Carl Schmitt und die Öffentlichkeit: Briefwechsel mit Journalisten, Publizisten und Verlegern aus den Jahren 1923 bis 1983. Hrsg., kommentiert und eingeleitet von Kai Burkhardt. In Zusammenarbeit mit Gerd Giesler und Stefan Krings [1 ed.] 9783428540921, 9783428140923

Die Kategorie Öffentlichkeit ist im 21. Jahrhundert zu einem zentralen und kaum zu überschätzenden politischen Faktor ge

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German Pages 235 Year 2013

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Carl Schmitt und die Öffentlichkeit: Briefwechsel mit Journalisten, Publizisten und Verlegern aus den Jahren 1923 bis 1983. Hrsg., kommentiert und eingeleitet von Kai Burkhardt. In Zusammenarbeit mit Gerd Giesler und Stefan Krings [1 ed.]
 9783428540921, 9783428140923

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Carl Schmitt und die Öffentlichkeit Briefwechsel mit Journalisten, Publizisten und Verlegern aus den Jahren 1923 bis 1983

Herausgegeben, kommentiert und eingeleitet von Kai Burkhardt

Duncker & Humblot · Berlin

Carl Schmitt und die Öffentlichkeit

Carl Schmitt und die Öffentlichkeit Briefwechsel mit Journalisten, Publizisten und Verlegern aus den Jahren 1923 bis 1983

Herausgegeben, kommentiert und eingeleitet von Kai Burkhardt

In Zusammenarbeit mit Gerd Giesler und Stefan Krings

Duncker & Humblot · Berlin

Veröffentlicht unter Mitwirkung des wissenschaftlichen Verlagsbeirats der Carl-Schmitt-Gesellschaft e.V.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagbild: Carl Schmitt in Plettenberg, 1968 (© Gerd Giesler, Berlin) Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISBN 978-3-428-14092-3 (Print) ISBN 978-3-428-54092-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-84092-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

Abkürzung der zitierten Werke Schmitts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Editorische Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Briefwechsel 1923–1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Quellenverzeichnis der Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Medienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

Verzeichnis der Briefe  1  2  3  4  5  6  7  8  9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34

arl Schmitt an Ludwig Feuchtwanger, 29. Oktober 1923 C Ludwig Feuchtwanger an Carl Schmitt, 8. Mai 1925 Paul Scheffer an Carl Schmitt, 14. Juni 1925 Paul Scheffer an Carl Schmitt, 21. Juni 1925 Carl Schmitt an Karl Anton Prinz Rohan, 8. Juli 1925 Paul Scheffer an Carl Schmitt, 22. April 1927 Theodor Heuss an Carl Schmitt, 20. Januar 1930 Ernst Jünger an Carl Schmitt, 14. Oktober 1930 Carl Schmitt an die Redaktion der Frankfurter Zeitung, 27. Januar 1932 Ludwig Feuchtwanger an Carl Schmitt, 6. Juni 1932 Carl Schmitt an Ludwig Feuchtwanger, 12. April 1933 Wilhelm Stapel an Carl Schmitt, 28. August 1933 Wilhelm Stapel an Carl Schmitt, 12. September 1933 Albrecht Erich Günther an Carl Schmitt, 23. September 1933 Carl Schmitt an Benno Ziegler, 17. Oktober 1933 Carl Schmitt an die Hanseatische Verlagsanstalt, 26. Juni 1934 Hanseatische Verlagsanstalt an Carl Schmitt, 22. August 1935 Carl Schmitt an Oskar Ritter von Niedermayer, 1. Juli 1939 Giselher Wirsing an Carl Schmitt, 1. Juni 1939 Karl Lohmann an Carl Schmitt, 4. Dezember 1948 Hans Paeschke an Carl Schmitt, 1. Juli 1949 Hans Zehrer an Carl Schmitt, 5. September 1949 Johannes Winckelmann an Carl Schmitt, 28. April 1950 Carl Schmitt an Richard Tüngel, 28. Mai 1950 Giselher Wirsing an Carl Schmitt, 6. Juni 1950 Carl Schmitt an Richard Tüngel, 4. August 1950 Carl Schmitt an Michael Freund, 1. November 1950 Carl Schmitt an Karl Epting, 6. Oktober 1951 Carl Schmitt an Hans Paeschke, 18. Oktober 1951 Carl Schmitt an Hans Paeschke, 28. Oktober 1951 Carl Schmitt an Karl Epting, 14. November 1951 Carl Schmitt an Karl Korn, 15. November 1951 Karl Korn an Carl Schmitt, 16. November 1951 Carl Schmitt an Hans Paeschke, 2. Dezember 1951

8 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74

Verzeichnis der Briefe iselher Wirsing an Carl Schmitt, 9. Februar 1952 G Carl Schmitt an Herbert Nette, 24. Mai 1952 Rudolf Augstein an Carl Schmitt, 30. Juli 1952 Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 7. August 1952 Carl Schmitt an Günter Neske, 9. August 1952 Rudolf Augstein an Carl Schmitt, 15. August 1952 Carl Schmitt an Walter Petwaidic, 29. August 1952 Walter Petwaidic an Carl Schmitt, 17. September 1952 Carl Schmitt an Walter Petwaidic, 19. September 1952 Giselher Wirsing an Carl Schmitt, 20. Oktober 1952 Carl Schmitt an Winfried Martini, 20. Oktober 1952 Walter Petwaidic an Carl Schmitt, 29. Oktober 1952 Carl Schmitt an Walter Petwaidic, 27. November 1952 Walter Petwaidic an Carl Schmitt, 13. Mai 1953 Carl Schmitt an Walter Petwaidic, 10. September 1953 Carl Schmitt an Winfried Martini, 27. September 1953 Carl Schmitt an Winfried Martini, 27. Oktober 1953 Carl Schmitt an Karl Epting, 30. Oktober 1953 Carl Schmitt an Winfried Martini, 10. November 1953 Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 3. Januar 1954 Carl Schmitt an Giselher Wirsing, 15. Januar 1954 Hans Zehrer an Carl Schmitt, 15. Januar 1954 Rudolf Augstein an Carl Schmitt, 16. Januar 1954 Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 28. Juli 1954 Heinz Friedrich an Carl Schmitt, 8. August 1954 Carl Schmitt an Hans Fleig, 13. November 1954 Carl Schmitt an Ernst Forsthoff, 19. November 1954 Carl Schmitt an Rudolf Augstein, Januar 1955 Rudolf Augstein an Carl Schmitt, 3. Februar 1955 Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 13. April 1955 Rüdiger Altmann an Carl Schmitt, 12. September 1955 Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 2. September 1956 Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 7. Juli 1957 Rüdiger Altmann an Carl Schmitt, 9. Oktober 1957 Carl Schmitt an Rüdiger Altmann, 18. Januar 1958 Carl Schmitt an Johannes Kayser, 19. November 1959 Giselher Wirsing an Carl Schmitt, 25. November 1959 Carl Schmitt an Rüdiger Altmann, 21. März 1960 Carl Schmitt an Winfried Martini, 25. März 1960 Johannes Gross an Carl Schmitt, 14. Juli 1960

 75  76  77  78  79  80  81  82  83  84  85  86  87  88  89  90  91  92  93  94  95  96  97  98  99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113

Verzeichnis der Briefe9 arl Schmitt an Rüdiger Altmann, 21. Juli 1960 C Rüdiger Altmann an Carl Schmitt, 31. Juli 1960 Hans Hellwig an Carl Schmitt, 21. März 1961 Ivo Schütz an die Redaktion der Deutschen Zeitung, 6. April 1961 Rolf Schroers an Carl Schmitt, 15. Juni 1961 Carl Schmitt an Hans Fleig, 1. Juli 1962 Carl Schmitt an Hans Fleig, 2. Juli 1962 Carl Schmitt an Joseph Kaiser, 28. November 1962 Carl Schmitt an Peter Diederichs, 1. Dezember 1962 Margret Boveri an Carl Schmitt, 20. Mai 1963 Margret Boveri an Carl Schmitt, 30. Mai 1963 Rolf Schroers an Carl Schmitt, 20. Juli 1963 Johannes Gross an Carl Schmitt, 29. Juli 1963 Armin Mohler an Carl Schmitt, 1. Dezember 1965 Carl Schmitt an Manfred Friedrich, 10. Januar 1966 Armin Mohler an Carl Schmitt, 6. März 1966 Carl Schmitt an Bernard Willms, 18. November 1966 Armin Mohler an Carl Schmitt, 20. Oktober 1967 Carl Schmitt an die Chefredaktion von stern-tv, 30. Oktober 1967 Johannes Gross an Carl Schmitt, 10. Januar 1968 Roland Dieterich an Carl Schmitt, 17. Januar 1968 Carl Schmitt an Roland Dieterich, 3. Februar 1968 Carl Schmitt an Walter Boehlich, 4. März 1968 Carl Schmitt an Walter Boehlich, 11. März 1968 Carl Schmitt an Hans-Dietrich Sander, 8. Mai 1968 Carl Schmitt an Erika Martens, 26. August 1968 Eike Hennig an Carl Schmitt, 6. September 1968 Carl Schmitt an Joachim Schickel, 6. Juni 1969 Sepp Schelz an Carl Schmitt, 23. Mai 1969 Carl Schmitt an Heinhard Steiger, 26. Juni 1969 Joachim C. Fest an Carl Schmitt, 28. Oktober 1969 Joachim Schickel an Carl Schmitt, 1. Mai 1970 Wolf Jobst Siedler an Carl Schmitt, 14. April 1971 Johannes Gross an Carl Schmitt, 5. Mai 1971 Wolf Jobst Siedler an Carl Schmitt, 26. August 1971 Marianne Kesting an Carl Schmitt, 28. Mai 1973 Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 30. Januar 1974 Carl Schmitt an Heinz Friedrich, 21. August 1976 Helmut Schelsky an Carl Schmitt, 4. Februar 1983

Abkürzungen der zitierten Werke Schmitts BP

Der Begriff des Politischen. Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien, Berlin 1963. ECS Ex Captivitate Salus. Erfahrungen der Zeit 1945 / 47, Köln 1950. GL Glossarium. Aufzeichnungen der Jahre 1947–1951, hrsg. von Eberhard von Medem, Berlin 1991. GLP Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus (1923), 2.  Aufl., München / Leipzig 1926. GM Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber, Pullingen 1954. L Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes. Sinn und Fehlschlag eines politischen Symbols (1938), Stuttgart 1995. LM Land und Meer. Eine weltgeschichtliche Betrachtung, Leipzig 1942. NE Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europäum, Köln 1950. PB Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar – Genf – Versailles 1923–1939, Hamburg 1940. TB I Tagebücher Oktober 1912 bis Februar 1915, hrsg. von Ernst Hüsmert, Berlin 2003. TB II Die Militärzeit 1915–1919. Tagebuch Februar bis Dezember 1915. Aufsätze und Materialien, hrsg. von Ernst Hüsmert und Gerd Giesler, Berlin 2005. TB III Tagebücher 1930–1934, hrsg. von Wolfgang Schuller in Zusammenarbeit mit Gerd Giesler, Berlin 2010. VA Carl Schmitt: Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924–1954. Materialien zu einer Verfassungslehre, Berlin 1958. VL Verfassungslehre, München / Leipzig 1928.

Keine Offenheit mehr, dafür Öffentlichkeit. Im Zeitalter der Öffentlichkeit hört die Offenheit auf. In der Öffentlichkeit hört die Offenheit auf und beginnt das Geheimnis. Carl Schmitt, Tagebuch „Der Schatten Gottes“, Mai 1924.

Einführung Als ich vor einigen Jahren am Institut für Medien- und Kommunikationspolitik begann, den ökonomischen und funktionalen Wandel von Massen­ medien zu analysieren, war ich mit dem Phänomen Öffentlichkeit nicht eingehender vertraut als für Historiker gemeinhin üblich. Doch es war für mich unzweifelhaft, dass unser Verständnis von Öffentlichkeit infolge der „digitalen Wende“ grundlegend neu begriffen werden müsse. Ich verschaffte mir einen Überblick über die gängigen Interpretationsmodelle von Öffentlichkeit und stellte doch etwas überrascht fest, dass deren zentrale Referenz noch immer der Sozialphilosoph Jürgen Habermas ist. Der idealtypische Kern seiner Öffentlichkeitstheorie wurde seit ihrer Einführung Anfang der 1960er Jahre alles in allem nur ergänzt und erweitert, niemals aber grundsätzlich in Frage gestellt. Gekennzeichnet sind die Modelle aus dieser Schule dadurch, dass sie ihrem Betrachtungsgegenstand, was die normative Bedeutung anbelangt, sehr viel zutrauen. Öffentlichkeit ist für sie das maßgebliche Element jeder Demokratie: Sie gleicht Konflikte aus, bringt vernünftige Lösungen zustande, dient dazu, Entscheidungen zum „Besten einer Gesellschaft“ zu ermöglichen (Jürgen Gerhards). Etwa zeitgleich mit Habermas analysierte der Historiker Reinhart Koselleck in seiner Studie „Kritik und Krise“ nahezu identische Fragen, kam jedoch zu völlig entgegengesetzten Ergebnissen.1 Doch sind Kosellecks Vorstellungen dem begrenzten Bereich der Wissenschaft verhaftet geblieben und haben zu keiner Zeit jene Geltung erlangt, die Habermas für seine Theorie verbuchen konnte. Daran haben jüngere Arbeiten, die an weniger optimistische Konzeptionen von Öffentlichkeit anknüpfen, etwa an die von Walter Lippmann oder Ferdinand Tönnies, wenig ändern können.2 Im Ge1  Reinhart Koselleck: Kritik und Krise. Ein Beitrag zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, Freiburg i. B. / München 1959. Nachfolgend zitiert als Koselleck. 2  Walter Lippmann: Public Opinion, New York 1922; Ferdinand Tönnies: Kritik der öffentlichen Meinung, Berlin 1922; siehe zum Begriff Öffentlichkeit in der Geschichtswissenschaft Karl Christian Führer, Knut Hickethier und Axel Schildt: Öffentlichkeit – Medien – Geschichte. Konzept der modernen Öffentlichkeit und Zugänge zu ihrer Erforschung, in: Archiv für Sozialgeschichte 41 (2001), S. 1–38; Jörg

12 Einführung

genteil: Die Erwartungen einer jüngeren Generation von Publizisten an Transparenz und Öffentlichkeit sind durch die technischen Möglichkeiten des Internets weiter gestiegen. Der Enthusiasmus, mit dem Aktivisten die Freiheit des Internets gegen staatliche Eingriffe verteidigen, erinnert an die Entstehung des Britischen Empire oder an die Erschließung Nordamerikas. Das Internet ist die Entdeckung eines neuen Raumes, oder so wie die East India Company bei der britischen Kolonialisierung und die Eisenbahnunternehmen der sogenannten Robber Barons bei der Besiedelung Nordamerikas staatlichen Strukturen vorausgegangen sind, so treten auch jetzt wieder große weltweit agierende Privatunternehmen mit eigenen Ordnungsvorstellungen an. Welche Auswirkungen dies auf die Kommunikationsfreiheit auf der einen Seite und die Schutzfunktion des Staates auf der anderen hat, ist noch nicht abzusehen. Außerhalb Deutschlands ist die Zahl der Skeptiker spätestens seit dem Bekanntwerden hochkomplexer staatlicher „Trojaner“ wie „stuxnet“ deutlich gestiegen. Vereinzelten Stimmen, wie der des jungen Weißrussen Evgenij Morozov, sind andere gefolgt, die oft aufgrund eigener Erfahrungen vor den Gefahren der neuen Kommunikationstechnik warnen. Zuletzt hat der US-amerikanische Historiker Tim Wu auf die historischen Parallelen hingewiesen, nach denen die Entwicklung der Internet-Ökologie dem Kreislauf früherer Mediensysteme entspricht. Die Geschichte von Telegrafie, Telefonie, Film, Radio und Fernsehen sei in den USA ebenfalls zu Beginn von einer technischen und ökonomischen Offenheit gekennzeichnet gewesen und sei dann in eine geschlossene, von wenigen großen Unternehmen und staatlichen Eingriffen dominierte Hochphase gemündet. Dass Regierungsinstitutionen die anarchistische Zeit des Netzes schon jetzt beendet haben und das Internetprotokoll ein bislang unbekanntes Ausmaß an Kontrolle und Zerstörung nach sich ziehen könnte, ist nach Ansicht dieser Autoren eine ausgemachte Sache.3 Länder wie Russland, China oder Saudi-Arabien sehen die dezentrale Struktur des Internets und die technische Hegemonie der USA naturgemäß mit Argwohn und versuchen seit Längerem, das Internet Requate: Öffentlichkeit und Medien als Gegenstände historischer Analyse, in: Geschichte und Gesellschaft 25 (1999), S. 5–32. Interessant sind die Einträge unter dem Stichwort „Öffentlichkeit“ von Lucian Hölscher und von Hasso Hofmann (öffentlich) in den Geschichtlichen Grundbegriffen. Historisches Lexikon der politischsozialen Sprache, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck, 9 Bde., Stuttgart 1972–1997, und im Historischen Wörterbuch der Philosophie, hrsg. von Joachim Ritter und Karlfried Gründer, 13 Bde., Darmstadt 1971–2007. Beide Werke sind von Schmitt inspiriert, das eine über Koselleck, das andere über Ritter. 3  Tim Wu: The Master-Switch. The Rise and Fall of Information Empires, New York 2010; Evgeneij V. Morozov: The Net Delusion, New York 2011.

Einführung13

ihrer nationalen staatlichen Kontrolle zu unterwerfen.4 Dass westliche Software die Grundlage für staatliche Repressions- und Überwachungsapparate liefert, ist dabei ebenso paradox wie die Wartungsschnittstellen der Telekommunikationssysteme, von denen nur die Hersteller und die Geheimdienste Kenntnis haben und die von Fachleuten nicht ohne Ironie als „BugDoor“ bezeichnet werden – einer als Programmierfehler (Bug) getarnten Hintertür (Backdoor).5 Was dies für den „Zugang zum Machthaber“ bedeutet, den Schmitt als wesentliche Kategorie jedes politischen Systems hervorhob, ist noch nicht ausgemacht. Bereits jetzt kann jedoch jeder verantwortliche Politiker ein Lied davon singen, dass die digitale adhoc-Publizität in der Sache oft eher schadet als nutzt und eine Art von Pseudoöffentlichkeit befördert, während die wirklich wichtigen Dinge in abgetrennten Räumen verhandelt werden, die besser als je zuvor abgeschirmt werden müssen. Denn alles kann jederzeit öffentlich werden. Eine Theorie von Öffentlichkeit, die für derartige Sachverhalte unempfänglich ist, kann deshalb nicht befriedigen. Notwendigerweise muss ein neues Verständnis von Öffentlichkeit die liberalen Prämissen der Habermasschule in den unkalkulierten Folgen korrigieren. Hier ist der Staatsrechtler Carl Schmitt (1888–1985) mit seinen bis in die Weimarer Zeit zurückreichenden Überlegungen von nicht zu übersehender Bedeutung, wie das voranstehende Motto aus seinem Tagebuch und der nachfolgende Briefwechsel vor Augen führen. Sie lassen symptomatisch erkennen, welchen Wert seine Erkenntnisse von Öffentlichkeit für unsere Medien­welt haben können. Einen Theoretiker der Weimarer Zeit als Ergänzung für jüngere Ansätze zu empfehlen, ist bei genauer Betrachtung durchaus konsequent. Denn dem weitblickenden Forscher erscheint die Medienwirklichkeit zwischen 1945 und 1990 mit ihren vermachteten Strukturen des Dualen Systems und der bipolaren Weltordnung heute notgedrungen als Kontinuitätsbruch und Sonderepoche. Die publizistische Breite vor 1933 ist unserer Zeit ähnlicher als die Medienordnung und Medienethik der Bonner Republik. Auf Schmitts Bedeutung hat letzthin die Freiburger Historikerin Christina von Hodenberg in ihrem zum Standardwerk avancierten Buch „Konsens und Krise“ (2006) hingewiesen. Sie registriert für die Zeit um 1960 eine Häufung von Dissertationen und Habilitationsschriften zum Thema Öffentichkeit und begründet dies mit der gesellschaftlichen Auseinandersetzung um ein verändertes „Verhältnis von Staat und Gesellschaft“ in der politischen und 4  Fridjof Küchemann: Kalter Krieg, FAZ vom 14. Dezember 2012. Berichterstattung über die Weltkonferenz zur Telekommunikation in Dubai im Dezember 2012. 5  Constanze Kurz: Die ganz normale Unterwanderung des Netzes, FAZ vom 7. Dezember 2012.

14 Einführung

institutionellen Findungsphase der Republik.6 In dieser Auseinandersetzung seien im Wesentlichen zwei Lager für die Theoriebildung von Öffentlichkeit auszumachen: einerseits Habermas als Spitze einer jungen Forschergeneration, die mit großem intellektuellen Aufwand bemüht gewesen sei, die Konzepte der Vorkriegszeit zu ersetzen oder sie auf die neuen Begebenheiten zu beziehen; andererseits Koselleck in Anlehnung an Carl Schmitt. Die Dissertation des damals knapp Dreißigjährigen entstand aus Gesprächen mit dem betagten Staatsrechtler und war in der Konzeption eine Übersetzung von Schmitts Leviathan in der Staatslehre von Thomas Hobbes.7 Dass auch Habermas in der Nachfolge von Schmitt steht, wird außer von ihm selbst heute in der Fachwelt von kaum jemandem mehr bestritten.8 Beiden ist gemeinsam, dass ihre Publikationen auf bestimmte zeithistorische Situationen bezogen sind und dass sie ihre Veröffentlichungen als politische 6  Christina von Hodenberg: Konsens und Krise. Eine Geschichte der westdeutschen Medienöffentlichkeit 1945–1973, Göttingen 2006, S. 31. Nachfolgend zitiert als Hodenberg. 7  Jan-Friedrich Missfelder: Die Gegenkraft und ihre Geschichte. Carl Schmitt, Reinhart Koselleck und der Bürgerkrieg, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 4 (2006), S. 310–366. Hierzu verdanke ich Martin Tielke folgenden bedenkenswerten Hinweis: Schmitt betrachtete sich 1945 als Besiegter. Die neue Öffentlichkeit war jedoch eine der Sieger. Charakteristisch war, dass er aus dem Besiegtsein eine Überlegenheit ableitete. „Der Gescheiterte ist der Gescheitere“, schrieb er im Glossarium. Interessanterweise lässt sich auch hier eine Linie von Schmitt zu Koselleck ziehen, der später über die Überlegenheit des Besiegten schrieb. Siehe dazu Reinhart Koselleck: Der Besiegte, in: Zeitschrift für Ideengeschichte 6 (2012), S. 5–10. 8  In einem Leserbrief vom 18. Januar 1994 schrieb Habermas der FAZ, er wisse, dass es im Nachlass Schmitts ein Exemplar vom „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ gebe, das der „Meister mit Anmerkungen und Einlagen versehen“ habe. Daraus sei aber keinesfalls eine geistig-politische Verwandtschaft abzuleiten. Seine Abrechnung mit Schmitts Aufklärungskritik aus dem Jahr 1960 sei ohne Abstriche noch aktuell. Das mit nur wenigen Bemerkungen und Anstreichungen versehene Exemplar befindet sich im Nachlass Carl Schmitts, Nr. 25523. Siehe zur Diskus­ sion Ellen Kennedy: Carl Schmitt und die „Frankfurter Schule“. Deutsche Libe­ ralismuskritik im 20. Jahrhundert, in: Geschichte und Gesellschaft 12 (1986), S. 380–419, sowie die Beiträge von Ulrich K. Preuß und Martin Jay in: Geschichte und Gesellschaft 13 (1986); Heinz Bude: Die Soziologen der Bundesrepublik, in: Merkur, 7 (1992), S. 569–580. Habermas habilitierte sich bei Wolfgang Abendroth, der politisch bewusst eine Gegenposition zu Schmitt einnahm, diesem aber mit wissenschaftlicher Wertschätzung begegnete und seine Schüler zu einer Aus­ einandersetzung mit Schmitts Positionen anregte. Es spricht für das wissenschaft­ liche Ethos Abendroths, dass er mit Habermas einen erklärten Gegner Schmitts habilitierte, mit Rüdiger Altmann jedoch auch einen seiner stärksten Befürworter promovierte. Habermas war über Umwege zu Abendroth nach Marburg gekommen. Er wich dorthin aus, weil er befürchtete, dass seine Qualifikationsschrift an der Universität Frankfurt nicht angenommen würde.

Einführung15

Stellungnahmen, weniger als fachwissenschaftliche Beiträge verstanden wissen wollten. Ihre Konzeptionen sind deshalb nicht gegensätzlich, sie können als ergänzend betrachtet werden. Für eine angemessene Standortbestimmung Carl Schmitts in der Diskussion um eine zeitgemäße Öffentlichkeitstheorie – ebenso für das eingehendere Verständnis des vorliegenden Briefwechsels – sind somit einführende Hinweise unerlässlich. Hodenberg zufolge ähnelten sich die Konzepte in den 1950er Jahren noch verhältnismäßig stark, weil sie an älteren Betrachtungsmustern aus der Kaiserzeit, der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus festgehalten und diese nur leicht modifiziert haben. Im Mittelpunkt der Erörterung habe die gefährliche Verführungskraft von staatlicher Propaganda gestanden, weshalb Journalismus und Massenmedien meist kritisch beurteilt wurden. Auch seien die Konzepte durchweg von einem hohen Grad an Kulturpessimismus und einer damit verbundenen Technik- und Modernefeindlichkeit gekennzeichnet gewesen. Erst nachfolgende Wissenschaftler hätten die Betrachtung dann allmählich zu einer positiveren Bewertung von Öffentlichkeit geführt: Öffentlichkeit als Kontrollinstanz der Exekutive und Prinzip der Demokratie.9 Am Ende dieses Prozesses habe ein Paradigmenwechsel im Verständnis von Öffentlichkeit gestanden, der neue Wissenschaftszweige hervorgebracht und das Bewusstsein in der Bundesrepublik nachhaltig verändert habe. Bei aller Fundiertheit der Darlegung Hodenbergs sieht sie doch in bezeichnender Weise an Schmitts Standpunkt vorbei. Ihr Ansatz ist aber gerade deshalb geeignet, dessen Standpunkt zu erklären und den Lesern der nachfolgenden Briefe so eine differenziertere Betrachtung zu ermöglichen; insbesondere denjenigen, die Schmitt vorwiegend aus der Sekundärliteratur kennen oder sich mehr für dessen Briefpartner als für den Staatsrechtstheoretiker interessieren, von dem sein Biograf Reinhard Mehring sagt, seine politischen Positionen seien „gründlich diskreditiert“10. Denn wer Schmitts Denken wegen seiner politischen Fehleinschätzungen im Blick auf 1933, auch wegen des verbreiteten Klischees vom „führenden Theoretiker des Dritten Reiches“ (Hodenberg), voreingenommen zur Kenntnis nimmt oder 9  Siehe hierzu Hodenberg, S. 31 ff. Beteiligte dieser Debatte waren unter anderem Hanno Kesting, Wolfgang Martens, Franz Schneider, Theodor Eschenburg, Karl Jaspers, Rudolf Smend, Ralf Dahrendorf, Thomas Ellwein, Wilhelm Hennis, Joseph H. Kaiser, Harry Pross und Rüdiger Altmann. Auch sie knüpfte an ältere Konzepte an, zum einen per Rückgriff auf den europäischen Liberalismus des 18. und 19. Jahrhunderts, zum anderen an die Öffentlichkeitsidee der Weimarer Rechten und des Nationalsozialismus. 10  Reinhard Mehring: Carl Schmitt. Aufstieg und Fall. Eine Biographie, München 2009, S. 14. Nachfolgend zitiert als Mehring.

16 Einführung

sein Werk ausschließlich durch die NS-Brille liest, begibt sich wichtiger Anregungen und Einsichten für das Phänomen Öffentlichkeit. Es ist unverkennbar, dass Schmitt seinen Öffentlichkeitsbegriff über die politischen Brüche hinweg nicht ohne objektiven Grund variierte. Es war die Öffentlichkeit selbst, die zu seinen Lebzeiten ein ums andere Mal von den Füßen auf den Kopf gestellt wurde. Schmitt hat diese Veränderungen nachvollzogen und sein Deutungsinstrumentarium auf die jeweilige Situa­ tion abgestimmt. Fraglos hat er keine explizit formulierte, kohärente „Theorie zur Öffentlichkeit“ entwickelt. Auch kommt der massenmediale, publizistische Öffentlichkeitsbegriff in der überwiegenden Zahl seiner Schriften nicht vor. Er ist der Denker des Ernstfalls und das bedeutet, Schmitt fragt danach, wer in einer konkreten Situation die Macht hat, einen Konflikt zu entscheiden. Im Ernstfall nütze es Parteien wenig, auf eine zu ihren Gunsten tendierende öffentliche Meinung zu verweisen. Ausschlaggebend bleibe der Zugriff auf exekutive Machtmittel. Einem jungen Wissenschaftler, der ihn 1968 fragte, weshalb die „Ratio der Öffentlichkeit“ bei ihm nicht abgehandelt werde, antwortete er: „Solche allgemein-abstrakten Fragen stelle ich nicht.“11 Schmitt dachte konkret, in Personen, insbesondere an Funktionsträger mit klaren Befugnissen; an das Staatsoberhaupt etwa, das einen Krieg erklären und die militärische Maschine in Bewegung setzen kann oder aber an das Volk auf der Straße, das durch seine bloße Anwesenheit Entscheidungen erzwingen könne. Für die indirekte Wirkung von Öffentlichkeit war Schmitt nicht blind, sie hat ihn aber in erster Linie als Machtmittel interessiert.12 Öffentlichkeit als fester Topos ist bei Schmitt auch deshalb nicht zu finden, weil er ihn für die Verwendung in einer politischen Theorie als ungeeignet ansah. Ehe man nach einem allgemeinen Öffentlichkeitsbegriff frage, müssten zunächst so unterschiedliche Öffentlichkeitsbegriffe wie die einer Bundesratssitzung, einer Strafkammer oder einer Geschworenenversammlung unterschieden werden. Besonders anhand des Öffentlichkeitsbegriffes der Polizei bekomme man eine Ahnung von der Weite des Begriffsfeldes, weshalb er bedaure, dass die Rechtswissenschaft die Klärung dieser Frage den Soziologen, den Politologen und den Studentenzeitungen überlassen habe, obwohl sie primär rechtswissenschaftlicher Natur sei.13 In den Weimarer Jahren benutzte Schmitt die Begriffe öffentlich und Öffentlichkeit als Gegenteil von privat, und privat war gleichbedeutend mit 11  Carl

Schmitt an Roland Dieterich, 3. Februar 1968. Privatbesitz. hierzu die Ausführungen zur potestas directa in: Carl Schmitt: Der Begriff des Politischen, Hamburg 1963, S. 122. Nachfolgend zitiert als BP. 13  Carl Schmitt an Roland Dieterich, 3. Februar 1968 (wie Anm. 11). 12  Siehe

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unpolitisch. Öffentlichkeit gehörte noch in der Verfassungslehre aus dem Jahr 1928 untrennbar zu den Begriffen Repräsentation und Volk, beide seien ohne Öffentlichkeit nicht vorstellbar. Es gebe „keine Repräsentation ohne Öffentlichkeit, keine Öffentlichkeit ohne Volk“.14 Öffentlichkeit war in diesem Verständnis vor allem das Mittel, um die Repräsentation einer höheren Einheit greifbar zu machen, und das bedeutete für den Katholiken Schmitt: politische Repräsentation solle einer Menschengruppe eine höhere, gesteigerte, intensivere Art des Zusammenlebens ermöglichen. Jede politische Repräsentation benötige eine metaphysische Begründung, um sich als Einheit zu empfinden. Wer diese Einheit schaffe, habe die Macht. Die Sphäre der Öffentlichkeit war in dieser Vorstellung also vor allem der Raum, in dem die politische Macht ausgehandelt und anschaulich wird. Wenn die wichtigen politischen Entscheidungen jenseits der Öffentlichkeit in geheimen Sitzungen und Beratungen fielen, so Schmitt, verliere ein Parlament seinen repräsentativen Charakter. Es höre dann auf, die Einheit des Volkes zu repräsentieren und büße seine Legitimation ein. In der NS-Zeit löste er sich von diesem Verständnis und zog neue Verbindungslinien. Er erkannte, dass Öffentlichkeit unter Hitler diese politische Funktion verlor. Öffentliche Macht war nur noch öffentlich-äußerlich, ohne höheren Sinn und ohne Bekenntnis. Während die päpstliche Öffentlichkeit sich nicht ohne moralische Funktion verstehen lasse, repräsentiere Hitler nicht das prätendierte „Heil“ der römisch-katholischen Kirche, von dem aus Schmitt sein Öffentlichkeitsverständnis entwickelte, sondern habe Öffentlichkeit zu einer entseelten Sphäre pervertiert. Repräsentation im NS-Staat diene keinem metaphysischen oder moralischen Ziel, sondern sei allein auf den Machterhalt Hitlers berechnet. Da sich Schmitts Äußerungen zum Phänomen Öffentlichkeit nur verstreut in seinen Veröffentlichungen finden, ist deren Zusammenfassung nicht immer widerspruchsfrei möglich. Im wissenschaftlichen Diskurs werden folglich manche Missverständnisse perpetuiert. Die zentralen Begriffe seiner Gedankenwelt sind: Schutz und Herrschaft, Recht und Macht, Staat und Politik und natürlich das berüchtigte Paar Freund und Feind. Doch darf man nicht vergessen, dass Schmitt einen Beruf hatte und seine Schriften sich allesamt seinem Dasein als Gelehrtem des öffentlichen Rechts verdanken. Von diesem Standpunkt aus hat er sich Zeit seines Lebens meist kritisch mit Öffentlichkeit auseinandergesetzt und nicht zufällig lud der Deutsche Soziologentag ihn 1930 unter der Leitung von Ferdinand Tönnies ein, das Thema „Öffentliche Meinung“ mit einigen herausragenden deutschen Wissenschaft14  Carl Schmitt: Verfassungslehre, 8. Aufl., München 1993, S. 208. Nachfolgend zitiert als VL.

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lern seiner Zeit zu erörtern.15 Auch das Institut für Zeitungswesen an der Universität Heidelberg erbat 1932 einen Vortrag zur „drängenden Problematik des Pressewesens“.16 Er galt am Ende der Weimarer Zeit auf dem Gebiet der Presse als Experte. Um Schmitts Verhältnis zur Öffentlichkeit richtig zu fassen, ist zu untersuchen, inwieweit er in der jeweiligen zeitbestimmten Gesellschaft verortet war und aus welcher gesellschaftlichen Rolle heraus er Öffentlichkeit, vornehmlich die Publizistik seiner Zeit, kommentierte. Dass er sich selbst vor allem als Publizist begriff, wissen wir aus seiner Rechtfertigungsschrift „Ex Captivitate Salus“, in der er feststellt: „Ich bin als Lehrer und Forscher in zwei rechtswissenschaftlichen Gebieten beheimatet, im Völkerrecht und im Verfassungsrecht. Beide Disziplinen gehören zum öffentlichen Recht. Die Arbeit auf diesen Gebieten ist publizistisch im stärksten Sinne des Wortes“.17 Bei der Lektüre des Briefwechsels ist also zu berücksichtigen, ob sich ein weithin anerkannter Gelehrter oder ein vermeintlich oder tatsächlich tabuisierter Nachkriegsautor über die Funktion von Journalismus und damit von Öffentlichkeit zu Wort meldet, ob also ein Profiteur oder vermeintliches Opfer die Zeitlage analysiert. Um mögliche persönliche Motive zu erkennen, ist es unverzichtbar zu wissen, inwieweit Schmitts Vorstellung von Öffentlichkeit für oder gegen die jeweils herrschende Ordnung entworfen wurde. Für das angemessene Verständnis der folgenden Korrespondenz ist folglich zu klären, ob Schmitt die jeweilige Staatsform und die sie kennzeichnende Publizistik grundsätzlich bejahte oder verneinte. Die Weimarer Jahre Schmitt gehörte seit Mitte der 1920er Jahre zu den angesehendsten Juristen seiner Zeit. Seine „Verfassungslehre“ (1928) fand aber auch außerhalb der Rechtswissenschaften Beachtung, denn der Autor war mit der „Politischen Theologie“ (1922), der „Geistesgeschichtlichen Lage des heutigen Parlamentarismus“ (1923) und vor allem durch die Schrift „Der Begriff des Politischen“ (1927) als politischer Publizist ersten Ranges in Erscheinung getreten. Über die Frage, ob im Ernstfall der Reichspräsident oder der Ver15  Verhandlungen des Siebenten Deutschen Soziologentages vom 28. September bis 1. Oktober 1930 in Berlin, veröffentlicht in den Schriften der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 7 (1931). Nachfolgend zitiert als Soziologentag. 16  Einladung im Nachlass Schmitt, Nr. 6388. 17  Carl Schmitt: Ex captivitate salus, 2. Aufl., Berlin 2002, S. 55. Nachfolgend zitiert als ECS. 

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fassungsgerichtshof die Verfassung garantiere, folgte „Der Hüter der Verfassung“ (1931) und schließlich die Schrift über „Legalität und Legitimität“ (1932). Seine juristischen und seine politischen Positionen waren also vor 1933 bekannt und man kann nicht sagen, dass Schmitt sich mit ihnen als Feind der Weimarer Republik erwiesen habe. Im Gegenteil: Schmitt hatte seit 1925 warnend darauf hingewiesen, dass die extrem starke Stellung des Reichspräsidenten eine Gefahr für die Republik bedeute, weil die Verfassung in hohem Maße von der jeweiligen Präsidentenpersönlichkeit abhinge. „Keine Verfassung der Erde“, so Schmitt 1925, „legalisiert einen Staatsstreich so leicht wie die Weimarer Verfassung“.18 Die Zeitgenossen sahen in Schmitt 1930 durchaus nicht den „Totengräber der Republik“ (Karl Dietrich Bracher), als den ihn die Publizistik nach 1945 stigmatisierte.19 An dem erwähnten Soziologentag 1930, der ganz im Zeichen der Gedanken Max Webers stand, nahm Schmitt neben Emil Dovifat, Carl Brinkmann sowie Werner Sombart teil. In seinen Diskussionsbeiträgen demonstrierte er in einer für ihn kennzeichnenden Analyse der politischen Semantik, dass der Begriff „öffentliche Meinung“ ein Machtmittel sei und nur dann verständlich werde, wenn man die ursprünglichen Gegenbegriffe „Dogma“ und „Glaube“ im Sinn habe. Auch verwies er auf die seltsame Kombination eines technikbezogenen Begriffs „Druckerpresse“ mit dem ideenbezogenen Begriff „Freiheit“ und denunzierte damit den Begriff der „Pressefreiheit“ im liberalen Gedankensystem. Denn logischer sei es, von der „Freiheit der Meinungsäußerung“, der „Diskussionsfreiheit“, von der „Freiheit der Nachrichtenübermittlung“ oder von „Freiheit der Propaganda“ zu sprechen. Im 17. und 18. Jahrhundert sei die Presse als technisches Hilfsmittel jedoch so zentral im Kampf der Bürger gegen den Staat gewesen, dass man Presse und Freiheit wie selbstverständlich aufeinander bezogen habe. Die Voraussetzung für das Entstehen des Begriffs „Pressefreiheit“ sei ein autoritärer Staat, gegen den das Bürgertum bestimmte Freiheitsrechte habe durchsetzen wollen. Die Staatsform der Weimarer Republik habe mit dieser Form des Staates aber nichts gemein. Es gebe keine staatliche Macht mehr, gegen die das Bürgertum noch Freiheitsansprüche durchsetzen müsse. 18  Carl Schmitt: Reichspräsident und Weimarer Verfassung, Kölnische Volkszeitung v. 15.3.1925, wiederabgedruckt in: Carl Schmitt, Staat, Großraum, Nomos. Arbeiten aus den Jahren 1916–1969, hrsg. von Günter Maschke, Berlin 1995, S. 25, nachfolgend zititert als Staat, Großraum, Nomos. 19  Einen differenzierten Blick bietet Stefan Breuer: Carl Schmitt im Kontext. Intellektuellenpolitik in der Weimarer Republik, Berlin 2012. Weiterführend zitiert als Breuer.

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In einer solchen veränderten Wirklichkeit sei es unter anderem möglich gewesen, ein anderes technischen Hilfsmittel, den Rundfunk, einzuführen, ohne irgendwelche Diskussionen über Freiheitsrechte. Der Rundfunk sei gar als Monopol etabliert worden und da man vor der „Massenhaftigkeit, vor dem ungeheuren Quantum dieses technischen Apparates und seiner Wirkungs­mög­ lich­keiten“20 erschrak, sei das am häufigsten gebrauchte Wort, das mit dem Begriff Rundfunk einhergehe, Neutralität. Die Auseinandersetzung um die politische Neutralität des Rundfunks würde mit umgekehrten Vorzeichen geführt als jene um die Pressefreiheit. Denn die Entscheidungsträger wollten keine Unabhängigkeit des Rundfunks, sondern dessen weitgehende Kontrolle und Zensur. Unverkennbar sei nach Schmitt: Wer dieses „gewaltige technische Mittel in die Hand nehmen“ dürfe, erhalte ungeheure Macht. Seine Gedanken über Technik und deren politische Bedeutung entfaltete er in einem Aufsatz, der Anfang Februar 1933 in der Europäischen Revue erschien und publizistisch eigentlich die Regierung Schleicher unterstützen sollte. Als Publikation unmittelbar nach dem Machtwechsel vom Januar wurde sie aber leichthin als Handlungsanweisung für die Regierung Hitler verstanden. Schmitt hatte erkannt, dass jede öffentliche Ordnung durch Rundfunk und Film über „Möglichkeiten der Massenbeeinflussung“ verfügt, die alles Bisherige in den Schatten stellten. Kein noch so liberaler Staat könne es sich zukünftig leisten, „Massenbeeinflussung, Massensuggestion und die Bildung einer ‚öffentlichen‘, genauer: kollektiven Meinung einem anderen zu überlassen“21. Die Pressefreiheit hielt Schmitt nicht für einen konstitutiven Bestandteil des Parlamentarismus, lediglich für ein Mittel, um die zentralen Prinzipien des Liberalismus, der Öffentlichkeit und der Diskussion zu gewährleisten.22 Die in der Sekundärliteratur häufig geäußerte Meinung, Schmitt habe als Dezisionist die Diskussion an sich abgelehnt oder sogar hoffungsvoll erwartet, dass die Epoche der Diskussion überhaupt zu Ende gehe, findet in diesen Äußerungen keine Entsprechung und beruht auf einer Fehldeutung. Der Begriff Diskussion bezeichnete nach Schmitt einen „Meinungsaustausch, der von dem Zweck beherrscht“ sei, „den Gegner mit rationalen Argumenten von einer Wahrheit und Richtigkeit zu überzeugen oder sich von der Wahrheit und Richtigkeit überzeugen zu lassen“. Zur Diskussion 20  Soziologentag,

S. 59. Schmitt: Weiterentwicklung des totalen Staats in Deutschland, in: Euro­ päische Revue 2 (1933), S. 65–70, wiederabgedruckt in: Carl Schmitt: Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924–1954. Materialien zu einer Verfassungslehre, Berlin 1958. S. 360. Weiterführend zitiert als VA. 22  Carl Schmitt: Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, München 1923, S. 46. Nachfolgend zitiert als GLP. 21  Carl

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gehörten deshalb notwendigerweise die Unabhängigkeit von parteilichen Bindungen sowie die Unbefangenheit gegenüber egoistischen Interessen.23 Die parlamentarische Öffentlichkeit, die er erfahre, sei aber derart vermachtet, die Interessen der einzelnen politischen Gruppierungen so fokussiert, dass es im Parlament keine unabhängigen Meinungen mehr gebe. Stattdessen seien politische Entscheidungen das Ergebnis von Verhandlungen. Wenn aber die zentralen Prinzipien der Diskussion nicht mehr gälten, vor allem die Auseinandersetzung in freier Meinung, dann sei eben das „Zeitalter der Diskussion“ zu Ende und das „Zeitalter der Verhandlung“ habe begonnen. Die Krise des Parlamentarismus gründe darin, dass die „moderne Massendemokratie die argumentierende öffentliche Diskussion zu einer leeren Formalität gemacht hat“. Schmitt lässt also erkennen, dass für ihn die öffentliche Diskussion keine „leere Formalität“ ist, sondern zu einer solchen gemacht wurde, von „sozialen und wirtschaftlichen Machtgruppen“, für die das „Argument im eigentlichen Sinn“ nicht mehr zähle. Danach ist es abwegig, Schmitt kategorisch als Gegner von Diskussion, medialer Öffentlichkeit oder Pressefreiheit zu brandmarken. Er war durchaus der Ansicht, dass der Parlamentarismus einen praktischen Nutzwert habe und ein staatlich-soziales Gefüge wie die Republik von Weimar administrieren könne. Er wandte sich nur dagegen, ein solches Gefüge mit untauglichen Begriffen, deren Bedeutung in zurückliegenden historischen Zusammenhängen geformt worden sei, gedanklich zu fassen. Das Parlament stelle nicht mehr den Ort dar, an dem freie Meinungen miteinander konkurrierten und die politischen Entscheidungen aufgrund rationaler Erwägungen fielen, sondern eine Art Büro für eine „technische Umschaltung in den staatlichen Behördenapparat“24. Wer weiter an den Parlamentarismus glaube, der müsse mit neuen Argumenten und einer neuen Theorie überzeugen. Eine weitere Fehldeutung der Gedanken Schmitts ist die auch von Hodenberg vertretene Ansicht, er habe Öffentlichkeit als Akklamationsinstanz betrachtet und den Bürgern keine politische Teilhabe zugebilligt. Indem Hodenberg sich begründend auf die folgende seiner Äußerungen bezieht, wird offensichtlich, inwiefern sie falsch liegt: „Erst das wirklich versammelte Volk ist Volk, und nur das wirklich versammelte Volk kann das tun, was spezifisch zur Tätigkeit dieses Volkes gehört: es kann akklamieren, d. h. durch einfachen Zuruf seine Zustimmung oder seine Ablehnung ausdrücken, Hoch oder Nieder rufen, einem Führer oder einem Vorschlag zujubeln, den 23  Die folgenden Zitate finden sich in GLP, S. 9 ff. In den Vorbemerkungen zur 2. Aufl. des Buches aus dem Jahr 1926 hat Schmitt zu ganz ähnlichen Fehlinterpretationen Stellung genommen, wie sie Hodenberg unterlaufen. 24  VL, S. 319.

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König oder irgendeinen anderen hochleben lassen oder durch Schweigen oder Murren die Akklamation verweigern“25. Unzweifelhaft hat das Volk nach Schmitt Wahlmöglichkeiten, es kann einem Vorschlag zustimmen, ihn aber auch verwerfen. Das „Volk“ ist für Schmitt 1923 noch die Menschenmenge, die sich konkret auf dem Marktplatz, dem römischen Forum oder „unter der Dorflinde“26 versammelt. Eine solche Gruppe sei nach Schmitt in ihrer Heterogenität nicht repräsentierbar. Einzelinteressen, Gruppierungen, Vorstellungen und Meinungen könne man durch bestimmte maschinelle Techniken ermitteln, registrieren oder durch einen Abgeordneten vertreten lassen; das Volk in seiner Gesamtheit sei aber nicht darstellbar. Es existiere überhaupt nur in der „Sphäre der Publizität“. Begriffe wie volonté générale, General- oder Volkswille, die über jegliche Heterogenität der Interessen hinwegtäuschten, kritisierte Schmitt als politische Instrumente ohne reale Rückkopplung. Sie würden benutzt, um bestimmten Adressaten durch das Mittel der Volkserziehung, etwa nach Abstimmungsniederlagen, klarzumachen, dass sie sich „über den Inhalt des Generalwillens geirrt“ hätten.27 Wenn der Begriff Klasse ernsthaft mit dem Begriff Volk konkurrieren könne, sei ein homogener Volksbegriff, der zu einer public opinion logischerweise gehören müsste, doch zumindest zweifelhaft.28 Die einstimmige Meinung von 100 Millionen Privatleuten sei jedenfalls weder Wille des Volkes, noch öffentliche Meinung29. Die körperliche Anwesenheit des Volkes sei die Bedingung von Öffentlichkeit und beides, Volk und Öffentlichkeit, könnten nicht ohne einander gedacht werden. Für die unverfälschte Demokratie sei es erforderlich, dass die Gesamtheit des Volkes entscheide. Um dies sinnfällig zu machen, müsse das Volk versammelt sein. In den großen Staaten zeige sich das Volk aber nur in Teilen: bei Feierlichkeiten, im Theater, auf dem Rennplatz oder im Stadion.30 Angesichts der struktur- und richtungsgebenden Bedeutung von Frage und Vorschlag sei es deshalb „demokratisch gedacht, Fragestellung und 25  VL,

S.  243 f. S. 42. 27  Zitate aus GLP, S. 35–37. Diese Gedanken gehen zurück auf Rousseau und finden sich fast wörtlich wiederholt in der Dissertation von Koselleck, dem Schmitt seine Sicht in zahlreichen Gesprächen vermittelte. Besonders zu beachten das 3. Kapitel „Krise und Geschichtsphilosophie“ mit entsprechenden Anmerkungen. 28  VL, S. 249. Dort ist zu sehen, dass Schmitt den Forschungsstand zur öffent­ lichen Meinung und public opinion in England mit Interesse zur Kenntnis genommen hat. 29  GLP, S. 22. 30  Versammlungen, zu denen durch Online-Dienste spontan oder systematisch eingeladen wird, geben der These eine aktuelle Dimension. 26  GLP,

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Vorschlagslisten von der Regierung ausgehen zu lassen“ und nicht von ­anonymen Cliquen und Interessengruppen, die sie in „tiefstem Geheimnis fabrizierten“. Denn darüber komme auch die radikalste und unmittelbarste Demokratie nicht hinweg: Das Volk könne nur Ja oder Nein sagen. Die Methode der „geheimen Einzelwahl“ summiere private Einzelwillen, sei aber nicht geeignet, den Willen des Volkes zu ermitteln. Im Gegenteil: Das Volk als Einheit werde durch die Einzelwahl aus der Öffentlichkeit verdrängt. „Der Souverän verschwindet in der Wahlzelle“.31 Stefan Breuer hat in diesem Zusammenhang eindringlich gefordert, Schmitt vor seinem historischen Hintergrund zu beurteilen, denn der Autor habe seine Begrifflichkeit im Verlauf seiner sechs Jahrzehnte dauernden publizitischen Tätigkeit ständig angepasst, neu orientiert oder revidiert. So sei sein Verständnis von Demokratie schon in den 1920er Jahren als inkonsequent bezeichnet worden und kaum geeignet gewesen, demokratische und nicht demokratische Staatsformen voneinander zu unterscheiden.32 Gerade diese Inkonsequenz zeigt Schmitt jedoch auf der Höhe seiner Zeit, denn sie war ja gerade das Kennzeichen des Intellektuellendiskurses der Weimarer Jahre, der seine Spannung aus systemimmanenten Widersprüchen der parlamentarischen Demokratie bezog. Das Problem der überstimmten Minderheit ist in diesem Zusammenhang wesentlich, da Schmitt zutreffend auf die Bedeutung der geistigen und damit publizistischen Auseinandersetzung hinweist, die den Konflikt am Ende entscheidet. Es läge nun mal in der „dialektischen“ Natur der Demokratie, dass die echten Demokraten nicht selten in der Minderheit seien. Ob der Wille der Mehrheit oder der Wille der Minderheit den Willen des Volkes bilde, sei am Ende deshalb eine Frage der Wertsetzung und der Erziehung. Wenn Demokraten in die Minderheit gerieten, seien sie gezwungen, im Namen der wahren, erst noch zu schaffenden Demokratie die Demokratie zu „suspendieren“.33 Die Behauptung, Schmitt habe die Möglichkeiten zur politischen Partizipation des Volkes gering geschätzt, trifft also für die Zeit vor 1933 nicht zu. Zutreffend ist vielmehr, dass für ihn die Volksversammlung die entscheidende politische Größe ist, weil sie, auch wenn sie zunächst unpolitisch erscheint, „unerwartete politische Möglichkeiten in sich“34 berge. Was er kritisierte, war nicht die Beteiligung des Volkes an der politischen Entscheidung, sondern ganz im Gegenteil, dass bürgerlich-rechtstaatliche Verfassungen das versammelte Volk als politischen Faktor gar nicht vorsähen und 31  Carl

Schmitt: Wesen und Werden des faschistischen Staates, in: PB, S. 110. S. 72, verweist darauf, dass schon die zeitgenössische Kritik von einer „Begriffserweichung“ gesprochen habe. 33  PL, S. 37. 34  VL, S. 244. 32  Breuer,

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infolge des Mechanismus von Repräsentation, maschinellen Abstimmungsverfahren und geheimen, ausgeklügelten Wahlverfahren echte Volksversammlungen und Partizipation gar nicht kennten. Die Repräsentanten des Parlamentarismus dürften zwar davon sprechen, die Meinungen der Bürger addiert und verrechnet, Interessen dargelegt und wirtschaftliche Vorteile ausgehandelt zu haben. Sie dürften nach Schmitt auch ihre Interessen darlegen und einen wirtschaftlichen Vorteil aushandeln. Sie dürften aber nicht behaupten, im recht verstandenen Sinn zu diskutieren und den Willen des Volkes zu erfüllen. Die eigentliche Macht liegt nach diesen Ausführungen nicht beim Volk, sondern bei derjenigen Gruppe, die durch physische oder eben publizistische Macht in der Lage ist, ihre Weltsicht durchzusetzen. Die NS-Zeit Nach 1933 gab es für Schmitt vorerst keinen Grund, sein Konzept von Öffentlichkeit zu überdenken. Hermann Göring hatte ihn in den neu eingerichteten Preußischen Staatsrat berufen und Schmitt das Amt eines Staatsrats in der Hoffnung angenommen, dem „Nationalsozialismus einen Sinn zu geben“. Die Ernüchterung, die wohl schon 1934 einsetzte, führte mehr und mehr zu einer hinterfragenden und keineswegs immer geheim gehaltenen Distanz zum nationalsozialistisch überformten Staat. Seine Freundschaft zum Preußischen Finanzminister Johannes Popitz, der als Mitverschwörer des Widerstandes der Gruppe 20. Juli in Plötzensee hingerichtet wurde, war in mancher Hinsicht ein Ausdruck dieser Skepsis. Andererseits hat Popitz Schmitt in die Pläne des Widerstands bezeichnenderweise nie eingeweiht, weil es ihm offenbar an Vertrauen in dessen politische Zuverlässigkeit mangelte. Es waren vor allem Vertreter der nachrückenden nationalsozialistischen Funktionärselite, die klarsichtig erkannten, dass Staatsrat Schmitt kein Nationalsozialist ihrer Prägung war. Sein Denken wurzelte zu tief im römischen Katholizismus und sein Antisemitismus erschien in Anbetracht der zahlreichen Verbindungen zu Juden aus früheren Jahren irgendwie unglaubwürdig. In seinen Tagebüchern und privaten Aufzeichnungen finden sich vor 1933 kaum offene antisemitische Einlassungen. Zudem war für Freunde und Bekannte der Wandel Schmitts in der Rassenfrage so unerklärlich, dass Helmut Quaritsch sie für eine „byzantinische Übertreibung“ hielt, die bei näherer Betrachtung als „Narrenjubel und Nonsens-Proskynese“ erkennbar werden sollte.35 Selbst ein erklärter Gegner Schmitts, Waldemar Gurian, schrieb in seinen „Deutschen Briefen“ aus dem Exil zynisch, Schmitt selbst 35  Mehring,

S. 359.

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mache sich über seinen Beitrag zu den Nürnberger Rassegesetzen „sicher im Stillen am meisten lustig“.36 Junge, aufstrebende Eliten im Justizwesen sahen in Schmitt eine Autorität, die es zu verdrängen, ja zu ersetzen galt, weil sie der ideologischen Durchdringung ihres Arbeitsfeldes und dem eigenen Aufstieg im Weg stand. Parteiideologen wie Alfred Rosenberg, der für den Bereich des öffentlichen Rechts zuständige Heydrich-Stellvertreter und Abteilungsleiter im SSHauptamt Sicherheitspolizei Werner Best, der Hauptabteilungsleiter im SDHauptamt Reinhard Höhn oder der Rechtshistoriker Karl August Eckhardt, Hauptreferent für Recht, Staat, Politik, Wirtschaft und Geschichte in der Hochschulabteilung des Kultusministeriums, arbeiteten an einer politischen Konkretisierung der NS-Ideologie. Je weiter sie vorankamen, desto stärker entfalteten sie Vorbehalte gegenüber den alten Eliten. In diesen Kreisen war selbstverständlich bekannt, dass Schmitt als Berater Kurt von Schleichers, des letzten Kanzlers der Weimarer Republik, versucht hatte, Hitler zu verhindern.37 Enthüllend war eine Äußerung von Karl August Eckhardt, der mit Blick auf den anwesenden Schmitt im Dezember 1934 sagte: „Viele von Ihnen sind aus ehrlichem Herzen mit der heutigen Zeit gegangen, aber gar mancher irrt sich, wenn er sich für einen Nationalsozialisten hält“.38 Schon vorher, am 3. Februar 1934, hielt Schmitt bestürzt gegen sich gerichtete Angriffe des Gauleiters Erich Koch in seinem Tagebuch fest.39 Ihm wurde klar, dass er notwendigerweise Angriffen radikaler Nationalsozia­ listen ausgesetzt sein würde und diesen „schutzlos“ gegenüberstände.40 Spätere Tagebucheintragungen verraten Anzeichen von Verunsicherung und Angst, die vermutlich dazu führten, dass er den Kontakt zum damals höchsten Juristen des Reiches, Hans Frank, intensivierte. Schmitt war seit dem 1. Mai 1933 Parteimitglied, gehörte dem Bund Deutscher Juristen an und publizierte aus exponierter Position antisemitische Rechtfertigungen für das herrschende Regime.41 Personen wie er konnten zu 36  Mehring,

S. 378. wies immer wieder auf den zentralen Topos des katéchon, des Aufhalters, in seinem Werk hin. Im Glossarium heißt es unter dem 11. Januar 1948: „Vous connaissez ma théorie du katéchon, elle date de 1932“. Carl Schmitt: Glossarium. Aufzeichnungen der Jahre 1947–1951, hrsg. von Eberhard von Medem, Berlin 1991. Nachfolgend zitiert als Gl. 38  Mehring, S. 357. 39  Carl Schmitt: Tagebücher 1930–1934, hrsg. von Wolfgang Schuller in Zusammenarbeit mit Gerd Giesler, Berlin 2010. Eintrag vom 3. Februar 1934, S. 326. Nachfolgend zitiert als TB III. 40  TB III, 6. Februar 1934, S. 328. 37  Schmitt

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Beginn der NS-Herrschaft mit einiger Berechtigung erwarten, in der Bewegung eine politische Heimat und Machtbasis zu finden. Als jedoch Hitler im Juni 1934 Ernst Röhm und führende Mitglieder der SA sowie ehemalige Regierungsberater ermorden und ein Spezialkommando Kurt von Schleicher und dessen Ehefrau in deren privater Villa brutal hinrichten ließ, kann man sich unschwer vorstellen, was in Schmitt vorgegangen sein muss. Ausgerechnet jetzt, in den Wochen der Ermordung der SA-Führung, übernahm er auf Wunsch von Hans Frank die Herausgabe des Zentralorgans der Rechtspflege, der „Deutschen Juristenzeitung“. Dass er in dieser Lage den Aufsatz „Der Führer schützt das Recht“ verfasste, obwohl er zur gleichen Zeit missbilligte, dass Popitz die „Gesetze über Maßnahmen der Staatsnotwehr“ wohlwollend beurteilte,42 legt nahe, dass Schmitts Einlassung auch als Verzweiflungstat mit Verteidigungsabsicht betrachtet werden muss.43 41

Die Anfeindungen gegen ihn ließen nicht nach und gipfelten schließlich im Dezember 1936 in zwei Artikeln des SS-Organs das Schwarze Korps, in dem er als Vertreter eines judenfreundlichen politischen Katholizismus herausgestellt wurde.44 Damit stand Schmitt auf der „offiziösen Proscriptionsliste“ des Systems und wen das SS-Blatt namentlich zum Kritiker oder Gegner des Systems abstempelte, war öffentlich verfemt. Schmitt war vom Mittäter zu einer gefährdeten Person geworden, die im Januar 1937 alle Ämter verlor bis auf die Professur in Berlin und den unbedeutend gewordenen Titel „Preußischer Staatsrat“. Dieser Lebensabschnitt führte Schmitt zu einer neuen Sicht von Öffentlichkeit, von Presse, Radio und Journalismus, infolge deren Pervertierung zum Herrschaftsinstrument im Dritten Reich. Die Presse- und Rundfunkordnung wurde fortan für ihn zu einem „wichtigen Thema“45. Er begann, einschlägiges Material zu sichten und zu sammeln. 1938 erschien dann „Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes“ als Abrechnung mit dem NS-Regime und dessen „Pseudo-Öffentlichkeit“. Diese Abhandlung ist ebensowenig eine Theorie der Öffentlichkeit wie die Darlegungen aus den Weimarer Jahren. Im Kern geht es um die Frage, wie 41  Zu den Einzelheiten Andreas Koenen: Der Fall Carl Schmitt: Sein Aufstieg zum Kronjuristen des Dritten Reiches, Darmstadt 1995. Nachfolgend zitiert als Koenen. 42  TB III, 4. Juli 1934, S. 349. 43  Siehe hierzu Wolfgang Schuller, TB III, S. 459–464. 44  Mehring, S. 379. 45  Carl Schmitt an Walter Petwaidic vom 4. März 1953, Nachlass Schmitt, Nr. 13368. Auch Augstein erhielt einen Hinweis auf einen „interessanten Fall Pressefreiheit“, als in Heidelberg eine einstweilige Verfügung gegen den Roman „Nasses Brot“ erlassen wurde. Carl Schmitt an Rudolf Augstein, ohne Datum, Nachlass Schmitt, Nr. 13388.

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ein Staat beschaffen sein müsse, um den inneren Frieden durchsetzen und bewahren zu können. Der Öffentlichkeitsbegriff spielt hier insofern eine wesentliche Rolle, als der Staat der Neuzeit nach den Glaubenskriegen die Befriedung der Gesellschaften erreicht habe, indem er Glaubens- und Gewissensfragen einer privaten Sphäre überließ, aus der er sich entweder ganz heraushielt oder die er aus neutraler Position heraus respektierte. Der Bürger lege ausschließlich ein „privates“ Bekenntnis ab, so Schmitt. Nur wenn der Glaube „öffentlich“ verhandelt werde, entscheide der Souverän über wahr und unwahr.46 Die Unterscheidung von privat und öffentlich steht bei Schmitt jetzt für die Trennung von „innerlich“ und „äußerlich“. Dadurch bilde sich ein Raum, in dem ein Vorbehalt gegen die Staatsmacht kultiviert werden könne. Das ist die Antithese, die Reinhart Koselleck zwanzig Jahre später in seinem Buch „Kritik und Krise“ verfestigte. Für Schmitt bedeutete sie den Übertritt zu einem neuen Verständnis von Öffentlichkeit. Denn in dem Augenblick, in dem die Trennung von Innerlich und Äußerlich anerkannt werde, sei die Überlegenheit des Privaten über das Öffentliche entschieden. Irgendwann liege die Kennzeichnung von Recht und Unrecht dann nicht mehr beim Staat, sondern sie werde zu einer öffentlich verhandelten Gewissensfrage. Der Staat werde gezwungen, sich nach einer moralischen Instanz zu richten, die sich im privaten Raum gebildet habe. Ein Machthaber, der gegen die öffentlich ausgehandelte, aber dennoch private Moral handele, werde in den Augen der Träger dieser Moral zum Verbrecher. Öffentlichkeit hat für Schmitt 1938 nun die Funktion, das Handeln der Herrschenden nach moralischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Schmitts Abhandlung über Hobbes folgt dem Gebot der Wissenschaftlichkeit, bleibt deshalb nicht einseitig und ist insofern auch kein Plädoyer für den Nationalsozialismus. Vielmehr enthält sie zahlreiche Überlegungen, die von den Zeitgenossen geradezu als Aufforderung zum Rückzug ins Private, zur Distanzierung, zum schließlichen Widerstand aufgefasst werden mussten. Der öffentliche Raum habe durch seine vollständige Mechanisierung sowie seine vollzogene Entgeistigung seine Seele verloren. Derartiges nicht auf den Nationalsozialismus zu beziehen, der nach Goebbels die „Regie des öffentlichen Lebens“ für sich beanspruchte, scheint nahezu ausgeschlossen. Ein Vergleich mit Ernst Jüngers Marmorklippen, den Schmitt nach dem Krieg nahelegte, ist nicht aus der Luft gegriffen. Schmitt war mithin keineswegs ein „führender Theoretiker des Dritten Reiches“, sondern ein Irrläufer aus der politischen Szene der Weimarer Republik, dem es, wie Hannah 46  Carl Schmitt: Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes. Sinn und Fehlschlag eines politischen Symbols (1938), Stuttgart 1995, S. 85. Nachfolgend zitiert als L.

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Arendt zutreffend schrieb, trotz allergrößter Mühe nicht gelang, es den Nationalsozialisten recht zu machen und der sich 1936 enttäuscht zurückzog.47 Öffentlichkeit war für Schmitt bis Ende der 1960er Jahre das, was er im „Leviathan“ gedanklich entworfen hatte. Das sogenannte Epochenjahr 1945 bedeutete für ihn in dieser Hinsicht keine Zäsur. Die Bundesrepublik Erst in den 1950er Jahren setzte sich im allgemeinen Sprachgebrauch das Verständnis von „Öffentlichkeit als Staatsersatz“ sowie Öffentlichkeit als Sphäre von Presse, Radio, Film und später auch Fernsehen durch. Der Wandel hin zu diesen Begriffsfeldern hing nicht zuletzt mit der Tatsache zusammen, dass die CDU-geführte Regierung als Opposition eher Presse und Rundfunk zu fürchten hatte als die der parlamentarischen Konkurrenten. Der Staatsrechtler Karl Loewenstein meinte rückblickend, dass in den ersten zehn Jahren der Bundesrepublik nur zwei Möglichkeiten zu oppositioneller Arbeit existiert hätten: Das Bundesverfassungsgericht und der Spiegel.48 Das Bundesverfassungsgericht wurde in dieser Rolle erstmals unter breiter medialer Beteiligung von einer umfassenden Öffentlichkeit durch Parteiverbote von Sozialistischer Reichspartei (SRP) und Kommunistischer Partei Deutschlands (KPD) 1956 wahrgenommen. Mit dem Lüth-Urteil49 von 1958 schuf das Gericht die Möglichkeit, die Grundrechte als „Abwehrrechte des Individuums gegen den Staat“ (Dieter Grimm) einzusetzen und erweiterte die grundrechtlich geschützte Sphäre öffentlicher Meinungsbildung. Das Fernsehurteil von 1961 fixierte schließlich die Bundesländer als verfassungsrechtliches Gegengewicht zur Bundesregierung in Bonn und setzte gleichzeitig dem Einfluss des Bundes auf die Medienöffentlichkeit enge Grenzen. Mit diesen Entscheidungen trat das Bundesverfassungsgericht 47  Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, München 1986, S. 544. 48  Zitiert nach Dirk van Laak: Gespräche in der Sicherheit des Schweigens. Carl Schmitt in der politischen Geistesgeschichte der frühen Bundesrepublik, 2. Aufl., Berlin 2002, S. 165. Nachfolgend zitiert als van Laak. 49  Das sogenannten Lüth-Urteil bezog sich auf den Hamburger Senatsdirektor Erich Lüth, der zum Boykott der Filme von Veit Harlan aufgerufen hatte, der in der NS-Zeit mit Filmen wie „Jud Süß“ und „Kolberg“ zu den sichtbarsten Propagandisten Hitlers gehörte. Die Produktionsgesellschaft Harlans verklagte Lüth auf Unterlassung. Das Urteil ging bis an den Bundesgerichtshof und wurde schließlich vom BVerfG am 15. Januar 1958 aufgehoben. Schmitt stand in diesem Fall auf der Seite Harlans. Es könne nicht angehen, so Schmitt an Ernst Forsthoff am 3. September 1953, dass alles, was eine von Moskau abweichende Antwort auf die großen Fragen der Gegenwart versucht, faschistisch ist. Briefwechsel Schmitt / Forsthoff, S. 97.

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faktisch erstmals für jedermann offensichtlich selbst als höchste politische Entscheidungsinstanz auf, weshalb manche Staatsrechtler in dem Urteil von 1958 die eigentliche Gründung der Bundesrepublik in ihrer heutigen Form sehen.50 Schmitt betrachtete diese Entwicklung mit Skepsis, weil er eine Politisierung der Verfassungsgerichtsbarkeit fürchtete und für die neue Rolle des obersten Gerichts keine legitime Grundlage sah, sofern es seine Entscheidungen auf wertphilosophische Begründungen abstellte. In dem Essay, der bezeichnenderweise „Tyrannei der Werte“ hieß, warnte er unmissverständlich: Ein Kampf, bei dem es um letzte Werte gehe, sei stets der grausamste, weil alle Werte in den Strudel von Auf- und Abwertungen gerieten und es deshalb keine gemeinsame Basis für Vermittlung gebe. Konsequent variierte er das die damaligen Verhältnisse charakterisierende Bonmots Fritz René Allemanns: „Bonn ist Rhöndorf!“, zu „Bonn ist Karlsruhe“51. Von den vier Staatsformen, die Schmitt miterlebte, stand er der Bundesrepublik mit der größten Reserviertheit gegenüber. Der nach 1945 vom Wissenschaftsbetrieb Ausgeschlossene wähnte sich zu Unrecht verstoßen, machte dies aber gleichzeitig zur Grundlage einer persönlichen Inszenierung. Eine Abneigung gegen die von den Besatzungsmächten ins Leben gerufene Lizenzpresse, die van Laak bei den „Verprellten“ als Motiv für den Rückzug ins Private nennt, ist bei Schmitt jedoch nicht festzustellen.52 Er hielt Zeitungen zwar grundsätzlich für gefährlich, weil sie „dem Zeitgeist“ Tür und Tor öffneten,53 hoffte aber, seine Rolle als führender Intellektueller und als Stichwortgeber der politischen Klasse bald wiedererlangen zu können. In diesem Zusammenhang brachte er seine Darlegung „Legalität und Legitimität“ von 1932 mit dem Hinweis in Umlauf, sie arbeite die „Modellsituation der heutigen Demokratie“ mit aller Klarheit heraus. Ihm sei keine Publikation bekannt, die „das akute Problem der liberalen Demokratie in dieser Weise behandelt hätte“. Es sei nicht seine Schuld, dass die deutschen Demokraten diese Schrift 1932 damals nicht beachtet und unter Verdacht gestellt hätten. Dem Politikwissenschaftler Michael Freund, für den diese Äußerungen bestimmt waren, riet er für dessen Beschäftigung 50  Siehe etwa Hasso Hofmann: Recht und Kultur. Drei Reden, Berlin 2009, S. 54. Dort vor allem die Anm. 63. Kennzeichnend auch der ehemalige Verfassungsrichter Dieter Grimm: Die Karriere eines Boykottaufrufs, in: Die Zeit Nr. 40 (2001). 51  Carl Schmitt an Armin Mohler vom 14. April 1959, in: Armin Mohler  / Carl Schmitt. Briefwechsel mit einem seiner Schüler, Berlin 1995, S. 262. Nachfolgend zitiert als BW Mohler. 52  von Laak, S. 64. 53  Jacob Taubes: Ad Carl Schmitt. Gegenstrebige Fügung, Berlin 1987, S. 35.

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mit Demokratie nicht einzelne Veröffentlichungen heranzuziehen, sondern gleich das Gesamtwerk.54 Die in politischer, aber eben auch publizistischer Hinsicht unterschied­ liche Behandlung von Belasteten führte bei Schmitt begreiflicherweise dazu, dass er die westdeutsche Publizistik als unausgewogen und parteiisch empfand, von einer „Pseudoöffentlichkeit“55 sprach oder die westdeutsche Öffentlichkeit gleich ganz in Anführungszeichen setzte56. Er gewahrte eigentümliche Mechanismen, die „in Deutschland jede Öffentlichkeit“ verhinderten.57 Seine eigenen Schriften würden von der „Tagespublizistik und der massenmedialen Öffentlichkeit“ politisch instrumentalisiert.58 In den Anmerkungen zu einem Rundfunkvortrag Karl Mannheims im Winter 1945 / 46 griff er die Lautsprechermetaphorik noch einmal auf, die er seit den 1920er Jahren missbilligend als kennzeichnend für die Massenmedien verwendet hatte. „Jeder Lautverstärker“, so Schmitt, „bringt eine Sinnverfälschung mit sich, auch für denjenigen, der sich für den Herrn des Lautverstärkers hält“.59 „Hüte Dich vor jedem Mikrophon, das Deine Stimme in die falsche Öffentlichkeit trägt“60 riet er wiederholt. Geist und Intelligenz setze dem „Lärm des öffentlichen Betriebes“ unterschiedliche Formen von Höflichkeit, Korrektheit und Ironie entgegen, bis sie schließlich ganz verstummten. Schmitt formulierte deutlich, dass die „Lautsprecher von heute“ für ihn ebenso wenig eine Instanz seien wie die „Lautsprecher gestern“. Vielmehr gelte es, das eigene Denken und Sprechen dem technisch gesteigerten Zwang und der technisch gesteigerten Kontrolle zu entziehen. An Erika Martens schrieb er, sein Fall habe vor und nach 1945 zum Phänomen der Öffentlichkeit gehört, seine Situation sei immer die einer freien Intelligenz gegenüber einer heterogenen, dominierenden Art von Öffentlichkeit gewesen.61 54  Carl

Schmitt an Michael Freund, 1. November 1950. Schmitt an Rudolf Augstein, 7. Juli 1957. 56  Carl Schmitt an Bernard Willms, 18. November 1966. 57  Carl Schmitt an Karl Epting, 30. Oktober 1953. 58  Carl Schmitt: Der Begriff des Politischen, Neuausgabe, Berlin 1963, S. 16 passim. 59  Carl Schmitt: Bemerkungen zu einem Rundfunkvortrag von Karl Mannheim, in: ECS, S. 13–34, Zitate nach S. 17, 20 und 23. Auf die zentrale Bedeutung alles Phonetischen bei Schmitt hat Helmut Lethen hingewiesen. In den Tagebüchern fänden sich kaum Wiedergaben visueller Erlebnisse. Schmitts Aufzeichnungen führten vielmehr in eine „Welt akustischer Phänomene“. Fast alle Theorien Schmitts sind nach Lethen „phonetisch begründet“. Siehe dazu Helmuth Lethen: Verhaltenslehren der Kälte. Lebensversuche zwischen den Kriegen, 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1994. Besonders S.  222 ff. 60  Gl, S. 172. 61  Carl Schmitt an Erika Martens vom 26. August 1968. Nachlass Schmitt, Nr. 13253. 55  Carl

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Wissenschaftlich ging er das Problem der politischen Öffentlichkeit nicht mehr an, erkannte jedoch hellsichtig, dass es sich um ein Karrierethema handele. Junge Wissenschaftler wie Rüdiger Altmann, Reinhart Koselleck und Hanno Kesting machten daraus aufgrund seiner Anregung und mit seiner Hilfe wissenschaftliche Qualifikationsschriften.62 Ende der 1960er Jahre revidierte der mittlerweile achtzigjährige Schmitt letztmalig seine Sicht, weil er annahm, dass der ihm verhasste Parteienparlamentarismus möglicherweise durch den technischen Fortschritt abgewickelt werden könne. Im Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt veröffentlichte er 1970 einen Artikel über „die Aggressivität des Fortschritts“ mit der Überschrift „Von der TV-Demokratie“.63 Hier verknüfte er ältere Vorstellungen von Volk, Repräsentation und Demokratie – wie eingeführt – mit den neuen technischen Möglichkeiten des Rundfunks und Fernsehens. Ein Volkswille könne sich nur bilden, wenn das Volk versammelt ist, so die bekannte Formel des Staatsrechtlers. Was aber, wenn die Tatsache des versammelten Volkes infolge der „Steigerung unserer optischen und akustischen Kommunikationsmittel“ zu einem rein technischen Problem würde? Dann könne der repräsentative Parlamentarismus vielleicht doch noch gegen den aufkommenden Parteienstaat verteidigt werden. Schmitt war überzeugt, dass in absehbarer Zeit „einleuchtende Mittel und Methoden entwickelt würden, die eine konkrete, permanente, einleuchtende Art von Identität der politischen und sozialen Gruppen“ gewährleisten. Insoweit dieser Zustand erreicht werde, müsse der Begriff der Repräsentation völlig neu gedacht werden. „Das Demokratie-Problem“, so sein Ausblick, „könnte durch die Technik in einer bisher utopisch erscheinenden Weise gelöst werden“. Schmitt und die Publizistik seiner Zeit Die vierte Gewalt, als die Edmund Burke die Presse bezeichnet hat, findet in der Systematik Schmitts keine Rückkoppelung. Indirekte Gewalt, die potestas indirecta, beschrieb er hauptsächlich im Zusammenhang mit der Institution Kirche, später noch mit Blick auf Verbände und Gewerkschaften. 62  Rüdiger Altmann: Das Problem der Öffentlichkeit und seine Bedeutung für die moderne Demokratie, Diss. Marburg 1954; Reinhart Koselleck: Kritik und Krise. Ein Beitrag zur Pathogenese der modernen Welt, Freiburg / München 1959; Hanno Kesting: Öffentlichkeit und Propaganda. Zur Theorie der öffentlichen Meinung, Bruchsal 1995. Auch Ernst Forsthoff wies Schmitt auf die Bedeutung des Themas hin. Zu Rüdiger Altmann (1922–2000) siehe unten. Das Koselleck-Buch rezensierte Schmitt außerordentlich wohlwollend im Historisch-Politischen Buch 7 (1959), S.  301 f. 63  Carl Schmitt: Von der TV-Demokratie, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt vom 28. Juni 1970.

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Diese versteckten Kräfte hielt er für schädlich, weil sie die Staatsmaschine benutzten, ohne den Preis der Verantwortung dafür zu zahlen. Er begrüßte jeden Anlass, der diese indirekten Einflüsse in die Öffentlichkeit zwang und allgemein sichtbar machte. Während er die Presse in seinen frühen Schriften abwertend als Instrument der „diskutierenden Klasse der Rede und Preßfreiheit“ bezeichnete, deren Leitbild darin zu bestehen scheine, dass „nicht nur die gesetzgebende Körperschaft, sondern die ganze Bevölkerung diskutiert, die menschliche Gesellschaft sich in einen ungeheuren Klub verwandelt und die Wahrheit sich auf diese Weise durch Abstimmung von selbst ergibt“,64 sind solche abschätzigen Bemerkungen zur Presse in seinem Spätwerk nicht mehr anzutreffen. Die veränderte Wahrnehmung hing mit der Suche nach neuen Formen von Öffentlichkeit zusammen, die er vornehmlich in privaten Zirkeln und Seminaren anzutreffen meinte.65 Zu seiner Lektüre gehörten nach 1945 zahlreiche Periodika wie Spiegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Deutsche Zeitung, Die Zeit, Die Welt, Neue Zürcher Zeitung, Zürcher Woche, Le Monde, die spanische Zeitung ABC und viele Zeitungen und Zeitschriften, die ihm von interessierten und befreundeten Autoren zugesandt wurden. Er verfasste eine beträchtliche Zahl von Leserbriefen unter Pseudonym und regte Journalisten, von denen einige zu seinem engsten Kreis gehörten, zu Artikeln und Kommentaren an. Schmitt war nach seiner Promotion, noch vor dem Ersten Weltkrieg, schriftstellerisch als Satiriker in Erscheinung getreten und hatte zusammen mit seinem Freund Fritz Eisler ein Pamphlet66 gegen die repräsentative Kultur des wilhelminischen Reiches publiziert. In München pflegte er Umgang mit Publizisten und Schriftstellern wie Franz Blei, Theodor Däubler, Hugo Ball, Albert Paris Gütersloh oder Theodor Haecker. Seine ersten poli­ tisch-essayistischen Bücher entstanden im Ersten Weltkrieg. Er schrieb sie, während der Arbeitszeit, beim stellvertretenden Generalkommando des I. Bayerischen Armee-Korps als Leiter des Referates P6, zuständig für die 64  Carl Schmitt: Politische Theologie. Vier Kapitel zur Lehre von der Souveränität, 3. Aufl., Berlin 1979, S. 65 f. 65  Zwar gab es die bekannten Wirkungskreise an den Universitäten Heidelberg und Münster, bedeutend waren aber vor allem die zweiwöchigen Ebracher Seminare, die sein Schüler Ernst Forsthoff mehr als ein Jahrzehnt lang organisierte. Siehe hierzu Florian Meinel: Ernst Forsthoff und die Ebracher Ferienseminare, in: Zeitschrift für Ideengeschichte, 2 (2011), S. 89–108. Über die üblichen Mittel eines Universitätsprofessors konnte Schmitt nicht mehr verfügen. 66  Carl Schmitt: Schattenrisse, Parodien, unter dem Pseudonym „Johannes Negelinus, mox doctor“, in Zusammenarbeit mit Fritz Eisler, Leipzig 1913. Wiederabgedruckt in: Ingeborg Villinger: Carl Schmitts Kulturkritik der Moderne. Text mit Kommentar und Analyse der „Schattenrisse“ des Johannes Negelinus, Berlin 1995.

