215. Arthur Liebert (1878–1946), Philosoph, 1916 bis 1925 Lehrbeauftragter an der Handelshochschule Berlin, 1925 Dozent, 1930 a. o. Professor, 1933 zwangsemeritiert, Emigration nach Belgrad, 1939 nach England, 1946 Rückkehr nach Berlin (NDB 14, S. 486 f.; FS HHB, S. 232–234). Schmitt sprach mit ihm wegen seines Vortrags vor der Kant-Gesellschaft, deren Geschäftsführer Liebert war.
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vor dem vielen Geld, das Duschka kostet (allein der Krankenwagen 500 Mark), scheußlich. Armer, elender, haltloser Kerl. Mittwoch, 15. 5. 29 Viel geschlafen, daher munter, aber immer noch Anfälle von Müdigkeit und Schlaf. Fräulein Kraus den Vortrag über Pluralismus diktiert. Mittags kamen Frau Berend, Breinlinger, Koschewnikow und Briefs, nett zu Mittag gegessen (Briefs ist aber gekränkt, weil Breinlinger von den Pfaffen sprach). Ich war todmüde, ging mit Koschewnikow spazieren, Angst vor dem Unglück der Emigranten. Sein Vater ist in Russland verhaftet worden. Der arme, nette Kerl, erzählte von seiner 1527. Dann ruhte ich aus, diktierte Fräulein Kraus den Schluss meines Vortrags. Umgekleidet, um ½ 8 kam Frau v. Quednow, nett und lieb. Wir aßen zusammen zu Abend, tranken schönen Wein, dann zu dem Vortrag der Russin, zu dem Koschewnikow uns eingeladen hatte, scheußlich langweilig, , alte , die langweilige Anekdoten erzählte. Um ½ 11 mit Frau v. Quednow gegangen. Pilsener Bier getrunken, in die neue Klause am Kurfürstendamm;1528 dann in ihrer Wohnung, küsste sie, sie war lieb und freundlich, sie sagte, dass sie mich liebe, ich glaube es, aber keine Ejakulation. Um ½ 2 müde nach Hause, mit gesteigertem Selbstgefühl, aber Gewissensbissen wegen Margot. Donnerstag, 16. 5. 29 Todmüde des Morgens, nicht genug geschlafen, um 9 auf, allmählich munter, konnte aber nicht viel arbeiten, weil ich gleich Vorlesung hatte. Hielt die Vorlesung merkwürdigerweise sehr gut (weil ich nervös war). Nachher zu Hause, Fräulein Kraus etwas diktiert, ein paar Exemplare des Rheinland-Vortrages. Dann etwas geschlafen, um 5 wieder auf, tief traurig, zur Handelshochschule, nettes Seminar bis 7 Uhr, dann mit Dr. Rahn vom Auswärtigen Amt, sehr sympathisch, er begleitete mich durch den Tiergarten zu meiner Wohnung. Ich fühlte mich [wohl], aß etwas zur Nacht, machte Notizen, kam endlich dazu, meinen Vortrag in Ruhe auszuarbeiten. Früh zu Bett. Freitag, 17. 5. 29 Gut ausgeschlafen, um 10 kam Hans Freyer1529, sehr nett unterhalten, über den Begriff des Politischen. Nachher Fräulein Kraus diktiert, dann nach dem Essen zum Haare schneiden im Auto gefahren, um 3 zurück, etwas ausgeruht, ½ 5 Vortrag in der Landwirtschaftlichen Hochschule,1530 sehr nett, über Pluralismus, Verfassung, I. und II. Teil usw. Leibholz und Koschewnikow hat zeitweise als Chauffeur gearbeitet; vgl. Nichtweiß (1994b), S. 84. Pilsener Urquell. Neue Klause, Kurfürstendamm 22. 1529 Hans Freyer (1887–1969), Soziologe, Philosoph, Historiker, seit 1922 Professor in Kiel, 1925 Leipzig, dort 1947 aus ideologischen Gründen entlassen, dann Redakteur des „Neuen Brockhaus“, 1955 Professor in Münster; Schrenck-Notzing, S. 189–191. Siehe auch Elfriede Üner, Soziologie als „geistige Bewegung“. Hans Freyers System der Soziologie und die „Leipziger Schule“, Weinheim 1992. 1530 Schmitt hielt einen Vortrag unter dem Titel „Grundsätzliches zur Verfassung des Deutschen Reiches“. Veröffentlicht in: Vorträge auf dem ersten Lehrgang zur staatswissenschaftlichen Fortbildung von Lehrkräften landwirtschaftlicher Schulen vom 14. bis 17. Mai 1929 zu Berlin, Berlin 1929, S. 64–67; wiederabgedruckt in Schmittiana NF III, 2016, S. 7–10. 1527 1528
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Fuhrmann1531 waren da, gingen noch mit zu mir, freundlich mit ihnen unterhalten, das Buch von Heller soll bald erscheinen.1532 Dann schnell gegessen, eingepackt, um 10 zum Potsdamer Bahnhof, noch einen Augenblick über die Straße gegangen, dann in den Schlafwagen, nicht viel geschlafen, aber die Nacht ging schnell herum. Samstag, 18. 5. 29 Um 7.43 in Hagen, in den Zug nach Plettenberg, mit Üssi nach Plettenberg gefahren, sie war nett und freundlich, freute mich, wie sie Duschka gern hat. In Plettenberg um ½ 10, es regnete den ganzen Tag. Den Eltern geht es gut. Ich ging nach dem Mittagessen auf die Anhöhe an den Tannenkreis am Saley, dann ausgeruht und geschlafen, Jup kam um 6, abends Bier getrunken, herumgelegen, schon um 9 Uhr zu Bett. Pfingstsonntag, 19. 5. 29 Gut ausgeschlafen, mit Jup nach Plettenberg, dann über den Saley zurück. Herrliches Wetter, wunderbar grüne Farben der Wälder, nett mit Jup unterhalten, der ein lieber Kerl ist. Nach dem Essen etwas ausgeruht, nachmittags mit Üssi, [Änn]chen, Jup und dem Vater zum Friedhof Eiringhausen, ein Grab ausgesucht,1533 dann noch durch den Wald, Um ½ 7 müde zu Haus. Kein Bier, wieder früh zu Bett. Pfingstmontag, 20. 5. 29 Wieder lange geschlafen, fühlte mich sehr wohl, in das Hochamt von Eiringhausen, herrliches Wetter, wollte dann zum Vikar gehen, tat es schließlich nicht, zu Hause herumgelegen, nach dem Essen ausgeruht, dann schöner Spaziergang mit Jup nach dem Schwarzenberg, Engelbert-Stuhl1534 (dachte an den Herbst 23, als ich hier Boji´c las). Arbeitete nichts für den Vortrag, suchte Kraft im Anblick der Berge. Abends fuhr Jup ab, dann noch mit Ännchen und Üssi zum Bleicher1535, Sekt getrunken, traurig und müde nach Hause. Dienstag, 21. 5. 29 Um 7 auf, sehr müde, herrliches Wetter, um ¼ 8 an die Bahn, Brief von Duschka rührend schön, der Vater brachte ihn mir, Freude, 2. Klasse, arbeitete sehr wenig. In Hagen eine Amerikanerin, erst aufgeregt, aß mit ihr zu Mittag, sie war nett und freundlich und fuhr nach Leipzig. Es beruhigte mich, dass ich mit ihr gesprochen hatte. Wir wetten wegen Pfingsten (Pentecoste). Nachmittag 5.20 in Halle, fuhr zu Bilfinger, sie waren ausgegangen, schön, fühlte mich sehr wohl, Bilfinger kam zum Abendessen, sehr freundlich und nett. Ging dann früh zu Bett schlief großartig.
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Ernst Fuhrmann (1886–1956), Dichter, Philosoph, Fotograf, emigrierte 1938 nach New York; AKL 46, S. 199 f. Hermann Heller, Europa und der Fascismus, Berlin 1929 (s. dazu unten, 26.5.29). Für Duschka. Der Engelbert-Stuhl ist ein nach drei Seiten zur Lenne steil abfallender Felskamm nahe der Burg ruine auf dem Schwarzenberg, wo der Sage nach Graf Engelbert III. von der Mark (um 1330– 1391) oft gesessen haben soll. Inhaber des Hotels „Deutsches Haus“ in der Nähe des Bahnhofs von Eiringhausen.
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Mittwoch, 22. 5. 29 Um 8 aufgestanden, ein paar Notizen gemacht. Disposition des Morgens aufgeschrieben, sehr schön gefrühstückt, nett mit Bilfinger, der gut in der Arbeit steckt. Um 12 gingen wir zusammen nur Universität, mussten bis ½ 2 warten, dann vor einem ermüdeten und hungrigen Publikum der Vortrag über Pluralismus.1536 Es ging leidlich, wenn auch nicht gut. Fräulein Kraus schrieb mit, nachher kam 1537 und war sehr nett. Ging mit Bilfinger nach Hause, ruhte nach dem Essen aus, hörte nachmittags Tatarin1538, scheußlich, dann fuhr ich Fräulein Kraus spazieren durch Halle, was nett war, sie war sehr hübsch. Kleidete mich zu Hause um, zum Empfang im Rathaus, der Oberbürgermeister1539 sprach großartig (der Jurist und die Intell.[ektuellen]). Saß neben dem alten Stammler1540 und einem netten Italiener. Drückte mich um 10, mit Salomon, fuhren zu Bilfinger, dort bis ½ 3 sehr nett unterhalten, Salomon war entzückend, über Staat, Gesellschaft, Sozialismus. Donnerstag, 23. 5. 29 Müde, nicht ausgeschlafen, immerhin in leidlichem Zustand um 10 Hellpach1541 gehört, der eine Volksrede hielt, sprach nachher einen Augenblick mit ihm, dann Freyer1542, sehr schön, gut , freute mich sehr über seinen Vortrag. Noch mit Salomon nett gesprochen (er ist als Jude , rührend, leider verinnerlicht. Mit Hook1543, einem Schüler von Dewey1544,
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Carl Schmitt, Staatsethik und pluralistischer Staat, in: Kant-Studien 35, 1930, S. 28–42. Es war der Eröffnungsvortrag der Generalversammlung der Kant-Gesellschaft, die vom 21. bis 24. Mai 1929 in der Aula der Universität Halle stattfand und die, da es das 25jährige Jubiläum der Gesellschaft war, besonders festlich mit über 400 Teilnehmern, davon etwa 100 aus dem Ausland, begangen wurde; vgl. Christian Herrmann, Generalversammlung (Jubiläumsveranstaltung) der Kant-Gesellschaft in Halle a.S. 21–24. Mai 1929, in: Kant-Studien 34, 1929, S. 532–539. Vermutlich Gottfried Salomon. Edgar Tatarin-Tarnheyden (1882–1966), seit 1922 Professor für Öffentliches Recht in Rostock, 1945 wegen NS-Belastung zu zehn Jahren Zwangslagerarbeit verurteilt, lebte anschließend in Stuttgart (NDB 25, S. 794–796). Sein Vortrag „Staat und Sittlichkeit“ ist abgedruckt in: Kant-Studien 35, 1930, S. 42–59. Richard Robert Rive (1864–1947), Dr. iur., seit 1906 Oberbürgermeister von Halle, 1933 pensioniert. Rudolf Stammler (1856–1938), Rechtsphilosoph, von 1885 bis 1916 Professor in Halle, dann in Berlin. Schmitt hat sich mit ihm 1912 intensiv beschäftigt; DBE 9, S. 599; vgl. TB I, S. 73–90. Vgl. sein negatives Urteil unten, S. 483. Willy Hellpach (1877–1955), liberaler Politiker, Psychologe, Professor für Sozialpsychologie in Karlsruhe und Heidelberg, 1924 / 25 Staatspräsident von Baden, seit 1928 MdR (NDB 8, S. 487 f.). Sein Vortrag lautete „Partei und Weltanschauung“, in: Kant-Studien 35, 1930, S. 76–99. Hans Freyer, Ethische Normen und Politik, in: Kant-Studien 35, 1930, S. 99–114. Freyer plädierte für eine Vertiefung der Lehre Machiavellis und den sittlichen Wert der Machtpolitik. Sidney Hook (1902–1989), Sozialphilosoph, seit 1927 Dozent, später Professor an der New York University, 1928 / 20 Guggenheim Fellow in München und Moskau. Cornelia Kunkat, Sidney Hook. Intellektueller zwischen Marxismus und Pragmatismus. Frankfurt 2000. John Dewey (1859–1952), Philosoph und Pädagoge, neben Peirce, William James und Mead Klassiker des Pragmatismus.
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dann nach Hause. Nach dem Essen ausgeruht. Wir fuhren dann nach der Burg1545 sehr schöner Tag, liebliche, freundliche Landschaft. Um 7 zurück, den Abend mit Bilfinger schön geplaudert, von mir erzählt, er von seinem armen Sohn Carl. Frau Bilfinger ist mit Adolf ins Theater gegangen. Um 12 zu Bett. Freitag, 24. 5. 29 Müde um 9 Uhr aufgestanden, nicht richtig ausgeschlafen, mit Bilfinger gefrühstückt, schön geplaudert, dann zur Stadt, die Marienkirche besehen, die Totenmaske von Luther,1546 die einzige Sa alter Germaniae profeta. Wollte schon wieder evangelisch werden. Bei Bilfinger gegessen, um ½ 3 verabschiedet und abgereist. Traf in der Goldenen 1547 Georg Schaetz1548, er war sehr schön, war gleich gerührt und erzählte von mir, dachte an den guten August Schaetz1549, dessen Brief ich neulich wieder fand. Er begleitete mich zur Bahn, mit Fräulein Kraus nach Berlin. Traurig, deprimiert, gleichgültig gegen das Leben, zu Hause ein paar Briefe, Telegramm von Duschka, die gut in St. Gallen angekommen ist, telegrafierte wegen der Röntgenbilder. Führte Tagebuch, aß zu Abend, früh zu Bett; kümmerliches, elendes Leben. Samstag, 25. 5. 29 Bis 9 geschlafen, kein Brief von Duschka, traurig herumgelegen, Fräulein Kraus ein paar Briefe diktiert, mit ihr gegessen, dann auf dem Sofa, Maxime Leroy gelesen, müde, traurig, deprimiert, abends nach dem Essen eine Stunde auf dem Kurfürstendamm, manchmal aufgeregt, Hauptsache, dass ich transpirierte, erleichtert nach Hause, um 10 zu Bett. Sonntag, 26. 5. 29 Um ½ 9 auf, ziemlich frisch, gut ausgeruht, viele Briefe, Wut über das Buch von Heller über Faschismus,1550 widerlicher boke. Fuhr zur Lyckallee und machte bei Martin Wolff Besuch, traf aber niemand zu Hause. Dann zurück, schön gegessen, müde herumgelegen. Im Grunde innerlich verzweifelt. Kein Brief von Duschka. Abends zu Franz Blei, er las mir die Einleitung seiner Autobiografie1551 vor, die sehr schön ist; wir gingen dann zum 1545 1546
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Burg Giebichenstein. Die Totenmaske Luthers wurde 1926 nach einer Totenzeichnung des Künstlers Lukas Furtenagel von dem Anthropologen Hans Hahne angefertigt; neben zwei Exemplaren in der Marienkirche gibt es ein drittes in der Marktkirche. „Goldene Rose“, alte Gaststätte in Halle, Rannische Str. 20. Georg Schaetz (1887–1965), Mediziner, vermutlich ein Bruder von August Schaetz (s. unten), war Pathologe in München, seit 1923 in Halle, wo er sich habilitierte, ab 1931 am Auguste-VictoriaKrankenhaus in Berlin (http: / / www.catalogus-professorum-halensis.de [Juli 2016]). Im TB V (S. 149) erscheint er als Georg Schoelz. August Schaetz (gefallen 1917), Assessor, als Feldwebel Schmitts Kollege und Freund im Stellvertretenden Generalkommando in München (vgl. TB III, S. 179). Schmitt widmete Schaetz seinen „Begriff des Politischen“. s. oben, 17.5.29. Franz Blei, Erzählung eines Lebens, Leipzig 1930. Am Ende dieses Buches gedenkt Blei dreier Freunde, neben Albert Paris Gütersloh und Robert Musil nennt er „Carl Schmitts in jedem Nerv
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Kurfürstendamm, aßen in der Alten Klause1552 zu Abend, um ½ 10 müde nach Hause. Leider Bier getrunken. Montag, 27. 5. 29 Morgens schöner Brief von der Schwester Agnes, aber vom Freitag; heute wahrscheinlich Operation. War sehr aufgeregt und wollte nachmittags telefonieren. Lag herum, schrieb an Frau Eisler, konnte nicht arbeiten. Fräulein Kraus aß bei mir zu Mittag, nachher herumgelegen, um 3 ¼ kam ein Telegramm aus St. Gallen, dass die Operation glücklich überstanden ist. War sehr glücklich, aber immer noch nicht sicher und immer noch misstrauisch. Schrieb ein paar Briefe und Karten, ging um 6 einen Augenblick im Tiergarten spazieren, wieder müde nach Hause, bescheiden gegessen, um 9 müde zu Bett und bald geschlafen. Konnte immer noch nicht glauben, dass alles gut gegangen ist. Dienstag, 28. 5. 29 Gut ausgeschlafen, Wohlgefühl und physische Sauberkeit. Stand um 7 ¼ auf, ging eine halbe Stunde im Tiergarten spazieren. Dann schönes Frühstück, Vorlesung vorbereitet und von 11–1 schön gehalten. An Frau v. Quednow telefoniert, dass sie morgen kommt. Hielt meine Vorlesung sehr schön, um ½ 2 bei Simons1553 [einige Wörter] Aufsatz lesen. Mittags nach dem Essen schön ausgeruht, 5–7 Völkerrecht, es ging ebenfalls ganz gut (obwohl ich mein Manuskript verloren hatte). Um ½ 8 mit Bus, Rosenbaum kam und aß mit mir, tranken eine Flasche Ockfener, ich begleitete ihn durch den Tiergarten bis zur Siegesallee. Müde nach Hause. Mittwoch, 29. 5. 29 Etwas länger geschlafen, nichts getan, im letzten Augenblick vom Briefträger einen Brief aus St. Gallen, es geht Duschka gut. Sehr erleichert, fuhr zum Anhalter Bahnhof, holte Frau Bilfinger ab, mit ihr zu der Ausstellung der Sammlung des großen Spiridon bei Cassirer,1554 sehr schön, besonders die Bilder von Botticelli, ein Bild einer deutschen Frau .1554a Traf Frau v. Quednow dort, sie war lieb und sehr nett, ferner Steinbömer. Blei kam nicht, was mich natürlich kränkte. Um ½ 2 noch zu Haberstock1555, einiges besehen, dann zu mir, gefrühstückt, Briefs und Rosenbaum waren noch da, Blei fehlte, ein leerer Platz. Das war gespanntes, von eindringenden Augen überleuchtetes Gesicht, der Mund wie mit dem Lachen eines Knaben geladen.“ (zit. nach der Ausgabe Wien 2004, S. 455). 1552 Pilsener Urquell, Alte Klause, Kurfürstendamm 23. 1553 Hans Simons. 1554 Der Kunsthändler Paul Cassirer versteigerte am 31. Mai die Sammlung italienischer Meister von Joseph Spiridon, die zuvor vom 25. bis zum 30. Mai in einer Ausstellung präsentiert wurde; vgl. den Katalog: Die Sammlung Joseph Spiridon, Paris. [Versteigerung im Hotel Esplanade, Berlin, 31. Mai 1929], Berlin 1929. 1554a Lt. Katalog Nr. 78 „Oberdeutsch um 1540, Bildnis einer jungen Frau“. 1555 Karl Haberstock (1878–1965), Kunsthändler, in den 1920er Jahren auf Alte Meister spezialisiert, nach 1933 für Hitler und andere NS-Größen als Kunstaufkäufer tätig; vgl. Horst Keßler, Der Kunsthändler als Opportunist – Karl Haberstock im „Dritten Reich“, in: Maike Steinkamp / Ute Haug (Hrsg.), Werke und Werte. Über das Handeln und Sammeln von Kunst im Nationalsozialismus (Schriften der Forschungsstelle „Entartete Kunst“, 5), Berlin 2010, S. 23–40.
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schlecht, schade, daher nicht so lebhaft, wie ich es wünschte. Um ½ 4 begleitete ich Frau Bilfinger mit Rosenbaum an das Auto, müde zurück, legte mich ins Bett um auszuruhen. Dann kam um 4 Muth, eine Stunde sehr nett geplaudert, er hatte das Manuskript der Frau Radakovi´c über meine Verfassungslehre;1556 wir tranken Kaffee, mit ihm im Auto zum Potsdamer Platz, dann zur Handelshochschule, Sitzung bis gegen 9, mit Georg Bernhard, sagte mir, ich sei in dieser meiner Schrift1557 zu liebenswürdig. Mit Bonn und Wimpfheimer zum Fürstenhof. War müde, Wimpfheimer sagte, dass er Freimaurer ist, wir sprachen über Faschismus, Menschheit, Bedeutung usw. Um ½ 12 müde nach Hause, traurig herumgelaufen, allmählich geil. Donnerstag, 30. 5. 29 Gut ausgeruht, fröhlich, 11–1 Vorlesung, sehr nett und überlegen, nach dem Essen wieder ausgeruht, 6–8 Seminar, über Verfassungsändernde Gesetze, langweilig um ¼ nach 8 nach Hause, telefonierte nach St. Gallen, schnelle Verbindung, Duschka geht es gut. Sehr froh darüber, sprach noch in der Küche mit Hanna und dann beherrscht und zufrieden zu Bett. Freitag, 31. 5. 29 Schön ausgeschlafen, fühlte mich sehr wohl und gesund. Arbeitete aber wenig, Anruf von Paul Adams, der meinen Aufsatz über die Rheinlande großartig findet. Dagegen kein Anruf von Hans Simons, diktierte Fräulein Kraus ein paar Briefe, wartete auf Steinbömer, der hier frühstückt. Er kam um ½ 2 und war sehr nett, erinnerte mich aber etwas an Stutterheim1558. Wir sprachen über , die Juden, Othello. Vielleicht sprach ich zu heftig, ich begleitete ihn durch den Tiergarten zum Hotel Esplanade, wo er die Versteigerung ansehen will.1559 Ich ging zum Friseur Haare schneiden, fuhr dann gegen schnell zurück, traf zu Hause Dr. Höhn vom Jungdeutschen Orden, sprach nett mit ihm, aber er ist nicht klug. Begleitete ihn zum Knie1560, fuhr dann zu Leibholz, aß zu Abend, sehr nett unterhalten, die Frau1561 sieht hübsch aus, die Tochter Marianne ist entzückend. Wir sprachen über Halle, über Stier-Somlo usw. Ich ging schon um 10 Uhr mit den Korrekturbogen seines Buches über die Repräsentation,1562 lief über den Kurfürsterdamm, fuhr zur Friedrichstraße, im Grunde angeekelt, trotz meiner Geilheit. Um ¼ 12 zu Hause und gleich zu Bett.
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Mila Radakovi´c (1861–1956), österr. Juristin, besprach Schmitts „Verfassungslehre“ in: Hochland 26 / 2, 1929, S. 534–541. Carl Schmitt, Der Hüter der Verfassung (s. oben, 8. 5. 29). Freund von André Steinlein; s. TB III, S. 74. s. oben, 29.5.29. Heute: Ernst-Reuter-Platz. Gerhard Leibholz war seit 1929 mit Sabine, geb. Bonhoeffer, vereiratet; sie war die Zwillingsschwester von Dietrich Bonhoeffer. Gerhard Leibholz, Das Wesen der Repräsentation unter besonderer Berücksichtigung des Repräsentativsystems. Ein Beitrag zur allgemeinen Staats- und Verfassungslehre, Berlin 1929. Im Vorwort heißt es: „Dabei war es mir besonders wertvoll, in der hervorragenden Darstellung von C. Schmitt auch eine eingehende Behandlung des Repräsentationsproblems zu finden.“ In späteren Auflagen ist dieser Satz gestrichen. (Nach: Mehring (2009), S. 638, Anm. 51).
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Samstag, 1. 6. 29 Schön ausgeruht, behagliches Gefühl, Gesundheit, schönes Frühstück, telefonierte an Frau v. Quednow, soll sie Montag wieder anrufen, dann herumgesessen, um 11 kam der Bericht von Dr. Brunner aus St. Gallen, doch sehr schlimm, erschrak, blieb aber ruhig. Ließ Fräulein Kraus den Bericht mehrmals abschreiben und schickte ihn an Siebeck, Eisler, Jup, Hirsch. So verging der Tag. Nach dem Essen nicht ausgeruht, es wurde 4 Uhr, las die Akte von Forsthoff,1563 die er mir geschickt hat, dann zur Charité, besuchte Frau Horak1564, die nett und war, sie ist jetzt seit 8 Wochen in Berlin, hat Duschka gesehen. Schrecklich! Dann über die Friedrichstraße zum Weidendamm, etwas herumgelaufen, [im] Ganzen angeekelt und langweilig. Um 7 nach Hause, schön gegessen. Habe heute Frau Smend um eine Empfehlung nach Kaiserswerth gebeten, damit die Schwester Agnes bei Duschka bleiben kann.1565 Zum Glück traf ich ihn nicht am Telefon, ich habe Ekel und Angst vor ihm. Aß schön zu Abend, fühlte mich wohl und sauber, schrieb an Duschka, telefonierte nach St. Gallen, schwierige Verständigung, aber es geht Duschka gut. Sonntag, 2. 6. 29 Vormittags schön an meinem Aufsatz über Pluralismus korrigiert, kam gut vorwärts, ruhte mittags aus, trank dann schön Kaffee und arbeitete weiter. Sehr fröhlich, innerlich verzweifelt (las mittags wieder Bernanos, Die Sonne Satans,1566 welche groß und stark!), abends noch herumgelaufen, Regen, sah einen Mann, der wie Strindberg1567 aussah, eine Hure angesprochen, wie traurig, das zu sehen. Traf zufällig im Bahnhof Zoologischer Garten Adams und 1568, sprach über 1569 und sein antisemitisches K, dann nach Hause. Montag, 3. 6. 29 Allmählich auf morgen Abend gewartet und nervös. Morgens aufgewacht wegen des Briefes des [2 Wörter] Litigant1570, nach St. Gallen telefoniert, Smend angerufen. Auf seine [Empfehlung hin] muss ich heute nach Kaiserswerth fahren. Vormittags Fräulein Kraus dik-
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Betrifft vielleicht die schwierige Habilitation Forsthoffs; vgl. Florian Meinel, Der Jurist in der industriellen Gesellschaft. Ernst Forsthoff und seine Zeit, Berlin 2011, S. 40 ff. Nicht ermittelt. Schwester Agnes sollte Duschka zur Operation nach St. Gallen begleiten, wozu Frau Smend, die offenbar Beziehungen zum Mutterhaus der Diakonissinen in Kaiserswerth hatte, um eine Empfehlung gebeten wurde. s. oben, 10.4.27. August Strindberg (1849–1912), schwedischer Schriftsteller. Fritz Günther von Tschirschky und Boegendorff (1900–1980), Politiker, Diplomat, konservativer NS-Gegner, emigrierte 1935 über Paris nach London, ab 1952 im diplomatischen Dienst der Bundesrepublik; vgl. TB V, S. 279. Hans Blüher (1888–1955), antisemitischer philosophischer und sexualwissenschaftlicher Schriftsteller und Privatgelehrter, erster Historiker der Wandervogelbewegung, deren homosexuellen Charakter er hervorhob. In der NS-Zeit Veröffentlichungsverbot. Schrenck-Notzing, S. 70–72. Litigant, jemand, der vor Gericht einen Rechtsstreit führt (veraltet).
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tiert, mittags kam Herr d’Entrèves1571, Privatdozent der Rechtsphilosophie in Turin, ein entzückender lieber Kerl, der sehr viel weiß. Unterhielt mich ausgezeichnet, Leibholz und Scheuner kamen dann auch noch zum Frühstück, doch wirkten sie sehr [viel schwächer als] d’Entrèves. Am meisten wunderte ich mich über die Roheit von Leibholz, die ich bisher nicht bemerkt hatte. Sie blieben bis 4 Uhr, dann etwas ausgeruht, um 5 kam Quednow. Vorher ein Telegramm aus Kaiserswerth, dass die Schwester bis 20. Juni bleiben darf. Sehr fröhlich über diesen Erfolg. Frau v. Quednow trank Tee, war freundlich und gut, wir gingen mit dem Hund spazieren, sie aß dann bei mir zu Abend, um 9 ging sie, ich lief noch etwas mit dem Hund. Fühlte mich unsicher. Müde zu Bett. Dienstag, 4. 6. 29 Gut ausgeruht, behaglich angekleidet, schöne Vorlesung von 11–1. Nachher mit Fräulein Kraus schnell gegessen, dann ausgeruht, 5–7 wieder Vorlesung Völkerrecht. In einiger Aufregung und Nervosität zum Monopol1572, wartete von ½ 8 bis nach 8, aber natürlich umsonst. Armer Narr. Dann lief ich herum, aß bei Kranzler, schließlich ein armes Hamburger Mädchen mit langen Beinen. Gleichgültig, um 10 nach Hause und bald geschlafen. Mittwoch, 5. 6. 29 Schöner Brief von Zweigert,1573 der meinen „Hüter der Verfassung“ „klug und mutig“ nennt. Das freute mich sehr. Fröhlich gefrühstückt, an Duschka geschrieben, Fräulein Kraus etwas diktiert, mit dem Aufsatz über Pluralismus fertig, erleichtert, mit Fräulein Kraus zu Mittag, nachher geschlafen, fühlte mich müde und nervös, um 5 schnell zu Frau Horak in der Charité. Sie war wieder sehr nett, brachte ihr Pralinen, dann zur Sitzung des Senats, langweilig, bis nach 9 Uhr. Einen Augenblick unschlüssig, dann kam zum Glück der Autobus und ich fuhr gleich nach Hause. Aß schön zu Abend, war todmüde, führte Tagebuch und ging bald ins Bett. Donnerstag, 6. 6. 29 Morgens Eilbrief von Schwester Agnes, Duschka ist vorgestern wieder operiert worden. Schrecklich. Hielt meine Vorlesung 11–1, es verging schnell, nach dem Essen todmüde, Wimpfheimer rief an wegen des Gutachtens für S,1574 ganz , etwas geschlafen, dann zum Bahnhof Friedrichstraße, Zeitung gekauft, etwas herumgelaufen, Kaffee im Schlosscafé, um 6 Wimpfheimer gesprochen, die Sache scheint einfach zu sein, aber nur 500 Mark Honorar, elend. Hielt mein Seminar, 2 nette Referate, nachher schön disku-
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Alessandro Passerin d’Entrèves (1902–1985), Rechtsphilosoph, 1924 über Hegel promoviert, später Professuren in Italien, England und USA; 5 Briefe und 2 Postkarten im Nachlass Schmitt. Café Monopol, Friedrichstr. 100. Schmitt hoffte hier die Frau zu treffen, mit der er sich am 12.5. verabredet hatte. RW 0265 Nr. 18575. Schmitt schrieb auf Bitten Wimpfheimers ein Gutachten über „Exterritorialität der Sowjetunion“; vgl. den Dankesbrief von Wimpfheimer vom 10.6.29 (RW 0265 Nr. 18038); s. auch unten, 8. und 9.6.29. Das Gutachten ist weder gedruckt noch im Nachlass erhalten.
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tiert, bis 8 Uhr, dann holten mich Adams, Pfister1575, Koschewnikow und Breinlinger ab. Wir tranken bei Wein, sehr schönen, teuren Saarwein, Scharzhofberger 21er, der aber lange nicht so gut war wie der von Bilfinger, dann Veuve Cliquot. Breinlinger zur Sitzung im , Koschewnikow , wir gingen noch in eine kleine Bierstube unter dem Bahnhof Friedrichstraße. Adams war sehr nett. Ich kam erst um ½ 3 nach Hause. Schämte mich meiner Schwäche und Widerstandslosigkeit. Freitag, 7. 6. 29 Um ½ 9 auf, heißes Bad, dann ging es wieder, aber immer noch etwas benommen. Schnell gearbeitet, an Leibholz telefoniert, Fräulein Kraus etwas diktiert. Um ½ 1 im Auto zu Sombart, dort mit einigen Damen zu Mittag gegessen, es war langweilig. Dann traurig und deprimiert. Um ½ 5 nach Haus, todmüde, erschöpft, etwas geschlafen, um 7 wieder auf, Bericht von Schwester Agnes, der gut war. Aß zu Abend, las Rohden über de Maistre,1576 freute mich über die Wirkung meiner „Politischen Romantik“.1577 Telefonierte nach St. Gallen, angeblich geht es gut. Aber es ist wieder kaltes Wetter geworden. Resigniert, blamiert, dann wieder enthusiasmiert usw. Elende Schwäche, traurig zu Bett. Samstag, 8. 6. 29 Verzweiflung den ganzen Tag. Morgens einen Augenblick fröhlich, Brief von den Eltern mit dem Bild von der Mutter und dem Vater. Schönen Kaffee, Act.[ion] fr.[ ançaise] gelesen. Um ½ 11 mit dem Autobus bei schönem Wetter durch den Tiergarten, über die Linden zu Fuß, zum Institut für Öffentliches Recht, mit Leibholz nett geplaudert, er war rührend, ließ mir viele Bücher kommen.1578 Ich war fröhlich, das zu haben, exzerpierte rasend schnell, um ½ 12 nach Hause, todmüde, plötzlich Anfall auf der Straße, konnte mich kaum noch beherrschen, Fräulein Kraus kam auf mich zu, ging mit nach Hause, aß zu Mittag, wurde unruhig. Grauenhafter Zustand. Ruhte dann aus, 2 Stunden, konnte aber nicht schlafen. In verzweifelter, vernichtender Depression aufgestanden, herumgesaust, bei Frau v. Quednow abge-
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Josef Pfister (1885–?), Dr. iur., Mitarbeiter der Zentrums-Zeitung „Germania“ und der Zeitschrift „Der Gral“; vgl. TB V, S. 11 und passim. Peter Richard Rohden, Joseph de Maistre als politischer Theoretiker. Ein Beitr. zur Geschichte des konservativen Staatsgedankens in Frankreich, München 1929. Das empfand Schmitt 1925 noch ganz anders. Am 8. Januar dieses Jahres schreibt er an Feuchtwanger: „Kennen Sie Herrn Peter Richard Rohden, den Herausgeber einiger Schriften von de Maistre und Mitarbeiter der Dioskuren? Ich werde ihn über die Regeln wissenschaftlicher Anständigkeit belehren müssen. Joachimsen hat mir schon 1919 prophezeit, die ‚Politische Romantik‘ würde wahrscheinlich viel abgeschrieben, aber Herr Rohden macht es zu frech.“ BW Feuchtwanger, S. 108. Schmitt bezieht sich auf: Peter Richard Rohden, Die politische Gedankenwelt der Neuzeit in ihren weltanschaulichen Grundlagen, in: Archiv für Politik und Geschichte 2 / 1, 1924, S. 167–202; 2 / 2, 1924, S. 318–351 (hier S. 327–351 über pol. Romantik; stenogr. Notizen dazu in: RW 0265 Nr. 20081, Bl. 14). Die Rede ist vom Kaiser-Wilhelm-Institut für Ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht im Schloss, an dem Leibholz als Referent tätig war.
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sagt, dann [machte ich] mich an Pujo Comment Rome est trompée,1579 wieder etwas munter, mit dem Hund spazieren, das Gutachten für Wimpfheimer (auch dabei werde ich sicherlich betrogen), zu Abend gegessen, nach St. Gallen telefoniert, es muß wieder eine Operation gemacht werden, ganz scheußlich, wieder deprimiert, zum irrsinnig werden.1580 Das geht inzwischen seit 6 Jahren. Traurig und deprimiert. Konnte nichts arbeiten. Dabei unbefriedigte Sexualität. Wutanfall. Sonntag, 9. 6. 29 Müde und traurig den ganzen Tag, beim Frühstück einen Augenblick munter, an dem Gutachten über die Exterritorialität der Sowjetrepublik fast nichts getan, meinen Aufsatz über Pluralismus korrigiert; mittags im [3 Wörter] einen Augenblick. Sie war sehr freundlich, weich, widerstandslos, zum alten Tießen, langweilig, gute, brave Leute, fühlte mich elend und häßlich. Um 4 nach Hause, traurig, zu Bett, Bonn rief an und gab mir den Rat, mit dem Arzt zu sprechen; das rührte mich sehr. Um 6 kam Fräulein Kraus, diktierte ihr das Gutachten, es ist aber schlecht. Aß mit ihr zu Abend, dann noch zum Bahnhof Zoo, Frankfurter Zeitung gekauft, etwas herumgelaufen, langweilig, müde nach Hause und früh zu Bett. Schöner Eilbrief von der Schwester über Duschkas Befund.1581 Sofort wieder gerührt. Montag, 10. 6. 29 Morgens fühlte ich mich besser, habe ziemlich gut geschlafen, aber nicht genug Bewegung, ein paar Briefe, nicht viel. Korrigierte schön meinen Aufsatz über Staatsethik und Pluralismus. Um ½ 12 zu Wimpfheimer im Auto, er war sehr nett (er will Honorarprofessor an der Handelshochschule werden; daher wohl auch das Gutachten; lächerlich). Zum Friseur, Haare schneiden, zur Bank, 1000 Mark überweisen lassen, nach Hause, schön gegessen, Fräulein Kraus einen Brief an Brunner1582 diktiert, nett mit ihr (gestern war ich sehr lau1579
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Maurice Pujo, Comment Rome est trompée. L’agression contre l’esprit, Paris 1929. Es handelt sich um eine Verteidigung von Charles Maurras gegen die Entscheidung des Vatikans, die Action française zu verbieten; s. oben, 17.9.26. Da eine Behandlung der Lungentuberkulose durch Antibiotika zu dieser Zeit noch nicht möglich war, versuchte man durch chirurgische Maßnahmen der Krankheit Herr zu werden, was nur mäßigen Erfolg hatte. Üblicherweise wurde der betroffene Lungenflügel entweder mittels Luft, die durch eine Hohlnadel eingeführt wurde, oder durch eine Rippenresektion stillgestellt. Paul Adams macht im Brief vom 18. 3. 1929 an Erik Peterson dazu eine Angabe: „Es bestehen Eiterungen in der Lunge und sie muß stehend, ohne Narkose, operiert werden. Die Duschka muß furchtbar leiden.“ (Zit. nach: Nichtweiß (1994), S. 82). Auf eine Vollnarkose wurde möglichst verzichtet, um das Abhusten von Sekret zu gewährleisten. Die Operationsstellung war jedoch nicht stehend, sondern sitzend oder seitlich liegend. (Vgl. Alfred Brunner, Die chirurgische Behandlung der Lungentuberkulose, Leipzig 1924; Christine Tanner-Weder, Alfred Brunner und die Entwicklung der Thoraxchirurgie, Zürich 1980, Kap. IV: Alfred Brunner als Chefarzt am Kantonsspital St. Gallen). Die Situation war jedenfalls dramatisch; wie schon im März rechnete Schmitt auch jetzt wieder mit dem Ableben seiner Frau und schickte an diesem Tag 50 Mark „für den Grabplatz“ nach Plettenberg (RW 0579 Nr. 667). Mit Brief vom 9. 6. 1929 berichtet Schwester Agnes auch den Eltern Schmitts über die Operation; RW 0579 Nr. 667. Schmitt antwortete wahrscheinlich auf den Bericht Brunners (s. oben, 1.6.29).
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nisch), dann ausgeruht, etwas geschlafen, um 5 auf und eine Stunde Unter den Linden, aber nichts; wie langweilig ist das eigentlich. Um 7 wieder zu Hause, schön gegessen, herumgelesen, nicht mehr so verzweifelt wie gestern, obwohl sich nichts geändert hat. Dienstag, 11. 6. 29 Behaglich gefrühstückt, Vorlesung von 11–1, sehr nett, guter Dinge, Brief von Stefl1583 und Gurian1584, Fräulein Kraus brachte mir einen Brief von Duschka, der sehr schön war. Da rüber glücklich und zufrieden. Ging mit ihr Unter den Linden. Dann zur Deutschen Gesellschaft,1585 mit Wimpfheimer, Popitz, Kaufmann, Max Lion1586. Nett unterhalten, war aber müde. Um 4 zu Hause, einen Augenblick ausgeruht, 5–7 Vorlesung Völkerrecht, gab in der Pause Liebert das Manuskript,1587 froh, das los zu sein; es ist doch ganz schön geworden. Um 7 nach Hause, gegessen, Briefe geschrieben (an Stefl1588, den Vater, Duschka usw). Dann noch eine Stunde am Kurfürstendamm, langweilig und ekelhaft, müde nach Hause. An Brunner, St. Gallen, telefoniert, sehr beruhigende Auskunft, froh darüber. Mittwoch, 12. 6. 29 Morgens lebhaft an Georg Krause gedacht. Plötzlich rief er an, als ich gerade aufgestanden war. Krause telefonierte vom Kaiserhof, sehr aufgeregt vor Freude, verabredete mich, zog mich an, schrieb schnell an Duschka, um 11 zum Kaiserhof, traf Krause, der entzückend war (der internationale Frauenkongress tagt1589), Isa ist lieb und schön. Zeigte Isa die Stadt, wir fuhren durchs Brandenburger Tor, Unter den Linden, sahen den Eingang vom Schloss, dann das Kaiser-Friedrich-Museum, ihr gefiel Ruisdael1590 am besten. Dann nach Hause, zum Frühstück kamen Briefs, Wimpfheimer, Rosenbaum. Es war sehr nett, Isa ganz entzückend lieb. Um 4 gingen wir alle weg, ich fuhr mit Isa nach Potsdam, wir besahen Sanssouci, das uns gut gefiel, die Gruft von Friedrich-Wilhelm IV., die schönen preußischen Fahnen, um 7 zu Hause schnell gebadet, dann zum Kaiserhof, Georg Krause getroffen, der müde war, aß mit ihm, Spazieren durch den Tiergarten, dann zum Haus Vater-
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Max Stefl (1888–1973), Germanist und Bibliothekar, mit Schmitt seit seiner Münchener Zeit bekannt; Internat. Germanistenlexikon 1800–1950. Hrsg. und eingel. von Christoph König, Bd. 3, S. 1794–1796; vgl. TB III, S. 84 und passim. Kopien von Schmitts Briefen an Stefl in: RW 0579 Nr. 535. Schmittiana NF I, 2011, S. 92 f. Mit diesem Brief entschuldigt Gurian sich für sein „lümmelhaftes“ Benehmen gegenüber Schmitt am 21.12.27 (s. dort); Schmitt antwortete nicht darauf (s. unten, 13.6.29). s. oben, 20.5.27. Max Lion (1883–1951), Rechtsanwalt und Notar, daneben Dozent an der Handelshochschule, 1933 amtsenthoben, 1935 Emigration nach Amsterdam, 1937 in die USA; DBE 6, S. 476; vgl. TB V, S. 171. Von Carl Schmitt, Staatsethik und pluralistischer Staat, in: Kantstudien 35, 1930, S. 28–42. RW 0579 Nr. 535 (Kopie). Vom 17.–22. Juni 1929 tagte in Berlin der Internationale Frauenkongress des Weltbundes für staatsbürgerliche Frauenarbeit. Jacob van Ruisdael (ca. 1628 / 29–1682), niederländischer Landschaftsmaler.
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land1591, scheußlich, zum Restaurant Venezia, schöner Barolo, sehr nett über Duschka unterhalten (ich sprach zu viel von ihr). Dann wieder zum Hotel, noch bis 12 Uhr gesprochen, dann noch eine Stunde herumgelaufen, ekelhafter Zwang. Um ½ 2 müde zu Hause. Donnerstag, 13. 6. 29 Müde auf, meine Vorlesung 11–1 aber sehr gut gehalten, gerade wegen der Müdigkeit, zu Hause viele schöne Briefe, besonders von Duschka. Sehr glücklich darüber. Es scheint tatsächlich gut zu gehen. Brief von Gottfried Salomon. Ruhte mittags behaglich aus, fühlte mich eigentlich wohl, besonders weil mir Salomon schrieb, dass er in Frankfurt auf der Liste stehe. Sehr interessant. Konnte aber nicht schlafen; nachmittags kam Fräulein Kraus, diktierte ihr einen Brief, dann Café Kranzler, aufgeregt und geil, es kam aber zu nichts. Sah vom Auto aus Rita1592, Aufregung, hinter ihr her, sie war aber plötzlich verschwunden. Unheimlich, dass mir das noch passieren kann. Vielleicht aber ein gutes Zeichen, dass ich noch jung bin. 6–8 Seminar, Referat Hermann über Zechlin1593, sehr lehrreich. Um 8 mit Auto zur landwirtschaftlichen Hochschule, traf dort Frau Sombart, dann Adams und Fräulein Kraus. Frau Sombart war anscheinend beleidigt, dass ich nicht alleine war. Der Vortrag jüdische Handelsschriften war kindlich, aber die Schriftproben sehr interessant. Nachher zu Kranzler, wartete auf Sombart, eine Stunde, interessant erzählte Frau Sombart von Scheler usw. Dann holten wir Sombart in der ab, gingen noch schnell zu , bis 12 Uhr, sehr nett, ich weiß nicht warum er mir so leid tut, der alte Mann. Dann ging ich zu Habel, trank noch eine Flasche moussierenden Burgunder mit Adams, Koschewnikow, Fräulein Kraus. Bis ½ 2. Sprach mit Adams über Gurian, will ihm nicht antworten.1594 Gewann Adams sehr lieb. Mit Fräulein Kraus im Auto nach Hause. Freitag, 14. 6. 29 Todmüde, morgens herumgelegen. Dummerweise Verabredung mit Martens heute Mittag. Schrieb verliebt an Duschka. Schönen Brief von Hirsch. Mittags zur Handelshochschule, todmüde, mit Martens und seinem netten Neffen in einem kleinen Restaurant zu Mittag gegessen, dann im Auto nach Tegel und Hohenschöpping an der Havel, nett unterhalten, über die Hochschulverfassung gesprochen, der Junge will mir Kaffee aus Bremen besorgen.1595 Um 7 wieder zu Hause, schöner Bericht von der Schwester Agnes, telefonierte noch nach St. Gallen, Duschka sprach selbst am Telefon, ich war darüber sehr glücklich und begeistert. Abends früh zu Bett.
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Vergnügungspalast mit Cafés und Gaststätten am Potsdamer Platz, in dem sich die verschiedenen deutschen Landschaften kulinarisch präsentierten, im Krieg zerstört; die Ruine stand noch bis 1976. Vgl. Moreck, S. 87 ff. Rita Temp. Über das Bismarck-Buch von Egmont Zechlin, s. unten, 16.6.29. s. oben, 11.6.29. s. unten, 20.6.29.
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Samstag, 15. 6. 29 Endlich etwas ausgeschlafen, um 8 auf, um 9.15 Eulenburg getroffen, mit ihm nach Wannsee und zur Pfaueninsel. Nett unterhalten, er ist nur sehr zerfahren, dass man kaum mit ihm sprechen kann, aber er antwortete klug und nett. Alter Stil, wilhelminisch. Mittags zurück, dann ruhte ich aus, die Mädchen machen eine Spazierfahrt nach Wannsee. Ich ging um 5 Uhr Unter die Linden, lief fast 2 Stunden herum, schließlich mit der , sie erinnerte mich an Fräulein (aus Trier), im Grunde gleichgültig; aß mit ihr zu Abend im Krokodil1596, sie war amüsant und (wenn ich keinen Krach schlage, ist hier nichts los). Schließlich Hotel Rosenbrück in der Kurfürstenstraße 143,1597 ganz nett ausgetobt, aber es ist keine gute Sache. Nachher noch Pilsener Bier. Erleichtert nach Hause, gleichgültig, noch herumgelesen, schließlich müde zu Bett. Sonntag, 16. 6. 29 Ordentlich ausgeschlafen, aber traurig und müde. Enttäuscht, nette Korrespondenz, gleichgültig, apathisch. Gefühl, betrogen zu sein. Herumgelesen. Mühselig ein wenig Ordnung, den Aufsatz über Zechlin entworfen,1598 Fräulein Kraus kam mittags, wir aßen zusammen, saß dann herum, schließlich gingen wir spazieren durch den Bellevue-Park und den Tiergarten, saß über eine Stunde im und sah den Kindern zu. Im Grunde verzweifelt. Traurig nach Hause, herumgelegen, todmüde, trank ein Glas Wein und aß Käse und Brot dazu, notierte etwas für meinen Aufsatz, las herum, d’Entrèves. Hanna kam erst um 10 zurück. Telefonierte an Duschka nach St. Gallen, und ein Telefonat nach Halle. Traurig und gleichgültig. Um 11 zu Bett. Oft geil, dann wieder gleichgültig und müde. Sehnsucht nach Plettenberg, nach Ausruhen, nach Sparsamkeit, scheußlich dieses Geldausgeben für Krankenschwestern und Ärzte. Wutanfall. Montag, 17. 6. 29 Schöner Brief, nachts schlecht geschlafen, Herzbeschwerden. Brief an Bilfinger, Duschka, Georg Eisler; dummer, halbgebildeter Brief von Frau Corinth, auf lächerlichem Papier, dass Olaf1599 ihren Hund gebissen hat. Das verdarb mir den Tag. Lungerte herum, korrigierte den Aufsatz über Zechlin für die DAZ. Mittags der Sonderdruck von Thoma über Grundrechte,1600 mit der Auseinandersetzung mit meiner Verfassungslehre. Aufgeregt, überschätzte die Bedeutung, im Grunde getroffen und geweint. Armer Narr. Nach dem Essen 1596 1597 1598
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Restaurant Krokodil in der oberen Friedrichstraße, bekannt für Eisbein. Im Adressbuch nicht nachgewiesen. Carl Schmitt, Staatsstreichpläne Bismarcks und Verfassungslehre, in: Deutsche Allgemeine Zeitung vom 10. 7. 1929 (Rezension von: Egmont Zechlin, Staatsstreichpläne Bismarcks und Wilhelm II., 1890–1894, Stuttgart 1929). Der Hund Schmitts. Richard Thoma, Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze der Deutschen Reichsverfassung, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung 1: Allgemeine Bedeutung der Grundrechte und die Artikel 102–117, Berlin 1929, S. 1–53. Die Frage der Grundrechtsbindung des Gesetzgebers war unter den Staatsrechtlern der Weimarer Republik umstritten. Schmitt stand (wie Smend, Heller u. a.) gegen Thoma und Anschütz für die Unantastbarkeit der Grundrechte.
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wieder geschlafen, wieder unruhig, furchtbare Träume (Massis), rief an, erschrak vor seiner klobigen Selbstgefälligkeit. Mir ekelt. Dann zur Hochschule, zuvor Kaffee bei Aschinger, ein glücklicher Moment, las Thoma über Grundrechte mit großem Interesse. Vortrag von Ritschl1601 gehört, ziemlich schlecht, dabei sieht er rührend aus. Sah die , die bei Bonn im Seminar ist, rasch über mit der Falconetti1602. Dann nach Hause, einsam, gleichgültig, traurig, Geldsorgen. Wartete auf Georg Eisler, er kam aber nicht. Schrieb d’Entrèves, ordnete etwas meine Sachen, resigniert zu Bett, Sehnsucht nach einer ruhigen, kleinen Universität. Dienstag, 18. 6. 29 Nicht gut geschlafen, hielt meine Vorlesung von 11–1, oft Geldsorgen. Nach dem Essen ausgeruht, Georg Eisler kam um 6 Uhr, 5–7 Vorlesung Völkerrecht, nach 6 kam Eisler mit in die Vorlesung, das freute mich sehr. Wir fuhren nachher zusammen zu mir, aßen zu Abend, ging mit Eisler spazieren. Ich war müde, hatte ihn sehr lieb und freute mich seiner Freundschaft. Telefonierte an Duschka, aber sie ist heute wieder operiert worden. Um 11 noch ein Glas Bier in einem Restaurant am Bahnhof Tiergarten, dann müde nach Hause und gut geschlafen. Mittwoch, 19. 6. 291603 Schön mit Eisler gefrühstückt und unterhalten. Er hat den Aufsatz von Thoma über Grundrechte gelesen und nennt Thoma einen „falschen Hund“. Ich freute mich über sein Interesse. Begleitete ihn um 11 durch den Tiergarten, war dann plötzlich todmüde, ging nach Hause, machte ein paar Notizen. Um 1 kamen Adams und Koschewnikow, nachher Fräulein Kraus, Georg Eisler etwas später. Wir aßen zusammen zu Mittag, unterhielten uns nett, ich war aber sehr müde. Um ½ 4 gingen alle weg, ich ruhte etwas aus, um ½ 6 Senatssitzung, langweilig, bis 8 Uhr. Dann zu Habel, wartete auf Frau v. Quednow. Sie kam und war sehr nett und lieb, schön und zärtlich. Wir tranken Wein, erst Forster Vogelsang Riesling,1604 dann , dann schönen Champagner. Schließlich mit ihr nach Hause. Todmüde um 3 zu Haus. Erbrochen; eine . Donnerstag, 20. 6. 29 Gewissensbisse, Kopfschmerzen, scheußlicher Zustand. Besonders traurig, weil Duschka gestern Abend antelefoniert hat, als ich nicht zu Hause war. Vorlesung von 11–1, wurde dann schnell besser. Der junge Seifers brachte mir ein Pfund Guatemala-Kaffee.1605 Nach dem Essen ausgeruht, 6 – ½ 8 Seminar, zu Smend gefahren, traf dort den Deutsch-Amerika-
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Hans Ritschl (1897–1993), Nationalökonom, 1925 Privatdozent in Göttingen, 1928 Professor in Basel, 1942 Straßburg, 1946 Hamburg; NDB 21, S. 650 f. Über die Ähnlichkeit einer Studentin von Bonn mit der Schauspielerin Falconetti s. oben, 19.12.28. Auf dem Kopf dieses Blattes der Handschrift notiert: „C. J. Friedrich, Smend 25.6.29“. Forst ist ein Weinort in der Pfalz, allerdings ohne eine Riesling-Lage „Vogelsang“, die sich in Trittenheim an der Mosel findet. s. oben, 14.6.29.
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ner Friedrich1606, sehr interessant, mit ihm nach Hause gefahren. Wieder diese Angst vor Smend. Sehr müde. Abends um 5 Uhr Duschka angerufen, sie war aber spazieren! Freitag, 21. 6. 29 Gut ausgeschlafen, herrliches Gefühl, wunderschönes Frühstück, behaglich die Post gelesen und nichts getan. Mit Fräulein Kraus geschwätzt, über Peterson, von dem Forsthoff erzählte, dass er in Köln in den Lokalen besoffen umhersitzt, mit dem Monokel im Auge und Frauen anspricht. Schauderhaft. Duschka hat richtig ebenso von ihm gesagt: Schlamm und Eiter. Nach dem Mittagessen mit Fräulein Kraus durch den Tiergarten, sehr schöner Spaziergang, dann Haare schneiden, nach Hause. Bilfinger rief an, wir wollen Sonntagmorgen eine Autofahrt machen. Dann kam Rudolf Liepmann für seinen Sohn,1607 armer Kerl, er tat mir leid. Sprach von seiner rechtsphilosophischen Arbeit, dann, dass er katholisch werden will, für Kirchenrecht spezialisieren will! Unglaublich, dieser Jude. War aber nett und freundlich zu ihm. Dann ausgeruht, mit Duschka telefoniert, zur Hochschule für Politik, einen Augenblick sehr aufgeregt Unter den Linden, traf Smend, Heller (dem ich ruhig die Hand gab), Ludwig Oppenheimer1608, hörte das Referat von Schwarz1609 über Kheit1610, das nett war, dann die schlechte Diskussion, Kurt Bloch, freundlich mit Schwarz gesprochen. Einsam nach Hause, unternehmend, einen Augenblick geil. Las noch herum bis 12 Uhr. Dann ruhig zu Bett. Gier nach jeder schönen Frau. Armes Luder. Samstag, 22. 6. 29 Um 5 Uhr wach, etwas gelesen, die Arbeit von Forsthoff, die sehr gut ist,1611 Notizen gemacht für meinen Vortrag am Freitag, dann wieder zu Bett, bis 9 geschlafen. Rasende Erek1606
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Carl Joachim Friedrich (1901–1984), Politikwissenschaftler, 1926 Dozent, 1931 a. o. Professor, 1936 o. Professor an der Harvard-Universität, seit 1954 lehrte er abwechselnd in Harvard und Heidelberg; vgl. Pendler zwischen Heidelberg und Havard (https: / / www.uni-heidelberg.de / uni versitaet / heidelberger_profile / historisch / friedrich.html [Sept. 2016]); TB V, S. 9 und passim. Wenn die Lesung „für seinen Sohn“ richtig ist, müsste es sich handeln um: Paul Liepmann (1856– 1932), Dr. iur., Richter, Politiker, Vater von Rudolf Liepmann; Bernhard Mann (Bearb.), Biographisches Handbuch für das preussische Abgeordnetenhaus: 1867–1918, Düsseldorf 1988, S. 246. Ludwig Oppenheimer (1877–1979), Nationalökonom, Soziologe, übersetzte 1928 Georges Sorel, Über die Gewalt, erörtete in einem langen Brief vom 15. 10. 1929 an Schmitt seine Perspektive einer soziologischen Habilitation (RW 0265 Nr. 10629); DBA III 679, 385. Wolfgang Schwarz (?–?), Journalist. An diesem Abend wurde in der Deutschen Hochschule für Politik eine Vortragsreihe eröffnet, in der als erster Referent Wolfgang Schwarz sprach; sein Vortrag hatte das Thema „Regieren durch Parteien-Koalition im deutschen Parlamentarismus“. Die Vorträge sind veröffentlicht in: Politische Wissenschaft. Schriftenreihe der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin und des Instituts für Auswärtige Politik in Hamburg, H. 10, 1931. Es handelt sich offenbar um die Habilitationsschrift: Ernst Forsthoff, Die öffentliche Körperschaft im Bundesstaat. Eine Untersuchung über die Bedeutung der institutionellen Garantie in den Artikeln 127 und 137 der Weimarer Verfassung (Beiträge zum öfentlichen Recht der Gegenwart, 3), Tübingen 1931. Zu den Schwierigkeiten, die Forsthoff mit seiner Habilitation hatte vgl. Florian Meinel, Der Jurist in der industriellen Gesellschaft. Ernst Forsthoff und seine Zeit, Berlin 2011, S. 40 ff.; BW Forsthoff, S. 34; TB V, S. 6 f, 85.
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tionen. Dachte an die arme, schöne Margot. Herrliches Frühstück, behaglich Act.[ion] fr.[ançaise] gelesen. Bruns rief an, wir verabredeten [uns] für morgen 9 Uhr. Überlegte, ob ich Frau von Schnitzler anrufen soll. Tat es schließlich aus Faulheit nicht. Diktierte Fräulein Kraus etwas, nach dem Essen herumgesessen, zu Bett gegangen, bis 6 Uhr im Bett, müde aufgestanden, langsam umgekleidet, nichts getan, zu Sombart in die Humboldtstraße, Briefs, Ansorge, [August] Müller, waren da, sehr langweilig, dumm, ärgerte mich, dass ich das angenommen habe, bis ½ 1, dann traurig nach Hause. Sonntag, 23. 6. 29 Ziemlich gut geschlafen, um 8 auf, Bilfinger rief an, dass wir trotz Regens die Autofahrt machen. Bruns und Bilfinger holten mich ab, wir fuhren mit der Mutter Bruns1612 und Frau Marga Wolff1613 nach Paretz und dann Lehnin, sehr interessant und schön. Nett mit Bilfinger über seinen Aufsatz1614 unterhalten, dann bei zu Mittag gegessen, begleitete Bilfinger an die Bahn, er fuhr um 4.25 nach Halle, müde nach Haus, 2 Stunden im Bett, etwas geschlafen, dann zu Abend, Fräulein Kraus etwas diktiert, sehr nett mit Duschka telefoniert, die entzückend am Telefon sprach. Liebes, schönes Kind. Früh zu Bett. Montag, 24. 6. 29 Gut ausgeschlafen. Morgens rief Frau von Schnitzler an, ich war gerührt, vormittags schön gefrühstückt und herumnotiert, mittags kam C. J. Friedrich und frühstückte bei mir. Sehr nett unterhalten, begleitete ihn noch durch den Tiergarten zum Potsdamer Platz. Seit langem nicht so gut unterhalten, schönes Gespräch, über Katholizismus, über unser Fach usw. Gewann ihn sehr lieb. Dann über die Linden zurück, sah Rita1615, ging mit ihr, schade, dass es eine Hure ist. Ejakulation ohne großen Genuss. Das ist also vorbei. Müde zu Hause, ausgeruht, traurig, abends aufgeräumt. Dienstag, 25. 6. 29 Morgens aufgeräumt, meine Vorlesung 11–1, angestrengt. Freute mich über die schwarze Studentin, die Duschka so ähnlich sieht.1616 Nach dem Essen eine Stunde ausgeruht, um 3 Uhr kam Frau v. Schnitzler, sie war sehr schön und jung, ich war glücklich, dass sie bei mir war. Erzählte von Duschka, wir sprachen sehr nett, über die soziologische Professur in Frankfurt.1617 Ich war entzückt. Fuhr sie zum Reichstag, dann meine Vorlesung Völkerrecht, in der wieder die hübsche Duschka war. Vorlesung zur Hochschule für Politik, Vortrag Friedrich mit Smend, wir gingen nachher zu Habel, tranken schönen Pfälzer, müde nach Hause. Sehr schönes Gespräch über den Begriff des Politischen. Traurig wegen Smend.
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Marie Auguste Bruns, geb. von Weizsäcker (1857–1939), Schwester von Sophie Auguste von Bilfinger. Nicht ermittelt. s. oben, 20.4.29. Rita Temp. Ruth Büttner, s. unten, 2.7.29. Vermutlich sind die Querelen gemeint, die mit der Berufung Karl Mannheims nach Frankfurt als Nachfolger des 1929 emeritierten Franz Oppenheimer endeten.
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Mittwoch, 26. 6. 29 Ziemlich müde aufgestanden, schlechter Laune, der Vormittag ging vorbei. Mittags kamen Briefs, Rosenbaum, Singer, ; wir aßen schön und tranken Kaffee, nett unterhalten, fühlte mich wohl. Um 4 Uhr kamen Pfister und Koschewnikow. Wir fuhren zu Adams, tranken mit ihm Kaffee, war sehr müde, sprach über René Benjamin. Müde nach Hause, gleich zu Bett. Donnerstag, 27. 6. 29 Todmüde, aber heute Vorlesung 11–1, nachher ausgeruht. Nachmittags um 5 Professor Schindler1618, dann mein Seminar, Wimpfheimer sagte mir, ich bekomme 700 Mark für mein Gutachten. Referat Dorn1619, ziemlich schlecht, inhaltlich gut. Dann zum Rektor, mit Fräulein […?] gesprochen, nette Leute, um 12 nach Hause, die Seifert von der Rankestraße, scheußlich , dumm und gemein. Ekelhaft, traurig nach Haus. Freitag, 28. 6. 29 Müde, nicht genug geschlafen, vormittags kam Fräulein Kraus, (sie ist in Hamburg gewesen), ich diktierte ihr meinen Vortrag über p. neutre.1620 Nach dem Essen ausgeruht, um ½ 5 kam Koschewnikow, ich korrigierte das Manuskript, Koschewnikow brachte es zur Hochschule für Politik, wir aßen zusammen zu Abend, dann zur Hochschule, großes Auditorium, Sombart und seine Frau waren auch da, guter Vortrag, obwohl ich müde war. Nachher Diskussion, übliche Typen wie Herz1621, ich zog mich gut aus der Affaire, dann zu Habel, mit Sombart, Briefs, Friedrich. Nachher noch bei Kannenberg mit Friedrich. Bis 2 Uhr. Gewann ihn sehr lieb. Samstag, 29. 6. 29 Müde auf, schnell munter, zur Hochschule, Doktorexamen Sandig1622, dann mittags zur Neuen Wilhelmstraße, bei Lauer1623, traf dort und . Sehr nett, nachher [mit] zu Breslauer1624, ein paar Bücher besehen, kaufte aber nichts. Dann verabschiedeten wir uns vor meiner Wohnung, ich war sehr gerührt, Gefühl der Freundschaft, 1618
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Dietrich Schindler (1890–1948), Professor für Öffentliches Recht in Zürich; Historisches Lexikon der Schweiz (http: / / www.hls-dhs-dss.ch / textes / d / D15773.php); vgl. TB V, S. 148 und passim; FoP, S. 623–625. Friedrich Dorn. Schmitt hielt an diesem Abend in der Deutschen Hochschule für Politik einen Vortrag zum Thema „Der Mangel eines pouvoir neutre im neuen Deutschland“. Das Thema hatte er bereits in seinem Seminar im WS 1928 / 29 behandelt; es blieb in den folgenden Jahren akut (vgl. „Der Hüter der Verfassung“) und schlug sich auch in Dissertationen nieder; vgl. Tilitzki (1994), S. 184 f., 187 f. Heinz Carl Herz (1877–1951), Jurist, von 1926 bis 1933 SPD-Bürgermeister von Berlin-Kreuzberg, 1939 Emigration nach England, gestorben in Palästina; TB V, S. 16. Curt Sandig (1901–1981), wurde mit der Dissertation „Das Problem des Fremdkapitals. Versuch einer Bestimmung der Grenze wirtschaftlicher Verwertbarkeit des Fremdkapitals in der Unternehmung“ an der Handelshochschule Berlin promoviert, 1934 Habilitation in Leipzig, 1938 a. o. Professor Heidelberg, 1946 o. Prof. Wirtschaftshochschule Mannheim; DBE 8, S. 696 f. Restaurant Lauer, Neue Wilhelmstr. 8. Antiquariat Martin Breslauer, Französische Str. 46.
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ruhte 2 Stunden aus, todmüde, dann Fräulein Kraus ein paar Briefe diktiert. Mit Duschka telefoniert, armes, liebes Kind. Abends Spaziergang durch den Tiergarten mit Fräulein Kraus. Das tat mir gut. Sonntag, 30. 6. 29 Frisch und munter wach geworden, schön gearbeitet, notiert, nachmittags ausgeruht, fühlte mich behaglich und wohl. Abends zu Blei, wo ich Frau Sternheim1625 traf. Nett unterhalten über Bernanos und Gide, nachher mit Blei allein. Um 11 Uhr nach Hause. Montag, 1. 7. 29 Vormittags wenig getan, das langweilige, dumme Fräulein Kraus, scheußlich, nach dem Essen ausgeruht, zur Handelskammersitzung (ganz überflüssig), Beratung über die Berufung Giesekes1626, nachmittags mit Bonn, bei strömendem Regen etwas über die Straßen, noch einen Augenblick bei ihm, das war sehr nett. Dann zu , dort eine nette Gesellschaft, besonders Clärenore Stinnes1627, die von ihrer Autoweltreise zurück kam. Ich fragte sie nach Oberheid, den sie für einen aggressiven Menschen erklärte, der aber gut sei und nicht bedeutend. Das traf mich sehr. Ihr unsympathischer Bruder war auch da.1628 Munter und angeregt nach Hause. Demuth machte mir viel Komplimente über meinen Hüter der Verfassung. Dienstag, 2. 7. 29 Ziemlich müde, hielt meine Vorlesung Verfassungslehre, Fräulein Büttner1629 (die Duschka so ähnlich sieht) war nicht da, daher traurig. Mittags ausgeruht, 5–7 wieder Vorlesung, dort war sie, sprach aber nicht mit ihr, weil ich zu müde war; dann herumgelaufen, um 8 zur Hochschule für Politik, Vortrag Heller,1630 traf dort Frau v. Quednow und Bonn, der Vor1625
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Thea Sternheim (1883–1971), von 1907 bis 1927 Ehefrau des Schriftstellers Carl Sternheim, Übersetzerin und Autorin eines umfangreichen Tagebuchs. Hier ist die Schilderung der Begegnung teilweise geschwärzt. Zu lesen ist: „Dann tritt plötzlich ein Mann ins Zimmer: ein untersetzter Vierzigjähriger mit einem intelligenten Kopf. Professor Carl Schmitt, der, von dem Adams mir soviel erzählt hat. Gespräch über die französische Literatur. Blei und Schmitt ziehen Bernanos André Gide vor. Finden Huysmans naturalistisch.“ Thea Sternheim, Tagebücher 1903–1971. Hrsg. von Thomas Ehrsam und Regula Wyss, Bd. 2, 2. Aufl., Göttingen 2011, S. 236. Paul Gieseke (1888–1967), 1922 Professor für Deutsches und Bürgerliches Recht sowie Handelsrecht in Rostock, 1929 Berufung an die Handelshochschule Berlin, dort 1933 / 34 Rektor, 1934 Marburg, 1939 bis 1945 Universität Berlin, nach 1945 in Bonn und Saarbrücken; vgl. TB V, S. 9 und passim. Clärenore Stinnes (1901–1990), Tochter von Hugo Stinnes, Rennfahrerin, umrundete als erster Mensch in einem serienmäßigen PKW die Erde. Die Reise begann am 25. Mai 1927 und endete in Berlin am 24. Juni 1929. Über Schmitts Vorbehalte gegenüber Hugo Stinnes junior vgl. TB III, S. 288 f., 487, 502 f. Ruth Büttner (1907-nach 1954), wurde von Schmitt 1933 promoviert und war als Nachfolgerin von Annie Kraus seine Sekretärin, später Handelslehrerin; Tilitzki (1994), S. 201; TB V, S. 5 und passim. In der Deutschen Hochschule für Politik hielt Hermann Heller an diesem Abend den Vortrag „Demokratische und autokratische Formen der Staatswillensbildung“; Veröff. s. oben, Anm. 1610.
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trag war abscheulich, gegen mich gerichtet, inferior, nachher Bonn in der Diskussion entzückend, wir gingen zusammen mit Bilfinger zu Kannenberg und tranken sehr schönen Wein (Bernkastler Doktor 1925 und St.-Péray), sehr nett geplaudert, fuhr Frau v. Quednow nach Hause, küßte sie, ging aber nicht mit ihr. Müde nach Hause. Mittwoch, 3. 7. 29 Todmüde, aber angenehmes Gefühl, der Vormittag verging mit Kleinigkeiten, nach dem Essen ruhte ich wieder aus, nachmittags holte mich Koschewnikow ab, wir gingen durch den Tiergarten, dann Sitzung, sehr interessant, lebhaft über Berufungen, bis 10 Uhr, nachher mit 1631, Bonn, Martens, Palyi, Wegener1632 bei Habel Wein getrunken, sehr nett, aber todmüde. Donnerstag, 4. 7. 29 Wieder sehr müde, hielt meine Vorlesung 11–1 sehr gut, Fräulein Büttner war da, sprach am Schluss nett mit ihr, zum Glück hat sie eine harte Stimme, sonst wäre ich verloren. Sie war lieb und freundlich, das tat mir gut. Nach dem Essen ausgeruht, um ½ 5 Frau Berend getroffen, im Charlottenhof1633 nett unterhalten, sie ist aber nervös, ihr Mann ist krank. Dann zum Seminar, langweilig, Referat Wirsing, nachher mit Dorn nach Hause, müde, er ist ein netter Kerl, erzählte hübsch, aß bei mir zu Abend und ging um 10 Uhr weg. Es ist heute schwül und drückend, konnte nicht einschlafen. Freitag, 5. 7. 29 Ziemlich munter aufgestanden, Tagebuch geführt, Briefe geordnet, behaglicher Vormittag, leider kommt Fräulein Kraus gleich. Eisler rief von Hamburg an. Müde, früh gegessen, nachher ausgeruht, um 4 zum Gloria-Palast, wartete auf Frau Sombart, mit ihr den Tonfilm „Singing fool“1634 gesehen; widerlicher Dreck, aber die Technik ist doch verblüffend und interessant. Dann mit Frau Sombart in das Café Adler, nachher noch etwas spazieren. Im Zoologischen Garten sprach mich ein Sohn von Kaspar Schulte aus Plettenberg an, der ganz ist; wie sonderbar. Ich hatte ihn wirklich nicht erkannt. Dann im Großen stark verzweifelt, fuhr zur Hochschule für Politik, traf Clauss und einen Franzosen, Redakteur der Rev. hebdom.1635 Ich war leider sehr müde. Netter Vortrag von Rüstow1636, nachher 1631
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Helmuth Plessner (1892–1985), Philosoph und Soziologe, seit 1926 a. o. Professor in Köln, 1933 entlassen, Emigration in die Niederlande, Professur in Groningen, seit 1952 in Göttingen; NDB 20, S. 534 f.; vgl. Rüdiger Kramme, Helmuth Plessner und Carl Schmitt. Eine historische Fallstudie zum Verhältnis von Anthropologie und Politik in der deutschen Philosophie der zwanziger Jahre, Berlin 1989. Georg Wegener (1863–1939), Geograph und Reiseschriftsteller, seit 1910 Dozent, 1911 Professor an der Handelshochschule, 1926 / 27 Rektor; DBE 10, S. 462; Tilitzki (1994), S. 176. Gartenrestaurant Charlottenhof im Tiergarten. Musikfilm von 1928, der im Kino Gloria-Palast, Kurfürstendamm 10 / 10a lief. „Dieses Kino ist vielleicht das schönste Kino der Welt …“; Szatmari, S. 109. La Revue hebdomadaire, franz. Literaturzeitschrift. Alexander Rüstow (1885–1963), Nationalökonom, Syndikus beim Verein deutscher Maschinenbauanstalten, 1933 Emigration, Professor in Istanbul, 1950 Heidelberg; NDB 22, S. 228 f. Rüstow
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bei Kannenberg. Wieder 20 Mark ausgegeben, überflüssig. Der Franzose gefiel mir gut, Clauss nicht. Um 12 noch eine Stunde unter dem Stadtbahn-Bogen beobachtet, aufgeregt, aber Ekel. Samstag, 6. 7. 29 Wieder sehr müde, beim Rasieren geschnitten, widerlich. Gegen ½ 11 Doktorexamen, Hagemann1637, unsympathisch und unwissend. Nachher noch mit dem Rektor gesprochen, Anfrage eines Bürgermeisters um ein Gutachten aus 127 RV.1638 Schade, dass ich es nicht machen kann. Zu Hause warteten schon Krauß, Blei und Steinbömer, sehr nett unterhalten bis ½ 6. Blei war erst ziemlich tot, nachher ganz entzückend, so dass auch ich wieder munter wurde. Dann zu Bett und ausgeruht. Fräulein Kraus kam um ½ 8 in einem eng anliegenden schwarzen Kleid, das mich sehr reizte. Sie schrieb einen Brief, ich plauderte aufgeregt mit ihr, dann ging sie um ½ 9. Telefonierte mit Duschka, die sehr munter war und von der Wohnung spricht. Las noch lange, dann müde zu Bett. Habe heute bei Sternheim abgesagt, Gott sei Dank. Sonntag, 7. 7. 29 Ausgeschlafen, fühlte mich wohl (nur fehlte mir ein Spaziergang), las herum, das Gutachten Stier-Somlo über Art. 127.1639 Fühlte mich wohl, weil ich gestern zu Hause geblieben war. Will keine Einladungen mehr annehmen. Mittags ausgeruht, um 5 mit Fräulein Kraus ins Kino, „Das Weib des Gardisten“1640, dachte viel an Duschka, als ich diese schönen russischen Bauernmädchen sah. Nach Hause, gegessen, . Zum Bahnhof Zoologischer Garten und wieder zurück. Früh zu Bett. Montag, 8. 7. 29 Viel geschlafen, wenn auch nicht genug, um 9 auf, behaglich den Morgen herumgelesen, zum Glück will man anscheinend kein Gutachten von mir. Mittags kam Leibholz zum Essen und sprach über Kaufmann, sein Buch usw. Begleitete ihn zum Bahnhof Zoologischer Garten, dann ruhte ich zu Hause aus, fuhr um ½ 8 mit der elektrischen Bahn zur Störstraße, zu Frau v. Quednow. Sehr nett unterhalten, allmählich Wein getrunken, sie weinte, geküsst, schließlich eine schöne innige Spannung, leider keine Impression. Müde um ½ 2 nach Hause.
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hielt an der Deutschen Hochschule für Politik an diesem Abend den Vortrag „Diktatur innerhalb der Grenzen der Demokratie“, Abdruck (mit den anschließenden Diskussionsbeiträgen und einer Einleitung von Waldemar Besson) nach einer stenographischen Mitschrift in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 7, 1959, H. 1, S. 85–111; vgl. auch Eschenburg, S. 236–239. Wilhelm Hagemann (1902–?). Schmitts Urteil „unwissend“ wird dadurch gestützt, dass Hagemann die Prüfung am 20. Februar 1930 wiederholen musste und so gerade durchkam; Tilitzki (1994), S. 190; vgl. TB V, S. 22. Der Art. 127 der Weimarer Verfassung lautet: „Gemeinden und Gemeindeverbände haben das Recht der Selbstverwaltung innerhalb der Schranken der Gesetze.“ Fritz Stier-Somlo, Rechtsgutachten über die verfassungsrechtliche Stellung der Kreiskommunalrentmeister in der Provinz Westfalen, Iserlohn 1929. Sowjetischer Stummfilm unter der Regie von Alexander Strischak; die deutsche Erstaufführung war am 14. Juni 1929 im Berliner Großkino Atrium, Bundesallee 178–179 (im Krieg zerstört).
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Sie sagte einmal: Ich hasse Dich. Armes Kind. Sie kommt mir dumm und lächerlich vor. Sie [3 Wörter] und sagte, ich sei irrsinnig und wäre Freitag in Berlin. Kann sein. Dienstag, 9. 7. 29 Bis 10 im Bett, dann sehr frisch, angenehmes Gefühl nach dem sexuellen Genuss, menschliches Behagen und Wohlgefühl. Hielt Vorlesung sehr gut, sah Fräulein Büttner, mittags vergaß ich die Hochschule für Politik. Fuhr mit Auto wieder hin, sprach nett mit dem Ministerialdirektor Beck, fühlte mich aber , sprach noch mit Meinecke und Walter Simons. Traurig nach der Handelshochschule, schöne Vorlesung über Völkerbund, dann mit einem nach Hause, zu Hause ziemlich munter und frisch, etwas gelesen, Josef Wittig1641 gekauft, mit Duschka telefoniert, fröhlich darüber, noch spazieren. Mittwoch, 10. 7. 29 Ausgeschlafen, herumgelegen, holte meinen Aufsatz aus der DAZ,1642 Paul Schmitt1643. Schlechter Laune, weil ich nicht genug Bewegung habe. Beim Mittagessen waren Adams, Briefs, Rosenbaum und Kamnitzer. Mit Kamnitzer vorher im Tiergarten spazieren, er erzählte von seinem Drama Turandot, das ist sehr interessant.1644 Um ½ 4 mit Adams zur Börse gefahren, todmüde, Doktorexamen, dann Sitzung, ganz interessant, stellte meine Anträge (Wimpfheimer, Simons). Um 9 mit dem Rektor1645 zu Habel, Wein getrunken, er erzählte sehr nett; dann mit der Stadtbahn nach Hause. Todmüde. Lächerliche Schwäche gegen die Menschen. Donnerstag, 11. 7. 29 Ziemlich gut ausgeruht, aber doch müde, kann einfach den Sommer in Berlin nicht vertragen, hielt meine Vorlesung Staatslehre, sah Fräulein Büttner und war entzückt von ihr, sie gab eine überraschende Antwort (selbst [3 Wörter]), lud sie für nächsten Donnerstagabend ein; sehr glücklich über diesen Schritt. Zu Hause mit Fräulein Kraus zu Mittag gegessen. Hanna und Elli haben Haushaltungslehre. Duschka schickt ein Telegramm vom Bodensee. Ruhte mich gut aus, um 6 zu meinem Seminar, sehr nettes Referat eines Juristen über Art. 127. Dann nach Hause, wo die Gäste noch nicht angekommen waren. Wartete. Schließlich kamen sie, Frau Berend, Breinlinger, Franz Blei und seine Tochter1646. Wir aßen zu Abend, nachher kam auch Max Clauss. Nett unterhalten, aber die werden , fühlte mich dumm und bedrückt, ging noch mit Clauss zum Bahnhof Zoo, lief eine Stunde auf der 1641
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Josef Wittig (1879–1949), Theologe und kath. Priester, 1911 a. o., 1915 o. Professor für Kirchengeschichte, Patrologie und kirchliche Kunst in Breslau, geriet in Konflikt mit der Kirche und wurde 1926 amtsenthoben und exkommuniziert, seine Schriften waren zuvor schon indiziert; DLL 34, Sp. 399–409. Carl Schmitt, Staatsstreichpläne Bismarcks und Verfassungslehre, in: Deutsche Allgemeine Zeitung vom 10. 7. 1929 (Rezension von: Egmont Zechlin, Staatsstreichpläne Bismarcks und Wilhelm II. 1890–1894, Stuttgart 1929). Möglicherweise: Paul Schmitt (1900–1953), Journalist. s. oben, 1.2.29. Ernst Tießen. Maria Eva Sibylla („Billy“) Blei (1897–1962), Schauspielerin; vgl. Blei, S. 169 f.
