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German Pages 142 Year 2019
Daniel Hornuff Die Neue Rechte und ihr Design
X-Texte zu Kultur und Gesellschaft
Daniel Hornuff
Die Neue Rechte und ihr Design Vom ästhetischen Angriff auf die offene Gesellschaft
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2019 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Satz: Michael Rauscher, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4978-9 PDF-ISBN 978-3-8394-4978-3 https://doi.org/10.14361/9783839449783 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/ vorschau-download
Inhalt Vorwort � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 7 Einleitung Rechter Affront und identitäres Design � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 9 I. Hipster-Nazis Zum Polit-Aktivismus � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 21 II. Kleine Dinge Zur Konsumwelt � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 31 III. Doppelte Mutter Zum Naturschutz � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 41 IV. Behaupteter Feminismus Zum Frauenbild � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 51 V. Politische Körper Zur Selbstpräsentation � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 61 VI. Bewegte Bewegung Zum Video-Stil � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 71 VII. Verbundene Mächte Zum Verschwörungsdesign � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 81 VIII. Geteilte Drohung Zum Gewaltaufruf � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 91
IX. Verlegte Ideologie Zur Publikationsfront � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 101 X. Inszenierte Intellektualität Zur Theorie-Ästhetik � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 111 Ausblick Was bleibt zu tun? � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 119 Anmerkungen � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 127 Abbildungsverzeichnis � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 137
Vorwort
Diesem Buch ging ein etwas turbulentes Seminar voraus. Als es vor einigen Monaten an der Kunsthochschule Kassel durchgeführt wurde, stand das Thema der Neuen Rechten auf dem Plan. Konkret sollten deren Gestaltungs- und Inszenierungsweisen untersucht und in ihrer Genealogie beleuchtet werden. Ziel war es, die ästhetischen Praktiken zu studieren, um besser einordnen zu können, woraus sich der Aufschwung neurechter Bewegungen speist. Der Seminarverlauf entwickelte allerdings eine andere Dynamik. Zunehmend fiel es schwer, das Gespräch auf einer Sachebene zu führen. Mit jeder neuen Sitzung schien das Bedürfnis zu steigen, das Material durch wertende Einlassungen weltanschaulich zu klassifizieren. Dominierte anfangs noch Besonnenheit – und damit Souveränität – im Umgang mit den Beispielen, ging es zunehmend darum, seine eigenen (politischen) Überzeugungen entgegenzuhalten. Auffällig war, dass gerade durch diese Gesten der Abgrenzung das Material an Brisanz zulegte. Je lauter Widerspruch gegen die ästhetischen Strategien der Neuen Rechten eingelegt wurde, desto gefährlicher schienen sie zu sein. Es war paradox: Das Seminargespräch intensivierte sich – und verlor zugleich an Erkenntniskraft. Schon bald wurden fast nur noch Bekenntnisse abgelegt. Aus dem ursprünglichen Anliegen, ein Phänomen durch Analyse zu zerlegen, wurde ein Wettbewerb der Beteuerungen. So kippte die Lehrveranstaltung in ein wöchentliches Schulterklopfen: Wir gegen die anderen! Nun mag es leichtfallen, dies alles mit großväterlicher Genugtuung zu belächeln. Doch der Seminarverlauf, der wohl typisch für
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manche Auseinandersetzung mit den Neuen Rechten steht, war komplex verschachtelt. Denn bei allen Einwänden gegen einen überschießenden Aktionismus: Es darf nicht übersehen werden, dass sich in ihm ein unbedingt kritischer Impuls artikuliert – die Bereitschaft, Dinge als nicht gegeben aufzufassen. Damit aber stellt sich die Frage, wie diese Bereitschaft eingesetzt werden kann, ohne dass sie unfreiwillig übernimmt, wogegen sie sich wendet. Und, dass nicht am Ende die besten Absichten das denkbar Schlechteste erwirken. Auch darüber sprachen wir im Seminar – was wiederum dazu führte, dass es kaum mehr um das Thema selbst ging, sondern darum, mit welchen Begriffen das Thema überhaupt zu erfassen sei. Und so kamen wir schließlich zum eigentlichen Thema. Denn es schien, als könne eine kritische Haltung nur entfaltet werden, sofern sie bereit ist, ihre eigenen Voraussetzungen mitzudenken. In der Sensibilität für die eigene Bedingtheit liegt der systematische Unterschied zum Gebaren der Neuen Rechten. So wurde es dann doch noch ein gutes Seminar – den Studierenden danke ich herzlich! Daniel Hornuff Kassel und Karlsruhe, im Juli 2019
Einleitung Rechter Affront und identitäres Design Das Neue an den Neuen Rechten ist weniger in ihren politischen Programmen zu finden. Diese werden, so die Ausgangsthese, in rücksichtsvoller Ehrerbietung von den alten Vorbildern übernommen. Je nach Anlass und Bedarf lassen sie sich wiederbeleben. Einmal mehr dient der Zustand einer angeblichen Krise – in diesem Fall: die Migrationsentwicklungen insbesondere seit dem Jahr 2015 – als mobilisierendes Ereignis. Hinzu kommt, dass sich an die Diagnose eines vermeintlichen Souveränitätsverlusts der unbedingte Wille knüpft, ein verlorenes Zeitalter der Eigentlichkeit – ein Leben in gemeißelter Identität – zurückzugewinnen. Nichts ist an diesen Bestrebungen neu. Im Gegenteil: Ihr antimodernistisches Ansinnen gehört zur wiederkehrenden Begleiterscheinung einer transnational, von Meinungspluralismus und Chancenvielfalt geprägten Moderne. Neu ist jedoch die Art und Weise des Erscheinens1: Neu sind die öffentlichen Formen und digitalen Formate; neu sind die körperlichen und modischen Präferenzen, die intervenierenden Aktionen und die Strategien der Kommunikation; neu sind folglich auch die Vertriebs- und Distributionswege sowie – vor allem! – die Techniken der Vermarktung. Mit anderen Worten: Das Neue an den Neuen Rechten ist ihr Design. Martin Sellner, angeblich strategischer Kopf der Identitären Bewegung, wird nicht müde, den Angriff auf die offene Gesellschaft als zuvorderst ästhetisches Vorhaben zu beschreiben: »Ich sehe die Aufgabe einer metapolitischen, rechten Bewegung vor allem darin, den Provokations-, Subversions-, bildgewaltigen Aktivismus, die ästhetische Intervention zu stärken und zu steigern.«2 Und
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der deutsche identitäre Aktivist Mario Müller sekundiert mit der Bezugnahme auf die Tradition, der man sich verbunden wähnt: »Während es der französischen Neuen Rechten vor allem um intellektuelle Vorarbeit ging, schafft die Identitäre Bewegung nun auch alltägliche Kultur-, Sozial- und Freizeitangebote von rechts.«3 Demnach haben große Teile des Rassismus die Bomberjacken abgelegt. Viele Glatzen sind Hipster-kompatibel überwuchert. Und tausende Springerstiefel wurden durch Sneakers ersetzt. Fremdenhass und aggressiver Nationalismus haben ihren ästhetischen Ausdruck durch Anpassung verändert. Mittlerweile zeigen sie sich als ebenso zugewandte wie sorgende Mitglieder einer pluralistisch verfassten Gesellschaft. Ihr nach außen getragenes Engagement vermählt sich mit den dominierenden Themen der Zeit: Manch glühende Rassisten gründen NGO-ähnliche Verbünde und suggerieren Hilfe beim Wiederauf bau kriegszerstörter Gegenden; andere Rechtsradikalisierte engagieren sich im Naturschutz und sorgen sich um den Erhalt nachhaltiger Lebensräume – wie sich überhaupt die allermeisten bei nahezu jeder Gelegenheit als intellektuell avanciert und emanzipatorisch bewegt ausgeben. Dass in diesen Kreisen also auch ein eigener Feminismus betrieben und eine Kultur scheinbarer Achtsamkeit gelebt wird, überrascht daher nicht. Indem sich rassistische Ideologien gestalterisch diversifizieren, wird ihnen die Teilnahme am »Vormarsch des Singulären« ermöglicht. »Das spätmoderne Subjekt«, beobachtet der Soziologe Andreas Reckwitz, »performt sein (dem Anspruch nach) besonderes Selbst vor den Anderen, die zum Publikum werden. Nur wenn es authentisch wirkt, ist es attraktiv.«4 Es kann daher keinen Zweifel geben: Die Neuen Rechten gehören dazu – obwohl sie das, wozu sie gehören, lieber heute als morgen abschaffen würden. Darin liegt wohl eine der dringlichsten wie komplexesten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Tage. Und zugleich der Anlass zu diesem Buch. Missverständnissen ist umso klarer vorzubeugen. Denn die hinlänglich bekannten neonazistischen Kader existieren nach wie vor in beachtlicher Zahl. Vor allem innerhalb rechtsextremistischer Hooligan- und Rock-Szenen sind sie bis heute in gebündelter Truppenstärke – als alt-faschistischer, monolithischer Block – an-
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zutreffen. Hinzu kommt, dass auch diese Zirkel in zunehmendem Ausmaß ein internationales Zusammenwirken organisieren. So wird der radikalisierte Nationalismus mit der Schlagkraft internationaler Bünde fundiert. Niemand kann ein ernsthaftes Interesse daran haben, diese Formen massierter Gewaltbereitschaft kleinzureden.
Anliegen und Struktur des Buchs Und dennoch: Die gesellschaftlich tiefenwirksame Ausbreitung rechten bis rechtsextremistischen Gedankenguts vollzieht sich heute in anderer Gestalt. Wir erleben, so paradox es klingen mag, die Popularisierung des rechten Populismus. Dieser zieht sich nicht länger in die Rolle des radikal Anderen zurück. Stattdessen entwickelt er inszenatorischen Ehrgeiz und gestalterische Wendigkeit darin, sich mit seinem Widerpart – der ästhetischen Vielfalt einer liberal geprägten Gesellschaft – zu verbinden. Der Hass auf einen vorgeblich ›linksgrün versifften‹ Mainstream greift dessen Stilkonventionen auf, zielt mit ihnen auf »eine neue symbolische Qualität im rechten Spektrum«, um schließlich »den Typus des radikal individualistischen Trendsetters […] mit der Verkörperung einer faschistischen Massenbewegung in Einklang zu bringen.«5 Demnach ergibt sich die spezielle Herausforderung aus einer ebenso simplen wie verfänglichen ästhetischen Logik: Die Feinde der offenen Gesellschaft erscheinen in den Gewändern der offenen Gesellschaft. Ihr Affront liegt somit nicht darin, dass sie Mehrheitsgesellschaften mit der absoluten Verneinung ihrer Stilvorlieben und Formgewohnheiten konfrontieren würden. Der Affront vollzieht sich im Modus ästhetischer Angleichung: Die Neuen Rechten inszenieren sich als durchdrungen von jenen Prinzipien, gegen die sie antreten. Sie schlüpfen auf formaler Ebene in das zu Bekämpfende und erproben eine popkulturell gestylte Attitüde. Ziel ist die Schwächung von innen heraus zu dem Zweck, weltanschauliche Inhalte subkutan zu verabreichen. »Die Rechten«, resümiert der Soziologe Thomas Wagner, verfügten »mittlerweile über eine Reihe von intelligenten, taktisch versierten und strategisch klugen
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Köpfen, die das Instrumentarium der Linke zu bedienen verstehen, um ihre eigenen Ziele durchzusetzen.«6 Diesen veränderten Vorzeichen widmet sich das Buch in insgesamt zehn Themenkapiteln. Dabei werden jeweils ein bis zwei Fallbeispiele untersucht. Manche der ausgewählten Phänomene mögen auf den ersten Blick ebenso nebensächlich wie unspektakulär wirken, womöglich auch banal, hohl oder trivial. So bewertet, dürften sie denn auch als gesellschaftspolitisch unerheblich erscheinen. Meine These aber ist: Gerade, weil dies oft und gerne so gesehen wird, finden diese Phänomene – und ihre sozialen Auswirkungen – kaum eigens Beachtung. Zwar spricht man immer wieder davon, dass sich derzeit eine »Interaktion zwischen neurechter Kultur und neurechter Politik«7 vollziehe; oder man verweist auf die neurechte »Strategie, unterschiedliche Alltagsangebote zu organisieren«8; oder man greift die Begriffsprägungen identitärer Gruppierungen auf, um vor einer »ästhetische[n] Mobilmachung«8 zu warnen. Doch stehen diese Kategorisierungen eher allgemein-unverbindlich da, ja es bleibt verschwommen, was sie im Einzelfall bedeuten und welche konkreten Formen mit ihnen einhergehen. Um diesem systematischen Nichtbeachten (bei oftmals gleichzeitiger Empörungssteigerung) produktiv zu entgegnen, erscheint es mir als wichtig, einige ästhetische Details exemplarisch auszuleuchten. Die Analysen stehen allerdings nicht für sich allein. Vielmehr nutze ich sie zur Entwicklung einer Perspektive – um zu prüfen, mit welchen Mitteln der rechte Affront anzunehmen und auszufechten ist. Die Durchsetzung einer pluralistischen, offen-vielfältigen, Widersprüche zulassenden Gesellschaft ist kein soziales Friedensfest. Es genügt nicht, eine solche Gesellschaft durch bekenntnishafte Beschwörungen herbeiidealisieren zu wollen. Den Autoren der Mit Rechten reden-Studie ist vorbehaltlos zuzustimmen: Es kann nicht darum gehen, »voreilig vor etwas zu warnen oder etwas zu raten, sondern [darum,] auf ein Problem hin[zu]weisen, es verständlich [zu] machen, und dann erst Wege zu seiner Lösung an[zu]deuten.«10 So wird jeweils gegen Ende der Kapitel versucht, etwaige (!) Lösungen im Umgang mit den besprochenen Phänomenen durchzuspielen. Dies geschieht in manchen Fällen durch praktische
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Forderungen (Kapitel 2, 4, 7 und 8), in anderen durch den Versuch, Verstrickungen bewusst zu machen (Kapitel 1, 5, 9), oder auch nur, indem die Einzelbeispiele in allgemeinere Zusammenhänge gestellt werden (Kapitel 3, 6, 10). Nein, Super-Tipps und ultimative Problembehebungen finden sich in diesem Buch nicht. Stattdessen wird in einem abschließenden Kapitel versucht, die Stränge zusammenzuziehen und einen Ausblick auf die gesellschaftlichen Herausforderungen im Umgang mit dem Design der Neuen Rechten zu formulieren. Mit Fokus auf das ästhetisch Kleinteilige und das inszenatorische Detail kommt vieles zu kurz. Beispielsweise zieht das Buch nur punktuell internationale Vergleiche,11 die Konzentration liegt auf dem deutschsprachigen Raum. Ästhetische Praktiken bei FarRight, Alt-Right, Nouvelle Droite oder erfolgreichen rechtspopulistischen (Regierungs-)Parteien wie etwa in Italien, Frankreich, Polen, Ungarn oder Brasilien werden so gut wie nicht behandelt und bleiben weitgehend ein Forschungsdesiderat. Zudem kürzt das Buch die historische Perspektive auf wenige Tiefenbohrungen, prüft also nur am jeweiligen Fall, wo Verbindungen oder Abgrenzungen zu alt-faschistischen oder nationalsozialistischen Strategien liegen. Und nicht zuletzt: Da die neurechten Designanstrengungen doch recht isoliert betrachtet werden, mangelt es an einem Vergleich mit den Gestaltungsweisen anderer politischer Bewegungen.
Thematische Verortung Kein Buch fällt vom Himmel. Auch das vorliegende versucht, sich im bereits Gedachten methodologisch zu verankern – konkret in der Debatte um den scheinbar unauf haltsamen Aufstieg neurechter Bewegungen, wie er in nahezu allen liberalen Demokratien des Westens zu beobachten ist. Einen auslösenden Impuls gab die irische Autorin Angela Nagle mit ihrer Studie über den neurechten Kampf um Anerkennung. Darin analysiert sie – politisch beschlagen wie ästhetisch versiert – so genannte Online Culture Wars, »die unterhalb der öffentlichen Wahrnehmungsschwelle und des Radars der etablierten Medien um Themen wie Feminismus, Sexuali-
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tät, Gender-Identität, Rassismus, Redefreiheit und politische Korrektheit wüten«.12 Entscheidend ist Nagles Fazit, das sie mit Blick auf den US-internen Siegeszug rechtsnationalistischer Ideologie formuliert: »Es handelt sich […] um eine Bewegung, die beinahe vollständig auf der Beeinf lussung der Kultur beruht und die durch mediale und kulturelle Mittel – und nicht lediglich im Rahmen offizieller Politik – die Grenzen des Sagbaren verschieben will.«13 Solche Dynamiken nicht zu analysieren – oder aber zu vermeiden, sie als Dynamiken zu ref lektieren –, kann sich als gesellschaftlich folgenreich erweisen. Die Gefahr liegt in der sukzessiven Vereinnahmung durch Strategien, die eben nicht wild, sondern mehrheitlich kontrolliert progressive Auffassungen von Leben und Zusammenleben zurückzudrängen suchen. Die Auseinandersetzung mit ihren Gestaltungspraktiken ist daher von entscheidender Bedeutung für die Entfaltung eines politischen Bewusstseins, das Auf klärung weniger als Finalsieg der Vernunft denn als laufende Arbeit – als stetes Neubegründen – versteht. Problematisch ist daher, wenn das Erstarken des rechten Nationalismus einseitig nur unter politischen oder unter sozialpsychologischen Gesichtspunkten diskutiert wird. Auch dabei geraten allzu oft die kulturelle Raffinesse und die ästhetische Intelligenz aus dem Blick, die auf Seiten der Neuen Rechten zweifellos vorhanden sind. Vorherrschend sind bei ihnen Fähigkeiten, die ihnen im landläufigen Ref lex immer wieder abgesprochen werden. Hartnäckig hält sich die Vorstellung, dass es sich insbesondere beim Typus des rechtsnationalistischen Populisten um eine f leischgewordene Blödheit handeln müsse. Donald Trump gilt in diesem Sinne und bis heute als Protofigur der polit-clownesken Dumpf backe, als hinlänglicher Vollidiot – der, so die weitere Unterstellung, letztlich nur erfolgreich werden konnte, weil es ausreichend ähnlich Degenerierte gegeben habe, die dem Geblöke auf den Leim gegangen seien. Wer so urteilt, macht es sich intellektuell bequem und beginnt, sich in Selbstgerechtigkeit zu üben. Er begibt sich in eine Haltung saturierter Überlegenheit und reklamiert für sich weltanschauliche Unbestechlichkeit. Mit dem Kunst- und Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich wäre von einem »Gewissenshedonismus« zu sprechen – verbinden sich in diesem doch »das Kultivieren von Emp-
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findlichkeit und der Drang zu besserwisserisch-abkanzelndem Auftreten«.14 Sich in dieser Weise zurückzulehnen bedeutet einmal mehr, jene Muster zu übernehmen, gegen die man opponiert. Ja, darin liegt der eigentliche – und in jeglicher Hinsicht bedrückende – Erfolg neurechter Bewegungen: Ihnen gelingt, wovon subversiv denkende Menschen träumen. Die Neuen Rechten haben bereits heute viele ihrer Gegner den eigenen Mechanismen angenähert. Indem sie sich in Gewändern des Pluralismus kostümieren, verleiten sie ihre Gegner zum diskriminierenden Ref lex. Die Beispiele solcher Reaktionen sind zahlreich – und sie lassen sich auf allen gesellschaftlichen Ebenen nachweisen. »Hass macht hässlich, schauen Sie in den Spiegel«, rief der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs in einer Generaldebatte Mitte September 2018 der AfD-Fraktion zu – nachdem wenige Minuten zuvor bereits Martin Schulz in Richtung Alexander Gauland vermerkt hatte, dieser gehöre »auf den Misthaufen der deutschen Geschichte«, was Kahrs wiederum genüsslich goutierte, indem er Schulz dafür dankte, »hier mal eine klare Ansage gemacht zu haben«.15 In solchen Augenblicken mögen sich die Gegner der Neuen Rechten zwar noch als Anwälte einer freien und offenen Gesellschaft wahrnehmen – tatsächlich aber vollenden sie in Stil und Duktus, in Sprache und Bildern, in Habitus und Symbolik, ja letztlich im Denken und Handeln, was sie zurückzudrängen vorgeben. Sie geben performativ preis, was sie als weltanschaulich zu verteidigen erachten. Sie werden unbemerkt vereinnahmt, weil sie offenkundig kaum Möglichkeit sehen, aus dem aufgedrängten Überbietungswettbewerb der Abwertungen auszuscheren. Eine solche, mit stolzgeschwellter Brust vorgetragene Erwiderung erweist sich im Kern als kreuzbrave, gänzlich unbeabsichtigte Zustimmung. Gewicht gewinnen vor diesem Hintergrund die Beobachtungen des Kunstwissenschaftlers Jörg Scheller, der sich als einer der intellektuell schärfsten Kritiker der Neuen Rechten in die Debatte einbringt. Nach seinen Einschätzungen führe die Neue Rechte präziser als alle anderen derzeitigen Gesellschaftsbewegungen vor Augen, »wie sich Gegner im Kampf einander anverwandeln«16 lassen – mit fatalen Folgen: »So manche ›Linksliberale‹ haben sich tatsächlich in akademische oder sonstige Komfortzonen zurückge-
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zogen, von wo aus sie die ›Buntheit‹ der Welt kontemplieren wie ein Gemälde Kandinskys in der Zahnarztpraxis.«17 Der durchschlagende politische Erfolg rechten Gedankenguts ist einmal mehr als ein umfassend gestalterischer zu fassen: Den Neuen Rechten gelingt die Formung sich zunehmend vereinseitigender Lager bei gleichzeitiger stilistischer Annäherung.
Poröses Richtungsdenken Neben der Frage nach dem Neuen der Neuen Rechten steht die Frage im Raum, was denn nun das Rechte der Neuen Rechten sein soll. Kein Zweifel kann daran bestehen, dass das neurechte Gedankengut Grundzüge jener Ideologien wiederholt, die bereits den alten, noch ganz vom Nationalsozialismus umfangenen Nachkriegsfaschismus geprägt haben. Unterschiede sind daher weniger in den Zielvorstellungen als in der Wahl der Pfade auszumachen, wie der Historiker Volker Weiß herausgearbeitet hat: »Vor dem Hintergrund der weltanschaulichen Disposition der Neuen Rechten, ihren Kontakten und historischen Vorbildern ist festzustellen, dass sie das Erbe des Faschismus in großen Teilen angetreten hat.« Definiert Weiß diese Erbengemeinschaft einerseits überaus klar, wird andererseits – und fälschlicherweise – angedeutet, dass auch auf Stilebene eine Übernahme realisiert werde: »Das faschistische Element kommt dabei meist habituell und ästhetisch zum Vorschein, manifestiert sich aber, sobald der einhegende gesetzliche Rahmen wegfällt.«18 Der umgekehrte Fall liegt vor: In der Entwicklung eines vom Faschismus emanzipierten ästhetischen Ausdrucks wird der Schlüssel zur Umsetzung einer – je nach ideologischer Strömung – völkisch und/oder ethnisch begründeten, kulturellen Hegemonie gesehen. Hinzu kommt, dass auch der wiederbelebte Nationalismus nicht mehr darauf setzt, durch Abschaffung herrschender Verfassungsrechte Einf luss zu erzwingen. Gewiss, die Zerstörung der Verfassungsorgane bleibt sein Urmotiv. Doch das Narrativ, das sich insbesondere in Folge der Migrationsbewegungen von 2015 in vielen europäischen Staaten bis hinein in höchste parlamenta-
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rische Ebenen manifestierte, pocht auf Rückeroberung nationaler Souveränität durch Wiederinstandsetzung verfassungsrechtlicher Normen. Die Behauptung, die ›Altparteien‹ hätten sich des Verfassungsbruchs schuldig gemacht, erweist sich als ungleich effektvolleres Schmiermittel zur ideologischen Setzung – was wiederum dazu führt, dass von einem strikt rechts verorteten nationalistischen Denken kaum mehr gesprochen werden kann. Denn solche Auslegungen werden schon länger durch unterschiedlichste gesellschaftliche Interessengruppen – und deren Fürsprecherinnen und -sprecher – vertreten. Erinnert sei an die Verlängerung rechtspopulistischer Diktionen hinein in mittelstandsliberale und manch linke Kontexte. Beispielhaft dafür steht etwa der Versuch von FDP-Chef Christian Lindner, eine grassierende Fremdenangst durch fiktionalen Ehrgeiz auf freidemokratische Bahnen einzuschwenken: »Man kann beim Bäcker in der Schlange nicht unterscheiden, wenn einer mit gebrochenem Deutsch ein Brötchen bestellt, ob das der hoch qualifizierte Entwickler künstlicher Intelligenz aus Indien ist oder eigentlich ein sich bei uns illegal auf haltender, höchstens geduldeter Ausländer.«19 Ähnlich agierte die damalige Vorsitzende der Bundestagsfraktion DIE LINKE, Sahra Wagenknecht, als sie davon sprach, dass der »Kontrollverlust, den es im Herbst 2015 gab, […] dieses Land verändert« habe, »und zwar nicht zum Besseren«.20 Jeweils wurden in entscheidenden Phasen der öffentlichen Auseinandersetzung zur Mehrung politischer Einf lussnahmen Muster kopiert, die sich auf rechtsnationalistischer Seite als hinlänglich erfolgreich erwiesen hatten. Bereits im Jahr 2001 hat der Journalist Friedemann Schmidt umfassend gezeigt, in welcher Weise das politische Richtungsdenken auf breiter Ebene porös werde und sich gesellschaftlich fragmentarisiere. In seiner Studie zur intellektuellen Etablierung der Neuen Rechten in den bundesrepublikanischen Nachwendejahren zeichnet Schmidt das Ausströmen rechten Gedankenguts nach. Ihn interessiert, wie die Befürwortung nationalistischer Tendenzen gerade durch die vermeintliche Mehrheitsgesellschaft erzeugt, folglich also nicht mehr aggressiv in sie hineingedrückt, sondern aus ihrer Mitte heraus entwickelt werde: »Durch die allgemeine Renaissance
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des nationalen Arguments im politisch-kulturellen Diskurs findet die Neue Rechte […] einige ihrer zentralen Themen unversehens im Zentrum der öffentlichen Diskussion wieder.« Insbesondere die inhaltlich diffuse, aber emotional fesselnde »Strahlkraft nationalistischer Topoi« habe zu ihrer Vervielfältigung geführt. Der Nationalismus avanciere zum weltanschaulichen Allgemeingut und lasse sich damit erst recht als konsensfähige politische Perspektive präsentieren. Diese bringe denn auch »völlig neue ›Querfronten‹ mit sich, die sich dem herkömmlichen Rechts-Links-Schema scheinbar entziehen«.21
Realmythos Identität Das Ausdünnen des vermeintlich herkömmlichen Rechts-LinksSchemas ist dabei nicht nur Folge eines verallgemeinerten Nationalismus. Ebenso spiegelt sich in ihm eine für moderne Gesellschaften geradewegs typische Sehnsucht wider: Die Sehnsucht nach einem kollektiven Eigenen, das Menschen möglichst verlässlich mit- und untereinander verbindet und ihnen als das wesenhaft Gemeinsame erscheint. Dieses Eigene ist kein vorrangig politisches Element, wenngleich es politisch genutzt wird – sondern es ist zunächst und vor allem eine kulturelle Imagination. Es geht um das Definieren von Räumen, in denen die je eigene Auf fassung von Welt und Wirklichkeit sinnliche Bestätigungen findet. Das gemeinschaftlich Eigene wird als das kulturell Eigentliche bestimmt. In diesem Eigentlichen möge Essentiell-Substantielles aufscheinen, etwas, das alltäglichen Routinen enthoben und von überdauernder Qualität ist. Wollte man diesen Wunsch systemtheoretisch fassen, würde deutlich werden, dass es dieses Eigene nicht ohne die Vorstellung eines Anderen geben kann. Das Eigene muss abgeschlossen werden. Den Eindruck homogener Ganzheit erzeugt es sogar erst und allein in der Unterscheidung gegenüber anderen (angenommenen) Ganzheiten. In der Abgrenzung gegenüber diesen liegt die Bedingung der Möglichkeit, ein Gefühl von Selbstbestimmtheit zu entwerfen. Der Soziologe Armin Nassehi bündelt diese Bildung des Eigenen
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zur Formel, wenn er formuliert: »Die Sehnsucht der Bewohner komplexer Gesellschaften nach dem Schoß einfacher kollektiver Identitäten.«22 Damit erinnert Nassehi an die grundsätzliche Paradoxie solcher Identitätsentwürfe: Moderne Gesellschaften erweisen sich als schlicht zu komplexe Gebilde, als dass sie eindeutig-feste Orientierungen stiften könnten. Daraus folgt die Sorge vor Überforderung, vor einem Untergehen im Meer der Möglichkeiten. Die Schaffung kollektiver Eigenschaften wird demnach als Instrument zur Komplexitätsüberwindung gesehen. Anstatt den kulturellen Reichtum in all seinen Widersprüchen als gesellschaftlich herausfordernde Grundbedingung anzunehmen, soll er verdrängt und durch sich voneinander abschottende Inseln der Eindeutigkeit überwunden werden. Ideologische Form gewinnt diese Auffassung eines kulturell gesäuberten Zusammenlebens im Konzept des Ethnopluralismus. Mit ihm lassen sich Kulturen ethnisch definieren und somit auf ein je Eigenes – auf ein qualitativ Unterscheidbares – und seine Herkunft zurückführen. Dieses Eigene, mit dem Mythos des absolut prägenden Ursprungs angereichert, soll konstitutiv für die jeweils gemeinte Kultur sein. Kulturelle Durchmischung bedeute demnach Kulturverlust, führe zum Niedergang von Wesenhaftigkeit. Demgegenüber soll die Vermeidung, sich mit anderen Kulturformen zu infizieren, zur Gesunderhaltung der eigenen, als natürlich gefassten Kultureigenschaft beitragen. Je stärker dabei auf Abgrenzung geachtet wird, desto mehr Möglichkeiten scheint es zu geben, die im Ursprung angelegte – und damit erst recht schützenwerte – Überlegenheit der eigenen Volkskultur zu entfalten. Somit werden Kulturen – dies wohl im Unterschied zum alt-faschistischen Rechtsnationalismus – nicht von vornherein als hierarchisch geordnet angesehen; vielmehr liege in der eigenen Kultur ein überragendes Potenzial, das es auszuschöpfen gelte, und dessen Beschwörung umso mehr dazu beiträgt, die eigene Kultur gegen andere durchzusetzen. Damit schließt sich der Kreis. Denn die Ausfaltung einer solchen kulturellen Eindeutigkeit ist notwendigerweise ästhetisch verfasst. Wer die Suggestion einer verbindlichen Eindeutigkeit – einer kol-
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lektiven Identität – erzeugen will, muss sich überlegen, in welchem Design diese erscheinen soll. In jedem Fall muss es sich um ein Design handeln, das sich von anderen Designs – von den Entwürfen anderer kollektiver Identitäten – unterscheiden lässt. Der Zusammenhang scheint also klar: Der Auf bau einer kollektiven, homogen geschlossenen, kulturellen Identität bedingt die Entwicklung einer sich selbst entäußernden Designsprache. Die Erscheinung solle sich aus sich selbst heraus mitteilen, um physiognomisch erfassbar und somit lesbar sein zu sein. Das Problem ist nur: Exakt dies vermeiden neurechte Bewegungen ebenso penibel wie umsichtig. Ihr politischer Wille zum kollektiven Wesen vollzieht sich gerade nicht durch einen ästhetischen Willen zum Wesen. Ihr Ideologie-Essentialismus artikuliert sich in keinem Ding-Essentialismus. Stattdessen wird die Komplexität moderner Gesellschaften – ihre strukturelle Vieldeutigkeit – zum gestalterischen Selbstverständnis erklärt, um die weltanschaulich definierten Ziele in praktisches Handeln umsetzen zu können. Somit liegt im Fall der Neuen Rechten ein überaus verschachtelter Zugang zur kollektiven Identität vor: Identität wird als Konzept politisch forciert, indem gesellschaftliche Komplexitäten auf die vorgeblichen Wesenskerne von Kultur, Nation und Volk reduziert werden. Dies wiederum geschieht unter Maßgabe einer ästhetischen Auffächerung von Komplexität. Folglich soll die ideologische Vereinseitigung westlicher Gesellschaften durch ihre gestalterische Vervielfältigung erreicht werden: Der Anti-Pluralismus segelt unter der Flagge des Pluralismus. Die Neuen Rechten sind Kinder und Bewohner moderner Gesellschaften. Entsprechend geübt sind sie im Umgang mit den Mechanismen moderner Gesellschaften. Ihnen wirkungsvoll zu entgegnen kann daher nur bedeuteten, zu versuchen, diese Gesellschaften präziser als sie zu interpretieren – auch und gerade auf der Ebene der ästhetischen Praktiken.
I. Hipster-Nazis Zum Polit-Aktivismus
Abb. 1: Wahlbeobachtung als Schutz der Demokratie vor der Demokratie?
