157 75 6MB
German Pages 241 [244] Year 2002
Linguistische Arbeiten
452
Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Hans Jürgen Heringer, Ingo Plag, Heinz Vater und Richard Wiese
Birte Asmuß
Strukturelle Dissensmarkierungen in interkultureller Kommunikation Analysen deutsch-dänischer Verhandlungen
Max Niemeyer Verlag Tübingen 2002
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme AsmuB, Birte: Strukturelle Dissensmarkierungen in interkultureller Kommunikation : Analysen deutschdänischer Verhandlungen / Birte Asmuß. - Tübingen : Niemeyer, 2002 (Linguistische Arbeiten ; 452) Zugl.: Aarhus, Univ., Diss., 2000 u.d.T.: Asmuß, Birte: Interaktion in interkultureller Kommunikation ISBN 3-484-30452-9
ISSN 0344-6727
© Max Niemeyer Verlag G m b H , Tübingen 2002 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: Weihert-Druck G m b H , Darmstadt Einband: Industriebuchbinderei Nadele, Nehren
Vorwort
Die vorliegende Arbeit ist eine leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Mai 2000 unter dem Titel 'Interaktion in interkultureller Kommunikation. Studien zur Konstruktion von Dissens in deutsch-dänischen Verhandlungen' von der Aarhus Universitet, Dänemark, angenommen wurde. Vorweg einen herzlichen Dank all denen, die eingewilligt haben, dass ich ihre Gespräche aufzeichne und auswerte. Ohne sie hätte diese Arbeit nicht geschrieben werden können. Am Entstehen der Arbeit war darüberhinaus eine Vielzahl unterschiedlicher Personen aus dem In- und Ausland beteiligt, die mit mir über den Gegenstand dieser Arbeit unter unterschiedlichen Gesichtspunkten diskutiert hat. Insbesondere danke ich meinen 'Doktorvätern' Harald Pors, Aarhus Universitet, und Johannes Wagner, Syddansk Universitet, für ihr unermüdliches Interesse und anregende Diskussionen. Ein großes Dankeschön an Gail Jefferson, in deren Datensitzungen mein Interesse an mündlicher Interaktion geweckt wurde. Ferner gilt mein ganz herzlicher Dank allen Freunden, Kollegen und Mitgliedern von MOVIN, die mir mit fachlichem und freundschaftlichem Rat zur Seite gestanden haben. Letztlich möchte ich meiner Familie für die Unterstützung danken, mit der sie mich in den vergangenen Jahren begleitet hat.
Aarhus, im November 2001
Birte Asmuß
Inhalt
1. Einleitung und Ziel der Arbeit
1
2.
Theoretischer Rahmen 2.1. Ethnomethodologische Konversationsanalyse 2.1.1. Entwicklungsgeschichtlicher Überblick 2.1.2. Methodische Grundzüge 2.2. Interkulturelle Kommunikation
6 6 7 8 16
3.
Die empirische Untersuchung 3.1. Konzeption 3.2. Daten
24 24 25
4.
Zur interaktiven Konstruktion von Dissens auf lexikalischer Ebene: bloß als disjunktive Turneröffnung 4.1. Untersuchungsgegenstand und zentrale Fragestellungen 4.2. Zur Beschreibung von bloß in deutschen Grammatiken 4.2.1. bloß als Abtönungspartikel 4.2.2. bloß als Konjunktor 4.3. Daten 4.4. Der Konjunktor bloß in turneröffnender Position 4.4.1. Sequenzielle Positionierung 4.4.2. Die Verbindung zum ersten Konjunkt: Ambiguität 4.4.3. Die Verbindung zum zweiten Konjunkt: Disjunktivität 4.5. Der Konjunktor bloß in turninterner Position 4.6. Der Aspekt der Mutter- bzw. Fremdsprachlichkeit der Gesprächsteilnehmer bei der Produktion einer Sequenz mit dem Konjunktor bloß in turneröffnender Position 4.7. Ergebnisse
5. Zur interaktiven Konstruktion von Dissens auf sequenzieller Ebene: Die Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung 5.1. Untersuchungsgegenstand und zentrale Fragestellungen 5.2. Daten 5.3. Die kollaborative Turnbeendigung 5.3.1. Die präliminar nicht beendete Turnkonstruktionseinheit 5.3.2. Die antizipatorische Turnbeendigung 5.4. Die Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung 5.4.1. Responsive Handlungen im Anschluss an eine kollaborative Turnbeendigung 5.4.1.1. Exkurs: Reparaturenorganisation 5.4.2. Das Design der Ignorierung einer antizipatorischen Turnbeendigung
27 27 30 32 33 36 37 37 52 56 61
69 74
77 77 79 80 82 87 93 93 98 100
vm 5.4.3.
5.5.
5.6.
5.7.
Das inhaltliche Verhältnis der finalen zur antizipatorischen Turnbeendigung Die kollaborative Turnsequenz 5.5.1. Der Aufbau einer kollaborativen Turnsequenz 5.5.2. Responsive Handlungen im Anschluss an eine finale Turnbeendigung Der Aspekt der Fremdsprache bei der Konstruktion einer kollaborativen Turnsequenz 5.6.1. Kollaborative Turnsequenzen mit Beteiligung von Muttersprachlern 5.6.2. Kollaborative Turnsequenzen mit Beteiligung von Nicht-Muttersprachlern 5.6.3. Exkurs: Die Verteilung der Sprecher auf die einzelnen Positionen einer kollaborativen Turnsequenz unter Berücksichtigung des Aspektes der Mutter- bzw. Fremdsprachlichkeit Ergebnisse
104 108 108 111 115 116 120
123 125
6.
Zur interaktiven Konstruktion von Dissens auf aktivischer Ebene: Das Unterlassen von Kopartizipation in Sequenzen mit stereotypen Wendungen 128 6.1. Untersuchungsgegenstand und zentrale Fragestellungen 128 6.2. Stereotype: terminologische und methodische Überlegungen 132 6.3. Daten 136 6.4. Die Konstruktion sequenzieller Relevanz von Kopartizipation durch die Verwendung nationaler Stereotype: Zur Konstruktion von Time Outs .. 137 6.4.1. O n doing stereotyping' 138 6.4.1.1. Das Design des Stereotyps 139 6.4.1.2. Die Markierung der Initiierung von Time Outs 141 6.4.1.3. Die Konstruktion einer aus zwei Komponenten bestehenden Klasse 146 6.4.1.4. Die Initiierung der stereotypen Wendung 152 6.4.2. Stereotype Wendungen als Einleitung von Time Outs: Das Zeigen von Kopartizipation 156 6.5. Das Unterlassen von Kopartizipation 161 6.5.1. O n doing non-stereotyping' 163 6.5.2. Etablierung von Nebensequenzen 167 6.5.2.1. Der Zeitpunkt der Markierung einer Nebensequenz 169 6.5.2.2. Wiederaufnahme 172 6.5.2.3. Weiterführung 175 6.5.3. Mehrparteiengespräche 176 6.6. Ergebnisse 179
7.
Die Bedeutung der Studien für zentrale Fragestellungen im Forschungsbereich interkulturelle Kommunikation
182
Ergebnisse und Ausblick
189
8.
IX Literatur
193
Anhang Transkriptionskonventionen Daten Terminologie
203 203 204 229
1. Einleitung und Ziel der Arbeit
Kommunikation mit Vertretern und über Vertreter anderer Nationen gehört für einen Großteil der Bevölkerung zu einem festen Bestandteil des Alltags. Sei es im Beruf, durch Reisen in andere Länder oder durch Präsentation in den Medien: Die Begegnung mit dem Fremden, mit dem Nicht-Gewohnten widerfahrt den meisten Menschen fast täglich. Doch die zunehmende Internationalisierung vieler Lebensbereiche scheint nicht auf allen Gebieten dazu geführt zu haben, dass derartige Begegnungen als selbstverständlich und unproblematisch akzeptiert werden. Kennzeichnend hierfür mag ein Blick in eine Buchhandlung sein. Hier fällt die Vielzahl von Werken ins Auge mit Titeln wie "Gebrauchsanweisung für Deutschland", "Interkulturelle Kompetenz Skandinavien - Deutschland" (Gorski 1996, Opitz 1997b) sowie das Angebot an Lehrwerken im Bereich Deutsch als Fremdsprache, die dazu einladen, sich "auf eine Entdeckungsreise ins Abenteuer einer fremden Kultur" zu begeben (Bachmann et al. 1995:7). Angebote wie diese mögen Ausdruck einer Unsicherheit gegenüber dem Fremden sein, die mit dem Bedürfnis einhergeht, dieser Unsicherheit durch Wissen entgegenzutreten. Eine derartige Unsicherheit scheint nicht nur im Bereich fernkultureller Beziehungen zu herrschen, wie beispielsweise in der Kommunikation zwischen Deutschland und China (Günthner 1993), sondern ebenso in nahkulturellen Verbindungen, wie zwischen Deutschland und den skandinavischen Ländern. So finden sich im Bereich interkultureller Kommunikation zwischen Skandinavien bzw. Dänemark und Deutschland zahlreiche Studien, die den Leser über die grundlegenden Unterschiede im kommunikativen Verhalten zwischen Vertretern dieser beiden Kulturen informieren (Andersen 1997, Koch 1997). Dieser Vorgehensweise liegt die Annahme zu Grunde, dass der Leser durch Wissensvermittlung zu einem kompetenten Sprecher in der Kommunikation mit Vertretern anderer kultureller Zugehörigkeit ausgebildet werden kann. Doch um Aussagen darüber machen zu können, ob die Vermittlung von Wissen zum Abbau einer Unsicherheit und damit zur Vermeidung von Problemen in interkultureller Kommunikation beitragen kann und wie eine solche Wissensvermittlung gegebenenfalls durchzuführen wäre, ist es notwendig Erkenntnisse darüber zu besitzen, was eine Kommunikationssituation kennzeichnet, die als interkulturell zu bezeichnen ist. Die vorliegende Untersuchung ist als ein Beitrag zu dieser Problemstellung zu sehen. Zur Klärung dieser Frage finden sich innerhalb des Forschungsbereiches interkulturelle Kommunikation unterschiedliche Ansätze, die sich grundlegend in zwei Gruppen aufteilen lassen (Rost-Roth 1994:35f.). Die eine widmet sich primär der Frage, was Probleme in interkultureller Kommunikation hervorrufen kann, die andere versucht zu beschreiben, wie Probleme in interkultureller Kommunikation interaktiv ausgehandelt werden. Die erste Gruppe vertritt die Annahme, dass interkulturelle Kommunikation gekennzeichnet wird durch Unterschiede im kommunikativen Verhalten von Vertretern unterschiedlicher kultureller Zugehörigkeit (Andersen 1997, Fredsted 1998, Hofstede 1982, List/Wagner 1990, List/Wagner 1992, Opitz 1997b). Hieraus resultiert die Annahme, dass diese Unterschiede vermeintliche Probleme in interkultureller Kommunikation verursachen. Zur Vermeidung dieser Probleme wird die Vermittlung interkultureller Kompetenz hervorgehoben (Cardel 1990b, Sercu et al. 1995). Stellvertretend für diesen Ansatz formuliert Rehbein:
2 Eines der Schlüsselprobleme interkultureller Kommunikation sind fehlschlagende Kommunikation ('miscommunication') oder auch Mißverständnisse ('misunderstanding'). (Rehbein 1985:9) Der zweiten Gruppe liegt ein interaktionaler Ansatz zu Grunde. Hier wird eine interkulturelle Kommunikationssituation nicht a priori als verschieden von anderen Formen der Kommunikation angesehen. Stattdessen steht die Beschreibung der Interaktion selbst im Vordergrund. Damit ist dieser Ansatz nicht spezifisch für die Beschreibung interkultureller Kommunikation. Er ermöglicht jedoch die Beschreibung dieser Form der Kommunikation als einer Variante unter verschiedenen anderen. Hiermit wird ein Blick auf die interaktiven Praktiken eröffnet, die wesentlich für diese spezifische Kommunikationssituation sind, ohne im Vorhinein den Aspekt der Interkulturalität in den Vordergrund zu stellen. Diese Vorgehensweise erscheint nicht zuletzt im Bereich interkultureller Kommunikation in einem professionellen Setting als sinnvoll, da hier neben der Interkulturalität der Kommunikationssituation Faktoren wie die individuellen Voraussetzungen der Verhandlungspartner in Form von kulturellem Wissen, Sprachkompetenz und Erfahrung im Umgang mit kulturell bedingten Unterschieden im kommunikativen Verhalten der Gesprächsteilnehmer von Bedeutung sein können. Ausgehend von oben stehenden Überlegungen wird in der vorliegenden Arbeit der interaktionale Ansatz gewählt. Die zu beschreibenden Phänomene sind damit nicht notwendigerweise spezifisch für die interkulturelle Kommunikation, sondern können ebenso in intrakultureller Kommunikation Anwendung finden. Sie stellen jedoch einen wesentlichen Bestandteil der interaktiven Praktiken dar, derer sich die Gesprächsteilnehmer in interkultureller Kommunikation zur Bedeutungsaushandlung bedienen. Hinsichtlich des Untersuchungsgegenstandes dieser Arbeit fallen die Eingrenzung auf die Konstruktion von Dissens sowie die Wahl eines professionellen Settings ins Auge. Für diese Vorgehensweise lassen sich folgende Überlegungen anführen. Mit der Wahl von Dissens liegt der Studie ein Untersuchungsgegenstand zu Grunde, in dem sich potenzielle Probleme in der interkulturellen Kommunikation besonders deutlich manifestieren. In zahlreichen Studien konnte übereinstimmend nachgewiesen werden, dass dieser Bereich als potenziell sensibel für Probleme in interkultureller Kommunikation zu gelten hat (Günthner 1993, Kotthoff 1989a, 1993). Dies liegt darin begründet, dass Dissens ein kommunikativer Bestandteil ist, der in besonderem Maße durch kulturelle Normen und Wertvorstellungen geprägt ist und dessen Konstruktion in Interaktion daher ein hohes Maß an interkultureller Kompetenz voraussetzt. Die Markierung von Dissens kann von Vertretern unterschiedlicher Kulturen auf unterschiedliche Weise realisiert werden, da Argumentationsbereitschaft und Bereitschaft zu verbaler Konfrontation mit unterschiedlichen kulturellen Normen besetzt sein können (Günthner 1993:232f.). Diese Unterschiede in kulturellen Normen können wiederum Auslöser für Probleme und Missverständnisse in der Interaktion sein. Weitere Gründe für das Auftreten von Problemen bei der Konstruktion von Dissens liegen in der besonderen interaktiven Arbeit, die von den Gesprächsteilnehmern in dissensgeprägten Situationen geleistet werden muss (Brown/Levinson 1987). Wie in zahlreichen Studien nachgewiesen werden konnte, hängt dies damit zusammen, dass es eine Präferenz zur Markierung von Übereinstimmung in mündlicher Interaktion gibt, mit der eine Dispräferiertheit von Handlungen einhergeht, die explizit Nicht-Übereinstimmung, d.h. Dissens,
3 markieren (Auer/Uhmann 1982, Kotthoff 1993, Pomerantz 1984, Sacks 1987). Ferner wiid in unterschiedlichen Studien sowohl in inter- als auch in intrakultureller Kommunikation eine enge, interaktive Verwobenheit konsens- und dissensorientierter Handlungen in mündlicher Interaktion aufgezeigt (Auer/Uhmann 1982, Kotthoff 1993). Die Konstruktion von Dissens findet oft schrittweise, als lokale Reaktion auf die Handlungen der anderen Gesprächsteilnehmer statt (Barth 2000). Dies ermöglicht den Gesprächsteilnehmern eine permanente Orientierung aneinander. Die Isolierung einzelner Komponenten in mündlicher Interaktion als potenzielle Problemverursacher erscheint somit problematisch, da eine derartige Herauslösung einzelner Bestandteile aus ihrem sequenziellen Kontext nicht der Vielschichtigkeit des Forschungsgegenstandes mündliche Interaktion gerecht wird. In Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand und der Verwobenheit interaktiver Handlungen ist zu fragen, was Dissens bedeutet. Es herrscht kaum Zweifel darüber, dass, wenn ein Gesprächsteilnehmer ja sagt und ein anderer dem ein nein entgegensetzt, von Dissens zu sprechen ist. Dissens wird hier durch eine lexikalische Markierung den anderen Sprechern explizit gemacht. Doch Gesprächsteilnehmern stehen andere, implizitere Techniken der Dissensmarkierung zur Verfügung, die eine strukturelle Markierung von Dissens darstellen. Hierzu gehören beispielsweise der Turnaufbau in Bezug auf Reparaturen (Schegloff, Jefferson, Sacks 1977), Pausen (Jefferson 1989), Verzögerungsmarker etc., ebenso wie die sequenzielle Platzierung von Überlappungen (Lerner 1991). Der Fokus der vorliegenden Untersuchung wird auf strukturellen Techniken zur Dissensmarkierung liegen. Diese unterschiedlichen Techniken der Dissensmarkierung ermöglichen es den Gesprächsteilnehmern, den Grad der Markierung von Konsens oder Dissens zu variieren. Eine Markierung von Dissens oder Konsens kann mittels expliziter und impliziter Zeichen der Zustimmung oder Ablehnung geschehen. Doch auch das Fehlen der Markierung von Dissens oder Konsens ist als interaktive Handlung zu sehen. Sie besteht darin, dass in Fällen, in denen die Markierung von Konsens oder Dissens die relevante nächste Handlung wäre, diese Markierung unterlassen wird. Das Unterlassen der Markierung von Konsens oder Dissens wird daher im Folgenden als Markierung von Nicht-Konsens bzw. Nicht-Dissens betrachtet. In diesem Sinne gibt es keine neutralen kommunikativen Handlungen. Jedes sprachliche Handeln beinhaltet eine Wertung und wird von den Interaktanten auch dementsprechend gedeutet. Eine weitere Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes wurde hinsichtlich des Datensettings vorgenommen. Als Datengrundlage der vorliegenden Untersuchung wurden internationale Verhandlungen gewählt. Dieser Wahl liegt die Überlegung zu Grunde, dass die Konstruktion von Dissens zwar auch in Alltagskommunikation eine entscheidende Rolle spielt, da dissens- und konsensorientierte Handlungen eng miteinander verwoben sind. Doch in professionellen Verhandlungssituationen fällt der Konstruktion von Dissens insofern eine besondere Bedeutung zu, als in ihnen nach einer festgelegten Tagesordnung über unterschiedliche Tagesordnungspunkte konträr diskutiert wird. Damit ist Dissens hier ein notwendiger Bestandteil der Kommunikation. Mit der Wahl dieses professionellen, interkulturellen Settings soll somit gewährleistet sein, dass die Konstruktion von Dissens ein integrativer Bestandteil dieser Form von Kommunikation ist. Die obigen Überlegungen führen zu folgenden Forschungsfragen, die im Zentrum der Untersuchung stehen:
4 Ausgehend von der grundlegenden Fragestellung, was Interaktion in interkultureller Kommunikation kennzeichnet, wird die Frage gestellt, welche interaktiven Praktiken die Gesprächsteilnehmer in interkultureller Kommunikation zur Konstruktion von Dissens anwenden. Welcher struktureller Techniken bedienen sie sich, um einander ihre Handlungen verständlich zu machen? Mit diesen Fragen geht auch die Frage nach den Formen von Kompetenz einher, die mit der Durchführung bestimmter Aktivitäten verbunden sind. Hieran schließt sich die Frage an, inwieweit sich die von der Forschung beschriebene Notwendigkeit von interkultureller Kompetenz auch in Kommunikationssituationen nachweisen lässt, die als nahkulturell zu bezeichnen sind und die in einem professionellen Setting vor sich gehen. Ferner gilt es zu untersuchen, inwieweit eine Vorgehensweise bei der Vermittlung interkultureller Kompetenz angemessen ist, die darauf beruht, potenziell problemauslösende Faktoren in der Kommunikation zu isolieren. Zur Beantwortung dieser Fragen wird in der vorliegenden Studie das Hauptaugenmerk darauf gelegt aufzuzeigen, welche Strategien die Gesprächsteilnehmer anwenden, um einander Dissens zu markieren. Statt zu untersuchen, was Probleme verursacht, wird hierdurch untersucht, wie die Gesprächsteilnehmer in potenziell problematischen Situationen interagieren. Es sollen die der interkulturellen Interaktion zu Grunde liegenden Praktiken aufgezeigt werden, die die Gesprächsteilnehmer in die Lage versetzen, ihren Handlungen Sinn beizufügen und Bedeutung interaktiv auszuhandeln. Der Aufbau der vorliegenden Untersuchung ist folgendermaßen: In Kapitel 2 wird der theoretische Rahmen erläutert, in den diese Untersuchung einzugliedern ist. Es wird ein Überblick über die Entwicklungsgeschichte und die Grundlagen der ethnomethodologischen Konversationsanalyse gegeben. Danach folgt ein Forschungsüberblick über das Gebiet der interkulturellen Kommunikation. In Kapitel 3 werden die Grundlagen der empirischen Untersuchung in Bezug auf die Konzeption und das Datenmaterial dargelegt. Die Kapitel 4, 5 und 6 stellen den empirischen Teil der Arbeit dar, der aus drei Einzelstudien besteht. In ihnen geht die strukturelle Markierung von Dissens auf jeweils unterschiedlicher kommunikativer Ebene vonstatten: auf lexikalischer, sequenzieller und aktivischer. 1 Im Falle der lexikalischen Ebene ist die Konstruktion von Dissens an die Verwendung eines bestimmten Lexems gebunden, im Falle der sequenziellen Ebene an einen bestimmten sequenziellen Verlauf und im Falle der aktivischen Ebene an die Durchführung einer bestimmten verbalen Handlung. Begonnen wird in Kapitel 4 mit einer Untersuchung zur interaktiven Konstruktion von Dissens auf lexikalischer Ebene. Das zu untersuchende Phänomen ist der Konjunktor bloß als disjunktive Turneröffnung. Es wird gezeigt, wie bloß an erster Position im Turn einen möglichen Themenwechsel initiiert und damit ein Versuch unternommen wird, ein Thema zu beenden und ein neues einzuführen. Hierin ist im Verhältnis zum zu beendenden Thema eine Markierung von Dissens zu sehen. In Kapitel 5
1
Unter 'aktivisch' wird im Folgenden verstanden, dass die Markierung von Dissens an die Durchführung einer bestimmten Handlung geknüpft ist. Hiermit grenzt sich der Terminus 'aktivisch' von der sprachwissenschaftlichen Verwendung von 'aktivisch' in Bezug auf das Genus verbi ab. Eine Alternative zu 'aktivisch' könnte in 'aktional' gesehen werden, was jedoch eine Überschneidung mit der Verwendung dieses Lexems in Bezug auf die Aktionsart eine Verbes nahe legt (Duden 1993: Bd.l:134f.).
5 wird eine Untersuchung zur interaktiven Konstruktion von Dissens auf sequenzieller Ebene angestellt. Das zu analysierende Phänomen ist die Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung. Der dieser Konstruktion zu Grunde liegende Dissens ist in der Ignorierung des vorhergehenden Turns durch einen der Gesprächsteilnehmer zu sehen. In Kapitel 6 folgt eine Studie zur interaktiven Konstruktion von Dissens auf aktivischer Ebene. Das im Zentrum dieser Untersuchung stehende Phänomen ist das Unterlassen von Kopartizipation in Sequenzen mit stereotypen Wendungen. In einem sequenziellen Kontext, in dem das Weiterführen einer bestimmten Sequenz durch einen oder mehrere der anderen Gesprächsteilnehmer die relevante nächste Handlung wäre, wird diese Aktivität unterlassen. Hier ist im Unterlassen einer relevanten Handlung eine Markierung von Dissens zu sehen. Die ausgewählten Phänomene sind entweder bislang nur unzulänglich beschrieben (Kap. 4: Auer 1997, Zifonun et al. 1997:2423, Kap. 5: Lerner 1987) oder aber von der Forschung in dieser Form überhaupt nicht zur Kenntnis genommen worden (Kap. 6). Im Anschluss daran werden in Kapitel 7 die Ergebnisse der drei Studien hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Forschungsbereich interkulturelle Kommunikation ausgewertet. Im abschließenden Kapitel 8 werden die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zusammengefasst und es wird ein Ausblick auf Fragen gegeben, die sich aus den vorliegenden Resultaten ergeben.
2. Theoretischer Rahmen
Im Folgenden wird der dieser Arbeit zu Grunde liegende theoretische Rahmen skizziert. Im ersten Teil wird die Methode der ethnomethodologischen Konversationsanalyse in ihren grundlegenden und für die vorliegende Untersuchung relevanten Prinzipien dargestellt. Im zweiten Teil wird ein Überblick über das Forschungsgebiet interkulturelle Kommunikation gegeben.
2.1.
Ethnomethodologische Konversationsanalyse
Die der Untersuchung zu Grunde liegende Methode ist die der ethnomethodologischen Konversationsanalyse. Ausgehend von einem kurzen entwicklungsgeschichtlichen Überblick werden deren methodische Grundzüge skizziert. Anschließend wird auf einige neuere Tendenzen innerhalb der Konversationsanalyse eingegangen, die in enger Verbindung mit der übergeordneten Fragestellung der vorliegenden Untersuchung stehen. In Anlehnung an den englischen Terminus 'Conversation Analysis' (CA) wird die Bezeichnung 'Konversationsanalyse' in dieser Untersuchung als stellvertretend stehen für die Methode der 'ethnomethodologischen Konversationsanalyse'. Dieses Vorgehen bedarf einer kurzen Erläuterung, da die Bezeichnung 'Konversationsanalyse' im deutschsprachigen Raum nicht eindeutig ist (Abraham 1988:407). Wie Bergmann (1994:3f.) hervorhebt, ist die Konversationsanalyse im deutschsprachigen Raum zwei möglichen Missverständnissen ausgesetzt. Zum einen kann der Terminus 'Konversation' zu der Annahme führen, dass nur die alltägliche Konversation Gegenstand dieses Forschungsbereiches ist. Doch auch wenn die Analyse von Alltagskommunikation einen wesentlichen Teil der empirischen Grundlagen ausmacht, so fanden auch schon in den Anfängen der Methode Daten aus institutionellem Rahmen Verwendung (Sacks 1992:I:3ff.). Entwicklungen in den 1980er und 1990er Jahren weisen darüber hinaus darauf hin, dass die Konversationsanalyse für Untersuchungen im institutionellen Setting immer mehr an Bedeutung gewinnt (s. Kap. 2.1.2.). Zum anderen lässt sich im deutschsprachigen Raum eine Verwendung des Wortes 'Konversationsanalyse' nachweisen, der die empirische Analyse von gesprochener Sprache generell abdeckt (Kallmeyer/Schütze 1976). In anderen Fällen wird 'Gesprächsanalyse' als Synonym für 'Konversationsanalyse' im ethnomethodologischen Sinne verstanden (Henne/Rehbock 1979:7, Linke et al. 1994:258). In Abgrenzung zu den oben skizzierten möglichen Verwendungsbereichen des Wortes 'Konversationsanalyse' wird im Folgenden unter 'Konversationsanalyse' im engen, ursprünglichen Sinne die Methode verstanden, die der ethnomethodologischen 'Conversation Analysis' entspricht.
7 2.1.1.
Entwicklungsgeschichtlicher Überblick
Die Konversationsanalyse hat sich in den 1960er Jahren in den USA aus der von Garfinkel begründeten soziologischen Forschungsrichtung der Ethnomethodologie entwickelt. In der Einleitung zu seiner Dissertation stellt Garfinkel eine der Grundlagen der Ethnomethodologie heraus: This thesis is concerned with the conditions under which a person makes continuous sense of the world around him. (Garfinkel 1952:1, zitiert nach Bergmann 1994:5)
Es geht Garfinkel darum aufzuzeigen, wie Mitglieder eines sozialen Systems einander mittels ihrer Handlungen Bedeutung vermitteln. Diese Zuweisung von Bedeutung zu einzelnen Handlungen geschieht nicht zufällig und ist nicht in jeder Situation durch die Mitglieder neu zu definieren, sondern der Bedeutungszuweisung liegt eine Regelmäßigkeit zu Grunde. 'Ethnomethodologie' bedeutet demnach die Untersuchung deijenigen Techniken, die Menschen verwenden, um ihren Handlungen regelhaft Bedeutung beizumessen. Ausgehend von dieser Grundannahme beschäftigt sich die Ethnomethodologie mit: ... a member's knowledge of his ordinary affairs, of his own organized enterprises, where that knowledge is treated by us as part of the same setting that it also makes orderable. (Garfinkel 1974:18)
Es geht demnach um das Aufdecken des dem menschlichen Handeln zu Grunde liegenden Wissens und damit auch um das Aufzeigen der Regelhaftigkeit, an der sich sowohl der Produzent als auch der Rezipient menschlicher Handlungen orientieren. Hierbei steht die Frage im Zentrum, wie die Teilnehmer den anderen ihre eigenen Handlungen nachvollziehbar, in Garfinkeis Worten 'accountable' (Garfinkel 1967:1), machen. Dieses Zeigen von Nachvollziehbarkeit der eigenen Handlungen durch die Gesprächsteilnehmer ermöglicht dem Analytiker Zugang zur Beschreibung der Regeln, die sozialem Handeln zu Grunde liegen. Zur Durchführung von Handlungen stehen den Menschen unterschiedliche Mittel zur Verfügung. Eines der Mittel, mit dem ein Großteil menschlicher Aktivitäten durchgeführt wird, ist die Sprache. Schon in der Ethnomethodologie wird die Sprache als zentral im System menschlicher Kommunikation angesehen, indem Sprache als soziales Handeln betrachtet wird. Hiermit ist sie ebenso einem Regelsystem unterworfen wie andere Kommunikationsmittel, beispielsweise nonverbale Formen der Verständigung, auch. In Grundannahmen wie dieser wird die Nähe der Ethnomethodologie zu Wittgenstein'schen Ansätzen deutlich. 1 Einerseits ist klar, daß jeder Satz unsrer Sprache >in Ordnung ist, wie er iste. D.h. daß wir nicht ein Ideal anstreben: Als hätten unsere gewöhnlichen, vagen Sätze noch keinen ganz untadeligen Sinn und eine vollkommene Sprache wäre von uns erst zu konstruieren. - Andrerseits scheint es klar: Wo Sinn ist, muß eine vollkommene Ordnung sein. - Also muß die vollkommene Ordnung auch im vagsten Satze stecken. (Wittgenstein 1995:295)
1
Auf die Nähe zu Wittgenstein weist auch Sacks hin (Sacks 1992:1:26; 518).
8 Jedem Satz liegt demnach eine vollkommene Ordnung zu Grunde. Auch Garfinkel hat auf die Bedeutung der Sprache als Mittel sozialen Handelns hingewiesen, doch es ist als das Verdienst von Sacks anzusehen, den Aspekt der Sprache für die soziale Organisation menschlichen Handelns herausgestellt und hierauf aufbauend die Grundlagen der konversationsanalytischen Methode entwickelt zu haben. Die Vorlesungen Sacks1, die er in den Jahren 1964 bis 1972 an der University of California gehalten hat (Sacks 1992), bilden den Grundstock der Konversationsanalyse. In diesen Vorlesungen stellt er die grundlegenden Überlegungen zu den zentralen Bereichen TurnTaking, Präferenz, Reparaturen und Kategorisierungen an (s.. Kap. 2.1.2.). Sacks, Schegloff und Jefferson präzisieren in ihren Artikeln zur Organisation des Turn-Taking (Sacks/ Schegloff/Jefferson 1974) sowie zur Reparaturenorganisation (Schegloff/Jefferson/Sacks 1977) Mitte der 1970er Jahre den methodischen Ansatz und die Terminologie. Für eine Methode, die in einem solchen Maße auf der Analyse authentischer Daten basiert, ist die Erstellung eines Systems zur schriftlichen Fixierung der interaktionellen Vorgänge von entscheidender Bedeutung. Es ist das Verdienst von Jefferson ein Transkriptionssystem erstellt zu haben, das der Vielschichtigkeit mündlicher Interaktion unter Einbeziehung para- und nonverbaler Aspekte Rechnung trägt. Von geringfügigen Veränderungen aufgrund technischer Entwicklungen sowie Weiterentwicklungen, die auf Änderungen im Fokus des Untersuchungsgegenstandes zurückzuführen sind (z.B. Selting et al. 1998), abgesehen, findet dieses Transkriptionssystem weiterhin Verwendung (Atkinson/Heritage 1984:IX-XVI; Ochs et al. 1996:461-465). Die Anfänge konversationsanalytischer Forschung im deutschsprachigen Raum liegen zu Beginn der 1970er Jahre und sind stark von einem soziologischen Forschungsinteresse geprägt. Durch Übersetzungen englischsprachiger Texte sowie deutschsprachigen Diskussionsbeiträgen wurden die Grundlagen der Ethnomethodologie einem größeren Kreis von Forschern unterschiedlicher Fachrichtungen zugänglich gemacht (Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen 1973, Weingarten/Sack/Schenkein 1976). Hieran schlossen sich Ende der 1970er Jahre erste konversationsanalytische Studien an (Dittmann 1979). In den vergangenen Jahren hat sich die Konversationsanalyse zu einer der führenden Methoden innerhalb der empirischen Mikroanalyse von 'Talk-in-Interaction' entwickelt. Dies zeigt sich auch an der großen Zahl englischsprachiger Einführungen zur Konversationsanalyse, die im Laufe der letzten Jahre erschienen sind (ten Have 1999, Hutchby/Wooffitt 1998, Nofsinger 1991, Psathas 1995). Auf Deutsch liegt eine Einführung in Buchform vor (Deppermann 1999), ansonsten finden sich kürzere Einführungen in Form von Überblicksartikeln in Handbüchern (Bergmann 1994, 1981) und Zeitschriftenartikeln (Streeck 1983) oder es wird in Studienbüchern zur Linguistik im Rahmen einer Einführung in die Gesprächsanalyse auf einzelne Prinzipien dieser Methode verwiesen (Linke et al. 1994). Für den skandinavischen Raum liegt eine Einführung in die Grundbegriffe der Konversationsanalyse vor (Fem0 Nielsen 1999).
2.1.2.
Methodische Grundzüge
Nach einer kurzen Darstellung der Bedeutung der Daten für die Konversationsanalyse werden im Folgenden einige der grundlegenden Prinzipien der Konversationsanalyse vorgestellt.
9 Der Konversationsanalyse liegt eine induktive Vorgehensweise zu Grunde, da sie vom Untersuchungsgegenstand mündlicher Interaktion selbst ausgeht (ten Have 1999:31). Aus diesem Grunde fällt den Daten, ihrer Erhebung sowie der Transkription derselben eine große Bedeutung zu. Da der Untersuchungsgegenstand die alltägliche Sprache ist, ist es entscheidend, dass die Daten aus authentischen Kommunikationssituationen stammen, die nicht zum Zwecke der Datenerhebung inszeniert werden. In den Anfangen der Konversationsanalyse bestanden die Daten größtenteils aus Aufnahmen von Telefongesprächen. Dies geschah aus der Überlegung heraus, dass in diesem Fall die nonverbalen Aspekte der Sprache bei der Analyse aus dem Grund außer Acht gelassen werden können, da sie den Gesprächsteilnehmern selbst auch nicht zur Orientierung an den verbalen Handlungen zur Verfügung stehen. Im Zuge der technischen Entwicklung kann die Datenerhebung nun mit Hilfe von Videoaufnahmen durchgeführt werden, was eine stärkere Berücksichtigung nonverbaler Aspekte bei der Analyse ermöglicht. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Weiterentwicklung der Transkriptionskonventionen in Bezug auf die Einbeziehung nonverbaler Aspekte wider. Goodwin hat aufbauend auf das Transkriptionssystem von Jefferson Transkriptionskonventionen erstellt (Goodwin 1981:47-53), die die Grundlage zur Einbeziehung nonverbaler Aspekte in die Analyse von Interaktion bilden. Mittels detaillierter Transkriptionen wird so die Grundlage für mikroanalytische Studien mündlicher Interaktion geschaffen. 2 Ausgehend von der Mikroanalyse authentischer Daten steht im Zentrum konversationsanalytischer Studien die Geordnetheit sprachlicher Handlungen aufzuzeigen. Nach Heritage lassen sich hinsichtlich dieser Geordnetheit drei Grundannahmen festhalten: (1) interaction is structurally organized (2) contributions to interaction are contextually oriented (3) these two properties inhere in the details of interaction so that no order of detail can be dismissed, a priori, as disorderly, accidental or irrelevant. (Heritage 1984:241) Zu dem ersten Punkt lässt sich anmerken, dass es eine der Hauptaufgaben konversationsanalytischer Forschung ist, die Struktur von mündlicher Interaktion aufzuzeigen. Hierzu ist es notwendig, die den verbalen Handlungen zu Grunde liegenden Techniken zu beschreiben. Es sind die Handlungen, die mittels bestimmter Techniken realisiert werden, an denen sich die Gesprächsteilnehmer in Interaktion orientieren. Interaktion ist insofern regelhaft organisiert. Das Anliegen der Konversationsanalyse ist es, die Geordnetheit der sozialen Aktivität mündliche Interaktion zu beschreiben. Der zweite von Heritage hervorgehobene Punkt stellt die Bedeutung des Kontextes in Interaktion heraus. Unter Kontext werden externe Faktoren wie Alter, Geschlecht, sozialer Status, nationale Zugehörigkeit etc. verstanden, die einen Einfluss auf die Interaktion haben können. Während dem Kontext in diskursanalytischen Ansätzen ein Einfluss auf die Kommunikation als fester Größe zugewiesen wird, stellt Kontext in der Konversationsanalyse eine dynamische Größe dar, die von den Interaktanten in der realen Kommunikationssitua-
2
S. hierzu auch die Diskussion um Grenzen und Möglichkeiten der Transkription in Kap. 3.2.
10 tion relevant gemacht wird.3 Gumperz führt in diesem Zusammenhang den Terminus 'contextualization cues' (Gumperz 1982:131) ein, die Hinweise zur Kontextualisierung einer verbalen Handlung geben. Er definiert folgendermaßen: Roughly speaking, a contextualization cue is any feature of linguistic form that contributes to the signalling of contextual presuppositions. (Gumperz 1982:131) Heritage verwendet in Anlehnung an Sacks/Schegloff/Jefferson (1974:699f.) die Ausdrücke 'context-shaped' und 'context-renewing' (Heritage 1984:242). Hiermit wird hervorgehoben, dass Kontext in der Interaktion geschaffen wird und gleichzeitig den relevanten Kontext mitgestaltet. Ähnlich drückt es Schiffrin aus: ..., relevance of context is grounded in the text. (Schiffrin 1994:236) Kontext ist demnach eine textinterne Größe. Da ihm lediglich dann eine Bedeutung zugesprochen wird, wenn dieser durch die Interaktanten den Interaktanten als relevant markiert wird, spielen externe Faktoren a priori bei der Analyse keine Rolle. Der Analytiker stellt sich mit seinem Wissen auf die Stufe der Gesprächsteilnehmer, die, um auf einen Kontextfaktor Bezug nehmen zu können, diesen gegenüber den anderen Gesprächsteilnehmern erkennbar machen müssen. Dies bedeutet nicht, dass innerhalb der Konversationsanalyse nicht anerkannt ist, dass externe Faktoren die Kommunikation beeinflussen. Die Reduzierung des Faktors Kontext auf die Fälle, in denen die Gesprächsteil nehmer diesen Faktor selbst einander erkennbar relevant machen, beruht auf der Einsicht, dass zum einen diese Kontextfaktoren derartig vielschichtig sind, dass nicht einzelne Faktoren extern herausgelöst weiden können und als entscheidend für diese Kommunikation angesehen werden können. Zum anderen liegt es an der Erkenntnis, dass Kontext eine dynamische Größe ist, dessen unterschiedliche Komponenten auf immer neue Weise die Interaktion beeinflussen. Daher lässt sich wiederum extern keine Aussage über die Relevanz einzelner Faktoren in der Interaktion treffen. Kontext erscheint als eine Größe, die in den Fällen Eingang in die Analyse findet, in denen sein Einfluss auf die Interaktion durch die Gesprächsteilnehmer erkennbar relevant gemacht wird. Hiermit hängt ein weiteres Merkmal mündlicher Interaktion zusammen, das in der Konversationsanalyse von Bedeutung ist. Es liegt in der lokalen Konstruktion verbaler Handlungen. Dies bedeutet, dass Handlungen lokal initiiert werden. Die Gesprächsteilnehmer konstruieren ihre Handlungen dergestalt, dass sie diese lokal erkennbar an der vorhergehenden Handlung ausrichten und damit eine Orientierung an dem vorhergegangenen sequenziellen Verlauf zeigen. Jede interaktive Handlung wird somit lokal konstruiert und initiiert wiederum lokal eine neue Handlung. Das Prinzip der lokalen Initiierung hat Auswirkungen auf den Stellenwert der Intentionalität und Planung bei der Durchführung interaktiver Handlungen (Heritage 1990/1991). Dieses Prinzip grenzt die Konversationsanalyse von anderen diskursanalytisch ausgerichteten Ansätzen ab. Zum dritten Punkt der Grundannahmen von Heritage ist anzumerken, dass a priori kein Aspekt der Konversation als ungeordnet, zufällig oder unbedeutend abgetan werden kann.
3
Ein Überblick über den neueren Forschungsstand zur Bedeutung des Kontextes in mündlicher Interaktion: Duranti/Goodwin 1992.
11 Jedes Detail muss Berücksichtigung finden, da es sich als relevant und regelhaft und damit bedeutsam bei der Aushandlung von Bedeutung in Interaktion erweisen kann. Diese Gewichtung der einzelnen Bestandteile der Interaktion hängt wiederum zusammen mit dem Stellenwert, der den Daten in dieser Methode zugewiesen wird. Es werden innerhalb der Konversationsanalyse keine Hypothesen gebildet, die dann anhand der Daten explifiziert werden. Stattdessen stehen die Daten selbst im Zentrum, anhand derer dann die Geordnetheiten der Sprache aufgezeigt werden. Sacks führt als Argument für die enge Beschäftigung mit den Daten an: That is to say, a base for using close looking at the world for theorizing about it is that from close looking at the world you can find things that we couldn't, by imagination, assert were there: One wouldn't know that they were typical, one might not know that they ever happened, and even if one supposed that they did one couldn't say it because an audience wouldn't believe it. (Sacks 1992:11:420)
Ausgehend von den dargelegten Grundprinzipien der Konversationsanalyse werden im Folgenden vier interaktive Techniken vorgestellt, die für die Struktur mündlicher Interaktion von grundlegender Bedeutung sind. Hierzu zählen das Tum-Taking, die Reparaturenorganisation, das Präferenzsystem sowie Kategorisierungen. Eine der grundlegenden Leistungen der Konversationsanalyse ist das Aufzeigen der Regelhaftigkeit des Turn-Taking (Sacks/Schegloff/Jefferson 1974). Unter einem Turn ist eine verbale Äußerung zu verstehen, deren Anfang und Ende durch einen Sprecherwechsel begrenzt wird. Von der grammatischen Kategorie Satz aus betrachtet mag ein Turn oft als 'ungrammatisch', beispielsweise elliptisch, oder gar schlicht als falsch erscheinen.4 Doch mittels einer Mikroanalyse mündlicher Interaktion zeigt sich, dass Turns nicht willkürlich aufgebaut sind, sondern in ihrer Struktur einer Regelhaftigkeit folgen, an der sich die Gesprächsteilnehmer orientieren. 5 Ein Turn besteht aus einer oder mehreren Turnkonstruktionseinheiten. Dies sind verbale Einheiten, an deren Ende eine Turnübernahme möglich ist. Jede Turnkonstruktionseinheit wird durch eine übergangsrelevante Stelle begrenzt. Dies sind Stellen im Turn, an denen ein Sprecherwechsel möglich ist, da der Turn grammatisch, pragmatisch und intonatorisch als abgeschlossen markiert ist. Nicht immer führt das Zusammenspiel grammatischer, pragmatischer und intonatorischer Aspekte, zu denen zusätzlich noch nonverbale Aspekte wie Gestik und Mimik hinzukommen, zu einer eindeutigen Markierung einer übergangsrelevanten Stelle. Die unterschiedlichen Komponenten können auf eine Weise zusammenwirken, die gradweise Abstufungen zwischen deutlichen und weniger deutlichen übergangsrelevanten Stellen ermöglicht. Es gibt unterschiedliche Techniken der Sprecherzuweisung. Sprecherwahl kann in Form einer Fremdwahl oder Eigenwahl vor sich gehen. Im Falle einer Fremdwahl wählt einer der Gesprächsteilnehmer einen anderen der Gesprächsteilnehmer zum nächsten Sprecher. Im 4
Zum Zusammenspiel von Grammatik und Interaktion bei der Turnorganisation: S c h e g l o f f 1996, Lindström 1999. Zum Zusammenspiel von Grammatik und konversationellen Strategien: Uhmann 1997.
5
Zu neueren Untersuchungen zum Thema Turnaufbau und Turn-Taking: Ford/Thompson Lerner 1995, Manzo 1996, Selting 1998a, 1998b, Steensig in press a, b.
1996,
12 Falle einer Eigenwahl wählt sich einer der Gesprächsteilnehmer selbst zum nächsten Sprecher. Konversationsanalytische Studien haben dabei gezeigt, dass die Durchführung einer Fremdwahl durch den aktuellen Sprecher die Handlung ist, die in mündlicher Interaktion bevorzugt ist (Sacks/Schegloff/Jefferson 1974:716ff.). Wenn der aktuelle Sprecher jedoch nicht den nächsten Sprecher auswählt, besteht die relevante nächste Handlung in der Durchführung einer Eigenwahl durch einen der anderen Sprecher. Mittels dieser Techniken des Turn-Taking und der Sprecherzuweisung steht den Gesprächsteilnehmern ein Regelwerk zur Verfügung, das den Ablauf und die Struktur mündlicher Interaktion ordnet und sie in ihrer Geordnetheit den Interaktanten verständlich macht. Ein weiteres grundlegendes strukturelles Merkmal mündlicher Interaktion ist die Reparatur (Schegloff/Jefferson/Sacks 1977). Unter Reparatur wird in der Konversationsanalyse eine Handlung verstanden, die Probleme mit etwas zuvor Gesagtem markiert und mittels einer verbalen Handlung die vorhergehende Handlung revidiert. Während in schriftlicher Interaktion die Möglichkeit zur Änderung bestimmter Teile eines Satzes oder eines Textes besteht, ohne dass der Leser diesen Prozess unmittelbar nachvollziehen kann, existiert diese Möglichkeit in mündlicher Interaktion nicht. Etwas einmal Gesagtes kann nicht rückgängig gemacht werden. Reparaturen sind in mündlicher Interaktion die Marker, die anzeigen, dass im Vorhergegangenen etwas aufgetreten ist, was einer Änderung bedarf. Einer solchen Änderung muss nicht notwendigerweise objektiv betrachtet ein 'Fehler' in der Kommunikation vorausgegangen sein, beispielsweise in Form eines 'Versprechers' oder einer falschen grammatischen Form. Was in der Interaktion zu reparieren ist, entscheiden und markieren die Gesprächsteilnehmer selbst. Es gibt unterschiedliche Formen der Reparaturenorganisation 6 , die sich in Hinblick auf das Reparandum, d.h. die Komponente, die es zu reparieren gilt, und den Initiator der Reparatur unterscheiden. Hinsichtlich des Reparandums gibt es Eigen- und Fremdreparaturen. Im Falle einer Eigenreparatur repariert ein Sprecher eine von ihm selbst durchgeführte Handlung. Im Falle einer Fremdreparatur repariert ein Sprecher die Handlung eines anderen Sprechers. 7 Eine weitere Unterscheidung in der Reparaturenorganisation betrifft die Initiierung einer Reparatur. Dass etwas zu Reparierendes vorliegt, kann zum einem von dem Sprecher markiert werden, der das Reparandum produziert hat. In diesem Fall ist von einer Eigeninitiierung zu sprechen. Zum anderen kann es von einem anderen Sprecher markiert werden. In diesem Fall liegt eine Fremdinitiierung vor. Eine solche Markierung tritt oft in Form von Nachfragen oder partiellen Wiederholungen einzelner Teile der vorhergehenden Äußerung auf. 8 Aufgrund dieser Unterscheidung in Eigen- versus Fremdreparatur sowie eigeninitiiert versus fremdinitiiert lassen sich vier unterschiedliche Formen der Reparaturenorganisation in mündlicher Interaktion festhalten: eigeninitiierte Eigenreparatur, fremdinitiierte Eigenreparatur, eigeninitiierte Fremdreparatur und fremdinitiierte Fremdreparatur. Die Reparaturenorganisation ist eng verbunden mit dem Präferenzsystem in mündlicher Interaktion (Bilmes 1988, Pomerantz 1984, Sacks 1987). Präferenz ist ein Terminus, der einer
6
7 8
Zu neueren Arbeiten zur Reparaturenorganisation: Arminen 1996, Drew 1997, Jasperson 1996, Rasmussen/Wagner 2000. Zu Grenzfällen der Fremdreparatur: Schegloff 1997. Zur sequenziellen Platzierung von Reparaturen: Schegloff 1992.
Fox/Hayashi/
13 genauen Definition bedarf, da er Gefahr läuft unmittelbar im Sinne einer psychologischen Anwendung gedeutet zu werden. Doch mit dieser Bezeichnung soll keine Beschreibung eines mentalen Zustandes gegeben werden, der bestimmten Handlungen zu Grunde liegen kann. Der Präferenzbegriff steht nicht für Handlungen, die in einem psychologischen Sinne 'erwünscht' bzw. 'unerwünscht' sind. Stattdessen zielt er in konversationsanalytischer Verwendungsweise auf die Beschreibung einer bestimmten Technik des Turndesigns, an der sich die Gesprächsteilnehmer in Interaktion wechselseitig orientieren können. Es geht hierbei um die Frage, wie der Gesprächsteilnehmer seinen Turn designt und damit seinen Gesprächsteilnehmern zeigt, dass er seinen Turn als präferiert oder aber dispräferiert versteht. D.h. es geht hier nicht um das hinter der Handlung stehende mentale Konzept, sondern darum, welche Techniken der Sprecher anwendet, um seine Handlung den anderen Gesprächsteilnehmern als bevorzugte oder nicht-bevorzugte Handlung erkennbar zu machen. Eine weitere Technik, derer sich Gesprächsteilnehmer in mündlicher Interaktion bedienen, ist die Konstruktion von Kategorisierungen. Sacks führt in einer Vorlesung im Herbst 1964 den Terminus 'membership categorization device' (Sacks 1992:I:41ff.) ein. Er versteht hierunter Kategorisierungen, die Gesprächsteilnehmer in mündlicher Interaktion anwenden. Die Gesprächsteilnehmer tun dies, indem sie bestimmte soziale Kategorien wie beispielsweise Alter, Geschlecht, sozialen Status oder auch nationale Zugehörigkeit in der Interaktion konstruieren. Sacks schreibt der Technik der Kategorisierung drei wesentliche Eigenschaften zu: Sie bauen eine Mitgliedschaft auf ('membership'), sie lassen Schlussfolgerungen zu ('inference-rich') und sie sind repräsentativ ('representative') (Sacks 1992:1:41). Hinsichtlich der Etablierung einer Mitgliedschaft ist hervorzuheben, dass die Anwendung einer Kategorie in mündlicher Interaktion immer eine generalisierende Aussage über einen bestimmten Sachverhalt bedeutet. Kategorien tragen insofern zum Aufbau einer Mitgliedschaft bei, als durch sie eine bestimmte Gruppe geschaffen wird, beispielsweise die Alten oder die Jungen. In der Interaktion findet eine Aushandlung darüber statt, in welcher Relation der Gesprächsteilnehmer zu der etablierten Kategorie steht. Kategorien bauen auf einem Allgemeinwissen der Gesprächsteilnehmer auf. Mit der Kategorie 'jung' beispielsweise werden kulturell abhängig bestimmte Charakteristika verbunden. Kategorisierungen lassen somit Schlussfolgerungen über bestimmte Eigenschaften zu, die Mitgliedern dieser Kategorie zu Eigen sind. Kategorisierungen sind darüber hinaus repräsentativ, da ein Mitglied dieser Kategorie gleichzeitig stellvertretend steht für die anderen Mitglieder dieser Kategorie. Mit der Technik der Kategorisierung sind unterschiedliche Funktionen in mündlicher Interaktion verbunden. Kategorisierungen dienen zum einen der Orientierung der Gesprächsteilnehmer an bestimmten Handlungen. Zum anderen dienen sie der Systematisierung unterschiedlicher Informationen. Hinzu kommt, dass Kategorisierungen den Gesprächsteilnehmern die Etablierung einer Gruppenzugehörigkeit ermöglichen. Aufgrund der Multifunktionalität der Technik der Kategorisierung finden sich Studien zu Membership Kategorisierungen zu unterschiedlichen Aspekten mündlicher Interaktion9 wie der Stereotypenforschung (Kern 1998, List 1996), der Organisation von Interviews (Baker 1997) sowie der institutionellen Kommunikation (Nekvapil 1997).
9
Ein Überblick über den Stand der Forschung innerhalb von Kategorisierungen in mündlicher Interaktion: Hester/Eglin 1997.
14 Die Konversationsanalyse hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte zu einer der führenden Methoden innerhalb der qualitativen Mikroanalyse von 'Talk-in-Interaction' entwickelt. Dies hat in den 1990er Jahren zu Entwicklungen hinsichtlich des Untersuchungsgegenstandes 'Talk-in-Interaction' sowie zu Diskussionen über Möglichkeiten und Begrenzungen der Methode geführt, auf die im Folgenden näher eingegangen wird. Hinsichtlich des Untersuchungsgegenstandes 'Talk-in-Interaction' hat in den vergangenen Jahren eine stärkere Einbeziehung para- und nonverbaler Aspekte in die Analyse mündlicher Interaktion stattgefunden. Diese Entwicklung begann mit Studien Anfang der 1980er Jahre wie denen Kendons (1980) und Goodwins (1979, 1986), in denen die Rolle der Gestik in mündlicher Interaktion ins Zentrum des Interesses rückte. Hinsichtlich der Erforschung der Rolle nonverbaler Kommunikation in mündlicher Interaktion findet sich eine Reihe interessanter Studien, die das Zusammenspiel von Gestik und Blick in Bezug auf Turnübernahme und -konstitution genauer untersuchen (Goodwin 1999, Streeck 1994) sowie die Rolle der Gestik als Präindikator kommender verbaler Handlungen nachweisen (Streeck 1993). Hinsichtlich paraverbaler Merkmale sind die Studien von Couper-Kuhlen/Selting (1996) sowie Selting (1995) in Bezug auf die Rolle der Prosodie bei der Markierung von Turnkonstruktionseinheiten und der Vermittlung von Bedeutung in mündlicher Interaktion wegweisend. Es hat darüber hinaus eine Entwicklung innerhalb der Konversationsanalyse stattgefunden, die die Art der Kommunikation betrifft, die Gegenstand der Analyse ist. Während das Augenmerk früher primär auf der Analyse von Alltagskommunikation lag, 10 finden sich heute zahlreiche Studien, die Interaktion in professionellem Rahmen untersuchen (Drew/ Heritage 1992, Fem0 Nielsen 1997, Firth 1995, Ehlich/Wagner 1995, Wagner/Firth 1997). Eine starke Zunahme konversationsanalytischer Studien ist im Bereich der Arzt-Patientenkommunikation zu verzeichnen (Gill 1998, ten Have 1991, Heath 1992, Heritage/Sefi 1992, Heritage/Stivers 1999, Mazeland 1990, Peräkylä 1995). Ein weiterer Bereich, in dem konversationsanalytische Studien zu neuen Erkenntnissen beitragen, ist der Bereich der interkulturellen Kommunikation (s. Kap. 2.2.). In Hinblick auf den Fremdsprachenerwerb erlauben konversationsanalytische Studien Aussagen über die Bedeutung interaktiver Kompetenz für die L2-Kommunikation (Brouwer 1999, Wagner 1996). In den 1990er Jahren hat in Verbindung mit der oben skizzierten Ausweitung konversationsanalytischer Studien auf Bereiche institutioneller und professioneller Interaktion eine Diskussion eingesetzt, die die Möglichkeiten und Begrenzungen der Methode kritisch beleuchtet und damit auch zu dem Aufgabengebiet der Konversationsanalyse Stellung nimmt. Ein Ausdruck, der immer wieder mit der Konversationsanalyse in Verbindung gebracht wird, ist 'doing CA' (CA=Conversation Analysis). Hierunter wird verstanden, dass Konversationsanalyse eine Methode ist, die zum Ziel hat, mündliche Interaktion in all ihrer Vielschichtigkeit zu beschreiben. Dabei liegt das Augenmerk auf dem Aufzeigen der den verbalen Handlungen zu Grunde liegenden Regelhaftigkeit, die einen Teil des regelhaften Systems sozialen Handelns darstellt. Mündliche Interaktion wird gemäß dieser Definition demnach um ihrer selbst willen beschrieben. In den vergangenen Jahren hat eine andere Richtung innerhalb der Konversationsanalyse an Bedeutung gewonnen, die als 'using CA' bezeichnet wird. Diesem Ausdruck liegt das Verständnis zu Grunde, dass die Methode der Konversa-
10
S. aber Hinweis in Kap. 2.1.1.
15 tionsanalyse ein Mittel, eine Art Werkzeug darstellt, um mündliche Interaktion in unterschiedlichen Zusammenhängen zu beschreiben. Es finden sich andere Bezeichnungen, um diese Dichotomie von 'doing CA' und 'using CA' zu verdeutlichen. So wird auf diese Unterscheidung auch als 'pure' und 'applied' CA, also reine und angewandte Konversationsanalyse, verwiesen (ten Have 1999:162f.). Heritage beschreibt diese beiden Richtungen innerhalb der Konversationsanalyse folgendermaßen: There are, therefore, at least two kinds of conversation analytic research going on today, and, though they overlap in various ways, they are distinct in focus. The first examines the institution of interaction as an entity in its own right; the second studies the management of social institutions in interaction. (Heritage 1997:162) Die eine Richtung beschreibt Interaktion als einen Forschungsgegenstand an sich und entspricht damit der als 'rein' zu bezeichnenden Konversationsanalyse. Bei ihr steht die Beschreibung der grundlegenden Regeln mündlicher Interaktion als System sozialen Handelns im Vordergrund. Die andere versteht sich in stärkerem Maße als ein Studium der Art und Weise, wie sich die Organisation sozialer Institutionen in Interaktion manifestiert, und entspricht damit der Richtung, die als 'angewandt' bezeichnet wird. Sie ist insofern als 'angewandt' zu bezeichnen, als sie stärker als die 'reine' Konversationsanalyse von übergeordneten Fragestellungen ausgeht, wie beispielsweise Problemen in der Arzt-Patientenkommunikation oder Fragestellungen zur Interaktion am Arbeitsplatz, die dann mittels einer konversationsanalytischen Vorgehensweise untersucht werden. Die Konversationsanalyse rückt im Falle der 'angewandten' Konversationsanalyse zu einem gewissen Grad von dem ihr eigenen Konzept des Kontextes ab, indem externe Faktoren, wie das Setting oder die Gesprächsteilnehmer, im Vorhinein als bestimmend für die Interaktion isoliert werden. Hierdurch trägt die Konversationsanalyse zu Diskussionen bei, die zu grundlegenden Fragestellungen im Bereich mündlicher Interaktion aus linguistischer, aber auch anthropologischer oder soziologischer Sicht geführt werden. Insofern bedeutet eine 'angewandte' Konversationsanalyse eine Öffnung gegenüber relevanten Fragestellungen unterschiedlicher Fachrichtungen und ermöglicht somit eine Einbindung dieser Methode in einen größeren sozialen Rahmen, die dem interdisziplinären Ansatz der Anfänge der Konversationsanalyse entspricht. Eine weitere aktuelle Diskussion innerhalb der Konversationsanalyse kreist um den Aspekt der Quantifizierbarkeit der Ergebnisse konversationsanalytischer Studien (ten Have 1999:144ff„ s.a. Kap. 5.6.3.). Die Konversationsanalyse ist eine qualitative Methode, deren Analysen auf Einzelfallstudien oder Sammlungen einzelner Phänomene beruhen. Doch mit der Diskussion um die Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes geht auch eine Diskussion darüber einher, ob mittels einer konversationsanalytischen Vorgehensweise Ergebnisse zu erzielen sind, die statistische Signifikanz haben. Hierzu scheint es zwei grundlegende Haltungen zu geben. Die eine sieht in Versuchen, die Ergebnisse konversationsanalytischer Studien zu quantifizieren, eine Weiterentwicklung des methodischen Ansatzes (Heritage 1995). Die andere weist die Möglichkeit der Quantifizierbarkeit der Ergebnisse mit Verweis auf die Komplexität des Untersuchungsgegenstandes zurück (Schegloff 1993).
16 Heritage (1995) hebt die Notwendigkeit hervor, dass sich Konversationsanalytiker mit der Frage nach der Quantifizierbarkeit der Ergebnisse auseinandersetzen und Versuche unternehmen sollten, Analysen dieser Art in die Konversationsanalyse zu integrieren. Damit weist er nicht die Relevanz qualitativer Studien zurück. Doch für ihn stellt die Durchführung quantitativer Studien eine Voraussetzung dafür dar, die Frage klären zu können, inwieweit eine solche Vorgehensweise überhaupt sinnvoll ist. While CA works mainly with the interpretative 'microscope', interesting phenomena can turn up through the statistical 'telescope'. (Heritage 1995:404) In diesem Sinne bilden mikroanalytische, qualitativ ausgerichtete Studien eine notwendige Grundlage, um Erkenntnisse über die Abläufe in mündlicher Interaktion zu gewinnen, die anschließend die Grundlage quantitativ ausgerichteter Studien sein können. Schegloff (1993) weist die Forderung nach Quantifizierbarkeit konversationsanalytischer Ergebnisse zurück. Er tut dies nicht aus dem Grunde, weil er statistische Ergebnisse für irrelevant hält, sondern weil er eine Vorgehensweise, die nach den Prinzipien der Statistik vorgeht, im Bereich mündlicher Interaktion für nicht möglich hält. Jeder Versuch der Quantifizierung der Untersuchung würde mit einer Vereinfachung des komplexen Untersuchungsgegenstandes 'Talk-in-Interaction' einhergehen. Aus diesen Überlegungen heraus hebt Schegloff die Relevanz qualitativer Studien hervor, in denen er nur einen graduellen Unterschied zu quantitativen Studien sieht: ...one is also a number, the single case is also a quantity, and statistical significance is but one form of significance. (Schegloff 1993:101) Ein Ende der oben skizzierten Diskussion in Hinblick auf eine einheitliche Haltung zur Quantifizierbarkeit der Ergebnisse innerhalb der Konversationsanalyse ist nicht in Sicht. Mit der Erweiterung des Anwendungsgebietes der Konversationsanalyse auf unterschiedliche Bereiche von Alltagskommunikation über institutionelle Interaktion bis hin zu professioneller Interaktion geht, wie sich an der oben skizzierten Diskussion ablesen lässt, auch eine Veränderung der Interessen hinsichtlich des Aufgabengebietes und der Möglichkeiten der konversationsanalytischen Methode einher. Studien im Bereich der Konversationsanalyse sind aufgrund ihrer mikroanalytischen Vorgehensweise zwangsläufig in ihrem Umfang begrenzt. Doch indem mit ihrer Hilfe detaillierte Kenntnisse über bestimmte interaktive Techniken gewonnen werden können, stellen sie die notwendige Grundlage für jegliche Form weiterführender quantitativer Studien dar.
2.2.
Interkulturelle Kommunikation
Interkulturelle Kommunikation ist ein Forschungsgebiet, das ausgehend von Untersuchungen in den USA in den 1960er und 1970er Jahren (z.B. Lado 1957, Gumperz/Hymes 1972, Gumperz 1982) seit Anfang der 1980er Jahre auch in Deutschland Gegenstand wissenschaftlicher Forschung geworden ist (Rehbein 1985). Es ist ein interdisziplinäres
17
Forschungsfeld, das Fragestellungen innerhalb unterschiedlicher Fachrichtungen wie der Soziologie, Psychologie, Ethnologie, den Kommunikationswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, der Fremdsprachendidaktik und nicht zuletzt der Linguistik berührt." Eine genaue Eingrenzung des Forschungsfeldes interkulturelle Kommunikation hat sich als nicht einfach erwiesen. Dies liegt zum einen an der problematischen Abgrenzung von inter- zu intrakultureller Kommunikation. Zum anderen liegt es an dem Terminus 'Kultur' und dessen Stellenwert für die interkulturelle Kommunikation. Ein Versuch der deutlicheren Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes interkulturelle Kommunikation von anderen Formen der Kommunikation ist in der Unterscheidung in intra- und interkulturelle Kommunikation zu sehen (Apeltauer 1997, Knapp/Knapp-Potthoff 1990). Intrakulturell steht hier für die Kommunikation innerhalb einer Kulturgemeinschaft, interkulturell steht für die Kommunikation zwischen Vertretern unterschiedlicher kultureller Zugehörigkeit. Nicht immer ist eine Abgrenzung dieser beiden Arten der Kommunikation möglich. Interkulturelle Kommunikation ist demnach die interpersonale rigen verschiedener Gruppen, die sich mit Blick auf die ihren men Wissensbestände und sprachlichen Formen symbolischen sofern unterscheidet sich mierkulturelle Kommunikation nicht Kommunikation. (Knapp/Knapp-Potthoff 1990:66)
Interaktion zwischen AngehöMitgliedern jeweils gemeinsaHandelns unterscheiden. ... Inprinzipiell von i'w/rakultureller
Eine besondere Rolle bei der Unterscheidung zwischen intra- und interkultureller Kommunikation fallt dem Aspekt der Fremdsprache zu. Ein wesentliches Kriterium von IKK (interkulturelle Kommunikation A.d.V.) ist jedoch damit gegeben, daß sich einer der an der IKK beteiligten Kommunikationspartner typischerweise einer zweiten oder fremden Sprache bedienen muß, die nicht eine Varietät seiner eigenen ist. (Knapp/Knapp-Potthoff 1990:66)
Die Unterscheidung in inter- versus intrakulturelle Kommunikation hat sich insbesondere im Bereich der Fremdsprachendidaktik als wesentlich erwiesen. In anderen Bereichen wie der Psychologie, Soziologie und den Wirtschaftswissenschaften wird dem Faktor der Fremdsprache jedoch generell eine weniger zentrale Rolle eingeräumt. Neben den Versuch der Abgrenzung interkultureller von intrakultureller Kommunikation treten Versuche, den Gegenstandsbereich interkulturelle Kommunikation selbst stärker zu differenzieren. In deutschsprachiger Forschung zu interkultureller Kommunikation ist vermehrt eine Differenzierung des Gebietes zu sehen, die nicht nur der interkulturellen intrakulturelle Kommunikation gegenüberstellt, sondern eine stärkere Binnendifferenzierung des Gegenstandes interkulturelle Kommunikation anstrebt. Hierdurch werden die Grenzen zwischen inter- versus intrakultureller Kommunikation nicht aufgehoben, doch die Unterscheidung erlaubt eine gradweise Annäherung an eine der beiden Formen. Die Differenzierung beinhal11
Eine umfassende Bibliografie 1994a.
zum Thema interkulturelle
Kommunikation:
Hinnenkamp
18 tet eine Unterscheidung in nah- und fernkulturelle Verbindungen. Dieser Differenzierung liegt die Auffassung zu Grunde, dass es hinsichtlich grundlegender Konzepte innerhalb der interkulturellen Kommunikation entscheidende Unterschiede zwischen nah- und fernkulturellen Verbindungen gibt. Neuner/Hunfeld (1993) formulieren in Bezug auf den interkulturellen Ansatz im Fremdsprachenunterricht folgendermaßen: Das interkulturelle Konzept läßt sich dort am deutlichsten entwickeln, wo man eine ausgeprägte geographische, kulturräumliche Distanz und andersgeartete gesellschaftliche Verhältnisse im Vergleich zu den Zielländern vorfindet. (Neuner/Hunfeld 1993:124) Das Potenzial für Missverständnisse oder anders gesagt Kommunikationsprobleme nimmt hiernach dort zu, wo eine große geografische und kulturelle und damit einhergehend möglicherweise auch sprachliche Distanz zwischen den beteiligten Interaktionspartnern herrscht. Damit wird ein Unterschied zwischen nah- und fernkulturellen Verbindungen hervorgehoben, der auf der Annahme basiert, dass in fernkulturellen Interaktionen ein größeres Missverstehenspotenzial herrscht als in nahkulturellen. Diese These wird in anderen Studien dahingehend differenziert, dass besonders die fortgeschrittenen Fremdsprachenlerner, die in einem nahkulturellen Verhältnis zu Zielsprache und -kultur stehen, Missverständnissen ausgesetzt sind, da die Erwartungen der Muttersprachler an eine problemfreie Kommunikation in diesem Fall besonders hoch sind (Rost-Roth 1994:34). Knapp/Knapp-Potthoff verwenden in diesem Zusammenhang die Bezeichnung 'Normalitätserwartungen' (Knapp/Knapp-Potthoff 1990:67). In diesem Fall liegt eine Diskrepanz vor zwischen der sprachlichen Kompetenz und dem Wissen über den kulturellen Kode, und eben hier liegt das Potenzial für Fehlinterpretationen. Dieser Argumentation schließt sich Kotthoff (1989a:448f.) an, indem sie hervorhebt, dass die Gesprächsteilnehmer eine andere Erwartungshaltung hinsichtlich des Gelingens der Kommunikation haben, wenn es sich um Kommunikation mit einer völlig fremden Kultur statt um Kommunikation mit einer verwandten Kultur handelt. Während man im ersten Fall darauf eingestellt ist, auf Unterschiede zu treffen, besteht im zweiten Fall die Erwartungshaltung, dass man aufgrund bestehender kultureller und sprachlicher Nähe kaum auf Schwierigkeiten in der Kommunikation stoßen wird. Oksaar (1988) formuliert es stellvertretend für andere: Je besser jemand eine Sprache spricht, desto mehr wird von denen, die diese Sprache als Muttersprache haben, vorausgesetzt, dass er auch die Kultureme und Behavioreme, also die anderen, für die Kommunikation angemessenen Verhaltensweisen dieser Gemeinschaft beherrscht. (Oksaar 1988:70) Neben der Abgrenzung des Forschungsbereiches interkulturelle Kommunikation von anderen Formen der Kommunikation ist eine der grundlegenden Fragestellungen der Stellenwert der Kultur sowie die Relation zwischen Kultur, Nation und Sprache. Im europäischen Kontext und hier insbesondere in Zusammenhang mit dem Fremdsprachenerwerb bezeichnet interkulturell eine Verbindung, der eine Einheit bestehend aus Kultur, Nation und Sprache zu Grunde liegt (Knapp/Knapp-Potthoff 1990). Eine Nation spricht eine Sprache und ist Träger einer einzigen Kultur. Eine solche Definition fußt auf der Annahme, dass interkulturelle Kommunikation politisch gesehen grenzüberschreitend ist, d.h. dass sie als international zu
19 bezeichnen ist. Ferner müssen an ihr Sprecher mindestens zwei verschiedener Muttersprachen beteiligt sein oder zumindest einer der Gesprächsteilnehmer muss sich einer Sprache bedienen, die nicht seine Muttersprache ist, d.h. die Kommunikation ist als interlingual zu bezeichnen. Im Gegensatz dazu wird insbesondere in amerikanischer Forschung seit den 1990er Jahren dem Aspekt der Sprache in der Diskussion um interkulturelle Kommunikation weniger Bedeutung beigemessen (Porter/Samovar 1994). Hier wird weder die Interlingualität, die Internationalität noch die Unterscheidung in intra- und interkulturell als entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung interkultureller Kommunikation von anderen Formen der Kommunikation angesehen. Der grundlegende Unterschied zu der oben skizzierten Haltung ist in der Verbindung von Kultur an Sprache und Nation zu sehen. Anstatt an eine Nation oder einen Sprachraum wird Kultur hier an eine Gruppe geknüpft, die sowohl innerhalb als auch außerhalb derselben Nation, desselben Sprachraumes oder desselben geografischen Gebietes existieren kann. Hierdurch wird der Aspekt der Sprache darauf reduziert, ein Faktor zu sein, der die Kommunikation erschweren kann, oder - neutraler ausgedrückt - einen Einfluss auf die Kommunikation haben kann. Er ist jedoch kein konstitutiver Bestandteil, um eine Kommunikationssituation als interkulturell zu bezeichnen. Porter/Samovar definieren interkulturelle Kommunikation als etwas, was auftritt: whenever a message that must be understood is produced by a member of one culture for consumption by a member of another culture. (Porter/Samovar 1994:19) Hier wird Kultur an eine Gruppe gebunden, die ein gemeinsames Wissen und Bewusstsein teilt. Kennzeichnend für die jüngste Forschung ist Johnstone (1996), die noch einen Schritt weiter geht, indem sie hervorhebt, dass Kultur an einzelne Personen geknüpft ist, die Träger unterschiedlicher Kulturen und Sprachen gleichzeitig sein können. Sie folgert: Cultures and languages meet in individuals. (Johnstone 1996) Mit der Individualisierung des Kulturbegriffes wird bewusst Abstand genommen von der Bezeichnung interkulturell, die die Auffassung beinhaltet, dass eine Gruppe Träger einer Kultur und einer Muttersprache ist. Diese Gleichsetzung erscheint eben deshalb problematisch, da die Grenzen zwischen Muttersprache und einer oder mehrerer Zweitsprachen fließend sein können. Das gleiche gilt für die Vorstellung, dass man Teilhaber einer einzigen Kultur ist, anstatt Mitglied verschiedener Subkulturen gleichzeitig zu sein. 12 Johnstone hebt daher den Terminus 'multicultural' hervor, um das flexible, sich individuell wandelnde Konzept von Kultur zu betonen. Dieses dynamische Konzept von interkultureller Kommunikation spiegelt sich auch in neueren Ansätzen im deutschsprachigen Raum wider (Hinnenkamp 1994b). Statt von bestimmten Kulturen zu sprechen, die in interkultureller Kommunikation miteinander kommunizieren, tritt verstärkt die Bezeichnung einer 'Kommunikationsgemeinschaft' (Knapp-Potthoff 1997:194) in den Vordergrund. Dies sind:
12
Johnstone/Bean (1997) verfolgen diesen Ansatz weiter in Untersuchungen zum Verhältnis von Individualität und Sprache.
20 Gruppen von Individuen, die jeweils über durch regelmäßigen kommunikativen Kontakt etablierte Mengen an gemeinsamen Wissen sowie Systeme von gemeinsamen Standards des Wahrnehmens, Glaubens, Bewertens und Handelns - m.a.W.: Kulturen - verfügen. (Knapp-Potthoff 1997:194)
Hier wird in stärkerem Maße als bisher auf die Etablierung von Wissen hingewiesen, das in Verbindung mit gemeinsamen Konzepten der Wahrnehmung und des Handelns Kultur ausmacht. Diese Ansätze sind auch erkennbar in neueren Arbeiten zur interkulturellen Kommunikation, in denen die Konstruktion kultureller oder nationaler Zugehörigkeit als ein wesentlicher Bestandteil der Interaktion angesehen wird (Günthner 1993, Hinnenkamp 1991). Eine veränderte Sicht auf den Forschungsbereich interkulturelle Kommunikation hat Auswirkung auf das Verständnis der Art der Kompetenz, die notwendig ist, um sich in interkulturellen Kommunikationssituationen bewegen zu können. Betrachtet man die Diskussion um die notwendige Kompetenz, um mit Vertretern anderer Nationen kommunizieren zu können, aus forschungshistorischer Sicht, so ist hervorzuheben, dass in den Anfängen die Forderung nach fremdsprachlicher Kompetenz im Vordergrund steht. Indem die Verwendung einer L2 oft als ein für diese Art von Kommunikation konstitutives Element angesehen wird (Knapp/Knapp-Potthoff 1990:66), wird fremdsprachlicher Kompetenz traditionell eine große Bedeutung in dieser Art von Kommunikation beigemessen. In den 1970er Jahren setzt eine größere Fokussierung auf die kommunikativen Aspekte der Sprache ein, an die sich die Überlegung über die Fertigkeiten anschließt, derer es bedarf, um erfolgreich in interkulturellen Situationen kommunizieren zu können. Hiermit geht die Forderung nach kommunikativer Kompetenz (Hymes 1972) einher. Im Rahmen des sich in den 1980er Jahren entwickelnden interkulturellen Ansatzes setzt sich die Forderung nach verstärkter Berücksichtigung interkultureller Kompetenz durch. Besondere Bedeutung hat die Forderung nach interkultureller Kompetenz im Bereich der Fremdsprachendidaktik gefunden (Byram 1995, House 1996, Kramsch 1993, Krumm 1995, Müller 1995). Unter interkultureller Kompetenz wird Unterschiedliches verstanden.13 Zum einen kann ein kognitives Konzept dahinter stehen: eine interkulturelle Kompetenz, die mit den soziokulturellen, historischen und linguistischen Strukturen von Vorurteilen, Interferenzen und Assoziationen bewußt umzugehen weiß... . (Opitz 1997a:7)
In dieser Darstellung ist das Wissen um Vorurteile, Interferenzen und Assoziationen eine feste Größe, die die Kommunikation in vorhersehbarer Weise beeinflusst. Zum anderen kann eine Definition interkultureller Kompetenz auch ein dynamisches Konzept bezeichnen, das stärker den Aspekt des Aufbaus von Gruppenzugehörigkeit und das Lösen von Problemen mittels bestimmter Strategien in den Vordergrund stellt. Interkulturelle Kommunikationsfähigkeit ist die Fähigkeit, mit Mitgliedern fremder Kommunikationsgemeinschaften ebenso erfolgreich Verständigung zu erreichen wie mit denen der eigenen, dabei die im einzelnen nicht genau vorhersehbaren, durch Fremdheit verursachten
13
Einen Überblick über den neueren Stand der Forschung bietet: Jaeger 1995.
