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German Pages 264 Year 1967
ROLF W U N D E R E R
Systembildende Betrachtungsweisen der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre und i h r EinfluÉ auf die Darstellung des Unternehmers
Betriebswirtschaftliche Heft 23
Schriften
Systembildende Betrachtungsweisen der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre und i h r Einfluß auf die Darstellung des Unternehmers
Von
Dr. Rolf Wunderer
D U N C K E R
&
H U M B L O T
/
B E R L I N
Alle Rechte vorbehalten © 1967 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1967 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany
Meinen Eltern
Inhaltsverzeichnis Vorwort
13
2. Systembildende Betrachtungsweisen als methodologisches Grundproblem der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre sowie dieser Untersuchung
18
11. Darstellung und Kritik der Teilinhalte betriebswirtschaftlicher Methodenlehren
18
111. Die vier Teilbereiche der Methodenlehren
18
112. Die Ergänzungsbedürftigkeit der methodologischen Betrachtungsweise für betriebswirtschaftliche Systembildungen ..
20
113. Beziehungen zwischen systembildenden Betrachtungsweisen und den Unternehmerdarstellungen
24
114. Teilzusammenfassung
29
12. Zur Analyse der Grundstruktur betriebswirtschaftlicher Lehrsysteme und der methodologischen Bedeutung des Unternehmers
32
121. Die vier Untersuchungsziele dieser Arbeit
32
122. Die drei systembildenden Betrachtungsweisen als Untersuchungsobjekte
33
123. Kriterien für die Auswahl und methodische Einordnung der dogmengeschichtlich relevanten Lehrsysteme
35
2. Die Wirtschaftsordnende oder makromorphologische weise — Unternehmer und Wirtschaftssysteme
Betrachtungs-
21. Methodische Grundlegungen
47 47
211. Die methodischen Grundlagen der Volkswirtschaftslehre . .
47
212. Ortungskriterien zur Bestimmung und Abgrenzung makroökonomisch relevanter Betrachtungsweisen des Unternehmers
56
22. Der Unternehmer als Gestalter systembezogener Unternehmungen
60
221. Der kapitalwirtschaftlich orientierte Unternehmerbegriff . .
62
222. Die dispositionswirtschaftliche Begriffsbestimmung des Unternehmers
64
223. Die kombinative oder demoskopische Betrachtungsweise des Unternehmers
76
23. Der Unternehmer als Träger einer systemindifferent definierten Unternehmung
81
8
Inhaltsverzeichnis 231. Die Unternehmung fahrungsobjekt
als ganzheitlich-systemneutrales
Er84
232. Die Unternehmung als betriebswirtschaftlicher Teilaspekt 24. Konstruktive Kritik und methodische Konsequenzen der „wirtschaftsordnenden" Betrachtungsweise des Unternehmers
85 92
241. Kritik der angebotenen Lösungsvorschläge
92
242. Weiterführende Überlegungen zu den Problemkreisen Wirtschaftsordnung — Unternehmung — Unternehmer
94
243. Methodische Konsequenzen
102
3. Die faktorielle oder mikromorphologische Unternehmer im Faktorsystem
Betrachtungsweise — Der 106
31. Methodische Techniken und Grundsysteme — erläutert an richtungweisenden Vorläufern der Volkswirtschaftslehre
106
311. Begriffliche Abgrenzungen
106
312. Die trialistische Faktorenlehre als methodischer Ausgangspunkt und die Technik der Faktorwertung
108
313. Die Faktorenreduktion und das dualistische bzw. monistische Faktorsystem
111
314. Faktorenspaltung und pluralistische Systeme — Der Unternehmer als Faktor
114
32. Die methodische Bedeutung der Faktorbetrachtung für die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre
122
321. Erklärungsfunktionen und Begriffsbezeichnung
122
322. Begriffsinhalt und Erklärungsfunktion
124
323. Gestaltungsfunktionen der Faktordarstellung
126
33. Die Faktorsysteme der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre
..
331. Das dualistische System als Ausgangspunkt 332. Faktorenreduktion lungen
und
quasimonistische
128 Faktordarstel129
333. Faktorspaltung und pluralistische Systeme
131
334. Konstruktive Kritik der vorliegenden Faktorsysteme 34. Die faktorielle Betrachtungsweise Faktor Arbeit als Bezugspunkt
128
des Unternehmers —
133 Der 140
341. Unternehmer und Faktorsynopse
141
342. Unternehmer und Faktorgliederung
144
343. Unternehmer und Faktorspaltung
149
3431. Bestimmungsgründe für die Abspaltung des Unternehmers aus dem Faktor Arbeit
150
3432. Die doppelgleisige Spaltung des Faktors Arbeit und ihr Einfluß auf die Unternehmerdarstellung
154
344. Teilzusammenfassung
157
Inhaltsverzeichnis 4. Die funktionale oder katallaktische nehmer im Funktionssystem
Betrachtungsweise
— Der Unter159
41. Methodische Grundlegungen
159
411. Der betriebswirtschaftliche Funktionsbegriff
159
412. Zusammenhänge zwischen funktionaler und faktorieller Betrachtungsweise
162
413. Konsequenzen für die systematische Unternehmerdarstellung
163
42. Betriebswirtschaftliche Funktionscharakterisierungen des Unternehmers
168
421. Der Einfluß der Volkswirtschaftslehre
168
422. Multifunktionale Funktionscharakterisierungen
170
423. Die unternehmerische Entscheidung als Definitionsgrundlage
173
424. Konstruktive Kritik der vorliegenden Unternehmerdefinitionen
179
4241. Grenzen einer rein funktionalen Betrachtungsweise
179
4242. Probleme einer unternehmungsspezifischen Unternehmerdefinition
183
4243. Probleme der Bestimmung einer unternehmerspezifischen Funktion
185
4244. Die Entwicklung einer funktionalen definition
191
Unternehmer-
43. Die Funktionssysteme in der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre 431. Methodische Grundlegungen
196 196
4311. Erklärungsfunktionen und Begriffsbezeichnung
197
4312. Erklärungsfunktionen und Begriffsinhalt
199
4313. Gestaltungsfunktionen tungsweise
der
funktionalen
Betrach200
432. Die Funktionssysteme der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren 4321. Die vier Grundfunktionen
203 204
43211. Vorwiegend auf das Leistungsobjekt bezogene Grundfunktionen („Leistungserstellung" und „Leistungsverwertung")
204
43212. Vorwiegend auf die Leistungsfaktoren bezogene Grundfunktionen („Beschaffung" und „Gesamtführung")
205
4322. Weitere Funktionen Systemgestaltung
als
Grundlage
individueller
43221. Für das Gesamtsystem unbedeutende Ergänzungsfunktionen
208 210
10
Inhaltsverzeichnis 43222. Die bedeutsamsten Ergänzungsfunktionen („Finanzierung" und „Verwaltung")
212
44. Die Stellung und Darstellung der Unternehmerfunktion in der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre
219
441. Die methodisch-dispositionelle Einordnung der Unternehmerfunktion
219
442. Die Definitionsansätze zur funktionalen Bestimmung des Unternehmers 4421. Multifunktionale Begriffsumschreibungen
223 224
4422. Monofunktionale Definitionsansätze
229
4423. Teilzusammenfassung
237
5. Vorschläge zur Definition und systematischen Darstellung des Unternehmers in der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre 240 51. Die drei systembildenden Betrachtungsweisen als Grundlage einer Konzeption der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre — die methodischen Konsequenzen
242
52. Die besonderen Auswirkungen der Konzeption einer Allgemeinen Unternehmungslehre
248
Literaturverzeichnis
251
Abkürzungsverzeichnis HdB
= Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 2. Aufl. (1938—1939), herausgegeben von Heinrich Nicklisch 3. Aufl. (1956—1962), begründet von Heinrich Nicklisch, hrsg. von Hans Seischab und Karl Schwantag, Stuttgart.
HdSW
= Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, hrsg. von Erwin v. Beckerath u. a., Stuttgart — Tübingen — Göttingen 1956— 1965.
BFuP
= Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis.
ZfB
= Zeitschrift für Betriebswirtschaft.
ZfbF
= Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung.
ZfhF
= Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung.
Vorwort Von Zeit zu Zeit scheint es angebracht, daß sich eine wissenschaftliche Disziplin auf ihre grundlegenden methodologischen Probleme besinnt und ihren Standort neu überdenkt. Die Betriebswirtschaft verfügt über eine breite Skala von methodologischen Veröffentlichungen. Soweit diese den dogmengeschichtlichen Aspekt besonders berücksichtigen, werden i n der Regel vier Problemkreise erörtert. Erstens ist es die Bestimmung eines ganzheitlichen Erfahrungs- und Erkenntnisobjekts der Betriebswirtschaftslehre. A n zweiter Stelle steht die Formulierung eines obersten betriebswirtschaftlichen Auswahlprinzips, das meist m i t der obersten Zielsetzung des Erkenntnisobjekts identifiziert wird. Drittens sind es Grundsatzentscheidungen zum allgemeinen Wissenschaftsprogramm, wobei der Realitätsbezug der Aussagesysteme besondere Bedeutung gewinnt. Viertens werden die Denk-, Forschungs- und Darstellungsmethoden untersucht, die nicht selten die Behandlung der drei anderen Gebiete maßgeblich beeinflussen. Eine kritische Würdigung dieser vier Teilinhalte betriebswirtschaftlicher Methodenlehren zeigt aber, daß mit ihnen die Grundstruktur betriebswirtschaftlicher Lehrsysteme noch nicht hinreichend erfaßt werden kann. Denn mit diesen vier Aspekten vermag man zwar wesentliche Eigenschaften und Beziehungsgehalte von Systembestandteilen zu erklären, nicht jedoch die Systemelemente selbst, „die zur Gewinnung eines vorläufigen Bildes vom Gegenstand der Lehre beitragen" 1 . Diese bilden nach Seischab „die Quintessenz des Denkens über ihren (der wissenschaftlichen Lehre; d. Verf.) Gegenstand" 1 und werden m i t tels bestimmter Auswahlprinzipien — hier Betrachtungsweisen genannt — i n die Lehrsysteme eingestellt. Solche Betrachtungsweisen sind dann als systembildend zu charakterisieren, wenn sie sich auf Strukturelemente beziehen, die erstens bedeutsame Erklärungs- und Gestaltungsfunktionen für das Gesamtsystem erfüllen und zweitens selbst zu geschlossenen Teilsystemen ausgebaut werden können. Eine Analyse vorliegender Lehrsysteme zur All1 Seischab, H., Betriebswirtschaftliche Grundbegriffe, Stuttgart 1961, S. 5. — Seischab bezeichnet diese Strukturelemente als „betriebswirtschaftliche Grundbegriffe".
14
Vorwort
gemeinen Betriebswirtschaftslehre läßt drei systembildende Betrachtungsweisen erkennen: die Wirtschaftsordnende, die faktorielle und die funktionale. Eine Aufgabe dieser Arbeit ist deshalb der Versuch, die erkannte Lücke i n der betriebswirtschaftlichen Methodologie auszufüllen. Dies erfordert dogmengeschichtliches Vorgehen. Dabei bieten sich zwei Wege an 2 . Entweder geht man von den programmatischen Aussagen der einzelnen Autoren selbst aus. Oder es bildet eine interpretative Analyse vorgeschlagener Grundstrukturen von veröffentlichten Lehrsystemen die Grundlage der dogmengeschichtlichen Untersuchungen. Da sich die Methodologie bisher allenfalls am Rande m i t der Struktur und Gestaltung betriebswirtschaftlicher Lehrsysteme befaßte, sind programmatische Äußerungen ebenfalls sehr selten veröffentlicht 8 . Die wenigen Aussagen stammen zudem meist von Autoren, die sowieso ein Lehrsystem vorlegten. Deshalb scheint die Beschränkung auf den zweiten Weg zulässig und sinnvoll. Allerdings kann man damit Ansätze, die i n publizierten Lehrgebäuden der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre (noch) nicht berücksichtigt sind, auch nicht i n die Untersuchung aufnehmen. Denn andernfalls müßte man aus den vorliegenden programmatischen und meist fragmentarischen Äußerungen selbst Systementwürfe konstruieren. Bei dem hier eingeschlagenen Weg heißt dogmengeschichtliche Betrachtung aber, vorhandene Lehrsysteme analysieren, interpretieren und gegebenenfalls kritisch beleuchten 4 . Dieser hier gewählte Weg kann nun wiederum m i t zwei unterschiedlichen Methoden verwirklicht werden. Die „historisch-genetische" beschränkt sich auf eine entwicklungsgeschichtliche Darstellung der einzelnen Lehrsysteme. Die „sachlogische" dagegen gliedert die Untersuchungsobjekte nach Kriterien, die „gewissermaßen »Typen' von Lehrmeinungen konstituieren" 5 . Für die Analyse der Grundstruktur betriebswirtschaftlicher Lehrgebäude scheint die sachlogische Betrachtung 2 Vgl. dazu auch Brandie , R., Unternehmungswachstum — Zur Dogmengeschichte und Methodologie der Theorie des Unternehmenswachstums, Diss. München 1966, S. 14 f. 3 Diese Einschränkung ist deshalb notwendig, da jeder betriebswirtschaftliche Hochschullehrer in seinen Grundvorlesungen zur Dogmengeschichte oder Allgemeinen B W L zumindest implizit — zum Beispiel bei der dispositionellen Gestaltung seiner Vorlesung — Stellung nehmen muß, wie er sich ein Lehrsystem der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre vorstellen würde. 4 Deshalb kann z. B. auch der entscheidungstheoretische Ansatz nicht als ein zentraler systembildender Aspekt erörtert werden, da ihn keine der untersuchten Betriebswirtschaftslehren in systemprägendem Maße verwendet. 5 Heinen, E., Betriebswirtschaftliche Kostenlehre, Bd. I : Begriff und Theorie der Kosten, 2. Aufl., Wiesbaden 1962, S. 17.
Vorwort
sinnvoller. Man kann die Eigenschaften und Eigenarten der einzelnen Strukturelemente dabei systematischer herausarbeiten. Weiterhin ist die Entwicklung verschiedener Kategorien von methodologisch relevanten Typen möglich. Und schließlich sind — was auch für die vier bisher wesentlichen methodologischen Problemkreise gilt — die Mehrzahl der Lehrmeinungen nicht auf bestimmte Zeitabschnitte fixierbar. Ein Teilerfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre, daß nicht nur von allen drei systembildenden Betrachtungsweisen i n besonderem Maße erfaßt wird, sondern gleichfalls bei der Diskussion u m die anderen vier Teilinhalte der Methodenlehre einen bemerkenswerten Rang einnimmt, ist der Unternehmer. Seine Behandlung könnte deshalb auch eine isolierende Darstellung methodologischer Teilinhalte insoweit abwenden, als er zwischen ihnen ein verbindendes Glied zu bilden vermag. So wurde der Unternehmer häufig als signifikantes Beispiel bei der Diskussion u m eine Abgrenzung des betriebswirtschaftlichen Erkenntnisobjektes gegenüber den Nachbardisziplinen, insbesondere gegenüber der Volkswirtschaftslehre und der Soziologie und Psychologie, genannt. Zweitens zählte schon immer „die Frage nach den Zielen unternehmerischer Betätigung zu den bedeutsamsten und interessantesten Problemstellungen der Betriebswirtschaftslehre" 6 . M i t der Diskussion dieser obersten betriebswirtschaftlichen Auswahlprinzipien w i r d dazu gern die Diskussion bestimmter Basisentscheidungen zum allgemeinen Wissenschaftsprogramm — ζ. B. „reine", „praktisch-normative" oder „normativ-wertende" Wissenschaft — verbunden, wobei die Frage i m Vordergrund steht, ob und inwieweit die Wissenschaft dem Unternehmer Handlungsmaximen vorschreiben kann. Aber auch die jeweiligen Denkund Forschungsmethoden lassen sich gut bei der Darstellung des Unternehmers interpretieren; ζ. B. entspringt die Charakterisierung des Unternehmers m i t seinen geistigen, willensmäßigen, verhaltensbestimmten und charakterlichen Leistungseigenschaften i n der Betriebswirtschaftslehre meist einer historisch-individualisierenden und anschaulich-pragmatischen Denk- und Forschungsweise, während die Reduzierung des Unternehmers auf seine Funktionen mehr auf einem abstrahierenden und generalisierenden Vorgehen beruht. Nicht zuletzt aber eignet sich der Unternehmer für eine gezielte Analyse systembildender Betrachtungsweisen der Betriebswirtschaftslehre. Er zeigt als partielles Erfahrungsobjekt viele strukturelle Gemeinsamβ Heinen, E., Das Zielsystem der Unternehmung, Grundlagen betriebswirtschaftlicher Entscheidungen, Wiesbaden 1966, S. 17. — Während diese Ziele meist als Modellkonstanten, als Daten betrachtet wurden, sind sie in der heutigen Entscheidungslehre als Instrumentvariable selbst Gegenstand theoretischer und empirischer Zielforschung. Vgl. dazu v. a. ders., S. 28 ff.
16
Vorwort
keiten m i t dem ganzheitlichen Erfahrungsobjekt Betrieb bzw. U n t e r n e h m u n g , ist aber i m Gegensatz z u diesem selbst noch E r f a h r u n g s o b j e k t d e r z u u n t e r s u c h e n d e n Teilsysteme. W e i t e r h i n steht er b e i der B e h a n d l u n g aller drei Teilsysteme i m V o r d e r g r u n d der Betrachtung, was f ü r andere T e i l e r f a h r u n g s o b j e k t e der B e t r i e b s w i r t s c h a f t s l e h r e n i c h t i n g l e i cher Weise g i l t . So w i r d d e r U n t e r n e h m e r ζ. B . als R e p r ä s e n t a n t eines b e s t i m m t e n Wirtschaftssystems, als T r ä g e r d e r b e d e u t s a m e n G e s a m t f ü h r u n g s a u f g a b e i m F u n k t i o n s s y s t e m u n d als w e s e n t l i c h e r B e s t a n d t e i l des F a k t o r s y s t e m s e r ö r t e r t 7 . D e r U n t e r n e h m e r b i l d e t also e i n m a l e i n i n t e g r a t i v e s M o m e n t z w i schen d e n d r e i b e d e u t s a m s t e n S t r u k t u r e l e m e n t e n b e t r i e b s w i r t s c h a f t licher Lehrsysteme. U n d sieht m a n i n der Untersuchung der G r u n d s t r u k t u r solcher L e h r g e b ä u d e e i n e n w e i t e r e n w e s e n t l i c h e n T e i l i n h a l t der M e t h o d e n l e h r e , so ist ü b e r d e n U n t e r n e h m e r z w e i t e n s auch l e i c h t eine V e r b i n d u n g z u d e n v i e r b i s h e r i g e n m e t h o d o l o g i s c h e n P r o b l e m k r e i sen herzustellen. D i e L ö s u n g oder bessere D a r s t e l l u n g m a n c h e r P r o b l e m e f ö r d e r t e n i n d a n k e n s w e r t e r Weise H e r r Professor D r . E d u a r d G a u g i e r s o w i e H e r r Professor D r . E d m u n d H e i n e n u n d H e r r D r . W e r n e r K i r s c h . Daß diese 7
Damit sind keineswegs alle für die Betriebswirtschaftslehre relevanten Betrachtungsweisen des Unternehmers erfaßt. Besonders häufig sind noch charakterisierende, personifizierende und institutionalisierende Betrachtungsweisen erkennbar. Die erstere erörtert den Unternehmer unter seinen — im weitesten Sinne — charakterlichen Leistungseigenschaften; bei der zweiten werden aus methodischen oder didaktischen Gründen übergeordnete Erfahrungsobjekte, wie die Unternehmensführung oder Unternehmung durch den Unternehmer personifiziert; die letztgenannte versucht dagegen in entgegengesetzter Weise den Unternehmer in das betriebliche Führungs- und Sozialsystem zu integrieren, wofür besonders der französische und amerikanische Institutionalismus, die deutsche Organik, die Organisationssoziologie und die davon besonders geprägte Lehre von den kollektiven Entscheidungen die wesentlichsten Einflußfaktoren bilden. Man kann diese drei Auswahl- und Darstellungsprinzipien auch anthropozentrische Betrachtungsweisen nennen, da sie die „menschenbezogenen" Aspekte der Wirtschaftsführung in den Mittelpunkt stellen. So ist es nicht verwunderlich, daß ihre Darstellung stets mit „Grenzüberschreitungen" zu Nachbardisziplinen verbunden ist, die sich mit dem Menschen selbst befassen. Vor allem sind es die Psychologie, die Soziologie und bestimmte Bereiche der Pädagogik und Wirtschaftsgeschichte. Diese drei Betrachtungsweisen des Unternehmers wurden ebenfalls schon analysiert und weitgehend auch konzipiert. Da sie aber bei den untersuchten Lehrsystemen keine systemprägenden Strukturelemente darstellen sowie teilweise nur das partielle Erfahrungsobjekt Unternehmer und nicht andere betriebswirtschaftliche Fragestellungen betreffen, wurde die Erörterung dieser Problemkreise abgetrennt, nachdem ein erster Entwurf einen Gesamtüberblick zuließ. Diese Abgrenzung erlaubte nun eine geschlossene und quantitativ wesentlich reduzierte Untersuchung der für die vorliegenden Lehrsysteme methodologisch wohl bedeutsamsten Aussagen zum Unternehmerbild sowie eine eingehende und gesonderte Analyse der zugrundeliegenden Teilsysteme, die zur Erklärung der besonderen Stellung des Unternehmers unersetzliche Dienste leisten.
Vorwort
Arbeit i n der vorliegenden Form geschrieben werden konnte, verdankt der Verfasser aber besonders seinem akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Guido Fischer, Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre und Vorstand des Seminars für betriebliche Sozialpraxis an der Universität München. Er unterstützte nicht nur durch großzügige zeitliche Entlastung die zugrunde liegenden ausgedehnten Literaturanalysen und Überlegungen, sondern gewährte vor allem jederzeit und i n tatsächlich unbegrenztem Maße „Gedankenfreiheit". Solche Freizügigkeit fordert deshalb besondere Hochachtung, weil bekanntlich gerade bei methodologischen „Schülerarbeiten" deren wesentliche Ergebnisse vom Sachkundigen schon vor der Durchsicht zumindest tendenziell prognostizierbar sind, vorausgesetzt er kennt die „Richtung" des jeweiligen Lehrers. Dieser menschlich verständliche Tatbestand war m i t Anlaß für folgendes Urteil Sandigs: „Methodologische Untersuchungen sind nichts für Dissertationen 8 ." — Vielleicht kann die vorliegende Untersuchung diese recht apodiktisch formulierte These etwas i n Frage stellen.
8 Sandig, C., Die normative Betrachtungsweise in der Betriebswirtschaftslehre, in: BFuP 1958, S. 589. — Auf Anfrage erläuterte Herr Professor Dr. Sandig in einem Brief vom 9. 6. 1964 freundlicherweise, daß dieses Urteil vor allem durch Keinhorsts Behandlung und Bewertung des „geisteskranken Findeisen" als Vertreter einer normativen Betrachtungsweise induziert w u r de. Die oben aufgestellte Behauptung belegte Sandig dabei durch den H i n weis, daß er „vor allem (!) mit dem Doktorvater von K. deshalb eine harte Korrespondenz geführt (habe)".
2 Wunderer
1. Systembildende Betrachtungsweisen als methodologisches Grundproblem der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre sowie dieser Untersuchung 11. Darstellung und Kritik der Teilinhalte betriebswirtschafdicher Methodenlehren 111. Die vier Teilbereiche der Methodenlehren „Die Methodologie steht am Ende der Forschung, aber am Anfang des Systems 1 ." Löffelholz teilt i n diesem Satz das Ergebnis eines längeren Denkprozesses mit, das, wie viele andere, schon i n grundlegender Weise von der Volkswirtschaftslehre formuliert wurde. So Ammon: „Methodologie ist nichts, was einer Wissenschaft vorhergeht und i h r gewissermaßen als eine Regel vorgesetzt wird, nach welcher sie erst zustande zu bringen wäre, sondern eine Erkenntnis von dem logischen möglichen und notwendigen Aufbau und der Struktur eines wissenschaftlichen Ganzen, welche erst zu erlangen ist, nachdem dessen Teile, die darin erfaßten Einzelprobleme, i n ihrem Wesen bereits i n hohem Maße erkannt sind 2 ." Ammon war es auch, der m i t seiner Unterscheidung zwischen Erfahrungs- und Erkenntnisobjekt 3 bei der Abgrenzung einer wissenschaftlichen Disziplin zum wohl meist zitierten und adaptierten volkswirtschaftlichen Methodologen betriebswirtschaftlicher Abhandlungen wurde. I m Extrem führte diese Anlehnung an Ammon zu der These, daß m i t diesem einen Aspekt schon die Aufgabe der Methodologie umrissen 1 Löffelholz, J., Betriebswirtschaftslehre am Scheidewege?, in: ZfB 1952, S. 390. 2 Ammon, Α., Objekt und Grundbegriffe der theoretischen Nationalökonomie, 2. Aufl., Wien und Leipzig 1927, S. 13. 8 Vgl. ζ. B. Schönpflug, F., Betriebswirtschaftslehre, Methoden und Hauptströmungen, 2. erw. Aufl. von „Das Methodenproblem in der Einzelwirtschaftslehre", hrsg. von H. Seischab, Stuttgart 1954, S. 3 ff.; Mellerowicz, K., Einheitliche Wirtschaftswissenschaft?, in: BFuP 1950, S. 708; Hill, W., Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft, Zürich und St. Gallen 1957, S. 28 f.; Wöhe, G., Methodologische Grundprobleme der Betriebswirtschaftslehre, Meisenheim am Glan 1959, S. 82 ff.; Seischab, H., Betriebswirtschaftliche Grundbegriffe, a.a.O., S. 7 ff. Vgl. aber auch die kritische Stellungnahme von Moxter, Α., Methodologische Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre, Köln und Opladen 1957, S. 80 ff.
11. Teilinhalte betriebswirtschaftlicher Methodenlehren
19
sei. So Sandig: „Die Beantwortung der Frage nach dem Verhältnis zwischen Erfahrungsobjekt und Erkenntnisobjekt bildet den Inhalt des Methodenproblems 4 . " Damit wäre das Methodenproblem reduziert auf die Abgrenzung der Betriebswirtschaftslehre von anderen Nachbardisziplinen, vor allem von der Volkswirtschaftslehre und später noch von verschiedenen „anthropologischen" Wissenschaften, wie Soziologie, Psychologie und Arbeitswissenschaft. I n der Tat war dieser Aspekt nicht nur Inhalt des ersten 5 und jüngsten® Methodenstreits i n der Betriebswirtschaftslehre, sondern auch m i t der bedeutendste Gegenstand der selbständigen methodologischen Abhandlungen 7 . Jedoch schon damit verbunden t r i t t als drittes Kriterium, neben Erfahrungs- und Erkenntnisobjekt, das Erkenntnisziel, das i n der Regel m i t einem bestimmten Auswahlprinzip gleichgesetzt wird. M i t der Verbreitung dieser methodischen „Waffe" artet nun der Methodenstreit fast i n einen Religionskrieg" aus, wie Sven Heiander 6 etwas drastisch formulierte. Dieser findet schon innerhalb der Privat- bzw. Einzelwirtschafts- bzw. Betriebswirtschaftslehre statt. Der Anlaß ist Schärs Versuch, die eben erst unabhängig und selbständig gewordene Disziplin vom „Makel der öden Profitlehre" durch „Eliminierung des Gewinnprinzips" zu reinigen und damit ihre Position unangreifbar zu machen. Bald stößt Nicklisch zu ihm, der diese Idee weiter i n systembildender Weise ausbaut. Die exponiertesten Gegner dieser „Richtung" sind Leitner und Rieger. Aber erst ein gutes Jahrzehnt nach „Ausbruch dieses Krieges" erhalten die zwei Fronten einen Namen, w i r d ihre „Denkungsart" klassifiziert. Denn seit Schönpflug heißen die einen „Empiriker", die anderen „Normative". Manchen Wissenschaftlern aber w i r d dieser Titel verwehrt. Bei der Frage „Wes Geistes Kind?" müssen sie sich m i t einer Ersatzklassifizierung, wie etwa „Anhänger der technologischen Richtung" 4 Sandig, C., Die Forschungs- und Darstellungsmethoden und das Methodenproblem in betriebswirtschaftlicher Sicht, in: BFuP 1957, S. 137. 5 Dieser entzündete sich an dem Versuch, das von Weyermann und Schönitz für Nationalökonomie und Privatwirtschaftslehre einheitlich konstruierte Erkenntnisobjekt als Scheinlösung zu widerlegen. Vgl. dazu vor allem Schönpflug, F. a.a.O., S. 47 ff.
* Hier waren Anlaß die relevanten Passagen in Gutenbergs 1951 erschienenen Ersten Band seiner „Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre", die Mellerowicz zu einer leidenschaftlich geführten Offensive veranlaßten. Vgl. dazu Mellerowicz, K., Eine neue Richtung in der Betriebswirtschaftslehre?, in: ZfB 1952, S. 145 ff. und Moxter, Α., a.a.O., S. 28 ff. 7 Vgl. dazu Moxter , Α., a.a.O., S. 11—31 und 79 ff.; Hill, W., a.a.O., S. 55—77 und 160 ff.; Wöhe, G., a.a.O., S. 222 ff. 8 Vgl. Heiander, S., Die Ausgangspunkte der Nationalökonomie, Jena 1932, S. 18, zitiert bei Schönpflug, F., a.a.O., S. 20.
2·
20 1. Systembildende Betrachtungsweisen als methodisches Grundproblem
zufriedengeben, was gegenüber den „Nichtetikettierten" noch eine gewisse Auszeichnung bedeuten konme.
aber
immer
Dieser „Religionskrieg" ist heute nach fast 50jähriger Dauer meist nur noch bei Jubilarehrungen „verdienter Streiter" direkt erkennbar; schon weil inzwischen von beiden Lagern Vermittlungsvorschläge zur Formulierung eines alleseitig akzeptierbaren Auswahlprinzips — ζ. B. i m Sinne eines differenzierten „Zielsystems" 9 — vorgetragen wurden. Trotzdem bildet dieser Methodenstreit noch i n den neueren methodologischen Veröffentlichungen einen deutlichen Schwerpunkt. Für uns ist allerdings bedeutsamer, daß sein Streitobjekt, das i n bestimmter Weise definierte Auswahlprinzip, dabei meist mit Inhalt und Umfang „der Betrachtungsweise" eines bestimmten Autors gleichgesetzt w i r d 1 0 . Die Frage nach der Betrachtungsweise ist somit die Frage nach dem jeweiligen materialenAuswahlprinzip des Forschers, vor allem hinsichtlich der Festlegung betriebswirtschaftlicher „Zielfunktionen". Fügt man nun eine weitere Fragestellung hinzu, ob und inwieweit die Betriebswirtschaftslehre — vor allem hinsichtlich des Erkenntniswertes ihrer Aussagen 1 1 — mit den „epitheta" theoretisch, praktisch, rein, angewandt, empirisch-realistisch, normativ-wertend oder praktisch-normativ „bekränzt" werden könnte und welche Denk- und Forschungsmethoden dabei zulässig wären 1 2 , so ist für den überwiegenden Teil der relevanten Untersuchungen der Inhalt des betriebswirtschaftlichen Methodenproblems umrissen. 112. Die Ergänzungsbedürftigkeit der methodologischen Betrachtungsweise für betriebswirtschaftliche Systembildungen Bringt man diese vier bedeutsamsten Teilinhalte des betriebswirtwirtschaftlichen Methodenproblems i n Verbindung m i t der Frage nach der Bildung betriebswirtschaftlicher Systeme, so werden verschiedene Auffassungen sichtbar. 9
Vgl. Heinen, E., Das Zielsystem der Unternehmung, a.a.O., S. 59 ff. Vgl. Moxter , Α., a.a.O., S. 60; Sieber, E., Objekt und Betrachtungsweise der Betriebswirtschaftslehre, Leipzig 1931 passim; Mettang, W., Die Betrachtungsweise, die Fragestellung und der Untersuchungsgegenstand in der Betriebswirtschaftslehre von Heinrich Nicklisch, Diss. Tübingen 1959, passim; Keinhorst, H., Die normative Betrachtungsweise in der Betriebswirtschaftslehre, Berlin 1956, passim. 11 Vgl. Moxter, Α., a.a.O., S. 35 ff.; Wöhe, G., a.a.O., S. 33 ff.; Schreiber, R., Erkenntniswert betriebswirtschaftlicher Theorien — Einführung in die Methodik der Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 1960, passim. 12 Vgl. Hill, W., a.a.O., S. 166 und Mellerowicz, K., a.a.O., passim. Hier werden ζ. B. genannt die individualisierende oder generalisierende, die historische oder ahistorische, die verbale oder mathematische, die kausale oder teleologische Methode. Zuweilen findet man diese Methoden auch als Be10
11. Teilinhalte betriebswirtschaftlicher Methodenlehren
21
Eine weitverbreitete Methode beschreibt Philipp: „Häufig sind derartige Systematisierungsversuche von der Vorstellung getragen, es müsse ein Grundtatbestand, ein Axiom, auffindbar sein, von dem dann alle Aussagen ableitbar sind 1 3 ." Soweit hier die genannten Hauptinhalte des Methodenproblems tangiert werden, spielen vor allem Auswahlprinzipien, „Betrachtungsweisen" als „systembildende Ideen" (Mellerowicz 14 ) eine besondere Rolle. So charakterisiert Mellerowicz das Lehrgebäude Riegers: „ R i e g e r . . . sieht den einzigen Sinn betrieblichen Wirtschaftens i n der Erzielung einer maximalen Kapitalrente 1 5 ." Und noch deutlicher Fettel: „Aus einem einzigen, dem zureichenden Grund werden alle Vorgänge und Zusammenhänge i n der privaten marktwirtschaftlichen Unternehmung erklärt. . . . Das Streben nach Gewinn ist nun der einzig zureichende Grund. . . . ; aus i h m läßt sich die private Unternehmung vollständig begreifen 1 6 ." Hintner sieht dagegen i n der untrennbaren Verbindung der Unternehmung mit der Geldwirtschaft und i n „der Betrachtung des Unternehmensgeschehens vorwiegend unter geldlichem Aspekt" den „Schlüssel zum theoretischen Grundanliegen Riegers und für seine einheitliche Schau" 17 . Hierbei w i r d schon deutlich, daß gerade monistische Interpretationen eines Lehrgebäudes aus einer „systemtragenden Idee" keineswegs zwangsläufig zum gleichen Ergebnis führen müssen. Ähnlich ergeht es Nicklisch. Keinhorst sieht als systemtragende Betrachtungsweise die normative Einstellung an, die auf der „Lehre vom Gewissen" beruht: „Das ganze Nicklischsche System findet seine Verankerung i n der Lehre vom Gewissen. Das Gewissen ist der Mittelpunkt seiner Lehre, um den sich die anderen Probleme gruppieren bzw. von dem sie sich ableiten lassen 18 ." Stapelberg interpretiert dagegen als systembildendes Auswahlprinzip die Idee der Gemeinschaft: „Wie ein roter Faden durchzieht der Gedanken der Gemeinschaft die Schriften Nicklischs, sie können eigentlich nur verstanden werden, wenn man weiß, daß trachtungsweisen bezeichnet. Vgl. dazu vor allem Hill, W., a.a.O., S. 189. Zur Darstellung vgl. Wöhe, W., a.a.O., S. 93 ff.; Mellerowicz, K., a.a.O., passim; Hill, W., a.a.O., S. 166 ff. 13 Philipp, F., Wissenschaftstheoretische Kennzeichen der Besonderen Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 1966, S. 55. 14 Vgl. Mellerowicz, K., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Bd. I, 12. Aufl., Berlin 1964, S. 41. — Mellerowicz geht hier allerdings von der Idee des Organismus aus. Vgl. dazu auch Mellerowicz, K., Der Betrieb als Organismus und als Organ, in: BFuP, 1952, S. 141 ff. 15 Mellerowicz, K., Der Betrieb als Organismus, a.a.O., S. 142. Fettel, J., Zu Wilhelm Riegers 75. Geburtstag, in: BFuP, 1953, S. 257 ff. 17 Hintner, O., Wilhelm Rieger 85 Jahre alt, in: BFuP 1963, S. 315 ff, 18 Keinhorst, H., a.a.O., S. 89.
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1. Systembildende Betrachtungsweisen als methodisches Grundproblem
sie unter der Herrschaft des Gemeinschaftsgedankens stehen 19 ." U n d Schönpflug bezeichnet schließlich den Wertgedanken „als den archimedischen Punkt" von Nicklischs Lehrgebäude: „Das Wertproblem ist das Kernproblem seiner Betriebswirtschaftslehre. Hier ist der archimedische Punkt, an dem das ganze Lehrgebäude befestigt ist. Der Wert ist nicht nur die Grundlage für das Ganze, sondern auch Grundlage für jeden Teil des Lehrgebäudes i m besonderen 20 ." So scheint also die monistische Interpretation der systembildenden Auswahlprinzipien nicht zuletzt von den Aufgabenstellungen und Denkweisen der jeweiligen Interpreten abhängig zu sein. Doch selbst bei einer Verwendung der vier genannten Teilinhalte der Methodenlehre zur Charakterisierung vorliegender betriebswirtschaftlicher Systeme können noch nicht alle wesentlichen Dimensionen der Systemgebäude erfaßt werden. Unter System verstehen w i r dabei „eine Gesamtheit von geordneten E l e m e n t e n . . . Diese Elemente haben Eigenschaften und sind durch Relationen verknüpft. Der Zusammenhang dieser Eigenschaften kann als Struktur bezeichnet werden" 2 1 . Die oben vertretene These soll nun anschaulich am Beispiel Nicklischs exemplifiziert werden. Wollte man versuchen, das Lehrgebäude Nicklischs m i t den Aspekten zu klassifizieren, die allgemein als „methodologische Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre" bezeichnet sind, so könnte man m i t folgenden Aussagen rechnen: a) Erfahrungsobjekt ist der Betrieb. Erkenntnisobjekt dagegen ist „das Leben der Einheiten der Wirtschaft, die Betriebe heißen" 2 2 . b) Als charakteristische Auswahlprinzipien werden genannt: 1. die „normative Betrachtungsweise", die wiederum die Wahl des Wirtschaftlichkeitsprinzips als betriebswirtschaftliche Zielfunktion bestimmt. 2. die „Idee der Betriebsgemeinschaft und 3. der „Wertgedanke". c) Nicklisch „beschränkt sich auf die Grundlagenforschung, ohne die Möglichkeit eines angewandten Teils der Betriebswirtschaftslehre, dessen Bearbeitung er anderen Forschern überläßt, zu leugnen" 2 3 . 19 Stapelberg, F., Zurechnungstheorien in der Betriebswirtschaftslehre, zitiert nach Mettang, W., a.a.O., S. 81. 20 Schönpflug, F., a.a.O., S. 219. 21 Kosiol, E., Szyperski, N., Chmielewicz, K., Zum Standort der Systemforschung im Rahmen der Wissenschaften, in: ZfB 1965, S. 338 f.; in ähnlicher Weise: Philipp, F., a.a.O., S. 54 f. 22 Nicklisch, H., Die Betriebswirtschaft, 7. Aufl., Stuttgart 1932, S. 6. 28 Mqxter f A. ? a.a.O., S. 56,
11. Teilinhalte betriebswirtschaftlicher Methodenlehren
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Er geht vorwiegend „theoretisch" vor und bevorzugt „deduktive", „generalisierende" sowie „teleologische" Denk- und Forschungsmethoden. Schließlich verwendet er fast ausschließlich die verbale Darstellungsform. M i t diesen Aussagen dürfte der geübte Methodologe tatsächlich den Versuch wagen, wesentliche Eigenschaften und Beziehungsgehalte der Elemente des Systems von Nicklisch zu skizzieren. Zur Charakterisierung des System- und Lehrgebäudes müßte i h m jedoch darüber hinaus noch etwas bekannt sein: die systembildenden Elemente selbst Diese Elemente sind nun wiederum meist keine realen Erfahrungsobjekte, sondern Erkenntnisobjekte, die durch Anwendung bestimmter Erkenntnis-, Erklärungs- und Gestaltungsziele entstehen. I n Bezug auf das betriebswirtschaftliche Erkenntnisobjekt müssen sie als Teilerkenntnisobjekte bezeichnet werden. Philipp verweist m i t der Aussage, daß diese Systemelemente „ m i t den Grundbegriffen eingeführt (würden)", indirekt auf die verdienstvolle Schrift Seischabs über „Betriebswirtschaftliche Grundbegriffe" 2 4 . Seischab beantwortet hier zunächst die Frage nach der methodologischen Bedeutung der Grundbegriffe für die „wissenschaftliche Lehre": „Die Grundbegriffe einer wissenschaftlichen Lehre bilden die Quintessenz des Denkens über ihren Gegenstand. Es hängt von der Vollkommenheit der Lehre ab, ob sich die Begriffe zur gedanklichen Einheit abrunden. Welche Begriffe als Grundbegriffe angesprochen werden müssen, w i r d immer strittig bleiben. Doch hat die Meinung etwas für sich, daß alle diejenigen Begriffe zu Grundbegriffen gerechnet werden müssen, die zur Gewinnung eines vorläufigen Bildes vom Gegenstand der Lehre beitragen 2 5 ." Anschließend unterscheidet und behandelt er vier Begriffsgruppen: a) Betrieb, Wirtschaftsbetrieb, Unternehmung b) Betriebselemente c) Betriebliche Grundfunktionen d) Kinetische Werte. A u f diese Unterteilung w i r d i m folgenden noch näher einzugehen sein. Vorweggenommen sei jedoch, daß w i r i n diesen vier Gruppen ebenfalls die bedeutsamsten Elemente der neueren betriebswirtschaftlichen Lehrsysteme sehen. Allerdings sind infolge der besonderen Themenstellung für uns nur die ersten drei relevant. 24 25
Vgl. Seischab, H., Betriebswirtschaftliche Grundbegriffe, Stuttgart 1961, Ders. f S. 5,
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Nun w i r d die beiläufige Erklärung dieser Grundbegriffe für den Systembau eine andere Bedeutung haben als ihre Deklarierung zu prägenden Systemelementen. Weiterhin ist bedeutsam, daß Auswahl und Gewichtung derartiger Teilerkenntnisobjekte i n gleicher Weise wie die Bestimmung des ganzheitlichen Erkenntnisobjektes erfolgt, nämlich durch Auswahlprinzipien. So liegt es nahe, auch diese als Betrachtungsweisen zu bezeichnen. M i t diesen Betrachtungsweisen befaßt sich die betriebswirtschaftliche Methodologie i n der Regel nicht oder allenfalls teilweise. Eine Ausnahme bildet die bei Seischab unter a) genannte Problemgruppe, da sie gleichzeitig für die Abgrenzung des betriebswirtschaftlichen Erkenntnisobjekts bedeutsam ist. Nun ist noch ein Tatbestand anzumerken, auf den u. W. nicht einmal i n wissenschaftstheoretischen Abhandlungen eingegangen wird. Die — meist schon fehlende — Feststellung, daß jedes ganzheitliche Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre aus Teilerkenntnisobjekten zusammengesetzt sein kann, genügt u. E. noch nicht, wenn man neben der Abgrenzung des Systems von anderen Disziplinen auch seine innere Struktur ermitteln w i l l und die dabei möglichen Auswahlprinzipien als „systembildende Betrachtungsweisen" bezeichnen möchte. Noch wichtiger ist die Erkenntnis, daß diese Systemelemente wieder selbst geschlossene Systeme darstellen können. Sie sind dann i n Bezug auf das Gesamtsystem als Teil- oder Untersysteme anzusprechen. Dieser Tatbetand soll i m folgenden ebenfalls als K r i t e r i u m für die methodisch und thematisch bedeutsame Ausprägung des jeweiligen systembildenden Charakters einer Betrachtungsweise dienen. A m Beispiel einer Betrachtungsweise erklärt heißt das: Man kann Probleme mittels funktionaler Betrachtungsweise behandeln. Damit muß noch keineswegs ein geschlossenes Funktiohssystem entwickelt werden. Darüber hinaus ist es methodisch unter dem Aspekt der Systembildung interessant, ob ein formuliertes Funktionssystem nur beiläufige Erwähnung findet oder ob es sichtbare Gestaltungs- und Erklärungsfunktionen bei der Behandlung des gesamten als betriebswirtschaftlich abgegrenzten Problembestandes erfüllt.
113. Beziehungen zwischen systembildenden Betrachtungsweisen und den Unternehmerdarstellungen Fragt man nach dem besonderen Bezug des Unternehmers zum Problemkreis der systembildenden Betrachtungsweisen, so sind verschiedene Tatbestände von Interesse:
11. Teilinhalte betriebswirtschaftlicher Methodenlehren
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a) „Der Begriff des Unternehmers gehört zu den ältesten und häufig umstrittenen Begriffen der Wirtschaftswissenschaft 26 ." Obgleich der Unternehmer schon lange vor der Konstituierung der Betriebswirtschaftslehre als einer selbständigen Disziplin von den Volkswirten unter den verschiedensten Gesichtspunkten behandelt wurde, bezeichnen ihn Betriebswirtschafter gerne als „vornehmlich betriebswirtschaftliches Phänomen" 2 7 . Marx stellt i n diesem Zusammenhang sogar die These auf, daß die Volkswirtschaftslehre den Unternehmer vor allem deshalb abhandeln mußte, weil es noch nicht zu einer „eigenständigen Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre" gekommen war 2 8 . Damit wäre es auch verständlich, warum es „weitgehend den Nationalökonomen überlassen (wurde), sich mit dem Unternehmerbegriff zu befassen" 29 . b) Betrachtet man den Unternehmer nun unter methodischen Gesichtspunkten, dann ist er als ein Teilerfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre zu bezeichnen, wenn über ihn ein ganzheitliches Erfahrungsobjekt, wie ζ. B. Betrieb oder Unternehmung, gestellt wird. Dieses Teilerfahrungsobjekt ist aber, wie kaum ein anderes, ähnlich wie das ganzheitliche Erfahrungsobjekt Betrieb/Unternehmung strukturiert. Nahezu alle Betrachtungsweisen, welche für die Betriebswirtschaftslehre als systembildend bezeichnet werden können, erweisen sich auch für den Unternehmer als relevant. Der wesentliche Grund ist darin zu sehen, daß der Unternehmer als Teilerfahrungsobjekt gleichzeitig Bestandteil der Teilsysteme ist, die als Elemente wiederum das Gesamtsystem bilden. Konkret: Der Unternehmer kann prägender Bestandteil von Faktoroder Funktionssystemen sein, die gleichzeitig systembildende Elemente betriebswirtschaftlicher Lehrsysteme darstellen. c) Eine dogmengeschichtliche Bedeutungsanalyse des Unternehmers i n der Betriebswirtschaftslehre zeigt frappierende Parallelen zu den Methodenstreitigkeiten über die Abgrenzung des betriebswirtschaftlichen Erkenntnisobjektes, insbesondere gegenüber der Volkswirtschaftslehre. So charakterisierte Ulrich den Übergang von der Privatwirtschaftslehre — der allgemein eine besonders enge Verbindung zur Volkswirtschafts26 Kellner, W., Unternehmer, in: HdB, begründet von H. Nicklisch, 3. völlig neu bearb. Aufl., hrsg. von Seischab, H. und Schwantag, K., Bd. 4, Stuttgart 1962, Sp. 5532; in gleicher Weise Oboth, H., Die unternehmerische Entscheidung — eine aufgabenanalytische Untersuchung der Unternehmerleistung, Diss. Berlin 1957, S. 2. 27 Vgl. Schmidt, R. B., Die Delegation der Unternehmerleistung, in: ZfbF, 1963, S. 65 und Marx, Α., Unternehmer und Unternehmung, in: Gegenwartsfragen der Unternehmung, Festschrift zum 70. Geburtstag von Fritz Henzel, Wiesbaden 1961, S. 143. 28 Ebd. 29 Ulrich, H., Der Unternehmer in der Betriebswirtschaftslehre, in: Die Unternehmung, 1951, S. 132.
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lehre attestiert w i r d 8 0 — zur Betriebswirtschaftslehre m i t einem Wandel i n der Betrachtung vom Unternehmer zur Unternehmung 8 1 . Diese These soll durch zwei weitere Aussagen abgestützt werden: Die erste, dogmenhistorisch besonders relevante Aussage findet sich bei Nicklisch i n seiner berühmten Rektoratsrede von 191582, i n der er — nach Seyffert als erster 8 8 — darauf hinweist, daß nicht der Unternehmer, sondern der Betrieb i m „Mittelpunkt" von Forschung und Lehre zu stehen habe. Daß es hierbei nicht nur u m die Abgrenzung des Erkenntnisobjektes, sondern ebenso u m die Bestimmung des Auswahlprinzips ging, läßt sich an der Replik eines „Betroffenen" deutlich ablesen. Sie w i r d deshalb wörtlich wiedergegeben, weil sie zugleich eine Leseprobe zu der These Hills u ist, daß die methodologische Diskussion oft „mehr zu einer Methodik des Streits als zu einem Streit um Methoden" ausartete: „Der Rettungsversuch für die Betriebswirtschaftslehre m i t Hilfe der Unternehmung unter Opferung — richtiger Verrat — des Unternehmers ist echt bürgerlich. So würden es auch die Unternehmer m i t den Vertretern der Betriebswirtschaftslehre machen und so haben es die Bürgerlichen aller Stände und Disziplinen nach 1933 miteinander und m i t sich gemacht. Es ist so schön und so falsch wie die himmlisch-süße Formel vom Versagen der Christenheit bei völliger Bewährung des Christentums 8 5 ." Methodisch gesehen war damit der Unternehmer zunächst ganzheitliches Erfahrungsobjekt der Privatwirtschaftslehre. Eine Auffassung, die allerdings weder von Leitner noch von Rieger vertreten wurde, wie später noch nachzuweisen ist. Der privatwirtschaftliche Einfluß war aber immerhin noch daran spürbar, daß bei der Bildung der Lehrsysteme und Formulierung der relevanten Aussagen vom Standpunkt des Unternehmers ausgegangen wurde 8 6 . 80 Vgl. Hasenack, W., Richard Passow im Rahmen betriebswirtschaftlicher Forschungsrichtungen, in: BFuP, 1949, S. 263; Kalveram, W., Grundfragen der Betriebswirtschaft und der Betriebswirtschaftslehre, in: BFuP, 1949, S. 11; Klanke, H., Privatwirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre, in: BFuP, 1952, S. 464 f.; Grichting, E., Die Privatwirtschaftslehre als Wissenschaft, Bern 1951, S. 95 ff. 81 Vgl. Ulrich, H., a.a.O., S. 132 ff.; vgl. dazu auch Marcel Stramm, zitiert bei Heinen, E., Neue Entwicklungstendenzen der Betriebswirtschaftslehre in Frankreich, in: ZfhF, 1954, S. 127 ff. 82 Vgl. Nicklisch, H., Egoismus und Pflichtgefühl — Festansprache bei der Jahresfeier der Handelshochschule Mannheim am 3.7.1915, Mannheim — Berlin — Leipzig 1915, S. 1 ff. 88 Vgl. Seyffert, R., Die Entwicklungsgeschichte zur Betriebswirtschaftslehre, in: HdB, hrsg. von H. Nicklisch, 2. Aufl., Stuttgart 1938, Sp. 952. 84 Vgl. Hill, W., a.a.O., S. 179. 85 Linhardt, H., Die Betriebswirtschaftslehre an den deutschen Hochschulen, in: Neue Betriebswirtschaft, 1949, S. 2. 8e So betont Leitner: „Die Privatwirtschaftslehre wertet diese Erscheinungen vom subjektiven Unternehmerstandpunkt", in: Leitner, F., Renaissance
11. Teilinhalte betriebswirtschaftlicher Methodenlehren
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I n jüngerer Zeit zeichnet sich nun — interessanterweise ebenfalls (noch) ohne direkte Auswirkung auf die Lehrsysteme der Betriebswirtschaftslehre — wiederum Tendenzen ab, die den Untenehmer erneut i n das Zentrum betriebswirtschaftlicher Theorien rücken. Der Unterschied besteht aber darin, daß hier der Unternehmer oder seine Aktivitäten i m Sinne eines ganzheitlichen betriebswirtschaftlichen Erkenntnisobjektes gesehen werden. So „stellt sich", nach Weller, „ i n der Betriebswirtschaftslehre der Unternehmer als ein Mann vor, der für eigene Rechnung Geld ausgibt, u m Geld einzunehmen" 37 . Der so handelnde Unternehmer w i r d anschließend „zum Erkenntnisobjekt dieser Wissenschaft erhoben" 3 8 . Dabei spielt der soziologische Begriff der „Handlung" eine tragende Rolle. Unter i h m w i r d mittels einer „subjektiven Betrachtungsweise" der Unternehmer statt des Betriebes („objektive Betrachtungsweise") i n den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt. M i t der Entwicklung des gleichen Gedankens habilitiert sich Philipp. Er räumt dem „Handlungsbegriff ebenfalls eine zentrale Stellung i m System der Betriebswirtschaftslehre" 39 ein und definiert dann als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre „die realen Entscheidungsaufgaben, vor die sich die Unternehmensführung gestellt sieht" 4 0 . I n ganz gleicher Weise hatten zuvor schon Forker 41 und Bidlingmaier 42 das „wirtschaftliche Verhalten des Unternehmers" als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre bezeichnet. d) Wenn auch keine der untersuchten Betriebswirtschaftslehren den Unternehmer als ganzheitliches Erfahrungs- oder Erkenntnisobjekt definiert hat, so sind aus den oben beschriebenen Entwicklungstendenzen doch einige bedeutsame Schlußfolgerungen möglich. der Privatwirtschaftslehre Berlin und Leipzig 1931, S. 11. Ähnlich Klanke: „Die Privatwirtschaftslehre ist eine wissenschaftliche Auseinandersetzung über die private Unternehmung, welche vom Standpunkt ihres Trägers, des Unternehmers, aus betrachtet wird." in: Klanke, H., a.a.O., S. 466. 87 Weller, Th., Auswahl eines Erkenntnisobjektes in der BWL, in: BFuP, 1963, S. 274. 88 Oers., S. 276. 88 Philipp, F., a.a.O., S. 60. 40 Ders., S. 65. Damit sind Erkenntnisobjekt die Funktionen des Unternehmers. 41 Vgl. Forker, H. J., Das Wirtschaftslichkeitsprinzip und das Rentabilitätsprinzip — ihre Eignung zur Systembildung, in: Schriftenreihe „Die Unternehmung i m Markt", Bd. 6, Hrsg. J. Fettel, Berlin 1960, S. 95 Anm. 9: „Die Lehre von der Unternehmung ζ. B. ist im Grunde genommen eine Lehre vom wirtschaftlichen Verhalten des Unternehmers." 42 Vgl. Bidlingmaier, J., Unternehmerziele und Unternehmerstrategien, Wiesbaden 1964, S. 87 und 183. Zunächst spricht Bidlingmaier von dem „im Mittelpunkt des betriebswirtschaftlichen Interesses stehende(n) Unternehmerverhalten" (S. 87); später schwächt er diese Wertung jedoch wieder etwas ab, wenn er „vom wichtigsten Teilgebiet der Betriebswirtschaftslehre" spricht (S. 183). (Hervorh. v. Verf.).
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Erstens w i r d unter einem Gesichtspunkt schon die sich wandelnde methodische Bedeutung des Unternehmers i n der Betriebswirtschaftslehre erkennbar. Zweitens klingt bei der Schilderung neuester Entwicklungstendenzen die besondere Bedeutung der funktionalen Betrachtungsweise für die Unternehmerdarstellung an. Denn der Aspekt des wirtschaftlichen Verhaltens bzw. Handelns w i r d nicht selten gleichgesetzt m i t der Funktion „unternehmerische Entscheidung". Damit w i r d drittens wiederum der Einfluß der Volkswirtschaftslehre auch auf solche neueren Entwicklungstendenzen sichtbar, die den Unternehmer mehr i n das Zentrum betriebswirtschaftlicher Überlegungen rücken. Denn, wie später noch nachzuweisen ist, ist die monofunktionale Begriffsbestimmung des Unternehmers mittels Entscheidungsaufgaben eine längst bekannte Definitionsweise der Nationalökonomie, die allerdings auch hier i n jüngerer Zeit besondere Bedeutung gewonnen hat. So erschien schon 1960 eine Allgemeine Volkswirtschaftslehre 43 , die nicht nur ihr Erkenntnisobjekt 4 4 und Erkenntnisziel 4 5 rein theoretisch i m Sinne des Entscheidungsaspekts formuliert, sondern i n gleicher Weise m i t den „Grundbegriffen", wie Unternehmung 4 8 und Unternehmer 4 7 verfährt. Somit ist viertens i n etwa die Weiterentwicklung bestehender oder die Konzeption neuer Betriebswirtschaftslehren i n Bezug auf die Unternehmerdarstellung prognostizierbar. Vorausgesetzt man weiß, ob und inwieweit sich der jeweilige Verfasser zu den Erkenntnissen und Methoden der Volkswirtschaftslehre, insbesondere der MikroÖkonomik hingezogen f ü h l t 4 8 . 48 Vgl. Sauermann, H., Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Bd. I, Wiesbaden 1960. 44 DersS. 17: „Ihr Gegenstand besteht aus solchen Handlungen und Entscheidungen von Individuen und Gruppen von Individuen, die sich auf die Verwendung und den Gebrauch von nur in begrenztem Umfang zur Verfügung stehenden Mitteln beziehen, um verschiedenartige Ziele und Zwecke zu realisieren." 45 Ebd.: „Wie und zu welchem Zweck werden fortlaufend Entscheidungen (Dispositionen) über wirtschaftliche Güter getroffen." 46 Vgl. ders., S. 43 f. Unternehmungen werden hier als „ökonomische Entscheidungseinheiten" bezeichnet. 47 Vgl. ders., S. 44. Die Unternehmer sind als „Entscheidungssubjekte" definiert, die „Wirtschaftspläne aufstellen und durchführen". 48 Der erste betriebswirtschaftliche Ansatz in dieser Richtung liegt übrigens schon vor! Vgl. Kosiol, E., Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum — Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, Rinbek bei Hamburg 1966. Die Unternehmung wird z.B. als „wirtschaftliche Aktions- oder Entscheidungseinheit" (S. 15), der „Kern des Aufgabenbereichs des Unternehmers" mit „Information und Entscheidung" (S. 161) umschrieben.
11. Teilinhalte betriebswirtschaftlicher Methodenlehren
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114. Teilzusammenfassung Bevor w i r nun die Ziele, Objekte und Auswahlprinzipien dieser Untersuchung einführend erläutern, sollen noch einmal kurz die wesentlichen Ergebnisse zusammengefaßt werden, die den gegenwärtigen Stand der betriebswirtschaftlichen Methodenlehre kennzeichnen: a) Gegenstand der betriebswirtschaftlichen Methodenforschung sind folgende vier Problemkreise. Erstens ist es die Definition eines ganzheitlichen Erkenntnisobjektes der Betriebswirtschaftslehre. Damit ist die Abgrenzung dieser Disziplin von anderen Wissenschaften verbunden. A n zweiter Stelle steht die Formulierung eines ganzheitlichen bzw. obersten betriebswirtschaftlichen Auswahlprinzips, das i n der Regel m i t der obersten Zielsetzung des Erkenntnisobjektes identifiziert wird. Drittens ist es die Erforschung und Systematisierung vorwiegend „realer Erkenntnisziele" 4 9 , die vor allem Erkenntniswert und -richtung betriebswirtschaftlicher Aussagen, damit gleichzeitig den Charakter von betriebswirtschaftlichen Lehrsystemen beeinflussen. Viertens werden die mehr formalen Denk-, Forschungs- und Darstellungsmethoden behandelt, die ganz besonders von der „geistigen Individualität des Gelehrten" (Adolph Wagner 50 ) geprägt 5 1 und nicht selten für die Behandlung der anderen drei Problemkreise maßgebend sind. b) Zur Charakterisierung betriebswirtschaftlicher Systeme erweisen sich alle vier Aspekte des Methodenproblems als geeignet. Bevorzugt werden jedoch die sogenannten Auswahlprinzipien, wobei monistische Erklärungsversuche nicht selten sind und die Wahl der obersten betriebswirtschaftlichen Zielsetzung i m Vordergrund steht. Diese Auswahlprinzipien werden auch Betrachtungsweisen genannt. c) M i t diesen vier methodischen Aspekten können wesentliche Eigenschaften und Beziehungsgehalte von Systemelementen erklärt werden, nicht jedoch die Elemente selbst. Deshalb müssen diese Elemente als Teilerkenntnisobjekte neben dem ganzheitlichen betriebswirtschaftlichen Erkenntnisobjekt i n die Untersuchung einbezogen werden. 49
Vgl. dazu Hill, W., a.a.O., S. 189 und Moxter , Α., a.a.O., S. 35 ff. Wagner, Α., Grundlegung der politischen Ökonomie, 3. Aufl., Leipzig 1892/94, § 11, zitiert nach Leitner, F., Wirtschaftslehre der Unternehmung, 5. neubearb. Aufl., der „Privatwirtschaftslehre", Berlin und Leipzig 1926, S. 23. 51 I n gleicher Weise äußern sich: Sandig, C., a.a.O., S. 129 und 114; Gutenberg, E., Die gegenwärtige Situation der Betriebswirtschaftslehre, in: ZfhF 1960, S. 128; Walb, E., Buchbesprechung zu Riegers Einführung in die Privatwirtschaftslehre, in: ZfhF 1928, S. 518; Schmalenbach , E., Buchbesprechung zu Isaak, Alfred, Die Entwicklung der wissenschaftlichen Betriebswirtschaftslehre in Deutschland seit 1898, in: ZfhF 1924, S. 137. 50
30 1. Systembildende Betrachtungsweisen als methodisches Grundproblem
d) Die Systemelemente können selbst wieder als geschlossene Teilsysteme ausgebildet sein. e) Da die Systemelemente als Teilerkenntnisobjekte wie das ganzheitliche Erkenntnisobjekt mittels bestimmter Aus Wahlprinzipien i n ein Lehrsystem eingestellt werden, ihre inhaltliche Abgrenzung und Gewichtung i n Bezug auf die anderen Systemelemente i n gleicher Weise erfolgt, bezeichnen w i r diese Auswahlprinzipien ebenfalls als Betrachtungsweisen. Diese sind aber stets auf die jeweiligen „Grundbegriffe" gerichtet und lassen damit die Systemelemente erkennen. f) U m eine Betrachtungsweise als systembildend charakterisieren zu können, bieten sich vor allem zwei Kriterien an: Erstens der Bedeutungsgehalt, der den ausgewählten Systemelementen i n Bezug auf andere sowie hinsichtlich wesentlicher Erklärungs- und Gestaltungsaufgaben beigemessen wird. Zweitens ist damit die Fähigkeit angesprochen, Systemelemente zu geschlossenen Teilsystemen ausbauen zu können. g) Der Unternehmer eignet sich i n hohem Maße für eine Analyse systembildender Betrachtungsweisen, vor allem wenn er als ganzheitliches oder partielles Erfahrungsobjekt gesehen wird. Die erstgenannte Möglichkeit wurde jedoch i n einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre noch nicht praktiziert; vielmehr war bisher der Unternehmer stets Teilerfahrungsobjekt. Daß der Unternehmer dabei unter vielen Aspekten erörtert und m i t mehreren Bereichsbegriffen definiert werden kann, halten w i r i m Gegensatz zu anderen Autoren 5 2 für besonders fruchtbar. Denn nur so besteht der methodische Zwang zur Behandlung des gleichen Objekts unter mehreren Erkenntnisaspekten. Die Definition des Unternehmers bzw. seiner Funktionen als ganzheitliches Erkenntnisobjekt der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre würde diesen Zwang aufheben und könnte leicht zu einer monistisch-einseitigen Darstellung verleiten. Doch bleibt es der persönlichen Entscheidung des Forschers überlassen, ob dieser Nachteil aufzuwiegen ist durch den höheren Bedeutungsgehalt des Unternehmerproblems bzw. die Möglichkeit, dieses theoretischer und abstrakter darzustellen 53 . 52 Gerade dieser Tatbestand ist häufig Anlaß für Klagen über die „uneinheitliche Begriffsbildung" des Unternehmers. Vgl. dazu vor allem Topp, J., Unternehmer oder Manager, in: BFuP 1955, S. 717 f.; in allgemeiner Weise behandeln dieses Problem: Kunze, H . H . , Wissenschaftliche Betriebsführung gestern und heute, in: Gestaltwandel der Unternehmung, Nürnberger Hochschulwoche 16.·—20. Sept. 1953, Berlin 1954, S. 178; Linhart, H., Weder Begriff srigorismus noch Begriffsanarchismus in der Objektbestimmung, in: Der Betrieb in der Unternehmung, Festschrift für W. Rieger zu seinem 85. Geburtstag, hrsg. von Fettel, J. und Linhardt, H., Stuttgart 1963, S. 27 ff. 53 Vgl. Vaihinger, H., Die Philosophie des Als Ob — System der theoretischen, praktischen und religiösen Fiktionen der Menschheit auf Grund eines idealistischen Positivismus, 7./8. Aufl., Leipzig 1922, S. 351 und Bidlingmaier, J., a.a.O., S. 28 und 71.
11. Teilinhalte betriebswirtschaftlicher Methodenlehren
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h) Daß gerade dieses „ureigentliche" 5 4 Teilerfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre i m besonderen Maße von der Volkswirtschaftslehre richtungweisend „vorwegbehandelt" wurde, ist schon jetzt deutlich erkennbar.
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Vgl. Schmidt, R. B., a.a.O., S. 65.
12. Zur Analyse der Grundstruktur betriebswirtschaftlicher Lehrsysteme und der methodologischen Bedeutung des Unternehmers 121. Die vier Untersuchungsziele dieser Arbeit Da der Gang der Untersuchung i n deduktiver Weise erklärt werden soll, stellt sich zunächst die Frage nach den Untersuchungszielen. W i r sehen vier Untersuchungsschwerpunkte: a) Die vergleichende Analyse und Darstellung der betriebswirtschaftlich bedeutsamen Teilsysteme, die mittels systembildender Betrachtungsweisen formulierbar oder nachvollziehbar sind und selbst systembildende Elemente betriebswirtschaftlicher Lehrgebäude darstellen. Soweit der Unternehmer als Bestandteil dieser Teilsysteme erkannt oder interpretiert werden kann, w i r d seine Rolle und Stellung schon hier besonders gewürdigt. Wichtig ist hier die Ermittlung der Erklärungsfunktionen der relevanten Teilsysteme und Systembestandteile. Diese ist häufig m i t begriffskritischen Studien identisch. Als ebenfalls sehr bedeutsam unter dem Aspekt einer Bildung betriebswirtschaftlicher Lehrsysteme erweisen sich die Gestaltungsfunktionen der relevanten Betrachtungsweisen. Denn das Ausmaß ihrer Erfüllung beeinflußt i n hohem Maße die formal-dispositionelle Struktur der betriebswirtschaftlichen Gesamtsysteme. b) Zweitens w i r d mittels gesonderter Analysen festgestellt, ob und inwieweit die systembildenden Betrachtungsweisen die Darstellung des betriebswirtschaftlichen Teilerfahrungsobjekts „Unternehmer" i n den einzelnen Lehrsystemen prägen. Die formale und inhaltliche Abgrenzung des Unternehmers von verwandten Teilerfahrungsobjekten — ζ. B. von anderen Mitgliedern der Betriebsführung oder von Trägern betriebliche Gesamtführungsaufgaben, die nicht als Unternehmer bezeichnet werden können — ist hierbei ebenso bedeutsam wie die Bestimmung seiner Stellung i m jeweiligen Teilsystem. c) Da sich bei genaueren Nachforschungen die meisten Aussagen und Darstellungsformen zum Problemkreis Unternehmer als schon längst von der Volkswirtschaftslehre „vorformuliert" erweisen, halten w i r es für notwendig, ihren Einflüssen nachzuspüren. Denn einmal ist „die Feststellung, wie neuere Gedanken der Theorie bereits früher ihren
12. Zur Analyse der Grundstruktur der Lehrsysteme und Unternehmer 33
literarischen Ausdruck gefunden haben . . . für die Erhärtung der Theorie von höchstem Wert" 1 . Auch Linhardts These ist nicht unberechtigt, daß „die Unkenntnis echter Leistungen früherer Fachvertreter (hier dann i m weitesten Sinne verstanden; Anm. d. Verf.) bei den heutigen Theoretikern nicht selten von Dritten als undankbar empfunden (wird)" 2 . Weiterh i n scheint diese „Leistungsfixierung" erforderlich, „ u m erreichte und noch nicht verwirklichte Ziele unterscheiden zu können" 3 . Dies bedeutet schließlich, daß damit die Eigenleistung und Schöpferkraft der Betriebswirtschaftslehre und der Betriebswirtschafter einmal unter einem Aspekt exemplifiziert werden kann 4 . Daß hier gewonnene Erkenntnisse nicht ohne weiteres verallgemeinert werden dürfen, versteht sich von selbst. d) Viertens sollen die zentralen Erkenntnisse unserer kritischen Analysen als Ansatzpunkte für eigene weiterführende Überlegungen verwendet werden. Zwar sind die dabei gewonnenen Ergebnisse von „persönlichkeitsbedingten" Auswahl- und Darstellungsprinzipien sowie der gegebenen geistigen Kapazität i n ihrem Aussagegehalt geprägt und beschränkt. Doch scheint die Erfüllung dieser Aufgabe schon deshalb bedeutsam, weil sie m i t einer „Erziehung" zu verständnisvoller und vielleicht auch produktiver K r i t i k 5 verbunden ist. 122. Die drei systembildenden Betrachtungsweisen als Untersuchungsobjekte Es wurde oben schon dargelegt, daß hier unter „Betrachtungsweisen" bestimmte formale und materiale Auswahlprinzipien bei der Behandlung ganzheitlicher oder partieller Erfahrungsobjekte zu verstehen sind. Diese sind dann als "systembildend" zu bezeichnen, wenn sie sich erstens auf die Formulierung bestimmter Systemelemente beziehen, diesen Elementen zweitens einen besonderen Bedeutungsgehalt i n Bezug auf andere und hinsichtlich wesentlicher Erklärungs- und Gestaltungsfunktionen beimessen und drittens die Möglichkeit beinhalten, aus solchen Teil1 Walb, E., Vorgedachtes und vorverwirklichtes Gedankengut in Betriebsund Volkswirtschaftslehre, in: ZfhF 1941, S. 138. 2 Linhardt, H., Weder Begriffsrigorismus . . . , a.a.O., S. 44. 3 Hasenack, W., Lebenschroniken und Leistungsbilder der betriebswirtschaftlichen Pioniergeneration, in: BFuP 1952, S. 731. 4 Das könnte auch die verbreitete Übung, in Lehrbüchern zur Allgemeinen B W L auf Quellenhinweise weitgehend oder gar vollständig zu verzichten, vielleicht etwas in Frage stellen. 5 Vgl. dazu Sandig, C., a.a.O., S. 145 und analog: Walb, E., Über die Handhabung von Buchbesprechungen, in: ZfhF 1935, S. 47 ff. sowie Hax, K., Uber Wert und Notwendigkeit fach wissenschaftlicher Buchkritik, in: ZfhF 1963, S. 357.
3 Wunderer
34 1. Systembildende Betrachtungsweisen als methodisches Grundproblem
erkenntnisobjekten selbst wieder geschlossene Teilsysteme bilden zu können. Die Analyse der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre führte unter Berücksichtigung der besonderen Fragestellung nach dem Unternehmer zur Ermittlung von drei Betrachtungsweisen, die als systembildend bezeichnet werden können. Da sie alle sowohl auf ganzheitliche wie auf partielle Erfahrungsobjekte relativierbar sind, können w i r uns bei der folgenden Erläuterung auf die Beziehungsgehalte zum Teilerfahrungsobjekt Unternehmer beschränken: a) D i e „Wirtschaftsordnende"
Betrachtungsweise des U n t e r n e h m e r s
sieht diesen als methodisch abgrenzbare Figur eines gesamtwirtschaftlichen Modells. Je nach Ausprägung und Gestaltung der Wirtschaftsordnung können verschiedene Typen von „Betriebs- oder Unternehmensleitern" gebildet werden. Sieht man nun den Unternehmer als besonderen Typ eines „Betriebsleiters" unter dem systembildenden Gedanken der Wirtschaftsverfassung, so ist diese Betrachtungsweise nicht nur systembildend, sondern überdies noch konstitutiv für das i n dann doppelter Hinsicht partielle Erfahrungsobjekt „Unternehmer". b) Die „faktorielle" Betrachtungsweise stellt den Unternehmer i n das betriebswirtschaftliche Teilsystem betrieblicher Leistungsfaktoren. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die Leistungsstruktur; ein verwandter betont die Frage nach den Grundbestandteilen des betriebswirtschaflichen Leistungsprozesses. c) Die „funktionale" Betrachtungsweise schließlich versucht den Unternehmer i n seiner aufgabenbedingten Bedeutung und seinem aufgabenabhängigen Standort i m betrieblichen Leistungsprozeß isoliert und i n Bezug auf andere betriebliche Funktionsbereiche zu erklären und darzustellen. Wie später noch nachzuweisen ist, bildet sie nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung die bedeutsamste systembildende Betrachtungsweise. Denn sie vermag nicht nur ein geschlossenes und eigenständiges Teilsystem zu bilden, sondern trägt darüberhinaus die Formulierung anderer Betrachtungsweisen und damit auch die Begriffsbestimmung weiterer Teilsysteme. I n Anlehnung an bestehende Begriffsbezeichnungen werden für die drei systembildenden Betrachtungsweisen synonym die Termini „makromorphologische", „mikromorphologische" und „katallaktische" Betrachtungsweise verwendet, obgleich w i r uns über den begrenzten und zum Teil sogar irreführenden Aussagewert dieser Begriffe bewußt sind. Weiterhin werden diese Betrachtungsweisen i m folgenden i n der vorstehend genannten Reihenfolge abgehandelt, obwohl man die funktionale schon wegen ihres besonderen Einflusses auf die Formulierung des „Wirtschaftsordnenden" Auswahlprinzips auch vorweg darstellen könnte. Da w i r die makromorphologlische als „unter-
12. Zur Analyse der Grundstruktur der Lehrsysteme und Unternehmer 35
nehmerkonstitutiv" ansehen, w i r d sie vorangestellt. Für diese Anordnung spricht auch die dann fortlaufende Verengung und zunehmend abstrahierende Betrachtung des zunächst realen Teilerfahrungsobjekts; zweitens ist günstig die Abgrenzung des Außenbereichs vor dem Innenbereich; weitere Vorteile sind die Behandlung von zunächst mehr struktur- vor ablaufbezogenen Fragestellungen sowie die steigende Bedeutungsrangreihe der einzelnen Betrachtungsweisen für die formale Systembildung. Diese Gesichtspunkte wiegen u. E. den Nachteil auf, daß sich der Leser schon zu Beginn über ein grundlegendes Unterkapitel zur funktionalen Betrachtungsweise® vorwegorientieren sollte.
123. Kriterien für die Auswahl und methodische Einordnung der dogmengeschichtlich relevanten Lehrsysteme I m Vorwort wurden schon drei für diese Arbeit wesentliche Grundsatzentscheidungen getroffen und erläutert. Erstens dominiert bei den methodologischen Untersuchungen die dogmengeschichtliche Betrachtung. Innerhalb dieser bildet die vergleichende und kritische Analyse erkennbarer Grundstrukturen und Strukturelemente i n betriebswirtschaftlichen Lehrsystemen die Basis unserer Überlegungen. Dabei w i r d drittens der sachlogischen Interpretationsweise der Vorzug vor der historisch-genetischen gegeben. Diese Basisentscheidungen zum Untersuchungsprogramm bestimmen aber nicht nur i n positiver Weise die Auswahl des Materials, sondern implizieren zugleich, daß verschiedene Aussagen und Problemstellungen nicht oder nur beiläufig Beachtung finden, die grundsätzlich die Behandlung des Themas durchaus bereichern könnten. Dieser Tatbestand der „negativen Abgrenzung" soll vor der „positiven" Festlegung des Untersuchungsgegenstandes am Beispiel derjenigen Richtungen demonstriert werden, die den Entscheidungsaspekt i n den Vordergrund stellen. Nicht selten handelt es sich dabei lediglich um ein semantisches Problem: der Planungsbegriff der traditionellen Betriebswirtschaftslehre w i r d durch den Entscheidungsbegriff ersetzt; allenfalls sind darüber hinaus die Erkenntnisse der rein formalen Entscheidungslogik i n Planungsmodelle eingebaut. I n jüngster Zeit mehren sich jedoch die Anzeichen, die für eine gewisse „Neuorientierung" 7 der Betriebswirtschaftslehre sprechen. Es zeichnet sich — wenngleich noch fragmentarisch und nur i n Teilbereichen der be6 7
3*
Vgl. dazu Punkt 424 dieser Arbeit. Vgl. Heinen, E., Betriebswirtschaftliche Kostenlehre, a.a.O., S. 535.
36
1. Systembildende Betrachtungsweisen als methodisches Grundproblem
triebswirtschaftlichen Forschung — ein Aussagesystem ab, das etwa als betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre bezeichnet werden kann. Diese geht über eine rein entscheidungslogische Betrachtung hinaus. Die Entscheidungslogik entstand aus der Diskussion des Rationalprinzips. Die ersten Ansätze bestehen dabei schon „seit der von Klassikern geschaffenen Figur des weisen und gleichzeitig egoistischen „economic man", vor allem aber seit der i m Utilitarismus und bei J. St. Mill ansetzenden Formalisierung der Begriffe des homo oeconomicus" 8 . Ihren Höhepunkt erreichte sie wohl bei der Verbindung des Rationalprinzips m i t dem Problem der unvollkommenen Information. Die Entscheidungslogik bewegt sich vorwiegend auf formallogischen, wissenschaftstheoretischen und deduktiven Ebenen; sie behandelt zunächst lediglich rein formale Entscheidungskalküle, zeigt aber noch nicht, welche Alternativen normalerweise bestehen, welche tatsächlichen Konsequenzen zu erwarten sind und welche Ziele verfolgt werden. Diese Entscheidungslogik entwickelt sich zu einer „empirisch angereicherten" Entscheidungstheorie, wenn man versucht, den formalen Aspekten der Entscheidungslogik eine A r t normativen Charakter zu verleihen durch Aussagen über die relevanten Zielsetzungen, die zu treffenden Entscheidungen i n einzelnen Funktionsbereichen sowie über mögliche Konsequenzen der alternativen Entscheidungen. Aber auch diese Entscheidungstheorie zeigt, vor allem vom Standpunkt einer angewandten Betriebswirtschaftslehre, noch erhebliche Schwächen. So resümiert zum Beispiel Keinen: „ M a n kann sich dem Eindruck nicht entziehen, daß die bisher entwickelten (entscheidungslogischen; d. Verf.) Entscheidungsregeln nur sehr bedingt den tatsächlichen Verhältnissen der unternehmerischen Entscheidungen i n Situationen unvollkommener Informationen entsprechen. Darauf etwa aufbauende Empfehlungen über nationales' Verhalten stoßen mit einigem Recht i n der Praxis als ,irreal' auf Ablehnung. Die grundlegenden Entscheidungsprobleme können nur i n Ausnahmefällen i n jene Form gebracht werden, die den üblichen Modellen der Entscheidungstheorie entspricht. Auch hier muß die Betriebswirtschaftslehre neue Wege gehen, wenn sie ihr Forschungsziel als angewandte Wissenschaft erreichen w i l l 9 . " Diese Wege führen nach dem gegenwärtig erkennbaren Stand der Forschung zu einer praktisch-normativen Entscheidungslehre 10 . Hier bilden vor allem die Erkenntnisse der Organisationssoziologie und Sozialpsy8 Gäfgen, G., Theorie der wirtschaftlichen Entscheidung, a.a.O., S. 2; vgl. dazu auch Koch, H., Über eine allgemeine Theorie des Handelns, in: Zur Theorie der Unternehmung, Festschrift zum 65. Geburtstag von E. Gutenberg, Hrsg. H. Koch, Wiesbaden 1963, S. 370 ff. 9 Heinen, E., Das Zielsystem der Unternehmung, a.a.O., S. 253. 10 Vgl. hierzu insbes. ders. passim.
12. Zur Analyse der Grundstruktur der Lehrsysteme und Unternehmer 37
chologie die wesentlichen Elemente des Lehrsystems. Die Entscheidungslehre berücksichtigt also den Tatbestand, daß ökonomische Entscheidungen i n Sozialsystemen stattfinden, daß deren Struktur die Entscheidungsbildung wesentlich beeinflußt und daß andererseits die sogenannten Determinanten des Entscheidungsprozesses, wie das Ziel-, Informations» und Sozialsystem 11 , selbst wieder von Entscheidungen der Organisationsteilnehmer geprägt werden. Die zweite bedeutsame Entwicklung gegenüber der Entscheidungstheorie ist darin zu sehen, daß die Entscheidungslehre die deskriptiven Erklärungsziele durch präskriptive ergänzt 12 . So Keinen: „Kennzeichnend für diese Teilgebiete der neueren Betriebswirtschaftslehre ist seine empirische Ausrichtung 1 3 ." Dabei w i r d versucht, das Problem der Mittelentscheidung und weitgehend auch das der Vorgabe von Zielen i n praktisch-normativer Weise zu lösen 14 . Bislang wurden diese Entscheidungsaspekte wohl i n betriebswirtschaftlichen Monographien, jedoch nicht i n Lehrsystemen zur Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre berücksichtigt. Wie später noch nachzuweisen ist 1 5 , w i r d hier sogar der Unternehmer nur zweimal i n monofunktionaler Weise als Träger bestimmter Entscheidungen definiert. Dabei ist noch i m Definitionsansatz die Entscheidung mehr i m Sinne der betrieblichen Gesamtplanung verstanden. Der Einbau i n ein geschlossenes und strukturbildendes Aussagesystem, das mit Entscheidungslogik, -theorie oder -lehre charakterisierbar wäre, ist also selbst bei diesem Versuche nicht erkennbar. Nun bildete der Unternehmer i m Sinne der Entscheidungslogik 16 und -theorie nicht nur i n der Volkswirtschaftslehre lange Zeit die vielverwendete Grundlage ökonomischer Modelle. Das homo oeconomicusTheorem als bedeutsamster Ansatz w i r d aber i n keinem allgemeinen betriebswirtschaftlichen Lehrsystem verwendet, obgleich man damit manche der dort vorgeschlagenen Typologien einprägsam-vergleichend und schärfer-konturiert hätte herausarbeiten können. Darüber hinaus wäre der fundierte und hochentwickelte Formalapparat der Entscheidungstheorie und die sich daraus ergebende K l a r heit der Aussagen auch gut als Referenzpunkt bei der Diskussion strukturbildender Teilsysteme zu verwenden. Das gilt insbesondere für das 11
Vgl. ders., S. 23 ff. Vgl. ders., S. 252 f. und Gäfgen G., Theorie der wirtschaftlichen Entscheidung, a.a.O., S. 52 f. 13 Heinen, E., Das Zielsystem der Unternehmung, a.a.O., S. 30. 14 Vgl. ders., S. 252. 15 Vgl. Punkt 4422 dieser Arbeit. 18 Vgl. Kirsch, W., Gewinn- und Rentabilitätsmaximierung als Determination des Unternehmungsgleichgewichts, Diss. München 1964, S. 76. 12
38 1. Systembildende Betrachtungsweisen als methodisches Grundproblem
Funktionssystem. Da aber die funktionale Betrachtungsweise bei der Formulierung der Wirtschafts- und Faktorsysteme eine bedeutsame Rolle spielt, betrifft dieser Tatbestand alle wesentlichen Elemente der Grundstruktur vorliegender betriebswirtschaftlicher Lehrsysteme. D r i t tens zeigen die Ansätze der Entscheidungslehre schon deutliche Konturen einer weiteren systembildenden Betrachtungsweise, die sogar den tragenden Pfeiler einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre bilden und somit ihre bisherige Grundstruktur u. U. revolutionierend verändern könnte. Genauso vorstellbar ist es aber, daß die Bewertung von Entscheidungssystemen i m Sinne eines weiteren Strukturelements des betriebswirtschaftlichen Lehrgebäudes nur zu einer Ergänzung und Modifizierung seiner Grundstruktur führt. Denn selbst bei einer ausschließlichen Betrachtung ökonomischer Problembestände unter dem Gesichtspunkt der Entscheidungslehre kann die Einbeziehung der w i r t schaftsordnenden, faktoriellen und funktionalen Aspekte bedeutsame Erklärungs- und Gestaltungsaufgaben erfüllen. E i n Tatbestand, der nicht zuletzt i m Hinblick auf das abschließende Kapitel 1 7 , also auf die zusammenfassenden Vorschläge zum Einbau des Unternehmers i n betriebswirtschaftliche Lehrsysteme hervorzuheben ist. Diese beiden angedeuteten möglichen Konsequenzen, die sich aus einer Berücksichtigung der Entscheidungslehre bei künftigen Betriebswirtschaftslehren ergeben können, lassen aber zugleich erkennen, daß diese nur mittels Extrapolation der programmatischen Aussagen und einer darauf aufbauenden Konstruktion möglicher Systemansätze einzubeziehen wären; ganz abgesehen davon, daß hier die nicht publizierten subjektiven Grundsatzentscheidungen der einzelnen Forscher zum Aufbau eines Lehrgebäudes außerhalb der Diskussion bleiben müßten, obgleich gerade diese Entscheidungen für die Systemgestaltung von eminenter Bedeutung sind. Abschließend dazu ist festzustellen, daß die Verwertung solcher programmatischer Aussagen zum Einbau der Entscheidungslehre i n betriebswirtschaftliche Lehrgebäude viele interessante Fragestellungen aufwirft. Wenn man aber die Untersuchung auf den vorhergenannten dogmengeschichtlichen Aspekt beschränken w i l l , dann bleibt — das wurde auch schon i m Vorwort begründet — nichts anderes übrig, als diesen Komplex — wie manche anderen interessanten Überlegungen — auszuklammern, soweit er i m Rahmen eines Lehrsystems zur Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre zu diskutieren wäre. Denn ein geschlossenes Lehrgebäude, daß die Entscheidungslehre i n systembildender Weise berücksichtigt, lag bis zum Abschluß unserer Literaturanalyse nicht vor. Nach dieser exemplarischen Erörterung der „negativen" Abgrenzung des Untersuchungsmaterials bleibt nun noch die Aufgabe einer „positi17
Vgl. dazu Punkt 5 dieser Arbeit.
12. Zur Analyse der Grundstruktur der Lehrsysteme und Unternehmer 39
ven" Bestimmung des „Erfahrungsobjekts" dieser Arbeit. Dieses ist ein noch festzulegender Bereich der publizierten Lehrsysteme zur Betriebswirtschaftslehre. Da, wie eine Stichprobe ergab, die drei systembildenden Teilsysteme nur i n den Allgemeinen — und zum Beispiel nicht i n den Besonderen — Betriebswirtschaftslehren zu einer A r t Grundstruktur vereinigt sind, bilden sie die Basis der weiteren Überlegungen. Weil kein allgemein akzeptiertes Lehrsystem erkennbar ist 1 8 , vielmehr eine Vielzahl von relevanten Veröffentlichungen i n teilweisen hohen Auflagen vorliegt, mußte nach bestimmten Prinzipien ausgewählt werden. Obgleich schon aus Gründen der Arbeitsvereinfachung stets naheliegend, lehnten w i r von Anfang ein Prinzip ab, das als exemplarische Verifikation zu bezeichnen ist. Hier w i r d zum Beispiel für jede „Richtung" ein Werk ausgewählt und unterstellt, daß es repräsentativ für die anderen steht. Die Verifikation bestimmter Erkenntnisse und damit verbundener Hypothesen geschieht dann exemplarisch an Hand nur einer Lehrmeinung 1 9 . Vielmehr orientierten w i r uns bei der Auswahl des Untersuchungsmaterials an den Thesen Seischabs: „Die deutsche Betriebswirtschaftslehre zeichnet sich durch großen Gedankenreichtum, aber geringe Einheitlichkeit aus. Arbeiten, die eine Übersicht über die verschiedenen Lehrmeinungen und einen Querschnitt ihrer Gedanken bieten, sind selten 20 ." Damit wurde die Totalerhebung zum grundlegenden Aus Wahlprinzip. Allerdings mußten die statistischen „Massen" i n etwa einheitlich sein. Auch durfte das Streben nach Vollständigkeit nicht gleichbedeutend werden m i t vermeidbarer Unübersichtlichkeit. Deshalb wurden die relevanten Veröffentlichungen nach sachlichen, zeitlichen, räumlichen, personellen und veröffentlichungstechnischen Gesichtspunkten ausgewählt: a) Sachlich abgegrenzter Gegenstand der Untersuchung waren zunächst alle Veröffentlichungen, die als „Allgemeine Betriebswirtschaftslehren" tituliert sind und bzw. oder als solche — auch m i t Hilfe der anderen Abgrenzungskriterien — interpretiert werden können. Die T i tulierung allein war also keineswegs maßgebend. So wurde auch die „Privatwirtschaftslehre" i n die Untersuchung einbezogen, w e i l w i r uns nicht an „Schulrichtungen" und damit verbundenen Begriffsvorlieben orientieren wollten, „sondern an einem trotz aller Varianten und Gegensätze vorhandenen Mindestbestand gemeinsamer Grundfragen" 2 1 . 18 Vgl. dazu auch Köhler, R., Theoretische Systeme der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1966, S. 3. 19 Vgl. dazu wieder Köhler, R., a.a.O., der sich bei seiner Untersuchung auf Gutenberg und Rieger beschränkt. 20 Seischab, H., a.a.O., S. 5. 21 Köhler, E., a.a.O., S. 88, der mit diesem Zitat die Bezeichnung von Riegers „Privatwirtschaftslehre" als „theoretisches System der Betriebswirtschaftslehre" begründet.
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1. Systembildende Betrachtungsweisen als methodisches Grundproblem
b) Bei der zeitlichen Auswahl bildete ein K r i t e r i u m die häufig zitierte Abgrenzung bestimmter Entwicklungsstufen der Betriebswirtschaftslehre nach Seyffert 22. Als relevant schien hier die Stufe, die durch „ K o n solidierung und Vertiefung der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre" 22 charakterisiert und deren Beginn auf das Jahr 1926 gelegt wird. Aus diesem Grunde war Leitners „Wirtschaftslehre der Unternehmung" 2 8 das zeitlich erste Untersuchungsobjekt. Da die Untersuchung der Grundliteratur i m Februar 1966 abgeschlossen wurde, war damit die zweite Zeitgrenze festgelegt. Deshalb konnte ζ. B. die i n vieler Hinsicht sehr interessante Veröffentlichung von Kosiol 2* nicht mehr i n die Analyse einbezogen werden. c) Unter dem räumlichen Auswahlaspekt beschränkten w i r uns auf die Veröffentlichungen, die von 1926 bis 1945 i n Deutschland und von 1945 bis Anfang 1966 i m Bereich der Bundesrepublik erschienen. Die Ausdehnung etwa auf andere deutschsprachige Gebiete hätte nicht nur das Untersuchungsmaterial erheblich erweitert 2 5 , sondern uns auch hinsichtlich unseres Einblicks i n die disziplinären Besonderheiten dieser Länder eindeutig überfordert. d) Unter personellen Begrenzungsfaktoren wurden vor allem bestimmte Kriterien zur Person des Autors verstanden, die Anhaltspunkte liefern konnten für die Kennzeichnung des Werks als „wissenschaftliches Lehrbuch", für die Beurteilung der sachlichen und wissenschaftlichen Fundierung (Laufbahnvorschrif ten!) sowie für die Abgrenzung des hauptsächlichen Leserkreises. Danach wurden nur solche Betriebswirtschaftslehren i n die Untersuchung einbezogen, bei denen feststand, daß der Verfasser an einer deutschen Hochschule bzw. Universität einen Lehrstuhl innehatte bzw. noch besetzt. Durch dieses Auswahlprinzip sind auch alle „Betriebswirtschaftslehren" eliminiert, die von „Schulmännern" für den Unterricht an Berufs-, Handels-, Wirtschaftsober- und Wirtschaftsfachschulen geschrieben wurden 2 6 . Andererseits mußte damit die aus einem „Taschenbuch für Kaufleute" hervorgegangene „Kaufmännische Betriebswirtschaftslehre" 27 von Ernst Walb mit aufgenommen werden, obgleich sie sich für unsere Fragestellung als kaum relevant erwies. 22 Vgl. Seyffert, R., Über Begriff, Aufgaben und Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1957, S. 34. 23 Vgl. Leitner, F., Wirtschaftslehre der Unternehmung, a.a.O. 24 Vgl. Kosiol, E., a.a.O.; diese Veröffentlichung erschien erst Ende Juli 1966 im Buchhandel. 25 Hier wären vor allem Österreich, die Schweiz und die DDR relevant gewesen. 26 Vgl. Kruse-Heun, Betriebswirtschaftslehre, Hauptausgabe, 30. Aufl., Stuttgart 1953, der als Beispiel für viele ähnliche genannt wird. 27 Vgl. Walb, E., Kaufmännische Betriebswirtschaftslehre, Leipzig 1938.