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Zensur von pazifistischen und linksradikalen Schriften. Dort hatte er Gelegenheit, die Begriffe seiner späteren Gegner, deren Sprache die offizielle Staatsbegrifflichkeit der Weimarer Republik prägte, eingehend zu studieren und teils „großartige“67 Bücher zu lesen, die anderen in jenen Tagen nicht zugänglich waren. Schmitt war somit am Gegner geschult und ging gut vorbereitet in die zukünftigen publizistischen Auseinandersetzungen. Unter den Freunden und Bekannten der Weimarer Zeit befanden sich nur wenige Tagesjournalisten. Von ihnen muss vor allem Paul Scheffer, Moskauer Auslandskorrespondent und späterer Chefredakteur des Berliner Tageblatts genannt werden, der zweifelsohne ein überaus leidenschaftlicher Journalist war. Scheffer wirkte auf so unterschiedliche Persönlichkeiten wie den Begründer der Berliner Zeitung und des Neuen Deutschlands, Rudolf Herrnstadt, auf die Journalistin Margret Boveri und eben auch auf Carl Schmitt, den er etwa vom „Segen kurzer Absätze in den Manuskripten“ zu überzeugen vermochte.68 Die Zeit des journalistischen Austauschs zwischen beiden war so intensiv wie kurz. Wie so oft hielt Schmitts Begeisterung für andere nicht überaus lange an. Schon 1930 fand er Scheffer „selbstgefällig und dick“69. Von der erzwungenen Emigration Scheffers in die USA und dem bitteren Ende in Armut erfuhr er nur noch durch Margret Boveri. Eine ähnliche Wertschätzung für eine journalistische Persönlichkeit entwickelte Schmitt später allenfalls für den Schweizer Journalisten Hans Fleig von der Züricher Tat, der aber naturgemäß keinen prägenden Einfluss auf Schmitt mehr haben konnte. Obwohl Schmitt mit steigendem Bekanntheitsgrad zahlreiche Angebote von Zeitungsverlegern zur gelegentlichen Mitarbeit erhielt und seine Geldnot notorisch war, hat er von diesen Möglichkeiten kaum Gebrauch gemacht. Erst 1922 erschien ein erster Zeitungsartikel in der Kölnischen Volkszeitung70. Nur sehr gelegentlich schrieb er in den folgenden Jahren für die Frankfurter Zeitung, den Wirtschaftsdienst, die Deutsche Allgemeine Zeitung und für die Germania.71 Dabei handelte es sich durchweg um grundsätzliche Artikel über bedeutsame Verfassungsfragen. Anders als etwa Max Weber wahrte Schmitt die für Hochschullehrer typische Distanz zur 67  TB

II, S. 69. Mohler, S. 44, Anm. 34. Siehe auch Margret Boveri an Carl Schmitt, 30. Mai 1963. 69  TB III, 1. Januar 1930, S. 3. 70  Carl Schmitt: Die Auseinandersetzung zwischen dem Hause Wittelsbach und dem Freistaat Bayern, in: Kölnische Volkszeitung vom 6. Juni 1922. 71  Siehe dazu die Publikationsliste in Alain de Benoist: Carl Schmitt: Bibliographie seiner Schriften und Korrespondenzen, Graz 2010. Nachfolgend zitiert als Benoist. 68  BW

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Presse. An Ludwig Feuchtwanger schrieb er 1923, es habe keinen Zweck, seine gerade publizierte Parlamentarismuskritik an alle möglichen Zeitungen und Zeitschriften zu schicken.72 Die einzige Zeitung, die über einen „anständigen“ Rezensionsteil verfüge, sei die Frankfurter Zeitung. Allein der Gedanke, sein Buch in den Händen „irgend eines dieser schmutzigen Schwätzer“ zu sehen, sei ihm „ekelhaft“. Weniger abweisend war Schmitt gegenüber der Zeitschriften-Publizistik. Zu seinen engeren Bekannten zählte der Schriftleiter der Zeitschrift Hochland, Carl Muth, und der Redakteur der kulturellen Beilage der Germania, Paul Adams. Über den Chefredakteur Karl Hoeber hätte ihm auch die Kölnische Volkszeitung jederzeit offengestanden.73 Mit dem Herausgeber der Monatszeitschrift für das deutsche Geistesleben, Deutsches Volkstum,74 Wilhelm Stapel sowie mit den Redakteuren Albrecht Erich Günther und Friedrich Vorwerk verband ihn sogar Freundschaft. Darüber hinaus gehörte der „Abendland-Kreis“ zum journalistischen Umfeld, der aus Publizisten und Journalisten bestand, die zumeist für die Germania oder die Volkszeitung schrieben. Nicht zuletzt verfügte er über gute Verbindungen zur Zeitschrift Europäische Revue, deren Herausgeber der Deutsch-Österreicher Karl Anton Prinz Rohan war und der ihm ebenso wie der „AbendlandKreis“ die Herausgeberschaft anbot. Andreas Koenen hat zu Recht auf die Bedeutung dieser Verbindungen für den Aufstieg und die Popularisierung Schmitts hingewiesen. Kennzeichnend war dabei, dass Schmitt es zu jeder Zeit verstand, eine kleine und eingeschworene Gruppe von Autoren um sich zu sammeln, die Varianten seiner Positionen verbreiteten, dabei aber intellektuell eigenständige Theorien entwickelten. Sie differenzierten seine Positionen und Begriffe aus, unterstrichen gerade dadurch die Offenheit seines Gedankensystems und dessen Bedeutung. Das galt für Männer wie Huber, Forsthoff, Günther und Vorwerk, später für Koselleck, Schelsky, Gross oder Altmann. Die persönliche Faszination, die Schmitt in persönlichen Gesprächen entfalten konnte, flankierte er dabei durch eine Inszenierung seiner Person, die ihn als Brückenkopf einer beruflichen Karriere oder Zugang zu einer Machtposition erscheinen ließ. Dieses System aus Kritik und Übernahme bildete neben der Typik der Persönlichkeiten um ihn herum eine der Grundsäulen seiner Öffentlichkeitsarbeit. 72  Carl Schmitt an Ludwig Feuchtwanger vom 29. Oktober 1923, in: Carl Schmitt /  Ludwig Feuchtwanger: Briefwechsel 1918–1935, hrsg. von Rolf Rieß, mit einem Nachwort von Edgar J. Feuchtwanger, Berlin 2007, S. 38. Nachfolgend zitiert als BW Feuchtwanger. 73  Siehe Koenen (wie Anm. 41), S. 46 passim. 74  1938 stellte Wilhelm Stapel die Zeitschrift ein.

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Auf der anderen Seite lehnte er das Angebot, Herausgeber des Abendland oder der Europäischen Revue zu werden, kennzeichnenderweise ab und auch mit eigenen Beiträgen hielt er sich auffällig zurück.75 Das lag zum einen daran, dass er in den zwei Jahren von 1932 bis 1934 tatsächlich zum geistigen Taktgeber der verschiedenen Regierungen aufzusteigen schien und wenig Zeit für politische Publizistik hatte. Über die Gesamtheit seines Berufslebens betrachtet, hielt er es jedoch kaum anders. Er zog es vor, durch andere zu sprechen. Das Arkanum um Schmitt, das bis heute fortbesteht, war eine weitere Säule seiner Öffentlichkeitsarbeit und wurde von ihm so sorgfältig gepflegt und ausgebaut, dass ihn bereits die Zeitgenossen – in Überschätzung seines Einflusses auf die handelnde Politik – für alles Mögliche verantwortlich machten. Die Publikationshäufigkeit wird dabei von vielen überschätzt, weil die Zeitschriften manches von ihm druckten, was nicht originär für sie bestimmt war. Für das Hochland von Carl Muth, die Zeitschrift für „die Erneuerung des deutschen Bildungskatholizismus“, lieferte Schmitt bis 1926 sechs Beiträge. Danach ließ er den Kontakt einschlafen. Das Thema Theologie und Politik, nach dem Ersten Weltkrieg leidenschaftlich diskutiert, wurde von anderen Fragestellungen verdrängt und Schmitt, für Zeittendenzen besonders empfänglich, vollzog den Wandel mit. Obwohl er aber unter dem Vorwand seiner „ganz außerordentlichen Arbeitsbelastung“76 auch in der Europäischen Revue nicht mehr veröffentlichte, hielt Schmitt bis 1945 vor allem zu dem Schriftleiter Joachim Moras Kontakt und vermittelte Autoren. Moras stieg 1938 zum Herausgeber der Zeitschrift auf und war nach dem Krieg einer der ersten, der Schmitt unter neuem Briefkopf eine Publika­ tionsmöglichkeit bot, als Herausgeber der „Zeitschrift für europäisches Denken“, dem Merkur. Im Umfeld dieser Weimarer Publizistik, zu der das Organ und die gleichnamige Vereinigung Der Ring gehörten sowie der Kreis um Hans Zehrer bei der Tat und das Deutsche Volkstum von Wilhelm Stapel und Albrecht Erich Günther, fand Schmitt einen klingenden Resonanzboden für seine Ideen und Begriffe. Aus diesen Kreisen heraus zirkulierten seine Positionen und Thesen schließlich bis in entlegene Winkel der national-konservativen Publizistik beider Konfessionen. Mit nur leicht verändertem Personal und einigen Verschiebungen in der politischen Gewichtung überstand der vorstehende 75  Die Korrespondenz zwischen Schmitt und Rohan ist die typische Korrespondenz eines Verlegers mit einem Schriftsteller. Rohan bittet Schmitt beständig um Beiträge, die dieser aber nicht liefert. Als Schmitt stattdessen an anderen Orten publiziert, kommt es zu Verstimmungen. Nachlass Schmitt, Nr. 59. 76  Carl Schmitt an Joachim Moras am 7. Juli 1933, zitiert nach Koenen (wie Anm. 41), S. 774.

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Kreis von Journalisten bis auf wenige Ausnahmen sowohl die politische Zäsur von 1933 als auch die von 1945. Stefan Breuer sieht besonders in der Zeitschrift Der Ring um das Jahr 1930 ein „‚Hausorgan‘ des Schmittianismus“,77 da Schüler Schmitts zahlreiche und vor allem prägende Beiträge lieferten. Der Ring erlangte kurzzeitig eine verhältnismäßig hohe Aufmerksamkeit, als Franz von Papen zum Kanzler aufstieg und die Auflage sich auf knapp 10.000 Exemplare verdreifachte. Denn die Zeitschrift war das Organ des „Deutschen Herrenklubs“, zu dem neben von Papen weitere Regierungsmitglieder zählten, so dass Schmitts Positionen über seine Schüler Ernst Rudolf Huber, Ernst Forsthoff, Ernst Friesenhahn und Karl Lohmann in das geistige Fluidum des Regierungsumfelds einsickerten. Der Einfluss der Zeitschrift verlor zwar an Bedeutung, als der Redaktionsleiter Friedrich Vorwerk ausschied und zum Deutschen Volkstum wechselte. Mit Vorwerk wechselten jedoch auch die genannten Autoren und da zeitgleich die Weimarer Republik an ihr Ende gelangte und Hitler die Regierung übernahm, demonstrierte der von Schmitt inspirierte Kreis mit einer publizistischen Offensive seinen Anspruch auf geistige Führung auch für das neue Regime.78 Dass Schmitts Vorstellungen durch die indirekte Verbreitung durch Schüler und Anhänger in der Folge Veränderungen und Umdeutungen erfuhren, seine Darlegungen für Fehldeutungen noch anfälliger wurden, hat ihn nicht merklich gestört.79 Vielmehr entwickelte er ein geradezu genussfreudiges Verhältnis zu Zeitungsberichten über sich selbst und setzte die publizistische Öffentlichkeit ungeniert für eigene Zwecke ein, weshalb er in den Jahren 1933 bis 1936 den Zenit seiner Popularität erreichte. Die Jahre 1933 und 1934 waren zunächst die einzigen, in denen Schmitt auch journalistisch arbeitete. Im Westdeutschen Beobachter und im Völkischen Beobachter erschienen eine Reihe kleinerer Artikel, die seinen politischen Lagerwechsel offensichtlich machten. Kurz nach dem Verabschieden des Ermächtigungsgesetzes traten Schmitt, Huber, Lohmann und andere Schüler und Bekannte der NSDAP bei. In den folgenden Jahren schwieg er dann aus den bereits genannten Gründen, bis er 1940 in der Wochenzeitung Das Reich wiederum einige Artikel veröffentlichte, die aber eher klassische Werbung in eigener Sache waren und seine neuen geopolitischen Vorstellun77  Breuer,

S. 195. S. 202. 79  Siehe etwa den Begriff des „totalen Staates“, den Schmitt ursprünglich als Bezeichnung für die Überwältigung des Staates durch die Gesellschaft verwendet, der dann aber von anderen als Bezeichnung für die Durchdringung der Gesellschaft durch den Staat benutzt wurde und sich in dieser Bedeutung durchsetzte. Siehe dazu Carl Schmitt an Jean Pierre Faye, 5. September 1960, in: BW Mohler, S. 417. 78  Breuer,

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gen bekannt machen sollten. Sie waren ein Beitrag zur lebhaft geführten Debatte der frühen 1940er Jahre um neue Raumordnungsvorstellungen, die in der Akademie für Raumforschung und der Zeitschrift für Geopolitik von Karl Haushofer ihre Exponenten hatte und auf Ideen von Oswald Spengler aufbauten.80 Im Übrigen überarbeitete Schmitt seine älteren Bücher und passte sie der herrschenden Gedankenwelt an, bis er schlielich selbst als Herausgeber einer neuen Schriftenreihe unter dem Titel „Der deutsche Staat der Gegenwart“ hervortrat. Die Autoren rekrutierte er erneut in seinem Schüler- und Bekanntenkreis aus der Zeit vor 1933 und wahrte damit eine Kontinuität, die den Machthabern zunehmend verdächtig vorkam. Im Sommer 1934, nach der ersten Euphorie, dämmerte es ihm, dass eine exponierte Position im NS-Mediensystem mit Gefahren verbunden und die Vulgarisierung seiner Theorien seinem Ansehen als Wissenschaftler abträglich sei.81 Als sein Verlag, die Hanseatische Verlagsanstalt, eines seiner Bücher mit dem Hinweis bewarb, hier schreibe „der Staatsrechtslehrer des neuen Reiches“ mit „sicherer Hand und grandioser Dynamik“ nicht weniger als „Endgültiges“, forderte er den Verlag auf, diese „reklamehaften Bezeichnungen“ wegzulassen.82 Die daraus sprechende Distanz zum National­ sozialismus führte dazu, dass die Parteiamtliche Prüfungskommission der NSDAP die von Schmitt herausgegebene Schriftenreihe 1936 zur Einsicht bestellte, ihm nach heftiger interner Auseinandersetzung die Herausgeberschaft entzog und an den jungen, linientreuen Rechtshistoriker Karl August Eckhardt übergab. 1938 erschien bei der Verlagsanstalt zwar seine Schrift über den „Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes“ und 1940 seine gesammelten Aufsätze „Positionen und Begriffe“. Aber der gefeierte Bestseller der politischen Schriftstellerei war er nicht mehr, der Verlag fuhr die Auflage auf 1.500 Exemplare zurück. Zwischen 1933 und 1936 war das anders. Als Schmitt mit seinen Publikationen vom Wissenschaftsverlag Duncker & Humblot zur populärwissenschaftlichen Hanseatischen Verlagsanstalt (HAVA) wechselte, erlebten einige seiner Schriften eine Auflagenexplosion. Der Kontakt zur HAVA war über Max Habermann zustandegekommen, der in den 1920er Jahren innerhalb 80  Siehe

hierzu Breuer, S. 257–272. vertritt die These, dass es Schmitt in der Hauptsache um einen eigenen Publikationsort ging. Nachdem er im Juni 1934 die Deutsche Juristenzeitung übernahm, verfasste er zumindest keine politischen Broschüren mehr für die HAVA. Siegfried Lokatis: Hanseatische Verlagsanstalt. Politisches Buchmarketing im „Dritten Reich“, Frankfurt a. M. 1992, S. 53. Nachfolgend zitiert als Lokatis. 82  Schmitt an Fickel, 26. Juni 1934, Nachlass Schmitt, Nr. 472. 81  Lokatis

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des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes einen Buchhandelskonzern aufgebaut hatte, zu dem nicht nur Stapels Zeitschrift Deutsches Volkstum gehörte, sondern eben auch die Hanseatische Verlagsanstalt. Sie erlangte nach 1933 unter dem Dach der Deutschen Arbeitsfront im nationalsozialistischen Zentralverlag Eher eine privilegierte Stellung innerhalb des NS-Buchhandelswesens und setzte 1942 dank enger Beziehungen zur SS, zum Oberkommando der Wehrmacht und dem Aktionsprogramm „Kraft durch Freude“ die Hälfte der gesamten deutschen Buchproduktion um.83 Die HAVA hatte folglich ein großes Potential der Mobilisierung in Werbung und Vertrieb, bot also einen garantierten Absatz. Schmitt drängte darauf, diese Möglichkeit für ihn zu nutzen. Dass mit Albrecht Erich Günther, Wilhelm Stapel und Benno Ziegler gleich mehrere Personen in der Führung des Verlages saßen, die vor 1933 als Gegner des Nationalsozialismus galten, und mit Max Habermann dann ein Mann im Zentrum des Widerstandes auftauchte,84 veranschaulicht eindringlich den Spagat zwischen Anpassung und Widerstand. Siegfried Lokatis versuchte diesen Widerspruch in seiner Geschichte der Hanseatischen Verlagsanstalt aufzulösen, indem er darauf verwies, dass ein Verlag in erster Linie ein Wirtschaftsunternehmen sei, das Bücher und Zeitschriften ver­ kaufen wolle und sein Angebot deshalb notwendigerweise am Markt orientiere. Der junge Verlagsleiter Benno Ziegler erkannte jedenfalls, dass mit dem offenen Politikverständnis Schmitts ein gutes Geschäft zu machen wäre, weil mit der für jedermann verständlichen Theorie von Freund und Feind quasi jeder Bereich des gesellschaftlichen Lebens politisierbar war. Schmitt besaß gegenüber den meisten nationalsozialistischen und völkischen Autoren zudem den Vorzug einer modernen und auf Entschiedenheit drängenden und damit zeitadäquaten Sprache. Um der neuen Marktsituation gerecht zu werden, hörte Schmitt auf, politische Tagesfragen zu erörtern und beteiligte sich stattdessen skrupelos an der nationalsozialistischen und antisemitischen Durchdringung der Gesellschaft. Seine Schriften galten 1935 als so durch und durch nationalsozialistisch, dass der kommunistische Widerstand im Ausland die von ihm herausgegebene Reihe „Der deutsche Staat der Gegenwart“ als Tarnung für Flugblätter benutzte. Der Untergrund ging selbstverständlich davon aus, dass die Werke dieses exponierten Theoretikers vor staatlicher Zensur und Kontrolle sicher waren. Die NS-Ideologen glaubten zunächst selbst daran, dass der Autor 83  Lokatis

(wie Anm. 81), S. 7. Habermann (1885–1944), Buchhändler, gehörte zu dem Kreis um Jacob Kaiser und Wilhelm Leuschner und nahm sich nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 das Leben. 84  Max

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einer der ihren war und bedienten sich ausgiebig seiner Begrifflichkeit. Die HAVA meldete regelmäßig, dass seine Bücher vergriffen waren und nachgedruckt werden mussten. Zu keiner anderen Zeit waren die Verkaufszahlen vom „Begriff des Politischen“ höher als in der Zeit zwischen 1933 und 1945. Der Verlag Duncker & Humblot hatte bis 1932 1.200 Exemplare abgesetzt.85 Die Hanseatische Verlagsanstalt, die den Titel nach 1933 übernahm und auf Anregung von Schmitt zum Dumpingpreis von einer Mark (statt vorher 2,40 Mark) als „Exerzitium des neues Staates“ (Siegfried Lokatis) unters Volk brachte, verkaufte bis 1945 das zehnfache und setzte von den Broschüren, die Schmitt konzipierte, bis Mitte der 1930er Jahre noch einmal über 30.000 Exemplare ab.86 Der Verlag Junker und Dünnhaupt übersetzte im Auftrag des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda seine Schrift „Nationalsozialismus und Völkerrecht“ als „politische Werbemaßnahme“ ins Italienische.87 Die Journalisten, Publizisten und Verleger, mit denen Schmitt in dieser Zeit verkehrte, spiegeln ein weites intellektuelles Panorama nicht nur für die Zeit bis 1945, sondern weit darüber hinaus. Hans Zehrer88 war von 1925 bis 1929 außenpolitischer Leiter der Vossischen Zeitung, bevor er das „konservative Theorieorgan“ (Hans B. von Sothen) Tat übernahm und die Auflage in nur zwei Jahren von 3.000 auf beachtliche 28.000 Exemplare steigerte. Zehrer musste seine Stelle als Herausgeber der Tat, die er seit 1931 inne hatte, im August 1933 an Giselher Wirsing (1907–1975) abgeben, zog sich mit seiner jüdischen Frau auf die Insel Sylt zurück. Dort verfasste er Romane und entdeckte für sich die christliche Religion. Von seinem alten Bekanntenkreis löste er sich vollkommen, weil er fürchtete, dass er sich „todsicher das Genick brechen würde“89, wenn er den Umgang weiter pflegte. Bemerkenswerterweise hielt er ausgerechnet zu Schmitt weiter Kontakt. Nach dem Krieg verhinderten Hamburger Sozialdemokraten zunächst, dass Zehrer Chefredakteur der Welt wurde. Er ging deshalb zum Sonntagsblatt, das der Niedersächsische Landesbischof Hanns Lilje herausgab, erhielt nach der Übernahme der Welt durch Axel Springer aber doch noch die 85  Ludwig Feuchtwanger an Carl Schmitt am 18. Juni 1932, in: BW Feuchtwanger, S. 380. 86  Lokatis (wie Anm. 81), S. 54. 87  Verlag Junker und Dünnhaupt an Carl Schmitt, 11. Mai 1936. Nachlass Schmitt, Nr. 17153. 88  Zu Hans Zehrer (1889–1966) siehe Hans B. von Sothen: Hans Zehrer als politischer Publizist nach 1945, in: Frank-Lothar Kroll (Hrsg.): Die kupierte Alternative, Konservativismus in Deutschland nach 1945, Berlin 2005, S. 124–178. Nachfolgend zitiert als von Sothen. 89  von Sothen (ebd.), S. 128.

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Chefredaktion und wurde zu einem der wichtigsten Berater Springers. Damit vermochte er Schmitt, den er schon während der Zeit beim Sonntagsblatt in staatsrechtlichen Fragen konsultiert hatte, und seinem Kreis die Tür für Publikationen und Beraterverträge zu öffnen.90 Auf dem Höhepunkt der Studentenunruhen verfasste mit Ernst Forsthoff einer der engsten Vertrauten ein Gutachten zu einer geplanten Pressegesetzgebung, die eindeutig gegen den Springer-Verlag gerichtet war und von Schmitt deshalb nur als LexSpringer bezeichnet wurde.91 Zehrer stellte neben nationalkonservativen Redakteuren wie Armin Mohler oder Winfried Martini auch Hans-Dietrich Sander ein, der mit Schmitt seit 1967 Kontakt hatte und als ehemaliger Mitarbeiter von Bertolt Brecht und dem Ost-Berliner Henschel-Verlag allmählich, ohne seine doktrinäre Haltung zu verlieren, seine marxistische Orientierung ablegte, um letzlich im ideologischen Rechtsextremismus zu landen.92 Giselher Wirsing, einer der einflussreichsten Journalisten der 1950er Jahre, gehörte Ende der 1920er Jahre zum Tat-Kreis um Hans Zehrer93 und kannte Schmitt seit 1932. Er trat 1933 der SS bei, bewährte sich und wurde von Himmler 1934 als Hauptschriftleiter der Münchner Neuesten Nachrichten eingesetzt.94 In verschiedenen Funktionen, unter anderem im Institut zur Erforschung der Judenfrage und im Reichssicherheitshauptamt, berichtete er für die NS-Elite aus dem Ausland, bis er schließlich zum Hauptschriftleiter der Auslandsillustrierten Signal aufstieg, einer Propagandazeitung des Oberkommandos der Wehrmacht und des Auswärtigen Amtes. Signal erschien in mehreren Sprachen im gesamten von der Wehrmacht besetzten Gebiet sowie in Italien und Ungarn. In seinen Büchern und zahlreichen Leitartikeln propagierte er ein nationalsozialistisches, völkisches, judenfreies Europa und mit seinem Buch „Der Krieg in Karten“ leistete er einen viel beachteten propagandistischen Beitrag zu geopolitischen Fragen des NS-Regimes. Wirsing hatte für Rosenberg und Heydrich im Ausland sondiert, ob es möglich wäre, die mitteleuropäischen Juden nach Palästina zu vertreiben, und darüber einen Vortrag zur Eröffnung des Instituts zur Erforschung der Judenfrage gehalten. Er 90  Hans

Zehrer an Carl Schmitt vom 19. Juli 1950 – Nachlass Schmitt, Nr. 18491. für das Verlagshaus Axel Springer, erstattet von Ernst Forsthoff, Heidelberg 1968; veröffentlicht als Ernst Forsthoff: Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, Frankfurt a. M. 1969. 92  Carl Schmitt, Hans-Dietrich Sander: „Werkstatt-Discorsi“. Briefwechsel 1967– 1981, hrsg. von Erik Lehnert und Günter Maschke, Schnellroda 2009. 93  Zu Hans Zehrer (1889–1966) siehe von Sothen (wie Anm. 88). 94  Hierzu Paul Hoser: Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Hintergründe der Münchner Tagespresse zwischen 1914 und 1934. Methoden der Pressebeeinflussung, Frankfurt a. M. usw. 1990. 91  Rechtsgutachten

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gehörte also – auch wenn sein Werdegang zwischen 1933 und 1945 noch nicht abschließend erforscht ist – zu dem kleinen, erwählten Kreis einer SS-Elite, die am Fundament der nationalsozialistischen Ideologie arbeitete. Dennoch hatte die evangelische Kirche keine Bedenken, als der ehemalige Redakteur der Tat und Auslandskorrespondent der Münchner Neuesten Nachrichten, Klaus Mehnert, 1948 / 49 seinen früheren Vorgesetzten Wirsing bei der Wochenzeitung Christ und Welt einstellte. Der Kontakt zwischen Mehnert und Wirsing war nie abgerissen, seit sie bei der Tat gearbeitet hatten. 1941 hatte Wirsing seinen ehemaligen Mitarbeiter vermutlich in Zusammenarbeit mit dem Reichssicherheitshauptamt als Berichterstatter des SD von Hawaii nach Shanghai beordert, wo er bis zum Kriegsende blieb und Auslandsberichte lieferte. Zurück in Deutschland, übertrug ihm der spätere Bundestagspräsident und einstige Widerstandskämpfer Eugen Gerstenmaier die Chefredaktion von Christ und Welt, die 1954 Wirsing von ihm übernahm und bis 1970 ausübte. Es besagt viel über Wirsings Qualität als Journalist, aber auch über die westdeutsche Öffentlichkeit, dass diese Zeitung bis 1963 die auflagenstärkste Publikation der Bundesrepublik war und Wirsing erst durch die Zeitgeistwende am Ende des Jahrzehnts von seiner Vergangenheit eingeholt wurde. Als er Christ und Welt verließ, fusionierte der Verlag mit der täglich erscheinenden Deutschen Zeitung, die den Titel Christ und Welt in die Unterzeile nahm. Der wöchentliche Publikationsrhythmus wurde beibehalten, doch der Erfolg stellte sich nicht mehr ein. Schmitt und sein Kreis verloren ein wichtiges Medium und wandten sich notgedrungen mit ihren Veröffentlichungen der mehr wirtschaftsorientierten FAZ zu. Heute ist Christ und Welt eine Beilage ihrer einst größten Konkurrentin, der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit. Richard Tüngel, der zusammen mit Bucerius die Lizenz für die Wochenzeitung Die Zeit von den Alliierten erhalten hatte, hoffte zunächst von der geistigen Befreiung durch den Wegfall der Lizenzverpflichtung in seinem Sinne profitieren zu können, indem er Konservative wie Winfried Martini oder Paul Karl Schmidt die Leitartikel schreiben ließ. Paul Karl Schmidt (Pseudonym Paul Carell), der unter Ribbentrop Pressechef des Auswärtigen Amtes gewesen war, gehörte zu jenen Journalisten, die über Wirsing zurück ins journalistische Metier gefunden hatten und als Starjournalisten und Bestsellerautoren Karriere machten. Die Zeit konkurrierte mit Christ und Welt um diese Autoren, bisweilen schrieben sie für beide Blätter, ohne dass es viel Aufhebens darum gegeben hätte. Als Tüngel jedoch Carl Schmitt für verfassungsrechtliche Fragen beratend heranzog und damit das Blatt für ihn öffnete, verließ die Verantwortliche Redakteurin für Politik, Marion Gräfin Dönhoff, unter Protest die Redaktion

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und ging nach England. Bucerius nahm ihren Rücktritt nicht an, weshalb es in den folgenden Wochen im Impressum hieß, die Verantwortliche für Politik, Dr. Marion Gräfin Dönhoff, sei „verreist“. Erst als Tüngel auch noch Partei für den konservativen US-Senator Joseph McCarthy ergriff, drängte Bucerius Tüngel aus der Redaktion.95 Tüngel wechselte zusammen mit Walter Petwaidic96 erst zur Deutschen Zeitung, später zum Deutschlandfunk. Dieser dramatische Vorgang blieb deshalb dauerhaft in Erinnerung, weil er die (links-)liberale Grundhaltung der Zeit manifestierte, die bis heute Bestand hat. Anlass des verlagsinternen Machtkampfes war ein Artikel Schmitts über den Zugang zum Machthaber97, der auf einem Rundfunkgespräch beruhte, das der Hessische Rundfunk am 22. Juni 1954 ausgestrahlt hatte.98 Dönhoff warnte, eine Person wie Schmitt, die „behauptete, dass die Parteien und der Parlamentarismus ‚rechtswidrig‘ und ‚verfassungswidrig‘ seien, weil sie jene ‚homogene Einheit der substanzhaften Werte des Volkes aufspalten‘  “, dürfe man nicht mehr zu Wort kommen lassen.99 Schmitt gefiel dies selbstverständlich gar nicht, denn kurz zuvor hatte sich eine ähnliche Situation beim Merkur ergeben. Dort hatte er, nachdem er Ende der 1940er Jahre in entlegenen Orten wie Der Eisenbahner, einer Fachzeitschrift für Unterricht und Ausbildung, unter Pseudonym publiziert hatte, 1952 zum ersten Mal unter seinem eigenen Namen einen Aufsatz für ein breiteres Publikum veröffentlicht. Etwa achtzig Autoren drohten dem Verlag daraufhin, ihre ­ Mitarbeit aufzukündigen, wenn Schmitt weiterhin im Merkur publizieren dürfe.100 95  Bucerius war Mehrheitsbesitzer des Verlages, konnte aber Tüngel, der Mitbegründer der Zeitung war, nicht ohne Weiteres aus der Redaktion entfernen. Es folgte deshalb ein zweijähriges Verfahren, aus dem Bucerius als alleiniger Verleger der Zeit hervorging und Tüngel abgefunden wurde. 96  Walter Petwaidic (1904–1978), Journalist (sein Pseudonym lautete Fredericia). 1933 Eintritt in die NSDAP, 1938 Hauptleiter der Wiener Neuesten Nachrichten, von 1938–1941 Leiter des Landesverbands Ostmark des Reichsverbandes der Deutschen Presse, von 1949–1955 Redakteur der Zeit. 97  Carl Schmitt: Der Vorraum der Macht, in: Die Zeit vom 29. Juli 1954. 98  Siehe hierzu das Nachwort von Gerd Giesler, in: Carl Schmitt. Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber, Stuttgart 2008, S. 67–88. 99  Marion Gräfin Dönhoff an Richard Tüngel im Juli 1954, hier zitiert nach Gerd Bucerius: Zeit-Geschichte – wie sie uns in Atem hielt, in: Die Zeit vom 21. Februar 1966. 100  Carl Schmitt: Die Einheit der Welt, in: Merkur 6 (1952), S. 1–11; wiederveröffentlicht in: Staat, Großraum Nomos, S. 496–512. Der Merkur folgte dem Druck, obschon er damit gegen das Ziel Paeschkes handelte, jüngere Intellektuelle gegen ältere ins Feld zu führen. van Laak konnte für die Behauptung Rolf Schroers, dass es Proteste von Lesern und Autoren gegen Schmitt gegeben habe, keine Beweise finden. Siehe van Laak (wie Anm. 48), S. 150, Anm. 68.

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Die Zeit blieb dem Kreis um Schmitt fortan verschlossen101, der Merkur hielt losen Kontakt über den Herausgeber Hans Paeschke. Zwischen 1952 und 1954 lag also eine entscheidende Zäsur nicht nur für Schmitt, sondern für die westdeutsche Publizistik insgesamt. Sie war die Chance für zwei Studenten, Rüdiger Altmann und Johannes Gross, die weder bekannt waren noch etwas anderes zu bieten hatten als einen Publikationsort, die Studentenzeitschrift Civis. In ihr veröffentlichte Schmitt einige Gedichte und Parodien unter dem Pseudonym Erich Strauß, wodurch er Altmann und Gross für immer gewonnen hatte. Schmitt hatte Altmann kennen gelernt, als dieser 1943 als junger Soldat schwer verwundet nach Berlin verlegt worden war und die Gelegenheit nutzte, bei ihm zu hören. Über Altmann entstand der Kontakt zu Gross. Der wurde bald Ressortleiter Politik bei der Deutschen Zeitung und einer der bekanntesten Journalisten der folgenden Jahrzehnte mit Stationen beim Deutschlandfunk, der Deutschen Welle, dem ZDF, Capital und der FAZ. Altmann stieg in der CDU bis zum Berater des Kanzlers Ludwig Erhard auf, war lange Geschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelstages und überzeugte als politischer Publizist. Diesen beiden unbelasteten jungen Männern hatte Schmitt es vor allem zu danken, dass sein Werk in der bürgerlichen Mitte der westdeutschen Gesellschaft wahrgenommen wurde und sich aus der Vereinnahmung durch ältere nationalkonservative und nationalsozialistische Weggenossen lösen konnte. Altmann und Gross bemühten sich intensiv, für ihren Mentor einen „besseren Zugang zur Öffentlichkeit“102 zu ermöglichen, was aber nicht wirksam gelang. Als Publikationsort und Ideenagentur blieb letztlich vor allem die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Deren Herausgeber, Karl Korn, kannte Schmitt durch seine kurzzeitige Publikationstätigkeit für das Flaggschiff der nationalsozialistischen Presse, Das Reich. Korn leitete dort das Feuilleton. Zwar wurde er kurze Zeit später entlassen, die Reichspressekammer erteilte ihm Berufsverbot und die Wehrmacht zog ihn ein. Doch trotz einiger kompromittierender Artikel aus jener Zeit konnte er nach 1945 seine Laufbahn ohne Schwierigkeiten fortsetzen. Mit dem Feuilleton der Mainzer Allgemeinen Zeitung kam er zur FAZ, die Industrielle 1949 zur Abwehr sozialistischer Tendenzen in der westdeutschen Politik ins Leben gerufen hatten.103 Korn war es, der eine 101  An Mohler schrieb Schmitt, sein Name werde seit August 1954 in Die Zeit gestrichen und die dortigen Interna seien ihm undurchdringlich. „Ob die Dönhoff (sic!)“ gesiegt hat? Carl Schmitt an Armin Mohler am 4. April 1955, in: BW Mohler, S. 191. 102  Johannes Gross an Carl Schmitt vom 10. Januar 1968. 103  Gründungsherausgeber waren Hans Baumgarten, Erich Dombrowski, Karl Korn, Paul Sethe und Erich Welter.

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stabile Verbindung zwischen Schmitt und der FAZ herstellte, die thematisch bis heute nachwirkt. Schmitt schätzte die FAZ zwar nicht besonders, weil sie ihm zu langweilig war.104 Dass jedoch der Herausgeber seine Bekenntnisschrift „Ex Captivitate Salus“ dort rezensierte, wusste er sehr wohl zu schätzen105. Unter den Spitzenkräften von Zeitung und Verlag der FAZ war keine, die den Nationalsozialismus klarsichtig verurteilt oder gar dem Widerstand angehört hätte. Im Gegenteil: Paul Sethe hatte hymnische Artikel auf Hitler verfasst, Korn sich nicht nur mit einer wohlwollenden Rezension zum Propagandafilm „Jud Süß“ systemkonform geäußert. Friedrich Sieburg war als Botschaftsrat in Paris und hatte mit Otto Abetz zusammengearbeitet, zu dessen politischen Aufgaben Kunstraub, vor allem aber der Transport französischer Juden in die Vernichtungslager gehörte. Andererseits war keiner von ihnen persönlich so stark belastet, dass er der einsetzenden Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit im Weg gestanden hätte. Schmitt begegnete in der FAZ-Redaktion deshalb zunächst erheblichen Vorbehalten. Sieburg interessierte sich zwar, wie er 1950 schrieb, „seit je brennend“ für Carl Schmitt, weil er ihn für „einen der genialsten Denker unserer Zeit“ hielt. Dem Greven Verlag teilte er jedoch mit, von Schmitt vorerst nichts besprechen und lieber das Weitere von ihm abwarten zu wollen.106 Es blieb der nachfolgenden Journalisten-Generation vorbehalten, Schmitt zu einem Patron der Zeitung zu machen. Joachim Fest, seit 1973 Herausgeber und Chef des Feuilletons, war dem Nationalsozialismus mit seinen historistischen Betrachtungen mit viel Verständnis begegnet und hatte demzufolge auch gegenüber Schmitt keine Berührungsängste. Zusammen mit Wolf Jobst Siedler versuchte er 1969, die bekanntesten Bücher und Schriften Schmitts beim Propyläen Verlag neu aufzulegen. Das Vorhaben scheiterte, weil die Parteien sich nicht über die Publika­ tionsabfolge einigten. Schmitt war daran gelegen, seine Nachkriegsbücher zu kanonisieren, für Siedler standen die bekannteren Vorkriegspublikationen im Vordergrund.107 Als Schmitt Siedler bohrend fragte, weshalb er so großen Wert auf die Erstausgaben lege, antwortete dieser offen, weil man nun 104  „Die Frankfurter Allgemeine Langeweile“ hieß sie bei ihm, Carl Schmitt an Rüdiger Altmann, 18. Januar 1958, Archiv der Sozialen Demokratie, Nachlass Rüdiger Altmann, Briefwechsel mit Carl Schmitt. 105  FAZ vom 7. Oktober 1950. 106  Friedrich Sieburg an Karl Epting, 20. September 1950. Privatbesitz. 107  Siehe hierzu Joachim Fest an Carl Schmitt, 28. Oktober 1969.

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die „antisemitischen Zusätze“ vermeiden könne, zu denen er wegen der Zeitverhältnisse gezwungen worden sei. Schmitt reagierte brüskiert. Er müsse feststellen, dass Siedler von seinem Denken „überhaupt nichts verstehe“. Bei ihm handele es sich eben nicht um „banalen Antisemi­tis­mus“.108 Unter Fest stießen in den 1980er Jahren Redakteure zur FAZ, die Schmitt bei verschiedenen Gelegenheiten für sich eingenommen hatte. Einer von ihnen war Henning Ritter, der von Schmitt als Heranwachsender die geopolitische Schrift „Land und Meer“ mit den Worten erhalten hatte, es handele sich um ein „Märchenbuch“.109 Sodann Eberhard Straub, der Historiker Christian Meier oder der Verfassungsjurist Ernst-Wolfgang Böckenförde, die regelmäßig für die FAZ schrieben. Gross, jahrelang Kolumnist des FAZ Magazins, brachte teils seitenlange wörtliche Schmittzitate, ohne deren Ursprung erkennen zu lassen.110 1977 erschien von ihm der Artikel „Vom Feind und der Feindschaft“, der in weiten Teilen ein Nachdruck von „Der Begriff des Politischen“ war.111 Altmann widmete Schmitt einen einfühlsamen Aufsatz zum neunzigsten Geburtstag.112 Straub folgte im Juli 1980 mit dem ersten ausführlichen Portrait über Schmitt in einer deutschen Nachkriegszeitung, das wohlwollend war und weit über allgemein verbreitete Klischees hinausging. Alle politischen Redakteure der FAZ hatten Schmitt gelesen, der Jurist Friedrich Karl Fromme galt unter Schmittianern sogar als ausgesprochener Kenner. Doch ein so positives Portrait war bislang nicht möglich gewesen. Der Grad der redaktionsinternen Auseinandersetzung um diesen Artikel war Beleg für den allmählichen Betrachtungswandel.113 Der wohl einflussreichste unter der nachrückenden Journalisten, die den Kontakt zu Schmitt suchten, war der Spiegelherausgeber Rudolf Augstein, dessen Redaktion gleichwohl eine andere Haltung zu Schmitt an den Tag legte. Als ein Leser den Spiegel auf den siebzigsten Geburtstag Schmitts hinwies und eine Würdigung anregte, antwortete man aus Hamburg, der 108  Wolf Jobst Siedler: Wir waren noch einmal davongekommen. Erinnerungen, München 2004, S. 145. 109  Henning Ritter: Mein Besuch bei Carl Schmitt, in: FAZ vom 9. Dezember 2006. 110  Siehe etwa Johannes Gross: Ein melancholisches Thema, in: FAZ vom 24. Dezember 1971. 111  FAZ vom 22. November 1977. 112  Rüdiger Altmann: Macht die Verfassung noch den Staat?, in: FAZ vom 8. Juli 1978. 113  Um die Redaktion zu beruhigen, musste Straub den Artikel viermal umschreiben, was für die FAZ, die ihren Autoren traditionell einen großen persönlichen Spielraum lässt, ein ungewöhnlicher Vorgang war.

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Spiegel könne nicht „mal so eben über Carl Schmitt“ schreiben und sich ihm „ähnlich melancholisch nähern wie etwa die bei Duncker & Humblot erschienene Festschrift“. Die Redaktion vertrete die Ansicht, die heutige „Verbannung“ Schmitts sei verdient, denn wer im Verfassungsrecht demokratische Verfassungsgarantien „unterhöhle“, müsse damit rechnen, dass seine Analysen „praktisch verwertet werden“.114 Augstein selber sah die Dinge gelassener. Er hatte den Staatsrechtler auf einer volkspädagogischen Tagung 1951 in Bonn kennen gelernt und war von ihm in ein Gespräch über Macht verwickelt worden. Verständlicherweise wies Schmitt auf seine jüngste Veröffentlichung zu dem Thema hin und regte eine Besprechung im Spiegel an, die jedoch unterblieb. Nichtsdestoweniger gelang es Schmitt, Augstein so weit für sich einzunehmen, dass dieser sich 1952 „freundschaftlich“ an den Staatsrechtler wandte, nachdem die Polizei die bereits ausgelieferte 28. Ausgabe des Spiegel bundesweit beschlagnahmen ließ. Er wollte von dem Staatsrechtler hören, wie aussichtsreich eine Verfassungsklage sei. Hintergrund war der Bericht über eine Abmachung zwischen der französischen Regierung und der CDU, nach der der französische Geheimdienst den Kanzler mitsamt seiner Familie und engster Umgebung im Falle eines russischen Einmarsches nach Spanien in Sicherheit bringen solle, sowie über eine in Aussicht gestellte französische Wahlkampfspende für die CDU. Augstein hatte beim Landgericht Hannover Einspruch erhoben, wurde jedoch abgewiesen. Der Staatsrechtler war zum Rat nicht nur bereit, weil ihn das „publizistische und strategische Gesamtproblem“ des Falles reizte, sondern auch, weil sich hier die ganz unspektakuläre Möglichkeit einer Rückkehr in eine Beraterfunktion mit politischen Dimensionen eröffnete. Die Rechtsabteilung des Spiegel einigte sich mit der Bundesregierung später auf einen Vergleich. Zu einem Gutachten aus der Feder Schmitts kam es deshalb nicht mehr. Augstein wurde allerdings nach Plettenberg, Schmitts Wohnort, zum persönlichen Gespräch gebeten, das im Oktober 1952 stattfand.115 Als Paul Noack 1993 eine erste Biographie über Carl Schmitt publizierte, rezensierte Augstein sie für den Spiegel.116 Diese Tatsache spricht für sich, selbst wenn Augstein sich dazu genötigt gefühlt haben mag, weil Noack ausführlich aus der Korrespondenz zwischen Schmitt und Augstein zitierte, die er im Nachlass gefunden hatte. Gerade Augstein war die Art von Journalist, mit dem Schmitt schnell eine verbindende Grundlage fand, weil er 114  Eberhard Freise, Redakteur des Spiegel an Wilhelm Sobota, Kopie im Nachlass Schmitt, Nr. 11387. 115  Lutz Hachmeister und Stefan Krings: Rudolf Augstein rief Carl Schmitt zu Hilfe, in: FAZ vom 23. August 2007. 116  Spiegel vom 8. November 1993, S. 75–83.

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die journalistische Zuspitzung und Provokation selbst meisterhaft beherrschte und liebte. Unterredungen mit Schmitt lieferten immer provokante Thesen und Schlagworte, die sich gut vermarkten ließen. Für Journalisten dieses Zuschnitts war gleichwohl vor allem der historische Schmitt, auch der antiliberale faszinierend, weniger der politische Theoretiker. Schmitts Vorschlag, die Publikation „Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber“ im Spiegel zu besprechen, lehnte Augstein kennzeichnenderweise unter dem Vorwand ab, die Diskussion sei für seine Leserschaft zu hoch. Der Kontakt zu Schmitt, der ihn regelmäßig mit Themen aus Plettenberg versorgte, war ihm jedoch wichtig genug, um seinen Lesern 1956 dann doch eine Rezension über Schmitts „Hamlet und Hekuba“ zuzumuten. 1959 bat er Schmitt um eine Stellungnahme zum Reichstagsbrand117, und noch 1982 plante er mit Schmitt ein Spiegel-Gespräch. Nach Plettenberg kamen neben nahmhaften Journalisten und Wissenschaftlern auch völlig unbekannte Studenten mit Dissertationsvorhaben, die Schmitt bei thematischem Interesse mit einer unterstützenden Korrespondenz begleitete. Dabei war er immer auf der Suche nach starken Persönlichkeiten als Multiplikatoren seiner eigenen Begriffe und Positionen. Er suchte nach neuen Hubers, Forsthoffs oder Stapels und hat möglicherweise auch Augstein für einen solchen gehalten. Helmut Schelsky, der in den 1930er Jahren selbst von Schmitt entdeckt und gefördert wurde, hat oft miterlebt, dass Schmitt gegenüber etablierten wissenschaftlichen Autoritäten seiner Zeit von geradezu verachtender Arroganz sein konnte. Doch gerade gegenüber jüngeren Forschern verhielt er sich anders. Ihnen stärkte er vor allem dann den Rücken, wenn sie seinen wissenschaftlichen Thesen widersprachen.118 Schelsky selbst hatte 1938 kritisiert, dass Schmitt den Begriff des ‚Leviathans‘ nicht ernst nehme, da er ihn aus gutem englischen Humor entstanden verstehe und als literarischen Einfall behandle.119 Schmitt hat ihn nicht fallen lassen und bei seinen Hobbes-Studien eingehend beraten, denn Schelsky war von seiner Persönlichkeit, seiner intellektuellen Dynamik und seiner grundsätzlichen Übereinstimmung mit Schmitt ein idealer Kandidat für das System aus Kritik und Übernahme. 117  Johannes Kayser (Spiegelredaktion) an Carl Schmitt, 9. November 1959, Nachlass Schmitt, Nr. 11377. Schmitt lehnte ab und empfahl stattdessen den eng­lischen Juristen F. J. P Veale aus Brighton, den Verfasser des Buches „Crimes d ­ iscreetly“. „Heute haben andere Typen das große Wort, nicht die Betrachter der geschichtlichen Vergangenheit, sondern ihre Rückverfertiger, wie Herr Professor Bracher. Das ist die Lage. Hoffen wir, dass Sie, der Spiegel, stark und konsequent genug sind, um etwas daran zu ändern.“ Carl Schmitt an Johannes Kayser siehe S. 153. 118  Helmut Schelsky: Thomas Hobbes, eine politische Lehre. Berlin 1981, S. 5. 119  Helmut Schelsky: Die Totalität des Staates bei Hobbes, in: Archiv für Rechtsund Sozialphilosophie 31 (1937 / 1938), S. 176–193.

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Zur letzten Generation der Schüler gehörten Hanno Kesting und dessen Schwester Marianne, spätere Mitarbeiterin bei Die Zeit und der FAZ, Eike Hennig und eben Hans-Dietrich Sander, der das Interesse Schmitts mit einer Dissertation über Marxistische Ideologie und allgemeine Kunsttheorie fand.120 Diese jungen Gesprächspartner nahm Schmitt, wie der nachstehende Briefwechsel ersichtlich macht, dankbar an als Ergänzung und Korrelat seiner eigenen Biografie. Hennig, der im November 1968 nach Plettenberg fuhr, war auf eine Notiz Franz Bleis gestoßen, womit dieser eine abwertende Bemerkung Schmitts zu Hitlers „Mein Kampf“ überlieferte.121 Auch wisse er selbstverständlich um die Angriffe im „Schwarzen Korps“ und informiere vorab über den Fund eines „vertraulichen Gutachtens“, das Schmitt nicht als linientreuen Nationalsozialist einstufte. Wer über die fragwürdigen Abschnitte im Leben Schmitts hinwegsah, etwas zu sagen wusste und mit einem echten Anliegen zu ihm kam, fand einen aufmerksamen Zuhörer und anregenden Gesprächspartner vor, der sich viel Zeit nahm, um seine Vorstellungen in dem Gedankengebäude seines Gegenübers unterzubringen. Dass im Sauerland ein giftiger Denker lebte, der noch über die großen Zusammenhänge nachdachte und eine Haltung jenseits des bundesrepublikanischen Kulturpessimismus122 hatte; dass dieser Mann seine Überlegungen nur mit ausgewählten Personen teilte, fanden engagierte junge Intellektuelle großartig. Es trifft deshalb nicht zu, dass Schmitt in der Nachkriegspublizistik keine positive me­dia­ le Resonanz gefunden habe. Kleinere Texte und Artikel erschienen in fast allen überregionalen Medien. Viele Anfragen lehnte Schmitt sogar ab. van Laak verweist darauf, dass fast alle größeren Tageszeitungen etwa den „Nomos der Erde“ und das „Gespräch über die Macht“ rezensierten. Unter den Rundfunkjournalisten, die mit Schmitt korrespondierten und Sendungen über ihn herstellten, befanden sich ARD-Journalisten wie Walter Warnach123, Alfred Andersch124, Heinz Friedrich (HR), Joachim Schi120  Hans-Dietrich Sander: Marxistische Ideologie und allgemeine Kunsttheorie, Basel 1970. 121  Eike Hennig an Carl Schmitt, 14. Oktober 1968, Nachlass Schmitt, Nr. 5927. 122  Schmitt hatte sich schon 1929 ausdrücklich von der „vorangehenden deutschen Generation“ und ihrer „Kulturuntergangsstimmung“ distanziert, Koenen (wie Anm. 41), S. 41. Gerade diese Generation bestimmte jedoch in den ersten Jahren nach 1945 den Ton der Debatte. 123  Walter Warnach (1910–2000), Kunstphilosoph und langjähriger Freund Schmitts. Am 19. Juni 1951 bringt der Hessische Rundfunk ein Gespräch mit Warnach und Schmitt über das Thema: Hat Geschichtsphilosophie noch einen Sinn? 124  Alfred Andersch (1914–1980), Journalist, war der Vorgänger von Heinz Friedrich als Leiter der Sendung „Nachtstudio“ im Hessischen Rundfunk.

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ckel125 (NDR) und schließlich vom WDR Klaus Figge, Dieter Groh,126 Jens Litten, Ansgar Skriver oder Gert H. Theunissen, Manfred Rexin oder Hermann Rudolph. Die Zeitgeistwende der 1960er Jahre führte nicht wie bei vielen anderen dazu, dass Schmitt an Bedeutung verlor, sondern ganz im Gegenteil. Es gelang ihm, über eine jüngere Generation von Journalisten und Wissenschaftlern, Anschluss an die Thesen der neuen Linken herzustellen. Hennig erinnerte an das geflügelte Wort aus der Antrittsvorlesung von Wilhelm Hennis in Freiburg 1968, in der er die Frankfurter Schule als „reinen Carl Schmitt“ bezeichnete.127 125

Schmitt suchte bewusst Kontakt zu Marxisten wie dem Spanier Enrique Tierno Galván, den er für den „intelligentesten Menschen“ seiner Zeit hielt,128 zum linken Studentenführer Jens Litten oder zu dem selbsternannten Stalinisten und Hegel-Forscher Alexandre Kojève129. Die Vereinnahmung durch ein politisches Lager, das wusste Schmitt nur zu gut, führte früher oder später zur Versteinerung seines Werkes. Seine Suche galt deshalb vor allem Männern, die an seine Positionen anknüpften, sie aber in Bewegung hielten. Autoren aus dem linken Spektrum, die zur Konversion bereit waren, reizten ihn besonders. So fand wenige Jahre vor Schmitts Tod der Ex-68er Günter Maschke Zugang zu Schmitt und wurde, als eine Zusammenarbeit mit Suhrkamp scheiterte, Schmitts Verleger.130 Maschke, der 1970 ins Exil 125  Joachim Schickel (1924–2002), Journalist, trat 1969 an Schmitt heran. Er plante für den Norddeutschen Rundfunk ein Rundfunkgespräch über die „Theorie des Partisanen“, das im NDR am 22. Mai 1969 ausgestrahlt und später im Bayerischen Rundfunk wiederholt wurde. Schickel und Schmitt unterhielten eine verhältnismäßig umfangreiche Korrespondenz. Ein zweites Rundfunkgespräch über Hugo Ball verarbeitete Schickel zu einem Buch. Siehe dazu Joachim Schickel: Gespräche mit Carl Schmitt, Berlin 1993. 126  Dieter Groh, der mit Klaus Figge befreundet war, gehörte in den 1950er Jahren zu den Schülern von Ernst Forsthoff. Zu dem Gespräch für den Süddeutschen Rundfunk für die Sendung „Zeitgenossen“ 1971 siehe Frank Hertweck und Dimitrios Kisoudis: Solange das Imperium da ist, Carl Schmitt im Gespräch 1971, Berlin 2010. 127  Eike Hennig: Die Frankfurter Schule der Achtundsechziger, in: FAZ vom 14. August 2008. Das Zitat findet sich auch in einem Brief von Carl Schmitt an Rüdiger Altmann vom 4. Dezember 1968, Nachlass Rüdiger Altmann, Briefwechsel Carl Schmitt. 128  Siehe Carl Schmitt an Hans Paeschke, 28. Oktober 1951. 129  Timo Frasch: Gute Feinde auf Leben und Tod, in: FAZ vom 30. Juli 2008. 130  Siegried Unseld warb bei Schmitt um die Aufnahme von „Hamlet oder Hekuba“ in die Bibliothek Suhrkamp. Schmitt lehnte zwar nicht ab, meinte aber, die vorgeschlagenen Autoren kämen für einen Kommentar nicht in Frage. „Bohrer ist feindselig präokkupiert; Fietkau und Henning Ritter sind nicht englisch genug initiiert. Docui, sed frustra.“ Carl Schmitt an Siegfried Unseld am 20. August 1979. Dieser und der Brief von Siegfried Unseld an Carl Schmitt am 15. August 1979 in:

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nach Kuba ging, endete als rechter Nonkonformist und wurde zu einem der besten Kenner der Schriften und Positionen Schmitts.131 Um einer breiteren Streuung seiner Kontakte willen, musste Schmitt zu Personen wie Armin Mohler, der für ihn ein etwas peinliches Epigonentum pflegte, stärker auf Distanz gehen. Mohler, der 1960 bei Die Zeit ausgeschieden war, weil er den „Nationalmasochismus“, das „Mehr-als-alle-anderen-schuldig-sein-Wollen“132 der Redaktion nicht mehr aushalten konnte und der von seinem neuen Arbeitgeber Christ und Welt enttäuscht war, weil sie eine Kampagne für den „Windhund Brandt und gegen die Todesstrafe“133 veröffentlichte, steht stellvertretend für eine Schülerschaft, die Schmitt sich nicht selbst ausgesucht hatte, aber nachhaltig angeregt hat. So wie er in den 1920er Jahren nichts dagegen hatte, von der Ring-Bewegung oder von Anhängern der Konservativen Revolution in Anspruch genommen zu werden, verhielt es sich auch in seiner letzten Lebensphase. Wo er ein Einfallstor sah, ging er hindurch.

Jacob Taubes / Carl Schmitt, Briefwechsel mit Materialien, hrsg. von Herbert KoppOberstebrink, Thorsten Palzhoff, Martin Treml, München 2012, S. 171 und 176. 131  Siehe hierzu Gerd Giesler: Günter Maschke in Plettenberg. Erinnerungen an die Jahre der Edition Maschke, in: Festschrift für Günter Maschke, Empresas Políticas, Número especial, Murcia 2008, S. 187–193. 132  Armin Mohler an Marion Gräfin Dönhoff, 19. Mai 1960, Kopie im Nachlass Schmitt, Nr. 9543. 133  Armin Mohler an Carl Schmitt am 13. April 1961, Nachlass Schmitt, Nr. 9774.

Editorische Vorbemerkung Die Kriterien, die für die Aufnahme von Briefzeugnissen in diese Sammlung maßgeblich waren, sind nicht biographischer oder prosopographischer Art, sondern folgen dem thematischen Interesse an den Verbindungen Carl Schmitts zur politischen Öffentlichkeit seiner Zeit. Die Auswahl konzentriert sich auf seine Korrespondenz mit Journalisten, Publizisten, mit Redaktionen, Herausgebern und Verlegern. Hinzu kommen Briefe, deren inhaltlicher Schwerpunkt auf dem Thema Öffentlichkeit oder Journalismus liegt. Als konkrete Fragen liegen der Sammlung für die thematische Einordnung zugrunde: Welches Verständnis von Öffentlichkeit hatten Schmitt und sein Umfeld? Wie hat sich dieses mit den politischen Zäsuren des 20. Jahrhunderts verändert? Welchen Anteil hatte die Öffentlichkeitsarbeit Schmitts an seiner wissenschaftlichen Resonanz? Wie verorteten Schmitt und sein Umfeld Journalismus, Presse und Öffentlichkeit im politischen System? Diese Kriterien reichten jedoch nicht aus, um die Zahl der Briefe auf ein überschaubares Maß zu beschränken. Auch wenn der Anteil der Korrespondenz mit Verlegern und Journalisten nur einen kleinen Teil des Gesamtbestandes darstellt, ist er bei weitem zu groß, um insgesamt ediert zu werden. Eine solche Edition würde überdies enttäuschen, weil die Überlieferung zu ungleichgewichtig ist, um Antworten zu den vorstehenden Fragen zu geben. Aus der Zeit 1933 bis 1945 sind nur wenige Briefe erhalten, die Korrespondenz aus den 1920er Jahren erfüllt die genannten Voraussetzungen kaum. Möglicherweise sind nicht alle Briefe aus dieser Zeit erhalten, doch war ihre Gesamtzahl vermutlich nicht sehr groß, da Schmitt in Berlin lebte und vieles unmittelbar besprechen konnte.134 Das änderte sich nach dem Krieg: Sofern man Schmitt nicht in Plettenberg aufsuchte, musste man ihm schreiben. Der Schwerpunkt der folgenden Sammlung liegt deshalb wenig überraschend auf den 1950er und 1960er Jahren, so dass sie auch ein Beitrag zur geistesgeschichtlichen Lage der frühen Bundesrepublik ist.

134  Eine Ausnahme ist der Briefwechsel mit seinem Verleger Ludwig Feuchtwanger. Erschienen sind mittlerweile auch die Briefwechsel mit Franz Blei, Wilhelm Stapel, Margret Boveri, Carl Muth, Hugo Ball, Ernst Jünger, Jacob Taubes, HansDietrich Sander und Waldemar Gurian.

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Editorische Vorbemerkung

Die Auswahl wurde aber noch durch eine weitere Überlegung bestimmt. Die Zahl der veröffentlichten Briefe sollte umfangreich genug sein, um die wesentlichen Gesichtspunkte der Öffentlichkeitsstrategie Schmitts zu fassen und einen Eindruck von dessen Vorgehensweise zu ermöglichen, für seine Positionen zu werben. Wo es möglich ist, werden Entwicklungslinien angedeutet, weshalb Briefe ab 1923 beigezogen wurden. Das wichtigste und wirkungsvollste Mittel Schmitts für sein Vorgehen war das persönliche Gespräch, auf dessen Wirkung er sich fast immer verlassen konnte. Dazu gehörte seine kalkulierte Begriffsbildung. Deshalb sind einige Briefe aufgenommen worden, die einen Einblick in seine Arbeitsweise als Publizist und die dazugehörige Sprachgestaltung erlauben. Die Briefe veranschaulichen, wie Schmitt für seine Person und seine wissenschaftlichen Positionen Zustimmung einzufordern versuchte. Zugleich sind sie Material, um über Journalismus, Presse und Öffentlichkeit im deutschen 20. Jahrhundert und vielleicht darüber hinaus nachzudenken. Die überwiegende Zahl der Briefe stammt aus dem Nachlass Schmitts im Düsseldorfer Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland mit der Bestandsbezeichnung RW 265. Er wird im Folgenden als Nachlass Schmitt zitiert. In Düsseldorf liegt auch der Nachlass des belgischen Soziologen Piet Tommissen, der einige Briefe von Paul Scheffer an Carl Schmitt enthält (RW 579). Die Korrespondenz mit Rudolf Augstein konnte durch Briefe aus dem Spiegel-Archiv in Hamburg ergänzt werden und die mit dem Publizisten Rüdiger Altmann durch Briefe aus dessen Nachlass, den das Archiv der Sozialen Demokratie in Bonn aufbewahrt. Das Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft besitzt Briefe von Joachim Schickel und Joseph Kaiser, während das Archiv der Bayerischen Akademie der Wissenschaft den Nachlass von Johannes Winckelmann betreut. Das Hausarchiv des Verlages Duncker & Humblot besitzt die Briefe des ehemaligen Cheflektors Ludwig Feuchtwanger und das Deutsche Literaturarchiv Marbach a. N. verwahrt das Archiv der Zeitschrift Merkur, das wiederum Briefe des langjährigen Herausgebers Paeschke enthält. Dort sind seit kurzem auch das Archiv des Suhrkamp Verlages sowie die Korrespondenz von Reinhart Koselleck untergebracht. Da es im Folgenden um Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehen sowie um Verlage geht, ist dem Buch auch ein Medienindex beigegeben. Sofern es sich nicht um Literaturangaben handelt, sind die Namen der Medien im Text kursiv wiedergegeben. Der Kursivdruck geht also nicht auf die Briefautoren zurück. Notizen der Autoren und der Empfänger habe ich ebenso wenig wiedergegeben wie Streichungen oder Zusätze. Um den wissenschaftlichen Apparat nicht zu überfrachten, habe ich mich stattdessen durchgehend für die Version entschieden, die ich für die abschließende im



Editorische Vorbemerkung53

Sinne des jeweiligen Autors hielt. Nicht immer fiel die Entscheidung eindeutig aus, doch sind die Abweichungen inhaltlich an keiner Stelle schwerwiegend. Bücher Schmitts, die häufiger genannt werden, nenne ich nach vollständiger Erstnennung in der Folge als Kürzel, die in der Zusammenstellung auf S. 10 aufgelöst werden. Die Anmerkungen beschränken sich auf Wesentliches: Personen, Ereignisse und Zitate. In wenigen Fällen waren Personen nicht zu identifizieren. Alle Briefe werden in der Schreibweise der Neuen Rechtschreibung wiedergegeben; die Schreibweise von Namen wurde, sofern im Original fehlerhaft, berichtigt. Zu danken habe ich Jürgen Köppke, Lutz Hachmeister, Stefan Krings, Reinhard Mehring, Florian Meinel, Matthias Meusch, Wolfgang Schuller, Florian Simon, Martin Tielke, vor allem aber Gerd Giesler, der das Bild von Schmitt in den letzten zwanzig Jahren wesentlich geprägt hat und dessen Wirken längst eine eigene Studie wert wäre. Ferner gilt Dank allen, die der Sammlung private Dokumente und Briefe zur Verfügung gestellt haben.

Briefwechsel 1923–1983

192357

Nr. 1 Carl Schmitt an Ludwig Feuchtwanger, 29. Oktober 1923 135 Heute morgen erhielt ich Ihren Brief vom 26. Vielen Dank. Ich glaube nicht, dass es Zweck hat, das Buch136 allen möglichen Zeitungen und Zeitschriften zu schicken. Unter keinen Umständen an die Kölnische Volkszeitung. Außer der Frankfurter Zeitung gibt es keine Zeitung mit anständigen Rezensionen und mir ekelt bei dem bloßen Gedanken, das Buch in den Händen irgendeines dieser schmutzigen Schwätzer zu sehen. Am liebsten wäre mir, es überhaupt nur an einige Professoren zu schicken und an einige, höchstens 5 Zeitschriften. Dagegen wäre zu erwägen, ob es nicht besser ist, intelligenten Publizisten persönlich ein Exemplar (aber bitte von Verlags wegen; nicht vom Autor) zu schicken; ich dachte an Radek137, Reventlow138, Bacmeister139, Paul Scheffer140 (Berliner Tageblatt), Flake141, Hausenstein142. Das überlasse ich Ihnen und Ihrer Objektivität. Die 20 Exemplare der Broschüre habe ich noch nicht erhalten; sie werden wohl dieser Tage eintreffen. Die Nachricht über den Pater Hardouin143 traf mich ins Herz. O farewell, Othello’s occupation’s gone. Beiliegend die Besprechung von Muth.144 Bitte um gelegentliche Rückgabe. Prof. Muth überlässt Ihnen sicher noch ein Exemplar. Er hat sich mir gegenüber über Sie so geäußert, dass es meinem Herzen wohltat. 135  BW

Feuchtwanger, S. 38. ist Carl Schmitt: Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, die zuerst als Beitrag in der Bonner Festgabe für Ernst Zitelmann von 1923 erschien. Duncker und Humblot veröffentlichte ihn als selbständige Publika­ tion im gleichen Jahr. 137  Karl Radek (1885–1939), russischer Revolutionär, aus dem engeren Umfeld von Lenin und Trotzki. 138  Ernst Graf von Reventlow (1869–1943), Marineoffizier und Schriftsteller, Mitglied des Reichstages für die Deutschvölkische Freiheitspartei und die NSDAP. 139  Walter Bacmeister (1877–1953), Publizist, Verleger und Besitzer der BergischMärkischen Zeitung. Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses für die Nationalliberalen. 140  Paul Scheffer (1883–1963), Journalist, Russland-Korrespondent und späterer Herausgeber des Berliner Tageblattes, siehe Briefwechsel weiter unten. 141  Otto Flake (1880–1963), Schriftsteller mit Kontakten zum Dadaismus. 142  Wilhelm Hausenstein (1882–1957), Kunsthistoriker und Diplomat, war von 1949–1955 deutscher Botschafter in Paris. 143  Jean Hardouin (1646–1729), lehrte an der Universität Paris Rhetorik und Theologie. 144  Carl Muth (1867–1944), katholischer Publizist, Herausgeber der Zeitschrift Hochland. Es handelt sich um die Besprechung: th [i. e. Carl Muth], Die politische Idee des Katholizismus, Hochland XXI, 1 (Oktober 1923) S. 96–98. 136  Gemeint

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Briefe Nr. 1–2

Ein Exposé werde ich versuchen. Herzlichen Dank für die versprochene Gothein-Festgabe.145 Nr. 2 Ludwig Feuchtwanger an Carl Schmitt, 8. Mai 1925146 Lieber Herr Professor! Sie haben die sachkundige und warme Besprechung Ihrer „Pol[itischen] Romantik“ von Hermann Bahr aus dem Neuen Wiener Journal inzwischen erhalten.147 Franz Blei148 und Hermann Bahr bleiben trotz aller Einwände die sympathischsten Humanisten und diejenigen deutschen Journalisten, durch deren Berufung mancher unserer Universitäten ein neues Quorum von Frische und geistiger Empfänglichkeit zugeführt werden könnte. Ich unterbreite Ihnen heute – sicher zu Ihrer Unterhaltung – einen anderen Journalisten, Herrn Tim Klein149, der sich in der Zeitwende über Ball150 auslässt. Auch hier wieder wie bei Traub statt sachlicher Zurückweisung Empörung und verärgerte Zitierungen. Aber das gefährliche bei Klein ist die giftige, augenverdreherische Attitüde, die aus dem politischen Teil der Münchener Neuesten Nachrichten, deren Feuilletonredakteur Klein ist, abgefärbt hat. Die merkwürdig gute Kenntnis von dem dummen Zeitungspublikum, d. h. von dem „armen Objekt jener sittlich entrüsteten Belehrung“ und der Ausdruck von dem Staat, „den andere durch Feuilletons regieren wollen“, zeigt an, dass hier ein getreuer Schüler aus der Küche in der Sendlingerstrasse das Wort hat. Verschweigt Herr 145  Eberhard Gothein (1853–1923), Nationalökonom und Wirtschaftshistoriker. Edgar Salin (Hrsg.): Bilder und Studien aus drei Jahrtausenden. Eberhard Gothein zum 70. Geburtstag als Festgabe, dargebracht u. a. von Georg Karo, Edgar Salin und Alfred von Domaszewski, München / Leipzig 1923. 146  BW Feuchtwanger, S. 137 f. 147  Hermann Bahr (1863–1934), Literatur- und Kunstkritiker. Ders.: Rezension von Carl Schmitt, Politische Romantik, in: Neues Wiener Journal vom 3. Mai 1925, S. 9. 148  Franz Blei (1871–1942), Schriftsteller, Dramaturg und Schauspieler. 149  Tim Klein: Kaliban, in: Zeitwende 1925, S. 554 ff. 150  Hugo Ball (1886–1927), Schriftsteller, Mitbegründer des Dadaismus und Freund Schmitts in der Zeit 1924 / 25. Es handelt sich um die Auseinandersetzung um Balls Buch „Die Folgen der Reformation“ (München 1924), eine Bearbeitung seines Essays „Zur Kritik der deutschen Intelligenz“ (Bern 1919), von dessen Veröffentlichung Schmitt abgeraten hatte. Ihm missfiel nicht nur Balls Beurteilung der Französischen Revolution und die unzulängliche historische Fundierung, sondern auch die Wiedergabe eines ‚vom Autor verlassenen Standpunkt(s)‘.

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Klein etwa nicht bewusst, dass Ball auch der Verfasser des „Byzant[inischen] Christentums“151, eines angesehenen und viel bewunderten Buches ist und dass hier ein ernster Fall vorliegt? Über die Kunst dieses Verschweigens plaudert er ja selbst sehr sachverständig gleich zu Anfang des KalibanAufsatzes. Und dann die Beleidigung der Leser der Zeitwende, denen er falsche Suppen vorsetzt, die für die Münch[ner] Neuesten Nachrichten gerade gut genug sein könnten. „Der Abstand zwischen dem Machwerk des Herrn Ball und den Schöpfungen eines Ranke beweist, wie tief wir heruntergekommen sind.“ Das ist als ob man sagt: an der Hilf- und Hirnlosigkeit des Herrn Klein, die auf anderen Gebieten (Klein hat auch Thea­ terstücke geschrieben) schon von Berufenen bemerkt worden ist, lässt sich ermessen, was nun auch noch zu allem Übel das geistige Los des heutigen Deutschland geworden ist. Eine solche Besprechung muss Ball selbst und diejenigen, welche etwa der Meinung Ball’s sind, durchaus in ihrer Überzeugung bestärken und vollends sicher machen. Bitte geben Sie uns den Ausschnitt gelegentlich für unser „Archiv“ zurück. Mit herzlichen Grüßen, Ihr L. Feuchtwanger Nr. 3 Paul Scheffer an Carl Schmitt, 14. Juni 1925152 Lieber Herr Professor Schmitt, ich bin gar kein Briefschreiber, aber Sie wissen, wie sehr mich jede Kunde von Ihnen erfreut. Ich bekomme manchen Brief, aber wie selten ist es für mich, schon beim Anblick der Handschrift zu wissen, tua res agitur. Russland hat mich ganz aus der Welt, die in Europa als selbstverständlich gilt, herausgerissen und nun ist mir der Aufenthalt in Berlin noch schwieriger als sonst.153 Die Voraussetzungen sind so verschieden geworden und der Mangel an Zielen, an Bewusstein, dass sich alles in Zielen abspielt, so 151  Hugo Ball: Byzantinisches Christentum. Drei Heiligenleben, München 1923, erschienen bei Duncker & Humblot. Neu aufgelegt als: Byzantinisches Christentum. Drei Heiligenleben, hrsg. und kommentiert von Bernd Wacker, Göttingen 2011. 152  Die Briefe Schmitts an Scheffer sind nicht erhalten. 153  Scheffer war seit 1921 als Auslandskorrespondent für das Berliner Tageblatt in Russland. 1929 erhielt er wegen seiner kritischen Berichterstattung Einreiseverbot. Siehe Paul Scheffer: Augenzeuge im Staat Lenins. Ein Korrespondent berichtet aus Moskau 1921–1930, mit einer Einleitung von Margret Boveri, München 1972.

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Brief Nr. 3

fühlbar für mich, nachdem ich so lange in einem Land gelebt habe, in dem das Ziel stärker ist, geblieben ist, als alle Wirklichkeit. Ich bin insofern hier eine ziemlich altbackene Figur. Denn die Idee ist hier ganz unbekannt und die Conjunctur absolut maßgeblich. Ich hätte den dringendsten Wunsch, unsere Gedanken nach so langer Zeit zu vergleichen, wenn es nicht unsere Schicksale wären, die an die erste Stelle gehörten. Denn Sie haben sich mit dem mir höchst gewärtigen Fräulein Duška Todorović verlobt, während ich mich mit einer Russin154 verheiratet habe, die sich mit erstaunten Augen mit mir in Berlin befindet. Wir haben also beide nach dem Osten optiert und bei mir ist das schon eine Notwendigkeit gewesen, aber wenn Sie in Bonn sich so wenden, dann ist das tiefe Bedeutung. Meine Frau ist ganz aus dem alten Russland, ihre Mutter ist zudem Französin gewesen, ihre Großmutter Deutsche. Sie hat sehr schlimme Jahre hinter sich und muss sich nun erst wieder hier die Selbstverständlichkeit des Europäertums wenigstens den äußeren Symptomen nach aneignen, die mir selbst schon so fehlt. Wir werden voraussichtlich am 24. Juni über Amerika nach China fahren. Es ist gut für mich, dass ich die Welt gründlich von allen Seiten sehe und so ist das ja möglich. Sie kommen nicht bald nach Berlin? Wie schön wäre das! Es hat mich sehr gefreut, dass mein sehr beschnittener Aufsatz vom dreißigsten April Sie angezogen hat. Mein größter Wunsch bleibt, ein politisches Buch über die Theorie der Politik zu schreiben, aber ich lebe eben so für den Tag! Vielleicht bringt mich China auf die Spur, wie ich mich genug teilen kann, um ein Ganzes aus mir zu machen. Ich sollte ursprünglich nach Südamerika. Aber das wäre doch ein zu künstlicher Schritt gewesen. Bitte senden Sie mir doch alles, was Sie publizieren! Ich habe mir in der Hochschule für Politik sagen lassen, was Sie publiziert haben und bitte Sie, mir vorsichtshalber auch die Titel Ihrer sonstigen Publikationen mitzuteilen. Es macht mir viel Vergnügen, dass Sie sich noch meines Fast-Hineingleitens in die Bonner Atmosphäre erinnern. Aber jetzt muss ich halt auf den commercienrätlichen dr. hon. c. [Dr. honoris causa] lossteuern. Ihr Brief hat mich über Moskau erst heute gefunden. Alles herzliche ­Ihnen und Ihrer verehrten Braut von mir und meiner Frau, Der Ihre Scheffer

154  Scheffer war seit 1925 mit der verwitweten Fürstin Natailja Volkonskaja verheiratet; er hatte lt. Tagebuch Carl Schmitts Duška Todorović im Sommer 1923 in Bonn kennen gelernt.

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Nr. 4 Paul Scheffer an Carl Schmitt, 21. Juni 1925 Mein lieber Herr Professor Schmitt, Sie haben mir mit Ihrem Brief und ebenso mit Ihren Schriften ein großes Vergnügen gemacht. Die „Kernfrage“155 halte ich für das beste und prinzipiellste, als wichtigste, was über den Völkerbund erschienen ist und den weiteren Beweis für den Anzug einer männlicheren Jurisprudenz als wir sie haben. Ich bin durchaus nicht mit dem nötigen Werkzeug ausgerüstet, um die höhere Einheit zwischen Ihrem Diktaturbuch156 und den Axiomen der „Kernfrage“ nennen zu können, aber sie existiert und mit einer solchen Bestimmtheit, dass ich denke, wir werden bald mehr in dieser Richtung vernehmen, die den Gewaltcharakter allen Rechtes nicht mehr durch die erhabene Bequemlichkeit und die Selbstschmeichelei der „Gerechtigkeit“ verhüllt. Im Innersten alles Rechtswesens steht und steckt die Unvereinbarkeit zwischen beiden, sogar ob es Gesetze ihres Streites gibt, ist zweifelhaft; der Völkerbund und seine angenommenen Normen macht es am meisten zweifelhaft, dass es solche Gesetze gäbe. Ich habe, einigermaßen blutenden Herzens, B. W. v. Bülow157 Ihre Schrift gegeben. Er kannte sie noch nicht, aber wohl Ihren Namen und er interessierte sich sehr. Wenn Sie in Berlin sind, müssen Sie ihn aufsuchen. Übermorgen reisen wir nach China. Zu meiner unendlichen Beunruhigung und Freude über Amerika. Haben Sie vielen Dank für Ihre Sendung. Ihr Vorwort158 werde ich auf dem Schiff lesen. Es war eine wahnsinnige Hetze hier und zu irgendwelchem Eindringen in deutsche Dinge reicht die Zeit nicht. Ich habe den Eindruck, dass ein Gefühl des historischen Provisoriums, in dem wir leben,

155  Carl Schmitt: Die Kernfrage des Völkerbunds, in: Schmollers Jahrbuch 4 (1925), S. 1–26. 156  Carl Schmitt: Die Diktatur. Von den Anfängen des modernen Souveränitätsgedankens bis zum proletarischen Klassenkampf, München und Leipzig 1921. 157  Bernhard Wilhelm von Bülow (1885–1936), deutscher Diplomat, von 1930– 1936 Staatssekretär im Auswärtigen Amt. Bülow war Mitherausgeber der Zeitschrift Deutsche Nation und als Vortragender Rat Leiter des Sonderreferates für Völkerbundsangelegenheiten. Dazu hatte er 1923 ein kritisches Buch veröffentlicht. Ders.: Der Versailler Völkerbund. Eine vorläufige Bilanz, Stuttgart 1923. 158  Gemeint ist vermutlich Carl Schmitt: Der Gegensatz von Parlamentarismus und moderner Massendemokratie, in: Hochland 13 (1926), S. 257–270, zugleich als Einleitung übernommen in Carl Schmitt: Die Geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 2. Aufl., München / Leipzig 1926.

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Briefe Nr. 4–5

alle durchdringt und beunruhigt, ohne dass irgend jemand Lust hätte, sich das klar zu machen. Alles Gute! Empfehlen Sie mich Ihrer Braut Ihr Scheffer Nr. 5 Carl Schmitt an Karl Anton Prinz Rohan, 8. Juli 1925 Sehr verehrter, lieber Prinz Rohan159! Ihren Brief vom 9. Mai habe ich noch nicht beantwortet, weil ich auf die Frage, wer in Ihrer Revue über Römisches Recht und Europa schreiben könnte, noch keine Antwort weiß. Den Brief an Prof. Peterson160 habe ich weitergegeben. Ich fürchte, dass er ebensowenig mitarbeiten kann, wie ich, nicht, weil die Revue nicht gut wäre. Sie ist ausgezeichnet und ich könnte mir keine bessere denken. Aber Sie werden mir eine unumwundene Äußerung erlauben, die nicht Ihre Zeitschrift im Besonderen, sondern jede heutige Zeitschrift trifft. Ich glaube, dass die Epoche der Zeitschriften zu Ende ist. Die Magazine sind natürlich keine Zeitschriften. Jede sogenannte vornehme Zeitschrift mit Assortiment von guten Artikeln und ihrem Anspruch auf Geistigkeit beweist mir das. Die Zeitschrift gehört als Kategorie in eine liberale Epoche, in eine Zeit, die an Diskussion und Gespräch glaubt, also in ein romantisches Zeitalter. Alles das ist zu Ende. Ich weiß, dass Sie meine Publikationen ignorieren, deshalb muss ich damit rechnen, dass Ihnen der Zusammenhang von Romantik, Gespräch, Diskussion und Liberalismus befremdend erscheint. Aber ich bin so sehr davon durchdrungen, dass diese Dinge tot sind, dass ich mich auch nicht in ein Gespräch über das Gespräch oder eine Diskussion über die Diskussion einlassen darf, zumal es unmenschlich wäre, eine liebenswürdige und ehrenvolle Einladung mit einer Vorlesung zu beantworten. Ich habe Ihrer Revue meinen Vortrag über „Die Rheinlande als Objekt internationaler Politik“161 zusenden lassen. Qualitate qua Revue dürften Sie 159  Karl Anton Prinz Rohan (1898–1975), Österreichischer Publizist und Herausgeber der Europäischen Revue, die bis 1944 erschien und nach 1945 ihre Fortsetzung im Merkur fand. 160  Erik Peterson (1890–1960), Theologe und Religionshistoriker. In Schmitts Augen war Peterson unter den Bekannten der einzige Theologe, der diesen Namen verdiente. Carl Schmitt an Feuchtwanger, 18. März 1926. BW Feuchtwanger, S.  154 f. 161  „Die Rheinlande als Objekt internationaler Politik“. Rede, gehalten am 14. April 1925 zur Jahrtausendfeier der Rheinlande, Köln 1925.