Das exakt einmütige Video ist im Stile eines Erklärfilmchens gehalten. In einfachen Sätzen, schematisch typisierten Figuren und einem auf das Wesentliche reduzierten Setting wird dargelegt, wie man die Europa-, Landes- und Kommunalwahlen im Jahr 2019 als »Wahlhelfer« unterstützen könne. Eingeleitet wird das Animationsstück in Peter-Lustig-artiger Wohlfühl-Phonetik. Diese stellt denn auch am exemplarischen Fall die Notwendigkeit eines solchen Engagements ins Zentrum: »Das ist Tim. Tim glaubt an die Demokratie und will sie stärken. Deshalb war er schon einige Male Wahlbeobachter. Dabei hat er Fehler und Missbrauch festgestellt. Dieses Jahr will er mehr tun. Für die anstehenden Wahlen will Tim Wahlhelfer werden, direkt dabei sein und aktiv über
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mögliche ungültige Stimmen mitentscheiden und, wenn nötig, Einspruch einlegen.« Veröffentlicht wurde das Video von der selbsternannten »Bürgerinitiative« Ein Prozent. Dabei handelt es sich nach eigener Auskunft um eine »professionelle Widerstandsplattform für deutsche Interessen«. Man verstehe sich als »erste seriöse Lobbyorganisation für verantwortungsbewusste, heimatliebende Bürger« und wolle der »schweigenden Mehrheit von unzufriedenen Demokraten endlich wieder eine Stimme« geben. Dieser »patriotische Protest« entfalte sich in »grundsätzlichen und graswurzelartigen« Maßnahmen – um »Widerstand gegen eine politische Klasse« zu leisten, »die längst nicht mehr die Interessen der eigenen Bevölkerung schützt«.23 Das bereitgestellte Video ist als Paradebeispiel für die DesignIntelligenz neurechter Bewegungen einzustufen. Wie raffiniert und ref lektiert die Initiative agiert, zeigt sich bereits an der Wahl des Themas: Wahlbeobachtung und Wahlhilfe lassen sich als unmittelbare Dienste an der Demokratie auslegen, stehen also im Zeichen eines übergeordneten Gemeinwesens. Und da diese Demokratie als geschändet ausgegeben wird – es also um die Wiederbelebung demokratischer Prinzipien gehe –, erscheint das Wahl-Engagement als geradezu demokratierettende Maßnahme. Folglich wird der eigentliche Charakter der Wahlhilfe, die in Deutschland gesetzlich als Ehrenamt in staatsbürgerlicher Pf licht verankert ist, zur demokratiepolitischen Notwehr umcodiert. Wahlhelferinnen oder Wahlhelfer, so die Suggestion, erhielten Zugang zu jenen Bereichen, in denen Demokratie ›gemacht‹ werde. Gleichzeitig behält der Aufruf den Anstrich öffentlicher Seriosität. Schließlich gehe es um eine Sache allgemeinen Interesses, letztlich also auch hier wieder um den Schutz des Volkes gegenüber einer längst korruptionsanfälligen, erodierenden Demokratie. Was sich auf Ebene der Themenwahl abzeichnet, findet auf gestalterischer Ebene nahtlose Fortsetzung. Die Personalisierung durch »Tim, 32« schafft Vertrautheit und bietet zugleich Gelegenheit, ein – im Wortsinne – Vorbild in Szene zu setzen. An ihm kann man sich orientieren, zumal »Tim«, ehrenhaft gestimmt, an die Demokratie »glaubt« und sie »stärken« will. Der Hinweis auf den
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Glauben signalisiert persönliche Involviertheit und unterstreicht die reinen Absichten; und der Verweis darauf, die Demokratie stärken zu wollen, zeigt an, dass es ohne Engagement nicht (mehr) geht. Denn der Glaube allein versetzt in diesem Fall noch keine Berge. Dramaturgisch entscheidend ist nun, dass »Tim« bereits »Wahlbeobachter« gewesen war – und dass ihm dabei »Fehler und Missbrauch« aufgefallen seien. Sein guter Wille ist also kein hohles Versprechen. Vielmehr erscheint seine Rolle als gedeckt von bereits tatsächlich erbrachten Leistungen im Geiste des Volkes. Obwohl »Tim« also bereits Verdienste um die Demokratie erworben hat, ruht er sich nicht aus – im Gegenteil: Gerade weil er Einblick in die marode Verfasstheit der demokratischen Ordnung gewonnen hat, ist es für ihn unumgänglich, sein Engagement zu intensivieren. So wird er, ursprünglich aus Notwehr handelnd, vom demokratischen Ersthelfer zum systemrelevanten Therapeuten. Da gleich zu Beginn des Videos ein vermeintlicher Wahlmissbrauch festgestellt wird, grundiert diese Perspektive den weiteren Verlauf. Insinuiert wird, dass dieser Missbrauch wieder und wieder stattfinde, dass also Bürgerinnen und Bürger in systematischer Weise betrogen würden. Die Wahlhilfe wird somit als eine Art zweite und damit exklusive Stimmberechtigung vorgestellt. Wörtlich ist davon die Rede, dass man durch Wahlhilfe »mitentscheiden« könne – was insofern ein strategisch geschickt gesetztes Verb ist, als es nicht nur Beteiligung in Aussicht stellt, sondern erneut die Sache der Wahlmanipulation ins Zentrum rückt. Obendrein verspricht es Handlungsmöglichkeiten, die über eine bloße Stimmabgabe hinausreichen. Damit verbindet sich in der so gefassten Wahlhilfe die Aussicht auf Wiederherstellung demokratischer Prinzipien mit einem Flair von Selbstwirksamkeit. Plötzlich, so scheint es, zählten einzelne Bürgerinnen und Bürger wieder etwas. Damit ist klar, dass sich die Wirkung solcher Videos keineswegs in gesinnungsethischen Appellen erschöpft. Denn prototypisch für das neurechte Design-Agieren ist neben der textsprachlichen auch die bildliche Ebene. Diese mag im Gesamten »trivial« wirken – und ja, als diese erscheint sie auch! Allerdings nicht im Sinne eines nebensächlichen und daher vernachlässigbaren ästhetischen
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Elements, im Gegenteil: Die »stilistische Trivialität« (»stylistic triviality«) ist ein formgestalterisches Prinzip, ein Design-Rahmen, innerhalb dessen eine eigene Darstellungskonvention ausgeprägt wird. Kaum jemand hat diese – neuen – Konventionen kulturgeschichtlich so scharf analysiert wie die amerikanische Kulturtheoretikerin Sianne Ngai. Ihrer Studie über »unsere ästhetischen Kategorien« – bezogen auf westliche Mediengesellschaften, ihre Weisen des Beschreibens und Urteilens – ist zu entnehmen, dass »im Falle des Niedlichen« immer auch der Eindruck »körperlicher Kleinheit und Verletzlichkeit« (»physical diminutiveness and vulnerability, in the case of the cute«) erzeugt werde – ein Gefühl, das man insbesondere in einer »hyperästhetisierten Welt« (»hyperaesthetic world«) als besonders wertvoll und entsprechend bewahrungswürdig wahrnimmt.24 Wohl mehr intuitiv als ideengeschichtlich informiert dürfte die offen rechtsextreme Ein Prozent-Bewegung auf das Niedliche als Gestaltungsprinzip gekommen sein. Umso ersichtlicher wird der verfolgte Zweck: Er liegt in der umfassenden Herstellung eines Schutzgefühls. Tatsächlich soll ja, ganz praktisch, etwas – nämlich die Demokratie selbst – geschützt werden. Also braucht es ästhetische Anker, die sich in einem Gefühl verhaken, das seinerseits anfällig für Schutzinteressen ist. Auf expliziter Ebene geht es demnach keineswegs um irgendwelche Zerstörungsphantasien – und dennoch werden genau diese unter der Hand, gewissermaßen implizit, stimuliert: Die kleinen, verletzlichen Körper repräsentieren mundtot gemachte Bürger. Diese sind unter allen Umständen zu rehabilitieren, womit ein Rache- und wohl auch Gewaltmotiv angelegt ist. Wörtlich heißt es auf der Seite der Bewegung: »Wir helfen denen, die keine Lobby haben, aber eine verdient haben.« Bewunderung verdienten demnach all jene, »die es riskieren, gesellschaftlich geächtet zu werden, weil sie ihre Heimat und Rechtsordnung bewahren wollen«.25 Anders formuliert: Im Falle des Niedlichen kann es für rechte Helden keine Kompromisse geben. So unscheinbar das Video auch wirken mag, so stark kondensiert es die neurechte Hipster-Kultur auf einige ihrer zentralen
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Design-Elemente: Geschürt wird ein Hass auf eine abgehobene politische Elite. Provoziert wird der Verdacht, die öffentlichen, demokratischen Institutionen seien unterwandert und den Machtinteressen der Herrschenden eingegliedert worden – was wiederum dazu führt, dass sich ein ebenso diffuses wie attraktives Gefühl gesellschaftlicher Unterlegenheit einstellt. Und herausgefordert wird schließlich die Aussicht auf Befreiung, auf Rückeroberung verloren gegangener Felder. Gespielt wird also mit der Suggestion, dass Gewalt zwar das letzte, aber gerade deshalb unumgängliche Mittel sein wird – und gekitzelt wird am Verteidigungsref lex: Die Überwindung sozialer Ohnmacht, das Freilegen eines systematischen Demokratiemissbrauchs und die Wiedererlangung des Rechts auf gesellschaftliche Beteiligung sind Triebfedern, aus denen die Neuen Rechten mobilisierende Dynamiken ableiten; und dies nicht zuletzt mit einem Erklärvideo, das auf den ersten und vielleicht auch auf den zweiten Blick nichts dergleichen zu beinhalten scheint. Gleichwohl steht das Filmchen nur für eine unter vielen anderen Gestaltungstypologien. So geht aus ihm beispielsweise nicht hervor, zu welchen Mitteln neurechte Bewegungen greifen, um auch im öffentlichen Raum die eigene Sache voranzutreiben – wobei einzuschränken ist: Die Besetzung öf fentlicher Räume durch die Neuen Rechten ist nicht ohne deren mediale Postproduktion auf den hauseigenen Online-Portalen und Social-Media-Accounts zu betrachten. Insbesondere die Identitäre Bewegung hat über die letzten Jahre eine aktivistische Praxis perfektioniert, die die alten Grenzen zwischen Of f line- und Online-Welten in scheinbar spielerischer Leichtigkeit überwindet. Ja mehr noch: In der Regel ist kaum mehr ersichtlich, ob eine Intervention im öf fentlichen Raum für diesen – und damit ortspezifisch für die je anzutref fenden Bedingungen – durchgeführt wird; oder ob es nicht viel eher darum geht, der digitalen Präsenz weitere Bilder und Narrative zuzuführen, für die der öffentliche Raum lediglich die gerade passende Kulisse bietet.
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Abb. 2: Ethnopluralistischer Rassismus, verpackt als Hilfe vor Ort.
Unter dem Etikett Alternative Help Association – in der Eigenschreibweise als AHA! gefasst – hat sich im Jahr 2017 als Seitenableger der Identitären Bewegung eine vorgebliche NGO-Gruppe gebildet. Ihr angewandter Rassismus wird in die Rhetorik etablierter Hilfsorganisationen gepackt: »Helfen Sie dabei, die Lebenssituation derjenigen zu verbessern, die in ihrer Heimat geblieben sind. Zeichnen Sie Patenschaften für Familien oder helfen Sie bei der Familienzusammenführung in Syrien, damit die Menschen auch in ihren Heimatländern wieder eine Zukunft haben.« Man wolle, so ist der eigens eingerichteten Homepage weiter zu entnehmen, »gerade den sozial Schwachen die Zeltplätze in bereits bestehenden Flüchtlingscamps bezahlen«, um schließlich »nachhaltige Strukturen aufzubauen, die langfristige Perspektiven ermöglichen«.26 Ziel sei es also, Geld in Form von Spenden zu akquirieren. Deren angebliche Weitergabe wird durch die Gruppe gezielt in Frage gestellt, wenn sie etwa darauf verweist, dass das Geld entweder einer »Hilfe vor Ort in den Krisenländern oder [der] patriotische[n] Aufklärungsarbeit in Europa«27 zugutekommen solle. Damit werden zwei systematisch getrennte Bereiche als gleichermaßen förderwürdig deklariert – mit der Folge, dass die Not der Menschen als Mittel zur Stärkung identitärer Ziele vereinnahmt wird. Bewusst wird dieses eigentliche Interesse nicht kaschiert, sondern, im Gegenteil, gezielt ausgestellt. Denn wer an AHA! spendet, soll mit doppeltem Gewissensgewinn belohnt werden: Er kann sich einerseits als gesellschaftspolitisch überlegen gegenüber etablierten Hilfsorganisationen wahrnehmen. Einzig AHA! scheint sowohl eine Verbesserung der Lebensbedin-
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gungen im Nahen Osten als auch eine Stärkung des sozialen Zusammenhalts in Mitteleuropa zu gelingen. Andererseits lässt sich die Spende als ethnopluralistisches Investment interpretieren: Indem man Menschen dabei hilft, in ihre Heimat zurückzukehren, wäscht man die eigene Heimat von migrantischen Spuren rein – und sorgt zugleich dafür, »die Identität der notleidenden Bevölkerung [zu] bewahren«28. Dies wiederum bedeutet nichts anderes, als die eigene (kollektive) Identität wieder in Stand zu setzen. Doch wird gerade in diesem Fall deutlich, dass das Auftreten vor Ort – wie etwa in einem libanesischen Flüchtlingscamp sowie in ein, zwei syrischen Städten – ausschließlich dazu dient, propagandistischen Content für die eigenen Social Media-Kanäle zu generieren. Dort finden sich denn auch sorgfältig ausgewählte, suggestiv arrangierte, technisch einwandfrei produzierte und textlich präzise gerahmte Fotografien. Gleichwohl unterscheiden sich die AHA!-Accounts auf Instagram, Facebook und Twitter allenfalls hinsichtlich der jeweiligen Textlänge. Ganz offenbar werden Postings vorab mediengerecht zusammengebastelt, um dann auf die Kanäle verteilt werden zu können – was freilich dem Ansatz widerspricht, mit der Social-Media-Präsenz eine möglichst vielfältig nutzbare Wirkung zu erzielen. Beachtenswert ist dennoch, mit welchem Designkonzept dieser Remigrations-Rassismus umgesetzt wird. So dienen die drei Kommunikationskanäle – die letztlich als ein Kanal mit unterschiedlichen Röhren missverstanden werden – dazu, ethnopluralistische Erfolgsgeschichten zu erzählen: Hier soll eine Familie an ihren Ursprungsort zurückgefunden haben; dort soll eine Arztpraxis wiederaufgebaut worden sein; und überhaupt sei es gelungen, den Transfer zwischen zwei Städten neu zu organisieren. Entsprechend penetrant zeigen sich die Identitären mit den Menschen vor Ort in scheinbar freundschaftlicher Pose – ganz so, als sei aus Ersthilfe erst persönliche Nähe und dann kulturelle Vertrautheit erwachsen. Klar ist: Die Gruppe kann auf die hermeneutische Intelligenz ihrer inzwischen zahlreichen rechtsnationalistischen Follower vertrauen. Niemand von ihnen wird in diesen Bildern geschlossene Freundschaftsbünde sehen. Sondern die Bilder motivieren empfängliche Gemüter dazu, einen kulturchauvinistischen Unter
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drückungsdrang mit dem Triumphgefühl zu verbinden, einmal mehr das Tatsächliche im Scheinbaren – die kaschierte Botschaft – entlarvt zu haben. Dieses Gefühl der Überlegenheit lässt sich noch dadurch steigern, indem man sich in Kommentaren darüber auslässt, dass die begriffsstutzigen Syrer offenbar nicht kapiert haben, was und wozu sie fotografiert worden sind. Der Missbrauch, so das für Rechtsextremisten typische Frohlocken, bleibe den Missbrauchten verborgen, was umso mehr beweise, wie hoch entwickelt das Eigene im Vergleich mit dem Anderen ausfalle. Nein, der gesellschaftspolitisch gefährliche, neurechte Aktivismus ist nicht in Flugblattaktionen, bei Greenpeace abgeschauten Plakatauf hängungen, okkupierten Theateraufführungen oder gestörten Diskussionsrunden zu suchen. Gewiss, auch diese Auftritte dienten insbesondere in der Anfangsphase der Bewegung vorrangig der Zweit- und Drittverwertung in den Sozialen Medien. Aber ihre kommunikativen Effekte haben sich abgenutzt. Inzwischen werden ungleich subtilere Gestaltungsvarianten favorisiert – nicht zuletzt, weil vorrangig aus der Identitären Bewegung ein durchaus breit aufgestellter, in jedem Fall überaus ehrgeiziger Unterstützerkreis rechtsgesinnter ›Ibster‹ hervorgegangen ist. Diese stramm rechtsorientierten, mit alternativ-emanzipatorischen Versatzstücken hantierenden Akteurinnen und Akteure haben sich als neofaschistische Lifestyle-Szene gesellschaftspolitisch etabliert – zumindest dann, wenn man die Etablierung am Grad der öffentlichen Wahrnehmung messen möchte. Gepf legt werden gruppeninterne (männliche) Idole, deren Vorbildfunktion in gleichen Teilen auf ästhetischen wie weltanschaulichen Setzungen zu beruhen scheint. Das verbindende Element dieser Basis ergibt sich – wie bei jeder anderen sozialen Bewegung auch – aus einer gemeinsamen Kenntnis zentraler ästhetischer Codes. Man begreift sich als verschworene Einheit gegenüber der vermuteten Mehrheitsgesellschaft, gerade weil man darin geübt ist, die populären Zeichen dieser Gesellschaft zitierend in ihr Gegenteil zu verkehren. Man versteht sich gewissermaßen blind, und kleinste Andeutungen genügen, um die anderen in Kenntnis zu setzen. Zu schließen ist, dass diese scheinbaren Erklärvideos und vorgeblichen Hilfsaktionen das Gefühl stiften, einer Art konterrevolutionären Stilgruppe anzugehören und
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somit Teil eines relativ geschlossenen Kreises zu sein. Dieser schottet sich ab und charakterisiert sich als kulturell überlegen, indem er das Außen als so defizitär bewertet, dass er meint, es integrierend in sein Gegenteil umcodieren zu können. Darin aber liegt eine systematische Schwäche dieser Gruppierungen. Denn das Gefühl der Überlegenheit mag sich zwar als radikal autonom identifizieren. Tatsächlich aber bleibt es seinen eigenen Bedingungen verhaftet. Gerade weil große Teile der Neuen Rechten auf eine Designpraxis der Um- und Neucodierung setzen, bestätigen sie ein ums andere Mal ihre soziale Abhängigkeit: Wer im Modus der Erklärvideos gegen den Staat hetzt, ist auf die ästhetische Kultur der Erklärvideos – wie sie in Unternehmen, Beratungseinrichtungen, Sozialverbänden und Bildungsinstitutionen Anwendungen findet – geradezu angewiesen. Wer gegen Flüchtende, als fremd wahrgenommene Menschen, Minderheiten und Schwächere mit den Stilkonventionen etablierter Hilfsorganisationen hetzt, braucht diese Hilfskonventionen als Kontrastfolie weit dringender, als ihm lieb sein dürfte. Sosehr die Neuen Rechten die offene Gesellschaft durch deren Prinzipien außer Kraft zu setzen suchen, so fest sind sie an deren Prinzipien gebunden. Wer im Freund-Feind-Schema denkt und handelt, braucht den Feind, um die Freunde bei der Stange zu halten. Was aber heißt das für all jene, die sich der Neuen Rechten nicht verbunden fühlen – und stattdessen die Idee einer migrantischen Gesellschaft verteidigen wollen? Welche Geschichten könnten sie erzählen? Und wie müssten diese Geschichten erzählt werden, dass sich nicht auch noch durch sie das identitätspolitische Paradigma durch die Hintertür einschleicht? Die Auseinandersetzung mit den Gestaltvarianten der Neuen Rechten zu führen erfordert die Schärfung der eigenen Designpraktiken – in dramaturgischer wie inszenatorischer Hinsicht.
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II. Kleine Dinge Zur Konsumwelt
Abb. 3: Gimmick-Tassen als rechtsnationalistische Konsumobjekte.
»Jeder Kauf unterstützt den patriotischen Widerstand«, raunt es in pseudo-sozialistischer Manier auf einer Internetseite. Über sie vertreibt der bereits im vorherigen Kapitel thematisierte, von Rechtsextremisten durchzogene Verein Ein Prozent einige Konsumartikel. Zu erwerben gibt es eine Handvoll schwarze T-Shirts, bedruckt mit unterschiedlichen Sprüchen, zudem acht Auf kleber, die die Sprüche der T-Shirts in ein paar Nummern kleiner wiederholen, sowie – neben drei Bierdeckeln – vier weiße Tassen. Diese werden auf der
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Seite dargestellt, als müssten Kaufinteressentinnen und -interessenten ihre Auswahl unter hunderten Varianten treffen: In verwaltungspraktisch-gewissenhafter Ordnung hat man die Tassen in vier Themenbereiche separiert. Sakrosankt-aseptisch präsentiert, erscheinen sie wie kleine Konsumikonen. Man darf spekulieren, ob in der Findungsphase zur Bezeichnung der Themenbereiche versucht worden ist, durch kreativitätsförderliche Brainstorming-Runden besonders originelle Weltbildbestätigungen zu finden. Wie auch immer – zu bestellen sind die »Tasse Verteidiger Europa« (wohl ans Maskulin-Heroische appellierend), die »Tasse Deutschland retten« (wahrscheinlich ans Verschwindende gemahnend), die »Tasse Deutscher Ureinwohner« (offenbar ans Sarkastische anklopfend) sowie die »Tasse Merkels Politik« (mutmaßlich ans Unausstehliche erinnernd).29 Damit fällt bereits auf Ebene der Produktpräsentation auf, welches Verständnis von Konsum diesen Produkten zugrunde liegt. Denn diese scheinen wie autonome Kunstwerke behandelt zu werden, ganz so, als wolle man die Tassen in einem digitalen white cube eher ausstellen denn zum Verkauf anbieten.30 Offenbar wird von einem vor- oder zumindest antimodern geprägten Verständnis ästhetischer Objekte ausgegangen. Sie sollen aus sich heraus wirken, durch sich selbst überzeugen und möglicherweise für das einstehen, was sie textlich darbieten. Es handelt sich bei den Tassen also um eine Form von Bekenntnisprodukten, um Objekte, die als Träger von Bedeutungen fungieren und somit Auskunft über einen (weltanschaulichen) Inhalt geben sollen. So scheint sich eine essentialistische, ding-okkulte Hoffnung breitgemacht zu haben – dies freilich verbunden mit dem Hinweis, dass eine solche Lesart ebenfalls nichts anderes bedeutet als der Versuch, aus einer Form einen Inhalt zu entnehmen. Gleichwohl stehen die vier Gimmick-Tassen in ihrer – geradewegs anrührenden – Ironie-Absicht prototypisch für die weitgehende Unbeholfenheit der Neuen Rechten mit Fragen des Konsums. So entschlossen insbesondere ethnopluralistisch-identitär geprägte Gruppierungen danach streben, den westlichen Pluralismus als Lebensstil okkupierend zu überwinden, so unausgegoren ist ihre Vorstellung davon, welche kulturellen Funktionen Konsum-
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phänomene darin übernehmen. Ersichtlich wird diese analytische Schwäche ausgerechnet bei Martin Sellner, der sich wiederholt und in unterschiedlichster Form – in Büchern, Artikeln, Blogbeiträgen, Social-Media-Postings und Videokommentaren – zu Konsumthemen äußert. In seinem programmatisch gemeinten, mit der Geste des Grundlegenden apostrophierten, autobiografisch dramatisierten Buch über Anfänge und Ziele der Bewegung blickt Sellner mit großväterlicher Sorge auf »viele Heranwachsende«. In ihnen erkennt er »verwöhnte Einzelkinder […], die nicht gelernt haben, die eigenen Bedürfnisse zurückzustecken«. Der allgemein grassierende »Schuldkult« habe die »verwahrloseste Generation, die wir je hatten«, erzeugt, eine Generation, die »in eine neurotische Identitätskrise getrieben und ohne Tugenden und Werte erzogen« worden sei. So erlebe man »die Folgen des Großen Austauschs und einer dekadenten Konsumkultur hautnah«.31 Das Konsumieren wird als Ausdruck einer geistigen Verwahrlosung gesehen. In bester kulturkritischer Tradition geht es darum, den Konsum als Ersatzbefriedigung zu deuten: Man konsumiere und verschwende damit Energie und Zeit, die man doch eigentlich in die Ausfaltung der wahren Kultur investieren müsse. So wird unter rechtsideologischem Deckmantel das alte marxistische Argument der Entfremdung wiederaufgetaut und – dies ist entscheidend! – gleichrangig mit dem Narrativ der Überfremdung behandelt. Der Konsum entsprechender Produkte verführe Menschen in das »Scheinreich der Warenästhetik«32, wie es bezeichnenderweise auch beim marxistischen Philosophen Wolfgang Fritz Haug heißt. Dieses Reich stelle eine Einlösung falscher, da von außen eingepf lanzter Sehnsüchte in Aussicht. In der Folge trage es dazu bei, Konsumentinnen und Konsumenten zu entpolitisieren, sie also »zu einem neuen Opfer zu zwingen« und gar »in eine neue Abhängigkeit zu versetzen«.33 Tatsächlich sieht auch Sellner allenthalben »apolitische Konsumsklaven« am Werk. Das Scheinreich wird bei ihm zum »Raum der glitzernden, heimatlosen Konsumwelt«, in der sich eine Gruppe von Menschen rumtreibe, »die sich vor allem aus den weniger Gebildeten zusammensetzt«. Anstatt die eigene Kultur als zentral
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verbindendes Element herauszuarbeiten und gegen zersetzende Einf lüsse zu verteidigen, liefere man sich im »Spucken auf jede Sinnsuche« dem hedonistisch-nihilistischen Zeitgeist aus. Folglich sei unbestreitbar, dass das angebliche Gesellschaftsideal der »›Integration‹ im Grunde nur eine Anpassung ist und dass der einzige Kitt der multikulturellen Gesellschaft Wohlstand und Konsum sind [sic!]«.34 Damit wird deutlich, warum die Neuen Rechten daran scheitern (müssen), eine intellektuell avancierte Vorstellung des Konsums und seiner in westlichen Gesellschaften gelebten, sozialen Praxis zu entwickeln. Ohne es sich einzugestehen, ergehen sie sich in Topoi linker Kulturkritiken, deren Wiederauftauchen in den eigenen Reihen durch notorische Invektiven gegen »marxistisch gesinnte […] ›Kulturschaffende‹« mit verkrampftem Eifer bemäntelt wird. In endlosen Schleifen wird betont, dass der Kulturverfall durch äußere Einf lüsse erst vollständig katastrophal werde, indem sich die Jugend – die man doch eigentlich für den Kampf um das Eigene dringend bräuchte – lieber der ungleich subtileren »altlantischen Landnahme« ausliefere. Somit dient der Blick auf den Konsum vorrangig dazu, einen fatalen Zusammenhang sich ursprünglich widerstreitender Gesellschaftsmodelle zu konstruieren. Vom angeblichen Schuldkult moralisch tonnenschwer belastet, fänden Menschen keine Kraft mehr, gegen die Islamisierung des Abendlandes aufzubegehren. Sie fügten sich, von dauernder »Entschuldung« vollends ausgezehrt, ihrem Schicksal und überdröhnten die Aussicht auf ihr nahendes Ende durch Abgleiten in den aus den USA eingeschleusten Konsum: So »schreit mit wilder Partymusik die Selbstaufgabe«.35 Anti-Islamismus und Anti-Amerikanismus verbinden sich zu einer verschwörungstheoretisch aufgeplusterten Gemengelage. Die Absage an eine Konsumkultur impliziert den Aufruf, zurück zu den tatsächlichen Ursprüngen der eigenen Kultur zu finden. Gleichzeitig lässt sich mit rechtsnationalistischer Konsumkritik, die wohl eher eine diffuse Kapitalismuskritik darstellt, eine global agierende Feindschaft einander vermeintlich ausschließender Gesellschaftsmodelle behaupten. Auf einer dritten Ebene wird schließlich das Narrativ einer wohlstandsversifften Jugend befeuert, die
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ihren eigenen historischen Ansprüchen (der 68er-Bewegung) längst abtrünnig geworden sei – und, opportunistisch f lexibilisiert, das emanzipatorische Element durch das ökonomisch ungleich attraktivere Kapitalelement eingetauscht habe. Was sich hier noch kritisch gebärde, bediene die Struktur einer Mainstream-Gesellschaft, die jegliche Abweichung einverleibe, um das Auffallend-Ausfallende als den neuen ›heißen Scheiß‹ zu vergolden. Als umso wichtiger dürften manchen Rechten ihre vier Tassen erscheinen. In ihrer ganzen gestalterischen Simplizität eignen sie sich zur kurzweiligen konsum- und kapitalismuskritischen Projektion. Um nochmals mit Sianne Ngai zu sprechen: Als objektästhetische Beispiele der »kleinen Dinge« (»small things«)36 bieten sie Anlass zur situativ geprägten Bestätigung eines favorisierten Weltbildes. Dabei ist beachtenswert, dass sich die Tassen weder in materieller noch in formaler Hinsicht signifikant von anderen Give-away-Tassen unterscheiden, somit brav deren Design-Muster wiederholen. Die radikale Abweichung bleibt also – erneut – aus, so dass man sich beim Gebrauch der Tassen den Eindruck verschaffen kann, wieder einmal die Konsumgesellschaft durch ihre eigenen Prinzipien ein klein wenig infrage gestellt zu haben. Das Trinken aus einer solchen Tasse lässt sich als miniaturisierte, ursprüngliche Handlung auslegen – als etwas, das wie nebenbei nochmals vor Augen führt, worum es heute eigentlich gehen sollte. Hinzu kommt, dass die grafische Gestaltung den Anhängern der Ein Prozent-Truppe das Gefühl ästhetischer Zugehörigkeit vermitteln mag. Auch wenn eine solche Tasse mit vielen anderen im Küchenregal oder Vitrinenschrank steht, fällt sie Brüdern im Geiste gewiss sofort ins Auge. Umso mehr kann sie dazu verleiten, sich mit ihrer Hilfe als verschworene Gemeinschaft – als Bund Gleichgesinnter – zu begreifen. Alles andere als abwegig scheint die Vorstellung, dass aus der Tasse ein Running Gag gemacht und sie – vielleicht zusammen mit den drei anderen Tassen – immer dann demonstrativ auf den Tisch gestellt wird, wenn Verbündete zu Gast sind. In diesem Fall dienen die Tassen als ästhetische Bindeglieder, die man zwar ironisierend distanziert, gleichzeitig aber als Erkennt-
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nissignale wertschätzt. Dies wiederum findet Verstärkung darin, dass Uneingeweihten die Tassen womöglich gar nicht eigens auffallen. Ihre ästhetische Harmlosigkeit könnte sogar den für die Bewegung typischen Eindruck unterstützen, man agiere in untergrundähnlichen Strukturen und verhalte sich raffiniert-verdeckt. Gerade weil diese Tassen gestalterisch all das bedienen, was ohnehin im kollektiven Tassen-Gedächtnis abgespeichert ist, wirken sie auf Unbedarfte unverdächtig – ohne dabei im ästhetischen Konsens vollends aufzugehen. Und ein weiterer Punkt kommt hinzu: Die Tassen gliedern sich in eine Designlogik ein, die in der harten rechtsextremistischen Szene mit besonderem Ehrgeiz betrieben wird. Insbesondere auf Rechtsrock-Konzerten ist zu studieren, wie sich neonazistische Kader eine Art Gag-Mode anlegen, die trotz tausendfacher Varianz im Grunde immer gleich aussieht. Mit ihr wird versucht, unter Umgehung strafrechtlich relevanter Tatbestände Botschaften bekenntnishaft auf den eigenen Körper zu applizieren. Kürzel wie »Wer A sagt, muss auch DOLF sagen«, »HKNKRZ« oder »Diesmal kommen wir im Sommer« dienen dazu, ein kollektives Triumphgefühl zu erzeugen – ganz so, als gelängen mit den Dresscodes subversive Akte oder eine Aushebelung rechtsstaatlicher Gesetze. Die dabei implizierte Gewaltbereitschaft ist nicht im Ansatz zu übergehen; dennoch ist aus performativer Sicht ein solcher Aufmarsch als überaus drollig einzustufen: Letztlich versammeln sich bei solchen Anlässen zahllose modeästhetische Konformisten, die sich im Habitus der radikalisierten Outsider gefallen und in AdolfT-Shirts oder Hakenkreuz-Hoodies offenbar reelle Perspektiven für ihr Leben oder gar das Leben insgesamt sehen. Festzustellen ist, dass die vergleichsweise hemdsärmelige Kodifizierung von Anleihen und Namen, Abwertungen und Diskriminierungen oder schlicht justiziablen Begriffen und Aussagen ein wesentliches Gestaltungselement alt- wie neurechter Bewegungen ist. Solche Verschlüsselungsversuche, die das Spiel mit eindeutigen Mehrdeutigkeiten immer wieder aufnehmen, fungieren als imagebildende Faktoren. Einige hinlänglich bekannte rechtsextreme Mode-Marken (Thor Steinar, Consdaple) und vor allem Musik-Labels reüssieren auf einem letztlich begrenzten Markt.37 Umso mehr aber
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fällt auf, dass eine entwickelte rechte Konsum- und Markenkultur schlicht nicht existiert. Dies mag auch erklären, warum rechtsextremistische Vereinigungen wiederholt versuchen, bestehende Marken durch öffentliches Zur-Schau-Tragen (wie etwa im Fall von Lonsdale oder New Balance) ideologisch zu besetzen. Ausschlagend sind auch hier vermeintliche Codes, die in den Logos identifiziert werden. Jüngst hat der Literaturwissenschaftler Moritz Baßler darüber nachgedacht, ob die Nennung von Markennamen in Pop-Songs »ein Konkurrenzverhältnis in Sachen Fiktionshoheit« erzeuge. Schließlich werde bei einem solchen Zusammentreffen – wie auch bei der Erwähnung von Markennamen in fiktionalen Texte – fraglich, »wer […] über den Entwurf von Wunschwelten« entscheidet: »Wer formuliert unser Begehren – der Autor des Romans, der Performer des Popsongs oder die kapitalistische Industrie?«38 Eine ähnliche Fragestellung wäre mit Blick auf das eigenartig gebrochene Verhältnis der Neuen Rechten gegenüber der Konsumund Markenkultur unserer Tage zu formulieren. Liegt im Konsum nicht immer auch das Versprechen, die Welt mit dem Prinzip der Identifizierbarkeit zu versehen? Sie also sinnstiftend auszukleiden und ihr damit zu verleihen, was unter Bedingungen einer westlichen Moderne von vielen als defizitär wahrgenommen wird? Ist das Konsumieren nicht auch ein Akt, der Gefühle von Geborgenheit und Ankunft herauszufordern vermag – und damit eine Handlung, die etwas in Aussicht stellt, von dem auch die Neuen Rechten hoffen, es erfolgreich ›verkaufen‹ zu können? Baßler verweist darauf, dass »insbesondere die historischen Avantgarden« im Grunde »keinen Zugang zur Konsumkultur« gefunden haben, »bestanden« sie doch »auf eine radikal eigene Weltdeutung«.39 Auch dies könnte auf neurechte Bewegungen zutreffen: Ihr Anspruch auf umfassende Sinnprägung der Lebenswirklichkeit lässt sie vor einer Konsumkultur zurückschrecken, die ihrerseits ungleich differenziertere Sinnangebote bereithält. Wenn Marc Jongen, kulturpolitischer Sprecher der AfD, euphorisiert von den ersten Erfolgen der Partei im pseudo-nietzscheanischen Duktus von »der permanenten Verdampfung alles ›Ständischen und Stehenden‹« fabuliert, dann drückt sich darin in erster Linie der Ekel
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vor einer Gesellschaft aus, die das Fluide des Konsums mehrheitlich höher schätzt als verfestigte Ideologien. Kein Wunder also, dass der so Angewiderte nach einer »konservative[n] Avantgarde« ruft, die sich als neuer Totalitarismus entfalten möge: »Wo […] der Amoklauf der Moderne sein ›Krise‹ genanntes Zerstörungswerk schon vollendet hat, müssen tradierungswürdige Zustände neu geschaffen werden.«40 So führt ein Weg von den vier Tassen der Ein Prozent-Truppe über identitär-programmatische Konsum- und Kapitalismuskritiken hin zur rechtspopulistischen Parteien-Kraftmeierei. Das verbindende Element ist die jeweils aufscheinende Überblendung zweier Unterstellungen: So wie der Westen islamisiert und damit durch Untermenschen überfremdet werde, so werde er auch kapitalisiert und damit in seinen ureigenen Bedürfnissen entfremdet. Der ›Große Austausch‹ finde demnach auf doppelter Ebene statt: Einerseits gehe die eigene Kultur verloren, indem sie durch den Einfall des Fremden unterwandert werde; und andererseits werde sie durch die Ubiquität konsumistischer Prinzipien an den Kapitalismus ausverkauft. Dies freilich steht im scharfen Widerspruch zu Anliegen, die etwa bei der AfD in deren Gründungsjahren zu beobachten waren. Einst angetreten als EU-skeptische Partei, wurde in den Jahren 2012 bis 2014 fast ausschließlich auf die Verhinderung der Vergemeinschaftung von Schulden gesetzt. Unter dem Vorwand, südeuropäische Staaten etwa durch die Abschaffung des Euros aus einer angeblich überfordernden ökonomischen Drucksituation zu entlassen, ging es im Kern um die Sicherung eigener Pfründe. Erstaunlich: Der spätere parlamentarische Erfolg der AfD geht, historisch besehen, auf die Sorge einer Handvoll verbeamteter Professoren zurück, der Deutsche könne vielleicht einmal an Kapital- und damit Kauf kraft einbüßen. Was aber folgt daraus? Ein – zugegebenermaßen – etwas vager Lösungsansatz könnte darin liegen, die Konsumkultur ernsthafter als bislang beim Wort zu nehmen. Zumindest wäre es eine Überlegung wert, inwiefern die pauschale wie notorische Verteufelung des Konsumierens – abgeurteilt als Akt dümmlicher Selbstentfremdung – indirekt dazu beiträgt, essentialistische Neigungen in
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Gesellschaften zu verstärken. Die Hoffnung auf eine ästhetische Autonomie ist intellektuelles Gift in einer Zeit, in der es darum gehen könnte, den Pluralismus als sozialen wie kulturellen Wert (neu) zu begründen. Keineswegs muss sich ein solches Nachdenken zur werteethischen Grundsatzdebatte ausfransen. Stattdessen kann es helfen, jene Kriterien klarer zu fassen, auf deren Grundlage gestalterische Produkte für Menschen Bedeutung erlangen. Dazu gehört mitunter auch, sich mit vier weißen Tassen zu beschäftigen. Bleibt eine solche Beschäftigung aus, überlässt man die Tassen gewiss ohne größere Folgen ihrem Schicksal. Und dennoch wird damit die Chance verpasst, die gesellschaftliche Rolle des Designs an einem ebenso nebensächlichen wie banalen Objekt zu deuten. Manchmal liegt in der Analyse des scheinbar Belanglosen eine – kleine – Gelegenheit zur Versöhnung mit der eigenen Gesellschaft.