12. Zur Analyse der Grundstruktur der Lehrsysteme und Unternehmer 41 e) Das veröffentlichungstechnische K r i t e r i u m Schloß a l l e A b h a n d l u n g e n aus, d i e n i c h t als selbständige V e r ö f f e n t l i c h u n g e n oder als b e h e r r schender T e i l g e s a m m e l t e r V e r ö f f e n t l i c h u n g e n eines A u t o r s 2 8 bezeichnet w e r d e n k o n n t e n . Dieses A u s w a h l p r i n z i p sollte v e r m e i d e n , auch k l e i n e r e u n s e l b s t ä n d i g e A b h a n d l u n g e n n u r deshalb e i n b e z i e h e n z u müssen, w e i l sie d e r A u t o r b z w . R e d a k t e u r m i t d e r a u f m e r k s a m k e i t s w e c k e n d e n Ü b e r schrift „ A l l g e m e i n e Betriebswirtschaftslehre" 29 t i t u l i e r t hatte. Selbst u n t e r A n w e n d u n g dieser A u s w a h l p r i n z i p i e n k a m e n i m m e r noch 16 A u t o r e n u n d i n f o l g e e i n e r D o p p e l p u b l i z i e r u n g 3 0 t e i l w e i s e 17 L e h r bücher 31 i n die A u s w a h l . U n t e r Berücksichtigung der jeweils letzten A u f 28 Dies betrifft ζ. B. Schmidt, F., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, in: Die Handelshochschule, Bd. 2 : Betriebswirtschaft, Wiesbaden o. J. (Copyright 1950). 20 Aus diesem Grund konnte auch die Veröffentlichung von Hasenack, W., Grundlagen der Betriebswirtschaft, in: Deutsche Versicherungswirtschaft — Ein Unterrichts- und Nachschlagewerk, Hrsg. Lencer, R. und Riebesell, P., Bd. I : Die Versicherungen der Volkswirtschaft, Berlin 1936—1939, S. 85—104, nicht in die Untersuchung mit aufgenommen werden. 80 Vgl. Gutenberg, E., Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1: Die Produktion, 10. neubearb. und erw. Aufl., Berlin — Heidelberg — New York 1965; ders., Bd. 2: Der Absatz, 5. Aufl., Berlin — Göttingen — Heidelberg 1962; und ders., Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 1958. 31 Diese werden im folgenden der Übersichtlichkeit halber auch dann vollständig zitiert, wenn an früherer Stelle schon der genaue Quellenhinweis gegeben wurde. Die Reihenfolge ergibt sich nach dem Erscheinungsjahr der verwendeten letzten Auflage. Leitner, F., Wirtschaftslehre der Unternehmung, 5. neubearb. Aufl. der „Privatwirtschaftslehre", Berlin und Leipzig 1926. Nicklisch, H., Die Betriebswirtschaft, 7. Aufl. der „Wirtschaftlichen Betriebslehre", Stuttgart 1932. Hoff mann, Α., Wirtschaftslehre der kaufmännischen Unternehmung (Betriebswirtschaftslehre), Leipzig 1932. Prion, W., Die Lehre vom Wirtschaftsbetrieb (Allgemeine Betriebswirtschafttslehre), 3 Bücher, Berlin, 1. Buch 1935, 2. Buch 1935, 3. Buch 1936. Walb, E., Kaufmännische Betriebswirtschaftslehre, Leipzig 1938. Thorns, W., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Berlin — Potsdam — Wien 1944. Schmidt, F., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, in: Die Handelshochschule, Bd. 2: Betriebswirtschaft, Wiesbaden o. J. (Copyright 1950). Rössle, K., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 5. völlig neu bearb. u. erw. Aufl., Stuttgart 1956. Lehmann, M. R., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre — Allgemeine Theorie der Betriebswirtschaft, 3. Aufl., Wiesbaden 1956. Gutenberg, E., Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 1958. Rieger, W., Einführung in die Privatwirtschaftslehre, 2. unveränd. Aufl., Erlangen 1959. Schäfer, E., Die Unternehmung — Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, Köln und Opladen 1963. Wöhe, G., Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 6. Aufl., Berlin und Frankfurt 1964.
42
1. Systembildende Betrachtungsweisen als methodisches Grundproblem
lagen umfaßten diese schon nahezu 9000 Druckseiten. Hiermit war aber ein repräsentativer Bestand als Untersuchungsgrundlage vorhanden, der die verschiedensten Entwicklungsstufen, Lehrmeinungen, Forschungsund Darstellungsmethoden i n „bunter Fülle" wiedergab. Vor allem die jeweilige Stoff aus wähl illustrierte die These Philipps, das die Grenzen von der Besonderen zur Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre inhaltlich nur „ w i l l k ü r l i c h " bestimmbar seien 32 . Die Vorteile dieser Totalerhebung wurden besonders sichtbar, wenn bei der differenzierten Charakterisierung einer bestimmten Betrachtungsweise selbst von den 16 Autoren nur einer als Vertreter einer methodologisch interessierten Richtung charakterisiert werden konnte, denn ohne seine Einbeziehung wäre die Erkenntnis einer weiteren methodischen Variante nicht möglich geworden. Obgleich der Versuch reizvoll sein könnte, die genannten Veröffentlichungen nach diversen vorgeschlagenen Typologien betriebswirtschaftlicher Lehrgebäude 33 einzuteilen, sei darauf zugunsten einer hier zutreffenderen Gliederung verzichtet. Diese unterteilt die vorliegenden Betriebswirtschaftslehren danach, i n welchem Maße alle drei systembildenden Betrachtungsweisen das jeweilige Lehrgebäude prägen 34 . Dazu unterscheiden w i r i m folgenden zwischen fünf Stufen einer A n wendung systembildender Betrachtungsweisen. Als Bestimmungskriterien dienen die Erklärungs- und die Gestaltungsfunktionen dieser Auswahlprinzipien. Die Erfüllung von Erklärungsaufgaben gilt als gegeben, wenn die drei Betrachtungsweisen zur — wenn auch nur beiläufigen — Formulierung von Teilsystemen führen. Die Gestaltungsfunktionen werden dagegen daran gemessen, welchen Einfluß die Betrachtungsweisen auf den formal-dispositionellen Systembau zeigen. Mellerowicz, K., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 4 Bände, Berlin Bd. 1, 12. Aufl. 1964, Bd. 2, 11. Aufl. 1962, Bd. 3, 11. Aufl., 1963, Bd. 4, 11. Aufl. 1963. Lohmann, M., Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 4. Aufl., Tübingen 1964. Fischer, G., Die Betriebsführung, Bd. 1 : Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 9. Aufl., Heidelberg 1964; ders., Bd. 2: Betriebliche Marktwirtschaftslehre, 2. Aufl., Heidelberg 1961. Gutenberg, E., Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, 1. Bd.: Die Produktion, 10. neubearb. u. erw. Aufl., Berlin — Heidelberg — New York 1965; ders., Bd. 2: Der Absatz, 5. Aufl., Berlin — Göttingen — Heidelberg 1962. 82 Vgl. Philipp, F., a.a.O., S. 10 und 39. 88 Vgl. Hankel, W., Vorwort des Übersetzers zu Samuelson, Ρ. Α., Volkswirtschaftslehre, Bd. I, 3. Aufl., Köln 1964, S. 5 ff.; Mayer, L., Grundriß der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 1955, S. 220; Sandig, C., a.a.O., S. 147; Linhardt, H., Die Betriebswirtschaftslehre an den deutschen Hochschulen, a.a.O., S. 1 und 3; Schönpflug, F., a.a.O., S. 76 ff. 34 Damit verbunden wird eine indirekte Charakterisierung von Werk und Persönlichkeit mittels entsprechender Quellenhinweise.
12. Zur Analyse der Grundstruktur der Lehrsysteme und Unternehmer 43
a) Die systembildende Betrachtungsweise 85 i m engsten Sinne müßte sich ausschließlich m i t der Behandlung dieser drei Auswahlprinzipien und ihrer Elemente begnügen. Sie ist bei keinem der vorliegenden Werke feststellbar. b) Eine Betrachtungsweise i m engeren Sinne liegt dann vor, wenn alle drei systembildenden Auswahlprinzipien Verwendung finden und diese darüberhinaus den formalen Systembau i n deutlich überwiegender Weise beeinflussen. Hierunter zählen w i r die Betriebswirtschaftslehren von Erich Schäfer Erich
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Gutenberg 37
Martin
Lohmann88
Konrad
Mellerowicz
39
c) Die systembildende Betrachtungsweise i m weiteren Sinne ist dann gegeben, wenn bei Verwendung aller drei Auswahlprinzipien zwei m i t deutlich erkennbaren Gestaltungsfunktionen verbunden sind. T r i f f t das nur für eine Betrachtungsweise zu, dann muß eine zweite zumindest durch ein übergeordnetes adäquates Gestaltungsprinzip (ζ. B. morphologisch oder katallaktisch) ersetzt sein. Diese Betrachtungsweise kann interpretiert werden bei Günter
Wöhe 40
85 Hier wird „Betrachtungsweise" ausnahmsweise als Oberbegriff für die drei systembildenden Betrachtungsweisen verwendet, im Sinne eines „totum pro parte". 88 Vgl. Schäfer, E., Die Unternehmung, a.a.O., — zur Charakterisierung vgl. insbesonderes Schnutenhaus, O., Erich Schäfer — sein wissenschaftliches Werk, in: ZfB 1961, S. 56 ff; Linhardt, H., Buchbesprechung von Erich Schäfer „Die Unternehmung", in: BFuP 1950, S. 188 und ders., Zum 60. Geburtstag von Prof. Dr. Dr. hc. Schäfer, in: ZfhF 1960, S. 711 ff. sowie Hasenack, W., Erich Schäfer 60 Jahre alt, in: BFuP 1960, S. 725 ff. 87 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", a.a.O., „Einführung", a.a.O. sowie Seischab , H., Erich Gutenberg: Die Produktion, in: Schönpflug, F. a.a.O., als A n hang S. 417 ff.; Köhler, R., a.a.O., S. 119 ff. 88 Vgl. Lohmann, M., „Einführung", a.a.O. sowie Hasenack, W., Martin Lohmann 60 Jahre alt, in: BFuP 1961, S. 241 ff.; Hax, K , Prof. Lohmann 60 Jahre alt, in: ZfhF 1961, S. 259 f. und Linhardt, H., Buchbesprechung: Lohmanns Einführung in die BWL, in: BFuP 1950, S. 189. 89 Vgl. Mellerowicz, K., „Allgemeine BWL", a.a.O. sowie Hasenack t W., Konrad Mellerowicz 60 Jahre alt, in: BFuP 1951, S. 705 ff. und Jonas, H., Konrad Mellerowicz 70 Jahre, in: ZfhF 1961, S. 750 f. 40 Wöhe verwendet die faktorielle und funktionale Betrachtungsweise in dominanter, die „ordnungsbildende" dagegen nur in beiläufiger Weise. Vgl. Wöhe, G., „Einführung", a.a.O. sowie Ellinger, Th., Wöhe, Günter, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (Buchbesprechung), in: ZfbF 1964, S. 51.
44
1. Systembildende Betrachtungsweisen als methodisches Grundproblem Alexander Heinrich Guido
Hoffmann Nicklisch
Fischer
41
42
43
d) W i r sprechen v o n e i n e r s y s t e m b i l d e n d e n B e t r a c h t u n g s w e i s e i m w e i testen Sinne, w e n n n e b e n e r k e n n b a r e n E r k l ä r u n g s f u n k t i o n e n i m S i n n e e i n e r B i l d u n g v o n T e i l s y s t e m e n n u r noch eines d e r d r e i A u s w a h l p r i n z i p i e n d e n S y s t e m b a u auch i n d i s p o s i t i o n e l l e r Weise p r ä g t . Diese T a t b e s t ä n d e s i n d e r f ü l l t b e i Karl
Rössle 44
M. R.
Lehmann45
Walter
Thoms 46
e) D i e f ü n f t e S t u f e k a n n dagegen n i c h t m e h r als s y s t e m b i l d e n d bezeichnet w e r d e n . D e n n h i e r f ü h r e n e i n bis z w e i A u s w a h l p r i n z i p i e n n i c h t einmal zu einer wenigstens beiläufigen F o r m u l i e r u n g v o n adäquaten T e i l s y s t e m e n . D a r ü b e r h i n a u s w i r d — d i e einzige A u s n a h m e b i l d e t Prion — keines d e r d r e i A u s w a h l p r i n z i p i e n als G r u n d l a g e s y s t e m p r ä g e n d e r Gestaltungsaufgaben verwendet. 41 Hoffmann gebraucht lediglich das funktionale Auswahlprinzip in dominanter Ausprägung. Die nur beiläufige Anwendung der beiden anderen Prinzipien gleicht er zum Teil aus durch eine ausgebaute Gliederung nach morphologischen Gesichtspunkten. Vgl. dazu Hoffmann , Α., „Wirtschaftslehre", a.a.O. sowie Walb, E., Hoff mann, Alexander, Dr. jur. Dr. sc. pol., o. Prof. an der Universität Leipzig: Wirtschaftslehre der Unternehmung (Betriebswirtschaftslehre) — Buchbesprechung, in: ZfhF 1935, S. 505 ff. 42 Nicklisch und Fischer weisen lediglich eine unter diesem Aspekt ausgeprägte Verwendung der faktoriellen Betrachtungsweise aus; die schwach ausgeprägte funktionale Darstellung wird aber jeweils durch eine dominante Gliederung nach katallaktischen Gesichtspunkten ausgeglichen. Vgl. dazu Nicklisch, H., „Die Betriebswirtschaft", a.a.O. ; Schönpflug, F., a.a.O., S. 154 ff. und Völker G., Heinrich Nicklisch — Grundzüge seiner Lehre, Stuttgart 1961. 45 Vgl. dazu Fischer, G., „Die Betriebsführung", a.a.O.; Kolbinger, J., Vom Wesen und Wirken Guido Fischer, in: ZfbF 1965, S. 407 ff.; Hasenack, W., Guido Fischer 65 Jahre alt, in: BFuP 1964, S. 377 ff.; Gramm, G., Guido Fischer als Vertreter der normativen Methode in der Betriebswirtschaftslehre, Diss. Innsbruck 1960. 44 Bei Rössle und Lehmann werden dagegen nur durch das funktionale Auswahlprinzip Gestaltungsaufgaben in systemprägender Weise vorgenommen. Vgl. Rössle, K., „Allgemeine BWL" a.a.O. sowie Beckmann, L., K a r l Friedrich Rössle 60 Jahre, in: BFuP 1953, S. 130 ff. und Hasenack, W., K a r l Rössle in: BFuP 1957, S. 609 ff. 45 Vgl. Lehmann, M . R., „Allgemeine BWL", a.a.O. sowie Hasenack, W., Wesen und Werk der drei im Herbst 1866 geborenen Betriebswirte: Lehmann, Oberparieiter und Fleege-Althoff, in: BFuP 1956, S. 545 ff. 48 Bei Thoms dominiert gestaltungsmäßig nur die „Wirtschaftsordnende" Betrachtungsweise; die beiden anderen haben unter formalen Gesichtspunkten nur akzidentelle Bedeutung. Vgl. Thoms, W., „Allgemeine BWL", a.a.O. sowie Hasenack, W., Hochschulnachrichten (Thoms 65 Jahre), in: BFuP 1964, S. 468 f.
12. Zur Analyse der Grundstruktur der Lehrsysteme und Unternehmer 45 D a m i t zeigen k e i n e s y s t e m b i l d e n d e B e t r a c h t u n g s w e i s e 4 7 Wüliy
Prion
Friedrich Fritz Wilhelm Ernst
48
Leitner
49
Schmidt 49 Rieger Walb
50
50
E i n e A n a l y s e dieser E i n t e i l u n g e r g i b t f o l g e n d e Ergebnisse: a) E i n k n a p p e s D r i t t e l der u n t e r s u c h t e n B e t r i e b s w i r t s c h a f t s l e h r e n verwendet keine der drei Betrachtungsweisen — weder i n materialer noch f o r m a l e r H i n s i c h t — als s y s t e m b i l d e n d . K e i n e s dieser W e r k e w u r d e nach 1950 v e r ö f f e n t l i c h t 5 1 . D e r zeitliche S c h w e r p u n k t i h r e r E n t s t e h u n g l a g zwischen 1926 u n d 1938. Dieses E r g e b n i s b e w e i s t , daß L e h r s y s t e m e auch ohne V e r w e n d u n g dieser B e t r a c h t u n g s w e i s e n i n s y s t e m b i l d e n d e m S i n n e d e n k b a r sind. b) D i e V e r ö f f e n t l i c h u n g e n m i t e i n e r s y s t e m b i l d e n d e n B e t r a c h t u n g s weise i m „ w e i t e s t e n S i n n e " w u r d e n spätestens v o r 10 J a h r e n l e t z t m a l i g publiziert. c) D a g e g e n zeigen a l l e 6 nach 1960 i n N e u a u f l a g e herausgegebenen L e h r s y s t e m e 5 2 s y s t e m b i l d e n d e B e t r a c h t u n g s w e i s e n i m e n g e r e n oder 47 „Betrachtungsweise" hier wieder im Sinne eines übergeordneten Gattungsbegriffs. 48 I n weit stärkerem Maße als Thoms verwendet Prion die „wirtschaftsordnende" Betrachtungsweise als Dispositionsprinzip. Das ganze „Erste Buch" seiner „Lehre vom Wirtschaftsprinzip" handelt davon. Vgl. Prion, W., „Die Lehre", a.a.O. sowie Walb, E., Prion, Prof. Dr. W., Die Lehre vom W i r t schaftsbetrieb (Allgemeine Betriebswirtschaftslehre), in: ZfhF 1937, S. 592 ff.; Hasenack, W., Zum Gedenken von Willi Prion, in: BFuP 1950, S. 498 ff. 49 Bei Leitner und Schmidt ist die funktionale Betrachtungsweise ohne jeden systembildenden Charakter; die anderen zwei werden lediglich in beiläufiger Form zu bestimmten Erklärungsaufgaben herangezogen. Vgl. Leitner, F., „Wirtschaftslehre" sowie Schönpflug, F., a.a.O., S. 382 ff. Vgl. Schmidt, F., „Allgemeine B W L " ; Schönpflug, F., a.a.O., S. 321 sowie Coutre, W., le, Fritz Schmidt zum Gedächtnis, in: BFuP 1950, S. 129 ff. und Isaak, Α., Fritz Schmidt, Forscher und Persönlichkeit, in: ZfhF 1950, S. 92 ff. 50 Rieger und Walb messen schließlich nur noch der „Wirtschaftsordnenden" Betrachtungsweise gewisse Erklärungsfunktionen bei, während die funktionale und die faktorielle Betrachtungsweise weder von materiellen noch von formalen Aspekten her als systembildend charakterisierbar ist. Vgl. Rieger, W., „Einführung" sowie Grichting, E., Die Privatwirtschaftslehre als Wissenschaft, Bern 1951, S.50ff.; Schönpflug, F., a.a.O., S. 364 ff.; Hintner, O., W i l helm Rieger 85 Jahre alt, in: BFuP 1963, S. 315 ff.; Hasenack, W., Wilhelm Rieger, der Schöpfer einer geschlossenen »Privatwirtschaftslehre', 80 Jahre alt, in: BFuP 1958, S. 129 ff. — Vgl. Walb, E., „Kaufmännische BWL", a.a.O. 61 Wenn man von dem nach 30 Jahren unveränderten Neudruck von Riegers „Privatwirtschaftslehre" absieht. 52 Vgl. Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O.; Wöhe, G., „Einführung", a.a.O.; Mellerowicz, K., „Allgemeine BWL", a.a.O.; Lohmann, M., „Einfüh-
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1. Systembildende Betrachtungsweisen als methodisches Grundproblem
w e i t e r e n Sinne. S o m i t d i e n e n d i e d r e i A u s w a h l p r i n z i p i e n i n a l l e n diesen Systemen bedeutsamen Erklärungszwecken u n d darüberhinaus i n überw i e g e n d e r Weise w e s e n t l i c h e n Gestaltungszielen. D e r ü b e r w i e g e n d e T e i l dieser „ n e u e r e n " B e t r i e b s w i r t s c h a f t s l e h r e n w i r d also i n i n h a l t l i c h e r w i e f o r m a l e r Sicht v o n d e n d r e i B e t r a c h t u n g s w e i s e n i n e i n e m b e h e r r schenden M a ß e g e p r ä g t . d) S o m i t e r w e i s t sich auch nach e i n e r e m p i r i s c h e n A n a l y s e d i e W a h l d e r d r e i s y s t e m b i l d e n d e n B e t r a c h t u n g s w e i s e n als zeitgemäß u n d f ü r d i e M e h r h e i t d e r u n t e r s u c h t e n A l l g e m e i n e n B e t r i e b s w i r t s c h a f t s l e h r e n als bedeutsam.
rung", a.a.O.; Fischer, G., „Die Betriebsführung", a.a.O.; Gutenberg, E., „Grundlagen", a.a.O. Anm. d. Verf.: Es wäre nahegelegen, selbst solche neueren Lehrsysteme aus der Analyse a priori auszuschließen, deren Gliederung und deren Aussagen weitgehend von anderen Autoren stammen. Das ist bei Wöhe deutlich erkennbar, der sein Werk überwiegend aus dem Lehrsystem Gutenbergs ableitet. Wöhe ist nun aber einer der wenigen Verfasser einer Allgemeinen BWL, der sich monographisch auch ausführlich mit Methodenproblemen befaßt und die Ergebnisse seiner Überlegungen weitgehend in sein Lehrgebäude einzubauen versucht. Dieses eignet sich deshalb besonders gut, um die Ergänzungsbedürftigkeit der traditionellen Methodologie aufzuzeigen und den Bezug der systembildenden Betrachtungsweisen zu den bisherigen methodologischen Problemstellungen herauszuarbeiten.
2. Die wirtschaftsordnende oder makromorphologische Betrachtungsweise — Unternehmer und Wirtschaftssysteme — 21. Methodische Grundlegungen 211. Die methodischen Grundlagen der Volkswirtschaftslehre Die Fixierung des Unternehmerbegriffs auf ein bestimmtes W i r t schaftssystem ist eine zentrale volkswirtschaftliche Denkkategorie. I n ihr sieht Sombart sogar den tragenden Pfeiler seiner Disziplin, wenn er postuliert, „daß m i t der Idee des Wirtschaftssystems die Nationalökonomie steht und fällt" 1 . Diese gedankliche Verbindung von Wirtschaftssystem und Unternehmer wurde jedoch nicht erst i n unserem Jahrhundert entwickelt, wenngleich sie erst seit Sombart die oben zitierte Bedeutung erlangte. So Euchen: „Seit Beginn des Hochmittelalters, zum Teil schon früher, lassen sich Wirtschaftsordnungen nicht nur nach einzelnen Seiten hin — etwa ob ein Marktverkehr bestand oder nicht —, sondern auch i n ihrem Aufbau und i n ihrem Gefüge erkennen 2 ." Wenn auch meist unter moral-theologischen Aspekten, war hier schon das Problem von Preis und Preisbildung i n Verbindung m i t dem Zins — Kennzeichen rein kapitalistischer Betätigung — Anlaß zu derartigen Überlegungen 3 . Doch für die so junge Disziplin der Betriebswirtschaftslehre — die Volkswirtschaftslehre konstituierte sich rund 250 Jahre früher — und auch i n Anbetracht der von uns zu erörternden Fragestellung sind erst die Aussagen der Physiokraten zu den oben genannten Problemen von Interesse 4 . Die physiokratische Schule ist nicht nur relevant, weil ihr 1
Sombart, W., Die drei Nationalökonomien, München 1929, S. 185. Euchen, W., Grundlagen der Nationalökonomie, 5. Aufl., Bad Godesberg 1947, S. 80 f. 8 Vgl. die von der Scholastik entwickelten Grundsätze für die Zinsgewährung und Zinshöhe. Vgl. dazu Weber, Ch.E., Die Kategorien des ökonomischen Denkens, Berlin 1958, S. 85 ff. 4 Vgl. Gide, Ch. und Rist, Ch., Geschichte der volkswirtschaftlichen Lehrmeinungen, hrsg. von Franz Oppenheimer, 3. Aufl., Jena 1923, S. 2; Schneider, E., Einführung in die Wirtschaftstheorie, 4. Teil, 1. Bd., Tübingen 1962, S. 20 f. 8
48
2. Die wirtschaftsordnende Betrachtungsweise
Adam Smith viele seiner liberalen Maximen entnehmen konnte 5 ; wichtig — innerhalb dieses liberalen Systemansatzes — ist auch die Einstufung des Unternehmers i n die „classe stérile", sofern er nicht i n der Grundstoffgewinnung tätig war sowie die Heraushebung einer (grund-)besitzenden Schicht, der „classe propriétaires". Denn sobald man an diese Termini die Elle zeitbedingter Ideologie anlegte, konnten sich die Klassifizierungsbegriffe zur wertgeladenen Kategorie entwickeln (so unter K a r l Marx: von der „classe propriétaire" zur „classe expropriétaire" 6 ). I m Lichte eines fortgeschrittenen Wissensstandes erschien der industrielle Unternehmer als grundlegend bekanntes Wirtschaftssubjekt (als Teil der „classe stéril" wäre er aus Schumpeterscher Sicht Träger w i r t schaftlichen Fortschritts, oder war er, wie schon bei J. B. Say 7, M i t t e l punkt einer Verteilungstheorie). Smith ist für unsere Überlegungen vor allem vom Gesichtspunkt der Wirtschaftsordnung interessant. Einmal sieht er i m liberalen Typ keine idealtypische und normative Forderung (ordre positiv), sondern eine Naturgegebenheit (ordre naturel) 8 ; zum anderen baut er diese Ordnung zu einem eindrucksvollen System aus, dessen Grundlagen auch die Fundamente der für die i n der Betriebswirtschaftslehre bedeutsamsten Typologien von Sombart bzw. Ritsehl und Euchen bilden. Den industriellen Unternehmer dagegen stellt erstmalig dessen Schüler J. B. Say klar i n den Mittelpunkt seines weiterentwickelten und von J. St. Mill perfektionierten liberalen Systems, wobei er zwischen Kapitalgeber- und Führungsfunktion unterscheidet 9 . Diese Weiterentwicklung wurde sicherlich dadurch mitbestimmt, das Say selbst als Unternehmer tätig war — er betrieb von 1804 bis 1813, also zwischen der 1. und 2. Auflage seiner „Traité d'Economie Politique", eine Baumwollspinnerei i n Auchy-les-Hédins 10 . Aber alle diesen frühen Überlegungen der klassischen Theorie blieben hauptsächlich dogmengeschichtlich bedeutsame und meist nur rückblickend interpretierbare Ansätze, die selbst von der Vorläuferin der Typologie gesamtwirtschaftlicher Ordnungsmodelle, der Wirtschafts5
Vgl. Gide, Ch. und Rist, Ch., a.a.O., S. 59 ff. Dieser Gedankengang findet sich bei Marx sogar direkt am Modell Quesnay's. Vgl. dazu Schneider, E., a.a.O., S. 23. 7 Vgl. Gide, Ch. und Rist, Ch., a.a.O., S. 72 und 122. 8 Vgl. dies., S. 119. • Vgl. Gide, Ch. und Rist, Ch., a.a.O., S. 72; nach Turin verzichtet jedoch schon rund 100 Jahre früher (1715) Cantillon in seinem Klassenmodell beim Unternehmerbegriff auf die Kapitalfunktion, an dessen Stelle setzt er das Kriterium der Unsicherheit. Vgl. Turin, G., Der Begriff des Unternehmers, Zürich 1947, S. 6. 10 Vgl. Gide, Ch. und Rist, Ch., a.a.O., S. 116. 6
21. Methodische Grundlegungen
40
Stufentheorie der historischen Schule 11 , nur teilweise verarbeitet wurden. Gleichfalls konnte die mikroökonomische Betrachtungsweise des Unternehmers i n der Marktformen- und Preistheorie der sog. mathematischen Schule zu den oben genannten Problemen noch nichts wesentliches beitragen 12 . Diese Ansätze sind deshalb nur als methodische Vorläufer zu werten. „Das Problem der Wirtschaftsordnung i n all seinen Beziehungen und i n ganzer Breite aufgerollt zu haben, ist das Verdienst von Werner Sombart . . . 1 3 " Sombarts „eigentliches Anliegen war, das Wirtschaftssystem des Kapitalismus zu erfassen" 14 . A m Beispiel kapitalistischer Entwicklungsstadien, die noch eine Brücke zur Stufentheorie der historischen Schule schlagen, unterscheidet er drei Strukturelemente der Wirtschaftsordnung: die Wirtschaftsgesinnung (Geist), die Organisations- und Gestaltungsprinzipien der Wirtschaft (Form) und schließlich ihre Technik 1 5 . Der Unternehmer nimmt als Personifikation des kapitalistischen Geistes eine beherrschende Stellung ein 1 6 . Die unlösbare Verbindung von Unternehmer und kapitalistischem Wirtschaftssystem führt fast zu einer A r t Elitetheorie, die ebenfalls mehr historische als theoretische Denkvorstellungen verrät. So Sombart: „Der Kapitalismus ist das Werk einiger hervorragender Männer; daran kann kein Zweifel s e i n . . . I m A n fang war die »schöpferische Tat' des einzelnen, eines j a g e n d e n ' , ,unternehmenden' Mannes, der beherzt den Entschluß faßt, aus den Gleisen der herkömmlichen Wirtschaftsführung herauszutreten und neue Wege einzuschlagen" 17 . Sombart geht i n der Regel vom „kapitalistischen Unter11 Vgl. Kellenbenz, H., Wirtschaftsstufen, in: HdSW, hrsg. von E. Beckerath u. a., 12. Bd., Stuttgart — Tübingen — Göttingen 1965, S. 260 ff. 12 Bei Pareto sieht Schneider gewisse Verbindungen zwischen Verhaltenstypen und Wirtschaftsverfassung. Vgl. dazu Schneider, E., a.a.O., S. 375. 13 Ritsehl, H., Wirtschaftsordnung, in: HdSW, 12. Bd., a.a.O., S. 192; diese These vertreten ebenfalls Weisser, G., Wirtschaftstypen, in: HdSW, Bd. 12, a.a.O., S. 277; Stavenhagen, G., Wirtschaftssysteme, in: Staatslexikon, hrsg. von der Görres-Gesellschaft, Bd. 8, Freiburg 1963, Sp. 828; Recktenwald, H. C., Lebensbilder großer Nationalökonomen — Einführung in die Geschichte der politischen Ökonomie, Köln — Berlin 1965, S. 459; Schmölders, G., ökonomische Verhaltensforschung, in: Ordo, 5. Bd., Düsseldorf u. München 1953, S. 78. 14 Ritsehl, H., Wirtschaftsordnung, a.a.O., S. 192. 15 Vgl. Sombart, W., Der moderne Kapitalismus, 2 Bde., 4 Halbbde., 3. Aufl., München und Leipzig 1919 (1. Aufl. 1902 bis 1908); ders., Prinzipielle Eigenart des modernen Kapitalismus — Grundriß der Sozialökonomie, I V / I , Tübingen 1925; ders., Der kapitalistische Unternehmer, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 29, Hrsg. Edgar Jaffé, Tübingen 1909, S. 689 ff. 16 Vgl. Sombart, W., Der moderne Kapitalismus, 1. Bd./2. Hälfte, 3. Aufl., München und Leipzig 1919, S. 836 ff. und ders., Der kapitalistische Unternehmer, a.a.O., passim. 17 Sombart, W., Der moderne Kapitalismus, 1. Bd./2. Hälfte, a.a.O., S. 836; hier wird auch der Einfluß auf Schumpeter sehr deutlich.
4 Wunderer
50
2. Die
irtschaftsordnende Betrachtungsweise
nehmer aus und verbindet die kapitalistische Wirtschaftsordnung untrennbar m i t dem Unternehmer als personalem Träger dieses besonderen Wirtschaftsgeistes 18 . Damit w i r d schon der Grund gelegt für die spätere Fixierung des Unternehmers auf dieses eine historische Modell einer Wirtschaftsordnung. Entscheidend ist noch, daß bei diesem Ansatz die privatkapitalistische Ausgestaltung der Eigentumsordnung eine wesentliche Systemgrundlage bildet. Schon seit Marx ist das Problem der Eigentumsordnung nahezu identisch m i t der Besitzverteilung an den volkswirtschaftlichen Produktivkräften. Grob vereinfacht und auch auf betriebswirtschaftliche Kategorien übersetzt, heißt das: die Herkunft bestimmter Passivposten (Eigenkapital) der Bilanz bestimmen vor allem die Wahl betrieblicher Zielfunktionen (Geist), aber auch die Wirtschaftsweisen und sogar die Technik der Betriebsführung. Obgleich Marx Wesen und Begriff des Managers als den besitzlosen Leiter der kapitalistischen Unternehmung schon kannte und behandelte 19 , ging er doch — wie auch Sombart — von der Vereinigung von Kapitalisten- und Führungsfunktionen i m Unternehmerbegriff aus, wobei allerdings die ersteren das konstitutive K r i t e r i u m bildeten. Bleibt man bei diesem Funktionsmerkmal, so kann man das Wesen der Systemtypologie Walter Euchens darin erblicken, daß er geradezu i n antithetischer Weise die Führungsfunktion zum wesensbestimmenden Merkmal seines theoretischen Modells einer Wirtschaftsordnung macht. Euchen lehnt dabei sowohl die Terminologie („kapitalistisch") als auch wesentliche Strukturelemente (v. a. den „Wirtschaftsgeist") Sombarts als „verfehlte Grundkonzeption" 2 0 ab 2 1 . Euchen stellt nun Sombarts historisch gebildeten Ordnungsmodellen gegenüber die Idealtypen „Verkehrswirtschaft" und „Zentralgeleitete Wirtschaft" (mit verschiedenen Unter- und Mischformen), die vor allem durch das K r i t e r i u m der Plan18 Vgl. dazu vor allem das Sachregister bei Sombart, W., Der moderne K a pitalismus, 2. Bd./2. Halbbd., a.a.O., S. 1226; ders., 1. Bd./2. Hälfte, a.a.O., S. 836. 19 Vgl. Hasenack, W., Vorwort zu einem Beitrag von Johann Plenge „Managerproblem und wissenschaftlicher Sozialismus", in: BFuP 1950, S. 685. 20 Euchen, W., Grundlagen der Nationalökonomie, 8. Aufl., Berlin — Heidelberg — New York 1965, S. 47 und 67. 21 Vgl. ders., a.a.O., S. 46, 66, 87, 127, 164. Euchen geht dabei soweit, die Termini Unternehmung und Unternehmer abzulehnen, da diese eine „bestimmte historische Färbung besitzen", weil dabei „an das kapitalistische Zeitalter gedacht wird" (S. 87). Für seine Überlegungen hält er die Bezeichnungen „Betrieb" und „Betriebsleiter" für relevanter. Damit verfällt Eucken aber selbst wieder in das zuvor von ihm kritisierte historische Denken; ja er argumentiert mit Begriffen, die er vielfach als wirklichkeitsfremd und verfehlt angegriffen hatte. Das könnte mit ein Grund sein, daß andere, die sowieso meist nur aus der Sekundärliteratur die antinomischen Idealtypen als Begriffpaare kennen, die Ansätze Sombarts und Euchens verbinden.
21. Methodische Grundlegungen
51
aufstellung und -durchführung bestimmt werden 2 2 . Die beiden Idealbzw. Extremtypen sind durch die zentrale bzw. dezentrale Form der Betriebslenkung charakterisiert. Überträgt man dieses K r i t e r i u m auf die — mehr betriebswirtschaftlich relevante — Führungsfunktion, so ist dam i t die betriebliche „Gesamtführungsfunktion" 2 3 tangiert, die i m E x tremfall von einer Zentralinstanz oder ausschließlich von den einzelnen Wirtschaftseinheiten i n autonomer Weise wahrgenommen wird. Euchen wendet sich damit zwangsläufig einer mikroökonomischen Betrachtungsweise zu. Die Unternehmung w i r d so zu einem Erfahrungsobjekt der Nationalökonomie; sie steht nun zwischen Wirtschaftsordnung und Unternehmer. Weiterhin rückt an die Stelle einer mehr gesellschaftspolitischen und historisch ausgerichteten Analyse das theoretische Reduktivmodell 2 4 , das Funktionen, wie Planung und Preisbildung (v. a. i m verkehrswirtschaftlichen System) 25 , i n den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Euchen zieht dazu auch die notwendigen methodischen Schlußfolgerungen: „Die Probleme der Nationalökonomie und der Betriebswirtschaftslehre gehören zusammen . . . Die beiden Hauptprobleme der Nationalökonomie (!) sind auch die beiden Hauptprobleme der Betriebswirtschaft: Aufbau und Führung der Betriebe und Haushaltungen können nur i m Rahmen der Wirtschaftsordnung und des gesamten W i r t schaftsablaufs verstanden werden. Deshalb gelangen alle wissenschaftlichen Betriebswirte m i t Notwendigkeit i n die Untersuchung der W i r t schaftsordnungen und der verkehrswirtschaftlichen Zusammenhänge hinein 2 6 ." Obgleich, wie Machlup pointiert herausarbeitet 27 , zwischen Unternehmung i n der volkswirtschaftlichen MikroÖkonomie und i n der Betriebs22 Vgl. Euchen, W., Grundlagen der Nationalökonomie, 8. Aufl., a.a.O., S. 78 ff.; weitere zum Teil abgeleitete Bestimmungsmerkmale sind die Arten der Produktionslenkung, der Verteilung, des zeitlichen Aufbaus der Produktion, der angewandten Technik und der räumlichen Lenkung des W i r t schaftsprozesses. Vgl. dazu ders., a.a.O., S. 125. 23 Vgl. dazu Punkt 424 dieser Arbeit. 24 Vgl. dazu auch Bochénshi, I. M., Die zeitgenössischen Denkmethoden, 2. Aufl., München 1959, S. 23 f. und 101 f. 25 Vgl. Euchen, W., Grundlagen der Nationalökonomie, 8. Aufl., a.a.O., S. 47 und 67. 2e Euchen, W., Grundlagen der Nationalökonomie, 8. Aufl., a.a.O., S. 237 und an anderer Stelle (S. 142) : „Die wirtschaftliche Wirklichkeit verlangt geradezu daß die Analyse mit der Untersuchung der Einzelwirtschaft beginnt, so wie es schon Thünen mit großem Erfolg getan hat. Wenn also in neuerer Zeit in der ganzen nationalökonomischen Forschung eine Bewegung dahin entstanden ist, die Einzelwirtschaften theoretisch zu untersuchen, so ist diese Bewegung als berechtigter Rückschlag gegen rein makroökonomische Systembildungen anzusehen." 27 Vgl. Machlup, F., Der Wettstreit zwischen Mikro- und Makrotheorien in der Nationalökonomie, Tübingen 1960, S. 39 ff.
4*
52
2. Die wirtschaftsordnende Betrachtungsweise
wirtschaftslehre einige Unterschiede infolge verschiedenartiger Erkenntnisziele bestehen, sollte man doch annehmen, daß gerade dieses nationalökonomische Konzept i n der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre besonderen Anklang gefunden hat. Dies t r i f f t aber für die überwiegende Mehrzahl der untersuchten Werke i n keiner Weise und für den Rest nur teilweise zu. Wie später noch i m einzelnen nachgewiesen wird, definieren nur 11 der 16 untersuchten Autoren die Unternehmung systemabhängig. Dabei werden Modelle der kapitalistischen Wirtschaftsordnung übernommen. Eine Beschränkung auf den Planungsaspekt nach dem Vorbild Euchens erfolgt bei keiner dieser Betriebswirtschaftslehren, obgleich Grochla i n seiner verdienstvollen Schrift über „Betrieb und Wirtschaftsordnung" 28 dieses K r i t e r i u m zur Grundlage einer sehr interessanten weiterführenden Betriebstypologie macht. Weiterhin befaßten sich nach unserer Übersicht nur 5 der 16 analysierten Autoren, nämlich Lehmann 2 9 , Lohmann30, 31 32 33 Nichlisch , Mellerowicz und Thoms außerhalb ihrer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren i n mehr oder weniger monographischer Weise mit dem Problem der Wirtschaftsordnung. Dabei lag der Veröffentlichungszeitraum zwischen 1925 und 1950; jedoch definierten nur die drei Letztgenanten die Unternehmung i n systembezogener Weise. Schließlich finden die zahlreichen kritischen und weiterführenden Vorschläge aus dem volkswirtschaftlichen Lager 3 4 i n der Regel keine erkennbare Beachtung. 28 Vgl. Grochla, E., Betrieb und Wirtschaftsordnung — Das Problem der Wirtschaftsordnung aus betriebswirtschaftlicher Sicht, Berlin 1964, — dieser Ansatz wird in Punkt 44 noch näher erläutert. 29 Vgl. Lehmann, M. R., Die industrielle Kalkulation, Berlin-Wien 1925. 80 Vgl. Lohmann, M., Der Wirtschaftsplan des Betriebes und der Unternehmung, Berlin — Leipzig — Wien 1928. 81 Vgl. Nichlisch, H., Die Lenkung der Wirtschaft, Stuttgart 1935. 82 Vgl. Mellerowicz, K , Wirtschaftsordnung und Betriebsordnung, in: ZfB 1950, S. 321 ff. und 497 ff. 88 Vgl. Thoms, W., Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsordnung, in: ZfB 1942, S. 22 ff. 34 Vgl. Preiser, E., Gestalt und Gestaltung der Wirtschaft, Tübingen 1934; ders., Wesen und Methoden der Wirtschaftslenkung, in: Finanzarchiv, Bd. 8, Tübingen 1941; Möller, H., Wirtschaftsordnung, Wirtschaftssystem und Wirtschaftsstil, in: Schmollers Jahrbuch, 64. Jg. 1940, S. 459 ff.; Peter, H., Die neue Methodologie Walter Euckens — Bemerkungen zu dem Buch: Die Grundlagen der Nationalökonomie, in: Finanzarchiv, Bd. 8, Tübingen 1941, S. 158 ff.; Müller- Armaci c, Α., Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft, Hamburg 1947; Ritsehl, H., Theoretische Volkswirtschaftslehre, 1. Bd.: Grundlagen und Ordnungen der Volkswirtschaft, Tübingen 1947; ders., Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik, in: Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 65, Heft 2, 1950; Machenroth, G., Sozialistisches Wirtschaftsverfassung, in: Weltwirtschaftsarchiv, Bd. 63/11, 1949; Röphe, W., Die Ordnung der Wirtschaft, Frankfurt 1948; Böhm, F., Wirtschaftsordnung und Staatsverfassung, Tübingen 1950.
21. Methodische Grundlegungen
Die These Euchens, daß „alle wissenschaftlichen Betriebswirte m i t Notwendigkeit i n die Untersuchung der Wirtschaftsordnungen hinein (gelangen)" 35 , kann deshalb für die vorliegenden Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren nicht als allgemeingültig angesehen werden. Obgleich Euchen sein Modell schon 1939 veröffentlicht hatte 3 6 , wurde es von keiner dieser Darstellungen für die Behandlung des makromorphologischen Aspektes übernommen. Die Beschränkung auf die Planungsfunktion — i m Sinne einer „pointierend-hervorhebenden Abstraktion" 3 7 —, die nach Euchen „gleichsam das Tor (bildet), durch das die Nationalökonomie i n die wirtschaftliche Wirklichkeit eindringt" 3 8 , ist u. E. für die Betriebswirtschaftslehre besonders fruchtbar. Denn die Planung i n diesem Sinne kann weitgehend mit der betrieblichen Führung gleichgesetzt werden. Deshalb soll dieser Ansatz später auch die Grundlage weiterführender Vorschläge bilden. Für die Untersuchung der sechzehn Betriebswirtschaftslehren ist Euchen jedoch indirekt sehr interessant, da das mittelbar oder unmittelbar viel verwendete Ordnungsmodell der „Marktwirtschaft" nach Ritsehl 39 i n einem wesentlichen Merkmal m i t der „Verkehrswirtschaft" Euchens übereinstimmt. Denn das Prinzip der dezentralen Lenkung und der Koordination über den „ M a r k t der Preise" ist auch bei der „ M a r k t wirtschaft" ein unersetzliches konstituierendes K r i t e r i u m 4 0 ; außerdem „meint man praktisch m i t Kapitalismus fast immer die kapitalistische Marktwirtschaft" 4 1 . Allerdings treten beim Modell der „ M a r k t w i r t schaft" weitere systemtragende Ordnungsprinzipien hinzu, vor allem das erwerbswirtschaftliche Prinzip und die Institution des Privateigentums. Letztere w i r d wiederum als Bestimmungsgrund für das erwerbswirtschaftliche Prinzip, als Voraussetzung für eine dezentralisierte Betriebslenkung und Sicherheitsgarantie für die individuelle Vertragsfreiheit gesehen 42 . So werden bei einer mikroökonomischen Betrachtung nicht 85
Euchen, W., Grundlagen der Nationalökonomie, 8. Aufl., a.a.O., S. 237. Hier erschien die 1. Aufl. seiner „Grundlagen". 87 Vgl. Euchen, W., Grundlagen der Nationalökonomie, 8. Aufl., a.a.O., S. 226. 88 Ders., S. 230. 89 Vgl. Ritsehl, H., Gemeinwirtschaft und kapitalistische Marktwirtschaft, Tübingen 1931. Vier Autoren, nämlich Nichlisch, Schmidt, Gutenberg und Wöhe gehen höchstwahrscheinlich vom Modell Ritschis aus, während die übrigen, soweit sie Unternehmung und Unternehmer überhaupt in dieses Koordinationssystem stellen (neben den vier Obengenannten sind hier nodi relevant: Leitner, Rieger, Walb, Prion, Thoms, Mellerowicz und Schäfer). 40 Vgl. Ritsehl, H., Wirtschaftsordnung, a.a.O., insbes. S. 198; Preiser, E., Die Zukunft unserer Wirtschaftsordnung, 3. erw. Aufl., Göttingen o. J.; Kloten, N., Marktwirtschaft, in: Staatslexikon, 5. Bd., Freiburg 1960, insbes. Sp. 558. 41 Preiser, E., Die Zukunft unserer Wirtschaftsordnung, a.a.O., S. 11. 48 Vgl. dazu vor allem Kloten, N., a.a.O., S. 558 f.; aber auch Ritsehl, H., Wirtschaftsordnung, a.a.O., S. 198 und Euchen, W., Grundsätze der W i r t 88
54
2. Die
irtschaftsordnende Betrachtungsweise
selten Betriebe der öffentlichen Hand — also Betriebe ohne Privateigent u m — als marktwirtschaftliche Betriebe (Unternehmungen) bezeichnet, wenn das erwerbswirtschaftliche Prinzip die betriebliche Zielfunktion bildet und diese Betriebe lediglich „Einsprengsel" 43 i n der m a r k t w i r t schaftlichen Ordnung darstellen. Deshalb kann man u. E. i m erwerbswirtschaftlichen Prinzip das bedeutsamste Unterscheidungskriterium gegenüber dem verkehrswirtschaftlichen Modell sehen. Diese These w i r d dadurch erhärtet, daß Euchen i n seinem System der Verkehrswirtschaft die Institution des Privateigentums grundsätzlich m i t einbaute 44 , während er das erwerbswirtschaftliche Prinzip als unerläßliches K r i t e r i u m für die Konstitutierung einer Verkehrswirtschaft aus historischer und prinzipieller Sicht ausdrücklich ablehnt 4 5 . Betrachtet man nun dieses konstitutive Prinzip des marktwirtschaftlichen Systems unter dem Führungsaspekt, so kann man interpretieren, daß unter seiner Herrschaft ein wesentlicher Bereich der Führungsfunktion mehr autonom und dezentral verwirklichbar ist. Es ist die betriebswirtschaftliche Zielentscheidung, die gleichsam „ex cathedra" vom System vorgeschrieben wird, wobei sicherlich das mechanistische B i l d des „homo oeconomicus" als bestimmendes Hintergrundmotiv eingeblendet ist. Weiterhin könnte man das erwerbswirtschaftliche Prinzip als „Ersatzfunktion" für die nun abtrennbare Kapitalistenfunktion bezeichnen. Denn unterstellt man das automatische Befolgen dieser Entscheidungsmaxime bei allen „Betriebslenkern", so hat auch der reine Kapitalist die Gewißheit, daß trotz Verteilung der Kapitalisten- und Führungsfunktion auf zwei Träger kein systemveränderndes Verhalten des „Managers" zu erwarten ist. Die Zielfunktion des Kapitalisten w i r d so i n die Führungsfunktion des „Managers" eingebaut. Dieser formuliert damit seine Zielfunktion ausschließlich i m Sinne eines „alter ego"; er handelt gleich einem „Als-ob-Kapitalisten" 4 e . Die reale Ausübung der Kapitalistenschaftspolitik, hrsg. von E. Eucken-Erdsieh und K. Hensel, für „rowohlts deutsche enzyklopädie", gekürzte Ausg. des gleichnamigen Buches, o. Ortsangabe 1965, S. 166 ff. 43 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", a.a.O., S. 475 und Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 77 f. 44 Daß er es nicht als unerläßliches, d. h. konstitutives Merkmal ansah, zeigt folgender Satz: „Es wäre ganz abwegig, etwa aus dem Vorhandensein von Privateigentum zu folgern, dort werde vorwiegend »verkehrswirtschaftlich4 gewirtschaftet." s. Euchen, E., Grundlagen der Nationalökonomie, 8. Aufl., a.a.O., S. 54. 45 Vgl. ders., S. 206 ff. 4e Vgl. Vaihinger, H., Die Philosophie des Als Ob, a.a.O.
21. Methodische Grundlegungen
funktion w i r d ersetzt durch die phänomenologisch gleichwertige „Ersatzfunktion" der Rentabilitätsmaximierung des Unternehmerkapitals; unterstellt man auch beim Kapitalisten eine ausgeprägte institutionelle Bindung an sein Anlageobjekt (Betrieb), so kann auch die Rentabilitätsmaximierung des Unternehmungskapitals genügen. Wir können damit zusammenfassen: a) Die Klassiker der Volkswirtschaftslehre sahen i m Unternehmer eine tragende Figur des liberalistischen Wirtschaftssystems. Dieses war allerdings noch nicht Gegenstand einer besonderen Forschung. Erkenntnisobjekte waren hier vor allem die Einkommensbildung und -Verteilung unter dem Gesichtspunkt der gesamtwirtschaftlichen Produktivität. Dabei wurde seit Say bewußt zwischen einer Kapitalisten- und einer Führungsfunktion des Unternehmers unterschieden. Beide sah man jedoch als Teilfunktionen einer kombinierten Gesamtaufgabe, was j a auch der Wirtschaftswirklichkeit entsprach. W i r bezeichnen diese Auffassung i m folgenden als „kombinative" Betrachtungsweise des Unternehmers. b) Die oben erläuterte Begriffsbestimmung war auch noch Grundlage der Unternehmerdefinition i m Modell einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung, anhand welcher Sombart eine neue systematisch bedeutsame Betrachtungsweise i n die Volkswirtschaftslehre einführte. Da hier jedoch die Eigentumsordnung als Ansatzpunkt diente, war es naheliegend, daß die Vertreter dieser Typologie die Kapitalfunktion besonders gewichteten, sofern sie überhaupt den Unternehmer mikroökonomisch sahen. Ansätze, die entsprechend der veränderten ökonomischen Realität eine Trennung von Kapitalisten- und Führungsaufgabe i n Grenzbetrachtungen m i t einbezogen, ließen dann auch unterschiedliche Gewichtungen beider Funktionen erkennen. Diese führten i m Extremfall dazu, die Kapitalistenfunktion als die unternehmerkonstitutive Aufgabe anzusehen, während die Führung als eine weitgehend delegierbare und am Markt käufliche Dienstleistung angesehen wurde. W i r bezeichnen diese Vorstellung als „kapitalwirtschaftliche" tion des Unternehmers.
Defini-
c) I m weiteren Verlauf der Diskussion u m Ordnungstypologien der Volkswirtschaft wurden Modelle entworfen, die eine besondere Gewichtung von — zunächst noch gesamtwirtschaftlich verstandenen — Führungsaufgaben erkennen lassen. Eucken entwickelte dabei mittels „hervorhebend-pointierender Abstraktion" einen quasimonistischen Typ, der als K r i t e r i u m den Grad der Zentralisation und der Autonomie betrieblicher Planung herausstellte. Vom mikroökonomischen Aspekt aus gesehen, konnte jetzt der Unternehmer allein aus der Gesamtführungsfunktion heraus erklärt werden.
56
2. Die
irtschaftsordnende Betrachtungsweise
W i r halten dieses Modell gerade i n Bezug auf betriebswirtschaftliche Erklärungsaufgaben für besonders fruchtbar, zumal es von Grochla i n dieser Richtung weiterentwickelt wurde und auch i n den neueren monographischen und allgemeinen Darstellungen der Volkswirtschaftslehre vorrangige Beachtung findet 4 7 . Trotzdem wurde es i n reiner oder ausschließlicher Form von keiner der sechzehn untersuchten Allgemeinen Betriebslehren übernommen 48 . Soweit der Unternehmer als Träger einer systembezogenen Unternehmung unter besonderer Gewichtung der Führungsfunktion definiert wird, liegt i n der Regel ein anderes gesamtwirtschaftliches Ordnungssystem zugrunde: die kapitalistische Marktwirtschaft. Dieses Modell rückt die A r t der wirtschaftlichen Lenkung ebenfalls i n den Vordergrund. I m Gegensatz zu Euchens Vorstellungen kann bei der Unternehmerdefinition jedoch allenfalls auf die reale Ausübung der Kapitalistenfunktion verzichtet werden. Und dies auch nur insofern, als die Ausübung der Gesamtführungsaufgabe auf relevante Mittel- und Verfahrensentscheidungen eingeschränkt, die bedeutsamste Zielentscheidung dagegen i n Form des erwerbswirtschaftlichen Prinzips vorgegeben wird. Wenn die Verwirklichung von Gesamtführungsaufgaben auch als konstitutives Merkmal für die Unternehmerdefinition genügt, so ist damit der Bereich dezentral-autonomer Entscheidungen doch deutlich eingeschränkt. W i r nennen jedoch alle Formen, die eine Begriffbestimmung des Unternehmers allein auf Grund der Führungsfunktion zulassen. „dispositionswirtschaftliche" Betrachtungsweisen des Unternehmers.
212. Ortungskriterien zur Bestimmung und Abgrenzung makroökonomisch relevanter Betrachtungsweisen des Unternehmers Die vorstehend erörterten Modelle nationalökonomischer Wirtschaftsordnungen sind für diese Arbeit deshalb von Bedeutung, w e i l sie die Begriffsbestimmung des Unternehmers direkt oder indirekt beeinflussen. Sofern der Unternehmer nicht unmittelbar als Repräsentant einer bestimmten Wirtschaftsordnung definiert ist, geschieht dies indirekt über die makromorphologisch bedeutsame Begriffsabgrenzung von Betrieb 47 Vgl. Stavenhagen, G., Wirtschaftssysteme, a.a.O.; Sauermann, H., Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Bd. 1, a.a.O., S. 91 ff. und vor allem Mahr, W., Einführung in die Allgemeine Volkswirtschaftslehre, Wiesbaden 1966, S. 11 ff. 48 Erst bei Kosiol, der sich weitgehend an die Dissertation seines Schülers Grochla anlehnt, werden Euchens bzw. Grochlas Typologien übernommen. Vgl. Kosiol, E., Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum, a.a.O., S. 44 ff. Allenfalls Mellerowicz, Lehmann und Fischer (vgl. Punkt 232) übernehmen teilweise Euchens Vorschläge, wenn auch nur beiläufig bzw. nur in den Begriffsbezeichnungen.
21. Methodische Grundlegungen
und Unternehmung. Damit bedarf auch die These Veils, daß die Frage nach dem Wesen der Unternehmung unabdingbar m i t der Frage nach dem Wesen des Unternehmers verknüpft sei 4 9 unter dem Aspekt der Wirtschaftsordnung geradezu einer Umkehrung. Denn i n der Regel 5 0 steht hier die Figur des Unternehmers gegenüber dem ökonomischen Gebilde Unternehmung eindeutig i m Hintergrund. Das geht häufig so weit, daß der Unternehmer gar nicht direkt als Repräsentant eines bestimmten Ordnungsmodells diskutiert wird. Vielmehr findet man diese Fragestellung auf die Unternehmung verlagert, weshalb sie bei der n u n folgenden Untersuchung zwangsläufig das übergeordnete K r i t e r i u m b i l den muß. Deshalb können w i r die Unternehmung auch als unser erstes „ O r tungskriterium" bei der makromorphologischen Analyse des Unternehmers bezeichnen. W i r unterstellen dabei, daß die Begriffsbeziehungen Unternehmung und Unternehmer „unabdingbar miteinander v e r k n ü p f t " sind. Dieses Ortungskriterium erfüllt neben analytischen noch dispositionelle Ziele. Die Gliederung dieses Teilkapitels w i r d danach bestimmt, ob die Unternehmung systemabhängig definiert oder als ein systemindifferenter Tatbestand behandelt wird. Die danach ausgerichtete Analyse ergibt, daß immerhin fünf der sechzehn Betriebswirtschaftslehren 5 1 die Unternehmung nicht vom Koordinatensystem einer Wirtschaftsordnung abhängig sehen wollen. Soweit Unternehmung und Unternehmer systembezogen definiert sind, werden die Darstellungen danach gegliedert, welche Funktionen letztlich als unternehmerkonstitutiv gelten können. Wie oben schon erörtert, ergibt sich daraus die Unterscheidung zwischen einer „kapitalwirtschaftlichen", einer „dispositionswirtschaftlichen" und einer „kombinativen" Betrachtungsweise. N u n ist eine eindeutige Zuordnung der einzelnen Autoren aus zwei Gründen zunächst nicht immer eindeutig möglich. Erstens definieren Verschiedene ausgesprochen zweigleisig oder gar zweideutig. Zweitens äußern sich die meisten nicht direkt zur Systembezogenheit des Unternehmerbegriffs und damit natürlich noch weniger zu den dabei möglichen Modifikationen. Deshalb schien es unumgänglich, mittels weiterer Ortungskriterien abzustecken, welche Funktionen i n jedem Falle als unverzichtbar und damit begriffsbestimmend angesehen werden. W i r entschieden uns für den „Grenzfall" als Indikator zur Bestimmung der Betrachtungsweisen. 49 50 51
Vgl. Veil, Κ., Das Wesen von Unternehmung und Unternehmer, S. 11. Ausnahmen bilden die Darstellungen von Nicklisch und Lohmann. Vgl. dazu Punkt 23 dieser Arbeit.
58
2. Die
irtschaftsordnende Betrachtungsweise
Soweit noch andere Begriffsbestimmungen von den Autoren vertreten werden, müssen sie die „Extremfalldefinition" einschließen. So findet man neben der dispositionswirtschaftlichen Betrachtungsweise zuweilen eine kombinative, die vielleicht sogar — wie etwa bei Leitner — die Normalvorstellung vom Unternehmer bildet. Als unverzichtbar kann aber mittels dieser Grenzbetrachtung dennoch nur die erstere bezeichnet werden. Nun zu den Ortungskriterien selbst: Eine kapitalwirtschaftliche Definition w i r d dann unterstellt, wenn i m Grenzfall auch der Kapitalist als Unternehmer gesehen wird, der nur sporadisch und nur bei engbegrenzten Gesamtführungsentscheidungen der Unternehmung beteiligt ist, ansonsten aber auf die laufende Führung des Unternehmens keinen Einfluß nimmt. Als Beispiel sei der Aktionär bzw. die „Aktionärschaft" (Rieger) einer Aktiengesellschaft genannt. Soweit die Führungsfunktion nicht ausdrücklich als ausreichendes konstitutives Unternehmermerkmal bezeichnet wird, versuchen w i r die dispositionswirtschaftliche Betrachtungsweise durch Aussagen zu zwei Gruppen von Betrieben zu interpretieren: den Aktiengesellschaften und den sog. „öffentlichen Betrieben". Mißt man diese beiden Bereiche w i r t schaftlicher Betätigung an der Gesamtzahl aller Betriebe, dann stellen sie zumindest i n der Bundesrepublik tatsächlich nur „Einsprengsel" dar, die nicht einmal ein Prozent der Gesamtmasse ausmachen 52 . Insoweit — diese Prämisse ist allerdings zu beachten! — können sie auch als Grenzfälle bzw. Grenztypen innerhalb der unterstellten kapitalistischen Marktwirtschaft bewertet werden. Sofern nun den Trägern der Gesamtführungsaufgabe bei diesen Betriebstypen die Unternehmereigenschaft zuerkannt wird, selbst wenn sie als Vorstand der A G nicht maßgeblich am Aktienkapital beteiligt bzw. als Leiter eines öffentlichen Betriebes nicht nur eine ausführende Instanz einer übergeordneten Zentralstelle sein sollten, dann kann man unterstellen, daß die reale Ausübung der Kapitalistenfunktion kein unternehmerkonstitutives K r i t e r i u m bildet. Vielmehr ist hier schon der Träger der Gesamtführungsfunktion Unternehmer, wobei jedoch die wesentliche Gesamtführungsentscheidung über die betriebliche Zielfunktion außerhalb seines Einflußbereiches liegt. 52
Natürlich ist diese Zahl wenig aussagekräftig. Mehr leisten hier Vergleiche über Kapital- oder Umsatzanteil sowie über die anteilige Beschäftigtenzahl; allerdings überschreiten diese Werte auch nur ausnahmsweise die 20 ®/o-Grenze, in der Regel liegen sie erheblich darunter. Vor allem sind diese Werte für die oben angeschnittene Problemstellung nicht direkt relevant. Zur relativen Bedeutung der Aktiengesellschaft vgl. Pross H., Manager und Aktionäre in Deutschland — Untersuchungen zum Verhältnis von Eigentum und Verfügungsmacht, Frankfurt/Main 1965, S. 52 ff. Zur Bedeutung der öffentlichen Betriebe vgl. Schnettler, Α., öffentliche Betriebe, Essen 1956, S. 307 ff.
21. Methodische Grundlegungen
Die Ortungskriterien „Aktiengesellschaft" und „öffentlicher Betrieb" werden zur Bestimmung der dispositionswirtschaftlichen Betrachtungsweise alternativ verwendet. Allerdings kann man das letztgenannte noch als Indiz für eine weiter fortgeschrittene Abkehr von der kapitalwirtschaftlichen Vorstellung ansehen. Die „kombinative" Bestimmung des Unternehmerbegriffs schließlich ergibt sich — soweit wieder nicht expressis verbis formuliert —, wenn sowohl die „kapitalwirtschaftliche" als auch die „dispositionswirtschaftliche" Unternehmerdefinition nicht akzeptiert wird. Da die kombinative Betrachtungsweise methodisch gesehen eine Vereinigung der beiden extremeren monistischen Auffassungen ist, w i r d sie i m folgenden erst abschließend behandelt, obwohl sie historisch gesehen den Ausgangspunkt bildet.
22. Der Unternehmer als Gestalter systembezogener Unternehmungen E l f 1 der sechzehn Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren definieren die Unternehmung systembezogen; sie stellt i n der Regel die „versachlichte Institution der Unternehmertätigkeit" 2 dar. Die systemprägenden Determinanten entstammen dabei fast ausnahmslos Modellen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Drei bis fünf 3 verwenden das „modernere" System der kapitalistischen Marktwirtschaft, das den Planungsaspekt i n den Vordergrund rückt. Häufig werden jedoch sowohl Systemelemente als auch Begriffsbezeichnungen verschiedener, teilweise kaum zu vereinbarender Ordnungsmodelle (ζ. B. von SombartlRitsehl und Euchen) i n methodisch wenig wählerischer Weise vermengt. Es entstehen dann Begriffspaare wie Verkehrswirtschaft — Bedarfsdeckungswirtschaft bzw. Gemeinwirtschaft oder (kapitalistische) Marktwirtschaft — Zentralverwaltungswirtschaft bzw. Sozialistische Wirtschaft. Teilweise werden verschiedene Systeme nebeneinander verwendet, wobei dann ζ. B. eines zur Erklärung der Unternehmung, das andere zur systembezogenen Definition des Unternehmers dient 4 , was wiederum die postulierte Einheit zwischen diesen beiden Erklärungsobjekten sprengt. I n der Regel sind Unternehmung wie Unternehmer als historische Kategorien zeitbedingter Wirtschaftsordnungen bezeichnet. Jedoch beschränken nur vier 5 der elf relevanten Autoren ihre Darstellung ausdrücklich auf diesen so eingeengten Betriebstyp, während fast zwei Drittel das Erfahrungsobjekt der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre grundsätzlich i m systemindifferent bestimmten Betrieb sehen wollen. Damit sind die Unternehmung bzw. der Unternehmer eingegrenzte Betriebs- bzw. Führertypen, die bei der Mehrzahl zunächst keineswegs die zentralen ganzheitlichen oder partiellen Erfahrungsobjekte bilden kön1 Es sind: Rieger — Schäfer, Hoff mann, Schmidt, Wöhe, Prion, Thoms, Mellerowicz, Nicklisch, Leitner — Gutenberg. 2 Vgl. Grochla, E., Unternehmung und Betrieb, in: HdSW, 10. Bd., Stuttgart — Tübingen — Göttingen 1959, S. 584. 3 Vgl. die Darstellungen von: Nichlisch, Schmidt, Wöhe sowie zum Teil von Mellerowicz und Gutenberg. 4 Dieses Verfahren ist deutlich bei Mellerowicz und Gutenberg erkennbar. 5 Vgl. dazu die Darstellungen von Leitner, Rieger, Hoffmann und Schäfer.
22. Der Unternehmer als Gestalter systembezogener Unternehmungen 61
nen. Nun zeigt sich aber, daß viele Autoren außerhalb der Diskussionen um Ordnungsmodelle der Gesamtwirtschaft implizit von der gerade bestehenden Wirtschaftsordnung ausgehen, was Grochla übrigens auch bei einer Analyse der Planungsliteratur feststellt 6 . Begründungen für dieses Vorgehen fehlen meist 7 , wie überhaupt auch hier methodische Fragen häufig recht beiläufig und obenhin behandelt sind. Über diesen Umweg können dann Unternehmungen und Unternehmer doch als die faktischen — nicht als die methodisch gewollten — Erfahrungsobjekte der meisten Gesamtdarstellungen dieser Gruppe bezeichnet werden. Allerdings sind für diese Analyse nur Passagen relevant, die Unternehmung und Unternehmer unter dem Gesichtspunkt einer bestimmten Wirtschaftsordnung abhandeln und darüber hinaus beide systembezogen betrachten. Dies gilt auch dann, wenn der Autor damit i n erster Linie einer historeographischen Pflicht genügen w i l l , dagegen sein zentrales Erfahrungsobjekt (Betrieb) i n die Koordinaten eines anders strukturierten Wirtschaftssystem stellt 8 . Insoweit ist der Untersuchungsbereich eingegrenzt. Dagegen sind auch solche Aussagen berücksichtigt, bei denen aus semantischen — vor allem stilistischen — Gründen für Unternehmung und Unternehmer andere Termini wie Geschäft, Werk, u. U. Betrieb oder Betriebsleiter, Direktor, Vorstand und Geschäftsleitung etc., verwendet werden, soweit sie i n erkennbarer Weise als Synonyme aufzufassen sind. Wie schon i m vorstehenden Punkt begründet, werden die elf Vertreter einer systembezogenen Betrachtungsweise von Unternehmung und Unternehmer weiter danach eingeteilt, welche Bedeutung sie der Gesamtführungs- und der Kapitalistenfunktion als konstitutive Merkmale beimessen9. Unter diesem Aspekt ergibt sich eine eindeutige Bevorzugung der „dispositionswirtschaftlichen" Unternehmerdefinition. Sowohl die „kapitalwirtschaftliche" als auch die „kombinative" Begriffsbestimmung sind unter Berücksichtigung der Grenzbetrachtung nur je einmal vertreten 1 0 . Die neun Anhänger einer dispositionswirtschaftlichen Betrachtungsweise 11 sollen nicht mehr i n weiteren Untergruppen zusammengefaßt * Vgl. Grochla, E., Betrieb und Wirtschaftsordnung, a.a.O., S. 25. 7 Erkennbare Ausnahmen bilden hier die Darstellungen von Thoms und Wöhe. 8 Dies ist besonders bei Thoms zu erkennen, der die Unternehmung als „überwundenen" Betriebstyp ansieht und stattdessen den nationalsozialistischen Betrieb in den Mittelpunkt rückt. • Damit erweist sich die funktionale Betrachtungsweise auch hier als analytisch besonders wertvoll. 10 Die erstgenannte findet sich bei Rieger, die zweite bei Gutenberg. 11 Dazu zählen: Schäfer, Hoff mann, Schmidt, Wöhe, Prion, Thoms, Mellerowicz, Nicklisch und Leitner.
62
2. Die
irtschaftsordnende Betrachtungsweise
werden, zumal hierfür keine eindeutige Abgrenzungsmerkmale vorliegen. Die Reihenfolge der Behandlung ist danach festgelegt, inwieweit der jeweilige Autor mehr zur vorstehend behandelten kapital wirtschaftlichen Definition oder zur anschließend dargestellten kombinativen Betrachtungsweise tendiert 1 2 . Außerdem scheint es nicht nachteilig, i m ersten Hauptkapitel die einzelnen Verfasser einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre gesondert und i n relativ eingehender Weise abzuhandeln. Der grundsätzlich immer damit verbundenen Gefahr einer unübersichtlich-zerfließenden Darstellung wurde zu begegnen versucht durch diese i n deduktiver Weise vorweggenommene Übersicht, die gleichzeitig noch Zwischentexte zu den einzelnen Unterkapiteln erübrigen soll.
221. Der kapitalwirtschaftlich orientierte Unternehmerbegriff Riegers Unternehmerdefinition kann weitgehend auf der gesamtwirtschaftlich und historisch orientierten Systemtypologie Sombarts und der vorwiegend mikroökonomisch wie juristisch ausgerichteten Begriffsbildung Liefmanns erklärt werden. Für Rieger ist die Unternehmung eine historische Erscheinungsform, ein K i n d des Kapitalismus und der Gewerbefreiheit 18 . Weitere wesentliche Bestimmungsfaktoren sind: nennenswerter und risikobehafteter Einsatz privaten Kapitals 1 4 zum Zwecke der Gewinnerzielung 1 4 sowie Arbeit für einen anonymen M a r k t 1 5 . Der Betrieb w i r d schon — vgl. Gutenbergs Ansätze — bei Rieger als wirtschaftlich indifferent" 1 6 bezeichnet. Er ist lediglich die „technische Grundlage", der „Körper" bzw. das „ V e h i k e l " 1 7 der Unternehmung — vor allem geprägt durch die „Unternehmungsidee" 17 , den „Wirtschaftsgeist" 1 ® des erwerbswirtschaftlichen Prinzips, wobei i m „Kapitalkonto . . . der Unternehmungsgedanke geldlich zum Ausdruck gelangt" 1 6 . Diese kapitalwirtschaftliche Betrachtungsweise gilt i n gleicher Weise für den Unternehmer, ist doch die Unternehmung nichts anderes als die „versachlichte Institution" (Grochla) seiner Tätigkeit, da „seine Stellung i n der W i r t s c h a f t . . . dem sprachlichen Inhalt des Wortes Unternehmung 12 Dabei sind jedoch kaum mehr als die jeweils zwei erst- bzw. letztgenannten Darstellungen eindeutig auf eine derartige Tendenz festlegbar. 18 Vgl. Rieger, W., „Privatwirtschaftslehre", a.a.O., S. 16. 14 Vgl. ders., S. 15, 18 f., 28, 72 und S. 44, 47, 83. 15 Vgl. ders., S. 16. 18 Ders., S. 41. 17 Vgl. ders., S. 40.
22. Der Unternehmer als Gestalter systembezogener Unternehmungen 63
durchaus entspricht u n d gerecht w i r d " 1 8 . Wie Grichting richtig erkennt, w i r d bei Rieger „die Unternehmung rein subjektiv, d. h. v o m Unternehmerstandpunkt betrachtet". Dabei ist eine Verbindung zwischen dem E r kenntnisobjekt seiner Privatwirtschaftslehre u n d der kapitalistischen Wirtschaftsordnung feststellbar 1 9 . So genügt für Rieger zur Bestimmung des Unternehmerbegriffs schon der risikobehaftete Einsatz nennenswerten Kapitals zum Zwecke der Gewinnerzielung; die Leitungsfunktion ist dagegen i m Grenzfall irrelevant 2 0 . Deshalb sieht er nicht i m Vorstand — aber auch nicht i m Aufsichtsrat — der Aktiengesellschaft den Träger der Unternehmung. Die Bezeichnung „Unternehmer" ist hier lediglich auf die Gesamtheit der Aktionäre, auch „Aktionärschaft" genannt, anwendbar, denn n u r sie k a n n als „Verkörperung des kapitalistischen Gedankens" angesehen werden. Auch rechtlich ist die Aktionärschaft durch die gesetzliche Institution der Generalversammlung oberste Instanz, während der Vorstand lediglich „Sachwalter" sein und jederzeit abberufen werden k a n n 2 1 . D a m i t entspricht Riegers Unternehmerbegriff i n allen wesentlichen Punkten der zum Teil schon r u n d zwanzig Jahre früher formulierten Definition Liefmanns 22, der selbst wiederum i n einigen A s p e k t e n v o n Sombart beeinflußt w a r 2 8 . Bei dieser pointierten Begriffsbestimmung ist es verständlich, daß Rieger die Betriebe der öffentlichen Hand, „soweit sie nicht reine E r werbswirtschaften sind" 2 4 , nicht als Unternehmer bezeichnen kann. Selbst die gemischtwirtschaftlichen liegen außerhalb seines Erkenntniszieles u n d fallen damit „aus dem Rahmen dieses Buches" 2 4 . Riegers U n 18 19
S. 60.
Rieger, W., „Privatwirtschaftslehre", a.a.O., S. 16. Vgl. Grichting, E., Die Privatwirtschaftslehre als Wissenschaft, a.a.O.,
20 Vgl. Rieger, W., a.a.O., S. 124 und 178 (danach wären bei einer ausschließlich mit Fremdkapital finanzierten Unternehmung die Gläubiger die Unternehmer). 21 Vgl. ders., S. 124. 22 Vgl. Liefmann, R., Die Unternehmerverbände, ihr Wesen und ihre Bedeutung, Freiburg i. Br. 1897 sowie ders., Die Unternehmungsformen, 4. Aufl., Stuttgart 1928 (1. Aufl. 1912). Auch Liefmann geht von der ethymologischen Bedeutung des Wortes „unternehmen" aus; auch er stellt die Kriterien Kapital, Risiko, Gewinnerzielung, Einsatz eigenen Kapitals, Produktion für den Markt für die Begriffsbestimmung von Unternehmen und Unternehmer in den Mittelpunkt (vgl. Lief mann, „Die Unternehmerverbände", a.a.O., S. 3—8 und 20—24); schließlich bezeichnet er schon „die Gesamtheit der Aktionäre" als die Unternehmer der Aktiengesellschaft (vgl. Liefmann, R., Die Unternehmungsformen, a.a.O., S. 50). 28 Vor allem trifft dies auf die Trennung zwischen Unternehmer und Handwerker zu, die übrigens auch bei Rieger ausführlich diskutiert wird. Vgl. dazu Rieger, W., „Privatwirtschaftslehre", a.a.O., S. 15 f. ; vgl. ebenfalls Turin, G., Der Begriff des Unternehmers, a.a.O., S. 89 ff. 24 Rieger, W., „Privatwirtschaftslehre", a.a.O., S. 31.
64
2. Die
irtschaftsordnende Betrachtungsweise
ternehmerbild ist damit nur innerhalb der historischen Wirtschaftsordnung des Kapitalismus denkbar und auf „Gedeih und Verderb" m i t ihr verbunden 25 . Aber selbst hier sieht er i n idealtypischer Weise nur die reinen Formen, wobei die volkswirtschaftliche und formal-rechtliche Betrachtungsweise deutlich überwiegt. Riegers und selbst Liefmanns kapitalwirtschaftliche Unternehmerdefinitionen waren — wie viele Erkenntnisse der Volkswirtschaft — keineswegs wissenschaftliche Kinder des 20. Jahrhundert. Schon ein — allerdings lange unbeachteter 26 — Vorläufer der physiokratischen Schule, Richard Cantillon, sah i n jedem Aktionär der „Südseegesellschaft" einen Unternehmer 2 7 . Fast zur gleichen Zeit (1770) definiert dagegen der „Teilphysiokrat" 2 6 Jaques Turgot den Unternehmer vor allem als „Kapitalanwender" und zeigt dabei schon Ansätze, i h n vom Kapitalisten zu trennen 2 7 . Diese werden kaum vier Jahrzehnte später von J. B. Say noch weiter ausgebaut, der i m Unternehmer den Koordinator von (volkswirtschaftlichen) Produktionsfaktoren sieht 2 8 . Wenn es auch hier um primär gesamtwirtschaftliche Unternehmerfunktionen i m Zusammenhang mit Problemen der Ertragsbildung und -Verteilung geht und der Aspekt der Wirtschaftsordnung weder den Anlaß noch das Zentralproblem für Says Überlegungen darstellen, so w i r d doch die dispositionswirtschaftliche Betrachtungsweise schon methodisch vorbereitet.
222. Die dispositionswirtschaftliche Begriffsbestimmung des Unternehmers Als erster Vertreter dieser Betrachtungsweise soll Erich Schäfer behandelt werden, da er die Unternehmung ganz i m Sinne seines Lehrers Rieger definiert 2 9 und sie ebenfalls zum Erkenntnisobjekt seiner Betriebswirtschaftslehre erhebt 30 . Bei der Unternehmerdefinition scheint Schäfer dagegen deutlich von Rieger abzuweichen, obgleich explizite Aussagen darüber nicht vorliegen. Schäfer stellt die Unternehmung mit seltener Klarheit i n den Rahmen einer kapitalistischen Marktwirtschaft, die auf „Individualeigentum und Privatinitiative beruht" 3 1 . „Gewisse öffentlich-rechtliche bzw. gemeinwirtschaftliche Regelungen" werden i m Sinne einer realistischen Beur25
Grichting, E., Die Privatwirtschaftslehre als Wissenschaft, a.a.O., S. 60. « Vgl. Gide, Ch. und Rist, Ch., a.a.O., S. 52 ff. und Turin, G., a.a.O., S. 9. Vgl.Turin, G., a.a.O., S. 9. 28 Vgl. Gide, Ch. und Rist, Ch., a.a.O., S. 116 ff. und Turin, G., a.a.O., S. 45 f. 29 Vgl. Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 102 ff. 80 Vgl. ebd., S. V I , 78 und 102 ff.; vgl. dazu auch ders., Betriebswirtschaftslehre und Privatwirtschaftslehre, in: ZfB 1925, S. 443 ff. 81 Vgl. ebd., S. 78. 2
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22. Der Unternehmer als Gestalter systembezogener Unternehmungen 65
teilung der Wirtschaftswirklichkeit und auch i m Sinne Ritschis 82, der die Wirtschaftsordnung als eine Kombination verschiedener Wirtschaftssysteme auffaßt, insoweit akzeptiert, als sie „Einschränkungen", aber keine Strukturveränderungen darstellen. Die Unternehmung ist damit eine historische Kategorie, die durch den außenbezogenen „Zweck-, Finanz- und Rechtsaspekt" zu erfassen ist. Der Betrieb dagegen ist nicht nur systemindifferent, sondern i m wesentlichen auch n u r das „körperlich-seelische Gehäuse", das „Durchführungsorgan" 8 3 , also wie bei Rieger das „Vehikel der Unternehmung". Vielleicht ist es eine Folge der thematischen Beschränkung seiner Darstellungen auf die Unternehmung, daß bei Schäfer Aussagen darüber fehlen, ob der Begriff des Unternehmers i n gleicher Weise systemgebunden und historisch gesehen wird. W i r können Schäfer also nicht als Vertreter einer reinen dispositionswirtschaftlichen Begriffsbestimmung ansprechen. I m m e r h i n unterscheidet er jedoch eindeutig zwischen der „ K a pitalisten» und der Führungsfunktion", und manches spricht dafür, bei i h m die Führung als die unternehmerkonstitutive F u n k t i o n zu interpretieren 3 4 . Hoffmann kann ebenfalls nicht ganz k l a r eingeordnet werden. Der Hauptgrund liegt i n seiner nicht immer eindeutigen Bezugnahme auf ein bestimmtes Wirtschaftssystem. I n erster L i n i e denkt Hoffmann i n privatwirtschaftlichen Kategorien. Er versucht, seine „Wirtschaftslehre der kaufmännischen Unternehmung" unter dem Gesichtspunkt des K a p i talbildungszwecks zu systematisieren 35 . Des öfteren setzt er P r i v a t w i r t schaftslehre und Betriebswirtschaftslehre gleich 8 8 . Nicht selten w i r d der 82
Vgl. Ritsehl, H., Wirtschaftsordnung, a.a.O., S. 192 f. Vgl. Schäfer, E., a.a.O., S. 102 ff. und 76 ff. 84 Dafür sprechen folgende Punkte: a) Der Unternehmer wird auch begrifflich lediglich innerhalb des Kapitels „Fragen der Unternehmungs- und Betriebsleitung" behandelt (vgl. insbes. S. 109 f.). b) Es wurde keine Erklärung des Inhalts gefunden, daß der Einsatz eigenen Kapitals begriffsnotwendiger Bestandteil der Unternehmerdefinition sei. — Allerdings fanden wir auch keine gegenteilige Behauptung. c) Aktionäre und Kommanditisten werden nicht als Unternehmer angesprochen (vgl. S. 68 ff.). Dieser Tatbestand ist u. E. das wichtigste Indiz. d) I n gleicher Richtung weist die Übernahme einer Definition von Kurt Wiedenfeld, in der der Unternehmer als Kombinator von Produktionsfaktoren definiert wird (vgl. S. 131). 85 Vgl. Hoffmann , Α., „Wirtschaftslehre", a.a.O., S. I I I . 80 Vgl. ders., S. 8, 9, 12 f.; vgl. S. 9: „Die kapitalistische Wirtschaftsgesellschaft erkennt das privatwirtschaftliche im Privateigentum verankerte Gewinnstreben des Unternehmers als Wert an, und die Betriebswirtschaftslehre hat sich mit dieser Tatsache abzufinden, wenn sie nicht ihren eigenen Charakter aufgeben will." Und auf S. 8 betont Hoffmann: „Betriebswirtschaftslehre und Privatwirtschaftslehre im Sinne der Unternehmungslehre stehen nicht nebeneinander, sondern sind ein und dieselbe Wissenschaft." 88
5 Wunderer
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2. Die Wirtschaftsordnende Betrachtungsweise
Unternehmer ohne Einschränkungen m i t dem „Realkapitalisten", also dem Eigentümer der Produktionsmittel identifiziert 3 7 . Die Unternehm u n g w i r d dagegen nicht privatkapitalistisch gesehen. Vielmehr ist einziges K r i t e r i u m die Zielfunktion „Ertragsstreben". I m E x t r e m f a l l des „gemeinnnützigen Unternehmens" genügt sogar schon das Streben nach einem kostendeckenden Ertrag 3 8 . Bei Hoff mann w i r d damit noch stärker als bei Prion u n d Mellerowicz die konstitutive Bedeutung der W i r t schaftsgesinnung sichtbar, die hier von der I n s t i t u t i o n des Privateigentums gänzlich gelöst ist. Hoffmann sieht i m „Ertrags- oder Rentabilitätsprinzip das A u s w a h l p r i n z i p " 3 9 . H i e r i n und i n der Ausübung von „ M a r k t f u n k t i o n e n " unterscheidet sich die Unternehmung vom Betrieb, der — w i e bei Rieger — mehr die „sachlich-technische Grundlage" 4 0 bildet. Gleich der Unternehmung w i r d auch der Unternehmer verschiedentlich aus der kapitalwirtschaftlichen Bindung gelöst, u n d zwar i n F o r m einer dispositionswirtschaftlichen Betrachtungsweise. Unternehmer ist danach, wer das zur Verfügung gestellte K a p i t a l zur Disposition über die realen Produktionsmittel verwendet; i n diesem Zusammenhang unterscheidet Ho ff mann den Disponenten als Unternehmer v o n dem, „der das K a p i t a l zur Verfügung s t e l l t " 4 1 . Hoffmann wechselt also zwischen einer kapitalwirtschaftlichen Betrachtungsweise i m Sinne Riegers 42 und einer dispositionswirtschaftlichen Begriffsbestimmung. Da er letztere vor allem bei der methodenbewußten Objektbestimmung u n d bei der Diskussion der „Ortungskriterien" verwendet, w i r d er zu den Vertretern dieser Richtung gezählt, auch w e n n er vielleicht i m Grunde der kapitalwirtschaftlichen näher steht. Obgleich Fritz Schmidt ebenfalls zu den stark volkswirtschaftlich ausgerichteten Betriebswirtschaftern gezählt w i r d , sind seine Äußerungen über das Verhältnis v o n Wirtschaftssystem zu Unternehmung u n d Unternehmer mehr obenhin und dazu noch wenig präzise formuliert. Unter den Bezeichnungen „Wirtschaftsordnung" 4 3 , „Regelung der Wirtschaft" 4 4 u n d „ M a r k t o r d n u n g " 4 5 w i r d das aus verschiedenen Ordnungsmodellen entlehnte Systempaar freie bzw. liberale M a r k t w i r t 37
Vgl. Hoffmann , Α., Wirtschaftslehre, a.a.O., S. 6, 7, 10, 111, 196. Vgl. ders., S. 4 f., 8. 39 Vgl. ders., S. 3. 40 Vgl. ders., S. 3 f., 7. 41 Vgl. ders., S. 109 f., 123, 180, 182. 42 Hoffmann zitiert in diesem Sinne auch Rieger (vgl. S. 12) und Leitner (vgl. S. 8). 43 Vgl. Schmidt, F., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 8 f. 44 Vgl. ders., S. 80 ff. 45 Vgl. ders., S. 183 ff. 38
22. Der Unternehmer als Gestalter systembezogener Unternehmungen 67
schaft und (kommunistische) Planwirtschaft zu meist kasuistischen Erklärungsversuchen herangezogen. Grundlage seiner „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre" ist der „wirtschaftliche Betrieb", der durch die systemindifferenten Determinanten" planmäßig und einheitlich geleitete Organisation", das „Ziel der Bedürfnisbefriedigung" und das „Prinzip der Wirtschaftlichkeit" geprägt ist 4 6 . Dieser kann je nach dem Leistungsschwerpunkt als Produktiv-, Konsum-, Verwaltungs- oder Produktiv-Konsumbetrieb tätig werden 4 7 . „Hauptgegenstand der Betriebswirtschaftslehre sind die Produktivbetriebe"; innerhalb der m a r k t w i r t schaftlichen Wirtschaftsordnung übernimmt die „private Unternehmung die führende Rolle" 4 6 . Durch das K r i t e r i u m des Gewinnstrebens w i r d die Unternehmung einerseits systemabhängig definiert; zum anderen bedeutet sie auch nur — wie bei Schäfer — den „finanziellen Rahmen" 4 8 . Der Standpunkt des Autors zum Verhältnis von Wirtschaftsverfassung und Unternehmung ist also noch recht klar erkennbar. Für die Beziehungen zwischen Unternehmung und Unternehmer gilt das i n weit geringerem Maße, zumal das Ortungskriterium Aktiengesellschaft i n diesem Zusammenhang nicht angeschnitten wird. Einerseits steht die „einheitliche Leitung", das „Führerprinzip" i m Vordergrund; auch der Begriff des Unternehmers w i r d passim synonym neben denen des „Wirtschafts-" bzw. „Betriebsführers bzw. des „Leiters" verwendet. Andererseits findet sich die Aussage, daß der Unternehmer „ i n der Regel auch der Leiter" der Unternehmung sei. Das könnte — nach den von uns gewählten Kriterien — auf eine kapitalwirtschaftliche Betrachtungsweise schließen lassen. Denn außerhalb dieses Regelfalles müßte auch der reine Kapitaleigner als Unternehmer angesprochen werden. Somit ist festzustellen, daß Schmidt den Unternehmer als Träger der Unternehmung eindeutig mit der kapitalistisch-marktwirtschaftlichen Ordnung verbindet, jedoch nicht sicher darauf festzulegen ist, welche begriffsbildende Bedeutung er der Leitung bzw. dem Kapitalbesitz zumißt. Dieser Gesichtspunkt war für Schmidt — i m Gegensatz etwa zu Rieger — wahrscheinlich ohne methodischen Belang, da ja auch die Unternehmung nur einen Spezialfall seines Erfahrungsobjektes „Betriebswirtschaft" darstellt und der Unternehmer auch i n den anderen Aspekten lediglich beiläufig behandelt ist. W i r halten die Aussage i n Richtung kapitalwirtschaftlicher Definition aber für methodisch weniger belangvoll als die verschiedenen Indizien, die für eine dispositionswirtschaftliche Interpretation sprechen. 48
Vgl. ders., S. 8. Produktivbetriebe sind dabei nicht nur Produktions-, sondern auch Handels« und Dienstleistungsbetriebe. 48 Vgl. ders., S. 9. 47
5·
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2. Die Wirtschaftsordnende Betrachtungsweise
Wöhe ist einer der wenigen Verfasser einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre, die sich zuvor monographisch m i t Methodenproblemen befaßten 4 9 . E r neigt gleich Schäfer u n d Schmidt zur Behandlung m i k r o -
ökonomischer Fragestellungen i m Sinne der Volkswirtschaftslehre und vertritt auch i n einem Fall eine kapitalwirtschaftliche Begriffsbestimmung des Unternehmers. Gegenstand seiner Erörterungen ist die wirtschaftliche Seite des Betriebes 60 , der dabei nur „Produktionswirtschaften i m weitesten Sinne" 5 1 umfaßt. Die Determinanten des Betriebes 52 sind vom jeweiligen W i r t schaftssystem abhängig. I n wechselweiser Anlehnung an die Termini von Euchen u n d Ritsehl verwendet er die antithetischen Systembezeichnun-
gen „Marktwirtschaft" und „Zentralverwaltungswirtschaft", die zum Teil auch „Planwirtschaft" genannt wird. I m wesentlichen behandelt er aber weitgehend die kapitalistische Marktwirtschaft i n Anlehnung an Ritschh Das K r i t e r i u m der Planbestimmung bzw. -erfüllung w i r d kombiniert m i t dem Prinzip der Gewinnmaximierung 5 8 . Die Unternehmung ist der Betriebstyp marktwirtschaftlicher Systeme und damit eine historische Erscheinungsform 54 . Die Behandlung der unternehmerischen Zielfunktion zeigt recht deutlich deren unbewußte Verwendung als „Ersatzkriterium" für die — nur beim Extremfall „ A k t i e n gesellschaft" fehlende — Kapitalfunktion 5 5 . Wöhe erkennt grundsätzlich 49
Vgl. Wöhe, G., Methodologische Grundprobleme der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O. 60 Vgl. ders., „Einführung", a.a.O., S. 4. 51 Grundlage ist — wie bei Gutenberg — der aus der V W L übernommene weite Begriff der Produktion, der die Erstellung und Verwertung von Dienstleistungen mit einbezieht. Konsumtionswirtschaften sind allerdings ausgeschlossen. Vgl. S. 5. I n gleicher Weise definieren übrigens Schäfer und Schmidt. 58 Vgl. hierzu die Darstellung Gutenbergs, an die sich Wöhe voll anschließt. 58 Vgl. Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 5 ff., 29 ff., 45, 84, 102. 54 Vgl. ders., S. 6. 55 Diese Hypothese ist nachweisbar, wenn man Wöhes Ausführungen zum erwerbswirtschaftlichen Prinzip näher analysiert. Zunächst setzt er es gleich mit dem Gewinnmaximierungsprinzip (S. 6), später mit dem Spezialfall des Prinzips der Umsatzmaximierung (S. 238), obgleich er in der Regel die Gewinnmaximierung als Maximierung der Differenz zwischen (Grenz-)Erlösen und (Grenz-)Kosten definiert (vgl. S. 178, 222, 247, 250 f., 255 f.). I m Rahmen seiner Darstellung der betrieblichen Produktionsfaktoren bezeichnet er jedoch als das „oberste Ziel eines Betriebes im marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem (Unternehmung), die größtmögliche Rentabilität des im Betriebe eingesetzten Kapitals zu erreichen". (S. 84). Da man den Methodologen Wöhe kaum unterstellen kann, daß er Umsatz-, Kapitalrentabilitätsmaximierung mit der Maximierung der Differenz zwischen (Grenz-)Erlösen und (Grenz-) Kosten ohne weiteres gleichsetzt, ist seine definitorische Inkonsequenz wohl eher aus der unterbewußten Verwendung dieser unternehmerischen Zielfunktion als einer „kapitalistischen Ersatzfunktion" erklärbar.