21 Probleme mit Kompensationsstrategien zu bewältigen und neue Kommunikationsgemeinschaften aufzubauen. (Knapp-Potthoff 1997:196)
Diese stärkere Berücksichtigung interaktiver Aspekte in interkultureller Kommunikation ist zurückzuführen auf Studien, die die Notwendigkeit interaktiver Kompetenz in interkultureller Kommunikation herausstellen (Rasmussen 1996, Wagner 1998). In ihnen wird aufgezeigt, wie Bedeutung in Interaktion lokal ausgehandelt wird. Dies stellt somit Ansätze in Frage, die Aspekte wie Kultur, Nation und Sprache als externe Faktoren betrachten, die einen konstanten, vorhersehbaren Einfluss auf die Kommunikation haben. Oksaar führt in diesem Zusammenhang die Bezeichnung 'interaktionale Kompetenz' ein, die ihrer Definition zufolge "die Produktions- und Interpretationskompetenz" beinhaltet, also die Fähigkeit, verbale, parasprachliche, nonverbale und extraverbale Handlungen zu vollziehen und zu interpretieren, gemäß den soziokulturellen und soziopsychologischen Regeln der Gruppe. (Oksaar 1991:14)
Obige Definitionen stellen heraus, dass Kultur kein statischer Faktor ist, der die interkulturelle Kommunikation vorhersehbar auf ein und dieselbe Weise beeinflusst, sondern stattdessen ein Faktor ist, der von den Gesprächsteilnehmern selbst ausgehandelt und in der Interaktion relevant gemacht wird. Betrachtet man die hier behandelten unterschiedlichen Arten von Kompetenz, die in interkultureller Kommunikation eine Rolle spielen, so bleibt festzuhalten, dass es Unterschiede gibt hinsichtlich der Relevanz dieser Kompetenzen in unterschiedlichen Formen der Kommunikation. Fremdsprachliche und interkulturelle Kompetenz sind Kompetenzen, die spezifisch für den Untersuchungsgegenstand interkulturelle Kommunikation sind. In intrakultureller Kommunikation wird diesen Kompetenzen aufgrund des gemeinsamen Wissens der agierenden Kulturgemeinschaft keine Bedeutung zugemessen. In der Forderung nach interaktiver Kompetenz ist eine Entwicklung zu sehen, in der eine Trennung zwischen inter- und intrakultureller Kommunikation nicht von Belang ist. Interaktive Kompetenz ist nicht an interkulturelle Kommunikation gebunden, sondern stellt, ebenso wie kommunikative Kompetenz, eine Fertigkeit dar, die an die Fähigkeit zur Kommunikation im Allgemeinen gebunden ist. In der aktuellen Diskussion um die Kompetenz, die für das Gelingen interkultureller Kommunikation notwendig ist, steht nicht die Frage im Vordergrund, inwiefern die eine oder andere Form der Kompetenz als die allein entscheidende in interkultureller Kommunikation anzusehen ist. Stattdessen liegt das Augenmerk darauf, das Wissen über das Zusammenspiel der unterschiedlichen Kompetenzen in Abhängigkeit von der konkreten interkulturellen Kommunikationssituation zu erweitern (Kramsch 1996). Mittels empirischer Studien wird versucht, dieses Zusammenspiel genauer zu untersuchen. Hierbei lassen sich im Bereich interkultureller Kommunikation zwei Konzepte erkennen, die Untersuchungen in diesem Forschungsgebiet zu Grunde liegen. Es handelt sich um einen kontrastiv-pragmatischen sowie um einen interaktionalen Ansatz. Diese beiden Ansätze schließen einander nicht aus, gerade im deutschsprachigen Bereich interkultureller Kommunikation ist in zahlreichen Studien eine Kombination beider Ansätze festzustellen (Günthner
22 1993, Kotthoff 1989a, 1989c). Kotthoff (1994) warnt in diesem Zusammenhang vor einer zu eng interaktional-mikroanalytisch ausgerichteten Beschreibungsweise interkultureller Kommunikation, da sie in der Nicht-Berücksichtigung der Kontextfaktoren der Kommunikation die Gefahr sieht "kulturelle Prägungen gänzlich zu unterschlagen" (Kotthoff 1994:76). Auch Blommaert (1991:30) hebt die Notwendigkeit einer Einbeziehung sowohl der Makroais auch der Mikroebene bei der Analyse interkultureller Kommunikation hervor. Ein kontrastiv-pragmatischer Ansatz ist besonders in den Anfängen der Forschung zu interkultureller Kommunikation zu verzeichnen. Dieser Ansatz liegt auch einem Großteil von Trainingsprogrammen zu interkultureller Kompetenz (Andersen 1997, Gorski 1996, Opitz 1997b) und Anleitungen zu interkulturellem Management zu Grunde (Bergemann/Sourisseaux 1996). Untersuchungen dieser Art basieren auf der Annahme, dass Unterschiede im kommunikativen Verhalten zwischen Vertretern unterschiedlicher Kulturen die Grundlage für entstehende Missverständnisse bilden (Hofstede 1982, Knapp/Knapp-Potthoff 1990). Daher wird es als das zentrale Anliegen in der Forschung zu interkultureller Kommunikation angesehen, diese Unterschiede entweder ganz abzuschaffen oder sie den Gesprächsteilnehmern bewusst zu machen, um damit dem Entstehen von Problemen in der Kommunikation entgegenzuwirken. Ein Abschaffen oder Bewusstmachen der Unterschiede stellt somit die Voraussetzung zu 'problemfreier' interkultureller Kommunikation dar. Die hierzu notwendige Fertigkeit, interkulturelle Kompetenz, sollen die Gesprächsteilnehmer erlangen, indem ihnen ein Wissen über kulturelle Unterschiede vermittelt wird bzw. eine Sensibilisierung gegenüber der vermeintlich anderen Kultur erreicht wird (Krusche 1983). Diese Überlegungen führen in einem Teil der Untersuchungen zu einer Auflistung vermeintlicher Unterschiede im kommunikativen Verhalten zwischen verschiedenen Kulturen. Mittels handlungsanweisender Regelwerke werden Wege zum 'richtigen' kommunikativen Verhalten aufgezeigt (Rasmussen 1993). In einem ersten Schritt werden die Unterschiede erkennbar gemacht, danach werden sie aus ihrem Kontext herausgelöst, um anschließend in Form eines Regelwerkes instrumentalisierbar gemacht zu werden. Einer kontrastiv-pragmatischen Vorgehensweise ist in den vergangenen Jahren verstärkt ein interaktiv ausgerichteter Ansatz entgegengestellt worden. Hier steht die Analyse der Interaktion selbst im Vordergrund. Moerman (1988) weist auf die Notwendigkeit der detaillierten Analyse von Kommunikation hin, um etwas über Kultur zu erfahren: We cannot help but finding our own culture, or any other, by closely examining its talk. (Moerman 1988:199) Interaktiv ausgerichtete Untersuchungen zu nahkulturellen Verbindungen haben in diesem Zusammenhang gezeigt, dass interkulturelle Kommunikation trotz vermeintlich kulturell bedingter Unterschiede oftmals funktioniert. Wie Rasmussen (1996) anhand deutschdänischer und dänisch-französischer Daten zeigt, scheint ein Charakteristikum derartiger interkultureller Kommunikation die Orientierung der Gesprächsteilnehmer an den Funktionen einzelner Kommunikationssequenzen über potenziell kulturgeprägte Unterschiede hinweg zu sein. Die lokale, interaktive Aushandlung von Bedeutung ermöglicht kulturgeprägte Unterschiede abzufangen. Dies bedeutet, dass es die Strategien zum Nicht-Entstehen von Problemen sind, die trotz möglicher bestehender kulturgeprägter Unterschiede die interkulturelle Kommunikation kennzeichnen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass es für das Ver-
23 ständnis der interaktiven Abläufe in interkultureller Kommunikation von entscheidenderer Bedeutung ist, die von den Gesprächsteilnehmern verwendeten interaktiven Ressourcen aufzuzeigen als auf die dem kommunikativen Verhalten zu Grunde liegenden vermeintlichen Unterschiede zu fokussieren. Lerner beschreibt die Resultate einer solchen Vorgehensweise (in Bezug auf ein instruktives Setting) folgendermaßen: The research result of this reformulation is not a stock of shared knowledge or list of competencies, but a description of interactional practices that produce the opportunities and possibilities for participation in instructional activities. (Lerner 1995:111) Hiermit hebt er hervor, dass eine interaktive Vorgehensweise nicht zu einer Auflistung verschiedener Kompetenzen, sondern zu einer Beschreibung der der Interaktion zu Grunde liegenden Praktiken führt. In den vergangenen Jahren sind mehrere Untersuchungen zur interkulturellen Kommunikation erschienen, die mittels einer interaktiven Vorgehensweise die Abläufe in interkultureller Kommunikation zu beschreiben versuchen (Kjaerbeck 1998, List 1996, Rasmussen 1996, Schmitt/Keim 1995, Scollon/Scollon 1995, Wagner 1998). Sie tragen dazu bei, ein differenzierteres Bild über die Abläufe in interkultureller Kommunikation zu erhalten und das Verständnis über die Techniken, die den Handlungen der Gesprächsteilnehmer zu Grunde liegen, zu erweitern.
3. Die empirische Untersuchung
Im Folgenden werden die grundlegenden Überlegungen hinsichtlich der Konzeption der empirischen Untersuchung und des verwendeten Datenmaterials dargelegt.
3.1.
Konzeption
Die folgende Untersuchung konzentriert sich auf drei Ebenen mündlicher Interaktion: die lexikalische, die sequenzielle und die aktivische. Auf jeder dieser Ebenen wird die Realisierung eines bestimmten Phänomens mittels einer spezifischen Technik beschrieben. Die Analyse besteht somit aus drei Studien unterschiedlicher Phänomene, die jeweils eine Technik zur strukturellen Markierung von Dissens repräsentieren. Es wurde gewählt, die drei Einzelstudien in folgender Reihenfolge anzuordnen: Die Analyse beginnt mit dem Kapitel zur Konstruktion von Dissens auf lexikalischer Ebene, daran schließt sich Dissenskonstruktion auf sequenzieller Ebene an und abschließend folgt das Kapitel zur Dissenskonstruktion auf aktivischer Ebene. Dieser Anordnung liegt die Überlegung zu Grunde, dass damit von einer minimalen kommunikativen Einheit, dem Lexem, ausgegangen wird, der sich dann eine größere kommunikative Einheit, die der Sequenz, anschließt. Mit der Fokussierung auf die Aktivität steht im letzten Analysekapitel eine Größe im Zentrum, die nicht als eine kommunikative Einheit wie ein Lexem oder eine Sequenz zu bezeichnen ist. Eine Aktivität ist das Resultat bestimmter interaktiver Techniken, die die Gesprächsteilnehmer anwenden und die mithilfe unterschiedlicher kommunikativer Einheiten realisiert werden. 1 Ein Grund für die Wahl dieser Phänomene ist darin zu sehen, dass sie von der Forschung bisher kaum zur Kenntnis genommen worden sind. Dies gilt sowohl für intra- wie auch fiir interkulturelle Kommunikation. Bloß an turneröffnender Position ist in neueren Studien zu mündlicher Interaktion am Rande erwähnt worden, es fehlt jedoch an Untersuchungen, die auf die disjunktive Funktion dieser Positionierung eingehen (Auer 1997, Eroms 1995, Zifonun et al. 1997:2423). Hinsichtlich des Phänomens der Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung lässt sich festhalten, dass dieses Phänomen bislang noch nicht Gegenstand einer umfassenden Untersuchung gewesen ist. Es gibt eine Reihe von Studien zu englischen Daten, die die Konstruktion kollaborativer Turnbeendigungen im Allgemeinen untersuchen (Lerner 1987, 1993) bzw. einzelne Aspekte gesondert analysieren (Szczepek 2000a, 2000b). Eingehende Studien anhand deutschsprachiger Daten liegen hierzu jedoch nicht vor (s. jedoch Günthner 1996). Hinsichtlich des Phänomens des Unterlassens von Kopartizipation in Sequenzen mit stereotypen Wendungen lässt sich anmerken, dass auch dieses Phänomen bisher
1
Hiermit entsprechen die drei unterschiedlichen Phänomene den drei Bereichen, zu denen k o n versationsanalytische Studien nach Pomerantz beitragen können: 1. characterization of the action, 2. proposal of methods und 3. proposals of sequential and interactional features (Pomerantz 1990:23 If.).
25 von der Forschung nicht beschrieben worden ist. Hier ist die vorliegende Studie als ein Beitrag zu der aktuellen Stereotypenforschung zu sehen, deren Ziel es ist, die interaktiven Funktionen von Stereotypen näher zu beleuchten. In der vorliegenden Studie wurde gewählt, die Analysen anhand von Sammlungen einzelner Phänomene durchzuführen (Sacks 1984a:27). Die Sammlung zu dem Phänomen bloß als disjunktive Tumeröffnung besteht aus 14 Belegen. Die Sammlung zu dem Phänomen der Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung besteht aus 56 Belegen und die Sammlung zum Unterlassen von Kopartizipation in Sequenzen mit stereotypen Wendungen besteht aus 13 Belegen.2 Die unterschiedliche und zum Teil kleine Anzahl von Belegen zu den einzelnen Phänomenen mag die Frage aufwerfen, welcher Zweck mit der Erstellung einer Sammlung verfolgt wird. Es gilt in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass mittels einer Sammlung keine Quantifizierbarkeit der Ergebnisse erreicht werden soll, um somit den Resultaten statistische Signifikanz zusprechen zu können (s. hierzu die Diskussion in Kap. 2.1.2). Stattdessen ermöglicht die Erstellung einer Sammlung ein genaueres Aufzeigen der Regelhaftigkeit bestimmter Techniken. Eine Sammlung bietet darüber hinaus die Möglichkeit, abweichende Fälle des zu untersuchenden Phänomens in die Analyse einzubeziehen (Hutchby/Wooffitt 1998:95-98). Dies erlaubt wiederum Rückschlüsse auf die dem Phänomen eigene Regelhaftigkeit.
3.2.
Daten
Es handelt sich bei den den Analysen zu Grunde liegenden Daten um Daten, die aus einer authentischen Verhandlungssituation stammen. Zu ihrer Erhebung wurde kein besonderes Treffen der Gesprächsteilnehmer arrangiert, ein besonderes Setting geschaffen oder eine Auswahl der Gesprächsteilnehmer in Hinblick auf bestimmte Aspekte wie beispielsweise fremdsprachliche Kompetenz oder ähnliches vorgenommen. Den Gesprächsteilnehmern wurde vor Beginn der Aufnahmen lediglich mitgeteilt, dass die Daten im Rahmen einer Untersuchung zur interkulturellen Kommunikation eingesammelt wurden. Die Daten wurden vom Frühsommer bis Herbst 1997 eingesammelt und der Hauptteil der Daten stammt aus einem interkulturellen, professionellen Setting. Sie sind als interkulturell zu bezeichnen, da in ihnen Vertreter unterschiedlicher Nationen unter Verwendung einer Fremdsprache miteinander kommunizieren. Man kann die Daten darüber hinaus als nahkulturell bezeichnen, da die Gesprächsteilnehmer Nationen angehören (Deutschland - Dänemark), die einander kulturell, sprachlich und geografisch gesehen nahe stehen. Dieser Aspekt wird insbesondere im Kapitel über die Bedeutung der vorliegenden Studien für die interkulturelle Kommunikation Berücksichtigung finden (s. Kap. 7). Die Daten sind ferner als professionell zu bezeichnen, da sie aus Aufnahmen verschiedener Sitzungen zwischen Vertretern zweier Unternehmen bestehen, die im Bereich Medien tätig sind. Den Sitzungen liegt jeweils eine bestimmte Tagesordnung zu Grunde, die zwar selten explifiziert wird, die aber die Länge und den Ablauf der Sitzungen implizit steuert. 2
Die Sammlungen befinden sich im Anhang: Daten.
26 Es handelt sich um insgesamt drei unterschiedliche Verhandlungen. An zwei von ihnen sind sowohl Deutsche als auch Dänen beteiligt, die dritte ist eine Sitzung, an der ausschließlich Dänen teilnehmen. In den ersten beiden Sitzungen ist die Verhandlungssprache Deutsch. Von den insgesamt vier Teilnehmern haben zwei Deutsch als Muttersprache, die anderen beiden sprechen Deutsch als Fremdsprache. Der eine der beiden spricht Deutsch fließend mit nahezu muttersprachlicher Kompetenz, der andere verwendet Deutsch in einem professionellen Rahmen erst seit wenigen Monaten. Sein Deutsch ist als relativ fließend, aber stark fehlerhaft zu bezeichnen. An der zweiten Sitzung nehmen drei der vier Teilnehmer aus der ersten Sitzung teil. Die dritte Sitzung unterscheidet sich insofern von den beiden vorhergehenden, als an ihr ausschließlich Dänen beteiligt sind und folglich auf Dänisch verhandelt wird. Von den hier beteiligten drei Personen hat lediglich einer an den beiden vorherigen Sitzungen teilgenommen. Die verwendeten Daten stammen aus einem Korpus, das aus Videoaufnahmen besteht. Die Dauer der Aufnahmen beträgt insgesamt ca. 9 Stunden und 12 Minuten. Zwei Kameras mit unterschiedlichem Winkel und zwei unterschiedlichen Objektiven ermöglichen einen Blick auf alle Gesprächsteilnehmer. Dies war notwendig zur Einbeziehung nonverbaler Aspekte in die Analyse in den Fällen, in denen dies zum Verständnis der Sequenz relevant erschien. Der Ton der Daten ist vollständig digitalisiert worden, wodurch eine genauere Transkription insbesondere in Hinblick auf paraverbale Merkmale wie Prosodie und Pausenlänge erreicht wurde. Hinsichtlich der gewählten Transkriptionsweise gilt es vorauszuschicken, dass jede Transkription eine Interpretation darstellt. Dies ist keine neue Erkenntnis, doch scheint ihre Nennung in Verbindung mit einer Untersuchung notwendig, deren Analysen in hohem Maße auf diesen Transkriptionen beruhen. Mittels einer konversationsanalytischen Transkriptionsweise wird angestrebt, mikroanalytisch einen Großteil der die Interaktion bestimmenden Komponenten in die Transkription einzubeziehen. So finden neben verbalen Aspekten para- und nonverbale Aspekte Berücksichtigung, Pausen werden in einer Länge von Zehntelsekunden gemessen. Damit ist ein hohes Maß an Präzision erreicht. Dennoch gilt es, sich immer wieder vor Augen zu führen, dass hiermit trotz des Versuchs größter Detailtreue eine Auswahl vorgenommen wird und bestimmte Aspekte notwendigerweise außer Acht gelassen werden. Daher ist die wiederholte Einbeziehung der Primärdaten ein integrativer Bestandteil der Analysearbeit. Von dem vorliegenden Datenmaterial sind insgesamt ca. 2 Stunden und 46 Minuten transkribiert worden. Hiervon fallen gut 95 Minuten auf die erste Sitzung, 41 Minuten auf die zweite und ca. 30 Minuten auf die dritte. Die aus diesen Transkriptionen entstandenen Sammlungen bilden die Grundlage für die den drei Analysekapiteln zu Grunde liegenden interaktiven Phänomene. Eine Liste der Transkriptionskonventionen, die dem von Jefferson entwickelten System folgen (Atkinson/Heritage 1984:IX-XVI), befindet sich im Anhang. Neben der kompletten Sammlung der Daten, auf denen die Analysen beruhen, findet sich dort außerdem eine englisch-deutsche sowie eine deutsch-englische Liste der verwendeten Terminologie.
4. Zur interaktiven Konstruktion von Dissens auf lexikalischer Ebene: bloß als disjunktive Turneröffnung
Das folgende Kapitel behandelt die interaktive Konstruktion von Dissens auf lexikalischer Ebene. Nach einleitenden Überlegungen zu Fragen der Terminologie und zum Untersuchungsgegenstand werden die zentralen Fragestellungen erläutert. Daran folgend wird ein Überblick über die Darstellung von bloß in ausgewählten deutschen Grammatiken gegeben. Es schließen sich Analysen zur turneröffnenden Positionierung von bloß an. Nach einer Darstellung des sequenziellen Kontextes, in dem sich bloß in turneröffnender Position befindet, folgen Untersuchungen zu den Elementen, die der Konjunktor bloß miteinander verbindet. Diesen Ergebnissen werden Untersuchungen zur turninternen Positionierung von bloß gegenübergestellt und hinsichtlich ihrer interaktiven Funktion miteinander verglichen. In einem letzten Schritt wird der Aspekt der Muttersprachlichkeit versus Fremdsprachlichkeit hinzugezogen. Die Ergebnisse der vorherigen Kapitel (4.4., 4.5.) werden mit Auszügen verglichen, in denen ein fremdsprachlicher Sprecher Produzent des Turns mit bloß an turneröffnender Position ist.
4.1.
Untersuchungsgegenstand und zentrale Fragestellungen
In Abgrenzung zur sequenziellen und aktivischen Ebene wird unter lexikalischer Ebene verstanden, dass ein bestimmtes Lexem für die Konstruktion von Dissens in einem spezifischen sequenziellen Kontext relevant ist. Dies heißt nicht, dass ein bestimmtes Lexem kontextunabhängig generell zur Konstruktion von Dissens beiträgt bzw. es ihn allein überhaupt erst konstituiert. Der Dissens ist nicht ausschließlich an dieses Lexem gebunden. Dasselbe Lexem kann in verschiedenen sequenziellen Kontexten auftauchen und hier auch unterschiedliche Aktivitäten vollführen. Der Dissens ist konstitutiv mit diesem Lexem verbunden, doch darüber hinaus müssen bestimmte sequenzielle Gegebenheiten erfüllt sein, damit diesem Lexem die dissenskonstituierende Qualität zugewiesen werden kann. Es ist ein Ziel der vorliegenden Untersuchung, den sequenziellen Kontext, in dem ein solches Lexem platziert ist, zu beschreiben. Die Bezeichnung einer Sequenz als Dissenssequenz aufgrund einer bestimmten lexikalischen Größe liegt demnach darin begründet, dass zwar das Lexem nicht generell eine dissensstiftende Qualität hat bzw. haben muss, dass ihm aber in dem zu beschreibenden sequenziellen Kontext diese Funktion nachzuweisen ist. Weder das Lexem noch der sequenzielle Kontext können losgelöst voneinander als dissenskonstituierend betrachtet werden. Die dissensstiftende Wirkungsweise wird ermöglicht durch die Positionierung des Lexems in seinen sequenziellen Kontext. Eine auch nur annähernd erschöpfende Behandlung der Konstruktion von Dissens auf einer lexikalischen Ebene würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Daher ist eine Eingrenzung
28 des Forschungsgegenstandes unumgänglich. Eine jede Begrenzung auf ein einzelnes Lexem wirft jedoch unweigerlich die Frage nach den verwendeten Auswahlkriterien auf, auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll. Das im Folgenden genauer zu beschreibende Lexem ist bloß. Folgende Gründe lassen sich für die Wahl von bloß anführen. Zum einen fällt bei der Beschäftigung mit den Daten die häufige Verwendung von bloß auf. Auffallig ist insbesondere dessen Positionierung. In der überwiegenden Zahl der Fälle, die gefunden wurden, steht bloß turneröffnend. Diese Positionierung muss als relativ wenig untersucht betrachtet werden, da bloß den meisten Grammatiken zufolge als reine Mittelfeldeinheit beschrieben wird.1 Hinsichtlich seiner semantischen Qualität wird bloß überwiegend eine adversative Bedeutung zugeschrieben (Zifonun et al. 1997:2423). Stärker jedoch als eine rein adversative Bedeutung, die eine einschränkende jedoch weiterhin enge Verbindung an das Vorhergehende beschreibt, lässt sich in den vorliegenden Daten der turneröffnenden Positionierung von bloß eine disjunktive Funktion zuschreiben, d.h. dass die Verbindung zu dem Vorhergehenden gelöst wird. Zum anderen wurde bei einem Durchblick verschiedener Grammatiken deutlich, dass bloß in turneröffnender Position und mit konnektiver Funktion dort recht stiefmütterlich behandelt wird (s. Kap. 4.2.). Mit Verweis auf dessen umgangssprachliche Qualität und dessen semantische Nähe zu nur wird bloß, wenn es überhaupt Erwähnung findet, nur am Rande beschrieben. Daher erscheint eine Analyse von bloß wünschenswert, die die Struktur mündlicher Interaktion berücksichtigt. Darüber hinaus scheint die enge Verwobenheit von konsens- und dissensorientierten Turns im sequenziellen Kontext von bloß in turneröffnender Position interessant, da sie Aufschlüsse über die interaktive Struktur von dissens- und konsensorientierten Handlungen zulässt. Das im Folgenden zu analysierende Phänomen wird an unten stehendem Auszug veranschaulicht. Auszug (Al) S: -hh b l o s s w a s h a t das m i t u n s e r m p r o G R A M M zu tun. Bloß steht hier an turneröffnender Position. Ihm geht ein hörbares Einatmen voraus, das den anderen Gesprächsteilnehmern als Orientierung an einem kommenden Turn dienen kann. Der Tum, den bloß einleitet, besteht aus einer Turnkonstruktionseinheit. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, auf welche Weise sich die Gesprächsteilnehmer an einem turneröffnenden bloß orientieren und in welchem sequenziellen Kontext sich ein turneröffnendes bloß befindet. Hieran schließt sich die Frage nach den Auswirkungen einer solchen Konstruktion auf die Interaktion an. Bevor im Detail auf die zentrale Fragestellung eingegangen wird, folgen zunächst noch einige definitorische Anmerkungen zur verwendeten Terminologie. In Anlehnung an die bei Zifonun et al. (1997) verwendete Terminologie werden im Folgenden die Termini 'Konjunk-
1
Zumeist wird bloß der Gruppe der "Abtönungspartikeln" zugeordnet, die "reine Mittelfeldeinheiten" sind (Zifonun et al. 1997:1210). In den letzten Jahren ist jedoch verstärkt die Platzierung von bloß im Vor-Vorfeld berücksichtigt worden: Auer (1997), Eroms (1995).
29 tor' und 'Konjunkt' verwendet. 2 Es gäbe andere Zugänge zur Beschreibung der sequenziellen Einbettung von bloß, wie in Kapitel 4.2. kurz aufgezeigt wird. Die Begründung für die Wahl dieser Termini liegt in der Tatsache, dass mittels dieser Begriffe eine Beschreibung sowohl des retrospektiven Aspektes als auch des progressiven Aspektes von bloß möglich ist. Dem Begriff 'Konjunktor' liegt sowohl etwas retrospektiv zu Verbindendes als auch etwas projizierbar Kommendes zu Grunde. Dieser Aspekt ist für die Analyse relevant. Ein Konjunktor ist eine sprachliche Einheit, deren Funktion die Konstruktion sprachlicher Koordination ist. Ein Konjunktor verbindet mindestens zwei sprachliche Größen miteinander. Er verdeutlicht deren semantische Beziehung zueinander und nimmt topologisch gesehen eine Position im Vor-Vorfeld ein. Ein Konjunkt bezeichnet eine der mindestens zwei Größen, die mittels des Konjunktors miteinander verbunden werden. Die durch den Konjunktor verbundenen Größen können sowohl sprachliche Minimaleinheiten als auch einzelne Wörter, Sätze oder vollständige Turns sein (Zifonun et al. 1997:2387). In diesem Zusammenhang scheint eine weitergehende Unterscheidung in Turn und Turnkonstruktionseinheit notwendig. 3 Wenn der Konjunktor als erstes und zweites Konjunkt Einheiten miteinander verbindet, die jeweils aus einer einzigen Turnkonstruktionseinheit bestehen, kann von einem Zusammenfall von Turnkonstruktionseinheit und Turn gesprochen werden. A: Das Thema der Frauen ist schon ein bewegendes Thema. B: N u r für mich zeigt sich da im Moment kein Lösungsansatz. (Zifonun et al. Auszug leicht verändert)
1997:2422,
Erstes Konjunkt ist in obigem Beispiel Das Thema der Frauen ist schon ein bewegendes Thema, das zweite Konjunkt ist für mich zeigt sich da im Moment kein Lösungsansatz. Beide Konjunkte stellen jeweils einen separaten Turn dar und bestehen aus einer Turnkonstruktionseinheit. Folglich ist hier von einem Zusammenfall von Turnkonstruktionseinheit und Turn zu sprechen. Doch in einer Vielzahl von Fällen besteht der mit dem Konjunktor in Beziehung stehende Turn aus mehr als einer Turnkonstruktionseinheit. So beispielsweise in folgendem Auszug: Auszug (A2 vereinfacht)
1 S: na- okay- es war- (.) trotz alle des (.) der 2—> effekt is der gleiche, [bloss das würde nich das mä3 P: [ja: . 4 S : magazin so auseinander- das bricht ja euer ganzes maga[zin auseinander, dieses schild. 5 2
3
Vergleichbar mit dieser Verwendung ist die Bezeichnung 'adversative Konnektive' für 'aber' und 'sondern' bei Kunzmann-Müller (1989). Unter Turnkonstruktionseinheit wird ein Teil einer sprachlichen Äußerung verstanden, der durch einen möglichen Sprecherwechsel an Anfang und Ende begrenzt ist. Die Stellen, an denen ein Sprecherwechsel möglich ist, werden als übergangsrelevante Stellen bezeichnet. In die Definition übergangsrelevanter Stellen spielen unterschiedliche Faktoren hinein (semantische, syntaktische, intonatorische, non-verbale, pragmatische), die den Grad der Eindeutigkeit der übergangsrelevanten Stelle prägen. Zur neueren Diskussion um 'Turnkonstruktionseinheit' und 'übergangsrelevante Stelle': Ford/Thompson (1996), Lerner (1996b), Schegloff (1996).
30 In obigem Auszug verbindet der Konjunktor bloß zwei Konjunkte miteinander, die aus mehreren Turnkonstruktionseinheiten bestehen. Hier kann es relevant sein festzustellen, welche Turnkonstruktionseinheit innerhalb des gesamten Turns genau das mögliche Konjunkt darstellt. Dies kann besonders in den Fällen von Bedeutung sein, in denen eine turnübergreifende Funktion des Konjunktors vorliegt. Wird im Folgenden von einem Konjunkt in Bezug auf einen gesamten Turn gesprochen, stellt dies daher eine Vereinfachung in dem Falle dar, in dem der Turn aus mehr als einer Turnkonstruktionseinheit besteht. In den Fällen, in denen es für die Analyse relevant erscheint, wird hier eine genauere Differenzierung angestrebt. In der Analyse wird das Hauptaugenmerk auf den folgenden drei Aspekten liegen: 1) der sequenziellen Platzierung des Konjunktors bloß, 2) dem ersten Konjunkt, welches mithilfe des Konjunktors bloß angebunden wird, und 3) dem zweiten Konjunkt. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Zentrum: Es soll untersucht werden, inwieweit der Verwendung des Konjunktors bloß in turneröffnender Position eine sequenzielle Geordnetheit zu Grunde liegt. Eine derartige Geordnetheit würde Projektionen hinsichtlich der Aktivitäten zulassen, die im zweiten Konjunkt durchführbar sind. Außerdem sollen die Art des Verhältnisses zwischen dem Konjunktor und dem ersten Konjunkt sowie das Verhältnis vom ersten zum zweiten Konjunkt näher beleuchtet werden. Ferner steht die Frage im Vordergrund, ob sich Unterschiede zwischen turninterner und turneröffnender Verwendung des Konjunktors bloß hinsichtlich seiner sequenziellen Positionierung und Funktion aufzeigen lassen. Schließlich wird in einem letzten Schritt der Frage nachgegangen, ob sich bei einem Vergleich von Sequenzen mit bloß an turneröffnender Position in Abhängigkeit von der mutter- resp. fremdsprachlichen Kompetenz der Produzenten Unterschiede im sequenziellen Aufbau und in der Funktion dieser Sequenzen ergeben. Ein solcher Vergleich ermöglicht Überlegungen zu Fragestellungen im Bereich fremdsprachlicher, interaktiver und interkultureller Kompetenz. Vor der Analyse der sequenziellen Positionierung und Funktion von bloß in turneröffhender Position wird ein Überblick über die Darstellung von bloß in ausgewählten Grammatiken gegeben.
4.2.
Zur Beschreibung von bloß in deutschen Grammatiken
Im folgenden Kapitel steht die Beschreibung von bloß in verschiedenen deutschen Grammatiken im Zentrum. Dabei lässt sich vorausschicken, dass es an einer ausführlichen Beschreibung von bloß an turneröffnender Position fehlt. Es mangelt insbesondere an Ansätzen, die die mündliche Interaktion berücksichtigen. Bloß lässt sich, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, verschiedenen Wortarten zuordnen. Dies führt dazu, dass es teilweise zu Überschneidungen bzw. problematischen Abgrenzungen bei der Beschreibung von bloß kommt. Ein Ansatz zur Beschreibung von bloß ist in der Beschreibung von bloß als Diskursmarker zu sehen. In diesem Bereich gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Termini. Man spricht von 'Gliederungssignalen' (Gülich 1970), 'Sprechhandlungsaugmenten' (Rehbein
31 1979) und'discourse markers' (Jucker/Smith 1998, Schiffrin 1987). All diesen Termini ist gemein, dass sie diesen sprachlichen Elementen eine Steuerungsfunktion sowohl retrospektiv als auch auf die kommende kommunikative Einheit hin zuweisen. Fraser (1996) verwendet den Terminus 'pragmatic markers' als Oberbegriff, unter den er die 'discourse markers' einreiht. Hier unterscheidet er vier verschiedene Arten von 'discourse markers', von denen eine die der 'contrastive markers' ist. Sie signalisieren, that the utterance following is either a denial or a contrast of some proposition associated with the preceding discourse. (Fraser 1996:187) Zu den 'contrastive markers' zählt Fraser neben 21 weiteren but, instead und however. Die potenzielle Ähnlichkeit zu Diskursmarkern wie bloß liegt nahe, doch es fehlt bisher für das Deutsche an Studien, die diese in mündlicher Interaktion eingehend untersuchen. Ein zunehmendes Interesse an Fragen, die der Funktion von Diskursmarkern in mündlicher Interaktion nachgehen, ist jedoch nachweisbar. Dies zeigt sich beispielsweise an Untersuchungen von Günthner zu obwohl (Günthner 1999) und Gohl/Günthner (1999) zu weil sowie Untersuchungen zur Entwicklung von Subordination zur Koordination (Günthner 1996). Im Projekt 'Operator-Skopus-Strukturen' am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim wird bloß als 'Gegensatzoperator' behandelt (Fiehler 1999a, 1999b). Es lässt sich demnach ein zunehmendes Interesse an Diskursmarkern wie bloß feststellen. Doch derartige, die mündliche Interaktion berücksichtigende Studien finden nur selten eingehende Berücksichtigung in den Grammatiken. Hinzu kommt, dass es insgesamt nur wenige Arbeiten gibt, die sich eingehend mit diesen Phänomenen auseinandersetzen (s. jedoch Weydt 1989). Auf diese Weise versteht sich das vorliegende Kapitel als ein Beitrag zu diesem wenig repräsentierten Forschungsbereich. Die Auswahl der hier herangezogenen Grammatiken erhebt keineswegs den Anspruch, einen vollständigen Überblick über die Behandlung von bloß in deutschen Grammatiken zu geben. Vielmehr dient die Auswertung unterschiedlicher Grammatiken dazu aufzuzeigen, auf welche Weise bloß mehr oder weniger übereinstimmend klassifiziert wird. Das entscheidende Kriterium für die Auswahl der verwendeten Grammatiken war, dass unterschiedliche Ansätze der Sprachbeschreibung vertreten sein sollten. Eisenberg (1994) repräsentiert somit einen strukturell ausgerichteten Ansatz, Weinrich (1993) einen textgrammatischen. Ein stärker präskriptiver, praktisch ausgerichteter Ansatz findet sich bei Helbig/Buscha (1994) sowie in der Dudengrammatik (1998). Durch Engel (1988) ist ein deskriptiver Ansatz vertreten und in der funktional ausgerichteten Grammatik des Instituts für Deutsche Sprache (Zifonun et al. 1997) finden Aspekte der Mündlichkeit verstärkte Berücksichtigung.4 Beim Durchblick dieser Grammatiken wird deutlich, dass sich bloß nicht einer einzigen Wortart ausschließlich zuordnen lässt, sondern es verschiedenen Wortarten angehört. Zum einen kann es zu der Gruppe der Flektierbaren gezählt werden, zum anderen zu der Gruppe der Nichtflektierbaren. Die adjektivische Verwendung von bloß innerhalb der Gruppe der
4
Mit dieser Zuweisung einzelner Ansätze zu den unterschiedlichen Grammatiken wird lediglich ein Aspekt der jeweiligen Grammatik hervorgehoben. Überschneidungen mit anderen Ansätzen der Sprachbeschreibung sind selbstverständlich möglich.
32 Flektierbaren wird im Folgenden ohne Berücksichtigung bleiben, da sie für die zu analysierenden Daten ohne Bedeutung ist. In der Gruppe der Nichtflektierbaren lässt sich bloß in die Klasse der Adverbien bzw. Partikeln einordnen - genauer gesagt der Abtönungspartikeln - , und dies wird auch übereinstimmend in den Grammatiken getan. Doch darüber hinaus ist bloß auch in die Gruppe der Konjunktionen einzureihen. Dies wird lediglich bei Engel (1988:90)5 und bei Zifonun et al. (1997:2423) getan. Auf diese beiden Klassifizierungen von bloß wird im Folgenden näher eingegangen. In Anlehnung an die Terminologie bei Zifonun wird im weiteren Verlauf der Untersuchung der Begriff Konjunktor Verwendung finden.
4.2.1.
bloß als Abtönungspartikel
Betrachtet man die Gruppe der Nichtflektierbaren, so wird bloß hier übereinstimmend in die Gruppe der Abtönungspartikeln/Modalpartikeln eingeordnet (Dudengrammatik 1998:379). Da sich in den Grammatiken keine Belege zu bloß finden, wird im Folgenden zur Illustration dieses Phänomens ein Auszug aus der Dudengrammatik mit aber gewählt, das enge Parallelen zu bloß aufweist. Abtönungspartikel: Da sollte aber die Polizei hart durchgreifen. (Dudengrammatik 1998:379) Unterschiede bestehen in den einzelnen Grammatiken hinsichtlich der Klassifizierung der Partikeln. In einigen Darstellungen wird die gesamte Gruppe der Nichtflektierbaren als Partikeln bezeichnet (Weinrich 1993, Engel 1988, Dudengrammatik 1998), die unterteilt wird in Konjunktionen, Präpositionen und Adverbien. Die Abtönungspartikeln werden hier als Subklasse der Adverbien, genauer der Modaladverbien, betrachtet. In anderen Darstellungen (Eisenberg 1994, Helbig/Buscha 1994) findet sich die Aufteilung der Nichtflektierbaren in Konjunktionen, Präpositionen, Adverbien und Partikeln. Die Abgrenzung zwischen Adverbien und Partikeln ist nicht immer unproblematisch, da eine Mischung aus syntaktischen und semantischen Kriterien angewendet wird. Wenn Helbig/Buscha (1994:476) nach syntaktischen Gesichtspunkten zwischen Partikeln und Adverbien zu unterscheiden versuchen, so trifft diese Abgrenzung in vielen Fällen zu, doch Ausnahmen sind möglich. Sie definieren, dass Partikeln im Gegensatz zu Adverbien keine selbstständigen Satzglieder sind und daher nicht allein erststellenfahig sind. Dies ist der Fall in Beispielen wie: Er hat sogar die Hauptstadt besucht. * Sogar hat er die Hauptstadt besucht. Doch in anderen Fällen scheint dies möglich zu sein. So beispielsweise bei eigentlich, das Helbig/Buscha (1994:477) als Partikel anführen:
5
Unter dem Abschnitt "Konnexion im Text" spricht Engel in Bezug auf bloß von einem linkskonnexen Konnektor (Engel 1988:90).
33 Es geht ihm eigentlich gut. Eigentlich geht es ihm gut. Generell lässt sich festhalten, dass bloß nur selten ausführlich als Abtönungspartikel beschrieben wird. Zumeist wird es mit der Anmerkung versehen "s. nur" (Engel 1988:233). Auch eine Textgrammatik wie die von Weinrich misst der Partikel bloß keine große Bedeutung bei und handelt nur und bloß gemeinsam ab (Weinrich 1993:856). Etwas ausführlichere Darstellungen sind zu finden bei Helbig/Buscha (1994:490f.) sowie in der Grammatik der deutschen Sprache (Zifonun et al. 1997:1209). Helbig/Buscha unterscheiden hier grob zwischen Partikeln, bei denen die kommunikativ-pragmatische Funktion (aber, also, doch, etwa, ja, mal, nur, vielleicht, bloß u.a.) dominiert und solchen, bei denen die semantisch-denotative Funktion (beinahe, etwas, immer, sehr viel, weit u.a.) überwiegt. Sie rechnen bloß zur Gruppe mit der kommunikativ-pragmatischen Funktion. In diesem Zusammenhang führen sie aus, dass diese Partikeln dazu dienen, die Äußerungen in den konversationeilen Kontext zu verankern und hierdurch den Interpretationsprozess des Hörers und somit die Interaktion selbst zu steuern (Helbig/Buscha 1994:480). Statt von deutlicher Steuerung des Interpretationsprozesses zu sprechen, erscheint es jedoch angemessener, von Mitteln zur interaktiven Orientierung aneinander zu sprechen, da Bedeutungsaushandlung nicht als ein einseitiger Prozess zu betrachten ist, sondern eine kollaborative Leistung aller Gesprächsteilnehmer darstellt.
4.2.2.
bloß als Konjunktor
Bloß wird auch als Konjunktor beschrieben. Lediglich bei Zifonun et al. (1997) und bei Engel (1988) finden sich Verweise auf die konnektive Funktion von bloß. Bei Zifonun et al. wird bloß als Konjunktor bezeichnet (1997:2423). Ein Konjunktor verbindet ein erstes Konjunkt mit einem zweiten, die beide derselben Kategorie angehören. Zur Wortart der Konjunktoren gehören sprachliche Ausdrücke, die kommunikative Minimaleinheiten, Sätze, Verbgruppen, Phrasen, Wörter oder Morpheme verbinden und das semantische Verhältnis der Konjunkte zueinander deutlich machen (Zifonun et al. 1997:2360-2363). Auf die Wortstellung in Sätzen oder kommunikativen Minimaleinheiten haben Konjunktoren keinen Einfluss. Einzig bei Zifonun et al. findet die Möglichkeit der Positionierung bestimmter Konjunktoren im Vor-Vorfeld als Turneröffnung Erwähnung. Diese Positionierung bezeichnen sie als "freie" Verwendung: Als besonderen Fall werten wir die "freie" Verwendung konnektiver Ausdrücke, die dem Satzrahmen vorangestellt sind. Sie stehen oft nach einem Vorgängersatz desselben oder eines anderen Sprechers, der durch Grenztonmuster und Pause bzw. Schlußzeichen abgeschlossen ist. Vom Folgesatz sind sie durch progedientes oder fallendes Tonmuster bzw. Doppelpunkt, Komma oder Gedankenstrich abgehoben. Charakteristisch ist, daß sie keine Integration (in eine Satzreihe oder ein Satzgefüge) bewirken, sondern eine bloß formale Anknüpfung mit einem Fokuswechsel bzw. Themenwechsel. Ihre Orientierungsrichtung ist progressiv. (Zifonun et al. 1997:2390)
34 Folgende Aspekte erscheinen in diesem Zusammenhang erwähnenswert: Zum einen, dass hier die Möglichkeit der Anbindung mittels eines Konjunktors an den Tum eines anderen Sprechers genannt wird. Dies ist in dieser Deutlichkeit in anderen Grammatiken nicht zu finden. Doch es mangelt an notwendiger Differenzierung, da es beispielsweise ein sequenziell grundlegender Unterschied in Bezug auf die Initiierung von Reparaturen zu sein scheint (s. Kap. 2.1.2.), ob ein adversativer Konjunktor als Konjunktor an einen vorhergehenden Turn desselben oder aber eines anderen Sprechers anknüpft. Dies hätte Auswirkung auf den Status des Konjunktors als Initiator einer Eigen- bzw. einer Fremdreparatur, die interaktiv unterschiedliche Handlungen vollführen können. Zum anderen ist fraglich, ob die "freie Verwendung konnektiver Ausdrücke", wie Zifonun et al. schreiben, "als besonderer Fall" zu werten ist. Untersuchungen in diesem Bereich scheinen darauf hinzudeuten, dass im Bereich der Mündlichkeit hinsichtlich integrierter und freier Verwendung diesen Elementen eine unterschiedliche Funktion zuzuweisen ist.6 Auch die Feststellung, dass die Orientierungsrichtung der Konjunktoren progressiv ist, gilt es zu differenzieren, da mittels eines Konjunktors auch retrospektiv die Verbindung zu dem vorhergehenden Turn gestaltet wird. Dies scheint ein wesentliches Element in der Konstruktion von Dissens zu sein. Auf diese Funktion der Konjunktoren wird beispielsweise in einem Bericht eines Projektes am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim hingewiesen, in dem von der "Gelenkfunktion" dieser Konjunktoren gesprochen wird.7 Schließlich ist auf den potenziell grundlegenden Unterschied zwischen einem Fokuswechsel und einem Themenwechsel hinzuweisen, dessen Relevanz in Hinblick auf die Interaktion einer genaueren Untersuchung bedarf.8 Es lässt sich vorläufig festhalten, dass sich bei Zifonun et al. die einzige Beschreibung findet, die die besondere Funktion der Konjunktoren in mündlicher Interaktion berücksichtigt und auf die Möglichkeit der Positionierung dieser Konjunktoren am Turnanfang eingeht. Kritisch anzumerken bleibt jedoch der Mangel an differenzierterer Darstellung dieses Phänomens. Folgende Verwendungsweisen lassen sich demnach für bloß aufzeigen: Es ist bloß wichtig für mich, dass... Bloß ist es wichtig für mich, dass.... Bloß für mich ist es wichtig, dass ...
(Adverb)
Bloß es ist wichtig für mich, dass ...
(Konjunktor)
Oben werden vier von sicherlich mehreren Verwendungsweisen aufgezeigt. Auch wenn in dieser Studie der prosodischen Realisierung dieser Elemente nur ein geringer Platz eingeräumt wird, scheint es in diesem Zusammenhang wesentlich, auf die Bedeutung der Prosodie hinzuweisen. Eine eingehende Untersuchung der prosodischen Realisierung könnte weitere Erkenntnisse über die Abgrenzung von Adverb zu Konjunktor erbringen. Im Beispiel "Bloß
6
Günthner 1996, Auer 1996.
7
Zitat aus unveröffentlichtem Manuskript, das mir freundlicherweise von Mechthild Elstermann, Institut für Deutsche Sprache, Mannheim, zur Verfügung gestellt wurde (Fiehler 1999b). Statt Fokus- oder Themenwechsel findet sich auch der Terminus 'Umfokussierungen': Günthner ( 1 9 9 3 : 2 5 6 f f . ) , Kallmeyer (1978:214).
8
35 für mich ist es wichtig, dass ..." scheint die Prosodie ein entscheidendes Moment zu sein in der Abgrenzung zwischen Adverb und Konjunktor. Hier könnte sich bloß sowohl auf die folgende Einheit "für mich" beziehen als auch mit konnektiver Funktion auf den gesamten folgenden Turn.9 Explizit genannt wird bloß als Konjunktor bei Zifonun et al. unter dem Abschnitt Koordination. Bloß wird hier als einteiliger Konjunktor angeführt (im Gegensatz zu paarigen wie sowohl... als auch), der "eher mündlich verwendet wird" (Zifonun et al. 1997:2386). Ferner wird er zu den adversativen Konjunktoren gezählt, zu denen außerdem: aber, jedoch, doch, sondern, vielmehr, nicht nur... sondern auch, allein und nur gerechnet werden. Unter dem Abschnitt bloß wird darauf verwiesen, dass bloß dem Konjunktor nur entspricht, jedoch stärker umgangssprachlich ist (Zifonun et al. 1997:2423). In den bei Zifonun et al. angeführten Beispielen, in denen bloß oder nur auftreten, steht der Konjunktor als Mittler in Position zwischen einem ersten und einem zweiten Konjunkt. Hierzu folgendes Beispiel: Das Thema der Frauen ist schon ein bewegendes Thema, nur für mich zeigt sich da im Moment kein Lösungsansatz. (Zifonun et al. 1997:2422) In diesem Beispiel für die Verwendung von nur als adversativem Konjunktor findet eine Depotenzierung des ersten Konjunkts statt, bei anschließender Fokussierung und oppositiver Gewichtung des zweiten Konjunkts (Zifonun et al. 1997:2421). Hinzu tritt das einschränkende Element von nur, das bedeutet, dass eine umfassendere Vorgabe genau spezifiziert wird. Insofern übernimmt der Konjunktor hier die Semantik der Abtönungspartikel. Turnübergreifende Belege für adversative Konjunktoren finden sich bei Zifonun et al. lediglich für aber, wie im folgenden Beispiel: 10 ad: Meinetwegen orange und die Seitenstraße dann weiß des wäre eine Frage der Zweckmäßigkeit, ab: Ja ae: Aber man kann eben solche Dinge nicht danach ausrichten, wenn einmal ein außergewöhnlicher Zustand wie Schnee herrscht (...). (Zifonun et al. 1997:2407) Hierzu wird bei Zifonun et al. (1997) angemerkt, dass aber einen Anschluss an den Vorgängerturn ermöglicht und dass mit aber der argumentative Widerspruch gekennzeichnet wird. Dies ist in den hier berücksichtigten Grammatiken der einzige Beleg, in dem die Bestimmung eines Konjunktors mit einer turnübergreifenden Konstruktion verbunden wird. Im oben angeführten Beispiel liegt eine turnübergreifende Funktion an den Turn eines anderen Sprechers vor. Es wird keine Unterscheidung vorgenommen hinsichtlich der Möglichkeit des Konjunktors in turneröffnender Position nicht nur an den Vorgängerturn zu verbinden, sondern auch an einen sequenziell mehrere Turns zuvor liegenden Turn. In diesem Zusam9
10
Couper-Kuhlen/Selting (1996) zeigen eindrücklich die Relevanz der Berücksichtigung prosodischer Elemente bei der Analyse mündlicher Interaktion. Zu ndl. maar (dt. aber) als Konjunktor, der Wiederaufnahme markiert: Mazeland/Huiskes 1998.
36 menhang bleibt anzumerken, dass außerdem keine Differenzierung hinsichtlich eines Turns und einer Turnkonstruktionseinheit vorgenommen wird. Betrachtet man das bei Zifonun et al. gewählte Beispiel erneut, so stellt sich die Frage, ob es nicht auch der Turn des Sprechers (ad) sein kann, an den der Konjunktor aber anknüpft. Der Turn des Sprechers (ad) jedoch besteht aus mehr als einer Turnkonstruktionseinheit, so dass es notwendig erscheint, hier eine genauere Differenzierung vorzunehmen. Die von Zifonun et al. herausgegebene Grammatik stellt die einzige der untersuchten Grammatiken dar, in der überhaupt die Möglichkeit eines Konjunktors beschrieben wird an einen anderen Turn anzuschließen. Dies geschieht in Bezug auf aber. Doch es fehlt an der nötigen Differenzierung zwischen einem Anschluss an den Turn desselben Sprechers oder aber den eines anderen. Ferner werden keine Überlegungen angestellt hinsichtlich der Möglichkeiten des Anschlusses nicht nur an den direkten Vorgängerturn, sondern an einen mehrere Turns zuvor liegenden Turn. Zusätzlich fehlt es an einer genaueren Darstellung derjenigen Aspekte, die mündliche Interaktion kennzeichnen. Eine solche könnte dazu führen, dass ein Teil der Phänomene, die jetzt im Allgemeinen als Randerscheinungen tituliert werden, sich als eine alltägliche Variante mit spezifischer, interaktiver Funktion entpuppt. Zusammenfassend lässt sich Folgendes festhalten: Bloß lässt sich als Abtönungspartikel beschreiben, wie es übereinstimmend in den Grammatiken der Fall ist. Außerdem lässt sich bloß als Konjunktor bezeichnen, dem laut Zifonun et al. eine adversative Funktion zuzuschreiben ist. Eine turnübergreifende Funktion des Konjunktors bloß findet bei Zifonun et al. Erwähnung, es fehlt jedoch an einer differenzierten Untersuchung dieser Funktion. Es bleibt herauszustellen, dass sequenzielle Positionierung und Funktion von bloß als Konjunktor in mündlicher Interaktion noch nicht ausreichend beschrieben sind. Insbesondere die genauere Beschreibung der turnübergreifenden Funktion sowie der interaktiven Orientierung der Gesprächsteilnehmer an einem turneröffnenden bloß könnten weitere Erkenntnisse über die Verwendung von bloß in mündlicher Interaktion erlauben. In der folgenden Analyse wird ausgehend von dieser Überlegung die interaktive Funktion von bloß näher beschrieben.
4.3.
Daten
In den vorliegenden Daten tritt bloß insgesamt 14 Mal auf. Es wird in diesen 14 Belegen eine Trennung vorgenommen in turneröffnende Positionierung von bloß und turninterne Positionierung. Dass eine solche Trennung nicht immer eindeutig vorzunehmen ist, wird insbesondere in Kap. 4.5. diskutiert. In 4 Fällen ist bloß jeweils turnintern positioniert. In einem Fall steht bloß turnintern im Mittelfeld an einer nicht-übergangsrelevanten Stelle und kann daher nicht als Konjunktor bezeichnet werden. In drei weiteren Fällen steht bloß nach einer klaren übergangsrelevanten Stelle. In diesem Fall ist nach sequenziellen Gesichtspunkten von bloß als einem turninternen Konjunktor zu sprechen. In 10 Fällen steht bloß tumeröffnend und entspricht damit da-
37 Positionierung, die zentral für die vorliegende Untersuchung ist." Die folgende Analyse beruht primär auf diesen 10 Fällen. Im Kapitel 4.5. werden zur Gegenüberstellung turninterner und turneröffnender Verwendung des Konjunktors bloß zusätzlich die vier Fälle turninterner Verwendung von bloß herangezogen.
4.4.
Der Konjunktor bloß in turneröffnender Position
In der folgenden Analyse steht die Untersuchung der sequenziellen Positionierung des Konjunktors bloß sowie dessen Funktion als Verbindung zwischen zwei Konjunkten im Mittelpunkt.
4.4.1.
Sequenzielle Positionierung
Im Folgenden werden Untersuchungen angestellt hinsichtlich der sequenziellen Positionierung des Konjunktors bloß als Turneröffnung. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie der sequenzielle Kontext unmittelbar vor der turneröffnenden Positionierung von bloß aussieht. Hierbei liegt besonderes Gewicht auf der Untersuchung der Möglichkeit, dass die Verwendung von bloß als turneröffnendem Konjunktor für die anderen Gesprächsteilnehmer projizierbar ist und somit auch eine potenzielle Markierung von Dissens vorhersehbar ist. Anhand der vorliegenden Daten wurde deutlich, dass der Verwendung von bloß als Turneröffnung eine sequenzielle Geordnetheit zu Grunde liegt. Diese Geordnetheit basiert auf einer dreiteiligen Sequenz, an deren letzter Position die Konstruktion eines Turns mit bloß als turneröffnendem Konjunktor möglich ist. Anhand von Analysen verschiedener Auszüge wird im Folgenden die interaktive Orientierung der Gesprächsteilnehmer an der dreiteiligen Sequenz aufgezeigt. Vorweg scheint in Bezug auf den Begriff Sequenz eine Abgrenzung der Begriffe Position und Turn wesentlich. Eine Sequenz besteht aus einer bestimmten Anzahl Positionen und jede Position bezeichnet eine bestimmte verbale Aktivität. Im folgenden Auszug beispielsweise besteht die Sequenz aus 2 Positionen, in denen jeweils eine Handlung vollzogen wird. Auszug (A3) 1 S: m a n (.) s rollte ihnen mal deutlich m a c h n dass 2 sie sich selber damit keinen gefalln tun.= 3
I:
=m
[m.
" Die Sammlung der 14 Belege zu bloß, die als Grundlage der folgenden Analyse dienen, findet sich im Anhang.
38 An erster Position besteht die durchgeführte Handlung aus einer Aussage, der an zweiter Position in Zeile 3 die Aktivität einer Zustimmung folgt. Hier entspricht jeder Turn einer Position und damit einer bestimmten Handlung. Doch betrachtet man den weiteren Verlauf der Sequenz, so wird deutlich, dass der folgende Turn die gleiche Handlung vollführt wie der Turn in Zeile 3. Auszug (A3) 1 2 1 S: man (.) s rollte ihnen mal deutlich machn dass 2 sie sich selber damit keinen gefalln tun.= 3 I: =m [m. 4 —> Ρ : [mm. In beiden Turns, sowohl in Zeile 3 als auch in Zeile 4, wird durch unterschiedliche Sprecher Zustimmung markiert. Somit entsprechen zwei Turns einer Position innerhalb der Sequenz, da hier dieselbe Handlung vollführt wird. Hieran wird deutlich, dass die Anzahl der verbalen Aktivitäten nicht unmittelbar mit der Anzahl der vorhandenen Turns übereinzustimmen hat. Da die gleiche verbale Aktivität von mehreren Sprechern durchgeführt werden kann bzw. die gleiche Aktivität von einem Sprecher wiederholt werden kann, kann eine Position aus mehreren Turns desselben Sprechers bzw. unterschiedlicher Sprecher bestehen. Ebenso kann ein Turn auch mehrere Positionen beinhalten, da in einem Turn mehr als eine Aktivität durchgeführt werden kann. Wenn daher im Folgenden von einer Sequenz bestehend aus drei Positionen gesprochen wird, ist dies nicht notwendigerweise identisch mit der Anzahl der vorhandenen Turns. In zahlreichen der zu analysierenden Auszüge entsprechen mehrere Turns ein und derselben Position innerhalb der Sequenz. In den folgenden Auszügen verweisen die kursiv gesetzten Zahlen am Beginn einer Zeile auf die jeweilige Position des Turns innerhalb der Sequenz. Folgendes Schema lässt sich für die Verwendung von bloß als Turneröffnung aufstellen: Eine Sequenz, deren Turn in letzter Position mit einem turneröffnenden bloß eingeleitet wird, besteht aus drei Positionen. Schema (Sia) 1
Sprecher X
: erste Bewertung13
2
Sprecher Y/Z
: zweite Bewertung: Ausdruck für Konsens
3
Sprecher X
: bloß-Turn: Nicht-Konsens
In den ersten beiden Positionen der Sequenz wird kollaborativ Konsens ausgehandelt, und in dritter Position wird der Turn mit bloß eingeleitet, was eine Markierung von Nicht-Konsens
12
13
Der Pfeil zwischen der Zeilenangabe und der Sequenzpositionsangabe markiert den Turn bzw. Teil des Turns, auf den im Folgenden das Hauptaugenmerk gerichtet ist. Der Terminus 'Bewertung' wird im Folgenden verwendet in Bedeutung von 'assessment', wie er sich bei Pomerantz (1984) findet.
39 bedeutet.14 An erster Position produziert Sprecher X einen Turn, der eine erste Bewertung darstellt. Hierdurch wird eine zweite Bewertung zur relevanten nächsten Handlung. Mittels der responsiven Handlung an zweiter Position in Form einer zweiten Bewertung wird auf verschiedene Weise Konsens markiert. An dritter Position übernimmt erneut Sprecher X den Turn und leitet diesen mit bloß ein. An zweiter Position der Sequenz kann der Konsens mit dem vorhergehenden Turn den untersuchten Daten zufolge auf zwei verschiedene Weisen (2a), (2b) markiert werden. Schema (Slb) 1 Sprecher X
: erste Bewertung
2(a)
Sprecher Y/Z : zweite Bewertung: Konsens in Form eines minimalen Responsive
2(b)
Sprecher Y/Z : zweite Bewertung: Konsens in Form eines minimalen Responsive + Pause
3
Sprecher X
: bloß -Turn: Nicht-Konsens
Zum einen kann die Aktivität als zweite Bewertung darin bestehen, dass ein anderer Sprecher Y bzw. mehrere andere Sprecher Zeichen der Zustimmung, oft in Form eines minimalen Responsivs, produzieren (2a). Da die hier verwendeten minimalen Responsive keine Fortsetzung projizieren, wird der Turn dem vorhergehenden Sprecher übergeben, der anschließend den nächsten Turn mit bloß einleiten kann. Hierzu Auszug (A4a): Auszug (A4a) 21 IS·. 22 23-» 2 P: 24 3 S:
ja (.) "irgendwelche politikernasn kuckn sich das bestimmt an.* hmm. bloss ich denke dass das nurn aufhänger sein kann.
Eine zweite Variante besteht darin, dass mittels eines minimalen Responsivs Sprecher Y bzw. andere potenzielle Sprecher Anerkennung hinsichtlich der Weiterführung des Turns durch Sprecher X markieren. Diesem minimalen Responsiv folgt eine Pause, an die sich davon Sprecher X mittels Eigenwahl initiierte Turn mit turneröffnendem bloß anschließt. Hierzu Auszug (A3): Auszug (A3) 1 IS: man (.) s rollte ihnen mal deutlich machn dass 2 sie sich selber damit keinen gefalln tun.= 3-) 2 I: =m [m. 4-» 2 Ρ : [m m. 5-4 2 (1) 14
Dieser sequenzielle Verlauf geht einher mit Observationen zu konzessiven Konstruktionen im Englischen: Couper-Kuhlen/Thompson 2000.
40 6 7 8
3 S:
bloss sie s- (1.4) also dass man dann (0.4) redaktionell, ä:: w:ürd ich dann drauf achtn dass >dann würd ich nur< gegn europa schiessn.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, was es rechtfertigt, einem minimalen Responsiv wie dem in Position 2 die Funktion eines Konsens-Markers zuzusprechen und damit die gesamte Aktivität in Position 2 als konsensorientiert zu bezeichnen. In zahlreichen Studien zur interaktiven Funktion von minimalen Responsiven wurde deutlich, dass ihnen unterschiedliche Funktionen zuzuschreiben sind, die stark vom sequenziellen Kontext abhängen. 15 Schegloff (1982:78) weist darauf hin, dass generell hinsichtlich dieser Zeichen eine Differenzierung zwischen 'to claim understanding1 und 'to show or exhibit understanding' notwendig ist. Dies bedeutet, dass ein Unterschied besteht zwischen dem Behaupten von Verstehen (claim understanding) und dem Zeigen von Verstehen (show/exhibit understanding). Das Behaupten von Verstehen kann in Konversation als problematische Aktivität behandelt werden. Das Zeigen von Verstehen hingegen präsentiert den Gesprächsteilnehmem das Verstehen des aktuellen Zustandes des Gesprächs und ermöglicht die Orientierung der Gesprächsteilnehmer an zukünftigen, zu projizierenden Handlungen. Schegloff (1982) hat hinsichtlich der Funktion von minimalen Responsiven wie englisch 'uh huh' und 'mm hm' eine Unterscheidung in 'continuer' - Fortsetzungsmarker - einerseits und Marker, die eine 'Unterlassung der Initiierung einer Fremdreparatur'16 signalisieren, andererseits vorgenommen. In der Verwendung als Fortsetzungsmarker liegt die Funktion im Aufzeigen des Verstehens, dass der andere Gesprächspartner dabei ist, einen Multi Unit Turn zu konstruieren. Dieses setzt voraus, dass der vorherige Sprecher auf eine Weise deutlich gemacht hat, dass er dabei ist, einen Multi Unit Turn zu konstruieren. Mögliche Mittel dazu sind beispielsweise Marker, die das Erzählen einer Geschichte einleiten (Story Prefaces), Listen-Initiatoren und ähnliches. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit dieser Zeichen liegt in ihrer Funktion als Marker der Nichtwahrnehmung einer Gelegenheit zur Markierung von Dissens. Nach Schegloff eröffnet der deutliche Abschluss eines Turns eines Sprechers die Gelegenheit für die anderen Gesprächsteilnehmer, potenzielle Probleme im Verstehen des vorhergehenden Turns zu markieren. Diese Markierung von Verstehensproblemen wäre eine fremdinitiierte Fremdreparatur. Schegloff, Jefferson und Sacks haben gezeigt, dass eine fremdinitiierte Fremdreparatur ein Präindikator für einen bevorstehenden Dissens sein kann bzw. vom Rezipienten als ein solcher aufgefasst werden kann (Schegloff et al. 1977:380). Indem eine solche Gelegenheit zur Fremdreparatur nicht wahrgenommen wird, indiziert der Sprecher, dass keine Verstehensprobleme vorliegen. Schegloff folgert daher: It may also be taken as indicating the absence of that which such problems might have portended - disagreement - and thus be taken as indications of agreement. (Schegloff 1982:88)
Insofern kann ein in dieser Position verwendetes minimales Responsiv als implizites Zeichen von Konsens angesehen werden.
15
16
Gardner (1997), Jefferson (1984b), Schegloff (1982). Zur deutschsprachigen Forschung im Bereich interkultureller Kommunikation: Giinthner (1993:172-203). Schegloff (1982:88). Schegloff schreibt: "to pass an opportunity to initiate repair".
41 In den vorliegenden Auszügen kommen in Position 1 der dreiteiligen Sequenz keine Zeichen vor, die Turnfortsetzung projizieren und es damit rechtfertigten, dem minimalen Responsiv in Position 2 die Funktion eines Fortsetzungsmarkers zuzuschreiben. Indem der Turn in Position 1 deutlich abgeschlossen ist, kann die Aktivität in Position 2 als Gelegenheit gesehen werden, in der die mögliche Markierung von Dissens unterlassen wird. Folglich ist sie als implizite Markierung von Konsens zu sehen. Die folgenden Auszüge illustrieren das oben stehende Schema (S lb) mit den Varianten (2a) und (2b). (2a) Konsens in Form eines minimalen Responsivs: Auszug (A4a)
21 I S : 22 23-4 2 P: 24 3 S:
ja (.) * irgendwelche politikernasn kuckn sich das bestimmt an.' hmm. bloss ich denke dass das nurn aufhänger sein kann.
Der Turn in Position 1 besteht aus zwei Turnkonstruktionseinheiten, von denen die erste eine zweite Bewertung in Form eines Zeichens minimaler Zustimmung zu einer vorhergegangenen ersten Bewertung ist. Die zweite Turnkonstruktionseinheit, von der ersten durch eine zehntelsekündige Pause getrennt, ist wiederum eine erste Bewertung. Sie stellt eine persönliche Wertung dar, was hervorgehoben wird durch das betonte bestimmt. Diese Turnkonstruktionseinheit ist syntaktisch, pragmatisch und intonatorisch deutlich abgeschlossen, und es gibt keinerlei Marker, die Fortsetzung projizieren. Im Anschluss an diesen Turn wäre nun für die anderen Gesprächsteilnehmer die Gelegenheit, Verstehensprobleme zu markieren, indem eine Reparatursequenz eröffnet wird. Doch eine solche Handlung unterbleibt. Stattdessen reagiert der folgende Sprecher in Position 2 mit einer zweiten Bewertung in Form eines minimalen Responsivs. Aufgrund des Unterlassens der Markierung von Verstehensproblemen an dieser Stelle kann dieses Zeichen die Markierung von Konsens mit dem vorhergehenden Turn indizieren. Indem das Zeichen gleichzeitig markiert, dass keine Fortsetzung folgen wird, steht das Rederecht den anderen Gesprächsteilnehmern offen. In diesem Sinne kann der Turn in Position 2 auch als Zustimmung zur Fortsetzung durch den vorherigen Sprecher gedeutet werden. Dies scheint Sprecher S in Position 3 zu tun, indem er den Turn wieder aufnimmt und ihn mit bloß einleitet. Der folgende Auszug illustriert das Schema (lb) mit Variante (2b). (2b) Konsens + Pause: Auszug (A3)
1 2 3-4
IS: 2 1:
4-> 2 P: 5-> 2 6 3 S: 7
man (.) s:ollte ihnen mal deutlich machn dass sie sich selber damit keinen gefalln tun.= =m [m. [m m. (1) bloss sie s- (1.4) also dass man dann (0.4) redaktionell, ä:: w:ürd .ich dann drauf achtn
42
8
dass >dann würd ich nur< gegn europa schiessn.
In Position 1 produziert Sprecher S einen Turn, der aus einer einzigen Turnkonstruktionseinheit besteht und keine Fortsetzung projiziert. Der Turn ist eine erste Bewertung, der eine anschließende zweite Bewertung sequenziell relevant macht. Zwei der beteiligten Gesprächspartner konstruieren hier an Position 2 minimale Responsive als zweite Bewertungen. Erneut können diese minimalen Responsive als Konsensindikatoren betrachtet werden, dà die an dieser Position mögliche Markierung von Nichtverstehen unterbleibt. Die anschließende einsekündige Pause in der Konversation kann ebenfalls als eine von den anderen Gesprächsteilnehmern nicht wahrgenommene Gelegenheit zur Markierung von Verstehensproblemen angesehen werden, da keiner der Gesprächsteilnehmer eine Eigenwahl vornimmt. Nach einer einsekiindigen Pause nimmt dann Sprecher S eine Eigenwahl vor und leitet seinen Turn mit bloß ein. Festzuhalten bleibt, dass den Auszügen (A4a) und (A3) gemein ist, dass der in den Positionen 1 und 2 kollaborativ ausgehandelte Konsens die Möglichkeit in dritter Position zu eröffnen scheint, den Turn mit bloß einzuleiten. Von Bedeutung erscheint in diesem Zusammenhang die Beobachtung, dass es in den Fällen des Schemas (2a) und (2b) derjenige Sprecher ist, der an dritter Position den Turn mit bloß einleitet, der in Position 1 eine erste Bewertung produziert, die eine folgende Markierung von Konsens oder Dissens durch die anderen Gesprächsteilnehmer sequenziell relevant macht. In beiden Fällen sind es Turns in Form von Bewertungen, die die Bestätigung oder Ablehnung derselben durch den nächsten Sprecher zu einer relevanten nächsten Handlung machen. In Auszug (A4a) ist es die Aussage 'irgendwelche politikernasn kuckn sich das bestimmt an.°, die durch die persönliche Bewertung, die in bestimmt zum Ausdruck kommt, eine nachfolgende zweite Bewertung sequenziell relevant macht. In Auszug (A3) ist es der Turn man (.) s:olite ihnen mal deutlich machn dass sie sich selber damit keinen gefalln tun., der mittels der in ihm enthaltenen Aufforderung eine folgende zweite Bewertung sequenziell relevant macht. Zusätzliche Belege für diese Struktur lassen sich an zwei weiteren Auszügen aufzeigen. Auszug (A5)
1 2 3 4—» 5 6 7 8 9 10 11 12 13
1 2 2 2 2 2 2 3
K: M a m. 1 idas hat kein ssinn. S: •hh d- [ichs- (.)] I: [V:. ] S: was soll der kw- schwac[hsinn. I: [m: [im: . K: [hrhr[m:. P: [m. P: m[: . ·? ; [ - hh (2.5) S: bloss da: muss ich mich natürlich bei uns mi m::: m: m: un ä ja:.(0.2) -hh kalinskis und so wie sie weit(h)er hh hh [hh -hh nja?
43 In Position 1 erfolgt eine erste Bewertung, auf die alle anwesenden Gesprächsteilnehmer in Position 2 mit einer zweiten Bewertung reagieren. Der Aussage in Position 1 durch Sprecher S, die mit einem Interrogativpronomen eingeleitet wird, folgen von sämtlichen anderen beteiligten Gesprächspartnern minimale Responsive in den Zeilen 5 bis 8. Im Anschluss daran entsteht eine Pause von 2.5 Sekunden Länge. Ebenso wie in den zuvor betrachteten Auszügen folgt dann der gemeinsamen Markierung von Konsens in den vorangegangenen Turns der Turn mit bloß als Turneröffnung an dritter Position der Sequenz. Die minimalen Responsive in Position 2 kommen in diesem Auszug teilweise schon in Überlappung mit dem Turn in Position 1. Die Überlappung kommt kurz vor der Beendigung des Turns durch Sprecher S, während er das terminale, zur Vervollständigung der Turnkonstruktionseinheit notwendige Element produziert. Daher ist die Überlappung als terminale Überlappung anzusehen. Hier stellt sich die Frage, wie die terminale Vervollständigung des Turns durch Sprecher S für den die Überlappung produzierenden Sprecher I projizierbar wird. Hierzu muss angemerkt werden, dass im vorhergehenden Turn Sprecher Κ geäußert hat ¿te hat kein ssinn (Zeile 1). Insofern kann das abgebrochene kw- in Zeile 4 von den anderen Interaktanten als ein intendiertes Quatsch erkannt werden. Im Anschluss daran folgt eine eigeninitiierte Eigenreparatur von Sprecher S, die während ihrer Produktion durch den begonnenen Turn von Sprecher I in Zeile 5 und anschließend von Sprecher Κ in Zeile 6 überlappt wird. Die terminale Vervollständigung des Turns von Sprecher S scheint projizierbar zu sein. Die Projizierbarkeit liegt somit begründet in dem abgebrochenen kwund der anschließenden eigeninitiierten Eigenreparatur. Diese Eigenreparatur zu schwachsinn vollführt mehrere Handlungen. Zum einen kann es als eine aneinander Orientierung zeigende Handlung17 zum vorhergehenden Turn von Sprecher Κ gesehen werden, der selbst das Wort ssinn in Zeile 1 verwendet. Durch eine ähnliche Wortwahl wie der des vorherigen Sprechers markiert Sprecher S seine Orientierung an dem vorhergehenden Turn. Zum anderen stellt schwachsinn inhaltlich eine Aufwertung 18 des vorhergehenden Turns das hat kein ssinn dar und dient damit der Markierung von Übereinstimmung (Pomerantz 1984:65f.). Dies ist in diesem sequenziellen Kontext als eine präferierte Handlung zu betrachten. Diese beiden Turns tragen demnach Züge, die Konsensorientiertheit indizieren. Es lässt sich somit vorläufig festhalten, dass die gemeinsame Aushandlung kollaborativen Konsenses in den Positionen 1 und 2 der dreiteiligen Sequenz eine anschließende Markierung von Nicht-Konsens in dritter Position ermöglicht. Es wurde deutlich, dass die Initiierung einer ersten Bewertung an Position 1 Voraussetzung zu sein scheint für die Markierung von Nicht-Konsens desselben Sprechers in Position 3. In der folgenden Analyse eines weiteren Auszuges soll das Hauptaugenmerk auf der kollaborativen Aushandlung von Konsens in den Positionen 1 und 2 sowie auf der Orientierung der Gesprächsteilnehmer an dieser Konstruktion liegen. Im folgenden Auszug (A6) lässt sich anhand der aus insgesamt 7 Turns bestehenden Position 2 besonders deutlich aufzeigen, in
17
Die Bezeichnung einer Aktivität als einer Handlung, mit der die Gesprächsteilnehmer einander Orientierung zeigen, entspricht der Aktivität, die innerhalb der Konversationsanalyse als 'aligning action' bezeichnet wird.
18
'Aufwertung' entspricht der Technik, die Pomerantz (1984) als 'upgrading' bezeichnet.
44 welchem Maße die kollaborative Markierung von Konsens in den Positionen 1 und 2 die Möglichkeit der nachfolgenden turneröffnenden Positionierung von bloß eröffnet. Auszug 1 1 2 2 3 2 4 2 5 2 6 7 2 8 9 2 10 2 11 3 12 13
(A6) S: I: P: P:
P: S:
•hh ( 0 . 5 ) u n d d d a s e s w o a n d e r s k l a p p t , d a s k a n n man m o d e r a t i v m a c h n . = =mlm:[. [°nja.° (5) • h h i a d a h a s t du w o h l r e c h t . = a l s o ° d a s das das: i s : scho:n r i c h t i c h . 0 (0.2) • h f f hh (1.2) b l o s s w i e k r i c h t man >de d e n a n d e r n a s D e k t . d e r i a n i c h im m a a a z i n < s c h o n ( . ) r : a u f und r u n t e r a e l a u f n i s .
Durch die in Position 1 produzierte erste Bewertung wird in nachfolgender Position eine zweite Bewertung relevant. Betrachtet man Position 2 in Zeile 3, so folgt dieser Turn in Form, Positionierung und zeitlicher Platzierung den in den Auszügen zuvor gesehenen Turns an zweiter Position. In Überlappung mit der Markierung von Zustimmung in Zeile 3 kommt der Turn eines anderen Gesprächsteilnehmers, der ebenso aus einem minimalen Responsiv besteht. Doch er ist gekennzeichnet durch leise Stimmführung und drückt, auch wenn die Intonation nicht ansteigt, einen gewissen Zweifel aus °nja. Hier wäre für Sprecher S eine Gelegenheit, mit einer Erklärung für den vorherigen Turn zu kommen, doch dies wird unterlassen. Es entsteht eine fünfsekündige Pause. Sprecher Ρ nimmt eine Eigenwahl vor und beginnt in Zeile 6 einen Turn, der aus drei Turnkonstruktionseinheiten besteht. Jede dieser Turnkonstruktionseinheiten stellt jeweils eine Reparatur der vorhergehenden Einheit dar. In allen drei Einheiten wird deutlich Konsens mit dem von Sprecher S in Zeile 1 und 2 in erster Position produzierten Turn markiert. Zunächst folgt ein minimaler Respons in Form von ja. Dieses minimale Zeichen der Zustimmung kann als eigeninitiierte Eigenreparatur zu dem vorhergehenden Turn desselben Sprechers gesehen werden. Das zuvor noch Zweifel ausdrückende °nja. ° wird repariert zu Gunsten eines ja. Daran anschließend folgt eine längere Einheit, die jedoch im Vergleich zu dem vorherigen ja eine Einschränkung durch das wohl beinhaltet. Wohl vermittelt einen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit, der jedoch eben keine hundertprozentige Gewissheit bedeutet. In diesem Sinne ist von einer Abwertung19 zu sprechen (Pomerantz 1984:67f.). In direktem Anschluss erfolgt eine weitere Reparatur, die mit leiser Stimmführung das einschränkende wohl zu Gunsten einer wieder stärker generellen Zustimmung formt das: scho. n richtich. Deutlich trägt dieser gesamte Turn Züge einer zweiten Bewertung zu Sprecher S's erster Bewertung. In der anschließenden Pause, die durch Sprecher P's Ein- und Ausatmen unterbrochen wird, bestünde erneut für alle Beteiligten die Möglichkeit den Turn zu übernehmen. Doch eine solche Handlung wird
19
'Abwertung' entspricht der Technik, die Pomerantz (1984) als 'downgrading' bezeichnet.