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III. Doppelte Mutter Zum Naturschutz
Abb. 4: Die Natur – Grund und Substanz nationaler Kultur.
»DunkleEule« postete Anfang Juli 2018 auf Facebook das Foto eines Naturstücks, überschrieben mit »Schützt den deutschen Wald« – und verband dies mit einem nebengestellten Gedicht des spätromantischen Schriftstellers Nikolaus Lenau. Dies allein wäre wohl kaum erwähnenswert, hätte nicht der rechtsextremistische Account »Umweltschutz ist Heimatschutz« diesen Beitrag geteilt. Dort fügt sich der Post denn auch in eine längere Reihe an Fotos von der Blume des Jahres, an Hinweisen auf die Vorzüge lokaler Lebensmittel und Erläuterungen, welche naturkundlichen Entdeckungen in der »Wassertonne als Lebensraum« zu machen seien.47 Zwischen politischem Willen und ästhetischem Ausdruck klafft auf diesem Account eine zunächst überraschend breite Lücke. Diese jedoch kommt nicht von ungefähr.
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Zunächst aber zum Posting selbst – bei dem man sich fragt, warum und wie genau Text und Bild hier eigentlich zusammenwirken sollen. Lenaus lyrisches Ich »trat in einen heilig düstern Eichenwald« – die Facebook-Follower hingegen müssen visuell mit einem ziemlich gewöhnlichen Nadelwald vorliebnehmen, dem keine auch nur halbwegs vergleichbare Düsternis gelingen mag. Auch das »Bächlein unter Blumen« sucht man vergebens, und ob dieser »Wald geheimnisvoll […] rauscht/Als möcht er mir was anvertrauen«, scheint ebenfalls fraglich. Überhaupt: Würde man diesem derart tiefenscharf durchdrungenen Wald abnehmen, dass er »plötzlich […] vor Gottes Näh […] erschrecken könne«? Was also gewinnt das eine vom anderen? – zumal der Österreicher Lenau nicht mal in leisesten lautmalerischen Andeutungen über den Schutz deutscher Wälder sinniert und ein solcher Bezug auch bei artistischster Interpretationsverrenkung ausgeschlossen bleibt.42 Der Zweck eines solchen Arrangements liegt in der Erzeugung ideologisch grundierter Wellness-Erlebnisse – wobei der Erlebnisaspekt dazu dient, das Selbstbild ins Absolute zu rücken. Das Gedicht dient allenfalls als Projektionsf läche, um sich als hochkulturell gebildet wahrnehmen zu können. Wer stolz bekundet, auf Facebook Gedichte zu lesen, dürfte anfällig für den Eindruck sein, bereits im Akt der Rezeption einen bedeutenden Unterschied gegenüber vielen anderen vollzogen zu haben. Somit geht es hier nicht um das Ausprobieren interpretatorischer Auslegungen, sondern um das Gefühl, solche bei Bedarf vornehmen zu können. Das Bild fügt dieser Selbsterhöhung die passende ästhetische Ergänzung bei. Es mag als diffus ›schön‹ und irgendwie ›gut‹ auffallen und einen daran erinnern, dass man im Stande ist, das eigentlich Schöne – das in diesen Fällen zumeist etwas Sublimes ist – in Kombination mit dem tatsächlich Guten erfassen zu können. So lassen sich Text und Bild weitgehend störungsfrei aufeinander beziehen. Ihnen wird also bereits mit der Auffassung entgegengetreten, wieder einmal die eigene – die anderen überlegene – ästhetische Urteilsfähigkeit unter Beweis stellen zu können. Solche für die Sozialen Medien typischen Inszenierungen dürften dazu verleiten, sich als ganzheitlicher Kultur-Natur-Mensch zu identifizieren – als jemand, dem gleichermaßen am Geschaffenen wie Seienden gele-
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gen ist und der umso schärfer begriffen hat, dass das eine ohne das andere nicht zu haben ist. Wer dies für sich reklamiert, dem dürfte es umso leichter fallen, solche Text-Bild-Collagen mit der Vorstellung aufzufassen, zur ästhetisch-moralischen Avantgarde zu gehören. Derart gestimmt, fühlt man sich vom Appell – »Schützt den deutschen Wald« – womöglich selbst gar nicht mehr angesprochen. Stattdessen wird er als nochmaliger Beweis und wiederholte Bestätigung davon gedeutet, wie viel im Bewusstsein der anderen noch umzustellen ist. Wer diesen Beitrag teilt, tut dies im günstigsten Fall aus volkspädagogischem Impuls. Denkbar wäre aber auch, dass das so angefeuerte gute Gewissen das Teilen zur kollektiven Gewissensprüfungen erklärt: Wer reagiert wie auf meinen Post? Wer bekennt sich in der gebotenen Weise zum Guten und Schönen? Und wer erweist sich in dieser Hinsicht als Banause? Nicht ausgeschlossen ist also, dass der Beitrag von »Umweltschutz ist Heimatschutz« geteilt wurde, weil sich in ihm Gestaltungselemente verdichten, die der patriotisch-reaktionäre Natur- und Umweltschutz als wesentlich erachtet. Die ganze Wirkungslogik dieses Designs versteht jedoch nur, wer sich über die weltanschaulichen Selbstverständnisse eines solchen Willens zur Natur Klarheit verschafft. Denn tatsächlich hat der neurechte bis rechtsextremistische Nationalismus ein intensives Interesse daran entwickelt, das Themenfeld der Natur in seiner ganzen Bedeutungsbreite zu besetzen und in Richtung der eigenen ideologischen Vorliebe auszurichten. Natur ist in diesem Sinn nicht das der Kultur Gegenüberstehende, sondern erscheint als deren Grund und Substanz. Damit wird auf Konzeptionen eines völkischen Naturschutzes zurückgegriffen, die bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts entworfen worden sind, etwa im so genannten Bund Heimatschutz. »Dort kommt es« nach Beobachtung des Soziologen Jan Sydow »zur inhaltlichen Verbindung von Heimat- und Naturschutz. In der Zeit der Weimarer Republik wird Landschaftszerstörung mit der Entartung des deutschen Volkes überblendet. Die führenden Köpfe fordern damals schon eine eugenische und qualitative Bevölkerungspolitik, um die geistigen Grundlagen für eine gesunde und heile Natur zu schaffen.« In Folge der nationalsozialistischen
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Machtübernahme wurden diese Bestrebungen weiter radikalisiert, indem man den »Naturschutz in Deutschland« nun vollständig »auf seinen völkisch ideologischen Kern reduziert[e]«.43 Heute reaktiviert insbesondere die rechtsextreme, offen neonazistisch auftretende Partei Der III. Weg derartige Verknüpfungen – und transferiert sie zugleich in einen Duktus, wie er in aktuellen ultrarechten Kadern Verwendung findet. In »Punkt 7« ihres »Zehn-Punkte-Programm[s]« heißt es unter dem Etikett »Umweltschutz ist Heimatschutz«: »Ziel der Partei DER DRITTE WEG ist die Schaffung bzw. Wiederherstellung einer lebenswerten Umwelt, die Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des Volkes und die Förderung der Gesundheit.«44 Damit ist klar, dass die Verschränkung von Umwelt- und Heimatschutz auf drei Ziele abstellt: So geht es – erstens – darum, Natur und Umwelt als lebenswerte Grundbedingungen zu verankern. Das gelingende Leben sei eines, das es nur im Einklang mit der Natur geben könne. Da diese, so die Suggestion, noch nicht oder nicht mehr in ihrer eigentlichen Ganzheit vorhanden sei, müsse aktiv an ihrer Schaffung gearbeitet werden. Dieser Einsatz sei allerdings – zweitens – keiner, der sich auf die Natur im Sinne der ökologischen Umwelt beschränken lasse. Stattdessen stärke eine solche Tätigkeit die »biologische Substanz des Volkes«. Die Rede vom Volkskörper wird also besonders umfassend ausgelegt. In nachgerade naturmystischer Weise stehen Volk und Natur in einem unauf lösbaren, schicksalhaft verbundenen, weil biologisch fundierten Bezugsverhältnis. Hand an diese Beziehung zu legen bedeute, das Volk in seiner Existenz zu gefährden. Dazu passt auch, dass – drittens – ausdrücklich von einer »Förderung der Gesundheit« gesprochen wird, ganz so, als stellten sich Degenerationseffekte bereits dann ein, wenn das Volk seine ursprüngliche Bindung zur natürlichen Umwelt aufgebe. Der Einzelne wird als biologische Tatsache in den Volkskörper eingepasst, der ebenfalls in absoluter Abhängigkeit zur bedingenden Natur existiere. Umwelt- und Naturschutz dienen somit der Arterhaltung des Volkskörpers; und wer sich umweltbewusst engagiere, sorge für die Tilgung eingedrungener Fremdkörper. Wer sich hingegen nicht einbringe, verrate das Volk, nehme dessen Ende mindestens billigend in Kauf und sei daher – im Interesse des
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Volkes – von weiterer Beteiligung auszuschließen. So werden Begriffsähnlichkeiten zwischen Volks- und Naturdiskurs, zwischen Umwelt- und Nationalbewusstsein genutzt, um aus ihnen radikalpolitische Bedeutungsverwandtschaften abzuleiten. Obwohl es sich um systematisch getrennte Bereiche handelt, erweisen sich deren Beschreibungskonventionen als offen genug, um sie in extremistischer Absicht miteinander zu verschneiden. Auffällig ist, dass diese Natur-Kultur-Kombinationen auf rechten Plattformen meist im Verbund mit anderen Bildtopoi auftreten. Oft handelt es sich dabei um Gemälde stillender Mütter – was insofern nicht überraschend kommt, als es um die Beschwörung des Images der nährenden Mutter geht. Diese kann in diesen Kontexten je nach Interesse als schützenswerte Umwelt, als Volkskörper oder als dessen Keimzelle symbolisch ausgelegt werden. Auf dem bei offen rechtsextremistisch Agierenden wie auch bei Neurechten beliebten Instagram-Account »deutsche.weltanschung« finden sich Beiträge, die exakt dieses Feld bespielen. Neben einer Fotografie, die den allein in einem Waldstück sitzenden und wiederholt mit rechtem Nationalismus in Verbindung gebrachten, finnischen Naturschützer Pentti Linkola zeigt, stellt ein Post das Gemälde »Familienbildnisse« des glühenden Faschisten Wolfgang Willrich vor. Entsprechend finden sich auf nahezu allen neo-faschistischen Accounts, die das Natur-Kultur-Narrativ bedienen, Darstellungen stillender und Bilder kinderbetreuender oder schwangerer Frauen.45 Die Verabsolutierung des Mutter-Bildes zur Wesensbedingung des deutschen Volkes verlängert die ideologischen Setzungen der Nationalsozialisten in aktuelle Zusammenhänge. Denn auch heute geht es – gleichsam en passant – darum, emanzipatorische Errungenschaften durch Verweis auf die symbolisch-ideelle wie konkretphysische Kollektivfunktion der Frau zurückzudrängen. Mit Blick auf den Nationalsozialismus identifiziert die Kunsthistorikerin Helena Ketter dieses Wirkungsprinzip besonders präzise: »Die Erhöhung des einzelnen Frauenschicksals zur Frage des Schicksals einer ganzen Nation hinein in Überzeitliche bedeutet die ideologische Abwertung sämtlicher […] gewonnener Positionen bezüglich einer Neubestimmung der Frauenrolle.«46
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Abb. 5 und 6: Frauke Petry in ihrer Rolle als die eigentliche Mutti der Nation.
Wie tief das Muttermotiv auch in der Kommunikationspraxis der parlamentarisch organisierten Neuen Rechten verankert ist, zeigte sich in Kampagnen, die die AfD im Bundestagswahlkampf 2017 lancierte. Nachdem insbesondere die damalige Partei-Vorsitzende Frauke Petry persönlichen wie politischen Rückhalt einzubüßen drohte, wurde entschieden, sie – gewissermaßen kontrapunktisch zur kinderlosen Kanzlerin – als Mutter ihres neugeborenen Kindes zu präsentieren. Dabei kamen – dies wird oft übersehen – mindestens zwei unterschiedliche Plakatvarianten zum Einsatz, die nicht nur in Gestik, Körperhaltung und Wording, sondern auch semantische Unterschiede aufwiesen. Bedeutsam sind demnach jene Abweichungen, die im Vergleich der beiden Inszenierungen auffallen. So ist etwa nicht unerheblich, dass Petry im einen Fall demonstrativ den Ehering in Szene setzt, indem sie diesen in die Nähe des Kindeskopfes rückt. Offen-
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bar wurde in der Patchwork-Ehe mit dem Parteikollegen Marcus Pretzell ein kommunikationsstrategisches Konf liktpotenzial gesehen – so dass man sich zum vorauseilenden Design-Gehorsam veranlasst fühlte und mit der Präsentation der Vorsitzenden eine Art subtiles Bekenntnis zum Beziehungstraditionalismus abzulegen versuchte. Hinzu kommt, dass das – verglichen mit der zweiten Plakatvariante – zurückgenommene Lächeln die Vorsitzende im Image der kontrollierten Mutter erscheinen lässt. Diese geht eben nicht im Kindesglück emotional auf, sondern scheint sich den kühlen Blick für die politische Lage zu bewahren. Im Unterschied dazu mag sie im anderen Fall als stärker eingenommen vom eigenen Kind wirken, indem sie es geradezu schützend an sich drückt und über die ungleich persönlicher gehaltene Aussage die Gefühlsdimension subtil ausstellt. Ersichtlich wird, dass das Naturnarrativ der Mutter mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung versehen und den rechtsnationalistischen Parteiinteressen einverleibt wurde. Zugleich reaktivierte diese Kampagne im Subtext Slogans, die in den späten 1990er-/frühen 2000er Jahren durch Partien wie NPD oder REP gesetzt wurden, als diese etwa darauf abstellten, lieber deutsche Kinder zu bekommen als Ausländer ins Land zu lassen. Mit den beiden AfD-Plakaten wird versucht, Muttersein als politisch begründendes Argument in der öf fentlichen Wahrnehmung zu fundieren. Die Inszenierungen insinuieren in je eigener Auslegung, dass sich aus der Geburt eines Kindes der Einsatz für das eigene Land legitimieren lasse. Aufgeboten wird eine biologischessentialisierte Reproduktionsideologie: Das Kind dient als anthropologischer Repräsentant mit den Vorzügen eines existentiellen Zukunftsversprechens. Das deutsche Volk, so die Suggestion, stehe in der Schuld dieses Kindes. Wer nicht AfD wähle, verbaue diesem Kind die Zukunft und vergehe sich damit indirekt an ihm. »Für Deutschland zu kämpfen« bedeute demnach, diesem Kind – ebenso wie allen anderen deutschen Kindern – eine Chance im Leben zu öffnen. Einmal mehr wird das Image der umfassenden Mutter zur kollektiven Gewissensprüfung dramatisiert und – nun buchstäblich – auf ein Wesen zurückgeführt. Wenn auf Plakaten der NSDAP »Frau und Mutter – Lebensquell des Volkes« zu lesen
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gewesen war, so kopierte die AfD dieses Prinzip, um es mit einem passgenauen medialen Update zu versehen. Ja, das Mütterliche mit dem Natürlichen in eine Verbindung zu bringen, mag vielen als ebenso geläufig wie selbstverständlich erscheinen. Genau dies aber zeigt: Der rechtspopulistische Essentialismus beginnt nicht erst bei AfD-Plakatkampagnen oder 10-Punkte-Programmen offen rechtsextremistischer Kleinparteien. Seine Wurzeln reichen tiefer. Sie nehmen ihren Anfang in den als natürlich aufgefassten Ordnungen, in jenen Selbstverständnissen, die davon ausgehen, dass zwischen der Natur, dem Menschen und nationalen Kollektiven notwendige oder gar schicksalhafte Verbindungslinien liegen. Daher kann und darf es nicht darum gehen, all diejenigen abzuwerten, die sich als empfänglich für die gestalterischen Auswüchse dieser Naturalisierungsdiskurse erweisen. Denn ein solches politisches Agieren würde wieder nur verstärken, wogegen es sich wendet. Ungleich erforderlicher scheint daher, ganz konkret die Begriffe und Erzählungen zu hinterfragen, die in politisch angeblich unverdächtigen Kontexten gepf legt und anhaltend tradiert werden. Welche Natürlichkeitsbilder werden durch Schwangerschafts- und Stillratgeber verfestigt? Was genau meinen wir, wenn wir über berufstätige Mütter und ihre sozialen Aufgaben sprechen? Welche Auffassungen der Natur liegen eigentlich TV-Naturreportagen zugrunde? Welche naturessentialistischen Neigungen werden verstärkt, wenn in Erziehungsbüchern darüber geklagt wird, dass Kinder in Deutschland kaum mehr auf Bäume kletterten oder bei Regen auf der Straße herumtollten? Kurzum: In welchen Bereichen sind wir als vermeintlich modern-aufgeklärte Gesellschaften bereit, einen imaginativen Nährboden für naturesoterische, mutterstilisierende, nationalromantische und tendenziell identitätspolitische Umweltphantasien zu bereiten? Es dürfte wenig hilfreich und kaum von Erfolg beschieden sein, sich immer nur über die ästhetische Rückständigkeit der rechtsnationalistischen Natur- und Umweltschützer, Mutteranbeter und Volkskörperbeschwörer auszulassen. Ungleich aufwendiger ist es, die Frage nach Bedingungen und Voraussetzungen zu stellen, die den aggressiven Bestrebungen gegen die offene Gesellschaft vo-
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rausgehen. Es sind Fragen, die auch hier dazu beitragen können, das Bewusstsein für gestalterische Praktiken und deren gesellschaftliche Wirkungen zu schärfen – um somit abwägender beurteilen zu können, aus welchem ästhetischen Fundus im jeweiligen Fall geschöpft wird.
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IV. Behaupteter Feminismus Zum Frauenbild
Abb. 7: Neurechter Feminismus im Stil alt-faschistischer Kampagnen.
Zur Marketingstrategie neurechter Bewegungen gehört es, in möglichst vielen Gesellschaftsbereichen Präsenz zu zeigen. Das Gesehenwerden – genauer: der Wunsch, gesehen zu werden – ist Teil des strategischen Selbstverständnisses. Prozesse rechter Radikalisierung vollziehen sich somit nicht mehr nur in Strukturen des Untergrunds und auch nicht mehr allein an den Rändern der Gesellschaft. Vielmehr dient die Herstellung von Sichtbarkeit als eine Art ästhetischer Deckmantel: Je bunt-diverser die Oberf läche, desto größer die Hoffnung, Weltanschauungen unbeobachtet isolieren, Ideologien vereinseitigen und Ressentiments im Stillen verfestigen zu können.
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Entsprechend breit soll das Kommunikationsverhalten aufgestellt sein und schon damit Signale graswurzelartiger Vielfalt senden. Doch gelingt dies im Zeitalter der Vernetzung nicht dadurch, indem von einer Zentrale aus in unterschiedliche soziale Felder hineingefunkt wird. Stattdessen braucht es Akteurinnen und Akteure vor Ort. Deren Aufgabe besteht folglich darin, durch scheinbare soziokulturelle Einbettung eine Übernahme des jeweiligen Feldes im Sinne des veranschlagten Interesses zu erwirken. Einige dieser embedded activists sind dem Themenbereich Feminismus zugeordnet worden. Mit ihnen verbindet sich das Ziel, »ein Sprachrohr für jene Frauen« zu schaffen, »die Opfer von Ausländerkriminalität geworden sind.« So jedenfalls verkündet es ein aktivistischer Blog, dessen Titel 120 db seit Anfang 2018 als Reaktion auf die #aufschrei- und später #metoo-Bewegungen konzipiert und demnach als »der wahre Aufschrei« ausgegeben wird.47 Zentrales Element des Blogs ist ein so genanntes »Kampagnenvideo«. In diesem treten einige Protagonistinnen auf, vorgebend, Gewaltverbrechen an vorwiegend deutschen Frauen anzuprangern. Dabei wird »in der namentlichen Aufzählung der Mordopfer […] keineswegs jede in Deutschland von einem männlichen Täter in einem Gewaltverbrechen ermordete Frau aufgezählt«, so die Beobachtung der Sozialpädagogin Johanna Sigl. Stattdessen gehe es um die ausschließliche Nennung jener Frauen, »bei denen dem Täter nachweislich ein so genannter Migrationshintergrund zugeschrieben werden kann. Die vorgetäuschte Solidarität erweist sich umgehend als exklusiv und damit ihres Namens nicht würdig.«48 Tatsächlich ist in diesem Video – und in einigen anderen, die in der Folge mit ähnlichem Akzent veröf fentlicht wurden – die Geste der Solidarität vorherrschend. Diese wird erzeugt, indem man eine ultimative Schicksalsgemeinschaft gefährdeter Frauen konstruiert. Wörtlich wird von den »Töchtern Europas« gesprochen, die aktuell in der dauernden Gefahr stünden, durch das scheinbar unkontrollierte Eindringen des mutmaßlich Fremden vergewaltigt oder gar ermordet zu werden. Entworfen wird eine Situation, in der Frauen als (potentielle) Opfer existentiell darauf angewiesen seien, sich durch Bündnisbildung wechselseitig Schutz zu verschaffen.