22. Der Unternehmer als Gestalter systembezogener Unternehmungen 69
allen Betrieben der öffentlichen Hand keine Unternehmungseigenschaft zu, obgleich sie sich — wie er selbst betont — „teilweise nicht von den Unternehmungen" unterscheiden 56 . Die Beziehung Unternehmung zum Unternehmer w i r d dagegen nicht i m einführenden Abschnitt über „Gegenstand und Methoden der Betriebswirtschaftslehre" zu klären versucht, sondern erst bei der Darstellung der betrieblichen Produktionsfaktoren innerhalb des Faktors Betriebsführung. Die Bezeichnung „Betriebsführung" läßt dabei vermuten, daß Wöhe bewußt einen systemindifferenten Begriff wählte, u m die beiden gesamtwirtschaftlichen Ordnungsmodelle untersuchen zu können. Aber schon m i t den ersten Sätzen erklärt er seine Absicht, nur das kapitalistisch-marktwirtschaftliche System behandeln zu wollen. Dabei zeigt er einmal eine kapital wirtschaftliche Betrachtungsweise: er „spaltet" den Unternehmerbegriff i n „Unternehmer i m Sinne von Betriebsleiter und Unternehmer i m Sinne von Kapitalgeber" 5 7 ; der eine „leitet den Betrieb", der andere „trägt das Kapitalrisiko" 5 7 . Jedoch, Wöhe beschränkt sich nicht auf diese Definitionen. Denn anschließend bezeichnet er den Kommanditisten als Unternehmer i m Sinne als Kapitalgeber, während er dies für den Aktionär verneint, w e i l er sein Kapitalrisiko „durch Verkauf seiner A k t i e n täglich einem anderen übertragen kann" und der Vorstand „sämtliche Führungsentscheidungen selbständig zu treffen hat und die gesamte Verantwortung für die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft und das i h m anvertraute Kapital trägt" 5 8 . Somit ist Wöhes kapitalwirtschaftliche Betrachtungsweise des Unternehmers doch wieder aus der dispositionswirtschaftlichen heraus erklärt. Denn nach Wöhe kann der Kapitalist nur bei dauerhaftem und maßgeblichem Einfluß auf die Entscheidungen der Betriebsführung als Unternehmer bezeichnet werden, während i m anderen Falle allein schon die Ausübung der Funktion „Betriebsleitung" genügt 5 9 . Prion beschäftigt sich i n seiner „Lehre vom Wirtschaftsbetrieb" eingehend m i t methodischen Abgrenzungen. Gegenstand seiner Darstellung M
Vgl. ders., a.a.O., S. 7 und S. 115 f. Vgl. Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., 85. 58 Ders., S. 86. — Die der wirtschaftlichen Praxis völlig entgegenstehende Behauptung, der Aufsichtsrat habe höchstens insoweit Einfluß auf die Geschäftspolitik, als er vom Vorstand ohne rechtliche Verpflichtung „zu Rate" gezogen werden könne, wurde wohl ebenfalls von Gutenberg übernommen. Vgl. Gutenberg, E., Unternehmensführung, a.a.O., S. 43. 5 · Die Behandlung dieser Fragen im Abschnitt „Betriebsführung" ist ein weiteres Indiz für die vorwiegend dispositionswirtschaftliche Betrachtungsweise des Unternehmers. Ob der Leiter einer Zentralverwaltungswirtschaft als Unternehmer bezeichnet werden kann, ist damit aber ebensowenig geklärt wie die Frage, ob dies wenigstens bei einem erwerbswirtschaftlich geführten Betrieb der öffentlichen Hand möglich wäre. 57
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2. Die
irtschaftsordnende Betrachtungsweise
ist der Wirtschaftsbetrieb. Dieser umfaßt zwei Aspekte: die Wirtschaft (mit den Kriterien Wirtschaftsplan, Vermögen und Kapital, Umsatz, Gew i n n und Verlust) und den Betrieb (gekennzeichnet durch die Aufgabenstellung, die Menschen, die Organisation und die Wirtschaftlichkeit) 60 . Beide Aspekte sind zeitlos 61 . Dabei erfaßt die Kategorie „Wirtschaft" alle „Wirtschaftsweisen", von der Hauswirtschaft bis zur Unternehmung. Es w i r d also i n der A r t der historischen Wirtschaftsstufenlehre gegliedert, worin sich schon der Einfluß Sombarts deutlich zeigt. Die kapitalistische Unternehmung als besondere Wirtschaftsweise ist als eine Unterart der Erwerbswirtschaft sogar expressis verbis m i t den Kriterien Sombarts definiert: Kapitalrechnung, rechnerische Verselbständigung durch die doppelte Buchhaltung, institutionelle Verselbständigung durch die Trennung von „Geschäft" und dem jeweiligen „Unternehmer", Streben nach Gewinn und Kapitalrente sowie Eingehen von Kapitalrisiken 6 2 . Als Unternehmer w i r d derjenige bezeichnet, „der die kapitalistische Unternehmung v e r w i r k l i c h t " 6 3 ; er ist damit an die verfassungsmäßigen „Voraussetzungen der kapitalistischen Unternehmung gebunden: an den freien Wettbewerb, der das Marktrisiko, aber auch die Chance des Gewinnes einschließt" 63 . Prion bindet den Unternehmer damit i n gleich ausschließlicher Weise an die Wirtschaftsordnung wie die Unternehmung. Analysiert man seine Ausführungen zum Grenzfall der gemeinwirtschaftlichen Unternehmung, dann kann sogar ein noch engerer Zusammenhang interpretiert werden. Prion betont auch konsequenterweise, daß Genossenschaften nicht als kapitalistische Unternehmungen bezeichnet werden können, nennt aber deren Träger dennoch Unternehmer, genauer „Quasi-Unternehmer" 6 4 , weil sie "wie Unternehmer tätig sein wollen" 6 5 . Beim zweiten Grenzfall „Aktiengesellschaft lehnt er es entschieden ab, den Aktionär als Unternehmer zu bezeichnen. A l l e i n der Vorstand ist für i h n hier relevant, womit er sich eindeutig zur dispositionswirtschaftlichen Betrachtungsweise bekennt 6 6 . Als nennenswerte Besonderheit ist noch anzuführen, daß Prion gelegentlich den Verwirklicher des systemneutralen Betriebsaspektes 60
Vgl. Prion, W., „Die Lehre", Bd. 1, a.a.O., S. 27. Vgl. ders., S. 26. 68 Vgl. ders., S. 15 ff. und Sombart, W., Der moderne Kapitalismus, a.a.O., 1. Bd./l. Hälfte, S. 319 ff. 68 Prion, W., „Die Lehre", 3. Buch, a.a.O., S. 43. 64 Diesen Ausdruck verwendet Prion nicht. 65 Vgl. Prion, W., „Die Lehre", 3. Buch, a.a.O., S. 43 sowie ders., 1. Buch, a.a.O., S. 41 ff. 66 Vgl. ders., 3. Buch, a.a.O., S. 44. 61
22. Der Unternehmer als Gestalter systembezogener Unternehmungen
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„Betriebsführer" nennt, diesen aber dann unterscheidet einmal vom „Unternehmer" als Verwirklicher einer speziellen Wirtschaftsweise des Aspekts „Wirtschaft", zum anderen vom „Betriebsleiter", der die technische bzw. verwaltungsmäßige Seite des Wirtschaftsbetriebes zu lösen hat und schließlich vom „Wirtschaftsführer". Diese Bezeichnung ist für den Unternehmer großer Wirtschaftsbetriebe reserviert, die dank ihrer Stellung gleichzeitig maßgeblichen Einfluß auf die Führung der Gesamtwirtschaft nehmen können 6 7 . Somit ist Prions Darstellung nicht nur ein Beispiel konsequenter Begriffsabgrenzung. Sie bestätigt zugleich den außerordentlich engen Bezug von Unternehmer und Wirtschaftssystem, der i n dieser Reinheit eben nur durch die Bildung neuer Begriffe für andere Aspekte des behandelten Wirtschaftssubjekts hergestellt werden kann. Thoms bezeichnet i n seiner Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre i n ähnlich ausschließlicher, jedoch weitaus kürzerer Weise wie Prion, Unternehmung und Unternehmer als Repräsentanten einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung 68 . Was bei Prion schon anklingt, steht bei Thoms i m Mittelpunkt: der strukturbildende Einfluß der nationalsozialistischen Wirtschaftsordnung, die vor allem von der besonderen Arbeitsordnung geprägt wird. Die Unternehmung w i r d dabei i n erster Linie als negative Antithese zum „deutschen sozialistischen Betrieb" gesehen. Die Unternehmung ist danach „Geldfabrik" 6 9 i n einer Wirtschaft, die ausschließlich auf „Kapitalverwertung" 7 0 gerichtet ist und deren „Wesensbestandteile" u. a. sind: „1. die industrielle Reservearmee; sie steht i m Widerspruch zur deutschen Arbeitsehre, 2. die kapitalistische Konjunktur; sie steht i m Widerspruch zum deutschen Gestaltungswillen, 3. die jüdische Spekulation, d. h. die künstliche Verknappung von Angebot und Nachfrage; sie steht i m Widerspruch zum deutschen Erfolgsstreben 71 ." Statt des Kapitals, der Eigentumsordnung, ist i m nationalsozialistischen Betriebstyp „die A r b e i t . . . zum Kraftquell der Wirtschaft geworden" 7 1 . M i t dieser besonderen Betonung der Arbeit w i r d die Betriebsgemeinschaft „der Träger des Betriebslebens" 72 , deren „Spitze" der „Betriebsführer" bildet 7 3 . Dieser hat neben wirtschaftlichen i m besonderen Maße auch politische Aufgaben zu erfüllen 7 3 . Andererseits nimmt «7 Vgl. 88 Vgl. 69 Vgl. 70 Vgl. 71 Vgl. 72 Vgl. 73 Vgl.
ders., ebd., S. 44 f. Thoms, W., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 16 f. ders., S. 14. ders., S. 97. ders., S. 22. ders., S. 37 ff. ders., S. 58.
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2. Die Wirtschaftsordnende Betrachtungsweise
der Staat starken Einfluß auf Gesamtführungsentscheidungen 74 ; aus diesem Grunde steht für den Betriebsführer — nolens volens — „die Menschenführung i m Vordergrunde" 7 8 . Unternehmung und Betrieb sind also beide systemgebunden. Das gleiche gilt für die Erfahrungsobjekte Unternehmer und Betriebsführer: „Die nationalsozialistische Revolution hat den Unternehmer zum Betriebsführer gemacht 75 ." Diese doppelte Systembindung von Unternehmung und Betrieb ist bei den anderen Betriebswirtschaftslehren nicht explizit formuliert — jedoch nicht selten implizit unterstellt —, weshalb Thoms auch aus diesem Grunde methodisch besonders interessant ist. Mellerowicz definiert i n seiner Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre die Unternehmung, wie sein Berliner Kollege Prion, an Hand der K r i t e rien Sombarts als historische Form des kapitalistischen Wirtschaftssystems7®. Der Wirtschaftsbetrieb bzw. die Betriebswirtschaft w i r d durch den systemneutralen technischen Aspekt „Betrieb" und den systembezogenen wirtschaftlichen Aspekt der „Wirtschaft" erfaßt 77 . Während sich Mellerowicz bei dieser begrifflichen Abgrenzung der Betriebswirtschaft eindeutig und ausdrücklich an die Typologie Sombarts hält, geht er kaum einhundert Seiten später i m Kapitel „Der Betrieb als Glied der Gesamtwirtschaft" 7 8 auf die Typologie Euchens über, die nun die Grundlagen für das Erkennen der Wirtschaftsordnung bieten soll 7 9 . U n d schließlich vermischt er diese wieder m i t Systemelementen des Modells von Sombart, das er jetzt aber nur noch m i t einem Teilkriterium — der W i r t schaftsgesinnung — identifiziert 8 0 . Und dies, obgleich Euchen diese Mischung m i t ausführlichen historischen und methodischen Argumenten entschieden verurteilt 8 1 . Immerhin bleibt er insoweit konsequent, als er zum Aspekt Unternehmung—Wirtschaftssystem schließlich doch nur auf die Kriterien Sombarts zurückgreift, während Euchen lediglich für die Erklärung der Wettbewerbs- und Marktformen herangezogen wird. Das entscheidende Merkmal des Unternehmungsbegriffs zur Abgrenzung 74
Vgl. ders., S. 27 f. Thoms, W., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 58. 78 Vgl. Mellerowicz, K , „Allgemeine BWL", a.a.O., 1. Bd., S. 18 ff. 77 Vgl. ders., S. 18 f. — Hier ist wieder eine deutliche Verwandtschaft mit Prion erkennbar. 75
78
Vgl. ders., S. 102 ff. Vgl. ebd. den Unterpunkt: „Betriebswirtschaft und Wirtschaftsordnung." 80 Vgl. ebd. den folgenden Unterpunkt: „Betriebswirtschaft und Wirtschaftsgesinnung" (S. 115 ff.). 81 Vgl. Euchen, W., Grundlagen der Nationalökonomie, 5. Aufl., S. 205 ff. 79
22. Der Unternehmer als Gestalter systembezogener Unternehmungen
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gegenüber dem öffentlichen Betrieb ist der Einsatz privaten Kapitals: „Das Unterscheidungsmerkmal ist also das Eigentum an Produktionsmitteln, nicht etwa ihre besondere Betriebsführung 8 2 ." öffentliche Betriebe sind dann gegeben, wenn sie „ganz oder zum überwiegenden Teil i m Besitz der öffentlichen Hand sind" 8 3 ; diese „können niemals Unternehmungen sein" 8 4 . Demgegenüber w i r d der Begriff des Unternehmers weitergezogen. Soweit i n Betrieben der öffentlichen Hand „mindestens i n geringem Umfang Privatkapital vorhanden ist" und deren Leiter nach p r i v a t w i r t schaftlichen Grundsätzen handeln können bzw. müssen, sind letztere als Unternehmer anzusprechen 85 . Sofern man dem Autor nicht mangelnde Logik unterstellen w i l l , w i r d an diesem Grenzfall deutlich, daß bei Mellerowicz Unternehmer auch Leiter von Betrieben sein können, die nicht mehr als Unternehmungen anzusprechen sind. Abgesehen davon definiert Mellerowicz den Unternehmer 8 6 ganz analog zur Unternehmung, wobei schon hier betont wird, daß der Einsatz privaten Kapitals keineswegs m i t der Bereitstellung eigenen Kapitals identisch sein muß. Damit entfällt bei Mellerowicz die Untersuchung des weiteren Ortungskriteriums „Aktiengesellschaft". Die Betrachtungsweise ist eindeutig dispositionswirtschaftlich; das Privatkapital ist — wie bei Prion — lediglich als Bestimmungsfaktor für die damit verbundene Wirtschafts- und Betriebsverfassung bzw. deren Handlungsmaximen — „Wirtschaftsgesinnung" — bedeutsam. Nicklischs Stärke ist das umgreifende Konzept, das System; die klare und eindeutig formulierte Ausarbeitung einzelner Detailfragen gelingt i h m dagegen weit seltener. Interpretationen sind damit oft unvermeidlich. Der Gesichtspunkt des Wirtschaftssystems w i r d von Nicklisch i n seiner „Betriebswirtschaft" des öfteren tangiert, vor allem i m Zusammenhang mit dem Wertgedanken, den er als „das betriebswirtschaftliche Problem" bezeichnet 87 . Vor allem unter dem Terminus „Rechtssystem" — weitere 82
Mellerowicz, K., „Allgemeine BWL", 1. Bd., a.a.O., S. 129. Ders., S. 129. 84 Ders., S. 20. 85 Vgl. ders., Bd. 4, a.a.O., S. 193. 89 Mellerowicz definiert den Unternehmer folgendermaßen: „Als Unternehmer bezeichnen wir diejenigen Leiter von Betrieben, die unter Einsatz privaten Kapitals — und damit unter Eingehen von Risiken und Wahrnehmung von Chancen — diejenige Kombination der Produktionsfaktoren und deren Verwertung im Absatz planmäßig erstreben, die ihnen auf kürzere oder längere Sicht eine möglichst große Rentabilität des im Betriebe arbeitenden Eigenkapitals (das nicht ihr Kapital zu sein braucht) gewährt." (S. 192). 87 Vgl. Nicklisch, H., Die Betriebswirtschaft, a.a.O., S. 34. 83
74
2. Die Wirtschaftsordnende Betrachtungsweise
sind: Rechtsordnung, Gestaltbeziehungen — werden die Kategorien Euchens und Sombarts kombiniert verwendet; zuweilen findet sich eine Gegenüberstellung von der auf Privateigentum gegründeten und der zentral oder „einheitlich geleiteten" Wirtschaft 8 8 . Der Bedeutungsanalyse von Betrieb und Unternehmung kann entnommen werden, daß Nichlisch den Betrieb systemneutral sieht 8 9 ; er bezeichnet schon den einzelnen tätigen Menschen an seinem Arbeitsplatz als Betrieb 9 0 . Die Unternehmung ist dagegen m i t Kriterien erklärt, wie sie sich nur i n einem verkehrswirtschaftlichen Modell verwirklichen lassen: Entscheidungsfreiheit, risikobehaftetes Arbeiten für einen Markt, Verwirklichung dieser Leistung i n „selbständigen abgeleiteten Betrieben" 9 1 . I n einer begriffs- und wesensanalytischen Darstellung der Unternehmung unterscheidet Nichlisch aber zwischen drei Unterformen, die durch „innere und äußere Unterscheidungsmerkmale" abgegrenzt werden. Dabei sind die ersteren durch rein charakterliche Kriterien i m Sinne psychologischer Unternehmereigenschaf ten bestimmt; d. h. daß das Wesen der Unternehmung aus dem des Unternehmers erklärt w i r d 9 2 . Eine Beziehung zum Wirtschaftssystem ergibt sich daraus insoweit, als dieses die Entfaltung unternehmerischer Eigenschaften fördern bzw. hemmen kann. Den letztgenannten Gesichtspunkt berührt Nichlisch aber nur andeutungsweise, da er vielmehr von der einzelnen Persönlichkeit und ihrer Bedeutung für die Verwirklichung bestimmter „Gestaltverfassungen" des Betriebes ausgeht. Die „äußeren Unterscheidungsmerkmale" betreffen dagegen vor allem die Besitzverhältnisse an den Produktionsmitteln. Danach umfaßt der weite Unternehmensbegriff alle selbständigen Erwerbsbetriebe, auch die der öffentlichen Hand. Der enge dagegen schließt diese aus, weil sie nach Nichlisch „die Beziehung zur Dynamik der Wirtschaft" abschwächen und „das Spiel der Kräfte i n der W i r t schaft und die Entwicklungstendenzen, die sich i n i h m ausdrücken, eher vernebeln" 9 3 . Bei beiden Formen herrscht die dispositionswirtschaftliche Betrachtungsweise vor. Dagegen vereinigen sich beim engsten Unternehmungsbegriff Eigentum an den Produktionsmitteln m i t der Gesamtführungsfunktion i n „kombinativer" Weise. Hier sind nun nach Nichlisch die besten Voraussetzungen für die Entfaltung der Unternehmereigenschaften und damit der Wirkung der „inneren Kriterien" der Unternehmung gegeben, weshalb „der Begriff der Unternehmung i m engsten Sinn nur aus dem des Unternehmers erklärt werden kann" 9 4 . 88 89 90 91 92 98 94
Vgl. ders., S. 37, 70, 73, 92, 145. Vgl. ders., S. 163 f. Vgl. ders., S. 167. Vgl. ders., S. 163 ff., vor allem S. 165 und 172. Vgl. ders., S. 169. Nichlisch, H., Die Betriebswirtschaft, a.a.O., S. 171. Ders., S. 169.
22. Der Unternehmer als Gestalter systembezogener Unternehmungen 75
Obgleich sich bei Nicklisch keine direkten Aussagen darüber finden, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit unterstellt werden, daß der Unternehmer nur i n einer verkehrswirtschaftlichen bzw. kapitalistisch-marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung denkbar ist. Wenn er auch i n der Verbindung von Eigentum und Leitung die beste Grundlage für die Entfaltung der schöpferischen Leistungseigenschaften des Unternehmers sieht, bildet diese „kombinative" Betrachtungsweise doch nur einen seiner drei Unternehmerbegriffe. Die anderen beruhen dagegen auf dispositionswirtschaftlicher Sicht. Als Extremdefinitionen sind sie bestimmend für die methodische Einordnung Nicklischs unter diese Betrachtungsweise. Leitner grenzt i m einführenden Teil seiner „Wirtschaftslehre der Unternehmung" deren Erfahrungsobjekt eindeutig privat wirtschaftlich ab: „ W i r behandeln Erwerbswirtschaften, die unternehmungsweise (und nicht handwerksmäßig) betrieben werden, also kapitalistische Erwerbswirtschaften 9 5 ." Diese haben ihren Platz i m „privatwirtschaftlichen" Wirtschaftssystem, das von den Kriterien der „kapitalistischen M a r k t wirtschaft" bestimmt w i r d und i m Gegensatz zur „gemeinwirtschaftlichen Ordnung" steht 96 . Die enge Verbindung zwischen Unternehmung und Wirtschaftsordnung akzentuiert Leitner noch an anderer Stelle: „Die Unternehmung, als Betriebsweise, w i r d nicht isoliert als ,Ding an s i c h ' . . . sondern sie w i r d als Zelle innerhalb des volkswirtschaftlichen Organismus betrachtet... ihre Eingliederung i n die Rechtsordnung und deren bestimmenden Einfluß auf den Betrieb der Unternehmung. Und deshalb: Wirtschaftslehre der Unternehmung 9 7 ." I m Gegensatz zu Rieger ist es Leitner jedoch „gleichgültig", „ob das Vermögen der Unternehmung Privat- oder Gemeinschaftseigentum ist" 9 8 . Weiterhin ist für i h n das Kapitalrisiko kein begriffskonstitutives Merkmal 9 6 . Schließlich werden dem Kommanditisten sowie dem reinen Aktionär keine Unternehmereigenschaften zugesprochen 99 . Leitner spricht hierbei, wie an anderer Stelle, über die Trennung von „Unternehmerarbeit und Kapitalbesitz" 1 0 0 und definiert die Geschäftsführung bzw. Verwaltung als „Durchführung der produktiven Unternehmer arb e i t " 1 0 1 , wobei er noch klar zwischen „Selbstverwaltung" (Kapitalbe95 Leitner, F., „Wirtschaftslehre", a.a.O., S.24; — Leitner führt hier u.a. auch Sombart an. 96 Vgl. ders., S. 4 sowie ders., Renaissance der Privatwirtschaftslehre, a.a.O. 97 Ders., „Wirtschaftslehre", a.a.O., S. 17. 98 Ders., a.a.O., S. 12. 99 Vgl. ders., a.a.O., S. 123 und 230. 100 Vgl. ders., a.a.O., S. 232, 227, 265. 101 Vgl. ders., a.a.O., S. 265 sowie S. 219, 222 ff., 227, 232.
76
2. Die Wirtschaftsordnende Betrachtungsweise
sitz und Leitung i n Personalunion) und „administrativer Verwaltung" abgrenzt. Obgleich er damit eine klar interpretierbare dispositionswirtschaftliche Betrachtungsweise erkennen läßt, spricht auch manches dafür, daß er i m Grunde — d. h. für den Normalfall — eine kombinative Unternehmerdefinition vorziehen würde 1 0 2 . Damit ist schon der Übergang zu der dritten Möglichkeit einer systemgebundenen Unternehmerdarstellung angedeutet. 223. Die kombinative oder demoskopische Betrachtungsweise des Unternehmers Wie schon erläutert, verbindet die kombinative Betrachtungsweise des Unternehmers den kapitalwirtschaftlichen mit dem dispositionswirtschaftlichen Aspekt zu einer untrennbaren Einheit. Da sie, wie zwei Repräsentationsbefragungen 103 ergaben, i n der Tendenz weitgehend der öffentlichen Meinung vom Unternehmerbild entspricht, kann sie auch als demoskopische Betrachtungsweise bezeichnet werden. Dabei kann demoskopisch sogar i m Sinne von statistisch repräsentativ angesehen werden. Denn die letzte Arbeitsstättenzählung i m Jahre 1950 ergab, daß 94% aller Unternehmungen i n Form einer Einzelgesellschaft, OHG oder K G geführt werden; i n diesen waren fast 65 °/o aller Arbeitnehmer beschäftigt 104 . Damit muß die Verbindung von Eigentum an 102 Vgl. Leitner, F., „Wirtschaftslehre", a.a.O., S. 265. — Vor allem die im einführenden Teil mit zustimmenden Kommentaren zitierten Unternehmerdefinitionen von Passow und Pohle (S. 27). 103 Das Institut für Demoskopie in Allensbach führte 1950 im Bundesgebiet eine Repräsentativbefragung über den Komplex „Unternehmer und Öffentlichkeit" durch. Auf die Frage, wer von den drei Genannten als Unternehmer anzusehen sei, antworteten a) bei „Eigentümer und Leiter einer Schuhfabrik" 91 °/o mit Ja b) bei „Direktor einer Aktiengesellschaft" 23 °/o mit Ja c) bei „Schaubudenbesitzer" 50 °/o mit Ja Vgl. dazu: Unternehmer und Öffentlichkeit, Institut für Demoskopie in Allensbach zitiert bei nach Jungfer , V., Wandlungen des Unternehmerbegriffs im 20. Jahrhundert, in: Gestaltwandel der Unternehmung, a.a.O., S. 8. Die gleichen Fragen wurden zwei Jahre später vom EMNID-Institut in Bielefeld gestellt, wobei sich nahezu das gleiche Verhältnis ergab. Es antworteten zu a) 90 °/o mit Ja b) 23 °/o mit Ja c) 55 °/o mit Ja zitiert nach Schleussner, C., Der Unternehmer in der Wettbewerbsordnung, Frankfurt/Main 1953, S. 29. Anzumerken wäre noch, daß im Verhältnis zu den Fragen von a) und c) deutlich noch qualitative Momente, wie ζ. B. Größe des Betriebes, Niveau der kombinativen Aufgabe und Höhe des Kapitaleinsatzes sichtbar werden. 104 Vgl. ο. V., Unternehmung und Arbeitsstätten — Die Rechtsformen der Unternehmung, Wirtschaft und Statistik, 6. Jg., N. F. 1954, S. 130 f.
22. Der Unternehmer als Gestalter systembezogener Unternehmungen 77
den Produktionsmitteln und Leitung auch für unsere heutige W i r t schaftswirklichkeit als repräsentativ angesehen werden, zumal man weiter unterstellen kann, daß diese Verbindung auch für einen nicht unerheblichen Teil der Kapitalgesellschaften z u t r i f f t 1 0 5 . Innerhalb der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre findet sich diese Betrachtungsweise i n reiner Ausprägung, d. h. auch bei Grenzbetrachtungen, nur bei Gutenberg 10e. Gutenberg unterscheidet i n Anlehnung an Euchen, Preiser 107 — und damit Ritsehl — vor allem zwischen den idealtypischen Systemen der kapitalistischen Marktwirtschaft und der Zentralverwaltungswirtschaft. „Die i n den gesellschaftlichen und geistigen Wurzeln der Wirtschaftssysteme verankerten Tatbestände" bezeichnet er als „systembezogene Sachverhalte", „Determinanten" oder auch „Kategorien" 1 0 7 . Diese erfassen beim Betriebstyp der Zentralverwaltungswirtschaft das „Organprinzip" (Abstimmung von Bedarf und dessen Deckung erfolgt durch zentrale Instanzen), das „Prinzip plandeterminierter Leistungserstellung" (Bindung der Leistungserstellung nach A r t , Zeit und Menge an die gesamtwirtschaftliche Planung) und — m i t Einschränkungen — das „Angemessenheitsprinzip" (Begrenzung des Gewinnstrebens aus „universalistischen" Motiven) 1 0 8 . Demgegenüber sind i n marktwirtschaftlichen Systemen die Kategorien des „Autonomieprinzips" (mit dem „nach innen" gerichteten P r i n zip der Alleinbestimmung) und des „erwerbswirtschaftlichen Prinzips" strukturprägend 1 0 9 . Die systemindifferenten Tatbestände, wie das „ P r i n zip der Wirtschaftlichkeit", das „Prinzip des finanziellen Gleichgewichts" sowie das „System der produktiven Faktoren" sind dagegen unab105 Anderer Meinung ist hier Spindler, der in seinen Ausführungen allerdings optimistisch in die Zukunft projiziert. — Vgl. Spindler, G. P., Neue Antworten im sozialen Raum — Leitbilder für Unternehmer, Düsseldorf — Wien 1964, S. 307. 106 Natürlich schwebt dieses Bild im Grunde den meisten Autoren auch vor, insbesondere den Vertretern einer privatwirtschaftlichen Richtung. Dodi zeigt sich durch eine Analyse ihrer Ausführungen zu den Ortungskriterien „Aktiengesellschaft" und „öffentlicher Betrieb" eine methodische Verschiebung der Standorte. 107 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", 1. Bd., S. 491. 108 Die Prinzipien der angemessenen Gewinnerzielung und der Mitbestimmung stehen zwar außerhalb des reinen kapitalistischen Betriebstyps, aber ebensowenig zwingend innerhalb des vom zentralwirtschaftlichen System geprägten Betriebes. Damit fallen diese beiden Kategorien aus dem zugrunde gelegten antithetischen Determinantensystem heraus — eine Folge der Mischung von zwei nicht zu vereinbarenden Ordnungsmodellen der Gesamtwirtschaft. 109 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", 1. Bd., a.a.O., S. 445 ff.
78
2. Die
irtschaftsordnende Betrachtungsweise
hängig vom jeweiligen Modell der Wirtschaftsordnung. Die Verbindung der systemindifferenten m i t den systembezogenen Determinanten ergibt i n einer Marktwirtschaft den besonderen Betriebstyp Unternehmung 1 1 0 . Dagegen ist es trotz der bevorzugten Behandlung des kapitalistischen Unternehmungstyps für die Begriffsbildung nicht relevant, ob Eigentum an den Produktionsmitteln und Leitung i n einer Hand vereinigt sind. Weiter ist es nicht bedeutsam, ob sich das Eigentum i n privater oder — soweit solche Besitzverhältnisse nur „Einsprengsel" darstellen — öffentlicher Hand befindet, solange nur die systembezogenen Determinanten wirksam werden 1 1 1 . Anders verhält es sich dagegen m i t der Unternehmerdefinition: „Eigentümer, die zugleich Geschäftsführungsfunktion besitzen, werden hier als Unternehmer bezeichnet 112 ." Gesellschafter ohne Leitungsfunktionen sowie Geschäftsführer ohne wesentliche Kapitalbeteiligung am Unternehmen „werden demnach nicht als Unternehmer angesehen" 112 . Eine Begründung für diese Zweigleisigkeit gibt Gutenberg nicht. Zwei Überlegungen dürften i h m jedoch am nächsten liegen: a) Die enge Unternehmerdefinition w i r d i m Abschnitt über die möglichen „Zentren" betrieblicher Willensbildung herausgearbeitet. A u f verschiedene Träger verteilte Willenszentren ergeben dabei „mehrpolige" Führungsstrukturen, die wiederum das Prinzip der Alleinbestimmung — den „Herrn-im-Hause-Standpunkt" — abschwächen. Damit werden an die beiden Begriffe Unternehmung und Unternehmer verschiedene Maßstäbe angelegt. Denn für eine Abgrenzung der vom marktwirtschaftlichen Koordinatensystem geprägten Unternehmung stellt das Gegenprinzip der „Mitbestimmung" allenfalls insoweit eine Verwischung des reinen Betriebstyps dar, als die Arbeitnehmer statt der Kapitalseite maßgeblichen Einfluß auf die Führungsentscheidungen erlangen 1 1 3 . b) Gutenberg sieht den Unternehmer bei seiner „kombinativen" Definition lediglich als die statistisch-repräsentative „Inkarnation" des marktwirtschaftlichen Systems i n „privatwirtschaftlicher-erwerbswirtschaftlicher" Ausprägung: „ I n seiner doppelten Eigenart als Eigentümer 110 Eine entsprechende Bezeichnung für den entgegengesetzten Betriebstyp im planwirtschaftlichen System bringt Gutenberg nicht. Soweit er für diesen komplexen Sachverhalt auch den Begriff „Betrieb" verwendet, ist er terminologisch inkonsequent. 111 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", 1. Bd., a.a.O., S. 474 f. und 479 f. 112 Gutenberg, E., „Grundlagen", 1. Bd., a.a.O., S. 481 u. 471. Die zweite Unternehmerdefinition, die in charakterisierender Betrachtungsweise lediglich das qualitative persönliche Niveau des Unternehmensleiters erfaßt, ist in diesem Kapitel ohne Belang. 113 Vgl. dazu Punkt 242 und zum Teil 243 dieser Arbeit.
22. Der Unternehmer als Gestalter systembezogener Unternehmungen 79
und Geschäftsführer gehört der Unternehmer dem liberalistischen System an, dessen Repräsentant er ist. Er entstand m i t i h m und w i r d m i t i h m vergehen 1 1 4 ." Zur Unternehmenscharakterisierung schreibt er dagegen: „ I n dem für das liberalistisch-kapitalistische System charakteristischen Betriebstyp, der Unternehmung, besteht außer den Kapitalse i g n e r n u n d Geschäftsführern, mag das Verhältnis
unipolar
oder bipolar
sein, kein weiteres Zentrum der Willensbildung 1 1 5 . So fallen auch bei dieser Überlegung Unternehmung und Unternehmer begrifflich auseinander. Gutenberg unterstellt bei einer Trennung von Eigentum und Leitung eine Einflußminderung der Kapitalseite, verbunden m i t einer Veränderung des „kapitalistischen Milieus". Das ist, wie Pross eingehend nachgewiesen hat, eindeutig nur für die A k tiengesellschaft als Publikumsgesellschaft — also mit breitgestreutem Aktienbesitz — zutreffend 1 1 6 , wenn auch grundsätzlich der institutionelle Aspekt tendenzielle Verschiebungen bringen mag. Weiterhin entgeht Gutenberg damit die oben ausführlich diskutierte Möglichkeit, die Kapitalfunktion durch das „Ersatzkriterium" des erwerbswirtschaftlichen Prinzips i n die Führungsfunktion systemkongruent einzubauen. Folgende Ergebnisse sollen nun noch einmal zusammenfassend herausgestellt werden: a) Gutenberg befaßt sich sehr ausführlich und differenziert m i t dem Problemkreis Wirtschaftssystem — Unternehmung — Unternehmer. Während m i t einem originellen Koordinatensystem der besondere Betriebstyp der Unternehmung eingehend beschrieben w i r d 1 1 7 , fehlen ähnliche Grundlegungen für eine eigengeprägte Darstellung eines W i r t schaftsordnungsmodells sowie methodische Begründungen für die eindeutig kombinativ abgegrenzte Unternehmerdefinition. b) Die nur teilweise Identität von Unternehmer und Unternehmung könnte darauf zurückzuführen sein, daß Gutenberg bei der Unternehmenstypologie mehr von Euchen beeinflußt wurde, der bewußt ahisto114
Gutenberg, E., „Grundlagen", 1. Bd., a.a.O., S. 482. Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 486. Die Aktiengesellschaft — als Ortungskriterium für die polare Willensbildung — wird sogar als Kind der kapitalistischen Entwicklung bezeichnet (S. 483). Warum sollte dann aber bei ihren Leitern die Formung durch das „kapitalistische Milieu" nicht möglich sein? Vgl. dazu S. 482 und die auf S. 488 postulierte Interessenidentität sowie Gutenberg, E., Unternehmensführung — Organisation und Entscheidungen, Wiesbaden 1962, S. 41. 116 Vgl. Pross, H., Manager und Aktionäre in Deutschland, a.a.O., S. 112 ff. und Gutenberg, E., „Unternehmensführung", S. 41. 117 Interessant ist hier noch, daß Gutenberg die isolierende Betrachtung von Unternehmung und Betrieb — etwa nach einzelnen Funktionen oder „nach betriebswirtschaftlichen Teilaspekten" — strikt ablehnt. Vgl. Gutenberg, E., „Einführung", a.a.O., S. 494 f. 115
80
2. Die
irtschaftsordnende Betrachtungsweise
risch vorging und das Problem des Eigentums an den Produktionsmitteln als zweitrangig ansah. Dagegen scheint er bei seinem Unternehmerbild von den Vorstellungen der jüngeren historischen Schule, vor allem von Sombart sowie der privatwirtschaftlichen Richtung der Betriebswirtschaftslehre geprägt zu sein. Der Unternehmer ist damit weniger ein Pendant zum Betriebsleiter eines Systems der Zentralverwaltungswirtschaft und somit auch kein reiner Vertreter der freien Verkehrswirtschaft, sondern mehr die historische Figur des Früh- und Hochkapitalismus. Da Sombart schon das erwerbswirtschaftliche Prinzip als eines von drei Strukturelementen („Geist") seines kapitalistischen W i r t schaftsmodells herausstellte, nimmt es wunder, daß Gutenberg die reale Ausübung der Kapitalistenfunktion als begriffsnotwendig ansieht, zumal er den Unternehmer an anderer Stelle wieder nur von seiner Führungsfunktion her definiert 1 1 8 . c) Würde man jedoch vor allem den Aspekt Eigentum — Leitung berücksichtigen und gleichzeitig die Bedeutung der systemgebundenen Katgeorien vernachlässigen bzw. zumindest stark modifizieren 1 1 9 , so könnte man diesen Typ des Eigentumunternehmers auch heute noch als Repräsentanten unserer Wirtschaftspraxis bezeichnen.
118
Vgl. dazu auch Punkt 4422 dieser Arbeit. Sämtliche systembezogene Kategorien, insbesondere das Alleinbestimmungsprinzip, aber auch das erwerbswirtschaftliche Prinzip müßten dann allerdings mit zum Teil erheblichen Einschränkungen gesehen werden. 119
23. Der Unternehmer als Träger einer systemindifferent definierten Unternehmung Verschiedene Zielsetzungen können die Entscheidung eines Autors bestimmen, die Unternehmung systemneutral zu sehen. Bei einer Analyse der fünf 1 relevanten Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren schälen sich zwei unterschiedliche Gruppen heraus. Bei der ersten w i r d die Unternehmung zwar als ganzheitliches Erfahrungsobjekt bezeichnet, jedoch w i r d sie bewußt nicht i n das Koordinatensystem einer bestimmten Wirtschaftsordnung gestellt. Interessant daran ist, daß hierfür nicht der Wunsch maßgebend war, eine Betriebswirtschaftslehre zu schreiben, die i n allen Wirtschaftssystemen Verwendung finden kann. Vielmehr ist es die Unzulänglichkeit der angebotenen Ordnungsmodelle, die den einzigen Vertreter dieser Richtung, M a r t i n Lohmann, nach einer vergleichsweise sehr eingehenden Analyse dieses Problemkreises 2 zu einer zumindest „vorläufig systemindifferenten" Betrachtungsweise gelangen läßt. Ganz anders ist die zweite Gruppe strukturiert. Hier w i r d die Unternehmung als gleichrangiger oder untergeordneter Außenaspekt des betriebswirtschaftlichen Erfahrungsobjektes Betrieb / Betriebswirtschaft definiert, jedoch keine Beziehung zu einem gesamtwirtschaftlichen Ordnungssystem postuliert. Entwicklungsgeschichtlich gesehen, könnte man diese Betrachtungsweise als die „verkümmerte" Ausprägung einer ausgesprochen makroökonomischen Denkvorstellung charakterisieren. Besonders gut läßt sich dies an Hand der Darstellung Schäfers 3 nachweisen. Er bestimmt die Unternehmung eindeutig systemabhängig, jedoch nicht als reales Gebilde, sondern als einen „Komplex abstrakter Beziehungen, als reines Beziehungsfeld" 4 . Weiterhin bildet die Unternehmung bei Schäfer den „Außenaspekt der Produktiveinheiten innerhalb einer auf Privateigentum und Einzelinitiative beruhenden W i r t schafts Verfassung" sowie den systembezogenen „Zweck-, Finanz- und Rechtsaspekt" von „Produktiveinheiten der Wirtschaften" 5 . Somit ist die 1 Vgl. dazu die Darstellungen von: Lohmann — Walb, Fischer, und Rössle. 2 Vgl. Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 286 ff. 3 Vgl. Punkt 222 dieser Arbeit, S. 54 f. 4 Vgl. Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 103. 5 Vgl. Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 103.
6 Wunderer
Lehmann
82
2. Die Wirtschaftsordnende Betrachtungsweise
Unternehmung nichts anderes als ein systembezogener Teilbereich bestimmter Betriebswirtschaften. Die vier Vertreter einer systemdifferenten Sicht der Unternehmung als T e i l a s p e k t , es s i n d Walb
u n d Fischer,
Lehmann
u n d Rössle, setzen
diesen Außenbereich ebenfalls m i t dem Finanz- und/oder Rechtsaspekt ihrer betriebswirtschaftlichen Erfahrungsobjekte gleich. Dagegen w i r d der Zweckaspekt, der identisch ist m i t der besonderen systemabhängigen Wirtschaftsgesinnung bzw. der betriebspolitischen Zielfunktion, hier nicht genannt, womit die am meisten systembezogene dieser drei Kategorien des „Außenaspekts" auch tatsächlich eliminiert ist. Es bleibt nun die Frage, ob die „Rechts- und Finanzbeziehungen" tatsächlich vollkommen systemneutral behandelt werden können. Untersucht man die vier Betriebswirtschaftslehren daraufhin, so zeigt sich, daß die gerade herrschende Wirtschaftsordnung dann doch stillschweigend impliziert wird, zumindest i n weiten Teilen der Darstellung. I m Extremfall ist die Unternehmung dann nur i n einem sehr knapp gehaltenen Vorspann oder Abschnitt systemneutral definiert. Oder der Betrieb bzw. die Betriebswirtschaft als das betriebswirtschaftliche Erfahrungsobjekt ist nur aus der Sicht der eben herrschenden W i r t schaftsordnung behandelt, während bei den begrifflichen Abgrenzungen die Unternehmung als systemindifferent charakterisiert wird. I n diesem Falle ist jedoch der — wenn auch nur implizite — Einfluß der „Wirtschaftsordnenden" Betrachtungsweise noch viel dominanter als bei den zuvor behandelten Autoren, die m i t der Unternehmung lediglich einen besonderen Betriebstyp ihrer „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre" als systembezogen bezeichnen. Beurteilt man die Behandlung der Unternehmung als einen betriebswirtschaftlichen Teilaspekt m i t methodischen Bewertungskriterien, dann könnte man diesen Ansatz als nützlich und richtig bezeichnen, wenn man die Begriffsbestimmung der Unternehmung durch ausschließlich mikroökonomische Kategorien für ein erstrebenswertes Ziel hält. Hiermit würde eine Möglichkeit aufgezeigt, die Unternehmung allgemeingültig, ahistorisch, frei vom „Odium der öden Profitmacherei", kurz „rein betriebswirtschaftlich" zu definieren. Dem stehen aber folgende Bedenken gegenüber. Erstens scheint es u. E. nicht möglich, die Außenaspekte der Einzelwirtschaft systemneutral darzustellen, wenn man kapitalistische Ordnungsmodelle übernimmt. Die Systembezogenheit der Rechts- und Finanzbeziehungen w i r d übrigens besonders an dem Tatbestand offenbar, daß gerade sie den Ansatz für unsere „Ortungskriterien" zur Bestimmung der besonderen Ausprägung einer systemabhängigen Betrachtungsweise bildeten. Zweitens fallen bei dieser Definitionsweise Unternehmer und Unternehmung zwangsläufig
23. Unternehmer und systemindifferent definierte Unternehmung
83
auseinander, sofern m a n nicht auf den erstgenannten Terminus verzichtet — was nicht geschieht. Denn es erscheint nicht praktikabel, den Träger v o n betriebsspezifischen Gesamtführungsentscheidungen n u r insoweit als Unternehmer zu bezeichnen, als seine A k t i v i t ä t e n Rechtsoder Finanzprobleme berühren. Hier kann der Unternehmer von vornherein nicht mehr die „versachlichte I n s t i t u t i o n der Tätigkeit des Unternehmers" (Grochla) darstellen. Er ist dann vielmehr Leiter eines systemindifferent charakterisierten Betriebes, der allerdings dann doch wieder implizite Beziehungen zu einem bestimmten gesamtwirtschaftlichen Ordnungsmodell aufweist. Methodisch gesehen überwiegen also die Nachteile. Gerade deshalb ist es nicht erstaunlich, daß diese Betrachtungsweise hauptsächlich die Autoren zeigen, die sich i n ihrer Betriebswirtschaftslehre nur am Rande m i t Fragen der Wirtschaftsordnung befassen, d . h . diesen Problemkreis vergleichsweise mehr oder weniger „indifferent" gegenüberstehen. Setzt man die Analyse der vier Vertreter dieser Richtung unter methodischen Gesichtspunkten fort, dann ist eine weitere Besonderheit erkennbar, die oben auch schon angedeutet wurde. Es ist die Rangbeziehung zwischen Betrieb und Unternehmung. Bei Lehmann u n d Rössle werden Betrieb und Unternehmung „als sich zwei auf gleicher Ebene ergänzende Begriffe behandelt, die n u r den unterschiedlichen Aspekt der Betrachtung gegenüber dem gleichen Objekt zum Ausdruck bringen" 6 . Dieses w i r d „Betriebswirtschaft" genannt u n d steht eindeutig über den beiden Unterbegriffen Betrieb und Unternehmung, die den Innen- u n d den Außenaspekt schon terminologisch signalisieren. Die Bezeichnung „Betriebswirtschaft" ist hier deshalb kein „Surrogatbegriff" 6 für die beiden Unterbegriffe. Walb und Fischer bezeichnen dagegen den Betrieb als das ganzheitliche Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre. Daneben wollen sie den Unternehmungsbegriff lediglich auf die „äußere F o r m " (Walb) bzw. „die Rechtsnatur des Betriebes nach außen" (Fischer) beschränkt sehen. I n diesem Falle kann die Unternehmung nicht mehr als reales (Teil-)Erfahrungsobjekt, sondern allenfalls als ein abstraktes Erkenntnisobjekt gesehen werden. Zweitens — u n d das wiegt w e i t schwerer! — w i r d der Betrieb so zunächst als ganzheitliches Erfahrungsobjekt der Disziplin definiert, das aber bei der Gegenüberstellung m i t der U n t e r nehmung n u r noch ein u m den Unternehmungsaspekt substantiell vermindertes partielles Erkenntnisobjekt sein kann. Das heißt, der Betrieb ist einmal ein realer Ganzheitsbegriff und zum andern der abstrakte und komplementäre Teilaspekt zur Unternehmung. * Vgl. Groschla, E., Unternehmung und Betrieb, a.a.O., S. 587.
6*
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2. Die
irtschaftsordnende Betrachtungsweise
Da dieser Ansatz allenfalls als methodische Vorstufe zu dem oben erläuterten Modell von Lehmann und Rössle gewertet werden kann, soll er bei der folgenden Einzelanalyse der ,Unternehmung als betriebswirtschaftlicher Teilaspekt' zuerst behandelt werden. Wie i m vorhergehenden Punkt können die fünf Einzelanalysen ohne weitere methodische Erwägungen durchgeführt werden, da die Gesamtergebnisse auch hier schon i n deduktiver Weise vorweggenommen wurden.
231. Die Unternehmung als ganzheitlich-systemneutrales Erfahrungsobjekt Lohmanns volkswirtschaftliche Orientierung schlägt sich i n fundierten Überlegungen zu den Kriterien und Systemen der Wirtschaftsordnung nieder. Die Typologie Euchens lehnt er — vor allem vom w i r t schaftspolitischen Standpunkt — als zu einseitig ab und weist i n Anlehnung an die Dissertation seines Schülers Veil 7 auf differenziertere Vorschläge Machenroths, der neben dem Planungsaspekt noch als „Eigentums·, Verteilungs-, Arbeits- und KoalitionsVerfassung" als systemkonstitutive Kriterien i n sein gesamtwirtschaftliches Ordnungsmodell m i t aufnimmt 8 . Lohmann kann sich jedoch nicht dazu entscheiden, eines der vorliegenden Systeme zu übernehmen und meint deshalb abschließend: „Ruhigere Zeiten mögen, wenn mehr Material und Experimente zum Thema Wirtschaftssystem vorliegen, dann erneut den Versuch machen, eine Wirtschafts- und Gesellschaftordnung von hoher Perfektion zu entwickeln und dem Unternehmen und dem Unternehmer innerhalb einer solchen ihre Stellung anzuweisen 0 ." Die mangelnde Festlegung auf eine Systemtypologie w i r k t sich natürlich auf die Definition des Unternehmens aus 10 . Diese bildet keinen direkten Bezug zu einer Wirtschaftsordnung, legt aber wohl die der Bundesrepublik indirekt zugrunde. Dabei sind Betriebe der öffentlichen Hand ausdrücklich m i t eingeschlossen10. Ähnlich ist es m i t dem Unternehmerbegriff. Er deckt sich weitgehend mit dem der Unternehmung, ja bildet die Grundlage für deren 7 Vgl. Veil, Κ., a.a.O., S. 122; Lohmann zitiert Veil zwar nicht, führt ihn aber im Literaturverzeichnis zu diesem Kapitel auf. 8 Vgl. Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 206. 9 Ders., S. 297. 10 Lohmann definiert die Unternehmung als „wirtschaftlich-soziales Gebilde, dessen Träger ein Unternehmer oder eine Mehrheit von Unternehmern ist, wozu auch die öffentliche Hand einschließlich der nichtterritorial begründeten öffentlichen Körperschaften, wie ζ. B. Sozialversicherungsbehörden, zu rechnen sind". (S. 286).
23. Unternehmer und systemindifferent definierte Unternehmung
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Definition 1 0 . Wenn auch differenzierende Abgrenzungen zwischen Unternehmer und Unternehmer-Direktor, passivem Unternehmer und Pionierunternehmer 1 1 diskutiert werden und sich dabei die unverbindlich formulierte Überlegung findet, ob der uneingeschränkte Unternehmerbegriff nicht dem Eigentümer und Leiter einer Unternehmung vorbehalten bleiben sollte, bezeichnet Lohmann andererseits den Unternehmer recht eindeutig als systemindifferent, wobei er als Begründung die i n keiner Wirtschaftsordnung ersetzbare Unternehmerfunktion anführt 1 2 . Lohmann beschreibt also die Erscheinungsformen, Wesensbedingungen und Kategorien der Unternehmung innerhalb seiner Gruppe 1 3 nicht nur i n besonders umfassender Weise; er begründet darüberhinaus auch recht einsichtig seinen methodologischen Standpunkt, der genau gesehen nur als „vorläufig systemindifferent" charakterisiert werden sollte, wobei er sich aber vom herrschenden Wirtschaftssystem nicht vollkommen freimachen kann. Diese implizite Bildung w i r k t sich jedoch mehr bei der systemrelevanten Darstellung der Unternehmung aus und betrifft weniger den Unternehmeraspekt.
232. Die Unternehmung als betriebswirtschaftlicher Teilaspekt Walb beschränkt sich i m Rahmen seiner „kaufmännischen Betriebswirtschaftslehre" vorwiegend auf „Erwerbswirtschaften, deren Tätigkeitsgebiet der ,Handel 4 i m weitesten Sinne des Wortes bildet und die eine überragende Stellung i m Arbeitsgebiet dieser Disziplin einnehmen" 1 4 . Der Grund dafür dürfte vor allem die ausgeprägte Anlehnung an das i n 61. Auflage erschienene, von Prof. Eckert herausgegebene „Taschenbuch für Kaufleute" sein, das nahezu ausschließlich eine Rechnungs- und Verkehrslehre darstellt. Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre sollte nach Walb „der w i r t schaftende Betrieb" sein 15 . Das „Leben" dieses Betriebes ist nun „ i n eine äußere Form eingebettet": die Unternehmung 1 6 . Sie stellt den „äußeren Aufbau" m i t fünf Hauptkategorien dar: Standort, Rechtsund Finanzaspekt, zwischen- und überbetriebliche Kooperation, räum11 Hier zeigen sich einige Parallelen zu Gutenberg — vgl. Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 287. 12 Vgl. ders., S. 288. 18 Als Gruppe wird hier verstanden die Vertreter einer systemneutralen Betrachtungsweise einer Unternehmung. 14 Walb f E., „Kaufmännische BWL", a.a.O., S. 1. 15 Vgl. Walb, E., „Kaufmännische BWL", a.a.O., S. 3 und 1. 18 Vgl. ders., S. 1.
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2. Die Wirtschaftsordnende Betrachtungsweise
liehe Konzentration bzw. Dekonzentration der Betriebseinheit sowie die Organisation der Marktfunktionen 1 7 . Die Unternehmung erfaßt damit i n sehr umfassender Weise den sog. „Außenaspekt" des „ w i r t schaftenden Betriebes". Dagegen ist „der private Charakter der Unternehmung sowie der erwerbswirtschaftliche... für die Abgrenzung dieses Wissensgebietes nicht entscheidend"; „Forschungs- und Lehrgebiet" ist vielmehr jede Einzelwirtschaft und vor allem „der Leistungsaustausch dieser Einzelbetriebe untereinander" 1 6 . Insoweit scheint die Unternehmung tatsächlich systemneutral sowie als Teilaspekt des wirtschaftenden Betriebes definiert zu sein, der aber selbst wiederum als ganzheitliches Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre bezeichnet ist. Weiterhin w i r d außerhalb dieser verhältnismäßig knappen methodischen Abgrenzungen von der „heutigen Wirtschaftsordnung" 18 ausgegangen. Über die methodischen Beziehungen zwischen dem Unternehmer und der Unternehmung bzw. dem Betrieb fehlen direkte Aussagen. Manche Indizien lassen aber vermuten, daß Walb den Unternehmerbegriff tatsächlich nur m i t den „Außenaspekten" des wirtschaftenden Betriebes verbinden w i l l , während er für die „Innenaspekte" die Termini „Betriebsführer", „Betriebsleiter" oder „Arbeitgeber" verwendet 1 9 . Obgleich gerade bei Handels- und Verkehrsbetrieben die „Außenaspekte" sicher i n besonderem Maße dominieren, und zumindest eine gewisse Formallogik eingehalten wird, ist es aber u.E. methodisch nicht vertretbar, dem Träger von Gesamtführungsentscheidungen nur dann als Unternehmer zu bezeichnen, wenn „Außenbeziehungen" des Betriebes tangiert sind; ganz abgesehen davon, daß ein derartiger „Partialunternehmer" wegen der „Interdependenz der betrieblichen Teilbereiche" (Gutenberg) nicht nur i n praxi äußerst schwer abzugrenzen sein dürfte. G. Fischer befaßt sich auch nur sehr beiläufig m i t dem Problemkreis Wirtschaftsordnung. Dabei nennt er sowohl Begriffe von kapitalistischmarktwirtschaftlichen als auch von verkehrswirtschaftlichen Modellen 2 0 . 17
Vgl. ders., S. 9 ff. Vgl. z. B. S. 9 sowie die Behandlung der „Verkehrsfragen" auf S. 193 ff. 19 Vgl. ders., S. 22, 24, 32. Der Terminus Unternehmer wird tatsächlich nur im Kapitel über den „äußeren Aufbau" verwendet. Bei einer zusammenfassenden Literaturübersicht wird nur zu diesem Teilkapitel „Unternehmerliteratur" aufgeführt. 20 Meist spricht Fischer, wie Paulsen , Schmalenbach und Kosiol, von den Formen einer freien bzw. einer gelenkten und geplanten Wirtschaft. Vgl. Fischer, G., „Die Betriebsführung", Bd. 1, a.a.O., S. 55, 102 f. und 300 f. sowie Grochla, E., Betrieb und Wirtschaftsordnung, a.a.O., S. 19 ff., 27 u. 31. Z u weilen verwendet er aber auch — wohl in Anlehnung an Sombart und Ritsehl — die Systeme der „kapitalistischen" und der „gemeinwirtschaftlichen" „Wirtschaftsformen"; vgl. ζ. B. Fischer, G., „Die Betriebsführung", Bd. 1, S. 62 f. und 64. 18
23. Unternehmer und systemindifferent definierte Unternehmung
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Das Verhältnis von Betrieb und Unternehmung w i r d dagegen ausführlich diskutiert, jedoch ohne Bezug auf eine bestimmte Wirtschaftsordnung. Fischer erläutert zunächst, daß die Unternehmung „ursprünglich" den gesamten Außenaspekt des Betriebes umfaßte, „wie er durch die Rechtsnatur, die Kapitalausstattung und die Markteinflüsse bedingt ist" 2 1 . „Heute" könnte man aber den Betriebsbegriff nicht mehr auf den Innenbereich beschränken, da nun die „Auswirkungen der K a pitalausstattung und der Markteinflüsse ebenfalls durch den Begriff des Betriebes erfaßt werden" 2 1 . Somit w i l l Fischer nur dann von Unternehmung sprechen, „wenn die Rechtsnatur des Betriebes nach außen dargestellt werden soll" 2 1 . Er stellt noch weitere Abgrenzungskriterien auf, wie Betriebsgröße und besondere Rechtsform, die er i m folgenden aber selbst nicht beachtet 22 . Schließlich erweitert sich sein Unternehmungsbegriff insofern, als — i m Gegensatz zu dem des Betriebes — sog. außerbetriebliche Tätigkeiten, wie Spekulationsgeschäfte etc. m i t eingeschlossen werden 2 3 . Auch diese Beziehung ist systemindifferent. Sie erhärtet jedoch eine Vermutung, die hier nicht direkt nachweisbar ist: die Relevanz des Unternehmungsbegriffes zur normativ-ethischen Betrachtungsweise. Die Unternehmung unterscheidet sich dann vom Betrieb dadurch, daß sie auch der „öden Profitmacherei" frönen kann, was zwar das von den normativen ebenfalls bevorzugte Leitziel der Wirtschaftlichkeit 2 4 nicht berührt, aber die Rentabilität verbessert, die wiederum von den Vertretern dieser Richtung nach Möglichkeit auf den zweiten Rang geschoben wird. So Fischer: . . . es ist „ w o h l auch denkbar, daß ein unwirtschaftlich arbeitender Betrieb durch betriebsfremde Spekulationsgeschäfte rentabel gehalten wird. Dieser unnatürliche Zustand ist für die Dauer dem Betrieb und der Gesamtwirtschaft nicht zuträglich" 2 5 . Es ist auch allgemein bekannt, daß die Termini Betrieb und Betriebswirtschaftslehre zunächst i n erster Linie gewählt wurden, u m die „vorbelasteten" Begriffe Unternehmung und Privatwirtschaftslehre i n Verbindung m i t ihrer Zielfunktion der Gewinnmaximierung abzulösen, 21
Ders., S. 61. So meint Fischer einerseits, daß „mit den Begriffen Unternehmung und Unternehmer bereits an größere Firmen gedacht wird" (S. 61), während er kurz vorher über die „Unternehmerfunktionen" des „kleineren Betriebs" (vgl. S. 52) referiert. Zweitens steht für ihn die Unternehmung zunächst „neben dem Verein, der Stiftung, der Gemeindeverwaltung usw." (S. 61); anschließend behandelt er Stiftungen, Vereine sowie Staats- und Gemeindebetriebe unter dem Oberbegriff „Unternehmungsformen", wobei der Aspekt der Rechtsform ausdrücklich in den Mittelpunkt gestellt wird (vgl. S. 67). M Vgl. Fischer, G., „Die Betriebsführung", Bd. 1, a.a.O., S. 61. 24 Vgl. ders., vor allem S. 546. 25 Ders., S. 545. 22
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2. Die
irtschaftsordnende Betrachtungsweise
und gleichzeitig den nationalökonomischen Vorwurf schaftlichkeit entkräften zu können.
der Unwissen-
Zusammenfassend kann damit festgestellt werden, daß bei Fischer die Unternehmung begrifflich auf einen betriebswirtschaftlich kaum noch zentralen Aspekt der Rechtsform zugunsten des Betriebes reduziert w i r d 2 6 . Der Betrieb bleibt aber weiterhin das ganzheitliche Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre 27 , ist somit Ganzheitsbegriff und Teilaspekt. Der Unternehmer w i r d dagegen — i m Gegensatz zu Walb — keineswegs nur auf den Unternehmungsaspekt des Betriebes beschränkt; er ist also nicht nur der „Rechtsvertreter des Betriebes". Vielmehr setzt Fischer den Unternehmer ausdrücklich mit den Trägern der Betriebsleitung, also den Trägern betriebsspezifischer Gesamtführungsentscheidungen gleich 28 . Dabei w i r d eindeutig eine disposotionswirtschaftliche Begriffsbestimmung vertreten: „Unternehmer ist jeder, der einen Betrieb l e i t e t . . ." 2 9 . Da der Betrieb nicht systembezogen bestimmt ist, müßte der Leiter jedes Betriebes unabhängig von Einflüssen einer W i r t schaftsordnung als Unternehmer bezeichnet werden können. Fischer diskutiert nun tatsächlich den Unternehmer — i m Gegensatz zur Unternehmung — auch vom Aspekt der Wirtschaftsordnung, wobei jedoch die funktionale Betrachtungsweise i m Vordergrund steht 30 . Er bemerkt i n diesem Zusammenhang, daß i m Gegensatz zur freien Wirtschaftsordnung bei „einer gelenkten und geplanten Wirtschaft" die Unternehmerfunktionen „mehr oder weniger von der staatlichen Wirtschaftsverwaltung übernommen (werden)" 30 , weshalb beim Extremfall „Planwirtschaft" „dem Unternehmer und somit der Betriebsleitung" i n der Regel „nur noch die Stellung eines ausführenden Organs der staatlichen Planung (verbleibt)" 3 0 . Doch folgert er nicht daraus, daß dieses „Organ der staatlichen Planung" schon aus funktionalen Gründen dann Unternehmer genannt werden müßte. Fischer scheint damit den Unternehmer wie die Unternehmung systemindifferent bestimmen zu wollen. Jedoch ist der Unternehmer „Leiter des Betriebes" und nicht nur Träger der Unternehmung. Diese 26 Ein Satiriker könnte wohl auch von einem „ethisch indizierten Kastrieren" sprechen. 27 Vgl. Fischer, G., „Die Betriebsführung", Bd. 1, a.a.O., S. 19 ff. — Turin meint dazu: „Rechtliche Gesichtspunkte dürfen für die Bildung eines ökonomischen Begriffes und den Entscheid über einen ökonomischen Tatbestand nicht entscheidend sein!" (Turin, G., Der Begriff des Unternehmers, a.a.O., S. 70). 28 Vgl. Fischer, G., „Die Betriebsführung", Bd. 1, a.a.O., S. 31, 30, 55. 29 Ders., S. 30. 80 Vgl. ders., S. 55.
23. Unternehmer und systemindifferent definierte Unternehmung
89
stellt vielmehr einen sehr begrenzten Teilaspekt des Betriebes dar, ohne daß ein übergeordneter Terminus für beide Teilaspekte formuliert wird, was zu einer Doppeldeutigkeit des Betriebsbegriffs führt. W i r können uns nun den beiden Autoren zuwenden, die den letztgenannten methodischen Mangel durch Konstituierung der „Betriebswirtschaft" als ganzheitliches Erfahrungsobjekt umgehen. Lehmann, dessen „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre" sehr theoretisch und methodologisch „grundlegend" ausgerichtet ist, schneidet des öfteren das Gestaltungsproblem der Wirtschaftsordnung an, wobei er sich vorwiegend auf Euchen stützt 3 1 . Unternehmung und Betrieb sind für ihn nur zwei Aspekte der übergeordneten Betriebswirtschaft; die Unternehmung verkörpert die F i nanzseite, der Betrieb die Produktionsseite 32 . Beide „Seiten" werden von je vier wesensbestimmenden „Bedingungen" geprägt 33 . Dabei beeinflussen die „Organisationsprinzipien der Gesamtwirtschaft" sowohl die Struktur der Produktions- wie der Finanzseite. Bei der ersteren betrifft dies vor allem die „ A r t des betrieblichen Planens"; hier werden die Gestaltung des Erzeugnisprogramms und die absatzwirtschaftlichen Auswirkungen der Marktformen besonders erwähnt 3 4 . Die Finanzseite dagegen w i r d durch die Wirtschaftsordnung hinsichtlich der Arten und Formen der Unternehmensfinanzierung bestimmt 3 5 . Die Interdependenz dieser vier bzw. acht Kategorien w i r d jedoch ebensowenig behandelt wie etwa betriebstypologische Folgerungen aus dem Einfluß verschiedener Wirtschaftsordnungen. Obgleich Lehmann i n seinem Ausblick über die „Zukunft der deutschen Wirtschaftswissenschaft" i n seiner „Lehre von der Betriebsführung" die „Krönung der Betriebswirtschaftslehre" erblickt 3 6 , sind bei i h m die Fragen der Unternehmensführung und des Unternehmers derartig beiläufig abgehandelt, wie i n keinem vergleichbaren Werk der 31 Vgl. Lehmann, M. R., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 10 f., S. 334 ff. sowie S. 56 und 58. 32 Vgl. ders., S. 53. — Dabei weist Lehmann ausdrücklich darauf hin, daß diese Aspekte keinesfalls identisch seien mit „wirtschaftlicher und technischer Seite der Betriebswirtschaft". 33 Beim Betrieb sind es: Produktionszweck, Produktionszweig, Stand der Technik und Organisationsprinzipien der Wirtschaft. Die Unternehmung bestimmen: die Art der Finanzierung, der Finanzierungszweck, die Rechtsform der Finanzierung und die Abhängigkeit der Finanzierungsform von der Ordnung der Gesamtwirtschaft. — Vgl. Lehmann, M. R., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 54 ff. 34 Vgl. ders., S. 56. 35 Vgl. ders., S. 58. 36 Vgl. ders., S. 338.
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2. Die
irtschaftsordnende Betrachtungsweise
Nachkriegszeit. Ausführlich stellt er lediglich die Finanzierungsfunktion dar. So ist zum phänomenologischen Aspekt Unternehmer und W i r t schaftsordnung nichts ausgesagt. Lediglich eine Beweisführung könnte dahingehend interpretiert werden, daß der Unternehmer auch i n privatwirtschaftlicher Weise gesehen wird. I n einem kurzen Abschnitt über die betrieblichen „Produktivkräfte" weist Lehmann darauf hin, daß „auch der Unternehmer zu den betrieblichen Arbeitskräften gehört, sofern er tatsächlich i n irgendeiner Form mitarbeitet" 3 7 . Sofern man diese Formulierung als klar und methodisch bewußt wertet, müßte für Lehmann auch ein Unternehmer vorstellbar sein, der keine Führungsfunktionen ausübt, womit der Tatbestand einer rein kapitalwirtschaftlichen Betrachtungsweise i n privatwirtschaftlicher Prägung erfüllt wäre 3 8 . Da er aber an anderer Stelle die privatwirtschaftliche Richtung als zu eng ablehnt 3 9 , außerdem die Bestimmungsfaktoren des Wirtschaftssystems ausschließlich von Euchen übernimmt, Unternehmung wie Betrieb ausdrücklich systemindifferent definiert sind und er schließlich zu einer gemeinwirtschaftlichen Betrachtungsweise der Betriebswirtschaftslehre neigt 4 0 , liegt der Schluß näher, daß auch der Unternehmer eher systemindifferent gesehen wird. Rössle unterscheidet i n seiner „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre" zwischen mehreren Wirtschaftsprinzipien, nach denen eine Betriebswirtschaftslehre betrieben werden kann. Einmal ist es das erwerbswirtschaftliche Prinzip, für das originelle Untertypen gebildet werden, die Rössles Beschäftigung m i t dem mittelständischen Gewerbe nachweisen. Denn das einkommenswirtschaftliche Prinzip, bei dem die Einkommenserzielung für den Inhaber und seine Familie i m Gefolge m i t irrationalen Motivstrukturen i m Vordergrund steht, ist deutlich auf den Klein- und Mittelbetrieb gemünzt. I h m gegenüber steht das kapitalwirtschaftliche Prinzip des kapitalintensiven Großbetriebes, der durch Rentabilitätsstreben für die „als Kapitalgeber dem Unternehmen fernstehenden Personenkreise" 41 sowie durch exakte Rechnungslegung und Vorherrschen rationeller Führungsmotive charakterisiert wird. Das kapitalwirtschaftliche Prinzip unterscheidet sich bei Rössle vom kapitalistschen durch normative Wertung. So w i r d beim Kapitalismus die „Rentabilität des Unternehmens zu Lasten der Arbeitsbedingungen, der Qualität und der Preise erzwungen" 4 1 . Neben 37
Ders., S. 106. I n ähnlicher Weise äußerte sich — wie schon dargestellt — auch Schmidt. Vgl. Lehmann, M., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 331. 40 Vgl. ders., S. 334 f. 41 Rössle, K., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 44. — I n ähnlich negativ- antithetischer Weise sah ja auch Thoms das kapitalistische Wirtschaftssystem. 38
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23. Unternehmer und systemindifferent definierte U n t e r n e h m g
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dem erwerbswirtschaftlichen Wirtschaftsprinzip kennt Rössle noch das genossenschaftliche (Nutzenstiftung für Mitglieder steht i m Mittelp u n k t 4 2 sowie das gemeinwirtschaftliche oder öffentliche Prinzip (Verfolgung „hoheitlicher, politischer, sozialer, kultureller oder religiöser Zwecke i n gemeinnütziger Weise ohne Rücksicht auf Gewinnerzielung" 4 3 ). Besonders bei der Beschreibung des gemeinwirtschaftlichen Prinzips w i r d deutlich, daß Rössle all diese Formen als nebeneinander bestehende Systeme ansieht, wobei er implizit eine verkehrswirtschaftliche Wirtschaftsordnung unterstellen dürfte. Er sieht also gleich Ritsehl die Wirtschaftsordnung „als das Gesamtsystem, zu dem die Wirtschaftssysteme jeweils verbunden sind" 4 4 . W i e b e i Nicklisch,
Schmidt u n d Lehmann
ist die „Betriebswirtschaft"
Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre. Erstere umfaßt den Betrieb als deren „technisch-wirtschaftliche Seite" und die Unternehmung, welche den „juristisch-finanziellen" 4 5 Aspekt bildet. Die Unternehmung hat damit weder einen ausschließlichen Bezug zu einem der drei W i r t schaftsprinzipien, noch zu einer bestimmten Wirtschaftsordnung 46 . Dies gilt nicht i n gleicher Weise für das Unternehmerbild. Obgleich Rössle es relativ ausführlich behandelt 47 , äußert er sich nicht direkt zum Verhältnis Unternehmer — Wirtschaftssystem. Tendenziell neigt er jedoch dazu, den Unternehmer als „Leiter privater Betriebswirtschaft e n " 4 8 zu sehen, der als „Idealtyp" auch über den „zur Schaffung einer Betriebswirtschaft notwendigen Kapitalbesitz" 4 0 verfügt. Den angestellten Leiter von Kapitalgesellschaften bezeichnet er zwar als „neuen Typ von Unternehmer" 5 0 , glaubt jedoch, daß bei i h m die Beschränkung wesentlicher Eigenschaften, wie Wendigkeit, Entschlußfähigkeit und Weitblick „den »Höhenflug 4 des alten Unternehmertyps nicht zulassen" 51 . Rössle hat eben auch hier vor allem den mittelständischen Eigentumsunternehmer i m Auge, selbst wenn er für den Grenzfall eine dispositionswirtschaftliche Betrachtungsweise akzeptiert. 48
Vgl. ders., S. 46 f. Rössle, K., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 48. 44 Vgl. Ritsehl, H., Theoretische Volkswirtschaftslehre, a.a.O., S. 117. 45 Rössle, K., a.a.O., S. 18. — Vgl. dazu auch Lehmann, M. R., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 52. 46 Es ist jedoch zu beachten, daß Rössle dann auch hier — wie bei den Wirtschaftsprinzipien — implizit eine strukturell verkehrswirtschaftliche Wirtschaftsordnung unterstellen dürfte. 47 Vgl. Rössle, K., a.a.O., S. 20—22. 48 Vgl. ders., S. 20. 49 Vgl. ders., S. 21. 50 Vgl. ders., S. 22. 61 Vgl. Rössle, K., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 22; in gleicher Weise argumentierte übrigens sein Lehrer Nicklisch. 48
24. Konstruktive Kritik und methodische Konsequenzen der „wirtschaftsordnenden" Betrachtungsweise des Unternehmers 241. Kritik der angebotenen Lösungsvorschläge Die die Ergebnisse der einzelnen Betrachtungsweisen schon jeweils i n den einzelnen Teilkapiteln i n deduktiver Weise vorwegbehandelt wurden, ist eine Zusammenfassung nur insoweit erforderlich, als die untersuchten Vorschläge Ansatzpunkte für eine weiterführende konstruktive K r i t i k bieten. I m wesentlichen sind es die drei Fragenkomplexe Wirtschaftsordnung, Unternehmung und Unternehmer, die dazu Anlaß geben: a) Das vorwiegend übernommene Modell der kapitalistischen Marktwirtschaft scheint uns nur dann fruchtbar, wenn sich die Darstellung auf das ζ. B. i n der Bundesrepublik vorherrschende Wirtschaftssystem beschränken w i l l . Diese Absicht lassen aber nur vier, also ein Viertel, expressis verbis erkennen. Der Rest definiert als Erfahrungsobjekt seiner Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre den Betrieb oder die Betriebswirtschaft vorwiegend systemindifferent, impliziert aber gleichzeitig i n weiten Teilen der Darstellung dann doch die jeweils herrschende Wirtschaftsordnung. Stellt man dagegen an ein gesamtwirtschaftliches Ordnungsmodell Bedingungen, wie ahistorische Konzeption bei zeitgemäßer Formulierung, ausgeprägter mikroökonomischer Bezug, relative Einfachheit und methodische wie didaktische Operationalität, so ist u. E. das von Grochla fortentwickelte Modell Euchens als Grundlage weiterführender Überlegungen vorzuziehen. Methodisch unerfreulich ist die unbegründete und wohl mehr zufällig-eklektische Vermengung von Elementen, Kriterien und Prinzipien aus verschiedenen gesamtwirtschaftlichen Ordnungsmodellen. Das gilt besonders dann, wenn diese Konzeptionen methodisch auf verschiedenen Ebenen liegen und ihre „Erfinder" noch dazu ausdrücklich solche K r i terien anderer Modelle für ihren Ansatz als irrelevant oder zumindest nicht i n gleichem Maße als konstitutiv bezeichnen. Nicht ohne Einfluß für diesen Tatbestand dürfte sein, daß selbst bekannte monographische (Grochla!) 1 und allgemeine (Mahr 2) Abhandlungen die Modelle und Be1
Vgl. Grochla, E., Betrieb und Wirtschaftsordnung, a.a.O., S. 27. Vgl. Mahr, W., Einführung in die Allgemeine Volkswirtschaftslehre, a.a.O., S. 23. 2
24. Konstruktive Kritik zum Unternehmer im Wirtschaftssystem
93
griffe von Euchen und Ritsehl — wie Verkehrswirtschaft und (kapitalistische) Marktwirtschaft — als Synonyme bezeichnen. Und dies, obgleich ζ. B. Euchen sowohl den Terminus Marktwirtschaft 3 als auch eines ihrer systemkonstitutiven Prinzipien, das erwerbswirtschaftliche Prinzip 4 , als begriffsbestimmendes Merkmal für sein Modell der Zentralverwaltungswirtschaft ausdrücklich ablehnt. b) Die systembezogene Begriffsbestimmung der Unternehmung w i r d bejaht. Die Vorschläge einer systemindifferenten Definition sind besonders dann abzulehnen, wenn damit ein zweideutiger Betriebsbegriff entsteht. Aber auch grundsätzlich kann ein Teilaspekt des Betriebes allenfalls ein Teilerkenntnisobjekt darstellen, doch niemals ein Erfahrungsobjekt oder das ganzheitliche Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre bilden. Die systembezogene Formulierung der Unternehmung verlangt nun entweder eine Beschränkung auf dieses Erfahrungsobjekt. Die zweite Möglichkeit besteht darin, die Unternehmung als besonderen Typ eines systemneutral definierten Erfahrungsobjektes zu bezeichnen. Dann muß ihre Behandlung aber nicht nur auf die wenigen relevanten Teilkapitel beschränkt bleiben, vielmehr sind auch konträre und Mischtypen i n diese Untersuchungen einzubeziehen. Die systemindifferente Bestimmung der Unternehmung als ganzheitliches Erfahrungsobjekt bleibt natürlich jedem Autor schon auf Grund der wissenschaftlichen Definitionsfreiheit unbenommen 5 . Damit w i r d aber der dafür sonst verwendete Betriebsbegriff nur durch einen anderen ersetzt und das Problem der makroökonomischen Systembezogenheit nicht gelöst. c) Zum Unternehmer ist anzumerken, daß dieser aus semantischen wie aus didaktischen — und vielleicht auch wesensmäßigen — Gründen den gleichen Bezug zu einem gesamtwirtschaftlichen Ordnungsmodell haben sollte wie die Unternehmung. Obgleich nicht selten praktiziert, sollten das begriffliche Auseinanderfallen beider Bezeichnungen sowie grundsätzlich oder graduell unterschiedlich formulierte Bindungen an ein Wirtschaftssystem vermieden werden. Wenn auch der Unternehmer i n der Bundesrepublik statistisch vom „kombinativ" definierten Typ repräsentiert wird, halten w i r schon aus Gründen einer ahistorischen Begriffsbestimmung und der Möglichkeit einer Anlehnung an das Modell Grochlas den systembezogenen und dispositionswirtschaftlich definierten Unternehmer für den besten Ansatz weiterführender Überle3 Vgl. Euchen, W., Grundlagen der Nationalökonomie, 8. Aufl., a.a.O., S. 57 und 166. 4 Vgl. vor allem ders., a.a.O., S. 205 ff. 5 Vgl. dazu auch Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 493.
94
2. Die Wirtschaftsordnende Betrachtungsweise
gungen. Dabei w i r d das Problem der selbständigen Wahl übergeordneter Zielfunktionen eine besondere Rolle spielen. W i r können nun zu eigenen Lösungsvorschlägen übergehen.
242. Weiterführende Überlegungen zu den Problemkreisen Wirtschaftsordnung — Unternehmung — Unternehmer Zunächst wieder zum Problemkreis Wirtschaftsordnung. Sie w i r d i m Sinne Ritschis verstanden als eine Einheit oder Vielheit strukturell durch gleiche Kriterien geformter Wirtschaftssysteme. W i r d eine Vielfalt angenommen, so verhält sich das Wirtschaftssystem zur W i r t schaftsordnung wie ein Teilsystem zum Gesamtsystem®. Sofern nur der Idealtyp eines i n sich einheitlich strukturierten Wirtschaftssystems — wie ζ. B. der Verkehrswirtschaft — zur Diskussion steht, kann dieses auch als Modell einer Wirtschaftsordnung bezeichnet werden. I n Anlehnung an Euchen und Grochla stellen w i r nur ein K r i t e r i u m als systemkonstitutiv i n den Mittelpunkt der Betrachtungen; damit entsteht ein quasimonistisches Modell. Gesamtwirtschaftlich gesehen ist es die A r t der Steuerung des Wirtschaftsprozesses, wobei die kompetenzielle Verteilung der sog. Planungsfunktionen das bestimmende Merkmal bildet. Beide Autoren gehen vom Standpunkt des Betriebes 7 , ja zum Teil sogar von dem der sog. Betriebsleitung 8 aus. Kosiol spricht deshalb von einer „mikroskopischen Betrachtungsweise" des grundsätzlich makroökonomischen Fragenkreises der Wirtschaftsordnung 9 . Die Gestalt des Wirtschaftssystems w i r d nun vor allem danach bestimmt, ob und inwieweit die „Betriebsplanung" dezentral und autonom i n den einzelnen Wirtschaftseinheiten erfolgt und i n welcher Weise die Betriebsplanung von betriebsfremden Stellen beeinflußt bzw. durchgeführt wird. Grochla nennt die erste Form Eigenplanung bzw. interne Betriebsplanung, die zweite Fremdplanung bzw. externe Betriebsplanung. Die reine Verwirklichung solcher Planungsweisen läßt zwei Grundmodelle entstehen 10 , die durch verschiedene Misch- und Kombinationsformen auf sieben Systeme 11 erweitert werden. Drei davon zei® Vgl. Ritsehl, H., Wirtschaftsordnung, a.a.O., S. 189 ff. Vgl. Euchen, W., Grundsätze der Wirtschaftspolitik, a.a.O., S. 142 und Grochla, E., Betrieb und Wirtschaftsordnung, a.a.O., S. 22 f. 8 Vgl. Euchen, W., a.a.O., S. 238. • Vgl. Kosiol, E., Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum, a.a.O., S. 44 ff. 10 Vgl. Grochla, E., Betrieb und Wirtschaftsordnung, a.a.O., S. 34 ff. 11 Vgl. ders., S. 46 ff. 7
24. Konstruktive Kritik zum Unternehmer im Wirtschaftssystem
95
gen eine vorwiegend interne Betriebsplanung, drei weitere sind durch überwiegende Fremdplanung charakterisiert. Dazu kommt noch eine „Mittelform", bei der sich Eigen- und Fremdplanung etwa die Waage halten. W i r sehen i n Grochlas Modellen sehr interessante Lösungsvorschläge, glauben aber, daß diese noch weiter entwickelt werden sollten. Dabei sind folgende Überlegungen maßgebend: a) Die Planung w i r d bei Grochla definiert als „Überlegungen, Abwägungen und gedankliche Entscheidungen vor Beginn der realisierenden Wirtschaftstätigkeit" 1 2 ; die begriffliche Verwandtschaft zwischen Planen und Wählen w i r d besonders betont. Die Begriffsbestimmung der Planung unterscheidet sich u. E. somit nicht wesentlich von der der Entscheidung 13 . Deshalb kann der Terminus Planung durch den der Entscheidung ersetzt werden. b) Nun sind natürlich nicht alle menschlichen und auch nicht alle betrieblichen Entscheidungen für die Bestimmung von gesamtwirtschaftlichen Ordnungssystemen relevant. Grochla grenzt hier jedoch wenig präzise ab. Betriebsplanung „ w i r d jede A r t von Planung bezeichnet, die den Betrieb und seine Wirtschaftstätigkeit zum Gegenstand hat,, unabhängig davon, wer das Subjekt dieser ist" 1 4 . Zwar w i r d der Planungsbereich auf „betriebsspezifische Entscheidungen" 15 abgegrenzt, jedoch nicht festgelegt, welcher Kreis betriebsspezifischer Entscheidungen für das jeweilige Systemmodell konstitutive Bedeutung haben soll. W i r halten hierfür nur solche Entscheidungen relevant, die den „Betrieb als Ganzes" betreffen und dabei eine erkennbare „Bedeutung für die Existenz und die Ertragslage des Betriebes" haben. Diese Entscheidungen werden später noch ausführlicher als „Gesamtführungsentscheidungen" 1 6 charakterisiert. Gesamtführungsentscheidungen umfassen Ziel-, M i t t e l - und Verfahrensentscheidungen. Diese Differenzierung w i r d bedeutsam, wenn die Rolle des erwerbswirtschaftlichen Prinzips als einer möglichen obersten Zielfunktion zu diskutieren ist. c) Uns scheint aber die monofunktionale Charakterisierung der Gesamtführungsfunktion aus methodischen und empirischen Gründen nicht 12
Ders., S. 11. Vgl. dazu die Definitionen der Entscheidung von Heinen, E., Das Zielsystem der Unternehmung, a.a.O., S. 18; Bidlingmaier, J., Unternehmerziele und Unternehmerstrategien, a.a.O., S. 17; Engels, W., Betriebswirtschaftliche Bewertungslehre i m Lichte der Entscheidungstehorie, Köln und Opladen 1962, S. 180 und Oboth, H., Die unternehmerische Entscheidung, a.a.O., S. 81. 14 Grochla, E., Betrieb und Wirtschaftsordnung, a.a.O., S. 15 (Hervorh. v. Verf.). 15 Vgl. dazu Punkt 4242 dieser Arbeit. 16 Vgl. Punkt 4243 dieser Arbeit. 13
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2. Die
irtschaftsordnende Betrachtungsweise
sinnvoll. Vielmehr umfaßt die Gesamtführungsfunktion neben den „Gesamtführungsentscheidungen" noch die Aufgabengebiete der „betrieblichen Menschenführung i. w. S." sowie die Bereiche der „höchstpersönlichen Ausführungsaufgaben" 17 . Erst die Verbindung dieser drei Funktionsbereiche ergibt u. E. eine auch real vorstellbare Charakterisierung der Gesamtführungsaufgabe, wobei jedoch innerhalb bestimmter Grenzen Teildelegationen möglich sind. Diese Differenzierung ist vor allem hinsichtlich der beiden Teilgebiete Entscheidung und Menschenführung für die Analyse und Kennzeichnung gesamtwirtschaftlicher Ordnungsmodelle bedeutsam. Damit ist die Planungsaufgabe ersetzt durch die weiter und differenzierter definierte Funktion der betriebsspezifischen Gesamtführung. d) Nun steht die Aufgabe an, die Gesamtführungsfunktion als konstitutives K r i t e r i u m für die Bestimmung von Wirtschaftssystemen „aufzubereiten". Dazu bedarf es der Betrachtung unter einem bestimmten Aspekt. W i r wählen dafür den Grad der Autonomie nach außen, wobei der einzelne Betrieb — wie bei Euchen und Grochla — den Ausgangspunkt bildet. Gesamtwirtschaftlich gesehen ist es die Kompetenzverteilung oder genauer noch die Kompetenzenteilung der für das Entstehen und „ W i r ken" jedes Betriebes notwendigen bzw. anfallenden Gesamtführungsaufgaben, die zwischen dem einzelnen Betrieb und anderen betrieblich relevanten externen „Willenszentren" 1 8 wirksam sind. I m Gegensatz zu Gutenberg w i r d nicht nur der Staat als einziges relevantes „Gegenzentrum" i m Vergleich zum einzelnen Betrieb gesehen. Denn entscheidend für den einzelnen Betrieb ist doch, daß die Gesamtführungsfunktion nicht mehr autonom von i h m bestimmt wird. A n wen nun die Kompetenzen übergegangen sind, ist dagegen u. E. eine zweitrangige Frage. Dagegen halten w i r — auch i m Gegensatz zu Gutenberg — für die Bestimmung des Wirtschaftssystems den Aspekt der Autonomie nach innen, also das sog. „Alleinbestimmungsprinzip" 1 9 bzw. „Mitbestimmungsprinzip" für nicht relevant. Denn hier geht es um eine Kompetenzverteilung von Gesamtführungsaufgaben, die das Innenverhältnis der Wirtschaftseinheit berühren. Damit ist aber die Frage nach dem Unternehmer und nicht die nach der Unternehmung bzw. unternehmungsweisen Wirtschaft berührt. 17
Vgl. dazu die Punkte 4243 und 4244. Vor allem kommt hier natürlich der Staat mit seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik in Frage; aber es gibt noch weitere Willenszentren, wie supranationale Behörden (EWG-Kommission), Marktteilnehmer, Gewerkschaften, Unternehmerverbände und durch überbetriebliche Zusammenschlüsse freiwilliger oder zwangsweiser Art gebildete Stellen. 19 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", 1. Bd., a.a.O., S. 486 f. 18
24. Konstruktive Kritik zum Unternehmer im Wirtschaftssystem
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Schließlich ist — methodisch, nicht historisch gesehen! — die Bestimmung eines Wirtschaftsprinzips als konstitutive Determinante des W i r t schaftssystems gerade für das Modell der „autonomen Wirtschaft" nicht anwendbar. Denn diese Fremdbestimmung widerspricht direkt und eindeutig dem Autonomieprinzip. Prion formulierte die vorherrschende Meinung auch späterer Ansätze sehr treffend, wenn er schon 1935 von dem „Gewinnstreben" als betrieblicher Leitmaxime spricht, „das dem Wirtschafter durch die Verfassung der Gesamtwirtschaft auf gezwungen w i r d " 2 0 . Danach wäre bei der Formulierung der betrieblichen Zielfunktion keinerlei Möglichkeit einer Selbstbestimmung mehr gegeben. Da nun wiederum die besondere Ausprägung dieses „eindimensionalen" 21 Zielsystems auch den Spielraum und das Ergebnis der Mittel- und Verfahrensentscheidungen, vor allem bei der Bewertung des Entscheidungsfeldes, der Alternativen beeinflußt 22 , ist auch insgesamt der Autonomiegrad bei allen Gesamtführungsentscheidungen deutlich eingeschränkt. Somit verlangt ein hoher Autonomiegrad der Gesamtführungsaufgabe, daß das betriebliche Zielsystem weitgehend autonom formuliert werden kann 2 3 . Diese K r i t i k w i r d unterstützt, wenn man, wie ζ. B. Heinen 2 4 , die Organisation i n der Konzeption der politischen Wissenschaften sieht. Die Organisation ist dann aus einer Vielzahl von Entscheidungszentren zusammengesetzt, die miteinander oder gegeneinander arbeiten bzw. sich neutral oder ambivalent gegenüberstehen 25 und auch ihre Ziele aushandeln. „Eine Symmetrie i n der Macht Verteilung zwischen den Gruppen oder Koalitionen besteht nicht. Sogenannte Kerngruppen sind zur Zielbildung legitimiert, während Satellitengruppen Einfluß auf die Zielbildung i n der Kerngruppe zu gewinnen suchen 26 ." Diese „Modellansätze kollektiver Entscheidungen" behandeln also auch das Zielsystem der Unternehmung als „abhängige, d. h. i m theoretischen System zu erklärende Variable" 2 7 . Dagegen geht die bisherige Theorie der Unternehmung von einer „vom realen Unternehmerverhalten weitgehend abstrahierenden Modellbetrachtung (aus). Den Entscheidungs20
Prion, W., „Die Lehre", 1. Buch, a.a.O., S. 26 (Hervorhebung vom Verf.). Vgl. Heinen, E., Das Zielsystem der Unternehmung, a.a.O., S. 59. 22 Vgl. Engels, W., a.a.O., S. 96. 23 Das schließt nicht aus, daß die überwiegende Zahl der Wirtschaftseinheiten ihr Zielsystem schließlich doch in strukturell gleicher Weise bestimmen mag. 24 Vgl. Heinen, E., Das Zielsystem der Unternehmung, a.a.O., S. 201 f. und S. 187 ff. und die dort angegebene Literatur. 25 Vgl. dazu die Ausführungen von Heinen, E., Das Zielsystem der Unternehmung, a.a.O., S. 211 ff. zur „Sozio-emotionalen Gruppenstruktur". 28 Ders., S. 201. 27 Ders., S. 201 f. 21
7 Wunderer
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2. Die
irtschaftsordnende Betrachtungsweise
modellen liegen sehr spezielle Annahmen über den Inhalt und das erstrebende Ausmaß der unternehmerischen Ziele zugrunde. . . . Es w i r d unterstellt, daß der Unternehmer nach dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip i n seiner ausgeprägtesten Form handelt, nämlich nach der Leitmaxime der Gewinn- oder Rentabilitätsmaximierung" 2 8 . e) „Makroskopisch" (Kosiol) gesehen könnte unser Ordnungssystem als eine A r t gesamtwirtschaftlicher Führungsorganisation definiert werden, das vor allem geprägt ist von der besonderen Struktur der makroökonomischen Verteilung aller einzelbetrieblichen Gesamtführungskompetenzen auf die verschiedenen Willens- bzw. Machtzentren der Volkswirtschaft. „Mikroskopisch" betrachtet ist dieses Modell i n erster Linie bestimmt durch den Grad der Autonomie nach außen, die den einzelnen Wirtschaftseinheiten bei der Ausübung ihrer betriebsspezifischen und -notwendigen Gesamtführungsaufgabe verbleibt 2 9 . f) Weil die Gesamtführungsaufgabe — i m Gegensatz zur Planung bei Grochla — als Gesamtheit von mehreren Teilbereichen gesehen wird, ist es möglich, neben dem Gesamtgrad der äußeren Autonomie noch die i h n bestimmenden Teilgrade festzustellen. So kann das Ausmaß der Selbstbestimmung zwischen der Formulierung des Zielsystems und der Ausübung von relevanten Ziel- und Mittelentscheidungen oder der Autonomie i n der Durchsetzung und Vorbereitung dieser Entscheidungen mittels betrieblicher Menschenführung durchaus variieren. I n exemplarischer Weise ist diese Differenzierung übrigens bei Thoms erkennbar. Thoms stellt zunächst fest, daß durch die A r t der nationalsozialistischen Wirtschaftsordnung verschiedene „Maßnahmen der staatlichen Wirtschaftsführung . . . das Leben des Betriebes i n den Einzelheiten bestimmen" 3 0 ' 8 1 . Er nennt hier vor allem die Entscheidungsbereiche der Devisen- und Rohstoffbeschaffung, des Arbeitseinsatzes und der Preisbildung. Weiterhin ist das betriebliche Zielsystem ebenfalls weitgehend festgelegt durch Ziele wie „völkische Arbeitsent28
Vgl. ders., S. 28. Es würde den Rahmen der Arbeit übersteigen, nun im Sinne Euchens oder Grochlas Misch- bzw. Unterformen sachlich und begrifflich definieren zu wollen. Da aber die Termini Selbstbestimmung und Eigenplanung bzw. Fremdbestimmung und Fremdplanung in wesentlichen Aspekten vergleichbar sind, könnte man insoweit durchaus Grochlas Vorstellungen folgen. 30 Thoms, W., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 27. 31 Noch eleganter formulierte damals Gutenberg: „Die moderne Unternehmung hat an privatwirtschaftlicher Substanz verloren und an volkswirtschaftlicher gewonnen." Gutenberg, E., Grundsätzliches zum Problem der betriebswirtschaftlichen Leistungsbewertung und der Preisstellung, in: Die Führung des Betriebes, Festschrift zum 60. Geburtstag von W. Kalveram, hrsg. von K a r l Theisinger, Berlin — Wien 1942, S. 307. 29
24. Konstruktive Kritik zum Unternehmer im Wirtschaftssystem
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faltung" 3 2 , „sinnvoller Einsatz der Arbeitskraft" und „vernünftige Verwendung der Arbeitsfrucht" 8 3 , „Erhaltung der Arbeitskraft" 3 4 . Daraus folgert Thoms nun durchaus logisch: „Aus der veränderten Situation des Wettbewerbs steht die Menschenführung i m Vordergrunde 3 5 ." Daß die einzelnen Teilbereiche der Gesamtführungsfunktion nicht von vornherein gleiches Gewicht bei der Ermittlung des Gesamtautonomiegrades haben müssen, wurde schon beider Behandlung des erwerbswirtschaftlichen Prinzips als vorgegebener Zielfunktion deutlich. Eingehendere Überlegungen würden hier aber zu weit führen 3 6 . g) Zur folgenden Begriffsabgrenzung zwischen Betrieb und Unternehmung genügt es deshalb, zwei relativ, global und antithetisch bestimmte Wirtschaftssysteme zu bilden. System I w i r d dabei von Betrieben geprägt, bei denen hinsichtlich der Ausübung ihrer Gesamtführungsfunktionen der Gesamtgrad an Autonomie nach außen höher ist als das Ausmaß der Fremdbestimmung. I n Anlehnung an Grochla könnte man auch von einer betrieblich primär autonomen Gesamtführung sprechen. System II ist dagegen von Betrieben beherrscht, deren Gesamtführungsaufgaben überwiegend fremdbestimmt werden, wobei die betriebsexternen Träger von Gesamtführungsteilaufgaben keineswegs nur staatliche Stellen zu sein brauchen. I n Kurzbezeichnung w i r d System I auch „Modell der primär selbstbestimmenden Betriebe" und System I I „Modell der primär fremdbestimmten Betriebe" genannt. Die vergleichsweise eingehende Behandlung des Aspekts Wirtschaftssystem erlaubt es nun, die systembezogene Definition von Unternehmung und Unternehmer kürzer zu fassen, zumal die wesentlichen Grundlagen i m vorangehenden Abschnitt schon erarbeitet wurden. Zunächst zur Begriffsbestimmung der Unternehmung. W i r wollen sie — wie auch der überwiegende Teil der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren — als besonderen Typ des systemindifferenten Betriebes sehen. Damit ist der Betrieb als Erfahrungsobjekt der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre eine ökonomische Führungseinheit 3 7 und ein 82
Vgl. Thoms, W., a.a.O., S. 20. Vgl. ders., S. 24. 84 Vgl. ders., S. 26. 85 Thoms, W., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 58. 88 Methodische Parallelen sind jedoch bei der Bestimmung einer unternehmerspezifischen Funktion gegeben. Vgl. dazu Punkt 4243 dieser Arbeit. 87 Wir erweitern damit den Begriff der „ökonomischen Entscheidungseinheit" nach Sauermann, H., Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Bd. I, a.a.O., S. 43 f., da wir diese Begriffsbestimmung — wie schon dargelegt — aus vor allem funktionalen Erwägungen als zu eng definiert betrachten. Vgl. dazu auch die ausgezeichnete Betriebsdefinition von Hasenack, W., Grandît 88
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2. Die Wirtschaftsordnende Betrachtungsweise
wirtschaftliches Zweckgebilde 38 . Charakterisiert w i r d der Betrieb weiterhin durch eine vorrangig auf wirtschaftliche Leistungen gerichtete Kombination betrieblicher Leistungsfaktoren, die sich i n bestimmten betrieblichen Funktionen und Funktionskombinaten niederschlägt. Schließlich ist jeder Betrieb als „Knotenpunkt i m Netz der Wirtschaftsbeziehungen" 39 i n vielfältiger Weise i n eine Gesamtwirtschaft eingebaut, ohne daß damit schon ein bestimmter Bezug zu einer bestimmten Wirtschaftsordnung festgelegt wäre. Alle vorstehend genannten Kriterien des Betriebsbegriffes können i n den verschiedensten Weisen ausgeprägt sein. Die methodisch bedeutsamsten Ausformungen versucht man durch Bildung von Betriebstypen unter den verschiedensten Aspekten zu erfassen 40 . Wie nun die unterschiedlichen Motive, Ziele und Arten der wirtschaftlichen Aktivitäten des Betriebes oder die Schwerpunkte der Funktionsausübung Ansatzpunkte für die Bildung von besonderen Betriebstypen sein können, so kann auch der Aspekt der „Systembezogenheit" die Grundlage für die Formulierung eines speziellen Betriebstyps bilden. Die Definition w i r d je nach A r t der gewählten konstitutiven Kriterien, des persönlichen Auswahlprinzips und der bevorzugten Forschungs- und Darstellungsmethoden immer individuell ausfallen. Damit ist nicht ausgeschlossen, daß eine bestimmte Begriffsbestimmung besonderen Anklang oder gar allgemeine Anerkennung findet 41. W i r bevorzugen i n Anlehnung an Euchen die Methode der „pointierend-hervorhebenden Abstraktion" 4 2 und beschränken uns weiterhin auf die begriffliche Bestimmung des hier interessierenden besonderen Betriebstyps Unternehmung. Die Unternehmung unterscheidet sich gegenüber dem Betrieb dadurch, daß sie i n die Koordinaten eines bestimmten Wirtschaftssystems gestellt w i r d und dadurch eine besondere Ausprägung erhält. Wie schon ausgeführt, wirken nun beim unternehmungsweisen Wirtschaftssystem die gesamtwirtschaftlichen Ordnungsfaktoren auf die einzelnen Betriebe dergestalt, daß bei der Ausübung lagen der Betriebswirtschaft, a.a.O., S. 89: „Ein Betrieb ist eine organisierte Leistungsgemeinschaft zur vorgeregelten Durchführung einer sich wiederholenden Arbeitsaufgabe, deren Erfüllung eine einheitliche Führung und den geordneten Einsatz von Arbeitskräften und Sachgütern nötig macht." 38 Vgl. Grochla, E., Unternehmung und Betrieb, a.a.O., S. 584. 39 Vgl. Kosiol, E., Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum, a.a.O., S. 16. 40 Vgl. ders., S. 23 ff. 41 Besonders in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen ist dieser Fall allerdings nicht die Regel. 42 Vgl. Euchen, W., Grundlagen der Nationalökonomie, 8. Aufl., a.a.O., S. 226 f., 249, 254.