1925 / 27

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ihn eigentlich nicht ignorieren, abgesehen davon natürlich selbstverständlich. Ist es nicht möglich, dass die Kölner Jahrtausendausstellung, die etwas ganz Ungewöhnliches, keineswegs nach Zeitungsgeschrei zu beurteilen ist, dazu ganz Unwiederholbares ist, eine ganz exorbitante Ansammlung seltenster Kunstwerke und Dokumente, – dass diese Ausstellung Sie nach Köln führt? Sollte das der Fall sein, so möchte ich Sie sehr bitten, mich in Bonn zu besuchen, oder mich wenigstens zu benachrichtigen, damit ich Sie vielleicht in Köln treffen kann. Ihr Nr. 6 Paul Scheffer an Carl Schmitt, 22. April 1927 Mein lieber Herr Professor Schmitt, seit wir uns nach einem ausführlichen Kampf über die Frage, ob die Reaktion mehr Freiheit schaffe als der Liberalismus Reaktion und ich mit Befriedigung festgestellt habe, dass Sie immer noch bestrebt sind, das Kalklicht der Aufklärung in recht viel bunte Lichter zu zerlegen, habe ich in Rumänien und Polen sehr interessante Untersuchungen (für mich) angestellt über das fiktive und das reale im Staatsdasein der Völker und ich habe es nie für möglich gehalten, dass der Parlamentarismus soviel Dictatur hervorrufen könne wie es dort in aller Unschuld der Fall ist. Es fehlt den Verfassungsbegriffen jede kategoriale Strenge. Ich bin, nach dem Gesehenen, bereit zu erklären, dass das Preußen Friedrichs des Großen ein konstitutionelles Königreich war. Von alldem bin ich sehr ermüdet und weiß überhaupt nicht mehr, wie über diese Verhältnisse schreiben, ohne nicht nur die anderen, sondern auch mich zu belügen. Im Übrigen, vom reinen Zivilstandpunkt aus, habe ich den Balkan, soweit ich ihn in Rumänien sah, sehr kultiviert gefunden. Denn wo es sich findet, ist das gute und schöne noch Wunsch und Bedürfnis dort und nicht nur eine durchschnittliche Form zu leben und sich zu geben. Darin liegt eine große Ähnlichkeit zu Russland vor dem Krieg. Dass das Gros der Russen sich dagegen erhoben hat, dass diese Wünsche und Gefahren auf sie übertragen werden, das ist das Wesen der bolschewistischen Revolution, macht sie keineswegs unsympathisch. Man braucht nur nach Europa zu sehen. Mit diesem Brief möchte ich meinen Freund, Herrn Professor Gorden von der II. Moskauer Universität Ihnen vorstellen, der eine Studien- und Wiederentdeckungsreise in Deutschland macht. Bitte grüßen Sie vielmals Ihre von mir so verehrte Frau Gemahlin und denken Sie hier und da an mich. Ihr Scheffer

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Briefe Nr. 6–7

Kommen Sie nicht einmal nach Sovietrussland? Eine Fundgrube für Sie nach der „Dictatur“ und der günstigen Form und Ihrem parlamentarischen Buch. Hoch verehrter Herr Professor, Leider habe ich kein Glück gehabt und Sie nicht sehen können. Ich erlaube mir diesen Brief unseres gemeinsamen Freundes, hier zu lassen, da ich heute Abend schon nach Paris abreisen muss. Hochachtungsvoll E. Enden

Nr. 7 Theodor Heuss an Carl Schmitt, 20. Januar 1930162 Verehrter Herr Professor, es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen für die starken Anregungen zu danken, die in der Gliederung Ihres vorgestrigen Vortrages163 und in einer Reihe der Formulierungen enthalten waren. Ich hoffe sehr, dass der Vortrag durch Druck zugänglich gemacht wird. Wenn ich Preuß richtig sehe, ist bei ihm das Staatstheoretische mit der Angrenzung an das Staatsphilosophische ja verhältnismäßig schwach entwickelt. Ich glaube, seine innerste Leidenschaft war die Historie, wie denn auch die literarisch reifste Frucht seiner Arbeit die Geschichte über die Entwicklung des deutschen Städtewesens ist. Sehr wertvoll war mir Ihr Hinweis auf den späten Gneist164, um so mehr als ich ja in den Vorstudien einer Biografie meines Lehrers und Freundes abgedruckt in Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt vom 9. Juli 1978. zur Reichsgründungsfeier am 18. Januar 1930 an der Handelshochschule Berlin über Hugo Preuß. Veröffentlicht als Carl Schmitt: Hugo Preuß. Sein Staatsbegriff und seine Stellung in der deutschen Staatslehre, Tübingen 1930. Schmitt hatte an der Handelshochschule Berlin den Lehrstuhl von Hugo Preuß (1860–1925) inne, einer der zentralen Autoren der Weimarer Verfassung. 164  Rudolf von Gneist (1816–1895), preußischer Jurist und Experte für englisches Recht. Gneist war für die Nationalliberale Partei Mitglied im Reichstag und im Preußischen Abgeordnetenhaus. Ab 1888 war er Preußischer Geheimrat und Erzieher von Friedrich III. und Wilhelm II, den er in Verfassungsrecht unterrichtete. Schmitt verweist in dem Vortrag auf Gneists Vorstellung von der Integration des Bürgertums in den monarchischen Staat, was Gneist im Alter wegen der neuen sozialen Schichten der Arbeiter und Kleinbürger jedoch skeptisch sah. Erich J. Hahn: Rudolf von Gneist 1816–1895. Ein politischer Jurist in der Bismarckzeit, Frankfurt a. M. 1995. 162  Zuerst

163  Vortrag

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Richard Naumann165 stehe und die geistige Atmosphäre der neunziger Jahre für dessen Entfaltung, im positiven wie im negativen, entscheidend genug gewesen ist. Er war nun ganz gewiß kein Jurist, aber als Sie, mir sehr zur Freude, den Typus der Labandschen Rechtslehre166 schilderten, fiel mir ein, dass doch in Ihrem Gedankengang: Integration des Industriellen Proletariats in den historischen Staat, Naumanns „Demokratie und Kaisertum“167 von 1900, als Fanal mindestens, eine nicht bloß biografisch und politisch gedachte Bedeutung behält, sondern auch eine geistesgeschichtliche. Einige Jahre später, in seinem Jahrbuch „Patria“, hat Naumann dann den Gedanken der Verfassungsentwicklung noch einmal breiter aufgenommen. Mit freundlichen Grüßen, Ihr dankbar ergebener Nr. 8 Ernst Jünger an Carl Schmitt, 14. Oktober 1930168 Sehr geehrter Herr Professor! Ihrer Schrift „Der Begriff des Politischen“169 widme ich folgendes Epigramm: „Videtur: suprema laus“, denn der Grad ihrer unmittelbaren Evidenz ist so stark, dass jede Stellungnahme überflüssig wird, und die Mitteilung, dass man Kenntnis genommen hat, dem Verfasser genügt. Die Abfuhr, die allem leeren Geschwätz, das Europa erfüllt, auf diesen dreißig Seiten erteilt wird, ist so irreparabel, dass man zur Tagesordnung also, um mit Ihnen zu sprechen, zur Feststellung des konkreten FreundFeind-Verhältnisses übergehen kann. Ich schätze das Wort zu sehr, um nicht 165  Hier liegt vermutlich ein Schreibfehler vor. Heuss bezieht sich wohl auf seinen Lehrer Friedrich Naumann. 166  Paul Laband (1838–1918), führender Staatsrechtler des Kaiserreiches. 167  Friedrich Naumann: Demokratie und Kaisertum, Ein Handbuch für innere Politik, Berlin 1900. 168  Abgedruckt in: Ernst Jünger und Carl Schmitt. Briefe 1930–1983, hrsg., kommentiert und mit einem Nachwort von Helmuth Kiesel, Stuttgart 1999, S. 7. Nachfolgend zitiert als BW Jünger. 169  Es handelt sich um die erste Buch-Fassung von der Schrift „Der Begriff des Politischen“, die zuerst erschien in: Politische Wissenschaft – Schriftenreihe der Deutschen Hochschule für Politik und des Instituts für Auswärtige Politik in Hamburg 5 (1928), S. 1–34.

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die vollkommene Sicherheit, Kaltblütigkeit und Bösartigkeit Ihres Hiebes zu würdigen, der durch alle Paraden geht. Der Rang eines Geistes wird heute durch sein Verhältnis zur Rüstung bestimmt. Ihnen ist eine besondere kriegstechnische Erfindung gelungen: eine Mine, die lautlos explodiert. Man sieht wie durch Zauberei die Trümmer zusammensinken; und die Zerstörung ist bereits geschehen, ehe sie ruchbar wird. Was mich betrifft, so fühle ich mich durch diese substantielle Mahlzeit recht gestärkt. Ich gedenke, Ihnen einige jener Leser zuzuführen, die heute ebenso selten wie Bücher sind. Mit Hochachtung Ernst Jünger Nr. 9 Carl Schmitt an die Redaktion der Frankfurter Zeitung, 27. Januar 1932170 Sehr geehrter Herr, ich würde mich sehr gern über die Frage des heutigen „Antiliberalismus“ äußern, aber ich kann das nicht improvisieren, umso weniger als ich gerade in diesen Wochen fortwährend unter neuen Erfahrungen und Wahrnehmungen meine Thesen formulieren müsste. Denn die Motive dieses Antiliberalismus sind bei jedem neuen Jahrgang, der heranwächst, anders, unter vorläufig noch gleichbleibender Formulierung der polemischen Worte und Signale. Wenn bereits der Liberalismus selbst eine bei verschiedenen Völkern und in verschiedenen Situationen verschiedenartige Angelegenheit (hier gilt der berühmte Aphorismus: Die berühmteste Art ist nicht die beste) ist, wie vielmehr die negativ-polemische Formel vom Antiliberalismus. Sie werden es daher verstehen, dass ich lieber Ihre Aussprache und die in ihr hervortretenden Argumente und Diagnosen abwarte. Mit besonderem Interesse entnehme ich Ihrem Schreiben, dass meine Abhandlung über den „Begriff des Politischen“ Ihnen zugegangen ist. Sollten Sie wirklich zu einer Besprechung dieser Schrift kommen, so wäre das für mich eine ganz besondere Auszeichnung, denn es wäre in der Tat das erste Mal, dass Ihre Zeitung, nachdem ich seit über 10 Jahren Bücher publiziere, deren Thema ein Weltblatt interessieren könnte, zu einer meiner Schriften Stellung nimmt. 170  Dem

Schreiben war eine Anfrage vom 22. Januar 1932 vorausgegangen.

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Ich dank Ihnen jedenfalls bestens für Ihre freundliche Einladung und bin Mit vorzüglicher Hochachtung, Ihr sehr ergebener, Nr. 10 Ludwig Feuchtwanger an Carl Schmitt, 6. Juni 1932171 Lieber Herr Professor, ich war, als ich in den letzten Tagen die prächtige Edition des Althusius von Friedrich172 ansah, im Geiste bei Ihnen. Ich hoffe, dass Sie von Ihrer Reise nach dem Süden wieder glücklich in das rauhe Berlin zurückgekehrt sind. Herr Dr. Wilhelm von Schramm173 schrieb mir eben eine Eilkarte, dass er Ihnen seine Schrift „Radikale Politik“ vorlegen und mit Ihnen gern darüber sprechen will; er möchte sie bei uns erscheinen lassen. Er hat mittlerweile wohl schon mit Ihnen gesprochen. Herr von Schramm ist in München eine bekannte, angesehene und beliebte Persönlichkeit. Er vertritt die Münchner Neuesten Nachrichten in Berlin, sein Hauptfach ist wohl die Kunstkritik. Er schreibt unterm Strich neuerdings sehr viele theologische und mystische Aufsätze, die den Zeitungslesern ja jetzt sehr gut gefallen. Er bot uns am 25. April sein Manuskript „Radikale Politik“ – „eine ideen­ geschichtliche Grundlegung der gegenwärtigen politischen Erscheinung“ – an. Er hatte schon früher Besprechungsexemplare Ihrer Bücher von uns erbeten und auch bereitwilligst von uns bekommen. Nun schrieb ich ihm auf sein kurzes Verlagsangebot, dass wir gern sein Manuskript ansehen wollen und setze hinzu, dass für den wissenschaftlichen Verlag allerdings die Behandlung der Tagesfragen à la longue nötig sei und dass wir uns von Tagesbroschüren so fern wie möglich halten möchten, dass wir uns aber von seiner Schrift, da er sie dem wissenschaftlichen Verlag anbiete, ein besonderes Niveau versprechen dürfen. 171  BW

Feuchtwanger, S. 373 f. Althusius: Politica methodice digesta of Johannes Althusius. Reprinted from the 3. Edition of 1614, augmented by the preface to the 1. Ed of 1603 and by 21 hitherto unpublished letters; with an introduction by Carl Joachim Friedrich. Cambridge 1932. Althusius (1557–1638), Jurist und Politiker. 173  Wilhelm Schramm (1898–1979), Feuilletonredakteur der Münchner Neuesten Nachrichten von 1919–1933. 172  Johannes

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Brief Nr. 10

Das Manuskript kam dann; Sie haben es ja gelesen. Nun war ich über meine ursprüngliche Bereitschaft und über meinen Optimismus doch wieder erschrocken. Denn ich glaubte, dass wir von Herrn von Schramm doch etwas bekämen, das über die monatlichen Ergüsse des Deutschen Volkstums und der Tat hinausragte. Geschäftlich hätte ich wenige Sorgen; denn populär und gangbar wäre die Schrift jedenfalls. Meine Bedenken und meine Unbehaglichkeit kommen auch nicht daher, dass ich diametral anderer Ansicht bin. Sehr gern hätte ich vielmehr eine Arbeit über dieses Thema genommen, die einigermaßen herr und klar, selbständig und folgerichtig den Volkstumsund Organ-Gedanken durchführt. Ich schrieb nach Lektüre Herrn Dr. Von Schramm, dass zwar die Grundrichtung seiner Gedankengänge in großen Zügen mit dem Bild übereinstimmt, das ich mir nach seinen Aufsätzen in den Münchner Neuesten Nachrichten gemacht hätte, dass mir aber die Durchführung einigermaßen Unruhe und Unbehagen schafft. Das komme wohl daher, dass der wissenschaftliche Verlag gewohnt sei, die gedrungene, mit Belegen schwer bewaffnete und gesicherte Art der Gelehrten-Schriftsteller täglich auf sich einwirken zu lassen, wenn ich mir auch völlig darüber klar sei, dass auch diese Herren, wie beispielsweise die von ihm vielfach zitierten Autoren Rosenstock174 und Spann175 etc., die Zeit deuten und Forderungen an sie stellen, die sich außerhalb der Wissenschaft bewegen – geschäftlich fände die Schrift wohl einen geebneten Boden, da sie mit den Neigungen der Zeit übereinstimme. Eine andere Frage bliebe, wie sie in den Rahmen des wissenschaflichen Verlages eingespannt werden könne. Ich lehnte eine Aufnahme in unsere Sammlung „wissenschaftliche Abhandlungen etc.“ als Heft XI ab, riet im übrigen dem Verfasser, sich noch einmal zu überlegen, ob nicht doch Verleger von Schriften ähnlicher Richtung wie etwa die Hanseatische Verlagsanstalt, Eugen Diedrichs Verlag, Müller und Langen, auch Knorr & Hirth,176 für ihn günstiger wären. Ich wollte die ganze Frage bei seiner Anwesenheit in der nächsten Woche noch einmal persönlich mit ihm erörtern. Es wäre mir aber ein besonderes Anliegen, wenn ich mich mit Ihnen, lieber Herr Professor, über den Inhalt des Manuskriptes Schramm vorher brieflich unterhalten dürfte. Darauf schrieb mir eben Herr von Schramm, dass er sich direkt mit Ihnen ins Benehmen gesetzt habe. 174  Eugen Rosenstock-Huessy (1888–1973), Philosoph und Soziologe, emigrierte 1933 in die USA. 175  Othmar Spann (1878–1950), Nationalökonom und Soziologe. 176  Die Hanseatische Verlagsanstalt, der Eugen Diedrichs Verlag, der Deutschna­ tionale Handlungsgehilfenverband mit seinen Verlagen Müller-Langen (entstanden als Fusion aus Georg Müller und Albert Langen), waren Sammelbecken völkischer Autoren. Der Verlag Knorr & Hirth gab die Münchner Neuesten Nachrichten heraus. Nach 1933 gliederten die Nationalsozialisten den Verlag in den Eher-Konzern ein.



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Wie ich Ihnen vertraulich schreiben möchte, hat mein Anliegen an Sie, dem nun Herr von Schramm zuvorgekommen ist, einen doppelten Sinn. Es soll mir keineswegs die Entscheidung abnehmen oder nur erleichtern, aber erstens wollte ich, dass Sie mir bestätigen, dass ich hier richtig sehe, nämlich dass hier eine recht verschwommene Tagesbroschüre vor mir liegt, aber keine Arbeit, die einen wissenschaftlichen Verlag beanspruchen kann. Zweitens wollte ich Ihnen ad oculos demonstrieren, welchen ungeheuerlichen Missverständnissen Ihre Bücher ausgesetzt sind, wie sie Mode werden, wie sie im schlimmsten Sinne unverstanden bleiben und böse Schule machen. Das kann Sie natürlich nicht bekümmern. Aber es liegt doch hier ein Schulbeispiel von den Freunden vor, die schlimmer sind als die Feinde. Wenn Sie mich eines besseren belehren oder mir bestätigen, dass ich richtig sehe, wäre es für mich gleichmäßig von großem Vorteil. Sie nehmen mir aber sicher die Behelligung nicht übel! Sie sind jedenfalls der geistige Urheber von Schramm. Mit herzlichen Grüßen und mit der Bitte, mich Ihrer verehrten Gattin vielmals zu empfehlen, bin ich wie stets Ihr Ihr Wort über Schramm soll für mich weder ausschlaggebend noch mitbestimmend sein. Aber ich fürchte, dass man eines Tages die klareren, ja sauberen Denksitten des „Liberalismus“, der erst einmal zum Prügelknaben bei jedem Unlustgefühl geworden ist, wieder sehnlichst herbeiwünscht. Siehe beiligender Ausschnitt „Gogarten“!177 Nr. 11 Carl Schmitt an Ludwig Feuchtwanger, 12. April 1933177a Lieber Herr Feuchtwanger! Ich schreibe Ihnen auf der Reise nach Köln. Meine dortige Wohnung ist oben angegeben. Berufsarbeit und Umzug haben mich die letzten Wochen ganz in Anspruch genommen, so dass ich Ihnen erst heute wegen des „Begriffs des Politischen“ schreiben kann. Diese Schrift kann ich nicht länger in Ihrem Verlag lassen. Zwischen Arnold Bergsträsser178 und Gerhard Leibholz179 ist sie in einem falschen, 177  Handschriftlicher

Nachtrag. Feuchtwanger, S. 393. 178  Arnold Bergsträsser (1896–1964), Soziologe, war der Assistent von Alfred Weber und sympathisierte zunächst mit den Nationalsozialisten. 1937 emigrierte er in die USA. 177a  BW

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Briefe Nr. 11–12

karikierenden Licht. Schreiben Sie mir deshalb bitte gleich nach Köln, ob Sie damit einverstanden sind, dass ich in einem anderen Verlag eine andere Ausgabe mache. Da die Auflage, wie Sie mir sagten, erschöpft ist, wird es keine Schwierigkeiten für Sie geben, die Schrift freizugeben. 179

Mit den besten Wünschen für Ostern und Herzlichen Grüßen Ihr Carl Schmitt

Nr. 12 Wilhelm Stapel an Carl Schmitt, 28. August 1933180 Sehr verehrter, lieber Herr Professor! Von Ihrem Freunde, Professor Hermann Heller181, erhalte ich, ohne Anrede und Schlussformel, folgenden Erguss, den ich Ihnen mitteilen möchte, da Sie vielleicht einen ähnlichen Genuss daran haben werden wie ich. „Sie haben – bezeichnenderweise nach dem 30. Januar – mich nicht nur in ungerechtfertigter Weise angegriffen, sondern in einer Berichtigung vom 2. April 33 überdies ein solches Maß von bewusster Verlogenheit und Niederträchtigkeit an den Tag gelegt, dass ich mich angesichts einer solchen Kampfmethode als Jude für geschlagen und als Deutscher – der ich trotz allem bin und bleibe – für tief beschämt erkläre.“ Ich werde diesen Halunken noch einen Schmerz antun: Ich werde diese Exhibition seiner Wut mit einer Glosse veröffentlichen. Ich denke, wenn 179  Gerhard Leibholz (1901–1982), Jurist, verteidigte die politische Struktur der Weimarer Republik gegen die radikalen Parteien. 1935 wurde er von seinem Lehrstuhl in Göttingen zwangsemeritiert und in die Universitätsbibliothek versetzt. 1938 emigrierte er nach England. Leibholz war durch den Zwillingsbruder seiner Frau, den Theologen Dietrich Bonhoeffer, eng mit der deutschen Widerstandsbewegung verbunden. 1947 kehrte er nach Göttingen zurück. Zwischen 1951 und 1971 gehörte er dem 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts an. 180  Abgedruckt von Siegfried Lokatis (Hrsg.): Wilhelm Stapel und Carl Schmitt. Ein Briefwechsel, in: Schmittiana V (1996), S. 27–108. 181  Hermann Heller gehörte mit Rudolf Smend und Carl Schmitt zu der Spitze einer wissenschaftlichen Richtung, die sich gegen den Versuch vor allem von Hans Kelsen wandte, das Rechtsverständnis von allen „metajuristischen“ (Mehring) Einflüssen zu befreien. Auch diese Gruppe bemühte sich gleichwohl darum, eine Rechtstheorie zu entwickeln, die ältere theologische oder philosophische Argumentationsmuster überwinden wollte. Heller, der politisch der Sozialdemokratie nahestand, vertrat im Prozess vor dem Leipziger Staatsgerichtshof 1932 das Land Preußen gegen das Reich und traf dort auf Schmitt, der das Reich vertrat.

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man solche Burschen zu solchen Äußerungen bringt, so verdient man sich damit einen Platz im Himmel. Herzlichst Ihr sehr ergebener Nr. 13 Wilhelm Stapel an Carl Schmitt,182 12. September 1933 Sehr verehrter Herr Staatsrat! Darf ich Sie auf eine interessante Tatsache aufmerksam machen, die mir aufging, als ich in Grüters183 demnächst erscheinenden Aufsatz gegen das evangelische Konkordat184 las: der Staat Hitlers habe alle Pluralismen überwunden, den Pluralismus der Länder, der Gewerkschaften, der Konfessionen usw. Ich möchte Sie auf das Entstehen eines neuen Pluralismus aufmerksam machen: den Pluralismus der Führer und der persönlichen Gefolgschaften. Ich beobachte die Erscheinung – und in Italien habe ich genau dasselbe gefunden, vielleicht bin ich dadurch erst auf diese Dinge aufmerksam geworden –, dass jeder Führer ein Personalgebiet mit bestimmter Reichweite hat. Wenn ein Führer in seiner Reichweite einen Menschen verfolgt oder erhebt, so ist keine Macht imstande, sei die Verfolgung oder Erhebung noch so ungerecht, ihm den Willen zu wehren. Ich habe etwas Ähnliches beobachtet in dem früheren Deutschnationalen Handlungsgehilfenverband185, der ja sehr autoritär regiert wurde. Da im Führerkreis einer auf den andern Rücksicht nehmen muss, schon aus Prestigegründen, so ergibt sich eine weitgehende Unabhängigkeit jedes Führers, in gewissem Umfang auch vom übergeordneten Führer. Dieser Pluralismus würde die für den Staat erträg­ 182  Die Briefe vom 19. Januar 1933, vom 28. August 1933 und vom 12. September 1933 schrieb Stapel offiziell auf dem Briefpapier der Halbmonatsschrift Deutsches Volkstum, die er zusammen mit Albrecht Erich Günther herausgab. Günther war gemeinsam mit dem Verlagschef der HAVA Benno Ziegler und Stapel der Ansprechpartner für Schmitt. 183  Friedrich Grüter war ein Pseudonym von Ernst Forsthoff. 184  Das Verhältnis der Kirchen zum Staat war in der Verfassung von 1919 zunächst offen geblieben. Der Kaiser als oberste Instanz der evangelischen Kirchen musste durch ein neues Vertragswerk ersetzt werden. Die Weimarer Reichsverfassung wies diese Aufgabe den Ländern zu. Bayern (1924), Preußen (1929) und Baden (1932) hatten mit der katholischen Kirche eine Regelung getroffen. Der Vertrag des Freistaates Preußen mit den Evangelischen Landeskirchen, auf den Stapel sich bezieht, wurde am 11. Mai 1931 abgeschlossen. 185  Siehe zum DHV Lokatis (wie Anm. 81).

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Briefe Nr. 13–14

lichen Grenzen erst überschreiten (die für den Einzelnen erträglichen Grenzen mag er zuweilen auch sonst überschreiten), sobald Hitler nicht mehr wäre. Dann würde der Pluralismus der Diadochen total werden. Ich muss angesichts dieser Dinge immer an die Entwicklung im römischen Kaiserreich denken. Den Gedanken öffentlich zu behandeln, ist nicht angängig. Aber ich möchte Sie auf diese Gefahr hinweisen und gern Ihre Meinung darüber hören. Mit herzlichen Grüßen Ihr sehr ergebener Nr. 14 Albrecht Erich Günther186 an Carl Schmitt, 23. September 1933 Sehr verehrter Herr Staatsrat, [Persönliches] Ich habe noch in Bril[on] einen Vortrag gehalten und überhaupt die Gegend nach Möglichkeit bearbeitet. Dabei traf ich einen prachtvollen Waldhüter, Pg von 23, mit dem ich mich dick befreundete und der mich zum Pfarrer von Remblinghausen führte, von dem ich Sie herzlich grüßen soll. So laufen heute die Fäden durch das ganze Volk. Ich war anschließend in Berlin und habe meine Beziehungen zur Al­ brechtstraße durch einige Berichte befestigt, die anscheinend wertvoller sind, als ich annahm. Offensichtlich gibt es sehr wenig Leute, die sich für diese Tätigkeit eignen, sonst hätten meine Nachrichten nicht solchen Eindruck machen können. Delius187 habe ich übrigens immer noch nicht kennen gelernt. Wie ich höre, besucht Sie Hausleiter188 in Köln. Dabei bitte ich Sie um Ihre freundliche Vermittlung in 3 Angelegenheiten: 186  Albrecht Erich Günther (1893–1942), Mitherausgeber der Zeitschrift Deutsches Volkstum. Ernst Jünger kam mit Günther am 7. Dezember 1930 zu Schmitt und machte die beiden bekannt. Schmitt hielt ihn beim ersten Treffen für „sehr interessant“ und „offenbar genial“. TB III, S. 66. Zusammen mit Wilhelm Stapel war Günther verantwortlich für den Verlagswechsel Schmitts 1933 zur Hanseatischen Verlagsanstalt. Im Sommer 1933 trafen Schmitt und Günther häufig zusammen, unter anderem auch mit Paul Adams. Siehe dazu Schmittiana I, S. 64, Fn. 28. 187  Personenidentität von Delius ist bisher nicht ermittelt. Schmitt traf ihn am 8. August 1933 in der Albrechtstraße. 188  Leo Friedrich Hausleiter (1889–?), Journalist, wurde von Himmler nach 1933 als Chefredakteur bei der Münchner Neuesten Nachrichten eingesetzt.

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1. Wie ich höre, hat man in Bayern, wo man sehr scharf gegen die Schwarze Front und ähnliche Bestrebungen ist, eine ablehnende Haltung gegen Ernst Jünger eingenommen, der dort wohl der schwarzen Front zugerechnet wird. Man müsste Hausleiter dazu bewegen, dass er sich für Ernst Jünger einsetze und die Vorbehalte gegen ihn ausräumt. 2. Im gleichen Zusammenhang bestehen Missstimmungen gegen mich. Ich habe in München einen Vortrag über den „Arbeiter“ gehalten, bei dem Hausleiter zugegen war. Dabei ist es anscheinend zu einem abscheulichen Missverständnis gekommen, das ich Sie bei Hausleiter aufzuklären bitte. Er wohnte auch der anschließenden Diskussion bei, bei der ich, nachdem die christlichen und konservativen Bedenken gegen den Arbeiter von den Teilnehmern vorgetragen worden waren, meinerseits erzählte, dass ich diese Einwände ebenfalls teilte und dass ich sie Ernst Jünger in dem Augenblick genannt hätte, wo ich mich entschloss, dass Buch in unserem Verlag [­ HAVA] zu bringen. Ich hatte diese Einwände absichtlich in meinem Vortrage und bevor sie in der Diskussion von anderer Seite vorgebracht wurden, verschwiegen, um die Menschen ausweglos vor die Wucht der Jüngerschen Weltdarstellung zu stellen. Das scheint dahin missverstanden oder missdeutet zu sein, als ob ich in dem öffentlichen Vortrag als Propagandist unseres Verlages eine andere Stellung zu dem Buch eingenommen hätte, als in der privaten Äußerung. Dieses blödsinnige Missverständnis scheint sich bis heute erhalten zu haben, was um so leichter möglich ist als man in München meine sonstige Tätigkeit nicht kennt. Es wird mir gesagt, dass Hausleiter davon die Vorstellung zurückbehalten hat, ich sei ein zwiespältiger „gebrochener“ Mensch, sodass er mir mit einem gewissen Misstrauen gegenübersteht. Es wäre mir sehr lieb, wenn Sie Hausleiter ein richtiges Bild von mir geben würden, ehe ich ihn selbst in München aufsuche, was ich tun will, sobald ich das Geld zur Reise habe, bei der ich gern einen Abstecher in die Schweiz machen würde, um Schmidhauser189 und einige andere Persönlichkeiten aufzusuchen, um zu sehen, ob unter den Kräften der Schweiz etwas ist, was wir gebrauchen können. Nebenbei gibt es für mich ja in der Schweiz noch eine andere Augenweide. Ich möchte gern sehen, wie sich dort das Emigrantentum betätigt. 3. Ein Herr Walter Bohm, der sich literarisch „zur Ungnad“ nennt und jetzt im Rasse- und Siedlungsamt der SS in München tätig ist, versendet an die Studentenschaften Rundschreiben, in denen er vor Dr. Stapel, meinem 189  Julius Schmidhauser (1893–1970), Schweizer Jurist und Publizist, der einige Jahre Sekretär des Schweizer Schriftstellerverbandes und nach 1933 Autor bei der HAVA war.

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Brief Nr. 14

Bruder190 und mir warnt. Es handelt sich um einen wahrscheinlich psychopathischen, jedenfalls wunderlichen Menschen, der früher hier mit uns zusammenarbeitete. Er hat dann in der Hanseatischen Verlagsanstalt ein Buch herausgebracht, in dem er altbäuerliche Verfassungen schilderte: Freibauern, Kölmer und Kolonisten.191 Dabei kam es zu Reibereien zwischen dem Verlag und dem Autor, da wir forderten, dass bestimmte stark antipreußische Stellen (gegen den Großen Kurfürsten und Friedrich den Großen) gestrichen würden und das schließlich erzwangen. Seitdem grollt Bohm, der eine gescheiterte Existenz ist, mit der ganzen Rachsucht seiner etwas weibischen Natur gegen uns. Er wurde übrigens bekannt dadurch, dass er jener Kirchenkommissar war, der in Mecklenburg zuerst auftrat und nach 5 Tagen in etwas derangierter Verfassung zurückgezogen wurde. Ich nehme an, dass er sich in München ebenso wie an allen anderen Plätzen, wo er bis jetzt auftrat, nicht lange wird in der Öffentlichkeit halten können. Aber einstweilen hat er jedenfalls uns bei allen Studentenschaften, bei der SA und anderen Gruppen in Misskredit gebracht und dadurch unseren jeweiligen ört­lichen Gegenern Gelegenheit gegeben, uns Schwierigkeiten zu machen. Bei der allgemeinen Unkennntnis und Unsicherheit entsteht dadurch leicht die Neigung, um Streitigkeiten und Hereinfälle zu vermeiden vorsichtshalber eine Zusammenarbeit zu unterlassen. Darum wäre es gut, wenn Hausleiter bei einer positiven Beurteilung meiner Wirksamkeit dafür sorgte, dass Bohm diese Hetze gegen uns einstellt. Wird Ihr Referat im Staatsrat veröffentlicht werden? Ich bin sehr gespannt, von Ihnen über Ihre Eindrücke von der Eröffnung der Staatsrats und der ersten Arbeitstagung zu hören. Ich hoffe, ich sehe Sie bald wieder, wenn wir uns auch vorläufig nicht mehr unter so herrlichen Umständen wie im Sauerland treffen können. Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie mit diesen persönlichen Dingen behellige. Aber solche Missverständnisse und Ausstreuungen haben, so sinnlos sie sein mögen, zur Zeit politische Wirkung und müssen beseitigt werden. Mir liegt besonders viel daran, da ich gerade der Entwicklung der Münchner Neuesten Nachrichten und der Dinge, die sich in München überhaupt anspinnen, sehr viel Interesse entgegenbringe und Bedauern 190  Gerhard Günther (1889–1976), Theologe, der Bruder von Albrecht Erich Günther, gehörte ebenfalls zum Kreis um Wilhelm Stapel und leitete nach 1945 die evangelische Akademie Hamburg. 191  Walter zur Ungnad: Deutsche Freibauern, Kölmer und Kolonisten, Hamburg 1932. Der Kirchenrechtler Walter Bohm aus Hamburg war am 22. April 1933 zum Staatskommissar für die evangelisch-lutherische Landeskirche Mecklenburg-Schwerin ernannt wurden. Auf Einspruch der Kirchenbehörden wurde die Staatsaufsicht aber am 25. April wieder revidiert. Bohm war an der Hexenforschung des Reichssippenamtes beteiligt.

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würde, wenn ich in meiner Verbindung mit der dortigen Arbeit behindern würde. Mit der Bitte, mich herzlich Ihrer lieben Frau Gemahlin empfehlen zu wollen und mit herzlichen Grüßen von mir und meiner Frau bin ich Ihr sehr ergebener Nr. 15 Carl Schmitt an Benno Ziegler192, 17. Oktober 1933 Sehr geehrter Herr Ziegler!193 Hier übersende ich Ihnen das Manuskript. Ich hoffe, dass Ritterbusch,194 Huber195 (Deutscher Sozialismus), Eschweiler196 und wohl noch mehrere andere, jedenfalls ein druckreifes Manuskript fertig haben, dass die Reihe gleich mit einem halben Dutzend guter Schriften dasteht. Ich habe mich für den Titel „Die dreigliedrigen Gesamtstruktur der politischen Einheit“, nicht „das dreifache Gesamtbild der politischen Einheit“ entschieden. 192  Benno Ziegler (1889–1949), Verlagsleiter HAVA. Zu Ziegler siehe Lokatis (wie Anm. 81) passim. 193  Zu der Titelwahl „Die dreigliedrige Gesamtstruktur der politischen Einheit“ hatte Ziegler geschrieben, „wenn nicht Ihr Name darunter stehen würde, würde ich Sie hier um Änderung bitten“. Ziegler an Schmitt, 28. Oktober 1933, Nachlass Schmitt, Nr. 472. Der endgültige Titel lautete dann: Staat, Bewegung, Volk: Die Dreigliederung der politischen Einheit, Hamburg 1933. Schmitt eröffnete mit der Broschüre die Reihe „Der deutsche Staat der Gegenwart“. In dieser Reihe erschienen außer dieser auch der „Begriff des Politischen“, „Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reiches“ und „Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens“, von denen die HAVA insgesamt 20.000 Exemplare druckte. 194  Paul Ritterbusch (1900–1945), deutscher Jurist und Autor der von Schmitt herausgegebenen Reihe, war nach der Machtübernahme der NSDAP zum Professor in Königsberg ernannt worden, 1935 ging er nach Kiel, wo zahlreiche Professoren aus politischen Gründen beurlaubt oder aus dem Staatsdienst entfernt worden waren. Nach den Angriffen gegen Carl Schmitt übernahm Ritterbusch die Leitung der Fachgruppe „Hochschullehrer“ im NS-Rechtswahrerbund. 195  Ernst Rudolf Huber (1903–1990), Staatsrechtler, war Schüler und enger Mitarbeiter von Schmitt. Zusammen mit den Kollegen Georg Dahm, Karl Larenz, Karl Michaelis, Paul Ritterbusch, Friedrich Schaffstein und Wolfgang Siebert bildete Huber die sogenannte Kieler Schule, die sich nach 1933 um eine nationalsozialistische Rechtsreform bemühte. 196  Karl Eschweiler (1886–1936), Theologe, verkehrte mit Schmitt seit Mitte der 1920er Jahre privat, später vor allem zusammen mit Paul Adams, häufige Abend­ essen und Gespräche. Siehe TB III passim.

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Briefe Nr. 15–16

Noch eine dringende Bitte: Veranlassen Sie doch bitte, dass Herrn Dr. Lehmanns197, Stekene (Belgien) ein Rezensionsexemplar von Walter Frank, Nationalsozialismus und Demokratie in Frankreich198 erhält. Es scheint mir nötig, dass dieses so wichtige Buch bei den unter Druck der französischen Kulturpropaganda stehenden Flamen bekannt wird. Mit herzlichen Grüße und Heil Hitler! Ihr Nr. 16 Carl Schmitt an die Hanseatische Verlagsanstalt, 26. Juni 1934 Heute erhielt ich in beiliegendem Umschlag den beiliegenden Werbezettel zugesandt. Ich habe bereits vor mehreren Wochen Herrn Dr. Fickel199 dringend gebeten, auf S. 1 die meiner Ansicht nach geschmacklose und reklamehafte Bezeichnung „Der Staatsrechtslehrer des neuen Reichs“ wegzulassen. Die Ankündigung meiner Schrift „Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reichs“ mit Wendungen wie „Mit sicherer Hand und grandioser Dynamik“ und „sagt Carl Schmitt Endgültiges“ sind m. E. als Hinweis auf eine wissenschaftliche Schrift unpassend. Auf Seite 4 ist von Herrn Dr. Höhn200 gesagt, dass er mit der Vertretung des Lehrstuhls von Anschütz201 betraut sei. Alles dies sind Methoden, die für eine wahrhaft wissenschaftliche Veröffentlichung nach dem bisherigen Stil der Werbung nicht in Betracht kommen und eher kompromittierend als empfehlend wirken. Ich wiederhole daher nochmals meine dringende Bitte, die genannten Stellen bei künftigen Ankündigungen wegzulassen oder entsprechend zu ändern. Die Wirkung der Ankündigung könnte dadurch nur gewinnen, da 197  Vermutlich

Victor Leemans (1901–1971), belgischer Soziologe und Politiker. Frank: Nationalismus und Demokratie im Frankreich der dritten Republik (1871 bis 1918), Hamburg 1933. 199  Georg Fickel, ein Carl Schmitt-Schüler, koordinierte als juristischer Lektor die bei der HAVA erscheinende Schriftenreihe Der deutsche Staat der Gegenwart, deren Herausgeber Schmitt wurde. 200  Reinhard Höhn (1904–2000), Professor für Öffentliches Recht, hoher SS- und SD-Führer. Höhn war maßgeblich daran beteiligt, dass Schmitt 1936 durch das Schwarze Korps angegriffen wurde und seine politischen Ämter verlor. 1945 tauchte er unter, arbeitete als Heilpraktiker und übernahm dann 1955 die Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft in Bad Harzburg. 201  Gerhard Anschütz (1867–1948), Professor für Öffentliches Recht in Tübingen, trat 1933 aus der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer aus. 198  Walter



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die wörtlich zitierten Besprechungen aus Zeitungen und Zeitschriften deutlich genug sind. Heil Hitler! Nr. 17 Hanseatische Verlagsanstalt an Carl Schmitt, 22. August 1935202 Sehr verehrter Herr Staatsrat, ich erhalte von der Staatspolizeistelle Hamburg die Mitteilung, dass vom Ausland (Paris, Amsterdam) Schriften verschickt werden, die in ihrer Aufmachung völlig der von Ihnen herausgegebenen Reihe „Der deutsche Staat der Gegenwart“ ähneln und deren Inhalt eine kommunistische Auseinandersetzung mit der Reihe und anderen neueren deutschen rechtswissenchaft­ lichen Veröffentlichungen ist. Als Verleger dieser Fälschung figurieren wir mit unserem Namen und mit unserem Signé, ebenso wird angegeben: „Gedruckt in der Hanseatischen Verlagsanstalt Hamburg 36 und Wandsbek“. Als Herausgeber der Fälschungen ist Ihr Name angegeben in derselben Weise wie bei den echten Exemplaren. Weiterhin sind die Ankündigungen der Fälschung dieselben, wie sie Heft 6 der Schriftenreihe enthält. Die Fälschung hat einen Umfang von 32 Seiten und ist unaufgeschnitten broschiert; sie muss erst vor einigen Tagen erschienen sein, weil eine Bemerkung des „Temps“ vom 27. Juli 1935 in einer Anmerkung noch enthalten ist. Wie mir die Staatspolizeistelle mitteilt, ist in diesen Tagen die Fälschung fast allen Hamburger Rechtsanwälten zugegangen, es ist zu vermuten, dass die Fälschung ebenfalls nach Berlin gegangen ist und dort Verwirrung bei einigen Leuten möglicherweise anstiften kann. Das ist deshalb unter Umständen zu befürchten, da die Aufmachung der Fälschung sich einmal völlig unseren Veröffentlichungen angleicht und weiterhin der Inhalt der Schrift sachlich getarnt ist. Es ist zu befürchten, dass die Empfänger der Fälschung die Schrift für spätere Stunden beiseite legen und dass die Schrift eine Zeit lang den Bücherschrank gutgläubiger Empfänger „zieren“ wird. Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich der Mühe unterziehen würden, bei einigen Rechtsanwälten usw. in Berlin eine Umfrage vornehmen zu lassen, ob es auch in Berlin Empfänger dieser Schrift gibt. Es ist mir zu meinem Bedauern nicht gelungen, von der Staatspolizeistelle Hamburg ein Exemplar der Fälschung zu erlangen; ich bin überzeugt, dass eine Lektüre der Fälschung unter Umständen wertvoll sein kann, um Anhaltspunkte für 202  Siehe

zur Fälschung der Schriftenreihe Lokatis (wie Anm. 81), S. 58.

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Briefe Nr. 17–18

den Urheber der Schrift, der sich in der Fälschung „Dr. Hermann Seitz“ nennt, zu erlangen. Ich habe die Staatspolizeistelle Hamburg gebeten, uns von dem Auftauchen weiterer Fälschungen unverzüglich Mitteilung zu machen, da besonders wegen der Wirkung im Ausland für sie wie für uns von Interesse sein muss, möglichst die Urheber der Fälschung, die möglicherweise in Deutschland sein können, festzustellen. Mit verbindlichsten Empfehlungen und Heil Hitler, Ihr sehr ergebener Nr. 18 Carl Schmitt an Oskar Ritter von Niedermayer203, 1. Juli 1939 Sehr verehrter Herr Oberst! Ihren Aufsatz „Wehrgeographie und Wehrpolitik“204 habe ich erhalten und gleich mit größtem Interesse gelesen. Eine Reihe überaus treffender Darlegungen und Formulierungen (z. B. über die heutige Geopolitik, S. 175, das Denken in mitteleuropäischer Kleinräumigkeit, S. 173, und den Staat als „Raumprodukt“, S. 167, 190) veranlasst mich, Ihnen meine beiliegende Abhandlung „Völkerrechtliche Großraumordnung“205 als Gegengabe zu übersenden, wenn ich vielleicht auch nicht zu hoffen wagen darf, dass diese rein völkerrechtliche Arbeit bei Ihnen das gleiche Interesse findet wie Ihr ausgezeichneter Aufsatz bei mir. Die deutsche Völkerrechtslehre ist heute in einer besonderen Lage, wenn sie über eine bloße Advokatenstellung hinaus 203  Oskar Ritter von Niedermayer (1885–1948), Offizier und Hochschullehrer, war im Ersten Weltkrieg mit der Mission nach Afghanistan entsandt, die heimischen Völker gegen die Kolonialmacht aufzuwiegeln. 1919 studierte er in München und leitete das Freikorps Epp. Ab 1933 war er Privatdozent für „Wehrgeographie“ und „Wehrpolitik“ an der Universität Berlin. 1937 leitete er auf ausdrücklichen Wunsch Hitlers das „Institut für allgemeine Wehrlehre“ an der Berliner Universität. Seit 1939 gehörte Niedermayer zum Beirat der „Forschungsabteilung Judenfrage“ innerhalb des nationalsozialistischen Reichsinstituts für Geschichte des Neuen Deutschlands. Neben Karl Haushofer war Niedermayer einer der bekanntesten Vertreter der populärwissenschaftlichen Geopolitik. 204  Oskar von Niedermayer: Wehrgeografie und Wehrgeopolitik, in: Die Wehrwissenschaften der Gegenwart (1934), S. 88–110. 205  Carl Schmitt: Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte. Ein Beitrag zum Reichsbegriff im Völkerrecht, Berlin / Wien /  Leipzig 1939.

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neue Ideen entwickelt. Sollte meine Schrift trotzdem Ihr Interesse finden, so würde ich mich daher ganz besonders freuen und gern einmal mit Ihnen darüber sprechen. Bis jetzt hat nur die Auslandspresse davon Notiz genommen, obwohl die Rede des Führers vom 28. April 1939 in aller Form die Monroedoktrin auch für uns in Anspruch genommen hat. Es ist leider in der Tat sehr schwer, die „Kleinräumigkeit“ unseres außenpolitischen und völkerrechtlichen Denkens zu überwinden. Mit nochmaligem Dank und Heil Hitler! Ihr sehr ergebener

Nr. 19 Giselher Wirsing an Carl Schmitt, 1. Juni 1939 Lieber und verehrter Herr Professor! Sie haben mir durch den Verlag Ihre neue Schrift206 übersenden lassen, und ich möcht mir erlauben, Sie dazu herzlich zu beglückwünschen! Sie wissen ja, dass ich seit Jahren Ihre Monroe-Studie207, die damals in den Königsberger Forschungen erschien, als eines der Hauptstücke unserer außenpolitischen Literatur ansehe. In Ihrer jetzigen Schrift scheint mir das Wichtigste, dass wir endlich den Weg der negativen Abgrenzung verlassen und zu einer Völkerrechtsdeutung kraft eigener Rechtsetzung kommen. Meine ganzen schriftstellerischen Arbeiten des letzten Jahres kreisen um dasselbe Problem. Mit einem Wort: ich sehe als den entscheidenden Angelpunkt der Situation die Möglichkeit der amerikanischen Intervention an. Alles andere, was wir jetzt von der Gegenseite her erleben, ist nur eine Funktion dieser Möglichkeit. Ich erlaube mir, Ihnen anliegend die Pfingstnummer der Münchner Neueste Nachrichten208 zu übersenden, in der ich 206  Wie Anm. 205. Es handelte sich bei der Publikation um die Ausarbeitung eines Vortrags, den Schmitt am 1. April 1939 bei der Reichsfachgruppe Hochschullehrer im Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund der Universität Kiel gehalten hatte. 207  Carl Schmitt: USA und die völkerrechtlichen Formen des modernen Imperialismus. Vortrag gehalten in Königsberg am 20. Februar 1932, in: Auslandstudien 8 (1933), S. 117–142, hrsg. vom Arbeitsausschuss zur Förderung des Auslandsstu­ diums an der Albertus-Universität zu Königsberg. 208  Giselher Wirsing (1907–1975) war Hauptschriftleiter der Münchner Neuesten Nachrichten und Herausgeber der Tat, die Ende der 1930er Jahre in Das XX. Jahrhundert unbenannt wurde. Siehe Einführung, S. 40.

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Briefe Nr. 19–20

– wenn auch unter vielleicht sehr journalistischem Titel – Ihre Gedankengänge aufgriff. Ebenso füge ich das Juni-Heft meiner neuen Zeitschrift Das XX. Jahrhundert bei, dessen kurzen einleitenden Aufsatz ich schon schrieb, ehe ich Ihre Schrift kannte. In herzlicher Begrüßung bin ich mit Heil Hitler, Nr. 20 Karl Lohmann209 an Carl Schmitt, 4. Dezember 1948 Hochverehrter, lieber Herr Professor! [Persönliches] Meinen Aufenthalt in Marquartstein benutzte ich außerdem zur Ausarbeitung eines Vortrags „Parlamentarismus und Publizistik“, den ich am 12. November auf der II. Arbeitstagung der „Aachener Journalisten-Gespräche“ in Aachen hielt. In diesem Vortrag legte ich das Schwergewicht auf den Nachweis, dass das Parlament jede repräsentative Kraft und damit auch jede integrierende Funktion eingebüßt hat, und zwar nicht zuletzt auch durch die Schuld der Publizistik, die in ihrer Wirkung als ein Element der unmittelbaren Demokratie angesprochen werden muss. Mein Vortrag schloss mit dem Aufzeigen der Problematik, die sich aus der geistigen und sozialen Struktur des heutigen Parlamentarismus und der modernen Publizistik ergibt. Er leitete damit über zu dem von Dr. Heinz Maus210 erstatteten ausgezeichneten Referat über die Presse im autoritären Staat, bei dem vor allem die These bemerkenswert war, dass die totalitären Tendenzen bereits im 19. Jahrhundert deutlich zu erkennen waren und dass der heutige Staat im Grunde genauso autoritär angelegt ist wie die faschistischen Staaten. An die beiden Referate schloss sich eine gute Diskussion an, die zusammen mit den Vorträgen demnächst veröffentlicht werden soll. Am 19. November fuhr ich nach Heidelberg, um dort an der Tagung eines Arbeitskreises teilzunehmen, der hauptsächlich von Gerstenmaier, dem Lei209  Karl Lohmann war ein Schüler Schmitts, Autor bei der HAVA und Schriftleiter der Zeitschrift „Abteilung für Rechtsforschung der Akademie für Deutsches Recht“. Zuvor arbeitete er für die Deutsche Juristen-Zeitung, deren Herausgeber Schmitt von 1933 bis 1936 war, und bei der Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht. 210  Heinz Maus (1911–1978), Soziologe, war 1947 Schriftleiter der Zeitschrift Internationale Revue Umschau. 1949 lehrte er an der Journalistenschule Aachen, später war er Assistent am Institut für Sozialforschung in Frankfurt a. M. und schließlich Professor an der Universität Marburg neben Wolfgang Abendroth.

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ter des Evangelischen Hilfswerks, Liedig, dem Schatzmeister, und Hausleiter, dem stellvertretenden Vorsitzenden der bayrischen CSU getragen wird. Unter den Teilnehmern traf ich Vorwerk211, Forsthoff, Heuss, Schmoller, Mehnert, Scheuner u. a. Bekannte.212 Die Tagung war sachlich leider nicht sehr ergiebig, da sich das Thema „soziale Neuordnung“ als viel zu umfangreich erwies, um in knapp zwei Tagen auch nur annähernd erschöpfend behandelt zu werden. Sehr erfreulich dagegen waren die persönlichen Begegnungen und Aussprachen. Allmählich scheint sich ein neuer Geist zu regen, der auch nach politischer Gestaltung drängt. Das gilt auch von der politischen „Linken“, wenn ich diesen überholten Ausdruck einmal gebrauchen darf. Gerade hier in Aachen habe ich häufig Gelegenheit, mit Vertretern dieser Richtung zusammenzukommen. Das Gutachten über die Frage des Angriffskriegs und den Satz „nullum crimen sine lege“213 habe ich Vorwerk gegeben, der sich wegen Verwendungsmöglichkeiten unmittelbar mit Ihnen ins Benehmen setzen will. Ein Teil der von Ihnen mir freundlicherweise zur Verfügung gestellten Lektüre ist schon am 25. Oktober von Bergneustadt an Sie zurückgeschickt worden. Jetzt befinden sich noch Ihre Legaltität214 und der Bruno Bauer215 in meinem Besitz. Ist es frühe genug, wenn ich Ihnen die beiden Bücher bis Weihnacht wieder zurückschicke? [Persönliches] Mit herzlichen Grüßen, auch an Frau Schmitt und Anima, bin ich immer Ihr

211  Friedrich Vorwerk (1893–1969), Journalist und Verleger, war Schriftleiter der politischen Wochenschrift Der Ring, seit 1931 beim Deutschen Volkstum. Nach dem Krieg unterhielt er einen eigenen Verlag. 212  Gustav von Schmoller (1907–1957), Schüler Schmitts, Jurist und Diplomat. Ulrich Scheuner (1903–1981), Schüler von Rudolf Smend. 213  Carl Schmitt: Das internationalrechtliche Verbrechen des Angriffskrieges und der Grundsatz ‚Nullum crimen nulla poena sine lege‘, hrsg. von Helmut Quaritsch, Berlin 1994. 214  Carl Schmitt: Legalität und Legitimität, München und Leipzig 1932. 215  Bruno Bauer (1809–1882), evangelischer Theologe und Historiker. Siehe hierzu Reinhard Mehring: Carl Schmitts Bruno Bauer: ‚Autor vor allem der Judenfrage‘ von 1843, in: Klaus Kodalle / Tilman Reitz (Hrsg.), Bruno Bauer. Ein „Partisan des Weltgeistes“?, Würzburg 2010, S. 335–350. Ferner Raphael Gross: Carl Schmitt und die Juden, Frankfurt a. M. 2000.

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Brief Nr. 21

Nr. 21 Hans Paeschke an Carl Schmitt, 1. Juli 1949 Lieber Herr Professor, meinem Besuch in Plettenberg schloss sich noch eine Reihe anderer Besuche an, die mich auch bis nach Freiburg führten. So komme ich erst heute, an meinen Schreibtisch zurückgekehrt, dazu, Ihnen für die schönen Stunden zu danken, die wie einst in Lichterfelde zu den anregendsten des letzten Jahres gehörten. Ich denke oft und viel über unser Gespräch nach und in Ihrer Richtung weiter. Mein Eindruck von den „Zwei Gräbern“216 und von dem „Donoso Cortés“217 war der allerstärkste. Darf ich wenigstens die „Zwei Gräber“ hier behalten? Sonst schicke ich sie zusammen mit dem Aufsatz über „Donoso Cortés“ in der nächsten Zeit zurück. Ich habe sie zur Zeit Herrn Dr. Maier von der DEVA218 vorgelegt, um gleichzeitig mit ihm in ein Gespräch einzutreten, das Ihre schriftstellerische Situation zum Gegenstande hat. Ausgehend von Ihrer Bestätigung, dass zur Zeit noch keine anderen verlegerisch festen Bindungen vorliegen, werde ich dieser Tage Dr. Maier den Vorschlag machen, Ihnen zu schreiben und einen Besuch von ihm in Plettenberg zu verabreden. Nach diesem Gespräch werde ich Ihnen auch schreiben, in welcher Weise der Merkur schon jetzt ein schriftstellerisches Mitwirken von Ihnen einfädeln könnte. Am wenigsten Widerstand böten, soweit ich im Augenblick sehe, kürzere Glossen bzw. Besprechungen. Doch nicht nur um Sie vielleicht zu einer Rezension des letzten Buches von Carl Löwith219 zu ermuntern, sondern um Ihnen einen Blick in die letzte Geschichtsphilosophie des von Ihnen angezogenen Autors zu geben, darf ich mir erlauben, Ihnen sein neues Buch „Meaning in History“ zu übersenden. Gleichfalls lege ich bei die von Klages besorgte Ausgabe von Alfred Schuler220, das ich nach Lektüre gelegentlich zurückerbitten möchte. Es ist eins der wenigen Exem216  Die Glosse über die Gräber von Heinrich von Kleist und Theodor Däubler ist erschienen in Carl Schmitt: ECS, S. 55–78. 217  Schmitt hatte am 31. Mai 1944 einen Vortrag an der Academia de Jurisprudencia y Legislación de Madrid gehalten, der im Druck erschien als Carl Schmitt: Donoso Cortés in gesamteuropäischer Interpretation, in: Die Neue Ordnung 3 (1949), S. 1–15. Aufgenommen in Carl Schmitt: Denoso Cortés in gesamteuropäischer Interpretation. Vier Aufsätze, Köln 1950. 218  Gemeint ist die Deutsche Verlagsanstalt (dva). 219  Karl Löwith: Meaning in history. The theological implications of the philosophy of history, Chicago 1949. Mit der knappen Besprechung „Drei Möglichkeiten eines christlichen Geschichtsbildes“ war Paeschke nicht zufrieden, Schmitt zog die Miszelle zurück, ließ sie stattdessen in der Zeitschrift Universitas drucken, siehe Mehring S. 475 ff. Im Merkur veröffentlicht er nur ein einziges Mal im Jahr 1952.

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plare, das ich aus meiner früheren Bibliothek rettete, nachdem u. a. dieses auch, seinerzeit bei Frankfurt Oder evakuiert, russischen Panzern als Unterlage diente, um zu weiches Erdgelände zu durchqueren. [Persönliches]

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Mit den herzlichsten Grüßen und Wünschen an Ihre Gattin und Sie stets Ihr 2 Anlagen p. s. soeben schreibt mir der Vertreter von Dr. Maier, Dr. R. Fichborn [?], dass er Sie gelegentlich einer Süd-Reise um Rücksprache gebeten habe. Ich werde Dr. Maier dieser Tage sehen und um ein Wort an Sie bitten.

Nr. 22 Hans Zehrer an Carl Schmitt, 5. September 1949 Lieber Professor Schmitt, ich habe Ihren Brief sowie Ihre Arbeit über Donoso Cortés221 seit langem auf meinem Schreibtisch liegen und hatte mir vorbehalten, Ihnen handschriftlich ausführlich darauf zu antworten. Aber Sie wissen wie es ist: gerade diese Sachen bleiben liegen und steigern das schlechte Gewissen von Tag zu Tag. Ich möchte mich deshalb ganz besonders bei Ihnen für Ihren liebenswürdigen handschriftlichen Brief bedanken, gleichzeitig mit der Bitte, mir alle Dinge, die Sie zur Veröffentlichung für notwendig halten, jeweils zuzuschicken. Denn ich würde mich natürlich außerordentlich freuen, wenn Sie zu den akuten Problemen der Zeit persönlich Stellung nehmen würden. Ich bin durch Ihren Aufsatz über Cortés noch mehr für diesen Mann interessiert worden und habe in der Zwischenzeit mir die verfügbare Literatur – soweit möglich – zusammengeholt, wobei ich doch außerordentlich bedaure, dass ich des Spanischen nicht mächtig bin, denn die Ausbeute in Deutschland ist sehr gering. Kann man nicht etwas dafür tun, ihn in einer deutschen Ausgabe herauszubringen? 220  Alfred Schuler: Fragmente und Vorträge aus dem Nachlass, mit einer Einführung von Ludwig Klages, Leipzig 1940. Alfred Schuler (1865–1923), Privatgelehrter, war spiritueller Mittelpunkt der Kosmiker und Ideengeber für Stefan George und Ludwig Klages. 221  Siehe hierzu Anm. 217.

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Briefe Nr. 22–23

Mit meinem Buch selber – ich hoffe, Sie haben im Augenblick die „Stille vor dem Sturm“222 bekommen – ist etwas sehr Merkwürdiges passiert. Es ist eines der wenigen Bücher, die von der Buchkrise nicht betroffen zu sein scheinen und in einer erstaunlichen Lebendigkeit weiter gehen, sodass ich in einem Jahr über 50.000 Stück verkauft habe, während die offizielle Kritik ablehnend und die besprechungsmäßige Öffentlichkeit außerordentlich mager ist. Ich muss allerdings sagen, dass ich es nicht anders erwartet habe. Wir sind in eine Periode des Scheinoptimismus hineingeraten, und der Mensch will zur Zeit von der Wirklichkeit nichts wissen, was mich allerdings nicht abhalten soll, sie ihm solange unter die Nase zu reiben, bis sie von selber kommt. Ich würde mich wahnsinnig gern einmal wieder mit Ihnen unterhalten und spekuliere immer wieder mit einer Möglichkeit, über Plettenberg zu kommen, da ich annehme, dass Sie kaum nach Hamburg kommen werden. Ich hoffe, dass das bald möglich sein wird. Sollten Sie vorher nach Hamburg kommen, würde ich mich sehr freuen, wenn Sie mich aufsuchen würden Nr. 23 Johannes Winckelmann223 an Carl Schmitt, 28. April 1950 Lieber und verehrter Carl Schmitt! Ich hatte ein paar äußerst anregende und gute Stunden mit Frau Duschka, die ich abschließend noch zu einem schwarzen Kaffee zu Schnitzlers224 begleitet habe. Sie wird Ihnen, vermute ich, ausführlich über unsere eingehende Unterhaltung berichten, vor allem auch über das Gutachten von Pribilla225. Gerade als ich nach Hause kam, wurde die Sendung von de Gruyter hereingebracht, aus der ich mir erlauben darf, Ihnen das anliegende Exemplar beizufügen. Das war es doch, welches Sie gern haben wollten? 222  Hans

Zehrer: Stille vor dem Sturm. Aufsätze zur Zeit, Hamburg 1949. Winckelmann (1900–1985), Soziologe, lernte Schmitt 1938 zufällig im Schlosscafé Unter den Linden kennen. Von Winckelmann hat Schmitt das Stichwort der „Raumrevolution als Austilgung der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung“ übernommen. Winckelmann gilt als Schüler Schmitts. Der Kontakt zu Joachim Ritter, der für Schmitts Werdegang nach 1945 bedeutend ist, kam durch Winckelmann zu Stande. 224  Zu Georg (1884–1962) und Lilly von Schnitzler (1889–1981), siehe Briefwechsel Lilly von Schnitzler mit Carl Schmitt, in: Schmittiana NF I, Berlin 2011, S. 113–256. 225  Max Pribilla (1884–1954), Theologe, Feldgeistlicher im Ersten Weltkrieg, 1921 Mitglied der Redaktion „Stimmen der Zeit“, arbeitete u. a. über Möglichkeiten der Wiedervereinigung der Konfessionen. 223  Johannes

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Wie herrlich doch damals die Veröffentlichungen gedruckt und aufgemacht waren. Drei Dinge möchte ich dem Bericht von Frau Schmitt gern kurz vorausnehmen. 1). Es scheint, als wenn Ihre Geburtstagsansprache den Koreferenten nachwirkend bekehrt hätte. Jedenfalls zeigt er sich im vertrauten Gespräch nicht mehr grundsätzlich ablehnend. 2).  Noch bedeutsamer jedoch scheint mir folgendes ihn betreffende Erlebnis. Kürzlich kam er emphatisch zu mir herein mit einem kurzen Aufsatz im literarischen Teil der Hamburger Wochenschrift Die Zeit, darin ein mir unbekannter Herr superlativisch über Existenz und Bedeutung des Donoso Cortés berichtete. Das sei, so meinte mein Nachbar, ein fast unglaubliches Phänomen, vor allem der prophetische Blick für die Heraufkunft der Russen. Das muss seit 1813 und dem Wiener Kongress und vor der „Olmützer Schmach“ und dem Krim-Krieg nicht völlig außerhalb des Erkennbaren gelegen haben und ist ja bereits von Tocqueville gesehen worden. Ein gewisser Napoleon scheint die gleiche Einsicht gehabt zu haben, als er dem letzten Grund des Widerstandes gegen die Errichtung seines europäischen Reiches nachsann. Ich habe den Kollegen sodann auf Ihr geistiges Verhältnis zu und Ihre gedankliche Leistung für Donoso hingewiesen und ihm gesagt, dass ich einen Abdruck Ihres Donoso-Aufsatzes aus der Neuen Ordnung226 sowie ein Bändchen mit zwei Reden und einer Denkschrift Donosos besitze. Er war begeistert und wird am Sonnabend mit diesen beiden Dingen ausgestattet nach Kissingen reisen. Ich bin auf die Wirkung höchst gespannt. 3).  Ich hätte mich gern rechtzeitig mit Ihnen ausführlich über Ihren literarischen neuen Start unterhalten, weil ich glaube, gerade auf diesem Gebiet die taktische Lage gut genug zu kennen. In brevi: die erste Aktion hätte der Neudruck der Verfassungslehre sein müssen, und kein Mensch auf der Welt hätte die Behauptung aufstellen können, dass dieses Werk aus 1928 (!) „nazistisch“ sei. Mit dem Verleger hätte gegebenenfalls ein Anwalt sprechen müssen. Da er impotent zu sein scheint, hätte ich einen Lizenzdruck bei Beck bevorzugt. Einer etwaigen Berufung des Verlegers darauf, dass selbst für einen Neudruck der vorherige Spruchkammerbescheid conditio sine qua non gewesen wäre oder sei, hätte man damit begegnen können, dass erstens mehrere Fälle von Neudrucken nicht Entnazifizierter in der amerikanischen Zone bekannt sind (ich erinnere statt vieler nur an den zweiten Druck des Handkommentars zu den Bestimmungen des Aktiengesetzes über Rechnungs­ legung und Rechnungsprüfung der A. G. von Adler-Düring-Schmaltz im ­Pöschelverlag, 1948, mit dem ausdrücklichen Vermerk: Unveränderter Nach226  Carl

Schmitt: Donoso Cortés, wie in Anm. 217.

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Brief Nr. 23

druck der 1. Aufl.). Im fotomechanischen Verfahren ist ein solcher Nachdruck gar keine Angelegenheit und Beck würde die gleiche gute Aufmachung wie im Falle des Forsthoff gewährleistet haben. Hätte auch das nicht genügt, so hätte Blischke227 die zuständige amerikanische Stelle für eine special license bzw. Unbedenklichkeitserklärung ausfindig machen müssen, der die Stellungnahme von Kempner228 vorgelegt worden wäre. Das come back von C. S. müsste nämlich rein rechtswissenschaftlich und unter gar keinen Umständen ein politisches sein, will man Widerständen und hässlichen Angriffen von vornherein den Boden entziehen. Es war daher im Prinzip richtig, mit einer Arbeit über die Lage der europäischen Rechtswissenschaft229 hervorzutreten, nur wäre das besser nach dem Wiedererscheinen der Verfassungslehre geschehen. Ihre theoretischen, systematischen, kurz rechtswissenschaftlichen Verdienste sind so enorm und weltbekannt, dass jeder sich verkleinern würde, der hiervon keine Kenntnis hat oder nimmt. Zudem erscheint es mir im höchsten Maße unzweckmäßig, durch eine eigene Aktion die Gefahr heraufzubeschwören, dass die verstreuten Gegner durch einen Generalalarm persönlich miteinander in Kontakt gebracht werden. Sie wissen, dass sich darunter etliche mit namhafter Beziehung zur Besatzungsmacht befinden. cui bono? Man muss unterscheiden, ob man den Zweck will, ou seulement épater le bourgeois. Man hat die Wahl, aber man kann nicht zwei Hasen zugleich jagen und nicht von zwei Ufern fischen. Sodann würde ich zunächst weitere rechtswissenschaftliche Arbeiten im Neudruck erscheinen lassen und erst zum Schluss die geisteswissenschaftlichen Studien und die kritischen Analysen zur demokratischen Verfassungssituation. Letztere womöglich in einer auf den heutigen Tag fortgeführten zweiten Auflage. 227  Werner Blischke (1917–1984) war nach Ausbombung 1943 Schmitts Mitbewohner in Zehlendorf, später in der Bundestagsverwaltung tätig. 228  Robert M. W. Kempner (1899–1993), Jurist, emigrierter deutsch-jüdischer Jurist und ehemaliger Beamter des Preußischen Innenministeriums, erklärter Gegner Hitlers und der NSDAP, die er verbieten lassen wollte. 1933 wurde er zwangspensioniert, 1935 verhaftet. Kempner floh über Italien in die USA. Er war bei den Nürnberger Prozessen gegen nationalsozialistische Kriegsverbrechen stellvertretender Chefankläger. Schmitt war 1945 / 46 ein Jahr lang US-Häftling gewesen. Am 19. März 1947 wurde er in seiner Berliner Wohnung erneut verhaftet. Die Anklage lautete „Mitwirkung an der Planung von Angriffskriegen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Kempner verhörte Schmitt im Nürnberger Justizgefängnis insgesamt dreimal. Zu einer Anklage gegen Schmitt kam es nicht. Kempner sah in Schmitt eher einen Sachverständigen für die Vorbereitung des Prozesses gegen Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes. Siehe hierzu Carl Schmitt: Antworten in Nürnberg, hrsg. und kommentiert von Helmut Quaritsch, Berlin 2000. 229  Carl Schmitt: Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft, Tübingen 1950, wiederabgedruckt in: VA, S. 386–426. Vortrag, gehalten (auf deutsch, französisch und spanisch) an verschiedenen europäischen Universitäten, ursprünglich vorgesehen als Beitrag für eine Festschrift zum 60. Geburtstag von Johannes Popitz.

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Sie fragten mich nach einem Beitrag zu der Erinnerungsgabe230 für Ahlmann231. Ich könnte an fertigen Sachen meine Einleitung zu der unfertigen Arbeit „Die Methode der Rechtsverwirklichung im kontinentalen Kodifikationsrecht“ übersenden. Ich bitte, mir ehrlich zu sagen, ob es etwas taugt und für einen Sonderabdruck geeignet erscheint. Ich schicke es Ihnen. Die böse Erfahrung, die Herr Zierold232 inzwischen gemacht hat, hat mich ehrlich empört, nachdem alle so schön für sich selbst gesorgt haben. Angesichts der juste Milieu-Stimmung muss die psychologische Reaktion auf das épater le bourgeois ihren finanziellen Ausdruck finden. Mir scheint, das gehört zum Wesen dieser Art von Demokratie, als deren Staatsfeind Nr. 1 Sie offenbar vorschweben. Herzlichst Ihr 1 Anlage

Nr. 24 Carl Schmitt an Richard Tüngel, 28. Mai 1950 Sehr geehrter Herr Richard Tüngel! Sie sagen in Ihrem Aufsatz „Das neue Biedermaier“ (25. Mai 1950), das Problem, wie sich die Demokratie gegen ihre eigenen Prinzipien schützen kann, sei „bisher noch nicht durchdacht worden“. Der Exaktheit halber darf ich mitteilen, dass eben dieses Problem in meiner 1932 (bei Duncker & Humblot) erschienenen, größeren Abhandlung „Legalität und Legitimität“ gründlich durchdacht worden ist. Damals freilich haben sich die maßgebenden Demokraten dieser Schrift und ihren Warnungen heftig widersetzt. Die 230  Tymbos für Wilhelm Ahlmann. Ein Gedenkbuch, herausgegeben von seinen Freunden, Berlin 1951. 231  Wilhelm Ahlmann (1895–1944), Jurist und Bankier, nach 1933 kurzzeitig Referent im preußischen Kultusministerium. Ahlmann, der im Ersten Weltkrieg durch einen Pistolenschuss sein Augenlicht verloren hatte, war ein Schüler von Hans Freyer in Leipzig. Am 16. Juni 1933 hatte Schmitt durch Intervention bei Ahlmann durchgesetzt, dass Forsthoff eine Professur erhielt. Ahlmann stand mit Stauffenberg in Verbindung und beging im Dezember 1944 Selbstmord. 232  Kurt Zierold (1899–1989) war ein Berliner Bekannter und Mitarbeiter der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Zierold hatte den finanziell nicht abgesicherten Schmitt aufgefordert, ein Forschungsstipendium bei der Notgemeinschaft deutscher Wissenschaft zu beantragen. Der Antrag sei aber abgelehnt worden, weil die Menschen „engherziger und nachtragender“ seien als er gedacht hätte. Mehring, S. 468.

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Briefe Nr. 24–25

Schrift behandelt nicht nur die Weimarer Verfassung, sondern auch die Modell-Situation, wie sie sich im Frühjahr 1933 in Deutschland, im Frühjahr 1948 in der Tschechoslowakei, und latent in vielen demokratischen Ländern wiederholt hat. Einige Stellen, z. B. S. 33 und S. 96 würden Ihnen wahrscheinlich auch in der Formulierung heute besondere Freude machen. Wenn ich heute, als demontierter alter Mann, Ihnen gegenüber diese Schrift nochmals erwähne, so gerate ich etwas in die Lage, in der, nach der alten Anekdote, die Sibylle gegenüber dem römischen Könige stand. Das dürfen Sie aber nicht missdeuten. Ich kann mir nicht denken, dass Sie es einem alten Experten der Verfassungslehre verargen, wenn er unter dem großen Eindruck Ihres Aufsatzes in eine 40-jährige Berufsgewohnheit zurückfällt und den Versuch macht, angesichts eines sehr schwierigen Problems auf eine echte Quelle aufmerksam zu machen. In vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebener (gez.) Carl Schmitt

Nr. 25 Giselher Wirsing an Carl Schmitt, 6. Juni 1950 Lieber Herr Professor, seit einem heißen Maitag in Madrid haben wir uns nicht mehr gesehen und nur aus der Ferne habe ich einigermaßen verfolgen können, wie es Ihnen erging. Für heute von mir auch nur einen flüchtigen Gruß. Als ich neulich die Göttinger Universitäts-Zeitung aufschlug und den ebenso törichten wie infamen Angriff des Herrn Raiser233 gegen Sie darin fand, habe ich die kleine Entgegnung geschrieben, die Sie in dieser Woche in Christ und Welt wohl gefunden haben. In Göttingen, wo ich zufällig Ende der vorigen Woche gewesen bin, als dort die Nummer von Christ und Welt gerade gelesen wude, scheint dies im erwünschten Sinne gewirkt zu haben, denn ich hörte, der dortige Völkerrechtler Weber wolle sich dieser Sache annehmen und versuchen, gegen die Dolchstößler etwas zu unternehmen.234 233  Ludwig Raiser (1904–1980) Jurist, Professor an der Universität Göttingen und einer der Mitherausgeber der Deutschen Universitätszeitung, in der ein anonymer Redaktionsbeitrag über Schmitt erschienen war. Christ und Welt hatte Schmitt daraufhin vehement verteidigt. Siehe dazu BW Forsthoff, S. 380 f. 234  Werner Weber schrieb am 22. Mai 1950 an Ludwig Raiser: Die repräsentative Stellung der Göttinger Universität und auch der Universitätszeitung in der deutschen

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Da ich gerade nur auf der Durchreise hier bin, reicht es nur eben zu diesen Zeilen, mit denen sich meine herzlichsten Wünsche verbinden. Sie erreichen mich in Bad Heilbrunn b. Tölz. Bitte empfehlen Sie mich vielmals Ihrer Gattin, Stets Ihr

Nr. 26 Carl Schmitt an Richard Tüngel, 4. August 1950 Sehr geehrter Herr Richard Tüngel! Auf mein erstes Schreiben haben Sie mir am 8. Juni freundlich geantwortet. Es folgt der zweite Anruf der Sibylle, veranlasst durch eine Stelle Ihres (im übrigen großartigen) Aufsatzes über König und Führer in der Zeit vom 13. August. Sie sagen, das Verhalten von Spaak235 verstoße gegen das Grundgesetz der Demokratie. Das betrifft und trifft aber nur die Legalität und verkennt den Unterschied von Legalität und Legitimität. Die Deutschen sind ein rührend legalitätsbedürftiges Volk, weil sie ein Beamtenvolk sind. Die Legalität ist der Funktionsmodus des staatlichen Beamtentums. Mehr nicht. Die Legitimität ist eine geschichtliche Kraft. Es gibt eine Legitimität von Rechts und eine von Links. Seit 1918, im Grunde aber schon seit 1848, ist die Legitimität von Links die stärkere. Ich stelle das als Diagnostiker fest. Eine knappe Mehrheit von 51 % genügt Links, um das Régime zu ändern und dem Gegner die Tür der Legalität, durch die man eingetreten ist, vor Öffentlichkeit verpflichte die Zeitschrift zu „besonderer Sorgfalt und Objektivität in ihren Verlautbarungen. Hiermit scheint es sich jedoch nicht zu vertragen, wenn sie polemische Beiträge wie den erwähnten anstatt mit dem vollen Namen ihres Verfassers als anonyme Auslassungen des Herausgeber- und Redaktionsstabes bringt … Der Sinn jenes Beitrags ist offensichtlich, den Leser vor den bereits erschienenen und den künftigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen von Carl Schmitt zu warnen, indem ihr Verfasser ohne Rücksicht darauf, was er zu sagen hat, auf der Grundlage rund ein halbes Menschenalter zurückliegender Vorgänge als höchst suspekt abgestempelt wird“. Abschrift in Nachlass Schmitt, Nr. 17727. 235  Gemeint ist der belgische Sozialistenführer, Europapolitiker, Ministerpräsident und Außenminister Paul-Henri Spaak (1899–1972). Spaak war von 1950 bis 1955 Leiter des Internationalen Rates der Europäischen Bewegung. In Belgien rief er zum Generalstreik auf und drohte, den Streik in eine Revolution münden zu lassen, wenn die Monarchie erhalten bliebe. Der Generalstreik, so zitierte Tüngel Spaak, gehöre zu den „legalen Mitteln der Minderheit, ihren Willen gegen die Mehrheit durchzusetzen“.

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Briefe Nr. 26–27

der Nase zuzuschlagen. Eine Mehrheit von 57 % für einen König genügt noch lange nicht, um ihn zur Rückkehr zu berechtigen. Wie kommt das? Die Massen fragen nicht nach der Legalität, sondern halten sich an den geschichtlichen Trend. Dieser treibt sie nach Links. Ich stelle das als Diagnostiker fest. Was Links geschieht, hat die Absolution des Weltgeistes. Wissen Sie wo das steht? Verzeihen sie bitte diesen zweiten Anruf. Aber Ihr Aufsatz ist sehr bedeutend und bewegt mich aufs tiefste. Mit vorzüglicher Hochachtung, Ihr sehr ergebener

Nr. 27 Carl Schmitt an Michael Freund, 1. November 1950 Sehr verehrter Herr Dr. Freund, heute habe ich in Beantwortung Ihres Schreibens vom 30. Oktober ein Paket an Sie geschickt, das folgende Bücher enthält: 1) vier neue, im Jahre 1950 erschienene Schriften, darüber „Der Nomos der Erde“ in den Umbruchsfahnen, 2) folgende ältere Schriften: „Legalität und Legitimität“ (1932), „Völkerrechtliche Großraumordnung“, ein Sonderdruck des Aufsatzes „Die Prägung des französischen Geistes durch den Legisten“, und eine englische Ausgabe von „Römischer Katholizismus und politische Form“. Die deutsche Original-Ausgabe (1923 bei Hegner erschienen) habe ich nicht mehr. Meine Bibliothek ist beschlagnahmt und mir nicht mehr zurückgegeben worden. Ihre Frage, ob gegenüber den von Ihnen aufgezählten Schriften etwas Wesentliches fehlt, lässt sich nur danach beantworten, unter welchem Gesichtspunkt Sie Ihren Aufsatz zu stellen gedenken. Wenn rechtswissenschaftlich-fachliche Gesichtspunkte wesentlich sind, dürfte „Die Diktatur“ (1921), die „Verfassungslehre“ (1928), „Der Hüter der Verfassung“ (1931) nicht fehlen, denn das sind größere systematische Arbeiten, die eine starke Wirkung gehabt haben und deren Spuren Sie noch im Bonner Grundgesetz finden können. Ich habe Ihnen in dem genannten Bücherpaket „Legalität und Legitimität“ mitgeschickt, weil das für die heutige Lage der Demokratie die wichtigste Schrift ist. Sie arbeitet die Modell-Situation der heutigen Demokratie, wie sie sich z. B. im Frühjahr 1933 in Deutschland, im Frühjahr 1948 in der Tschechoslowakei, latent in allen anderen Ländern der westlichen Demokratie heute noch fortwährend zeigt, in aller Klarheit heraus. Deshalb

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lohnt sich die Lektüre, auch wenn die Bezugnahme auf die inzwischen vergessenen Artikel der Weimarer Verfassung vielleicht manchmal störend wirkt. Mir ist bisher keine Abhandlung bekannt geworden, die das akute Problem der liberalen Demokratie in dieser Weise behandelt hätte. Dass die deutschen Demokratien diese Schrift 1932 abgelehnt und verdächtigt haben, ist nicht meine Schuld. Die zweite Schrift, die ich noch mitschicke, die „Völkerrechtliche Großraumordnung“, ist vor einiger Zeit von dem Völkerrechtsjuristen Stalins, Prof. Trainin, in einem Vortrag der Moskauer Akademie der Wissenschaft als die intellektuelle Grundlage des Atlantikpaktes bezeichnet worden. Den Sonderdruck über den französischen Legisten endlich habe ich beigefügt, weil ein früherer Kollege verbreitet, ich hätte, wissend, dass Bodinus Jude war, diesen in „Ex Captivitate Salus“ als meinen geistigen Bruder bezeichnet, um mich anzubiedern; deshalb ­habe ich mir erlaubt, die Stelle S. 18 diese Sonderdruckes für Sie hervorzuheben. Die unter 2) genannten Bücher bitte ich, mir gelegentlich nach Gebrauch zurückzusenden. Im Augenblick kann ich sie gut entbehren. Meinen geistigen Weg werden Sie am besten aus „Ex Captivitate Salus“ erkennen. Zu Donosos kassandrischer Figur erinnere ich Sie an das Wort Goethes aus dem Jahre 1894: „Leider muss man meistenteils verstummen, um nicht, wie Kassandra, für wahnsinnig gehalten zu werden, wenn man ausspricht, was schon vor der Tür steht.“ Sie deuten in Ihrem Schreiben an, dass ich mich über das, was Sie s­chreiben werden, nicht freuen werde. Wenn Sie „Ex Captivitate Salus“ gelesen haben, werden Sie mir glauben, dass es auf solche Freude nicht mehr ankommt. Wohl aber bitte ich Sie, die beiliegende kleine Schrift „Land und Meer“ von mir als Geschenk anzunehmen und es mir nicht zu verargen, dass ich mir erlaubt habe, zwar keine Widmung, wohl aber ein Motto für Sie hineinzuschreiben. Mit den besten Empfehlungen Ihr sehr ergebener

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Brief Nr. 28

Nr. 28 Carl Schmitt an Karl Epting236, 6. Oktober 1951 Lieber Herr Dr. Epting, hier wäre der geplante Prospekt237. Ich habe ihn gut durchdacht, Orthographie, Interpunktion (sehr wichtig!) genau überlegt und hoffe jetzt, dass Sie etwas damit anfangen können. Die Synopsis von Nein und Ja könnte wirksam sein und muss jedenfalls auf den unvoreingenommenen Leser Eindruck machen. Weitere Angaben von Jahres- und Seitenzahlen sind für diesen Zweck überflüssig und schädlich. Es genügt, dass die Sache stimmt und nötigenfalls verifiziert werden kann. Es würde einen pedantischen und subalternen Eindruck machen, wenn wir den Feinden mit Seitenzahlen nachliefen. Ich würde gern die Korrektur des Prospektes sehen sofern das die Sache nicht zu sehr aufhält. Dr. Fischer hat im Fortschritt gut gekämpft.238 Ich werde ihn aber veranlassen, den Greven Verlag bald zu nennen. Der Aufsatz in der Nummer vom 5. Oktober sollte nur ein sogenannter Vorspann sein. Ich erinnere mich mit Freude und Dankbarkeit unserer Gespräche in Köln und des wunderbaren Besuches bei Baron Veltheim. Sagen Sie bitte Ihrer verehrten Frau meine besten Empfehlungen und grüßen Sie auch Dr. Mirbt von mir, auf dessen Urteil ich besonders gespannt bin. Herzlichst ihr alter

236  Karl Epting (1905–1979), Romanist, leitete von 1934–1939 die Pariser Zweigstelle des Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), ab 1940 im besetzten Frankreich im Auftrag des Auswärtigen Amtes das Deutsche Institut. Epting verantwortete ein weit verzweigtes deutsches Kulturprogramm in Frankreich. Unter Otto Abetz beteiligte er sich jedoch auch an Maßnahmen zur Enteignung jüdischen Eigentums und dem Raub jüdischer Kunst. Nach dem Krieg verbrachte er drei Jahre in französischer Gefangenschaft, kehrte nach Deutschland zurück, war Anfang der 1950er Jahre Lektor im Greven Verlag und arbeitete als Gymnasiallehrer. 237  Zu dem Prospekt mit dem Titel Carl Schmitt: Nein und Ja siehe van Laak, S. 142–153. Schmitt registrierte jede öffentliche Äußerung zu seiner Person und legte eine Sammlung der Beiträge an. Eine Zusammenfassung der öffentlich vorgetragenen Argumentationsmuster veröffentlichte der Greven Verlag, siehe Anlage. Teile veröffentlichte Giselher Wirsing am 24. Januar 1952 in Christ und Welt. 238  Rudolf Fischer, Journalist und Autor, hatte einen Artikel verfasst mit dem Titel: „Hexenverfolgung. Der Fall Carl Schmitt – Charaktermord“, in: Der Fortschritt vom 25. Januar 1952.