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Unterfüttert wird die Konzeption dieser Opferrolle, indem der herrschenden politischen Klasse sowie der Mehrheitsgesellschaft im Gesamten ein scheinheiliger Emanzipationswille unterstellt wird: »Ihr predigt Feminismus und Frauenrechte. Dabei seid Ihr die wahren Frauenfeinde«, heißt es an einer Stelle – womit versucht wird, einen Widerspruch zwischen momentaner Asyl- und Einwanderungspolitik sowie politischen Bekenntnissen zur gesellschaftlichen Stellung der Frau zu belegen. Adressat dieser Kampagne ist in erster Linie also nicht der scheinbar Fremde. Im Fokus stehen vielmehr jene gesellschaftlichen Kräfte, die ihm das hiesige Ausleben seines offenbar genuinen Unwesens ermöglichten. Das Design dieser Bewegung fungiert als Anklageschrift gegen eine Gesellschaft, die bereit sei, vermeintlich fremden Triebtätern einen Bedeutungsvorrang gegenüber der Unversehrtheit der ›eigenen‹ Frauen einzuräumen. Neben einer Solidarisierung untereinander bleibe den Frauen daher nur, in die technische Selbstaufrüstung zu investieren: »120 Dezibel – das ist die Lautstärke eines handelsüblichen Taschenalarms, den viele europäische Frauen bei sich tragen«, lautet die Video-Erklärung für die Namensgebung. Auf ästhetischer Ebene wird versucht, zwei unterschiedliche Stilkulturen miteinander in Verbindung zu bringen. Auf der einen Seite kommen – wie eingangs des Kapitels zu sehen – Plakate, Banner und Flyer in Umlauf, die die scheinbare Dramatik der Situation durch vergleichsweise plumpe Schwarz-weiß-rot-Kontraste vor Augen führen sollen. Allerdings ist eine solche Farbcodierung in Verbindung mit schlagzeilenartigen, appellativen Mahnungen untypisch für neurechte Bewegungen, erinnern derartige Lösungen doch allzu direkt an alt-faschistische Gestaltungspraktiken. Dominierender sind in den Online-Auftritten daher Varianten, die sich an eine durchschnittliche Blog-Ästhetik anlehnen: Vor dem Hintergrund einer weitgehend neutralen, clean-aseptischen Farbgebung werden Statements, Videos und Fotografien von öffentlichen Aktionen mehr lose denn streng koordiniert gepostet. Damit verstärkt sich der Eindruck einer Bewegung ohne leitendes Zentrum, und auf den ersten Blick bleibt sogar unklar, wer eigentlich als deren Initiator fungiert. Dass diese Frage alles andere als
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unerheblich ist, zeigt sich schon daran, dass ausschließlich (männliche) Akteure der Identitären Bewegung als strategische Köpfe von 120 db wirken: ursprünglich Martin Sellner selbst, inzwischen Daniel Fiß vom Bundesvorstand der Identitären Bewegung Deutschland.49 Die Adaption ebenso bekannter wie alltäglicher Stilmerkmale setzt sich in der Inszenierungsweise der Videos fort. Dass in diesen überhaupt mit personenbezogenen Statements gearbeitet wird, dürfte der Übernahme der Kampagnenlogik aus der #aufschrei-Bewegung geschuldet sein. Indem der formale Anschluss an eine inzwischen weitbekannte und in unterschiedlichen Kontexten fortgesetzte Bewegung gesucht wird, sollen inhaltliche Unterschiede umso greller in den Vordergrund gespielt werden. Die für eine YouTube-Kultur kennzeichnende, amateurästhetische Selbstpräsentation ermöglicht es, die eigene Botschaft mit dem Nimbus eines öffentlichen Sich-Bekennens zu versehen. Damit gewinnt die Inszenierung gegenüber den vorwiegend schriftsprachlich geführten #aufschrei- und #metoo-Erfahrungsberichten eine scheinbar tiefgreifendere Dimension. Die vorgeblich gefährdeten Körper treten aus der Anonymität hervor, bieten sich dem öffentlichen Blick geradewegs dar und setzen darauf, die vorgetragene Anklage zur allgemeinen Gewissensprüfung auszuweiten. Die Kunst- und Kulturwissenschaftlerin Annekathrin Kohout unterscheidet in ihrer Studie zum Netzfeminismus zwei aktuelle Formen feministischen Agierens. So identifiziert sie einen »tendenziell linken, intellektuellen Feminismus auf der einen Seite, der Hashtag-Aktionen wie #aufschrei (2013) oder #metoo (2017) initiiert hat, und einen ›Popfeminismus‹ auf der anderen Seite, der sich gezielt vor allem mit Bildpolitiken beschäftigt, um Sichtbarkeit kämpft und mit Bildern gegen Geschlechterkonventionen anzugehen versucht.«50 Bei 120 db liegt demnach der paradoxe Fall einer Verbindung dieser beiden Tendenzen bei gleichzeitiger Verdrehung ihrer Anliegen vor. Einerseits wird die Aktionsdynamik der genannten HashtagErfahrungsberichte übernommen, um das (in diesem Fall: bloß imaginierte) persönliche Betroffensein ins Zentrum stellen und zugleich an etablierte Kommunikationspraktiken andocken zu kön-
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nen. Andererseits werden popfeministische Darstellungen bedient, indem man auf bildliche Evidenzwirkungen spekuliert. Auch wenn 120 db weder mit der qualitativen Differenzierung noch mit der quantitativen Wucht der beiden Vorbildbewegungen konkurrieren kann, ist dennoch auffällig, dass deren Merkmale abgeschöpft und für eigene Zwecke eingespannt werden. Dies nämlich erscheint als das eigentliche Ziel der Kampagne: Sie wird lanciert, um den feministischen Diskurs aus emanzipatorischen und progressiven Kreisen herauszulösen. Daran anknüpfend soll er in eine konterrevolutionäre, ethnopluralistisch aufgestellte, im Kern strikt fremden- und genderfeindliche Gruppierung eingeschrieben werden. Falsch versteht 120 db daher, wer darin nur einen reduktionistischen Anti-Feminismus sieht. Gerade dieser soll ja überwunden und durch die Strategie einer adaptiven Übernahme umgepolt werden – was freilich nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass auf sämtlichen Ebenen der Neuen Rechten ein ausgeprägter, überaus offensiv forcierter Anti-Feminismus gepf legt wird. Die gewünschte Umpolung stellt darauf ab, die Frau in ihrer angeblichen Rolle als defizitäres Wesen (wieder) zu ihrem natürlichen Recht kommen zu lassen. Frausein bedeutet nach Lesart der 120 db, die Form eines generell unterlegenen und damit ausgesetzten Lebens zu führen. Im Unterschied zu den genannten HashtagAktionen geht es nicht darum, durch das Teilen von Gewalterfahrungen gesamtgesellschaftliche Auf klärungsarbeit oder kollektive Transparenzsteigerung zu erwirken. Auch soll nicht für eine bislang unbemerkte Ausnutzung von Machtverhältnissen sensibilisiert werden. Stattdessen dient der behauptete Opferstatus als Aufruf, Schutz und Sorge einem als generell schwach verstandenem Geschlecht zukommen zu lassen. In der ausschließlichen Fixierung auf »Erfahrungen von Frauen mit importierter Kriminalität«51 wird Frausein nicht nur identitätspolitisch europäisiert, sondern ebenso in ein unabänderliches Rollengefüge eingepasst. Die Geste der Ermächtigung – »Wir werden laut sein«, so die Ankündigung im initiierenden Video – wird eingesetzt, um »Europas Töchter« an ihren
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angestammten gesellschaftlichen Platz zurückführen und diesen vor Übergriffen bewahren zu können. Noch im Jahr 2014 – und damit vor Auf kommen von 120 db – unterschied die Soziologin Renate Bitzan drei Artikulationsformen »unter extrem rechten Frauen«: »Erstens die […] ganz klassische Rolle, vor allem anderen gesunden, ›rassereinen‹ Nachwuchs in möglichst großer Zahl zu gebären. Der zweite Typus ist eine etwas modernisierte Form, wo Frauen nicht nur Mütter sein, sondern auch öffentlich-politisch auftreten sollen. Hier wird nach wie vor die Differenz zu den Männern betont, aber Frauen sollen, bitteschön, ihre Sichtweise auch in den politischen Prozess einspeisen dürfen. Und dann gibt es noch einen dritten Typ extrem rechter Frauen, die durchaus Kritik üben an sexistischen Strukturen sowohl in der Gesellschaft als auch innerhalb der Szene. Bei ihnen ist punktuell sogar von Emanzipation bis hin zu Feminismus die Rede.«52 Dies in Anschlag gebracht, wird noch deutlicher, wo die spezifische Differenz der neurechten Umpolung feministischer Anliegen gegenüber proto-faschistischen Frauenrollen liegt. Demnach ist der reproduktive Reinerhalt der überlegenen Rasse als Mobilisierungsinstrument weitgehend verschwunden. An seine Stelle tritt die Verteidigung einer naturalisierten Frauenidentität. Diese erweist sich als unbedingt schützenswert gegenüber dem Fremden. Und dies insofern, als die vorgestellten Frauen suggerieren, ihre Identität als ein dem (europäischen) Mann zuarbeitendes Wesen abschließend gefunden zu haben. Bei diesem Mann anzukommen bedeutet also, sich selbst zu finden. Wird zudem die Forderung nach Beteiligung und Ermächtigung als entfremdender Eingrif f gewertet, mag dessen Zurückweisung als weitere Entlastung erfahrbar sein. Durch scheinbare Eigeninitiative kann sich Frau fortan den Zumutungen einer überfordernden Moderne entziehen, kann der strukturellen Überlastung durch gleichzeitige Berufs- und Familienverantwortung entkommen und sich auch damit wieder auf das Eigentliche ihrer Bestimmung besinnen. An diesem Punkt tref fen neurechter Feminismus und neurechter Anti-Feminismus zusammen. Oder anders gewendet: Im Kern ist der 120 db-Feminismus dann doch
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nichts anderes als eine weitere Spielart rechtsideologischer AntiFeminismen. Sinnfällige Gestalt gewinnt diese Überschneidung in einem Video, das Martin Sellner mit einer der 120 db-Protagonistinnen Anfang 201853 veröffentlicht hat. In diesem Video tritt Sellner als eine Art proto-chauvinistischer Mastermind der Bewegung auf: Angelegt als Interview, füttert er seine Gesprächspartnerin »Franziska« mit portionierten Versatzstücken und präsentiert sie als passive Stichwortempfängerin. Deren Hauptaufgabe scheint folgerichtig darin zu liegen, vorformatierte Kampagnen-Slogans auf Zuruf auszuspucken. So manifestiert sich bereits in Habitus und performativer Realisierung die rechtsidentitäre Umstülpung feministischer Bestrebungen. Die vordergründige Selbstermächtigung steht im Dienste eines Frauenbildes, das sich als Ausstellungsobjekt zur Projektion männlicher (Polit-)Phantasien eignet. Letztlich geht es einmal mehr darum, »Europas Töchter« dem eigenen Zugrif f nicht entwischen zu lassen. Die Entwicklung eines »identitären, patriotischen Femen«, wie Sellner den Frauenbund abschließend einordnet, kapert feministisch erprobte Formen und Formate, um sie mit antifeministischen, ethnopluralistischen Männerhof fnungen neu zu befüllen. So stellen sich auch hier zwei Fragen: Wie groß ist der gesellschaftspolitische Einf lussbereich der neurechten Übernahme feministischer Praktiken? Und welche Formen der Erwiderung könnten sich als wirksam erweisen? Nach aktuellem Stand spricht vieles dafür, dass der identitäre Anti-Feminismus im Gewand des emanzipatorischen Feminismus keine bedeutenden gesellschaftlichen Folgen zeitigt. Zu sklavisch orientiert sich die Bewegung an den erfolgreichen Hashtag-Debatten, und zu schwach sind ihre eigenen Gestaltungskompetenzen ausgebildet. Eine vollständige Okkupation ist auch deshalb äußerst unwahrscheinlich, da 120 db im Unterschied zu #aufschrei und #metoo eben keine Bewegung ist, die sich aufgrund kollektiver Kommunikationswünsche konstituiert. Stattdessen hat man es wohl eher mit einer Pseudo-Bewegung zu tun, mit einem – zahlenmäßig äußerst überschaubaren – ScheinKollektiv. Dieses legt sich mehr mühsam als überzeugend den An-
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strich einer Sprachrohrfunktion zu, ohne sich auf Verwurzelung in den Bedürfnissen breiterer Gesellschaftsschichten berufen zu können. Gleichwohl können diese Tendenzen dazu beitragen, eigene Wertungsgewohnheiten zu hinterfragen – insbesondere vor dem Hintergrund einer in unzähligen Reden, Büchern, Artikeln, Interviews und sonstigen Einlassungen beschworenen Verteufelung geschlechtersensibler Ansätze.54 Auch wenn 120 db nur ein dünner Seitenarm der rechtspopulistischen Hetze gegen das Postulat der Geschlechterdiversität und die Etablierung einer avancierten Geschlechterforschung verkörpern mag, genügt es nicht, diese Erscheinung als sozial unbedeutend abzukanzeln. Im Gegenteil: Sie ist Beispiel eines weit verbreiteten, inhaltlich oft diffusen, meist aber aggressiv bekundeten Misstrauens gegen die Überwindung einer binär angelegten Geschlechterkonvention. Im »Rückgriff auf biologistische Kategorisierungen«55 essentialisiert die Neue Rechte Identitätspolitik zur zweigeschlechtlichen Norm. Eine mögliche Erwiderung könnte darin liegen, etwa im Bereich der Geschlechterforschungen noch umsichtiger als bislang zwischen politischen Interessen und forschungspraktischer Arbeit abzuwägen. Noch zu oft kommt es zur (unfreiwilligen) Durchmischung beider Felder, ohne dass diese Überblendung eigens ref lektiert und damit problematisiert werden würde. Wohlgemerkt kann es nicht darum gehen, die Forschung weltanschaulich zu reinigen. Dies würde nichts anderes als eine erneute (positivistische) Ideologisierung von Wissenschaft erzeugen! Aber die je eigenen Verstrickungen und die jeweils präferierten Interessen mitzudenken und bewusst offenzulegen, könnte dazu beitragen, die Erforschung sozialer Geschlechterrollen und deren kultureller Normierungen (akademisch) weiter zu legitimieren. Denn auch damit wäre ein Schritt zu ihrer gesellschaftlichen Anerkennung gegangen. So veranschlagt, könnte auf das Vordringen des anti-feministischen Pseudo-Feminismus noch belastbarer geantwortet werden. Dem ethnopluralistischen Bekenntnis zur naturalisierten Identität wäre mit der erkenntnisbildenden Kraft einer besonnenen Selbstbezweifelung entgegenzutreten. Indem die eigenen Bedingungen – soziale, kulturelle oder politische Voraussetzungen – aufgezeigt
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werden, ist ein substantieller Unterschied zum ästhetischen Dogmatismus rechter Anti-Feminismen hergestellt. Die massierten Feinde der Geschlechter- und Diversitätsforschung wird man damit wohl nicht bewegen können. Aber zumindest wäre ein intellektuell präzises Instrument zur Erwiderung gefunden.
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V. Politische Körper Zur Selbstpräsentation
Abb. 8: Die Präsentation der Identitären in auffallend alltäglicher Unauffälligkeit.
Nirgendwo ein Körper, der auch nur im Entferntesten mit dem Bild vom muskelstrotzenden, kahlrasierten, mit Baseball-Schläger bewaffneten Neonazi in Übereinstimmung zu bringen wäre. Stattdessen: Eine »Studentin der Werkstoffwissenschaft« im behutsam
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ausgeleuchteten, weichgefilterten Sfumato-Porträt, die dunklen Haare im Anf lug einer koketten Geste über die linke Schulter geschwungen. Schräg darüber ein mutmaßlich rucksackreisender »Lektor und Redakteur«, den Blick mit teils sanftem, teils hoffnungsfrohem Lächeln in die Ferne gerichtet, das graue Hemd wie bei Pfadfindern im obersten Knopf geöffnet. Und schließlich ein offenbar gutgelaunter »2-facher Familienvater«, mehr situativ denn gestellt abgelichtet, dessen locker eingesteckte Sonnenbrille ein Signal frühsommerlicher Entspanntheit senden mag. Wer die Homepage der Identitären Bewegung Deutschland besucht, bekommt eine auf den ersten Blick unscheinbar wirkende »Aktivisten«56-Porträtreihe präsentiert. Dieser Eindruck dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass derartige Körperpräsentationen zum visuellen Allgemeingut der Internetkultur gehören. Angesiedelt irgendwo zwischen Start-up-Belegschaft, NGO-Gruppe und Mitgliedern eines Dorf-Sportclubs, fallen die Präsentierten in erster Linie durch alltägliche Unauffälligkeit auf. Diese wird evoziert, indem die Gestaltungen der Fotografien keinem einheitlichen Stilprinzip folgen. Mal scheinen sich die Identitären in privaten Situationen aufzuhalten, mal erinnern die Porträts an professionellere Shootings, durchmischt von vereinzelten Auftritten auf politischen Veranstaltungen. Die Personen sollen als Individuen im durchaus emphatischen Sinne vorgestellt werden, als Selbstverwirklicher. Spürbar akribisch wird darauf geachtet, jeden Anschein körperästhetischer Angleichung zu vermeiden. Diese Porträtreihe der Diversifizierten ist durchaus programmatisch zu verstehen – und einmal mehr als gestalterische Abgrenzung zu den alt-faschistischen Kaderinszenierungen auszulegen. Der Literatur- und Politikwissenschaftlerin Judith Goetz ist zuzustimmen, wenn sie festhält, dass »die Distanzhaltung zur ›Alten Rechen‹ und somit auch zum Nationalsozialismus im Vordergrund« steht, ja dass es gerade dieses habituelle Abstandnehmen ist, das »es den Identitären letztlich ermöglicht […], sich als weniger radikal oder weniger extrem und harmlos(er) zu inszenieren.«57 Nichts soll die ideologische Nähe zu den vergleichsweise brachialen Aufmärschen neonazistischer Truppen andeuten. An deren Stelle rückt nun eine Garde scheinbar achtsam gestimmter
V. Politische Körper
Jungakademiker, eine Riege natursensibler Schöngeister, die mit spätpubertärer Neugier den ästhetischen Anschluss an HipsterImages suchen. Die Modetheoretikerin Elke Gaugele hat in diesem Zusammenhang auf den eminenten Umstand hingewiesen, »dass ›fesch‹ – kulturhistorisch betrachtet – im Kern des Ausdrucks auch politische Gesinnung bezeichnet«: »Als Lehnwörter des französischen ›façon‹ […] stehen das englische ›fashion‹ genauso wie sein deutsches Pendant ›fesch‹ etymologisch der ›faction‹ nahe: dem politischen Habitus einer Parteiengruppe bzw. wie hier im konkreten Fall einer Fraktion mit rechter Gesinnung.«58 Im feschen Auftritt als ästhetischem Prinzip steckt demnach nicht nur eine spezifische Weise der (körperlichen) Äußerung, sondern ebenso das Signal, einer politisch formatierten Personengruppe anzugehören. Umso naheliegender also, dass mit diesem Auftritt neben einer Abgrenzung gegenüber dem Bild vom dummblökenden Neonazi auch das Adressieren bislang unerreichbarer Zielgruppen erprobt wird. Indem das Körperdesign übernimmt, was gemeinhin als individualisierter Ausdruck eines modernetypischen Lifestyles gepriesen wird, begibt sich die Identitäre Bewegung auf politisch weitgehend unvermintes Terrain. Tatsächlich wird an kaum einer anderen Stelle derart greif bar, was mit der notorisch wiederholten »Kulturrevolution von rechts« gemeint sein soll: Umgesetzt in gesellschaftliches Handeln, geht es darum, die verhasste Mehrheitsgesellschaft durch ihre eigenen Design-Konventionen von innen heraus zu schwächen. Die Körper dienen als Mittel zum Zweck: Sie sind mobil agierende Flächen, auf denen die ästhetische Adaption vollzogen werden kann. Im Hipster-Nazi manifestiert sich der neurechte Versuch, einem kollektivierten, politischen Programm durch ästhetische Assimilation eine Individualentfaltung zu ermöglichen. Dazu aber braucht es ein möglichst ausgeklügeltes Zusammenspiel zwischen analogen und digitalen Darstellungsweisen. Beispielsweise wird bei Demonstrationen im öffentlichen Raum sorgsam darauf geachtet, die erste Reihe der Marschierenden den wenigen (jungen) Frauen aus der Bewegung freizuhalten. Diese fungieren denn auch regelmäßig als feminines Blendwerk einer ansonsten
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strikt maskulin geprägten, patriarchal strukturierten Gruppierung. Deutlich wird dabei, wie stark die Identitäre Bewegung die eigene mediale Vervielfältigung bereits in die Art und Weise ihres öffentlichen Erscheinens einkalkuliert. Demnach spielt es letztlich keine Rolle, über welche Kanäle Bilder solcher Veranstaltungen breitere Öffentlichkeiten erreichen: Die Selbstdarstellungen auf den eigenen Portalen unterscheiden sich kaum vom Bildmaterial in Presse, Online-Nachrichten oder Fernsehberichten. Indem bereits an Ort und Stelle des Geschehens die für die Bewegung essentiellen Design-Merkmale gesetzt werden, muss die mediale Auf- und Nachbereitung nicht mehr eigens kontrolliert werden. Und dennoch geht es auch darum, die individualisierten Körper als geschlossene Einheit zu präsentieren. Dies wird allerdings nicht durch Uniformierung im Sinne einer Modedoktrin erreicht. Im Gegenteil, das Tragen der (persönlich favorisierten) Kleidung ist ein nicht unerhebliches Mittel, um den Anschein gelebter Subjektivität weiter zu unterstützen. Im Falle der Identitären Bewegung übernehmen aufgenähte Sticker, mitgebrachte Fahnen und aufgespannte Banner die Funktion der ästhetischen Ummantelung. So gelingt es den Demonstrierenden, auf gestalterischer Ebene zwei programmatische Ziele einzulösen: Wird den einzelnen Körpern einerseits ein individueller Wille zur freien Entäußerung eingeräumt, formieren sich die Körper andererseits durch das Vorzeigen gemeinsamer Symbole und Signets zur ästhetisch geschlossenen Einheit. Die dabei herausstechende Signalfarbe gelb auf schwarzem Untergrund dürfte sogar eigens für die (erhoffte) Postproduktion sowohl in den klassischen Massenmedien als auch für die Zirkulation in den Sozialen Medien entworfen worden sein: Auf einen Blick ist allen ersichtlich, um wen es sich handelt. Die konsequente Ausrichtung der Bewegung auf körperliche Selbstpräsentation erfuhr durch die von Facebook und Instagram durchgeführte Löschaktion im Mai 2018 einen spürbaren Rückschlag. Galten die offiziellen Accounts bis dahin als Paradebeispiele einer erfolgreichen, neurechten Kommunikations- und Designstrategie, ging mit der breit angelegten Sperrung das zentrale Artikulationsformat verloren. Rasch verlagerten sich die Aktivitä-
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ten daher auf die privaten Accounts der Mitglieder, was paradoxerweise den Effekt eines neuerlichen, nun allerdings vergleichsweise unbemerkten Aufschwungs zur Folge hatte. Gänzlich überraschend kam dieser jedoch nicht: Immerhin erscheint ein privater Account als besonders ungefiltert, ist mit ihm doch noch suggestiver ein Flair von Authentizität und die Anmutung persönlicher Unmittelbarkeit zu erzeugen. Um sich unter den Bedingungen der erzwungenen Aufsplitterung dennoch als kameradschaftlich und ›identitär‹ ausweisen zu können, genügten somit auch weiterhin die bei Demonstrationen eingeübten Kollektivierungspraktiken: T-Shirt-Aufdrucke und Applikationen unterschiedlicher Formate, versehen mit dem Brand Signal der Bewegung, übernahmen fortan auf bildinterner Ebene, was zuvor die offiziellen Accounts leisteten: Die polit-ästhetische Homogenisierung diversifizierter Körper.
Abb. 9: Rechte Widerstandskämpfer schicken den Kreuzritter vor.
Zu kurz greift aber, wer die Neue Rechte als lose Ansammlung physisch ambitionierter Selbstdarsteller ausweist. Der darin angelegte Vorwurf einer kollektiv-narzisstischen Störung läuft schon deshalb am Thema vorbei, weil die Frage nach Selbstbildern in diesem Zusammenhang nicht nur unerheblich, sondern schlicht unbeantwortbar ist. Entscheidend ist einzig die gesellschaftspolitische Dynamik, die eine bestimmte Auffassung körperlicher Selbstgestaltung auszulösen im Stande ist.
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Dies vor Augen geführt, kann nicht verborgen bleiben, dass die Identitäre Bewegung keineswegs gestalterisch erschöpfend für den rechten Angriff auf die offene Gesellschaft steht. Insbesondere in Kreisen, die sich noch ungeschützter zum Rechtsextremismus bekennen, verschwindet der Körper nahezu vollständig aus der digitalen Sphäre. Seinen Platz nimmt eine ganze Armada vorwiegend mystischer, antiker und mittelalterlicher Figuren ein. Ja es scheint, als wirke in diesen Zirkeln die Verlockung einer Gruppenbildung im Untergrund derart nachhaltig, dass bereits auf medialer Ebene das Visier heruntergezogen wird. Facebook-Accounts wie »Nationaler Widerstand Deutschland« oder der Tumblr-Blog »Konservative Revolution« zeigen nicht einen fotografierten Körper. Und erst recht keinen User. Niemand offenbart sich durch sein Körperbild. Dies sticht freilich überhaupt erst im Kontrast zur dezidierten Körperpolitik der Identitären Bewegung ins Auge; und so wird nur vor diesem Hintergrund klar, dass innerhalb der Neuen Rechten völlig widersprüchliche Gestaltungspraktiken neben- und sogar miteinander im Umlauf sind. Demnach verrät das alternierende Posten von Kreuzrittern und Caspar David Friedrich-Reproduktionen – jeweils begleitet von raunenden Selbstäußerungen oder bedeutungsschwangeren Zitaten aus der Weltliteratur – eine gänzlich andere Entwurfslogik. Hier geht es offenbar nicht um subversive Assimilation, sondern um die offensive Abkehr von einem als hinlänglich defizitär empfundenen Zeitgeist. Die politische Radikalisierung tritt entsprechend unverstellt zu Tage: Die vorgetragenen Sinnsprüche und persönlichen Einlassungen konstruieren ein vormalig Goldenes Zeitalter. In diesem sei es noch möglich gewesen, als ethnisch homogene Menschengruppe unter dem Eindruck hinlänglicher Überlegenheit frei existieren zu können. Die kriegerische Assoziation, realisiert in einem breit aufgebotenen, militärisch-soldatischen Personal, kehrt die Gewaltabsicht unzweideutig hervor. Appelle, mit denen die angebliche »Islamisierung Europas« durch eine »Welle der germanischen Wut« gestoppt werden soll, werden mit bluttriefenden Schwertern oder historischen Gemälden gemetzelter Körper parallelisiert.59 Dies mag man als naive Spielerei einer ästhetisch weitgehend unbedarften Rechtsra-
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dikalisierung abtun. Damit aber bleibt unbeachtet, dass die Entziehung des eigenen Körpers bei gleichzeitiger Auf bietung entgrenzter Gewaltphantasien eine besonders verfängliche Wirkung entfalten kann. Wer sich etwa bei den Identitären nicht aufgehoben fühlt, weil ihm dort zu viel modernistisches Brimborium betrieben wird, kann in diesen Formaten abtauchen, ohne verschwinden zu müssen. Denn womöglich motivieren digitale Tauchgänge erst recht dazu, den eigenen Vorstellungen ungezügelten Freilauf zu gewähren. Wolfgang Ullrich hat herausgearbeitet, dass derartige Arrangements auch als Widerlegung neurechter Selbstklassifikationen zu verstehen sind. Insbesondere die Bekundung, Vertreter dieser Zusammenschlüsse »hätten nichts (mehr) mit dem Faschismus zu tun, entpuppt sich auf nahezu allen Tumblr-Accounts (wo man sich weniger beobachtet wähnt als sonst) als ebenso falsch wie die ähnlich oft geäußerte Behauptung, man lehne Gewalt ab.« Hinzu komme, dass es »für das Feeling als Subkultur« immer »härteren Stoff brauche: Sujets, die provozieren und die vielerorts als Tabubruch empfunden werden«. Erfahre »man Widerspruch oder auch Sanktionen«, falle es umso »leichter, sich als Opfer, als Märtyrer zu fühlen, sich aber auch als verschworene Gemeinde zu stilisieren, die nicht nur gegen den Mainstream, sondern im Verborgenen agiert und ihre Ziele zum Geheimnis erklären kann.«60 Vor diesem Hintergrund wäre zu überlegen, inwiefern das Löschen von Accounts mitunter in jene Anliegen investiert, durch die sie betrieben werden. Abgesehen von offenkundig rechtswidrigen Inhalten stellt sich die Frage nach dem Umgang mit einer Rechtsradikalisierung, die öffentliche Plattformen gezielt einsetzt, um den Untergrund durch Vernetzung beleben zu können. Das Verschwinden der Körper dürfte gewiss kein hinlängliches, möglicherweise aber ein erstes Anzeichen für die Ausfaltung solcher Strukturen sein. Gemeinhin werden die Aktivitäten der Neuen Rechten auf den Sozialen Medien als Dynamisierungs- und Mobilisierungsinstrumente gedeutet. Dies mag für Umtriebe wie etwa durch die Identitäre Bewegung zutreffen. Nicht jedoch werden damit all jene Zusammenschlüsse erfasst, die sich in subkulturellen Nischen einrichten und die Sozialen Netzwerke nutzen, um sich der Beobachtung zu entziehen.
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Dass solche Tendenzen alles andere als abwegig sind, liegt bereits in der medialen Logik solcher Portale begründet. Denn letztlich hat man es bei allen Auftritten, die über sie lanciert werden, mit Re-Präsentationen zu tun. Werden dort Körper gezeigt, erscheinen diese nicht direkt, sondern jeweils vermittelt. Als Bild verweisen sie weniger auf tatsächliche Körper denn auf all jene Images, die mit ihnen verbunden sind. Somit erzeugt das Sichtbarmachen in den Sozialen Medien seinerseits eine Situation der Unsichtbarkeit. Das Bild des Körpers verstellt den Blick auf den Körper. Folglich fallen die Unterschiede zwischen den beiden vorgestellten Strategien deutlicher kleiner aus, als sie zunächst scheinen mögen – was wiederum dazu führt, dass hier keine komplementären Entwicklungen, sondern zwei eng miteinander verbundene, sich wechselseitig ergänzende Formen neurechter Designpraktiken vorliegen. Darin liegt eine weitere strukturelle Schwäche neurechter Akteure – sofern sie in Online-Formaten (Körper-)Präsenz zeigen möchten: Mit ihren Auftritten verbindet sich die Suggestion, das Eigentliche und Tatsächliche – ihre gesellschaftspolitische Sub stanz – auszustellen. In Wahrheit aber wird nichts anderes als eine Praxis der Kommodifizierung gezeigt: Indem die Neue Rechte online geht, entwirft sie ein warenästhetisches Verpackungsdesign ihrer selbst. Und wie bei jedem anderen Verpackungsdesign ist auch in diesem Fall nicht garantiert, dass der Inhalt einlöst, was die Gestaltung in Aussicht stellt. Teile des neurechten Essentialismus könnten also schon daran zerbröseln, dass es in der Bilderwelt der Online-Kultur keine Rückführung auf das Wesen von jemandem oder etwas gibt. Selbst Körper sind nur in medial auf bereiteten Pixeln zu haben. Diesen systematischen Widerspruch zwischen Anliegen und Umsetzung bewusst zu machen, sollte Bestandteil einer ambitionierten Auseinandersetzung mit neurechten Internetstrategien sein – und in der Folge dazu dienen, (Medien-)Auf klärung als permanenten Prozess zu unterstützen. Zu erwägen wäre beispielsweise, im Rahmen medienpädagogischer Angebote noch konzentrierter als bislang darauf einzugehen, wie sich politische Protagonistinnen und Protagonisten auf Internetplattformen und – dies vor allem! – in den Sozialen Medien in-
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szenieren. Dass hierbei jeweils mit bestimmten Körpertypologien, -konventionen und -darstellungen gearbeitet wird, könnte als Aufhänger dienen, um das Vorbringen politischer Absichten als immer auch habituell und performativ vollzogene Strategien zu erfassen. Zugleich ließen sich damit historische Genealogien aufzeigen, um herauszuarbeiten, wie sich politische Körper-Ästhetiken durch veränderte mediale Gewohnheiten wandeln, ja wie stark gerade physische Setzungen an jeweils herrschende kommunikative Bedingungen gebunden sind. Letztlich würde damit deutlich werden, dass jede Geste der Macht ihrerseits ein Moment der Ohnmacht enthält, insofern sie zu ihrer Verbreitung auf etwas angewiesen ist, das sie nicht abschließend kontrollieren kann. Eine so akzentuierte Medienbildung könnte einen konkreten Beitrag zur Entwicklung eines politischen, weil medial informierten Bewusstseins leisten – und sich zugleich des Ref lexes enthalten, politische Medienpraxis nur unter kulturkritischen oder medienpessimistischen Gesichtspunkten zu betrachten.
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VI. Bewegte Bewegung Zum Video-Stil
Abb. 10: Vegan kochen, rassistisch hetzen.
Eine Küche, zwei Vermummte, etliche Zutaten. Das war das Arrangement, mit dem in den Jahren 2014 und 2015 einige YouTube-Videos veröffentlicht wurden. Angelegt als vegetarische Kochsendung, bereiteten die anonymen Männer aus der rechtsextremistischen Szene61 jeweils ein Gericht zu. Insgesamt generierten sie damit rund 150.000 Zugriffe, was für ein derartiges Format durchaus erstaunlich ist. Die Videos sind darauf zugespitzt, eine im Grunde harmlose Szenerie mit dem Reiz des rechtlich Verbotenen aufzuladen. So eröffnen die Protagonisten ihre Videos mit verpixeltem IdentitärenGruß, lassen während des Kochens offen rassistische Bemerkungen fallen, insinuieren durch abgeklebte Hautpartien das Tragen
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verfassungsfeindlicher Symbole und apostrophieren ihre Tätigkeit als »Vegane-NS-Straight-Edge-Kochsendung«62. Wird damit die Gesinnung unzweideutig kundgetan, steht das Zubereiten veganer Gerichte in scheinbar krassem Gegensatz – der insofern eine Selbstthematisierung in den Videos erfährt, als die Absurdität der Situation mehrfach kommentiert und gezielt verlacht wird. Ein explizites Ziel ist demnach kaum auszumachen – doch entfaltet sich genau darin die eigentliche Absicht: Die Videos bilden den Versuch, durch ein ersichtlich skurriles Setting eine Community der ironisch Eingeweihten zu begründen. Tatsächlich liegt ein wesentliches Gestaltungsprinzip alt- wie neurechter Bewegungen darin, im öffentlichen Raum Gesten der Mehrdeutigkeit zu perfektionieren. Besonders in der sprachlichen und schriftlichen Artikulation geht es immer wieder darum, sich so andeutungsreich wie möglich und so verschleiernd wie nötig zu äußern. Dies ist vorrangig der Sorge vor strafrechtlicher Verfolgung geschuldet und führt, wie die Politikwissenschaftlerin Britta Schellenberg aufgezeigt hat, zu einem spezifischen Modus öffentlicher Einlassungen: Gerade bei führenden Akteuren der rechtsextremistischen Szene sei die »Methode« zu beobachten, »mit codierten Anspielungen Konnotationen auszulösen, durch Andeutungen und Wortspiele vorhandene Einstellungen zu stimulieren, ohne durch präzise Formulierungen juristische Konsequenzen zu riskieren«.63 Das Entschlüsseln solcher Codierungen mag ein Gefühl überlegener Zugehörigkeit stiften. Wer schneller und genauer als andere versteht, was eigentlich gemeint ist, steht womöglich unter dem Eindruck, den Anschluss an eine exklusiv-verschworene Gemeinschaft gefunden zu haben. Im Falle der vegan kochenden Neonazis wird dieses Prinzip der Gruppenbildung auf eine halb- bis ganzstündige Zeitspanne ausgedehnt. Insofern bildet der Akt des Kochens eine letztlich beliebige Beschäftigung, um Sendezeit gewinnen und zwischen den Zeilen das präferierte Weltbild mitteilen zu können. In der Kommentierung der Videos wird denn auch mehrfach darüber spekuliert, wie ernst die Sache gemeint sei, ja ob es sich hier nicht doch um eine Art satirisch-kritische Performance – »ist das ein Kunstprojekt?«64 – handele.
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Hinzu kommt, dass die Akteure exaltiert und aggressiv mit Messern und hammerähnlichen Werkzeugen – an einer Stelle mit einem Metallpfosten – hantieren. In Verbindung mit der Vermummung, von der auch der Titel des Kanals »Balaclava Küche« abgeleitet wurde, bildet sich so eine mitunter bedrohlich wirkende Szenerie. Für empfängliche Gemüter könnte sich passagenweise der Eindruck sublimierter Gewalthandlungen andeuten, ganz so, als werde in herabgedimmter Form eingeübt, was man gerne an anderen vollziehen würde. Die begleitenden Herabsetzungen von vorgeblich fremden Menschen unterstützen diese Suggestion, verstärkt noch dadurch, dass die Namen rechtsextremistischer RockBands nicht nur genannt, sondern durch bedruckte Kleidungsstücke eine visuelle Dauerpräsenz erhalten. Der Kanal wird nun schon seit Jahren nicht mehr bedient und ist somit eher als digitalhistorisches Dokument anzusehen. Dennoch – oder gerade deswegen – sind ihm Erkenntnisse über das Agieren der Neuen Rechten auf Videoportalen zu entnehmen. So ist etwa nicht zu übergehen, mit welch performativer Raffinesse die Sache gestaltet worden ist. Geschult an einer inzwischen etablierten Tutorial-Kultur, fällt es den Akteuren ersichtlich leicht, deren Gesetzmäßigkeiten in Habitus, Sprachform und Schnitttechnik zu übernehmen. Allerdings bleibt es nicht beim bloßen Nachspielen. Vielmehr wird das Setting genutzt, um eine implizite Ebene einzuziehen. Über diese werden die rechtsextremistischen Ressentiments mundgerecht serviert. Die ironische Brechung findet somit in doppelter Weise statt: Einerseits als Persif lage auf ein hinlänglich bekanntes YouTube-Format; und andererseits als vermeintliche Anspielung darauf, wie mit den gezeigten Handlungen Akte der Gewalt einzuüben seien. Daraus folgt, dass die Betrachtung eines solchen Videos ein Rezeptionsdilemma auslösen kann. Es fällt spürbar schwer, das sprachliche und habituelle Demonstrieren rechtsextremistischer Selbstverständnisse nicht als direktes politisches Bekenntnis auszulegen. Denn keineswegs ist nach dieser Lesart geklärt, ob es nicht doch (nur) die eigenen Wertungsschemata sind, die hier zum Schwingen gebracht werden. Wo also verläuft die Grenze zwischen einem vorgebrachten Bekenntnis und der eigenen Projektion? Den
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Videos der kochenden Neonazis gelingt, was subversiv praktizierenden Akteurinnen und Akteure als performatives Ideal erscheinen mag: Einen Moment zu schaffen, in dem zwischen der Stimulation von außen und persönlichen Neigungen nicht mehr eindeutig zu trennen ist. Freilich ist damit nicht gesagt, dass eine solche Gestaltungskomplexität auch tatsächlich intendiert gewesen war. Denkbar wäre, dass die Wirkung eher intuitiv provoziert wird, zumal es keine Hinweise darauf gibt, in welchen genauen Zusammenhängen und durch welche Personen die Videos produziert worden sind.65 Doch spielt die Frage nach dem Grad der Eigenref lexion ohnehin nur eine untergeordnete Rolle. Ungleich erheblicher ist, dass in solchen Beispielen der Mythos vom dumpf-dummen Nazi erneut widerlegt, ja dass es augenscheinlich kontraproduktiv und vielleicht sogar gefährlich ist, den rechten Extremismus als gesellschaftliche, mediale und kulturelle Randerscheinung, als Ausgeburt einiger Verirrter abzutun. Selbst wenn der Extremismus seine Handlungen nicht vollständig durchdringt, können doch die Handlungen selbst von perfidem Geschick gekennzeichnet sein. Sosehr also die Videos in ihrer strukturellen Anlage als exemplarisch für die Videoästhetik der Neuen Rechten einzustufen sind, so abseitig wirkt die konkrete Realisierung. Denn die allermeisten Video-Auftritte neurechter Gruppierungen, Akteurinnen und Akteure sowie Personen aus dem rechten Verlags- und Publikationswesen ergehen sich in gänzlich anderen Formen. Deren Ziel besteht vorrangig darin, über Videos Themen abseits der klassischen Massenmedien zu entwickeln und diese gesellschaftspolitisch zu verankern. Nach Auffassung des Sozialwissenschaftlers Patrick Kessler sind Bewegbildformate sogar mitursächlich für den Aufschwung neurechter Bewegungen: »Ihre Videos finden verstärkt Aufmerksamkeit auf Videoplattformen. Sie sind zunehmend erfolgreich, ein wachsendes Protestpotenzial zu mobilisieren und Teile der Bevölkerung gegen Minderheiten aufzuhetzen.«66 Und die Autoren David Begrich und Jan Raabe sprechen mit Blick auf YouTube sogar von »der wohl wichtigsten Propagandaplattform der IB«.67
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Abb. 11: Die neue Metapolitik als rechtsesoterische Lebenskunst.