24. Konstruktive Kritik zum Unternehmer im Wirtschaftssystem
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ihrer Gesamtführungsfunktionen der Gesamtgrad an Autonomie (nach außen) höher ist als das Ausmaß der Fremdbestimmung. Unternehmungen sind demnach Betriebstypen, die ihre Gesamtführungsfunktionen infolge eines adäquat strukturierten Wirtschaftssystemes in überwiegend autonomer Weise ausüben können.
Als Unternehmer muß unter diesem Aspekt der Systembeziehung die Person bzw. Personengruppe bezeichnet werden, die auf Grund führungsorganisatorischer Kompetenz vorwiegend die Gesamtführungsfunktionen einer Unternehmung ausübt™. I n s o w e i t w i r k t sich der E i n -
fluß des Wirtschaftssystems über die Unternehmung auch indirekt auf die „makromorphologische" Definition des Unternehmerbegriffs aus. Damit ist der Unternehmer jedoch nicht unbedingt die „versachlichte Institution der Tätigkeit des Unternehmers" (Grochla), da ja betriebliche Gesamtführungsfunktionen i n autonomer Weise auch außerhalb von Unternehmungen, ζ. B. von staatlichen Planungsinstanzen, ausgeübt werden können. Deshalb sollte man den Unternehmer eher umgekehrt als die Personifikation der unternehmungsweisen Ausübung von Gesamtführungsfunktionen bezeichnen, denn das Wesen der Unternehmung bestimmt das des Unternehmers i n höherem Grade als umgekehrt. Durch das K r i t e r i u m der „führungsorganisatorischen Kompetenz" 4 4 t r i t t nun aber neben das Prinzip der Autonomie nach außen das der Autonomie nach innen. Bestimmte das Prinzip der Autonomie nach außen die gesamtwirtschaftliche Führungsstruktur, das Wirtschaftssystem und damit den Betriebstyp Unternehmung, so ist erst mit Hilfe des Autonomieprinzips nach innen feststellbar, wer nun als Träger der unternehmerischen Gesamtführungsaufgaben bezeichnet werden kann. Besonders relevant sind hier die Willenszentren „Vertretung der Kapitaleigner" und „Vertretung der Arbeitnehmer", also — unterstellt man ein dualistisches Faktorsystem — die Repräsentanten der Faktoren Kapital und Arbeit. Vor allem i n Kapitalgesellschaften, bei denen die Leiter ohne wesentliche Kapitalbeteiligung sind 4 5 oder i n Gesellschaftsformen, die den Trägern der sog. Arbeiterselbstverwaltung vergleichsweise starke Mitentscheidungsrechte zubilligen 4 6 , können deshalb — 43 Zur Begründung dieser weder rein funktionalen noch rein positionellen Bestimmung des Unternehmers vgl. Punkt 4241 dieser Arbeit. 44 Der Begriffsinhalt dieses Kriteriums wird ebenfalls in Punkt 4241 genauer abgegrenzt. 45 Vgl. dazu auch Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 287. 46 Vgl. dazu Schleicher, H., Das System der betrieblichen Selbstverwaltung in Jugoslawien, Berlin 1961, passim.
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2. Die Wirtschaftsordnende Betrachtungsweise
soweit Unternehmungen vorliegen — die (rechtlichen) Repräsentanten dieser Unternehmungen nicht eo ipso als Unternehmer bezeichnet werden 47 . 243. Methodische Konsequenzen Die oben vorgetragenen Lösungsvorschläge sollen nun noch einmal abschließend und zusammenfassend i n ihren methodischen Auswirkungen erörtert werden: a) Erfahrungsobjekt der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre ist der Betrieb. Die Unternehmung ist ein besonderer Betriebstyp, formuliert unter dem Aspekt der Wirtschaftsordnung. Die Wirtschaftsordnung wiederum w i r d i n quasimonistischer Weise charakterisiert durch das Prinzip der Autonomie nach außen. Entscheidend ist dabei der Autonomiegrad bei der Ausübung der betrieblichen Gesamtführungsfunktionen. Unter Hinzunahme des Kriteriums der Autonomie nach innen w i r d der Unternehmer phänomenologisch aus der Unternehmung erklärt. b) Daraus ergibt sich wieder einmal die besondere Bedeutung der funktionalen Betrachtungsweise, die auch für die systembezogene Analyse und Darstellung des Unternehmers unentbehrliche Dienste leistet. Damit verbunden ist eine vorwiegend „mikroskopische Behandlung" des zunächst mehr „makroskopisch" relevanten Problemkreises W i r t schaftsordnung. I n gleicher Weise gingen schon Euchen und Grochla vor. c) Die Methode der idealtypischen „hervorhebend-pointierenden A b straktion" erlaubt die Beschränkung der Modellkonstruktion auf den Aspekt, der als der wichtigste angesehen wurde: die Autonomie nach außen bei der Ausübung betriebsspezifischer Gesamtführungsfunktionen. Die Bedeutung oder Notwendigkeit weiterer Kriterien w i r d damit nicht bestritten, vielmehr durch die einschränkende Bezeichnung „quasimonistisch" schon i n der Begriffsformulierung zu betonen versucht. d) Das vorgeschlagene Modell ist weiterhin bewußt ahistorisch und abstrakt-methodisch formuliert. Der Unternehmer ist deshalb keine 47 I n die gleiche Richtung argumentierte übrigens schon 1950 C. Wirtz, als er den betreffenden Terminus der „sekundären Betriebsführung" für die bestimmenden institutionalisierten Einflußfaktoren auf die innere Autonomie der Gesamtführung prägte. Vgl. Wirtz, C., Die Grundformen der Leitungsorganisation in Unternehmungen, insbesondere in Aktiengesellschaften, in: ZfhF 1950, S. 311.
24. Konstruktive Kritik zum Unternehmer im Wirtschaftssystem
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„geschichtliche Kategorie" 4 8 . Damit ist nicht ausgeschlossen, daß die gleichzeitige Erfassung derselben Tatbestände mittels empirisch-historischer Modelle nicht nur möglich, sondern i m Interesse weiterer Erkenntnisse sogar empfehlenswert sein kann. e) Der Unternehmer ist nur dann als zentrales Teilerfahrungsobjekt der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre vorstellbar, wenn sie sich auch auf den besonderen Betriebstyp Unternehmung i n ihrer Darstellung beschränken w i l l . Ansonsten ist er aber methodisch nur insoweit relevant, als Fragen dieses Betriebstyps behandelt werden. Inwieweit die „wirtschaftsordnende Betrachtungsweise" des Unternehmers also systembildend für die Konzeption einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre w i r k t , hängt davon ab, welche Bedeutung der Unternehmung als einem von mehreren möglichen Betriebstypen unter dem Aspekt der Wirtschaftsordnung beigemessen wird. Überspitzt ausged r ü c k t h e i ß t das: Je „allgemeiner" eine Betriebswirtschaftslehre konzipiert wird, um so weniger bedeutsam ist die besondere Figur des Unternehmers.
f) Das i n der Betriebswirtschaftslehre häufig und unter den verschiedensten Blickwinkeln diskutierte Problem, ob oder inwieweit die Unternehmereigenschaft vom Verhältnis zum Eigentum an den Produktionsmitteln bestimmt w i r d 4 9 , kann man nun reduzieren auf das Problem der Autonomie nach innen. Damit betrifft diese Fragestellung ganz eindeutig den Unternehmer, jedoch nur unter dem Aspekt der betriebsinternen Machtverteilung, soweit sie sich auf die „führungsorganisatorische Kompetenzenregelung" auswirkt. Sicherlich erhöht die Verbindung von Eigentum und Leitung den Grad der inneren Autonomie. Daraus kann aber u. E. nicht gefolgert werden, daß bei einer Trennung beim Träger der Gesamtführungsaufgaben diese innere Autonomie nicht mehr gegeben sei. Von möglichen Extremfällen abgesehen halten w i r dieses Problem deshalb nicht für ein grundsätzliches, son48
Vgl. Marx, Α., Unternehmer und Unternehmung, a.a.O., S. 136. Vgl. Jungfer, V., Wandlungen des Unternehmerbegriffs im 20. Jahrhundert, a.a.O., S. 118 ff.; Topp, J., Unternehmer oder Manager, a.a.O., S. 718 sowie die dort aufgeführten Literaturangaben; Häussermann, E., Der Unternehmer — Seine Funktion, seine Zielsetzung, sein Gewinn, Stuttgart 1932, S. 20; Turin, G., a.a.O., S. 165 f.; Kosiol, E., Organisation der Unternehmung, Wiesbaden 1962, S. 120; Messner, J., Der Eigenunternehmer in Wirtschaftsund Gesellschaftspolitik, Sammlung Politela, Heidelberg und Löwen 1964, S. 18, 52 f.; — diese Zitate referieren eigene oder fremde Überlegungen, die der Kapitalfunktion unternehmerkonstitutive Bedeutung beimessen. Tendenziell entgegengesetzte Argumentationen dagegen bringen ζ. B.: Topp, J., a.a.O., S. 720 und die dort angegebenen Quellen; Turin, G., a.a.O., S. 213; Spindler, G., a.a.O., S. 12, 292; Pöhner, K , Der moderne Unternehmer von der Praxis her gesehen, in: Gestaltwandel der Unternehmung, a.a.O., Berlin 1954, S. 90. 49
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2. Die
irtschaftsordnende Betrachtungsweise
dern für ein graduelles 50 . Denn soweit der üblicherweise betriebsexterne „Kapitalist" sich tatsächlich die Ausübung der meisten Gesamtführungsfunktionen vorbehalten sollte, ist eben er der Unternehmer, selbst wenn die Unternehmung gesetzlich durch eine andere Person vertreten würde. g) Eine weitere interessante Fragestellung ist, ob und inwieweit Beamte als Leiter von staatlichen Betrieben Unternehmer sein können 51 . Soweit die staatlichen Betriebe als Unternehmungen zu bezeichnen sind, ist der nach außen vorwiegend autonome Träger der Gesamtführungsentscheidungen auch als Beamter zwangsläufig Unternehmer. Denn wenn zwar staatliche aber betriebsexterne Stellen, etwa auf Grund beamtenrechtlicher Weisungskompetenzen, die Ausübung der Gesamtführungsaufgaben so weit beeinflussen, daß von überwiegender Fremdbestimmung gesprochen werden muß, dann ist schon nicht mehr die Unternehmungseigenschaft gegeben. Das Problem der inneren Autorität stellt sich deshalb nicht i n gleichem Maße wie bei der privaten Unternehmung. h) Analog anwendbar sind diese Erkenntnisse übrigens auch für den Problemkreis der betrieblichen Zusammenschlußformen i m Hinblick auf die Unternehmereigenschaft 52 . i) Daran schließt sich fast zwangsläufig ein weiterer Fragenkreis an, der das Verhältnis von Unternehmereigenschaft und Wirtschaftssystem einer „primär fremdbestimmten Gesamtführung" zu klären versucht 53 . Dies geschieht meist unter dem Tenor „Unternehmer i n der Zentralverwaltungswirtschaft" . 50
Vgl. auch Topp, J., a.a.O., S. 722 und 724. Vgl. dazu vor allem Topp, J., Unternehmer und Beamter, in: BFuP 1954, S. 653 ff.; Burnham, J., Das Regime der Manager, Stuttgart 1951, S. 100 und 133; Spindler, G., a.a.O., S. 89 f.; Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft — Grundriß der verstehenden Soziologie, 4. Aufl., 2. Halbbd., Tübingen 1956, S. 560 und 844 f. ; Schelsky, H., Berechtigung und Anmaßung in der Managerherrschaft, in: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik ohne Dogma, Hrsg. Heinz-Dietrich Ortlieb, Hamburg 1954, S. 90. 52 Vgl. dazu vor allem Grochla, E., Betrieb und Wirtschaftsordnung, a.a.O., S. 39 ff. 55 Vgl. dazu Weller, Th., Auswahl eines Erkenntnisobjektes der BWL, Teil I I , in: BFuP 1963, S. 342; der übrigens mit ganz anderer Argumentation zu ganz gleichen Ergebnissen wie wir gelangt. — Ganz ähnlich auch Burnham, J., a.a.O., S. 92, 97 und 125; Dünnhaupt, J., Der Wandel vom hochkapitalistischen Unternehmer zum Manager. Seine ökonomische und soziale Bedingtheit durch die Entwicklung des Kapitalismus, Diss. Berlin 1955, S. 125 f., 104 ff., 118 f. (hier wird wiederum häufig Bezug auf Burnham genommen); Turin, G., a.a.O., S. 142 (zitiert wird Schumpeter) ; Gerhardt, J., Unternehmertum und Wirtschaftsführung, Tübingen 1930, S. 182 ff.; Wandel, L., Wirtschaftsordnung und Unternehmertum, Diss. Freiburg/Br. 1944, S. 32 und 202; 51
24. Konstruktive Kritik zum Unternehmer im Wirtschaftssystem
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Bezeichnet man einschränkungslos die Gesamtführungsaufgaben als Unternehmerfunktionen 5 4 , so werden diese dann überwiegend von betriebsexternen Stellen wahrgenommen, die aber i n der Regel keine Unternehmungen sind. Dann können jedoch die Leiter solcher betriebsexterner Machtzentren aber auch nicht Unternehmer genannt werden. Die Figur des Unternehmers ist also für dieses Modell einer gesamtwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung nicht relevant. I m Gegensatz zur faktoriellen Darstellung ist es bei einer „wirtschaftsordnenden" Betrachtungsweise unerläßlich, den Unternehmer von den übrigen Trägern betrieblicher Führungsaufgaben methodisch zu trennen. Wie bei der funktionalen Betrachtungsweise — die ja auch hier wesentlichen Einfluß hat —, verschafft erst diese Aufspaltung der Betriebsführung den Zugang zu den methodisch relevanten Fragestellungen. Dieser Tatbestand w i r d bei Grochlas K r i t e r i u m und Definition der „Betriebsplanung" zum Beispiel nicht sichtbar — eine weitere Bestätigung für die Notwendigkeit weiterführender Überlegungen.
Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft — Grundriß der verstehenden Soziologie, 1. Halbbd., Tübingen 1956, S. 129; Oboth, H., a.a.O., S. 81; Moxter , Α., Was ist ein Unternehmer?, in: Der Arbeitgeber, 15. Jg., 1963, S. 288; Jungfer, V., Wandlungen des Unternehmerbegriffs im 20. Jahrhundert, a.a.O., S. 127; Spindler, G., a.a.O., S. 301. 54 Vgl. dazu ζ. B. Wandel, L., a.a.O., S. 76.
3. Die faktorielle oder mikromorphologische Betrachtungsweise — Der Unternehmer im Faktorsystem — 31. Methodische Techniken und Grundsysteme — erläutert an richtungsweisenden Vorläufern der Volkswirtschaftslehre 311. Begriffliche Abgrenzungen Autoren, die sich mit dem Problem der Produktionsfaktoren monographisch befassen, sind sich einig, daß über die Begriffsbezeichnung „ i n der Literatur keine Einheitlichkeit besteht" 1 . Da die Definition als „eine Frage von untergeordneter Bedeutung" 2 angesehen wird, gehen selbst die Monographen gerne darüber hinweg. Man findet die Faktoren charakterisiert als diejenigen Güterarten, auf die es i m Betriebsprozeß „praktisch ankommt" 3 , als die „bei der Produktion mitwirkenden Objekte" 2 , als „die Bestandteile jeder Produktion, welche als Posten m i t bestimmten Werten i n die Produktion eingehen und welchen daher vom Ertrage ein Wertanteil zugerechnet werden muß" 4 . Selten w i r d dabei betont, daß es sich bei den aufgeführten Faktoren u m „aggregierte Größen handelt, bei denen die Faktoren die Summe von Güterarten und diese wiederum die Summe von Gütereinheiten sind" 5 . Ebenso selten ist aus den Definitionen ersichtlich, daß — vor allem i n der klassischen Theorie, aber nicht nur dort — die Produktionsfaktoren i n den vorliegenden Systemen insgesamt weniger zur Erklärung des 1 Loitlsberger, E., Faktor oder Prozeß als Grundbegriff der Betriebswirtschaftslehre, in: Beiträge zur Begriffsbildung und Methode der Betriebswirtschaftslehre, Festschrift für Willy Bouffier zur Vollendung seines 60. Lebensjahres, Hrg. R. Bratschitsch und K. Vodrazka, Wien 1965, S. 115. Vgl. ebenso Linder, F., Die Wandlungen in der Lehre von den Produktionsfaktoren, Diss. Köln 1925, S.6 und Theunert, F., Produktion und Produktionsfaktoren, Frankfurt/Main 1950, S. 10. 2 Linder, F., a.a.O., S. 6. 5 Vgl. Mayer,H., Produktionsfaktoren, in: HdSW, 4. Aufl., Jena 1925, S.1122, zitiert nach Loitlsberger, E., a.a.O., S. 118. 4 Vgl. Theunert, F., a.a.O., S. 10, der sich damit der Definition von Philippovich anschließt. 5 Loitlsberger E., a.a.O., S. 119.
31. Methodische Techniken und Grundsysteme in der V W L
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Produktionsprozesses als zur Lösung anderer Fragestellungen verwendet wurden. So steht bei den Klassikern die Erklärung des Volkswohlstandes, der gesamtwirtschaftlichen Produktivität sowie der Einkommens- und Ertragsverteilung i m Vordergrund. Bei den Sozialisten und der Grenznutzenschule sind es die Wertbildung und -Zurechnung und bei Cassel zum Beispiel die Preisbildung. Nach Schmölders 6 ist es vor allem Marshall, der die Grundlagen für eine einzelwirtschaftliche Theorie der Produktion und gezielte Verwendung der Produktionsfaktoren nach ihrem semantischen Begriffsinhalt legt. Diese Meinung bestätigt auch Gutenberg 7. Vor Marshall hätte man diese Kategorien wohl treffender als „Reichstums-", „Produktiv-", „Ertragsverteilungs-", „Wert-" bzw. „Preisbildungsfaktoren" bezeichnet. Parallel zu dem Begriff Produktionsfaktor w i r d die Bezeichnung Produktionselement verwendet, ein Terminus, der sich auch i n der Betriebswirtschaftslehre findet. I n den zitierten Monographien liest man dazu meist nur, beide Begriffe würden synonym verwendet, wobei Linder noch darauf hinweist, daß dies auch für die englischen (Agents, Elements) und französischen (Agents, Eléments, Fakteurs) Theoretiker gelte 8 . Wie i m Abschnitt über die pluralistische Faktorenlehre noch an Beispielen gezeigt wird, sind zum Teil sowohl Elemente als auch Faktoren i n einem System eingebaut, wobei dann differenzierende Begriffsinhalte impliziert sind. I n diesem Falle werden nur dem Faktor (ζ. B. dem Unternehmer) dynamische Eigenschaften zuerkannt 9 , während die Elemente Kategorien sind, die i n passiver Weise durch Kombinationsentscheidungen des Faktors wirksam werden 1 0 . Der „dynamische" Aspekt des Faktorbegriffs ist aber noch i n anderer allgemeinerer Form nachweisbar. Soweit das Erkenntnisziel vor allem katallaktisch interpretierbar ist, also Probleme der produktiven Kombination bzw. des Wertbildungs- oder Ertragsverteilungsprozesses i m Mittelpunkt stehen 11 , soweit w i r d auch vorzugsweise die Bezeichnung • Vgl. Schmölders, G., Geschichte der Volkswirtschaftslehre, Wiesbaden 1961, S. 96 f. 7 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 4 ff. 8 Vgl. Linder, F., a.a.O., S. 6. 9 Etymologisch bedeutet ja auch facere „machen, tun"; der Duden übersetzt sogar Faktor mit „Macher". Vgl. Der große Duden, 14. Aufl., Mannheim 1958, Bd. 1: Rechtsschreibung, S. 247. 10 Die Bezeichnung Elementarfaktoren, die bei Gutenberg dem dispositiven Faktor gegenübergestellt werden, weist in die gleiche Richtung; u.E. versucht Gutenberg damit das Dilemma der zwei dynamischen Aspekte des Faktorbegriffs und der erstrebten Begriffseinheitlichkeit zu lösen. 11 Diese Betrachtungsweise kann man schon in Qüesnays „Tableau économique" finden.
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3. Die faktorielle Betrachtungsweise
Faktor 1 2 verwendet. Dieser ist dann zwar nicht mehr unbedingt selbst dynamisch, aber Bestandteil der dynamischen Kategorie Prozeß. Für vorwiegend strukturanalytische Fragestellungen 18 eignet sich dann besser die Bezeichnung Element.
312. Die trialistische Faktorenlehre als methodischer Ausgangspunkt und die Technik der Faktorwertung Die trialistische Faktorenlehre mit den Kategorien Arbeit, Boden und Kapital war Grundlage der ersten geschlossenen Produktionslehre von J. B. Say und hat bis heute noch nicht an Bedeutung verloren 1 4 . Say , dessen „Politische Ökonomie" i n je ein Buch über Produktions-, Verteilungs- und Verbrauchstheorie aufgeteilt ist, w i r d häufig als der Begründer einer systematischen Produktionslehre bezeichnet 15 . Die schon bei Smith genannten drei Ertragsquellen — zur Erklärung der Einkommensarten Lohn, Profit und Rente — sieht Say bereits unter Leistungsaspekten 16 . Er unterscheidet industrielle Dienste, Dienste der Kapitalien und Dienste der Grundstücke, auch sind die Einkommensarten schon als „Kostenfaktoren" charakterisiert 17 . Say ist es ebenfalls, der den weiten Produktionsbegriff — Erzeugung bzw. Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen — einführt 1 8 , wie er noch heute, auch vorzugsweise von den volkswirtschaftlich orientierten Betriebswirten, verwendet wird. Die trialistische Faktorenlehre hat sich i n der wissenschaftlichen und populären Volkswirtschaftslehre weitgehend durchge12
Man findet dafür die Bezeichnung „produktive Kräfte". I n der Betriebswirtschaftslehre ist das ζ. B. der Aspekt „Der Aufbau des Betriebes", der in vielen allgemeinen Darstellungen als Hauptgliederungspunkt dient. 14 Vgl. dazu Carell, E., Produktionsfaktoren, in: HdSW, Bd. 8., a.a.O., S. 571. 15 Vgl. Gide, Ch. und Rist, Ch., a.a.O. und Pesch, H., Lehrbuch der Nationalökonomie, Bd. 1, Freiburg 1922, S. 324, zitiert nach Linder, F., a.a.O., S. 13. — Smith hat damit lediglich wertvolle Grundlagen geschaffen und die Faktorentheorie „indirekt ins Leben gerufen" (GidejRist) bzw. „eigeleitet" (Linder). — Der Interpretation Kilgers, daß Say den Unternehmer bereits als vierten Faktor bezeichnet habe, können wir uns nicht anschließen. Das angeführte Zitat läßt deutlich erkennen, daß es sich hier allenfalls um eine Faktorgliederung der Arbeit handelt. Vgl. Kilger, W., Der Faktor Arbeit im System der Produktionsfaktoren, in: ZfB 1961, S. 597. 16 Sie sind außerdem „Reichtumsfaktoren"; der Titel seines 1. Bandes lautet: „De la Production des Richesses". 17 Vgl. dazu auch Linder, F., a.a.O., S. 13 f. 18 Vgl. Gide, Ch. und Rist, Ch., a.a.O., S. 118. Etwas abweichend davon will Theunert, F., a.a.O., S. 7, diese Ausweitung erst eindeutig bei den Romantikern (List und Müller) erkennen. 13
31. Methodische Techniken und Grundsysteme in der V W L
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setzt 19 ; nicht zuletzt deshalb, weil sie sich sowohl für produktionstheoretische als auch für andere Fragestellungen — vor allem die Einkommens· und Verteilungstheorie — ohne Veränderungen eignet und damit gut als methodische „Kupplung" für geschlossene nationalökonomische Systeme verwendet werden kann. Linder folgert deshalb i n seiner Schlußbetrachtung: „ A l l e Versuche, die bekannte Gruppierung zu verbessern oder durch eine andere zu ersetzen, führen zu keiner glücklichen Lösung 2 0 ." Für unsere Untersuchungen ist weniger die Verbreitung des trialistischen Faktorsystems bedeutsam, zumal es nur von einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre 21 andeutungsweise zitiert wird. Interessant ist diese Lehre vielmehr deshalb, weil sie u. E. die methodische Grundlage für fast alle anderen Methoden der Faktorsystematisierung bildet, vor allem für die methodischen Techniken der Faktorenreduktion, Faktorenspaltung und Faktorenwertung 2 2 . Da die Faktorenwertung i n der Regel den beiden anderen Techniken vorausgeht und auch schon vielfach innerhalb der trialistischen Gliederung zu finden ist, soll sie noch in diesem Abschnitt behandelt werden. I m Sinne einer betonten Faktorwertung fordert beispielsweise Pesch, „daß jedem Faktor die richtige Stellung angewiesen werde, dem ursprünglichen, Natur und Arbeit als causa principalis eine übergeordnete, den erarbeiteten Produktionsmitteln als causa Instrumentalis oder conditio eine untergeordnete" 23 . Eine noch stärkere Gewichtung des Faktors Arbeit vertritt Lexis : „Boden oder Natur und Kapital sind keineswegs der Arbeit als Produktionsfaktoren koordiniert, sondern durchaus untergeordnet. Die Arbeit ist eben der alleinige aktive Faktor der Produktion, die Natur liefert nur Stoffe für die Betätigung der Arbeit oder ursprünglich freien Kräfte, deren Verwertung nur durch die Arbeit möglich ist 2 4 ." Wiese findet deshalb „die an sich fruchtbare Zerlegung der Produktion i n die drei Faktoren Natur, Arbeit und Ka19 Vgl. Linder, F., a.a.O., S. 44; Theunert, F., a.a.O., S. 10; Loitlsberger, E., a.a.O., S. 118. 20 Linder, F., a.a.O., S. 44. 21 Prion modifiziert dabei auch noch, indem er im Faktor „Natur" vor allem den Standort herausstellt. Bei nur zwei weiteren Darstellungen (Schmidt und Rössle) ist der Boden noch als eigener Faktor aufgeführt. 22 Diese Begriffsbezeichnungen sowie die damit verbundenen Gliederungen und Ableitungen wurden von uns entwickelt, um den gesamten Komplex der faktoriellen Betrachtungsweise in methodisch fundierter und systematischer Weise darstellen zu können. Die Begriffsinhalte werden in den folgenden Punkten erläutert. 23 Pesch, H., S. J., Lehrbuch der Nationalökonomie, Bd. 4, o. O., o. J., S. 324, zitiert nach Linder, F., a.a.O., S. 38. 24 Lexis, W., zitiert nach Linder, F., a.a.O., S. 38.
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3. Die faktorielle Betrachtungsweise
pital (nur) insofern unbefriedigend, als sich auch i n diese Teilung der dogmatische Rangstreit einmischte und gerade auf diesem Gebiete das Prinzip der Produktivität Unheil stiftete" 2 5 . Bei der Faktorwertung findet also eine Gewichtung der verwendeten Faktoren statt, i n der Regel m i t ökonomischen, zum Teil aber auch mit meta- bzw. außerökonomischen Begründungen. Bestimmungsfaktoren dieser Wertung sind vor allem: a) Wirtschaftshistorische Tatbestände, wie z. B. die Bedeutung der Landwirtschaft i m 18. oder die des Kapitals i m 19. Jahrhundert. b) Sozialpolitische Einwirkungen lassen sich vor allem bei den Faktoren Kapital und Arbeit erkennen, deren Gewichtung zum Teil Klassenmodelle mitbestimmten. c) Eng damit verbunden sind Einflüsse der Wirtschaftsordnung, die sich ebenfalls besonders auf die — dann gerne als Antipoden betrachteten — Faktoren Kapital (z. B. sog. kapitalistisches Wirtschaftssystem) und Arbeit (z. B. die nationalsozialistische Periode) auswirkten. d) Das jeweilige Erkenntnis- oder Erklärungsziel der Forscher — z. B. Produktivität statt Produktion —, das die vorgenannten Punkte einschließen bzw. von diesen wesentlich geprägt werden kann, ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Oft ist man hier aber auf Interpretationen angewiesen, denn nur selten sind klare Abgrenzungen und Erläuterungen vorangestellt, wie dies z. B. bei Gutenbergs Faktordarstellung zu finden ist. Er schreibt dazu u. a.: „Diese Abweichung von der volkswirtschaftlichen Theorie ist deshalb berechtigt, weil hier nicht beabsichtigt wird, eine Theorie der Einkommensbildung und »Verteilung zu schreiben. Für sie wäre das hier verwandte System völlig ungeeignet. Denn hier handelt es sich ja doch nur lediglich darum, eine gewisse begriffliche Klarstellung für eine Analyse des Betriebsprozesses zu schaffen 26 ." e) Schließlich ist noch von Belang, ob und inwieweit der Autor einer empirisch-realistischen oder einer normativ-wertenden Betrachtungs25
Wiese, L. v., Die Lehre von der Produktion und der Produktivität, in: Die Entwicklung der deutschen Volkswirtschaftslehre im 19. Jahrhundert, 1. Teil, Leipzig 1908, S. 7. Genau betrachtet, ist diese Kritik jedoch, methodisch bedeutungslos und höchstens von dogmenhistorischem Belang, da diese Wertung nicht spezifisch für das trialistische System ist, was Wiese dazu selbst noch andeutet. Linder weist übrigens darauf hin, daß sich viele Autoren — häufig jedoch mehr implizit als explizit — für eine wertneutrale Betrachtungsweise der Produktionsfaktoren aussprechen, wobei vor allem die Begrenztheit von Pauschalurteilen sowie das Substitutionsprinzip angeführt werden. Vgl. Linder, F., a.a.O., S. 38. 26 Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 4. Ähnlich Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 22.
31. Methodische Techniken und Grundsysteme in der V W L
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weise huldigt und — was mit letzterer meist zusammenfällt, jedoch keineswegs Voraussetzung ist — ob er sich zu den Vertretern einer anthropozentrischen Einstellung zählt. Dies beeinflußt natürlich die Wertung des Faktors Arbeit i m besonderen Maße. Innerhalb der trialistischen Lehre bleibt auch bei einer Faktorenwertung das System prinzipiell unangetastet. Graduell kann die Gewichtung damit allenfalls die interne Bildung und Bezeichnung von Faktorenkategorien erreichen, was ζ. B. durch die Unterscheidung i n „übergeordnete" und „untergeordnete" 2 7 , „aktive" und „passive" 28 , „primäre" und „sekundäre" 2 9 oder — etwas verschlüsselter — i n „elementare" und „dispositive" 3 0 Produktionsfaktoren sichtbar wird. Für uns gewinnt die Faktorenwertung aber besonders Interesse, wenn sie darüber hinaus zu einer Veränderung des trialistischen Grundsystems selbst führt, und zwar entweder i m Sinne einer Verringerung (Reduktion) oder Vermehrung (Spaltung) der Faktorenzahl, wobei der Ausgangspunkt (das Grundsystem) i n der Regel zurückverfolgt werden kann 3 1 . 313. Die Faktorenreduktion und das dualistische bzw. monistische Faktorsystem Unter den oben angeführten Prämissen führt die Faktorreduktion entweder zur dualistischen oder monistischen Faktorenlehre. Das heißt, durch die Reduktion werden ein oder mehrere Faktoren auf einen anderen gedanklich zurückgeführt. Die vorausgehende Wertung billigt nur noch dem bzw. den restlichen Faktor(en) begriffs- bzw. sachlogische Eigenständigkeit oder Notwendigkeit bzw. originären oder systemimmanenten Charakter zu. Da i n allen dualistischen Systemen die Arbeit als Faktor genannt wird, bleiben für die Reduktion nur noch das Kapital oder der Boden. Die Kombination Arbeit und Boden fanden w i r jedoch nur i n der „vorwissenschaftlichen" Periode der Volkswirtschaftslehre 32 und damit vor 27
Vgl. Pesch, H., a.a.O., S. 324. Vgl. Lexis, W., a.a.O., S. 1220. 29 ζ. B. bei J. St. Mill, vgl. dazu Linder, F., a.a.O., S. 17. 30 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 3 ff. 31 Die Termini Spaltung und Reduktion — hier verstanden im Sinne von zurückführen, umwandeln; vgl. Der Große Duden, a.a.O., S. 550 — treffen deshalb das Wesen dieser Techniken besser als etwa die Begriffe „Vermehrung" und „Verminderung", denn sie weisen nicht nur auf die Richtung, sondern gleichzeitig auf den gemeinsamen Ausgangspunkt (die trialistische Faktorenlehre) hin. 82 So ζ. B. bei William Petty und James Steuart, vgl. Linder, F., a.a.O., S. 7. 28
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3. Die faktorielle Betrachtungsweise
dem trialistischen Faktorsystem. Deshalb ist hier die Gliederung i n A r beit und Kapital relevant. Dabei w i r d die Berechtigung des Bodens (Natur) als eigenständiger Produktionsfaktor verneint, da er i m Verhältnis zum Faktor Kapital nur einen graduellen und keinen prinzipiellen Unterschied zeigt und zweitens hier mehr technische als ökonomische Gesichtspunkte maßgeblich sind 3 3 . Voraussetzung für diese Argumentation ist die Differenzierung des Kapitalbegriffs i n Nominal- und Sachkapital (im Sinne von Vermögen) also eine mehr mikroökonomische und vorwiegend produktionstheoretische Betrachtungsweise. So rechnet Adolph Wagner den Boden zum sog. Sozialkapital, das i m Gegensatz zum Privatkapital — als einer „relativ historischen Kategorie" (Wirtschaftssystem) — als „absolut-ökonomische Größe" definiert wird. Menger und Ritsehl zählen den Boden zum Erwerbs- bzw. zum Ertragsvermögen. Oppenheimer schließlich setzt anstelle der nach seiner Ansicht politisch-ökonomischen Größe „Produktivkapital (Klassenmodell) sogar den Begriff „Beschaffungsgüter" und geht damit wohl am weitesten i n die Richtung einer privatwirtschaftlichen Denkvorstellung 3 4 . Die dualistische Lehre m i t den Faktoren Arbeit und Kapital hat i n der Betriebswirtschaftslehre zahlreiche Anhänger gefunden. Ein D r i t t e l aller untersuchten Betriebswirtschaftslehren verwendet sie i n reiner Form 3 5 , bei einem anderen Drittel bildet sie die wesentliche Grundlage der Faktordarstellung 3 6 . Das geht soweit, daß überwiegend 37 der Terminus Kapital aus der Volkswirtschaftslehre übernommen wird. Wenn dieser dann auch als Erwerbs-, Sach- oder Realkapital definiert ist, scheint uns für die Betriebswirtschaftslehre die Bezeichnung Vermögen doch weit begriffs- und systemlogischer zu sein 38 . Das Extrembeispiel einer Faktorenreduktion ist die monistische Faktorenlehre. Hier w i r d besonders der Einfluß des jeweiligen Erklärungszieles deutlich. Denn nur innerhalb dieses engen Rahmens — der bei den vorliegenden Darstellungen übrigens nie auf die Erklärung des Produktionsprozesses abzielt — kann überhaupt von einer monistischen Betrachtungsweise gesprochen werden. Streng genommen gibt es deshalb höchstens monistische ProduJctiufaktorenlehren, denn es geht hier immer 53
Vgl. Theunert, F., a.a.O., S. 14. Zitiert nach Theunert, F., a.a.O., S. 23 ff. 35 Hierzu zählen Leitner, Walb und Hoffmann (bei Hoffmann interpretiert) sowie Nicklisch, Schäfer und Fischer. 38 Diese Autoren bringen daneben noch weitere Faktordarstellungen. Vgl. dazu die Darstellungen von Lehmann, Thoms und Mellerowicz. 37 Lediglich Nicklisch und Schäfer sprechen in diesem Zusammenhang von Vermögen. 38 „Pragmatische" Überlegungen (vgl. Mellerowicz, K., „Allgemeine BWL", Bd. 1, a.a.O., S. 196) können hier u. E. nicht im Vordergrund stehen. 34
31. Methodische Techniken und Grundsysteme in der V W L
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um Wohlstand-, Wertbildungs-, kurz gesamtwirtschaftliche Produktivitätsprobleme. W i r d der Produktionsprozeß dann doch mitbehandelt, sind i n der Regel auch weitere Faktoren genannt. So haben die Physiokraten „nicht geleugnet, daß die Arbeit zum Boden als mitwirkender Teil zur Gütererzeugung hinzutreten muß", jedoch w i r d dabei die Natur „als die Königin, die Arbeit als ihre Magd bezeichnet" 3 9 . Aber, als Quelle des Reichtums, als „Reichtumsfaktor", kommt nur der Boden i n Frage: „C'est toujours la terre, qui est la première et l'unique source de toute richesse 40 ." Selbst das Kapital w i r d bei Tur got schon erwähnt 4 1 , doch erbringt der Einsatz von Kapital und Arbeit — wie z. B. i n Handel und Industrie — lediglich eine „addition de richesse", und erst der Boden führt — i n der Landwirtschaft — zur begriffsnotwendigen „multiplication" i m Sinne einer „production de richesse" 42 . Methodisch ist der Neophysiokratismus interessanter, da er von der inzwischen gesicherten und weitverbreiteten trialistischen Lehre ausgehen konnte und dennoch — i m 20. Jahrhundert! — die gleiche Ansicht vertrat. Methodisch bemerkenswert ist dabei, soweit man Brentanos glossierender K r i t i k folgen darf, die Dominanz politischer Bestimmungsfaktoren 4 3 . Da das Kapital nur indirekt, d. h. lediglich als gedanklicher Ausgangspunkt für eine Faktorenspaltung 44 als monistischer Faktor gesehen wird, verbleibt die Arbeit als einzige wertbildende Kategorie. Diese Ansicht findet sich beim wissenschaftlichen Sozialismus. So gelangt Rodbertus zu einer monistischen Betrachtungsweise, indem er das Kapital als „vorgetane Arbeit" i n den Faktor Arbeit reduziert und den „zur Produktion eines Gutes" „nötigen und tätigen" Bestandteilen „Natur und Geist" keine Faktoreigenschaften zuerkennt, da bei diesen die 80
Linder, F., a.a.O., S. 9. Oeuvres de M. Turgot, Paris 1808, V., S. 57, zitiert nach Linder, F., a.a.O., S. 9. 41 „Alle Arten von Arbeiten des Ackerbaus, der Arbeit, der Industrie und Handels bedürfen der Kapitalien", Turgot, M., a.a.O., S. 72, zitiert nach Linder, F., a.a.O., S. 10. 42 Vgl. Linder, F., a.a.O., S. 10. 43 Brentano schreibt dazu: „Um die Landwirtschaft als die Erwerbstätigkeit darzutun, deren Interessen allen anderen vorangingen, wird abermals die Erde als die alleinige Quelle des Reichstums bezeichnet . . . und begreiflich hat dieser Neophysiokratismus bei der zur Zeit mächtigsten Partei (dem Zentrum, Anm. d. Verf.) in Deutschland begeisterten Widerhall gefunden . . . I n der Volkswirtschaftslehre gelangt eine richtige Lehre erst dann zur A n erkennung, wenn sie den Interessen einer mächtigen Partei entspricht und nur so lange, als diese mächtig ist; wird eine andere mächtig, so gelangen auch die irrigsten Lehren wieder zu Ansehen, sobald sie den Interessen der Mächtigen zu dienen geeignet scheinen." Brentano, L., Der Unternehmer, Berlin 1907, S. 6. 44 Vgl. die im Anschluß erläuterte Lehre von den „Kostenfaktoren". 40
8 Wunderer
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3. Die faktorielle Betrachtungsweise
„ K r i t e r i e n des Kostens" fehlten 4 5 . Sein i h n bestimmendes Ziel sieht er darin, die seiner Ansicht nach ungerechte Ertragsverteilung zugunsten der arbeitenden Klasse zu ändern 4 6 . Ähnliche sozialpolitische Ziele leiten auch Marx, der aber zu einer w e i t geschlosseneren u n d differenzierteren Darstellung kommt. Seine „Produktionslehre ist gekennzeichnet durch seine Anschauung von der B i l dung des Mehrwertes. N u r i m Zusammenhang m i t dieser ist auch seine Stellung zu der Frage nach den Produktionsfaktoren zu verstehen", betont Linder 47. Marx unterscheidet zunächst drei „Momente des Arbeitsprozesses": Arbeit, Arbeitsgegenstand u n d Arbeitsmittel. Da sich A r beitsgegenstände u n d Arbeitsmittel bei der inhaltlichen Umschreibung als nahezu identisch m i t den Faktoren Natur (Boden) u n d Realkapitalgüter erweisen, könnte man Marx als Anhänger der trialistischen Faktorenlehre bezeichnen. Jedoch, diese drei „Momente" sind für i h n n u r von der technischen Seite des Produktionsprozesses relevant. Unter w i r t schaftlichem, d. h. gesellschaftspolitischem Aspekt ist die A r b e i t der einzige ProduktivîàktoT ; „den beiden anderen Momenten w i r d n u r die Rolle eines Produktionsmittels zuerkannt. Die A r b e i t ist allein p r o d u k t i v i n dem Sinne, daß sie allein den Wert des Produktes schafft u n d ausmacht 48 . Als Vertreter einer monistischen Faktorenlehre können i n der A l l g e meinen Betriebswirtschaftslehre allenfalls zwei Autoren interpretiert werden. Wie später noch nachzuweisen ist, fehlt bei beiden entweder eine direkte oder eine eindeutige Stellungnahme zu dieser Lehre, so daß w i r sie vorsichtiger m i t „quasimonistischer" Faktorenbetrachtung u m schreiben wollen. F ü r den Systematiker erfreulich ist dabei, daß einer (Rieger) das K a p i t a l und der andere (Schmidt) die A r b e i t als einzigen Faktor sieht.
314. Faktorenspaltung und pluralistische Systeme — Der Unternehmer als Faktor — Die pluralistische 49 Faktorenlehre ist der Gegenpol einer monistischen Betrachtungsweise. Entsteht diese durch eine K o m b i n a t i o n von Faktorenwertung und -reduktion, so beruht jene auf einer Verbindung von 45 Vgl. Carl Rodbertus Jagetzow, Zur Erkenntnis unserer staatswissenschaftlichen Zustände, Neubrandenburg und Friedland 1842, S. 25, zitiert nach Linder, F., a.a.O., S. 20. 48 Vgl. Rodbertus, ebd., zitiert nach Linder, F., a.a.O., S. 20. 47 Linder, F., a.a.O., S. 21. 48 Linder weist dies an Hand von Zitaten nach. — Vgl. ebd. 49 Als Pluralismus wird jede Lehre bezeichnet, „die eine Vielheit von Prinzipien, Elementen oder Bereichen der Wirklichkeit annimmt, im Unterschied
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Faktorenwertung und -Spaltung. Durch Aufspaltung der „aggregierten Größen" Kapital und Arbeit bzw. Boden werden weitere Faktoren als eigenständige Wesensbestandteile des (volkswirtschaftlichen) Produktionsprozesses gebildet. Als Vorläufer sind dabei Versuche anzusehen, die lediglich „Unterarten" innerhalb dieser „Hauptfaktoren" nennen — diese belegt ζ. B. Gutenberg m i t dem treffenden Ausdruck „derivative Faktoren" 5 0 . Man könnte diese Methode Faktorengliederung bzw. -teilung nennen; ζ. B. w i r d innerhalb des Faktors Boden der Standort als Teilelement genannt, innerhalb des Faktors Arbeit ζ. B. Anlage- und Umlaufvermögen, die Arbeit findet sich schließlich aufgeteilt i n unselbständige und selbständige oder exekutive, dispositive und schöpferische Arbeit 5 1 . Diese Faktorengliederung verändert nicht die Geschlossenheit und Überschaubarkeit eines dualistischen bzw. trialistischen Systems, was Loitlsberger als unabdingbare Forderung an jedes wissenschaftliche System bezeichnet 52 . Kurz, sie differenziert, ohne zu zersplittern. Die Faktorenspaltung dagegen kann leicht Gefahr laufen, unübersichtlich, kasuistisch oder gar unlogisch zu werden. Denn zuweilen scheinen sich die Autoren nicht bewußt zu sein, daß ihre weiteren Faktoren entweder nur verselbständigte Unterfaktoren darstellen oder nicht auf gleicher Ebene bzw. gleichem Rang mit den Hauptfaktoren stehen. Dieser Gefahr unterliegt weniger die aus der Aufspaltung des Kapitalbegriffs 5 3 ableitbare Umwandlung der Produktionsfaktoren i n Kostengrößen. Man könnte deshalb i n einer monistischen Betrachtungsweise den Ausgangspunkt bzw. die „indirekte Grundlage" sehen. Da hier zum Monismus und Dualismus". (Der neue Brockhaus, 1. Aufl., 4. Bd., Wiesbaden 1962, S. 194.) Danach ist streng genommen auch schon das von uns trialistisch benannte Faktorensystem nur eine Form der pluralistischen Betrachtungsweise. Aus Gründen des klaren Aufbaus und der besseren Systematisierung haben wir uns jedoch hier für die vorliegende Aufteilung entschieden. 50 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", 1. Bd., a.a.O., S. 7. 51 Wie später noch ausführlicher dargestellt wird, verwendet ζ. B. Gutenber g innerhalb des „dispositiven Faktors" eine systematische Faktorengliederung. 52 Diese Aufteilung bringt Loitlsberger zwar nicht, seine Forderung ist vielmehr allgemein formuliert. Vgl. Loitlsberger, E., a.a.O., S. 119. 58 Theunert interpretiert diesen Vorgang recht anschaulich: „Alle Sachgüter und Leistungen, die mit Erwerbsvermögen . . . gekauft und als Kostenelemente einer auf Kapitalrechnung beruhenden Einzelwirtschaft (Unternehmung) rentierend verwertet werden, treten hier dadurch in das Kapitalverhältnis. Auch die menschliche Arbeit wird so zum Kapitalverhältnis, da selbstverständlich die Lohn- und Gehaltssummen einer Unternehmung als Aufwand erscheinen, der sich rentieren muß, Grund und Boden sowie die sonstigen sachlichen Produktionsmittel, schließlich Rechte und Berechtigungen sind die anderen Erscheinungsformen des Kapitals." (Theunert, F., a.a.O., S. 25 f.) 8*
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3. Die faktorielle Betrachtungsweise
jedoch keine Faktorengliederung vorliegt, sondern die einzelnen Faktoren selbständig nebeneinander stehen, ist das Ergebnis ein pluralistisches System, sofern nicht — wie bei den meisten Vorläufern — neben die mehr physische Darstellung des Grundsystems noch eine weitere kostenmäßige gestellt wird. So charakterisiert schon Say seine Produktionsfaktoren, „produktive Dienste" genannt, auch als Kostenfaktoren: „ . . . der laufende Preis aller produktiven Dienste, welche für die Anfertigung eines Produktes erforderlich sind, bildet das, was w i r Produktionskosten dieses Produkts nennen wollen 5 4 ." Bei Rodbertus dient — wie oben kurz angedeutet — der Kostenaspekt sogar dazu, am Produktionsprozeß beteiligte Kategorien, wie ζ. B. Natur und Geist, nicht m i t einzubeziehen. Sie sind zwar „nötig und tätig . . . bei diesen fehlen jedoch die Kriterien des Kostens. Der Anteil des Geistes ist nie Aufwand . . . dasselbe ist bei der Natur insofern der Fall, als ihre Kraft i n der Produktion tätig a u f t r i t t " 5 5 . Ebenso sehen die Vertreter der Grenznutzenschule die Produktionsfaktoren auch von der Kostenseite. Dies liegt hier besonders nahe, da Wert- und Zurechnungsprobleme unter dem Nutzenaspekt die Grundlage bilden. Bei Phillipovich 56 sind ζ. B. nur die Produktionsmittel Produktionsfaktoren, „die auf Grund ihrer Knappheit Gegenstand w i r t schaftlicher Sorge sind" 5 7 . Er akzeptiert jedoch die trialistische Faktorenlehre, weil sie die „typischen Kostenelemente" 57 anspricht. Liefmann schließlich, den Linder als Verfechter einer „streng subjektivistischen Ertragstheorie" 5 8 , aber auch als Wegweiser zu einer „reinen Produktionskostentheorie" 59 charakterisiert, lehnt die Produktionsfaktorenlehre i n der bislang betrachteten Formulierung als „technischmaterialistisch" ab und setzt dafür die „psychisch-realistische" Form der Kostenfaktorenlehre: „Für uns ist wirtschaften nicht gleich produzieren, sondern wirtschaften ist Nutzen und Kosten vergleichen, und an die Stelle der Lehre von den Produktionsfaktoren t r i t t gewissermaßen eine Lehre von den Kostenfaktoren. Als solche sehen w i r Arbeit und Kostengüter . . . an und wissen, daß beide als Kosten psychische Be54 J. B. Say , Ausführliches Lehrbuch der politischen Ökonomie, deutsch von M. Stirner, Leipzig 1845, Bd. 1, S. 148, zitiert nach Linder, F., a.a.O., S. 14. 55 Rodbertus Jagetzow, a.a.O., S. 8, zitiert nach Linder, F., a.a.O., S. 19 f. 56 Vgl. Phillipovich, E. v., Grundriß der politischen Ökonomie, Tübingen 1922, Bd. I, S. 140 ff., zitiert nach Linder, F., a.a.O., S. 26. 57 Linder, F., a.a.O., S. 19 f. 58 Ders., S. 43. Ders., S. .
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griffe sind, die Arbeitsmühe und die Kostengüter als die Aufwendungen und Opfer 6 0 ." Sieht man von den Einflüssen der „subjektivistischen Ertragstheorie" ab, so scheint dieser Ansatz, von typischen Kostenfaktoren i m Sinne von Kostenarten auszugehen, für eine mikro-ökonomische Betrachtungsweise des Produktionsprozesses von nicht nur dogmenhistorischem Interesse zu sein. Diese Vermutung könnte gerade für eine betriebswirtschaftliche Produktionslehre bzw. eine darauf aufbauende Industriebetriebslehre gelten. Für eine Allgemeine Betriebswirtschaftslehre halten w i r jedoch diesen Ansatz zu speziell und damit zu eng 61 , es sei denn, der Schwerpunkt würde hier eindeutig auf der Darstellung des Produktionsbereiches liegen. I n diesem Falle wäre aber die Titulierung unzutreffend; die sog. Allgemeine Betriebswirtschaftslehre wäre dann mit einer Besonderen Betriebswirtschaftslehre nahezu identisch. Ein Tatbestand, den man übrigens i n concreto häufiger feststellen kann. Tatsächlich findet sich die Betrachtung der Produktionsfaktoren i m Sinne von Kostenfaktoren i n konsequenter Weise nur bei Lehmann. Infolge der definitorisch engen Verbindung von Faktor- und Kostenbegriff 6 2 , könnte man Gutenbergs — und damit Wöhes M — Auffassung als Vor- bzw. Zwischenstufe bezeichnen. Alle weiteren Versuche einer pluralistischen Faktorenlehre zu zeigen, würde den Rahmen dieser dogmenhistorischen und methodischen Grundlegung unzulässig ausweiten. Deshalb sollen nur die Ansätze gebracht werden, die für die untersuchten betriebswirtschaftlichen Vorschläge von Belang sind, wobei alle den Unternehmer betreffenden Überlegungen besondere Bedeutung haben. So ist die Bewertung von Anlagegütern (Betriebsmitteln) und Umlaufgütern (Werkstoffen) als eigenständige Produktionsfaktoren nichts anderes als eine Spaltung der „aggregierten Größe" Sachkapital als Weiterführung der i n der Volkswirtschaftslehre schon weitverbreiteten Faktorengliederung dieses Faktors. Adolph Wagner subsummiert den vierten Faktor Rechts- und Wirtschaftsordnung der Romantiker (Friedrich List nannte ihn „die sozialen, bürgerlichen und politischen Zustände und Institutionen" 6 4 ) wieder unter seinen Produktionsfaktor „Sozialkapi80
Lief mann, R., Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, Stuttgart — Berlin 1917, S. 555, zitiert nach Linder, F., a.a.O., S. 43. 61 Vgl. dazu auch die kritischen Äußerungen bei Loitlsberger, E., a.a.O., S. 116 f. M Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 9. 68 Vgl. Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 52. 84 Vgl. List, F., Das nationale System der politischen Ökonomie, Jena 1904, S. 322, zitiert nach Linder, F., a.a.O., S. 36. Dieser Faktor findet sich übrigens schon bei J. St. Mill als ein „sekundärer Faktor". Mill nennt als „primäre"
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3. Die faktorielle Betrachtungsweise
t a l " 6 5 . Linder greift bei seiner K r i t i k , die „Leistungen der Gemeinschaft" 66 als vierten Faktor zu deklarieren, eigentlich lediglich eine Gedankenführung von J. St. Mill auf, der seine sekundären Faktoren auch schon als Bedingungen für die Produktivität der drei primären Faktoren charakterisierte. Von besonderem Interesse ist für uns die Spaltung des Faktors Arbeit. Einmal ist die — zwar mehr volkswirtschaftlich relevante, jedoch von zwei Betriebswirten 6 7 übernommene — Hervorhebung der geistigen A r beit allgemein zu nennen, als Reaktion gegen den eingeschränkten Produktivitätsbegriff der klassischen Theorie. I n dieser Richtung w i r k t e vor allem die romantische Schule, insbesondere Friedrich List. Schmölders formuliert zwar etwas drastisch, aber treffend, wenn er darin „die Überwindung einer der augenfälligsten Ungereimtheiten der klassischen Theorie (sieht), die die Aufzucht von Schweinen für produktiver erklären mußte, als die Erziehung von Menschen, und die für die Leistung des Erziehers, des Arztes und des Staatsmannes bestenfalls den Begriff der ,mittelbaren' oder abgeleiteten Produktivität bereithielt, ohne einen Maßstab für den wirklichen Beitrag der geistigen Berufe zum nationalen Wohlstand bieten zu können" 6 8 . Eine einzelwirtschaftlich interessantere Spezifikation ist die Hervorhebung der technischen Idee als Träger des wirtschaftlichen Fortschritts, verkörpert i n den Leistungen der Erfinder und Ingenieure. So ist für Julius Wolf „die technische Idee ein Produktionsfaktor für sich" 69 , obgleich er zuvor den Faktor Arbeit schon i n die Unterarten exekutive (des Arbeiters), dispositive (des Unternehmers) und schöpferische (des Erfinders) gegliedert hatte. Damit ist dieser Ansatz zugleich ein lehrreiches Beispiel für die eingangs angeführte Gefahr der Unsystematik und Unlogik, vor der auch bekannte Köpfe nicht sicher sind. Vorschläge zur Abspaltung des Unternehmers aus dem Faktor Arbeit finden sich konzentriert i n den ersten Dezennien unseres Jahrhunderts. Linder führt zur Begründung an die revolutionäre (Industrielle RevoProduktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden und als sekundäre das Klima, die geographische Lage, den mineralischen Bodenreichtum, die Geschicklichkeit der Arbeit sowie die sozialen Bedingungen der Produktion, bestimmt durch Rechtssicherheit und Rechtsordnung als Leistungen der übergeordneten Gemeinschaft Staat. es vgl. Theunert, F., a.a.O., S. 23. ββ So nennt Paul Fleischl diesen vierten Faktor. Vgl. Fleischl, P., Versuche einer Theorie der Produktion, München und Leipzig 1915, S. 20, zitiert nach Linder, F., a.a.O., S. 37. 67 Schmidt, F. (Geist) — K a r l Rössle (Wissenschaft). 68 Schmölders, G., Geschichte der Volkswirtschaftslehre, a.a.O., S. 47. 69 Wolf y J., Volkswirtschaft der Gegenwart und Zukunft, Leipzig 1912, S. 57, zitiert nach Linder, F., a.a.O., S. 31.
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lution) Entfaltung von Technik u n d industrieller Wirtschaft u n d die damit verbundene „ungeheure Bedeutung der qualifizierten geistigen A r b e i t " sowie die von den Klassikern und Sozialisten einseitige Betonung der körperlichen A r b e i t 7 0 . Es gibt aber noch weitere bedeutsame Einflußfaktoren: Einmal ist es die Trennung von Kapitalbesitz u n d Unternehmensführung, wodurch auch i n der volkswirtschaftlich so bedeutsamen Ertragsverteilungslehre der Profit einer differenzierteren Analyse unterzogen wurde. Turin 71 sieht deshalb — ganz i m Gegensatz zu Linder 72 — gerade i m Argument der neueren Verteilungstheorie die Begründung für den Unternehmer als vierten Faktor. Eng damit verbunden ist das Denken i n den Kategorien des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Da hier als wesentlicher Bestimmungsfaktor die besondere Wirtschaftsgesinnung, der erwerbswirtschaftliche Geist (Sombart) angesehen wurde, dieser aber k a u m i m realwirtschaftlichen Kapitalbegriff untergebracht werden konnte, lag eine Personifizierung dieses Geistes i n der Gestalt des Unternehmers nahe. Als Exponent dieser Richtung kann Alexander Tille angesprochen werden, der den „ertragswirtschaftlichen Geist" als vierten Faktor neben „ K a p i t a l , Nat u r k r a f t und H a n d k r a f t " stellte 7 3 . Schließlich gewann die Gestalt u n d Persönlichkeit des Unternehmers durch die historische Schule steigende Beachtung. I n gleicher Richtung w i r k t e der Übergang der theoretischen Nationalökonomie zur dynamischen Betrachtungsweise, die i n Schumpeters „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" (1. A u f l . 1912) ihren ersten Höhepunkt erreichte. Der Unternehmer rückte damit i n allen volkswirtschaftlichen Richtungen i n den M i t t e l p u n k t des wissenschaftlichen Interesses. So genügte manchen die Methode der (wertenden) Faktorengliederung nicht mehr, obgleich hier zum Teil auch schon der Unternehmer die höchste Gewichtung innerhalb des Faktors A r b e i t erhielt 7 4 . Manche Volkswirte sahen deshalb i n der Spaltung dieses Faktors eine sachlogische Notwendigkeit. 78
Vgl. Linder, F., a.a.O., S. 33 f. Vgl. Turin, G., a.a.O., S. 3. 72 Vgl. Linder, F., a.a.O., S. 36. 78 Vgl. Tille, Α., Die Berufsstandpolitik des Gewerbe- und Handelsstandes, Bd. I, Berlin 1910, S. 41 ff., zitiert nach Linder, F., a.a.O., S. 34. 74 Vgl. Fleischl, P., a.a.O., S. 26, zitiert nach Linder, F., a.a.O., S. 34; Wagner, Α., Theoretische Sozialökonomie, Bd. 1, Leipzig 1907, zitiert nach Linder y F., a.a.O., S. 24, und Böhm-Bawerk, Gesammelte Schriften, Hrsg. Franz Weiß, Wien — Leipzig 1924, S. 218. 71
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3. Die faktorielle Betrachtungsweise
I n verschiedener Hinsicht ist hierzu Eduard Biermann 75 von Interesse. Dieser unterscheidet fünf Prodüktionselemente: Natur, Produktionsanlagen und Werkzeuge, Geldkapital, exekutive A r b e i t und K o n j u n k t u r . Darüber steht als einziger Produktionsfaktor die ökonomische Intelligenz der Unternehmer 7 6 . E i n m a l zeigt sich hier ein gradueller Unterschied (im Sinne einer Faktorenwertung) zwischen den sonst meist synonym gebrauchten Begriffen Faktor und Element 7 7 . Zweitens bringt dieses System eine doppelte Faktorenspaltung, da K a p i t a l u n d A r b e i t i n je zwei eigenständige Einheiten gespalten werden. Drittens ist der Faktor Unternehmer i n unüberbietbarer Weise gewichtet sowohl i n seiner Beziehung zum Produktionsprozeß als i m Verhältnis zu den übrigen Elementen. Viertens bildet er, zusammen m i t der darauf aufbauenden A r beitsgliederung Wolfs, ganz deutlich die Grundlage f ü r Gutenbergs (und damit auch Wöhes) Faktordarstellung 7 8 . Abschließend soll noch die w e i t bekanntere — obgleich i m Ansatz sicherlich derivative — Darstellung L . Brentanos 79 gebracht werden. Auch er nennt zunächst fünf Produktionselemente: Natur, Kapital, A r beit, Staat und Kulturerrungenschaften 8 0 . Der einzige Produktionsfaktor, „der diese verschiedenen Produktionselemente zu einem neuen Produkte v e r b i n d e t " 8 1 ist der „menschliche Geist", der „ i n unserer heutigen W i r t schaftsordnung" i m Unternehmer personifiziert ist 8 2 . Die makromorphologische Betrachtungsweise ist dabei eindeutig kapital wirtschaftlich: „So ist der Direktor einer Aktiengesellschaft kein U n t e r n e h m e r . . . Der Direktor ist selbst immer n u r eines der Produktionselemente, über w e l 75 Vgl. Biermann, E., Zur Lehre von der Produktion und ihrem Zusammenhang mit der Wert-, Preis- und Einkommenslehre, Leipzig 1904. 76 Vgl. ders., S. 552. 77 Es wäre hier aber reiner Begriffsformalismus etwa von einem monistischen Faktorensystem zu sprechen, nur weil die anderen Bestandteile der Produktion als „Elemente" bezeichnet werden. Diese Interpretation ist u. E. nach Kenntnis der methodischen Technik „Faktorenwertung" nicht mehr möglich. 78 ^ i r haben dies auch deshalb herausgestellt, weil beim weniger orientierten Leser der Ausführungen Gutenbergs (Gutenberg, E., „Grundlagen", a.a.O., S. 4; ganz ähnlich Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 52) der Eindruck erweckt werden könnte, hier sei in Abweichung von „der" Volkswirtschaftslehre ein eigenständiges betriebswirtschaftliches Faktorsystem gebildet worden. I n Wirklichkeit wird jedoch lediglich die trialistische Lehre verworfen und dafür eine — schon fast halbhundertjährige andere — aus der Schwesterdisziplin übernommen. Als allgemeine Folgerungen könnten daraus abgeleitet werden, daß man auch in „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren" auf das Zitieren nicht verzichten sollte und ein „Steigen zu den Quellen" sehr oft die alte Weisheit bestätigt, daß vieles schon einmal dagewesen. 79 80 81
Vgl. Brentano, L., Der Unternehmer, a.a.O. Vgl. Brentano, L., Der Unternehmer, a.a.O., S. 14 f. Vgl. ders., S. 15. Ders., S. 1 .
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ches der Unternehmer das Verfügungsrecht durch Vertrag erlangt und dessen Leistungen m i t anderen Produktionselementen zu dem neuen Produkte von i h m verbunden werden 8 3 ." Jedoch, auch der Arbeiter „ist Unternehmer, Unternehmer von Arbeitsleistungen" 8 4 , selbst wenn sich der „kapitalistische Betriebsunternehmer . . . i n diese Wandlung aus einem Herrn i n einen bloßen Arbeitskäufer noch nicht allenthalben gefunden" 8 5 hat. Brentano ist somit dennoch i n zweifacher Weise sehr lehrreich. Einmal zeigt sich hier deutlich die Durchdringung von makro- und mikromorphologischer Betrachtungsweise. Zweitens sind die widersprüchlichen Unternehmerdefinitionen ein sehr gutes Lehrstück, wie eine menschlich (und politisch) so wertvolle Betrachtungsweise wie die normativ-wertende, selbst geschulte Denker zu den erstaunlichsten Kapriolen auf dem Gebiete der Formal- und Sachlogik verleiten kann 8 6 .
83
Ders., S. 17. Ders., S. 26. 85 Ders., S. 27. 86 Womit keineswegs gesagt sein soll, daß diese unvollkommene „Gehirnakrobatik" ein Privileg der Normativen wäre. 84
32. Die methodische Bedeutung der Faktorbetrachtung für die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre Die Darstellung betrieblicher Elemente bzw. Faktoren erfüllt auch i n der Betriebswirtschaftslehre zwei methodisch bedeutsame Funktionen. Einmal dient sie der Erklärung eines betriebswirtschaftlich relevanten und wichtigen Problemkreises. Zweitens hat sie als maßgebende Gliederungsgrundlage des Lehrstoffes zum Teil grundlegende Gestaltungsaufgaben. Somit umfaßt die faktorielle Betrachtungsweise sowohl materiale Erklärungs- als auch formale Gestaltungsfunktionen.
321. Erklärungsfunktionen und Begriffsbezeichnung Soweit überhaupt ein betriebswirtschaftliches Faktorsystem diskutiert wird, und das ist bei zwölf der sechzehn untersuchten Betriebswirtschaftslehren 1 der Fall, sind i m wesentlichen drei Erklärungsziele und -Schwerpunkte zu erkennen: a) Akzidentellen Erklärungswert hat das Faktorsystem bei Autoren, die es lediglich i n eine Darstellung der „Grundbegriffe" aufnehmen und damit der lehrbuchmäßigen Erwähnung eines traditionellen Problemkreises auf wenigen Seiten Genüge tun. Bei keinem dieser Autoren — es sind Schmidt, Lehmann, Rößle — steht die Analyse der Produktionsfunktion i m Vordergrund, obgleich sie alle die Bezeichnung „Produktions-" bzw. „Produktivfaktoren" verwenden. b) Relativ betrachtet sehen die meisten Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren i m System der betrieblichen Elemente / Faktoren den bedeutsamsten Ansatzpunkt für eine mikromorphologische Strukturanalyse betrieblicher Wesens- und Aufbauelemente und damit des Betriebes selbst. Daneben w i r d meist noch ein prozeßanalytischer Aspekt erwähnt bzw. ansatzweise behandelt, nämlich die Elemente / Faktoren als unerläßliche Bestandteile, als Voraussetzung der betrieblichen Leistung bzw. Wertschöpfung. Dieses Erklärungsziel ist bei fünf Autoren (Leitner, Nicklisch,
Thoms,
Schäfer
u n d Fischer)
interpretierbar.
Interessanter-
weise übernimmt dabei keiner den Terminus „Produktionsfaktor". A n 1 Bei Rieger, Walb, Hoffmann und, streng genommen, auch Prion ist eine explizite und einigermaßen geschlossene Faktordarstellung nicht zu finden.
32. Die methodische Bedeutung der Faktorbetrachtung für die B W L
123
dessen Stelle treten Begriffsbezeichnungen, die die überwiegend mikromorphologische Erklärungsabsicht schon semantisch erkennen lassen, wie „Aufbaubereiche des Betriebes" (Thoms), „Kräfte der Unternehm u n g " (Schäfer)
oder „Elemente des Betriebes" (Leitner,
Nicklisch,
Fischer).
c) Enger ist u. E. die Erklärungsfunktion der Verfasser, die innerhalb ihrer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre das Faktorsystem vorwiegend zur Analyse des Produktionsprozesses bzw. der Produktionsfunktionen verwenden. Da hier außerdem die Tatbestände einer industriellen Produktion zugrunde gelegt sind, ist die Grenze zur speziellen Industriebetriebslehre 2 nicht mehr klar zu ziehen 8 . Wenn auch die mikromorphologische Betrachtungsweise noch erkennbar bleibt — dies gilt ganz besonders für Mellerowicz — so ist nicht selten oberstes Erklärungsziel eine nach Faktoren gegliederte strukturelle Prozeßanalyse; hier sind vor allem Lohmann,
Gutenberg
u n d Wöhe zu nennen. Nicht ohne Belang
dürfte dabei sein, daß die hier relevanten vier Autoren (Mellerowicz, Lohmann, Gutenberg u n d Wöhe) i n Forschung u n d Lehre ein besonderes
Verhältnis zur Industriebetriebslehre und / oder Volkswirtschaftslehre haben. Sie alle gebrauchen auch die Begriffsbezeichnung Produktionsfaktor 4 . Zusammenfassend ist hierzu festzustellen: Soweit der Darstellung betrieblicher Elemente bzw. Faktoren wesentliche Erklärungsfunktionen zugemessen werden, geht es immer um eine mikromorphologische Analyse betriebswirtschaftlicher Tatbestände. 2 Vgl. dazu auch Philipp, F., Wissenschaftstheoretische Kennzeichen der Besonderen Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 13 ff. 8 Damit vernachlässigt Loitlsberger bei seiner Kritik am Terminus Produktionsfaktor — er erachtet diese Bezeichnung aus semantischen Gründen als zu eng — das zugrundeliegende Erklärungsziel, sie ist deshalb gegenstandslos. Vgl. Loitlsberger, a.a.O., S. 116 f. — Die Kritik gilt jedoch für die unter a) genannten Autoren; bei ihnen wäre u. E. die Bezeichnung „Leistungsfaktoren" angebrachter. 4 Die Interpretation Seischabs, H., Betriebswirtschaftliche Grundbegriffe, a.a.O., S. 25 f., daß Produktionsfaktoren lediglich Kostenelemente des Leistungsergebnisses, also der Güter und Leistungen des Betriebes seien, ist u. E. zu einseitig gesehen und damit unzutreffend. Denn erstens berücksichtigen alle Autoren strukturanalytische Aspekte des Betriebs- bzw. Leistungsaufbaus. Das gilt am meisten für Mellerowicz, am wenigsten für Lohmann. Zweitens untersuchen alle Verfasser den kombinativen Produktionsprozeß auch als solchen, wobei das Leistungsergebnis als Ziel dieses Prozesses mitberücksichtigt wird. Das gilt ebenfalls, wenn auch nicht mit gleicher Betonung, für diejenigen, welche die Begriffsbezeichnung „Produktionsfaktor" nicht verwenden. Wie schon betont, berücksichtigt Mellerowicz ζ. B. in hohem Maße strukturanalytische Aspekte des Betriebes. Drittens finden sich bei Gutenberg und Wöhe deutliche Trennungen zwischen einer Erörterung des Kombinationsprozesses nach Mengen und nach kostenmäßigen Aspekten. So behandeln unter Berücksichtigung des erstgenannten Aspektes des Kostenbegriffs die Produktionsfunktionen höchstens das „Men-
124
3. Die faktorielle Betrachtungsweise
E i n e G r u p p e (Leitner,
Nicklisch,
Thoms, Schäfer
u n d Fischer)
betont
dabei die Strukturanalyse des Betriebes und seiner Wesensbestandteile 5 ; sie verwendet vorzugsweise die Begriffsbezeichnung „Element". Die andere Autorengruppe, vertreten durch Mellerowicz, Lohmann, Gutenberg und Wöhe, zielt dagegen i n erster Linie auf eine strukturelle Analyse des betrieblichen Produktionsprozesses 6 ab und gebraucht deshalb folgerichtig den Terminus „Produktionsfaktor". Damit werden auch die i m vorhergehenden Abschnitt 6 angeführten Unterschiede beider Begriffsbezeichnungen bestätigt und ergänzt. Beiden gemeinsam ist aber noch die Verbindung zur morphologischen und katallaktischen Betrachtungsweise. Dieser Tatbestand w i r d i n der sehr beachtenswerten Monographie Loitlsbergers eingehend differenziert und zum Teil auch originell behandelt. Loitlsberger kommt dabei zu dem Ergebnis, „daß die Betriebswirtschaftslehre nicht darauf verzichten sollte, beide Systeme gleichzeitig darzustellen" 7 .
322. Begriffsinhalt und Erklärungsfunktion Bei näherer Betrachtung der angebotenen inhaltlichen Faktordefinitionen gewinnt man folgende Ergebnisse: a) Exakte Verbaldefinitionen, die i n differenzierter Weise Wesen, Aufgaben und Struktur dieses Erkenntnisobjektes beschreiben, sind i n keiner Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre zu finden. Man kann deshalb allenfalls von Begriffsumschreibungen sprechen. Loitlsberger stimmt deshalb m i t den volkswirtschaftlichen Monographen 8 überein, das „hinsichtlich dessen, was inhaltlich unter einem Faktor zu verstehen ist, . . . i n der Literatur verschiedene Meinungen (bestehen)" 9 . Darüberhinaus vertritt er die grundsätzliche Meinung, daß die „einzelnen Begriffsinhalte" „verbal nur schwer völlig klar ausgedrückt werden können", weshalb er ζ. B. auf mathematische Ausdrucksformen zurückgreift 1 0 . gengerüst der Kosten". Auch bei Mellerowicz sind die kostentheoretischen Ausführungen nicht in der Faktordarstellung, sondern erst im folgenden Kapitel (Theorie der Produktion) zu finden. 5 Man könnte deshalb auch von vorwiegend „strukturmikromorphologischen" bzw. „prozeßmikromorphologischen" Erklärungszielen sprechen. Der Einfachheit halber reden wir jedoch im folgenden nur von struktur- bzw. prozeßanalytischer Betrachtungsweise. • Vgl. Punkt 311 dieser Arbeit. 7 Loitlsberger, E., a.a.O., S. 134 (Hervorh. v. Verf.). 8 Vgl. Punkt 311 dieser Arbeit. 9 Loitlsberger, E., a.a.O., S. 115; vgl. auch S. 134. 10 Ders., S. 119.
32. Die methodische Bedeutung der Faktorbetrachtung für die B W L
125
b) Soweit überhaupt Begriffsumschreibungen versucht werden, sind meist ein bis zwei Kriterien berücksichtigt. Einmal sind es Hinweise, ob unter den Elementen / Faktoren physische Einheiten, Leistungsgrößen oder Kostenarten verstanden werden. Zum anderen sind die Elemente / Faktoren durch eine Mittel-Zweck-Relation beschrieben, nämlich als Voraussetzung und Bestandteile des betrieblichen Leistungsprozesses. Darauf verweist z. B. Nicklisch i n seiner vorwiegend strukturanalytischen Behandlung der Betriebselemente mit seinem Unterpunkt „Über das Verhältnis der Betriebsgemeinschaft zum Betriebsprozeß" 11 . Fischer, der eine ähnliche Betrachtungsweise zeigt, umschreibt: „ I m Betrieb w i r ken menschliche Arbeit und Kapital zusammen, u m die Leistung des Betriebes für den Verbraucher zu schaffen 12 ." Ganz ähnlich Mellerowicz: „ Z u r Durchführung der Werkverrichtung benötigt der Betrieb etwas Dreifaches: 1. Menschen... 2. das Kapital: die Sachmittel für die Produktion . . . 3. die Organisation.. . 1 8 ." Lohmann glaubt A r t und Wesen der Produktionsfaktoren am besten erfassen zu können, wenn „man von einem Schema der dem konkreten Produktionsprozeß der Unternehmung . . . zugeführten und i n i h m eingesetzten Grundleistungen ausgeht und diese mit den Bezeichnungen des Geschäftslebens (d. h. als „betriebswirtschaftliche Kostengruppen"; Anm. d. Verf.) belegt" 1 4 . Nach Gutenberg stellen menschliche Arbeitsleistungen, Betriebsmittel und Werkstoffe Faktoren dar, „ohne die betriebliche Leistungserstellung praktisch nicht vollziehbar erscheint" 15 . Vergleicht man dazu seine Definition des Produktionsprozesses als Prozeß, „ i n dem die drei Elementarfaktoren . . . durch den dispositiven Faktor zu einer produktiven Einheit kombiniert werden" 1 6 , so sind zwischen Faktor- und Prozeßdefinition kaum noch Unterschiede wahrnehmbar. c) Nimmt man dazu Definitionen von Monographien über den Faktorkomplex, so w i r d noch deutlicher, wie sehr die gewählte Erklärungsfunktion jede Faktordefinition beeinflußt und, da verschiedene und unterschiedliche modifizierte Erklärungsziele bestehen, wie wenig eine einheitliche Definition möglich ist. Die Spannweite reicht von einer rein strukturanalytischen Begriffsbezeichnung — „Betriebselemente sind die 11
Vgl. Nicklisch, H., Die Betriebswirtschaft, a.a.O., S. 305 f. Fischer, G., „Allgemeine BWL", Bd. 1, a.a.O., S. 30. 18 Mellerowicz, K., „Allgemeine BWL", 1. Bd., a.a.O., S. 159 f. 14 Lohmann, E., „Einführung", a.a.O., S. 22. 15 Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, S. 2 f. Die von Loitlsberger, E., a.a.O., S. 119, zitierte Definition Gutenbergs bezieht sich u. E. lediglich auf die Erklärung des Ertragsgesetzes bzw. der Verbrauchsfunktion. 12
16 Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 286 — vgl. dazu auch die Definition bei Gutenberg, E., Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 23.
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3. Die faktorielle Betrachtungsweise
allen Betrieben gemeinsamen wesentlichen Bausteine" 1 7 (Beste) — über vorwiegend prozeßanalytische Charakterisierungen — „die i n der Zeiteinheit abgegebene Leistungsmenge" (Loitlsberger 18) — bis zu einer Definition, die sich ausschließlich auf den Interdependenzaspekt zwischen morphologischer und katallaktischer Betrachtungsweise — „Gegebenheiten und Zustände einer Betriebswirtschaft..., die Grundfunktionen beeinflussen oder von Grundfunktionen beeinflußt werden können" 1 9 — beschränkt. 323. Gestaltungsfunktionen der Faktordarstellung Die faktorielle Betrachtungsweise kann zwei Gestaltungsaufgaben implizieren. Die erste ist eng verknüpft m i t den zwei genannten Erklärungszielen, die beide — nur m i t verschiedenen Schwerpunkten — deutlich eine Brücke zwischen struktur- und prozeßanalytischer Behandlung des Faktorsystems schlagen. Daraus kann sich die Gliederung des gesamten Lehrstoffes oder zumindest eines wesentlichen Teils nach morphologischen oder katallaktischen Aspekten ergeben. Die zweite Gestaltungsfunktion bezieht sich auf die dispositionelle Ausarbeitung der faktoriellen und damit mikromorphologischen Betrachtungsweise, deren jeweilige Bedeutung an drei Kriterien gemessen werden kann. Diese sind: Gewicht des Gliederungspunktes — ablesbar am Rang- bzw. Stellengewicht innerhalb der Gesamtdisposition —, die Tiefe der Untergliederung und die Ausführlichkeit der Darstellung. Die erstgenannte Gestaltungsfunktion ist auch dogmenhistorisch interessant. 1803 schuf J. B. Say i n seinem „Traité d'Economie Politique" die Grundlagen einer systematischen Lehre von den Produktionsfaktoren. Rund fünfzig Jahre später umfaßt i n Wilhelm Roschers „berühmten" 2 0 „System der Volkswirtschaft" die Produktionslehre eine Darstellung der Produktionsfaktoren Natur, Arbeit und Kapital sowie ein Kapitel über das produktive Zusammenwirken dieser Faktoren 2 1 , zeigt damit eine Gliederung und Verbindung der morphologischen und katallaktischen 17 Beste, Th., Betriebselemente, in: HdB, 3. Aufl., 1. Bd., Stuttgart 1956, Sp. 777. 18 So definiert Loitlsberger, E., a.a.O., S. 121, seinen Faktorbegriff vom „Typ IV". 19 Bellinger, B., Versuch eines Gliederungssystems betrieblicher Funktionen, in: ZfB 1955, S. 238. 20 So Gide, Ch., und Rist, Ch., a.a.O., S. 418. 21 Wiese zitiert für diesen Hinweis die 8. Aufl. von 1869; die 1. Aufl. Roschers erschien jedoch schon 1854 (vgl. dazu Gide, Ch., und Rist, Ch., a.a.O., S. 418) — vgl. Wiese, L. v., Die Lehre von der Produktion und der Produktivität, a.a.O., S. 24. — Kellenbenz, H., Wirtschaftsstufen, a.a.O., S. 263, führt noch an, daß Roscher — als Begründer der historischen Schule — die drei Produktionsfaktoren zur Erklärung seiner Wirtschaftsstufentheorie verwendete. Diese Theorie sah eine Dominanz der Faktoren in verschiedenen
32. Die methodische Bedeutung der Faktorbetrachtung für die B W L
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Betrachtungsweise. Aber erst ab 193022, also fast 80 Jahre nach Roscher, bildet die Faktordarstellung i n Nicklischs „Betriebswirtschaft" eine systematisch morphologische („Der Bau des Betriebes") und i n Verbindung m i t dem folgenden katallaktischen Hauptteil („Das Leben des Betriebes") eine tragende dispositionelle Grundlage einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre. Bei fast zwei Drittel der erfaßten Betriebswirtschaftslehren 28 , also bei allen, die i n der Faktorenlehre ein wesentliches Erklärungsziel sehen, ist diese Gestaltungsfunktion klar erkennbar. A m deutlichsten wohl bei Fischer, der seine „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre" ausschließlich i n einem aufbaubezogenen („Der Betrieb und seine Elemente Arbeit und Kapital") und einen ablaufbezogenen Teil („Das Entstehen der betrieblichen Leistung") gliedert. A m wenigsten gilt dies für Leitner, der jedoch — ähnlich wie Rieger — überhaupt eine wenig erkennbare Gliederungssystematik zeigt. Die zweite Gestaltungsfunktion, welche die dispositionelle Ausarbeitung der faktoriellen Betrachtungsweisen selbst erfaßt, ist bei Gutenberg i n allen drei Kriterien am stärksten ausgeprägt. Die Faktordarstellung hat den dispositionellen Rang eines Hauptteils, ist außerordentlich tief untergliedert (über 80 Unterpunkte!) und umfaßt m i t 270 Seiten über die Hälfte des 1. Bandes und über ein Viertel des gesamten Werkes. Das „System der produktiven Faktoren" ist dabei vorwiegend unter prozeßanalytischen Aspekten — optimale Ergiebigkeit für den Produktionsprozeß — behandelt; die Faktoren haben kaum noch Eigencharakter, sondern fast ausschließlich Beziehungsgehalt. A m geringsten, jedoch immerhin noch sichtbar, ist diese Gestaltungsfunktion bei Lohmann wirksam. Die Lehre von den Produktionsfaktoren ist i n einem dreistelligen Unterpunkt behandelt, ist auch nur flach untergliedert (6 Unterpunkte) und erreicht m i t 24 Seiten lediglich 7 °/o der Gesamtdarstellung. Dagegen kann der beiläufigen Behandlung des Faktorsystems innerhalb einer grundbegrifflichen Analyse (Rößle, Schmidt und Lehmann) keine wesentliche Gestaltungsfunktion zuerkannt werden, da hier keines der drei Erfordernisse i n ausreichendem Maße erfüllt ist. Somit verwenden alle neun Autoren, die der Faktorenlehre mehr als nur akzidentellen Erklärungswert beimessen, diese auch als wesentliche Dispositionsgrundlage. Wirtschaftsstufen: in der Frühzeit „Natur", im Mittelalter „Arbeit" und in der Neuzeit „Kapital". 22 Vgl. Nicklisch, H., Die Betriebswirtschaft, a.a.O., S. 241 ff.; der I I . Teil erschien als 2. Lieferung dieses Werkes schon 1930. — I n ähnlicher Weise gliedert übrigens Thoms, W., „Allgemeine BWL", a.a.O., sein 4. Hauptkapitel. 28 Vgl. dazu die Darstellungen von Leitner, Nicklisch, Thoms, Mellerowicz, Schäfer, Lohmann, Fischer, Gutenberg und Wöhe.