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Straße herum, schleußlicher Zustand. Traurig zu Bett. Heute Abend mit Duschka telefoniert. Freitag, 12. 7. 29 Müde; die Telefonrechnung: 127 Mark. Lächerlich. Unbefriedigte Sexualität, nervös und überreizt. Mittags kam Ludwig Oppenheimer, aß zu Mittag (vegetarisch). Mit ihm durch den Tiergarten, ließ mir dann die Haare schneiden. Müde zurück, immer aufgeregt und geil. Zu Hause eine Stunde im Bett, heftige Neuralgien. Dann zu Wimpfheimer, 7 ½, wir tranken ein Glas Pilsner bei Josty, dann in einem optimistischen Anlauf zum Reichsminister Zweigert, aber er kam nicht. (Ich wartete vor der Tür, während Wimpfheimer hinein ging, er kam nicht einmal heraus, um mir Guten Abend zu sagen). Dann gingen wir noch ein paar Schritte, aßen bei Kannenberg (wo Wolfers saß), unterhielten uns nett, ich sprach zuletzt zu viel von meiner Frau, lächerlich. Um 11 todmüde nach Hause. Samstag, 13. 7. 29 Heftige neuralgische Schmerzen, nahm darum. Dann müde, erledigt, deprimiert, ärgerte mich über die Dienstboten, Fräulein Kraus usw. Immer morgens heftige Erektionen, heftige Gier, seit 20 Jahren alles verpfuscht. Lächerlich und erbärmlich. Mach endlich Schluss, du widerlicher Hund. Sah meine völlige Wirkungslosigkeit, meine Bedeutungslosigkeit, niemand kümmert sich um mich, beachtet mich, alles beutet mich aus. Erbärmlich. Holte vormittags die Germania mit dem Briefwechsel Kaas – Wirth.1647 Lag herum, nachher gleich wieder zu Bett, B. Constant gelesen. Mich gleich identifiziert.1648 Abends um 7 kam Koschewnikow, sehr nett. Aber ich bin schon gelangweilt. Wir aßen zu Abend und gingen durch den Tiergarten zum Potsdamer Platz; sprach über den Operntext „Der König“. Ich sagte, es müsste mit einer Jagd anfangen. Fuhr zurück, dann wieder zum Potsdamer Platz, im Fürstenhof eine Hure, die mich an Magda erinnerte, war wie gelähmt, dann noch eine halbe Stunde herumgelaufen (zum Glück sprach sie einen an), über die Friedrichstraße zu den Linden, dort Elfriede, rührend, Frau eines Stahlhelmführers, trank mit ihr bei Mitscher eine Flasche St.-Péray, fuhr sie nach Hause, Landsberger Allee, Ecke Straße, dann wieder zurück zum Kurfürstendamm, in die Bar Kakadu1649, sie hatte sich das
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In Nr. 320 der „Germania“ vom 12. 7. 1929 veröffentlichte der Vorsitzende der Zentrumspartei, Ludwig Kaas (1881–1952), seinen Briefwechsel mit dem der Zentrumspartei angehörenden Kabinettsmitglied Josef Wirth (1879–1956) als dem zuständigen Minister für die besetzten Gebiete. Die Veröffentlichung steht in Zusammenhang mit der Diskussion um den Young-Plan und hatte den Zweck, die Position des Zentrums zu verdeutlichen, wonach jede weitere Einschränkung deutscher Souveränität durch französische Kontrollbehörden im Rheinland strikt abgelehnt wurde. Für Schmitt war Constant „Schicksalsbruder in constitutionalibus“; Carl Schmitt, Ex Captivitate Salus, 4. Aufl., Berlin 2015, S. 76. Kurfürstendamm, Ecke Joachimsthaler Str., im Krieg zerstört, an der Stelle steht heute das Allianz-Hochhaus. Das Kakadu war „Bar, Diele, Tanzpalast in einem, mit allem Komfort der pyrotechnischen Kunst, mit Logen und Knutschecken für den täglichen, vielmehr nächtlichen Gebrauch, dem nötigen Vorrat von Halbwelt, entsprechend temperierter anderer Weiblichkeit, Atmosphäre auf Rotlicht und Sinnlichkeit abgestimmt …“; Moreck, S. 113 f.; vgl. Wolffram, S. 172–179 (Abb.).
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„frecher“ vorgestellt, neugierig, dabei sympathisch, nordisch, war ziemlich verliebt, küsste sie heftig, fuhr sie um ½ 4 zurück in die Landsberger Allee, bei hellem Tag nach Hause. Sonntag, 14. 7. 29 Konnte nicht schlafen, Wohlgefühl nach dem Abenteuer, was bin ich ein ausgehungerter Mann. Um 9 auf, um 10 Hochamt in St. Hedwig. Penser1650 sehr rührend und sympathisch; unendliche verbindet mich mit der Messe. Ich bin nun einmal katholisch. Nach Hause, schön gegessen, etwas geschlafen, fühlte mich allmählich wieder wohl, aber noch sehr müde. 6.14 zum Bahnhof, Georg Eisler will kommen. Eigentlich innerlich sehr zufrieden wegen des Erlebnisses mit Elfriede. Schöner Brief von Duschka. Mittags nach dem Essen gleich zu Bett, gut ausgeruht, aber immer noch schwach und nervös. Um 5 zur Bahn, um den Bahnhof herumspaziert (um die Hugo-Preuß-Brücke1651). Dann kamen Eislers. Mit ihnen nach Hause, zu Hause gegessen, nett unterhalten, sie wohnen beide bei mir und sind sehr nett. Montag, 15. 7. 29 Ziemlich gut geschlafen, aber noch nicht genug. Nett mit Eislers gefrühstückt, mit Frau Eisler ins Kaiser-Friedrich-Museum, Bilder und Plastiken besehen, besonders einen herrlichen Englischen Gruß von 1425 (der ihr zu klassisch war). Dann lange auf der Bank vor der Universität gesessen. Wir trafen Georg und Fräulein Kraus am , dort gut gegessen, aber furchtbar teuer. Todmüde noch etwas herumgegangen, um 4 Rühlmann im Café getroffen, nett unterhalten, er ist ein schlauer Korpsstudent, bis 6 Uhr, dann zu Hause eine Stunde im Bett, Georg Eisler auch, wir aßen dann bei mir zu Abend, fuhren zum Theater, sahen in der Komödie1652 „Reporter“1653, ein dummes Stück. Deprimierend. Noch ein Glas Pilsener in einem Garten am Kurfürstendamm, dann todmüde nach Hause. Dienstag, 16. 7. 29 Um 8 auf, sehr müde, nicht ausgeschlafen, frühstückte mit Eisler, wir fuhren zum Anhalter Bahnhof, wo sie 9.33 abreisten. Mit Fräulein Kraus noch etwas über die Straßen, gierig, sehnsüchtig, nicht zum Aushalten. Dazu diese dumme Henne an der Seite. Hielt meine Vorlesung in der Handelshochschule bis 1, sah Fräulein Büttner, sie war entzückend. Zu Hause, wieder umgekehrt, zum Frühstück in die Deutsche Gesellschaft sehr nett mit Popitz, Staatssekretär Kempner1654 usw. Sah das Misstrauen gegen das Zentrum, besonders gegen Kaas. Zur Han1650
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Nicht ermittelt; nach Auskunft des Dompfaramts St. Hedwig sind die Personalakten der Geist lichen 1943 komplett verbrannt. 1928 fertiggestellte, 170 Meter lange stählerne Hängebrücke in der Nähe des Lehrter Bahnhofs, die die Einfahrt zum Humboldthafen überspannte, 1933 in „Admiral-Scheer-Brück“ umbenannt und im Zweiten Weltkrieg zerstört, 2004 neu gebaut und wieder „Hugo-Preuß-Brücke“ genannt. Theater „Die Komödie“, Kurfürstendamm 206 / 207. Deutsche Fassung des amerikanischen Stücks „The front page“ von Ben Hecht und Charles MacArthur. Franz Kempner (1879–1945), seit 1919 Ministerialbeamter in der Reichskanzlei, 1925 Staatssekretär, nach 1933 Rückzug ins Privatleben und Anschluss an den Widerstand um Goerdeler, nach dem 20. Juli 1944 verhaftet, zum Tode verurteilt und hingerichtet.
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delshochschule, dort ausgeruht, meine Völkerrechtsvorlesung 5–7, wieder Fräulein Büttner, nachher sprach ich mit ihr, verabredete mich für morgen um 7 Uhr (völlig bewusstlos, gegen meinen Willen, auch ohne dass sie etwas tat, wie sonderbar, völlige Passivität). Also entging ich , dann unsicher nach Hause, vergnügt mit dem Gedanken an die Verabredung. Ruhte etwas aus, fuhr im Auto zu Steiniger, bei dessen Eltern.1655 Dann etwas spazieren, im Zoologischen Garten Bier getrunken und nett, aber überflüssig unterhalten. Durch den Tiergarten zurück. Telegramm von Duschka, dass sie die neue Operation gut überstanden hat. Mittwoch, 17. 7. 29 Endlich ausgeschlafen, aber immer noch dumm und müde. Leider kam Fräulein Kraus bald. Sonst ruhig herumnotiert, etwas aufgeräumt, froh, nicht mehr eilen zu müssen. Freute mich auf Abend mit Fräulein Büttner. Schrieb an Duschka. Ziemlich müde. Mittags beim Essen Briefs, der sehr nett war. Über meine Ehe gesprochen, dann ausgeruht, um ½ 5 im Auto zu Koschewnikow, sah die Schwester und die Mutter, arm, in einem Hinterzimmer, schrecklich, diese Armut, dieser Illusionismus.1656 Das Mädchen spielte vor, sehr gut, sie gab mir Gedichte, war deprimiert und sah mich schon wieder ausgeplündert. Um 7 zum Hotel Bristol (dachte an die arme Elfriede), traf Fräulein Büttner, aber sie war nicht mehr so schön, dummes Schwänzchen, wie , ein etwas roher Gang, ihre Sprache preußisch, feldwebelhaft, nicht vornehm. Wir gingen durch den Tiergarten, sprachen über ihre Diplomarbeit, war aber zufrieden, neben einem netten Mädchen herzulaufen. Um ½ 9 verabschiedeten wir uns, ich fuhr sie zur Wilhelmstraße, wo sie in einem Heim wohnt, dann Potsdamer Platz, Hannchen Hübner, na ja, telefonierte an Kraus, fuhr (gegen mich fluchend) noch nach Zehlendorf, traf dort einige , nett unterhalten, aber müde. um 12 mit einem Mediziner zurück, der bei Sauerbruch Assistent ist. Müde zu Hause. Donnerstag, 18. 7. 29 Müde auf, allmählich aber wieder munter, keine Post, verzweifelt und bedrückt, Geldsorgen, elender Zustand. Hielt meine Vorlesung 11–1 ziemlich gut, las mit großer Freude Hof acker über Verkehrssicherheit,1657 fuhr nachher mit mehreren Studentinnen in der Stadtbahn nach Hause, lud Fräulein Annelore für den Abend ein, zu Hause schnell gegessen und ausgeruht. Um 5 zur Handelshochschule, freute mich auf den Abend mit den Mädels, trank bei Aschinger am Hackeschen Markt1658 Kaffee, schlechtes Referat von Ehrt1659, dann zogen wir zu 7 (Fräulein Büttner, Fräulein Wilkens, Kendziora1660, Annelore, Dorn und ) zu 1655 1656 1657 1658 1659
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Berlin-Wilmersdorf, Sigmaringer Straße 26. Zu den Lebensumständen von Koschewnikow vgl. Sombart, S. 108. Wilhelm Hofacker, Die Verkehrssicherungspflicht, Stuttgart 1929. Hackeschr Markt 5. Adolf Ehrt (1902–1975), Diplomkaufmann und Soziologe, Promotion 1931, die Habilitation bei Alfred Bäumler scheiterte 1935, als Rußlanddeutscher antikommunistisch aktiv, 1937 Referent im Statistischen Reichsamt, 1941 Sonderführer im Wirtschaftsstab Ost, 1942 Regierungsrat, nach 1945 beim Bundesnachrichtendienst; Tilitzki (1994), S. 193; Tilitzki (2002), S. 646; vgl. TB V, S. 11. Johanna Kendziora (1903–?), wurde von Schmitt 1935 mit der Dissertation „Der Begriff der politischen Partei im System des politischen Liberalismus“ promoviert, war 1937 Handelslehrerin in Breslau; Tilitzki (1994), S. 202; vgl. TB V, S. 24 und passim.
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Kannenberg. Tranken dort Wein und aßen Butterbrote dazu, es war sehr nett und lustig. Bis 12 Uhr. Fräulein Büttner, auf die es mir ankam, ist klug und zurückhaltend, die arme Kendziora typisch katholisch, aber rührend, Fräulein Wilkens eine gute Westfälin, die frauenhafteste, interessanteste, verführerischste war die Annelore mit ihren fabelhaften Bewegungen, ihrem harten Gesicht und ihrer Verbundenheit von Preußenhaftigkeit und Weiblichkeit. Müde nach Hause, zu viel Wein; zu viel Geld ausgegeben (90 Mark). Freitag, 19. 7. 29 Lange geschlafen, müde, bedrückt, traurig. Um 11 zur Handelskammersitzung, Demuth war sehr nett, als ich mittags zurückkam großer Krach, Elli und Hanna haben Streit, beschimpften sich, Elli will gleich weggehen, Hanna hat den Hund auf sie gehetzt; ich versuchte zu beruhigen, aber das Ganze ist mir unsagbar widerlich. Eine nette Karte von Duschka, es geht natürlich wieder gut. Armer, betrogener Hund. Zum Essen kam Clauss, aus bloßer Schwäche nahm ich für Barcelona an,1661 er ist aber nett und sympathisch. Dann ruhte ich mich aus, schwitzte fürchterlich, müde und bedrückt, welch ein dummes Dasein. Stand um 6 auf, zog mich langsam an, aß zu Abend. Schickte eine Drucksache an Wimpfheimer, Brief an Duschka, zu Steinbömer, dort noch Herr Dietrich1662 und Herr Masur1663, Wolfers kam auch für eine Stunde, wir saßen auf der Bank, sehr schöne Aussicht auf den Reichstag. Über Bismarck gesprochen, ich trank zu viel , hatte das Gefühl, unter Homosexuellen zu sein; müde, gleichgültig um ½ 2 nach Hause. Noch durch den Tiergarten gelaufen. Samstag, 20. 7. 29 Gut ausgeruht, aber müde, bedrückt von dem schwülen Wetter, schön gefrühstückt, aber deprimiert. Wut über das viele Geld, das ich bezahlen muss, Gefühl des Betrogenseins, , zerbrochen. Bericht von Dr. Wiener, sehe, dass ich zum Narren gehalten werde. Zur Hochschule, Prüfung, sah Fräulein Büttner, aber ohne jede Erregung. Dann wieder nach 1661
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Gemeint ist die Beteiligung am Kongress des Europäischen Kulturbundes, der unter dem Thema „Le problème social de la vulgarisation de la culture“ im Oktober 1929 in Barcelona stattfand. Schmitt hielt hier auf Französisch den Vortrag „L’état actuel de la culture européenne“ (Typoskr. in: RW 0265 Nr. 20039; hier auch Liste der Teilnehmer), der auf Deutsch unter dem Titel „Die europäische Kultur im Zwischenstadium der Neutralisierung“ in der Europäischen Revue erschien (Jg. 5, 1929, S. 517–530). Unter dem Titel „Das Zeitalter der Neutralisierungen und Entpolitisierungen“ fügte ihn Schmitt 1932 seinem „Begriff des Politischen“ an. Albert Dietrich (1890–1958), Philosoph und Pädagoge, seine Habilitation in Berlin scheiterte, 1929 Lehrtätigkeit an der Pädagogischen Akademie Cottbus, später in Halle und Hirschberg / Schlesien, habilitierte sich 1943 in Posen, 1944 Dozent in Tübingen, nach 1945 Ruhestand bzw. Lehrauftrag am Predigerseminar Reutlingen. Steinbömer widmete den „Freunden“ Dietrich und Masur 1929 sein Buch „Abtrünnige Bildung“. Tilitzki (2002), S. 897–905; vgl. TB V, S. 266. Gerhard Masur (1901–1975), Historiker, Meinecke-Schüler, 1930 Habilitation über F. J. Stahl, Privatdozent an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, 1935 Emigration in die Schweiz, 1936 Kolumbien, 1947 USA, wo er verschiedene Professuren bekleidete. Masur hatte 1926 in der Historischen Zeitschrift Schmitts „Politische Romantik“ besprochen. Nachruf in: Historische Zeitschrift 223, 1976, S. 523 f.; Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. [Hrsg.] Institut für Zeitgeschichte München, Bd 2 / 2, S. 787.
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Hause, [mehrere Wörter] Heinz Roth1664 , nett, bescheiden gegessen, sprach über seine Dissertation (), begleitete ihn durch den Tiergarten, dann wieder zurück, zu Hause geschlafen, todmüde, nervös, wütend, um 7 aufgestanden, zu Abend gegessen, mit Bilfinger telefoniert, das tat mir gut. Er sprach von seiner Verfassungsrede.1665 Dann nach St. Gallen mit Duschka, wieder gerührt, armes, gutes Kind. Herumgelegen, über Chateaubriand1666 gelesen, sehr interessant, aber immer müde, bedrückt von der scheußlichen Hitze. Sonntag, 21. 7. 29 Furchtbare Hitze. Morgens herumgesessen, nichts getan, etwas Ordnung gemacht, aber lächerlich, keine Post. Mittags nach Nikolassee zu Briefs, die Frau war kühl und zurückhaltend, nett unterhalten. Mrs. Burns1667 von der Columbia-Universität. Dann zurück, überfüllter Zug, Zu Hause ausgeruht, um 5 zu Frau v. Quednow, erst sehr nett, zärtlich, verliebt, geküsst, eskaliert, dann Sekt getrunken, todmüde, scheußlicher Zustand, sie fühlte das und war beleidigt, gab mir nicht die Hand beim Abschied unten an der Treppe. Beleidigt nach Hause, ekelhafter Zustand. Montag, 22. 7. 29 Müde, Kopfschmerzen, widerlicher Zustand. Allmählich wurde es besser, dabei ist es drückend heiß. Mittags mit Fräulein Kraus zum Anhalter Bahnhof, Janentzky abgeholt, er ist alt geworden, scheu und schwerhörig. Rührend. Wir aßen bei mir zu Mittag, mit Franz Blei und Paul Adams, sehr nett unterhalten, ganz entzückend, über den Teufel usw. Viel gelacht über den witzigen Blei (das mit dem Tintenfass nach dem Teufel wirft, war nur die Uhrkette des 1. Schriftstellers). Um 6 ging er weg, herzlich verabschiedet, wollte ihm Berend schenken,1668 er nahm es aber nicht an. Wie nett. Dann einsam zu Hause, wieder Depressionen, faul, unfähig zu arbeiten, scheußlicher Zustand, abends rief Bilfinger von Halle an, früh zu Bett, dann noch eine Stunde im Hemd mit Smend telefoniert, der sehr nett war, aber hinterlistig. 1664
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Heinz Roth ist der Sohn des Hauptmanns Christian Roth (1873–1934), mit dem Schmitt während seiner Militärzeit in München bekannt war (s. TB II, S. 519 f. und passim). Heinz Roth wurde 1929 in Erlangen mit der Dissertation „Das Kontrollsystem der Völkerbundsmandate“ zum Dr. iur. promoviert und war dann Rechtsanwalt in München. Carl Bilfinger, Nationale Demokratie als Grundlage der Weimarer Verfassung. Rede bei der zehnjährigen Wiederkehr des Verfassungstages geh. am 24. Juli 1929 (Hallesche Universitätsreden, 43), Halle 1929. François-René de Chateaubriand (1768–1848), franz. Schriftsteller und Politiker; BBKL 1, Sp. 985–989; Schrenck-Notzing, S. 98–100. Eveline Burns (1900–1985), Nationalökonomin, Dozentin, später Professorin an der Columbia Universität, Ehefrau von: Arthur F. Burns (1904–1987), Nationalökonom, Diplomat, seit 1926 Dozent an der Columbia-Universität, Berater von fünf US-Präsidenten, wurde 1970 Chef der USNotenbank, 1981 US-Botschafter in der BRD. Briefs hatte das Ehepaar wahrscheinlich während seines Studienaufenthalts in den USA 1928 kennengelernt. Susan Ware (Ed.), Notable American women. A biographical dictionary completing the twentieth century, Cambridge, Mass. [u. a.] 2004, S. 94–96. Alice Berend, Der Glückspilz, München 1919.
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Dienstag, 23. 7. 29 Schlecht geschlafen, allmählich durch den Kaffee munter, hielt meine Vorlesung 11–1 bei großer Hitze, zum Glück war Fräulein Büttner da. Nachher mit ihr unter die Linden, sie ist aber kalt und hart. Doch war ich zu . Zur Deutschen Gesellschaft, mit Popitz, Wimpfheimer usw. Sehr nett unterhalten, über Dalmatien, über Verfassungsordnungen usw. Fuhr im Auto des Finanzministeriums nach Hause, das tat mir sehr wohl, dann etwas ausgeruht, beruhigender Brief aus St. Gallen. Meine Vorlesung Völkerrecht beendet, 5–7, noch mit Fräulein Büttner für übermorgen nachmittag 5 Uhr verabredet. Nach Hause, gegessen, müde und nervös, der Hund bellt, die Mädchen sind faul; scheußlicher Zustand. Elender Scheißhammel, schlug mich an den Kopf. Welch ein Zustand. Mittwoch, 24. 7. 29 Müde auf, schlecht geschlafen, herumgelegen, das furchtbare Fräulein Kraus, ein paar Briefe diktiert, mit ihr zu Mittag gegessen, dann rief der Sekretär von Georg Schnitzler an, das freute mich sehr. Für den Abend verabredet. Um ½ 6 zur Handelshochschule, Sitzung bis ½ 9, dann mit der Stadtbahn zum Eden-Hotel1669, Schnitzler war schon da, sehr nett und sympathisch. Wir fuhren auf den Dachgarten des Hotels, tranken schönen Wein, Burgunder, er erzählte von Russland (das ist für ihn der Teufel), von usw. Sehr nett bis 1 Uhr. Ich war ziemlich müde, aber angeregt nach Hause. Donnerstag, 25. 7. 29 Großartig geschlafen, bis ½ 11, in großer Eile angezogen, im Auto zur Handelshochschule, Examen, sah Fräulein Büttner und eine hühnenhafte Studentin. Aufgeregt. Brief von Simons, dass er im Winter wieder kurse abhält.1670 Großartig. Hielt meine letzte Vorlesung 11–1, sehr netter Abschluss. Mittags zu Hause gegessen, zu Bett, nachmittags um 5 Fräulein Büttner getroffen, sie ist doch kümmerlich. Mit ihr über die Straßen, sah Elfriede, unglaublich! Beinahe mit ihr gesprochen, tat es schließlich nicht (weil Fräulein Büttner bei mir war). Wir tranken im Café 1671, sprachen über ihre Arbeit, sie machte eine Fleißprüfung, dann Seminar von 6–8, nicht gut, nachher mit Fräulein Wilkens und Dorn im Bier getrunken, etwas gegessen, um ½ 10 todmüde nach Hause. – Gehe zum 1. August.1672 Freitag, 26. 7. 29 Wieder schlecht geschlafen, herumgelegen, todmüde und schläfrig, Widerwille und Hass gegen die Stadt, Dummheit, von Bonn wegzugehen. Will einen Aufsatz über die Verfassung schreiben zum 11. August für die Juristische Wochenschrift,1673 aber nichts getan. Fräulein
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Budapester Str. 18. „Neuestes u. komfortabelstes Haus i. Berliner Westen“ (Berlin-Führer, S. 305; vgl Szatmari, S. 22 f.). Im Wintersemester 1929 / 30 hielt Walter Simons an der Handelshochschule völkerrechtliche Kurse ab. Moritz Dobrin besaß in Berlin mehrere Cafes. „Bei Moritz Dobrin, im Volksmund ‚Jud Süß‘ getauft, direkt am Tiergarten, gibt es köstliche Süßigkeiten.“ Moreck, S. 72. Nach Bonn, wo Schmitt noch das Haus in Friesdorf gemietet hatte. Aus Anlass des 10. Jahrestages der Weimarer Verfassung, s. folgende Tage.
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Kraus ein paar Briefe diktiert. Mittags kam Professor Herlitz1674 aus Stockholm zum Frühstück, ich war etwas verlegen und zu eifrig, schenkte ihm meine Verfassungslehre und den Hüter der Verfassung. Im Ganzen müde und deprimiert. Gut ausgeruht, etwas geschlafen (allerlei Geschrei wieder in der Küche, scheußlicher Zustand). Um 5 kam Bernhard Ascher, ging mit ihm durch den Tiergarten und plauderte, entzückend, wir tranken bei Kaffee, er begleitete mich zurück, rührend (ich wäre sonst herumgestrichen). Zu Hause bescheiden gegessen, Koschewnikow telefonierte an (Angst vor seinem Unglück1675), dann Frau Sombart, schließlich Bilfinger. Sehr zufrieden mit seiner Verfassungsrede.1676 Las etwas Bernanos, Sonne Satans,1677 sehr ergriffen. Fühle mich krank und verwüstet, auch körperlich; aber guter Vorsatz, Gefühl meines ganzen Lebens. Duschka telefoniert. Samstag, 27. 7. 29 Den Aufsatz für die Juristische Wochenschrift diktiert;1678 es ging ziemlich gut. Mittags schön ausgeruht, nachmittags allein zu Hause, den Aufsatz überlegt, nach den Frauen geschaut, eine schöne nette Stunde, zufrieden nach Hause, früh zu Bett. Sonntag, 28. 7. 29 Morgens den Aufsatz zu Hause diktiert, nach dem Mittagessen ausgeruht, um 5 Frau Sombart bei getroffen. Warum hat sie ein solches Interesse an mir? Wegen ihres Mannes, der sich will? Begleitete sie zu Fuß nach Hause. Dann zurück, Fräulein Kraus ist schon weg und mit dem Aufsatz fertig. Telefonierte ihr, wir gingen zum Zoologischen Garten, tranken in der Alten Klause am Kurfürstendamm Bier, dann todmüde nach Hause und gut geschlafen. Montag, 29. 7. 29 Noch ein paar kleine Korrekturen an dem Aufsatz, dann zu Fuß durch den Tiergarten mit Fräulein Kraus, die den Aufsatz bei 1679 in der abgab, im Auto zur Bank, 500 Mark geholt, zur Handelshochschule Bilfinger telefoniert, er fährt aber schon diese Woche. Fräulein Kraus besorgt das Billett, fuhr nach Hause, aß zu Mittag und war sehr müde. Ruhte erleichtert aus, nachmittags kam Koschewnikow, wir tranken bei Kranzler Kaffee, dann Doktorexamen, und Reichelt1680, sehr nett, nachher mit Wimpfheimer zu Habel, schönen teuren Wein getrunken, nett unterhalten, über , er will mich 1674
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Nils Herlitz (1888–1978), Jurist, Historiker, Politiker, von 1926 bis 1955 Professor für Öffent liches Recht in Stockholm, sollte sich 1933 mit einem Brief an Schmitt für den bedrohten Kelsen einsetzen; RW 0265 Nr. 206; vgl. TB V, S. 283. Gemeint ist die Armut Koschewnikows. s. oben, 20.7.29. Der Roman „Die Sonne Satans“ von Georges Bernanos war 1927 auf Deutsch erschienen. Carl Schmitt, Zehn Jahre Reichsverfassung, in: Juristische Wochenschrift 58, 1929, Nr. 32–33, Sp. 2313–2315. (Wiederabdruck in: Carl Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze, Berlin 1958, S. 34–40). Verlag der Jur. Wochenschr., in der Schmitts Aufsatz „Die Auflösung des Enteignungsbegriffs“ erschien. Die Weidmannsche Verlagsbuchhandlung hatte ihren Sitz in der Zimmerstr. 94. Johannes Reichelt (1904–?), Kaufmann; Tilitzki (1994), S. 190 f.
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auf die Liste der Schiedsrichter für die Sowjet Union setzen.1681 Sehe eine schlanke, schöne Hure, eine Stunde vor dem Hotel Petersburg,1682 lächerlich, dann müde nach Hause. Dienstag, 30. 7. 29 Zu Hause, wenig getan, aufgeräumt, Mittags zur Deutschen Gesellschaft, Popitz, Dorn, Wimpfheimer, einen Herrn Elster1683 getroffen, nett unterhalten, über Aufwertung und das moraltheologische Problem der Steuerhinterziehung. Angeregt nach Hause, umgekleidet, zum Café Wien, traf Frau Sombart, sehr nett unterhalten. Sombart kam auch, schimpfte über die Bolschewisten, „was nützt mir die Unbestechlichkeit, wenn ich in einem Schweinestall lebe“, hatte das widerliche Gefühl seiner herrenhaften Komfortreligion. Dann schnell im Auto zu Smend, bei Kannenberg. Wartete etwas, seine Frau kam nicht mit, nett unterhalten, über Kaufmann, über [2 Wörter], und das Alte Testament (das er verteidigt), über seine Jagd, über den König, im Ganzen sehr traurig, wir fuhren zusammen mit der Stadtbahn um 11 Uhr nach Hause. Traurig und gleichgültig zu Bett. Mittwoch, 31. 7. 29 Schnell angekleidet, nicht gut ausgeschlafen, um 10 im Auto zur Handelshochschule, Examen, das arme, süße Fräulein Böckler wusste nichts. Nachher mit Fräulein Büttner ins Kaiser-Friedrich-Museum, sehr nett, aber langweilig („das Bild hat etwas in sich“, sagte sie von dem Holbein1684). Müde nach Hause, ausgeruht, dann mit Fräulein Kraus zu Kranzler, Kaffee getrunken, Senatssitzung – [2 Wörter]1685, heftiges Geplauder, das mir immer widerlicher wird). Abends mit Bonn ein paar Schritte. Dann aufgeregt über die Straßen, sehr geil, schließlich eine nette Hure, Schwäbin, Mia Rittmeier, tranken Wein, gut, nachher noch zum Kurfürstendamm in Himmel und Hölle1686, sehr geil und aufgeregt, gab viel Geld aus, es kam aber nicht zur Ejakulation. Schließlich traurig und müde nach Hause. Donnerstag, 1. 8. 291687 Etwas Kopfschmerzen, es ging aber schnell vorbei, als die Steuerveranlagung kam. Es hat gut gegangen. Ferner die Korrekturen des Aufsatzes für den 11. 8., die ich gleich las, dann Fräulein Kraus etwas diktiert, Brief an Werner Weber usw. Zeugnis für Ella, die sich mit dem Mittagessen verabschiedet und weinte, was mich natürlich sehr rührte. Dann schlief ich 2 Stunden, ging durch den Tiergarten spazieren, mit guten Vorsätzen, beherrscht und ge1681
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Steht offenbar im Zusammenhang mit dem Gutachten über die „Exterritorialität der Sowjetunion“, das Schmitt auf Wimpfheimers Bitten schrieb; s. oben, 6.6.29 ff. Hotel St. Petersburg, Mittelstr. 30. Ludwig Elster (1856–1935), Jurist und Nationalökonom, Professor an verschiedenen Universitäten, Geheimrat, 1897 bis 1916 als Nachfolger von Friedrich Althoff im preußischen Kultusministerium Hochschulreferent; NDB 4, S. 469 f. Bildnis des Georg Gisze von Hans Holbein d. J., heute in der Gemäldegalerie am Kulturforum. Das Namenregister Schmitts (RW 0265 Nr. 20952) indiziert für diesen Tag „Palyi“. Nachtklub „Himmel und Hölle“, Ecke Tauentzien / Rankestr., wo man bemüht war, „das erotische Flair des ‚Moulin rouge‘ nach Charlottenburg zu holen“. Berliner Zeitung vom 10. 2. 2005; vgl. auch Moreck, S. 108 ff. Auf dem Kopf dieser Seite der Handschrift notiert: „Aufsatz Kirchheimer über die Verfassung“.
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schlossen, trank bei Kaffee, ging in ein Kino. Asta Nielsen1688, die sehr schön ist, fühlte mich vernünftiger und härter, zu Hause bescheiden gegessen, einsamer Abend, an Bilfinger telefoniert, der Samstag kommen will, Duschka geschrieben. Freitag, 2. 8. 29 Schön ausgeruht, vormittags zu Hause, Eschweiler rief an und verabredete sich für den Nachmittag, nach dem Essen ausgeruht, um 5 kam Brauweiler1689, netter Kerl, erinnert mich an Kisky, erzählte vom Stahlhelm, berg1690, trank Tee, aß bei mir zu Abend, wir gingen dann durch den Tiergarten zum Zoologischen Garten, traf im Restaurant Venezia Eschweiler, Adams und Koschewnikow, über Sowjetrussland gesprochen, sehr heftig, bis 1 Uhr, todmüde nach Hause, 2 Flaschen Barbera, wieder 12 Mark ausgegeben. Samstag, 3. 8. 29 Müde früh aufgestanden, auf Bilfinger gewartet, der pünktlich um ½ 11 [kam], sehr nett, wir unterhielten uns über seinen Aufsatz, über Thoma, aß bei mir zu Mittag, bis 4 Uhr dann geplaudert, ich war aber sehr müde, ruhte eine halbe Stunde aus, dann gingen wir durch den Tiergarten zum Kurfürsterdamm, im Café Wien eine Tasse Kaffee, über Reichsreform geplaudert, um 7 zurück, zu Abend gegessen, um 9 Uhr brachte ich ihn an die Bahn (vor allem den Aufsatz von Kirchheimer über die Verfassung1691), todmüde nach Hause; glücklich, allein zu Hause zu sein. Früh zu Bett. Sonntag, 4. 8. 29 Gut ausgeschlafen, bis 10 Uhr, viele Briefe, behagliches Gefühl, aber todmüde. Nach dem Frühstück Briefe überlegt, Fräulein Kraus diktiert, mittags zu Bonn, nett unterhalten, schön gegessen, zu Hause, ausgeruht, um ½ 5 zu Leibholz, die Frau finde ich schön (sie erinnert mich an Magda), nett geplaudert, um 7 nach Hause, Fräulein Kraus Briefe diktiert (an Popitz über moraltheologische Behandlung der Steuerhinterziehung), dann mit Fräulein Kraus gegessen, todmüde.
Sommer, Herbst[:] 1929 August St. Gallen (Operation Duschka durch Brunner)
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Asta Nielsen (1881–1972), dänischer Stummfilmstar; NDB 19, S. 230. Heinz Brauweiler (1885–1976), Journalist, von 1926 bis 1930 Leiter der Politischen Abteilung des Stahlhelm, 1932 / 33 Dozent an der Deutschen Hochschule für Politik; vgl. TB V, S. 18. Theodor Duesterberg (1875–1950), Führer des Stahlhelmbundes; NDB 4, S. 176. Heinz Brauweiler setzte sich 1930 für eine Zusammenarbeit mit der Regierung Brüning ein und wurde daraufhin auf Betreiben Duesterbergs aus seinem Amt entfernt; vgl. Breuer, S. 177. Otto Kirchheimer, Das Problem der Verfassung, in: Jungsozialistische Blätter, 1929, H. 8 (frdl. Hinweis von H. Buchstein, der meint, dass dieser Text als eine Art Dialog mit Carl Schmitt zu verstehen ist). Der eingeklammerte Passus ist unterstrichen.
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29. eingeladen bei Wolfers (T. 1692). JW Auflösung des Enteignungsbegriffes1693 Oktober 29: Barcelona (1694) Plettenberg Duschka nach Berlin zurück () 21. 12. 29 Rücktritt Johannes Popitz als Staatssekretär (mit Hilferding als RFiM).1695 Einsam zu Hause und in der Bibliothek. Vorbereitung der Hugo Preuss-Rede für den 18. 1. 1930.1696
[Adressenverzeichnis] Honig1697, Göttingen, Hainholzweg 24 Reiners, Bonn, Reuterstraße 1a Klein, Kaiserstraße 20, (gegenüber Schwarz), 2. Stock
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Nicht ermittelt; vgl. TB V, S. 81. Carl Schmitt, Die Auflösung des Enteignungsbegriffs, in: Juristische Wochenschrift 58, 1929, Sp. 495–497. (Wiederabdruck in: ders., Verfassungsrechtliche Aufsätze, Berlin 1958, S. 110–123). Gemeint ist der Vortrag, den Schmitt auf dem Kongress des Europäischen Kulturbundes in Barcelona hielt; s. oben, 19.7.29. Während seines Spanien-Aufenthaltes trug Schmitt auch am 23. Oktober in Madrid im Centro de Intercambio Intelectual Germanoespagñol über Donoso Cortés vor; der Text ist unter dem Titel „Der unbekannte Donoso Cortés“ zuerst erschienen in: Hochland 27, 1929, S. 491–496. Siehe auch Abb. im Anhang auf S. 517 und 518. Durch die sich verschärfende Wirtschaftskrise, steigende Arbeitslosigkeit und die Reparationszahlungen geriet die Reichsregierung 1929 zunehmend in Kassenschwierigkeiten (vgl. oben, 30.4.29). Ende des Jahres wollte sie einen Kredit von 330 Millionen Reichsmark bei einem amerikanischen Bankhaus aufnehmen, wofür Reichsbankpräsident Schacht seine Zustimmung verweigerte. Empört über diese Einmischung in souveräne Regierungspolitik reichte Popitz am 21. Dezember seinen Rücktritt ein, dem sich Finanzminister Hilferding anschloss. Zum politischen Beamten Popitz vgl. Florian Meinel, Der Beamtenpolitiker Johannes Popitz, in: Zeitschr. für Ideengesch. XI / 1, 2017, S. 113–118. Am 18. Januar 1930 hielt Schmitt diese Rede auf den Schöpfer der Weimarer Verfassung: Carl Schmitt, Hugo Preuß in der deutschen Staatslehre, in: Die Neue Rundschau XXXI / 12, 1930, S. 289–303 (Korr. Wiederabdr. als Anhang zu: Carl Schmitt, Der Hüter der Verfassung, 5. Aufl., Berlin 2016, S. 161–188). Richard Martin Honig (1890–1981), Professor für Strafrecht in Göttingen, emigrierte 1933 nach Istanbul, 1939 in die USA; Heinrichs, S. 747–752.
[Adressenverzeichnis]327 Alfred Kommnick1698, Duisburg, Neudorfer Str. 143; Marburg an der Lahn, Am Hirschberg Blei, Berlin, Regenburgerstraße 26 pt. Smend, Nikolassee, Prinz-Friedrich-Leopold-Straße 45 Janentzky, Dresden-Blasewitz, Raridingstr. 12 b II Martin Wolff, Charlottenburg 9, Lyck Allee 10 André [Steinlein], Robertsau, rue Sillierrath 23 Scheffer (Vollwart, Hotel Fürstenhof, Dortmund) Del Vecchio, Roma, Via Sardegna 50 Fr. Wolf, Berlin-Tempelhof, talstraße 2 Sent’Mahesa1699, München, Martiusstr. 1, Tel. Herrn v. Grote Herrn Danilo Trumic´, Forstingenieur in Ilok (Jugoslawien) Ascheberg, Kaiserstraße 6 [Klammerzusatz nicht erkennbar] Dr. Kreuz, Endenicher Allee 30 Gerber Qantiusstr. 11 Prof. Bonn, Landgrafenstraße 6 II (Lützow, 5706) Hella von Pobenlé in Scharnberg, Berlin M Carlsplatz 6 I Dr. B. Carroll, 20th street, Washington D.C. Ball, Agnuzzo Lugano, stazione Muzzano Rom, Piazza Pollavola 19, presso Sign. Carvi Neuß, Rom, Camposanto Teutonico, Via Sacrestia 17 (4.–20. Okt. 24) Generalsekretär Dr. theol. F. X. Münch, Köln, Viktoriastraße 15, katholischer Akademikerverband Riemann, Poppelsdorfer Allee 86 II 91 Fräulein Schifrin: 74 Graff Johann Bücheler, Friedrichstraße 30 Ob. Regierungsrat Dr. Alfred Bertram, Hamburg 1, Speersort 28 Münch, München, Kaulbachstraße 11 a Gths [Gartenhaus] II Freyberg, München, Corneliusstr. 15 III Bilfinger, Paulusstraße 4 Sandhagen, Brentanostr., Frankfurt 23. G. Eisler, Hamburg-Kl. Flottbek, Jürgens-Allee 17 V. Klemperer, Dresden A 19, Holbeinstraße 131 Theatiner Verlag, München, Zieblandstraße 11 Dr. Ernst Michel, Frankfurt, Seckbacherlandstr. 46 – Fichardstr. Sopp, Paris V, Hotel du Cèdre, 1 bis Rue Lacépède Rohan, Loosdorf bei Melk, Niederösterreich Janentzky: Dresden A 19, Wartburgstr. 2 / l.
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Alfred Kommnick (1895–?), Autor einer Studie über John Ruskin, s. Tb. III, S. 168. Else von Carlberg (1883–1970), lettische Tänzerin, trat unter dem Künstlernamen Sent M’Ahesa als Ausdruckstänzerin auf. Schmitt kannte sie seit 1923, s. Tb. III passim.
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Frau Dr. Bitter, Vesthaus, Leostraße,1700 Recklinghausen Professor Lux, Münster, Breslauer Straße 1 Rev. Father McKiernan, Bishop’s House, West Maitland, U.S. Wales, Australia C. J. Friedrich 20.6.29 (bei Smend) Palyi, Berlin, Handelshochschule, Berlin C 2 Spandauer Straße 1 Aschaffenburg, Köln-Lindental, Stadtwaldgürtel 30 Spranger, Berlin-Dahlem, Fabeckstr. 13 M. Wolff, Charlottenburg 9, Lyckallee 10 Oberlandesgerichtsrat Weinberger, Wien III, Erdbergstr. 82 / 4 Coenders, Köln, Titusstraße 8 / I Franz Blei, Pommersche Str. 5, (nach Fehrbelliner Platz ) Rudolf Huber, Oberstein (Nahe) Zeitschrift für die Bildung, Kiel-Hassee (Ulrich Peters) Diesterwegstr. 24 Giese, Frankfurt, Rheinstraße 29 Professor Dr. Karl Strupp, Frankfurt, Kettenhofweg 139 Alfred Scholz, Bonn, Riesstraße 22, Dipl. oec. () Dr. Paul Guggenheim, Zürich, Tödistraße 23 Lennart Westlinden, Tegnèrsgatan 31, Stockholm Dr. Walter Rode, Rechtsanwalt, Wien I, Seilergasse Nr. 14 Prof. Dr. H. Rothfels, Königsberg (Preußen), Caecilienallee 17 Seewald, Ubierring 40, Tel. U. 6190 Victor Klemperer, Dresden A 19, Holbeinstraße 131 Dr. Richard Grau, Rechtsanwalt am Kammergericht, Berlin NW 87, Levetzowstraße 9 (Fernsprecher Amt Hansa 412) Heinrich Berl, Karlsruhe, Links der Alb 20 Referendar Jos. Stein, Rheydt, Moltkerstraße 68 Dr. Gerhard, Berlin NW 23, Haendelstraße 11 (Historisches Seminar der Universität, Berlin C 2 ) Huber, Dahlem, Liebensteinstraße 2 / 4 Erwin Jacobi, Leipzig, Straße des 18. Okt. Nr. 17 H. Hefele, Stuttgart, Neue Weinsteige 20 W. Becker, Bachstraße 45, bei Geheimrat Aldenkofen W. Weber, Wülferath, Kaiser-Wilhelm-Straße O. Kirchheimer, Luisenstraße 72 K. Lohmann, Koblenz-Pfaffendorf, Emser Straße (Fabr. Fa. Lüscher & Böniger AG) Emile-Paul Frères, libraires, 100 rue du Faubourg St. Honoré, place Beauvau, Paris Referendar H. R. Liepmann, Potsdam, Kaiser-Wilhelm-Straße 2 Paul Adams, Bonn, Johanniterstraße 4 Gerda Hüttmann, Helmholtzstraße 18 Rektor Josef Aussem, Köln-Mülheim, Wallstraße 124 Poy, Berlin SW 48, Wilhelmstraße 25
1700
Eine Leostraße gab es in Recklinghausen nicht; möglicherweise zu lesen: „Vesdruvag [= Vestische Druck- und Verlags AG], Löhrhofstraße“ (frdl. Auskunft von M. Kordes).
[Adressenverzeichnis]329 E. Isay, Egerstr. 12 Rektor Jos. Wüst, Frankfurt a. M., Bismarckallee Friesenhahn, Roonstr. 21 Dr. Salery Mansour, Viceconsul Royal, d’Egypte, Alép. Steiniger, Berlin-Wilmersdorf, Sigmaringer Straße 26 Sopp, Mülheim-Ruhr, Mührenkamp 11, Tel. 2680 Vleeschhouwer, Rotterdam, Shickade 128 B Singer, Hamburg, Gryphiusstr. 9 Lenel, Heidelberg, Plöck 48 Agnèse Pozzi Paul Adams, Germania, Berlin C (Merkur 3109 ff.) Jos. Wüst, Frankfurt a. M., Bismarckallee Sternthal , Innsbrucker Straße 6, Stephan 7215 Kamnitzer, Cunostr. 53, Ecke Str., Potzburg 6689 Prof. Meusel, Aachen, Marienplatz 3 W. Haas, Berlin W 35, Steglitzer Str. 75
Carl Schmitt Paralleltagebücher 1925 bis 1929
1. Paralleltagebuch Die folgenden, mit Ausnahme weniger klarschriftlicher Einsprengsel in Gabelsberger Stenographie verfassten Notizen befinden sich im Nachlass Carl Schmitt unter der Signatur RW 265 Nr. 19604. Sie sind in einem Notizbuch mit festem Einband, Format 10,8 x 17 cm, enthalten, dessen Inhalt in drei Teile gegliedert ist. Der erste Teil im Umfang von ca. 70 Blatt enthält umfangreiche Aufzeichnungen zu den Sermones von Papst Innozenz III. sowie schwer datierbare Notizen aus der Zeit 1934 bis Ende der 1930er Jahre. Im zweiten Teil im Umfang von 87 Blatt sind Notizen aus der Zeit von 1925 bis 1928 festgehalten, die nachfolgend abgedruckt werden. Der dritte Teil im Umfang von 44 Blatt ist bereits in TB V veröffentlicht worden. Die Originalblätter sind mit wenigen Ausnahmen von Carl Schmitt nummeriert; da die spärlichen Datumsangaben nicht konsistent sind, ist die Blattzahl mit angegeben. gegenüber 1r Die Rückkehr des verlorenen Sohnes:1 L’enfant prodigue – kommt zurück, setzt sich zum Vater an den Tisch, schlägt ihn als eine biologisch wertlose Person beim Festmahl nieder, plündert mit seinen aus dem Hinterhalt hervorbrechenden Kumpanen das Haus und richtet sich dort als der wahre Eigentümer ein. Dieser Betrug; die List der Idee; der gute Weber glaubt daran, preußisch deutscher Irrtum; in diesem Einwanderungssystem ist ja fast nur List, oder nur soviel Idee als zum Betrug ja nötig ist. 1r Prof. Carl Schmitt, Bonn a. Rh. Blumen des [etwa 3 Wörter] Blumen der Qual () Aus dem Nachlass eines Gehenkten Aus dem Nachlass eines Geköpften Metaphysische Hochzeitsreise – übrigens Sonnenblicke von einer metaphysischen Hochzeitsreise Der Sonnenblick Metaphysischer Sonnenblick von einer physischen Hochzeitsreise
1
Die Rede ist von dem Roman „Le Retour de l’enfant prodigue“ von André Gide; s. oben, S. 272.
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1. Paralleltagebuch 1v
Herr Wolfrum2, Kleiststraße 40 Über den Namen „“ komme ich nicht hinweg. [5 Zeilen] cog. erg. s.3 Ich denke, also bin ich. Ich träume, also bin ich nicht. „Millionen Nachtigallen schlagen“4 5 cogito ergo sum , 43 Heute Abend Magda 1(a)r Dieses Buch warf ich ins Meer [2 Zeilen] Nov. 1925 Freie wachen Ein Schiff sinkt, Ein Mensch schläft ein. Sklaven schlafen Sklaven träumen, Freie sind. Der Papst ist der Nachfolger Petri, aber nicht der Nachfolger Christi, sondern der Statthalter, vicarius Christi, nicht der vic. Petri. Also 2 sehr verschiedene Kontinuitätsreihen. Christus ist immer in der Kirche, auch Petrus ist immer in der Kirche, und verleugnet den Herrn. Schön, aber lassen wir diese theologischen . Es gibt Menschen, die sich plötzlich moralisch aufrichten, aber nicht, wie ein Mensch, der am Boden lag, aufsteht, sondern wie eine Schlange einen Teil ihres Körpers von der Erde schnellt; das ist ein Zeichen besonderer moralischer Bosheit.
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Freie wachen, Sklaven schlafen.
Im Berliner Adressbuch 1926 findet sich: „Wolfrum, Otto, Prof., Ob.Studiendirekt., Steglitz, Lutherstr. 11“. cogito ergo sum, „Ich denke also bin ich“; Maxime des Philosophen René Descartes (1596–1650). Schmitt hat in dieser Maxime den Beginn der Romantik gesehen, insofern sie „den Menschen an einen subjektiven und internen Vorgang, an sein Denken, statt an die Realität der Außenwelt“ wies. Carl Schmitt, Politische Romantik, 5. Aufl., Berlin 1991, S. 78. Titel eines Gedichts von Theodor Däubler aus der Sammlung „Das Sternenkind“ (1916). Ebd.
1. Paralleltagebuch335 Othello III,3 Vertauschung der Begriffe, schwarz und weiß, wahr und falsch, recht und unrecht. Ich denk, mein Weib ist treu, und ist es nicht; ich denke, du bist brav, und bist es nicht; ich will Beweis. Ihr Name, einst so weiss wie Dianens Antlitz, ist plötzlich wüst und schwarz wie mein Gesicht. – Er will Beweis, den Beweis, dass er dumm ist. 2r Stabilität und Publizität. Auflösung aller Begriffe: Gerechtigkeit der Steuer setzt voraus, dass sie nicht abgewälzt werden kann (wie nach alter Auffassung die direkte Steuer). In Wahrheit wird sie abgewälzt (wie die Lohnsteuer!). Publizität ist eben in der Wirtschaft unmöglich. Man weiß überhaupt nicht mehr, wer bezahlt; wer bezahlt denn Steuern: der Arbeiter, der Arbeitgeber; in Wahrheit sagt der Arbeitgeber, bezahle ich sie; usw. Wer entscheidet? Der Mangel an Stabilität, die Unsicherheit ist die Macht des modernen Lebens. Deshalb muss die Unsicherheit stabilisiert werden, damit dieses Leben nicht aufhört (daher kein Fideikommiss, kein Erbrecht, kein Vermögen, sondern Einnahmen, keine Substanz, sondern Funktion, keine Statik, sondern Dynamik). Das System dieser Unsicherheit ist sehr konsequent. Was gegen sie vorgebracht wird, als Einwand, dient gerade zu ihrer Rechtfertigung. 1) Der alte Einwand z. B. gegen die kapitalistische Wirtschaftsordnung, dass sie beständigen Krisen ausgesetzt sei und daran zugrunde gehe, wird dadurch widerlegt, dass die Krisen eine „Selbststeuerung“ der Produktion sind, Absatzstockungen beseitigen, unrentable Betriebe ausscheiden und damit ein notwendiges Element wirtschaftlicher Ordnung werden. Also kein status quo, weil überhaupt kein status. Keine Sicherheit, kein Frieden; das sind alles mittelalterliche Begriffe. [auf Bl. 1(a)v:] 2) Faraday, Democracy and Capital, London 1922, S. 36: [„]the whole tendency of modern civilization and particularly the modern view of the family, is against the concentration of capital in fewer and fewer hands.[“]6 Also der Einwand, der gegen den Kapitalismus erhoben wird, dass er die Familie vernichtet und die generationsverbindenden Einrichtungen wie Adel und Fideikommiss beseitigt hat, rechtfertigt ihn gerade, weil auch hier der Gedanke der „Selbststeuerung“ auftritt; daher große Unbeweglichkeit und die damit verbundene Unsicherheit, welche verhindert, dass der Kapitalismus sich selbst aufhebt und immer weiter andauert! Wahrlich, das perpetuum mobile.
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Wilfred Barnard Faraday, Democracy and capital, London 1921 [!].
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1. Paralleltagebuch
Relativismus ist und bleibt diese Unsicherheit. Das meint man, wenn man heute an den Relativismus glaubt. Man glaubt an die Richtigkeit und Wahrheit dieser Unsicherheit; an die Sicherheit dieser Unsicherheit. Gibt es überhaupt eine relative Wahrheit? Was hat die Relativität mit der Wahrheit zu tun? Der Kompromiss ist gern der Verzicht auf die Wahrheit, nicht die Relativierung der Wahrheit, sondern etwas ganz anderes, ein Weg, die Wahrheit neutral zu machen, ein Ausweichen und Umgehen. Das Relative will gar nicht wahr sein, auch nicht relativ wahr. 4r7 Othello, wie sein germanischer Name italienisiert ist, so dass man seine Rasse nicht mehr erkennen kann, [so] sind auch die Namen dalmatinischer Städte mit einer italienischen Draperie überworfen, und statt des offiziellen Namens Split sagt man Spalato, aus Dubrovnik wird Ragusa, aus Cotor Cattaro, statt Sibenik: Sebenico. Die Heimatlosigkeit des Othello ist nicht die eines Proletariers, der niemals eine Heimat gehabt hat und keine haben will; oder doch: seine Heimat ist die Wüste; das ist keine Heimat. (Seine Heimat ist nicht die Wüste, er hat eine Mutter, von der er spricht und ist aus fürstlichem Stamm). Er ist nicht heimatlos, er ist der Fremde. Die Heimatlosigkeit, Entwurzelung ist die Unmöglichkeit des Vertrauens: Ich glaube, dass mein Weib treu ist, und ist es nicht; ich glaube, dass du brav bist, und bist es nicht. Die Vernichtung des Vertrauens und der Möglichkeit einer Wahrheit. Das ist die Vernichtung des Wissens, hervorgehend aus der Vernichtung des Glaubens und Vertrauens. [1 Zeile] Othello: Seine Eifersucht enthält natürlich ein Gefühl der Konkurrenz, einer gefährlichen und bedrohenden Konkurrenz. Aber auf wen ist er eifersüchtig? Doch nur auf Cassio, nicht auf jeden beliebigen, d. h. auf einen wohlerzogenen Mann aus guter Familie, mit guten Beziehungen, auf Cassio, der auch prompt an seiner Stelle zum Gouverneur auf Cypern ernannt wird; auf Cassio, der einmal, an einer höchst merkwürdigen Stelle ein „Römer“ heißt; IV,1 (S. 61): Triumphierst du, Römer, triumphierst du? Do you triumph, Roman? do you triumph? Dabei ist doch Cassio nach I,1 ein Florentiner! (Anfang). Der Proletarier hat das Gefühl des Betrogenseins; weniger das Gefühl der Konkurrenz (dazu gehört noch Aktivität; das Gefühl der Konkurrenz ist kein individualistischer Komplex, daher nicht proletarisch). Othello ist der Einsame, der insolente Einzelne, der Fremde, nicht der Proletarier; weder bürgerliche Konkurrenz mit ihrer besonderen Angstaktivität, noch proletarisches Gefühl des prinzipiellen, systematischen Betrogenseins. Farbe: III,3 (S. 54): Schwarze Rache (black vengeance). 7
„3“ fehlt in der Paginierung.
1. Paralleltagebuch337 4v [2 Zeilen] Mir wird der Begriff des Betruges zu kompliziert: Wann ist einer betrogen? Wenn ein Irrtum in ihm erregt wird und er geschädigt wird. Aber ist nicht alles ein Irrtum (ist nicht der Irrtum das Leben) und was ist ein Schaden? Ich weiß nichts mehr. Jago ein Produkt von Othello? Er ist auf Cassio eifersüchtig.
5r Das Gefühl des Betrogenseins. Welch eine Bosheit: Wovon leben die Menschen? Einer betrügt den anderen! Ich aber betrüge sie alle. Welche Bosheit! Betrügen und betrogen werden ist immer gleich; je größer der Betrug, umso größer die Überlegenheit. Der Fürst dieser Welt betrügt uns alle. (Und betrügt sich selbst) Illyrien: Meštrovi´c, die Statue des Marko Maruli´c8: die große Geste des überzeugten Schreibens. Auch Othello missbraucht die Sakramente: 1) er schwört, niederknieend (III,3) Now by yond marble heaven, In the due reverence of a sacred vow. I here engage my words. Nun beim kristallnen Aether, / mit schuldger Ehrfurcht vor dem heil’gen Eid / verpfänd ich hier mein Wort. (Dann sofort die schauerliche Parodie: Jago kniet ebenfalls und schwört auch). S. 54. 2) Aus der Ermordung macht er eine sakrale Opferhandlung, er fragt Desdemona, ob sie gebetet habe, und als er in Wut gerät, sagt er der Frau: Du machst zum Mord, was ich beginnen will, was ich als Opfer meinte. A murder which I thought a sacrifice (S. 84). Jago ist ein Florentiner (Macchiavelli?) (III,1, Anfang) Cassio sagt: Ich kannte nie ’nen Florentiner so brav und freundlich wie dieser (herrlich). Cassio ist nach I,1 Anfang ebenfalls ein Florentiner! 6r Du darfst das Geheimnis nicht verraten! Das Geheimnis ist, dass es kein Geheimnis gibt. Alle, die Erfolg gehabt haben, wissen dass es kein Geheimnis des Erfolges gibt; dass es eine dumme, platte Sache ist. Diejenigen, die etwas anderes meinen, haben eben nur halben Erfolg gehabt. Der große, definitive, restlose Erfolg hat kein Geheimnis. Noch weiter „stre-
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In Split steht die von dem Bildhauer Ivan Meštrovi´c (1883–1962) geschaffene Statue des kroatischen humanistischen Dichters Marko Maruli´c (1450–1524).
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1. Paralleltagebuch
ben“. Aber alle Erfolgreichen kennen dieses Geheimnis und verraten es nicht. Es kann auch gar nicht verraten werden, denn nur die Wissenden wissen, dass nichts zu wissen ist. Sir Henry Maine, Ancient law, From Status to Contract.9 Das Mittelalter mit seinen statischen Zuständen war ganz vom Vertrag beherrscht, alles Vertrag, Kapitulationen, Ständeverträge, Eidgenossenschaften usw. Also Vertrag ist gar nicht der Gegensatz! Oder liegt der Unterschied im Vertrag selbst: Der mittelalterliche Vertrag ist statisch, fest, wird beschworen, kannte keinen Rücktritt, keine Anfechtung wegen Irrtums oder wegen Betrugs (Augen auf, Kauf ist Kauf); kein cl. r. s. st.,10 kannte vor allem die Fiktionen des Vertrags. (Kontrakt = Kompromiss; stummer Tausch ist möglich; das ist also noch keine Diskussion!) Mendelssohn-Bartholdy: Der gesprächige Küster einer hundert Jahre alten Quasi-Religion, der Ammophila11. Dezember 1925: Von der Eifersucht des Othello zu sprechen ist eine dumme Redensart. Besonders dumm, z. B. wenn Stendhal von Byron sagt oder Byron von sich selbst andeutet, er habe „die Tat des Othello“ begangen, d. h. aus Eifersucht eine Frau getötet. Othellos Eifersucht ist doch nicht die eines verliebten Menschen. Das wichtigste ist, dass Othello der Gatte der Desdemona ist und dass eine Untreue seiner Gattin nicht einfach ein Betrug und eine Blamage wäre, sondern die Existenz des Othello sinnlos macht. Wie liebt er dann überhaupt die Desdemona? Sie liebte mich, weil ich Gefahr bestand, ich liebte sie um ihres Mitleids willen.12 Das ist doch keine psychologische Grundlage für eine Eifersucht in dem üblichen Sinn. Er hat als Fremder eine Florentinerin geheiratet; das ist seine Position; inzwischen fürchtet er die Konsequenz der Sinnlosigkeit einer solchen Verbindung; und ist eifersüchtig, doch nicht auf irgend jemand, sondern auf Cassio, den Florentiner aus guter Familie. [dazu auf Bl. 5v:] Peinlich: Eifersucht als Furcht. Die Eifersucht des Othello könnte man auch mit strindbergischen Gefühlen verstehen. Die Eifersucht Strindbergs ist die einer Frau. Strindberg hat sich übrigens, obwohl er sonst die ganze Literatur heranzieht, nicht um Othello gekümmert. Er hätte höchstens die dumme Bemerkung machen müssen:
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Henry Sumner Maine, Ancient law. Its connection with the early history of society and its relation to modern ideas, London 1861 (u. ö.). clausula rebus sic stantibus (Klausel der gleichbleibenden Verhältnisse), Bestimmung des römischen Rechts, wonach Verträge nur so lange gelten, wie sich die Geschäftsgrundlage nicht grundlegend ändert. ammophila = Sandwespe. Othello, I,3. – Über Gretha und Ernst Jünger sagte Schmitt: „Sie liebte mich, weil ich Gefahr bestand; / Ich liebte sie um ihrer Schönheit willen.“ Ernst Jünger, Sämtliche Werke 22, S. 192.
1. Paralleltagebuch339 7r Othello habe gefühlsmäßig recht gehabt, er habe die noch nicht realisierte Untreue der Desdemona geahnt, und sei, sozusagen, zuvorgekommen. Das wäre strindbergisch und gleichzeitig proletarisch dumm. Man hat schon gesagt, dass Othello nicht eifersüchtig ist. Dostojewski hat gesagt, er ist das Gegenteil, er ist vertrauensselig.13 Das ist alles noch Psychologie. Im Nebel der Psychologie ist jeder eifersüchtig, auch vertrauensselig und ebenso ein allgemeines „und umgekehrt“. Die Psychologie ist ja „der Stock mit 2 Enden“.14 Davon könnte man unendlich sprechen ohne zum Schluss zu kommen. Das Wichtigere ist aber, dass Othello auf klaren Begriffen beruht, Begriffe, Entscheidungen und Instruktionen. Hier handelt es sich um das Ganze. Mendelssohn-Bartholdy15 ein Zwischenprodukt: zwischen den Kulten, zwischen den Generationen, zwischen den Rassen, zwischen den Nationen, zwischen den Ideen, zwischen den Fakultäten; Synthese von Bewunderung für jiddische und englische Kultur, das Recht, weder zu einem echten Juden noch zu einem echten Engländer, aber er meint, ein Westdeutscher kam mindestens dabei heraus. Wie traurig, dass die Franzosen aus Bonn weggehen; inzwischen gehen die Soldaten weg; inzwischen ist das Rheinland militarisiert; inzwischen kommt sogar der entmilitarisierte Hindenburg, der entmilitarisierte Generalfeldmarschall, und hält Reden.16 Wie traurig ist das alles. Rome n’est plus dans Rome.17 Oder der Papst spricht über als neue . Die kindliche Freude an jedem Vers des Othello. Tausendmal kann ich mir sagen: Anthropophagen, die einander fressen. Staat, Regierung, Parlament und andere politische Menschen in der modernen Demokratie: die und Liftboys in einem Bankbetrieb. [3 Zeilen]. 8r Die moralische Bedeutung des Geldes: 1) Sparsamkeit; die Kontinuität des Daseins beruht in der Geldwirtschaft auf dem Gelde; zwischen einem armen und einem reichen Menschen ist ein qualitativer Unterschied; der
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„Aber Othello wird sich nicht verstecken, er wird auch nicht argwöhnisch sein, wird nicht spionieren, nicht auflauern: er ist vertrauensselig!“ Fjodor M. Dostojewski, Die Brüder Karamasoff, München 1992, S. 619 f. Auch hier zitiert Schmitt Dostojewski, a. a. O., S. 1194. Die Rede ist von Albrecht Mendelssohn-Bartholdy; vgl. oben, TB Ende 1925. Am 22. 3. 1926 kam Reichspräsident Hindenburg nach Bonn, um die Befreiung des linksrheinischen Gebiets von den Franzosen zu feiern. Am 23. besuchte er die Universität, die ihm die Ehrendoktorwürde verlieh. „Rome n’est plus dans Rome, elle est toute où je suis.“ So lässt Corneille den römischen Feldherrn Sertorius in seinem gleichnamigen Drama (III,1) sagen.
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1. Paralleltagebuch
Arme wird nur dadurch erträglich, dass er die Möglichkeit hat, ein reicher Mann zu werden. (Analogie mit der Erziehbarkeit!) 2) Aber auch als der neutrale Boden gegenüber allen religiösen und moralischen und geistigen Differenzen: Wir wollen alle Geld verdienen; dann ergibt sich alles andere von selbst; darum brauchen wir uns nicht zu kümmern. Ähnlich wie in den Geisteswissenschaften das natürliche System: Wir suchen einen Boden, auf dem wir uns einigen können. Über geschäftliche Dinge kann man sich einigen; über metaphysische und moralische Fragen nicht, außer der einzigen, dass jeder die Pflicht hat, Geld zu verdienen. Die moralische Neutralität der geschäftlichen Sachlichkeit; die Überlegenheit des Wirtschaftlichen über das Politische: über das Politische kann man sich nicht verständigen; wohl über sachliche Chancen und berechenbare Kräfteverhältnisse. Lucien Romier sagt (Expl. d. n. t., p. 207)18 on sait que le régime soviétique lui-même négocie plus volontiers avec les compagnies ou groupes financiers q’avec le gouvernement. 3) Berechenbarkeit, Normalität des Verhältnisses. Die Gesellschaft würde sich auflösen, wenn die Menschen das Geld verachteten, wie die Russen. 8(a)r Rom schwächt den Starken und tötet den Schwachen. Die Kirche wartet auf den Ausgang des Kampfes zwischen den imperialistischen Mächten, um sich dem Sieger anzuschließen; wie eine Hirschkuh in aller Ruhe das Ende des Kampfes zwischen den Hirschen abwartet. Locarno – ein Anfang; Alles ist ein Anfang, normaler Anfang eines unendlichen Organs; also kann man die Phantasie erregen; das ist politische Romantik. Deutschland ist entmilitarisiert und locarnoisiert; ein entwaffnetes Volk kann ebenso wenig die moralische Autorität des Staatlichen für sich beanspruchen, wie ein Eunuch von seiner Frau eine besondere Treue erwarten kann. Er kann nicht einmal eine gültige Ehe schließen. Peter Wust: er schreit immer noch: Rückkehr aus dem Exil;19 und bietet so den Anblick des Offiziers in Strindbergs Spiel, der alt geworden ist und mit grauen Haaren und einem verwelkten Blumenstrauß in der Hand noch „Victoria“ ruft. [1 Satz]. Zu Kelsen: Der österreichische Staat ist allerdings ein Kompromiss, nämlich der anderen (völkerrechtlichen Existenz des Staates bei Sander!20). Ein Staat existiert, weil er wird! Autarkie ganz vergessen!
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Lucien Romier, Explication de notre temps, Paris 1925; s. oben, TB vom 26.12.25. In seinem Buch „Die Rückkehr aus dem Exil“ (Düsseldorf 1926) forderte Peter Wust die Katholiken auf, aus dem abgeschlossenen Milieu, in das sie sich seit dem Kulturkampf begeben hatten, herauszukommen. Fritz Sander (1889–1939), Jurist, wandelte sich vom Anhänger Kelsens zu seinem scharfen Kritiker; NDB 22, S. 420 f.
1. Paralleltagebuch341 Und werde ich einst begraben, dann schlägt man mir die Trommel bum, bum. Das ist mir zehnmal lieber, als aller Pfaffen Gebrumm! 9r Die deutschen Katholiken sind die nègres des romanischen Katholizismus. Laienapostolat, d. h. der Laie darf den politischen, publizistischen oder propagandistischen des Klerus machen und bekommt dafür einen Segen. Die deutschen Kardinäle spielen im römischen Kardinalskollegium ungefähr die Rolle der Betriebsratsmitglieder im Aufsichtsrat. Die Zustände in der römischen Kirche haben mit Christentum nicht einmal soviel zu tun, wie die Zustände in den Vereinigten Staaten mit der Freiheit, oder die Zustände in Sowjetrussland mit dem kommunistischen Zukunftsstaat; und Christus ist nicht der nègre der römischen Kirche; es muss einen Gegensatzbegriff zum nègre geben: ebenso schlecht behandelt, aber immer vorgeschoben, der König in einer in allem beherrschenden Institution; der letzte Zar, derjenige, in dessen Namen alles geschieht und der infolgedessen nichts zu sagen hat. Othello, le nègre, er reißt seine weiße Frau in seine Dunkelheit, die weiße Frau reißt ihn nicht ins Licht. Anfang eines Buches: Ich werfe dieses Buch in die Welt wie ein Schiffer seine Botschaft in einer Flasche ins Meer wirft. Wie ein Seeräuber angibt, wo er seine Schätze vergraben hat. Nachts: die missa dulcis.21 10r Aufgefangene Sätze: Anfang eines unendlichen Romans: Warum übrigens Anfang? Warum nicht Mitte, Steigerung, warum ich. 3., 4., 5., das 121. Kapitel? Wie dumm diese romantische Auflösung der Begriffe, die doch immer einen Begriff voraussetzen! Von dem Moment an wusste ich, dass ich einen Gegner habe; vorher hatte ich das nicht gewusst. Ich sage dir, in 2 Jahren ist dir das Mädchen ganz unausstehlich. Selbstverständlich wusste ich sofort, was los ist. Sie dürfen von mir nicht glauben, dass ich mit jedem ginge. 14. 2. 25 Ich fragte Peterson, warum Christus niemals gesagt hat: Ich bin Gott; er wusste eigentlich keine Antwort; er sagte: auf die Frage des Hohen Priesters: Bist du der Sohn des lebendigen Gottes, habe er erwidert: Du hast es gesagt. Dann fragte ich: Warum antwortete er nicht: ich bin es, oder: Ja? Duschka saß dabei; ich fragte sie dasselbe, sie antwortete sehr ruhig: Gott 21
Missa dulcis amica Dei, eine 1536 komponierte Messe von Pierre Certon, Kantor an der SainteChapelle in Paris.
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kann nicht sagen: Ich bin Gott, oder auf die Frage: Bist du Gott, antworten: Ja. Das rührte mich sehr. Jeden Sonntag wird in der katholischen Kirche ein Stück des Evangeliums vorgelesen, wird der in der Liturgie gefangene König gezeigt von Priestern, an Händen und Füßen gefesselt; Ecce rex; und blickt mit traurigen Augen auf sein Volk. Wie ein geisteskranker König von den Bürokraten seiner Regierung behandelt wird, so erscheint Christus in der römischen Kirche. Was bin ich denn als katholischer Laie mit meinem für die katholische Kirche? Der liberalistische Diener eines alten, verkalkten Feudalherrn; de M.[aistre], Bonald,21a D.[onoso] C.[ortés] waren Romanen und waren Adelige, ich bin ein armer deutscher Teufel; mach dich nicht lächerlich; armer Sakristeiputzer. 11r Ich bin ein Sohn der römisch-katholischen Kirche. Ich bin meiner Mutter zur Dankbarkeit verpflichtet, ich schulde ihr Respekt und Verehrung. Aber ich bin nicht verpflichtet, mein Leben lang Kind zu bleiben und in dem Zustand affiger Folgsamkeit zu verharren, in dem sie mich wie ein Kind behandeln kann. Ich wachse und werde groß. Das ist das Schicksal der Mütter, dass ihre Söhne heranwachsen. Sors de l’enfance.22 Was hast du dir eingebildet! Du bist kein Sohn, du bist ein Schuhputzer und Hausdiener der Italiener, die die Kirche beherrschen. 18. 12. 25: Duschka erzählte mir von ihrem Traum aus dem Herbst 1918: Sie sieht aus dem Bild von der Auswanderung der Serben, das über ihrem Bett hing, deutlich eine Hand herauszucken; die Hand weist in eine Ecke des Zimmers, sie schaut in die Richtung und sieht deutlich mein Gesicht. Als sie mich am 22. Januar 1923 zum ersten Mal sah, wusste sie gleich, dass ich dieses Traumbild bin. Wer sich grün macht, den fressen die Ziegen; wer sich schwarz macht, den fressen die Pfaffen. Paracelsus (selbst ehelich): „Denn die Dinge sind allein Gott befohlen. Will er dich ehelich han und will er Kinder von dir han, so hilft dein Gelübt, dein Verheischen nichts, noch dein Jungfrauenschaft. Willst du nit in die Ehe und willst den Namen keusch behalten, so fallen Plagen über dich, daß die Werk, so du ehelich tun solltest, in Hurerei verzehren mußt, sodomitisch, gomorreisch, und in allem üppigsten Lastern. Das sind die Plagen, so über die geht, die Gott ehelich will haben und sie wöllens nit tun.“ (Zitiert nach [Franz] Spunda‚ Paracelsus, 1925, S. 68).
21a Gabriele 22
Lorenz, De Bonald als Repräsentant der gegenrevolutionären Theoriebildung. Eine Untersuchung zur Systematik und Wirkungsgeschichte. Frankfurt a. M. 1997. s. oben, TB vom 6.2.26.
1. Paralleltagebuch343 Auch Kaufmann, der Advokat in der Politik, betrachtet alle Fragen unter dem Gesichtspunkt des aussichtsreichen Plädoyers. Wenn er die Locarno-Verträge liest, so freut er sich über die vielen Prozesse, die hier möglich sind und für die man so glänzende Advokatenstücke liefern kann, Denkschriften und Gutachten, Klagen und Gegenklagen, Beweisaufnahmen und Plädoyers. Wie der Köhler, in der Sage von Friedrich II., den man zum Kaiser gemacht hat und der nun zu allen Dingen nichts zu sagen weiß als: Heute ist gutes Wetter zum Kohlenmachen, so weiß er zu allem nur den Satz: Wo gibt’s ein paar gute Prozesse. 12r Duschka: Ich glaube an Gottes Gerechtigkeit; auf die Dauer wird der Böse bestraft. Ich: Gottes Gerechtigkeit gibt es nur noch in Agrarländern. Ekel vor dem Bild von Stresemann, der mit seiner dicken Visage neben dem Bauernfänger Chamberlain und den anderen Regierungsvertretern steht. Dazu die halbnackte Frau Chamberlain. Ein besoffener Barbarenfürst [Wort gestrichen, darüber: Soldat]‚ der sich geweigert hat, in eine solche Gesellschaft zu gehen. Alle verlangen Geld von mir, Steuern, Trinkgelder, Rechnungen; ich muss bezahlen, bis ich schwarz werde. (Ich fühle, dass ich schwarz werde; welche unbewusste Sicherheit des Ausdrucks! Das wird als Witz empfunden und ist scheußlichste Wahrheit). Schwarz wie Othello. Die schwarz beleckten Parasiten der Verzweiflung, der Angst und der Unsicherheit. Wenn diese Trübung im schlechten Geiste eintritt, sammeln sie sich wie die Würmer an einer faulen Stelle. Esel zitieren mit besonderer Genugtuung den Ausspruch Napoleons: Mit Bajonetten kann man alles machen, nur nicht daraufsetzen. Sehr richtig. Aber mit Bajonetten kann man einen von seinem bequemen Sitz vertreiben und sich dann sehr bequem setzen. 1926 Die Anekdote von dem Kardinal23 Ludwigs des XIV. „Schwätze mit Euresgleichen, aber nicht mit mir.“ Ein Beweis dafür, dass da, wo es eine Hierarchie der Stände gibt, jeder seine Ehre und Würde hat, die nicht vernichtet werden kann; während in der jeder alle als seinesgleichen anerkennen muss. Komische Sitzung: Die energische Tante, die mit ihrem Neffen ein ernstes Wort redet und die kleine, harmlose Nichte aus dem Zimmer bekommen will: Hole mir mal das Tuch, oben im Zimmer, auf der Kommode. Lotte geht ahnungslos und bringt nach einigen Minuten das Tuch. Dann wird sie von der Tante angebrüllt: Du Rindvieh, hast du denn nicht gemerkt, dass ich das nur gesagt habe, um dich aus dem Zimmer zu bringen?
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Gemeint ist Jules Mazarin (1602–1661); BBKL 14, Sp. 1241–1245.
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1. Paralleltagebuch 13r
Bürgerkönigtum, Bonapartismus, katholische Parteien, Demokratie, alles das sind ja nur Übermalungen, die der Unfähigkeit entspringen, den neuen Stil zu finden. So werden die Menschen nach der Einführung der Zentralheizung eine Zeitlang noch das Bedürfnis haben, gemaltes rotes Feuer in einem völlig überflüssigen „Kamin“ anzubringen oder die elektrischen Lampen nach Art der Petroleumlampen zu stilisieren, so bringen sie auf ihrer neuen sozialen Architektur solche lächerlichen Verzierungen an. Die Juristen sind die Dekorateure und Perückenmacher und nennen das Positivismus. Positivismus müsste indessen sein, die Klassen zu durchschauen. Romantischer Schwindel: Orplid. Die Assoziationen: Or (Gold) und Lied (das romantische Lied) verwischt durchs p. Der Schluss des Gedichtes, der großartig ist: Könige, die deine Wärter sind,24 gestohlen aus dem Psalm: wie alles Großartige, auch bei Nov.[alis], aus Kirchenliedern gestohlen; säkularisierte Religion. Napoleon, trotz aller militärischen Siege, schließlich besiegt; Deutschland, trotz aller militärischen Siege schließlich besiegt. Hier liegt ein Zusammenhang. Von England besiegt. Die Notwehr gegen den Amerikanismus und das traurige Ende Europas. Ich bin ein Minimalist; von unten an; irrt sich beim kleinsten Anfang; das Problem umschleichen. Minderheit und Menschheit; die Minderheit ist der Menschheit nötiger als die Majorität. [mehrere Wörter] Sei vorsichtig, wenn du mit besonders delikaten Leuten zu tun hast. Es gibt eine besondere Art von Sensiblen, darunter übrigens in besonderer Weise wieder eine Art von übergebildeten Juden, die mit solchen überraschend delikaten Aufmerksamkeiten oder Würdigungen nur eine grauenhafte Rücksichtslosigkeit und Taktlosigkeit kompensieren; diese bleiben immer in Substanz und dringen im entscheidenden Augenblick durch. 14r Die Jahrtausendfeier stand wahrscheinlich unter englischer Regie und sollte die Franzosen nachgiebig machen. Ich selbst habe mich mit einem besonders und eindringlichen Vortrag daran beteiligt, ohne zu wissen, dass ich das Instrument war.25 Halb wusste ich es vielleicht doch. Jedenfalls sehe ich es inzwischen ganz. Sollte man deshalb die Jahrtausendfeier unterlassen? Keineswegs.
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Die Rede ist von Mörikes Gedicht „Gesang Weylas“. Die Rede ist von der Jahrtausendfeier der rheinischen Zentrumspartei am 14.4.25 in Köln, wo Schmitt seinen Vortrag „Die Rheinlande als Objekt internationaler Politik“ hielt, s. oben TB vom 24.4.25.
1. Paralleltagebuch345 Christus ist erstanden? O nein, Christus ist verschwunden. Warum? Wahrscheinlich wurde es ihm in der römischen Kirche zu dumm; der pietistische Unfug zu groß. Othello, : der Rabe (schwarz) kreist um die verfallenen Gemäuer, (das Symbol der Auflösung durch Eifersucht) III. [Akt] Othello an der Leiche Desdemonas: Jetzt, wie siehst du jetzt aus? Du Weib des ! Weiß wie dein Hemd!26 Die Eifersucht kann gar nicht das Primäre sein; sie ist immer eine Form, ein Reflex anderer Zustände. (Es ist ja heute so, dass ich nicht einmal weiß, ob er recht hat mit seinem Gejammer; es gibt eben gar nichts mehr [zu beurteilen], ob [es] ungerecht [war] sie zu töten und [er] gut daran tat). Die der Gesetzanwendung und ihrer selbstständigen Bedeutung: weiter nichts als die Entdeckung der Situation, noch ganz unsystematisch und bloß ahnend. Entdeckung der Situation = Entdeckung des Ahnens. In den Großstädten, den moderner Industrie und Technik, muss der Mensch verlogen werden, die moralischen Instinkte verlieren, eine abscheuliche Humanitätsschweinerei, verbunden mit einer ekelhaften Borniertheit. „Jene Wesen werden ein Bauer.“ Soll man auf Proletarier hoffen? Unsinn, nur solange sie noch Bauern sind, wie in Russland. Der Zentrumsabgeordnete, Reichskanzler a. D. Marx27. Seine einzige Funktion ist die Idee der reinen Weste zu repräsentieren; dass man sagen kann: Ich bin bona fide. Der Soldat: Wie schön der Hauptmann von Kapharnaum: Ich selbst bin der Obrigkeit untertan und habe Dienstleute unter mir, wenn ich zu einem sage, geh, so geht er usw. Wie schön die Geschichte des sterbenden Condottiere, Giovanni dalle Bande Nere28, der einen Mönch kommen lässt und sagt: Du bist ein Mönch, du lebst wie ein Mönch und du tust gut daran; ich bin ein Soldat, ich habe wie ein Soldat gelebt und tat gut daran; also gibt mir die Absolution. Ist das Dezision? Ist das nicht etwas viel Substantielleres?
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V,2. In der Übersetzung Wolf Graf Baudissins heißt die Stelle: „Ach, wie siehst du nun aus, o Kind des Jammers, / Bleich, wie dein Tuch!“ Shakespeare, Sämtliche Werke, Bd. 3, Heidelberg 1978, S. 771. Wilhelm Marx (1863–1946), war 1923–1925 und 1926–1928 Reichskanzler; NDB 16, S. 348–350. Giovanni dalle Bande Nere (1498–1526), einer der letzten großen Condottiere.