Zu den im deutschsprachigen Raum mutmaßlich erfolgreichsten Protagonisten gehört in diesem Zusammenhang Frank Kreamer, of fen bekennender Neonazi und Gitarrist der Rechtsrock-Band Stahlgewitter. Auf seinem Blog »Der dritte Blickwinkel« arbeitet er an einer Art Gedanken- und Gesprächsarchiv rechtsnationalistischer Ideologien, um, wie zu erfahren ist, »seine Sicht der Dinge zu aktuellen Themen wie der gerade betriebenen Masseneinwanderung oder […] Nationalismus, Deutschenhaß, die multikulturelle Gesellschaft und Zukunftsaussichten für Deutschland und Europa« auszubreiten.68 Bevorzugte Medien seiner Einlassungen sind denn auch mehrminütige Videos, jeweils über YouTube in Umlauf gebracht. Mit ihnen werden entweder persönliche Statements, Gespräche mit Ähnlich- oder Gleichgesinnten oder Werbeblöcke zur Gewinnung weiterer Unterstützer veröffentlicht. Offenkundiges Ziel dieser Videos ist es, eine möglichst umfassende Gegenöffentlichkeit zu schaffen, folglich also Themen anzuschieben, die bislang wenig bis keine Beachtung oder Verbreitung gefunden haben. Antretend unter dem Slogan »Werde unsterblich – Rechte Metapolitik als Lebensphilosophie«69, verbindet sich in den Videos rechtsesoterische Lebenskunst mit extremistischen Allmachtphantasien. In Kombination mit den begleitenden Texten und Verweisen auf Videos anderer Szene-Aktiver entsteht so ein regelrechter Sinnkosmos.
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Demnach findet sich zu nahezu jeder Lebenslage und Lebensfrage irgendein Hinweis. Kein Bedürfnis bleibt unbefriedigt. So kann man sich darüber informieren, inwiefern es für Rechtsnationalisten, Identitäre und Remigrations-Aktivisten in Ordnung sei, sich in eine »Liebe mit Visionen« zu stürzen: »Ethnodating ist für Afrikaner und Asiaten nichts besonderes. Doch wie schaut es bei uns Weißen aus?« Weiterhin wird geklärt – und durch das Zeigen eines Messers eingeleitet –, was man eigentlich tun könne, wenn »die Bereicherung […] nun auch bei mir« angekommen sei. Zur mobilisierenden Beantwortung wird ein Gespräch mit »einem Opfer der Bereicherungskultur« geführt. Und wer sich für das psychische Innenleben des Blog-Betreibers interessiert, ohne dabei auf fremdenfeindliche Invektiven verzichten zu wollen, dürfte mit einem Video über Kreamers »Kindheitstrauma in Ägypten« kaum enttäuscht werden.70 Der Versuch, eine alternative Öffentlichkeit durch das Produzieren von Videos mit rechtsradikalen Inhalten zu schaffen, führt zur Etablierung von Portalen, auf denen der Begriff der Weltanschauung umfassend ausgelegt wird. Jeweils wird darauf geachtet, die persönlichen Ansprüche der Besucherinnen und Besucher zu adressieren. Man knüpft an lebenspraktische Anliegen an, um den Alltag als ein Haufen ungelöster Probleme zu charakterisieren. Somit wird eine Atmosphäre des dauernden Defizits, ein Ambiente des permanenten Darbens an irgendwelchen Unzulänglichkeiten erzeugt. Umso größer möge der Wunsch nach Lösungen ausfallen! Raffinierter Weise bieten die bereitgestellten Videos diese Lösungen nicht in direkter Form an. Kaum einmal ist in konkreter Weise zu erfahren, was denn nun praktisch zu tun sei. Stattdessen werden die Besucherinnen und Besucher auf oft verschlungene, mitunter gänzlich absurde Gedankenwege mitgenommen. Wer bereit ist, diesen eine empfehlende Orientierung beizumessen, dürfte erneut anfällig für ein Gefühl sein, nun endlich ernst- und mitgenommen zu werden. Dennoch gibt es kaum Möglichkeiten der Beteiligung oder Kommentierung. Vielmehr scheint es, als werde durch solche Videos ein neurechter Personenkult mit besonderem Ehrgeiz vorangetrieben. In der Regel steht somit nur ein Protagonist vor der Kamera, und
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finden sich einmal mehrere Akteure ein, ist es doch wieder nur der Initiator, der die Agenda setzt und den Themenverlauf steuert. Die für rechtsideologische Bewegungen typische Hierarchiebildung, gipfelnd in einer Art geistigen Führerschaft, erhält in den einschlägigen Videos definitive Gestalt. Im Grunde wird versucht, ein altes Medienmodell – eine One-way-Kommunikation – auf netzwerkbasierte Plattformen zu übertragen. So dürfte auch zu erklären sein, warum sich bei längerem Betrachten der Eindruck einstellt, einer schlecht gemachten TV-Sendung beizuwohnen. Statt die Möglichkeiten der Netzwerkbildung auszuschöpfen, werden diese außer Kraft gesetzt, um im Duktus des Verkündens die Kommunikation zu unterbinden. Gleichwohl wird gerade darin ein weiterer Vorzug gesehen. Indem auf medialer Ebene eine völlig anachronistische Ästhetik vorgeführt wird, scheinen bereits die Videos als Videos von guten alten Zeiten zu künden. Kann das Löschen extremistischer Accounts eine Stimmung des Unterdrücktseins verstärken und damit Opfernarrative unterfüttern, versprechen die genannten Videos ebenfalls die inhaltliche Einlösung ihrer formalen Gestalt. Ihnen zu folgen, ermöglicht das mediale Eintauchen in eine Gegenwelt, für die es in aktuellen Zusammenhängen weder Platz noch Zeit zu geben scheint. Der grell zur Schau getragene Antimodernismus bietet demzufolge Gelegenheit, die eigenen Ressentiments an der Gegenwart bestätigt zu finden. Insofern wirken die Video-Verkündungen der Rechtsextremisten als Zertifikate einer nebulösen, kulturkritischen Abwehrhaltung. Diese muss nun nicht mehr schambehaftet kaschiert und vor den ungläubigen Blicken der anderen versteckt werden. Vielmehr kann der eigene Pessimismus ausgelebt und mit dem Vorzug des Unbeugsamen geadelt werden. Ressentiments gegen die Moderne werden somit zu Emphasen des Widerstands umgedeutet. Damit wäre auch der vor allem in der massenmedialen Berichterstattung vielfach wiederholten Einschätzung zu widersprechen, wonach rechte Video-Akteure als ideologische »Inf luencer« fungierten.71 Zwar ist unbestritten, dass es auch bei ihnen um Fragen der Vermarktung und Bewerbung bestimmter (immaterieller) Güter geht. Dennoch unterscheiden sich
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die Figuren in einem wesentlichen Punkt: Rechte Video-Akteure konzipieren sich als Medien im eigentlichen Sinne, geben also vor, märtyrerhaft die Bürde des öffentlichen Auftritts auf sich zu nehmen. Denn nur durch die Bereitschaft einzelner, dieses Opfer zu bringen, könne dem übergeordneten Prinzip – wie etwa der Überwindung einer korrupten demokratischen Ordnung – eine Realisierung in Aussicht gestellt werden. Man stehe unter der Diktion eines höheren Prinzips und stelle sich diesem notgedrungen zur Verfügung. Diese Perspektivierung kommt freilich nicht von ungefähr. Schließlich gehört es zur traditionellen Selbstmystifikation nationalsozialistischer Führer-Prinzipien, die eigene Handlung als bloße Ausführung eines noch höheren, alles leitenden Ganzen auszugeben. Inf luencer mögen zwar auch im Dienste eines Auftrags – eines Unternehmens – öffentlich erscheinen, doch generiert sich ihre vordringliche Attraktivität aus anderen Elementen. Sie sind als Garanten der Authentizität entworfen, agieren also als Figuren, die ihren Alltag selbstbestimmt öffnen, um andere an ihm teilhaben zu lassen. Demnach wirken sie durch die suggerierte Freiheit der Handlung, wohingegen die Video-Akteure der Neuen Rechten insinuieren, letztlich aus purer Notwehr handeln zu müssen. Abknüpfend an die vorherigen Kapitel ist daher auch in diesem Fall die Frage nach dem Umgang mit den videoästhetischen Agitationen der Neuen Rechten zu stellen. Als grundsätzlich hilfreich könnte sich erweisen, das Gespräch über die Sozialen Medien endgültig aus kulturkritischen Wertungsschablonen herauszulösen. Wenn immer nur der moralisch getränkte Einwand einer virulenten Entfremdung und medialen Verblödung ins Feld geführt wird, öffnet dies all jenen Tür und Tor, die an exakt diese Form der Moderneverachtung anschließen wollen. Digitale Bilder- und Videowelten sind integrale Bestandteile des öffentlichen Kulturlebens und wichtigste Bausteine der medialen Kommunikation. Dass das Netzwerken längst als eigene Kulturtechnik gilt, für die es spezifische Fertigkeiten braucht, wird kaum jemand ernsthaft bestreiten wollen. Umso wichtiger aber ist es, im wertenden Sprechen über diese Techniken zu abwägenden
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Urteilen zu finden. Denn erst dann wird es möglich, die angebliche Konterrevolution von rechts als das zu erfassen, was sie im Kern ist: Ein regressiver Rückfall in ein überkommenes Medienverständnis, verbunden mit dem beinahe rührenden Wunsch, die aktuelle Netzwerkkultur in ein vormaliges Zeitalter zurückzuentwickeln. Die Auseinandersetzung mit dem ästhetischen Angriff auf die offene Gesellschaft zu führen bedeutet demnach auch, die eigenen medialen Gewohnheiten als soziale Errungenschaften zu verteidigen. Dies wiederum gelingt wohl am ehesten, wenn noch genauere Begriffe für das gefunden werden, was vielen als kommunikative Selbstverständlichkeit gilt. Dass sich innerhalb der Sozialen Medien kollektive Design- und Darstellungspraktiken ausprägen, heißt nicht, dass sich eine gesellschaftliche Uniformierung vollziehe. Im Gegenteil: Die Konventionalisierung des Austauschs ist notwendige Bedingung kommunikativer Akte. Konventionen ermöglichen überhaupt erst Kommunikation untereinander, insbesondere dann, wenn sie gebrochen werden. Ein erweitertes analytisches Interesse für das scheinbar Gewöhnliche zu entwickeln, dürfte in der Konfrontation mit den alten Medien der Neuen Rechten zum Vorteil gereichen. Und wäre damit nicht auch ein weiterer Beitrag zur Begründung einer offenen Gesellschaft geleistet? Immerhin scheint zu gelten: Je sensibler die eigenen kommunikativen Gewohnheiten wahrgenommen und je präziser sie beobachtet werden, desto größer die Chance, in ihnen einen kulturellen Zugewinn zu entdecken.
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VII. Verbundene Mächte Zum Verschwörungsdesign
Abb. 12: Schautafel zur Entfaltung des Judenhasses.
Nein, mit den Alten will man nichts am Hut haben! Große Teile der Neuen Rechten verhalten sich verdächtig penibel, wenn es darum geht, sich von den historischen Vorbildern ästhetisch zu entkoppeln. Das Neo-Faschistische soll getilgt werden – was im Kern wohl nichts anderes bedeutet, als dass nichts an die eigene ideologische Verwurzelung erinnern darf. Insbesondere den Antisemitismus will man öffentlich nicht weiter bedienen. Und um letzte Zweifel an der, so Martin Sellner, »Distanzierung«72 zu zerstreuen, werden Ethnopluralismus und Remigration als überdeckende
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Leitideen eingeführt. Gleichwohl bestellt die neurechte Bewegung exakt damit das ideologische Feld, auf dem der Antisemitismus gute Wachstumsbedingungen vorfindet. In der Geste der Abkehr liegt zugleich die Bedingung der Möglichkeit, den Antisemitismus durch beredtes Schweigen als ergänzende Kraft zu legitimieren. Das Feld ist dadurch gekennzeichnet, dass sich auf ihm im Grunde all jene Geister tummeln können, die das angeblich Fremde als unheilvolle Macht konzipieren. In der Theorie des Ethnopluralismus etwa erscheint das je Eigene als das genuin Schützenswerte. Der Durchmischung mit dem Anderen ist daher strikt vorzubeugen – was in letzter Konsequenz dazu führt, dass zum Schutz des Eigenen auch die Vernichtung des Anderen als legitimes Mittel aufgefasst wird. Insofern ist das ethnopluralistische Identitätsdogma notwendig hierarchisch strukturiert und auf den Entwurf einer europäisch-kulturellen Überlegenheit angelegt. Umso leichter haben es Personen, die darauf drängen, den Typus des fremden Feindes an den Perspektiven der alt-faschistischen Vorbilder zu orientieren.73 Herrschen derart günstige Witterungsverhältnisse, braucht es nur wenige zusätzliche Düngemittel, um den ideologischen Eifer antisemitisch gedeihen zu lassen. Meist sind es noch nicht einmal theoretisch ref lektierte Beigaben – oft genügt ein aktuelles gesellschaftspolitisches Ereignis, um den Dämonisierungsref lex auszulösen. Eines der jüngsten Beispiele ist im Zuge der Fridays for Future-Bewegung zu beobachten. Diese steht seit ihren Anfängen im Fokus rechtspopulistischer bis rechtsextremistischer Hasstiraden. Besonders verbissen wird gegen deren Aktivistin Greta Thunberg gehetzt. Seit dem Spätjahr 2018 und ihrem damaligen Appell auf der UN-Klimakonferenz in Katowice gilt sie Befürwortern wie Gegnern als Symbolfigur einer politisch höchst engagierten Generation.74 Innerhalb des rechten Spektrums wird Thunberg indes dazu benutzt, antisemitische Verschwörungsszenarien aufzukochen (»Doch die Verstrickungen reichen noch weiter; eine ganze Lobbyindustrie steht mit ihren Repräsentanten hinter der Greta-Kampagne«75). Und nicht nur das: Mit Thunberg scheint erstmals eine Figur gefunden zu sein, mit der sich der Judenhass aus der rechts-
VII. Verbundene Mächte
extremistischen Deckung herauswagt, um in breitere Öffentlichkeiten einströmen zu können. Dies wiederum geschieht, indem Thunbergs vermeintliche Verstrickungen mit wohlhabenden Juden nicht nur textsprachlich angemahnt werden. Ungleich dominierender wirken in diesem Zusammenhang eigens arrangierte, digitale Schautafeln, mit denen das Verhängnisvolle buchstäblich vor Augen geführt werden soll. Die Tafeln werden durch Userinnen und User offenkundig massenhaft ›hergestellt‹ und bei jedem neuen Verdachtsmoment vorwiegend auf Facebook und Twitter veröffentlicht. Zwei Ziele verbinden sich mit dieser Strategie: Zum einen wird visuelles Material generiert, das leicht von jeder und jedem in die Sozialen Medien einzuspeisen und damit potenziell unendlich oft zu vervielfältigen ist. Zum anderen eignen sich die Tafeln zur ständigen Weiterarbeit. So sind alle, die irgendein Interesse an den behaupteten Verstrickungen finden, indirekt dazu eingeladen, die Sache grafisch mitzugestalten. Mit wenigen Klicks ist eine weitere Fotografie, ein neuer Textbaustein oder noch ein roter Kringel zur Fokussierung auf das Verräterische eingefügt. So erweisen sich die angeblichen Belege als zutiefst rassistische Mitmachspiele erheblichen Ausmaßes. Diese Form rechter Hetze ist auf Beteiligung angelegt, und wer sich entwurfspraktisch einbringt, wird – einmal mehr – mit dem Eindruck der Selbstwirksamkeit im Dienste des Notwendigen belohnt. Folglich zirkulieren inzwischen tausende Varianten solcher Verschwörungstafeln durch rechte Netzwerk-Accounts. Bei deren Analyse gewinnt man den Eindruck, als vermähle sich in ihnen ein lebhafter Wille zum Selbstgemachten mit dem antisemitischen Hass auf das scheinbar Fremdbestimmte. Die Plots dieser Verschwörung bleiben stabil – und sie wiederholen umfassend jene Muster, die der eliminatorische Antisemitismus schon immer ausgebildet hat: Im Fall von Thunberg wird dem Investor George Soros die Rolle des ewigen Juden zugewiesen. Dieser halte aufgrund ökonomischer Potenz und politischer Ausrichtung die Strippen der gesamten Klimaschutzbewegung in Händen. Da es sich bei Thunberg jedoch um »ein krankes Kind«76 handele, wie der kulturpolitische Sprecher der AfD im Bundestag
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zu berichten wusste, sei diesem defizitären Wesen ein »Führungsoffizier«77 – die deutsche Aktivistin Luisa-Marie Neubauer – an die Seite gestellt worden. Als verschlagen-hinterlistig – und damit judentypisch – erweise sich dieses Vorgehen, da Thunberg durch Soros in zweifacher Weise misshandelt werde: Einerseits spanne er das schwache – auf rechten Accounts notorisch als »behindert« bezeichnete – Kind für eigene Interessen ein, vergehe sich also an jemandem, der nur bedingt für eigene Anliegen einstehen könne. Andererseits setze er eine linksgrün geprägte Mehrheitsgesellschaft durch das Ausstellen von Thunberg unter moralischen Zugzwang. Denn wenn schon die Schwächsten auf begehren, stehen die Stärkeren in deren Schuld. Somit verbindet die rechte Verschwörungstheorie einen sowohl ökonomisch als auch rassistisch begründeten Antisemitismus mit der Selbstversicherung, sich für ein missbrauchtes Kind zu engagieren. Die Judenfeindschaft reinigt sich quasi selbst, indem sie sich als Thunbergs Anwältin geriert. Dies wird denn auch in den entsprechenden Tafeln markiert, etwa indem man ganze Systeme der Abhängigkeit konstruiert. Vor allem fette rote Pfeile und wilde Beziehungslinien werden aufgeführt – und inzwischen kommt es sogar vor, dass Thunbergs Verhalten darauf geprüft wird, wen sie wann bei öffentlichen Auftritten anblickt. Diesem ungehobelten Detektivismus geht es schon lange nicht mehr nur um die Protagonistinnen der Bewegung. Immer öfter werden weitere Involvierte – die Mutter, der Vater – und verwickelte Einrichtungen und Institute (meist an erster Stelle genannt: die Lobby- und Kampagnenorganisation ONE) in den Vordergrund gespielt. Wirklich stichhaltig ist dabei überhaupt nichts, doch geht es darum auch gar nicht. Entscheidend ist, dass ein Anlass geschaffen wird, bei dem der private Designehrgeiz im Grunde keine Grenzen mehr beachten muss. Die derart Angestachelten fühlen sich in der Folge zu immer neuen Gebilden und Konstruktionen motiviert, was etwa dazu führt, dass – durchaus aufwendig – ganze Ahnengalerien der Hörigkeit gebastelt werden: Porträtzusammenstellungen, auf denen ein ebenso gigantisches wie miteinander verknotetes Personal in
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Anschlag gebracht wird. Vor diesen sind selbst Staats- und Regierungschefs nicht sicher, und sie erscheinen somit – wenig überraschend – als die eigentlichen Profiteure der angestrebten jüdischen Weltherrschaft. Mit jedem neuen Tafel-Post wird demnach ersichtlich, wie konsequent das antisemitische Dispositiv auf Beteiligung – genauer: auf kollektive Hetze – ausgerichtet ist.
Abb. 13: Positivistisch gehärteter Glaube an den ›großen Austausch‹.
Will man die Frage nach der Dimension neurechter Verschwörungstheorien etwas grundsätzlicher stellen, dann kann nicht verborgen bleiben, dass letztlich die gesamte Bewegung auf einem Verschwörungsnarrativ basiert. Die Proklamation, man habe es in Mitteleuropa mit einem sogenannten »Großen Austausch« zu tun, geht auf das gleichnamige Buch78 des französischen Schriftstellers und Politikers Renaud Camus aus dem Jahr 2011 zurück. Bereits im Begriff des ›Austauschs‹ ist die Suggestion eines willentlichen Aktes hinterlegt. Der ›Austausch‹ geschehe nicht von selbst, und er falle auch nicht vom Himmel, sei also kein unabwendbares Schicksal. Demzufolge existiere innerhalb des politischen Establishments ein genuines Interesse an seinem Vollzug. Dies wiederum sei Folge der Verstrickungen, in denen sich die etablierte Politik und deren Altparteien befänden: Da deren Machterhalt nur durch Zustimmung einer multikulturell faszinierten, linksgrünen MainstreamGesellschaft zu garantieren sei, müssten deren Anliegen – das
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Abschaffen nationaler Identität und damit das Herbeiführen des Volkstodes – umfassend umgesetzt werden. Der Soziologe und Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traughber spricht treffenderweise von »der Erfüllung eines bedeutsames Planes«, der wiederum das Ergebnis intensiv betriebener »Konspirationsvorstellungen«79 sei. Die Rede vom ›großen Austausch‹ ist nicht zuletzt deshalb erfolgreich, weil sie sich dazu eignet, international und auf sämtlichen Ebenen der Neuen Rechten reproduziert zu werden: In den parlamentarisch organisierten Parteien und deren Flügeln gehört der ›große Austausch‹ zum rhetorischen Standardrepertoire; in der aktivistischen Szene wird der ›große Austausch‹ theoretisiert und mit dem Versuch intellektueller Unterfütterung aufgeladen; bei Pegida und deren Ablegern genießt der ›große Austausch‹ die unbestrittene Plakathoheit; und in rechtsextremistischen Kreisen gilt der ›große Austausch‹ als längst vollzogen, so dass Rachemaßnahmen – gewaltsame Erwiderungen gegenüber den Verantwortlichen – als unumgänglich im Sinne einer letzten Selbstachtung erscheinen. Auffällig ist, in welcher Weise diese programmatische Verschwörung gestalterisch ausgekleidet und medial verbreitet wird. Denn das Verschwörungsdesign des ›großen Austauschs‹ unterscheidet sich grundsätzlich vom privatästhetisch realisierten Antisemitismus. Eingebracht durch Verbünde der Identitären Bewegung, geht es darum, den ›großen Austausch‹ durch wissenschaftlichen Anstrich in seiner Überzeugungskraft zu steigern. Dies geschieht vor allem durch Embleme, Plakate, Flyer und – erneut – digitale Tafeln, auf denen der behauptete nationale oder lokale Bevölkerungsschwund zahlenmäßig in Szene gesetzt wird. Dabei hat sich durchgesetzt, die Sache auf zwei Punkte zu reduzieren: Der quantitative Rückgang des Eigenen wird mit dem quantitativen Aufschwung des Fremden konfrontiert. So soll die ganze Misere – das steigende Missverhältnis – in einem ›Bild‹ vor Augen stehen. Zugleich wird auch damit eine ästhetische Loslösung von jenen alt-faschistischen Kampagnen angestrebt, die vor allem in den 1990er Jahren mit einem Ausländer-raus- und Deutschlandden-Deutschen-Duktus reüssierten.
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Der Drang nach einer pseudo-positivistischen Ästhetik ist durchaus typisch für esoterische Neigungen – insbesondere dann, wenn diese sich auf die Entlarvung politischer Verschwörungen spezialisieren. Indem das Eigentliche aufgezeigt werden soll, braucht es Instrumente, die in der Lage sind, scheinbar unbestechlich zu detektieren. Die Zahl ist das attraktivste Instrument. Mit ihr verbindet sich die Hoffnung, das abschließend Unbezweifelbare in Händen zu halten. In einer Gesellschaft, die vielfach und rasch bereit ist, quantitativen Darlegungen einen Bedeutungsvorsprung gegenüber anderen – qualitativen – Argumentationsformen einzuräumen, treffen solche Strategien gewiss auf manch offene Augen und Ohren. Hinzu kommt, dass die vielfach kursierenden Belegtafeln vom ›großen Austausch‹ die Signaturen einer professionellen Kampagne aufweisen. Die Copyright Identity der Identitären Bewegung wird konsequent angewandt, so dass die Entwürfe durch ästhetische Glätte auffallen. Sie heben sich von anderen Hetz-Memes und Hass-Emblemen ab, was wiederum den Eindruck einer bereits etablierten Gegen-Macht verstärkt. Nicht zuletzt wird darauf geachtet, keine appellartigen Forderungen an die Tafeln zu knüpfen. Die gewünschten Ableitungen sollen sich in den Empfängerinnen und Empfängern gewissermaßen von selbst einstellen. Im Vertrauen auf die scheinbar absolute Zahl liegt die Suggestion, dass bereits deren Erfassen handlungsauslösend und damit ideologisch mobilisierend wirken könne. Im Gesamten besehen, bedeuten die ästhetisierten, neurechten Verschwörungstheorien eine besondere Herausforderung für die akademischen Wissenschaften. Dies freilich weniger im Sinne des wissenschaftlichen und forschungspraktischen Arbeitens – wobei auch hier zu fragen wäre, ob derartige Polit-Entwicklungen nicht noch konzentrierter analysiert und damit in ihrer Wirkungsweise dekonstruiert werden müssten. Vor allem aber stellen sich der öffentlichen Darstellung von Wissenschaft – mithin der Wissenschaftskommunikation – ebenso neue wie dringliche Aufgaben. Indem die Neue Rechte mit der Geste einer szientistischen Unbezweifelbarkeit auftritt, bringt sie all jene in ein Kommunikationsdilemma, die, den akademischen Einrichtungen entstam-
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mend, mit exakt dieser Geste öffentlich auftreten. Mit anderen Worten: In der öffentlichen Darstellung kann es zur ungewollten Gestenangleichung zwischen einem Wissenschaftsauftritt und neurechten Verschwörungsdesigns kommen. Wie also sollen die Wissenschaften in ihrem öffentlichen Auftreten dafür sensibilisieren, dass es systematische Unterschiede zwischen wissenschaftlicher Forschung und ideologischer Vermutung gibt? Besonders klar bringt diese Aufgabe eine Studie zur psychologischen Attraktivität von Verschwörungstheorien auf den Punkt, wenn es in ihr unumwunden heißt: »Im wahrsten Sinne des Wortes stellen Verschwörungstheorien Theorien auf, Theorien über Verschwörungen, über komplexe Sachverhalte, über wichtige Ereignisse. Wissenschaft stellt ebenfalls Theorien auf. Wissenschaft will erklären und stellt letztlich mindestens ebenso viele Frage, wie sie Antworten gibt. Macht es sich die Wissenschaft also zu einfach […]?«80 Ja, die Wissenschaften machen es sich tatsächlich zu einfach, wenn sie einen nachlassenden Ehrgeiz in der Erläuterung ihrer Verfahren an den Tag legen. Der systematische Unterschied zwischen einem wissenschaftlichen Ergebnis und einer neurechten Verschwörung liegt unter anderem darin, dass letztere auf unbedingte Unbezweifelbarkeit pocht – wohingegen sich Wissenschaften gerade durch die unbedingte Bezweifelbarkeit ihrer Ergebnisse auszeichnen. Genau dies darf aber in der öffentlichen Darstellung nicht abgeschottet oder marginalisiert werden. Geschieht eine solche Verdrängung des Prinzips der Bezweifelbarkeit, bröckeln die Grenzen zur Ästhetik der Verschwörung, und es droht eine Vermengung von Erkenntnis und Ideologie. Umso stärker sollte innerhalb der Wissenschaften verinnerlicht werden, dass das bewusste und gezielte Darlegen der eigenen Bedingungen – das Offenlegen der Voraussetzungen – notwendig zur Veröffentlichung von Wissenschaft gehört, auch und gerade in nichtwissenschaftlichen Kontexten. Und nicht zuletzt müsste die neurechte Ausgestaltung von Antisemitismus und Fremdenhass Anlass genug sein, die öffentlichen Instrumente der Wissenschaften zu schärfen. Konkret könnte dies bedeuten, noch gezielter als bislang die Auseinandersetzung mit
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Vertreterinnen und Vertretern der Neuen Rechten zu suchen. Die Wissenschaften beherbergen die wesentlichen Kompetenzzentren einer abwägenden Methoden- und Quellenarbeit – und genau diese müsste offensiv in die gesellschaftliche Debatte eingebracht werden! Im Zeitalter auf blühender Verschwörungstheorien und deren medial äußerst zugkräftiger Ästhetisierung sollten Quellenkritik und das hartnäckige Befragen von Erkenntnisursachen eine öffentliche Renaissance feiern. Gewiss, eine solche Auseinandersetzung, zumal in einem politisch emotional aufgeladenen Rahmen, ist eine mühsame und von Rückschlägen gekennzeichnete Arbeit. Aber sie darf nicht ausbleiben, sofern sich die Wissenschaften ihre gesellschaftspolitische Verantwortung vor Augen führen.
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VIII. Geteilte Drohung Zum Gewaltaufruf
Abb. 14: Meme in der Absicht eines mehrfachen Mordaufrufs.
Für ihn sei es »eine bewusste Entscheidung«. Eine knappe Stunde lang trägt Martin Sellner im Februar 2017 bei der »Winterakademie des Instituts für Staatspolitik« das »Bekenntnis der Identitären zum gewaltlosen Widerstand«81 vor. Kern seiner Ausführungen bildet der Versuch, das »gewaltlose Vorgehen« als vorteilhaft gegenüber einer gewaltsam erzwungenen Machtergreifung zu begründen. Die Durchsetzung des eigenen Anspruchs müsse in Gestalt eines »idealistische[n] Aktivismus« befördert werden.
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Der Verweis auf die »bewusste Entscheidung« dient Sellner dazu, den Aufruf zur Gewaltlosigkeit als Ergebnis einer »strategischen Überlegung« vorzustellen. Es geht also gerade nicht um das generelle Zurückweisen jeglicher Gewalt. Man verlege sich besser darauf, »die Gegner, die Antifa, die Islamisten in das offene Messer der Militanz und Gewalttätigkeit laufen zu lassen, damit der Staat letztendlich sie abschüttelt«. Der Gewaltverzicht ist somit weder ein politisches Prinzip noch eine leitende Haltung. Er sei einzig deshalb zu bevorzugen, weil es mit ihm unter den aktuell herrschenden Bedingungen leichter falle, das Eigeninteresse zu verwirklichen. Folglich verwundert es nicht, wenn Sellner noch einen Schritt weitergeht, indem er in das Bekenntnis zur Gewaltlosigkeit eine Hintertür zur Gewaltausübung einbaut: »Wir wissen, dass es besser ist und besser wirkt, und deshalb geht Gewaltlosigkeit und gewaltlose Disziplin für mich Hand in Hand mit der Fähigkeit, sich selber wehren zu können.« Da nach Auffassung der Identitären Bewegung die liberalen europäischen Staaten versagt und mit ihren Organen unmittelbar vor dem Kollaps stünden, erscheint der Bedarf, sich zu wehren, als ständig gegeben – so dass Sellners explizite Absage an eine Gewaltinitiative eine implizite Aufforderung zur Gewaltreaktion enthält. Bedeutsam ist weiterhin, dass sich Sellner in diesem Vortrag weder von der rechtsextremistisch motivierten Gewalt anderer noch von (unbeabsichtigter) Gewalt im Namen der Identitären distanziert. Im Gegenteil: Wörtlich wird von einer »ganz wichtige[n] Stütze für die metapolitische Veränderung« gesprochen und die Identitären damit als zusätzliche Kraft für die rechtsnationalistische Tendenz präsentiert. Der Verzicht auf den Einsatz von Gewalt wird somit auch hier auf eine lediglich partielle Ergänzung im gemeinsamen Kampf gegen den ›großen Austausch‹ beschränkt. Die Drecksarbeit, so darf man schließen, bleibt inhärenter Bestandteil.82 Vor dem Hintergrund dieser und ähnlicher Positionierungen wird ersichtlich, dass der neurechte Aufschwung nur dann im Kern zu verstehen ist, wenn auch seine ästhetisierten Gewaltphantasien Beachtung finden. Denn darauf spekulieren Sellner und andere Identitäre immer wieder: Im notorischen Beschwören eines ästhetischen Aktivismus sollen Gewaltneigungen imaginativ ent-
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fesselt, soll in bildlichen, habituellen und performativen Formaten den eigenen Gewaltvorstellungen freier Ausdruck gewährt werden. Entsprechend ungehemmt äußern sich viele Anhängerinnen und Anhänger neurechter Bewegungen auf entsprechenden Plattformen und in den Sozialen Netzwerken. Als wichtigste Artikulationstechniken haben sich in diesem Zusammenhang sogenannte Memes etabliert. Gelten sie manchen bereits als »das ›Fast Food des Internets‹, weil sie Nutzerbedürfnisse direkt stillen können«83, lassen sie sich erst recht dazu vereinnahmen, besonders drängende Bedürfnisse zu befriedigen. Über Memes werden nicht nur politische Präferenzen ausgehandelt und unterschiedliche Weltsichten miteinander in Kontakt gebracht; oft übernehmen sie eine bestätigende Funktion, werden also gepostet und geteilt, um Zustimmung zu bekunden. Dennoch sind Memes alles andere als ungebrochene Bekenntnisträger. Vielmehr ist mit ihnen stets auch eine ironisch-kommentierende Funktion verbunden, über die sich wiederum Distanz zu aktuellen Ereignissen oder jüngsten Berichterstattungen herstellen lässt. »Internet-Memes«, so die Einschätzung einer diesbezüglichen Studie, »könnte man fast schon als maximal eingedampfte Story bezeichnen. Es bedarf hier oftmals gar keiner epischen Ausschweifung, sondern einer prägnanten Darstellung von Inhalten, die uns unmittelbar […] anspricht […]. Zumeist ist es sogar so, dass Internet-Memes vorhandene Geschichten als Vehikel benutzen, als Trigger.«84 Neben einer situativen Ref lexion können sie also auch die Rolle einer Verstärkung einnehmen und somit bereits angelegte Auffassungen bis zur Verhärtung intensivieren. Eines der international meistgeteilten rechtsextremistischen Memes ist das eingangs gezeigte. Nachdem Nike einen Sport-Hijab entwickelt und diesen 2018 auf den Markt gebracht hatte, kursierte in direkter Reaktion auf neurechten, rechtspopulistischen und offen rechtsradikalen Netzwerk-Accounts neben dem erwähnten noch ein zweites Meme. Beide zeigen einen Ausschnitt aus der NikeKampagne und kombinieren das darin präsentierte Kleidungsstück mit einem Berg faustgroßer, Logo-bedruckter Steine beziehungsweise – wie vorliegend – mit einer entsprechend gebrandeten Machete.