33. Die Faktorsysteme der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre 331. Das dualistische System als Ausgangspunkt F ü r die Volkswirtschaftslehre w a r dogmenhistorischer u n d methodischer A u s g a n g s p u n k t d i e t r i a l i s t i s c h e F a k t o r e n l e h r e ( A r b e i t , B o d e n u n d K a p i t a l ) 1 . F ü r d i e B e t r i e b s w i r t s c h a f t s l e h r e ist es dagegen d i e dualistische L e h r e v o n den Elementen/Faktoren A r b e i t u n d K a p i t a l , da der Boden b e i A n w e n d u n g des S a c h k a p i t a l b e g r i f f s 2 l e i c h t u n t e r diesem s u b s u m i e r b a r ist. H i e r w a r es w i e d e r Nicklisch, d e r i n e i n e r A l l g e m e i n e n B e t r i e b s w i r t schaftslehre als erster eine systematische D a r s t e l l u n g m i t e r k e n n b a r e n u n d bedeutsamen E r k l ä r u n g s - u n d Gestaltungsfunktionen der betriebl i c h e n E l e m e n t e A r b e i t u n d V e r m ö g e n / K a p i t a l 3 v o r l e g t e . I n gleicher Weise gehen Schäfer 4 u n d Fischer 5 v o r . Leitner 6 i s t dagegen w e i t w e n i ger systematisch — auch d i e m e t h o d i s c h e n F u n k t i o n e n s i n d n i c h t so ausg e p r ä g t . B e i H o f f m a n n 7 u n d Walb 8 ist diese f a k t o r i e l l e B e t r a c h t u n g s w e i s e 1
Vgl. dazu Punkt 312 dieser Arbeit. Vgl. dazu Punkt 313. 3 Vgl. Nicklisch, H., Die Betriebswirtschaft, a.a.O., S. 234 ff. 4 Vgl. Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 102 ff. — Schäfer spricht hier von „menschlichen und sachlichen Kräften". 5 Vgl. Fischer, G., Die Betriebsführung, Bd. 1, a.a.O., S. 80 ff. 6 Vgl. Leitner, F., „Wirtschaftslehre", a.a.O., S. 26 ff. Leitner gebraucht zum Teil die Begriffsbezeichnungen „organisches und anorganisches Kapital" (S. 75, 81 f. und 277). A n anderer Stelle (S. 9) spricht er von den „Betriebsmitteln der Erwerbswirtschaft": „Vermögen, Schulden, Kapital, den Kredit, seine Organisation, die Finanzierung, die Zahlungsmittel und Zahlungsmethoden, die menschliche, leitende und ausführende Arbeit." — Diese Aufzählung interpretieren wir aber im Sinne einer Faktorengliederung von Kapital und Arbeit und nicht im Sinne einer Faktorenspaltung. — Die Arbeit bezeichnet er in seiner Dispositionsüberschrift ausdrücklich als „Element des Betriebes" (S. 67). Aus der erstgenannten Begriffsbezeichnung könnte man übrigens u. U. eine quasimonistische Betrachtungsweise ähnlich Rieger (Kapital als einziges Element) ableiten. 7 Vgl. Hoffmann, Α., „Wirtschaftslehre", a.a.O., S. 179. — Hoffmann spricht von den „zur Unternehmung zusammengefaßten Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit". Diese Definition und eine Andeutung auf S. 43 sind die einzigen Aussagen zu einem Faktorsystem, die wir in dem umfangreichen Werk (800 Seiten) finden konnten. 8 Vgl. Walb, E., Kaufmännische BWL, a.a.O., — hier ist überhaupt nicht zu erkennen, welche Faktorgliederungen Walb vertritt. Einen Anhaltspunkt 2
33. Die Faktorsysteme der Allgemeinen B W L
129
nur noch interpretierbar; methodische Funktionen erfüllt sie i n erkennbarer Weise nicht. Da die pluralistischen Systeme die verschiedensten Faktoren kombinieren, stellen die sechs genannten Vertreter einer dualistischen Gliederung die stärkste einheitliche Gruppe dar.
332· Faktorenreduktion und quasimonistische Faktordarstellungen Wie schon i n der volkswirtschaftlichen Grundlegung ausführlich erläutert wurde 9 entstehen monistische Faktorendarstellungen durch die methodische Technik der Faktorenreduktion. Da i n den untersuchten Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren kein methodisch klares oder eindeutiges Bekenntnis vorliegt, halten w i r die Bezeichnung „quasimonistisch" für angebracht. Da ist erstens die Reduzierung auf den Faktor Arbeit bei Schmidt Dieser diskutiert zunächst ein pluralistisches System m i t den Faktoren Natur, Kapital, Arbeit und Geist, zeigt damit eine enge Anlehnung an volkswirtschaftliche Gedankengänge. I m Verlauf seiner Ausführungen reduziert er dann den Faktor Natur i n das Kapital, da die Natur „als freie Schenkerin nicht Produktionsfaktor i m wirtschaftlichen Sinne ist, weil ihre Gaben als freie Güter nur bei künstlich geschaffener Seltenheit Wert erlangen können, dann aber dem Wesen nach Kapital sind" 1 0 . Sodann subsumiert er den „Geist" als „geistige Leistung i m Dienst der Bedarfsdeckung" 11 unter die Arbeit und verfährt m i t dem Faktor Kapital i n gleicher Weise, „ w e i l es nur aufgespeicherte Arbeit vergangener Zeiten darstellt" 1 1 . Damit übernimmt er fast wortgetreu die Begründungen des wissenschaftlichen Sozialismus 12 . So kommt Schmidt schließlich zu dem Ergebnis, „daß es nur einen Produktions- und Leistungsfaktor der Marktwirtschaft gibt. Das ist die menschliche Arbeit i n all ihren Erscheinungsformen" 18 . W i r bezeichnen diese Auffassung deshalb als quasimonistisch, w e i l sie i n miß verständlicher Weise zwei Systeme nebeneinander stellt, was ζ. B. Seischab i n seiner Untersuchung über die betrieblichen dazu gibt aber sein Aufsatz: Grundsätze der Betriebswirtschaftslehre, in: Die Verwaltungsakademie, Handbuch für Beamte, Bd. I I I , Beitrag 60, o. J. (1935), wo er auf S. 37 schreibt: „Das . . . organische Zusammenwirken menschlicher Arbeit und wirtschaftlicher Güter (Kapitalgüter) ergibt den Betriebsorganismus . . . " 9 Vgl. Punkt 332 dieser Arbeit. 10 Schmidt, F., Allgemeine BWL, a.a.O., S. 215. 11 Ders., S. 219. 12 Vgl. dazu Punkt 332. 18 Schmidt, D., Allgemeine BWL, a.a.O., S. 220. 9 Wunderer
130
3. Die faktorielle Betrachtungsweise
Elemente dazu ver anlaß te, Schmidt als Anhänger einer pluralistischen Betrachtungsweise zu charakterisieren 14 . Zu Rieger erklärt Seischab an gleicher Stelle i n apodiktischer Weise: „Rieger kennt nur ein Betriebselement: das Kapital." Gerade hierzu bringt er aber keinen Quellennachweis, der tatsächlich kaum erbracht werden kann. Denn, abgesehen davon, daß Rieger m i t seiner prononcierten Trennung von Unternehmungs- und Betriebsbegriff 15 beim Kapital allenfalls von einem Element der Unternehmung gesprochen hätte, findet sich keine explizite und direkte Aussage zum faktoriellen Aspekt. Gewisse Interpretationsmöglichkeiten können jedoch einige Zitate bieten. Das erste lautet: „Jede Produktion ist eine Vereinigung von Kapital und Arbeit zu dem Behuf, die von der Natur angebotenen Rohstoffe zu gewinnen und durch Hinzufügen weiterer Arbeit und Verbindung m i t anderen Rohstoffen bzw. Materialien i n eine für bestimmte wirtschaftliche Zwecke geeignete Form zu bringen 1 6 ." Damit könnte Rieger als Vertreter einer dualistischen Gliederung charakterisiert werden. Jedoch betrifft diese Aussage nur die Produktion und somit den Betrieb, nicht aber die Unternehmung selbst. Das „technische Tun" ist aber für diese nur „ M i t t e l zum Zweck" 1 7 ; „für die Privatwirtschaftslehre besteht keine Veranlassung und keine Möglichkeit, sich mit diesen Problemen näher zu beschäftigen, sie kann allenfalls den Unterbau liefern" 1 8 . Die Unternehmung aber hat „geldliche, finanzielle Probleme zu meistern" 1 9 ; wesensmäßige Gefährdungen können „selbstredend nur geldlicher Natur sein, technische Risiken und leibliche Gefahren an sich scheiden aus" 2 0 . Und ihre Personifizierung — der Unternehmer — ist „der Träger des kapitalistischen Gedankens, der Geld- und Erwerbsidee... gleichgültig, was er technisch tut und womit er sich i m einzelnen befaßt" 2 1 . Aus dieser Zitatauswahl geht schon deutlich hervor, daß bei Rieger das Kapital als Element für die Unternehmung relevant ist und eine weitgehend antinomische Auffassung zum Betrieb und Produktionsprozeß besteht. W i r sehen i n dieser Auffassung eine interessante Paral14
Vgl. Seischab, H., Betriebswirtschaftliche Grundbegriffe, a.a.O., S. 26. Vgl. Rieger, W., „Einführung", a.a.O., vor allem S. 40 f. — „Denn der Betrieb ist nur die technische Grundlage, das Vehikel der Unternehmung." (S. 40) 16 Ders., S. 90; vgl. dazu auch S. 160. 17 Ders., S. 83. 18 Ders., S. 91. 19 Ders., S. 16. 20 Ders., S. 18; vgl. dazu auch S. 155. 21 Ders., S. 46. 15
33. Die Faktorsysteme der Allgemeinen B W L
131
lele zu der von Riegers Antipoden K a r l Marx. Für diesen ist die trialistische Faktorenlehre auch nur für die technische Seite des Produktionsprozesses relevant. Vom ökonomischen (hier: gesellschaftspolitischen) Gesichtspunkt gibt es dagegen nur einen produktiven Faktor: die Arbeit 2 2 . So kann man innerhalb der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre zwei 2 3 quasimonistische Vorstellungen über den Faktoraspekt interpretieren, wobei Schmidt die Arbeit und Rieger das Kapital als einzige Faktoren der Unternehmung ansehen, 333. Faktorenspaltung und pluralistische Systeme Die Hälfte der sechzehn Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren, näml i c h d i e v o n Prion,
Thoms,
Rössle, Lehmann,
Mellerowicz,
Lohmann,
Gutenberg und Wöhe, bringen pluralistische Faktorsysteme. Die Zahl der Faktoren hält sich jedoch i n Grenzen; sie streut zwischen drei und fünf. Insgesamt werden neben den Grundfaktoren Arbeit und/oder Kapital noch neun weitere genannt. Davon sind sechs betriebswirtschaftlichmethodisch 24 aus einer Aufspaltung 2 5 des Sachkapitalbegriffs erklärbar (Betriebsmittel, Werkstoffe, Boden, Steuern, Risiko und Rechtsordnung) und drei als Ableitungen aus dem Faktor Arbeit (dispositive Arbeit, Betriebsführung, Wissenschaft und Organisation). Die Systeme von Prion, Thoms und Rössle zeigen noch eine deutliche Anlehnung an die Volkswirtschaftslehre. Der einzige Hinweis auf eine faktorielle Betrachtungsweise ist i n Prions 3. Band (Der Wirtschaftsbetrieb als Betrieb) zu finden 2 6 . Hier verweist er auch lediglich auf die trialistische Gliederung der Volkswirtschaftslehre, ohne seine eigene Meinung dazu klar zu äußern. Thoms nennt dagegen neben dem „menschlichen" ( = Arbeit) und dem „geldgrößenmäßigen Aufbau" ( = Finanzkapital) noch den „technischen" ( = Betriebsmittel) und den „rechtlichen" Aufbau des Betriebes 27 . Wie 22
Vgl. dazu Punkt 332. Die Systeme von Leitner und Lohmann haben zwar eine gewisse Verwandtschaft mit der Betrachtungsweise Riegers, jedoch genügen — wie im einzelnen nachgewiesen wird — die Anklänge u. E. nicht, sie als quasimonistisch einzustufen. 24 „betriebswirtschaftlich" deshalb, weil hier das dualistische als Grundsystem angesehen und die gesonderte Aufzählung des Faktors Natur/Boden damit schon als Faktorspaltung gewertet wird. 25 Zur Methode der Faktorenspaltung vgl. Punkt 314. 26 Vgl. Prion, W., „Die Lehre", 3. Buch, a.a.O., S. 34. 27 Vgl. Thoms, W., „Allgemeine BWL", S. 75 ff. 23
9*
132
3. Die faktorielle Betrachtungsweise
i n der volkswirtschaftlichen Grundlegung 2 8 schon erwähnt, subsumierte bereits Adolph Wagner das Element Rechts- und Wirtschaftsordnung der Romantiker wieder unter seinen Produktionsfaktor „Sozialkapital", weil dieses Element vor allem von der jeweiligen Eigentumsordnung geprägt wird. Und Rössle schließlich ergänzt die trialistische Gliederung der Volkswirtschaft durch den Produktionsfaktor „Wissenschaft" 29 , womit die schöpferische geistige Arbeit und der technische Fortschritt besonders hervorgehoben werden sollen. Damit greift der „Organiker" Rössle auf Vorstellungen der Romantik (vor allem F. List zo) und späterer Anhänger, wie ζ. B. Julius Wolf* 0, zurück. Auch Lehmann diskutiert zunächst das volkswirtschaftliche trialistische System, dessen Bestandteile er „Produktivkräfte der Wirtschaft" 8 1 nennt, um später zu den drei „Kräften der Betriebswirtschaft" m i t den Faktoren Arbeit, Betriebsmittel und Kapital zu kommen 3 2 , wobei er gleich Thoms das Kapital finanzwirtschaftlich definiert 3 3 . Mellerowicz entscheidet sich ebenfalls für drei Produktionsfaktoren. Er ergänzt jedoch die betriebswirtschaftliche dualistische Lehre durch den Faktor Organisation 34 . Die Organisation ist daneben aber auch eine Teilfunktion der Leitung 3 5 und schließlich noch ein „Instrument zur Durchsetzung der Leitungsentscheidungen i m Betriebe" 3 6 . Spezifische Begründungen für die Bewertung der Organisation als Faktor fehlen. Aber Seischab, der dieses Faktorsystem nachdrücklich vertritt, bringt ebenfalls 87 nur die allgemein formulierte These, die Organisation sei „eine Voraussetzung für den geordneten, wirtschaftlichen Ablauf des Betriebsprozesses" und „deshalb ein Betriebselement neben der Arbeit und dem Vermögen" 3 8 . W i r sind der Ansicht, daß die Organisation als Prozeß und Ergebnis geistiger, zum Teil schöpferischer Arbeit allenfalls als „derivativer Faktor" 3 9 des originären Faktors Arbeit aufgefaßt wer28
Vgl. Punkt 314. Vgl. Rößle, K., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 15 f. und 133 ff. 80 Vgl. Punkt 314. 81 Vgl. Lehmann, M. R., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 15. 82 Vgl. ders., S. 104 ff. 88 Vgl. ders., S. 107. 84 Vgl. Mellerowicz, K , „Allgemeine BWL", Bd. 1, a.a.O., S. 159. 85 Vgl. ders., S. 204. 88 Mellerowicz, K , „Allgemeine BWL", Bd. 4, a.a.O., S. 190. 87 Mellerowicz begründet in gleicher Weise: „Zur Durchführung der Werkverrichtung benötigt der Betrieb etwas Dreifaches: 1. Menschen . . . , 2. das Kapital . . . , 3. die Organisation, die Menschen und Sachen einander planvoll zuordnet, um eine möglichst wirtschaftliche Leistung zu vollbringen." (Mellerowicz, K., „Allgemeine BWL", Bd. 1, a.a.O., S. 159 f.) 88 Seischab, H., Betriebswirtschaftliche Grundbegriffe, a.a.O., S. 40. 89 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 7. 29
33. Die Faktorsysteme der Allgemeinen B W L
133
den kann; es sei denn, man wollte versuchen, alle Leistungsvoraussetzungen und -elemente i n einem leicht unübersichtlich wirkenden Katalog 4 0 , der dazu doch nie vollständig sein könnte, aufzuzählen. D i e F a k t o r d a r s t e l l u n g e n v o n Lohmann,
Gutenberg
u n d Wöhe
zeich-
nen sich durch eine starke Ausrichtung auf den kombinativen Produktionsprozeß aus, wobei die kostenmäßigen Konsequenzen zum Teil besondere Beachtung finden. Letzteres gilt vor allem für Lohmann, der seine fünf Produktionsfaktoren menschliche Arbeitsleistungen, Anlagenutzungen, Werkgüter einschließlich Energie, Unsicherheit und Risiko sowie Steuern und ähnliche Gemeinlasten" mit „betriebswirtschaftlichen Kostengruppen" gleichsetzt 41 . Er schlägt damit einen Weg ein, den Liefmann schon rund 50 Jahre zuvor gewiesen hatte 4 2 . Bei Gutenberg und Wöhe werden die Grundfaktoren Arbeit und Kapital i n je zwei selbständige Einheiten gespalten: das Kapital i n Betriebsmittel und Werkstoffe 43 , die Arbeit i n ausführende und dispositive A r beit 4 4 » 4 5 . 334. Konstruktive Kritik der vorliegenden Faktorsysteme Betrachtet man die angebotenen Faktorensysteme unter dem Gesichtspunkt der methodischen Eignung für eine Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, so ist u. E. auch hier eine differenzierende Bewertung angebracht. Die dualistische Betrachtungsweise w i r k t geschlossen und überschaubar, ist für jede betriebliche Grundfunktion anwendbar und hält dabei durch die Technik der Faktorengliederung die Möglichkeit einer individuellen Gewichtung einzelner Faktorenglieder offen. Sie scheint uns aber mehr für struktur- als für prozeßanalytische Fragestellungen geeignet zu sein, da das vereinfachte Grundschema für differenziertere Kombinationsmodelle, für Stufungen und Variationen zu grob strukturiert ist. 40 I n diese Richtung geht der Versuch Bellingers. Vgl. Bellinger, B., Versuch eines Gliederungssystems betrieblicher Funktionen, a.a.O. 41 Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 23. 42 Vgl. Punkt 314. 43 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 2 ff. und 70 ff. sowie Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 51 f. und 78 ff. 44 Bei Gutenberg „objektbezogene" und „dispositive" Arbeitsleistungen genannt. Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 2 ff., 11 ff., 130 ff. 45 Wöhe bezeichnet sie als „menschliche Arbeitsleistungen" und „Betriebsführung. Vgl. Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 51 f., 53—78 und 84 ff.
134
3. Die faktorielle Betrachtungsweise
Das gilt noch viel mehr für monistische Vorstellungen, die zudem meist von einer einseitigen Gewichtung eines Aspektes ausgehen, die nicht selten ideologisch begründet ist. W i r halten deshalb solche Versuche für methodisch zwar interessant, aber wenig fruchtbar. Von den vorliegenden pluralistischen Systemen erachten w i r nur das von Gutenberg — und damit auch das von Wöhe — als diskutabel. Da hier der physische Aspekt berücksichtigt ist, läßt es sich, i m Gegensatz zu einer Gliederung nach Kostengruppen, auch gut zu strukturanalytischen Darstellungen verwenden; gerade darauf sollte i n einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre nicht verzichtet werden. Die Wahl von vier aggregierten Größen erfüllt überdies die Forderungen nach Übersichtlichkeit und systematischer Geschlossenheit. Sofern diese Größen entsprechend definiert werden, sind sie ebenso allgemein anwendbar und bieten höheren Erklärungswert für prozeßanalytische Überlegungen als das dualistische System. Jedoch bedarf der Ansatz Gutenbergs u. E. mehrerer Veränderungen, die nicht nur die Begriffsbezeichnung der Faktoren, sondern auch ihre Begriffsinhalte betreffen. Deshalb w i r d i m folgenden der Versuch unternommen, an Hand einer weiterführenden K r i t i k ein neues Faktorsystem zu entwickeln: a) W i r schlagen vor, die Termini „produktive Faktoren" (Gutenberg) bzw. „Produktionsfaktoren" (Wöhe) durch den Begriff „betriebliche Leistungsfaktoren" zu ersetzen, da vor allem die Bezeichnung „Produktionsfaktor" nur einen „betrieblichen Teilbereich", eben die Produktion, semantisch betreffen kann. b) Der Begriff „dispositiver Faktor" w i r d durch den der „Betriebsführung" ersetzt, da der erstgenannte nicht nur i n der Praxis ungebräuchlich, sondern auch weniger aussagekräftig ist, während m i t letzterem eine Parallele zum Funktionsaspekt der Führung schon semantisch gezogen 48 und auch der weitere Begriffsinhalt angedeutet werden kann. c) Wichtiger aber noch ist die Bestimmung des Begriffsinhalts. Zum Faktor Betrieb sführung sollten u. E. alle „Träger vorwiegend betriebsspezifischer Führungsaufgaben auf Grund führungsorganisatorischer Kompetenz" 4 7 gezählt werden. Wie noch nachzuweisen ist 4 8 , geht Gutenberg bei der materiellen Festlegung des Begriffsumfangs zunächst doppelgleisig vor. Er beschränkt 48 Ähnlich wird die „Organisation" meist in einem struktur- und einem ablaufbezogenen Aspekt behandelt. 47 Vgl. dazu Punkt 4244 dieser Arbeit. 48 Vgl. Punkt 4244 dieser Arbeit.
33. Die Faktorsysteme der Allgemeinen B W L
135
sich i m weiteren Verlauf jedoch auf die Träger der „Gesamtführungsaufgabe", die „Betriebs- oder Geschäftsleitung", während er die übrigen Mitglieder der Betriebsführung übersieht 49 . Es ist aber bei einer strukturanalytischen Betrachtung der Führung weder folgenotwendig noch zeitgemäß, zwischen den einzelnen Mitgliedern der verschiedenen Führungsebenen so grundsätzliche Unterschiede zu postulieren, daß sich als methodische Konsequenz eine Faktorspaltung innerhalb dieser Gruppe ergeben muß. Vielmehr beginnt man heute i n weiten Kreisen der Praxis und auch der Wissenschaft, nicht nur den Betrieb sondern auch die Führung als eine Institution zu sehen. Es würde hier zu weit führen, den komplexen und für die Betriebswirtschaftslehre noch wenig erforschten Problemkreis der institutionellen Betrachtungsweise von Unternehmer und Betriebsführung eingehend zu behandeln. Doch scheint eine kurze Skizzierung notwendig, um die vorhin vertretene These abzusichern. Die Betriebsführung als Institution bedeutet 50 : 1. Ein strukturiertes soziales System von grundsätzlich vergleichbaren Hollen- und Statusbeziehungen. Diese leiten sich wiederum vor allem aus einer wesensmäßig gleichen und gemeinsamen Aufgabenstellung ab: der Führung. Die Theorie von der Abspaltung und Delegierung von „Unternehmerfunktionen" an nachgeordnete Stellen w i r d gerne zur Erklärung dieses Tatbestandes herangezogen 51 . 2. Eine relativ stabilisierte und auf Dauer angelegte Organisation, die eine Wiederholbarkeit und gewisse Gleichförmigkeit der A k t i vitäten sichert. 3. Konstitutive Bedeutung hierfür haben gemeinsame Zielsetzungen und Führungsideen. 49 Es ist u.E. nicht vorstellbar, daß Gutenberg mit den Teilfaktoren Planung und Organisation die anderen Führungsebenen erfassen wollte. 50 Vgl. dazu vor allem König, R., Institution, in: Soziologie, hrsg. von König, R., Frankfurt/M. 1960; Gehlen, Α., Der Mensch — seine Natur und seine Stellung in der Welt, 7. Aufl., Frankfurt/M. — Bonn 1962; Hauriou, M., Die Theorie der Institution, in: Schriften zur Rechtstheorie, Heft 5, Hrsg. R. Schnur, Berlin 1965; Fischer, G., Die Führung von Betrieben, 2. Aufl., Stuttgart 1966; Illetschko, L., Unternehmenstheorie — Elemente rationaler Betriebslenkung, Wien 1964; sowie die bei König, R., a.a.O., und Bidlingmaier, J., Unternehmerziele und Unternehmerstrategien, a.a.O., angegebene Literatur zum amerikanischen Institutionalismus und nicht zuletzt die auf Anregung des Verfassers angefertigte und von ihm mitbetreute Arbeit von TschammerOsten, B., Der institutionelle Aspekt der Betriebsführung, unveröffentlichte Diplomarbeit München 1966. 51 Allein in sieben Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren hat diese Delegationstheorie wichtige Erklärungsfunktionen. Vgl. dazu Leitner, F., „Wirtschaftslehre", a.a.O., S. 78; Prion, W., „Die Lehre", 4. Buch, S. 47; Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., 110; Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 287; Mellerowicz, K., „Allgemeine BWL", Bd. 4, a.a.O., S. 195 und Fischer, G., „Die Betriebsführung, Bd. 1, a.a.O., S. 52 f.
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3. Die faktorielle Betrachtungsweise
4. Diese sind nur zu erreichen über einen Teamgeist, der wiederum durch gemeinsame Erwartungen, Verhaltensnormen und Verhaltensmuster gekennzeichnet ist. 5. Gemeinsame Zielsetzungen und Teamgeist sind so weit institutionalisiert, daß sie vom jeweiligen Träger weitgehend unabhängig sind. Institutionalisierung heißt damit auch „Entindividualisierung" (Gehlen). 6. Schließlich ist noch der Organaspekt ein wesentliches Kriterium. Die Betriebsführung ist i n andere übergeordnete Institutionen (ζ. B. Betrieb und Volkswirtschaft) eingebaut, wobei sich wechselseitige Beziehungen und Einflüsse ergeben. Diese strukturellen Gemeinsamkeiten hinsichtlich Aufgabenstellung, Zielsetzung und Verhaltensmuster sowie die formalen und informalen organisatorischen Verflechtungen i n horizontaler und vertikaler Richtung legen es nahe, die Ebenen der betrieblichen Führung und damit deren Angehörige als eine strukturelle Einheit zu sehen. Dies gilt um so mehr, als die Instanzenzüge zugleich Karrierebahnen darstellen, weshalb die Mitglieder der Betriebsführung grundsätzlich nicht auf bestimmte Führungsebenen festgelegt werden können. Die institutionelle Betrachtungsweise gilt i m besonderen für den Typ des Mittel- und Großbetriebes m i t tiefgestufter Führung. Sie ist wahrscheinlich leichter zu entwickeln, wenn Kapitalisten- und Gesamtführungsfunktion getrennt sind. Bei kleinen Eigentümerbetrieben und solchen, die ausgesprochen zentralistisch und i n patriarchalischem oder diktatorischem Führungsstil geleitet werden, mag dagegen die Vorstellung Gutenbergs zutreffen, daß die Führung des Betriebes effektiv nur i n einer Ebene oder gar nur i n einer Person liegt, während selbst die direkt unterstellten dieser „Betriebs- oder Geschäftsleitung" dann höchstens als „Führungsgehilfen" 5 2 und somit als Teilfaktoren der „objektbezogenen Arbeit" klassifiziert werden müssen. Die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre nimmt aber u. W. diesen Betriebs- und Führungstyp nicht als Forschungs- und Darstellungsgrundlage, selbst wenn er noch beachtliche Teile der betrieblichen Wirklichkeit repräsentieren sollte. d) Neben der Begriffsbezeichnung und dem Begriffsinhalt ist beim „dispositiven Faktor" außerdem die Faktorgliederung verbesserungsbedürftig. Gutenberg unterscheidet hier die Teilfaktoren Geschäftsleitung, Planung und Organisation 58 . Er sieht diese Aufteilung dann als gegeben an, " Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", 1. Bd., a.a.O., S. 244. Vgl. ders., S. 7 f.
58
33. Die Faktorsysteme der Allgemeinen B W L
137
wenn „organisatorisch verselbständigte Planungsabteilungen i n einem Betrieb vorhanden" 5 4 sind, oder wenn die Geschäftsleitung zur Durchsetzung ihrer betriebspolitischen Entscheidungen „einen Teil ihrer A n ordnungsbefugnisse auf Personen (delegiert), denen die Aufgabe obliegt, das betriebliche Geschehen zu steuern und zu lenken" 5 4 . Diese Faktorgliederung ist von verschiedenen Seiten her angreifbar. Erstens ist sie eine Mischung aus horizontaler und vertikaler Gliederung der Betriebsführung, wenn man unterstellt, daß die Planungsabteilungen als Stäbe organisiert sind. Zweitens ist es unzutreffend, alle der Geschäftsleitung nachgelagerten Führungsebenen lediglich m i t der Teilfunktion „Organisation" — die gleichzeitig einen Teilfaktor darstellt — charakterisieren zu wollen. Dieser Ansatz ist drittens das Ergebnis einer kombinierten Darstellung von faktoriellen und funktionellen Aspekten der Führung, wobei die letzteren maßgeblich für Gutenbergs Faktorgliederung sind. Deshalb w i r d grundsätzlich die übliche Gliederung der Betriebsführung i n eine obere, mittlere und untere Betriebsführung vorgeschlagen, wobei weitere Untergliederungen innerhalb dieser drei Teilfaktoren ebenso denkbar sind, wie die Erweiterung u m eine oberste Führungsebene 55 , die ausschließlich den Trägern der Gesamtführungsfunktion vorbehalten bleibt und damit eine gute Verbindung zur funktionalen Betrachtungsweise ziehen läßt. e) Fünftens wenden w i r uns gegen die Begriffsbezeichnung „objektbezogener Faktor", die sachlich nur i n Bezug auf die Teilbereiche Leistungserstellung und -Verwertung haltbar wäre, da hier allein „objektbezogene Grundfunktionen" betroffen sind. Dagegen stellt ζ. B. die F i nanzierung weitgehend eine „faktorbezogene Grundfunktion" dar 5 ·, ganz abgesehen davon, daß dieser objektbezogene Faktor ebenfalls rein funktional definiert w i r d 5 7 . Schließlich ist der Terminus „objektbezogen" wenig aussagekräftig und zugleich vieldeutig, wenn man i h n i n Beziehung zum Faktorsystem stellen w i l l . Deshalb w i r d die Bezeichnung „führungsfreie Arbeit" vorgeschlagen. Sie ist wertneutral, zeigt aber bei einer qualitativen Bewertung einen weiten Spannkreis, denn sie umfaßt sowohl Mitarbeiter von hochqualifizierten Planungs- und Konstruktionsstäben als auch die Träger vorwiegend mechanisch-repetiver Arbeit. Da die Klassifizierung hier nicht nach funktionalen Aspekten erfolgt, ist es nicht ausgeschlossen, daß auch Mitglieder des Faktors „führungs54
Vgl. ders., S. 7. Diese Gliederung vertritt besonders Fischer — vgl. Fischer, G., „Die Betriebsführung", Bd. 1, a.a.O., S. 80 f.; ders., Die Führung von Betrieben, a.a.O., S. 16 f. ; eine ähnliche Interpretation ist für Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 97 möglich. M Vgl. Punkt 4321 dieser Arbeit. 57 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 3. 55
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3. Die faktorielle Betrachtungsweise
freie Arbeit" zeit- oder teilweise betriebliche Führungsaufgaben ausüben. Entscheidend für die Einordnung ist vielmehr, daß sie nicht vorwiegend „Träger" von betriebsspezifischen Aufgaben auf Grund führungsorganisatorischer Kompetenz sind. f) Während der Faktor „Betriebsmittel" nach Bezeichnung und Inhalt unverändert übernommen w i r d 5 8 , sind u. E. beim Faktor „Werkstoffe" von beiden Aspekten aus gesehen Verbesserungen angebracht, da er sonst allenfalls zur Erklärung der Produktionsfunktion verwendet werden kann. U m die erwünschte erweiterte Anwendung auf die anderen Hauptfunktionen Beschaffung und Leistungsverwertung zu erreichen, i. w. S." 59 vorgeschlagen.
w i r d als Begriffsbezeichnung „Betriebsstoffe
Dieser Faktor würde — i n Form einer Faktorgliederung — folgende Teilfaktoren umfassen: 1. „Werkstoffe"
analog der D e f i n i t i o n
Gutenbergs
eo
.
2. Finanzierungsmittel, soweit sie für den Betrieb nicht Gegenstand der betrieblichen Leistungsverwertung (ζ. B. Banken) darstellen. Man könnte diese M i t t e l aus nemotechnischen Gründen dann auch „ F i n a n z - " bzw. „Finanzierungsstoffe
te
nennen.
3. Die für die Funktion der betrieblichen LeistungsVerwertung bedeutsamen Güterarten und Dienstleistungen, soweit sie nicht den beiden „Arbeitsfaktoren" zuzurechnen sind. Diese könnten „Handels·" bzw. „Absatzstoffe" bezeichnet werden. Somit könnte ein methodisch fruchtbares System „betrieblicher Leistungsfaktoren" aus den vier Faktoren „Betriebsführung", „führungsfreie Arbeit", „Betriebsmittel" und „Betriebsstoffe i. w. S" gebildet werden 81.
Soweit dieses Faktorsystem speziell den Unternehmer behandeln soll, sollte man den Terminus „Betriebsführung" durch den der „Unternehmensführung" ersetzen. Damit würde in der unternehmungsweisen Wirtschaft Leistungsfaktoren bestehen aus Unternehmensführung, Arbeit, Betriebsmittel u n d Betriebsstoffe i. w. S. 58
das System der führungsfreie
Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 3. Betriebsstoffe in der üblichen Terminologie sind: „Stoffe, die, ohne selbst Roh- oder Hilfsstoffe zu sein, zur Durchführung des Fertigungsprozesses benötigt werden (ζ. B. Schmiermittel, Reparatur- und Büromaterial)." (Gablers Wirtschaftslexikon, Wiesbaden 1962, 5. Aufl., 1. Bd., S. 584). 60 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", 1. Bd., a.a.O., S. 4 f. 61 Dieses System würde durch eine Spaltung der Faktoren Arbeit und K a pital in je zwei selbständige Größen entstehen und damit auch noch Wünschen nach einer „formalen Symmetrie" gerecht. 59
33. Die Faktorsysteme der Allgemeinen B W L
139
Diese Spezifizierung w i r d nicht nur aus semantischen und formallogischen Gründen vorgenommen. Denn gerade unter dem Gesichtspunkt einer institutionellen Betrachtungsweise, durch die die faktorielle Darstellung des Unternehmers ja i n besonderem Maße geprägt wird, sind zwischen Betriebs- und Unternehmensführung bedeutsame Unterschiede erkennbar. Die für ein Wirtschaftssystem primär selbstbestimmender Betriebe typische weitgehende Unabhängigkeit der Gesamtführung von unternehmungsexternen Machtzentren sowie die meist gegebene Präsenz aller Mitglieder der Unternehmensführung innerhalb der Unternehmung bieten die besten Voraussetzungen, die Führung zu einer selbständigen, geschlossenen und stabilen Institution zu entwickeln. Damit verbunden ist eine bessere Integration der obersten Führungsebene, des Unternehmers, i n die gesamte Unternehmensführung. Diesen Sachverhalt erkennt man besonders deutlich, wenn man als Kontrast die Situation i n einem System primär fremdbestimmter Betriebe skizziert. Hier werden die Gesamtführungsaufgaben — vor allem die Kernfunktion der Gesamtführungsentscheidung — überwiegend von betriebsexternen Machtzentren wahrgenommen. Diese Träger betriebsspezifischer Gesamtführungsaufgaben sind nun aber nicht nur räumlich von den einzelnen W i r t schaftseinheiten getrennt, sondern darüber hinaus oft bürokratisierte und zum Teil auch politisierte Zentralinstanzen. Ihre Tätigkeit unterliegt i m Vergleich zu den „gesteuerten" Betrieben meist anderen Gesetzen; sie zeigen andere Motive, Hollenerwartungen, Verhaltensmuster und A b hängigkeiten und können damit weit schwerer mit den übrigen Trägern der Betriebsführung zu einer institutionellen Einheit verbunden werden.
34. Die faktorielle Betrachtungsweise des Unternehmers — Der Faktor Arbeit als Bezugspunkt — I n den vorangegangenen Ausführungen wurde nachgewiesen, daß nur neun 1 von sechzehn Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren der faktoriellen Betrachtungsweise bedeutende Erklärungs- und Gestaltungsfunktionen beimessen. Davon erörtern nur drei bis vier Autoren 2 den Unternehmer schwerpunktmäßig innerhalb der Faktorendarstellung; selbst hier stehen dann nur meist funktionale (Leitung) vor strukturellen oder phänomenologischen Gesichtspunkten. Somit ist bei einer Gesamtbetrachtung der Faktoraspekt für die Behandlung des Unternehmers i n der Betriebswirtschaftslehre von vergleichsweise geringer Bedeutung, wobei formale Gestaltungsziele noch oft vor spezifischen Erklärungsabsichten stehen. Diese These bedarf einer Modifizierung, wenn man nur die neueren 3 Betriebswirtschaftslehren berücksichtigt. — Allerdings w i r d hier die faktorielle Betrachtungsweise ganz allgemein mehr verwendet. Nach dieser knappen Bedeutungsanalyse können w i r uns methodischen Fragestellungen zuwenden. I n erster Linie sind, da die einzelnen Systeme selbst schon besprochen wurden, die methodisch relevanten Beziehungen des Unternehmers zum Faktor Arbeit von Interesse. Soweit diese innerhalb eines, wenigstens ansatzweise diskutierten Faktorsystems i n erkennbarer Weise behandelt sind, sollen sie i n die folgende Untersuchung m i t einbezogen werden 4 . Unter diesem Gesichtspunkt lassen sich vor allem drei Formen unterscheiden: 1 Vgl. dazu die Darstellungen von Leitner, Nicklisch, Thoms, Schäfer und Fischer sowie von Mellerowicz, Lohmann, Gutenberg und Wöhe. 2 Hierzu zählen Leitner, Schäfer, Wöhe sowie u. U. Gutenberg. s Hierunter könnte man die nach 1960 in neuer Auflage herausgegebenen Werke von Lohmann, Schäfer, Mellerowicz, Fischer, Wöhe und Gutenberg zählen. 4 Damit fallen aus: a) Rieger, da allenfalls das Kapital als Faktor angesehen wird, b) Streng genommen auch Hoffmann und Walb — soweit ein Faktorensystem interpretierbar ist, würden sie zur Gruppe der „synoptischen" Betrachtungsweise zu zählen sein, c) Prion — er müßte zur zweiten Gruppe, der „hierarchischen Faktorgliederung gerechnet werden.
34. Die faktorielle Betrachtungsweise des Unternehmers
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Die erste verzichtet weitgehend oder gar vollständig auf eine differenzierende Behandlung der Arbeit nach dem Rangprinzip 5 und bezieht den Unternehmer somit ohne besondere Pointierung — also mehr i n einer A r t Gesamtschau — i n den Faktor Arbeit ein. W i r wollen diese Darstellungsweise als „Faktorsynopse" bezeichnen. Die zweite Möglichkeit besteht i n einer rangmäßigen hierarchischen Gliederung der Arbeit. Dabei w i r d zumindest eine Teilung i n vorwiegend ausführende und überwiegend leitende Arbeit vorgenommen, h i n und wieder aber auch der Unternehmer als die Spitze der „Arbeitspyramide" gesondert erörtert. W i r nennen solche Formen „hierarchische Faktorgliederung" 6 . Noch einen Schritt weiter geht die schon verschiedentlich aufgeführte Aufspaltung der Arbeit i n zwei selbständige Faktoren, wobei auch hier vor allem das Rangprinzip Verwendung findet. Dieser Vorgang wurde bereits an anderer Stelle 7 als „Faktorenspaltung" definiert.
341. Unternehmer und Faktorsynopse Der synoptischen Betrachtungsweise des Faktors Arbeit können verschiedenartige Beweggründe und Zielsetzungen zugrunde liegen. Einmal kann es die sehr knappe bis beiläufige Behandlung dieses Problems unter den vielen betriebswirtschaftlichen Fragestellungen sein, die dann zu einer vielleicht sogar mehr pauschal-skizzierenden als synoptischen Darstellung führt. So widmet Lehmann der Arbeit als „persönlicher Kraft der Betriebswirtschaft" 8 insgesamt eine halbe Seite bei einem Gesamtumfang von 339 Seiten, wobei er jedoch darauf hinweist, „daß auch der Unternehmer zu den betrieblichen Arbeitskräften gehört" 9 . Nur wenig mehr 1 0 schreibt Rössle zum gleichen Problem. Doch tauchen hier schon gewisse Widersprüche bezüglich des Unternehmers auf. I m Abschnitt über die vier betrieblichen Produktionsfaktoren könnte eine Formulierung 1 1 den Anschein erwecken, daß der Unternehmer außerhalb 5
Vgl. dazu Kosiol, E., Organisation der Unternehmung, a.a.O., S. 53. • Diese Technik wurde schon in Punkt 312 und 314 dieser erklärt. 7 Vgl. dazu Punkt 314 dieser Arbeit. 8 Vgl. Lehmann, M. R., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 105 f. 9 Ders., S. 106. 10 Selbst wenn man die etwas ausführlichere Erörterung unter dem Stichwort „Organisationsfaktoren" hinzuzählt, sind es allenfalls zwei Seiten bei einem Gesamtumfang von 266 Seiten. 11 „Die aktiven Reaktionen, die zu einem Strukturwandel führen, liegen begründet in dem freien Entschluß des Unternehmers, die Kombination sei-
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3. Die faktorielle Betrachtungsweise
des Faktors Arbeit stehe, was jedoch bei der Erörterung des Organisationsfaktors Arbeit widerlegt wird. Denn hier exemplifiziert Rössle gerade am Unternehmer die mögliche Personalunion von Organisationssubjekt und -objekt 1 2 . Schmidt, der das Faktorensystem ebenfalls innerhalb der Grundbegriffe behandelt, ist am schwersten einzuordnen. Die Spaltung der Arbeit i n „Arbeit" und „Geist" zieht er selbst wieder sofort zurück 13 . Er setzt aber auch nicht den „Geist" m i t dem „Unternehmer" gleich — sonst könnte man i h n als Vertreter der Faktorgliederung charakterisieren —, sondern erwähnt nur, daß „auch die Führung der Wirtschaft Geist und schöpferische K r a f t (verlangt)" 1 4 . Da er den Unternehmer i n ganz gleicher Weise 15 bei der zunächst noch gesonderten Darstellung der Arbeit beispielhaft m i t aufzählt, der Wirtschaftsführer als Faktor nirgends gesondert erörtert wird, interpretieren w i r eine synoptische Betrachtungsweise, die sowohl Ansätze zu einer Gliederung wie zu einer Spaltung des Faktors Arbeit zeigt. Da diese aber entweder nicht weitergeführt oder sogleich verworfen werden, sind sie methodisch nicht als stichhaltige Einordnungskriterien verwendbar. Genau genommen müßte man deshalb Schmidt hier als methodisch ambivalent, als „Wanderer zwischen den Welten" bezeichnen. Ein anderer Bestimmungsfaktor kann die Betonung des Aspekts der Betriebsgemeinschaft sein, besonders wenn diese durch eine anthropozentrische und normativ-wertende Einstellung begründet ist. Die teilweise bewußt egalisierende Gesamtschau „aller derer, die i m Betriebe arbeiten" 1 6 , kann 1 7 insoweit zwangsläufig wenig Spielraum für eine ner Produktionsfaktoren zu verändern." So Rößle, K., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 16. 12 Vgl. ders., S. 132. 13 Vgl. Punkt 313 dieser Arbeit. 14 Schmidt, F., Allgemeine BWL, a.a.O., S. 218. — Schmidt tendiert auch mehr dazu, den Geist als Wissenschaft im Sinne Rößles, also als „Träger des wirtschaftlichen Fortschritts" (vgl. S. 218) zu betrachten. Daneben sieht er den Geist noch als eine generelle Arbeitsanforderung, wobei er selbst betont, daß „jede Art von Arbeit mehr oder minder Geist und Denken (verlangt)". (S. 218) Der Unternehmer dient also lediglich zur Exemplifizierung eines Anforderungskombinats, bei dem im besonderen Maße geistige Fähigkeiten notwendig sind. 15 Auch hier wird der Unternehmer deutlich nur zur Illustrierung genannt: „Die höchststehenden Formen der Arbeit sind außerordentlich selten, weil sie meist auf ganz individueller Begabung des arbeitenden Menschen beruhen. Man denke an die großen Künstler, Staatsmänner, aber auch an bedeutende Führer der Wirtschaft." Vgl. Schmidt, F., Allgemeine BWL, a.a.O., S. 215. 16 Vgl. Nicklisch, H., „Die Betriebswirtschaft", a.a.O., S. 294. 17 Bei einer Betonung des „Führerprinzips" ist jedoch auch das Gegenteil möglich; dies wird noch bei Thoms zu zeigen sein.
34. Die faktorielle Betrachtungsweise des Unternehmers
143
rangmäßig abgestufte Darstellung lassen. Das schließt jedoch eine schwerpunktmäßige Behandlung der unselbständigen und überwiegend ausführenden A r b e i t keineswegs aus. Eine weitere, methodisch durchaus vertretbare Ursache ist schließlich die ausführlichere Behandlung der menschlichen A r b e i t allgemein oder nur die des Unternehmers unter anderen, ζ. B. funktionalen oder makromorphologischen Gliederungspunkten. Unsere Untersuchung sollte j a unter anderem die vielfältigen Betrachtungsweisen des Unternehmers sowie deren kombinierte Verwendung aufzeigen; es würde aber nicht nur blankem Formalismus, sondern auch zu unnnötigen Überschneidungen und Wiederholungen führen, wollte man unter jedem möglichen Aspekt nach vollständiger Behandlung streben. Die beiden letztgenannten Bestimmungsgründe — wenn auch m i t verschiedenen Schwerpunkten — sind bei Nicklisch u n d Mellerowicz interpretierbar. Die Betriebsgemeinschaft bildet bei Nicklisch einen wichtigen Systempfeiler. „ W i e ein roter Faden", so meint Stapelberg 18, „durchzieht der Gedanke der Gemeinschaft die Schriften Nicklischs, sie können eigentlich n u r verstanden werden, wenn man weiß, daß sie unter der H e r r schaft des Gemeinschaftsgedankens stehen. Mancher sonst unverständliche Satz gewinnt seine Bedeutung aus diesem Satz heraus, manche sonst unmotivierte Behandlung erscheint als Konsequenz dieses Gedankens begründet". So dürfte seine synoptische Darstellung des Faktors A r b e i t vor allem m i t diesem vorherrschenden Erklärungsziel zusammenhängen. Gewisse Gliederungssätze sind zwar vorhanden, doch dienen selbst diese mehr anschaulich-exemplarischen als methodologischen Zwecken 1 9 . Auch stehen insgesamt Fragen der ausführenden A r beiten i m Vordergrund. Schließlich ist die Wesensbestimmung des U n ternehmers — wie bei Fischer — i n den Abschnitt „Betrieb u n d Unternehmung" verlegt u n d damit unter vorwiegend makromorphologischen Gesichtspunkten skizziert. Auch Mellerowicz behandelt den Unternehmer nicht innerhalb des Faktorsystems, sondern i m Zusammenhang m i t der funktionalen Betrachtungsweise 20 . Bei der ausführlichen Erörterung des „tragenden Be18
Stapeiber g, F., Zurechnungstheorien in der Betriebswirtschaftslehre, zitiert nach Mettang, W., Die Betrachtungsweise, die Fragestellung und der Untersuchungsgegenstand in der Betriebswirtschaftslehre von H. Nicklisch, a.a.O., S. 81. 19 Vgl. hier besonders Nicklisch, H., a.a.O., S. 298 f. Dagegen ist der Gliederungsversuch auf S. 249 nicht nur formallogisch angreifbar. 20 Vgl. Mellerowicz, K., „Allgemeine BWL", Bd. 4, a.a.O., S. 192 ff.
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3. Die faktorielle Betrachtungsweise
triebsfaktors" 2 1 Arbeit w i r d den Fragen der „Sozialen Betriebsgestaltung" m i t den Formen der Betriebsgemeinschaft bzw. der „industriellen Partnerschaft" viel Raum gewidmet 2 2 . Jedoch ist dieser Faktor noch mehr als bei Nicklisch aus dem Blickwinkel der ausführenden Arbeit geschildert, obgleich der kurze Vorspann 2 3 zunächst genau einen gegenteiligen Eindruck erweckt. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, daß die synoptische Betrachtungsweise des Faktors Arbeit, die von fünf der zwölf relevanten A l l gemeinen Betriebswirtschaftslehren repräsentiert wird, den Unternehmer auch bei den Autoren i n den Hintergrund schiebt, die dem faktoriellen Aspekt bedeutsame Erklärungs- und Gestaltungsfunktionen zugestehen. A n seine Stelle rücken die Betriebsgemeinschaft und Problemkreise der überwiegend ausführenden Arbeit. Der Unternehmer w i r d dafür an anderer Stelle eingehender behandelt. Dies gilt für Nicklisch und Mellerowicz. Sofern der Faktorenlehre nur akzidentielles Gewicht beigemessen wird, bietet sich die Synopse als naheliegendes Hilfsmittel für eine mehr skizzierende Darstellung an. Das zeigt sich deutlich bei Lehmann
u n d Rössle, aber auch b e i Schmidt
342. Unternehmer und Faktorgliederung Die Faktorgliederung verleiht dem Unternehmer i m Vergleich zur synoptischen Darstellung zwangsläufig mehr Profil und Gewicht, selbst wenn er schwerpunktmäßig dann doch unter einem Gliederungspunkt behandelt sein sollte, was immerhin noch für drei 2 4 der unter diese Betrachtungsweise subsumierten fünf 2 5 Autoren zutrifft. Was grundsätzlich für jede „Mittelgruppe" gilt, besonders wenn ihre Struktur als Kompromiß oder Synthese von zwei extremeren Auffassungen charakterisiert werden kann, t r i f f t auch für die Faktorengliederung zu: fließende Übergänge und damit nicht immer eindeutige Zuordnungsmöglichkeiten sowie eine relativ weite Spannbreite der erkennbaren Meinungen. So sind bei Fischer i n den mikromorphologischen Teil 2 6 nicht nur die betrieblichen Hauptfunktionen Leitung und Verwaltung eingebaut 27 , auch die Unternehmerfragen werden i m Zusammenhang damit behandelt; diese werden andererseits i n der Strukturphänomologie des Betrie21
Vgl. ders., Bd. 1, a.a.O., S. 159. Vgl. ders., Bd. 1, S. 163—179. 23 Vgl. ders., Bd. 1, S. 159. 24 Hierzu zählen Fischer, Thoms, Lohmann. 25 Vgl. dazu die Darstellungen von Fischer, Thoms, Lohmann sowie Leitner und Schäfer. 29 Vgl. Fischer, G., „Die Betriebsführung", Bd. 1, a.a.O., S. 80 ff. 27 Vgl. ders., S. 104 ff. 22
34. Die faktorielle Betrachtungsweise des Unternehmers
145
bes besprochen 28 . Weiterhin ist es nicht klar erkennbar, ob nicht das gesamte Kapitel über die „Betriebsführung" 2 9 — zusammen m i t dem folgenden über „Planung und Organisation" — i n erster Linie funktionalen Erklärungszielen dienen soll. I n diesem Fall würde die faktorielle Seite des ersten Hauptteils lediglich die Teile „Der Mensch i m Betrieb" 3 0 und „Das K a p i t a l " 3 1 umfassen, wobei der erstgenannte Teil i n synoptischer Weise und m i t besonderer Betonung der Aspekte Betriebsgemeinschaft und ausführende Arbeit aufgebaut ist. Gegen diese Vermutung sprechen aber die Formulierung der Überschrift des ersten Hauptteils 3 2 , die Einbeziehung struktur-morphologischer Aussagen 33 i n Kapitel I I (Betriebsführung) sowie die eigene Interpretation Fischers 34. Deshalb w i r d er schließlich doch als Vertreter einer Faktorgliederung angesprochen. Jedoch ist festzuhalten, daß dann die Gliederung überwiegend i n Form einer Gegenüberstellung von „Betriebsführung" und vorwiegend „ausführender Arbeit" („Mensch i m Betrieb") erfolgt und daß der Unternehmer selbst nicht gesondert erörtert, sondern i n einer A r t institutioneller und funktioneller Zusammenschau i n die Bereiche der Leitung und Führung eingeschmolzen wird. Thoms stellt — wenn auch aus politisch-ideologischen Gründen — die Betriebsgemeinschaft noch stärker als Nicklisch, Mellerowicz und Fischer i n den Mittelpunkt seines betriebswirtschaftlichen Systems. Sie verkörpert den Faktor Arbeit, ist „Träger der Betriebsleistung" 3 5 sowie die „Arbeitsform freier deutscher Menschen" 86 ; ihr „Gestaltungsprinzip" ist das „rassisch bedingte Arbeitsethos" 37 . Die Betriebsgemeinschaft w i r d jedoch klar i n „Betriebsführer" und „Gefolgschaft" gegliedert, wozu Thoms noch betont, daß diese Aufteilung „zwangsläufig m i t dem Betriebe gegeben (ist)" und „gar keine andere sein (kann)" 3 8 . Wesen, Stellung und Aufgaben des Betriebsführers sind aber nicht i m Rahmen des pluralistischen Faktorsystems erläutert, sondern i n einem abgetrennten Kapitel über die Betriebsgemeinschaft, auf das aber ausdrücklich verwiesen w i r d 3 9 . Damit hat bei Thoms die Faktorgliederung nur dispositio28
Vgl. ders., S. 52 ff. Vgl. ders., S. 80 ff. 30 Vgl. ders., S. 183. 31 Vgl. ders., S. 258. 32 Vgl. ders., S. 8. 33 Vgl. Fischer, G., „Die Betriebsführung", Bd. 1, a.a.O., S. 80—89 und 104 bis 118. 34 Nach einem Gespräch des Verfassers mit Herrn Prof. Fischer am 17. 2. 1966. 35 Vgl. Thoms, W., „Allgemeine BWL", S. 79 und 37 ff. 36 Vgl. ders., S. 37. 37 Vgl. ders., S. 81 und 37. 38 Vgl. ders., S. 76. 39 Vgl. ders., S. 76. 29
10 Wunderer
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3. Die faktorielle Betrachtungsweise
nelle Gestaltungs-, jedoch keine echten Erklärungsaufgaben. Die letzteren fallen i n den Bereich der funktionalen Kategorie und werden deshalb i m folgenden Hauptteil behandelt. Schäfer erörtert den Unternehmer schwerpunktmäßig i n der Faktordarstellung und zeigt dazu eine ausgeprägte hierarchische Gliederung der Arbeit. Da er den Problemkreis „Betriebsgemeinschaft" i n interessanter Weise einordnet und formuliert, wollen w i r i h n hier abhandeln, obgleich er als wohl „reinster" Vertreter einer Faktorgliederung eigentlich den Schluß dieses Teilkapitels bilden müßte. Schäfer unterscheidet zwischen zwei Strukturen menschlicher Arbeit: der „hierarchisch-vertikalen Leistungsordnung" und der „demokratischhorizontalen Sozialordnung" 40 . Die Sozialordnung kann inhaltlich weitgehend mit der Bezeichnung Betriebsgemeinschaft gleichgesetzt werden, obgleich Schäfer diesen Begriff nicht verwendet. Hier sind alle „ i n einem Unternehmen vereinigten Arbeitskräfte vom Unternehmungsleiter bis zum jüngsten Lehrling bei aller Differenzierung innerhalb des Arbeitsprozesses zunächst einmal alle Menschen und kraft ihrer Menschenwürde Träger gleichen Rechts" 41 . I n dieser Ebene lehnt Schäfer ökonomische wie gefühlsmäßige Motive ab; die Begründung für die Gleichordnung liegt nach seiner Ansicht i n der sozial- und naturrechtlichen Kategorie der Menschenwürde, während für die Leistungspflicht des Unternehmers „eine klare gedankliche Einsicht i n die Bedingungen modernen sozialen Zusammenlebens" 42 und damit i n die institutionelle Verflochtenheit und Verpflichtung des Unternehmens mit bzw. gegenüber übergeordneten Gemeinschaften maßgebend sein muß. Die Leistungsordnung ist dagegen hierarchisch gegliedert; der Unternehmer steht an der Spitze über ihr, wenn nicht sogar außerhalb 43 . Das heißt: die Leistungsordnung tangiert höchstens „die Geschäftsleitung i m weiteren Sinn" 4 4 , also die Ressortleiter der oberen Führungsebene. Diese scharfe Trennung von Unternehmer und den übrigen Mitarbeitern ist u. E. die Folge eines Denkens i n Kategorien der Eigentumsordnung, was bei Schäfer systemlogisch ist, da er sein Erkenntnisobjekt ausdrücklich auf Betriebe einer kapitalistischen Wirtschaftsverfassung ein40
Vgl. Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 123. Ders., S. 123 f. 42 Ders., S. 122. 43 Ein Anhaltspunkt für die oben geäußerte Hypothese ist der Einleitungssatz zum Abschnitt über die Leistungsordnung: „Die der Unternehmensleitung zur Verfügung stehenden Mitarbeiter bestehen im wesentlichen aus folgenden Gruppen . . . " (S. 113). 44 Vgl. Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 113. 41
34. Die faktorielle Betrachtungsweise des Unternehmers
147
schränkt 4 5 . Sie ist weiterhin der Ansatzpunkt für die von Gutenberg und Wöhe praktizierte Spaltung des Faktors Arbeit. Schäfers Ausführungen sind damit aus zwei Gründen von besonderem Interesse: a) Die dezidierte Trennung von Leistungs- und Sozialordnung 4 6 schränkt den Begriffsinhalt der Betriebsgemeinschaft außerordentlich ein, da sie dann nicht mehr als Leistungsgemeinschaft angesprochen werden kann. Diese Auffassung kann für viele theoretische und praktische Fragestellungen sicherlich sehr fruchtbar sein, doch ist sie ebensowenig überall und v o l l durchführbar wie die Trennung zwischen Personal- und Sozialpolitik. Hax 47 hat hier einleuchtend nachgewiesen, daß man dabei höchstens von zwei Aspekten einer untrennbaren Entscheidungseinheit sprechen könnte. b) Die Faktorgliederung wird, vom Gesichtspunkt des Unternehmerproblems aus betrachtet, i n der Gewichtung den besonderen L e i stungsmöglichkeiten des Unternehmers gerecht. Das g i l t selbst für anspruchsvolle (bis idealisierende) Vorstellungen — man denke ζ. B. an den Pionierunternehmer Schumpeters. Es ist aber aus methodischen, insbesondere sachlogischen Gründen nicht haltbar, den Unternehmer außerhalb der Leistungsordnung zu stellen, insbesondere, wenn man i h n m i t der „Unternehmungs- und Betriebsleitung" 4 8 gleichsetzt. Leitner identifiziert Leitungs- m i t Unternehmerarbeit. Er stellt jedoch zwischen sie und die „ausführende, geleitete A r b e i t " noch die „ V e r w a l tungsarbeit", die aber neben den Führungskräften der mittleren und unteren Ebene alle Angestellten — bis zum Sachbearbeiter und der Bürohilfskraft — umfaßt 4 9 . Diese Unterscheidung i m Sinne der Reichsversicherungsordnung muß natürlich am Erkenntnisstand der Zwanziger Jahre gemessen werden; sie ist hier nicht besonders bedeutsam. Wichtiger ist, daß Leitner i n seiner Dreigliederung des Faktors Arbeit — die inhaltlich übrigens die funktionale Betrachtungsweise m i t einbezieht 5 0 — den Unternehmer gesondert heraushebt, ohne i h n jedoch der vielschichtigen Gruppe aller Mitarbeiter polar gegenüberzustellen. M a n 45
Vgl. dazu seine makromorphologische Betrachtungsweise. Schäfer warnt geradezu vor einer „Vermanschung" von leistungswirtschaftlichen und sozialen Beziehungen" (S. 122). 47 Vgl. Hax, K., Grundfragen der betrieblichen Personalpolitik, in: ZfB 1961, S. 672 f. 48 Vgl. Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 106 ff. 49 Vgl. Leitner, F., „Wirtschaftslehre", a.a.O., S. 67 ff. 50 Vgl. dazu seine rein funktionale Unternehmerdefinition auf S. 67. 4β
10·
148
3. Die faktorielle Betrachtungsweise
kann hierin einen Ansatz zu einer differenzierenden Faktorgliederung erkennen, den Lohmann i n besonderer Weise weiterentwickelt. Lohmann betont eingangs, „daß die Unterscheidung Arbeiter—Angestellter wenig Berechtigung hat" 5 1 . Er entwickelt anschließend eine vielschichtige Faktorgliederung, die vor allem den Kostenaspekt berücksichtigt. Dabei untersucht er sechs Formen bzw. Vertreter der menschlichen Arbeitsleistung : 1. der „lohn- und gehaltsbeziehende Unselbständige" 52 2. den Unternehmer 5 3 3. „mithelfende Familienangehörige" 53 4. „Fremdarbeiter anderer Betriebe" 5 3 5. die „Heimarbeiter des Hausindustriellen" 5 3 6. „diejenigen, die freiberuflich oder als selbständige Wirtschaftsbetriebe ihre Dienstleistungen dem Unternehmer anbieten" 5 3 . Zur Intensität und inhaltlichen Ausgestaltung der Faktorgliederung der Arbeit bedarf es einiger Anmerkungen: a) die sechs Formen stehen nicht i n gleicher Ranghöhe, da die unter 3. bis 5. aufgeführten Arten unter 1., 2. oder 6. zu subsumieren sind. b) Die unter 6. genannten Arbeitsleistungen erfassen weit weniger den Produktionsbereich, sondern vielmehr die Sektoren „Geschäft" und „Finanz" 5 4 . Sie sind deshalb bei dem gewählten engen Begriff der Produktion 5 5 weitgehend fehl am Platze. c) Während die Punkte 2. bis 6. nahezu ausschließlich unter Kostenaspekten abgehandelt sind, bringt Lohmann zur unselbständigen Arbeit vergleichsweise ausführliche wirtschaftshistorische, soziologische und sozialethische Überlegungen. d) Obgleich er den Unternehmer bei der makroökonomischen Behandlung „systemneutral" 5 6 und „dispositionswirtschaftlich" 57 sieht, vertritt er hier eindeutig eine „kombinative Betrachtungsweise" 5 8 . Das heißt, das hier vertretene Unternehmerbild vereint 51 52 53 54 55 56 57 58
Vgl. Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 31. Vgl. ders., S. 29. Ders., S. 32. Vgl. Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 14 ff. Vgl. ders., S. 21. Vgl. dazu Punkt 231 dieser Arbeit. Vgl. dazu Punkt 222 dieser Arbeit. Vgl. dazu Punkt 223 dieser Arbeit.
34. Die faktorielle Betrachtungsweise des Unternehmers
149
Besitz an den Produktionsmitteln m i t Unternehmensleitung, ist also wesentlich enger als das i m genannten Hauptpunkt gezeichnete. e) Der Unternehmer w i r d schwerpunktmäßig innerhalb des makroökonomischen Kapitels 5 9 behandelt. Deshalb t r i t t er auch bei Lohmann i n der mikroökonomischen Analyse bedeutungsmäßig sichtbar hinter der Darstellung der unselbständigen Arbeit zurück 60 . f) Die Rangierung des Unternehmers sowie die Aussagen über diesen Punkt lassen keine hervorhebende Gewichtung gegenüber den anderen genannten Formen erkennen. Damit dient diese Faktorgliederung i n keiner Weise einer Wertung des Unternehmers. Betrachtet man die Vertreter der Faktorgliederung noch einmal zusammenfassend, so w i r d zunächst die eingangs aufgestellte These bestätigt, daß eindeutig abgegrenzte Gruppen nicht zu ermitteln sind. Bei jeweils drei Autoren sind weiterhin gewisse Besonderheiten erkennbar: a) Leitner, Thoms und Schäfer verwenden die Gliederung auch, um den Unternehmer besonders zu gewichten. b) Bei Leitner, Schäfer und Fischer besteht gerade i n der faktoriellen Darstellung des Unternehmers eine untrennbare Verbindung m i t funktionalen Aspekten. Die Analyse von Thorns' Darstellung zeigt schließlich, daß die Betonung der Betriebsgemeinschaft nicht unbedingt mit einer bevorzugten Darstellung der „ausführenden Arbeit" verbunden sein muß.
343. Unternehmer und Faktorspaltung Methode und Einflußgröße der Spaltung des betrieblichen Leistungsfaktors Arbeit wurden schon i m einführenden Kapitel behandelt. Deshalb kann hier eine zusammenfassende Darstellung genügen, soweit nicht noch spezifische Bestimmungsgründe zu erörtern sind. Die Faktorspaltung ist eine Weiterentwicklung der Faktorgliederung. Bestimmte „Teil-" oder „Unterfaktoren" werden durch die Methode der Faktorenwertung i n einem besonderen Maße gewichtet, aus dem bisherigen „Hauptfaktor" ausgesondert und als neue Hauptfaktoren i n das System betrieblicher Leistungsfaktoren eingebaut. 59 80
Vgl. Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 286 ff, Die Relation ist ungefähr 1 zu 9,
150
3. Die faktorielle Betrachtungsweise
Die folgende Analyse behandelt zwei Problemkreise. Der erste betrifft die Frage nach den möglichen Bestimmungsgründen für eine Abspaltung des Unternehmers aus dem Faktor Arbeit. Die Wahl des zweiten w i r d durch eine methodische Besonderheit bestimmt, die man bei beiden Vertretern der Faktorenspaltung — es sind Gutenberg und Wöhe — erkennen kann. Es ist die doppelgleisige Behandlung der Führungskräfte, die unterhalb der obersten Führungsebene, also der „Unternehmerebene" tätig sind. Bei der Beantwortung beider Fragen w i r d versucht, über die spezielle Behandlung der Ansätze Gutenbergs und Wöhes hinaus zu allgemein interessierenden Erkenntnissen zu gelangen. 3431. Bestimmungsgründe für die Abspaltung Unternehmers aus dem Faktor Arbeit
des
Als allgemeine Einflußfaktoren für die Abspaltung des Unternehmers i n der Volkswirtschaftslehre wurden schon genannt 6 1 : 1. Die revolutionäre Entwicklung der Technik und die damit verbundene besondere Bedeutung der geistig-schöpferischen Arbeit, die ganz i m Gegensatz zu der einseitigen Betrachtung der körperlichen Arbeit bei den Klassikern und Sozialisten stand. 2. Die damit einhergehende Entwicklung des kapitalistischen W i r t schaftssystems, als dessen treibende K r a f t die besondere A r t der Wirtschaftsgesinnung angesehen wurde und die wiederum i m Unternehmer personifiziert erschien. 3. Die fortschreitende Trennung von Kapitalbesitz und Betriebsführung, die dem Profit — i m Gegensatz zur Rente — i n der Ertragsverteilungslehre ein besonderes Gewicht beimaß. Turin sieht deshalb gerade i n der neueren Verteilungstheorie den Grund für die Hervorhebung des Unternehmers als vierten Faktor. Gutenberg 62 und Wöhe 68 erwecken dagegen den Eindruck, als ob diese Faktorenspaltung erst ein Ergebnis betriebswirtschaftlicher Schöpfung wäre. Dabei ist diese Methode i n der Volkswirtschaftslehre seit über 60 Jahren bekannt, ja selbst die Produktionsfaktoren wurden schon teilweise als „dispositive" und „exekutive" Arbeit bezeichnet 6 1 . Obgleich mangels expliziter Aussagen meist nur Interpretationen möglich sind, ist es doch sehr wahrscheinlich, daß die oben genannten allgemeinen Bestimmungsfaktoren, die schon die Faktorspaltung i n der 61 82 83
Vgl. Punkt 314 dieser Arbeit. Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 4. Vgl. Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 51.
151
34. Die faktorielle Betrachtungsweise des Unternehmers
Volkswirtschaftslehre begünstigten, auch für Gutenberg und Wöhe maßgeblich waren. W i r wollen sie deshalb noch einmal i n Verbindung m i t den Darstellungen dieser beiden Autoren erörtern: Zu 1: So betonen Gutenberg und Wöhe i m besonderen Maße die Bedeutung des „vierten Faktors", der den anderen geradezu einen „unselbständigen und abhängigen Charakter" 6 4 verleihe. Zu 2: Den dispositiven Faktor formulieren zwar beide Autoren zunächst systemneutral 65 . Bei Gutenberg w i r d jedoch der Unternehmer — nicht seine Führungsfunktion — ausdrücklich 64 für „Leiter m a r k t w i r t schaftlicher Betriebe" als Folge seiner „makromorphologisch-kombinativen Betrachtungsweise" 66 reserviert. Wöhe sieht dagegen den Unternehmer sowohl „kapital- als auch dispositionswirtschaftlich" 67 ; er verbindet ihn aber i n den relevanten Ausführungen dann doch m i t einer systemabhängigen Zielfunktion, nämlich der Rentabilitätsmaximierung 6 7 . Somit sind die Unternehmer bei beiden auch Personifikationen des Sombartschen
„erwerbswirtschaftlichen
Geistes".
Zu 3: Auch der dritte „volkswirtschaftliche" Bestimmungsfaktor t r i f f t zumindest für Gutenberg eindeutig zu. Denn nach seiner Aussage ist die Unternehmerfunktion nicht zuletzt deshalb als „Kombination elementarer Faktoren schlechthin" definiert, weil nur mit dieser Aufgabe „der Anspruch der Unternehmer auf Unternehmergewinn" begründet werden könne 68 . Diese Bestimmungsgründe hätten jedoch für jede der sechzehn Betriebswirtschaftslehren wirksam werden können. Wie ist es nun zu erklären, daß gerade Gutenberg und Wöhe den Unternehmer als besonderen Faktor herausstellen? Sicherlich steuern hier die individuelle Betrachtungsweise sowie die eigengeprägten Auswahlprinzipien der Verfasser i n besonderem Maße, eine Tatsache, die für jede wissenschaftliche Disziplin gelten dürfte. Nur selten gelingt es aber, diese Auswahl- und Gestaltungsprinzipien offenzulegen. Interpretationen sind deshalb unumgänglich. Ein Ansatz hierzu wäre die Prüfung der Frage, ob und inwieweit die anderen volkswirtschaftlich orientierten Verfasser einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre i n Richtung Faktorenspaltung argumentieren. 84
Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 131; graduell schwächer und mehr implizit ist die diesbezügliche Aussage Wöhes formuliert. Vgl. Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 51. 65 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 5, und Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 5. 86 Vgl. Punkt 223 dieser Arbeit. 87 Vgl. Punkt 222 dieser Arbeit. 88 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 5.
152
3. Die faktorielle Betrachtungsweise
Tatsächlich ist schon bei Schmidt ein gut erkennbarer Ansatz gegeben, und zwar i n der Diskussion um den Produktionsfaktor „Geist", den Schmidt zunächst aus dem Faktor Arbeit ausgliedern w i l l , um i h n anschließend wieder unter die „Arbeit" zu subsumieren 69 . Und hätte Rieger ein ausgebautes und durchdachtes Faktorsystem formuliert, dann hätte er den Unternehmer höchstwahrscheinlich als gesonderten Faktor eingebaut. Rieger wurde früher schon als Vertreter einer quasimonistischen Betrachtungsweise interpretiert 7 0 , wobei als einziger Faktor das Kapital angenommen wurde. Es bleibt aber auch die Auslegung nicht ausgeschlossen, daß Rieger hiermit nur den Unternehmer abstrahiert. Denn sein Faktor Kapital ist methodisch weitgehend identisch m i t dem Unternehmerkapital 7 1 ; dieses ist wiederum untrennbar verbunden m i t der Zielfunktion „Rentabilitätsmaximierung des Unternehmerkapitals" 7 2 . Weiterhin lautet die Aufgabe der Unternehmung lediglich, „Gewinn zu erzielen und zwar für den Unternehmer" 7 2 . Und ergänzend dazu ist als „Träger der Unternehmung" nur der Unternehmer genannt 73 , der damit auch „Träger des kapitalistischen Gedankens, der Geld- und Erwerbsidee durch selbständige, risikobelastete Betätigung i m Wirtschaftsleben auf eigene Rechnung und Gefahr . . . " 7 4 wird. Die übrigen volkswirtschaftlich orientierten Betriebswirtschafter zeigen immerhin ausgeprägte Faktorgliederungen, wobei der Unternehmer als eigener Teilfaktor angeführt w i r d 7 5 . Abschließend sei noch der Einfluß einer Betrachtungsweise nachgewiesen, die zunächst i n keiner Weise relevant erscheint. Diese Analyse kann gleichzeitig als Beispiel für eine bewußte Ablehnung der Abspaltung des Unternehmers aus dem Faktor Arbeit angeführt werden. Fischer begründet seine Meinung sozusagen dogmenhistorisch-methodisch: „Es ist nicht richtig, die Leistung des Unternehmers von der übrigen menschlichen Arbeitsleistung i m Betrieb abzutrennen. Es gibt nur die beiden Elemente i m Betrieb, um die Betriebsleistung zu erzielen: die menschliche Arbeit und das Kapital. Solange das Wertproblem i m Mittelpunkt des betriebswirtschaftlichen Denken und Handelns stand, vermochte der arbeitende Mensch nur die Rolle eines Objektes einzuneh69
Vgl. Schmidt, F., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 214 ff. Vgl. Punkt 332 dieser Arbeit. 71 Denn nur dieses garantiert Rieger die Verfolgung der unternehmungsweisen Zielsetzung. 72 Vgl. Rieger, W., „Einführung", a.a.O., S. 44. 73 Vgl. ders., S. 99. 74 Vgl. ders., S. 46. 75 Vgl. dazu die Einzelanalysen von Leitner, Lohmann und u. U. auch Schäfer in Punkt 342 dieser Arbeit. 70
34. Die faktorielle Betrachtungsweise des Unternehmers
153
men, wovon sich der Unternehmer gerne auszuschalten pflegte 7 6 ." Diese Begründung ist n u n am besten m i t dem profilierten Vertreter des W e r t gedankens zu widerlegen, m i t Heinrich Nicklisch. Wahrscheinlich w a r es sogar die gleiche anthropozentrische und normativ-wertende Einstellung, die Nicklisch bewog, den Unternehmer innerhalb der Betriebsgemeinschaft synoptisch, d. h. noch integrativer zu behandeln als Fischer. K a n n n u n der V o r w u r f Fischers Gutenberg treffen? Tatsächlich könnte j a nicht n u r der von Gutenberg verwendete Terminus „objektbezogene A r b e i t " , sondern auch dessen Wertung als „unselbständiger Elementarfaktor" vermuten lassen, daß Gutenberg die Träger dieser A r b e i t grundsätzlich ebenso „objekthaft" kombinierbar sieht, w i e etwa Betriebsmittel. N u n berücksichtigt Gutenberg zwar i n einem vergleichsweise ungewöhnlichen Maße „subjektbezogene Aspekte menschlicher Arbeitsleistung" 7 7 ; weiterhin sieht er den Faktor „objektbezogene A r b e i t " auch methodisch als ein „ Z e n t r u m der Willensbildung" und damit die „ M i t bestimmung" als wichtige Determinante i m betrieblichen Entscheidungsprozeß 78 . Jedoch sind für i h n anthropozentrische u n d normativ-wertende Aspekte, wie menschliche Würde, Subjekthaftigkeit des Menschen, K a meradschaftlichkeit oder (soziale) Gerechtigkeit und Gewissen keine systembildenden Kategorien. Gutenberg steht damit i m Gegensatz zu Fischer, der unter ihrem Einfluß eine Faktorspaltung entschieden ablehnt, obgleich solche „außerökonomischen" Aspekte zunächst für diese methodische Technik k a u m relevant erscheinen. Tatsächlich zeigt diese Faktorspaltung auch i n der öffentlichen Fachdiskussion eine fast ideologisch-aktuelle Relevanz. So betonen gerade bei der Frage nach der Gestaltung betrieblicher Mitbestimmung die Vertreter
der K a p i t a l s e i t e , w i e Spiegelhalter
79
,
Geiseler
80
,
Friedrich
81
und
82
Öftering , das Bestehen einer „ d r i t t e n K r a f t " zwischen „ K a p i t a l und A r b e i t " , der „(geistigen) Unternehmensführung". Diese Zitate lassen weiterhin vermuten, daß die Abspaltung des Unternehmers vom Faktor 78
Fischer, G., „Die Betriebsführung", B. 1, a.a.O., S. 25. Vgl. ζ. B. die „subjektiven Bedingungen menschlicher Arbeitsleistung" bei Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 11 ff. 78 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 486 ff. 79 Vgl. Spie gelhalt er, F., Unternehmerfunktion und Mitbestimmungsrecht, in: Kunze - Christmann, Wirtschaftliche Mitbestimmung im Meinungsstreit, Bd. I I , Dokumentation, Köln 1964, S. 88. 80 Vgl. Geiseler, G., Offensichtliche Mitbestimmungsmängel, in: Industriekurier, Nr. 181, 18. Jg., vom 16. 10. 1965. 81 Vgl. Friedrich, Ο. Α., Das Leitbild des Unternehmers wandelt sich, Stuttgart-Degerloch 1959, S. 15. 82 Vgl. öftering, Η . M., Aufgaben der deutschen Unternehmensführung (Referat), 11. Betriebswirtschafter-Tag 1957, Bericht von Engeleiter/Stahlmann, in: BFuP 1957, S. 581 ff. 77
154
3. Die faktorielle Betrachtungsweise
Arbeit auch den Vorstellungen bestimmter Kreise der betrieblichen Praxis entspricht. 3432. Die doppelgleisige Spaltung des Faktors Arbeit und ihr Einfluß auf die Unternehmer dar Stellung
U m dieses von Gutenberg und Wöhe beim Faktor Arbeit praktizierte Verfahren mit seinen methodischen Schwächen anschaulich erläutern zu können, seien zunächst noch einmal zwei Varianten einer Faktorgliederung gebracht. Beim Typ I w i r d die Arbeit gegliedert in: 1. „Träger vorwiegend betriebsspezifischer Führungsaufgaben Grund führungsorganisatorischer Kompetenz (Betriebsführung)
auf
2. Träger vorwiegend führungsfreier beit) 8 3 ."
Ar-
Aufgaben (führungsfreie
Typ II lautet dagegen: 1. Träger vorwiegend betriebsspezifischer Gesamtführungsaufgaben auf Grund führungsorganisatorischer Kompetenz (Gesamtführung) 2. Träger vorwiegend betriebsspezifischer Teilführungsaufgaben (Teilführung bzw. Ressort- und Gruppenführung). 3. Träger vorwiegend führungsfreier Aufgaben (führungsfreie Arbeit) 8 4 . Analysiert man nun Gutenbergs Aussagen zur Spaltung des Faktors A r b e i t 8 5 i n einen „dispositiven Faktor" und i n „objektbezogene Arbeit", so kann man feststellen, daß i h m beide Varianten für seine Faktorgliederung als Grundlage dienten. Zunächst betont Gutenberg ausdrücklich, daß unter „objektbezogenen Arbeitsleistungen" nur solche Tätigkeiten verstanden werden, die nicht „dispositiv-anordnender Natur" sind 8 6 . Damit leistet der objektbezogene Faktor eindeutig nur führungsfreie Arbeit. Weit weniger klar ist i n dieser Hinsicht der dispositve Faktor definiert. Die Begriffsumschreibung lautet: „Dispositive Arbeitsleistungen liegen dagegen vor, wenn es sich um Arbeiten handelt, die m i t der Leitung und Lenkung der betrieblichen Vorgänge i n Zusammenhang stehen. Die Befugnis, Betriebsange83 84 85 86
Zur Vgl. Vgl. Vgl.
Begriffsumschreibung der beiden Teilfaktoren vgl. Punkt 4244. dazu die Punkte 4242 ff. Gutenberg, E., „Grundlagen", 1. Bd., a.a.O., S. 2 f. ders., S. 3.
34. Die faktorielle Betrachtungsweise des Unternehmers
155
hörigen Anweisungen zu geben, stammt aus dem Direktionsrecht, das der Geschäftsleitung zusteht. Die betriebliche Bedeutung und der Umfang der Befugnisse nehmen i n dem Maße ab, i n dem man sich den unteren organisatorischen Einheiten eines Betriebes nähert. Der Stufenbau der betrieblichen Hierarchie gibt diesem Gesetz abnehmender Weisungsbefugnisse deutlich Ausdruck 8 7 ." Solche Formulierungen sprechen zunächst dafür, daß der dispositive F a k t o r die gesamte Betrieb sführung
umfaßt.
So i s t d i e „ L e i t u n g u n d
Lenkung betrieblicher Zusammenhänge" zweifellos für alle Träger von Führungsaufgaben, bis hinunter zum Meister und Sachgebietsleiter relevant. Diese These läßt sich an Hand weiterer Ausführungen zum hierarchischen Stufenbau und den abnehmenden Dispositionsrechten noch erhärten. Danach müßte bei Gutenberg eine Spaltung des Faktors Arbeit nach Variante I i n „führungsfreie Arbeit" und „Betriebsführung" unterstellt werden. A n anderen Stellen w i r d jedoch der dispositive Faktor unmißvers t ä n d l i c h als ausschließlicher
Träger
von Gesamtführung
sauf gaben ge-
kennzeichnet. So definiert Gutenberg i n unmittelbarem Zusammenhang m i t den vorher zitierten Ausführungen: „Dieser vierte zusätzliche Faktor sei als Geschäfts- und Betriebsleitung bezeichnet. . . . I n m a r k t w i r t schaftlichen Systemen ist diese kombinative Funktion den Unternehmern übertragen 88 ." Und an anderer Stelle: „Die Geschäfts- und Betriebsleitung, der vierte, dispositive Faktor, bildet das Zentrum, die eigentlich bewegende K r a f t des betrieblichen Geschehens. I m Gesamtsystem der betrieblichen Willensbildung stellt sie diejenige Instanz dar, i n der alle Anordnungs- und Entscheidungsbefugnis kulminiert 8 9 ." Dieser Begriffsbestimmung zufolge besteht also bei Gutenberg das System der produktiven Faktoren aus den Elementarfaktoren führungsfreie Arbeit („objektbezogene Arbeit"), Gesamtführung („Geschäfts- und Betriebsleitung"), Betriebsmittel und Werkstoffe. Damit w i r d die oben angeführte Variante I I nur insoweit Grundlage des Systems, als die Arbeit i n zwei der drei „Teilfaktoren" gespalten w i r d ; der dritte Teilfaktor, die „Teil- bzw. Ressort- und Gebietsführung" ist dagegen überh a u p t n i c h t b e r ü c k s i c h t i g t . Hinsichtlich des Faktors Arbeit muß deshalb Gutenbergs System der produktiven Faktoren teilweise als Torso angesprochen werden, der allenfalls auf den Zwergbetrieb anwendbar wäre.
Denn Mittel- und Großbetriebe sind ohne die mittlere und untere Führung ebenso vorstellbar wie ohne eine obere Führungsebene. Bei kurz87 88 89
Gutenberg, E., „Grundlagen", 1. Bd., a.a.O., S. 3. Ders., S. 5. Ders., S. 130.
156
3. Die faktorielle Betrachtungsweise
fristiger Betrachtung ist es sogar — wie auch eine Umfrage 9 0 ergab — eher denkbar, auf die Präsenz der oberen Führungsebene zu verzichten als auf die aller nachfolgenden. Wöhe geht hier wieder ganz analog wie Gutenberg vor. Lediglich die Begriffsbezeichnungen lauten etwas anders und die Begriffsumschreibungen sind wesentlich globaler. Wöhe unterscheidet zwischen „ausführender (vollziehender)" und „leitender (dispositiver)" Arbeit, die er anschließend als Produktionsfaktoren „Arbeit" und „Betriebsführung" 9 1 bezeichnet. Bei der Charakterisierung der Betriebsführung begrenzt er diesen Begriff ausdrücklich auf die „Tätigkeit der Führungsspitze" 92 , auch setzt er sie des öfteren m i t dem „Unternehmer" gleich 93 . Somit sind bei Wöhe sogar nur die ausführende
— s t a t t der f ü h r u n g s f r e i e n — und
die oberste Führungsebene berücksichtigt, lediglich von „leitender Arbeit" spricht.
obgleich er zunächst auch
Worin sind nun die Gründe zu sehen, daß Gutenberg und Wöhe die Spaltung des Faktors Arbeit i n der geschilderten doppelgleisigen Weise vornehmen? Unbedachtsamkeit sowie gleichlautende Formulierungen der Volkswirtschaftslehre 94 und der Praxis können u. E. kaum die einzigen Gründe für ein völliges Übersehen der mittleren und unteren Führungsebenen sein. Unter methodischen Gesichtspunkten halten w i r für den bedeutsamsten Bestimmungsgrund die kombinierte Darstellung von faktoriellen und funktionalen Aspekten des Unternehmers, die trotz verschiedener methodischer Folgerungen von beiden Autoren für dieses Teilerfahrungsobjekt gewählt wird. So zeigte sich bei der Untersuchung der Faktorsysteme, daß es zweckmäßig und naheliegend sei, die Arbeit i n „führungsfreie Arbeit" und „Betriebsführung" aufzuspalten, und zwar vor allem aus institutionellen Gründen. Denn immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, daß nicht nur die Unternehmung als besonderes institutionelles Gebilde zu betrachten ist, sondern das gleiche für die Betriebsführung gilt. Eine institutionelle 90
Sicht der Betriebsführung
läßt eine weitere
Spaltung
dieses
Eine repräsentative Meinungsbefragung des Instituts für Demoskopie bei Arbeitnehmern im Jahre 1964 ergab, daß die Abwesenheit des Unternehmers bzw. Vorgesetzten für zwei Jahre nach Meinung von 49 °/o der befragten Arbeiter und 42 % der befragten Angestellten sich nicht oder kaum störend auf die Tätigkeit und den Erfolg des Betriebes auswirken würde. Zitiert nach Spindler, G., a.a.O., S. 307. 91 Vgl. Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 52. 92 Vgl. ders., S. 84. 93 Vgl. ders., S. 85. 94 Vgl. die angeführten Faktorspaltungen von Julius Wolf, Alexander Tille und Eduard Biermann in Punkt 343 dieser Arbeit.
34. Die faktorielle Betrachtungsweise des Unternehmers
157
Faktors nicht zu 95; sie schließt aber ebenso die Möglichkeit aus, die Arbeit in „Gesamtführung" („Unternehmer") und „alle anderen Mitarbeiter" zu spalten.
Wie i m nächsten Hauptkapitel noch näher ausgeführt wird, muß dagegen die Gesamtführung bei einer systematisch-funktionalen Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der vorliegenden Hauptfunktionen geradezu zwangsläufig von den Aufgaben der Teilführung abgetrennt und verselbständigt werden 9 6 . Hier stehen dann den „spezifischen Unternehmerfunktionen" tatsächlich alle anderen Aufgabenbereiche der menschlichen Arbeit gegenüber — allerdings einbezogen i n bestimmte objekt- oder faktorbezogene Hauptfunktionen, wie Beschaffung, Leistungserstellung und -Verwertung. Das Aufgabengesamt „Betriebsführung" ist deshalb — i m Gegensatz zur faktoriellen Betrachtungsweise — für die Funktionssysteme der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre nicht ohne wesensverändernde Abspaltungen verwendbar. Somit ist verständlich, daß bei einer kombinierten Darstellung kaum anderes als eine doppelgleisige, doppeldeutige oder eben nur für einen Aspekt zutreffende Aufteilung der Arbeit möglich ist. Daß dieser Bestimmungsfaktor für Gutenberg — und damit auch für Wöhe — tatsächlich evident sein könnte, ist aus einer ganz i n diese Richtung formulierten Äußerung interpretierbar. Diese steht allerdings außerhalb seiner beiden Betriebswirtschaftslehren und ist zunächst i m Hinblick auf den Begriff des amerikanischen management formuliert, das aber anschließend m i t Betriebsführung i m Sinne Fischers ausdrücklich gleichgesetzt w i r d : „Es erscheint deshalb vorteilhafter, den Begriff des management mehr unter institutionellen als unter funktionellen Gesichtspunkten zu bestimmen 9 7 ."
344. Teilzusammenfassung a) Der Unternehmer findet unter dem Faktoraspekt nur bei sieben 98 der sechzehn untersuchten Autoren einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre eine besondere Wertung. Dabei ist jedoch anzufügen, daß überhaupt nur neun Wissenschaftler 99 der faktoriellen Betrachtungsweise wesentliche Erklärungs- und Gestaltungsfunktionen zubilligen. 95
Vgl. Punkt 334 dieser Arbeit. Vgl. Punkt 413. 97 Gutenberg, E., Unternehmensführung — Organisation und Entscheidungen, a.a.O., S. 24. 08 Es sind dies: Leitner, Thoms, Fischer, Lohmann, Schäfer sowie Gutenberg und Wöhe. 99 Zu den in Fn. 98 Genannten kommen noch Nicklisch und Mellerowicz. 96
158
3. Die faktorielle Betrachtungsweise
F ü n f 1 0 0 der sieben Genannten genügt es, den Unternehmer innerhalb des Elements oder Faktors Arbeit als einen Teilfaktor herauszuheben, wobei wiederum ganz unterschiedliche Gewichtungen sichtbar werden. A m meisten ausgeprägt sind diese bei Thoms und Schäfer. Thoms stellt den Unternehmer (Betriebsführer) direkt allen anderen Betriebsangehörigen (Gefolgschaft) gegenüber, während i h n Schäfer sogar außerhalb der hierarchischen Ordnung stellt und damit die stärksten Parallelen zu den Vorstellungen Gutenbergs und Wöhes 101 zeigt. Die beiden Letztgenannten halten den Unternehmer — allerdings von seinen Funktionen her! — für so bedeutsam, daß sie i h n aus dem Faktor Arbeit abspalten. Diesem Schritt vermögen w i r bei einer überwiegend morphologischen Betrachtung nicht i n der vorgeschlagenen Weise folgen. b) Unseres Erachtens kann innerhalb eines geschlossenen und überschaubaren Systems der Faktor Arbeit weit folgerichtiger nach dem K r i terium der institutionellen Führung aufgespalten werden, weshalb alle Angehörigen der Betriebsführung geschlossen den anderen Mitarbeitern gegenüberzustellen sind. So entstehen die beiden Faktoren „Betriebsführung" und „führungsfreie Arbeit". Eine weitere Untergliederung dieser beiden Faktoren kann ihre qualitative Schichtung besser aufzeigen. Die Bildung eines Teilfaktors „oberste Führungsebene" erlaubt es, den Unternehmer als hierarchische Spitze des Faktors „Unternehmensführung" besonders herauszustellen. Eine weitere Gewichtung, insbesondere i n Form einer Faktorspaltung, ist dagegen innerhalb dieser Betrachtungsweise methodisch nicht vertretbar.