45 unterlassen. Nach einer Pause von 1.2 Sekunden übernimmt Sprecher S den Turn, den er mit bloß einleitet. In den analysierten Auszügen (A4a) bis (A6) wurde deutlich, dass sich die Interaktanten an einer kollaborativen Markierung von Konsens orientieren, die eine anschließende Markierung von Nicht-Konsens in dritter Position der dreiteiligen Sequenz ermöglicht. Die Markierung von Konsens in der zweiten Position der Sequenz resultiert aus dem Unterlassen der Markierung von Verstehensproblemen in Form einer Reparatur zu einem Zeitpunkt, an dem eine solche möglich wäre. Dies scheint im folgenden Turn die Gelegenheit zu eröffnen, einen Turn einzuleiten, der die Markierung von Nicht-Konsens vollführt. Nicht alle der in den Daten gefundenen Auszüge mit bloß als Konjunktor in turneröffhender Position entsprechen in sämtlichen Aspekten dem zuvor aufgezeigten Schema (Sl). Doch gerade in Abweichungen scheint sich eine Orientierung der Geprächsteilnehmer an oben stehendem Schema (Sl) zu zeigen. So weicht der unten stehende Auszug (A7) in einigen relevanten Aspekten von dem oben beschriebenen Schema (Sl) ab. Im Folgenden soll anhand dieser Abweichungen die Orientierung an Schema (Sl) aufgezeigt werden. Auszug 1 1 2 3 4 1 5 1 6 7 2 2 8 2 9 10 11 12 13 14 3 15 3 16
(A7) S I
κ s I Ρ Ρ Ρ I Ρ
s Ρ
s
=[also =[(hh)
ich denke dass wir
[langfristige
[(ja:.) = a n dem t h e m a e u r o r e g i o n n i c h vorbeikomm[n. [((hus[tet)) ] [komm w i r a u c h n i c h : ] (0.2) komm w i r a u c h n i c h t . (0.2) •h[h ]hhh ( . ) e s i s b l o s s : : ( . ) so= [hrr.] =[schwer weil s i [ c h das= = [ b l o s s w i r müssn d a [ s je=s[o s c h n e l l e n t w i c k e l t ] ne? [ ]
In diesem Auszug ist eine eindeutige Zuweisung der bestimmten Positionen der dreiteiligen Sequenz nicht ohne weiteres möglich. Die in Auszug (A7) angegebene Positionierung der einzelnen Turns orientiert sich an Schema (Sl) und stellt eine Vereinfachung dar. Sie führt dazu, dass die Turns in Zeile 10 bis 13 sowie in Zeile 15 nicht in das Schema integriert werden. Es sind insbesondere die Turns durch Sprecher Ρ in den Zeilen 11, 13 und 15, die eine Abweichung von (Sl) darstellen. Statt zu einer eindeutigen Zuweisung dieser Turns zu einer der Positionen zu gelangen, soll im Folgenden versucht werden, die Orientierung der Interaktanten an Schema (Sl) eben an dieser Abweichung zu verdeutlichen. Der Auszug (A7) folgt insofern Schema (Sl), als die Turns in Position 1 und 3 von demselben Sprecher geäußert werden und dies die einzigen verbalen Äußerungen dieses Sprechers
46 innerhalb der beschriebenen Sequenz sind. Ebenfalls in Übereinstimmung mit dem Schema wird in Position 1 eine erste Bewertung konstruiert, auf die Sprecher Ρ an Position 2 in den Zeilen 7 und 9 reagiert. Sprecher Ρ reagiert mit einer zweiten Bewertung, die in Form einer teilweisen Reformulierung des vorhergehenden Turns als ein starkes Zeichen der Zustimmung betrachtet werden kann komm wir auch nicht.. In den zuvor gesehenen Auszügen traten an Position 2 überwiegend schwache Zeichen der Zustimmung in Form minimaler Responsive auf. Insofern besteht hier in diesem Aspekt ein Unterschied zu dem beschriebenen Schema. Sprecher Ρ repariert anschließend in Zeile 9, indem er seinen Turn aus Zeile 7 wortgleich mit geringer Veränderung der Intonation wiederholt. Dies ist als Reaktion auf die vorherige Überlappung seines Turns mit dem Husten von Sprecher I zu sehen, wodurch eine Rezeption seines Turns in Zeile 7 nicht vollständig gewährleistet ist. Im Anschluss an diesen Turn entsteht eine 0.2-sekündige Pause. Bis zu diesem Teil der Sequenz entspricht der Auszug (A7) im Wesentlichen dem Schema (Sl). Dem Schema zufolge müsste nun an dritter Position ein von Sprecher S mit bloß eröffneter Turn folgen. Doch dies geschieht nicht. Der Unterschied zu Schema (Sl) besteht zum einen darin, dass erneut Sprecher Ρ den Turn aufnimmt. Zum anderen besteht der Unterschied darin, dass eine Überlappung mit dem anschließenden Turn von Sprecher S entsteht. Während dieser Überlappung bricht keiner der beteiligten Sprecher seinen Turn ab, so dass beide Sprecher ihren Turn bis hin zu einer übergangsrelevanten Stelle vollenden. Hierdurch entsteht eine - konversationeil betrachtet - lange Überlappung. Im Folgenden soll das Hauptaugenmerk auf der Analyse der interaktiven Organisation der Überlappung liegen. Anhand einer solchen Analyse lassen sich die Orientierungen der Interaktanten an den durch die vorhergehenden verbalen Aktivitäten ermöglichten Projektionen aufzeigen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ein Unterschied besteht zwischen dem Zeigen der Orientierung und der tatsächlichen Orientierung an einer Aktivität (Schegloff 1982:78). Gesprächsteilnehmer orientieren sich in Interaktion an den produzierten Aktivitäten, doch sie haben mithilfe des Turndesigns die Möglichkeit, ihre Orientierung daran den anderen Interaktanten deutlich zu machen oder aber dies zu unterlassen. Zeigt ein Gesprächsteilnehmer beispielsweise in einer Überlappungssequenz keine Orientierung an der Überlappung, bedeutet dies nicht automatisch, dass er sich nicht an der Überlappung orientiert. Er wählt lediglich, seine Orientierung daran nicht zu zeigen. In diesem Sinne ist das Zeigen bzw. das Nicht-Zeigen von Orientierung an einer Aktivität als eine interaktive Technik zu betrachten. Die Ursache für die ungewöhnlich lange Überlappung der beiden Sprecher in den Zeilen 13 bis 16 scheint die Orientierung an der Geordnetheit zu sein, die in Schema ( S l ) aufgezeigt wurde. Dies mag widersprüchlich klingen, da somit ein Ablauf der Sequenz gemäß Schema (Sl) zu erwarten wäre. Doch auch in der Abweichung von diesem Schema scheint sich eine grundlegende Orientierung an der sequenziellen Geordnetheit zu zeigen. Zum einen zeigt sich die Orientierung an Schema (Sl) in der Wiederaufnahme des Turns durch Sprecher Ρ in Zeile 11, dereine Vorwegnahme des projizierten Dissenses von Sprecher S zu sein scheint. Sprecher Ρ nutzt hiermit die Gelegenheit, Verstehensprobleme in Bezug auf den vorhergehenden Turn in Form einer Reparatur zu markieren. Hierdurch indiziert er Dissens. Zum anderen scheint der Turn Sprecher S's in Überlappung mit Sprecher Ρ sowohl aufgrund der Positionierung des Turns als auch aufgrund des Designs eine Orientierung Sprecher S's an Schema (S 1 ) zu zeigen.
47 In Zeile 11 beendet der vorherige Sprecher Ρ die 0.2-sekündige Pause, indem er mit hörbarem Einatmen die Bereitschaft markiert, den Turn zu übernehmen. Der überlappende Turn von Sprecher I in Zeile 12 ist ein Räuspern und Sprecher Ρ zeigt Orientierung daran, indem er seinen Turnbeginn in Zeile 11 es is bloss:: durch Ausatmen und Mikropause hinauszögert. Der von Sprecher Ρ an dieser Position produzierte Tum ist eine erste Bewertung, welche aus zwei Turnkonstruktionseinheiten besteht. Die erste Turnkonstruktionseinheit es is bloss:: (.) so schwer markiert durch die Verwendung des adversativen Adverbs bloß eine Einschränkung zu dem vorher Gesagten. In direktem Anschluss daran konstruiert Sprecher Ρ trotz Überlappung mit Sprecher S die zweite Turnkonstruktionseinheit in Form einer Erklärung für die vorhergegangene Einschränkung weil sich das so schnell entwickelt ne?. Sprecher Ρ weist in der Produktion seines Turns - Beendigung der ersten Turnkonstruktionseinheit nach schwer und Beginn und Vollendung der zweiten Turnkonstruktionseinheit - keine Orientierung an der fortfahrenden Überlappung mit Sprecher S auf. Er konstruiert seinen Turn ohne Zeichen von Verzögerung, Restarts, Reparaturen, Silbenlängung oder laute Stimme, die oft die interaktive Organisation von Überlappung kennzeichnen. Sprecher S konstruiert seinen Turn in Zeile 14 und 16 an Position 3 in Überlappung mit Teilen des Turns von Sprecher P. Im Gegensatz zu Sprecher Ρ zeigt Sprecher S eine Orientierung an der Überlappung. Diese Orientierung zeigt sich sowohl hinsichtlich der Positionierung als auch hinsichtlich des Turndesigns. Die Überlappung setzt ein an einer nicht-übergangsrelevanten Stelle. Ursache für diese Positionierung der beginnenden Überlappung kann die Projektion eines kommenden Einwandes durch Sprecher Ρ sein, die durch die Produktion von bloß durch Sprecher Ρ im vorhergehenden Turn ermöglicht wird. Das heißt, dass Sprecher S, unmittelbar nachdem der Einwand durch Sprecher Ρ projizierbar ist, mit seinem Turn in Überlappung mit Sprecher Ρ beginnt. Hinsichtlich des Turndesigns zeigt der Turn von Sprecher S auf verschiedene Weise Zeichen der Orientierung an der Überlappung. In Zeile 14 nimmt Sprecher S eine Reparatur vor, indem er seinen Turn abbricht und mit einem Restart je- anschließt. Zusätzlich zeigen seine laute Stimme in Anders in Zeile 16 sowie das verlangsamte Tempo zu Ende des Turns eine Orientierung an der Überlappung. Nachdem Sprecher S seinen Turn beendet hat, ist es schließlich Sprecher P, der seinen Turn beendet. Damit wird das Ende seines Turns nicht mehr in Überlappung mit Sprecher S produziert. Er beschließt seinen Turn in Zeile 15 mit einer Tag Question. Interessant ist in Zusammenhang mit der interaktiven Organisation von Überlappungen die Einbeziehung nonverbaler Aspekte in die Untersuchung. Der Eindruck der geringen Orientierung insbesondere des Sprechers Ρ an der Überlappung wird unterstützt durch die Betrachtung der Blickrichtung der Interaktanten und anderer nonverbaler Aspekte kurz vor und während der Überlappung. Auszug (A7 nonverbal)20 7 2 P:
20
{[komm w i r a u c h { S - » 0 , P->0
nich:]
Die Blickrichtung ist in einer separaten Zeile unterhalb des Turns angegeben. { bezeichnet den Anfang des Blickes in Relation zum Turn. Dieselbe Blickrichtung wird beibehalten, bis eine neue Markierung angegeben ist. - » gibt die Blickrichtung des einen Sprechers zum anderen an. 0 gibt an, dass der Blick nicht auf eine bestimmte Person gerichtet ist.
48
8 9
2 Ρ:
10 P:
11 12 13 14
I: P: 3 S:
15 16
Ρ: 3 S:
(0.2) (komm w i r {S->P, {(0.2) {S—> 0 -h[h
auch
nicht.
P—>0
((Ρ b l ä t t e r t
]hhh
(.)
es
is
in
Akten))
bloss::
(.)
so=
[hrr.] = [schwer weil s i [ c h das= = { [ b l o s s w i r müssn d a [ s je{S-> Ρ =s[o schnell entwickelt] ne? [cAnders machn.> ]
Das Gespräch der insgesamt vier Interaktanten ist zu diesem Zeitpunkt in zwei separate Verläufe unterteilt. Sprecher I und Κ sprechen miteinander, und Sprecher S und Ρ diskutieren den Inhalt der kommenden Sendungen. Generell lässt sich festhalten, dass sowohl Sprecher Ρ als auch Sprecher S in obigem Auszug (A7 nonverbal) wenig Blickkontakt zueinander aufnehmen. Sprecher Ρ blickt während des gesamten Auszuges nicht zu Sprecher S. Im ersten Teil der Produktion von Position 2 in Zeile 7 ist sein Blick auf die Mitte des Tisches gerichtet, und in der anschließenden Reparatur in Zeile 9 beginnt er, in seinem vor ihm auf dem Tisch liegenden Aktenordner zu blättern und dabei auf die Seiten zu sehen. Diese Aktivität behält er bis zum Ende dieser Sequenz bei. Auch der Blick von Sprecher S ist zu Beginn des Auszuges in Zeile 7 auf eine unbestimmte Stelle in der Mitte des Tisches gerichtet. Doch während der anschließenden Reparatur durch Sprecher Ρ ist Sprecher S's Blick auf Sprecher Ρ gerichtet. In der folgenden Pause von 0.2 Sekunden ändert Sprecher S die Blickrichtung erneut. Er schaut wieder auf die Mitte des Tisches und ändert dies auch nicht, als Sprecher Ρ die Produktion seines Turns in Zeile 11 beginnt. Erst in dem Moment, als Sprecher S selbst den Turn in Überlappung mit Sprecher Ρ in Zeile 14 ergreift, richtet er den Blick wieder auf Sprecher P. Dessen Blick bleibt jedoch weiterhin auf seinen vor ihm liegenden Aktenordner gerichtet. Die verbal und paraverbal nicht nachweisbare Orientierung Sprecher P's an der Überlappung mit Sprecher S wird demnach durch die nonverbalen Aspekte untermauert. Sprecher Ρ hat keinen Blickkontakt mit Sprecher S und markiert durch Blättern in seinem Aktenordner darüber hinaus eine andere Aktivität. Demgegenüber lassen sich bei Sprecher S sowohl verbal und paraverbal als auch nonverbal Züge feststellen, die eine Orientierung an der Überlappung mit Sprecher Ρ deutlich machen. Festzuhalten bleibt, dass Sprecher S eine stärkere Orientierung an der Überlappung zeigt als Sprecher P. Am Turn des Sprechers Ρ selbst zeigt jedoch auch Sprecher S keine Orientierung. Sprecher P's Turn ist als Turn an Position 3 eine erste Bewertung. Eine sequenziell relevante nächste Handlung wäre demnach die Konstruktion einer zweiten Bewertung durch einen der anderen Interaktanten. Doch zu dem Zeitpunkt, als der Turn von Sprecher Ρ schon als erste Bewertung zu erkennen ist, überlappt Sprecher S präterminal den aktuellen Turn von Sprecher Ρ und produziert selbst eine erste Bewertung. Hiermit konstruiert er einen Turn, der vollständig so designt ist, wie die mit dem Konjunktor bloß an turneröffnender Position eingeleiteten Turns in den vorherigen Auszügen.
49 Abgesehen von der interaktiven Organisation der Überlappung ist darauf hinzuweisen, dass der Turn, den Sprecher Ρ hier in Zeile 11 und 13 produziert, Ähnlichkeiten mit dem Turn aufweist, der dem Schema zufolge an dieser Stelle als Position 3 der Sequenz produziert werden sollte. Die auffälligste Parallele besteht hinsichtlich der Konstruktion einer ersten Bewertung mit bloß. Die Verwendung von bloß durch Sprecher Ρ in Zeile 11 entspricht einem turninternen, nicht-konjunktivischen Gebrauch von bloß, dem in dieser Untersuchung kein weiterer Platz eingeräumt wird. Hinsichtlich der Positionierung von bloß im Turn besteht demnach ein Unterschied zu Schema (Sl). Dennoch erscheint die Verwendung von bloß gerade an dieser Position innerhalb der dreiteiligen Sequenz interessant. Indem Sprecher Ρ in Zeile 11 den Turn wieder aufnimmt und in der ersten Turnkonstruktionseinheit mittels bloß die Markierung von Nicht-Konsens projizierbar macht, zeigt er eine Orientierung an Schema (Sl), das an eben dieser Position die Konstruktion der Markierung von Nicht-Konsens durch einen anderen Sprecher ermöglicht. Sprecher Ρ nimmt damit die Konstruktion von Nicht-Dissens durch einen anderen Sprecher vorweg, indem er selbst mittels einer Reparatur Nicht-Konsens markiert. Legitimiert wird dieser Schritt durch seinen Turn in Position 2, der die Gelegenheit bietet, Einigkeit oder Uneinigkeit zu der vorhergehenden ersten Bewertung von Sprecher S in Position 1 zu markieren. Sprecher Ρ repariert seinen Turn in Position 2 Zeile 7 und 9, der eine deutliche Markierung von Konsens darstellt, indem er eine Eigenreparatur vornimmt. Insofern lässt sich sein Turn von Zeile 11 bis 15 in Form einer eigeninitiierten Eigenreparatur als Erweiterung seines vorhergehenden Turns deuten und ihn damit der Position 2 innerhalb der dreiteiligen Sequenz zuordnen. Doch gleichzeitig lässt sich auch für eine Zuordnung des Turns zur Position 3 der Sequenz argumentieren, da dieser den Turn in Position 3 projiziert und ihn sequenziell gesehen selbst produziert. Für die Zuordnung des Turns zur Position 3 spricht außerdem die Überlappung mit dem Turn von Sprecher S, der offenbar seinen Turn in Position 3 in Konkurrenz zu dem Turn von Sprecher Ρ auffasst. In dem Augenblick, in dem die Markierung von Nicht-Konsens durch Sprecher Ρ projizierbar wird, setzt Sprecher S in Überlappung mit Sprecher P's aktuellen Turn ein, der ebenfalls eine erste Bewertung ist und in dem bloß als Turneröffnung steht. Der Turn von Sprecher Ρ an Position 2 und 3 eröffnet eine weitere interessante Fragestellung. Inwiefern ist es entscheidend für den weiteren Verlauf der Sequenz, dass der Turn in Position 2 in Auszug (A7) nicht die Form eines minimalen Responsivs hat, sondern in Unterschied zu Schema (Sl) als partielle Reformulierung des vorhergehenden Turns an Position 1 geformt ist? Wie gezeigt scheint die kollaborative Aushandlung von Konsens in den ersten beiden Positionen der dreiteiligen Sequenz die Möglichkeit einer Markierung von Nicht-Konsens an dritter Position mithilfe des turneröffnenden Konjunktors bloß zu eröffnen. Sprecher S hat in Position 1 eine erste Bewertung konstruiert, auf die Sprecher Ρ in Position 2 mit einer zweiten Bewertung reagiert. Die zweite Bewertung hat hier nicht die Form eines Zeichens minimalen Responses, sondern stellt einen vollständigen Turn dar, der aus einer partiellen Reformulierung von Sprecher S's vorhergehendem Turn besteht. Aufgrund der beschränkten Datenmenge ist es im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht möglich, Aussagen darüber zu machen, inwieweit der Unterschied im Turn an Position 2 eine Auswirkung auf die Positionierung des Turns an dritter Position der Sequenz hat. Es erscheint jedoch plausibel, dass eine deutliche Markierung von Konsens, möglicherweise in Form einer partiellen Reformulierung des vorhergehenden Turns, wie sie
50 in Auszug (A7) an Position 2 durch Sprecher Ρ vollführt wird, eine anschließende Indizierung von Dissens durch den gleichen Sprecher projiziert. Im Rahmen dieser Untersuchung ist eine solche Analyse nicht zu leisten. Doch sie könnte interessante Erklärungen geben über die Projizierbarkeit von Nicht-Konsens in Abhängigkeit von unterschiedlichen Konsensmarkern. Es bleibt festzuhalten, dass Sprecher S in Auszug (A7) nicht von der anfangs in Schema (Sl) aufgezeigten Geordnetheit dieser Sequenz abweicht, sondern sich deutlich daran orientiert. Sprecher Ρ zeigt durch das Design und die Positionierung seines Turns in Zeile 11, 13 und 15 ebenfalls eine Orientierung an dieser Geordnetheit. Beide orientieren sich an der Gelegenheit zur Konstruktion von Nicht-Konsens in Position 3 der dreiteiligen Sequenz. Sprecher Ρ tut dies in Form einer Eigenreparatur zu seinem vorhergehenden Turn. Sobald die Markierung von Nicht-Konsens in seinem Turn projizierbar ist, setzt Sprecher S mit seiner Markierung von Nicht-Konsens in Überlappung mit Sprecher P's Turn ein. Man kann folgern, dass im vorliegenden Auszug (A7) zwei Sprecher mit unterschiedlich starker, nachweisbarer Orientierung an der entstehenden Überlappung den Turn in Position 3 der dreiteiligen Sequenz produzieren. Indem sie sozusagen konkurrierend den Turn in Position 3 produzieren, zeigen sie eine Orientierung an der sequenziellen Geordnetheit innerhalb dieser Sequenz. Abschließend soll noch auf eine Variante der dreiteiligen Sequenz mit dem Konjunktor bloß in turneröffnender Position hingewiesen werden. In dieser Variante (S2) scheint ein Unterschied zu dem Schema (Sl) hinsichtlich der Produktion des Turns in Position 1 zu bestehen. Schema (S2) 1 Sprecher X: 2 3 Sprecher X:
zweite Bewertung: Zustimmung Pause bloß -Tum: Nicht-Konsens
Der entscheidende Unterschied zum Schema (Sl) besteht darin, dass der Turn durch Sprecher X in Position 1 keine erste Bewertung ist, sondern eine zweite Bewertung zu einer vorangegangenen ersten Bewertung darstellt. Folglich schließen sich an diesen Turn keine Zeichen der Zustimmung durch die anderen Gesprächsteilnehmer an. Da keine Fremdwahl stattgefunden hat und keiner der anderen Gesprächsteilnehmer eine Eigenwahl vornimmt, entsteht eine Pause. Sie entspricht in ihrer Länge in den vorliegenden Belegen ungefähr der 'standard maximum pause' (Jefferson 1989) von 0.8 bis 1.2 Sekunden. Ohne Eigenwahl durch die anderen Gesprächsteilnehmer fällt der Turn entsprechend den Regeln des Turn-Taking (Sacks/Schegloff/Jefferson 1974:704) zurück an den vorherigen Sprecher X, der nun in dritter Position seinen Turn mit bloß eröffnet. Hierzu Auszug (A8): Auszug (A8) 1 I S : 2 2 3 3 S: 4 5
genau. (1.2) bloss wir müsstn uns jetzt nochmal genau recherchiern wann sich dieser rat nun wirklich konstituiert.
51 Dem obigen Schema (S2) zufolge findet kein Sprecherwechsel statt, so dass die Sequenz auch als ein Multi Unit Turn eines einzigen Sprechers bezeichnet werden kann. Da hier dennoch von einer turneröffnenden Positionierung des Konj unktors bloß gesprochen wird, bedarf es an dieser Stelle einer Erläuterung der Begriffe turneröffnend und turnintern. Eine ausführliche Diskussion hierzu findet sich in Kapitel 4.5. Indem in oben stehendem Schema bloß als turneröffnend beschrieben wird, setzt dies das Vorhandensein zweier Turns voraus. Wo ein Turn eröffnet wird, muss gleichzeitig ein anderer beendet worden sein. Wenn man jedoch von zwei Turns spricht, wird deren Produktion normalerweise mit zwei unterschiedlichen Sprechern verbunden. Doch dies ist in diesem Schema nicht der Fall. Was veranlasst demnach dazu, hier dennoch von zwei Turns zu sprechen, obwohl mit ihrer Produktion kein Sprecherwechsel einhergeht? Entscheidend hierfür ist die Pause, die an Position 2 der Sequenz liegt. Ihre Länge liegt im Bereich der 'standard maximum pause' von 0.8 bis 1.2 Sekunden. Nach Jefferson (1989) ist dies die Länge, an der sich die Interaktanten in Konversation orientieren, bevor sie eine relevante nächste Handlung einleiten. Zwei Möglichkeiten existieren, die Produktion der beiden Turns zu beschreiben: Die eine ist die einer projizierbaren Fortsetzung im Turn an Position 1, die andere ist ein Neustart, nachdem kein anderer Sprecher eine Eigenwahl vorgenommen hat. Im ersten Fall projiziert der Sprecher des Turns in Position 1 in diesem Turn eine Fortsetzung seines Turns, die er nach einer Pause von einer Länge von ca. 1 Sekunde durchführt. Die Pause böte somit den anderen Gesprächsteilnehmern die Gelegenheit, den Turn zu übernehmen. Im zweiten Fall markiert der Sprecher in Position 1 keine Fortsetzung und nimmt auch keine Fremdwahl vor. Die entstehende Pause resultiert aus dem Unterlassen einer Fremdwahl durch den vorigen Sprecher und dem Unterlassen einer Eigenwahl durch einen/oder mehrere Gesprächsteilnehmer. Somit fällt das Rederecht zurück an den vorigen Sprecher. In den hier vorliegenden Auszügen lassen sich keine Markierungen zur projizierbaren Fortsetzung des Sprechers aufzeigen. Dies begründet die Klassifizierung der Sequenz in Schema (S2) in zwei separate Turns desselben Sprechers, die durch eine Pause voneinander getrennt sind. Dies bedeutet nicht, dass sich nicht für die Konstruktion eines Multi Unit Turns argumentieren ließe, doch die Parallelen in der Konstruktion dieser Sequenz (S2) zu (Sl) legen es nahe, beide Konstruktionen als turneröffnend anzusehen. Hinsichtlich der turninternen Verwendung des Konjunktors bloß, auf die im Kapitel 4.5. näher eingegangen wird, bleibt hier festzuhalten, dass in diesen Fällen entweder im Turn selbst deutlich Fortsetzung projiziert wird oder aber die übergangsrelevante Stelle vor bloß mittels para- und nonverbaler Mittel derart gestaltet wird, dass markiert wird, dass eine mögliche Turnübernahme an diesem Ort nicht erwünscht ist. Hinsichtlich des Schemas (S2) lässt sich zusammenfassend festhalten: Obwohl der Turn in erster Position in dieser Variante keine erste Bewertung, sondern eine zweite Bewertung darstellt, kann in der grundlegenden Struktur von Übereinstimmung zwischen den beiden Varianten gesprochen werden. Übereinstimmung daher, da in beiden Fällen die Handlungen in erster und zweiter Position der dreiteiligen Sequenz als kollaborative Aushandlung von Konsens betrachtet werden können, der sich dann in dritter Position der Turn mit bloß als Turneröffnung anschließt. Hierzu nochmals Auszug (A8):
52 Auszug (A8) 1 I S : genau. (1.2) 2 2 3 3 S: bloss wir müsstn uns jetzt nochmal genau recherchiern wann sich dieser rat nun 4 wirklich konstituiert. 5 Sprecher X produziert in Position 1 eine zweite Bewertung, welche mittels eines starken Zeichens der Zustimmung Übereinstimmung mit dem vorher Gesagten markiert. In dem Turn wird keinerlei Fortsetzung markiert. Da keiner der anwesenden Gesprächsteilnehmer eine Eigenwahl vornimmt und keine Fremdwahl stattgefunden hat, fällt der Turn zurück an Sprecher X, der nun seinen Turn mit bloß einleitet. In Position 2 hätte für die anderen Gesprächsteilnehmer die Möglichkeit bestanden, eine erste Bewertung zu konstruieren und damit möglichen Dissens zu markieren. Doch indem diese Gelegenheit ungenutzt verstreicht, kann wie schon in Schema (Sl) auch hier von der Markierung von Konsens bzw. von Nicht-Dissens in den ersten beiden Positionen der Sequenz gesprochen werden. An diese kollaborative Aushandlung von Konsens schließt sich dann im Turn an dritter Position die Markierung von Nicht-Konsens durch den Produzenten des Turns in Position 1 an. Hinsichtlich der sequenziellen Positionierung von bloß als Konjunktor lassen sich folgende Ergebnisse festhalten. In der vorliegenden Analyse konnte nachgewiesen werden, dass der turneröffnenden Positionierung des Konjunktors bloß eine enge Verwobenheit von konsens- und dissensorientierten Aktivitäten zu Grunde liegt. Es konnte eine sequenzielle Geordnetheit in Form einer aus drei Positionen bestehenden Sequenz aufgezeigt werden. Die Positionen 1 und 2 bilden eine Bewertungssequenz, in der die Gesprächsteilnehmer kollaborativ Konsens aushandeln. Die Markierung von Konsens liegt begründet in dem Nicht-Wahrnehmen der Gelegenheit zur Markierung von Dissens an Position 2 der dreiteiligen Sequenz. Nach dieser Markierung von Konsens besteht an dritter Position der Sequenz die Möglichkeit, den Turn mit bloß zu eröffnen. Position 1 und Position 3 werden von demselben Sprecher vollführt. Insofern kann die Initiierung der Markierung von Konsens in Position 1 der dreiteiligen Sequenz als Voraussetzung für die spätere Markierung von Nicht-Konsens an Position 3 durch denselben Sprecher gesehen werden. Es konnte gezeigt werden, wie sich die Gesprächsteilnehmer an dieser sequenziellen Geordnetheit orientieren, indem sie kommende Handlungen projizieren und ihre eigenen Handlungen an diesen Projektionen ausrichten.
4.4.2.
Die Verbindung zum ersten Konjunkt: Ambiguität
Nach der Beschreibung der Funktion von bloß als Konjunktor in turneröffnender Position muss die nächste Frage lauten, welche Konjunkte durch den Konjunktor miteinander verbunden werden und welcher Art diese Verbindung ist. In den einschlägigen Grammatiken findet sich nur wenig zu dieser Verwendung von bloß. In Bezug auf aber, das in vielerlei Hinsicht bloß ähnelt, wird bei Zifonun et al. (1997) von der Möglichkeit einer Verbindung durch einen Konjunktor an den Vorgängerturn gesprochen.
53 Eine Verbindung durch den Konjunktor bloß an den Vorgängerturn lässt sich in den vorliegenden Belegen finden, stellt jedoch die Ausnahme dar. Ein Beispiel dafiir wäre noch einmal Auszug (A8): Auszug (A8) 1 IS: genau. 2 2 (1.2) 3 3 S: b l o s s w i r müsstn uns j e t z t nochmal genau r e c h e r c h i e r n wann s i c h d i e s e r r a t n u n 4 wirklich konstituiert. 5 Hier knüpft Sprecher S in 3 mit dem Konjunktor bloß an den eigenen Turn in Zeile 1 an. Dies wäre demnach ein Beispiel für eine Verbindung an den Vorgängerturn, der keinen Sprecherwechsel beinhaltet. Indem ein Turn mit einem Konjunktor eingeleitet wird, wird der folgende Turn als Fortsetzung des vorhergehenden Turns geformt. In einem solchen Fall kann entsprechend der Präferenz für Kontiguität auch von einer Turnwiederaufnahme gesprochen werden, da der Tum in Position 3 eine Kontiguität zu dem vorher Gesagten schafft. Nicht immer ist eine eindeutige Zuweisung des ersten Konjunkts zum Konjunktor bloß ohne Schwierigkeiten möglich. Dem Schema (Sl) zufolge könnte das erste Konjunkt, sequenziell gesehen, der Turn in Position 2 sein, während das andere Konjunkt der Turn in Position 3 sein könnte. Dies würde bedeuten, dass bloß sowohl turnübergreifend funktionieren würde als auch dass ein Sprecherwechsel involviert wäre. Es ließe sich jedoch ebenso argumentieren, dass bloß eine turnübergreifende Funktion zu dem Turn in Position 1 ermöglicht und damit mit dem Turn desselben Sprechers verbindet. Demnach wäre hier eher von einer Turnwiederaufnahme im Sinne einer Konstruktion eines Multi Unit Turns als von einem neuen Turn zu sprechen (s. Kap. 4.5.). Aus obigen Überlegungen wird deutlich, dass eine präzise Zuweisung des Konjunktors bloß in turneröffnender Position zu einem einzigen ersten Konjunkt nicht immer möglich ist. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, ist diese Ambiguität nicht als ein kommunikativer Mangel, sondern als eine interaktive Funktion des Konjunktors bloß zu sehen. Betrachtet man den Auszug (A4a), so ist nicht unmittelbar eindeutig zu klären, worauf sich der Turn in Zeile 24 bezieht. Auszug (A4a) 21 I S : 22 23-> 2 P: 24 3 S:
j a (.) ' i r g e n d w e l c h e p o l i t i k e r n a s n kuckn s i c h das bestimmt an.* hmm. b l o s s i c h denke dass das nurn a u f h ä n g e r s e i n kann.
Der konversationellen Regel nach adjazenter Platzierung (Sacks 1992:11:521-541) und der Präferenz von Kontiguität (Sacks 1987) zufolge müsste das erste Konjunkt der Turn in Position 2 sein, d.h. der Konjunktor bloß wirkte turnübergreifend und tumverbindend mit einem Turn eines anderen Sprechers. In diesem Falle verhielte sich bloß konjunktivisch in Bezug auf den direkt vorhergehenden Turn. Doch es gibt weitere mögliche erste Konjunkte.
54 In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, worauf sich das in Zeile 24 bezieht. Hinsichtlich des Inhalts bezieht es sich weder auf Zeile 23, d.h. den Turn eines anderen Sprechers, noch auf Zeile 21/22, d.h. den eigenen vorhergehenden Turn des aktuellen Sprechers. Blickt man jedoch in der Konversation einige Schritte zurück, tauchen verschiedene potenzielle erste Konjunkte auf. Zunächst einige Kontextinformationen hinsichtlich des Gesprächauszugs. Die Gesprächsteilnehmer diskutieren über Themenvorschläge für die kommenden Sendungen des Programms. In den vorherigen 15 Minuten haben die Gesprächsteilnehmer konkret darüber gesprochen, ob sie einen Beitrag über eine andere Euroregion als die Euroregion Schleswig in ihrer nächsten Sendung ausstrahlen sollten. Im folgenden Auszug sind die 10 vorhergehenden Turns vor dem vorherigen Ausschnitt aus Auszug (A4a) zu sehen. Auszug (A4a) 1 S: ob s i c h d a s i r g e n d w i e r e a l i [ s i e r e n l ä s s t ? ] Ta:: i c h l f i n d den 2 I: aedanken n i c h t s c h l e c h t . 3 •h a l s o i c h s e h d a s a l s d i e e i n z i g e m ö g l i c h k e i t ä ä 4 S: ä mal was ( . ) -h n e u e s da r e i n z u b r i n g e n . 5 6 I: v i e l l e i c h t g i b t s j a a u c h i r g e n d w e l c h e d ä n e n d i e s i c h s o n b e i s p i e l o d e r d e u t s c h e d i e s i c h s o n b e i s p i e l da 7 8 mal a n k u c k n (2.5) 9 10 I : w e i s s man i a n i c h t ( . ) ob d i e n o c h i r a e n d w e l c h e e r k u n d u n g s r e i s e n machen o d e r I n f o r m a t i o n s a u s t a u s c h 11 12 und d u r c h z u f a l l s o w i e s o i n i r g e n d s o n e r b e i s p i e l e u r o r e g i o n s i c h umtun. 13 14 S: a l [ s o i c h f i n d ] 15 I: [NORMALER lWEIse zur aenüae (.) dass die durch 16 d i e g e a e n d e i e r n und s i c h was a n g u c k n . 17 (1) P: ((Lachen)) 18 19 I: ja. 20 (1.5) 21 S: j a ( . ) ' i r g e n d w e l c h e p o l i t i k e r n a s n kuckn s i c h d a s 22 bestimmt an." 23 P: hmm. 24 S: b l o s s i c h d e n k e d a s s d a s n u r n a u f h ä n a e r s e i n k a n n . Ein mögliches erstes Konjunkt zu das in Zeile 24 könnte demzufolge das in Zeile 1 und 4 sein. Dieses das bezieht sich auf die Pläne des Fernsehteams, Beiträge über andere Euroregionen in das Programm zu integrieren. Sprecher S bezieht sich in Zeile 24 mit dass das nurn aufhänger sein kann inhaltlich und lexikalisch auf eben diese Pläne.21 Damit liegt hier lexikalisch und semantisch eine Verbindung zu etwas vor, was 8 Turns zuvor liegt. 21
Zu Kohäsion in Dissens-Sequenzen: Kotthoff (1993).
55 Doch es lassen sich weitere mögliche erste Konjunkte nachweisen. Eine Verbindung zu was in Zeile 16 könnte ebenso möglich sein und bezöge sich auf Politiker, die herumreisten und sich verschiedene Euroregionen anguckten. Eine Bindung von Zeile 24 zurück zu das in Zeile 21 könnte lexikalisch gesehen auch möglich sein. Inhaltlich gesehen ist diese Verbindung jedoch deutlich lockerer, da sich das in Zeile 21 auf die deutsch-dänische Euroregion im Besonderen bezieht, während das in Zeile 24 auf die Verwendung von Beiträgen über andere Euroregionen als die Euroregion Schleswig für die nächsten Sendungen eingeht. Darüber hinaus vermindert der Intonationsverlauf des Turns von Zeile 21 bis 22 das konjunktive Element. Der Turn wird mit einer sehr leisen Stimme geäußert, was ihn als etwas markiert, was der Konversation keine neuen Informationen liefert. Und tatsächlich stellen die Zeilen 21/22 eine Reformulierung von I's Turn in Zeile 15/16 dar, der nicht mit neuen Informationen zum Thema beiträgt. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass (mindestens) vier mögliche erste Konjunkte zu dem turneröffnenden bloss in Zeile 24 vorliegen. Ein mögliches erstes Konjunkt findet sich in Zeile 23 aufgrund adjazenter Platzierung. Damit liegt eine enge sequenzielle Verbindung zwischen dem ersten und dem zweiten Konjunkt vor. Ein weiteres mögliches erstes Konjunkt befindet sich in Zeile 21 und stellt eine enge lexikalische Verbindung zum zweiten Konjunkt dar. Die Verbindung wird jedoch durch semantische und intonatorische Aspekte abgeschwächt. Dieser Turn bedeutet eine Anknüpfung an den vorherigen Turn desselben Sprechers. Ein drittes mögliches erstes Konjunkt befindet sich in Zeile 16 in Form einer inhaltlichen Referenz von was (16) und das (24). Ein viertes mögliches erstes Konjunkt findet sich in Zeile 1 und 4. Es bedeutet eine Verbindung zu einem 8 Turns zuvor liegenden Turn und stellt eine lexikalische und semantische Beziehung zum Turn eines anderen Sprechers dar. Die Verbindung zwischen dem ersten und zweiten Konjunkt wird somit auf verschiedenen Ebenen geschaffen, die zusammenwirken in der Konstruktion eines konjunktiven Elementes zwischen den beiden Konjunkten: der sequenzielle, der semantische, der lexikalische und der intonatorische Aspekt. Dadurch kann der Konjunktor bloß in turneröffnender Position ambig in Bezug auf sein erstes Konjunkt sein. In dieser Ambiguität liegt eine interaktive Funktion. Sie ermöglicht es dem Gesprächsteilnehmer, mittels bloß die Markierung von Nicht-Konsens einzuleiten, ohne von Anfang an direkt dazu Stellung zu nehmen, worauf sich der Nicht-Konsens bezieht: auf den direkt vorhergehenden Turn desselben Sprechers oder aber auf den bzw. einen vorhergehenden Turn eines anderen Sprechers. Im ersten Fall hätte der Nicht-Konsens die Form einer eigeninitiierten Eigenreparatur. Im zweiten Fall besäße der Nicht-Konsens die Form einer fremdinitiierten Fremdreparatur. Schegloff/Jefferson/Sacks (1977) haben gezeigt, dass es in der Organisation von Reparaturen in mündlicher Interaktion eine Präferenz zur Eigenreparatur gibt. Diese Präferenz lässt sich an unterschiedlichen sequenziellen Abläufen nachweisen, an denen beispielsweise vor der Durchführung einer Fremdreparatur die Gelegenheit zur Eigenreparatur gegeben wird. Indem in den hier untersuchten Auszügen eine Ambiguität herrscht hinsichtlich dessen, worauf sich der Konjunktor konkret bezieht, kann es der aktuelle Sprecher unterlassen zu markieren, worauf sich der kommende Dissens bezieht. Dies zeigt eine Orientierung an der Regel zur Präferenz von Eigenreparatur, da der mittels bloß initiierte Dissens aufgrund des ambigen Verhältnisses zum ersten Konjunkt zumindest potenziell eine Eigenreparatur sein kann. Somit bewahrt der aktuelle Sprecher in der folgenden Konstruktion eines potenziellen, im Entstehen begriffe-
56 nen Dissenses die Möglichkeit, seine Aktivitäten an den Handlungen der anderen Interaktanten auszurichten und die Konstruktion und den Grad des Dissenses im weiteren Verlauf zu modifizieren. Festzuhalten bleibt, dass die konjunktive Funktion von bloß nicht ausschließlich auf den Vorgängerturn begrenzt ist, sondern über eine Reihe von Turns hinweg turnübergreifend sein kann. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass der Konjunktor bloß nicht automatisch an den vorhergehenden Turn desselben Sprechers bindet, sondern auch an einen vorhergehenden Turn eines anderen Sprechers anknüpfen kann. Eine genaue Zuordnung zu einem bestimmten ersten Konjunkt ist nicht immer möglich. Es kann eine Ambiguität vorliegen hinsichtlich des ersten Konjunkts, an den der Konjunktor bloß anknüpft. In der hieraus resultierenden referenziellen Mehrdeutigkeit des Konjunktors bloß in Bezug auf das erste Konjunkt ist kein kommunikativer Mangel zu sehen, sondern eine interaktive Funktion. Die Funktion besteht im möglichen Unterlassen der eindeutigen Zuweisung auf wen bzw. worauf sich der mittels bloß initiierte Nicht-Konsens bezieht. Inwieweit die Orientierung an der Präferenz zur Eigenreparatur, die sich in der Schaffung des ambigen Verhältnisses zwischen Konjunktor und erstem Konjunkt zeigt, auch eine Auswirkung auf die Gestaltung des zweiten Konjunktes hat, wird im folgenden Kapitel untersucht.
4.4.3.
Die Verbindung zum zweiten Konjunkt: Disjunktivität
Nachdem gezeigt werden konnte, dass ein turneröffnender Konjunktor sowohl direkt mit dem Vorgängerturn als auch mit einem sequenziell weit vorher liegenden Turn verbinden kann, stellt sich nun die Frage nach der Art der Verbindung zwischen dem ersten und zweiten Konjunkt, die durch den Konjunktor bloß markiert wird. Hierbei wird die Frage im Zentrum stehen, welche Art von Aktivitäten der Konjunktor bloß in tumeröffnender Position in Bezug auf das zweite Konjunkt ermöglicht. Laut Zifonun et al. (1997:2423) handelt es sich bei bloß um einen adversativen Universalkonj unktor. Unterscheidet man in diesem Zusammenhang zwischen turneröffnender und turninterner Verwendung, so scheint in den vorliegenden Daten bei turneröffnender Verwendung von bloß in einem Großteil der Fälle dessen adversative Bedeutung in den Hintergrund zu treten. Hier ist eher von einer disjunktiven Funktion zu sprechen, d.h. dass die Verbindung zu dem Vorhergehenden gelöst wird. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche Aktivitäten der Konjunktor bloß in turneröffnender Position ermöglicht. Erstens baut er retrospektiv eine Verbindung zu dem zuvor Gesagten auf inhaltlicher Ebene auf und fungiert daher konjunktivisch. Zweitens sichert er den Turn, indem er Fortsetzung projiziert und diese damit sequenziell relevant macht. Die Art der projizierten Fortsetzung unterscheidet sich von einer rein adversativen Verbindung, in der ein Fokuswechsel22 vorliegt, das übergeordnete Thema aber erhalten bleibt. Kallmeyer formuliert hierzu: 22
Statt von 'Fokuswechsel' spricht Günthner ( 1 9 9 3 : 2 5 6 f f . ) von 'Umfokussierungen'. Sie führt aus: "Die Sprecherin bindet ihre Äußerung inhaltlich und formal an die Vorgängeräußerung an
57 Fokuswechsel bedeuten eine Veränderung der Aufmerksamkeitsausrichtung, wenn auch häufig nur eine partielle Veränderung. (Kallmeyer 1978:214)
In den vorliegenden Auszügen findet insofern eine andere Aktivität statt, als hier die Verbindung zum Vorhergegangenen gelöst und ein neues Thema initiiert wird. Indem diese Handlung regelmäßig durchgeführt wird, ermöglicht sie den Gesprächsteilnehmern eine Orientierung an einem potenziell kommenden Themenwechsel (Jefferson 1993). Durch das Lösen der Verbindung zum Vorhergegangenen ist hier von einer disjunktiven Verbindung zu sprechen. Die Möglichkeit zur Initiierung eines disjunktiven Verhältnisses mittels bloß scheint abhängig zu sein von der Art der Markierung kollaborativen Konsenses in den ersten beiden Positionen der Sequenz. In der folgenden Analyse wird erneut auf Auszug (A4a) verwiesen: Auszug (A4a) 15 I: [NORMALER ]WEIse 16 die g e g e n d eiern u n d 17 (1) 18 P: ((Lachen)) 19 I: ja. 20 (1.5) 21 S: ja (. ) 'irgendwelche 22 bestimmt an.° 23 P: turan. 24 S: bloss ich denke dass
zur genüge (.) dass die d u r c h sich was anauckn.
p o l i t i k e r n a s n kuckn sich das
das n u r n aufhänger sein kann.
Die Turns in den Zeilen 18 bis 23 können mit gewissen Einschränkungen als Konsenssequenz bezeichnet werden, in denen sich alle vier Gesprächsteilnehmer gegenseitig ihre Einigkeit versichern. Die Einschränkungen bestehen darin, dass die Konsensmarker als verspätet betrachtet werden können. So kommt z.B. Sprecher P's Lachen in Zeile 18 im Anschluss an eine einsekündige Pause und nachfolgend Sprecher I's ja in Zeile 21 nach einer Pause von 1.5 Sekunden. Darüber hinaus sind die Konsensmarker relativ schwach. P's Turn in Zeile 23 muss als minimales Responsiv bezeichnet werden, das ebenso gut einen Vorbehalt mit dem zuvor Gesagten ausdrücken könnte. Dieser Teil der Sequenz ist demnach gekennzeichnet durch schwache Konsensmarker und Pausen. Darüber hinaus weist das nonverbale Verhalten der Gesprächsteilnehmer hinsichtlich der Blickrichtung keine aktive Selektion des nächsten Sprechers auf. Auszug (A4a nonverbal 21-24) 21 S: {ja (.) * irgendwelche p o l i t i k e r n a s n k u c k n sich das { (S—>0) 22 b e s t i m m t an.' 23 P: fhmm. { (P->0)
und führt im Anschluß eine thematische Umorientierung durch, die ihre eigene Position und Argumentationslinie stärkt." (256).
58 24
S:
{bloss ich denke dass das nurn aufhänaer sein kann. {
(S->0)
Sowohl Sprecher S als auch Sprecher Ρ gucken in der oben stehenden Sequenz nicht zu einem bestimmten Gesprächsteilnehmer, sondern richten ihren Blick auf eine unbestimmte Stelle in der Mitte des Verhandlungstisches, um den herum die Teilnehmer platziert sind. Die Turns in dieser Sequenz enthalten inhaltlich gesehen keine neuen Informationen, die das Gespräch zu diesem Zeitpunkt vorantreiben könnten. Weder die Konsensmarker noch S's Turn in 21/22, der durch leise Stimmführung gekennzeichnet ist, tragen zum Gespräch mit etwas inhaltlich Neuem bei. Indem keine aktive Sprecherselektion stattfindet und inhaltlich keine das Thema weiterführenden Bemerkungen gemacht werden, trägt diese Sequenz Züge eines kollaborativ gestalteten Themenabschlusses (Schegloff/Sacks 1973). Charakteristisch für einen Themenabschluss sind ebenso die entstehenden Pausen, die den Gesprächsteilnehmern die Gelegenheit geben, das Thema wieder zu öffnen, wenn daran Interesse bestehen sollte. Indem dies in der oben stehenden Sequenz nicht getan wird, erhält diese Sequenz neben der Markierung von Konsens zusätzlich die Markierung eines kollaborativen Themenabschlusses. In diesem Zusammenhang ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass die Markierung von Einigkeit über die initiierten Aktivitäten in dieser Sequenz deutliche Zeichen von Kollaboration aufweist. Indem im folgenden Tum mit bloß ein kommender Nicht-Konsens projizierbar wird, kann hier von der Initiierung einer Reparatursequenz gesprochen werden. Da die vorherige Markierung von Einigkeit eine gemeinsame Aushandlung war, repariert der bloßTurn sowohl etwas vom aktuellen Sprecher Produziertes als auch etwas von einem anderen Sprecher Produziertes. Die gemeinsame Markierung von Konsens in den ersten beiden Positionen der Sequenz ist demnach eine Voraussetzung zur Initiierung eines Turns mit bloß an turneröffnender Position, um der damit verbundenen Reparatur zumindest partiell die in Konversation präferierte Form einer Eigenreparatur zu geben. Im Anschluss an die oben stehende Sequenz übernimmt Sprecher S den Turn in Zeile 24, den er mit bloß einleitet. Auszug (A4b) ist die Fortsetzung von Zeile 24 in Auszug (A4a), die hier als Zeile 1 noch einmal wiedergegeben ist. Auszug (A4b) zeigt die folgenden Turns. Auszug (A4b) 1 S: bloss ich denke dass das nurn aufhänaer sein kann. 2 I: j[A: ] 3 S: [mei]netwegn zwischn deutschland und Frankreich 4 trotz der, (.)-h ä: rü:dn veraanaenheit funktioniert 5 es, (0.5) -h warum funktionierts (.) oder warum 6 (0.4) macht es hier so grosse probleme. 7 (1) 8 S: ist das eigntlich (.) wirklich die angst vor den 9 deutschn? oder ist das die angst vor europa. 10
11 12 13
(0.2)
Ρ: S:
-hh[hh [-h ist das die anast sozusagn ä ä: die eigene identität zu verliern, oder dass ä:
59 14 15 16
Ρ:
-h [ ( . ) d i e d e u [ t s c h n , ] [-hh [ich glau]be es i s t europa aber aber das
die angst
vor
Nach der kollaborativen Markierung von Konsens in Bezug auf das zuvor Gesagte und der Signalisierung von Bereitschaft, das Thema zu beenden, ist der Turn von Sprecher S in Zeile 1 in Auszug (A4b) nicht durch Formen der Verzögerung gekennzeichnet. Sprecher I reagiert auf Sprecher S mit einem minimalen Responsiv in Form von Konsens jA: in Zeile 2. Dieser fungiert als Fortsetzungsakzeptanz, da er den Turn erneut dem vorherigen Sprecher übergibt. Hierdurch wird Sprecher S aufgefordert, seinen Turn fortzusetzen. Dieses wird auch durch nonverbale Aspekte unterstützt, indem Sprecher I während seines Turns in Zeile 2 seinen Blick auf Sprecher S gerichtet hat. Auszug (A4b nonverbal 2-3) 2 I: {j[A: ] { ( I~>S) 3 S: {[mei]net{wegn zwischen d e u t s c h l a n d und { (S->I) { (I reibt Augen)
frankreich
Hierdurch wird eine Sprecherwahl vorgenommen. Sprecher S's Fortsetzung des Turns könnte im Folgenden auf unterschiedliche Weise gestaltet werden: als eine Wetterführung des eingeführten Themas, als eine Vertiefung des eingeführten Themas oder als eine Rechtfertigung seines vorhergehenden Turns. Sprecher S wählt, seinen Turn als Rechtfertigung seines vorhergehenden Turns zu formen. Die Rechtfertigung ist als direkte Reaktion auf die Art zu sehen, wie der adjazent zuvor platzierte Turn von Sprecher I produziert wurde. Hinsichtlich der Längung des Vokals in jA: und dem verstärktem Volumen kann dieser Turn Zweifel ausdrücken. Sprecher S scheint sich an dem Turn in Zeile 2 als zweifelnd zu orientieren, da er in dem folgenden Turn von Zeile 3 bis 11 seinen begonnenen Tum weiter ausführt und sein sprachliches Handeln rechtfertigt. In Auszug (A4b) konstruiert Sprecher S seine Rechtfertigung in Form einer aus drei Teilen bestehenden Liste von Kontrasten.23 Jeder Teil der Liste enthält einen Kontrast, der durch oder markiert wird (5,9,13). Die Gesprächsteilnehmer zeigen, dass sie sich an der Listenkonstruktion orientieren, indem sie mit der Turnübernahme trotz mehrerer übergangsrelevanter Stellen bis zur Konstruktion des Kontrastes im dritten Teil der Liste warten. Mit der Beendigung des zweiten Teils der Liste in Zeile 9 werden der kommende dritte Teil und damit die Liste selbst projizierbar. Sprecher Ρ übernimmt den Turn in Überlappung mit Sprecher S. Die Turnübernahme findet statt an einer nicht-übergangsrelevanten Stelle in einer Turnkonstruktionseinheit im dritten Teil der Liste. Die Turnübernahme geschieht unmittelbar, nachdem die Fertigstellung der Liste im dritten Teil durch oder dass projizierbar wird. Indem Sprecher S unmittelbar nach der überlappenden Turnübernahme von Sprecher Ρ seinen Turn abbricht, markiert er Akzeptanz der Turnübernahme durch P. Die Listenkonstruktion besteht aus drei Teilen. Um mit etwas kontrastieren zu können, bedarf es (mindestens) zweier Teile in jedem Kontrast. In Auszug (A4b) markiert das Wort oder den Übergang vom ersten Teil des Kontrastes zum zweiten. In der ersten Turnkon23
Zu Listenkonstruktion: Jefferson (1990).
60 struktionseinheit in Zeile 3 und 4 spricht Sprecher S von einer anderen Euroregion als der deutsch-dänischen, über die sie einen Beitrag in ihrem Programm machen könnten. In Zeile 5 beendet er die Turnkonstruktionseinheit ·h warum funktionierts, indem er abbricht und repariert, was er durch eine Mikropause und einen Neustart (.) oder warum. markiert. Mittels der Reparatur wird ein Kontrast zwischen dem Funktionieren und dem Nicht-Funktionieren grosse probleme aufgebaut. Hiermit wird in der folgenden Turnkonstruktionseinheit ein Fokuswechsel vollführt, der von der Art und Weise, wie die Euroregion funktioniert, zu deren Problemen führt. In Zeile 6 wird der erste Teil der Liste an einer übergangsrelevanten Stelle beendet, an die sich eine einsekündige Pause anschließt. Zu diesem Zeitpunkt hat Sprecher S keine Sprecherwahl vorgenommen und keiner der anderen Gesprächsteilnehmer hat eine Eigenwahl vorgenommen. Daher nimmt Sprecher S den Turn in Zeile 8 wieder auf. Erneut wird ein Kontrast aufgebaut, der durch oder markiert ist und inhaltlich die Angst der Dänen vor den Deutschen bzw. vor Europa generell beinhaltet. Sprecher P's Einatmen in Zeile 11 nach dem Abschluss des zweiten Teils der Liste führt nicht dazu, dass Sprecher S seinen Turn nicht wieder aufnimmt. Stattdessen übernimmt Sprecher S in Überschneidung mit Sprecher P's Einatmen den Turn und gestaltet den Kontrast im dritten Teil der Liste. Der zweite Teil des Kontrastes im dritten Teil der Liste wird nicht beendet, da Sprecher S den Turn direkt im Anschluss an die Stelle übernimmt, an der die Fertigstellung der Liste erstmalig vollständig projizierbar ist, nämlich direkt nach dem den Kontrast konstituierenden oder in Zeile 13. In diesem Zusammenhang ist es aufschlussreich, nonverbale Aspekte wie die Blickrichtung zur Analyse hinzuzuziehen. Auszug (A4b nonverbal 3-16):
3
S:
{[mei]net{wegn zwischen deutschland und frankreich
4
{ (S->I) {(I reibt Augen) trotz der, (.){h ä: (rü:dn Vergangenheit { (S->0) { (P->S)
5
es, (0.5) {h warum funktionierts (.) {oder warum
6
(0.4) macht es hier so grosse profbleme.
7
(1)
{ (S->P)
{
funktioniert
(S->0)
{ (S->P) (weiter
8 9
ist das eigntlich (.) wirklich die angst vor den deutschn? oder ist das die angst vor europa.
Ρ: S:
·hh[hh [-h ist das die angst sozusagn ä ä: die eigene identität zu verliern, oder dass ä: -h [(.) die deu[tschn, ] [-hh {[ich glaujbe es ist die angst vor
10
11 12 13 14 15
SP)
S:
(0.2)
P:
{ (P->S)
16
europa aber aber das,
(S->0)
61
Zu Beginn des Turns von Sprecher S in Zeile 3 hat Sprecher S den Blick auf den vorigen Sprecher I gerichtet. In Zeile 4 wechselt die Blickrichtung von Sprecher S weg von Sprecher I hin zu einem unbestimmten Punkt in der Mitte des Tisches, um den die Gesprächspartner platziert sind. Der Wechsel der Blickrichtung findet in dem Augenblick statt, als Sprecher S einatmet und anschließend mit einem Zeichen des Zögerns fortfährt. Im Anschluss an das Zeichen des Zögerns von Sprecher S richtet Sprecher Ρ seinen Blick zu dem sprechenden Sprecher S. Die nächste Veränderung in Sprecher S's Blickrichtung geschieht nach einer Pause von 0.5 Sekunden einhergehend mit der Initiierung des Interrogativpronomens warum in Zeile 5. Hier ändert Sprecher S die Blickrichtung zu Sprecher P, wo der Blick während der folgenden einsekündigen Pause bleibt. Die beiden Sprecher S und Ρ haben während der Pause miteinander Blickkontakt. Dieser Blickkontakt bleibt während der Konstruktion der nächsten zwei Teile der Liste bestehen. Erst in Zeile 15, als Sprecher Ρ den Turn von Sprecher S übernimmt, ändern sich die Blickrichtungen erneut. Während Sprecher Ρ während der Turnübernahme und auch in der folgenden Turnkonstruktionseinheit den Blick weiterhin auf Sprecher S gerichtet hat, ändert Sprecher S seine Blickrichtung weg von Sprecher Ρ hin zu einer unbestimmten Stelle in der Mitte des Tisches. Mit Hilfe der Blickrichtung wählt sich Sprecher S von Zeile 5 an einen potenziellen Rezipienten für seinen Turn aus. Sprecher Ρ wiederum zeigt durch seine Blickrichtung zum einen, dass er Empfänger von Sprecher S's Turn ist und daraus folgend zum anderen, dass er ein potenzieller nächster Sprecher ist. In der Pause in Zeile 7 verhandeln somit Sprecher S und Ρ miteinander über ihre Rolle hinsichtlich Sprecher und Rezipient. Das Ergebnis ist, dass ihre Rollen vorläufig unverändert bleiben. Erst in dem Moment, in dem sich ihre Rollen zueinander ändern, ändert sich auch ihre Blickrichtung. Zusammenfassend lässt sich in Bezug auf die Verbindung des Konjunktors bloß zum zweiten Konjunkt festhalten, dass ein disjunktives Verhältnis nachweisbar ist. In den meisten Grammatiken wird dem Konjunktor bloß hingegen eine rein adversative Funktion zugeschrieben. Mit Hilfe der disjunktiven Qualität des Konjunktors wird das zweite Konjunkt vom ersten gelöst. Hierdurch wird die Gelegenheit zu einem schrittweisen Themenwechsel eröffnet. Die Möglichkeit zur Konstruktion dieses disjunktiven Verhältnisses scheint abhängig zu sein von der in den Positionen zuvor kollaborativ markierten Einigkeit. Der folgende Turn mit bloß an erster Position kann somit sowohl Züge einer Eigen- als auch Züge einer Fremdreparatur tragen.
4.5.
Der Konjunktor bloß in turninterner Position
Im folgenden Kapitel wird die turninterne Positionierung von bloß der turneröffnenden gegenübergestellt. Hierzu wird zunächst die Unterscheidung in turnintern und turneröffnend näher beleuchtet. Anschließend werden zwei Auszüge mit turninterner Positionierung des Konjunktors bloß analysiert, in ihrem sequenziellen Aufbau miteinander verglichen und der turneröffnenden Positionierung von bloß gegenübergestellt. Die vorliegenden Ergebnisse lassen sich aufgrund der begrenzten Datenmenge nicht generalisieren. Dieses Kapitel soll aufzeigen, dass dieses Gebiet bisher wenig untersucht ist und dass sich zahlreiche Ínteres-
62 sante Fragestellungen aufzeigen lassen. Weitere Studien zu unterschiedlichen Positionierungen von bloß wären wünschenswert, da sie zusätzliche Aufschlüsse über die interaktive Funktion dieses Konjunktors ermöglichten. Es lässt sich nachweisen, dass eine turninterne Positionierung von bloß nicht notwendigerweise mit einer einzigen interaktiven Funktion einhergeht. Möglichen Einfluss auf die Funktion scheint die Gestalt des ersten Konjunktes zu haben. Wenn das erste Konjunkt eine monolexikalische Einheit ist, scheint es eine starke Ähnlichkeit mit der turneröffiienden Verwendung von bloß zu geben. Besteht das erste Konjunkt jedoch aus mehreren Turnkonstruktionseinheiten und ist es markiert durch Dispräferiertheit, scheint die disjunktive Funktion, die bei tumeröffhender Positionierung des Konjunktors nachgewiesen werden konnte, zu Gunsten einer adversativen zurückzutreten. Die Abgrenzung zwischen der Positionierung einer bestimmten Einheit als turneröffnend und turnintern ist eng gebunden an die Definition eines Turns. Wie schon einleitend in Kap. 2.1.2. zu den methodologischen Grundlagen der Konversationsanalyse ausgeführt, ist die Definition eines Turns an zahlreiche Faktoren gebunden, die eine einheitliche Definition nicht unproblematisch machen. Eine häufig angewandte Definition eines Turns ist die, dass dessen Anfang und Ende durch einen Sprecherwechsel gekennzeichnet sind (Zifonun 1997:469). Diese Definition scheint auf den ersten Blick eindeutig zu sein. Übernimmt ein Sprecher einen Turn, wird damit gleichzeitig ein anderer Turn beendet und ein neuer begonnen. Doch es gibt zahlreiche Fälle in alltäglicher Konversation, in denen kein Sprecherwechsel stattfindet und man dennoch geneigt ist von unterschiedlichen Turns zu sprechen. Im Falle von Überlappungen beispielsweise kommt ein Sprecher auf verbaler Ebene dem Gespräch hinzu, doch es findet insofern kein Sprecherwechsel statt, als zwar ein neuer Turn begonnen wird, damit jedoch kein Abschluss eines anderen Turns einhergeht. Turnanfang und -ende können demnach durch einen Sprecherwechsel markiert werden, aber der Beginn eines neuen Turns durch einen Sprecher bedeutet nicht notwendigerweise die Beendigung eines Turns durch einen anderen Sprecher. Ein weiterer Fall, der die Problematik dieser Definition eines Turns verdeutlicht, ist derjenige, in dem der aktuelle Sprecher seinen Turn beendet, ohne eine eindeutige Sprecherselektion vorgenommen zu haben. Wenn im Anschluss daran keiner der anderen Gesprächsteilnehmer eine Eigenwahl vornimmt, entsteht eine Pause. Das Rederecht fällt damit zurück an den vorherigen Sprecher (Sacks/Schegloff/Jefferson 1974:704). Hier stellt sich nun die Frage, ob ein erneuter Turnbeginn des vorherigen Sprechers als eine Weiterführung seines vorigen Turns anzusehen ist (s. Kap. 4.4.1.). In diesem Fall muss von einem gesamten Turn gesprochen werden, der aus mehreren Turnkonstruktionseinheiten besteht. Es kann jedoch auch von einem Neustart ausgegangen werden, was bedeuteten würde, dass derselbe Sprecher in diesem Fall zwei aneinander anschließende, separate Turns produziert, die durch eine Pause voneinander abgetrennt sind. Damit wäre das Kriterium des Sprecherwechsels kein den Turn konstituierendes Kriterium. Die einen Turn konstituierenden Elemente sind die Turnkonstruktionseinheiten, deren Begrenzung eine mögliche übergangsrelevante Stelle ausmacht. Ein Turn kann aus einer einzigen Turnkonstruktionseinheit bestehen (Single Unit Turn) oder aus mehreren (Multi Unit Turn). Schegloff (1996:61) bezeichnetes als charakteristisch für Multi Unit Turns, dass einige Turnkonstruktionseinheiten spezifisch für die jeweilige Position im Turn gestal-
63 tet sein können. Daraus folgt, dass in ihnen, trotz syntaktischer, prosodischer und pragmatischer Abgeschlossenheit, eine folgende Turnkonstruktionseinheit projizierbar sein kann. In diesem Zusammenhang weist er auf den sequenziellen Kontext hin, in dem eine solche Einheit platziert ist. Ein Single Unit Turn wie nein kann beispielsweise in einem bestimmten sequenziellen Kontext nicht die angemessene relevante nächste Handlung sein und dadurch eine Fortsetzung desselben Sprechers projizieren. Interaktive Mittel zur Markierung der Projektion von Fortsetzung sind beispielsweise so genannte 'dummy terms' (Schegloff 1982), deren interaktive Funktion eben in der Markierung von Projizierbarkeit zu sehen ist. Goodwin (1996) führt in diesem Zusammenhang den Terminus 'prospective indexicals' an, wobei er die kataphorische Funktion dieser Elemente herausstellt. Die Bezeichnung der Positionierung von bloß in den in Kap. 4.4. untersuchten Auszügen als turneröffnend konnte damit begründet werden, dass zwischen Konjunktor und erstem Konjunkt entweder ein Sprecherwechsel vorlag oder eine Pause, deren Länge ungefähr der 'standard maximum pause' (Jefferson 1989) entsprach. In den im folgenden Abschnitt zu analysierenden Auszügen ist bloß insofern turnintern positioniert, als es an die vorausgehende Turnkonstruktionseinheit bzw. Turnkonstruktionseinheiten ohne jegliches Zeichen von Verzögerung in Form von Pause angeschlossen wird. Darüber hinaus beinhaltet die bloß vorausgehende Turnkonstruktionseinheit unterschiedliche Elemente, die Fortsetzung projizieren. Fortsetzung kann hier durch das Unterlassen einer relevanten nächsten Handlung markiert werden oder durch das Turndesign projizierbar gemacht werden. In den vorliegenden Daten lässt sich in drei Belegen dafür argumentieren, dass der Konjunktor bloß turnintern positioniert ist. Anhand dieser Belege lässt sich folgendes Schema aufstellen: Schema (S3) 1 Sprecher X: Konjunkt 1 : Zustimmung 2 Sprecher X: Konjunktor bloß 3 Sprecher X: Konjunkt 2 Das erste Konjunkt ist ein Zeichen der Zustimmung, das sowohl minimaler Art sein kann als auch die Form eines ganzen Satzes, einer Phrase, eines Teilsatzes oder einer monolexikalischen Größe besitzen kann.24 Diese Zustimmung tritt oft in unmittelbarer Nähe oder in Überschneidung mit dem vorhergehenden Turn auf. Der Konjunktor bloß wird im Gegensatz zu den meisten turneröffnenden Konjunktoren ohne Pause angeschlossen. Erneut ohne Pause folgt dann das zweite Konjunkt. Auszug (A9) 1 I: > i c h f i n d d a s n ä m l i c h e i g n t l i c h ( b l ö d [wenn?) S: [JA BL]OSS 3 von der l ä n g e h e r k r i e g s t das g l a u b i c h n i c h t 4 beides unter.
24
Sacks/Schegloff/Jefferson (1974:729) unterscheiden Typen von Turnkonstruktionseinheiten in "sentential, clausal, phrasal or lexical".
64 In Zeile 2 äußert Sprecher S mit lauter Stimme Zustimmung zu dem vorhergehenden Turn mittels des monolexikalischen Zeichens JA, das eine Turnkonstruktionseinheit darstellt. Dies geschieht in Überschneidung mit Sprecher I. Die Überschneidung entspricht den Regeln der Turnübernahme, da sie an einer übergangsrelevanten Stelle geschieht und darüber hinaus Zustimmung markiert. Hinzu kommt, dass Sprecher I seinen Turn schnell und ohne auffallende Betonung einzelner Teile des Turns äußert. Dies geht einher mit der Tatsache, dass rein inhaltlich eine Wiederholung von schon zuvor Geäußertem geschieht. Sprecher S's Turnbeginn in Überlappung mit Sprecher I zeigt somit Sprecher S's Orientierung an Sprecher I's Turn als einer Markierung eines Abspanns. JA ist das erste Konjunkt. Mit lauter Stimme, die Sprecher S's Orientierung an dar Überlappung verdeutlicht, folgt der Konjunktor bloß, der Fortsetzung projiziert. Sobald das Fortsetzung markierende Zeichen bloß von Sprecher I rezipiert worden ist, bricht Sprecher I ab, obwohl er gerade deutlich eine neue Turnkonstruktionseinheit begonnen hat wenn?. Ohne Pause, andere Formen von Verzögerung oder intonatorische Markierung wird das zweite Konjunkt angeschlossen. Der entscheidende Einwand gegen Sprecher I, der gerne einen bestimmten Filmbeitrag über eine andere Euroregion ins Programm aufgenommen hätte, wird gleich zu Beginn des Turns geäußert von der läige her. Damit wird der Vorschlag an sich mit dem Argument abgelehnt, dass das zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Für das Programm steht nur eine begrenzte Sendezeit zur Verfügung. Die einzige Form von Verzögerung des projizierbaren Dissenses ist in dem in der Mitte des Turns eingefügten glaub ich zu sehen, das die Äußerung als eine persönliche Stellungnahme formt. Betrachtet man Auszug (A9) nochmals hinsichtlich des Verhältnisses des ersten Konjunktes zum zweiten, so ist hier von einem disjunktiven Verhältnis zu sprechen. Deutlich sind hier die Parallelen im sequenziellen Aufbau zu den Auszügen mit bloß in turneröffhender Position. Hierzu ein etwas längerer Ausschnitt desselben Auszuges. Auszug (A9) 1 I: 2-> S: 3 4 5 6 S: 7 8 I: 9 S:
>ich find das nämlich eigntlich (blöd
[wenn?) effekt is der gleiche, [bloss das würde nich das mä4 P: [ja:. 5—» S: magazin so auseinander- das bricht ja euer 6—» ganzes magatzjji auseinander, [dieses schild. das is 7 Ρ: [ja. [-hhja. ja.
Das erste Konjunkt beginnt in Zeile 2 mit na- okay- und endet in Zeile 3 mit gleiche. In direktem Anschluss daran folgt der Konjunktor bloss in Zeile 3. Hieran schließt sich in Zeile 3 das zweite Konjunkt an. Wie weit das zweite Konjunkt reicht, ist diskutierbar und abhängig von der Definition eines Konjunktes (s. Kap. 4.1.). In den Grammatiken, die die Terminologie Konjunktor und Konjunkt verwenden, finden sich hierzu keine Überlegungen. Die Frage, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist, ist, ob ein Konjunkt aus einer einzigen Turnkonstruktionseinheit besteht oder aber auch mehrere aneinanderfolgende Turnkonstruktionseinheiten desselben Sprechers ein zweites Konjunkt bilden können. Wie anfangs gezeigt (Kap. 4.4.2.) ist eine genaue Zuweisung des ersten Konjunkts zu dem Konjunktor bloß nicht immer einwandfrei möglich. Daraus folgt, dass nicht immer eindeutig zu klären ist, ob der Konjunktor mit einer einzigen Turnkonstruktionseinheit in Verbindung steht oder mit mehreren. Es wurde gezeigt, dass in dieser Ambiguität eine interaktive Funktion in der Konstruktion von Dissens zu sehen ist. Hierin besteht ein grundlegender Unterschied zum zweiten Konjunkt. Das zweite Konjunkt folgt immer in direktem Anschluss an den Konjunktor. Daher ist der Anfang des zweiten Konjunktes genau zu isolieren. Problematischer ist die Grenzziehung am Ende des zweiten Konjunktes. Bestünde ein zweites Konjunkt aus einer einzigen Turnkonstruktionseinheit, markierte die der ersten Turnkonstruktionseinheit folgende übergangsrelevante Stelle das Ende des zweiten Konjunktes. In dem Falle, in dem ein zweites Konjunkt aus mehreren Turnkonstruktionseinheiten bestünde, wäre eine präzise Grenzziehung zwischen zweitem Konjunkt und den sich anschließenden Turnkonstruktionseinheiten nicht immer durchführbar. Eine Möglichkeit zur Grenzziehung wäre ein Sprecherwechsel, d.h. das zweite Konjunkt wird durch die Turnübernahme durch einen anderen Sprecher markiert. Doch die Definition der Begrenzung einer Einheit durch Sprecherwechsel hat sich schon in Zusammenhang mit der Diskussion um die Einheit Turn als problematisch erwiesen (Kap. 2.1.2.). Die erste übergangsrelevante Stelle als das Ende des zweiten Konjunktes zu betrachten, scheint in vielerlei Hinsicht die technisch gesehen eindeutigste Lösung zu sein. Doch in Fällen, in denen der Turn durch zahlreiche Reparaturen in Form von Redeabbrüchen und Restarts gekennzeichnet ist, kann sich eine eindeutige Grenzziehung als problematisch erweisen. So auch im vorliegenden Auszug (A2). Der Teil des Turns von Sprecher S, der im Anschluss an den Konjunktor folgt, ist gekennzeichnet durch zahlreiche Redeabbrüche und
66 Restarts, die dazu führen, dass der Teil des Turns, der dem Konjunktor bloß folgt, erst nach zwei Redeabbrüchen mit anschließenden Restarts syntaktisch beendet wird. Die Grenze des zweiten Konjunktes wird im vorliegenden Auszug dort gezogen, wo aufgrund sowohl grammatischer, pragmatischer als auch prosodischer Merkmale eine klare übergangsrelevante Stelle erreicht ist. Dies ist der Fall in Zeile 5 und 6 das bricht ja euer ganzes magazin auseinander. Hinsichtlich der Markierung von Zustimmung im ersten Konjunkt entspricht der Auszug (A2) dem Schema (S3). Das Design der Zustimmung ist jedoch anders als in Auszug (A9), wo das erste Konjunkt lediglich aus einer einzigen monolexikalischen Einheit besteht. Auch in Auszug (A2) beginnt die Markierung von Zustimmung mit einer monolexikalischen Einheit okay-, der jedoch ein leichten Zweifel markierendes Zeichen na- vorausgeht. Doch hieran schließt sich nicht sofort der Konjunktor an. Stattdessen folgen mehrere eigeninitiierte Reparaturen. Erwähnenswert erscheint in diesem Zusammenhang die eigeninitiierte Eigenreparatur, die im letzten Teil des ersten Konjunktes präzisiert, wozu Zustimmung gegeben wird der effekt is der gleiche. Erst daran anschließend wird der Konjunktor bloß ohne Pause an das erste Konjunkt angeschlossen. Hinsichtlich der Konstruktion des ersten Konjunktes lässt sich für beide Auszüge festhalten, dass sie eine mögliche Fortsetzung des aktuellen Sprechers projizieren. In Auszug (A9) liegt die Projektion in der starken Lautstärke von JA. An dieser Einheit zusammen mit dem beginnenden BL]OSS orientiert sich auch Sprecher I, der seine neu begonnene Turnkonstruktionseinheit abbricht. In Auszug (A2) liegt die Projektion in dem nicht volle Zustimmung markierenden na- sowie dem weiteren Turndesign, das Zeichen von Dispräferiertheit aufweist. Hinsichtlich der weiteren sequenziellen Struktur in Auszug (A2) lässt sich Folgendes hervorheben: In direktem Anschluss an den Konjunktor bloß folgt das zweite Konjunkt. Es beinhaltet eine Einschränkung zu dem vorher Gesagten. Dieser Teil des Turns trägt wie Teile des ersten Konjunktes deutliche Züge von Dispräferiertheit durch Reparaturen, Verzögerungen, Restarts etc. Zum Verständnis dieses Auszuges sind einige Kontextinformationen vonnöten. In dieser Sequenz diskutieren die Verhandlungspartner darüber, dass sie von der entsprechenden Behörde der Europäischen Union daraufhingewiesen wurden, dass sie verpflichtet sind am Ende der Sendung ein Schild auszustrahlen, auf dem steht, dass diese Sendung von der Europäischen Union (Interreg II) gesponsert wurde. Die Sendung hat im deutschen bzw. dänischen Fernsehen jedoch einen jeweils anderen Sendezeitpunkt. Hinzu kommt, dass das Programm in Deutschland alleinstehend ausgestrahlt wird, während es in Dänemark Teil eines größeren Nachrichtenmagazins ist. Für die Dänen besteht demnach das Problem, an welcher Stelle im Programm sie dieses Schild einblenden sollen: direkt im Anschluss an die von ihnen zu produzierende Sendung oder am Ende des gesamten Nachrichtenmagazins, der effekt is der gleiche bezieht sich darauf, dass sich die Redakteure darüber einig sind, dass ein solches Schild über Sponsoring den freien unabhängigen Journalismus bei den Zuschauern unabhängig von dessen Platzierung in Verruf bringen könnte, das bricht ja euer ganzes magazin auseinander bezieht sich auf den Zeitpunkt in der Sendung, an dem das Schild ausgestrahlt werden könnte. Der deutsche Sprecher S ist der Meinung, dass, wenn man das Schild in Dänemark ans Ende des gesamten Nachrichtenmagazins stellte, die Einheit des Magazins nicht in Gefahr wäre.