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1. Paralleltagebuch 15r
Kelsen: Der Sinn fürs Quantitative spricht sich etwa auch im Volumen seiner Bücher aus, wie denn ein bescheidener Gedanke zu vielen hundert Seiten aufgetrieben ist. Durchaus konsequent: wenn es wahrscheinlicher ist, dass 1000 Menschen eher Recht haben als 10 Menschen (etwa 1000 Neger besser wissen, was Deutschland nützlich ist, als 10 Deutsche) so ist das, was auf 1000 Druckseiten steht, wahrscheinlich richtiger als das, was sich mit 10 Seiten bescheidet. Brief an Kiener (10. 1. 26): Über Wittichs Aufsatz im Hochland: Der Aufsatz von Wittich ist jetzt erschienen.29 Ich lasse Ihnen das ganze Heft zusenden, das als Symptom höchst interessant ist; besonders der erste Aufsatz von Eberz,30 der unverschämt ohne Quellenangabe Gobineau31 und Vacher de Lapouche32 abschreibt, aber literarisch glänzend ist, weil er von den Franzosen, besonders von Maurras, schreiben gelernt hat. In demselben Heft, das diese vernichtende Kritik der Medien enthält, steht dann ein dominant-gläubiger Aufsatz des Russen Stepun, Die Mission der Demokratie in Rußland.33 Welche in dieser katholischen Revue! Dazwischen also Wittich. Sein Aufsatz ist doch als These wertvoll und imposant. Er leidet nur darunter, dass eine solche These zur Ausführung ein Buch braucht. Es wirken die 5 Seiten aphoristisch, allzu leichthin, was wiederum gar nicht zu der sonst zutage tretenden Schwere passt; man vermisst jede Dokumentierung und fühlt doch, dass hier die Eigenart des Themas eine Dokumentierung ausschließt. Ich vermute, dass Wittich folgenden Zweck mit seiner Publikation verfolgte: den Anständigen der Katholiken anzudeuten, dass die Calvinisten in Frankreich in analoger Weise für den Frieden Europas wirken, wie in Deutschland die Katholiken. Ich fürchte nur, der Friede Europas und die Idee Europas überhaupt sind noch keine psychologischen Realitäten, die mit dem nationalen Selbstbewusstsein oder mit dem religiös-konfessionellen Zusammengehörigkeitsgefühl konkurrieren könnten. Das heißt: ein deutscher Katholik, der aus seinem Katholizismus die M entnimmt, die ihn gegenüber dem deutschen Nationalismus reserviert und kritisch machen, wird deshalb nicht etwa einem französischen Partisan (der gegenüber dem französischen Nationalismus analog steht), näher kommen, sondern mit einem französischen Katholiken sympathisieren, wenn nicht mit Maurras, dann mit Marc Sangnier34; auf keinen Fall mit Calvinisten. Denn wenn wirklich die Idee Europas mächtig werden sollte, so wird der Katholik sich als ihr Vertreter fühlen und der konfessionelle Kampf spielt sich dann in der Form eines Kampfes um die Repräsentation der Idee Europas einfach weiter, nachdem er die Form des Kampfes der verschiedenen Nationen um die Hegemonie überwunden hat. 29
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Werner Wittich, Die Regenten Frankreichs, in: Hochland 23 / 1, 1925 / 26, S. 407–411. Der Aufsatz entstand aus Anlass der Wahl von Gaston Domergue, des ersten protestantischen Staatspräsidenten der Republik Frankreichs. Otfried Eberz, Die Krisis der weißen Rasse, in: ebd., S. 385–406. Joseph Arthur de Gobineau (1816–1882), franz. Diplomat, vor allem bekannt durch sein Buch „Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen“ (1853 / 55). Georges Vacher de Lapouche (1854–1936), franz. Anthropologe und Rassentheoretiker. Fedor Stepun, Die Mission der Demokratie in Rußland, in: Hochland 23 / 1, 1925 / 26, S. 412–434. Marc Sangnier (1873–1950), franz. Journalist und progressistischer Katholik.
1. Paralleltagebuch347 In der evangelischen Kirche gibt es keinen Priester und nur Laien, in der katholischen gibt es nur Priester und keine Laien; wie schrecklich eine Papstwahl: Alte, greisenhafte Kardinäle werden eingeschlossen, tuscheln sich politische Tips zu und wählen einen alten Mann zum Papst. Der schlimmste römische Pöbel ist mir lieber; das wenigstens noch eine Akklamation; jetzt ist die Akklamation aus der Kirche verschwunden. In der evangelischen Kirche ist privates Priestertum; aber dafür in der katholischen: verkrustetes Laientum vom Typus Reichskanzler Wilhelm Marx. 16r Der Unterschied von Geräusch, Schall, Alarm und einem Ton: die Phrasierung, das Festhalten, die Bestimmtheit, Dauer. Der Unterschied von einer Maßnahme und einem Gesetz: dieselbe Art Phrasierung, Festigkeit, Bestimmtheit, Dauer. Arnold Schmitz erzählte mir, dass auch Haydns „Gott erhalte Franz den Kaiser“, also auch unser „Deutschland über alles“, Freimaurermusik ist. Immer diese humanitäre Innigkeit der Melodie gefühlt, das im Grunde Private; das Kammermusikhafte; wenn du beten willst, gehe in dein Kämmerlein; der Mangel an Publizität. Wir stellten fest: es gibt nur Militär- und Sakralmusik; nur diese beiden Arten; so gibt es an repräsentativen Figuren nur den Soldaten und den Priester; es gibt keine Kaufmannsmusik, keine Gelehrtenmusik etc., jedenfalls keine große Musik, nicht den cantus magnus, vielleicht noch cantus parvus der Bauern, Liebeslieder usw. Das Proletariat bei Marx negativ bestimmt; der Arme (nach Peterson) auch nur negativ bestimmt; das Volk ebenfalls negativ bestimmt: das Nichts (daher die Gleichheit!). Wer sozial hervorragt, also einen und eine Publizität hat, ist nicht mehr Volk. Nur das Volk als Ganzes hat dies. Jedenfalls: das Volk war 1789 die Bourgeoisie (weil es eine Aristokratie gab) 1848 das (weil es eine Bourgeoisie gab) usw. Ebenso die „Menschheit“, das „nichts als Mensch“ ist mehr als alles andere, als ein „Prinz“. Er ist mehr als ein Prinz; er ist ein Mensch. Othello: Die Ehe beruht wie jede Institution auf Homogenität; sie fehlt bei Othello; die Ehe beruht nicht auf Vertrag allein. Ein Minimum von Homogenität. Aber gleichzeitig Heterogenität (die Heterogenität von Mann und Frau innerhalb der Homogenität der Rasse oder Nation! Ähnlich der Staat: die Heterogenität zwischen einer Menschengruppe innerhalb derselben Einheit!) 17r L’État c’est un moi (wird er dadurch, dass einer oder mehrere sagen: l’État c’est moi). Sonst ist der Staat ein Zustand und nichts Spezifisches; er ist aber ein gesteigerter Zustand (das Zustandsmäßige gesteigert) bis zum Selbst eines Zustandes; repräsentatives Sein.
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1. Paralleltagebuch
Ausgangspunkt bei Calvin: der extremste Ausnahmezustand; Resultat: die extremste Normalität, die grauenhafteste „Standardisierung“, Normalisierung, Typisierung; Amerikaner, Mr. Babbitt35. Das Volk: Die Marschsoldaten, die alle Kriege gegen Napoleon mitmachten, ohne den Namen Napoleon zu kennen oder sich dafür zu interessieren. Dagegen interessiert sie seine Fahne; sein Müssen. Die dieser Soldaten (bei Franz Blei: Abenteurer und Helden36). Das ist das Volk; das Objektive; Unfassbare; immer regierte. Man betrügt es um seinen Volkscharakter, wenn man es an die Ohren der Regierenden stellt. Wie man den Armen um seine Armut betrügt, wenn man ihn zum Kommunisten macht. Es sind immer Bestien, die Regierten. Ob sie nun gestern leben und nicht mehr waren und heute . Pazifismus heißt: an die Stelle militärischer Gewalt setzen, an die Stelle von kraftvollen Tieren der Gattung Felis andere boshafte Insekten oder Schlangen; welch ein Fortschritt. [auf Bl. 16v:] Pazifismus heißt, die Menschen dahin bringen, dass die Entziehung der Butter so starken Eindruck macht, als die kennen. . 18r Kelsens Verfahren, alle schwierigen Probleme erst in Methodologie und dann in Nichts aufzulösen, feiert beim Souveränitätsbekämpfen den eigentlichen Triumph. Bei einem besonders schwierigen Problem ist dieses Verfahren nämlich sehr billig. Was treibst du in der Tiefe deines Herzens? Den Glauben an ein Mädchen? Den Glauben an ein schönes Stück Möbel oder einen kunsthistorischen Gegenstand? Den Glauben an ein Automobil oder einen Schnelligkeitsrekord? Den Glauben an die Möglichkeit, Milliardär oder wenigstens Generaldirektor zu werden oder auch nur Minister? Armer Teufel.
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Babbitt = Spießbürger. Titel einer Novelle von Sinclair Lewis. Gemeint wohl: Franz Blei, Landfahrer und Abenteurer, München 1913. Dort heißt es am Anfang des Kapitels „Baron Ripperda“: „Alle diese schlechtberatenen Könige, diese intriganten Minister, diese einflussreichen Mätressen, diese Allianzen und Negocen, – ist das wirklich die Geschichte eines Volkes, wie uns die Schulbücher glauben machen wollen, deren Verfasser ihre eigenen Vorurteile der Geschichte unterschieben? Immer macht doch die Leidenschaft der Soldaten den Krieg, nicht der Feldherr.“
1. Paralleltagebuch349 Denn die Kraft dieser römischen Form war sehr groß, dass sie selbst in den Händen schleichender Priester noch die Welt beherrschen kann; und ihre Architektur ist so gewaltig, dass sie selbst für widerliche Greise eine uneinnehmbare Burg geworden ist. Schreiben an 14. 2. 26: Zu seinem Shakespeare-Aufsatz. Ich halte die Bemerkung über die Eifersucht Othellos für ärgerlich; warum, wissen Sie aus dem illyrischen Aufsatz; Othello ist eine hochpolitische Sache, der General Othello; die vielen kleinen Reflexe in der erotischen Sphäre sind nur koloristische Interessen, als „psychologische Schleier“.37 Othellos Eifersucht spielt sich ab in der Sphäre der Exekutive, nicht der Direktive. Die Direktive liegt im Politischen und im Sozialen. Sie spielt sich in der erotisch-physischen Sphäre ab. Die Eifersucht ist nur eine Form der Exekutive, ist aber Form der Vollstreckung eines in anderer Sphäre gefällten Urteils. 19r Ich sehe die physiologischen und psychologischen Bedingtheiten meiner Furcht und fürchte meine Furcht nicht mehr. Freiheit, Aufklärung. Wie schnell wird alles Bekämpfte lächerlich. Warum haben fast alle Tierfabeln ohne weiteres einen politischen Sinn? Weil die Sinne (wie Tiere) untereinander im Naturzustand leben? Was bedeutet das aber für den moralistischen Rationalismus in der wirklichen Fabel? (Die Tiere erscheinen in der Fabel doch nur als Schablonen schlechter Eigenschaften der Charaktere: der Löwe die Stärke oder der Edelmut usw. Der Fuchs die Schlauheit usw.) Ein Jurist ohne Staat, das ist ein Theologe ohne Kirche. Der Arme ist das soziale Nichts; das kann es in einer sozialen Ordnung nicht geben, daher kein Armer im Staat und auch kein Armer in der Kirche. Das Volk ist nicht Chaos, sondern unausgeglichene Ordnung; ungeschriebene Ordnung; unverfasste Verfassung, unorganisierte Ordnung. Wenn der Satz: pacta sunt servanda, das Legitimitätsprinzip des Imperialismus, der einzige positive Satz des Völkerrechts wird, dann gibt es nur noch gelten, nicht sein; Normativ, d. h. nicht sein, sondern gelten. 37
Im Illyrien-Aufsatz heißt es: „Die fabelhafte Figur Othello, der schwarze Gatte der weißen Desdemona, ‚der gelben Wüste brauner Sohn‘, der Krieger ohne Heimat und ohne soziales Milieu, dessen Eifersucht nur der giftgrüne Schleier ist, in dem sich die Konsequenz eines Heimatlosen-Schicksals psychologisch verhüllt, der seine Frau nicht erschlägt oder ersticht, sondern erwürgt, um ihre weiße Reinheit nicht mit rotem Blute zu entweihen, der dunkle Held eines farbenbunten Schauspiels, der Mohr mit dem germanischen Namen Otto, dem man ein italienisches Diminutiv angehängt hat, das ihn wie eine Schelle lächerlich macht, der edle General Othello, der arme, einsame Othello mit seinem germanischen Schicksal – er gehört vielleicht symbolisch nach Illyrien.“ SGN, S. 485.
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1. Paralleltagebuch
, nicht sein; d. h. Schulden bezahlen, nicht existieren, sondern gelten; scheußlichster Reflex der Unterwerfung unter den ökonomischen Imperialismus. [dazu Bleistiftnotizauf Bl. 18v nicht erkennbar] Sarastro: Er ist mehr als ein Prinz, er ist Mensch. Ein Fuchs im Hintergrund: Er ist mehr als ein Mensch, er ist ein Säugetier. Noch tiefer Baß. 20r Das epochemachende, entscheidende, bestimmende Ereignis ist immer eine Ausnahme, immer kritisch, immer unfassbar mit den bisher geltenden Kategorien, immer Einzelfall, individuell, einzigartig, sui generis; Kelsen: normatives Gelten, d. h. st.[atus] q.[uo] (Polarität von st.q. und ewigem Wechsel). Inzwischen kommt ein Imperialismus, dem diese Art zu denken politisch nützlich ist, und gleich schwillt hier eine „Staatsphilosophie“ an; wie kindlich. Dass es sich hier um den Reflex des bürgerlich-individualistischen Denkens handelt, hat schon Lukács gesehen.38 Pluralismus der Kulturen, Pluralismus des Weltbildes, (Pluralismus der Kulturfolgen auf geografischer Grundlage bei Frobenius39; Abhängigkeit der Kultur vom Raum). Kulturzyklen nicht nur unter Spranger. Wie verhält sich der Pluralismus und Relativismus (jener ist korrekt; dieser ist nur Schwätzerei) Salin civ. Dei.40 Jetzt erst, mit dieser Erkenntnis der der römischen Kirche ein Gegenargument, gegen Repräsentation, Gegen möglich, welche ohne weiteres unter dem Zwang stehen, groß und universal zu sein, nicht nur zu , und sich selbst im Relativen zu verstecken und allen ernstlichen und systematischen zu entgehen. Das Äon Rom ist zu Ende? Ist das die [3 Wörter]. Schluss von Othello: Denn nichts tat ich aus Hass, aus Ehre alles. For naught I did in hate, but all in honour. Er nennt sich einen „ehrenvollen Mörder“, an honourable murderer. Das Ende: Cassio rules in Cyprus – Cassio regiert in Zypern!
38 39 40
Vgl. Georg Lukács, Geschichte und Klassenbewußtsein (Werke 2), Neuwied / Berlin 1968, S. 284 f. Leo Frobenius (1873–1938), Ethnologe; BBKL 29, Sp. 462–483. Edgar Salin, Civitas Dei, Tübingen 1926. Vgl. dazu oben, TB vom 19.2.26.
1. Paralleltagebuch351 Naturalismus – Pessimismus. 21r Die Monarchie gerechtfertigt durch die Stabilität (also utilitaristisch) Legitimität = Stabilität Aber Stabilität ist kein Wert an sich; ebensowenig die Mobilität oder Dynamik. Und infolgedessen ist kein „Gleichgewicht“ zwischen beiden, doch eigentlich auch noch kein Wert an sich. Sklaven warten40a (auf den jüngsten Tag, aufs tausendjährige Reich, auf die Erlösung auf usw.) Man muss hoffen und zuwarten. Die Konsequenz der Dogmatisierung und ist die Kirche: Aller sachlicher Inhalt verschwindet hinter dem Dogma (wie Eschweiler sagt: man glaubt nicht mehr an Gott, sondern an das Dogma, dass es einen Gott gibt). Jede Entscheidung wird jeder anderen Entscheidung gleich; alles wird gleich, ein Wort Christi ist nicht mehr wie irgend ein rechtskräftiges Urteil im ganzen Prozess; alles ist Disziplin. Rechtskraft statt Wahrheit, Disziplin statt Wahrheit, Christus wird der zuständige Priester und umgekehrt: der zuständige Priester wird Christus, (die Formalisierung): Recht ist das, was die zuständige Stelle für Recht erklärt, Christentum ist das, was die zuständige Stelle für Recht erklärt; während andere, die größten Leute, sich darum stritten, was Inhalts-Christentum ist, wussten die Römer etwas Schlaueres: sie sicherten sich die formale Zuständigkeit für die Entscheidung; darauf kam es an (wenn es aufs Juristische ankommt). Jetzt ist der Papst Christus. 22r Das Prinzip der Voraussetzungslosigkeit: d. h. die Voraussetzung, dass das Wesentliche fehlt. Die Psychologie ohne Seele, die Rechtswissenschaft ohne Recht usw. Die Staatslehre ohne Staat, die Soziologie ohne societas. Die „Gesellschaft“ definiert man ja (zum Unterschied von der Gemeinschaft) als eine auf Vertrag beruhende Ordnung. Auf Vertrag kann keine Ordnung beruhen. Die Soziologen: Anarchisten. Dilettantische Voraussetzung der Soziologen: dass der Soziale – Anarchist sei.
40a Bezieht
sich auf Bentham; s. unten, Anm. 74.
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1. Paralleltagebuch
12. 3. 26 Hamburg Bekam ein Telegramm von Duschka, dass sie Lungenbluten hat und im Sanatorium ist. Schreckliche Angst. Las bei jedem Wort: die tiefen Tore der Angst und des Todes. Angst vor den Dämonen des Balkans, die Duschka zurückholen wollen; vor den Serben. 20. 3. 26 (Berlin): Suche einige Missverständnisse zu organisieren, so wirst du ein berühmter Mann. Was wollen diese Menschen? Futter für ihre Gefräßigkeit, Futter für ihre Neugierde, Futter für ihre Geilheit, Futter für ihre Eilheit, Futter für ihre Zerstreuungssucht und Langeweile. [nebenstehende Bleistiftnotiz nicht erkennbar] Die Rätselhaftigkeit des Lebens. Ich sah dalmatinische Bauern und dann – Hamburg. Publikum. Warum sind die Dalmatiner arm und hungrig, die Hamburger und verfressen? Aber vielleicht bin ich dumm, vielleicht ist das alles selbstverständlich und harmlos! Nur mein schwaches Gehirn ist diesen wechselnden Eindrücken nicht gewachsen. 23r Hier sitzen sie, treiben Industrie und beherrschen damit anständige Bauernvölker; schauerlich dumm und roh. Es gibt ein Bevölkerungsproblem. Warum vermehren sie sich in Großstädten (obwohl die Geburtenzahl sinkt). Das Riesenhafte des Bevölkerungsproblems. Wir übersehen viele Länder und die ganze Erde, wir übersehen viele Jahrhunderte und die ganze Geschichte der Menschheit. Kann uns noch einer antworten: Christus der Erlöser? Wir übersehen doch auch Christus; jedenfalls aber das Christentum. Was ist uns denn heute Paris? Die Jugendliebe unserer Großväter. Du steckst im Rachen des Literaten und machst einige Kritzeleien aufs weiße Papier, damit veränderst du nichts an deiner Situation. Wir stecken in den Eingeweiden eines grauenhaften Ungeheuers und machen, wie der Abenteurer bei Lukin41, ein Feuerchen im Innern; dadurch bekommen die Literaten die Feder auf [2–3 Wörter] und wir werden frei. Jetzt gang ich ans Brünnele trink aber net.42 41 42
Bezieht sich auf den Roman „Die Abenteuer des Marquis G…“ von Vladimir I. Lukin (1737–1794). Volkslied.
1. Paralleltagebuch353 D. h.: ich treibe Methodologie; er geht an alle Probleme heran, aber nicht um sie sachlich zu erledigen, sondern um Abschiedsbriefe zu schreiben. (Methodologie der : es gibt keine Person, sondern nur R-Methodologie der R. Es gibt keine Rechtslehre und Staatslehre. Mein Körper ist nach dieser Nacht erschöpft, wir wollen heim nach einem schönen, langen Spiel. Der Pazifismus: Er will den Frieden, wir alle wollen den Frieden. Nehmen sie an, ein Vegetarier behauptet: Wir wollen die Gesundheit der Menschen; wenn Sie die Gesundheit der Menschen wollen, müssen Sie Vegetarier werden; wenn Sie nicht Vegetarier werden, so erklären Sie damit, dass Sie nicht die Gesundheit der Menschen wollen, sondern die Krankheit, dass Sie ein böser Sadist sein müssen, denn 24r nur ein böser Mensch, nur ein Sadist will die Krankheit seiner Mitmenschen, wir Vegetarier aber wollen die Gesundheit. Keine Publizität ohne Sublimität! Publizität = Verantwortlichkeit (Publizität gehört zum S). Die praktische Publizität des Königs – und die formelle Unverantwortlichkeit. Die formelle Publizität des Parlaments – und die praktische Unverantwortlichkeit. Organisiert die Publizität, und sie hört auf eine zu sein. (Mach das Inoffizielle offiziell) Organisiert das Volk, und es hört auf, Volk zu sein. Organisiert die Verantwortlichkeit, und es gibt keine mehr. Das Minimum an Organisation und das Minimum an Nichtorganisation. Minimum von Voraussetzungen: sogar von unausgesprochen selbstverständlicher Voraussetzungen. Minimum von ungeschriebenen Gesetzen. Es gibt keinen restlos organisierten Staat, in welchem alle faktisch restlos rechtlich erfasst wären. (Die Hilfsorganisation: die katholische Kirche in Frankreich unter der Restauration, Korpsstudententum, Kriegervereine in der preußischen Monarchie). Rohden43 Pazifisten: Menschen, die keine anderen Waffen haben als ihre schwachen Nerven und nun der Welt aufzwingen möchten, dass in Zukunft nur noch mit dieser Waffe gekämpft wird. Der Kampf des Hysterikers mit dem gesunden Menschen. Organisation der Hysteriker.
43
Peter Richard Rohden (1891–1942), Historiker; vgl. oben, TB vom 7.6.29.
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1. Paralleltagebuch 25r
Das Pferd, der Pflug, das alles ist noch eine Verlängerung menschlicher Gliedmaßen, ein incrementum44 des Menschen, ein μακρόχειρ45. Aber eine Maschine, ein Auto, hat gar keine Bestimmung mehr zum menschlichen Körper und dessen Gestalt; es ist völlig fremd, phantastisch heterogen; daher verrückt. Wenn ich sie gut kann, sinds ihre Kräfte, nicht der Mann? Aber die Kräfte solcher Maschinen sind niemals die unsrigen. Wir hängen nur, wie tote Fliegen, an diesen artifiziellen Kästen und lassen uns hin- und hertragen. Othello: Laube (in seiner Geschichte des Wiener Burgtheaters)46 sagt, er habe lange gezögert, Shakespeares Othello in Szene zu setzen, weil der „grelle Inhalt“ vor dem gründlichen Geschmack der Wiener schwer bestehen würde. Es handelt sich um die „anatomische Ausbeutung einer widerwärtigen Leidenschaft, wie der Eifersucht“. Ebenso Hanslick, der das natürlich selbstverständlich richtig findet (Musikalisches und Literarisches, S. 69).47 Die Engländer glauben, dass der Mensch von Natur aus böse ist. Die Deutschen glauben es nicht. Dabei sieht Stresemann wie eine Hintertreppen-romantische Illustration zu dem Satz aus, dass der Deutsche eine minderwertige Kanaille ist. Der nicht erfüllte Wunsch ist ein großartiger Riese, der erfüllte Wunsch ein fauler Hund. [die beiden letzten Zeilen nicht deutbar, da sehr verzittert, aber Stichworte erkennbar:] besonders gesalbt und geschwängert mit der des 26r 31. 3. 26 Des Nachts schlug ich mich mit den Fäusten an den Kopf und schwor: Du Narr, Eselskopf, Schnapsnase, Idiot, Hanswurst – vergiss das nicht, wenn du bald wieder guter Laune bist. Die 2 Arten von Königen: Louis Philipp (Ferdinand von Bulgarien, Leopold von Belgien, Eduard VII), politisch sich nicht exponierend, aber geschäftig und Geschäfte machend. Oder das Gegenteil: Wilhelm II., immer politisch exponiert, ohne Geschäfte zu machen. 44 45 46
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incrementum = Wachstum, Zunahme, Steigerung. μακρόχειρ = Langhand; Beiname des persischen Königs Artaxerxes I. Heinrich Laube, Das Burgtheater. Ein Beitrag zur deutschen Theater-Geschichte, Leipzig 1868 (u. ö.). Eduard Hanslick, Die moderne Oper. Teil 5: Musikalisches und Litterarisches. Kritiken und Schilderungen, Berlin 1889.
1. Paralleltagebuch355 Oder Wilhelm I. (Victor Emanuel unter Cavour): politisch bleibend, ohne sich unnötig zu exponieren. Die sichtbaren und die unsichtbaren Könige. Das Königtum kann nur gerettet werden durch Unsichtbarkeit (Entpolitisierung). Zusammenhang von Politik und Sichtbarkeit. Das Papsttum ist entpolitisiert (durch Wegnahme des Kirchenstaates), wider seinen Willen, providentiell, daher politisch unsichtbar und gerettet in einer Zeit, in der das Politische inhaltslos wurde und jeder, der Politik trieb, verachtet werden musste. Es kann solche Zeiten geben: ubi nihil vales48 etc. Rette deine Substanz, wandere aus mit deiner Habe. Fliehe auf die Berge und schaue nicht zurück, wenn die Welt sich ändert und während der Änderung deine Substanz gefordert ist; werde unsichtbar, selbst wenn deine Substanz wesentlich sichtbar sein muss (wie es in der Politik der Fall ist; denn es gibt keine offizielle Politik, das ist immer Korruption). Schweige, auch wenn du ein Redner bist, gerade weil du ein Redner bist, kann es Situationen geben, in denen du schweigen musst; werde unsichtbar, selbst wenn deine Substanz, wie die des Königs, nur in der Öffentlichkeit und Sichtbarkeit zu leben vermag. 27r Das Öffentliche ist nicht mehr das Öffentliche; das Offizielle nicht mehr das Offenbare; der gute Betrug, die Fälschung, in der wir leben. Schutz im Dunkeln, in der Verborgenheit, Schutz in der Unsichtbarkeit, Schutz im Schweigen, Schutz im Nichts. Geliebtes Nichts. Jurisprudenz: Der Ständige Internationale Gerichtshof im Haag hat ein Urteil gesprochen. Ein Advokat behauptet, das Urteil bedeute für ihn einen Erfolg. Der andere Advokat widerspricht. Inzwischen streiten sie, ob das Urteil für sie wirklich einen Erfolg bedeutet. Dann streiten sie darüber, ob dieser Streit wirklich ein Streit ist. Schließlich streiten sie darüber, ob sie darüber streiten, dass sie streiten.49 Wie kann denn eine solche Hydra beseitigt werden, als durch eine Dezision und eine letzte Instanz, die Schweigen gebeut und ihr alle Köpfe abschneidet. Ostersonntag, 3. 4. 26, abends ½ 9 Ohne Duschka: Oft ist meine Traurigkeit so groß, dass mir die Tränen in die Augen kommen. Ich habe am Bahnhof zu Abend gegessen, wo wir öfters saßen. Der Bahnhof ist das Symbol der Heimatlosigkeit. Alle reisen sie weit weg, nach Hvar.50
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49 50
ubi nihil vales ibi nihil velis. „Wo du nichts giltst, da willst du nichts“, von Schmitt häufig als Distanzierungsformel zitierte Wendung des fläm. Theologen und Philosophen Arnold Geulincx (1624– 1669); vgl. z. B. Glossarium, S. 14, 53, 130, 365. Vgl. dazu unten, S. 358. Hvar, kroatische Insel vor der dalmatinischen Küste.
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Jetzt bin ich schwach wie ein Kind. Irgend ein Lied, das die Burschen auf der Straße singen, bringt mich zum Weinen. Die das verpflichtet, die Art Anhänglichkeit, Loyalität und Unterwürfigkeit, die sie für gehabt haben, auf die Republik zu übertragen; deshalb fürchten sie jede Kritik, die öffentliche Meinung zu bilden, während Engländer, Amerikaner und Franzosen sich nur [2 Wörter] auch gegenüber selbstverständlich bewahren. (Thoma ). [1 Satz] 28r Das Bündnis der Philosophie mit dem Säbel. Immer noch besser als das Bündnis der Industrie mit dem Säbel. (Ein Zusammenhang: Das Bündnis der Philosophen mit dem Säbel, d. h. Napoleon; und Hegel: ich habe die Weltseele reiten sehen.) Konstantin: [Einschub auf Bl. 27v nicht übertragen] Der Vater ein Römer, die Mutter eine Barbarin; sie verraten den Staat und die Kirche. Die Mutter: vom Balkan, er wird auf dem Balkan geboren, ermordet seine Frau, eine Römerin; schenkt das Vermögen der Ermordeten seiner Mutter und zieht nach Konstantinopel, wieder auf den Balkan. Bleibt bei der Mutter (d. h. der Kirche. Das Gegenteil Neros. Dieser ermordet seine Mutter und schenkt deren seiner Frau. – Kaiser). 18. 4. 26 An Gottfried Salomon (über seine Abhandlung Historischer Materialismus und Ideologienlehre51): „Wenn Sie den , die das marxistische System als reinen Imperialismus bezeichnen, so ausdrücklich beipflichten (S. 395), so tun Sie m. E. diesen Strohdreschern zu viel Ehre und Ihrem eigenen Aufsatz ein Unrecht an. Diese haben es ja gut; sie ziehen irgendwo den Kreidestrich ihres Transzendentalismus, darauf herum und nennen alles, was nicht über diesen Strich geht, links Imperialismus und rechts metaphysische . Was mich an Marx beschäftigt, ist die Art der metaphysischen , die sein Denken beherrscht (Hinweis auf meinen Parlamentarismus). Sie ignorieren allerdings meine Schrift; ich kann mir bei Ihnen unmöglich vorstellen, dass Sie das [wegen] einer politischen Macht tun, [von] der Sie bisher totgeschwiegen wurden.[“]52 [1 Zeile] Soweit, mea aeternitas, sagt ein römischer Kaiser;53 das Generelle der Ewigkeit und die Ewigkeit des Generellen. Die generelle Norm ist ewig (der Intention nach), erhebt sich über 51 52
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In: Jahrbuch für Soziologie 2, 1926, S. 386–423. Sonderdruck mit Widmung im Nachlass. Der Brief fehlt im veröffentlichten Briefwechsel Schmitts mit Salomon; Schmittiana NF III, 2016, S. 86–102. Der römische Kaiser Konstantin II. nannte sich „aeternitas mea“, meine Unsterblichkeit.
1. Paralleltagebuch357 das Konkrete, über das Einmalige; die Dauer und Ewigkeit als juristische Kriterien. Der longue temps als Rechtsgrund setzt einen status voraus (Substanz, nicht Funktionalismus). Kein Funktionalismus ohne Zweckmäßigkeitsvorstellung, aber relative . 29r Ein braver Bursche singt: Ein treues Weib, ein herzig Kind, das ist der Himmel auf Erden.54 Ein bedeutender Gelehrter sagt ihm: Außerdem gehört dazu noch eine gute Verdauung und ein gesichertes Einkommen. Ein Sozialdemokrat: Wenn der Kapitalismus besiegt und die Bourgeoisie vernichtet ist, sind alle Weiber treu und alle Kinder herzig. Ein Kommunist: Was sind das für bürgerliche Begriffe: Weib, Kind, Familienglück. Warum orientierte ich mich in jeder Landschaft am Fluss; selbst der kleinste Fluss ist eine Grenze, in dem Sinne, dass rechts und links von ihm die Gegend bestimmt ist. Ist das französisch? Der Rhein als Grenze. Bei Pascal (): Weinst du nicht jenseits des Flusses?55 Ich verstehe gut, dass man einen Menschen, der jenseits des Flusses wohnt, als feindlich empfindet. Stein- und Holzbrücken bedeuten keine Beseitigung der Grenze; es sind Brücken (die wahre Brücke lässt die Gegensätze und Unterschiede bestehen!). Eisenbrücken vernichten den Begriff des Flusses; beseitigen das Element des Wassers, überwinden es nicht, aber vernichten es; sind auch keine Brücken, sondern eine andere Welt und eine andere Ebene. Langsame, in kleinen Bögen fließende Flüsse sind keine Grenze: die Mosel, die Sieg. Grenze: der Rubico; den Rubicon überschreiten. [späterer Zusatz auf Bl. 28v:] Geschrieben im April 1926. Später las ich in der Ekloge des Vergil (Meliboeus spricht): Fortunate senex, ergo tua rura manebunt … hic inter flumina nota et fontes sacros frigus captabis opacum.56 (Ganz richtig E. R. Curtius, der diesen Vers zitiert, Neue Schweizer Rundschau, November 1926, S. 1070: „Dieses ‚inter flumina nota‘ ist der Schlüssel zur Seele und Kunst Vergils.“ Gegensatz natürlich für den „“, Dreck war unedel.) Am 2. Mai (Sonntag) 1926 erzählte mir Duschka, dass sie in der vorigen Nacht träumte, ich habe ihr erzählt (während ich sie auf einen hohen Berg trug), dass ich früher, nach dem
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Aus einem schwäbischen Volkslied. „Weshalb töten Sie mich? – Weshalb? Wohnen Sie nicht jenseits des Wassers? Mein Lieber, würden Sie diesseits wohnen, wäre ich ein Mörder und es wäre ein Verbrechen, Sie solcherart zu töten; da Sie aber am anderen Ufer wohnen, bin ich ein Held, und was ich tue ist recht.“ Blaise Pascal, Über die Religion und einige andere Gegenstände (Pensées), Heidelberg 1978, S. 147. Übersetzung von C. N. v. Osiander: „Glücklich, du Alter! So bleibst du denn im Besitz der Fluren / … Hier zwischen den traulichen Flüssen / Und an heiligen Quellen genießt du schattige Kühle.“ Aus der 1. Ekloge; zwischen dem ersten Vers und den beiden folgenden sind vier Verse ausgelasssen.
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1. Paralleltagebuch
Kriege, sehr arm war, so arm, dass ich eines Tages von einem Heiligenbild Geld gestohlen habe; später habe ich es dann zurückgebracht und der Heilige habe es mit beiden Händen wieder zurückgenommen. Was bedeutet das? Ich habe als Student einmal gestohlen; eine Kleinigkeit; oder: bedeutet es mein Verhältnis zur Kirche: Ich nehme etwas von ihr, lasse mir in der Not helfen, und gebe es dann zurück? Erschrak vor der Intuition von Duschka. Vielleicht ist es auch nur Zufall. Wer weiß. 30r Die Pfaffen haben uns das angehext. Max Weber, ein Lebensbild von Marianne Weber, J.C.B. Mohr, Tübingen 1926, S. 471 (Othello): Stefan George bei Max Weber; man spricht über Othello und Jago und deren „kosmische“ Bedeutung. „Dass ich (Marianne Weber) Othello als so qualvoll und furchtbar, fast als Produkt äußerster Herzenskälte empfinde, erschien ihm als rein psychologische, falsche und verweichlichte Auffassung: ‚Kindchen, Kindchen! Sie müssen es kosmisch verstehen, nicht als Einzelschicksal.‘ “ (Also wohl wie Vict. Hugo der Kampf der Nacht mit dem Licht?) 1. 6. 26, nachts: Nur in dieser Scheinwelt von Begriffen, Redensarten, Prinzipien und Literatur führe ich meine Existenz. Will ich mich durchsetzen, so muss ich mich ihrer Scheinhaftigkeit anpassen. Scheinbar ist das ungefährlich, in Wahrheit verwandelt es mich in Schein und Funktionalität und nimmt mir die Substanz. Ich begebe mich als Mensch in eine Welt von Fräcken, man sagt mir, der Frack ist nur eine Äußerlichkeit, du kannst ihn zu Hause wieder ablegen, es berührt dein Wesen nicht, wenn du als Frack auftrittst, du musst dich anpassen, sonst lassen die anderen Fracke dich nicht hochkommen. Gewiss, aber wo lassen sie mich hochkommen und wie? Nur als Frack unter Fräcken. Die Frackbildung des Menschen. Nachts im Traum: Der Wiedertäufer, da kommt der Wiedertäufer und tritt ins Haus. Der Wiedertäufer ist der Tod. Richtig: die Taufe ist das Sakrament des Lebens, die Wiedertaufe ist ja eigentlich eine Wider-Taufe, eine Anti-Taufe, ein Antisakrament, also der Tod. schmeckt wie essigsaure Tonerde. 31r Nachdem Kaufmann den Prozess im Haag (Urteil vom 25. 5. 26)56a gewonnen hatte: 4 Jahre, von 1914–1918, hat Deutschland Schlachten gewonnen, dann kam die Schlusskatastrophe. Jetzt kommt eine Periode der gewonnenen Prozesse mit Schlusskatastrophe. 56a Es
handelt sich um die Entscheidung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs zu den Interessen des Dt. Reiches in den Gebieten in Oberschlesien, die durch die Volksabstimmung aufgrund des Vertrages von Versailles an Polen gingen. In der Sache ging es um die entschädigungslose Enteignung von Oberschlesischer Düngemittelindustrie.
1. Paralleltagebuch359 15. 6. 26 Ich bin der Jäger, ich bin das Reh (ein Schuss beendet all mein Weh). Die Humanität: beginnt beim Gottmenschen – geht zum Menschen = Gott, homme = machine, machine = homme, und endet beim homunculus. Die Epoche der Zigaretten rauchenden . Warum ist die moderne Technik demokratisch? Falsche Publizität? Warum verbindet sie sich nicht mit einer aristokratischen . Weil sie aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammt und diesen Geist -Religion. Bei Sorel wird der Hass gegen den zum Hass des Produzenten gegen den Konsumenten. Aber wie komisch diese Beziehung und gegenseitige Abhängigkeit von Produzent und Konsument. Welche jammervolle Unfähigkeit zwischen jeder Institution, Primitivität, Unmenschlichkeit. Nur in einem einzigen Fall habe ich an eine Vorsehung glauben gelernt und könnte es vielleicht beweisen, wenn man mir Zeit gibt, mich zu äußern und sich Zeit nimmt, zu hören, [4 Wörter] Die Taubheit Beethovens. [danach nur einzelne Wörter erkennbar:] Produktion nicht . 32r Der deutsche Kommunist lehnt (25.6.26) ein Gesetz (Luftverkehrsgesetz art. 187 / 8 Vers.) ab mit der Begründung, es sei „Militarismus“. Hier ist sehr schön klar: Militarismus ist die Rüstung der anderen, Pazifismus ist die eigene Rüstung.57 Die Frage ist also eine Machtfrage: meine Macht ist gut, deine Macht ist böse. Die schlechte Psychologie des guten Psychologen Nietzsche: Die Kunst, Mitleid zu erregen, ist eine große Kunst der Großen und Mächtigen, der Vitalen und Rücksichtslosen; der wirklich arme Teufel erregt kein Mitleid. Die auch das Mitleid als Waffe gebrauchen. Die Technik soll die Klassenunterschiede aufheben; eine unverschämte Behauptung. Jede technische Erfindung begründet neue Unterschiede; das Auto teilt die Menschheit in Automobilbesitzer und andere.
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Das erste Luftverkehrsgesetz zur Regelung der Luftfahrt wurde nach längeren Verhandlungen im Reichstag im Juli 1922 verabschiedet.
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Ich fühle mein Schicksal: Gnostiker-Schicksal, Wanderaskese, gesteigert durch die unmenschlichen Zustände des Industriezeitalters. Die Fledermausseele in der Autofabrik. Total erledigt, Auflösung der Nerven, Verfall der Haltung, Hinabrutschen [des] Wutes – schwall ein Schnäpschenlied. Zusammenhang: Finanz als mot d’esclave58 wurde ihr der finanziellen Angelegenheiten für ein Entscheiden. Stabilität, status, dazu gehört doch auch der Besitz und das Eigentum. Welchen Sinn hat es noch in einer „dynamischen“ Zeit? 33r Auch der Kampf gegen die Macht dient der Macht. Die Führer dieses Kampfes sind mächtig. Diese gegen alle Anarchisten, Kommunisten. Es sind besonders freche (oder hysterisch ) Betrüger. Unausweichlichkeit der Macht. Staatstheorie: Die Nicht-Adeligen, Unterschichten heißen im 15. Jahrhundert (in Burgund) die vilains. Wie altmodisch, bequem, dieses Gefühl der „neuen“ Zeit, der Affekt gegenüber dem Altmodischen. Das Grammophon: der Bauchredner der Epoche des Materialismus; die Stimme des deus venter.59 Was sind wir armen Kinder des Geistes? Wir schreiben Bücher, und in dem Wirrwarr von Büchern und in den schmutzigen der Straße erkennen wir uns an armseligen Zeichen, wie sich wandernde Handwerksburschen und Zigeuner an hilflosen Zeichen erkennen, die sie an die Häuser der Reichen malen: ein Kreuz, einen Pfeil, einen Stern. Ich schreibe dieses Buch, wie ein wandernder Handwerksbursche ein Zeichen an ein Haus malt. Lieber Bruder, hast du es bemerkt? In Verwaltungssachen, über Geschäftsangelegenheiten, man regiert schön. Selbstverwaltung ist möglich (d. h. Verwaltung meiner eigenen Sachen und Angelegenheiten). 58
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„Ce mot de finance est un mot d’esclave; il est inconnu dans la Cité.“ J. J. Rousseau, Du contrat social, Amsterdam 1762, S. 133. Vgl. auch Carl Schmitt, Volkentscheid und Volksbegehren, Neuausgabe, Berlin 2014, S. 79 f. quorum deus venter, „deren Gott der Bauch ist“ (Vulgata, Phil 3,19). Im Glossarium heißt es am 24.4.49: „Du guter alter vertrauter Deus Venter. Schmerz und Lust. Wir kennen es seit 60 Jahren.“
1. Paralleltagebuch361 Entpolitisierung der Nation, Entmoralisierung der Familie Beschränkung der Nation auf kulturelle Autonomie = Entsexualisierung des Koitus, der Liebe. Beschränkung der Familie auf die „Liebe“, Kameradschaft. 33v Das Besondere ist: Bewusste Bildung des Staates (unbewusstes Herrschen, dauerndes Herrschen, also Sein), es kann nur in Menschen bewusst werden, die sich mit ihm Identifizieren, d. h. indem er durch ihn herrscht. Öffentliches Sein ist gesteigertes Sein. Die spezifische Art des öffentlichen Seins: Autorität, Repräsentation, repräsentative Öffentlichkeit = Bewusstsein. Öffentlich als Volk: aus Nichtbewusstem zu sein. Das Volk ist niemals repräsentativ. Steigerung des Menschen, wie öfter er repräsentiert werden kann (nicht aus der Intensität des Gefühls, sondern auch der Höhe einer metaphysischen oder wenigstens moralischen Konzeption). Wie hoch stand der Mensch, ehe Shakespeare repräsentierte (d. h. auf [mehrere Wörter]). Bei Russen wird das Volk Staat. Das muss aber zur Expansion führen: Herrschaft über andere Völker. Denn sonst wird die Ordnung leer und inhaltlos (ein Volk von Göttern, d. h. über Menschen herrschend). 34r Der Jerusalem, (Jerusalem die ewige Stadt, jede ist an die Stadt geknüpft) die Rom (Rom, die ewige Stadt) Washington ist keine Stadt (dé). Das re-praesentare bedeutet nicht eine Wiederholung einer (d. h. eines gegenwärtigen Seins), sondern eine Steigerung, eine Verdoppelung. Ausgangspunkt daher der Begriff des Seins, des philosophischen Seins, Zusammenhang mit status; des durch geordneten Zusammenhang gesteigerten Seins. Die Entmischung: beginnt bei Gobineau (mélange, mélange, partout toujours mélange)60 (bei ihm auch schon Ressentiment; der Römer lügt und schreit: Barbaren. Essai II. 300). Sehr schön bei Gobineau die Charakterisierung (offenbar aus der Zeit; offenbar der bourgeois). Über den Römer im 5. Jahrhundert (Essai II, 299): hässlich, kriechend, unverschämt, unwissend, immer bereit, seine Frau, seine Schwester, seine Tochter, sein Land und seinen Herrn
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Joseph Arthur de Gobineau, Essai sur l’inégalité des races humaines, Tome 4, Paris 1855, S. 346.
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1. Paralleltagebuch
zu verkaufen; et doué d’une peur sans égale de la pauvreté, de la souffrance, de la fatigue et de la mort.61 35r Gehört zum System des Liberalismus Staatstheorie von Oppenheimer: wie kümmerlich und roh: Gewalt und Vertrag der (, moralische, psychologische Gegensatz zu Gewalt ist doch kein rechtes Bekämpfen, sondern:) Vertrag. Und hier zeigt sich, dass man diese Staatstheorie einfach umkehren kann: Betrug: (= der , auf Vertrag beruhende Staat) und Repräsentation. Herrschaft der Gewalt, d. h. sichtbare und damit kontrollierbare und beschränkte Herrschaft, Herrschaft durch Betrug, d. h. unsichtbare und damit unbeschränkte Herrschaft. Herrschaft durch Verneinung der Herrschaft ist immer Herrschaft durch Betrug. Herrschaft es wurde bedingungslos ? [2 Wörter] Herrschaft durch Tausch ist ebenso Betrug, denn die Herrschaft gehört nicht zum Inhalt des Tausches, wohl aber zu seiner notwendigen Folge. Fiktion der Balance, d. h. des Gleichgewichts. (Der redliche Kaufmann ist nur der waidgerechte Jäger; aber jener Kaufmann betrügt ebenso wie der waidgerechte Jäger welt. Ein Schnäpschen Ruhm, ein Schnäpschen Liebe und ein Schnäpschen Lyrik, schnell an den Bücherschrank; schnell ins Bett zu. Schnell eine rühmende Besprechung lesen. Pluralismus, ritorno al principio62, Anarchismus, Bolschewismus. tabula rasa . da ich vierzig Jahre alt werde. Nach zahllosen Erfahrungen und Enttäuschungen bemerke ich, dass ich der einzige Mensch bin, dessen [mehrere Wörter] und gleichzeitig bin ich doch der einzige, der die Lehre von der Bosheit [mehrere Wörter]. by the marbled heaven (Othello ).63 36r Das Recht versagt (gegenüber der Wirtschaft), alle Formen lösen sich auf (der Aufsatz von Palyi)63a, bleibt nur der Staat.
Ebd., Tome 3, S. 355 f. Bezieht sich möglicherweise auf: Benito Mussolini, Ritorno al principio, in: Popolo d’Italia vom 27. 7. 1921; vgl. auch Tb III, S. 415. 63 Schmitt zitiert aus „Othello“ III,3: „Now, by yon marble heaven, / In the due reverence of a sacred vow / I here engage my words.“ 63a Möglicherweise: Melchior Palyi, Internationale Kapitalwanderungen und ihre weltwirtschaftliche Bedeutung, in: Das Werden der Weltwirtschaft, Berlin 1926, S. 99–127. 61 62
1. Paralleltagebuch363 Der Kampf um das Recht gegen den Staat ist der Kampf der Wirtschaft gegen eine Kon trolle. Den Staat nicht länger an das Recht binden, sondern überhaupt aufzulösen: Triumph der anarchischen Herrschaft des wirtschaftlich Stärkeren. Denn jeder Kaufmann betrügt. Der ehrliche Kaufmann ist etwas Analoges dem waidgerechten Jäger; mehr nicht. Und ein Kaufmann, der nicht betrügt, ist ein Jäger, der kein Blut vergießt. Das Bewusste ist das Sichtbare und Öffentliche. Das Unbewusste ist das Geheime. Die Theorie vom Unbewussten ist soziologisch der Ausdruck dafür, dass es keine Publizität mehr gibt; da man nicht mehr an die Öffentlichkeit glaubt. Zu S. [ohne Angabe64] meiner Abhandlung über den Parlamentarismus (2. Auflage). Öde Sünde. Meine Wut: die Vorstellung, in Anspruch genommen und betrogen zu werden (proletarisch), verbunden mit dem Gefühl, zu schwach zum Widerstand zu sein. Sobald ich weiß, dass Duschka nichts von mir verlangt, werde ich beruhigt. Die lateinischen Leichen, Rom, Venedig, noch als Geist, noch als Kadaver, vergiften sie die Welt, noch sterbend locken sie ihre Opfer heran und versuchen sich an ihren unschuldigen Kindern zu verjüngen. Venedig und Rom im 18. Jahrhundert, im 19. Jahrhundert verbaute Romantik d. h. vergiftet. 37r Ich will Freimaurer werden, ich will über die Leichen springen. Ich reagiere aufs Wort „Mensch“ , „bist du ein Mensch, so fühle meine Not“.65 „Verdienet nicht, ein Mensch zu sein.“66 In den Worten Shakespeares: Er ist mehr als ein Prinz, er ist ein Mensch. [4 Wörter]. Der Schluss des Aufsatzes von Schiller: ein Mensch zu sein!67 [dazu auf Bl. 36v:] Hoffen und Mitleid; und zwar Mitleid (weil nicht Freund- und Feindbegriff, deutsche oder nationale Begriffe). Bist du ein Deutscher – so ziehe mit in den Kampf. 64 65 66 67
Bezieht sich auf S. 62 f. von „Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus“. Zitat aus Goethes „Faust I“, Kerkerszene. „Wen solche Lehren nicht erfreun, Verdienet nicht, ein Mensch zu sein“; Mozart, Zauberflöte. „Jeder einzelne genießt die Entzückungen aller, die verstärkt und verschönert aus hundert Augen auf ihn zurückfallen, und seine Brust gibt jetzt nur einer Empfindung Raum – es ist diese: ein Mensch zu sein.“ Schlussatz aus Schillers Abhandlung „Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken?“.
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1. Paralleltagebuch
Das kann man sagen: Bist du ein Deutscher, so lass dir das nicht gefallen, aber unmöglich zu sagen: Bist du ein Deutscher, so fühle meine Not! Mein Aberglaube: er hat mir vor Jahren einmal (als ich zufällig diesen Namen auf einer Karte der sah, den Wunsch (wie man dumm irgendwelche Wünsche hat) Rockeskyll zu heißen (Koll – Toten). Gestern (13.8.26) las ich die Erzählung von Stevenson Mr. Jekyll und Hyde. War oft davon ergriffen, sah meine moralische Verwerflichkeit, den moralischen Sinn meines lebens und erschrak. Nimm dich in acht mit deinen Wünschen. 1. sie verraten dich, 2. sie gehen in Erfüllung. Othello: Der Fremde, der Soldat. Der Tell, o Tell. Der Soldat kann nicht sesshaft werden, besitzt Askese (Askese der Nicht-Stabilität; er wird es haben). O meine schöne . Wenn die Menschen sich einmal wieder menschlicher Größe und Würde bewusst werden, so werden sie auch den Affekt gegenüber dem Unmenschen Ehre der Menschheit kennenlernen und verstehen, dass es glorreiche Kriege geben kann. Solange freilich um wirtschaftliche Objekte und gekämpft wird, ist der Krieg abscheulich und ein schmutziger Betrug. 38r 22. 8. 26 (Hamburg) Unter dem Eindruck der Lektüre von Burckhardt (Konstantin)68 und : Das Christentum ist es, das die Öffentlichkeit zerstört hat; in der Heimlichkeit der Katakomben ist die res publica vernichtet worden; die Unterhöhlung und Unterminierung eines Staates und seiner Publizität ist das Werk dieser Religion; Innerlichkeit und Heimlichkeit als Feinde des Staates. Unbewusstheit, Verdrücktheit; im römischen Katholizismus, halb überwunden, halb verewigt. Der römische Katholizismus täuscht über diese Zustände hinweg, während sie ihn beständig am Leben erhalten. Denn aus sich selbst könnte diese Niedrigkeit und Unterschichtenhaftigkeit nicht leben. So verrät der römische Katholizismus das Christentum an Rom und Rom an das Christentum und errichtet über solche zerstörten Welten das Gerüst seiner zölibatären Bürgerlichkeit; die Herrschaft machtgieriger Greise. Sicher ist das Regieren etwas Abscheuliches, wenn alle regieren; nicht aber, wenn einer oder wenige regieren; Regieren sie schlecht, so kann man sie beseitigen; regieren sie gut, ist alles in Ordnung. Aber wenn Tausende verfressener Bürger regieren, so ist das abscheulich. Plötzlicher Ekel vor Nietzsche. Wie kann man aus Cesare Borgia einen Held machen und ihn glorifizieren, diesen schmutzigen Syphilitiker, den stinkenden Sohn eines stinkenden Papstes. 68
Jakob Burckhardt, Die Zeit Constantin’s des Großen, Leipzig [u. a.] 1853 (u. ö.).
1. Paralleltagebuch365 Gespräch zwischen Europäern: Sagen sie mal, warum haben wir eigentlich Amerika entdeckt? War es nicht schöner und friedlicher vorher? Jetzt haben wir die Syphilis, bezahlen Schulden und sind zu einem Sklaven geworden. 1500 Jahre lebte die christliche Menschheit ohne Amerika, alles, was man im Mittelalter sympathisch finden konnte, beruht darauf, dass Amerika noch nicht entdeckt war. Kann man es nicht wieder verdecken? Ent-entdecken? 39r 24. 8. 26 (Hamburg) Gestern Abend: der Russe mit seiner Unbildung und Frechheit, Widerwillen gegen den Osten (Angst um Duschka). Heute: im Völkischen Beobachter wird behauptet: Die Serben haben das ungarische Muni tionslager vor einigen Tagen in die Luft gesprengt. [dazu auf Bl. 38v:] Am 11. 4. 27 las ich das; in genau derselben Stimmung gegenüber Magda. Hier ist mir die Identität des Affektes bei wechselndem Anlass klar. Lache nur, Lügnerin Heule nur, Heuchlerin. Welche Blamage fürs 19. Jahrhundert: die große Musik, die ins 19. Jahrhundert eintritt, einmal taub wird, überhaupt noch größere Musik bleiben zu können. Wie schön bei Beethoven: O ihr Menschen, lehrt eure Kinder Tugend.69 Jeder Mensch, Kinder, Lehrer, Jugend, heute unsinnig geworden. 4. 9. 26 Sagte zu Magda bei unserem Spaziergang auf den Rodderberg (als sie traurig war und bedauerte, dass wir uns nicht früher kennengelernt haben, als ich noch Student war, dass sie nichts bedeutet usw.): Seien Sie nicht traurig, wir wollen dem Schicksal ein paar schöne Tage stehlen. 5. 9. 26 Die milde Schönheit dieser Rheinlandschaft wird von der Mode-Industrie langsam gemordet. Sie stirbt unter dem stinkenden Geknatter von Motorrädern, unter den Pfoten der Motorräder. Aber selbst im Sterben bleibt sie schön und menschlich. [5 Zeilen nur bruchstückhaft lesbar]. [Text dazu auf Bl. 38v nicht deutbar] 40r Aus dem Roman Charles Demailly der Brüder Goncourt. Über die Schriftsteller: „Oui, nous sommes un monde indisciplinable. […] Nous sommes sans catéchisme, sans respect, sans pitié dans nos jeux, et nous faisons jeux de tout … Oui, mais au bout de tout, nous sommes une grande et noble race, une race libre, sauvage, qui regimbe sous les dominations, 69
Beethoven, Heiligenstädter Testament.
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1. Paralleltagebuch
qui ne reconnaît pas le droit divin de l’argent, et que la pièce de cent sous n’a pas encore domestiquée. Toutes les religions nous manquent, oui, mais nous avons notre religion, une religion de tête pour laquelle nous luttons, souffrons, mourons: la conscience de l’esprit.“70 In Frankfurt, 23. 9. 26 Die Gleichheit von Mann und Frau kann sich natürlich nur auf dem Niveau der Frau erlösen. Entdeckte plötzlich den Tiefsinn der Geschichte von dem englischen Matrosen, der in L. R. beerdigt wird und dabei zum Leben erwacht und nun wieder bestraft wird, weil er eine Beerdigung durch ungebührliches Benehmen gestört hat. So behandelt einen die Kirche. Man soll sein eigenes Begräbnis nicht stören. Rohan: Doch etwas der von Thron und Altar, der der Restauration. Brief an Smend, 25. 9. 2671: Ich habe Sie von Frankfurt aus, wo ich einige Tage zu Besuch war, plötzlich telegrafisch angesprochen und zu meiner großen Freude eine schnelle Antwort und sogar einen langen Brief erhalten – eine seltene Auszeichnung, für die ich umso dankbarer bin. Darf ich nun jetzt mit einem Wort sagen, was mich veranlasst hat, zu wünschen, dass der Prinz R.[ohan] Sie besuchte und dass Sie mit ihm sprechen. Ich entnahm Ihrem Brief, dass Sie durch den Grafen Nostitz von dem Unternehmen wissen. Ich sehe immer deutlicher, wieviel heute daran liegt, dass die Dinge, die hinter dem Wort Europa, Verständigung, d. h. real vorhanden sind, nicht in der Hand bestimmter Professioneller des Internationalismus fallen, die auch die als Mittel benutzen, alles, was es in Europa noch an konservativer Anständigkeit gibt, zu töten. Das ist Ihnen natürlich bekannt. Die Frage ist, ob der Prinz R. ein 42r72 geeigneter Mittelpunkt ist. Er wird Sie bitten, am 18. Oktober in Wien zu sein und, während Paul Valéry für Frankreich, Luigi Valli (ein Fascist) für Italien spricht, ein Wort als Deutscher zu sagen. Wenn ich Sie bitte, das nicht einfach abzulehnen und ich Sie sogar beschwöre, sich diesmal nicht zu effacieren, so tue ich das, weil mir bei dem deutschen Teil des Unternehmens, alles davon abzuhängen scheint. Sie wissen, dass man mich gebeten hatte, in Wien zu sprechen, und dass ich es grundsätzlich angenommen hätte. Die Gründe, warum es nicht geht, sind ziemlich traurig und ein Teil des Unglücks, das mich seit einem halben Jahr verfolgt. Auch ohne das würde ich es aber heute, da ich das Leben besser kenne, für besser halten, dass Sie sprechen, und nicht ich; und zwar wegen des deutschen Teils an der Sache. Werden Sie also den Prinz in Ruhe anhören? Vielleicht stören Sie viele Äußerlichkeiten, 70
71 72
Edmond et Jules de Goncourt, Charles Demailly (Œuvres complètes des frères Goncourt, I / 6), Paris 2016, S. 179. s. BW Smend, S. 55–57 (mit kleinen Abweichungen). „41“ in der Paginierung übersprungen.
1. Paralleltagebuch367 Austriazismen, Keyserlingianismen und anderes. Ich glaube aber, dass er ein ehrlicher Junge ist und weiß, dass er Substanz hat, und ein Mann wie Sie unendlich viel mit ihm anfangen kann, wenn er Ihnen nur nicht unsympathisch ist. Hören Sie ihn bitte an und lehnen Sie ihn nicht wegen einer Färbung oder Tönung ab. In den 1 ½ Jahren, die ich ihn persönlich kenne, hat er sich erstaunlich entwickelt, so dass ich noch vieles hoffe, freilich sehr darüber im Klaren, dass alles darauf ankommt, an wen er sich anschließt. Dies, in großer Eile, mein Anliegen. Ich bin inzwischen in Friesdorf. Das Land ist sehr schön wie ein Bild von Claude Lorrain. Kein Wunder, dass ich immerfort den Wunsch habe, Sie als Gast bei mir zu haben. Ich lade Sie und Ihre verehrte Gattin herzlich ein. Mit besten Grüßen und Wünschen Ihr Psychologie des Pazifismus: Sehnsucht nach Sicherheit, welche das Bewusstsein absoluter Ungefährlichkeit und Belanglosigkeit gewährt. Sie wissen nicht, dass es nicht genügt, unschädlich zu sein, um nicht eingegipst zu werden, man kann auch unsympathisch sein, Widerwillen erregen, weil man so gänzlich harmlos ist. Den Gegner durch seine eigene Entwaffnung entwaffnen. Pazifismus: das Streben nach einer entwaffnenden Ungefährlichkeit. Wir wollen nicht verzweifeln. Warum: Das Blau eines Kleides einer Staffage von Cl.[aude] Lorr.[ain]. Wo gibt es dafür, in der Literatur, eine Analogie? Oder in der Musik? 42v Ihr aber, ihr Richter mit dem blühenden Jugendrecht politischer Weltanschauung. 43r 27. 9. 26 Berauscht von dem Fleische Magdas. Das einzige Glück, das kein Betrug war. Die Christen wollen mich und unterschreiben den d[eus] venter. O süße Magda. (Du Narr; du exerzierst immer noch die – ). Carpe diem – großer Gott, welche Langsamkeit, welche Gemütlichkeit, welches , welche Kitschhaftigkeit, Carpe secundum73 (den Begriff scheint man im Lateinischen nicht zu kennen). Der Beichtvater fragt: Hast du Unkeusches getan? Ja. Mit einer Frau? Ja. In dem Wort Frau liegt doch schon alles, warum gebraucht er das Wort? Dadurch, dass er es gebraucht, unter73
carpe secundum, „Nutze den Erfolg“.
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wirft er sich doch der Tatsache der Sexualität, er akzeptiert alles, was daraus folgt; alles liegt schon in dem Wort und dem Begriff Frau. Aus dem Wort heraus wächst eine Frau wie ein Baum aus einem Samenkorn, wächst mit ihrem Fleische, ihren Brüsten und Schenkeln. Wunderbarer Baum, wunderbarer Traum. 1. 10. 26, abends In Erwartung von Magda: Mit steigender Nervosität kommt zunächst eine steigende Entschlossenheit, jawohl, ich tue das, ich versuche es, alles noch kindisch und knabenhaft, unmännlich; nur nicht abergläubisch; soll ich vielleicht doch noch im letzten Augenblick absagen? Ist nicht jeder Trotz kindisch und knabenhaft; ist unmännlich etwas anderes als Normalität, Moralität? Köstliche Sekunde der Angst, köstliche Sekunde der Spannung, des Lebens und der aufgeregten Erwartung. Ich könnte sie an der Haltestelle abholen, dass sie nicht das Haus betritt. Georg Eisler würde das nicht tun, was ich tue. Würde er mir Geld leihen, wenn er es wüsste? Gibt es einen Zusammenhang von moralischem Lebenswandel und Glück? – Warum werden die Puritaner Milliardäre? Ich habe Unglück, weil ich unmoralisch lebe, ich lebe unmoralisch, weil ich Unglück habe. Immer dieser ewige Zirkel, man kommt nicht heraus. Sklaven warten, expectation, die Grundlage einer sklavischen Interak von Bentham; sie warten sich die Seele aus dem Leib.74 Die Nüchternheit des Wassers kann heilig sein, und der Rausch des Weines kann heilig sein. Wer will das im Voraus und allgemein entscheiden? 44r „Wer kein Latein versteht, gehört zum Volke“ (Schopenhauer, Über Sprache und Worte), Reclam, S. 603. S. 604: „Zigarrenrauchen und Kannegießern haben in unseren Tagen die Gelehrsamkeit vertrieben.“ (Wie altmodisch ist der, und dabei bin ich doch ganz seiner Meinung; ergo: bin ich altmodisch? Nein; nur seine Sprache ist altmodisch), dass er davon spricht, ist altmodisch; wir müssen heute schreiben.
74
Jeremy Bentham (1748–1832), engl. Jurist und Sozialphilosoph, war grundsätzlich Gegner der Sklaverei, meinte jedoch, dass die Sklavenhalter „Erwartungssicherheit“ (security of expectation) haben müssten und die Sklaven erst nach dem Tod ihres jeweiligen Herrn bzw. dessen Erben in die Freiheit zu entlassen seien.
1. Paralleltagebuch369 10. 10. 26, 2. Erwartung. In Erwartung von M.[agda] Ich gehe durch den Garten und schneide ein paar Rosen für sie ab. Ich spiele mit dem Hund, ich schreibe eine Adresse; dann schließe ich die Fenster und sehe, ob man nicht von der Straße aus durch die Läden schauen und uns beobachten kann, dann lese ich zerstreut einen Satz von Pascal und kann mir nichts dabei denken. Endlich gehe ich ins Schlafzimmer und schließe die Vorhänge und während das dunkle Tuch sich vor die Fenster legt, fühle ich schon die Wohltat ihrer Umarmung. Ich werde nicht eher zu einer großen Produktivität kommen, als bis ich die Vollkommenheit = meiner Aufgabe. Die Raserei der Fehlerlosigkeit, der Einwandfreiheit, der Tadellosigkeit
[2 Zeilen nicht lesbar]. Ich sehe das Lächerliche und Schlechte, Tierische aller Konkurrenz, das Ungeistige und darum Unfürchterliche alles privaten Machtstrebens, das offen repräsentiert. Die Milliardäre und die römischen Päpste, die Beiden gehören zusammen, weil sie nicht regieren, sondern verwalten, Seel- und Leibsorger sind, statt politische Herrscher, weil sie beide betrügen und Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse haben, von einer Hälfte aus die schönen unsichtbaren Laien, während der politische Herrscher sichtbar und offen ist. Gerade die Heimlichkeit, Unsichtbarkeit, die ich so fürchte, durchschaue ich jetzt, als gesunder Mensch, – und fürchte mich nicht mehr. 44v Bewusstsein ist gesteigertes Sein Unbewusstsein ist nicht Sinn. (Verschlafene Erde bin ich?!) Litanei der Existenz. Ich liebe, also bin ich. Ich werde geliebt, also bin ich. Ich werde zitiert, also bin ich. Der Hund spricht: Ich belle, also bin ich Der Advokat: Ich plädiere, also bin ich. Immerhin ist doch noch eine Existenz, die wirklich dir sagt: Ich verdiene Geld, also bin ich. Ist schon unmöglich. Der Gelehrte sagt: Ich werde zitiert, also bin ich. [dazu auf Bl. 45r:] Warum kann man unmöglich sagen: Ich träume, also bin ich? Warum ist es richtig zu sagen: Ich träume, also bin ich nicht?
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Millionen Nachtigallen schlagen, Myriaden Wesen koitieren.75 cogito, ergo sum. Dabei ist zu beachten: Desc.[artes] wirklich gedacht hat, also so sprechen konnte? Schließlich gilt nur eines: Ich bin, also bin ich, sum ergo sum (Bienchen summ herum).76 45r 12. 10. 26 Abends nach einem schönen Gespräch in Mehlem, in der elektrischen Bahn, blühte Magda plötzlich auf, eine herrliche Frau, ihr Gesicht wurde lebhaft rot und , ihre Brust hoch und weit, sie zitterte vor Liebe, ich war barsch; niemals habe ich eine Frau so schön gesehen in der Bedingungslosigkeit ihrer hingebenden Liebe.77 Der Dollar hat uns verdummt. 13. 10. [26] Was bin ich neben diesen sicheren und vorteilhaften Menschen, neben ihrer Fähigkeit zu glauben, zu überzeugen, ins Blinde hineinzusausen? Soll ich mich töten? Ist nicht die Angst, ausgetrocknet und leer zu sein, schon ein Beweis, dass es soweit gekommen ist? Warum erschrecke ich beim Anblick eines alten Menschen? Doch nur, weil ich mein Schicksal sehe. Eine Leidensstimme: Von deinem Unglück zieh ab die physiologischen Ursachen, was übrig bleibt, trag in Geduld. Blödsinn. Lebe ich nicht von fremden Menschen? Von fremder Anerkennung? Fremdem Leben? Nehme ich nicht „Ehre von anderen“? Existiere ich also überhaupt? Ist es nicht besser, den Schein von Existenz zu beseitigen, weil keine Substanz dahinter steht? Das Schlimme am Selbstmord: Wenn ich schon meine Existenz beseitigen will, weil ich glaube, in Wahrheit gar nicht zu existieren, und gerade der effektive Entschluss zum Selbstmord würde meine Existenz beweisen und mindestens in diesem Augenblick herstellen. Ich würde also nichts vernichten, sondern etwas vernichten, das im Augenblick der selbstmörderischen Tat entsteht. Das Sein beweisen durch den Selbstmord, Existenz beweisen durch Vernichtung des Seins. 17. 10. 26 Reise nach Düsseldorf, abends erzählte mir M.[agda], dass sie 8 Jahre Fabrikarbeiterin war. Erster Eindruck: Immer mein Schicksal. Darum also war sie mir zugänglich. Jetzt sehe ich die seidenen Kleider nicht mehr. Ich liebe sie, und doch ist mir der Geschmack verdorben. Mein gemeiner Sexualismus fühlt sich erregt. Ich rieche die Fabrik. Wäre sie Bardame gewesen, würde ich sie moralisch verachten, aber die Leckerei bliebe und die Geilheit würde vielleicht Gier.
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Schmitt zitiert hier das Gedicht „Millionen Nachtigallen schlagen“ von Theodor Däubler. Vgl. den Eintrag vom 2.9.47 im Glossarium. Vgl. oben, TB vom 12.10.26.
1. Paralleltagebuch371 Dazu doch ein Gefühl der Erleichterung. Ist es Gemeinheit, dass ich sie nicht mehr zu fürchten brauche, ich sie leicht loswerden kann? Ist es eine moralische Regung, dass ich sie jetzt Duschka zeigen kann? 45v Die Theorie der Gebete, der Sphären. Mensch, mach die Augen auf, erkenne deine fabelhafte Situation! Du lebst in einer Zeit, in der Religion Privatsache ist. Also betrage dich auf diesem Gebiet, denn hier lässt man dich in Ruhe, hier bist du unkonsterniert und du kannst eine ungeheure Macht organisieren. [4 Zeilen nur bruchstückhaft zu lesen] 46r Die Dummheit zu meinen: Das Heimliche ist das Wichtige und das Entscheidende (weil das Wichtige und Entscheidende immer heimlich ist). So hält man die Erledigung sexueller Bedürfnisse für wichtig und entscheidend, weil sie heimlich sind. Das proletarische Gefühl, dass hier ungeheure Dinge vor sich gehen, von denen der Prolet ausgeschlossen ist. In Wahrheit geschieht nichts, als die allgemein bekannte Schweinerei. 20. 10. 26 Gestern Abend der Rausch von Magdas weißem Leib. Heute erzählte mir Duschka, dass sie die schreckliche Schilderung der Hölle bei Joyce gelesen habe.78 Ich fühle noch, aus meiner Jugend her, die Schrecken dieser schauerlichen Exerzitien, diese systematische Aufreizung des Menschen, die Anstachelung eines Höllenfeuers von Angst. Das weiße Licht eines schönen Leibes ist stärker, als dieses perfide Arrangement herrschsüchtiger Pfaffen. Ich danke den Pfaffen, dass sie mir die Freude des Lebens würzen und durch ihre phantastischen Höllenfarben Genüsse eines magischen Schimmers gaben. 20. 10. 26 Brief an Anschütz: Sollte in jener Anspielung die Frage enthalten sein, ob ich genügend Freiheitssinn und Freiheitsliebe habe, im Rechtsstaate denken zu können, so kann ich jeden Verdacht und jedes Bedenken leicht widerlegen. Auch ich liebe die Freiheit. Aber ihre Freunde sind heute andere als früher und ihr Dienst ist sehr schwer. 47r Kann der Applaus dich vor dem Tode retten? Kann ein gelungener Vers dich vor dem Tode retten?
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James Joyce, Jugendbildnis, Darmstadt 1965, S. 162 ff.
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1. Paralleltagebuch
Kann ein solcher Reflex dich vor dem Tode retten? Kann das Geschrei der Pfaffen dich vor dem Tode retten? Alles Unsinn. Die Weltgeschichte ist das Blutgericht. Komisch, nicht wahr? Ich weiß nicht, was Sulla sich gedacht hat, aber an die Weltgeschichte hat er sicher nicht gedacht.79 Bin ich verpflichtet, an die Weltgeschichte zu denken, weil inzwischen 2000 Jahre vergangen sind? Einsam, also glücklich – einsam, also unglücklich. Einsam, also groß – einsam, also klein. Ich lese im Joyce die Schilderung der Ewigkeit, die ich auch aus meiner Jugend kenne: Ein Vogel trägt alle tausend Jahre ein einziges Sandkorn von einem Berg weg, und wenn er nach unendlichen Millionen und Millionen Jahren den ganzen Berg abgetragen hat, dann ist noch keine Sekunde der Ewigkeit vergangen.80 Magda sagt: Wenn ich leben könnte, ohne zu wissen wofür, so käme ich mir vor wie dieser Vogel. Mir fiel ein, dass dieser Vogel in der Tat der Ärmste bei der ganzen Geschichte ist. Träume schwimmen durch meine Seele wie Goldfische durch eine grüne Glaskugel. Wilhelm II. hat fallen müssen (wie Napoleon II. ausgefallen ist), dann wäre ein Wilhelm III. noch möglich gewesen, wenn auch nur wie Napoleon III. Seit dem 19. Jahrhundert kann man keine Kaiserreiche mehr gründen. Gründet man sie revolutionär = diktatorisch, wie Bonaparte, dann ist nur noch in der 2. nachfolgenden Generation ein Wiederaufleben möglich, wie unter Napoleon III.; gründet man sie auf einer Monarchie, wie das deutsche Kaiserreich, dann hält es nur noch den ersten Nachfolger aus. 48r Wir sitzen gefangen in unseren Komplexen, in Kindheitserinnerungen, in religiösen Vorstellungen, in Hoffnung und Angst. Aber noch schlimmer: Am Tor jedes Gefängnisses sitzen Wärter, Ärzte, Pfaffen und lassen sich bezahlen, sei es eine Miete fürs Gefängnis selbst, Licht und Heizung, sei es Geld für ein Gutachten über die Möglichkeit einer Befreiung. Sieh dein Gesicht, beobachte dich in deinem Affekt und jeder geistigen Situation, immer siehst du einen . Sieh den verliebten Jungen, sieh das Glück einer leidenschaftlichen Frau, sieh das Gesicht eines schlauen Pfaffen, sieh das Gesicht eines Mörders; und bewundere die Größe des Menschen, der groß genug ist, sich zu freuen und sich zu quälen, zu betrügen und sich einen Gott zu bilden, gleich ihm. 79
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Lucius Cornelius Sulla (138 v. Chr.-78 v. Chr.), röm. Feldherr und Politiker, nach dem Sieg im Bürgerkrieg wurde er Diktator und ließ tausende römische Adelige töten. James Joyce, Jugendbildnis, Darmstadt 1965, S. 180.
1. Paralleltagebuch373 Nun aber kommen die [2 Wörter], die Geldnehmer, die Stinker und Parlamentarier. Glaubst du immer noch an die Größe des Menschen? Zwischen Grimassen zuckt das Leben, über dem zuckenden Leib irrlichtert der Geist. Politischer Begriff: Öffentlichkeit, öffentliche Meinung sind nicht die Gründer, sondern die Wirkung der eigentlichen Macht. Der Sieger schreibt die Geschichte, die soziale Macht bestimmt, was öffentliche Meinung sei. Versuch es nur einmal, die Wahrheit öffentlich zu sagen. Was jeder unter 4 Augen dem anderen gesteht, ist das Wahrheit? 49r Politisch: Wenn die Moraltheologen jeden Zweifel an der Wahrheit der kirchlichen Lehre als eine Einflüsterung des Teufels hinstellen, bedeutet das: Du wirst ein Hochverräter und Landesverräter, wenn du dich darauf einlässt; die Kirche ist das absolut Gegebene, wie der Staat. Du hast gar nicht das Recht, dich von ihr zu trennen; du bist seinsmäßig mit ihr verbunden, wie der Soldat im Felde mit seiner Armee verbunden ist und ein Verräter wird, wenn er auch nur Interesse für den Gegner zeigt. Der Teufel ist der böse Feind. Politischer Begriff: oben und unten (Herrscher und Beherrschter) für und wider (Freund und Feind). Politische Verbindungen der Kampfgruppierung nach außen (Einheit) mit der Über- und Unterordnungsgruppe im Inneren (Unterschied von Herrschern und Beherrschten), daher privatrechtliche Gleichheit. Nicht politische Gleichheit. Vom privatrechtlichen Denken her wird die politische Gleichheit vernichtet. Warum dieses krampfhafte Anklammern; die Menschen müssen mich doch betrügen wollen, wenn sie sich so einstimmen. Gesetz – Produkt (aber zu Gericht sitzen) Status – Öffentlichkeit (keine Eile). Sitze mit dem Gesessenen, Stehen auf den Füßen Liegen (die Lage der Dinge). Knien, gehen? Alles ist das Natürliche. Wie schön ist die deutsche Sprache! Welche Schönheit: „Ich breche nach Kampf und Entbehrungen, nach Mühen und Arbeiten, nach Enttäuschungen und Niederlagen auf.“ Ich könnte aber auch sagen: zusammen. Ein anderes schönes Beispiel aus Goethes „Iphigenie“: So steigst du denn, Erfüllung, schönste Tochter des größten Vaters, endlich zu mir nieder.81 [letzter Satz nicht lesbar]. 81
Goethe, Iphigenie auf Tauris, III / 1.
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1. Paralleltagebuch 50r
Wie schön und aus der Tiefe kommend (nichts von dem Geklapper Heines) sind die Verse Mörikes: Ängste, quäle dich nicht länger, meine Seele, siehe, schon sind da und dort die Gefährten, Morgennebel wach geworden.82 Siehe! [3 Zeilen nicht deutbar] Diese ganze Geschichte, die politisch, sozial, wirtschaftlich der anderen Wirklichkeit, mit Physik, Parlamentarier, Theorie, Industriellen, das ist doch offenbar Blödsinn und lächerlich. Wo ist also die Wirklichkeit? An Bilfinger, Weihnachten 26: Seit Jahren empfinde ich zum ersten Mal wieder etwas von dem Fest Weihnachten, von seiner Deutschheit und Volkshaftigkeit, und sehe auch, dass dieses Fest nur deshalb lebt, weil die lutherischen Lieder es tragen, während alles spätere süßlicher Kitsch wird, vor allem das typische bayerische „Stille Nacht“ mit dem goldenen Barockknaben im lockigen Haar und seiner szenarischen Regie-Bemerkung (alles schläft, einsam wacht). Jetzt erkenne ich: Mein Wunsch, ein dickes Buch zu schreiben, ist so töricht wie der Wunsch eines Kindes, einen Vollbart zu haben oder einen mächtigen Bauch. Das Meiste an dicken Büchern ist ja Vollbart; Zinnober. Noch jede Frau sagte zu mir: Du bist so leicht zu betrügen, und wenn du einer schlechten Frau in die Hände fällst, wirst du ausgebeutet und geplündert. Zum Lohn dafür, dass sie so gut und anspruchslos war, mich nicht auszubeuten und zu plündern, verlangt sie von mir alles das, was sonst die auch genommen hätten; und am Schluss stehe ich wieder da, ausgebeutet und ausgeplündert. 51r Der eine hat Angst vor Musen, der andere vor seinen Gläubigern, der Dritte erschrickt, wenn er eine Katze miauen hört. Ein Vierter, wenn ein Feldwebel brüllt [Rest des Satzes nicht deutbar] Es ist alles dasselbe. Angst: ein Irrtum? Noch lange nicht! Eine niedrige, hundeschwänzige, schweinspfotige Angst um Besitz und Bauch. Besitz und Bildung haben Bauch und Backenbart.
82
Korrekt: „Ängste quäle / Dich nicht länger, meine Seele / freu‘ Dich! Schon sind da und dorten / Morgenglocken wach geworden.“ Aus Mörikes Gedicht „In der Frühe“.
1. Paralleltagebuch375 Warum soll nicht auch dieser Landsknecht seltsame Sensationen gehabt haben, wenn der Schnee in der Luft lag und ein schönes Mädchen an ihm vorbei ging? An Stammler: Es sollen 5 oder 6 Lehrbücher in diesem Mai erscheinen; viele Gesamtdarstellungen des Völkerrechts liegen schon vor. Es fehlt also nicht an Kühnheit und anderen Eigenschaften, die mir aber ganz fehlen. Bei mir würde es zu einer Arbeit reichen, die ein problematisch Unzuständiger der aufs deutlichste in den Vordergrund stellt, nicht aber zu der schönen Systematik und Rundheit, hinter der sich ein Sammelsurium von politischem Dilettantismus, kindlicher Verallgemeinerung, moralisch gemeines verbirgt und die nur aus dem „Willen zum Lehrbuch“ zu erklären sind. Natürlich wird Politik etwas anderes, wenn sie in Hand von liberalen fällt; sie wird nicht „liberaler“, aber sie gibt sich moralisch und ökonomisch. Selig leuchtet mir der Sinn ihres weißen Fleisches.
52r Liberale verborgen bekämpfen Kontrolle statt Gesellschaft Gesellschaft statt Staat Sozialistisch statt politisch Programm statt Kampfziel Konsequenz statt Kampf Konkurrenz statt Feinde Weltanschauung statt Religion Tendenz statt Wille (?) [daneben mehrere Zeilen nicht lesbar] Den Feind beseitigen ist kein Programm, keine Tendenz, kein Zweck, sondern die Situation des Kampfes, selbstverständlich gegebenes Ziel, seinsmäßig, nicht berechnet; die Berechnung betrifft nur die Ausführung. Eine Restauration, in der sich Tote zu verjüngen suchen. Das scheußliche Gefühl, in einer Zeit der Restauration zu leben. Wie musste ich lachen über mich selbst und meine wissenschaftliche Abhandlung aktueller politischer Fragen, als ich in einer Bibliografie den Titel eines völlig vergessenen Buches las: G. J. Heyne83, Reges a suis fugati externa ope in regnum reducti, Goettingen, 1791, folio. (zitiert von A. de Floeckher, De l’Intervention en droit international, Paris 1896, S. 34).
83
Die Vornamen des Verfassers lauten korrekt „Christian Gottlob“.
376 Litaneide Identitäten: Geschäft ist Geschäft Militär ist Militär
1. Paralleltagebuch Mensch ist Mensch Frau ist Frau Mann ist Mann
Krieg ist Krieg
53r (25. 2. 27) Während Däublers -Vorlesung: Man verzichtet nicht ungestraft auf Gehirn und männlichen Verstand; Es fehlt ihm: Geschmack Verstand Kritik Urteil Linie Architektur (trotz aller Malerei) Der Staat musste ihm Geschmack und Verstand geben; es gibt aber keinen deutschen Staat. Alles fehlt, weil ein Staat fehlt. Die soziale Stellung der Juristen beruht doch immer noch auf dem Glauben an den Weisen, an die ratio; (der Jurist war der nächste Vertraute des der ratio status). Heute dagegen: auf seiner an den Hintergründen der Herrschaft des Privateigentums, des kapitalistischen Höhlenbewohners. Die Höhlen der Anonymität. Warum beunruhigt es mich, wenn ich von den Unruhen in China lese? Fühle ich mich mit der englischen oder europäischen Weltherrschaft identisch? Auf welche Seite gehöre ich? Natürlich auf die europäische, an gute Herrscher. Ich höre auf der Bahn in Godesberg‚ junge rheinische Burschen poussieren. Die englische Marinetruppe in Shanghai wird ; das ist ihre gute Sache; sie freuen sich darüber.