100
Leitner, Thoms, Fischer, Lohmann, Schäfer. Ganz ähnlich geht nämlich Wöhe vor, jedoch mit einer weit stärkeren Konsequenz einer Faktorspaltung. Vgl. das Schaubild bei Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 97. 101
4. Die funktionale oder katallaktische Betrachtungsweise — Der Unternehmer im Funktionssystem — 41. Methodische Grundlegungen Faktorielle und funktionale Betrachtungsweise sind sehr eng, teilweise sogar kaum trennbar miteinander verbunden. Dieser schon vermerkte Tatbestand w i r d nach einer knappen Abgrenzung des Funktionsbegriffs noch näher behandelt. Eine Analyse der Konsequenzen für die Darstellung des Unternehmers schließt diese methodische Grundlegung ab.
411. Der betriebswirtschaftliche Funktionsbegriff Der betriebswirtschaftliche Funktionsbegriff wurde vor allem i n der Handelsbetriebslehre entwickelt 1 . Heinrich sieht dafür als wesentliche Ursache das Bemühen, dem Handel, also der Warenverteilung, eine ebensolche gesamtwirtschaftliche Produktivität nachzuweisen wie der Warenerzeugung. Er meint deshalb: „Nirgends hätte sich der Leistunggedanke i n der Betriebswirtschaftslehre so rasch durchsetzen können wie gerade i n der Warenhandelslehre 2 ." Sicherlich trug aber i n gleichem Maße der frühe Reifegrad dieser Disziplin, aus der bekanntlich die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre hervorging 3 , dazu bei. Die dogmenhistorische Entwicklung dieser Betrachtungsweise ist bei Heinrich 4 und Schäfer 5 eingehend beschrieben; das gleiche gilt für ihre Anwendung i n anderen
1 Vgl. Heinrich, W., Die einzelwirtschaftlichen Funktionen in gesamtwirtschaftlicher Sicht, in: Funktionen und Leistungsdenken in der Betriebswirtschaft, hrsg. von Willy Bouffier, a.a.O., S. l f . ; Schäfer, E., Die Funktionalbetrachtung in der Betriebswirtschaftslehre, in: Gegenwartsprobleme der Betriebswirtschaft, hrsg. von F. Henzel, Baden-Baden — Frankfurt/M. 1955, S. 2 ff.; Schenk, H. O., Kritische Anmerkungen zur Lehre von den Handelsfunktionen in der Binnenhandelstheorie, in: ZFbF, 18. Jg., Heft 6, 1966, S. 391; Hasenack, W., Funktionenlehre, betriebswirtschaftliche, in: HdB, a.a.O., Sp. 2096. 2
Heinrich, W., a.a.O., S. 1.
3
Vgl. Seyffert, R., Über Begriff, Aufgaben und Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 31 ff. 4
Vgl. Heinrich, W., a.a.O., S. 1.
5
Vgl. Schäfer, E., a.a.O., S. 13.
160
. Die f k t i l e
Betrachtungsweise
Disziplinen, die vor allem Vodrazka 8 ausführlich erörtert. W i r können uns deshalb auf diese Quellenhinweise beschränken. Die definitorische Abgrenzung legt wieder eine Differenzierung nach den Teilaspekten Begriffsbezeichnung u n d Begriffsinhalt nahe. Die Bezeichnung F u n k t i o n w i r d häufig gleichgesetzt m i t „Aufgabe", „Verrichtung", „ T ä t i g k e i t " , „Leistung", was etymologisch durchaus vertretbar ist, wie Vodrazka 7 nachweist. Das g i l t weit weniger für die Bezeichnungen „Organ" (Thoms 8) oder „Prozeß" (Seyffert 9) sowie die von Loitlsberger 10 gebrachte Definition; hier werden zwar wesensbestimmende K r i t e r i e n angesprochen, doch betonen diese Bezeichnungen n u r eine Seite des Problems und können auch leicht Verwechslungen induzieren. Sicherlich ist aber der Terminus „ F u n k t i o n " am meisten verbreitet; die erstgenannten Begriffe dürften nicht selten aus stilistischen G r ü n den synonym gebraucht werden. Schwieriger, w e i l uneinheitlicher, ist das Problem des Begriffsinhalts. Die überaus zahlreichen Definitionen — vor allem i n der Organisationsliteratur — sind i n den genannten Monographien von Schäfer und Vodrazka genügend gewürdigt. W i r halten aber aus methodischen G r ü n den eigene Überlegungen für erforderlich. Die inhaltliche Bestimmung des Begriffs F u n k t i o n könnte u. E. durch zwei Gesichtspunkte erfaßt werden: durch den „Grundgehalt" der F u n k tion und durch ihren „Beziehungsgehalt". Der Grundgehalt der F u n k t i o n w i r d bestimmt durch ihre Aufgabe oder Leistung. Vodrazka 11 faßt übersichtlich drei Autorengruppen zusammen, die F u n k t i o n m i t Aufgabe, m i t Leistung (Verrichtung, Tätigkeit) oder aber m i t Aufgabe und Leistung gleichsetzen. Er bringt weiterh i n einige Pro- und Contra-Argumente, ohne sie jedoch auf ihren methodologischen Standort zurückzuführen. Soweit ein solcher erkennbar ist, könnte die Festlegung auf „Leistung" oder „Aufgabe" i n einer unter6 Vgl. Vodrazka, E., Zum Funktionsbegriff in der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 217 f. 7 Vgl. ders., S. 216 f. 8 Vgl. Thoms, W., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 83. 9 Vgl. Seyffert, R., Über Begriff, Aufgaben und Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 15. — Seyffert verwendet diese Bezeichnung allerdings nur für die Teilfunktionen. 10 Vgl. Loitlsberger, E., Faktor oder Prozeß als Grundbegriff der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 121. — Loitlsberger definiert die Funktion hier aber mathematisch als Beziehungsgröße (als Verbrauchs- bzw. Produktionsfunktion). 11 Vgl. Vodrazka, E., Zum Funktionsbegriff in der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 226 ff.
41. Methodische Grundlegungen
161
schiedlichen Bewertung des Grundgehalts begründet sein. So tendiert u. E. eine katallaktische Betrachtungsweise eindeutiger zum Leistungsbegriff, während die Aufgabe mehr morphologische Relevanz zeigt. Dagegen besitzt der Begriff Aufgabe — als das „ S o l l " 1 2 — einen höheren teleologischen, praktisch-normativen 1 3 und vielleicht sogar theoretischen Grundgehalt als der der Leistung, vor allem wenn diese hauptsächlich i m Sinne eines empirisch erfahrbaren und beschreibbaren Tatbestandes („Ist") verwendet w i r d . Wesentlich präziser f ä l l t die wesensmäßige Bestimmung der F u n k t i o n aus, w e n n neben dem Grundgehalt noch die Beziehungsgehalte m i t einbezogen werden. W i r konnten vier Beziehungsaspekte feststellen: a) Die organische Beziehung, die vor allem Othmar Spann14 m i t Erfolg vertrat. Sie ist nichts anderes als die aristotelische u n d romantische Ganzheits- und Organbetrachtung. Diese betont besonders Segment(Teile bzw. Glieder des Ganzen) und Rangaspekte (über- u n d untergeordnete Funktionen). So definiert ζ. B. Lisowsky die F u n k t i o n als „ L e i stung m i t Gliedcharakter" und betont: „Das Wichtigste davon ist das Moment der Gliedhaftigkeit und der darin liegende Bezug zum Ganzen . . . der Begriff der F u n k t i o n m i t seinem M e r k m a l Gliedhaftigkeit . . . l ä ß t . . . eine atomistische B e f r a c h t u n g nicht zu 1 5 ." b) Die Beziehung auf ein oder mehrere Ziel(e), die dazu verschiedenen Rang haben können. Das reicht von Oberzielen der Unternehmung i m Sinne von Zielfunktionen 1 6 über Verrichtungsziele 1 7 (planen, durchführen oder überwachen von bestimmten Tätigkeiten) bis zu formal-teleologischen Mittel-Zweck-Beziehungen. Heinrich 18 zitiert hierzu Spann: „Wirtschaft i s t . . . ein Bau von Diensten . . . Leistungen f ü r Ziele, oder, wie w i r es auch nennen wollen, ein — funktionelles' System." Oder Kosiol: „Unter einer Aufgabe w i r d . . . die Zielsetzung für menschliche Aktionsmöglichkeiten . . . verstanden 1 9 ." 12 Vgl. ζ. B. Schäfer, E., Die Funktionalsbetrachtung in der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 18. 13 Vgl. Keinhorst, H., Die normative Betrachtungsweise in der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 118 ff. 14 Vgl. Spann, O., Fundament der Volkswirtschaftslehre, 1. Aufl., Jena 1918. 15 Lisowsky, Α., Zur Theorie und Systematik der Handelsfunktionen, Berlin — Wien — Zürich 1937, zitiert nach Heinrich, W., Die einzelwirtschaftlichen Funktionen in gesamtwirtschaftlicher Sicht, a.a.O., S. 2. 16 Vgl. Heinen, E., Die Zielfunktion der Unternehmung, a.a.O.; in dieser Richtung argumentiert ζ. B. Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 18. 17 Vgl. hierzu vor allem Fischer, G., „Die Betriebsführung", Bd. 1, S. 414, und Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 20. 18 Vgl. Heinrich, W., a.a.O., S. 3. 19 I n Anlehnung an Nordsieck definiert Kosiol: „Wird eine Aufgabe auf menschliche Arbeitskräfte bezogen oder übertragen, wird von Funktionen dieser Aufgabenträger gesprochen." Vgl. Kosiol, E., Organisation der Unternehmung, a.a.O., S. 45.
11 Wunderer
162
. Die f k t i l e
Betrachtungsweise
c) Die Objektbeziehung, die noch den Funktionsbereich oder -gegenständ m i t i n die Definition eingliedert. M a n denke dabei an Bezeichnungen w i e Personalbeschaffungs- oder Materialbeschaffungsfunktion. d) Die Subjektbeziehung stellt die Verbindung von Aufgabe und A u f gabenträger als wesensimmanent heraus. So w i r d ζ. B. nach Kosiol 19 erst durch diesen Beziehungsgehalt eine Aufgabe zur Funktion. Aus diesen Überlegungen ergibt sich folgender Definitionsvorschlag: Betriebliche Funktionen sind Aufgaben mit Gliedcharakter, triebliche Leistungsobjekte oder Leistungsfaktorenj-elemente sind und von Aufgabenträgern 20 nach betriebsspezifischen gen21 erfüllt werden.
die auf begerichtet Zielsetzun-
412. Zusammenhänge zwischen funktionaler und faktorieller Betrachtungsweise Da eine Monographie zu diesem Methodenteilproblem u. W. nicht besteht, mußten eigene Ansätze entwickelt werden. Die Zusammenhänge zwischen diesen Betrachtungsweisen sind zahlreich und zeigen verschiedene Intensitätsgrade. M a n kann dabei drei Stufen unterscheiden: a)
Wechselbeziehungen
Die schwächste Beziehungsintensität ist darin zu sehen, daß einerseits Faktoren auch als Objekte, Instrumente oder Elemente von betrieblichen Funktionen gesehen werden können. M a n denke n u r an die betriebliche Produktionsfunktion, die als „ K o m b i n a t i o n von Elementsfaktoren" definiert w i r d 2 2 . Andererseits werden Funktionen als Aufgaben bzw. L e i stungen von Faktoren bezeichnet. Dies t r i f f t besonders f ü r den Faktor A r b e i t zu. Jedoch w i d m e t ζ. B. auch Fischer der „ F u n k t i o n des Kapitals" einen eigenen Abschnitt, die er weitgehend m i t „Kapitaleinsatz" gleichsetzt. Beide Tatbestände kommen auch i n den Beziehungsgehalten der Obj e k t · und Subjektbeziehung des Funktionsbegriffs zum Ausdruck. Diese Wechselbeziehung geht bis zur Doppeldeutigkeit des Begriffs Betriebsführung bzw. Betriebsleitung, der sowohl für faktorielle wie für funktionale Erklärungs- und Gestaltungsziele verwendet w i r d . 20 Diese Aufgabenträger müssen weder nur personale sein — wie das vor allem in der Organisationsliteratur postuliert wird — noch müssen sie unter der Verfügungsgewalt des Betriebes stehen, dürfen also betriebsextern sein, allerdings gilt die Einschränkung, daß sie zur Einhaltung der betriebs- bzw. unternehmenspezifischen Zielsetzung angehalten werden können. 21 Zur Definition der betriebsspezifischen Zielsetzung vgl. Punkt 4242. 22 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", a.a.O., S. 5.
41. Methodische Grundlegungen b)
163
Wechselwirkungen
Neben solchen vorwiegend definitorischen Wechselbeziehungen sind wechselseitige E i n w i r k u n g e n erkennbar. So w i r k e n sich ζ. B. qualitative Veränderungen der dabei tangierten Betriebsfunktionen aus. Andererseits bestimmen die quantitativen, qualitativen und intensitätsmäßigen Anforderungsgrade an die betrieblichen Funktionen auch die Ausstattung u n d S t r u k t u r der betroffenen Faktoren. A m deutlichsten k o m m t dieser Tatbestand i n der Definition betrieblicher Elemente v o n Bellinger zum Ausdruck. Danach sollen „unter Elementen Gegebenheiten und Tatbestände einer Betriebswirtschaft verstanden werden, die Grundfunktionen beeinflussen oder von Grundfunktionen beeinflußt w e r d e n " 2 3 . c) Definitorische
Angleichungen
Die dritte Intensitätsstufe sehen w i r i n einer definitorischen Angleichung der Funktions- u n d Faktorbegriffe. E i n m a l w i r d von der österreichischen Leistungslehre betont — i n Anlehnung an Spann —, daß sich die funktionale Betrachtungsweise nicht n u r für eine katallaktische, sondern ebenso für eine morphologische Analyse i m Sinne einer „Gefügelehre" 2 4 oder „funktionalen Morphologie" 2 5 eignet. Heinrich 26 bewertet diese sogar „als eine K r ö n u n g der Leistungslehre". Noch weiter geht jedoch die Angleichung des Faktorbegriffs an den der Funktion. Das läßt sich vor allem i n der neueren Produktionstheorie feststellen, wobei die wesentliche Ursache i n einer Dynamisierung der faktoriellen Betrachtungsweise liegen dürfte. Der Faktor w i r d dann nicht mehr als „physische Gütereinheit" gesehen, sondern als „die i n der Zeiteinheit abgegebene L e i stung" 2 7 . Selbst w e n n diese Leistung i m Sinne der „abgegebenen L e i stungsmenge" 2 8 noch Möglichkeiten zu einer morphologischen Analyse bietet, kann man diese F o r m der Angleichung schon als Verschmelzung bezeichnen, d. h. der Faktor geht begrifflich i n der F u n k t i o n auf. Das gilt besonders, wenn die funktionale Betrachtungsweise auch für die Behandlung morphologischer Fragestellungen verwendet w i r d . 413. Konsequenzen f ü r die systematische Unternehmerdarstellung Die erläuterten Zusammenhänge zwischen faktorieller u n d funktionaler Betrachtungsweise legen die Frage nahe, ob nicht auf eine der bei23 Bellinger, B., Versuch eines Gliederungssystems betrieblicher Funktionen, a.a.O., S. 239. 24 Vgl. Heinrich, W., Die einzelwirtschaftlichen Funktionen in gesamtwirtschaftlicher Sicht, a.a.O., S. 10. 25 Theuer, G., Die Teilung der Funktionen zwischen Betrieb und Unternehmung, in: Funktionen und Leistungsdenken in der Betriebswirtschaft, a.a.O., S. 179. 26 Vgl. Heinrich, W., a.a.O., S. 10. 27 Vgl. Loitlsberger, E., a.a.O., S. 118. 28 Vgl. Loitlsberger, E., a.a.O., S. 119.
11*
164
. Die f k t i l e
Betrachtungsweise
den verzichtet werden könnte, wenn man unter systembildenden K r i t e rien vorgehen w i l l . Das soll an Hand des Unternehmerproblems geprüft werden. Da die funktionale Betrachtungsweise und innerhalb dieser der Leistungsaspekt einen tragenden Pfeiler des betriebswirtschaftlichen Erkenntnisobjekts darstellt 2 9 , der Unternehmer i n der Regel vom A u f gabenkomplex her — man denke nur an die zentralen Fragenkreise der Betriebspolitik und Entscheidungstheorie — behandelt w i r d und schließlich das dynamisch-prozessuale Denken immer mehr i n den Mittelpunkt rückt, kann i n einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre auf die Erklärung funktionaler Gesichtspunkte nicht verzichtet werden. Soweit man den Faktorbegriff auch noch physisch definiert, gehört die Gestalt des Unternehmers zu den wesentlichen Kategorien dieser Betrachtungsweise. Hier dominieren aber psychologische und soziologische Aspekte, die manche Methodologen als betriebswirtschaftlich nicht relevant bezeichnen 30 . Eine Auffassung, die jedoch bei einer Reihe von Fachvertretern Widerspruch auslöste 31 . Sieht man aber den Unternehmer lediglich als Personifikation der obersten Führungsebene an, so gehören auch Strukturfragen der horizontalen Leitungsorganisation sowie seine Integrierung i n die vertikale Führungsorganisation i n dieses Gebiet. Daß für die übrigen Leistungsfaktoren die Behandlung struktureller Tatbestände — ζ. B. i m Sinne des Leistungspotential — von noch höherer Bedeutung sein kann, da hier Quantifizierungen leichter fallen, bedarf keiner weiteren Beweisführung. Somit sind die faktoriellen Aspekte als wesentliche und unverzichtbare Bestandteile eines Betriebswirtschaftlichen Systems anzusehen. Die Erkenntnis, daß auf beide Betrachtungsweisen nicht verzichtet werden kann, muß aber nur dann zu der Forderung führen, diese auch getrennt darzustellen, wenn man sie in systembildender Weise verwenden will. Andernfalls müssen Erklärungs- und Gestaltungsziele nicht unbedingt synchron ausgerichtet sein. Gerade am Beispiel des Unternehmerproblems w i r d dies sehr deutlich. Selbst i n den Betriebswirt29
Vgl. dazu Fischer, G., „Die Betriebsführung", Bd. 1, a.a.O., S. 25. Vgl. dazu vor allem Hill, W., a.a.O., S. 68; Wöhe, G., Methodologische Grundprobleme der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 256 ff.; Moxter, Α., Methodologische Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 94 ff. 31 Vgl. Bidlingmeier, J., a.a.O., S. 123; Löffelholz, J., Betriebswirtschaftslehre am Scheideweg?, in: ZfB 1952, S. 397 f.; Fischer, G., Der Mensch im Betrieb — die Grenzen zwischen Betriebswirtschaftslehre, Soziologie und Psychologie, in: ZfB 1952, S. 253 ff.; Hasenack, W., Betriebswirtschaftslehre mit Querverbindungen zur Mathematik und Soziologie, in: BFuP, 12. Jg., 1960, S. 1. 30
41. Methodische Grundlegungen
165
schaftslehren, die weite Teile des Gesamtstoffs nach Morphologie und Katallaktik zu gliedern versuchen, ist der Unternehmer von diesem Gestaltungsprinzip ausgenommen. Da der funktionale Aspekt auch hier meist i m Vordergrund steht, wäre es folgerichtig, auch die strukturellen Gegebenheiten innerhalb der Funktion Leitung oder Betriebsführung mit einzubeziehen. Es wäre dabei sogar möglich, die morphologischen Aspekte als Voraussetzungen, Daten oder Bedingungen für den Führungsprozeß i m Sinne einer „funktionalen Morphologie" zu charakterisieren. Diesen Weg gehen nur Thoms und zum Teil Mellerowicz. Gutenberg und Wöhe beschreiten ihn nur partiell, dazu i n methodisch höchst bedenklicher Weise. Denn bei ihnen w i r d der Unternehmer lediglich i m Rahmen der Produktionsfunktion so dargestellt, nicht aber i n den Bereichen der Leistungsverwertung oder der Beschaffung. Das Argument der tieferen Erforschung des Produktionsbereichs 32 erlaubt es aber aus methodischen Gründen nicht, die Erklärung des Unternehmers bzw. der Gesamtführungsfunktion nur auf die Produktion zu beziehen. Wenn schon ausschließlich nach Funktionsbereichen konsequent gegliedert werden soll, dann muß die Funktion Betriebsführung i n einem gesonderten Kapitel — oder Buch — dargestellt werden 3 3 . Die überwiegende Mehrzahl der Verfasser einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre — es sind neun 3 4 von elf relevanten Autoren — behandelt die Gesamtführungs- bzw. Unternehmerfunktion innerhalb der makro- bzw. mikromorphologischen Darstellung. Diese „Benachteiligung" der funktionalen Gestaltungsfunktion mag verschiedene Gründe haben: Erstens wurde der Unternehmer m i t seinen Funktionen schon i n der Volkswirtschaftslehre innerhalb der Faktordarstellung behandelt. Zweitens steht bei der Gliederung i n einen morphologischen und einen katallaktischen Teil jener i n der Regel an erster Stelle. Damit liegt es nahe, den Unternehmer schon hier umfassend abzuhandeln. Drittens ist die Argumentation nicht von der Hand zu weisen, daß die Aufgaben die ergiebigste Erklärungsgrundlage für die Charakterisie32
Vgl. Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 21 f. So würde es ζ. B. bei Gutenbergs „Grundlagen" naheliegen, diese in vier Bände, nämlich „Unternehmensführung", „Produktion", „Absatz" und „Finanzierung aufzuteilen, wobei sich der 1. Bd. dann gut aus der gesonderten Veröffentlichung „Unternehmensführung — Organisation und Entscheidungen", a.a.O., entwickeln ließe. 34 Innerhalb des Faktorensystems behandeln die Unternehmerfunktion Leitner, Schäfer, Fischer, Wöhe und Gutenberg. Innerhalb des „makromorphologischen Teils" wird diese Funktion dagegen behandelt von Rieger, Hoffmann, Rößle und Lohmann. 33
166
. Die f k t i l e
Betrachtungsweise
rung des Aufgabenträgers sind. Das gilt ganz besonders, wenn auf die Erörterung vorwiegend historischer, soziologischer und psychologischer Aspekte verzichtet wird. Denn dann bietet die strukturanalytische Behandlung nur noch wenig ergiebige Ansatzpunkte, das Ergebnis wäre mehr oder weniger ein „Unternehmertorso". Viertens könnte eine funktionalisierende Definition des Faktorbegriffs eine zusammenfassende Erörterung des Unternehmers i m Faktorsystem nahelegen. Unseres Erachtens begründet dieser Tatbestand aber weit eher eine geschlossene Behandlung innerhalb des Funktionssystems. Für eine ausschließliche Darstellung der Unternehmerfunktion i m funktionalen Teil könnte manches sprechen, wenn man unterstellt, daß die Aufgabe bzw. Leistung tatsächlich das bedeutendste Charakterisierungsmerkmal für den Träger der Gesamtführungsaufgaben darstellt. Allerdings müßten dann folgende Prämissen beachtet werden: 1. Akzidentelle Gewichtung typisch faktorieller Betrachtungsweisen, ζ. B. mittels einer sehr engen Abgrenzung des Fachgebiets. 2. Eine tendenzielle Dynamisierung und Funktionalisierung des Faktorbegriffs. 3. Eine Umkehrung der konventionellen Rangierung von Struktur- und Prozeßdarstellung. 4. Eine Beschränkung dieser einseitigen Anwendung einer systembildenden Betrachtungsweise auf den Problemkreis des Unternehmers, da eine Analyse anderer Leistungsfaktoren keineswegs gleichlautend ausfallen muß. Die Ergebnisse dieser Analyse sollen nun noch einmal zusammenfassend dargestellt werden. a) Betrachtet man die vorliegenden Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren, unter welchen Aspekten der Unternehmer materiell näher behandelt wird, so sind i n der Tat wenig Ansätze zu erkennen, die eine gesonderte mikromorphologische Darstellung des Unternehmers nahelegen. Deshalb spricht vieles dafür, den Unternehmer geschlossen innerhalb des Funktionssystems zu behandeln. b) Bezieht man dagegen mögliche Entwicklungstendenzen der Betriebswirtschaftslehre m i t ein, dann könnte die faktorielle Betrachtungsweise durchaus i n systembildendem Maße ausgebaut werden und damit methodischen Eigencharakter erhalten. A n erster Stelle steht hier die Möglichkeit einer institutionellen Betrachtungsweise, die den Unternehmer als Teil der Unternehmensführung sieht. Neben soziologischen und sozialpsychologischen Kategorien müßten hier vor allem die Probleme
41. Methodische Grundlegungen
167
der horizontalen, aber auch der vertikalen Führungsorganisation berücksichtigt werden. Aber auch methodische Aspekte sprechen für eine gesonderte Darstellung der faktoriellen Betrachtungsweise des Unternehmers. Einmal erfüllt die Behandlung des Faktorsystems wichtige Erklärungs- und Gestaltungsfunktionen i n einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre. Weiterhin könnte der Unternehmer als hierarchische Spitze und Teilfaktor des Faktors „Unternehmensführung" gerade unter strukturanalytischen Gesichtspunkten mehr Beachtung finden als bisher. Da der Unternehmer bei der makromorphologischen wie bei der funktionalen Betrachtungsweise von den übrigen Trägern betrieblicher Führungsaufgaben abgespaltet werden muß, ist hier die einzige Möglichkeit gegeben, den Gesamtkomplex Unternehmensführung — vor allem die Strukturbeziehungen zwischen Unternehmer und Mitgliedern der Unternehmensführung unter institutionellen Gesichtspunkten — innerhalb einer systembildenden Betrachtungsweise abzuhandeln. Diesem Argument dürfte gerade i m Zuge der immer häufiger anzutreffenden Interpretation der Betriebswirtschaftslehre als einer „Führungslehre" ein besonderes Gewicht zukommen.
42. Betriebswirtschaftliche Funktionscharakterisierungen des Unternehmers 421. D e r Einfluß der Volkswirtschaftslehre D i e Z a h l d e r f u n k t i o n a l e n E r k l ä r u n g s v e r s u c h e des U n t e r n e h m e r s ist L e g i o n . A l l e i n d i e m e h r oder w e n i g e r dogmenhistorische oder m e t h o dologische K o m p i l a t i o n dieser v i e l f ä l t i g e n M e i n u n g s ä u ß e r u n g e n w a r d i e G r u n d l a g e v i e l e r akademischer G r a d u i e r u n g e n 1 . Z u d e n besten z ä h l t d i e A r b e i t v o n Turin 2, d e r d i e v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e n L e h r m e i n u n g e n zunächst i m S i n n e Sombarts 3 nach d e n d r e i Epochen des K a p i t a l i s m u s ordnet u n d darunter die Funktionsverschiebungen zusammen m i t den j e w e i l i g e n H a u p t v e r t r e t e r n herausstellt. D i e D a r s t e l l u n g ist deshalb so plastisch u n d e i n p r ä g s a m , w e i l es Turin v e r s t e h t , aus d e n e i n z e l n e n F u n k t i o n s g r u p p e n oder F u n k t i o n s k o m b i n a t e n 4 eine F u n k t i o n als t y pisch, c h a r a k t e r i s t i s c h u n d w e s e n s b e s t i m m e n d herauszuschälen. D i e Epochen u n d S t a d i e n der F u n k t i o n s e r k l ä r u n g s o w i e i h r e f ü h r e n d e n wissenschaftlichen K ö p f e w e r d e n also d u r c h eine A r t q u a s i - b z w . a k z e n t u a l - m o n i s t i s c h e D a r s t e l l u n g s w e i s e zu erfassen v e r s u c h t ; d i e d a m i t e r z i e l t e P r ä g n a n z w i e g t V e r l u s t e a n E x a k t h e i t 5 u. E. u n b e d i n g t auf. 1
Vgl. dazu Diederichs, Α., Der Begriff des Unternehmers, Diss. Göttingen 1924; Müller, F., Zur Theorie der Funktionen des modernen Unternehmers, Diss. Köln 1925; Häussermann, E., Der Unternehmer — Seine Funktion, seine Zielsetzung, sein Gewinn, Stuttgart 1932; Paul, F., Die Bedeutung der Unternehmerfunktion in der kapitalistischen Entwicklung, insbesondere in Unternehmung, Konjunktur, Kartell- und Kreditorganisation, Diss. Heidelberg 1933; Köhler, W., Die Ausübung von Betriebsführerfunktionen durch andere Personen als den Unternehmer, Diss. Bonn 1936; Runft, H., Der Unternehmer und seine Funktion im Wirtschaftsleben, Diss. Tübingen 1948; Turin, G., Der Begriff des Unternehmers, Zürich 1947; Oboth, H., Die unternehmerische Entscheidung — eine aufgabenanalytische Untersuchung der Unternehmerleistung, Diss. Berlin 1957; Müller, H., Über die Entwicklung von Unternehmerfunktion einerseits und Unternehmungsformen andererseits, Diss. München; Schöpke , Α., Die Unternehmerfunktion als sozialethisches Problem, Diss. Berlin 1952. 2 Vgl. Turin, G., a.a.O., passim. 3 Vgl. Sombart, W., Der moderne Kapitalismus, 1. Bd./l. Hälfte, a.a.O. 4 Vgl. Buddeberg, H., Betriebslehre des Binnenhandels, Wiesbaden 1959, S. 23 f. 5 So könnte man ζ. B. Ammon auch unter a) einordnen, da nach ihm nur der Eigentümer an den Produktionsmitteln — nie aber ein Angestellter — die grundlegenden Entscheidungen treffen kann, weshalb er in der Aktiengesellschaft nur dem Aktionär die Unternehmereigenschaft zuerkennt. Vgl.
42. Funktionscharakterisierungen des Unternehmers
169
Turin führt i m wesentlichen sieben unterschiedliche Funktionscharakterisierungen des Unternehmers auf, die von der Betriebswirtschaftslehre zum Teil übernommen wurden, zum Teil auch eine wesentliche Grundlage für eigene Vorstellungen bildeten: a) der Unternehmer als Risiko träger (Cantillon, b) d e r U n t e r n e h m e r als K a p i t a l a n w e n d e r (Turgot,
Lief mann) Smith,
Marx)
c) der Unternehmer als Gewinnempfänger (Mata ja) d) der Unternehmer als Kombinator der Produktionsfaktoren (Say, Rodbertus,
Walras,
Clark, Hawley
und
Brentano)
e) der Unternehmer als „captain of industry" (Walker, hart,
Marshall, Som-
Pohle)
f) der Unternehmer als Durchsetzer neuer Kombinationen (Schumpeter)
g) der Unternehmer als grundlegender Disponent (Knight, Gerhardt,
Häussermann,
Ammon,
Sauermann).
Diese Funktionsdefinitionen des Unternehmers zeigen auch wieder den engen Zusammenhang zur morphologischen Betrachtungsweise, insbesondere zur makromorphologischen. So entstammt die Definition des Unternehmers als Risikoträger eindeutig einer kapitalwirtschaftlichen Auffassung. Ammon und Häussermann z. B. vertreten dagegen eine kombinative Wesenserklärung, während viele der anderen eine dispositionswirtschaftliche Vorstellung — und zwar i n systembezogener wie systemfreier Weise — erkennen lassen6. Wie schon erwähnt und noch bei der Analyse der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren i m einzelnen nachzuweisen ist, konnte die Betriebswirtschaftslehre auch hier von ihrer Schwesterdisziplin die grundlegenden Ansätze übernehmen. I n der neueren betriebswirtschaftlichen Literatur findet man vor allem zwei Funktionsdefinitionen der Volkswirtschaftslehre fortgeführt. Einmal ist es die multifunktionale Charakterisierung durch die Führungs- bzw. Leitungsaufgaben des Unternehmers, die bereits bei der Schilderung des „captain of industry" breiteren Raum einnehmen. Zweitens w i r d der Unternehmer i n einer A r t monofunktionaler Darstellungsweise zum Träger bestimmter Entscheidungen erklärt, wobei der „grundlegende Disponent" i n formaler wie materialer Hinsicht weiterentwickelt wird. Ammon, Α., Der Unternehmergewinn, in: Wirtschaftstheorie der Gegenwart, Bd. 3, Hrsg. von H. Mayer, Wien 1928, S. 261. Ähnliches gilt für Häussermann, E., a.a.O., S. 15 ff. ® Vgl. Punkt 22 dieser Arbeit.
170
. Die f k t i l e
Betrachtungsweise
422. Multifunktionale Funktionscharakterisierungen Zunächst z u r E r k l ä r u n g des U n t e r n e h m e r s aus seinen verschiedenen Führungsaufgaben. Obgleich etymologisch k a u m b e g r ü n d b a r 7 , w e r d e n d i e B e g r i f f e F ü h r u n g u n d L e i t u n g o f t hierarchisch differenzierend verwendet. Meist findet m a n d a b e i d i e F ü h r u n g ü b e r g e o r d n e t u n d m i t d e r T ä t i g k e i t des U n t e r n e h m e r s gleichgesetzt 8 . Dies d ü r f t e e i n m a l a u f d i e v o l k s w i r t schaftlich-soziologische B e t o n u n g des F ü h r e r s b e i M a x Weber 9 u n d J o sef Schumpeter 10 sowie a u f dessen V o r r a n g s t e l l u n g i m 3. R e i c h 1 1 z u r ü c k z u f ü h r e n sein, d i e bis z u r g o t t ä h n l i c h e n M y s t i f i z i e r u n g g i n g 1 2 . N e b e n einer U n t e r s c h e i d u n g nach ganz a n d e r e n K r i t e r i e n 1 3 oder e i n e m synonymen Gebrauch 14 g i b t es aber auch Auffassungen, welche d i e T ä t i g k e i t d e r obersten b e t r i e b l i c h e n I n s t a n z m i t „ L e i t u n g " bezeichnen 1 5 . E i n e Zwischenstellung n i m m t Fischer ein, d e r z w a r auch die l e t z t g e n a n n t e 7 Vgl. Grimm, J. u. W., Deutsches Wörterbuch, Bd. 4, Leipzig 1863, Sp. 460 f. und dies., Deutsches Wörterbuch, Bd. 6, Leipzig 1877, Sp. 726 f.; Der neue Brockhaus, 3. Aufl., Bd. 2, Wiesbaden 1962, S. 276 und Der neue Brockhaus, 3. Aufl., Bd. 3, Wiesbaden 1960, S. 320; anders dagegen Schnutenhaus, O. R., Über Sprachanalyse und Bedeutungswandel in der Begriffsentwicklung der Betriebswirtschaftslehre, in: Beiträge zur Begriffsbildung und Methode der Betriebswirtschaftslehre, hrsg. von R. Bratschitsch und K. Vodrazka, Wien 1965, S. 30 ff. 8 Vgl. Schnutenhaus, O. R., Absatzpolitik und Unternehmensführung, Freiburg/Br. 1961, S. 31; Mellerowicz, K., Betriebspolitik — die Kernaufgabe der Betriebsführung, in: Probleme der Betriebsführung, Festschrift zum 65. Geburtstag von O. R. Schnutenhaus, hrsg. von C. W. Meyer, Berlin 1958, S. 85; Meier, Α., Organisation der Unternehmensführung, 2. Aufl., Stuttgart 1965, S. 17; Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 84 ff.; Thoms, W., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 89. 9 Vgl. Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft — Grundriß der verstehenden Soziologie, a.a.O., passim. 10 Vgl. Schumpeter, J. Α., Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 5. Aufl., Berlin 1952, S. 122 ff. 11 Vgl. dazu Schaafhausen, H., Die soziale Betriebspolitik in der deutschen Industrie vor und nach der nationalsozialistischen Revolution, Diss. Freiburg/ Br. 1936, insbes. S. 49; Arnhold, K., Der deutsche Betrieb — Aufgaben und Ziele nationalsozialistischer Betriebsführung, Leipzig 1939, passim; Schnutenhaus, O. R., Über Sprachanalyse..., a.a.O., S. 31. 12 Vgl. hierzu insbes. Gerling, W., Der Führergedanke in der deutschen Verwaltung, Diss. Göttingen 1935, z. B. S. 4: „Der Führer ist einzig in seiner Art und kann als Gattungswesen überhaupt nicht gedacht werden." 13 So definiert ζ. B. Häussermann, E., a.a.O., S. 79 die Führung als „personelle", die Leitung dagegen als „sachbezogene" Funktion. 14 Zum Beispiel bezeichnet Gutenberg die typischen Aufgaben des Faktors „Geschäfts- und Betriebsleitung" als die „echten Führungsentscheidungen"; vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", a.a.O., S. 133. — Für eine synonyme Verwendung spricht sich ausdrücklich Sandig, C., Betriebswirtschaftspolitik, Stuttgart 1965, S. 19, aus. 15 Vgl. Arbeitskreis Dr. Krähe der Schmalenbach-Gesellschaft, Leitungsorganisation, Köln und Opladen 1958, S. 13.
171
42. Funktionscharakterisierungen des Unternehmers
Meinung vertritt, gleichzeitig aber die Leitung als Teil, als „obere Ebene" der gesamten Betriebsführung sieht 16 . Danach ist die Leitung eine spezielle Form der Führung, hier jedoch nicht i m funktionalen, sondern i m hierarchischen und institutionellen Sinne. Da aber daneben die Leitung auch funktional und dann ohne Bindung an die obere Führungsebene verwendet w i r d („leitende Tätigkeit i m weiteren Sinne" 1 7 ), ist diese Auffassung eher geeignet, die schon vorhandene Begriffsverwirrung zu bestärken, als zu einer klärenden Vereinheitlichung beizutragen. Da die Begriffsbezeichnung „Führung" verglichen mit dem Terminus „Leitung" heute i m wissenschaftlichen Sprachgebrauch weiter verbreitet ist — was ausnahmslos für die betriebssoziologischen und »psychologischen Disziplinen 1 8 , aber i m besonderen Maße auch für die W i r t schaftswissenschaften 19 gilt — und die „Führung" daher mehr m i t sozial- bzw. menschenbezogenen Aspekten i n Beziehung gebracht w i r d 2 0 , ziehen w i r diesen Begriff dem der „Leitung" vor. Es scheint nicht sinnvoll, m i t dem Begriff „Führung" hierarchische Exklusivitäten zu verbinden; ganz abgesehen von der damit verbundenen Begriffsverwirrung, wenn verschiedene Autoren dabei von verschiedenartigen Erkenntnis- oder Erklärungszielen geleitet werden. Soweit hierarchische Differenzierungen erforderlich sind, können sie u. E. auch innerhalb des Führungsbegriffs vorgenommen werden. Dabei bieten sich folgende Bezeichnungen an: oberste/obere bzw. mittlere bzw. untere Führung oder Gesamtführung bzw. Geschäftsführung, Abteilungsführung oder Ressortführung, Gebiets- oder Gruppenführung. W i r halten die zweite Alternative terminologisch für zweckmäßiger u n d bezeichnen i m f o l g e n d e n das Aufgabengesamt der obersten d e r Betriebsführung m i t Gesamtführung b z w . Geschäftsführung
Ebene .
21
10
Vgl. Fischer, G., Die Führung von Betrieben, a.a.O., S. 13 ff. Vgl. ders., S. 14. 18 Vgl. hierzu insbes. Dahms, K., Über die Führung, München — Basel 1963, S. 37. 19 Das zeigt schon ein Vergleich der Buchtitel relevanter Veröffentlichungen, ζ. B. von Fischer, G., Die Betriebsführung, a.a.O.; Gutenberg, E., Unternehmensführung, a.a.O.; Häusler, J., Grundfragen der Betriebsführung, Wiesbaden 1966; Meier, Α., Organisation der Unternehmensführung, a.a.O., etc. 17
20 Diesen Aspekt betonen ganz besonders Häusler, J., a.a.O., S. 79; Hasenack, W., Funktionenlehre, betriebswirtschaftliche, a.a.O., Sp. 2100 und Ulrich, H., Die wachsende Bedeutung des Kollegialprinzips auf allen Stufen der Unternehmensführung und seine Grenzen, in: Wirtschaftlich führen — wirtschaftlich investieren, Hrsg. Deutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft, Berlin 1960, S. 21. 21 Meier, Α., a.a.O., S. 116 spricht ganz ähnlich von „Gesamtgeschäftsführung".
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. Die f k t i l e
Betrachtungsweise
Die Versuche einer Funktionscharakterisierung der Gesamtführung sind außerordentlich zahlreich. Die meisten Autoren, die sich zu dieser Fragestellung äußern, versuchen ihre Originalität zumindest durch eine Modifikation der Grundschemata zu beweisen. Deshalb soll hier genügen, eine ausgewählte Übersicht von Gaugier 22 wiederzugeben, die auch deshalb besonders i n s t r u k t i v ist, w e i l i h r eine zweite Tabelle 2 3 gegenübergestellt w i r d , die Funktionscharakterisierungen der Betriebsführung ohne hierarchische Differenzierungen bringt. Der Vergleich zeigt einmal, daß i n den Funktionen allein kein grundlegender Unterschied zwischen der Gesamtführung — personifiziert durch den „Unternehmer" — u n d der Betriebsführung — personifiziert durch alle betrieblichen Führungskräfte — besteht, sofern man die erstere nicht ausschließlich kapitalwirtschaftlich 2 4 sieht. Dieser Tatbestand w i r d i m folgenden Abschnitt noch näher behandelt. Z u m anderen lassen sich die Kataloge von Führungsaufgaben, die bis zu dreizehn Funktionen 2 5 umfassen, auf vier Gruppen reduzieren: 1. Politik, Zielsetzung, Entscheidung 2. Koordination, Disposition, Abstimmung, Ausgleich, rung
Menschenfüh-
3. Planung, Organisation, Information, Kontrolle — dieser Gruppe w i r d zum T e i l ein instrumentaler Charakter für die vorgenannten beigemessen 4. zum Teil noch Repräsentation, Beziehungspflege, Interessenvertretung. Diese Zusammenfassung soll nicht n u r die Übersicht über die zunächst v ö l l i g verschiedenartig erscheinenden Kataloge erleichtern, sondern vor allem zwei Erklärungsabsichten dienen. Erstens w i r d hierdurch offenbar, daß die Vielfalt zu einem wesentlichen Teil auf unterschiedlichen Begriffsbezeichnungen für gleiche oder wesensähnliche 22 Vgl. Gaugier, E., Instanzenbildung als Problem der betrieblichen Führungsorganisation, Berlin 1966, S. 68. 23 Vgl. ders., S. 69 und ergänzend dazu Böhrs, H., Organisation des Industriebetriebs, Wiesbaden 1963, S. 41 sowie Bellinger, B., Versuch eines Gliederungssystems betrieblicher Funktionen, a.a.O., S. 236. 24 Vgl. dazu auch Punkt 221 dieser Arbeit. Der Rieger-Schüler Fettel spricht in diesem Sinne sehr anschaulich von der „privatkapitalistischen Trinität"; vgl. Fettel, J., Der Faktor Arbeit in der unternehmerischen Rechnung, in: Arbeit und Lohn als Forschungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre (Hochschullehrertagung 1962), Wiesbaden 1962, S. 59; ähnlich Marx, Α., Unternehmer und Unternehmung, a.a.O., S. 140 und Hasenack, W., Vorwort zu einem Aufsatz von Johann Plenge über „Managerproblem und wissenschaftlicher Sozialismus", a.a.O., S. 686. 25 Vgl. dazu die Interpretation Gauglers des Funktionskatalogs von Schnutenhaus. Vgl. Gaugier, E., a.a.O., S. 69.
42. Funktionscharakterisierungen des Unternehmers
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Funktionen beruht. Zweitens kann hieran gut der methodische — nicht der historische! — Übergang von einer multifunktionalen zu einer monistischen Betrachtungsweise gezeigt werden. So kommt ζ. B. Gaugier 26 i n Anlehnung an Fischer zu einer dualistischen Auffassung, indem er implizit die unter den Funktionsgruppen 1. und 3. aufgeführten Tatbestände unter „Betriebspolitik" und die unter 2. und 4. gebrachten Teilaufgaben unter „Menschenführung" r u briziert. Da hiermit die Führungsaufgaben der Instanzen charakterisiert werden sollen, ist m i t den beiden „Teilinhalten" die Betriebsführung erfaßt. Gaugier schließt sich dabei der Meinung von Seydlitz-Kurzbachs27 an, daß die Tätigkeit der obersten Führungsebene, des Unternehmers, nicht nominell, sondern nur der Intensität, dem Umfang und dem sachlichen Inhalt nach von den Funktionen der übrigen Ebenen abgegrenzt werden kann. A u f diese entscheidende Erkenntnis werden w i r jedoch auch erst i m folgenden Abschnitt näher eingehen 28 . Läßt man n u n den Komplex der personalen Führung außer Betracht, dann gelangt man zu einer Auffassung, die i n Volks- und Betriebswirtschaftslehre w o h l ebensoviel Vertreter 2 9 hat wie die bisherige Charakterisierung des Unternehmers durch einen mehr oder weniger breiten Katalog von Führungsaufgaben: die (unternehmerische) Entscheidung bzw. Politik.
423. Die unternehmerische Entscheidung als Definitionsgrundlage Autoren 3 0 , die sich auch m i t dem dogmenhistorischen Aspekt der Entscheidungstheorie beschäftigen, weisen m i t Nachdruck darauf hin, daß spätestens m i t der Entwicklung und Formalisierung des homo oeconomicus i n der klassischen Theorie die wesentlichen Grundlagen für diese Betrachtungsweise gelegt wurden. Gäfgen schreibt dazu: „Soweit sich diese (die Wirtschaftswissenschaft; Anm. d. Verf.) als Wissenschaft vom rationalen Umgang m i t knappen Gütern versteht, ist sie Entscheidungstheorie bereits seit der von den Klassikern geschaffenen Figur 26
Vgl. Gaugier, E., a.a.O., S. 70 ff. Vgl. von Seydlitz-Kurzbach, F.-W., Leitung und Verwaltung im Industriebetrieb, Berlin 1955, zit. nach Gaugier, E., a.a.O., S. 70. 28 Vgl. die Punkte 423 und 424 dieser Arbeit. 29 Vgl. dazu auch Schmidt, R. B., Die Delegation der Unternehmerleistung, a.a.O., S. 65. 30 Vgl. Gäfgen, G., Theorie der wirtschaftlichen Entscheidung, Tübingen 1963, S. l f . ; Redlich, F., Unternehmerforschung und Weltanschauung, in: Redlich, F., Der Unternehmer — Wirtschafts- und Sozialgeschichtliche Studien, Göttingen 1964, S. 76; Bidlingmaier, J., Unternehmerziele und Unternehmerstrategien, a.a.O., S. 25 ff. 27
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. Die f k t i l e
Betrachtungsweise
des weisen u n d gleichzeitig egoistischen »economic man 4 , vor allem aber seit der i m Utilitarismus u n d bei J. St. M i l l ansetzenden Formalisierung der Begriffe des homo oeconomicus. Diese Formalisierung hat ihren Höhepunkt erreicht m i t der modernen, auf Pareto zurückgehenden Theorie der Wahlakte, nachdem bereits die Grenznutzentheorie das Rat i o n a l k a l k ü l immer stärker verfeinert hatte 3 1 ." Wie früher schon dargelegt 3 2 , wurde diese „entscheidungslogische" 33 Betrachtungsweise i m Laufe der Zeit immer mehr i n Richtung einer praktisch-normativen Entscheidungslehre entwickelt. Soweit n u n der Unternehmer i n dem untersuchten Lehrsystem überhaupt als Träger bestimmter Entscheidungen definiert w i r d , entspringt diese Funktionscharakterisierung i n keinem Falle einem zugrundeliegenden Aussagesystem, das m i t Entscheidungstheorie oder Entscheidungslehre gekennzeichnet werden könnte. Vielmehr w i r k t e bei den vorliegenden zwei Ansätzen von Prion und Mellerowicz mehr der Einfluß des volks- und betriebswirtschaftlichen Planungsaspekts, der nicht selten zu einer Lehre v o n der Betriebspolitik ausgebaut wurde. Diese Lehre von der Betriebspolitik w a r zwar schon frühzeitig durch eine Verbindung von praxisbezogener Beschreibung betriebswirtschaftlicher Entscheidungsprobleme u n d der Aufstellung von mehr allgemein formulierten Erfahrungsregeln (der Praxis) sowie der Postulierung globaler oder aber exemplarisch spezieller Leitsätze gekennzeichnet. Sie kann jedoch trotz dieser gemeinsamen praktisch-normativen Ausrichtung nicht m i t Entscheidungslehre gleichgesetzt werden, die sich i n Deutschland erst i n den letzten Jahren i n systemprägender Weise zu einem umfassenderen Aussagesystem entwickelt. Den Beginn der Betriebspolitik als Entwicklungsstufe der Betriebswirtschaftslehre datiert Seyffert 34 dagegen schon auf 1926, ohne dafür allerdings Quellennachweise anzuführen. Es ist wahrscheinlich, daß Seyffert hier besonders an Leitner dachte, der als erster i n einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre der „Unternehmerpolitik" ein eigenes K a p i t e l widmete 3 5 . Interessant ist noch, daß vorwiegend die Vertreter einer anthropozentrischen u n d normativ- wertenden Betrachtungsweise, die zugleich 31 Gäfgen, G., Theorie der wirtschaftlichen Entscheidung, a.a.O., S. 2; vgl. dazu auch Koch, H., Über eine allgemeine Theorie des Handelns, in: Zur Theorie der Unternehmung, a.a.O., S. 370 ff. 32 Vgl. dazu Punkt 123 dieser Arbeit. 33 Vgl. dazu auch Kirsch, W., Gewinn- und Rentabilitätsmaximierung als Determinanten des Unternehmungsgleichgewichts, a.a.O., S. 76. 34 Vgl. Seyffert, R., Über Begriff, Aufgaben und Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 34. 35 Vgl. Leitner, F., „Wirtschaftslehre", a.a.O., S. 356 ff.
42. Funktionscharakterisierungen des Unternehmers
175
— allerdings m i t verschiedenen Begründungen — den Verfahren und Methoden der Entscheidungslogik m i t einiger Skepsis gegenüberstehen, sich häufig m i t der Betriebspolitik besonders auseinandersetzen 3 *. Auch diesen Tatbestand könnte man als Indiz dafür verwenden, daß diese Lehre von der Betriebspolitik keinesfalls m i t der Entscheidungslogik bzw. -theorie und nur sehr bedingt m i t der sich heute abzeichnenden Entscheidungslehre gleichgesetzt werden darf. Damit bildet auch die unternehmerische Entscheidung i n den betriebswirtschaftlichen Lehrsystemen nur i n sehr begrenztem Maße eine Definitionsgrundlage. A u f die einzelnen Bereiche und Dimensionen, Methoden und Techniken sowie die Entwicklungslinien und -tendenzen des Entscheidungsproblems kann hier nicht weiter eingegangen werden 3 7 . Vier Tatbestände bedürfen aber noch einer kurzen Erläuterung: a) I n der Mehrzahl der neuesten Abhandlungen zu Methodenproblemen der Betriebswirtschaftslehre w i r d ein deutliches Schwergewicht auf den Entscheidungsaspekt gelegt 3 8 , was ζ. B. für die Veröffentlichungen der 50er Jahre — man denke nur an die beiden größeren Untersuchungen von Moxter 39 und Wöhe 40 — noch i n weit geringerem U m fang gilt. Dabei ist das Streben nach einer Annäherung der reinen Theorie an eine „empirisch" und „angewandt" ausgerichtete Denkweise deutlich festzustellen. Die letztgenannte verzichtet auf elegant formalisierte, abstrahierte und vorzugsweise monistische Modelle zugunsten einer mehr abtastend-differenzierteren Beschreibung wirklichkeitsnäherer Sachkomplexe und einer prononcierten Beachtung psychologischer und soziologischer Entscheidungsdimensionen. b) Zweitens darf der Hinweis nicht fehlen, daß das homo-oeconomicus-Theorem und der damit verbundene Ansatz zu einer Entscheidungs36 Das gilt besonders für Sandig, Fischer und Mellerowicz; zum Teil trifft diese These aber auch den zitierten Leitner — vgl. dazu v. a. die Aussagen Leitners in: Renaissance der Privatwirtschaftslehre, Berlin und Leipzig 1931, passim. 37 ^ i r verweisen hierzu auf die zitierten Standardwerke und die dort zahlreich aufgeführte Literatur. 38 Vgl. Wittmann, W., Entwicklungsweg und Gegenwartsauftrag der Betriebswirtschaftslehre, in: ZfbF 1963, S. 9 f.; Steffens, G. E., Zum Wissenschaftsprogramm der betriebswirtschaftlichen Theorie der Unternehmung, in: ZfB 1962, S. 758 f.; Philipp, F., Wirtschaftstheoretische Kennzeichen der Besonderen Betriebswirtschaftslehren, a.a.O., S. 60; Hax, H., Die Koordination von Entscheidungen, a.a.O., S. 13; Heinen, E., Das Zielsystem der Unternehmung, a.a.O., passim. 39 Vgl. Moxter , Α., Methodologische Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O. 40 Vgl. Wöhe, G., Methodologische Grundprobleme der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O.
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. Die f k t i l e
Betrachtungsweise
theorie zunächst keineswegs der Erforschung und Darstellung des Unternehmers diente. Vielmehr standen i m Vordergrund Fragen des Volkswohlstandes — i m Sinne einer gesamtwirtschaftlichen Nutzenmaximierung —, der Wirtschaftsordnung sowie der Preis- und Kostentheorie, die wiederum häufig mit der Analyse der verschiedenen Marktformen verbunden war. Dieser Tatbestand hatte verschiedene Ursachen, die teilweise schon i n den vorhergehenden Kapiteln aufgezeigt wurden. Einmal war der Unternehmer bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei den Nationalökonomen sowieso kein wesentliches Erkenntnisobjekt, was den bekannten Unternehmerforscher Fritz Redlich zu der Feststellung veranlaßte, sie hätte „beinahe das schier unmögliche Kunststück fertiggebracht, die einflußreichste und eindruckvollste Figur des zeitgenössischen W i r t schaftslebens, den Unternehmer, zu übersehen" 41 . Soweit der Unternehmer als Kapitalanwender, Risikoträger und Kombinator von Produktionsfaktoren funktionale Beachtung fand, ging es nicht um entscheidungstheoretische Fragestellungen. Als er dann i n den ersten Dezennien unseres Jahrhunderts i n den Mittelpunkt des Interesses rückte, waren es zunächst vor allem die Vertreter der historischen (und soziologischen) Richtung und weniger die Anhänger der „reinen Theorie", die sich mit i h m besonders beschäftigten 42 . Bei dem teilweise bis zur persönlichen Gegnerschaft ausartenden Methodenstreit beider Richtungen war selbst i m rein sachlichen Bereich eine Brücke nur schwer zu schlagen. c) Weiterhin wurde auch erst zu dieser Zeit die Trennung von Leitung und Eigentum an den Produktionsmitteln ein empirisch bedeutsames Faktum, das gleichzeitig die Fragestellung nach der Unternehmereigenschaft bei fehlendem Kapitalrisiko aktualisierte. d) Viertens erscheint es dogmenhistorisch gesehen wahrscheinlicher, daß sich die monofunktionale Betrachtungsweise des Unternehmers mehr aus einer kritisch-selektiven Deutung der Leitungsfunktion entwickelte, die dann wiederum die Entwicklung der Entscheidungstheorie auch auf diesem Gebiet weiter anregte und förderte, als daß die Entscheidungslogik der „reinen Theorie" ursächlich für die Darstellung des Unternehmers als Träger der „grundlegenden Entscheidungen" gewesen wäre. Spätestens aber seit Oboths „aufgabenanalytischer Untersuchung der Unternehmerleistung" 4 3 ist eine untrennbare wechselseitige Beeinflus41 Redlich, F., Unternehmerforschung und Weltanschauung, in: Der Unternehmer — Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Studien, a.a.O., S. 75. 42 Vgl. dazu auch Pütz, Th., Das Bild des Unternehmers in der Nationalökonomie — Versuch einer aufbauenden Kritik, Jena 1935, S. 5. 43 So lautet der Untertitel von Oboth, H., Die unternehmerische Entscheidung, a.a.O.
42. Funktionscharakterisierungen des Unternehmers
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sung u n d Befruchtung beider Richtungen gegeben, die alle kausalen Zurechnungs- und Urheberschaftsüberlegungen überflüssig macht. Es werden n u r kurz einige bekannte Unternehmerdefinitionen w i e dergegeben, die alle i n monofunktionaler Betrachtungsweise den Entscheidungsaspekt als terminologische Grundlage verwenden. So definiert Häussermann 44 : „Die Disposition ist die Entscheidung, der Entschluß zur Durchführung eines Planes, das die V e r w i r k l i c h u n g veranlassende Moment, die Bestimmung aus freier eigener Initiative. Diese Entscheidung, zumindest die letzte, grundlegende, richtungsweisende, muß dem Unternehmer bleiben Disposition i n dem oben dargelegten Sinne ist also allein notwendig, u m den Begriff der Unternehmerfunktion zu konstituieren. Sie ist das notwendige u n d zugleich das ausreichende, also das wesentliche M e r k m a l für die Unternehmerfunktion." Turin 45 f ü h r t den Ansatz Häussermanns durch eine substantiellere Definition fort, indem er „jedes Wirtschaftssubjekt als Unternehmer" bezeichnet, „das die wirtschaftliche Verwendungsbestimmung, die grundlegende Disposition über Produktionselemente (eines oder mehrerer) zwecks Gewinner zielung mittels Produktion für den M a r k t t r i f f t " . Oboth 4 8 kritisiert die mangelnde Bestimmung der „grundlegenden Entscheidung" bei Häussermann u n d Turin, setzt dafür den Terminus der „Ganzheitsentscheidung" u n d meint, sie allein könne die unternehmerische Entscheidung charakterisieren 4 7 . Gleichzeitig wendet er sich gegen substantielle Definitionen, da die unternehmerische Entscheidung nicht „durch den I n h a l t des zu Entscheidenden bestimmt, sondern das ,Wie', die Bedingungen, unter denen sie gefällt w i r d " 4 8 . Der Unternehmer ist der Träger folgender Entscheidung: „Es ist eine ökonomische 44 Häussermann, E., Der Unternehmer — seine Funktion, seine Zielsetzung, sein Gewinn, a.a.O., S. 2 f.; Häussermann betont an anderer Stelle, daß „diesen Betrachtungen lediglich der reine Unternehmer zugrunde (liegt), der nur Disposition leistet, entsprechend der Unternehmerfunktion, für die als allein wesentliches Merkmal Dispositionsleistung in dem dargelegten Sinne festgestellt wurde." Vgl. ders., S. 13. Sehr ähnlich definiert Ulrich, H., Der Unternehmer in der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 141. 45 Turin, G., Der Begriff des Unternehmers, a.a.O., S. 222. 48 Vgl. Oboth, H., Die unternehmerische Entscheidung, a.a.O., S. 47 ff., insbes. S. 50. 47 Vgl. ders., S. 60. — Dieser Ansatz ist von vielen Autoren übernommen worden. Vgl. z. B. Kosiol, E., Organisation der Unternehmung, a.a.O., S. 102, 121; Gutenberg, E., Unternehmensführung — Organisation und Entscheidungen, a.a.O., S. 60 und ders., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 133. 48 Oboth, H., a.a.O., S. 89; vgl. dazu auch Kosiol, E., Organisation der Unternehmung, a.a.O., S. 123. — Datenvollständigkeit bedeutet dabei, daß „alle entscheidenden Tatbestände in richtiger Beurteilung" enthalten sind.
12 Wunderer
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Betrachtungsweise
Vollzugsentscheidung, die aufgrund solcher wirtschaftlicher Gegebenheiten gefällt wird, bei denen Kosten- und Leistungsseite Inkongruenzcharakter tragen und die als wesentliche Voraussetzung eine Datenvollständigkeit verlangt 4 8 ." Redlich resümiert die Definition des „Research Center i n Entrepreneurial History" an der Harvard University; hier w i r d der Unternehmer charakterisiert als „die Einzelperson oder das Team, das die strategischen Entscheidungen für eine Unternehmung t r i f f t " . Redlich setzt noch ergänzend hinzu: „ . . . eine Definition, die sich nach zweihundertjährigem Theoretisieren herauskristallisiert hat und heute von der Mehrzahl der Gelehrten als Ausgangspunkt benutzt wird." Redlich betont dabei wie Häussermann, daß hier „der Unternehmer i n der Theor i e " 4 9 angesprochen sei. Bidlingmaier 50 verbindet die Definitionskriterien von Oboth und Redlich, indem er sowohl Ziel- als auch Mittelentscheidungen als relevant bezeichnet: „Unternehmerentscheidungen beinhalten einmal Entschlüsse über die anzustrebenden Ziele und zum anderen auf der Grundlage potentieller Dateninkongruenz zu vollziehende ökonomische Entscheide über die einzusetzenden Mittel. Die Träger derartiger i n Unternehmungen getroffener Ziel- und Mittelentscheidungen heißen Unternehmer." Gleich Schumpeter lehnt er für die Unternehmerdefinition jede institutionelle bzw. „personengebundene" Abgrenzung zugunsten einer rein funktionalen Bestimmung ab: „Unternehmer können demzufolge alle Personen der Betriebshierarchie sein. Jemand ist Unternehmer für den Fall, daß und solange er Unternehmerentscheidungen t r i f f t 5 1 . " Schließlich sollte noch eine Begriffsbestimmung der unternehmerischen Entscheidung — und damit des Unternehmers 52 — nach dem Arbeitskreis Hax der Schmalenbach-Gesellschaft referiert werden: „Unternehmerische Entscheidungen fällt derjenige, der i m Hinblick auf die 49
Vgl. Redlich, F., Ein Programm für Unternehmerforschung, in: Der U n ternehmer — Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Studien, a.a.O., S. 133. 50 Bidlingmaier, J., Unternehmerziele und Unternehmerstrategien, a.a.O., S. 20. 51 Ders. y S. 20; in gleichem Sinne äußern sich Arbeitskreis Hax der Schmalenbach-Gesellschaft, Wesen und Arten unternehmerischer Entscheidungen, in: ZfbF 1964, S. 689 f.; Schmidt, R. B., Die Delegation der Unternehmerleistung, a.a.O., S. 70; Kosiol, E., Organisation der Unternehmung, a.a.O., S. 122; Hax, H., Die Koordination von Entscheidungen, a.a.O., S. 14; Illetschko, L., Unternehmenstheorie, a.a.O., S. 115 und 113; Turin, G., Der Begriff des Unternehmers, a.a.O., S. 167. 52 Es wird ausdrücklich die rein funktionale Definition des Unternehmers betont: „Der Begriff des Unternehmers wird hier von der unternehmerischen Funktion her entwickelt." Arbeitskreis Hax der Schmalenbach-Gesellschaft, a.a.O., S. 689.
42. Funktionscharakterisierungen des Unternehmers
179
Optimierung des Unternehmungsgewinns und damit auch seines persönlichen Gewinns selbständig geschäftliche Ziele setzt und/oder selbständig Methoden zur Erreichung der Unternehmerziele auswählt, w e i l er die Fähigkeit hat, Gewinnchancen zu erkennen, das Recht und die Initiative besitzt sie zu nutzen, und bereit ist, das mit diesen Entscheidungen verbundene persönliche Risiko auch zu übernehmen 53 ." Analysiert man die sechs ausgewählten monofunktionalen Definitionen des Unternehmers nach dem Entscheidungsaspekt, so ist es selbst hier schwer, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Dieser könnte allenfalls lauten: entweder w i r d der Unternehmer als Träger einer bestimmten Entscheidungsart — meist formal als grundlegende, richtungweisende, strategische oder Ganzheitsentscheidung definiert — zu charakterisieren versucht oder die nicht näher eingegrenzte Entscheidung w i r d mit einer bestimmten Zielfunktion (Gewinnerzielung) bzw. Datenkonstellation (Inkongruenz von Kosten- und Leistungsseite, Datenvollständigkeit) verbunden. Daneben finden sich noch Kombinationen beider Ansätze (ζ. B. bei Turin) sowie zusätzliche Kriterien (wie etwa Charaktermerkmale bei der Definition des Arbeitskreises Hax). Von besonderer Bedeutung ist noch, daß gerade die Vertreter dieser Betrachtungsweise den Unternehmer gern streng funktional definieren und dabei hierarchische, institutionelle und ähnliche Aspekte außer acht lassen. Unternehmer ist damit jeder Angehörige der Betriebshierarchie, soweit und solange er Unternehmerentscheidungen fällt 5 4 . 424. Konstruktive Kritik der vorliegenden Unternehmerdefinitionen Die funktionale Unternehmerdefinition beinhaltet i m wesentlichen drei Problemkreise. Erstens ist zu fragen, inwieweit das Wesen des Unternehmers überhaupt durch eine Funktionscharakterisierung erfaßt werden kann. Zweitens ist es das Problem der Unternehmens- bzw. betriebsspezifischen Bestimmung der Unternehmerfunktion. Und schließlich ist zu untersuchen, inwieweit die angebotenen Funktionsdefinitionen den Unternehmer von anderen betrieblichen Führungskräften abzugrenzen vermögen, inwieweit sie also unternehmerspezifisch sind. 4241. Grenzen
einer rein funktionalen
Betrachtungsweise
Schon bei der Behandlung der ersten Frage scheiden sich die Geister. So vertritt Turin nachdrücklich den Standpunkt, daß der Unternehmer 55 Ders., S. 704. — Diese Definition wird nach einer sehr differenzierten Analyse der Entscheidungsarten entwickelt. 54 Vgl. dazu die auf S. 178 Fußnote 51 angeführten Autoren.
12*
180
. Die f k t i l e
Betrachtungsweise
i n der Wirtschaftswissenschaft nicht als Individuum, sondern als Funktion behandelt werden müsse, da „wirtschaftswissenschaftliche Begriffe auf Funktionen basiert werden müssen und nicht auf Individuen" 5 5 . Wandel äußert sich ähnlich, sieht aber dabei die damit verbundenen Einschränkungen. Sie liegen darin, „daß es eine Einengung der Problemstellung bedeutet, und (man) so nicht allen Erscheinungen i m Zusammenhang m i t dem Unternehmer gerecht werden kann". Er betont jedoch anschließend, daß „die Unternehmerfunktion als solche i m Grunde eine ökonomische Kategorie ist und nur ökonomisch verstanden und erklärt werden kann" 5 8 . Jungfer referiert i n diesem Zusammenhang Meinungen, die — i m Gegensatz zum „Unternehmerbegriff i m klassischen Sinne" — „den Begriff des ,Funktionsunternehmers'" zur genaueren Abgrenzung vorschlagen 57 . Die K r i t i k e r dieser Betrachtungsweise verwerfen die Funktionsdefinition des Unternehmers als zu „konstruiert" 5 8 und „mechanistisch" 59 , bzw. zu eng, da sich „die Praxis i n ihrem Verständnis des Unternehmertums nicht nur an F u n k t i o n e n . . . orientiert"* 0 . Ohne die Berücksichtigung der individualpsychologischen Aspekte hat sie für die Unternehmerdefinition das „Charakteristikum eines Uhrwerkbegriffes" 5 8 , unterscheidet sich das charakteristische „Schöpferisch-Gestaltende i m ökonomischen Bereich" des Unternehmers nicht vom „ A p p a r a t " 8 1 und geht „zu Lasten der sozialen Beziehungen des Unternehmers" 6 2 . Diese Argumente sind nicht von der Hand zu weisen, bedürfen u. E. aber noch der Ergänzung und Weiterführung: a) Einmal kann auch eine rein positionelle und institutionelle Betrachtungsweise des Unternehmers möglichen Tatbeständen nicht gerecht werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Wirtschafter auf Grund von Besitztiteln oder anderen leistungsfremden Gründen die Führungsspitze besetzen. Topp führt dazu aus: „Vielfach w i r d es dann so sein, daß er (der Unternehmer; Anm. d. Verf.) nach außen h i n als 55
Turin, G., Der Begriff des Unternehmers, a.a.O., S. 115. Ähnlich Ulrich, H., Der Unternehmer in der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 141. 56 Wandel, L., Wirtschaftsordnung und Unternehmertum, a.a.O., S. 6. 57 Jungfer, V., Wandlungen des Unternehmerbegriffs im 20. Jahrhundert, a.a.O., S. 119. 58 Vgl. Walterspiel, G., Der Unternehmer, Diss. München 1947, S. 41 f. 59 Vgl. Veil, Κ., Das Wesen von Unternehmung und Unternehmer, a.a.O., S. 56 f. 60 Hartmann, H., Der heutige Unternehmer in soziologischer Sicht, in: Der Arbeitgeber, 1963, S. 296. 61 Vgl. Moxter, Α., Was ist ein Unternehmer?, a.a.O., S. 290. 62 Vgl. Veil, Κ., Das Wesen von Unternehmung und Unternehmer, a.a.O., S. 56.
42. Funktionscharakterisierungen des Unternehmers
181
Unternehmer auftritt, während i m Innern der Unternehmung die Unternehmerfunktion von ganz anderen Kräften wahrgenommen wird. Er ist dann nur dem Schein nach noch Unternehmer 6 3 ." Hier steht dann dem einen Extrem des vorhin zitierten „Funktionsunternehmers" das andere des „Schein- oder Positionsunternehmers" gegenüber. M i t anderen Worten, daß die Begrenzung auf nur einen Aspekt bzw. eine Betrachtungsweise den Unternehmer nie realtypisch zu erfassen vermag, gilt auch für die Funktionsdefinition. b) Jedoch bedarf noch ein weiteres Argument einer näheren Erörterung, das innerhalb des Funktionsaspekts liegt, nämlich i n der streng funktionsbezogenen Definition des Unternehmers, die folgenotwendig zu der These führt: „Jemand ist Unternehmer für den Fall, daß und solange er Unternehmerentscheidungen t r i f f t 6 4 . " Das Unternehmersein ist damit eine höchst temporäre Angelegenheit. Solange er ζ. B. Entscheidungen vorbereitet bzw. ausführt ist er dann ebensowenig Unternehmer, wie wenn er ζ. B. gesetzlich nicht delegierbare Handlungen (wie bestimmte Unterschriftsleistungen) vornimmt oder wenn er Folgen dieser Entscheidungen (man denke an den Aspekt der Haftung) zu tragen hat; ganz abgesehen von Aspekten der sozialen Rolle, der sozialen Legitimation und Gruppenzugehörigkeit etc.. Schumpeter hatte dafür wenigstens noch einen — allerdings qualitativ wertenden — Begriff, den „ W i r t schlechtweg". Welchen Terminus bietet aber dafür die neuere Theorie? c) Drittens ist hier der Unternehmerbegriff grundsätzlich hierarchieneutral: „Unternehmer können demzufolge alle Personen der Betriebshierarchie sein 65 ." Auch der Gruppenleiter oder Sachbearbeiter, der z. B. nur noch Mittelentscheide — „auf der Grundlage potentieller Dateninkongruenz" — trifft, ist i n diesem Zeitpunkt ebenso Unternehmer wie jeder Angehöriger der Führungsspitze, auch wenn er nur i n ganz seltenen Ausnahmefällen mit solchen Aufgaben befaßt sein sollte, nur ein geringer Bruchteil seiner Arbeitszeit davon betroffen ist. Er ist dam i t sozusagen e i n „Bruchteilunternehmer
par excellence
Man kann diese Auffassung gut an einem Beispiel glossieren. Nach diesem Definitionsverfahren wäre eine Hausfrau i n einem mehrköpfigen Personenhaushalt m i t tendenziell ausgeprägten Selbstversorgungsleistungen: Schneiderin, Friseuse, Köchin, Bäckerin, Säuglingsschwester, 63
Topp, J., Unternehmer oder Manager, a.a.O., S. 725. So Bidlingmaier, J., Unternehmerziele und Unternehmerstrategien, a.a.O., stellvertretend für viele andere. — Vgl. dazu die auf S. 178, Fußnote 51 zitierten Quellen. 85 Bidlingmaier, J., Unternehmerziele und Unternehmerstrategien, a.a.O., S. 20. 64
182
. Die f k t i l e
Betrachtungsweise
Kindergärtnerin und Nachhilfelehrerin, Ehefrau, Mutter und Putzfrau, Spülerin, Wäscherin und noch vieles andere mehr. Und ein Vorstandsmitglied wäre — innerhalb seiner Dienstzeit — nicht nur Unternehmer, sondern auch Putzmann (sofern er die verstreute Zigarrenasche selbst beseitigt), Bürohilfskraft (sofern er seinen Bleistift einmal selbst spitzt), Sekretär (sofern er einmal Notizen eigenhändig niederschreibt), Sachbearbeiter (solange er ein untergeordnetes Teilproblem selbst bearbeitet), Chauffeur (sofern er seinen Dienstwagen steuert), Telefonist (wenn er ein Gespräch eigenhändig wählt) etc. etc. 66 . d) Dieser Glosse sollen nun aber einige konstruktive Überlegungen folgen: Man kann diese wenig realtypische Funktionsdefinition ohne besondere Schwierigkeiten besonders durch zwei Ergänzungen verbessern. E i n m a l , i n d e m m a n i h r d e n Ausschließlichkeitsanspruch durch eine Koppelung mit institutionellen Kriterien nimmt Z u m anderen durch
eine Berücksichtigung chen Legitimation
der führungsorganisatorischen
z u dieser Funktionsausübung
u n d u. U. rechtli-
sowie des Grades dieses
FunktionsfallsP 7. Damit ist der Satz: „Jemand ist Unternehmer für den Fall, daß und solange er Unternehmerentscheidungen t r i f f t " abzuwandeln i n die eingrenzende funktionale Definitionsthese: Wir bezeichnen jeden als Unternehmer, der vorwiegend unternehmerische auf Grund führungsorganisatorischer Kompetenz* 6 ausübt
Funktionen
Somit geht die Unternehmereigenschaft nicht verloren, wenn nebenbei noch Nichtunternehmerfunktionen i m Betrieb erfüllt werden. Andererseits w i r d sie nicht bei solchen Betriebspersonen konstituiert, die sporadisch oder i n — verglichen
zur Gesamtaufgabe
des
Funktionsträ-
gers! — unbedeutendem Maße Unternehmerfunktionen wahrnehmen 6 9 . ββ Vgl. hierzu die interessante und amüsante Studie von Luijk, H., Wo bleibt die Zeit des Direktors?, Wiesbaden o. J. 67 Bezeichnet man unternehmerische Funktionen mit U F und andere nicht unternehmertypische mit NUF, so muß U F > N U F sein, um den Träger solcher Funktionen als Unternehmer bezeichnen zu können. Ob sich diese führungsorganisatorische Kompetenz aus eigentums- oder gesellschaftsrechtlichen, satzungsmäßigen oder vertraglichen (ζ. B. Anstellungsvertrag) herleitet, ist bei der funktionalen Betrachtung weniger belangvoll und bleibt deshalb außerhalb der Definition. — Diese Kompetenz kann in Ausnahmefällen informal legitimiert sein (vgl. dazu auch Ulrich, H., Der Unternehmer und die Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 135). Da die Informalorganisation nicht nur Bestandteil, sondern auch Zeugnis für „die Lebendigkeit der Betriebsorganisation" (Fischer, G., Die Führung von Betrieben, a.a.O., S. 46) ist, schließt die führungsorganisatorische Kompetenz auch diesen Tatbestand begrifflich ein. 69 Damit wird ζ. B. auch dem Aufsichtsrat in der Regel die Unternehmereigenschaft abgesprochen, selbst wenn er statuarisch zur Mitwirkung an bestimmten Unternehmerentscheidungen berechtigt ist.
42. Funktionscharakterisierungen des Unternehmers
183
Dies impliziert die Erkenntnis, daß nicht alle Unternehmerfunktionen allein und ausschließlich von Unternehmern ausgeübt werden müssen. 4242. Probleme
einer unternehmungsspezifischen
Unternehmerdefinition
M i t der obengenannten funktionalen Unternehmerdefinition ist erst ein T e i l des Gesamtproblems gelöst. Denn die oben angeführte Begriffsbestimmung ist noch insofern unvollständig — j a tautologisch —, als die unternehmerische F u n k t i o n selbst noch nicht abgeklärt ist. Zuvor ist jedoch noch festzustellen, ob u n d i n w i e w e i t die angebotenen L ö sungsvorschläge tatsächlich unternehmensspezifisch sind. Da sind zunächst die als Leitungs- oder Führungsaufgaben betrieblicher Instanzen genannten multifunktionalen Kataloge. Es braucht keiner tiefschürfenden Beweisführung, daß die i n den vier Gruppen zusammengefaßten Funktionen — seien es P o l i t i k u n d Entscheidung, K o ordination, Disposition u n d Menschenführung, Planung, Organisation und K o n t r o l l e oder Repräsentation und Beziehungspflege — bei der Führung einer jeden sozialen Organisation feststellbar sind, daß „das Führungsphänomen i m menschlichen Dasein" 7 0 allgemeingültig ist, angefangen v o n kleineren u n d loseren I n f ormalgruppen über p r i m ä r nichtwirtschaftliche Organisationen, w i e i n der öffentlichen Verwaltung, i n kirchlichen oder sportlichen Institutionen oder i m militärischen Bereich zu finden sind bis zu den hier besonders interessierenden ökonomischen Gebilden 7 1 . Das gleiche g i l t f ü r monofunktionale Definitionen, soweit sie ebenfalls rein formal sind, denn genauso ist „das Phänomen der Entscheidung nicht auf den Unternehmensbereich beschränkt" 7 2 . Selbst wenn „es unmöglich ist, die Funktionen der obersten Instanz i n allgemeingültiger Weise inhaltlich zu formulieren" 7 3 , ist zu überlegen, ob m a n lediglich „ v o n den formalen Bestandteilen der Aufgabenanalyse auszugehen" 74 vermag, da man i n diesem Falle nicht zu einer Unternehmens- u n d damit auch nicht unternehmerspezifischen Funktionsbestimmung gelangen kann. D a m i t ist also die Frage nach dem Beziehungrsgehalt des Funktionsbegriffs 75 aufgeworfen, wobei vor allem die Zielu n d Objektbeziehung relevant sein dürfte. 70
Vgl. Dahms, K , Uber die Führung, a.a.O., S. 9. Das zeigt sich auch in der leichten Austauschbarkeit von qualifizierten Führungskräften zwischen Organisationen der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung (einschließlich militärischer Führung). 72 Arbeitskreis Hax der Schmalenbach-Gesellschaft, Wesen und Arten unternehmerischer Entscheidungen, a.a.O., S. 685. 73 So Kosiol, E., Organisation der Unternehmung, a.a.O., S. 123. 74 Kosiol analysiert genau besehen auch nicht die „Organisation der Unternehmung", sondern ganz allgemein die „Organisation der Organisation". 75 Vgl. Punkt 411 dieser Arbeit. 71
184
. Die f k t i l e
Betrachtungsweise
Es würde hier zu weit führen, den alten und immer wieder neu aufflammenden Methodenstreit über die Ziele und Motive des Unternehmers, für den schon zu viel Tinte vergossen wurde, wieder aufzunehmen. Bevor nicht wirklich exakte und repräsentative empirische Ergebnisse vorliegen 7 8 , w i r d die vertretene Meinung immer das Ergebnis der jeweiligen Wissenschaftsrichtung des Forschers bleiben. Wir schließen uns Bidlingmaier an, der dazu schreibt: „Je nach seiner wissenschaftlichen Grundeinstellung zur Betriebswirtschaftslehre geht er von tatsächlich gegebenen, angenommenen, gewünschten oder geforderten Zwecken aus 77 ." „ I n der Realität steht der Unternehmer i m Schnittpunkt gleichzeitig wirkender ökonomischer und außerökonomischer (psychologischer und soziologischer) Bestimmungsgründe; die Zielentscheidung ist die Resultante aller Situationsbedingungen 76 ." Deshalb ist es nicht einzusehen, warum ein Motiv oder Ziel — wie das Gewinnstreben — als qualitatives K r i t e r i u m für die Konstituierung oder Ablehnung der Unternehmereigenschaft akzeptiert werden sollte. Noch bedeutsamer ist aber das bei der K r i t i k morphologischer Betrachtungsweisen ausführlich diskutierte Argument 7 8 , daß jede Fixierung des Unternehmers bzw. der Unternehmung auf eine bestimmte Zielfunktion deren Wesen geradezu widerspricht, sofern ahistorische Betrachtung unterstellt wird. Denn durch diese Fixierung w i r d der Autonomiegrad bei der Ausübung der Gesamtführungsfunktionen wesentlich eingeschränkt. I n diesem Sinne soll nun auch die Frage nach der unternehmungsspezifischen Definition der Gesamtführungsaufgabe beantwortet werden. Da die Unternehmung als besonderer „systembezogener Betriebstyp" definiert ist, muß zunächst geklärt werden, was unter betriebsspezifischen Führungsaufgaben zu verstehen ist. Der Betrieb wurde definiert als „ökonomische Führungseinheit und wirtschaftliches Zweckgebilde" 79 . Den allgemeinsten „Zweck" kann man i n der Fremdbedarfdeckung 80 sehen, die i n der Regel mittels Beschaffung, Leistungserstellung und/ oder -Verwertung wirtschaftlicher Güter für einen M a r k t verwirklicht w i r d 8 1 . Betriebsspezifische 76
Führungsaufgaben
sind also dadurch
defi-
Vgl. dazu auch Bidlingmaier, J., Unternehmerziele und Unternehmerstrategien, a.a.O., S. 127. 77 Ders., S. 44. 78 Vgl. Punkt 24 dieser Arbeit. 79 Vgl. Punkt 242. 80 Dieses Kriterium verwendet Kosiol für die Bestimmung des Unternehmensbegriffs. Vgl. Kosiol, E., Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum, a.a.O., S. 17. 81 Wir schließen uns damit teilweise an Turin, G. f Der Begriff des Unternehmers, a.a.O., S. 222, an.
42. Funktionscharakterisierungen des Unternehmers
185
niert, daß sie unmittelbar und mittelbar die Beschaffung, Leistungserstellung und/oder -Verwertung wirtschaftlicher Güter für einen Markt durch Kombination betrieblicher Leistungsfaktoren zum Inhalt haben. Als unternehmensspezifisch sind solche betriebsspezifischen Führungsaufgaben dann zu bezeichnen, wenn sie ohne dominante Einflüsse von betriebsexternen Machtzentren, d. h. in überwiegend autonomer Weise von den betreffenden Wirtschaftseinheiten bestimmt und erfüllt werden können. 4243. Probleme
der Bestimmung
einer Unternehmer spezifischen Funktion
D a m i t bleibt noch ein dritter und letzter Problemkreis: der Bestimmung der unternehmerspezifischen Funktion. Zunächst zu den multifunktionalen Katalogen, die als Führungs- oder Leitungsaufgaben der obersten betrieblichen Instanz genannt werden. Gegen diese Enumerationen w i r d vor allem eingewandt, daß dabei „heterogene Elemente, w i e Organisation, Leitung, Erfindung, management usw. zusammengeworfen" 8 2 w ü r d e n und daß der damit charakterisierte „universale Typus des industriellen Unternehmers" 8 3 zwar „manchen klassischen Theorien über den Unternehmer am besten entspricht u n d zu vielen Stereotypen paßt" 8 4 , aber den neueren Erkenntnissen über die arbeitsteilige Unternehmerfunktion 8 5 nicht mehr adäquat sei, da die aufgeführten „Teilleistungen" „jede für sich von fähigen Fachleuten v o l l b r a c h t " 8 6 u n d damit delegiert werden könnten. Teilweise t r i f f t diese K r i t i k auch die monofunktionalen Unternehmerdefinitionen, die j a i n der Regel i n den multifunktionalen Katalogen m i t enthalten sind. Da sie i n der neueren Theorie — weniger dagegen i n den Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren — vorherrschen, werden sie noch etwas eingehender behandelt. E i n m a l ist es das Schumpeter- Theorem von der schöpferischen Durchsetzung neuer Kombinationen. Obgleich, w i e Redlich 87 schon 1953 nach82
Häussermann, E., Der Unternehmer, a.a.O., S. 109. Turin, G., Der Begriff des Unternehmers, a.a.O., S. 107. 84 Jenks, L. J., Role Structure of Entrepreneurial Personalty, in: Chance and the Entrepreneur, S. 110, zitiert nach Rexhausen, F., Der Unternehmer und die volkswirtschaftliche Entwicklung, Berlin 1960, S. 69. 85 Vgl. dazu Ulrich, H., Der Unternehmer in der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 141; Jungfer, V., Wandlungen des Unternehmerbegriffs im 20. Jahrhundert, a.a.O., S. 124; Rexhausen, F., a.a.O., S. 77 f.; Spindler, G., Neue Antworten im sozialen Raum, a.a.O., S. 88 f.; Kosiol, E., Unternehmung, in: HdB, 3. Bd., a.a.O., Stuttgart 1960, Sp. 5543; Fischer, G., Die Führung von Betrieben, a.a.O., S. 9 ff. 86 Friedrich, Ο. Α., Das Leitbild des Unternehmers wandelt sich, a.a.O., S. 24. 87 Vgl. Redlich, F., Der Unternehmer als „dämonische" Figur, in: Redlich, Der Unternehmer — Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Studien, a.a.O., S. 45 ff. 83
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. Die f k t i l e
Betrachtungsweise
wies, Schumpeter davon selbst schon 1927 wieder abkam, ist diese These nicht nur i n vielen Lehrbüchern weit verbreitet, sondern w i r d sogar neuerdings von einem methodologisch orientierten jüngeren Betriebswirtschafter i n einer monographischen Abhandlung noch vertreten 8 8 . Moxter wendet sich dabei vor allem gegen die zweite monofunktionale Gruppe und behauptet, daß weder i n der „Formung der Unternehmerziele" noch „ i n der Entscheidung" „die spezifische Unternehmeraufgabe" gesehen werden könne, „denn all das kann auch der Apparat". Was das Unternehmerische ausmache, sei dagegen „das Schöpferisch-Gestaltende i m ökonomischen Bereich" 8 9 . Gegen diese Auffassung wenden sich zahlreiche Autoren 9 0 , vor allem m i t der Antithese, daß schöpferische Neuerungen und Erfindungen „von bestehenden Unternehmen geradezu als Teil ihrer Routinemaßnahmen durchgeführt" 9 1 werden. „Der technische Fortschritt liegt i n der Hand von geschulten Spezialistengruppen" 92 , ist Aufgabe der Forschungslaboratorien 93 und damit keine unternehmerspezifische Funktion. Pross 94 fügt noch das bekanntere Argument hinzu, daß bei Anwendung von Schumpeter s qualitativer Unternehmerdefinition „die überwältigende Mehrheit aller Selbständigen" nicht mehr als Unternehmer angesprochen werden könnten. Das bewog z. B. Gutenberg dazu, einen gesonderten zweiten Unternehmerbegriff — den des „unternehmerischen Typs" 9 5 — zu bilden, der aber u. E. mehr unter die charakterisierende als die funktionale Betrachtungsweise fällt. W i r schließen uns diesen Argumenten an und lehnen einen derartigen qualitativen Unternehmerbegriff ab, da er — wie das andere Extrem der rein formalen Bestimmung — zu wenig spezifisch für eine realtypische funktionale Unternehmerfunktion ist, die sich grundsätzlich nie auf die Minimalwerte der Gauß'schen Verteilungskurve stützen oder 88
Vgl. Moxter , Α., Was ist ein Unternehmer?, a.a.O., S. 290. Ebd. 90 Vgl. Abott, L., Qualität und Wettbewerb, München und Berlin 1958, S. 80 und 90; Rexhausen, F., Der Unternehmer und die volkswirtschaftliche Entwicklung, a.a.O., S. 26 und 101; Jungfer , V., Wandlungen des Unternehmerbegriffs im 20. Jahrhundert, a.a.O., S. 124; Hasenack, W., Grundlagen der Betriebswirtschaft, a.a.O., S. 93; weiterhin werden diese Aussagen, vor allem bei Abott und Rexhausen, mit weiterer Literatur abgestützt. 89
91 Sweezy, P., Professor Schumpeters Theory of Innovation, in: Review of Economic Statistics, X X V (Febr. 1943), S. 96, zitiert nach Abott, L., a.a.O., S. 80. 92 Jungfer , V., a.a.O., S. 124. 93 Vgl. Hasenack, W., a.a.O., S. 93 und Pross, H., Manager und Aktionäre in Deutschland, a.a.O., S. 13 f. 94
Vgl. Pross, H., Manager und Aktionäre in Deutschland, a.a.O., S. 56; K a tona, G., Das Verhalten der Verbraucher und Unternehmer, Tübingen 1960, S. 93. 95 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 481 ff.
42. Funktionscharakterisierungen des Unternehmers
187
einen i n praxi meist delegierten Aufgabenkomplex nicht zum konstitutiven K r i t e r i u m wählen kann. Somit bleibt nun die konstruktive K r i t i k der herrschenden Lehrmeinung i n der neueren Theorie, die das Fällen (bestimmter) Entscheidungen zur Bestimmungsgrundlage erhebt. Es wurde schon festgestellt, daß eine rein formale Definition noch nicht als unternehmensspezifisch angesehen werden kann. Wie steht es aber mit den Möglichkeiten einer Begriffsbestimmung, die Tätigkeit des Unternehmers unverwechselbar von den Funktionen der übrigen Mitglieder der Betriebsführung abzuheben? Hierzu w i r d i n der Regel der Bereich der Entscheidung auf bestimmte Arten eingeengt, die dann „grundlegende", „letzte", „richtungsweisende" 9 8 , „strategische" 97 , „Grundsatz-" 9 8 , „Ganzheits-" bzw. „umgreifende" 9 9 oder „Führungsentscheidungen" 100 genannt werden. Betrachtet man die inhaltlichen Begriffsbestimmungen, die zu diesen Begriffsbezeichnungen gegeben werden, so ergeben sich folgende Erkenntnisse. I n der Regel fehlen exakte materielle Definitionskriterien. Der Schwierigkeit der inhaltlichen Abgrenzung versuchen die Autoren durch signifikante Beispiele, also mittels „exemplarischer Verifikation", oder durch relative und qualitative Kriterien zu begegnen. Einmal ist es der Bedeutungsgehalt der Entscheidung für den Betrieb, seine Vermögens« und Ertragslage, zum anderen der Umfang, mit welchem eine Entscheidung das „Betriebsganze" 1 0 1 tangiert. Das letztgenannte Merkmal w i r d häufig — teilweise explizit 1 0 2 — mit dem institutionellen K r i terium der hierarchischen Stellung verbunden, indem grundsätzlich nur die Mitglieder der obersten Führungsebene für „echte Führungsentscheidungen" oder „Ganzheitsentscheidungen" als sachkompetent und qualifiziert angesehen werden. Gutenberg gehört dagegen zu den wenigen, die neben diesen qualitativen „Ersatzkriterien" 1 0 3 einen Katalog konkreter Maßnahmen aufzählen, die unternehmerische Entscheidungen auslösen. Er nennt dabei fünf Aufgabenbereiche: 96 Vgl. Häussermann, E., Der Unternehmer, a.a.O., S. 2 f.; Turin, G., Der Begriff des Unternehmers, a.a.O., S. 222. 97 Vgl. Redlich, F., Ein Programm für Unternehmerforschung, a.a.O. S. 132. 98 Vgl. Fischer, G., Politik der Betriebsführung, Stuttgart 1962, S. 33. 99 Vgl. Kosiol, E., Organisation der Unternehmung, a.a.O., S. 121. 100 Vgl. Gutenberg, E., Unternehmensführung, a.a.O., S. 121 und Sandig, C., Betriebswirtschaftspolitik, a.a.O., S. 18. 101 Vgl. Kosiol, E., Organisation der Unternehmung, a.a.O., S. 121. 102 So z.B. von Gutenberg, E., Unternehmensführung, a.a.O., S. 59 f.; Kosiol, E., a.a.O., S. 121 und Sandig, C., Betriebswirtschaftspolitik, a.a.O., S. 18. 103 Gutenberg fügt noch als drittes Merkmal die mangelnde Delegierbarkeit dieser „echten Führungsentscheidungen" hinzu.