67 Die Einschränkung zu dem vorher Gesagten, die mittels des Konjunktors bloß projiziert und im zweiten Konjunkt realisiert wird, besteht darin, dass der Sprecher vom Effekt, den ein solches Schild auf die Zuschauer hat, den Fokus auf dessen Platzierung lenkt. Damit verleiht er seiner Meinung Ausdruck, dass es dennoch eine gute Idee sein könnte, das Schild dort auszustrahlen. Dies steht nicht in direktem Gegensatz zu der Meinung der anderen Gesprächsteilnehmer, sondern fokussiert auf einen anderen Aspekt desselben Problems. In diesem Sinne steht das zweite Konjunkt hier in einem adversativen Verhältnis zu seinem ersten Konjunkt. Von der Initiierung eines Themenwechsels, der eine Themenbeendigung beinhaltet, und damit einem disjunktiven Verhältnis der beiden Konjunkte zueinander ist in diesem Fall nicht zu sprechen. Festzuhalten bleiben folgende Unterschiede zwischen Sequenzen mit turneröffnender Positionierung des Konjunktors bloß und denen mit turninterner Positionierung. Hinsichtlich der sequenziellen Struktur ist hervorzuheben, dass bei turninterner Positionierung des Konjunktors bloß der Produzent des ersten und der des zweiten Konjunkts notwendigerweise identisch sind. Dies kann, wie anfangs gezeigt, bei turneröffnender Positionierung der Fall sein. Doch da das Verhältnis des Konjunktors zum ersten Konjunkt hier oftmals ein ambiges ist und aus diesem Grunde auch ein Sprecherwechsel Bestandteil der Sequenz sein kann, ist dies kein diese Sequenz charakterisierendes Merkmal. In turninterner Positionierung folgt der Konjunktor unmittelbar auf das erste Konjunkt. Hierin ist ein Unterschied zur turneröffnenden Positionierung zu sehen, in der eine Pause und/oder der Turn eines anderen Sprechers zwischen erstem Konjunkt und Konjunktor liegen. In unmittelbarem Anschluss an den Konjunktor folgt das zweite Konjunkt. Dies stimmt mit der Konstruktion in turneröffnender Positionierung überein. Der Konjunktor selbst ist, ebenfalls in Übereinstimmung mit dem in turneröffnender Positionierung, weder paraverbal in Form von prosodischen Merkmalen noch nonverbal extrapositioniert. Hinsichtlich der sequenziellen Struktur lassen sich demnach Merkmale aufzeigen, die zu einer Unterscheidung in turninterne und tumeröffnende Positionierung des Konjunktors bloß berechtigen. Doch hinsichtlich der möglichen Funktion des Konjunktors bloß in turneröffnender bzw. turninterner Position ist eine größere Differenzierung vonnöten. Während eine Variante turninterner Positionierung zu einem adversativen Verhältnis des ersten zum zweiten Konjunkt führt, weist eine andere Ähnlichkeiten mit der Funktion des Konjunktors in turneröffnender Positionierung auf. Hier wird ein disjunktives Verhältnis zwischen erstem und zweitem Konjunkt geschaffen. Hinsichtlich der Funktion lassen sich bei turninterner Positionierung von bloß zwei unterschiedliche Realisierungen nachweisen. Gradweise Abstufungen sind in allen Fällen möglich. Die eine Variante weist zahlreiche Parallelen zur turneröffnenden Positionierung von bloß auf, die andere zeigt deutliche Unterschiede. In der ersten Variante besteht das erste Konjunkt aus einer monolexikalischen Einheit, die Zustimmung markiert. In deren direktem Anschluss folgt der Konjunktor bloß. Das darauf folgende zweite Konjunkt markiert einen deutlichen Dissens mit dem zuvor geäußerten Konsens. Das Tumdesign ist hier das einer präferierten Äußerung. Hierdurch wird das vorherige Thema deutlich als irrelevant markiert und ein neues eingeführt. Insofern bestehen hier deutliche Parallelen zur turneröffnenden Positionierung und das Verhältnis zwischen dem ersten und dem zweiten Konjunkt lässt sich als disjunktiv bezeichnen. Disjunktiv in dem Sinne als das vorherige Thema als irrele-
68 vant markiert wird, indem ein neues eingeführt wird, ohne dass das erste zum Abschluss gebracht worden ist. In der zweiten Variante liegt ein stärker adversatives Verhältnis zwischen dem ersten und zweiten Konjunkt vor. Hier besteht das erste Konjunkt aus mehreren Turnkonstruktionseinheiten, die durch zahlreiche eigeninitiierte Reparaturen gekennzeichnet sind. Es wird Konsens markiert, doch gleichzeitig werden auch Marker verwendet, die Zweifel ausdrücken und Zeichen, die dem Turn das Design von Dispräferiertheit geben. Da jedoch bisher nur Konsens markiert wurde, ist die kommende Markierung von Dissens projizierbar. Das zweite Konjunkt weist ebenso wie das erste Zeichen von Dispräferiertheit auf. Das Unterlassen der Markierung eines starken Konsenses in Form einer generellen Zustimmung zu dem zuvor Gesagten im ersten Konjunkt scheint das Design des zweiten Konjunktes zu beeinflussen. Statt eines Themenwechsels wird im folgenden zweiten Konjunkt hier lediglich eine Einschränkung zu dem Vorhergesagten markiert. In diesem Sinne ist von einem adversativen Verhältnis zu sprechen. Wie anfangs schon angedeutet, können diese Ergebnisse aufgrund der begrenzten Datenmenge keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass es in der Gestaltung des ersten Konjunktes als entweder monolexikalischer Einheit mit starker Markierung von Konsens oder als aus mehreren Turnkonstruktionseinheiten bestehender Einheit mit zahlreichen Reparaturen fließende Übergänge gibt. Dies wird auch einen Einfluss auf den Grad der Adversativität resp. der Disjunktivität des zweiten Konjunktes im Verhältnis zum ersten haben. Diese Überlegungen gehen einher mit Ergebnissen Günthners (1999) zum Diskursmarker obwohl, die auf ein Kontinuum zwischen konzessivem Gebrauch und der Initiierung einer Korrektur- bzw. Nichtübereinstimmungssequenz hinweisen. Im Falle von bloß in turninterner Position scheinen sich die Gesprächsteilnehmer daran zu orientieren, je deutlicher die Markierung von Zustimmung im ersten Konjunkt ist, desto stärker ist die disjunktive Funktion des zweiten Konjunktes. Die Interaktanten weisen hierdurch eine Orientierung an der Regel der Präferenz von Eigenreparatur nach. Auch wenn, wie in Auszug (A9), ein bloß vorangestelltes ja lediglich als minimales Responsiv angesehen werden kann, so markiert es doch Zustimmung zum vorher Gesagten. Das, was nun folgt, kann daher sequenziell gesehen als eine Eigenreparatur betrachtet werden. Im Falle von Auszug (AIO) beginnt der Turn mit keiner eindeutigen Markierung von Zustimmung und es erfolgt trotz zahlreicher Reparaturen keine generelle Zustimmung, sondern lediglich eine partielle. Der anschließend mittels bloß projizierte Dissens drückt demnach partielle Uneinigkeit mit dem vorhergehenden Sprecher aus. In diesem Sinne ist von einer teilweisen Fremdreparatur zu sprechen. Dies mag das Design dieses Teils des Turns mit Reparaturen in Form von Redeabbrüchen, Restarts und Reformulierungen erklären. Der Dissens wird hierdurch abgeschwächt. In beiden Konstruktionen mit bloß in turninterner Position lässt sich demnach eine Orientierung an der Regel nach Präferenz für Eigenreparatur aufzeigen. Dort, wo die mittels bloß initiierte Markierung von Dissens eine Eigenreparatur darstellt, kann der folgende Dissens deutlicher markiert werden. Er kann in einem disjunktiven Verhältnis des ersten Konjunktes zum zweiten in Form eines Themenwechsels resultieren. Dort, wo die mittels bloß initiierte Markierung von Dissens eine Fremdreparatur darstellt, zeigt sich die Orientierung an der Präferenz zur Eigenreparatur. Sie wird deutlich an der Konstruktion eines adversativen Verhältnisses zwischen erstem und zweitem Konjunkt und resultiert somit in einer abgeschwächten Markierung von Dissens.
69 4.6.
Der Aspekt der Mutter- bzw. Fremdsprachlichkeit der Gesprächsteilnehmer bei der Produktion einer Sequenz mit dem Konjunktor bloß in turneröffnender Position
Zifonun et al. beschreibt den Gebrauch des Konjunktors bloß folgendermaßen: Der Universalkonjunktor bloß entspricht in seinem Gebrauch weitgehend nur, ist aber noch stärker auf die Umgangssprache bzw. informellen Stil beschränkt. (Zifonun et al. 1997:2423) Ähnlich formuliert Engel, indem er schreibt: Der Textorganisator bloß ist jederzeit gegen nur austauschbar, das als neutrale Variante zu gelten hat, während bloß salopper klingt. (Engel 1988:90) In den oben angeführten Auszügen wird bloß somit die gleiche Funktion wie nur zugeschrieben, doch es wird hervorgehoben, dass es umgangssprachlicher geprägt ist als nur. In einer Untersuchung zur interkulturellen Kommunikation zwischen Vertretern unterschiedlicher Nationen mit unterschiedlichen Muttersprachen stellt sich in diesem Zusammenhang zwangsläufig die Frage nach der fremdsprachlichen Kompetenz. Wenn bloß tatsächlich eine stärker umgangssprachlich geprägte Variante von nur ist, wäre eine mögliche Konsequenz dieser Aussage, dass ein fremdsprachlicher Sprecher, der im Fremdsprachenunterricht zunächst einmal standardsprachliche Ausdrücke lernt, Schwierigkeiten bei der Konstruktion einer solchen Sequenz haben könnte. Hinzu kommt, dass es im Bereich des Dänischen im Falle des Konjunktors bloß kein direktes Äquivalent gibt. Diese Aspekte könnten dazu beitragen, dass sich eine derartige Konstruktion in der Produktion eines Nicht-Muttersprachlers nicht oder relativ selten auffinden ließe oder aber eine derartige Konstruktion auf die ein oder andere Weise Mängel aufwiese. Wenn man die Funktion einer solchen Sequenz in Betracht zieht, nämlich die eines interaktiven Mittels zur Markierung von Nicht-Konsens, stellt sich zwangsläufig die Frage, ob hierin eine Ursache für unterschiedliches kommunikatives Verhalten von Vertretern unterschiedlicher Nationen zu sehen ist. Falls ein solches unterschiedliches kommunikatives Verhalten nachweisbar ist, schließt sich die Frage an, inwieweit hierin eine mögliche Ursache für spezifische Eindrücke über nationale kommunikative Stile liegen könnte. Aus diesen Überlegungen heraus werden die folgenden Analysen unter Berücksichtigung des Aspektes der Fremd- bzw. Muttersprachlichkeit der beteiligten Sprecher durchgeführt. Vorweg noch einige Überlegungen zu der Frage, was eine qualitativ ausgerichtete Studie in Bezug auf diese Fragestellung leisten kann (s.a. Kap. 2.1.2. und 5.6.3.) Im Rahmen dieser qualitativ ausgerichteten Untersuchung sind keine Aussagen über die quantitative Verteilung der Sprecher auf die unterschiedlichen Positionen innerhalb der Sequenz in Hinblick auf den Aspekt der Mutter- oder Fremdsprachlichkeit zu leisten. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit eine quantitativ ausgerichtete Untersuchung zu Aussagen über Unterschiede im kommunikativ-interaktiven Verhalten in den betreffenden Sequenzen beitragen könnte. Die Frage, die sich hier zwangsläufig stellt, ist, unter welcher Voraussetzung sich als Ursache für etwaige Unterschiede im kommunikativ-interaktiven Verhalten
70 tatsächlich der Aspekt der Mutter- bzw. Fremdsprachlichkeit isolieren lässt. Hier ist zunächst einmal festzustellen, welche Art von Kompetenz Gegenstand der Untersuchung sein soll. Es gilt zu differenzieren zwischen fremdsprachlicher, interkultureller und interaktiver Kompetenz. Welche Rolle bei den zuvor skizzierten unterschiedlichen Kompetenzformen der Faktor Fremd- bzw. Muttersprache spielt, bedürfte zunächst einer genaueren Untersuchung. Zum anderen erscheint es problematisch, in einem komplexen Gebilde wie menschlicher Interaktion eine Vielzahl unterschiedlicher Größen konstant zu halten und lediglich den einen zu untersuchenden Aspekt herauszulösen (Schegloff 1993, Kap. 2.1.2.). Eine quantitativ angelegte Studie setzt Vergleichbarkeit hinsichtlich der zu untersuchenden Aspekte voraus. Die in menschlicher Interaktion involvierten Komponenten (verbale, paraund nonverbale sowie extraverbale) weisen jedoch eine derartige Vielschichtigkeit auf, dass ein Isolieren einzelner Aspekte dem Wesen von Interaktion nur schwer gerecht werden würde. Lassen sich bei einer quantitativ ausgerichteten Studie in der zu Grunde liegenden Methodik derartige Problemstellungen aufzeigen, stellt sich die Frage, was eine qualitativ ausgerichtete Verfahrensweise in diesem Zusammenhang leisten kann. Mittels einer qualitativen Verfahrensweise lässt sich die genaue Struktur einer Sequenz aufzeigen. Sie ermöglicht Aussagen über die Art und Weise, wie eine Sequenz aufgebaut ist und welche Aktivitäten in den einzelnen Positionen der Sequenz vollführt werden. Sie erlaubt ferner Aussagen über die mögliche Projizierbarkeit bestimmter Handlungen in spezifischen sequenziellen Kontexten und ermöglicht dadurch eine Einsicht darin, woran sich die Gesprächsteilnehmer orientieren. Somit wird eine Einsicht in potenzielle Unterschiede im interaktiven Verhalten ermöglicht. Zu erkennen, welche Handlungen mithilfe der untersuchten Sequenzen vollführt werden, bietet eine Basis für Aussagen darüber, was geschieht, wenn die Kompetenz, solche Sequenzen mitzugestalten, nicht vorhanden ist. Dies kann begründet sein in mangelnder fremdsprachlicher Kompetenz. Er kann jedoch auch begründet sein in einem Mangel oder Andersgeartetsein der interaktiven Kompetenz unabhängig von dem Aspekt der Fremd- bzw. Muttersprachlichkeit. In der folgenden Analyse wird daher das Hauptaugenmerk darauf liegen zu untersuchen, ob Unterschiede im kommunikativen Verhalten unter Berücksichtigung des Aspekts der Fremdbzw. Muttersprachlichkeit nachweisbar sind. In einem zweiten Schritt werden Überlegungen angestellt hinsichtlich der Konsequenzen, die mögliche Unterschiede bzw. das Fehlen derselben für das kommunikative Verhalten der Gesprächsteilnehmer haben können. Betrachtet man die in den verwendeten Daten vorliegenden Fälle, in denen der Konjunktor bloß an turneröffnender Position steht, so ist nur in einem einzigen Fall ein Nicht-Muttersprachler Produzent der Turns in Position 1 und 3. In den verbleibenden 9 Fällen und damit auch in den zuvor behandelten Auszügen ist ein Muttersprachler Produzent der Turns in Position 1 und 3. Bei der Position 2 lässt sich hinsichtlich der Verteilung auf Muttersprachler bzw. Nicht-Muttersprachler kein signifikanter Unterschied nachweisen. Unterschiede hier sind vermutlich auch in der Wahl der Gesprächsthemen begründet, da diese einen Einfluss auf die Teilnehmerkonstellation am Gespräch bzw. auf eine mögliche Aufteilung der Gruppen haben.
71 Im Folgenden wird der eine Auszug, in dem ein Nicht-Muttersprachler der Produzent der Turns in Position 1 und 3 ist, analysiert. In diesem Fall ist die fremdsprachliche Kompetenz des Sprechers nahezu dem eines Muttersprachlers gleichzustellen. Hier stellt sich demnach die Frage, ob sich in der Analyse dieser Sequenz hinsichtlich der Konstruktion Unterschiede zu den zuvor analysierten Auszügen nachweisen lassen, in denen Muttersprachler die Turns in Position 1 und 3 produzieren. Daran lässt sich die Überlegung anschließen, inwieweit die Konstruktion einer solchen Sequenz von der fremdsprachlichen bzw. interaktiven Kompetenz des Sprechers abhängt. Sollte eine solche Konstruktion muttersprachliche bzw. quasi muttersprachliche Kompetenz erfordern, könnte daraus unterschiedliches kommunikatives Verhalten der Gesprächsteilnehmer resultieren. Diese Unterschiede könnten eine Grundlage für die Orientierung der Gesprächsteilnehmer an nationalen kommunikativen Stilen bilden. Dies würde nicht darauf hinweisen, dass nationale Stile existierten, sondern zunächst einmal nur indizieren, dass nationale Stile wahrgenommen werden. Diese Wahrnehmbarkeit liegt darin begründet, dass Unterschiede im kommunikativen Verhalten vor dem Hintergrund der eigenen kommunikativen Kompetenz registriert werden. Ist ein fremdsprachlicher Sprecher nicht in der Lage, eine bestimmte Konstruktion zu produzieren, kann er die Fertigkeiten des muttersprachlichen Sprechers, die einzig in dessen muttersprachlicher Kompetenz nicht aber in dessen nationalen Stil begründet sind, als Andergeartetsein wahrnehmen. Die Verknüpfung dieser Andersgeartetheit mit einem spezifischen, nationalen Stil liegt nahe, besonders wohl dann, wenn die kommunikative Andersgeartetheit sich mit schon vorhandenen stereotypen Vorstellungen in Bezug auf die andere Kultur verbinden lässt. Dies bedeutet, dass eine verbale Handlung, zu der der muttersprachliche Sprecher aufgrund seiner muttersprachlichen Kompetenz fähig ist, an die Existenz eines nationalen Stils geknüpft werden kann. Wenn ein Sprecher in der Lage ist, eine Sequenz mit dem Konjunktor bloß an turneröffnender Position zu konstruieren, bedeutet dies, dass er in der Lage ist, auf eine spezifische Weise Nicht-Konsens im Gespräch zu markieren. Ist ein fremdsprachlicher Sprecher nicht in der Lage, bloß in dieser Weise einzusetzen, kann dies bedeuten, dass er eine bestimmte Form der Dissensmarkierung nicht durchführen kann. Dies lässt die Annahme zu, dass bei wiederholtem Auftreten einer derartigen verbalen Handlung durch den Muttersprachler der Eindruck eines nationalen Stils evoziert werden kann. Dies ist jedoch eher auf mangelnde Kompetenz auf Seiten des fremdsprachlichen Sprechers denn auf einen spezifisch nationalen Stil des Muttersprachlers zurückzuführen. In vorliegendem Auszug (AIO) stehen die Sprecherabkürzungen D und DK für die jeweilige Nationalität der Sprecher. Damit ist Sprecher DK der Nicht-Muttersprachler, während Sprecher D der Muttersprachler ist. Auszug (AIO) 1 1 DK: 2 3 4 5 2 D : 6 3 DK: 7
also das (.) k a n n m a n n a t ü r l i c h als (.) B e i s p i e l , also:: (.) zum b e i s p i e l a n f a n g s ä:: : i in der s c h t o r r i e so u n t e r b r i n g n , nich? -hh[h ihmm:.= = b l o s s (.) also s so w i e ich das (..) u r s p r ü n g l i c h g e d a c h t h a t t e da w - ä - (0.3) s o l l t e
72 8 9
man ebn diese eine sache verfolgn:, η- (0.3) bis : (.) chinaus in die Schweinefarm.>
In Zeile 1 bis 3 produziert Sprecher DK einen Turn, der als erster Teil einer Paarsequenz gestaltet ist. Sein Turn besteht aus einer Turnkonstruktionseinheit mit abschließender Tag Question. In dem ersten Teil seines Turns unterbreitet er einen Vorschlag, nämlich dass es machbar ist, einen bestimmten Aspekt das mündlich in die Moderation einzubinden. Mit dem Design des Unterbreiteten als Vorschlag geht jedoch auch die Markierung des Vorschlags als einer Alternative zu anderen einher. Diese Markierung als Alternative neben anderen Möglichkeiten wird verdeutlicht durch die Produktion des Modalverbs kann. Hier ist auch auf die paraverbale Aspekte hinzuweisen. Direkt vor der Produktion des Modalverbs ist eine Mikropause, die eine Markierung des folgenden Wortes bewirkt. Hinzu kommt, dass das Wort selbst betont wird. Der Rest des Turns ist relativ wenig betont, so dass das potenzielle Moment mit kann im Turn deutliches Gewicht erhält. Der erste Teil des Turns von Sprecher DK ist gekennzeichnet durch Mikropausen und Restarts sowie durch Verzögerungsmarker. All dies sind Marker, die laut Pomerantz (1984) dispräferierte Handlungen kennzeichnen. Möglich ist, dass daher schon zu diesem Zeitpunkt durch die deutliche Markierung des Vorschlags als einer Möglichkeit unter anderen sowie durch das Design des Turns als dispräferierte Handlung eine folgende Einschränkung in Form eines Nicht-Konsenses projizierbar wird. Im Anschluss an den ersten Teil des Turns folgt die Tag Question nich?. Dies ist eine deutliche Markierung des Abschlusses des Turns und stellt eine Sprecherwahl insofern dar, als der aktuelle Sprecher deutlich den Turn abgibt und damit markiert, nicht selbst der nächste Sprecher zu sein. Im Anschluss an diese Tag Question atmet Sprecher DK in Zeile 4 hörbar ein. Sprecher D zeigt keine Orientierung an dem Einatmen als möglichem Marker zur Turnwiederaufnahme bzw. Turnweiterführung durch Sprecher DK. In Überlappung mit diesem Einatmen produziert Sprecher D einen zweiten Teil einer Paarsequenz in Zeile 5 an Position 2 der dreiteiligen Sequenz. Es hat die Form eines minimalen Responsive hmm:. und markiert durch abschließende, fallende Intonation keine Fortsetzung. Diese Position 2 entspricht dem Schema (Slb). An dieser Position wäre die Möglichkeit gegeben, Verstehensprobleme mit dem Vorhergehenden in Form einer Reparatursequenz zu markieren. Doch indem diese Handlung unterlassen wird, kann das minimale Responsiv als Markierung von Konsens gewertet werden. In diesem Sinne entsprechen die Positionen 1 und 2 dieser Sequenz in der Aushandlung kollaborativen Konsenses dem Schema (Sl). Möglicherweise ist die Aufforderung zur Initiierung einer Bewertung des Vorhergehenden durch die Tag Question deutlicher und direkter als sie in den zuvor analysierten Auszügen war. Doch hinsichtlich der Gelegenheit zur Markierung von Verstehensproblemen an Position 2 dieser Sequenz durch andere Sprecher als Sprecher DK besteht hier kein wesentlicher Unterschied zu den vorhergehenden Auszügen. In unmittelbarem Anschluss an das minimale Responsiv durch Sprecher D übernimmt Sprecher DK den Turn und leitet ihn mit dem turneröffnenden Konjunktor bloß ein. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass hinsichtlich der Konstruktion der dreiteiligen Sequenz, an deren letzter Position der Konjunktor bloß turneröffnend steht, keine grundlegenden Abweichungen von Schema (Sl) festzustellen sind. Der kollaborativen Aushandlung von Konsens in den ersten beiden Positionen der Sequenz folgt an dritter Position der Turn
73 mit bloß als Turneröffnung. Die Turns in Position 1 und 3 werden dem Schema entsprechend von demselben Sprecher produziert. Variationen zum Schema (Sl) bestehen in Bezug auf zwei Aspekte. Zum einen beinhaltet die Tag Question in Zeile 4 in Position 1 eine deutliche Aufforderung zur Turnübernahme durch einen anderen Sprecher. Die sequenzielle Relevanz eines anschließenden zweiten Teils einer Paarsequenz wird hiermit verstärkt. Zum anderen folgt dem Turn in Position 2 in direktem Anschluss der Nicht-Konsens markierende Turn mit bloß als Turneröffnung. Unter Berücksichtigung des hörbaren Einatmens von Sprecher DK in Zeile 4 und des ohne Pause an Position 2 anschließenden Turns in Position 3 kann gefolgert werden, dass einer möglichen Markierung von Dissens in Position 2 nur wenig Platz eingeräumt wird. In mehreren der zuvor analysierten Auszüge folgte im Anschluss an Position 2 eine Pause, die zu einer möglichen Markierung von Verstehensproblemen hätte genutzt werden können. Es lässt sich demnach folgern, dass der fremdsprachliche Sprecher, der in diesem Auszug der Produzent der Turns in Position 1 und 3 ist, ebenso wie der Muttersprachler in der Lage zu sein scheint, die für den Ablauf einer derartigen Sequenz notwendigen Aktivitäten durchzuführen. Eine mögliche Schlussfolgerung wäre, dass eine hohe fremdsprachliche Kompetenz augenscheinlich dazu befähigt, eine derartige Sequenz zu gestalten. Grund für diese Schlussfolgerung ist, dass es der fremdsprachliche Sprecher mit nahezu muttersprachlicher Kompetenz ist, der diese Sequenz gestaltet. Der zweite fremdsprachliche Sprecher mit weitaus geringerer fremdsprachlicher Kompetenz verwendet in keinem Fall das Lexem bloß. Auf der anderen Seite muss beachtet werden, dass es von den beiden muttersprachlichen Sprechern in 9 der 10 Fälle derselbe Sprecher ist, der in diesen Sequenzen die Positionen 1 und 3 einnimmt. Der zweite muttersprachliche Gesprächsteilnehmer verwendet das Lexem bloß nur in einem einzigen Fall. Dies lässt die Vermutung zu, dass noch andere Faktoren als die der fremdsprachlichen Kompetenz eine Rolle bei der Konstruktion einer solchen Sequenz spielen könnten. Hierzu zählen beispielsweise idiolektale Gesichtspunkte. Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass es in sämtlichen 10 in dieser Untersuchung verwendeten Auszügen die beiden innerhalb der Firmenstruktur höher stehenden Personen sind, die eine solche Sequenz initiieren, scheint eine Klärung der Frage nach der Art der notwendigen Kompetenz problematisch. Mit Verweis auf die eingangs angestellten Überlegungen hinsichtlich der Bildung von stereotypen Einstellungen lässt sich aufgrund der Analyse die Hypothese aufstellen, dass kommunikatives Verhalten, wie es zur Konstruktion einer solchen Sequenz notwendig ist, zur Bildung stereotyper Haltungen gegenüber einer anderen Kultur beitragen kann. Wenn eine solche Konstruktion von einem Muttersprachler angewendet wird, kann ein fremdsprachlicher Sprecher, der die entsprechende Kompetenz nicht besitzt, dieses als ein national begründetes kommunikatives Verhalten bewerten. Wenn eine solche Konstruktion von einem anderen muttersprachlichen Sprecher vollführt wird und die beteiligten Sprecher in einem hierarchisch strukturierten Verhältnis zueinander stehen, kann es jedoch ebenso als Ausdruck einer hierarchischen Gliederung innerhalb der Gruppe bewertet werden. Es sind unterschiedliche Konstellationen möglich, die aufgrund eines spezifischen kommunikativen Verhaltens Anlass zur Bildung bzw. Bekräftigung stereotyper Haltungen gäben. So ließe sich bei den dieser Analyse zu Grunde liegenden Daten von unterschiedlichen Konstellationen sprechen, vor deren Hintergrund die Kommunikation rezipiert weiden
74 könnte. Sie könnten wahrgenommen werden unter dem Blickwinkel der nationalen Zugehörigkeit (deutsch - dänisch), der geschlechtlichen Zugehörigkeit (Mann - Frau) oder auch der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Stufe innerhalb der Firmenstruktur (Chef - Mitarbeiter). Aus diesen Überlegungen heraus wird deutlich, wie vielschichtig und daher problematisch eine eindeutige Zuweisung zu derartigen Faktoren ist. Dem Analytiker und damit Außenstehendem sind die Wahrnehmungsprozesse der Interaktanten nicht zugänglich. Doch zugänglich sind die Faktoren, an denen sich die Interaktanten orientieren und die sie einander in der Interaktion aufzeigen. Die Gesprächsteilnehmer zeigen ihre Orientierung an spezifischen externen Faktoren wie nationaler Zugehörigkeit, indem sie diese Faktoren im Gespräch relevant machen. Weniger als darum festzulegen, dass ein bestimmtes kommunikatives Verhalten mit einem bestimmten nationalen Verhalten gleichzusetzen ist, geht es daher darum aufzuzeigen, wie ein solches spezifisches kommunikatives Verhalten aufgebaut ist und welche Handlung resp. Handlungen es in der Interaktion ermöglicht. Erst im Anschluss daran lassen sich Überlegungen anstellen, inwieweit ein solches Verhalten der Bildung nationaler Stereotype zuträglich sein kann. Tritt ein solches Verhalten beispielsweise gehäuft bei Vertretern einer Nation auf, so kann dies Anlass zur Bildung nationaler Stereotype geben bzw. schon vorhandene bestätigen. Doch ein solcher Prozess ist abhängig von zahlreichen externen Faktoren, deren einzelne Komponenten kaum voneinander getrennt werden können. Die oben angestellten Überlegungen sind primär als Anregungen zu weiterer Forschung zu sehen. Im vorangegangenen Kapitel wurden zahlreiche Fragestellungen aufgeworfen, die unbeantwortet bleiben mussten. Es konnten hierbei Grenzen und Möglichkeiten der interaktiven Vorgehensweise aufgezeigt werden. Gleichzeitig wurde auch deutlich, wie problematisch kontrastive Vorgehensweisen sein können, die die Isolierung einzelner kommunikativer Faktoren aus der Interaktion zum Ziel haben. Generell lässt sich festhalten, dass es auf diesem Gebiet weiterer Studien bedarf, die das Zusammenspiel von Interaktion und fremdsprachlicher Kompetenz zum Gegenstand ihrer Untersuchung haben.
4.7.
Ergebnisse
In der vorausgegangenen Analyse konnte eine enge Verwobenheit von konsens- und dissensorientierten Handlungen in Verbindung mit der Konstruktion einer Sequenz mit bloß als turneröffnendem Konjunktor aufgezeigt werden. Es wurde deutlich, dass es eine sequenzielle Geordnetheit gibt, die einer turneröffiienden bloß-Scquenz zu Grunde liegt. Diese Sequenz besteht aus drei Positionen. In den ersten beiden Positionen handeln die Gesprächspartner kollaborativ Konsens aus. In dritter Position folgt anschließend der Turn mit dem turneröffnenden Konjunktor bloß, der die Markierung von Nicht-Konsens initiiert. Die Aushandlung von Konsens in Position 1 und 2 ist auf zwei unterschiedliche Weisen realisierbar. In der ersten Variante produziert ein Sprecher eine erste Bewertung an Position 1, auf die an Position 2 ein anderer bzw. mehrere andere Sprecher mit einer zweiten Bewertung reagieren. Die zweite Bewertung hat die Form eines Zustimmungsmarkers. Im An-
75 schluss an die Markierung von Zustimmung kann eine Pause folgen, an deren Anschluss der Sprecher des Turns an Position 1 den Turn übernimmt und ihn mit bloß einleitet. Die zweite Variante unterscheidet sich im sequenziellen Ablauf dahingehend von der ersten, als der Turn in Position 1 eine zweite Bewertung ist. Sie markiert Zustimmung zu etwas zuvor Gesagten. Anschließend entsteht eine Pause, in der die anderen Gesprächsteilnehmer die Gelegenheit haben, den Turn zu übernehmen. Es konnte gezeigt werden, dass sie, indem sie die Turnübernahme unterlassen, ebenfalls Zustimmung markieren. Erneut übernimmt der erste Sprecher den Turn, den er mit bloß einleitet. Die Gestaltung des Konsenses in erster und zweiter Position hat Auswirkung auf das Design des mittels bloß initiierten Turns an Position 3. Die Auswirkung beruht auf der Orientierung der Gesprächsteilnehmer an der Präferenz von Eigenreparatur in Konversation. Diese zeigt sich daran, dass eine eindeutige Fremdreparatur - soweit möglich - vermieden wird. Ist dies nicht möglich, so wird die folgende Markierung von Nicht-Konsens abgeschwächt. Indem der Sprecher des Turns mit bloß als Turneröffnung zuvor in der einen Variante an Position 1 Zustimmung markiert, erhält die mittels bloß initiierte Markierung von Nicht-Konsens die Form einer Eigenreparatur. In der anderen Variante, in der der Sprecher eine zweite Bewertung in Form einer Meinungsäußerung konstruiert, der die anderen Gesprächsteilnehmer anschließend zustimmen, enthält die folgende Reparatur neben Zügen der Fremdreparatur auch Züge einer Eigenreparatur, da alle Gesprächsteilnehmer zuvor Einigkeit markiert haben. Es konnte ferner gezeigt werden, dass der Konjunktor bloß ambig sein kann in Bezug auf sein erstes Konjunkt. Der Konjunktor kann sowohl an einen Turn eines anderen Sprechers als auch an den Turn desselben Sprechers anknüpfen. Dieser Turn bzw. diese Turns können direkt adjazent platziert sein, sie können aber auch mehrere Turns zurückliegen. Damit kann der Konjunktor auch turnübergreifend funktionieren. Aufgrund seiner turnübergreifenden Funktion kann eine Ambiguität hinsichtlich der Referenz zum ersten Konjunkt vorliegen. Die Ambiguität liegt darin, worauf bzw. auf wen sich die mittels bloß initiierte Markierung von Nicht-Konsens bezieht. Die interaktive Funktion dieser Ambiguität liegt in der Möglichkeit des Unterlassens der eindeutigen Referenz, womit der Turn Nicht-Konsens ausdrückt. In Bezug auf das zweite Konjunkt funktioniert der Konjunktor bloß in turneröffnender Position als ein disjunktiver Konjunktor, da durch die Markierung von Nicht-Konsens im zweiten Konjunkt die Verbindung zum Vorhergehenden gelöst wird. Die Möglichkeit zur Einleitung eines schrittweisen Themenwechsels wird hiermit eröffnet. Der Grad der Disjunktivität scheint abhängig zu sein von der Möglichkeit zur Initiierung einer Eigenreparatur mittels des Konjunktors bloß. Dieser Aspekt wurde besonders deutlich bei der Gegenüberstellung turneröffnender versus tuminterner Positionierung des Konjunktors bloß. Je deutlicher bei turninterner Positionierung die Markierung von Konsens im ersten Konjunkt designt ist, desto stärker ist der Grad der Disjunktivität im folgenden zweiten Konjunkt. Dies geht einher mit der Tatsache, dass durch die deutliche Markierung von Konsens im ersten Konjunkt die folgende Markierung von Nicht-Konsens die Form einer deutlichen Eigenreparatur erhält. Bei der Untersuchung eines Auszuges einer Sequenz mit dem Konjunktor bloß an turneröffhender Position, in der ein Nicht-Muttersprachler Produzent des bloß-Turns ist, lassen sich hinsichtlich des sequenziellen Ablaufs keine Unterschiede zum Sequenzverlauf bei Produktion des Turns durch einen Muttersprachler nachweisen. Neben Fragen zur fiemd-
76 sprachlichen Kompetenz lassen sich hieran Überlegungen zur interkulturellen und interaktiven Kompetenz knüpfen, deren eindeutige Beantwortung Probleme aufwirft. Die Produktion einer solchen Sequenz scheint an eine hohe fremdsprachliche bzw. muttersprachliche Kompetenz gebunden zu sein. In interkulturellen Verhandlungssituationen kann somit der Eindruck entstehen, dass ein bestimmtes kommunikatives Verhalten an eine spezifische Nationalkultur geknüpft sein kann. Doch statt der Beschränkung auf national kulturelle Zugehörigkeit kann dieses spezifische kommunikative Verhalten von den Interaktanten ebenso vor dem Hintergrund anderer kultureller Zugehörigkeiten wahrgenommen werden. Dem Analytiker bleibt die Möglichkeit zu untersuchen, welchen dieser Aspekte die Interaktanten selbst als relevant konstruieren und wie sie einander ihre Orientierung daran zeigen. Zur interaktiven Konstruktion von Dissens auf einer lexikalischen Ebene lässt sich abschließend festhalten, dass bloß als disjunktiver Turneröffnung eine enge Verwobenheit von konsens- und dissensorientierten Handlungen der Interaktanten zu Grunde liegt. Es wurde deutlich, auf welche Weise sich die Interaktanten aneinander orientieren und sich schrittweise Möglichkeiten zur Einflussnahme auf den weiteren Verlauf der Kommunikation einräumen. Eine mikroanalytische Vorgehensweise erscheint in diesem Zusammenhang die notwendige Voraussetzung zu sein, um lexikalische Einheiten wie bloß in ihrer Vielschichtigkeit angemessen zu beschreiben. Hierzu ist die Berücksichtigung der Praktiken in mündlicher Interaktion notwendig. Dies ist bisher nur in wenigen Studien geschehen und in den gängigen Grammatiken nur selten in Betracht gezogen worden. In diesem Kapitel konnte lediglich ein ausgewähltes Phänomen behandelt werden, doch zweifelsohne lassen sich im Rahmen einer solchen Untersuchung zahlreiche neue Fragen aufwerfen, die der genaueren Untersuchung bedürften. Wünschenswert wären beispielsweise genauere Untersuchungen zu Fragen nach der prosodischen Realisierung dieser Einheiten, auf die im Rahmen dieser Untersuchung nicht näher eingegangen wurde. Auch hinsichtlich der Funktionsweise vermeintlich ähnlich wirkendender Partikeln wären weitere Untersuchungen erforderlich. Hier wäre beispielsweise an die turneröffnende Verwendung von wobei oder ja aber zu denken. Auch stärker kontrastiv ausgerichtete Untersuchungen könnten weitere Erkenntnisse bringen. Im Bereich des Dänischen könnte beispielsweise ein potenzielles Äquivalent zu bloß untersucht werden, was möglicherweise in dem Dänischen janen (ja aber) zu finden sein könnte. Hier fehlt es bisher an grundlegenden Studien. Untersuchungen mit Fragestellungen dieser Art könnten zu weiteren Erkenntnissen hinsichtlich des Zusammenspiels von fremdsprachlicher und interaktiver Kompetenz beitragen.
5. Zur interaktiven Konstruktion von Dissens auf sequenzieller Ebene: Die Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung
In Abgrenzung zur interaktiven Konstruktion von Dissens auf lexikalischer Ebene ist die Konstruktion von Dissens auf sequenzieller Ebene nicht mit der Verwendung eines spezifischen Lexems verbunden. Die Konstruktion von Dissens beruht hier auf einem spezifischen sequenziellen Verlauf, d.h. auf der Anordnung einzelner Turns zueinander. Jeder Turn wird von den Gesprächsteilnehmern in Relation zu dem direkt vorhergehenden Turn konstruiert und interpretiert. Findet eine Handlung statt, die nicht direkt auf den vorhergehenden Turn Bezug nimmt, bedarf dies in mündlicher Interaktion einer besonderen Markierung. Doch bei dem zu beschreibenden Phänomen findet eine solche Markierung eben nicht statt, obwohl auf einen anderen als den direkt vorhergehenden Turn Bezug genommen wird. Damit wird der direkt zuvor liegende Turn sequenziell gesehen ignoriert. Hierin ist eine sequenzielle Markierung von Dissens zu sehen. Die Funktionen der Aktivitäten der einzelnen Turns resultieren demnach aus ihrem sequenziellen Verhältnis zum Vorhergehenden. Insofern sind es die spezifischen Aktivitäten innerhalb der einzelnen Turns einer Sequenz, die bei sequenzieller Konstruktion von Dissens den Dissens konstituieren. Im Folgenden geht es darum, diese unterschiedlichen Aktivitäten aufzuzeigen und hinsichtlich ihrer interaktiven Funktion zu beschreiben.
5.1.
Untersuchungsgegenstand und zentrale Fragestellungen
Die Aktivität, die den folgenden Analysen sequenzieller Konstruktion von Dissens zu Grunde liegt, ist die Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung. Zunächst wird kurz erörtert, warum eben diese Konstruktion zur Analyse gewählt wurde. Anschließend gilt es den Untersuchungsgegenstand näher einzugrenzen. Hierbei ist zum einen zu klären, was unter einer kollaborativen Turnbeendigung zu verstehen ist, und zum anderen, was mit der Ignorierung derselben gemeint ist. Bei den anschließenden Analysen steht ebenso wie schon im vorherigen Kapitel im Vordergrund, die Verwobenheit der verschiedenen Aktivitäten aufzuzeigen. Eine kollaborative Turnbeendigung ist eine interaktive Handlung, die von mindestens zwei Gesprächsteilnehmern gemeinsam - kollaborativ - durchgeführt wird. Sie besteht aus zwei Positionen. An erster Position beginnt ein Gesprächsteilnehmer eine Turnkonstruktionseinheit, die an zweiter Position von einem anderen Gesprächsteilnehmer übernommen, weitergeführt und zu Ende gebracht wird. Der erste Teil einer kollaborativen Turnbeendigung wird als präliminär nicht beendete Turnkonstruktionseinheit bezeichnet, der zweite Teil als antizipatorische Turnbeendigung. Zur Illustration des Phänomens folgender Auszug (Al):
78 Auszug (Al vereinfacht) 1 ll P: -hh also die idee find ich nich so:: ä::, 2 (3) 3 2 S : prickelnd In Zeile 1 befindet sich die präliminär nicht beendete Turnkonstruktionseinheit, die in Zeile 3 mittels einer antizipatorischen Turnbeendigung durch einen zweiten Sprecher beendet wird. Unterschiedliche Aktivitäten können im Anschluss an eine kollaborative Turnbeendigung folgen. Eine genaue Analyse erfolgt in Kapitel 5.4.1. Eine mögliche Aktivität ist die Ignorierung der kollaborativen Turnbeendigung. Dies bedeutet, dass der Sprecher der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit Nicht-Orientierung an der antizipatorischen Turnbeendigung zeigt. Dies erzielt er, indem er selbst die finale Turnbeendigung durchführt. Der unten stehende Auszug illustriert dieses: Auszug (Al) 1 1 P: -hh also die idee find ich nich so:: ä::, 2 (3) 3 2 S: prick[elnd 4 3 P: [so ansprechend, ne::. In Zeile 4 übernimmt erneut der Sprecher der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit den Turn und führt die Einheit erkennbar zu einem Ende. Dies geschieht, ohne dass eine Orientierung an dem vorhergehenden Turn des anderen Sprechers gezeigt wird. Folgende Gründe lassen sich für die Wahl der Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung als beispielhaft für die Konstruktion von Dissens auf sequenzieller Ebene anführen. Bei der Durchsicht der vorliegenden Daten fiel das häufige Auftreten kollaborativer Turnbeendigungen auf. Bei näherer Betrachtung dessen, was einer solchen Konstruktion folgt, fiel auf, dass eine explizite Markierung der Akzeptanz bzw. Ablehnung der kollaborativen Turnbeendigung in zahlreichen Fällen nicht nachzuweisen ist. Vielmehr wird die antizipatorische Turnbeendigung des einen Sprechers oft durch den anderen ignoriert. Dies geschieht durch ein Zeigen von Nicht-Orientierung an der antizipatorischen Turnbeendigung. In diesem Zusammenhang wurde ferner deutlich, dass eine enge sequenzielle Verwobenheit unterschiedlicher Aktivitäten mit der Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung einhergeht. Die Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung hat in der Forschung bislang nur wenig Aufmerksamkeit gefunden. Das Phänomen der kollaborativen Turnbeendigung ist für das Amerikanische durch Lerner (1987) eingehend beschrieben worden. Die Prosodie findet besondere Berücksichtigung bei Szczepek (2000a, 2000b). Es fehlt jedoch an Untersuchungen für das Deutsche. 2 Weiterführende Studien speziell zur Ignorierung kollaborativer Turnbeendigungen liegen meines Wissens nicht vor.
1 2
Die kursiv gesetzten Zahlen verweisen auf die Position des Turns in der jeweiligen Sequenz. Giinthner (1996) geht auf die kollaborative Produktion in kausalen und konzessiven Konstruktionen ein.
79 Die zentralen Fragestellungen dieses Kapitels sind die folgenden: Ausgehend von der Verwobenheit konsens- und dissensorientierter Handlungen im sequenziellen Kontext der Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung soll aufgezeigt werden, welche Aktivitäten einer Sequenz der Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung zu Grunde liegen und in welchen Aktivitäten dissensorientierte Handlungen zu sehen sind. Hierauf aufbauend lässt sich verdeutlichen, auf welche Weise die Gesprächsteilnehmer ihre Aktivitäten aneinander ausrichten. Es soll aufgezeigt werden, wie der Turn, der eine Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung darstellt, aufgebaut ist. Ferner sollen Untersuchungen angestellt werden darüber, welche Handlungen im Anschluss an die Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung sequenziell relevant werden und ob sich in ihrem Auftreten und ihrem Design eine Regelmäßigkeit feststellen lässt, an der sich die Gesprächsteilnehmer orientieren. Anschließend wird der Frage nachgegangen, inwieweit hinsichtlich der interaktiven Kompetenz der Interaktanten in Abhängigkeit von ihrem Status als Muttersprachler oder Nicht-Muttersprachler Unterschiede in der kollaborativen Konstruktion dieser Sequenzen festzustellen sind. Bei all diesen Analysen wird die Frage im Hintergrund stehen, inwieweit bei den einzelnen Aktivitäten von dissens- oder konsensorientierten Handlungen zu sprechen ist. Eine eindeutige Klärung dieser Frage wird nicht in allen Fällen möglich sein, da auf sequenzieller, struktureller und inhaltlicher Ebene der einzelnen Turns Aktivitäten vollzogen werden können, die sowohl Merkmale von Konsens als auch solche von Dissens tragen können. In diesem Zusammenspiel unterschiedlicher Aktivitäten ist eine interaktive Ressource der Gesprächsteilnehmer zu sehen.
5.2.
Daten
Die zur Analyse herangezogenen Auszüge entstammen alle dem anfangs beschriebenen Korpus. Die für dieses Kapitel zusammengestellte Sammlung besteht aus insgesamt 56 Auszügen kollaborativer Turnsequenzen. Nicht immer ist eine eindeutige Zuweisung einer Sequenz als kollaborative Turnsequenz möglich (s. Kap. 5.3.). Als entscheidendes Kriterium wurde bei der Zusammenstellung der Sammlung das Vorhandensein einer antizipatorischen Turnbeendigung gesehen, die eine pragmatische, prosodische und grammatikalische Weiterführung und teilweise Beendigung eines zuvor begonnenen Turns eines anderen Sprechers darstellt. Von den 56 Fällen wird in 13 Fällen eine Turnsequenz gestaltet, in der eine Orientierung an der antizipatorischen Turnbeendigung durch den Sprecher der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit gezeigt wird. Dies geschieht entweder im Anschluss an die antizipatorische Turnbeendigung mittels einer expliziten Bewertung derselben durch den Sprecher der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit oder aber indem der Sprecher der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit seinen Turn unter Integration der antizipatorischen Turnbeendigung wieder aufnimmt und weiterführt. In 43 Fällen findet eine Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung statt. Auf diesem Teil der Sammlung beruht der Hauptteil der Analyse. 3 3
Die Sammlung von 43 Auszügen, auf denen die Untersuchung beruht, befindet sich im Anhang.
80 Von den 56 Auszügen finden 4 auf Dänisch unter ausschließlicher Beteiligung von Muttersprachlern statt und 52 sind auf Deutsch. In den Auszügen auf Deutsch sind es in 11 Fällen zwei Muttersprachler, die gemeinsam eine solche Sequenz produzieren, in 2 Fällen sind es zwei Fremdsprachler und in 39 Fällen ist der eine Sprecher Muttersprachler, der andere hat fremdsprachliche Kompetenz. In den 52 deutschsprachigen Auszügen sind hinsichtlich der Konstruktion der antizipatorischen Turnbeendigung in 47 Fällen Muttersprachler Produzenten dieses Turns. In 5 Fällen ist es der fremdsprachliche Sprecher, der eine solche Handlung vollführt. Hinsichtlich der Konstruktion der Ignorierung einer antizipatorischen Turnbeendigung sind von 39 Fällen, in denen sowohl Mutter- als auch Fremdsprachler den Turn übernehmen konnten, insgesamt in 8 Fällen Muttersprachler Produzenten dieses Turns, in 31 Fällen sind es Nicht-Muttersprachler. Diese Zuordnung der Sprecher zu den einzelnen Aktivitäten, die dieser Sequenz zu Grunde liegen, ist hier unter dem Gesichtspunkt der Mutter- bzw. Fremdsprachlichkeit vorgenommen worden und findet in Kapitel 5.6. eingehende Berücksichtigung. Die Heraushebung dieses Gesichtspunktes wurde unter bewusster Ausgrenzung anderer Parameter vorgenommen, die ebenso auf die Konversation Einfluss haben können. Hierzu gehören beispielsweise Aspekte wie die der geschlechtlichen Zugehörigkeit der Gesprächsteilnehmer oder anderer soziokultureller Faktoren. Berücksichtigt man die Tatsache, dass es in den 47 Fällen, in denen ein Muttersprachler die antizipatorische Turnbeendigung vollführt, in 33 Fällen derselbe Sprecher ist, der diese Aktivität durchführt, so sind auch idiolektale Erwägungen in Betracht zu ziehen. Hiermit deutet sich an, wie vielschichtig und komplex Fragestellungen im Bereich interaktiver Kompetenz sind und wie problematisch möglicherweise eine Zuweisung einzelner Faktoren im Vorhinein als entscheidend für das Ge- oder Misslingen bestimmter interaktiver Konstruktionen sein kann. Ausgehend von der induktiven Vorgehensweise einer mikroanalytischen Methode wird zwar im folgenden Kapitel dem Aspekt der Mutter- bzw. Fremdsprachlichkeit im Abschnitt 5.6. ein besonderer Platz eingeräumt, doch im Vordergrund steht zunächst einmal das Aufzeigen derjenigen Aktivitäten, die kollaborativen Turnsequenzen zu Grunde liegen, ohne dass 'externe' Parameter a priori Berücksichtigung finden.
5.3.
Die kollaborative Turnbeendigung
Bei der Beschäftigung mit Dissenssequenzen kollaborative Aktivitäten zu untersuchen, mag auf den ersten Blick als Widerspruch erscheinen. Gemeinsames Handeln setzt ein großes Maß an Kooperativität und genaueste Koordination der Aktivitäten voraus. Doch gemeinsames, sich aneinander orientierendes Handeln bedeutet nicht unmittelbar auch konsensorientiertes Handeln. Die Konstruktion von Dissens scheint, wie aus den folgenden Analysen hervorgeht, nicht weniger interaktive Koordination zu verlangen als die Konstruktion von Konsens. Eine kollaborative Turnbeendigung ist eine interaktive, sequenzielle Konstruktion, die gemeinsam von mindestens zwei Gesprächspartnern durchgeführt wird. Sie setzt koordinierte Zusammenarbeit mehrerer Gesprächsteilnehmer voraus. Lerner, der sich eingehend mit dem
81 Phänomen kollaborativer Turnbeendigungen beschäftigt hat (Lerner 1987), bezeichnet eine kollaborative Turnbeendigung als einen 'intra-turn'-Sprecherwechsel (Lerner 1996b:244), d.h. dies ist ein sequenzieller Verlauf, in dem turnintern ein Sprecherwechsel stattfindet. Dies bedeutet, dass zwei Sprecher gemeinsam - kollaborativ - die Fertigstellung einer Turnkonstruktionseinheit bewerkstelligen. Eine kollaborative Turnbeendigung besteht aus mindestens zwei Positionen. An erster Position beginnt ein Sprecher A einen Turn. Dieser Turn besteht aus einer oder mehreren Turnkonstruktionseinheiten, deren sequenziell letzte weder syntaktisch noch prosodisch abgeschlossen ist. Dieser Teil der kollaborativen Turnbeendigung wird als präliminär nicht beendete Turnkonstruktionseinheit bezeichnet. Hierzu die folgenden zwei Auszüge: Position 1: Auszug (A3a) 1—» A: nich? (0.3)
( . ) a l s s o wenn w i r - , davon redn,
(.)
j e mehr
wir
(0.2)
Auszug (A2a) 1-» A: UND DANN KOMMN WIR HIER AN dann sagn die (0.3) Der Teil der gemeinsam konstruierten Turnkonstruktionseinheit, die von einem anderen als dem Sprecher vollführt wird, der den Turn begonnen hat, ist die antizipatorische Turnbeendigung. Diese findet an zweiter Position statt, an der ein Sprecher Β die von Sprecher A begonnene Turnkonstruktionseinheit übernimmt, diese weiterführt und sie semantisch, syntaktisch und prosodisch zum Abschluss bringt. Position 2: Auszug (A3b) 1 A: n i c h ? ( . ) a l s s o wenn w i r - , (0.3) davon redn,
(.)
j e mehr
wir
(0.2)
X: 2—» B:
m[:( [desto besser.
Auszug (A2b) 1 A: UND DANN KOMMN WIR HIER AN dann sagn die (0.3) a[: wir dachtn ihr wollt [schneidn.] 2—» B: [ihr wolltet doch nur schn[eidn. ] (0.4) Zu der Form der antizipatorischen Turnbeendigung in Auszug (A2b) kann angemerkt werden, dass es diskutierbar ist, inwieweit in diesem Fall von einer antizipatorischen Turnbeendigung zu sprechen ist. Lerner hebt hervor:
82 ...when an anticipatory completion is initiated, it is ... designed ... in the absence of further talk by the prior speaker. (Lerner 1996b: 245)
Lerner stellt damit heraus, dass ein Kriterium antizipatorischer Turnbeendigungen in dem Nicht-Weitersprechen des vorherigen Sprechers besteht. Eben dies geschieht jedoch in obigem Auszug (A2b), indem Sprecher A seinen Turn trotz Überlappung durch die Turnaufnahme von Sprecher Β weiterführt. Hier erscheint eine Differenzierung hinsichtlich der möglichen Funktion einer antizipatorischen Turnbeendigung notwendig (s.a. Diskussion in Kap. 5.3.2.). In obigem Auszug steht die antizipatorische Turnbeendigung in Zusammenhang mit dem gemeinsamen Erzählen einer Geschichte. In den vorliegenden Daten finden sich mehrere Fälle, in denen das Weitersprechen des vorherigen Sprechers in Verbindung mit dem kollaborativen Erzählen einer Geschichte auftritt. 4 Hier bedürfte es einer genaueren Untersuchung, inwiefern bei einem solchen Sequenz-Design ein Weitersprechen des vorherigen Sprechers trotz begonnener antizipatorischer Turnbeendigung eines zweiten Sprechers ein konstituierendes Merkmal ist. Sollte dies der Fall sein, wäre das von Lerner (1996b) aufgestellte Kriterium zu differenzieren. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung scheint es nicht entscheidend, auf diese Frage näher einzugehen. Da der Auszug in allen anderen Kriterien denen einer kollaborativen Turnbeendigung entspricht, wird er hier als dieser Gruppe zugehörig betrachtet.
5.3.1.
Die präliminär nicht beendete Turnkonstniktionseinheit
Eine zentrale Frage ist, auf welche Weise der aktuelle Sprecher markiert, dass die von ihm begonnene Einheit präliminär nicht beendet werden wird. Hiermit direkt verbunden ist die Frage nach der Initiierung der antizipatorischen Turnbeendigung durch den vorhergehenden Sprecher. Die Initiierung einer antizipatorischen Turnbeendigung scheint auf unterschiedliche Weise bewerkstelligt werden zu können. Es lassen sich Unterschiede hinsichtlich des Grades der Aufforderung des Produzenten der präliminär nicht beendeten Turnkonstniktionseinheit zu einer antizipatorischen Turnbeendigung nachweisen. In einer Vielzahl von Fällen markiert der aktuelle Sprecher auf die eine oder andere Weise, dass eine Turnübemahme erwünscht ist. Sacks bezeichnet diese Form der kollaborativen Turnbeendigung als die 'normale' Variante: It's not altogether unheard of for two persons to collaborate to produce a single sentence. The normal way this is done, however, is that, say, one person produces an almost complete sentence and finds himself searching for a last word or last phrase which he can't find, and the other offers it. (Sacks 1992:1:145, Hervorhebung hinzugefügt)
4
Lerner (1992) weist auf das häufige Auftreten kollaborativer Turnbeendigungen in Verbindung mit dem Erzählen von Geschichten hin und bezeichnet dies als 'assisted storytelling' (Lerner 1992:247).
83 Ein bestimmendes Charakteristikum der Initiierung antizipatorischer Turnbeendigungen ist laut Sacks die Markierung des vorhergehenden Sprechers, ein bestimmtes Wort nicht zu finden.5 Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, auf welche Weise der aktuelle Sprecher dem anderen Sprecher resp. den anderen Sprechern markiert, dass ihm eine bestimmte verbale Einheit fehlt, um die begonnene Turnkonstruktionseinheit zu beenden. In einer Vielzahl der Belege scheint dies mithilfe von Word Searches zu geschehen. Word Searches sind Einheiten, die die Suche nach einem bestimmten Lexem, einer grammatischen Form oder anderen verbalen Einheiten markieren. Für das Deutsche sind hierzu Einheiten wie wie heißt das? ebenso zu zählen wie äh, öh und Ähnliches. Word Searches treten häufig in Verbindung mit anderen Formen der Verzögerung auf wie beispielsweise Pausen, Silbenlängung oder Reparaturen. Im Rahmen dieser Arbeit werden nonverbale Aspekte in Zusammenhang mit Word Searches nicht näher untersucht. Deutliche Belege für die enge Verwobenheit verbaler und nonverbaler Aspekte in Interaktion haben Goodwin/Goodwin (1986) und Schegloff (1984) geliefert. Sie haben gezeigt, wie ikonische Gesten Präindikatoren von verbalen Reparaturen sein können. In Verbindung mit Word Searches haben Goodwin/Goodwin (1986) darüber hinaus nachgewiesen, dass die Blickrichtung der Partizipanten bei der Konstruktion eines Word Search eine entscheidende Orientierungshilfe für den Grad der Involviertheit der Interaktanten darstellen kann. Während der Rezipient regelmäßig seinen Blick auf den Produzenten des Word Search richtet, wendet der Produzent des Word Search während der Produktion desselben seinen Blick ab. Dies geschieht typisch in der einem Word Search folgenden Pause. Unten stehender Auszug (A4) zeigt eine kollaborative Turnbeendigung in Verbindung mit einem Word Search: Auszug (A4) 1 P: u n d d a s : s o l l t e man v i e l l e i - ν a l s o 2 f immer ( . ) k k a n n man d a s j a n i c h 3 v e r m e i d n . a b e r man s o l l t e e s : : j e d e n f a l l s 4 in der ausgangsposition finde ich ä : : : 5—> ( 0 . 3 ) wenn man d i e s c h t o r r i e d e n k t ä : : [ : 6 I: [m:. 7—> S : v e r s u c h n zu v e r ( h i n [ d e r / ä n d e r n ) . 8 P: [versuchn den a n d e r n 9 w e : c h zu g e h e n u n d s a g n , = Der Word Search, der der antizipatorischen Turnbeendigung vorausgeht, wird in Zeile 5 durch Sprecher Ρ produziert ä:::. Der Turn von Sprecher Ρ von Zeile 1 bis 5 ist gekennzeichnet durch Redeabbrüche, Restarts, Pausen und Einschübe. Er weist außerdem an zwei Stellen im Turn Word Searches auf. Dies geschieht einmal in Zeile 4 in Verbindung mit einer anschließenden Pause sowie in Zeile 5, nachdem die vorherige Turnkonstruktionseinheit aufgrund einer Insertionssequenz wenn man die schtorrie denkt vorläufig unbeendet 5
Zur Verbindung von Word Search mit kollaborativer 1992:11:429.
Turnbeendigung s. auch Sacks
84 bleibt. Dieser Einschub wird syntaktisch beendet und im Anschluss daran folgt der Word Search. Sprecher S übernimmt anschließend den Turn und produziert eine antizipatorische Turnbeendigung, indem er an die Turnkonstruktionseinheit anknüpft, die von Sprecher Ρ nicht beendet wurde aber man sollte es:: jedenfalls in der ausgangsposition finde ich ä:::. Die antizipatorische Turnbeendigung ist geformt als prosodische, pragmatische und syntaktische Fortsetzung und Beendigung der Turnkonstruktionseinheit. Sie fügt dem finiten Modalverb ein infinites Vollverb hinzu und gleichzeitig wird durch den anschließenden Infinitiv eine Verbergänzung konstruiert. Für eine Aufforderung zur antizipatorischen Turnbeendigung in Form eines Word Searches gibt es zahlreiche Belege. Auszug (Al) 1 P: -hh a l s o d i e i d e e f i n d i c h n i c h 2 (3) 3—» S: prick[elnd 4 P: [so ansprechend, n e : : .
so::
ä::,
In obigem Auszug wird mithilfe eines Word Searches in Zeile 1 dem anderen Sprecher gezeigt, dass der aktuelle Sprecher ein Problem mit der Weiterführung seiner Turnkonstruktionseinheit hat. Es spielt in diesem Fall keine Rolle, ob dieses Problem tatsächlich existiert oder es lediglich als ein solches designt wird. Entscheidend ist, dass der Word Search in Zeile 1 in Verbindung mit der anschließenden langen Pause von drei Sekunden die Turnübernahme durch einen anderen Sprecher initiiert, der die von dem vorherigen Sprecher präliminar nicht beendete Turnkonstruktionseinheit zu einem möglichen Ende führt. Ein Word Search vor Beendigung einer Turnkonstruktionseinheit wie in den obigen Auszügen kann demnach folgende Aktivitäten vollführen. Er markiert, dass der aktuelle Sprecher ein Problem mit der Fertigstellung einer Turnkonstruktionseinheit hat. Außerdem eröffnet er die Möglichkeit, dass einer der anderen Sprecher bei der Lösung dieses Problems behilflich ist. Es lassen sich demnach antizipatorische Turnbeendigungen nachweisen, deren Initiierung auf einen Word Search im vorhergehenden Turn zurückgeführt werden kann. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen im Turn des vorherigen Sprechers keine Anzeichen mittels eines Word Search für eine Aufforderung zu einer antizipatorischen Turnbeendigung durch einen anderen Sprecher zu finden sind. Lerner weist in diesem Zusammenhang daraufhin: Composing and positioning an utterance as a conditional entry into another's tum does not require an 'invitation'. (Lerner 1996b:242) Damit betont er, dass es keiner Aufforderung bedarf, um die Konstruktion einer antizipatorischen Tumbeendigung zu initiieren. Dennoch scheint einem Großteil der vorhandenen antizipatorischen Turnbeendigungen die ein oder andere Art von Aufforderung zur Turnübernahme zu Grunde zu liegen. Hierzu Auszug (A5):
85 Auszug (A5) 1 Ρ: 2 3 4 S: 5 Ρ:
nein, das- (0.2) sollte direkt (.) an ( 0 . 2 ) die konkrete hierhin ( 0 . 3 ) hierher Sendung oder ( 0 . 5 ) an diesn= =(im) block [ran [programmteil. -hh gehängt werdn.
In Auszug (A5) markiert Sprecher Ρ in unmittelbarer Nähe der Turnübernahme keine Probleme bei der Fertigstellung seiner Turnkonstruktionseinheit. Weder unmittelbar vor der antizipatorischen Turnbeendigung in Zeile 4 noch an anderer Stelle im Turn findet sich ein Word Search. Doch es treten andere Formen der Verzögerung im Turn auf, mittels derer der aktuelle Sprecher den anderen Gesprächsteilnehmern mögliche Probleme mit der Weiterfiihrung des Turns markieren kann. Zu diesen Formen der Verzögerung gehören die zahlreichen Pausen, die diesen Multi Unit Turn kennzeichnen. Die Pausen treten alle an Stellen im Turn auf, an denen deutlich Fortsetzung markiert ist. Sie nehmen im Verlaufe des Turns an Länge zu. Diese Merkmale können als ein Signal für mögliche Probleme bei der Vollendung der Turnkonstruktionseinheit gewertet werden. Zu dem Zeitpunkt jedoch, an dem Sprecher S mit einer antizipatorischen Turnbeendigung den Turn übernimmt, tritt weder eine Pause auf noch findet sich ein anderes Zeichen, das Probleme des aktuellen Sprechers mit der Fertigstellung seiner Turnkonstruktionseinheit markieren könnte. Doch es besteht die Möglichkeit, den Beginn der antizipatorischen Turnbeendigung als verspätet anzusehen (Jefferson 1986). Hierfür spricht die (unsichere) Transkription von im in Zeile 4, die syntaktisch gesehen darauf hindeuten würde, dass die antizipatorische Turnbeendigung eigentlich direkt an oder in Zeile 3 anknüpfen sollte. Hiermit würde die antizipatorische Turnbeendigung den Turn nach oder direkt zu einem Abschluss bringen. Betrachtet man als Initiator der antizipatorischen Turnbeendigung den Turn um oder herum, so lassen sich einige Merkmale aufzeigen, die auf mögliche Probleme des aktuellen Sprechers bei der Fertigstellung seiner Turnkonstruktionseinheit hinweisen, oder selbst projiziert eine Reformulierung, eine Alternative zu dem zuvor Gesagten. Darüber hinaus folgt oder eine 0.5-sekündige Pause. Diese Tatsache in Verbindung mit der mittels oder projizierbaren Präsentation einer alternativen Formulierung kann als ein Zeichen für potenzielle Probleme mit der Fertigstellung einer Turnkonstruktionseinheit gedeutet werden. Hieran scheint sich Sprecher S zu orientieren, wenn er seine antizipatorische Turnbeendigung zu diesem Zeitpunkt verspätet beginnt. Es lässt sich demnach festhalten, dass neben Word Searches, die den anderen Gesprächsteilnehmern explizit Probleme bei der Fertigstellung der in Konstruktion befindlichen Turnkonstruktionseinheit zeigen, auch andere Formen der Verzögerung wie beispielsweise gehäuftes Auftreten von Pausen diese Aktivität vollführen können. Die Markierung von Problemen bei der Fertigstellung einer Turnkonstruktionseinheit - sei es in Form eines Word Search oder mit anderen Mitteln - kann als eine Aufforderung des aktuellen Sprechers an den bzw. die anderen Gesprächsteilnehmer gedeutet werden, den Turn zu vervollständigen. Dies lässt sich auch dadurch untermauern, dass in diesen Fällen der Turn des vorhergehenden Sprechers zumindest für einen Augenblick im Redefluss unterbrochen wird. Auch wenn der Sprecher im Anschluss daran in Überlappung mit der antizipato-
86 rischen Turnbeendigung seinen Turn wieder aufnimmt und ihn möglicherweise auch noch einmal selbst vervollständigt, weist sein Turn durch die mit der antizipatorischen Turnbeendigung verbundene Pause eine Unterbrechung im Redefluss auf. In den Fällen jedoch, in denen eine Markierung von Problemen bei der Fertigstellung der Turnkonstruktionseinheit nicht stattfindet, scheint die antizipatorische Turnbeendigung nicht notwendigerweise zu einer Vervollständigung der Turnkonstruktionseinheit zu führen. Im folgenden Auszug (A6) ist der Versuch einer Turnübernahme mittels einer antizipatorischen Turnbeendigung damit verbunden, dass der Sprecher der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit diese gleichzeitig selbst zu einem Abschluss bringt. Hierzu Auszug (A6): Auszug (A6) 1 I: 2 3 4 5 6—> S: 7 P: 8 I: 9 P:
=wir setzn uns mit europa und diesm ganzn, -hh (.) gedöns auseinander, also es kommt ja immer auch im programm vor. und (0.2) man muss denen ägendwie klarmachn, -hh dass das einfach [ne sende ] darstellu[ngsform ]= [die bessere] [-hh ja ja die]= =[br:icht. das is (hier) ein]fach,= =[argumente die sind klar. ]
Die antizipatorische Turnbeendigung von Sprecher S in Zeile 6 fügt sich syntaktisch und prosodisch kohärent in die begonnene Turnkonstruktionseinheit ein. In dieser Hinsicht ähnelt sie den antizipatorischen Turnbeendigungen, die in den vorherigen Auszügen Grundlage der Analysen waren. Doch im Unterschied zu diesen ist die antizipatorische Turnbeendigung im eigentlichen Sinne keine Beendigung, da die Turnkonstruktionseinheit nicht zu einem Abschluss gebracht wird. Sprecher S bricht vor einer möglichen Komplettierung dieser Einheit seinen Turn ab. Ein weiterer Unterschied besteht hinsichtlich des Zeitpunktes, an dem die antizipatorische Turnbeendigung stattfindet. Zu dem Zeitpunkt, an dem die antizipatorische Turnbeendigung in Zeile 6 beginnt, hat Sprecher I in Zeile 4/5 mit der Initiierung von dass deutlich Fortsetzung markiert. Es finden keine Pausen oder andere Formen der Verzögerung statt, die Probleme mit der Vollendung der begonnenen Turnkonstruktionseinheit nahe legen. Es lässt sich also nicht, wie in den Auszügen zuvor, von einer Aufforderung zur antizipatorischen Turnübernahme sprechen. Folglich setzt die antizipatorische Turnbeendigung in Überschneidung mit dem in Konstruktion befindlichen Turn ein. Sprecher I könnte mit Beginn der Überlappung seines Turns durch Sprecher S wählen, seinen Turn abzubrechen und die Vollendung der Turnkonstruktionseinheit Sprecher S zu überlassen. Doch dies geschieht nicht. Sprecher I setzt stattdessen seinen Turn auch während der Überlappung fort. Er zeigt insofern einen gewissen Grad an Orientierung an der Überlappung, als er im Anschluss an dieselbe eine Eigenreparatur vornimmt, indem er sende in darstellungsform repariert. Doch er setzt, von dieser Reparatur abgesehen, die Konstruktion seiner Turnkonstruktionseinheit fort und bringt sie zu einem Abschluss ne darstellungsform bricht, ohne Sprecher S eine weitere Orientierung an dessen Versuch einer antizipatorischen Turnbeendigung zu zeigen.
87 Festzuhalten bleibt, dass eine antizipatorische Turnbeendigung nicht notwendigerweise einer Einladung bedarf. Doch die Möglichkeit zur Vollendung der antizipatorischen Turnbeendigung scheint größer zu sein, je deutlicher eine Einladung in Form von Word Search und/oder Pausen, Reparaturen etc. vorliegt. Hinsichtlich der Markierung von Dissens oder Konsens im Tum der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit lässt sich festhalten, dass der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit keine festgelegte Markierung von Konsens oder Dissens zu Grunde liegt. Was durch sie den anderen Gesprächsteilnehmern gezeigt wird, ist, dass der aktuelle Sprecher Probleme mit der Fertigstellung seiner Turnkonstruktionseinheit hat. In den Teilen des Turns, die der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit vorausgehen, können jedoch strukturelle und/oder inhaltliche Komponenten vorhanden sein, die der Markierung von Dissens oder Konsens dienen können. Die unterschiedliche Funktion der folgenden antizipatorischen Turnbeendigung kann als responsive Handlung in Verbindung mit einer solchen Markierung von Dissens in Teilen des vorhergehenden Turns gesehen werden.
5.3.2.
Die antizipatorische Turnbeendigung
Mittels der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit markiert der aktuelle Sprecher Probleme mit der Fertigstellung dieser Einheit und zeigt damit den anderen Gesprächsteilnehmern die Möglichkeit zur Turnübernahme. Ein anderer Sprecher kann anschließend den Turn übernehmen. Hier stellt sich im Falle einer Turnübernahme die Frage, auf welche Weise der Sprecher seinen Turn designt, so dass von einer antizipatorischen Turnbeendigung gesprochen werden kann. Die antizipatorische Turnbeendigung kann auf unterschiedliche Weise gestaltet werden. Hervorzuheben ist, dass sie in ihrer Ausformung eine Dokumentation des Verstehens des vorhergehenden Turns durch den aktuellen Sprecher darstellt. Die Konstruktion einer antizipatorischen Turnbeendigung bedeutet somit immer das Zeigen einer Interpretation des Vorhergegangenen. Sacks führt in diesem Zusammenhang aus: ... that they're (die Sprecher, die eine antizipatorische Turnbeendigung vollführen Anm. d.V.) able to put in a syntactically coherent part is then direct evidence that they have been listening and analyzing in the course of the utterance,... (Sacks 1992:11:58) Es wird nach Sacks demnach mittels einer antizipatorischen Turnbeendigung ein Beweis dafiir geschaffen, dass der andere Sprecher der Konversation gefolgt und um ein Verstehen derselben bemüht ist. Man kann noch einen Schritt weiter gehen, indem darüber hinaus noch die Tatsache einbezogen wird, dass der Sprecher der antizipatorischen Turnbeendigung auch gleichzeitig mit der Vollführung dieser Aktivität eine Wahl trifft. Er trifft die Wahl, den Turn auf eine bestimmte Weise zu beenden. Hiermit geht die Abwahl anderer Alternativen einher. Der diesen Turn konstruierende Sprecher zeigt somit sein Verständnis der begonnenen Turnkonstruktionseinheit. In Zusammenhang mit dem Begriff Verständnis gilt es zu unterscheiden zwischen 'to claim understanding' (Behaupten von Verstehen) und 'to exhibit understanding' (Zeigen von Verstehen) (Sacks 1992:II:252f., Kap. 4.4.1.). 'To claim understanding' bedeutet die Markie-
88 rung von Verstehen, sie bietet jedoch keinerlei Einsicht in die Art des Verstehens. In diesem Sinne wird das Verstehen hier behauptet, ohne dass es für die anderen Gesprächsteilnehmer die Möglichkeit gibt, Einblick in die Art des Verstehens zu erhalten. 'To exhibit understanding' bedeutet ein direktes Zeigen von Verstehen, das den anderen Gesprächsteilnehmern einen Einblick in die Art des Verstehens gewährt. Dies kann unter anderem erreicht werden durch Reformulierungen des vorhergegangenen Turns sowie zweite Bewertungen. Die Konstruktion einer antizipatorischen Turnbeendigung ist in die Kategorie des Zeigens von Verstehen einzuordnen. Der die antizipatorische Turnbeendigung durchführende Sprecher zeigt hier sein Verstehen der begonnenen Turnkonstruktionseinheit des vorhergehenden Sprechers, indem er dessen Turn zu einem Abschluss bringt. Er unterbreitet dadurch dem anderen Sprecher ein Angebot zu einer möglichen Beendigung seines Turns. Es ist in diesem Zusammenhang unwesentlich, inwiefern das hierdurch gezeigte Verstehen mit der vom vorhergehenden Sprecher intendierten Aussage übereinstimmt. Relevant ist lediglich, dass hier Verstehen gezeigt wird, anstatt es zu behaupten. Eine antizipatorische Turnbeendigung bedeutet immer auch eine vorzeitige Turnübernahme eines Sprechers. Vorzeitig in dem Sinne, dass eine begonnene Turnkonstruktionseinheit eines Sprechers durch diesen erkennbar noch nicht beendet ist. Eine derartige vorzeitige Turnübernahme kann auch als Unterbrechung angesehen und durch die Gesprächsteilnehmer als eine solche behandelt werden. Sacks weist in diesem Zusammenhang auf die unterschiedliche Funktion einer antizipatorischen Turnübernahme in Two Party und Multi Party Konversationen hin (Sacks 1992:1:323). Er erwähnt die Notwendigkeit der stärkeren Differenzierung des Phänomens der 'Unterbrechung'. Eine vorzeitige Turnübernahme kann in Two Party Konversationen als 'Unterbrechung' des aktuellen Sprechers angesehen werden, da die Sprecherverteilung in Ά Β Α Β' von vornherein feststeht. In Multi Party Konversation jedoch liegt die Sprecherverteilung nicht von vornherein fest. Daher kann eine 'Unterbrechung' in Form einer vorzeitigen Turnübernahme hier als ein Mittel der Markierung von Zuhörerschaft und der Indikation von potenzieller nächster Sprecherschaft sein. Im folgenden Auszug (Al) zeigt Sprecher S durch die antizipatorische Turnbeendigung seine Interpretation der vorhergegangenen Turnkonstruktionseinheit und macht damit den anderen Gesprächsteilnehmern sein Verstehen des vorhergegangenen Turns zugänglich. Auszug (Al) 1 1 P: -hh also die idee find ich nich so:: ä::, 2 (3) 3 2 S : prick[elnd 4 3 Ρ: [so ansprechend, ne: : . Die hier vorgeschlagene Beendigung der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit ist eine Vervollständigung der terminalen Turneinheit in Form einer monolexikalischen Einheit prickelnd. Diese Vervollständigung zeigt verschiedene Aktivitäten auf, die durch den vorhergehenden Turn projizierbar waren und an denen Sprecher S bei dieser Vervollständigung Orientierung aufweist.