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Nr. 29 Carl Schmitt an Hans Paeschke239, 18. Oktober 1951 Lieber Herr Paeschke! Vielen Dank für Ihre Karte, die mich ermutigt, Ihnen den beiliegenden Aufsatz über die Einheit der Welt anzubieten.240 Ich bitte Sie und Herrn Dr. Moras241, ihn mit Milde zu lesen als das Produkt der Altersweisheit eines vielgeprüften Mannes, und bitte Sie ferner, nicht zu verkennen, dass die Simplizität der thesenhaften Darlegung und der Verzicht auf rundliche Anmut des literarischen Stils ebenfalls eine Art Stil ist. Allerdings müssen Sie beide beurteilen, was Sie Ihren verwöhnten Lesern zumuten können, und ob dieses primitive Licht meines Aufsatzes neben die Strahlungen Ihrer übrigen Autoren gehört. Vielleicht passt er auch besser in Ihre „Chronik“, obwohl er eine Klare Diagnose und insofern das Gegenteil einer Chronik ist. Sollte Frau M[argret] Boveri sich tatsächlich entschließen, ein Wort zu meinem Nomos zu sagen, so wäre das für mich eine große Freude.242 Aber sie ist eine geplagte Journalistin und hat vielleicht keine Zeit, ein solches Buch zu lesen und keine Lust, sich auf ein mit lautlos explodierenden Minen belegtes Feld zu begeben. Egon Vietta243, der ein Buch über Amerika veröffentlichen will, hat mir einen sehr schönen Brief über den Nomos geschrieben. Treffen Sie ihn gelegentlich? Dann fragen Sie ihn doch bitte einmal danach. Mit großem Interesse las ich den Aufsatz von Rudolph Kieve über Federico Garcia Lorca. Könnten Sie mir mit einem kurzen Wort einiges über diesen mir bisher nicht bekannten Autor mitteilen? 239  Hans Paeschke (1911–1991), Jurist, Publizist und Herausgeber der Zeitschrift Merkur. Sein beruflicher Werdegang begann als Sekretär der „Deutsch-französischen Gesellschaft“. Seit 1936 begann er Film- und Literaturkritiken und Essays vor allem in der Wochenschrift Deutsche Zukunft zu publizieren. 1939–44 war er Chefredakteur der von Peter Suhrkamp herausgegebenen Zeitschrift Die Neue Rundschau. 1947 gründete er in der französisch besetzten Zone zusammen mit Joachim Moras die Monatszeitschrift Merkur, Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, deren Herausgeber er bis 1978 blieb. Paeschke und Schmitt kannten sich über Joachim Moras, der in den 1930er Jahren Schriftleiter der Europäischen Revue war (siehe Einführung, S. 35). 240  Carl Schmitt: Die Einheit der Welt, in: Merkur 6 (1952), S. 1–11. Diese Veröffentlichung blieb die einzige im Merkur und löste heftige Reaktionen in der deutschen Publizistik aus. Siehe Anm. 100. 241  Joachim Moras (1902–1961), Jurist und Germanist, Redakteur, Schriftleiter und seit 1938 Herausgeber der Zeitschrift Europäische Revue. 242  Laut Briefwechsel hatte Boveri weder Zeit noch Lust. 243  Egon Vietta (1903–1959), Schriftsteller und Kritiker, war ein Berliner Bekannter Schmitts.

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Briefe Nr. 29–30

Ich würde mich über ein Gespräch mit Ihnen sehr freuen. Kommen Sie einmal wieder in dieses Gegend? Sind Sie in den nächsten Wochen in Baden-Baden, sodass ich gelegentlich eines Besuches in Mainz oder Frankfurt versuchen könnte, Sie zu treffen? Und haben Sie niemand, der dem durchaus ungewöhnlichen Phänomen des „Tymbos für Wilhelm Ahlmann“ einigermaßen gerecht werden könnte? Die Zeit hat diesen Tymbos zur Propaganda für Gerhard Nebel benutzt. Ich bleibe mit herzlichen Grüßen Ihr alter Nr. 30 Carl Schmitt an Hans Paeschke, 28. Oktober 1951 Lieber Herr Paeschke, ich möchte die Publikation des Aufsatzes über die „Einheit der Welt“244 nicht aufhalten und gebe Ihnen alle Vollmachten, die Stelle über R[udolf] Kassner245 zu ändern, sei es, dass Sie den Namen R. K. und den Hinweis auf Merkur April 1951 „weglassen“ (es ist sowieso der einzige Name), sei es, dass Sie noch einige Zeilen einfach streichen (p. 5, III Zeile 5–10) und einfach sagen, der eiserne Vorhang trennt innerhalb einer gemeinsamen Idee. Sollte R. K. so empfindlich sein, dass er auch das noch als Kränkung empfindet, so könnte man noch etwas abschwächen. Was müssen das für Köpfe sein, die durch eine abweichende Meinung nicht interessiert, sondern gekränkt werden! Die zweite, von Ihnen angeregte Änderung halte ich nicht für unbedingt notwendig. Mit dem Hinweis auf die „elektrifizierte Erde“ ist die Gemeinsamkeit auch für wenig aufmerksame Leser deutlich genug bezeichnet. Habe ich Ihnen schon die Adresse meines spanischen Freundes Prof. Enrique Tierno Galván246 gegeben: […] Er ist der intelligenteste Mensch, 244  Siehe

hierzu Anm. 100. Kassner (1872–1950), Kulturphilosoph und Schriftsteller. Paeschke hatte am 24. Oktober geschrieben, Rudolf Kassner gehöre nicht nur zu den „grand old men unserer Essayistik, sondern gerade auch des Merkur“. Er wolle deshalb nur ungern ein kritisches Wort gegen ihn bringen. Hans Paeschke an Carl Schmitt, 24. Oktober 1951. Schiller-Nationalmuseum und Deutsches Literaturarchiv Marbach am Neckar, Handschriften-Abteilung, Bestand Merkur. 246  Enrique Tierno Galván (1918–1986), spanischer Jurist, Politologe und Soziologe, Universitätslehrer und Gegner Francos. Galvan organisierte unter Franco die Gründung einer sozialistischen Partei und war von 1979–1986 Bürgermeister von 245  Rudolf

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den die Erde heute trägt. Bitten Sie ihn doch einmal um einen Aufsatz für den Merkur. Ich bin bereit, ihn zu übersetzen. Auf S. 6, Zeile 14 von oben fehlt in meinem Aufsatz am Schluss der Zeile das Wort „scheinbar“ („nun ist diese Hegelsche Philosophie allerdings scheinbar idealistisch“). Herzlich Ihr Carl Schmitt Abschrift eines Briefes von Vietta füge ich wunschgemäß bei

Nr. 31 Carl Schmitt an Karl Epting, 14. November 1951 Lieber Herr Dr. Epting, ich habe jetzt etwa 100 Prospekte verschickt und schon 10 Antworten erhalten, die alle positiv sind und sowohl die vorzügliche Fotografie wie die Synopsis von Nein und Ja sehr rühmen. Nun sind [dies] allerdings alles Freunde, aber darunter doch sehr kritische und doch erfahrene Männer, wie Joh[hannes] Winckelmann247 in Frankfurt, S[erge] Maiwald248, der Herausgeber der Universitas, Prof. Arnold Schmitz249, Armin Mohler, Wilhelm Stapel usw. Natürlich wird die eigentliche Reaktion noch kommen, vielleicht auch der eigentliche Hagel. Schön. Ich möchte heute nur fragen, auf welchen Bereich sich die 1200 Adressen erstrecken, von denen Sie mir Anfang des Monats schrieben: welche Fakultäten, überwiegend Inland usw. Ganz allgemein, damit ich eine Vorstellung habe und keine Doppelsendungen mache. An zwei mir bekannte, wichtige Buchhändler, Behrendt in Bonn und Saucke in Hamburg, habe ich persönlich geschrieben. Sieburg250 hat sich neulich mit einer beiläufigen Madrid. Er beteiligte sich an der zweiten Festschrift für Carl Schmitt (Berlin 1968) mit dem Beitrag „Benito Cereno oder der Mythos Europa“. 247  Johannes Winckelmann, siehe Anm. 223. 248  Serge Maiwald (1916–1952), Mitbegründer und Herausgeber der Zeitschrift Universitas. Dort veröffentlichte Schmitt Rezensionen und Artikel zum Teil ohne Verfasserangabe. 249  Arnold Schmitz (1893–1980), Musikwissenschaftler, Rektor der JohannesGutenberg-Universität Mainz. Direktor des Musikwissenschaftlichen Instituts und enger Freund von Schmitt seit den 1920er Jahren. 250  Friedrich Sieburg (1893–1964), Schriftsteller und Journalist. Zwischen 1923 und 1939 arbeitete Sieburg als Auslandskorrespondent in Frankreich und England für die Frankfurter Zeitung. 1940 wechselte er in den Auswärtigen Dienst und war

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Brief Nr. 31

Bemerkung spöttisch über mich geäußert: „der Unglücksrabe“251, im Übrigen scheint die Gegenwart entschlossen zu sein, sich an der großen Fruchtabtreibung deutschen Geistes zu beteiligen. Von Victor Leemans ist ein schöner Aufsatz in der flämischen Zeitschrift „Dietsche Warande & Belfort“252 erschienen, von Tommissen ein Aufsatz in „Standard“253, in der (kath) Besinnung (Glock und Lutz in Nürnberg) eine herabsetzende Besprechung von „Ex Captivitate“ („Selbstapotheose“). Ich finde, dass der Prospekt stärker wirkt, wenn er in einem üblichen Briefumschlag gefaltet zugesandt wird, als Drucksache, und zwar so, dass der erste Blick des Empfängers auf die Überschrift „Carl Schmitt Nein“ fällt. Im Übrigen möchte ich Ihnen und Herrn Mirbt nochmals danken für das wohlgelungene Dokument, das der Prospekt auf jeden Fall darstellt, ganz gleich, wie sich die Sache weiterentwickelt. Von mehreren Seiten hörte ich, dass die Sätze Ernst Jüngers durch ihre kalte Treffsicherheit sowohl die Situation wie auch das Schicksal großartig bestimmen und alle anderen Sätze überragen. Den Zeitungsausschnitt über den Céline-Prozess schicke ich mit bestem Dank zurück. Wie ist die Sache weitergegangen? Noch eine Frage: Haben einige Redaktionen den Prospekt erhalten? Z[um] B[eispiel] FAZ oder die Zeit, der Spiegel, Süddeutsche Zeitung, oder halten Sie das für nutzlos? Sin mas por hoy! Herzlich Ihr alter

in Brüssel und Paris für das Auswärtige Amt tätig. 1942 kehrte er als Journalist nach Deutschland zurück. Nach dem Krieg war Sieburg Feuilletonchef der FAZ. 251  An Karl Epting schrieb Sieburg: „Carl Schmitt interessiert mich seit je brennend. Ich halte ihn für einen der genialsten Denker unserer Zeit und bedaure, dass er sich in einer Lage befindet, die ihn wenig befriedigen mag. Schon seit sehr langen Jahren stimme ich mit ihm nicht mehr überein. Ich halte die kleine Schrift, die Sie mir freundlichst übersandt haben, für ungeeignet, um ihn mit unseren Lesern zusammen zu bringen, obwohl mich viele Seiten dieser Schrift durchaus ergriffen haben. Ich will lieber das Weitere von ihm abwarten.“ Friedrich Sieburg an Karl Epting, 20. September 1950. Privatbesitz. 252  Victor Leemans: Kritiek en opbouw, Dietse Warande en Belfort, September 1951, S. 412–425. 253  Piet Tommissen: Carl Schmitt redivivus, in: De Standaard vom 28. Oktober 1951, S. 8.

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Nr. 32 Carl Schmitt an Karl Korn254, 15. November 1951 Sehr verehrter Herr Dr. Karl Korn! Dieser Brief gilt Ihrer Zeitung und kommt von einem treuen Leser, der sich fragt, warum Sie fortwährend die Spanier beleidigen, die Ihnen nichts Böses getan haben? Oder sollte es sein, dass auch bei der FAZ der Antifaschismus das politische Denken ersetzt? Bei unsern Großvätern ersetzte die Anglophilie das politische Denken. Aber das war wenigstens noch Philie und nicht nur Anti oder Antifa. Herzliche Grüße Ihres aufrichtig ergebenen

Nr. 33 Karl Korn an Carl Schmitt, 16. November 1951 Sehr verehrter Herr Professor, ich bin aufrichtig betrübt, Ihnen nicht wenigstens einige Tage vor Eingang Ihres Monitums vom 15. November für Ihr sehr freundliches Namenstagsgedenken gedankt zu haben. Zu der Kritik an unserer spanischen Feindseligkeit kann ich Ihnen nur zunächst umgehend erwidern, dass ich um eine Antwort verlegen bin. Ich weiß nämlich nicht, welche Verlautbarungen unseres Blattes Sie meinen. Die Politiker kommen erst heute Nachmittag und sind am Freitag so überbeschäftigt nervös, dass man sie nicht fragen kann. Da ich aber nicht bis Montag warten mag, frage ich lieber gleich Sie. Im Feuilleton habe ich weit und breit keine Feindseligkeit gegen die Spanier entdeckt; ganz im Gegenteil – unser junger Kollege Robert Held255, der noch vor kurzem vier Monate in Salamanca studiert hat, nimmt jede Gelegenheit wahr, dieses großartige Volk zu rühmen und zu preisen. Gerade hat er mir wieder ein sehr feinsinniges Manuskript über eine Reise von Burgos nach Madrid gegeben. Ich selbst erinnere mich an meine Aufenthalte im Lande der Caballeros vor zwanzig Jahren nur mit dem Nachgefühl des Respektes, der Verehrung und 254  Karl Korn (1908–1991), Journalist, kannte Schmitt seit einer kurzen Tätigkeit bei der Zeitschrift Das Reich. Korn war Gründungsherausgeber der FAZ. Schmitt und Korn trafen sich nach 1945 mehrfach und hielten privat losen Kontakt. 255  Robert Held (1922–1986), Romanist und Journalist, verantwortlicher Redakteur für Außenpolitik bei der FAZ und „Berater der Herausgeberkonferenz“, leitete von 1962–1974 das Feuilleton der FAZ.

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Briefe Nr. 33–34

des hohen Genusses. Bitte lassen Sie mich also wissen, was Ihren Widerspruch herausgefordert hat. Dass der Antifaschismus eine schlimmere Verdunklung des gesunden Urteils ist als die Anglophilie unserer Großväter bleibt als Aperçus jedenfalls bestehen, auch wenn sich herausstellen sollte, dass wir es vielleicht gar nicht waren, die den edlen Spaniern am Zeuge flicken wollten. Ich bin mit herzlichen Grüßen Ihr sehr ergebener Karl Korn p. s. Übrigens bin ich von Ernst Jüngers „Waldgang“256 hellauf begeistert. Seit der Enttäuschung mit „Heliopolis“257 finde ich in dieser Schrift wieder den alten, königlich unabhängigen Propheten. Nr. 34 Carl Schmitt an Hans Paeschke, 2. Dezember 1951 Lieber Herr Paeschke, hier ist also die Korrektur. Es handelt sich um kleine Korrekturen: Kursivdruck, Änderung eines Wortes, Einfügung (S. 6 oben) der „Massen“, die im Satz (wohl nicht mit Absicht) weggelassen sind, aber nicht wegbleiben dürfe etc. Ihre Änderung der Bemerkung zu R. Kassner ist gut. Hoffentlich erscheint der Aufsatz bald. Die Sache ist zu einfach und spricht sich herum, zumal es nicht an Lautsprechern fehlt, die Stoff suchen. Ich habe mich sehr gefreut, dass Dr. Moras die Einfachheit der Fragestellung bemerkt hat. Das ist nämlich der Kern der Sache und das Geheimnis des Aufsatzes, der die Probe, 10 mal gelesen zu werden, verträgt. Wie viele Sonderdrucke bekomme ich? 50? Am 8 / 9. Dezember bin ich in Frankfurt (bei Dr. von Schnitzler258, Windmühlenstr. 16), dann in der Umgebung, Wiesbaden bei Hans Freyer259, 256  Ernst

Jünger: Der Waldgang, Klostermann, Frankfurt a. M. 1951. Jünger: Heliopolis. Rückblick auf eine Stadt, Tübingen 1949. 258  Georg von Schnitzler (1889–1981), Vorstandsmitglied des IG-Farben-Konzerns, kannte Schmitt aus der Zeit beim stellvertretenden Generalkommando im Ersten Weltkrieg. Schnitzler gehörte mit seiner Frau Lilly und Arnold Schmitz zu den wenigen lebenslangen Freundschaften Schmitts. Siehe Briefwechsel Lilly von Schnitzler mit Carl Schmitt (wie Anm. 224). 259  Hans Freyer (1887–1969), Soziologe, lernte Schmitt 1929 kennen und hielt zeitlebens Kontakt. Sein Leipziger Lehrstuhl war der erste für das Fach Soziologie. 257  Ernst



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Darmstadt bei Vietta260, Mainz bei Arnold Schmitz), dann vielleicht Heidelberg und Freudenstadt. Wenn wir uns dabei sehen könnten, würde ich mich sehr freuen. Ich hoffe, dass mein Aufsatz dem Merkur Ehre macht. Die Einheit, die durch den Eisernen Vorhang geht und die Zweiheit dialektisch ermöglicht, braucht nicht weiter dargelegt zu werden; sie ist ja schon fast ein „Topos“. Herzliche Grüße Ihres alten und unveränderlichen Carl Schmitt Mit Spannung las ich das Buch von Hannah Ahrendt, Burden of Our Time261 (so der englische Titel, der amerikanische „Origins of Totalitarian­ ism“); Sie werden es kennen. Ich lege einen Aufruf von Bert Ibsenstein262 und ein Gedicht von ihm bei. Nr. 35 Giselher Wirsing an Carl Schmitt, 9. Februar 1952 Lieber und verehrter Professor Schmitt, allerherzlichsten Dank für Ihre lieben Zeilen vom 5. Februar. Ich bin mit meinem Aufsatz über Ihr Werk263 in Wirklichkeit gar nicht sehr glücklich. Er verzögert sich so lange, weil ich über Carl Schmitt etwas viel Genaueres schreiben wollte als das, was schließlich herauskam. Der Grund liegt darin, dass die Feder in einer bestimmten Richtung geführt wird, gerade weil man Sie so diffamiert hat. Ich denke, das aber später an einem anderen Ort einmal nachzuholen. Er folgte Ferdinand Tönnies 1933 als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, die er jedoch noch im gleichen Jahr stilllegte. Freyer, der 1938 Hitler vermittels einer Studie über Machiavelli thematisierte, lud Schmitt mehrfach nach Budapest ein, wo Freyer Gastdozent und Präsident des Deutschen Wissenschaftlichen Instituts war. Nach dem Krieg arbeitete er für die Brockhaus-Enzklopädie und lehrte als Emeritus an der Universität Münster. Ein gemeinsamer Schüler Schmitts und Freyers war Helmut Schelsky. 260  Wie Anm. 243. 261  Hannah Arendt: The Burden of Our Time, London 1951. 262  Bert Ipsenstein (oder Ibsenstein) ist eines der zahlreichen Pseudonyme von Carl Schmitt. Schmitt rief alle „wohlgesinnten Leser von historischen Werken und lyrischen Gedichten“ auf, „irreale Bedingungssätze bei Historikern und aparte Reime bei Lyrikern einzusenden“. Siehe BW Mohler, S. 105 ff. 263  Giselher Wirsing: Carl Schmitt – zwischen gestern und und morgen, in: Christ und Welt vom 24. Januar 1952, S. 8.

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Briefe Nr. 35–36

[Persönliches] Natürlich, die richtige Fragestellung ist alles. Ich habe das in meinem Buch auch immer wieder zu zeigen versucht und es ging mir dort eigentlich überhaupt nur um solche Fragestellungen. Vielleicht liegt hier überhaupt einer der wesentlichen Unterschiede. Wenn man aufhört, Antworten geben zu wollen, beginnt so etwas wie ein neues Lebensgefühl. Das Beantwortbare ergibt sich ja überhaupt schon aus der Frage. Ich hoffe also sehr auf März und bin Ihr treu ergebener,

Nr. 36 Carl Schmitt an Herbert Nette264, 24. Mai 1952 Lieber und verehrter Herr Dr. Nette, die kostbare Gelegenheit einer Schreibhilfe, die mir im Augenblick zur Verfügung steht, will ich gleich benutzen, um Ihre beiden Schreiben vom 10. und 16. Mai zu beantworten. Ich danke Ihnen bestens für Ihre Auskunft über die Verfasser der beiden Aufsätze „Unbequeme Wissenschaft“, Werner und Dr. Jlau265. Tatsächlich hatte ich inzwischen Herrn Dr. Jlau in Wetzlar und in Hamburg getroffen und erfahren, dass er der Verfasser ist. Ich werde das nicht verbreiten. Ferner danke ich Ihnen für Ihre Antwort zu dem Thema Welt und Erde. Bei Heidegger finden sich einige sehr wichtige Äußerungen zu diesem Thema. Ich habe meinen Duisburger Vortrag mit dem Zitat geschlossen: „Du Erde warst auch diese Nacht beständig“266, einem Vers, der mich nicht mehr loslässt. Was Sie über das Tham Terra schreiben leuchtet mir ein. Aber was ist ERDE? Ernst Fuhrmann267 würde ja sicher das Rad erkennen. 264  Herbert Nette (1902–1994), Jurist, Journalist und Publizist. Nette schrieb vor 1945 für die Kölnische Zeitung und arbeitete nach 1945 für das Feuilleton der FAZ. 1954 wechselte er als Lektor zum Eugen Diederichs Verlag nach Düsseldorf. 265  Hans Ilau (1901–1974), Jurist und Politiker (FDP), war bis zum Verbot der Frankfurter Zeitung Handelsredakteur. Nach dem Krieg führte er die Geschäfte der IHK Frankfurt am Main, bevor er 1947 ins Bankgewerbe wechselte. 266  Johann Wolfgang von Goethe: Faust II, Vers 4679. 267  Ernst Fuhrmann (1886–1956), Philosoph und Künstler, leite bis 1923 den Folkwang-Verlag, der in den Konkurs ging, und war der letzte Direktor des Folkwang-Museums. Fuhrmann emigrierte 1938 in die USA.



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Wann wird Ihr Rundfunkvortrag über „Haus und Wort“ gesendet? Über den Kampf, den der alte Otto Reichel268 gegen Günter Neske269 führt, bin ich durch Herrn Neske einigermaßen informiert. Ich habe mit Neske sehr gute Erfahrung gemacht und schätze ihn sehr. Auch Ernst Jünger und, was hier vielleicht noch wichtiger ist, Frau Jünger halten zu Neske. Das Einfachste wäre, wenn Sie ihn sich einmal ansehen. Ich werde wahrscheinlich hier in Plettenberg oder im Laufe der Wochen ihn einmal irgendwo in Frankfurt treffen und könnte ihn Ihnen zeigen, ohne dass wir über den Anlass Ihres Interesses zu sprechen brauchen. Die Art und Weise, wie Neske mir seinen Konflikt mit Reichel dargestellt hat, hatte etwas Sach­ liches und Verständiges. Das ist ziemlich alles, was ich zu der ganzen Angelegenheit sagen kann. Diesem Schreiben füge ich noch zwei Beilagen hinzu: 1. Ein Gedicht meines jungen Freundes Ernst Hüsmert, von dem Sie im Januar d[es] J[ahres] das Gedicht „Nirgendwo bleiben“ veröffentlicht haben. Das neue Gedicht, das ich beifüge, scheint mir ebenso gut und hat auch den gleichen merkwürdigen ductus mit der überaus sicheren Verwertung des Reimes. Es würde mich sehr freuen, wenn auch dieses Gedicht Ihr und Karl Korns wohlwollendes Interesse fände und wenn es sogar veröffentlicht würde. Die zweite Beilage ist eine Besprechung meines „Nomos der Erde“ durch einen Mann von ungewöhnlicher Prominenz. Es handelt sich um einen führenden Hamburger Juristen270, den Mann, der das anerkannt maßgebende juristische Buch über die Rechtslage des heutigen Deutschland geschrieben hat (Hamburg 1948), zugleich der Vorsitzende des deutschen Reederverbandes, eine wirtschaftlich sehr bedeutende und politisch sehr bedeutende Position, ein Mann zwischen 40 und 45, der in der ersten Linie der heute nachkommenden Jahrgänge steht. Ich will die alte Wunde nicht aufreißen, 268  Otto Reichel, Verleger, Besitzer des Verlages, in den Günther Neske 1949 eintrat. 1951 machte Neske sich selbständig. Siehe hierzu Brigitte Neske (Hrsg.): Vierzig Jahre Verlag Günther Neske 1951–1991, Pfullingen 1991. Der Verlag wurde am 1. Januar 1993 von Klett-Cotta übernommen. 269  Günther Neske (1913–1997), Verleger. Neske bemühte sich 1950 um die Verlagsrechte an Schmitt. Jener entschied sich aber zunächst für den Greven Verlag. Dort war der einstige Leiter des Deutschen Instituts in Paris, Karl Epting, als Lektor beschäftigt. Neske erhielt dann das Recht an dem „Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber“, das er aber so schlecht verkaufte, dass Schmitt sich enttäuscht abwandte. 270  Rolf C. W. Stödter (1909–1993), Jurist und Reeder, habilitierte sich 1936 und übernahm 1937 die Geschäftsführung des Verbandes deutscher Reeder. Seit 1943 apl. Professor für Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht. Die Rezension erschien im Deutschen Verwaltungsblatt 68. Jg, Mai 1952, S. 290.

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Briefe Nr. 36–37

aber wenn in einer solchen Zeitschrift (lesen Sie nur die Namen der Herausgeber) ein solcher Mann den „Nomos der Erde“ in solcher Weise bespricht, so ist damit wohl einem Versuch, das Buch tot zu schweigen, wie auch der Methode persönlicher Verunglimpfung selbst der Schein einer bona fides genommen. Anima ist in Hamburg und übersetzt fleißig. Sie hört bei Borinski271 und findet ihn nicht schlecht. Ich hoffe, dass sie Pfingsten nach Plettenberg kommt und dass es im Sommer mit Selma klappt. Dass ich jede Gelegenheit, sie wiederzusehen, eifrig wahrnehmen werde, versteht sich von selbst. Grüßen Sie vielmals Ihre verehrte Frau von mir und seien Sie selber herzlich gegrüßt von Ihrem alten

Nr. 37 Rudolf Augstein an Carl Schmitt, 30. Juli 1952 Sehr geehrter Herr Professor, wie Sie vielleicht im Spiegel oder anderswo gelesen haben, ist eine Ausgabe des Spiegel auf eine bloße Erklärung des Bundeskanzlers hin beschlagnahmt272 worden, ohne dass man der Redaktion Gelegenheit gegeben hätte, ihr Beweismaterial vorzutragen. Wir haben gegen die Beschlagnahme natürlich Beschwerde eingelegt, aber das Landgericht hat die Beschwerde erwartungsgemäß zurückgewiesen. Ich füge Ihnen eine Fotokopie des Beschlusses in der Anlage bei. Mit meinem Laienverstand halte ich die Begründung für äußerst dürftig, sie widerspricht sich von Absatz zu Absatz. Ich wollte Sie nun fragen, ob Sie mir raten würden, zur Verfassungsbeschwerde Zuflucht zu nehmen, wozu ich aus vielerlei Erwägungen heraus große Lust hätte. Nach unserer Meinung sind Artikel 3 und Artikel 5 des Grundgesetzes verletzt. Darüber hinaus glauben wir nicht, dass man eine Beschlagnahme einmal als „Untersuchungssache“ deklarieren kann und das andere Mal als „vorsorgliche Sicherung einer voraussichtlich zu erwar­ten­ den Strafvollstreckung“. Das sind aber, wie gesagt, überwiegend Laien­ aspekte. 271  Ludwig

burg.

272  Siehe

Borinski (1910–1998), Anglist, Professor an der Universität Ham-

Einführung, S. 46.



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Bevor ich mich ernsthaft an die Verfassungsbeschwerde heranmache, wäre ich Ihnen für einen ganz kurzen Rat dankbar. Denn wenn die Rechtslage nach ihrer flüchtigen Übersicht eindeutig gegen uns wäre, hätte eine Verfassungsbeschwerde wenig Sinn. Eine reelle Chance müsste schon darin liegen. Andererseits glaube ich, dass hinreichend öffentliches Interesse besteht, um einige Mühen und Kosten zu riskieren. Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Professor, sehr um Nachsicht dafür, dass ich Ihnen mit einer unausgegorenen Sache komme. Aber wir haben verhältnismäßig wenig Zeit, denn die Verfassungsbeschwerde muss innerhalb von vier Wochen erhoben werden. Ich wende mich an Sie, weil man solch einen Rat nur von einem Mann erwarten kann, bei dem man freundschaftlicher Nachsicht einigermaßen sicher ist. Mit ergebenen Grüßen, Ihr Rudolf Augstein Anlage: Fotokopie

Nr. 38 Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 7. August 1952 Sehr geehrter Herr Augstein, infolge einer kleinen Reise – wir haben den 65. Geburtstag meines Schicksalsgenossen, des Soziologen Prof. Hans Freyer273 in Wiesbaden gefeiert – habe ich Ihr Schreiben vom 30. Juli etwas verspätet erhalten. Ich danke Ihnen aufrichtig für das Vertrauen, das Sie zu mir haben und werde Ihnen gern meine Auffassung zu der geplanten Verfassungsbeschwerde sagen. Doch sehe ich meine Aufgabe nicht darin, in irgendeiner sogenannten wissenschaftlichen Aufmachung das zu wiederholen, was Ihre juristischen Berater Ihnen ohne Weiteres sagen können und was Sie in Ihren beiden Briefen an den Spiegelleser zum Teil schon entwickelt haben. Viel mehr würde mich das publizistische und strategische Gesamtproblem einer solchen Verfassungsbeschwerde in der heutigen Verfassungslage interessieren. Die prozessuale Voraussetzung der Erschöpfung des Rechtsweges werden Sie mit Ihren Juristen schon besprochen haben; sie gewinnt in vorliegendem Fall ein neues Gesicht. Über alles das würde ich mich gern mit Ihnen unterhalten. Ich stehe dafür immer zu Ihrer Verfügung, sei es hier in Plettenberg, sei es an einer anderen Stelle, unter der einzigen Voraussetzung, dass eine gesammelte Erörterung und nicht nur ein eiliges Interview gemeint ist. 273  Wie

Anm. 259.

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Briefe Nr. 38–39

Für die nächste Woche bin ich allerdings an Plettenberg gebunden, weil sich ausländischer Besuch angemeldet hat. Ich wünsche Ihnen guten Erfolg in Ihrem Kampf ums Recht und erwi­dere Ihre Grüße bestens. Ihr Nr. 39 Carl Schmitt an Günter Neske, 9. August 1952 Lieber Herr Neske, hier schicke ich den Schlusseffekt: Hinweis für den deutschen Leser, eine Art bibliographischen Nachtrages, der am Schluss des Buches unsere Miss Lilian274 noch einmal gegen alle Feinde abschirmen soll. Jetzt fürchte ich keinen noch so bösartigen Schulmeister. Jetzt steht unser Jakob gepanzert und gerüstet, jedem Ansturm gewachsen. Ich freue mich, dass Ihnen der Klappentext des Hamlet-Buches jetzt gefällt. Was den Klappentext zu Warnachs „Welt des Schmerzes“275 angeht, so finde ich ihn inhaltlich großartig und nichts daran zu korrigieren. Ich würde nur den etwas schwerfälligen Anfang ändern und mit ganz einfachen Sätzen beginnen. Ich füge das korrigierte Exemplar bei. Das Buch selbst lese ich mit großer Ergriffenheit von neuem. Vielleicht ist es gut, wenn Sie direkt an Tüngel276 und Nette277 schreiben. Ich habe das Manuskript des Vorwortes an Nette geschickt, den ich vorigen Montag bei der Rückkehr von Wiesbaden in Frankfurt getroffen habe. Karl 274  Lilian Winstanley, britische Sheakespeare-Expertin, hatte sich 1921 um den Nachweis bemüht, Shakespeare habe das Vorbild zu seinem Hamlet von König Jakob entliehen, dem Sohn der Maria Stuart. Lilian Winstanley: 1921. Hamlet and the Scottish succession, Being an Examination of the Relations of the Play of Hamlet to the Scottish Succession and the Essex Conspiracy, Neudruck London 1977. Schmitt regte bei Neske eine deutsche Ausgabe an, die auf eine Übersetzung seiner Tochter Anima zurückging. Lilian Winstanley: Hamlet, Sohn der Maria Stuart, Pfullingen 1952. Carl Schmitt schrieb ein Vorwort (S. 7–25) und ein Nachwort (S. 164–170). 275  Walter Warnach: Welt des Schmerzes, Pfullingen 1952. Schmitt hatte das Manuskript für den Verlag durchgesehen und einer Bitte Neskes vom 6. August 1952 entsprochen, den Klappentext umzuschreiben oder neu zu entwerfen. 276  Richard Tüngel, Journalist bei Die Zeit, veröffentlichte gemeinsam mit Hans Rudolf Berndorff: Auf dem Bauche sollst Du kriechen … Deutschland unter den Besatzungsmächten, Hamburg 1958. 277  Herbert Nette (1902–1994), Publizist, Redakteur bei der FAZ.



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Korn ist in Urlaub. Nette wird Ende August nach Spanien in Urlaub fahren. Er schien von der Idee unseres Hamlet-Buches sehr begeistert. Auch das Gespräch über die andern gemeinsamen Angelegenheiten und Ihren Verlag war gut. „Nasses Brot“278 habe ich ihm nochmal ans Herz gelegt. Haben sich die Generäle noch mal gemeldet?279 Soll ich Augstein vom Spiegel für den Fall interessieren? Wollen Sie nicht direkt wegen des Vorabdruckes im Oktober an Paeschke schreiben? Ist der Untertitel für Warnachs Buch schon gefunden? Die Liste der Persönlichkeiten in der Presse, an die wir Rezensionsstücke des Hamlet-Buches schicken wollen, überlege ich mir noch. Ich brauche auch für mich eine größere Zahl, mindestens 30, zu Geschenkzwecken und bekomme sie hoffentlich zum Autorpreis. Die Korrekturen, die Sie angekündigt haben, erwarten wir mit großer Spannung. Wir werden Sie sofort erledigen. Mit herzlichen Grüßen, auch von Anima stets Ihr Nr. 40 Rudolf Augstein an Carl Schmitt, 15. August 1952 Sehr verehrter Herr Professor, mit großer Freude erhielt ich Ihre freundlichen Zeilen vom 7. August. Das Normale wäre nun, dass ich Sie eiligst aufsuchte, nicht zu einem eiligen Interview, sondern zu einer gesammelten Erörterung. Durch unglück­ licherweise festgelegte Termine reise ich aber morgen für vier Wochen ins Ausland. Die Lage ist nun so: Bis zum 29. August müssen wir die Verfassungsbeschwerde280 eingereicht haben, damit die Frist nicht verstreicht. Ich schlage nun folgende Prozedur vor: Wir schicken Ihnen eine Durchschrift der fertigen Verfassungsbeschwerde lediglich zu Ihrer Unterrichtung nach Plettenberg. Schriftführer dieser Be278  Richard Hasemann, „Nasses Brot“, Neske 1952. Ein Buch über das Kriegs­ ende und die sowjetische Gefangenschaft. 279  Am 31.7.1952 schrieb Schmitt an Neske, die „öffentliche Auseinandersetzung mit den beleidigten Generälen wird unvermeidlich sein und dem Buch nicht schaden. Sollte es zu einem Prozess kommen, so würde viel davon abhängen, welches Gericht welcher Gegend zuständig ist. Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden. Es wäre nicht sympathisch, wenn eine Front der Generäle aufträte.“, Nachlass Schmitt, Nr. 13320. 280  Siehe Einführung, S. 46.

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Briefe Nr. 40–41

schwerde ist ein junger, m. E. überdurchschnittlich begabter Jurist in Hamburg, der in Verbindung mit Professor Ipsen281 und Professor Krüger in Hamburg steht. Sollten Sie wider Erwarten und dem zum Trotz in der Anlage unserer Verfassungsbeschwerde ein gefährliches Moment sehen, so möchte ich Sie recht herzlich bitten, unseren Hamburger Juristen, der über den Spiegel erreichbar ist, telegrafisch zu einer Rücksprache nach Plettenberg zu bestellen. Vermutlich wird das ja aber nicht der Fall sein, und was in der Beschwerdeschrift selbst versäumt wird, kann ja ziemlich langfristig, auch per Gutachten, nachgetragen werden. Ist die Beschwerde erst einmal fristgerecht eingereicht, haben wir auch genügend Zeit, das Thema zu besprechen, das Sie unserer Unterhaltung dankenswerterweise gesetzt haben. Ich werde mich dann melden, wenn ich wieder zurück bin. Sicherheitshalber möchte ich noch anfragen, wieso die prozessuale Voraussetzung der Erschöpfung des Rechtsweges im vorliegenden Falle ein neues Gesicht gewinnt. Wir haben gegen die Beschlagnahme-Verfügung des Amtsgerichts Beschwerde eingelegt, sind vom Landgericht abgewiesen worden und haben somit, nach unserer Auffassung, gemäß § 310 StPO den Rechtsweg erschöpft. Sollten wir uns hier irren, so darf ich Sie um kurzen Hinweis an meine Adresse im Spiegel bitten. Solch ein Irrtum wäre ja immerhin recht schwerwiegend. Im Übrigen werde ich mich sehr freuen, Sie, sehr geehrter Herr Professor, unabhängig von diesem akuten Anlass einmal wiederzusehen. Ich bin mit ergebenen Grüßen Ihr (Rudolf Augstein) PS. Darf ich mich herzlich für das Telegramm bedanken? Wir haben den Hinweis aufgegriffen. Nr. 41 Carl Schmitt an Walter Petwaidic, 29. August 1952 Lieber Herr Petwaidic, besten Dank für Ihr Schreiben vom 22. August 1952. Ich schicke es Ihnen wunschgemäß an Ihre Hamburger Adresse zurück. Einige Randbemerkun281  Hans Peter Ipsen (1907–1998), Staats- und Verwaltungsrechtler, nach 1945 führender Europarechtler. Herbert Krüger (1905–1989), Staats- und Völkerrechtler, gehörte zum engeren Zirkel um Schmitt.



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gen füge ich auf einem besonderen Blatt bei. Entschuldigen Sie bitte, dass ich einiges angestrichen habe, einer alten, schlechten Gewohnheit folgend. Ob Sie wirklich einige Bemerkungen zu diesem posthumen Versuch einer Reeducation veröffentlichen wollen, ist ein Problem für sich, dessen Lösung ich Ihnen als dem erfahrenen Journalisten überlasse. Für mich persönlich hat das Ganze etwas Peinliches, überheblich Pädagogisches und zugleich tief Inkompetentes. Was Sie über Drath282 sagen, trifft durchaus zu. Die Art und Weise, wie diese drei deutschen Volkserzieher283 mich persönlich behandeln, ist einfach unanständig, in menschlicher wie in wissenschaftlicher Hinsicht. Mein großes systematisches Hauptwerk, die Verfassungslehre von 1928, wird einfach unterschlagen, ebenso die für das Jahr 1932 verfassungsgeschichtlich wichtige Schrift „Legalität und Legitimität“. Statt des Hüters der Verfassung wird ein kleiner Aufsatz aus der Festgabe für das Reichsgericht zitiert; wenn anerkannt werden muss, dass ich eine klare Diagnose gestellt habe, so war das natürlich zynische Klarheit (S. 62), wobei zu beachten ist, dass diese Diagnose bereits 1921 in der ersten Auflage des Buches steht und den ganzen modernen Staat seit dem 16. Jahrhundert betrifft, und so weiter. Im Übrigen verweise ich auf die beiliegenden Glossen. Ich hoffe, dass Sie sich am Bodensee gut erholt haben und freue mich darauf, Sie im September wiederzusehen. Bis Mitte September bin ich allerdings verreist. Am 1. September bringe ich meine Tochter Anima nach Darmstadt ans Landestheater und bleibe dann noch eine Woche in Heidelberg. Anima und ich grüßen Sie herzlichst. Ich bleibe 282  Martin Drath (1902–1976), Jurist, war der Assistent des Staatsrechtlers Hermann Heller. 1933 entlassen, arbeitete er als juristischer Berater der Freien Gewerkschaften, als Buchhalter und Revisor. Nach 1945 war er kurzzeitig Professor in Jena, dann an der Freien Universität Berlin und schließlich, ab 1951, Richter am Bundesverfassungsgericht. Drath war Mitglied der SPD, hatte über Carl Schmitts FreundFeind-Theorie habilitiert (1946), die Schrift aber nicht veröffentlicht. Wissenschaftlich ging die Auseinandersetzung um die Balance zwischen Rechtsstaat und Sozialstaat, also um die Frage, ob die Sicherheit oder das Sozialinteresse des Einzelnen im Mittelpunkt stehen muss. Hinter der wissenschaftlichen Auseinandersetzung lief aber zeitgleich eine persönliche. So gab Schmitt eine Polemik seines ehemaligen Konkurrenten Otto Koellreutters gegen Drath an die Zeitschrift Der Fortschritt weiter, die sie am 2. Mai 1952 veröffentlichte. Koellreutter sah in Drath einen Beweis dafür, wie Parteipolitik die juristische Kompetenz überlagere. Siehe van Laak, S. 167 f. Siehe ferner: Beiträge zu Leben und Werk Martin Draths, hrsg. von M ­ ichael Henkel und Oliver W. Lembcke, Berlin 2010. 283  Gemeint sind Karl Dietrich Bracher, Martin Drath und Otto Heinrich von der Gablentz, siehe unten.

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Brief Nr. 41

Glossen zu drei Aufsätzen aus Band 2 der Schriften für politische Wissenschaft, Faktoren der Machtbildung mit Beiträgen von K. D. Bracher / Martin Drath / Otto Heinrich von der Gablentz / A. R. L. Gurland / Ernst Richert284 1) Karl Dietrich Bracher: Auflösung einer Demokratie  /  Das Ende der Weimarer Republik als Forschungsproblem. Das Ende der Weimarer Republik ist das mit verfassungsändernder Mehrheit zustande gekommene Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933.285 Das Gesetz ist unter Zustimmung des Zentrums und der bürgerlichen Demokraten und integrierender Anwesenheit der Sozialdemokraten zustande gekommen. Nur die Kommunisten waren ausgeschlossen. Weder ihr Nein noch ihre Anwesenheit hätte das Gesetz verhindert. Bracher stellt den Art. 48 in den Mittelpunkt seiner verfassungsgeschichtlichen Erklärung und macht die Praxis dieses Artikels 48 zum Sündenbock. Das ist ganz unrichtig. Die Reichsregierungen unter Ebert wie unter Hindenburg waren gezwungen, sich dieses Mittels beschleunigter Rechtsetzung bei schnell wechselnder Lage zu bedienen, weil der Reichstag sich nicht entschließen konnte, die nötigen Ermächtigungsgesetze zu geben. Den sehr wichtigen Aufsatz aus meinen „Positionen und Begriffen“,286 der diese Entwicklung behandelt (Vergleichender Überblick über die neueste Entwicklung des Problems der gesetzgeberischen Ermächtigungen, deutsch 1936, franz. in der Festschrift für den bekannten Lyoneser Verfassungsrechtler Eduard Lambert, Lyon 1938287) unterschlägt Herr Bracher. In allen Ländern moderner 284  Schriften des Instituts für politische Wissenschaft der Freien Universität Berlin: Faktoren der Machtbildung. Wissenschaftliche Studien zur Politik. Mit Beiträgen von Karl-Dietrich Bracher, Martin Drath, Otto Heinrich von Gablentz, Arkadius Rudolf Lang Gurland, Ernst Richert, Bd. 2, Berlin 1952. 285  Das Ermächtigungsgesetz vom März 1933 ermöglichte es der Regierung Hitlers, Gesetze auch ohne Zustimmung des Reichstages zu erlassen und Verträge mit dem Ausland zu schließen, ohne das Parlament zu konsultieren. Die Gesetze durften ausdrücklich von der Verfassung abweichen und bezogen sich auch auf die Kreditaufnahme und den Haushaltsplan. Die Ermächtigung sollte für vier Jahre, bis zum 1. April 1937 gelten. Die Fraktion der KPD war nicht anwesend, weil zahlreiche Mitglieder nach dem Reichstagsbrand verhaftet wurden oder untertauchen mussten. Die Mandate wurden ihnen per Verordnung entzogen. Allein die SPD stimmte gegen das Gesetz. Die übrigen neun Parteien stimmten ohne Gegenstimme zu. 286  Carl Schmitt: Vergleichender Überblick über die neueste Entwicklung des Problems der gesetzgeberischen Ermächtigungen (Legislative Delegationen), in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 6 (1936), S. 252– 268, übernommen in: Carl Schmitt. Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar – Genf – Versailles 1923–1939, Hamburg 1939. 287  Une étude de droit constitutionell comparé. L’evolution récente du problème des délégations législatives, in: Pierre Garraud (Hrsg.): Introduction à l’étude du droit comparé. Recueil d’études en l’honneur d’Edouard Lambert, Paris, Lyon 1938, S. 200–210.



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industrieller Entwicklung hat sich die Methode der beschleunigten Gesetzgebung als notwendig erwiesen und wurde der Gesetzgeber motorisiert (vergl. S. 18 / 21 der anliegenden Schrift „Die Lage der Europäischen Rechtswissen­ schaft“288). Die Haltung der deutschen Reichswehr wird unter dem Propagandagesichtspunkt Militarismus behandelt. In Wirklichkeit war der General Schleicher der letzte Halt und die letzte Möglichkeit gegenüber Hitler, während alle Parteien von rechts bis links sofort zusammenstanden, wenn es gegen Schleicher ging. Der strebsame Herr Bracher sollte einmal darüber nachdenken, wie es denn möglich war, dass dieselben Parteien, die Brüning jedes Ermächtigungsgesetz verweigerten und ihn dadurch auf den Weg des Art. 48 drängten, plötzlich im März 1933 der Regierung Adolf Hitlers die erstaunlichste Ermächtigung nachwarfen, die die Verfassungsgeschichte je gesehen hat. 2)  Martin Drath, Die Gewaltenteilung im heutigen deutschen Staatsrecht. Der Aufsatz ist schlecht, weil er eine Darlegung der heutigen Verfassungslage der Bundesrepublik an Montesquieu anzuhängen sucht, auf dessen richtige Interpretation (als konkret politisch, nicht staatsrechtlich) der Verfasser sich etwas zugute tut. Seine Interpretation der berühmten Montesquieuschen Äußerung, dass die richterliche Gewalt „in gewissem Sinne nichts“ (en quelque façon nulle) sei, hätte besser daran getan, die bisherige Erörterung dieser Frage anständig zu zitieren. Eine solche Erörterung findet sich in meinem Buch „Die Diktatur“, 1921, S. 109 und in meiner „Verfassungslehre“ von 1928 S. 185. Die Stelle bedeutet, wie Drath richtig sieht, dass die Richter kein eigenes Korps bilden und daher keine eigene soziale Gewalt haben, sondern aus dem Gefüge der institutionalisierten Gewalten herausgenommen sind. Das trifft für die Geschworenen-Gerichte alten Stiles zu, aber wie Drath dann hinterher selber feststellt, nicht für das Richtertum der Bundesrepublik, das von unten bis oben, einschließlich dem Verfassungsgerichtshof, ein Teil des Berufsbeamtentums und dadurch im höchsten Grade institutionalisiert ist. Verfassungstheoretisch würde ich die Kritik des Aufsatzes von Drath daran ansetzen, dass er den spezifisch rechtsstaatlichen Gesetzesbegriff verkennt. Ohne diesen gibt es keine Teilung der Gewalten. Wenn die gesetzgebende Körperschaft durch Gesetz enteignen kann, so ist das kein Rechtsstaat in Montesquieuschen Sinne. Wenn die Verfassung des Landes Hessen von 1946 mit unmittelbarer, sofortiger Wirkung das Eigentum von Tausen288  Carl Schmitt: Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft, Tübingen 1950. Übernommen in: VA, S. 386–426. Die Schrift ist die Druckversion eines Vortrages, den Schmitt 1943 an den Universitäten Bukarest, Budapest, Madrid, Coimbra, Barcelona und Leipzig gehalten hatte.

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Brief Nr. 41

den von Staatsbürgern mit einem Federstrich beseitigen kann, ohne auch nur zu regeln, wer der neue Eigentümer ist, so ist das keine Gewaltenteilung.289 Aber Drath sagt ja selber, dass die Gewaltenteilung heute nur ein technisches Hilfsmittel ist (S. 137) und dass wir sie degradiert haben. Statt diese richtige und ehrliche Einsicht an die Spitze zu stellen und die heutige Praxis danach kritisch zu beleuchten, laviert der Aufsatz zwischen einer energischen Montesquieu-Auffassung und einer ängstlichen Vorsicht gegenüber der heutigen Verfassung. Zu der Anmerkung 46 auf S. 112: Ich weiß nicht, ob Draht damit sagen will, dass es für ihn nur Freunde und keine Feinde gibt. Wäre das der Fall, so hätte er sich an der einstweiligen Anordnung, die die SRP290 [Sozialistische Reichspartei] verbietet, nicht als Verfassungsrichter beteiligen dürfen. Er insinuiert mir, dass meine Freund-Feind-Lehre eine reine Feind-Lehre sei. Eine reine Feind-Lehre kann es gar nicht geben. Wohl aber gibt es anscheinend eine reine Freund-Lehre, deren Syllogismus lautet: Jeder Mensch ist mein Freund; Carl Schmitt ist nicht mein Freund; also ist Carl Schmitt kein Mensch. 3) Otto Heinrich von der Gablentz, Macht, Gestaltung und Recht, die drei Wurzeln des politischen Denkens, S. 139–169. Der Verfasser verheddert sich auf eine mitleiderregende Weise in der Dialektik der Macht, deren Unwiderstehlichkeit seine Begriffe offenbar 289  Die Hessische Verfassung vom 1. Dezember 1946 bestimmte, dass Kohle, Stahl, Erz und Kali, Energie und Eisenbahn mit sofortiger Wirkung sozialisiert seien. Die praktische Umsetzung sollte später über Gesetze geregelt werden. Schmitt verfasste für die Buderus-Eisenwerke ein juristisches Gutachten. Siehe VA, S. 452– 486 und die Briefe Ernst Forsthoffs an Carl Schmitt vom März 1952 und vom 25. Mai 1952, in BW Forsthoff, S. 88 ff. Forsthoff glaubte, der hessische Staatsgerichtshof, der „in Wahrheit nur ein justiziell drapierter Parlamentsausschuss“ ist, sei „gegenüber juristischen Argumenten in hohem Maße immun“. 290  Nach den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen mit 11 Prozent der Stimmen für die SRP erklärte die Bundesregierung die Partei für „verfassungsfeindlich“; den Begriff „verfassungswidrig“ konnte nur das BVerfG als Feststellung treffen. Die Bundesregierung stellte am 19. Nov. 1951 Antrag auf ein Verbot der SRP. Am 23. Oktober erklärte das BVerG die SRP für verfassungswidrig und löste die Partei auf. Die Mandate derjenigen Landtagsabgeordneten, die aufgrund von Wahlvorschlägen der SRP gewählt waren, fielen ersatzlos weg. Das Urteil erklärte zum ersten Mal, was eine „freiheitliche, demokratische Grundordnung“ ist. Problematisch war dabei die Frage, ob die Abgeordneten als Personen oder Vertreter der Parteien gewählt waren. Das Gericht erklärte das Bundesverfassungsgerichtsgesetz (also die eigene Grundlage) für verfassungswidrig, weil es vorsah, dass Parlamentssitze bei einem Parteiverbot erhalten bleiben. Das BVerG meldete damit zum ersten Mal ein politisches Vetorecht gegen die Regierung an.



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nicht gewachsen sind. Die heterogensten Antithesen fließen durcheinander: erst der Gegensatz von Macht und Gestaltung (S. 139), dann der von Revolution und Konservativismus (S. 152), dann Ablehnung der Antithese von Recht und Macht; schließlich ist Politik Kampf um die gerechte Ordnung, ohne dass gesagt wird, dass der gerechte Krieg eo ipso der totale Krieg ist. Alles, was in den letzten Jahren, seit dem Erwachen aus der Psychose von 1945, der westlichen Welt wieder zum Bewusstsein kommt und was gerade die intelligenten Publizisten der USA – McKennan, Walter Lippman291 u. a., vergl. den Aufsatz von Golo Mann im Monat vom August 1952292 – ist noch nicht zu den Ohren des Verfassers gedrungen. Wir empfehlen ihm eine mehrstündige konzentrierte Meditation über den Satz: Der Feind ist unsere eigene Frage als Gestalt. Ad personam: Der Verfasser nennt mich (unter Übernahme einer niederträchtigen Anschwärzung Hermann Hellers) einen kulturmüden Gewalt­ ästheten. Hermann Heller hat, wie sich aus einem Briefwechsel zwischen mir und ihm ergibt, niemals begreifen können, dass der Feind etwas anderes ist als etwas, das vernichtet werden muss. Er hat sich eifrig bemüht, seine Feinde zu vernichten und im Zuge dieses Bemühens ergaben sich dann solche vernichtend gemeinten Formulierungen. Als zweite Meditation empfehlen wir dem Verfasser dieses Aufsatzes eine erneute Lektüre des Buches „Politeia“ von Platon. Der Gedankengang dieses offenbar wenig bekannten Buches ist folgender: die Politeia kann nicht bestehen, wenn sie nicht Freund (φίλος) und Feind (εχθρός) unterscheidet; diese Unterscheidung ist aber eine hochphilosophische Aufgabe und infolgedessen weder Sache der Arbeiter, noch der Soldaten, sondern der Wächter (φύλακας), die infolgedessen Philosophen sein müssen, wobei unter Philosoph offenbar nicht ein Typ wie Eduard Spranger293 verstanden wird.

291  Gemeint ist vermutlich Robert Addison McKennan (1903–1982), Ethnologe und Soziologe. Walter Lippmann (1889–1974), Journalist, Publizist und Kommunikationsforscher, verfolgte Schmitt seit dem Erscheinen des Buches über public ­opinion 1922 mit großem Interesse. 292  Golo Mann: Sind die Deutschen Westeuropäer?, in: Der Monat 42 (1952), S. 658–659. 293  Eduard Spranger (1882–1963), Berliner Philosoph und Rektor der Universität, stellte Schmitt wie allen anderen Hochschullehrern der Berliner Universität einen Fragebogen zu, von deren Beantwortung die Lehrerlaubnis abhing. Schmitt verweigerte die Beantwortung und wurde am 29. Dezember aus der Universität entlassen. In Ex captivitate salus nannte Schmitt Spranger einen „Ankläger“, „Durchleuchter“ und „Rechthaber“.

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Brief Nr. 42

Nr. 42 Walter Petwaidic an Carl Schmitt, 17. September 1952 Sehr verehrter Herr Professor, herzlichen Dank für Ihre Postkarte. Es ist immer noch nicht sicher, ob ich in den nächsten Tagen, d. h. ehe Sie nach Frankfurt fahren, mit Herrn Tüngel nach Plettenberg kommen kann. Herr Tüngel fährt Anfang Oktober nach Amerika, so dass ich möglicherweise allein zu Ihnen kommen werde. Es ist mir eine große Erleichterung, dass das Hamlet-Buch jetzt schon so weit ist. Ich hatte immer Hemmungen, Ihnen mitzuteilen, dass Herr Tüngel das Exemplar des Vorworts, das er von Ihnen erhielt, zwischen seinen Büchern und Schriften so vergraben hat, dass er es nicht wiederfinden kann. Er hatte es vorher gelesen, hat mir begeistert davon erzählt und es stand fest, dass in der Zeit ganz ausführlich darüber geschrieben werden sollte. Herr Tüngel würde den Artikel selbst schreiben, wenn er in den nächsten Tagen noch einmal in den Besitz des Vorwortes oder womöglich der Fahnen des ganzen Buches kommen könnte. Wenn das nicht möglich ist, wird das Buch sofort nach Erscheinen von uns besprochen werden. Es tut mir außerordentlich leid, dass ich Ihnen dieses Geständnis von dem Verlust des Manuskriptes machen muss, ich habe Ihnen darüber nicht früher geschrieben, weil ich gehofft habe, dass das Manuskript sich zu guter Letzt doch noch finden wird. Über die Artikel der Zeitschrift der Berliner Universität werde ich unter Verwendung Ihrer Bemerkungen schreiben. Ich weiß nur noch nicht wann. Eine Bemerkung habe ich nicht verstanden, wie die SPD durch NichtTeilnahme an der Reichstagssitzung vom 24. März 1933 das Ermächtigungsgesetz hätte verhindern können.294 Ich habe leider keine Weimarer Verfassung, will mir aber jetzt eine besorgen. Eine Frage jetzt: würde es Ihnen angenehm sein, wenn ich gleich nach Veröffentlichung des Gutachtens des BVG zu Ihnen käme, um mich über die Stellungnahme zu orientieren? Unseren politischen Standpunkt in der Sache kennen Sie ja. Außerdem haben wir einen langen Brief vom Innenministerium Rheinland-Pfalz (Verfassungsschutzamt) bekommen, in dem gegen eine Glosse der Zeit polemisiert und gesagt wird, dass beim Vorliegen der Tatbestände des Art. 9 Absatz 2 GG das Verbot der Vereinigung kraft Grundgesetzes ohne weiteres eintritt und daher im Wege des Verwaltungsamts einfach festgestellt werden kann. Auch darüber hätte ich gerne mit Ihnen gesprochen. Wahrscheinlich ist es richtig, aber es erinnert mich doch an die durch 294  Siehe

Carl Schmitt an Walter Petwaidic, 29. August 1952.



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Verfassungsgesetz einfach vollzogene Sozialisierung in Hessen. Ich habe jedenfalls nicht genug Klarheit in dieser Frage. Würden Sie also so freundlich sein, ein paar Zeilen an den Verleger des Buches Ihrer Tochter zu schreiben, damit er die Fahnen gleich an uns schickt? Herr Tüngel lässt Sie sehr herzlich grüßen. Er ist mit den Vorbereitungen für seine Reise stark beschäftigt und hat sich, wie Sie vielleicht aus seiner Glosse „Der Fragebogen“ gesehen haben, kolossal über die Inquisition des amerikanischen Konsulats geärgert. Dass Sie das kleine Buch von 1946295 nett finden, hat mich außerordentlich gefreut, ich gebe aber zu, dass ich, nachdem ich fünf Jahre darüber nachgedacht habe, manches längst nicht mehr schreiben würde, was ich damals geschrieben habe. Recht viele herzliche Grüße Ihr sehr ergebener

Nr. 43 Carl Schmitt an Walter Petwaidic, 19. September 1952 Lieber Herr Petwaidic, bei Ihrem letzten Besuch in Plettenberg habe ich Ihnen und Herrn Tüngel von dem originellen Sauerländer Phänomen Bert Ipsenstein296 und seiner fabelhaften Reim-Sammlung erzählt. Zufällig gerät mir jetzt Herr Ipsenstein wieder auf den Weg. Er bittet mich, den beiliegenden Brief an Ihre Redaktion weiterzugeben, was ich hiermit tue. Nach dem, was wir damals im Juli, am Vorabend meines Geburtstages in Plettenberg besprachen, möchte ich annehmen, dass dieser Brief und die lustige Verdichtung von Heideggers Satz: Der Mensch ist der Hirte des Seins, Ihnen und Herrn Tüngel Spaß macht. Vielleicht können Sie es sich sogar leisten, den ganzen Brief tatsächlich als Zuschrift zu bringen. Unter allen Umständen aber müssen Sie meinen Namen aus diesem Zusammenhange herauslassen; dieser Teil der Sache steht also strengstens sub sigillo! Herzliche Grüße Ihres alten

295  Walter Petwaidic: Die autoritäre Anarchie. Streiflichter des deutschen Zusammenbruchs, Hamburg 1946. 296  Siehe Carl Schmitt an Hans Paeschke, 2. Dezember 1951.

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Brief Nr. 44

Nr. 44 Giselher Wirsing an Carl Schmitt, 20. Oktober 1952 Lieber Herr Professor, das war wirklich ein sehr schöner Tag, den ich immer im Gedächtnis behalten werde. Ich hoffe nun sehr, dass es nicht zu große Abstände sein werden, nach denen wir uns wiedersehen. Zu Ihrem sehr interessanten Aufsatz297 den ich wieder beilege, sind jetzt in Amerika selbst neue Quellen erschlossen worden. Ich bekam eben ein dickes Buch des Professors Tansill298 zugesandt, das in vieler Hinsicht auf ähnliche Thesen aufgebaut zu sein scheint. Es beschäftigt sich dokumentarisch mit Methode und Gründen, die zum Kriegseintritt der USA geführt haben. Mir scheint es doch sehr interessant, dass in Amerika selbst, wie auch der tragigkomische Wahlkampf zeigt, die Erkenntnis wächst, auf welchen falschen Weg man sich begeben hatte. Dennoch, nach der Aufspaltung Europas gibt es kein Zurück in einen nur amerikanischen Großraum. Überlegt man sich Hitlers Funktion in der Weltgeschichte, so führt dieser eine Mann zum Schluss die Russen bis nach Meiningen und die Amerikaner bis nach Bad Kissingen. Und er hält beide dort. Was bedeutet das eigentlich? Tatsächlich ist es doch so, dass mit dem Fortfall der Großraumthese299, so wie wir sie einst entwickelt hatten, die Möglichkeit eines neuen, überzeugenden Leitbildes noch gar nicht besteht. Ich habe viel auch über Ihre Leiden nachgedacht, die Sie durchleben mussten und auch noch müssen. Ist nicht vieles davon tatsächlich damit verbunden, dass unsere heutige Lage ein so klares Leitbild wie damals nicht zulässt, und dass man infolgedessen auf niemand lieber hackt als auf den, der es einmal gehabt hat. Auch das Ressentiment gegen mich, von dem ich gut weiß, liegt teilweise auf einer ganz ähnlichen Ebene. Das Gegenbeispiel dazu ist Ernst Jünger, weil hier zu schnell und für mein Gefühl zu krampfhaft ein neues Leitbild aufgestellt wurde. Da ich nicht weiß, ob Sie den Aufsatz in Christ und Welt über Jünger gesehen haben, lege ich ihn nochmals bei.

297  Gemeint

ist vermutlich Carl Schmitt: Die Einheit der Welt, wie Anm. 100. Callan Tansill: Back door to war: The Roosevelt foreign policy, 1933–1941, Chicago 1952. 299  Schmitt entwickelte in den 1930er Jahren verschiedene Varianten eines geostrategischen Politikverständnisses, in denen er das Verhältnis von Staat, Volk und Großraum erörterte. Siehe hierzu Carl Schmitt: Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte. Ein Beitrag zum Reichsbegriff im Völkerrecht, Berlin u. a. 1939. In erweiterter und grundlegend überarbeiteter Weise sind die Thesen nach dem Krieg wieder veröffentlicht als Nomos der Erde im Jus Publicum Europaeum, Köln 1950. 298  Charles



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Tausend Grüße, lieber Herr Professor Schmitt, Stets und getreulichst, Ihr Nr. 45 Carl Schmitt an Winfried Martini, 20. Oktober 1952 Sehr geehrter Herr Martini! Für Ihr Schreiben vom 12. Oktober und seine Anlagen (Manuskript „Ende der Demokratie“300 und gedruckter Aufsatz „Die Entartung der Politik“301) danke ich Ihnen vielmals. Ich habe sowohl das Manuskript wie auch den Aufsatz mit allergrößtem Interesse gelesen und muss zunächst eine scheinbar nebensächlich-technische Frage stellen: in welcher Zeitschrift kann heute eine so treffend die Psychosen der letzten Jahrzehnte überwindende, ruhige und sachliche Darlegung überhaupt erscheinen? Ich glaube, dass Sie in meinem Buch „Der Nomos der Erde“ viele Berührungspunkte und auch eine geschichtliche-systematische Bestätigung Ihrer Thesen über das Unglück der falschen Moralisierung der Politik finden werden. Nach manchen Erfahrungen muss ich allerdings befürchten, dass mein Buch zu weit ausholt und seine situationsgebundene Art, manches unausgesprochen zu lassen oder plötzlich abzubrechen (S. 240, 255, 285), die Lektüre erschwert. Andererseits ist das Buch so sorgfältig durchdacht und angelegt, dass es dem Leser, dem es um das ungeheuerliche Problem der Unterscheidung von Feind und Verbrecher geht, keinen Zeitverlust bedeutet. Sie fragen mich nach literarischen Hinweisen zu Ihrem Thema. Ich halte einen Aufsatz im Juli-Heft der Zeitschrift für Geopolitik, über Pareto302, von G[unther] Krauss303, für wichtig genug, um ihn hier zu nennen. Dann wird Sie wohl auch der Aufsatz von Golo Mann interessieren, der soeben im Oktoberheft der Zeitschrift Der Monat über den Nomos der Erde erschienen

300  Winfried Martini: Das Ende aller Sicherheit. Eine Kritik des Westens, Stuttgart 1954. 301  Winfried Martini: Die Entartung der Politik, in: Neues Abendland 7 (1952), S. 1–10. 302  Wilfried Fritz Pareto, genannt Vilfredo Pareto (1848–1923), italienischer Ökonom und Soziologe, ist einer der Begründer der modernen Soziologie, Ideologiekritik und Elitenforschung. 303  Günther Krauss: Wer bietet dem Terror Schach? Lehren der italienischen Krise 1920, in: Zeitschrift für Geopolitik 23 (1952), S. 385–391.

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Briefe Nr. 45–46

ist.304 Golo Mann hat auch über George F. Kennan305 und andere „neo-realistischen“ Schriftsteller in früheren Heften des Monat mit großer Sachkunde geschrieben. Ich war im Frühjahr 1947 in Nürnberg mit Rudolf Diels306 zusammen; es ist also wahrscheinlich, dass Ihre Vermutung zutrifft. Ihren Aufsatz über die Lehren von Weimar habe ich allerdings nicht erhalten. Doch interessiert er mich sehr. Es würde mich aufrichtig freuen, über den Fortgang Ihrer Arbeit Weiteres zu hören. In meiner kleinen Schrift „Ex Captivitate Salus“ finden sich übrigens einige Äußerungen zu dem Thema „Feind“ (z. B. S. 57, S. 89)307, die eine Weiterführung der Gedanken meines „Begriffes des Politischen“ sind. Ich bin mit nochmaligem Dank für Ihre Zusendung und mit den besten Empfehlungen Ihr sehr ergebener

Nr. 46 Walter Petwaidic an Carl Schmitt, 29. Oktober 1952 Sehr verehrter Herr Professor, herzlichen Dank für Ihre Kartengrüße. Leider konnte ich nicht nach Bremen zu Ihrem Vortrag kommen, weil ich hier unabkömmlich war. Ich hätte den Vortrag natürlich sehr gerne gehört. Zum Wochenende würde ich Sie 304  Golo Mann: Carl Schmitt und die schlechte Juristerei, in: Der Monat 10 (1952), S. 89–92. Über Carl Schmitt, „Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum“. 305  George F. Kennan (1904–2005), US-amerikanischer Historiker und Diplomat, war zwischen 1939 und 1942 in Berlin stationiert und verfügte über verschiedene Kontakte in Widerstandskreise. Nach 1945 war er involviert in die Planung des Marshallplanes und besetzte später verschiedene Positionen als Botschafter und Professor in Princeton. 306  Rudolf Diels (1900–1957), Jurist, leitete das Preußische Geheime Staatspolizeiamt unter dem Sozialdemokraten Carl Severing und unter Hermann Göring. 1934 ging Diels als Regierungspräsident nach Köln, ab 1936 besetzte er die gleiche Position in Hannover. Nach dem Krieg blieb er bis 1948 in britischer Gefangenschaft und war Zeuge der Anklage in den „Nürnberger Prozessen“. 307  Schmitt begründete dort die besondere Brutalität eines Bürgerkrieges mit dem Absolutheitsanspruch, den beide Parteien erheben müssen. Der Feind werde dadurch ganz rechtlos, er werde im Namen des Rechts entrechtet und damit zum Verbrecher. Auf die Frage, wer überhaupt als Feind in Frage komme, antwortete Schmitt mit dem Theodor Däubler-Zitat: „Der Feind ist unsere eigene Frage als Gestalt“.



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besucht haben, um Sie nach Ihrer Auffassung über das SRP-Urteil308 zu fragen, doch ging aus Ihrer Karte nicht hervor, wie Sie zu erreichen waren. Ich musste daher selbständig im Staatsrecht dilettieren und hoffe, bei Ihnen einen milden Richter zu finden. Den Wortlaut der Begründung wird man erst in ca. 14 Tagen oder später bekommen können. Wenn er vorliegt, werde ich mir erlauben, ihn Ihnen zuzuschicken oder hinzubringen, um Ihre Meinung zu hören. Ich habe nämlich die Idee, dass dieses Urteil zusammen mit anderen Bestrebungen, die sich gegen das Vereinigungsrecht und gegen das Recht der freien Meinungsäußerung richten (z. B. Verhalten der Regierung von Rheinland-Pfalz, Versuche eines neuen Pressegesetzes, Schmutz- und Schundgesetz usw.) eine ernste Strukturwendung der Bundesverfassung einleitet, traue mich aber nicht auf eigene Kanne Bier dieses Thema groß anzufassen. Herr Tüngel hat den Artikel aus Amerika geschickt, er liegt jetzt hier vor und wird vermutlich im nächsten Feuilleton erscheinen. Mit vielen herzlichen Grüßen Ihr sehr ergebener Walter Petwaidic Nr. 47 Carl Schmitt an Walter Petwaidic, 27. November 1952 Lieber Herr Petwaidic! Es handelt sich um die Protokolle Nr. 209–212 des 23. Ausschusses des Bundestages. Ich schicke Ihnen der Einfachheit halber meine private Abschrift, die er allerdings (natürlich) unter meinem persönlichen Gesichtspunkt ausgewählt hat.309 Immerhin könnte es für Sie einen Anhaltspunkt für 308  Wie

Anm. 290. hatte die Protokolle von Ernst Forsthoff erhalten, der 1952 zusammen mit dem nach Amerika emigrierten Karl Loewenstein im Auftrag der SPD-Bundestagsfraktion ein Gutachten zum EVG-Vertrag und der geplanten Wiederbewaffnung der Bundesrepublik angefertigt hatte. Es ist gedruckt als: Wehrbeitrag und Grundgesetz. Rechtsgutachten über die Frage, ob die Verabschiedung des Gesetzes betreff den EVG-Vertrag (Art. 59 Abs. 2 GG) eine Änderung des Grundgesetzes erfordert, in: Der Kampf um den Wehrbeitrag, Bd. 2, hrsg. vom Institut für Staatslehre und Politik in Mainz, München 1953, S. 312–336. Siehe Briefe von Forsthoff an Schmitt vom 19. November 1952 und die Antwort von Schmitt vom 22. November in BW Forsthoff. Die auf den ersten Blick überraschende Zusammenarbeit mit der SPD begründete er mit der „manischen Art, in der Adenauer seine Nahziele zu erreichen 309  Schmitt

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Brief Nr. 47

weitere Informationen enthalten. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn ich diese Abschrift bald wieder zurück erhalten könnte. Dies als umgehende Antwort auf Ihr Schreiben vom 26. d[es] M[onats]. Über das S[hakespeare]-Zitat bitte ich nach Gutdünken zu verfügen. Ich freue mich darauf, es so sinnvoll verwertet zu finden. Die Exemplare der Zeit mit dem Aufsatz von Richard Tüngel310 sind gut angekommen. Tausend Dank! Zu Arndt311: Er ist der Hecht in dem Bonner Karpfenteich, das stimmt. Das Stück aus dem Protokoll, das ich Ihnen mit diesem Schreiben schicke, liefert eine geradezu mitleiderregende Illustration zu der Karpfenhaftigkeit dieser armen bürgerliche Juristen. Es lässt aber auch erkennen, wie in­ stinktsicher Arndt operiert, wenn er in allem auf meine Diffamierung bedacht ist und die Verlegenheit ausnützt, in die sich diese armen Bürger­ lichen durch ihre Gemeinheit gegen mich selber gebracht haben. Gegenüber solchen Karpfen ist es nicht schwer, den Hecht zu spielen. Diese biederen Charaktermörder erfahren jetzt ihr gerechtes Schicksal. Ich er­ innere Sie nochmals an den insipiden Ausruf von Süsterhenn312 im Parlamentarischen Ausschuss vom 8. September 1948: „Wir haben keine Angst vor der von dem mit zwei tt geschriebenen Namensvetter unseres verehrten Kollegen Carlo Schmid an die Wand gemalten Gefahr einer justizförmigen Poli­tik.“ So wörtlich vor vier Jahren. Und jetzt entwirft ein solcher Schafskopf eine Europäische Verfassung! Les êtres destinés à périr sont de coeur avec leurs ennemis. Sie können und wollen Freund und Feind nicht unterscheiden und das bedeutet, dass sie ihre Freunde verraten und ausliefern. Wie anders dieser Arndt! Er empört sich über die berüchtigte Freund-Feind-Theorie und bezeichnet gleichsucht, ohne zu bedenken, was die Folgen sein werden, wenn er das an sich schon fragile Grundgesetz dermaßen misshandelt“. Ernst Forsthoff an Gustav Steinbömer, zitiert nach Florian Meinel: Der Jurist in der industriellen Gesellschaft. Ernst Forsthoff und seine Zeit, Berlin 2011, S. 403. Nachfolgend zitiert als Meinel, Forsthoff. 310  Richard Tüngel: Hamlet – Sohn der Maria Stuart – eine Hypothese und ein Vorwort, in: Die Zeit vom 6. November 1952. 311  Adolf Arndt (1904–1974), Jurist, legte sein Richteramt 1933 nieder. 1945 trat er der SPD bei und war Mitglied des Bundestages. Von 1949–1961 war Arndt Justitiar und parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. 312  Adolf Süsterhenn (1905–1974), Jurist und Politiker, Mitbegründer der CDU in Rheinland-Pfalz und dort zwischen 1946 und 1949 Kultusminister und Justizminister unter Ministerpräsident Peter Altmeier. Präsident des Verfassungsgerichtshofes und zwischen 1951 und 1961 des Oberverwaltungsgerichts von Rheinland-Pfalz. Zwischen 1961 und 1969 Mitglied des Bundestages. Gleichzeitig war er Mitglied der Europäischen Kommission für Menschenrechte und Mitglied der beratenden Versammlung des Europarates.



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zeitig jeden Gutachter, der ihm unangenehm ist, als Nazi. Dann zittert die ganze Bonner Regierung, und keiner findet sich, einen ehrlichen und erstklassigen Juristen wie Werner Weber zu verteidigen. Arndt selber weiß natürlich genau, dass sich seine eigene Partei unter Schumacher in der entscheidenden Frage der Souveränität ausdrücklich und nominatim auf mich berufen hat, dass die Hessische Regierung mich ein volles Dutzendmal zitierte, bevor ich mein Buderus-Gutachten313 gemacht hatte. Insofern wäre ich nach seiner Terminologie ebenso sehr der „indirekte Hauptsachverständige“ der Opposition, wie der der Regierung. Aber da ist ja niemand, der es wagt, ihm entgegenzutreten, wenn er sein Schächtmesser gegen mich schwingt. Aber Schluss mit Carl Schmitt. Ich will Sie nicht mit dieser traurigen Geschichte behelligen; mir ging nur im Augenblick das sonst so geduldige Pferd plötzlich durch. Herzlich, Ihr alter C. S.

Nr. 48 Walter Petwaidic an Carl Schmitt, 13. Mai 1953 Sehr verehrter Herr Professor, die Redaktion der Zeit möchte eine Bitte an Sie richten. Sie haben sicher die Strafrechtsnovelle 1950314 beobachtet, die eine sehr große Zahl von politischen Tatbeständen in das Strafgesetz eingeführt hat und deren Ergebnisse allenthalben schon in der Rotationsgeschwindigkeit von staatspolizeilichen Aktionen erkennbar sind. Im Augenblick liegt dem Bundestag zur 3. Lesung wieder eine Strafrechtsnovelle315 vor. Auch diesmal wieder werden neue politische Tatbestände festgelegt, bei anderen die Strafdrohung verschärft. Insbesondere gilt das von § 93, der in der Ausschussfassung jetzt nicht mehr nur die Einfuhr von verfassungs-verräterischen Schriften, Schall­ 313  Wie

Anm. 289. Strafrechtsnovelle 1950 sah einen verstärkten Ehrenschutz für die im öffentlichen Leben stehenden Personen vor. Das Kontrollratsgesetz Nr. 11 hatte die Bestimmungen über Hoch- und Landesverrat aufgehoben, so dass nach Eindruck der Bundesregierung Regelungsbedarf bestand. Ein Jahr später beklagte die Bundesregierung mangelnden Fortschritt in der Sache, da sie in zunehmendem Maß in „sehr beleidigender Art und Weise öffentlich angegriffen“ werde (Zitat aus Protokoll der 135. Kabinettssitzung vom 13. März 1951). 315  1953 verhandelte der Bundesrat ein Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften. 314  Die

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Brief Nr. 48

aufnahmen usw., sondern auch deren Herstellung, Vervielfältigung, Verbreitung usw. unter Strafe stellt. Hier haben wir die Sorge, dass damit auch die Presse unmittelbar getroffen werden kann. Über all dies möchten wir einen kritischen Artikel schreiben, in dem z. B. stehen sollte, wie viele politische Paragraphen das Strafgesetz etwa 1914, 1930, 1944 und etwa 1953 enthielt. Leider versteht bei uns niemand allzu viel davon, ganz besonders nicht von dem, was in der Formulierung der Tatbestände liegt, und deshalb möchten wir Sie, Herr Professor, fragen, ob Sie uns dabei helfen wollen. Wenn Sie es wünschen, würde ich zu diesem Zweck sehr gern auf einen Tag zu Ihnen kommen. Das könnte Ende dieser Woche oder im Laufe der nächsten Woche sein. Auch hätte ich noch gern aus einem anderen Grunde mit Ihnen gesprochen. Es ist vor kurzem eine Broschüre erschienen „Demontage der deutschen Wissenschaft“316, in der skandalöse Vorgänge bei der Ausschaltung der entnazifizierten und derjenigen Professoren festgestellt werden, welche an Ost-Universitäten tätig waren. Aus Anlass dieser Broschüre wird dieses Problem in der Zeit aufgegriffen werden und ich vermute, dass Sie, Herr Professor, dazu sicher etwas beitragen könnten. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich kurz wissen ließen, ob Sie uns einige Anregungen zu den beiden Themen schicken wollen oder ob und wann es Ihnen genehm ist, dass ich Sie besuche. Mit den besten Grüßen Ihr sehr ergebener

316  Herbert Grabert (1901–1978), Theologe, Journalist, Hochschullehrer und Verleger, publizierte Anfang 1953 eine Broschüre, in der er die „Denazifizierung“ als Ursache für die „Demontage der deutschen Wissenschaft“ bezeichnete. Grabert gründete 1953 einen Verlag, deren Ausgangspunkt eine Zeitschrift für Hochschullehrer war, die wegen ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit keine Lehrberechtigung mehr erhielten. Grabert selbst war aufgrund seiner Tätigkeit für das Amt Rosenberg in den besetzten Ostgebieten und als Lehrer für Weltanschauungskunde belastet und hatte keine Lehrerlaubnis mehr erhalten.



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Nr. 49 Carl Schmitt an Walter Petwaidic, 10. September 1953 Lieber Herr Petwaidic! Zu dem vortrefflichen Brief eines Amerikaners in Nr. 37 der Zeit vom 10. September317: Am 20. August d[es] J[ahres] fuhr ich mit dem FD-Zug Köln-Basel. Wir saßen zu vier Reisenden in einem Abteil, schweigend und Zeitung lesend. Plötzlich gegen Mittag, zwischen Koblenz und Mainz, legt mein Gegenüber seine Zeitung hin und sagt laut: Dieser McCarthy318 ist eine wahre Geißel der Menschheit. Ich glaubte, einen Mitmenschen gefunden zu haben und erwiderte: Die Menschheit hat zwei Geißeln, den McCarthismus und den Anti-McCarthismus. Aber anscheinend war das doch wohl zuviel der Dialektik. Mein Gegenüber sah mich misstrauisch an, und wir sanken beide in das neutrale Schweigen zurück, das sich für FD-Reisende empfiehlt. Nr. 50 Carl Schmitt an Winfried Martini, 27. September 1953 Lieber Herr Winfried Martini! [Privat] Ich war 1922–28 in Bonn und habe dort bei meinem alten Freunde, Prof. Wilhelm Neuß319, den berühmten Kunsthistoriker Clemen320 öfters gesehen und gesprochen. Seine ganz außerordentliche geistvolle Art ist mir in lebhafter Erinnerung. Ist das nun der Clemen, den Sie in Ihrem Brief erwähnen, der Vater Ihrer Schwägerin? Das würde mich ganz besonders freuen. Und ist der Anglist Clemen321 in München ein Verwandter von ihm? Diesem Münchner 317  Die Zeit brachte auf der Titelseite einen langen, namentlich nicht gekennzeichneten Brief eines Amerikaners, in dem dieser die antikommunistische Politik der USA erklärte und unter anderem Verständnis dafür forderte, dass kommunistische Bücher aus den amerikanischen Bibliotheken in Europa entfernt wurden. 318  Joseph McCarthy (1908–1951), republikanischer Senator von Wisconsin, wurde bekannt durch seine Kampagne wegen angeblicher Unterwanderung der US-Regierungsapparate durch Kommunisten. Er wurde der Namensgeber der antikommunistischen Politik der 1950er Jahre, ohne jedoch ihr Urheber gewesen zu sein. 319  Wilhelm Neuß (1880–1943), Theologe, Historiker und Kunsthistoriker, mit Schmitt befreundet, seit sie sich 1922 in Bonn kennen lernten. 320  Paul Clemen (1866–1947), Kunsthistoriker, begründete das Kunsthistorische Institut an der Universität Bonn und die staatliche rheinische Denkmalpflege. 321  Wolfgang Clemen (1909–1990), Anglist, Experte für Shakespeare.