54r Ich stöhne auf vor Lust; aber kann ich es, dieses Glück, festhalten? Ich weiß, es zergeht in meinen Händen. Ich kann nicht sagen: O, [ver]weile doch, ich möchte es sagen, ich weiß nur, es ist Dummheit, so zu sprechen. Verweile, bleibe, heilige Heiterkeit, Glück des weißen Fleisches, bleibe. Aber weiß wird bleich und Fleisch wird Leichnam. Ich weiß das Bleiche, mein Wissen bleicht das Fleisch. Was ist Deutschland? Ich bin Deutschland? Ich mache alles, aber nur spielend, um zu zeigen, dass ich es kann und immer [3 Wörter], ich bin Soldat und Politiker, ich zeige, dass ich ein Wirtschaftler sein kann wie ein Amerikaner, so politisch wie ein Italiener oder Franzose, so gefühlvoll wie ein Russe, so
1. Paralleltagebuch377 weich wie ein Slave, so hart wie ein Engländer, so parodistisch [Wort durchgestrichen, darüber: ] wie ein Franzose, so romanistisch. Alles gelang mir, aber deshalb gelingt mir auch alles; es hat keine Dauer und keine Folgen. Ich bin kein normaler Mensch wie mein Volk kein normales Volk ist. Soviel Möglichkeiten und keine Wirklichkeit; auch der krampfhafte und systematische Wille zur Wirklichkeit schafft noch keine Wirklichkeit; sondern eine gespenstige Welt eines systematischen einer wirklich wirklichen Welt; nicht bloß eine Scheinwirklichkeit. Wir wirken wirklich Welt, Wille zur wirklich wirklichen Welt; wissen wirklich wirklicher Welt. Wir wirken wissend, wirklich wirkliche Welt. [1 Zeile] 55r Ich bin zu deutsch, um ohne Sehnsucht, zu welsch, um ohne Takt zu sein. Warum ist das unoriginell? Weil es den Rhythmus und die Struktur eines kritischen übernimmt? Während die Pfaffen brüllten, dachte ich an Magda und freute mich darauf, sie aufs Bett zu werfen. [späterer Zusatz:] (10 Jahre später hörte ich andere Typen so brüllen.) Vormittag Tischleder 25. 2. 27 Die Pfaffen und brüllten; es knallt nach Autorität; er schwang die Hundepeitsche seiner ; (damals dachte ich noch nicht daran, dass Ostmark und Letten diese Hundspeitsche schwingen würden).84 Ein wildes Tier, vor dem man Angst haben muss und das man vernünftigerweise einsperren soll. Alle Unterscheidungen ändern sich: der Unterschied von Stadt und Land (Stadt Urbanität, Land ohne Res). Von Krieg und Frieden (Krieg ohne Tapferkeit, Friede ohne Sicherheit). [dazu auf Bl 54v:] Hier liegt vielleicht, scheinbar unbegründet, eine Übereinstimmung von Liberalismus und Demokratie: Demokratie = Selbstregierung; Aufhebung des Unterschieds der Regierenden und Regierten. (In Wahrheit bleibt diese des Unterschieds in einem kleinen Rahmen, außerhalb des Rahmens der Unterscheidung von Beherrschenden und Beherrschten, um sie zu machen.) 84
Der eingeklammerte Satz ist wohl später zugefügt. Vgl. die ähnlichen Äußerungen über Tischleder unten, S. 401 f.
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1. Paralleltagebuch
26. 2. 27 Däubler macht mit einer kritisch-schaurig quakenden Stimme ein Gespenst nach; heute morgen, als ich mich von Duschka verabschiedete, spricht sie genau wie jenes Gespenst der Lust, Ekel und Angst. Natürlich bringt Däubler Unglück. Moeller von den Bruck hat sich erhängt.85 Gut, dass ich meine Schrift86 schon eingestampft habe. 56r Die Analogie der Situation (in ihrer Reproduktion) hat mir imponiert. sehr stark, stärker als die K an einzelnen Menschen, ich sehe eine Frau auf der Reise mir gegenüber im Coupé; an den Linien, an dem Schnitt, dem Klang ihrer Stimme. Aus der bloßen Situation ergibt sich der Affekt. Was heißt rationalistisch oder verstanden haben? Vor allem: niemals glauben, dass es auf einen abgesehen sei. Keine Absicht, sondern nur gesetzlicher Zusammenhang zu ver. In jeder Situation, auch in der Hölle, niemals glauben, dass man hierher verdammt sei, auch die Hölle sich betrachten als eine gegebene und analysierte Größe, nicht als etwas, wohin jemand einen verdammt habe, suche nach dem Grund der Verdammnis zu fragen; nur die gegebenen Phänomene berechnen. 26. 2. 27 Abends Während ich bei Magda war, rief ihr früherer Bräutigam , Bürgermeister Westerwald plötzlich an. Sie sagte, sie komme in einer halben Stunde; dann schickte er ein Auto. Ich war sofort deprimiert (war schon traurig gekommen), meine Schildpattbrille zerbrach, (die erste habe ich in einer üblen Situation liegen lassen; seit längerem wartete ich abergläubisch auf diesen Moment, dass die Brille zerbreche, fast 3 Jahre war es gut gegangen). Verheert und verwüstet von kindischen Affekten schwankte ich nach Hause, völlig außer mir. Krampfhafte Versuche, eine Haltung anzunehmen; zu Hause die kranke Frau, der Lächerlichkeit meiner Situation ganz bewusst, zu schwach, um sie mit ruhigem Gemüte zu ertragen. [späterer Zusatz:] (Scheinbar aber doch überlebt, 8.2.42 ).
85
86
Arthur Moeller van den Bruck nahm sich am 30. 5. 1925 das Leben. Zu seiner Beziehung zu Schmitt vgl. Breuer, S. 47 f. Gemeint wohl: Carl Schmitt, Römischer Katholizismus und politische Form, Hellerau 1923 (2. bearb. Aufl. München 1925).
1. Paralleltagebuch379 56v Und es hängt vom Konsum [ab], also dem man so, wie die Massen die Konsumbedürfnisse aller Sklaven [haben]. Ganz richtig. Aber dadurch, dass sich ein einzelner befreit, wird es nicht anders. Sokrates, der Zyniker, hat nichts retten können, aber vielleicht hat das Christentum das römische Recht nicht nur zerstört, sondern auch gerettet. 57r 20. 2. 27 (während ich in Versuchung war, an Magda zu telefonieren; ich tat es aber nicht) Mein politischer Glaube: dass die politische Herrschaft über das Volk und die Masse (das meint auch) der moralischen Herrschaft über die irrationalen Affekte analog ist; oder er , dass es keine politische Herrschaft über andere geben kann – ohne moralische Herrschaft des Herrschers über sich selbst; ökonomisch autark in der daher Herrschaft über sich selbst , die liberal endlich sei. Politische Herrschaft über sich selbst (Selbstregierung, Identität von Herrscher und Beherrschten), Ökonomische Herrschaft über den anderen. (Übrigens hat schon La Rochefoucauld erkannt, dass heftigen moralischen Überzeugungen wie Reflexe eines moralischen Unvermögens [sind], aber mit Psychologie kann man alles zerstören. Bei mir persönlich ist es richtig. Herrschaft über andere nur durch Herrschaft über sich selbst. Ganz anders als dieser psychologische Einwand dieses psychologisch sein = ein Bein stellen. Symptom der Restauration (in der wir leben): Politisch: Legitimität (statt Politik) also eigentlich unpolitisch; [einige Wörter], theoretische Indolenz [mehrere Wörter]. Ökonomisch: Herrschaft des Forschers Industriekapital . Psychologie statt Produktivität. Moralisch: : Kunstgeschichte und Kunst statt künstlerische Produktion; Übertragung privatrechtlicher Begriffe aufs politische Leben Juristisch: (Legitimität der Monarchie) 57v 18. 2. 27 Scheffer sagte mir in Berlin: Sie sind ein Anarchist; Sie halten es nur deshalb in Europa aus, weil Sie beständig an Europa Rache nehmen. 58r 27. 2. 27 Abends 9 nachts Däubler abgereist: zitternd deprimiert. Traurig zu Magda (ich wollte sehen, ob sie zu Hause ist; sie war schon zu Bett). Nach einer herrlichen Ejakulation glücklich und beruhigt nach Hause.
87
Paul Koschaker (1879–1951), seit 1915 Prof. für römisches und deutsches bürgerliches Recht in Leipzig, 1936 Berlin, 1941 Tübingen; NDB 12, S. 608 f.
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1. Paralleltagebuch
Die Unterscheidung von res cogitans und res extensa. Übertragen aufs Soziologische: die intelligente Regierung und das Volk (das Zeitalter der Kabinettsregierung). Warum soll also die moderne Naturgesetzlichkeit und die moderne Technik demokratisch sein? Immer weniger verstehe ich das. Vielleicht weil die r. c. entfällt und nur noch die r. e. bleibt? Wofür ich Gott danke, als Deutscher, im Zeitalter Wilhelms II. in die Diaspora hineingewachsen zu sein. Ein Kriechtier, das überall festklebt, wenn es längere Zeit festliegt. Weil es einen zähen Schleim sekretierte; es liebt doch nicht die Stelle, auf der es festsitzt. Mit der sachlichen Beschaffenheit dieser Standortsteile hat sein Kleben gar nichts zu tun, sein Kleben und seine Anhänglichkeit ist das Resultat seiner Schleimdrüsen; inzwischen ist es plötzlich ge-ortet, schollengebunden; sesshaft, bodenständig usw. Jaques Bainville88, Action française, 25. 2. 27 (zu der 6. Note Englands an die Sowjet-Regierung): L’Angleterre a commis une erreur en recevant chez elle les représentants des Soviets. Cette erreur, très répandue, consiste à croire que le commerce comme la musique, adoucit les mœurs. „Je ne crois pas à la guerre[“], sagte Lloyd George 1910, die Deutschen verkaufen uns für Millionen Pfund Waren, warum sollten sie uns töten? Wir verkaufen den Deutschen für Millionen Pfund, warum sollen wir sie töten? Trotzdem haben Deutsche und Engländer sich getötet. 59r Entpolitisierung der Staaten, d. h. Wiederkehr eines absoluten, vom Volk verschiedenen Staates, einer Nebenreichsregierung (daher kann sich Sowjetrussland die völlige Freigabe und autonomen Nationalitäten leisten.) Ein demokratischer Staat kann es sich nur in Nebensächlichkeiten für [2 Wörter]. Ich höre die Arie der Anna im D[on] J[uan]. Vater ist längst ein Abstraktum geworden, wie Liebe, Ehre, Rache usw. [dazu auf Bl. 58v:] Ein schwerer Anfang: Liebe, Ehre, Rache usw., auch Vater ist ein Abstraktum. Die konkreten Realitäten sind aber auch nicht da: der Kanzler, die Verbände, das Arbeitsamt, die Fürsorgeabteilung, die Generalverwaltung, das Ministerium sind doch noch viel abscheulichere Abstrakta! Alles ist gut, alles ist schön, alles ist in bester Ordnung. Alles ist schlecht, alles ist ekelhaft, alles ist Schwindel und Betrug.
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Jacques Bainville (1879–1936), franz. Historiker, royalistischer Nationalist, Mitherausgeber der Tageszeitung „Action Française“. Der folgende Absatz ist, auch wo er ins Deutsche wechselt, Zitat aus der „Action Française“.
1. Paralleltagebuch381 Schöne Stunde, sei gepriesen, grata hora non sperata.89 Eine vollkommen schöne Sekunde – schon vorbei. [dazu auf Bl. 58v:] Aufgefangener Satz auf der Straße: Obwohl ich an und für sich kein Freund solcher Sachen bin. (ich denke: sage, weiß schon Bescheid). Auch in der Besoffenheit wird heute niemand mehr (wie zur bürgerlichen Zeit) glauben, er sei allein auf der Welt; es komme auf ihn an: schwieriger Zustand der Besoffenheit, Isoliertheit der Sekunde; isolierter Augenblick einer Sphäre. 5. 3. 27 Völlige Besoffenheit von dem weißen Fleisch des Leibes der schönen Magda. Armer Teufel, nützt dir nichts. Heute kann man sich nicht mehr besaufen. Es hält einen nichts mehr, wenn man besoffen ist. Der isolierte Einzelne kann sich nur mit einem Aufgebot von Bewusstheit und moralischer Anspannung Zitternder (als Quaker) halten. Sonst ist er entweder nicht mehr isoliert einzeln oder er ist verloren. Wer in der Gemeinschaft lebt, darf sich besaufen; er braucht keine Angst vor dem Rausche zu haben; die Gemeinschaft trägt ihn. 60r Wohl aber der isolierte Einzelne; welche Angst vor dem Rausch! Er muss einen krampfhaften Rationalismus bejahen, sonst taumelt er wie ein Romantiker. [dazu auf Bl. 59v:] Der isolierte Einzelne, das Individuum, muss irrsinnig werden: wie ist er der Gegenständlichkeit der Welt gewachsen? Betrachte irgend eine Sache, einen ‚ einen Hammer, und lasse es als Sache auf dich wirken; du wirst erdrückt von der Gegenständlichkeit und Sachlichkeit, es überwältigt dich mit seinem stupiden Dasein und Isoliertheit. 8. 3. 27 Als bei mir eingebrochen wurde, hat mich das eine Sekunde deprimiert, dann ermuntert. Ich sah das Lächerliche des Begriffes der Sekurität und hasste die Franzosen und den Bourgeois. Plena securitas in hac vita non expectanda; Grotius de J. B. P., II, 1.1790
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„Angenehme, nicht erhoffte Stunde“. Plena securitas in hac vita non expectanda, „Völlige Sicherheit ist in diesem Leben nicht zu erwarten.“ Das Zitat findet sich an der angegebenen Stelle bei Grotius nicht in dieser Form, sondern es heißt dort: „Ita vita humana est, ut plena securitas nunquam nobis constet.“ (Das menschliche Leben ist so beschaffen, dass völlige Sicherheit für uns niemals besteht.) Hugo Grotius, De jure belli ac pacis, Lib. II, Cap. XVII. Schmitt zitiert den Satz in der 3. Fassung des „Begriff des Politischen“ (Hamburg 1933, S. 36) ohne Nachweis. Ebenso im „Glossarium“ (10.2.1948).
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1. Paralleltagebuch
Glückliche Stunde; ich sah fröhlich die Sekunden dahineilen, wie ein spielendes Kind den Sand durch die Finger rinnen lässt. [dazu auf Bl. 59v:] Schlechte P eines guten Juristen (das gibt es nicht). 16. 3. 27, Das Siebengebirge: Bl. 39 Heute Abend (März 26) sah ich [es] in der Dämmerung, in klaren Linien, hart und grau, wie ein Konzil von 7 Senatoren. Oft ist es eine liebliche Idylle, freundlich wie ein Gefilde Vergils, oft wie ein germanischer Hort, Siegfried. Dann wie eine Reihe ruhig gelagerter Kamele. Dann harmloser, freundlicher Deutscher, katholisches Mittelalter, dann Romantiker und kitschigster Fremdenverkehr, dann Steinbruch und Objekt industrieller Verwertung, ein grauer Schleier, der Vorhang fällt. [dazu mit Bleistift auf Bl. 59v:] Am 22. 1. 28 morgens: heute waren es 7 Ältere in der Morgensonne. [daneben mit Bleistift:] Am anderen Tage legen des Abends an die Dampfer, wie eine Schlange ein paar Wellen und der Kopf des Drachenfels endet. Darüber stand der Vollmond, wie ein silberner Taler. [auf Bl. 59v:] Der Mond steht nachts über dem Siebengebirge, wie ein silberner Taler rollt er an den entlang. Dann steht er hoch und schwebt über der niedrigen Bergkette, [die] so wie eine Schlange daliegt. Wie eine bleiche, kranke, romantische Musik [mehrere Wörter] über der Hässlichkeit gemeiner erheben möchte. Die Motorräder knatterten mit Geräusch und Gestank. In Wahrheit eine Beleidigung des . Dieser mechanistische Dreck für [Rest nicht deutbar]. Ich sehe das Schauspiel des Siebengebirges; ich fühle, dass es versinkt. Der letzte Akt, das Stück ist bald aus. Man wartet schon auf das Ende, einige Leute laufen schon zur Garderobe. 61r Ein als Sprachkünstler berühmter deutscher Professor, der sich außerdem gern über die deutschen Professoren lustig macht, schrieb wörtlich: „Die natürliche Person (im Gegensatz zur juristischen) hat von vorneherein an der Leiblichkeit dieses Menschen ihren festen Sitz, an dem was ihm frommt, ihren Zweck, an seinem Willen das in der Rechtsordnung unentbehrliche Werkzeug, sich zu betätigen“. Herrlich, immer verlangt er einen festen Sitz. (Otto Mayer, Die juristische Person und ihre Verwertbarkeit im öffentlichen Recht; Tübingen 1908, S. 20). Zu Frau Landsberg: Ich sehe mein Leben sich entwickeln, als würden sich in einem Stein erste Linien zeigen, dann ein hoch [2 Wörter]. Herrlich, dann allmählich eine plastische Figur aus dem Sein sich lösen, die dann irgendwohin ihren Weg nimmt, ich weiß nicht
1. Paralleltagebuch383 wohin. Ich fühle nur diesen Prozess der Loslösung vom Stein, die Herausbildung einer plastischen Selbstständigkeit, fühle die Schläge eines Meißels und schreie oft vor Schmerz und Angst. Der Unterschied eines Menschen, der kein Auto hat von dem, der eins hat, ist größer als der Unterschied zwischen einem ausgebildeten und einem gebildeten Menschen, größer als der Unterschied zwischen einem Farbigen und einem Weißen. Ergo! Auch zwischen einem Pietisten Christen. Eine Frau sagt: Ich liebe Sie schrecklich und fühle, sie fühlt sich so schrecklich überlegen, dass sie mich liebt. Es könnte auch umgekehrt sein: Man kann einen schrecklich lieben, weil man sich so schön unterlegen fühlt. [2 Zeilen nicht deutbar] 62r Der Magen ist gefüllt, der Hunger ist geblieben; der Rausch der Orgasmen ist vorbei; die Sehnsucht ist geblieben. Bilder: (beachte, welche K sich für den Staat und das Bild ergibt!) Der König:
ein Steuermann, dem alle gehorchen wegen seiner Sachkunde: Sokrates und Plato.
Der Hirt einer Herde: (nach Zeller, II 1 (4) 325 Anm. 5,91 anscheinend zuerst von der kynischen Schule geprägt). Xenophon, Cyrop. VIII 2.14,92 Dio Chrysostomus IV 44: 1.17.93 [dazu auf Bl. 61v:] Eth94: VIII, IX § 2: dirigit subditos, sicut pastor oves Thomas von Aquin: Der König = der pastor [Eberhard] Gothein: Reformation und Gegenreformation (Ausgabe von Salin, 1924),95 S. 193: „Bellarmin hatte die unmittelbare Gewalt des Papstes über die Staaten abgelehnt, freilich die indirekte so weit ausgedehnt, dass er schließlich doch Gott als den Herrn, den Papst als einen Hirten, 91
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Eduard Zeller, Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Th. 2, Abth. 1, 4. Aufl., Leipzig 1889. Die zitierte Stelle findet sich auf S. 326. Xenophon, Kyrupädie. Die Erziehung des Kyros; griechisch-deutsch. Hrsg. und übers. von Rainer Nickel, München / Zürich 1992. Dio Chrysostomus, Dionis Prusaensis quem vocant Chrysostomum quae extant omnia, ed. apparatu critico instruxit J. de Arnim, Bd. 1–2, Berlin 1883–1886 (Nachdruck 1962). Thomas , Sententia libri ethicorum. In: Sancti Thomae Aquinatis doctoris angelici Opera omnia, T. 47 / 2, Rom 1969. Eberhard Gothein, Schriften zur Kulturgeschichte der Renaissance, Reformation und Gegenreformation. Mit einer biograph. Einl. hrsg. von Edgar Salin, München [u. a.] 1924.
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1. Paralleltagebuch den König aber nur als den Leithammel der Volksherde erscheinen ließ.“ Hirt: agrarisch.96
Das Haupt der Menschen: Plato Rep.97 IX, 13 (Staat = Mensch) Der Schlussstein im Gewölbe: Bonald (Staat = Gebäude) [dazu auf Bl. 61v:] The key-stone bei Bolingbroke, s. Misc. Works (Edinburgh 1773) vol. IV, p. 222; Philos. Works (London 1754) III, p. 324 sagt Bol.[:] Dieses Bild stammt von einem Gallikaner, der in der päpstlichen Macht den key-stone als ganz christliches System erblicke; das ganze Gebäude fällt, wenn dieser Schlussstein weggenommen wird.98 Burke, Works vol. III (1815) p. 21 / 22, Speech of Bristol 1774 sagt, die königliche Gewalt bildet als Schlussstein das ganze Gewölbe (arch) der Verfassung und des Reiches (empire).99 Die Fahne:
Der Rosselenker lenkt die Rosse ϑυμός100 und ἐπιϑῡμία.101
Die Seele des Schaffens: technomorph. Der Vater:
soziomorph. 61v
Bilder des Parlamentarismus, S. 18 Das Volk: Der Staat: Der Staat: Der Staat: Der Staat:
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das vielköpfige Untier; die die Pflanze das Tier ein Mensch [Klammerzusatz nicht deutbar]
Gemeint ist Hermann Hirt (1865–1936), Sprachwissenschaftler, der die indogermanische Stammesgesellschaft als Bauerndemokratie beschrieb; NDB 9, S. 235 f. Plato, De Republica sive de iusto libri decem. „I have heard it said by a very respectable man in the gallican church, when he excused rather, than he defended, submission to the papal power, that this power is the key-stone of that arche whereon the whole christian system rests, and that the whole building must fall if the key-stone be taken away.“ Henry S. Bolingbroke, The philosophical works, vol. 3, London 1754, S. 324. „We are members in a great and ancient monarchy; and we must preserve religously, the true legal rights of the sovereign, which form the key-stone that binds together the noble and well-constructed arch of our empire and our conbstitution“ Edmund Burke, Works, vol 3, London 1815, S. 21 f. ϑυμός, „Leidenschaft, Mut“. ἐπιϑῡμία, „Begierde, Verlangen“.
1. Paralleltagebuch385 63r Die Abhängigkeit des Menschen von seiner physis bleibt etwas Komisches. Ein Mensch sitzt da mit einem stupiden Ausdruck und schaut ins Leere; er setzt seinen Zwicker auf, und siehe da, sein Gesicht wird intelligent und verständnisvoll. Stunde des Rausches, unerwartete Stunde einer unerwarteten Fähigkeit zum Rausch, – herrliche Stunde, die eine schöne Frau an meine Seite führt. Ein Mensch gähnt, er hält die Hand vor seinen Mund, ein Ehering ist eine Verschwendung, er hält den Ehering vor den gähnenden [eingeschoben: andererseits] Mund und gähnt. Stresemann, Scheidemann, Bethmann, Thomas Mann‚ Heinrich Mann, und Produkte der wilhelminischen Ära. Das einzige Land, in dem Genialität immer erlaubt ist, ist Deutschland; [3 Wörter]; Deutschland ist, denn dieses ist genauso viel schlimmer, wie besser ist, als das inoffizielle Frankreich, Italien usw. [dazu auf Bl. 62v:] Dux Allemagne spricht. Aber es gibt 2 Deutschland: eine Unterscheidung, von der die deutsche Propaganda der Franzosen sich nichts träumen lässt, denn wie von dem . 64r Warum sollen wir anders sein als die Menschen vergangener Zeiten; Eisenbahn und Elektrizität, und dgl. haben? Das ändert doch an unserer Natur nicht das Geringste. Wir tun genau dasselbe, was die [Menschen] schon früherer Zeiten taten; wir essen, trinken, laufen, springen, schlafen, klettern. Der einzige Unterschied ist, dass wir alles mit der Uhr in der Hand tun. Aber ist das ein Unterschied? Natürlich ist es ein Unterschied; es ändert unsere Situation. Wie, dafür haben wir dann wieder Ärzte, die uns kurieren, der kursierende Haarausfall. Eure Ärzte können nicht mehr kurieren, sondern wollen nur noch operieren. [5 Zeilen]. [dazu auf Bl. 63v:] [nur Einzelwörter lesbar:] sich so dumm und unwissend wie möglich zu stellen, das ist anscheinend ist ein Wesen mit 2 Beinen, das meistens recht Das Gesetz der notwendigen Übertreibung: Um das Recht des Volkes gegenüber dem Für sten durchzusetzen, müsste man von mehr sprechen als vom Volk, man spreche von der Menschheit. Gesetz der Verschleierung seiner selbst durch einen allgemeineren Begriff. Der Vorgang: Auf dem Weg über den Menschen zum Volk; Befreiung des Einzelnen, der aber eben nicht existiert, sondern nur als Angehöriger eines Volkes existiert.
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1. Paralleltagebuch
[dazu auf Bl. 63v:] Notwendigkeit der Abstraktion, als Mittel der Verschleierung; als Mittel der Rechtfertigung; Rechtfertigung durch Verallgemeinerung; die Macht, eine Verschleierung durchzusetzen und sich mit ihr zu identifizieren. 65r Die Flucht in die schnelle Bewegung, Auto fahren, ins Reden und Schwätzen, in die Formulierung; ist die [Alternative] Flucht in die Ruhe und Bewegungslosigkeit; ins Schweigen? D. h. nicht mehr produzieren? Nein. Ruhe ist stärker als Bewegung; die Kraft zur Ruhe ist stärker als die Kraft zur Bewegung; die Kraft zum Schweigen ist stärker als die Kraft zum Reden; deshalb braucht das Schweigen nicht wirksamer zu sein als das Reden. Glückliche Stunde, plötzlich der Wahn, plötzlich liebt mich eine schöne Frau. ( [2 Wörter] später stellt sich dann heraus, dass es Schwindel ist). Der status quo, unfähig, darüber hinwegzukommen. Humanität: erschießt einen Menschen, der wird frei gesprochen, weil du ein Mensch bist (dass der Getötete ein Mensch ist, gilt nicht mehr, denn es ist nicht mehr der st. qu.) Der christliche Anarchismus in mir; skatologische Neigungen, die Welt ist Scheiße. Der Mensch trägt seine Eingeweide auf 2 Beinen; wie lächerlich diese sich bewegenden Arschlöcher, die Handel treiben, Kriege führen, Bücher schreiben, Propaganda machen, ihre Arschlöchigkeit ignorieren. Warum besinnen wir uns nicht darauf? Ist das nicht die Realität des Teufels? Warum nennt sich Urchristen Woher meine Neigung für undankbare Rollen? Warum spiele ich immer den Retter der untergehenden Dinge: Römischer Katholizismus, Staat, Moral, Jurisprudenz? Kampf gegen die und Christus? Romantik ist erster Anfang eines unendlichen Romans; Anfang der völligen Immensurabilität. 66r Romantik, herrliche der Deutschen, Exzentrizität, Dadaismus, Edgar Poe: Warum stelle ich mich auf die Seite des st.[atus] qu.[o]? Grauenhafter Gedanke einer allgemeinen . Ein Weiser lenkt alles , was geschieht; alle Haare unseres Hauptes sind gezählt () aufgenommen, pfui Teufel, stehen irgendwo in einer Kartei.
1. Paralleltagebuch387 17. 4. 27 Ostersonntag, herrlicher Nachmittag, 2 schöne Frauen. Dressur? Die des Leviathan; die Entpolitisierung der Politik, [2 Wörter]. Peterson sagte sehr schön: Das Rheinland ist ein Garten, kein Land; deshalb ist hier kein Staat möglich. Das Paradies ist auch ein Garten, und ein Staat im Paradiese ist nicht möglich. Die Negermusik ist aktuelle Musik; eigentlich müssten die Sklaven alle schwarz sein, auch die Deutschen; sie müssen ja auch bezahlen, bis sie schwarz werden. Tätigkeitswörter: Der deutsche Akademiker pflegt das . Der König hält die Zügel der Regierung. Der Abgrund gähnt. Der Niemand treibt sein Unwesen. Der Held kämpft für seine Ideale, er ist ein Pionier des Fortschritts, der [2 Wörter]. Der Gelehrte ist wissenschaftliche Tat. Die Gegensätze [2 Wörter]. Die Meinungen platzen aufeinander. [dazu auf Bl. 65v:] Einer Ansicht huldigt man. Was tut man mit dem Schleier der Zukunft? Man versucht ihn ein wenig zu lüften. 67r Ubiquität der Deutschen. Der Deutsche, der ewige Landsknecht. Klems u. Abd el-Krim.102 Die französische Fremdenlegion. Paul Sturm103 = Pawel Joric104; der spanische General Weyler105; der Anton Müller106 ist der Arcos (1927).107
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Abd el-Krim (1882–1963), war ein Berberführer im Rifkrieg gegen die spanische und französische Kolonialmacht in Nordafrika. Josef Klems (1893–1939) war ein deutscher Fremdenlegionär, der desertierte und in das Lager Abd el-Krims überwechselte. Dirk Sasse, Franzosen, Briten und Deutsche im Rifkrieg 1921–1926. Spekulanten und Sympathisanten, Deserteure und Hasardeure im Dienste Abdelkrims, München 2006, S. 135–154. Paul Sturm (1891–1964), evang. Theologe und Philosoph. Nicht ermittelt. Valeriano Weyler y Nicolau (1838–1930), spanischer General mit deutschen Wurzeln, der als Gouverneur von Kuba für sein brutales Vorgehen berüchtigt war. Vielleicht ist der kommunistische Politiker Anton Müller (1888–1943) gemeint. Am 12. 5. 1927 gab es in London eine aufsehenerregende Polizeiaktion gegen die sowjetische Handelsvertretung Arcos, deren Haus mehrere Tage von starken Polizeikräften besetzt wurde auf der Suche nach einem Dokument, das im Kriegsministerium vermisst wurde. Harriette Flory, The Ar-
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1. Paralleltagebuch
[dazu auf Bl. 66v:] Der deutsche General Weyler ist Spanier (1925). Der Leutnant Schmidt, der während der russischen Revolution zuerst die rote Fahne hisste und nach welchem heute die Newa-Brücke in Petersburg benannt ist.108 Der Baron v. Reinhard109, württembergischer Pfarrersohn und Gesandter von Talleyrand und Napoleon. Der General Kundt110, Generalstabschef (Dezember 1928). Der deutsche Maler Kreuz, der sich den Namen Curtius beigelegt hatte,111 war einer der wenigen ‚ der am 14. 7. 1789 an dem Sturm auf die Bastille teilgenommen hatte. Die Nationalversammlung nahm am 19. 6. 1790 in ihrer Nachtsitzung die Liste der vainqueurs de la Bastille an. Hier war Curtius (Kreutz) genannt. Grimm: Anacharsis Cloots112; Gisecke113 [mehrere Wörter]. am 17. 7. 27 Zeitungsmeldung: Die Chinesen beschlagnahmen eine russische Bank in Shanghai. Der Leiter dieser russischen Bank war ein Deutscher namens Wilhelm. Zeitungsnachricht (Times) vom 26. 10. 28: Der Oberst Bauer114 organisiert (mit vielen deutschen Offizieren) die Chinesische Nationalarmee. Am Rhein, auf den Straßen wimmelt es von sexuellen Delikatessen. Leben heißt Nicht-Besitzen (das ist richtiger, als wenn Fichte sagt: Besitzen heißt NichtLeben. Leben heißt nicht philosophieren).
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cos Raid and the Rupture of Anglo-Soviet Relations, 1927, in: Journal of Contemporary History 12 / 4, 1977, S. 707–723. Die Blagoweschtschenski-Brücke über die Newa in St. Petersburg wurde 1918 nach dem Leutnant Pjotr Schmidt (1867–1906) umbenannt, der einer der Führer der russischen Revolution von 1905 war und deutsche Vorfahren hatte. Karl Friedrich Reinhard (1761–1837), franz. Diplomat deutscher Herkunft. Hans Kundt (1869–1939), preußischer Generalmajor, seit 1923 Kriegsminister von Bolivien. Philippe Curtius (1737–1794), gebürtig aus Stockach, stellte in Paris bemalte Wachsfiguren her und hatte mehrere Wachsfigurenkabinette. Gudrun Gersmann, Wachsfigurenmacher, Medienunternehmer, Revolutionäre, in: Medienereignisse im 18. und 19. Jahrhundert. Beiträge einer Interdisziplinären Tagung aus Anlass des 65. Geburtstages von Rolf Reichardt. Hrsg. von Christine Vogel, München 2009, S. 55–76. Johann Baptist Hermann Maria Baron de Cloots, genannt Anacharsis Cloots (1755–1794), aus Kleve stammender Schriftsteller und französischer Revolutionär, starb unter der Guillotine. Schmitt bezieht sich offenbar auf die Berichte des deutschen Diplomaten in Paris, Friedrich Melchior von Grimm (1723–1807). Vielleicht Carl Ludwig Giesecke (1761–1833), Jurist, Schauspieler, Opernlibrettist, ob für Mozarts „Zauberflöte“ ist bis heute umstritten, seit 1814 Professor für Mineralogie in Dublin. Max Bauer (1869–1929), Offizier, Waffenhändler, Militärberater in der Sowjetunion und in China. Vgl. Deutsch-chinesische Beziehungen 1928–1937. „Gleiche“ Partner unter „ungleichen“ Bedingungen. Eine Quellensammlung. Hrsg. von Bernd Martin, bearb. von Susanne Kuß, Berlin 2003, S. 118–121.
1. Paralleltagebuch389 Sei mein Besitz, und du bist tot. In einer milden Stunde, während eines Sommermorgens, las ich in Ruhe und Sammlung Montesq.[ieu]. Gerührte Freude über das Leben eines Adeligen im 18. Jahrhundert, der auf dem Land lebte, an der Garonne, und sich schöne Notizen machen konnte. Kein Auto störte ihn, kein Motorrad, kein soziales Problem. Die Wanderung der (nach Witterung): Das Geistige über die Natur; der wandert nach Amerika, der Sozialismus nach Russland, das spanische Reglement nach Preußen. Schönes Beispiel der Befruchtung von außen, durch etwas Fremdes (zum Staat gehört das Fremde). Ein Mensch wird bestimmt durch Eindrücke, Erfahrungen; ein Kind kann Erfahrungen machen, ein Volk kann Erfahrungen machen. Kinder, Frauen und Volk. Der Mann macht keine Erfahrungen mehr, was er kann. Und Frauen? Eindrucksfähigkeit, [die der] Mann hat. Er braucht Dumme gegen die neuen Erfahrungen. 68r Es gibt keine Gnade. Du lebst als geistiger Mensch unter deinen Mitmenschen wie ein Schaf unter Wölfen. Die Wölfe sind eifersüchtig und schlau, dadurch hast du eine gewisse Schonfrist. Aber in derselben Sekunde, in der sie sicher wissen, dass du nicht ihresgleichen bist und sie dich nicht zu fürchten brauchen, wirst du zerrissen. Deshalb findet der intelligente Mensch immer nur in einer organisierten Priesterschaft Schutz. Der Liberalismus isoliert und lässt nur die Wölfe am Leben. Das heißt dann: Freiheit der Meinungsäußerung, Freiheit des Wettbewerbs. Sonderbar. [dazu spätere Notiz auf Bl. 67v:] 1927 Geschichte, 1935 / 6 buchstäblich erfahren, also gibt es nichts Neues. Ans Gefühl: Die schöne Welt, mit Blüten und Blumen, blauem Himmel, großartigen Flüssen und Meeren, schönen Mädchen und lachenden Kinden, wird plötzlich ein stark riechender Köder, den man uns Menschen hinhält, wie man einer Ratte ein Stück faules Fleisch in die Falle hängt oder wie man einen Hund springen lässt, indem man ihm eine Wurst vor die Nase hält, so springen sie nun alle nach dem Köder dieser schönen Welt, die Illusion und die Wirkung, die braven Hausfrauen und die Huren, dauernd untauglich stille und muskulöse Preisboxer, sie springen nach der Wurst. Ich wohne in Hotels und schlafe bei Huren.
390
1. Paralleltagebuch 69r
Das Leben des Menschen: Scharrt sich sein Häuflein Lust zusammen. Wir sind in einem Grabe, das Grab des Lebens; Familie, Staat, Kirche, Heimat usw. Liebe, Anhänglichkeit, alles Grab, Mausoleum. Das härteste und engste Grab ist der Besitz. 22. 5. 27115 Eine Grabkammer mit ‚ mit den ältesten Teppichen , geknüpft aus den wertvollsten Edelsteinen. Der Schlaf ist ein Grab. Die Auferstehung am Morgen. [mehrere Wörter]. Warum nun plötzlich ein Erfolg bei Frauen? Bei dieser armen, schönen Irren? Erst war sie so anspruchsvoll, verlangte einen Rolls Royce. Schließlich stöhnte sie im Glück des Orgasmus und lief mir nach wie ein braves Hündchen. Das war die schöne Zeit, als die Schönheit sich verpflichtet fühlte, die Rolle des interessierten Gottes zu spielen; da schrieben die Romantiker, herum und das Publikum hörte interessiert zu. Damals hatte es der Mensch gut, [1½ Zeilen]. Denken und sein; ich habe keine Seele, ich habe nie verstanden, aber ich habe meinen Verstand. Einsam mit meinem Verstand; der isolierte Einzelne muss denken, bewusst sein, kann nicht schlafen, nicht betrunken sein, nicht . Der Romantiker entdeckt den Rausch und den Traum; die Gemeinschaft begründet auf einem Rausch, sinnlos, während in Wahrheit der Rausch nur auf dem Grund einer Gemeinschaft . 68v Ich denke, also (wenn ich denke, muss ich also sagen, d. h. argumentieren). Ich denke also was? Was folgt daraus, dass ich denke usw.? Aus dem einsamen , dass ich denke, folgt doch nichts. Aber wovon ich argumentiere, weiß ich nicht. Etwas Seinsmäßiges. Ich denke, also bin ich, heißt: Sein ist Bewusstsein; nur Bewusstsein? Wahres Sein; intensives Sein. Nur aus einer höheren Art von Sein folgt etwas fürs Sein; seinsmäßig ist immer von oben nach unten zu argumentieren. Formativ von oben nach unten: Die Verfassung ist die Grundlage, das Grundrecht, Gesetz der Gesetze, nicht Fundament, sondern Stütze. Der König ist nicht die Grundlage, sondern der Schlussstein im Gewölbe. Der König hat Autorität: legitimiert nicht sich, sondern den anderen. Die Verfassung hat Geltung; Geltung aber im Gegensatz zur seinsmäßigen Geltung [2 Wörter]; positive Geltung ist seinsmäßige Geltung, d. h. wesensmäßige Geltung. 115
Vgl. dagegen oben, TB vom 21.5.27: „angenehmes Gefühl, bei soliden und reichen Leuten zu sein“ (bei Bilfinger in Halle).
1. Paralleltagebuch391 Nur Gesetz ist Grundlage eines Gesetzes. Keine Autorität kann ein Gesetz halten. In endloser Tiefe; Vertiefung des Denkens. Autorität = in endlose Höhe; Steigerung des Daseins. 70r Die Litanei der Deutschen: Ich bekenne mich zu keiner Religion. Er bekennt sich meist zu keinem religiösen Bekenntnis – aus Religion. Das ist aber nur ein Einzelfall. Er ist kein Monarchist – aus Monarchismus. Er ist kein Republikaner – aus Republikanismus. Kein Liberaler – aus Liberalismus. Kein Bolschewist – aus Bolschewismus. Er ist alles nichts – weil er alles nicht [ist].116 Ekelhafter Zustand. Der Mensch: Die Frau ist weder eine Deutsche noch eine Jüdin noch eine Französin; sie ist ein Mensch. D. h. eine Konstruktion. Was ist ein Mensch? Der Reim und die Sprache werden es uns offenbaren. Der Mensch ist ein gebauschtes Gespenst – beim Lunch. Die Litanei von der Herrschaft: Wer sagt: Der Mensch ist von Natur gut: will herrschen. Wer sagt: Der Mensch ist von Natur böse: will herrschen. Wer von Menschheit und Freiheit spricht, will Macht im Namen der Menschheit und die Freiheit beherrschen. Wer von Autorität spricht, will Autorität ausüben usw. Litanei vom Willen, Wollen und Können: Du kannst, denn du willst. Du kannst nicht, denn du willst nicht (hier wird die Sache schon komisch). Du willst nicht, also kannst du nicht. Du kannst nicht, also willst du nicht. [dazu auf Bl. 69v:] Du kannst, denn du willst. Diese krampfhafte Redensart kann doch höchstens den Wert haben, ein letztes Instrument zu einer verzweifelten Anstrengung zu sein. 71r Du kannst nicht, doch du willst (katholisch). Du kannst, denn du willst. Aber ich kann doch gar nicht. Doch; dein besseres Ich will; was dein besseres Ich will, weiß ich besser als du.
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Parodie von: Friedrich Schiller, Mein Glaube: „Welche Religion ich bekenne? Keine von allen, die du mir nennst – Und warum keine? – Aus Religion.“ (s. auch TB III, S. 535).
392
1. Paralleltagebuch
Die Litanei vom Betrug: Leben heißt betrügen, leben heißt betrogen werden; leben ist die Bilanz zu betrügen und betrogen zu werden. Leben und leben lassen, betrügen und sich betrügen lassen. Was bedeutet es, wenn einer aufrichtig und im Ernst „Gott“ sagt: Ein Schuss ins Blaue. Das Bild vom Wilhelminiker: [daneben:] (Der Untere-Wilhelminiker gehört dazu: Heinrich Mann = Hermann Wendel117 etc. [mehrere Wörter]. König, Prototyp, Repräsentanten, Symbol, Vorbild der Wilhelminiker ist Wilhelm II. Der alte Vergleich der Könige mit den Planeten, die nun einmal zum Schicksal der Menschen gehören. Die Menschen, die Wilhelm II. in den entscheidenden Jahren ihres Lebens erlebt hat, gehören schicksalsmäßig zu ihm, sind ihm irgendwie ähnlich, benehmen sich wie er und haben sein Schicksal. Momentan, 1925–27, erleben sie eine kleine, sehr kümmerliche Restauration. Sie haben alle dieselben Merkmale: Hjalmar Ekdal118 war ein Verwandter von ihnen. Weil er genau beschrieben ist, kann man ihn hier nennen, obwohl er hier insbesondere vergessen wurde. Was Wilhelm II.: Hj. wurde oberster Kriegsherr. Man kennt aber auch alle die anderen: Hj. als Geheimrat, in der inneren Verwaltung, als Grubendirektor, als Warenhausbesitzer. 72r Charakteristisch: Sie rasen herum in ihren Autos (Kluxen). Erik E. Schwabach119 hat unsere Art Nervosität gut beschrieben, aber zu sehr von außen, weil er innerlich nichts mit ihnen zu tun hat und sie nur von außen kennt. Man muss sie aus der Familie, vom Gymnasium her, und eigenen Dummheiten kennen. [dazu auf Bl. 71v:] Walter Rathenau (ist anständig gestorben) Litanei von der Hölle und der Angst: Der sicherste Weg zur Hölle? Die Angst vor der Hölle. Der sicherste Weg zum Tod? Die Angst um sein Leben. Der sicherste Weg, komisch zu werden? Die Angst, komisch zu sein. Der sicherste Weg, von den Menschen unterdrückt zu werden? Angst vor der Unterdrückung. Der sicherste Weg, betrogen zu werden? Angst vor dem Betrug.
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Hermann Wendel (1884–1936), Journalist, Balkanforscher, SPD-Politiker (MdR); DBE 10, S. 539. Hjalmar Ekdal ist eine Figur aus Ibsens Stück „Die Wildente“; er lebt in einer Scheinwelt. Erik Ernst Schwabach (1891–1938), Schriftsteller, Übersetzer und Literaturmäzen; Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 11, S. 407; Tb III, S. 103.
1. Paralleltagebuch393 Hunger und Durst nach der Publizität. Plötzlich die beruhigende Gewissheit, dass es im Leben vernünftig zugeht. (Damit tröste ich mich, wenn ich die Verrückten philologisch sehe). Plötzlich die beruhigende Gewissheit, dass es im Leben unvernünftig zugeht. (Damit tröste ich mich, wenn ich die schlauen und berechnenden Juden sehe). Nachts: Wie Raupen einen Baum zerstören, Blätter fressen, so wird meine Seele verwüstet durch Menschenfurcht, Angst und Ehrgeiz. (Das ist die sentenzenhafte alte, klassische Formulierung.) Es auf niemand. Wenn ich es aber auflöse als psychologische Assozietät, so wird es wahrscheinlich: Fette und haarige Raupen sitzen auf Blüten und fressen sich dick. Angst frisst an meiner Seele. 73r 1. 7. 27 Die Rektoratswahl; Angst vor diesen Menschen, vor allen Menschen; immer Angst, wenn ich nicht oben bin; Angst, komisch und unbedeutend, einflusslos zu werden. Erkenntnis der Lächerlichkeit der Menschen, bezahlt mit der Erkenntnis der eigenen Lächerlichkeit. Fliehen, ins Andere, ins Fremde; wie sympathisch sind die Franzosen. Besonders denke ich an den Satz von Kluxen: Bevor du dich entschließt, komisch zu werden. Soziologie: Schreibe ein Buch über die Soziologie der Monarchie und zeige darin, dass die Großlieferanten monarchistisch gesinnt sind; belege das mit Zeitungsartikeln, Zitaten aus Fachblättern, Vereinsreden, Gesprächen usw. [mehrere Wörter]. Also hast du einen Beitrag zur Soziologie der Staatsformen geschrieben. Ich höre einen Marktschreier seine Krawattenbinder anpreisen (er spricht in dem ductus von G. Holstein): Ich lege die Krawatte an: ein Ruck und sie sitzt fest, jede Verschiebung nach einer Seite ist ganz unmöglich, liegt außerhalb des Denkbereichs der Möglichkeiten. Ich kann sie nach rechts und nach links ziehen; es ist ganz undenkbar, dass sie sich von ihrem richtigen Platz fortbewegt. Und inzwischen, meine Herren, kommt das ganz Besondere, das große Bequeme und das ganz Angenehme, das Ablegen der Krawatte. Meine Herren, es gibt Menschen, die noch heute der Ansicht huldigen, sie müssten unbedingt Selbstbinder tragen … Heimlich für sich, für sich ganz allein, nicht unter 4 Augen, nicht vor seiner Frau oder seinem Freund, aber ganz für sich – wird wohl jeder die dieses Daseins erkennen. Trotzdem geht das Theater weiter, sicher weiter, also reines [1 oder 2 Wörter]. Also muss das Theater doch seinen Sinn haben, also machen wir das Theater mit.
394
1. Paralleltagebuch 74r
Wie trostvoll die glückliche Sekunde des Augenblicks sexueller Illusion und Ekstase, wie schön gleiten sie dahin, wie klares Wasser durch die Luft, wie natürlich, selbstverständlich, erlösend der Wunsch, die Lust zu suchen und den Schmerz zu fliehen, Komfort, Glanz, physisches Behagen, der ungeheure [2 oder 3 Wörter] Apparat der modernen Produktion. Das alles ist buchstäblich Selbstmord; in nichts verschieden von dem Tun eines Menschen, der Opium raucht und sich an Morphium berauscht, [3 Wörter], dauernder, permanenter Taumel, feiger und rationeller; die Morphinisten und ziehen nur die Konsequenz dieser Art Dasein und ihr Tun hat etwas Heroisches; sie sind die Märtyrer der Angst vor dem Martyrium; sie haben den Mut, Schmerz und Katastrophen zu wagen, um sich die Lust zu verschaffen. Die anderen sind feige. Es ist feige, sich durch ein langsames, berauschendes Gift bewusstlos zu töten, weil man nicht wagt, ohne Illusion zu leben; es ist doppelt feige, diesen Zustand das Leben hindurch systematisch zu betreiben. Die Angst um ein schönes Leben. Die Angst vor der Armut und vor dem Alter ist so groß, dass die Angst vor dem Tode nicht mehr bewusst wird. Wir fürchten den Tod nicht mehr, weil wir eine permanente Euthanasie organisiert haben. Das ist das Geheimnis der stupiden Gleichgültigkeit, mit der die Menschen sich im Krieg töten, ihr Leben riskieren. Was ist das Christentum? Ein gewebe am Chassis eines Automobils. Ein Blümchen im Auto; eine Puderdose in einem Auto etc. Romantisches Geschwätz: Lieber ein großes Nichts als ein kleines Ass.
75r Mein Geist sucht nichts als Konsequenz. Die Sehnsucht nach irgend einer dummen Hure ist nichts als Sehnsucht nach Konsequenz, die unbewusst erkannte Konsequenz der modernen bürgerlichen Gesellschaft; sie hat alle in verträgliche Einzelbeziehungen aufgelöst, alles in berechenbare Übersichtlichkeit einer durch Vertrag begründeten, kündbaren, zwischen 2 einzelnen Personen bestehenden und berechneten Beziehung von Leistung und Gegenleistung. Wie klar und anständig repräsentiert eine Hure diesen Zustand. Litanei des Proleten: Er sieht seine elende Lage und kriegt die Wut; dann kriegt er die Wut darüber, dass er so dumm und hilflos die Wut kriegt; dann kriegt er also keine Wut, sondern bleibt eine Sekunde ruhig; dann kriegt er die Wut, dass er nicht einmal die Wut kriegt und schon so erbärmlich geworden ist, sich alles gefallen zu lassen.
1. Paralleltagebuch395 Ich freue mich an jeder Sekunde meines Lebens, die dahin geht, ohne dass ich mir Mühe zu geben brauche; Das ist doch auch wieder Selbstmord; Drückebergerei vor dem Leben. Also Pflicht, das Leben zu bezwingen? Wie macht man das? Der eine stößt sich ein Messer in den Bauch (veraltete Methode; sie den Fortschritt der Waffentechnik und ist daher zu verwerfen). Der andere schießt sich eine Kugel in den Kopf, das ist zu mechanistisch. Der eine schluckt Opium; das ist organischer, feiger, meso. Der andere stürzt sich Wein oder Schnaps in seinen Bauch; eine sehr symbolische Handlung. Der eine geht zu Huren und rast herum. Das ist Blödsinn. [dazu auf Bl. 74v:] Moral: Stoß dir kein Messer in den Bauch, schieß dir keine Kugel in den Kopf, Schluck kein Opium und geh nicht zu Huren. Was sollen wir tun? Handel treiben und nicht bezahlen. 76r Wie schön ist das Knie des Mädchens; wie eine Kugel gedrechselt; wie rührt mich diese Schönheit. Aber aus diesem sensualistischen Rausch lässt sich leider keine weitere Konsequenz ziehen. Litaneien eines Lateiners; Deutungen eines Deutschen; eines ; Genialitäten eines Italieners; USA: Theologie: Vor dem Sündenfall gab es nur Milliarden. Dann kam ein Trunkenbold, der natürlich nicht Milliardär sein konnte und gab ein schlechtes Beispiel. Einige Schöne ließen sich von ihm verführen und hörten auf, Milliardäre zu sein. Sie vermehrten sich natürlich zahlreicher als die Milliardäre und es entstand Unzufriedenheit und Elend. Zuletzt siegt der Bolschewismus. Schon längst war es deshalb notwendig geworden, durch ein besonders gutes Beispiel die Welt wieder in Ordnung zu bringen. Einen Rekord dieses guten Beispiels hat bisher Jesus Christus geschlagen. Daher sind wir alle gute Christen. Doch scheint die Sache noch nicht ganz in Ordnung zu sein. Die Wirkungen der Prunksucht sind mehr zum Übel. Wir werden daher versuchen, durch ein Prohibitionsgesetz nachzuhelfen. Das ist wie das Christentum der Tat. Vergiß nicht deine Einsamkeit. Wenn du dich wohl fühlst unter Menschen, entzückt bist von ihrer Freundlichkeit; Wenn du dich ganz und restlos verstanden glaubst und deine Seele sich vergisst. Wenn du Sehnsucht nach Menschen hast.
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1. Paralleltagebuch 77r
Gerührt, in zärtlichem Sensualismus, Erich Kaufmann, gleiten seine Würstchenfinger über ihre schlanken Beine. Er fühlt sich plötzlich produktiv: Leben, Bewegung, Fühlen, quellende Schönheit, Form und Gestalt, Abstraktion und , alles wird ihm klar. Der Anblick macht es einem schwer, ein Mädchen zu streicheln, aber schließlich gebe ich mich auf. Über die Welt hat man mir in meiner Jugend eine rote Höllen- und eine blaue Himmelssoße ausgegossen. (Es war übrigens Sauce und nicht Soße, auch nicht Tunke.) Erst jetzt habe ich den Geschmack der Welt. Sie schmeckt herb und hart. Aber die Soße ist zum Kotzen. Woher kommt ein Wort? Wie kommt es, dass es plötzlich aus der Tiefe meines Inneren kommt, obwohl es mir doch von außen zugeflogen ist und andere schon die Sprache beigebracht haben? Wie kommt es, dass plötzlich ein Wort das Netz des konventionellen Vokabulariums durchbricht, wie ein besonders feiner und zarter oder wie ein besonders starker und wilder Fisch wieder ins freie Wasser entkommt. Das ewige Gespräch der Romantiker ist vielleicht eine -jüdische in säkularisierte Form des ewigen Gesangs der Engel. Ekel des Physiologischen; aber alles ist physiologisch; du kannst ihm nicht entgehen. All diese Psychologie, Feinheit, ist doch ein grober, plumper Schwindel; es gibt keine Enthüllung der psychologischen Geheimnisse; je unmittelbarer, umso mehr gefälscht. Dostojewski, Joyce, warum soll das Gewühl und das Chaos wahrer sein als die Ordnung. Es ist beides gleich Faulheit, gleich , gleich illusionär. Wer Macht hat, ist böse; Wer Besitz hat, ist böse. Die gesunden Instinkte des russischen Volkes. 78r 23. 7. 27 Um ½ 5 aufgestanden, im Morgenrot über dem letzten Rheinhügel. Ein silberner Halbmond. Der frische Morgen. Der Tau auf den Rosen; glückliche Stunde der Sicherheit, kein Gott, keine Angst vor Menschen, der Reinheit des , kein Christentum, keine Industrie, keine Humanität, kein Schwindel. Idealbild des Franzosen: Er spricht nur geistreiche Sentenzen, er isst nur Delikatessen; ist immer zärtlich verliebt.
1. Paralleltagebuch397 Warum braucht jedes politische Genie die Juden. Cäsar, Wallenstein, Napoleon? hilft mit, solange nichts ist; warum gerade die Juden. Ebenso wie jedes politische Genie ein Anarchist ist. Es wurde das Außenmitglied der geregelten Ordnung[, außerhalb] stehend; es braucht das . Der Feind allen Lebens ist die Legitimität. Der Hort der Legitimität: die römische Kirche, sie hat noch jeden unterdrückt. Jede große Bewegung beginnt nihilistisch. Gesetzlosigkeit, Haltlosigkeit; Askese ist nihilistisch. Das Christentum, das Feudalwesen (d. h. geh’ über in Besitz, Familie, Legitimität und stirb). Justice, t. II, S. 207 Bürgerliches Eigentum = Hurerei. Das wusste ich längst; inzwischen lese ich bei Proudhon:120 „C’est par la possession que l’homme se met en communion avec la nature, tandis que pour la propriété, il s’en sépare; de la même manière que l’homme et la femme sont en communion par l’habitude domestique, tandis que la volupté les retient dans l’isolement.“ [dazu auf Bl. 77v:] Familie. Also keine bei Pr.[oudhon]!! Großer Unterschied gegen die Bolschewisten. Pr. war gar kein Revolutionär. Das Grauenhafte ist, dass dieser ordnungsliebendste aller Menschen revolutionär werden muss, weil der Zustand der Welt . 78v Der deus venter ist ein gentleman, Kavalier und jeder wahre Mensch dient ihm (the first duty of a gentleman is to be a good animal). Merkwürdig; die Professoren argumentieren immer: 1. Im Mittelalter hielt es niemand für möglich, dass man Deutschland würde. 2. Die moderne Entwicklung der Waffentechnik macht die Kriege unmöglich. Warum argumentieren sie nicht: Im Mittelalter würde jeder gesagt haben: Die Erfindung des Schließpulvers macht die Kriege unmöglich. Bei völliger Passivität siehst du geheimnisvolle Zusammenhänge (der Romantiker ist eben nicht passiv; er will aktiv sein, ist sehr positiv; auch das ist eine üble Mischung; aber sehen wir davon ab.) = Passivität; verzichtet auf Aktivität des Lebens. Ich glaube, dass Ch.[arles] M.[aurras] sich durch seine Art Aktivismus ruiniert hat. ist Unrecht. Handeln kann man nur aus der Fülle seines Seins, nicht aus einem Entschluss oder Plan. Ich bin ein psychischer Bluter.
120
Pierre-Joseph Proudhon (1809–1865), franz. Ökonom und Soziologe. Schmitt zitiert: Pierre-Joseph Proudhon, De la justice dans la Révolution et dans l’Église, Tome 2, Paris 1858. (In dieser Ausgabe findet sich das folgende Zitat auf S. 88).
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1. Paralleltagebuch
Der Hüter der Schwelle: Früher dachte ich, es sei ein Engel mit einem Schwert; großartig und gewaltig. Heute sehe ich, dass es ein kleiner, geschäftiger Zwerg ist, der opt. fide121, der vor der Schwelle auf und ab geht und den Menschen versichert, hier sei gar keine Schwelle. Heute ist der Psychoanalytiker der Hüter der Schwelle. 79r Wie, du leugnest einen Fortschritt? Auch das Leugnen des Fortschritts könnte vielleicht ein Fortschritt sein. Des Nachts fühle ich: ein dürrer Baum kann wieder Knospen schlagen; er hat eine vitale Realität; es ist wahr; kein Wort wie Symbolismus kann die dieses Vorgangs erfassen. Fabel: Die Störche schließen mit den Fröschen einen Vertrag, wonach beide Teile Freiheit haben, ihre Nahrung zu suchen. Die Frösche feiern diesen Vertrag als großen Erfolg mit großen Reden auf die Freiheit. Das Kaning122 hat angefangen. [4 Zeilen Text nur bruchstückhaft deutbar] Fabel: Die und der Schnecke: Das Ideal der Schnecke ist die Schnelligkeit. Nach der Weltanschauung der Schnecke hat die Welt Sinn und Zweck darin, dass sie sich mit ungeheurer Geschwindigkeit bewegt; wohin, woher, warum ist gleichgültig. Als es einer Schnecke gelungen war, sich an ein Stück Holz zu klammern und damit einen reißenden Bach hinunter zu schwimmen, wurde das als eine Etappe in der Geschichte der Schnecken gepriesen; die Schnecken und Philosophen feierten die Überwindung des Raumes.123 80r Smend: Vorlesung Staatsrecht. In der Nationalversammlung verfünffacht sich der Teil der Grundrechte. Das bedeutet auch Änderung großer Charaktere. Die Minderheitsparteien sichern sich Minderheitsrechte. gegen Mobilisierung; kirchenpolitisch; Zentrum. 2. Bedeutung liegt im Naumannschen Entwurf,124 über Gebühr manches behandelt; zu den Prinzipien der Gegenwart. Der gemeinsame Boden soll gesteigert werden (keine religiösen Parteien), die Tendenz ist aber in den 2. Hauptteil übergegangen. Integrationsabsicht. 121 122 123
124
optima fide, „im besten Glauben“. Lesung sicher, Bedeutung unklar; s. auch unten, S. 447. Vor dem Ersten Weltkrieg arbeitete Schmitt mit Franz Kluxen, Fritz Eisler und Eduard Rosenbaum an dem dadaistischen Roman „Schnekke“, der verschollen ist; vgl. Jugendbriefe, S. 109 und passim. Friedrich Naumann, (1860–1919), evang. Theologe und liberaler Politiker, Mitglied der Weimarer Nationalversammlung und Mitarbeit an der Weimarer Verfassung, dem es um den Entwurf eines „sozialen Staates“ging. s. Carl Schmitt, Verfassungslehre, 8. Aufl., Berlin 1993, S. 162. Rudolf Smend, Verfassung und Verfassungswirklichkeit, München 1928, S. 166, Anm. 1: „Es ist bezeich-
1. Paralleltagebuch399 Unter dem Einfluss von Beyerle Grobes: Naumannisch: positiv die Gehaltsbeseitigung, negativ: Beschränkung. Infolgedessen: Herausnahme aus dem 1. Teil und 2. Hauptteil. Folge: Ein Stück Verfassung von selbstständigem oder: Reihe von Einzelbestimmungen. 1. Abschnitt: Freiheit der Meinungsäußerung gehört bereits in den 2. Abschnitt. Umgekehrt gehört in den 1. Abschnitt das älteste Grundrecht 135, vielleicht 142, Wirtschaftsfreiheit 151 / 2 und 153 / 4. 2. Abschnitt: So keine Zeitwörter mehr; Familie, politische Freiheit (politische Werbung), dazu gehört auch 3. Abschnitt: besonders stark der ; der Staat ist eine soziale und Gemeinschaft, 159. Ethos des 4. Abschnittes (Schule) durch rechte durchbrochen und entpolitisierende Tendenz. Wo liegt das juristische Problem der Grundrechte? Die einzelne Auslegung (die sehr mühsam). Was bedeutet z. B. 119, Verhältnis zu den Ausführungsbestimmungen des BGB. Der 151 usw. Ich lege den Juristen nahe, das als Einzelfälle zum geltenden Recht zu behandeln. Sind sie wirklich Einzelfälle? Und welches ist ihr Verhältnis? Daher die Ungeduld der Kommunisten. Aber die Grundrechte sind nicht Einzelfälle; wenigstens nicht in erster Linie. Sie sind in erster Linie aus der [Fortsetzung auf Bl. 79v:] Aktion Naumanns zu verstehen: Deutschland soll das Land dieser Prinzipien sein; eines bestimmten verfassungsmäßig festgelegten Sinnes. Das ist die wichtigste Interpretationsgrundlage. Sinn, [2 Wörter] in 2. Linie einfallen. Wahrscheinlich ist hier vieles misslungen. Durch den Sturz der Monarchie war eine Lücke entstanden; Umsturz alter Werte, unendlicher Sinngehalt entfallen. Mit seinem Symbol (der Monarchie; die war mehr als die Beseitigung eines Funktionärs) Symbol der Einheit, Gegensatz zur Außenwelt, in diese Lücke treten, ob sie es wollen oder nicht, die Grundrechte (daher auch das Problem der Farbfrage, daher auch die Grundrechte). Sie bestimmen den Gehalt, indem wir ein Staatsvolk sein wollen und sollen. Die Grundrechte müssen diese Funktion übernehmen, auch wenn man an die Vollendung nicht gedacht hat. Keine Orientierung auf die unmittelbare . Nicht technisch unmittelbar verbunden, Rechtsgrundsatz, nicht Rechtssatz. Sie sind als Maßstab und Interpretationsgrundlage anzuwenden. Andere Rechtssätze, damit haben sie eine Zusammenhangsaufgabe. Allerdings auch kein Kodifikat (dieser Begriff bezieht sich nur auf technische Rechtsssätze, die unmittelbar anwendbar sind und keine Lücke lassen), aber ein System aktueller Werturteile, das von Rechts wegen bei unser aller Rechtsordnung und tätigkeit zu Grunde zu liegen hat. Ein System, vermöge dessen wir sein sollen. Ein Gesetz gewordenes Stück Geistesgeschichte. nend für Fr. Naumanns politischen Scharfblick, daß ihm diese Folge der Umwälzung sofort klar gewesen ist (…), und wenn sein eigenener Grundrechtsentwurf als das unglückliche, halb liturgische Alterswerk, das es war, mit Recht abgelehnt ist, so ist dessen Grundgedanke doch im Vergleich mit der wesentlich technischen Verfassungstheorie von M. Weber und H. Preuß eine ungleich tiefere Einsicht.“
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1. Paralleltagebuch
An wen wendet sich das Grundrecht, Adressat? Die zivilgesetzliche Antwort: Sie wendet sich an Verwaltung usw. Prinzip der gesetzmäßigen Verwaltung, also Totalität. Aber [ca. 3 Wörter]. Sie ist technisch einfacher, sklavischer Formalismus. Gegnerische Auffassung: Triepel, Kaufmann: auch auf den Gesetzgeber (z. B. Art. 109). Diese Fassung hat etwas von Glauben der in Verfassung und in die integrierende Kraft der Grundrechte; den Sachgehalt vermöge dessen sie eine lebendige Gemeinschaft jeden Augenblick wird; also: Wendung des Gesetzgebers Prüfungsrecht. Heute nirgends mehr behauptet als . Ergebnis noch ungewiss! „Sachargumentation“, es und außerdem 80v Smend, staatsrechtliche Vorlesung, 21. 5. 27 besonders deutlich, dass man nicht menschlich aussetzen, nicht herausklauben kann. Nicht technische Norm, sondern ein anderes Gebiet. Intention, die aber vermittelt werden muss; 5. 5. 26. Ferner Republikschutzgesetz. versucht; geblich die Verfassung (ein Gegensatz zum alten . Ebenso wie II. Hauptteil: Wegen einer aus diesem Zusammenhang sein, so würde hat sie und die Intention dieses Zusammenhanges. Grundrecht hat den Sinn, die Bedeutung des Staates zu als früh, nicht mehr ein den b transzendenter Sinn, sondern ein immanenter Sinn, von den [2 Wörter] Sinn. Das ist der Sinn amerikanischer und französischer Grundrechte: Der Machthaber soll an den Sinn jeder politischen Institution erinnert werden. In Frankreich ist kein den Sinn beschränkender Individualismus; der Staat wird dadurch stark, plus respecté. Schranken der Staatsgewalt ältere Funktion der Grundrechte. Sinngebung, moment. 2) Neuer Sinn: Staatsbeschränkung, Begrenzung, insbesondere der staatlichen Verwaltung. Diese herrscht im 20. Jahrhundert art. 109 ff., 111 ff. absolutistisch, Rechtsstaat, liberal. 3) Mit der Weimarer Verfassung ist die Geschichte der Grundrechte wieder zu arg zurückgekehrt. Bismarcks Reichsverfassung war liberal. Keine Grundrechte nur deshalb, weil es nicht anspruchsvoll auftreten wollte, sie ist keine ordentliche Verfassung, keine gesamt. Seine Staatsform war ein Resultat aus den Staatstypen der Länder; bezog sein Staatsethos von den Ländern. Die Frage ist falsch gestellt, ob es Monarchie oder Republik sei; hielt keine eigene Staatsform ein. Keine eigene Fahne aufziehen, kein eigener Staatsethos. Weder die Weimarer Staatsform eine eigene Staatsform, ein eigenes politisches Bekenntnis zu zeigen. Schon daraus folgt, dass Grundrechte mehr sind als harmloses einzelnes Verfassungsmachen. Man wollte ein bestimmtes Staatsethos den Ländern aufzwingen. Zer spricht: Grundrechtsstufe II war aus der preußischen Verfassung. Bodenprogramm, Minderheitsrecht.
1. Paralleltagebuch401 81v Über die Eigenart politischer Begriffe. Es gibt keine : das Böse, das Richtige. Die liberale Mäßigung des politischen Oppenheimer. I. Ich muss zunächst die Eigenart des Politischen mir kurz definieren. Ich will es [mehrere Wörter]. II. Daraus folgt: Alle politischen Begriffe sind mit Normalität nicht zu fassen. Enthält ein Element die ein Begriff irgend nicht in politischer Sphäre, z. B. ein religiöser Begriff. In den Bereich des politischen Interesses gerät, Kirche [mehrere Wörter] nur die Staatskirche, nicht jede religiöse Gesellschaft [mehrere Wörter] kann sich der Begriff der Kirche in religiöse Gesellschaft auflösen (Weimarer Verfassung, in Wirklichkeit natürlich nicht). III. Der Begriff des Staates und die Funktion dieser zu sichern. Es gibt keine Norm, die nicht ihren Sinn dadurch bekäme, dass sie innerhalb eines bestimmten Staates gilt (das von Rechtsordnung). IV. Geht er mit unter; mit der [mehrere Zeilen]. 82v Ferdinand Tönnies (aus seinem Aufsatz über meinen „Parlamentarismus“)125: „Das Problem der Demokratie als wirklicher Staatsverfassung in der heutigen Gesellschaft liegt noch ungelöst, ja kaum angefasst, vor den republikanisch-demokratischen Parteien.“ Scheffer: Minimum (mechanisch in Europa der ) [mehrere Zeilen]. Es gibt Umrahmungen, welche Folgen haben. [2 Zeilen]. 83r Vortrag Tischleder126, 15.2.27: Über die naturrechtlichen Grundlagen des Staates, à la Kant. Vordienste leisten. Rotigalismus127 Unter schnöder Missachtung aller sittlichen und religiösen Verpflichtungen, sich nur von seiner Selbstsucht leiten lassen.
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Ferdinand Tönnies, Demokratie und Parlamentarismus, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft 51, 1927, S. 173–216; s. auch Briefwechsel Tönnies – Schmitt in: Schmittiana NF III, 2016, S. 103–118. Peter Tischleder (1891–1947), Prof. für kath. Moraltheologie und Christl. Gesellschaftslehre in Münster, ab 1946 in Mainz; BBKL 12, Sp. 181–183. „Rota“ = Gericht des Papstes.
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1. Paralleltagebuch
Aggatemiger128 In diesem Sinne machen wir uns einen schlechten Ruf. Pius XI. von [2 Wörter] im Staats- und Völkerrecht viel und ganz zu eigen. Der Pfaffe schreit und brüllt, Autorität knallt herum, er schwang die Peitsche, darum möchte aus der von mir rückhaltlos relativen Eigenständigkeit des Staates doch nicht den Schluss ziehen, auch mit allem Nachdruck. 84r [mehrere Wörter]. il n’a pas le ton direct 3fache : Wissenschaft, Politik, die Wesensunbildung das dauernde fortissimo gepresstes fortissimo [restliche halbe Seite von Schmitt durchgestr.] 84v Rohan [mehrere Zeilen] 2. Victor Hugo Humanität . 3. Europa, nicht nur das Resultat von Autostraßen und Reparationseinheit, Schuldnereinheit. Die Solidarität der Schulden eine Solidarität, begründet durch einen gemeinsamen Gläubiger, eine gemeinsame Angst vor Russland. 4. ist nicht . Das ist das Problem. Beispiel 1848: der romanischkatholische, der preußisch-lettische, der russisch-orthodoxe Konservatismus hat sich nicht gefunden; wohl der preußische und der russische; aber diese hatten allein noch Kraft. D. Cortés. Der Konservatismus kann seiner Natur nach nicht so intoxil sein wie der Fortschritt, die ‚ die Mobilisation, der ewige Aufbruch, das unaristokratische Elend. 5. Am Eingang des 19. Jahrhunderts steht ein grauenhaftes Symbol: die Taubheit Beethovens. Viele staunen über die virtuose Leistung, sind menschlich genug, den moralischen Heroismus zu sehen, aber sehen wir es einmal geschichtsphilosophisch oder potentiell: welcher défi an das neue Jahrhundert! Wir müssen alle taub werden vor dem Geschrei und dem Lärm. In weiter Entfernung, in einer Einöde treffen sich die Geister; welche ungeheure Distanz zu den Dingen, wenn man die Dinge heute will, den Mechanismus nicht bedient, sondern dirigiert. Der Vergleich von J. Beck. Die Kunst kann [mehrere Wörter]; die Gemeinschaft, die sie begründet, ist nur ein Problem konsequenter Einigung. [mehrere Zeilen]. 128
Verballhornung von „Akademiker“; Tischleder kam aus Bingen.
1. Paralleltagebuch403 [Auf Bl. 85r sind eine Literaturangabe: „DJZ 1924, Sp. 653“128a und Namen notiert, die wieder durchgestrichen wurden. Auf Bl. 85v sind außer Namen nur einzelne Wörter zu entziffern. Weder das Thema noch irgend ein Zusammenhang sind erkennbar.] 86v Ohne jede Simplizität,, le manque d’un ton direct combiné avec un fortissimo de la voix. Gepresstes fortissimo; Geld . Abstraktionen, Fachausdrücke, die Pseudo-Dramatiker einer Auseinandersetzung, theoretischer Gegensatz; Monotonie theoretischer dramatisch aufgedonnert, Schauspielerei des Theoretischen; Ein theatralisches Gewoge der Fachausdrücke. Die Monotonie des gepressten Iktus; die Nachdrücklichkeit Ein Pfaffe, ein Pathos der; vibrierender Theoretiker kein Register Affekte. Keine Linie. Die Schergen Metternichs List, ein Staatsmann ohne Amt, ohne Politik. List ist der Meinung, dass Deutschland der Weg der Leiden vorgezeichnet ist. Aber im Vordergrund stand ihm doch der Anschluss Österreichs. [vom Rest sowie einem knappen Eintrag auf Bl. 87r nur Einzelwörter lesbar] 87v Kaufmann, 19. 7. 26 (Der preußische Staatsgedanke)130 Keine einfache Geschichte des deutschen Volkes (seit 1871), bis dahin territoriale Geschichte. Die territoriale Stelle hat keine politische, keine Idee. Idee des altdeutschen Reiches: beruht in Rom. 1871 Streit über die Frage, ob deutsches Reich ein Segen oder ein Fluch für die deutsche Geschichte. Nicht der Mechanismus der Regierenden, nicht die Kraft der Organisation, nicht einmal die Verfassung macht das politische Wesen des Staates aus; sondern die politische Idee, die welthistorische Mission. Seite Geschichte ist die Geschichte des großer politischer Tugenden und Ideen. Was hat Preußen für Deutschland politisch bedeutet? Was ist der preußische Staatsgedanke? 128a Dort
129 130
führt Hugo Preuß in seinem Artikel „Verfassungsändernde Gesetze und Verfassungsurkunde“ (Sp. 649–654) zustimmend ein längeres Zitat von Carl Schmitts Beitrag zur Diktatur des Reichspräsidenten nach Art. 48 WRV von der Staatsrechtslehrertagung 1924 an. Friedrich List (1789–1846), Nationalökonom, Eisenbahnpionier und Politiker; NDB 14, S. 694–697. Das Folgende vielleicht die Wiedergabe eines Vortrags von Erich Kaufmann.
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Zunächst war Preußen Territorialstaat, wie alle anderen; besonders gut organisiert und verwaltet; auf Kolonialboden; daher 1. Verbindung des Hohenzollernstaates mit dem auf Siedlungswerk östlich der Elbe; Kampf gegen das vordringende Slaventum. Ferner: Verbindung Österreichs mit der spanischen Politik. 2. Preußen als protestantische Vormacht. (Nachdem Kursachsen katholisch geworden war, wegen Polen). 3. Große Geschichte: Friedrich der Große, Freiheitskrieg, 1815 nicht nur Ostmark, Westmark, neue Aufgabe. 4. 1866 Hegemonialsystem. 5. 1918: weg von der Hegemonie; welche hat Preußen noch, nachdem alle diese weggefallen sind? Wie denken heute unsere . ist zentralisiert, der Krieg der größte verfassungsändernde seit einem Jahrtausend, die Territorialstaaten sind keine politischen Realitäten mehr. Sie haben keine große Staatsaufgabe mehr; alle neuen Aufgaben fallen an das Reich (leider keine Beispiele). Bismarck macht sich zum preußischen Handelsminister, um die Handelspläne zu beeinflussen, heute Justizgesetze im Reichsjustizministerium (früher im preußischen Ministerium) Reichslandwirtschaftsund Ernährungsministerium. Schule, Landwirtschaft, alles inzwischen Reichssache! Die Einzelstaaten sind heute nur noch ein Verwaltungsmechanismus (nicht politischer Körper) und gerade deshalb amtspa … Preußen ist als Staat mit dem Verlust seiner hegemonialen Funktion tot. Aber als noch immer in seiner Art guter Verwaltungsmechanismus hat er Bestand. Je größer ein solcher ‚ umso besser, umso billiger erfüllt er die bescheidene Aufgabe der Dezentralisation, Preußen ist ungefährlicher als der bayerische [Staat]. Es gibt keine preußische Frage mehr. [1 Zeile]. 88r Adressen für den Parlamentarismus:131 Rothfels ? Abt Ildefons ?132 Hermann Port ? Kiener ? Wittich ?
Rohan Dr. jur. Brauweiler, W 15, Meier-Otto Str. 10 Thoma H. Simons Bilfinger 131
132
Das Folgende ist eine Versandliste von: Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 2. Aufl., München / Leipzig 1926. Ildefons Herwegen (1874–1946), Abt des Benediktinerklosters Maria Laach; BBKL 2, Sp. 775 f.
1. Paralleltagebuch405 Jacobi R. Schmidt M. Spahn, Friedenau Rosenbaum G. Eisler Jup P. Scheffer Janentzky Heller Spranger Anschütz Giese E. v. Beckerath ? Brinkmann Salomon Frank133 Bonn Palyi Besprechung Meinecke134 Beyerhaus Oncken135 A. Schulte Meinecke Jacobi Bilfinger Kiener Feuchtwanger Scheffer Janentzky Heller Thoma Kisky Brinkmann M. J. Bonn Spranger Palyi Salomon
133 134
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Nicht ermittelt; vgl. oben, TB vom 27.12.25. Das Folgende eine Versandliste von: Carl Schmitt, Zu Friedrich Meineckes ‚Idee der Staatsräson‘, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 56, 1926, S. 226–234. Hermann Oncken (18869–1945), Historiker; NDB 19, S. 538 f.; TB V, S. 16.
2. Paralleltagebuch Die folgenden, in Gabelsberger Stenographie verfassten Notizen befinden sich im Nachlass Carl Schmitt, Archiv-Bestand RW 265 Nr. 19606. Sie sind in einer Kladde im Format 12 x 20,5 enthalten, deren Umfang 90 nummerierte Blätter beträgt. Die Blätter 80 bis 84 enthalten Aufzeichnungen aus dem Jahr 1930, die bereits in dem Werk „Carl Schmitt. Tagebücher 1930 bis 1934“, herausgegeben von Wolfgang Schuller in Zusammenarbeit mit Gerd Giesler, Berlin 2010, S. 446 bis 454 veröffentlicht worden sind. Alle weiteren Blätter enthalten Notizen aus der Zeit von 1927 bis 1929, die nachfolgend abgedruckt werden. 1(a)r credo ergo sum Etcetera Ja und Nein Etcccccc… Und umgekehrt Im Gegenteil! 1(a)v Ich lasse dieses Buch drucken, weil ich überzeugt bin [durchgestrichen und überschrieben: glaube], dass die Epoche der Buchdruckerei zu Ende ist. Es gibt noch Zeitungs- und Magazindruckerei, eine Zeit lang. Dann wird der Mensch nur noch hören, und Geschriebenes nicht mehr lesen können. Dann ist der letzte Rest von Visuellem, der immerhin noch in der Schrift war, zu Ende; die Epoche der auditiven Völker beginnt, der Juden, die das auditive Volk sind, das hat Heinrich Berl schon richtig gesehen in seiner Schrift über das Judentum in der Musik.136 1r 4. 11. 27 Abends kam ich von Koblenz zurück, sah in Andernach, Brühl und Remagen die Berge am Rhein und hatte [durchgestrichen, daneben: fühlte] eine kindische Sehnsucht. Wünsche einen Knaben hier zu lassen, oder Mädchen von Magda. Bin ich wirklich existentiell mit dem Rhein verbunden? Unsinn. Tragik, keiner Tragik mehr fähig zu sein etc. Kein Glaube, aber auch kein Unglaube,
136
Heinrich Berl, Das Judentum in der Musik, Stuttgart 1926. Vgl. oben, S. 116, Anm. 630.
2. Paralleltagebuch407 unmöglich zu glauben, aber auch unmöglich, nicht zu glauben; Resultat: der Glaube an den Glauben. Keine Repräsentation, aber auch kein Verzicht auf Repräsentation; Resultat: Repräsentation der Repräsentation. Keine Kunst, aber auch kein Verzicht darauf; Resultat: Kunstgeschichte und Kunstkritik. [daneben geschrieben: konservativ] usw. Dumme Litanei, hör endlich auf. Kein Dogma, außer dem Dogma, dass es Dogma geben muss. [Bleistift-Eintragungen daneben schwer lesbar] Faszismus ist d’Annunzionismus.137 Wer nicht von Geld belästigt sein will, muss zu reichen Leuten gehen. Wer nichts mit Machtangst zu tun haben will, muss zu den Mächtigen gehen. Der Wunsch und die Sehnsucht, keine Macht zu sehen, setzt Macht voraus. Wein trinken eine Gewohnheit erdverbundener Völker, wie sich begraben zu lassen, statt den Leichnam zu verbrennen. Schnaps trinken: eine Gewohnheit meerverbundener Völker. Immer: Verbundenheit mit der Natur. Die Menschen einer artifiziellen Welt werden kulanter in Alkoholikern. Prohibition und Krematorium, Abstinenz und Abtreibung. Frucht abtreiben und Pazifismus. Ich betrüge dich nicht. Ich komme nicht zu dir und sage: ich helfe dir, mein junger Freund, ich weiß ein Geheimnis, ich weiß den Trost für deine Sorgen und Leiden, ich habe eine geheime Hilfe. Wer so kommt, will natürlich betrügen. Die römisch-katholische Kirche ist auch heute noch ein Pantheon; das Pantheon hat doch gesiegt, Christus sitzt obenan, aber nicht allein. Es gibt eben keine Weltherrschaft ohne Pantheon, und so muss man sich eben arrangieren. 2r Meine Liebe zu diesem Land wird immer heftiger, kindischer und trotziger; Traurigkeit, Heimweh, melancholische Anhänglichkeit, ich fühle, dass es Zeit wird, wegzugehen. Aber die Auspicien für Berlin sind nicht schön: Zum 1. April 1928 bin ich ernannt, das ist der Karfreitag. 30 000 Mark werden mir garantiert; das sind doch die 30 Silberlinge. Ich höre das Gemecker, Gekicher der Witze machenden staatenlosen Völker, der Juden, der Irländer, der Rheinländer. Ein politisches Volk erzählt und erfindet keine Witze. Witze machen ist eine Sache der entwurzelten Völker, der nicht statischen. Viele meinen, sie seien dynamisch, weil sie jedenfalls nicht statisch sind.
137
Gabriele d’Annunzio (1863–1938), ital. symbolistischer und ästhetizistischer Schriftsteller mit Nähe zum Faschismus.