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Die jeweils nebengestellten Textstücke stellen denn auch einen Zusammenhang zwischen dem Wunsch nach dem Kleidungsstück und (männlichen) Gewaltakten her. Höhnisch wird insinuiert, dass die Entfaltung des Konsums im Zuge einer gestiegenen Emanzipation zur archaisch-patriarchalen Bestrafung führe. Damit wird das rassistische Stereotyp von der muslimischen Rückständigkeit aufgenommen und als Voraussetzung zum Tötungsdelikt ausgelegt. Doch Eindeutigkeit ist nicht die Sache eines Memes. Gerade weil es sich kommentierend auf einen (angenommenen) Sachverhalt bezieht, öffnet es Deutungsräume. Besonders anschaulich fasste dies Angela Nagle, als sie mit Blick auf einige in den USA zirkulierende, rechtsextremistische Memes fragte: »Wissen die an solchen Memes Beteiligten überhaupt noch, was sie antreibt und ob sie es selbst ernst meinen oder nicht? Könnte es sein, dass sie in ein und demselben Medienphänomen gleichzeitig ironische Parodist_innen und ernsthafte Akteur_innen darstellen?«85 Diese – nur scheinbare – Paradoxie dürfte ebenso auf Gestaltungen zutreffen, die einzig auf die Entwürdigung vermeintlich homogener Personengruppen gerichtet sind. So wird das Hijab-Meme keineswegs nur als kulturchauvinistisches Gimmick wahrgenommen. Aus den zahllosen begleitenden Kommentaren ist zu erfahren, dass die Darstellung auch als Mordaufruf aufgefasst wird. Die Zusammenstellung von einer als kulturell defizitär konzipierten Person und Tötungswerkzeugen veranlasst zum Sinnieren darüber, ob man die Sache nicht auch selbst in die Hand nehmen könne – oder gar müsse. Letztlich würde damit ja nur ein kulturtypischer Brauch übernommen, ja mit der Tötung wäre gar ein Zeichen des Respekts an die ›dort‹ herrschende Tradition zu senden. Diese und ähnliche Entfesselungen zeigen, wohin der von Sellner apostrophierte ›idealistische Aktivismus‹ führen kann. Obgleich weder Sellner persönlich noch die Identitäre Bewegung als Kollektiv an der Entwicklung dieser beiden Memes beteiligt waren – und obwohl auch sonst kein Zusammenhang besteht –, ist das verbreitete Klima nicht aus der mittelbaren Verantwortung zu entlassen. Das intellektualisierte Anstacheln zur Absenkung von Ge-
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walthemmungen wirkt insofern, als es der Gewalt eine politische Legitimation in Aussicht stellt. Wer sich in und mit solchen Memes bis an die Grenze zur strafrechtlichen Relevanz auslässt, der kann sich mithilfe des identitären Überbaus moralisch entlasten. Dafür braucht es keinen Direktkontakt zwischen ästhetischen Setzungen und den Protagonisten der Bewegung. Wie Sellner selbst kundgibt, gehe es einzig darum, auf je eigenem Terrain die gemeinsame Sache voranzutreiben. Derartige Memes fungieren daher vorrangig im Sinne der ideologischen Festigung. Indem man sie empfängt und teilt, knüpft man am gemeinsamen Netz. Und mehr noch: Vor allem das Teilen und Weiterverbreiten kann ein Gefühl autoritärer Eigenaktivität bestärken. Schließlich hat man sich wieder einmal für das Gemeinsame eingesetzt, selbst wenn es nur ein paar Klicks und allenfalls ein rasch dahingeschriebener Kommentar waren! In der scheinbaren Beiläufigkeit des Tuns gedeiht die Radikalisierung still und weitgehend unbemerkt – wobei es oft genug gerade solch nebensächliche Tätigkeiten sind, über die sich Selbstverständlichkeit einstellt. Wenn also das Teilen eines – bestenfalls halb kaschierten – Mordaufrufs wie nebenbei geschieht, hat dann ein solcher Aufruf nicht bereits die Stufe des Gewöhnlichen erreicht? Ist er damit nicht schon als lebenspraktische Option akzeptiert? Und sind mit dieser Akzeptanz nicht auch Grenzmauern zwischen Aufruf und Ausführung geschwächt?
Abb. 15: Beitrag der AfD-Jugend zum öffentlichen Umgang mit Straftatbeständen.
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Wie ästhetisch brachial bei gegebenem Anlass an diesen Grenzmauern gehämmert wird, demonstrierte Anfang 2016 Thüringens Junge Alternative. Nachdem es in der zurückliegenden Silvesternacht im Bereich des Kölner Hauptbahnhofs und des Doms zu sexualisierten Übergriffen an Frauen gekommen war, äußerte sich Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker im Rahmen einer Pressekonferenz zu allgemeinen Vorsichtsmaßnahmen. Dabei verwies Reker darauf, dass es »immer eine Möglichkeit« sei, »eine gewisse Distanz zu halten, die mehr als eine Armlänge betrif ft«.86 In der Folge kam es zu teils äußerst aggressiven, unter #EineArmlaenge gebündelten Protesten rechtsnationalistischer Gruppierungen. Dass diese dabei durchgängig einer verdrehten Falschauslegung des Statements aufsaßen, ging in der auf kochenden Wut fast vollständig unter. Der gezeigte – und bis heute87 nicht gelöschte – Facebook-Post steht prototypisch für eine spezifische Designpraxis der Neuen Rechten. Derart offen vorgetragene Morddrohungen scheren sich nicht mehr um ein Spiel mit Andeutungen oder um ein Jonglieren mit wendigen Mehrdeutigkeiten. Stattdessen wird einem Kult direkter Botschaften gefrönt. Ersichtlich vom Eindruck berauscht, im Grunde nichts mehr (be-)fürchten zu müssen, gibt es auch keinen Anlass mehr, irgendwelchen Hemmungen Gehör zu schenken. Die Inszenierung der vorgehaltenen Waffe im Zusammenwirken mit der aufgebrachten Textdrohung dürfte in eine gleich dreifache Mobilisierung investieren: So wird mit dem Post erstens gegen »die katastrophale Asyl- und Einwanderungspolitik«88 gehetzt, indem die vorgefallenen Straftatbestände als deren automatische Folgen behauptet werden. Zweitens wird der vermeintlich Fremde – wer auch immer damit gemeint sein mag – ins Visier genommen und indirekt zum Abschuss freigegeben. Und drittens wird die Waffe symbolisch gegen die Oberbürgermeisterin gerichtet, die nur ein Jahr zuvor Opfer eines rechtsextremistisch motivierten Attentats geworden war. Damit ist klar, dass der Zweck solch buchstäblich sprechender Arrangements im Aufwallen einer diffusen fremden- und politikfeindlichen Stimmung liegt. Letztlich setzen derartige Veröffentlichungen auf die schleichende Herbeiführung unkontrollierbarer
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Zustände. Man möchte die gegebene Ordnung in chaotische Konstellationen kippen (lassen), um die eigene politische Kraft als ultimativ durchgreifende, neue Ordnungsmacht einsetzen zu können. Dies dürfte auch der Grund sein, warum rechtspopulistische Parteien solche Posts, sofern sie weder von Netzwerkbetreibern gelöscht noch strafrechtlich sanktioniert89 werden, möglichst lange auf ihren Seiten belassen. Denn gerade hier kommt offenen Kommentarfunktionen eminente Bedeutung zu. Dazu Beispiele: Unter dem genannten Post bläst User »Norbert Hanser« direkt zur »Attacke«; Mitkommentator »Frank Müller« zeigt sich erfreut und denkt die Sache in größere Dimensionen: »Cool! Weiter so! Ohne viel Worte auf den Punkt gebracht. So könnte mal unsere Zukunft aussehen, wenn CDUSPDGrüneLinke unser Land weiter runterdemokratisieren«; »Chris Modell« wiederum spendet unumwunden Lob für das »Spitzen Plakat. Provokant aber Sehr gut«; und »Holger Herrmann« geht auf direktem Weg ins Grundsätzliche: »Wir müssen uns und unser Land selber schützen der Staat macht es ja nicht.«90 Dies mag verdeutlichen, dass das neurechte Hantieren mit öffentlich ausgebreiteten Gewaltsuggestionen nicht isoliert zu betrachten ist. Entscheidend ist das kommunikative Zusammenwirken zwischen Designentwürfen und deren kommentierender Rezeption. Dieses im Grunde geschlossen-homogene Wechselspiel aus Angebot und Nachfrage kann befördern, was gemeinhin als ideologische Radikalisierung bezeichnet wird. Zwar sind solche Posts keineswegs ausschlagend für ein Abdriften in den gewaltbereiten Extremismus, wie es überhaupt widersinnig ist, den soziokulturellen Kontext solcher Einlassungen auszublenden. Dennoch übernehmen derartige Posts die Aufgabe eines kleinen weltanschaulichen Fitness-Zentrums, gestatten also, eine bereits angelegte Einstellung durch deren Kräftigung weiter zu vereinseitigen. Die mutmaßlich von einem Rechtsextremisten verübte Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019 hat einmal mehr die Gefahr ins Bewusstsein gehoben, die von solch angeleiteten Kraftübungen ausgeht. Insbesondere gelangte in der Folge neben dem ideologischen auch der ästhetische Radikalismus rechtsnationalistischer Nischen an das Licht der Öffent-
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lichkeit. So wurde einsehbar, wie gestalterisch ungeniert gehetzt worden war: Fotografien und Grafiken von Pistolen und Galgen wechselten sich mit Parolen ab, die ein »An die Wand stellen!«91 forderten und andere dazu anstachelten, doch endlich das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Lange vor der Tat bildete sich so ein riesiges, waberndes Netzwerk des auf kochenden Hasses, das dazu einlud, stets noch härtere Stoffe und immer gewagtere Inszenierungen beizusteuern. Besonders bedrückend war aber, dass schließlich auch die Tat dazu genutzt wurde, letzte Zurückhaltungen fallen zu lassen. Der auf brechende Triumph, es tatsächlich ›geschaf f t‹ zu haben, berauschte sich an der Vorstellung, das Erreichte nun an anderen und an anderer Stelle fortzusetzen. Neonazistische Bünde schickten »Grüße an den Bruder in Haft«, posteten Porträtfotos von Lübcke in Kombination mit Bildern von der Ermittlungsarbeit, um diesen durch Textbeigaben die Aussicht auf neue Aktionen an die Seite zu stellen: »Es wird geschehen, der Tag ist nicht mehr fern. Da werden all’ die hohen Herrn gehangen an die Latern’.«92 Die Entwicklungen im Nachgang der Tat markieren eine Zäsur. Das beredte Schweigen der parlamentarisch organisierten Rechten und das Triumphgebrüll der Neonazis offenbaren die Bruderschaft im Geiste. Bis zu diesem Zeitpunkt war mit einigen guten Gründen davon auszugehen, dass es ein Gebot der Stunde sei, um die liberalen Konservativen in rechtsnationalistischen Kreisen zu kämpfen; dass es sich lohne, den Dialog, so mühselig und ernüchternd er sich im Einzelfall auch gestalten mag, aktiv zu suchen, um Verlorengegangene zurückzugewinnen; ja dass es von zivilgesellschaftlicher wie demokratiepolitischer Verantwortung sei, die ausgrenzenden Tendenzen in der Gesellschaft durch Überzeugungsarbeit wieder schrittweise einzufangen. Klar ist nun aber: Große Teile der Neuen Rechten werden sich weder strukturell noch ideologisch vom gewaltbereiten Rechtsextremismus abspalten. Im Gegenteil: Durch sie gewinnt der Rechtsextremismus erst jene Gestalt, die ihm Zugang zur Mitte der Gesellschaft ermöglicht. Rechtsextremismus und Teile der Neuen Rechten verhalten sich zueinander wie die Wurzel zum Baum: Ohne Verf lechtungen im Untergrund könnte das Herausragende
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nicht existieren. Und erst das Zusammenwirken beider Elemente verleiht dem Organismus Vitalität. Dem Willen zur Auseinandersetzung muss daher ein Wille zur harten gesellschaftspolitischen Ächtung und konsequenten parlamentarischen Stigmatisierung vorausgehen. Mit Rechten zu reden setzt die Schmähung einer Ideologie voraus, die ersichtlich bereit ist, Gewaltverbrechen unterschiedlichster Art als zumindest hinnehmbare Mittel einzustufen. Dies wiederum muss zur Folge haben, dass fortan jede Form politischer Kooperation tabuisiert wird. Der ästhetische Angriff auf die offene Gesellschaft durch die Designanstrengungen der Neuen Rechten diversifiziert rechtsextremistische Handlungsbereitschaft – auch und gerade beim Spiel mit Tötungsabsichten. Doch eben dies bedeutet: Die Feinde der offenen Gesellschaft stehen nicht länger an deren Rand, sie leben nicht mehr im Modus des scheinbar radikal Anderen. Ihre Vertreterinnen und Vertreter befinden sich inmitten des gesellschaftlichen Raums. Wie also mit ihnen umgehen, ohne diesen Raum, den Grundkonsens eines zivilisatorischen Gemeinwesens, aufzugeben?
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IX. Verlegte Ideologie Zur Publikationsfront
Abb. 16: Gegenöf fentliche Ausbruchsversuche aus dem Meinungskorridor.
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Die Etablierung alternativer Medien gehört zum ästhetischen Standardrepertoire neurechter Bewegungen. Indem die klassischen Massenmedien als weitgehend gleichgeschaltete Hof berichterstatter einer linksgrün dominierten Polit-Kaste eingestuft werden, konzentriert sich die Ausfaltung einer Gegenöffentlichkeit auf das Bespielen eigener Medienformate. Diese treten denn auch mit dem Anspruch auf, jenseits des politisch Korrekten – des ideologisch Vereinseitigten – die Wahrheit als solche wieder zu ihrem Recht kommen zu lassen. Unter Wahrheit wird in diesem Sinne das permanente Aufdecken des offiziell Kaschierten verstanden. Insbesondere im Bereich neurechter Print-Magazine wird ein überschäumender investigativer Habitus gepf legt: Hinter allem und jedem lauere das Eigentliche, ständig gibt es etwas zu entlarven, zu demaskieren, zu enthüllen – was wiederum dazu führt, dass sich die Geste der Investigation zur Dauererzählung verschwörungstheoretischer Plots überschlägt. Dennoch wird gerade damit an den Urtypus populistischen Sprechens angeknüpft: Indem man vorgibt, eine kollektive »Schweigespirale«93 zu durchbrechen, stattet man das eigene Produkt – die persönliche Einlassung – mit dem Vorzug des scheinbar Tatsächlichen aus. Somit bestehen zwischen dem parlamentarischen Erfolg der Neuen Rechten und neurechten Magazinen engste Verbindungen – dies zwar auch in personeller, in erster Linie aber in ästhetischer und performativer Hinsicht. Dazu das Beispiel COMPACT 94. Als eines der im deutschsprachigen Raum erfolgreichsten rechten Magazine fällt ihm durchaus Gewicht beim Auf bau einer solchen Gegenöffentlichkeit zu. Seit 2010 geleitet von Jürgen Elsässer, einem ehemaligen Herausgeber und Redakteur linksgerichteter Medien, verfolgt das monatlich erscheinende Magazin eine pseudo-journalistische, schwülstige Blut-und-Boden-Ideologie: »Lesen, was andere nicht schreiben dürfen. Für alle, die Mut zur Wahrheit haben, ist COMPACT das scharfe Schwert gegen die Propaganda des Imperiums: Eine Waffe namens Wissen, geschmiedet aus Erz wirtschaftlicher und geistiger Unabhängigkeit.«95 Unterstellt wird, dass die Arbeit etablierter Medien unter Zensur stattfinde. Unter derartigen Bedingungen brauche es eine be-
IX. Verlegte Ideologie
sondere Bereitschaft zum Wagnis – »Mut« –, um den ursprünglichen journalistischen Auftrag überhaupt (noch) ausführen zu können. Im Verweis auf das »Imperium« wird an den Verschwörungstopos vom fremdbesetzten deutschen Volk angeknüpft, um diesem – nun im mythischen Jargon des Militärischen – eine Befreiung durch »geistige Unabhängigkeit« in Aussicht zu stellen. Provoziert wird also die Vorstellung einer radikalen Autonomie, die durch eine neue Öffentlichkeit herbeizuführen sei. Wird somit bereits in der Wahl der Begriffe ein neofaschistischer Duktus wiederholt, findet dieser Fortsetzungen, indem man sich etwa »besonders [darüber] freut […], dass mit Andreas Rieger ein deutscher Moslem von Anfang an dabei ist« – oder davor gewarnt wird, dass »in Zeiten der Krise […] die Regierenden« versuchten, »ihre Untertanen stärker zu kontrollieren«.96 Offenkundig ist die Selbstpositionierung des Magazins auf allen Ebenen darauf ausgerichtet, möglichst für das gesamte Spektrum rechtskonservativer, rechtspopulistischer, nationalistischer, identitärer und radikal-extremistischer Tendenzen anschlussfähig zu bleiben. Um diesen Kundenstamm97 zuverlässig beliefern zu können – und um niemanden von vornherein zu verstören –, wird im ästhetischen Ausdruck versucht, die gesetzte Ideologie in eine gestalterische Balance zu überführen. An ein rechtsorientiertes Magazin erinnert wenig. Allenfalls mag der penetrante Einsatz von Schwarz und Rot – dies insbesondere auf dem verlagseigenen Internet-Auftritt – die Brücke zu einem faschistisch konnotierten Farbmuster schlagen, erinnert damit aber auch an eine Springer- und generelle Boulevard-Ästhetik. Und auch sonst ist man bemüht, den Anschein redaktioneller Vielfalt aufrecht zu halten: Allzu derbe Cover-Designs werden ebenso vermieden wie die jeweiligen Schlagzeilen suggerieren, es mit abwägenden Beiträgen aus unterschiedlichen Perspektiven zu tun zu haben. Auch damit knüpft das Magazin an neurechte Gestaltungsstrategien an. Tituliert als »Magazin für Souveränität«, soll es Gegenöffentlichkeit durch das Einziehen einer so genannten Querfront herstellen. Damit ist, durchaus in Analogie zur historischen Genese des Begriffs, das Bestreben verbunden, sich einander ausschließende radikale Strömungen in einer autoritären Super-Bewegung
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zu parallelisieren. Die vor allem unter Rechtspopulisten geläufige Rede von »Meinungskorridoren« stellt darauf ab, möglichst viele antidemokratische Kräfte – in bewusster Absehung ihrer weltanschaulichen Verwurzelung – gegen das System zu bündeln. Diese neue, buchstäblich quer zu den ›Korridoren‹ liegende Front soll die öffentliche Ordnung nicht nur punktuell schwächen, sondern von Grund auf destabilisieren. In publizistischen Formaten wie COMPACT wird daher Gelegenheit gesehen, Demokratiefeindschaft durch das Versprechen einer allgemeinen Befreiungsbewegung zur erstrebenswerten Lebensform ausgestalten zu können. Ziel ist die Ästhetisierung eines Lebensgefühls, und es sollen Sinnbedürfnisse jenseits vermeintlich gängiger Muster gestillt werden. Die stramm rechtsnationalistische Online-Publikation Arcadi aus dem Verlag Antaios ist als »Das neue Kultur- und Lifestyle-Magazin« ausgef laggt. Entsprechend werden dort »Buchempfehlungen« gegeben, dem Rätsel der »wahren Liebe« nachgehangen oder in ethnopluralistisch-fröhlicher Stimmung darüber sinniert, inwiefern »die Griechen als Vorbild für die kulturelle Integrität« taugen.98 Dies wiederum erinnert an die Themen-Strategie von COMPACT. Betrachtet man die Ausgaben der letzten Jahre, fällt auf, dass sich zeitaktuelle Bezüge mit übergeordneten Themen abwechseln. So lässt sich das veranschlagte Programm nicht nur an tagespolitischen Entwicklungen schärfen, sondern ebenso in größere Zusammenhänge projizieren. Wer das Magazin abonniert hat oder es regelmäßig erwirbt, bekommt mehr als nur einen plumpen Kulturpessimismus serviert. Beispielsweise geht es im Juli 2017 bedeutsam raunend und mit Anzüglichkeiten gespickt um die »Verlockung des Fremden« –, wohingegen im nachfolgenden August-Heft mit offenbar journalistischem Ehrgeiz die »Geheimakte Antifa« geöffnet wird. Und schon im September gerät dann – das ganze Elend personalisierend – »Die kalte Kanzlerin« ins Visier, gefolgt vom OktoberJubel über »Das blaue Wunder« Alice Weidel. Weiterhin greift COMPACT regelmäßig und gezielt Ereignisse auf, die auch andernorts für rechte Hetze instrumentalisiert werden. Allerdings: Adressiert man den »Mordfall Lübcke« (AugustHeft 2019), übt man sich an einer kontraintuitiven Ankündigung des
IX. Verlegte Ideologie
Themas. Demnach sei »ein Reporter von COMPACT« zu »den Tatorten in Nordhessen« gefahren, um »sensationelle Fakten« zu recherchieren: »Wir widerlegen die These vom ›rechtsradikalen Einzeltäter‹ und durchleuchten das Netzwerk von Neonazis, V‑Männern und Agenten.« Im Fokus stehe demnach das »Wiederauftauchen […] des Verfassungsschutz-Sumpfes, der schon für den ursprünglichen NSU kennzeichnend war«.99 Die Instrumentalisierung des Mordes vollzieht sich vordergründig nicht als Hetze gegen Minderheiten oder gegen die Befürwortung einer Willkommenskultur, sondern in der versuchten Delegitimierung öffentlicher Einrichtungen. Dies ist insofern geschickt justiert, als man sich damit – zumindest bei oberf lächlicher Betrachtung – dem Stereotyp rechter Agitationen zu entziehen scheint. Zugleich wird der vermeintliche Schulterschluss mit anderen Gesellschaftsbereichen gesucht. Die Frage nach der Verwicklung staatlicher Behörden in die rechtsextremistische Szene ist gewiss von höchstem öffentlichem Interesse – und veranlasst somit unterschiedlichste gesellschaftliche Gruppierungen zur Auf klärung. Bis hinein in das Vokabular und die Art der Beschreibung lehnt sich COMPACT an Sprachformen an, die, für sich genommen, als weitgehend unbelastet erscheinen und ebenso gut von Amtsträgerinnen und -trägern verwendet werden könnten.
Abb. 17 und 18: stern und COMPACT in gemeinsamer ästhetischer Mission.
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Wird damit also ausgetestet, inwieweit sich neue Zielgruppen erschließen und mit rechtsnationalistischen Perspektiven versorgen lassen, ist ebenso auffällig, nach welchen Kriterien die jeweilige Aufmachung grafisch umgesetzt wird. Denn ganz offenkundig führt die Gestaltungslogik dazu, dass es schwerfällt, überhaupt noch irgendeine substantielle Abweichung gegenüber etablierten Printmagazinen auszumachen. Legt man etwa die stern-Ausgabe vom 09. März 2017 neben die COMPACT-Ausgabe vom September 2018, könnten die Magazintitel ausgetauscht werden, ohne dass sich größere Irritationen einstellen würden. Jeweils wird mit nahezu identischen Farbkontrasten ein dramatischer Hintergrund gelegt, um ein Porträt des Gemeinten möglichst wirkungsvoll in Szene setzen zu können. Klärt der stern darüber auf, wie »der Erpresser […] Erdoğan Deutschland unter Druck setzt«, zeigt COMPACT, »wie er Deutschland erobern will«. Die Einheit im Ausdruck setzt sich im Charakter der mitangekündigten Sujets fort – etwa indem es in beiden Fällen eine Rubrik gibt, die aus dem politischen Themenspektrum ausschert: Was der stern Tim Mälzer (»›Manche dachten, ich wäre ein Irrer‹«) zuweist, wird bei COMPACT auf Romy Schneider (»Geliebt, gehasst, verbittert«) geschoben. COMPACT steht damit beispielhaft für das neurechte Kalkül, Landgewinn durch ästhetische Assimilation einzufahren. Die Aggression gegen eine vorgebliche Mainstream-Presse fußt auf Kopien ihrer gestalterischen Konventionen. Man adaptiert in der Form, was es erst ab- und dann auszuschalten gilt. Dies zeigt, wie tief solche Formate den Strukturen verhaftet sind, die sie zu eliminieren suchen. Gleichwohl wird damit einmal mehr ersichtlich, dass es in einer durchmediatisierten Gesellschaft grundsätzlich kein (ästhetisches) Außen mehr gibt. Die Akteure spielen auf demselben Feld und passen sich, obwohl ideologisch scharf getrennt, die Bälle (ungewollt) zu. Man denke in diesem Zusammenhang nur an das inzwischen berühmte SPIEGEL-Cover vom 02. April 2017, gestaltet vom Künstler Edel Rodriguez. Eine rudimentäre grafische Darstellung zeigt US-Präsident Trump, wie er, mit aufgerissenem Mund, in der einen Hand eine bluttriefende Machete und in der anderen das ebenfalls
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blutende Haupt der Statue of Liberty in die Höhe reckt. Betitelt mit »America First«, setzt DER SPIEGEL mit der Geste des dschihadistischen Henkers ebenso auf einen kurzen Schockeffekt wie auf die Deutungslust potenzieller Käuferinnen und Käufer. Vor allem aber wird auch damit ersichtlich, dass es sich um ästhetische Muster und Marketing-Mechanismen handelt, die keineswegs auf neurechte Kontexte beschränkt sind. Im Gegenteil: Von einer ähnlich drastischen Pointierung würde COMPACT aller Wahrscheinlichkeit nach sogar absehen. Man liefe Gefahr, zu direkt jene Bilder zu bestätigen, die mit einer vermeintlich rechten (faschistischen) Ästhetik in Verbindung zu bringen sind. Eine gänzlich andere Position nimmt indes die zweimonatlich erscheinende Zeitschrift Sezession ein. Etikettiert als »metapolitische[s] Zeitschriftenprojekt«, zählt man sich zur intellektuellen Avantgarde – zur »Spitze« – der gesamten neurechten Bewegung: »Vieles, was an der AfD und an anderen Widerstandsprojekten grundsätzlich, kompromißlos, nicht verhandelbar und angriffslustig wirkt und ist, wurde in unserer Zeitschrift vorausgedacht, ausformuliert und in die Debatte erst eingespeist.« Das »Ziel« des – auffallend begrenzten – Kreises der Autorinnen und Autoren »ist es nicht, möglichst viele Leser zu erreichen«. Entsprechend identifizieren sich die Schreibenden als herausgehobene Köpfe, als »besondere Autoren«, die ein echtes »Typen-Projekt« vorantreiben. Ihr Anspruch sei es, »die Komplexität der Welt und die Differenziertheit gerade des rechten, konservativen Denkens« zu begründen.100 Sucht COMPACT den Anschluss an breitere Öf fentlichkeiten, mystifiziert man sich bei der Sezession in das frühromantische Bild vom einsamen Intellektuellen. Der Gesellschaft abgewandt, denkt man sie voraus, ohne von ihr verstanden zu werden, und brüstet sich damit, vereinzelt zu bleiben. Reproduziert wird das autonomieästhetische Ideal des Rätselhaft-Verborgenen, des unzugänglichen Denkers, der in seinem Kern das Eigentliche beherberge. Entsprechend sperrig, fast abstrakt gibt sich die Zeitschrift denn auch in ihrem Erscheinungsbild. Jedes Jahr mit einer neuen Erkennungsfarbe versehen, und jede Ausgabe mit einer anderen, graustufigen Darstellung (meist irgendein älteres Kunstwerk) bedruckt, verleiht man sich den An-
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strich des Historisch-Systematischen. Ersichtlich wird sich auch hier an Vorbildern aus der verhassten Mehrheitsgesellschaft orientiert, scheint es doch ein ausgeprägtes ästhetisches Interesse an deren akademischen Nischenpublikationen zu geben. Die Sezession sieht aus wie ein Mischgebilde der beiden Kulturzeitschriften Kursbuch und Merkur. Die formale Ähnlichkeit dürfte sogar intendiert gewesen sein. Schließlich befindet man sich in einem Kampf um (intellektuelle) Anerkennung, will also nachweisen, dass auf Seiten der Neuen Rechten mindestens ebenso avancierte Theoriebildungen stattfinden wie etwa in philosophisch etablierten oder kulturwissenschaftlich avancierten Kreisen. Doch ist Anerkennung nur eine vorläufige Triebfeder. Im Kern wird auf Überbietung gesetzt, darauf, einem inzwischen lange überkommenen Intellektuellen-Image (wieder?) den Weg zu einer gesellschaftlichen Führungsrolle zu ebnen. Der inhaltliche Polit-Romantizismus der Sezession schafft sich Stabilisatoren im Formal-Ästhetischen. Die Auseinandersetzung mit dem neurechten Willen zur Errichtung einer Gegenöffentlichkeit macht auf zentrale Verstrickungen moderner Gesellschaften aufmerksam. Denn diese Errichtung wird durch exakt jene Techniken angestrebt, mit denen in offenen Gesellschaften Aufmerksamkeit erzeugt wird. Die Bildung einer Querfront arbeitet mit Stilmustern und Gestaltkonventionen, die ursächlich für die pluralistische Auffächerung einer freien Medienöffentlichkeit sind. Die besondere Brisanz – die soziale und kulturelle Herausforderung – besteht darin, dass das Streben nach einer Querfront auf den Systemkollaps zielt. Wie also kann die medianästhetische Vielfalt verteidigt werden, wo sie doch in den Händen der Feinde der offenen Gesellschaft gegen diese Gesellschaft gewendet wird? Eine lapidare Antwort könnte lauten: Eine demokratisch verfasste, marktwirtschaftlich geprägte Ordnung muss in der Lage sein, solche Angriffe auszuhalten. Sofern nicht gegen geltendes Recht verstoßen wird, ist es letztlich ökonomischen Aushandlungsprozessen überlassen, welche Formate sich behaupten können. Jedoch bleiben Zweifel, ob der bloße Verweis auf die Warenlogik dem Phänomen neurechter Gegenwelten tatsächlich gerecht werden kann.
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Denn eines darf nicht übersehen werden: So wie sich neurechte Magazine der gesellschaftlichen Publikationsästhetik anpassen, vollzieht sich auch eine (schleichende) Anpassung etablierter Medien an die Strategien neurechter Formate. Die mitunter fast zwanghafte Aufrechterhaltung eines hohen Erregungslevels; das ständige Hinausposaunen irgendeines neuen Skandals; die schleichende Preisgabe sorgfältiger Recherchen zugunsten der ersten Schlagzeile; das meist völlig absurde Verbeißen in angeblich persönliche Verfehlungen – dies alles ist Folge eines mitunter hyperventilierenden Journalismus, der die Gelassenheit kluger Abwägungen allzu bereitwillig preiszugeben scheint. Dass diesen Entwicklungen jeweils auch ästhetische Praktiken zugrunde liegen, macht das Thema umso komplexer. Als Beispiel: Das auf manchen Portalen bis zum Exzess betriebene Clickbaiting ist im Kern ein – oft überaus aggressiv gestaltetes – Verpackungsdesign einer wie auch immer gearteten Information. Designkompetenz auszubilden und zu lernen, genauer auf die formale Gestaltung solcher Wissens- und Informationsprodukte zu achten, ja überhaupt zu verinnerlichen, dass auch Wissen und Informationen warenförmig vertrieben werden und damit ihrerseits nichts anderes als Verkaufsprodukte sind – solche Ansätze könnten helfen, sich gegen die medienästhetische Subversion der Neuen Rechten zu wappnen. Denn wer erst einmal Freude daran entwickelt hat, die eigenen Öffentlichkeiten zu erforschen, der braucht keine Gegenöffentlichkeit mehr. Vielmehr wird er erkennen: Auch das Prinzip der Gegenöffentlichkeit ist in das System der offenen Mediengesellschaft eingepreist. Eine freie Medienöffentlichkeit lebt geradezu davon, dass jedes Medium von sich behaupten darf, gegenüber allen anderen Medien eine eigene kleine Öffentlichkeit schaffen zu können. Bei aller Komplexität der Herausforderung – dies ist keine gute Nachricht für die Neue Rechte!