89 Zum einen zeigt Sprecher S durch diese antizipatorische Turnbeendigung, dass er die vorhergehende Turnkonstruktionseinheit als kurz vor einem möglichen Abschluss stehend interpretiert. Er bietet dem anderen Sprecher in Form eines einzelnen Lexems die kürzest mögliche Fertigstellung des Turns an. Zum anderen wird deutlich, dass Sprecher S inhaltlich gesehen eine negative, umgangssprachlich geprägte terminale Vervollständigung projiziert. Die Vervollständigung erhält einen idiomatischen Charakter durch die Form eine prickelnde Idee. Zu einer Fertigstellung der Turnkonstruktionseinheit eines anderen Sprechers wird dieser Turn auch durch den Intonationsverlauf. Die Intonation der angebotenen Vervollständigung ist nicht als Frage designi, sondern mittels fallender Intonation als turnbeendende Aussage. Die Vervollständigung bekommt dadurch das Design der Weiterführung der begonnenen Turnkonstruktionseinheit durch den vorherigen Sprecher. Dies hat auch eine Auswirkung auf die Frage nach der Autorenschaft einer solchen antizipatorischen Turnbeendigung. Wäre die antizipatorische Turnbeendigung als Frage designt, läge kein turninterner Sprecherwechsel in Bezug auf die antizipatorische Turnbeendigung vor. In diesem Fall wäre die antizipatorische Turnbeendigung keine turninterne Übernahme eines anderen Sprechers, sondern ein First Pair Part eines Autors, das ein folgendes Second Pair Part durch einen anderen Autor sequenziell relevant machen würde. Doch durch das Design der Weiterführung einer Turnkonstruktionseinheit eines anderen Sprechers beinhaltet die antizipatorische Turnbeendigung zwar einen Sprecherwechsel, die Autorenschaft jedoch verweist auf den Produzenten der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit. Inwieweit dieser Aspekt der Autorenschaft eine Auswirkung auf die im kommenden Turn mögliche Reparaturenorganisation hat, wird näher im Abschnitt 5.4.1. untersucht. In nahezu allen Auszügen, die dieser Analyse zu Grunde liegen, besteht die antizipatorische Turnbeendigung aus einer terminalen Vervollständigung der vorhergehenden Turnkonstruktionseinheit. Dies bedeutet nicht, dass in dem der antizipatorischen Turnbeendigung folgenden Turn diese terminale Komplettierung auch akzeptiert wird. Doch die Gesprächsteilnehmer scheinen sich daran zu orientieren, dass die antizipatorische Turnbeendigung, die im Anschluss an einen Word Search folgt, aus einer möglichst kurzen Einheit zu bestehen hat. Dies zeigt sich in Auszug (A4) mit der Beendigung versuchn zu ver(hinder/cmdem) und in Auszug (Al) mit prickelnd. Auch im folgenden Auszug (A7) zeigt sich diese Orientierung, indem Sprecher S in der antizipatorischen Turnbeendigung in Zeile 6 eine möglichst kurze Turnvervollständigung anbietet. Auszug (A7)
1 2 3 4 5 6—» 7
Ρ : wenn wir diese andre sache klärn können Idas mit dem schild. wenn wir das nicht klärn können,=wenn wir das nicht (in färt) bekommen dann: (0.2) find ich solltn wir uns ä: : : ·hh[h überlegn ] was= S: [da raushaltn.] P: =wir dann machn. denn -hh denn also es:
8
9
(1.1)
P:
geschieht ja: °w:[:°
90 Der Turn von Sprecher Ρ von Zeile 1 bis 5 besteht aus mehreren Turnkonstruktionseinheiten, die durch Restarts und Reformulierungen geprägt sind. In Zeile 3 beginnt Sprecher Ρ eine Tumkonstruktionseinheit, die mittels der Subjunktion wenn die Konstruktion einer aus mehreren Komponenten bestehenden Tumkonstruktionseinheit projizierbar macht. Nachdem Sprecher Ρ die zweite und damit finale Komponente dieser Einheit mit dann: eingeleitet hat, markiert er mittels eines Word Search Probleme bei der Fertigstellung seiner Tumkonstruktionseinheit. Während Sprecher Ρ im Anschluss an einen Word Search einatmet, konstruiert Sprecher S die antizipatorische Turnbeendigung da raushaltn. Durch die terminale Intonation am Ende des Turns wird die Markierung der antizipatorischen Turnbeendigung als Beendigung der vorhergehenden Tumkonstruktionseinheit deutlich. Auch syntaktisch markiert dieser Tum den Abschluss einer Einheit, indem der Infinitiv raushaltn am Ende des Turns steht. Gleichzeitig ist dies eine sehr kurze Vervollständigung der präliminär nicht beendeten Tumkonstruktionseinheit. Sie markiert, dass der aktuelle Sprecher dem vorhergehenden Sprecher, der Probleme bei der Fertigstellung seiner Tumkonstruktionseinheit markiert hat, bei der Beendigung seines Turns behilflich ist. Vergleicht man obigen Auszug mit Auszug (A6), in dem die begonnene antizipatorische Turnbeendigung vor einer möglichen Beendigung abgebrochen wird, so wird die Auswirkung deutlich, die eine antizipatorische Turnbeendigung auf die Interaktion hat. Sie ändert die sequenzielle Struktur in Bezug auf den nächsten Sprecher. Hätte der Produzent der präliminär nicht beendeten Tumkonstruktionseinheit seine Einheit selbst beendet, wäre damit der nächste Sprecher zu einem zweiten Sprecher gemacht worden. Doch indem die antizipatorische Tumbeendigung durch einen anderen Sprecher durchgeführt wird, hat sich der Produzent derselben zu einem ersten Sprecher gemacht. Dies versetzt den Sprecher der präliminär nicht beendeten Tumkonstruktionseinheit in die Rolle des zweiten Sprechers, der eine Reaktion in Form einer Orientierung an dem Vorhergegangenen zu konstruieren hat. Demnach liegt ein grundlegender Unterschied vor, ob die antizipatorische Tumbeendigung eine Vervollständigung der terminalen Turneinheit ist, wie in der Vielzahl der Belege, oder ob sie eine Einheit anbietet, die nicht tumabschließend fungieren kann. Im ersten Fall würde eine potenzielle Vervollständigung des Turns angeboten, im zweiten Fall läge ein solches Angebot nicht vor. Im Falle einer potenziellen Vervollständigung des Tums kann eine antizipatorische Tumbeendigung den weiteren sequenziellen Ablauf hinsichtlich der Sprecherverteilung auf die relevante nächste Handlung verändern. Dies führt zu der Frage nach der möglichen Funktion einer antizipatorischen Tumbeendigung. Das Zeigen von Verstehen des vorhergehenden Turns mittels einer antizipatorischen Tumbeendigung kann als interaktive Praktik unterschiedliche Funktionen innehaben. Um im Einzelnen zu zeigen, welche Funktion einer bestimmten antizipatorischen Tumbeendigung entspricht, bedarf es einer genauen Analyse der Turnstruktur und des sequenziellen Kontextes. Lemer schreibt einer antizipatorischen Tumbeendigung vier unterschiedliche Funktionen zu: Anticipatory completion can be used to demonstrate agreement, or pre-empt a disagreementin-progress with a current speaker or it can be used to collaborate with a current speaker i η
91 explaining something to another participant. It can even be used to heckle a storyteller by, i η effect, placing words in their mouth. (Lerner 1996b:244) Die Funktion einer antizipatorischen Turnbeendigung kann demnach in der Markierung von Einigkeit liegen oder auch in dem vorbeugenden Entgegenwirken eines möglichen Dissenses, der im Entstehen ist. Ferner besteht mittels einer antizipatorischen Turnbeendigung die Möglichkeit der kollaborativen Zusammenarbeit zweier Sprecher bei der Erklärung eines bestimmten Sachverhalts. Letztlich können dem vorhergehenden Sprecher mittels einer antizipatorischen Turnbeendigung auch Worte förmlich in den Mund gelegt werden, so dass der aktuelle Sprecher den vorhergehenden stört (to heckle). Einer antizipatorischen Turnbeendigung können demnach sowohl konsens- als auch dissensorientierte Handlungen zu Grunde liegen. Vergegenwärtigt man sich nochmals, dass eine antizipatorische Turnbeendigung als Fortsetzung der Turnkonstruktionseinheit eines vorhergehenden Sprechers designt ist, so folgt daraus, dass sie strukturell betrachtet, auch dessen Turndesign weiterführt. Markierungen von Dispräferiertheit zeigen sich oft am Design des Turnanfangs in Form von Einleitungsmarkern, Restarts, Redeabbrüchen etc. Die Turnübernahme durch eine antizipatorische Turnbeendigung geschieht normalerweise zu einem Zeitpunkt im Turn, an dem ein mögliches Ende der begonnenen Turnkonstruktionseinheit projizierbar ist, d.h. zu einem Zeitpunkt, der relativ spät im Verlauf der Konstruktion des Turns liegt. Aus diesem Grund hat die antizipatorische Turnbeendigung vorwiegend das Design einer präferierten Handlung (Pomerantz 1984). Sacks führt in diesem Zusammenhang aus: ...the inserted word is treated as a 'candidate'... (Sacks 1992:1:321) Hiermit wird hervorgehoben, dass die Gesprächsteilnehmer den Turn, der die antizipatorische Turnbeendigung konstituiert, nicht als eine obligatorische Beendigung, sondern als einen möglichen Vorschlag behandeln. Indem die antizipatorische Turnbeendigung als ein Vorschlag behandelt wird, wird eine folgende responsive Handlung durch den Sprecher der präliminären Turnbeendigung relevant (s. Kap. 5.4.1.). Die Konzeption der antizipatorischen Turnbeendigung als Vorschlag trägt ebenfalls dazu bei, dass der Turn ein unmarkiertes Design hat. Strukturell gesehen kann man daher von einer antizipatorischen Turnbeendigung als einem Turn sprechen, der interaktiv unmarkiert ist und damit ein konsensorientiertes Tumdesign hat. Diese Aussage betrifft wohlgemerkt die Turnstruktur und nicht die Funktion antizipatorischer Turnbeendigungen, die den Feststellungen Lerners entsprechend, vielfältig und damit sowohl konsens- als auch dissensorientiert sein können. Im folgenden Auszug ist das präferierte Turndesign deutlich nachweisbar: Auszug (A8) 1 P: u n d d a t n s c h u t z , ( . ) wenn w i r d a s mal 2 k u r z nehmn, a l s o 3 S: das s genauso aufwendich.
(.)
92 In oben stehendem Auszug ist zu sehen, wie die antizipatorische Turnbeendigung in Zeile 3 als erkennbare Weiterfiihrung der präliminar nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit designi ist. Sie erhält ein präferiertes Turndesign ohne Reparaturen, Einleitungsmarker, Pausen oder Ähnliches. Damit ist sie interaktiv gesehen unmarkiert. Ein solches Turndesign führt Lerner dazu, kollaborative Turnbeendigungen, die die oben stehenden Züge aufweisen, als konsensorientierte Aktivitäten in einem 'agreement-relevant environment' (Lerner 1996a:310) zu bezeichnen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Lerner hier in Bezug auf strukturelle Merkmale von konsensorientierten Aktivitäten spricht. Dies bedeutet, dass diese Turns strukturell gesehen ein Turndesign haben, welches dem konsensorientierter Aktivitäten entspricht. Inwieweit diese Turns auch hinsichtlich ihrer Funktion als konsensorientiert zu bezeichnen sind, ist nicht zuletzt abhängig von dem sie umgebenden sequenziellen Kontext und erfordert in jedem Einzelfall eine genaue Analyse. Weder der präliminar nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit noch der darauf folgenden antizipatorischen Turnbeendigung kann unmittelbar eine entweder konsensoder dissensorientierte Funktion zugewiesen werden. Zusammenfassend lässt sich hinsichtlich der Konstruktion einer kollaborativen Turnbeendigung Folgendes festhalten: Eine kollaborative Turnbeendigung besteht aus zwei Positionen, von denen die erste aus einer prosodisch und/oder syntaktisch präliminar nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit besteht. Die zweite besteht aus der antizipatorischen Tumbeendigung, in der ein zweiter Sprecher den begonnenen Turn übernimmt, ihn prosodisch und syntaktisch weiterführt und zu einem Abschluss bringt. Eine einzelne Turnkonstruktionseinheit wird somit gemeinsam von zwei Sprechern konstruiert. Daher kann man von einem turninternen Sprecherwechsel sprechen. Dieser Sprecherwechsel hat Auswirkungen auf die Verteilung der Sprecher hinsichtlich der folgenden relevanten Handlung. Die Initiierung einer antizipatorischen Turnbeendigung kann mittels unterschiedlicher Praktiken vonstatten gehen. Diesen Praktiken ist gemein, dass sie die Aktivität vollführen, dem anderen Sprecher bzw. den anderen Sprechern zu zeigen, dass der aktuelle Sprecher Probleme bei der Fertigstellung einer Turnkonstruktionseinheit hat. Mittel zur Markierung dieser Aktivität sind Word Searches und/oder Pausen oder andere Formen der Verzögerung. Die Orientierung an der Markierung von Problemen bei der Produktion einer Turnkonstruktionseinheit zeigt sich auch daran, dass wenn diese Merkmale nicht auftauchen, antizipatorische Turnbeendigungen zum einen selten zu finden sind und zum anderen, wenn sie auftauchen, diese vielfach in Überschneidung mit dem vorhergehenden Turn produziert werden und oftmals vor Beendigung des Turns abgebrochen werden. Der Produzent der antizipatorischen Turnbeendigung kann mittels dieser markieren, dass er dem anderen Sprecher zugehört hat und um eine Interpretation des Gesagten bemüht ist. Zusätzlich gibt er mittels der antizipatorischen Turnbeendigung seine Deutung des Gesagten zu erkennen. Hierdurch bietet er dem vorherigen Sprecher eine mögliche Deutung des Gesagten an. In Bezug auf die Konstruktion von Dissens lässt sich bei einer kollaborativen Turnbeendigung festhalten, dass die Funktion der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit nicht in der Markierung von Konsens oder Dissens besteht. Ihre Funktion besteht vielmehr im Zeigen von Problemen bei der Vervollständigung dieser Einheit. Eine Markierung von Konsens oder Dissens an erster Position der Sequenz kann mithilfe von strukturellen oder lexikalischen Mitteln in anderen Teilen des Turns erreicht werden. Eine solche
93 Markierung ist jedoch nicht konstitutiv an eine präliminar nicht beendete Turnkonstruktionseinheit gebunden und verlangt daher in jedem Einzelfall eine detaillierte Analyse des Turns. In der anschließenden antizipatorischen Turnbeendigung kann der folgende Sprecher auf diese Markierungen reagieren. Strukturell gesehen liegt einer antizipatorischen Turnbeendigung eine unmarkierte Handlung zu Grunde, die als präferiert zu bezeichnen ist. Der Turn hat demnach ein konsensorientiertes Turndesign. Wichtig ist festzuhalten, dass der eine Sprecher dem anderen mittels der antizipatorischen Turnbeendigung sein Verständnis des vorhergehenden Turns offen legt. Die nun folgende sequenziell relevante Handlung ist in der Bewertung dieser antizipatorischen Turnbeendigung zu sehen. Wie im folgenden Kapitel zu zeigen sein wird, bieten sich den Gesprächsteilnehmern hier verschiedene Realisierungsmöglichkeiten an, die eine Markierung von Konsens oder Dissens enthalten können. Im Zentrum der Untersuchung wird die Aktivität der Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung stehen, in der eine Markierung von Dissens zu sehen ist.
5.4.
Die Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung
Im Folgenden wird der Blick auf die Reaktion des nächsten Sprechers auf die vollführte kollaborative Turnbeendigung gerichtet. Zunächst werden die möglichen responsiven Handlungen im Anschluss an eine kollaborative Turnbeendigung aufgezeigt. Daran schließt sich ein Exkurs über die Reparaturmechanismen an, die diesen Handlungen zu Grunde liegen. Anschließend werden die verschiedenen Ausformungen eines Turns, der die Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung darstellt, aufgezeigt und analysiert. In einem letzten Schritt wird das inhaltliche Verhältnis der finalen zur antizipatorischen Turnbeendigung in Hinblick auf die Markierung von Dissens näher untersucht.
5.4.1.
Responsive Handlungen im Anschluss an eine kollaborative Turnbeendigung
In diesem Zusammenhang gilt es vorweg Überlegungen anzustellen hinsichtlich der Möglichkeiten der anderen Gesprächsteilnehmer, auf eine kollaborative Turnbeendigung zu reagieren. Hinsichtlich der Auswirkung einer antizipatorischen Tumbeendigung auf die Interaktion hebt Lerner hervor: The production of an anticipatory completion can initiate a small sequence - the collaborative turn sequence - in which the acceptance or rejection of the proffered completion becomes a specially relevant responsive action. (Lerner 1996b:241) Demzufolge kann die an eine antizipatorische Turnbeendigung anschließende nächste responsive Handlung aus einer Markierung von Anerkennung oder Ablehnung der antizipatorischen Turnbeendigung bestehen. Eine antizipatorische Turnbeendigung kann somit eine
94 kollaborative Turnsequenz initiieren. Eine derartige Sequenz besteht nach Lerner (1996b) aus drei Positionen. Der Turn an erster Position besteht aus einer oder mehreren Turnkonstruktionseinheiten, deren letzte weder syntaktisch, noch pragmatisch oder prosodisch abgeschlossen ist. Der Turn an zweiter Position vollendet die an Position 1 begonnene Tumkonstruktionseinheit. Mit Vollendung dieser Aktivität wird eine folgende responsive Handlung sequenziell relevant. Sie besteht aus der Annahme bzw. Ablehnung der antizipatorischen Turnbeendigung. Hierbei scheint es nicht beliebig zu sein, welcher Sprecher im Anschluss an die kollaborative Turnbeendigung den Turn ergreift, um die folgende relevante Handlung zu vollführen. Lerner hebt hervor, dass bei der Vollführung einer antizipatorischen Turnbeendigung hinsichtlich der Autorenschaft weiterhin auf den ursprünglichen Sprecher, d.h. den Produzenten der präliminar nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit, verwiesen wird. Authorship is implicated for the original speaker, and this feature makes relevant a response from the original speaker. (Lerner 1996a:311) Das Verweisen hinsichtlich der Autorenschaft auf den ursprünglichen Sprecher führt dazu, dass die sequenziell relevante nächste responsive Handlung auch von diesem durchzufuhren ist. Eine Reaktion des vorhergehenden Sprechers ist demnach die an eine kollaborative Tumbeendigung anschließende relevante nächste Handlung. Diese Reaktion kann in Form einer Anerkennung oder Ablehnung der antizipatorisch vollführten Turnbeendigung durch den vorherigen Sprecher stattfinden. Eine Anerkennung kann beispielsweise folgendermaßen aussehen: Auszug (A3) 1 K: 2 3 4 I : 5 S: 6—» K:
n i c h ? ( . ) a l s s o wenn w i r - , (0.3) davon redn,
(.)
j e mehr
wir
(0.2)
m[ : , [desto besser. desto besser, ja:.
Sprecher Κ konstruiert in Zeile 1 und 2 einen aus mehreren Tumkonstruktionseinheiten bestehenden Turn. Die letzte Turnkonstruktionseinheit besteht aus zwei Komponenten. Lerner spricht in diesem Zusammenhang von einem 'compound TCU' (Lerner 1991), d.h. einer Turnkonstruktionseinheit, die aus mehreren Komponenten besteht. Die zweite Komponente der Turnkonstruktionseinheit wird jedoch zunächst nicht eingeleitet. Die erste Komponente beginnt mit je in Zeile 1, die die zweite Komponente in Zeile 3, die mit desto eingeleitet wird, projizierbar macht. Nach einer kurzen Pause in Zeile 3 und einem Fortsetzungsmarker von Sprecher I in Zeile 4 übernimmt Sprecher S in Überschneidung mit Sprecher I den Turn. Er formt in Zeile 5 seinen Turn als eine direkte Weiterführung der von Sprecher Κ zuvor begonnenen Turnkonstruktionseinheit. In Zeile 6 übernimmt erneut der Initiator des zu komplettierenden ersten Teils der mehrere Komponenten umfassenden
95 Turnkonstruktionseinheit den Turn. Sprecher Κ gestaltet seinen Turn als eine wörtliche Wiederholung der von Sprecher S geäußerten antizipatorischen Turnbeendigung, die er mit einem anschließenden in die Länge gezogenen bestätigenden ja: beendet. Eine explizite Zustimmung zu einer antizipatorischen Turnbeendigung in obiger oder ähnlicher Form ist oft zu finden. Eine explizite Ablehnung der antizipatorischen Turnbeendigung hingegen ist eher selten und taucht in den vorliegenden Daten nur einmal auf. Zur Illustration dieses Phänomens dient der folgende Auszug: Auszug (A9) 1 S: 2 P: 3 4 5 6 7 8 S: 9 I: 10—» P: 11
[m::. [ä:: : und so (.) Kann man das alles: ä: f: also der (0.5) einzelne ¿¿ine, (0.4) kann von dieser nummer=der Staat kann von dieser nummer sehen, -hh ä:: (.) wo wohnt der, (0.6) ä: : (.) wieviel verdient der,(.) bezie[ht er soziarlhilf]e, [welche schuhgrösse hat er] f(h)f= n(h)a sch(h)uhgr(hh)össe nich ganz aber welches auto hat er.
In den Zeilen 2 bis 7 konstruiert Sprecher Ρ mehrere Turnkonstruktionseinheiten. In Zeile 5 beginnt er mit einer Listenkonstruktion, die als Ergänzung näher spezifiziert, welche Informationen dem dänischen Staat mittels der Personennummer zugänglich sind. Mit der Vollendung des zweiten Teils der Liste in Zeile 6 wird der dritte Teil der Listenkonstruktion projizierbar (Jefferson 1990). Hier setzt Sprecher S, nachdem Sprecher Ρ mit dem dritten Teil der Liste begonnen hat, ein und vollführt in Überlappung mit Sprecher Ρ eine antizipatorische Turnbeendigung. In Zeile 10 Ubernimmt erneut Sprecher Ρ den Turn und markiert lexikalisch mit nich ganz die Ablehnung der antizipatorischen Turnbeendigung durch den vorhergehenden Sprecher. Wie schon eingangs erwähnt sind explizite Ablehnungen antizipatorischer Turnbeendigungen nur selten zu finden. In obigem Auszug ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der Turn, in dem Dissens mit der antizipatorischen Turnbeendigung markiert wird, mit Lachen einhergeht. Dies kann ein Mittel des Sprechers sein, den Grad der Dispräferiertheit dieses Turns in Hinblick auf die Markierung von Dissens abzumildern. Auch Lerner (1996a:309) weist darauf hin, dass die Ablehnung einer antizipatorischen Turnbeendigung nur selten zu finden ist. Hierfür lassen sich mindestens zwei Gründe anführen. Zum einen die strukturelle Erklärung, dass eine aus mehreren Komponenten bestehende Turnkonstruktionseinheit die Möglichkeit zur Turnbeendigung durch einen anderen Sprecher bietet, sie diese jedoch nicht erfordert. Daher muss der Rezipient der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit keine antizipatorische Turnbeendigung vollführen, wenn er dazu nicht bereit oder im Stande ist. Ein weiterer Grund liegt nach Goffmans Worten im 'avoidance procès' in Interaktion. Er führt hierzu aus:
96 The surest way for a person to prevent threats to his face is to avoid contacts in which these threats are likely to occur. (Goffman 1972:325)
Demnach werden 'face-threatening acts', zu denen die direkte Markierung von Uneinigkeit gehört, in Konversation vermieden. Dies geht einher mit einer grundlegenden konversationeilen Regel in Verbindung mit dem Präferenzsystem in Interaktion. Wie Pomerantz (1984) nachgewiesen hat, ist Konsens die in Konversation präferierte interaktive Handlung, während Dissens dispräferiert ist und sequenziell durch Merkmale wie Verzögerung, Reparaturen und Neustarts usw. geprägt ist. Insofern scheint das Fehlen einer direkten Ablehnung einer kollaborativen Turnbeendigung, die direkten Dissens darstellen würde, auf eine Orientierung der Interaktanten an dieser konversationeilen Regel hinzuweisen. Im Folgenden soll genauer untersucht werden, mit welchen Mitteln die unterschiedlichen responsiven Handlungen im Anschluss an eine kollaborative Turnbeendigung durchgeführt werden. Die Funktion der Aktivität, die an dritter Postition der Sequenz stattfindet, beschreibt Lerner als Anerkennung bzw. Ablehnung der antizipatorischen Turnbeendigung. Er lässt jedoch in diesem Zusammenhang offen, mit welchen Mitteln diese Aktivität durchgeführt werden kann. Ausgehend von den von ihm zur Analyse herangezogenen Auszügen wird die Markierung von Zustimmung oder Ablehnung primär durch die Verwendung bestimmter Lexeme erreicht. In unten stehendem Auszug handelt es sich in Zeile 4 um eine lexikalische Markierung von Zustimmung: 1 Marty: Now most machines don't record that slow. So I'd 2 wanna- when I make a tape 3 Josh : be able tuh speed it up. 4-4 Marty: Yeah. (aus Lemer 1996b:241) Marty beendet ihre in Zeile 1 begonnene Turnkonstruktionseinheit nicht, obwohl sie mit So I'd wanna- deutlich Fortsetzung markiert. Sie bricht jedoch diese Turnkonstruktionseinheit vor Vollendung ab und schließt eine Insertionssequenz an when I make a tape. Hier übernimmt Josh den Turn und vollendet die begonnene Turnkonstruktionseinheit, indem er einen direkten syntaktischen, prosodischen und pragmatischen Anschluss zur präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit von Marty schafft. In Zeile 4 wird durch das Lexem yeah Zustimmung zum vorhergehenden Tum von Josh markiert. Es erscheint in diesem Zusammenhang weniger von Belang, ob die responsive Handlung im Anschluss an die antizipatorische Turnbeendigung eine Anerkennung oder eine Ablehnung derselben darstellt. Entscheidender erscheint die Tatsache, dass hier eine responsive Handlung in Bezug auf den vorhergehenden Turn mittels eines bestimmten Lexems explizit gemacht wird. Hierdurch wird explizit Bezug genommen auf die adjazent platzierte antizipatorische Turnbeendigung. Der Sprecher zeigt den anderen Gesprächsteilnehmern hierdurch seine Orientierung an dem vorhergehenden Turn. Die antizipatorische Turnbeendigung wild somit durch den folgenden Turn als existent markiert.
97 Die einer antizipatorischen Turnbeendigung folgende Aktivität ist als eine responsive Handlung zu sehen. Doch nicht in allen Turns, die einer antizipatorischen Turnbeendigung folgen, ist eine explizite Markierung der Existenz der antizipatorischen Turnbeendigung in Form einer lexikalischen Ablehnung bzw. Anerkennung der antizipatorischen Turnbeendigung zu finden. Es scheinen den Interaktanten weitere Möglichkeiten zur Verfügung zu stehen, responsive Handlungen im Anschluss an kollaborative Turnbeendigungen durchzuführen. In den Fällen, in denen weder eine Zustimmung zur noch eine Ablehnung der antizipatorischen Turnbeendigung stattfindet, kann die nächste Handlung aus der Ignorierung der kollaborativen Turnbeendigung bestehen. Die Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung liegt im Unterlassen einer der beiden relevanten nächsten Handlungen nämlich der Anerkennung oder Ablehnung der antizipatorischen Turnbeendigung. An die Stelle einer dieser beiden Handlungen tritt eine andere Aktivität, deren Funktion in dem Umgehen von expliziter Dissensmarkierung zu sehen ist. Die Ignorierung wird dadurch bewerkstelligt, dass der aktuelle Sprecher seinen Turn derart gestaltet, dass dieser als direkte Weiterführung seiner eigenen zuvor präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit erkennbar ist. Hierdurch wird der adjazent vorhergehende Turn als nicht wahrgenommen markiert. Der Sprecher dokumentiert den anderen Gesprächsteilnehmern hierdurch seine Nicht-Orientierung an dem vorhergehenden Turn. Eine solche Handlung wird im Folgenden als eine mögliche sequenzielle Markierung von Dissens durch den diese Handlung vollführenden Sprecher betrachtet. Hierzu noch einmal Auszug (A5). Hieran lässt sich die kollaborative Turnsequenz mit anschließender Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung aufzeigen. Auszug (A5) 1 P: 2 3 4 S: 5—» P:
nein, das- (0.2) sollte direkt (.) an (0.2) die konkrete hierhin (0.3) hierher sendung oder (0.5) an diesn= =(im) block [ran [programmteil, -hh gehängt werdn.
Von Zeile 1 bis 3 konstruiert Sprecher Ρ zwei Turnkonstruktionseinheiten. Die erste besteht aus einer monolexikalischen Einheit nein, an die sich die zweite Turnkonstruktionseinheit anschließt. Diese zweite Turnkonstruktionseinheit wird durch Sprecher Ρ nicht beendet. Zu einem Zeitpunkt im Turn, als von Sprecher Ρ deutlich Fortsetzung projiziert wird an diesn= übernimmt Sprecher S in direktem Anschluss den Tum und führt die begonnene Turnkonstruktionseinheit zu einem möglichen Abschluss. Trotz der Projektion von Fortsetzung durch Sprecher Ρ in Zeile 3 bricht dieser seinen Turn ab, so dass es zu keiner Überlappung zwischen den beiden Sprechern kommt. Vor der Fertigstellung der antizipatorischen Turnbeendigung übernimmt Sprecher Ρ in Zeile 5 erneut den Turn und führt seine präliminär nicht beendete Turnkonstruktionseinheit zu einem Abschluss. Dieser Abschluss unterscheidet sich von dem des vorherigen Sprechers durch zwei Aspekte. Er unterscheidet sich zum einen hinsichtlich des Lexems, das zur Bezeichnung des Teils der Sendung verwendet wird, an dessen Anschluss ein Hinweis auf die 'Euroregion Schleswig' eingeblendet werden sollte (block versus programmteiï). Zum anderen unterscheidet er sich hinsichtlich der Vervollständigung der Turnkonstruktionseinheit. Während Sprecher S in seiner antizipatorischen Turnbeendigung keinen Infinitiv an das Turnende
98 setzt, sondern ran als Teil des Modalverbs sollen verwendet, benutzt Sprecher Ρ eine passivische Konstruktion mit gehängt werdn. Weniger als auf lexikalischer Ebene findet die hier im Anschluss an die antizipatorische Turnbeendigung vor sich gehende responsive Handlung auf sequenzieller Ebene statt. Dies bedeutet, dass die responsive Handlung in Bezug auf die antizipatorische Turnbeendigung nicht an ein Lexem, sondern an die sequenzielle Platzierung des Turns gebunden ist. Die hier durchgeführte responsive Aktivität liegt darin, dass der Turn, der der antizipatorischen Turnbeendigung folgt, eine direkte syntaktische und prosodische Fortsetzung der durch denselben Sprecher präliminar nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit ist. Der Turn, der der antizipatorischen Turnbeendigung folgt, wird somit solchermaßen konstruiert, als ob diese gar nicht existierte. Der Turn verdeutlicht den Gesprächsteilnehmern die Nicht-Orientierung an der antizipatorischen Turnbeendigung. Hierdurch wird die Orientierung des Produzenten der antizipatorischen Turnbeendigung an der Markierung von Problemen bei der Fertigstellung der Turnkonstruktionseinheit durch den vorherigen Sprecher annulliert. Insofern kann hier von einer Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung gesprochen werden. Im Falle der Ignorierung einer antizipatorischen Turnbeendigung von sequenzieller Konstruktion von Dissens zu sprechen liegt darin begründet, dass Nicht-Orientierung an dem adjazent platzierten vorhergehenden Turn markiert wird. Dies geschieht mittels der erkennbaren Weiterführung der Turnkonstruktionseinheit, die dieser Sprecher zuvor präliminär nicht beendet hat. Lerner führt hierzu aus: When a sequence-initiating action is produced in one turn a sequence-responding action is not merely made relevant, but it is made relevant in the first place for next turn. (Lerner 1993:224)
Indem Lerner die Relevanz einer responsiven Handlung in direktem Anschluss an die antizipatorische Turnbeendigung an erst möglicher Stelle herausstellt, trifft er gleichzeitig eine Aussage darüber, was es bedeutet, wenn eine solche Handlung unterbleibt. In diesem Fall wird eine relevante nächste Handlung unterlassen, was die Markierung von Dissens ermöglicht. Dissens wird hier lokal mithilfe des Turndesigns und der Turnplatzierung markiert. Auch der Inhalt der finalen Turnbeendigung im Verhältnis zur antizipatorischen Tumbeendigung spielt in diesem Zusammenhang selbstverständlich eine Rolle und wird im Kapitel 5.4.3. näher untersucht. Insbesondere wird hierbei auf das Zusammenspiel zwischen Turndesign und Turninhalt eingegangen werden. Doch zuvor soll kurz ein weiterer Aspekt Erwähnung finden, der im Rahmen dieser Arbeit nicht detaillierter untersucht wird. Es erscheint aufschlussreich, eine Sequenz der Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung unter dem Blickwinkel der Reparaturenorganisation näher zu untersuchen.
5.4.1.1.
Exkurs: Reparaturenorganisation
Die Ignorierung einer antizipatorischen Turnbeendigung stellt eine Reparatur in Bezug auf die antizipatorische Turnbeendigung dar, da sie der antizipatorischen eine finale Turn-
99 beendigung gegenüberstellt. Dem Reparatursystem in Konversation entsprechend kann dieser Handlung eine Eigen- oder Fremdreparatur zu Grunde liegen, die jeweils fremd- oder eigeninitiiert sein kann (Sacks/Schegloff/Jefferson 1974, Kap. 2.1.2.). In Verbindung mit dem Präferenzsystem in Konversation können Untersuchungen in diesem Bereich weitere Aussagen über die Dissensstruktur einer Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung ermöglichen. Hierzu nochmals Auszug (A5) Auszug (A5)
1 2 3 4 5—»
P:
S: P:
nein, das- (0.2) sollte direkt (.) an (0.2) die konkrete hierhin (0.3) hierher sendung oder (0.5) an diesn= =(im) block [ran [programmteil. -hh gehängt werdn.
Hier liegt sequenziell betrachtet eine Reparatur vom Turn der finalen Turnbeendigung in Zeile 5 zur antizipatorischen Turnbeendigung in Zeile 4 vor. Diese Reparatur ist fremdinitiiert und wird von einer anderen Person als der, die das Reparandum produziert hat, durchgeführt. Damit liegt hier eine fremdinitiierte Fremdreparatur vor. Dies ist eine dispräferierte Handlung (Schegloff/Jefferson/Sacks 1977). Doch der Turn weist kein diese Handlungen kennzeichnendes Turndesign auf wie beispielsweise Verzögerungen, Pausen, Restarts oder Reformulierungen. Stattdessen wird der Turn als direkte Weiterführung der zuvor begonnenen Turnkonstruktionseinheit designt. Dies gibt ihm ein präferiertes Turndesign. Dies ist ein charakteristisches Merkmal der Turns, die eine Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung markieren. Berücksichtigt man die von Lerner getroffene Aussage, dass eine kollaborative Turnbeendigung einen turninternen Sprecherwechsel beinhaltet, lässt sich die oben getroffene Aussage über die Art der Reparatur innerhalb der kollaborativen Turnsequenz differenzieren. Ein turninterner Sprecherwechsel bedeutet, dass mit der antizipatorischen Turnbeendigung zwar ein Sprecherwechsel einhergeht, die Autorenschaft jedoch auf den Produzenten der begonnenen Turnkonstruktionseinheit verweist. In Auszug (A5) ist im Turn in Zeile 4 S der Sprecher, doch die Autorenschaft liegt weiterhin bei Sprecher P. Das heißt, dass eine Aufteilung möglich ist hinsichtlich des Sprechers der antizipatorischen Turnbeendigung und des Autors derselben. Dies hat Auswirkungen auf die Art der Reparaturorganisation. Wenn man im Falle der Produktion einer antizipatorischen Turnbeendigung demnach unterscheiden kann zwischen dem Sprecher der Einheit und dem Autor derselben, hat dies Einfluss auf die Art der Reparatur, die der anschließenden Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung zu Grunde liegt. Der Autor der antizipatorischen Turnbeendigung ist demnach identisch mit dem Produzenten der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit im vorhergehenden Turn. Dies würde bedeuten, dass die anschließende Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung auf die Autorenschaft bezogen eine eigeninitiierte Eigenreparatur ist. Dies wiederum ist dem Präferenzsystem in Konversation zufolge eine präferierte Handlung. Der Sprecher der antizipatorischen Turnbeendigung jedoch ist nicht identisch mit dem Sprecher der finalen Turnbeendigung, die somit eine fremdinitiierte Fremdreparatur darstellt. Dies ist eine dem Präferenzsystem in Konversation zufolge dispräferierte Handlung.
100 In diesem Sinne lässt sich auch an der Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung eine Orientierung an der Regel der Präferenz von Eigenreparatur in mündlicher Interaktion aufzeigen. Eingehendere Studien wären notwendig, um die Auswirkung dieser Reparaturenorganisation auf die Interaktion näher zu beschreiben. Auf die Frage nach der Orientierung der Gesprächsteilnehmer an Reparaturenpräferenzen soll im Rahmen dieser Untersuchung nicht näher eingegangen werden. Doch eine differenziertere Studie dieses Phänomens würde einen interessanten Beitrag zum weiteren Verständnis des konversationellen Regelwerks darstellen, an dem Gesprächsteilnehmer in Konversation ihre Handlungen ausrichten.
5.4.2.
Das Design der Ignorierung einer antizipatorischen Turnbeendigung
Wird von der Ignorierung einer antizipatorischen Turnbeendigung gesprochen, so handelt es sich um eine Markierung von Ignorierung, die mit sequenziellen Mitteln erreicht wird. Es scheint unterschiedliche Ausformungen dieser sequenziellen Ignorierung zu geben. Die Ausformungen variieren bezüglich des Designs und des Grades der Ignorierung. Auszug (A5) 1 P: 2 3 4 S: 5 P:
nein, das- (0.2) sollte direkt (.) an (0.2) die konkrete hierhin (0.3) hierher Sendung oder (0.5) an diesn= =(im) block [ran [programmteil. -hh gehängt werdn.
Betrachtet man nochmals Auszug (A5), so lässt sich hier erkennen, dass der Turn in Zeile 5 eine direkte Wetterführung der präliminar nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit aus Zeile 3 ist. Die Existenz der in Zeile 4 konstruierten antizipatorischen Turnbeendigung wird in keiner Weise durch eine Reparatur in Form eines Neustarts, einer Wiederholung oder durch Reformulierung markiert. Auch im folgenden Auszug findet eine komplette Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung statt. Hierzu Auszug (A7). A u s z u g (A7) 1 P: wenn wir diese andre sache klärn können 2 Idas mit dem schild. wenn wir das nicht 3 klärn können,=wenn wir das nicht (in färt) 4 bekommen dann: (0.2) find ich solltn wir uns 5 ä:: : -hh[h überlegn ] was= 6—» S: [da raushaltn.] 7 P: =wir dann machn. denn -hh denn also es: 8 (1.1) 9 P: geschieht ja: °w:[:° In Zeile 6 findet die antizipatorische Turnbeendigung statt. Sie ist im Anschluss an einen Word Search durch Sprecher Ρ platziert. Dennoch geschieht die antizipatorische Turnbeendigung in Überlappung mit dem vorherigen Sprecher, da beide nahezu gleichzeitig mit
101 der Weiterführung der präliminar nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit beginnen. Ohne in irgendeiner Weise eine Orientierung an der stattfindenden Überlappung in Form einer antizipatorischen Turnbeendigung zu zeigen, setzt Sprecher Ρ seine begonnene Turnkonstruktionseinheit fort und beendet sie mit was wir dann machn. Dies kann als eine eindeutige strukturelle Markierung von Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung angesehen werden. Doch es lassen sich Unterschiede hinsichtlich des Grades der Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung nachweisen. In einigen Fällen setzt der Sprecher zwar seinen Turn im Anschluss an die antizipatorische Turnbeendigung fort, ohne an der antizipatorischen Turnbeendigung explizit Orientierung zu zeigen. Doch implizit lässt sich eine Orientierung an der antizipatorischen Turnbeendigung nachweisen. Im Turn auftretende Reparaturen können ein Hinweis auf eine Orientierung an der durchgeführten antizipatorischen Turnbeendigung durch einen anderen Sprecher sein. Es folgen vier Auszüge, die im Grad der Markierung von Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung voneinander abweichen. An ihnen lässt sich implizit eine Orientierung an der antizipatorischen Turnbeendigung insofern aufzeigen, als in Form von Restarts, Wiederholungen etc. eine Unterbrechung im Produktionsfluss der zu vollendenden Turnkonstruktionseinheit nachweisbar ist. Zunächst zu einem Auszug, in dem mittels partieller Wiederholung eine Orientierung an der antizipatorischen Turnbeendigung gezeigt wird. Hierzu nochmals Auszug (Al): Auszug (Al)
1 2 3 4
P:
-hh also die idee find ich nich so:: ä::, (3)
S: S: P:
prick[elnd [so ansprechend, ne
In Zeile 1 konstruiert Sprecher Ρ den ersten Teil einer Turnkonstruktionseinheit. Die Vokallängung in so:: zusammen mit dem anschließenden Word Search und der dreisekündigen Pause signalisiert dem anderen Sprecher Probleme bei der Fertigstellung der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit. Sprecher S schließt eine antizipatorische Turnbeendigung an. Vor Vollendung dieser monolexikalischen Einheit, aber zu einem Zeitpunkt, an dem die Einheit möglicherweise schon erkennbar ist prick, überlappt Sprecher Ρ und führt seine präliminär nicht beendete Turnkonstruktionseinheit zu einem Abschluss. Die Turnbeendigung ist dergestalt designt, dass der letzte Teil vor dem Word Search in Zeile 1 so:: wiederholt wird. Diese Wiederholung kann als Teil eines Restarts bewertet werden und lässt sich somit als Zeichen der Orientierung an der antizipatorischen Turnbeendigung deuten. Im folgenden Auszug findet wieder implizit eine Orientierung des Sprechers an der antizipatorischen Turnbeendigung statt. Erneut wird dies deutlich durch die Wiederholung der turnterminalen Einheit. Auszug (AIO)
1
Κ:
dann bessahln wir ja alle für (.) irgendeine
102 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
(.) idiot I: K: I: K: I: S: K:
(.) die:
[ä: [jA. das is RI[CHtich, ] [der ein,]
(0.2) ja[, [ä: (.) nach (.) dem andren (.) unternehmn be[ginnen un, [ja. (0.3) ka[putt macht. [unt verwirtsjchaftet,
Der Multi Unit Turn von Sprecher Κ in Zeile 1, 4, 7 und 8 endet mit der Fortsetzung projizierenden Einheit un, an die sich eine kurze Pause von 0.3 Sekunden anschließt. Danach übernimmt Sprecher S den Turn und bietet eine antizipatorische Turnbeendigung an ka[putt macht. Sowohl durch die Stellung des finiten Verbs als auch durch die terminale Intonation am Ende der Einheit wird der Turn als Beendigung des präliminar nicht beendeten Turns designt. Doch schon nach Vollendung der ersten Silbe der antizipatorischen Turnbeendigung in Zeile 11 überlappt Sprecher Κ mit seiner Beendigung des Turns. Es ist in diesem Zusammenhang nicht zu klären, ob Sprecher Κ die angebotene Vollendung des Turns durch Sprecher S versteht oder nicht. Eindeutig zu klären ist lediglich, dass er durch das Einsetzen seines Turns gerade zu diesem Zeitpunkt sowie durch das Turndesign den anderen Sprechern zeigt, dass er sich nicht an der antizipatorischen Turnbeendigung orientiert. Das heißt, dass er das Zeigen von Nicht-Orientierung wählt. Der einzige Hinweis darauf, dass er die antizipatorische Turnbeendigung registriert, kann in der Wiederholung des Wortes unt gesehen werden, die wiederum eine Unterbrechung in der Konstruktion der Turnkonstruktionseinheit darstellt. Im folgenden Auszug wird durch eine Reparatur in Form einer syntaktischen Rekonstruktion der präliminar nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit ein stärkerer Grad der Orientierung des Sprechers an der durchgeführten antizipatorischen Tumbeendigung deutlich. Auszug (Al 1) 1 P: =aber da gibts auch: ä[: : 2 1: [in deutschland sicherlich 3 firmen die da ir[gendwie: ] 4—» P: [an der eck]e gibs ne 5—» andre firma wo:s das nich gibt, nich? 6 a[lso daraus::[: ä= 7 I: [m [ : . [m, 8 S: [m. 9 P: schlüsse ziehn wäre glaub ich falsch.-hh Die antizipatorische Turnbeendigung von Sprecher I in Zeile 2 und 3 setzt im Anschluss an einen Word Search ein. Sie ist designt als direkte Weiterfiihrung der von Sprecher Ρ präliminar nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit. Die antizipatorische Turnbeendigung ist
103 keine monolexikalische Einheit, die schnellst möglich zur Fertigstellung der Turnkonstruktionseinheit gelangt. Stattdessen projiziert Sprecher I im Anschluss an firmen in Zeile 3 Fortsetzung, indem ein Relativsatz eingeleitet wird. Kurz nach Beginn der Fortsetzung markierenden Einheit übernimmt Sprecher Ρ erneut den Turn. Der erste Teil seines Turns an der eck]e kann noch als direkte Weiterfuhrung der zuvor präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit betrachtet werden. Doch dann verwendet er erneut gibs und gestaltet somit den Turn zu einem Restart. Insofern ist hier wiederum von dem Zeigen der Orientierung an der antizipatorischen Turnbeendigung zu sprechen. Die Form des Restarts, die diesen Auszug kennzeichnet, stellt ein stärkeres Zeigen von Orientierung an der antizipatorischen Turnbeendigung dar als die reine Wiederholung einer Einheit. Wie in den Auszügen zuvor wird diese Orientierung nicht explizit gemacht, doch stattdessen implizit anhand des syntaktischen Tumdesigns deutlich. Im folgenden Auszug besteht die Reaktion auf die antizipatorische Turnbeendigung aus einer Kombination aus expliziter und impliziter Markierung der Orientierung an der antizipatorischen Turnbeendigung. Während die explizite Markierung aus Zeichen der Anerkennung besteht, weist die anschließende implizite eine Reparatur auf, indem eine alternative Turnbeendigung konstruiert wird. Auszug (Al2)
1 2 3 4 5 6—» 7 8—»
S:
1: S: K: S:
ich hab mir ma:l (.) angeguckt wie du da die terminplanung machn musst. eh du da η termin eingetragn hast, -hh[: da[is der ganze termin schon wie[der vorbe f i ? [a: ja [ w w w kannst η [ja (0.4) ]schon= [haha ] =wahrgenommen habn.
Die zu vollendende Turnkonstruktionseinheit ist in obigem Auszug eine Turnkonstruktionseinheit, die aus mehreren Komponenten besteht. In Zeile 2 beginnt Sprecher S mit der Konstruktion des ersten Teils eh du da η termin eingetragn hast,. Ohne dass Sprecher S bei der Konstruktion dieser Einheit Probleme markiert hat, übernimmt Sprecher I während eines hörbaren Einatmens von Sprecher S den Turn und konstruiert den zweiten Teil der Turnkonstruktionseinheit. Dadurch bietet er Sprecher S eine mögliche Beendigung seines Turns an. Der Turn von Sprecher I wird vor der vollständigen Beendigung, aber zu einem Zeitpunkt, an dem das Ende sowohl inhaltlich als auch syntaktisch projizierbar ist, vom einsetzenden Turn Sprecher S's überlappt. Sprecher S beginnt mit einem Zeichen der Anerkennung der antizipatorischen Turnbeendigung a: ja und fügt anschließend, als der Turn von Sprecher S hörbar nahezu beendet ist, eine alternative Turnbeendigung hinzu. Inhaltlich gesehen ist der Turn eine Reformulierung der von Sprecher I angebotenen Turnbeendigung, doch sequenziell gesehen stellt er eine Reparatur dar. Er weist hinsichtlich seines Aufbaus keinerlei Zeichen der Orientierung an der antizipatorischen Turnbeendigung in Form von Reparaturen, Neustarts oder Ähnlichem auf. In diesem Auszug wird also zum einen explizit eine Orientierung an der antizipatorischen Turnbeendigung in Form einer Anerkennung deutlich und anschließend zum anderen impli-
104 zit die Nicht-Orientierung an derselben in Form einer Weiterführung des eigenen Turns gezeigt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass dem Turn an dritter Position der kollaborativen Turnsequenz strukturell gesehen eine Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung zu Grunde liegt, da eine finale Turnbeendigung konstruiert wird. Mittels dieser wird NichtOrientierung am adjazent platzierten vorhergehenden Turn gezeigt. Doch es gibt im Design der finalen Turnbeendigung unterschiedliche Mittel, die implizit auf eine Orientierung an der antizipatorischen Turnbeendigung hinweisen können. Hierzu gehören Wiederholung der turnterminalen Einheit der präliminar nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit, Reformulierungen oder Restarts.
5.4.3.
Das inhaltliche Verhältnis der finalen zur antizipatorischen Turnbeendigung
Wie deutlich wurde, lassen sich strukturelle Unterschiede im Grad der Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung nachweisen. In diesem Zusammenhang erscheint es darüber hinaus wesentlich zu untersuchen, welche Varianten möglich sind in Bezug auf das inhaltliche Verhältnis des Vorschlags zur Turnbeendigung, der mittels der antizipatorischen Tumbeendigung unterbreitet wird, und der finalen Turnbeendigung. Den Gesprächsteilnehmern scheinen grundlegend drei Möglichkeiten zur Verfügung zu stehen, wie sie inhaltlich ihren Turn der Ignorierung einer antizipatorischen Turnbeendigung im Verhältnis zu eben dieser gestalten können: Erstens kann der Turn, der die Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung darstellt, derart gestaltet sein, dass die antizipatorische Turnbeendigung und die finale Turnbeendigung identisch sind. Zweitens kann eine Reformulierung der antizipatorischen Turnbeendigung vorliegen, die inhaltlich mit dem unterbreiteten Vorschlag der antizipatorischen Turnbeendigung übereinstimmt. Und drittens kann eine Turnbeendigung gestaltet werden, die inhaltlich etwas anderes ausdrückt als der unterbreitete Vorschlag der antizipatorischen Turnbeendigung. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig darauf hinzuweisen, dass in all diesen Fällen strukturell gesehen eine Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung vorliegt, da das Turndesign eine Nicht-Orientierung an dem vorhergehenden Tum darstellt. An unten stehendem Auszug lässt sich die Ignorierung einer antizipatorischen Tumbeendigung aufzeigen, in der die antizipatorische und die finale Turnbeendigung identisch sind. Auszug (Al3) 1 P: a l s o d i e s c h : s c h : : w e d n ham j a d o s n ( . ) 2 für ihr bi[er. jetzt. [zum b e i s p i e l . ( . ) u n d = 3 S: [pfanddosn au[ch ne?. 4 Ρ: = d a f ü r ζ - ζ - zahln s i e dann pfand.=und das 5 i s e i ä : : -hh wohl (0.3) so m i t das (.) d a s : 6 ä: ä: umwelthh,-h[h 7 S: [bewussteste[; 8—» P: [bewussteste, nich? 9 (0.9)
105 Hier findet die antizipatorische Turnbeendigung durch Sprecher S in Zeile 7 statt. In Überlappung des letzten Lautes der antizipatorischen Turnbeendigung produziert Sprecher Ρ in Zeile 8 die finale Turnbeendigung. Diese Turnbeendigung stimmt wörtlich überein mit der antizipatorischen Turnbeendigung. Der einzige Unterschied besteht in dem Anhängen einer Tag Question am Ende des Turns. Es lässt sich diskutieren, inwieweit im Falle einer wörtlichen Wiederholung der antizipatorischen Turnbeendigung von einer Ignorierung derselben gesprochen werden kann. Der Sprecher der finalen Turnbeendigung könnte vielmehr durch das Konstruieren eines identischen Turns seine Orientierung an dem vorhergehenden Turn aufzeigen. Hier scheint es jedoch wesentlich, dass Sprecher Ρ in keiner Weise die Existenz des vorhergehenden Angebots zur Turnbeendigung markiert. Sein Turn ist nicht auf den vorhergehenden Turn, sondern auf seine eigene zuvor präliminär nicht beendete Turnkonstruktionseinheit gerichtet. Er beendet somit seinen Turn, indem er sein Recht als Autor und Sprecher dieser Einheit für sich geltend macht. Es ist in diesem Zusammenhang irrelevant, ob der Sprecher der finalen Turnbeendigung die antizipatorische Turnbeendigung gehört bzw. rezipiert hat. Wesentlich ist lediglich, ob er den anderen Gesprächsteilnehmern auf die ein oder andere Weise zeigt, dass er die antizipatorische Turnbeendigung registriert hat und sich im Folgenden auf sie bezieht. Eben dies unterlässt der Sprecher, indem er den anderen Interaktanten seine NichtOrientierung am vorhergehenden Turn zeigt. Insofern scheint es, trotz einer wörtlichen Wiederholung der antizipatorischen Turnbeendigung, in diesen Fällen dennoch legitim, von einer Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung zu sprechen. An folgendem Auszug lässt sich eine Reformulierung der antizipatorischen Turnbeendigung aufzeigen, die inhaltlich und teilweise auch wörtlich mit derselben übereinstimmt. Auszug (A14) 1 K: alsso; (0.4) was es in dänemark bedeutet is 2 dass (0.6) leude (.) früher (0.2) nein ssagn, 3 (1.2) 4 S : zu europa.= 5—» Κ: =werdn. zu europa. In obigem Auszug (Al4) liegt eine Reformulierung in Form einer Reparatur der vorhergehenden antizipatorischen Turnbeendigung vor. Die Reparatur liegt in dem Einfügen des finiten Verbs werdn zur Konstruktion eines Futur I. Damit liegt das Reparandum in der antizipatorischen Turnbeendigung, in der Sprecher S eine turnterminale Einheit an einer Stelle im Turn konstruiert, die Sprecher Κ in seiner Turnbeendigung als nicht terminal markiert. In folgendem Auszug widerspricht der Inhalt der finalen Turnbeendigung dem der antizipatorischen Turnbeendigung. Auszug (Al5) 1 P: aber deshalb k- können wir natürlich 2 trotzdem ä:: (0.2) η bisschn: (0.3) über 3 das ding recherchiern, (0.2) ä: : zum 4 beispiel rauskriegn wann dieses,
106 5 6 7—» 8 9 10
I: Ρ: I : Ρ:
(1-4) aremiu[m [dieser rat =°versammelt.o (1.5)
ä[ [dieser rat
] sich= ja.]
In obigem Auszug steht dem Vorschlag der antizipatorischen Turnbeendigung gremium die finale Turnbeendigung mit dieser rar gegenüber. Inhaltlich widersprechen sich gremium und rat, da sie unterschiedliche Institutionen innerhalb der Organisation 'Euroregion Schleswig' repräsentieren. Die finale Turnbeendigung durch Sprecher Ρ setzt zu einem Zeitpunkt ein, an dem die antizipatorische Turnbeendigung zwar noch nicht beendet ist, das Element, das die relevante Information enthält, jedoch schon als nicht-richtig erkennbar ist. In obigem Auszug lässt sich diskutieren, inwieweit in Zeile 6 von einer antizipatorischen Turnbeendigung durch Sprecher I die Rede sein kann. Hier wird lediglich eine monolexikalische Einheit angeboten, die nicht das Ende der begonnenen Turnkonstruktionseinheit aus Zeile 4 wann dieses darstellen kann. Ein Argument diesen Turn dennoch als antizipatorische Turnbeendigung zu bezeichnen, liegt darin, dass die finale Turnbeendigung durch Sprecher Ρ zu einem Zeitpunkt einsetzt, als Sprecher I seine antizipatorische Turnbeendigung nicht beendet hat, so dass sich die beiden Turns überlappen. Sprecher I wählt nach der Vollendung der monolexikalischen Einheit gremium, seinen Turn nicht fortzusetzen. Doch es ist zu diesem Zeitpunkt in der Interaktion nicht zu sagen, ob Sprecher I nicht dabei war, eine komplette Turnbeendigung zu vollführen. Die nicht terminale Intonation am Ende der Einheit gremium könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Turn zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet war. Betrachtet man die unterschiedlichen Ausformungen der Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung, so lässt sich vorläufig festhalten, dass hinsichtlich der Struktur von einer Markierung von Dissens gesprochen werden kann. Dies erscheint insofern als gerechtfertigt, als der aktuelle Sprecher mit der Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung zum einen das Unterlassen der deutlichen Markierung von Konsens gewählt hat. Zum anderen beinhaltet die Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung die Markierung von NichtOrientierung an dem adjazent vorhergehenden Turn. Doch neben der rein sequenziellen Markierung von Dissens ermöglicht die Ignorierung einer antizipatorischen Turnbeendigung außerdem noch eine inhaltliche Markierung von Konsens oder Dissens zur antizipatorischen Turnbeendigung. Hier ist keine explizite Markierung gemeint, denn diese Möglichkeit widerspricht der Charakteristik der Ignorierung. Wohl aber besteht die Möglichkeit zur impliziten Markierung von Konsens oder Dissens, indem die endgültige Turnbeendigung im Falle der Konsensmarkierung inhaltlich mit der antizipatorischen Turnbeendigung übereinstimmt oder aber im Falle der Dissensmarkierung dieser widerspricht. In dem Fall, in dem die finale Turnbeendigung und die antizipatorische Turnbeendigung identisch sind, zeigen sich die Interaktanten, dass sie das gleiche Verständnis der vorangegangenen präliminären Turnkonstruktionseinheit hatten. Hierin ist somit eine interaktive, gegenseitige, implizite Markierung von Konsens zu sehen. Widerspricht der Inhalt der finalen Turnbeendigung dem der antizipatorischen Turnbeendigung, so illustrieren sich die Gesprächsteilnehmer hierdurch, dass sie ein unterschiedliches Verständnis der
107 vorangegangenen Turnkonstruktionseinheit hatten. Hierin ist ein Zeigen von Übereinstimmung, also die mögliche Markierung von Dissens, zu sehen.
Nicht-
Es finden sich in den vorliegenden Daten weitere Auszüge, in denen die finale Tumbeendigung einen inhaltlichen Widerspruch zur antizipatorischen Turnbeendigung beinhaltet. Inwieweit dieser Unterschied eine Auswirkung auf den weiteren sequenziellen Verlauf einer kollaborativen Turnbeendigung hat, wird im folgenden Kapitel genauer untersucht. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass unter der Ignorierung einer antizipatorischen Turnbeendigung zu verstehen ist, dass an einer Position, an der die explizite Bewertung der direkt vorausgegangenen Aktivität eines anderen Sprechers die relevante nächste Handlung wäre, diese unterlassen wird. In einem solchen Turn findet somit das Zeigen von Nicht-Orientierung am vorhergehenden Turn statt. Das Mittel, das zur Markierung der Nicht-Orientierung angewendet wird, ist ein sequenzielles. Es besteht aus der Fortsetzung der Turnkonstruktionseinheit, die im vorhergehenden Turn desselben Sprechers begonnen, jedoch nicht beendet wurde. In diesem Turn wird diese Turnkonstruktionseinheit durch denselben Sprecher, der sie initiiert hat, zu Ende geführt. Indem mit einer kollaborativen Turnbeendigung ein turninterner Sprecherwechsel verbunden ist, ist eine Trennung zwischen Sprecher und Autor der antizipatorischen Turnbeendigung relevant. Hinsichtlich der Autorenschaft verweist die gesamte kollaborative Turnbeendigung auf den Sprecher der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit. Insofern kann die Ignorierung einer antizipatorischen Turnbeendigung hinsichtlich der Autorenschaft als eine in mündlicher Interaktion präferierte eigeninitiierte Eigenreparatur betrachtet werden. In Bezug auf die Sprecher muss dieser Turn jedoch als fremdinitiierte Fremdreparatur bezeichnet werden, da ein zweiter Sprecher mittels der Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung den Turn eines ersten Sprechers repariert. Es gibt unterschiedliche Grade der Ignorierung einer antizipatorischen Turnbeendigung. Variationen können auftreten hinsichtlich sowohl struktureller als auch inhaltlicher Aspekte in Bezug auf die antizipatorische Turnbeendigung. Strukturell gesehen sind Variationen nachweisbar bezüglich des Auftretens unterschiedlicher Reparaturmechanismen, die als Zeichen der Orientierung an der zuvor vollführten antizipatorischen Turnbeendigung gewertet weiden können. Hierzu gehören Wiederholungen der turnterminalen Einheit der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit, partielle Reformulierungen oder Restarts. Hinsichtlich inhaltlicher Aspekte lassen sich ebenfalls Merkmale aufzeigen, die auf die Markierung von Übereinstimmung mit der antizipatorischen Turnbeendigung bzw. auf die Markierung von Nicht-Übereinstimmung hinweisen. Dies geschieht, indem die beiden Sprecher mittels der antizipatorischen bzw. finalen Turnbeendigung sich und den anderen Gesprächsteilnehmern ihr Verstehen der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit offen legen. Ihre Turns können das gleiche Verstehen ausdrücken, oder aber verdeutlichen, dass die beiden Sprecher ein unterschiedliches Verständnis der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit haben. Ein unterschiedliches Verstehen kann als ein inhaltliches Zeichen von Dissens gewertet werden, eine Übereinstimmung als eine Markierung von Konsens. Die Analyse der strukturellen und inhaltlichen Merkmale des Turns der Ignorierung einer antizipatorischen Turnbeendigung deutet darauf hin, dass bei der Markierung von Konsens
108 und Dissens das Zusammenwirken dieser beiden Aspekte eine entscheidende Rolle spielt. Liegt rein sequenziell in der Konstruktion einer Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung eine Markierung von Dissens vor, so lassen sich inhaltlich unterschiedliche Mechanismen aufzeigen, die stärker Übereinstimmung oder auch Nicht-Übereinstimmung mit der vorhergegangenen antizipatorischen Turnbeendigung markieren. In diesem Zusammenspiel sequenzieller und inhaltlicher Markierung von Dissens scheint eine interaktive Ressource der Gesprächsteilnehmer zu liegen, die eine Differenzierung der Dissensmarkierung ermöglicht.
5.5.
Die kollaborative Turnsequenz
Im folgenden Kapitel wird gezeigt, wie der aus drei Positionen bestehenden kollaborativen Turnsequenz in Abhängigkeit von der Aktivität an deren dritter Position eine sequenziell relevante vierte Handlung folgen kann.
5.5.1.
Der Aufbau einer kollaborativen Turnsequenz
Die Produktion einer antizipatorischen Turnbeendigung kann nach Lerner eine kollaborative Turnsequenz initiieren (s. Kap. 5.3.). Eine solche Sequenz besteht aus drei Positionen. An erster Position befindet sich die präliminär nicht beendete Turnkonstruktionseinheit und an zweiter Position findet die Konstruktion der antizipatorischen Turnbeendigung durch einen anderen als den vorherigen Sprecher statt. An dritter Position folgt die sequenziell relevante nächste Handlung in Form einer Anerkennung oder Ablehnung der antizipatorischen Turnbeendigung. Die Markierung von Anerkennung oder Ablehnung zum vorhergehenden Turn bedeutet immer ein Turndesign als ein erkennbar Zweites zu etwas Vorausgegangenem. Dieses kann als ein interaktives Mittel zum Schaffen von Kontiguität dienen. An unten stehendem Auszug lässt sich eine aus drei Positionen bestehende kollaborative Turnsequenz aufzeigen. Auszug (Al6) (0.2) 1 2 Ρ [das müssn wir ja irgendwie das müssn= [aber diese 3 2 1 4 Ρ =wir ja irgendwie hin: ä hinbiegn also, sag mal diese idee die Sendung komplett (.) 5 1 1 umzudrehn das heisst golf »hh: : 6 am [achtundzwanzigstn 7 2 S [äm: m: 8 I ja. ä 9 3 1 In oben stehendem Auszug erfolgt in Zeile 3, 5 und 6 die Konstruktion eines Multi Unit Turns, dessen letzte Turnkonstruktionseinheit in Zeile 6 das heisst golf nicht beendet wird.
109 Dies entspricht somit der Position 1 der kollaborativen Turnsequenz. Sprecher S übernimmt in Zeile 7 den Turn und vollführt eine antizipatorische Turnbeendigung. Dies entspricht Position 2 der Sequenz. Die Anerkennung der antizipatorischen Turnbeendigung und damit Position 3 findet in Zeile 9 mit der monolexikalischen Einheit ja statt. Hier wird deutlich mithilfe eines Lexems Zustimmung zur antizipatorischen Turnbeendigung markiert. In Form eines Schemas lässt sich die drei Positionen umfassende kollaborative Turnsequenz nach Lerner folgendermaßen darstellen: Drei Positionen umfassende kollaborative Turnsequenz Position 1 Position 2 Position 3
A: B: A:
präliminär nicht beendete Turnkonstruktionseinheit antizipatorische Turnbeendigung Ablehnung oder Anerkennung der antizipatorischen Turnbeendigung (nach Lerner 1996b)
Problematisch an dieser Beschreibung des Aufbaus der kollaborativen Turnsequenz ist, dass an dritter Position nicht ausreichend differenziert wird zwischen strukturellen und funktionalen Kriterien. Die Ablehnung oder Anerkennung der antizipatorischen Turnbeendigung kann durch verschiedene strukturelle und inhaltliche Mittel erreicht werden (s. Kapitel 5.4.1.), deren Funktion nicht notwendigerweise einander entspricht. In unten stehendem Schema wird daher unterschieden zwischen der Struktur und den Aktivitäten, die einer solchen Sequenz zu Grunde liegen können. Schema der drei Positionen umfassenden kollaborativen Turnsequenz: Struktur Position 1 Position 2 Position 3
A: B: A:
präliminär nicht beendete Turnkonstruktionseinheit antizipatorische Turnbeendigung explizite Bewertung der antizipatorischen Turnbeendigung
Hinsichtlich der strukturellen Merkmale wird Lerners Schema hier insofern abgeändert, als die Aktivität an dritter Position als Bewertung der antizipatorischen Turnbeendigung bezeichnet wird. Dies geschieht aus der Überlegung heraus, dass es in diesem Zusammenhang irrelevant ist, ob die Bewertung in Form einer Anerkennung oder Ablehnung erfolgt. Eine weitere Änderung im Verhältnis zum Schema nach Lerner besteht darin, dass die Bewertung der antizipatorischen Turnbeendigung als explizit bezeichnet wird. Das Mittel, mit dem die Bewertung der antizipatorischen Turnbeendigung durchgeführt wird, ist in einem Großteil der Auszüge die Verwendung eines bestimmten Lexems. Hinsichtlich der den einzelnen Positionen zu Grunde liegenden Aktivitäten lässt sich folgendes Schema anführen: Aktivität Position 1 Position 2 Position 3
A: B: A:
Nicht-Fertigstellung einer begonnenen Turnkonstruktionseinheit Demonstration des Zuhörens und Verstehens Demonstration der Orientierung an der vorherigen Handlung
110 Relevant ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Aktivität an dritter Stelle der Turnsequenz, die hier in der Demonstration der Orientierung an der antizipatorischen Turnbeendigung liegt. Diese Demonstration kann sowohl in Form einer Ablehnung als auch in Form einer Anerkennung vor sich gehen. In beiden Fällen liegt der Aktivität ein Zeigen der Orientierung am vorhergehenden Turn zu Grunde. Betrachtet man den folgenden Auszug, so wird deutlich, dass hier an dritter Position die Regel nach adjazent platzierter, responsiver Handlung, die zum Schaffen von Kontiguität zwischen den Äußerungen beiträgt, nicht befolgt wird. Es wird keine Orientierung am vorhergehenden Turn demonstriert. Auszug (Al7) 1 1 Ρ: das h a t ä: : 2 2 S: ne p e i n l i c h k e [ i t . 3 3 Ρ: [nen n e g a t i v n
effekt.
Ohne expliziten Bezug auf die antizipatorische Turnbeendigung in Zeile 2 durch Sprecher S zu nehmen, konstruiert Sprecher Ρ seinen Turn in Zeile 3 als erkennbare Weiterführung und Beendigung seiner zuvor begonnenen Turnkonstruktionseinheit. Dies geschieht in partieller Überlappung mit dem letzten Teil der antizipatorischen Turnbeendigung. Auf die antizipatorische Turnbeendigung selbst nimmt Sprecher Ρ in keiner Weise Bezug. Hiermit demonstriert er Nicht-Orientierung an dem adjazent zuvor liegenden Turn. Folgendes Schema lässt sich für die Struktur der obigen Sequenz aufzeigen: Struktur Position 1 Position 2 Position 3
A: B: A:
präliminar nicht beendete Turnkonstruktionseinheit antizipatorische Turnbeendigung finale Turnbeendigung
Folgendes Schema lässt sich für die diesen Turns zu Grunde liegende Aktivität aufzeigen: Aktivität: Position 1 Position 2 Position 3
A: B: A:
Nicht-Fertigstellung einer begonnenen Turnkonstruktionseinheit Demonstration des Zuhörens und Verstehens Demonstration der Nicht-Orientierung an der vorherigen Handlung
Vergleicht man den Aufbau der obigen Sequenz mit derjenigen, die von Lerner beschrieben wurde, so fällt der Unterschied in Position 3 der Sequenz auf. Während nach Lerner hier die Orientierung an der vorherigen antizipatorischen Turnbeendigung demonstriert wird, wird eben genau dieses in obigem Schema unterlassen. Hier wird die Nicht-Orientierung an der vorhergehenden Aktivität in Form einer antizipatorischen Turnbeendigung markiert. In Lerners kollaborativer Turnsequenz konstituiert die Aktivität an dritter Position den Abschluss der Sequenz. Dahingegen lässt sich in obigem Auszug (A17) nicht ohne weiteres ein abschließendes Moment in der Aktivität an dritter Position aufzeigen. Der an Position 1 begonnene Turn wird an dritter Position zum Abschluss gebracht. Doch indem dieser Turn
Ill einen ersten Teil darstellt, der eine folgende Aktivität eines anderen Sprechers relevant macht, fehlt eine folgende responsive Handlung eines zweiten Sprechers.
5.5.2.
Responsive Handlungen im Anschluss an eine finale Turnbeendigung
Somit stellt sich die Frage, welche Aktivitäten sich im Anschluss an die finale Turnbeendigung in Auszug (17) aufzeigen lassen und inwiefern sich in der sequenziellen Turnabfolge und dem jeweiligen Turndesign dieser Turns eine Regelmäßigkeit aufzeigen lässt, an der sich die Interaktanten orientieren können. Auszug (Al7) 1 1 Ρ das hat ä: : 2 2 S ne p e i n l i c h k e [ i t . [nen 3 3 Ρ 4 s j [âI 5 [m: . (0.7) 6 Hier folgt im Anschluss an die finale Turnbeendigung durch Sprecher Ρ in Zeile 3 die Markierung von Anerkennung zum zuvor Gesagten durch Sprecher S, der die antizipatorische Turnbeendigung vollführt hat. Fast gleichzeitig mit Sprecher S markiert auch Sprecher I Zustimmung. Im Anschluss daran folgt eine 0.7-sekündige Pause. Die Aktivität an dritter Position der obigen Sequenz liegt in der Konstruktion einer finalen Tumbeendigung und demonstriert damit den anderen Gesprächsteilnehmern die Nicht-Orientierung des aktuellen Sprechers am vorhergehenden Turn. Damit werden die ersten drei Positionen als ein Turn mit turninternem Sprecherwechsel designt. Wie Lerner deutlich gemacht hat, liegt die Autorenschaft in allen drei Positionen bei dem Initiator der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit. Indem die ersten drei Positionen somit als ein Turn gestaltet werden, wird im Anschluss hieran eine spezifische nächste Handlung durch einen zweiten Sprecher sequenziell relevant. Die relevante nächste Handlung liegt in der Markierung von Anerkennung oder Ablehnung zum vorher Gesagten. Insofern ist diese Aktivität vergleichbar mit der Aktivität, die an dritter Position der drei Positionen umfassenden kollaborativen Turnsequenz vollführt wird. Das Schema der drei Positionen umfassenden kollaborativen Turnsequenz lässt sich demnach zu einer vier Positionen umfassenden Sequenz erweitern. Aus dem Schema geht hervor, dass diese Erweiterung auf der Aktivität an dritter Position basiert. In Abhängigkeit von der Aktivität an dritter Position kann eine folgende Aktivität an vierter Position sequenziell relevant werden. Vier Positionen umfassende kollaborative Turnsequenz: Struktur Position 1 Position 2
A: B:
präliminär nicht beendete Turnkonstruktionseinheit antizipatorische Turnbeendigung
112 Position 3 Position 4
A: B:
finale Turnbeendigung explizite Bewertung der finalen Turnbeendigung
Aktivität Position Position Position Position
A: B: A: B:
Nicht-Fertigstellung einer begonnenen Turnkonstruktionseinheit Demonstration des Zuhörens und Verstehens Demonstration der Nicht-Orientierung an der vorherigen Handlung Demonstration der Orientierung an der vorherigen Handlung
1 2 3 4
An vierter Position der kollaborativen Turnsequenz folgt somit ein Turn, der die vorhergehende finale Turnbeendigung explizit bewertet. Diesem Turn liegt die Aktivität zu Grunde, dass Kontiguität mittels der Demonstration der Orientierung an der finalen Turnbeendigung geschaffen wird. Im vorangegangenen Abschnitt wurde hervorgehoben, dass, indem die ersten drei Positionen als ein Turn gestaltet werden, im Anschluss daran eine spezifische nächste Handlung durch einen zweiten Sprecher sequenziell relevant wird. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wer dieser zweite Sprecher ist. In Zweiparteiengesprächen erübrigt sich eine solche Überlegung, doch in Mehrparteiengesprächen wie denen, aus denen die Auszüge stammen, erscheint dies als relevante Fragestellung. Schon Sacks hat darauf hingewiesen, dass in Mehrparteiengesprächen paarweise Äußerungen eine entscheidendere Rolle spielen als in Zweiparteiengesprächen, da sie als ein Mittel zur Sprecherauswahl dienen können und gleichzeitig Kontiguität zwischen den Äußerungen schaffen (Sacks 1992:I:322f.). In Auszug (Al7) ist es derselbe Sprecher, der die antizipatorische Turnbeendigung produziert hat, der im Anschluss an die finale Turnbeendigung die Anerkennung derselben produziert. Diese Sprecherverteilung lässt sich an zahlreichen Belegen aufzeigen, wie beispielsweise auch am folgenden Auszug: Auszug ( A l 5 ) 1 P: aber deshalb k- können wir natürlich 2 trotzdem ä:: (0.2) η bisschn: (0.3) über 3 das ding recherchiern, (0.2) ä:: zum 4 1 beispiel rauskriegn wann dieses, 5 (1.4) 6 2 1: gremiu[m 7 3 P: [dieser rat ä[::: ] sich= 8—» 4 I: [dieser rat ja.] 9 P: =Versammelt.° 10 (1.5) Der Sprecher der antizipatorischen Turnbeendigung nimmt in Zeile 8 den Turn in Überlappung mit Sprecher P's finaler Turnbeendigung auf und produziert eine Markierung von Anerkennung der Reparatur, die der finalen Turnbeendigung zu Grunde liegt. Die Regelmäßigkeit im Ablauf einer solchen Sequenz hinsichtlich der Verteilung der Sprecher auf die einzelnen Positionen kann umso mehr als bemerkenswert betrachtet wer-
113 den, wenn man berücksichtigt, dass die vorliegenden Belege alle aus Mehrparteiengesprächen stammen und somit auch andere Sprecher zu jedem Zeitpunkt auf die Konversation mit Turnübernahme hätten Einfluss nehmen können. Doch dies geschieht in den vorliegenden Belegen nicht. Doch nicht in allen Fällen, in denen eine antizipatorische Turnbeendigung ignoriert wird, nimmt der Produzent der antizipatorischen Turnbeendigung im Anschluss an die Ignorierung explizit Bezug auf den vorhergehenden Turn. In zahlreichen Fällen übernimmt der Sprecher der antizipatorischen Turnbeendigung im Anschluss an die Ignorierung nicht den Turn. Den Auszügen zufolge scheint in einigen Fällen die Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung einen sequenzabschließenden Charakter zu haben. Die Initiierung des nächsten Turns kann somit von allen Gesprächsteilnehmern vollzogen werden. Dies ist beispielsweise der Fall in unten stehendem Auszug: Auszug (Al3) 1 P: also die sch: sch::wedn ham ja dosn (.) 2 für ihr bi[er. jetzt. [zum beispiel. (.) und= 3 S: [pfanddosn au[ch ne?. 4 2 Ρ: =dafür ζ- ζ- zahln sie dann pfand.=und das 5 1 is ei ä: : -hh wohl (0.3) so mit das (.) das: 6 2 ä: ä: umwelthh,-h[h 12 S: [bewussteste[; 8 3 P: [bewussteste, nich? 9 (0.9) 10 P: aber das is nur ne nebnbemerkung also [w w= 11 I: [m:. 12 P: =prinzipiell haste (0.6) haste natürlich recht. 13 (-hh 3.2) In obigem Auszug produziert Sprecher S in Zeile 7 die antizipatorische Turnbeendigung, an die Sprecher Ρ in terminaler Überlappung die finale Turnbeendigung anschließt, deren erster Teil mit der antizipatorischen Turnbeendigung übereinstimmt. Im Anschluss daran entsteht eine 0.9-sekündige Pause, woraufhin Sprecher Ρ erneut den Turn ergreift und die vorhergehende Sequenz als Insertion deklariert aber das is nur ne nebnbemerkung. Betrachtet man die Art des inhaltlichen Verhältnisses der antizipatorischen zur finalen Turnbeendigung, so fällt in Auszug (Al3) auf, dass diese durch bewussteste zumindest anfänglich identisch sind. Hierdurch wird den Gesprächsteilnehmern markiert, dass Sprecher Ρ und Sprecher S in ihrem Verständnis der präliminar nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit in Zeile 4 bis 6 übereinstimmen. Im Anschluss hieran folgt eine knapp einsekündige Pause. Betrachtet man unter dieser Fragestellung Auszug (Al5) so fällt auf, dass hier die antizipatorische Turnbeendigung und die finale Turnbeendigung inhaltlich nicht miteinander übereinstimmen. Während Sprecher I von gremium spricht, verwendet Sprecher Ρ den Begriff rat, der auf eine andere Institution innerhalb der 'Euroregion Schleswig' verweist. Im Anschluss an diese Reparatur markiert Sprecher I in Überlappung mit Sprecher P, der den Turn beendet, Zustimmung zur Reparatur durch Sprecher P.
114 Dasselbe ist in unten stehendem Auszug der Fall: Auszug ( A l l )
1
P:
2 3 4 5 6 7 8 9
I: P:
I S Ρ
=aber da gibts auch: ä[ [[in deutschland sicherlich firmen die da ir[gendwie: ] [an der eck]e gibs ne andre firma wo:s das nich gibt, nich? a[lso daraus::[: ä= [m[:. [m, [m. =schlüsse ziehn wäre glaub ich falsch.-hh
Nach der finalen Turnbeendigung durch Sprecher Ρ in Zeile 4 bis 5 markiert der Sprecher der antizipatorischen Turnbeendigung in Zeile 7 seine Zustimmung zur finalen Turnbeendigung. Auch einer der anderen Gesprächsteilnehmer markiert mit einem Responsmarker Zustimmung zur finalen Turnbeendigung. Wichtiger erscheint jedoch, dass es erneut der Sprecher der antizipatorischen Turnbeendigung ist, der im Anschluss an eine übergangsrelevante Stelle von Sprecher Ρ die Markierung von Zustimmung initiiert. Es scheint demnach eine Regelmäßigkeit nachweisbar zu sein hinsichtlich der Sprecherverteilung innerhalb einer kollaborativen Turnsequenz. In einer Vielzahl der Fälle, in denen die finale Turnbeendigung eine inhaltliche Nicht-Übereinstimmung mit der antizipatorischen Turnbeendigung darstellt, besteht die nächste relevante Handlung darin, dass der Sprecher der antizipatorischen Turnbeendigung im Anschluss an die finale Turnbeendigung Zustimmung zu eben dieser markiert. Zusammenfassend lässt sich Folgendes in Hinblick auf den Aufbau einer kollaborativen Turnsequenz festhalten. Findet an dritter Position der kollaborativen Turnsequenz weder eine explizite Anerkennung noch eine Ablehnung statt, sondern wird stattdessen eine Markierung von Nicht-Orientierung am vorhergehenden Turn in Form einer finalen Turnbeendigung vollführt, ist von Ignorierung einer antizipatorischen Turnbeendigung zu sprechen. Die Ignorierung einer antizipatorischen Turnbeendigung findet auf sequenzieller Ebene statt, indem der Produzent der finalen Turnbeendigung Nicht-Orientierung an dem direkt adjazent gelegenen Turn zeigt. Diese Handlung kann demnach als eine lokale, sequenzielle Konstruktion von Dissens betrachtet werden, da sie der konversationellen Regel von adjazenter Platzierung (Sacks 1992:11:554-560) zuwiderläuft. In den Fällen, in denen die finale Turnbeendigung das gleiche Verständnis der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit aufweist wie die antizipatorische Turnbeendigung, kann die kollaborative Turnsequenz mit der finalen Turnbeendigung an dritter Position als abgeschlossen betrachtet werden. Weist die finale Turnbeendigung jedoch ein anderes Verständnis der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit auf als die antizipatorische Turnbeendigung, so wird eine weitere responsive Handlung sequenziell relevant. An vierter Position kann der Produzent der antizipatorischen Turnbeendigung seine Zustimmung zur finalen Turnbeendigung markieren.
115 Einer kollaborativen Turnsequenz liegt ein engverwobenes System lokalinitiierter konsensund dissensorientierter Aktivitäten zu Grunde. Nicht an jeder Position der Sequenz ist die dort durchgeführte Handlung als entweder konsens- oder dissensorientiert zu bezeichnen. Hier ist eine differenzierte Analyse jeder einzelnen Handlung als eine sich responsiv auf die vorhergehende Aktivität beziehende Handlung vonnöten. Die Konstruktion von Dissens liegt in der kollaborativen Turnsequenz zum einen sequenziell in der Ignorierung einer antizipatorischen Turnbeendigung. Das Zeigen von Nicht-Orientierung an dem direkt vorhergehenden Turn ist ein sequenzielles Mittel, das eine Markierung von Nicht-Übereinstimmung mit dem vorausgegangenen Turn darstellt. Ferner kann im Zeigen eines anderen Verständnisses der präliminar nicht beendeten Tumkonstruktionseinheit durch die finale Tumbeendigung auch inhaltlich ein Dissens mit dem Produzenten der antizipatorischen Turnbeendigung markiert werden. Den dissensorientierten Aktivitäten einer kollaborativen Turnsequenz können alternierend konsensorientierte Handlungen gegenüber stehen. Eine konsensorientierte Aktivität kann beispielsweise in der den anderen Gesprächsteilnehmern Verstehen demonstrierenden Handlung einer antizipatorischen Turnbeendigung gesehen werden. Es ist demnach die sequenzielle, lokalinitiierte Verwobenheit dissens- und konsensorientierter Handlungen, die eine kollaborative Turnsequenz konstituiert.
5.6.