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Briefe Nr. 49–50

Shakespeare-Forscher Clemen würde ich gern ein Exemplar des neulich bei Neske in Pfullingen auf deutsch erschienenen Hamlet-Buches322 schicken, das meine Tochter Anima übersetzt hat und zu dem ich ein Vorwort geschrieben habe. Aber mein Respekt, ja meine Angst vor diesen Shakespeareologen ist grenzenlos und so könnte ich mich wohl nur nach sorgfältigster Anbahnung zu dem Wagnis einer solchen Übersendung entschließen. Nun aber das Wichtigste: Ihr 5. Kapitel323 habe ich sofort in einem Zuge gelesen. Ich finde es in Gedanken wie in der Darstellung hinreißend. Das 3. Kapitel ist im Vergleich zu diesem 5. an einzelnen Stellen etwas doktrinär. Ich glaube nicht, dass meine Begeisterung über das 5. Kapitel nur daraus zu erklären ist, dass ich die Zeit von 1930–33 aus allernächster Nähe, von dem denkbar bestem verfassungsrechtlichen Beobachtungsposten in Berlin als verfassungsrechtlicher Berater der Reichswehr und der Reichsregierung mitgemacht habe. Natürlich ist diese intensive participatio ein sehr wesentliches Motiv für mein Interesse an gerade diesem, Ihrem 5. Kapitel. Aber ich bin doch gewohnt, die persönliche und subjektive Beteiligung von objektiven Maßstäben zu trennen und halte mein Urteil auch unter objektiven Gesichtspunkten aufrecht. Zu S. 133 kann ich nur sagen, dass diese Darlegung juristisch vollkommen klar ist. Zu S. 149 wird Sie interessieren, dass Prof. Ernst Forsthoff, (Heidelberg) Mitte Oktober einen großen Vortrag über den „sozialen Rechtsstaat“324 halten wird, in dem der reine Rechtsstaatsgedanke gegenüber allen adjektivischen Verfälschungen klar hervortritt. Zu S. 154 erinnerte ich mich des Satzes von Stalin aus dem Jahre 1941 (Bericht aus dem kommunistischen Parteitag, 6. November 1941), dessen authentischen Text ich hier vor Augen habe, in dem er das Wort Nationalsozialismus Hitler abspricht und für sich selber geltend macht. S. 157 finde ich das Wort Elend des Jahres 1933 nicht gut, weil das Elend ja erst Jahre später kam und überlege, ob ein Wort wie Irrtum, Selbsttäuschung oder Selbstbetrug nicht vielleicht besser wäre. Ein getreues Bild der kritischen Zeit vom Sommer 1932 bis Frühjahr 1933 liefert übrigens mein Anfang 1933 erschienener Aufsatz: Weiterentwicklung des totalen Staates (Positionen und Begriffe S. 185–89), der die publizistische Vorbereitung der von Schleicher für Anfang Februar geplanten Reichstagsauflösung bedeutete. Ich hatte für Schleicher auch schon die amtliche Erklärung für die geplante neue Auflösung des Reichstags formuliert,325 als 322  Lilian

Winstanley: Hamlet and the Scottish Succession, wie Anm. 274. Martini: Das Ende aller Sicherheit, Stuttgart 1954. 324  Abgedruckt unter dem Titel „Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates“, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechstlehrer 12 (1954), S. 8–36. Siehe dazu ferner Meinel, Forsthoff, S. 369 ff. 325  Eine Formulierung von Schmitt ist zwar für die Regierung Papen im September 1932 überliefert, nicht aber für die Regierung Schleicher. 323  Winfried



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uns durch die Ernennung Hitlers Ende Januar alles plötzlich aus der Hand geschlagen wurde. Zu dem selbstmörderischen Wesen dieser Demokratie gehört übrigens auch das Gesetz über die Stellvertretung des Reichspräsidenten vom 9. Dezember 1932326, das mit 454 Stimmen des Zentrums, der SPD, der bürgerlichen Demokraten und der NSDAP gegen 127 Stimmen der Deutschnationalen und der Kommunisten angenommen worden ist. Dass Art. 48 der Weimarer Verfassung ein Schutz und eine Waffe der Weimarer Demokratie bedeutete, haben die Mitglieder dieses Selbstmörderklubs, vor allem Breitscheid, mit dem ich mich einen ganzen Abend bei einer gemeinsamen Freundin darüber unterhielt, einfach nicht begriffen. So werden Sie auch meine Freude über die Stelle auf Seite 159 Ihres 5. Kapitels verstehen. Doch ist es nicht möglich, alle Einzelheiten schriftlich aufzuführen. Ich freue mich sehr auf ein ausführliches Gespräch mit Ihnen und hoffe, dass Ihre für das Frühjahr geplante Reise nach dem Westen zustande kommt. Erwähnen möchte ich nur noch, dass ich die unheimliche Konsequenz, mit der das negative Element des Volksbegriffes nach links drängt noch niemals so klar und eindrucksvoll erkannt habe wie bei der Lektüre Ihrer Ausführungen. Was Heinz Ziegler327 angeht, so war er wohl bis 1938 Privatdozent in Prag an der deutschen Universität. Sein Vater war ein sehr reicher Zuckerindustrieller in der Tschechoslowakei. Die letzte Nachricht, die ich von ihm habe, ist vom Jahre 1936, wo er mir einen Sonderdruck über Legitimität und Herrschaftsform zusandte. Wahrscheinlich ist er nach USA emigriert. Aber während die meisten andern Emigranten jetzt fast vollständig wieder bekannt geworden sind, habe ich von Ziegler, den ich besonders schätze, nichts mehr gehört. Ich werde Otto Kirchheimer328 nach ihm fragen. 326  Per Gesetz vom 17. Dezember 1932 erhielt der Artikel 51 der WRV folgende Fassung: „Der Reichspräsident wird im Falle seiner Verhinderung durch den Präsidenten des Reichsgerichts vertreten. Das gleiche gilt für den Fall einer vorzeitigen Erledigung der Präsidentschaft bis zur Durchführung der neuen Wahl.“ Nach dem Tode des Reichspräsidenten Ebert war der amtierende Präsident des Reichsgerichts Dr. Simons zum Stellvertreter bestimmt worden. Zu der Novelle siehe Carl Schmitt: Die Stellvertretung des Reichspräsidenten, in: Deutsche Juristen-Zeitung 38 (1933), S. 27–31. 327  Heinz Otto Ziegler (1903–1944), Soziologe, emigrierte 1933 in die Tschecheslowakei, 1939 nach England. Er starb als Angehöriger der Royal Air Force. Ziegler war Anfang der 1930er Jahre häufig Gast im Hause Schmitt, der besonders dessen Buch „Die moderne Nation“ (1931) schätzte. 328  Otto Kirchheimer (1905–1965), Jurist, gehörte in Bonn zu den Schülern Schmitts, promovierte bei ihm, emigrierte jedoch 1933 zuerst nach Paris, 1937 schließlich in die USA und hielt zu Schmitt kritischen Abstand.

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Briefe Nr. 50–51

Schließlich noch ein Wort zum Titel. Ich dachte einmal: Demokratie was nun? Doch ist das vielleicht nicht seriös genug. Es lohnt sich, weiter darüber nachzudenken, und wenn mir noch etwas einfällt, teile ich es Ihnen mit. Die Korrektur auf S. 159 ist vollzogen; ich hatte den Sinn ohne Mühe gleich richtig verstanden. Jetzt frage ich mich natürlich nach dem Aufbau des ganzen Buches und der Reihenfolge der Kapitel, in der das Geheimnis der Spannung liegt. Ich bleibe mit herzlichen Grüßen und aufrichtigen Wünschen für Ihre Arbeit Nr. 51 Carl Schmitt an Winfried Martini, 27. Oktober 1953 Lieber Herr Winfried Martini, dieses 6. Kapitel, das ich Ihnen hier mit bestem Dank zurücksende, hat bei mir einige Bedenken- und Zweifelsfragen hervorgerufen. Doch muss ich gleich sagen, dass ich den Aufbau und die Gliederung Ihres Werkes im Ganzen noch nicht kenne und infolgedessen keine endgültigen Urteile abgeben kann. Das Problem des „überfragten Wählers“ ist in aller Schärfe sehr eindrucksvoll gestellt. Der Anfang des Kapitels ist glänzend: auch fand ich wieder zahlreiche Formulierungen, die ich mit Entzücken las, z. B., S. 185 unten Zeile 6; S. 187 die ganze Seite; S. 196 der Vergleich mit dem Monarchen und vieles andere. Unrichtig ist, soviel ich mich erinnern kann, die Bemerkung S. 186, dass über den Young Plan ein Volksentscheid stattgefunden habe; das müssten Sie noch einmal verifizieren. Ich habe leider mein Jahrbuch des Öffentlichen Rechts und den Bericht über diese Zeit nicht mehr hier in Plettenberg. Was mich aber an diesem Kapitel stört ist 1. die Breite der demoskopischen Belege für die Inkompetenz des Wählers S. 179 folgende. Diese Seiten lesen sich zwar sehr flott, sind aber im Vergleich zu der Gedankenführung der übrigen mir bekannten Partien Ihres Buches nicht intensiv genug, ich möchte fast sagen: zu populär und unterbrechen dadurch den Duktus des Ganzen. Es kann aber sein, dass Sie das mit guter Überlegung absichtlich so gemacht haben. Ich bin ja mit meinen 65 Jahren und meiner Fach-Erfahrung in keiner Weise ein normaler Leser und spreche meine Kritik mit allen solchen Vorbehalten aus. Das zweite Bedenken betrifft den Gesamteindruck des Kapitels. Der Leser ist am Schluss erschlagen und fühlt sich durch die 100 % Kritik in den



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Abgrund pessimistischer Hoffnungslosigkeit hineingestoßen. Ich weiß nicht, was jetzt im folgenden Kapitel kommt und spreche nur unter dem Eindruck der Lektüre dieses 6. Kapitels. Aber auch abgesehen von diesem deprimierenden Pessimismus scheint mir in dem Gedankengang etwas zu fehlen, was mit Demoskopie nicht zu fassen ist. Ich darf das, was ich hier meine, im Anschluss an das Stichwort „Wasserträger“ S. 214 andeuten. Ein Volk von Wasserträgern kann gegenüber elementaren Fragen seines Daseins richtigere Antworten geben als ein Volk von Diplomträgern. Den plebiszitären Charakter jeder heutigen Massenwahl haben Sie glänzend herausgearbeitet. Das Ergebnis der Wahl vom 6. September* erklärt sich daraus, dass sich die Masse der Wähler an einer einfachen Frage orientierte, die, wie Sie auf S. 204 richtig sagen, wirtschaftlicher Natur war. Sie lautete, wenn ich sie einmal auf das adäquate Niveau bringen darf: willst du wieder Schlange stehen, oder nicht? Diese Frage kann nicht nur jede Hausfrau, sondern auch ein Volk von Wasserträgern beantworten. Damit sind wir bei einem großen Thema, bei der Abhängigkeit jeder Abstimmung und jeder Wahl von der – ausdrücklichen oder unausgesprochenen, offenen, oder heimlichen – Fragestellung. Ja, bei der allgemeinen philosophischen Wahrheit, dass jedes Wort, das ein Mensch ausspricht, die Antwort auf eine Frage ist, und dass ich den Sinn seines Ausspruchs nicht kenne, wenn ich die Frage nicht kenne, auf die er geantwortet hat. Und der Sinn der Frage wiederum ergibt sich aus der Situation. Das ist die questionanswer-logic, ohne die weder eine geschichtliche noch eine politische Diskussion einen Sinn hat. Ich danke Ihnen herzlich dafür, dass Sie das Hamlet-Buch an Ihren Schwager weitergegeben haben. Den schuldigen Brief konnte ich noch nicht schreiben. Aber vielleicht hat Ihr Schwager die hässliche Besprechung im letzten Shakespeare-Jahrbuch329 gelesen. Dann versteht er mein Anliegen. Es ist für mich sehr traurig und im Grunde kränkend, dass Ergebnisse einer langen und gründlichen Arbeit als geistreiche Formulierungen abgetan werden. Adjektive wie brilliant, geistreich, dialektisch, faszinierend, sind im Munde solcher Rezensenten bloße Disqualifizierungen und Anzweiflungen *  Wahl zum 2. Deutschen Bundestag am 6. September 1953: CDU: 34,8 %; SPD 29,5 %; CSU: 8,9 %; GB / BHE 5,9 %, Sonstige 10,1 %. 329  Hermann Heuer: Lilian Winstanley, Hamlet – Sohn der Maria Stuart. Aus dem Englischen übersetzt von Anima Schmitt. Mit einem Vor- und Nachwort von Professor Carl Schmitt, Pfullingen 1952, in: Shakespeare-Jahrbuch 89 (1953), S. 235–238. Heuer kritisierte vor allem die Methode Winstanley, den „political symbolism“, mit der sie versuchte, Shakespeares Tragödien als Verschlüsselung konkreter Zeitereignisse zu erklären. Die Einleitung Schmitts bezeichnete Heuer zwar als brilliant, erklärte aber gleichzeitig, dass Schmitt seine essayistische Suggestionskraft für eine von der Fachwelt längst verworfene These zur Verfügung stelle.

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Briefe Nr. 51–52

der Solidität gemäß dem klassischen Satz Gustav Radbruchs330: Ein Talent, doch kein Charakter. Im Original, nämlich bei Heinrich Heine heißt es bekanntlich: Kein Talent, doch ein Charakter. Aber das war vor über hundert Jahren und die Heine-Verdreher von heute werden sich hüten, die Einleitung zu Atta Troll zu lesen und schweigen sie lieber tot. Herzliche Grüße und Wünsche Ihres alten Nr. 52 Carl Schmitt an Karl Epting, 30. Oktober 1953 Lieber Herr Dr. Epting, für ihr Buch „Generation der Mitte“331 muss ich mich noch herzlich bedanken. Ich habe es aufmerksam gelesen und halte es für ein so unmittelbar einleuchtendes, inhaltreiches und getreues Zeitdokument, dass ich an seinem Erfolg nicht zweifle. Die Generation, von der die Rede ist, und die das Buch unmittelbar angeht, ist heute auf dem Höhepunkt ihrer Lebenskraft und müsste Interesse und Solidarität genug haben, um sich damit auseinanderzusetzen. Was ist es nur, was heute in Deutschland jede Öffentlichkeit verstellt? Ich finde es durchaus richtig, dass Sie meinen Schriften aus der Zeit von 1919 bis 1933 keine besondere Darlegung gewidmet und sich mit dem Hinweis auf den Begriff des Politischen und den Hüter der Verfassung begnügt haben. Wenn Sie mein Werk aus dieser Zeit einfügen wollten, hätten Sie diese ganzen unerhört fruchtbaren Jahre, in denen auch Max Scheler332, Heidegger333, Heisenberg334, Karl Eschweiler335 hervortraten, erwähnen müssen. Deutschland war damals wirklich, wie Sie S. 184 sagen, der 330  Gustav Lambert Radbruch (1878–1949), Jurist, 1920–24 Reichstagsabgeordneter für die SPD, Reichsjustizminister in den Kabinetten Wirth und Stresemann. 1933 zwangspensioniert, lehrte in Oxford und gründete 1945 in Heidelberg die CSU. Trat dann wieder in die SPD ein und war Mitglied des Staatsgerichtshof von Württemberg-Baden. Carl Schmitt replizierte auf Radbruchs Ausspruch mit dem Wortspiel „homo homini Radbruch“ zur Kennzeichnung eines liberalen Dummkopfs. 331  Karl Epting: Generation der Mitte, Bonn 1953. 332  Max Scheler (1874–1928), Philosoph, neben Edmund Husserl einer der bekanntesten Vertreter der Phänomenologie. 1910 wegen Ehebruchs von der Universität München entlassen und fortan in Berlin als Privatdozent tätig, ab 1919 Professor in Köln. 333  Martin Heidegger (1889–1976), Philosoph. 334  Werner Heisenberg (1901–1976), Physiker und Nobelpreisträger für Physik. 335  Karl Eschweiler, siehe Anm. 196.



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Umschlaghafen für alle Werte des Abend- und Morgenlandes, aber gleichzeitig auch der Boden einer eigenen, spezifisch deutschen Produktion und eines großartigen renouveau philosophique. Wenn Ihr Buch wenigstens das bewirkte, dass die sterile und minderwertige Herrschaft von Remigranten und deren minderwertigem Anhang gezwungen wird, endlich einmal Stellung zu nehmen! Von Greven336 habe ich seit einiger Zeit nichts mehr gehört. Der Nomos setzt sich langsam und sicher durch. Um „Ex Captivitate Salus“ bin ich nicht bange, selbst wenn es verramscht wird. Haben Sie etwas von Frau v. Renner gehört? Für heute nur diese kurze Empfangsbestätigung und herzliche Grüße und Wünsche Ihrer verehrten Gattin Nr. 53 Carl Schmitt an Winfried Martini, 10. November 1953 Lieber Herr Winfried Martini, Ihr I. Kapitel, Glanz der Demokratie, erhielt ich vorigen Samstag. Ich hatte das III. Kapitel schon durchgelesen und habe nun auch gleich das I. verschlungen, so dass ich Ihnen nun beide zusammen zurückschicken kann. Seit 8 Tagen liege ich mit einer Entzündung der Achilles-Fersen-Sehne zu Bett und mache aus der Krankheit eine Tugend, indem ich diesen Zustand meinem kontemplativen Vermögen zugute kommen lasse. Das I. Kapitel ist ein hervorragender, wirkungsvoller Auftakt. Die These S. 6 (Herr Hitler war nicht schuld daran, dass er zur Macht gekommen ist) ist eben so frappant wie richtig. Sie fesselt gleich von Anfang an und das ist gut so bei einem Buch über die Demokratie. Mir persönlich leuchtet die These besonders ein. Ich pflegte den C. I. C. Leuten, die mich interrogierten zu sagen: dieser Hitler hat sich nicht selbst erfunden. Worauf sie dann prompt jedesmal weiterfragten: wer hat ihn denn erfunden? Darauf ich orakelhaft: der Erfinder des unbekannten Soldaten. Und wer hat den erfunden? – Die Demokratie! Und mir schaudert schon heute vor dem unbekannten Soldaten des 3. Weltkrieges. Über meine Interrogation zum Thema Demokratie kann ich Ihnen noch viel erzählen. Es war eine erstklassige Schulung für die Lektüre Ihres Buches. Eines will ich zu diesem I. Kapitel nicht verschweigen. Ich halte Ihre Ausführungen S. 11 ff. für überaus treffend und sehr wichtig. Sie müssen 336  Epting

hatte als Lektor des Greven Verlages Schmitt als Autor gewonnen.

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Brief Nr. 53

auch einmal ausgesprochen werden, so, wie Sie das mit vorbildlicher Sachlichkeit, Anständigkeit und désinvolture tun. Aber das Thema ist bis heute in Deutschland nun einmal Tabu. Ich wurde an den Satz aus Lessings Freimaurer-Gespräch erinnert: Weißt du, dass du selbst schon ein halber Freimaurer bist? Denn du erkennst Wahrheiten, die man besser verschweigt. Zu diesem Thema muss ich noch fragen, ob Sie das Buch von Hannah Arendt: Origins of the Totalitarianism in der englischen Ausgabe: The Burden of our Time337, kennen. Es ist für Ihr Thema im ganzen wie speziell zu dieser Frage Demokratie und Judentum so unerhört bedeutungsvoll, dass ich es hier erwähnen muss und frage, ob es nicht gut wäre, es zu zitieren. Ich besitze es und kann es Ihnen leihen. Über Franz Oppenheimer338, Ihren Lehrer (S. 17 / 1S) und seinen Begriff des Politischen ein anderes Mal, um Sie jetzt nicht von der Arbeit an der Publikation Ihres Buches abzulenken. Das VII. Kapitel bedeutet gegenüber dem vorangehenden V. eine weitere große Steigerung. Das liegt am Thema Außenpolitik, an der brennenden Aktualität, aber auch an der Steigerung der Darstellung. In der zweiten Hälfte des Kapitels glaubt man Wiederholungen oder Breiten zu spüren. Oder soll das nach der Maxime sein: Du musst es dreimal sagen! (jedenfalls in der Demokratie!) Sie können sich denken, wie mich Ihre Ausführungen zur Ideologisierung des Krieges schon im Zusammen hang mit meinem Nomos der Erde gefesselt haben. Dass die Wiedergutmachung nach dem Boxeraufstand 1901 beginnt, hatte ich in meinem Buch übersehen. Ich bin Ihnen für den Hinweis besonders dankbar. Er ist für mich außerordentlich wichtig. Eine Kleinigkeit: auf S. 223 steht als Erscheinungsjahr des Buches von Tocqueville: 1845, S. 9: 1835, das letzte ist richtig. Zu S. 239 wüsste ich gern, um welche hervorragende Tageszeitung es sich handelt. S. 255 stört mich die Formulierung „sittlich funktionierender Mensch“, großartig S. 256 ff. über die Vermassung der Staatsraison. Mit Vergnügen las ich S. 263 die Stelle über die Paulskirche; aber seien Sie vorsichtig und rühren Sie nicht an einen rührenden RestaurationsMythos. S. 265 klingt: Niemand denkt daran etwas übertrieben, weil der Leser sich sagt: Einige werden schon daran gedacht haben. Nach der Lektüre dieses Kapitels empfindet man das darstellerische Problem eines Schlusskapitels als eine besonders schwere und große Aufgabe. 337  Hannah

Arendt: The Burden of Our Time, London 1951. Oppenheimer (1864–1943), Mediziner und Nationalökonom, arbeitete als Journalist für die Welt am Montag, von 1919 bis 1929 war er Professor für Soziologie an der Universität Frankfurt a. M. In seinem Hauptwerk „Theorie der reinen und politischen Ökonomie“ (1910) entwickelte er eine umfassende Theorie des „Dritten Weges“ zwischen liberalem Kapitalismus und marxistischem Sozialismus. Zu Schmitts scharfer Kritik an Oppenheimer siehe BP, S. 75. 338  Franz



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Ich müsste auch das Buch im Ganzen mir noch einmal vor Augen führen, um darüber urteilen zu können und den Aufbau sowie die Linie des Gedankenganges genau zu erkennen. Ich will damit nicht sagen, dass Sie mir das Manuskript noch einmal schicken sollen. Aber es drängt sich dem Leser fortwährend die Frage auf, wohin geht denn nun die Reise eigentlich? Immer tiefer in die Kritik? Oder in Reformvorschläge nach der Art der Schrift von Werner Weber339, Spannungen und Kräfte? Schließlich noch zu der Frage: Volksentscheid über den Young-Plan am 22.12.1929. Meine Bedenken waren etwas formal-juristisch. Es wurden 6.177.148 gültige Stimmen abgegeben, darunter 5.838.890 Ja-Stimmen und 338.258 Nein-Stimmen. Nach der (übrigens problematischen) Auffassung der Reichsregierung galt Art. 75 der WRV auch für einen Volksentscheid auf Volksbegehren, d. h. die Mehrheit der Stimmberechtigten musste sich an der Abstimmung beteiligen. Die Zahl der Stimmberechtigten war: 42.322.680. Es hat sich also weit weniger als die Hälfte beteiligt. So ist der Volksentscheid „fehlgeschlagen“ und es ist eine Doktor-Frage, ob man sagen kann, es habe wirklich einer stattgefunden. Neulich besuchte mich hier Prof. Ernst Forsthoff mit seiner Frau. Er hat auch von Ihnen erzählt; ich empfand das als erste persönliche Begegnung mit Ihnen. Herzliche Grüße Ihnen und Ihrer Frau und alle guten Wünsche für die Publikation Ihres Buches! Ihr sehr ergebener Nr. 54 Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 3. Januar 1954 Lieber Herr Augstein, mit meinen besten Neujahrswünschen verbinde ich folgende kritische Meinungsäußerung. Der Spiegel hat sich auf den armen, alten und recht verzweifelten, großen Fehling340 gestürzt und ihn unter dem Beifall einer moralisch entrüsteten 339  Werner Weber (1904–1976), Jurist, war in Bonn ein Schüler Schmitts und wurde sein Assistent an der Berliner Handelshochschule. Schmitt bezieht sich auf dessen Buch „Spannungen und Kräfte im westdeutschen Verfassungssystem“, Stuttgart 1951. 340  Jürgen Fehling (1885–1968), Theologe und Jurist, arbeitete als Schauspieler und Intendant in Berlin und gehörte zu den führenden Theaterregisseuren bis 1944.

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Brief Nr. 54

Menge durch den Dreck gezogen. Wissen Sie eigentlich, was Sie damit getan haben? Sie lesen und bewundern Hemingway’s „The old man and the sea“, und wenn es konkret wird, stellen Sie sich auf die Seite der Haifische. Einen genialen Mann liefern Sie dem Skandal der moralischen Entrüstung aus, die hier von einer traurigen Art Selbst-Aufwertung nicht zu trennen ist. Wollten Sie die wahre Demokratie illustrieren? Wollten Sie als educator auftreten? Wollten Sie sich als kulturell koalitionsfähig erweisen? Sie hatten eine großartige Chance. Sie konnten den Entrüsteten entgegenrufen: Wer von euch darf sich mit diesem alten, verzweifelten Mann vergleichen? Der werfe den ersten Stein auf ihn! Stattdessen haben Sie das Gegenteil getan. Sie haben den ersten Stein geworfen und jetzt läuft alles hinterher, weil da unten, bis zum letzten Kulissenschieber, sich jeder ein bisschen gehoben fühlt, wenn ganz hoch oben ein mit Recht berühmter Regisseur abgeschossen wird. An der Inszenierung dieses heute alltäg­ lichen, aber eigentlich doch sehr traurigen Schauspiels haben Sie sich beteiligt. Lieber Herr Augstein! Ihr Spiegel hatte in den bisherigen Jahren seiner Geschichte große Momente. Den Aufsatz von Jens Daniel341: Abschied von den Brüdern im Osten342 hat niemand vergessen. Wir wissen, was heute Öffentlichkeit ist, und jeder sitzt heute in seiner Situation, Sie in der Ihrigen, ich in der meinigen; tun Sie also, was Sie nach Lage der Dinge für richtig halten. Aber zu dem Fall Fehling möchte ich nicht schweigen. Ich erinnere mich mit großer Freude daran, dass Sie vor etwas über einem Jahr bei mir im Sauerland zu Besuch waren. Wenn Sie einmal wiederkommen, freut sich sehr Ihr alter

Er stand unter besonderer Protektion Hitlers und Goebbels. Seine Rolle im Kunstsystem Hitlers ist ihm nach 1945 vorgeworfen worden. Auch aufgrund einer Depression konnte er an die Erfolge von vor 1945 nicht mehr anknüpfen. Anfang der 1950er Jahre musste der Intendant des Schiller-Theaters, Boleslaw Barlog, dem schwer kranken Fehling Hausverbot erteilen, weil er mitten in die Aufführungen hinein Obszönitäten rief und die Vorstellungen kommentierte. 341  Pseudonym Augsteins als Autor im Spiegel. 342  Jens Daniel: Ein Lebewohl den Brüdern im Osten, in: Spiegel vom 2. Januar 1952.



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Nr. 55 Carl Schmitt an Giselher Wirsing, 15. Januar 1954 Lieber Herr Dr. Giselher Wirsing, ich hatte lange nichts mehr von Ihnen gehört; meine Freude über Ihr Schreiben vom 12. Januar ist deshalb umso größer. Am meisten freue ich mich darüber, dass Aussicht besteht, Sie bald wiederzusehen, und dass Sie ein Buch über Afrika343 geschrieben haben, das hoffentlich bald erscheint. Diese Art Produktivität ist die richtige Antwort auf die Fälscher der öffentlichen Meinung, die Ihr voriges Buch „Der Weg aus dem Chaos“344 totschweigen wollten. Die Begründung des Beamtenurteils des BVerfG – 140 Maschinenseiten lang – habe ich gelesen. Ich müsste aber sehr eingehend mit Ihnen sprechen, ehe ich dazu Stellung nehme. Ohne das kann ich nicht einen kurzen Aufsatz darüber schreiben, zumal der Kernsatz der Begründung eine rein staatstheoretische These ist: Kein Beamtentum mit persönlicher Treuebindung kann das Staatshaupt und bei staatstragender Partei [sic!]. Voraussetzung des Beamtentums ist der in diesem Sinne neutrale [sic!] Staat. Wenn ich jetzt in einem kurzen Aufsatz dazu Stellung nehmen soll, so kann ich das nicht anonym tun; das wäre tief unter meiner Würde, zumal der Verfasser des Urteils die Gelegenheit benutzt hat, mich mit Namen zu beschimpfen und den in der damaligen Situation kühnen und mutigen Aufsatz „Der Führer schützt das Recht“, der den letzten Rest von Justiz zu retten suchte, in seinem Sinn zu fälschen. Wollte ich den Aufsatz mit meinem Namen veröffentlichen, so würde das die Verfolger alarmieren, insbesondere den Staatssekretär Strauß345, der überdies Nachfolger des erkrankten HöpkerAschoff346 werden will, und mit Zustimmung Adolf Arndts auch werden

343  Giselher Wirsing: Die Rückkehr des mondo-mogo. Afrika von morgen, Düsseldorf 1954. 344  Gemeint ist vermutlich Giselher Wirsing: Schritt aus dem Nichts. Perspektiven am Ende der Revolutionen, Düsseldorf 1951. 345  Walter Strauß (1900–1976), Jurist, war 1946 / 47 Staatssekretär im Hessischen Staatsministerium und von 1949 bis 1963 beamteter Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz. 1928 arbeitete er im Reichswirtschaftsministerium, wurde jedoch 1933 entlassen. Strauß hatte enge Kontakte zu Bonhoeffer und musste 1938 untertauchen. Er verhinderte, dass Schmitt in der Evangelischen Akademie Bad Herrenalb einen Vortrag über Katechon zum Tagungsthema „Konservative und Reaktionäre“ hielt. Siehe BW Forsthoff, S. 396, Anm. 35. 346  Hermann Höpker-Aschoff (1983–1954), Jurist, wurde 1951 zum ersten Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts gewählt. In den 1920er Jahren war HöpkerAschoff Mitglied des Preußischen Landtages für die DDP und war von 1925 bis

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Brief Nr. 55

soll, den glorreichen Bellizisten Erich Kaufmann347 (Motto: Du darfst, denn du kannst!) und den Herrn Leibholz348 (soviel ich höre britisch subject), der allerdings nicht zum 1. Senat gehört und nicht bei den zehn Namen figuriert, die das Urteil unterschrieben haben (Ellinghaus, Frau Scheffler, Heiland, Scholtissek, Drath, Stein, Wessel, Ritterspach und Lehmann)349. Ein Stirnrunzeln dieser Elite genügt. Dagegen gibt es keinen Schutz. Ich habe das mit dem Erlebnis Herrenalb erfahren.350 Elite ist hier natürlich ein wertfreier soziologischer Begriff, als dessen Definition ich – über Pareto hinausgehend – vorschlagen möchte: Elite sind diejenigen, deren Soziologie keiner zu schreiben wagt. Diese Definition hat den Vorteil, dass sie auch die Soziologie mit definiert. Es kommt noch eins hinzu. Ich bin, wie jeder gebildete Jurist in Deutschland weiß, der Urheber der Lehre von der institutionellen Garantie des Berufsbeamtentums.351 Diese Lehre ist im Bonner Grundgesetz und von allen maßgebenden Leuten anerkannt. Sie wird aber in der Begründung des Urteils nicht behandelt, obwohl sie wesentlich zum Problem gehört und eine vernünftige Handhabe geboten hätte, übertriebene finanzielle Forderungen der Beamten auf ihr Maß zurückzuführen und eine Katastrophe (einige sprechen von 5 ½ Milliarden DM) zu vermeiden. Ich kenne die Begründung der beschwerdeführenden Beamten nicht; es ist nicht undenkbar, dass auch sie die institutionelle Garantie ablehnen; denn gerade von der Beamtenseite, die eine ziffernmäßige Garantie der jeweils erreichten Höchstbeträge wollen, bin ich früher arg beschimpft worden. Das alles auseinander zu setzen, ist umständlich und lässt sich nicht in einigen Zeilen erledigen. 1931 preußischer Finanzminister. Nach dem Krieg trat er der FDP bei und gehörte für Nordrhein-Westfalen dem Parlamentarischen Rat, später auch dem Bundestag an. 347  Erich Kaufmann (1880–1972), Jurist, war ein Bonner Kollege und nach 1933 Intimfeind Schmitts. Kaufmann erhielt 1927 einen Ruf nach Berlin und wurde 1934 zwangspensioniert. 1938 verließ er Deutschland und lebte in Holland. Nach dem Krieg lehrte er in München und Bonn, ließ sich aber 1950 emeritieren und arbeitete als Berater des auswärtigen Amtes und des Bundeskanzleramtes. 348  Gerhard Leibholz, wie Anm. 179. 349  Wilhelm Ellinghaus (1888–1961), Erna Scheffler (1893–1983), Gerhard Heiland (1894–1961), Hermann Scholtissek (1900–1979), Martin Drath (1902–1976), Erwin Stein (1903–1992), Franz Wessel (1903–1958), Theodor Ritterspach (1904– 1999), Joachim Lehmann (1909–1979), Richter des Bundesverfassungsgerichts. 350  Handschriftliche Anmerkung: Das im Text dieses Schreiben erwähnte „Erlebnis Herrenalb“ bezieht sich auf das Verbot eines Vortrages über den Katechon, den ich in der evangelischen Akademie Herrenalb auf Einladung ihres Leiters Schomerus halten sollte. 351  Siehe dazu und zum BVerG-Urteil Carl Schmitt: Wohlerworbene Beamtenrechte und Gehaltskürzungen, in: VA, S. 174–180.



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Mit einem Wort: Ich bin ein weißer Rabe, der auf allen schwarzen Listen steht. Ich tröste mich mit der alten Weisheit: Homo homini Radbruch352. Diesem Briefe füge ich zwei Anlagen bei, von denen Sie eine – NEHMEN / TEILEN / WEIDEN als ein bisher unveröffentlichtes Corollarium zum Nomos der Erde als kleine Gabe freundlich annehmen wollen, während das andere ein Aufsatz aus dem Jahre 1950 aus der Dominikaner-Zeitschrift in Walberberg353 – mein letztes Exemplar darstellt, um dessen baldige Rücksendung ich Sie bitten muss. Es ist in seinem wesentlichen Kern die schriftliche Antwort, die ich im April 1947 aus der Gefängniszelle in Nürnberg dem Ankläger, Dr. Robert Kempner354, auf dessen schriftliche Frage gegeben habe: Warum sind die Staatssekretäre Hitler gefolgt. Ich beschwöre Sie, diesen kleinen Aufsatz genau zu lesen. Im Problem der Legalität als eines Funktionsmodus jeder modernen Bürokratie und nirgendwo anders steckt der Kern des Beamtenproblems, und es gehört zu der Besonderheit jenes Beamtenurteils des BVerfG, dass es nicht nur das Problem institutionelle Garantie, sondern auch das Problem der Legalität (die nur positivistisch im Sinn der Auffassungen von 1932 / 33 aufgefasst werden kann) umgeht. Wenn Sie einzelne Teile dieses Aufsatzes mit oder ohne Nennung meines Namens verwenden können, werde ich mich freuen. Sin mas por hoy! Geben Sie mir bald wieder Nachricht, sorgen Sie dafür, dass wir uns bald wiedersehen und seien Sie mit allen guten Wünschen herzlich gegrüßt von Ihrem alten und unveränderlichen Nr. 56 Hans Zehrer an Carl Schmitt, 15. Januar 1954 Lieber Professor Schmitt, herzlichen Dank für Ihren Brief, das Corollarium und den Aufsatz, den wir in der Geistigen Welt bringen. Die Arbeit der ersten drei Monate, die sehr schwer waren, hat hier bereits einen gewissen neuen Boden geschaffen, der sich auszuwirken beginnt. Das 352  Gustav

Radbruch, wie Anm. 330. Schmitt: Das Problem der Legalität. Von Schmitt verfasste Antwort auf die Frage Kempners: „Warum sind die Staatssekretäre Hitler gefolgt?“, in: Die Neue Ordnung 5 (1950), S. 270–275. Übernommen in VA, S. 440–451. 354  Robert Kempner (1899–1993), Jurist, Staatsanwalt und als Mitarbeiter im preußischen Innenministerium. Bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen war er Stellvertreter des Chefanklägers Robert H. Jackson. Kempner verhörte Schmitt in Nürnberg. Siehe Helmut Quaritsch: Carl Schmitt. Antworten in Nürnberg, wie Anm. 228. 353  Carl

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Briefe Nr. 56–57

team wächst langsam zusammen und es trägt wie von selber wieder konservative Züge. Fried, Dähnhardt, – ab Februar Höpker355 von Christ und Welt und einige Zeit später auch Wirsing356; Mehnert357 für Russlandfragen. In Bonn Schröder. Es wird allerdings noch einige Zeit dauern, bis das Blatt ganz fit ist, aber wir können es abwarten, da wir inzwischen fortlaufend in der Auflage steigen. Ich kann mich, nachdem ich 12–14 Stunden täglich arbeitete, nun bereits langsam wieder etwas entlasten. Das wurde hohe Zeit, denn mit 54 Jahren ist man nicht mehr 25 alt. Natürlich ist es vielen ein Ärger, dass ich hier sitze, und es ist auch – wie üblich – geschossen worden. Aber das ist heute belanglos geworden und zum zweiten Mal wird man nicht von derselben Stelle abgeschossen. Ich hätte Sie gern gesehen und gesprochen. Auch wäre ich Ihnen sehr dankbar für Tipps und Hinweise, was wir anders und besser machen sollten. Wenn ich über Plettenberg komme, besuche ich Sie bestimmt. Aber wann komme ich über Plettenberg? Nehmen Sie jedenfalls bis dahin unsere herzlichen Grüße und alle guten Wünsche für das neue Jahr, Wie immer Ihr Hans Zehrer

Nr. 57 Rudolf Augstein an Carl Schmitt, 16. Januar 1954 Hochverehrter, lieber Herr Professor! Ich bin sehr froh, von Ihnen eine deutliche Kritik zu hören. Anteilnahme ohne Kritik hat immer etwas Fragwürdiges. 355  Wolfgang Höpker (1909–1989), Nationalökonom, Geograf und Journalist, Schüler von Karl Haushofer war von 1934 bis 1945 politischer Redakteur bei den Münchner Neuesten Nachrichten. 1948 war Höpker einer der Gründungsmitglieder der Redaktion bei Christ und Welt. Dort blieb er auch nach der Fusion von Rheinischer Merkur mit der Deutschen Zeitung als außenpolitischer Korrespondent. 356  Giselher Wirsing (1907–1975), wie Anm. 208. 357  Klaus Mehnert (1906–1984), Journalist und Politologe, leitete von 1931–34 und von 1951–76 die Zeitschrift Osteuropa. Mehnert lebte zwischen 1934 und 1936 in der UdSSR, zwischen 1936 und 1941 in den USA, anschließend bis zum Kriegsende in China. Nach dem Krieg arbeitete er zunächst als Journalist, ab 1961 war er Ordinarius in Aachen.



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Den Fehling-Artikel halte ich nicht für einen guten Artikel. Er gehört unter die Rubrik „Menschliches – allzu Menschliches“. Das Problem selbst, das damit angerührt wurde, sehe ich anders. Fehling hat zu Recht viele gute Freunde, darunter ausgesprochene Mäzene. Diese Leute sollten ihm auf schonende Weise in einem Sanatorium eine Zwangserholung vermitteln. Sollte es dahin kommen, so hat der Spiegel-Artikel dazu beigetragen, obwohl das in erster Linie nicht beabsichtigt war. Hier ist ja kein berühmter Regisseur abgeschossen worden, wie Sie mir vorwerfen. Wenn der Spiegel etwa heute ausgrübe, dass Herr Gründgens358 Rezeptfälschungen begangen hätte (ich bin sicher, dass das nicht der Fall ist), dann hätten Sie recht. Dann hätte der Spiegel einen großen Theatermann abgeschossen, und das wäre unverantwortlich. Hier liegt es anders. Ein großer Theatermann ist für sich selbst nicht mehr voll verantwortlich, und es findet sich niemand, ihn freundschaftlich zu isolieren. Fehling ist viel zu krank, als dass man Steine auf ihn werfen könnte. Aber es ist nicht damit getan, ihm Liebe und Verehrung mit den Lippen zu bezeigen. Wenn ein Mann so sehr zum öffentlichen Ärgernis geworden ist, dann müssen seine Freunde ihm helfen. Bedauerlicherweise ist ein normaler Zeitungsbericht in solchen Fällen nicht in der Lage, die Gewichte und Akzente richtig zu verteilen. Mindestens unser Bericht hat das nicht getan. Er hat konstatiert, und wenn Sie so wollen, war das eine Sünde. Ihr Motiv, verehrter Herr Professor, erkenne ich völlig an. In der Endbeurteilung bin ich anderer Meinung. Fehling ist leider durch seine Erkrankung ein öffentliches Ärgernis geworden, und ein öffentliches Ärgernis heilt man nicht dadurch, dass man es mit dem Mantel der Liebe zudeckt. Wenn ich Ihnen sage, dass die Berliner Taxichauffeure Fehling nicht mehr befördern, dann mag Ihnen das zeigen, wie weit es mit diesem genialen Mann inzwischen gekommen ist. Die Berliner Taxifahrer würden einen alten, verzweifelten Mann, der früher einmal den Namen Berlins in der Welt vertreten hat, kostenlos dreimal um die Stadt fahren, wenn Fehling nicht völlig unzurechnungsfähig geworden wäre. Diesem Faktum sollte man ins Gesicht sehen und danach sollte man handeln. Ich würde mich außerordentlich freuen, wenn ich mit Ihnen einmal wieder eine Stunde beisammensitzen könnte als Ihr Ihnen ergebener 358  Gustav Gründgens (1899–1963), Schauspieler, Regisseur und Intendant. Gründgens war eine der tragenden Figuren der Schauspielkunst in der Hitlerzeit. Nach 1945 Generalintendant der Städtischen Bühnen in Düsseldorf, von 1955–1961 Intendant des Schauspielhauses in Hamburg.

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Briefe Nr. 58–59

Nr. 58 Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 28. Juli 1954 Lieber Herr Augstein, erinnern Sie sich an unser erstes Gespräch (in Bonn bei Wiesel (?) Februar 1951)? Es hat in mir weiter rumort und ist jetzt fertig geworden, wenigstens ein Anfang. Der Frankfurter Sender hat es neulich gesendet, gedruckt soll es bei Neske in Pfullingen (Württemberg)359 erscheinen. Ich möchte Ihnen den Umbruch schicken lassen, wenn es Sie interessiert. Eben sehe ich nämlich, dass die Zeit etwas daraus abgedruckt hat.360 Es steht aber noch viel mehr darin, vor allem über das eigentliche Thema unseres damaligen Gesprächs (Macht an sich böse oder gut?) Ihr alter Carl Schmitt

Nr. 59 Heinz Friedrich361 an Carl Schmitt, 8. August 1954 Lieber Herr Professor, schönen Dank für Ihren Brief vom 3. August. In der Tat würde mich der Aufsatz von Professor Enrique Tierno Galvan362 zum Fall Benito Cereno außerordentlich interessieren. Falls Sie eine Abschrift dieses Aufsatzes ent359  Carl Schmitt: Gespräche über die Macht und den Zugang zum Machthaber, zuerst erschienen in Pfullingen 1954. 360  Im Vorraum der Macht, in: Die Zeit vom 29. Juli 1954. 361  Heinz Friedrich (1922–2004), Journalist, arbeitete für den Hessischen Rundfunk, der 1951 ein Rundfunkgespräch zwischen Walter Warnach und Carl Schmitt sendete. Friedrich und Schmitt kannten sich seit 1954 persönlich. Friedrich wechselte später ins Verlagswesen und baute in den 1960er Jahren den dtv-Verlag auf. Er war einer der Sprecher in Schmitts Hörspiel „Gespräche über die Macht und den Zugang zum Machthaber“, das später als Buch erschien. Siehe auch Heinz Friedrich an Carl Schmitt vom 8. August 1954. Schmitt und Friedrich korrespondierten bis in die 1970er Jahre. Schmitt verfasste für das Abendstudio des Hessischen Rundfunks einen zweiten Dialog, „Der Aufbruch ins Weltall – Ein Gespräch zu Dritt über die Bedeutung des Gegensatzes von Land und Meer“, gesendet am 12. April 1955, abgedruckt in Christ und Welt vom 23. Juni 1955, S. 9–10 und in Carl Schmitt: Staat, Großraum, Nomos, wie Anm. 18. 362  Enrique Tierno Galván: Benito Cereno o el mito de Europa. Cuadernos Hispanoamericanos 36 (1952); deutsche Fassung „Benito Cereno und der Mythos Europa“, in Epirrhosis – Festgabe für Carl Schmitt, hrsg. von Hans Barion u. a., Berlin 1968, S. 345–356.



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behren können, wäre ich Ihnen für die Übersendung außerordentlich dankbar. Das Manuskript Cereno können Sie behalten. Vor allem freue ich mich, dass Sie Gefallen daran finden, in meinem Abendstudio auch weiterhin mitzuarbeiten. Die Form des Gesprächs, die Sie bei „Prinzipien der Macht“363 gewählt hatten, hat sich ausgezeichnet bewährt. Es wäre nett, wenn Sie auch bei späteren Ausarbeitungen diese Form beibehalten könnten. Die neuen Themen, die Sie mir vorschlagen, sind interessant. Allerdings darf ich Ihnen nicht verhehlen, dass das Technik-Thema im AbendstudioProgramm augenblicklich schwierig zu platzieren ist, weil wir schon mehrfach auf diese Problematik eingegangen sind. Vielleicht deuten Sie mir aber kurz an, welche Gesichtspunkte Sie bei der Behandlung des Themas wählen können. Möglicherweise rechtfertigen diese Gesichtspunkte die nochmalige Aufnahme der Diskussion. Ein Gespräch über den gerechten Krieg halte auch ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt für etwas delikat, obgleich es mich außerordentlich reizen würde, Ihre Einstellung, sehr verehrter Herr Professor, zu diesem Thema kennen zu lernen. Es wäre sehr nett, wenn Sie mir neben etwas näheren Angaben über das Technik-Thema noch einen zweiten Titel vorschlagen würden, damit ich wählen kann. Ich bin, mit sehr herzlichen Grüßen und nochmals herzlichem Dank für Ihre liebenswürdige Bereitschaft, Ihr sehr ergebener Nr. 60 Carl Schmitt an Hans Fleig364, 13. November 1954 Lieber Dr. Hans Fleig, vielen Dank für die Broschüre365 und die freundliche Widmung! Sie können sich denken, mit welcher Ergriffenheit ich sie Zeile für Zeile gelesen 363  Siehe hierzu Carl Schmitt: Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber, Stuttgart 2008. 364  Hans Fleig (1916–1988), Schweizer Journalist, war von 1948–1950 Londoner Korrespondent der Tat aus Zürich, ab 1951 Leiter des Auslandsressorts des gleichen Blattes. Infolge von Differenzen schied er 1961 aus der Redaktion der Tat aus und arbeitete als Auslandsredakteur der Zürcher Woche. Es folgten verschiedene Stationen auch in Westdeutschland. Von 1954 bis 1961 war er Russland-Kommentator des Schweizer Rundfunks. Schmitt und Fleig kannten sich über Armin Mohler. 365  Hermann Rauschning; Hans Fleig; Margret Boveri und J. A. von Rantzau: … mitten ins Herz. Über eine Politik ohne Angst, Berlin 1954.

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Brief Nr. 60

habe. Es wird allmählich Zeit, dass wir uns wiedersehen und in Ruhe sprechen. Ich schicke Ihnen gleichzeitig als Drucksache das neu erschienene (gegenüber 1941 minimal veränderte) Reclam-Heftchen „Land und Meer“. Sie kennen es zwar schon, aber nach der Lektüre Ihrer Aufsätze aus dem letzten Jahre ist mir das unheimliche Wort „neutropassiv“ auf S. 48 des Reclam-Heftchens wieder von neuem aufs Herz gefallen. Das Wort stammt aus der Einleitung zu einem Dokumenten-Band zur Vorgeschichte des dreißigjährigen Krieges. Haben Sie den Aufsatz über Benito Cereno von Nicolaus Sombart366 bemerkt in der Sonnabend / Sonntag Ausgabe der FAZ vom 30. Oktober? Er steht im Schutz und Schatten des Feuilletons. Stände er an anderer Stelle, so hätte es wohl einen enormen Krach gegeben.367 Dann wollte ich Sie noch wegen des Buches von Winfried Martini „Das Ende aller Sicherheit“ fragen und auf die Freiburger Zeitschrift Gegenwart hinweisen, in der Dolf Sternberger368 den Verfasser abgekanzelt hat. Sternberger, der sich als Vestalin des Prinzips der freien Diskussion aufspielt, hat sich hier als ein kleiner, verknitterter Rechthaber des Majors entpuppt. Martini soll in der letzten Nummer der Gegenwart geantwortet haben. Ich habe es noch nicht gelesen. Ihre Besprechung des Gesprächs über die Macht hat mich unendlich erfreut. Ich muss Ihnen noch eine schöne Widmung in Ihr Exemplar schreiben und habe deren – nämlich der schönen Widmungen – mehrere zur Hand, deren Auswahl das Thema eines herrlichen, weiteren Gespräches zwischen uns beiden werden könnte. Übrigens wird der NWDR (Köln) am Montag, den 22. November, abends 22.10 Uhr das Gespräch noch einmal senden, vorausgesetzt, dass kein Querschuss kommt. Es wird, wie im Frankfurter Sender, von zwei Berufssprechern gesprochen. Das Original, wovon ich eine Tonbandaufnahme habe, ist ein Gespräch zwischen Anima und mir und wirkt durch den Wechsel von männlicher und weiblicher Stimme lebendiger, zumal dieser phonetische Wechsel zugleich den Unterschied von eines 366  Nicolaus Sombart (1923–2008), Soziologe. Der Sohn des Soziologen Werner Sombart kannte Schmitt seit Kindertagen. Er stand lange unter seinem Einfluss, distanzierte sich aber zunehmend und schrieb nach dem Tod Schmitts eine Abrechnung mit seinem Lehrer unter dem Titel „Die deutschen Männer und ihre Feinde“. Bei dem Aufsatz handelt es sich um „Benito Cereno – ein Mythos? Ein erdachtes Gespräch“, FAZ vom 30. Oktober 1954. 367  Siehe hierzu auch den Carl Schmitt an Armin Mohler unter demselben Datum von 13. November 1954, in: BW Mohler. 368  Dolf [Adolf] Sternberger (1907–1989), Publizist und Politikwissenschaftler, war einer der Intimfeinde Schmitts nach 1945. Sternberger gab die Zeitschrift Gegenwart heraus und arbeitete für die FAZ und als Rundfunkkommentator.



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Greises milder Weisheit und eines Kindes reizendem Unverstand zum Inhalt hat. Ich kann mir denken, welche Stürme Ihre Besprechung innerhalb der Tat entfesselt hat. Mit herzlichen Grüßen und Wünschen und immer wieder auf ein Gespräch mit Ihnen hoffend, bleibe ich Stets Ihr alter Nr. 61 Carl Schmitt an Ernst Forsthoff, 19. November 1954369 Lieber Herr Forsthoff, Ihre beiden Abhandlungen habe ich mit großem Dank erhalten und sorgfältig gelesen. Der eigentliche Sinn Ihrer Thesen vom sozialen Rechtsstaat ist mir allmählich klar geworden. Freilich rückt damit auch die Frage des Verfassungsvollzugs immer schärfer in den Mittelpunkt. Es besteht die Gefahr, dass Verfassungsrecht und Verwaltungsstaat als status quo und Entwicklung, als Reaktion und Fortschritt einander gegenüber gestellt werden. Das Problem der vollzugsreifen Norm wird dadurch immer dringlicher. Gesetz und Gesetzgeber erweisen sich eher als Instrument des Verwaltungs-Komplexes in seinem weitesten sozialen Sinne, denn als Hüter der Verfassung. Ich würde mich freuen, wenn Sie im Laufe der Monate oder des nächsten Jahres einmal eine Gelegenheit finden würden, mit mir in Ruhe darüber zu sprechen. Inzwischen scheint sich aus Anlass des Buches von Winfried Martini „Das Ende aller Sicherheit“370 eine andere Kontroverse zu entwickeln. Was darüber in der Gegenwart steht, ist wohl nur ein Anfang.371 Ich 369  Abgedruckt

in BW Forsthoff, S. 108 f. Martini: Das Ende aller Sicherheit. Eine Kritik des Westens, Stuttgart, 1. Aufl. 1954, 2. Aufl. 1955. 371  Dolf Sternberger: Das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Lehren und Irrtümer eines aufrechten Defaitisten der Demokratie, in: Gegenwart 9 (1954), S. 687–690. Eine Antwort von Martini in Gegenwart 9 (1954), S. 722–724. Die Zeitschrift Gegenwart war durch Max von Brück, Benno Reifenberg, Herbert Küsel oder Friedrich Sieburg personell eng mit der Frankfurter Zeitung und den Weimarer Jahren verbunden. Sie gehörte mit einer Auflage von drei- bis fünftausend Exemplaren in eine Reihe mit den von Eugen Kogon und Walter Dirks herausgegebenen Frankfurter Heften, dem Merkur oder Die Wandlung von Karl Jaspers. Die Zeitschrift Der Monat von Melvin Lasky, die ebenfalls zu den einflussreichen Zeitschriften der 1940er und 1950er Jahre gehörte, erreichte eine wesentlich höhere Auflage und gelangte als einzige intellektuelle Zeitschrift in den Zeitungsvertrieb. 370  Winfried

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Briefe Nr. 61

hörte, dass ein Journalist, auf dessen Urteil ich sehr viel gebe (ein Ausländer, dessen Name ich Ihnen gelegentlich mitteile), der Meinung ist, das Buch Martinis sei ein Vorstoß zu Gunsten Adenauers und in Richtung auf einen neuen Art. 48. Das hat mich sehr verblüfft und ich möchte gerne wissen, ob Sie einen ähnlichen Eindruck haben. Für mich ist es jedenfalls ein Grund mehr, mich sorgfältig aus der Sache herauszuhalten. Auch wird Sie interessieren, dass die Redaktion der Zeit in dem Aufsatz von Gottfried Salomon372 über das Buch Martinis (Nr. vom 4. November 1954) eine Streichung vorgenommen hat. Salomon hatte im Manuskript am Schluss geschrieben, er wisse „seit Carl Schmitt“ kaum ein Buch zu nennen etc. Die Redaktion hat das „seit Carl Schmitt“ gestrichen. Offenbar will er sich nicht dem Vorwurf des Neofaschismus aussetzen. Im Zusammenhang mit dem Ausscheiden der Gräfin Dönhoff aus der Zeit ist das sehr symptomatisch. Mir tut es leid, dass Tüngel einen so schweren Stand hat. Ich habe seit August kein Wort mehr von ihm gehört und halte mich natürlich ganz zurück. Über das Buch Herbert von Borch „Obrigkeit und Widerstand“ habe ich eine kurze Besprechung von dreißig Zeilen geschrieben für die Zeitschrift „Das Historisch Politische Buch“ (Göttingen). Ich hätte mich gerne ausführlicher geäußert, denn ich halte es für ein bedeutendes Buch. Dass es von Alfred Weber beeinflusst ist und meine Arbeiten, trotz offensichtlicher Kenntnis, in der dreistesten Weise totschweigt, ändert nichts an diesem Urteil. Wer ist Herbert von Borch? Er schreibt jetzt öfters Leitartikel in der FAZ. Mir fällt angenehm auf, das er Ihren Tymbos-Aufsatz über die Tugend kennt und auf intelligente Weise zitiert. In der Züricher Tat hat Hans Fleig eine panegyrische Besprechung über die Macht veröffentlicht (am 19. Oktober). Gut, dass ich den entsetzlichen Krach nicht zu hören brauchte, den das in der Redaktion gegeben haben muss. Ich wünsche Ihnen, Ihrer verehrten Frau, Ihrer verehrten Mutter und allen vier Kindern gute Gesundheit und Zufriedenheit und bin Ihnen von Herzen dankbar, dass Sie meine Tochter Anima so freundlich aufnehmen, wenn diese sich bei Ihnen zeigt. Vor allem wünsche ich Ihnen, lieber Herr Forsthoff, guten Erfolg für Ihre berufliche und wissenschaftliche Arbeit. Nochmals besten Dank für die beiden Separata! Stets Ihr alter und getreuer 372  Gottfried Salomon Delatour (1896–1964), Soziologe, lehrte bis 1933 in Frankfurt a. M. und stand bis 1931 in brieflichem Kontakt mit Schmitt. Er emigrierte 1933 nach Paris, 1941 in die USA (New York). 1958 kehrte er nach Frankfurt zurück.



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Nr. 62 Carl Schmitt an Rudolf Augstein, Januar 1955373 Lieber Herr Augstein, seit langem habe ich den Wunsch, Ihnen die Bekanntschaft mit Donoso Cortés zu vermitteln. Ich meine, ein Publizist Ihres Ranges und Ihrer Situa­ tion müsste etwas von ihm wissen. So schicke ich Ihnen denn das beiliegende Büchlein374 aus dem Jahre 1950. Es wird Sie interessieren, dass die 1953 erschienene spanische Ausgabe von Ángel López Amo375 mit einem höchst aufschlussreichen (Donoso Cortés legitimistisch deutenden) Vorwort versehen worden ist.376 Angel Lopez-Amo ist der Erzieher und jetzt der Begleiter des Prinzen Juan Carlos, er war auch bei ihm neulich in Madrid (vgl. Le Monde Nr. 3106, vom 19.1.55, p. 12). Ich habe Ihnen eine Widmung in das Büchlein geschrieben und einiges angestrichen, für den eiligen Leser. Doch bitte ich, mich nicht mit Donoso zu identifizieren, wie das ein böswilliger Verfolger wie Ernst Niekisch377 getan hat (wichtig wegen Seite 49). Ich traf einen Herrn Schmelz (habe ich den Namen richtig verstanden) vom Spiegel, bei dem Winfried-Martini-Vortrag im Rhein-Ruhr-Club in Essen, vorigen Mittwoch. Leider konnte ich nicht eingehend genug mit ihm sprechen. Ich hätte das wegen Ihres Martini-Aufsatzes im Monat378 gern getan. Mit den besten Grüßen Ihr alter Carl Schmitt Datum, Posteingang beim Spiegel 15. Januar. Schmitt: Donoso Cortés in gesamteuropäischer Interpretation. Vier Aufsätze, Köln 1950. 375  Ángel López Amo (1917–1956), spanischer Jurist und Philosoph. 376  Carl Schmitt, Interpretación europea de Donoso Cortés (Traducción de Francisco de Asís Caballero, con un Prólogo de Ángel López Amo), Madrid 1952. 377  Ernst Niekisch (1889–1967), Volksschullehrer und Politiker, war Mitglied der USDP und der SPD und entschiedener Gegner Hitlers. 1937 verhaftet und zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach 1945 engagierte er sich im neu geschaffenen Kulturbund der DDR und war Abgeordneter der Volkskammer. 1955 trat er aus der SED aus und zog sich ins Privatleben zurück. In seinen Memoiren Das Reich der niederen Dämonen (1953) hatte Niekisch grob antisemitische Passagen des Historikers Johann von Leers fälschlicherweise als Schmitt-Zitate überliefert. Siehe BW Mohler, S. 160. 378  Rudolf Augstein: Stimmzettel gegen Recht und Freiheit? Zu W. Martinis „Das Ende aller Sicherheit“, in: Der Monat 76 (1955), S. 362–365. Augstein kritisierte an dem Buch vor allem, dass Martini den Einfluss des Wählers in bestimmten politischen Bereichen einschränken wollte. Augstein sah im „Spiel des Stimmzettels“ hingegen das letzte Mittel, Macht zu begrenzen. 373  Ohne 374  Carl

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Briefe Nr. 63–64

Nr. 63 Rudolf Augstein an Carl Schmitt, 3. Februar 1955 Lieber, sehr verehrter Herr Professor Schmitt! Das trifft sich ausgezeichnet, Donoso Cortés war mir in den letzten Wochen aufgefallen, als ich mich mit Bakunin379 und den Ereignissen von 1848 beschäftigte. Es war lieb von Ihnen, mir Stellen anzustreichen, aber ein so eiliger Leser bin ich denn doch nicht. Ich habe das Büchlein in zwei Stunden beinahe atemlos durchgelesen und mir gleichzeitig Anmerkungen gemacht. Selbstverständlich wäre es für mich eine große Mühe gewesen, den originalen Donoso zu lesen. Was wichtig und für mich wissenswert ist, habe ich so im Extrakt. Vielen herzlichen Dank! Vieles liest sich erstaunlich, obwohl nicht zu verkennen ist, wie sehr die genialsten Erkenntnisse des 19. Jahrhunderts an der Soziologie des 20. Jahrhunderts vorbeigehen und notwendig vorbeigehen müssen. Ich habe zur Zeit eine nichtjournalistische Arbeit vor, von der ich noch nicht weiß, wohin sie mich bringen wird und ob sie mich überhaupt irgendwo hinbringt. In das Schema dieser Arbeit passt Donoso Cortés. Darf ich mich gelegentlich an Sie wenden, wenn ich Literaturnachweise zu gewissen Fragenkomplexen benötige? Sie haben mir eine große Freude gemacht. In aufrichtiger Ergebenheit, Ihr

Nr. 64 Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 13. April 1955 Lieber Herr Augstein, beinahe hätte ich Ihnen schon im März geschrieben, unter dem großen Eindruck des Jens-Daniel-Aufsatzes über den „Symbolischen Soldaten“380 379  Michail Alexandrowitsch Bakunin (1814–1876), russischer Revolutionär und Mitbegründer der anarchistischen Bewegung. Bakunin war Gegenspieler von Karl Marx in der kommunistischen Internationale und nahm aktiv an den Erhebungen in Paris, Prag und Dresden in den Jahren 1848 teil. 380  Jens Daniel: Der symbolische Soldat, in: Spiegel vom 23. März 1955. Augstein schrieb über Churchill, er sei zwar für die Wiederbewaffnung Westdeutschlands eingetreten, habe im Grunde damit aber die Teilung Deutschland zementieren wollen. Man dürfe ferner nicht vergessen, so Augstein, dass Churchill eine der zentralen Figuren bei der Liquidierung Preußens war.



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und des Donoso Cortés Zitates381, mit dem Sie ein Tabu berührt haben. Dann wollte ich Ihnen meinen Aufsatz aus der Ernst Jünger-Festschrift382 schicken. Beides ist nicht zustandegekommen. Jetzt aber drückt mir der unwahrscheinliche Konnersreuth-Aufsatz383 Ihrer letzten Nummer mit dem Bild des JEIA-Vertreters384 die Feder in die Hand. Am kommenden Montag, den 18. April, ist nämlich beim Landgericht Koblenz Termin in einer Sache GAWI (Inkassobevollmächtigter der Bundesrepublik in deren Eigenschaft als Rechtsnachfolger der JEIA) gegen Lebensmittel-Transport-Ring Rheinland-Pfalz. Der Prozess schwebt seit Jahren und ist unter den vielen GAWI385-Prozessen einer der interessantesten. Können Sie nicht einen Ihrer Vertreter hinschicken? Er würde sich allerdings, um die Plädoyers zu verstehen, am besten vorher informieren, z. B. bei Rechtsanwalt Schroer, dem Anwalt der Beklagten. RA Schroer ist bis Freitag Mittag in Wuppertal E., Friedrich-Ebert-Straße 121, Tel. Kanzlei 38098 (Privat: 35564) zu erreichen; ab Freitag Abend Koblenz, Hotel Kleiner Riese, am besten Sonntag 17.4. in Koblenz. Ich habe keinerlei privates – auch kein Anwalts- – Interesse an der Sache, aber vielerlei juristisches; sonst würde ich Ihnen nicht schreiben. Es wurmt mich immer noch etwas, dass Sie mein „Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber“ nicht in seiner höllischen Aktualität erkannt haben. Wo Besatzungsmächte unmittelbar regieren, wird das Problem des Zugangs zum Machthaber und seinen Vorzimmern so abenteuerlich, wie in Ihrem Konnersreuth-Aufsatz zu lesen. Es gibt eine riesengroße Literatur über die 381  Augstein schrieb, Schmitt zitierend: „Die EVG war auch von deutscher Seite aus ein Komplott gegen das zerstückelte Preußen, gegen das Land, von dem der erzkonservative Philosoph Donoso Cortés, spanischer Gesandter in Berlin um das Jahr 1848, gesagt hat, es werde mit dem Protestantismus wachsen und vergehen. Er und nur er sei das Geheimnis von Preußens Leben und werde das Geheimnis von Preußens Tode sein.“ 382  Carl Schmitt: Die geschichtliche Struktur des heutigen Weltgegensatzes von Ost und West. Bemerkungen zu Ernst Jüngers Schrift „Der gordische Knoten“, in: Armin Mohler (Hrsg.): Freundschaftliche Begegnungen. Festschrift für Ernst Jünger zum 60. Geburtstag, Frankfurt a. M. 1955, S. 135–167, wiederabgedruckt in Staat, Großraum, Nomos S. 523–551. 383  Konnersreuth war ein Wallfahrtsort in der Oberpfalz. Resl von Konnersreuth war 1925 von einem Rückgratleiden und einem gelähmten Fuß durch ein vermeintliches Wunder geheilt worden. In dem Artikel geht es um einen Kreis von CSUPolitikern, die 1948 in Konnersreuth verabredeten, die Parteikasse durch illegalen Weinimport aus Italien zu füllen. Die Einfuhr von Alkohol war damals durch die Joint Export Import Agency (JEIA) genehmigungsfähig. Siehe: Wer ist schuldig?, in: Spiegel vom 13. April 1955, ohne Verfasserangaben. 384  Die Joint Export Import Agency (JEIA) war eine Außenhandelsbehörde der westlichen Besatzungsmächte in Frankfurt am Main. Sie wurde 1950 abgewickelt. 385  Deutsche Wirtschaftsförderungs- und Treuhand GmbH.

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Briefe Nr. 64–65

„Macht“, philosophisch, theologisch, historisch, soziologisch etc. etc. Aber keiner [sic!] hat bisher diesen einfachen Schlüssel gefunden: Problem des Zugangs zum Machthaber. Und Sie schreiben mir, das verständen breitere Schichten nicht? Das versteht jede Stenotypistin und jeder Lobbyman! Unveränderlich Ihr alter Carl Schmitt Nr. 65 Rüdiger Altmann386 an Carl Schmitt, 12. September 1955 Sehr verehrter, lieber Herr Professor! Vor kurzem erschien Herr Gross in unserer neuen Wohnung, um in Ihrem Auftrag einen Strauß wunderschöner Teerosen zu überreichen. Sylvia und ich haben uns über diese große Aufmerksamkeit sehr gefreut und danken Ihnen herzlich für Ihre guten Wünsche! Wir haben ein paar schöne Urlaubswochen in Kärnten am Ossiacher See verbracht. Zurückgekehrt fand ich Ihren Brief mit der interessanten Gegenüberstellung von Obskurität und Publizität, ein Thema, das einer genauen Durchleuchtung wert wäre. Die Formel von Rivarol387 ist so situations­ adäquat, dass man sie ohne weiteres am Beispiel des modernen Verkehrs exemplifizieren könnte. Wer sich nachts einmal als Fußgänger auf einer viel befahrenen Landstraße bewegen musste, weiß in der Tat, dass der dunkle Abseitsweg Schutz vor dem „gleißenden Scheinwerferlicht (wie Sie selbst in Ihrer Antwort auf einen Rundfunkvortrag Karl Mannheims388 gesagt haben) der Öffentlichkeit“ gewähren kann. 386  Rüdiger Altmann (1922–2000), Jurist, Publizist und politischer Berater, kannte Schmitt, seit er als Kriegsverwundeter 1943 in Berlin stationiert war und bei Schmitt Vorlesungen besuchte. Mitte der 1950er Jahre publizierte Schmitt unter Pseudonym Artikel und Glossen in der Studentenzeitschrift Civis, die Altmannn zusammen mit Johannes Gross herausgab. 387  „L’obscurité protège mieux que la loi“; über die Übersetzung von ‚obscurité‘ stritt Schmitt mit Ernst Jünger, siehe BW Jünger, S. 279 und 291. An Forsthoff schrieb Schmitt am 26. September 1955: „Ich dachte, obscurité hieße: Verborgenheit, Dunkel etc. Jünger versteift sich auf Niedrigkeit. Aber Niedrigkeit ist doch etwas anderes, basesse. Offenbar will er gerade das hineinlegen, aber es liegt doch nicht darin. [Übrigens: die Abdrängung aus der Öffentlichkeit in das Dunkel ist doch eine der furchtbarsten Entrechtungen und Entziehungen des Schützens. Ich denke, dass Altmann darüber etwas sagen muss. Interessant. Öffentlichkeit als Gegenbegriff gegen Privat; und Ö als Gegenbegriff gegen Geheim!]“ Siehe BW Forsthoff, S. 114. 388  Carl Schmitt: Antwortende Bemerkungen zu einem Rundfunkvortrag von Karl Mannheim (1945 / 46), in: ECS, S. 22.



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Aber die Obskurität kann weder das Geheime noch das Private in sich aufnehmen, sie enthält lediglich das bloße Verbergen und deshalb nur die Negation der Öffentlichkeit – sie ist anonym und noch nicht einmal echtes Asyl. Trotzdem bleibt die Frage, wie weit diese moderne Öffentlichkeit Schutz gewähren kann. Das ist ja wohl auch die Problematik, die sich für Arndt389 aus meiner Darstellung ergibt. Ich werde Herrn Arndt selbst noch antworten. Seine Kritik ist durchaus nicht unberechtigt: Mein Öffentlichkeitsprinzip ist sehr formalistisch; es hat zugegebenermaßen auch die Aufgabe, zu „liquidieren“, in Fluss zu bringen. Aber wo ist Arndts immer wieder verteidigter Staatsbegriff? Wo ist seine Staatsidee? Will er wieder zu Smends Integrationslehre zurückkehren, der Staatsidee und Integrationsprozess verbinden will? Hat er vergessen, wie viel „Staaten“ unsere Verfassung schon beherbergt: Parteienstaat, Verwaltungsstaat, Sozialstaat usw.? Ich will auf eine politische Verfassungslehre hinaus, die die politisierte Gesellschaft, in der „man nicht mehr weiß, was Staat und was Gesellschaft ist“ (Carl Schmitt) in sich aufnimmt. Kernproblem: Das Problematischwerden der Willensbildung in der modernen Demokratie. Das wird ja auch zur eigentlichen Frage meiner Arbeit über den Kompromiss. Bleibt aber für Arndt mehr als der rein formale Begriff des autoritären Staates, das Gerippe von Herrschaft ohne das Fleisch und Blut der Öffentlichkeit? Ich fürchte, die Wurzeln unserer politischen Ordnung liegen gar nicht so sehr in der Tiefe einer Staatsidee, sondern an der Oberfläche dieser Öffentlichkeit, mit allen ihren Gefahren und chaotischen Verflechtungen. Mag das erschreckend sein, „nihilistisch“ ist es nicht – ebensowenig wie die Liquidierung liberaler Ordnungsvorstellungen durch Ihren Begriff des Politischen. Es ist richtig, dass „jede Macht da beginnt, wo das Geheime und die Geheimhaltung beginnen“ – trotzdem ist alle Macht prinzipiell öffentlich: Die Öffentlichkeit ist das Maß der Macht; sie bemisst sich an dem Grad und Umfang der Teilnahme an ihr. Keine Macht ohne Öffentlichkeit und keine Herrschaft, wenn sie die Öffentlichkeit nicht beherrscht. Damit ist die Frage Arndts noch nicht erledigt – dazu reicht die Arbeit gewiss nicht aus. Aber mir kam es zunächst darauf an, das Phänomen in den Griff zu bekommen, auf die recherche de la réalite: Ich wollte den Staatsbegriff in den Hintergrund drängen, wenn schon kein umfassender Status mehr existiert und die Verfassung immer mehr zur konkreten Bestimmung der politischen Zeit geworden ist – einerlei ob als Kompromiss oder Plan oder beides. Ob die immer größere Ausweitung der Verfassung und die Versuche ihrer Gleichsetzung mit der Öffentlichkeit Zeichen der Stärke oder Schwäche sind, will ich zunächst dahingestellt sein lassen. Auch wird die Öffentlich389  Hans-Joachim Arndt (1923–2004), Politologe, lehrte ab 1968 in Heidelberg; zur Besprechung des Altmann-Textes durch Arndt siehe Anm. 396.

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Brief Nr. 65

keit durch „juridische“ Parteibegriffe (wie Grewe das versucht hat)390 oder den Verfassungsperfektionismus etwa des Grundgesetzes nicht notwendig justitiabler, sondern eher „monstro simile“. Trotzdem ist dieser Ausweitungsprozess meiner Meinung nach notwendig und unvermeidlich. Diese Notwendigkeit einer wenigstens formalen Legalisierung der Öffentlichkeit bis zu einer optimalen Grenze lässt sich vielleicht am besten am Beispiel des Streiks demonstrieren, ebenso an den sich immer stärker ausbildenden Verhandlungsprozeduren der verschiedenen „Sozialpartner“ und „Gegenspieler“ untereinander und mit dem Staatsapparat. In gewisser Weise hat Werner Weber391 recht, wenn er dieses Bild mit dem der ständischen Gesellschaft vergleicht. In diesem System vielfältiger Legalisierungen – die wichtigste steckt m. E. in Ihrem Begriff der institutionellen Garantie – bedarf die Illegalisierungschance als neue Gehorsamserzwingungschance besonderer Beachtung. Sie enthüllt den pseudoliberalen Charakter der geltenden Ordnung. In ihr zeigt sich der Rest des staatlichen Dezisionsanspruchs vielleicht stärker als in den positiven Deklarationen der Verfassung. Trotz aller justizstaatlichen Verhüllungen steckt in ihr eine wichtige politische Substanz. Hier beginnt die Negation jeder Art pluralistischer, revolutionärer und anderer Legitimitätsansprüche, die, wenn auch schwächliche, Verteidigung der prinzipiellen Identität von Legalität und Legitimität, ohne die keine politische Ordnung auf die Dauer existieren kann. Hier kann der innerpolitische Gegner hors la loi gesetzt und ihm die Öffentlichkeitschance genommen werden. Jedes hier ergehende Gerichtsurteil ist im Grunde keine Anwendung von Normen, sondern Ermessensentscheidung; vielleicht kann man sogar sagen, dass sich hier – im Gewande der Legalität – der Ausnahmezustand verborgen hält und zwar gefährlicher und kampffähiger als im Weimarer Rechtsstaat. Die prinzipielle Ausdehnung dieses Legalitätsanspruchs vom Staat auf die gesellschaftliche Ordnung ist es, die hier in Frage steht und sich in der Verfassung ausdrückt. Die Grundbegriffe der Verfassung sind eben deshalb Legalität und Öffentlichkeit. Zum Schluss das Wichtigste: Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie einmal zu uns nach Marburg kämen! Eigentlich wollten wir Sie bitten, wenn es möglich wäre, schon im September Marburg zu besuchen, aber Prof. Franz Walter Müller392 fährt jetzt nach Paris und kommt erst Ende September zurück. Er legt sehr großen Wert darauf, zur Zeit Ihres Besuches anwesend zu sein und bat mich, Sie zu fragen, ob Ihnen die erste Hälfte des 390  Wilhelm Grewe: Parteienstaat – oder was sonst? in: Der Monat 36 (1950), S. 563–577. 391  Werner Weber, wie Anm. 339. 392  Franz Walter Müller (1912–1998), Romanist, studierte wie Altmann und Johannes Gross in Marburg und war Schüler von Werner Krauss.



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Oktober angenehm wäre. Falls Ihnen das möglich ist, könnten Sie vielleicht einen Termin angeben, so dass wir alles entsprechend vorbereiten. Mit vielen und herzlichen Grüßen von mir und meiner Frau, auch an Herrn und Frau Kirchhoff, Ihr ergebener Rüdiger Altmann Nr. 66 Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 2. September 1956 Lieber Herr Rudolf Augstein, der Hamlet Aufsatz Ihres Spiegel ist eine vorbildliche Information.393 Das Foto ist vollkommen richtig. Ich habe mich über die Veröffentlichung sehr gefreut. Auch für das Schreiben vom 22. August danke ich Ihnen vielmals. Darf ich Ihnen hier noch die Besprechung eines jüngeren Juristen schicken, der bei der political science gelandet ist: Rüdiger Altmann, seit einigen Jahren Assistent bei Prof. W. Abendroth in Marburg. Ich finde diese Besprechung erstaunlich, vor allem in Hinblick auf den Schluss mit der orakelhaften Zitierung des Bundesverfassungsgerichts. Von jüngeren Juristen, Soziologen oder Historikern, die ich in der letzten Jahren gesprochen habe (Nicolaus Sombart, Peter Scheibert394, Reinhart Koselleck und viele andere) ist Altmann der merkwürdigste. Seine Dissertation (Das Problem der Öffentlichkeit in der modernen Demokratie)395 ist noch nicht gedruckt, hat aber schon eine bedeutende Diskussion entfaltet (Heft 2, 1956, des Archivs für Rechts- und Sozialphilosophie)396. Jedenfalls wollte ich Ihnen diesen Namen nennen, weil ich sicher bin, dass er Ihnen in absehbarer Zeit begegnen wird. Mit den besten Grüßen und aufrichtigen Wünschen für Sie und Ihre publizistische Arbeit bleibt Ihr alter Carl Schmitt. 393  Am 29. August 1956 war im Spiegel eine Besprechung unter dem Titel „Hamlet. Die Mutter ist Tabu“ erschienen, mit einem Bild von Carl Schmitt und der Bildunterschrift „König Jakob wurde hamletisiert“. 394  Peter Scheibert (1915–1995), Osteuropahistoriker, war von 1939–1945 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Auswärtigen Amt und lehrte ab 1959 in Marburg. 395  Rüdiger Altmann: Das Problem der Öffentlichkeit und seine Bedeutung für die moderne Demokratie, Marburg 1954. 396  Eine Besprechung von Rüdiger Altmanns Buch „Das Problem der Öffentlichkeit und seine Bedeutung für die moderne Demokratie“ von Hans-Joachim Arndt: Öffentlichkeit als Staatsersatz, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 2 (1956), S. 239–247.

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Briefe Nr. 67–68

Nr. 67 Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 7. Juli 1957 Lieber Herr Augstein, Goethes oft bewährter Ausspruch (aus dem August 1815 an Riemer) Die lieben Deutschen kenn ich schon, erst schweigen sie, dann mäkeln sie, dann beseitigen sie, dann bestehlen und verschweigen sie (das 5-Stadiengesetz der deutschen Öffentlichkeit)397 hat eine situationsgemäße Vereinfachung erfahren. Mäkeln und Beseitigen erübrigt sich in der Schattenwelt unserer Pseudo-Öffentlichkeit. Beleg: der Theimer-Skandal (anliegender Aufsatz). Dergleichen regt mich auf meinen alten Tag noch auf und verbindet sich mit den vielen anderen Editions(Max Weber, Kafka Spiegel Nr. 26, Rilke, Nietzsche, etc.) und Pfuscherei(Frhr. v. d. Heydte)398 Skandalen zu einem deprimierenden Gesamtbild. Aber es hat etwas Tröstliches, Ihnen, lieber Herr Augstein, das wenigstens schreiben zu können. Mit allen guten Wünschen, Ihr alter Carl Schmitt Nr. 68 Rüdiger Altmann an Carl Schmitt, 9. Oktober 1957 Sehr verehrter und lieber Herr Professor, leider habe ich soeben den Vortrag von Herrn Warnach399 aus Stuttgart nicht hören können: entweder hat George Schwab400 mir eine falsche Zeit 397  Goethe an Friedrich Wilhelm Riemer, 29. August 1816, Artemis-GedenkAusgabe, Bd. 22, S. 863. 398  Friedrich Freiherr von der Heydte (1907–1994), General der Wehrmacht, Reserveoffizier der Bundeswehr und CSU-Politiker. Er löste mit einer Anzeige 1962 die sogenannte Spiegelaffaire aus, die zur Verhaftung von Rudolf Augstein führte. 399  Walter Warnachs sprach am 9. Oktober 1957 im Süddeutschen Rundfunk über Peter Schneider, Ausnahmezustand und Norm. Siehe BW Forsthoff, S. 422. 400  George Schwab (1931), Historiker, hielt seit Mitte der 1950er Jahren engen Kontakt zu Schmitt. Schwab lehrte an der University of New York und war Präsi-



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angegeben oder der Radioapparat war nicht zuverlässig. Ich bedaure das sehr, denn es wäre doch gut gewesen, die Wirkung des gesprochenen Wortes zu spüren. Jedenfalls bin ich auf den Erfolg gespannt. Den Aufsatz selbst finde ich sehr schön, aber ist es richtig, einem so schlechten Buch so viel Aufmerksamkeit zu widmen? Auf diese Weise über C. S. diskutieren heißt beinahe, wie de Maistre sagt, die Wissenden beleidigen und den Unwissenden zuviel Ehre antun. Ich stimme aber dem Inhalt bis auf zwei Punkte zu: 1)  Die Verwendung des „Feind“-Begriffs als Ausgangsort für eine mögliche Auseinandersetzung (wenn schon, hätte der Name Lukácz nicht vergessen werden dürfen). 2)  Die Fragen nach dem Schuldbekenntnis konnten außerhalb jeder Erörterung bleiben. Gerade durch die Erörterung zu 2) wird der Stil Warnachs zu weich, angesichts der Härte und Schärfe Ihrer eigenen Sprache fast ein wenig zu sentimental. Dabei wird mir klar, dass diese Auseinandersetzung solange außerordentlich schwierig bleiben wird, wie uns eine Geschichte Deutschlands seit 1918 fehlt (das Buch von Bracher401 ist zu schwach, das von Rosenberg402 war eine fragmentarische Skizze). Am besten ist noch die „Incertidudes d’Allemagne“ von Pierre Viénot.403 Nicht dass Agressivität eine bessere Alternative wäre, aber etwas mehr lateinische Härte. George Schwab erzählte mir von den Seminaren über „Gefahr und Sicherheit“ und dem unglücklichen Auftreten Gehlens404; ich halte ihn gleichwohl für einen unserer besten Soziologen. Auch das etwas komisch betiteldent des National Commitee on American Foreign Policy. 1970 erschien bei Duncker & Humblot das Buch „The Challenge of the Exception. An Introduction to the Political Ideas of Carl Schmitt between 1921 and 1936“. Die Arbeit war als Dissertation vorgesehen, wurde von der Universität New York aber zunächst abgelehnt. Siehe hierzu George Schwab: Carl Schmitt through a glass darkly, in: Schmittiana 1 (1988), S. 70–87. 401  Karl Dietrich Bracher: Die Auflösung der Weimarer Republik. Eine Studie zum Problem des Machtverfalls in der Demokratie, Stuttgart 1955. 402  Arthur Rosenberg: Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik, Frankfurt a. M. 1955. 403  Pierre Viénot: Incertitudes allemandes, Paris 1931. Die deutsche Ausgabe hieß: Ungewisses Deutschland. Zur Krise seiner bürgerlichen Kultur, Frankfurt a. M. 1932. Neu hrsg., eingeleitet und kommentiert von Hans Manfred Bock, Bonn 1999. 404  Arnold Gehlen (1904–1976), Philosoph und Soziologe, übernahm in Frankfurt a. M. 1933 den Lehrstuhl von Paul Tillich, der zwangspensioniert wurde. Gehlen lehrte in Leipzig, Königsberg und Wien und kam nach 1945 an die Hochschule für Verwaltungswissenschaft in Speyer. Ab 1962 lehrte er in Aachen.