188
. Die f k t i l e
Betrachtungsweise
„1. Festlegung der Unternehmenspolitik auf weite Sicht 2. Koordinierung der großen betrieblichen Teilbereiche 3. Beseitigung von Störungen i m laufenden Betriebsprozeß 4. Geschäftliche Maßnahmen von außergewöhnlicher betrieblicher Bedeutsamkeit 5. Besetzung von Führungsstellen i m Unternehmen 1 0 4 ." Eine andere Gruppe verzichtet — zumindest in der Definition 1 0 5 — gänzlich auf derartige Abgrenzungen; an ihre Stelle treten unternehmensspezifische Kriterien, wie die Zielfunktion „Gewinnerzielung", das Denken i n pagatorischen Größen, wie Aufwand, Ertrag und Rentabilität, oder bestimmte Datenkonstellationen, denen zum Teil sogar makromorphologische Erklärungsziele zugrundeliegen 108 . Diese Merkmale sind aber hierarchieneutral, was ja dann auch von den Autoren selbst betont wird, obgleich sie i n anschließenden Einschränkungen zeigen, daß sie sich doch nicht völlig von traditionell-positionellen Vorstellungen trennen konnten. Diese drei Definitionsrichtungen sollen nun kritisch analysiert werden. Die qualitativen und relativen „Ersatzkriterien" — die man auch „Ortungskriterien" nennen könnte — zeigen vor allem die Probleme jeder ordinalen Abgrenzung. A m Schreibtisch lassen sich zwar schöne Extrembeispiele finden, die jedoch gerade den „fließenden Grenzen" der Praxis aus dem Wege gehen. So konzediert selbst Kosiol zur Frage der Abgrenzung zwischen „Ganzheits-" und „Bereichsentscheidung": „Dabei ist zu bedenken, daß sich jede Entscheidung i n irgend einer Weise auf das Ganze auswirkt. Die angeführte Unterscheidung kann daher das Gewicht der Beeinflussung anderer Unternehmensteile nur graduell zum Ausdruck bringen 1 0 7 ." Und Gutenberg 108 erklärt zum Merkmal „Bedeutungsgehalt einer Entscheidung für den Bestand eines Unternehmens": „ I m einzelnen ist auch nicht immer genau zu sagen, welche Bedeutung eine Entscheidung für das Unternehmen besitzt. I n der Regel läßt sich erst aus den Konsequenzen, die sie zur Folge haben, 104 Gutenberg, E., a.a.O., S. 61. Einen erweiterten Katalog — jedoch nur für die konstitutiven Entscheidungen — bringt Sandig, C., a.a.O., S. 137 ff. 105 So schränkt der Arbeitskreis Hax der Schmalenbach-Gesellschaft, a.a.O., S. 704 f. seine Definition anschließend durch das Kriterium der ,Bedeutsamkeit derartiger Entscheidungen für das Betriebsganze' wieder ein. 106 ζ. B. bei Bidlingmaier, J., Unternehmerziele und Unternehmerstrategien, a.a.O., S. 18 f., der hier den Unternehmerbegriff auf Marktwirtschaften beschränken will. Vgl. dazu auch Bender, K., Die Führungsentscheidung im Betrieb, Stuttgart 1957, S. 82 und Böhrs, H., Organisation des Industriebetriebes, a.a.O., S. 41. 107 Kosiol, E., Organisation der Unternehmung, a.a.O., S. 121. 108 Gutenberg, E., Unternehmensführung, a.a.O., S. 59 f.
42. Funktionscharakterisierungen des Unternehmers
189
sagen, welches Gewicht die Entscheidung i m konkreten Entscheidungszusammenhang gehabt hat 1 0 9 ." Nachdem Gutenberg damit die Möglichkeit zur Bestimmung des Bedeutungsgehalts für den Regelfall erst i n einer ex-post-Analyse zubilligt, erkennt und umgeht er das Problem der Messung mit der fast klassischen Formulierung: „Wie immer es sich aber m i t der Bestimmbarkeit des Ranges betrieblicher Entscheidungen und Entscheidungskomplexe nach dem Maß ihrer Bedeutung für das Schicksal des Unternehmens verhalten mag . . . 1 0 9 . " Solange das Problem der Messung dieser qualitativen Ortungskriterien nicht i n einer praktikablen Weise gelöst ist, können diese Merkmale lediglich für idealtypische Unternehmerdefinitionen verwendet werden; für eine realtypische Begriffsbestimmung wären empirische Forschungen notwendig. Als methodische Grundlage könnten hierfür die Erkenntnisse aus der analytischen Arbeitsplatzbewertung von Nutzen sein; insbesondere das Rangreihenverfahren käme dabei i n Frage. Die i m Führungsbereich ermittelten Entscheidungen wären dann nach den beiden Ortungskriterien 1 1 0 zunächst i n zwei Rangreihen einzuordnen, die das qualitative Entscheidungsgefälle anzeigen würden. Sofern die Meinung vertreten wird, daß die Ortungskriterien kombiniert werden sollten, könnte anschließend eine zusammenfassende Rangreihe gebildet werden, die ζ. B. von Entscheidungen über wesentliche Beteiligungen bis zum großen Komplex der täglichen Mittel- oder Verfahrensentscheidungen i m Bereich der „objektbezogenen Arbeit" reichen. Für die u m die beiden Endpunkte gruppierten Entscheidungen ist die Verteilung auf die einzelnen Führungsstellen der Betriebshierarchie weitgehend problemlos. Das Gegenteil gilt für die meisten übrigen Entscheidungen. W i r halten es für sehr problematisch, bestimmte Entscheidungen i n allgemeingültiger Weise bestimmten Führungsebenen zuzuweisen. Zahlreiche Bestimmungsfaktoren können hier modifizierend wirken; die wichtigsten dürften sein: Betriebsgröße, Marktstruktur und -Situation, Zahl der hierarchischen Stufen (vertikal und horizontal), der 100 110
Gutenberg, E., Unternehmensführung, a.a.O., S. 59 f.
Diese Ortungskriterien müßten natürlich so untergliedert werden, daß eine Stufung mit qualitativem Gefälle für die Bewerter möglich wäre. So könnte man ζ. B. bei einer Reihung nach dem Bedeutungsgehalt für die Existenz des Betriebes als Anhaltspunkte die geschätzten bzw. ex-post festgestellten Kosten- und Ertragskonsequenzen für eine Rechnungsperiode (z. B. ein Jahr), die möglichen Folgekonsequenzen für weitere Rechnungsperioden, weiterhin die geschätzten Ertragskonsequenzen bei Unterstellung einer Fehlentscheidung sowie die Wirkung der Entscheidung auf das Abteilungs- oder Betriebsklima und den „Ruf" (Firmenwert) des Betriebes nach außen als Rangierungskriterien verwenden.
190
4. Die funktionale Betrachtungsweise
Führungsstil und damit verbundene Organisationsprinzipien (Zentralisierung und Dezentralisierung, Einfluß und Duldung von informalen Wandlungen der Formalorganisation), Führungsqualifikation und -eigenschaften der Entscheidungsträger, Auswirkungen der Betriebstradition, die Folgen anorganischen Unternehmenswachstums, Anpassungsfriktionen, Einflüsse der engeren und weiteren „ U m w e l t " des Betriebes (Rechtsnormen, Berücksichtigung der Interessen von Kapitalgebern, Großkunden und bestimmenden Lieferanten i n besonderen Situationen), „Testdelegationen" von Entscheidungsrechten auf Führungsnachwuchskräfte innerhalb und außerhalb der „Linie", Entscheidungshorizont sowie berufliche und außerberufliche Motivitationsstruktur der Delegationsberechtigten. Wo also die Zäsuren i n der Entscheidungsrangreihe vorgenommen werden, welche Entscheidungen damit als Reservat der Gesamtführung zu bezeichnen sind und welche als Aufgabe der Ressort- oder der Gruppenführung, ist das Ergebnis der verschiedensten Einflußgrößen und somit realtypisch nicht i n allgemeingültiger Weise definierbar. Deshalb können Kataloge „echter Führungsentscheidungen" allenfalls die nützlichen Funktionen von „Richtbeispielen" — um i n der Terminologie der Arbeitsplatzbewertung zu bleiben — bei der Bildung von Entscheidungsrangreihen erfüllen. Wie wollte man auch vom Schreibtisch aus beweisen, ob ζ. B. nun der Katalog Gutenbergs oder der erweiterte von Sandig mehr Allgemeingültigkeit beanspruchen kann? Die oben aufgeführten Grenzen berechtigen u.E. zu folgenden Thesen: a) Solange keine gesicherten repräsentativen empirischen Ergebnisse vorliegen, kann die Abgrenzung „unternehmerischer" Entscheidungen von anderen Führungsentscheidungen weder i n absoluter noch i n allgemeingültiger Weise vorgenommen werden. Das Problem der Messung spielt dabei eine entscheidende Rolle. b) Es ist wahrscheinlich, daß eine absolute Bestimmung überhaupt wenig erfolgversprechend ist. Deshalb ist nach relativen Abgrenzungsmöglichkeiten zu suchen. W i r sehen einen Ansatz dazu i n der Bildung von Entscheidungsrangreihen. Die betrieblich relevanten Entscheidungen werden dabei nach a u s g e w ä h l t e n „Ortungskriterien" b e w e r t e t . Eine Kombiniation der beiden Kriterien „Bedeutung für die Existenz und Ertragslage des Betrie-
bes" und „Relevanz für den Betrieb als Ganzes" dürfte sinnvoll sein, schließt aber weitere nicht aus. Die zweite Relativierung sehen w i r i n betriebsindividuellen sen bei der Bewertung der einzelnen teilung auf die Entscheidungsträger.
Entscheidungen
Einflüs-
und bei der Ver-
42. Funktionscharakterisierungen des Unternehmers
191
c) Es erscheint deshalb nicht folgerichtig, nur dann von „unternehmerischen" (bzw. „echten Führungs-'^Entscheidungen zu sprechen, wenn diese von der obersten Führungsebene tatsächlich getroffen werden 1 1 1 . Auch ist das Ortungskriterium „mangelnde Delegierbarkeit" durch die beiden anderen von selbst gegeben und damit überflüssig; außerdem berücksichtigt es m i t seinem absoluten Anspruch nicht betriebsindividuell sinnvolle oder sogar zwangsläufig notwendige Ausnahmen. d) Schließlich sollte man die vorliegenden inhaltlich bestimmenden Kataloge der („echten") Führungsentscheidungen lediglich als „Richtbeispiele" für die u m die Spitze der betriebsindividuellen Rangreihe gruppierten Entscheidungen bewerten. e) Damit kann der monofunktionale Unternehmerbegriff nach dem Entscheidungskriterium folgendermaßen definiert werden: Unternehmer ist, wer vorwiegend führungsentscheidungen auf Grund tenz fällt
unternehmungsspezifische führungsorganisatorischer
GesamtKompe-
Unternehmungsspezifische Gesamtführungsentscheidungen sind dabei solche Ziel-, Mittel- und Verfahrensentscheidungen, die erstens in überwiegend autonomer Weise von den betroffenen Wirtschaftseinheiten selbst bestimmt werden können, zweitens unmittelbar oder mittelbar die Beschaffung sowie die Leistungserstellung bzw. -Verwertung wirtschaftlicher Güter für einen Markt betreffen und die sich drittens auf Grund der Ortungskriterien „Bedeutung für die Existenz und Ertragslage des Betriebes" und „Relevanz für den Betrieb als Ganzes" um die Spitze der auch nach betriebsindividuellen Bewertungsmaßstäben zu bildenden und abzugrenzenden Entscheidungsrangreihe gruppieren.
4244. Die Entwicklung
einer funktionalen
Unternehmerdefinition
Nun ist aber diese Unternehmerdefinition immer noch sehr idealtypisch „pointiert". Häussermann spricht i n diesem Zusammenhang vom „reinem Unternehmer" 1 1 2 , Schwantag weit drastischer von einer „Entscheidungsmaschine" 118 . Häussermann führt dazu weiter aus: „Von 111 So Gutenberg, E., Unternehmensführung, a.a.O., S. 16; Sandig, C., Betriebswirtschaftspolitik, a.a.O., S. 18; Kosiol, E., Organisation der Unternehmung, a.a.O., S. 131; implizit auch Ulrich, H., Organisation und Unternehmensführung, in: Probleme der Betriebsführung, a.a.O., passim. 112 Häussermann, E., Der Unternehmer — Seine Funktion, seine Zielsetzung, sein Gewinn, a.a.O., S. 13. 113 Vgl. Schwantag, K., Die Sicherung der Unternehmernachfolge durch wirtschaftliche und rechtliche Maßnahmen, in: ZfhF, 8. Jg., 1956, S. 659.
192
4. Die funktionale Betrachtungsweise
außen gesehen kann sie (die Unternehmerleistung; Anm. d. Verf.) auf ein Ja — oder Nein — zu den vorgelegten Plänen zusammenschrumpfen; alles andere kann anderen Arbeitskräften überlassen werden. Dam i t ist schon der Unternehmer gegeben 112 ." Zu diesem „Ja-Nein-Sager" meint Schwantag: „Der Unternehmer, der nur als Entscheidungsmaschine an seinem Schreibtisch sitzt, ist für uns alle wohl ein gewisser Albtraum 114." Diese K r i t i k ist u. E. nicht von der Hand zu weisen. A u f der anderen Seite können selbst überdifferenzierte multifunktionale Unternehmerdefinitionen alle möglichen Funktionskombinate auch nie erfassen und hätten weiterhin noch den Nachteil der Unübersichtlichkeit. W i r halten es deshalb für zweckmäßig, durch einen Kompromiß die Nachteile beider Extremlösungen weitgehend zu vermeiden, ohne auf deren Vorteile verzichten zu müssen. Zwei weitere Funktionen scheinen uns für eine realtypischen Erfassung der Unternehmeraufgabe besonders relevant. Einmal ist es die Menschenführung i m weiteren Sinne 1 1 5 , zum anderen sind es bestimmte Ausführungsaufgaben, die aus noch zu erläuternden Gründen nicht oder nur schwer delegiert werden können. Da beide Funktionen meist i n einem Zusammenhang m i t der Entscheidungsaufgabe gebracht werden können, diesen vor- und nachgelagert sind und i n der Regel unterstützenden Charakter zeigen, könnte man sie auch als Ergänzungsfunktionen der Kernfunktion Gesamtführungsentscheidung bezeichnen. Eine Gewichtung kann, aber muß damit nicht verbunden sein. Die Menschenführung bezieht sich auf die direkt untergebenen Führungskräfte — über den Führungsstil w i r k t sie sich natürlich auch auf die folgenden Ebenen aus — sowie auf die Führungshilfskräfte (ζ. B. Stäbe und Assistenten) und zum Teil auf die direkt unterstellten Ausführungskräfte (ζ. B. Sekretärin). Sie erstreckt sich auch i m weiteren Sinne auf die wirtschaftliche und soziale Umwelt des Betriebes, „auf deren Verhalten der Betrieb zur Verwirklichung gesetzter Ziele angewiesen i s t " 1 1 6 . Es ist nicht nur eine praxisferne Vorstellung, daß diese Aufgaben der Menschenführung vollkommen an Mitarbeiter delegiert werden könnten, vielmehr entscheiden häufig gerade das qualitative Niveau und die Intensität ihrer Erfüllung über den Erfolg getroffener Gesamt114
Schwantag, K., Die Sicherung der Unternehmernachfolge durch wirtschaftliche und rechtliche Maßnahmen, a.a.O., S. 659. 115 Vgl. Gaugier, E., Instanzenbildung als Problem der betrieblichen Führungsorganisation, a.a.O., S. 65 ff. 116 Ders., S. 75; Gaugier betont hierzu, daß damit die oft genannte Aufgabe der Repräsentation mit eingeschlossen ist.
42. Funktionscharakterisierungen des Unternehmers
193
führungsentscheidungen. Die Geschäftsführung ist schon bei der E n t scheidungsbildung wesentlich auf die I n i t i a t i v e n ihrer Mitarbeiter angewiesen, und i n gleichem Maße entscheidet die A r t der F ü h r u n g über das ökonomische Ergebnis bei der V e r w i r k l i c h u n g getroffener Entscheidungen 1 1 7 . M a n kann deshalb i n modifizierter Umkehrung der These Gutenbergs 118 sagen: Jede Leistung des dispositiven Faktors (bei Gutenberg m i t der obersten Führungsebene identisch) ist zugleich eine L e i stung der übrigen Mitglieder der Betriebsführung. Es k o m m t also darauf an, daß sich die Mitarbeiter m i t den getroffenen Ziel- und M i t t e l entscheidungen identifizieren 1 1 9 , dazu sind persönliche Maßnahmen u n d H i l f e n — w i e Information, Interpretation, Anreize etc. — erforderlich. Die Beschränkung des Führungsphänomens „als I n t e r a k t i o n a l i t ä t " 1 2 0 auf das Treffen von Entscheidungen ist insbesondere nach den Forschungsergebnissen der Organisationssoziologie auch theoretisch nicht mehr vorstellbar. Obgleich gerade m i t der Entscheidungstheorie der sozialwissenschaftliche Aspekt i n der Betriebswirtschaftslehre starke Verbreitung gefunden hat, kann man i m Versuch, den Unternehmer f u n k tional allein m i t dem Treffen bestimmter Entscheidungen erklären zu wollen, als einen Rückfall i n Denkkategorien des „homo oeconomicus" bezeichnen, die man andererseits gerade m i t dieser neuen Disziplin zu überwinden gedachte. Z w a r ist die Sachfunktion der Gesamtführung (Entscheiden) — vor allem durch differenziertere und realistischere Betrachtung der Zielstrukturen—„vermenschlicht"; die personale Funktion Menschenführung dagegen w i r d als delegierbarer K o m p l e x behandelt, der damit sogar den Unternehmer v o n den übrigen Mitgliedern der Betriebsführung abhebt. Seine personale F u n k t i o n kann bis auf die richtige Entscheidung über die Besetzung der Führungsstellen zusammenschrumpfen 1 2 1 . Richtig ist aber, daß es noch weit schwieriger als bei der Entscheidungsfunktion sein w i r d , die Menschenführung i n unternehmerspezifi117 Vgl. dazu Barnard, Ch. I., The Functions of the Executive, 66. Aufl., Cambridge/Mass. 1964, S. 259; Rexhausen, F., Der Unternehmer und die volkswirtschaftliche Entwicklung, a.a.O., S. 77 ff.; Häusler, J., Grundfragen der Betriebsführung, a.a.O., S. 111; Sandig, C., Betriebswirtschaftspolitik, S. 158 f.; Fischer, G., Die Führung von Betrieben, a.a.O., S. 29 ff. 118 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", a.a.O., Bd. 1, S. 131. 119 Vgl. Mayntz, R., Soziologie der Organisation, Reinbek bei Hamburg 1963, S. 125 ff.; Sandig, C., a.a.O., S. 158 und S. 168; Gaugier, E.. Instanzenbildung als Problem der betrieblichen Führungsorganisation, a.a.O., S. 75; Hax, H., Die Koordination von Entscheidungen, a.a.O., S.73ff. und S. 196ff.; Dahms,K,. Über die Führung, a.a.O., S. 71. 120 Vgl. Dahms, K., Über die Führung, a.a.O., S. 61 ff. 121 zielen hierbei nicht auf Gutenberg ab, da er — wie später noch zu zeigen sein wird — keinen einheitlich oder eindeutig monofunktionalen Unternehmerbegriff vertritt.
13 Wunderer
194
4. Die funktionale Betrachtungsweise
scher Weise abzugrenzen. Der Versuch würde auch i n dieser Grundlegung zu weit führen. Ansatzpunkte könnten sein: das besondere qualitative Niveau, das sich aus der besonderen Stellung der von den Unternehmerentscheidungen direkt Betroffenen ergibt; Stil, Form und Konventionen der sozialen Interaktionen i m Zusammenhang m i t diesen Entscheidungen dürften i n der Regel eine besondere qualitative Struktur zeigen, die auch i n engem Konnex m i t den damit verbundenen Rollenerwartungen der Beteiligten steht. Als dritte Funktion der Gesamtführung sehen w i r aber auch noch den begrenzten Bereich von nicht delegierbaren Ausführungsaufgaben. Zwei Ursachen dürften hierfür besonders bedeutsam sein. Erstens sind es privat-, gesellschafts- oder öffentlich-rechtliche Gründe, die eine „höchstpersönliche" Verrichtung von Ausführungsaufgaben verlangen, selbst wenn sachlich kaum etwas gegen eine Delegation sprechen würde. Als Beispiel sei hierzu die Unterschriftsleistung genannt, die i n der Praxis selbst Angehörige der obersten Führungsebene bis zu mehreren Wochenstunden beanspruchen kann. Arbeitsanalytisch betrachtet wäre sie vom Entscheidungsprozeß durchaus abtrennbar und auf unterstellte Mitarbeiter (ζ. B. durch Faksimilestempel) delegierbar. Vor allem aus Haftungsgründen verlangt nun aber der Gesetzgeber bei bestimmten Entscheidungen, die i m Außenverhältnis bedeutsam sind, daß diese durch höchstpersönliche Unterschriftsleistung „dokumentiert" werden. Ein übriges bewirkt hier das Prinzip der Gegenzeichnung, das nicht selten dazu führt, Ausführungsaufgaben wahrzunehmen, die mit einer eigenen Entscheidungsbildung nicht verknüpft sein müssen — was auch i m Sprachgebrauch durch den treffenden Ausdruck „abzeichnen" sichtbar wird. E i n weiteres Beispiel ist die gesetzlich oder satzungsmäßig vorgeschriebene höchstpersönliche Information bestimmter Gesellschaftsorgane (z.B. Hauptversammlung, Aufsichtsrat, Betriebsversammlung), die aufgabenmäßig ebenso an unterstellte Mitarbeiter delegiert werden könnte. N e b e n diesen rechtlich
begründeten
höchstpersönlichen
Ausführungs-
aufgaben gibt es aber auch solche, die aus Wirtschaftlichkeitsmotiven nicht delegiert werden können. Dies gilt ζ. B., wenn eine mögliche Delegation — besonders wenn sie fallweise geschehen müßte — und die damit verbundenen Informations-, Weisungs- und Kontrollaufgaben mehr Zeit des Delegierenden beanspruchen als eine persönliche Ausführung. Oder wenn beim „ A n f a l l " solcher Aufgaben grundsätzlich oder situationsbestimmt (Verhinderung durch andere Aufgaben) kein geeigneter Aufgabenträger vorhanden ist, die Erledigung dieser Aufgabe keinen Aufschub verträgt und solche Funktionen i n so unterschiedlicher A r t und so unregelmäßig anfallen, daß es unwirtschaftlich wäre, hierfür
42. Funktionscharakterisierungen des Unternehmers
195
eine neue S t e l l e z u schaffen b z w . e i n e n s t ä n d i g e n S t e l l v e r t r e t e r z u b e nennen. W e n n also e i n T r ä g e r v o n G e s a m t f ü h r u n g s e n t s c h e i d u n g e n ζ. B . e i n m a l selbst z u m T e l e f o n h ö r e r g r e i f t , selbst e i n S t i c h w o r t oder e i n e n V o r g a n g b z w . eine I n f o r m a t i o n n o t i e r t u n d e i n e m K u n d e n selbst d i e T ü r öffnet, so k a n n d i e persönliche W a h r n e h m u n g solcher A u s f ü h r u n g s a u f g a b e n aus ö k o n o m i s c h e n u n d d a m i t sachadäquaten G r ü n d e n gerechtf e r t i g t oder g a r u n e r l ä ß l i c h sein. Diese aus rechtlichen oder ökonomischen Gründen 122 nicht delegierbaren Funktionen sollen als „höchstpersönliche Ausführungsaufgaben" bezeichnet werden. D a m i t i s t eine abschließende f u n k t i o n a l e D e f i n i t i o n des U n t e r n e h mers möglich: Unternehmer im funktionalen Sinne ist, wer vorwiegend unternehmungsspezifische Gesamtführung sauf gab en auf Grund führungsorganisatorischer Kompetenz wahrnimmt. Die Gesamtführungsaufgabe impliziert dabei drei untrennbare Funktionskomplexe: die Kernfunktion der unternehmungsspezifischen Gesamtführungsentscheidungen sowie die Ergänzungsfunktionen der Menschenführung i. w . S. und der höchstpersönlichen Ausführungsaufgaben. Unternehmungsspezifische Gesamtführungsentscheidungen sind dabei solche Ziel-, Mittel- und Verfahrensentscheidungen, die erstens in überwiegend autonomer Weise von den betroffenen Wirtschaftseinheiten selbst bestimmt werden können, zweitens unmittelbar oder mittelbar die Beschaffung sowie die Leistungserstellung bzw. -Verwertung wirtschaftlicher Güter für einen Markt betreffen und die sich drittens auf Grund der Ortungskriterien „Bedeutung für die Existenz und Ertragslage des Betriebes" und „Relevanz für den Betrieb als Ganzes" um die Spitze der auch nach betriebsindividuellen Bewertungsmaßstäben zu bildenden und abzugrenzenden Entscheidungsrangreihe gruppieren. Die betriebliche Menschenführung i. w. S. dient mittelbar oder unmittelbar als unerläßliches Instrument zur Findung und Realisierung von Gesamtführungsentscheidungen und erstreckt sich sowohl auf die relevanten Mitarbeiter als auch auf die wirtschaftliche und soziale Umwelt des Betriebes. Höchstpersönliche Ausführungsaufgaben komplexen an; sie können aus rechtlichen nicht an Mitarbeiter delegiert werden.
fallen bei beiden Funktionsoder ökonomischen Gründen
122 Ähnlich wie die Gesamtführungsentscheidungen hängen Art und U m fang dieser Aufgaben von betriebsindividuellen und situativen Gegebenheiten ab.
13·
43. Die Funktionssysteme in der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre 431. Methodische Grundlegungen Wie eingangs schon erwähnt, fand die Funktionalbetrachtung zunächst i n der Handelsbetriebs- 1 und Organisationslehre 5 Eingang. Über die Behandlung kostentheoretischer Probleme 2 stieß Henzel m i t seiner Monographie „Die Funktionsteilung i n der Unternehmung" 3 i n den Bereich der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre vor. Etwa zur gleichen Zeit zeigen sich i n den Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren v o n Nicklisch u n d vor allem v o n Hoffmann
— f ü r den
damaligen Erkenntnisstand — recht beachtliche Ansätze zu einer funktionalen Gliederung. Betrachtet man aber die Gesamtheit der bis 1950 erschienenen Betriebswirtschaftslehren, so kann man der These Schäfers zustimmen, daß „Idee und Anwendung der Funktionalbetrachtung am wenigsten und spätesten i m Kernfach der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre aufgekommen (sind)" 4 . Neben diesem dogmenhistorischen Bestimmungsfaktor w i r k t aber noch ein methodischer einer ausschließlichen Behandlung der „Betriebswirtschaftslehre als Funktionen- und Leistungslehre" 6 entgegen. I m p l i zit — d. h. durch die verwendeten Betrachtungsweisen — und explizit 7 1
Vgl. Punkt 411 dieser Arbeit. Vgl. Henzel, F., Die Erfassung und Verrechnung von Gemeinkosten in der Unternehmung, Berlin 1931 (Veröffentlichung der Habilitationsschrift des Jahres 1926), zitiert nach Bellinger, B., Versuch eines Gliederungssystems betrieblicher Funktionen, a.a.O., S. 230. 3 Vgl. Henzel, F., Die Funktionsteilung in der Unternehmung — Analyse als Mittel betriebswirtschaftlicher Erkenntnis, in: ZfB 1932, S. 193 ff. 4 Schäfer, E., Die Funktionalbetrachtung in der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 12 ; im gleichen Sinne Hasenack, W., Funktionenlehre, betriebswirtschaftliche, a.a.O., Sp. 2097. 5 Vgl. Fayol, H., Administration industrielle et générale — Extrait du Bulletin de la Société de l'Industrie Minérale (3. livraison de 1916), Paris 1956 (1. Aufl. 1916). 6 So lautet die Titelüberschrift von Bouffier, W., Betriebswirtschaftslehre als Funktionen- und Leistungslehre, in: Funktionen- und Leistungsdenken in der Betriebswirtschaft, a.a.O. 7 Vgl. Illetschko, L., Betriebswirtschaftliche Grundfragen, Wien 1953, S. 42; Schäfer, E., Die Funktionalbetrachtung in der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., 2
43. Funktionssysteme der Allgemeinen B W L
197
wenden sich zahlreiche Fachgelehrte gegen einen „neuen Dogmatismus", „die Funktionalbetrachtung als totalen ,Ausweg' zu empfehlen" 8 , da sie ohne die ergänzenden morphologischen Denkkategorien „sozusagen i n der L u f t hängen" 8 würde, beide Aspekte „ i n jeder Wirtschaftserscheinung . . . gleicherweise nachweisbar" 9 und ihre „abstrahierende Teilung" nur „Gedankenarbeit" 9 sei. Dieser Tatbestand wurde — gleichsam von der anderen Seite — bei der faktoriellen Betrachtungsweise auch schon festgestellt. Ein Unterschied ist aber darin zu sehen, daß, i m Vergleich mit letzterer, der funktionalen Denkweise nicht selten größere Bedeutung zugesprochen wird, was — wie ζ. B. bei Gutenberg 10 — bis zu einem nur leicht eingeschränkten „Alleinvertretungsanspruch" reichen kann. Ebenso wie das Faktorsystem erfüllt auch das Funktionssystem i n den Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren verschiedene Erklärungsund Dispositionsaufgaben, die bei den einzelnen Autoren i n verschiedener Weise sichtbar sind. Soweit ein Funktionssystem erkennbar behandelt w i r d — das ist bei elf von sechzehn11 Autoren gegeben —, sind die zugrundeliegenden Erklärungs- und Gliederungsziele noch weniger und noch seltener explizit genannt als beim Faktorsystem. Das zeigt sich schon bei einer interpretativen Analyse der Erklärungsziele.
4311. Erklärung
sfunktionen
und
Begriffsbezeichnung
Obgleich Henzel schon sehr frühzeitig 1 2 einen sehr umfangreichen K a talog von möglichen Erkenntnisbereichen einer funktionalen Betrachtungsweise aufstellte, sind i n den Allgemeinen BetriebswirtschaftslehS. 23; Hasenack, W., Funktionenlehre, betriebswirtschaftliche, a.a.O., Sp. 2102; Wöhe G., „Einführung", a.a.O., S. 16. 8 Schäfer, E., a.a.O., S. 23. « Illetschko, L., a.a.O., S. 42. 10 So Gutenberg, E., Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 19: „Diese Gliederung des Gegenstandes der Betriebswirtschaftslehre nach Funktionen statt (!) nach Institutionen liegt unserer Erörterung der betriebswirtschaftlichen Hauptprobleme zugrunde. Sie erlaubt es, die betriebswirtschaftlich wichtigen Tatbestände in einem geschlossenen Zusammenhang darzustellen, erweist sich jedoch als problematisch, wenn branchen- oder produktionszweigeigentümliche Sachverhalte analysiert und beschrieben werden sollen." Anm. d. Verf.: Gutenberg verwendet hier den Begriff der Institution nicht in unserem Sinne (vgl. dazu S. 135 f.), sondern wohl zur Umschreibung der „branchen- und produktionszweigeigentümlichen Sachverhalte". 11 Walb, Rieger und Prion formulierten damit expressis verbis weder ein Faktor- noch ein Funktionssystem. — Ein Funktionssystem ist darüberhinaus weder bei Leitner noch bei Schmidt erkennbar. 12 Vgl. Henzel, F., Die Funktionsteilung in der Unternehmung, a.a.O.
198
4. Die funktionale Betrachtungsweise
ren n u r höchst selten und dann lediglich i n pauschaler F o r m Aussagen über die Aufgaben der funktionalen Darstellung zu finden. Dies w i r d besonders deutlich, wenn m a n die noch am meisten differenzierte Passage v o n E. Schäfer als Maßstab n i m m t . Schäfer sieht einm a l i n der F u n k t i o n eine „ f ü r das Verständnis des Betriebslebens wesentlich(e) Grundvorstellung(en)" 1 3 . Ä h n l i c h argumentieren noch 14 Fischer , Mellerowicz 15 u n d Nicklisch 19, w ä h r e n d sich die ü b r i g e n z u m gewählten Erklärungsziel überhaupt nicht äußern. Schäfer nennt aber darüber hinaus noch zwei spezifische Erklärungsaufgaben 1 7 : die Analyse u n d Gestaltung der betrieblichen Organisation m i t besonderer Berücksichtigung des Delegationsproblems sowie die Beziehungen zwischen den Wirtschaftseinheiten (Unternehmen) der Volkswirtschaft, wobei vor allem die Aspekte der Wirtschaftsstufen, des Wirtschaftszweiges u n d der Unternehmenszusammenschlüsse erwähnt s i n d 1 7 a . Somit ergibt die Untersuchung dieser ersten Frage für die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre ein recht dürftiges Ergebnis. Die W a h l der Begriffsbezeichnung ist — i m Gegensatz zur Faktorbetrachtung — auf den ersten Blick recht einheitlich. Bis auf Nicklisch 18 u n d Thoms 19 verwenden alle Autoren den Terminus „ F u n k t i o n " . Interessanter ist deshalb, welche „Ersatzbezeichnung" zur näheren E r k l ä r u n g bzw. aus mehr semantischen Gründen gewählt w i r d . Eindeut i g bevorzugt w i r d die Bezeichnung „Bereich" bzw. „Gebiet" 20, w o m i t u. E. schon semantisch die enge Verbindung zu morphologischen Aspekt e n 2 1 erkennbar w i r d . Denn die Funktionen als „Bereiche" oder gar 18 14 15 1β 17
ziele.
Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 174. Vgl. Fischer, G., „Die Betriebsführung", Bd. 1, a.a.O., S. 28. Vgl. Mellerowicz, K., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 48 f. Vgl. Nicklisch, K., „Die Betriebswirtschaft", a.a.O., S. 46. Zum Vergleich: Henzel, F., a.a.O., brachte schon dreizehn Erklärungs-
17a
Vgl. Schäfer, E., Die Funktionalbetrachtung in der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O.; Vgl. Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 173 ff. 18 Nicklisch spricht von „Handlungsgruppen des Betriebes" bzw. „Gliedern des Betriebsprozesses", vgl. Nicklisch, H., Die Betriebswirtschaft, S. 447 und S. 506. 19 Thoms umschreibt den Funktionsbegriff mit „Hauptgebiete der Betriebsleistung" bzw. „Hauptgruppen der Betriebsleistung"; vgl. Thoms, W., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 88 f. 20 So: Fischer, G., Die Betriebsführung, Bd. 1, a.a.O., S. 46; Gutenberg, E., Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 17; Lehmann, M. R., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 64; Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 12 ff.; Thoms, W., „Allgemeine BWL", a.a.O., S.88ff.; Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 143. 21 Vgl. dazu auch Hasenack, W., Funktionenlehre, betriebswirtschaftliche, a.a.O., Sp. 2097 f.
43. Funktionssysteme der Allgemeinen BWL
199
„ G l i e d e r " 1 8 des Betriebsprozesses verstanden, erlauben neben der dynamischen Erklärung bestimmter Tätigkeitsarten und -Verläufe auch eine „Morphologie der Funktionsgruppen" 2 1 , das Einbeziehen der jeweiligen Funktionsträger, der Organe und Institutionen. Schließlich findet man als zweite „Ersatzbezeichnung" — nicht selten k o m b i n i e r t m i t der ersten — die T e r m i n i „Aufgabe" u n d „Tätigkeit Obgleich hier n u r Interpretationen möglich sind, ist es doch interessant, daß die Vertreter einer normativ-wertenden Betrachtungsweise v o r zugsweise die Bezeichnung „Aufgabe" verwenden 2 2 , die „Realisten" den Begriff „ T ä t i g k e i t " vorziehen 2 3 u n d Autoren, die neben einer „empirisch-realistischen" Denkweise deutliche normative Ansätze zeigen, t a t sächlich auch beide T e r m i n i wechselweise anwenden 2 4 . Dieses Ergebnis bestätigt unsere f r ü h e r 2 5 aufgestellte These. Erstaunlich ist, daß Vodrazka diesen Gesichtspunkt i n seiner Monographie 2 6 nicht einmal anschneidet.
4312. Erklärungsfunktionen
und Begriffsinhalt
Die Analyse der Betriebswirtschaftslehren unter diesem Gesichtsp u n k t verläuft ähnlich unbefriedigend, was aber auch schon aufschlußreich ist. Nicht ein A u t o r gibt eine eigenständige Definition des Funktionsbegriffs. Lediglich Hoffmann, Fischer u n d Mellerowicz beschäftigten sich m i t dieser Aufgabenstellung näher. Dabei liefern die beiden Erstgenannten n u r Definitionsansätze 27 , und Mellerowicz bringt eine sehr auf die Organisationstheorie ausgerichtete Definition, die auch starke Anlehnung an Nordsieck und Kosiol 28 zeigt. Somit können verschieden 22
So: Nicklisch, Thoms, Fischer und Mellerowicz. Vgl. die Darstellungen von: Hoff mann, Lehmann, Rößle, Gutenberg und Wöhe. 24 Vgl. die Darstellungen von Lohmann und Schäfer. 25 Vgl. Punkt 411 dieser Arbeit. 26 Vgl. Vodrazka, E., Zum Funktionsbegriff in der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O. 27 Hoffmann, Α., „Wirtschaftslehre", a.a.O., S. 180 umschreibt Funktionen als „Tätigkeiten oder Geschäfte(n), die in ihrem wesentlichen Inhalt durch das Erwerbsstreben der Unternehmung bestimmt, in ihrer Grundrichtung also wirtschaftlicher Natur sind". — Fischer schreibt dazu: „Die Aufgaben des Betriebes im Rahmen der menschlichen Gesellschaft werden als Funktionen bezeichnet." Fischer, G., Die Betriebsführung, Bd. 1, a.a.O., S. 45. 28 Mellerowicz, K., „Allgemeine BWL", Bd. 1, a.a.O., S. 204 definiert: „Dem Wesen nach ist Funktion eine personengebundene Aufgabe mit Abhängigkeitscharakter von einem größeren Ganzen." — Vgl. dazu die auf S. 175 dieser Arbeit zitierte Definition von Kosiol, der wiederum Nordsieck anführt. 23
200
4. Die funktionale Betrachtungsweise
gewichtete Erklärungsziele nur bei den pretiert werden. Bei Ho ff mann müßte winnerzielung" i m Mittelpunkt stehen, Funktionsgliederung", die sich nur auf auch tatsächlich erkennbar ist.
drei genannten Autoren interdemnach die Zielfunktion „Gewas bei seiner „theoretischen Kapitalfunktionen erstreckt 29 ,
Daß bei Fischer die institutionelle Betrachtungsweise die funktionale überlagert, ist schon an Hand seiner Stoffgliederung feststellbar; weiterhin soll bei diesem Definitionsansatz der Organgedanke besondere Berücksichtigung finden. Bei Mellerowicz ist gut nachzuweisen, daß seine funktionale Darstellung untrennbar m i t organisatorischen Gesichtspunkten verbunden ist und die Objekt- wie Subjektbeziehungen i n der Darstellung eine besondere Rolle spielen 80 . Zusammenfassend kann also festgestellt werden, daß die möglichen Erklärungsziele des Funktionssystems i n der Regel nur interpretierbar sind, da explizite Formulierungen fehlen. Folgerungen auf die beigemessene Bedeutung dieser Erklärungsaufgaben können aus vorliegendem Material nur i n Form einer Hypothese gezogen werden. Diese müßte lauten, daß den Erklärungsaufgaben i n den Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren nicht die gebührende Beachtung geschenkt wird.
4313. Gestaltungsfunktionen
der funktionalen
Betrachtungsweise
Mehr erkennbare Bedeutung als die wenig beachteten Erklärungsaufgaben haben für die Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren die Gestaltungsziele der Funktionsbetrachtung. Von elf relevanten Autoren gliedern fünf i n dominanter Weise über die Hälfte des gesamten Stoffgebiets funktional. A n erster Stelle stehen h i e r Gutenberg u n d Wöhe; sie w e r d e n g e f o l g t v o n Lohmann, u n d Mellerowicz.
Hoffmann
Nicht mehr so dominant ist die Gliederung nach Funktionen bei Schäfer und Lohmann ausgebaut; man kann sie aber immerhin noch als akzentual bezeichnen, da rund ein Drittel der Gesamtdarstellung funktionale Gesichtspunkte behandeln. M i t sechzehn bis fünf Prozent Anteil an der Gesamtdarstellung kann m a n dagegen b e i Rössle, Nicklisch,
Fischer
u n d Thoms
n u r noch v o n
29 Ho ff mann gliedert in: Kapitaleinsatz, Kapitalsicherung und Kapitalbewegung. 30 Vgl. Mellerowicz, K., „Allgemeine BWL", Bd. 3 und 4 passim.
43. Funktionssysteme der Allgemeinen B W L
201
einer akzidentellen Disposition nach betrieblichen Funktionen sprechen. Die Analyse der Betriebswirtschaftslehren unter diesem Gliederungsaspekt bringt aber noch weitere Ergebnisse: a) Katallaktische und funktionale Betrachtungsweise können ebenso wenig gleichgesetzt werden wie morphologische und faktorielle. Dieser Tatbestand ist besonders deutlich bei Nicklisch, Fischer und Schäfer erkennbar. Dispositionell gesehen überwiegen hier katallaktische Fragestellungen, sie werden also i n dominanter Weise behandelt. Die Darstellung der betrieblichen Funktionen t r i t t aber sehr deutlich zurück hinter anderen prozessualen Aspekten, wie ζ. B. dem Umsatzprozeß, der Ertragserzielung und -Verteilung, der Aufwand- oder Kostenbildung oder betrieblichen Leistungserstellung. b) Eine Gliederung nach betrieblichen Funktionen bedeutet nicht, daß unter diesen Dispositionspunkten tatsächlich nur funktionale — i m Sinne von aufgaben- oder leistungsprozeßbezogenen Fragestellungen — behandelt werden. Vielmehr sind hierbei auch die tangierten betrieblichen Organe und Institutionen i m Sinne einer funktionalen Morphologie dargestellt. Dieser Weg führt — meist wohl unbeabsichtigt — zu einer Entwicklung „betriebswirtschaftlicher Teiltheorien" (Schreiber) innerhalb der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre. Ein Konzept, das bei Gutenberg und Lohmann besonders ausgeprägt ist. Neben dieser globalen Untersuchung der Gliederungsziele bleibt nun noch festzustellen, ob und inwieweit die jeweiligen Hauptfunktionen eine konsequente und klare Dispositionsgrundlage bilden. A m deutlichsten sind diese Ziele bei Gutenbergs „Einführung i n die Betriebswirtschaftslehre" sowie bei Lohmann und Mellerowicz verwirklicht. A l l e drei verwenden das gewählte Funktionssystem als Gliederungsgrundlage, wobei — mit einer Ausnahme 3 1 — jede Hauptfunktion auch einen Hauptpunkt bzw. ein Hauptkapitel bildet. I n schon weniger systematischer und konsequenter Weise, aber immerhin m i t noch besonderem Gewicht, schließen sich die Darstellung e n v o n Wöhe, Gutenberg
32
,
Hoffmann
u n d Rössle an. B e i Wöhe
sind
nur drei von acht genannten Hauptfunktionen Vorwurf für das Gliederungsgerüst; ähnliches gilt für Gutenbergs „Grundlagen"; hier sind es bis jetzt sogar nur zwei von sieben Funktionsbereichen. Ho ff mann ist nur insoweit konsequent, als er die vom Faktor Kapital abgeleiteten Funktionen gegenüber dem Kapitaleinsatz, als vorwiegend faktoriell 01 Die „Gestaltungsfunktion" wird bei Gutenberg in der „Produktionsfunktion" mitbehandelt; die „Beschaffungsfunktion" ist unklar eingeordnet und bildet keine Dispositionsgrundlage. 82 Vgl. hierzu Gutenberg, E., „Grundlagen", a.a.O.
202
4. Die funktionale Betrachtungsweise
ausgerichtete Gebiete i n den zwei Hauptkapitelüberschriften mit aufführt. Andererseits bringt er aber noch ein Funktionssystem, dessen sieben Funktionen nur teilweise 3 3 ausführlicher behandelt sind und als Gliederungsgrundlage Verwendung finden. Und bei Rössle sind die vier Funktionen lediglich i n einem von acht Hauptkapiteln zusammengefaßt, allerdings dann auch einzeln i n systematischer und folgerichtiger Weise diskutiert. Akzidentielle Dispositionsziele i n Bezug auf die einzelnen Funktionen des gewählten Systems müssen dagegen Thoms, Fischer, Nicklisch, Schäfer und Lehmann unterstellt werden. Die jeweiligen Funktionen bilden hier keine Hauptpunkte, sondern werden höherwertigen Begriffen, wie Ertragserzielung (Nicklisch), Leistung (Thoms, ζ. T. Fischer), Umsatz (Schäfer), Werk, Geschäft, Unternehmung (Lehmann) untergeordnet. Weiterhin sind die einzelnen Funktionen meist nicht zusammenhängend behandelt und erfahren auch nicht selten eine erheblich unterschiedliche Gewichtung. Das geht ζ. B. bei Lehmann soweit, daß eine Funktion (Finanzierung) auf über 100 Seiten und die drei übrigen auf zwei (!) Seiten dargestellt sind. I n diesem Fall besteht die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre — funktional gesehen — nur noch aus einer Teiltheorie, womit u. E. der Übergang zur Besonderen Betriebswirtschaftslehre 34 vollzogen ist. Eine Zusammenfassung der Gestaltungsziele ergibt: a) i m Vergleich zu den Erklärungsfunktionen einen insgesamt stärkeren Bedeutungsgehalt der ersteren für die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre 35 . b) Das funktionale Denken w i r k t sich i n der Gesamtanlage der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren noch stärker aus als die faktorielle Betrachtungsweise. Über die Hälfte aller untersuchten Werke bzw. fast zwei D r i t t e l der Veröffentlichungen m i t einem erkennbaren Funktionssystem legen ein Schwergewicht auf die Gliederung nach dem funktionalen Aspekt. Dies besagt jedoch nicht, daß damit alle katallaktischen Tatbestände erfaßt oder nur dynamische Fragestellungen behandelt sind. 33 Die Finanz-, Sicherungs-, Markt- und Rechnungsfunktion sind abschließend noch ausführlicher, die anderen drei dagegen kaum oder gar nicht behandelt. 34 Vgl. Philipp, F., a.a.O., S. 13 ff. 35 Vgl. Gutenberg, E., „Einführung", a.a.O., S. 15; Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 13; ähnlich Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 12. Ein weiteres Indiz für diese These ist der Ansatz der hier aufgeführten Autoren, das Funktionssystem unter dem — auch dispositionell wirksamen — Gesichtspunkt der „Gliederung der Betriebswirtschaftslehre" zu entwickeln und darzustellen.
43. Funktionssysteme der Allgemeinen B W L
203
c) Eine Analyse des dispositionellen Bedeutungsgehalts der jeweiligen Funktionen ergibt nur teilweise eine Übereinstimmung m i t der Globaluntersuchung sowie insgesamt eine gewisse Abschwächung i n der Konsequenz und Systematik der verwirklichten Gestaltungs- und Erklärungsziele. d) Verbindet man die Ergebnisse der Global- und Detailanalyse, so k ö n n e n Gutenberg
35a
,
Lohmann,
Mellerowicz
u n d auch Wöhe als d i e
markantesten Vertreter einer funktionalen Gliederung der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre angesprochen werden. Nicklisch,
Thoms, Fischer u. U . Rössle v e r t r e t e n diese G e s t a l t u n g s -
ziele i n weit geringerem und weit weniger konsequentem Maße. Hoffmann,
Schäfer u n d Lehmann
zeigen dagegen erheblich u n t e r -
schiedliche Gewichtungen bei den einzelnen Teilzielen.
432. Die Funktionssysteme der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren Seischab zieht nach seiner Übersicht über die betriebswirtschaftlichen Funktionssysteme folgendes Resumée: „Dies zeigt deutlich, welch ein Tummelplatz individueller Betrachtung die Betriebswirtschaftslehre doch ist3®." Tatsächlich werden i n den zwölf 3 7 relevanten Betriebswirtschaftslehren vierzehn 8 8 verschiedene „systembildende" Funktionen i n neun unterschiedlichen Funktionssystemen gebracht, wobei lediglich bei einem Ansatz 3 9 drei Autoren grundsätzlich der gleichen Meinung sind. Die zunächst verwirrende Vielfalt ist jedoch auf wenige Kategorien reduzierbar, wenn man die genannten Funktionen näher analysiert. 35a Das gilt nur für Gutenbergs „Einführung", nicht jedoch für seine „Grundlagen". 36 Seischab, H., Betriebswirtschaftliche Grundbegriffe, a.a.O., S. 48. 37 Da Gutenberg in seiner „Einführung" ein anderes Funktionssystem vertritt als in den „Grundlagen", werden hier beide Werke in die Untersuchung aufgenommen. 38 Folgende Funktionen werden genannt: Beschaffung, Fertigung (Produktion, Leistungserstellung), Absatz (Vertrieb, LeistungsVerwertung), Leitung (Betriebsführung), Finanzierung, Verwaltung, Kontrolle, Sicherung, Rechnungsfunktion, Ertragsverteilung, Gestaltung, sozialpolitische Funktion, Transport und Lagerung. 39 Lehmann, Schäfer und Gutenberg (in den „Grundlagen") vertreten ein System, das aus den vier Funktionen Beschaffung, Fertigung, Absatz und Finanzierung besteht, wobei jedoch bei Gutenberg schon wieder eine Abwandlung vorgenommen wird.
204
4. Die funktionale Betrachtungsweise
Diese Kategorien stehen jedoch nicht auf gleicher Ebene 40 . Das läßt sich einmal aus ihren verschiedenen Beziehungsgehalten, zum anderen aus ihrem jeweiligen originären bzw. derivativen Charakter erklären. W i r unterscheiden demnach zwischen originären Grundfunktionen und derivativen Subsidiärfunktionen; letztere ergeben sich meist aus einer
Spaltung von Grundfunktionen. Nach dem Beziehungsgehalt lassen sich die Grundfunktionen
i n solche
einteilen, die direkt a u f d e n Prozeß der Leistungserstellung und/oder -Verwertung u n d damit auf die betrieblichen Leistungsobjekte gerichtet sind s o w i e i n solche, d i e a u f bestimmte betriebliche Leistungsfaktoren bzw. -elemente bezogen werden.
4321. Die vier
Grundfunktionen
43211. Vorwiegend auf das Leistungsobjekt bezogene Grundfunktionen („Leistungserstellung" und „Leistungsverwertung") B e i aller V i e l f a l t der Funktionssysteme stellen die zwei „objektbezogenen"
Funktionen
Leistungsverwertung
Leistungserstellung
(Produktion,
Fertigung)
und
(Absatz, Vertrieb) eine v o n allen zwölf relevanten
Betriebswirtschaftslehren 41 akzeptierte Grundlage dar. I m Gegensatz zur „dualistischen Faktorenlehre" bilden diese zwei Funktionen jedoch nicht den methodischen Ausgangspunkt für alle anderen Funktionen. Leistungserstellung und Leistungsverwertung werden auch — oft i n Verbindung m i t Beschaffung und/oder Lagerung — als „gesamtwirtschaftliche" 42 , „leistungswirtschaftliche" 43 , „Umsatz-" 4 4 oder „ A b l a u f - " 4 5 Funktionen bezeichnet. W i r halten diese Termini insoweit nicht für spezifisch, als sie terminologisch weder von der „Finanzierung" 4 6 noch von 40 Diesen Tatbestand betont besonders Hasenack, W., Funktionenlehre, betriebswirtschaftliche, a.a.O., Sp. 2097 ff. 41 Als nicht relevant, da keine bedeutsame Erklärungs- oder Gestaltungsfunktionen erkennbar, wurden die Darstellungen von Leitner, Rieger, Walb, Schmidt und überwiegend auch Prion eingestuft. 42 Vgl. Bellinger, B., Versuch eines Gliederungssystems betrieblicher Funktionen, a.a.O., S. 228 ff. 43 Vgl. Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 186 f. 44 Vgl. Fischer, G., Die Betriebsführung, Bd. 1, a.a.O., S. 48; ähnlich Seyffert, R., Über Begriff, Aufgaben und Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 15. 45 Vgl. Hasenack, W., Funktionenlehre, a.a.O., Sp. 2098. 46 So wird die Finanzierung häufig als wesentliches Element des betrieblichen Umsatzprozesses angesehen; vgl. dazu z.B. Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 106 f. und Gutenberg, E., „Einführung", a.a.O., S. 105 f.
205
43. Funktionssysteme der Allgemeinen B W L
der Leitung (Betriebsführung) abgegrenzt werden können. W i r wollen deshalb l i e b e r v o n Grundfunktionenkurz
„auf betriebliche Leistungsobjekte 47 „Objekt-" oder „Produktfunktionen"
gerichtete genannt,
sprechen. Einige Ergänzungen u n d Einschränkungen sind aber erforderlich. Die oben getroffenen Abgrenzungen sind n u r für eine Allgemeine Betriebswirtschaftslehre zutreffend. Denn i n einer Bankbetriebslehre müßte ζ. B. die „Finanzierung", i n einer Handelsbetriebslehre die „Beschaffung" als P r o d u k t f u n k t i o n bezeichnet werden. Weiterhin hätte i n einer Verkehrsbetriebslehre der Transport und i n der Handelsbetriebslehre die Lagerung das Gewicht einer Grundfunktion. Übrigens k l i n g t hier die Problematik aller Versuche an, die eine Allgemeine Betriebswirtschaftslehre als Kombinat der wesentlichen Teiltheorien (als W i r t schaftszweiglehre) auffassen. Wie später noch nachzuweisen ist, liegen die weiteren „ O b j e k t f u n k tionen", w i e ζ. B. Lagerung und Transport, auch methodisch auf einer anderen Ebene u n d sind n u r insoweit Objektfunktionen, als sie m i t unseren beiden Grundfunktionen verbunden sind.
43212. Vorwiegend auf die Leistungsfaktoren bezogene Grundfunktionen („Beschaffung" u n d „Gesamtführung") Neben den zwei Grundfunktionen, die auf betriebliche Leistungsobjekte bezogen u n d i n allen untersuchten Systemen zu finden sind, werden i n acht bis neun der zwölf Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren zwei weitere Grundfunktionen angeführt, die auf bestimmte betriebliche Leistungsfaktoren Gesamtführung.
gerichtet
sind: die Beschaffung
u n d die
Die Beschaffungsaufgabe w i r d i n der Regel zusammen m i t den zwei objektbezogenen Grundfunktionen genannt. Soweit diese drei F u n k tionen i n einer Ablaufbetrachtung darzustellen sind, ist diese Zusammenfassung auf methodischen u n d didaktischen Gründen sehr berechtigt; zur E r k l ä r u n g der Methode der Funktionsspaltung, der damit verbundenen Unterscheidung i n originäre und derivative Funktionen und der verschiedenen Funktionssysteme reicht diese Prozeßbetrachtung aber nicht aus. Die Beschaffung k a n n auf alle Leistungsfaktoren gerichtet sein, auf Betriebsmittel und Betriebsstoffe ebenso wie auf die verschiedenen 47 Leistungsobjekte werden hier verstanden als das Ziel und Ergebnis des betrieblichen Kombinationsprozesses, als „Ertragsgüter" materieller und immaterieller Art. Vgl. dazu auch Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 306.
206
4. Die funktionale Betrachtungsweise
Träger der menschlichen Arbeit. Soweit der Beschaffungsfunktion echte Dispositionsaufgaben beigemessen werden, findet man nicht selten die Beschaffungsobjekte Personal und/oder Geldkapital 4 8 ausgegliedert; d. h. es w i r d nur die „Beschaffung i m engeren Sinne" (Sundhoff) 49 behandelt. Vier Begründungen können hierzu angeführt werden: Erstens die Behandlung der Beschaffungsfunktion bei den Leistungsfaktoren 5 0 , womit eine kombinierte Darstellung von Faktor- und Funktionsaspekten einhergeht. Zweitens eine organisatorisch-institutionelle Betrachtungsweise, die vom „Aufgabengebiet der Beschaffungsabteilungen" 5 1 i n der Praxis ausgeht. Dritter Grund ist eine besondere Gewichtung entweder der beiden Beschaffungsobjekte, insbesondere der menschlichen Arbeit — „,Arbeit beschaffen' bedeutet nicht, die ,Ware Arbeit' kaufen" 5 2 — oder der Beschaffungsaufgabe selbst, die i n Bezug auf Kapital und Personal als wesensmäßig verschieden von anderen Beschaffungsobjekten bewertet w i r d 5 3 . Viertens ist es die einseitige Sicht der drei „Umsatzfunktionen" unter dem Aspekt des gütermäßigen Prozeßablaufs. Da hier bei der Fertigung und dem Absatz nur die Endprodukte als Halb- und Fertigstoffe relevant sind, bleiben es bei der Beschaffung ebenfalls nur die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe. So schreibt ζ. B. Wöhe: „ A u f die Fragen, die m i t der Beschaffung der genannten Sachgüter zusammenhängen, wollen w i r uns i m folgenden beschränken. Sie gehören i n den Bereich der Produktion 5 4 ." Unter welchen Bereich ζ. B. die Beschaffung von Personal fallen soll, w i r d dagegen nicht geklärt. 48 Vgl. dazu Fischer, G., Die Betriebsführung, Bd. 2, a.a.O., S. 100; Mellerowicz, K., „Allgemeine BWL", Bd. 3, a.a.O., S.7ff.; Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 137 ff.; Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 37 ff. und 172 f.; Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 145 f. 49
Vgl. Sundhoff, E., Grundlagen und Technik der Beschaffung, von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, zitiert nach Seischab, H., Betriebswirtschaftliche Grundbegriffe, a.a.O., S. 52. 50 Vgl. dazu besonders Nicklisch, H., „Die Betriebswirtschaft", S. 307 ff., 398 ff., 354 ff. und Wöhe, G., a.a.O., S. 145. 51
Seischab, H., a.a.O., S. 67; vgl. dazu auch Wöhe, G., a.a.O., S. 145.
52
Nicklisch, H., a.a.O., S. 307.
63
Vgl. Lohmann, M., a.a.O., S. 139 f.; Wöhe G., a.a.O., S. 145 und Schäfer, E., a.a.O., S. 40. 54 Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 145; eine ähnliche Begrenzung findet sich auch bei Fischer, G., Die Betriebsführung, Bd. 2, S. 100; Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 37 f. und 172 f.; Mellerowicz, K., „Allgemeine BWL", Bd. 3, S. 7 ff. ; trotzdem wird in den grundsätzlichen Erläuterungen immer betont, daß die Beschaffung sowohl Personal als auch Kapital und Sachwerte umfaßt.
43. Funktionssysteme der Allgemeinen B W L
207
Die Beschaffungsfunktion w i r d i m Vergleich zur Produktion oder zum Absatz meist relativ kurz behandelt, was besonders Fischer 55 u n d Lohmann5* kritisieren. Sie w i r d trotzdem i n allen zwölf Betriebswirtschaftslehren als betriebliche F u n k t i o n genannt; allerdings ist sie bei Hoffmann u n d Lohmann m i t der Absatzaufgabe zusammengefaßt und bei ersterem als „ M a r k t - oder kommerzielle F u n k t i o n e n " 5 7 , bei letzterem als „Arbeitsbereich Geschäft" 5 8 bezeichnet. Gutenberg behandelt die Beschaffungsaufgabe weder k l a r noch gleichgewichtig; w e i t e r h i n setzt er meist dafür den nicht unbedingt synonymen Terminus „Bereitstellung". Die Bereitstellung von K a p i t a l i e n w i r d von Gutenberg einmal zu einer von sieben betriebswirtschaftlichen Hauptfunktionen erhoben 5 9 , an anderer Stelle sogar als einer von drei betrieblichen Teilbereichen bewertet 6 0 . Wichtige Aspekte der Beschaffung werden bei den Ausführungen zur Bereitstellungsplanung beim betrieblichen Teilbereich P r o d u k t i o n 6 1 zwar angeschnitten, jedoch b r i n g t dieser Abschnitt ebensowenig methodische K l a r h e i t w i e die Abgrenzung i m Teilbereich Absatz 6 2 . I n höherem Maße g i l t das für die „Einführung", i n welcher die Beschaffung trotz gesonderter Nennung als Hauptfunktion noch weniger behandelt w i r d als i n den „Grundlagen". Dieses Untersuchungsergebnis belegt eine grundsätzliche methodische Schlußf olgerung : Selbst die Bewertung einer betrieblichen Aufgabe als Hauptfunktion und ihre Einstellung i n ein Funktionssystem müssen nicht m i t adäquaten Erklärungs- oder Gestaltungszielen verbunden sein. Somit kann sich selbst ein geschlossenes Funktionssystem als ein weitgehend unverbindliches Programm ohne jegliche methodische Konsequenzen erweisen. Die zweite faktorbezogene n a n n t , i s t d i e betriebliche
Grundfunktion,
kurz Faktorfunktion ge-
Gesamtführung.
Tatsächlich ist es n u r diese F o r m menschlicher Arbeit, die neben den drei anderen Grundfunktionen Eigenständigkeit beanspruchen kann. Denn Beschaffung, Produktion u n d Absatz sind nichts anderes als auf bestimmte Leistungsobjekte bzw. -faktoren bezogene u n d damit verschiedenartig gerichtete Kombinationsprozesse der einzelnen Leistungsfaktoren, wobei der Leistungsfaktor führungsfreie A r b e i t ohne Ein55 56 57 58 59 60 61 62
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Fischer, G., Die Betriebsführung, Bd. 2, a.a.O., S. 132. Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 137. Hoffmann , Α., „Wirtschaftslehre", a.a.O., S. 187. Lohmann, M., a.a.O., S. 14. Gutenberg, E., „Einführung", a.a.O., S. 19. ders., „Grundlagen", Bd. 2, a.a.O., S. V f. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 170 ff. ders., „Grundlagen", Bd. 2, a.a.O., S. 3.
208
4. Die funktionale Betrachtungsweise
schränkung und der Faktor Führung bis zur Ressortführung m i t einbezogen sind. Die Gesamtführung ist dagegen gerade dadurch gekennzeichnet, daß sie die Ressortführungen zu einem organischen Ganzen zu koordinieren versucht, indem sie mittels ressortfreier Entscheidungen und einer gerade auf die Träger der Ressortführung gerichteten Menschenführung tätig w i r d . Soweit man also traditionelle Funktionssysteme vertritt, ist die funktionelle Abspaltung der „typischen Unternehmerleistung" methodisch gerechtfertigt. V o n den zwölf relevanten Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren m i t einem erkennbaren Funktionssystem nehmen sechs63 die Gesamtführung — Leitung oder (Betriebs-)Führung genannt — als Hauptfunktion m i t auf. Z w e i weitere 6 4 Betriebswirtschaftslehren verwenden noch den bis M i t t e der 30er Jahre (d. h. bis zum Ersatz des durch den Nationalsozialismus geförderten Terminus der Führung) vorherrschenden Begriff der Verwaltung; eine Folge der weitverbreiteten Anlehnung an die Terminologie H e n r i Fayols 65. Es w i r d dabei betont, daß an der Spitze dieser Verwaltungsfunktion die Leitungsaufgabe stehe 66 , weshalb w i r diese Auffassungen m i t sechs oben genannten 8 3 inhaltlich weitgehend gleichsetzen können. Da die Gesamtführungsaufgabe später noch ausführlich behandelt wird, können n u n die Funktionen erörtert werden, die methodisch derivative oder unselbständige K r i t e r i e n zeigen und nicht auf gleiche Ebene m i t den vier Grundfunktionen zu stellen sind.
4322. Weitere Funktionen als Grundlage individueller Systemgestaltung
Neben den vier Grundfunktionen Beschaffung, Leistungserstellung, Leistungsverwertung und Gesamtführung werden i n den Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren noch zehn 6 7 weitere angeführt; sie sind i n der 63 Vgl. Fischer, G., Die Betriebsführung, Bd. 1, a.a.O., S. 48; Gutenberg, E., „Einführung", a.a.O., S. 19; Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 15; Mellerowicz, K., „Allgemeine BWL", Bd. 1, a.a.O., S. 204; Thoms, W., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 81 f. und Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 15 f. 64 Vgl. Hoff mann, Α., Wirtschaftslehre, a.a.O., S. 181 u. 188; Rößle, K., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 178. 85 Vgl. Fayol, H., Administration industrielle et générale — Extrait du Bulletin de la Société de l'industrie Minérale, a.a.O.; sein Einfluß wird von den in Fußnote 64 genannten Autoren besonders hervorgehoben. Vgl. Hoffmann, H., a.a.O., S. 186 und Rößle, K., a.a.O., S. 178. 66 Vgl. Rößle, K., a.a.O., S.178; ähnlich Hoff mann Α., a.a.O., S.180 und S.188. 67 Es sind folgende Funktionen: Finanzierung, Verwaltung, Ertragsverteilung, Kontrolle (durch das Rechnungswesen), Rechnungslegung, Sicherung, sozialpolitische Funktion, Gestaltung, Lagerung, Transport.
43. Funktionssysteme der Allgemeinen B W L
209
Regel als Hauptfunktionen bezeichnet oder bewertet. Allerdings sind acht 68 davon höchstens zweimal genannt; diese berühren weiterhin nur ein Viertel 6 9 der zwölf relevanten Faktorsysteme. A l l diese zehn Funktionen können aus methodischen Gründen nicht mit den Grundfunktionen gleichgestellt werden. Denn sie sind bei dem gewählten Grundsystem weder i n gleicher Weise eigenständig noch originär. Vielmehr sind sie meist notwendige Teilaufgaben ersten oder gar zweiten Grades bei allen vier Grundfunktionen, also i m Regelfall einzelne Elemente
des Verrichtungsgesamts
dieser Grundfunktionen,
ohne
jedoch deren spezifischen Wesensgehalt auszumachen. Meist entfällt bei ihnen auch das Unterscheidungskriterium der „Objekt"- oder „Faktorbezogenheit", da die meisten Funktionen beide Beziehungsgehalte aufweisen. Eine Gliederung dieser „Ergänzungsfunktionen" nach methodischen Gesichtspunkten könnte erfolgen nach: a) d e r Art
ihrer
Grundfunktion, (Hasenack)
Ergänzungsaufgaben
s o w i e i h r e r Beziehung
also nach ihrem besonderen
auf die
„Verrichtungsgepräge"
70
.
So findet man erstens Teilfunktionen, die vor allem als Instrumente der Führung eingesetzt werden, wie Verwaltung, Kontrolle durch das Rechnungswesen und Rechnungslegung. Lagerung und Transport lassen sich zweitens als „Verbindungsfunktionen" bezeichnen, da sie eine Brücke zwischen den einzelnen Grundfunktionen schlagen 71 . Drittens zeigen die Sicherungs-, Gestaltungs- und die sozialpolitische Funktion geringeres prozessuales Verrichtungsgepräge und sind auch mehr als Zielfunktionen anzusprechen. b) Ein anderes Unterscheidungskriterium ist die Wertigkeit zelnen Funktionen.
der ein-
Hiernach könnten nur Verwaltung und Finanzierung sowie Lagerung und Transport als echte Teilfunktionen angesprochen werden. Dagegen sind Kontrolle durch das Rechnungswesen und Rechnungslegung Hilfs68
Lediglich Finanzierung (6mal) und Verwaltung (5mal) werden öfters genannt. 69 Vgl. dazu die Darstellungen von: Hoff mann, Thoms, Gutenberg und Wöhe. 70 Vgl. Hasenack, W., Funktionenlehre, betriebswirtschaftliche, a.a.O., Sp. 2095 f. 71 Daß Lagerung und Transport auch Teilfunktionen der Gesamtführung sind, bedarf wohl keiner näheren Begründung. Deshalb kann ein Hinweis auf die Kybernetik und die dabei auftretenden Probleme der Informationsspeicherung und -weitergäbe genügen. 14 Wunderer
4. Die funktionale Betrachtungsweise
210
funktionen 7 2 der Teilfunktion Verwaltung, während Gestaltung, Sicherung und sozialpolitische F u n k t i o n entweder als übergeordnete Zielfunktionen oder als Teilfunktionen der Gesamtführung bzw. Hilfsfunktionen der Ressort- oder Sachgebietsführung charakterisiert werden könnten. W i r ziehen es aber i m Rahmen dieser Untersuchung vor, die „ E r g ä n z u n g s f u n k t i o n e n " nach i h r e r Bedeutung
für alle erfaßten
Funk-
tionssysteme der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre einzuordnen. Danach fallen unter die erste Kategorie alle Funktionen, die nicht mehr als zweimal genannt werden, i n die zweite alle übrigen.
43221. Für das Gesamtsystem unbedeutende Ergänzungsfunktionen Hier sind zunächst die nicht verrichtungstypischen Funktionen Gestaltung, Sicherung u n d Sozialpolitik
z u nennen.
Die Gestaltung w i r d lediglich i n Gutenbergs „Einführung" erwähnt 7 3 . I n der Interpretation Gutenbergs ist sie eindeutig „objektbezogen" 7 4 und als Teilaufgabe der Grundfunktionen Absatz und Leistungserstellung zu verstehen. Genau besehen ist die zielgerechte Gestaltung eine Forderung, die für alle betrieblichen Funktionen Gültigkeit hat 7 5 . Ebenfalls nur einmal w i r d die Sicherungsfunktion aufgeführt. Hoffmann76 versteht darunter die Verminderung oder Ausschaltung von Unternehmungs- oder Betriebsrisiken. Sie ist u. E. i n erster L i n i e eine Zielfunktion, vergleichbar etwa m i t der „Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichtes" und kann als betriebliche Handlungsmaxime nicht gleichberechtigt neben die Grundfunktionen gestellt werden. A u c h n u r b e i Hoffmann
findet
sich d i e „sozialpolitische
oder Wohl-
fahrtsfunktion" 77, die entweder als eine Zielfunktion oder als „faktorbezogene" Teilfunktion der Gesamtführung bzw. Hilfsfunktion der Teilfunktionen Ressort- bzw. Gebietsführung charakterisiert werden kann. 72
Zur Terminologie vgl. Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 171.
73
Vgl. Gutenberg, E., „Einführung", a.a.O., S. 19.
74
Ebd.: „Die Sachgüter und Dienstleistungen, die den Gegenstand der Unternehmen bilden, müssen so gestaltet sein, daß sie allen technischen und absatzpolitischen Forderungen genügen." 75 I n dieser Weise wurde sie auch von Henzel verstanden, der sie als „Inbegriff der schöpferischen, erfinderischen, neugestaltenden Tätigkeit" charakterisierte. Vgl. dazu Bellinger, B., Versuch eines Gliederungssystems betrieblicher Funktionen, a.a.O., S. 234. 76
Vgl. Hoffmann, Α., Wirtschaftslehre, a.a.O., S. 188.
77
Ebd.
43. Funktionssysteme der Allgemeinen B W L
211
Die Funktionen Lagerung u n d Transport werden lediglich bei Thoms 78 und Wöhe 79 i n den Rang von Hauptfunktionen 8 0 erhoben. Dabei weist Wöhe 81 selbst darauf hin, daß beide Aufgaben sowohl bei der Leistungserstellung als auch bei der Leistungsverwertung notwendig wären. Sie können damit nur als Teilfunktionen bewertet werden. Darüber hinaus wurde schon betont, daß diese Aufgaben auch für die Gesamtführung relevant sind, da sie keineswegs n u r auf materielle Güter bezogen w e r den müssen. Schließlich sind hier noch die Funktionen „Kontrolle" (durch das Rechnungswesen) nach Gutenberg 92 u n d Wöhe 8 3 bzw. die „Rechnungsfunktion" bei Hoffmann 84 zu nennen. Sie alle sind materiell gesehen Teilfunktionen der Verwaltung. Nicklischs F u n k t i o n der Ertragsverteilung 85 kann dagegen als eine Kombination vonVerwaltungs- u n d Finanzierungsaufgaben interpretiert werden 8 6 . M i t Einschränkung könnte man die Vertreter dieser Funktionen als Anhänger einer Verwaltungsf u n k t i o n i m engeren Sinne bezeichnen. Eine Teilzusammenfassung ergibt folgende Ergebnisse: a) Die hier genannten acht Funktionen sind entweder allgemeine Zielfunktionen oder Teilaufgaben 1. und 2. Grades der Grundfunktionen. b) F ü n f davon sind lediglich einmal, die restlichen drei zweimal aufgeführt. Insgesamt sind nicht einmal die Hälfte, nämlich fünf der untersuchten Systeme davon betroffen. c) Gerade diese Funktionen sind es deshalb, die den Eindruck erwekken, die Betriebswirtschaftslehre sei „ e i n Tummelplatz individueller Betrachtung" 8 6 . d) Abgesehen von Nicklischs Ertragsverteilung können alle anderen acht Teilfunktionen auf Systeme v o n zwei Wissenschaftlern zurückge78
Vgl. Thoms, W., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 82 ff. Vgl. Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 15. 80 Schäfer bezeichnet die Lagerfunktion zunächst auch als Grundfunktion, betont aber anschließend, daß sie auch als Teilfunktion der Produktion aufgefaßt werden könne; deshalb verzichtet er in seinem Schema der betrieblichen Grundfunktionen schließlich wieder auf die Lagerfunktion. Vgl. Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 168 f. 81 Vgl. Wöhe, G., a.a.O., S. 144. 82 Vgl. Gutenberg, E., „Einführung", a.a.O., S. 19. 83 Vgl. Wöhe, G., a.a.O., S. 15. 84 Vgl. Hoffmann, Α., „Wirtschaftslehre", a.a.O., S. 187 f. 85 Vgl. Nicklisch, K., „Die Betriebswirtschaft", a.a.O., S. 560 ff. 86 Vgl. dazu Seischab, H., Betriebswirtschaftliche Grundbegriffe, a.a.O., S. 47, S. 48. 79
14·
212
4. Die funktionale Betrachtungsweise
f ü h r t werden, die ihre Erkenntnisse vor fünfzig (!) bzw. fünfunddreißig Jahren veröffentlichen: Henri Fayol 87 und Fritz Henzel 88. Soweit diese Funktionen von Autoren i n den 30er Jahren übernommen wurden, ist dagegen wenig einzuwenden. Daß aber Gutenberg und Wöhe noch heute das nahezu erste methodisch bewußte Funktionssystem der Betriebswirtschaftslehre fast unverändert adaptieren, spricht allenfalls für Henzel, zumal Gutenberg und Wöhe sich gerade methodologischen Problemen i n besonderer Weise widmeten 8 9 . e) Somit ergibt gerade die Analyse der unbedeutenden Ergänzungsfunktionen die wichtige Erkenntnis, daß trotz überwiegender A n w e n dung der funktionalen Betrachtungsweise zum Funktionssystem seit fünfunddreißig Jahren nichts wesentlich Neues erarbeitet wurde. f) Das System Henzels w i r d sogar als Grundlage für eine „Gliederung der Betriebswirtschaftslehre nach betrieblichen F u n k t i o n e n " 9 0 propagiert. Gutenberg betont darüberhinaus, daß die angeführte Funktionsgliederung vor allem Dispositionsziele zu verwirklichen habe 9 1 . Tatsächlich erfüllen aber drei der v i e r 9 2 bei Gutenberg und Wöhe aufgeführten „nebensächlichen" Teilfunktionen keine wesentlichen Gliederungsaufgaben; lediglich das Rechnungswesen w i r d jeweils i n einem Hauptkapitel behandelt. Diese F u n k t i o n ist aber Teilgebiet der Verwaltung bzw. w i r d m i t dieser weitgehend gleichgesetzt. 43222. Die bedeutsamsten Ergänzungsfunktionen („Finanzierung" und „Verwaltung") Daß diese beiden Funktionen methodisch gesehen nur Teilaufgaben darstellen und nicht gleichrangig neben die vier Grundfunktionen gestellt werden können, wurde schon erörtert. Trotzdem findet man n u n gerade diese beiden Aufgabenbereiche i n den meisten Funktionssystemen. Die Finanzierung w i r d sechs bis sieben M a l 9 3 , die Verwaltung fünf bis sieben M a l 9 4 genannt. 87
Vgl. Fayol, H., Administration industrielle et générale, a.a.O., S. 1 ff. Vgl. Henzel, F., Die Funktionsteilung in der Unternehmung, a.a.O., S. 193 ff. 89 Ebenso trifft diese Kritik Bernhard Bellinger, Versuch eines Gliederungssystems betrieblicher Funktionen, a.a.O., S. 240, der in seiner Monographie abschließend ebenfalls das System Henzels ohne jede Einschränkung oder Kritik übernimmt. 90 Vgl. Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 15; Gutenberg, E., „Einführung", a.a.O., S. 17 ff. 91 Vgl. Gutenberg, E., ebd. 92 Diese vier Teilfunktionen sind: Gestaltung, Lagerung, Transport und Kontrolle (durch das Rechnungswesen). 93 Vgl. Hoff mann, Α., Wirtschaftslehre, a.a.O., S. 187; Lehmann, M. R., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 62; Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 168 f.; 88
43. Funktionssysteme der Allgemeinen B W L
213
Die Bedeutung dieser Ergänzungsfunktionen erhöht sich noch durch die Tatsache, daß — abgesehen v o n Thoms, bei dem die V e r w a l t u n g als Teilfunktion der Führung bezeichnet i s t 9 5 — alle anderen elf Autoren zumindest eine dieser beiden Funktionen i n i h r System aufnehmen. Wie noch i m einzelnen nachzuweisen ist, sind für die besondere Gewichtung gerade dieser beiden Funktionen folgende Bestimmungsgründe maßgebend: a) E i n m a l das schon genannte Ziel einer Gliederung des betriebswirtschaftlichen Stoffes nach Funktionen. b) Zweitens sind führungsorganisatorische Usancen ein wichtiger Einflußfaktor. Es ist die Institutionalisierung der Funktionen V e r w a l t u n g (Rechnungswesen) u n d Finanzen i n eigenen Hauptabteilungen 9 6 . c) Drittens ist — vor allem bei der Finanzierung — die jeweilige makro- u n d mikromorphologische Betrachtungsweise von Bedeutung. d) Schließlich sind darüberhinaus weitere Erklärungsziele u n d -Schwerpunkte bei den einzelnen Betriebswirtschaften interpretierbar, wobei historische, methodische und didaktische Motive eine besondere Rolle spielen dürften. W i e schon angedeutet, ist u. E. die j e w e i l i g e Bewertung der Finanzierung als Haupt- oder Teilfunktion von der Gewichtung des Faktors
Kapital abhängig. Das kann meist noch auf eine entsprechend makromorphologische M o t i v a t i o n zurückgeführt werden, die bis zur methodischen Begrenzung des betriebswirtschaftlichen Erkenntnisobjekts auf die ökonomischen Tatbestände i n Unternehmungen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung reicht. Dies zeigt schon recht augenscheinlich eine Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 15; Gutenberg, E., „Grundlagen", a.a.O., Bd. 1, S. 19; Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 16. — Da Gutenberg für seine Grundlagen als dritten großen Teilbereich die Finanzierung vorgesehen hat (vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 2 S. V), kann man mit Einschränkung auch dieses Werk einbeziehen. 94 Vgl. Hoff mann, E., a.a.O., S. 186 u. 188; Nicklisch, H., „Die Betriebswirtschaft", a.a.O., S. 506 f. und 447; Rößle, K., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 148 — hier wird noch keine klare Trennung zwischen Gesamtführungs- und Verwaltungsaufgaben vorgenommen, wie dies z. B. bei G. Fischer, „Die Betriebsführung", Bd. 1, a.a.O., S. 48 und Mellerowicz, K., „Allgemeine BWL", Bd. 1, a.a.O., S. 204 geschieht. Wie schon ausgeführt, bringen Gutenberg und Wöhe die dispositionell bedeutsamste Teilaufgabe der Verwaltung, das Rechnungswesen, als Hauptfunktion, weshalb sie in gewisser Weise auch als Vertreter einer Hauptfunktion Verwaltung charakterisiert werden können. Dies gilt um so mehr, als Henzel dafür schon die Bezeichnung Verwaltung verwendete. 95 Vgl. Thoms, W., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 83. 96 Diese Anlehnung an die betriebliche Praxis zeigte sich schon bei der Definition der Beschaffungsfunktion nach den Aufgaben der industriellen Einkauf sab teilungen. Vgl. dazu Punkt 43212 dieser Arbeit,
214
4. Die funktionale Betrachtungsweise
Gegenüberstellung der Autoren, welche die Finanzierungsfunktion als Hauptfunktion i n ihr System m i t aufnehmen 97 , mit den Verfassern einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre, die anderer Ansicht sind 9 8 . Die letztere Autorengruppe legt besonderes Gewicht auf den Faktor Arbeit, wofür neben einer anthropozentrischen auch eine normativ-wertende Betrachtungsweise verantwortlich gemacht werden kann. A l l e Autoren, die der Finanzierungsfunktion eine besondere Bedeutung beimessen, begründen dies weiterhin m i t institutionellen bzw. führungsorganisatorischen Gesichtspunkten. Es sind die „Arbeits-" 9 9 oder „Teilbereiche" 1 0 0 oder „Betätigungsfelder" 1 0 1 des Betriebes, wobei die Finanzierung meist 1 0 2 als eines von drei Hauptgebieten (neben Leistungserstellung und -Verwertung) 103 bezeichnet wird. Da daneben stets andere Funktionssysteme vertreten werden, sind gewisse Überschneidungen zwischen der institutionell-organisatorischen und der funktional-systematischen Betrachtungsweise der Finanzierung festzustellen. Eine dritte Begründung für die Behandlung der Finanzierung als Hauptfunktion ist vor allem bei den Autoren zu finden, die den Begriff Finanzierung synonym m i t dem der Kapitalbeschaffung setzen 104 . Sie sind dem V o r w u r f direkt ausgesetzt i n formallogisch angreifbarer Weise ein Beschaffungsobjekt bzw. eine Beschaffungsteilfunktion zur Hauptfunktion zu erheben. Hierzu sei Wöhe zitiert: „Da die Beschaffung der verschiedenen Produktionsfaktoren und der Geldmittel sehr unterschiedliche Probleme aufwirft, ist es nicht sinnvoll, alle diese Fragen i n einem Kapitel zu behandeln 1 0 5 ." Hier ist allerdings zu fragen, ob 97
Vgl. dazu die Darstellungen von Hoffmann, Lehmann, Schäfer, Lohmann, Gutenberg und Wöhe. 98 Vgl. dazu die Darstellungen von Nicklisch, Thoms, Rößle, Fischer und Mellerowicz. 99 Vgl. Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 15. 100 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 2. 101 Vgl. Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 170. 102 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 2; Lohmann, M., a.a.O., S. 15; Lehmann, M. R., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 60 f.; Wöhe,G., „Einführung", a.a.O., S. V I ; Schäfer, E., a.a.O., S. 170. — Lediglich Hoff mann verwendet dieses Schema noch nicht, gliedert aber ausdrücklich die „betriebswirtschaftlichen Unternehmensfunktionen nach den gegenständlichen Abgrenzungen, die sie organisatorisch gefunden haben." Vgl. Hoff mann, Α., „Wirtschaftslehre", a.a.O., S. 186. 108 Diese „Hauptgebiete" werden z.T. mit eigenen Begriffsbezeichnungen belegt, wie „Werk, Geschäft, Unternehmung" bei Lehmann, IVI. R., a.a.O., S. 60 f. ; „Betrieb, Geschäft, Finanz" bei Lohmann, M., a.a.O., S. 179 ff. oder „produktionswirtschaftliche", marktwirtschaftliche, finanzwirtschaftliche Betätigungsfelder" bei Schäfer, E., a.a.O., S. 170. 104 Vgl. Hoff mann, Α., „Wirtschaftslehre", a.a.O., S. 37; Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 179 ff. und Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 15. 105 Wöhe, G., a.a.O., S. 145.
43. Funktionssysteme der Allgemeinen B W L
215
dann nicht mit gleichem Recht die Personalbeschaffung als eigene Hauptfunktion ausgegliedert werden müßte, da sie hinsichtlich der Beschaffungsprobleme der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe doch mindestens ebenso abweichende Fragen aufwirft, wie dies i m Vergleich zur Kapitalbeschaffung gilt. Wöhe w i l l deshalb die Personalbeschaffung bei der „Besprechung des Produktionsfaktors A r b e i t " 1 0 6 mitbehandeln. Dann wäre es aber logisch adäquater, die Finanzierung auch zusammen m i t dem entsprechenden Faktor Kapital darzustellen, wie das ζ. B. Fischer tut. Damit w i r d aber die methodisch allgemein interessante Frage aufgeworfen, ob nicht die faktorbezogenen Hauptfunktionen (Beschaffung und Gesamtführung) zusammen m i t den faktorbezogenen Teilfunktionen i n die Faktordarstellung einbezogen werden könnten oder sollten. Ein Tatbestand, der i n den Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren nicht selten anzutreffen ist, aber erst durch eine differenzierende Betrachtung der Grundfunktionen nach ihrer Objekt- oder Faktorbezogenheit methodisch verständlich gemacht werden kann. Soweit also die Finanzierung m i t Kapitalbeschaffung gleichgesetzt wird, ist sie formallogisch gesehen nichts anderes als eine von mehreren Teilfunktionen der Beschaffung. Werden darüberhinaus noch Fragen des Kapitaleinsatzes und der Kapitalnutzung m i t einbezogen 107 , so sind hiermit Teilfunktionen der Leistungserstellung oder -Verwertung m i t angesprochen. Sofern man pragmatischen oder didaktischen Bestimmungsgründen eine konstitutive Bedeutung bei der Bildung von Funktionssystemen zubilligen kann, ist die Finanzierung aber auch als Hauptfunktion denkbar. Schäfer bemerkt m i t Recht, daß die Verwaltungsfunktion „begrifflich ungeklärt i s t " 1 0 8 . Das hängt u. E. vor allem m i t den verschiedenen Bestimmungen des Begriffsinhaltes zusammen. Lange wurde die Verwaltung wesensmäßig weitgehend m i t Führung gleichgesetzt, was auf die Definition der „fonction administrative" 1 0 9 108
Vgl. Lehmann, M. R., a.a.O., S. 159 ff.; Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 168 ff. und Gutenberg, E., „Einführung", a.a.O., S. 93 ff. 107 Vgl. Lehmann, M. R., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 159 ff.; Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 168 ff.; Gutenberg, E., „Einführung", a.a.O., S. 93 ff. 108
Vgl. Schäfer, a.a.O., S. 176. loo Fayol definiert: „Administrer, c'est prévoir, organiser, commander, coordonner et contrôler." Vgl. Fayol, H., Administration industrielle et générale, a.a.O., S. 5.
216
4. Die funktionale Betrachtungsweise
durch Fayol zurückzuführen ist. Sehr deutlich ist diese „alte" Auffassung bei Hoffmann 110 u n d Rössle 110 erkennbar. Nachdem — nicht zuletzt unter dem Einfluß der nationalsozialistischen Terminologie — die „fonction administrative" m i t „(Betriebs-) Führung" identifiziert wurde, setzte man die Verwaltung weitgehend gleich m i t den Instrumentalfunktionen Führung, Kontrolle und rechnerische Planung. Thoms bezeichnete die Verwaltung damit auch folgericht i g als Teilfunktion der Betriebsführung 1 1 1 . B e i Gutenberg u n d Wöhe ist die „ K o n t r o l l e (durch das betriebliche Rechnungswesen)" Hauptfunktion, obgleich beide den instrumentalen Charakter dieser Aufgabe für die Führungsfunktion ausdrücklich hervorheben 1 1 2 . Fischer u n d Mellerowicz definieren die V e r w a l t u n g v o n i h r e r A u f gabe her zwar nahezu wortgleich 1 1 8 , was wiederum i n einem gemeinsamen Rückgriff auf die Begriffsumschreibung Henzels 114 begründet sein dürfte. I n der Darstellung sind dagegen die Schwerpunkte sehr unterschiedlich gewählt. Mellerowicz stellt — ähnlich Gutenberg und Wöhe — das Rechnungswesen i n den Vordergrund 1 1 5 , nennt aber als weitere Gebiete die Finanz-, Material- und Personalverwaltung, wobei er aber nur auf letztere noch näher eingeht. Fischer bringt dagegen einen — sich teilweise überschneidenden — Katalog von neun Teilfunktionen 1 1 6 , behandelt jedoch anschließend lediglich allgemeine Organisationsprinzipien. Beide Autoren sind sich dagegen einig über den instrumentalen Charakter der Verwaltung. Sie betonen übereinstimmend: 110 Vgl. Hoff mann, Α., „Wirtschaftslehre", a.a.O., S. 179 ff. und Rößle, K., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 178 ff. 111 Vgl. Thoms, W., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 56, 83 und 89. 112 Vgl. Gutenberg, E., „Einführung", a.a.O., S. 127 und Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 371. Zu Wöhe ist noch anzumerken, daß seine Funktion eigentlich „Planung und Kontrolle durch das betriebliche Rechnungswesen" heißen müßte, da er die „Wirtschaftsplanung" als eine von vier Teilfunktionen dieser Kontrollaufgabe bezeichnet. Vgl. dazu Wöhe, G., a.a.O., S. 173. 113 Vgl. Fischer, G., „Die Betriebsführung", Bd. 1, a.a.O., S. 118 und Mellerowicz, K., „Allgemeine BWL", Bd. 4, a.a.O., S. 6. 114 Vgl. Henzel, F., Die Funktionsteilung in der Unternehmung, a.a.O., S. 194 der, damit allerdings Leitung und Verwaltung definierte. 115 160 von insgesamt 174 Seiten über die Funktion Verwaltung sind dem Rechnungswesen gewidmet. Vgl. Mellerowicz, K., a.a.O., S. 6 ff. 116 Fischer, G., „Die Betriebsführung", Bd. 1, a.a.O., S. 118, nennt folgende Teilfunktionen: 1. Betriebliches Rechnungswesen, 2. Korrespondenz und Registratur, 3. Betriebsorganisation und -revision, 4. Sozial- und Personalverwaltung, 5. Rechts- und Steuerangelegenheiten, 6. Volks- und betriebswirtschaftliche Fragen, 7. Überwachung und Regelung des Zahlungs- und Kreditverkehrs, 8. Anlagen- und Vermögensverwaltung, 9. Kapital- und Zinsendienst.