D e r A s p e k t der F r e m d s p r a c h e bei der Konstruktion einer kollaborativen Turnsequenz
Es konnten in den vorausgehenden Abschnitten unterschiedliche interaktive Handlungen aufgezeigt werden, die zur Konstruktion einer kollaborativen Turnbeendigungssequenz notwendig sind. Die Fertigkeit, um eine solche Sequenz zu konstruieren, mag an fremdsprachliche, interkulturelle und interaktive Kompetenz gebunden sein. Falls Probleme infolge kultureller, nationaler oder sprachlicher Zugehörigkeit der Interaktanten einen Einfluss auf die Konversation haben, müsste es möglich sein, diese mittels einer mikroanalytischen Vorgehensweise in der Interaktion aufzuzeigen. Sicherlich ist es begrenzt, welche Aussagen man hinsichtlich des Stellenwertes interaktiver und fremdsprachlicher Kompetenz bei der Konstruktion einer bestimmten Sequenz im Rahmen einer qualitativen Studie treffen kann. Dennoch scheint eine solche Vorgehensweise gerechtfertigt, da dies ein erster notwendiger Schritt ist, um einen Teil der zahlreichen, diesen Sequenzen zu Grunde liegenden interaktiven Handlungen zu isolieren, zu beschreiben und damit in ihrem Regelwerk nachvollziehbar zu machen. Erst hierauf aufbauend lassen sich einzelne Parameter isolieren, die als Grundlagen einer quantitativen Untersuchung dienen könnten. In Kapitel 5.6.3. werden in Form eines Exkurses einige Möglichkeiten und Begrenzungen einer quantitativen Vorgehensweise umrissen. Im Folgenden werden kollaborative Turnbeendigungssequenzen mit Beteiligung von Muttersprachlern solchen Sequenzen gegenübergestellt, an denen sowohl Mutter- als auch Fremdsprachler beteiligt sind. Der Fokus wird hierbei auf der interaktiven Kompetenz der Gesprächsteilnehmer in Abhängigkeit von ihrer Mutter- bzw. Fremdsprachlichkeit liegen.
116 Wie schon anfangs beschrieben, sind es in den vorliegenden deutschsprachigen Auszügen kollaborativer Turnsequenzen lediglich in 11 Fällen zwei Muttersprachler, die miteinander eine derartige Sequenz gestalten. In 2 Fällen sind es die beiden Fremdsprachler, die gemeinsam eine kollaborative Turnsequenz durchführen, und in 39 Fällen sind Mutter- und Fremdsprachler an der Konstruktion beteiligt. In 5 Fällen ist ein Fremdsprachler Produzent einer antizipatorischen Turnbeendigung, in 47 Fällen ist es ein Muttersprachler. Die Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung wird von insgesamt 39 Fällen, in denen sowohl der Mutter- als auch der Fremdsprachler den Turn übernehmen könnten, in 31 Fällen vom Nicht-Muttersprachler produziert, in 8 Fällen vom Muttersprachler (s. Kap. 5.6.3.). Im Folgenden werden insgesamt drei Auszüge analysiert. Im ersten sind nur Muttersprachler involviert, an den anderen beiden sind jeweils ein Mutter- und ein Fremdsprachler beteiligt. Der fremdsprachliche Sprecher spricht Deutsch fließend, jedoch recht fehlerhaft. Seine Deutsch-Fertigkeiten können insofern als typisch für Verhandlungssituationen bezeichnet werden, da sie zu gut sind, um sich auf eine Lingua Franca zu verständigen, und zu schlecht, um fließend, fehlerfrei kommunizieren zu können. Bei den folgenden Analysen soll neben dem Augenmerk auf der interaktiven Kompetenz der Sprecher auch die Konstruktion von dissens- und konsensorientierten Aktivitäten herausgearbeitet werden.
5.6.1.
Kollaborative Turnsequenzen mit Beteiligung von Muttersprachlern
In Auszug (Al8) kommunizieren zwei Muttersprachler miteinander. Auszug (Al8) 1 I: •hh wobei wir ja natürlich überlegn können 2 ob wir, 3 (1.2) 4 I: diese minderheitnschuln machn? also die 5 deutsche in dänemark, die dänische in 6 de- deutschland? -hh und (.) aus deutscher 7 sieht, (0.4) dieses ä::m: aesamtschulkonzept vorsteil[n; 8 9 S: [JA, I : das bei uns also auch sehr kritisch gesehn 10 11 [wird. ·hh und= [ge:nau. 12 S: 1 I : =das norMALE (.) dreialiedriae schulsvstem. 13 14 •hh also [das-,] 15 2 S: [text ]lich. 16 3 I: dass wir das modera[tiv machn. ] 17 4 S: [ODER M O D E R A ] T I V Folgt man der Struktur einer kollaborativen Turnsequenz, so liegt im obigen Auszug die erste Position in Zeile 13/14, wo eine präliminär nicht beendete Turnkonstruktionseinheit
117 konstruiert wird. Die zweite Position befindet sich im anschließenden Turn in Zeile 15 textlich. , und stellt die antizipatorische Turnbeendigung dar. An dritter Position in Zeile 16 befindet sich die Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung, indem der Sprecher des Turns an erster Position eine finale Turnbeendigung produziert. Diese Handlung macht eine folgende responsive Handlung relevant. An vierter Position folgt in Zeile 17 die responsive Handlung in Form einer teilweisen Wiederholung der vorherigen finalen Turnbeendigung. Betrachtet man den Turn in Zeile 1 von Sprecher I, an dessen Ende die präliminar nicht beendete Turnkonstruktionseinheit steht, so fallt auf, dass der Turn eingeleitet wird durch wobei, was, wie Günthner (1996:350ff.) nachgewiesen hat, in Verwendung als syntaktisch nicht-integrativer Konnektor zur Markierung von Dissens beitragen kann. Wobei projiziert hier einen kommenden Dissens, und bis zum tatsächlichen Auftauchen des Dissenses kann wobei dazu dienen, den Turn zu behalten. Merkmale, die diesen Turn als dispräferiert kennzeichnen, treten hier in Form von eigeninitiierten Eigenreparaturen in Zeile 4 und 6 sowie von Verzögerungspartikeln wie ä::m in Zeile 7, hörbarem Einatmen in Zeile 6, 11 und 14 und Pausen auf. Der Turn besteht aus mehreren Turnkonstruktionseinheiten, deren letzte präliminar nicht beendet wird. Wie auch in den Auszügen zuvor markiert Sprecher I hier Probleme mit der Fertigstellung der letzten Turnkonstruktionseinheit. Dies wird erreicht durch das Reformulierung markierende also in Zeile 14 sowie den Restarter das- ebenfalls in Zeile 14. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie Sprecher I den Platz und die Form der antizipatorischen Turnbeendigung für die anderen Gesprächsteilnehmer projizierbar macht. Dies geschieht in obigem Auszug durch eine dreigliedrige Liste, die Sprecher I von Zeile 4 bis 14 konstruiert. Jefferson (1990) hat gezeigt, dass Listen in Konversation regelmäßig eine dreiteilige Struktur aufweisen. Die Konstruktion des zweiten Teils macht hierbei den dritten Teil der Liste projizierbar. In obigem Auszug sind es die durch und in Zeile 6 verbundenen Komponenten, die die ersten beiden Teile der Liste ausmachen. Nach der Komplettierung des zweiten Teils der Liste in Zeile 11 und der Initiierung des dritten Teils durch den Konnektor und wird der Platz der finalen Turnbeendigung für den bzw. die anderen Sprecher projizierbar. Ein weiterer Aspekt, der der Projizierbarkeit des dritten Teils der Liste zuträglich ist, beruht auf dem turneröffnenden wobei. Wie schon erwähnt projiziert wobei einen kommenden Dissens. Doch weder im ersten noch im zweiten Teil der Liste äußert Sprecher I etwas, was im Widerspruch zu etwas zuvor von Sprecher S Geäußertem steht. Der Rezipient kann daher im dritten Teil der Liste den Dissens projizieren. Auf diese Weise können die ersten beiden Teile der Liste als eine Einleitung zum finalen Dissens gesehen werden. Es lässt sich festhalten, dass das turneröffnende wobei und die dreiteilige Listenstruktur des Turns von Zeile 1 bis 14 Folgendes projizieren: Zum einen wird hiermit projiziert, dass der Turn aus mehreren Komponenten bestehen wird. Zum anderen wird projiziert, dass der Turn einen Dissens beinhalten wird und letztlich wird projizierbar, dass der kommende Dissens, da er nicht im ersten oder zweiten Teil der Liste realisiert wurde, im dritten Teil der Liste kommen wird. Ein genauerer Blick auf den dritten Teil der Liste enthüllt weitere Details über die exakte Projizierbarkeit der Platzierung und Form der antizipatorischen Turnbeendigung.
118 Die Platzierung ist projizierbar durch die schon erwähnte dreiteilige Listenstruktur. Es werden durch Sprecher I drei verschiedene Vorschläge gemacht. Indem in den einzelnen Listenteilen eine parallele Konstruktion gewählt wird und indem die Nebensatzwortstellung in den ersten beiden Teilen der Liste gewahrt bleibt, bedarf es im dritten Teil der Liste nicht notwendigerweise eines weiteren finiten Verbs, um den Turnabschluss zu markieren. Der Turn kann vervollständigt werden, indem lediglich ein turnabschließendes Adjektiv hinzugefügt wird. Hinsichtlich der Projizierbarkeit der Form der antizipatorischen Turnbeendigung ist es interessant, die Betonung und die starke Lautstärke von norMALE in Zeile 13 zu betrachten. Die besondere Intonation von norMALE in diesem Umfeld markiert die beiden vorherigen Teile der Liste als etwas Außergewöhnliches. Hierdurch wird eine Aufteilung in die beiden ersten Teile der Liste einerseits und den dritten Teil andererseits geschaffen. Die Verzögerungen in Zeile 13 und 14 sowie die anschließende Reparatur in Zeile 14 direkt im Anschluss an die Initiierung des neuen Themas im dritten Teil der Liste markieren darüber hinaus das Kommende als etwas Dispräferiertes. Zusammenfassend lässt sich hinsichtlich des Turns an erster Position festhalten, dass er Zeichen von Dissens trägt und die antizipatorische Turnbeendigung durch ihn in Form und Platzierung projizierbar wird. Nun zur antizipatorischen Turnbeendigung an zweiter Position der kollaborativen Turnsequenz. Die antizipatorische Turnbeendigung stellt eine Vervollständigung der terminalen Turneinheit dar. Sie findet in teilweiser Überlappung mit dem vorhergehenden Turn statt. Sie besteht aus einer monolexikalischen Einheit mit fallender Intonation am Ende des Turns. Mittels dieser Intonation ist der Turn erkennbar als eine direkte Fortsetzung des vorherigen Turns von Sprecher I geformt. Hinsichtlich der Produktion von schulsystem in Zeile 13, ist die Positionierung von textlich als verspätet zu bezeichnen. Doch die verspätete Initiierung der antizipatorischen Turnbeendigung kann auf einer Orientierung an der Präferenz zur Eigenreparatur beruhen, da Sprecher S Sprecher I hierdurch die Möglichkeit überlässt, die Turnkonstruktionseinheit doch selbst zum Abschluss zu bringen. Die Verzögerung durch also, das eine Reformulierung projiziert, leitet dann jedoch die antizipatorische Tumbeendigung ein. Es lässt sich festhalten, dass die antizipatorische Turnbeendigung in Zeile 15 Merkmale aufweist, die sie als konsensorientiert markieren: Zum einen geschieht dies durch das Design der antizipatorischen Turnbeendigung, die syntaktisch, grammatisch und prosodisch eine direkte Fortsetzung des vorhergehenden Turns ist. Hierdurch findet ein turninterner Sprecherwechsel statt, die Autorenschaft selbst verweist jedoch auf den ursprünglichen Sprecher. Zum anderen kann der verspäteten Platzierung der antizipatorischen Turnbeendigung zu Grunde liegen, dass Sprecher S Sprecher I die Möglichkeit zur Eigenreparatur einräumt. Dieses würde Orientierung am Regelwerk der Präferenz aufzeigen. In Zeile 16 produziert Sprecher I den Turn an Position 3, der eine Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung darstellt. In diesem Turn konstruiert Sprecher I seinen Turn - von einer geringfügigen Reparatur in Form einer Wiederholung von das abgesehen - als erkennbare Weiterführung und Beendi-
119 gung seiner präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit an Position 1. Hierdurch markiert er Nicht-Orientierung an der vorhergehenden antizipatorischen Turnbeendigung. Dies ist insofern als dissensorientierte Handlung zu sehen, als Sprecher I dadurch mit sequenziellem Mittel markiert, dass er die mittels der antizipatorischen Turnbeendigung angebotene Hilfe zur Turnvervollständigung nicht annimmt. Hiermit verstößt er gegen die konversationeile Regel von adjazenter Platzierung (Sacks 1992:11:554-560), da er nicht auf den direkt vorhergehenden Turn Bezug nimmt. Mittels der Intonation weist Sprecher I eine eindeutige Orientierung an dem einen Turn zurückliegenden eigenen vorhergehenden Turn nach. Der Turn ist hörbar prosodisch und syntaktisch als eine Fortsetzung und Beendigung der in Zeile 14 nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit geformt. Dieser Verstoß gegen die Regel der adjazenten Platzierung ist als eine dissensorientierte Handlung zu werten. Hinsichtlich des Inhalts der antizipatorischen und der finalen Turnbeendigung wird deutlich, dass beide Sprecher hierdurch ein unterschiedliches Verständnis der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit aufzeigen. Während Sprecher S von textlich spricht und damit eine Abgrenzung zieht zu einem Beitrag mit Bildmaterial, vollendet Sprecher I den Turn mit dem Vorschlag moderativ. Dies bezieht sich darauf, das dreigliedrige Schulsystem gar nicht in einem der Beiträge zu behandeln, sondern nur im Rahmen der Moderation zu erwähnen. Somit konstruiert Sprecher I mittels der finalen Turnbeendigung nicht nur sequenziell Dissens, sondern auch inhaltlich. Es lässt sich festhalten, dass Sprecher I in Zeile 16 an dem konsensorientierten direkt vorhergehenden Turn von Sprecher S keine Orientierung zeigt. Er formt seinen eigenen Turn als direkte Fortsetzung seiner im eigenen vorhergehenden Turn nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit. Damit verstößt er gegen die Regel von adjazenter Platzierung. Hierin ist eine Markierung von Dissens zu sehen. Hinzu kommt, dass auch inhaltlich die finale Turnbeendigung ein anderes Verständnis des Vorhergehenden markiert und daher ebenso als dissensorientiert anzusehen ist. An vierter Position schließt sich eine Handlung an, die wiederum als responsiv auf die vorhergehende zu werten ist. Im Unterschied zu einer Vielzahl der zuvor analysierten Auszüge, in denen die Aktivität an vierter Position aus einer einfachen Markierung von Zustimmung bestand, findet in dem vorliegenden Auszug eine andere Handlung statt. Sprecher S stünden an dieser Position verschiedene responsive Handlungen zur Verfügung. Eine einfache Markierung von Zustimmung zu der finalen Turnbeendigung in Position 3 wäre möglich, würde jedoch eine Erklärung oder Rechtfertigung in Position 4 erfordern, da sie der antizipatorischen Turnbeendigung durch denselben Sprecher widerspräche. Eine Wiederholung der antizipatorischen Turnbeendigung würde ein Hervorheben des unterschiedlichen Verständnisses der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit bedeuten und somit den markierten Dissens verstärken. In obigem Auszug besteht die responsive Handlung aus einer partiellen Wiederholung der finalen Turnbeendigung. Sprecher S verwendet in Zeile 17 in Überlappung mit Sprecher I ein Segment, das Sprecher I in seiner finalen Turnbeendigung verwendet hat moderativ. Eine einfache Wiederholung dieses Segmentes hätte als Zeichen der Zustimmung zu gelten und würde dadurch dem eigenen vorhergehenden Turn von Sprecher S widersprechen. Doch indem der Wiederholung ein oder vorangestellt wird, formt Sprecher S seinen Turn dergestalt, dass der Vorschlag von Sprecher I zu einer Alternative seines eigenen Vorschlags wird, dem er in der antizipatorischen Turnbeendigung Ausdruck verliehen hat. Folglich wird hierdurch der Kontrast, der
120 durch die Nicht-Orientierung an der antizipatorischen Turnbeendigung von Sprecher S durch Sprecher I aufgebaut wurde, abgeschwächt. Insofern ist diese Handlung als konsensorientiert zu betrachten. Es zeigt sich, dass in obigem Auszug unterschiedliche Aktivitäten gestaltet werden, die konsens- und dissensorientierte Züge aufweisen. Die Initiierung und Durchführung dieser unterschiedlichen Aktivitäten geschieht lokal. Es wurde deutlich, dass eine antizipatorische Turnbeendigung nicht notwendigerweise entweder konsens- oder dissensorientiert ist, sondern dass der sie umgebende sequenzielle Kontext relevant ist. In Bezug auf die Fragestellung nach interaktiver Kompetenz lässt sich in diesem Zusammenhang festhalten, dass zur Konstruktion einer kollaborativen Turnsequenz interaktionelle Schritte notwendig sind, die einer genauen gegenseitigen Orientierung der Sprecher aneinander sowie eines genauen Verständnisses der Aktivität, die der andere Sprecher durchführt, bedürfen.
5.6.2.
Kollaborative Turnsequenzen mit Beteiligung von Nicht-Muttersprachlern
Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit Nicht-Muttersprachler in der Lage sind, kollaborative Tumsequenzen interaktiv ebenso zu gestalten wie Muttersprachler. Hierbei bestehen die Sequenzen sowohl aus drei als auch aus vier Positionen. Es werden hierzu zwei Auszüge kollaborativer Turnsequenzen untersucht, an denen jeweils dieselben Gesprächsteilnehmer beteiligt sind. Sprecher S ist Muttersprachler, Sprecher Κ ist Nicht-Muttersprachler. Auszug (Al9) 1 K: aber- (0. 8) was für ein untersjchied is 2 DAS? (.) alsso wir-, (1.5) das geld das 3 die deutsjchn habn, (1.1) damit können 4 ssie auch : in dänemark bessahln, 5 alsso, 6 (0.7) 7 1 K: ssei das : (0.3) de: mark, (.) ä: : [ : 8 2 S: [oder euro.= 9 3 K: =EUro[: oder vein o oder was (.) auch (..) ebn 10 4 S: [schiet egal.] Die Form der antizipatorischen Turnbeendigung wird durch den Dissens ermöglichenden Diskursmarker aber in Zeile 1 projiziert, der dem wobei im vorigen Auszug ähnelt. Der von aber eröffnete Turn ist gekennzeichnet durch zahlreiche Pausen in Zeile 1, 2, 3, 6 sowie eigeninitiierte Reparaturen in Form von Restarts in Zeile 2 und 5. Die präzise Platzierung der antizipatorischen Turnbeendigung wird in Zeile 7 projizierbar, da Sprecher Κ hier eine Turnkonstruktionseinheit produziert, die erkennbar aus mehreren Komponenten besteht. Dies wird projiziert durch ssei, was mindestens eine weitere Komponente im Turn notwendig macht, die mit oder angebunden wird. Damit ist die antizipatorische Turnbeendigung sowohl in Form als auch in Platzierung projizierbar.
121 Zur Analyse der folgenden Positionen innerhalb der kollaborativen Turnsequenz wird der folgende Auszug hinzugezogen. Auszug (AIO) 1 K: d a n n b e s s a h l n w i r j a alle für (.) i r g e n d e i n e 2 (.) idiot (.) die: Tä: I: [jA. das is R I [ C H t i c h , ] 3 4 K: [der ein,] 5 (0.2) I: jal, 6 7 1 K: [ä: (.) n a c h (.) d e m a n d r e n (.) u n t e r n e h m n 8 1 b e Γainnen un, 9 I: [ja. 10 (0.3) 11 2 S: ka[putt macht. 12 3 K: [unt v e r w i r £ s j c h a f t e t , 13 (1.2) 14 3 K: u n (.) d a n n b e [ z a h l n w i r a l l e für (. ) für I: 15 [m:m: 16 (0.3) 17 K: [den s~ichaden. 18 S: [R:m: für d i e s n e i n e n i d i o t n Betrachtet man beide native-nonnative Auszüge, dann weist der Turn in der zweiten Position (A19/8 und A10/11) einige ähnliche Merkmale auf, wie die, die auch in der native-native Interaktion nachgewiesen werden konnten. Die antizipatorische Turnbeendigung wird direkt im Anschluss an eine Pause initiiert, die Verzögerung markiert. Dies wird in Auszug (Al9) noch durch einen anschließenden Wordsearch unterstützt. Die antizipatorische Turnbeendigung ist in beiden Auszügen lexikalisch und prosodisch als Fortsetzung der vorhergehenden präliminaren Tumkonstruktionseinheit geformt. In beiden Fällen kann man von einer sequenziellen Aufforderung zur antizipatorischen Turnbeendigung sprechen, da der vorherige Sprecher deutlich Probleme mit der Fertigstellung seiner begonnenen Tumkonstruktionseinheit markiert. Insofern kann man festhalten, dass die Platzierung der antizipatorischen Turnbeendigung in beiden Auszügen projizierbar ist und dass zu ihr aufgefordert wird. Somit weisen beide antizipatorischen Turnbeendigungen eine deutliche Orientierung an dem adjazent platzierten Turn auf. Aus diesem Grund lässt sich die Aktivität an Position 2 in beiden Auszügen als konsensorientiert bezeichnen. Sowohl in der Platzierung als auch in der Ausformung weisen diese antizipatorischen Beendigungen alle wesentlichen Merkmale der antizipatorischen Turnbeendigung der nativenative Interaktion auf. Die Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung findet in beiden Auszügen als sequenziell folgende Handlung statt. In Auszug (Al9) in Zeile 9 vollführt Sprecher Κ eine finale Turnbeendigung, indem er seinen Turn erkennbar als Weiterfuhrung seiner präliminär nicht beendeten Turnkonstruk-
122 tionseinheit designt. Er zeigt damit Nicht-Orientierung an der antizipatorischen Tumbeendigung. Der Anfang von Zeile 9 könnte eine partielle Wiederholung der vorhergehenden Äußerung sein, doch es könnte ebenso eine direkte Fortsetzung des eigenen vorherigen Turns in Zeile 7 sein, der durch die antizipatorische Tumbeendigung beendet wurde. Hinsichtlich der Vervollständigung der nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit markiert die antizipatorische Turnbeendigung in Zeile 8 Sprecher P's Turn in Zeile 7 als den Beginn einer zweiteiligen Liste, die in Zeile 8 beendet wird mit oder euro. Doch Sprecher Ρ formt in Zeile 9 den Turn in Zeile 7 als den Beginn einer dreiteiligen Liste euro oder yeti. Dadurch initiiert Sprecher Ρ in Zeile 9 eine eigeninitiierte Fremdreparatur. Dies ist dem Präferenzsystem in Konversation zufolge eine dispräferierte Handlung und kann damit der Markierung von Dissens dienen. Betrachtet man Auszug (AIO) so wird deutlich, dass Sprecher Ρ in Zeile 12 ebenfalls mittels einer finalen Turnbeendigung Nicht-Orientierung an der antizipatorischen Turnbeendigung zeigt. Er führt seinen Turn erkennbar zu einem Ende. Der Beginn der finalen Turnbeendigung geschieht in Überlappung mit der antizipatorischen Turnbeendigung zu einem Zeitpunkt, als die antizipatorische Turnbeendigung nicht unbedingt schon verständlich ist. Lediglich das turninitiale ka liegt vor dem Beginn der finalen Turnbeendigung. Diese Platzierung der finalen Turnbeendigung unterstützt noch das Zeigen von Nicht-Orientierung, das einer jeden finalen Turnbeendigung zu Grunde liegt. Hinsichtlich des inhaltlichen Verständnisses der präliminar nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit scheinen beide Sprecher übereinzustimmen. Dies wird auch dadurch untermauert, dass Sprecher S im Anschluss an die Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung keine Orientierung an der finalen Turnbeendigung markiert. In dritter Position konnten demnach vergleichbare Mittel in der Behandlung der antizipatorischen Turnbeendigung durch den folgenden Sprecher in den native-native wie in den native-nonnative Auszügen aufgezeigt werden. In Auszug (A19) wird der Turn in vierter Position in Zeile 10 in Überlappung mit dem Vorhergehenden gesprochen. Aus folgenden Gründen wird dies als eine konsensorientierte Handlung betrachtet. Sobald Sprecher Κ in Zeile 9 das Wort EUro: produziert hat, das mit starker Lautstärke gesprochen wird, beginnt Sprecher Κ in Zeile 10 die Überlappung. Indem EUro: mit fortsetzender Intonation gesprochen wird, kann Sprecher S projizieren, dass weder eine Zustimmung noch eine Anerkennung folgen wird. Als Reaktion auf diesen zu projizierenden potenziellen Dissens konstruiert Sprecher S eine konsensorientierte Handlung. Dies wird dadurch markiert, dass Sprecher S, obwohl sein Turn in Überlappung gesprochen wird, weder versucht durch Lautstärke noch durch Silbendehnung aus der Überlappung herauszukommen. Außerdem setzt er in keiner Weise besondere Betonung auf Teile seines Turns, die in irgendeiner Weise Kontrast zu dem Vorhergehenden markieren könnten. Hinzu kommt, dass der Turn eine Paraphrase des Turns von Sprecher Κ in Zeile 1 und 2 ist was ßr ein unterschied is DAS?, und demnach vergleichbar zu der Wiederholung funktioniert, die im native-native Auszug (Al9) beschrieben wurde. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass hinsichtlich der interaktiven Konstruktion einer kollaborativen Sequenz zwischen Muttersprachlern und Nicht-Muttersprachlern keine Unterschiede festgestellt werden konnten, die darauf hinweisen könnten, dass aufgrund einer mangelnden fremdsprachlichen Kompetenz eine Orientierung an den interaktiven Handlungen der anderen Sprecher erschwert oder verhindert wird.
123 Es konnte gezeigt werden, dass eine kollaborative Turnbeendigungssequenz aus alternierenden konsens- und dissensmarkierenden Handlungen besteht. Die interaktiven Mittel zur Produktion und Rezeption konsens-und dissensorientierter Handlungen scheinen sowohl den Muttersprachlern als auch den Nicht-Muttersprachlern zur Verfügung zu stehen. Die vorliegende Analyse beruht auf drei Auszügen mit zwei unterschiedlichen Muttersprachlern und einem einzigen Nicht-Muttersprachler. Insofern kann diese Untersuchung keinen Anspruch auf Verallgemeinerbarkeit erheben. Es lässt sich jedoch deutlich die alternierende Struktur von konsens- und dissensorientierten Aktivitäten in diesen Sequenzen aufzeigen, zu deren Rezeption und Produktion eine genaue Orientierung der Gesprächsteilnehmer aneinander vonnöten ist. Über diese interaktive Kompetenz scheinen die Gesprächsteilnehmer unabhängig von ihrer sprachlichen Kompetenz zu verfügen. Mittels der detaillierten Beschreibung der interaktiven Mittel, die zur Realisierung einer solchen Sequenz nötig sind, ist somit eine Voraussetzung geschaffen, um mithilfe weiterer Untersuchungen zu verallgemeinerbaren Aussagen über die Verbindung von interaktiver und fremdsprachlicher Kompetenz in kollaborativen Turnsequenzen zu kommen.
5.6.3.
Exkurs: Die Verteilung der Sprecher auf die einzelnen Positionen einer kollaborativen Turnsequenz unter Berücksichtigung des Aspektes der Mutterbzw. Fremdsprachlichkeit
Der folgende Abschnitt versteht sich als ein Versuch, Grenzen und Möglichkeiten der Einbeziehung quantitativer Untersuchungen in eine qualitative Studie aufzuzeigen. Hierbei soll das Gewicht darauf liegen zu untersuchen, inwieweit mithilfe einer quantitativen Vorgehensweise Fragestellungen für weitere qualitative Studien aufgeworfen werden können. Aufgrund des begrenzten Datenmaterials sollen nachweisbare Unterschiede im kommunikativen Verhalten der Gesprächsteilnehmer nicht als statistisch signifikant gedeutet weiden (s. Kap. 2.1.2., Heritage 1995, Schegloff 1993). Doch sie könnten eine Anregung zu weiteren qualitativen Studien sein. In diesem Zusammenhang erscheint es relevant darauf hinzuweisen, dass der Aspekt der Mutter- bzw. Fremdsprachlichkeit ein Aspekt unter vielen anderen ist, der hier zur Differenzierung der unterschiedlichen Aktivitäten gewählt wird. Die Wahl dieses Aspektes bedeutet nicht, dass dieser Aspekt als der die Kommunikationssituation entscheidend prägende angesehen wird. Bei einer quantitativen Auswertung der unterschiedlichen Positionen einer kollaborativen Turnsequenz in Bezug auf die Verteilung der Sprecher auf die einzelnen Turns wurde deutlich, dass sich in Hinblick auf den Aspekt der Mutter- bzw. Fremdsprachlichkeit der Gesprächsteilnehmer Unterschiede aufzeigen lassen. Wie in Kapitel 5.4.1. aufgezeigt wurde, können mögliche Reaktionen auf eine kollaborative Turnbeendigung entweder aus einer expliziten oder impliziten Anerkennung der antizipatorischen Turnbeendigung bestehen oder aber aus einer expliziten oder impliziten Ablehnung derselben. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung eine implizite Form der Dissensmarkierung darstellt. Betrachtet man die Verteilung der Reaktionen auf eine kollaborative Turnbeendigung lässt sich feststellen, dass eine Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung häufig vorkommt. In den vorliegenden Daten geschieht dies in 43 der 56 möglichen Fälle. In den verbleibenden 13 Fällen
124 findet in 12 Fällen eine explizite oder implizite Markierung von Konsens statt, nur in einem Fall wird die antizipatorische Turnbeendigung explizit abgewiesen. Das heißt, dass Konsens vorzugsweise direkt markiert wird, während es eine Präferenz für eine indirekte Markierung von Dissens zu geben scheint. Berücksichtigt man die Mutter- bzw. Fremdsprachlichkeit der Sprecher, so lässt sich folgende Verteilung nachweisen. Die Sammlung besteht hier aus 52 Fällen, da die 4 Fälle, in denen ausschließlich Dänen miteinander kommunizieren, nicht berücksichtigt werden. Hinsichtlich der Initiierung der kollaborativen Turnbeendigung ist festzuhalten, dass in 14 Fällen ein Muttersprachler die präliminär nicht beendete Turnkonstruktionseinheit produziert, in 38 Fällen ist es ein Fremdsprachler. Hiermit wird dokumentiert, dass wenn ein Fremdsprachler Probleme mit der Fertigstellung seines Turns markiert, dies häufiger zur Initiierung einer kollaborativen Turnsequenz führt als im Falle eines Muttersprachlers. Hier könnten Aspekte fremdsprachlicher Kompetenz eine Rolle zu spielen. Interessant erscheint nun ein Blick darauf, wie die Mutter- bzw. Fremdsprachler auf die antizipatorische Turnbeendigung reagieren. Während in der Hälfte der Fälle der Muttersprachler die antizipatorische Turnbeendigung ignoriert, konstruiert er in der anderen Hälfte der Fälle eine Reaktion auf dieselbe (8 Ignorierung / 6 Reaktion). Im Falle eines Fremdsprachlers sieht die Verteilung anders aus. Hier findet eine Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung viermal häufiger statt als eine Reaktion auf dieselbe (31 Ignorierung / 7 Reaktion). Es ist demnach zum einen zu konstatieren, dass mehr als doppelt so häufig ein Fremdsprachler Probleme mit der Fertigstellung einer Turnkonstruktionseinheit markiert, was zur Einleitung einer kollaborativen Turnsequenz führt. Dies erscheint insofern nicht als überraschend, da die Produktion eines Turns durch einen Fremdsprachler oft Verzögerungszeichen enthält. Zum anderen lässt sich festhalten, dass bei den Fremdsprachlern eine deutlich höhere Anzahl von Ignorierungen der antizipatorischen Turnbeendigungen zu verzeichnen ist als bei den Muttersprachlern. Nur in wenigen Fällen zeigen die Fremdsprachler den anderen Gesprächsteilnehmern mittels einer expliziten Reaktion, dass sie die antizipatorische Turnbeendigung zur Kenntnis genommen haben. Dies kann als ein Anzeichen dafür gedeutet werden, dass Fremdsprachlern die Fertigkeit fehlen kann, den in Gestalt einer antizipatorischen Turnbeendigung gemachten Vorschlag eines anderen Gesprächteilnehmers in die eigenen verbalen Handlungen einzubauen. Dies kann auf ein Fehlen der interaktiven Fertigkeit hindeuten, die eigenen Handlungen an denen der anderen auszurichten. In diesem Fall könnte der Aspekt der fremdsprachlichen Kompetenz in Verbindung mit einem Mangel an interaktiver Kompetenz Ursache für das unterschiedliche Verhalten von Mutter- und Fremdsprachlern bei der Durchführung dieser Handlung sein. Die obigen Überlegungen verstehen sich als eine mögliche Auswertung der quantitativen Untersuchung. Andere Auslegungen wären mit Sicherheit möglich. Es sollte hiermit aufgezeigt werden, wie durch quantitative Untersuchungen bestimmte Fragestellungen aufgeworfen werden können, die mithilfe qualitativer Studien zu verifizieren sind. Eine solche Vorgehensweise ist nicht in jedem Fall hilfreich oder überhaupt durchführbar, da hier Faktoren wie das Setting sowie die Eingrenzbarkeit des Phänomens in Relation zu dem Untersuchungsgegenstand eine entscheidende Rolle spielen. Doch in Fällen, die jeweils im Einzelnen zu prüfen sind, könnte eine derartige Vorgehensweise der Hypothesenbildung dienen, die anhand qualitativer Untersuchungen näher zu überprüfen wäre.
125 5.7.
Ergebnisse
Folgende Ergebnisse lassen sich festhalten: Es konnte gezeigt werden, dass einer kollaborativen Turnsequenz alternierende Aktivitäten in Bezug auf Konsens- oder Dissensmarkierung zu Grunde liegen. Eine kollaborative Turnbeendigung besteht aus 2 Positionen. An erster Position steht die präliminar nicht beendete Turnkonstruktionseinheit, die eine Turnkonstruktionseinheit darstellt, die prosodisch und syntaktisch nicht abgeschlossen ist. An zweiter Position schließt sich die antizipatorische Turnbeendigung an, in der die präliminär nicht beendete Turnkonstruktionseinheit des vorherigen Sprechers durch einen anderen Sprecher erkennbar zu Ende geführt wird. Einer präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit kann an sich keine Markierung von Dissens oder Konsens zugewiesen werden. Die Funktion dieser Aktivität liegt in dem Zeigen von Problemen bei der Fertigstellung einer begonnenen Einheit. Markierungen von Konsens oder Dissens können in diesen Einheiten auftreten, sind aber nicht konstitutiv an diese gebunden. Hier besteht ein Unterschied zur antizipatorischen Turnbeendigung. Das ihr zu Grunde liegende Turndesign weist Züge einer konsensorientierten Handlung auf. Der Turn ist interaktiv unmarkiert, was ihm ein präferiertes Turndesign gibt. Die Feststellung, dass im Anschluss an eine kollaborative Turnbeendigung eine responsive nächste Handlung relevant wird, die in der Markierung von Ablehnung der oder Zustimmung zur antizipatorischen Turnbeendigung zu sehen ist (Lerner 1996b), konnte differenziert werden. Es wurde nachgewiesen, dass neben der expliziten Bewertung der antizipatorischen Turnbeendigung durch den Sprecher der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit die nächste Handlung auch aus der Ignorierung der antizipatorischen Turnbeendigung bestehen kann. Diese Handlung wird von demselben Sprecher durchgeführt, der die präliminär nicht beendete Turnkonstruktionseinheit produziert. Unter der Ignorierung einer antizipatorischen Turnbeendigung ist zu verstehen, dass an einer Position, an der die explizite Bewertung der direkt vorausgegangenen Aktivität eines anderen Sprechers die relevante nächste Handlung wäre, diese unterlassen wird. In einem solchen Turn findet somit das Zeigen von Nicht-Orientierung am vorhergehenden Turn statt. Das Mittel, das zur Markierung der Nicht-Orientierung angewendet wird, ist ein sequenzielles. Es besteht aus der Konstruktion einer finalen Turnbeendigung. Diese stellt eine Fortsetzung der Turnkonstruktionseinheit dar, die im vorhergehenden Turn desselben Sprechers begonnen, jedoch nicht beendet wurde. In diesem Tum wird diese Turnkonstruktionseinheit durch denselben Sprecher, der sie initiiert hat, zu Ende geführt. Es gibt unterschiedliche Grade der Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung. Die finale Turnbeendigung kann verschiedene Formen von Reparaturen in Form von Wiederholungen, Reformulierungen und Restarts aufweisen, die als ein Zeichen einer impliziten Orientierung an der antizipatorischen Turnbeendigung angesehen werden können. Hinsichtlich der Markierung von Dissens sind bei der interaktiven Handlung der Konstruktion einer Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung zwei unterschiedliche Ebenen festzustellen. Zum einen ist strukturell gesehen von einer Markierung von Dissens zu sprechen, da der Ignorierung einer antizipatorischen Turnbeendigung das Unterlassen einer sequenziell relevanten nächsten Handlung zu Grunde liegt. Die Nicht-Orientierung an der antizipatorischen Turnbeendigung stellt einen Verstoß gegen die Regel der Orientierung am adjazent platzierten vorhergehenden Turn dar. Zum anderen bieten sich dem Produzenten der
126 finalen Turnbeendigung mittels des Inhalts weitere Möglichkeiten zur Konsens- oder Dissensmarkierung. Dies ist abhängig vom Grad der Übereinstimmung der finalen mit der antizipatorischen Turnbeendigung. In den Fällen, in denen die finale Turnbeendigung ein gleiches Verstehen der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit aufweist wie die antizipatorische Turnbeendigung, kann eine inhaltliche Markierung von Konsens vorliegen. In den Fällen, in denen die finale Turnbeendigung ein anderes Verstehen der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit aufweist als die antizipatorische Turnbeendigung, kann eine Markierung von Dissens vorliegen. Somit kann der Markierung von Dissens, die der Ignorierung einer antizipatorischen Turnbeendigung strukturell zu Grunde liegt, auf inhaltlicher Ebene entweder eine konsensorientierte Handlung oder aber eine weitere dissensorientierte zur Seite gestellt werden. Hierdurch ist eine gradweise Nuancierung der sequenziellen Markierung von Dissens möglich. Es konnte nachgewiesen werden, dass dieses Zusammenwirken Auswirkung auf die folgende interaktiv relevante Handlung hat. Im Falle einer strukturellen und/oder expliziten inhaltlichen Markierung von Zustimmung oder Ablehnung durch den Sprecher der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit kann die Sequenz mit der Aktivität an dritter Position als abgeschlossen gelten. Im Falle des Unterlassens der expliziten Bewertung der antizipatorischen Turnbeendigung kann eine folgende Handlung an vierter Position der Sequenz sequenziell relevant werden. Sie besteht in der Markierung von Zustimmung durch den Produzenten der antizipatorischen Turnbeendigung. Es wurde ferner deutlich, dass einer kollaborativen Turnsequenz ein engverwobenes System lokalinitiierter konsens- und dissensorientierter Aktivitäten zu Grunde liegt. Bei dem Vergleich von Sequenzen, die von Muttersprachlern konstruiert wurden, mit solchen, die von Nicht-Muttersprachlern konstruiert wurden, konnten mittels einer qualitativen Vorgehensweise keine Unterschiede aufgezeigt werden, die darauf hinweisen, dass eine geringere fremdsprachliche Kompetenz eine Orientierung der Gesprächsteilnehmer an den interaktiven Handlungen erschweren oder verhindern würde. Dies stellt eine unmittelbare Kopplung fremdsprachlicher Kompetenz an interaktive Kompetenz in Frage. Anhand einer exemplarischen quantitativen Analyse konnten jedoch Unterschiede hinsichtlich der Verteilung der Sprecher auf bestimmte Positionen innerhalb einer kollaborativen Tumsequenz in Abhängigkeit vom Aspekt der Mutter- bzw. Fremdsprachlichkeit der Interaktanten nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse deuten auf eine mögliche Verbindung von fremdsprachlicher und interaktiver Kompetenz hin. Auswirkungen dieser Überlegungen für die interkulturelle Kommunikation werden in Kapitel 9 diskutiert. Die vorliegenden Ergebnisse weisen darauf hin, dass eine einfache Zuweisung einzelner, lokal initiierter interaktiver Handlungen in konsens- oder dissensorientiert nicht immer möglich ist. Es wurde deutlich, wie sequenzielle, strukturelle und inhaltliche Aspekte bei der Konstruktion von Dissens zusammenspielen. Es bedarf in jedem Fall einer detaillierten Analyse, um die den einzelnen Turns zu Grunde liegenden Aktivitäten genau zu beschreiben. Erst hierdurch lässt sich die interaktive Geordnetheit dieser Handlungen aufzeigen, an deren Regeln sich die Interaktanten orientieren, an denen sie ihre Handlungen ausrichten und vor deren Hintergrund sie den Handlungen Bedeutung zuweisen. Zahlreiche Fragen konnten im Rahmen dieser Untersuchung nur am Rande aufgeworfen werden und mussten unbeantwortet bleiben. Offen geblieben sind beispielsweise Fragen zur
127 Reparaturenorganisation innerhalb kollaborativer Turnsequenzen. Weitere Studien in diesem Bereich könnten zusätzliche Erkenntnisse ermöglichen über die Orientierung der Gesprächsteilnehmer am Präferenzsystem in Konversation. Ein im Rahmen dieser Untersuchung angeschnittener, aber nicht erschöpfend behandelter Aspekt ist ferner der der Sprecherverteilung innerhalb kollaborativer Sequenzen. Insbesondere in Mehrparteiengesprächen scheint der Aspekt der Sprecherwahl eine entscheidende Rolle in der Organisation der Interaktion zu spielen. Kollaborative Turnsequenzen könnten hierein relevantes interaktives Mittel zur Steuerung der Sprecherwahl darstellen. Ferner wären weiterführende Studien wünschenswert, die ausgehend von der vorliegenden Beschreibung des Aufbaus kollaborativer Turnsequenzen die Frage nach interaktiver Kompetenz in Abhängigkeit von fremdsprachlicher Kompetenz näher beleuchten. Hier können die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung gewonnenen Ergebnisse einen Weg andeuten, der weiter verfolgt werden könnte. Eine mikroanalytische Vorgehensweise stellt die Voraussetzung für ein besseres Verständnis dessen dar, was unter interaktiver Kompetenz zu verstehen ist. Aufschlussreich wären in diesem Zusammenhang beispielsweise Untersuchungen zu Unterschieden in der Gestaltung der antizipatorischen Turnbeendigung in Verbindung mit dem Zeitpunkt des Einsetzens der finalen Turnbeendigung. Diese Aktivität verlangt genaueste Orientierung an der vorhergehenden Handlung, und Untersuchungen hierzu könnten dazu beitragen, den Bereich interaktiver Kompetenz genauer zu beleuchten. Letztlich wären weiterführende Studien wünschenswert hinsichtlich der Struktur von Turns, die den grundlegenden Zug der Ignorierung einer antizipatorischen Turnbeendigung, nämlich das Zeigen von Nicht-Orientierung an dem vorhergehenden Turn, aufweisen. Hiermit könnte untersucht werden, inwieweit dies eine grundlegende Praktik in der interaktiven Konstruktion von Dissens ist. Gleichzeitig könnte es das Wissen darüber erweitern, welche interaktiven Praktiken den Gesprächsteilnehmern zur Verfügung stehen, um lokal auf die Konstruktion von Dissens zu reagieren.
6. Zur interaktiven Konstruktion von Dissens auf aktivischer Ebene: Das Unterlassen von Kopartizipation in Sequenzen mit stereotypen Wendungen
Im ersten Kapitel wurde anhand des Lexems bloß gezeigt, wie mithilfe eines bestimmten Lexems Dissens markiert werden kann, an dem sich die Gesprächsteilnehmer regelgerecht wechselseitig orientieren. Im zweiten Kapitel konnte gezeigt werden, dass den Gesprächsteilnehmern auch sequenzielle Mittel zur Verfügung stehen, um Dissens zu markieren. Gezeigt wurde dies am Beispiel der Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung. Den beiden unterschiedlichen Formen interaktiver Konstruktion von Dissens, die in den vorausgegangenen Kapiteln aufgezeigt wurden, wird im folgenden Kapitel eine dritte zur Seite gestellt. Hier ist die Markierung von Dissens weder an ein bestimmtes Lexem noch an einen bestimmen sequenziellen Verlauf gebunden, sondern an eine bestimmte interaktive Handlung. Diese Handlung wird in den vorliegenden Auszügen durch die Verwendung von Stereotypen sequenziell relevant gemacht und besteht aus dem Zeigen von Kopartizipation. Das Zeigen von Kopartizipation bedeutet demnach das Durchführen einer Handlung, die durch die Aktivität eines anderen Sprechers sequenziell relevant gemacht worden ist. Im Durchführen einer sequenziell relevanten Handlung ist eine konsensorientierte Handlung zu sehen. In den zu analysierenden Sequenzen lassen sich dissensorientierte Handlungen nachweisen, da hier die sequenziell relevante Handlung, die aus dem Zeigen von Kopartizipation besteht, unterlassen wird.
6.1.
Untersuchungsgegenstand und zentrale Fragestellungen
Bei der Beschäftigung mit den Daten fällt auf, dass die Gesprächsteilnehmer häufig nationale Stereotype verwenden. Dies erscheint unter Berücksichtigung des interkulturellen Charakters der Daten nicht verwunderlich. In der Annahme, dass solche Sequenzen sicherlich der Markierung von Dissens dienen, indem der anderen Nation hierdurch pauschalisierend eine bestimmte Verhaltensweise zugeschrieben werden kann, wurde eine Sammlung dieses Phänomens angelegt. Doch entgegen der ursprünglichen Hypothese zeigt sich bei genauerer Betrachtung der Aktivitäten, die in Verbindung mit nationalen Stereotypen durchgeführt werden, dass hiermit keine Markierung von Dissens einhergeht. Stattdessen scheint mit ihrer Hilfe eine neue Sequenz eingeleitet zu werden, an der die anderen Gesprächsteilnehmer auf die ein oder andere Weise Teilnahme markieren. Eine Markierung von Dissens lässt sich in diesen Sequenzen in den Fällen aufzeigen, in denen die Gesprächsteilnehmer eine Teilnahme an der Sequenz, die mittels eines nationalen Stereotyps eingeleitet wird, unterlassen. Dieser sequenzielle Ablauf scheint unter Berücksichtigung unterschiedlicher Studien zur Funktion von Stereotypen als ein bemerkenswertes Phänomen, das bislang in der Forschung nicht beschrieben worden ist.
129 Generell ist vorauszuschicken, dass Stereotypen in mündlicher Interaktion und insbesondere in interkultureller Kommunikation unterschiedliche Funktionen zugeschrieben werden (s. Kap. 6.2.)· Sacks führt in einer Vorlesung im Frühjahr 1967 zur Funktion von Stereotypen aus: You read in the paper 'In the last year and a half 26 Negroes were killed in the South, in unsolved murders.' Now people who don't like a statement of that form, in that it can be used to enforce prejudice, etc., have got to consider that if you remove 'stereotypes' what you lose is how to classify those 26 murders. There were, say, 124 murders in the South, and we're dealing here with 26 murders that nobody knows who did. If nobody knows who did them, then nobody knows why they were done. Then the question of how to classify them becomes systematically impossible to handle, ... Now the idea that it was the murder of a 'Negro' already sets up how it is you're going to go about finding who did it. (Sacks 1992:1:577)
Sacks weist hier auf die Möglichkeit hin, mithilfe von Stereotypen bestimmte Sachverhalte systematisch zu klassifizieren. In dem von ihm zur Illustration herangezogenen Beispiel geht es um die Formulierung, dass 26 Schwarze ermordet wurden. 'Schwarze' ist eine generalisierende Klassifizierung derjenigen Personen, die ermordet wurden. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist, ob die Tatsache, dass die Ermordeten Schwarze waren, ursächlich etwas mit den Morden zu tun hat. Ebenso gut hätten andere Aspekte als Charakterisierung der Ermordeten ausgewählt werden können, wie beispielsweise dass sie eines bestimmen Geschlechts sind oder einer bestimmten Alters-, Sozial- oder Berufsgruppe angehören. Indem hier jedoch der Aspekt der ethnischen Zugehörigkeit herausgestellt wird, wird eine Wahl getroffen. Diese Wahl führt dazu, dass insofern eine Erklärung für die Morde gegeben wird, als eine Verbindung zwischen den Morden und der Tatsache, dass die Ermordeten Schwarze waren, hergestellt wird. Nach Sacks dienen demnach Stereotype dazu, Hilfestellung zur Klassifizierung und damit auch zum Verstehen von Bedeutungen zu geben. Dies ist eine Feststellung, die nicht mit dem Großteil der Forschung zu Stereotypen einhergeht. Insbesondere in Forschung im Bereich interkultureller Kommunikation wurden Stereotype über Jahre hinweg als Indikatoren und teilweise auch als potenzielle Verursacher von Problemen in interkulturellen Kommunikationssituationen angesehen. Folglich wurde der Abbau von Stereotypen als ein wesentliches Anliegen der Forschung im Bereich interkultureller Kommunikation angesehen. Unter dem Stichwort der Sensibilisierung gegenüber und dem Abbau der Angst vor dem Fremden (Krusche 1983) wurden Studien (Müller 1991) angefertigt sowie Lehrwerke (Bachmann et al. 1995) und Trainingsprogramme (Andersen 1997) ausgearbeitet, deren vorrangiges Ziel es war, die Lernenden gegenüber bestimmten, vermeintlich kulturell bedingten Unterschieden zwischen der eigenen Kultur und einer Zielkultur zu sensibilisieren. Stereotype wurde demnach in interkulturellen Kommunikationssituationen zu Verursachern von Problemen 'stereotypisiert', die es abzuschaffen galt. In den vergangenen Jahren hat sich einhergehend mit einer veränderten Sicht auf das Forschungsfeld 'mündliche Interaktion' auch die Bewertung der Funktion von Stereotypen in mündlicher Interaktion verändert (s. Kap. 6.2.). Statt Stereotype als 'gefährliche' Vereinfachungen komplizierter Sachverhalte zu betrachten und damit auf die inhaltliche Seite der Stereotype zu fokussieren, rückte ihre kommunikative Funktion in den Vordergrund. In zahlreichen Studien konnte so nachgewiesen werden, dass Stereotype unterschiedliche Funktionen erfüllen können, die für den Verlauf einer Konversation von entscheidender Bedeutung sind (Heinemann 1998a). Gerade in interkulturellen Zusammenhängen wurde hier-
130 bei deutlich, dass der Einsatz von Äußerungen mit stereotyper Prägung zur Ab-, Aus- oder auch Eingrenzung der teilnehmenden Gesprächspartner verwendet werden kann (Quasthoff 1995). Auch in der vorliegenden Untersuchung liegt das Hauptaugenmerk auf der kommunikativen Funktion von Stereotypen. Bei der Beschäftigung mit den Daten fiel die häufige Verwendung nationaler Stereotype auf, die sich nahezu durchgängig auf eine Nation bezogen, der einer oder mehrere der Gesprächsteilnehmer angehörten. Da mit der Verwendung von Stereotypen eine vereinfachende Darstellung eines bestimmten Sachverhalts verbunden ist, haben sie das Potential, Uneinigkeit hervorzurufen. Folglich hätte man in den vorliegenden Belegen eine Diskussion über die Inhalte dieser Stereotype erwarten können. Doch in den Belegen findet keine Markierung von Dissens in Hinblick auf die Richtigkeit oder Nicht-Richtigkeit der verwendeten stereotypen Darstellungen statt. Auf inhaltlicher Ebene ist somit kein Dissens festzustellen. Eine Markierung von Dissens liegt hingegen auf aktivischer Ebene vor. Sie ist mit der Handlung verbunden, die durch eine Verwendung von Stereotypen sequenziell relevant gemacht werden kann. Stereotype scheinen kopartizipatorische Handlungen der anderen Gesprächsteilnehmer sequenziell relevant machen zu können. Doch in vielen der vorliegenden Daten wird das Zeigen von Kopartizipation unterlassen. In dieser Handlung, also dem Zeigen von Nicht-Kopartizipation, ist somit eine dissensorientierte Handlung zu sehen. Die Beschreibung der interaktiven Techniken, die zur Durchführung dieser Handlung angewendet werden, steht im Zentrum der folgenden Untersuchung. Kopartizipation ist ein Begriff, der im Folgenden in Anlehnung an Sacks' Verwendung des Begriffs'co-participant'benutzt wird (Sacks 1992:11:269-281; 291-302). Ein 'co-participant' ist eine Person, die Handlungen vollführt, die durch den vorhergehenden Sprecher sequenziell relevant gemacht worden sind. Der Sprecher, der die kopartizipatorische Handlung vollführt, zeigt mit dem Inhalt und dem Design seines Turns eine Orientierung und Ausrichtung an der vorhergehenden Handlung. Eine solche Handlung ist als konsensmarkierend zu betrachten. Auch bei dem im Kap. 4 verwendeten Begriff der Kooperation werden Handlungen vollführt, die eine Orientierung und Ausrichtung an der vorhergehenden Handlung zeigen. Die Abgrenzung vom Begriff der Kopartizipation zu dem der Kooperation besteht im Rahmen dieser Untersuchung darin, dass einer kooperativen Handlung nicht notwendigerweise die Schaffung von sequenzieller Relevanz zur Vollführung dieser Handlung zu Grunde liegt. Bei einer kooperativen Handlung hat der nächste Sprecher die freie Wahl, ob er eine solche Handlung vollführt oder nicht. Vollführt er eine andere als die kooperative Handlung, bedarf dies keiner besonderen interaktiven Arbeit. Bei einer kopartizipatorischen Handlung jedoch hat der Sprecher nicht die freie Wahl, ob er diese Handlung durchführt oder nicht. Das Durchführen dieser Handlung, die durch den vorherigen Sprecher sequenziell relevant gemacht worden ist, bedarf keiner weiteren interaktiven Markierung. Wird diese Handlung jedoch nicht durchgeführt, ist sie erkennbar abwesend. Die Durchführung einer anderen Handlung bedarf dann einer Rechtfertigung, d.h. besonderer interaktiver Arbeit. Das Zeigen von Kopartizipation sowie das Unterlassen desselben sollen kurz an zwei Auszügen veranschaulicht werden. Auffällig an den gefundenen Belegen ist die Art und Weise, wie die anderen Gesprächsteilnehmer auf die Stereotypisierung reagieren. In einigen
131 Fällen wird die Stereotypisierung durch die anderen Gesprächsteilnehmer angenommen, teilweise auch weitergeführt oder ausgebaut. Die Gesprächsteilnehmer zeigen einander somit Kopartizipation. Zur Illustration dieses Phänomens dient der folgende Auszug. In allen folgenden Auszügen stehen D und DK als Sprecherabkürzungen für die jeweilige Nationalität der Sprecher. Auszug (Al vereinfacht) 12 Di: also IHR SEID DOCH D I E PERFEKTEREN D E U T S C H N 13—» DKi : =so:n rieh-, Ja: sind wir nämlich. =das 14 isses ja Íebhhn.hahaHAhe das is ja unser]= [((lächelt)) 15 Di: ]= DKi : =faeheimnis. 1 16 17 Di: =[((lächelt))] •hh h a he he he. 18 Di: 19 (1) In obigem Auszug produziert der deutsche Sprecher D j in Zeile 12 einen Turn, in dem ein nationales Stereotyp verwendet wird DIE PERFEKTEREN DEUTSCHN. Hierin ist insofern eine stereotype Wendung zu sehen, als ein bestimmtes Merkmal Perfektionismus einer bestimmten Gruppe die Deutschen ausgewählt und als für diese Gruppe bezeichnend herausgestellt wird (s. Kap. 6.2.). Der dänische Sprecher DK] beginnt im Anschluss an die stereotype Wendung seinen Turn, bricht ihn jedoch ab, und beginnt einen Restart, indem er auf das zuvor Geäußerte Stereotyp Bezug nimmt Ja sind wir nämlich. In anderen Fällen jedoch liegt kein derart eindeutiges Zeigen von Kopartizipation vor. In unten stehendem Auszug wird deutlich, wie hier das Zeigen von Kopartizipation unterlassen wird. Auszug (A2a vereinfacht) 13 Di: m a n könnte das (.) also (.) was 14 wir >irgenwie n o c h n i c h h a t t n is< 15 w a r u m (0.3) also w i r d e u t s c h η 16 (0.2) wir schle(h)swigholsteiner m e i n e n ja 17 (.) ih(h)r ha(h)bt an(h)gst vo(h)r d e ( h ) n 18 deu(h)tschn. 19-> (.) 20 Di: -hh das ig. ja aber n i c h so. 21 DKi: °nein.° Nach der Initiierung einer stereotypen Beschreibung der Deutschen und der Dänen von Zeile 13 bis 18 übernimmt in Zeile 19 niemand den Turn. Ohne dass einer der anderen Gesprächsteilnehmer Kopartizipation zeigt, setzt Sprecher D] seinen Turn fort, ohne weiter auf das verwendete Stereotyp einzugehen. Erst im Anschluss an diesen Turn übernimmt in Zeile 21 einer der dänischen Gesprächsteilnehmer den Turn. In Zusammenhang mit dem Auffinden mehrerer vergleichbarer Belege stellte sich die Frage, welche Funktion Sequenzen mit stereotypen Wendungen in einem interkulturellen Setting
132 haben können und ob sich eine Regelmäßigkeit im Hinblick auf den Aufbau dieser Sequenzen sowie im Hinblick auf die Orientierung der Gesprächsteilnehmer an diesen Sequenzen nachweisen lässt. Die Annahme, die der folgenden Analyse zu Grunde liegt, ist, dass durch die Verwendung von Stereotypen die Möglichkeit zur Etablierung einer Nebensequenz geschaffen werden kann. Dies geschieht, indem mittels einer stereotypen Wendung ein Time Out eingeleitet wird (Jefferson 1972:314). Time Outs sind Turns, die derart designt sind, dass sie den Gesprächsteilnehmern erkennbar machen, dass eine aktuell vor sich gehende Aktivität unterbrochen wird und an ihre Stelle eine Aktivität tritt, die zum Ausbau der vorhergegangenen Aktivität nicht weiter beiträgt. Im Anschluss an ein Time Out besteht die Möglichkeit, wieder an die vorherige Aktivität anzuknüpfen oder aber eine neue Aktivität einzuleiten. Eine Handlung, die durch ein mithilfe von Stereotypen eingeleitetes Time Out sequenziell relevant wird, ist das Zeigen von Kopartizipation. Die Durchführung einer kopartizipatorischen Handlung ist, wie ebenfalls zu zeigen sein wird, eine konsensorientierte Handlung. In einem solchen sequenziellen Kontext eine dissensorientierte Handlung zu vollführen, verlangt interaktive Arbeit der Gesprächsteilnehmer. Ziel der Analyse ist es daher aufzuzeigen, mithilfe welcher Techniken dissensorientierte Handlungen in einem derartigen konsensrelevanten, sequenziellen Kontext durchgeführt werden können. Da die dissensorientierte Handlung in diesen Sequenzen aus dem Unterlassen einer Handlung, nämlich dem Unterlassen von Kopartizipation, besteht, ist es notwendig in einem ersten Schritt zu zeigen, wie diese Handlung aussieht, wenn sie vollführt wird. In einem zweiten Schritt kann dann aufgezeigt werden, worin das Unterlassen dieser Handlung besteht. Zunächst wird daher in der Analyse gezeigt werden, wie sequenzielle Relevanz von Kopartizipation mithilfe nationaler Stereotype geschaffen wird. Anschließend wird nachgewiesen werden, welche Möglichkeiten den Gesprächspartnern zur Verfügung stehen, andere Handlungen zu vollziehen als die sequenziell relevante, die im Zeigen von Kopartizipation besteht. Das damit verbundene Zeigen von Nicht-Kopartizipation ist als Markierung von Dissens zu werten.
6.2.
Stereotype: terminologische und methodische Überlegungen
Ebenso wie das Forschungsfeld interkulturelle Kommunikation ist das Forschungsfeld zu Stereotypen ein interdisziplinäres und Studien im Bereich von Stereotypen sind in unterschiedlichen Forschungsgebieten angesiedelt, wie beispielsweise der Psychologie, der Soziologie, den Kulturwissenschaften, der Anthropologie, der Ethnologie, den Kommunikationswissenschaften und nicht zuletzt der Linguistik. Es ist im Rahmen dieser Teilstudie nicht zu leisten, einen erschöpfenden Überblick über die Vielzahl der unterschiedlichen Forschungsansätze und ihrer Resultate zu geben.1 Stattdessen wird auf zwei Studien näher eingegangen, die zum einen für die Stereotypenforschung von entscheidender Bedeutung sind, da sie einen Weg dafür gebahnt haben, den Stellenwert der Stereotype in der Forschung zu differenzieren, indem die kommunikative Funktion von Stereotypen in den Vordergrund 1
Zu Stereotypbegriffen aus linguistischer Sicht: Klein 1998.
133 gerückt wurde. Zum anderen sind dies zwei Studien, deren Ansätze für die Problemstellung der vorliegenden Untersuchung von Bedeutung sind. Ein Beitrag zur Stereotypenforschung von grundlegender Bedeutung ist in der Untersuchung von Quasthoff aus dem Jahre 1973 zu sehen (Quasthoff 1973). Es ist ihr Verdienst, eine erste differenzierte Studie zum Aufbau und zur Verwendung von Stereotypen im Gespräch erarbeitet zu haben. Ausgehend von einer umfassenden Beschreibung soziologischer, psychologischer und kultureller Ansätze zur Stereotypenforschung wird hier erstmals das Phänomen des Stereotyps aus linguistischer Sicht einer umfassenden Untersuchung unterzogen. Der Untersuchung liegt ein empirischer Teil zu Grunde, dessen Daten aus inszenierten Gesprächssituationen stammen. Hierin ist ein entscheidender Unterschied zu den Daten zu sehen, die der vorliegenden Untersuchung zu Grunde liegen, da diese aus authentischen Gesprächssituationen stammen. Bei der durch Quasthoff vorgenommenen Analyse des Datenmaterials muss ferner angemerkt werden, dass die ein Stereotyp enthaltene Äußerung aus ihrem sequenziellen Kontext isoliert wird. Damit wird der entscheidende Aspekt da' Verankerung der einzelnen Äußerungen in ihren sequenziellen Kontext vernachlässigt. Der interaktive Aspekt der Handlung, die einer stereotypen Wendung zu Grunde liegt, findet somit kaum Beachtung. Folgende Definition stellt Quasthoff für das Stereotyp auf: Ein Stereotyp ist der verbale Ausdruck einer auf soziale Gruppen oder einzelne Personen als deren Mitglieder gerichteten Überzeugung. Es hat die logische Form eines Urteils, das in ungerechtfertigt vereinfachender und generalisierbarer Weise, mit emotional-wertender Tendenz, einer Klasse von Personen bestimmte Eigenschaften oder Verhaltensweisen zu- oder abspricht. Linguistisch ist es als Satz beschreibbar. (Quasthoff 1973:28) In ihrer Definition hebt Quasthoff größtenteils die inhaltliche Seite des Stereotyps hervor. Kurz fällt die Beschreibung aus linguistischer Sicht aus. Sowohl die Wahl der Terminologie Satz als auch die hiermit verbundene statische Vorstellung von der Art und Weise, wie ein Stereotyp in Form eines einzelnen Aktes ohne Berücksichtigung des Aspektes der Interaktion produziert wird, zeigen die Begrenzungen ihres Ansatzes. Dennoch bleibt hervorzuheben, dass es ihr Verdienst ist, erstmals Stereotype in mündlicher Interaktion als Gegenstand der Linguistik beschrieben zu haben. Einen weiteren grundlegenden Beitrag zur Stereotypenforschung leistet Bausinger mit seinem Aufsatz 'Stereotypie und Wirklichkeit' (Bausinger 1988), in dem er aus kulturwissenschaftlicher Sicht die Bedeutung von Stereotypen hervorhebt. Er schreibt den Stereotypen drei unterschiedliche Funktionen zu. Zum Ersten spricht er von dem Aspekt der Überverallgemeinerung. Auch wenn mit diesem Begriff von einer zu starken Generalisierung gesprochen wird, hebt er dadurch hervor, dass einer jeden Verallgemeinerung tatsächliche Merkmale zu Grunde liegen. Stereotype besitzen somit einen relativen Wahrheitsgehalt. Zum Zweiten spricht er von der Orientierungsfunktion, die Stereotype im alltäglichen Leben innehaben. In einer Welt, in der man alltäglich einer Vielzahl unterschiedlichster Informationen ausgesetzt ist, helfen sie, das Chaos zu reduzieren, indem sie die Wirklichkeit ordnen. Zum Dritten spricht er von der Identifikationsmöglichkeit, die eine Stereotypisie-
134 rung eröffnen kann. Indem durch sie die Möglichkeit zu neuen Realitätsbezügen geschaffen wird, können Stereotypisierungen eine realitätsstiftende Wirkung besitzen. All diesen drei Punkten ist gemein, dass hiermit der negativen Funktion, die der Verwendung von Stereotypen oft zugeschrieben wird, ihre Relevanz aufgrund ihrer kommunikativen Funktion gegenübergestellt wird. Von Bausingers Ansatz lassen sich Parallelen zu Sacks' Konzept der klassifizierenden Funktion von Stereotypen ziehen (s. Kap. 6.4.). Die Leistung Bausingers sowie die Relevanz seiner Ausführungen für die vorliegende Studie liegen demnach darin begründet, dass er die kommunikative Funktion der Stereotype herausgestellt, ihnen dadurch einen neuen Stellenwert zugemessen und den Forschungsbedarf auf diesem Gebiet verdeutlicht hat. In neueren Studien zur Stereotypenforschung aus linguistischer Sicht lässt sich eine stärkere Berücksichtigung des Aspekts der Interaktion bei der Verwendung von Stereotypen im Gespräch feststellen. Quasthoff selbst fordert in einem Beitrag aus dem Jahre 1998 zu einer Dynamisierung des Stereotypbegriffs auf. Mit Verweis auf ihren eigenen Ansatz aus dem Jahre 1973 als statisch (Quasthoff 1998:48) fordert sie einen prozessualen Ansatz, der der Interaktion gerecht wird. Sie spricht nun von 'Stereotypisierungsprozessen' (1998:48) und lehnt ihren methodischen Zugang an Sacks' Konzept der Kategorisierungen an (1998:48). In ähnlicher Weise verfährt auch Hausendorf (1995:128-131). Dieser Haltungswechsel zeigt sich ebenso in der zunehmenden Einbeziehung authentischer Daten und einer konversationsanalytisch-orientierten Vorgehensweise, wie sie in einem Großteil der Sammelbände zu verzeichnen ist, die in den vergangenen Jahren zu diesem Thema erschienen sind. Unter diesen Bänden sind besonders hervorzuheben Czyzewski et al. (1995a) sowie Heinemann (1998a). In diesen Bänden wird der Fokus vom Aspekt der Kommunikation, der noch bei Quasthoff (1973) im Vordergrund stand, auf den der Interaktion gelegt. Dies führt bei der Analyse zu einer stärkeren Berücksichtigung des prozessualen Charakters sowie der Einbeziehung der interaktiven Aushandlung von Aktivitäten in die Analyse der Kommunikation. Wiederholt wurde im Vorhergehenden darauf hingewiesen, dass verstärkt eine mikroanalytische Vorgehensweise bei der Analyse von Stereotypen im Gespräch festzustellen ist (Czyzewski et al. 1995b:26ff.). Zwei grundlegende Konzepte der ethnomethodologischen Konversationsanalyse erweisen sich in neuerer Forschung zu Stereotypen als zentral. Zum einen ist dies der Bereich der Kategorisierungen, zum anderen der der Kontextualisierung (Hausendorf 1995, Heinemann 1998b, List 1996, Quasthoff 1998, unter besonderer Berücksichtigung des Aspektes der Interkulturalität: Schmitt/Keim 1995). Da beide Konzepte auch für die anstehende Untersuchung von Bedeutung sind, werden diese beiden Konzepte im Folgenden kurz genauer vorgestellt. In Bezug auf die Stereotypenforschung ist der Aspekt der Kategorisierungen insofern relevant, als es enge Berührungen gibt zwischen dem, was Sacks als Kategorisierungen beschreibt, und dem, was in der linguistischen Forschung als Stereotyp bezeichnet wird. Sacks selbst spricht in einer seiner Vorlesungen in Verbindung mit Kategorisierungen von 'stereotypes' (Sacks 1992:1:577; s.a. Kap. 2.1.2.). Er stellt in seinen Ausführungen die Relevanz von Kategorisierungen für eine Vielzahl unterschiedlicher interaktiver Handlungen heraus.
135 Durch seine grundlegenden Studien in diesem Bereich bietet er einen entscheidenden Anknüpfungspunkt für die moderne Stereotypieforschung.2 Kategorisierungen erfüllen eine Vielzahl interaktiver Funktionen. Sie ermöglichen den Gesprächsteilnehmern unter anderem, Aussagen zu machen über eine bestimmte Gruppe, ohne dass hiermit etwas über eine bestimmte Person gesagt wird. Mittels Kategorisierungen wird außerdem eine Vielzahl von nicht relevanten Informationen herausgefiltert, und eine Fokussierung auf einzelne bestimmte Aspekte wird sequenziell relevant gemacht. Kategorisierungen sind darüber hinaus ein interaktives Mittel der Gesprächsteilnehmer, einander Orientierung bei der Vermittlung und Zuweisung von Bedeutung zu einzelnen Handlungen zu ermöglichen. Gleichzeitig sind sie ein Mittel, um den Interaktanten das Verständnis der vorausgegangenen Handlung zu illustrieren. Zusätzlich können Kategorisierungen dazu dienen, Gruppenbildungen zu konstituieren. Kesselheim (1998) hat nachgewiesen, wie Kategorisierungen interaktiv prozessual gestaltet und im Laufe der Interaktion wiederholt verändert werden, um bestimmte Formen der Gruppenzugehörigkeit zu etablieren. Eine zweite Technik, die für die aktuelle Stereotypenforschung zentral ist, ist die der Kontextualisierung (s. Kap. 2.1.2.). Unter Kontextualisierung wird in der Konversationsanalyse das interaktive Relevantmachen von Kontexten durch die Gesprächsteilnehmer selbst verstanden. Sacks/Schegloff/Jefferson (1974:699f.) heben hervor, dass die Organisation des Turn-Taking sowohl 'context-free' als auch 'context-sensitive' ist. Kontext-frei insofern, als keine Kontextinformationen im Vorhinein als relevant für die Interaktion zu isolieren sind, die als ein stabiler Faktor die Interaktion beeinflussen. Kontext-sensitiv wiederum, da das Turn-Taking durch kontextuelle Faktoren beeinflusst werden kann. Diese Beeinflussung geschieht jedoch nicht auf eine aufgrund bestimmter kontextueller Faktoren im Vorhinein festgelegte Art und Weise, sondern wird lokal in der Interaktion selbst zwischen den Gesprächsteilnehmern ausgehandelt und nachvollziehbar gemacht. Dies hat zur Folge, dass authentische Konversation einerseits immer situiert ist in Bezug auf bestimmte kontextuelle Faktoren und andererseits aber nur bestimmte Aspekte dieser Situierung eine Relevanz in Bezug auf die lokale Struktur von Interaktion haben. In der folgenden Analyse werden diese beiden Konzepte der Konversationsanalyse, Kontextualisierung und Kategorisierung, eine zentrale Rolle einnehmen. Das der Untersuchung zu Grunde liegende Konzept von Stereotypen lehnt sich eng an die Positionen an, die in der oben zitierten neueren Forschung vertreten werden. Inhaltlich betrachtet beinhaltet ein Stereotyp eine Zuweisung einer bestimmten Eigenschaft zu einer bestimmten Gruppe bzw. zu einem bestimmten Sachverhalt in Form einer Generalisierung. Stereotype stellen somit eine Kategorisierung dar, die den Gesprächsteilnehmern Orientierungshilfen bietet. Interaktiv betrachtet liegt einem Stereotyp eine prozessuale Konstruktion zu Grunde, an deren Aufbau interaktiv gesehen alle Gesprächsteilnehmer beteiligt sind. Vorweg gilt es anzumerken, dass hinsichtlich des Untersuchungsgegenstandes unterschieden wird zwischen Stereotyp und stereotyper Wendung. Unter Stereotyp wird die konkrete verbale Realisierung einer Verallgemeinerung eines bestimmten Sachverhalts verstanden.
2
Sacks 1992:1:40-48, 175-181, 236-266, 300-305, 333-340, 417-426, 441-442, 568-596.
136 Auszug (Al vereinfacht) 12 Di: also IHR SEID DOCH DIE PERFEKTEREN DEUTSCHN.= In oben stehendem Auszug ist das Stereotyp demnach DIE PERFEKTEREN DEUTSCHN. Unter stereotyper Wendung wird der gesamte Turn bzw. die Turnkonstruktionseinheit verstanden, in dem bzw. in der das Stereotyp positioniert ist. In oben stehendem Auszug ist das demnach der gesamte Turn also IHR SEID DOCH DIE PERFEKTEREN DEUTSCHN. Dieser Unterscheidung liegt die Annahme zu Grunde, dass ein Stereotyp nicht nur aus einer inhaltlichen, verbalen Generalisierung eines bestimmten Sachverhalts oder einer bestimmten Personengruppe besteht, sondern dass die gesamte Turnstruktur zur Gestaltung eines Stereotyps beiträgt. Daher geht es in der folgenden Analyse nicht ausschließlich um die Beschreibung der inhaltlichen Aspekte, die ein Stereotyp ausmachen. Es geht ebenso darum die strukturellen Merkmale aufzuzeigen, die dem gesamten Turn bzw. der entsprechenden Turnkonstruktionseinheit zu Eigen sein müssen, in der ein verbales Stereotyp platziert ist. Erst dieses Zusammenspiel von inhaltlicher und turnstruktureller Ebene macht den anderen Gesprächsteilnehmern die stereotype Wendung als eine solche erkennbar und ermöglicht damit die Initiierung einer bestimmten Aktivität, an der sich die Gesprächsteil nehmer wechselseitig orientieren.
6.3.
Daten
Die in der folgenden Analyse ausgewerteten Daten stammen aus dem eingangs beschriebenen Korpus. Die Analyse basiert auf einer Sammlung von insgesamt 13 Auszügen mit stereotypen Wendungen, die ein Time Out einleiten.3 In 10 Fällen handelt es sich um Auszüge, in denen 2 Dänen und 2 Deutsche auf Deutsch kommunizieren, in 3 Fällen handelt es sich um Auszüge einer Verhandlung, in der drei Dänen auf Dänisch miteinander kommunizieren. Die genauere Berücksichtigung der Art der Daten erscheint bei dieser Analyse von Bedeutung, da die Verwendung nationaler Stereotype in den deutsch-dänischen Verhandlungen nicht nur mit der Nationalität der Gesprächsteilnehmer in Verbindung zu bringen ist. Der Vergleich Deutschland - Dänemark ist außerdem noch ein konstitutives Thema der Verhandlungen selbst, da die Gesprächsteilnehmer darum bemüht sind, Themen über Deutschland und Dänemark für die kommenden Sendungen zu finden. Dies bedeutet, dass die Verwendung nationaler Stereotype in diesem interkulturellen Setting sowohl einen Bezug zu den Gesprächsteilnehmern als auch zum Thema ihrer Verhandlungen herstellt. Insofern besteht hier eine Parallele zu beispielsweise berufsbezogenen Stereotypen, wie man sie sich in einem intrakulturellen Setting vorstellen könnte. Wenn beispielsweise Vertreter zweier Firmen miteinander über unterschiedliche Berufsgruppen innerhalb ihrer Betriebe verhandelten, denen die Gesprächsteilnehmer selbst angehörten, könnten die in diesem Zusammenhang produzierten berufsbezogenen Stereotype eine vergleichbare Beziehung zur Teilneh3
Die 13 Belege befinden sich in 10 unterschiedlichen Auszügen: s. Anhang.
137 mergruppe sowie zum Setting herstellen, wie die im vorliegenden Datenset vorkommenden nationalen Stereotype. Die folgende Analyse versteht sich daher primär als ein Beitrag zur interaktiven Konstruktion von Stereotypen generell und nur sekundär als ein Beitrag zur Verwendung speziell nationaler Stereotype. Vorweg noch eine Anmerkung zu den in den Transkriptionen verwendeten Sprecherabkürzungen. Da die Nationalität der Sprecher für die Analyse in diesem Kapitel von größerer Bedeutung ist als in den beiden vorherigen, wird im Folgenden mithilfe der Abkürzungen D und DK in den Transkriptionen auf die Nationalität der Sprecher Bezug genommen. In den Auszügen aus dem interkulturellen Teil des Korpus sind die Vertreter Deutschlands als Di bzw. D2 und die Vertreter Dänemarks als DKi bzw. DK2 wiedergegeben. In den monokulturellen Gesprächen zwischen drei Dänen werden die Gesprächsteilnehmer als DK2 (identisch mit DK2 in den interkulturellen Verhandlungen) bis DK4 wiedergegeben.
6.4.