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2. Paralleltagebuch
Grauenhafte Dämonie des „Erlkönigs“ von Goethe, dabei kein pathetisches und starkes Wort. Das ist doch die höchste Kunst, die es gibt. Alles ist im Hintergrund und in der Tiefe geblieben; es präsentiert sich eine einfache, ruhige, sachliche Sprache. Die einfachste Erzählung („Es ist der Vater mit seinem Kind“), die einfachste Art, wie ein Vater spricht („sei ruhig, bleibe ruhig mein Kind“), die einfachste Art, sein Kind zu locken („willst feiner Knabe nicht mit mir gehn?“), die einfachste Art, wie ein Kind darüber spricht. Grauenhaft, schauerlich, hilflos der angsterfüllte Rationalismus des Vaters („in dürren Blättern säuselt der Wind“), und die überwältigende Überlegenheit des Aberglaubens von Erlkönig. sagt über , wenn jemand sich freut und lustig ist, so war er selber auch lustig; der dagegen macht sich so über einen lustig – der lustig ist; er ist zu vornehm und . Die Italiener waren die einzigen, die das Recht hatten, sich aufs Nationalitätengrenztum zu berufen. Wie war das romantisch-biedermeierisch- Gerede von der „Liebe“ eigentlich nur möglich? Sah man denn nichts, war man verrückt? Heute sehen wir die physiologischen Eingeweide, die psychologischen und die sozialen Eingeweide; grauenhaft. Wie kann ich eine Frau lieben, wenn ich diesen Mechanismus durchschaue. Ich liebe doch ins Blaue hinein, und das Blaue gibt es nicht mehr. 3r Mein : die Begabung eines deutschen Sackgassen-Wanderers, verbunden mit einer keltischen Fassadenkletterer-Begabung. [dazu auf Bl. 2v:] Anm.: Flucht, Sehnsucht nach Freiheit. Neomanie. eine Stunde Zuflucht zu haben und die Wand hinaufspringen zu können, konstruiere ich mir eine Sackgasse, aus der ich mich retten muss. Die Sackgassenbegabung ist gar keine andere Begabung als die Fähigkeit, sofort eine zu konstruieren. Vielleicht erklären sich alle Erfindungen, die Raserei des Autofahrens, des Fliegens, die Verständigung durch drahtlose Telegraphie, alles das nur aus der Vorbereitung einer ungeheuren Flucht; aus dem Gefühl einer hereinbrechenden tellurischen Katastrophe, in der es gilt zu fliehen. Wir rüsten uns für die Flucht. Darum fühlt man sich sicher und geborgen in einem dahinsausenden Wagen. Dieses Gefühl müssen Völkerstämme und Tierhorden jahrelang vor einer großen Flut oder einem furchtbaren Erdbeben gehabt haben. Aus der Höhle seines Individualismus heraus die Welt so einrichten, dass man in seiner Höhle sicher ist: „Gewaltenteilung“; die politische Einheit balancieren, immer eine Macht gegen die andere ausspielen, ich sehe die geschlossene Konsequenz dieses Systems ganz detailliert, so detailliert, dass ich mich frage: Ist es nicht eine Konstruktion aus meiner eigenen Natur und individuellen Struktur?
2. Paralleltagebuch409 21. 11. 27 Den ganzen Morgen hatte ich den Traum an Magda noch in den Gliedern, herrliche Immission, dann im Traum Ejakulation. Zitterte den ganzen Vormittag und ging mittags zu ihr; Freude, aber doch schon wieder eine Enttäuschung. Die Angelegenheit war physiologisch erledigt und der Nachhall ließ sich nicht mehr einfangen. Den Reiz erzwingen wollen, das ist meine Schuld; daher meine Nerven zerrüttet. Die Sensation einer Tasse Kaffee hängt ab von der einmaligen, konkreten Situation; der physiologische Genuss steigert sich zu einer Sensation; in der Erinnerung kann ich das wiederholen; aber nicht in der Wirklichkeit wieder erzwingen. Schauerliche Abhängigkeit vom Wein, vom Kaffee, vom Tabak, von einer Frau; die Raserei eines Notzüchters [3 Wörter]. Aus der Totenhülle kommt kein Leben mehr. 5. 12. 27 Allmähliche Erleichterung und Aufatmen, als das Buch über die Verfassung zu Ende war. Schauerliche Impressionen, ein leeres Boot auf dem Meer; wie schön. 4r Beyerle ist stolz darauf, an der Weimarer Verfassung mitgearbeitet zu haben. Diese Urheber der Verfassung haben wirklich etwas getan, sie haben dem hungernden und frierenden deutschen Volk zwar kein Brot, aber immerhin eine ration gegeben; französisches Leben wie . Naiver Irrtum Ich dachte früher: die Lebenden bilden eine Front gegen die Toten. Ich sah einen Unterschied von Tod und Leben, aber ich glaubte an die Solidarität des Lebens. Aber inzwischen sehe ich: die Toten sind eben tot; und die Lebendigen kämpfen unter sich. Leben kämpft gegen Leben. Das ist Leben. Es ist nicht so bequem, wie ich dachte; es wäre auch zu leicht und einfach, wenn man nur gegen Tote zu kämpfen hätte. Es war wohl nur meine Faulheit, die mir das suggerierte. Diese Dummköpfe und Heuchler, die in religiösen Dingen von der Heuchelei des englischen cant sprechen und gleichzeitig im Politischen den Sinn der Engländer für Tradition und Beibehaltung alter Formen rühmen. Beides ist doch das Gleiche. Ohne die Gabe der Heuchelei kann man weder das Königtum noch das Parlament beibehalten. Das politische Prinzip des Faszismus: Politik aus Politik. Oben Seite 1: Glaube an den Glauben; Repräsentation der Repräsentation usw. Politik der Politik. Dogma und Dogma. Der typische Leerlauf. Der substantielle Begriff: Volk. Oder vielmehr: der Leerlauf hört auf. Situation, ein armer Lettländer, der in den Vereinigten Staaten sein Menschenrecht auf Alkohol geltend macht; er wird nicht als Mensch, sondern als Schwein behandelt; im Namen der Menschheit natürlich.
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2. Paralleltagebuch
8. 12. 27 Die Klausurarbeiten für den Termin des Referendarexamens in Köln 4. 1. 28. Die Arbeiten waren so abscheulich dumm und ungebildet, dass ich mich gerechtfertigt fühlte, wenn ich daran dachte, dass ich inzwischen zu einer Handelshochschule gehe. Einer (Josef Brückmann, Nr. XIII 391 / 27) schrieb über das Thema: Der Deutsche Bund – von ihm zum Norddeutschen Bund und zum Deutschen Reich: „So wurde dann im Jahre 1838 von Liszt [!] der Deutsche Zollverein gegründet. Zum Beitritt hierzu konnte also der Bundesrat kein zwingendes Gesetz erlassen. Jeder trat freiwillig bei.“ – „Allmählich durch die Befreiungskriege 1813 / 4 hervorgerufen erwachte der deutsche Gedanke, das heißt das Streben 5r nach einem einfachen Staat. Die Studenten gründeten Burschenschaften und schrieben den Gedanken an eine deutsche Einheit auf ihre Fahne. Arndt, von Gagern, Fritz Reuter und viele freiheitlich und grade gesinnte Männer verfochten in Schrift und Idee das neue Ideal. Nikolaus Becker gemahnte durch sein Lied ‚Sie sollen ihn nicht haben‘ an die deutsche Einheit, als 1840 der Ruf nach dem Rhein von Frankreich aus ertönte. So versammelten sich denn die einen deutschen Einheitsstaat erstrebenden Kreise im Jahr 1848 in der Paulskirche zu Frankfurt am Main zu einem Parlament. Man wollte 1. dem Volk ein Mitbestimmungsrecht bei der Regierung verschaffen und 2. ein neues deutsches Reich gründen. Der Deutsche Bund wurde aufgelöst. Der Versuch und der um ihre Existenz fürchtenden Für sten, in der Weise die entstehende Bewegung zu unterdrücken, brauchen hier nicht erwähnt zu werden. Man spaltete sich innerhalb des Parlaments in eine großdeutsche Partei und in eine kleindeutsche Partei.“ Usw. Schluss dieser juristischen Arbeit: „Es wäre zu begrüßen, wenn der Gedanke des deutschen Einheitsstaates wachsen würde zum Nutzen und zur Erstarkung unseres Vaterlandes.“ Vor diesem Gesindel also halte ich meine Vorlesungen. Ein Glück, dass ich inzwischen weggehe. Positivität des Negativen: Es gibt einen Augenblick, in welchem es notwendig ist, Atheist zu sein, wenn man den Gottesglauben bewahren will. Der Anarchismus kann eine neue Autorität begründen und den Staat retten. Das produktive Nichts; das Noch nicht; mein Reich ist nicht von dieser Welt; der Proletarier; der Christ; der produktive Nihilismus. Der „Mensch“; das „Volk“. Nichts, vom Standpunkt der Legitimität des status quo. Alles, vom Standpunkt der kommenden Dinge, des neuen Kurses; des kommenden Rechts. Der Übergang zu dieser Epoche des Nichts: die Leerheit des Glaubens „an sich“; Glaube an den Glauben, Repräsentation durch Repräsentation usw. Oben S. 1. Die Antithese: Legitimität des st.[atus] q.[uo] (sécurité) und Nihilismus. Warum verachtest du die Menschen? Warum findest du die Menschen sympathisch? Es ist doch offenbar, dass im Affekt der Versuchung oder der Sympathie kein Argument liegen kann, dass es mit der Wahrheit und Wirklichkeit nichts zu tun hat; es ist ein Mittel, eine Waffe deiner selbst. Lächerlich, hier zu argumentieren und Belege fürs eine oder andere
2. Paralleltagebuch411 zu sammeln, wenn du ehrlich bist und nicht etwa ein Advokat oder ein Betrüger. Du findest genug Beweise, dass sie „von Natur gut“ sind und genug andere, dass sie „von Natur böse“ sind. Alles das ist selbst wieder funktional, Mittel im Kampf, Waffe der Selbstbehauptung, Ausfluss deiner existentiellen Selbstverteidigung. je pense donc je suis; das ist richtig, aber der Schluss vom Denken aufs Sein ist nur deshalb richtig, weil wieder Denken ein Teil und ein Ausfluss des Seins, seinsmäßig gebunden und abhängig ist. Der Gedanke ist eine herr liche 6r Waffe; daraus folgt, dass es einen herrlichen Arm gibt, der sie schmiedet und der sie führt. In expectando leben, aber nicht in der expectation Benthams.138 Erwarte das Gericht, aber nicht das Benehmen eines anderen Menschen. Die physische Raserei des sexuellen Auslebens kann ich nicht bereuen, im Gegenteil, ich denke daran mit großer Befriedigung und Erleichterung. Dagegen deprimiert es mich, dass ich mich auf psychische Dummheiten der Frau eingelassen habe, auf Redensarten wie „du gehörst mir“ usw. Was hat denn das alles mit „bereuen“ zu tun? Soll alles eine Falle legaler Ansprüche werden? Schauerlich. Le Silence du peuple est la leçon des rois. De Beauvais in der Leichenrede für Ludwig XV.139 Die Fähigkeit, Mitleid zu erregen, ist ein Zeichen ungeheurer Vitalität; das größte Elend und das schrecklichste Leiden gehen unbeachtet unter; Mitleid erregen heißt Interesse erregen, Beachtung finden, und das ist schon nicht mehr das schlimmste Leid. Mitleid = Verwandtschaft; Identifizierung; Mit-sein. Historisch: Nur wer Kraft hat, erregt Mitleid. Der halb Arme, große Schwache, ganz Sterbende, ganz Tote erregt kein Mitleid mehr. Biologisch und historisch ist die Fähigkeit, Mitleid zu erregen, also ein Zeichen intensiven Lebens; das hat Nietzsche ganz übersehen. Der Hungerstreik des Bürgermeisters von Cork.140 Die Dreyfus-Affaire.141
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s. oben, S. 368. Jean-Baptiste-Charles-Marie de Beauvais, Oraison funèbre de très-grand, très-haut, très-puissant et très-excellente Prince, Louis XV le Bien-Aimé, Roi de France et de Navarre. Prononcée dans l’église de l’Abbaye Royale de Saint-Dénis, le 27. juillet 1774, Paris 1774. Terence MacSwiney (1879–1920), irischer Politiker, Bürgermeister von Cork, Kämpfer für die irische Unabhängigkeit, wurde 1920 in London inhaftiert, und protestierte dagegen mit einem Hungerstreik. Trotz weltweiter Proteste ließ die britische Regierung sich nicht erweichen. MacSwiney starb nach 74 Tagen; TB III, S. 86. Der französische jüdische Offizier Alfred Dreyfus wurde 1894 von einem Kriegsgericht auf Grund zweifelhafter Beweise wegen Spionage verurteilt, was einen großen Skandal erregte. Das führte zur Rehabilitierung, die wiederum skandalisiert wurde.
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der Fall Sacco-Vanzetti im August 1927.142 Kaspar Hauser.143 Nicht irgendein beliebiger (vielleicht noch so schöner) Fall erregt Mitleid. In jeder Gesellschaft und Gemeinschaft ist nur ein bestimmtes Quantum Mitleid zur Verfügung, und wird ökonomisch verteilt. Wer dieses Quantum auf sich lenken kann, hat Macht. Kaspar Hauser: Das Interesse des Bürgertums (Feuerbach!144) an einem Skandal, der in fürstlichen Familien spielt. Dreyfus: Das liberale Bürgertum, Bourgeoisie, gibt der Monarchie den Todesstoß (ob Dreyfus unschuldig ist, das ist ganz gleichgültig). Sacco-Vanzetti: Das Bürgertum bekommt einen Stoß, ist aber noch stark genug. 7r Mitleid erregt nur der Homogene, derjenige mit dem man sich identifizieren kann. Das absolute Nichts, der Tote erregt kein Mitleid. Der unglückliche König, die unglücklichen Päpste erregen Mitleid bei den Royalisten und den Päpsten. Nicht der arme Teufel. Die große Fähigkeit der katholischen Kirche, Mitleid zu erregen. Es kommt die Zeit des politischen Pluralismus und des sozialen Pluralismus; neue Verstärkungen des Politischen. Tierfabeln. (Die im Naturzustand) Die Kaninchen als überzeugter Pazifist; verlangen Abrüstung: Der Löwe soll auf sein Gebiss und seine Pranken, die Schlange auf ihr Gift verzichten. (usw.) Das Kaninchen als „Normal“ Tier. Das Reptil als wissenschaftlicher Pazifist. Der Löwe als Vertreter der Freiheit. Die Verträge zwischen Störchen und Fröschen, in welchem beiden Teilen volle Freiheit der Nahrungssuche gewährleistet werden, die Frösche feiern das als großen Erfolg ihrer Diplomatie und sagen: Dieser Vertrag ist nur ein Anfang; es war schon ein Schritt vorwärts, dass wir mit Störchen überhaupt Verträge schließen, an einem Tisch sitzen, ein Gespräch führen. Recht: Ein Anfang ihres Gefressenwerdens. Mit physischer Begründung der seiner Tierfabel: Der Mensch ist das Wesen der Wesen, . Die Macht des Papsttums im Mittelalter beruhte darauf, dass der Papst das jus belli (Krieg gegen die Ungläubigen) für sich in Anspruch nahm und durchführen konnte. Aber ein 142
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Die Anarchisten Ferdinando Sacco und Bartolomeo Vanzetti wurden 1921 in den USA wegen Raubmord verurteilt und nach mehreren vergeblichen Revisionen und weltweiten Protesten am 22. / 23. August 1927 hingerichtet; 1977 rehabilitiert. Kaspar Hauser (ca. 1812–1833), Findling aus angeblich fürstlichem Geschlecht. Der Jurist Anselm von Feuerbach (1775–1833) war Vormund und Gönner von Kaspar Hauser, für den er sich auch publizistisch einsetzte.
2. Paralleltagebuch413 Papsttum ohne jus belli und ohne potestas directa kann keinen Gehorsam in politischen beanspruchen. Es war unmoralisch, Gehorsam zu verlangen, wenn man den, der einem folgt, nicht beschützen kann; wer machtlos ist, kann keinen Gehorsam verlangen. Der Zusammenhang von Schutz und Gehorsam; Gehorsam und Schutz. 8r 2 Polaritäten inhaltlicher Differenzen: Das bloß technische Interesse (Machiavelli)[:] Republik und Monarchie werden gleich interessant (weil man sich aus diesen Dingen herausstellt, über sie stellt); eine Unterscheidung, eine Entscheidung, eine substantielle Verschiedenheit hört auf. Funktionalisierung von außen her. Das bloß romantische Interesse: Republik und Monarchie werden gleich inte ressant; Anknüpfungspunkt für Sensationen; auch hier funktionsloser; von innen her. Das Ergebnis ist immer das gleiche; die beiden Dinge gehören zusammen; beide substanzlos, immer artifizieller, relativistischer; unsachlich, weil unsachliche Beherrschung der Sache. Unnatürliche Beherrschung der Natur. ὁ μὴ δαρεὶς ἄνθρωπος οὐ παιδεύεται.145 „Sei mir still mit diesem ganzen Paideuetei.“ Es gibt schreckliche Dinge, Skelette und Gespenster, aber es sind nicht die alten, guten , nicht der brave christliche Teufel und ähnliche; du bist ganz . Hüte dich vor dem Glauben an Negativitäten und dem Vertrauen auf Übereinstimmung im Negativen. Zwei Menschen, die beide vom Leben zurückgerufen werden, drängen sich aneinander und fühlen sich verwandt, weil sie beide unglücklich sind. Aber ist Verwandtschaft nicht existentiell und ihre Habe bald enttäuscht[?] Ich denke nicht, also bin ich nicht; Ich bin nicht, also denke ich nicht (sondern funktioniere). [3 Zeilen nicht erkennbar] Litanei: Ich bin nichts; ich bin etwas; ich denke nichts, ich denke etwas; immer sein und denken [3 Wörter]. 9r Rührend dieses Streben nach Ewigkeit und Dauer. Millionen Ehen werden geschlossen in der Meinung, durch eine institutionelle Verfestigung einem Augenblick Lust Dauer zu geben. 145
„Der Mensch, der nicht geschunden wird, wird nicht erzogen.“ Zitat des griechischen Komödiendichters Menander; von Goethe als Motto seiner Autobiographie vorangestellt.
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Millionen Menschen ruinieren sich durch die Gewaltsame, mit der sie eine Wiederholung der Lust erzwingen wollen. Arme Menschen. Die der Nation, die Antisexualisierung der Liebe. Die Entbiologisierung der Sexualität. [mehrere Wörter] Warum soll ich mich aufregen, es wird sich schon ein liberaler Mund finden, der darüber entrüstet sein wird. Hymnen, denen der Glaube fehlt : Ein Bahnbeamter mit einer feierlichen Glocke an einer verlassenen Station ruft Züge aus, die gar nicht fahren; ein Geistlicher verkündet Dogmen, die nichts mehr besagen; Züge werden ausgerufen, die nicht mehr fahren. Es entsteht ein immenses Gedränge. Einige Anhänger beeilen sich, um den Zug nicht zu versäumen. Wie komisch, von konservativer Gesinnung zu sprechen und damit von der konkreten Situation zu abstrahieren. Ein Mensch, der im Gefängnis sitzt, ist seiner Situation gegenüber nicht konsequent. Die wahre Geschichte, die ein Student Peterson erzählt: Im Krieg werden einem Soldaten die Beine weggeschossen; der schreit, nachdem er getroffen ist, vor der Sekunde des Todes: hier Krone. Dann kommt wieder ein idiotisierendes Behagen und Glücksgefühl; dann wieder demoralisierende [darüber: idiotisierende] Angst und Schmerz. Lust verdummt Lust Schmerz verdummt Schmerz Resultat: Verdummung Resultat 10r Dein Trieb ins Unendliche: Wirkung von auf dein Gehirn. Wenn ein Floh einen Meter weit hüpft, so ist das für ihn ein Sprung in die Unendlichkeit. Die letzte und beste Formel für die Macht der römischen Kirche bleibt der Satz von Hobbes: Der Papst ist das Gespenst, das auf dem Grab des Imperium Romanum umgeht.146 Der Satz ist von Größe; die Kraft des englischen Volkes ist ungeheuer; die Kraft der politischen Erkenntnis, der sprachlichen Formulierung. Solche Sätze zeigen, dass kein insolentes Phänomen ist, nur aus der Fülle eines Volkes entstanden und aus ihrer herrlichen Sprache. Die Erkenntnis der römischen Kirche setzt aber voraus, dass der Mensch sich ge146
„Und wenn jemand den Ursprung dieses großen kirchlichen Herrschaftsbereichs betrachtet, wird er leicht bemerken, dass das Papsttum nichts anderes ist als das Gespenst des toten römischen Reiches, das gekrönt auf dessen Grab sitzt.“ Thomas Hobbes, Leviathan, hrsg. von H. Klenner, Hamburg 1996, S. 586.
2. Paralleltagebuch415 nug vom römischen Wesen angeeignet hatte, in seiner Sprache halb lateinisch und klassisch geworden war und nun den toten Rest zurückstößt. [dazu: Eintrag Bl. 9v vom 14.11.1940 (!) nicht übertragen] Paul Scheffer hat mich erkannt: gezwungen und erzwungen wissenschaftlich, maceriert. Der Grund: das Äußerste erzwingen wollen, unwiderleglich und unwiderstehlich; Vollkommenheit; mein Feind: der Glaube an die Möglichkeit des Vollkommenen; das ist schließlich nur der Gottesglaube; in der Gestalt: ich selbst will Gott sein. Reinige den Gottesglauben von solchen Identifikationen; ist er dann möglich und vernünftig? Ich weiß es nicht. Kann jemand sagen „Gott“, ohne gleichzeitig zu sagen: Ich bin Gott, oder wenigstens: ich habe eine Beziehung zu Gott und bin deshalb mehr als jemand, der diese Beziehung nicht hat? Kindisch: seine Affekte und Gelüste ernst nehmen; glauben, dass die Welt untergeht, weil du dir etwas versagen musst, was du heftig wünschest. Romantischer Unsinn, das ernst zu nehmen. Trotzdem ist es mehr als das Gegenteil: sich wie einen Automaten behandeln. In Magdas Zimmer: geil, erwartungsvoll. Zu einem Christen: Du hast mir die Freude am Leben versalzen. Antwort des Christen: Wir sind das Salz der Erde. [halbe Zeile] Bin ich mutig? Es gibt Stunden, in denen ich überaus mutig bin; Bin ich feige? In manchen Stunden bin ich sehr feige. Bin ich gläubig: oft; Bin ich ungläubig: oft usw. Oft scheint mir das Leben ein Kinderspiel, oft ein Gang durch Kloaken, oft ein Flug durch selige Gefilde, oft ein langweiliges Schulpensum. 11r Der Tag, die Nacht. Ich sehe sie wieder in der Fülle ihrer Natur und Substanz; Ich sehe das Leben, einen Mann, eine Frau. Ist das die Offenbarung des Todes: die Steigerung, die Leben erfährt, bevor es scheidet; klammere ich mich daran, wie an eine Frau, die mich verlassen will? Schönes, großes Leben. In kurzer Zeit sind wir nicht mehr da. Ganz andere Menschen leben. Ob dann der Wald in Hilfringhausen147 noch stehen wird?
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Dorf an der Lenne, unterhalb von Plettenberg, in das es heute eingemeindet ist.
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Wie narrisch, Schönheit zu bewundern und sich ihr hinzugeben. Du bist schon betrogen. Die schönen Brüste einer Frau. Armer Hanswurst biologischer Impulse. Wie unendlich schwer ist das Leben, eine ganz unlösbare Aufgabe. Wie leicht ist das Leben, spielend wird man damit fertig. Alle unlösbaren Aufgaben kann man nur spielend lösen. 2. und 3. 1. 28148 Sah Brüning zum ersten Mal; er erinnert mich an Franz Blei; ein Klerikertyp. Wunderbar, gut, , klug oder vielmehr weise, hatte ihn gern und früher hätte ich mich an ihn geklammert. Ich fürchte, er ist in Gefahr, aus seiner Weisheit zu machen. Sah von Rolandseck aus die Wohnung von Rudolf Herzog149 und dachte mit Sehnsucht an so viele und so typische Dummheiten. Die Sehnsucht nach dem Souterrain. Die lyrischen Hasen, die epischen [Löwen], die dramatischen Tiere, die militaristischen Kaninchen und die pazifistischen Marder [„Marder“ durchgestrichen und überschrieben: „Regenwürmer“]. 12r Eschweiler behauptet, im Paradies habe es einen Staat gegeben, auch Erzieher und Unterricht (Unterricht wohl nur im Schönschreiben?) und Exerzitien nach Art der Tiller Girls.150 Die Moral der expectation: Wenn du sie wirklich ernst nimmst, die sicherste Methode, irrsinnig zu werden; denn alle erwarten etwas von dir und ununterbrochen erregst du Erwartungen, dieser 151 muss ein an Rücksichtslosigkeiten gewesen sein, dass er eine solche Theorie aufstellen konnte, ohne zu merken, was er eigentlich sieht. Renne durch die Straßen, setze mich auf einen identischen geschmacklosen Platz, nichts, in das wohlausgerüstete Nichts einer modernen Leere einer gepflasterten Straße, der Latrine [1 oder 2 Wörter] dem Getriebe leeren Treibens, aber getrieben; ich fühle welkes Blatt. Dem welken Blatt muss die Welt leer vorkommen.
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Vgl. zum Folgenden den entsprechenden Eintrag oben, S. 192 f. Rudolf Herzog (1869–1943), Schriftsteller, der ein burgähnliches Haus in Rheinbreitbach bewohnte; NDB 8, S. 741. Revuetheater-Truppe der 20er Jahre. „Diese Produkte der amerikanischen Zerstreuungsfabriken sind keine einzelnen Mädchen mehr, sondern unauflösliche Mädchenkomplexe, deren Bewegungen mathematische Demonstrationen sind.“ Siegfried Kracauer, Das Ornament der Masse, Frankfurt a. M. 1963, S. 50. s. oben, S. 368, Anm. 74.
2. Paralleltagebuch417 15. 1. 28 Mein Körper fiebert noch von der süßen Erschütterung. Teilung der Gewalten, Teilung der Wissenschaft nach zentralen Gebieten, Teilung, Auflösung, Pluralismus ist das nicht dasselbe. Aber im Staat sieht man doch wieder das Unmögliche. Nach der Unterhaltung mit dem Freiherrn von Gagern152: Was bin ich also, ein Springinsfeld, ein Fassadenkletterer, ein , ein Landstreicher des Geistes; wenn ich wirklich ich selbst sein will; sonst diene ich einem anderen Sklaven, ἄλλου εἶναι.153 Das Bedürfnis nach Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit ist nur Trägheit und Faulheit, Bedürfnis nach Problemlosigkeit, Illusion; Lüge ist , Herrschaft, Macht; Macht ist Lüge etc. (Morgens ½ 4) 19. 1. 28 Während mein Gehirn sich quält, weil ich mein Buch Verfassungen viel zu schreiben müsste, ich den Gedanken über [mehrere Zeilen]. 13r Hinter dem dicken steckt etwas Fahles, Verzweiflung, Geist, Seele, irgend etwas, ich weiß es nicht, es ist da, aber der Pfaffe hat es beschlagnahmt, und so ist es besser, nicht darauf zu rekurrieren, sonst fällt man einmal in die Hände der Pfaffen, die selbst wieder durchaus Fleisch sind, das ist der Sinn von Lenins Atheismus. Ich zittere vor Gier, ohne jede Sehnsucht, nur sensuelle Ungeduld, fleischlicher Krampf, Gefangenschaft. Welch ekelhafte Abgründe, dabei unwiderlegliche Erkenntnis: Fleisch. Die Tiere sind ein Abfall von den Menschen, Erstarrungen und Fixierungen einer mensch lichen Einzelheit, eingesperrt in diese Einzelheit.154 Im Schrecken über meinen eigenen Agnostizismus, aus der Resignation des Nichtwissens stöhne ich plötzlich laut, das ist der Laut einer einsamen Rohrdommel im Sumpf; ganze Geschlechter von Tieren tragen immer wieder diesen einen Schrei durch die Zeit.
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s. oben, TB vom 16.1.28. „einem anderen gehören“. Zitat aus: Aristoteles, Politik, 1254 b 20: „Von Natur ist also jener Sklave, der einem andern zu gehören vermag und ihm auch gehört, und der soweit an der Vernunft teilhat, dass er sie annimmt, aber nicht selbständig besitzt.“ Vgl. dazu Ernst Jünger in den „Strahlungen“ am 18. 10. 1941: „Wir sprachen dabei die Lage durch. Carl Schmitt sieht ihre Bedeutung darin, daß Schichten sich vom menschlichen Bestande abzulösen beginnen, um unterhalb der Zone der Willensfreiheit zu erstarren – so wie die Tiere abgefallene Masken des Menschenbildes sind.“ E. Jünger, Sämtliche Werke, Bd. 2, Stuttgart 1979, S. 265.
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Andere Tiere tragen anderes; sie sind unser Abfall, die Fixierung schlechter Einzelheiten, Physiognomen [über der Zeile mit Bleistift:] ein Rabe schreit nach Rache, ein wieherndes Pferd die Sensationen [mehrere Wörter, wovon nur zu lesen:] Dacqué155. Regieren ist Reiten. Der Lauf ist das Pferd. Lächerlich zu sagen: Reiten ist ein Zustand des Pferdes; eine Tätigkeit des Pferdes etc. Manchmal leicht und spielend, oft erdrückend schwer und ganz unlösbar. [2 oder 3 Wörter] relativiert doch alles. Ein Mensch sagt: Ich glaube an Gott; glaubst du auch an Gott, während du schläfst? Jeden Abend einschlafen, jeden Morgen aufwachen; 20–30 000 Mal, das ist wahrhaftig genug. 14r Erkenne immer den Zusammenhang deiner Affekte mit der Situation: ein Affekt aus der Sicht eines von Geldangst beherrschten Gymnasiasten wird lebendig gegenüber einer Rechnung, die er ohne Mühe bezahlen kann. Das Geheimnis der römischen Kirche: Ein gut organisierter Schwindel hält besser als eine schlecht organisierte Wahrheit. Gut organisierte Herrschsucht ist besser als schlecht organisierte Freiheitsliebe. Gut organisierte Freiheitsliebe ist das beste Mittel einer stabilen Sklaverei. Gott, das gehäkelte Deckchen auf dem Plüschsofa einer vergangenen Zeit. Nur die menschliche Rücksicht auf andere Menschen, die an Gott glauben, gibt ihm Realität. Dann der strafrechtliche Schutz durch Staatsanwalt und eine rührende Situation. Man könnte fast wieder an Gott glauben. 27. 1. 28 Nach plötzlichem Ekel vor Magda, Ekel aber auch vor mir selbst, Verachtung für meine Arbeit, lächerlich hin[gegeben]. Die Menschen sind ein Volk der und einer Philosophie, die Subsumenten hat; die Folge ist, dass sie unter unsubsumativen Begriffen oder vielmehr unter Begriffslosigkeit und Phantasie subsumieren; das ist natürlich das Schlimmste. Die Imperialität der freien Wirtschaft: Kein Schutz und kein Gehorsam, sondern massive Einzelleistung. Geld gegen Arbeit. So kann kein Staat entstehen. (Ist es richtig? Dass der
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Edgar Dacqué (1878–1945), als Paläontologe, als Naturphilosoph Vertreter einer idealistischen Morphologie, seit 1915 a. o. Prof. in München; NDB 3, S. 465–467.
2. Paralleltagebuch419 Staat besteht, ist das nicht ein aus einer anderen Zeit; Familie, Kirche etc., etc. Eine Perücke! Stunden der Ruhe und der Beherrschtheit, Stunde einer äffischen Ungeduld und Nervosität, Stunde stupider Gleichgültigkeit, Stunde einer mutigen Tapferkeit, Sekunden und Minuten solchen Wechsels, alles das ist mein Leben. Die Kraft meines Lebens liegt in wenigen Stunden einsamer Ruhe und Beherrschtheit; davon kann ein Mensch leben; unerhörte Macht der moralischen Intensität und Konzentriertheit auf sich selbst. Dem Leben ins Gesicht sehen heißt dem Tod ins Gesicht sehen. Goethe, herrliche Maske, im Jenseits ist er heute wohl ein Stationsvorsteher, mit resignierter Würde gibt er den Zügen das Zeichen zur Abfahrt. Er hat sich selbst ausgehalten, durch Poesie; seine schönen Gedichte sind wie die ungeborenen Kinder eines Onanisten oder einer Frau, die abgetrieben hat. Klagende Seelen, die ihren Leib suchen. „Gab mir ein Gott zu sagen, was ich leide“.156 Du hättest besser den Mund gehalten. 15r Wenn es einen Gott gäbe usw. Das heißt doch immer: von Menschen nach ; so wie Hobbes den Staat konstruiert: der Staat entsteht durch Unterwerfung; Gott entsteht durch den Glauben der Menschen, gehe einfach vom Niedrigen aus; nicht umgekehrt. Überlegenheit durch Unterlegenheit (nicht Unterlegenheit durch Überlegenheit) usw. Gott ist nur noch erträglich, weil er Mensch geworden ist. Gott ist Mensch geworden; daran ist nichts mehr zu ändern. Inzwischen kann er nicht mehr zurück; der Himmel fehlt [Rest des Satzes nicht lesbar]. Organische Litanei: Ungehörte Reden sind die schönsten, Ungeschriebene Schreiben sind die inhaltsreichsten, Unfertige Maschinen sind die fertigsten etc. 4. 2. 28 Angst vor dem Berliner Schmerz, vor den Juden, vor den Hotels, vor dem dummen Irrsinn des Eiltempos, mit dem die Menschen sich dort bewegen, vor dem Stresemann diesem Ausdruck des heutigen Geistes. Historischer Materialismus: Präsenz, im Gegensatz zu Repräsentation. Integration: Setze Einheit voraus, als Ziel wenigstens. Immer nur geplante Einheit; niemals erste Einheit. Dagegen der Pluralismus. Parteien sind schon Pluralismus; praktischer ismus. Ausschuss vernichtet die Einheit (Repräsentation [2 Wörter].
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„Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt, / Gab mir ein Gott zu sagen, wie ich leide.“ Goethe, Torquato Tasso, V,5.
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2. Paralleltagebuch
Ich empfinde die Juden als unsere Kontrolleure und Inspektoren. Sie verlangen, dass wir echt sind, echte Deutsche, echte Franzosen usw. Und respektieren uns nur solange. Sie selber werden niemals echte Deutsche, echte Franzosen; wie ein guter A oder Kunsthändler. Den Sinn fürs Echte haben, ohne selbst etwas produzieren zu können. Georg Eisler: er ist reich, ich bin nicht reich; eine Freundschaft zwischen uns ist nicht möglich, so wenig wie zwischen einem Fisch und einem Vogel; denn wir leben in einem [einzigen] Element. Der Reiche lebt in Reichtum, wie der Fisch im Wasser, in einem Aggregatzustand. Er atmet durch Kiemen; der Vogel lebt in der Luft. Die reichen Leute atmen durch Kiemen, sie sind stumm. Die Vögel [Rest des Satzes nicht erkennbar]. 16r Der Humanitätsschwindler, der mir vom Elend der Menschen erzählt, uns auffordert zu schreien: Nie wieder Krieg, nicht wieder Syphilis, nie wieder , nie wieder Tod, was kann er denn ändern. Wir wissen, dass wir sterben, dass wir krank werden, dass es Unglück gibt im Leben; was will er eigentlich? Offenbar will er betrügen. Der Prozess des Gymnasiasten Kranz: Wedekind; so ist wirklich die Literatur im Leben; was vor 10 Jahren moderne Literatur war, ist heute konkrete Wirklichkeit lebendiger Menschen. Was ist das: des Dichters? Magie des Geistigen? Sogar der Landgerichtsdirektor hat „alles Verständnis“ für diese Wedekindlichkeit. Es war gar nicht so gefährlich; das Dämonische ist längst Gemeingut aller Gebildeten. Der einzig anständige Mensch der Staatsanwalt; alle anderen Verbrecher oder Betrogene.157 2. 28 Hörte die Vorlesung von Peterson über die Juden und die Christen als künstliche Juden 2. Klasse; die Juden bleiben das auserwählte Volk, sie sind gestolpert; Röm. XI, 11. Das genügt schon, um uns arme Heiden zu beglücken. Er ist hysterisch und will sich verjuden. Wie unmöglich, heute so zu sprechen. Ich denke überhaupt nichts mehr, wenn ich diese hysterische Sophistik höre, die sich als Theologie ausgibt. Ich mag keinen Juden mehr sehen, ekelhaft.158
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Der Gymnasiast Paul Kranz aus Berlin-Steglitz schloss im Juni 1927 mit seinem Freund Günther Scheller aus unglücklicher Liebe einen Pakt: Scheller sollte seinen Freund Hans Stephan erschießen, Kranz sollte anschließend Scheller sowie dessen Schwester umbringen und sich dann selbst töten. Scheller erschoss Hans Stephan und sich selbst; Kranz aber erfüllt seinen Teil des Paktes nicht. Das Schwurgericht des Landgerichts Moabit verurteilte Kranz wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu drei Wochen Haft, sprach ihn aber vom Vorwurf des gemeinschaftlichen Totschlags frei. Der Fall erregte in der nationalen und internationalen Presse großes Aufsehen. Heidi Sack, „Wir werden lächelnd aus dem Leben scheiden.“ Faszination Selbstmord in der Steglitzer Schülertragödie und in Diskursen der Weimarer Zeit, in: Historical Social Research 34, 2009, H. 4, S. 259– 272. Vgl. dazu oben, TB vom 10.2.28.
2. Paralleltagebuch421 Stresemann reist zur Erholung nach Südfrankreich, Poincaré, selbst Briand reisen nicht, sie bleiben zu Hause. Die Deutschen, die unvermeidlichen Juden-Allüren; der arme Wilhelm II. ist nur ein alberner Fall. Karriere u. Avancement [2 Zeilen]. Papageno, Schwejk [2 Wörter] Polcinell [mehrere Wörter]. Die schöne Zeit, da man noch 3. Klasse reiste und sich zu hübschen Mädchen ins Coupé setzte und mit ihnen ins Gespräch kam; rührend. Unfug meines Symbolismus und : Die , einzelne Sekunden der Freude und des Glücks zu verewigen; die schöne Tasse Kaffee wiederholen, obwohl die Situation eine andere geworden ist; die schöne Frau zu umarmen, um eben eine glückliche Sekunde der schönen Umarmung zu wiederholen; und inzwischen ist alles anders. Was ist das. Kein kindisches, hübsches „noch einmal“? 17r Die ganze Nacht- und Traumliteratur der Romantik setzt doch als konkrete Situation voraus, dass einer ruhig schlafen und träumen kann und nicht gestört wird. Sonst ist es mit dieser Art Logik und Philosophie zu Ende. Völker, die Krieg führen, nachts kämpfen, nachts aus dem Bett gerissen werden, haben keine Nacht- und Traumlyrik; aber in der Sekurität eines guten Polizeistaates gibt es diese widerliche Romantik. Frühjahr 28 (alle Wünsche gehen in Erfüllung). Ich lebe von fremder Substanz und Kraft: Duschka; oder aus Büchern. Inzwischen lese ich Drieu la Rochelle, freue mich dieser französischen Vitalität und fühle mich verwandt und verbunden. Inzwischen kann ich leichten Herzens nach Berlin gehen. Der Vormittag war wieder überwältigend schön, die Luft blau und neblig zugleich, wie immer am Rhein. Ich hatte gezittert bei dem Gedanken, dieses Land verlassen zu müssen. Inzwischen bin ich übermütig und gehe gern weg. Drieu la Rochelle ist auch oft weggegangen. So wird mir Drieu la Rochelle Stab, Stütze, Seele und Substanz; was er macht, muss ich auch tun, was er kann, kann ich auch; worüber er sich freut, darüber freue ich mich. In wenigen Tagen ist das zu Ende; sollte ich ihn in Paris sehen, so bin ich enttäuscht. [dazu spätere Notiz auf Bl. 16v:] Unglaublich! 1942 lernte ich ihn plötzlich kennen; besuchte mich 43 in Berlin-Dahlem; große Freundschaft. Alles kommt zu seiner Zeit.159
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Schmitt erinnert sich ungenau: Er lernte Drieu La Rochelle schon im Oktober 1941 in Paris kennen; wenige Tage später besuchte Drieu, der mit einer Gruppe französischer Schriftsteller eine Deutschlandreise machte, ihn dann in Dahlem: „Drieu la Rochelle war am vorigen Donnerstag einige Stunden allein in meiner Wohnung.“ Schmitt an Ernst Jünger, Brief vom 2. 11. 1941, in: BW Jünger, S. 135.
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Gibt es noch Tragik? Denken wir uns eine ganz traurige Geschichte: 1. Ein sympathischer junger Mann liebt ein Mädchen; 2. er hat aber kein Auto oder nur einen elenden 4-PS-Wagen. 3. Er verdient sich mit Fleiß und Intelligenz das Geld für einen großen amerikanischen Wagen, durch eine schlechte Konstruktion verliert er das verdiente Geld. 4. Inzwischen hat das Mädchen einen Bankier geheiratet. Das alles ist nicht einmal traurig. Es ist nicht traurig, ein Mädchen zu lieben; ein Mädchen lieben ist antiquiert, muffig, eine verschimmelte Sache, erinnert an Wollstrümpfe und die Leinenhosen von Bauernmädchen. Warum verdient er kein Geld? Und wenn er kein Geld verdient, warum soll er traurig sein; das ist doch das Schicksal von Millionen Proletariern. Keine Tragik ohne Definition; keine Definition ohne Tragik. Von den Juden lerne ich die Technik des Kampfes gegen den Staat, und benutze sie im Kampf gegen einen unanständigen Staat. Der unanständige Staat, das ist der Steuerstaat. 18r 17. 2. 28 Herrlich heute das Siebengebirge: der Drachenfels im Sonnenlicht; und waren in einer Gewitterwolke verschwunden, der Petersberg stand wie ein schwarzer Stein davor. Viele Worte, Redewendungen, Vergleiche sind wie papierene Umschläge um den Gedanken. Die schönste Rose wird fad, wenn sie in Seidenpapier gewickelt ist, der schönste Vergleich wirkt nicht länger als Vergleich, wirkt überhaupt nicht, wenn ich sage: ihr Blick gleicht einem Feuer, war einem Feuer ähnlich etc; selbst die einfache Kopula ‚ein‘ zerstört schon. Ihr Blick war Feuer. La politique c’est un terrain banal (Gide). Meine Sätze sind aus Porzellan; nicht lapidar. Die numinosen Erschütterungen sind ‚ Der schöne Gang einer Frau kann mich reizen. Gott ist nur occasio, daraus folgt (bei der negativen Unendlichkeit des Begriffes der occasio): alle Occasionen sind Gott. Im Bereich des und Sexuellen ist das besonders klar; aber es geht bis in die tiefste des bloß Sensuellen. Das 19. Jahrhundert hat Idolatrie getrieben; das ist der Übergang vom Theismus zum Atheismus? Das war nur die Negation. Humanismus? Das war eine Abstraktion. Individualismus? eine lächerliche Fiktion. Als was? Europa: [in den folgenden 4 Zeilen sind nur Einzelwörter zu lesen]
2. Paralleltagebuch423 19r Deutscher Typ: der Symbolist; ein Lümmel von 5 Jahren steht in der Elektrischen aus irgend einem Grund von seinem Platz auf; ein anderer setzt sich auf den Platz; der Vater (mit Zwicker und Stresemann) sagt: So geht’s im Leben auch. Derselbe: Es dauert eine Stunde, bis die Stimmung da ist (das schließt auch den ein, der sich das alles notiert). So ist das Leben und so überhaupt. Alles Irdische ist nur ein Gleichnis. etc, etc. Deutobold160; Symbolismus. Ziehe ein armes Mädchen in meine Einsamkeit und lasse sie sitzen. Warum lässt du sie nicht beim Karneval, du Narr. Der einsame Narr ist ekelhaft; der Narr unter Narren ein sympathisches Luder. Gott verflucht Ehrlichkeit; ich glaube an die katholische Kirche, ich glaube an die Größe Englands, ich glaube an den Puritanismus der amerikanischen Milliardäre; ich glaube an Fascismen, an den moralischen Rigorismus der Bolschewisten, ich glaube, glaube, glaube; Rindvieh. Die Ehe ist ein Vertrag, der sich von anderen nur durch erschwerte Auflöslichkeit unterscheidet; der Ehebetrug ist zu korrigieren. Die Liebe von Zigeunern stammt – die Erotik von den Eunuchen. Vor hundert Jahren genügte Philologie und Geschichte, um die metaphysischen Voraussetzungen für eine politische Energie zu liefern. Die polnische, tschechische, die jugoslawische, die irländische Nationalbewegung sind Emanationen dieser geistigen Vorgänge, Literatur, Philosophie, Philologie, Geschichte, Literaturgeschichte. [mehrere Wörter] Die deutsche Nationalbewegung ist weniger und ist mehr. Weniger, weil ihre Literatur schlechter ist; glücklicherweise; mehr, weil sie theologisch, durch die Reformation und nicht durch eine säkularisierte, liberale, romantisch humanisierte Geistigkeit gebildet ist. Die armen Tschechen aber sind schon gestraft. Sie haben nicht mehr das Recht und die Möglichkeit, ihren schönen alten Namen Böhmen zu führen; sie nennen sich mit einem barbarischen Bindestrichwort Tschechoslowaken. Denn Bohème und Bohèmien ist schon durch die Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts beschlagnahmt. Die Literatur war stark genug, einem Volk seinen Namen zu geben.
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Pseudonym für Friedrich Theodor Vischer (1807–1887), Theologe, Philosoph, Literaturwissenschaftler; BBKL 12, Sp. 1464–1482.
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2. Paralleltagebuch 20r
Nun ist’s mit dieser Ruhe bald zu Ende. Schlucke diese letzten Stunden wie den Rest einer guten Flasche. Armer Schlucker. Gewohnt an meine Angst. Angst, meine liebe Schwester, meine liebe Freundin. Ich setze kein Fett an; einsam mit dem status quo. 24. 2. 28 Glück, Glück, Glück – o Teufel, o Wonne. Ein schöner Morgen: „Wenn im Gebirg der Morgen sich entzündet.“161 Für eine Stunde ist das Land wieder unberührt. Mein Gehirn treibt seine Faxen. Glück ist Tugend, Unglück ist Laster. Das Geheimnis liegt im Zaster; er tobt mich auf Kerr162 ; Lyrik aus Gehirngeschwüren. Ekelhaft, nieder mit dem status quo. Einige fürchten den Tod nicht mehr, weil sie schon tot sind und kein Leben mehr zu verlieren haben. Solche Menschen können einen durch ihre tierische Kühnheit in Erstaunen setzen, Clemenceau. Offiziell kein Schutz und kein Gehorsam, dafür aber alles das apokryph, unter der Hand, beiläufig, von selbst; Restaurierung dieser einfachen Humanität gegenüber einem unmenschlichen Humanitarismus. Es gibt guten und schlechten Wein, warum soll es nicht gute und schlechte Gedichte geben? Und was nützt aller und aller jüdischer Eifer, wenn der Boden schlecht ist, die Sonne nicht scheint und die Ernte mäßig? Grenze der jüdischen Allmacht und der Auserwähltheit dieses Volkes. 21r 24. 2. 28 Von der Abschiedsfeier im Königshof ging ich zu Fuß nach Hause zurück, wie damals 1907 von dem Abiturienten-Commers zu Fuß nach Plettenberg. Immer dieselbe Situation, immer allein, immer alles verfehlt und immer doch wieder von meinem geheimen Führer hinweggetragen über die erbärmliche Gegenwartssituation. Gegrüßt seist du, mein Führer-Schutzengel. Hast du sie gehabt? Ja, ich habe sie gehabt. Voll und ganz? 161 162
Zitat aus dem Gedicht „In tausend Formen …“ des „West-östlichen Divans“ von Goethe. Alfred Kerr (1867–1948), Theaterkritiker; NDB 11, S. 532–534.
2. Paralleltagebuch425 Voll und ganz! Dann ist ja alles in Ordnung. Vor 3 x 7 Jahren kam ich ebenfalls nach Berlin, zum Sommer, wohnte im Elend zusammen und auf dumme Weise fleißig.162a Das muss ich wiederholen. Aber meine ganzes Leben von einer Schule zur anderen; immer zu einer höheren Schule, aber doch zu einer Schule. Niemals ins Leben. Jetzt von der Akademie zur Handelsschule. Handel ist das Leben. 28. 2. 28 Gespräch mit 163 auf den Rheinhöhenwegen. Der Rhein, die schöne Helena. Er will sie neutralisieren, dem Völkerbund ins Banksafe hängen. Das heißt um eine schöne Frau kämpfen, Abenteuer bestehen, um schließlich eine Josephsehe zu begründen. Wie lächerlich. Ich kann nicht eine beliebige, interessante Sache auf die Bühne bringen; nur aber [mehrere Wörter] εξ-ουσία164. Redefreiheit kann es nur geben, wenn man sich sehr sicher fühlt. Wenn man nach Sicherheit schreit, kann es doch keine Redefreiheit geben. Wie einfach und selbstverständlich. 22r 2. 3. 28 Sehr schön sagte Dempf: Es gibt heute keine Moral mehr, es gibt nur noch Eschatologie. 3. 3. 28 Abends 6 Uhr in Hagen; die Stadt ist verzaubert, die Menschen sind alle mittelbar; verdrückt, hintergründig, schwer; die modernen Kleider hängen an ihnen wie an Garderobenständern, sie gehen wie an Drähten; dieses Land ist mir grauenhaft fremd. Dass mein Vater es hier ausgehalten hat, ist unfasslich. In mir reckt sich die [Empörung]. Erdrückt von dem Gefühl des stumpfen Betruges, auf den ich herein fiel wie ein besoffen gemachter Bauernjunge. Schande und Scheiße.
Carl Schmitt, 1907 Berlin, in: Schmittiana I, 1988, S. 11–21. Albert Mirgeler (1901–1979), Historiker; Anita Prettenthaler-Ziegerhofer, Albert Mirgeler (1901– 1979), in: Europa-Historiker. Ein biographisches Handbuch, hrsg. von Heinz Durchhardt u. a., Bd. 3, Göttingen 2007, S. 133–156. Zu Schmitts Beziehung zu Mirgeler vgl. Koenen, S. 159–162 und passim. εξ-ουσία, „Recht, etwas zu tun, Macht, Gewalt“.
162a Vgl. 163
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5. 3. 28 Welcher Zufall: 3 Mal begegneten mir die Freimaurer: Ludendorffs Deutsche Wochenschau165; dann ein dummer Einfall von Max Bode166, in dem der Umzug der Freimaurer während der Pariser Kommune erzählt ist (aimons-nous167), dann die Erzählung eines von dem Prinz, der durch eine geheime Gesellschaft wird. [dazu auf Bl. 21v eingeklebter Zettel auf Franz., Warnung vor dem Einfluss der Freimaurer im franz. Parlament] Stunde völliger Sensualisierung und Entgeisterung; meine Sehnsucht nach Fleisch und den Linien des Fleisches; den Linien der Wange, der Nase, der Schenkel, des Bauches, grauenhaftes, sarkastisches Nichts, Abgrund des Schweinekobens, Umarmung der Säue, Blumen auf dem Dünger der Sexualsekrete; diskrete Sekrete der Sexualdrüsen. 7. 3. 28 Reise durch Belgien nach Frankreich. Belgien ein schmutziges Land, dahinter die merkwürdige geschlossene Klarheit der Landschaft; lächerliche Häuser mit widerlichen Ornamenten,
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Die Deutsche Wochenschau war eine völkisch-nationalistische Wochenzeitung. In Nr. 44 vom 30. 10. 1927 veröffentlichte Erich Ludendorff auf der ersten Seite einen Leitartikel „Die Wahrheit über die Freimaurerei“. Schmitt las am 12.9.27: Erich Ludendorff, Die Vernichtung der Freimaurer durch Enthüllung ihrer Geheimnisse, München 1927; s. oben, S. 162. Nicht ermittelt „Aimons-nous les uns les autres“, Parole auf Fahnen, unter denen 1871 für die Pariser Commune demonstriert wurde.
2. Paralleltagebuch427 schlimmster Wilhelm II.; wie ein dorf auf einem Berliner Rummel sind die Bahnhöfe; das Ganze wie ein Vorort von Hagen in Westfalen, wie Wanne-Eickel. Mit großem Stolz nach Nordfrankreich. Hier waren also 4 Jahre deutsche Soldaten. Wir waren ja dumm, ein plebejischer Hanswurst mimte den Kaiser, trottelige Führer, Proletarier, aber welch ein wunderbares Volk. Ergriffen, ‚ begeistert von der Fahrt durch dieses Land. Hier liegt also Fritz Eisler begraben. [5 Zeilen nur schwer interpretierbar:] Nach Hegel ist die der Wirtschaft Geist, der über Individuen das Unbewußte als anscheinend der Individuen nach Daqué wurde ist das Unbewußte . 23r 12. 3. 28 Ich fliehe wieder ins Deutschtum; weg von den Juden, den Franzosen, den Katholiken und allen diesen Seelenfängern, Bauernfängern. Heimat, Bescheidenheit, Sauberkeit, Anständigkeit; warum ist für jeden das Volk dieser Naturzustand? Ich sah die Studenten in der Pariser Universität und sah zum ersten Mal in Paris Volk. Sehr glücklich darüber. Begriffsvisionär: das bin ich. 14. 3. 28 Metaphysisches Bilderbuch: Mit Frau Linn über das Totalbild des Lebens, irgendein banales Bild: Für mich: der Seeräuber, der Nachricht von einem vergrabenen Schatz in einer Flasche versiegelt und ins Meer wirft; oder der Landstreicher, der Zeichen an die Häuser macht. Personen: Auf dem Meer, er geht unter, Christus reicht ihm die Hand. Der Jansonist: eine kleine, glühende Kohle, in Regen und Schnee auf der Landstraße. Herr Linn: ein Mann, der in einer großen Masse schon mitmarschiert. Frau Linn: eine lange Straße, immer geradeaus, ohne Anfang und ohne Ende. Der Pragmatist: ein Fluss mit treibenden Eisschollen, der Mann springt von einer auf die andere. [am Rand:] Kant: Der Bauer im Fluss oder: das Leben ein ewiges [mehrere Wörter]. 15. 3. 28 Plötzlicher Anfall einer Nierenkolik: Gefühl der Armut und Verlassenheit in einer großen Stadt; hilflos [in] einer Verzweiflung und Wut, heftige Liebe zu Duschka, ohnmächtig vor Sehnsucht und Angst um sie; seit Jahren nicht mehr dieser Affekt der wütenden Ohnmachten, Besorgtheit. Allmählich überwältigt von dem Eindruck der Größe des französischen Staates. Aber es war gar nicht der französische Staat; der Staat war nicht französisch, nur das Volk war französisch. Was ist der Staat? Ich weiß es nicht. Etwas Wunderbares, Großartiges, Überwältigendes; der Triumphbogen, römisch. Daneben ist Berlin eine Imitation.
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2. Paralleltagebuch
Demokratie: Die Identität von Reiter und Pferd. Eine Wiese mit wilden Pferden. Ersteiger des Pferdes, sich selbst zu reiten usw. Ganz befangen von dem Bedürfnis, dieses Große zu fassen und zu erkennen. Alle Obrigkeit ist von Gott, wahrhaftig; göttlich. Das Gegenteil des Naturzustandes! 24r Das Volk ist immer im Naturzustand, d. h. nicht zivilisiert, nicht kultiviert, nicht gebildet; d. h. gut (weil es nicht böse sein kann). Naturzustand ist völlige Negativität. Seine ganze Güte besteht darin, nicht böse zu sein, weil es nicht aktiv ist. Das Reine, Inhaltlose, A-priorische; die Materia prima. Es gibt eine Lehre des Alexander Epicureus: Deum esse materiam et omnia essentialiter esse Deum, et formas esse accidentia imaginata168 (dagegen Thomas v. A.[quin]: Deum non esse materiam,169 aber auch nicht formam!) Der status quo ist verdorben; das Volk ist unverderblich. Negativität: Nur Insekten wissen, was Genüsse sind. Nur Anarchisten wissen, was der Staat ist. Nur Atheisten wissen, was Gott ist. (Nur Proletarier wissen, was ein Bourgeois ist. Überlegenheit der Negativität und ). Gefühl der Geborgenseins im rheinischen Nebel; Geborgensein in Tagebuchnotizen; der Nebel ist meine Heimat. Eine römisch-katholische Konstruktion: Durch die kirchliche Trauung überträgt der Priester widerruflich und unter Vorbehalt seiner Kontrolle [dem Ehemann] [2 Wörter] gewisse Befugnisse gegenüber der Ehefrau, ferner die patria potestas.170 Selbstverständlich können sie jederzeit zurückgezogen werden, wenn ein Missbrauch mit diesen Befugnissen getrieben wird. Alle Gewalt geht von Gott, der Priester aber spricht im Namen Gottes. So einfach.
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„dass Gott Substanz ist und alle Dinge wesentlich Gott, und dass alle Gestalten eingebildete Umstände sind.“ Schmitt dürfte sich hier auf Jakob Thomasius (1622–1684), den Vater von Christian Thomasius beziehen, den die Frage, ob Gott „materia prima“ ist, stark interessierte und der sich auf „Alexander Epicureus“ berief, womit der griechische Philosoph Alexander von Aphrodisias (um 200 n. Chr) gemeint war; vgl. Ralph Häfner, Jacob Thomasius und die Geschichte der Häresien, in: Christian Thomasius (1655–1728). Neue Forschungen im Kontext der Frühaufklärung. Hrsg. von Friedrich Vollhardt, Tübingen 1997, S. 158 f. Thomas , Summa contra gentiles, Buch 1, Kap. 17: „Quod Deus non est materia“. patria potestas, „väterliche Gewalt“. Begriff aus dem römischen Recht, der die unumschränkte Gewalt des männlichen Familienoberhauptes bezeichnet.
2. Paralleltagebuch429 Wer kümmert sich um den anderen [3 Zeilen]. Es gibt ein psychisches Trauma. Es gibt aber auch das des psychischen Traumas, den großen, ungeheuren Eindruck von der Gerechtigkeit, Schönheit, Wahrheit. 25r O ich will ein guter, moralischer Mensch werden, fleißig, bieder, treu, enthaltsam, keusch und abstinent. – Dann fühle ich mich wieder wohl und kann wieder gründlich trinken, koitieren und mich der stupiden Gier meiner Sinne überlassen. Lebensgefährliche Lebensgefährten. Der merkwürdige Selbstwiderspruch bei Kelsen: erst ist er objektiv, Methodenmonist, hielt es für möglich, das Staatsrecht auf dem Völkerrecht aufzubauen; [5 Wörter] und das Reich des durchsetzen, dann wieder erklärt er, sich als in den politischen Fragen für ; sie gehen den Juristen nichts an und damit provoziert er den Hegelschen Standpunkt, dass das Recht nur ein kleiner und zwar Teil der staatlichen Wirklichkeit ist. (Alles mit Hilfe eines Normenbegriffes). Er erregt dadurch den Anschein, als gehe das Recht dem Staat vorher und beherrsche den Staat. De mortuis nil – De morituris nil nisi bene. In meiner Begierde und Sehnsucht: will ich Vereinigung will ich nur Lust aber ewige Lust. Und das wäre dann doch wieder Vereinigung, ewige Vereinigung. Ich will die Lust erzwingen und will die Vereinigung erzwingen. Rührendes Opfer meines Glaubens an eine Sekunde. 9. 4. 28 abends, als ich die Schöne im Kurhaus tanzen sah, plötzlich für mich, römisch und -ethisch. Hüte dich davor, dir ethische Erhebungen psychologisch einzugestehen in den Rhythmus von auf und ab. Glaube daran, dass es den Kontakt mit einer höheren Ordnung wirksam ist. Ich fühle [mehrere Wörter].
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2. Paralleltagebuch 26r
10. / 11. 4. 28 Nachts 2–3 mit Georgette171; sie sagte: Lieber Junge. 12. 4. [28] Abends Ejakulation bei Georgette. Sie sagte: Lieber Carl; herrlich. Ihre dünnen Beine und ihr schlanker Rücken. 13. 4. 28 In Appenweier glücklich der hysterischen Georgette entronnen, armes Kind. Frühling im Rheintal. Sehnsucht nach , [2 Wörter], ich arme Seifenblase meiner sexuellen Illusion. Das ist also das Leben. 14. 4. 28 In Straßburg überwältigt und erdrückt von den Erinnerungen der Studentenzeit; die Dummerei des menschlichen Gedächtnisses; die Gier nach Kokotten ist nur die Sehnsucht nach dem Nichts. Die Reservistenstöcke der elsässischen Rekruten vernichten dich. Die neckische Illusion, es gebe Frauen, welche außerhalb des Sozialen stehen; die zu „besuchen“ ein Akt ohne soziale Konsequenz wäre. In Wahrheit haben sie eine besonders ausgesprochene Gesellschaft, und das Ins, konsequenzlose, verantwortungslose, risikolose Nichts ist nie erreicht. Alle Lust will Ewigkeit; also Konsequenz: Pro. Alle Lust will nichts als Lust; also Zusammenhanglosigkeit, negativ; Lust will nichts; das Gegenteil von . Gier nach Fleisch; nicht einmal mehr Leben, nur Fleisch. Das Fressen und Gefressenwerden, stupides . Demokratie ist der passive Staat. Monarchie der aktive Staat. In die richtige Mischung. Passivismus: Es ist ganz begründet, dass Menschen ohne Instinkte keinen Krieg führen. Die Frage ist nur, ob der Krieg ihnen wieder Instinkte geben wird. Nicht jeder Krieg, der nur geführt wird, um wieder solche Instinkte zu geben. Thomas Mann: Literarisch , die steigernde Wirkung des Verwesungsgeruches. Er hatte einen guten Verstand, konnte es aber nur in der Weise bejahen, dass er ihn bei jeder Gelegenheit entrüstet von sich warf. Frauen, denen ich ansehe, welches Lächeln über ihr Gesicht geht, wenn die Sekunde sexueller Lust durch ihren Bauch zieht. Einige sind glücklich, hingegeben, ekstatisch, andere befriedigt der Schein, die zu ihrer Beruhigung bemerken, dass der Lustapparat noch funktioniert; andere geschmeichelt, als quittieren sie die Bemühungen des Mannes.
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Georgette Boner; s. oben, S. 218.
2. Paralleltagebuch431 Ich sehe die Verwirrung von Geist und Fleisch im Menschen. Der gröbste fleischliche Vorgang hat noch eine geistige oder wenigstens anti-geistige Bedeutung. Nichts kann diese Beziehung zum Geist verhindern. 27r Wenn die Schlange sich häutet, hat sie wahrscheinlich das Gefühl, ihren Körper zu verlieren und als reiner Geist im Äther zu schweben. Gesetz der negativen Ideologie des Menschen: Wenn der Bourgeois seinen Stand aufgibt, schreit er Menschheit; ebenso der Proletarier, wenn er seine Kurse aufgibt; der Internationalist usw. Ein wüster Sturm verheert mein Fleisch, nur Gier, nur Fressen wollen, Lust schlucken wollen, tierische, viehische; scheußlich. Dann die Traurigkeit; die ebenso tierische und viehische Melancholie des Unbefriedigtseins; oder das Sein, das moralische der Grenzen des Befriedigt-seins; ebenso viehisch und tierisch. Kierkegaard: (Buch des Richters, S. 117): Das „Bestehende“ ist überhaupt ein ganz unchristlicher Begriff. Aber noch lächerlich, zu hören, wie das „Bestehende“ sich gegenüber Sekten brüstet, da doch im Kriege der Sekten unendlich viel mehr christliche Wahrheit liegt als in der Schlappheit und Schläfrigkeit des Bestehenden. Noch lächerlicher, wenn das Bestehende sich aufs Neue Testament beruft. Das Christentum ist doch „Erweckung“. „Die Kirche“ soll eigentlich Werden repräsentieren, Staat dagegen Bestehen, darum ist es so gefährlich, wenn Staat und Kirche zusammenwachsen und identifiziert werden. „Der Staat“ ist in der Idee „das Bestehende“. Werden ist geistiger als Bestehen. Die Diener der Kirche sollten deshalb keine Beamten sein, kaum verheiratet, sondern solche expediti, die sich dazu eignen, dem Werden zu dienen.172 Also Staat ist status quo.
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Schmitt zitiert ungenau. Die Stelle lautet im Original: „Das ‚Bestehende‘ ist überhaupt ein ganz unchristlicher Begriff. Aber noch lächerlicher ist es zu hören, wie das ‚Bestehende‘ sich den ‚Sekten‘ gegenüber brüstet, da doch im Irrtum der Sekten unendlich viel mehr christliche Wahrheit liegt als in der Schlaffheit und Schläfrigkeit und Trägheit des Bestehenden. Und noch lächerlicher, daß das Bestehende sich auf das neue Testament beruft. Ja, als das Christentum selbst ‚eine Sekte‘ war (so wurde es ja damals genannt), selbst Erweckung hatte (und zugleich die der ‚Wahrheit‘): da galt es vor Sekten zu warnen. […] Die Kirche‘ soll eigentlich ‚Werden‘ repräsentieren, ‚Staat‘ dagegen ‚Bestehen‘. Darum ist es so gefährlich, wenn Staat und Kirche zusammenwachsen und identifiziert werden. Für ‚den Staat‘ gilt es, daß man, ob auch die eine oder andere Einrichtung weniger glücklich ist, wenn sie etwas Bestehendes ist, sehr vorsichtig sein soll sie abzuschaffen, gerade weil ‚der Staat‘ in der Idee ‚das Bestehende‘ ist; und es ist einem vielleicht mehr damit gedient, etwas Bestehendes was weniger glücklich ist, kräftig aufrecht zu halten als zu früh zu reformieren. In ‚der Kirche‘ gilt gerade das Gegenteil, da ihre Idee das Werden ist. ‚Werden ist geistiger als ‚Bestehen‘; die Diener der Kirche sollten deshalb keine Beamten sein, kaum verheiratet, sondern solche expediti, die sich dazu eignen ‚dem Werden‘ zu dienen.“ Sören Kierkegaard, Buch des Richters, Jena / Leipzig 1905, S. 117 f.
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2. Paralleltagebuch
Das Gefühl des Betrogenseins bei Kierkegaard: Ewiger Betrug des Christentums durch Kirche und durch die Institution. Betrug des Mannes durchs Weib (S. 158). Betrug des Ideals durchs Menschliche (S. 159). Betrug des Unendlichen durchs Endliche. Betrug der Welt an Gott und Christus. Hüte dich, zittere, denn Gott ist so furchtbar leicht zu betrügen. Protestantisches Gefühl: der Betrug. Dialektik. Je näher der Wahrheit, um so näher dem Schwindel und Betrug. Alles menschliche Mitleid, alle menschliche Tugend, alle menschliche Größe ist Betrug. Ist das nicht im Grunde mein eigener Glaube? Also bin ich Protestant. Der Protestant protestiert gegen den status quo. Protestant und Proletarier Der protestantische Begriff: status quo durch die dialektische Notwendigkeit. Gegenwehr ist der Katholizismus diesem Begriff erlegen. Katholische Kirche ist status quo. 28r 22. 4. 28 Abends bei Dempf, sehr , mit Franziskus beginnt die Neuzeit, die Reformation; für ihn ist jeder Mensch ein Mensch, nicht nur die . Ich glaube, die Starrheit der Kirche hat die Völker zur Verzweiflung gebracht; wie stark ist der Protestantismus, wie stark die französische Revolution. Alles Schuld der römischen Kirche, die sich von ihrer eigenen Organisation nicht mehr befreien kann. Die Kirche trägt den Klerus wie Christus das Kreuz. 22. 4. 28 Bei Magda in Boppard. Zu Hause war Georg Eisler; rührend, wurde wieder . Dann abends bei Magda, herrlich ausgetobt, am Morgen das Gefühl, gereinigt zu sein. Mein Kreuz ist gewaschen, herrliche Meeresstille der Sexualität. Das Gefühl des Betrogenseins im 19. Jahrhundert ist protestantisch. List der Idee, der Form, in der der Protestantismus positiv wird. Sehr natürlich. Wenn die Christianisierung 1000 Jahre erstarren würde und eines Tages der Betrug entdeckt wird … Aber die Dialektik: Wer sein Leben darauf einrichtet, einen Betrug zu verhindern, ist schon betrogen. Angst vor dem Betrug das christliche Mittel, betrogen zu werden. Protestantisch (Betrug entdeckt zu haben, armer Narr!) Vergleich der Reformation mit der Revolution. Sie haben nichts miteinander zu tun. Der Priesterbetrug beseitigt die Aufklärung. Das ist etwas anderes als der christliche Glaube der . Der Allerweltsbetrug ist protestantisch, England, Deutschland, daher Grund der Reformation.
2. Paralleltagebuch433 Was ist das allgemein? Der einzelne Fall. Schön, aber nicht die einzelne, konkrete Situation. Unfassbar dieser Fall. Wo bleiben die blonden Haare, wo jenes zertretene Mauerblümchen. Das Schrecklichste der letzten Woche: der Reservistenstock der elsässischen Rekruten, die von französischen Soldaten in französische Kasernen getrieben werden, Reservistenstöcke noch aus der deutschen Zeit. Dempf sagte: Das Sakramentslied auf Französisch im Straßburger Münster. Grauenhaft: ein Volk zertreten. Inzwischen telegrafiert Stresemann; der Flaschenbierhändler. Wird es wenigstens noch Fassbier. Die Abhängigkeit des Staates von Frankreich: Ich stabilisiere die Souveränität wie einen rocher de bronce;173 jedes Wort französisch! Viel zu schwach und viel zu weich, endlich kommt der Gnadenstreich. 29r Mirgeler, Geschichte und Dogma;174 Geschichte ist Dogma, keine Geschichte ohne Dogma usw. Aber bloß Dogma? Alle Dogmen der römischen Kirche? – Das ist kein möglicher Inhalt eines Dogmas! Diese Art Dogma hat keinen anderen Inhalt als: es muss Dogmen geben. Dogma aus Dogmatismus; substanzloser Dogmatismus. S. 1. Warum sagt er übrigens Dogma? Er meint doch nur Profession, Aktivität, Freund- und Feindgruppierung, Definition usw. Das muss alles noch klarer, noch dogmatischer werden, ehe es betrachtet wird. Mirgeler: Geschichte ist Überwindung des Todes (und des Lebens!). Geschichte ist also Staat (nicht Kirche); Völker, die eine langweilige Geschichte haben, haben überhaupt keine Geschichte, d. h. keinen Staat. Dazu Radbruch, Hellpach etc. (Steht moralisch und intellektuell auf dem – o selig, ein Kind noch zu sein). Das Fleisch einigt und der Geist trennt, der Geist einigt und das Fleisch trennt usw. Ewige Litanei. Sage: Deutschland liegt zwischen Osten und Westen, d. h. Russland und Amerika. Die Lust als Selbstzweck tötet, die Lust als Begleitung belebt. Das erkenne ich, wenn ich die Lust als Selbstzweck missbrauche. Diese Erkenntnis tröstet mich, obwohl nichts damit gewonnen ist. Sie rettet mich nicht vor dem Tode; auch die schönste Formulierung über den Tod rettet dich nicht vor dem Tod.
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Den Satz schrieb der preußische König Friedrich Wilhelm I. 1716 an den Rand einer Eingabe. Albert Mirgeler, Geschichte und Dogma, Hellerau 1928.
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2. Paralleltagebuch
Die Anonymität der Hure, die Apität der Hurerei. [mehrere Wörter]. Ahnenrecht: Die Welt ist in Ordnung, man darf sich nur nicht anstrengen. Staat: Die Welt ist in Unordnung; man muss sich furchtbar anstrengen. eine von Menschen bewirkte Einheit und Ordnung. Staat: Daher ständiger Kampf nach innen und außen; ständige Anspannung. Ständige Haltung, ständige Repräsentation. [dazu rechts eine Anm., wovon nur lesbar:] Smends . 30r Inzwischen rächen sich die Juden dafür, dass es nichts mehr gibt, sie sich verständ licherweise assimilieren können. Früher mussten sie sich ; heute wird [mehrere Wörter, davon lesbar: F. J. Stahl] die größte Schweinerei. Immer von Neuem staune ich über die Tiefe des Satzes: Dieses ehebrecherische Geschlecht verlangt Zeichen und Wunder.175 Warum ehebrecherisch? Weil auch der Ehebruch aus der Lust nach Sensation kommt, nach Abenteuerlichkeit, Abwechslung, weil er romantisch ist; das Wunder ist die Sensation, die Durchbrechung, die Untreue, der Kitzel, die leere Lust erregung, die Geilheit der leeren Abwechslung. Das Doppelgesicht Hegels ist in Wahrheit das Doppelgesicht des Protestantismus. Welche Verdunkelung und Abschwächung liegt schon darin, dass Hegel sagt: Der Staat ist der präsente Gott; der Staat ist doch gar nicht präsent, er muss vielmehr repräsentiert werden. Man kann höchstens sagen: Das Volk ist der präsente Staat. Man darf nichts erzwingen, alles ist Freiheit, alles „von selbst“, alles autonom. Man kann alles erzwingen, alles ist gebunden, alles ist ad alterum, alles ewige Litanei. 21. 5. 28 Am Abend um 12 Uhr nach Hause, in die Villa Muthesius‚176 Gefühl der Geborgenheit, Gefühl, beschützt zu werden. Freude an dem Konfekt und der schönen Wohnung; ist das nicht ein jüdischer Affekt, diese Freude am irdischen Behagen? Gefühl, dem sozialen Nichts entronnen zu sein; dies ist also das soziale Etwas. Verstehe, warum die arme Magda sich so an mich klammert; sie will und braucht soziale . 22. 5. 28 Ich sagte nicht meinen wahren Namen, sondern sagte ihr, ich heiße Ernst. Als sie dann in einer wunderschönen Ekstase Ernst, Ernst schrie, tat es mir leid, dass ich nicht meinen richtigen Namen gesagt hatte. Als wäre es ein Gewinn, eine Bereicherung [mehrere Wörter] wenn eine Frau in diesem Augenblick meinen Namen nennt [mehrere Wörter]. Dabei sprach sie das e wie ä aus, dadurch der Laut kindlich süß quäkend wurde.
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Bezieht sich auf Mt 12, 38 f. Schmitt wohnte zu dieser Zeit in der Villa des Architekten Muthesius in Berlin-Nikolassee, Potsdamer Chaussee 49.
2. Paralleltagebuch435 Sehr gerührt, als sie beim Abschied sagte: Am Donnerstagnachmittag koche ich Dir Kaffee, damit du nicht meinst, ich könnte nicht Kaffee kochen. (Nachher stellte sich heraus: eine ganz normale Hure, die gemerkt hat, dass ich betrogen sei. Dabei ist sie eine gewöhnliche Hure, rührend, entzückend, lieb, nett, wiewohl schlau und dann wieder ehrlich, möchte heiraten, Haushalt, einen Mann [2 oder 3 Wörter]. 31r Immer dieselbe Beobachtung: Ich trinke Kaffee, weil mir früher einmal Kaffee um diese Zeit in dieser Lage gut geschmeckt hat. Verewigen? Institutionieren; eine Einrichtung schaffen, normalisieren. Ich renne hinter einer Frau her, weil ich sogleich an einen Augenblick früheren Glücks erinnert werde und ihn wieder erzwingen will. Was heute ein „weils gestern“ gewesen, normative Kraft des Kitsches. Dahinter steckt aber mehr. Alles steigt nach Institution, weil es nur durch Institution fallen wird. Alles ist Ewigkeit. Institution ist das normale Leben, normal ist gesichert, ist garantiert. Sehe allmählich: nicht das Volk stellt die Öffentlichkeit her, sondern nur Gott. Im Zeitalter des Sanktuarismus stellte der absolute Fürst die Öffentlichkeit her. Als Gott? Gott kann nicht die Öffentlichkeit herstellen, bei ihm sind alle Gegensätze aufgehoben, auch die von öffentlich und geheim, öffentlich und privat. Gerade weil das Volk nicht Gott ist. Pfingsten 1928 (26. / 27. Mai): Godesberg: Volles, grenzenloses Behagen, die Fruchtbarkeit dieser Landschaft fühle ich mit meiner bayerischen als unerhörtes Glück (die malerische Landschaft wirkt melancholisch, weil sie unfruchtbar ist), nichts wie behaglich, leere Lust, Glück, Glück, die Zeit fließt wie ein klarer Bach. Entwicklung der Menschen: Erektionen ohne Sehnsucht, Sehnsucht ohne Erektionen. Berlin liegt nicht in Europa, es liegt zwischen New York und Moskau. Es ist uneuropäisch, unchristlich, beinahe unmenschlich.177 Aber darin steckt noch ein Rest und Klassik; das ist groß daran. 177
An Maritain schreibt Schmitt am 30. Mai 1928, Berlin sei eine „erstaunliche, un-europäische, unchristliche, beinahe unmenschliche Stadt […], die nicht mehr in Europa, sondern zwischen New York und Moskau liegt“ (vgl. auch seinen Brief an Maritain vom 13. Juli 1928: „[…] hier in Berlin, in einer Stadt, von deren Gott- und sogar Menschen-Fremdheit man sich keine Vorstellung machen kann.“ Siehe S. 505–507. Archives Maritain, Strasbourg (Kopien in: RW 0579 Nr. 495).
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2. Paralleltagebuch
Die Psychoanalytiker: Im Mülleimer des Unbewussten und vom lebendigen Gedächtnis Weggeworfenen nach den tieferen Ursachen suchen und aus dem Abfall das Leben erklären wollen; in den Exkrementen das Geheimnis des Lebens suchen. Hat jemand den Widerspruch schon bemerkt, den der 18. Jahrhundert in den Begriff des Menschen gelegt hat: Einmal der „Mensch“ das höchste, Erhabenste: verdienet nicht, ein Mensch zu sein. Und dann: Die Welt ist vor allem überall, wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual. 32 r Urbild und Quelle, Hölderlinsche Fülle und Eindringlichkeit liegt nicht in der griechischen Poesie, sondern in mittelalterlichen Versen; in den Carmina burana177a sind Gedichte, die hölderlinisch sind; sie sind die völlig irrationalen, fast geisteskranken Betoner eines Adverbs, ein Schluss wie: amore exul ist doch wesentlich Hölderlin. [Bleistiftnotiz rechts nur teilweise erkennbar]. Ich leide, also bin ich. Sonntagmorgen, 3. 6. 28, 7 Uhr Herrlicher Vormittag, in Erwartung Magdas. Knabenhafte Freude an einem Ausflug an den Rhein. Glück, Halt, komm, bleib. Kindisches Anklammern an das Glücksgefühl dieser Sekunde. Bleib, bleib. Emil Ludwigs Menschensinn, die Anekdote von dem Juden, der den Christengott dumm und leicht zu betrügen fand, das ist doch alles dasselbe. Im Grunde halten die Juden den Christengott für dumm und leicht zu betrügen. Die dummen Christen rechtfertigen das ja auch. Die Anekdote von dem Judenjungen: [mehrere Wörter]. (1945: Werfels Bernadette-Roman,178 mir auch, mir auch). Motto: Ist denn Bildung ein Verbrechen? 6. 6. 28 zu Smend: Ich bin zu faul, um mein Wesen zu verfehlen. Das Wort: Ein Schuss, der in eine Bilderwand einschlägt. Willst du aus dem Loch und der Kugel den Schmerz berechnen? Willst du aus dem Wort berechnen, was es bezeichnet und betrifft? Die Schnelligkeit des Verkehrs; die Verständigungsmittel ändern nichts an der Zeit. 177a Aus 178
der mittelalterlichen Liedersammlung zitiert Schmitt auch in TB III, S. 412. In seinem 1941 erschienenen Roman „Das Lied von Bernadette“ beschreibt Franz Werfel das Leben der Bernadette Soubirous, die 1858 in Lourdes eine Marienerscheinung hatte.
2. Paralleltagebuch437 Ein Mensch bleibt nicht mehr unintensiver, weil seine Uhr zwanzigmal schneller geht als früher. Der alte Witz wird tiefsinnig: Wenn mir jemand sagt, Sie können in 5 Minuten in New York sein, erwidere ich: Was tue ich denn in New York? Der ganze maschinell-technische Apparat: nur der sausende Uhrzeiger ändert im Dasein nichts. So wenig der Frosch den Regen macht. Oder das Thermometer das Wetter. Immer nur Messungsvorgänge. 33r Ich empfand große Liebe für Blei, als er mir sagte: Sie werden immer zu denen gehören, die das Bedürfnis haben, de se perdre. Vergiss nicht deine Einsamkeit. Spürte etwas wie Ergebung in den Willen Gottes. Es ist vielleicht gerecht, dass Duschka krank ist; gerecht gegen mich, weil ich selber feige, unehrlich, verlogen, halb, untreu und zusammenhanglos bin. Denke, sie würde gesund, wenn ich ruhig und beherrscht werde. La sua voluntate è nostra pace.179 Goethe: Sage mir, was das für Pracht ist? Äußerlich gut, leerer Schein! O zum Henker! Wo die Macht ist, Ist doch auch das Recht, zu sein.180 20. 6. 28 Den ganzen Morgen sagte ich mir auf: Infandum, regina, iubes renovare dolorem.181 Wie wunderbar zwischen den beiden Seelen: inf. dolorem dieser Frau. Welch wunderbare Sprache, wie das Summen, wie ein Bourdon, vielleicht ist Latein eine Bass-Sprache, und wie stehen die Worte fest, eine Kultsprache, statisch, Ewigkeit, Tod. Das Deutsche ist (wie das Griechische) unruhig, dynamisch, bewegt, im Vergleich zu der steinernen Architektur der römischen Sprache.
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„E la sua voluntade è nostra pace.“ In seinem Willen finden wir unseren Frieden; Dante , Göttliche Komödie, T. 3: Das Paradies, 3. Gesang, Vers 85; s. auch TB III, S. 430. Aus „Zahme Xenien“; korrekt: „Sage mir, was das für Pracht ist? / Äußre Größe, leerer Schein!“ / O zum Henker! Wo die Macht ist, / Ist doch auch das Recht, zu sein. „Unsagbaren Schmerz, Königin, befiehlst Du mir zu vergegenwärtigen“. Vergil, Aeneis, Buch 2, Vers 3.