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te Rowolt-Buch über „die Seele im Industriezeitalter“405 enthält originelle Einfälle und Passagen von geradezu fataler Treffsicherheit. Sein etwas säuerlicher Scharfsinn wird übrigens für mein Empfinden dort am unangenehmsten, wo er in die Geschichtsphilosophie gerät. Herzlichen Dank dafür, dass Sie das Interesse von Professor Forsthoff für den „Begriff der Öffentlichkeit“ geweckt haben! Freilich bin ich nun gezwungen, ihm zu erklären, wozu ich seine vorzüglichen Gedanken über das Öffentlichkeitsproblem nicht berücksichtigt habe: Ich wollte damals ein besonderes Kapitel über Öffentlichkeit und öffentliches Recht schreiben, habe es aber aus Zeitnot unterlassen. Mein Urlaub nähert sich dem Ende. Anfang nächster Woche werde ich wieder in Eichholz406 sein und gedenke, mich wieder und mehr als bisher auf meine eigene Arbeit zu konzentrieren. Dann hoffe ich, Sie im November besuchen zu dürfen. Die Weiterarbeit am „Kompromiss“ erfordert eine kleine Vorstudie zum Thema Organisation, weil der Kompromiss gerade wegen seiner juridischen Labilität, seiner Zeitgebundenheit, seines prozessualen Charakters bestimmte Formen der Organisation provoziert, wie überhaupt das Auseinandertreten von Recht und Organisation besonders brennend und aktuell ist. 406

Der Rote Mond dagegen kreuzt meine Träume nicht, während die McFutures in den USA an Alpdrücken leiden und Karl Korn in der FAZ seine nächtliche Radiositzung mit Goethe in der Kanonade von Valmy zu vergleichen geruht. Hoffentlich schickt der Schwab bald seinen „Outline“ über die geplante Arbeit. Bei all seinem Eifer und seiner Begabung scheint er mir derartig entlastet, dass er sich etwa dem Problem der Legalität gegenüber wie ein Archäologe benimmt, der mit verwundertem Stolz die Schrift eines alten Tonziegels entziffert. Grüßen Sie bitte Anima sehr herzlich von uns beiden! Immer Ihr ergebener und dankbarer [Persönliches]

405  Arnold Gehlen, Gesamtausgabe, Bd. 6: Die Seele im technischen Zeitalter und andere sozialpsychologische, soziologische und kulturanalytische Schriften, hrsg. von Karl-Siegbert Rehberg, Frankfurt a. M. 2004. Das Buch war 1949 zunächst unter dem Titel „Sozialpsychologische Probleme in der industriellen Gesellschaft“ erschienen, erhielt aber mit der Aufnahme in die populäre Reihe „rowohlts deutsche enzyklopädie“ einen neuen Titel und erlebte 15 Auflagen. 406  1955 gegründete CDU-nahe Parteistiftung Politische Akademie Eichholz, Altmann war von 1958 bis 1960 deren Leiter.



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Nr. 69 Carl Schmitt an Rüdiger Altmann, 18. Januar 1958407 Lieber Rüdiger Altmann, Item 1: Ihr Aufsatz über Ent-Entung in der FAZ.408 Viele glänzende Einzeltreffer, im Ganzen aber scheint es mir nicht gelungen zu sein, Ihr fabelhaftes Aperçu und Ihre sehr guten Ansätze zu einem strahlenden Sieg über die fade Frankfurter Allgemeine Langeweile zu führen; dieses Medium erweist sich als stärker. Item 2: Civis Nr. 37 ist unwahrscheinlich dicht und geladen, ein portentum in der gähnenden Öde heutiger deutscher Publizistik, eine Oase in der Wüste des alles lähmenden konformistischen Non- und nonkonformistischen Kon-Konformismus, dessen klassische d[as heißt] hundertprozentige Darstellung uns eben jene Frankfurter Allgemeine Langeweile bietet. Der Aufsatz „Paris und die Folgen“ ist sehr bedeutend; wegen des Aufsatzes „Auch eine Wahlanalyse“ lege ich Ihnen den Aufsatz von E. W. Böckenförde aus dem Hochland bei409 (der unter der Hand – in der Öffentlichkeit herrscht Konformität – heftig angegriffen wird, von Prof. Ermecke410 im Namen des „politischen Ethos“ mit der Parole: das große C darf nicht verschwinden!). Ossip-Ossip411 und die Zuschriften am Schluss, auch Wahlkampf und Muttersprache sind famos; kleines Satz-Pech nur in Zeile 12: Enthusiasmus / eine neue Ent-Endung? Zu den heftigen Reflexionen habe ich noch folgendes einzuwenden, was aus dem Ärger über Schönheitsfehler zu verstehen ist, die einen an einer besonders schönen Sache (oder Person) natürlich mehr ärgern als sonst: 407  Archiv der Sozialen Demokratie, Nachlass Rüdiger Altmann, Briefwechsel Schmitt. 408  Rüdiger Altmann: Die große Ent-Entung, in: Ders. / Johannes Gross: Die Neue Gesellschaft, Stuttgart 1958, S. 86–90. 409  Ernst-Wolfgang Böckenförde: Das Ethos der modernen Demokratie und die Kirche, in: Hochland 50 (1957 / 58), S. 4–19. 410  Gustav Peter Ermecke (1907–1987), Theologe, vertrat damals den Lehrstuhl für Moraltheologie und Sozialethik an der Paderborner Akademie. 1975 wechselte er auf den Lehrstuhl für Christliche Gesellschaftslehre an die Ruhr-Universität Bochum. Ermecke war Mitglied der Päpstlichen Römischen Theologischen Akademie. 411  Gemeint ist vermutlich Ossip K. Flechtheim (1909–1998), Jurist und Politologe. Flechtheim emigrierte nach seiner Entlassung aus dem öffentlichen Dienst 1933 in die Schweiz und später in die USA. 1946 kehrte als als Sektions- und Bürochef beim „Amt des US-Hauptanklägers für Kriegsverbrechen in Berlin“ nach Deutschland zurück und war an den verschiedenen Verhören Schmitts in Nürnberg beteiligt.

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Brief Nr. 69

a) mehr als eine ganze Spalte des Aufsatzes von 3 Spalten ist ein langes Zitat, das zum Teil sogar noch mit den daneben abgedruckten Zitaten übereinstimmt; b) ich denke es heißt: Das Plankton, und nicht des, ein Plankton auch noch, das ins Wasser fällt, fällt auf, zumal angesichts eines Autors wie Ernst Jünger, dessen einzige wissenschaftliche Ausbildung im Institut für Tiefsee-Forschung in Neapel stattgefunden hat; dafür dann aber gegen Schluss: das ­Timbre (kann man sagen; ich bin an den Timbre gewöhnt [?]); doch das ganz wunderbar „wohltuend unsoziologisch“ übertönt alle solchen Beckmessereien. Item 3: Böckenfördes Arbeit über „Gesetz und gesetzgebende Gewalt“ erscheint demnächst als „Heft 1, Schriften zum Öffentlichen Recht“.412 Das erinnert mich heftig daran, dass Sie eigentlich ebenfalls bald eine Visitenkarte höheren Stiles abgeben müssten. Ihnen und der verehrten Frau Sylvia viele herzliche Grüße und Wünsche. Anima schreibt voller Begeisterung aus Santiago und La Coruna. Ihr alter Carl Schmitt Sellner413 führt am 26. Januar 58 in Darmstadt den Don Carlos auf; vielleicht fahre ich zur Premiere (um den Effekt des Intermezzos: Bismarck und der Marquis Posa zu kontrollieren)414.

412  Ernst-Wolfgang Böckenförde: Gesetz und gesetzgebende Gewalt. Von den Anfängen der deutschen Staatsrechtslehre bis zur Höhe des staatsrechtlichen Positivismus, Berlin 1958. 413  Gustav Rudolf Sellner (1905–1990), Schauspieler und Regisseur, war von 1951 bis 1961 Intendant des Landestheaters Darmstadt. 414  Das Intermezzo ist ein Einschub in das „Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber“. Schmitt veranschaulicht seine These mit dem Entlassungschreiben Bismarcks und dem Don Carlos von Schiller. Bismarck erkannte das Problem des unmittelbaren Vortrags beim König als Kernpunkt der Kanzlermacht. Der unmittelbare Zugang zum Machthaber sei auch bei Don Carlos der Kernpunkt. Denn das Drama beginne, als mit dem Marquis de Posa neben dem Herzog von Alba und dem Beichtvater eine dritte Person diesen Zugang erhält. Siehe Carl Schmitt: Gespräch über die Macht, wie Anm. 359, S. 28–31.



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Nr. 70 Carl Schmitt an Johannes Kayser, 19. November 1959415 Sehr geehrter Herr Kayser, vielen Dank für Ihre Sendung vom 9. November! Dass ich an dem Thema Reichstagsbrand von 1933 und Ihrer Darstellung interessiert bin, versteht sich von selbst. Die Nummern des Spiegel, die Sie freundlicherweise beigefügt haben, hatte ich mir natürlich schon gekauft. Ich gebe sie jetzt weiter an den englischen Juristen Mr. F. J. P. Veale in Brighton, den Verfasser des Buches „Crimes discreetly veiled“,416 von dem soeben eine deutsche Ausgabe erschienen ist. Veale behandelt Ereignisse wie Katyn, die Ermordung Mussolinis, den Dr. Petiot417, den unglücklichen Major Reder418 und andere Fälle mit solcher Meisterschaft, dass ich ihn zum wahren und zeitgemäßen Pitaval unserer durchpolitisierten Gegenwart ernennen möchte. Man sollte ihn auch zu Ihrem Thema Reichstagsbrand um seine Meinung bitten. Auf die Frage allerdings, ob ich mich dazu äußern möchte, antworte ich: Nein. Heute haben andere Typen das große Wort, nicht die Betrachter der geschichtlichen Vergangenheit, sondern ihre Rückverfertiger, wie Herr Professor Bracher. Das ist die Lage. Hoffen wir, dass Sie, der Spiegel, stark und konsequent genug sind, um etwas daran zu ändern. Mit bestem Gruß Nr. 71 Giselher Wirsing an Carl Schmitt, 25. November 1959 Lieber und verehrter Herr Professor, haben Sie herzlichsten Dank für Ihre lieben Zeilen, die mich ebenfalls an jenen Abend erinnern. Wie weit liegt das entfernt! Die Serie über den 415  Johannes Kayser hatte als Redakteur des Spiegel am 9. November 1959 bei Schmitt angefragt, ob er sich zum Reichstagsbrand äußern würde. 416  Frederick John Partington Veale: War crimes discreetly veiled, New York 1959. Der Titel der deutschen Ausgabe lautete: Verschleierte Kriegsverbrechen, Wiesbaden 1959. 417  Marcel André Henri Félix Petiot (1897–1946), Mediziner und Arzt, war ein französischer Serienmörder, der im Zweiten Weltkrieg Juden, die vor der deutschen Besatzungsmacht flohen, bei sich aufnahm, ermordete und ausraubte. 418  Walter Reder (1915–1991), SS-Funktionär, wurde nach dem Krieg als Mitverantwortlicher für das Massaker von Marzabotto bei Bologna und die blutige Niederschlagung des Warschauer Aufstands verurteilt.

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Briefe Nr. 71–72

Reichstagsbrand im Spiegel habe ich nicht gelesen, stattdessen aber eine stupide Bemerkung über mich in diesem ja im Ganzen niederträchtigen Organ, das genau das tut, was Sie so wunderbar mit Rückverfertigung der geschichtlichen Vergangenheit bezeichnen. Die Leute sind aber viel zu hart gesotten, als dass sie eine solche Pointe auch nur verstehen könnten. [Persönliches] In aller Liebe und Verehrung bin ich stets Ihr

Nr. 72 Carl Schmitt an Rüdiger Altmann, 21. März 1960 Lieber Herr Dr. Altmann, schade, dass Ihr Besuch so kurz war! Jetzt erst habe ich das Manuskript Ihres „Erbe A“419 richtig bis S. 101 gelesen und kann etwas dazu sagen. Es geht bei mir immer langsamer mit der Reaktion. Anni nennt das „lange Leitung“; ich tröste mich damit, dass die epimetheischen Umwege im Alter größer werden müssen, wenn auch hoffentlich nicht abwegig. Ich sehe jetzt, dass das Buch ein deutliches wunderbar transparentes Bild gibt, ein Kabinettstück dessen, was man mit Fug und Recht „political science“ nennen kann. Würden die vielen glänzenden und treffenden Hinweise und die darin enthaltenen Ratschläge so honoriert wie sie es verdienen, so würden Sie ein gemachter Mann als politischer Berater. Ich will Sie damit nicht etwa mit den alternden Generaldirektoren auf eine Stufe stellen, die sich durch ihre berüchtigten „Beraterverträge“ rechtzeitig einen schönen Lebensabend sichern. Der Aufbau des Buches ist jetzt klar. Aber erst S. 46 des Manuskripts geht es eigentlich los und springt den Leser an, weil er Namen (etwaige Nachfolger) hört. Später, S. 62, kommt wieder ein Name, Brandt oder nach den beiden „Modellen“ (Tripartismus – würde in einer etwaigen Zwischenüberschrift lieber sagen: Dreiparteien-Modell – und Große Koalition). Ist das systematisch richtig? Es geht wohl nicht gut anders. Oder soll man Brandt nach der Bilanz der SPD folgen lassen? Das wäre auch nicht gut. Denn die Reihenfolge: 1) Regierungen nach Adenauer 2) Parteien und Adenauer, ist ganz spannend, und es wäre Pedanterie, sie umzukehren. Dass die FDP dabei unter 1) einfach mit erledigt wird, ist richtig und wohlverdient. 419  Rüdiger

Altmann: Das Erbe Adenauer, Stuttgart 1960.



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Natürlich habe ich auch auf die Formulierung der Fragestellung geachtet: S. 46 Was geschieht etc. S. 82 wie wird sich etc. Übrigens fehlt Seite 67 eine Zwischenüberschrift: CDU, die der Überschrift Sozialdemokratie S. 83 entsprechen müsste. Die Darlegungen über die Große Koalition und deren Möglichkeiten sind besonders fesselnd. Kennen Sie den Aufsatz von Otto Kirchheimer „Wandel der Oppostion“420 (ich habe ihn in meinen Verfassungsaufsätzen S. 366 in der Glosse zitiert)! Ich kann ihn Ihnen leihen. Aber so fällig, „logisch“ oder wie Sie sagen „attraktiv“ (S. 55) die Große Koalition sein mag (und hinter dem Vordergrund des Adenauerschen KanzlerSystem, als wesentliches Element des eigentlichen Status quo, heute wohl schon ist), ich fürchte oder sehe voraus, dass den deutschen Parteipolitikern die Elastizität und Soupless der Österreicher fehlt. Die überkommene weltanschauliche Versteifung wird dadurch, dass keine echte Weltanschauung mehr dahinter sind, nur noch krampfhafter; analog nicht mehr wirksames Nationalgefühl in der sogenannten Wiedervereinigungsfrage. Und das Na­ tional-Laster der Neidhammelei wird durch den Mangel an echtem Nationalgefühl erst recht bösartig. Dazu kommt noch, was B[enjamin] Constant gesagt hat vgl. Verf. Aufsätze Seite 343, Zeile 7 von oben.421 Einzelheiten: Seite 88 ist Hamlets Rolle der SPD das Wort, das die Sache verständlich macht, und stehen bleiben muss. In Wahrheit ist es natürlich viel zu schmeichelhaft für diese langweiligen Bonzen. Nach dem KäutnerFilm422 sehe ich das Problem der Brudermorde deutlicher, das bei Shakespeare zurücktritt, das aber das Bürgerkriegs- und Tyrannenmord-Problem ist. Jeder Bürgerkrieg ist Brudermord; hoffentlich kann ich Ihnen den Timoleon-Mythos noch eines Tages erläutern. Seite 90 sagen Sie, das neue Grundsatzprogramm der SPD sei „liberale Wertphilosophie“. Großartig. Apropos: tragen Sie bitte in dem Exposé über die „Tyrannei der Werte“ auf Seite 15 Zeile 15 von unten hinter „Aufsätze“ noch „und Festschriften“! Seite 90 Zeile 6 von unten, Zusatz zu der Unberechenbarkeit vom Katholizismus und Marktfreiheit (unter uns) trotz Ordo & Rüstow und Rüstow & Ordo. Seite 55 Mitte: ich würde der Deutlichkeit halber sagen Missmut deren linken Flügels (statt des). 420  Otto Kirchheimer: Deutschland oder der Verfall der Opposition, in: Ders.: Politische Herrschaft, Fünf Beiträge zur Lehre vom Staat, Frankfurt a. M. 1967. 421  „Es könnte sich sogar im Gegenteil bestätigen, was B. Constant gesagt hat, dass Schwäche und Mittelmäßigkeit die Macht, die ihnen zufällt, krampfhafter und bösartiger gebrauchen, als eine echte Macht, selbst wenn diese sich von ihrer Leidenschaft hinreißen lässt.“ 422  Gemeint ist vermutlich der Film: Des Teufels General (1957).

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Briefe Nr. 72–73

Ihr Besuch war auch deshalb zu kurz, weil wir nicht über Gedichte sprechen konnten; ich hätte mit Ihnen (und Sylvia) gern Däublers Gespenster (Sternenkind S. 29) gelesen, mit dem gespenstischen Reim: trichtern und Richtern423 oder Konrad Weiß, kleine Schöpfung424 („Doch der Schimpf kam nicht zum Ziel“ a propos Schüle=Peters425 etc.). Sonntag Morgen erschien plötzlich der Chefredakteur und Mitinhaber der Westdeutschen Rundschau, Wuppertals, Sepp Schelz; von sich aus, getrieben von der Empörung über die Sache Schüle, die er aus der Notiz der DZ kennen gelernt hatte. Er ist ein ordentlicher Mann, mit dem Sie einmal sprechen müssen, wenn er Sie oder Herrn Gross in Bonn aufsucht. Joseph Kaiser hält am 25. April 1960, 17 Uhr in Lüdenscheid einen Vortrag über Verbände. Ihnen und Frau Sylvia herzliche Grüße und Wünsche, Ihr alter Carl Schmitt. Nr. 73 Carl Schmitt an Winfried Martini, 25. März 1960 Lieber Herr Winfried Martini, das Schreiben fällt mir schwer; auch habe ich keine rechte Schreibhilfe; nehmen Sie also diese Zeilen als ein Symptom des guten Willens. Ich habe jetzt S. 214–269 gelesen. Die Liquidierung der Legenden ist glänzend; Höhepunkt die des Doppelmythos (oder soll man, der Eindringlichkeit halber, hier nicht auch von Doppel-Legende sprechen? doch verstehe ich wohl, dass die Anknüpfung an den großen Sorel-schen426 „Mythos“ vom Generalstreik427 nicht fehlen darf). Meine Bedenken betreffen auch 423  Gespenster sind Kometenköpfe auf den Straßen:  /  Sie passen auf, um Menschen in den Tod zu trichtern.  /  Durch ihren Schweif gelangen wir zu unsern Richtern.  /  Wir stürzen ab: Sie handeln nach versteckten Maßen. Theodor Däubler: Das Sternenkind, Leipzig, o. J. (1916). 424  Konrad Weiß: Die kleine Schöpfung, München 1926. 425  Schmitt spielt auf Polemiken Adolf Schüles und Hans Peters (1896–1966) gegen die „Festschrift für Carl Schmitt zum 70. Geburtstag“ (Berlin 1959) an; besonders Adolf Schüle hatte sie in der Juristenzeitung attackiert, siehe Anm. 435 und Anm. 464. 426  George Eugène Sorel (1847–1922) ergänzte die Theorie von Karl Marx um die sozialen Mythen, die er für entscheidender hielt als die Veränderung der Lebensbedingungen. Der Mythos ist bei Sorel unabhängig von seinem Inhalt gemeinschaftsstiftend. 427  Der Generalstreik ist für Sorel einer der wirkmächtigsten Mythen der Arbeiterklasse gegen die Bourgoisie.



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hier den Aufbau und die Gliederung des enormen Stoffes, in seiner Gemengelage von Geschichte, Legende, Verfassungstheorie und -kritik im Allgemeinen und Kritik des Grundgesetzes im Besonderen und Konkreten. Die Macht der hinter den Legenden stehenden Interessen ist kompakt und lässt sich nichts gefallen. Dem darf man nicht im Négligé entgegentreten, sondern restlos präpariert und vorbereitet, jeden beachtenswerten Einwand vorwegnehmend. Ich sage das unter dem Eindruck einer Mitteilung, dass alle Bemühungen, für Brüning zu seinem 75. Geburtstag (26. November 1967) irgend etwas zu tun, eine akademische Ehrung oder dergleichen, prompt damit abgeschoben werden, dass sich irgendein Wichtigmacher findet, der ihn als den berüchtigten Vertreter des berüchtigten Art. 48 bezeichnet und auf diese Weise alle in ein verlegenes Schweigen versetzt. Ich hatte einmal in meinem Leben bei einem gemeinsamen Freund ein langes Gespräch mit Breitscheid428 über solche Dinge; noch heute schaudert mir vor der Borniertheit dieses Typs, der heute vollkommen unwiderleglich geworden ist. Das zur Erklärung meiner Nervosität. Nun aber schnell zu dem wichtigen Punkt, nach dem Sie fragen: stand bei der Bildung des Kabinetts am 30. Januar die Vertagung der Neuwahl nicht mehr zur Debatte? Hugenberg und Papen haben davon bis zum letzten Moment (11.15 [Uhr] vormittags) gesprochen; Papen hätte sie auch mitgemacht (was er natürlich jetzt nicht mehr wahr haben will). Ich wollte Ihnen sagen, dass Sie sich doch einmal den Aufsatz „Die letzte Möglichkeit“ von Ewald von Kleist-Schmenzin, in Politische Studien Heft 106, Februar 1959, Isar-Verlag München, S. 89–92 genau durchlesen sollten; Hugenberg wollte noch am 29. und 30. sofortige Auflösung [des Reichtags], aber keine Neuwahl. Er wollte also in diesem Punkte Hindenburg betrügen und versetzte Hitler eben dadurch in die Rolle des „verfassungstreuen“ Hüters der Weimarer Verfassung. Schleichers Taktik in diesem Punkte war für Hindenburg nicht durchsichtig genug. Hindenburg konnte mit Bezug auf den klaren Wortlaut von Art. 25 Abs. 2 der Weimarer Verfassung nicht nachgeben, ohne sich mit seinem Eidestrauma in Kollision zu bringen (und seiner Furcht vor Prozessen vor dem Staatsgerichtshof).429 Aber soll man das alles in Ihrem Buche klären? Mir schaudert vor den Rückverfertigern à la Bracher. In einer Verfassung, die nur aus „Fremdkör428  Rudolf Breitscheid (1874–1944), Nationalökonom, war seit 1922 einer der Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Reichstag. Lebte nach 1933 in Frankreich, wurde aber von der Vichy-Regierung an Deutschland ausgeliefert und starb bei einem Fliegerangriff im KZ Buchenwald. Zu dem Gespräch siehe Frank Hertweck und Dimitrios Kisoudis, wie Anm. 126, S. 69 u. 150. 429  Hertweck und Kisoudis (ebd.), S. 59 f.

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Brief Nr. 73

pern“ bestand (S. 239), musste der gefährlichste aller dieser Fremdkörper die Rolle des Hüters der Verfassung übernehmen, das ist dialektisch notwendig, also entweder Hitler, oder gar die Kommunisten, von denen der gute Scheringer ja heute (in seiner Zuschrift an den Spiegel, Nr. 13 vom 23. März 1960, Seite 10430) bona fide behaupten kann: „Ohne sie war die Weimarer Republik nicht mehr zu retten.“ [sic] wörtlich. Und das ist kein fauler Witz. In dem Büchlein von Karl Buchheim „Geschichte der Weimarer Republik“, bei Kösel soeben erschienen431, sind die beiden Größen Reichswehr und SPD zu den eigentlichen Trägern des Problems gemacht worden. Dadurch ist eine klare Linie erreicht, die trotz der großen Vereinfachung den Leser fesselt und etwas klärt, was in allen bisherigen Darstellungen der Geschichte der Weimarer Republik unklar bleibt: nämlich der Anfang und ihr Ende. Auf Seite 100 des 130 Seiten starken Buches ist er noch im Jahre 1923, und doch wird er mit den folgenden neun Jahren und dem Ende in einer plausiblen Weise fertig. Bitte missverstehen Sie mich nicht, als wollte ich ihn Ihnen zum Vorbild machen. Sie schreiben unendlich besser als er. Worauf ich immer wieder zurückkomme, ist diese Notwendigkeit, das Ergebnis auf den Bahnen einfacher Thesen und Stichworte zu gewinnen. Die alte Weisheit: omettre, omettre! Warum lassen Sie nicht z. B. die historische Reminiszenz über die römische Diktatur Seite 216 / 7 (14 Zeilen!) einfach weg? Die Erledigung der Legende vom Kapp-Putsch ist ein Prachtstück. Bei Art. 48 ist es nicht so evident, vielleicht weil hier zu viel Juristerei dabei zu sein scheint, was aber in Wirklichkeit nicht der Fall ist. Ich fürchte, wir haben bereits (hinter der Fassade Adenauer) den Staat der Großen Koalition, à la Österreich. Im Bundesverfassungsgericht ist er durch die Methode der Richterwahl verankert, und wenn das Staatsnotstandsgesetz mit SPD-Hilfe zustande kommt, gibt es keine sogenannte Opposition mehr: siehe meine Verfassungs-Aufsätze Seite 366, Glosse 2. Aber ich fange an, zu dozieren, und Sie haben Eile. Die Hauptsache ist, dass Ihr Buch jetzt gut herauskommt. Einige meiner besten Schriften sind auch erst während ihrer Drucklegung richtig in Form gekommen. Ich freue mich also auf den Rest, vor allem den Schlusseffekt, das Finale. 430  Richard Scheringer reagierte auf eine Besprechung seines Buches „Das große Los“ mit einem Korrekturhinweis an die Redaktion des Spiegel. Die KPD, so Scheringer, sei 1932 im Ruhrgebiet, in Hamburg und Berlin die „stärkste Partei“ gewesen, womit er meinte, dass sie in „ihrer Organisation und in ihrem Masseneinfluss“ in diesen Gebieten damals stärker war als jede andere politische Partei. „Ohne sie“, so Scheringer, „war die Weimarer Republik nicht mehr zu retten“. 431  Karl Buchheim: Die Weimarer Republik: Grundlagen und politische Entwicklung, München 1960.



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Noch eine Kleinigkeit: Mein Nachbar, unser gut und verlängerungswürdig regierender Bundestagabgeordneter Peterheinrich Kirchhoff432 CDU hat den beiliegenden Aufsatz über Legalität und Ermächtigungsgesetz geschrieben, der ihm wüste Beschimpfungen des „Vorwärts“ eingebracht hat, sonst nichts. Ich füge ihn bei. Ferner war er der einzige Mann der Fraktionsmasse, der damals im April in der sogenannten Präsidentenkrise433 sofort erkannte, dass Adenauer richtig handelte, als er von der Präsidentenkandidatur zurücktrat. Ich füge seinen Brief an seine Wähler bei. Auf seinen Wunsch, denn er ist ein eifriger Leser und sogar Studierer Ihrer Veröffentlichungen. Die Beilage brauchen Sie nicht zurückzuschicken. Schließlich noch eine Einzelheit. Sie sagen zweimal Seite 259 und 269 vom DGB „privater Interessenverband“. Das wird ihn ärgern, denn er ist längst als Staat- und Demokratie-tragende Institution anerkannt. Wollen Sie ihn absichtlich ärgern? Gerade an diesem Punkte wäre ich vorsichtig. Ohne mehr für heute! Herzliche Sonntagsgrüße Ihnen und Ihrer sehr verehrten Frau! Invariabiliter

Nr. 74 Johannes Gross an Carl Schmitt, 14. Juli 1960 Sehr verehrter, lieber Herr Professor, ich muss mich herzlich bei Ihnen für Ihren letzten Brief bedanken, vor allem auch für die liebenswürdige Überraschung zu meinem Namenstag. Das Lächeln des Propheten Daniel ist dem Gelächter Gelimers gewiss verwandt.434 Aber der Prophet wusste doch ein wenig mehr als der arme Herrscher, der von der Freiheit angesichts der vermeintlichen Sinnlosigkeit der Geschichte überwältigt wurde. Übrigens erhielt er später noch Besitzungen in Galatien und wird sein Gelächter wohl verlernt, wenn nicht gar vergessen 432  Peterheinrich Kirchhoff (1885–1973), Fabrikant, stammt wie Schmitt aus Plettenberg; 1957 CDU-Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Altena-Lüdenscheid. 433  Nachdem Theodor Heuss 1959 eine dritte Amtszeit als Präsident abgelehnt hatte, weil die Voraussetzung dafür eine Änderung des Grundgesetzes gewesen wäre, rief Bundeskanzler Konrad Adenauer sich selbst als Präsidentschaftskandidat aus, trat aber wenige Monate später von der Kandidatur zurück und blieb Kanzler. 434  Die geschichtliche Parabel von Daniel und dem Vandalenkönig Gelimer benutzte Schmitt häufig. Siehe BW Forsthoff, S. 162. Ferner Reinhard Mehring: Das Lachen des Besiegten. Carl Schmitt und Gelimer, in: Zeitschrift für Ideengeschichte 6 (2012), S. 32–45.

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Brief Nr. 74

haben. Dem Daniel (und nicht nur ihm) ist aber von der höchsten Autorität gesagt worden: „Die Lehrer aber werden leuchten wie des Himmels Glanz und die, so viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich.“ Und einen Vers weiter (Dan. 12. V. 4): „Und Du Daniel verbirg diese Worte und versiegle diese Schrift bis auf die letzte Zeit; so werden viele darüber kommen und großen Verstand finden“. Es ist also eigentlich das Lächeln eines Siegers, eines Lehrers, der mehr von Gerechtigkeit weiß als Schüle und Friesenhahn435 und ganz genau weiß, dass das auch am Ende eine öffentliche Wahrheit werden wird. Ich nehme an, dass Ihnen die wenigen Dinge von Belang, die sich hierzulande ereignet haben, längst bekanntgeworden sind. Altmann hat seinen Erfolg eingeheimst mit dem kühlen Gesicht eines, der den längst fälligen Tribut der Gesellschaft entgegennimmt. Interessanterweise ist der erste Angriff vom „Echo der Zeit“, einem sehr klerikalen Blatt, gekommen. Winfried Martini, mit dem ich vor einigen Abenden zusammen war, wird seine „Lebenserwartung“436 in etwa zwei Wochen herausbringen. Im Merkur ist eine ausführliche Rezension von Jürgen Habermas (der übrigens nach Marburg gehen soll) über Koselleck und Kesting erschienen.437 Ich finde sie etwas unentschlossen formuliert. Die zugrundeliegende Stimmung war die: die ganze Richtung passt mir nicht, aber es endete mit dem sehr hübschen Satz: „Immerhin sind wir dankbar, von zwei so kompetenten Beurteilern zu erfahren, was Carl Schmitt heute über die Lage denkt“.438 Was die Theimer-Besprechung angeht, so hatte ich schon ein Exemplar der „Neuen Gesellschaft“ an Ihre spanische Adresse abgeschickt. Ich versu435  Adolf Schüle (1901–1967) und Ernst Friesenhahn (1901–1984), Juristen. Friesenhahn hatte bei Schmitt promoviert und war sein langjähriger Assistent, der sich aber 1934 von seinem Lehrer distanzierte. Schüle hatte im Jahr zuvor in der Juristenzeitung mit scharfen Angriffen auf die Festschrift für Schmitt reagiert. Siehe BW Forsthoff, S. 429. 436  Winfried Martini: Freiheit auf Abruf. Die Lebenserwartung der Bundesrepu­ blik, Köln 1960. 437  Jürgen Habermas: Verrufener Fortschritt – Verkanntes Jahrhundert. Zur Kritik an der Geschichtsphilosophie, in: Merkur 14 (1960), S. 468–477. Habermas rezensiert in dem Aufsatz von Peter F. Drucker: Das Fundament für Morgen (Düsseldorf 1958), Kosellecks Buch „Kritik und Krise“ und Kestings „Geschichtsphilosophie und Weltbürgertum“ als Versuch einer „neukonservativen Strategie“, die sich im Gegensatz zum alten Konservatismus nicht „länger ziert“, von einem „entwurzelten Baum der Aufklärung die Früchte zu ernten“. 438  Richtig heißt es: „Immerhin sind wir dankbar, von so gescheiten Autoren zu erfahren, wie Carl Schmitt, ein so denkender Spezialist, die Lage heute beurteilt.“



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che jetzt, noch einige Hefte des Civis beim Verlag aufzutreiben. Ihre Bemerkung über Benito Cereno lässt sich, wie mir scheint, ganz gut auf den Kongo übertragen, als Illustration nämlich für den Fall, dass die Wut der Schwarzen so weit geht, bei der Meuterei Cereno mitzuerschlagen. Das sind eigentlich die wahren Entwicklungsländer, die ihren Cereno ermorden und dann mit großer Dreistigkeit die Stelle öffentlich ausschreiben. Über die Grüße von Anima und die hocherfreuliche Kunde habe ich mich sehr gefreut. Ich will einen Brief in den nächsten Tagen auf den Weg bringen. Mit allen guten Wünschen für die Anpassung ans sauerländische Klima Ihr sehr ergebener Nr. 75 Carl Schmitt an Rüdiger Altmann, 21. Juli 1960 Lieber Herr Dr. Altmann, jetzt, da Forsthoff die Berufung nach Nicosia439 erhalten hat, verstehe ich die Hetze gegen die Festschrift, insbesondere auch den unerklärlichen Eifer, mit dem die Schweizer Juristen sich dazu einschalten (weil ihr Monopol für solche Posten damit gebrochen war). Für Sie persönlich ist die Frage, wie weit F. dadurch seinen Schwerpunkt von Heidelberg weg verlagert. Vielen Dank für das Glückwunschtelegramm von Ihnen und Frau Sylvia! Ich habe mich sehr darüber gefreut. Besten Dank für die Beilage über das Ende der Parteien. Ich habe Morsey’s Beitrag vollständig in den Korrekturbögen gelesen. Diese Dokumente schreien wirklich zum Himmel; der Fall Kaas440 ist schlimmer als jeder Skandal; die Versager von 1933, die heute als Widerstandshelden andere Deutsche entnazifizieren, sollen sich erst selber einmal gründlich entkaasen. Über den Erfolg Ihres Buches freuen sich alle Ihre Freunde und ärgern sich alle Piefkes. Anima schreibt einen entzückenden Brief über das Buch. Ich habe es in Madrid besonders an Diez del Corral441 empfohlen, der für die Verbreitung in Spanien sorgen will; aber wer könnte das übersetzen? 439  Ernst Forsthoff wurde 1960 zum Präsident des Verfassungsgerichtes von Zypern ernannt. Forsthoff urteilte entsprechend, der Wert der Berufung liege „vor allem darin, dass sie Angriffe gegen die Festschrift und vieles andere wirksamer entkräftet, als es mit Worten je geschehen könnte“. Ernst Forsthoff an Carl Schmitt vom 24. Juli 1960, in BW Forsthoff, S. 162. 440  Siehe Hertweck und Kisoudis (wie Anm. 126), S. 74. 441  Luis Diez del Corral (1911–1998), Historiker, Ordinarius in Madrid.

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Briefe Nr. 75–76

Das Hindernis der Sprache ist sehr groß. Ich persönlich hatte in Spanien Glück mit dem Übersetzer; wir haben lange überlegt, wer für Ihr Buch in Betracht kommt. Man müsste auch viele Anmerkungen machen, weil der Reiz des Buches gerade in der Fülle des Accidentellen der momentanen Situation liegt. Und geht dieser Reiz nicht durch Anmerkungen verloren? Vielleicht werden Sie besser durch ein anderes allgemeineres Buch in der (sehr wichtigen) spanischen Sprache und Gesichtskreis eingeführt. Für den Fall, dass Sie das unbeschreiblich komische Gespräch zwischen Horkheimer und FAZ (12. Juli) gelesen haben, füge ich eine Leser-Zuschrift Mohler bei;442 die FAZ wird sich hüten, das zu drucken. Könnte es Gross interessieren? Dann geben Sie es ihm bitte weiter. Es geht mir noch nicht gut. Hoffentlich können wir uns im August einmal sehen. Alle guten Wünsche für Sie und Sylvia und den kleinen Nicolaus! Ich lese keine Zeitungen mehr, auch nicht den Spiegel. Forsthoffs Berufung nach Zypern hat mir die Bäckermeisterfrau von gegenüber erzählt. Infolgedessen sind mir Ihre gelegentlichen Zusendungen (sei es auch der Mist der Studentenzeitschrift „Der Liberale“) eine Art Luftbrücke. Vor allem aber bleibe ich begierig auf jede Nachricht über Ihre literarischen Pläne und Ihre akademischen Flirts. Ihr alter Carl Schmitt. Nr. 76 Rüdiger Altmann an Carl Schmitt, 31. Juli 1960 Sehr verehrter, lieber Herr Professor, [Persönliches] Den Leserbrief von Armin Mohler habe ich in der FAZ gelesen – nicht dagegen den Brief Horkheimers. Wie dem auch sei, Anfang dieser Woche wird in der DZ ein Auszug aus Forsthoffs Beitrag zu Ihrer Festschrift erscheinen. Ich hoffe ein ganzes Blatt, so dass es dem Leser gleich ins Auge fällt. Ich habe den Schluss des Aufsatzes gewählt, u. a. deshalb, weil er den stärksten Angriff auf das Bundesverfassungsgericht enthält.443 Schon dieser Hinweis auf Ihre Festschrift wird die Lemuren in Bewegung setzen. Ich hoffe auf Angriffe und warte mit gespitzter Feder. So eine günstige GeleMohler: Ein Sündenbock, FAZ vom 21. Juli 1960. handelt sich um den Beitrag von Ernst Forsthoff: Die Umbildung des Verfassungsgesetzes, in: Festschrift für Carl Schmitt, hrsg. von Hans Barion u. a., Berlin 1959, S. 35–62. Der Aufsatz löste eine Kontroverse aus, siehe dazu Meinel, Forsthoff, S.  402 ff. 442  Armin 443  Es



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genheit, wie die Ernennung Professor Forsthoffs ausgerechnet zum Verfassungsgerichtspräsidenten444 kommt so schnell nicht wieder. [Persönliches] Übrigens ist auch Mario Moessinger, der sich herzlich empfehlen lässt, unter die Autoren gegangen. Er sitzt an einem Buch gegen die Ehrung und den integrationsfähigen Hallstein. Es soll „Zweifel an Europa“ genannt werden (Titel ist noch geheim!).445 Am Mittwoch Abend (9.30) mache ich eine Fernsehdiskussion über das „Erbe Adenauers“. Gross ist mit von der Partie. Ob ein interessantes Gespräch daraus wird, weiß ich nicht. Wahrscheinlich ist es nicht. Haben sie im Merkur (Nr. 147, Heft 5, Mai 1960) die Rezension von Jürgen Habermas über Kesting und Koselleck zur Kenntnis genommen? Der Schlusssatz lautet: „Immerhin sind wir dankbar, von so gescheiten Autoren zu erfahren, wie Carl Schmitt, ein so denkender Spezialist, die Lage heute beurteilt“. Soviel Dankbarkeit werden Sie aus dem Kreise Adorno-Horkheimer kaum erwartet haben – ich will das Heft doch beilegen. Im heutigen Spiegel (S. 58) ist ein Angriff von Ernst Fraenkel („Politologe“) gegen Forsthoff verzeichnet, worin er die Berufung F[orsthoffs] als „internationalen Skandal“ bezeichnet. Auch der Professor v. d. Gablentz (ebenfalls Berlin) hat in seinem Buch, „Versäumte Reform“ (über die verpasste Gnade des Nullpunkts 1945) scharfe Attacken gegen Forsthoff geritten. Ich bin gespannt, welche Wirkung die Veröffentlichung in der DZ haben wird. Jedenfalls sollte man nicht zögern, zum Gegenstoß auszuholen. Mit allen guten Wünschen und herzlichen Grüßen, Ihr Rüdiger Altmann Nr. 77 Hans Hellwig446 an Carl Schmitt, 21. März 1961 Sehr geehrter Herr Professor, Ihr heutiger „Jedermann“ in der Aussprache (Deutsche Zeitung vom 21. März, von der ich Ihnen mit getrennter Post einige Exemplare zugehen lasse) wird den Herren in Karlsruhe heftig in die Glieder fahren. 444  Siehe

oben. Moessinger: Zweifel an Europa, Stuttgart 1961. 446  Hans Hellwig (1913–?), Chefredakteur der Deutschen Zeitung. Nach der Fusion der Deutschen Zeitung mit dem Handelsblatt übernahm Hellwig die Leitung des von deutschen Industrieunternehmen unterhaltenen „Deutschen Instituts zur Förderung des industriellen Führungsnachwuchses“. 445  Mario

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Briefe Nr. 77–78

Heute haben sie Stuttgarts roten Richter, den Oberlandesgerichtspräsidenten Schmid447, auf seine Verfassungsbeschwerde hin von der rechtskräftigen Verurteilung befreit. Er hatte den Spiegel eine politische Pornographie genannt, womit er zweifellos ebenso recht hatte wie die Richter, die ihn darob verknacken mussten. Schöne Aussichten künftig. Hätten wir nur auch so gute Freunde dort wie Herr Schmid! Als ich Ihr schönes Abschiedspräsent über die „Tyrannei der Werte“448 zu Hause genoss, fiel mir die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des zivilrechtlichen Persönlichkeits- und Ehrenschutzes (Druck­ sache 1237, 3. Wahlperiode) wieder ein. Sie beginnt mit den Worten: „In der freiheitlichen Demokratie ist die Würde des Menschen der höchste Wert. Sie ist unantastbar.“ Der Entwurf richtet sich dann gegen das wirkliche und vermeintliche Antasten dessen, was nach der Begründung „unantastbar“ ist. Eigentlich möchte ich noch einiges zur Staatsräson falscher Dementis nachtragen. In diesem Fall waren die falschen Dementis völlig nutzlos, wie im Einzelnen währungspolitisch leicht zu erweisen. Aber außer Machiavell und Grotius würde ich gern noch etwas Einschlägiges zitieren. Können Sie mir raten? Mit freundlichen Grüßen stets Ihr sehr ergebener Nr. 78 Ivo Schütz an die Redaktion der Deutschen Zeitung, 6. April 1961449 Zur Unantastbarkeit des Bundesverfassungsgerichts. Sie berichteten (neulich) (DZ Nr. 64) über eine Erklärung des Bundestagsabgeordneten Heck450, des Vorsitzenden des kulturpolitischen Ausschusses 447  In einer Auseinandersetzung um die Rechtmäßigkeit eines politisch motivierten Streiks hatte der Stuttgarter Oberlandesgerichtspräsident Richard Schmid dem Spiegel vorgeworfen, er veröffentliche „eine Gattung von Publizistik, die auf dem Gebiet der Politik das ist, was die Pornographie auf dem Gebiet der Moral“ ist, „Reizliteratur“, für welche die Höhe des Absatzes maßgebender Gesichtspunkt sei. Der Spiegel erhob Privatklage gegen Schmid wegen übler Nachrede. Das Urteil ging bis zum BVerG, das Schmid Recht gab. 448  Carl Schmitt: Die Tyrannei der Werte, 3. korrigierte Aufl., Berlin 2011. 449  Schmitt schrieb gelegentlich unter Pseudonymen Leserbriefe an die Deutsche Zeitung. Dieser erschien unter der Überschrift „Bonn ist nicht Bonn“ in der DZ vom 17. April 1961. 450  Bruno Heck (1917–1989), Philologe und Politiker, war von 1957–1961 Vorsitzender des Kulturpolitischen Ausschusses des Bundestages und Mitglied des Verwaltungsrates der Deutschen Welle.



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des Bundestages. Heck weist (dort) die Behauptung, die Bundesregierung denke an eine Änderung des Status des Bundesverfassungsgerichts, als „Verdächtigung“ zurück. In der Tat, das Bundesverfassungsgericht ist unantastbar und unabschaffbar. Niemand anders als es selbst entscheidet im Konfliktfall über den Umfang seiner verfassungsrechtlichen Grundlage und seiner Befugnisse. Es hat gegenüber jedem andern Verfassungsorgan Kompetenz-Kompetenz, mag das nun der Bundestag oder das Volk sein. Es kann sich – auf Grund seiner Funktion als Fortbildner der Werte und der Leitbilder des sozia­ len Rechtsstaats nach Art. 20 des Grundgesetzes – jederzeit selber zu einem Bestandteil des nach Art. 79 Abs. 3 unantastbaren Wesenskernes der Verfassung erklären. Es würde jedes Gesetz, auch jedes Verfassungsgesetz, das seine Befugnisse einschränkt, für verfassungswidrig erklären können. Keine Bundesregierung, keine Bundestagsmehrheit, auch keine verfassungsändernde Mehrheit kann das Risiko auf sich nehmen, dass ein von ihr beschlossenes Gesetz, das den Status des Bundesverfassungsgerichts berührt, von diesem für verfassungswidrig erklärt wird. Das Gerede von solchen Plänen sollte also endlich aufhören. Man muss sich endlich daran gewöhnen, dass Bonn nicht Weimar ist, aber auch nicht Bonn, sondern eben Karlsruhe. Dr. Ivo Schütz Nr. 79 Rolf Schroers451 an Carl Schmitt, 15. Juni 1961 Lieber, verehrter Herr Professor Schmitt, heute geht der Text meines Partisan-Buches452 in Druck. Das ist Anlass, Ihnen zu schreiben und zu danken. Erst die Begegnung mit Ihnen und Ihrem Werk hat mir die Kategorien gegeben, die meine Arbeit ermöglichten, was immer nun aus ihr geworden ist. Natürlich hoffe ich, dass ich vor Ihren Augen bestehe, durch alle denkbaren Widersprüche hindurch, und dass ich keinen allzu schlechten Gebrauch aus den Lehren gezogen habe, die ich von Ihnen empfing. Der Merkur bringt im August einen Vorabdruck; auch sonst regt sich Interesse. Der Merkur ist aber insofern besonders wichtig, weil er institu­ tionellen Charakter im Bereich der prüden deutschen Gelehrsamkeit hat, 451  Rolf Schroers (1919–1981), Publizist, arbeitete u. a. für die FAZ, den Merkur, Frankfurter Hefte, für Rundfunk und Fernsehen. Er war Mitglied der Gruppe 47 und des deutschen PEN-Zentrums. Schmitt lernte Schroers im März 1955 kennen, als er für kurze Zeit Lektor bei Kiepenheuer & Witsch war und sich brieflich an Schmitt wandte. 452  Rolf Schroers: Der Partisan. Ein Beitrag zur politischen Anthropologie, Köln 1961.

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Briefe Nr. 79–80

und da muss ich ja wohl aufpassen, dass ich den Positivisten nicht in die wissenschaftliche Falle gehe. Ihnen habe ich einige spezielle Seiten gewidmet, von der gefährlichsten Art. Und zwar anlässlich einer Untersuchung von Sartres „Schmutzigen Händen“. Vermutlich ist Ihnen nicht unbekannt geblieben, dass W[alter] Hofer bei S. Fischer in einer Sammlung „Nationalsozialistische Dokumente 1933–1945“453 einen Absatz aus „Staat, Bewegung, Volk“454 zitiert. Ich habe das Zitat ganz übernommen und, wie mir scheint überzeugend, unter anderem nachgewiesen, wie es um den Satz bestellt ist, der dort steht: „Nur die Artgleichheit kann es verhindern, dass die Macht des Führers Tyrannei und Willkür wird“. Sie werden sehen. Kurzum, das Werk ist getan, ich werkle meinen Schreibtisch leer und fahre dann mit Weib und Kindern in den Tessin, um mich zu verschnaufen und Sonne aufzuladen. Das wird über den Juli sein, in einem Häuschen im Onsernone-Tal. Wenn Sie nach Spanien gehen, lassen Sie mich doch wissen, wann Sie zurück sind, herzlich, Ihr Nr. 80 Carl Schmitt an Hans Fleig, 1. Juli 1962 Lieber Dr. Hans Fleig, gestern, Samstag, trafen die 10 Exemplare der Zürcher Woche pünktlich ein. Mit großer Freude sah ich, wie schön die Sache sich präsentiert.455 Ihre introduction ist ein Meisterstück an schneller Orientierung und gutgezielter Herausforderung. Das Druckbild ist ganz vorzüglich. Heute, Sonntag, traf ein Eilbrief aus Bern hier ein; ein junger Amerikaner schickte mir die Nummer der Tat vom 30. Juni. Eine prompte und ebenso dumme Reaktion. Der Wutausbruch gegen Ihre Person ist provinzlerisch, ja hinter453  Walter Hofer: Der Nationalsozialismus. Dokumente 1933–1945. Frankfurt a. M. 1957, überarbeitete Neuausgabe 1993. 454  Carl Schmitt: Staat, Bewegung, Volk. Die Dreigliederung der politischen Einheit, Hamburg 1933. 455  Hans Fleig war kurz zuvor bei der Schweizer Zeitung Tat ausgeschieden und zur Zürcher Woche gewechselt. Dort veröffentlichte er am 29. Juni auf Seite 1 einen Aufsatz von Schmitt über Rousseau mit dem Titel „Dem wahren Johann Jakob Rousseau. Zum 28. Juni 1962“, was zu heftigen Reaktionen der Schweizer Presse führte. Siehe Carl Schmitt an Armin Mohler am 15. Juli 1962, BW Mohler, S. 318 f.



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wäldlerisch plump. Das andere ist kläglich und nicht einmal eine Untat. Wenn der Rousseau-Artikel der Zürcher Woche gut ist, dann soll man ihn lesen; ist er schlecht, soll man ihn kritisieren. Aber von einem erwachsenen Menschen verlangen, ihn nicht zu lesen, ist doch die dümmste Form der Zensur. Der letzte Satz dieser Tat-Enuntiation ist besonders kostbar, weil er die vernichtende Frage nach der fachwissenschaftlichen Legitimation des Schreibers nahelegt. Sie wussten, was Sie taten, lieber Hans Fleig, als Sie diesen challenge wagten und werden Ihre Sache schon zu verteidigen wissen. Auf mich und meine Person brauchen Sie keine Rücksicht zu nehmen. Mir kann sowieso nichts mehr passieren. Diesen armseligen Versuch, verweste Druckerschwärze in die Luft zu blasen, erkenne ich nicht als Anklage an, und die Redaktion der Tat ist für mich keine Instanz. Nur zu der Kitsch-Phrase „Prunkmantel juristischer Begründung um den Wahnsinn Hitlers“ noch ein Wort, weil es sich hier um einen Punkt handelt, den Sie als Schweizer nicht so auffällig sehen können. Die juristische Begründung des Hitler-Regimes liegt in dem Ermächtigungsgesetz vom ­ 24. März 1933. Diesem haben große Prominente der Bonner Bundesrepublik zugestimmt: Theodor Heuss an der Spitze, der potentielle AdenauerNachfolger Krone456 von der CDU, Reinhold Maier457 von der FDP usw. Sie können sich denken, dass das ein gefährliches Tabu ist und das Bedürfnis nach einem Alibi geradezu lebenswichtig. Nun bin ich, C.S., das große Alibi geworden. Darauf kann man nicht so leicht verzichten. Kennen Sie Mohlers Zuschrift an die FAZ zu diesem Punkt?458 Sie hat damals großartig eingeschlagen und in Verbindung mit der neuzeitlichen historischen Forschung, insbesondere Morsey-Matthias459, die ganze Atmosphäre unausgesprochen zu meinen Gunsten verändert. Aber bis zum Limmatplatz 6 in Zürich spricht sich so etwas nicht so schnell herum. Ich käme am liebsten bald nach Zürich, kann aber wegen einer Nervenentzündung so bald noch nicht reisen. Diese Zeilen sollen Ihnen nur meinen Dank übermitteln, bevor die deutsche Postkutsche still steht. Stets Ihr alter 456  Heinrich Krone (1895–1989), Philologe, war Mitbegründer der CDU und seit 1961 Bundesminister für besondere Aufgaben. 1932 war er Reichstagsabgeordneter für die Zentrumspartei. 457  Reinhold Maier (1889–1971), Jurist, von 1945 bis 1953 Ministerpräsident von Württemberg-Baden (ab 1952 Baden-Württemberg). Maier war 1932 Mitglied des Reichstages für die Deutsche Staatspartei und stimmte zusammen mit Theodor Heuss für das Ermächtigungsgesetz. 458  Siehe oben. 459  Erich Matthias  /  Rudolf Morsey: Das Ende der Parteien, 1933, Düsseldorf 1960.

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Brief Nr. 81

Nr. 81 Carl Schmitt an Hans Fleig, 2. Juli 1962 Lieber Dr. Hans Fleig, Heute, (Montag) morgen kam trotz Pöstler-Pseudostreik pünktlich erst Ihr Eilbrief mit dem Artikel der Tat (wo ich Schulter an Schulter mit meinem großen Namensvetter Carlo auftrete, der im Allgemeinen die Last dieser Namensvetterschaft mit Würde trägt). Dann kam Ihr längeres Schreiben vom 29. Juni mit der normalen Post. Allerherzlichsten Dank! Inzwischen werden Sie meinen Sonntagsbrief erhalten haben. Der junge Amerikaner, der mir so eilig den Tat-Artikel geschickt hatte, schrieb, dass ihm erst dieser Artikel in die Hände gefallen war und dass er daraufhin die Nummer der Zürcher Woche in ganz Bern gesucht und erst nach langem Suchen gefunden habe, weil sie überall vergriffen war. Sie haben Recht: Das Beste ist, überhaupt nicht zu antworten. Das gilt für die schweizerische (H. Fl.) Seite der Sache wie auch für die deutsche C.S. Seite. Wenn man aber aus irgend einem Grunde antwortet, darf man sich auf keinen Fall die Fragestellung und den Umfang der Erörterung vom Gegner vorschreiben lassen. Es handelt sich um nichts anderes als um unseren Rousseau-Aufsatz und die einfache Frage: Ist der Aufsatz gut oder schlecht? Die Redaktion der Tat besitzt die Unverfrorenheit, einen Index verbotener Autoren aufzustellen; ihrer Intoleranz genügt nicht einmal ein Index verbotener Bücher. Den Fall, dass ein Ihrer Meinung nach böser Autor einmal einen guten Aufsatz schreiben könnte, lässt sie nicht einmal theoretisch zu. Sind denn die Schweizer kleine Kinder und ist ihr Land ein Kindergarten, den die Redaktion der Tat betreut? Wahrscheinlich geht die Taktik dahin, jetzt eine neue Sudelwelle anzudrehen, wie damals, bei der Festschrift zu meinem 70. Geburtstag.460 Damals haben sich Schweizer Zeitungen und Zeitschriften besonders fanatisch gezeigt. Sie werden sich daran erinnern. Zu Ihrem Trost lege ich Ihnen ein nettes Gespräch mit Forsthoff bei, das die Illustrierte Kristall im Oktober 1961461 veröffentlicht hat. Vielleicht macht es auch Ihren Mitredaktoren Spaß. Ich möchte es jetzt nicht etwa in die öffentliche Diskussion werfen. 460  Am 13. Februar 1960 war in der Tat eine Rezension der Festschrift für Carl Schmitt erschienen, für die Fleig sich noch am gleichen Tag bei Schmitt entschuldigte. Er „schäme sich“, so Fleig, dass „ein Elaborat von so krankhafter Gehässigkeit in dem Blatt“ erscheinen könne, für das er seit 12 Jahren arbeite. Hans Fleig an Carl Schmitt, 13. Februar 1960, Nachlass Schmitt, Nr. 3709. 461  Gerd Klepzig: Der Richter von Zypern. Kristall bei Prof. Ernst Forsthoff, in: Kristall vom 4. Juni 1961.



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Das würde ja jener Taktik der uferlosen Ausweitung entsprechen. Das gleiche gilt von dem beiliegenden Prospekt. Die fachwissenschaftliche Geschichtsforschung der letzten Jahre hat zu unbestreitbaren Ergebnissen geführt: nicht ich habe Adolf Hitler zum Reichskanzler berufen oder seine Berufung gefördert, sondern, im Gegenteil, die letzte Gegenposition gehalten; denn ich war der Verfassungsberater Schleichers. Lesen Sie doch einmal die Glosse 5, S. 349–50 und S. 450, meiner Verfassungsrechtlichen Aufsätze von 1958. Sie besitzen doch ein Exemplar? Ebenso ist der Fall des Ermächtigungsgesetzes klar; wenn Sie Zeit zum Lesen haben, schicke ich Ihnen die zweite Auflage der Schrift über das Ermächtigungsgesetz von Hans Schneider462. Auch meine Situation gegenüber der SS ist dokumentarisch einwandfrei geklärt, und der gesinnungstüchtige Lärm, den strebsame Jünglinge gemacht haben, verstummt allmählich. Aber soll man das alles aufrollen? Ich stelle mich gern jeder vernünftigen Diskussion und freue mich, mit anständigen Menschen über meinen Fall zu sprechen, der für die interne Situation innerhalb eines totalitären Systems interessant genug ist. Ich bin es ja schließlich auch, der das Symbol des Benito Cereno geschaffen hat. Aber den vorfabrizierten Konstruktionen einer Pseudo-Öffentlichkeit stelle ich mich nicht. Zu Ihrer Frage nach einem spanischen Autor: es ist kaum möglich, einen zu benennen. Wer in Spanien drin sitzt und wirklich etwas zu sagen hat, wird nicht so dumm sein, sich dem Geschrei der heutigen Presse auszuliefern, und die exilados sind arme, auf ihre Konstruktionen festgelegte Leute. Das gilt leider auch für meinen alten, jetzt in Princeton University dozierenden Freund Enrique Tierno Galvan463, der vor einigen Jahren einen geradezu fabelhaften Aufsatz über Benito Cereno veröffentlicht hat. Ich habe diesen Aufsatz seinerzeit selbst übersetzt und schicke Ihnen gern die Übersetzung. Vielleicht schreiben Sie mal an Tierno nach Princeton. Seine genaue Adresse habe ich nicht. Also: surtout pas trop de zèle! Ich grüße Sie herzlich, lieber Hans Fleig, und sehe der weiteren Entwicklung tiefgebeugt und gottergeben entgegen. Unverbesserlich Ihr alter

462  Hans Schneider: Das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933. Bericht über das Zustandekommen und die Anwendung des Gesetzes, Bonn 1961. 463  Enrique Tierno Galván, wie Anm. 246.

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Brief Nr. 82

Nr. 82 Carl Schmitt an Joseph Kaiser, 28. November 1962 Mein lieber Joseph, ich denke immer noch an die schönen Tage in Ihrem wunderbaren Haus am Rothofweg und Bettlerpfad, an unsere Gespräche und Spazierfahrten und -gänge, den Ausflug nach Straßburg und den Abend mit Ihrem Seminar, den herrlichen Wein nicht zu vergessen und ebenso wenig die Fahrt nach Frankfurt. Heute schicke ich Ihnen einige der versprochenen items, auf die die Rede gekommen ist. Sie brauchen sich nicht damit zu beeilen. Inzwischen sind ja auch die 3 Professoren-Vollstrecker-Proteste mit allen Namen im Spiegel veröffentlich; 144 Mann, eigentlich 146, denn 2 – Bracher und Schüle – konnten sich mit einer Unterschrift nicht genug tun und mussten sich verdoppeln.464 Ich bekam übrigens die Nr. 46 der Zeit zugeschickt, mit einem Aufsatz von der Gablentz (Seite 5)465, der behauptet, die Schule Carl Schmitts (wirklich!) sei an allem Schuld (dabei sind doch Erich Kaufmann und ähnliche die Berater Adenauers gewesen!). Damals, vor 14 Tagen, hatten Sie diese Nummer 46 der Zeit mitgebracht, aber ich habe die Stelle nicht bemerkt, obwohl sie auffällig genug in der Mitte der Seite hoch oben steht; meine Augen ermüden zu schnell. Hoffentlich waren Sie mit Ihrer Kölner Reise zufrieden und können Sie diesen kommenden Abend in aller Ruhe und Sammlung in Ihrem schönen Haus verbringen. Ich denke herzlich an Sie und bleibe mit allen guten Wünschen und herzlichen Grüßen, Ihr alter Carl Schmitt 464  Unter dem Titel „Dazu können wir nicht schweigen“, veröffentlichten deutsche Professoren der politischen Wissenschaften und des Staatsrechts eine Petition gegen die Aktion der Bundesregierung gegen den Spiegel. Der Artikel fasste drei unterschiedliche Petitionen zusammen. Es gab eine Resolution der Universität Bonn, eine zweite von der Universität Tübingen und eine dritte, hochschulübergreifende. Karl Dietrich Bracher (Bonn) und Adolf Schüle (Tübingen) hatten ihren Namen sowohl unter die Resolutionen ihrer Heimatuniversitäten als auch auf die allgemeine Liste gesetzt. 465  von der Gablentz schrieb: „Neunzehntes Jahrhundert – das ist in Deutschland ‚Scheinkonstitutionalismus‘, wie Max Weber sagt, Obrigkeitsstaat mit machtlosen Parlamenten, das ist gut funktionierende Bürokratie und väterlich wohlwollende Regierung. Das aber ist das Staatsideal des deutschen Normalbürgers von heute, das wird von den Staatsrechtlern der Schule Carl Schmitts noch heute zur Rettung der Autorität empfohlen, das wird von der Bonner Regierung und meist auch von den Landesregierungen täglich bewusst oder unbewusst praktiziert. Behörden werden gedeckt, auch wenn sie ‚etwas außerhalb der Legalität‘ sich betätigen. Denn die Hauptsache ist doch der starke Staat!“, Otto Heinrich von der Gablentz: Gefangene der Vergangenheit. Politik des neunzehnten Jahrhunderts in der Gesellschaft des zwanzigsten – Das Versagen Bonns, in Die Zeit vom 16. November 1962, S. 5.



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Anlagen 1) Zuschriften an DZ zum Fernsehurteil BVG (Fotokopie) 2) Brief Anschütz vom 16 / 7 / 1930 mit maschinenschriftlicher Abschrift (Fotokopie) 3)  Aufsatz Johannes Gross aus DZ über „Spiegelbild einer Verschwörung“ 4) Aufsatz A. Mohler in Christ und Welt über Ernst Jünger 5) Abschrift Brief Julien Freund zu Pfenninger?, Aufsatz in NZZ 6) Fotokopie eines Briefes von A. Mohler an die Zeit (Gräfin Dönhoff)

Nr. 83 Carl Schmitt an Peter Diederichs466, 1. Dezember 1962 Sehr geehrter Herr Dr. Diederichs, seit 1956 führt eine kleine Schrift von mir, „Hamlet oder Hekuba“, in Ihrem Verlag ein anspruchsloses Dasein. Bisher ist mir das durchaus normal und keiner weiteren Rede wert erschienen. Jetzt aber werde ich durch ein Zeitungsinserat darüber informiert, dass Frau Gräfin Dr. Dönhoff von der Zeit zu den prominenten Autoren Ihres Verlages gehört. Ich empfinde jetzt den dringenden Wunsch, Ihren Verlag so schnell und so unauffällig wie möglich zu verlassen und bitte Sie um die Freundlichkeit, mir die Bedingungen mitzuteilen, unter denen Sie mir die Rechte an meiner obengenannten Schrift zurückgeben würden. Mit bestem Gruß, Ihr sehr ergebener

466  Peter Diederichs (1904–1990), Philosoph und Sozialwissenschaftler, Chef des Eugen Diederichs Verlages. Herbert Nette hatte Schmitts Buch über Hamlet und Hekuba 1955 an Diederichs vermittelt.

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Briefe Nr. 84–85

Nr. 84 Margret Boveri an Carl Schmitt, 20. Mai 1963467 Lieber Herr Professor Schmitt, vielen Dank für Ihre Zeilen, die ich bei der Rückkehr von einer langen Reise (unter anderem zur Gedächtnisfeier für Reinhard Dohrn468 in Neapel) hier vorfand. Ich bin dabei, Material über Paul Scheffer zu sammeln, weil ich an einer Arbeit über das „Berliner Tageblatt“ in der Zeit von 1933 bis Ende 1936 (die Zeit seiner Chef-Redaktion) sitze. Da ich dabei herausarbeiten möchte, was für ein großer Pädagoge er ganz nebenbei war, und wie vielen von uns er erst das Schreiben beigebracht hat, wäre mir Ihre Schilderung über seinen Einfluss auf Sie und Ihren Stil natürlich sehr wertvoll. Scheffers „Erinnerungen an Bismarck“ kenne ich nicht und wäre Ihnen für eine leihweise Überlassung Ihres Bandes sehr dankbar. Ich lege eine melancholische Betrachtung über die Wirkungslosigkeit dessen, was unsereiner zu Papier bringt, bei und bin mit allen guten Wünschen, Ihre Nr. 85 Margret Boveri an Carl Schmitt, 30. Mai 1963 Lieber Herr Professor Schmitt, das war allerdings eine aufregende Sendung, „Der lose Vogel“469, den Sie mir freundlicherweise anvertraut haben. Ich ahnte gar nicht, dass etwas 467  Margret Boveri (1900–1975), Journalistin, arbeitete in den 1920er Jahren für die Berliner Zeitung unter Paul Scheffer und bei der Frankfurter Zeitung. Als diese verboten wurde, schrieb sie für Das Reich. Nach 1945 schrieb sie vor allem für die FAZ. Der Briefwechsel Carl Schmitt / Margret Boveri setzt 1950 ein und reicht bis 1965. Siehe Christian Tilitzki, „Margret Boveri und Carl Schmitt – ein lockerer Briefkontakt“, Schmittiana VII (2001), S. 281–308. Die Briefe aus dem Mai 1963 fehlen dort. Ihre Arbeiten über Paul Scheffer und das Berliner Tageblatt fasste sie zusammen in ihrem Buch „Wir lügen doch alle. Eine Hauptstadtzeitung unter Hitler“ (1965). 468  Reinhard Dohrn (1880–1962), Zoologe, leitete in Neapel das von seinem Vater gegründete wissenschaftliche Institut „Stazione Zoologica“. 469  Der lose Vogel war eine von Franz Blei herausgegebene Monatszeitschrift. Aus Protest gegen die zeitgenössische Überbetonung der Persönlichkeit blieben die Beiträge anonym. Mitarbeiter waren u. a. Annette Kolb, Max Scheler, Robert Walser,



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derartiges existiert, kann mich kaum von der Lektüre trennen und lasse mich dauernd von den vielfältigen Themen in verschiedene Richtungen ziehen. Zuerst konnte ich mir gar nicht vorstellen, dass Paul Scheffer die drei „Erinnerungen an Bismarck“470 geschrieben habe, da er ja bei Bismarcks Tod erst 15 Jahre alt war. Dann ging mir erst bei einem der Gespräche mit Eckermann, in denen Hofmannsthal und Wedekind vorkamen, auf, dass es sich um zeitgeschichtliche Betrachtungen mit einer Art von Tiefenwirkung handelt, zu der wir Nachgeborenen nicht mehr fähig sind. Das waren also die „zornigen jungen Männer“ vor dem ersten Weltkrieg – und wie abgewogen war ihr Urteil! Viele der Namen sind auch heute noch bekannt oder berühmt, andere sagen mir nichts, z. B. S. Butler (das kann doch nicht der englische Samuel Butler sein), E. v. Gebsattel (der Psychotherapeut heißt Viktor-Emil), G(usti?) Hecht, W. Krug, H. Schott. Am aufregendsten ist natürlich das Stück: „Der Krieg mit England“. Es klingt wirklich sehr nach Rathenau. Nur er hat wahrscheinlich die nötige Weitsicht gehabt, derartiges zu sehen und auszusprechen. Wie traurig schülerhaft dagegen die Rede Achesons, wie er den Engländern zu Anfang dieses Jahres den Verlust ihrer Weltmachtstellung vorexerziert. Was Sie mir über Scheffers Einfluss auf Ihren Stil schrieben471, ist mir natürlich außerordentlich wertvoll. Ebenso der Satz über sein philosophisches Argumentieren in Marburg und München. Das ist echt Scheffer, der immer dem Gesprächspartner mit der Gegenposition aufwartete und deswegen häufig missverstanden wurde. Haben Sie ihn schon in jener Vorkriegszeit gekannt? Darüber fehlt mir jegliches Material. Ich schrieb vor einem Jahr an Annette Kolb472, sie scheint aber schon zu alt zu sein, um einen solchen Brief noch zu beantworten. Rudolf Alexander Schröder473, der auch zu der Münchener Vorkriegsgruppe gehört hat, ist leider nicht mehr am Leben. Sonst weiß ich nicht, wer zu befragen wäre. Rudolf Borchardt. Mehr als die Hälfte der Beiträge stammten von Franz Blei, Robert Musil und Paul Scheffer. Siehe Ludwig Dietz: Verfasserangaben Franz Bleis für Artikel seiner Zeitschrift des Anonymen ‚Der lose Vogel‘, Hofmannsthal-Jahrbuch 10 (2002), S. 7–36. Boveri schrieb am 13. Juli 1963 eine Glosse in der FAZ über die Lektüre und gab die Monatsschriften an Robert Held weiter, den Feuilleton-Chef der FAZ. Held schrieb Schmitt daraufhin einen Brief, in dem er sich für die „Trouvaille“ bedankte und nach Schmitts Meinung zu den Texten fragte. 470  Franz Blei hatte auch Musil vorgeschlagen, Erinnerungen an Bismarck zu schreiben. 471  Der Brief hat sich vermutlich nicht erhalten. 472  Anna Mathilde (Annette) Kolb (1870–1967), Dichterin, lebte bis 1917 in München und kannte Scheffer ebenso wie Schmitt aus der Münchener Bohème. 473  Rudolf Alexander Schröder (1878–1962), Architekt und Dichter, studierte in München und war ebenfalls Mitglied der Münchener Bohème der Jahrhundertwende. Er lebte jedoch ab 1905 in Bremen und arbeitete als Architekt.

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Briefe Nr. 85–86

Ich hatte schon die Absicht, mir Theodor Haeckers „Satire und Polemik“474 antiquarisch zu beschaffen und war hoch erfreut, aus Ihrem Brief zu ersehen, dass das Buch neu aufgelegt wird. Es stehen darin einige sehr bösartige Dinge über Theodor Wolff475 und das „Berliner Tageblatt“, die ich vielleicht brauchen kann. Sie sehen also, wie viel Sie mir mit Ihrem kurzen Brief gegeben und geholfen haben. Ich bin Ihnen dafür herzlich dankbar. Meine Bemerkungen zu Rüdiger Altmann enthielten m. E. nichts, was er sich hätte zu Herzen nehmen müssen. Das Ganze war nur ein resignierter Seufzer über die Fruchtlosigkeit unseres Bemühens. Ihre Sendung kam aus Plettenberg, auf Ihrem Brief steht Pl. San Casciano476. Ich vermute Sie also im Süden und hoffe, Sie haben eine gute Zeit. Mit allen guten Wünschen Ihre

Nr. 86 Rolf Schroers an Carl Schmitt, 20. Juli 1963 Lieber, verehrter Herr Professor Schmitt, sehr herzlichen Dank für die Einladung. Ich schaffte es gegen meinen Vorsatz zum Wochenende nicht, und sehe leider auch noch keine Möglichkeit vor dem Winter. Gerade hat sich entschieden, dass ich im September bis Ende Oktober Lateinamerika bereisen kann – meine Frau nehme ich wahrscheinlich mit –, so dass ich alle Zeit einmal auf die sprachliche und studienmäßige Vorbereitung dieser Expedition, zum anderen auf die Arbeit an meinen übrigen Verpflichtungen konzentrieren muss. Wie ich mich kenne, werde ich trotzdem mit dem Ausflug nach Plettenberg liebäugeln, und ich weiß nicht, ob ich ihn mir so streng verwehren kann, wie ich müsste. Sollte ich mich also ansagen, bitte ich Sie, mir mit einer Absage beizuspringen …! Gewiss komme ich nach dieser Reise, wenn es Ihnen lieb ist. 474  Theodor Haecker: Satire und Polemik. Der Geist des Menschen und die Wahrheit, München 1961. 475  Theodor Wolff (1868–1943), Journalist, war von 1906–1933 Chefredakteur des Berliner Tageblatts. 476  Schmitt nannte sein Haus in Plettenberg San Casciano, in Anlehnung an den Rückzugsort Machiavellis.



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Was Ihre beiden Bücher betrifft,477 habe ich meinen Freund Claus Koch478, Herausgeber von Atomzeitalter, einer inzwischen wirklich guten und aufschlussreichen Zeitschrift, gebeten, sehr eindringlich darauf einzugehen. Meine Idee – die akzeptiert wurde – war, Julien Freund479 zu Wort zu bitten. Das ist eine unangreifbare Position, die eine fruchtbare Situation für den Disput schaffen könnte. Für den Merkur wird sich wohl Margret Boveri melden, sonst wäre ich natürlich sehr dafür, Julien Freund dorthin zu empfehlen. Dazu wüsste ich gern Ihre Meinung und Ihr Einverständnis – dann mit der Adresse von Julien Freund und, wenn Sie das für tunlich halten, mit einem empfehlenden Wort. Weiter habe ich für den Winter im Westd[deutschen] Rundfunk eine Diskussionssendung zu Ihren Thesen angeregt. Sobald ich aus Lateinamerika zurück bin, werde ich versuchen, diese Anregung, die offene Ohren fand, zu realisieren. Immer wieder schlage ich Ihre ‚Theorie‘ [des Partisanen] auf, und dann drängt es mich sehr zu einem Gespräch. Diesmal darf aufgeschoben nicht aufgehoben heißen! Ich hoffe, dass derweilen eine Diskussion angeht, deren Niveau auch Ihnen Freude macht! Sehr herzlich, mit guten Wünschen, Ihr

Nr. 87 Johannes Gross an Carl Schmitt, 29. Juli 1963 Sehr verehrter, lieber Herr Professor, nochmals herzlichen Dank für die liebenswürdige Aufnahme, die Petwai­ dic und ich am vergangenen Freitag bei Ihnen fanden. Am kommenden Freitag will ich nach Stuttgart fahren, um mit Christ und Welt über Möglichkeiten der Mitarbeit zu verhandeln. Der Rundfunk lässt der Polemik doch nicht genügend freien Auslauf. 477  1963 erschien die „Theorie des Partisanen“ und die 5. Auflage vom „Begriff des Politischen“, die erste nach der NS-Zeit. 478  Claus Koch (1929–2010), Philosoph und Ökonom, arbeitete als Journalist und gab von 1959–1968 die Zeitschrift Atomzeitalter heraus. 479  Julien Freund (1921–1993), französischer Soziologe, aktives Mitglied im französischen Widerstand gegen die deutsche Besatzungsmacht, lebte nach 1945 in Straßburg und gehörte zur dritten Generation bundesrepublikanischer Schüler Carl Schmitts. Er war seit Mitte der 1950er Jahre häufiger Gast bei Schmitt.

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Brief Nr. 87

Am Abend werde ich auch den Verleger Seewald480 sehen, der schon seit Jahren versucht, mir ein aktuelles politisches Buch zu entlocken. Ich habe mich bisher nicht nur aus Zeitmangel dazu nicht verstehen können. Die meisten der gängigen politischen Bücher entgehen, selbst wenn sie von unabhängigen Autoren geschrieben sind, so wenig der Gefahr, im Grunde bloß Arabesken zum gegenwärtigen Konformismus zu liefern, dass ich wenig Lust hatte, mich an dergleichen zu beteiligen. Nun ist mir aber ein Einfall gekommen, der mich reizt; der freilich zu seiner Verwirklichung der Zusammenarbeit vieler Talente bedürfte. Ich denke an eine Art „Handwörterbuch der Funktionärssprache oder Idioticon des Kanzeldeutschen, des Parlaments-Rotwelsch, der Presse-Topoi und der Sprache des vorpolitischen Raumes“. Darin müsste analog dem hier beinahe unbekannten ‚Dictionnaire des Idées reçues‘ von Gustave Flaubert ein Katalog von Stichworten, durch welche sich der neuzeitliche Funktionär ausweist, zu finden sein, und zwar mit Bezeichnung des Kontextes, der Affektbesetzung und der sozialen Schicht, in der sie gebräuchlich sind. Außerdem müssten beispielsweise Gemeinplätze zu schicklicher Verwendung in Stichworten beigefügt sein. Danach wären etwa zu unterscheiden Stichworte, zu denen der Vermerk ‚Sozdem‘, ‚Christdem‘, ‚prot.‘, ‚kath.‘, ‚unter‘, ‚mittel‘, ‚ober‘, ‚vulg.‘ an­ zu­brin­gen wäre. Die affektive Besetzung könnte entweder durch den Zusatz ‚positiv‘, ‚negativ‘ oder ‚abwertend‘, ‚aufwertend‘, in Extremfällen auch durch die Kennzeichnung ‚Pfui-Wort‘ und ‚Bravo-Wort‘ deutlich gemacht werden. Die einzelnen Stichworte könnten selbstverständlich auch sehr kurz angegeben und erläutert werden, etwa: Sport. fördert Fairness, Gesundheit, Völkerverständigung; Konkordat. Alles war Verrat und Blut – nur das Konkordat war gut (s. auch Autobahn); Partner. P. nennt der Funktionär Gegner oder Feind (Sozialpartner etc.); Warnung. Positiv für Drohung (Beispiel: Kennedy warnt, Chruschtschow droht). Diese unvollständigen und ganz zufälligen Exempel lassen vielleicht erkennen, worauf ich hinaus will. In der Mehrzahl der Fälle würden die Artikel natürlich länger sein müssen. Auch sollen sie sich nicht auf politische Begriffe beschränken, auch die Hauptgemeinplätze des gesellschaftlichen Lebens umfassen (Abend: sehr angenehmer, besonders reizender; oder Wahrheit: immer mit ‚reine‘, lautere, auch emphatisch: ‚nackte‘). 480  Stuttgarter

Verlag mit konservativem Profil.



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Meine Bitte an Sie – neben der, die Vertraulichkeit des Projektes zu bewahren –: mich gelegentlich auf ergiebige Stichworte hinzuweisen. Die herrschende Phraseologie bietet so reichen Jagdgrund, dass es vielleicht nicht unverschämt ist, wenn ich Sie bitte, mit Ihrem scharfen Auge mit auszuspähen. Mit herzlichen Grüßen und allen guten Wünschen bin ich Ihr Ihnen sehr ergebener

Nr. 88 Armin Mohler an Carl Schmitt, 1. Dezember 1965 Mein lieber Herr Professor, ich hatte eben ein längeres Gespräch mit dem Gesandten a. D. Dr. Paul K. Schmidt („Paul Carell“)481, dem Freund von Petwaidic und Martini, der Berater von Axel Springer ist und mich dort unter seine Fittiche genommen hat. Da er Ihnen nicht persönlich bekannt ist, bat er mich, für Springer und ihn zunächst auf diesem informellen Wege eine Bitte vorzutragen. Axel Springer hätte gern ein Gutachten zu der Frage, ob die Bundesregierung aufgefordert werden könnte, nach Berlin überzusiedeln. Wäre das vom völkerrechtlichen, staats- und verfassungsrechtlichen Zustand her überhaupt möglich? Welchen Einfluss hätte darauf die Tatsache, dass die DDRRegierung bereits unangefochten in Ost-Berlin sitzt? Gedacht wäre zunächst an eine Skizze von etwa 4–6 Seiten, die selbstverständlich honoriert würde und von der aus dann zu überlegen wäre, ob die Abfassung eines umfassenden Gutachtens sinnvoll wäre. Springer und Schmidt sind der Meinung, dass Sie der Jurist wären, der eine solche Frage gültig beantworten könnte. Und die beiden Herren wären glücklich, wenn Sie sich entschließen könnten, die Frage für Sie zu beantworten. Ich weiß, dass ich Ihnen diese Bitte nicht in einem glücklichen Augenblick unterbreite. Die Zeit um den ersten Advent ist ja für Sie und Ihre Freunde von Gedanken an Ihre Gattin überschattet. Aber Sie wissen ja auch, welche Bedeutung diese Frage heute hat. Von Springers Seite würde Ihnen alle Diskretion zugesichert, und die beiden Herren würden auch Sie bitten, die Angelegenheit vorerst ganz vertraulich zu behandeln. (Auch das ist ein Grund dafür, dass die Bitte zunächst über 481  Paul Carell [eigentlich Paul Karl Schmidt] (1911–1997), war sei 1939 Leiter der Presse- und Nachrichtenabteilung im Auswärtigen Amt. Siehe Einführung, S. 41.

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Briefe Nr. 88–89

mich vorgetragen wird.) Auch ich wäre sehr glücklich, wenn Sie sich zu einem Ja entschließen könnten. Dass man Sie fragt, gerade Sie fragt, ist für mich nur eine Bestätigung mehr für die Schlüsselstellung, die Sie einnehmen – und an die Sie oft nicht glauben wollen … Heute konnte ich von Ihnen die Schrift über den Volksentscheid482 erwerben (bei einem Berliner Antiquariat), die ich bisher noch nicht besaß. Ich hatte sie vor einigen Tagen telefonisch bestellt – heute traf sie ein. Nun nehme ich das als ein Zeichen, dass meine Frage an Sie unter einem guten Stern steht. Mit herzlichen und dankbaren Grüßen bin ich Ihr

Nr. 89 Carl Schmitt an Manfred Friedrich483, 10. Januar 1966484 Aus einem Schreiben von Manfred Friedrich, Institut für Politische Wissenschaft in Frankfurt am Main vom 5. Januar 1966, betreffend seine Habilitationsschrift über Hermann Heller und eine Anfrage wegen eines Besuchs in Plettenberg: Im vergangenen Jahr ist in der Zeitung Die Welt eine Besprechung von mir über das Buch von Hasso Hofmann485 erschienen, die eine alberne und mit dem Inhalt meiner Rezension absolut nicht kongruente Überschrift trug, wenn ich mich recht erinnere von der Art: „Die gefährlichen Lehren des Juristen Carl Schmitt“. Ich möchte gern diesen Brief zu der Richtigstellung benutzen, dass diese Überschrift ohne mein Wissen von der Redaktion, wie ja oft geschieht, meiner Rezension vorausgesetzt worden ist. Aus meinem Antwortschreiben vom 10. Januar 1966 (handschriftlich): „das Thema Ihrer Habilitationsschrift – Hermann Heller – ist mir mehrmals in meinem Leben und von ganz verschiedenen Seiten her begegnet, so 482  Carl Schmitt: Volksentscheid und Volksbegehren. Ein Beitrag zur Auslegung der Weimarer Verfassung und zur Lehre von der unmittelbaren Demokratie, Berlin und Leipzig 1927, Neuaufl. 2013. 483  Manfred Friedrich (1933), Politologe, lehrte vornehmlich am Sozialwissenschaftlichen Institut der Universität Göttingen. 484  Der Brief ist im NL nicht erhalten. Die hier gedruckte Version ist eine Abschrift von Schmitt. Nachlass Schmitt, Nr. 13017. 485  Hofmann promovierte mit einer Arbeit über „Legitimität gegen Legalität. Der Weg der politischen Philosophie Carl Schmitts“, Erlangen-Nürnberg 1962.