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Abb. 19: Ab wann übernehmen etablierte Medien das Geschäf t ihrer Verächter?
»Porträt Götz Kubitschek, Homestory Götz Kubitschek, jetzt Interview Götz Kubitschek«. Anfang Oktober 2018 äußerte sich der Journalist Benjamin Konietzny auf Twitter zu der damals recht beliebten Medien-Praxis, den vermeintlichen Vordenkern der Neuen Rechen seitenlange Porträts zu widmen. »Bei allen Texten«, so Konietznys Einwand, »habe ich das Gefühl, dass es nicht Kubitschek ist, der von den Journalisten aufs Eis geführt wird.«101 Und nur wenige Wochen zuvor gab »@The River 2010« infolge einiger KubitschekNabelschauen zu bedenken: »Wann werden die ganzen ZiegenkäseHomestory-Schreiber realisieren, dass, wenn Kubitschek so dürfte wie er wollte, sie alle nicht mehr schreiben dürften …«102 Der Journa-
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list Marius Münstermann wiederum merkte bereits 2017 ebenfalls via Twitter an: »Neues Genre: Homestory bei #Kubitschek. Selbstbild, Bildsprache & Ästhetik der ›Neuen Rechten‹ werden reproduziert.«103 Damit war im Grunde das ganze Dilemma der Sache auf den Punkt gebracht. Derartige Präsentationen zahlen unmittelbar auf das Konto einer Bewegung ein, die darauf setzt, durch ästhetische Normalisierung eine Gesellschaft von innen heraus zu schwächen.104 Denn entscheidend ist, dass die meisten dieser Berichte die gesetzten Selbstbilder nahezu unkommentiert übernehmen und damit tatsächlich vervielfältigen. So kommt es erst zur medienprofessionellen Nach- und Auf bereitung und schließlich zur landesweiten Distribution. Die zunächst für eine ideologische Nische ausgeprägte Darstellung wird durch Reichweitenverstärkung legitimiert. Somit wiederholt eine derart gestylte Popularisierung das implizite Zusammenspiel etablierter und neurechter Medien und Akteure, ohne dass dies eigens problematisiert werden würde. Der Journalist und Autor Daniel Erk schlug 2017 allerdings andere Töne an. Nachdem sich »Martin Sellner im April zu einem Treffen für einen Beitrag in ›Zeit Campus‹« bereit erklärt hatte, erschien Erk das kommende Treffen zunächst als »Jackpot«. Es »versprach ein interessanter und journalistisch dankbarer Tag zu werden«, und tatsächlich sollte der Geladene nicht enttäuscht werden: »Sellner nahm den Fotografen Stefan Fürtbauer und mich nicht nur zu den geheimen Vorbereitungen einer Störaktion gegen die SPÖ mit, sprach mit uns in seinem favorisierten Kaffeehaus, lud uns zu einer Vollversammlung der ›Identitären‹ in einer Filiale eines Wiener Wurstlokals und zu einem Gespräch in einem klassischen Wiener Schnitzelrestaurant. Er nahm uns in eine klandestine Wohnung der ›Identitären‹ und schließlich auch noch in seine eigene Wohnung mit. Journalistisch gesehen war das weit jenseits dessen, was ich mir erträumt hatte. Im Schlafzimmer des Kopfs der ›Identitären Bewegung‹ (IB), das war natürlich sensationell.«105 Der nach der Begegnung entstandene Text zeichnet denn auch etliche Miniaturszenen nach: »Martin Sellner ist genervt. Seit einer guten halben Stunde tigert der Leiter der Identitären Bewegung Österreich schon durch die Astoria-Hochgarage, schiebt zwei dün-
X. Inszenierte Intellektualität
ne Bachelorstudenten zur Seite und gibt immer barscher werdende Anweisungen.« Dann: »Endlich Adrenalin! Endlich Gegner! Endlich passiert irgendwas, wirklich: wenigstens irgendwas! Martin Sellner steckt das Telefon weg und hastet zurück zu seinem Auto.« Und schließlich: »Jetzt aber verabschiedet Sellner sich, er muss nach Hause, an den Schreibtisch. Am Abend wird er einen Aufsatz für das rechte Magazin Sezession schreiben.«106 Dienen solche Schilderungen einerseits dazu, Sachverhalte zu verlebendigen und ihnen eine narrative Spannung zu verleihen, sind sie andererseits geeignet, Heldenbilder aufzubauen. Und exakt dies ref lektiert Erk in seiner oben zitierten Nachbetrachtung. Darin setzt er sich mit seiner journalistischen Praxis auseinander und diskutiert, inwiefern seine eigene Rolle mit Sellners Selbststilisierung zum führenden Rechtsintellektuellen zusammenfällt. Erk legt dar, wie ihm etwa beim Blick auf Sellners penibel arrangiertes Bücherregel aufgefallen sei, dass man es hier mit einer »ganz offensichtlich inszenierte[n] Bücherwand« zu tun habe. Tatsächlich wurde der ZEIT Campus-Beitrag unter anderem mit einer Fotografie (Stefan Fürtbauer) dieser Bücher-»Show« illustriert, ganz so, als wolle man die Leserinnen und Leser dazu verführen, den intellektuellen Pfaden des Porträtierten nachzuspüren. Dies aber stößt Erk auf. Reportertypisch »angetrieben von großem Ehrgeiz«, beobachtet er die Neigung, »die noch bessere, krassere, wildere Geschichte […] erzählen« zu wollen – was den Eindruck verstärken mag, »bei den ›Identitären‹ an der richtigen Stelle« zu sein. Schließlich ließen sich dort »Geschichten von Seefahrten übers Mittelmeer und dem bestiegenen Brandenburger Tor« aufzeichnen, und fallen dann noch »ein paar Zitate von Carl Schmitt, […] staunt der journalistische Besuch über so viel Verwegenheit […], Überraschung, Klugheit«. Aus diesem Befund leitet Erk die Forderung ab, solche Inszenierungen weder nur wiederzugeben noch stillschweigend zu übergehen. Vielmehr sollten sie als Inszenierungen thematisiert und damit ein Stück weit entkräftet werden. Bleibe dies aus, drohe ein Journalismus, der mit den eigenen Werkzeugen vollende, was ihm als vorbereitetes großes Ding präsentiert werde: »Wer aber die Inszenierung beobachtet, jedoch nicht als solche benennt, macht sich
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zum Medium der Inszenierung.« Journalistische Aufgabe sei es daher, »diese Falle zu umgehen« – wobei adaptierte Inszenierungen längst nicht die einzigen Fallen darstellten, in die eine Berichterstattung treten könne. Daneben sei, so Erk, sprachliche Angleichung durch erhöhte »Unsachlichkeit« zu vermeiden. Darüber hinaus erwiesen sich Spekulationen über die zukünftige Machtfülle neurechter Bewegungen (»Der trojanische Konjunktiv«), da immer mit Aufwertungen verbunden, als generell problematisch – wie es umgekehrt genauso »inkonsequent« sein könne, die Bewegung als »medial vollkommen überbewertete Gurkentruppe mäßig nachdenklicher Ex-Nazis« zu verlachen. Und schließlich müsse besonders abwägend mit dem »Nazi-Paradox« umgegangen werden: »Nennt man sie Nazis oder Neonazis, ziehen sie sich auf die Position ›Lügenpresse‹ zurück und unterstellen tendenziöse Berichterstattung und punkten damit im für sie relevanten politischen Bereich rechts der Mitte. Nennt man sie aber ›Neue Rechte‹, gewinnen sie an Berechtigung und Selbstverständlichkeit, weil ihre Radikalität unsichtbar wird.«107 Erk liefert mit seiner Stil- und Methodenkritik ein Musterbeispiel umsichtig-distanzierter, weil sich selbst befragender journalistischer Arbeit. Gesucht wird nach Möglichkeiten, die ästhetischen Setzungen der Neuen Rechten – insbesondere ihre Aufführung als intellektuell durchwobener Zirkel – journalistisch aufzuzeichnen, ohne dabei die von der Bewegung selbst nicht leistbare Marketingarbeit zu übernehmen. Dies geschieht freilich nicht, indem ultimative Lösungen angeboten werden. Gesten der Unfehlbarkeit haben auch hier keinen Platz. Stattdessen geht es um das Aufzeigen möglicher Vereinnahmungen und um Hinweise auf Instrumentalisierungen – die ihre Wirksamkeit immer dann entfalten, wenn sie entweder nicht erkannt oder klammheimlich in Kauf genommen werden. Denn in der Tat ergötzten sich führende Medienunternehmen über Monate an ihrer Faszination für das Menschelnde im scheinbar radikal Anderen, wie es ihnen vor allem von Götz Kubitschek angeboten worden war. Im dramatisch ausgeleuchteten »Rittergut« präsentiert DER TAGESSPIEGEL Ellen Kositza und Kubitschek als von Büchern umgebenes Paar mit verblüffendem Hang zum All-
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täglichen: »Götz Kubitschek sitzt mit seiner Frau und fünf seiner Kinder in der Küche. Auf dem Tisch stehen Salat, Ziegenkäse und selbst gebackenes Brot. Das Gespräch der Familie plätschert dahin, da zieht vor dem geöffneten Fenster ein Sturm auf. Es wird dunkler, draußen biegen sich die Bäume. Irgendwo im Haus schlägt eine Tür zu. Der Verleger schaut mit wohligem Lächeln hinaus. ›Das ist doch herrlich‹.«108 DER SPIEGEL machte sich ebenfalls auf den Weg und traf seinerseits den »dunkle[n] Ritter Götz«. Garniert wurde das Stück über den »wichtigste[n] Intellektuelle[n] der Neuen Rechten« mit einer zwischenzeitlich durchaus bekannten Darstellung (Fotografie: Sven Doering), die Kubitschek zeigt, wie er, sitzend in einem mittelterlich anmutenden Zimmer, scheinbar versunken in einem Buch blättert.109 Und die NZZ am Sonntag porträtiert den »Vordenker der AfD« – beinahe (unfreiwillig) satirisch gebrochen – inmitten seiner Gänse: »Götz Kubitschek reicht zur Begrüßung nur den kleinen Finger, die übrige Hand ist ölverschmiert.« Später wird dann »Kaffee […] aus Steinguttassen getrunken«.110 Vergleicht man diese Auftritte mit den Bildern, die die Akteure von sich auf Plattformen wie Instagram – sofern nicht gesperrt – lancieren, sticht die Habitus- und Stilähnlichkeit ins Auge. In den Sozialen Medien allerdings wirkt der Versuch, ein Intellektuellendasein mit einem lebenspraktischen Anti- oder Vormodernismus zu verbinden, eher unbeholfen. Es fehlen der bejubelnde Kontext und die legitimierende Einfassung durch andere. Die Auftritte sehen aus wie eine mächtig in die Jahre gekommene Schultheatergruppe. Dies trifft insbesondere auf die regelmäßig geposteten Videos zu, mit denen Ellen Kositza Neuerscheinungen aus dem hauseigenen Verlag Antaios vorstellt oder bespricht. Szenisch bis an die Grenze zum Grotesken überspannt, erinnern die bei Kerzenschein gedrehten Filmchen an Séancen zwischen Spiritismus und Geisteranrufung. In Anbetracht dessen stellt sich die Frage, wo diese intellektualistische Ruinen-Ästhetik eigentlich noch Bühnen finden will. Gewiss: Den etablierten Massenmedien erscheinen die Auftritte hin und wieder als abwegig genug, um sie mit dem Gewinn punktueller Aufmerksamkeit zu belohnen. Allerdings ebbt die vor allem in den Jahren 2015 bis 2017 aufgebrochene Faszination schon wieder ab.
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Aufruhr bei Buchmessen mag zwar noch die eine andere Schlagzeile bringen. Im Grunde aber ist die Schnellroda-Romantik ebenso verpufft wie sich die Sellner-Begeisterung auf rest-provokative Alltäglichkeit abgekühlt hat. Viele Celebrities liefern oft nicht nur die zuverlässigeren Skandälchen, auch passen sie als mediale One-HitWonder viel besser zur Dynamik der Berichterstattung. Diese Entwicklung ist nicht uninteressant – denn sie mag zu folgendem Gedanken verleiten: Womöglich stellt die Ökonomie der Aufmerksamkeit derart hohe Ansprüche an die Techniken der Selbstvermarktung, dass die neurechten Intellektuellen-Poser schlicht keine Mittel (mehr) finden, ihr längerfristig zu entsprechen. Generell dürfte es zu den größten Herausforderungen im Umgang mit den massenmedialen wie netzwerkbasierten Öffentlichkeiten gehören, Aufmerksamkeit nicht nur zu provozieren, sondern auch zu sichern und damit über den Hype hinaus zu erhalten. Und genau das scheint den neurechten Vorhut-Intellektuellen nicht zu gelingen – was wiederum daran liegen mag, dass das Avantgardistische im Sinne eines autonomieästhetischen Ideals gesellschaftlich auch sonst kaum Nachfrage mehr findet. Denn die Pop- und Markenkultur ist entgegen vieler anderslautender Einlassungen gerade nicht auf die ästhetische Durchsetzung vermeintlich überragender Einzelfiguren ausgelegt. Vielmehr ist, wie die Literaturwissenschaftler Moritz Baßler und Heinz Drügh gezeigt haben, »von ästhetischen Phänomenen« auszugehen. Diese werden allerdings »systemisch«, und das hießt: »eben nicht als Ausdruck einer einzelnen Individualität […] hervorgebracht«. Das Bestreben der Neuen Rechten, durch eine Mischung aus ästhetischer Angleichung und stilistischer Abkehr einen neuen Philosophenstaat zu errichten, dürfte also schon daran scheitern, dass ein solches Vorhaben den »systemischen Zusammenhang« übersieht, ohne den Aufmerksamkeit längerfristig kaum zu erhalten ist.111 Umgekehrt macht sich die Sache zu einfach, wer nur darauf wartet, bis sich die in Umlauf gebrachten Bilder von selbst erschöpfen. Zwar mag eine solche Haltung Ausdruck einer medienkulturellen Gelassenheit sein – doch droht sie ihrerseits zu übersehen, dass Bilder mit ihrem öffentlichen Verschwinden nicht unbedingt auch als Images – als innere Bilder – widerlegt oder korrigiert wer-
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den. Dieses Verhaken zeigt sich unter anderem daran, dass kaum eine mediale Thematisierung der Neuen Rechten ohne Verweis auf deren angebliche intellektuelle Verfasstheit auskommt. Offenbar braucht es nach einer gewissen Phase der öffentlichen Sichtbarkeit diese gar nicht mehr, um die mit ihr verbundenen Konnotationen weiter zirkulieren lassen zu können. Im Gegenteil, das allmähliche Entziehen der sichtbaren Bilder könnte sogar dazu beitragen, den erinnerten Bildern umso größere Präsenz und damit Bedeutung einzuräumen. Demnach würde sich das TheorieDesign mancher neurechter Akteure gerade deshalb im Bewusstsein verankern, weil es nicht länger als ästhetischer Ausdruck – als demonstrierte Geste und inszenierter Habitus – erfahrbar ist. In der diffusen Erinnerung an die Bilder von damals dürften Grenzen zwischen medialer Inszenierung und politischer Bedeutung verschwimmen. Gerade deshalb erscheint es als notwendig, die Neuen Rechten dort zu konfrontieren, wo sie Platz nehmen wollen. Dies gilt insbesondere für das Feld des intellektuellen Streits. Ihr Vordringen in die Debattenkultur; ihr Anspruch, eine neue, rechtsradikal fundierte, kulturelle Hegemonie zu begründen; ihr ehrfürchtiges bis ergebenes Auf kochen nazistischer und faschistoider Autoren; und schließlich ihr Versuch, den ethnopluralistischen Rassismus durch neo-romantische Bemäntelung von der Verbindung zum Rechtsextremismus freizusprechen – dies alles sollte Grund genug sein, die neurechte Bewegung intellektuell zu stellen. Sich zu entziehen oder nur darauf zu verweisen, dass eine direkte Auseinandersetzung weitere Legitimationsschübe auslösen könnte, ist kaum geeignet, dem formulierten Affront zu entgegnen. Dass es auch kluge Journalistinnen und Journalisten sind, die sich dieser Aufgabe durch Selbstref lexion stellen – und dabei ebenso wachsam wie skeptisch bleiben –, ist ein ermutigendes Zeichen für die Verteidigung einer offenen Debattenkultur.
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Ausblick Was bleibt zu tun? Womöglich wird bei einem solchen wie dem hier behandelten Thema ein größerer Schlussakkord erwartet: Eine Handlungsanweisung, eine Fundamentalkritik oder gar Ansätze einer neuen Gesellschaftsordnung. Wo Beiträge zu gesellschaftspolitisch brisanten Konstellationen vorgelegt werden, treffen sich Schreibende und Lesende regelmäßig zu groß angelegten Suchaktionen, um dem Ultimativen nun endlich auf die Schliche zu kommen. Der Schlussteil dieses Buches fällt kleiner aus. Denn im Grunde bleibt die Frage, die bereits im Vorwort skizziert worden ist, unbeantwortet: Wie kann auf etwas reagiert werden, zu dem längst nicht alle, aber doch sehr viele Menschen eine überaus ref lexhafte Abwehrhaltung einnehmen? In ihrer jüngst vorgelegten Studie über Die Gesellschaf t des Zorns diskutiert die Soziologin Cornelia Koppetsch auch solche, nämlich methodologische Fragen. Diese seien essentiell, wenn man versuchen wolle, den Aufstieg rechtspopulistischer Parteien und deren Bewegungen zu verstehen. Schließlich lauere gerade bei diesem Thema eine große Gefahr – und zwar in der Neigung, »rechten Positionen […] die politischen Inhalte und damit auch die gesellschaftliche Legitimität im Ganzen« abzusprechen. »Rechtspopulisten werden in diesen Theorien«, so Koppetschs Einwand, »nicht als politische Akteure betrachtet, sondern ausschließlich auf ihre Rolle als Symptomträger, nämlich als Inhaber ›autoritärer Charakterstrukturen‹ oder Träger ›rassistischer‹, ›irrationaler‹ oder schlichtweg ›gefährlicher‹ Vorurteile, reduziert«. Wer diesen Neigungen nachgebe, reproduziere die »eigenen Sichtweisen und Bewertun-
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gen, wenn auch zumeist ungewollt, stets mit«. Und letztlich gehe es dabei wohl immer auch um die »Selbstvergewisserung, auf der richtigen Seite zu stehen«. Zwar orientiert Koppetsch ihre Überlegungen an fachwissenschaftlichen Debatten zur soziologischen Populismusforschung; dennoch ist ihnen eine allgemeinere Relevanz zu entnehmen. Die Autorin schlägt eine »Selbst-Dezentralisierung« vor, um der »Leugnung eigener Standortgebundenheit« entgegenzuwirken. Begriff lich wird dieser Vorschlag zur Perspektivverschiebung als »theoriegeleitete Empathie« gefasst. Diese sei freilich »nicht durch Identifikation, sondern durch gesellschaftliche Betroffenheit« ausgezeichnet. Niemand könne einen »gleichsam göttlichen Standpunkt für sich reklamieren«. Stattdessen müsse es darum gehen, die eigene Einbettung mitzudenken, also zu berücksichtigen, dass gerade Akademikerinnen und Akademiker »einer spezifischen Sozialklasse angehören und als (zumeist links oder liberal eingestellte) Sozialwissenschaftler in weltanschaulicher Opposition zu den Positionen der AfD oder anderer Rechtsparteien stehen«. Demnach sei es »unweigerlich«, dass man, bei allem Anspruch auf Objektivität, stets »selbst – buchstäblich – Partei ergreif[t].«112 Mag Koppetschs Vorschlag einerseits intellektuell entlastend wirken, nimmt er andererseits das intellektuelle Arbeiten in die Pf licht. Entlastend wirkt der Hinweis auf die prinzipielle Unmöglichkeit einer ultimativen Objektivität. Allerdings ist damit gerade kein intellektueller Relativismus gemeint – sondern die Aufgabe, sich in seiner Beziehung zu den betrachteten Phänomenen wahrzunehmen. Denn wie Phänomene beobachtet, besprochen, analysiert und schließlich bewertet werden, hängt immer auch davon ab, wo und wie ich mich gegenüber diesen Phänomenen einordne. Das bewusst herbeigeführte Abrücken von sich selbst dient also dazu, die eigene Rolle im »Konf liktgeschehen«113 überhaupt erfassen zu können. Was aber wäre dieser ›theoriegeleiteten Empathie‹ für den Umgang mit neurechten Designstrategien zu entnehmen? Wie könnte in diesem Fall ein Sich-selbst-in-Beziehung-setzen aussehen? Die Aufgabe beginnt schon damit, dass es schwerfallen dürfte, auch nur halbwegs präzise anzugeben, worin sich neurechte von an-
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deren politischen Designstrategien unterscheiden. Denn wird nicht bereits in der Zuschreibung einer neurechten Designstrategie unausgesprochen davon ausgegangen, dass hier grundsätzlich andere, womöglich sogar generell abzulehnende ästhetische Praktiken am Wirken sind? Und dass sich mit diesen Praktiken Ideologien verbinden, die es (gesellschaftlich) auszuschließen und damit (politisch) zu marginalisieren gelte? Dass man es also mit einer Entwicklung zu tun habe, die sich bereits dadurch disqualifiziere, indem sie als Entwicklung auffällt? Genau hier schnappt die Falle zu, vor der Koppetsch warnt. Das Von-sich-weisen des Themas – was habe ich schon mit dem Design der Neuen Rechten am Hut? – erzeugt eine Themenbehandlung, in der es doch wieder nur die Richtigen hier und die Falschen dort gibt. In der Folge kommt es zur intellektuellen Selbstmystifikation: Das Thema erst einmal weit von sich geschoben, wirft man sich in die Pose des akademisch Erhabenen, ganz so, als überstrahle der Geist die Niederungen der eigenen Verstrickung. Dies wiederum ähnelt auf bedrückende Weise jenen Selbstbildern, mit denen sich Figuren wie Kubitschek oder Sellner zu Autonomie-Avantgardisten einer kulturellen Revolution stilisieren. Ein ums andere Mal zeigt sich: Das Bestreben, sich loszusagen, sich freizusprechen und sich als kategorial entkoppelt zu präsentieren, führt ins genaue Gegenteil. Man gleicht sich an, indem man sich als hinlänglich überlegen identifiziert. Doch lässt sich eine solche Lagebeschreibung leicht abgeben – ungleich anspruchsvoller ist es, tatsächliche Lageveränderungen durchzuführen. Auch das vorliegende Buch dürfte mit Überbietungsgesten gefüllt sein. Wird nicht auch hier ständig – mal ausdrücklich, mal zwischen den Zeilen, mal begriff lich nahelegend oder durch Auslassungen kaschierend – gezeigt, dass der Autor das Erstarken der Neuen Rechten als gesellschaftliche Gefahr einstuft? Und verrät sich der Autor nicht gerade dadurch als jemand, der sich im Verhältnis zu seinem Gegenstand als übergeordnet wahrnimmt – jedenfalls insofern, als es ein ersichtliches Bedürfnis gibt, sich abzugrenzen? Spöttisch könnte man sagen: Er hat sich stets bemüht. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass ein solcher Spott seinerseits
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wieder nur Ausdruck eines Überbietungsversuchs ist. Denn wenn ernstgenommen wird, dass auch die intellektuellen und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit den Gestaltungspraktiken der Neuen Rechten in deren ›Konf liktgeschehen‹ stehen, dann bleibt wohl tatsächlich nur stetes Bemühen – ein Bemühen darum, immer wieder die eigenen Positionen zu ermitteln und in der Perspektive auf das Thema zu berücksichtigen. Sowenig sich also in den Designanstrengungen der Neuen Rechten weder das absolut Falsche noch das genuin Böse ausdrückt, sosehr überschätzt seine eigene Situation, wer diese als hinlänglich richtig oder uneingeschränkt gut einstuft. Wer in derartigen Schablonen urteilt, unternimmt eine gleich dreifache Unterstellung: Erstens wird damit einem ästhetischen Ausdruck die prinzipielle Kraft einer politischen Entäußerung zugesprochen – ganz so, als ›zeige‹ sich in Bildern, Gesten, Dingen oder Auftritten bereits zweifellos, wofür die jeweilige Person stehe oder welche inhaltlichen Anliegen sie vertrete. Diese Lesart beruht auf einer Verwechslung von Essenz und Zuschreibung. Zwar mag der ästhetische Ausdruck im unmittelbaren Zusammenhang mit einem politischen Interesse stehen – und ja, wie gezeigt, vielfach tut er das auch. Dies allein heißt aber noch nicht, dass der Ausdruck selbst das Interesse beinhalten würde. Zweitens wird den so Adressierten attestiert, gesellschaftlich nicht satisfaktionsfähig zu sein. Aus der essentialistischen Lesart leitet sich ein moralisches Urteil ab. Wer also dazu tendiert, den Bewegungen der Neuen Rechten so etwas wie ein böses, weil die Gesellschaft negativ-befallendes Design zu attestieren, überblendet ästhetische Aufwertung mit moralischer Abwertung. In letzter Konsequenz zielt ein solcher Ansatz auf sozialen Ausschluss. Und drittens – daran anknüpfend – wertet man die eigene Position als zugehörig und sozial eingeschlossen. Im Grunde wird also nichts anderes getan, als der Idee einer homogenen, verriegelten Gesellschaft unter dem Eindruck des Guten Vorschub zu leisten. Man grenzt aus, was einem selbst als fremd erscheint. Erneut hat man sich jenen anverwandelt, die man doch eigentlich draußen lassen möchte.
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Doch die Sache ist auch hier komplexer. Wie vorhergehend gezeigt, sind das Design der Neuen Rechten und der gewaltbereite Rechtsextremismus durch Direktbeziehungen miteinander verknotet. Was im Untergrund vorbereitet und schließlich in Tatausführungen umgesetzt wird, erfährt an der gesellschaftlichen Oberf läche durch neurechte Gruppierungen ästhetischen Widerhall. Gegen diese Arbeitsteilung hilft kein Versuch, sich selbst zur ihr in Beziehung zu setzen. Genauer gesprochen: Hier kann es tatsächlich nur die Beziehung der sozialen Ächtung und gesellschaftlichen Ausgrenzung geben – auch auf die Gefahr hin, die Glut damit erst recht zum Lodern zu bringen. Doch der Raum des Gemeinsamen muss seine Grenzen dort finden, wo die Intoleranz der Toleranz die Existenz versagt. Besonders zugespitzt und mit Fokus auf gesellschaftliches Engagement wird diese Gefahr von der Soziologin und Publizistin Carolin Emcke zur Sprache gebracht. »Dazu gehört auch«, fordert sie in ihrer Auseinandersetzung mit rechtem Hass, »den Essentialismus der Fanatiker nicht ebenfalls mit essentialistischen Unterstellungen zu beantworten.« Statt sich am wechselseitigen Aufschaukeln durch immer ausgreifendere Dämonisierungen zu beteiligen, sollte sich der Einwand »auf die Strukturen und Bedingungen von Hass und Missachtung richten« – und das erfordere eben auch eine Beachtung eigener Strukturen und Bedingungen. Emcke spricht denn auch von einer »Kultur des aufgeklärten Zweifels und der Ironie«, womit, einmal mehr, Formen der (Selbst-)Distanzierung gemeint sein dürften. Schließlich handele es sich bei ihnen um »Genres des Denkens, die den rigoristischen Fanatikern und rassistischen Dogmatikern zuwider sind«. Nicht nur inhaltlich, »sondern auch in der Form […] muss ihnen widerstanden werden«.114 In der Form zu widerstehen setzt ein geschärftes Interesse an Formen voraus. Dieses Interesse ist aber nicht selbstverständlich, ganz im Gegenteil: Es muss sich bilden, und es muss womöglich auch durch andere herausgekitzelt werden. Es gehört zu den bedauerlichen Entwicklungen westlicher Wohlstandsgesellschaften, dass deren Intellektuelle nur vereinzelt Interesse an den populären, alltäglichen, scheinbar trivialen und angeblich allzu naheliegenden Dingen entwickeln. Gerade im deutschsprachigen Raum dominiert
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nach wie vor die Vorstellung einer Trennung zwischen einer hohen, eigentlichen und einer niederen, uneigentlichen Kultur. Dieser in die Spätmoderne hinübergezogene, platonische Frühromantizismus macht es all jenen leicht, die es auf der Klaviatur dieser so verschmähten Unkultur zur rechtspopulistischen Meisterschaft bringen. Besonders fatal ist, dass mit der Konzeption einer Kultur der Eigentlichkeit auch der Jargon der Eigentlichkeit immer und immer wieder Einzug erhält. Nicht nur, dass überhaupt in einer hierarchischen Konstruktion von Kultur gedacht wird – nein, es muss dieser angeblich überlegenen Kultur auch noch die Eigenschaft des Wahren und Echten angeheftet werden. So wird etwa die Bildende Kunst in historischen wie gegenwärtigen Kontexten oft erstaunlich ungebrochen als »Ausdruck ihrer Zeit«115 bewundert – wie es überhaupt bei vielen üblich ist, zwischen Kunst und Kultur nicht zu trennen und somit vor allem das zur Kultur zu zählen, was aus der Kunst hervorzugehen scheint. Die weitverbreitete, sich durch alle Gesellschaftsschichten ziehende und – vor allem! – unter vielen Intellektuellen gepf legte Dauerpräsenz des Essentialismus – sie ist die zentrale Herausforderung, wenn es darum gehen soll, die Designambitionen der Neuen Rechten zu entkräften. Denn im Jargon der Eigentlichkeit liegt die Wurzel eines Konzepts von Identität, das auf Unabänderlichkeit pocht. Ob intendiert, aus Versehen oder gänzlich unbemerkt – aber dieses Pochen auf der Unabänderlichkeit von Identität ist der unsichtbare Brandbeschleuniger jener Feindschaften, die sich gegen moderne und komplexe, eben nicht-identitäre Gesellschaften in Stellung bringen. »Die völlig vereinheitlichte, vervollkommnete, sichere und kohärente Identität ist eine Illusion« – so der Soziologe Stuart Hall 1994. Fünfundzwanzig Jahre später könnte seine Einlassung wie die programmatische Selbstverortung einer unter Druck geratenen, weil progressiv gestimmten Gesellschaft gelesen werden: »In dem Maße, in dem sich die Systeme der Bedeutung und der kulturellen Repräsentation vervielfältigen, werden wir mit einer verwirrenden, f ließenden Vielfalt möglicher Identitäten konfrontiert, von denen wir uns zumindest zeitweilig mit jeder identifizieren können.«116
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Gleichwohl bleibt diese Illusion, von der Hall spricht, gesellschaftliche Realität. Indem das Design der Neuen Rechten darauf angelegt ist, die ›f ließende Vielfalt möglicher Identitäten‹ zu kanalisieren und in Richtung einer ethnopluralistisch zentrierten, europäisierten Super-Identität umzulenken, gewinnt die Illusion eine handfeste politische Relevanz. Daher müssen die Formen einer offenen, weil auf kontingenten Identitäten fußenden Gesellschaft verteidigt werden – und zwar, da es sich um Formen handelt, mit einer verstärkten Sensibilisierung für den ästhetischen Pluralismus dieser Gesellschaft. Dass indes teils mächtige und oft gewaltsame Rückführungsversuche auf eine kollektive Essenz unternommen werden, sollte Ansporn genug sein – insbesondere für all jene, die sich mit Fragen der ästhetischen Praxis beschäftigen und somit auch ein vertieftes Interesse an kulturellen Ausprägungen jenseits hierarchischer Phantasmen entwickeln könnten. Wenn der Soziologe und Philosoph François Jullien davon spricht, dass »wir […] vielleicht sogar die entscheidende Erfahrung unserer Epoche« machen, dann ist damit angedeutet, worum es geht: Um die Erfahrung, mit dem je eigenen Entwurf von Identität »alles andere als universell« zu sein. Die Formen, mit denen sich Identitäten aushandeln, bilden und wieder verändern lassen, diese Formen sind stets »singulär – also das Gegenteil von universell«.117 Nein, Identitäten sind kein bloßes Hirngespinst. Sie sind Fiktionen, die imaginiert werden, um die eigene Position im Gefüge der vielen anderen Positionen zu finden. Identitäten sind umgekehrt aber auch keine in Stein gehauene Gegebenheiten und begründen weder ein biologistisches noch ein nationalistisches Sein. Die Balance zwischen konstruktivistischen und essentialistischen Extremen auszuhandeln, könnte Aufgabe für ein progressives und avanciertes, auf Offenheit und Vielfalt setzendes Miteinander sein. Design braucht es dafür notwendig: Wenn Identitäten nicht urwüchsig vorhanden sind, sondern je eigens gebildet werden, dann müssen sie auch je eigens entworfen und somit in Form gebracht werden. So bleibt nicht nur viel, sondern möglicherweise auch das Entscheidende zu tun: Gesellschaft so zu beschreiben, dass sich in
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diesen Beschreibungen möglichst viele wiederfinden und vieles von dem erscheint, was diese Gesellschaft zu einer wechselvollen macht. Das aber gelingt weder durch Bekenntnisrituale noch durch dauernde Selbstbeweihräucherung. Was es bräuchte, wäre eine frische Neugier auf das scheinbar Nebensächliche. Denn wer sich erst einmal auf die Suche nach den übersehenen Dingen begibt, braucht den ästhetischen Angriff auf die offene Gesellschaft nicht zu fürchten.