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2. Paralleltagebuch
Meine geheimnisvolle Liebe zu dieser Sprache; Geborgensein in einem lateinischen Wort; Nachwirkung einer missglückten Kindheit? Objektiv Phänomenologie der einzigen Staatlichkeit? 5 Ps Ku Tu Ka Hau Pseudos Peh Pah The Tha etc. Missverhältnis zur deutschen Sprache und zum Wort; daher die mechanistische Art Witze und die schnoddrige Witzigkeit dieses armen Kerls, dem die Stimme überschlägt, sowie er seriös werden will; dann wird er pazifistisch wie ein Kreter. – Kritizismus Ontologismus – Dogmatik Die Jurisprudenz ist mehr eine ontologisch-dogmatische Wissenschaft und nicht negativ. (Sie setzt den Staat voraus, etwas Einendes), sie ist nicht rein negativ wie die Mathematik oder die Sprache. Smend: ist eine kombinierte Mischung: [mehrere Wörter] Einheit und , also doch wieder Ontologismus. 34r Immer will ich Lust erzwingen; vergewaltigen und vernichte mich selbst durch Vergewaltigung. Es ist keine Vertiefung der Lust, der Frau den Bauch aufzuschlitzen. Geschichte des Humanismus: Eine Volksmenge steht und wartet auf einen wundertätigen König. Eifrige und geheimnisvolle Menschen versichern mit großer Bestimmtheit, dass er wird kommen werden. Aber es vergehen Tage und Jahre, ohne dass er kommt. Die eifrigen und tüchtigen Menschen bauen inzwischen Hütten und Unterstände für die wartende Menge, sorgen für ihre Verpflegung, bauen schließlich bequeme und komfortable Häuser, und die wartende Menge hat sich längst in eine gleichmäßig arbeitende, wohlorganisierte, nicht mehr erwartende Arbeiterschaft verwandelt. Offiziell aber leben sie alle noch in der Erwartung des Herrn. Wie komisch. Die Hege des Imperialismus ist von der Hege der Moral abhängig. Der Imperialismus bezieht seine Kraft immer aus der vorhergehenden Moralität. Die heutige Moral vereint [2 Wörter], denn sie ist nicht mehr Moral, sondern , Betriebsregel usw. Diese Art Moralverein ist lächerlich und komisch, dann entstehen Imperialisten wie jener ‚ der sich jenseits von Gut und Böse fühlt, weil er im Nichtrauchercoupé raucht. Dialektik: [1 Zeile]. Öffentlich: das, was so glanzvoll öffentlich sein kann, ist schon vorbei und dahin. Schon leer und weit. Neues wächst, aber dunkel und schweigsam, nicht öffentlich. Der Glanz und der Affekt, die Sekunde des Glaubens.
2. Paralleltagebuch439 Si duo idem faciunt non est idem.182 Nun also erst, wenn zwei dasselbe unterlassen! Wenn diese dasselbe nicht tun! si duo idem dicunt, non est idem si duo idem agitant, non est idem. Glück, großes Glück, bleib, bleib. Wunderbar schöne Frau, bleib, bleib. Das ist doch nur Krampf, inzwischen wo ich Duschka liebe und ihre schöne Haut sehe, schreie ich nicht mehr. Ich sage, dass alles gut ist und füge mich herein. Liebe, schöne, gute Duschka. Alles Denken kommt aus einem Glauben; aller Glaube kommt aus einem Sein. sum, ergo credo; credo, ergo sum. [2 Zeilen]. 35r Krause sagt mir: Er habe niemals richtig zu den Leuten gehört, die Geld verdienen. Von Stinnes höre ich, dass er sagte, er habe immer schief gelegen. Vielleicht ist es so, dass keiner im Mittelpunkt steht, weil kein Mittelpunkt da ist, keiner das Zeug hat, weil in Wahrheit nichts wird. Daher keine Monarchie. Nur die Juden wissen immer Geld zu leihen, weil sie das auserwählte Volk des Herrn der Welt sind. Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft (Werke 6, S. 103) „Vom Mangel der vornehmen Form“: „Soldaten und Führer haben immer noch ein viel höheres Verhalten zueinander als Arbeiter und Arbeitgeber.“ Die militärische Kultur steht über der industriellen. Die Massen sind „im Grunde bereit zur Sklaverei jeder Art, vorausgesetzt, dass der Höhere über ihnen sich beständig als höher, als zum Befehlen geboren legitimiert – durch die vornehme Form! Der gemeinste Mann fühlt, dass die Vornehmheit nicht zu improvisieren ist und dass er in ihr die Frucht langer Zeiten zu ehren hat – aber die Abwesenheit der höheren Form und die berüchtigte Fabrikanten-Vulgarität mit roten feisten Händen bringen ihn auf den Gedanken, daß nur Zufall und Glück hier den einen über den andern erhoben habe: wohlan, so schließt er bei sich, versuchen wir einmal den Zufall und das Glück! Werfen wir einmal die Würfel! – und der Sozialismus beginnt.“183
182 183
„Wenn zwei dasselbe tun, ist es noch nicht dasselbe.“ Zitat unvollständig transkribiert, korrigiert und ergänzt nach: Friedrich Nietzsche, Werke, hrsg. von Karl Schlechta, Bd. 2, München 1966, S. 65 f.
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2. Paralleltagebuch
184 [4 Zeilen]. 9. 7. 28 Auf der Reise nach Berlin, von Hamburg, in einer ruhigen Stunde: Der Lungenabszess Duschkas scheint mir als Inkarnation des moralischen Geschlechtes, das meine Seele erfüllt, der kleinlich-lüstern, schlank und folgenwollend derartigen behaglichen Bedürfnissen sich betrügen zu lassen, nicht einmal treulos [mehrere Wörter] hilf mir. So dumm wie ich ist keiner, das rührt mich sehr. Du möchtest also (elendes Schwein), dass die anderen dumm sind und sich von dir betrügen lassen; deine Wut, deine Gerührtheit, deine Gekränktheit ist die Enttäuschung des Schlaumeiers, wenn der Betrug misslingt. Einige Stunden zuvor furchtbarer Wutanfall in dem Bewusstsein, betrogen zu werden, der lächerliche Narr und Hanswurst zu sein, der ich bin; elende Scheißerei. 36r Möchten Sie mit einer Koloratursängerin verheiratet sein? Erlösender Moment: Eine Frau geht vor mir, der Pelz, der Hut, der Gang machen mich wahnsinnig vor Gier; Angst, infantile Unfähigkeit, mich zu befreien und einfach davonzugehen. Die Dame wendet sich um und ich sehe ein lächerliches Püree-Gesicht und bin erlöst. Glücklicher Moment: Wenn man nach einer physischen Erschöpfung und Verelendung langsam die Kraft und Sicherheit wiederkommen fühlt. Willkommen, Leben! Günther Holstein: Gott, die Total-, Universal-, Sentimentalinstanz der absoluten Schlechthinnigkeit.185 Seine absolute Schlechthinnigkeit, der liebe Gott, er lebe hoch. Irgendein Bauernlümmel, der einige Jahre katholischen Religionsunterricht bei einem Landpfaffen gehabt hat, ist doch immer noch im Grunde gebildeter als irgendein mit Hinzpeter185a und dem ganzen idolistischen Gang.
Zu lesen ist: „S. 336“. Möglicherweise ein weiteres Zitat aus der von Schmitt benutzten NietzscheAusgabe. 185 In seinem Buch „Die Grundlagen des evangelischen Kirchenrechts“ (Tübingen 1928) macht Günther Holstein einen inflationären Gebrauch von den Wörtern „schlechthin“ und „schlechthinnig“. Schmitt hat vielleicht folgende Stelle auf S. 285 im Sinn: „[…] für die moderne Welt unserer Tage, die in Relativismen unterzugehen droht und in letzter Konsequenz selber den Gottesbegriff zu relativieren sucht (man denke an den „jüdischen“ und den „deutschen Gott“), mag gerade die Formel des Absoluten, die die mit allem Irdisch-Natürlichen unverworrene, in schlechthinniger Weltmächtigkeit und schlechthinnig überweltlicher Erhabenheit sich offenbarende Art Gottes, wie ihn die Schrift bezeugt, zum Ausdruck bringt, ein Führer zur vollen Tiefe der Gotterkenntnis sein.“ 185a Georg Ernst Hinzpeter (1827–1907); Pädagoge, streng calvinistisch geprägter Erzieher von Wilhelm II. 184
2. Paralleltagebuch441 16. 7. 28 Morgens um 5 Uhr ein Traum, der mich heftig schmerzte und erschütterte: Ich fahre mit Duschka in einer kleinen Pferdedroschke. Erst freuen wir uns darüber, wie nett und gemütlich man darin fährt. Dann sehe ich, dass das Pferd vor uns ohne Zügel läuft; ich lenke es mit meinem Spazierstock. Dann sehe ich Duschka neben mir, [2 Wörter] wird krank und hart; ich erschrecke und erinnere mich ihrer schrecklichen Krankheit. Wir fahren den Berg hinauf, über einen Weg, der [2 Wörter] führt. Plötzlich läuft das Pferd weg, die Droschke bleibt stehen. Ich laufe dem Pferd nach, finde es aber nicht mehr, denke mit Besorgnis an den Kutscher, dem es gehört, kehre dann zurück und finde auch Duschka nicht mehr. Schrecklicher Schmerz der Trennung. Ich musste aufstehen, weil ich Vorlesung hatte, todmüde, wusch mich, dann war alles schon vorbei. Symbolik: Die Droschke symbolisiert meine lächerlich romantischen Illusionen, kindisches Anklammern an veraltete Dinge und Begriffe, Staat, römische Kirche. 27. 7. 28 Abend der Angst, der Verzweiflung, Gefühl der Verdammnis, wann erreicht dich dein schmutziges Schicksal. Welch ungeheuerliche Umwälzung: ein farbiger Mensch kann einem heute schön und vornehm erscheinen! Das ist der Beginn unserer Unterwerfung. 36v [eingeklebter Zeitungsausschnitt mit der Mitteilung, dass die Fürsten die Ehrenmitgliedschaft im Nationalverband Deutscher Offiziere annehmen, was darauf zurückgeführt wird, dass der Verband sich gegen die Freimaurer positioniert hat; dazu Quelle notiert:] Deutsche Wochenschau, 8.7.28 [darüber geschrieben:] Der Vorkämpfer des reinen Deutschtums spricht: [darunter:] So schreibt der Deutsche deutsch.
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2. Paralleltagebuch 37r
Die Fahrt von Berlin nach Köln, 3. Klasse, unter Mexikanern, Polen. Närrische Angst, zitternde Angst vor dieser . Gefühl des schmachvollen Endes. Besiegt aus Berlin zurück, erledigt. Dabei bin ich nicht schlecht, es ist nicht wahr, ich bin schlecht, illusionistisch; ich habe nichts Böses getan. Die grausam starken Menschen behalten recht, auch . Ich erinnere mich des armen Fisches, den ich nicht töten konnte, obwohl es mitleidiger gewesen wäre, ihn zu töten; ich konnte nicht so grausam sein; dumme, ekelhafte Schwäche. Ich kann niemand weh tun, deshalb muss ich allen Unrecht tun und schließlich elend versinken im Morast meines guten und weichen Herzens. Verzweifeltes Schreien um Hilfe, Gelübde und Beschwörungen. Dazu fühle ich schon wieder für Sekunden meine stinkende Geilheit und Gedankenlosigkeit. Geheime Hoffnung auf Gottes Hilfe, es ist doch auch bisher gut gegangen, dann wieder stupide Verzweiflung. Zu schwach, mach Schluss. Aber ich bin auch dazu zu schwach. Ich werde den Fisch nicht töten können. Kein Schuss, Gezappel, auf und ab. Rasende Liebe zu Duschka, verzweifeltes Schuldbewusstsein. Was also muss eintreten, damit ich die moralische Bedeutung meiner Untreue realisiere? Trauriger Hanswurst. Alles kommt auf den Eindruck an; nur darf man nicht jeden Eindruck mit jedem anderen gleichsetzen; [3 Wörter] Eindrücke des täglichen Lebens. Eindrücke, die das Leben eines Menschen bestimmen, Eindrücke für Generationen, Eindrücke, die eine Nation und sogar eine Rasse formen und prägen. Aber es sind immer Eindrücke von außen. Das Erlebnis eines Erdbewohners, einer unverschämten Ungerechtigkeit, einer religiösen Ekstase. Alles Menschliche ist Geschichte. Jetzt sehe ich schön und klar den geschlossenen Zusammenhang: Rationalismus, Männlichkeit, Atheismus (oder Dadaismus), ‚ Faszismus, Selbstmord. Willst du im Ernst einen Juden um sein Geld beneiden? 7. 8. 28 Geheimes Gefühl, getragen zu werden; einer weisen und gütigen Fügung zu unterstehen; glücklicher Moment. Religiöser Friede. La tua voluntate è nostra pace.186 Dieser schönste aller Sätze, inhaltlich und sprachlich schönste aller Sätze. Der Rhein, ein Strahl aus der römischen Sonne. Das Symbol der Zeit: ein veraltetes Verkehrsmittel, eine Pferdedroschke, gezogen von einer alten Mähre, fährt, von einem „Gustav“ geführt, von Berlin nach Paris und treibt dort rapprochement.187 186 187
s. oben, S. 437 (hier statt „sua“ „tua“, dein). Der Droschkenkutscher Gustav Hartmann aus Berlin brach am 2. 4. 1928, begleitet von einem Zeitunsgreporter, mit seiner Pferdedroschke nach Paris auf, wo er am 4. 6. ankam. Die Reise war als
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37v [eingeklebt: Zeichnung von C. Schmitt eines vogelartigen Kopfes mit Krone, darauf oben in Schreibmaschineneschrift zu lesen: „Akademischen Senats.“] [darunter:] Die Idee der Legitimität gezeichnet in der Senatssitzung, 25. 7. 28 wie eine ausgestopfte Elster (Das Leichengift der Legitimität) 38r Scheußlich, scheußlich, scheußlich, ich Narr und Hanswurst; einer dummen Schnepfe, die nicht mehr als 20 Mark erwartet und keine 5 Mark wert ist, schenke ich mein Vermögen, meine Seele, mich selbst. Sie macht ein dummes Gesicht, aber sie denkt sich, dass man die Gelegenheit benutzen müsse. Verdammter Hanswurst. Ich bin ein Auge, forschendes Auge, ohne Hände und ohne Füße, Hilflos schwebendes, allsehendes, nichts Auge. Reflexion morgens um 5: Das kann ja alles sehr schön sein und einen für Minuten und Stunden begeistern, je nach dem physischen und psychischen Zustand; die Füße, die Schenkel, die Brüste, die Nasenflügel, der Blick der Augen, die Bewegung der Arme und der Hände.
Protest gegen die aufkommende Motorisierung seines Gewerbes gemeint. Hans Fallada schrieb danach seinen Roman „Der eiserne Gustav“.
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2. Paralleltagebuch
Schön, sehr schön, aber was hat das mit Glück zu tun? Immer wenn ich es für Glück hielt, war ich betrogen, auch bei den besten, liebevollsten, sogar edelsten Frauen; auf eine dumme, ordinäre Weise betrogen, wie ein Bauerntölpel im Bordell, der Betrug in mir. Freue dich also jener schönen Dinge, aber mache daraus keine Metaphysik. Man kann nicht einmal das Behagen einer Woche daraus machen. Buchhalter deiner Schweinsgefühle, deiner Gehirnblasen und Vagotomie. Meine Grunderfahrung mit der römisch-katholischen Kirche: Ich habe in deutscher Ehrlichkeit die institutionelle Kraft der römischen Kirche gerühmt, dann fechte ich meine Ehe an, weil ich durch eine Schwindlerin mit Urkundenfälschung und kriminellem Betrug zur Ehe bewogen wurde; ich suchte bei der Kirche Schutz vor dem Betrug und glaubte an ihre Art Justiz. Aber siehe da, die Kirche stellt sich auf Seiten der Betrügerin; merkst du endlich etwas, du deutscher Tölpel? Der Betrug liegt in dir. Lasse also die römische Kirche und lasse jene Betrügerin und bleibe bei deiner bescheidenen Harmlosigkeit. Der Kopfsprung in die Untiefe einer oberflächlichen Lust, man zerschlägt sich den Schädel und wird betäubt und doof. Wie tiefsinnig das Zeichen des Merkur sind die Zwillinge, ein dualistisches Zeichen; der Antinomismus des bloßen Verstandes; der entgegengesetzten Dingen dient. 39r Was bin ich nicht alles: ein geldgieriger, ehrgeiziger Dienling; ein fauler, resignierter Schmitt; ein einsamer, stolzer Römer; ein eitler, gefallsüchtiger Sensualist; voller Haltung und haltlos; grausam und mitleidig; hart und weich; gläubig und ungläubig. Die Sprache – nun soll es auf einmal auf die Sprache ankommen; die gemeinsame Sprache, die ein Volk [1 oder 2 Wörter] gemeinsamen Staat konstruieren, eine über Tod und Leben entscheidende Schicksalsgemeinschaft. Gide spricht französisch und ist protestantisch-germanisch; ein Kierkegaard auf Französisch; mit Selbstreflexion, Tagebuch, Selbstbespiegelung und oppositioneller Haltung gegen den status quo. Ich armer Teufel: katholisch-lateinisch in deutscher Sprache; der größte Teil meiner Anstrengung besteht darin, mit dieser inkongruenten Sprache fertig zu werden; ein Aufwand, der dieser Sprache zugutekommt, den mir aber niemand danken kann. Deutschland ist Brücke, Frankreich ist Brücke. Das Rheinland ist Brücke, Bayern ist Brücke nach Österreich, Österreich ist Brücke zum Balkan, der Balkan ist Brücke zu Kleinasien, Kleinasien ist Brücke zu Mittelasien usw. Alles ist Brücke. Überlegenheit des Formalen: des Hellenistischen über das Syrische und vielleicht sogar das Römische? Des Französischen über das Deutsche.
2. Paralleltagebuch445 Zu sagen: „Wie schön“ ist doch immer von Oben nach Unten gesagt. Ich überschätze alle Menschen, die eine gewisse praktische Fertigkeit haben und darin sicher sind. Das ist eigentlich kein Grund; es beweist nur, dass ich in dieser Welt fremd bin. Wenn Plato zum ersten Mal einen Menschen ein elektrisches Licht anknipsen sähe, wäre er wahrscheinlich geneigt, ihn für einen großen Physiker zu halten. Die Schriftsteller sind Huren. Ein Bauerntölpel meint, weil sie einen so freundlich anlachen und Identifikation provozieren, dürfte man ihnen trauen. Armes Luder. Othello: Ihr Antlitz weiß wie das Dianens wird plötzlich schwarz wie mein Gesicht.188 Der Vers hält tausendfacher Prüfung stand. Ein Abgrund von Psychologie ohne jeden psychologischen Aufwand, ohne poesie, [1 Zeile]. 40r Heutige Zeit: Der Mensch wird unsichtbar; dafür wird er hörbar: Nur noch Stimme. Nur noch Geist. Der Protestantismus und das Radio. [daneben mit Bleistift späterer Eintrag:] S. F. Drahtlos, Bargeldlos. Draht = Geld Bargeldlose Überweisung. Stauungen: Während der Pubertät: Ruht eine Nacht bei dieser Frau; nur dieser eine Koitus; oder bei den Russen: nur ein Mord, und alles wird sich ändern.189 Nur noch dies eine; welcher dumme Selbstbetrug. Und doch gibt es ohne das kein Leben: nur dieser eine, letzte Krieg; ein Zeichen, dass es mit dem Krieg ernst wird. Ich sehe die Entfernung des Wortes von der Sache. Das Wort ist wie eine losgeschossene Kugel. Es schlägt nach tausenden von Metern irgendwo ein. Willst du aus dem Kugelschlag und dem Loch in irgendeiner Mauer den Schützen berechnen? Was bedeuten und besagen Worte wie: schön, interessant, prachtvoll, herrlich, wundervoll oder die negativen: unbeschreiblich, unglaublich usw.[?] Ein Schuss ins Leere, und doch traf er irgendwo. Warum halte ich die Menschen für gut? Weil ich von ihnen Gutes erwarte, Geschenke erwarte, ohne Gegenleistung, ohne eigene Verpflichtung.
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Shakespeare, Othello, III,3. Gemeint ist Dostojewski.
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2. Paralleltagebuch
Warum halte ich sie für böse? Weil ich sehe, dass meine Erwartung, sie seien gut, enttäuscht wird. Was ist also die Wahrheit? Leistung und Gegenleistung, Vertrag, Kompromiss. Die Anthropologie des Romanmenschen. Verteidigung ist doch immer status quo; Recht auf Verteidigung das natürlichste, selbstverständlichste Recht, setzt einen status quo voraus. Die unentbehrliche Grundvoraussetzung: der bestehende Zustand ist Recht; die Antinomie: Die Erkenntnis der gut bestehenden Zustände ist unrichtig – und muss erst richtig gemacht werden. Keine Rechtsordnung kann Änderungen zulassen. – Jede Rechtsordnung setzt den bestehenden Zustand als Recht voraus. Jede Rechtsordnung muss Änderungen zulassen. – Jede Rechtsordnung muss trotzdem Änderungen ermöglichen? 40v Notizen über Europa und Prinz Rohan. Der Irrtum der Geographie: Wenn die Technik den Raum überwindet und uns frei vom Raum macht, dann ist die geographische Einheit gar kein Argument mehr! Das englische Weltreich ist auch kein geschlossener Kontinent! Berlin liegt nicht in Europa, sondern zwischen N.[ew] Y.[ork] und Moskau in der Luft.190 Wie weit liegt Deutschland in Europa? Das katholische und diesseits des Limes gelegene Deutschland; und auch diese nur deutet es nicht an. Das andere nicht. Die Antwort von Carl Brinkmann: Die Berliner erfassten wieder einmal den richtigen Moment. Das Brandenburger Tor als Verkehrshindernis. Deutschland lebt durch die Vereinigten Staaten von Amerika. Es wäre vernichtet und erdrückt ohne sie. Die Technik dient dem Bösen und dem Guten; die Zentralisation und die Dezentralisation. Wir sehen heute durch den Schleier der Geschichte; Realismus. Soll Europa das werden, was Hobbes von der römischen Kirche gesagt hat: ein Gespenst auf dem Grabe des imp.[erium] Rom.[anum]? – Eine Summierung reaktionärer Begriffe, Modergeruch von Ton und Altar. Wer hat Europa gerettet? Das byzantinische Reich! Die östliche Kirche hat Russland christianisiert; das ist wichtiger als der mittelalterliche Zauber. Konstantinopel fiel erst 1453; Lateineuropa fiel den Byzantinern in den Rücken und half den Türken. Europa als ein natürliches System, mit natürlichen Grenzen; (natürlich = geographisch = bildlich). Zurückweichen der Naturschranken. Entpolitisierung der Nation = Antisexualisierung der Natur. Bravo. 190
s. oben, S. 435.
2. Paralleltagebuch447 Sind die Juden Europäer? Das 15. Jahrhundert als Jahrhundert der Schande. Bis Luther kam und uns nicht befreite. 41r Definition des : das Kaning191 hat angefangen. Die Worte sind Fahnen; wenn jemand sagen wollte: Die Franzosen haben Rot in ihrer Fahne und die Serben auch, also sind die Beiden verwandte Völker. 11. 9. 28 Schrieb an Smend, das ist desencadré und dass die Teilnahme an einem längst arrangierten Kongress nichts daran ändert.192 Immer mehr der homunculus-Mensch als das sinngebende Ziel, die immanente, systematische Konsequenz dieser Zeit. Von diesem terminus aus kann man natürlich Volk, Nation, Mann und Weib nicht mehr verstehen und unterscheiden. Darin besteht die Überlegenheit des homunculus. Die Sexualität wird von dem Zweck der befreit; die Familie wird sinnlos, wie sie auf der [mehrere Wörter]. Auch die Sprache ist nebensächlich und überflüssig; ein Mädchen spricht heute Französisch, ein anderes Deutsch, vielleicht ist das schon gegenüber ihrer Physis Nebensache, viel zu geistig, je romantisch. Das Erlebnis ist das Entscheidende; nur fragt es sich, wie erleben und in welcher Sphäre erlebt wird. Private Erlebnisse sind natürlich gleichgültig; die Situation ist entscheidend. 12. 9. 28, 5 Uhr nachmittags: Zum ersten Mal ein offener Misserfolg; man lässt mich nicht im Auswärtigen Amt lesen; nachdem Simons mich gebeten hat und ich zugesagt habe; alles in einer sehr beleidigenden Art und Weise. Stundenlang konsterniert. Jetzt machst du ein dummes Gesicht, lächerlicher Patron; hättest du Erfolg gehabt, würdest Du dich überlegen fühlen; wie dumm ist das alles. Dann wieder heimlich gelacht, vielleicht wie mein Vater, der immer übers Ohr gehauen wurde und doch alle überlebte. Angst vor den Wölfen in Berlin: Erich Kaufmann, Heller, Richter und Emil , Schieber. Oft will ich dann aufbrausen wie ein dummer Junge; lass dir das nicht gefallen. Dann legt sich die Hand der Reflexe auf meine Schulter: Armer Kerl, schweige lieber still. Dann verkneife Wut: schweig und warte auf den Augenblick der Rache; dann eine harmlose, ressentimistische Gleichgültigkeit und pastorales Flöten. Ist das nicht alles lächerlich: Ich spreche von Dezision und kann mich nicht entscheiden; Ich spreche von Freund und Feind und möchte alle Welt zum Freund haben. 191 192
s. oben, S. 398. BW Smend, S. 76, dort bestätigt Schmitt Smends Einschätzung, er sei ein Außenseiter.
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2. Paralleltagebuch
Ich spreche von der Öffentlichkeit und der Repräsentation und sehne mich nach einer pastoralen Idylle. Trotzdem ist Dezision, Freund- und Feindunterscheidung, Öffentlichkeit und Repräsentation in mir; ich bin sicherlich noch der einzige Träger dieser Begriffe in einer verjudeten, organisierten und verhurten Welt. Armes Kerlchen. Einfach und offensichtlich: dass das 18. Jahrhundert, das Zeitalter der Aufklärung, des Rechts, der Öffentlichkeit [war], während [es zugleich] das Zeitalter der geheimen Gesellschaft, Freimaurer und Illuminaten war! Daraus folgt: das Zeitalter, in welchem mit Geist von Freiheit gesprochen wird, hat am wenigsten Freiheit, ist das Zeitalter der Sklaverei κατεξοχήν193. 41v [nicht erkennbar] 42r Wenn Ludendorff gegen die Freimaurer loszieht und die Quersumme der Jahreszahlen berechnet,194 so ist das die Wut eines unbeschäftigten Tyrannen. Es ist der Fliegen fangende Domitian.195 Der Modergeruch von Thron und Altar das Hurenparfum der Humanität. Das Leichengift der Legitimität. Der Gedanke des status quo. Die Katze im Arm der persischen Soldaten unter Kambyses;196 die Ägypter wagen nicht zu schießen; die humanitären Redensarten im Munde der Franzosen und Engländer; die Deutschen wagen nicht, sich zu wehren. Elendes Volk. Der Betrug, den ich an meinem privaten Schicksal erlebt habe, ist nur ein Teil des großen, öffentlichen Betruges, dem wir alle zum Opfer fielen. Ich lese meine Liebesbriefe aus dem Jahre 1913 und 1914 mit einem persönlichen Ekel, wie die Äußerungen unserer Kriegsbegeisterten aus dem August 1914, dann seit 1917 meine Begeisterung für die katholische Kirche.
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κατεξοχήν, „herausragend, schlechthin“. Ludendorff interpretierte Geschichte kabbalistisch und wollte aus der Quersumme bestimmter Daten einen kommenden Weltkrieg vorhersagen. Der römische Kaiser Domitian (51–96) galt als grausam und soll sich die Zeit damit vertrieben haben, Fliegen zu fangen, um sie dann mit Griffeln aufzuspießen. Kambyses II. war von 530 bis 522 v. Chr. persischer König und eroberte Ägypten. Zur Eroberung der Stadt Pelusium soll er Katzen auf die Schilder seiner Soldaten gebunden haben, worauf sich die Belagerten, denen die Katze als heilig galt, ergaben.
2. Paralleltagebuch449 Die Menschheit entäußert sich, exterritorisiert auch sich ihrer . Tabula rasa aber doch tabula, . Was bin ich: the sole retriever of this ancient prudence, das hat Harrington von Machiavelli gesagt (Russel Smith, S. 19);197 Mir wird wohl auch das Schicksal M’s blühen: ein armer Teufel, der in der Verbannung schöne, kluge Sätze schreibt.198 Mein Sohn, für alles Materielle und Physische ist gesorgt, es gibt genug zu essen, genug Frauen für die sexuelle Notdurft (Natur und sind ein Luxus und Unsinn); du kannst also leben. Was aber willst du darüber hinaus. Du sollst wissen, was du bist. In deinem Sein dich bewahren. Was ist denn Sein. Du bist so schön wie alle, lies die Frankfurter Zeitung und strenge dich an, was anderes zu sein als ein Mensch. Schweben. Du mein, ich dein, ich Schwein; zu Zweien ein Schwein. deus venter, beselige uns.
42v [3 Zeilen nicht lesbar]. Wer nicht das Leben geben kann, hat auch nicht das Recht zu töten? Wer nicht den Tod verhindern kann, hat nicht das Recht zu verlangen, dass der Mensch ewig lebt. 43r Europa [mehrere Wörter] pazifistischen Geistes (Coudenhove199). Die Jesuiten, diese jugendlich sich gebärdenden Greise; sie schwingen das Tanzbein moderner Technizität; sie wackeln modern mit dem Gesäß; widerliche Pfaffen, in Bamberg .
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Hugh F. Russell Smith, Harrington and his Oceana. A study of a 17th century utopia and its influence in America, Cambridge 1914. Vgl. auch BW Smend, S. 97. Das Haus, das Schmitt am Ende seines Lebens in Plettenberg-Pasel bewohnte, nannte er nach dem Verbannungsort Machiavellis „San Casciano“. Richard Coudenhove-Kalergi (1894–1972), österr.-japan. Schriftsteller und Politiker, entwickelte Anfang der 20er Jahre seine Idee eines pazifistischen Pan-Europa.
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2. Paralleltagebuch
Unter dem Strich der F.[rankfurter] Ztg., 30. Sept. 1920200, Bernhard Diebold201: [Zeitungsausschnitt eingeklebt mit folgendem Text:] „Seien wir uns klar: nicht nur Wagner dämmert. Es dämmern auch Beethoven und Mozart. Trotz Beethoven-Festen zum hundertsten Sterbetag wird dieses Pathos nicht mehr auf dem Markt verlangt.“ d. h., die Ideen von 1789 dämmern; Über dem Strich aber in der Frankfurter werden sie als Gegenwart und Zukunft behandelt und den armen Schöbes ums Maul geschmiert, als aktueller und herbstlicher rapprochement und kräht und kräht Humanität. Warum ist die Frankfurter über dem Strich langweilig, unsachlich, von kleinbürgerlicher [Art], unter dem Strich aber höchst unterhaltsam und aktuell? Nicht . 2. 10. 28 Sexueller Traum, eine schöne, große, reifere Frau, selbstständig berufstätig, Inhaberin eines Modesalons oder dergleichen, als Sehnsuchtsbild, gütig, mütterlich; aber schwarz und jünger als Magda (Nachwirkung des Koitus von vorgestern). Wieder diese exorbitante sensuelle Erschütterung des ganzen Körpers und die völlige Vernichtung von Seele und Geist, immer bei diesem Wetter, wenn der erste Schnee in der Luft liegt. Vgl. 15. 1. 28 (S. 12) [S. 417], noch mehr: 21. 11. 27 (S. 3) [S. 409]. Ist es nicht barock, zu rauchen? Diese gestikurlose Bewegung der Hand zum Mund hin, diese Umhüllung des Menschen mit Qualm und blauem Dunst? Wenn es das nicht ist, so kann es nur offenbares Sucht- und Reizbedürfnis sein. Wilhelm v. Humboldt zur Judenemanzipation während der Französischen Revolution (Kaehler, S. 495, ferner 531: Hinweis aufs Buch von Baron über die Judenemanzipation auf dem Wiener Kongress)202: „Sie verlieren eigentlich ihre Universalität, wenn sie aus Juden Franzosen werden.“ Zusatz: und wenn keine partielle konkrete .
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Über der „0“ geschrieben: „8?“. Tatsächlich kann es nicht 1920 lauten, da Beethovens hundertster Sterbetag auf den 26. 3. 1927 fiel. Bernhard Diebold (1886–1945), Feuilleton-Redakteur der Frankfurter Zeitung. Schmitt zitiert aus: Siegfried A. Kaehler, Wilhelm v. Humboldt und der Staat. Ein Beitrag zur Geschichte deutscher Lebensgestaltung um 1800, München / Berlin 1927. Bei dem Buch von Baron handelt es sich um: Salo W. Baron, Die Judenfrage auf dem Wiener Kongress. Auf Grund von zum Teil ungedruckten Quellen dargestellt, Wien 1920.
2. Paralleltagebuch451 Mary Borden, Flamingo: Die moderne Großstadt ist offenbar nicht als Werkstatt für Menschen und Tiere eingerichtet. Ihr Aufbau hat nicht das Mindeste mit den physischen Bedürfnissen der Kinder Gottes zu tun. Sie ist vertikal und besteht ganz und gar aus Mineralien, aus Eisen, Stahl, Kampf und verschiedenen .203 44r Geschichte des Narren: Er sah die schönen Beine und Knie und war begeistert, dann fiel ihm das Wort ein: Die herrliche Architektur dieser Beine; inzwischen völlig hingerissen und nur noch ein Spiel des Sexualsturmes. Unterdessen leerte der Gegenstand seines Anthropismus die Taschen. Schließlich lagen die Notizen einer leeren Ballonhülle am Boden. Diese Geschichte ist nicht romantisch, nicht tragisch, nicht interessant, sondern nur dumm und ekelhaft. Dezisionismus, Rationalismus, Aufklärung. Es liegt nur an einem minimalen Druck auf den physischen Hebel, und Schmerz und Traurigkeit verwandeln sich in Freude und Lust. Stelle dich an den Hebel und höre auf mit dem abergläubischen Schein, Zieren, Zittern und Beten. Sors de l’enfance, armes, hübsches Luder; sors de la chienteté, sors de la chrétienté. Des automates hallucinés. Grausig: Das Leben beginnt überhaupt schon mit einer res judicata204; [2 Wörter] der Tod ist der Prozess, das zierliche Bild metaphysischer Realitäten. Kierkegaard, Bekämpfer der Angst: Dumme Engel haben keine Geschichte, nicht an der Geschichte. Statü Kö.205 Schönes Beispiel der widerspruchsvollen psychologischen Erinnerungen: Gefühl des Betrogenseins kann entstehen aus dem Willen zum Betrügen; aus Überlegenheit und Stärke; Gefühl des Betrogenseins kann entstehen aus dem Gefühl der Wehrlosigkeit gegen den Betrug. Eifersucht kann entstehen aus dem Unterbewusstsein der eigenen Unfähigkeit (der potente Mann ist [nicht] eifersüchtig). Eifersucht kann entstehen aus dem Gefühl der Unfähigkeit eigener Treulosigkeit; der impotente Mann ist eifersüchtig. Ein Pfaffe schwingt die Peitsche der Infallibilität. 203
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Mary Borden, Flamingo [Aus d. Engl. übertr. von Eva Mellinger], Berlin [1928]. Das etwas abweichende Zitat auf S. 13: „Die Stadt ist offenbar nicht als Wohnstätte für Menschen und Tiere eingerichtet. Ihr Aufbau hat nicht das mindeste mit den physischen Bedürfnissen der Kinder Gottes zu tun. Sie ist vertikal und besteht ganz und gar aus Mineralien. Aus Stein, Stahl, Eisen, Kupfer und verschiedenen Steinkompositionen.“ res judicata, „rechtskräftig entschiedene Sache“. Verballhornung von status quo.
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2. Paralleltagebuch 44v
Vor der ist es dunkel. 45r Es kann sein, dass dich irgendeine zufällige Kleinigkeit tröstet und erhebt, gerade in dem Augenblick, in dem du des Trostes am meisten bedarfst. Warum soll das Religion sein? Die Kirche arrangiert ein System von Symbolen, Tröstungen und Suggestionen und sorgt vor allem mit größter Eifersucht und Rücksichtslosigkeit dafür, dass sie es bleibt, die diesen Trost spendet. Denn davon hängt ihre Herrschaft ab. Aber ein hilfloser Mensch kann sich auch getröstet fühlen und wieder Hoffnung schöpfen, nur weil sein Blick auf den zufällig vorüberfahrenden Lieferwagen des Konsumvereins „Hoffnung“ fällt. Steigerung durchs Fremde: Mein Naturempfinden ist in Plettenberg besonders stark, weil wir nicht aus dieser märkischen Landschaft stammen; an der Mosel und in der Eifel ist es wahrscheinlich normal; mein ganzes Nervensystem ist labil geworden, furchtbar erschüttert durch die starken Eindrücke und Gesetze, Eindrücke aus der Landschaft, sexueller Art, religiöser Stimmungen usw. Die einheitliche Verbindung mit der Erde fehlt. Vielleicht ist das Romantik; daher die Juden romantischen Empfindungen sehr zugänglich. Gleichzeitig liegt der Schutz dieses so labilen Individuums in der Gewandtheit, mit der es sich doch wieder zu retten weiß: in der Unverbindlichkeit solcher Affekte, dem schnellen Wechsel, in und Intrige gegenüber sich selbst im systematischen . Dieses Land ist mir fremd. Ich empfinde es als chaotisch, wüst, roh, einige schöne Bergseen (bei Altena) gehen unter in dem Durcheinander der Kuppen, Spitzen, Wäldern, Tälern, Köpfe, Anhöhen. Und Kindheitserinnerungen bleiben stark stimmungsmäßige Residuen; besonders die Bergkuppen in der Nacht. Es ist eine 2. Heimat, Kindheitsheimat, nicht Land der Väter. Aber das katholische Sauerland, Stockum!!206 Es liegt so nahe, mit der Vergangenheit Unzucht zu treiben. Sie liegt ja wehrlos vor dir, du kannst auf ihr herumtoben [2 Wörter] und Nekrophilie treiben. Ich sehe meinen armen alten Vater und danke Gott; wie schrecklich, es gibt Kinder von Wucherern, es gibt Menschen, die Wilhelm II. zum Vater haben oder irgendein anderes Schwein von regierenden Fürsten. Von Schwäche, Trägheit und Menschfurcht erlöse mich, o Herr. Der reine Monotheismus ist nur die Vorstufe zum Atheismus, wahrscheinlich sogar eine Form des Atheismus, ermöglicht überhaupt erst den Atheismus [mehrere Wörter]. Monotheismus, Dualismus usw. sind echtere Formen des Atheismus als der offene Atheismus, der eigentlich nur ein stadium ist. Fromm, moralistisch [2 Wörter]. 206
Stockum im kurkölnischen (katholischen) Sauerland ist seit 1975 nach Sundern eingemeindet. Im Gegensatz zum märkischen Sauerland der Lennetal-Gegend liegt Stockum auf einer Hochebene.
2. Paralleltagebuch453 46r 25. 10. 28 Schrieb an Georg Eisler: Ich bin gleich auf den Saley geklettert, im Regen, es war herrlich. Mir ist doch nichts unbegreiflicher als der Monotheismus. Die christliche Lehre von der Trinität und die katholische Heiligenverehrung korrigieren die grauenhafte Abstraktheit des reinen Monotheismus. In Wahrheit sind wir alle Pluralisten. Ich brauche nur in die westfälischen Berge zu gehen, um das zu wissen. Dann habe ich mir das Bein verletzt und hatte einen Bluterguss, sodass ich 2 Tage zu Hause liegen musste. Das passiert mir jedesmal und ist anscheinend die Begrüßung durch die Lokalgottheit dieses Landes. Immer von neuem entzündet sich das Feuer meiner Gedanken an der Fremdheit und , reibt sich mein Geist an dieser harten Unfreundlichkeit eines wesensverschiedenen Landes und Volkes. Wenn das ein allgemeines Prinzip geistiger Produktivität wäre, müssten die Juden das produktivste Volk sein. Warum sind sie es nicht? Weil die Fremdheit zu groß ist? Nur in einem Medium entsteht der Kontakt: nicht zu nah, nicht zu fern; nicht zu verwandt, nicht zu fremd. Selbstvernichtung des Rationalismus. Wenn auch der Mensch, der der Maschine abhanden geht, zur Maschine wird (das liegt in der Konsequenz der allgemeinen Maschinisierung), dann entfällt die Direktion. Also der Verstand dirigiert gar nicht mehr (obwohl das doch seine Funktion ist). Herrschaft über die Affekte durch Vernichtung der Affekte. Sozialismus (als rationalistischer Glaube) führt konsequent zum Selbstmord. Herr über mich bin ich, wenn ich mich vernichte. Erst damit ist die Herrschaft über mich bewiesen. Die Geistesgeschichte ist eine Trüffeljagd; die Gelehrten sind die Trüffelschweine, die Literaten die Jäger. Wenn der lahme Weber träumt, er webe Und die lahme Lerche, dass sie schwebe.207 (Brentano) Heute habe ich im Saley gebetet auf einem ruhigen, von Tannen umgebenen Platz, überwältigt von dem Abend, von den Bergen, von den Bäumen, von der stummen Größe der Natur. Ich empfand meine Bemühungen, in einer katholischen Kirche zu beten, als einen widerlichen, lebenzerstörenden Kampf. Abgeschlossenheit, die Natur als Decke, Geborgenheit ist die Rückkehr in den Mutterschoß? Naturverehrung als Reaktion. Der jüdische Gott ist kein Naturgott, aber ein Volksgott. Der christliche Gott ist ein Mensch, man kann nicht lange zu ihm beten. Beschneidung als Symbol. 207
Korrekt: „Wenn der lahme Weber träumt, er webe / Träumt die kranke Lerche auch, sie schwebe.“ Clemens Brentano, Gedichte. Hrsg. von Wolfgang Frühwald, Bernhard Gajek und Friedhelm Kemp, München 1977, S. 611.
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2. Paralleltagebuch 47r
Kirche: Gespenst, das vom Brot des Staates lebt, schwach im starken Staat, daher im 17. und 18. Jahrhundert nur ein politischer Anus des Staates, die römische Kirche, die katholische, Italien, Spanien und Österreich, die protestantische Englands, Hollands usw. Der Staat, Frankreich, immer ganz von der Kirche. Stark im schwachen Staat: die Auflösung des Staates durch Liberalismus und Parlamentarismus, [als] Parteiwesen lebt sie wieder auf, als Partei und schneidet sich ihr Stück Fleisch aus dem Körper des Leviathan. Art. 137 ff. der Weimarer Verfassung.208 Selbstgefällig wie ein Schwede (selbstgefällig wie alle europäischen Neutralen des Weltkriegs), soweit sie protestantisch sind. Quellen der Selbstgefälligkeit a) der Protestantismus b) politische Sekurität c) häuslicher Komfort. Vergiss nicht deine Einsamkeit. Auf Leid und reagiere ich sehr verschieden. Lauf wie ein verwundetes Reh in den Wald der deutschen Mystik. Lauf wie ein kranker Proletarier zum Kassenarzt. Lauf wie ein deprimierter Katholik zum Beichtvater. Sub specie aeternitatis kann man nicht leben, kann man keinen Schritt tun, kann man nur sterben. Es ist eine Form des Sterbens, ein Weg zum Tod. Mitleid haben heißt sterben, oder töten. Mitleid erbittet haben, vom Tod eines anderen leben wollen, der um den Tod bittet. Nimm dich in Acht vor [mehrere Wörter]. 48r Das schweigende Schweigen – Gott Das redende Schweigen – die Pythagoreer; der redende Stein; die Natur. Das schweigende Reden – Kierkegaard Das redende Reden – der protestantische Pastor; Günther Holstein. 15. 11. 28 Blei sagt mir über Oberheid: Das ist ein Lügenpinkerl, ein Pseudo-Mensch; er spielt sich auf, ein Warenhausbesuch mit Idealismus. 208
Die Art 137 ff. der WRV behandeln die Stellung der Kirchen und Religionsgemeinschaften.
2. Paralleltagebuch455 Ich war erschüttert, denn ich bin auf Oberheid hereingefallen. Wie dumm bin ich. Opfer jedes Betrugs: Englische Kirche, deutscher Patriotismus, Wilson’sche Humanität, Freimaurerei der Zauberflöte, Staatsideologie des Faszismus. Sozialismus und Kommunismus, alles habe ich geglaubt. Wann ist das Maß dieses Schwindels voll? Wann hört das auf? Sous l’oeil des prêtres, Sous l’oeil des barbares209 Sous l’oeil des Russes210 Sous l’oeil des juifs Juden sehen dich an; Pfaffen sehen dich an. Am 23., 24., 26. November sah ich den Film Jeanne d’Arc und sah seitdem das rührende Mädchengesicht der Falconetti vor mir. Leider wollte ich alle Menschen zwingen, das auch großartig zu finden. Armer Narr. Das starke Franzosentum meines Unterbewusstseins. Vom deutsch-nationalen Standpunkt aus kann man der römischen Kirche keinen Vorwurf machen. Die römische Kirche hat die Jeanne d’Arc verbrennen lassen; Resultat: die unzerstörbare französische Natur. Sie hat Johann Huss211 verbrennen lassen; Resultat: die ziemlich widerstandsfähige tschechische Natur. Sie hat die Gebeine von Wyclif212 ausgraben und verbrennen lassen. Sie war bereit, auch Martin Luther zu verbrennen, und es ist nicht ihre Schuld, dass Luther sich in Sicherheit brachte und als dicker, alter Mann starb, nach bedeutenden literarischen Verdiensten. Immer das Gleiche: Oberheid, Scheffer, Franz Blei: Wenn sie einmal sehen, dass man nicht recht ist, fühlen sie sich nicht verpflichtet und sind nicht dankbar für schönste Bewirtung. 13. 12. 28 in Königswinter213: Die sanften Linien dieser Berge schneiden mir ins Herz. Durch Kitsch-Kruste hindurch, durch den politischen Mottenfraß sehe ich die Schönheit dieses wunderbaren Landes.
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Maurice Barrès veröffentlichte 1888 seinen autobiographischen Roman „Sous l’oeil des barbares“. Mit dem Satz „Wir in Mitteleuropa leben sous l’oeil des Russes“ eröffnete Schmitt1929 in Barcelona seinen Vortrag über „Die europäische Kultur im Zeitalter der Neutralisierung“. Möglicherweise stammt die berühmt gewordene Wendung von Ladislas Mickiewicz, der sie in seiner Übersetzung von: Adam Mickiewicz, La politique du dix-neuvième siècle. Publ. avec préf. et annotations par Ladislas Mickiewicz, Paris 1870 auf S. 37 gebraucht. Johann Huss (um 1370–1415), tschechischer reformatorischer Theologe; wurde verbrannt, nachdem er sich auf dem Konzil von Konstanz geweigert hatte zu widerrufen; BBKL 2, Sp. 1194–1198. John Wyclif (um 1330–1384), engl. Philosoph und reformatorischer Theologe. Das Konzil von Konstanz erklärte ihn 1415 zum Ketzer und befahl, seine Gebeine auszugraben und zu verbrennen; BBKL 14, Sp. 242–258. Schmitt war nicht am 13., sondern am 12. in Königswinter; s. oben, S. 241.
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2. Paralleltagebuch 49r
14. 12. 28 Spaziergang durch die Berge an der Lenne: Die Kraft und Verschwiegenheit dieser Berge im Schein. Und ich Narr mit der Rhein- oder der Mosellandschaft, Pluralismus auch hier, Pluralismus der Landschaften, zu denen ich gehöre, Pluralismus meines Schicksals. Ich dachte an Duschka. Bleibe stark in mir, du treue Frau. Dann plötzlich das Gefühl des Betrogenseins: Was ist bisher mein Leben: Bedürfnis nach Treue und Reinheit und das Ende ein lächerlicher Betrug und ein Fußtritt, dass ich wegflog. Pluralismus der Fußtritte. Ich klammerte mich an die römische Kirche und bekam von den Pfaffen einen Fußtritt (von den untersten Instanzen als armer boche); ich klammerte mich an die ernste sauerländische Landschaft, und flog den Berg hinunter, Fußtritt der sächsischheidnischen Lokalgottheit. Ich klammerte mich an die Sympathie zu einer westfälisch aussehenden Frau und sie machte mich zum Objekt ihrer kleinbürgerlich-susannenhaften, üblen Nachrede und Verleumdung; an der dalmatinischen Küste: Hexenschuss und Fußtritte; an den vernünftigen Rationalismus eines Preußen: wiederum eine Frau. Bei allen Frauen war ich schließlich betrogen und geplündert, bei allen Landschaften zog ich eines Tages mit einem blauen Auge ab. Armer Narr. Wie man heute einsieht, dass der Mensch zum physischen Leben nicht viele Kalorien braucht und dass es keine Bereicherung seiner Physis, sondern eine Belastung ist, furchtbare Mengen nahrhafter Speisen zu verschlingen, so wird man eines Tages auch den Besitz als eine Belastung ansehen, der einen nicht stärker und reicher, sondern schlechter und müde macht. Der angelsächsische Arsch-Begriff: home, comfort, respectability (mit Bauch und Arsch), security. Lauf nach der Lust und flieh den Schmerz. Gespräch mit Peterson: Es ist der Geist, der sich den Buckel baut; es ist der Buckel, der sich den Geist baut.214 Die Berliner Juden halten sich Gerhart Hauptmann als Exemplar eines echten Deutschen, wie wenn [sie] das echte Deutsche verstehen. Wie sich der Bankier einen echten Rembrandt oder eine echte Madonna über seinen Klubsessel hängt, so läuft der ärmliche Gerhart Hauptmann zwischen den Juden herum als Gespenst des echten Deutschen. Gespensterlehre auch hier. Sehr lustig Blei über Heinrich Mann und [2 Zeilen].
214
Die Rede ist vom Buckel Kirkegaards, worüber Theodor Haecker 1947 ein Buch veröffentlichte; vgl. Glossarium, S. 131 f. und 329.
2. Paralleltagebuch457 49v [Zeitungsausschnitt mit der Meldung „Der Dichter Karl Sternheim erkrankt“ eingeklebt, überschrieben:] Frankfurter Zeitung Nr. 930 (13. Dez. 1928)
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2. Paralleltagebuch 50r
Es ist das Unglück der Menschen, dass sie etwas gut sind und nicht ganz, einmal eine anständige Regierung haben und dabei bleiben, von diesem Augenblick sich stereotypisieren, der eine als Sozialist, der andere als Anarchist, der Dritte als Familienvater, der Vierte als ehrlicher Kaufmann; das Fragmentarische, das Häretische, das Partikulare, das Zufällige, das . Wieder ein Betrug und Schwindel? Wie habe ich mich begeistert über die Jeanne d’Arc, an dem Heilen dieser Filmschauspielerin Falconetti. Dann zeigte mir Peterson ihr Bild in einer Filmzeitung, eine geschminkte, harmlos-hurerische Pariserin. Dann sehe ich eine jüdische Assistentin aus Wien, die genauso aussah,215 und aller Zauber war gelöst, nachdem ich einige Minuten krampfhaft darauf die Jüdin zu fassen versucht hatte. Welche Dummereien. Nach der Lektüre von Heinrich Mann, Der Untertan.216 Ich fühle das Bedürfnis, irgendeine schauerliche Prozedur vorzunehmen, mich mit Urin zu waschen; so viel Wilhelminisches ist in uns allen (in Halle, 27.12.28). Zu Heinrich Mann, Untertan: Ganz richtig beobachtet, die masochistische Untertanenschaft an den „blitzenden“ Wilhelm; aber das Buch stinkt nach einer anderen, ebenso masochistischen gewaltsamen Untertanenschaft, unter die Frankophilen. Geschmackssache, welche von den beiden Arten Untertanen die üblere ist. Friedrich Wilhelm Foerster217; Hermann Wendel ( )218; Kurt Tucholsky. mihi studium rem publicam capessere.219 Was ist denn die große Gnadenlehre, die Lehre von der zureichenden Gnade, die Lehre von der Erlösung, die Möglichkeit, das Heil zu bringen? Wer uns glaubt, wird erlöst werden? Sie ist nichts anderes als: wenn wir herrschen, ist alles in Ordnung und gut; wenn wir nicht herrschen, ist Bosheit, Unfriede und Verdammnis. Die Toleranz der römischen Kirche gegenüber der menschlichen Natur, gegen nationale Verschiedenheiten und andere Kleinigkeiten in der Toleranz des Universal- und Weltreiches. Ist das nicht schon Aufgabe von Freund und Feind? Die lutherische Reformation dagegen wieder: Freund und Feind. Schutz im Nichts. Schutz in der Willenlosigkeit, Schutz in der Wehrlosigkeit, Schutz in der Hässlichkeit und Kleinheit, der pazifistischen Lebensmoral; nicht zu fürchten. 215 216 217
218 219
s. oben, TB vom 19.12.28. s. oben, TB vom 25. und 26.12.28. Friedrich Wilhelm Foerster (1869–1966), pazifistischer Philosoph und Pädagoge; DBE 3, S. 407 f., s. auch TB II passim. Astrologisches Zeichen für Jupiter. Korrekt: sed mihi studium fuit adulescentulo rem publicam capessere, „Mein Bestreben war es von Jugend auf, mich politisch zu betätigen.“ Gaius Sallustius Crispus (zugeschrieben) im 2. Brief an Cäsar.
2. Paralleltagebuch459 50v [Zeitungsausschnitt eingeklebt, in dem über die Wahl von Ehrendoktoren durch die Universität Belgrad, u. a. von Hermann Wendel, berichtet wird; darüber geschrieben:] 30. Dezember 1928 Der Untertan
51r Betrug. Kierkegaard fragt: Wieviele Meineidige (Geistliche) erforderlich sind, damit ein Land unter dem Schein des Christentums gegen das Christentum völlig sichergestellt (Augenblick Nr. 7; ff 8: Was der Pfarrer für die Gesellschaft in Wahrheit zu bedeuten hat.)220
220
Die Stelle lautet: „[…] wieviele Meineidige (Geistliche) erforderlich sind, damit ja dieses Land unter dem Schein des Christentums gegen das Christentum vollkommen sichergestellt wäre oder unter dem Schein des Christentums gänzlich ungestört heidnisch leben könnte, ja ganz ruhig und raffiniert, da dies eben Christentum ist.“ Sören Kierkegaard, Der Augenblick (Gesammelte Werke, 12), Jena 1923, S. 116.
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2. Paralleltagebuch
Schlau verschlungener Knoten, Blendwerk, raffiniert. So gehe ich durch dieses Rote Meer von Blut und Schleim und Kot. Am Schreibtisch, bei der Arbeit über staatstheoretische Fragen: Ich liebe den Leviathan; sein Nilpferdblick rührt mich, seine tappsigen Bewegungen sind drollig, seine Er ist belustigend, wenn man weit genug entfernt ist oder wie die Fliege . Traum in der Nacht vom 1. auf den 2. Januar 1929: Ich komme zu meiner Friesdorfer Wohnung, dort wird umgebaut, rote Mauern, ich gehe durch den Garten vor dem Haus, das Haus ist leer, hinter dem Haus sehe ich die graublauen Abhänge der Godesberger Höhen, die sanften Linien schneiden mir ins Herz. Wütende, brennende Sehnsucht nach dem Rhein. Sous l’oeil des juifs. Die Juden sind kein unedles Volk; aber sie leben unter einem Fluch. Es ist falsch zu sagen, dass sie das Geld mehr lieben als andere; nur sind sie in der Flucht, die anderer zu übertreiben; ihre metaphysische Abhängigkeit von Wirtsvölkern, ihre Sehnsucht nach einem starken Wirtsvolk. Dass sie Geld verdienen ist bestimmt nur ein ; in einer Zeit, in der alles vom Geld abhängt, sind sie klug genug, sich Geld zu beschaffen und können es ohne große Mühe. Sobald sie aber einem Volk gegenüberstanden, das recht und unbestechlich ist (und zwar lassen sie sich hier nicht betrügen), sind sie sofort die Untergebenen und Diener, die Helfer; aber immer und ewig wieder mit dem Gedanken: gerade dadurch zu bestehen. Benjamin Constant, Le ‚Cahier rouge‘ (Paris 1907, Calmann-Lévy), S. 76: [„]Car j’ai une telle paresse et une si grande absence de curiosité […] je reste où le sort me jette jusqu’à ce que je fasse un bond qui me place de nouveau dans une tout autre sphère.[“]221 Er handelt nur, wenn eine Leidenschaft ihn fasst, eine idée dominante sich seiner bemächtigt und eine passion wird. [„]C’est ce qui me donne l’air assez raisonnable, aux yeux des autres qui me voient dans les intervalles des passions qui me saisissent ….[“] p. 96: [„]Je ne me donne pas pour plus courageux qu’un autre, mais un des caractères que la nature m’a donnés, c’est un grand mépris pour la vie, et même une envie secrète d’en sortir pour éviter ce qui peut encore m’arriver de facheux.[“] [dazu auf Bl. 50v:] Sehr hübsch Blei über Constant: Seine Intuition in politischen Dingen ist die Intuition des ennuyierten Menschen. Alles ist ein kaltes Brennen.222
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Das Zitat lautet korrekt: „Car j’ai une telle paresse et une si grande absence de curiosité que je n’ai jamais de moi-même été voir ni un monument, ni une contrée, ni un homme célèbre. Je reste où le sort me jette jusqu’à ce que je fasse un bond qui me place de nouveau dans une tout autre sphère.“ Franz Blei veröffentlichte 1930 in seinem Buch „Männer und Masken“ ein Kapitel über Benjamin Constant; jetzt in: Franz Blei, Porträts. Hrsg. von Anne Gabrisch, Wien / Köln / Graz 1987, S. 301– 306.
2. Paralleltagebuch461 52r Im Anfang war das Ja, im Anfang war das Nein; das Ja ist stärker als das Nein; das Nein ist stärker als das Ja. Schwankt immer zum extremen Hochmut und extremer . Franz Blei: Er lügt, aber er lügt die Wahrheit. 7. 2. 29 In Berlin Unter den Linden: Plötzlich die Freude des Erkennens, viele verschiedene Länderschaften, Völker, Frauen, Bücher zu kennen; wie herrlich: καὶ νóον ἔγνω223 welch ein wunderbares Volk, die Griechen, welch philosophische Selbstverständlichkeit, dass ein primitives Epos, das zur Charakterisierung des Geldes sagt (neben der Mitteilung, dass er auf dem Meere vieles Unglück erduldet habe); νους224 und γνωσις225 zusammen. Die Freude daran, das Erkennen des anderen zu erkennen. [dazu auf Bl. 51v mehrere Wörter nicht gelesen; zu erkennen: „Wilamowitz“ und „νóμον“] Jeder hat seine zureichende Gnade, die gratia sufficiens,226 die zureichende Lebenslüge, den zureichenden Hochmut, zureichende Einbildungen, zureichende Rücksichtslosigkeit und Borniertheit. 13. 2. 29 Feierte den Geburtstag Duschkas mit Smend, Frau Smend und Frau v. Quednow. Wie ironisch, mit einer höhnischen, sich , alles bagatellisierenden Gründlichkeit werde ich von Smend behandelt. Schande und Scham; warum lasse ich mich darauf ein. 18. 2. 29 Gestern zweimal schöner, tobender Koitus bei Qu. Am Morgen ein schöner, fröhlicher Brief von Duschka. Sensation des Hin und her. Romantisch, Constant, wie sonderbar wohlgefügt und a propos alles kommt. Glück der Passivität, Unglück der Passivität. Wie betrogen mit unserer Lust. Wie selbstverständlich, dass wir mit Lust betrogen werden. 19. 2. 29 Hin- und hergeworfen, Eifersucht, Angst, Sehnsucht, Geschrei nach hors la loi; widerlich, kindisch, pennälerhaft, haft, störrisch, dumm, tierisch, jüdisch. Immer auf dem Sprung
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s. oben, TB vom 7.2.29. νόος oder νοῦς, „Sinn, Verstand, Gesinnung“. γνῶσις, „Erkenntnis“. ᾿ὲγνω ist die Vergangenheitsform von γιγνώσκω, erkennen. Nach Thomas von Aquin hat jeder Mensch die „hinreichende Gnade“ (gratia sufficiens), ob sie aber zu einer „wirksamen Gnade“ (gratia efficax) wird, entscheidet er in Freiheit.
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2. Paralleltagebuch
zum Telefon, anrufen, hinlaufen, hinfahren, sie überraschen, usw. usw. Schließlich: gute, schöne, kluge, milde Duschka. Nachts: In Gedanken an ; wie glücklich bin ich, Ort und Umgebung sind nicht das Schicksal. Wir gleiten dahin – wir schweben, Der Raum findet uns nicht. Glückliche Freiheit. Aber schnell die : einige Orte und Umgebungen sind Schicksal, sind diese nicht, aber manche sind es, und das ist schrecklich, Flucht in die Utopie – ist Hölle und Verdammnis, die hängt vom Ort ab. 53r Ich stürze mich in den Abgrund der Bosheit und finde auf dem Boden nur Dummheit; ich stürze mich verzweifelt in den Abgrund der Dummheit, und finde dort unten nur Weisheit. Rannte ziellos herum, ärgerte mich, finde, dass ich meine Zeit vergeude. Und dann zitiert eine Frau den Vers: Was hat der ganze Tage gefrommt, wenn heut das blonde Kind nicht kommt.227 Die Verzweiflung des dämonisch Verliebten: Was hat der ganze Tag gefrommt, wenn heut die blonde Frau nicht kommt. Der Trieb der Dämonen; die Rettung – fremder Geist das gegen eine arme Frau, Teufel. Inzwischen bekommt der ziellose Irrsinn plötzlich ein Ziel, durch diese Frau. Gefährliche Magie eines Verses; er schuf dich in einem schwachen Augenblick. Ewige Litanei der Antinomien: Reichtum versklavt Reichtum macht unabhängig, Armut versklavt. Armut macht unabhängig,Reichtum Reichtum macht abhängig, Armut Armut macht abhängig, Reichtum verdummt, Reichtum macht stark, Armut verdummt. Armut macht stark, Glück verdummt. Reichtum macht klug, Unglück verdummt. Armut macht klug usw. usw. Reichtum verdummt, Armut verdummt. etcccc. 227
s. oben, TB vom 20.2.29.
2. Paralleltagebuch463 Wie seltsam, diese Betäubungen, Verzweiflung, Verwirrung, Anklammerung, Depressionen und Melancholie, Sehnsucht und Geschrei. Auf einmal vergeht es wie eine Wolke und alles ist wieder klar, ohne dass die Verwirrung widerlegt wäre. Schön, die den Mut und die Kraft haben, ehrlich und überzeugt zu sagen: der Mensch ist gut, sind solche unbeirrte Menschen, die nicht zu fürchten brauchen, dass sie durch moralische und religiöse Hemmungen in der Selbstbehauptung gestört werden könnten. Russen, Amerikaner. Sie sind in der Offensive. Anders die vom römischen Christentum erfassten Völker. Sie sind nicht böser als die anderen, aber sie sind in der Defensive und die [Satz nicht vollendet] Auch die Deutschen kommen jetzt in die Defensive. 53v Februar 1929 54r 25. 2. 29228 Vortrag Seeckt. Unsagbares Glück an der Seite von Margot von Quednow (im Vortrag von Seeckt). Glück, Glück, rasendes, betäubendes Glück. Ich kann nicht einmal mehr sagen: Verweile doch, rasendes Glück. Heute dreimal verzweifelt unglücklich, dreimal glücklich und beseligt; Resultat: Glück. Ich bin das Schlachtopfer meiner Lust. Töte mich, Priesterin. Nimm dich in Acht vor jeder Regierung der Eitelkeit, Selbstgefälligkeit, Gefallsucht, Zufriedenheit, Gehobenheit, Genugtuung. Es zerstört die Substanz deiner selbst. Eines Tages hast du eine Zusage wie Wilhelm oder wie ein Schmierenschauspieler. Ich sagte Qu.: Eines fehlt, die Ewigkeit. Sie gab sich Mühe, mich zu beruhigen, ganz gut, ganz hingegeben, ganz verzeihend. Alles , gütig, billigend zu sein. [1 Satz]. Sie kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass alles ist, schnell vorbei. Ich aber bestehe auf meiner Ewigkeit. Ich vertraue. Duschka ist treu, gütig, o Gott, welch eine schöne, gute Frau. Ewige Frau. Seele. Sie ist schlank, besser, klüger, wilder, die schöne Duschka. Alle diese blonden Germanen, Preußen, sind ordinär, sind sachlich, vernünftig, nett, aber sie haben keine Seele, keine Seele; schöne Duschka. Ich habe Margot sehr gekränkt, als ich ihr sagte: sie habe Geist, Temperament, Charme, aber Duschka hat Seele.
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Auf dem Kopf des Blattes notiert: „Vortrag von Seeckt“.
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2. Paralleltagebuch
Eine Frau, was soll der Unsinn – erst überraschen sie einen durch ihre Untreue, dann überraschen sie einen durch ihre Treue. Rührend, schrecklich, zu dumm. 7. 3. 29 Dieses Manuskript schicke ich Ihnen, Margot, so wie ich es eben fand.229 Es sind arme ‚ sie brauchen Sie nur wegzuwerfen, dann sind sie nicht mehr da, und es ist nichts damit verloren. Aber ich möchte es Ihnen doch geben, denn Sie haben mir den Mund geöffnet; aus Vertrauen kann ich wieder sprechen, vertraue Ihnen. Diese Geschichten fallen von mir ab, seitdem ich sie zum ersten Mal ohne Hass erzählt habe. – Nach gar grenzenlosem Schweigen. 54v Hobbes [längerer Eintrag nicht lesbar] 55r 8. 3. 29 Bei Appenweier: Margot, plötzlich leuchtet mir ihr Name, bunt und schön, in tröstlicher Güte und schenkt auch meinem Namen ihr freundliches, beglückendes Licht. Ma chère et belle Prussienne, [Rest des Satzes nicht lesbar]. Die Nacht ich mit einer Frau. Bei dieser psychologischen Situation kommt nicht mehr heraus, als bei der : das Hinund Hertaumeln genau erfassen, das gibt kein Resultat und keine Richtung.230 sapere aude. [der übrige Text dieser Seite ist nicht lesbar] 56r Was bin ich für ein Springinsfeld neben dieser Frau, ein lyrischer Strolch, ein juristisch begabter Landstreicher. Der Zwang, der von Duschka ausgeht, die Kraft moralischer Sicherheit und Reinheit, virtue and chastity, verbunden mit großer weiblicher Schönheit und Liebenswürdigkeit. Trotz der fürchterlichen Krankheit ist ihre Schönheit immer noch groß, noch viel größer.
229 230
Es handelt sich um das Manuskript von „Der treue Zigeuner“; s. oben, TB vom 7.3.29. Schmitt spricht hier von seinem Schwanken zwischen Duschka und Margot von Quednow; s. oben, TB vom 8.3.29.
2. Paralleltagebuch465 Duschka fand die Formel für das Verhältnis ihres Vaters zu ihrer Mutter: Er ist ein kleiner und mickriger Charakter und braucht deshalb eine Frau, der er alles ist. Ihre Mutter aber ging mit ihrer Familie zusammen und konnte in ihrem Mann nicht alles sehen. Das war die Ursache alles weiteren Unglücks, daran war durch keinen guten Willen etwas zu ändern. Wie klug sie ist. Ich erschrak und sehe mich durchschaut. Sie muss auch mich durchschauen. Wie lächerlich und närrisch bin ich. Sie wird mich nur solange gelten lassen, als sie glaubt, dass ich ihr unbedingt treu bin und keine andere Frau anfasse. Dann sagt sie: Ich nehme es André nicht übel, dass er zu Kokotten geht, denn er tut das auf eine mutige Weise. Ich: Er ist nicht mutig. Er will es immer abschieben, kein Geld riskieren, keine Gefahr, sich rechtzeitig zurückziehen usw. Das ist das Wort: nicht mutig. Denn was ist der treue Zigeuner: nicht mutig. Was ist der Proletarier? Nicht mutig; der Russe: mutig. Jetzt sehe ich durch dieses Bauernmädchen den elenden Betrug meines Lebens. Wenn ich jetzt mutig sein will, geht es mir wie der Marchesa in Wilder’s Brücke: das Ende.231 [dazu auf Bl. 54v:] Wilder’s Brücke of San Luis Rey. Jeder Betrug ist Selbstbetrug; jede Lüge richtet sich gegen einen selbst; beides ist Trägheit; jede Feigheit tötet einen selbst. (Es gibt auch Betrug und Lüge aus Mut; das tötet einen nicht; die Frage ist nicht: Betrug oder Wahrheit, sondern Mut oder Feigheit). Das ist die Lösung aller Unternehmen: die Existenz, das eigene Sein; alles andere ist wandelbar. Funk tionelle Macht , Funktionswandel ist ein . Die Frage ist auch nicht, Gott oder Teufel, schön oder hässlich, wahr oder falsch, gut oder böse, sondern Mut oder Feigheit. Wer aus Feigheit an Gott glaubt, bleibt feige. Trägheit: sich selbst zu schaden, aus Angst, dem anderen zu schaden. Sich selbst schlagen, aus Angst, den anderen zu schlagen. Gibt es etwas Schmutzigeres, Indiskreteres, als dieses Geschrei von Menschlichkeit und Humanität im 18. Jahrhundert. Mein Ekel vor dem 19. Jahrhundert erstreckt sich inzwischen aufs 18. Jahrhundert und geht vielleicht bis zum 16. und 15. Jahrhundert. Wir sind mitten in der Barbarei; wir müssen wieder schweigen lernen wie ein cluniacensischer Mönch. Hugo Ball fing an, noch typisch, unsicher, von Literatur besudelt [mehrere Wörter], mit einer Frau, die Romane schreibt und Zigaretten raucht.232 Aber er war schon der erste Mystiker. 57r Sehe beim Anblick von Duschkas Krankheit den Tod und den Betrug des Lebens. Wir organisieren ein Dasein, das uns ewiges Leben vortäuscht, schließen die Augen wie Kinder und glauben, der Tod sei keine Wirklichkeit mehr, machen ein dummes Gesicht, wenn wir ster231 232
Die Figur der Marquesa de Montemayor in Wilders Roman ist ein Bündel von Widersprüchen. Emmy Hennings (1885–1948), Schriftstellerin und Kabarettistin, seit 1920 mit Hugo Ball verheiratet.
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2. Paralleltagebuch
ben oder wenn jemand stirbt, der uns nahe steht, und fahren nach einer kleinen Unterbrechung fort, uns der willentlichen zu überlassen. Sieh den Tod, dann siehst du den Teufel, dann siehst du die Wirklichkeit. 11. 3. 29 Es scheint, als ob Duschka sterbe. Sie weint und sagt: Ich sterbe gerne, denn ich werde von einer schrecklichen Krankheit erlöst, es tut mir nur leid um Sie. Das ist richtig, ich verkomme lächerlich, ziellos. Sie ist meine Seele. Inzwischen geht sie weg. Ich war ihrer nicht wert. Dummer Narr. Sie sagt: Nicht sich ärgern; man muss sein Schicksal tragen. Ich sterbe, weil mein Vater verflucht war; der Fluch des Vaters. Sie sagt mir, als ich klagte: Bleiben Sie bei mir, ich bin ein armer, hilfloser, närrischer Mann, jedem Betrug ausgeliefert, jedem Schwindel anheimgegeben. Sie sagte mir darauf: Ich werde Sie beschützen. Sicher und gut, wunderbar wie ein Engel. Des Nachts große Kraftanstrengung, fester Wille, bleibe am Leben, schöne Duschka; eine Mischung von Beten, Hypnose. 12. 3. 29 Duschka sagte zur Geschichte des verlorenen Sohnes: Das Christentum ist widerlich, unsauber, anarchistisch [2 oder 3 Wörter] für Zigeuner und Vagabunden. Ich sagte ihr: Sie stehen also auf der Seite des ältesten Sohnes, der zu Hause blieb. Sie antwortete: Nein, ich bin nicht eifersüchtig. Ich erzählte: [1½ Zeilen]. 15. 3. 29 Brief an Margot: Ich habe aufgeatmet, als ich Ihre Schrift sah, und bin glücklich und getröstet durch den schönen und gütigen Brief. Inzwischen kommt es darauf an, dass wir es mit diesen letzten Wochen vor Ostern richtig treffen. Ich bilde mir ein, dass das ganze Jahr davon abhängt, wie man in der Fastenzeit lebt. Jedenfalls lebt man im Jahr und nicht im Tag oder in der Stunde. Dann über Duschka: Man muss diese Frau bewundern. Nach unaufhörlichem [mehrere Wörter] immer hohes Fieber. Es war für mich eine Zeit schlimmer T. Oft bin ich und verzweifelt, oft tröste ich mich und sage mir, so viel [mehrere Wörter]. Sekundenlang tröstet mich auch das Meer, die antike Landschaft mit den Ölbäumen (leider durch abscheuliche Palmen ), die lenkten mich ab, die sich hier aufdrängt: die furchtbare des Christentums und die als der Inhalt des Mittelalters. L’enf.[ant] pr.[odigue]. Aber Gide ist entsetzlich aber natürlich [2 Wörter]. [dazu auf Bl. 56v:] Puls, fürchterlicher Auswurf, trotz allem eine völlige Beherrschtheit, ungebrochen, schöner Stolz, ungebrochene moralische Kraft, alles Unschöne, Unnatürliche ohne religiöses Trostbedürfnis, dabei ohne und Kampf. Man kann sich dem Eindruck nicht entziehen, weil es alle widerlegt, durch einfaches Sein. Ich erwarte ihn mit dieser unge , nur ganz gleich zu antworten, meine Dankbarkeit zu zeigen und Sie zu bitten, weiter an mich zu denken, mir auch wieder zu schreiben, wenn
2. Paralleltagebuch467 Sie mögen und [mehrere Wörter]. Dann an alles Gute für diese Woche und für . Von ganzen Herzen immer Ihr C. S. 57v Begriff inganno233‚ in faszistischer Aussperrung. Angst betrogen zu werden als zentrales Motiv. Bernanos (in seiner Konferenz vom 28. 5. 29, Bericht Act.[tion] fr.[ançaise], 30. 5. 29)234 über Drumont, B. spricht von Dr’s tieferen transfigurée, illuminée du dedans par la volonté déterminée, presque furieuse, de n’être la dupe de personne. 58r Nicht die Kraft der römischen Kirche hat Europa vor dem Islam geschützt und später vom Islam befreit, sondern teils die Widerstandkraft des byzantinischen Reiches, teils die erwachenden nationalen Energien: die Franken, die Spanier, die Balkanvölker, die Slaven. Lächerlich dieses diplomatische Getue der Päpste, die Schlaumeiereien und Verhandlungen der Kreuzzüge, die hinterlistige, geldgierige Art dieser italienischen Pfaffen und Mönche; widerlich. Armes Europa, größter Schwindel, das als einen Hort des europäischen Geistes zu feiern. Dieses Gespenst, stark genug, um Europa zu entnerven, und viel zu schwach, um es zu verteidigen. Alles Folgende, Protestantismus, Aufklärung, ist ein Sieg der Sarazenen über das Christentum. Schon der Thomismus. Plötzliche Ernüchterung: Duschka möchte 1000 Mark für ihre Mutter, damit sie einen Garten nicht zu verkaufen braucht. Sie kennt meine Schulden, weiß wohl alles; mich bedrückt, wieviel Geld ihre Krankheit kostet, eine teure Operation steht bevor, alles was ich verdiene, geht sofort weg für ihre Krankheit. Und trotzdem erschrak ich. Vielleicht zu Margot; in Geldsachen wird sie mich nicht betrügen. Oder doch, ist das nicht unvermeidlich? Armer Narr. Dann wieder der Eindruck von Duschkas Großartigkeit. Sie hatte den Wunsch, dass Neuß bei ihrer Beerdigung ist; ich hatte ihm geschrieben, er stürzte sich gleich auf die Gelegenheit, sie in die römische Kirche zu drängen: eine Kleinigkeit, in einer Viertelstunde ist es geschehen, der Gegensatz der Kirchen ist nicht groß usw. Sie antwortet wunderschön: Auch ich wünsche die Vereinigung beider Kirchen, aber die Kirchen sollen sich vereinigen, nicht soll ein einzelner sterbender Mensch von der einen zur anderen übergehen und seine Religion verlassen. Meine Kirche hat mir bisher die Gnade vermittelt, das viele, schwere Leid meines Lebens zu tragen. Dann kann sie mir wohl auch helfen, in Ruhe und in Frieden mit Gott zu sterben. Wenn ich mit dieser Auffassung nach 233 234
„inganno“ = ital. „Betrug“. Vgl. TB III, S. 429. s. unten, S. 477.
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2. Paralleltagebuch
den Grundsätzen der katholischen Kirche nicht auf einem katholischen Friedhof beerdigt werden kann, bleibt mir nichts übrig, als auf meinen Wunsch zu verzichten. Wir waren alle gerührt von der Anständigkeit und inneren Vornehmheit meines Vaters. Zum ersten Mal war ich stolz auf meinen Vater. Auch diese Erkenntnis verdanke ich meiner Frau. Heute sah ich im Kino den Papst, wie er die Menge segnet. Ich habe mich geschämt. Das hält keine 10 Jahre mehr. Proudhon meint: Wer Gott sagt, will mich betrügen. Richtig fürs 19. Jahrhundert und für Frankreich und Westeuropa. Heute hat sich das Register des Betrugs noch stark vermehrt. Wer Friede und Abrüstung sagt, will betrügen. Wer Menschheit sagt, will betrügen.235 [dazu auf Bl. 57v:] l’imposteur: Schon bei Rousseau, Discours sur l’origine, Anfang der sec. partie.236 Das Wort kommt schon aus der . 59r Es gibt etwas Böses, also habe ich das Recht, böse zu sein, um mich zu wehren, also ist meine Bosheit gerechtfertigt. Es gibt Gutes, also hast Du nicht das Recht, böse zu sein? Ich schäme mich, böse zu sein, aber dann bin ich wieder gerechtfertigt mit meiner Bosheit, weil es überhaupt irgendwo außer mir etwas Böses gibt. Kraft der Armut; bei Stendhal, Promenades dans Rome II, S. 271 / 2: Nur die Armut gibt énergie, Reichtum, Vornehmheit ist absence d’énergie. Probablement tous les grands hommes sortiront désormais de la classe à laquelle appartient M. Laffargue (petite bourgeoisie, gute Erziehung, aber ohne Vermögen, Zwang zur Arbeit und zum Kampf); Beispiel: Napoleon. Mit dieser Jahreszeit (Ende März) kommt mir anscheinend auch wieder die Sehnsucht nach dem weißen Fleisch von Magda. Ich wälze mich im Bett wie vor einem Jahr in Davos. Ich mag nicht mehr an Margot denken. 235
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Von Schmitt öfter benutztes Zitat, wobei der Satz Proudhons apokryph bleibt. Vgl. Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, S. 55 und Glossarium, S. 280 und 286. „Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und es sich einfallen ließ zu sagen: dies ist mein und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der wahre Gründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Not und Elend und wie viele Schrecken hätte derjenige dem Menschengeschlecht erspart, der die Pfähle herausgerissen oder den Graben zugeschüttet und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: ‚Hütet euch, auf diesen Betrüger zu hören; ihr seid verloren, wenn ihr vergeßt, daß die Früchte allen gehören und die Erde niemandem‘.“ Jean-Jacques Rousseau, Diskurs über die Ungleichheit. Discours sur l’inégalité. Krit. Ausg. des integralen Textes. Mit sämtlichen Fragmenten und ergänzenden Materialien nach den Originalausgaben und den Handschriften neu ediert, übersetzt und kommentiert von Heinrich Meier, Paderborn 1984, S. 173.
2. Paralleltagebuch469 Mir ekelt vor den ranzigen Phrasen der Frankfurter Zeitung. Wir wollen sie ihren Abonnenten überlassen und ihrem Geruch lieber aus dem Wege gehen. Im Kino (die Geschichte von dem deutschen Soldaten, der mit den Papieren eines toten Franzosen unter fremdem Namen in Frankreich lebt). Welch eine Erlösung, als Soldat im Schützengraben zu liegen, dem Komfort entronnen zu sein. Wie lächerlich diese Konstruktion von Menschen, als Gott ihn schuf dieser Welt der Zivilisation und des Komforts. Dummer und niedriger Betrug. Herrlich, den Betrug zu durchbrechen und in die Natur zu stoßen. Scheußlich, der amerikanische Kult der Frau, als des eingefangenen, domestizierten, tfähig gewordenen Stückes Natur. Arme, betrogene Frau; man betet dich an, weil man sie besiegt hat. Betrogener Gott, der angebetet wird, [2 Wörter] Betrug – ja, aber es gibt viele Grade und des Betrugs. Und was an dich ein saftiger Betrug ist, kann an den anderen Wahrheit sein. Diese Wahrheit ist sehr schlimm. Betrug und Wahrheit intensivieren sich gegenseitig und steigern sich; schlimme Wahrheit, schlimmer Betrug. Erfahrungen dieser Reise in ein wirkliches Selbst. ist deutsch-protestantisch. Der grauenhafte Schleim der Frankfurter Zeitung. Glücklich, dass sie meinen Namen noch nicht genannt hat. Das Mittelmeer ist (selbst an der ligurischen Küste) immer noch das Meer der Odyssee (also griechisch und nicht lateinisch), das Land ist vergilisch (also lateinisch), soweit es nicht [durch] die abscheulichen Palmen verunziert und misshandelt ist. 60r [1 Zeile]. Intuition: Der Rhetor sitzt etwas faul (aber anders als die O) und vergöttert zugleich. Bossuet: Katholische Kirche, französische Monarchie. Schiller: Freimaurerei? Rousseau, Was an Meinungen auf Dogma, Was an ? Zwei verschiedene Arten der Voraussetzung Warum hatte ich die Manie, meinen Namen von möglichst vielen Frauen zu hören, die mich lieben: Kathleen, Lola, ‚ Margot, warum zwang ich sie, meinen Namen zu sagen? Werde ich dadurch reicher? Wird irgendetwas dadurch konstruiert? Ist es eine Sammelwut, ein 1 Instinkt? Abhängig von dem Glauben und der Liebe der anderen? Es ist jedenfalls etwas Unvornehmes und Minderwertiges, und ich will es aufgeben. Ich habe doch recht mit der Definition: Okk.[asionalismus] ein Punkt, ein Stück, ein Augenblick wird umso und zum Anknüpfungspunkt eines phantastischen Gewebes; die Totalität der Situation wird ignoriert. Der Punkt wird der Kreis usw. Die Totalitätsphilosophie mancher Romantik ist nur die theoretische Kompensation dieser Art punktuellen Seins.