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dass ich wohl einen guten Gesprächspartner abgeben könnte. Freilich habe ich seit Herbst 1932 Heller nicht mehr persönlich gesprochen. Von seinen Büchern befindet sich nichts mehr in dem mir verbliebenen Rest meiner Bibliothek (außer dem Stenogramm-Bericht vom Prozess Preußen – Reich) und die Heller-Literatur kenne ich keineswegs vollständig … Ich muss also befürchten, dass ich in einem Gespräch der nehmende Teil wäre, besonders für das biographische Kapitel (mit Ausnahme des Leipziger Prozesses) und besonders auch für das dritte, das mir persönlich am wichtigsten ist. Trotzdem würde ich mich freuen, wenn ein Gespräch zustande käme. Dabei meine ich nicht eine Vernehmung im Stil eines Spiegel-Gesprächs oder eine gegenseitige Schnell-Befragung. Ein solches Missverständnis ist nach Ihren klaren Darlegungen (zum Unterschied von Staatslehre und Staatsrechtswissenschaft, zur sog[enannten] geistes­wissen­ schaft­­ lichen Richtung und anderem) nicht wahrscheinlich. Aber Sie sind unendlich jünger als ich. Mein Jahrgang ist 1888. Sie können, ja, dürfen vielleicht nicht einmal verstehen, was es besagt, wenn ich hier (und gerade anlässlich Hermann Hellers) das „infandum renovare dolorem“ zitiere. Doch bin ich schon beruhigt, wenn Sie wenigstens nicht a priori den Anspruch erheben, mich auf jeden Fall besser zu verstehen als ich mich selbst …“. Meinem Schreiben lag eine Kopie eines Briefes von Hermann Heller bei (Berlin-Schlachtensee, den 20.12.1928; Antwort auf meinen Brief vom 18. Dezember 1928).

Nr. 90 Armin Mohler an Carl Schmitt, 6. März 1966 Mein lieber Herr Professor, natürlich habe ich das Heftchen von Altmann, das bei Seewald auf Neujahr486 rauskam. Ich wundere mich nur, dass Kaiser das für eine Schrift von Carl Schmitt hält, nachdem er so lange Ihr Schüler war. Sie sollten das gelegentlich bei ihm und Forsthoff korrigieren. (D. h. Forsthoff hat die Schrift nicht gelesen – sie wurde ihm nur von Kaiser als eine Schrift von Ihnen gezeigt.) 486  Rüdiger Altmann war 1965 politischer Berater des Bundeskanzlers Ludwig Erhard und erfand für ihn den Begriff der „formierten Gesellschaft“. Bei der Jahresgabe des Seewald Verlags handelt es sich um die Broschüre „Die Formierte Gesellschaft – Für Männer: Überzeugen ist unfruchtbar. Den Freunden des Ver­ lages“.

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Briefe Nr. 90–91

Die Statue von Karl dem Kühnen hat mich sehr ergriffen – ich war erstmals in Innsbruck und am Maximiliansgrab. Ich dachte, dass sie Ihnen auch gefällt. Ja, wenn Carl Schmitt erscheint, hat’s geklingelt. Hans Fleig – bei dem klingelts leider nicht mehr richtig: er hat in der Zeit eine ergriffene Rezension über das letzte Dönhoff-Buch487 geschrieben. Er schreibt nun in ­Paczenskys „deutschem (!) panorama“ und hofft, dank solcher Fleißübungen akzeptiert zu werden. Er hat aus der Höfer-Geschichte488 nichts gelernt. Die Linke wird ihn bei nächster Gelegenheit wieder fallen lassen. Er hat völlig den Kompass verloren. Das sind C. S.-Schüler: die einen ghostwriten für den Dicken, die andern loben die Dönhoff … Es ist zum K … Trotzdem: herzliche Grüße Ihres Nr. 91 Carl Schmitt an Bernard Willms489, 18. November 1966 Lieber Bernard Willms, ein Brief an F. C. Hood490 (den ich ihm seit April d. J. schuldig war) hat mich einige Tage gekostet; so langsam geht jetzt alles bei mir zu. Dabei fällt mir viel mehr ein als in meinen früheren Jahren. Als ich in dem Material der 487  Hans Fleig: In vier Erdteilen unterwegs. Eine Journalistin erlebt Menschen, Staaten, Probleme, in: Die Zeit vom 18. Februar 1966. 488  Werner Höfer (1913–1997), Historiker und Journalist, wurde 1962 durch eine Publikation aus der DDR mit seinen journalistischen Arbeiten aus der NS-Zeit konfrontiert. Besonders die Verteidigung des Todesurteils gegen den Pianisten Karlrobert Kreiten sorgte für Aufsehen. Höfer, der nach 1945 vor allem als Moderator der Fernsehsendung „Internationaler Frühschoppen“ bekannt war, bestritt die Urheberschaft und konnte seinen Beruf bis 1987 weiter ausüben. Nach einem Artikel der Zeitschrift Spiegel, die den Fall noch einmal untersuchte, musste er schließlich doch zurücktreten. 489  Bernard Willms (1931–1991), Politologe, war Schüler Joachim Ritters und von 1965–1969 Assistent von Helmut Schelsky in Münster. Willms war schon früh regelmäßiger Teilnehmer der Ebracher Ferienseminare. Schmitt lernte ihn 1960 über Ritter kennen. Der Kontakt war nur lose. Willms besuchte Schmitt 1960 und dann erst wieder 1978, nachdem er 1968 auf Distanz zu Schmitt ging und erst in den folgenden Jahren wieder Nähe zu dessen Positionen fand. 490  Francis Campbell Hood, britischer Politologe und Hobbesforscher, stand mit Schmitt brieflich in Kontakt. Schmitt besprach dessen Buch „The Divine Politics of Thomas Hobbes. An Interpretation of Leviathan“, Oxford 1964, in: Der Staat (4) 1965, S. 51–69. Hood lehrte an der Universität Durham.



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letzten Monate nachlas, fiel mir Ihre Besprechung des Buches von J. Wössner, Mensch und Gesellschaft491, in die Hände. Ich hatte es in Ebrach bei mir, um mit Ihnen über die aus einem solchen Buch (bei Duncker & Humblot erschienen!) sich ergebende Situation unserer gegenwärtigen „Öffentlichkeit“ zu sprechen. Zu den vielen frustrierenden Gesprächshoffnungen, die ich auf Ebrach gesetzt hatte, gehört auch dieses Thema. Ich glaube nicht, dass Sie mich hier missverstehen; es handelt sich nicht um das schlechte Buch; sondern um das, was Sie heute tun, wenn Sie ein solches Buch richtig kennzeichnen und einem die Zeit für die Lektüre solchen Perorierens ersparen. Vielleicht tritt Ihnen dieser J. Wössner morgen als Hochschulreferent eines der vielen Kultusministerien gegenüber und dann sind Sie geliefert. Nr. 92 Armin Mohler an Carl Schmitt, 20. Oktober 1967 Mein lieber Herr Professor, es ist schade, dass ich Ebrach nicht mehr geschafft habe. Ich war in Frankfurt im Lauf des Sonntagnachmittags fertig. Da rief mich Marcel [Hepp] an und sagte mir, dass er mich nicht, wie beabsichtigt, in Würzburg mit dem Wagen abholen könne, er sei nicht abkömmlich. Der Fahrplan zeigte mir dann, dass ich wohl kaum mit dem Autobus rechtzeitig nach Ebrach gekommen wäre – und rechtzeitig weg (Dienstagabend hatte ich schon wieder einen Termin in der Stiftung). Bei Schulte492 gefiel es mir gut: der Mann hat mehr aufzubieten als man auf den ersten Blick sieht. Diese Mischung von List und Kohlhaas war mir neu; ein Kohlhaas mit Humor – apart. Eine Sauerländer Spezialität? Die „stern-tv“ (Stern-Television) in Hamburg, eine ziemlich unabhängige Institution in Bucerius’ Bereich, rief mich heute an. Sie hat den halbstündigen Film über mich gedreht, der vor einiger Zeit im 3. Programm lief und fair war. Sie möchten nun einen Film über Sie drehen.493 Das wird Ihnen nicht geheuer vorkommen – schon wegen der Firma. Ich möchte Ihnen aber empfehlen, den beiden Leuten, die das machen, Dr. W[olfgang] Venohr494 491  Jakobus Wössner: Mensch und Gesellschaft. Kollektivierung und „Sozialisierung“. Ein Beitrag zum Phänomen der Vergesellschaftung im Aufstieg und in der sozialen Problematik des gegenwärtigen Zeitalters, Berlin 1963. 492  Wilhelm Schulte (1898–1986), Fabrikant aus Lüdenscheid. 493  Eine Anfrage an Schmitt von stern-tv folgte am 24. Oktober 1967. Siehe unten. 494  Wolfgang Venohr (1925–2005), Historiker und Publizist, wurde unter anderem bekannt durch eine Fernsehdokumentation über die Waffen-SS, die er zusammen mit Heinz Höhne für die ARD produzierte. Mit Sebastian Haffner publizierte er das

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und seinem adlatus Corleis495 zum mindesten die Chance zu geben, von Ihnen einmal angehört zu werden. Die beiden möchten einmal zu Ihnen kommen und Ihnen den Plan unterbreiten. Venohr ist eine mich rührende Figur, früherer Offizier der Waffen-SS, ein Preuße durch und durch, mit viel Romantik, grundanständig, von einem Widerwillen gegen das hiesige Establishment erfüllt, darum offen gegen die, welche, von welcher Seite auch immer, gegen dieses Establishment sind. Und er hat Mut. Corleis ist ein Landsbergschüler, eher der Typus des gebrochenen Intellektuellen, aber von Venohrs Art angesteckt und meiner Meinung nach auch anständig. Er suchte mich nie reinzulegen. Ich hielte es für wichtig, dass es einen solchen Film über Sie gibt – er könnte jahrelange Versuche, Sie zum diabolus zu stilisieren, zunichte machen. Kürzlich habe ich einen Film über meinen Lehrer Pinder gesehen. Es packte mich sehr, ihn nach seinem frühen Tod, so viele Jahre später, wieder lebendig vor mir zu sehen.496 Nr. 93 Carl Schmitt an die Chefredaktion von stern-tv, 30. Oktober 1967 Sehr geehrter Herr Dr. Wolfgang Venohr, ich weiß den Wert Ihres Vorschlages, im Auftrag des Westdeutschen Fernsehens in der Fernsehproduktion Ihres Verlages ein Portrait von mir herzustellen, wohl zu schätzen und bin auch Herrn Dr. Mohler für seine Vermittlung dankbar. In der konkreten Durchführung Ihres Vorschlages würden aber von vier Seiten her – Westdeutsches Fernsehen, stern-tv, Dr. Mohler und meine Person – vier verschiedene Vorstellungen von einem Portrait zum Zuge kommen, die sich in mindestens vier verschiedenen Bezugssystemen bewegen und deren Syndrom kein Bild und noch nicht einmal ein Resultat ergäbe. Anpassungsversuche von meiner Seite könnten nichts daran ändern und wären angesichts meines hohen Alters geschmacklos. So werden Sie Verständnis dafür haben, dass ich Sie bitte, den Gedanken eines solchen Portraits nicht weiter zu verfolgen. Mit bestem Dank und vorzüglicher Hochachtung Buch „Preußische Profile“. Seine Lebenserinnerungen erschienen unter dem Titel „Die Abwehrschlacht“ 2002. 495  Jürgen Corleis (1929–2011), Journalist und Dokumentarfilmer. 496  Mohler kam 1942 aus der Schweiz nach Deutschland, um sich freiwillig zur Waffen-SS zu melden. Sein Antrag wurde jedoch abgelehnt. Er lebte von Februar bis Dezember 1942 in Berlin und besuchte dort Seminare des Kunsthistorikers Wilhelm Pinder (1878–1947).



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Nr. 94 Johannes Gross an Carl Schmitt, 10. Januar 1968 Sehr verehrter, lieber Herr Professor, kurz nachdem ich den „Staat“ abbestellt hatte, kam das neue Heft mit Ihrem großen Clausewitz-Aufsatz497, den ich natürlich mit dem größten Vergnügen und Gewinn gelesen habe. Auch die Rezension von Böckenförde über das evangelische Staatslexikon498 entsprach ungefähr dem Entwurf, nach dem die Zeitschrift ursprünglich begründet worden ist – ungefähr, denn die Entschiedenheit des Urteils und die epigrammatische Prägnanz des Ausdruckes fehlen dem jungen gelehrten Professor doch zu sehr. Das Bedürfnis zu vermitteln und alle, auch die intellektuell unattraktiven Brücken begehbar zu halten, ist für meinen Geschmack zu stark. Als ich Ihren Clausewitz las, empfand ich es als sehr schade, dass er nicht in einer Zeitschrift publiziert worden ist, die einen besseren Zugang zur Öffentlichkeit hat. Könnten Sie nicht gelegentlich im Merkur schreiben? Mir wird von Studenten der Bochumer Universität die Zeitschrift RuhrReflexe regelmäßig zugeschickt; ich füge diesem Brief das Heft 7 bei, das einen Angriff auf Roman Schnur499 enthält, der als Dokument der massiven Unbildung und Denkfeindschaft dieser aufgeregten Studenten ganz amüsant ist. Aber auch wieder bedenklich, wenn man an die Feigheit der Administrationen und das Ungeschick der Lehrenden im Umgang mit den Lernenden denkt; die sogenannte politische Bildung in der Bundesrepublik trägt jetzt bei einer Generation Früchte, die naiv genug ist, sie ernstzunehmen. Hoffentlich hat Schnur jetzt stärkere Nerven; eine gewisse Unterstützung wird es ihm sein, dass Altmann durch ihn einen Lehrauftrag bekommen hat; Altmann hat es leichter, von den Pseudospätmarxisten akzeptiert zu werden. Petwaidic wird den Sachverhalt vielleicht kommentieren. Ich muss mich in diesen Tagen mit der Frage beschäftigen, was es zwischen Inland und Ausland noch als drittes gibt. Diese Frage wird für die gesamtdeutsche Politik der Großen Koalition immer wichtiger, und es hat daher ein starkes Interesse, staats- und völkerrechtliche Analogiefälle zu 497  Carl Schmitt: Clausewitz als politischer Denker. Bemerkungen und Hinweise, in: Der Staat 6 (1967), S. 479–502. 498  Ernst-Wolfgang Böckenförde: Buchbesprechung. Evangelisches Staatslexikon, hrsg. von Hermann Kunst und Siegfried Grundmann in Verbindung mit Wilhelm Schneemelcher und Roman Herzog, Stuttgart / Berlin 1966, in: Der Staat 4 (1967), S. 513–517. 499  Roman Schnur (1927–1996), Jurist, gehörte mit Nicolaus Sombart, Hanno Kesting und Reinhart Koselleck zu den engen Schülern nach 1945. Er war der Vetter eines Berliner Nachbarn und stand ab 1951 in enger Verbindung mit Schmitt.

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dem heranzuziehen, was unseren Machthabern gegenwärtig dunkel vorschwebt. Könnten Sie mir helfen? Bislang habe ich mir einen gründlicheren Blick auf die staatsrechtlichen Zustände des deutschen Bundes und des alten Reiches, die Entwicklung des englisch-irischen Verhältnisses und des Commonwealth überhaupt vorgenommen. Gibt es spezifische Literatur? Vielleicht könnte auch dieses Thema bei einem Besuch erörtert werden, zu dem ich mit Altmann und Petwaidic zu einem Ihnen passenden Zeitpunkt gern aufbrechen würde. Mit herzlichen Grüßen Ihr Ihnen sehr ergebener (Johannes Gross) p. s. Ich füge noch ein paar neue Aufsätze von mir bei, die Sie vielleicht interessieren. Nr. 95 Roland Dieterich500 an Carl Schmitt, 17. Januar 1968 Hochverehrter Herr Professor! Ermutigt durch die Anregung von Herrn Prof. Dr. Esser501, bei dem ich zur Zeit arbeite, erlaube ich mir, Ihnen die vielleicht ungewöhnliche Bitte um nähere Interpretation von Auffassungen vorzutragen, die Sie in Ihrer „Verfassungslehre“ von 1928 sowie in Ihren Monographien „Die Diktatur“ und „Die geistesgeschichtliche Lage des Parlamentarismus“ ausgeführt haben. Ich arbeite an einer Dissertation über das Problem der Öffentlichkeit von Legislativversammlungen (der Parlamente und Gemeinderatssitzungen ebenso wie etwa satzungsgebender Versammlungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten). Die Prägnanz und Eindringlichkeit Ihrer Gedankengänge zu diesem Problem rechtfertigen mich, so hoffe ich, Ihnen meine Zweifel und Interpretationsschwierigkeiten vorzutragen, um Klarheit zu gewinnen. In Ihren angeführten Schriften kommt immer wieder zum Ausdruck, dass Sie die Öffentlichkeit der parlamentarischen Verhandlungen als ein essential des parlamentarischen Systems schlechthin ansehen (z. B. Verfassungslehre, S. 316; Geistesgeschichtliche Lage, S. 7, 41 ff.). 500  Roland Dieterich (geb. 1944), Jurist, damals Promotionsstudent an der Universität Tübingen. 501  Josef Esser (1910–1999), Jurist, lehrte von 1961–1977 Rechtswissenschaften an der Universität Tübingen.



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Mir scheint nun, dass sich diese Folgerung bei Ihnen aus zwei unterscheidbaren Gedankengängen ergibt: Zum einen aus dem Wesen der „Repräsentation“, zum anderen aus Ihrer Deutung des Gedankenguts des Liberalismus. So schreiben Sie in der Verfassungslehre, S. 208: „Die Repräsentation kann nur in der Sphäre der Öffentlichkeit vor sich gehen …“. Weiter: „Sobald sich die Überzeugung durchsetzt, dass im Rahmen der parlamentarischen Tätigkeit das, was sich öffentlich abspielt, nur eine leere Formalität geworden ist und die Entscheidungen außerhalb dieser Öffentlichkeit fallen, kann das Parlament vielleicht noch manche nützlichen Funktionen ausüben, aber es ist eben nicht mehr Repräsentant der politischen Einheit des Volkes.“ Dieser Satz ergibt sich notwendig aus Ihrer Auffassung, dass Repräsentation Öffentlichkeit voraussetzt. Dem kann ich auf Grund Ihrer Ausführungen zustimmen. Zweifelhaft ist für mich aber, ob sich aus dem Gedanken der Repräsentation auch ableiten lässt, dass nicht nur allgemein die Sitzungen des Parlaments öffentlich sein sollen, sondern darüber hinaus auch die politisch bedeutsamen Entscheidungen des Parlaments vor den Augen der Öffentlichkeit stattfinden sollen (so daselbst S. 208). Denn wenn Repräsentation nur Sichtbarmachung des Phänomens der politischen Einheit ist, die einem Volke übergeordnet ist, muss es genügen, wenn sich der äußerliche Vorgang der staatlichen Willensbildung vor den Augen der Öffentlichkeit abspielt: Dadurch wird ja die Existenz der politischen Einheit dargestellt, d. h. der ­Öffentlichkeit sichtbar gemacht. Anders wäre es, wenn Sie unter dem Begriff „politische Einheit“ das Ergebnis einer bewussten Willensbildung des Volkes verstehen würden. Dann wäre das Parlament als Spiegelbild der politischen Strömungen des Volkes anzusehen, in dem diese Einheit (durch Diskussion) hergestellt wird und gleichsam dieser Prozess repräsentiert wird. Mir scheint aber, dass Ihre Ausführungen so nicht interpretiert werden können. Der Begriff „politische Einheit“ dient bei Ihnen vielmehr zur Erläuterung des Zustands eines Volkes, der Staat genannt wird. Zur Realisierung dieser politischen Einheit bedarf es einer Staatsform. Damit bleibt die Frage, die ich an Sie stellen möchte, wieso denn, wenn ein Parlament Repräsentant der politischen Einheit ist, nicht nur die äußerlichen Vorgänge der Willensbildung, sondern auch die politisch bedeutsamen Vorgänge der Entscheidungsfindung öffentlich sein sollen. Auf die konkrete Verfassungssituation gewendet: Ergibt sich aus dem Prinzip der Repräsentation die Forderung nach Öffentlichkeit z. B. der Ausschusssitzungen? Auch Ihre Darstellung des liberalen Gedankenguts kann m. E. keine durchschlagende Begründung mehr für die Öffentlichkeit aller Willensbildungsprozesse liefern. Die Vorstellung des Liberalismus – die als Gegenposi­tion

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zur Arcanpraxis des Absolutismus zu verstehen ist –, wonach Öffentlichkeit „das absolut wirksame Kontrollorgan“ sei und ihre Gewährleistung eo ipso die Auffindung der „wahren“ und „richtigen“ Politik ermögliche, hat sich, wie wir heute wissen, als falsch erwiesen. Sie hat zur Voraussetzung, dass es eine politische Öffentlichkeit gibt, die die Gewährleistungen der Verfassung zu handhaben versteht. Diese gibt es zumindest in Deutschland nicht. Damit bleibt auch nach der Lektüre Ihrer Schriften meine Frage nach der ratio der Öffentlichkeit, deren Beantwortung für die Lösung von aktuellen Rechtsproblemen unerlässlich ist, im Grunde unbeantwortet. Ich erhoffe mir nun – fast 40 Jahre nach dem ersten Erscheinen Ihrer von mir herangezogenen Werke – eine Deutung von Ihnen, die mir bei meinen Fragen weiterhelfen könnte. Interpretiere ich Sie richtig, so lautet meine Eingangsfrage, wenn ich zwei verschiedene Begründungen für die Forderung nach Öffentlichkeit bei Ihnen zu unterscheiden können glaube? Und, darüber hinaus, welches kann in der heutigen Verfassungssituation die wahre Begründung für die Forderung nach Öffentlichkeit aller politisch bedeutsamen Vorgänge der staat­ lichen Willensbildung sein? Darf ich von Ihnen, sehr verehrter Professor, als dem Nestor der deutschen Verfassungslehre eine Antwort erhoffen? Mit dem Ausdruck der höchsten Verehrung bin ich Ihr sehr ergebener Roland Dieterich Nr. 96 Carl Schmitt an Roland Dieterich, 3. Februar 1968 Sehr geehrter Herr Dieterich, ich habe Ihr Schreiben vom 17. Januar erhalten und wenn ich es erst jetzt beantworte, so liegt das an allerlei äußerlichen Hemmungen, aber nicht an einem Mangel an Interesse für Ihre Fragen und Ihr Thema. Gleich Ihr Ansatz – die Eingangsfrage nach den zwei verschiedenen Begründungen für die Forderung nach Öffentlichkeit – hat mir wegen ihrer treffsicheren Richtigkeit große Freude gemacht. Ich darf Ihnen der Übersicht halber in der Reihenfolge Ihres Schreibens mit einigen kurzen Andeutungen antworten; eine erschöpfende Darlegung ist mir schriftlich nicht möglich. 1. Die Verschiedenartigkeit einer aus der Idee der Repräsentation abgeleiteten Öffentlichkeit (gegenüber einer mit liberalen Argumenten rationaler Diskussion begründeten Öffentlichkeit) ist klar. In der Praxis ergeben sich



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Verbindungen und Kollisionen; in der Theorie von der „Integration“ geht sowieso alles in den melting-pot „integriert“. Innerhalb der „Öffentlichkeit“ als Attribut der Repräsentation unterscheidet übrigens die (auch heute noch wichtige) Marburger Dissertation von Rüdiger Altmann (1954 bei Prof. Abendroth, Phils. Fak. Bisher nicht veröffentlicht*) R[epräsentation] als formgebendes Strukturprinzip der Öffentlichkeit (bei C. S.) von der „Publizität als Akzidenz herrschaftlicher R[epräsentation]“ (bei G. Leibholz). 2. Ihre zweite Frage (ob sich aus dem Gedanken der R[epräsentation] allgemein das Erfordernis der Öffentlichkeit aller politisch bedeutsamen Entscheidungen des Parlaments ableiten lässt) ist einfach zu beantworten, wenn man deutlicher zwischen der Verkündung und der Beratung unterscheidet. Die Verkündung einer fertigen Entscheidung ist fast selbstverständlich, damit also auch ihre Öffentlichkeit (es gibt keine Geheim-Repräsentation). Die Beratung der erst noch zu treffenden Entscheidung ist fast ebenso selbstverständlich nicht öffentlich. Doch verhindert der Begriff (oder Gesichtspunkt) der Integration auch hier jede deutliche Unterscheidung. Die öffentliche Beratung (Diskussion) dient der Integration; auch die R[eprä­ sentation] als solche soll der Integration dienen und die zu repräsentierende politische Einheit überhaupt erst bewirken. Von meinem „klassischen“ Begriff der R[epräsentation] her kann die Frage, ob auch die EntscheidungsFindung oder Entstehung öffentlich sein soll, überhaupt nicht erst aufkommen. Die „öffentliche Ausschusssitzung“ verwandelt den Parlamentsausschuss in ein Neben- oder auch Über-Parlament, eine nicht-manipulierte, echte Öffentlichkeit aller heutigen Ausschusssitzungen würde dem Ansehen des Parlaments den Rest geben. 3. Sie sagen, die Frage nach der ratio der Öffentlichkeit bliebe bei mir unbeantwortet. Das mag wohl sein, denn solche allgemein-abstraken Fragen stelle ich nicht. Ich bleibe dabei: dass die Frage nach der Öffentlichkeit ihren juristischen Sinn erst aus der konkreten Ordnung heraus erhält, in der sie existent wird. Sie selber, sehr geehrter Herr Dieterich, unterscheiden für Ihre Arbeit die Öffentlichkeit von Legislativversammlungen von der Öffentlichkeit anderer Vorgänge in Justiz, Regierung und Exekutive, und innerhalb der Legislativversammlungen müsste man zwischen dem Ganzen der politischen Einheit (dem heute so beklagenswerten „Staat“, vgl. den Kommentar von Johannes Gross in der Zeitschrift Capital vom Februar 1968), Kommunalorganen und Anstalten weiter unterscheiden, um die Verschiedenheit der Öffentlichkeit einer Bundestagssitzung von der einer Stadt- oder Gemeinderatssitzung zu erkennen, um dem Öffentlichkeitsbegriff der Polizei (z. B. bei Demonstrationen) von dem Öffentlichkeitsbegriff einer Strafkammer und *  Genauer Titel: Das Problem der Öffentlichkeit und seine Bedeutung für die moderne Demokratie.

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Geschworenensitzung erst einmal zu identifizieren, ehe man nach einem allgemeinen Öffentlichkeitsbegriff fragt. 4. Schließlich liegt die kritische Situation des Öffentlichkeitsbegriffs heute in der Möglichkeit der „Öffentlichkeit als Staatsersatz“, in der Herrschaft einer von Massen-Medien überhaupt erst bewirkten und praktizierten Öffentlichkeit, die bei allen den von Ihnen ins Auge gefassten Fällen einer Öffentlichkeit stärker ist als die von der Legislativ-Versammlung aus eigener Kraft bewirkte Öffentlichkeit. Das ist ein weites Feld, das die Juristen leider den Soziologen, Politologen und den Studentenzeitungen überlassen haben. Ich will Sie mit dieser Bemerkung nicht vom Juristischen ablenken und zu Habermas oder R. Altmann hinlenken, sondern im Gegenteil, die primär rechtswissenschaftliche Natur aller Öffentlichkeits-Probleme revitalisieren. Doch geht das vielleicht schon über die Intention Ihrer Anfrage hinaus. Die Schrift über die „geistesgeschichtliche Lage des Parlamentarismus“ liegt heute über 40 Jahre zurück. Welche Banalisierung heute das Niveau der öffentlichen Diskussion bestimmt, erkennen Sie am besten an einem Leitartikel der FAZ, der etwa am 27. oder 28. Dezember 1967 erschienen ist und den ich leider nicht zur Hand habe. Ich wollte Ihnen mit meiner Antwort nur mein Interesse an Ihrem Thema und Ihrer Frage bekunden und musste das leider mit meiner schlechten Handschrift bewirken. Es würde mich freuen, wenn Sie mit Ihrem interessanten Thema zu einem Ergebnis kämen, das Sie und Ihren Lehrer, Herr Professor Esser, befriedigt. Übermitteln Sie ihm bitte meine besten Empfehlungen! Ihr sehr ergebener Carl Schmitt. Nr. 97 Carl Schmitt an Walter Boehlich502, 4. März 1968 Sehr geehrter Herr Walter Boehlich, Sie fragen, in Ihrem Schreiben vom 26. Februar, nach Albert Salomon503 und was ihn veranlasst hat, Walter Benjamin die Übersendung seines Bu502  Walter Boehlich (1921–2006), Philologe, arbeitete als Literaturkritiker u. a. für die FAZ und Die Zeit. Er war damals Cheflektor beim Suhrkamp Verlag, den er aber im selben Jahr noch verließ, nachdem er versucht hatte, für die Lektoren des Verlages ein Mitspracherecht in geschäftlichen Entscheidungen durchzusetzen. Boehlich hatte Schmitt am 22. Februar angeschrieben, nachdem er den Hinweis auf den Brief von Walter Benjamin in Schmitts Hamlet-Buch gesehen hatte. Der Brief war in der ersten Sammlung von Benjamin-Briefen von den Herausgebern unterdrückt worden, zuerst veröffentlicht wurde er von Hans-Dietrich Sander in seiner Dissertation „Marxistische Ideologie und allgemeine Kunsttheorie“, Basel 1970, S. 173.



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ches 504 nahezulegen. Albert Salomon ist ein keineswegs unbekannter Soziologe; Sie werden sich mit den Ihnen im Verlag zur Verfügung stehenden Mitteln sicher ohne große Mühe informieren können. Was ihn veranlasst hat, die Zusendung an mich anzuregen, weiß ich nicht, jedenfalls nicht speziell und konkret. Er hat um die gleiche Zeit, im Märzheft 1931 (S. 286) der von Rudolf Hilferding505 herausgegebenen Zeitschrift Die Gesellschaft eine besonders schöne und nachdrückliche Besprechung meines Hugo-Preuß-Vortrages von 1930 veröffentlicht. Leider habe ich sie nicht zur Hand. Eine sachgemäße Beantwortung Ihrer weiteren Fragen müsste zu fortwährenden Gegenfragen führen. Ich habe Walter Benjamin nicht persönlich kennen gelernt. Dass kein persönliches Gespräch zustande gekommen ist, lag nicht etwa daran, dass ich nicht den Wunsch danach gehabt hätte; wahrscheinlich lag es auch nicht auf Benjamins Seite daran, oder an den gemeinsamen Bekannten, zu denen Albert Salomon gehörte. Man kann sich heute – Bonn-Berlin 1968 – kaum noch ein Bild der zahllosen Kontakt- und Gesprächsmöglichkeiten machen, mit denen das Berlin der Jahre 1930 / 32 erfüllt war und deren Fülle sich oft gegenseitig aufhob oder im Wege stand. Zu Ihrer letzten Frage (ob ich mir Gedanken über die durch den Brief Benjamins aufgeworfenen Probleme gemacht habe) darf ich an den Ausgangspunkt unsers Briefwechsels erinnern: Die Heranziehung seines Briefes in meiner Schrift „Hamlet oder Hekuba“. Meine ganze Schrift nimmt auf 503

503  Albert Salomon (1891–1966), Soziologe. Während des Studiums in Heidelberg Kontakt zu Friedrich Gundolf, dem George-Kreis und Teilnehmer des Jour-Fix bei Max Weber. Der Kontakt zu Schmitt bestand seit Anfang der 1930er Jahre. Zu Salomon siehe Peter Gostmann und Gerhard Wagner (Hrsg.): Albert Salomon. Werke: Biographische Materialien und Schriften 1921–1933, Wiesbaden 2008. 504  Walter Benjamin hatte am 9. Dezember 1930 eine Ausgabe seiner Habilita­ tionsschrift „Ursprung des deutschen Trauerspiels“ geschickt und in einem Begleitbrief geschrieben, dass er von Schmitts Souveränitätslehre und aus der politischen Theologie wichtige Anregungen erhalten habe. Schmitts Tagebuch verzeichnet die Sendung nicht. In der Nachkriegszeit streute er die Aussage Benjamins gezielt und wurde vielfach darauf angesprochen. Der Spiegel-Redakteur Dieter Brumm bat Schmitt am 21. April 1970 um ein Interview, um die Verbindungslinie zu Benjamin zu „erläutern“. Brumm kannte den Benjamin-Brief durch Jacob Taubes und bemühte sich 1970 und 1971 um ein Gespräch mit Schmitt, das aber nicht zustande kam. Schmitt entschuldigte sich wiederholt wegen gesundheitlicher Gründe. Briefwechsel Dieter Brumm / Carl Schmitt, Nachlass Schmitt, Nr. 11378 bis Nr. 11380. Zur Identifikation von Schmitt mit Benjamin nach dem Krieg siehe Helmut Lethen in FAZ vom 16. September 1999. Susanne Heil, Gefährliche Beziehungen – Walter Benjamin und Carl Schmitt, Stuttgart 1996. Reinhard Mehring: „Geist ist das Vermögen, Diktatur auszuüben“. Carl Schmitts Marginalien zu Walter Benjamin, in: Daniel Weidner (Hrsg.): Benjamin Studien, Bd. 2, München 2010, S. 239–256. 505  Rudolf Hilferding (1877–1941), Arzt und Sozialwissenschaftler, war von 1924–1933 Mitglied des Reichstags für die SPD. 1923 sowie 1928 Reichsfinanzminister.

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Briefe Nr. 97–98

Walter Benjamin Bezug, wie sofort in der Vorbemerkung (S. 7) hervorgehoben ist. Außerdem ist in dem Exkurs 2 (S. 62–67) schon in der Überschrift gesagt, um was es sich handelt: „Über den barbarischen Charakter des shakespearischen Dramas; zu Walter Benjamin, Ursprung des deutschen Trauerspiels, Ernst Rowohlt Verlag, Berlin 1928“. In den Anmerkungen 15 und 21 (S. 71–72) ist nochmals auf ihn hingewiesen, und schließlich bezieht sich die letzte Anmerkung (23 und S. 73) mittelbar auf ihn […].506 Nr. 98 Carl Schmitt an Walter Boehlich, 11. März 1968507 Sehr geehrter Herr Walter Boehlich, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie sich durch meine Gegenfragen nicht haben abhalten lassen, Ihre eigene Frage zu präzisieren und zwar auf „meine eigenen Gedanken über Anregungen, die Walter Benjamin von mir empfangen haben könnte“. Solche Gedanken sind unvermeidlich und kommen mir in großer Menge, denn unter „Anregungen“ verstehe ich hier die Früchte ehrlicher Gegenseitigkeit und objektiver Contemporaneität. Hat es aber einen Sinn, sie mitzuteilen, wo sie als Bilder- und Gedankenmasse aus einer weit zurückliegenden Zeit metaphysischer und theologischer Gedanken abgetan werden? Weder die Freiheit seines Denkens, noch das entsetzliche Unglück seines Lebens, noch die tragische Verbindung von beidem hat Walter Benjamin davor bewahren können, öffentlich zum Streitobjekt einer traurigen Kontroverse508 zu werden. Soll ich mich etwa in einer solchen Öffentlichkeit zu Wort melden? Das sei ferne! Mit besten Dank und Gruß, Ihr Carl Schmitt 506  Der Brief ist nur als Abschrift erhalten, die an dieser Stelle abbricht. Das Original liegt weder im Nachlass Schmitt, noch im Literaturarchiv Marbach, Verlagsarchiv Suhrkamp. 507  Walter Boehlich hatte am 6. März 1968 insistiert und noch einmal Schmitts Ansicht darüber erbeten, welche Anregungen Benjamin von Schmitt erhalten haben könnte. 508  Zur Benjamin-Kontroverse und der neuen Linken siehe Ellen Kennedy, Carl Schmitt und die Frankfurter Schule, in: Geschichte und Gesellschaft 12 (1986), S. 380–419; Jacob Taubes, Ad Carl Schmitt – Gegenstrebige Fügung, Berlin 1987; Werner Fuld, Walter Benjamin – Eine Biographie, Reinbek 1990; Ricardo Foster, El estado de excepción: Walter Benjamin y Carl Schmitt como pensadores del riesgo, in: Los hermeneutas de la noche, de Walter Benjamin a Paul Celan, Madrid 2009; Jacob Taubes, Carl Schmitt. Briefwechsel, hrsg. von Herbert Kopp-Oberstebrink, Thorsten Palzhoff und Martin Treml, München 2012.



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Nr. 99 Carl Schmitt an Hans-Dietrich Sander, 8. Mai 1968509 Lieber Herr Sander, Ihr Schreiben vom 29. April verdient eine vollständigere Antwort, als ich sie jetzt geben kann. Ich möchte mich aber herzlich für Ihre wertvollen Mitteilungen bedanken und Sie meines lebhaften Interesses an Ihrer weiteren publizistischen Arbeit versichern. Ihren Entwurf über die Anerkennung der DDR habe ich den Herrn Joh[annes] Gross (vom Deutschlandfunk) und Herrn Walter Petwaidic510 übergeben, die mich vorige Woche hier besuchten; hoffentlich wird daraus eine Glosse oder ein Kommentar; ich werde Herrn Gross mitteilen, dass die Studie im Juni im „Deutschland-Archiv“ erscheint. In der Festschrift zum 60. Geburtstag von Prof. Abendroth (zu deren Herausgebern auch der Erlanger Prof. Lenk gehört) ist ein Aufsatz von Prof. Ridder (Gießen) erschienen unter dem Titel „ex oblivione malum“511, ein lautes Gebell, das die Schakale wecken soll. Ich muss Sie darauf aufmerksam machen, unter dem Gesichtspunkt, dass Sie sich mit der Erwähnung meines Namens zurückhalten müssen, sonst richtet sich der blinde Hass auch gegen Sie, wie in diesem Festschrift-Aufsatz für Abendroth gegen die frühere Deutsche Zeitung, weil diese einmal einen sachlichen Aufsatz über mich veröffentlicht hat (vor 5 Jahren!). Durch den aktuellen Zusammenhang Ridder-Anti-Notstand ist dieser böse gemeinte Schluss der Abendroth-Festschrift noch aktueller geworden. Deshalb schicke ich Ihnen demnächst eine Abschrift des im Moment so interessanten Walter-Benjamin-Briefes von 1930512, weil Benjamin hier gerade den Kern der Sache, die Definition der Souveränität vom Ausnahmenzustand her, ausdrücklich anerkennt und rezipiert; was auch Schumacher gekannt hat513. Über die Rezension im „Kyklos“ habe ich mich sehr gefreut. Das ist eine Einführung und Legitimation, die ihre Wirkung nicht verfehlen kann. Die 509  Der Brief und die Anmerkungen sind übernommen aus Carl Schmitt  / HansDietrich Sander: „Werkstatt-Discorsi“. Briefwechsel 1967–1981, hrsg. von Erik Lehnert und Günter Maschke, Schnellroda 2009, S. 34 f. 510  Zu Walter Petwaidic (1904–1977), wie Anm. 96. 511  Helmut Ridder: Ex oblivione malum. Randnoten zum deutschen Partisanenprogreß, in: Gesellschaft, Recht und Politik. Wolfgang Abendroth zum 60. Geburtstag, hrsg. Von Heinz Maus u. a. Neuwied / Berlin 1968, S. 305–332. 512  Zu dem Brief von Benjamin an Schmitt vom 9. Dezember 1930 siehe Anm. 502. 513  Bezieht sich vermutlich auf die bei Johann Plenge angefertigte Dissertation von Kurt Schumacher: Der Kampf um den Staatsgedanken in der deutschen Sozialdemokratie, Münster 1926; Stuttgart u. a. 1973.

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Briefe Nr. 99–100

Angelegenheit Plenge scheint mir erledigt zu sein; vielen Dank! Auf Ihr Kapitel „Marx und Engels“ bin ich gespannt. Über die Karl-Marx-Brief­ marke des CDU-Staates bin ich in tiefes Nachdenken geraten. Ob wir noch eine Lenchen-Demuth-Briefmarke erleben? Das Gespräch in der FAZ (mit Lades) habe ich mit großem Interesse gelesen. Es fällt mir dabei auf, dass Sie mit einer Typen-Unterscheidung schließen, wie ja auch Ihre Gedanken zum Intellektuellen-Problem dort kulminieren. Man wird das als Dilthey-Stil abzutun suchen; ich weiß das aus eigener Erfahrung. Doch brauchen Sie sich dadurch nicht beirren zu lassen. Wenn es Sie interessiert, lesen Sie doch bitte einmal die Stelle über Karl Marx als clerc nach, in dem Aufsatz über die Stufen der Neutralisierung, „Begriff des Politischen“, 1963, S. 86; interessant auch deshalb, weil Ernst Niekisch, der Kronzeuge Ridders (neben einem russischen Tänzer514) gegen mich, sich den Begriff clerc angeeignet hat, ohne meinen Namen zu nennen (in der Festschrift für seinen Freund Drexel). Man müsste wirklich eine Soziologie der deutschen Festschriften vor und nach 1945 schreiben. Das wäre die beste Geistesgeschichte der deutschen Universität. Genug davon, sagte der große Theodor Heuss! Herzliche Grüße Ihres Carl Schmitt p. s.: Ganz hervorragend ist die eben erschienene Sammlung Insel Nr. 35 (Lessing) Freimaurergespräche des jungen Griechen Contiades.515 Nr. 100 Carl Schmitt an Erika Martens516, 26. August 1968 Sehr geehrte Frau Erika Martens, das Thema Ihrer Dissertation517 ist in der Tat bis heute noch nicht entfernt erfasst. Ein Gespräch über die Wochenzeitung Das Reich würde mich 514  Es handelt sich um den damals in Berlin berühmten russischen Tänzer Vladimir Koschewnikov, über den Harry Graf Kessler in seinen Tagebüchern 1918–1937 (Frankfurt a. M. 1961) am 14. Juli 1932 notiert: „Bei Nostizens in Zehlendorf zu Abend […]. Der junge russische Tänzer Koschewnikov […] kam von einem Tee beim Berliner Universitätsprofessor Carl Schmitt […]. K. erzählte, Schmitt habe sich ganz mit dem Nationalsozialismus abgefunden […]“. 515  Gotthold Ephraim Lessing: Ernst und Falk. Mit den Fortsetzungen Johann Gottfried Herders und Friedrich Schlegels, hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Ion Contiades, Frankfurt a. M. 1968. 516  Erika Martens, Politologin, arbeitete seit 1977 bei Die Zeit. 517  Erika Martens: Zum Beispiel „Das Reich“. Zur Phänomenologie d. Presse im totalitären Regime. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1972.



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also aufs höchste interessieren. Ich bin jedoch für meine Person im Rahmen Ihrer Fragestellung – Phänomenologie der Presse – kein typischer Fall, weil ich weder Goebbels noch irgendeinen anderen Prominenten seines Ministeriums persönlich kannte und sie auch nicht einmal gesprochen habe. Ich habe auch niemals an einer Pressekonferenz oder einer redaktionellen Besprechung teilgenommen. Mein Fall gehört eher unter den Begriff „Öffentlichkeit“ als den der „Presse“. Ich war zufrieden, Gedanken wie die meines Aufsatzes „Beschleuniger wider Willen“ (Das Reich vom 19. April 1942) an den Mann zu bringen, nicht anders, wie ich mich gefreut hätte, wenn Hans-Dieter Müller diesen Aufsatz (der heute noch weit aktueller ist als 1942) in seinem „Querschnitt“518 abgedruckt hätte.519 Eine solche Situation ist die einer freien Intelligenz gegenüber einer heterogenen, dominierenden Art von Öffentlichkeit und mit der des professionellen Journalisten nicht identisch. So muss ich befürchten, dass mein Wissen und meine Erfahrung in dieser Sache für Sie nicht wichtig oder aufschlussreich genug ist. Sollte Sie das aber nicht abhalten, so stehe ich Ihnen für ein Gespräch stets zur Verfügung, vorausgesetzt, dass es sich um ein Gespräch und nicht nur um eine Kurzbefragung oder schnelle Vernehmung handelt. Ihr sehr ergebener Carl Schmitt Nr. 101 Eike Hennig520 an Carl Schmitt, 6. September 1968 Verehrter, lieber Herr Prof. Schmitt! [Persönliches] 518  Hans Dieter Müller (Hrsg.): Facsimile-Querschnitt durch Das Reich, eingeleitet von Harry Pross, München u. a. 1964. 519  Der Aufsatz „Beschleuniger wider Willen oder: die Problematik der westlichen Hemisphäre“ erschien in: Das Reich vom 19. April 1942, S. 3–5, wiederabgedruckt in: Tumult 7 (1983), S. 9–145. Ein weiterer Aufsatz von Carl Schmitt „Das Meer gegen das Land“ war bereits erschienen in: Das Reich vom 9. März 1941, S. 1–2. 520  Eike Hennig (1943), Politologe, gehörte in den 1960er Jahren zu einer Gruppe junger Wissenschaftler, die unter Schmitts Einfluss standen. Er promovierte bei Wofgang Abendroth, arbeitete zur Zeit der Niederschrift jedoch bei Thomas Ellwein, später in Frankfurt als Soziologe bei Iring Fetscher und gehörte zum erweiterten Kreis um Schmitt. Dirk van Laak ordnet Hennig zu Peter Brückner, Ulrich K. Preuß, Oskar Negt und Alexander Kluge, die bis auf Preuß jedoch alle etwa zehn Jahre älter waren als Hennig. Siehe van Laak, S. 293.

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Brief Nr. 101

Inhaltlich möchte ich noch einmal auf meine beiden letzten Briefe sowie auf Ihre Antworten zurückkommen. – Aus diesem Grund sende ich Ihnen auch den Abdruck der Seifert-Rezension521 noch einmal zu; gegenüber der Ihnen bereits bekannten Version in Der Anderen Zeitung habe ich jetzt (die neuerliche Besprechung erschien nach Verabschiedung der NotGes) den Schluss geändert. Ansonsten ist das Ganze nur etwas breiter angelegt. Meine Intention ist jedoch gleich geblieben. Es geht um das Aufzeigen jenes – wie Sie am 4. Juli schrieben – geschlossenen Kreislaufes von Prämien … (poli­tische auf legalen, legale auf politischen Machtbesitz), der das System in sich selbst verschanzt und verpanzert und jeden system-immanenten Angriff integriert und jede echte Infragestellung aus dem Kreislauf herausschleudert. Diese Feststellung steht beispielsweise auch hinter Forsthoffs Bemerkungen über „Opposition und Utopie“ (Merkur, 241, S.  406 / 7)522, wobei Forsthoff das Gesagte aber noch insoweit ergänzt, als er die staat­ liche Reaktion auf eine „strategische“ Opposition als Reduzierung auf argumenta­tionslose Machtanwendung ausweist. Auf eine nicht-systemkonforme, also einer kapitalistisch-technologischen „Eindimensionalität“ nicht zuzuordnende Opposition reagiert somit das System mit Gewalt (Repression in offener Gestalt); legitimiert wird dies damit, dass eine solche Opposition aus der Sicht der Herrschenden per se gewaltbeladene (weil systeminfragestellende) Kritik ist. Nicht-systemgerechte (gesehen aus der Perspektive der Herrschenden) beinhaltet ja, dem System Grenzen und Ende aufzuzeigen, es durch unkonventionelle, sprengende Gedanken und Praktiken u. a. zur Bloßstellung (eben zur Reduktion auf pure Repression) zu zwingen. Und insbesondere „wissen“ die Herrschenden „natürlich“ genau, dass dies nur ein erster Schritt sein soll – und ist. Denn „selbstverständlich“ wird diese Dekuvrierung der etablierten Politiker etc. – eben dieser Rückzug auf Gummiknüppel, Wasserwerfer und … Staatsanwaltschaften als neue ultima ratio regis – dazu verwandt, die Gesellschaft aufzuklären (worauf bes[onders] Dutschke immer wieder hinwies). Anhand von Modellfällen (wie: Ohnesorg, Dutschke, die Ereignisse vom Februar in Berlin523) soll anderen Abhängigen, den lohnabhängigen Arbeitern insbesondere, ihre Position verdeutlicht werden – mit dem Zweck so etwas wie eine „Einheitsfront“ nicht-systemimmanenter, das System von außen aufrollender Kräfte zu schaffen (diese Perspektive von außen erlaubt ja auch das Bündnis mit der revoltierenden 521  1968 erschien „Der Notstandsausschuss“, die zwei Jahre zuvor vollendete Dissertation von Jürgen Seifert bei der Europäischen Verlagsanstalt. 522  Ernst Forsthoff: Verfassung und Verfassungswirklichkeit in der Bundesrepublik, in: Merkur 241 (1968), S. 401–414. 523  Im Februar 1968 fand an der Technischen Universität Berlin der „Internationale Vietnamkongress“ statt, der mit einer Kundgebung von mehr als 10.000 Teilnehmern endete.



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Dritten Welt). Aber: was nutzt die Argumentation einiger Studenten und „sexuell-links-politischer“ Zeitschriften (z. B. konkret) gegen Bild und gegen die Rundfunk-Programmbeiräte. Zudem wohnt auch der staatlichen etwas Prophylaktisches inne; und von daher ist die BRD heute politisierter als vor zwei Jahren, zugleich aber ist sie mutloser, ängstlicher; denn nicht-systemkonformer Kritik ist ihr Geschick vor Augen geführt worden (zumal sie ja auch, im Gegenzug, die sog[enannte] breite, „hochmanipulierte“ (R. Altmann) „Masse“ um die Fahnen des Systems schart). Folge: Resignation – politische Frustration – erneute Aggression des „harten Kernes“. Denen, auf die man setzt, und die auch in einigen Spitzen-Organisationen (IGM) par­ tiell zustimmen, nämlich den Arbeitern, droht jedoch, werden sie ein Bestandteil radikaler Kritiker, ein noch mehr mit Gewalt aufgeladenes Fanal. (Zudem ist die Hoffnung auf die Arbeiter ziemliche Illusion, was mir jetzt besonders nach der Lektüre einer „Qualitativen Bild-Zeitungs Analyse“, co. A. Springer, klar wurde.) Denn mir scheint, von hier aus ist der innen-politische Stellenwert der NotGes524 zu bestimmen. Dies ist aber doch Utopie, wie ja auch der Verzicht des DGB auf einen Generalstreik gegen die Verabschiedung der neuen Verfassung, der NotGes, zeigt. Die Kritik der Gewerkschaften bleibt reformistisch, wenn nicht gar schon dieser Begriff eine nicht mehr vorhandene Verhaltensweise vortäuscht (denn selbst auf dem Gebiet der Löhne bleiben die Gewerkschaften sogar unterhalb des Produktivitätszuwachses – heil dem Profit!). Solche Gewerkschaftler wie Leber und Sickert525 z. B. zeigen, dass sich weite Kreise selbst reformistisch bloß noch gerieren. Aus der Rationalität des Systems sowie aus dem Willen, eingenommene Macht- und Herrschaftspositionen zu bewahren, heraus, passen sich die Gewerkschaften der aus kapitalistischem Antrieb an sie herangetragenenen „Ordnungsfunktion“ (von der Benda526 immer wieder spricht) an. Damit geben sie es auf, autonomer politischer Faktor zu bleiben 524  Im Mai 1968 verabschiedete der Deutsche Bundestag die Notstandsgesetzgebung, die nötig wurde, weil die Westalliierten sich Rechte für den Fall des inneren und äußeren Notstands vorbehalten hatten, für die das Grundgesetz geändert werden musste. 525  Georg Leber (1920–2012), Kaufmann und Maurer, war Gewerkschaftschaftssekretär der IG Bau-Steine-Erden. Für die SPD war er Minister für Verkehr (1966– 1972), zugleich Bundespostminister (1969–1972) und Bundesverteidigungsminister (1972–1978). Walter Sickert (1919–2013), Schlosser, stieg nach 1945 über den zweiten Bildungsweg zum Mitglied des Bundesarbeitsgerichts auf. Seit 1950 gehörte er zum Vorstand der IG Bau-Steine-Erde und Vorsitzender der Landesgruppe Berlin des DGB. 526  Ernst Benda (1925–2009), Jurist und Politiker, war 1968 Bundesinnenminister, von 1971–1983 Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Von 1985–1992 war er Vorsitzender des Kabelrates Berlin und schließlich Vorsitzender des Medienrates Berlin-Brandenburg.

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Brief Nr. 101

(ein Prozess, der sich schon bei Franz Neumann527 ankündigt – und den Marx schon befürchtete). Diese Haltung dann wird begleitet durch Lob von Bild und Einbettung in eine „konzertierte Aktion“ – der Kreis, von dem Sie sprachen, bleibt geschlossen, ist gerade durch den Versuch, ihn zu sprengen, noch fester geschlossen worden („feedback“). Und nach den jüngsten Ereignissen in der CSSR ist jeder Versuch, nicht-systemimmanente Opposition zu aktualisieren, a priori zum Scheitern verurteilt – das faschistoide Potenzial des „gerechten Volkszorns“ hat potenziell mächtigen Auftrieb erhalten, der Manipulation ist Tür und Tor geöffnet. Und das, obwohl es sich geradezu aufdrängt, die Worte der Herrschenden zum Lobe der CSSR mit bundesrepublikanischer Wirklichkeit zu konfrontieren, mit dem Ziel, so etwas wie eine „reformistisch-revolutionäre“ Position einzunehmen. (Vgl. Sie, bitte, André Gorz „Strategie der Arbeiterbewegung im Neokapitalismus“, Frankfurt 1967, Europäische Verlagsanstalt.) Das Stichwort ‚system- bzw. nicht-systemkonforme Opposition‘ bringen Sie auf der Fotokopie (Kirchhoff, „Wohl dem, der frei von Schuld und Fehle …“, Civis, 42, Juni 1958) auch in Verbindung mit der Haltung der SPD anlässlich der Abstimmung über das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“. (Herzlichen Dank für die Kopie.) Kirchhoff vermutet so: „Hitler wollte nur das legale Alibi, die legale Kulisse, und die hat ihm die SPD durch ihr Erscheinen wahrhaftig geliefert. Das war Hitlers größter Triumph. Dem deutschen Volk (den NS-Wählern E. H.) und der Welt bot sich das Schauspiel einer parlamentarischlegalen Abstimmung.“ Und Sie bemerken dazu: „Kirchhoff meint, ein systemimmanentes Nein ist ein system-bekräftigendes Nein“ – und von hier möchte ich auf meine beiden letzten Briefe mit ihren Anmerkungen zum Ermächtigungsgesetz sowie zum mangelnden NS-Verständnis R. Hilferdings528 rekurrieren. Die dort angeschnittene Fragen etc. möchte ich noch einmal unterstreichen. Zu Kirchhoffs Aussage jedoch ließe sich entgegnen: die legale Abstimmung (mit recht schönen Geschäftsordnungsmanipulationen!) wird dadurch aufs äußerste getrübt, ja – in ihr Gegenteil [verkehrt], dadurch, dass die legal gewählten KPD-Abgeordneten der Abstimmung nicht beiwohnen konnten, dazu die Darstellung „Das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933“ von Hans Schneider, abgedruckt zuletzt in Gotthard Jasper, Hrsg.: Von Weimar zu Hitler 1930–1933, Köln  /  Berlin (Kiepenheuer & Witsch) 1968, hier S. 410 ff.). Wie Schneider aufzeigt, zog die Regierung Hitler  /  Papen das 527  Franz Neumann (1900–1954), Jurist und Politikwissenschaftler, war Ende der 1920er Jahre Hörer bei Schmitt in Berlin. Nach 1933 folgte die Zwangsemigration zunächst nach London, 1936 dann in die USA. Neumann war seit 1919 Mitglied der SPD und übte verschiedene Ämter für die Partei aus. Er gilt als einer der Mitbegründer der modernen Politikwissenschaften. 528  Rudolf Hilferding, wie Anm. 505.



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geschlossene Fernbleiben der SPD in Betracht, wahrscheinlich aber – so ließe sich ahnen – kannte die SPD die Ermächtiger der Mitte, so dass sie sich entschloss, ein letztes Mal zu … reden (Schneider S. 416). Uninteressant ist dann aber erst die Verabschiedung durch den Reichsrat – wieso wurde überhaupt keine Gegenstimme abgegeben? Wieso konnte überhaupt abgestimmt werden, wo doch die preußischen Gegenstimmen (besser: die weisungsgebundene Hälfte der preußischen Stimmen, denn aus den Provinziallandtagen dürften sicher auch schon Nationalsozialisten bzw. Sympathiesanten gewählt worden sein) nur durch Rechtsbruch ausgeschaltet waren? (Dazu Schneider, meiner Meinung nach nicht kritisch – deutlich genug: S. 420.) Dass diese Sachlage, d. h. die unrechtmäßige Durchbrechung des STGH-Urteils vom 25. Oktober 1932529, dann nicht mehr gerichtlich behandelt wurde, verhindert wohl zum einen – und hauptsächlich? – durch die bloße NS-Macht, die es sich leisten konnte – unter Rückzug auf Ter­ ror – Legalität Legalität sein zu lassen (Hilferding glaubte: Hitler würde durch Legalität getötet werden!), zum anderen aber auch durch den endgültigen Rücktritt der Regierung Braun (27. März 1933) und damit verbunden durch die Aufgabe der Parteifähigkeit (dazu Schneider S. 439 – Anm. 44 mit Lit.; Otto Braun geht, bezeichnenderweise, in seinen Memoiren „Von Weimar zu Hitler“, Hamburg 1949, gar nicht auf die Problematik ein). Insbesondere der zuletzt angeführte Tatbestand macht es mir so schwer, den im vorvorigen Brief mitgeteilten ersten Satz der Heller-Darstellung Schluchters oder etwa Arnold Brechts Aussage: „Das Ermächtigungsgesetz … vollendete die Verkleidung der ‚gleitenden‘ Revolution unter der Maske der Legalität“ („Vorspiel zum Schweigen“, Wien 1948, S. 131) zuzustimmen. Brecht unterliegt m. E. nationalsozialistischem Dafürhalten, wenn er von der „Maske der Legalität“ schreibt; denn von den Nationalsozialisten (bes[sonders] Goebbels weist oft darauf hin) wird Legalität zur total politischen Waffe umfunktioniert. Die ursprüngliche, parlamentarisch-demokratische und rechtsstaatliche Essenz der Legalität wird ihr völlig entzogen, übrig bleibt eine leere Hülse – die den „Feinden des Systems“ den Schutz des Systems verschafft. Goebbels ist ja dermaßen zynisch-brutal offen, dass er in „Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei“ oftmals darauf hinweist. Und von hier aus nimmt denn auch Goebbels die KPD ernst, während er SPD und ADGB – gerade im Zusammenhang mit dem sog[enannten] „Preußenschlag“ – als diskutierend & kompromisslerisch („liberal“) verachtet, verspottet. Mit dem „Begriff des Politischen“ zu reden, Goebbels erkennt in der KPD seinen Feind, während er zugleich 529  Das Staatsgerichtshofsurteil vom 25. Oktober war der Schiedsspruch in der verfassungsrechtlichen Streitsache Preußen gegen das Reich nach dem sogenannten „Preußenschlag“, der Absetzung der Preußischen Staatsregierung durch das Reich. Schmitt vertrat vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig die Sache des Reiches.

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sieht, wie die SPD durch zweckentfremdete Aneignung ihres Mediums, eben der Legalität, tödlich getroffen werden kann … Um noch einmal auf Kirchhoff und die von Ihnen so bezeichneten „Ermächtiger“ der rechten Mitte zu kommen: Dieses Argument findet sich am Ende von v. Papens jüngstem Buch: „Vom Scheitern einer Demokratie, 1930–1933“, Mainz 1968 (dessen „Besprechung“ ich Ihnen ja zugeschickt habe). Auf S. 386 schreibt v. Papen: „… Erstaunlich ist … die Tatsache, dass die (die politischen Parteien – v. P. differenziert hier – und überhaupt – nicht, E. H.) es vorzogen, den Nationalsozialisten die Republik in verfassungsmäßig korrekter Form auszuliefern (!), als den Versuch zu machen, durch einen Bruch der Form den Geist der Verfassung zu retten. Konsequent bis ans Ende haben sie dann auch die Todesanzeige der Weimarer Republik in der verfassungsmäßig und protokollarisch korrekten Form veröffentlicht. In der Liste der Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz stehen Namen wie Theodor Heuss, Heinrich Krone, Reinhold Maier, Prälat Kaas und andere mehr.“ (Dazu auch Schneider S. 416, 437 / 8 – Anm. 30; Brecht S. 134 / 5.) Waldemar Besson (in: Die Zeit, Nr. 17, 26.4.1968, 3. 26) sieht hierin eine „böse Verunglimpfung“ von Heuss etc. mit dem Hintergedanken, dass v. Papen sich auf diese Art salviert fühlt. Bezeichnenderweise geht jedoch Karl Dietrich Bracher, der ansonsten im Spiegel (16 / 1968, S. 160–164) v. Papens Elaborat scharf, ja – bissig, kritisiert („Vom Mörder einer Demokratie“), auf das Heuss-Argument, das Besson etwas vorschnell aufgreift, nicht ein. Im Zusammenhang mit diesem Themenkreis möchte ich noch eine Frage an Sie richten: In den letzten Tagen habe ich „Hitlers unbeachtete Maximen: ‚Mein Kampf‘ und die Öffentlichkeit“ von Karl Lange gelesen (Stuttgart, Kohlhammer, 1968). Lange untersucht die Wirkungsgeschichte des „Kampfes“ vor 1933, da er der Ansicht ist: (a) „Mein Kampf“ sei als das eigentliche NS-Programm einzustufen, (b) seine Lektüre – von 1925 bis 1933 – hätte rechtzeitig die Augen öffnen können. In diesem Zusammenhang interessiert es mich, ob Sie bereits vor 1933 im „Kampf“ gelesen haben – bzw. wie Sie den Nationalsozialismus vor 1933 einstuften. Dies zumal sich in Ihrem Werk zwar Hinweise auf den italienischen Faschismus, vor 1933 jedoch keine direkten Hinweise auf Hitler, die NSDAP oder den Nationalsozialismus finden (momentan ist mir jedenfalls nichts derartiges bewusst). Diesem sicherlich allzu langen, Sie belästigenden Brief abschließend möchte ich noch einmal, kurz, auf Gerbers530 Beitrag in „Rechtsstaatlichkeit 530  Hans Gerber: Auf dem Weg zum neuen Reich. Eine Sammlung politischer Vorträge und Aufsätze aus deutscher Notzeit, 1919–1931, Stuttgart / Berlin 1934.



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und Sozialstaatlichkeit“ eingehen. Wenn Gerber, worauf Sie mich hinwiesen, in dem erwähnten Sammelband (S. 343 – Anm. 189) „von einem geläuterten (!) Freiheitsverständnis aus“ (S. 398) „nachgewiesen“ – den Nachweis führen wohl Fachleute! – schizophrene Studenten von der Universität verweisen will (der Soziologe Scheuch531 nähert sich ihm da ja heute), so perpetuiert Gerber damit jene politische Aggressivität, die ihn schon 1921 ‚ordentlich‘ antisemitisch sein ließ (vgl. „Auf dem Wege zum neuen Reiche“, Stuttgart / Berlin 1934, S. 44 / 5). Wenn solche Leute über Sozialstaatlichkeit schreiben, so ist das Hohn, reduziert sich Sozialstaatlichkeit doch auf Erzeugung & Stärkung der „Volksgemeinschaft“ (vgl. „Auf dem Wege …“, S. 34, 103, 105 f., 200 et al. – „Rechtsstaatlichkeit …“, S. 382, 392, 392–394 et al.). Ich kann nur sagen, dass Gerber – luzid wie ich gestehen muss! – schon recht früh wieder das Rechte antizipierte. Mit diesem Vorgriff auf die Rezension von „Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit“ möchte ich jedoch diesen Brief nun abschließen – herzliche Grüße und die besten Wünsche sendet Ihnen Ihr Eike Hennig p.s: Eine Frage drängt sich mir noch auf: Kann man Ihrer Meinung nach sagen, dass der Nationalsozialismus bzw. von der ökonomischen Struktur her gesehen eine Art gesamtgesellschaftliche Rationalität die politische Prämie auf legalen Machtbesitzt (a) brauchte und (b) verwendete, um das zu verhindern, was Naphtali532 („Wirtschaftsdemokratie“) als die Beugung des Kapitalismus, die dessen Brechung vorangehe, bezeichnet? Ich verstehe die Frage Naphtalis nicht; die Überlegenheit des Kapitalismus besteht doch gerade darin, sich zu beugen, ohne zu brechen.

531  Erwin Scheuch (1928–2003), Soziologe, gilt als einer der Begründer der empirischen Sozialforschung. 532  Fritz Naphtali (1888–1961), Kaufmann, Journalist und Politiker, schrieb in den 1920er Jahren für die Frankfurter Zeitung und entwickelte das Konzept der Wirtschaftsdemokratie. Ziel war die Demokratisierung der Industrie mit dem Ziel einer sozialistischen Gesellschaftsform. 1933 emigrierte er nach Israel. Siehe Fritz Naphtali: Wirtschaftsdemokratie. Ihr Wesen, Weg und Ziel, Berlin 1928, Neuaufl., Frankfurt a. M. 1966.

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Brief Nr. 102

Nr. 102 Carl Schmitt an Joachim Schickel, 6. Juni 1969 Lieber Herr Joachim Schickel, Ihr Schreiben vom 3. Juni habe ich gleichzeitig mit dem Honorarvertrag des NDR erhalten. Den Vertrag habe ich nach Unterschrift der HonorarAbteilung zurückgeschickt, womit dieser Teil der Angelegenheit erledigt sein dürfte. Für Ihr Schreiben sage ich Ihnen herzlichsten Dank. Ich beantworte es gleich, um Ihnen meine Ansicht rechtzeitig, d. h. bevor Sie am 21. Juni in die Ferien gehen, mitzuteilen. Dass Sie sich mit der Herstellung eines Manuskripts so viel Mühe machen, verpflichtet mich zur Dankbarkeit, eine Verpflichtung, die ich Ihnen gegenüber gern auf mich nehme. Anders steht es mit der Zeitschrift Merkur. Von Herrn Paeschke habe ich nichts Unmittelbares gehört und einem Refus von dieser Seite kann ich mich nicht aussetzen. Wenn Sie von sich aus unter Ihrem Namen etwas zu unserem Gespräch und seinem Thema veröffentlichen wollen, überlasse ich das Ihnen und warne Sie nur, den Hass meiner Verfolger und ihre Blindheit zu unterschätzen. Dass ich von mir aus unter meinem Namen im Merkur von heute neben seiner gegenwärtigen Prominenz sozusagen Seite an Seite figurieren soll, wäre eine gegenseitige Verfremdung beider Seiten, über die ich vorher mit Herrn Paeschke sprechen müsste, um zu wissen, wie er sich das denkt. Dass Sie, lieber Herr Schickel, in die Unberechenbarkeiten der heutigen Situation eines 80 Jahre alten deutschen Juristen hineingezogen werden, darf ich auf keinen Fall riskieren. Unser Gespräch über die Theorie des Partisanen ist jetzt „in der Welt“ irgendwie.533 Die zusätzliche Publizität durch den Merkur ist eine neue, andere Dimension. Hier müssen sie meiner Altersempfindlichkeit einiges zugute halten. Das Medium „Presse“ funktioniert nach anderen Methoden und mit anderen Wirkungen wie das Medium Hörfunk und dieses wiederum anders wie das Fernsehen. Ich möchte aber nicht philosophieren oder gar politologisieren, sondern nur meine Bedenken mitteilen. Im Übrigen bleibe ich Ihnen für Ihr Interesse an dem Zustandekommen des Partisanengesprächs unverändert dankbar und möchte auch die Hoffnung auf ein Hugo-Ball-Gespräch nicht abschreiben. Die Kopie einer Rias-Sendung über den Partisanen (Marianne Regensburger am 14. September 1965), die ich bei Ihrem Besuch in Plettenberg erwähnte, füge ich bei, für den Fall, dass Sie sie nicht kennen. Machen Sie 533  Das Gespräch über den Partisanen wurde am 25. April 1969 in Plettenberg aufgezeichnet und am 22. Mai im 3. Programm des NDR gesendet.



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sich nicht zu viel Arbeit mit dem Merkur und genießen Sie Ihre Ferien in aller produktiver Freiheit! Herzliche Grüße und Wünsche, Ihres Carl Schmitt

Nr. 103 Sepp Schelz534 an Carl Schmitt, 23. Mai 1969 Lieber, hochverehrter Herr Professor, mit großer innerer Bewegung denke ich an die bereichernden Stunden in Ihrem Hause zurück; ich werde mindestens ein Jahr zu tun haben, um die Anregungen aufzuarbeiten, die Sie mir gegeben haben. Doch habe ich Ihnen nicht nur für Anregungen zu danken: es liegt mir schon lange daran, Ihnen zu sagen, dass mein Leben durch die Begegnung mit Ihnen eine wichtige Wendung erfahren hat. Sie haben mir die Augen geöffnet für ein ganzes System von Fragestellungen, die mir vorher nicht bewusst waren. Mag auch der unmittelbare Kontakt zwischen uns durch meine Schuld, vor allem aber durch meine Überlastung mit Tageskram, nicht so eng sein, wie ich es wünschte, so bemühe ich mich doch ständig, mich in den geistigen Horizonten zu bewegen, die Sie mir eröffnet haben – so unzulänglich das bei mir auch immer ausfallen mag. Nach meiner Rückkehr habe ich sofort „Epirrhosis“535 erstanden und wühle nun, ergriffen und beglückt, in den Schätzen dieser Festgabe, die ein Planetensystem im Kreisen um das Zentralgestirn zeigt. Das führt konsequenterweise einerseits zum Rückgriff auf Ihre „Verfassungslehre“ und die „Verfassungsrechtlichen Aufsätze“, zum anderen aber auch zu dem Wunsch, Ihr gesamtes Werk weit gründlicher kennen zu lernen, als ich es bisher vermochte. Zunächst erhebt sich für mich daraus die Frage, ob die „Politische Theologie“ noch beim Verlag greifbar ist. Zwar muss ich mich jetzt erst einmal einem Taschenbuch über die Kirchensteuerfrage und den Gesamtkomplex „Die Kirche und ihr Geld“ zuwenden, weil eine solche Arbeit 534  Sepp Schelz (1917–1986), Journalist, gehörte zu den befreundeten Publizisten, die sich regelmäßig Anregungen bei Schmitt holten und von dem Umstand profitierten, dass Schmitt nicht selbst veröffentlichen wollte oder konnte. Schmitt lieferte gedankliche Grundlagen etwa in Form kurzer Exposés (Nachlass Schmitt, Nr. 11497). Eines über das Problem des Staatsnotstandes ging beispielsweise am 10. Dezember 1959 an Schelz. 535  Hans Barion u. a. (Hrsg.): Epirrhosis. Festgabe für Carl Schmitt. Zum 80. Geburtstag, 2. Aufl., Berlin 2002.

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Brief Nr. 103

dringend von mir erwartet wird. (Der Aufsatz von Barion, den Sie mir mitgegeben haben, hilft mir dabei sehr, auch wenn ich aus evangelischer Sicht zu anderen Schlussfolgerungen komme.) Danach aber möchte ich mich ungesäumt an eine Arbeit machen, die mich gedanklich schon seit Längerem beschäftigt, nämlich – wie ich Ihnen schon andeutete – an den Versuch eines Beitrags zu einer Theorie der politischen Diakonie der Kirche. Theologisch lässt sich die Sache m. E. ohne allzu große Schwierigkeiten begründen, politologisch habe ich die Absicht, mich auf Ihren „Begriff des Politischen“ zu stützen. Es kommt mir darauf an, den Unterschied zwischen Politik und politischer Diakonie herauszuarbeiten, den ich darin sehe, dass Politik mit Macht und, daraus resultierend, mit folgenträchtigen Entscheidungen zu tun hat, während die politische Diakonie lediglich im Vorraum der Macht ausgeübt werden kann. Die Kernfrage ist, ob sie dadurch fähig wird, über die Unterscheidung von Freund und Feind hinweg Brücken zu schlagen, die dem christlichen Gebot der Feindesliebe entsprechen. Das ist zweifellos eine sehr schwierige Frage, die ich gern im Laufe meiner Arbeit noch eingehender mit Ihnen erörtern würde. Vorläufig allerdings, wie gesagt, muss ich mich mit der Kirchensteuerfrage herumschlagen. Vor kurzem rief mich der Leiter des Kulturressorts beim Spiegel an, Herr Harenberg, und fragte mich, ob ich ihm eine Tür zu Ihnen öffnen könnte. Er hat von irgendwo her (nicht von mir!) gehört, dass Sie in den letzten Tagen der Weimarer Republik ein sehr intensives Tagebuch geführt haben und möchte dies oder Auszüge daraus gern im Spiegel veröffentlichen. Außerdem läge ihm daran, mit Ihnen ein Gespräch darüber zu führen, das ebenfalls veröffentlicht werden sollte. Ich habe Herrn Harenberg gesagt, dass ich es für äußerst unwahrscheinlich hielte, Sie zu einer solchen Veröffentlichung bewegen zu können. Er bat mich darum, auf jeden Fall einen solchen Versuch zu machen. Auf meine Frage, ob es sich unbedingt um den von ihm angezielten Gegenstand handeln müsse oder ob auch die Möglichkeit offen sei, ein „Spiegel-Gespräch“ mit Ihnen über ein anderes Thema zu führen, das Ihnen vielleicht im Augenblick mehr am Herzen läge, bejahte Herr Harenberg diese Möglichkeit sofort. Er setzte hinzu, dass Sie den Hergang eines solchen Gesprächs ganz weitgehend selbst bestimmen könnten und Gelegenheit hätten, vor dem Abdruck noch jede Korrektur anzubringen, die Sie wünschten. Außerdem bot er mir an, bei einem solchen Gespräch anwesend zu sein und eventuell in der gleichen Ausgabe einen Namensartikel über Sie zu veröffentlichen. Ich reagierte skeptisch und machte Herrn Harenberg darauf aufmerksam, dass Ihnen nach meiner Kenntnis an Publizität sehr wenig gelegen sei. Wenn ich Ihnen die Sache überhaupt vortrage, so nur deshalb, weil mir nach diesem Telefonat der Gedanke kam, ob man nicht eine solche Gelegenheit benutzen könnte, um



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zur Zerstörung einiger falscher Legenden beizutragen. (Ich denke dabei u. a. an die Behauptung über Ihre Beraterrolle bei Kiesinger.) Bitte verstehen Sie mich recht, hochverehrter Herr Professor: es handelt sich nicht darum, dass ich Sie zu irgendeiner publizistischen Aktivität drängen möchte, die Sie nicht wünschen. Vielleicht aber ließen sich bei der großen Resonanz des Spiegel doch einige positive Akzente setzen. Wenn Ihnen der Gedanke schrecklich unangenehm ist, dann schimpfen Sie mich einfach aus – ich werde das in der einem Berufschristen angemessenen Demut entgegennehmen. Bei der Lektüre der beiden Aufsätze über Benito Cereno in „Epirrhosis“ kam mir ein Gedanke, der mir in diesen beiden Aufsätzen vernachlässigt zu sein scheint: es wird offenbar keine Rücksicht darauf genommen, dass es sich um ein Sklavenschiff handelt und die Schwarzen, wenn alles regulär abliefe, einem traurigen Schicksal entgegengehen. Dagegen richtet sich ja Ihr Aufstand, und es liegt nahe, bei der Symbolträchtigkeit der Erzählung darin ein Zeichen für die inzwischen deutlich gewordene Emanzipation der Farbigen zu sehen. Dann müsste man sich allerdings über die Funktion des Kapitäns Delano neue Gedanken machen. Ihnen ist die Sekundärliteratur über Melville sicherlich sehr viel genauer bekannt: gibt es irgendwo einen Hinweis, der in die von mir angedeutete Richtung geht? Sonst hätte ich also Lust, darüber einen kleinen Essay zu schreiben. Meine Frau grüßt Sie herzlich; sie ist ebenfalls noch ganz erfüllt von der Begegnung in Plettenberg. Mein Sohn studiert Jura und probiert den Aufstand, er ist also ganz normal. Wir alle senden Ihnen herzliche Wünsche für ein gesegnetes Pfingstfest und sind mit guten, verehrungsvollen Gedanken bei Ihnen. Nr. 104 Carl Schmitt an Heinhard Steiger536, 26. Juni 1969537 Sehr geehrter Herr Dr. Heinhard Steiger, ich darf die Empfangsbestätigung für Ihre Sendung vom 14. Juni nicht länger hinausschieben, sonst werde ich mit der Klärung und Strukturierung meiner Meinungen zu den beiden großen Themen – Institutionalisierung der Freiheit und Anerkennung der DDR – nicht fertig und der lebhafte Dank, 536  Heinhard Steiger (1933), Jurist, arbeitete damals an seiner Habilitation über die organisatorischen Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, die ein Jahr später in Münster angenommen wurde. 537  Nachlass Schmitt, Nr. 13543.

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Brief Nr. 104

den ich Ihnen für jede Ihrer beiden, vorbildlich klaren Darlegungen schuldig bin, bleibt unausgesprochen. Das wäre nicht recht. Ich möchte also wenigstens mit einigen Zeilen der Beantwortung erwidern, nur um meinen Dank und mein Interesse zu bekunden. Die Darlegung zur „Institutionalisierung der Presse“ ist geradezu spannend und macht das Problem in seiner ganzen Tragweite bewusst. Eine pluralistische Gesellschaft „formiert“ oder „integriert“ sich in Institutionalisierungen; die „Kräfte“ – „gesellschaftliche“ Kräfte – sind in sich schon „formiert“, das gilt namentlich für die beiden alten Protagonisten des innerstaatlichen Pluralismus, Kirchen und Gewerkschaften. Die hinzukommende gesellschaftliche „Kraft“ Presse bleibt merkwürdigerweise ganz privatrechtlich, was sogar im Rahmen einer Freiheit der Meinungsäußerung auffällig ist, weil die anderen „Medien“, Rundfunk und Fernsehen, öffentlich-rechtlich organisiert sind. ­Ehmke (Festschrift für Adolf Arndt 1968)538 sieht darin eine „Gewaltenteilung“. Die Unterscheidung von privatrechtlich und öffentlich-rechtlich (vgl. S. 36) bedürfte in diesem Zusammenhang einer eigenen Untersuchung. Es ist mir in den Jahren des Hitler-Regimes immer aufgefallen, dass die „Arbeitsfront“ – nicht anders als die früheren und heutigen Gewerkschaften –, die Möglichkeit einer förmlichen Institutionalisierung (also öffentlich-recht­ lichen Charakter anzunehmen) nicht wahrnehmen wollten und lieber „nichtrechtsfähige Gesellschaften des privaten Rechts“ blieben. Ich möchte vorläufig bei der klaren Trennung von öffentlich-rechtlich und privatrechtlich (Institutionen – Institute) bleiben und habe mich gegen die verwischende Verdeutschung „Einrichtungsgarantie“ stets gewehrt. Es wundert mich, dass Sie die Arbeit von Günther Abel, Die Bedeutung der Lehre von der Einrichtungs­ garantie (Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 15, Berlin D&H 1964) nicht heranziehen. Sie beschäftigt sich S. 48 / 49 mit Häberle (der sie neben Lerche behandelt) und lehnt ihn (S. 52) ab. Ihre Auseinandersetzung greift tiefer, aber die janusköpfige Formulierung von der „Gemeinschaftsbezogenheit“ oder vom „Individuum im Staat (vgl. S. 18, 37)“ oder im Rahmen der ­Gemeinschaft zwingt doch zu der Frage, wie weitgehend eine grundsätzlich pluralistische Gesellschaft ein „Rechtsstaat“ im Sinne des klaren „Verteilungsprinzips“ bleiben kann und ob die Gefahr für die Freiheit des Einzelnen nicht von den „gesellschaftlichen“ Kräften hilflos ausgeliefert ist. Forsthoff (Epirrhosis, Seite 199, oben) nennt den Satz aus BVerfGE 4,7 (15) über „das Menschliche des Grundgesetzes“, wie mir scheint mit Recht, einen „erstaunlichen Satz“ und ein „Musterbeispiel der Verunsicherung“. Lesen Sie die Stelle doch einmal nach! In seinem „Erkenntnisgehalt gleich Null“ heißt es 538  Horst Ehmke: Verfassungsrechtliche Fragen einer Reform des Pressewesens, in: Ders. u. a. (Hrsg.): Festschrift für Adolf Arndt zum 65. Geburtstag. Frankfurt a. M. 1969. S. 77–118.



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von einem solchen „Menschenbild“. Zu einer Grundlegung zu der Lehre von der „Institution“ als Träger einer verfassungsrechtlichen Garantie gehört noch die Klarstellung, ob der „Staat“ heute noch mehr ist als (bestenfalls) eine der vielen „sozialen Gruppen“ und ob die rechtsstaatliche Struktur beibehalten werden kann, wenn eine Unzahl heterogener „Gruppen“ erst sich selber als Gruppe „integriert“ bzw. „formiert“ (was dasselbe ist). Ich lese Ihre Darlegung mit großer Freude an der Echtheit Ihrer Formulierungen. Nur deshalb habe ich mir eine Frage erlaubt. Dass Sie meinen Aufsatz über „Freiheitsrechte und institutionelle Garantien“ (von 1931, nicht 1932) heranziehen, und das „Paradebeispiel“ der Pressefreiheit hervorheben, hat mein Interesse noch besonders belebt. Deshalb möchte ich Sie bitten, diese Zeilen als … [letzte Seite des Briefes ist nicht erhalten] Nr. 105 Joachim C. Fest an Carl Schmitt, 28. Oktober 1969 Sehr verehrter Herr Professor Schmitt, Johannes Gross hat mir unlängst Ihr Exemplar des Buches von Georges Bernanos539 überbracht, und ich verstehe Ihren Hinweis als Ausdruck eines liebenswürdigen Interesses an meiner Arbeit, für das ich mich Ihnen sehr verbunden fühle. In der Tat kannte ich diesen Passus bislang nicht, oder hatte ihn doch, seit ich das Buch vor nahezu fünfzehn Jahren las, vergessen. Die Schwierigkeit des Unternehmens, an das ich mich gemacht habe, besteht ja vor allem in der unablässig gefährdeten Bemühung, Hitler jenseits der tausend vorgeprägten Formeln und Bewertungsklischees, an denen ein jeder unfreiwillig Anteil hat, mit einem denkbar hohen Maß an Unvoreingenommenheit zu sehen. Unabhängig von allen, im Ganzen sicherlich zutreffenden Beobachtungen, ist die Souveränität des Standorts, wie ich fand, der bemerkenswerteste Eindruck, den die wenigen Seiten des französischen Dichters hinterlassen. Ich benutze gern die Gelegenheit, auch Ihnen gegenüber, sehr verehrter Herr Professor, meine Genugtuung darüber zum Ausdruck zu bringen, dass die Verhandlungen mit dem Propyläen Verlag, an dessen Programm ich, wie 539  Georges Bernanos (1888–1948), französischer Schriftsteller, verließ Frankreich nach dem Münchener Abkommen 1938 und protestierte gegen die nachsichtige Haltung der französischen Regierung gegen Hitler. Der Nachlass Schmitt enthält George Bernanos: Das Haus der Lebenden und der Toten. Brasilianisches Tagebuch, Düsseldorf 1951.