Die Konstruktion sequenzieller Relevanz von Kopartizipation durch die Verwendung nationaler Stereotype: Zur Konstruktion von Time Outs
Das Relevant-Machen bestimmter Handlungen als sequenziell folgende Handlungen ist ein grundlegendes Prinzip der strukturellen Ordnung von Konversation. Wie Sacks (1995:II:521ff.) gezeigt hat, liegt eine solche sequenzielle Relevanz beispielsweise adjazent platzierten Paarsequenzen zu Grunde. Einer Frage folgt als sequenziell relevante nächste Handlung regelmäßig eine Antwort, ein Gruß wird mit einem Gruß erwidert, Einladungen folgt eine Ab- oder Zusage. Folgt eine derartige Handlung nicht, ist dies auf die ein oder andere Art interaktiv zu rechtfertigen und erfordert besondere Arbeit. In der folgenden Analyse werden unterschiedliche Praktiken aufgezeigt, wie mittels der Verwendung stereotyper Wendungen Kopartizipität der anderen Gesprächsteilnehmer sequenziell relevant gemacht wird. Den Gesprächsteilnehmern stehen unterschiedliche Mittel zur Verfügung, sich zu dieser sequenziellen Relevanz zu verhalten. Es lassen sich zwei grundlegende Praktiken aufzeigen, die eine gradweise Abstufung von konsens- zu dissensorientiert darstellen. Zum einen können die anderen Gesprächsteilnehmer Kopartizipation schaffen und damit eine konsensorientierte Handlung vollführen. Zum anderen können sie der Kopartizipation entgegenarbeiten, indem sie mittels unterschiedlicher lexikalischer und/oder syntaktischer Mittel die Initiierung der Stereotypensequenz als deplatziert markieren. Diese Handlung ist als deutlich dissensorientiert zu werten. Dies sind zwei extreme Fälle. Die Belege aus dem vorliegenden Korpus deuten jedoch darauf hin, dass diese extremen Fälle in natürlicher Konversation nur selten zu finden sind. Eine Kombination aus konsens- und dissensorientierten Handlungen scheint hingegen häufig zu sein. D.h. Kopartizipation wird zu einem gewissen Grad geleistet, doch anschließend wird markiert, dass die mittels Kopartizipation etablierte Nebensequenz deplatziert war. Mittels stereotyper Wendungen können Time Outs eingeleitet werden. Das sind Sequenzen, die markieren, dass nichts zu der vor sich gehenden Aktivität beigetragen wird, es wird eine Art Auszeit genommen. In der folgenden Analyse wird zunächst die Struktur der Time
138 Outs untersucht. Im Anschluss daran wird aufgezeigt, welche interaktiven Mittel zur Dissensmarkierung den Gesprächsteilnehmern in Time Outs zur Verfügung stehen. Die grundlegende Frage, die sich bei der Analyse jedes interaktiven Phänomens und somit auch bei der Verwendung von Stereotypen in Interaktion stellt, ist nach Bilmes (1985) "Why that now?", d.h. warum wird genau an dieser Stelle gerade dieses interaktive Mittel eingesetzt? Betrachtet man den folgenden Auszug (Al) erneut, so fallen einige Charakteristika ins Auge: Auszug (Al vereinfacht) 12 Di: a l s o IHR SEID DOCH DIE PERFEKTEREN DEUTSCHN.= 13 DKi: =so:n r i e h - , Ja: sind wir nämlich.=das 14 i s s e s j a [ebhhn.hahaHAhe das i s j a u n s e r ] = [((lächelt)) 15 Di [ = g e h e i m n is.] 16 DKi [((lächelt))] 17 Di 18 Di •hh ha he he h e . 19 (1) Erstens: Es wird hier ein Stereotyp produziert, das zum Inhalt eine der Nationen hat, der ein Teil der Gesprächsteilnehmer angehört DIE PERFEKTEREN DEUTSCHN. Zweitens: Die stereotype Äußerung wird mit einem Turninitiator eingeleitet, der eine exemplifizierende Prägung hat also. Drittens: Es wird das Personalpronomen IHR verwendet, das einen Gegenpart in einer Gruppe wie wir hat. Und viertens: Das Stereotyp wird von einer Person produziert, die der Nation angehört, über die eine stereotype Aussage getroffen wird. Diese vier Charakteristika bilden den Hintergrund der folgenden vier Analyseschritte zur Beschreibung der interaktiven Konstruktion von Time Outs, die mittels nationaler Stereotype eingeleitet werden können.
6.4.1.
'On doing stereotyping'
Die Überschrift dieses Kapitels lehnt sich an eine von Sacks im Frühjahr 1970 gehaltene Vorlesung mit dem Titel 'On doing being ordinary' (Sacks 1984b) an. Sacks beschreibt hier einige der Techniken, mit deren Hilfe die Teilnehmer sich selbst und den für sie relevanten Kontext in der Interaktion als gewöhnlich, 'ordinary', gestalten. Der Aspekt der aktiven Konstruktion kontextueller Elemente in der Interaktion wird durch das 'doing' im Titel hervorgehoben. Da dieser Titel nur schwer ins Deutsche zu übersetzen ist, wurde er für dieses Kapitel sowie für das Kapitel 6.5.1. in veränderter Form übernommen. On doing stereotyping' steht im Folgenden für die Konstruktion der Gesprächsteilnehmer einander zu zeigen, dass sie dabei sind eine Handlung zu vollführen, die als Stereotypisieren zu bezeichnen ist. Im Falle von 'On doing non-stereotyping' (Kap. 6.5.1) verdeutlichen die Gesprächsteilnehmer einander, dass sie dabei sind eine Handlung zu vollführen, die darin besteht zu zeigen, dass sie an der Aktivität des Stereotypisierens nicht teilnehmen.
139 Im folgenden Kapitel On doing stereotyping' geht es demnach darum einige der Techniken zu beschreiben, mit denen die Gesprächsteilnehmer einander in mündlicher Interaktion zu erkennen geben, dass das, was sie produzieren, eine stereotype Wendung ist. Stereotype können nur dann eine bestimmte Funktion in Interaktion innehaben, wenn sie von den anderen Interaktanten als Stereotype erkannt werden können. Um als solche erkannt werden zu können, müssen ihnen gewisse Regelmäßigkeiten zu Grunde liegen, an denen sich die Produzenten und Rezipienten in Interaktion orientieren können. Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, welche regelhaften Züge eine stereotype Wendung für alle Gesprächsteilnehmer erkennbar als eine solche formen.
6.4.1.1.
Das Design des Stereotyps
Zunächst gilt es festzuhalten, dass der größte Teil der stereotypen Äußerungen, die in dem vorliegenden Korpus auftreten, Stereotype sind, die sich auf eine bestimmte Nation beziehen. Auszug (Al vereinfacht) 12
Di:
also IHR SEID DOCH DIE PERFEKTEREN DEUTSCHN.=
Im folgenden Auszug bezieht sich das wir auf die Dänen. Auszug (A2b vereinfacht) 26 DKi: b i s s e h n a n g s t ham w i r immer
nicht?=
Die obigen Auszüge sind insofern exemplarisch, als die Nationen, die als Gegenstand der stereotypen Äußerung verwendet werden, identisch sind mit einer der Nationen, der die Gesprächsteilnehmer angehören. Dies heißt, dass in den vorliegenden Auszügen nahezu ausschließlich Stereotype verwendet werden, die einen Bezug zu Dänemark oder Deutschland herstellen. Spricht man von nationalen Stereotypen, so könnte dies stereotype Vorstellungen über ein Land, z.B. Deutschland oder Dänemark, beinhalten. Die stereotypen Wendungen in den vorliegenden Daten bestehen jedoch nahezu ausschließlich, wie in den unten stehenden Auszügen zu sehen ist, aus Aussagen über die Einwohner eines Landes. Auszug (Al vereinfacht) 12
Di:
also IHR SEID DOCH DIE PERFEKTEREN DEUTSCHN.=
In Auszug (A3) bezieht sich eine auf eine Euroregion der Dänen. Auszug (A3 vereinfacht) 1 2 / 1 3 D2:
dann schon l i e b e r e i n e mit den
Auszug (A4) 15 D2:
h : ä hä he
-hh so s i n d s i e d i e
deutschn= deutschn
140 In allen drei Auszügen wird eine stereotype Wendung über eine Nation verwendet. Im ersten Auszug (Al) steht die Charaktereigenschaft der Deutschen, perfektionistisch zu sein, im Vordergrund. Auch wenn hier eine Charaktereigenschaft ein konstituierendes Element des Stereotyps ist, bedeutet dies nicht notwendigerweise, dass in dieser Wendung der Deutsche als Person im Zentrum zu stehen hat. Es wäre denkbar, über den deutschen Perfektionismus zu sprechen statt über DIE PERFEKTEREN DEUTSCHN. Hier wird demnach dem Stereotyp eine personifizierte Prägung gegeben. In Auszug (A3) wird ebenso eine personifizierte Variante als stereotype Wendung gewählt, da statt unpersönlich dann schon lieber eine Euroregion mit Deutschland zu konstruieren, hier die personifizierte Variante dann schon lieber eine mit den deutschn gewählt wird. In Auszug (A4) wird ebenfalls Fokus auf die Personen und nicht auf die Nation gerichtet. An dem folgenden Auszug lässt sich verdeutlichen, dass der Aspekt, dass die Nation, die im Stereotyp genannt wird, einen Bezug zu einem Teil der Gesprächsteilnehmer schafft, ein für das Gelingen der Initiierung einer Nebensequenz entscheidender Faktor ist. Die Nation, über die hier in generalisierender Weise berichtet wird, ist Italien. Keiner der Gesprächsteilnehmer gehört dieser Nation an. Wie in den Auszügen zuvor wird das Stereotyp in personifizierter Form vorgebracht. Auf die Frage, wie es um eine Euroregion mit Italien stehe, antwortet D j , dass es da keine Probleme gäbe. Unten stehender Auszug in Zeile 7 zeigt den nächsten Turn von Sprecher Dj, in dem sich die auf die Italiener bezieht. Auszug (A5a vereinfacht) 7 Di : u n d d i e ham j a m i t q e z o q n . 8 DKi: m:. 9 Di: d i e h a t t n j a den d u i ( h ) c e . In dem einem Fall aus dem vorliegenden Korpus, in dem eine stereotype Wendung konstruiert wird, die keinen nationalen Bezug zu einem der Gesprächsteilnehmer herstellt, folgt dieser Wendung keine nächste Handlung eines der anderen Gesprächsteilnehmer, die an das konstruierte Stereotyp anknüpft. Dies ist, wie in Abschnitt 6.4.2. eingehender gezeigt werden wird, die dem Zeigen von Kopartizipation entsprechende Handlung. Stattdessen erfolgt durch einen Gesprächsteilnehmer ein Zeichen minimalen Responses in Zeile 8, das keine weitere Turnübernahme signalisiert, so dass der Produzent der stereotypen Wendung in Zeile 9 erneut den Turn übernimmt und seine vorherige stereotype Wendung mittels einer Reparatur explifiziert. Zwei Aspekte erscheinen bemerkenswert. Zum einen die Tatsache, dass der strukturelle Aufbau des Stereotyps identisch ist mit der Struktur der zuvor betrachteten Auszüge, in denen ein Bezug zu einer Nation hergestellt wurde, der einer der Gesprächsteilnehmer angehört. Zum anderen, dass trotz dieser vergleichbaren Struktur, keine entsprechende Reaktion der anwesenden Gesprächsteilnehmer erfolgt. Dies kann als ein Beleg dafür gedeutet werden, dass stereotype Wendungen, wie die hier zur Analyse vorliegenden, ihre sequenzielle Relevanz erst dann entfalten, wenn sie mittels der nationalen Referenz einen Bezug zu Teilen der Gesprächsteilnehmer herstellen. Es lässt sich vorläufig festhalten, dass in den Turns nationale Stereotype verwendet werden, die sich auf eine der Nationen beziehen, der die Gesprächsteilnehmer angehören. Diese Stereotype sind in personifizierter Form gestaltet.
141 6.4.1.2.
Die Markierung der Initiierung von Time Outs
Einer stereotypen Wendung liegt mit Bausingers Worten eine Überverallgemeinerung eines bestimmten Sachverhalts zu Grunde. Wendungen dieser Art haben eine Orientierungsfunktion, indem sie die Welt strukturieren helfen (Bausinger 1988:40). Damit wird mittels stereotyper Wendungen weniger neues Wissen vermittelt, als dass sie dazu dienen, bestehendes Wissen zu ordnen und zu untermauern. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob diese Funktion der Stereotype mittels anderer Elemente im Turn unterstützt bzw. mittels Platzierung dieser Elemente vor dem Stereotyp selbst projizierbar gemacht werden kann. Dies würde eine Orientierung der Gesprächsteilnehmer an einer stereotypen Wendung zu einem Zeitpunkt ermöglichen, an dem das Stereotyp selbst noch nicht realisiert worden ist. Ein interaktives Mittel zur Markierung, dass dem vor sich gehenden Argumentationsstrang nichts Neues zugeführt wird, ist die Konstruktion so genannter Time Outs (Jefferson 1972:314). Diese Turns sind derart designt, dass sie den Gesprächsteilnehmern erkennbar machen, dass der Interaktion hier keine neuen Informationen zugeführt werden. Damit wird ein eventuell zuvor vor sich gehender Argumentationsstrang nicht weitergeführt. In diesem Sinne kann von der Markierung eines Stillstandes in der aktuell vor sich gehenden Sequenz gesprochen werden. Dies bedeutet nicht, dass in dieser Sequenz 'nichts' passiert. Es bedeutet lediglich, dass das aktuelle Geschehen unterbrochen wird, etwas anderes eingeschoben wird und im Anschluss daran die Möglichkeit besteht, wieder an das vorherige Geschehen anzuknüpfen oder aber ein neues Geschehen einzuleiten. Als Time Outs werden im Folgenden Sequenzen bezeichnet, in denen im Verhältnis zur vorhergehenden Sequenz ein Stillstand herrscht. Sie bilden die Voraussetzung für die Gestaltung unterschiedlicher Sequenzen durch die Gesprächsteilnehmer. Time Outs können zum einen die strukturelle Grundlage zur Bildung einer Nebensequenz darstellen, an deren Anschluss erneut an das vorhergehende Thema angeknüpft wird. Sie können zum anderen aber auch strukturelle Grundlage für einen Themenabschluss sein und damit die Voraussetzung für einen Themenwechsel schaffen. Während eines Time Outs verhandeln die Gesprächsteilnehmer darüber, welchen interaktiven Verlauf eine solche Sequenz nehmen soll. Über die Gestaltung eines Time Outs als Nebensequenz oder als Einleitung eines Themenwechsels kann zwischen den Gesprächsteilnehmern Uneinigkeit herrschen, die sich an unterschiedlichen interaktiven Handlungen der Gesprächsteilnehmer im Anschluss an eine stereotype Wendung nachweisen lässt. Zunächst soll im Folgenden gezeigt werden, auf welche Weise der Produzent einer stereotypen Wendung mit dieser den anderen Gesprächsteilnehmern zeigen kann, dass mittels dieses Turns ein Time Out eingeleitet werden kann. Grundlegend für das Design eines Time Outs scheint zu sein, dass das Gesagte als etwas Bekanntes dargestellt wird, was entweder ein Teil des Allgemeinwissens generell ist oder aber Allgemeinwissen im gemeinsamen Wissensrahmen der Gesprächsteilnehmer darstellt. Es werden im Folgenden unterschiedliche Mittel aufgezeigt, mittels derer die stereotype Wendung eben dieses Design erhält. Ein Mittel, um die stereotype Wendung als etwas zu gestalten, was einer bekannten Größe entspricht, ist in zahlreichen Auszügen die Verwendung des bestimmten Artikels in Verbindung mit dem Stereotyp. Es wird in Auszug (A3) nicht von mit deutschen gesprochen, sondern von mit den deutschn. Statt perfektere Deutsche heißt es in Auszug (Al) DIE
142 PERFEKTEREN DEUTSCHN. Auch in Auszug (A4) wird dem nationalen Stereotyp ein bestimmter Artikel vorangestellt die deutschn. Es lassen sich weitere Kennzeichen des Turndesigns aufzeigen, die dem stereotypen Turn die Gestalt einer Äußerung geben, die der vor sich gehenden Argumentation keine neuen Informationen beisteuert. In einer Vielzahl der Belege stereotyper Wendungen wird der Turn durch einen Turninitiator eingeleitet. Der Turninitiator, der in dem vorliegenden Korpus vielfach in dieser sequenziellen Positionierung eingesetzt wird, ist also. Auszug (Al vereinfacht) 12 Di: also IHR SEID DOCH DIE PERFEKTEREN DEUTSCHN.= Ein Diskursmarker wie also hat zweifelsohne zahlreiche Funktionen inne, und es soll im Folgenden kein erschöpfender Überblick über die hierzu existierende Forschungsliteratur gegeben werden. Es geht lediglich darum, die wichtigsten Forschungsergebnisse zu skizzieren und auf noch zu untersuchende Bereiche hinzuweisen. Auer (1997) sieht die Funktion von Vor-Vorfeldkonstituenten wie also darin deutlich zu machen, "welche Position oder Funktion die Äußerung, die sie einleiten, in einer größeren Texteinheit hat" (Auer 1997:59). In der Grammatik des Instituts für deutsche Sprache (Zifonun et al. 1997) wird also ebenso wie bloß (s. Kap. 4) als 'Konnektivpartikel' bezeichnet, die in "freier" Verwendung dem Satzrahmen vorangestellt ist. Ihre Verwendung geht oft mit einem Fokus-oder Themenwechsel einher (Zifonun et al. 1997:2390). In gewissem Widerspruch zu dieser Aussage steht die Feststellung in derselben Grammatik 1181 Seiten zuvor, dass Konnektivpartikeln wie beispielsweise also "in Erstposition und im Mittelfeld funktionsgleich" (Zifonun et al. 1997:1209) sind. Diese einander widersprechenden Aussagen machen deutlich, dass auf diesem Gebiet ein Forschungsbedarf herrscht, da es einer genaueren Differenzierung der Funktion dieser Partikeln in Abhängigkeit von ihrer topologischen Platzierung bedarf. Als aktuellster Beitrag zu dieser Fragestellung hat das Projekt am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim zu Operator-Skopus-Strukturen zu gelten. Wie aus der Einleitung zu diesem Projekt hervorgeht, wird hier u.a. die unterschiedliche Verwendung von also behandelt. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass generelle Aussagen über die Verwendung so genannter 'Gliederungssignale' wie also schwierig sind. Ob sie im Einzelfall tatsächlich Operatoren sind, kann immer nur anhand einer konkreten Beispielanalyse bestimmt werden. (Fiehler 1999b: 11) Es liegt demnach eine Anzahl von Untersuchungen zu dem Thema also vor, die als Zeichen der zunehmenden Bedeutung, die diesen Markern von der Forschung zum Verständnis von mündlicher Interaktion zuteil wird, zu gelten haben. Auf die Bedeutung der Partikel also im Rahmen der Konstruktion stereotyper Wendungen ist in den obigen Studien nicht aufmerksam gemacht worden. Am folgenden Auszug lässt sich die turneröffnende Positionierung von also in Verbindung mit einer stereotypen Wendung erkennen.
143 Auszug (A6b) 26 DK2: 27
a l s o (.) w i r s i n d die k l e i n e n u n d d i e s i n :d (0.2) d i e reichn.
deutschn
Turneröffnend steht also gefolgt von einer Mikropause und der daran anschließenden stereotypen Wendung. Am Rande ist hier anzumerken, dass im Falle von also eine unterschiedlich starke Verwendung dieser Partikel bei Mutter, resp. Fremdsprachlern mit Dänisch als Muttersprache nicht zu erwarten ist, da also im Dänischen mit altsâ eine direkte Entsprechung hat. Wie an Auszug (Al) und (A6b) deutlich wird, scheint also von sowohl Mutter- als auch Fremdsprachler identisch eingesetzt zu werden. Diese Überlegung wird auch unterstützt durch Auszüge rein dänischer Interaktion, in denen die Partikel altsâ in gleicher Weise wie also in den deutsch-dänischen Interaktionen eingesetzt wird. Im Falle von bloß (Kap. 4) wurde darauf aufmerksam gemacht, dass das Fehlen einer direkten lexikalischen Entsprechung im Dänischen ein Grund dafür sein könnte, dass dieses Lexem von den Fremdsprachlern kaum verwendet wird. Es lässt sich vorläufig festhalten, dass mittels einer turneröffnenden Platzierung von also den Gesprächsteilnehmern die Möglichkeit zu einer Orientierung an einer folgenden stereotypen Wendung zu einem Zeitpunkt gegeben wird, der vor der Produktion des Stereotyps selbst liegt. Damit ermöglicht es die Projektion eines potenziellen Time Outs, bevor ein solches konstruiert wird. Also muss nicht notwendigerweise turneröffnend stehen. In einigen Auszügen ist es als Eröffnung einer Turnkonstruktionseinheit platziert und steht in Mittelturnposition. Auszug (A2a vereinfacht) 13 Di : m a n k ö n n t e das (.) a l s o (.) w a s 14 w i r > i r g e n w i e n o c h n i c h h a t t n is< 15—» w a r u m (0.3) a l s o w i r d e u t s c h η 16 (0.2) w i r s c h l e ( h ) s w i g h o l s t e i n e r m e i n e n ja 17 (.) i h ( h ) r h a ( h ) b t a n ( h ) g s t v o ( h ) r d e ( h ) n 18 deu(h)tschn. Auch wenn hier die Platzierung von also nicht turneröffnend ist, wird es dennoch vor dem Stereotyp selbst produziert und ermöglicht daher vergleichbar mit der turneröffnenden Platzierung ebenso eine Projektion eines möglicherweise folgenden Time Outs. Eine Abweichung von der turneröffnenden Position ist auch in unten stehendem Auszug zu sehen. Auszug (A7 vereinfacht) 8 DK2: =sà v i - v i er k l a r e til d e t n á r de k o m m e r 9 jo- (0.6) m e d f i r e o g t y v e f o r e s l a g . = d e t g0r 10—> d e altsâ. e r s t e n s zweitens 11 DK3: -h[h 12 DK2: [drittens.
144 Auszug (A7 vereinfacht, übersetzt) 8 DK2: =so dass wir vorbereitet sind wenn sie kommen 9 doch (0.6) mit vierundzwanzig vorschlagen.=das tun 10—> sie also, erstens zweitens 11 DK3: -h[h 12 DK.2 : [drittens. Hier wird altsà mittels der Intonation als am Ende einer Turnkonstruktionseinheit stehend konstruiert. Von Bedeutung für diese Platzierung kann das altsá folgende Code-Switching sein, das durch diese Positionierung intonatorisch besonders markiert ist. 4 Wiederum steht also vor der Realisierung des Stereotyps und ermöglicht auf diese Weise eine Orientierung an der stereotypen Wendung, bevor diese produziert worden ist. Wie aus obigen Auszügen hervorgeht, scheint es eine gewisse Regelmäßigkeit zu geben hinsichtlich der tumeröffnenden resp. turnkonstruktionseinheitseröffnenden Positionierung von also und einer folgenden stereotypen Wendung. Dies bedeutet nicht, dass also regelmäßig eine stereotype Wendung folgt. Da aber einer stereotypen Wendung in vielen Fällen ein also vorausgeht, können sich die Gesprächsteilnehmer insofern daran orientieren, als mit dem Turninitiator also die Möglichkeit zur Konstruktion einer folgenden stereotypen Wendung besteht, die eine potenzielle Einleitung eines Time Outs darstellt. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, warum gerade dieses Mittel eingesetzt wird. Auszug (A6a vereinfacht) 9 —¥ D K i : also f: ä: f: anders 10—> ausgedrückt a l s o d i e ä (.) f r a n z ^ s n haben 11 v i e l l e i c h t n i c h t so v i e l a ( h ) n g s t v o ( h ) r 12 d e ( h ) n d e u ( h ) t s c h n wie d i e dänen haben. Sprecher DKi scheint in obigem Auszug selbst eine Erklärung für die Verwendung von also zur Verfügung zu stellen mders ausgedrückt. Hiermit explifiziert er die kommende Aktivität als eine Handlung, die aus einer Reformulierung von etwas schon zuvor Gesagtem besteht. In diesem Sinne wird markiert, dass das Folgende der aktuellen Sequenz nichts Neues beizusteuern hat. Dies kann in Verbindung mit der Art der Präsentation des Stereotyps selbst als ein weiteres Mittel gesehen werden, um die folgende Sequenz erkennbar als Time Out zu gestalten. Festzuhalten bleibt, dass mit also an turneröffnender oder turnkonstruktionseinheitseröffnender Position markiert werden kann, dass im Folgenden etwas kommt, was der bisher vor sich gehenden Sequenz nichts Neues beisteuert. Es findet eine Reformulierung von etwas Bekanntem, zuvor schon Geäußertem statt. Eine derartige Markierung von Nicht-Weiterfuhrung einer vor sich gehenden Sequenz kann potenziell eine Einleitung eines Time Outs sein. Dies bedeutet eine Änderung der vor sich gehenden Aktivität. Von einer argumentativen 4
Zu Code-Switching: Auer 1998.
145 Sequenz wird gewechselt zu einer Sequenz, die Züge eines Time Outs trägt. Dies bedeutet nicht, dass nicht zu der vorhergegangenen Sequenz zurückgekehrt werden kann, aber es bedeutet zumindest, dass es interaktiver Arbeit bedarf, um wieder hierzu zurückzukehren. In diesem Sinne kann in Verbindung mit also statt von einem Fokus- oder Themenwechsel zu sprechen, wie es in der anfangs angeführten Literatur zum Thema mehr oder minder übereinstimmend getan wird, eher davon gesprochen werden, dass sich die Gesprächsteilnehmer bei turneröffnendem also daran orientieren können, dass ein Aktivitätswechsel stattfindet. Der Aspekt des Aktivitätswechsels lässt sich in Abschnitt 6.4.1.2. durch die turneröffnende Verwendung von also als Mittel zur Beendigung eines Time Outs verdeutlichen. Es gibt weitere interaktive Techniken, mit denen die Sprecher markieren können, dass mittels stereotyper Wendungen eine Sequenz eingeleitet werden kann, die ein Time Out für die aktuelle Sequenz bedeutet, indem etwas schon Bekanntes erwähnt wird. In einigen Belegen, in denen teilweise eine Markierung mittels also nicht vorkommt, finden sich andere Marker, die die Markierung des Turns als Time Out mitgestalten. Zu diesen Markern gehören ja und doch. Auszug (A5a vereinfacht) 7—> Di : u n d d i e ham j a m i t g e z o g n . 8 DKi: m:. 9—» Di: d i e h a t t n j a den d u : ( h ) c e . An obigem Auszug lässt sich die turninterne Verwendung von ja aufzeigen. Hier wird ja in beiden Turns, die eine stereotype Wendung beinhalten, turnintern positioniert. In beiden Turns ist der Marker vor der Realisierung des eigentlichen Stereotyps mitgezogn in Zeile 7 und (jui(h)ce in Zeile 9 platziert. Ja markiert die Information, die in der Turnkonstruktionseinheit, in der es positioniert ist, gegeben wird, als etwas, was keiner Diskussion bedarf, da es hinlänglich bekannt ist. Dies wird dadurch unterstützt, dass trotz minimalen Responses des folgenden Sprechers keine Reparatur in Form einer Erklärung oder Rechtfertigung durch Sprecher D j folgt. Da die Information als etwas Bekanntes designt ist, folgt im Anschluss an eine solche Sequenz in den vorliegenden Belegen keine Rechtfertigung oder Erklärung fur den Turn. Stattdessen folgt eine Reparatur, die eine Präzisierung der zuvor gegebenen Information bedeutet, aber nicht als nähere Erklärung designt ist. Unten stehender Auszug ist ein weiterer Beleg für diese Verwendung von ja. Auszug (A2a vereinfacht) 13 Di: man k ö n n t e d a s ( . ) a l s o ( . ) was 14 wir >irgenwie noch n i c h h a t t n is< 15 warum ( 0 . 3 ) a l s o w i r d e u t s c h η 16-» (0.2) wir s c h l e ( h ) s w i g h o l s t e i n e r meinen j a 17 (.) i h ( h ) r ha(h)bt an(h)gst vo(h)r de(h)n 18 deu(h)tschn. 19 (.) 20—¥ Di: -hh das i s j a a b e r n i c h s o .
146 Ebenso wie im Auszug zuvor besitzt die stereotype Wendung ein Design, das den Inhalt als bekannt markiert. In Zeile 19 bestünde die Möglichkeit für die anderen Gesprächsteilnehmer den Turn zu übernehmen. Doch eine Turnübernahme findet nicht statt. Folglich nimmt erneut Sprecher D j den Turn auf. Vergleichbar mit dem Auszug zuvor wird keine Erklärung für den vorherigen Turn gegeben, sondern stattdessen ein weiterer Turn designt, der wieder ein ja enthält. Wiederum wird demnach an ein gemeinsames Wissen appelliert, eine Art Common Ground geformt. Ja ermöglicht demnach ebenso wie die zuvor beschriebenen Marker eine Orientierung an einer stereotypen Wendung zu einem Zeitpunkt, bevor diese produziert worden ist. Ein Marker wie doch scheint in stereotypen Wendungen eine mit ja vergleichbare Funktion innezuhaben und damit dazu beizutragen, den Turn als etwas Bekanntes zu formen. Auszug (Al vereinfacht) 12 Di: also IHR SEID DOCH DIE PERFEKTEREN DEUTSCHN.= In dieser stereotypen Wendung wird hervorgehoben, dass die Deutschen perfekt sind, die Dänen aber augenscheinlich manchmal noch perfekter. Diese stereotype Zuweisung wird mittels der Verwendung von doch in Mittelturnposition dergestalt designt, dass eine Tatsache, die eigentlich bekannt war, vorübergehend jedoch in Frage gestellt war, nun wieder Bestätigung erhält. Doch hebt somit hervor, dass man sich wieder auf vertrautem Boden, auf Common Ground, bewegt. Wie gezeigt wurde, sind es das generalisierende Element des Stereotyps selbst sowie unterschiedliche Marker wie also, doch, ja, die die stereotype Wendung für die Gesprächsteilnehmer erkennbar als eine solche designen. Diese Marker tragen dazu bei, dem Turn zu einem Zeitpunkt Merkmale einer stereotypen Wendung zu verleihen, der vor der tatsächlichen Realisierung des Stereotyps liegt. Dies kann die Gesprächsteilnehmer in die Lage versetzen, eine potenziell kommende stereotype Wendung projizieren zu können und ihnen damit auch ermöglichen sich an der Initiierung eines Time Outs zu orientieren.
6.4.1.3.
Die Konstruktion einer aus zwei Komponenten bestehenden Klasse
Wie anfangs aufgezeigt, bezieht sich die stereotype Wendung in den vorliegenden Daten auf eine der beiden Nationen, denen die Gesprächsteilnehmer angehören, d.h. Dänemark oder Deutschland. Hierdurch kann die Verwendung einer derartigen stereotypen Wendung eine Aufteilung der Gesprächsteilnehmer in zwei Gruppen bewirken. Während vorher im Gespräch keine Aufteilung oder aber eine nach anderen Gesichtspunkten stattgefunden hat, wird nun der Gesichtspunkt der unterschiedlichen Nationalität der Gesprächsteilnehmer relevant gemacht. Dies ist ein Beleg dafür, wie Kontext selektiv und lokal in der Interaktion konstruiert wird (Sacks/Schegloff/Jefferson 1974:699f.). In Verbindung mit Überlegungen zu Membership-Kategorisierungen spricht Sacks (1995) von der Tatsache, dass ein Großteil der Klassen, die mithilfe von Kategorisierungen interaktiv relevant gemacht werden können, so genannte 'two-set classes' sind bzw. als solche
147 designi werden können. Dies bedeutet, dass die Klassen, aus denen Stereotype gebildet werden, häufig aus zwei Komponenten bestehen. Sacks führt hierzu aus: To establish a two-set class you might start with one group who you locate as the group in power, or the haves. Give them a name: Whites, men, the old. And then assimilate all the others to some predominant feature of those others; for example, a lot of them are Negro so you call it 'the black revolution'. (Sacks 1992:1:48) Was hier in Zusammenhang mit nationalen Stereotypen von Belang ist, ist die Tatsache, dass Sacks der Bipolarität, auf der viele stereotype Wendungen beruhen, besondere Bedeutung beimisst. In einer aus zwei Komponenten bestehenden Klasse scheint der Gegenpol bei Nennung einer der Komponenten automatisch impliziert zu sein. Dies bedeutet, dass die Nennung von die Weißen automatisch die Schwanen einschließt. Dies ermöglicht, über einen Teil dieser Klasse explizit etwas zu sagen und damit gleichzeitig implizit etwas über den anderen Teil der Klasse auszusagen. Bei der Konstruktion eines nationalen Stereotyps stellt sich die Frage, wo hier die Bipolarität auffindbar ist. Unmittelbar ist durch die Nennung der Deutschen beispielsweise keine Nennung des Gegenpols in Form der Dänen impliziert. Nationalität ist keine bipolare Klasse, sondern besteht aus vielen Komponenten. Doch es scheint Techniken zu geben, mit deren Hilfe auch nicht-bipolare Klassen zu solchen geformt werden können. Im Auszug der folgenden stereotypen Wendung wird eine aus zwei Komponenten bestehende Klasse aufgebaut, indem der Bezug zu den Gesprächsteilnehmern durch die Verwendung nationaler Stereotype dadurch explifiziert wird, dass den Vertretern der einzelnen Nationen resp. Regionen Personalpronomen vorangestellt werden. Auszug (A2a vereinfacht) 13 Di: m a n könnte das (.) also (.) was 14 wir >irgenwie n o c h n i c h h a t t n is< 15—» w a r u m (0.3) also w i r d e u t s c h η 16-» (0.2) wir schle(h)swigholsteiner m e i n e n ja 17—> (.) ih(h)r ha(h)bt an(h)gst vo(h)r d e ( h ) n 18-> deu(h)tschn. Die stereotype Wendung wird mit dem Beginn der Turnkonstruktionseinheit in Zeile 15 eingeleitet. Hier wird deuts c h η das Pronomen w i r vorangestellt. Es folgt mittels einer Reparatur die Präzisierung auf die regionale Zugehörigkeit in Bezug auf das entsprechende Bundesland, der erneut das Pronomen wir vorangestellt wird. Dem wird anschließend kontrastiv die andere Gruppe in Form von ih(h)r gegenübergestellt, ohne dass eine nationale Zuweisung folgt. Dies ist interessant, da es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr nötig zu sein scheint, mittels einer nationalen Zuweisung zu spezifizieren, auf welchen Teil der Gesprächsteilnehmer, nämlich die Dänen, sich dieses Pronomen bezieht. In umgekehrter Weise geschieht dies am Ende dieser Turnkonstruktionseinheit, indem hier eine nationale Zuweisung verwendet wird de(h)n deu(h)tschn. ohne dass mittels eines Pronomens explizit der Bezug zu den Gesprächsteilnehmern geschaffen wird.
148 Anscheinend ist die Kontextualisierung der nationalen Zugehörigkeit zu Beginn des Turns ausreichend, um auch am Ende des Turns weiterhin auf dieser Relevanz als Grundlage aufbauen zu können. Dies verdeutlicht sich daran, dass es am Ende des Turns keiner genaueren Differenzierung bedarf, dass mit ih(h)r die Dänen in der Gruppe der Gesprächsteilnehmer gemeint sind und mit de(h)n deufhitschn ebenso ein Bezug zu einem Teil der anwesenden Gesprächsteilnehmer hergestellt wird. Die Nennung der Pronomen der 1. und 2. Person Plural wie im obigen Auszug (A2a) in Verbindung mit der Nennung der Klasse Nationalität kann in diesem Zusammenhang eine Rolle beim Gestalten einer aus zwei Komponenten bestehenden Klasse spielen, da mit ihnen eine Bipolarität verbunden ist. Ebenso wie ich ein du oder sie ein er impliziert, impliziert wir als Gegenpol ein ihr. Dieser potenziellen Bipolarität der Pronomen wir und ihr scheinen sich die Interaktanten zu bedienen, wenn sie diese mit den an sich nicht bipolaren nationalen Stereotypen verbinden. In unten stehendem Auszug (A6b) scheint sich der Sprecher ebenfalls des Prinzips der Bipolarität bei der Konstruktion einer stereotypen Wendung zu bedienen. Auszug (A6b) 26 DK2: 27
a l s o (.) wir s i n d d i e k l e i n e n und d i e s i n : d (0.2) d i e r e i c h n .
deutschn
In diesem Fall bedarf es keiner expliziten Nennung von ihr als Gegenpol zum verwendeten Pronomen wir. An die Stelle des Pronomens tritt die Nennung der anderen Nationalität, die somit stellvertretend für das nicht genannte ihr steht. Hierdurch wird der Gegenpol wir=die Dänen zu ihr=die Deutschen geschaffen. Durch die mit der Verwendung von nationalen Stereotypen mögliche Aufteilung der Gesprächsteilnehmer in Gruppen kann auch eine implizite Sprecherselektion verbunden sein. Dies ist ein wesentlicher Faktor für die mögliche Initiierung einer Nebensequenz mittels nationaler Stereotype. Hierauf wird in Abschnitt 6.4.2. näher eingegangen werden. In anderen Fällen ist es ein Marker wie immer, der einerseits den stereotypen Turn als etwas Generelles, Bekanntes formt und andererseits zu dem Design einer stereotypen Wendung als einer aus zwei Komponenten bestehenden Klasse beiträgt, da immer als Gegenpol automatisch ein nie beinhaltet. Auszug (A2b vereinfacht) 26
DKi:
b i s s c h n a n g s t ham w i r immer
nicht?=
Auszug (A6b vereinfacht) 35—> DK2: u n d w i r h a b n j a immer ( . ) u n s s e r e = 36 DKi: = [hh° -hh ] 37 DK2: = [ k r i e g n mit den d e u l t s c h e n v e r l o v e r l o r e n . In beiden oben stehenden Auszügen wird immer verwendet. Es scheint die Funktion zu haben, die Aussage als eine Aussage zu konstruieren, die sich nicht auf eine singuläre Situa-
149 tion bezieht, sondern generalisierbar ist. Mit der Betonung auf immer wird der Kontrast zu einem impliziten nie vergrößert. Es scheinen weitere interaktive Mittel in der Konstruktion einer stereotypen Wendung Verwendung zu finden, die hinsichtlich ihrer Funktion ebenfalls die Schaffung einer aus zwei Komponenten bestehenden Klasse ermöglichen. Hierzu gehört beispielsweise das Lexem nicht. Auszug (A6a)
7 DKi : 8 9 10 11-» 12
-hh aber das liegt wohl auch ä: f: η bissehn an der grosse der (0.2) der (0.4) nationen also f: ä: f: anders ausgedrückt also die ä (.) franzosn haben vielleicht nicht so viel a(h)ngst vo(h)r de(h)n deu(h)tschn wie die dänen haben.
In Zeile 11 spricht Sprecher D K j statt von weniger Angst von nicht so viel a(h)ngst. Dieses nicht ist prosodisch hervorgehoben. Im folgenden Auszug (A5b) lässt sich eine vergleichbare Struktur nachweisen. Auszug (A5b vereinfacht)
18 DKi : -h also wenn man eine euroregion wähln 19-» könnte wo: die deutschn nicht ä: 20 (0.7) 21 D2: hhä: hähä [kriegerisch,] In Zeile 19 produziert Sprecher D K j im Anschluss an die Nennung einer Nation die deutschn ein prosodisch hervorgehobenes nicht. Sieht man von der Tatsache ab, dass die stereotype Wendung hier mittels einer kollaborativen Turnbeendigung von zwei Sprechern gemeinsam konstruiert wird, wird in dieser stereotypen Wendung statt von friedlich von nicht kriegerisch gesprochen. Mittels des prosodisch hervorgehobenen nicht wird ein Gegensatz aufgebaut, indem das verwendete Negativum automatisch das fehlende Positivum impliziert. Hierdurch werden zwei Komponenten einer Klasse relevant gemacht. In Auszug (A5b) sind es die Gegensätze Krieg und Frieden und in Auszug (A6a) die Gegensätze AngstHaben gegenüber Keine-Angst-Haben. Eine derartige Struktur kann somit zusätzlich zum Entstehen einer aus zwei Komponenten bestehenden Klasse in stereotypen Wendungen beitragen. Ein weiteres interaktives Mittel zur Schaffung von aus zwei Komponenten bestehenden Klassen kann in der besonderen Markierung von Modalität in stereotypen Wendungen liegen. Zu Mitteln zur Markierung von Modalität zählen konjunktivische Konstruktionen ebenso wie die Komparation von Adverbien. Dies mag auf den ersten Blick als eine diffuse Klasse erscheinen, doch an den folgenden Auszügen soll verdeutlicht werden, wie mit beiden Mitteln eine Unterstützung der aus zwei Komponenten bestehenden Klasse durchgeführt werden kann.
150 Auszug (A3 vereinfacht) 12/13 D2:
dann schon lieber eine mit den deutschn=
Auszug (A8) 17—¥ DK2: 18 DK4: 19 DK 3 : 20 21 DK 2 :
ne j, vi vil hellere sidde hjemme pá- (.) i vares stue og drikke bajer haha[ha [hahaha tyske.
Auszug (A8 übersetzt) 11—¥ DK2: nein, wir wollen lieber zu Hause sitzen 18 auf- (.) in unserem Wohnzimmer und Bier trinken. 19 DK4: haha[ha 20 DK3: [hahaha 21 DK2: deutsches. In den Auszügen (A3) und (A8) sind es lieber in Zeile 12 und hellere in Zeile 17, die einen Gegensatz aufbauen und damit den Gegenpart im Turn implizit präsent machen. Dies geschieht, indem hervorgehoben wird, was die entsprechenden Personen lieber machen. Hierdurch wird gleichzeitig implizit eine Information über die Alternative gegeben, was die Personen auch hätten tun können. Wie schon sowohl bei den Pronomen als auch bei der Verwendung von nicht findet hier die Markierung mittels eines Komparativs vor der Realisierung des eigentlichen Stereotyps statt. An folgendem Auszug lässt sich verdeutlichen, wie mittels eines Konjunktivs eine vergleichbare aus zwei Komponenten bestehende Klasse aufgebaut wird. Auszug (A5b vereinfacht) 18 DKi : -h also wenn man eine euroreqion wähln 19—» könnte wo: die deutschn nicht ä: In obigem Auszug wird die Bipolarität durch die Verwendung des Konjunktivs II in könnte geschaffen. Hierdurch wird das irreale Moment der Äußerung hervorgehoben und dem Irrealen implizit etwas Reales gegenübergestellt. Die Positionierung ist erneut vor der Realisierung des eigentlichen Stereotyps. Damit besteht für die Gesprächsteilnehmer ebenso wie in den anderen Auszügen zur Bipolarität die Möglichkeit, sich an einer möglichen kommenden stereotypen Wendung und der damit potenziell verbundenen Etablierung eines Time Outs zu orientieren. Abschließend soll ein Auszug herangezogen werden, der verdeutlicht, in welchem Maße sich die Gesprächsteilnehmer an den oben erwähnten Elementen, die grundlegend für die Konstruktion einer stereotypen Äußerung sind, orientieren. Die Orientierung der Gesprächsteilnehmer an einer stereotypen Wendung wird in folgendem Auszug daran deutlich, dass einer der Gesprächsteilnehmer eine antizipatorische Turnbeendigung vollführt, die sein Verstehen
151 des präliminär nicht vollendeten Turns des anderen Sprechers als den Beginn einer stereotypen Wendung zeigt. Auszug (A5b vereinfacht)
18 19 20
21 22
23
DKi : -h also wenn man eine euroregion wähln könnte wo: die deutschn nicht ä: (0.7) D 2 : hhä: hähä [kriegerisch,] [(dran sind) ] nene : i c h : mein wenn DKi: man so: (0.3) italien S c h w e i z oder=
Sprecher DKi produziert in Zeile 18 und 19 einen Turn, der die Eigenschaften trägt, die als charakteristische Elemente einer stereotypen Sequenz beschrieben wurden. Der Turn wird eingeleitet mit den Turninitiator h also. Dem folgt ein modales Element könnte, das den Aufbau einer aus zwei Komponenten bestehenden Klasse unterstützt. Anschließend enthält der Turn einen personifizierten Verweis auf eine Nation die deutschn. Das finale Element der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit ist nicht, mit dem wiederum ein Gegensatz impliziert wird, der einer aus zwei Komponenten bestehenden Klasse zu Grunde liegt. Der Turn weist demnach zu diesem Zeitpunkt wesentliche Züge auf, die ihn erkennbar als eine mögliche stereotype Wendung kennzeichnen. Nur das die Deutschen charakterisierende Element, d.h. die Konstruktion des eigentlichen Stereotyps, ist noch nicht realisiert. Dies wird in Zeile 21 mittels einer antizipatorischen Turnbeendigung durch einen anderen Sprecher konstruiert. Nach Verzögerungsmarker und Pause übernimmt in Zeile 21 Sprecher D2 den Turn, den er mit Lachen einleitet. Daran schließt er die antizipatorische Turnbeendigung kriegerisch an. Damit ist eine stereotype Wendung geschaffen, die in Struktur und Inhalt denen der vorigen Belege entspricht. Den Deutschen wird hier in generalisierter Form eine bestimmte Eigenschaft zugewiesen, nämlich mit nahezu allen europäischen Nachbarn in einem Kriegszustand gewesen zu sein. Sprecher DKi nimmt in Zeile 22 seinen Turn wieder auf und vollführt in Überschneidung mit der antizipatorischen Turnbeendigung durch Sprecher D2 eine finale Tumbeendigung durch dran sind. Diese Beendigung soll vermutlich aussagen, dass er auf der Suche nach einer Euroregion ohne Beteiligung von Deutschland ist, nämlich beispielsweise einer Euroregion zwischen der Schweiz und Italien. Somit stimmt der Inhalt der finalen Turnbeendigung nicht überein mit dem Angebot der antizipatorischen Turnbeendigung. Dies markiert Sprecher DK] auch explizit, indem er seine Orientierung an der antizipatorischen Turnbeendigung den anderen Gesprächsteilnehmern mit nene: erkennbar macht. Anhand dieses Auszugs lassen sich zwei Dinge aufzeigen. Zum einen kann gezeigt werden, dass die Gesprächsteilnehmer sich an einem derartigen Turndesign als einem Design orientieren, das einer stereotypen Wendung zu Grunde liegt. Zum anderen wird deutlich, dass ein solches Design zu einer stereotypen Wendung und damit einer potenziellen Nebensequenz führen kann, dies aber nicht notwendigerweise der Fall sein muss. Die Sprecher können mithilfe eines solchen Designs auch andere Aktivitäten durchführen wollen. In oben stehendem Auszug resultiert aus einer solchen unterschiedlichen Orientierung an bestimmten interaktiven Markern die Zurückweisung einer antizipatorischen Turnbeendigung.
152 Es lässt sich zusammenfassend festhalten, dass die Stereotype selbst als nationale, personifizierte Stereotype geformt sind, die hinsichtlich der Nationalität einen Bezug zu Teilen der Gesprächsteilnehmer herstellen. Zwei wesentliche Merkmale kennzeichnen eine stereotype Wendung. Zum einen präsentiert sie die in ihr enthaltene Information als eine im Vorhinein bekannte Größe, zum anderen sind stereotype Wendungen oft aus Zwei-Komponenten-Klassen aufgebaut. Diese beiden Merkmale können in der stereotypen Wendung zu einem Zeitpunkt vor der Realisierung des Stereotyps selbst durch unterschiedliche Techniken eingeführt werden und somit das kommende Stereotyp potenziell projizierbar machen. Die Techniken zur Markierung der kommenden Information als einer bekannten Größe sind in den vorliegenen Auszügen neben der Verwendung des bestimmten Artikels in Verbindung mit dem Stereotyp Partikeln wie also, doch, ja, und immer, die darauf verweisen, dass das Kommende eine Reformulierung oder Wiederholung von etwas Bekanntem ist. Hierzu gehören mit Sicherheit weitere Partikeln, die in dem vorliegenden begrenzten Korpus nicht auftraten. Zu den interaktiven Mitteln zur Markierung einer aus zwei Komponenten bestehenden Klasse gehören Pronomen der 1. und 2. Person Plural, außerdem Negationspartikeln wie nicht und generalisierende Adverbien wie immer. Hinzu kommen komparative und konjunktivische Elemente. Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch eine genauere Untersuchung der paraverbalen Aspekte in diesen Turns. Die Gestaltung der stereotypen Wendung in dieser Form hat Konsequenzen für die mittels dieser Aktivität relevant gemachte nächste Handlung. Hierauf wird in Abschnitt 6.4.2. näher eingegangen.
6.4.1.4.
Die Initiierung der stereotypen Wendung
Bei der Betrachtung der vorliegenden Auszüge wird deutlich, dass es eine Regelmäßigkeit zu geben scheint hinsichtlich der Person, die die stereotype Wendung produziert, und dem Inhalt des Stereotyps. Auszug (A3) 12/13 D2:
dann schon lieber eine mit den deutschn=
In obigem Auszug produziert einer der deutschen Gesprächsteilnehmer eine stereotype Wendung, in der die Deutschen als Stereotyp verwendet werden. Die stereotype Zuweisung einer bestimmten Eigenschaft geschieht hier mittels des Kontextes, in dem zuvor schon auf die Schweden angespielt wurde. Die Deutschen sind demnach unbeliebt, aber wenn die Dänen zwischen zwei Übeln zu wählen hätten, nämlich den Schweden oder den Deutschen, dann würden sie doch lieber die Deutschen wählen. Insofern wird hier eine stereotype Wendung konstruiert, in der die Deutschen als unbeliebt dargestellt werden. Betrachtet man das Verhältnis von Produzent und Personengruppe, über die ein Stereotyp gebildet wird, besteht hier Übereinstimmung zwischen der Nationalität des Sprechers und der Nationalität der Personengruppe, die das Stereotyp behandelt. Diese Struktur lässt sich auch an den folgenden Auszügen aufzeigen. Die Deutschen produzieren ein Stereotyp über die Deutschen, die Dänen produzieren eines über die Dänen. In den Auszügen (Al) und (A4) ist es jeweils ein deutscher Sprecher, der ein Stereotyp über die Deutschen konstruiert.
153 Auszug (Al vereinfacht) 12
Di:
Auszug (A4) 15 D2:
also IHR SEID DQCH D I E PERFEKTEREN DEUTSCHN.= h : ä h ä h ä -hh so sind sie die d e u t s c h n
In den Auszügen (A6a) und (A8) sind es jeweils zwei dänische Sprecher, die ein Stereotyp über die Dänen konstruieren. Auszug (A6a) 7 DKi : 8 9 10 11 12
-hh aber das liegt wohl auch ä: f: η b i s s c h n a n der grosse der (0.2) der (0.4) n a t i o n e n also f: ä: f: anders ausgedrückt also die ä (.) franzosn h a b e n v i e l l e i c h t nicht so viel a(h)ngst vo(h)r d e ( h ) n d e u ( h ) t s c h n w i e die dänen haben.
Auszug (A8) 17 DK2: 18 19 DK4: 20 DK3: 21 DK2:
nej, vi vil hgllere sidde hjemme pá- (.) i vores stue og drikke bajer. haha[ha [hahaha tyske.
Auszug (A8 übersetzt) 17 nein, wir w o l l e n lieber zu Hause sitzen DK2: 18 auf- (.) in u n s e r e m Wohnzimmer u n d Bier DK4: h a h a [ h a 19 20 DK3: [hahaha 21 deutsches. DK2: Die gleiche Struktur lässt sich auch an dem folgenden Auszug aufzeigen, in dem die stereotype Wendung mithilfe einer antizipatorischen Turnbeendigung durch einen anderen Sprecher fertig gestellt wird. Auszug (A5b vereinfacht) 18 DKi : -h also w e n n m a n eine euroregion w ä h l n 19 könnte wo: die deutschn n i c h t ä: 20 (0.7) 21 D2: hhä: hähä kriegerisch. Die Nennung der Deutschen findet in Zeile 19 durch den dänischen Sprecher DKi statt, doch die stereotypisierende Zuweisung einer Charaktereigenschaft zu dieser Personengruppe in Form von kriegerisch wird antizipatorisch durch den deutschen Sprecher D2 in Zeile 21 durchgeführt.
154 In keinem der vorliegenden Auszüge konstruiert einer der Gesprächsteilnehmer als Angehöriger einer Nation eine stereotype Wendung, die die Nationalität eines der anderen Gesprächsteilnehmer zum Inhalt hat. Wenn ein Vertreter einer Nation eine andere Nation in stereotypisierender Weise nennt, dann geschieht dies in Kombination mit einer stereotypisierenden Zuweisung zu der eigenen Nation. Auszug (A6b vereinfacht) 26 DK2: also (.) wir s i n d die k l e i n e n u n d die d e u t s c h n 27 s i n :d (0.2) die reichn. 28
29
(2)
DK2:
g r o s s e n Brüder.
In obigem Auszug beginnt der dänische Sprecher in Zeile 27 seine stereotype Wendung mit einem Stereotyp über die Dänen wir sind die kleinen, dem er eine stereotypisierende Zuweisung über die Deutschen anschließt die (jeutschn sin:d (0.2) die reichn. Folgt man der oben aufgedeckten Struktur der Initiierung einer stereotypen Wendung, so lassen sich folgende Regelmäßigkeiten festhalten: Das Stereotyp ist dergestalt designt, dass die Nation des aktuellen Sprechers mit der Nation übereinstimmt, auf die in der stereotypen Wendung Bezug genommen wird. Das heißt, wenn der Produzent des Turns ein Deutscher ist, ist das nationale Stereotyp so designt sein, dass es explizit etwas über die Deutschen aussagt. Durch das Design der stereotypen Wendung als einer aus zwei Komponenten bestehenden Klasse wird implizit immer auch etwas über den Gegenpart ausgesagt. Diese Tatsache scheint von besonderer Relevanz in interkulturellen Kommunikationssituationen zu sein. In Auszügen aus monokulturellen Verhandlungen zwischen Dänen finden sich Belege dafür, dass diese Regel nicht eingehalten wird. Wichtig ist in diesem Zusammenhang jedoch festzuhalten, dass der strukturelle Aufbau der stereotypen Wendung exakt dem in interkulturellen Kommunikationssituationen entspricht. Im folgenden Auszug, der aus dem dänisch-dänischen Teil des Korpus stammt, produziert ein Däne ein Stereotyp über die Deutschen, de/sie in Zeile 8 und 10 bezieht sich im folgenden Auszug auf die deutschen Mitarbeiter. Auszug (A7 vereinfacht) 8 DK2: =sá v i - vi er klare til det nár de kommer 9 jo- (0.6) m e d fireogtyve foreslag.=det g®r 10—» de altsá. erstens zweitens 11 DK3: -h[h 12 DK2: [dritten[s. Auszug (A7 vereinfacht, übersetzt) 8 DK2: =so dass wir vorbereitet sind w e n n sie k o m m e n 9 d o c h (0.6) m i t vierundzwanzig vorschlagen.=das 10—» sie also, erstens zweitens 11 DK3: -h[h 12 DK2: [drittens.
tun
155 Vergleichbares lässt sich auch im folgenden Auszug nachweisen. Auszug (A9) 15—» DK 2 16-4 17-» 18 19 DK 2 20-4 DK 3 21 DK4 22 DK 2 23-4 DK 3 24 DK 2 25 DK 2 26—» DK 3
•hh de: bare det sirdtter nár man er for mgget sammen med tyskere fàr man oss det de:r, (1.5) (juppija:.) PLANEN UND VISSIONEN. j [a. [ja [ja. [MIT DER HIERHER [IM JAHR, [•hh men altsá det [er JO SÂdan [at vi-] [ZWEITAUSEND [ZWEI. ]
Auszug (A9 übersetzt) 15—» DK2; -hh es ist nur es steckt an wenn 16—» man zu viel mit Deutschen zusammen ist.=dann 17—» bekommt man auch dieses, 18 (1.5) 19 DK2: (juppija:.) 20—» DK3: PLANEN UND VISSIQNEN. 21 DK4: j[a. 22 DK 2 : [ja [ja. 23-» DK3: [MIT DER HIERHER [IM JAHR, 24 DK2: [-hh 25 DK2: aber also das [ist JA so [dass wir-] (.) wir= 26-» DK3: [ZWEITAUSEND [ZWEI. ] Hier wird von einem Dänen die stereotypisierende Zuweisung konstruiert, dass die Deutschen immer langfristig planen und festlegen. Wiederum ist hier die stereotypisierende Zuweisung mit einer antizipatorischen Turnbeendigung und Code-Switching verbunden. Es wird also von einem Vertreter einer Nation eine stereotypisierende Aussage über Vertreter einer anderen Nation getroffen. Dies scheint in den vorliegenden Daten in intrakulturellen Verhandlungssituationen vorzukommen, während es in den interkulturellen nicht vorkommt. Dies lässt aufgrund der vorliegenden Daten die Vermutung zu, dass die Gesprächsteilnehmer bei der Konstruktion von stereotypen Wendungen einander eine Orientierung an der nationalen Herkunft der anwesenden Gesprächsteilnehmer zeigen. In Fällen, in denen Vertreter einer anderen Nation als Gesprächsteilnehmer anwesend sind, wird die stereotypisierende Wendung so geformt, dass das Stereotyp explizit etwas über die Nation des Sprechers aussagt, womit die andere Nation als Gegenpart lediglich implizit beinhaltet ist. Ist jedoch kein Vertreter einer anderen Nation anwesend, so kann das Stereotyp explizit etwas über die entsprechende Nation aussagen. Diese Regelhaftigkeit ist ein Beleg für die lokale Kontextualisierung in Interaktion. Der Aspekt der nationalen Herkunft der Gesprächs-
156 teilnehmer wird von den Gesprächsteilnehmern in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen Nationalität auf unterschiedliche Weise lokal füreinander erkennbar relevant gemacht. Nachdem im vorhergehenden Abschnitt aufgezeigt wurde, welcher Techniken es in mündlicher Interaktion bedarf, um den anderen Gesprächsteilnehmern erkennbar zu machen, dass eine stereotype Wendung konstruiert wird, soll im Folgenden gezeigt werden, welche Handlungen durch eine stereotype Wendung sequenziell relevant gemacht werden.
6.4.2.
Stereotype Wendungen als Einleitung von Time Outs: Das Zeigen von Kopartizipation
Eine Bezeichnung bestimmter Sequenzen als Time Outs ist nur dann gerechtfertigt, wenn dies nicht lediglich eine analytische Größe darstellt, sondern wenn eine Orientierung der Gesprächsteilnehmer an dieser Größe nachweisbar ist. Jefferson hat folgendes Schema für den sequenziellen Kontext einer Nebensequenz erstellt. Sie verwendet den Begriff 'side-sequence', der dem in dieser Arbeit verwendeten Begriff des Time Outs entspricht. Sie beschreibt eine Dreiteilung, in der zunächst eine 'on-going sequence' (O) gestaltet wird, der die 'side-sequence' (S) folgt. Im Anschluss daran findet der 'return to on-going sequence' (R) statt (Jefferson 1972:316ff.). Dies heißt, dass von einer aktuellen Sequenz ausgehend eine Nebensequenz eingeleitet wird, von der aus dann wieder zu der vorhergegangenen Aktivität zurückgekehrt wird. Es geht im Folgenden darum zu zeigen, wie die Interaktanten die an eine stereotype Wendung folgende Sequenz regelhaft gestalten und wie sie diese füreinander erkennbar von der aktuellen Sequenz abgrenzen. Es ist in der Forschung nachgewiesen worden, dass Time Outs oft erkennbar mit einem First Part eingeleitet werden. Hierzu zählen nach Jefferson beispielsweise Einheiten wie 'by the way' und 'oh incidentally' (Jefferson 1972:314), die einen Neubeginn markieren. Ein weiteres Mittel, um Time Outs erkennbar als eine solche einzuleiten, können Fragen, insbesondere Nachfragen, sein. Hierzu ein Beispiel aus Jefferson 1972: (O) (S)
1) 2) 3) 4)
He likes that waiter over there. Wait-"er"? Waitress. Sorry. That's better. (Jefferson 1972:318)
Hiermit wird an Position 2 als Einleitung eines Time Outs ein First Pair Part in Form einer Frage designt, dem im Rahmen des Time Outs an dritter Position ein Second Pair Part folgt. An vierter Position wird das Time Out beendet und damit die Möglichkeit geschaffen, zur vorherigen Aktivität zurückzukehren. Time Outs, die durch Turns mit stereotypen Wendungen eingeleitet werden, weisen im vorliegenden Korpus keine derartige Struktur mit adjazent platzierten Paaren auf. Hier stellt
157 sich die Frage, welche Handlungen hier der stereotypen Wendung folgen, so dass ein Time Out entstehen kann. Eine Handlung, die durch die stereotype Wendung sequenziell relevant gemacht zu werden scheint, ist das Zeigen von Kopartizipation. Kopartizipation kann auf unterschiedliche Weise mit unterschiedlichen Techniken gezeigt werden. Eine Technik, die von den Gesprächsteilnehmern regelmäßig angewendet zu werden scheint und die zum Entstehen einer stereotypen Sequenz beitragen kann, ist die Wiederholung oder partielle Reformulierung der stereotypen Wendung durch einen der anderen Gesprächsteilnehmer. Auszug (A6b) a l s o ( . ) w i r s i n d d i e k l e i n e n und d i e 26 DK2 s i n : d (0.2) d i e r e i c h n . 27 (2) 28 g r o s s e n Brü Γder. ] 29 DK2 DKI [die r e i l c h e n grossen. 30 31 (2) DKI w i r s i n d d i e armen k l e i n e n . 32
deutschn
In Zeile 26/27 produziert Sprecher DK2 eine stereotype Wendung, in der er generalisierende Äußerungen sowohl über die Dänen wir sind die kleinen als auch über die Deutschen trifft die deutschn sin.d (0.2) die reichn. Im Anschluss daran übernimmt nach Pause und in terminaler Überlappung mit der Turn weiterführung durch Sprecher DK2 Sprecher D K j den Turn. Er wiederholt teilweise den letzten Teil des vorhergehenden Turns und stellt diesem nach einer zweisekündigen Pause in kontrastierender, reformulierender Weise den ersten Teil des vorhergehenden Turns gegenüber. Hierbei verstärkt er noch den schon vorher aufgebauten Kontrast zwischen den Deutschen und den Dänen, indem er den reichen grossen die armen kleinen gegenüberstellt. Er baut dadurch die stereotype Wendung und die in ihr enthaltene, aus zwei Komponenten bestehende Klasse weiter aus. Hiermit wird eine kopartizipatorische Handlung vollführt, in der eine Markierung von Konsens zu sehen ist. Ein vergleichbares sequenzielles Design der Kopartizipation lässt sich an folgendem Auszug aufzeigen. Auch hier findet eine Wiederholung der vorhergehenden stereotypen Wendung durch einen der anderen Gesprächsteilnehmer statt. Im Unterschied zum vorangegangenen Auszug ist der Geprächsteilnehmer, der Kopartizipation zeigt, in diesem Falle jedoch nicht der gleichen Nationalität wie der Initiator der stereotypen Wendung. Dies ist insofern interessant, als das Stereotyp, das in diesem Fall von einem deutschen Sprecher produziert wird, explizit etwas über die Deutschen aussagt. Dies entspricht der oben aufgezeigten Geordnetheit, nach der der Sprecher und die im Stereotyp beschriebene Person der gleichen Nationalität angehören. Nun übernimmt der dänische Sprecher den Turn und trifft, indem er das Stereotyp wiederholt, explizit in stereotypisierender Weise eine Aussage über die Deutschen. Auszug (A3) 11 DKi: 12 D2: 13 14 DKi:
ne(h)i(h)η(h)hahe[he he he [dann schon l i e b e r =[mit den ídeutschn= =[he [·HH:
eine=
158 15 16-» 17 18 19 20
DK 2 DKi D2 Di DKi DK2
=Da. dann l i e b e r mit den d e u t s c h n . H[A h a h a h a h a [HA h a h a h a h a h a h a h a · Η [ Η [ : [HA[ha h a h a h a ' h e h e h e [·Η[Η [ j A : . ' h a ha* [jednfalls.
In obigem Auszug (A3) konstruiert der deutsche Sprecher D2 in Zeile 12/13 eine stereotype Wendung mit den Deutschen als explizit genannter Nation. Implizit wird damit über die Dänen ausgesagt, dass sie Probleme mit ihren Nachbarn haben: Sie mögen weder die Schweden noch die Deutschen, doch wenn sie wählen sollten, wählten sie als das geringere Übel die Deutschen. Nachdem der folgende dänische Sprecher in direktem Anschluss ein minimales Responszeichen ja produziert hat, äußert der andere dänische Sprecher D K j eine nahezu wortgetreue Wiederholung der stereotypen Wendung. Sprecher D K j zeigt hiermit insofern seine Orientierung an der stereotypen Wendung, als er sie wiederholt. Die Veränderung liegt darin, dass er als dänischer Sprecher nun eine explizit stereotypisierende Wendung über die Deutschen benutzt. Dies scheint in Folgeposition zu der initiierenden stereotypen Wendung ein Zeichen des Zeigens von Kopartizipation zu sein. In dieser Wiederholung ist gleichzeitig auch eine Markierung von Konsens zu sehen. Zum einen geschieht dies auf rein strukturelle Weise durch das Turndesign, das Zeichen einer präferierten Äußerung trägt. Zum anderen ist auch in der Übernahme des Turns mittels der Wiederholung der stereotypen Wendung eine konsensorientierte Handlung festzustellen. Ein weiteres Mittel, um Kopartizipation zu zeigen, liegt im kollaborativen Markieren von Lachen. 5 Jefferson hat nachgewiesen, dass Lachen zum Lachen einlädt. Sie führt dazu aus: ... laughing together is a valued occurrence which can be the product of methodic, coordinated activities, and that it is recurrently achieved via a recipient laughing by reference to a prior speaker's laughter. (Jefferson 1984a:348) Eine sequenzielle Stelle, an der ihren Untersuchungen zufolge kollaboratives Lachen eine besondere Rolle spielt, ist in Time Outs. ... recipient must be brought to laughter over a series of moves in which it is established that the current talk does constitute a time-out and laughter by recipient is indeed appropriate. (Jefferson 1984a:367) Demnach kann Lachen dazu beitragen, eine Sequenz als Time Out zu markieren. Jeffersons Feststellung lässt sich anhand der vorliegenden Daten untermauern. Es gibt Auszüge, in denen lediglich die Rezipienten lachen. Die Relevanz in der Etablierung einer derartigen Nebensequenz wird im folgenden Abschnitt daran deutlich, dass der Produzent der stereotypen Wendung im Anschluss an das Lachen der Rezipienten die stereotype Wendung mit einer Postkomplettierung erweitert.
5
Zu weiteren Funktionen von Lachen in mündlicher Interaktion: Glenn 1995, Jefferson/ Sacks/Schegloff 1987.
159
Auszug (A8) 17 DK 2 : 18 DK4: 19 DK 3 : 20 21 DK 2 :
n e j , v i v i l h g l l e r e s i d d e hjemme p á - ( . ) i v o r e s s t u e og d r i k k e b a j e r . haha[ha [hahaha tyske.
Auszug (A8 übersetzt) 17 DK 2 : n e i n , w i r w o l l e n l i e b e r zu Hause s i t z e n a u f - ( . ) i n u n s e r e m Wohnzimmer und B i e r 18 DK4 : h a h a [ h a 19 DK3 : [hahaha 20 21 DK 2 : d e u t s c h e s . Im Anschluss an die stereotype Wendung in Zeile 17 und 18 markieren die beiden Rezipienten DK4 und DK3 Kopartizipation, indem sie lachen. Nach dieser Markierung von Kopartizipation erweitert Sprecher DK2 seine stereotype Wendung mit der Postkomplettierung tyske.¡deutsches.
In einigen Fällen schafft der Produzent der stereotypen Wendung sequenzielle Relevanz zur Kopartizipation, indem er selbst die Produktion seiner stereotypen Wendung mit Lachen begleitet. Auszug (A2a vereinfacht) 13 D i : man k ö n n t e d a s ( . ) a l s o ( . ) was 14 wir >irgenwie noch n i c h h a t t n is< 15 warum ( 0 . 3 ) a l s o w i r d e u t s c h η 16—» (0.2) wir s c h l e ( h ) s w i g h o l s t e i n e r meinen j a 17—» (.) i h ( h ) r ha(h)bt an(h)gst vo(h)r de(h)n 18—» deu(h)tschn. In anderen Fällen wird deutlich, wie die Markierung der Initiierung eines Time Outs mithilfe von Lachen des Produzenten der stereotypen Wendung durchgeführt wird, nachdem der erste Versuch der Markierung einer stereotypen Wendung beim Rezipienten nicht die Weiterführung des eingeleiteten Time Outs bewirkt hat. Im folgenden Auszug bezieht sich die in Zeile 7 auf die Italiener. Auszug (A5a vereinfacht) 7 ja m i t g e z o g e n . und d i e 1 Dl DKi 8 m: . 9—> d i e h a t t n j a d e n du : ( h ) c e . Dl 10 DKl m. r i c h t i c h . r i c h t i ( h ) c h . h a h a h a h a h a ha 11 h a h a ha h a Dl Nachdem die stereotype Wendung in Zeile 7 bei den anderen Gesprächsteilnehmern nicht zur Weiterführung der stereotypen Sequenz in Form eines Time Outs führt, produziert Sprecher Di in Zeile 9 eine Präzisierung seines zuvor konstruierten Stereotyps. Die Produktion der
160 turnterminalen Einheit du¿(h)ce ist von Lachen begleitet. Im anschließenden Turn markiert Sprecher D K j seine Kopartizipation an der stereotypen Sequenz, indem er seinerseits bei der Produktion seines Turns lacht.6 Das Lachen des Produzenten der stereotypen Wendung kann in diesem Auszug demnach als eine zusätzliche interaktive Technik betrachtet werden, um den Gesprächsteilnehmern zeigen zu können, welche Aktivität der aktuelle Sprecher momentan durchführt. Es wurde im Vorhergehenden gezeigt, dass das Zeigen von Kopartizipation im Konstruieren von Wiederholungen bzw. Reformulierungen der stereotypen Wendung liegen kann sowie im kollaborativen Lachen der bzw. einiger Gesprächsteilnehmer. Ein weiteres interaktives Mittel zur Konstruktion von Kopartizipation und damit der Etablierung eines Time Outs liegt in der Konstruktion weiterer stereotyper Wendungen. Zu unten stehendem Auszug muss angemerkt werden, dass die Sitzung am Jahrestag der Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Dänemark, dem 5. Mai, stattfand. Auszug (A2b) 26-» DKI 27 D2 28 DKI Dl 29 30 DK2 Dl 31 32 Dl 33 34 D2 35 DKi 36 DK 2 37 DKI 38 DK 2 39—» Dl 40 DKI 41 DK 2 42 ? 43 44 45—» 46-» 47—» 48-» 49
DK 2 DKi DKI: D2: DKl
Tbisschn anast 1 ham wir immer nicht?= [hö hö hö hö. ] =[ha ha ha ha haha ha. ] [hha ha ha ha [ ha ha.] [gibts ] gibts [ein euroregion, ] [du wir sind heute] aekomm obwohl wir (.) arad ausmarschiert sind [ne? ] [[·hh ö:]¿a ha ha ha] [hö ha ha: ha: ]=
[(?)] =ha ha Γ hhä fhhä 11 hhä hhä hhä 1 [das [weisst du:]] Γfherzlichnl alückwunsch zur befreiuna. hhä Γhhä hhä 1 [das [weisst ]du( ] [ä: hö hö ]= =h le :] [da][s weisst du] Γdeshalb haIm wir ia auch= =die [Fahne gehisst. ] [kuck mal die kerzn] ham sie schon wieder ausm [fenster geholt.] rhä hä he ] -hh=
Die Initiierung eines Time Outs mithilfe einer stereotypen Wendung findet in Zeile 26 durch den dänischen Sprecher D K j statt, indem das Stereotyp konstruiert wird, dass die Dänen immer Angst haben. Nach anschließendem Lachen konstruiert der deutsche Sprecher 6
Zur sequenziellen Platzierung von Lachen: Jefferson 1979.
161 Di in Zeile 29 und 31 eine weitere stereotype Wendung, diesmal, den Regeln entsprechend, über die Deutschen du wir sind heute gekomm obwohl wir (.) grad ausmarschiert sind. Bis auf Sprecher DK2 kopartizipieren alle Teilnehmer mittels kollaborativen Lachens. Dann übernimmt erneut Sprecher Di den Turn und konstruiert eine weitere stereotype Wendung herz.lichn gliickwunsch zur befreiung. Die Sequenz wird durch Lachen weitergeführt. Am Ende des Lachens übernimmt der dänische Sprecher DKi den Turn und konstruiert eine weitere stereotype Wendung deshalb harn wir ja auch die Fahne gehisst. In Überlappung im Mittelturn produziert nun ebenfalls der deutsche Sprecher D2 eine stereotype Wendung kuck mal die kerzn ham sie schon wieder ausm fenster geholt, die sich auf den dänischen Brauch bezieht, zur Erinnerung an das Ende der deutschen Besatzung am Abend des 5. Mai Kerzen in die Fenster zu stellen. Hier wird mittels der Konstruktion weiterer stereotyper Wendungen durch die anderen Gesprächsteilnehmer Kopartizipation gezeigt, die zur Etablierung eines Time Outs führt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass drei unterschiedliche Techniken zur Markierung von Kopartizipation aufgezeigt werden konnten, die die Etablierung eines Time Outs ermöglichen. Erstens ist dies die Wiederholung bzw. Reformulierung der initialen stereotypen Wendung durch einen anderen Sprecher. Zweitens ist dies Lachen des Rezipienten als Reaktion auf die stereotype Wendung. Und drittens kann eine Markierung von Kopartizipation in der Konstruktion weiterer stereotyper Wendungen liegen. Nachdem die interaktiven Mittel zur Markierung von Kopartizipation beschrieben worden sind, gilt es im Folgenden die Handlungen aufzuzeigen, die dem Unterlassen von Kopartizipation zu Grunde liegen.
6.5.
Das Unterlassen von Kopartizipation
Idiomatische Wendungen treten oft in Verbindung mit Themenwechseln bzw. Themenübergängen auf. Drew (1998) hat aufgezeigt, wie durch die Verwendung idiomatischer Wendungen ein Themenabschluss initiiert werden kann. Stereotype und idiomatische Wendungen weisen einige Parallelen auf, die eine Übertragung der Ergebnisse Drews auf die vorliegende Untersuchung nahe legen. Ebenso wie Stereotypen liegt idiomatischen Wendungen ein Bekanntheitsgrad zu Grunde, der bedeutet, dass mit ihrer Verwendung der Interaktion inhaltlich keine neuen Informationen hinzugefügt werden (s. Kap. 6.4.1.1.). Ihre Verwendung trägt somit im inhaltlichen Sinne nicht zur Weiterführung der aktuellen Sequenz bei. Stattdessen wird mit ihrer Hilfe von der zuvor vor sich gehenden Sequenz abgewichen und eine generalisierende Aussage über einen bestimmten Sachverhalt vorgenommen. Ebenso wie stereotype Wendungen weiden idiomatische Wendungen oft durch einen Turninitiator eingeleitet, der eine Konklusion oder Reformulierung projizierbar macht. Auf diese Weise demonstrieren Wendungen dieser Art auch das Zeigen des Verstehens des vorhergehenden Turns. Drew führt in Abgrenzung von konsens- versus dissensorientierten Handlungen im Anschluss an idiomatische Wendungen aus:
162 Whatever form of agreement or accord is used by the recipient, that speaker is in effect not only agreeing to the prior speaker's summary assessment: He or she is also implicitly accepting or confirming the prior speaker's move to close down the previous topic, by declining to take the opportunity in that slot to add anything or say anything more substantive about the matter being discussed and assessed. In other words, substantive agreement to the prior speaker's assessment also conveys a 'procedural' agreement, to draw that topic to an end. (Drew 1998:512) Demnach liegt im Markieren von Konsens im Anschluss an eine idiomatische Wendung nicht nur eine Anerkennung der vorherigen Aussage, sondern gleichzeitig eine Anerkennung eines möglichen Themenwechsels. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche interaktiven Handlungen den Gesprächsteilnehmern in einem solchen sequenziellen Kontext zur Verfügung stehen, um einem möglichen Themenwechsel entgegenzuwirken. Dies würde bedeuten, dass eine Handlung durchgeführt werden müsste, die keinen Konsens, sondern Dissens markiert. Drew merkt in Zusammenhang mit der Markierung von Dissens in einem derartigen sequenziellen Kontext an: Such (incipient A.d.V.) disagreement is not overtly expressed; rather, it is implicit in the absence of agreement in the recipient's response to the figurative summary. (Drew 1998:515) Er hebt demnach hervor, dass beginnender Dissens in diesen Sequenzen nicht offen und direkt markiert wird, sondern implizit im Unterlassen der Markierung von Konsens liegt. Dieses Argument dient der folgenden Analyse als Hintergrund, da auch in einer Sequenz mit stereotypen Wendungen im anschließenden Unterlassen einer bestimmten Handlung eine dissensorientierte Handlung zu sehen ist. Eine Nuancierung ist insofern vorzunehmen, als in Bezug auf stereotype Wendungen die sequenzielle nächste Handlung nicht allein in der Markierung von Zustimmung zu sehen ist. Den vorliegenden Daten zufolge wird zwar in einigen Fällen durch ein Zeichen minimalen Responses Zustimmung zum zuvor Gesagten ausgedrückt, doch wie in Kapitel 6.4.2. nachgewiesen wurde, lassen sich weitere Handlungen aufzeigen, die nicht explizit Zustimmung ausdrücken, aber dennoch als konsensorientiert zu betrachten sind. Die diesen Handlungen zu Grunde liegende Gemeinsamkeit ist das Zeigen von Kopartizipation. Insofern kann das Unterlassen von Kopartizipation in Sequenzen mit stereotypen Wendungen vergleichbar mit dem Unterlassen der Markierung von Konsens in Sequenzen mit idiomatischen Wendungen eine dissensorientierte Handlung sein. Indem stereotype Wendungen Initiatoren von Sequenzen sein können, die ein Time Out der aktuell vor sich gehenden Sequenz darstellen, können sie auch Einleitung eines Themenabschlusses resp. eines Themenwechsels sein. In den vorhergehenden Abschnitten wurde aufgezeigt, auf welche Weise die Gesprächsteilnehmer im Anschluss an eine stereotype Wendung durch das Durchführen kopartizipatorischer Handlungen ein Time Out etablieren können. In der folgenden Analyse soll der Frage nachgegangen werden, welche möglichen Handlungen den Gesprächsteilnehmern zur Verfügung stehen, um der Entstehung einer Time Out-Sequenz und damit einem potenziellen Themenwechsel entgegenwirken zu können. In den vorliegenden Auszügen wenden die Gesprächsteilnehmer zur Durchführung einer solchen Handlung zwei unterschiedliche Techniken an. Zum einen versuchen sie die Entste-
163 hung einer solchen Sequenz an sich zu unterbinden. Diese Aktivität wird im Folgenden als 'doing non-stereotyping1 bezeichnet. Zum anderen markieren sie die Time Out-Sequenz als eine Nebensequenz. Hierdurch wird eine sequenzielle Möglichkeit zur Rückkehr zum vorherigen Thema geschaffen. Die Durchführung dieser Handlungen kann sich in Mehrparteiengesprächen als problematisch erweisen, da dort mehrere Gesprächsteilnehmer unterschiedliche Ziele mit der Etablierung eines Time Outs verfolgen können. Auf diesen Aspekt wird gesondert in Abschnitt 6.5.3. eingegangen werden.
6.5.1.