Anmerkungen
Alle konsultierten Links wurden zuletzt am 25.07.2019 geprüft. 1 Vgl. mit Blick auf frühere, strukturell aber vergleichbare Entwicklungen innerhalb neonazistischer Szenen: Andrea Röpke, Andreas Speit (Hrsg.): Neonazis in Nadelstreifen. Die NPD auf dem Weg in die Mitte (2., teilweise aktualisierte und erweiterte Auflage). Berlin 2008. 2 Martin Sellner: Gewaltloser Widerstand (Videomitschnitt eines Vortrags, gehalten am 18. Februar 2017 »im Rahmen der 17. Winterakademie des Instituts für Staatspolitik«), auf: https://www.youtube.com/watch?v=3gjTgCAYwaA. 3 Mario Alexander Müller: Kontrakultur. Schnellroda 2017, zitiert nach Anonymus: Motive und Techniken im Kulturkampf von rechts, in: Verein für Demokratische Kultur in Berlin (VDK) e. V., Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) (Hrsg.): Alles nur Theater? Zum Umgang mit dem Kulturkampf von rechts (2. überarbeitete Auflage). Berlin 2019, S. 5–9, hier S. 6 f. 4 Andreas Reckwitz: Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturwandel der Moderne. Berlin 2017, S. 8 f. 5 Jan Batzer: Zur Ästhetik der Identitären Bewegung, in: Lukas Boehnke, Malte Thran, Jacob Wunderwald (Hrsg.): Rechtspopulismus im Fokus. Theoretische und praktische Herausforderungen für die politische Bildung. Wiesbaden 2019, S. 115–134, hier S. 116. 6 Thomas Wagner: Die Angstmacher. 1968 und die Neuen Rechten. Berlin 2017, S. 26. 7 Roger Woods: Die Leiden der jungen Werte. Die Neue Rechte als Kultur und Politik, in: Wolfgang Gessenharter, Thomas Pfeiffer (Hrsg.): Die Neue Rechte – eine Gefahr für die Demokratie? Wiesbaden 2004, S. 95–105, hier S. 97. 8 Anonymus, a. a. O. (= En. 3), hier S. 7. 9 David Begrich: Ästhetische Mobilmachung – Zur Strategie politischer Kommunikation der neurechten Identitären (Beitrag vom 16. Juni 2017), in: apabiz.de, auf: https://www.apabiz.de/2017/aesthetische-mobilmachung-zur-strategie-po litischer-kommunikation-der-neurechten-identitaeren/.
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Die Neue Rechte und ihr Design 10 Per Leo, Maximilian Steinbeis, Daniel-Pascal Zorn: Mit Rechten reden. Ein Leitfaden. Stuttgart 2017, S. 12. 11 Vgl. dazu grundlegend mit Blick auf rechtsradikale Tendenzen in liberalen Demokratien insbesondere der 1990er Jahre Michael Minkenberg: Die neue radikale Rechte im Vergleich. USA, Frankreich, Deutschland. Opladen, Wiesbaden 1998. 12 Angela Nagle: Die digitale Gegenrevolution. Online-Kulturkämpfe der Neuen Rechten von 4chan und Tumblr bis zur Alt-Right und Trump [engl. Original: Kill All Normies. Online Culture Wars From 4Chan And Tumblr To Trump And The Alt-Right. Alresford 2017]. Bielefeld 2018, S. 8. 13 Ebd., S. 57. 14 Wolfgang Ullrich: Wahre Meisterwerte. Stilkritik einer neuen Bekenntniskultur. Berlin 2017, S. 55. 15 Auszüge aus der Generaldebatte des Deutschen Bundestages vom 12.09.2018, auf: https://www.youtube.com/watch?v=JCA4aqiPxmg. 16 Jörg Scheller: Offener Brief zum geplanten Podium »Die neue Avantgarde«. Bern am 26.02.2017, in: nachtkritik.de, auf: https://nachtkritik.de/images/sto ries/pdf/Replik-offener-Brief-2017_2.pdf. 17 Jörg Scheller im E-Mail-Dialog mit Paul Stephan, in: HARPBLOG. Blog der »Halkyonischen Assoziation für radikale Philosophie«, auf: http://blog.harp. tf/2017/09/02/dialog-mit-joerg-scheller-ueber-die-oekonomische-dimensiondes-rechtsrucks-die-defizite-des-linksliberalismus-den-verrat-der-linkskon servativen-und-die-fossilierung-der-postmoderne-nebst-einigen-be/. 18 Volker Weiß: Faschisten von heute? »Neue Rechte« und ideologische Tradition, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Aus Politik und Zeitgeschichte. Themenheft »(Anti-)Faschismus«, 67. Jahrgang, Heft 42-43 vom 16. Oktober 2017, S. 4–9, hier S. 9. 19 Auszug aus der Rede des FDP-Bundesvorsitzenden beim 69. Bundesparteitag der Freien Demokratischen Partei am 12. Mai 2018, auf: https://www.youtube. com/watch?v=MYJtpAM_g5A. 20 Andrea Herholz: Offene Grenzen für alle sind weltfremd. Interview mit Sarah Wagenknecht vom 11.06.2018, in: Nordwest Zeitung Online, auf: https://www. nwzonline.de/interview/offene-grenzen_a_50,1,3279590496.html. 21 Friedemann Schmidt: Die Neue Rechte und die Berliner Republik. Parallel laufende Wege im Normalisierungsdiskurs. Wiesbaden 2001, S. 177. 22 Armin Nassehi: Fatale Blicke. Wir müssen über die Kultur von Migranten sprechen und können es letztlich nicht. In diesem Zwiespalt befindet sich die Debatte um Zuwanderung. Hilft am Ende nur die Lektüre von Michel Houellebecq?, in: DIE ZEIT, Nr. 3 vom 14. Januar 2016, hier auf: https://www.zeit. de/2016/03/kultur-migration-debatte-geschlechterverhaeltnisse. 23 Selbstbeschreibung der Netz-Plattform einprozent.de, auf: https://www.ein prozent.de/ueber-uns.
Anmerkungen 24 Sianne Ngai: Our Aesthetic Categories: Zany, Cute Interesting. Cambridge 2012, S. 18–21. 25 Selbstbeschreibung der Netz-Plattform einprozent.de, auf: https://www.ein prozent.de/ueber-uns. 26 Selbstbeschreibung der Netz-Plattform aha-europe.com, auf: https://aha-eu rope.com/faq-2/. 27 Ebd. 28 Ebd. 29 Kategorien entnommen der Vertriebsplattform einprozent-versand.de, auf: https://www.einprozent-versand.de/material/. 30 Eine nahezu identische Präsentationsform zeigt »Der Materialshop der Identitären«, ausgewiesen als »Deutschland größter patriotischer Materialversand«. Dort gibt es neben den üblichen Bekleidungen, Aufklebern und Flugblättern auch einige Biersorten – »Pils Identitär« – und den »Liegestuhl IB« zu erwerben: https://ibladen.de/. 31 Martin Sellner: Identitär! Geschichte eines Aufbruchs. Schnellroda 2017, S. 238, zitiert nach: Ronjas grüner Bücher-Blog, Rezension vom 31.03.2019, auf: https:// grueneronja.blogspot.com/2018/05/identitar-geschichte-eines-aufbruchs. html. 32 Wolfgang Fritz Haug: Kritik der Warenästhetik. Gefolgt von Warenästhetik im High-Tech-Kapitalismus (überarbeitete Neuausgabe). Frankfurt a. M. 2009, S. 56. 33 Ebd., S. 34. 34 Martin Sellner: Integration und Selbsthass III, als Wiederveröffentlichung auf dem Blog der Identitären Bewegung publiziert, auf: https://www.identitaerebewegung.de/blog/theorie/integration-und-selbsthass-iii/. 35 Ebd. 36 Ngai, a. a. O. (= En. 24), S. 3. 37 Gleichwohl wäre es eine lohnende Untersuchung, die Designsprachen und Präsentationstechniken dieser Marken zu analysieren! Denn ganz offenkundig wird in diesen Konsumnischen eine Ästhetik ausgeprägt, die sich ebenso reflektiert wie gestalterisch präzise zu den Konsumkulturen westlicher Gesellschaften verhält. 38 Moritz Baßler: Western Promises: Pop-Musik und Markennamen. Bielefeld 2019, S. 12. 39 Ebd. 40 Marc Jongen: Das Märchen vom Gespenst der AfD, Beitrag vom 22.01.2014, in: cicero.de, auf: https://www.cicero.de/innenpolitik/afd-ein-manifest-fuer-eine- alternative-fuer-europa/56894.
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Die Neue Rechte und ihr Design 41 Vgl. dazu den Facebook-Account »Umweltschutz ist Heimatschutz«, auf: https://www.facebook.com/pages/category/Community/Umweltschutz-istHeimatschutz-449971872060023/. 42 Zitate entnommen dem Facebook-Account »DunkleEule«, gepostet am 09.07.2018, auf: https://www.facebook.com/dunkleeule/photos/a.11164628317 07759/1883033011717400/?type=3&theater. 43 Jan Sydow: Die Neue Rechte und die Mitte der Gesellschaft. Rechtsextremismus zwischen Esoterik, Ökologie und Sozialer Frage. Hamburg 2014, S. 48. 44 Auszug aus der Programm-Darstellung der Partei, auf: https://der-dritte-weg. info/zehn-punkte-programm/. 45 Vgl. dazu den Instagram-Account »deutsche.weltanschauung«, auf: https:// www.instagram.com/deutsche.weltanschauung/?hl=de. 46 Helena Ketter: Zum Bild der Frau in der Malerei des Nationalsozialismus. Eine Analyse von Kunstzeitschriften aus der Zeit des Nationalsozialismus. Münster, Hamburg, London 2002, S. 55. 47 Auszug aus den FAQ des aktivistischen Blogs 120 db, auf: https://www.120-db. info/#faq. 48 Johanna Sigl: Identitäre Zweigeschlechtlichkeit: Über männliche Inszenierungen und Geschlechterkonstruktionen bei den Identitären, in: Andreas Speit (Hrsg.): Das Netzwerk der Identitären. Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten. Berlin 2018, S. 160–172, hier S. 163. 49 Vgl. dazu das Impressum der 120 db-Seite: https://www.120-db.info/impres sum/. 50 Annekathrin Kohout: Netzfeminismus. Strategien weiblicher Bildpolitik. Berlin 2019, S. 33. 51 Auszug aus der Selbstbeschreibung der 120 db-Seite, auf: https://www.120-db. info/#faq. 52 Kann es einen »Feminismus von rechts« geben? Toralf Staud im Interview mit Renate Bitzan, Beitrag vom 20.01.2014, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Dossier Rechtsextremismus, auf: https://www.bpb.de/politik/ex tremismus/rechtsextremismus/174172/kann-es-einen-feminismus-von-rechtsgeben. 53 Der Titel des Videos lautet »The real #metoo – Interview with #120db« und wurde auf Sellners YouTube-Kanal am 01.02.2018 veröffentlicht auf: https:// www.youtube.com/watch?v=HB8uhcOxofM. 54 Vgl. dazu in grundlegender Weise: Sabine Hark, Paula-Irene Villa (Hrsg.): AntiGenderismus. Sexualität und Geschlecht als Schauplätze aktueller politischer Auseinandersetzungen. Bielefeld 2015. 55 Kevin Culina: Verschwörungsdenken, Antifeminismus, Antisemitismus. Die Zeitschrift Compact als antifeministisches Diskursorgan, in: Juliane Lang, Ulrich Peters (Hrsg.): Antifeminismus in Bewegung. Aktuelle Debatten um Geschlecht und sexuelle Vielfalt. Hamburg 2018, S. 91–116, hier S. 99.
Anmerkungen 56 So die Selbsttitulierung auf der maßgeblichen Homepage der »Identitären Bewegung Deutschland«: https://www.identitaere-bewegung.de/category/unse re-aktivisten/. 57 Judith Goetz: »… in die mediale Debatte eindringen …« – ›Identitäre‹ Selbstinszenierungen und ihre Rezeption durch die Medien, in: dies., Joseph Maria Sedlacek, Alexander Winkler (Hrsg.): Untergangster des Abendlandes. Ideologie und Rezeption der rechtsextremen ›Identitären‹. Hamburg 2018 (2. Auflage), S. 91–112, hier S. 94. 58 Elke Gaugele: Fashion & Faction: Zur Kritik der Neuen Pop-Rechten, in: Pop. Kultur und Kritik, Heft 12, Frühling 2018, S. 90–96, hier S. 91. 59 Zitat entnommen dem Facebook-Account »Nationaler Widerstand Deutschland«, auf: https://www.facebook.com/1951608581530583/photos/a.197575572 5782535/1985406974817410/?type=3&theater. 60 Wolfgang Ullrich: Das identitär-rechtsextreme Europa-Narrativ: Eine TumblrRecherche, in: Pop-Zeitschrift (Onlinemagazin vom 25.07.2018), auf: http:// www.pop-zeitschrif t.de/2018/07/25/social-media-julivon-wolfgang-ullrich 25-7-2018/. 61 Vgl. dazu mit Blick auf die Verschränkung von Rechtsextremismus und Ernährungskonventionen: Bernhard Forchtner, Ana Tominc: »Balaclava Küche«: Extreme Rechte – Veganismus – Lebensstil, in: Hannah Dingeldein, Eva Gredel (Hrsg.): Diskurse des Alimentären. Essen und Trinken aus kultur-, literatur- und sprachwissenschaftlicher Sicht (= Germanistik Band 49). Münster 2017, S. 209– 226. 62 Zitiert nach ebd., S. 209. 63 Britta Schellenberg: Die Rechtsextremismusdebatte. Charakteristika, Konflikte und deren Folgen (2. Auflage). Wiesbaden 2014 [2013], S. 198. 64 Auszug aus einem Kommentar von »Antonia Sch«, auf: https://www.youtube. com/watch?v=o3yWkiUgIwI. 65 Vgl. dazu eine Zusammenstellung neurechter Video-Beispiele, in: Belltower. Netz für digitale Zivilgesellschaf t, auf: https://www.belltower.news/rechteyoutube-landschaft-rechtsextreme-influencerinnen-82747/. 66 Patrick Keßler: Die »Neue Rechte« in der Grauzone zwischen Rechtsextremismus und Konservatismus? Protagonisten, Programmatik, Positionierungsbewegungen. Berlin 2018, S. 286. 67 David Begrich, Jan Raabe: Tanz(t) die Reconquista? Kultur und Musik in der Identitären Bewegung, in: Speit (Hrsg.), a. a. O. (= En. 48), S. 173–188, hier S. 174. 68 Selbstbeschreibung des Blogs, entnommen auf: https://derdritteblickwinkel. com/2017/07/05/kurzvorstellung/. 69 Das Motto des Blogs und der darin veröffentlichten Videos ist zugleich der Titel einer Publikation Frank Kreamers, womit der Auftritt wohl intellektuell beglaubigt werden soll. Vgl. dazu ders.: Werde unsterblich. Rechte Metapolitik als Lebensphilosophie. Berlin 2018.
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Die Neue Rechte und ihr Design 70 Die Erläuterungen der Videos entnommen aus: https://derdritteblickwinkel. com/. 71 Vgl. exemplarisch dazu Burkhard Schäfers: Influencer der »Neuen Rechten« (Beitrag vom 21.05.2019), auf: https://www.deutschlandfunk.de/soziale-me dien-influencer-der-neuen-rechten.2907.de.html?dram:article_id=449312. 72 Martin Sellner: Wer sich distanziert, verliert? (Gastbeitrag, Datum unbekannt), auf: https://www.identitaere-bewegung.de/blog/wer-sich-distanziert-verliert/. Bezeichnenderweise zeigt Sellner durch »eine kleine Einschränkung« selbst auf, dass der bekundeten »Distanzierung« gegenüber »Rassismus, Antisemitismus, Extremismus und Nationalsozialismus« Grenzen zu setzen sind: »Was ich über die Distanzierung schreibe, bezieht sich ausdrücklich auf politische Bewegungen und Parteien, und weniger auf Think Tanks, Blogs und Periodika«, in: ebd. 73 Vgl. dazu Elke Rajal: Offen, codiert, strukturell. Antisemitismus bei den ›Identitären‹, in: Judith Goetz, Joseph Maria Sedlacek, Alexander Winkler (Hrsg.): Untergangster des Abendlandes. Ideologie und Rezeption der rechtsextremen ›Identitären‹. Hamburg 2017, S. 309–349. 74 Zum Thema der nachfolgenden Passagen wurden zwei Beiträge mit anderer Schwerpunktsetzung bereits veröffentlicht – vgl. dazu Daniel Hornuff: Die weinerlichen Männer und ihr schwedisches Mädchen, in: Pop-Zeitschrift (Onlinemagazin vom 19.03.2019), auf: http://www.pop-zeitschrift.de/2019/03/19/ social-media-maerzvon-daniel-hornuf f19-3-2019/. Vgl. weiterhin ders.: Wie rechte Hetze designt wird. Es geht längst nicht mehr nur um Hatespeech: Rechter Hass verbreitet sich in den sozialen Medien auch über Bildmemes. Der Versuch einer Kategorisierung, in: ZEIT online (Beitrag vom 04.04.2019), auf: https:// www.zeit.de/kultur/2019-04/hass-im-netz-rechte-hetze-soziale-medien. 75 Anonymus: Greta Thunbergs deutsche »Organisatorin« wird von George Soros finanziert (Beitrag vom 02.05.2019), in: Die Freie Welt. Die Internet- und Blogzeitung für die Zivilgesellschaft, auf: https://www.freiewelt.net/nachricht/ greta-thunbergs-deutsche-organisatorin-wird-von-george-soros-finanziert- 10077715/. 76 Marc Jongen, Rede im Bundestag am 15.03.2019 zur »Aktuellen Stunde zu den Klimastreiks der Fridays for Future Bewegung«, auf: https://www.bundestag. de/gebaerdensprache/mediathek?videoid=7335751#url=L21lZGlhdGhla292ZX JsYXk/dmlkZW9pZD03MzM1NzUx&mod=mediathek. 77 So die wiederkehrende Bezeichnung, zu finden etwa auf: https://frankfurtererklaerung.de/2019/05/greta-thunbergs-deutsche-organisatorin-wird-vongeorge-soros-finanziert/. 78 Renaud Camus: Revolte gegen den Großen Austausch [franz. Original: Le Grand Remplacement. Neuilly-sur-Seine 2011]. Schnellroda 2016. 79 Armin Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus in Deutschland. Eine kritische Bestandsaufnahme. Wiesbaden 2019, S. 175.
Anmerkungen 80 Marius Raab, Claus Christian Carbon, Claudia Muth: Am Anfang war die Verschwörungstheorie. Berlin 2017, S. 144. 81 Charakterisierung entnommen der Beschreibung, mit der die Videoaufzeichnung des Vortrags auf dem YouTube-Account »kanal schnellroda« veröffentlich wurde, auf: https://www.youtube.com/watch?v=3gjTgCAYwaA. 82 Auszüge aus Sellner 2017, a. a. O. (= En. 2). 83 Anne Leiser: Erkenntnisse der empirischen Meme-Forschung: Nutzen und Wirkung politischer Internet-Memes aus Nutzerperspektive, in: Lars Bülow, Michael Johann (Hrsg.): Politische Internet-Memes – Theoretische Herausforderungen und empirische Befunde. Berlin 2019, S. 229–248, hier S. 242. 84 Patrick Breitenbach: Memes: Das Web als kultureller Nährboden, in: Christian Stiegler, Patrick Breitenbach, Thomas Zorbach (Hrsg.): New Media Culture. Mediale Phänomene der Netzkultur. Bielefeld 2015, S. 29–50, hier S. 44. 85 Nagle, a. a. O. (= En. 12), S. 15. 86 Zitiert nach Anonymus: Empörung über Rekers Hinweis auf Verhaltensregeln für Frauen. Kölns Bürgermeisterin wird für ihren Verweis auf einen Verhaltenskatalog für Frauen nach den Übergriffen scharf kritisiert. Dieser wurde aus dem Zusammenhang gerissen, in: ZEIT online (Beitrag vom 06.01.2016), auf: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-01/henriette-reker-koelnsilvester-einearmlaenge. 87 Gemeint ist der 24.07.2019. 88 Wiebke Muhsal, damalige Landesvorsitzende der Jungen Alternative Thüringen, auf: https://www.facebook.com/jungealternativethueringen/posts/dass- frau-reker-in-einer-solchen-situation-frauen-also-den-opfern-meint-em pfehle/1671310849806474/. 89 Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Gera wurden in diesem Fall Vorermittlungen aufgenommen, allerdings keine Strafverfolgungen eingeleitet. 90 Zitate unverändert der Kommentarleiste des Posts entnommen, auf: https:// www.facebook.com/jungealternativethueringen/posts/dass-frau-rekerin-einer-solchen-situation-frauen-also-den-opfern-meint-empfehle/ 1671 310849806474/. 91 Zitiert nach Lars Wienand: Erika Steinbach heizte Hass auf Walter Lübcke neu an, in: t-online.de (Beitrag vom 17.06.2019), auf: https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_85876452/txtor_CS1-5019-%5Bfacebook%5D-%5B fanpage%5D-%5Bhandy%5D-%5B%5D/erika-steinbach-fachte-hass-auf-wal ter-luebcke-neu-an.html. 92 Grafik und Text entnommen aus Stefan Schölermann: Braunschweiger Neonazis feiern Lübcke-Attentäter, in: NDR.de, auf: https://www.ndr.de/nachrichten/ niedersachsen/braunschweig_harz_goettingen/Braunschweiger-Neonazisfeiern-Luebcke-Attentaeter,neonazis298.html. 93 Vgl. dazu Elisabeth Noelle-Neumann: Schweigespirale, öffentliche Meinung – unsere soziale Haut. München, Zürich 1980.
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Die Neue Rechte und ihr Design 94 Vgl. zur politischen Einordnung Felix Schilk: Souveränität statt Komplexität. Wie das Querfront-Magazin »Compact« die politische Legitimationskrise der Gegenwart bearbeitet. Münster 2017; vgl. weiterhin zum Umgang mit antijüdischen Stereotypen Kevin Culina, Jonas Fedders: Im Feindbild vereint. Zur Relevanz des Antisemitismus in der Querfront-Zeitschrift Compact. Münster 2016. 95 Selbstbeschreibung des Magazins, in: COMPACTonline, auf: https://www.com pact-online.de/thema/wir-ueber-uns/. 96 Anonymus: »Wer wir sind«, in: COMPACTonline, auf: https://www.compact-on line.de/was-wir-wollen/. 97 Vgl. dazu mit Blick auf ein verwandtes Publikationsorgan: Stephan Braun, Alexander Geisler, Martin Gerster: Die »Junge Freiheit« der »Neuen Rechten«. Bundes- und landespolitische Perspektiven zur »Jungen Freiheit« und den Medien der »Neuen Rechten«, in: Stephan Braun, Ute Vogt (Hrsg.): Die Wochenzeitung »Junge Freiheit«. Kritische Analysen zu Programmatik, Inhalten, Autoren und Kunden. Wiesbaden 2007, S. 15–41. 98 Beitragstitel entnommen von ARCARDI, auf: https://arcadi-online.de/. 99 Ankündigung der COMPACT-Ausgabe August 2018, auf: https://www.compactshop.de/shop/compact-magazin/compact-8-2019-nsu-2-0-mordfall-luebckeneonazis-v-maenner-und-agenten/. 100 Selbstbeschreibung auf der verlagseigenen Homepage, auf: https://sezes sion.de/konzept. 101 Twitter-Post vom 12.10.2018, auf: https://twitter.com/benkonietzny/status/ 1050677638237323264. 102 Twitter-Post vom 08.09.2018, auf: https://twitter.com/TheRiver2010/status/ 1038440516306780160. 103 Twitter-Post vom 30.10.2017, auf: https://twitter.com/m_muenstermann/sta tus/924998680171642880. 104 Vgl. zur Sammlung entsprechender Storys Charles Paresse: Rechte Homestorys, in: der rechte rand, Ausgabe 168, September 2017, auf: https://www. der-rechte-rand.de/archive/2544/kubitschek-homestory/. 105 Daniel Erk: Über »Identitäre« berichten, ohne ihnen auf den Leim zu gehen (Beitrag vom 20.10.2017), in: übermedien.de, auf: https://uebermedien.de/ 21848/ueber-identitaere-berichten-ohne-ihnen-auf-den-leim-zu-gehen/. 106 Ders.: Martin Sellner hört Hip-Hop und hasst den Islam. Er postet Selfies bei Instagram und will Ausländer rauswerfen. Er war mal Neonazi, jetzt hat er ein neues Projekt: Rechtsradikalismus hip machen, in: ZEIT Campus Nr. 5/2017, auf: https://www.zeit.de/campus/2017/05/rechtradikalismus-martin-sellnerinstagram. 107 Ders., a. a. O. (= En. 105). 108 Maria Fiedler: Götz Kubitschek – der Stratege der Neuen Rechten. Der Verleger Götz Kubitschek gilt als wichtigster Stichwortgeber und Taktiker der
Anmerkungen Neuen Rechten, er hat großen Einfluss auf den nationalen Flügel der AfD. Was für ein Deutschland will dieser Mann? (Beitrag vom 08.09.2018), in: DER TAGESSPIEGEL, auf: https://www.tagesspiegel.de/themen/agenda/verlegergoetz-kubitschek-der-stratege-der-neuen-rechten/22963170.html. 109 Tobias Rapp: Der dunkle Ritter Götz. Er tritt bei Pegida auf, ist Ideologe der Identitären, Verleger und Autor. Götz Kubitschek gilt als wichtigster Intellektueller der Neuen Rechten. Besuch bei einem Mann, der so konservativ ist, dass er sogar seine Frau siezt, in: DER SPIEGEL, Ausgabe 51/2016, auf: https:// www.spiegel.de/spiegel/goetz-kubitschek-der-wichtigste-intellektuelleder-neuen-rechten-a-1126581.html. 110 Silke Mertins: Der Vordenker der AfD. Götz Kubitschek ist der einflussreichste Intellektuelle der rechtspopulistischen Bewegung in Deutschland. Ein Besuch in der ostdeutschen Provinz, in: NZZ am Sonntag vom 14.10.2018, S. 6. 111 Moritz Baßler, Heinz Drügh: Einleitung: Konsumästhetik, in: dies. (Hrsg.): Konsumästhetik. Umgang mit käuflichen Gegenständen. Bielefeld 2019, S. 7–26, hier S. 19 f. 112 Cornelia Koppetsch: Die Gesellschaft des Zorns. Rechtspopulismus im globalen Zeitalter. Bielefeld 2019, S. 31 f. 113 Ebd., S. 31. 114 Carolin Emcke: Gegen den Hass. Frankfurt a. M. 2016 (4. Auflage), S. 189–191. 115 Vgl. dazu Wolfgang Ullrich: »Die Kunst ist Ausdruck ihrer Zeit«. Genese und Problematik eines Topos der Kunsttheorie, in: Robert Sollich, Clemens Risi, Sebastian Reus, Stephan Jöris (Hrsg.): Angst vor der Zerstörung – Der Meister Künste zwischen Archiv und Erneuerung (= Theater der Zeit, Recherchen 52). Berlin 2008, S. 233–246. 116 Stuart Hall: Kulturelle Identität und Globalisierung (erstveröffentlicht 1994), in: Rainer Winter, Karl H. Hörning (Hrsg.): Widerspenstige Kulturen – Cultural Studies als Herausforderung. Frankfurt a. M. 1999, S. 393–441, hier S. 394. 117 François Jullien: Es gibt keine kulturelle Identität. Wir verteidigen die Ressourcen einer Kultur (aus dem Französischen von Erwin Landrichter, erstveröffentlicht unter: Il n’y pas d’identité culturelle. Mais nous défendons les ressources culturelles. Paris 2016). Frankfurt a. M. 2017, S. 13 f.
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Abbildungsverzeichnis
Alle konsultierten Links wurden zuletzt am 25.07.2019 geprüft. Abb. 1: Screenshot eines Videos zur Gewinnung von Wahlbeobachtern, produziert durch den Verein Ein Prozent, auf: https://www. einprozent.de/blog/wahlbeobachtung/neues-video-schonwahlhelfer/2442. Abb. 2: Screenshot eines Videos der von der Identitären Bewegung betriebenen Alternative Help Association, auf: https://www.insta gram.com/p/BqiG2rGA9rg/. Abb. 3: Screenshot eines Online-Shops, betrieben vom Verein Ein Prozent, auf: https://www.einprozent-versand.de/kleidung/. Abb. 4: Screenshot des Facebook-Accounts »DunkleEule«, gepostet am 09.07.2018, auf: https://www.facebook.com/dunkleeule/pho tos/a.1116462831707759/1883033011717400/?type=3&theater. Abb. 5: Plakat der Alternative für Deutschland im Zuge der Kampagne zur Bundestagswahl 2017, auf: http://www.spiegel.de/politik/ deutschland/bild-1159095-1168676.html. Abb. 6: Plakat der Alternative für Deutschland im Zuge der Kampagne zur Bundestagswahl 2017, auf: https://www.focus.de/politik/ deutschland/bundestagswahl_2017/bundestagswahl-fraukepetry-provoziert-mit-neugeborenem-sohn-auf-wahlplakat-derafd_id_7410067.html. Abb. 7: Online-Banner der Initiative 120 db, initiiert von der Identitären Bewegung, auf: https://www.journalistenwatch.com/wp-con tent/uploads/2018/02/120dbEchteRechte-678x381.jpg.
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Abb. 8: Screenshot der Homepage der Identitären Bewegung Deutschland, auf: https://www.identitaere-bewegung.de/category/unse re-aktivisten/. Abb. 9: Screenshot des Facebook-Accounts »Nationaler Widerstand Deutschland«, gepostet am 09.08.2018, auf: https://www.face book.com/1951608581530583/photos/a.1975755725782535/198540 6974817410/?type=3&theater. Abb. 10: Screenshot eines Videos des YouTube-Kanals »Balaclava Küche«, veröf fentlicht am 16.06.2015, auf: https://www.youtube. com/watch?v=o3yWkiUgIwI. Abb. 11: Zusammenstellung einzelner Videoausschnitte des YouTube-Kanals »Der dritte Blickwinkel«, auf: https://www.bellto wer.news/rechte-youtube-landschaf t-rechtsextreme-inf luen cerinnen-82747/. Abb. 12: Digitale Schautafel zur Begleitung verschwörungstheoretischer Einlassungen, auf: https://frankfurter-erklaerung.de/20 19/05/greta-thunbergs-deutsche-organisatorin-wird-von-georgesoros-finanziert/. Abb. 13: Digitale Schautafel der Identitären Bewegung, gepostet am 19.04.2018 auf dem Twitter-Account »@IB_NRW«, auf: https:// twitter.com/ib_nrw/status/986929365098299392. Abb. 14: Meme, gepostet am 27.03.2017 auf dem Twitter-Account »@LibsNoFun«, auf: https://twitter.com/libsnofun/status/84642 5328943714304. Abb. 15: Screenshot des Facebook-Accounts der Jungen Alternative Thüringen, gepostet am 06.01.2016, entnommen einem stern.de-Bericht vom 12.01.2016, auf: https://www.stern.de/poli tik/deutschland/afd--ruft-die-jugend-der-partei-auf-facebook- zur-gewalt-auf--6644756.html. Abb. 16: Screenshot des Online-Shops des Magazins COMPACT, auf: https://www.compact-shop.de/produktkategorie/compact-ma gazin/. Abb. 17: stern-Cover vom 09.03.2017, entnommen der Seite medien denk.de, auf: http://www.mediendenk.de/images/big_pic.php/ bild_klein_0000011279.jpg?ID=0000011279.
Abbildungsverzeichnis
Abb. 18: COMPACT-Cover der September-Ausgabe 2018, auf: https:// www.compact-shop.de/wp-content/uploads/2018/08/Cover_ COMPACT_2018_09_shop.jpg. Abb. 19: Fotografie (Stefan Fürtbauer) eines Auszugs aus dem Magazin ZEIT Campus Nr. 5/2017, entnommen der Seite uebermedien. de, auf: https://uebermedien.de/wp-content/uploads/zeit_cam pus_sellner.jpg.
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Architektur und Design Annette Geiger
Andersmöglichsein. Zur Ästhetik des Designs 2018, 314 S., kart., zahlr. Abb. 29,99 € (DE), 978-3-8376-4489-0 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4489-4
Andrea Rostásy, Tobias Sievers
Handbuch Mediatektur Medien, Raum und Interaktion als Einheit gestalten. Methoden und Instrumente 2018, 456 S., kart., zahlr. Abb. 39,99 € (DE), 978-3-8376-2517-2 E-Book: 39,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-2517-6
Christoph Rodatz, Pierre Smolarski (Hg.)
Was ist Public Interest Design? Beiträge zur Gestaltung öffentlicher Interessen 2018, 412 S., kart., z.T. farb. Abb. 34,99 € (DE), 978-3-8376-4576-7 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation, I SBN 978-3-8394-4576-1
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Architektur und Design Gerrit Confurius
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Eduard Heinrich Führ
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Thomas Hecken, Moritz Baßler, Robin Curtis, Heinz Drügh, Mascha Jacobs, Nicolas Pethes, Katja Sabisch (Hg.)
POP Kultur & Kritik (Jg. 7, 2/2018) 2018, 176 S., kart., zahlr. z.T. farb. Abb. 16,80 € (DE), 978-3-8376-4455-5 E-Book: 16,80 € (DE), ISBN 978-3-8394-4455-9
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