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Briefe Nr. 105–106

Sie wohl wissen, einigen Anteil nehme, einen so guten Beginn hatten. Das überlassene Buch reiche ich Ihnen beiliegend zurück und bin mit aufrichtigen Empfehlungen Ihr (Joachim Fest) Anlage

Nr. 106 Joachim Schickel an Carl Schmitt, 1. Mai 1970 Sehr verehrter, lieber Herr Professor, für Ihren Brief vom 24. April 1970 darf ich Ihnen danken. Meine italienische Reise, für die Sie mir Glück wünschten, war in der Tat eine wichtige (und schöne) Erfahrung; meine chinesische hat sich auf den Herbst dieses Jahres verschoben. Es freut mich, dass das Gespräch über Hugo Ball (an dem ich nur geringen Anteil hatte) beachtet wurde;540 Ihre Ausführungen und Korrekturen halte ich nach wie vor für sehr wichtig. Dass Sie mit Hanser541 übereingekommen sind, ist gut. Ich hoffe, dass die Publikation – die Ihnen wohl direkt vom Verlag zugeschickt werden wird – Sie nicht enttäuscht. Leider sind Sie auf eine vielleicht zu flüchtig formulierte, jedenfalls sehr ernst gemeinte Bitte und Frage meines Briefes noch nicht eingegangen. Darf ich wiederholen? Es läge mir außerordentlich daran, falls Sie mir weiterhin vertrauen, Sie um ein Gespräch über C. S. zu bitten. Auch dieses Gespräch würde im Dritten Programm des NDR / SFB unter denselben Modalitäten wie die beiden vorangegangenen gesendet. 540  Das Gespräch über Hugo Ball wurde im Februar 1970 in Plettenberg geführt und am 3. März 1970 im Dritten Programm des NDR und des SFB gesendet. Der Text ist abgedruckt in: Joachim Schickel, Gespräche mit Carl Schmitt, Berlin 1993, S. 31–59. 541  Der Dialog mit Joachim Schickel über die vier, von Schmitt in der Theorie des Partisanen (1963) dargelegten Charakteristika des Partisanen (Irregularität, gesteigerte Mobilität des aktiven Kampfes, gesteigerte Intensität des politischen Engagements und tellurischer Charakter) erschien bei Carl Hanser in München. Carl Schmitt: Gespräch über den Partisanen, in: Joachim Schickel (Hrsg.): Guerilleros, Partisanen. Theorie und Praxis, München 1970, S. 9–29.



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Ich weiß, welche Schwierigkeiten sich hier auftun. Aber darf ich Sie zunächst wenigstens bitten, mit mir darüber zu korrespondieren? Inzwischen mit herzlich ergebenen Grüßen Ihr p. s.: Verzeihen Sie, die Rücksendung der mir mitgegebenen Briefe ist leider bisher nicht erfolgt; ich hole es schnellstens nach.

Nr. 107 Wolf Jobst Siedler an Carl Schmitt, 14. April 1971 Verehrter Herr Professor Schmitt, am Wochenende habe ich von Herrn Gross eine Kopie Ihres Briefes bekommen, der ja wohl auch für mich gedacht war.542 Auch mir kommt es so vor, als sollten wir uns auf Rüdiger Altmann nicht mehr verlassen. Wir stehen jetzt, zwei Jahre nach dem Beginn unserer Überlegungen, so ziemlich genau dort, wo wir damals hielten, und es macht eher den Eindruck, als sei die Verwirklichung des Vorhabens in fernere Zukunft als je zuvor gerückt. Damit sage ich schon, dass ich sehr glücklich war, als Johannes Gross sich zur Stelle meldete, um die Sache nun auf eigene Faust zu fördern. Auch war mir sein Gliederungs-Vorschlag in vielerlei Hinsicht sympathischer als der Altmanns, der mir mit zuviel Kürzungen, Straffungen und Aneinanderreihungen arbeitete, so dass dann am Ende von ein paar Dutzend Schriften jeweils nur Abschnitte oder Passagen gebracht worden wären. Schon um der Authentizität willen scheint mir die Beschränkung auf wenige, aber vollständig gebrachte Texte vorzuziehen zu sein, wobei ich nicht 542  Am 1. April hatte Schmitt an Johannes Gross geschrieben und auf seinen schlechten Gesundheitszustand hingewiesen, der Überlegungen im Weg stand, bei Propyläen eine Reihe mit den Hauptwerken Schmitts herauszubringen. Schmitt war der Ansicht, dass es „unmöglich ist, irgendein Gesamtbild meines Lebenswerkes oder gar meiner umstrittenen Person durch eine Auswahl von Veröffentlichungen zu geben, die sich über ein dreiviertel Jahrhundert lauter ‚Wenden‘ erstrecken“. Schmitt war allerdings dafür, eine Reihe mit allen Büchern herauszugeben, die nach 1950 erschienen sind. Durch das Erscheinungsdatum, so meinte Schmitt, „entgehen sie den Schnüfflern, die Belastungsmaterial suchen“. Altmann war mit der Konzeption des Projektes betraut, das sich aber immer wieder verzögerte. Carl Schmitt an Johannes Gross, 5. April 1971, Nachlass Schmitt, Nr. 13046. Das Projekt scheiterte laut Siedler am Misstrauen Schmitts gegen den Herausgeber, siehe dazu die Einführung.

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Brief Nr. 107

nur den bestrebten text-book-Charakter für Universitäten im Auge habe, sondern auch die Notwendigkeit, jeden Vorwurf der Verfälschung durch Auswahlprinzipien zu vermeiden. Wenn ich Herrn Gross recht verstehe, waren diese Gesichtspunkte, die ja auch die seinen sind, Ihnen sehr sympathisch. So läuft alles auf die Frage hinaus, ob unser Sammelunternehmen den frühen oder den späten Arbeiten gelten soll, und ich will freimütig sagen, dass mir die Gross’sche Konzeption in verlegerischer Hinsicht reizvoller zu sein scheint als Ihr Gegenentwurf. Die Diskussion der Studenten gilt heute in besonderem Maße wieder jenen Fragen, die Sie in den Arbeiten zwischen den frühen zwanziger und den späten dreißiger Jahren artikuliert haben. Und gerade an den Debatten der linken Rebellen lässt sich absehen, wieviel an Faszinationskraft Texte wie „Römischer Katholizismus und politische Form“ oder „Legalität und Legitimität“ bewahrt haben. Auch spricht für eine Auswahl dieser Art die Tatsache, dass fast alle Schriften der Gliederung von Herrn Gross im Handel zur Zeit nicht erreichbar und zu Teilen seit Jahrzehnten unzugänglich sind. So ließe sich ein solcher Band mit der Bibliographie Piet Tommissens, einem editorischen Bericht von Gross und einem Vorwort von Ihnen nicht nur in so wenigen Monaten bewerkstelligen, dass er auf der diesjährigen Buchmesse schon vorliegen könnte, sondern auch mit beträchtlicher Aussicht auf intellektuellen und kommerziellen Erfolg zugleich präsentieren. Wenn ich recht sehe, müssen die beiden Konzeptionen sich jedoch nicht ausschließen. Viel eher ließe sich sagen, dass der eine den anderen nicht nur ergänzt, sondern sogar voraussetzt, weshalb man dann vielleicht bei der inneren Anlage und dem äußeren Aufbau gleich beide Bände im Auge haben sollte. Das läuft darauf hinaus, dass ich Ihnen den Vorschlag machen möchte, bei einigem Erfolg unseres ersten Unternehmens, ihm zu dem frühest möglichen Termin ein zweites hinterher zu schicken, wobei dann Ihr Gliederungs-Entwurf die Grundlage sein könnte. Sagen Sie mir doch bitte, lieber und hochverehrter Herr Professor Schmitt, ob wir so verfahren können; wenn es Ihnen einfacher ist, Herrn Gross telefonisch zu verständigen, wird er mich unterrichten. Im Falle Ihrer Zustimmung könnten wir nach so langen Zurüstungen nun endlich mit dem Satz beginnen, da Herr Gross schon alle Textvorlagen zusammengetragen und bereitgestellt hat. Nehmen Sie für heute mit allen guten Wünschen für Ihre Wiederherstellung die herzlichen und ergebenen Grüße Ihres (Wolf Jobst Siedler)



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Nr. 108 Johannes Gross an Carl Schmitt, 5. Mai 1971 Sehr verehrter lieber Herr Professor, nach einem Monat des Überlegens komme ich auf Ihren ausführlichen und wohlbegründeten Brief vom 5. April zurück, für den ich Ihnen sehr danke. Ich hatte in den letzten vier Wochen oft Gelegenheit, an Sie zu denken und in Ihren Büchern zu lesen – in Berlin gab es ein Abendessen mit Ernst Jünger und seinem Sohn Alexander, bei dem viel von Ihnen die Rede war, Alexander des Paten gedachte, und der Vater betrübt, aber die eigene Unschuld daran betonend den Niedergang des vordem so freundschaftlichen Verhältnisses feststellte, doch Grüße auszurichten bat, während Siedler und ich Ihre Partei nahmen; einige Zeit später traf ich zu einer sehr heiteren Unterhaltung Julien Freund in Straßburg, wir tranken auf Ihr Wohl, ich berichtete von Ihrem Wohlergehen. Wir verabredeten dann einen Essayband, mit dem Freund in Deutschland durch den Propyläen Verlag vorgestellt werden soll – doch vor allem hat mich Ihr Brief dazu gebracht. Ich habe den „Nomos“ und, soweit ich sie besitze, die in den Umkreis des „Nomos“ gehörenden, von Ihnen bezeichneten Schriften wieder gelesen und kann nur aufs Neue sagen: Ein großes, ein herrliches Buch. Trotzdem bin ich, was die Neuherausgabe Ihrer Schriften für ein größeres nichtjuristisches Publikum angeht, zum gleichen Ergebnis gekommen wie Herr Siedler. Vielleicht darf ich noch einige Gesichtspunkte zusammenstellen: 1. „Der Nomos der Erde“ ist, wie ich mich überzeugt habe, noch im Handel. Das bedeutet sowohl für Duncker & Humblot einen Grund, die Rechte nicht abzugeben, wie für Propyläen, sie jetzt noch nicht zu erwerben. 2. Es würde sehr schwer sein, für den „Nomos der Erde“ öffentliche Beachtung zu organisieren, weil ein Motiv für die Neuherausgabe nicht leicht plausibel zu machen ist. In der Gelehrtenwelt ist das Werk wohlbekannt und in seiner Bedeutung unumstritten. Für das allgemeine gebildete Publikum würde es schwer sein, einen Zugang zu Carl Schmitt gerade über den „Nomos der Erde“ zu gewinnen. 3. Mein Hauptbedenken gegen den Start einer Carl Schmitt-Edition mit dem „Nomos“ samt Corolarien ist freilich ein Gedanke, den Sie selbst, nur mit umgekehrter Richtung, ausgedrückt haben: Ich fürchte, dass die Beschränkung auf Schriften, die nach 1950 entstanden oder publiziert sind, dem Autor, dem Herausgeber, dem Verlag als Zaghaftigkeit, als Ausweichen vor dem, was als ganz wesentlich Carl Schmitt empfunden ist, verstanden werden könnte. Tatsächlich besteht zu einer solchen Zaghaftigkeit auch gar

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Brief Nr. 108

kein Anlass, denn die Schnüffler haben jahrelang geschnüffelt und sind nun alle aus öffentlichem Wirken ausgeschieden durch Tod und durch Nullität. Sie würden heute einem ganz anderen Publikum gegenübertreten als in den fünfziger und sechziger Jahren, Leuten, die die Namen Friesenhahn, Schüle oder Gablentz543 nicht zu vergessen brauchten, weil sie sie nie gehört haben. Gegenüber dem heutigen Publikum wäre die Rücksichtnahme auf das Ordinarienpublikum der Nachkriegszeit, das nach Alibis und Rechtfertigungen fahndete, ganz ohne Sinn. 4. Ich komme damit auf den ursprünglichen Vorschlag der „Politischen Schriften“. Sie meinten, als wir zuletzt telefonierten, der Titel sei unglücklich, weil er den Einwendungen Ihrer Gegner Recht gäbe, die Ihnen immer juristische Fachgelehrsamkeit abgestritten und Sie als politischen Schriftsteller zu klassifizieren versucht hätten. Zweifellos lässt sich ein anderer Titel finden, der auch sehr gut für die vorgeschlagene Sammlung geeignet wäre. Doch scheint mir diese Überschrift gut geeignet, weil einmal die Meinung der abgelebten Gegner heute nichts mehr bedeutet, zum andern auch von Max Weber politische Schriften erschienen sind, ohne dass seine Wissenschaftlichkeit davon berührt worden wäre, und weil Sie der Epoche mit Recht als politischer Schriftsteller erscheinen und zugleich als der bedeutende Staatsrechtslehrer, nämlich als derjenige Jurist, der die Politik in einer unerhörten Weise aufgenommen hat, der das öffentliche Recht Europas resümierte wie keiner vordem und der zugleich sein Ende signalisiert. Von jemandem, der die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass das Politische gegenüber dem Staat das Primäre ist, kann wohl, und zwar als Ehrentitel, der mehr wert ist als eine akademische Würde, gesagt werden, dass er politischer Schriftsteller sei. 5. Ich bin überzeugt, dass der vorgeschlagene Auswahlband die Chance hat, ein großer Erfolg zu werden und dass er für viele Leser den Anreiz bildet, sich mit Ihrem Gesamtwerk zu beschäftigen. Insofern ist Siedlers Hinweis sehr ernst zu nehmen, dass die Schriften zum „Nomos der Erde“ als zweite Veröffentlichung zu erwägen seien, ja dann durch das öffentliche Bedürfnis notwendig werden würden. Ich schließe mit der sehr herzlichen und eindringlichen Bitte, Sie möchten noch einmal den Vorschlag bedenken. Ich glaube nicht, dass irgendwelche Belästigungen oder Unannehmlichkeiten für Sie folgen könnten, sondern dass sich im Gegenteil Ihnen die Aussicht bietet, dass Sie Ihr Schiff, von dem mancher meinte, Sie hätten es aufs Land gesetzt, Meilen vom Meer entfernt, steigen sehen und fahren. Ihr Ihnen sehr ergebener 543  Friesenhahn,

Schüle und von der Gablentz wie Anm. 435.



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p. s.: Lieber Herr Professor, könnten Sie mir zwischendurch mit einer kleinen Auskunft helfen? Ich konnte Siedler sagen, dass es zwei große Essays über Benito Cereno gibt, einen von Tierno Galván544; der andere ist nach meiner Erinnerung von Kličković, von dem mir aber alle näheren Angaben fehlen wie von Galván die Adresse. Könnten Sie mir wohl beides schicken? Siedler würde damit gern den Band von Marianne Kesting545 komplettieren. D. O. Nr. 109 Wolf Jobst Siedler an Carl Schmitt, 26. August 1971 Lieber und verehrter Herr Professor Schmitt, nun haben wir lange nichts voneinander gehört, und nur gemeinsame Bekannte berichten mir von Ihrem Ergehen. Noch immer hoffe ich, dass Sie sich doch noch mit dem Gedanken befreunden können, Ihre Frühschriften durch Herrn Gross im Propyläen Verlag herausgeben zu lassen. Auf der Rückseite des bereits vor Ihrem Zögern erschienenen Bandes, den ich beifüge, sehen Sie sich bereits angekündigt, und diese Notiz allein hat schon viele Anfragen hervorgerufen. Übrigens hat Herr Forsthoff dieser Tage das Manuskript zu seinem Lorenz von Stein-Band abgegeben, der in der selben Reihe erscheinen wird. Sie sollen sich nicht unzulässig bedrängt fühlen. Deshalb will dieser Brief Ihnen vor allem die Sicherheit geben, dass der Propyläen Verlag und ich Ihnen jederzeit zur Verfüqung stehen, was für jene frühpolitischen Schriften natürlich ebenso gilt wie für Ihre Diarien, die Sie bei meinem Besuch in Plettenberg ins Gespräch brachten. Nur die späten Schriften, die Sie neulich Herrn Gross noch einmal ans Herz legten, sind vertragsrechtlich nicht zugänglich, da die meisten Arbeiten nicht nur auf dem Markt, sondern auch noch lieferbar sind, und die betreffenden Verlage naturgemäß kein Interesse haben, Lizenzen für einen Sammelband zu geben, der verlegerisch und buchhändlerisch gesehen über größere Attraktivität verfügen würde. Nehmen Sie mit meinen ebenso herzlichen wie ergebenen Grüßen zugleich auch meine Wünsche für Ihre Gesundheit stets Ihr 544  Tierno

Galván, wie Anm. 246. Ullstein erschien Marianne Kesting: Herman Melville, Benito Cereno: vollständiger Text der Erzählung; Dokumentation, Frankfurt a. M. 1972. 545  Bei

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Brief Nr. 110

Nr. 110 Marianne Kesting an Carl Schmitt, 28. Mai 1973546 Sehr verehrter, lieber Herr Schmitt, wir haben längere Zeit nichts voneinander gehört, und ich hoffe, dass dies nicht ein schlechtes Zeichen ist, Ihre Gesundheit betreffend? Ich bin sehr in die organisierte Zeitverschwendung des bundesrepublikanischen Universitätslebens eingetaucht und sinne darüber nach, wie man in Zukunft noch zum Arbeiten kommen soll. Die Lage ist desaströs, wenn auch in Bielefeld noch im Aufbau des Desaströsen. Jüngst tauchte Koselleck bei uns auf, der Heidelberg entflieht und in Bielefeld noch zwei Jahre Luft zum Arbeiten erhofft. In den Abendstunden hatten wir eine Reihe interessanter Gespräche, und Sie können sich denken, dass darin Ihr Name eine gewisse Rolle spielte. Ich schicke Ihnen einmal einen Sonderdruck von Kosellecks neuester Arbeit, die ich doppelt besitze. Ich weiß nicht, ob Sie die jüngsten Entwicklungen in der Publizistik genauer verfolgt haben, aber da gab es ein böses Ereignis, dessen Konsequenz überhaupt nicht abzusehen ist: Joachim Fest wird, anstelle von Karl Korn, in die Herausgeberschaft der FAZ eintreten und hat gefordert, Karl Heinz Bohrer547 von der Leitung des Literaturblattes zu entbinden und – ausgerechnet – Marcel Reich-Ranicki an seine Stelle zu setzen. Wir alle sind entsetzt, denn mit der Liquidation dieses letzten Forums zwischen der intellektuellen Diskussion und der breiteren Öffentlichkeit wird auch ein letzter intakter geistiger Organismus verschwinden. Ich begreife nicht die Instinktlosigkeit Fests, der einen hervorragenden Mann [privat] ersetzen will, und andere Feuilletonisten von Plaudercharakter, über deren Niveau es keine Diskussion geben kann. Das Faktum hat die Intellektuellen in seltener Einmütigkeit alarmiert, und es ist eine Flut von Briefen bei den Herausgebern der FAZ eingegangen, worin die Spitzen der Öffentlichkeit, der Universität bis hin zu den maßgeblichen Rezensenten, einhellig gegen diese Entscheidung Fests protestieren. Das hat zwar seine Wirkung nicht verfehlt, 546  Marianne Kesting (geb. 1930), arbeitete als Literaturkritikerin für Die Zeit und die FAZ. Den Kontakt zwischen Marianne Kesting und Carl Schmitt kommentierte die Journalistin in Schmittiana 4 (1994), S. 93–118. Dem Bericht sind vier Anlagen beigefügt. Kesting kannte Schmitt über ihren Bruder Hanno, der wiederum über Nicolaus Sombart und den Fabrikanten Peterheinrich Kirchhoff mit Schmitt in Kontakt kam. Sie lehrte ab 1972 Vergleichende Literaturwissenschaft in Bielefeld und von 1975–1995 an der Ruhr-Universität Bochum. 547  Karl Heinz Bohrer (geb. 1932), Literaturwissenschaftler, war von 1968–1974 Literaturchef der FAZ. Nach seiner Ablösung durch Marcel Reich-Ranicki ging er als Korrespondent der FAZ nach London, habilitierte sich und lehrte ab 1982 in Bielefeld. Von 1984–2011 war er Herausgeber der Zeitschrift Merkur.



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aber es liegen bereits Verträge vor, also vollendete Tatsachen, und im Wesentlichen ist es eine Entscheidung Fests, ob er seine Konzeption (falls es eine ist!) aufrecht erhalten will. Man muss ihm wohl eine gewisse Ahnungslosigkeit unterstellen. Mir ist das Ganze unverständlich. Ich persönlich habe einmal im Kreise Siedlers flüchtig Joachim Fest kennen gelernt, und da in diesem Kreise sehr viel von Ihnen die Rede war, vermute ich, das Sie auch Fest besser kennen? Ich weiß es nicht, aber wenn Sie überhaupt Lust haben, sich in einer solchen freilich generell wichtigen Sache einzuschalten, so könnten Sie vielleicht Ihr Prestige geltend machen und Joachim Fest zu anderen Vorstellungen bewegen? Die ganze Sache ist von grotesken Zufällen gesteuert. So vermutet man, Karl Korn habe nicht gegen Reich-Ranicki protestiert, um nicht in den Geruch des Anti-Semitismus zu geraten. (Hat nicht RR. damals bei Korns Prozess sehr böse gegen ihn geschrieben?) Generell wirft man Bohrer vor, er habe das Blatt zu esoterisch, nicht marktkonform geführt. Es scheint den Beteiligten nicht klar zu sein, dass man nur so ein gewisses Niveau der Diskussion aufrecht erhalten kann. Ich selbst überlege, ob man Bohrer nicht zur Universität holen kann, weiß aber, dass er gerade an der Schaltstelle, an der er jetzt ist, weitaus wichtiger wäre. Bohrer hat gerade ein kleines hochinteressantes Buch über „Literatur und Utopie“548 verfasst, ein Thema, das mich selbst seit „Cereno“ nicht mehr loslässt, sodass ich es mit Koselleck dem Kreise „Poetik und Hermeneutik“ unterbreiten möchte. Ich hoffe, es geht Ihnen gut? Sie können sich glücklich schätzen in Ihrer Paselschen Klause, dem Stress, der infolge der ständig steigenden Industrieproduktion alle gesellschaftlichen Bereiche überzieht, entronnen zu sein. Nachgerade sehnt man sich nach solch einer Klause, worin allein ja noch möglich ist zu sehen, zu denken, zu arbeiten. Nehmen Sie meine sehr herzlichen Grüße und Wünsche! Ihre

548  Karl Heinz Bohrer: Die gefährdete Phantasie, oder Surrealismus und Terror, München 1970.

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Briefe Nr. 111–112

Nr. 111 Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 30. Januar 1974 Privat. Kein Leserbrief Lieber Herr Augstein, in der Erinnerung an unser (lang zurückliegendes) Gespräch und an Ihre Richard Schmid549 Prozesse (BVerfG / 4 / 61), und unter dem Eindruck des Gerhard Mauz-Reports550 im Spiegel Nr. 5 vom 28 / 1 / 74): Ich vergleiche nicht die Opfer, ich vergleiche nur die Richter. Carl Schmitt

Nr. 112 Carl Schmitt an Heinz Friedrich551, 21. August 1976 Lieber Herr Friedrich, das Schreiben fällt mir schwer, sonst hätte ich mich schon vor Wochen für die freundlichen Grüße bedankt, die Christian Meier552 mir übermittelt hat. In meinem Alter hört die Entschluss-Möglichkeit auf; das steht schon, wie alles Übrige, im „Faust“ des alten Goethe (Faust II, 11472-86); bei mir scheint das, zusätzlich, noch die wohlverdiente Züchtigung für meine Apologie des Dezisionismus zu sein. Mir war immer unverständlich, wieso jemand sagen konnte, „zu Hitler fällt mir nichts mehr ein“. Diese Art Aphasie scheint mir immer Wienerischer zu werden. Bert Brecht hat sie nicht ge549  Siehe

Hans Hellwig an Carl Schmitt, 21. März 1961. Mauz (1925–2003), Psychologe und Journalist, war von 1964–1990 Redakteur beim Spiegel, vor allem als Berichterstatter bei Justizprozessen. Mauz berichtete über einen Hamburger Beleidigungsprozess gegen den Schriftsteller Erich Fried, der in einem Leserbrief an den Spiegel die tödlichen Schüsse eines Westberliner Polizeibeamten auf den 24-jährigen Georg von Rauch einen „Vorbeugemord“ genannt hatte. Der Polizeipräsident von West-Berlin verklagte Fried daraufhin wegen Beleidigung. Als Sachverständiger trat Heinrich Böll auf. Den Ausspruch des Oratorianer-Paters Laberthonnière hat Schmitt öfter zitiert, z.  B. in seinem Aufsatz „Das Problem der Legalität“ (1950), wiederabgedruckt in: VA, S. 448. 551  Heinz Friedrich, wie Anm. 361. 552  Christian Meier (geb. 1929), Historiker, lernte Carl Schmitt 1967 in Ebrach kennen und pflegte in den folgenden Jahren engen Kontakt. Meier war neben Koselleck der bedeutendste Vermittler der intellektuellen Fragestellungen Schmitts in den historisch-akademischen Bereich. 550  Gerhard



1976215

kannt; im Gegenteil (z. B. Das Arbeitsjournal, 21. Juli 1944553); aber oft kann einem Nicht-Marxisten auch mal etwas einfallen, und zwar von der Geschichte her, wie Tocqueville sie schrieb. Nichts ist in dieser Hinsicht so aufschlussreich wie Brechts Triumph über den triumphierend tanzenden Hitler in Versailles (Arbeitsjournal 14. Juni 1940); dort hilft der denkende Dichter sich streckenweise mit kinematographischen Fotos. Was G. Benn in diesem Moment (Mitte Juni 1940) gedacht hat, weiß ich nicht. Ernst Jünger hat ja Tagebuch geführt; mit meinem Freund Erich Marcks554 (dem Sohn des Bismarck-Historikers) konnte ich viel darüber sprechen. Ich würde gern auch mit Ihnen darüber sprechen. Leider bin ich kaum noch gesprächsfähig und schone lieber meinen eigenen malträtierten Bruder „Leib“ und anderer Menschen Geduld. Im Augenblick fesselt mich das Thema „Max Weber“ von wegen „Charisma“ und „charismatische Legitimität“. Weber ist der politische Theologie treibende Historiker. Niemand wird mir nachsagen können, ich hätte jemals Hitler als Träger einer „charismatischen Legitimität“ bezeichnet, oder auch nur (wie das mein Freund Johannes Popitz bis zum letzten Atemzug getan hat, und Nicolaus Sombart jetzt wieder anfängt) als „Genie“. Für Max Weber ist Kurt Eisner555 der einzige Zeitgenosse, den er als typischen Fall seines (Webers) Charisma-Begriffes mit Namen nennt. Jetzt – nach dem Buch von Martin Green über die Richthofen-Schwestern556 und nach Nicolaus Sombarts Nacht-Studio-Sendung München (Do. 10. Juni 1976. 22.17–23.00) – hellt sich manches auf. Ich habe Max Weber damals persönlich erlebt und war sogar Mitglied seines Dozenten-Seminars Winter 1919 / 20: Ein Revanchist, das Radikalste von allem Revanchismus gegenüber Versailles, was ich je erlebt habe – wenigstens an starken Redensarten, neben denen auch Scheidemanns „verdorrte Hand“ harmlos klingt. Ihre Synopsis von Brecht und Benn ist für mich als Contemporanen geradezu erregend. Es ist keine Plutarch’sche Parallele. Die Feindschaft wird hier zu einem „asymmetrischen Gegensatz“ im Sinne von R. Koselleck (Posi­ tionen der Negativität, in „Poetik und Hermeneutik“ Bd. VI, 1975, 553  Bert Brecht: Arbeitsjournal, 2. Bd., 1942–1955, hrsg. von Werner Hecht, Frankfurt a. M. 1974. S. 426: „als etwas über die blutigen vorgänge zwischen hitler und den junkergenerälen durchsickerte, hielt ich für den augenblick hitler den daumen; denn wer, wenn nicht er, wird uns schon diese verbrecherbande austilgen? …“. 554  Erich Marcks (1891–1944), Offizier, war ein enger Mitarbeiter Kurt von Schleichers (Reichspressechef). Schmitt lernte Marcks 1931 kennen. Die Bekanntschaft war die entscheidende Verbindung zwischen Schmitt und der Reichsregierung von 1932. 555  Kurt Eisner (1867–1919), Philologe und Politiker, war in der deutschen Revolution von 1918 Initiator des Putsches gegen die Bayerische Staatsregierung und einer der auffälligsten Redner der Zeit. Im Februar 1919 fiel er einem Attentat zum Opfer. 556  Martin Green: Else und Frieda, die Richthofen-Schwestern, München 1976.

216

Briefe Nr. 112

S. 65–104). Die beiden passen auch nicht in einen (noch so objektiven gemeinsamen) Parnas. Übrigens würden auch die Brüder Mann eine solche gemeinsame Idylle nicht ertragen, und eine dort von Brecht inszenierte Aufforderung von Lessings „Nathan“ brächte den ganzen Laden wohl zum (nicht mehr ästhetisch zu bewältigenden) Schluss und Ende einer tuistischen557 Posse. Dass Sie den „Berliner Brief“ von Benn in helles Licht stellen, ist eines der vielen Verdienste Ihres reichhaltigen Aufsatzes. Benn konnte noch auf „historische Objektivität“ vertrauen (S. 635 Mitte); ich kann es nicht mehr. Verlage wie Diederichs und Reclam haben mir höflich, aber energisch den Stuhl vor die Tür gesetzt („Hamlet oder Hekuba“ und „Land und Meer“); letzten Illusionen macht das eben erschienene Buch von Ingeborg Maus, „Bürgerliche Rechtstheorie und Faschismus. Zur sozialen Funktion und aktuellen Theorie Carl Schmitts“558 ein Ende. Es ist unter stärkster kultur- und bildungs-politischer Patronanz bei W. Fink erschienen und eine überaus fleißige Arbeit, die allerdings an meinem Lebens-Thema: Weimar, Genf, Versailles blind vorbeigeht und jede Nicht-Abendroth-fromme Regung als bürgerlich=bourgois=faschistisch registriert; zuverlässig wie eine Computer-programmierte Datenverarbeitung. Weimar – das war damals Versailles; auch für ehrliche Revisionspolitiker wie Brüning, der von der heutigen CDU-katholischen Hof-Historie als trüber Kunde deklassiert [wird] (er hat mir persönlich seine Lage im Adenauer-Deutschland geschildert, wobei ich mich A[lexander] Rüstow’s Zitat „unus vir (Brüning) cunctando restituit rem“ erinnerte. Allzuvieles ist heute noch bösartig-allergisches Tabu. Alle vergessen und wollen vergessen, dass Weimar als innerpolitischer Kompromiss von 1918 nur deshalb so lange – 14 Jahre – Bestand haben konnte, weil eine stabile, kompakte katholisch-konfessionelle, ehrliche homogene, politische Partei wie das Zentrum die Lage des Klassen-Gleichgewichts fest in der Hand hielt. Weder die paritätische CDU (mit aufgelöstem Konfes­sionalismus und „formal“ weitergeltenden Kaas-Konkordat parteiunfähiges, aber deshalb noch lange nicht unpolitisches Sammelbecken), noch die kleine bildungs- und kulturliberale FDP können die Rolle des alten katholischen Zentrums – trotz verfassungsrechtlicher Weitergeltung des religiösen Kultur-Kompromisses von Weimar Art. 137 – weiterführen. Haben Sie bitte Verständnis für diese mühselige Improvisation! Ich fühle mich durch die Widmung, die Sie auf den Sonderdruck Ihres Benn-BrechtAufsatzes schrieben, aufs Tiefste getroffen und persönlich verpflichtet. 557  Der Begriff „Tui“, bzw. „Tuismus“ ist ein Neologismus von Bertolt Brecht. Das Wort geht auf die Bestandteile des Wortes „intellektuell“ zurück: „Tellekt-UellIn“. „Der TUI ist nach Brecht der „Vermieter des Intellekts“, politisch heimatlos und prinzipiell skeptisch. 558  Ingeborg Maus: Bürgerliche Rechtstheorie und Faschismus. Zur sozialen Funktion und aktuellen Wirkung der Theorie Carl Schmitts, München 1976.



1976 / 83

217

Deshalb ist es mir nicht möglich, eine solche Zusendung unbeantwortet zu lassen. Eine Beantwortung in der Sache aber ist mir nur als Improvisation unter schneller Ausnutzung eines lucidum intervallum möglich. Ergebnis: Diese Zeilen, die teils mit sichtbarer, im Großen und Ganzen aber mit unsichtbarer Tinte geschrieben sind. Nr. 113 Helmut Schelsky an Carl Schmitt, 4. Februar 1983 Sehr verehrter Herr Schmitt, wie Sie sehen, komme ich von Ihnen nicht los. Seit meiner Assistentenzeit bis heute sind Sie neben Hans Freyer und Arnold Gehlen im Grunde genommen mein dritter Lehrmeister gewesen. Aber in einer Art, die die bloßen Anhänger kaum verstehen, nämlich dass Sie mir die Probleme zugespielt haben, mit denen ich mich dann auseinandergesetzt habe. Schon meine Habilitationsschrift von 1938  /  39 verdankt ihre Entstehung einer Auseinandersetzung mit Ihnen; sie ist jetzt ohne Änderung, d. h. wortwörtlich in der damaligen Fassung wieder veröffentlicht worden, aber ich habe ein Vorwort für die Ausgabe von 1980 dazu geschrieben, das im Grunde genommen eine Widmung an Ihre Person ist.559 Das Gleiche gilt für den beigelegten Essay über einen Versuch einer neuen Bestimmung des Politischen.560 Gerade an ihm ist mir der Unterschied zwischen einer wissenschaftlichen Denkweise und der Denkweise der Tagesjournalisten noch einmal deutlich geworden. Ich habe diesen Essay gleichzeitig mit einigen Ihrer Schriften, ja mit Ihrer Person sehr vertrauten Personen vorgelegt, aber zugleich auch einigen wenigen Journalisten, die den Mut hatten, Sie immer wieder publizistisch ins Spiel zu bringen. Die damit gemachten Erfahrungen sind überraschend, ja zum Teil grotesk. Für den Wissenschaftler liegt die Anerkennung Ihres Lehrmeisters darin, dass sie seine Aussagen bestätigen, aber in eine gegenwärtige Situation übersetzen, also den „lebendigen“ Autor erhalten wollen, selbst wenn er 559  Helmut Schelsky: Thomas Hobbes – eine politische Lehre, Berlin 1981. Schelsky spielt hier möglicherweise an auf den Essay: Politik und Publizität, Stuttgart 1983. Dort entwickelt Schelsky den Gedanken, dass eine neue soziale gesellschaftliche Klassifizierung zwischen Sinnproduzenten und Güterproduzenten vorzunehmen sei. 560  Möglicherweise meinte Schelsky seinen Essay: Die Machtergreifung in Bildungseinrichtungen, Kirchen und Massenmedien als Schlüssel zur Herrschaft, in: Epoche vom April 1982.

218

Brief Nr. 113

bereits verstorben ist. So haben Sie Thomas Hobbes oder Hauriou „aktualisiert“ und beide weiter gedacht. Das ist die für einen Wissenschaftler angemessene Bewahrung der Tradition eines gewichtigen Autors. In diesem Sinne habe ich vor meiner Habilitationsschrift bis zu diesem Essay, den ich Ihnen beilege, Sie als immer noch aktuellen und lebendigen Autor verstanden, den man durchaus nach 50 Jahren in seinem „Begriff des Politischen“ verlebendigen kann. Bei den Journalisten herrscht eine ganz andere Mentalität, was sich z. B. darin zeigt, dass ausgerechnet der Herausgeber des Spiegel, Rudolf Augstein, in einem mehrseitigen Kommentar unter dem Titel „Hobbes und wir“ Ihre neue Herausgabe des „Leviathan“ und meine Habilitationsschrift gleichzeitig würdigt.561 Dagen haben zwei Ihnen und mir wohlgesonnene Journalisten der FAZ mir schlicht geschrieben, dass sie einen „Angriff auf Carl Schmitt“ jetzt nicht drucken könnten, weil man mit einem „alten Mann“ sich nicht mehr kritisch beschäftigen sollte. Dahinter steht, dass man diese journalistische Würdigung des erwarteten Todes von Carl Schmitt bereits in den Schubladen hat. Und mit der tagesjournalistischen Würdigung ist dann auch der geistige Autor praktisch abgeschrieben. Bitte verstehen Sie, dass ich diese journalistische Mentalität nicht mitmache, sondern Ihrem Beispiel folge, meine geistesgeschichtlichen Lehrmeister lebendig zu erhalten, unabhängig von ihrem Todesdatum. Wenn Sie meinen Versuch, Ihre so fundamentale Unterscheidung von „Freund und Feind“ als Wesen des Politischen als bloße Kritik verstehen, dann bin ich selbstverständlich bereit, diesen Essay von jeder Veröffentlichung zurückzuziehen. Aber meine Absicht in diesem Essay ist ja gerade, diese Ihre fundamentale Bestimmung des „Politischen“ nach 50 Jahren in eine Welt- und Innenpolitik zu aktualisieren und damit lebendig zu erhalten. Nach meiner Einstellung folge ich damit nur Ihrem Beispiel, wie Sie sich gegenüber Thomas Hobbes und Hauriou verhalten haben. Schließlich muss ich Sie noch bitten zu entschuldigen, dass ich diesen Brief nicht handschriftlich unterzeichne, aber ich habe mir den im Kriege versteiften rechten Arm durch zwei Unfälle im letzten Jahr derart zertrümmert, dass ich zu handschriftlichen Unterzeichnungen nicht fähig bin. Natürlich wäre ich dankbar, wenn ich auf diesen Brief von Ihnen eine kurze Antwort erhielte, selbst wenn sie ein Ihnen vertrauter Mittelsmann mir schreibt. In Verehrung und mit allen guten Wünschen bin ich stets Ihr – nach Diktat – 561  Rudolf

Augstein: Hobbes und wir, in: Spiegel vom 10. Januar 1983.

Quellenverzeichnis der Briefe Carl Schmitt an Ludwig Feuchtwanger, 29. Oktober 1923

Archiv Duncker & Humblot, Akte „Der Begriff des Politischen“

Ludwig Feuchtwanger an Carl Schmitt, 8. Mai 1925

Nl Schmitt, Nr. 3493

Paul Scheffer an Carl Schmitt, 14. Juni 1925

Nl Tommissen RW 579-00311

Paul Scheffer an Carl Schmitt, 21. Juni 1925

Nl Tommissen RW 579-00311

Carl Schmitt an Karl Anton Prinz Rohan, 8. Juli 1925

Nl Schmitt, Nr. 13423

Paul Scheffer an Carl Schmitt, 22. April 1927

Nl Tommissen RW 579-00311

Theodor Heuss an Carl Schmitt, 20. Januar 1930

Nl Schmitt, Nr. 6042

Ernst Jünger an Carl Schmitt, 14. Oktober 1930

Nl Schmitt, Nr. 6607

Carl Schmitt an die Redaktion der Frankfurter Zeitung, 27. Jan. 1932

Nl Schmitt, Nr. 13393

Ludwig Feuchtwanger an Carl Schmitt, 6. Juni 1932

Nl Schmitt, Nr. 3512

Carl Schmitt an Ludwig Feuchtwanger, 12. April 1933

Archiv Duncker & Humblot, Akte „Der Begriff des Politischen“

Wilhelm Stapel an Carl Schmitt, 28. August 1933

Nl Schmitt, Nr. 15677

Wilhelm Stapel an Carl Schmitt, 12. September 1933

Nl Schmitt, Nr. 15678

Albrecht Erich Günther an Carl Schmitt, 23. September 1933

Nl Schmitt, Nr. 5419

Carl Schmitt an Heinz Otto Ziegler, 17. Oktober 1933

Nl Schmitt, Nr. 13750

Carl Schmitt an die Hanseatische Verlagsanstalt, 26. Juni 1934

Nl Schmitt, Nr. 13660

Hanseatische Verlagsanstalt an Carl Schmitt, 22. August 1935

Nl Schmitt; Nr. 17085

Carl Schmitt an Oskar Ritter von Niedermayer, 1. Juli 1939

Nl Schmitt, Nr. 13336

Giselher Wirsing an Carl Schmitt vom 1. Juni 1939

Nl Schmitt, Nr. 18326

Karl Lohmann an Carl Schmitt, 4. Dezember 1948

Nl Schmitt, Nr. 8905

Hans Paeschke an Carl Schmitt, 1. Juli 1949

Nl Schmitt, Nr. 10759

Hans Zehrer an Carl Schmitt, 5. September 1949

Nl. Schmitt, Nr. 18490

Johannes Winckelmann an Carl Schmitt, 28. April 1950

Nl Schmitt, Nr. 18117

Carl Schmitt an Richard Tüngel, 28. Mai 1950

Nl Schmitt, Nr. 13580

Giselher Wirsing an Carl Schmitt, 6. Juni 1950

Nl Schmitt, Nr. 18328

220

Quellenverzeichnis der Briefe

Carl Schmitt an Richard Tüngel, 4. August 1950

Nl Schmitt, Nr. 13581

Carl Schmitt an Michael Freund, 1. November 1950

Nl Schmitt, Nr. 13002.

Carl Schmitt an Karl Epting, 6. Oktober 1951

Nl Schmitt, Nr. 12939

Carl Schmitt an Hans Paeschke, 18. Oktober 1951

Nl Schmitt, Nr. 13353

Carl Schmitt an Hans Paeschke, 28. Oktober 1951

Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N. HA, Bestand Merkur

Carl Schmitt an Karl Epting, 14. November 1951

Nl Schmitt, Nr. 12940

Carl Schmitt an Karl Korn, 15. November 1951.

Nl Schmitt, Nr. 13191

Karl Korn an Carl Schmitt, 16. November 1951

Nl Schmitt, Nr. 8120

Carl Schmitt an Hans Paeschke, 2. Dezember 1951

Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N. HA, Bestand Merkur

Giselher Wirsing an Carl Schmitt, 9. Februar 1952

Nl Schmitt, Nr. 18333

Carl Schmitt an Herbert Nette, 24. Mai 1952

Nl Schmitt, Nr. 13331

Rudolf Augstein an Carl Schmitt, 30. Juli 1952

Nl Schmitt, Nr. 544

Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 7. August 1952

Nl Schmitt, Nr. 12782

Carl Schmitt an Günter Neske, 9. August 1952

Nl Schmitt, Nr. 13321

Rudolf Augstein an Carl Schmitt, 15. August 1952

Nl Schmitt, Nr. 545

Carl Schmitt an Walter Petwaidic, 29. August 1952

Nl Schmitt, Nr. 13363

Walter Petwaidic an Carl Schmitt, 17. September 1952

Nl Schmitt, Nr. 10950

Carl Schmitt an Walter Petwaidic, 19. September 1952

Nl Schmitt, Nr. 13364

Giselher Wirsing an Carl Schmitt, 20. Oktober 1952

Nl Schmitt, Nr. 18336

Carl Schmitt an Winfried Martini, 20. Oktober 1952

Nl Schmitt, Nr. 13256

Walter Petwaidic an Carl Schmitt, 29. Oktober 1952

Nl Schmitt, Nr. 10953

Carl Schmitt an Walter Petwaidic, 27. November 1952

Nl Schmitt, Nr. 13366

Walter Petwaidic an Carl Schmitt, 13. Mai 1953

Nl Schmitt, Nr. 10962

Carl Schmitt an Walter Petwaidic, 10. September 1953

Nl Schmitt, Nr. 13369

Carl Schmitt an Winfried Martini, 27. September 1953

Nl Schmitt, Nr. 13258

Carl Schmitt an Winfried Martini, 27. Oktober 1953

Nl Schmitt, Nr. 13259

Carl Schmitt an Karl Epting, 30. Oktober 1953

Nl Schmitt, Nr. 12946

Carl Schmitt an Winfried Martini, 10. November 1953

Nl Schmitt, Nr. 13260

Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 3. Januar 1954

Nl Schmitt, Nr. 12783

Carl Schmitt an Giselher Wirsing, 15. Januar 1954

Nl Schmitt, Nr. 13740

Hans Zehrer an Carl Schmitt, 15. Januar 1954

Nl Schmitt, Nr. 18494

Rudolf Augstein an Carl Schmitt, 16. Januar 1954

Spiegel-Archiv, Ordner 12

Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 28. Juli 1954

Spiegel-Archiv, Ordner 12

Heinz Friedrich an Carl Schmitt, 8. August 1954

Nl Schmitt, Nr. 4445



Quellenverzeichnis der Briefe221

Carl Schmitt an Hans Fleig, 13. November 1954

Nl Schmitt, Nr. 12973

Carl Schmitt an Ernst Forsthoff, 19. November 1954

Nl Schmitt, Nr. 12981

Carl Schmitt an Rudolf Augstein, Januar 1955

Spiegel-Archiv, Ordner 12

Rudolf Augstein an Carl Schmitt, 3. Februar 1955

Nl Schmitt, Nr. 551

Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 13. April 1955

Spiegel-Archiv, Ordner 12

Rüdiger Altmann an Carl Schmitt, 12. September 1955

Nl Schmitt, Nr. 268

Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 2. September 1956

Nl Schmitt, Nr. 12784

Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 7. Juli 1957 Rüdiger Altmann an Carl Schmitt am 9. Oktober 1957

Nl Schmitt, Nr. 283

Carl Schmitt an Rüdiger Altmann, 18. Januar 1958

Archiv der Sozialen Demokratie, Nl Rüdiger Altmann, Akte Carl Schmitt

Carl Schmitt an Johannes Kayser, 19. November 1959

Nl Schmitt, Nr. 13390

Giselher Wirsing an Carl Schmitt, 25. November 1959

Nl Schmitt, Nr. 5877

Carl Schmitt an Rüdiger Altmann, 21. März 1960

Archiv der Sozialen ­Demokratie, Nl Rüdiger Altmann, Akte Carl Schmitt

Carl Schmitt an Winfried Martini, 25. März 1960

Nl Schmitt, Nr. 13262

Johannes Gross an Carl Schmitt, 14. Juli 1960

Nl Schmitt, Nr. 5271

Carl Schmitt an Rüdiger Altmann, 21. Juli 1960

Archiv der Sozialen ­Demokratie, Nl Rüdiger Altmann, Akte Carl Schmitt

Rüdiger Altmann an Carl Schmitt, 31. Juli 1960

Nl Schmitt, Nr. 302

Hans Hellwig an Carl Schmitt, 21. März 1961

Nl Schmitt, Nr. 5877

Ivo Schütz an die Redaktion der Deutschen Zeitung, 6. April 1961

Nl Schmitt, Nr. 5877

Rolf Schroers an Carl Schmitt, 15. Juni 1961

Nl Schmitt, Nr. 14586

Carl Schmitt an Hans Fleig, 1. Juli 1962

Nl Schmitt, Nr. 12974

Carl Schmitt an Hans Fleig, 2. Juli 1962

Nl Schmitt, Nr. 12975

Carl Schmitt an Joseph Kaiser, 28. November 1962

MPG. Abt. Ve Rep 13, Nr. 3

Carl Schmitt an Peter Diederichs, 1. Dezember 1962

Nl Schmitt, Nr. 12920.

Margret Boveri an Carl Schmitt, 20. Mai 1963

Nl Schmitt, Nr. 1962

Margret Boveri an Carl Schmitt, 30. Mai 1963

Nl Schmitt, Nr. 1963

Rolf Schroers an Carl Schmitt, 20. Juli 1963

Nl Schmitt, Nr. 14606

Johannes Gross an Carl Schmitt, 29. Juli 1963

Nl Schmitt, Nr. 5283

Armin Mohler an Carl Schmitt, 1. Dezember 1965

Nl Schmitt, Nr. 9820

Carl Schmitt an Manfred Friedrich, 10. Januar 1966

Nl Schmitt, Nr. 13017

Armin Mohler an Carl Schmitt, 6. März 1966

Nl Schmitt, Nr. 9824

Carl Schmitt an Bernard Willms, 18. November 1966

Nl Schmitt, Nr. 13732

222

Quellenverzeichnis der Briefe

Armin Mohler an Carl Schmitt, 20. Oktober 1967

Nl Schmitt, Nr. 9849

Carl Schmitt an die Chefredaktion von stern tv, 30. Oktober 1967

Nl Schmitt, Nr. 13400

Johannes Gross an Carl Schmitt, 10. Januar 1968

Nl Schmitt, Nr. 5306

Roland Dieterich an Carl Schmitt, 17. Januar 1968

Nl Schmitt, Nr. 2886

Carl Schmitt an Roland Dieterich, 3. Februar 1968

Privatbesitz

Carl Schmitt an Walter Boehlich, 4. März 1968

Abschrift in Nl Schmitt, Nr. 12827

Carl Schmitt an Walter Boehlich, 11. März 1968

Abschrift in Nl Schmitt, Nr. 12827

Carl Schmitt an Hans-Dietrich Sander, 8. Mai 1968

Privatbesitz

Carl Schmitt an Erika Martens, 26. August 1968

Nl Schmitt, Nr. 13253

Eike Hennig an Carl Schmitt, 6. September 1968

Nl Schmitt, Nr. 5924

Carl Schmitt an Joachim Schickel, Plettenberg, 6. Juni 1969

MPG. Abt. Ve Rep 13, Nr. 1

Sepp Schelz an Carl Schmitt, 23. Mai 1969

Nl Schmitt, Nr. 12391

Carl Schmitt an Heinhard Steiger, 26. Juni 1969

Nl Schmitt, Nr. 13543

Joachim C. Fest an Carl Schmitt, 28. Oktober 1969

Nl Schmitt, Nr. 3462

Joachim Schickel an Carl Schmitt, 1. Mai 1970

Nl Schmitt, Nr. 12468

Wolf Jobst Siedler an Carl Schmitt, 14. April 1971

Nl Schmitt, Nr. 15166

Johannes Gross an Carl Schmitt, 5. Mai 1971

Nl Schmitt, Nr. 5316

Jobst Siedler an Carl Schmitt, 26. August 1971

Nl Schmitt, Nr. 15167

Marianne Kesting an Carl Schmitt, 28. Mai 1973

Nl Schmitt, Nr. 7529

Carl Schmitt an Rudolf Augstein, 30. Januar 1974

Nl Schmitt, Nr. 12786

Carl Schmitt an Heinz Friedrich, 21. August 1976

Nl Schmitt, Nr. 13016

Helmut Schelsky an Carl Schmitt, 4. Februar 1983

Nl Schmitt, Nr. 12382

Personenverzeichnis Abel, Günther  204 Abendroth, Wolfgang  14, 80, 147, 187, 191, 193 Abetz, Otto  44, 92 Acheson, Dean Gooderham  173 Adams, Paul  34, 72, 75 Adenauer, Konrad  117, 140, 154, 155, 158, 159, 163, 167, 170, 216 Adler, Hans  85 Adorno, Theodor W.  163 Ahlmann, Wilhelm  87, 94 Allemann, Fritz René  29 Althusius, Johannes  67 Altmann, Rüdiger  14, 15, 31, 34, 43–45, 49, 52, 144–151, 154, 160–163, 174, 179, 183, 184, 187, 188, 195, 207 Altmann, Sylvia  144, 152, 156, 161, 162 Altmeier, Peter  118 Amo, Ángel López  141 Andersch, Alfred  48 Anschütz, Gerhard  76, 171 Arendt, Hannah  28, 99, 128 Arndt, Adolf  118, 119, 131, 204 Arndt, Hans-Joachim  145, 147 Augstein, Rudolf (Pseudonym Jens Daniel)  26, 30, 45–47, 52, 102–104, 105, 106, 129, 130, 134–136, 141–143, 147, 148, 214, 218 Bacmeister, Walter  57 Bahr, Hermann  58 Bakunin, Michail Alexandrowitsch  142 Ball, Hugo  32, 49, 51, 58, 59, 200, 206 Barion, Hans  136, 162, 201, 202

Barlog, Boleslaw  130 Bauer, Bruno  81 Baumgarten, Hans  43 Behrendt  95 Benda, Ernst  195 Benjamin, Walter  188–191 Benn, Gottfried  215, 216 Benoist, Alain de  33 Bergsträsser, Arnold  69 Bernanos, Georges  205 Berndorff, Hans Rudolf  104 Besson, Waldemar  198 Best, Werner  25 Bismarck, Otto von  152, 172, 173 Blei, Franz  32, 48, 51, 58, 172, 173 Blischke, Werner  86 Bock, Hans Manfred  149 Böckenförde, Ernst-Wolfgang  45, 151, 152, 183 Bodin, Jean  91 Boehlich, Walter  188, 190 Bohm, Walter  73, 74 Bohrer, Karl Heinz  49, 212, 213 Böll, Heinrich  214 Bonhoeffer, Dietrich  70, 131 Borch, Herbert von  140 Borchardt, Rudolf  173 Borinski, Ludwig  102 Boveri, Margret  33, 51, 59, 93, 137, 172–175 Bracher, Karl Dietrich  19, 47, 107–109, 149, 153, 157, 170, 198 Brandt, Willy  50, 154 Braun, Otto  197 Brecht, Arnold  197, 198 Brecht, Bertolt  40, 214–216

224 Personenverzeichnis Breitscheid, Rudolf  123, 157 Breuer, Stefan  19, 23, 36, 37 Brinkmann, Carl  19 Brück, Max von  139 Brückner, Peter  193 Brumm, Dieter  189 Brüning, Heinrich  109, 157, 216 Brunner, Otto  12 Bucerius, Gerd  41, 42, 181 Buchheim, Karl  158 Bude, Heinz  14 Bülow, Bernhard Wilhelm von  61 Burke, Edmund  31 Butler, S.  173 Carell, Paul siehe Schmidt, Paul Karl Celan, Paul  190 Céline, Louis-Ferdinand  96 Chruschtschow, Nikita Sergejewitsch  176 Churchill, Winston  142 Clausewitz, Carl von  183 Clemen, Paul  121 Clemen, Wolfgang  121, 122 Constant, Benjamin  155 Contiades, Ion  192 Conze, Werner  12 Corleis, Jürgen  182 Corral, Luis Diez del  161 Dahrendorf, Ralf  15 Dahm, Georg  75 Dähnhardt, Heinz  134 Daniel, Jens siehe Augstein, Rudolf Däubler, Theodor  32, 82, 116, 156 Delatour, Gottfried Salomon  140 Delius  72 Demuth, Helena („Lenchen“)  192 Diederichs, Peter  171 Diels, Rudolf  116 Dieterich, Roland  16, 184–187 Dietz, Ludwig  173

Dilthey, Wilhelm  192 Dirks, Walter  139 Dohrn, Reinhard  172 Domaszewski, Alfred von  58 Dombrowski, Erich  43 Dönhoff, Marion Gräfin  41–43, 50, 140, 171, 180 Donoso Cortés, Juan  82, 83, 85, 141–143 Dovifat, Emil  19 Drath, Martin  107–110, 132 Drexel, Joseph  192 Drucker, Peter F.  160 Düring, Walther  85 Dutschke, Rudi  194 Ebert, Friedrich  108, 123 Eckermann, Johann Peter  173 Eckhardt, Karl August  25, 37 Ehmke, Horst  204 Eisler, Fritz  32 Eisner, Kurt  215 Ellinghaus, Wilhelm  132 Ellwein, Thomas  15, 193 Enden, E.  64 Engels, Friedrich  192 Epting, Karl  30, 44, 92, 95, 96, 101, 126, 127 Erhard, Ludwig  43, 179 Ermecke, Gustav Peter  151 Eschenburg, Theodor  15 Eschweiler, Karl  75, 126 Esser, Josef  184, 188 Faye, Jean Pierre  36 Fehling, Jürgen  129, 130, 135 Fest, Joachim C.  44, 45, 205, 206, 212, 213 Fetscher, Iring  193 Feuchtwanger, Edgar J.  34 Feuchtwanger, Ludwig  34, 39, 51, 52, 57–59, 62, 67–70 Fichborn, R.  83

Personenverzeichnis225 Fickel, Georg  37, 76 Fietkau, Wolfgang  49 Figge, Klaus  49 Fischer, Rudolf  92 Flake, Otto  57 Flaubert, Gustave  176 Flechtheim, Ossip K.  151 Fleig, Hans  33, 137, 140, 166–169, 180 Forsthoff, Ernst (Pseudonym Friedrich Grüter)  28, 31, 32, 34, 36, 40, 49, 71, 81, 86, 87, 110, 117, 118, 122, 129, 131, 139, 140, 144, 148, 150, 159–163, 168, 179, 194, 204, 211 Foster, Ricardo  190 Fraenkel, Ernst  163 Franco, Francisco  94 Frank, Hans  25, 26 Frank, Walter  76 Frasch, Timo  49 Fredericia siehe Petwaidic, Walter Freise, Eberhard  46 Freund, Julien  171, 175, 209 Freund, Michael  29, 30, 90 Freyer, Hans  87, 98, 99, 103, 217 Fried, Erich  214 Fried, Ferdinand  134 Friedrich der Große  63, 74 Friedrich III.  64 Friedrich, Carl Joachim  67 Friedrich, Heinz  48, 136, 137, 214 Friedrich, Manfred  178 Friesenhahn, Ernst  36, 160, 210 Fromme, Karl Friedrich  45 Führer, Karl Christian  11 Fuhrmann, Ernst  100 Fuld, Werner  190

Garraud, Pierre  108 Gebsattel, E. v.  173 Gehlen, Arnold  149, 150, 217 George, Stefan  83, 189 Gerber, Hans  198, 199 Gerhards, Jürgen  11 Gerstenmaier, Eugen  41, 80 Giesler, Gerd  25, 42, 50, 53 von Gneist, Rudolf  64 Goebbels, Joseph  27, 130, 193, 197 Gorden  63 Göring, Hermann  24, 116 Goethe, Johann Wolfgang von  91, 100, 148, 150, 214 Gorz, André  196 Gostmann, Peter  189 Gothein, Eberhard  58 Grabert, Herbert  120 Green, Martin  215 Grewe, Wilhelm  146 Grimm, Dieter  28, 29 Groh, Dieter  49 Gross, Johannes  34, 43, 45, 144, 146, 151, 156, 159–163, 171, 175–177, 183, 184, 187, 191, 205, 207–211 Gross, Raphael  81 Gründer, Karlfried  12 Gründgens, Gustav  135 Grundmann, Siegfried  183 Grüter, Friedrich siehe Ernst Forsthoff Gundolf, Friedrich  189 Günther, Albrecht Erich  34, 35, 38, 71–75 Günther, Gerhard  74 Gurian, Waldemar  24, 51 Gurland, Arkadius Rudolf Lang  108 Gütersloh, Albert Paris  32

Gablentz, Otto Heinrich von der  107, 108, 110, 163, 170, 210 Galván, Enrique Tierno  49, 94, 136, 169, 211 García Lorca, Federico  93

Häberle, Peter  204 Habermann, Max  37, 38 Habermas, Jürgen  11, 14, 160, 163, 188 Hachmeister, Lutz  46, 53

226 Personenverzeichnis Haecker, Theodor  32, 174 Haffner, Sebastian  181 Hahn, Erich J.  64 Hardouin, Jean  57 Harenberg, Werner  202 Harlan, Veit  28 Hasemann, Richard  105 Hauriou, Maurice  218 Hausenstein, Wilhelm  57 Haushofer, Karl  37, 78, 134 Hausleiter, Leo Friedrich  72–74, 81 Hecht, G.  173 Hecht, Werner  215 Heck, Bruno  164, 165 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich  95 Heidegger, Martin  100, 113, 126 Heil, Susanne  189 Heiland, Gerhard  132 Heine, Heinrich  126 Heisenberg, Werner  126 Held, Robert  97, 173 Heller, Hermann  70, 107, 111, 178, 179, 197 Hellwig, Hans  164, 173, 214 Hemingway, Ernest  130 Henkel, Michael  107 Hennig, Eike  48, 49, 193–199 Hennis, Wilhelm  15, 49 Hepp, Marcel  181 Herder, Johann Gottfried  192 Herrnstadt, Rudolf  33 Hertweck, Frank  49, 157, 161 Herzog, Roman  183 Heuer, Hermann  125 Heuss, Theodor  64, 65, 81, 159, 167, 192, 198 Heydrich, Reinhard  40 Heydte, Friedrich Freiherr von der  148 Hickethier, Knut  11 Hilferding, Rudolf  189, 196, 197 Hindenburg, Paul von  108, 157 Hitler, Adolf  17, 20, 25, 26, 28, 36, 44, 48, 71, 72, 78, 79, 86, 99, 108,

109, 114, 122, 123, 127, 130, 133, 135, 141, 157, 158, 167, 169, 172, 196–198, 204, 205, 214, 215 Hobbes, Thomas  14, 26, 27, 37, 47, 180, 217, 218 Hodenberg, Christina von  13–15, 21 Hoeber, Karl  34 Hofer, Walter  166 Höfer, Werner  180 Hofmann, Hasso  12, 29, 178 Hofmannsthal, Hugo von  173 Höhn, Reinhard  25, 76 Höhne, Heinz  181 Hölscher, Lucian  12 Hood, Francis Campbell  180 Höpker, Wolfgang  134 Höpker-Aschoff, Hermann  131 Horkheimer, Max  162, 163 Hoser, Paul  40 Huber, Ernst Rudolf  34, 36, 75 Hugenberg, Alfred  157 Hüsmert, Ernst  101 Husserl, Edmund  126 Ilau, Hans  100 Ipsen, Hans Peter  106 Ipsenstein, Bert siehe Carl Schmitt  99, 113 Jackson, Robert H.  133 Jakob I.  105 Jasper, Gotthard  196 Jaspers, Karl  15, 139 Jay, Martin  14 Juan Carlos  141 Jünger, Alexander  209 Jünger, Ernst  27, 51, 65, 66, 72, 73, 96, 98, 101, 114, 143, 144, 152, 171, 209, 215 Jünger, Gretha  101 Kaas, Prälat Ludwig  161, 198 Kafka, Franz  148

Personenverzeichnis227 Kaiser, Jacob  38 Kaiser, Joseph H.  15, 52, 156, 170, 179 Kapp, Wolfgang  158 Karl der Kühne  180 Karo, Georg  58 Kassner, Rudolf  94, 98 Kaufmann, Erich  132, 170 Käutner, Helmut  155 Kayser, Johannes  47, 153 Kelsen, Hans  69 Kennan, Georges F.  116 Kennedy, Ellen  14, 190 Kennedy, John F.  176 Kempner, Robert M. W.  86, 133 Kessler, Harry Graf  192 Kesting, Hanno  15, 31, 48, 160, 163, 183, 212 Kesting, Marianne  48, 211–213 Kiesinger, Kurt Georg  203 Kirchheimer, Otto  123, 155 Kirchhoff, Peterheinrich  147, 159, 196, 198, 212 Kisoudis, Dimitrios  49, 157, 161 Klages, Ludwig  82, 83 Klein, Tim  58, 59 Kleist, Heinrich von  82 Kleist-Schmenzin, Ewald von  157 Klepzig, Gerd  168 Kličković, Sava  211 Kluge, Alexander  193 Koch, Claus  175 Koch, Erich  25 Kodalle, Klaus  81 Koellreutter, Otto  107 Koenen, Andreas  26, 34, 35, 48 Kogon, Eugen  139 Kojève, Alexandre  49 Kolb, Annette  172, 173 Konnersreuth, Resl von  143 Kopp-Oberstebrink, Herbert  50, 190 Köppke, Jürgen  53 Korn, Karl  43, 44, 97, 98, 101, 104 f., 150, 212, 213

Koschewnikov, Vladimir  192 Koselleck, Reinhart  11, 12, 14, 22, 27, 31, 34, 52, 147, 160, 163, 183, 212–215 Krauss, Günther  115 Krauss, Werner  146 Kreiten, Karlrobert  180 Krings, Stefan  46, 53 Kroll, Frank-Lothar  39 Krone, Heinrich  167, 198 Krug, W.  173 Krüger, Herbert  106 Küchemann, Fridjof  13 Kunst, Hermann  183 Kurz, Constanze  13 Küsel, Herbert  139 Laak, Dirk van  28, 29, 42, 48, 92, 107, 192 Laband, Paul  65 Laberthonnière, Pater  214 Lades, Hans  192 Lambert, Eduard  108 Lange, Karl  198 Larenz, Karl  75 Lasky, Melvin  139 Leber, Georg  195 Leemans, Victor  76, 96 Leers, Johann von  141 Lehmann, Joachim  132 Lehnert, Erik  40, 191 Leibholz, Gerhard  69 f., 132, 187 Lembcke, Oliver W.  107 Lenchen-Demuth siehe Demuth, Helena („Lenchen“) Lenin, Wladimir Iljitsch  57, 59 Lerche, Peter  204 Lessing, Gotthold Ephraim  128, 192, 216 Lethen, Helmut  30, 189 Leuschner, Wilhelm  38 Liedig, Franz  81 Lilje, Hanns  39

228 Personenverzeichnis Lippmann, Walter  11, 111 Litten, Jens  49 Loewenstein, Karl  28, 117 Lohmann, Karl  36, 80 Lokatis, Siegfried  37–39, 69, 71, 75, 77 Löwith, Karl  82 Lukácz, Georg  149 Lüth, Erich  28 Machiavelli, Niccolò  99, 174 Maier  82, 83 Maier, Reinhold  167, 198 Maiwald, Serge  95 Mann, Golo  111, 115, 116 Mann, Heinrich  216 Mann, Thomas  216 Mannheim, Karl  30, 144 Marcks, Erich  215 Maria Stuart  105, 118, 125 Martens, Erika  30, 192 Martens, Wolfgang  15 Martini, Winfried  40, 41, 115, 121, 122, 124, 127, 138–141, 156, 160, 177 Marx, Karl  142, 156, 192, 196 Maschke, Günter  19, 40, 49, 50, 191 Matthias, Erich  167 Maus, Heinz  80, 191 Maus, Ingeborg  216 Mauz, Gerhard  214 McCarthy, Joseph  42, 121 McKennan, Robert Addison  111 Medem, Eberhard von  25 Mehnert, Klaus  41, 81, 134 Mehring, Reinhard  15, 24–26, 53, 69, 81, 82, 87, 159, 189 Meier, Christian  45, 216 Meinel, Florian  32, 53, 118, 122, 162 Melville, Herman  203, 211 Meusch, Matthias  53 Michaelis, Karl  75 Mirbt  92, 96

Missfelder, Jan-Friedrich  14 Moessinger, Mario  163 Mohler, Armin  29, 33, 36, 40, 43, 50, 95, 99, 137, 138, 141, 143, 162, 166, 167, 171, 177–182 Montesquieu  109, 111 Moras, Joachim  35, 93, 98 Morozov, Evgenij  12 Morsey, Rudolf  161, 167 Müller, Franz Walter  146 Müller, Hans-Dieter  193 Musil, Robert  173 Muth, Carl  34, 35, 51, 57 Naphtali, Fritz  199 Napoleon  85 Naumann, Richard  65 Nebel, Gerhard  94 Negt, Oskar  193 Neske, Brigitte  101 Neske, Günther  101, 104, 105 Nette, Herbert  100, 104, 171 Neumann, Franz  196 Neuß, Wilhelm  121 Niedermayer, Oskar Ritter von  78 Niekisch, Ernst  141, 192 Nietzsche, Friedrich  148 Noack, Paul  46 Ohnesorg, Benno  194 Oppenheimer, Franz  128 Paeschke, Hans  43, 49, 52, 82, 83, 93, 94, 98, 105, 113, 200 Palzhoff, Thorsten  50, 190 Papen, Franz von  36, 122, 157, 196, 198 Pareto, Wilfried Fritz  115, 132 Peters, Hans  156 Peterson, Erik  62 Petiot, Marcel André Henri Félix  153 Petwaidic, Walter (Pseudonym Fredericia)  26, 42, 106, 112, 113, 116–121, 175, 183, 184, 191

Personenverzeichnis229 Pinder, Wilhelm  182 Platon  112 Plenge, Johann  191, 192 Plutarch  215 Popitz, Johannes  24, 26, 86, 215 Posa, Marquis  152 Preuß, Hugo  64, 189 Preuß, Ulrich K.  14, 193 Pribilla, Max  84 Pross, Harry  15, 193 Quaritsch, Helmut  24, 81, 86, 133 Radbruch, Gustav Lampert  126, 133 Radek, Karl  57 Raiser, Ludwig  88 Ranke, Leopold von  59 Rantzau, Johann Albrecht von  137 Rathenau, Walther  173 Rauch, Georg von  214 Rauschning, Hermann  137 Reder, Walter  153 Regensburger, Marianne  200 Reich-Ranicki, Marcel  212, 213 Reichel, Otto  101 Reifenberg, Benno  139 Reitz, Tilman  81 Renner von  127 Rehberg, Karl-Siegbert  150 Requate, Jörg  12 Rexin, Manfred  49 Reventlow, Ernst Graf von  57 Ribbentrop, Joachim von  41 Richert, Ernst  108 Richthofen, Else von  215 Richthofen, Frieda von  215 Ridder, Helmut  191, 192 Riemer, Friedrich Wilhelm  148 Rieß, Rolf  34 Rilke, Rainer Maria  148 Ritter, Henning  45, 49 Ritter, Joachim  12, 84, 180 Ritterbusch, Paul  75

Ritterspach, Theodor  132 Rivarol, Antoine de  144 Rohan, Karl Anton Prinz  34, 35, 62, 63 Röhm, Ernst  26 Rosenberg, Alfred  25, 40 Rosenberg, Arthur  149 Rosenstock-Huessy, Eugen  68 Rousseau, Jean-Jacques  22, 166–168 Rudolph, Hermann  49 Rüstow, Alexander  155, 216 Salin, Edgar  58 Salomon, Albert  188, 189 Sander, Hans-Dietrich  40, 48, 51, 188, 191 Sartre, Jean-Paul  166 Saucke, Hellmut  95 Schaffstein, Friedrich  75 Scheffer, Paul  33, 52, 57, 59–63, 172, 173 Scheffler, Erna  132 Scheibert, Peter  147 Scheidemann, Philipp  215 Scheler, Max  126, 172 Schelsky, Helmut  34, 47, 99, 180, 217, 218 Schelz, Sepp  156, 201–203 Scheringer, Richard  158 Scheuch, Erwin  199 Scheuner, Ulrich  81 Schickel, Joachim  48, 49, 52, 200, 206, 207 Schildt, Axel  11 Schiller, Friedrich  152 Schlegel, Friedrich  192 Schleicher, Kurt von  20, 25, 26, 109, 122, 157, 169, 215 Schluchter, Wolfgang  197 Schmaltz, Kurt  85 Schmelz, Hans  141 Schmid, Carlo  118, 168 Schmid, Richard  164, 214

230 Personenverzeichnis Schmidt, Paul Karl (Pseudonym Paul Carell)  41, 177 Schmidthauser, Julius  73 Schmitt, Anima  81, 102, 104, 105, 107, 122, 138, 140, 150, 152, 161 Schmitt, Carl siehe Pseudonyme Erich Strauß, Bert Ipsenstein und Ivo Schütz Schmitt, Duška  60, 81, 84, 85 Schmitz, Arnold  95, 98, 99 Schmoller, Gustav von  81 Schneemelcher, Wilhelm  183 Schneider, Franz  15 Schneider, Hans  169, 196–198 Schneider, Peter  148 Schnitzler, Georg von  84, 98 Schnitzler, Lilly von  84, 98 Schnur, Roman  183 Scholtissek, Hermann  132 Schomerus, Hans  132 Schott, H.  173 Schramm, Wilhelm von  67–69 Schröder  134 Schröder, Rudolf Alexander  173 Schroer  143 Schroers, Rolf  42, 165, 166, 174, 175 Schüle, Adolf  156, 160, 170, 210 Schuler, Alfred  82, 83 Schuller, Wolfgang  25, 26, 53 Schulte, Wilhelm  181 Schumacher, Kurt  119, 191 Schütz, Ivo siehe Schmitt, Carl Schwab, George  148–150 Seewald, Heinrich  176 Seifert, Jürgen  194 Sellner, Gustav Rudolf  152 Sethe, Paul  43, 44 Severing, Carl  116 Shakespeare, William  105, 118, 125, 155 Sickert, Walter  195 Siebert, Wolfgang  75

Sieburg, Friedrich  44, 95, 96, 139 Siedler, Wolf Jobst  44, 45, 207–211, 213 Simon, Florian  53 Simons, Walter  123 Skriver, Ansgar  49 Smend, Rudolf  15, 69, 145 Sobota, Wilhelm  46 Sombart, Nicolaus  138, 147, 183, 212, 215 Sombart, Werner  19, 138 Sorel, George Eugène  156 Sothen, Hans B. von  39, 40 Spaak, Paul-Henri  89 Spann, Othmar  68 Spengler, Oswald  37 Spranger, Eduard  111 Springer, Axel  39, 177 Stalin, Josef  91, 122 Stand, Anni  154 Stapel, Wilhelm  34, 35, 38, 51, 69–74, 95 Stauffenberg, Claus Schenk Graf von  87 Steiger, Heinhard  203 Stein, Erwin  132 Stein, Lorenz von  211 Steinbömer, Gustav  118 Sternberger, Dolf (Adolf)  138, 139 Stödter, Rolf C. W.  101 Straub, Eberhard  45 Strauß, Erich siehe Schmitt, Carl  43 Strauß, Walter  131 Stresemann, Gustav  126 Süsterhenn, Adolf  118 Tansill, Charles Callan  114 Taubes, Jacob  50, 51, 189, 190 Theunissen, Gert H.  49 Tielke, Martin  14, 53 Tilitzki, Christian  172 Tillich, Paul  149 Tocqueville, Alexis de  85, 128, 215

Personenverzeichnis231 Todorovic, Duška siehe Schmitt, Duška Tommissen, Piet  52, 96, 208 Tönnies, Ferdinand  11, 17, 99 Trainin, Aron Naumowitsch  91 Traub, D. G.  58 Treml, Martin  50, 190 Tüngel, Richard  41, 42, 87, 89, 104, 112, 113, 117, 118, 140 Ungnad, Walter zur siehe Bohm, Walter Unseld, Siegfried  49 Veale, Frederick John Partington  47, 153 Venohr, Wolfgang  181, 182 Viénot, Pierre  149 Vietta, Egon  93, 95, 99 Villinger, Ingeborg  32 Volkonskaja, Natailja  60 Vorwerk, Friedrich  34, 36, 81 Wagner, Gerhard  189 Walser, Robert  172 Warnach, Walter  48, 104, 105, 136, 148, 149 Weber, Alfred  70, 140

Weber, Max  19, 33, 148, 170, 189, 210, 215 Weber, Werner  88, 119, 129, 146 Wedekind, Frank  173 Weidner, Daniel  189 Weiß, Konrad  156 Welter, Erich  43 Werner  100 Wessel, Franz  132 Wilhelm II.  64 Willms, Bernard  30, 180, 181 Winckelmann, Johannes  52, 84–87, 95 Winstanley, Lilian  104, 122, 125 Wirsing, Giselher  39–41, 79, 80, 88, 89, 92, 99, 100, 114, 131, 134, 153, 154 Wirth, Joseph  126 Wolff, Theodor  174 Wössner, Jakobus  181 Wu, Tim  12 Zehrer, Hans  35, 39, 40, 83, 84, 133, 134 Ziegler, Benno  38, 71, 75 Ziegler, Heinz Otto  123 Zierold, Kurt  87 Zitelmann, Ernst  57

Medienverzeichnis Für Zeitungen und Zeitschriften werden im Text oft Abkürzungen verwendet, nachfolgend werden die vollständigen Namen aufgelistet, die Abkürzungen in Klammern. Die im Text z. T. mit Anführungszeichen versehenen Zeitungsnamen werden im Verzeichnis fortgelassen. Zeitungen, Zeitschriften, Nachschlagewerke ABC  32 Abendland  35 Abteilung für Rechtsforschung der Akademie für Deutsches Recht  80 Atomzeitalter  175 Berliner Tageblatt  33, 57, 59, 172, 174 Berliner Zeitung  33, 172 Bild  195, 196 Brockhaus-Enzyklopädie  99 Capital  43, 187 Christ und Welt  41, 50, 88, 92, 99, 114, 134, 136, 171, 175 Civis  43, 144, 151, 161, 196 Das Historisch Politische Buch  140 Das Reich  36, 43, 97, 172, 192, 193 Das Schwarze Korps  26, 48, 76 Das XX. Jahrhundert  79, 80 De Standaard  96 Der Eisenbahner  42 Der Fortschritt  92, 107 Der Monat (Monat)  111, 115, 116, 139, 141, 146 Der Ring (Ring)  35, 36, 81 Der Spiegel (Spiegel)  28, 32, 45–47, 52, 96, 102, 105, 106, 129, 130, 135, 141–143, 147, 148, 153, 154, 158, 162–164, 170, 179, 180, 189, 198, 202, 203, 214, 218 Deutsche Allgemeine Zeitung  33

Deutsche Juristenzeitung  26, 37, 80, 123 Deutsche Nation  61 Deutsche Zeitung (DZ)  32, 41–43, 134, 156, 162–164, 171, 191 Deutsche Zukunft  93 Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt (Sonntagsblatt)  31, 39, 40, 64 Deutsches Verwaltungsblatt  101 Deutsches Volkstum  34–36, 38, 68, 71, 72, 81 Deutschland-Archiv  191 Die Andere Zeitung  194 Die Neue Ordnung (Neue Ordnung)  82, 85, 133 Die Neue Rundschau  93 Die Tat (Tat)  33, 35, 39–41, 68, 79, 137, 139, 140, 166–168 Die Wandlung  139 Die Welt (Welt)  32, 39, 178 Die Welt – Geistige Welt (Geistige Welt)  133 Die Zeit (Zeit)  29, 32, 41–43, 48, 50, 85, 94, 96, 104, 112, 118–121, 136, 140, 170, 171, 180, 188, 192, 198, 212 Dietse Warande en Belfort  96 Europäische Revue  20, 34, 35, 62, 93 Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ)  13, 14, 32, 41, 43–46, 48, 49, 96, 97, 100, 104, 138, 140, 150, 151, 162, 165, 167, 172, 173, 188, 189, 192, 212, 218

Medienverzeichnis233 Frankfurter Allgemeine Zeitung Magazin (FAZ Magazin)  45 Frankfurter Hefte  139, 165 Frankfurter Zeitung (FZ)  33, 34, 57, 66, 95, 100, 139, 172, 199 Gegenwart  96, 138, 139 Germania  33, 34 Göttinger Universitäts-Zeitung  88 Handelsblatt  163 Hochland  34, 35, 57, 58, 61, 151 Internationale Revue Umschau  80 Juristenzeitung  156, 160 konkret  195 Kölnische Volkszeitung  19, 33, 34, 57 Kölnische Zeitung  100 Kristall  168 Kyklos  191 Le Monde  32, 141 Mainzer Allgemeine Zeitung  43 Merkur  14, 35, 42, 52, 62, 82, 93–95, 99, 139, 160, 163, 165, 175, 183, 194, 200, 201, 212 Münchner Neueste Nachrichten  40, 41, 58, 59, 67, 68, 72, 74, 79, 134 Neue Gesellschaft  151, 160 Neue Zürcher Zeitung (NZZ)  32, 171 Neues Deutschland  33 Neues Wiener Journal  58 Osteuropa  134 Rheinischer Merkur  134 Ruhr-Reflexe  183 Signal  40 Stimmen der Zeit  84 Süddeutsche Zeitung  96 Temps  77 Universitas  82, 95 Völkischer Beobachter  36 Vorwärts  159 Vossische Zeitung  39 Welt am Montag  128 Westdeutsche Rundschau  156 Westdeutscher Beobachter  36 Wirtschaftsdienst  33

Zeitschrift für Geopolitik  37, 115 Zürcher Woche  32, 137, 166–168 Rundfunk, Fernsehen, Internet ARD  48, 181 Bayerischer Rundfunk  49 Deutsche Welle  43, 164 Deutschlandfunk  42, 43, 191 facebook  22 Hessischer Rundfunk (HR)  42, 48, 136, 137 Norddeutscher Rundfunk (NDR)  49, 200, 206 Nordwestdeutscher Rundfunk (NWDR)  138 Rias  200 Schweizer Rundfunk  137 SFB  206 stern-tv  181, 182 Süddeutscher Rundfunk  49, 148 Westdeutscher Rundfunk (WDR)  49, 175, 182 ZDF  43 Verlage Axel Springer Verlag (Springer)  40, 177 Carl Ernst Poeschel Verlag (Pöschel­ verlag)  85 C. H. Beck (Beck)  85, 86 Deutsche Verlagsanstalt (dva)  82 Duncker & Humblot  37, 39, 46, 52, 57, 59, 87, 149, 181, 209 Eher-Konzern (Eher) siehe Zentral­ verlag Eher Ernst Rowohlt Verlag  190 Eugen Diederichs Verlag (Diederichs)  68, 100, 171, 216 Eugen Langen Verlag (Langen)  68 Georg Müller Verlag (Müller)  68 Glock und Lutz  96 Greven Verlag (Greven)  44, 92, 101, 127

234 Medienverzeichnis Hanseatische Verlagsanstalt (HAVA)  37–39, 68, 71–78, 80 Hanser Verlag (Hanser)  206 Henschel-Verlag  40 Junker und Dünnhaupt  39 Klett-Cotta  101 Knorr & Hirth  68 Kösel-Verlag (Kösel)  158 Propyläen Verlag (Propyläen)  44, 205, 207, 209, 211

Reclam Verlag  138, 216 Seewald Verlag (Seewald)  176, 179 S. Fischer Verlag (S. Fischer)  166 Suhrkamp Verlag  49, 52, 188, 190 Verlag de Gruyter (de Gruyter)  84 Verlag Günther Neske  101, 104, 105, 122, 136 Verlag Jakob Hegner (Hegner)  90 Wilhelm Fink Verlag  216 Zentralverlag Eher  38, 68