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Meine Betrugsphilosophie: theoretische Abwehr meines Vertrauensbedürfnisses. Status quo, was sonst. Die Griechen waren die anständigsten, sie haben nicht, als sie ihren Staat verloren hatten, die Luft verpestet, sondern [mehrere Wörter], die Juden dagegen, nachdem ihr Staat vernichtet war, wollten als Volk weiterbestehen und haben das erreicht; inzwischen verpesten sie, soweit sie nicht zer sind, durch ihren Nihilismus die Luft. schlimm der römische Staat, der in der Form der römischen Kirche als Gespenst weiterlebt, statt anständig zu sterben oder wieder italienisch zu werden. Liberalismus – Ästhetizismus – Romantik: Sachlicher Zusammenhang, vgl. Kardinal Newman, University Teaching (Londen 1908)237, S. 211: Liberal knowledge (im Gegensatz zu useful knowledge). Truth has two attributes – beauty and power; and while useful knowledge is the possession of truth as powerful, Liberal knowledge is the apprehension of it as beautiful. (In Verbindung mit Shaftesbury, dessen Begriff von Schönheit; der zugleich als erster das Gewissen zu Gefühl macht); eod. S. 190. Hinweis auf Sh. berühmte Abhandlung: Characteristics of men, manners opinions, views (gegen die Lehre von Lohn und Strafe). Christentum als der moral virtue, die virtue als beauty [auf Bl. 59v:] virtue being only a kind of beauty; das Prinzip, durch welches das Gute bestimmt wird, ist nicht das Gewissen (conscience), sondern taste. „After all (sagt Shaftesbury), ‘tis not merely what we call principle, but a taste, which governs men.“238 61r [2 Zeilen]. Coudenhove: Mehr Pan als Europäer (er ist doch halber und nicht Pan-Europäer), DemiEuropéen. Gegen P.[ater] Stratman: Über den Wesenszusammenhang der Propaganda von Pazifismus und der Propaganda für Geburtenbeschränkung und Fruchtabtreibung. Der Pazifist ist naturaliter Fruchtabtreiber. Pazifismus, Fruchtabtreibung, Leichenverbrennung und Abschaffung der Todesstrafe.239
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John Henry Newman, University teaching. Considered in nine discourses. Being the first part of „The idea of a university, defined and illustrated“, London 1908. Anthony Ashley Cooper of Shaftesbury, Characteristics of men, manners, opinions, times. Ed. by Philip Ayres, Oxford [u. a.] 1999, S. 413. Schmitt bezieht sich wohl auf: Franziskus Maria Stratmann, Weltkirche und Weltfriede. Katholische Gedanken zum Kriegs- und Friedensproblem, Augsburg 1924. Vgl. Glossarium, S. 124: „Das ist das geheime Schlüsselwort meiner gesamten geistigen und publizistischen Existenz: das Ringen um die eigentlich katholische Verschärfung (gegen die Neutralisierer, die ästhetischen Schlaraffen, gegen Fruchtabtreiber, Leichenverbrenner und Pazifisten).“
2. Paralleltagebuch471 Über den Zusammenhang von Landesverrat und Fruchtabtreibung (also Vaterland = Familie?) Ich verfluche meine Schwäche, meine Nachgiebigkeit, Erwartung, Feigheit. Wüsste ich nur ihren Kern: die , Erwartung, Berechnung? Das Begleitgespenst (die Freimaurerei als Begleitgespenst des Christentums; der Bote des Todes). [4 Zeilen]. Der Sozialismus von Proudhon und Sorel ist nicht pazifistisch und nicht Fruchtabtreibung , sein Zusammenhang mit der mit dem Faszismus. Der Sozialismus dieser Art [mehrere Wörter] weiß ich nicht. Er scheint romanisch zu sein. [dazu spätere Notiz auf Bl. 60v:] Der Wutanfall der Marxisten gegen Proudhon, weil dieser (in seinem Buch la guerre240) den Krieg als einen Vorgang auffasst (Pensée 1947).241 Einem Italiener fühle ich mich nicht verwandt. Was gehen mich die blau Wasserleichen an? Warum fühle ich mich in Frankreich sicher und in Deutschland nicht? Wenn mir in Frankreich Unrecht geschieht, so kann ich mit jemand sprechen und bin sicher, dass man mich versteht. In Deutschland dagegen bin ich unsicher. Wenn mir Unrecht geschieht, so geht [mehrere Wörter]. Ein furchtbarer Quatsch von Erich Kaufmann; grauenhaft. Die Deutschen erkennen nicht, was Littré242 sagt: dass der esprit de science und der esprit de juste zusammengehören und nicht [etwa 2 Wörter]. Mein Glück: Bildung ohne Besitz Meine Zeit: Besitz ohne Bildung
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Gemeint ist: Pierre-Joseph Proudhon, La guerre et la paix. Recherches sur le principe et la constitution du droit des gens, 1861 (u. ö.). Bezieht sich auf: Georges Guy-Grand, La pensée de Proudhon, Paris 1947, S. 170 ff. Georges GuyGrand (1879–1957), marxistischer Schriftsteller, polemisiert auf S. 170 ff. seines Buches gegen Proudhon, der über den Krieg sagte: er sei, wie die Religion und das Recht, „un fait de la vie morale“ ja, „à l’origine, un fait divin“. Émile Maximilien Paul Littré (1801–1881), Verfasser eines maßgeblichen französischen Wörterbuches (Dictionnaire de la langue française).
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2. Paralleltagebuch 62r
Am Grabe Gambettas, Nizza: 3. April 29243 Eine starke Einheit wirkt auf Nachbarn auflösend: Italien und Deutschland neben Frankreich; Frankreich der einzige europäische Staat. Auch heute noch. Die hat ihn nicht aufgelöst, sondern seinen weiteren Bestand ermöglicht; sie war nötig; sonst wäre er in untergegangen. Herrlich die Assimilierungskraft dieses Staates: Napoleon, Gambetta Italiener; die Kaiserin Eugenie eine Spanierin; Welche Vorurteilslosigkeit gegenüber den deutschen Elsässern, gegenüber Juden. Zeichen eines wahren Staates; wie Preußen. Der deutsche Pluralismus: völkisch, fremdwärtig vertilgend, Abweisung jeder Assimilierung, Reinheit, methodologisch, erkenntnistheoretisch. ultimi barbarorum.244 Habe Ekel vor der , die das fahrt 1927 nach Cannes zu legen, das [2 Wörter] Ostern 1929 mit 250 Wagen nach dem besetzten Gebiet. Welch ein schmutziges Volk. Hier den deutschen Stil: Diese Thomas-Mannschen hinter den Ohrenmützen, [mehrere Wörter] zum Stilisten dieser Heinrich Mannsche Untertan, der den Herrn wechselt und, weil er von Wilhelm vielfach zu Fr. herüberwechselt, sich nun als und überlegen vorkommt, dieser Gerhart Hauptmann, als arch interessante [mehrere Wörter]. Alfred Kerr, dieses langweilige Schwein. P Alfred, süß, [2 Zeilen]. Ich schrieb 7 dicke Bücher wie nichts; ich vögele 7 Frauen wie nichts. Mordskerl ‚ Scheusal. [1 Zeile]. 62v Ich bin dumm, wir sind die Dummen, aber die Dummheit ist seltener und kostbarer als man glaubt. Dummheit ist ein Zeichen der Auserwählten, Dumm sind die Wenigen, die Seltenen. Klug und gescheit ist jeder [mehrere Wörter]. Ostern 1929 fuhr der Deutsche Automobilklub Kaiserslautern nach Paris, mit 210 Wagen [von den restlichen 17 Zeilen sind nur einzelne Wörter lesbar]. 243 244
s. oben, TB vom 3.4.29. „Die letzten der Barbaren“, mit der Parole „ultimi barbarorum“ protestierte Spinoza 1672 gegen politische Verrohung in den Niederlanden.
2. Paralleltagebuch473 63r Canto di Luce, l’inesprimibile sogno in Verità trasmuta. (Inschrift auf einem italienischen Kino). 10. 4. 29 Bin ich hellseherisch? Als ich im Schlafwagen durch Italien fuhr, sah ich, bei völlig geschlossenem Fenster, die nicht den kleinsten Lichtschein durchließen, im Traum oder Halbschlaf die Gegend, durch die wir fuhren: den See, an dem wir vorbei kamen (etwa 2 Stunden vor Civitavecchia), der Anblick der Hügel um Rom erinnerte mich das Siebengebirge. Wer über Menschen herrschen will, muss davon ausgehen, dass sie böse sind. [7 Zeilen nur bruchstückhaft lesbar] Auf den 20-Lire-Münzen des faszistischen Italiens steht: Meglio vivere un giorno da leone che cento anni da pecora. [mehrere Wörter]. 63v [Zeitungsausschnitt mit dem Gedicht „Der Kranke“ von Hans Carossa eingeklebt]
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2. Paralleltagebuch475 64r Diese Dummheit, Hingerissenheit, zum Enthusiasmus, Wut, moralische Empörung, (was ist das [Klammerzusatz nicht deutbar]. Ich entdecke in mir Wilhelm II. und bin traurig und beschwert. Der Wilhelm ist in dir, [2 Wörter] und kann noch so [mehrere Wörter]; dieser billige Schwindel, den Heinrich Mann und Ludwig trieben‚ geht dich nichts an [mehrere Wörter]. [5 Zeilen nicht lesbar] 3. 5. 29 Beglückt von der Fülle, Sonnenlicht, Kraft und dieses Satzes, den ich bei Burgess, Recent changes (1923), S. 35 über die Amerikaner las: we are good money-getters, it is true, but … our most prominent traits are superficiality, sentimentalism, extravagance and pugnacity.245 Das Geheimnis allen Daseins. Aus Henry Adams, The Education of H. A. (1918 veröffentlicht, in Amerika), Int. J. o. Ethics, Bd. 30, S. 43 f.246 [„]neither Diana of the Ephesians nor any of the Oriental goddesses was worshipped for her beauty. She was goddess because of her force; she was the animated dynamo; she was reproduction – the greatest and most mysterious of all energies; all she needed was to be fecund.“ Für uns sind Maschinen, Eisenbahn, Fahrzeuge diese Energieträger. Wir beherrschen nicht die Naturkraft; die Naturkräfte beherrschen uns. Wir beten sie an. Der Fluch Roms: Ein Fluch, den Geld kann lösen. Wenn ich Antisemit wäre, schriebe ich ein Buch über Meyerbeer und Offenbach. Ich hörte den Krönungsmarsch von Meyerbeer: protestantische Innigkeit und Rebellion, humanitäres Tremolo, preußischer Militärmarsch und jüdische Macherei, eine kostbare Synthese; der Schluss zu Offenbach; sie liegen sich mit in den Armen. 64v [Foto von Carl Schmitt eingeklebt, darunter:]247 1912 ! gesehen aus 1929.
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John William Burgess, Recent changes in American constitutional theory, New York 1923. Schmitt zitiert nach: Robert Shafer, Henry Adams, in: International Journal of Ethics, vol. 30, 1919, S. 43–57; das Zitat auf S. 51 f. Das Foto ist veröffentlicht in: Jugendbriefe, U1 und S. 29.
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65r John Neville Figgis [über] Lord Acton (Churches in the Modern State 1913, S. 255): Lord Actons geheimnisvolles Schicksal,248 trotz allen Ruhms und aller Erfolge ein Fehlschlag, wegen seiner Feindschaft gegen die römische Hierarchie, wegen seines Helfens an den irischen oder burischen Nationalismus, and a religious and moral activity which beat itself in vain against the inexhaustible resources of ultramontane disingenuity and the granite walls of Jesuit intolerance. Er hat kein großes, epochemachendes Werk vollendet, das müssen auch seine Freunde zugeben, eignete sich nicht für den [„]compromise, which is the essence of our public life“ (S. 255). Für mich ist das Deutsch erst seit Goethe eine heilige Sprache, nicht durch Luther, das Italienisch ist durch Dante eine heilige Sprache geworden. Das Französisch ist keine heilige Sprache, sondern eine proletarische; das ist vielleicht „mehr“.
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John Emerich Edward Dalberg-Acton, 1. Baron Acton (1834–1902), engl. Historiker, dessen Familie im 18. Jahrhundert zum Katholizismus zurückkehrte und dadurch zur Emigration gezwungen war. Er lebte zeitweise in München und war mit Ignaz von Döllinger befreundet, dessen liberalen Katholizismus er teilte.
2. Paralleltagebuch477 Inschrift in Rom: Gemendo germinat.249 Ardeo nam credo.250 Am Gebäude des amtes (Pizz Cola Riegi251) Unter dem Eindruck des Berichtes über die Konferenz Bernanos vom 28. 5. 1929:252 Der Jude ist der Betrüger schlechthin; Inkarnation der Idee des Betruges. Das ist der Kern aller antisemitischer Regungen. Es ist aber nicht gerecht, denn der Jude ist nicht betrogen, und lässt sich nicht betrügen; deshalb erscheint er uns, der bei uns immer betrügen lässt, als der Betrüger. Der Jude ist nur soweit Betrüger, als er von Menschheit spricht, also ohne sein Volk aufzu, sich universalistisch und gebildet [zeigt]. Dann ist er aber nicht mehr Betrüger als der Amerikaner, der Jakobiner usw. Das Wort „Mensch“ klingt nicht mehr. Wie herrlich konnte Goethe, ohne jede Gewaltsamkeit sagen: Bist du ein Mensch, so fühle meine Not; wie rührend ist Beethovens „O ihr Menschen“. Sie seit dem Kriege des üblen Hysterikers, „der Mensch “, die Masse Mensch es; exit homo. 66r Der Wein hat meine Nerven gelöst, mein Ohr geöffnet und die Kruste der Beherrschtheit weggewaschen. Inzwischen höre ich die Bücher reden. Aus jedem Buch kommt eine Stimme, leise und sehr deutlich. Erschrecke vor dieser glücklichen Überraschung. Die Buchstaben sind Antennen, die Seiten sind Schallplatten. Suche den sensuellen Genuss an einer Frau zum illusionieren; das geht nur, wenn viele andere soziale Bindungen schließen, vor der konkreten sozialen Situation, in der wir beide stehen, die Augen schließen; das Soziale ist das Reale; ich bin nicht isoliertes Geschlechtswesen und die Frau auch nicht; die Sekunde der Illusion ist schnell vorbei, dann sehen wir die Realität: Ich bin in ihm und im Beruf, habe Geld oder kein Geld usw. Die Frau will Geld. Das Soziale ist das Reale; schließt diese Augen vor dem Realen. Das ist Romantik; notwendig zur [2 Wörter] Illusionierung und zur illusionistischen Aufsteigerung des . 249 250
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„Durch Stöhnen blüht er auf.“ „Ich brenne, denn ich glaube.“ – Die Inschrift befindet sich an der „Casa Madre dei Mutilati e Invalidi di Guerra“, einem 1928 feierlich eingweihten Haus der italienischen Vereinigung der Invaliden des Ersten Weltkriegs, direkt neben der Engelsburg. Vgl. Ralph-Niklas Dobler, Die Verarbeitung des Ersten Weltkrieges in der künstlerischen Ausstattung der Casa Madre dei Mutilati in Rom (1925–1938), in: kunsttexte.de (http: / / www.kunsttexte.de / index.php?id=711&idartikel=37003&a usgabe=36883&zu=461&L=0[15.10.2016]). Klarschriftlich, soll aber wohl heißen „Piazza Cola di Rienzo“, was zwar nicht die Adresse des Versorgungsamtes ist, aber in der Nähe liegt. In der Straße Cola di Rienzo 190 wohnte Schmitt während seines Rom-Aufenthaltes 1929; s. oben, TB vom 10.4.29. Am 28. 5. 1929 fand am Institut de l’Action française in Paris eine Konferenz über den Antisemiten Édouard Drumont statt, auf der Georges Bernanos ein Referat hielt; s. oben, S. 467 sowie TB V, S. 65.
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Die Trennung von Tat und Täter in der modernen strafrechtlichen Entwicklung: bedeutet Anerkennung der Lehre vom opus operatum;253 ist also römisch-katholisch, und nicht evangelisch. (Wie alles Rechtsstaatliche [mehrere Wörter]. Emmanuel Berl, Mort de la pensée bourgeoise, (1929 bei Grasset): comprendre c’est nier. [dazu auf Bl. 65v:] Wissen ist Macht. comprendre une société c’est l’imaginer détruite, le capitalisme ne peut être pensé que par le communisme. Frauen im Mittelalter, Verteidigung, , Nihilismus. Katharina von Siena254, [mehrere Wörter]. Jeanne Hachette, retordeuse de laine, verteidigt 1422 [recte: 1472] Beauvais gegen die Burgunder (Act.[ion] fr.[ançaise], 1. 7. 1929).255 Jeanne d’Arc. Katarina Segurana256 verteidigt Nizza gegen die Türken, 1545. Belgiojoso257 die Markiewicz258 66(a)r Aeneis VI,893: Sunt geminae Somni portae; quarum altera fertur cornea, qua veris facilis datur exitus umbris; altera candenti perfecta nitens elephanto, sed falsa ad caelum mittunt insomnia manes.259 [dazu auf Bl. 66v:] Der Übersetzer Norden, S. 103: „Es gibt – so geht die Mär – zwei Traumespforten.“260 Norden S. 339: „Ich … glaube, dass die falschen Träume vor Mitternacht, die wahren nach Mitternacht kommen.“261 253
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Begriff aus der Sakramentslehre der katholischen Kirche. Das von einem geweihten Priester gespendete Sakrament wirkt ex opere operato, kraft des vollzogenen Ritus, und ist daher unabhängig von der Würdigkeit bzw. Unwürdigkeit des Spenders. Katharina von Siena (1374–1380), Mystikerin; BBKL 3, Sp 1225–1229. Jeanne Hachette (1454 / 1456–?), soll am 27. 6. 1472 die Stadt Beauvais gegen den Angriff Karls des Kühnen verteidigt haben. Sagenhafte Gestalt, Historizität unwahrscheinlich. Cristina Trivulzio Belgiojoso (1808–1871), ital. Freiheitskämpferin und Historikerin. Constance Georgine Markiewicz (1868–1927), irische Freiheitskämpferin. P. Vergilius Maro, Aeneis, Buch VI, Vers 893–896. In der Übersetzung von Eduard Norden: „Es gibt – so geht die Mär – zwei Traumespforten / Aus Horn die eine: mit beschwingtem Flug / Enteilen ihr zum Licht die wahren Träume; / Die andre schimmert weiß von Elfenbein: / Aus ihr entsenden Geister falsche Träume.“ P. Vergilius Maro, Aeneis Buch VI. Erklärt von Eduard Norden, Leipzig 1903. Korrekt: „Es war ein verbreiteter Glaube, daß die falschen Träume vor und die wahren nach Mitternacht kämen.“
2. Paralleltagebuch479 Vers eingerahmt von Attribut und Substantiv. Darüber E. Norden, Vergils Aeneis Buch VI, 1903, S. 382; Johann Kvícˇala, Neue Beiträge zur Erklärung der Aeneis, Prag 1881, S. 275 f. [dazu Erg. auf Bl. 66v:] S. 34 f. siehe Vergilstudie v. Kv.[ícˇala] die: Sperrung (weil die beiden irgend einander entsprechenden Wörter den ganzen Verskörper sozusagen einschließen, und als „Flügelwörter“ fungieren. auch über 2 Verse hin). (aber die eigentliche hat N. nicht gesehen). [Aeneis VI], 93: causa mali tanti coniunx iterum hospita (eingefügt Fremder) Teucris externique iterum thalami.262 Libanius263, 65. Rede (vol. III, 434 f): Seitdem Konstantin die Tempel niedergerissen und die heiligen Gesetze beseitigt hat, konnte es keine Beredsamkeit mehr geben: denn die λόγοι und die ἱερὰ264 gehören zusammen. Restaurationsargument? Mein eigenes Argument von der Sensualisierung? Die Erfindungen des 15. und 16. Jahrhunderts wirkten rebellierend, , , pluralistisch. Die heutigen Erfindungen typisieren das Gegenteil. Zusammenhang von Reformation und mit der eine alte Sache; welches Gesetz steckt dahinter? Schrieb Kamnitzer folgendes Rätselgedicht für sein Drama Turandot:265 Es < lebt> und widerspricht sich selbst, Ruft nach Tod und will nur leben, Ist hart und weich, wild und zahm, In aller Einheit doch nur viel, In aller Freiheit doch nur eins. Buchtitel: Ich nach alter Weise. Wie gleichzeitig alle Sensationen, erfüllte oder unterdrückte Wünsche, Depressionen und ; was ist nun nicht gleichgültig: das moralische Maß. Es ist gar nicht der Sinn der Moral, Triebe zu unterdrücken (scheußlicher ), sondern der Zwang ins Normale.
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Übers. Eduard Norden: „Es bringt dies Weh wieder ein Weib, / Den Troern zu Gaste, wieder die Gattin / Aus fremdem Geblüt.“ Libanius (Libanios) (314–393), griech. Redner. Schmitt bezieht sich auf: Libanii Opera, vol. 3, Lipsiae 1906. Das „Reden (die Worte)“ und die „heiligen Bezirke“. s. oben, TB 10.7.29.
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2. Paralleltagebuch 67r
Zu meiner Beruhigung, wenn ich das schmutzige Pathos deutscher Pazifisten höre: Aus Feigheit und Angst um den Komfort geboren, kann dieser Wille zur Feigheit nur in sich selber feige sein; man braucht also nur damit zu rechnen, wie mit einem Ungeziefer, das einem allerdings gelegentlich einen tätlichen Stich versetzt. Der Wille zur Wanze. Die Nerven stellen die Verbindung her zwischen der Sphäre des Moralischen und der Physis des Menschen. An den Nerven sitzen die Antennen der Engel und der Dämonen. Das isolierte Individuum: Chateaubriand, B.[enjamin] Const.[ant] (relativ ! [darüber geschrieben:] p.[ouvoir] neutre), Byron, Keats, etc. Die Alternative des isolierten Individuums: Me. Alles und nichts. Alles, d. h. Gott. Nichts, d. h. auf einer Wasserwelle geschrieben; Erkenntnis, dass man nicht existiert. Weltschmerz usw. Alles, d. h. ich existiere allein, daher: ich bin Gott; Wenn es nicht einen Gott gibt, hielte ich es nicht aus, nicht Gott zu sein. Ich natürlich nicht. Neutralität, aber die Neutralität des royal!! gegenüber allen Geschehnissen: Ich kann mit allem alles machen; praktisch, aber nur occasionell; Lyrismus. Das Entweder – Oder ergibt sich nur aus der Isoliertheit des Individuums. Sie ist in Wahrheit niemals da; daher nur geistig zu fassen; daher die Geschichte der . 21. 7. 29 Sie hat sich geweigert, mir die Hand zu geben. Umso besser.266 30. 8. 29 Hab Mitleid mit mir, ich bin in deinen Händen. Gespräch mit Sombart: Ob Friedrich der Große sich Voltaire kommen ließ oder die Russen Karl Marx rezipieren, das ist dasselbe. Slavisch-asiatische Kraft bemächtigt sich einer Waffe und eines intellektuellen Instruments. Preußentum und Sozialismus267 heißt nicht: Bürgerknietum + Sozialdemokratie; es heißt: Preußen als Avantgarde des Bolschewismus. Hatte das Gefühl der Hurenhaftigkeit Sombarts. Er sagte: Was nützt mir das Unbestechliche, wenn ich in einem Schweinestall bin.268 Ich erwiderte ihm: Was nützt mir der Komfort, wenn ich in einem Bordell bin. Aber das Bordell scheint er nicht so schlecht zu finden, wenn das Bordell gut eingerichtet ist und die Huren baden und schöne Unterwäsche haben.
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Die Rede ist von Margot von Quednow; s. oben, TB vom 21.7.29. Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, München 1920. Vgl. oben, TB vom 30.7.29.
2. Paralleltagebuch481 68r 1. 8. 29 Schrieb an Margot (als Antwort auf ihr Lebewohl): Wie gut und freundlich von Ihnen, liebe Margot, mir ein Wort zu sagen. Aber es musste mir doppelt weh tun, dass Sie schon abgereist waren, als ich den Brief erhielt, und dass ich ihn gar nicht erhalten sollte, hélas. Soviel Schmutz und Verwirrung mit jedem Glück gemischt, aber das Resultat scheint trotzdem Glück, und ebenso diese Mischung von Härte und Güte, die ich doch als Güte empfinde. Von Herzen Ihr Carl. 6. 8. [29] Morgens 9 Uhr, nach der Schlafwagenfahrt von Berlin; als ich morgens in Ulm ausstieg und die schwäbische Luft atmete, hatte ich einen Augenblick das Gefühl, einer Kloake entronnen zu sein und in frischem Quellwasser zu baden. Große, innige Liebe zu Deutschland, meine Liebe zu Deutschland ist Liebe zur Landschaft, das grüne Land, das saubere, anständige Land. St. Gallen Schnappe Gesprächsstück auf der Straße auf, es wird immer romantisch interessant sein. Das Romantisch-okkasionalistische = das Aufgeschnappt-Aufschnappende. Wir sind alle in einer Menge von Suggestionen und Illusionen eingehüllt wie eine Kuh in das ewig ununter Geläute der Glocke, die sie am Hals trägt. Geht es wirklich nicht ohne diese Glocke? Die vollendetste Technik, Menschen solche Glocken um den Hals zu binden, hat dagegen der jesuitische Katholizismus. Dein Körper, der dich plagt, mit Schmutz und Müdigkeit, ist noch die anständigste und mildeste der vielen Tücken, in deren Gewalt du bist. Hörte die Ouvertüre zu Wilhelm Tell von Rossini (verhält sich zu Beethovens Egmont wie Robesp.[ierre] und Danton zu Louis Philippe). Dieser Italiener hat doch ein Verhältnis zu den Alpen, wunderschön, alpine Pastorale, sie hat also ein Recht darauf, an den Alpen zu partizipieren. Technizität Wie närrisch, soll ich der Uhr dankbar sein, dass sie geht, wenn ich sie aufziehe? Soll ich dem Gesetz dankbar sein, dass es gilt? Dein Bauch desavouiert dich. Ich danke jedem Auto, das mich nicht überfahren hat. Ich habe es nicht verdient, es ist reine Gnade.
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2. Paralleltagebuch 69r
Gallus Kelte Heiliger Gallus, irgend ein Kelte, vielleicht bis du noch da. Die Juden treiben uns zur Konsequenz, indem sie uns ernst nehmen, oder so tun. Zirkulatorisch befriedigt. Dynamisch? Kreis ist noch zu viel Geschlossenheit. Geldkreislauf die offene, unendliche Zirkulation. der Strom, Lebensstrom Blutkreislauf Kreislauf des Lebens. Ich weiß nicht, was Leben ist; aber ich empfange es und gebe es weiter. 7. 9. [29] Herrlich wirkt hier noch der letzte Dudelsack, voll von Musik, drinnen noch jedenfalls der heilige Gallus und seine irischen Mönche; die Fledermäuseseelen. Organisation der Wissenschaft: Der Zeitschriftenherausgeber ist der Hoteldirektor, die Lektoren, die Aufsätze schreiben und veröffentlichen, sind die Kellner. Wer hat den Mut zu sagen, Wein sei Alkohol? Amerikaner . Brot und Wein = Brot und Alkohol?! Brot und Wein zusammen ist eine Mahlzeit; was haben die römischen Bürobeamten daraus gemacht! Im Sauerland: Wein etwas für reiche Leute! Wein, schöner, guter alter Wein, Vogel der Weisheit, Vogel der Einsicht und Erkenntnis, ave, römisches Ver, alter, europäischer Wein. Bier = Rationalismus! Wein = Irrationalismus; Bier = weich, = Alkohol. Herrlicher Fortschritt. 70r 15. 9. 29 Und vergesse Sie’s Bäumle nicht! Reduzierung auf Geld: vaginal. Reduzierung auf Papier: Dreck. Alles das hört auf. Papier – Erde. Die Juden lachen über die die . Die jammervollste Figur, die ich kenne, ist der Engländer, der dem Zirkus nachreist, um zu sehen, dass endlich der Löwenbändiger einmal von dem Löwen aufgefressen wird.269 269
Erstmals hat der Löwenbändiger Isaac van Ambourgh (1808–1865) seinen Kopf in das Maul eines Löwen gesteckt. Die Geschichte, dass ihm ein Engländer, um seinen Misserfolg zu erleben, nachgereist sei, war im 19. Jahrhundert beliebter Zeitungsstoff.
2. Paralleltagebuch483 Langweiligste Figur: Heidelberger Geisteswissenschaftler, der [mehrere Wörter] Heidelberger Synagoge milde Banalitäten Alles Unglück kommt aus dir. Aller Trost ist in dir selbst. Widerlich und störend wie eine am hellen Tag brennende Lampe, die Banalitäten eines Philosophieprofessors. . 24. 9. 29 Gespräch mit 270. Ich muss wissen, wo ich hingehöre. Was bist du und das . Du gehörst in . Du armes Würstchen. In der Schweiz ist alles komisch, sogar der . Der Vater, als der junge Römer kam, wurde er [mehrere Wörter]. 71r Welch eine hochdiplomatische Zeit: ein dummer, prolixer Quatscher heißt Rudolf Stammler. Die Apollinarer brauchen keine ; reines Sein. Die Dionysiker werden ununterbrochen wiedergeboren, daher überhaupt nicht geboren. Vor lauter renaissance keine naissance; immer nur wiedergeboren, niemals geboren. Der Völkische: immer nur geboren, niemals wiedergeboren. Wer von der eigenen Heimat abstrahieren kann, wird auch von allem anderen abstrahieren können. Wie ein Pfaffe bei jeder Geburt, jeder Hochzeit, jedem Begräbnis dabei steht und seinen Tribut verlangt, so steht die Kirche neben jedem welthistorischen Ereignis und verlangt ihre Kommission berücksichtigt. Vom politischen und Wirtschaftsunglück, sie soll die Not beten lehren, geht es gut, soll man dankbar sein, immer soll man zahlen. Was Armut ist, hat der nicht zu bestimmen, sondern das bestimmt die Autorität der römischen Kirche. Ein Papst oder Nuntius in seinem Auto und seinen Gemächern ist arm, der Mönch des Ordens ist arm, auch wenn er an Überernährung stirbt, ein armer Proletarier ist nicht arm im Sinne der Kirche. Es handelt sich doch gar nicht mehr um die Dinge und die Wirklichkeit, sondern nur noch um die formalen Begriffe und einer allmächtigen Bürokratie. In Wirklichkeit ist Ar-
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Erich Jung (1866–1950), Rechtsphilosoph, seit 1909 Prof. an der Universität Straßburg, von 1921 bis 1934 in Marburg. Carl Schmitt hatte bei ihm in seiner Straßburger Zeit Bürgerliches Recht gehört; vgl. auch TB III und V.
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2. Paralleltagebuch
mut der Mangel an Sekurität; das Gegenteil von Kdation, verfassungsmäßigem [3 Wörter] der Orden usw. Realisiere die ganze des Nichts-als-Technischen, wie einer den Wein als Alkohol definiert. Technizitätswissenschaft = Wein als Alkohol definieren. Es gibt gute und üble Epochen der Menschen, Freiheit und Sklaverei, aber soviel Freiheit war doch sonst immer noch da, dass sich ein einzelner, einsamer Mensch hindurchzwängen konnte. Heute nicht mehr. Den Leuten den Kelch, d. h. den Wein entziehen; welche Anmaßung eines Klerus; der Wein ein Privileg der Eingeweihten; Wein = Eingeweihtheit. Beachte die Kleriker des 18. Jahrhunderts; die Illuminaten. 29. 9. 29 Schöner, Vormittag, Spaziergang durch Bommecketal über Kersmecke zurück. Bin wieder in der Jugend, in der Heimat. 72r Die Russen sehen uns mutig ins Gesicht; sous l’oeil des Russes. Die Juden sehen an uns vorbei; die Juden wollen etwas; sich assimilieren oder sich nicht assimilieren; es besser wissen oder sich drücken; irgend etwas; die Russen haben eine mutige Art, einen in Ruhe zu lassen. Dieser böse, kalte blaue Wasserblick der . 2 Gründe eines bellum justissimum. Der Amerikaner zum Russen: Was, du willst mich hindern, Geld zu verdienen? Der Russe zum Amerikaner: Was, du willst mich zwingen, Geld zu verdienen? Dein Geld zu verdienen? Deinem Wertmesser mich zu . Währung als Begriff einer bestimmten strukturell führenden Schicht. Die Komik eines psychischen Pathos: die kindische Erektion. Fichte: in französischen Dienst (Wallner, S. 136271) Er schrieb [am] 22. 5. 99 an Reinhold: „es ist mir gewisser, als das Gewisseste, daß, wenn nicht die Franzosen die ungeheuerste Übermacht erringen und in Deutschland, wenigstens in einem beträchtlichen Teil desselben, eine Veränderung durchsetzen, in einigen Jahren in Deutschland kein Mensch mehr, der dafür bekannt ist, in seinem Leben einen freien Gedanken gedacht zu haben, eine Ruhestätte finden wird.“ 271
Nico Wallner, Fichte als politischer Denker. Werden und Wesen seiner Gedanken über den Staat, Halle 1926.
2. Paralleltagebuch485 Mit 40 Jahren machte ich die fabelhafte Entdeckung, dass es das Normalste ist, normal zu sein. Ich kann die Schwätzerei von der entzauberten Menschheit nicht mehr anhören. Wenn ein alter und fauler Zauber aufhört, jammern gleich ganze Haufen literarischer Klageweiber. Unterdessen kann der neue Zauber umso intensiver wirken. Der Unterschied: Not lehrt nicht mehr beten. Nur wem es gut geht, betet heute; die Armen und Unglücklichen schämen sich zu beten. 15. 10. 29 (Morgens an der Haute Garonne): Plötzlich unheimliche Klarheit. Ich sehe die Gesetze der Macht: Immer gehen, immer mächtiger, entfernter, immer neutraler und ohnmächtiger. Das Schicksal Gottes, das Schicksal der Engel, das Schicksal der Könige. 72v [3 Zeilen nur bruchstückweise lesbar] 73r 21. 10. 29 [7 Zeilen nur teilweise lesbar] Beten wir die Technik an? Sie beten den Komfort und Luxus an, den sie der Technik zu verdanken haben, aber die Technik dient in Wahrheit nicht dem Komfort, sondern ist Waffe. 25. 10. 29 Escorial: überwältigt von diesen ganzen Stätten: klassisch, etwas Preußisches (aber die Preußen hatten keine Klöster und keine Mönchsorden mehr), ab integro, ex nihilo, ungeheure Übersichtlichkeit und Schmucklosigkeit, kein einziges Ornament, Ordnung, Disziplin, Einheit, Dauer. Das ist der Staat. Nichts Organisches, nichts , (sondern ab integro), Askese. Ergreifend der große Philipp II. (Ärger darüber, dass ich mich von der lächerlichen Restauration über ihn habe verblüffen lassen); er starb mit Blick auf den Altar. Wenn die Kirche nicht so feige wäre, wie sie es seitdem ist, so hätte sie ihn heiliggesprochen. Aber sie wagt es nicht vor der liberalen Lüge und Kriegspropaganda gegen den einzigen Vorkämpfer des Katholizismus und [1 Zeile]; widerwärtig.272 Das Gesetz der Macht? Dass Macht Gesetz ist. Echte Macht ist gerecht; immer diese Umkehrungen und urteile. 73v Versailles Escorial 1929 25. 10. 1929 272
Vgl. mit diesem Eintrag Schmitts Brief an Smend; BW Smend, S. 82 f. Ansichtskt. vom Escorial und Brief.
486
2. Paralleltagebuch 74r
Auch der Mord hat seine Mode; heute werden Tausende durch Automobile und Verkehrsunfälle getötet, Tausende von Kindern; aber davon spricht man nicht, darüber geht man hinweg. Dagegen regen sich alle auf über den Krieg, den organisierten Mord, und [mehrere Wörter] billige Lorbeeren, weil sie hier nur erledigten Sachen noch nachträglich einen Tritt geben können. Der dogmatische Krieg ist allerdings erledigt, inzwischen kommt wieder der normale Krieg der tapferen Leute gegen die Tapferen. Die feige Masse kriegt nachträglich die Wut über die Feigheit, und dass sie sich in den Krieg hat treiben lassen. Philipp II. und Wilhelm II. Beide Universaldilettanten, beide gute Familienväter. Er ist schon moralisch, dieser Philipp II., und daher dem bürgerlichen Zeitalter nahe. 28. 10. 29. Überall sehe ich Wilhelminismus: an der Kathedrale Notre Dame: der gotische Spitzbogen ist schon wilhelminisch; schöne Hochstapelei. Versailles (nichts als ein herrlicher Park und eine großartige Fassade, und alles, vom Staat aus gesehen Wesentliche, schon im Humanen untergegangen) ist neben dem Escorial Wilhelminismus, am schlimmsten natürlich alles Napoleonische, der Arc de Triomphe. Das ist Europa: Wir treiben immer dasselbe; was die Preußen machen und was die Spanier machen, was Napoleon und was Bismarck machte, immer durchgängig das Gleiche; das ist eine Einheit; sie machen dieselben Verfassungen, erst das Christentum, dann Reformation, dann Aufklärung, dann Liberalismus, dann Sozialismus. Was aber machen wir jetzt? Wir hören auf, dasselbe zu machen, weil wir technisch werden; Technizismus und Pazifismus als die beiden Feinde Europas; denn beide können es nicht mehr unterscheiden. Die Christen sind Juden geworden, d. h. ökonomisch, diesseitig. Du armer Christ, nimm dich in Acht, man wird dich, im Namen des Christentums natürlich, . Die ungeheuere Scheuklappe des Lebens; wir sehen ja nichts als Leben und stellen uns immer mit dem Rücken zum Tod. Das Volk ist großartig, rührend, stark, gut, alles; weil es nicht regiert, und deshalb soll es regieren? Damit es alles das verliert? Der Proletarier will nichts als Mensch, weil er arm ist, und deshalb soll er reich? Damit er ein Deutscher wird? Hier sind Strukturanleitungen im Sophismus und im Betrug. 75r Schreckliche Verzweiflung; alles Schwindel, alles Schwindel; welch eine Kette von Dummheit und Betrug, Hereinfallen und narrischen in Leben. Inzwischen sind hoffentlich alle Möglichkeiten des Betruges erschöpft: Kirche, Staat, Familie, was bleibt? Ein ehrlicher .
2. Paralleltagebuch487 Ich bin ein Deutscher, kennt ihr meinen Schwindel;272a illusionslos in seiner ersten Windel, der einerseits erst mit dem endet; Wahn, Poesie, Frauen, alles; Achtung, einer bleibt noch: die Kinder; die süßen Kindchen. Sie werden mich schon finden; dann hab ich ihn, dann pack ich ihn, dann hau ich ihn. Betrug: Hauptsächlichst deutsche Identität: Identität von Betrogenem und Betrüger. Souvent le trompé trompe mieux. (Ermordeter und Mörder) Regierende und Regierte, Sieger und Besiegte. à corsaire, corsaire et demi273 à démocrate, démocrate et demi. Die Armut, aber die wilde Armut, [wie] Paracelsus sagt.274 Nicht die der Mönche und Pfaffen, die hinterlistige, betrügerische Organisation der Armut im juristischen Sinn. Der Zwang zur zwingt einen zum seelenlosen Ding, sinnlosem Eifer und sinnlosen Zielen, man läuft mit, weil alles läuft, nach einem Ziel, das man eigentlich gar nicht kennt, in der Richtung des allgemeinen Rennens, das sich als ein Kreislauf auf der Stelle erweist; Situation des Menschen in der heutigen Gesellschaft, was dem armen Rousseau mit Recht imponiert. Motto: Grabe hier nicht mehr vergebens.275 Der antirömische Affekt richtet sich heute gar nicht mehr so stark gegen die Kirche (es wäre Einbildung, wenn sie das glaubte, und eine hochstaplerische Überschätzung, sie ist ja bürokratisiert), sondern gegen Fascismus, Diktatur, Caesarismus, d. h. gegen jeden echten Staat. Rom = Staat. Pazifismus = Neutralismus.
272a Variation 273
274
275
der Preußenhymne, die beginnt: „Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben.“ Franz. Sprichwort mit der Bedeutung, dass man sich einem aggressiven Menschen mit noch größerer Aggressivität entgegenstellen muss; vgl. Glossarium, S. 372. In seinem Kommentar zu den Psalmen: Paracelsus: Sämtliche Werke. Abt. 2, Theologische und religionsphilosophische Schriften, Bd. 4 und 5: Auslegung des Psalters Davids, Wiesbaden 1955 und 1957. Zitat aus Goethes Gedicht „Der Schatzgräber“. Die letzte Strophe lautet: „Trinke Mut des reinen Lebens! / Dann verstehst du die Belehrung, / Kommst mit ängstlicher Beschwörung / Nicht zurück an diesen Ort. / Grabe hier nicht mehr vergebens! / Tages Arbeit, Abends Gäste! / Saure Wochen, frohe Feste! / Sei dein künftig Zauberwort.“
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2. Paralleltagebuch 76r
Neutralisierung: Die Elite neutralisiert, dann rückt die Masse gierig nach und verwandelt das Gebiet wieder in Kampfgebiet; so , ewig, schrecklich, wenn es an die Technik geht. Die Juden: Sie suchen den, der für sie die Verantwortung übernimmt, dann sind sie zu allem bereit. Unter dem Blick von Lenin hat Trotzki schon erschießen lassen und sich nicht gefürchtet; lässt man ihn allein, so ist er ein , sentimental, humanitärer . Und sie alle, die anderen Juden, die gierigen russischen ; ein Blick von Lenin und Len wusste, dass er für stimmen durfte, ja musste. Die Juden gehorchen, nur keine Angst, aber sie gehorchen nicht irgend einem dummen Kaffer und lassen sich hier um das, was Recht ist, nicht betrügen. Soziologie der Zeitungen: [3 Zeilen]. Die Frau stritt in die Richtung ungefährlicher Autoren usw. Der Trost im Anblick einer schönen Frau ist nur Betrug und trübe Täuschung, Tod und Vernichtung. Es gibt Gebildete Ungebildete Halbgebildete und Schnellgebildete. Die Gebildeten denken konkret und methodisch; die Ungebildeten denken abstrakt und methodologisch. Die Halbgebildeten denken nicht, sondern assoziieren nach Stichworten, die ihnen mit gewissen Apparaten über den Kopf gehauen werden; die Schnellgebildeten denken soziologisch und studieren am zweckmäßigsten in Heidelberg, wo sie schnell promovieren und sich habilitieren können. 77r Immer von Neuem verliebt, und doch ist jedes Eingehen darauf, jede, auch nur vorläufige Fassung nur eine Deproblematisation; die Große insbesondere ist systematische Deproblematisation. 35; sie war gütig und freundlich, sagte zu mir „Du bist ein liebes, gutes Kerlchen“, sagte süß, aber ich war müde, und die Raserei dauerte nur einige Minuten. Schöner Aufsatz: Die Untreue der Kirche (ist treu gegen sich selbst). Und Rom will sie zwingen, ihm treu zu sein? Rome n’est plus dans Rome.276 276
„Rome n’est plus dans Rome, elle est toute où je suis.“ Pierre Corneille, Sertorius, 3. Akt, 1. Szene. Vgl. Glossarium, S. 237.
2. Paralleltagebuch489 Ganz erstaunlich, und allen Nachdenkens wert: Warum ist der 1. christliche römische Kaiser aus Rom weggegangen? Warum hat er die erste Verlagerung Roms vorgenommen? Warum dann nach Moskau? Nicht erst seit 1059, das beginnt schon mit Konstantin, das Imperium geht seiner Wege. Im Zorn Philipps II. ist mehr Kirche als in Rom. In Rom blieb nur das Gespenst. Problem der Intelligenz. [mehrere Wörter]. 25. 11. 29 Des Morgens (als ich gegen 6 wieder eingeschlafen war) grauenhafte Erektionen, grauenhafte, zwingende Sehnsucht nach Magda, ihrem weißen Leib, Beißen, Toben, Unproblematik, ihre proletarische Kraft, ihr proletarisches Verständnis für meine Gier. Es ist sinnlos, Unsinn, aber es beherrscht mich, wie ein fremder Geist, der mich in der Gewalt hat, der mich reitet. Ich wälze mich in Erinnerungen; schnuppere wie ein Hund in jeder Spur dieser Stunde, soll ich ihr schreiben? Immer Pläne, sie nächtens zu besuchen, doch nach zu gehen und sie zu treffen usw. usw. Ein Radau, als wäre man in der Tschechoslowakei. . Illusionen um Luise. 78r Freute mich über die Liebe von Franz Blei:277 Der Aufsatz über die europäische Neutralisierung hat einen so klaren und zwingenden Schluss, der Schluss von selbst springt heraus, ergibt sich von selbst aus dem Ganzen; der Pessimismus der Stimmung ist echt und entsteht nicht aus einem persönlichen Missverhältnis zur Zeit. Auf der Reise, angeregt [2 Wörter] die Schleier der die Symptomatik des Unabsichtlichen wie des Absichtlichen, alles liegt offen zutage. Ich höre die Melodie der „Stummen von Portici“, von Auber278, bürgerliche L. Philippe . Der Jude Auber macht die Musik dazu. Dazu wird in Berlin der Text gemacht: [2 Zeilen]. Ausgezeichnet: der Bürgerknecht [5 Zeilen, nur Einzelwörter lesbar]. Augenblick der äußersten Steigerung direkt vor der Vernichtung: höchstes Christentum im Protestantismus (ein Schritt vor der Aufklärung), höchster Moralismus bei Kant (ein Schritt vor dem des 19. Jahrhunderts). 277
278
Vermutlich eine Reaktion Bleis auf: Carl Schmitt, Die europäische Kultur im Zwischenstadium der Neutralisierung. Daniel-François-Esprit Auber (1782–1871), franz. Opern-Komponist; 1828 komponierte er die Oper „La muette de Portici“, Die Stumme von Portici.
490
2. Paralleltagebuch 79r
Früher glaubte ich, die neuen Erfindungen wie Radio hätten eine biologische Macht, sie seien die Hilfsmittel für Gesamtfluch der Menschheit, Vorbereitung für eine kommende tellurische Katastrophe. Inzwischen sehe ich, dass auch das eine Überschätzung ist. Sie sind figurative Hilfsmittel und dienen der Verdummung; der Menschheit ist es zu anstrengend zu lesen, sie will das Lesen und Nachdenken verlernen, sie will blind werden, die künstliche Idiotisierung der Massen. Sehr notwendig als Vorbereitung für eine neue Herrschaft. Welche des Begriffs: Fernsprecher, Fernhörer, wenn das ein physisches Hören wird, statt dass eine von Platten gemachte Aufzeichnung mit ihr nach einigen Jahrtausenden noch verständlich ist. Saccus sine conscientia279 (Definition des Fiskus). [3 Zeilen]. Warum soll man nicht onanieren, es wird doch dadurch . Warum soll man nicht in der Nase bohren? [3 Wörter] wenn man es den Kindern verbietet. Warum soll man nicht? Integration: Man schreibt nicht mehr einen Roman; sondern wie ein gespräch. Edgar Poe280, oder 281, Moi, Juif, S. 324, nicht der Glaube, sondern der ewige Prozess des Gläubigen wird [Hauptsache], nicht die Wahrheit, sondern das Forschen nach der Wahrheit usw. [3 Wörter]. 79v Thoma [mehrere Zeilen] [Bl. 80–84 enthalten Notizen aus 1930 und sind veröffentlicht in: TB V, S. 446–454] 84v Ein origineller Typ für sich: der christliche Abenteurer des Berliner Tageblatts. Was, du willst auch etwas vom Leben haben? Hier hast du dies (einen Fußtritt ins Gedärm) 279
280 281
Fiscus est bursa Caesaris vel principis, vel potest dici hodie quod fiscus est saccus sine conscientia. „Der Fiskus ist der Geldbeutel des Kaisers oder Fürsten, oder es kann heute gesagt werden, dass der Fiskus ein Sack ohne Gewissen ist.“ Louis Bail, De Triplici examine ordinandorum, confessariorum et poenitentium. Authore Ludovico Bail, Editio nova correctior, Paris 1674, S. 253. Edgar Allan Poe (1809–1849), amerikan. Schriftsteller, vgl. Glossarium, S. 69. René Schwob (1895–1946), franz.-elsässischer Literatur- und Kunstkritiker. Sein Buch „Moi, Juif“ erschien 1928.
2. Paralleltagebuch491 und hier hast du noch etwas, einen Schlag durchs Gesicht. Inzwischen hast du etwas vom Leben. Nachts: Es fehlen mir die Klau’n Drum bin ich nur ein Klown. 85r [mehrere Wörter] 85v 2. 3. 28 In einem seligen Augenblick stehen die Schalen der Waage gleich. Die christliche Metaphysik allein schafft eine christliche Kultur. Aber es fehlt auch an den Präliminarien einer christlichen Kultur. 14. 3. 28 Massignon282 Die Bewegung betrifft nicht nur das Christentum, sondern auch den Islam und den Buddhismus. Synkretistisch. Mit einer Iation. Islamistischer Rationalismus ist das jüngste Gericht, nur die Erkenntnis des Guten und Bösen. Die Freimaurerei des 18. Jahrhunderts ein religiöser Rationalismus. Die „innerliche“ Pilgerfahrt nach Mekka; Gegensatz von formlosem Pismus und Monotheismus Relativismus im Islam und . 86v
Häusermakler Schlachtensee Gertraudenstr. Jos. Ludwig Saarhölzbach Saargebiet Deutschlands Stellung im Völkerbund und in Europa
282
Der folgende Eintrag enthält offenbar Stichworte der Diskussion, die Schmitt an diesem Tag mit dem Islamwissenschaftler Louis Massignon führte; s. oben, TB vom 14.3.28.
492
2. Paralleltagebuch
K. Holl, Luther 1923 (2. / 3. Auflage) gesammelte Aufsätze Band I. bei Mohr.283 H. Böhmer, Luther im Lichte der europ. Forschung, 4. Auflage 1917, gebunden 15 M.284 87v Faszismus 1) Rückkehr von Alba 2) Pluralismus a) die formale italienische Verfassung, ihre Notwendigkeit b) der soziologische Vorgang c) die Notwendigkeit des Gegenspielers d) der künstliche Gegenspieler, der künstliche König e) [10 Zeilen nicht deutbar, nur Einzelwörter zu lesen]. 88r Der steht die Neutralität des Staates und die Nicht-Neutralität die Partei. Die Sachlichkeit der heutigen Kunst, das Schweigen Kierkegaards; schweigendes Schweigen. Nur wer genügend eigene hat, kann es sich leisten, ohne auszukommen. Die durchs sozial=Wirkung von über Wert, Zusatzwert; unverdient, aber nicht ungerechtfertigt. [5 Zeilen]. 88v Das Land, die Rosen, die Familie, die Kirche, der Staat, alle sind wirklich, alles bestimmt dich und hält dich, aber hüte dich, auf eines von denen oder auf alles hereinzufallen, dich an sie zu klammern. Jeder lässt dich im Stich, du lässt jeden im Stich. Grauenhaft: dein Schicksal ist die Zeit in der du lebst. Ich bin in die wilhelminische Zeitepoche geraten. (sag: Ära).
283
284
Karl Holl, Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte. Teil 1: Luther, 2. und 3. verm. und verb. Aufl., Tübingen 1923. Heinrich Boehmer, Luther im Lichte der neueren Forschung. Ein krit. Bericht, 4. verm. und umgearb. Aufl., Leipzig / Berlin 1917.
2. Paralleltagebuch493 Meine Mutter sagte mir: Geh nicht um mit Frauenseelen, tu Duschka nicht weh; sie spricht davon, dass du eine Freundin hast; daran habe ich oft gedacht. [mehrere Wörter]. 89r [Die Notizen auf dieser Seite sind durchgestrichen]. 89v Was haben wir mit Proletariern zu tun? Was haben wir mit Einstein zu tun? Hannes sagt: [4 Zeilen]. Mir traut er nichts zu, der gute Jup, wie mir auch Frau Sombart nicht traut. [5 Zeilen].
Anhang
Briefe, Dokumente und Abbildungen Briefwechsel von Wilhelm Neuß mit Adolf Donders, Dompropst in Münster, das Berufungverfahren vor dem Offizialat Münster von Schmitts Eheauflösung betreffend ULB Bonn, Handschriftenabt., NL Neuß
Bonn, 14. II. 26 Lieber Herr Kollege! Nun ist mit Schmitt das Unglück, das ich befürchtet hatte, doch geschehen. Ohne mir etwas zu sagen, hat er sich bürgerlich mit der Dame, die er heiraten wollte, trauen lassen. Nachher kam er mir die Sache mitzuteilen. Er habe nicht länger warten können. Die Sache hat, was ich aber im allerstrengsten Vertrauen nur Ihnen sage, wie ich glaube stark auch den Grund, dass S. bei seinem Temperament Schlimmeres von sich fürchtete, wenn er weiter als Junggeselle lebte. Nun ist es insofern noch einigermaßen gut, als die Dame, die vom Balkan weit her zu Hause ist, sogleich nahe der bürgerlichen Trauung für einen Monat nach Hause gereist ist, um dort ihre Aussteuer in Ordnung zu bringen. Das ist alles für den, der S. nicht kennt, so sonderbar, aber für ihn, wie ich annehmen muss, eine letzte Frist, in der er noch hofft, dass die ihn lösende kirchliche Entscheidung kommt, ehe er die Ehe anders als durch die Standesamtliche Erklärung eingegangen ist. Die beiden haben ganz sicher nicht zusammen verkehrt. Nur hatte er diesen Termin als letzten des Abwartens in seiner Verzweiflung sich gesetzt. Ich fürchte nur, dass er seiner Sache in den Augen der kirchlichen Richter einen schlechten Dienst erwiesen hat. Eben deshalb wende ich mich an Sie. Sie werden auch in diesem Falle vielleicht verstehen und wenn es Ihnen möglich ist, gefährliche Folgen des Schrittes für den Prozess abwenden. Wenn es in dieser Lage von Bedeutung sein könnte, dass ich persönlich mit dem einen oder anderen der Richter spräche, so komme ich gern deshalb nach Münster. Schreiben Sie mir bitte ein paar Worte, wie es mit dem Prozesse steht und was Sie in dieser Lage raten. Es wäre doch zu schrecklich, wenn S. aus dem kirchlichen Leben ausscheiden müsste, ganz abgesehen von den Folgen, die solche Schritte auch bei dem theoretisch noch so überzeugten Katholiken innerlich auf die Dauer fast haben müssen. Traurig nur, dass die Sache ein so großes Ärgernis macht. Die Dame ist griechisch katholisch, persönlich eine sehr ruhige und und feine Natur, die ihrerseits überzeugt ist, dass sie kein Unrecht tut, einem Manne zu helfen, dessen eheliche Bindung durch die frühere Täuschungsehe sie nicht anerkennt. Ich bin sicher, sie würde bald genug konvertieren, wenn S. mit der Kirche ins Reine kommt. Sie ist aus durchaus guter Familie und nach Bonn vor einigen Jahren gekommen, um hier zu studieren. Denken wir an die Epistel von heute und suchen zu helfen! Vielen Dank im voraus. Mit der Bitte um einige Zeilen grüßt Sie herzlich Ihr [W. Neuß]
498Anhang Mü.[nster], Krummertimpen, 4. 6. 26 Lieber, w. Herr Kollege, Ich sprach mit Hr. Lux u. van de Loo1: ein Kommen hätte keinen Zweck. Der letztere sagte mir, in 3 Wochen etwa sei alles abgeschlossen: es gäbe aber vor dem Forum des C.I.C. u. der Kirche überhaupt da keine Möglichkeit mehr, – gar keine! Darum also ist nichts mehr zu ändern u. zu hoffen. Der Weg wird so sein: sie wollen von hier aus alles nach Köln wieder zurückgeben. Ach, was sind das doch furchtbare u. schwere Lasten, die ein ganzes Leben wie mit Zentnern beladen können. Treue Grüße, Ihr A. Donders Heinrich Oberheid: Auszug aus einem Brief an Carl Schmitt vom 8. 7. 1968 RW 0265 Nr. 10511
[…] Ich denke zurück an das Jahr 19272, in dem mich Erik Peterson mit Ihnen bekannt machte. Wir trafen uns in einem Gasthof gegenüber dem Bahnhof Bonn. Sie aßen Leberwurst (mit 2 Brötchen) und tranken Bier. Nach wenigen Minuten unseres Zusammenseins begann ein Streitgespräch über die Elemente des Sakraments: Brot und Wein – oder auch Schinken und Steinhäger (wie in der Wiesenkirche in Soest3). Wie viele Gespräche haben wir darüber geführt. Schon beim ersten spürte ich die Kraft Ihrer Formulierungen. Die Überlegenheit eines Mannes, der aus dem Begreifen einen Begriff setzen kann. Damals habe ich mich der zünftigen protestantischen Theologie geschämt, die kümmerlich, unverbindlich und nebulös über die Dinge daherredete. Ihnen danke ich es, daß ich die politische Theologie Calvins, die allein auf das ewige Leben gezielten Schulen Luthers, das Unheil der Gnesiolutheraner mit ihrem tötlichen Dogmatismus bis ins letzte studiert und verstanden habe. Ihr schöner Vers: Im Kampf um Rom siegt Rudolf Sohm – wäre sicher nicht ohne unsere Gespräche entstanden. […]
1 2 3
Geistlicher Rat Dr. Wilhelm van de Loo (1873–1941). Die Bekanntschaft Oberheids mit Schmitt datiert aus 1926! In der Wiesenkirche in Soest gibt es ein Glasfenster aus der Zeit um 1500, in dem das Abendmahl in der regionaltypischen Gestalt Westfalens eingenommen wird.
Briefe und Dokumente
499 Waldemar Gurian an Erik Peterson Peterson-Archiv Turin
Godesberg 20 [oder 28] Sept 26 Lieber Herr Professor: Anbei sende ich einen Bericht über die Görresgesellschaftstagung und eine Replik aus der K.[ölnischen] V.[olkszeitung] Darf ich Sie in einer etwas delikaten Angelegenheit um Rat fragen? Sie erinnern sich vielleicht noch unseres (mit Adams) letzten Gespräches vor der Abreise über Schmitt. Ich musste daran oft in letzter Zeit denken. Schmitt scheint nämlich (aus durchaus irrationalen Gründen, wie ich glaube) etwas gegen mich zu haben. Ich bin auf die Dauer nicht gewillt seine Primadonnenlaunen zu ertragen. Es könnte zu einer Explosion kommen, bei der ich das, was ich über ihn denke, offen sagen würde. Und das möchte ich wirklich nicht. Denn ich fühle mich ihm gegenüber seit der Muth-Affaire im Unrecht, da er sich da ausserordentlich anständig betragen hat. Aber was sagen Sie zu folgendem: Adams und ich besuchen Schmitt. Ohne jede Veranlassung rühmt Schmitt diese Europäische Revue, die Prinz Rohan ediert. Ich sage: Neufrisierter Liberalismus. Er: Aber Werner Becker steht dem Prinzen Rohan nahe. Ich: Kein Beweis (Abgekürztes Referat!) Er: Sie dürfen nicht so höhnisch sein. Zwei Minuten später wechselt das Bild: Rohan = Jünger Keyserlings und . Ist ein Mann wie Schmitt ernst zu nehmen, derweil ihm der Prinz Rohan schmeichelt, ihn für den kommenden Mann erklärt, aber doch wieder zu klug ist, um sein Lob ernst zu nehmen? Herr Prof. Schmitt scheint mich nicht mehr nötig zu haben (wer hat in der kath. Presse die Stimmung für ihn beeinflusst! Mir tut es – trotz der vielen Vorwürfe, die man mir macht – durchaus nicht leid). Er glaubt andere Unterhaltungsobjekte für seine Langeweile nötig zu haben, die ja neben moroser Verzweiflung das einzige ist was seine Seele füllt; ich habe vor einigen Tagen ein Memoirenbuch über Maurras gelesen; wie ähnlich ist Maurras mit Schmitt; nur ist Maurras ehrlicher; er prätendiert sich nicht nach aussen als kathol[isch]! Er ist Heide, die Kirche Ordnungsstütze! Gleiche Angst vor Theologen als äusserer Autorität, gleiche Launenhaftigkeit, gleiche Mischung aus Akribie, Fleiss und Bohème, gleiches Verhältnis zu Menschen, gleicher Eindruck von ihm; unheimlich!) Ich habe Schmitt – ich sage es offen – in gewisser Weise nötig. Qua Anregung. Und nun habe ich ein böses Gewissen ihm gegenüber: Ich misstraue ihm. Ich bin gereizt. Ich bin schärfer als gewöhnlich. Empfindlicher. Die Atmosphäre steter Spannung ist da. So ist die Lage. (An sich objektiv unwichtig, aber ich frage Sie nur um Rat) Meinen Sie, dass es besser ist, unauffällig mit Schmitt zu brechen (Also ohne Krach, den ich gern vermeiden möchte; ich hoffe mich beherrschen zu können, wenn Schmitt sich über mich etwa so wie über Braubach äussern würde, woran ja kein Zweifel ist) – oder Verkehr aufrechterhalten, (bei meiner Einstellung zu ihm; ich kann sie beim besten Willen nicht äussern; ich halte ihn für unaufrichtig) – oder ihn ehrlich fragen, was er gegen mich hat (Gefahr: Krach) – oder meine Abneigung als ungerecht (nicht moralisch, ontisch) zu überwinden!
500Anhang Sie kennen Schmitt wahrscheinlich besser als ich. Und ich habe kein ruhiges Gewissen wenn ich über ihn so scharf urteile. (Im Gegensatz etwa: Als ich an die Hochlandredaktion schrieb, Muth sei ein Lügner und unanständiger Mensch, tat ich das ruhigsten Gewissens. Muth ist quand même in der Substanz , Schmitt ist zu klug um à la Muth die dehors nicht zu wahren aber in der Substanz …) Bitte sagen Sie ganz offen, was sie zu meinem Briefe meinen. Ich habe übrigens das Literatentum satt und werde sehen aus diesem herauszukommen. Mit besten Grüssen Ihr Waldemar Gurian Briefwechsel Hermann Heller – Carl Schmitt Hermann Heller an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 5872, handschr.
Berlin-Schlachtensee, 17.4.1927 Lieber Herr Schmitt! Heute am Ostersonntag finde ich endlich die Ruhe, um Ihnen für die beglückenden Tage in Ihrem Hause von Herzen zu danken. Ich kann nicht ausdrücken, wie freudig und fruchtbar die Zeit für mich gewesen war. Neben dem Gewinn eines liebenswürdigen Menschen habe ich die Überzeugung und Genugtuung mitgenommen, dass Sie dem kommenden Deutschland, das heute noch unter einer dünnen, zum Reissen gespannten Decke liegt, sehr viel zu sagen haben. Nehmen Sie aufrichtigen Dank sowohl für die Gastfreundschaft, wie für alles das, was Sie mir im Gespräch gegeben haben. Dass Sie mir gerade Bernanos schenkten, nehme ich als Antwort auf die Fragen meines letzten Briefes. Es ist religiös und aesthetisch das grossartigste Buch der heutigen Zeit.4 Jetzt stimme ich allem, was Sie damals über das Wesen der Heiligen zu Ihrer Frau sagten, durchaus zu. Die Überschrift „Der Heilige“ ist übrigens berechtigt; denn einen anderen Heiligen, als den von Bernanos gezeichneten, können wir Heutigen uns nicht vorstellen. Als Ergänzung Ihrer politischen Besessenheit ist mir Ihre Liebe zu diesem Buch menschlich eine sehr grosse Freude. Die Tage nach meiner Rückkehr nach Berlin waren mit vielen sehr misslichen Finanzkalamitäten angefüllt. habe ich Smend, der tief in seine rechtstheoretische Arbeit vergraben ist – sie soll im heurigen Sommer herauskommen – 1 ½ Stunden telefonisch gesprochen und mein Herz bezüglich der Kaufmannschen Gehässigkeiten erleichtert.
4
Schmitt schenkte Heller: Georges Bernanos, Die Sonne Satans, Hellerau 1927. Der 3. Teil des Romans ist überschrieben: „Der Heilige“.
Briefe und Dokumente
501
Ihrer verehrten Frau bitte ich mich recht herzlich zu empfehlen. Hoffentlich sehe ich Sie recht bald wieder. Bis dahin bin ich in aufrichtiger Ergebenheit Ihr Hermann Heller Carl Schmitt an Hermann Heller, 18.12.1928 RW 0265 Nr. 13078, maschr. Durchschlag
Berlin, 18. Dezember 1928 Sehr verehrter Herr Heller, ich danke Ihnen bestens für die freundliche Zusendung Ihres Aufsatzes „Bemerkungen zur staatlichen und rechtstheoretischen Problematik der Gegenwart“. Leider kann ich aus dem Sonderdruck nicht ersehen, in welcher Zeitschrift oder Sammlung der Aufsatz erschienen ist, was für eine Zitierung von Interesse wäre. Ich wäre Ihnen ferner sehr dankbar, wenn Sie mir gelegentlich mitteilen wollten, an welcher Stelle und in welchem Zusammenhang die Wendung von dem „existentiell zu vernichtenden Feind“ in meinem Aufsatz „Der Begriff des Politischen“ oder anderweitig vorkommt. In Ihrem Aufsatz steht diese Wendung auf S. 16, wobei in Klammern mein Name genannt ist. Es ist allerdings kein Zitat in Gänsefüßen, aber bei einem derartigen Thema und in einem derartigen Zusammenhang habe ich ein Interesse daran, korrekt zitiert zu werden, um mich vor naheliegenden Mißverständnissen oder gar Insinuationen zu schützen. Ich erinnere mich nicht, davon gesprochen zu haben, daß der Feind vernichtet werden soll, vielmehr ist immer von dem Pluralismus der politischen Welt die Rede, und auf S. 4 meines Aufsatzes heißt es nur, daß der Feind „im Konfliktsfall die Negation der eigenen Art von Existenz bedeutet und deshalb abgewehrt oder bekämpft wird, um die eigene seinsmäßige Art von Leben zu bewahren“. Die Vernichtung ergibt sich erst aus der Fälschung politischer Begriffe durch eine Moralisierung und Juridifizierung, und es war gerade der Sinn meines Aufsatzes, gegenüber dieser Verwirrung die einfache Wahrheit zu restituieren. Ich wollte in einer Atmosphäre des Betruges ein Wort einfachster menschlicher und intellektueller Ehrlichkeit sagen und fühle mich mit diesem Aufsatz durchaus als ein sole retriever of an ancient prudence.5 Die Stichworte aber, in deren Zusammenhang mein Name auf S. 16 Ihres Aufsatzes steht ([„]neomacchiavellistische Staatstechnik[“], „desillusionierte bürgerliche Gesellschaft“, [„]Kampf um die nackte Macht“, [„]Machtmetapysik dieses Herrschaftswissens“, [„]desillusionierter Sozialismus und Katholizismus“, „atheistischer Katholizismus“) sind nach meinen Erfahrungen aus den verschiedenartigsten Motiven einer ziemlich konkreten Freund- und Feindgruppierung, in die man mich hineinzieht, obwohl ich mir bisher meine geistige Freiheit zu wahren wußte. Sie werden es deshalb verstehen, wenn ich Sie bitte, mich darüber zu belehren, worin die exakte Bedeutung jener Nennung
5
s. oben, S. 449.
502Anhang meines Namens liegt. An sich gehört mein Name doch eigentlich nicht in ein solches Referat über die Staatslehre Paretos. Mit den besten Empfehlungen Ihr sehr ergebener [ohne Unterschrift] Hermann Heller an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 5873, handschr., mit maschr. Abschr.
Berlin-Schlachtensee, 20.12.28 Sehr verehrter Herr Schmitt! Der Ihnen übersandte Aufsatz liegt bereits seit einem Jahre gedruckt bei der „Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft“ und darf in den „Forschungsberichten“ erscheinen. Ich würde es aufrichtig bedauern, wenn Sie der Meinung wären, ich hätte Sie nicht ganz korrekt zitiert. Das fragliche, in Ihrem Brief angezogene Zitat habe ich in den „Problemen der Demokratie“ (S: 37) in extenso wiedergegeben mit der Beifügung: „gegebenenfalls vernichtet wird“. Nun bin ich allerdings stets der Meinung gewesen, dass für Sie der „Krieg“ aus der (politischen) Feindschaft „folgt“, „denn diese ist seinsmässige Negierung eines andern Seins“ (S. 6 Ihres Aufsatzes). Gewiss braucht der Krieg nichts Alltägliches zu sein, er liegt aber für wesensnotwendig als dauernde Möglichkeit im Begriff des politischen Feindes und damit im Begriff des Politischen. Wenn ich also in einem sehr summarischen Referat, notabene ohne Gänsefüsschen behaupte, in Ihrer Freund-Feindkategorie liege „der Nachdruck“ auf dem existentiell zu vernichtenden Feinde und diese Auffassung beziehe auf einen Zustand, in dem es keine Diskussionsbasis zwischen politischen Gegnern mehr gibt, so glaube ich Sie wirklich nicht unrichtig zitiert zu haben. Das Wort „Nachdruck“ soll eben in diesem Zusammenhange besagen, 1.) dass Ihre Begriffsbestimmung ausschliesslich den Feindbegriff akzentuiert, 2.) dass in Ihrem Feindbegriffe der Akzent liegt auf der „seinsmässigen Negierung eines anderen Seins“. Nach nochmaliger genauer Lektüre meiner Zeilen glaube ich auch mit Bestimmtheit sagen zu können, dass meine Darlegungen Ihren Namen nur eben [für] jenen Freund-Feind-Begriff des Politischen in Anspruch nehmen. „Kreislauf der Eliten“, „Herrschaftswissen“ usw. sind bekannte Ausdrücke Paretos, der auch sogleich als einer der Väter des Faszismus und der Action Française, richtiger ihres Ablegers Valois genannt wird. Ganz privat will ich Ihnen allerdings nicht verhehlen, dass m. E. jene Desillusionierungen allerdings auch für Ihre politischen Auffassungen keine geringe Rolle spielen. Ich bedaure das, nein, ich empfinde es geradezu schmerzlich und das um so mehr, als ich der ehrlichen Überzeugung bin, dass Sie zu den zwei oder drei politischen Denkern [gehören], die der Gegenwart etwas zu sagen haben und für eine wesentliche Diskussion in Frage kommen. Es wäre mir eine Freude, wenn Sie über diese und andere Fragen hin und wieder zu einer mündlichen Aussprache geneigt wären.
Briefe und Dokumente
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Mit freundlichen Empfehlungen Ihr ergebener Hermann Heller Carl Schmitt an Hermann Heller RW 0265 Nr. 13079, maschr. Durchschlag
22.12.1928 Sehr geehrter Herr Heller, für Ihre freundliche Antwort auf meine Anfrage sage ich Ihnen meinen besten Dank. Es kam mir darauf an, zu erfahren, ob ich in meinem Aufsatz statt von Bekämpfung und Abwehr von „Vernichtung“ des Feindes gesprochen haben sollte oder gar von „existentieller Vernichtung“. Ich hatte einen Augenblick befürchtet, mit irgend einer mißverständlichen Wendung die begriffliche und sprachliche Sorgfalt, die zu einem solchen Thema gehört, versehentlich außer Acht gelassen zu haben. Aus Ihrem Brief entnehme ich nun, daß die Worte „existentielle Vernichtung“ eine wie Sie sagen „Beifügung“ von Ihnen sind. Damit ist etwas „beigefügt“, was meinen Gedankengang nicht nur verändert, sondern ihm widerspricht. Denn ich sehe den Sinn des Krieges in der Abwehr des Feindes, in der Negation einer Negation der eigenen Existenz. Das ist etwas Anderes als „existentielle Vernichtung“ des Feindes. Solche Vernichtung ergibt sich erst aus der falschen Moralisierung, deren Widerlegung der ganze Aufsatz gewidmet ist. „Solche Kriege sind notwendigerweise besonders intensive und unmenschliche Kriege, weil sie, über das Politische hinausgehend, den Feind gleichzeitig in moralischen und andern Kategorien herabsetzen und zum unmenschlichen Scheusal machen müssen, das nicht nur abgewehrt, sondern definitiv vernichtet werden muß“. (S. 9 meines Aufs.) Daß die Vernichtung etwas Anderes ist als Abwehr und die Tendenz zur Vernichtung sich gerade aus der liberalen Begriffsauflösung ergibt, ist also nicht nur die Gesamt-These des Aufsatzes, sondern überdies noch in einer eindeutigen Gegenüberstellung ganz ausdrücklich gesagt. Es ist auch nicht zulässig, das Wort Negierung mit Vernichtung zu übersetzen, wie Sie das unbedenklich tun, und eine unrichtige Beifügung wird nicht dadurch gerechtfertigt, daß man sie nicht in Gänsefüßchen setzt. Trotzdem halten Sie in Ihrem Brief daran fest, daß Sie das Recht haben, der von Ihnen gebrauchten Wendung „existentielle Vernichtung des Feindes“ meinen Namen anzuhängen und berufen sich darauf, daß Ihre Beifügung nicht in Gänsefüßchen steht. Ich möchte Ihnen deshalb sagen, daß mir der Gedanke einer solchen Vernichtung fremd und widerlich ist, daß ich in der Sphäre des Geistes Existenz mit Vernichtung ontologisch nicht zusammen denken kann und mich auch scheuen würde, solche Wortverbindung in den Mund zu nehmen. Mit den besten Empfehlungen Ihr sehr ergebener [ohne Unterschr.]
504Anhang Hermann Heller an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 05874, Postkarte, maschr.
Santander am 17. 7. 33 Zu der so überaus wohlverdienten Ehrung durch Herrn Minister Goering beglückwünscht Sie [handschr.:] Hermann Heller
Brief von Moritz Julius Bonn, Adressat nicht genannt, aber wahrscheinlich Fritz Demuth, der Vorsitzende des Kuratoriums der Handelshochschule Berlin. Archiv der HU Berlin, HUB UA, UK Personalia, PA Carl Schmitt, Nr. 159a, Bd. III
Parsch bei Salzburg, 9. IV. 28 Sehr verehrter Herr Geheimrat! Schönen Dank für Ihre Mitteilung, die mich in Davos erreichte. Ich habe dort Karl [!] Schmitt getroffen, der recht deprimiert war. Er hat nämlich keine Wohnung gefunden und muß den Sommer über in eine Pension ziehen. Seine Frau, die immer noch leidend ist, muß in Bonn bleiben. Könnten Sie nicht ein paar Worte an ihn richten, und ihm die guten Dienste der Handelskammer bei der Wohnungsbeschaffung anbieten? Er ist furchtbar untüchtig in diesen Dingen u. für jede menschliche Unterstützung dankbar. Er hat in Davos großen Eindruck gemacht, natürlich auch vielen Widerspruch gefunden, aber das schadet nicht. Die Kombination Liebert, Schmitt und ich hat sicher nicht schlecht gewirkt. Ich gehe den letzten Teil der Ferien nach England, da ich dort sprechen muß. Freundlichen Gruß Ihr sehr ergebener MJBonn
Briefe und Dokumente
505 Carl Schmitt an Jacques Maritain
Bibliothèque Nationale universitaire de Strasbourg, Fonds Maritain
506Anhang
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508Anhang Gretha Jünger: „Duschka“ aus: Gretha von Jeinsen [d. i. Gretha Jünger], Silhouetten. Eigenwillige Betrachtungen, Pfullingen 1955, S. 172–175
Berlin schenkte mir noch, gleichsam zum Abschied, die Begegnung mit einer der für mich bedeutsamsten Gestalten unter den Frauen, die wie keine andere berufen war, den höchsten Rang unter ihnen einzunehmen: Duschka. Wenn ich ihren Namen ausspreche, so bewegt mich die Erinnerung an ein Leben, das die Züge eines großen Charakters trägt und immer nur vereinzelt wiederkehren mag. Die Armut unserer Zeit konnte in dieser Erscheinung keinen Raum gewinnen. Ich habe sie nur für andere leben sehen und von ihr gelernt, wie unwichtig demgegenüber das eigene Los und das eigene Schicksal erscheinen kann. Ich versuchte, zu lernen, aber ich blieb Schülerin, sie selbst unerreicht. Der Tisch ihres Hauses sah zwanzig Jahre hindurch neben allen großen Namen auch die geringsten, unbekannten; darin sah ich stets ein glückliches Gleichnis für das, was Kopf und Herz zu vereinen wußten. Sie blieb in der kühlen, geistigen Luft so unverändert wie in der mütterlich-tragenden ihrer Betreuung, und es gab niemand, den sie nicht beschenkt von diesem Tisch entließ, wohl aber manchen, der sich daran später nicht mehr erinnern konnte. Alle Gaben und Eigenschaften an ihr besaßen den gleichen natürlichen Boden wie ihr Wesen, wie die ihr angeborene Würde, ja selbst ihre Strenge, die sie, ohne es selber zu bemerken, annehmen konnte. Nichts war erlernt, anerzogen oder durch den Einfluß Anderer geprägt. Unbestechlich in ihrem Urteil, war sie es auch in ihrem Empfinden, in ihrer Liebe zur Wahrheit; nichts war imstande, sie von einem Entschluß abzubringen, der ihr als ein Wagnis hingestellt oder als gefährlich bezeichnet wurde. So sah ich sie mehr als ein Mal der Gestapo eines der Opfer entreißen, und sie konnte es nur auf die ihr eigene Art tun: mit der absoluten Furchtlosigkeit, aber auch mit der Kraft ihrer Haltung, ihrer Persönlichkeit, der sich kaum einer entziehen konnte. Es gibt ein Gewicht des Glaubens, mit dem man eine gute Sache vertritt, das sich in seiner Ausstrahlung stärker erweist als die Wand einer Zelle; sie besaß es, und sie teilte es anderen mit. Dieser Boden, dem sie entwachsen war, besaß noch die alte, ursprüngliche Kraft; so haftete an ihr seine Schwere, aber auch die heitere, von Sonne durchglühte Reife. Wenn ich sie vor mir sah, mußte ich denken, daß sie alles davon in sich trug: Erde, Himmel, Feuer und die tiefen Quellen ihrer serbischen Heimat. Unzähligen hat sie geholfen. Was mehr besagen will: sie legte sich Opfer dafür auf und scheute keine Belastung, keinen noch so mühseligen Weg. Als ich ihr einmal davon sprach, war ihre Antwort: „Was wollen Sie? Das sind nicht Opfer für mich. Nennen Sie es Eigenwillen!“ Das Pflichtbewußtsein, das sie erfüllt und bis zum letzen Tag ihres Lebens so selbstverständlich für sie bleiben sollte, besaß nichts von jener Strenge, die oft seinen Schatten bilden kann; es war eher ein fröhliches zu nennen. Hinter dieser Fröhlichkeit verbarg sie alle Züge eines wahrhaft großen Herzens, dem Eitelkeit so fremd war wie Verstellung und falsche
Briefe und Dokumente
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Demut, das nur echte Empfindungen kannte und in Zeiten der Not und des Leidens sich über sich selbst erhob. Ein Traum, den ich von ihr hatte, erschien mir bedeutsam für das Wesen unserer Freundschaft: ich erwartete ein Kind und lag in Fieber und Schmerzen. Duschka betrat den Raum; sie gab mir in beide Hände zwei tönerne Schalen, in die sie das heiße Quellwasser ihrer Heimat goß. Dämpfe stiegen auf, ich atmete sie ein, erleichtert, befreit und sehr glücklich. Dann hielt sie meine Tochter in den Armen und reichte mir einen Pokal aus rotem Kristall, aus dem wir gemeinsam tranken. „Über den wunderschönen Traum habe ich mich sehr gefreut, und ich möchte es wünschen, er ginge in Erfüllung“, schrieb sie mir. Er konnte nur aussagen, wie sehr ich sie liebte. Ich habe die Jahre des Glückes miterlebt und die ihrer Sorgen. Nichts konnte sie verändern in dem ruhigen Gleichmaß und der Sicherheit ihres Wesens, ihres Vertrauens zu Gott. Ihre Kämpfe, die Belastungen eines Tages, einer Stunde, die Nächte des Krieges, das von den Bomben zerstörte Haus und der Einmarsch der Russen in Berlin: dies alles spielte sich im inneren Raume ab, es drang nicht nach außen vor, und niemals zeigte sie ein Erschrecken, ein Nachlassen ihrer seelischen Kraft. Ich kann nur glauben, daß auch dies eine Gnade war, denn sie blieb ihr, um allen Leiden noch zu begegnen, unendlichen Prüfungen und unendlichen Schmerzen, die ihr letztes Lager umstanden. Hier erst, im Bewußtsein des nahenden Todes, erkannte ich ihre Seelengröße in ihrem letzten, leuchtenden Glanz, in den schönen Augen, die noch zu lächeln suchten, in den Worten, mit denen sie uns Trost zusprach. Immer noch sorgend für andere, bedacht auf Schonung, nicht für sich selbst, sondern für jene, die sie liebte: alles ordnend, alles erfüllend, blieb sie sich und ihrem Leben auch in diesen Stunden getreu. An sie denke ich bei den Glocken des ersten Advent, beim Gang über die winterlichen Felder, durch den Wald, der mit Rauhreif bedeckt ist, beim weichen Fall der Flocken unter den treibenden Wolken … Wie liebte sie diese weißen Tage und Nächte und bei der Heimkehr das knisternde Feuer, die Kerzen und den Duft der Tannen. Um diese Zeit auch starb sie. Aber noch andere Bilder steigen in mir auf, Landschaften, die ich nie gesehen und die mir doch innerlich vertraut sind, weil sie ihr wesenszugehörig erscheinen: die Weite der Macchia, das silberne Laub der Ölbäume und an weißen, überglühten Steilhängen die Stufen zu griechischen Tempeln und Säulen. Sonne, Licht, Wärme und Brunnen voll lebendigen Wassers, ein sanfter Wind, der von den Bergen Kühlung weht. Ewige Landschaft und ewige Wiederkehr! So lebt sie in mir. Ihre Zuneigung zu besitzen, war mir ein Geschenk, das ich als Kostbarkeit in mir bewahre.