43. Funktionssysteme der Allgemeinen B W L
217
„Die Verwaltung ist das ausführende Organ der Leitung 1 1 7 ." Fischer bemerkt außerdem, „daß verwaltende Aufgaben i n allen diesen Hauptfunktionen anfallen 1 1 7 , also den Charakter von Teilfunktionen haben. Damit sind bei den einzelnen Darstellungen der Verwaltung als Hauptfunktion deutliche Schwerpunktverlagerungen erkennbar; sie sind wohl auch der wesentliche Grund für die K r i t i k Schäfers an der ungeklärten Begriffsbestimmung. Dagegen besteht Übereinstimmung i n der Bewertung der Verwaltung als Instrumentalfunktion der Führung. Da — abgesehen von der Gesamtführung — alle Führungsaufgaben als Teilfunktionen der Grundfunktionen Beschaffung, Leistungserstellung und -Verwertung auftreten, gilt für die Verwaltung zwangsläufig das gleiche. Es w i r d jedoch von den hier behandelten Autoren nicht die logische Konsequenz gezogen, die Verwaltung als eine Teilfunktion der Führung zu bezeichnen. Unter den eingangs genannten Bestimmungsgründen 118 könnte dafür besonders die betriebliche Institutionalisierung der Verwaltung i n eigenen Hauptabteilungen bedeutsam sein. Daneben dürfte das didaktische Ziel, das umfangreiche Gebiet des Rechnungswesens systematisch i n die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre einzubauen, gerade bei den neueren Vertretern der Verwaltungsfunktion 1 1 0 als Hauptfunktion relevant sein. Zusammenfassend ist festzustellen: Methodisch gesehen, sind Finanzierung und Verwaltung Teilfunktionen der vier Grundfunktionen Gesamtführung, Beschaffung, Leistungserstellung und -Verwertung. W i l l man sich auf ein System von wesensmäßig „reinen", d. h. eigenständigen Grundfunktionen beschränken, dann können auch die beiden wesentlichsten „Ergänzungsfunktionen" aus methodischen (und logischen) Gründen nicht gleichrangig neben den vier anderen Aufgabenkomplexen stehen, da ihr „Verrichtungsgepräge" 1 2 0 nicht i n gleicher Weise verschiedenartig strukturiert ist wie die vier Grundfunktionen. Vielmehr besteht dieses Verrichtungsgepräge aus Strukturelementen, die konstitutive Bestandteile der Grundfunktionen sind. W i l l man also ein traditionelles Faktorsystem vertreten und die „objektbezogenen" Grundfunktionen Leistungserstellung und »Verwertung sowie die „faktorbezogenen" Beschaffung und Gesamtführung 117
Vgl. Fischer, G., a.a.O., S. 118 und Mellerowicz, K., a.a.O., S. 6. Vgl. S. 213 dieser Arbeit. 119 So bei den Darstellungen von Mellerowicz, Gutenberg und Wöhe. 120 Vgl. Hasenack, W., Funktionenlehre, betriebswirtschaftliche, Sp. 2095. 118
a.a.O.,
218
4. Die funktionale Betrachtungsweise
zur Grundlage nehmen, so kann man u. E. keine der zehn darüberhinaus genannten als Hauptfunktionen bezeichneten Aufgabenkomplexe gleichrangig einbeziehen, ohne das System methodisch zu „verwässern". Unter den zehn weiteren Funktionen nehmen die Finanzierung und die Verwaltung insofern eine besondere Stellung ein, als didaktisch durchaus beachtenswerte Gründe für eine besondere Gewichtung sprechen können. Es scheint aber, daß bei den Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren historische Einflußgrößen, insbesondere die Systeme von Fayol und Henzel zumindest i n gleicher Weise bestimmend sind. Weiterhin fällt auf, daß die besondere Gewichtung der Funktionen Finanzierung und Verwaltung eine folgerichtige und zusammenfassende Darstellung der zu ihnen gehörigen Teilfunktionen sicherstellt. Es wurde nachgewiesen, daß nicht selten verschiedene Teilfunktionen i n die Faktordarstellung verlagert sind, was insoweit verständlich ist, als Finanzierung (in erster Linie als Beschaffung von Kapitalien verstanden) 121 und Verwaltung vom Verrichtungsbezug her vorwiegend als „faktorbezogene" Teilfunktionen charakterisiert werden können. Damit w i r d übrigens auch verständlich, daß alle faktorbezogenen Grundfunktionen i n der Betriebswirtschaftslehre geringer repräsentiert sind als die objektbezogenen. Denn Beschaffung und Gesamtführung können auch innerhalb der relevanten Faktoren und damit nicht als eigenständige Hauptfunktionen abgehandelt werden, sofern man systembildende und institutionelle Gesichtspunkte vernachlässigt und darüber hinaus die Faktoren selbst überwiegend ablaufbezogen definiert.
121 I n dieser Weise definiert übrigens auch Bellinger die Finanzierung. Vgl. Bellinger, B., Langfristige Finanzierung, Wiesbaden 1964, S. 14.
44. Die Stellung und Darstellung der Unternehmerfunktion in der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre Die vorangehenden Teilkapitel zur funktionalen Betrachtungsweise hatten neben selbständigen Erkenntniszielen auch die Aufgabe, methodische und empirische Befunde für die hier zu behandelnden Fragestellungen zu erarbeiten. So liefert der Abschnitt über die Funktionssysteme i n der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre unerläßliche Grundlagen zum Problemkreis der dispositionellen Einordnung der Unternehmerfunktion i n die jeweiligen Funktionssysteme bzw. i n die Gesamtführungsfunktion. Die vorausgehende kritische Analyse der betriebswirtschaftlichen Funktionscharakterisierungen des Unternehmers außerhalb der untersuchten Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren ermöglicht dagegen interessante Parallelvergleiche zu den Definitionsansätzen der zwölf relevanten Verfasser einer Gesamtdarstellung und liefert weiterhin wertvolle Beurteilungskriterien zur Beantwortung der Frage, inwieweit die angebotenen funktionalen Unternehmerdefinitionen wirklich spezifische Aussagen erwarten lassen. 441. Die methodisch-dispositionelle Einordnung der Unternehmerfunktion Von den sechzehn untersuchten Autoren zeigen zwölf Ansätze zu einer funktionalen Definition des Unternehmers 1 . Elf vertreten explizit oder i n interpretierbarer Weise bestimmte Funktionssysteme 2 , von denen wiederum acht 8 die Gesamtführung als Hauptfunktion aufnehmen. Gerade zwischen funktionaler Unternehmerdefinition und der Verwendung eines Funktionssystems sind aber keine zwangsläufigen Abhängigkeiten zu erkennen. So bringen Leitner 4, Rieger 5 und Prion* vergleichsweise eingehende Funktionscharakterisierungen des Unternehmers, ohne gleichzeitig ein 1 Keine erkennbaren Funktionsdefinitionen des Unternehmers zeigen Walb, Nicklisch, Lehmann und Schmidt in ihren Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren. 2 Vgl. Punkt 43 dieser Arbeit. 3 Vgl. Punkt 43212 dieser Arbeit. 4 Vgl. Leitner y F., „Wirtschaftslehre", a.a.O., S. 67 ff. 5 Vgl. Rieger, W., „Einführung", a.a.O., S. 46, 72, 99. * Vgl. Prion, W., „Die Lehre", a.a.O., 3. Buch, S. 45 ff.
220
4. Die funktionale Betrachtungsweise
S y s t e m b e t r i e b l i c h e r F u n k t i o n e n z u v e r t r e t e n . A n d e r e r s e i t s verzichten Nicklisch u n d Lehmann a u f eine K e n n z e i c h n u n g des U n t e r n e h m e r s u n d d e r G e s a m t f ü h r u n g , obgleich beide — w e n n auch m e h r skizzenhaft — Funktionssysteme erörtern. S o f e r n die G e s a m t f ü h r u n g als H a u p t f u n k t i o n g e w i c h t e t w i r d , findet m a n auch d e n U n t e r n e h m e r v o n seinen A u f g a b e n h e r dargestellt. Dies b l e i b t aber d i e einzige p o s i t i v e K o r r e l a t i o n ! D e n n b e i keinem der acht V e r t r e t e r einer G e s a m t f ü h r u n g s f u n k t i o n e r f o l g t d i e F u n k t i o n s c h a r a k t e r i s i e r u n g e i n d e u t i g u n d b e w u ß t i n n e r h a l b dieser H a u p t f u n k t i o n . I m G e g e n t e i l : L e d i g l i c h b e i v i e r A u t o r e n , n ä m l i c h Ho ff mann7, Thoms*, Mellerowicz 9 u n d Fischer 10 s i n d i n f o l g e einer e n t w e d e r z w e i s e i t i g e n 7
Vgl. Hoffmann, Α., „Wirtschaftslehre", a.a.O., S. 180 ff. — Andererseits wird die unternehmerspezifische Funktionscharakterisierung innerhalb des morphologischen Teils gebracht (vgl. S. 110). 8 Vgl. Thoms, W., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 89 ff., spricht in seinem Abschnitt über die Betriebsführung nicht explizit von Unternehmerfunktionen. An anderer Stelle weist er jedoch darauf hin, daß der Unternehmer durch die „nationalsozialistische Revolution" zum „Betriebsführer gemacht" wurde (vgl. S. 58). 9 Mellerowicz, K , „Allgemeine BWL", a.a.O., behandelt den Unternehmer in einer geschlossenen Darstellung in seinem 4. Band, der den Funktionen Verwaltung und Leitung gewidmet ist, direkt nach der Leitungsfunktion. Da dieser Abschnitt noch dazu als „Die Gestalt des Unternehmers" tituliert ist und die funktionale Betrachtungsweise hier nur einen Teilaspekt bildet, könnte die Interpretation auch entgegengesetzt, d. h. in Richtung einer Darstellung unter morphologischen Gesichtspunkten, ausfallen. 10 Dieser Tatbestand gilt noch viel eindeutiger für Fischer, G., „Die Betriebsführung", Bd. 1, a.a.O., wenn man das Werk unter dispositionellen Gesichtspunkten analysiert. Denn hierbei findet sich innerhalb des strukturanalytischen Teils „Das Wesen des Betriebes", ein Abschnitt, der überschrieben ist: „Der Unternehmer und seine Aufgaben" (vgl. S. 52). Dagegen wird die Hauptfunktion Leitung unter dem Kapitel „Die Betriebsführung" (vgl. S. 104 ff.) abgehandelt. — Eine materielle Analyse des erstgenannten Abschnitts zeigt jedoch, daß in diesem nicht die Unternehmerfunktionen als solche dargestellt werden, sondern vielmehr bestimmte Anforderungen an die Art und Weise der Aufgabenerfüllung. Gegenstand ist hier also die normative Leistungsgestaltung von Gesamtführungsaufgaben, die in multifunktionaler Weise innerhalb der Hauptfunktion Leitung entwickelt werden. Fischer betont expressis verbis, daß diese Hauptfunktion mit dem „Bereich der eigentlichen Unternehmertätigkeit" (vgl. S. 52) gleichzusetzen ist. — Der Abschnitt über die Unternehmerfunktionen behandelt also weniger die Leistungsaufgaben, das „Was" und auch nicht das Leistungsergebnis. Vielmehr sind hier das „Wie" der Aufgabenerfüllung, eben die Leistungsgestaltung und — meist damit verbunden — das „Wozu", also die Zielfunktionen bzw. Verhaltensnormen in den Mittelpunkt gerückt, wobei eine normativ-wertende Betrachtungsweise deutlich erkennbar ist. — So hat der Unternehmer „dem Verbraucher alles das zu verschaffen, was dieser nach dem Stand der Volkswirtschaft und der Technik auf Grund seiner persönlichen Arbeitsleistung und dem damit erzielten Einkommen beanspruchen kann" (vgl. S. 54 f.). Darüberhinaus soll der Unternehmer dem Verbraucher einen „möglichst hohen Lebensstandard" sichern, und zwar durch Aufwands- und Preisminimierung. Diese muß jedoch trotzdem einen „angemessenen Kapitalgewinn" erlauben,
.
e Unternehmerunin
der Allgemeinen
B W L 2 2 1
oder z w e i d e u t i g e n D a r s t e l l u n g dieses P r o b l e m k r e i s e s A n s ä t z e f ü r eine a n d e r s l a u t e n d e I n t e r p r e t a t i o n gegeben. A n s o n s t e n w i r d d i e B e h a n d l u n g d e r U n t e r n e h m e r f u n k t i o n e n i n n e r h a l b d e r m a k r o - 1 1 oder m i k r o m o r p h o l o g i s c h e n 1 2 D a r s t e l l u n g a n g e k ü n d i g t , w o b e i d i e erstere häufiger d i e D i s positionsgrundlage bildet. Das g i l t ü b r i g e n s a l l g e m e i n . V o n d e n z w ö l f F u n k t i o n s c h a r a k t e r i s i e r u n g e n des U n t e r n e h m e r s finden sich v i e r b i s sechs 1 3 i n m a k r o m o r p h o logischen K a p i t e l n , v i e r 1 4 i n d e r F a k t o r d a r s t e l l u n g u n d z w e i b i s v i e r 1 5 i n n e r h a l b des F u n k t i o n s s y s t e m s . Dispositionelle Grundlage für die Behandlung des Unternehmers sind also vorwiegend die morphologischen Betrachtungsweisen, w o f ü r verschiedene B e s t i m m u n g s f a k t o r e n angef ü h r t werden können. damit „auch die im Betrieb arbeitende menschliche Arbeitskraft erhalten und gefördert, zugleich der Mensch geachtet, mit einem gerechten Lohn entschädigt und so in seiner Arbeitsfreude gestärkt wird", (vgl. S. 55). — Die sozialen Verhaltensnormen gegenüber den Mitarbeitern stehen überhaupt im Vordergrund der Unternehmercharakterisierung: „Die Fürsorge für jeden einzelnen Mitarbeiter muß eine erste Pflicht sein". Sie betrifft die „materielle Sorge" und „sittliche Betreuung des arbeitenden Menschen und die Förderung der gegenseitigen Achtung, Treue und Kameradschaft", (vgl. S. 55). — Abschließend wird noch die Frage gestellt, ob „mangelhafte soziale Pflichterfüllung" nicht nur als Kündigungsgrund für den „Geschäftsführerunternehmer", sondern auch als Anlaß für eine „Enthebung" des „Eigentumsunternehmers" aus seiner Führungsfunktion durch ein besonderes Spruchorgan gelten sollte (vgl. S. 55). — I m Grunde sind alle diese „Aufgaben" nichts anderes als eine qualitativ-normgebende Formulierung der beiden wesentlichen Teilaufgaben jeder Gesamtführung: der Gesamtführungsentscheidung („Betriebspolitik") und der Menschenführung. Daß diese Verhaltensnormen von Fischer als unternehmerkonstitutive Kriterien verstanden werden, ist in dem vorher zitierten Passus über den Verlust der Unternehmerstellung eindeutig enthalten. — Der Abschnitt über die „Aufgaben des Unternehmers" kann deshalb im Vergleich zu dem Teilkapitel über die Leitungs-/Unternehmerfunktionen allenfalls als meta- oder quasifunktional charakterisiert werden. Genau besehen ist dies eine Ergänzung der allgemeinen Darstellung der Leitungsfunktionen, die dem Unternehmer einen ausgesprochen normativen Charakter verleiht. — Wir werten deshalb auch im folgenden Teilkapitel die Ausführungen Fischers im Abschnitt „Aufgaben des Unternehmers" nicht als eigenständige Darstellung von Unternehmerfunktionen, sondern sehen diese im Abschnitt über die Teilaufgaben der Hauptfunktion Leitung als behandelt an. 11 Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 480 ff. (in Gutenbergs „Einführung" wird der Terminus „Unternehmer" im relevanten Abschnitt über die „Unternehmensführung" konsequent vermieden). Vgl. Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 217 und 286 f.; vgl. Rößle, K., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 16 ff. 12 Vgl. Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 84 ff. 13 Dies gilt für die Darstellungen von Rieger, Rößle, Lohmann und Gutenberg sowie teilweise für die von Hoff mann und Mellerowicz. 14 Hier sind Leitner, Prion, Schäfer und Wöhe zu nennen. 15 Vgl. die Darstellungen von Thoms und Fischer sowie zum Teil die von Hoffmann und Mellerowicz.
222
4. Die funktionale Betrachtungsweise
I n erster Linie ist es die Neigung, den Unternehmer zusammenfassend, d.h. unter Berücksichtigung aller Betrachtungsweisen zu behandeln. Aus dogmenhistorischen und methodischen Gründen sind dann für die Gliederung des Stoffes zwei Aspekte von vorrangiger Bedeutung. Einmal ist es die Behandlung des Unternehmers als Figur, und zwar als Figur der Gesamtwirtschaft und der Gesellschaftsordnung; häufig sind damit phänomenologische Gestaltbetrachtungen verbunden. Da zwei D r i t t e l der untersuchten Autoren diesen Gesichtspunkt auch für die Betriebswirtschaftslehre i n besonderer Weise betonen, ist dieses Vorgehen durchaus verständlich. Die Erörterung der Unternehmerfunktionen innerhalb der faktoriellen Darstellung ist methodisch auf die schon geschilderten Zusammenhänge zwischen faktorieller und funktionaler Betrachtungsweise 16 zurückzuführen, die eine klare Grenzziehung nur selten zulassen. Da die Faktorenlehre i n der Regel dispositionell vorgezogen wird, ist dann hier auch der Unternehmer schon zusammenfassend behandelt. Wie schon ausführlich erörtert 1 7 , ist es bei dem gegebenen Mangel an wirklich mikromorphologisch relevanten Problembehandlungen zum Teilerfahrungsobjekt Unternehmer bei den vorliegenden Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren tatsächlich fraglich, ob der Unternehmer getrennt i n einem faktoriellen Teil dargestellt werden kann. Somit ist festzustellen, daß die funktionale Betrachtungsweise des Unternehmers nur ausnahmsweise i n die allgemeine Funktionsdarstellung eingebaut ist. Das gilt selbst dann, wenn die Gesamtführung als Hauptfunktion behandelt wird. Allerdings sind dann doch Querverbindungen erkennbar. Diese reichen von einem ausdrücklichen Hinweis 1 8 i n der Funktionsdarstellung auf die Anwendbarkeit der zuvor behandelten Funktionsaspekte i n der Faktordarstellung über implizite partielle Gleichsetzungen, die ζ. B. i n der Formulierung zweiseitiger Unternehmerbegriffe (z.B. der Unternehmer als Leiter oder als Kapitalist) erkennbar sind 1 9 , bis zur sprachlichen Gleichsetzung von Gesamtführungsfunktion und Unternehmer, die mittels einer Personifikation 20 der Führungsfunktion erfolgt. Sofern diese Querverbindungen unterschiedliche Akzentsetzungen bei der 16
Vgl. Punkt 42 dieser Arbeit. Vgl. Punkt 413 dieser Arbeit. 18 Vgl. Mellerowicz, K., „Allgemeine BWL", Bd. 4, a.a.O., S. 195 und Fischer, G., „Die Betriebsführung", Bd. 1, a.a.O., S. 53 und 104. 19 Vgl. hierzu vor allem Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 84 ff. 20 Vgl. hierzu vor allem Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 241 ff. 17
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e Unternehmerunin
der Allgemeinen B W L
223
Funktionscharakterisierung des Unternehmers m i t sich bringen 2 1 , können sie die Lösung des nun anstehenden Problems erschweren. Deshalb ergibt auch die folgende Analyse bei den gewählten Einteilungskriterien nicht immer eindeutige oder ausschließliche Zuordnungen.
442. Die Definitionsansätze zur funktionalen Bestimmung des Unternehmers Was schon bei der Behandlung anderer Betrachtungsweisen des Unternehmers festgestellt wurde, gilt auch hier: Die Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren sind i n der Regel nicht der Ort für die Diskussion neuer, „pionierartiger" Überlegungen. Vielmehr verleiht die Neigung, sich auf die „gesicherten" Erkenntnisse zu beschränken, verbunden m i t der Übung, mehrere Auflagen bis über Jahrzehnte hinweg hinsichtlich des Unternehmers unverändert zu drucken, manchen dieser Passagen kaum mehr als dogmenhistorische Bedeutung. Weiterhin sind nur selten Abweichungen von den sonstigen Funktionscharakterisierungen des Unternehmers 22 erkennbar, weshalb diese — einschließlich der konstruktiven K r i t i k — schon den gedanklichen Unterbau für die folgenden Überlegungen abgeben können. Erschwert w i r d die Analyse einmal durch die schon erwähnten Doppelgleisigkeiten i n der funktionalen Begriffsbestimmung und zum anderen durch ungenaue Definitionen, die meist exemplarische und eklektische Umschreibungen und nur selten unmißverständliche und präzise Definitionen sind. Meist versuchen die Autoren, die Unternehmeraufgabe wieder durch verschiedene Teilfunktionen zu definieren, womit die verschiedenen Gruppen multifunktionaler Begriffsbestimmung entstehen. Zwei Richtungen sind dabei erkennbar. Die eine übernimmt weitgehend die „Phasenfunktionen" von Fayol. Die zweite bringt eine — oft recht buntgewürfelte — Auswahl von Teilfunktionen i n Katalogform, wobei die Fayolschen meist m i t aufgenommen werden. Bei den monofunktionalen Charakterisierungen sind drei Aufgaben besonders bedeutsam: die Kombination der Leistungsfaktoren, die Entscheidungsfunktion und — wieder auf anderer Ebene — der Kapitaleinsatz. Auch diese Definitionen sind nur selten eindeutig formuliert. Oft ist es nur eine besondere Gewichtung einer von mehreren genann21 Wie später noch nachzuweisen ist, gilt dies für Hoffmann, Mellerowicz und Gutenberg sowie teilweise für Lohmann und Wöhe. 22 Vgl. Punkt 42 dieser Arbeit.
224
4. Die funktionale Betrachtungsweise
ten Teilaufgaben, die zu einer A r t quasifunktionaler Begriffsbestimm u n g des Unternehmers führt. Die methodischen Verfahren der Gewichtung, der Spaltung u n d Reduktion bestimmter Systembestandteile, die bei der faktoriellen Betrachtungsweise schon ausführlich erörtert w u r d e n 2 3 , sind damit auch hier relevant.
4421. Multifunktionale
Begriffsumschreibungen
Fayol definierte seine „Verwaltungsfunktion" bekanntlich 2 4 m i t den fünf Teilaufgaben: Planung, Organisation, Koordination, Anordnung u n d Kontrolle. E i n Ansatz, der auch heute noch gerne aufgegriffen w i r d 2 5 , durch die neuere Organisationstheorie aber i n die richtigen D i mensionen gestellt worden ist. So weist vor allem Kosiol 26 darauf hin, daß solche Teilfunktionen „ i n jeder Aufgabe bereits als Zielsetzung enthalten" sind u n d mehr genetisch als zeitlich zu interpretierende Phasen der Aufgabenerfüllung 2 7 darstellen. U n d Gutenberg bezeichnet diese Teilaufgaben i n organisatorisch-institutioneller Sicht als Führungsinstrumente" 2 8 , d. h. als w e i t gehend delegierbare H i l f s m i t t e l der Gesamtführung. Bei rein funktionaler Betrachtungsweise ist diese Vorstellung jedoch nicht mehr vertretbar, da natürlich auch die Gesamtführungsaufgabe — wie jede andere — unter dem Aspekt der Phasengliederung gesehen werden kann, selbst wenn sie auf die Entscheidungs- oder Kombinationsfunktion reduziert ist. Somit sind die Fayolschen „Phasenfunktionen" zwar aufgaben», aber weder betriebs- noch unternehmerspezifisch. Soweit diese Phasenfunktionen i n den Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren genannt sind, werden sie auch mehr zur Charakterisierung der Gesamtführungsfunktion verwendet. Diese ist dann zwar gleichzeitig als Unternehmeraufgabe bezeichnet, jedoch findet m a n daneben den Unternehmer i n doppelgleisiger Weise noch m i t anderen Funktionen umschrieben. Dieser Tatbestand ist besonders bei Lohmann erkennbar. Er v e r t r i t t i n erster L i n i e w o h l eine monofunktionale Begriffsbestimmung, die auch an anderer Stelle vorgenommen w i r d , charakterisiert aber die Ge23
Vgl. Punkt 31 dieser Arbeit. Vgl. Punkt 431 dieser Arbeit. 25 Vgl. z. B. Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 238. 26 Vgl. Kosiol, E., Organisation der Unternehmung, a.a.O., S. 56 (Hervorhebungen v. Verf.). 27 Deshalb könnte man hier auch von „Phasenfunktionen" sprechen. 28 Vgl. hierzu vor allem Gutenberg, E., „Einführung", a.a.O., S. 43. 24
44. Die Unternehmerfunktion in der Allgemeinen B W L
225
samtführungsaufgabe mit Hilfe der Phasenfunktionen „Planen, Vollziehen und Kontrollieren", wobei er ausdrücklich auf Fayol verweist 2 9 . Darüberhinaus w i r d die Hauptfunktion „Gesamtdisposition über den wirtschaftlichen Prozeß" einerseits als Unternehmerfunktion bezeichnet, andererseits aber betont, daß die genannten Phasenfunktionen allgemeine Dispositionselemente darstellen, geordnet i n einer Reihenfolge, „die jeder rationalen menschlichen Betätigung innewohnt" 3 0 . Wöhe 3 1 reduziert das Fayolsche Schema ebenfalls auf drei Funktionen, nämlich Planung, Organisation und Kontrolle, bewertet diese jedoch als Teilaufgaben der übergeordneten Kombinationsfunktion. Die meistverbreitete Form multifunktionaler Begriffsumschreibung ist aber eine eklektisch-exemplarische Auswahl möglicher Führungsteilaufgaben. Von den zwölf relevanten Autoren können sechs32 dieser Gruppe zugerechnet werden, wobei j e d o c h zwei 3 3 doppelgleisig vorgehen. Nur selten sind bei diesen Funktionsdefinitionen systematische A n sätze erkennbar. Es überwiegt der Eindruck einer einfallsbestimmten Charakterisierung.
Die I n d i v i d u a l i t ä t i n der W a h l u n d Bezeichnung der
Teilaufgaben zeigt diesen Tatbestand besonders. So werden bei den sechs multifunktionalen Begriffsumschreibungen 20 34 Teilfunktionen insgesamt 35mal genannt — die Hälfte davon allerdings nur einmal. 29
Vgl. Lohmann, M., a.a.O., S. 286 ff. Vgl. Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 238. 31 Vgl. Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 84 f. 82 Vgl. dazu die Darstellungen von Leitner, Hoffmann, Thoms, Fischer, Mellerowicz und Schäfer. 33 Hierunter zählen Hoffmann und Mellerowicz. 34 Die Teilaufgaben werden hier zur besseren Übersicht schon nach Funktionsgruppen geordnet. Die in Klammern gesetzten Zahlen bezeichnen die Häufigkeit der Nennung in den relevanten Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren. Die vier bedeutsamsten ersten Funktionsgruppen wurden schon in Punkt 422 gebildet. a) Geschäfts- bzw. Betriebspolitik (3) b) Koordination (2), Disposition/Anordnung (5), Leitung (2), Regierung (1), Menschenführung (1), Auswahl leitender Mitarbeiter (1), Kontakt zum Betriebsrat und Sorge für Mitarbeiter (1), Kontakt mit Aufsichtsorganen bei Kapitalgesellschaften (1), Führungsbesprechungen (1) c) Planung (2), Organisation (3), Kontrolle (2) d) Repräsentation (2) e) Gestaltung (1) — sie ist, wie schon bemerkt wurde, einmal als allgemeine Zielfunktion, zum andern als eine Instrumentalfunktion der Führung zu bezeichnen. Letzteres gilt auch für die Verwaltung, die Thoms weitgehend mit Organisation gleichsetzt. f) Initiative (2) — sie ist kein Aspekt der funktionalen, sondern einer „charakterisierenden" Betrachtungsweise. g) Vollziehung (1) — sie kann nur insoweit als Führungsteilaufgabe gelten, als damit „höchstpersönliche Ausführungsaufgaben" verstanden sind. 30
15 Wunderer
226
4. Die funktionale Betrachtungsweise
Eine genauere Analyse ergibt jedoch, daß 14 dieser 20 Teilaufgaben unter die schon früher entwickelten vier Funktionsgruppen 3 4 subsumiert werden können. Die restlichen 6 Teilfunktionen können w i r dagegen nicht oder nur sehr bedingt als Führungsfunktion bezeichnen, weshalb sie erst recht keine unternehmerspezifische Relevanz aufweisen. Wie die unten stehende Tabelle weiter erkennen läßt, werden vor allem Teilaufgaben der Gruppen b) und c) zur Funktionscharakterisierung des Unternehmers herangezogen 35 . Die sachlichen und menschlichen Weisungsaufgaben stehen dabei m i t Abstand an erster Stelle 30 . Die zweitwichtigste Funktionsgruppe besteht aus den allgemeinen I n strumentalaufgaben der Führung 3 7 ; sie kann auch als verkürztes Schema der Fayolschen Phasenfunktionen angesehen werden. Diese zwei Funktionsgruppen sind aber grundsätzlich weder betriebsnoch unternehmerspezifisch, sondern allenfalls 3 8 charakteristisch für jede menschliche Führungsaufgabe 39 . Betrachtet man die restlichen acht der genannten Teilaufgaben, so kann man höchstens vieren davon, nämlich der Betriebspolitik, der Repräsentation, der Finanzierung und der Auftragsbeschaffung betriebsspezifischen Charakter beimessen. Unternehmerspezifischen Charakter würden wir, zunächst ohne nähere Erläuterungen, nur der Betriebspolit i k zugestehen. Keines dieser beiden Kriterien t r i f f t dagegen die anderen genannten Teilaufgaben „Gestaltung", „Verwaltung", „Vollziehung" und „Initiative". A l s Ergebnis
dieser Analyse
k a n n m a n also festhalten, daß z u r multi-
funktionalen Definition des Unternehmers — hier meist als Träger der Gesamtführungsaufgabe gesehen — vorwiegend allgemeine Teilaufgaben jeder Führung herangezogen werden. Diese können keineswegs h) Finanzierung (2) und Auftragsbeschaffung (1) — sie sind grundsätzlich Teilfunktionen der Beschaffung bzw. der Leistungsverwertung. Für die Gesamtführung können sie nur über die Ortungskriterien „Bedeutung für die Existenz und Ertragslage des Betriebes" und „Relevanz für den Betrieb als Ganzes" bedeutsam werden. 35 22 der insgesamt 35 Nennungen sind auf diese zwei Gruppen konzentriert. 36 9 der 20 Teilfunktionen fallen unter diese Kategorie. 37 Die hier genannten 3 Funktionen werden insgesamt 7mal genannt. 38 Die In strumentai funktionen Planung, Organisation und Kontrolle sind — innerhalb des delegierten Entscheidungsspielraums — auch zur Durchführung ausführender Aufgaben erforderlich und damit nicht einmal ausschließlich führungsspezifisch. 39 Die bei Fischer genannten Unteraufgaben der Menschenführung „Kontakte zum Betriebsrat" und „Kontakt zum Aufsichtsrat" können durch ihre Objektbeziehung als betriebs- und u.U. auch als unternehmerspezifisch gewertet werden.
44. Die Unternehmerfunktion in der Allgemeinen B W L
227
das besondere Aufgabenkombinat der Führungsspitze kennzeichnen, ja nicht einmal spezielle Anforderungen wiedergeben, die sich aus der Führung einer Unternehmung ergeben. Denn 8 0 % aller genannten Teilfunktionen kennzeichnen ebenso schon den Meister i m Betrieb, den Gruppenleiter einer Behörde oder den Zugführer einer militärischen Einheit. Die restlichen 20 °/o — also vier Teilaufgaben — können weitgehend als betriebsspezifische Funktionen angesehen werden, wenngleich die Repräsentationsaufgabe i n dieser Weise nirgends eindeutig formuliert ist. Da Repräsentation, Finanzierung und Auftragsbeschaffung von der obersten Führung an die nachgelagerte Führungsebene delegiert werden könnten und damit nicht ohne nähere Begründung als spezifisch für die Führungsspitze — also unternehmerspezifisch, soweit die makromorphologischen Kriterien erfüllt sind — bezeichnet werden dürfen, bleibt als unternehmerkonstitutive Kategorie autonomen betriebspolitischen Entscheidung.
lediglich
die Aufgabe
der
Damit können statistisch gesehen lediglich 5 °/o aller genannten Teilaufgaben als Unternehmer konstitutiv bewertet werden; allerdings w i r d die Teilaufgabe der betriebspolitischen Entscheidung von der Hälfte der hier sechs relevanten Autoren angeführt. Die Führungsgesamtaufgabe kann nun aber nicht nur durch eine einzige betriebs-/unternehmungs- und unternehmerspezifische Teilaufgabe erfaßt werden, wenn man einen multifunktionalen Ansatz wählt. Vielmehr ist hier entscheidend die Zusammensetzung des Funktionskombinats. Aus diesem Grunde scheint es zweckmäßig, die sechs Funktionscharakterisierungen i n einer tabellarischen Übersicht i n ihrem Funktionskombinat zu skizzieren. Als Gliederung für die rangmäßige Anordnung diene dabei die Anzahl der verwendeten Teilfunktionen. Thoms 40 Leitung Gestaltung Verwaltung
40
Schäfer
41
Disposition Menschenführung Organisation Initiative
Leitner
42
Geschäftspolitik Disposition Organisation Finanzierung Auslese leitender Mitarbeiter
Vgl. Thoms, W., „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 88 f. — Thoms verbindet seine Teilfunktionen mit dem Ortungskriterium „Relevanz für den Betrieb als Ganzes". 41 Vgl. Schäfer, E., „Die Unternehmung", a.a.O., S. 109. — Schäfer weist darauf hin, daß neben der so umschriebenen „Führungsfunktion" beim Unternehmer auch noch die „Kapitalistenfunktion" gegeben sein kann. 42 Vgl. Leitner, F., „Wirtschaftslehre", a.a.O., S. 67. — Leitner definiert die Dispositions- und die Organisationsfunktion noch in betriebsspezifischer 15*
4. Die funktionale Betrachtungsweise
228 Hoffmann
43
Leitung Regierung Anordnung Vollziehung Initiative
Mellerowicz
44
Betriebspolitik Disposition Koordination Planung Organisation Kontrolle Repräsentation
Fischer
45
Betriebspolitik Disposition Planung Kontrolle Finanzierung Auftragsbeschaffung und Kundenkontakte Repräsentation Kontakt mit Aufsichtsrat Kontakt mit Betriebsrat und Sorge für Mitarbeiter Führungsbesprechungen und Konferenzen
Eine kritische Analyse der vorliegenden multifunktionalen Unternehmerdefinitionen deckt verschiedene Schwächen auf: a) Besonders die umfangreicheren Aufgabenkataloge zeigen Wiederholungen und Überschneidungen. — So müßten bei Hoffmann die Teilfunktionen Leitung, Regierung und Anordnung zu einer einzigen zusammengefaßt werden. Ebenso könnte man bei Fischer die drei „Kontaktteilfunktionen" zu einer verschmelzen. Ähnliches gilt für die zwei Aufgaben „Repräsentation" und „Kontakt mit Auftraggebern". b) Manche Funktionsschemata enthalten methodisch ungleichwertige Elemente. — Das gilt vor allem für die Instrumentalfunktionen Planung, Organisation und Kontrolle. Denn diese sind Methoden oder Teilaufgaben der betriebspolitischen Entscheidungsfindung oder betrieblicher Dispositionsfunktionen. Diese K r i t i k trifft, abgesehen von Hoffmann, alle Autoren. Weiterhin stehen rein formal definierte Führungsteilaufgaben neben inhaltlich und objektmäßig genau abgegrenzten Funktionen. Zu letzteren zählen ζ. B. die Finanzierung, die Auslese leitender Mitarbeiter, sowie die Disposition über andere Hauptfunktionen (Fischer)
oder P r o d u k t i o n s m i t t e l (Leitner). Schließlich sind hier noch die
Kontaktaufgaben m i t Aufsichtsrat bzw. Betriebsrat zu nennen. Weise; ja er verbindet letztere sogar noch mit der Zielfunktion des erwerbswirtschaftlichen Prinzips, definiert damit nach dem von ihm verwendeten kapitalistischen Ordnungsmodell sogar unternehmungsspezifisch (vgl. dazu auch S. 24). 43 Vgl. Hoffmann , Α., „Wirtschaftslehre", a.a.O., S. 180. 44 Vgl. Mellerowicz, K , „Allgemeine BWL", Bd. 4, a.a.O., S. 180 und S. 190. — Mellerowicz bezeichnet die genannten Teilaufgaben als die „wichtigsten", betont also den Auswahlcharakter. Innerhalb dieses Katalogs wird dann die Betriebspolitik noch einmal rangmäßig an die Spitze gestellt. 45 Vgl. Fischer, G., „Die Betriebsführung", Bd. 1, a.a.O., S. 104. — Fischer betont in gleicher Weise den Auswahlcharakter. Er definiert außerdem fast alle Teilfunktionen in betriebs- u. fünf in unternehmerspezifischer Weise (S. 104).
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e Unternehmerunin
der Allgemeinen
B W L 2 2 9
c) Die meisten Funktionskombinate zeigen allenfalls einen führungsspezifischen Charakter. — Lediglich Leitner und Fischer definieren alle Teilaufgaben betriebs- bzw. unternehmungsspezifisch und die meisten unternehmerspezifisch. d) Die inhaltliche Charakterisierung der Teilaufgaben kann also i n gewisser Weise die expressive Formulierung einer betriebs- bzw. unternehmungsspezifischen Charakterisierung bzw. die Bestimmung von unternehmerspezifischen Ortungskriterien ersetzen. — Methodisch einwandfreier und eleganter scheint uns aber die Verbindung beider Verfahren, wie sie bei Gutenberg zu finden ist 4 8 . e) Aber selbst die betriebs- bzw. unternehmungsspezifischen und unternehmerspezifischen Begriffsumschreibungen der Gesamtführungsaufgabe von Leitner und Fischer zeigen noch einen eklektisch-einfallsbestimmten Charakter. Denn es liegt auf der Hand, daß ζ. B. die sog. A u f tragsbeschaffung, die Auslese leitender Mitarbeiter oder die „Beschaffung des Unternehmerkapitals" nur Beispiele für unternehmerspezifische Aufgaben darstellen können. Somit sind die multifunktionalen Ansätze zu einer Begriffsbestimmung des Unternehmers insgesamt als wenig befriedigend anzusehen. Das gilt besonders für die Beschreibung durch die Fayolschen Phasenfunktionen, die allerdings bei zwei relevanten Autoren nur eine von mehreren Definitionsformen bilden. Aber auch bei den weiter ausgebauten Versuchen können allenfalls zwei der sechs Betriebswirtschaftslehren den Unternehmer i n seiner funktionalen Besonderheit skizzieren, wobei selbst hier noch mehrere methodische Mängel stören. Interessant ist, daß bei allen acht Autoren diese multifunktionalen Definitionsversuche primär auf die Bestimmung der Gesamtführungsfunktion gerichtet sind, wobei der Unternehmer jedoch ausdrücklich als ihr Träger genannt wird. I n fünf dieser Betriebswirtschaftslehren versuchen die Verfasser an anderer Stelle, den Unternehmer primär funktional zu umschreiben. Während ein Ansatz 4 7 keine greifbaren Ergebnisse bringt, fallen v i e r 4 8 monofunktional aus. 4422. Mono funktionale
Definitionsansätze
Die monofunktionalen Unternehmerdefinitionen konzentrieren sich vor allem auf die Entscheidungsaufgabe und die Kombinationsfunktion. 46
Vgl. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 132 f. Vgl. dazu Fischer, G., „Die Betriebsführung", Bd. 1, a.a.O., S. 52 ff. sowie die Fußnote 10 in Pkt. 41 dieser Arbeit. 48 Vgl. die Darstellungen von Lohmann, Wöhe, Hoffmann, Mellerowicz. 47
230
4. Die funktionale Betrachtungsweise
Lediglich zwei der insgesamt zwölf Begriffsbestimmungen 49 nehmen andere Funktionen zur Grundlage. Interessant ist weiterhin, daß nur drei 5 0 sich ausschließlich auf diese Definition stützen, während über die Hälfte daneben noch eine multifunktionale Betrachtungsweise vertritt. Zunächst soll die Kombinationsfunktion als Grundlage für die Charakterisierung der Unternehmeraufgabe behandelt werden. Denn sie kann als eine substantielle Formulierung der Gesamtführungsaufgabe verstanden werden. Letztere müßte aber die drei konstitutiven Teilaufgaben der Gesamtführungsentscheidung, der betrieblichen Menschenführung und der höchstpersönlichen Ausführungstätigkeiten 5 1 einschließen. Ob man diese Interpretation bei den vorliegenden Darstellungen ohne weiteres akzeptieren kann, w i r d noch zum Schluß dieses Teilkapitels zu untersuchen sein. Daß die Kombinationsfunktion über drei Viertel 5 2 aller monofunktionalen Unternehmerdefinitionen erfaßt, dürfte i n erster Linie auf den Einfluß der Volkswirtschaftslehre zurückzuführen sein. Zwei Definitionen sind hier besonders interessant; sie sind beide mit dem Namen hervorragender und berühmter Wissenschaftler verbunden. Die eine ist die Kombination der Produktionsfaktoren nach J. B. Say , der ja auch den Unternehmer zum ersten M a l i n den Mittelpunkt eines volkswirtschaftlichen Systems stellte. Die andere ist die Durchsetzung neuer Kombinationen von J. Schumpeter, der den Unternehmer ebenfalls i n das Zent r u m einer nun dynamischen „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" rückte. Während i n der Version Says die Aufgabe oder Tätigkeit einer Kombination von Produktionsfaktoren definitorisches Erkenntnisziel ist, steht bei Schumpeter — statt der Leistungsgestaltung — das Leistungsergebnis, der Erfolg der neuartigen Kombination i m Vordergrund. Weiterhin ist die erste Funktionscharakterisierung Says zwar substantiell, da auf die Produktionsfaktoren bezogen, jedoch ohne qualitative Wertung, also erfolgsneutral. Bei der Begriffsbestimmung Schumpeters sind dagegen erfolgsbezogene intensive Größen — die „neuartigen Kombinationen", die „Durchsetzung" — konstitutive Bestandteile. 49 Diese beiden Definitionen stammen von Rieger und Lohmann. Die zwölf Begriffsbestimmungen haben nur acht Autoren, da Mellerowicz und Gutenberg zwei und Lohmann sogar drei verschiedene monofunktionale Charakterisierungen bringen. Die acht Autoren sind: Hoff mann, Rieger, Prion, Rößle, Mellerowicz, Lohmann, Gutenberg und Wöhe. 50 Dies sind: Rieger, Prion, Rößle. 51 Vgl. dazu Punkt 424 dieser Arbeit, insbesondere Punkt 4244. 52 Von den zwölf Begriffsbestimmungen sind es neun; davon stammen je zwei von Gutenberg, Mellerowicz und Lohmann und je eine von Ho ff mann, Rößle und Wöhe.
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der Allgemeinen
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Von den neun relevanten Definitionen der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre zeigen fünf eine Anlehnung an das Konzept Says und vier an die Vorstellungen Schumpeters. So bezeichnet Ho ff mann den als Unternehmer, „der das zur Verfügung gestellte Kapital zur Disposition über die realen Produktionsmittel verwendet" 5 3 . Wöhe umschreibt die „Tätigkeit der Führungsspitze", die er anschließend i m Unternehmer personifiziert sieht „(als) die Führung des Betriebes, die die Kombination der menschlichen Arbeitskraft mit den Betriebsmitteln und Werkstoffen plant, organisiert und kontrolliert" 5 4 , und zwar m i t dem Ziel einer Rentabilitätsmaximierung des Betriebskapitals. Somit verbindet Wöhe die Kombinationsfunktion mit der beim kapitalistisch-marktwirtschaftlichen Ordnungsmodell unternehmungskonstitutiven Zielfunktion; gleichzeitig nennt er Fayolsche Phasenfunktionen als Unteraufgaben der Kombination von Leistungsfaktoren. Auch bei dieser Begriffsbestimmung Wöhes dürfte Gutenberg weitgehend Pate gestanden haben. Für i h n ist „die Kombination der elementaren Faktoren schlechthin die betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Aufgabe der Unternehmer i n marktwirtschaftlichen Systemen" 55 . Gutenberg lehnt dabei ausdrücklich die Schumpetersdie Version ab und betont weiterhin, daß die Unternehmeraufgabe nicht durch einzelne Teilaufgaben, wie die Kapital-, Risiko- und Führungsfunktion zu kennzeichnen sei, zumal letztere nicht den „Anspruch der Unternehmer auf Unternehmergewinn begründen (könnten)" 55 . Diese Vorstellungen fordern i n verschiedener Hinsicht eine kritische Beurteilung: a) Zunächst ist interessant, daß Gutenberg damit selbst auf die Identität von volks- und betriebswirtschaftlicher Unternehmerdefinition und so auf die mangelnde Eigenständigkeit betriebswirtschaftlicher Begriffsbestimmung hinweist. b) Auch scheint es als sehr fragwürdig, ob — wie Gutenberg ausführt — heute noch die erste und alleinige betriebswirtschaftliche Problemstellung bezüglich des Unternehmers i n der Begründung seines Gewinns bzw. Gewinnanteils gesehen werden kann. c) Gutenberg lehnt einerseits eine qualitative Unternehmerdefinition an Hand Schumpeters Version ab. Andererseits definiert er den A n spruch auf Unternehmergewinn — i m Sinne eines betriebswirtschaft53 54 55
Hoff mann, Α., „Wirtschaftslehre", a.a.O., S. 110. Wöhe, G., „Einführung", a.a.O., S. 84. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 5.
232
4. Die funktionale Betrachtungsweise
liehen Erkenntnisziels — eindeutig erfolgsbezogen, nämlich als „eine Vergütung für die erfolgreiche Durchführung produktiver Kombinationen" 5 6 . Somit kann die für das Unternehmerproblem konstitutive Fragestellung wohl kaum durch eine Analyse der „Kombination schlechthin" gelöst werden. d) Schließlich bringt Gutenberg an anderer Stelle eben die Definition, die er zuvor ausdrücklich mißbilligt. Sie lautet: „Eigentümer, die zugleich Geschäftsführungsfunktion besitzen, werden hier als Unternehmer bezeichnet 57 ." Das heißt, die Kapital- und Gesamtführungsfunktionen sind nun auf einmal Grundlage der aufgabenbezogenen Unternehmerdefinition. Mellerowicz und Lohmann beschreiben die Kombinationsfunktion differenzierter, wobei der hierarchische Aspekt ansatzweise berücksichtigt wird. Da die Kombinationsfunktion aber nicht so dezidiert zur alleinigen Definitionsgrundlage erhoben ist, könnte man diese beiden Begriffsbestimmungen auch als quasifunktionale bezeichnen. Mellerowicz formuliert: „Als Unternehmer bezeichnen w i r diejenigen Leiter von Betrieben, die unter Einsatz privaten Kapitals — und damit unter Eingehen von Risiken und Wahrnehmen von Chancen — diejenige Kombination der Produktionsfaktoren und deren Verwertung i m Absatzmarkt planmäßig erstreben, die ihnen auf kürzere oder längere Sicht eine möglichst große Rentabilität des i m Betriebe arbeitenden Eigenkapitals (das nicht ihr Kapital zu sein braucht) gewährt 5 8 ." Da der Einsatz eigenen Kapitals kein konstitutives K r i t e r i u m darstellt, ist auch die unternehmerische Kapitalistenfunktion nicht relevant. Vielmehr soll hiermit — was anschließend noch hervorgehoben w i r d — die marktwirtschaftliche Zielfunktion der Rentabilitätsmaximierung näher begründet werden. Der Passus über die „Verwertung i m Absatzmarkt" ist überflüssig und inkonsequent. Denn auch die Absatzfunktion ist nichts anderes als eine Kombination bestimmter Produktionsfaktoren. Die Definition von Mellerowicz kann jedoch insofern als unternehmerspezifisch interpretiert werden, als die Funktionscharakterisierung ausdrücklich nur auf die „Leiter von Betrieben", also die Träger der Gesamtführungsaufgabe, bezogen wird. Die Begriffsbestimmung Lohmanns ist weniger präzis 59 , vor allem bezüglich des unternehmerspezifischen Ansatzes. Weiterhin lautet die 59
Ders., S. 5 f. Ders., S. 481, vgl. dazu auch S. 483. 58 Mellerowicz, K., „Allgemeine BWL", Bd. 4, a.a.O., S. 192. 59 Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 286 definiert: „Diese Träger sind vorzugsweise an der Willensbildung im Bereiche der Unternehmung beteiligt 57
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der Allgemeinen
B W L 2 3 3
Zielfunktion nur noch: Einkommenserzielung für die am Unternehmensprozeß Beteiligten. Da Lohmann die Unternehmeraufgabe als systemindifferent ansieht, ist diese Einschränkung folgerichtig 60 . Als Besonderheit ist noch zu vermerken, daß er außerdem den Führungsstil mit i n seine Definition aufnimmt. Dagegen kann man die „vorzugsweise" Beteiligung „an der Willensbildung" 6 1 u. E. nur bedingt als unternehmerspezifisches K r i t e r i u m ansehen; man müßte dann interpretieren, daß Lohmann m i t dieser Formulierung eine qualitative Auswahl unter der Vielzahl der i m Betrieb anfallenden Führungsentscheidungen meint, wobei der Unternehmer an den qualitativ hochwertigen Willensentschlüssen dann „vorzugsweise" beteiligt wäre. Denn eine quantitative Interpretation würde eine genau gegenteilige Schlußfolgerung verlangen. D i e nach d e m Vorbild
Schumpeters
gebildeten
Funktionsdefinitionen
weisen ebenfalls verschiedene Ausprägungen auf. So zeigt die zweite Begriffsumschreibung von Mellerowicz auf Grund ihrer hier ebenfalls genannten Zielfunktion der Rentabilitätsmaximierung und ihrer angedeuteten Faktorbeziehung eine deutliche Verwandtschaft m i t der vorstehend behandelten Richtung. Auch ist für Mellerowicz „der Gesichtspunkt der ,neuen Kombination'" nicht das einzig konstitutive, sondern nur das „wichtigste Kennzeichen des Unternehmers" 6 2 . Allerdings schließt er sich dann einer zitierten Passage von H. Sauermann an, die Schumpeters Gedankengänge i n reinster Ausprägung wiedergibt 6 3 . Man könnte diesen Ansatz deshalb insgesamt als quasimonofunktional charakterisieren. Rössle, der sich als einziger dieser Definitionsrichtung ausschließlich bedient, folgt Schumpeters Ausführungen ohne Einschränkung, ja wörtlich 6 4 . Den Einbau der Zielfunktion Gewinnerzielung bzw. Rentabilitätssicherung lehnt er dagegen ausdrücklich ab, da er nicht der betrieblichen Wirklichkeit entspreche und „eine Verkennung seiner (des Unternehmers; Anm. d. Verf.) Tätigkeit" 6 4 sei. und setzen menschliche Arbeitsleistung und materielle und immaterielle Produktionsmittel ein, um (meist unter Vorwegnahme von Nachfrageentscheidungen) im Markt realisierbare Leistungen hervorzubringen. Durch Verwertung der Leistung suchen sie für sich . . . und zugleich für alle anderen am Unternehmensprozeß Beteiligten Einkommen zu erzielen. Dabei lassen sie sich in ihrer Wirtschaftsführung in zunehmendem Maße von dem Gedanken leiten, daß sie auf Kooperation sowohl im Innern der Unternehmung als auch mit der Außenwelt angewiesen sind." 60 Vgl. Lohmann, M., „Einführung". a.a.O., S. 288. 61 Vgl. ders., S. 286. 62 Mellerowicz, K , „Allgemeine BWL", Bd. 4, a.a.O., S. 194. 63 Vgl. ders., S. 194. 64 Vgl. Rößle, K , „Allgemeine BWL", a.a.O., S. 20.
234
4. Die funktionale Betrachtungsweise
Die beiden folgenden Begriffsbestimmungen von Gutenberg und Lohmann unterscheiden sich insofern von den vorhergehenden, als sie bewußt Tatbestände treffen wollen, die sie als speziell und von der Norm abweichend betrachten. Lohmann bezeichnet diese A r t von Unternehmer als „Pionierunternehmer" bzw. „Unternehmer i m engeren Sinne", dessen Tätigkeit den „Charakter einer Pionierleistung i n Durchsetzung technischer (aber doch wohl auch vertriebstechnischer und finanzieller) und wirtschaftlicher Fortschritte hat"' 85 . Gutenberg stellt neben den formal durch die „beiden Koordinaten Eigentum und L e i t u n g " 6 8 bestimmten Unternehmerbegriff den der „unternehmerischen Persönlichkeit". Dieser umfaßt einmal durch die Berücksichtigung von Persönlichkeitsmerkmalen Kriterien der charakterisierenden Betrachtungsweise, zum anderen legt er ganz besonders auf jenen „groß angelegte(n) Typ (an), der, ein ständiges Element der Unruhe, den vorwärtstreibenden Impuls kapitalistischer Entwicklung bildet" 6 7 , ohne selbst notwendigerweise Kapitalistenfunktionen auszuüben. Methodisch interessant ist einmal, daß man bei diesen Unternehmerdefinitionen den Terminus Funktion nicht mit Aufgabe übersetzen kann, sondern mit Tätigkeit und Leistungsergebnis gleichsetzen muß. Damit w i r d weiterhin offenbar, daß diese qualitativen Begriffsbestimmungen i n der betrieblichen Praxis nur ex post durchführbar sind. Denn erst nach erfolgreicher Durchsetzung neuer Kombinationen kann sich dieser Unternehmerbegriff konstituieren. Drittens hat die Funktion der „Durchsetzung neuer Kombinationen" ohne weitere Erläuterungen weder betriebs- noch unternehmensspezifische, ja nicht einmal führungsspezifische Relevanz. Diese erhält sie bei Schumpeter über den Umweg der beispielhaften Aufzählung solcher Kombinationen, die aber lediglich von Rössle übernommen wird. Unternehmerdefinitionen, die sich an die Vorstellungen Says halten, vermeiden die beiden erstgenannten der drei vorstehend aufgeführten Mängel. Sie sind durch die Faktorbeziehung auch betriebsspezifisch charakterisiert. Die Kombinationsfunktion kann darüberhinaus noch als führungsspezifisch akzeptiert werden. Jedoch ist sie nicht eo ipso unternehmerspezifisch. Denn auch die Ressortführung kombiniert bei ihrer Aufgabenerfüllung die verschiedensten Leistungsfaktoren; man denke nur an die Ressortführung der Hauptfunktion Produktion! Die Volkswirtschaftslehre kannte solche betriebswirtschaftlichen Differenzierun65 M 67
Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 287. Gutenberg, E., „Grundlagen", Bd. 1, a.a.O., S. 483. Ders., S. 482.
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der Allgemeinen
B W L 2 3 5
gen nicht; doch sollte gerade dieser Tatbestand für die Betriebswirtschafter ein Anlaß sein, die Möglichkeit einer Übernahme von Definitionen aus der Schwesterdisziplin gründlich und kritisch zu prüfen. Konkret und exemplarisch gesprochen heißt das: die Kombination der Leistungsfaktoren „schlechthin" kann auch i n marktwirtschaftlichen Systemen den Unternehmer aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht ausreichend kennzeichnen, da er mit dieser Begriffsbestimmung von anderen Mitgliedern der Betriebsführung funktional nicht ohne Verwendung besonderer Ortungskriterien abgrenzbar ist. Diese K r i t i k t r i f f t streng genommen alle fünf Autoren, wenn man auch bei Mellerowicz und u. U. bei Lohmann gewisse Ansätze zu einer unternehmerspezifischen Formulierung interpretieren kann. Die zweitwichtigste Gruppe monofunktionaler Unternehmerdefinitionen wählt die Entscheidung zum konstitutiven Kriterium. Vertreter dieser Richtung sind Prion und Mellerowicz. Mellerowicz wurde schon als Anhänger einer multifunktionalen und einer anderen monofunktionalen Begriffsbestimmung genannt. Prion beschränkt sich dagegen auf die Darstellung dieses Aspektö 88 . Wie früher schon eingehend dargestellt 69 , ist die Entscheidungsfunktion i n der Volkswirtschaftslehre bereits seit der Klassik bekannt. Es wurde weiterhin entwickelt, daß die Entscheidungstheorie über die Lehre von der Betriebspolitik i n die Betriebswirtschaftslehre Eingang fand und daß heute der Entscheidungsaspekt sowohl bei den neueren allgemeinen methodologischen Veröffentlichungen als auch bei den Funktionscharakterisierungen des Unternehmers i m Vordergrund steht. Dieser Tatbestand gilt jedoch nicht \a gleichem Maße für die Veröffentlichungen zur Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre, was nicht zuletzt auf das Problem des „time lag" zurückzuführen sein dürfte. Immerhin brachte aber Prion schon vor über dreißig Jahren die deutlichste Aussage zur entscheidungsbezogenen Unternehmerdefinition, während bei Mellerowicz diese Begriffsbestimmung nicht i m Mittelpunkt steht. Die entscheidungsbestimmte Unternehmerdefinition ist also lediglich bei einem Zehntel aller Unternehmercharakterisierungen und weniger als einem Sechstel aller monofunktionalen Definitionen zu finden. Prion geht zunächst aus didaktischen Gründen von einer multifunktionalen Begriffsumschreibung aus und entwickelt mit Hilfe der Delega88 Die von Prion, W., „Die Lehre", a.a.O., 3. Buch, S. 104 gebrachte Definition betrifft den Betriebsführer, der bei Prion aber nicht mit dem Unternehmer gleichgesetzt werden kann. 89 Vgl. Punkt 421 dieser Arbeit.
236
4. Die funktionale Betrachtungsweise
tionstheorie die nicht mehr delegierbare „letzte und verantwortungsvolle Entscheidung", die „die Unternehmung und ihren Betrieb als Ganzes" betrifft. Prion verweist dabei auf die Gedanken Erich Hausser manns™.
I n gewisser Weise kann auch bei Mellerowicz eine ähnliche Unternehmerdefinition interpretiert werden. Sie w i r d wie bei Prion mit Hilfe der Delegationstheorie entwickelt. Mellerowicz weist indirekt darauf hin, daß sein multifunktionaler Katalog bis auf eine Teilfunktion, die Betriebsfunktion, nicht unternehmerspezifisch sei. Diese bezeichnet er als die „wichtigste Aufgabe des Unternehmers" 7 1 . Durch einen Umkehrschluß, den er selbst allerdings nicht zieht, ist u. E. die Auslegung zulässig, daß die Betriebspolitik zur monofunktionalen Charakterisierung des Unternehmers genügen kann. Betrachtet man nun abschließend die beiden vorliegenden Ansätze unter methodischem Gesichtspunkt, so können beide als betriebs- und unternehmerspezifisch gewertet werden. Jedoch gilt für sie die K r i t i k der praxisfernen, einseitigen Betrachtung. Sie war schon bei der Entwicklung unserer funktionalen Unternehmerdefinition 72 der Anlaß, die Begriffsbestimmung mit Hilfe von drei Teilaufgaben vorzunehmen. Nun zur dritten monofunktionalen Definitionsrichtung, die unter den zwölf relevanten Autoren lediglich Wilhelm Rieger vertritt. Rieger formuliert: „Träger einer Unternehmung sind die Unternehmer. Das sind diejenigen physischen oder juristischen Personen, die vermittels einer Unternehmung einen Geldertrag anstreben. Als Konsequenz hiervon ergibt sich, daß sie auch das Risiko i n erster Linie zu tragen haben, und zwar durch Beschaffung und Hergabe eines angemessenen Eigenkapitals" 7 3 . Und an anderer Stelle: „ M i t der Benennung »Unternehmer' charakterisieren w i r seine eigentümliche Stellung i n der Wirtschaft, i m Markte, nicht aber sein Tun und Handeln i n technischer Hinsicht. Er ist eine wirtschaftsgesellschaftliche Erscheinung" 74 . Die Analyse dieser Begriffsbestimmung i n Verbindung m i t der Auswertung weiterer Aussagen ergibt wesentliche Unterschiede zu den beiden vorgenannten monofunktionalen Richtungen. Erstens w i r d nicht nur statt einer Führungsfunktion der Einsatz eigenen Kapitals zum konstitutiven K r i t e r i u m gewählt, sonderen darüberhinaus die erstere ausdrücklich als nicht begriffsnotwendig bezeichnet 75 . 70 71 72 73 74 75
Vgl. Prion, W., a.a.O., S. 47. Vgl. Mellerowicz, K., „Allgemeine BWL", Bd. 4, a.a.O., S. 195. Vgl. Punkt 4244 dieser Arbeit. Rieger, W., „Einführung", a.a.O., S. 99. Ders., S. 46; fast wörtlich noch einmal auf S. 76. Vgl. dazu auch Rieger, W., „Einführung", a.a.O., S. 124 und 46.
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e Unternehmerunin
der Allgemeinen B W L
237
Zweitens ist diese Kapitalistenfunktion untrennbar verbunden m i t der Zielfunktion einer Rentabilitätsoptimierung des Unternehmerkapitals. Drittens w i r d der Unternehmer vor allem als Klassenbegriff und gesellschaftliche Institution gesehen 76 . Eine rein funktionale Definition 7 7 w i r d abgelehnt 78 ; auf eine rein personelle Betrachtungsweise w i r d verzichtet 79 . Viertens gehört diese Begriffsbestimmung zu den wenigen, die eindeutig nur eine Terminologie und eine extrem „wirtschaftsordnende" Ausrichtung zeigen. Fünftens ist die vorliegende Definition sicherlich unternehmensspezifisch. Ob sie funktional auch als unternehmerspezifisch bewertet werden kann, ist mit den bisher verwendeten Kriterien nicht festzustellen, da der m i t dem Führungsaspekt verbundene Hierarchiemaßstab bei Rieger gar nicht zur Debatte steht. Denn sein Vorschlag versteht einen Unternehmer sui generis, der auch nur innerhalb eines begrenzten Modells einer Wirtschaftsordnung Gültigkeit hat, was von Rieger selbst ausdrücklich betont w i r d 8 0 . Innerhalb dieser Grenzen kann man seine Vorschläge als beachtenswerte und i n seltener Konsequenz durchgearbeitete Beiträge zur Theorie der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre durchaus positiv und i n mancher Hinsicht als beispielhaft bewerten.
4423.
Teilzusammenfassung
Die Ergebnisse der Definitionsansätze zur funktionalen Unternehmercharakterisierung wurden jeweils am Ende der sechs ermittelten Richtungen i n Teilzusammenfassungen eingehend dargestellt. Die Vielzahl der gebrachten Begriffsbestimmungen, die relativ hohe Repräsentanz 76 Vgl. dazu ders., S. 46 und 76; hier definiert Rieger: „Es soll mit der Bezeichnung ,Arbeiter' nur die Klasse im Gegensatz zu anderen Klassen getroffen werden. So ist es mit dem Begriff des Unternehmers." 77 Vgl. Punkt 4241 dieser Arbeit. 78 So Rieger, W., a.a.O., S. 124: „ . . . ob ein Einzelkaufmann einen erprobten Prokuristen hat, der die ganze Geschäftsleitung besorgt, ändert nichts daran, daß diese Leute (es werden vorher noch ähnlich gelagerte Beispiele angeführt; Anm. d. Verf.) Unternehmer sind. Es wird wohl niemand (!) auf die Idee kommen, den alten erfahrenen Prokuristen als Unternehmer anzusprechen." 79 Nach Rieger, W., a.a.O., S. 99 können auch juristische Personen Unternehmer sein. 80 Vgl. Rieger, W., a.a.O., S. 82.
4. Die funktionale Betrachtungsweise
238
der insgesamt zwölf untersuchten Verfasser einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre sowie die erforderliche Unterteilung i n sechs Definitionsgruppen läßt es doch ratsam erscheinen, abschließend wenigstens noch i n Form einer statistischen Übersicht eine Zusammenfassung der Ergebnisse vorzulegen. a) Von den sechzehn untersuchten Verfassern einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre befassen sich zwölf mit Funktionscharakterisierungen des Unternehmers. b) Diese bringen aber zum Teil mehrere Ansätze, so daß insgesamt zwanzig Begriffsumschreibungen vorliegen. Sieben Autoren, nämlich Leitner,
Rieger,
Prion,
Thoms, Rössle, Fischer u n d Schäfer
zeigen n u r
eine relevante Begriffsbestimmung; drei — es sind Ho ff mann, Gutenberg und Wöhe — vertreten je zwei unterschiedliche Definitionen, während Lohmann drei und Mellerowicz sogar vier erkennen lassen. c) Untersucht man die Verteilung auf die einzelnen sechs Definitionsrichtungen, so erhält man folgendes Ergebnis: 1. Eine Anlehnung an die Fayolschen Phasenfunktionen ist (auch) bei Lohmann 2. Leitner,
u n d Wöhe e r k e n n b a r . Hoffmann,
Thoms,
Mellerowicz,
Fischer
u n d Schäfer,
also
sechs Autoren, bringen die verschiedenartigsten multifunktionalen Kataloge. 3. Fünf Allgemeine Betriebswirtschaftslehren definieren den Unterneh-r mer (auch) auf Grundlage der Kombination von Produktionsfaktoren i m S i n n e J. B . Says; es s i n d d i e W e r k e v o n Hoff mann, Lohmann, Gutenberg u n d Wöhe.
Mellerowicz,
4. Vier halten sich dagegen (auch) an die Version Schumpeters von der „Durchsetzung neuer Kombinationen". Hier sind Rössle, Mellerowicz, Gutenberg und Lohmann relevant. Die drei Letztgenannten betonen dabei aber entweder, daß m i t dieser Bestimmung nur ein spezieller Unternehmerbegriff gemeint sein könne; oder aber — das gilt für Mellerowicz — w i r d lediglich eine A r t quasimonofunktionale Begriffsbestimmung vorgetragen. 5. Ganz i m Gegensatz zur heute herrschenden Richtung vertreten nur zwei, nämlich Prion und wieder Mellerowicz, eine entscheidungsbezogene Unternehmerdefinition. 6. Rieger schließlich setzt anstelle einer Führungsaufgabe die Kapitalistenfunktion. Somit zeigen von den zwanzig Unternehmerdefinitionen acht m u l t i funktionalen und zwölf monofunktionalen Charakter.
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e Unternehmerunin
der Allgemeinen
B W L 2 3 9
d) Interessant ist auch eine Verbindung der unter b) und c) genannten Ergebnisse. Von den acht mehrfachen Begriffsbestimmungen ergeben sich vier dadurch, daß sowohl ein m u l t i - wie ein monofunktionaler Ansatz gebracht wird. I n diesem Fall dienen die multifunktionalen Vorschläge i n erster Linie der Ermittlung der Gesamtführungsaufgabe und erst i n zweiter Linie der Festlegung einer spezifischen Unternehmerfunktion. Dieser Tatbestand betrifft die Darstellungen von Hoffmann, Mellerowicz, Lohmann
u n d Wöhe.
Drei doppelgleisige Definitionen eines Autors liegen sogar innerhalb der Kombinationsfunktion nach Say oder Schumpeter . Mellerowicz bringt neben einem multifunktionalen und zwei kombinationsabhängigen Ansätzen noch einen vierten, der die Entscheidungsfunktion zur Grundlage nimmt; allerdings können mindestens zwei seiner drei monofunktionalen Begriffsbestimmungen auch als quasimonofunktionale bezeichnet werden. Dies gilt auch für Lohmann i n Bezug auf seine Definition nach der Kombination der Produktionsfaktoren. Methodisch bedeutsam sind deshalb vor allem die Überschneidungen zwischen mono- und multifunktionaler Darstellung. Das wichtigste Untersuchungsergebnis ist aber die Tatsache, daß von den zwanzig Umschreibungsversuchen nur acht — also nicht einmal die Hälfte! — als betriebs- und unternehmerspezifisch bewertet werden können. Bei zweien davon, es sind die quasimonofunktionalen Ansätze von Mellerowicz und Lohmann, ist dies sogar nur auf dem Weg einer Interpretation möglich. Interessant ist nun, daß die restlichen unternehmerspezifischen Begriffsbestimmungen alle von Autoren stammen, die nur einen Umschreibungsversuch zeigen, nämlich von Leitner, Rieger, Prion, Fischer u n d Rössle.
Auch ist noch aufschlußreich, daß von den acht „echten" Unternehmerdefinitionen sechs monofunktionell sind — die Ausnahmen bilden hier die Ansätze von Leitner und Fischer. f) Bezieht man die unter e) ermittelten Ergebnisse auf die untersuchten Autoren, so ergibt sich, daß nur sieben der zwölf Autoren ihre Ansätze zu methodisch wenigstens i n dieser Hinsicht akzeptablen Begriffsbestimmungen ausbauen konnten; das ist kaum mehr als die Hälfte. Setzt man das Ergebnis i n Bezug zur Gesamtheit der sechzehn analysierten Verfasser einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre, dann können sogar weniger als die Hälfte eine methodisch-spezifische Unternehmerdefinition vorweisen.
5. Vorschläge zur Definition und systematischen Darstellung des Unternehmers in der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre Von den i n der Grundlegung entwickelten vier Untersuchungszielen 1 werden hier die Ergebnisse des letztgenannten noch einmal zusammenfassend, jedoch i n Verbindung m i t einer weiteren Fragestellung dargestellt 2 . Dieses vierte Erkenntnisziel betrifft die Notwendigkeit und Möglichkeit eigener weiterführender Vorschläge zur Ausformung der drei betriebswirtschaftlich besonders relevanten Teilsysteme sowie die adäquate Einordnung und Darstellung des Unternehmers unter dem Aspekt einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre. Die Notwendigkeit eigener Ansätze ergab sich einmal aus der geringen Eigenständigkeit der relevanten Aussagen gegenüber der Volkswirtschaftslehre und zum anderen aus der Verbesserungsbedürftigkeit selbst der am meisten gelungenen Lösungen. Wenn übrigens unsere weiterführenden Überlegungen wieder Ansatzpunkte zu konstruktiver K r i t i k bilden könnten, wäre ihre Existenzberechtigung schon ausreichend nachgewiesen. Bei näherer Betrachtung bieten sich zwei Grundkonzeptionen an, die bei den untersuchten Allgemeinen Betriebswirtschaftslehren teilweise auch schon verwendet wurden. Die eine führt selbst unter dem konstitutiven Gesichtspunkt der w i r t schaftsordnenden Betrachtungsweise zu einer „Allgemeinen" Betriebswirtschaftslehre. Der Betrieb ist hier das ganzheitliche Erfahrungsobjekt, die Unternehmung dagegen nur ein besonderer Betriebstyp. Die zweite Konzeption beschränkt sich von vornherein auf die Behandlung des besonderen Betriebstyp „Unternehmung" und sieht den 1
Vgl. Punkt 121 dieser Arbeit. Mit dieser Auswahl soll keine Wertung verbunden sein. Denn gerade die anderen Erkenntnisziele verlangten nicht nur umfangreiche und differenzierte Untersuchungen, sondern erforderten auch häufig die Entwicklung neuer analytischer Methoden, Techniken und Denkvorstellungen, da unsere Fragestellungen bei den vorliegenden Monographien allenfalls am Rande Beachtung fanden. — Jedoch würde die Zusammenfassung auch dieser Ergebnisse den Rahmen eines kurzen Schlußkapitels weit übersteigen und damit das Ziel abschließender Erörterungen verfehlen. Deshalb sei hier auf die Teilzusammenfassungen besonders verwiesen — vgl. dazu v. a. S. 29 ff., 43 ff., 52, 60, 81 ff., 122 ff., 128 f., 131 f., 140, 157 f., 165, 198 f., 202 f., 2041, 2111, 217 f., 219 f., 228 f., 237 ff. 2
5. Vorschläge zur Unternehmerdarstellung in der Allgemeinen B W L
241
allgemeinen Charakter ihres Aussagesystems mehr i m Vergleich zu den besonderen Wirtschaftszweiglehren. Wie anschließend noch nachzuweisen ist, w i r k e n sich diese unterschiedlichen Konzeptionen sowohl auf die dispositionelle Rangierung der drei Teilsysteme als auch auf ihre Gewichtung und Ausformung innerhalb des gesamten Lehrsystems aus.
51. Die drei systembildenden Betrachtungsweisen als Grundlage einer Konzeption der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre — die methodischen Konsequenzen Zunächst w i r d die allgemeinere Konzeption einer Betriebswirtschaftslehre dargestellt. Hierfür sei eine Gliederung zur Diskussion gestellt, bei der zuerst die funktionale, dann die faktorielle und abschließend die wirtschaftsordnende Betrachtungsweise behandelt werden. Zur sachlichen Ausgestaltung werden folgende Vorschläge gebracht: a) M i t Hilfe der funktionalen Betrachtungsweise w i r d zunächst ein geschlossenes Teilsystem gebildet, das aus den vier Grundfunktionen Gesamtführung, Beschaffung, Leistungserstellung und Leistungsverwertung besteht 5 . Dieses könnte u. U. — ζ. B. aus didaktischen Überlegungen — um die zwei Ergänzungsfunktionen Verwaltung und Finanzierung erweitert werden. Z u beachten ist aber, daß dadurch die methodische Einheitlichkeit und Geschlossenheit leiden dürfte 4 . Anschließend ist dann die Gesamtführung zu definieren, jedoch i n „systemindifferenter" Weise. Der Einfluß eines bestimmten gesamtwirtschaftlichen Ordnungsmodells kann dadurch eliminiert werden, daß man hier statt der unternehmungsspezifischen die betriebsspezifischen Gesamtführungsaufgaben definiert. Damit ist auch nicht der Unternehmer als Figur einer systembezogenen Unternehmung tangiert, sondern allgemein jeder Träger betriebsspezifischer Gesamtführungsaufgaben. Da w i r diesen Aufgabenbereich schon m i t dem Terminus Geschäftsführung belegten 5 , könnte man deren Träger als Geschäftsführer bezeichnen. D e m n a c h i s t Geschäftsführer
im funktionalen
Sinne, w e r v o r w i e g e n d
betriebsspezifische Gesamtführungsaufgaben auf Grund führungsorganisatorischer Kompetenz wahrnimmt. Die Gesamtführungsaufgabe impliziert dabei drei untrennbare Funktionskomplexe: die Kernfunktion der betriebsspezifischen Gesamtführungsentscheidungen sowie die Ergänzungsfunktionen der betrieblichen 3 4 6
Vgl. dazu Punkt 4321 dieser Arbeit. Vgl. dazu Punkt 43222 dieser Arbeit. Vgl. S. 171 dieser Arbeit.
51. Die systembildenden Betrachtungsweisen als Konzeptionsgrundlage
243
Menschenführung i. w. S. und der höchstpersönlichen Ausführungsaufgaben. Betriebsspezifische Gesamtführungsentscheidung en sind nun solche Ziel-, Mittel- und Verfahrensentscheidungen, die unmittelbar oder m i t telbar die Beschaffung sowie die Leistungserstellung bzw. -Verwertung wirtschaftlicher Güter für einen M a r k t betreffen und die sich auf Grund der Ortungskriterien „Bedeutung für die Existenz und Ertragslage des Betriebes" und „Relevanz für den Betrieb als Ganzes" u m die Spitze der auch nach betriebsindividuellen Bewertungsmaßstäben zu bildenden und abzugrenzenden Entscheidungsrangreihe gruppieren. Die betriebliche Menschenführung i. w. S. dient als unerläßliches Instrument unmittelbar oder mittelbar der Findung und Realisierung von Gesamtführungsentscheidungen und erstreckt sich sowohl auf die relevanten Mitarbeiter als auch auf die wirtschaftliche und soziale Umwelt des Betriebes. Höchstpersönliche Ausführung sauf g ab en fallen bei beiden Funktionskomplexen an. Sie können aus rechtlichen oder ökonomischen (incl. arbeitstechnischen) Gründen nicht an Mitarbeiter delegiert werden 6 . b) A n die Darstellung der betriebswirtschaftlichen Funktionenlehre sollte sich die des betrieblichen Faktorsystems anschließen. Wir schlagen ein „System betrieblicher Leistungsfaktoren" vor; dieses besteht aus: Betriebsführung, führungsfreie Arbeit, Betriebsmittel und Betriebsstoffe i. w. S. 7 . Der Faktor Betriebsführung erfaßt alle „Träger vorwiegend betriebsspezifischer Führungsaufgaben auf Grund führungsorganisatorischer Kompetenz" 8 . Mittels Faktorgliederung w i r d bei der Betriebsführung zwischen einer obersten, oberen, mittleren und unteren Betriebsführung(sebene) unterschieden. Die oberste ist identisch m i t dem bzw. den Träger(n) der betriebsspezifischen Gesamtführungsaufgaben 9 . Während bei der funktionalen Darstellung des „Geschäftsführers" dessen Gesamtführungsaufgaben Gegenstand der Analyse sind, w i r d er innerhalb der Faktordarstellung einmal als vorwiegend soziologisch und psychologisch relevante „Gestalt", zum anderen als Teil der horizontalen und vertikalen Führungsorganisation des Betriebes abgehandelt. Wesentliche Ansatzpunkte sind dabei die Untersuchung der persönlichen und arbeitsmäßigen Leistungsvoraussetzungen, des Leistungs6
Vgl. Vgl. 8 Vgl. • Vgl.
7
16*
dazu S. 194 f. dieser Arbeit. dazu Punkt 334 dieser Arbeit. S. 134 ff. dieser Arbeit. S. 136 f. und S. 158 dieser Arbeit.
244
5. Vorschläge zur Unternehmerdarstellung in der Allgemeinen B W L
Verhaltens, der Rollen- und Statusbeziehungen, der funktionalen und personalen Integration (auch unter führungsorganisatorischen Aspekten!) i n die Betriebsführung, besonders wenn man diese i m institutionellen Sinne 1 0 sehen w i l l . c) Erst i n einem dritten Teil über „Betrieb und Wirtschaftsordnung" wäre bei dieser Konzeption einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre die Möglichkeit geboten, bei der Behandlung von Sachproblemen den Unternehmer i n den Vordergrund zu rücken. Zur Bestimmung gesamtwirtschaftlicher Ordnungsmodelle bevorzugen w i r i n Anlehnung an Euchen die Methode der „pointierend-hervorhebenden Abstraktion" und stellen i n quasimonistischer Weise ein konstitutives Merkmal i n den Mittelpunkt: den Gesamtgrad an Autonomie nach außen bei der Ausübung von betriebsspezifischen Gesamtführungsaufgaben 11 . „Mikroskopisch" betrachtet, w i r d dieses Modell also durch den Grad der Autonomie nach außen definiert, die den einzelnen Wirtschaftseinheiten bei der Ausübung ihrer betriebsnotwendigen und betriebsspezifischen Gesamtführungsaufgaben verbleibt. „Makroskopisch" gesehen ist es eine Kompetenz(ver)teilung betriebsspezifischer Gesamtführungsfunktionen zwischen dem einzelnen Betrieb und betriebsexternen „Machtzentren". Somit liegt die Charakterisierung dieses Modells i m Sinne einer gesamtwirtschaftlichen „Führungsorganisation" nahe. Diese Organisation w i r d vor allem bestimmt von der besonderen Struktur der makroökonomischen Verteilung aller einzelbetrieblichen Gesamtführungskompetenzen auf die verschiedenen Willensbzw. Machtzentren der Volkswirtschaft. W i r können uns hier auf die Konstruktion von zwei polar definierten Modellen beschränken. Das Wirtschaftssystem I ist von Betrieben geprägt, deren Gesamtgrad an Autonomie nach außen bei der Ausübung ihrer Gesamtführungsfunktionen höher ist als das Ausmaß der Fremdbestimmung durch betriebsexterne Stellen. Hier dominieren also die Betriebe mit primär autonomer Gesamtführung. Dagegen ist das Wirtschaftssystem II von Betrieben beherrscht, deren Gesamtführungsaufgaben überwiegend fremdbestimmt werden, wobei die betriebsexternen Träger von Gesamtführungs(teil)aufgaben keineswegs nur staatliche Stellen sein müssen. Man könnte dieses Modell auch als ein System primär fremdbestimmter Betriebe bezeichnen. 10 11
Vgl. dazu vor allem S. 135 f. dieser Arbeit. Vgl. S. 96 ff. dieser Arbeit.
51. Die systembildenden Betraditungsweisen als Konzeptionsgrundlage
245
Die das erstgenannte Wirtschaftssystem prägenden Betriebe werden U n t e r n e h m u n g e n g e n a n n t . Unternehmungen sind demnach besondere Betriebstypen, die ihre Gesamtführungsfunktionen infolge eines adäquat strukturierten Wirtschaftssystems in überwiegend autonomer Weise ausüben können.
Erst i n diesem Zusammenhang stellen sich bei der zugrundegelegten Konzeption die Fragen nach dem Unternehmer und seinen Funktionen sowie nach seiner Stellung i m Faktorsystem. Der Unternehmer w i r d aus dem Wesen der Unternehmung heraus erklärt. Er ist gleichfalls ein „systembezogener Tatbestand". Während die Abgrenzung der Unternehmung unter dem Aspekt des Wirtschaftssystems mit dem Kriterium der Autonomie nach außen erfolgte, bestimmt nun das Merkmal der Autonomie nach innen, wer unter den Mitgliedern der Unternehmungsführung als Unternehmer anzusprechen ist Unternehmer im funktionalen Sinne ist, wer vorwiegend unternehmungsspezifische Gesamtführungsaufgaben auf Grund führungsorganisatorischer Kompetenz wahrnimmt
Die unternehmungsspezifischen Gesamtführungsaufgaben unterscheiden sich von den betriebsspezifischen insoweit, als sie i n überwiegend autonomer Weise von den betroffenen Wirtschaftseinheiten selbst ausgeübt werden müssen. Dieses K r i t e r i u m ist besonders bedeutsam bei der Frage nach einer autonomen Formulierung des betrieblichen Zielsystems, w i r k t sich aber weiterhin auf den Spielraum, den Prozeß und das Ergebnis der ökonomischen Mittel- und Verfahrensentscheidungen aus 12 . Neben den Besonderheiten i n funktionaler Hinsicht müßten i n diesem Kapitel auch noch die Auswirkungen auf die faktorielle Betrachtungsweise des Unternehmers behandelt werden. Hier wäre besonders hervorzuheben, daß die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Darstellung der Betriebsführung als Institution gerade bei der Unternehmung am besten demonstrierbar ist. Denn die relative Unabhängigkeit der Gesamtführung von unternehmungsexternen Machtzentren sowie die meist gegebene Präsens aller Mitglieder der Betriebsführung — hier Unternehmensführung genannt — innerhalb der Unternehmung bieten die besten Voraussetzungen, die Führung zu einer selbständigen, geschlossenen und stabilen Institution zu entwikkeln. Damit verbunden ist eine ausgeprägte Integration der obersten Führungsebene, des Unternehmers, i n die gesamte Unternehmensführung. 12
Vgl. dazu insbesondere S. 97 f. dieser Arbeit,
246
5. Vorschläge zur Unternehmerdarstellung in der Allgemeinen B W L
Diesen Tatbestand erkennt man besonders deutlich, wenn man als Kontrast die Situation i n einem System primär fremdbestimmter Betriebe skizziert. Hier werden die Gesamtführungsaufgaben — vor allem die Kernfunktion der Gesamtführungsentscheidung — überwiegend von betriebsexternen Machtzentren wahrgenommen. Diese Träger betriebsspezifischer Gesamtführungsaufgaben sind nun aber nicht nur räumlich von den einzelnen Wirtschaftseinheiten getrennt, sondern darüber hinaus oft bürokratisierte und zum Teil auch politisierte Zentralinstanzen. Ihre Tätigkeit unterliegt i m Vergleich zu den gesteuerten Betrieben meist anderen Gesetzen; sie zeigen andere Motive, Rollenerwartungen, Verhaltensmuster und Abhängigkeiten und können damit weit schwerer m i t den übrigen Trägern der „dezentralen Betriebsführung" zu einer institutionellen Einheit verschmolzen werden. Gerade unter diesem Gesichtspunkt gewinnt die faktorielle Betrachtungsweise besondere Bedeutung. Gleichzeitig erlaubt sie die wesensmäßige A b g r e n z u n g des systemindifferenten „Geschäftsführers" von d e n Repräsentanten d e r beiden polaren Wirtschaftssysteme, dem „Unternehmer u u n d d e m „Funktionär und Geschäftsverwalter
d) Zusammenfassend gesehen zeigt diese allgemeine Grundkonzeption einer Betriebswirtschaftslehre folgende Konsequenzen: 1. Die funktionale Darstellung sehen w i r als die tragende systembildende Betrachtungsweise der heutigen Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre an. Sie sollte vor den anderen Teilsystemen behandelt werden. Da die zwei weiteren systembildenden Betrachtungsweisen auch m i t funktionalen Kriterien definiert sind, scheint dieser A u f bau auch aus didaktischen Gründen sinnvoll. 2. Die betriebsspezifische Gesamtführungsfunktion muß „ i n jeder W i r t schaftsordnung wahrgenommen werden und ihren Träger finden" 13. Deshalb kann man sie zunächst auch systemdifferent darstellen. Dieser Tatbestand gilt i n ähnlicher Weise für das System betrieblicher Leistungsfaktoren 14 . 3. Bei der abschließenden Darstellung der wirtschaftsordnenden Betrachtungsweise könnten neben dem hier vorgeschlagenen ahistorisch und quasimonistisch formulierten Modell ζ. B. aus dogmengeschichtlichen oder didaktischen Gründen auch historisch bestimmte W i r t schaftsordnungen erörtert werden. 4. Die Typologie der einzelnen Wirtschaftssysteme müßte „fugenlos" m i t einer Definition entsprechender Betriebs- und Führertypen ver13 Lohmann, M., „Einführung", a.a.O., S. 288, der hier sogar die „Unternehmerfunktion" anspricht. 14 Vgl. dazu auch Gutenberg, E., „Grundlagen", 1. Bd., a.a.O., S. 445 f.
51. Die systembildenden Betratungsweisen als Konzeptionsgrundlage
247
bunden sein. Dabei wäre es nicht nur aus didaktischen Überlegungen ratsam, diese besonderen Betriebs- und Führertypen erst zusammen m i t dem speziellen Wirtschaftssystem abzuhandeln. 5. I m Zusammenhang m i t der Entwicklung eines gesamtwirtschaftlichen Ordnungsmodells, das von Betrieben m i t primär autonomer Gesamtführung geprägt ist, sind also die Unternehmung als adäquater Betriebstyp und der Unternehmer als entsprechender Führungstyp zu behandeln. Daneben müssen hier auch die besonderen Auswirkungen auf die beiden anderen betriebswirtschaftlichen Teilsysteme aufgezeigt werden. Das könnte man bei der funktionalen Betrachtungsweise weitgehend auf die Unterschiede zwischen betriebsund unternehmungsspezifischen Gesamtführungsentscheidungen und bei der faktoriellen Analyse auf die Besonderheiten des Leistungsfaktors Unternehmungsführung gegenüber dem Faktor Betriebsführung reduzieren. 6. Daß der Unternehmer bei dieser Konzeption einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre weder die „Zentralfigur" noch das dominante Teilerfahrungsobjekt bildet, bedarf wohl keiner weiteren Beweisführimg.
52. Die besonderen Auswirkungen der Konzeption einer Allgemeinen Unternehmungslehre Fast konträre methodische Konsequenzen zeigt die zweite Grundkonzeption, die den besonderen Betriebstyp Unternehmung zum ganzheitlichen Erfahrungsobjekt des gesamten Lehrsystems erhebt: a) Selbst wenn man nun die Unternehmung nicht mehr vor der „geschichtsträchtigen", farbenreichen und naturalistisch-historischen Kulisse etwa des SombartscSaen Kapitalismus agieren läßt, sondern das Szenenbild — m i t fast Shakespearescher Radikalität — stilisiert, generalisiert und abstrahiert auf das Kräfteparallelogramm der gesamtwirtschaflichen Kompetenzverteilung zwischen den betriebsinternen und -externen Machtzentren, selbst dann spielt der Unternehmer noch eine echte „Starrolle". Sie tendiert zwar nicht mehr — wie etwa bei jRieger — i n Richtung eines „Einpersonenstücks", verspricht aber i m Vergleich zur vorher geschilderten Konzeption immer noch weit mehr „Rampenlicht". b) Eine weitere Folgerung ist die Möglichkeit einer geschlosseneren, einheitlicheren und übersichtlicheren Darstellung, da sich die relevante Sachdiskussion weitgehend auf die unternehmungsweise Wirtschaft, die Unternehmung, die Unternehmensführung und den Unternehmer beschränken kann. c) Die dritte bedeutsame Konsequenz ist, daß bei der Behandlung der drei Teilsysteme eine dispositionelle Umstellung angebracht erscheint. Die wirtschaftsordnende Betrachtungsweise muß vorgezogen werden, da sie jetzt bei der Bestimmung des ganzheitlichen Erfahrungsobjekts konstitutive Bedeutung gewinnt. Dann aber ist es sinnvoll, an den „makromorphologischen" Teil den „mikromorphologischen" anzuschließen, weil damit „Bau" und „Leben" des betriebswirtschaftlichen Erfahrungsobjekts zusammenhängend darstellbar sind. Sofern alle drei Teilsysteme i n unserem Sinne, d. h. m i t weitgehend funktionalisierten Kriterien, definiert werden, sind unter dieser dispositionellen Anordnung Vorgriffe auf die funktionale Darstellung schon bei der Behandlung der zwei anderen Teilsysteme unvermeidlich. Dieser Nachteil w i r d jedoch i n etwa aufgewogen durch die fortlaufend abstrahierende Betrachtung des zunächst realen Teilerfahrungsobjekts Unternehmer, die Abgrenzung des Außenbereichs der Unternehmung vor dem Innenbereich so-
52. Zur Konzeption einer Allgemeinen Unternehmungslehre
249
wie die steigende Bedeutung der einzelnen Betrachtungsweisen für die formale und materiale Systembildung. d) Z u bedenken ist aber noch, daß die Beschränkung des betriebswirtschaftlichen Aussagesystems auf die unternehmungsweise W i r t schaftsordnung den allgemeinen Charakter des Lehrgebäudes zwangsläufig einengen muß. Versucht man nun abschließend eine vergleichende Wertung beider Grundkonzeptionen, so scheint uns die zuerst genannte für eine Allgemeine Betriebswirtschaftslehre vom Aspekt der mit diesem Aussagesystem verbundenen Erklärungs- und Gestaltungsaufgaben der geeignetere Ansatz. Die zweite Konzeption bietet unbestreitbar didaktische Vorzüge. Auch sollte gerade bei Lehrbüchern die Abgrenzung des Stoffgebiets der Entscheidung des Autors überlassen bleiben, besonders wenn sie schon durch die Formulierung des Buchtitels unmißverständlich zum Ausdruck kommt. Doch bleibt hier die Frage, ob damit noch eine „Allgemeine" Betriebswirtschaftslehre geboten werden kann. W i r möchten hier deshalb lieber von einer Allgemeinen Unternehmungslehre sprechen. Inwieweit diese Konzeptionen die Darstellung des Unternehmers fördern oder hemmen, sollte bei einer Entscheidung zwischen beiden keine ausschlaggebende Rolle spielen, wenn es um die Entwicklung eines allgemeinen betriebswirtschaftlichen Lehrgebäudes geht. Denn wenn auch der Unternehmer i m Vordergrund dieser Untersuchung stand und heute allgemein durch die wachsende Bedeutung der Entscheidungslehre gesteigerte Beachtung findet, sollte er u. E. doch nicht den methodologischen Angelpunkt einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre bilden. Unter dem Aspekt der drei systembildenden Betrachtungsweisen kann auch die „menschliche Seite" des Unternehmerproblems nur akzidentelle Beachtung finden. Die Behandlung dieses Komplexes ist Aufgabe der drei i m Vorwort skizzierten anthropozentrischen Betrachtungsweisen. Es wurde nachgewiesen, daß die systembildenden Betrachtungsweisen der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre i n besonderem Maße von den Erkenntnissen der Methodologie und der Volkswirtschaftslehre geprägt sind. Dagegen werden die anthropozentrischen Betrachtungsweisen vor allem durch die Forschungsergebnisse anderer — anthropologischer — Nachbardisziplinen bestimmt. So schlägt die „personifizierende" Betrachtungsweise des Unternehmers deutlich erkennbare B r ü k ken zur Pädagogik und Wirtschaftsgeschichte, die „charakterisierende" zur Individual- und z. T. auch Sozialpsychologie, während die „institutionalisierende u Betrachtungsweise besonders zur Mikro- und z. T. zur
250 5. Vorschläge zur Unternehmerdarstellung in der Allgemeinen B W L
Makrosoziologie tendiert. Hier w i r d gerade am Beispiel des Unternehmers der „grenzüberschreitende" oder interdisziplinäre Charakter der Betriebswirtschaftslehre offenbar. Lange Zeit blieben anthropologische Fragestellungen ein Reservat der „normativ-wertenden" Betriebswirtschafter. I n jüngerer Zeit verwischen sich erfreulicherweise auch diese Grenzziehungen aus der „Gründerzeit". Der anthropologische Aspekt entwickelt sich zu einem Schwerpunkt des Wissenschaftsprogramms unserer Disziplin, was nicht zuletzt auf den Forschungsgegenstand der Entscheidungslehre zurückgeführt werden kann. Die anthropozentrischen Betrachtungsweisen gewinnen somit einen besonders aktuellen Bezug. Deshalb scheint es angebracht, sie i n einer gesonderten Untersuchung eingehend zu erforschen und damit auch ihrer Bedeutung entsprechend zu würdigen.
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