510Anhang Die Lehrveranstaltungen Carl Schmitts an der Berliner Handelshochschule vom SS 1928 bis zum WS 1929 / 30 nach: Vorlesungsverzeichnis der HHB
SS 1928: – Vorlesung Allgemeine Staastlehre (insbesondere Verfassungslehre), Di, Fr 6–8 – Verwaltungsrecht (Übungsvorlesung) Di, Mi, Do 8–9 vorm. – Staatstheorien der Gegenwart, Do 8–9 abds. WS 1928 / 29: – Einführungsveranst. in Rechtswiss. Sb, 3. Nov., 11–12 – Vorl. Reichs- und Landesstaatsrecht, Di, Do 11–1 – Übungen im öffentlichen Recht, Di 6–8 – Politisches Seminar, Do 6–8 (nur nach pers. Einladung) SS 1929: – Einführungsveranst. in Rechtswiss., Mi, 1. Mai, 12–1 – Vorl. Staats- und Verfassungslehre, Di, Do 11–1 – Vorl. Völkerrecht (Grundzüge), Di 5–6 – Verfassungsrechtliches Seminar, Do 6–8 (nur nach pers. Einladung) WS 1929 / 30: – Vorl. Staatsrecht, Di, Fr. 11–1 – Staats- und verwaltungsrechtliche Übung, Di 5–7 – Staatstheoretisches Seminar, Do 6–8 (nur nach pers. Einladung)
Abbildungen511
Erik Peterson, ca. 1926
Carl Schmitt, Bonn, Endenicher Allee in den 20er Jahren
Bonn, Weinstube Streng, 1920er Jahre
512Anhang
Besuch von Carl Schmitts Eltern im Juni 1927 (v.l.n.r.: Carl Schmitts Schwester Ännchen und seine Eltern, Carl und Duschka Schmitt)
Haus Friesdorf, Vorderseite, heutiger Zustand. Foto: Klaus Pawlak; Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn.
Abbildungen513
Ausflug mit Oberheid und Linn; vgl. Tagebucheintrag v. 29.8.1927. (Erwachsene v.l.n.r.: Heinrich Oberheid, Margarete Oberheid, Jeanne Linn, Pierre Linn, Duschka Schmitt, Carl Schmitt)
Einfahrt in die Zeche Gottfried Wilhelm in Essen; vgl. Tagebucheintrag v. 21.8.1927. (v.l.n.r.: N.N., Carl Schmitt, Pierre Linn, Ernst Tengelmann, N.N., Heinrich Oberheid)
514Anhang
Carl Schmitt mit Gewehr im Anschlag im Garten Haus Friesdorf; vgl. Tagebucheintrag v. 22.8.1927
Haus Friesdorf, Bonner Allee 211, Gartenseite. (v.l.n.r.: Duschka Schmitt, Carl Schmitt, Jeanne Linn, Pierre Linn)
Haus Friesdorf, Bonner Allee 211, Terrasse (vorne Duschka Schmitt, vermutl. Frau Braschoß, Carl Schmitt, stehend Hausangestellte, Erik Peterson)
Abbildungen515
Bonn, Endenicher Allee. Postkarte, Fotograf unbekannt, Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn.
Blick auf Friesdorf und das Siebengebirge. Fotograf unbekannt, Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn.
516Anhang
Reiseschreibmaschine Remington Portable von Carl Schmitt; vgl. TB v. 9.11.1928
Alice Berend. Portrait zum 50. Geburtstag am 30. 6. 1928
Kaiser Friedrich Krankenhaus, San Remo, 1920er Jahre
Abbildungen517
Bericht über Carl Schmitt und seinen Vortrag zu Donoso Cortès in Madrid. 24.10.1929
518Anhang
Bericht in der Tageszeitung ABC v. 24.10.1929 über Carl Schmitt und seinen Vortrag zu Donoso Cortès in Madrid
Quellen und Literatur Adressbücher:
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Quellen und Literatur
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Quellen und Literatur
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Quellen und Literatur523 Szatmari: Eugen Szatmari, Das Buch von Berlin (Was nicht im Baedeker steht, 1), München 1927 (Fotomechanischer Nachdr. Leipzig 1997) TB I: Carl Schmitt, Tagebücher. Oktober 1912 bis Februar 1915. Hrsg. von Ernst Hüsmert, 2. korr. Aufl., Berlin 2005 TB II: Carl Schmitt, Die Militärzeit 1915 bis 1919. Tagebuch Februar bis Dezember 1915. Aufsätze und Materialien. Hrsg. von Ernst Hüsmert und Gerd Giesler, Berlin 2005 TB III: Carl Schmitt, Der Schatten Gottes. Introspektionen, Tagebücher und Briefe 1921 bis 1924. Hrsg. von Gerd Giesler, Ernst Hüsmert und Wolfgang H. Spindler, Berlin 2014 TB V: Carl Schmitt, Tagebücher 1930–1934. Hrsg. von Wolfgang Schuller in Zusammenarbeit mit Gerd Giesler, Berlin 2010 Thümmler: Ellen Thümmler, Katholischer Publizist und amerikanischer Politikwissenschaftler. Eine intellektuelle Biographie Waldemar Gurians, Baden-Baden 2011 Tilitzki (1994): Christian Tilitzki, Carl Schmitt an der Handels-Hochschule Berlin 1928–1933. In: Schmittiana IV, 1994, S. 157–202 Tilitzki (2002): Christian Tilitzki, Die deutsche Universitätsphilosophie in der Weimarer Republik und im Dritten Reich, T. 1–2, Berlin 2002 Tommissen (1988): Piet Tommissen, Bausteine zu einer wissenschaftlichen Biographie (Periode 1888– 1933). In: Complexio oppositorum. Über Carl Schmitt. Vorträge und Diskussionsbeiträge des 28. Sonderseminars 1986 der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Hrsg. von Helmut Quaritsch, Berlin 1988, S. 71–106 Tommissen (1997): Piet Tommissen, In Sachen Carl Schmitt, Wien 1997 Verfassungslehre: Carl Schmitt, Verfassungslehre, 8. Aufl., Berlin 1993 Vorl.-verz. Bonn: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn und Landwirtschaftliche Hochschule Bonn-Poppelsdorf. Personal- und Vorlesungsverzeichnis SS 1925–WS 1927/28 (Online verfügbar: http://digitale-sammlungen.ulb.uni-bonn.de) Vorl.-verz. HH: Handels-Hochschule Berlin, Amtliches Verzeichnis der Vorlesungen und Übungen, Sommersemester 1928–Wintersemester 1929/30 Wacker: Bernd Wacker (Hrsg.), Die eigentliche katholische Verschärfung… Konfession, Theologie und Politik im Werk Carl Schmitts, München 1994, S. 37–64 Weiß: Otto Weiß, Kulturkatholizismus. Katholiken auf dem Weg in die deutsche Kultur 1900–1933, Regensburg 2014 Weka: Weka [d. i. Willi Proeger], Stätten der Berliner Prostitution. Von den Elends-Absteigequartieren am Schlesischen Bahnhof und Alexanderplatz zur Luxus-Prostitution der Friedrichstrasse und des Kurfürstendamms. Eine Reportage, Berlin 1930 v. Wiese: Benno von Wiese, Ich erzähle mein Leben. Erinnerungen, Frankfurt a. M. 1982 Wolffram: Knud Wolffram, Tanzdielen und Vergüngungspaläste. Berliner Nachtleben in den dreißiger und vierziger Jahren. Von der Friedrichstraße bis Berlin W, vom Moka Efti bis zum Delphi, Berlin 1992
Abbildungs- und Quellennachweis Seiten 426, 441, 443, 450, 457, 459, 474, 476, Nachlass Carl Schmitt, Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland, RW 0265 Nr. 1906, Seiten 22r, 36v, 37v, 43r, 49v, 50v, 63v, 64v; Seite 498 unten, RW 0265 Nr. 10511, Auszug aus einem Brief von Oberheid an Schmitt; Seiten 500, 501, 502, 503, 504, RW 0265 Nr. 5872, 13078, 5873, 13079, 5844 Briefwechsel Heller – Schmitt; Seite 516 unten, RW 0779 Nr. 667 Postkarte Krankenhaus San Remo; Seiten 517, 518, RW 0265 Nr. 20105 Seiten 497 u. 498 oben, ULB Bonn, Handschriftenabteilung Seite 504 unten, Archiv der HU Berlin, UA, UK Personalia, PA Carl Schmitt Nr. 159a, Bd. III Seite 499 u. 500 oben, Peterson-Archiv Turin Seiten 505–507 Bibliothèque Nationale universitaire de Strasbourg, Fonds Maritain Seiten 508–509 © Gretha Jünger Seite 511 links u. Seite 516 oben links, Carl-Schmitt-Gesellschaft Seite 511 oben rechts, Privatarchiv Seite 511 rechts unten, Seite 512 unten, Seite 515 Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn Seite 512 oben, 513 u. 514 Erben Carl Schmitt, Santiago de Compostela Seite 516 oben rechts, Staatsbibliothek zu Berlin Seite 516 oben links, Museum Burg Altena
Personenregister Abd el-Krim 387 Abele, Theodor 192 Abs (Pater) 46 f. Acton, John Emerich Edward Dalberg 476 Adams, Alfons 236, 250, 257 Adams, Henry 475 Adams, Paul XXX, XXXIV, 18, 27, 33, 43, 59–61, 68, 73–75, 82, 130, 133, 155, 168, 176, 188, 196, 206, 211, 229, 231, 234, 236, 243, 248–250, 257, 259, 264, 267, 270, 287, 291, 301 f., 304 f., 307, 309, 312 f., 316, 321, 325, 328 f., 499 Adelmann von Adelmannsfelden, Sigmund Maria Graf 63 Adenauer, Konrad 21 Adler, Paul 239 Agnes (Krankenschwester in San Remo) s. Beer Albers 217 Albers, Hans 226 Alexander von Aphrodisias 428 Althoff, Friedrich 324 Altmann, Margarete 128 Am Zehnhoff, Hugo XI, XVIII f., 14, 52, 59, 70, 78–80, 99, 112, 114 f., 117 f., 121, 130, 132, 145, 150, 153 f., 159, 164 f., 167, 169, 171 f., 189, 193, 196, 203, 219, 221, 241, 277, 281 Amberger, Christoph 141 Ambour, Isaac von 482 Andersen, Esben Sloth 30, 52 Andrieu, Pierre-Paulin 88 Annelore (Studentin?) 319 f. Anschütz, Gerhard 50, 77, 83, 88, 100, 102, 104, 277 f., 280, 293, 308, 371, 405 Ansorge, Arnulf 258, 311 Apponyi, Albert Graf 169 Arendt, Hannah XXVI, 33 Aristoteles 417 Arndt, Ernst Moritz 410 Aron, Raymond XXVI
Artaxerxes I. (pers. König) 354 Aschaffenburg, Gustav 17 f., 328 Aschaffenburg, Maja 17 f., 33, 55, 94 Ascheberg 327 Ascher, Bernhard 67, 71, 225, 323 Ashauer, Ernst 39 Asheuer 39 Auber, Daniel-François 489 Auersperg, Alexander Graf von 98 Augusta von Sachsen-Coburg-Altenburg 284 Auguste (Krankenschwester in San Remo) 278–280 Augustinus von Hippo 62, 138 Aussem, Josef 192 f., 195, 328 Azohner (Fräulein) 71 Babić (Onkel von Duschka) 73, 76 Bach, Johann Sebastian 11 Bachofen, Johann Jakob 17, 41 Bäumler, Alfred 7, 319 Bail, Louis 490 Bainville, Jacques 380 Ball, Hugo XXVII, 109, 176 f., 239, 254, 327, 465 Ball(-Kaduri), Kurt 262 Balogh, Elemér 233 Barachetti, Pietro 122 Barion, Hans 12 Baron, Salo W. 450 Barrès, Maurice 455 Barth, Karl XXV, 43 f. Bartholomé, Friedrich Wilhelm 215 Baudissin, Wolf Graf 345 Bauer, Max 388 Beauvais, Jean-Baptiste-Charles-Marie de 410 Bechtel, Werner 59 Beck (Ministerialdirektor) 315 Beck, J. 402
526Personenregister Becker, Carl Heinrich 63 Becker, Curt 148, 157, 196, 206, 208 Becker, Jürgen XXXV Becker, Nikolaus 410 Becker, Thomas 27, 144, 146, 519 Becker, Werner VII, XIV, XXVII, XXXV, 17, 19 f., 30, 32, 36 f., 46, 49, 53, 55, 58, 62, 64, 66, 74, 94, 101, 104, 112, 120, 122, 129, 136, 138, 147–149, 157 f., 170, 192 f., 201, 204, 209, 216 f., 219, 328, 499, 519 Beckerath, Erwin von 30, 50, 182, 199, 205, 246, 250, 254, 270, 287, 405 Beckerath, Herbert von 30, 48, 58, 68 f., 119, 138 f., 154, 156, 166 f., 175, 182, 197, 220 Beer, Agnes 278 f., 280, 300, 302–305, 307 Beethoven, Ludwig van 22, 89 f., 133, 157, 161, 164, 168, 359, 365, 402, 450, 477, 481 Behn, Siegfried 146, 179 Belgiojoso, Cristina Trivulzio 478 Beling, Ernst von 107 Bell (Verwandter) 16, 26 Bell, Auguste Louise (Großmutter) 16 Bellarmin, Roberto 383 Below, Georg von 99 Benedikt XV. (Papst) 80 Benjamin, René 287, 312 Benjamin, Walter 122 Benoist, Alain de 57, 62, 64, 69, 519 Bentham, Jeremy 351, 368, 411, 416 Bentin, Lutz-Arwed 260 Benz, Wolfgang 227 Berber, Fritz 141 Berchem, Verena 52, 80, 123, 146, 519 Berend, Alice XIX, 132, 223 f., 229, 231, 233, 236, 238 f., 242, 244, 248–251, 254–256, 259, 271 f., 287 f., 291, 295 f., 301, 314, 316, 321, 516 Berend-Corinth, Charlotte XIX, 132, 223–225, 227, 244, 250, 255, 308 Berg (Referendar) 208 Bergbohm, Karl 183 Bergsträsser, Arnold 91 Berl, Emmanuel 478 Berl, Heinrich 116, 328, 406 Bermann (Maler) 91
Bernanos, Georges XV, 133, 192 f., 287, 295, 302, 313, 323, 467, 477, 500 Bernhard, Fritze 263 Bernhard, Georg 237, 263, 292, 301 Berning, Vincent 23 f., 74, 192, 519 Bernini, Gian Lorenzo 284 Bertram, Alfred 11, 79, 327 Besson, Waldemar 315 Bethmann-Hollweg, Theobald von 385 Beyerhaus (Frau von Gisbert B.) 53 Beyerhaus, Gisbert 14, 18–20, 27–29, 31 f., 41 f., 50, 52 f., 67, 84, 88, 127, 139, 165, 178, 189, 207, 405 Beyerle, Konrad 4, 181, 399, 409 Bilfinger, Adolf 94 f., 299 Bilfinger, Carl XXIV, 45 f., 62, 69 f., 90, 94–96, 112, 115, 127, 141, 171, 180, 194–196, 206, 208, 234, 244–246, 250, 255, 272, 275, 281, 285 f., 289 f., 292, 297–301, 304, 308, 310 f., 314, 321, 323, 325, 327, 374, 390, 404 f. Bilfinger, Carl (Sohn) 245, 285, 299 Binding, Karl 183 Bismarck, Otto von 77, 290, 307, 320, 404, 486 Bitter (Frau Dr.) 328 Bizet, Georges 288 Blasius, Dirk 245 Blech, Leo XXII Blei, Franz XX, 22, 32, 50, 74, 118, 133, 140 f., 221 f., 224, 230 f., 234 f., 239, 241, 261 f., 264, 272, 287, 297, 299 f., 313, 315 f., 321, 327 f., 348, 416, 437, 454–456, 460 f., 466, 489, 519 Blei, Maria Eva Sybilla („Billy“) 316 Bleicher (Hotelier) 297 Bloch, Kurt 141, 310 Bloy, Léon 19, 21, 188, 204 Blüher, Hans 12, 302 Blumenberg, Hans XXXIII Blumenthal, Otto 113 Bobbio, Noberto XXVIII Bock, Hans Manfred 23 Bode, Max 426 Boddenberg 193 Böckler (Fräulein) 324 Boehm, Max Hildebert 141, 174 Boehmer, Heinrich 492
Personenregister527 Bogišić, Valtazar 6 Bohland, Karl 75, 102, 110, 127 Bojić, Milutin 16, 27, 38, 297 Bolingbroke, Henry St. John, Viscount 152, 384 Bolton, Eberhard Percy 120 Bonald, Louis-Gabriel-Ambroise de 342, 384 Bonaparte, Napoléon s. Napoléon Bonaparte, Pauline 283 Boner, Georgette 218, 430 Bongartz, Josef 41 Bonhoeffer, Dietrich 301 Bonn, Moritz Julius XX, XXXI, 116, 118 f., 122, 163, 228, 233 f., 237, 242, 253 f., 257, 267–269, 293, 301, 305, 309, 313 f., 324 f., 327, 405, 504 Borden, Mary 451 Borgia, Cesare 364 Bortolotto, Guido 290 Bossuet, Jacques-Bénigne 469 Botticelli, Sandro 265, 268, 300 Bourdet, Édouard 210 Boveri, Margret 120, 237 Braschoß (Freundin von Duschka) XIX, 40, 61, 68, 73, 75, 81 f., 84 f., 102, 126, 161, 163, 173, 176, 220, 228, 276 Braschoß, Otto 40, 82 Braubach, Bernhard 68, 150, 153, 293, 499 Brauweiler, Heinz 325, 404 Braxton 35 Brecht, Bert 226 Breinlinger, Hans 225, 229, 231, 233, 236, 244 f., 248 f., 259, 270, 287, 291, 296, 304, 316 Brenner 146 Brentano, Clemens 453 Breuer, Stefan 14 f., 27, 50, 97, 126, 253, 258, 261, 294, 325, 378, 519 Breunung, Leonie 233 Briand, Aristide 287, 421 Briefs, Anna 246, 248, 290, 321 Briefs, Goetz 229 f., 232, 236, 238, 248 f., 253 f., 256, 259, 261, 267, 290, 294, 296, 300, 306, 311 f., 316, 319, 321 Brietzke, Dirk 521 Brinkmann (Frau von Carl B.) 242, 265
Brinkmann, Carl XIV, 27 f., 48, 58, 85, 162, 165 f., 217 f., 265, 275 f., 280, 405, 446 Bröckling, Ulrich 193, 519 Bruckner, Ferdinand 226, 251 Brückmann, Josef 410 Brüning, Heinrich XXI, 192 f., 286, 325, 416 Brunner, Alfred XXX, 273, 280, 286, 302, 305 f., 325 Bruns, Marie Auguste 311 Bruns, Viktor 147, 311 Buchstein, Hubertus 325 Buddberg 193 Buddeberg, Karl Theodor 215 Büchel, Karl H. 144 Bücheler 65, 67 Bücheler, Johann 327 Bühler, Ottmar 42 Büllbeck 75 Büttner, Annett 278 Büttner, Ruth 311, 313 f., 316, 318–320, 322, 324 Bulić, Frane 7 Bung, Hubertus 207 Burckhardt, Jakob 364 Burdach, Konrad 26 Burgess, John William 475 Burke, Edmund Burns, Arthur F. 321 Burns, Eveline 321 Busch, Sabine 186 Bustor 120 Byron, George Gordon, Baron 338, 390, 480 Cäsar, Gaius Julius 397, 458 Calhoun, George Miller 208 Calker, Fritz von 180 Calvin, Jean 348, 498 Canal, Giovanni Antonio („Canaletto“) 286 Canova, Antonio 283 Carl, Hermann 173 Carlberg, Else von 327 Caronello, Giancarlo 12, 109, 187, 520 Carossa, Hans 473 f. Carroll, Benedict 327 Cartellieri, Otto 50
528Personenregister Caspary, Adolf 48 Cassirer, Paul 300 Cavour, Camillo 355 Certon, Pierre 341 Chamberlain (Frau von Neville C.) 343 Chamberlain, Neville 343 Chateaubriand, François-René de 321, 480 Chenaux, Philippe 187 Chopin, Frédéric 14 Cipri, Adolf 91 Claissen 213 Clauss, Max 261, 314–316, 320 Clemenceau, Georges 424 Cloots, Anarchasis 388 Cochet, Marie-Anne 17, 25 Cocteau, Jean 253 Coenders, Albert 21, 328 Cohn Meier 243 Cohn Pilar 199 (s. auch Pilars) Constant, Benjamin XXII, 264, 317, 460 f. Corinth, Lovis XIX, 132, 223, 235 Corneille, Pierre 339, 488 Cotza, Marco 50 Coudenhove-Kalergi, Richard 449, 470 Curie 218 Curtius, Ernst Robert 23, 59, 357 Curtius, Philipp 388 Cusanus s. Nikolaus von Kues Cyrano de Bergerac, Savinien de 248 Dacqué, Edgar 418, 491 Däubler, Theodor 6, 22, 24, 122 f., 250 f., 256, 295, 334, 370, 376, 378 f. Dagover, Lil 275 Dahlheimer, Manfred 3 f., 12, 14, 17 f., 24, 28, 32, 38, 41, 66, 90, 109, 520 Dahs, Hans 87 Dallago, Carl 50 f. Dalle Bande Nere, Giovanni 345 Daniels, Wilhelm 65, 130, 174 D’Annunzio, Gabriele 407 Dante Alighieri 437, 476 Danton, Georges 471 Danzebrink, Franz 185 David 85
Del Vecchio, Giorgio XI, 283 f., 327 Delbrück, Hans 239 Delteil, Joseph 246 Demongeot, Marcel 179, 184 f. Dempf, Alois 24 f., 37, 42, 46, 59, 66, 185, 192, 209, 219, 241, 264, 425, 432 f., 520 Demuth, Fritz XX, 122, 163, 169 f., 231, 234, 237, 255, 313, 320, 504 Descartes, René 334, 370 Dewey, John 298 Diebold, Bernhard 250 Diedenhofen 268 Dietrich, Albert 320 Dio Chrysostomus 383 Diokletian (röm. Kaiser) 5 Disraeli, Benjamin 71 Dix, Otto 186 Dobler, Ralph-Niklas 477 Doderer, Heimito von XXXV Dölle, Hans XX, 24, 26, 35, 45, 48, 66, 144, 150, 152, 170, 179, 203, 241 Döllinger, Ignaz von 476 Döring (Fräulein) 308 Döring, Bernhard 55 Dörries, Helmut 2236 Dohlen 66 Dohler (Frau) 293 Dohna-Schlodien, Alexander Graf zu XX, 13, 69, 90, 128, 152, 165 f., 287 Domberg, Bernhard-Michael 119, 186 Domergue, Gaston 346 Domitian (röm. Kaiser) 448 Donders, Adolf XV, 12, 34, 497 f. Donizetti, Gaetano 288 Donoso Cortés, Juan XI, 84–86, 89 f., 94, 105, 173, 236, 326, 342, 402, 517 f. Dorn (Vetter von Frl. Hasbach) 259 Dorn, Friedrich 267, 312, 314, 319, 322 Dorn, Herbert XXI, 260, 266, 269, 290, 324 Dorotić, Pauline Marie („Carita“, „Cari“) XIV f., XXV, 8, 35, 79 Dostojewski, Fjodor M. 50, 99, 248, 339, 396 f., 445 Dotterweich, A. 26, 65, 220 Dreier, Horst 20
Personenregister529 Drepper, Thomas 245 Drews, Bill 256 Dreyer, Carl Theodor XXIII, 234 Dreyfus, Alfred 411 f. Driesch (Frau) 216 Drieu La Rochelle, Pierre 281, 421 Droste-Hülshoff, Annette von XVI Drumont, Édouard 467, 477 Duborg, Emil 36 Dudachter (Student) 178 Dünner, Maria 173, 199 Dünner, Wilhelm 220 Duesterberg, Theodor 325 Duisberg, Carl 174 f. Dyroff, Adolf 61, 153, 205 f. Ebers, Godehard Josef 58 f. Eberz, Otfried 285, 346 Eckardt, Gertrude von 264 Eckert, Christian 110 Eckstein-Diener, Bertha 63 Edler, Karl Josef 35 Eduard VII. (engl. König) 354 Ehrenberg, Hans 192 Ehrenburg, Ilja 241 Ehrhard, Albert 74, 185 f. Ehrsam, Thomas 257, 313 Ehrt, Adolf 319 Eichhorn, Mathias 44 Einstein, Albert 207, 493 Eisler, Fritz XI, XXVIII, 180, 201, 295, 398, 427 Eisler, Georg XI, XVIII, XXI, XXVIII f., 3, 8, 10 f., 23, 47, 55, 60, 68–70, 73, 75–79, 82, 87 f., 93, 98 f., 103, 107, 110–114, 121 f., 124, 126, 128–130, 142 f., 148, 151 f., 160 f., 166, 169, 172 f., 179 f., 194 f., 200–203, 214, 222, 227, 229 f., 254, 265 f., 268, 271–275, 277, 288–290, 302, 308 f., 314, 318, 327, 368, 405, 420, 432, 453 Eisler, Hannah Friederike 3, 76 Eisler, Hans Friedrich Hermann 288 Eisler, Heinrich 79 Eisler, Ida Ernestine XXIX, 10 f., 39, 76–79, 104, 111 f., 148 f., 201, 275, 288 f., 300
Eisler, Julie („Lilly“) s. Isay, Julie Eisler, Käthe XXIX, 3, 8, 10, 76, 78 f., 99, 112, 142 f., 201 f., 248, 265 f., 277, 288 f., 318 Eisler, Olga 227 Elfriede (Krankenschwester in San Remo) 279 f. Elfriede (Frau e. Stahlhelmführers) 317–319, 322 Ella (Elli) (Hausmädchen) XIX, 223, 225, 232, 235, 245 f., 251, 291, 316, 320, 324 Elling (Frau) 309 Elmenau, Johannes Hugo von 171 Elmenau, Johannes von 171 Elster, Ludwig 324 Eltzbacher, Paul XVIII, 222–224 Engel, Erich 226, 240 Engelbert III. (Graf von der Mark) 297 Ennen, Edith 30 Enoch (Frau) 78 Erasmus, Desiderius 216 Erler, Rolf-Joachim 43 Erzberger (Frau von Matthias E.) 229 Erzberger, Matthias 232 Eschenburg, Theodor 50, 140, 192, 286 f., 315, 520 Eschmann, Ernst Wilhelm 253 Eschweiler, Karl XXVII, 22, 66, 69, 73, 105, 115, 143, 148, 160, 171, 184, 188, 196, 234, 248 f., 268, 288, 325, 351, 416 Esser (Studentin) 26 Eßlinger, Hans Ulrich 521 Ettlinger, Max 84 Eugénie (franz. Kaiserin) 472 Eulenburg, Franz 233, 242, 265, 308 Eulenburg, Gertrud 265 Evola, Julius 294 Eysler, Emil 77 Faber, Richard 51 Fahrig 170 Falconetti, Renée 242, 309, 455, 458 Falke, Gustav 140 Falkenhayn, Karoline von (Frau von V. v. Gebsattel) 253 Fallada, Hans 443
530Personenregister Faraday, Wilfred Barnard 335 Faulenbach, Heiner 93, 100, 134, 136 f., 520 Fehr, Hans 33 Felderhoff, Arthur 137 f. Ferdinand I. (Zar von Bulgarien) 354 Feuchtwanger, Edgar 168, 285, 520 Feuchtwanger, Erna Rosina 285 Feuchtwanger, Lion 76 Feuchtwanger, Ludwig IX, XI, XIII f., XIX, XXIV, XXVIII, 3 f., 7, 13 f., 19, 22, 25, 28, 32, 50, 52, 57, 60–62, 69, 71 f., 76, 86, 99, 104 f., 109, 116, 145, 148, 151 f., 160, 162, 166–168, 173, 175, 179 f., 183 f., 186, 188, 191, 194 f., 197 f., 200, 211–213, 224, 270, 275, 280 f., 283–285, 304, 405, 520 Feuerbach, Anselm von 412 Fichte, Johann Gottlieb 388, 484 Fiedler, Kuno 61 Figge, Klaus 521 Figgis, John Neville 293, 476 Fijal, Andreas 114 Fink von Finkenstein (gräfl. Familie) 258 Fischart, Johannes 78 Fischer, Eberhard 218 Fischer, Johann David 95 Fischer, Louis 39, 199, 205 Flaubert, Gustave 250 Flechtheim, Julius 256 Fleischhauer s. Vleeschhouwer Floeckher, Adolph de 375 Floeth, Peter 79 Flory, Harriette 387 Foerster, Anna 44 Foerster, Friedrich Wilhelm 458 Forster, Rudolf 291 Forsthoff, Ernst XXVII, XXX, 47, 120, 135 f., 229, 258 f., 266 f., 302, 310, 520 Forsthoff, Heinrich 136 Forsthoff, Ursula XXX Franck (Witwe von Johannes F.) XVI, 26, 30, 39, 56, 71, 73, 81, 84 Franck, Johannes XVI Frank 38, 404 Franqué, Otto von 63 Franz von Assisi 432
Frederick Louis (Prince of Wales) 284 Freiburg, Anton 210 Freitäger, Andreas 110 Frenkel (Fräulein) 242 Freund, Julien XXXIII Freyberg, von 327 Freyer, Hans 243, 296, 298 Friedländer (Anwalt) 202 Friedmann (Friters), Alfred 43–45, 49, 240, 255, 261 Friedrich 146 Friedrich II. (röm.-dt. Kaiser) 343 Friedrich II. (preuß. König) 404, 480 Friedrich Wilhelm I. (preuß. König) 433 Friedrich Wilhelm IV. (preuß. König) 306 Friedrich, Carl Joachim 309–312, 328 Friedrich, Manfred 13 Friedrichsen 114 Friesenhahn, Ernst XIV, XXVII, 19, 27 f., 31, 33, 50, 53, 56, 58 f., 64, 67, 87, 108, 110, 128, 146, 186, 190 f., 193–195, 197 f., 200 f., 203, 205, 207 f., 213, 215, 268, 287, 329, 521 Frobenius, Leo 350 Frühwald, Wolfgang 453 Fuchs (Fräulein) 150, 294 Fuchs, Eduard 150 Fuchs, Friedrich 16, 84, 105, 285 Fuchs, Johannes 130 Fuchs, Richard 261 Fuchs, Walter 93, 130 Fuhrmann, Ernst 297 Funk (Pfarrer) 69 Funk, Philipp 84 Furtwängler, Wilhelm XXII Gabler 199 Gabrisch, Anne 460 Gagern, Hans von 197, 205, 207, 215, 417 Gagern, Heinrich von 197, 410 Gahn, Philipp V f. Gajek, Bernhard 453 Galahad s. Eckstein-Diener Galle, Gustav 105, 209 Gambetta, Léon XI, 279, 472 Garrè, Carl 70 f.
Personenregister531 Gartenschmidt (Doktorand) 254 Gassner, Ulrich M. 45 Geber 121 Gebhardt, Hans V, XXXVI f. Gebsattel, Viktor Emil von XXXI, 243, 253, 258 Gebühr, Otto 254 Geibel, Carl 275 Geibel, Otto Karl 275 f. Gempf, Carl Albert 21 f. Genzmer, Felix 93 Georg (Prinz von Sachsen) 284 George III. (engl. König) 284 George, Stefan 264, 358 Gerber, Emil 19, 60, 62 f. Gerber, Hans 42, 47 f., 59, 64, 85, 113, 168, 185, 327 Gerhard, Dr. 328 Gerti (Krankenschwester in San Remo) 280 Gide, André 271, 313, 333, 422, 444, 466 Giersch (Baron) 268 Giese, Friedrich 91, 293, 328, 405 Giesecke, Carl Ludwig 388 Gieseke, Paul 313 Giesler, Gerd XIX, XXXV–XXXVII, 115, 132, 406, 520 f., 523 Gilles, Werner 100 Glander, Tim 71 Glaser (Wohnungsmakler) 62 Gleichen-Russwurm, Heinrich von 261, 294 Gmelin, Hans 59 Gobineau, Joseph Arthur Graf 346, 361 Göppert, Eberhard 88 Göppert, Ernst 88 Göppert, Gertrud 199 Göppert, Heinrich XX, XXIII, 12 f., 20–23, 26, 30 f., 44, 46 f., 49, 51, 55, 62–67, 71, 88, 95, 100, 111, 114, 148 f., 169–174, 177 f., 189, 197, 199, 204 f., 208, 242 Göppinger, Horst 12, 111, 228, 260, 521 Göring, Hermann 243, 251, 260, 504 Goethe, Johann Wolfgang von 109, 233, 259, 363, 373, 408, 413, 419, 424, 437, 476 f., 487 Goldoni, Carlo 280 Goncourt, Edmond u. Jules de 365 f.
Gothein, Eberhard 383 Gothein, Percy 191 Goyert, George 93 Gozzi, Carlo 257 Graff 327 Grau, Richard 125, 180, 328 Grewe, Wilhelm XXIX Grimm, Friedrich Melchior von 388 Groh (Student) 19 Groh, Dieter 521 Gross, Leo 244 Grote, Georg 292 Groten, Curt 27 f. Grothe, Ewald 520 Grotius, Hugo 381 Grün, Anastasius 98 Grünhut, Max XX Grune, Karl 254 Grunewald, Michel 23, 42, 193, 521 Guardini, Romano 41 f., 192, 230, 254 Guazzoni, Enrico 136 Gülden, Josef 17 Gütersloh, Albert Paris 299 Guggenheim, Paul 328 Guhr, Hans 101 Gurian, Edith 40, 68, 158 Gurian, Johanna 55, 68 Gurian, Waldemar X, XXII, XXVI f., 13 f., 17, 19 f., 24, 26 f., 33, 35–37, 40, 42 f., 46, 49, 51, 53–55, 59–61, 65 f., 68 f., 74 f., 82, 88, 92, 125, 129, 133, 157 f., 160, 162, 168, 173, 177–179, 186–188, 227, 306 f., 499 f., 520 Guy-Grand, Georges 471 Haas, Willy 178, 232, 292, 329 Haberstock, Karl 300 Hablus 215 Hachette, Jeanne Hacke, Jens XX Haecker, Theodor XI, 4, 12, 25, 51, 185, 209, 358, 456, 521 Häfner, Ralph 428 Händel, Georg Friedrich 11, 22, 76, 91, 157, 188 Hänel 77, 154
532Personenregister Häntzschel, Kurt 47 Haferkamp (Referendar) 208 Hagemann, Harald 10, 29 f., 80, 116, 121, 130, 141, 217, 229, 521 Hagemann, Wilhelm 315 Hagen, Heinrich 24 Hagenau 205 Hagestedt, Lutz 520 Haken (Frau) 278 Hamacher, Wilhelm 20, 43, 48, 75, 112 Hanbury, Thomas 280 Hanke, Stefan 13 Hanna (Hausmädchen) XIX, 223–226, 229, 232, 235, 244 f., 249, 251, 268, 272–274, 286, 291, 301, 308, 316, 320 Hanser (Student) 12, 19 Hanslick, Eduard 354 Hanssler, Bernhard 4, 185, 209, 521 Happ, Ernst 80, 208 Hardenberg (Gräfin) 258 Harms, Bernhard 195, 255 Harrington, James 449 Hart, Grete 225 Hart, Julius 225 Hartmann 182 Hartmann, Gustav 442 Hartmann, Nicolai 154 Hasbach, Marie 63–65, 202, 226, 257, 259 Hasenkamp, Gottfried 176 Hasse, Johann Adolf 77 Hassel, Horst 155, 221, 223, 521 Haug, Ute 300 Hauptmann, Gerhart 236, 456, 472 Hauser, Kaspar 412 Haushofer, Karl 42, 284 Haydn, Joseph 347 Hecht, Ben 318 Heckel, Johannes 186, 204 f. Hedding, Otto 146, 193 Hefele, Herman 328 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 169, 178, 233, 303, 356, 427, 429, 434 Heiber, Helmut 255 Heimann, Eduard 225 Heimberg 48
Heimberger, Joseph 8 f., 12, 67 Heine, Jens Ulrich 91 Heinrichs, Helmut 9, 13, 15, 20, 50, 198, 256, 326, 521 Heller, Gertrud 140 Heller, Hermann XII, XXII f., 15, 121, 127, 131–133, 135, 140 f., 145, 169, 203, 205, 243 f., 252, 257 f., 293 f., 297, 299, 308, 310, 313, 405, 447, 500–504 Hellpach, Willy 298, 433 Hemingway, Ernest 210 Hennersdorf (Student?) 199 Hennings, Emmy 465 Henry, Johannes 51 Hense, Thomas 4 Hensel, Albert XIV, 9, 120, 127, 175, 190 f., 198, 205, 214, 235, 241, 287, 293 Hensel, Marieluise 198 Hentzen, Alfred 100 Herbst, Ludolf 148, 244 Herlitz, Nils 323 Hermann 307 Hermann, Anton 52 Herrmann, Christian 298 Hertweck, Frank 521 Herwegen, Ildefons 404 Herz, Heinz Carl 312 Herzen, Alexander XI, 279 Herzfeld 135 Herzog, Rudolf 416 Heuer (Student) 244 Heuß, Theodor XXII Heymann, Annegret 256 Heyne, Christian Gottlob 375 Hiecke, Robert 221 Hilferding, Rudolf 237, 262, 326 Hilpert, Heinz 226, 266 Hilpisch, Pater Stephanus 17 Hindenburg, Oskar von 267 Hindenburg, Paul von 339 Hinneberg, Paul 17, 21, 24, 31 f. Hinsenkamp, Johannes 56 Hinzpeter, Georg Ernst 440 Hippel, Hildegard von (verheiratete Tießen) 263
Personenregister533 Hirsch (Frau von Karl H.) 192 Hirsch, Carl Georg 107 f., 112 f., 118, 123, 147, 172, 174, 181, 183, 198, 206, 208 f., 302, 307 Hirsch, Karl 70, 74, 92, 107, 119, 161, 192 Hirsch, Kurt 208 Hirt, Hermann 384 Hitler, Adolf 105, 108, 300 Hiz (Krankenschwester in San Remo) 279 Hobbes, Thomas 17, 106, 201, 414, 419, 446, 464 Hoche, Alfred 183 Hochstein, Wolfgang 77 Hoeber, Karl 146 Höfele, Andreas 28 Höhn, Reinhard XXIV, 255, 301 Hölderlin, Friedrich 176, 191, 436 Hömig, Herbert 90, 192 f., 521 Höppner, Ernst von 237 Hofacker, Wilhelm 319 Hofer, Karl 231, 238 Hohn, Wilhelm 74 Holbein d. J., Hans 324 Holl, Karl 492 Holstein, Günther 62, 69, 144–147, 149, 152, 165, 171, 174, 393, 440, 454 Holzamer, Karl 188 Hommes, Jakob 160 Honig, Richard Martin 326 Hook, Sidney 298 Horak (Frau) 302 f. Horiosk (Student) 234 Houbé, Martin 24 Huber, Ernst Rudolf XXI f., XXVII, 27 f., 46, 84–86, 105, 108, 111, 127, 129, 177, 193, 206, 328, 520 f. Hubert, Bernard 187 Hürten, Heinz XXVI, 14, 88, 521 Huesker, Max 117 Hüsmert, Ernst XXXV–XXXVII, 222, 227, 521, 523 Huessy, Margrit 168 Hüttmann, Gerda 164, 172, 175, 183, 186, 189, 198, 220, 328 Hugo, Victor 358, 402 Humboldt, Wilhelm von 450 Huss, Jan 455
Husserl, Edmund 227 Huysman, Joris Karl 313 Ibsen, Henrik 392 Ihering, Herbert 226 Irsen 67 Isay, Ernst 123, 197, 329 Isay, Gerda Charlotte Juliane 202 Isay, Hans Friedrich Hermann 202 Isay, Hermann 87 f., 111, 114, 121, 129, 179, 202, 269, 288, 290 Isay, Julie („Lilly“) 111, 288 Iserloh, Rudolf 208 Jacobi, Erwin XXIV, XXVIII, 45, 86–88, 103, 135, 275, 328, 405, 520 Jacoby, Konrad XVIII, 202, 228 Jaeckh, Ernst 274 Jahn, Bruno 148 Jahrreiss, Hermann 112 James, William 298 Janentzky, Christian 37, 39, 321, 327, 405 Janker 135 Jeanne d’Arc 246 f., 455, 462, 478 Jeinsen, Gretha von s. Jünger, Gretha Jellinek, Walter 121, 189, 292, 520 Jeßner, Leopold 291 Jèze, Gaston XI, 211 Joachimsen, Paul 304 Jönsson, John 225 Johanna (Hausmädchen) XVII, 126 Johanna (Krankenschwester) 79 Jokic 257 Joos, Josef 194 f., 199 Journet, Charles 104 Joyce, James 93 f., 101, 108, 210, 371 f., 396 Jünger, Ernst 93, 155, 221, 294, 338, 417, 421, 499, 520 Jünger, Gretha 18, 338, 508 f. Jung, Erich 483 Jung, Otmar 521 Junge, Kurt Heinrich 65 Kaas, Ludwig 4, 224, 317 f. Kachel, Daniel 13 Kaehler, Siegfried A. 450
534Personenregister Käthe (Krankenschwester in San Remo) 280 Kaiser 118, 203, 220 f. Kaiser (Sekretärin) 158, 163, 174, 194 Kaiser, Theodor 61 Kallen, Gerhard 220 Kalt, Josefine 34 Kambyses II. (pers. König) 448 Kamnitzer, Ernst 257, 316, 329, 479 Kamp, Matthias Ernst 30, 521 Kann, Richard 121 Kant, Immanuel 78, 178, 401, 427, 489 Karlauf, Thomas 191 Katharina von Siena 478 Kaufmann, Erich XXI, XXIII, XXXII, 8, 13, 15, 19–21, 23, 26, 28 f., 32, 34, 39, 44 f., 52 f., 60, 62, 70, 72, 73, 94, 107, 120, 132 f., 135, 144 f., 153, 156, 160, 165, 169, 171, 174, 181, 192, 194, 222 f., 258, 260 f., 263, 266, 269, 280, 289, 293 f., 306, 315, 324, 343, 358, 396, 400, 403, 447, 471, 500 Kaufmann, Hedwig XXIII, 28, 127, 173, 177 f., 183–185, 187, 198 f., 203, 293 Kaufmann, Oskar 121 Keats, John 480 Kelsen, Hans 20 f., 63, 244, 323, 340, 346, 348, 350, 429 Kemp, Friedhelm 453 Kempner, Franz 318 Kempner, Robert X Kempter, Klaus 121 Kendziora, Johanna 319 f. Kennedy, Ellen 109 Kerr, Alfred 291, 424, 472 Kesper, Carl Erich X, 15, 33, 35 Keßler, Horst 300 Keyserling, Herman Graf 499 Kiener, Fritz 21, 28, 36 f., 44 f., 49 f., 58, 115, 156, 215, 221, 232, 244, 279, 346, 404 f. Kierkegaard, Søren XXIV, 4, 41, 45, 169, 178, 230, 232 f., 431 f., 444, 451, 454, 469, 492 Kiesel, Helmuth 520 Kirchheimer, Hilde 283 (s. auch Neumann, Hilde)
Kirchheimer, Otto IX, XXVII, 38, 97, 118, 130, 133, 143, 148 f., 162 f., 172, 183 f., 196 f., 200, 205 f., 208, 236, 283, 324 f., 328 Kirchhof, Paul 9 Kirschbaum, Charlotte von 43 Kirschweng, Johannes 51 Kisch, Egon Erwin 251 Kisky, Wilhelm 52, 60, 62, 69, 221, 325, 404 Kisoudis, Dimitrios 521 Klausener, Erich 117 Kleiber, Erich XXII Kleibert, Kristin 120 Klein, Fritz 45, 326 Kleinmann (Tochter von Philipp K.) 162 f. Kleinmann, Philipp 162 Klemperer, Otto XXII, 8 Klemperer, Victor 327 f. Klems, Josef 387 Klenner, Hermann 414 Klingbeil, Ernst Helmut 136 Klinkenberg 231, 246 Kloner, Andreas V f. Klose 110 Kluxen (Frau von Franz K.) 10, 39 Kluxen, Franz 10 f., 14, 17, 35, 39, 146 f., 157, 160, 392 f., 398 Kobell, Franz 115 Kobinenski, von 34 Koblinski, von 34 Koellreutter, Otto 120 f. Koenen, Andreas 4, 23, 38, 41, 48, 90, 140, 192 f., 261, 425, 521 König (Frau) 236 König, Christoph 31, 37, 306 Koepp, W. 219 Kohn (Frau) 281 Kommnick, Alfred 327 Konen, Heinrich 84, 205 Koninski, Josef 267 Konstantin I. (röm. Kaiser) 96, 356, 364, 479, 489 Konstantin II. (röm. Kaiser) 356 Kopitzsch, Franklin 521 Kordes, Matthias 53, 327 Kosch, Wilhelm 520
Personenregister535 Koschaker, Paul 379 Koschewnikow, Wladimir 257, 259, 264, 267–269, 287, 296, 304, 307, 309, 312, 314, 317, 319, 323, 325 Kracauer, Siegfried 416 Kramme, Rüdiger 313 Kranz, Paul 420 Kraus, Annie XI, 227, 229–240, 242–248, 250–256, 258, 261–271, 273 f., 276 f., 279, 286–296, 298–319, 321–325 Kraus, Herbert 57 Krause, Elise 48 f., 88, 107, 284 f. Krause, Georg Alexander XI, 4–5, 7–9, 31, 79, 107, 157, 246, 248, 285, 306, 439 Krause, Liselotte („Lisa“, „Isa“) 4, 31, 114, 284 f., 306 Krauß, Werner 266, 315 Kreis, Wilhelm 100 Kreuz, Dr. 327 Kröger, Martin 228 Krohn, Claus-Dieter 521 Kuczynski, Jürgen 121 Kuczynski, Robert René 121 Kühlmann, Wilhelm 519 Kukulica (Masseurin) 6 Kundt, Hans 388 Kunkat, Cornelia 298 Kunze, Michael 243 Kuß, Susanne 388 Kvíčala, Johann 479 Laak, Dirk van 207, 523 Lamberts, Arthur XIX, 47, 74, 189, 221 Lamberts, Ernst 48 Lamberts, Hugo XIX, 47, 74, 189, 221 Lamberts, Karl 48, 221 Lamennais, Hugues Félicité Robert de XXVII, 38 Landsberg, Anna 117, 123 f., 128, 131, 143, 149, 171, 173, 191, 221, 382, 391 Landsberg, Ernst 9, 16, 23, 27, 35, 49, 55, 62, 122 f., 131, 133, 137, 143, 166 Landsberg, Paul Ludwig 117, 138, 141, 188, 254–256 Landshut, Siegfried Salomon 225
Langnickel, Wilhelm 147 Laski, Harold Joseph 44, 67, 252 Lassar, Gerhard 289 Laube, Richard 354 Lauscher, Albert XXI, 121, 144 Leber 209 Lederer, Emil 130 f. Lehmann, Antonio 55, 62 f., 66, 69 Lehmann, Willy 62 Lehmbruck, Wilhelm 117 Lehnert, Erik XXXIII Leibholz, Gerhard 239 f., 242, 254 f., 260, 275, 278, 288, 296, 301, 303 f., 315, 325 Leibholz, Sabine 301 Leibniz, Gottfried Wilhelm 232, 253 Lenel 329 Lenin, Wladimir Iljitsch 188, 417, 488 Lenz, Heinrich 63 Leopold I. (belg. König) 354 Lepper, Marcel XXXIII Lermontow, Michail Jurjewitsch 93 Leroux, Gaston 279 Leroy, Maxime 265, 299 Lessing, Eugen 274 Leutz (Seminardiener) 66 Lewald, Hans 217 f. Lewis, Sinclair 348 Libanius 479 Lichtenberger, André 237 Liebert, Arthur 295, 306, 504 Liebknecht, Karl 135 Liebreich, Änne 108 Liebreich, Lise 108, 111 Liepmann, Paul 310 Liepmann, Rudolf 135, 142, 310, 328 Lifschütz (Fräulein) 290, 292 Lindner, Stephan H. 119 Linn, Jeanne XI, XIV, 157–159, 161, 165, 168, 177, 189 f., 210–212, 273, 275, 427, 513 f. Linn, Pierre XI, XIV, 61, 129, 131, 145, 157–161, 171, 200, 210–212, 252, 254, 257, 280, 427, 513 f. Lion, Max 306 Lisbeth (Hausmädchen) XVII, 124–127, 132
536Personenregister Lisbeth (Krankenschwester in San Remo) 280 List, Friedrich 403, 410 Liszt, Franz von 14, 410 Littré, Émile 471 Lizki, Magda XIX, XXXI, 75 f., 81–86, 88–90, 92–116, 118–120, 122–140, 142–151, 153–156, 159–164, 168–184, 186 f., 189–192, 194–201, 203, 205–210, 213–215, 217, 219 f., 247, 254, 274–276, 284, 293 f., 317, 325, 334, 365, 367 f., 370–372, 377–379, 381, 406, 409, 415, 418, 432, 434, 436, 450, 468 f., 489 Lloyd George, David 380 Locher, Elmar 50 f. Loë, Clemens von 22 Lönne, Karl-Egon 193, 521 Löwenstein, Julius 169 f., 172 Lohmann, Karl XXVII, 15, 19, 23 f., 28 f., 33 f., 39, 46, 48, 114, 156, 177, 206, 328 Loo, Wilhelm van de 498 Lorenz, Gabriele 342 Lorrain, Claude 71, 86, 88, 367 Lott, Heinrich 116 Louis Philippe (franz. König) 354, 481, 489 Ludendorff, Erich 162, 426, 448 Ludwig XIV. (franz. König) 343 Ludwig XV. (franz. König) 411 Ludwig, Emil 436, 475 Ludwig, Jos. 491 Lüninck, Hermann von 199 Lütkens, Gerhard 158 Lüttig, Heinrich 146, 167 Lützeler, Heinrich 66, 75, 146, 162 Lukács, Georg 350 Lukin, Vladimir I. 352 Luthardt, Gertrud (verheiratete Eulenburg) 265 Luther, Martin 128, 137, 299, 447, 455, 458, 476, 498 Lux, Karl 36, 328, 498 MacArthur, Charles 318 Machiavelli, Niccoló 57, 139, 146, 298, 337, 413, 449 MacSwiney, Terence 411 Mader, Wilhelm 186
Maetschke, Matthias 27 Magda (Geliebte) s. Lizki Maier, Hans 23 f., 74, 192, 519 Maine, Henry Sumner 338 Maistre, Joseph de 55, 304, 342 Malebranche, Nicolas 109 Mallinckrodt, Elsa von 156 Mallinckrodt, Paul von 156 Malraux, André 261 Mann, Bernhard 310 Mann, Heinrich 245, 385, 392, 456, 458, 472, 475 Mann, Thomas 385, 430, 472 Mannheim, Karl 259, 311 Mansour, Salery 32, 329 Marbury, William L. 187 Maritain, Jacques XI, XX, XXII, XXVII, 19, 34, 51, 60, 64, 104, 186–189, 191, 209–212, 245, 435, 505–507 Maritain, Raïssa XX, 188, 212 Markiewicz, Constance Georgine 478 Marmetschke, Katja 193 Marr, Heinz 69 Marschler, Thomas 34, 66, 521 Martens, Friedrich Franz 238, 307, 314 Martin, Alfred von 29 Martin, Bernd 388 Marulić, Marko 337 Marx, Karl 171, 347, 356, 480 Marx, Wilhelm 63, 345, 347 Maschke, Günter XXXIII, 3, 44, 60, 196, 521 f. Massignon, Louis XI, 212, 491 Masur, Gerhard 204, 320 Maurras, Charles XXVII, 88, 139, 305, 346, 397, 499 Maus, Christian XX, 118, 163, 522 Mauss, Marcel 218 Mayer, Otto 382 Mazarin, Jules 343 McGuire, Constantine E. 256 McKiernan, Bernard 328 Mead, George H. 298 Meckler, Victor 241 Medicus, Dieter 50
Personenregister537 Mehring, Reinhard XX, XXIX, 3, 7, 10–13, 15 f., 20, 25, 34, 48, 57, 59, 69, 77, 79, 87, 97, 104, 107, 109, 111, 152, 180, 189, 202, 206, 208, 227, 229, 244, 246, 250, 288, 301, 520, 522 Mehring, Walter 295 Meier, Heinrich 468 Meinecke, Friedrich 14, 81, 85, 101, 252, 316, 320, 405 Meinel, Florian XXI, 258, 302, 310, 326 Meißner, Otto 280 Meissner, Rudolf 31, 172 Mellenburg 21–23, 75, 85, 96 Mellinger, Eva 451 Menander 413 Mendel, Theodor XVI, XVIII, 71, 73 f., 107, 194, 200, 219 Mendelssohn-Bartholdy, Albrecht 13, 19, 21, 23, 26, 35, 46 f., 49, 338 f. Menzauer 265 Mercier, Désiré-Joseph 52 Merk, Heinrich 35 Merlio, Gilbert 4 Mersbach 312 Meštrović, Ivan 337 Mettegang, Hans 175 Metternich, Klemenz Wenzel Lothar von 403 Meusel, Alfred 113, 329 Meyer, Alex 28 Meyerbeer, Giacomo 475 Meyer-Blanck, Michael 12, 187, 519 f., 522 Michel, Ernst 141, 192 f., 327 Michels, Robert(o) 58, 69, 186, 285 Michels, Pater Thomas 187, 191, 270 Mickiewicz, Adam 455 Mickiewicz, Ladislas 455 Mirgeler, Albert 196, 425, 433 Mirkine-Guetzévitch, Boris XI, 211 Mitchell, John 16 Mix, Andreas 227 Moeller van den Bruck, Arthur 378 Mörike, Eduard 344, 374 Montesquieu, Charles-Louis de 389 Montserrat, Herrero 191 Morand, Paul 80 f.
Moreck, Curt 202, 223 f., 238 f., 307, 317, 322, 324, 522 Morell, Alexander 69, 186 Morsey, Rudolf 42 Mosca, Gaetano XI, 194, 282 f. Moser, Hans 118 Mozart, Wolfgang Amadeus 22, 54, 188, 363, 388, 450 Mühlen, Friedrich Wilhelm 91 Mühlenbeck 21 Müllbeck 21 Müller 106 Müller (Nachbarn) 220 Müller (Referendar) 124 Müller, Adam 109 Müller, Anton 387 Müller, August 261, 311 Müller, Christoph 15 Müller-Hartmann, Robert 78, 112 Münch, Franz Xaver 24, 29, 31, 65, 187 f., 274, 327 Mummendey, Richard 90, 194 Murray, Kathleen 59, 130, 469 Musil, Robert 299 Mußgnug, Dorothea 520 Mußgnug, Reinhard 520 Mussolini, Benito 237, 276, 362 Muth, Karl (Carl) XI, XIX f., XXV–XXVII, 4, 7, 16, 84, 88, 105, 110 f., 113, 122, 170, 176 f., 179, 188, 190, 273, 285, 301, 499 f., 520 Muth, Luise Maria Theresia („Lulu“) 4 Muthesius, Hermann XIX, 434 Nagel, Anne C. 260 Napoléon 41, 100, 160, 283, 343 f., 348, 356, 372, 388, 397, 468, 472, 486 Napoléon II. 372 Napoléon III. 160, 372 Naumann, Friedrich 398 f. Nero (röm. Kaiser) 356 Neuenhofer, Ernst 32 Neumann, Hilde 283 Neumann, Rudolf 283 Neumann, Sigmund 243 Neumanowitsch 246 f., 250–253
538Personenregister Neuß, Anton 52 Neuß, Wilhelm XV, XXX, 4, 17, 22, 28 f., 31, 33 f., 36 f., 41 f., 45, 48, 52, 58, 60, 68, 73, 84, 93, 95, 112, 114 f., 128, 133 f., 144, 157–159, 165, 181, 183 f., 188, 190 f., 203, 210, 214, 220, 241, 269, 272–274, 276, 327, 467, 497 Newman, John Henry 470 Nichtweiß, Barbara XXX, 12, 43, 45 f., 61, 73, 88, 107, 109, 118, 148, 176, 179, 187, 204, 209, 211, 221, 236, 257, 270, 296, 305, 467, 522 Nicklisch, Heinrich 236 Nicoletti, Michele XXXVI f. Nielsen, Asta 325 Niessen, Josef 30 Nietzsche, Friedrich 77, 359, 364, 411, 439 f. Nikolaus von Kues 160, 220 Nix (Student) 83 Nolte, Ernst 88 Norden, Eduard 478 f. Norrenberg, Johann 164 Nottarp, Hermann 19 Novalis 257, 344 Nowack, Petrus 17 Oberheid, Heinrich XVII f., XXIV, XXVI, XXXIII, 62, 93, 98–100, 112 f., 115–120, 122 f., 125, 127 f., 133, 135–139, 143, 152, 159 f., 163, 165, 169, 172, 176, 186, 188 f., 203 f., 214, 231 f., 235, 313, 454 f., 498, 513 Oberheid, Hugo 98 Oberheid, Jochen 98 Oberheid, Margarete 138, 165, 513 Oberheid, Peter 98 Oertgen (Nachbarn) 134, 152, 195, 199, 220 Österreicher, Arnold XIX, 227 Offenbach, Jacques 475 Oncken, Hermann 405 Oppenheimer, Franz 217, 311, 362, 401 Oppenheimer, Ludwig 310, 317 Oppikofer, Hans 252 Ors, Álvaro d’ 191 Osiander, Christian Nathanael von 357 Ostermann, Hugo 221 Otto, Martin 87 f., 103, 125, 520, 522
Pallenberg (Maler) 18 Palyi, Melchior 44, 47, 80, 233, 314, 324, 328, 362, 405 Palyi, Raïssa 80 Pankok, Adolf 127 Pankok, Otto 127 Pannwitz, Rudolf 6, 21 f., 24, 128, 233, 349 Paracelsus, Theophrastus 342, 487 Pareto, Vilfredo 502 Pascal, Blaise 255, 357, 369 Passerin d’Entrèves, Alessandro 302, 308 f. Paula (Krankenschwester in San Remo) 280 Pedroso, Manuel XI f. Peen (Referendar) 167, 169 Peirce, Charles Sander 298 Penser (kath. Priester ?) 318 Peterson, Erik VI, IX, XVII f., XXII, XXIV–XXVI, XXVIII, XXX, XXXII– XXXIV, 12–14, 16–22, 24 f., 27–29, 31–35, 39, 43–49, 51–59, 61–68, 71–75, 88 f., 93, 103, 105–109, 112 f., 117 f., 120, 122 f., 135, 139, 143, 147–150, 152, 156 f., 161, 163, 168, 172, 176, 178 f., 182, 187 f., 196, 204, 207–209, 211, 219–221, 229, 234, 236, 241, 249–251, 254, 257, 270, 277 f., 291, 305, 310, 341, 347, 387, 414, 420, 456, 458, 498 f., 511, 514 Petljura, Simon 174 Petranugt (Referendar) 208 Pfister, Josef 304, 312 Philipp II. (König von Spanien u. Portugal) XI, 485 f., 489 Pichler, Hans 253 f. Pilars, Theo 199, 205 Pius XI. (Papst) 88, 402 Pizzini, Margot 65 Plato 27, 383 f., 445 Platz, Hermann 23, 196, 201, 210 Platz, Paula 210 Plessner, Helmuth 313 Plöger, M. Frederik 253 Plog 149 Plumpe, Werner 175 Pobenlé, Hella von 327 Poe, Edgar Allan 386, 490 Poetzsch-Heffter, Fritz 293
Personenregister539 Pohl, Heinrich 38, 52, 64, 66 f., 204, 264 Poincaré, Raymond 421 Popitz, Johannes XXI, 140, 195, 260, 266, 269, 280, 289, 292, 306, 318, 322, 324–326 Port, Hermann 38, 40, 404 Poussin, Nicola 281 Poy, Friedrich 328 Poznanski, Alfred 211 Pozzi, Agnèse 329 Preiswerk, Eva-Maria 218 Preuß, Hugo 399, 403 Proeger, Willi 523 Proudhon, Pierre-Joseph 397, 468, 471 Pufendorf, Samuel 87 Pujo, Maurice 305 Puschner, Uwe 23, 42, 193, 521 Quaritsch, Helmut X, XXI, 13, 523 Quednow, Margot von XXXI, 237 f., 240, 244, 247, 253 f., 256–273, 275–277, 281, 286–288, 293, 295 f., 300, 302–304, 309, 311, 313–315, 321, 461, 463 f., 466–469, 480 f. Quednow, Max von 237, 270, 277 Quicherat, Jules-Étienne 247 Quigley, Carroll 256 Radaković, Mila 301 Radbruch, Gustav 216–218, 243, 433 Rahn, Rudolf 286, 296 Rahner, Karl 227 Rainer, Sonik (eigentl. Steinkleiber, Antonia) 251 Ranke, Leopold von 195 Rastelli, Enrico 122 Rath, Erich von 194 Rathenau, Walter 392 Rathje, Klaus 119, 186 Ravel, Gaston 276 Reichartz, Heinrich 80 Reichelt, Johannes 323 Reifferscheid, Adolf 172 Reimer, Ekkehart 9 Reinach, Adolf 148 Reinach, Anne 148 Reiners, Hermann 152, 326
Reinhard, Karl Friedrich 388 Reinhardt, Max 250, 265 f. Reinhold, Carl Leonhard 484 Reinthal, Angela 519 f. Reisinger, Annie s. Schumpeter Rektor 184 Rembrandt, Harmensz van Rijn 456 Reumont, Alfred von 175 Reuter, Fritz 410 Rheinbaben, Werner von 286 f. Ribbentrop, Joachim von 261 Richter, Werner 118, 120, 169, 171, 184, 447 Rick, Karl 16 f., 33 f., 41, 61, 65, 113, 130, 404 Rick-Wansleben, Elsbeth 65 Riegel, Hans 71 Rieker, Karl 52 Riemann 327 Rieß, Rolf 519 Righelli, Gennaro 275 Ritschl, Hans 309 Rive, Richard Robert 298 Robespierre, Maximilien de 481 Robson, Charles Baskerville 177, 179, 206, 208, 211 Rochefoucauld, François de la 252 f., 379 Rode (Rechtsanwalt) 328 Röll (Arzt) 222 Röttgen, Gottfried 48 Rohan, Karl Anton Prinz 90–92, 110, 112, 157, 261, 327, 366, 402, 404, 446, 499 Rohden, Peter Richard 304, 353 Roloff, Werner 156 Romberg (Student) 19, 33 Romier, Lucien 37, 340 Rommen, Heinrich Albert 83, 86, 104, 108, 110, 123, 143, 150, 161, 183, 207 Rosenbaum, Eduard 10 f., 13, 47, 69, 77, 153, 244, 249 f., 264, 300 f., 306, 312, 316, 398, 405 Rosenstock(-Huessy), Eugen XIV, 132, 168 f. Rospatt, Heinrich von 119, 123, 154 Rossini, Gioachino 481 Roßkopf, Veit 155 Rost (Fräulein) 221 Rotberg (Referendar) 208 Roth, Christian 321
540Personenregister Roth, Heinz 321 Rothenbücher, Karl 84, 181, 198 Rothfels, Hans 101, 328, 404 Rothfels, Hildegard Elisabeth 101 Rousseau, Jean Jacques 56, 360, 468 f., 487 Rühlmann, Paul Martin 239, 318 Rüschler (Student) 99 Rüstow, Alexander XXII, 314 Ruggieri, Telemaco 280 Ruisdal, Jacob van 306 Rupé, Hans XI Russel Smith, Hugh Francis 449 Rust, Otto 171 Sabine (Krankenschwester in San Remo) 280 Sacco, Ferdinando 412 Sack, Heidi 420 Saenger, Samuel 291 f. Saika (Student) 74 Salin, Edgar XXIV, 57, 62, 350, 383 Sallust 246, 458 Salmann (Fräulein) 165 Salomon(-Delatour), Gottfried 207, 217 f., 298, 307, 356, 405 Sander, Fritz 340 Sander, Hans-Dietrich XXXIII Sandhagen, Anton 38, 67, 90, 103, 327 Sandig, Curt 312 Sangnier, Marc 346 Santi, Bertha 282 f. Sasse, Dirk 387 Sauerbruch, Ferdinand XXX, 42, 273, 319 Savoir, Alfred 211 Schacht, Hjalmar 326 Schäfer, Theodor 118 Schaetz, August 299 Schaetz, Georg 299 Schaetzler, Karl 31, 48 Schaler, Konrad 216 Schaub, Gerhard 239 Schebera, Jürgen XXIII Scheffer, Natalja 237 Scheffer, Paul 120 f., 237 f., 260, 327, 379, 401, 405, 415, 455
Scheidemann, Philipp 385 Scheik, Sara 186 Scheler, Max 13, 18, 109, 138, 149, 154, 167 f., 178, 186, 307 Schell, Peter 63 Schell-Vittinghoff s. Vittinghoff Scheller, Günther 420 Scheuner, Ulrich 240, 303 Schifrin, Rachel 327 Schiller, Friedrich von 348, 363, 391, 469 Schindler, Dietrich 312 Schlechta, Karl 439 Schlessmann, Hermann 179 Schleyer 169 Schlosser, Josef 34, 45, 94, 101 Schmidmeier (Student) 91 Schmidt (Referendar) 84 Schmidt, Albert 132 Schmidt, Pjotr 388 Schmidt, Richard 72, 79, 405 Schmidt-Biggemann, Wilhelm 55 Schmitt, Anna Margarete („Ännchen“) 9, 14, 17, 23, 28, 30, 32, 36, 45, 54, 57 f., 64 f., 68, 82, 85, 99, 102 f., 106, 109, 112, 127, 129, 131 f., 169 f., 221–223, 241, 297, 512 Schmitt, Auguste („Üssi“) XXXV, 167, 169 f., 210, 222, 241, 297 Schmitt, Duschka passim Schmitt, Ernst 223 Schmitt, Johann (Vater) XXX, 55, 68, 144 f., 221–223, 241, 273, 297, 304–306, 425, 447, 452, 466, 468, 512 Schmitt, Josef („Jup“) XVII–XIX, 14, 25, 32, 36, 39, 47 f., 65, 69, 71 f., 79, 82, 88, 100, 106, 111, 127, 143–145, 148 f., 151, 155, 158 f., 167, 169 f., 172 f., 175, 177, 184 f., 193, 195, 198 f., 208–210, 214 f., 220, 274, 276, 297, 302, 405, 493 Schmitt, Louise (Mutter) XXX, 8, 16, 25, 55, 144 f., 222, 241, 297, 304 f., 493, 512 Schmitt, Paul 316 Schmitt, Wilhelmine („Mina“) 223 Schmitz, Alexander XXXIII Schmitz, Annemarie 9, 17, 42, 59, 73–75, 79, 82, 90, 92, 95 f., 109, 113, 133, 167, 169, 181, 195, 215, 220, 226, 241, 274
Personenregister541 Schmitz, Arnold XVII, XIX, XXIV, 8, 14, 19, 22 f., 25, 28, 32 f., 34–42, 45, 51, 54, 61, 63 f., 66–68, 71, 73, 75, 79, 81–83, 86, 89, 92, 94–96, 98–100, 109, 111, 113, 123, 125, 127, 133 f., 139, 143 f., 148, 150 f., 153 f., 158, 164, 166–169, 173, 179, 181, 183, 187, 201, 215, 220, 241, 244, 347 Schmitz, Cecil 96 Schmitz, Else 67, 130 Schmitz, Maria Magdalena 143, 148 Schmoeckel, Mathias 12 f., 24, 26–28, 30, 69, 88, 174, 186, 199, 522 Schneider (Nichte von am Zehnhoff) 80, 118, 130, 135, 145, 150, 171, 193, 221, 241 Schneider (Sekretärin) 105, 131 f. Schneider (Student) 239, 289 Schneider, Kurt 18 Schnell, Patrick 210 Schnitzler, Arthur 218 Schnitzler, Eleonora (Nora) von 91 Schnitzler, Georg von 8, 47, 68, 89–91, 175, 322 Schnitzler, Liliane („Lilly“) von 8, 36, 47, 81, 89–91, 110, 114, 116, 156, 165, 311, 520 Schnitzler, Werner von 91 Schnor (Wohnungsvermieter) 54 Schnütgen, Alexander 90 Schober, P. 219 Schoder (Student) 268 Schönbeck 106 Schönberger, Christoph XXXII Schöner (Frau von Paul S.) 248, 286 Schöner, Paul 248 Schogan 252 Scholz, Alfred 328 Schopenhauer, Arthur 368 Schopf (Fräulein) 80 Schottelius, Justus Georgius 206 Schranz, Franz 19 Schrecker, Paul 230, 232, 287 Schreiber, Georg 4, 42, 236 Schreker, Franz 242 Schrenck-Notzing, Caspar von 55, 58, 88, 90, 174, 253, 261, 294, 296, 302, 321, 522 Schreuer, Hans XX, 26
Schrörs, Heinrich 22 Schröter, Manfred 7 Schubert, Franz 91 Schücking, Walther XVIII, 117 Schümann (Student) 94, 124 Schuller (Fräulein) 244 Schuller, Wolfgang XXXVII, 13, 406, 523 Schulte, Aloys 20, 50, 155, 175, 405 Schulte, Kaspar 314 Schulz, Fritz XX, 8 f., 45, 62, 97, 152, 165–167, 171, 189 Schulz, Martha 97 Schulze-Gaevernitz, Gerhart von 253 Schumpeter, Annie 48, 52, 72 Schumpeter, Joseph Alois 30 f., 48, 52 f., 61, 68, 129 f., 154 Schunger (Student) 177, 259 Schusternhagen 84 Schwab, Hans-Günther 522 Schwabach, Erik Ernst 392 Schwarz, Paul 40, 67 Schwarz, Wolfgang 310 Schwarzbart, Samuel 174 Schwarzer, Edith 40 Schwenger, Rudolf 178 Schwerin, Gräfin von 278, 281 Schwickardy, Karl 57 Schwob, René 490 Sebotta (Student) 22 Seeberg, Erich 249 Seeck, Otto 96 Seeckt, Hans von 227, 229, 241, 264, 266, 463 Seewald, Richard 18, 25, 112, 185 f., 209, 328 Seewald, Uli 112 Segalowitsch, Boris 71, 92 Seifers (Neffe von Martens) 309 Seltman, Charles 154 Sent M’Ahesa (Künstlername für Else von Carlberg) 327 Servatius, Hubert 19, 33 Sévigné, Marie Marquise de 248 Shafer, Robert 475 Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper, Earl of 470
542Personenregister Shakespeare, William 28, 60, 228, 240, 257, 266, 291, 345, 349, 354, 361, 363, 445 Siebeck, Oskar 129 f., 160 Siebeck, Richard XXX, 272–274, 276, 302 Siebeck, Werner 129 f., 160 Siebert, Kurt 267 Siefken, Hinrich 4, 185, 209, 521 Siepmann, Ida 223 Simons, Hans 140 f., 243, 256, 300 f., 312, 404, 447 Simons, Karl 139 Simons, Paul 140 Simons, Tula 111, 140 Simons, Walter 140, 243, 316, 322 Simson (Antiquar) 78 Singer, Kurt 29, 67–69, 77, 145, 312, 329 Smend, Gisela XXIV, 93, 141, 202, 232, 236, 246, 249, 262, 269, 293, 302, 461 Smend, Rudolf XI, XIII, XIX, XXIII–XXV, 6, 13, 16, 37, 44 f., 57, 60, 62, 68–71, 86, 90, 92 f., 98, 126, 140 f., 144 f., 147, 152, 155, 162, 164, 167, 171, 175, 177, 180, 189, 194, 198–200, 202 f., 214 f., 224, 231–233, 235–238, 240, 246–249, 251, 253, 255, 257, 262, 268 f., 275, 278, 286, 289, 293, 302, 308–311, 321, 324, 327 f., 366, 398, 400, 434, 436, 438, 447, 449, 461, 485, 500, 520 Sösemann, Fabian 69 Sogol 48 Sohm, Rudolf 43, 498 Sokrates 379, 383 Sombart, Corina XXXIV, 232, 256, 294, 307, 312, 314, 323 f., 493, 520 Sombart, Nicolaus XX, 243, 257 f., 285, 319, 520, 522 Sombart, Werner, 130, 141, 230, 232, 258, 261, 267, 290, 304, 307, 311 f., 324, 480, 520 Sommer, Arthur 135, 151 Sopp, Julius Wilhelm XXVI, 137, 159 f., 164–167, 169–176, 179, 181–186, 189, 197 f., 200 f., 203 f., 206, 208, 219 f., 327, 329 Sopp, Madeleine 137, 167 Sorel, Georges 116, 310, 359, 471 Soubirous, Bernadette 436 Spahn, Martin 64, 405 Spann, Othmar 7
Spengler, Oswald 480 Spenlé, Jean-Édouard 209 Spiegel 101 Spies, Heinrich 252 Spiethoff, Arthur 30, 57, 68 Spindler, Wolfgang Hariolf XV, XXXVII, 523 Spinoza, Baruch 472 Spiridon, Joseph 300 Spranger, Eduard 152 f., 200, 202, 215, 232, 287, 328, 350, 405 Spunda, Franz 342 Stahl, D. 48 Stahl, Friedrich Julius 320, 434 Stamm, Friedrich Hermann 30, 521 Stammler, Rudolf 298, 375, 483 Starck, Christian 72 Staudacher (Student) 199 Staudacher, Anna L. 77 Steed, Henry Wickham 29, 33 Stefl, Max 16, 306 Stein, Jos. 328 Stein, Lorenz von 245 Steinbömer, Gustav (Pseudonym Hillard) 291, 294, 300 f., 315, 320 Steindächer (Architekt) 107 Steinhoff, Peter A. 120 Steiniger, Peter Alfons 120, 235, 238, 319 Steinkamp, Maike 300 Steinlein, André (Vetter) 8–10, 17, 36–40, 181–187, 198, 215, 301, 327, 465 Steinlein, André (Onkel) 25, 100, 149 Steinlein, Franz Josef Anton 16 Steinlein, Nikolaus 16 Steinmann, Kurt 259 Steinrück, Albert 240 Stemmler, Ferdinand 121 Stendhal 31, 274 f., 338, 468 Stephan, Hans 420 Stepun, Fedor 346 Sternheim, Carl 313, 457 Sternheim, Thea 257, 313, 315 Sternthal, Friedrich 224, 329 Sterzenbach (Nachbarin) 182 Stevenson, Robert Louis 93, 221, 364
Personenregister543 Stiel (Student) 150 Stier-Somlo, Fritz 21, 57, 61, 64, 69, 126, 301, 315 Stinnes, Clärenore 313 Stinnes, Edmund Hugo 118, 186, 313 Stinnes, Hugo 118, 136, 439 Stölzl, Erwin 142 Stolleis, Michael 42, 45, 70, 103, 120, 133, 522 Stolte, Stefan 28 Stratmann, Franziskus Maria 470 Stresemann, Gustav 66, 287, 343, 354, 385, 419, 421, 423, 433 Stresemann, Käte 66 Strindberg, August 302, 338–340 Strischak, Alexander 315 Struck 192 f. Strupp, Karl (Carl) 90, 328 Stückrath, Karl XVIII, 219 Sturm, Paul 387 Stutterheim 301 Suárez, Francisco 86 Sulla, Lucius Cornelius 372 Szatmari, Eugen XXIII, 66, 202, 223, 225, 230, 233, 236, 250, 265, 268, 314, 322, 522 Tadić, Zlata 5, 241 Taine, Hippolyte 59 Talleyrand, Carles-Maurice de 388 Tanner-Weder, Christine 305 Tatarin-Tarnheyden, Edgar 298 Temp, Rita 295, 307, 311 Ten Holder, Clemens 19 Tengelmann, Ernst 160, 175, 206, 513 Tengelmann, Herbert 206 Teubner, Ernst 239 Thannhäuser, Eberhard 257 Theier 31 Thibaudet, Albert 212 Thoma, Richard 69, 122, 197, 235, 308 f., 325, 356, 404 f., 490 Thomas von Aquin 104, 179, 383, 428, 461 Thomas von Kempen 268 Thomas, Brandon 230 Thomasius, Christian 428 Thomasius, Jakob 428
Thümmler, Ellen 14, 88, 520, 523 Tielke, Martin XXI, XXXVII f., 195, 291, 520 f. Tießen, Ernst 201, 234, 237, 305, 316 Tießen, Hildegard 263 Tilitzki, Christian XVIII, 7, 9, 24, 57, 61, 66, 72, 116–118, 121 f., 146, 163, 169 f., 176, 181, 201, 209, 222, 233, 236–238, 252 f., 257, 260, 263, 267, 312–315, 319 f., 323, 523 Tirpitz, Alfred von 22 f. Tischleder, Peter 377, 401 f. Tizian 281, 283, 291 Todorović, Milica 20 Todorović, Vasilije („Vaso“) 7 Tönnies, Ferdinand 126, 401 Töpfer 270 Tommissen, Piet V, XI, XXVIII, 7, 10, 16, 20, 58, 63, 69, 121, 180, 207, 519 f., 522 f. Torregiani, Bartolomeo 282 Traeger, Ludwig 15, 26 Triepel, Heinrich 45, 52, 62, 125, 154, 240, 249, 256, 294, 400 Tröger, Jürgen 520 Trotzki, Leo 488 Trumić (Frau von Danilo T.) 275 Trumić, Danilo 275, 327 Tschechow, Anton Pawlowitsch XIV, 158 Tschirschky und Boegendorff, Fritz Günther von 302 Tucholsky, Kurt 458 Türk, Oskald Wilhelm 100 Turcanu, Florian 294 Üner, Elfriede 296 Ulrich, Michael 17 Unger, Erich 127 Urbans 49 Urbaum, Werner 49 Vacher de Lapouche, Georges 346 Valentin, Karl 202 Valéry, Paul 261, 366 Valli, Luigi 366 Vanzetti, Bartolomeo 412 Verdi, Giuseppe 178 Verdroß-Droßberg, Alfred 186
544Personenregister Vergil XXXIII, 357, 382, 437, 478 f. Vermeil, Edmond 36 Victor Emanuel II. (ital. König) 355 Vierhaus, Rudolf 148, 244, 520 Viesel, Hansjörg 285 Viktoria (Prinzessin von Hohenzollern) 200 Villinger, Ingeborg 7, 523 Vischer, Friedrich Theodor 423 Vittinghoff (genannt Schell zu Schellenberg), Friedrich von 80 Vleeschhouwer, E. 149–151, 172, 329 Vollhardt, Friedrich 428 Voltaire 480 Vom Dahl, Walther 198, 209 Vom Endt, Hermann 39 Vom Hagen, Rüdiger 153 Vormfelde, Karl Heinrich 23, 35, 56 f., 64, 67 f., 71, 82, 104, 128, 154 Vornhagen (Fräulein) 252 Wacker, Bernd 521–523 Wagner, Richard 10, 100, 450 Waldhoff, Christian 9 Wallenstein, Albrecht von 397 Wallner, Nico 484 Walter, Bruno XXII Walter (Student) 110 Walther, Manfred 233 Wandel, Franz Gustav von 61 Wandel, Katharina von 61 Wandel, Margarete von 61 Warburg, Erich (Eric) 251 Warburg, Max Moritz 251 Weber (Frau) 167, 277 Weber, Alfred 130 Weber, Hans Emil 125, 144 Weber, Hans-Siegfried 243 Weber, Marianne 358 Weber, Max 58, 61, 142, 181, 358, 399 Weber, Werner XVII, XXVII, 19, 72, 74, 110, 125, 145, 162 f., 165–167, 195, 206, 208, 324, 328 Webers (Hausdame) XVII, 85, 94, 97–99, 101–103 Wedekind, Frank 367, 420
Wegener, Georg 313 Weigel, Helene 291 Weimann, Ernst 48 Weinberg, Hans 128 Weinberger 328 Weininger, Otto 10, 235 Weiß, Otto 4, 16, 23, 40 f., 74, 523 Weissweiler, Eva 108 Weizsäcker, Heinrich 141 f. Weka s. Proeger, Willi Wendel, Hermann 392, 458 f. Wendlandt, Kurt 265 Wengst, Udo 287 Werfel, Franz 436 Werner, T. 326 Werners 258 Westlinden, Lennart 65–67, 328 Weyler y Nicolau, Valeriano 387 f. Wiederholt, Steffen 26 Wieman, Matthias 226, 266 Wiener 130, 320 Wiese, Benno von XXIV–XXVII, 17, 33, 40, 117 f., 138, 523 Wiese, Fritz 57, 63 Wiese, Leopold von 53, 150 Wilamowitz-Moellendorf, Ulrich von 461 Wilckens, Irmgard 189 Wilckens, Johann Heinrich 189, 205 f., 208 Wilckens, Otto Rudolph 189 Wilder, Thornton 242, 244, 246, 248, 271, 465 Wilhelm (preuß. Kronprinz) IX, 27, 60 Wilhelm (preuß. Prinz) IX, 27, 113 Wilhelm I. (dt. Kaiser) 355 Wilhelm II. (dt. Kaiser) IX, 27, 200, 354, 372, 380, 392, 421, 427, 440, 452, 458, 472, 475, 486 Wilhelm, Richard 91 Wilkens, Hildegard 259, 263, 319 f., 322 Will, Hans 125 Willich (Frau) 234 Willms, Bernard 201 Wilson, Woodrow 455 Wimpfheimer, Hedwig 264
Personenregister545 Wimpfheimer, Heinrich XXVIII, 233, 236, 252, 258, 260, 262–264, 266 f., 269, 272, 276, 278, 280, 289, 292, 294, 301, 303, 305 f., 312, 316 f., 320, 322–324 Winckelmann, Johannes 142 Wingen, Hans Paul 23 Winnen (Schreiner) 56 Wirmer, Josef 229 Wirmer, Otto 229, 231, 263 Wirsing 313 Wirth, Josef 317 Wisotzki 212 Wittich, Werner 181 f., 186, 201, 226, 291, 346, 404 Wittig, Josef 316 Wittmayer, Leo 250 Wolf, Fr. 327 Wolf, Gerhard 234, 236, 254, 267, 270, 286 Wolfers, Arnold 140, 242, 256 f., 261, 317, 320, 326 Wolfers, Doris 255 Wolff, Ernst 256 Wolff, Marga 311 Wolff, Martin 50, 291, 299, 327 f.
Wolff, Oliver 12, 88, 199 Wolffram, Knud 121, 264, 317, 523 Wolgast, Ernst 126, 156 Wüst, Bernhard 25, 155 Wüst, Fritz 164 Wüst, Josef 25, 155, 171, 329 Wuolijoki, Wäinö 258 Wust, Peter 209, 340 Wyclif, John 455 Wyss, Regula 257, 313 Xenophon 383 Zarhof (Frau) 293 Zechlin, Egmont 268, 307 f., 316 Zeck, Wilhelm 45 Zeller, Eduard 383 Zimmer, Alois (Aloys) 244 Zimmermann, Werner G. 6 Zoubkoff, Alexander 200 Zweigert, Erich 260, 303, 317 Zycha (Frau von Adolf Z.) 175 Zycha, Adolf XX, 26, 30, 166, 175