On doing non-stereotyping'
In Kapitel 6.4. sind verschiedene interaktive Praktiken beschrieben worden, die ein notwendiger Bestandteil der Aktivität sind, die als 'doing stereotyping' bezeichnet wird. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, mit welchen interaktiven Mitteln die Gesprächsteilnehmer einer solchen Aktivität entgegenwirken können. Eine solche Aktivität wird im Weiteren in Abgrenzung zu der vorhergehenden Aktivität als 'doing non-stereotyping' bezeichnet. Es geht demnach im Folgenden um die Frage, wie die Gesprächsteilnehmer einander markieren können, dass sie an einer im Aufbau befindlichen stereotypen Sequenz nicht teilhaben. Die Konstruktion einer stereotypen Sequenz geht mit der Etablierung eines Time Outs einher. Es gibt unterschiedliche interaktive Techniken, um dem Entstehen eines Time Outs im Anschluss an eine stereotype Wendung entgegenzuwirken. Die mit der Verwendung dieser Techniken verbundenen Handlungen sind als dissensorientiert zu betrachten, da sie sich der sequenziellen Relevanz zu kopartizipatorischen Handlungen im Anschluss an stereotype Wendungen entziehen. Die Funktion der interaktiven Praktiken lässt sich zusammenfassen in der expliziten oder impliziten Zurückweisung der stereotypen Wendung. Eine explizite Zurückweisung der stereotypen Wendung scheint eher selten zu sein (Pomerantz 1984). In dem vorliegenden Korpus tritt sie nur in einem Fall auf. Die Zurückweisung ist hier jedoch nicht ausschließlich inhaltlich auf die stereotype Wendung zu beziehen, sondern auch als Zurückweisung einer sequenziellen Handlung zu sehen, da in diesem Fall das Stereotyp in Form einer antizipatorischen Turnbeendigung realisiert wird. Auszug (A5b vereinfacht)
18 19 20
21
DKi : -h also wenn man eine euroregion wähln könnte wo: die deutschn nicht ä: (0.7) D 2 : hhä: hähä [kriegerisch,]
22—> DKi:
23
[(dran sind) ] nene : ich: mein wenn man so: (0.3) italien Schweiz oder=
In Zeile 22 reagiert der dänische Sprecher auf die stereotypisierende antizipatorische Turnbeendigung des deutschen Sprechers, indem er nach der Überlappung lexikalisch mittels nene: Nicht-Übereinstimmung mit der antizipatorischen Turnbeendigung markiert. In diesem Auszug wird die Initiierung eines Time Outs sequenziell an erst möglicher Stelle nach Realisierung der stereotypen Wendung unterbunden. Hierin ist eine explizite Markierung von
164 Nicht-Übereinstimmung zu sehen. Es wird hier trotz Turnübernahme keine Kopartizipation geleistet, da der stereotypen Wendung selbst explizit widersprochen wird. Eine implizite Markierung von Dissens in Verbindung mit einer stereotypen Wendung ist im vollständigen Unterlassen von Kopartizipation zu sehen. Dies bedeutet, dass trotz sequenzieller Relevanz zur Turnübernahme keiner der anwesenden Gesprächsteilnehmer den Turn übernimmt. Auszug (A2a) 13 Di: 14 15 16 17 18 19-> 20 Di: 21 D K i :
[man k ö n n t e ] das (.) a l s o (.) w a s w i r > i r g e n w i e n o c h n i c h h a t t n is< w a r u m (0.3) a l s o w i r d e u t s c h η (0.2) w i r s c h l e ( h ) s w i g h o l s t e i n e r m e i n e n ja (.) i h ( h ) r h a ( h ) b t a n ( h ) g s t v o ( h ) r d e ( h ) n deu(h)tschn. (.) - h h das is. ja a b e r n i c h so. °nein.°
In den Zeilen 16-18 wird eine stereotype Wendung konstruiert, in der mithilfe der Personalpronomen ihr und wir eine Gruppenaufteilung in Deutsche und Dänen konstruiert sowie in Hinblick auf einen nächsten dänischen Sprecher mit ih(h)r ha(h)bt an(h)gst eine mögliche Sprecherselektion vorgenommen wird. Mittels turninternen Lachens wird dieser Turn zusätzlich als ein Time Out markiert und zum Zeigen von Kopartizipation aufgefordert. Die Turnkonstruktionseinheit, in der die stereotype Wendung platziert ist, ist durch eine deutliche übergangsrelevante Stelle markiert. Die Einheit ist syntaktisch, prosodisch und pragmatisch beendet. Die sequenzielle Relevanz zur Kopartizipation wird durch die Lachelemente noch unterstrichen. Hier wäre eine sequenzielle Stelle zur Durchführung einer kopartizipatorischen Handlung durch die anderen Gesprächsteilnehmer gegeben, doch eine solche wird unterlassen. Im Anschluss an diesen Turn in Zeile 19 übernimmt keiner der anderen Gesprächsteilnehmer den Turn. Somit wird das Entstehen einer stereotypen Sequenz unterbunden. Dies lässt sich auch an der Reaktion des Produzenten der stereotypen Wendung auf das Unterlassen von Kopartizipation aufzeigen. Da keiner der Gesprächsteilnehmer eine Selbstwahl vornimmt, entsteht in Zeile 19 eine Pause in Form einer Mikropause. Hinsichtlich der Funktion von Pausen in Bezug auf einen möglichen Themenabschluss führen Schegloff/Sacks (1973) aus: ... a closing section is initiated, i.e. turns out to have begun, when none of the parties to a conversation care to choose to continue it. (Schegloff/Sacks 1973:309) Hiermit wird deutlich, dass eine Pause in der Interaktion, in der keiner der Gesprächsteilnehmer den Turn übernimmt, die potenzielle Initiierung des Abschlusses des vorhergehenden Themas darstellen kann. Es muss im Anschluss an eine solche Pause kein Themenabschluss erfolgen, doch eine derartige Pause stellt den sequenziellen Ort zur Initiierung eines solchen dar. Berücksichtigt man die Tatsache, dass mittels der stereotypen Wendung gerade erst ein neues Thema initiiert worden ist, so kann das Unterlassen von Kopartizipation, das
165 sich im Entstehen dieser Pause zeigt, als Zeichen von Übereinstimmung zwischen den anderen Gesprächsteilnehmern zur Beendigung des Themas gewertet werden. Der Produzent der stereotypen Wendung scheint sich hieran zu orientieren, indem er nicht mit der Konstruktion einer stereotypen Sequenz fortfahrt, sondern im Anschluss an die Pause erneut den Turn übernimmt und einen Themenabschluss durchführt. Er markiert den Abschluss dieser Sequenz, indem er mit hh das is ja aber nich so einen Turn produziert, der eine generalisierbare Bewertung der eigenen vorhergegangenen verbalen Handlung darstellt. D.h. er zeigt, dass er das Unterlassen von Kopartizipation durch die anderen Gesprächsteilnehmer als ein Zeigen von Bereitschaft, das Thema zu beenden, versteht. Mit seiner Handlung, die einen Themenabschluss initiiert, zeigt er Kooperationswilligkeit, diese Handlung zu vollführen. In unten stehendem Auszug lässt sich eine ähnliche sequenzielle Geordnetheit nachweisen wie im vorherigen Auszug. Wiederum führt der Mangel an Kopartizipation der anderen Gesprächsteilnehmer zu einer Beendung der potenziellen stereotypen Sequenz durch den Produzenten der stereotypen Wendung. Auszug (AIO) 1 Di: 2 3 4 5 6 7 8 DKi: 9 DK 2 : 10 11 D-| : 12 DKl : 13 Di: 14 15 16 17 Di: 18-4 19 Di: 20 21 22 23
Γ-hhl oder umaekehrt dass wir den ginstiegsbeitrag machn (,)*hh ä: deutschland frankreich (0.8) das funktioniert (.).warum äm funktionierts trotz der (.) lanan aeschichte und einmarsch in frankreich und (stett [de[r] ]) [m:. ] [ijat:]
(.) besetzuna und und u[nd ] -hh [ijat:] harn wir ν viellei die: ä also >ich hatte überleat ob vielleicht die< (.) -hh deutschn und die dä:nn (.) das problem nie:: (0.8) richtig ä: ja bearbeitet habn. (0.5) obwohl die veraanaenheit ist i a nun auch >völlia die veraanaenheit" aber das man< •hh (.) deutschland und frankreich haben ia aa:nz intensiv V ö l k e r verständiauna von (.) hinten bis vorne be(.)triebn.=
Vorweg lässt sich hier kurz der Turn diskutieren, der in Zeile 13 initiiert wird. Es ist in diesem Zusammenhang zu klären, inwieweit bei dieser Sequenz von einer stereotypen Wendung zu sprechen ist oder nicht. Für eine stereotype Wendung sprechen die Initiierung mit also in Zeile 13, die vorangegangene Verwendung des Personalpronomens wir sowie die Nennung von Vertretern beider Nationalitäten, denen die Gesprächsteilnehmer angehören. Zusätzlich wäre hier auch die Verwendung von nie:: zu nennen (s. Kap. 6.4.1.2.). Doch es
166 lassen sich auch Merkmale aufzeigen, die die stereotype Wendung in ihrer Ausformung als nicht eindeutig stereotypisierend erscheinen lassen. Hierzu gehören beispielsweise die Pausen in Zeile 14, 15 und 16 sowie der Verzögerungsmarker ä: in Zeile 16, die die Produktion des Turns hinauszögern. Außerdem wird durch den Restart nach ham wir ν viellei die: ä die anschließende Reparatur in die< (.) -hh deutschn durchgeführt, die die entstandene aus zwei Komponenten bestehende Gruppe abschwächt und damit eine mögliche Sprecherselektion für den folgenden Turn minimiert. Neben diesen stärker strukturellen Argumenten tritt zusätzlich die Tatsache, dass in der stereotypen Wendung inhaltlich betrachtet keine eindeutige Zuweisung einer bestimmten Eigenschaft zu einer entsprechenden Nation vorgenommen wird. Die Deutschen und die Dänen werden hier als ein Teil derselben Klasse geformt und somit wird keine aus zwei Komponenten bestehende Klasse gebildet. Die Tatsache, dass aus dieser Wendung keine stereotype Sequenz unter Beteiligung der anderen Gesprächsteilnehmer entsteht, kann demnach daher herrühren, dass die stereotype Wendung in ihrer Ausformung nicht eindeutig ist. Festzuhalten bleibt vorläufig, dass im Anschluss an diesen Turn keine kopartizipatorischen Handlungen der anderen Gesprächsteilnehmer folgen. In vergleichbarer Weise wie in Auszug (A2a) findet im Anschluss an die Nicht-Turnübernahme durch die anderen Gesprächsteilnehmer in Zeile 18 als folgende Handlung eine Selbstwahl durch den Produzenten der stereotypen Wendung statt. Sprecher D i versucht hier nicht, die stereotype Sequenz, die er zuvor initiiert hat, allein weiterzuführen. Stattdessen schränkt er in Zeile 19 seinen zuvor geäußerten Turn ein und markiert ihn prosodisch, indem er diesen Teil seines Turns mit leiser, schneller Stimmführung äußert. Er selbst formuliert eine formelhafte Wendung 0obwohl die Vergangenheit ist ja nun auch >vollig die Vergangenheitdie einen Themenabschluss implizieren kann. Mit der Verlangsamung des Sprechtempos und der größeren Lautstärke im Anschluss an eine Pause markiert der Sprecher ab Zeile 21 den Beginn einer neuen Aktivität. In unten stehendem Auszug besteht der Unterschied im strukturellen Aufbau zu den beiden vorhergehenden Auszügen darin, dass es hier nicht der Produzent der stereotypen Wendung ist, der im Anschluss an das Zeigen von Nicht-Kopartizipation einen Themenabschluss initiiert, sondern einer der anderen Gesprächsteilnehmer. Auszug (A6a nonverbal) 7 DKi : •hh aber das lieat wohl auch ä: f: η bisschn an der farösse der (0.2) 8 {DKi->0 9 der (0.4) nationen also f: ä: f: anders 10 ausaedriickt also die ä (. ) franzosn habn 11 vielleicht nicht so viel a(h)nast vo(h)r 12 de(h)n deu(h)tschn wie die dänen fhabn. {DKi"»Di 13 ein vielleicht (.) NOch stärkeres D2: 14 Selbstbewusstsein. (3) 15-» 16 D 2 : das denk ich auch ( . ) kann man nicht 17 so vergleichn.
167 An obigem Auszug ist die Blickrichtung der Gesprächsteilnehmer aus dem Grunde entscheidend, als sich hieraus Schlüsse ableiten lassen über die mit der verbalen Handlung verbundene Sprecherselektion. Im Turn von Sprecher D K j wendet der Sprecher, nachdem er zunächst niemanden der Gesprächsteilnehmer angeschaut hat, den Blick auf den deutschen Sprecher D j . Doch dieser Sprecher übernimmt nicht im Anschluss an den Turn von Sprecher D K j den Turn. Ohne dass eine Pause in der Interaktion entsteht, übernimmt stattdessen der andere deutsche Sprecher D2 den Turn. Er baut die stereotype Sequenz weiter aus, indem er den Franzosen ein stärkeres Selbstbewusstsein zuschreibt als den Dänen. Im Anschluss an diesen Turn entsteht eine dreisekündige Pause, in der keiner der Gesprächsteilnehmer Anzeichen macht, den Turn zu übernehmen. Dies kann als ein Signal zum Themenabschluss gedeutet werden. Dann übernimmt der Sprecher, der den letzten Teil der stereotypen Sequenz produziert hat, wiederum den Turn und produziert mit leiser Stimmführung einen Turn, der einen Themenabschluss impliziert *das denk ich auch (.) kann man nicht so vergleichn. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass den Gesprächsteilnehmern unterschiedliche explizite und implizite interaktive Mittel zur Verfügung stehen, um der Entstehung eines Time Outs, das mithilfe stereotyper Wendungen initiiert wurde, entgegenzuwirken. Diese Handlungen sind als dissensorientiert zu betrachten, da sie der sequenziellen Relevanz zur Kopartizipation zuwiderlaufen. Als explizite interaktive Technik steht den Gesprächsteilnehmern die lexikalische Zurückweisung der stereotypen Wendung zur Verfügung. Diese Technik scheint jedoch eher selten angewandt zu werden. Eine implizite Technik zur Unterbindung eines Time Outs ist das Unterlassen von Kopartizipation. Dies bedeutet, dass keine Turnübernahme durch einen oder mehrere der anderen Gesprächsteilnehmer stattfindet, obwohl hierzu sequenzielle Relevanz besteht. An einer Stelle in der Interaktion, an der das Zeigen von Kopartizipation die relevante nächste Handlung wäre, wird diese Handlung unterlassen. Die Reaktion des Produzenten der stereotypen Wendung auf das Unterlassen von Kopartizipation von Seiten anderer Gesprächsteilnehmer kann dergestalt sein, dass dieser erneut den Turn übernimmt und die Beendigung der stereotypen Sequenz initiiert. Das Unterlassen von Kopartizipation scheint als folgende Handlung somit die Initiierung eines Themenabschlusses durch den Produzenten der stereotypen Wendung zu ermöglichen.
6.5.2.
Etablierung von Nebensequenzen
Eine weitere Technik zur Unterbindung eines Time Outs und damit der Unterbindung eines potenziellen Themenwechsels liegt in der Markierung des Time Outs als Nebensequenz. Wie in Abschnitt 6.4.1.1. erläutert wurde, können Time Outs eine Voraussetzung zur Konstituierung unterschiedlicher Sequenzen sein. Zum einen können sie die sequenzielle Grundlage für einen Themenwechsel bilden, zum anderen können sie als Nebensequenzen fungieren, an deren Anschluss ein Rückgriff auf das zuvor behandelte Thema möglich ist. Mit der Produktion einer stereotypen Wendung und der damit einhergehenden Initiierung eines Time Outs ist in jedem Fall ein Themen Wechsel verbunden. Nach der Initiierung eines Themenwechsels liegt es an den Gesprächsteilnehmern darüber zu verhandeln, wie der weitere Verlauf der Interaktion aussieht. Das Time Out in Form einer stereotypen Sequenz kann entweder weiter ausgebaut oder aber beendet werden, um zu dem zuvor behandelten
168 Thema zurückzukehren. Dieses können widerstreitende Aktivitäten sein, über dessen Durchführung die Gesprächsteilnehmer verhandeln. Eine Möglichkeit, um eine Rückkehr zum zuvor behandelten Thema zu erreichen, ist die Formung des Time Outs als Nebensequenz. Zur Etablierung einer Nebensequenz und damit verbundener Eröffnung eines schon behandelten Themas stehen den Gesprächsteilnehmern unterschiedliche Mittel zur Verfügung. Jefferson (1972:318f.) unterscheidet hierbei zwischen 'resumption', Wiederaufnahme, und 'continuation', Weiterführung. Mittels einer Wiederaufnahme wird deutlich markiert, dass eine neue Aktivität einsetzt. Hierzu gehören Marker, die die Aufmerksamkeit der Gesprächsteilnehmer auf sich ziehen. Die vorhergegangene Nebensequenz wird hierdurch in ihrer Existenz noch einmal hervorgehoben. Die Rückkehr zu dem vorhergehenden Thema wird als problematisch markiert. Mittels einer Weiterfiihrung hingegen wird versucht, die vorhergehende Nebensequenz als nicht-existent zu markieren. Es wird dadurch gezeigt, dass eine Rückkehr zum vorhergehenden Thema nicht problematisch ist. Jefferson führt hierzu aus: Where "resumption" might readily be seen to be of some interactional interest, the workings of "continuations" are such that they provide for their own interactional uninterestingness; that is, "resumption" marks that there is a problem in accomplishing a "return", while "continuation" is specifically directed, for example, to "covering up" the problem. (Jefferson 1972:319) Zur Markierung einer Wiederaufnahme muss der Sprecher den anderen Gesprächsteilnehmern deutlich machen, dass das, was im kommenden Turn produziert wird, nicht in Relation zu sehen ist zu dem direkt Vorangegangenen, sondern dass es sich auf einen nicht adjazent platzierten Turn bezieht. In diesem Sinne muss markiert werden, dass das Kommende im Verhältnis zur lokalen, sequenziellen Organisation von Interaktion fehlplatziert ist. Dies kann erreicht werden durch so genannte 'misplacement markers'. Schegloff/Sacks 1973 führen diesen Begriff ein und definieren: Misplacement markers, thus, display an orientation by their user to the proper sequential-organizational character of a particular place in a conversation, and a recognition that an utterance that is thereby prefaced may not fit, and that the recipient should not attempt to use this placement in understanding their occurrence. (Schegloff/Sacks 1973:320) Misplacement Marker dienen demnach dazu zu markieren, dass ein Turn sequenziell fehlplatziert ist. Die Fehlplatziertheit liegt darin begründet, dass der mit einem Misplacement Marker eingeleitete Turn mit einem Turn verbindet, der nicht der direkt adjazent platzierte ist. Zur Schaffung von Verbindung zu vorhergehenden Turns führt Sacks aus: You can't not tie in talk. (Sacks 1992:1:720) Und Tying an utterance to an utterance is the basic means of showing that you understood that utterance. (Sacks 1992:1:718)
169 Sacks beschreibt hiermit die grundlegende Relevanz turnverbindender Mechanismen für den Prozess des Verstehens und des Zeigens von Verstehen in Interaktion. Seine Feststellung, dass das Schaffen einer Turnverbindung die grundlegende Technik ist um zu zeigen, dass man eine Äußerung verstanden hat, wäre im Hinblick auf das Verständnis des Begriffs 'Verstehen' dahingehend zu nuancieren, dass das Schaffen einer Turnverbindung eine grundlegende Technik ist um zu zeigen, wie man eine Äußerung verstanden hat. Das Verbinden eines Turns mit einem nicht-direkt vorangehenden Turn bezeichnet Sacks als 'skip-connecting'. Er definiert diese Technik folgendermaßen: What I mean to refer to with that is that a speaker produces an utterance which is indeed related to some prior utterance, but it's not related to the directly prior utterance, but some utterance prior to the directly prior utterance. (Sacks 1992:11:349) Er stellt damit heraus, dass die direkt vorhergehende Äußerung, resp. die direkt vorhergehenden Äußerungen übersprungen werden und eine Verbindung hergestellt wird zu einem weiter zurückliegenden Turn. Dieser Technik schreibt er zwei Charakteristika zu: First, when speakers skip-connect they tend to skip-connect to themselves, i.e. to an utterance of theirs; characteristically to the last utterance of theirs. Second, they don't much skipconnect unless their own utterance was last-but-one, i.e., the one that directly proceeded whatever utterance preceeded the current one. That is to say, they don't skip-connect over long distances. (Sacks 1992:11:349) Während die erste Feststellung durch die vorliegenden Daten unterstützt wird, scheint die zweite einer Differenzierung zu bedürfen. Weniger als darum, dass man nur über eine Äußerung hinweg zurückverbindet, scheint es in den vorliegenden Belegen der Fall zu sein, dass man über eine Aktivität hinweg verbindet. Die Aktivität kann beispielsweise in der Etablierung einer stereotypen Sequenz liegen, und über diese Aktivität hinweg, die mehrere Turns beinhalten kann, kann der aktuelle Sprecher zu einer eigenen vorhergegangenen Aktivität zurückverbinden. Skip Connecting ist somit eine Technik, derer sich die Gesprächsteilnehmer bedienen können, um eine Nebensequenz zu etablieren. Im Folgenden sollen anhand von Time Outs, die mittels einer stereotypen Wendung initiiert wurden, unterschiedliche Möglichkeiten zur Gestaltung einer Nebensequenz aufgezeigt werden. Die Aktivität der Gestaltung einer derartigen Sequenz zu einer Nebensequenz wird als dissensorientierte Handlung betrachtet, da sie die Beendigung der stereotypen Sequenz bedeutet und damit der sequenziellen Relevanz zum Zeigen von Kopartizipation zuwiderläuft.
6.5.2.1.
Der Zeitpunkt der Markierung einer Nebensequenz
Es scheint dem Korpus zufolge zwei grundlegende strukturelle Muster beim Designen einer Nebensequenz zu geben, die zunächst einmal unabhängig von der Art der Markierung in Form einer Wiederaufnahme oder einer Weiterführung zu sehen sind. Dies ist der Zeitpunkt, an dem der Versuch unternommen wird, eine Nebensequenz zu designen.
170 Auszug (A9)
15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25-» 26 27 28 29 30 31 32 33
DK2;
-hh de: bare det smitter nár man er for meget sammen med tyskere.=sá fâr man oss det de:r, (1.5) DK2: (juppija:.) DK3: PLANEN UND VISSIONEN. DK4: j[a. DK2[jâ [ja. DK3: [MIT DER HIERHER [IM JAHR, DK2: t-hh DK2: men altsà det [er JO SÂdan [at vi-] (.) vi= DK3: [ZWEITAUSEND [ZWEI. ] DK2: =begge:, vi begge to mener ('''). sá de ka jo ikk [ret godt angribe= DK3: [-hh DK2 : =os [hvis de:t ae sádan de blier= DK3 : [ha ha ha ha ha ha= DK2: =[sür over vi gider ikk noget mere. DK3 : = [hA hA hA n£j ·
Auszug (A9 übersetzt)
15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25—ï 26 27 28 29 30 31 32 33
DK2:
-hh es ist nur es steckt an wenn man zu viel mit Deutschen zusammen ist.=dann bekommt man auch dieses, (1.5) DK2: (juppija:.) DK3: PLANEN UND VISSIONEN. DK4: j[a. DK 2 . [ja [ja. DK3: [MIT DER HIERHER [IM JAHR, DK2: [-hh DK2: aber also das [ist JA so [dass wir-] (.) wir= DK3: [ZWEITAUSEND [ZWEI. ] DK2: =beide:, wir beide meinen ('"'). also die können uns ja nicht [gut angreifen= DK3: [-hh DK2: = [wenn es so ist dass sie= DK3 : [ha ha ha ha ha ha= DK2: =[sauer darüber werden, dass wir nicht mehr wolln. DK3: = [hA hA hA nsj .
Der Versuch eine Nebensequenz zu designen kann zum einen wie in Auszug (A9) zu einem Zeitpunkt geschehen, an dem die stereotype Sequenz noch im Entstehen ist bzw. sie erkennbar noch nicht zu einem Ende gekommen ist. Hier geschieht die Turnübernahme in Zeile 25 zu einem Zeitpunkt, an dem der aktuelle Turn des vorhergehenden Sprechers in
171
Zeile 23 zwar unterbrochen, jedoch weder prosodisch noch syntaktisch beendet ist. Die Turnübernahme findet somit nicht an einer übergangsrelevanten Stelle statt. Auszug (A5a) 4 auch kein Droblem (mit) der euroreaion Dl soviel ich weiss 5 DKi m[. 6 7 Tund die ham ia mitaezoaen. Dl DKi m: . 8 die hattn ja den du:(h)ce. 9 Dl m. richtich. richti(h)ch. hahaha ha ha ha 10 DKi ha ha ha ha 11 Dl 12 italien ist doch auch noch so'n (.) D2 armes (0.5) da aibs doch auch nicht so viel 13 14 die Italiener hams eher mit den Schweizern. Dl m. 15 D2 16 DKI atha 17 (8) 18—> ϋΚχ: •h also wenn man eine euroreqion wähln könnte wo: die deutschn nicht ä: 19 Zum anderen kann die Gestaltung einer Nebensequenz wie in Auszug (A5a) in Zeile 18 zu einem Zeitpunkt geschehen, an dem ein Einverständnis zu einem Aktivitätswechsel durch die anderen Gesprächsteilnehmer markiert wird, da in der Interaktion eine Pause entsteht und das Rederecht allen Gesprächsteilnehmern zusteht. In diesem Sinne ist hier von einer konsensorientierten Handlung zu sprechen. Der Zeitpunkt der Turnübernahme, um eine Nebensequenz zu designen, scheint von Bedeutung zu sein für die Markierung von Dissens oder Konsens. Initiiert der Sprecher die Etablierung einer Nebensequenz zu einem Zeitpunkt, an dem die Interaktanten einander durch das Entstehen einer Pause zeigen, dass die stereotype Sequenz an diesem Punkt nicht weitergeführt wird, so trägt die Turnübernahme Züge einer konsensorientierten Handlung. Findet die Etablierung einer Nebensequenz jedoch zu einem Zeitpunkt statt, an dem die stereotype Sequenz nicht erkennbar beendet ist, so trägt die Turnübernahme Züge einer dissensorientierten Handlung. Zieht man in diesem Zusammenhang die Unterscheidung Jeffersons in Markierung von Nebensequenzen mithilfe von Weiterführung bzw. Wiederaufnahme der vorhergegangenen Aktivität in Betracht, so lässt sich hinsichtlich der Markierung von Dissens oder Konsens weiter differenzieren. Wie anfangs erläutert, bedeutet eine Weiterführung, dass die Nebensequenz nicht besonders markiert wird, während eine Wiederaufnahme bedeutet, dass die Nebensequenz als existent markiert und dadurch gezeigt wird, dass es besonderer Arbeit bedarf, um wieder an das vorhergehende Thema anzuknüpfen. Insofern bedeutet die Markierung einer Nebensequenz in Form einer Wiederaufiiahme eine explizitere Markierung von Dissens in Bezug auf die adjazent zuvor liegende Aktivität als es die Markierung einer Nebensequenz mittels einer Weiterführung darstellt.
172 6.5.2.2.
Wiederaufnahme
Im Folgenden wird eine Wiederaufnahme einer vorhergegangenen Aktivität mithilfe eines Misplacement Markers markiert. Im ersten Auszug (A9) geschieht dies zu einem Zeitpunkt in der Interaktion, an dem die stereotype Sequenz nicht abgeschlossen ist. Im zweiten Auszug ( A l ) erfolgt dies zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Teilnehmer mittels NichtTurnübernahme zeigen, dass die stereotype Sequenz vorläufig nicht weiter ausgebaut weiden wird. Auszug (A9)
15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25-» 26 27 28 29 30 31 32 33
DK2
•hh de: bare det smitter nâr man er for meget sammen med tyskere.=sâ fár man oss det de:r, (1.5)
DK2 DK3 DK4 DK2 DK3 DK2 DK2 DK3 DK2 DK3 DK2 DK3 DK2 DK3
(juppijâ:-) PLANEN UND VISSIONEN. j [a. [ja [ja. [MIT DER HIERHER [IM JAHR, [ - hh men altsá det [er JO SÂdan [at vi-] (.) [ZWEITAUSEND [ZWEI. ] =begge:, vi bggge to mener (''"). sà de ka jo ikk [ret godt angribe= [ -hh =os [hvis de:t as sádan de blier= [ha ha ha ha ha ha= =[snr over vi gider ikk noget mere. = [hA hA hA ne fi.
Auszug (A9 übersetzt) DK 2 15 •hh es ist nur es steckt an wenn
16 17 18 19 20 21 22 23 24 25-» 26 27 28 29
DK 2 DK 3
DK4 DK 2 DK 3 DK 2 DK 2 DK 3 DK 2 DK 3
man zu viel mit Deutschen zusammen ist.=dann bekommt man auch dieses, (1.5) (juppija:. ) PLANEN UND VISSIONEN. j [a. [ja [ja. [MIT DER HIERHER [IM JAHR, [•hh aber also das [ist JA so [dass wir-] (.) wir [ZWEITAUSEND [ZWEI ] =beide:, wir beide meinen ( ' ' ' also ) . die können uns ja nicht [gut angreifen= [•hh
173 30 31 32 33
DK 2 : DK 3 : DK 2 : DK3 :
[wenn es so ist dass sie= [ha ha ha ha ha ha= [sauer darüber werden, dass wir nicht mehr wolln. : [hA hA hA ne j .
In Zeile 25 projiziert Sprecher DK2 den anderen Gesprächsteilnehmern mit dem Misplacement Marker men altsâ/aber also, dass eine neue Aktivität vollführt werden wird, die die vorhergehende Sequenz beendet. Durch diese Form der Markierung der Nebensequenz wird die Existenz der Nebensequenz hervorgehoben, da den anderen Gesprächsteilnehmern explizit eine Orientierungshilfe zum Verständnis des kommenden Turns mithilfe eines vorangestellten Misplacement Markers gegeben wird. Die Markierung der vorhergehenden Sequenz als einer Nebensequenz findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem die stereotype Wendung des vorhergehenden Sprechers noch nicht abgeschlossen ist. Diese Handlung kann als dissensorientierte Handlung betrachtet werden, da sie der vor sich gehenden anderen Aktivität in Überlappung zuwiderläuft. Der Sprecher versucht an einer nicht-übergangsrelevanten Stelle den Turn zu übernehmen. Dies ist eine dispräferierte Handlung, auf die der andere Sprecher mit der Weiterführung seines Turns trotz Überlappung reagiert. In unten stehendem Auszug (Al) wird die Markierung einer Nebensequenz mittels eines Misplacement Markers als Wiederaufnahme zu einem Zeitpunkt designt, an dem keiner der Gesprächsteilnehmer Anstalten macht, die stereotype Sequenz weiterzuführen. Auszug (Al) 12 Di: DKi: 13 14 15 Di: 16 DKi : 17 Di: 18 Di: 19 20—) DKi : 21 22 23 24 DKi :
[also IHR SEID DOCH DIE PERFEKTEREN DEUT]SCHN =so:n rieh-, Ja: sind wir nämlich.=das isses ja [ebhhn.hahaHAhe das is ja unser]= [((lächelt)) ]= =raeheimnis. 1 =[((lächelt))] •hh ha ha ha ha. (1) also da steht auf dänisch (0.4) ä: ich übersetz das gleich ä: hierher er stattet af e: u: gennem det graenseoverskridende •hh ((1)) f:aelleskabsinitiativ (.) interreg (.) to.
Die stereotype Sequenz beginnt in Zeile 12 mit der Initiierung einer stereotypen Wendung und wird in Zeile 20 beendet. Zu diesem Zeitpunkt haben die Gesprächsteilnehmer einander signalisiert, dass die stereotype Sequenz nicht weitergeführt werden wird. Im Anschluss an eine einsekündige Pause nimmt Sprecher DK] eine Selbstwahl vor. In Zeile 20 markiert Sprecher DKi mittels des Misplacement Markers also, dass es sich im Folgenden um eine neue Aktivität handeln wird. Interessant an diesem Auszug ist die Tatsache, dass deijenige Sprecher, der zuvor noch durch Kopartizipation zur Etablierung der stereotypen Sequenz beigetragen hat, diese anschließend zu einer Nebensequenz formt und zum vorherigen Thema zurückkehrt. Dieser Ablauf lässt sich an zahlreichen Auszügen nachweisen und mag als Beleg dafür dienen, dass
174 die sequenzielle Relevanz zur Durchführung kopartizipatorischer Handlungen im Anschluss an eine stereotype Wendung ein explizites Nicht-Zeigen von Kopartizipation erschwert. Aus diesem Grund findet sich oft eine Kombination aus kopartizipatorischen Handlungen, die konsensorientiert sind, und einem anschließenden dissensorientierten Versuch, zum vorhergehenden Thema zurückzukehren. Hinsichtlich der Aussage Sacks', dass der Sprecher mittels Skip Connecting zumeist zu dem letzten eigenen Turn zurückverbindet, kann hier angemerkt werden, dass dies nicht der Fall sein muss. Der Sprecher verbindet hier nicht an seinen letzten Turn, sondern an die letzte Aktivität, die er vor der Etablierung einer stereotypen Sequenz vollführt hat. In obigem Auszug wirkt Sprecher DKi selbst am Aufbau der stereotypen Sequenz mit, doch dies ist nicht der Turn, auf den sich seine Wiederaufnahme bezieht. Vielmehr verbindet Sprecher DKi zurück zu der letzten Aktivität, die vor der Initiierung der stereotypen Sequenz lag und an der er beteiligt war. Hierzu die dem obigen Auszug vorangehenden Turns: Auszug (Al) 1 DKi: 2 3 4 DKi: 5 6 D2 : 7 8 Di : 9 DK2: 10 11 12 Di:
das is bei uns nich genuch. da muss stehn. (0.3) folgendes. (1.5) ((Papier rascheln)) das muss dann bei uns auch so sei[n. [ich vergiss das immer [noch mal gsrne.] [ei ein ricktich]= =ä: ä: η rickti[ge: symPAthische E: U: (texte). ] [also IHR SEID DQCH DIE PERFEKTEREN DEUTlSCHN.=
Von Zeile 1 bis 4 projiziert Sprecher DK¡ etwas Kommendes, auf das Sprecher D2 im folgenden Turn Bezug nimmt. Diese projizierte Aktivität von Sprecher D K j wird durch die Initiierung einer stereotypen Wendung in Zeile 12 und der daraus resultierenden stereotypen Sequenz unterbunden. In Zeile 20 nimmt Sprecher D K j Bezug auf die von ihm in Zeile 1 bis 4 projizierte Handlung, die er nun umsetzt. Somit verbindet er zurück nicht zu seinem vorhergehenden Turn, der in Zeile 13, 14 und 16 liegt, sondern zu der der aktuellen Aktivität vorhergehenden Aktivität. Im Rahmen dieser Studie kann nicht näher auf die Unterscheidung von Skip Connecting zu einer Aktivität bzw. zu einem anderen Turn eingegangen werden. Es bedürfte genauerer Untersuchungen, um diese Frage eindeutig zu klären. Anhand des obigen Auszugs lassen sich jedoch Anzeichen dafür finden, dass es statt von einer Verbindung an einen vorherigen Turn zu sprechen, interaktiv gesehen präziser ist, von einer Verbindung an eine vorherige Aktivität zu sprechen. In dem vorliegendem Korpus findet sich, wie an den oben angeführten Auszügen deutlich wurde, bei der Markierung einer Nebensequenz durch Wiederaufnahme sowohl die Technik der Turnübernahme nach einer vorangegangenen Pause als auch die Turnübernahme ohne vorangegangene Pause. Eine Wiederaufnahme wurde anfangs im Vergleich zur Weiter-
175 führung als explizitere Form von Dissens beschrieben. Der Zeitpunkt der Turnübernahme hat in diesem Zusammenhang einen weiteren Einfluss auf die Markierung von Dissens.
6.5.2.3.
Weiterführung
Bei der Markierung einer Nebensequenz mittels Weiterführung findet sich im Gegensatz zu den Auszügen mit Wiederaufnahme kein Fall, an dem die Turnübernahme ohne vorangehende Pause vonstatten geht, die Einigkeit der Gesprächsteilnehmer mit einem Aktivitätswechsel markiert. Auszug (A3) 12 D2 13 14 DKI 15 DK 2 16 DKI 17 D2 18 Dl DKI 19 20 DK 2 21 DKI 22 23 24-» DKI 25 D2 26 27
[dann schon lieber eine= =[mit den fdeutschn= =[he [·HH: = ja. dann lieber mit den deutschn. H[A ha ha ha ha [HA ha ha ha ha ha ha ha -H[ H[: [HA[ha ha ha ha "he he he [·Η[Η [jA:."ha ha" [jednfalls (1.4) ä: :a: ja: (3.5) ob sich das irgendwie reali[siern lässt?] [A: ich] den aedankn nich schlecht. (1-2)
In Zeile 24 markiert Sprecher D K j das vorhergehende Time Out in Form einer stereotypen Sequenz als eine Nebensequenz. Er tut dies nicht wie in den Belegen zuvor mittels eines Misplacement Markers, der das Zurückkehren zum vorhergehenden Thema als besondere interaktive Arbeit markiert, sondern stattdessen ist der Turn designt als einfache Weiterführung eines vorhergehenden Turns. Dies wird noch zusätzlich durch das anaphorische Pronomen das unterstrichen. Hierdurch wird die zuvor liegende Sequenz als praktisch nicht existent markiert. Der Turn vollzieht einen Aktivitätswechsel weg von der stereotypen Sequenz zurück zu einer weiter zuvor liegenden Aktivität. Somit wird die zuvor liegende stereotype Sequenz zu einer Nebensequenz gestaltet. Diese Aktivität ist als konsensorientiert zu werten, da sie erst nach dem kollaborativen Aushandeln der Gesprächsteilnehmer über die weitere Gestaltung der stereotypen Sequenz initiiert wird. Dies bedeutet, dass der Produzent dieses Turas seine Handlung mit dem Einverständnis der anderen Gesprächsteilnehmer durchführt. Dies ist deutlich zu sehen an der 3.5-sekündigen Pause im Anschluss an die stereotype Wendung. Diese Handlung kann auch bei einer Markierung des Time Outs als Nebensequenz mittels einer Wiederaufnahme durchgefühlt werden. Doch darüber hinaus markiert eine Weiterführung die vorhergehende Sequenz als nicht problematisch, da sie ihre Existenz nicht hervor-
176 hebt. Somit kann eine Weiterführung als stärker konsensorientiert betrachtet werden als eine Wiederaufnahme. Zusammenfassend lässt sich zur Markierung von Nebensequenzen Folgendes festhalten. Es konnten zur Markierung eines vorhergehenden Time Outs zu einer Nebensequenz zwei Techniken nachgewiesen werden. Die eine besteht aus der Wiederaufnahme einer vor der Etablierung der stereotypen Sequenz liegenden Aktivität. In dieser Handlung ist eine dissensorientierte Handlung zu sehen, da mit ihr die Rückkehr zu einer weiter zurück liegenden Aktivität als problematisch markiert wird. Die andere Technik besteht aus der Weiterfuhrung einer Aktivität, die vor der Etablierung des Time Outs begonnen wurde. Mittels einer bloßen Weiterfiihrung wird die Nebensequenz als nicht-existent markiert. Es wird jedoch nicht markiert, dass es eines Einsatzes bedarf, zu dem vorhergehenden Turn zurückzukehren. Die Rückkehr zu einer zuvor liegenden Aktivität wird ebenso erreicht wie bei einer Wiederaufnahme, doch diese Rückkehr wird als nicht problematisch markiert. Aus diesem Grund ist diese Handlung als eine implizitere Markierung von Dissens zu sehen als die einer Wiederaufnahme. Von Bedeutung in diesem Zusammenhang ist zusätzlich zur Art der Markierung einer Nebensequenz noch der Zeitpunkt, an dem diese Aktivität durchgeführt wird. Sie trägt Züge von Konsensorientiertheit, wenn sie nach der Markierung zur Beendigung der stereotypen Sequenz durch die Gesprächsteilnehmer durchgeführt wird. Wird sie während des Aufbaus der stereotypen Sequenz durchgeführt und findet sie an nicht-übergangsrelevanter Stelle statt, trägt eine solche Aktivität dissensorientierte Züge.
6.5.3.
Mehrparteiengespräche
Im folgenden Abschnitt soll auf die Bedeutung der Anzahl der Gesprächsteilnehmer beim Unterlassen von Kopartizipation eingegangen werden. Es scheint ein Unterschied hinsichtlich des Zeigens von Kopartizipation bzw. Nicht-Kopartizipation zu sein, ob an der Interaktion zwei Gesprächsteilnehmer oder aber mehrere beteiligt sind. Handelt es sich um Mehrparteiengespräche, so scheint die Durchführung kopartizipatorischer Handlungen interaktive Präferenz vor nicht-kopartizipatorischen Handlungen zu haben. In zahlreichen Auszügen lässt sich anhand der Aktivitäten mehrerer Gesprächsteilnehmer im Umfeld stereotyper Wendungen erkennen, dass es eine sequenzielle Relevanz zum Zeigen von Kopartizipation gibt. In den Fällen, in denen die Mehrzahl der Gesprächsteilnehmer auf eine stereotype Wendung mit kopartizipatorischen Handlungen reagiert, scheint die Einführung eines anderen Themas und damit das Zeigen von Nicht-Kopartizipation eine problematische Handlung zu sein. Sie führt in den unten stehenden Auszügen zu einem Abbrechen der mit dem Zeigen von NichtKopartizipation verbundenen Aktivität. Die Gesprächsteilnehmer beziehen sich im Aufbau der stereotypen Sequenz in unten stehendem Auszug auf den Jahrestag der Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Dänemark, den 5. Mai. Auszug (A2) 13 Di:
[man k ö n n t e
] das
(.)
also
(.)
was
177
14 15 16 17 18 19 20 21 22 23-4 24 25 26 27 28 29 30—> 31 32 33 34 35 36-4 37 38—> 39 40 41-» 42 43 44-» 45 46 47 48 49 50—» 51 52 53 54
Di: DKi: D2: DK2: Di: DK2: DKi: Ü2: DKi: Di: DK2: Di: Di: D2: DKi: DK 2 : DKi: DK2: Di: DKi: DK2: ?: ?: DK2: DKi: DKi: D2: DKi: DK2:
D2:
w i r >irgenwie noch n i c h h a t t n is< warum ( 0 . 3 ) a l s o w i r d e u t s c h η (0.2) wir s c h l e ( h ) s w i g h o l s t e i n e r meinen j a (.) i h ( h ) r ha(h)bt an(h)gst vo(h)r de(h)n deu(h)tschn. (.) -hh das i s j a a b e r n i c h s o . °nein.° n a : [ : :?] [al ]so,= =v i e 1 l e i : c h t [nicht so.] [-hh ] [ b i s s c h n a n g s t ] ham w i r immer n i c h t ? = [hö h ö hö h ö . ] =[ha ha ha ha haha h a . ] [hha h a h a h a [ha h a . ] faibts ] gibts [ein euroreaion. ] [du w i r s i n d h e u t e 1 gekomm obwohl w i r ( . ) g r a d a u s m a r s c h i e r t s i n d [ne? ] [ [ - h h ö : ] i a ha ha ha] [hö h a h a : ha: ]= [(?)] =ha h a [hhä [hhä ]] hhä hhä hhä ] [das [ w e i s s t d u : ] ] f h e r z l i c h n l alückwunsch zur b e f r e i u n a . 1 hhä Γhhä hhä ] [das [ w e i s s t ]du, ] [ ä : hö hö ]= =h l e : ] [ d a ] [ s w e i s s t du] Γ d e s h a l b ha]m w i r j a a u c h = = d i e Γ Fahne g e h i s s t . ] [ k u c k mal d i e k e r z n ] ham s i e s c h o n w i e d e r ausm [ f e n s t e r g e h o l t . ] [_hä h ä he ] -hh= =aibts e i n euroreaion in a l s a c e oder l o r r a i n e ä: ä ä zwischen a l s o ( . ) i n : f r a n k r e i c h ( . ) und d e u t s c h l a n d Fcribts? ( . ) a h a . ] [ijaî: ja . ] (0.2)
Insgesamt sechsmal (23, 30, 36, 38, 41, 44) versucht der dänische Sprecher DK2 erfolglos die stereotype Sequenz zu beenden und einen Aktivitätswechsel durchzuführen. Die anderen drei Gesprächsteilnehmer zeigen in diesem Teil der Sequenz deutlich kopartizipatorische Handlungen, indem sie selbst stereotype Wendungen konstruieren (26, 31/32, 39, 45/46,
178 47/48) oder durch Lachen ihre Teilnahme am Aufbau dieser Sequenz markieren (27-29, 34, 35, 37, 40, 42, 43, 49). Sprecher DK2 markiert Nicht-Kopartizipität, indem er an nichtübergangsrelevanten Stellen den Turn zu übernehmen versucht, doch dies gelingt ihm nicht. Erst zu einem Zeitpunkt, an dem die stereotype Sequenz erkennbar zu Ende geht, da das Lachen aufhört und im Verhältnis zu einem der Sprecher in Zeile 48 eine übergangsrelevante Stelle erreicht ist, gelingt es ihm, seine Handlung zu vollführen. Er führt damit in Zeile 50 einen Aktivitätswechsel durch, der seinen Turn zurück an die vor der stereotypen Sequenz liegende Aktivität der Euroregionsuche knüpft. An folgendem Auszug lässt sich auf andere Weise aufzeigen, in welchem Maß die sequenzielle Relevanz von Kopartizipation im Anschluss an stereotype Wendungen Einfluss auf die weitere Gestaltung der Sequenz hat. Hier führt sie dazu, dass der Versuch eines Themenwechsels trotz vollzogener Initiierung anschließend durch denselben Sprecher mittels einer Reparatur unterbunden wird.
Auszug (A5b) 17 18 DKi: 19 20 21 D2: 22—¥ DKi: 23—>
24 DK2: 25 D2: 26—> DKi: 27—> 28—> 29
(8) •h also wenn man eine euroregion wähln könnte wo: die deutschn nicht ä: (0.7) hhä: hähä [kriegerisch,] [(dran sind) ] nene: ich: mein wenn man sTo: (0.3) Titallien schweizl oder= [hahahahahaha ] [hahahahaha ] sowas(.) dann w£r das nen bisschen ä: -h neutraler aber warum sollt man das eiantlich tun, nö: das war dumm. (1.2)
Die stereotype Wendung wird von Sprecher D2 antizipatorisch durchgeführt. Obwohl der Sprecher der präliminär nicht beendeten Turnkonstruktionseinheit markiert, dass die antizipatorische Turnbeendigung in Zeile 21 nicht mit der von ihm intendierten übereinstimmt, entsteht hieraus für zwei der Gesprächsteilnehmer Anlass zu einer Lachsequenz. Dies führt dazu, dass Sprecher D K j nicht durch die anderen Gesprächsteilnehmer gezeigt wird, dass seine Turn weiterführung rezipiert wurde. Dies resultiert darin, dass Sprecher DKi seinen Versuch eines Themenwechsels in Zeile 27 selbst revidiert, indem er zunächst eine Erklärung für seinen Vorschlag gibt dann war das nen bisschen ä: h neutraler, dem dann ein Themenabschluss mit Bewertung folgt aber warum sollt man das eigntlich tun, nö: áis war dumm. Es lässt sich demnach festhalten, dass wenn eine stereotype Sequenz im Entstehen ist und ein Teil der Gesprächsteilnehmer kopartizipatorische Handlungen vollführt, die die stereotype Sequenz weiterführen, Handlungen, die das Unterlassen kopartizipatorischer Handlungen bedeuten, einer besonderen interaktiven Arbeit bedürfen. Dies scheint darauf hinzudeu-
179 ten, dass das Zeigen von Kopartizipation die in Interaktion präferierte Handlung ist, während das Zeigen von Nicht-Kopartizipation die dispräferierte Handlung ist.
6.6.
Ergebnisse
Es konnte gezeigt werden, dass das Unterlassen von Kopartizipation in Sequenzen mit stereotypen Wendungen als interaktive Konstruktion von Dissens zu betrachten ist. Zu einem Zeitpunkt, an dem eine bestimmte Aktivität sequenziell relevant gemacht wird, wird diese Aktivität unterlassen. Stattdessen werden Handlungen durchgeführt, die der sequenziell relevant gemachten Handlung zuwiderlaufen. Insofern kann bei diesen Handlungen von interaktiver Konstruktion von Dissens auf aktivischer Ebene gesprochen werden. Hinsichtlich der Konstruktion sequenzieller Relevanz von Kopartizipation durch die Verwendung nationaler Stereotype konnte gezeigt werden, dass die stereotypen Wendungen regelmäßig ein bestimmtes Design aufweisen. Es werden nationale Stereotype verwendet, die sich auf eine der Nationen beziehen, der die Gesprächsteilnehmer angehören. Diese Stereotype sind in personifizierter Form gestaltet. Zwei Merkmale kennzeichnen diese stereotypen Wendungen. Sie sind designt als ein Time Out und weisen hinsichtlich ihres Aufbaus eine Konstruktion einer aus zwei Komponenten bestehenden Klasse auf. Diese beiden Merkmale können in stereotypen Wendungen zu einem Zeitpunkt vor der Realisierung des Stereotyps durch unterschiedliche Techniken eingeführt werden und somit die kommende stereotype Wendung projizierbar machen. Zum einen wird der stereotypen Wendung für alle Gesprächsteilnehmer erkennbar das Design einer schon bekannten Größe gegeben. Dieses wird neben der Verwendung des Stereotyps selbst erreicht durch die Verwendung bestimmter Marker wie also, doch, ja und immer. Zum anderen wird die stereotype Wendung als eine aus zwei Komponenten bestehende Klasse designt. Die Funktion dieses Designs ist, dass durch die Nennung eines Teils der Klasse der andere automatisch implizit genannt ist. Auf diese Weise kann explizit etwas über einen Teil der Klasse gesagt werden, was implizit den anderen Teil charakterisiert. Dieses Design wird neben der Verwendung des bestimmten Artikels in Verbindung mit dem nationalen Stereotyp erreicht durch die Verwendung der Personalpronomen der 1. und 2. Person Plural, außerdem Negationspartikeln wie nicht und generalisierenden Adverbien wie immer, die automatisch einen Gegenpart implizieren. Hinzu kommen komparative und konjunktivische Elemente. Hinsichtlich der Initiierung der stereotypen Wendung ließ sich eine Regelmäßigkeit nachweisen zwischen der Nationalität des Produzenten der stereotypen Wendung und der Nationalität der Personen, auf der die stereotypisierende Zuweisung aufbaut. Die Nation, auf die im Stereotyp Bezug genommen wurde, stimmt überein mit der nationalen Zugehörigkeit des Produzenten des Stereotyps. Es konnte ferner nachgewiesen werden, dass mithilfe stereotyper Wendungen sequenzielle Relevanz zum Zeigen von Kopartizipation geschaffen wird. Es konnten drei unterschiedliche Mittel zur Markierung von Kopartizipation aufgezeigt werden, die die Etablierung eines Time Outs ermöglichen. Erstens ist dies die Wiederholung bzw. Reformulierung der
180 initialen stereotypen Wendung durch einen anderen Sprecher. Zweitens ist dies Lachen des Rezipienten als Reaktion auf die stereotype Wendung. Und drittens kann eine Markierung von Kopartizipation in der Konstruktion weiterer stereotyper Wendungen liegen. Hinsichtlich des Unterlassens von Kopartizipation stehen den Gesprächsteilnehmern implizite und explizite Mittel zur Verfügung, die im Grad der Dissens- resp. Konsensorientiertheit variieren. Explizite Markierungen zu 'doing non-stereotyping1 in Form bestimmter Lexeme finden sich selten, implizite Markierungen finden sich hingegen häufig. Diese Aktivität kann durch das Unterlassen der Turnübernahme im Anschluss an eine stereotype Wendung vollführt werden, obwohl hier sequenzielle Relevanz zur Durchführung einer solchen Handlung besteht. Eine weitere Möglichkeit der Markierung des Unterlassens von Kopartizipation ist in der Gestaltung der stereotypen Sequenz als einer Nebensequenz zu sehen. Dies kann zum einen erreicht werden durch die Weiterführung einer Aktivität, die vor der Initiierung der stereotypen Sequenz liegt. Durch eine Weiterführung wird zwar zu etwas zurückgekehrt, was vorher lag, und damit markiert, dass ein Thema als noch nicht beendet angesehen wird, doch gleichzeitig wird diese Rückkehr als unproblematisch geformt. Insofern ist in dieser Aktivität eine schwache Markierung von Dissens zu sehen. Zum anderen kann dies geschehen durch die Wiederaufnahme einer Aktivität, die vor der Initiierung der stereotypen Sequenz durchgeführt wurde. Mittels einer Wiederaufnahme, die durch Skip Connecting erreicht wird, wird das Zurückkehren zu dieser vorher liegenden Aktivität als problematisch markiert. Insofern ist in dieser Aktivität eine deutliche Markierung von Dissens zu sehen. Der Zeitpunkt der Markierung der stereotypen Sequenz als eine Nebensequenz hat zusätzlich einen Einfluss auf die Dissens- bzw. Konsensorientiertheit der jeweiligen Aktivität. Findet sie zu einem Zeitpunkt statt, an dem die stereotype Sequenz beendet ist, trägt sie konsensorientierte Züge insofern, als diese Aktivität sequenziell keiner anderen vor sich gehenden Aktivität zuwiderläuft. Findet sie jedoch an einer nicht-übergangsrelevanten Stelle vor der Markierung von Beendigung der Sequenz statt, trägt sie dissensorientierte Züge. Es konnte abschließend gezeigt werden, dass in Mehrparteiengesprächen das Durchfuhren nicht-kopartizipatorischer Handlungen in den Fällen problematisch sein kann, in denen andere Gesprächsteilnehmer durch kopartizipatorische Handlungen die stereotype Sequenz weiter ausbauen. Hier scheint zu gelten, dass das Zeigen von Kopartizipation die in Interaktion präferierte Handlung ist, während das Zeigen von Nicht-Kopartizipation die dispräferierte Handlung ist. Es gibt in diesen Auszügen keine Anzeichen dafür, dass die interaktive Kompetenz derartige Sequenzen durchzuführen abhängig von einer bestimmten muttersprachlichen bzw. fremdsprachlichen Kompetenz ist. Der Aspekt der nationalen Zugehörigkeit spielt jedoch insofern eine Rolle, als der Produzent der stereotypen Wendung und die Personengruppe, auf die sich das Stereotyp bezieht, dieselbe Nationalität besitzen. Es konnte wie in den beiden Kapiteln zuvor eine enge Verwobenheit konsens- und dissensorientierter Aktivitäten aufgezeigt werden. Es wurde deutlich, dass den Gesprächsteilnehmern auch bei der Konstruktion dissensorientierter Handlungen, die interaktiv dispräferiert sind, Mittel zur Verfügung stehen, gradweise Abgrenzungen zwischen dissens- und konsensorientierten Handlungen zu vollführen. Neben sequenziellen und aktivischen Aspekten gehören zur Markierung von Konsens bzw. Dissens auch strukturelle Aspekte wie die des Turn-
181 designs. An diesem Zusammenspiel unterschiedlicher Konstituenten der Interaktion zeigen die Gesprächsteilnehmer bei der Konstruktion von Dissens einander Orientierung. Im Rahmen dieser Untersuchung konnte lediglich ein spezifisches Phänomen eingehend beschrieben werden. Es ließen sich an die vorliegende Untersuchung weitere Studien anschließen. So konnte in der vorliegenden Studie lediglich eine spezifische Funktion nationaler Stereotype in interkultureller Kommunikation aufgezeigt werden. Hier erscheint es interessant, weitere Funktionen dieser Verwendung von Stereotypen im Gespräch zu untersuchen. Ferner wären Studien wünschenswert, die die Funktion anderer Formen von Stereotypen in einem intrakulturellen Setting beleuchten. Hinsichtlich der Konstruktion von Dissens wären darüber hinaus Studien aufschlussreich, in denen weitere Techniken aufgezeigt werden, die dem Unterlassen einer sequenziell relevanten nächsten Handlung dienen und damit eine Markierung von Dissens darstellen. Auch erscheinen Studien relevant, die sich mit dem Zusammenspiel von fremdsprachlicher und interkultureller Kompetenz in Sequenzen mit stereotypen Wendungen beschäftigten.
7. Die Bedeutung der Studien für zentrale Fragestellungen im Forschungsbereich interkulturelle Kommunikation
Die Ergebnisse der Einzelstudien zur interaktiven Konstruktion von Dissens lassen Aussagen zu über zentrale Fragestellungen innerhalb des Forschungsfeldes interkulturelle Kommunikation. Außerdem ermöglichen sie einen differenzierteren Blick auf die Art der Kompetenz, die zur Durchführung bestimmter Handlungen in interkulturellen Kommunikationssituationen vonnöten ist. Dies bildet die Grundlage für eine Bewertung unterschiedlicher Konzepte für Trainingsprogramme und Lehrwerke im Bereich interkultureller Kommunikation. Zunächst werden die Ergebnisse der Einzelstudien hinsichtlich ihrer Relevanz für Fragestellungen innerhalb des Forschungsbereiches interkulturelle Kommunikation vorgestellt. Hierbei wird besonders auf die Mutter- bzw. Fremdsprachlichkeit der Gesprächsteilnehmer sowie auf den Faktor der Kompetenz eingegangen, da diese Aspekte im Forschungsbereich interkulturelle Kommunikation eine zentrale Rolle einnehmen. Es gilt hierbei zu berücksichtigen, dass die Ergebnisse auf der Analyse von Daten beruhen, die aus einer interkulturellen Kommunikationssituation stammen, die als nahkulturell zu bezeichnen ist. Darüber hinaus findet die Kommunikation in einem professionellen Setting statt. Aufgrund ihrer Arbeit verfügen die Gesprächsteilnehmer über ein grundlegendes Wissen über die jeweils andere Kultur, und das Kommunizieren in einer solchen Situation stellt für sie einen gewohnten Bestandteil ihrer Arbeit dar. Drei Ergebnisse scheinen von besonderer Bedeutung: Erstens: Es konnten in den drei Studien keine Probleme der Gesprächsteilnehmer bei der interaktiven Konstruktion von Dissens festgestellt werden. Dies ist insofern bemerkenswert, als Dissens als ein Bereich gilt, der potenziell anfällig für Probleme ist, die aufgrund kulturell bedingter kommunikativer Unterschiede entstehen. Die Gesprächsteilnehmer zeigen sich jedoch unabhängig von ihrer kulturellen Zugehörigkeit im Stande, Dissens zu konstruieren und sich an der Konstruktion von Dissens zu orientieren. Zweitens: Es konnte eine enge Verwobenheit dissens- und konsensorientierter Handlungen bei der Konstruktion von Dissens festgestellt werden. Es wurde deutlich, dass die Markierung von Dissens oft schrittweise stattfindet, so dass eine Ausrichtung an den Handlungen der anderen Gesprächsteilnehmer bei jedem Schritt möglich ist. Eine derartige Verwobenheit unterschiedlicher Aktivitäten macht eine Isolierung einzelner Faktoren, die für das Gelingen oder Misslingen eines bestimmten Schrittes verantwortlich gemacht werden, problematisch. Drittens: Die von großen Teilen der Forschung im Bereich interkultureller Kommunikation postulierte Notwendigkeit interkultureller Kompetenz zum erfolgreichen interkulturellen Kommunizieren (Cardel 1990b, Opitz 1997b, Sercu et al. 1995) konnte an den vorhandenen Daten nicht nachgewiesen werden. Vielmehr deuten die Ergebnisse auf die Bedeutung interaktiver Kompetenz bei der Durchführung verbaler Handlungen in interkultureller Kommunikation hin. Hinsichtlich der einzelnen Studien lassen sich folgende Ergebnisse hervorheben. Bei der Konstruktion von bloß als disjunktiver Turneröffnung konnten hinsichtlich der Orientierung der Gesprächsteilnehmer an dieser Konstruktion keine Probleme ausgemacht werden, die durch kulturelle Unterschiede bedingt zu sein scheinen. Ein Unterschied besteht
183 jedoch hinsichtlich der Verteilung der Sprecher auf die Produktion eines Turns mit bloß an turneröffnender Position. Ein solcher Turn wurde in keinem Fall von einem Nicht-Muttersprachler konstruiert. Hier scheint der Aspekt der fremdsprachlichen Kompetenz einen Einfluss auf die Durchführung einer bestimmten verbalen Handlung haben zu können. Dies kann darin begründet sein, dass es im Dänischen zu dem deutschen bloß keine direkte, lexikalische Entsprechung gibt, die eine Übertragung dieser Konstruktion von der Mutter- auf die Fremdsprache begünstigen könnte. Doch eine Erklärung für eine derartige Sprecherverteilung kann auch im individuellen Sprachgebrauch der Gesprächsteilnehmer gefunden werden, da es nur einer der beiden Muttersprachler ist, der bloß in dieser Positionierung anwendet. Gleichzeitig ist darüber hinaus anzumerken, dass die Durchführung einer solchen Sequenz nicht ohne die interaktiven Handlungen der anderen Gesprächsteilnehmer vonstatten gehen kann. Eine solche Sequenz nimmt einen anderen Verlauf, wenn die anderen Gesprächsteilnehmer nicht die notwendige interaktive Kompetenz besitzen, um eine derartige Sequenz mitzugestalten. Somit scheint eine Isolierung eines einzelnen Faktors als entscheidend für das Gelingen oder Misslingen einer derartigen Dissensmarkierung unangemessen zu sein. Bei der Konstruktion der Ignorierung einer kollaborativen Tumbeendigung sind keine Unterschiede zwischen Mutter- oder Fremdsprachler auszumachen, die darauf hinweisen, dass eine Orientierung der Gesprächsteilnehmer an den verbalen Handlungen durch eine geringere fremdsprachliche Kompetenz erschwert oder verhindert wird. Die interaktive Fertigkeit, einem Turn ein bestimmtes Turndesign zu geben, die Platzierung des Turns so vornehmen zu können, dass er sequenziell gesehen 'korrekt' platziert ist, sowie den Handlungen der anderen Gesprächsteilnehmer Bedeutung zuweisen zu können, wird in diesen Sequenzen sowohl von den Mutter- als auch den Fremdsprachlern beherrscht. Es konnte jedoch im quantitativen Teil der Untersuchung hinsichtlich der Verteilung der Sprecher auf unterschiedliche Turns einer kollaborativen Sequenz aufgezeigt werden, dass die Nicht-Muttersprachler seltener als die Muttersprachler eine Reaktion auf die antizipatorische Turnbeendigung konstruierten. Dies kann als ein Zeichen gedeutet werden, dass sich die Gesprächsteilnehmer unterschiedlich an einer Handlung einer der anderen Gesprächsteilnehmer orientieren. Dies kann mit fremdsprachlicher Kompetenz zusammenhängen, doch auch idiolektale Erwägungen sind zu berücksichtigen. Generell lässt sich festhalten, dass die Fähigkeit zu interaktiver Kompetenz sich hier größtenteils als unabhängig von interkultureller und auch fremdsprachlicher Kompetenz erweist, obwohl diese lokal eng miteinander verbunden sein können. Hinsichtlich der Konstruktion von Nebensequenzen mithilfe stereotyper Wendungen sowie dem Zeigen bzw. Unterlassen von Kopartizipation im Anschluss an dieselben konnte ebenfalls kein Unterschied in Bezug auf Fremd- oder Muttersprachler ausgemacht werden. Zwei Ergebnisse dieser Einzelstudie scheinen für die interkulturelle Kommunikation von besonderer Bedeutung: Es konnte gezeigt werden, dass die Verwendung stereotyper Wendungen in dieser spezifischen Konstruktion nicht zu Problemen in der Kommunikation führt. Weiter wurde nachgewiesen, dass eine Funktion der Verwendung nationaler Stereotype darin liegen kann, zum einen eine gemeinsame Wissensbasis mit den anderen Gesprächsteilnehmern aufzubauen und zum anderen eine interaktive Handlung durchzuführen, die in der Initiierung einer Nebensequenz liegt. Um nationale Stereotype einsetzen zu können, bedarf es eines Wissens über die eigene und die andere Kultur. Somit ist bei der Konstruktion dieses Phänomens das Vorhandensein interkultureller Kompetenz von Bedeutung. Doch statt zur
184 Vermeidung von Problemen wird das Wissen hier als interaktive Ressource zur Durchführung einer bestimmten Handlung eingesetzt. Interkulturelle Kompetenz, d.h. ein Wissen über die andere Kultur, ist hier demnach entscheidend, da die Gesprächsteilnehmer sich dieses Wissens bedienen, um gemeinsam einen Aktivitätswechsel in der Interaktion einzuleiten. Mittels nationaler Stereotype konstruieren sie gemeinsam Sequenzen, die der Initiierung einer Nebensequenz dienen. Hier ist demnach interkulturelle Kompetenz erforderlich, nicht um Unterschiede zu verstehen und somit potenzielle Probleme zu umgehen, sondern um eine bestimmte verbale Handlung durchzuführen. Das Wissen um die Unterschiede wird hier als interaktive Ressource zur Initiierung einer neuen Sequenz eingesetzt. Festzuhalten bleibt, dass fremdsprachliche Kompetenz bei den vorliegenden Phänomenen von unterschiedlicher Bedeutung ist und ihre Relevanz in jedem Einzelfall zu prüfen ist. Das Vorhandensein interkultureller Kompetenz scheint von geringer Bedeutung zu sein. In dem Fall, in dem sie nachweislich von Belang ist, wird interkulturelles Wissen auf eine Weise verwendet, die bislang von der Forschung kaum berücksichtigt worden ist. Interaktive Kompetenz scheint eine Fertigkeit zu sein, die die Gesprächsteilnehmer in interkultureller Kommunikation unabhängig von fremdsprachlicher und interkultureller Kompetenz benötigen, um sich an den sequenziellen Abläufen in mündlicher Interaktion orientieren und ihre Handlungen daran ausrichten zu können. Die oben skizzierten Ergebnisse stellen einige grundlegende Auffassungen innerhalb des Forschungsbereiches interkulturelle Kommunikation in Frage. Hierzu gehören Fragen zur Abgrenzung von inter- zu intrakultureller Kommunikation, Fragen zur notwendigen Kompetenz in interkultureller Kommunikation sowie zu der Umsetzung der Forschungsergebnisse in Form von Lehrwerken und Trainingsverläufen zur Vermittlung interkultureller Kompetenz. Hinsichtlich der Abgrenzung von inter- zu intrakultureller Kommunikation lässt sich festhalten, dass die Ergebnisse daraufhinweisen, dass diese oft scharf gezogene Grenze einer stärkeren Differenzierung bedarf (Knapp-Potthoff/Liedke 1997:7). Es soll im Folgenden keine terminologische Diskussion geführt werden, die die Möglichkeiten und Begrenzungen des Begriffs 'interkulturell' aufzeigt (s. Hinnenkamp 1994b:46ff.) und ihm Alternativen gegenüberstellt. Stattdessen soll der Untersuchungsgegenstand der interkulturellen Kommunikation im Zentrum der Überlegungen stehen. Eine Differenzierung des Forschungsfeldes interkulturelle Kommunikation erscheint erforderlich in Hinblick auf zwei Aspekte: zum einen den Aspekt der Nah- resp. Fernkulturalität, zum anderen den Aspekt der individuellen Voraussetzungen der Gesprächsteilnehmer. Die Ergebnisse der vorliegenden Studien, die aus der Analyse interkultureller Daten aus nahkulturellen Verbindungen stammen, weichen in wesentlichen Punkten von Ergebnissen ab, die im Rahmen von Analysen fernkultureller Verbindungen erzielt wurden (Kotthoff 1989a, 1989b, Günthner 1993). Während in den hier durchgeführten Studien keine Unterschiede im kommunikativen Verhalten der unterschiedlichen Gesprächsteilnehmer nachgewiesen werden konnten, weisen die Analysen fernkultureller Verbindungen auf potenzielle Unterschiede hin. Dies deutet darauf hin, dass es problematisch sein kann, von interkultureller Kommunikation als einer homogenen Größe zu sprechen. Eine klare Trennung von fernund nahkulturellen Verbindungen mag im Einzelfall schwierig sein, da eine definitorische Abgrenzung nur selten eindeutig durchzuführen ist. Doch eine derartige Unterscheidung erscheint zur groben Orientierung notwendig. So kann man beispielsweise hinsichtlich des
185 vorhandenen Wissens über die andere Kultur in diesen beiden Verbindungen von grundlegenden Unterschieden ausgehen. Das Wissen über die andere Kultur ist in nahkulturellen Verbindungen erwartbar größer als in fernkulturellen Verbindungen. Hinzu kommt, dass interkulturelle Kommunikationssituationen nahkultureller Prägung sehr viel häufiger entstehen als solche fernkultureller Prägung und die beteiligten Gesprächsteilnehmer es daher vermutlich in nahkulturellen Verbindungen in größerem Maße gewohnt sind, sich in interkulturellen Kommunikationssituationen zu bewegen. Diese vermeintlich größere und in jedem Einzelfall zu überprüfende Erfahrung kann sich auf die Kommunikation dergestalt auswirken, dass Probleme, die aufgrund von Unterschieden im kommunikativen Verhalten der Gesprächsteilnehmer entstehen, die Kommunikation nicht nachweisbar beeinflussen. Mit dieser Unterscheidung des interkulturellen Kommunikationsbereiches in nah- und fernkulturell wird gleichzeitig die starke Trennung von inter- und intrakultureller Kommunikation in Frage gestellt, deren Unterscheidung oft nur auf der Verwendung einer Fremdsprache beruht (Knapp/Knapp-Potthoff 1990:66). Eine Differenzierung des Forschungsgegenstandes interkulturelle Kommunikation erscheint ferner notwendig in Bezug auf die individuellen Voraussetzungen der Gesprächsteilnehmer. Die Ergebnisse der Studien weisen auf die Relevanz hin, die individuellen Voraussetzungen der Gesprächsteilnehmer in interkulturellen Kommunikationssituationen unabhängig von geografischer oder kulturräumlicher Distanz verstärkt zu berücksichtigen. Kommunikationssituationen, die als interkulturell zu bezeichnen sind, treten in unterschiedlichen Zusammenhängen und unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen auf. In den vorliegenden Daten ist nicht eindeutig zu klären, welchen Einfluss das professionelle Setting bzw. die Art der interkulturellen Kommunikation auf die Interaktion haben. Doch es ist anzunehmen, dass insbesondere in einem professionellen Rahmen Kommunikationssituationen, die als fernkulturell zu bezeichnen sind, hinsichtlich der Erfahrungen oder des Wissens der Gesprächsteilnehmer Züge annehmen können, die denen nahkultureller Kommunikationssituationen ähneln. Denn auch in interkultureller Kommunikation fernkultureller Prägung können die Gesprächsteilnehmer ein großes Wissen über die andere Kultur haben oder sich schon so oft in einer derartigen Situation befunden haben, dass eine solche Situation für sie etwas Gewohntes darstellt. Am Rande sei in diesem Zusammenhang angemerkt, dass die 'Normalitätserwartungen', die Knapp/Knapp-Potthoff (1990:67) als potenzielle Verursacher von 'Nichtverstehen' bezeichnen, in den vorliegenden Daten von den Gesprächsteilnehmern nicht erkennbar als problematisch markiert werden. Hier zeigen die Daten deutlicher, dass es die interaktiven Ressourcen sind, die den Gesprächsteilnehmern zur Verfügung stehen, die von ihnen zur Aushandlung von Bedeutung eingesetzt werden. Da diese Strukturen anhand nahkultureller Verbindungen aufgezeigt wurden, in denen die Gesprächsteilnehmer außerdem über Erfahrung mit derartigen Kommunikationssituationen verfügten, lässt dies selbstverständlich keine Aussagen über die Relevanz dieses Aspektes in fernkulturellen Verbindungen zu oder in Kommunikationssituationen, in denen die Gesprächsteilnehmer an interkulturelle Kommunikationssituationen nicht gewohnt sind. Doch die Ergebnisse legen nahe, dass Normalitätserwartungen in diesen Situationen zumindest eine erkennbar geringere Rolle spielen als ihnen möglicherweise in fernkulturellen Verbindungen zufällt oder in solchen, in denen die Gesprächsteilnehmer über geringe Erfahrungen im interkulturellen Kommunizieren verfügen.
186 Es lässt sich demnach festhalten, dass eine stärkere Differenzierung des Forschungsfeldes interkulturelle Kommunikation vonnöten ist, da unterschiedliche Faktoren wie kulturräumliche Aspekte oder individuelle Voraussetzungen der Gesprächsteilnehmer die Kommunikation beeinflussen. Da eine Festlegung des Grades des Einflusses dieser unterschiedlichen Faktoren a priori nicht möglich ist, ist eine Prüfung anhand der Interaktion selbst in jedem Einzelfall notwendig. Die Ergebnisse der Studien lassen ferner Überlegungen über unterschiedliche Arten von Kompetenz zu, die in interkulturellen Kommunikationssituationen von Bedeutung sind. Im Folgenden soll auf die Bereiche der fremdsprachlichen, der interkulturellen sowie der interaktiven Kompetenz näher eingegangen werden. In interkultureller Kommunikation nimmt die Forderung nach interkultureller Kompetenz eine zentrale Stellung ein (Andersen 1997, Bachmann et al. 1995, Cardel 1990a, Opitz 1997b). Hinsichtlich der Fokussierung auf diese Form der Kompetenz scheinen die Ergebnisse der Studien auf eine unterschiedliche Gewichtung der geforderten Kompetenz hinzuweisen. Vorweg muss hervorgehoben werden, dass keine generellen Aussagen über die in interkultureller Kommunikation notwendige Kompetenz gemacht werden können. Aufgrund der Vielschichtigkeit des Forschungsgegenstandes interkulturelle Kommunikation ist eine Untersuchung und Differenzierung in jedem Einzelfall nötig. Die jeweils relevante Form von Kompetenz ist vielmehr abhängig von der mittels einer lokalen Konstruktion durchgeführten Handlung. Da jede Handlung von den Gesprächsteilnehmern lokal initiiert und durchgeführt wird, wird auch mit jeder Handlung die Notwendigkeit einer bestimmten Art von Kompetenz konstruiert. Ebenso wie ein dynamischer Blick auf Interaktion generell nötig ist, um dem Untersuchungsgegenstand mündliche Interaktion gerecht zu werden, muss auch die notwendige Kompetenz als ein dynamisches Gebilde betrachtet werden, dessen Relevanz lokal in der Interaktion geschaffen wird. Unter der Voraussetzung, dass man als ein konstitutives Element interkultureller Kommunikation die Tatsache betrachtet, dass zumindest einer der Gesprächsteilnehmer in einer Sprache kommuniziert, die nicht seine Muttersprache ist, ist fremdsprachliche Kompetenz von grundlegender Bedeutung in interkultureller Kommunikation. Sie schafft eine Voraussetzung für die Möglichkeit zur Kommunikation, da ohne sie für die Gesprächsteilnehmer keine Möglichkeit bestünde, miteinander auf verbalem Wege erfolgreich zu kommunizieren. Doch es gilt die Frage zu stellen, welcher Grad fremdsprachlicher Kompetenz für die Durchführung welcher verbalen Handlungen notwendig ist. In den vorliegenden Daten kommunizieren zwei fremdsprachliche Sprecher mit stark unterschiedlicher fremdsprachlicher Kompetenz miteinander, doch es sind keine Unterschiede in ihrem jeweiligen kommunikativen Verhalten oder dem der anderen Gesprächsteilnehmer ihnen gegenüber feststellbar. Hier ist anzumerken, dass es bislang wenig Studien gibt, die versuchen, nähere Aussagen über den Stellenwert fremdsprachlicher Kompetenz in interkultureller Kommunikation zu machen. Es bedarf außerdem weiterer Untersuchungen, die der Frage nachgehen, inwieweit der Grund für eine geringere Beteiligung von Fremdsprachlern an bestimmten interaktiven Handlungen wirklich in ihrer geringeren fremdsprachlichen Kompetenz zu suchen ist oder ob nicht auch andere Gründe hierfür entscheidend sein können. Während in fernkulturellen Verbindungen interkulturelle Kompetenz, d.h. ein Wissen über die andere Kultur, oft entscheidend ist, muss aufgrund der vorliegenden Untersuchung die Relevanz dieser Kompetenz in nahkulturellen Verbindungen angezweifelt werden. Die Gesprächsteilnehmer scheinen in nahkulturellen Kommunikationssituationen über ein
187 Wissen zu verfügen, aufgrund dessen potenzielle Unterschiede im kommunikativen Verhalten der Gesprächsteilnehmer in diesen Situationen nicht zu Problemen führen. Dadurch tritt die Kompetenz in den Vordergrund, diese Situationen interaktiv gestalten zu können und den Handlungen der anderen Gesprächsteilnehmer Bedeutung zuweisen zu können. Dies ist eine Kompetenz, die nicht ausschließlich in interkultureller Kommunikation von Bedeutung ist, sondern ebenso in intrakultureller. Somit verwischen sich hinsichtlich dieses Aspektes die Grenzen zwischen inter- und intrakultureller Kommunikation. Interkulturelle Kommunikation nähert sich hier intrakultureller an und es ist zu fragen, inwieweit eine Zuweisung der Interaktion zu einer dieser beiden Kategorien überhaupt angemessen ist. Eine solche Zuweisung kann insofern problematisch sein, als hierdurch Aspekte hervorgehoben werden können, die sich möglicherweise in der realen Interaktion als irrelevant erweisen. Die angestellten Überlegungen zur Relevanz fremdsprachlicher, interkultureller und interaktiver Kompetenz in interkultureller Kommunikation sind von Bedeutung für die Konzeption von Lehrwerken und Trainingsprogrammen im Bereich interkultureller Kommunikation. Eine Vielzahl von Lehrwerken und Trainingsprogrammen im Bereich interkultureller Kommunikation stellt die Vermittlung interkultureller Kompetenz in den Vordergrund (Andersen 1997, Bachmann et al. 1995, Opitz 1997b), ohne eine Unterscheidung in nah- oder fernkulturelle Verbindungen vorzunehmen oder die individuellen Voraussetzungen der Gesprächsteilnehmer zu berücksichtigen. Wie die Ergebnisse der Einzelstudien zeigen, scheint in nahkulturellen Verbindungen die Vermittlung interkultureller Kompetenz eine geringere Rolle zu spielen als in fernkulturellen Verbindungen. Daher ist in Frage zu stellen, ob es angemessen ist, in Kursen zur interkulturellen Kommunikation, die zum Ziel haben, die Kommunikation zwischen Vertretern zu verbessern, die zueinander in einem nahkulturellen Verhältnis stehen, auf die Vermittlung interkultureller Kompetenz zu fokussieren. Fraglich ist dies aus folgenden Überlegungen heraus. Zum einen kann die Vermittlung von Wissen über eine andere Kultur den Gesprächsteilnehmern eine trügerische Sicherheit im Umgang mit derselben geben. Zum anderen hat sich der Aspekt des Wissens um kulturell bedingte Unterschiede zwischen verschiedenen Kulturen in den vorliegenden Studien nicht als relevanter Faktor erwiesen. Die Gesprächsteilnehmer markieren selbst bei Konstruktionen, die potenziell anfällig für Probleme im Bereich interkultureller Kommunikation sind, wie die Konstruktion von Dissens, keine Schwierigkeiten. Aus diesen Gründen heraus erscheint es notwendig, den Fokus im Falle nahkultureller Verbindungen von der Vermittlung interkultureller Kompetenz auf die Vermittlung interaktiver Kompetenz zu verschieben. Mit der Vermittlung interaktiver Kompetenz können die Lernenden dazu befähigt werden, die Struktur kommunikativer Handlungen sowie die diesen Handlungen zu Grunde liegenden Techniken zu verstehen. Dieses Wissen kann sie in die Lage versetzen, einzelne Schritte in der Interaktion zu analysieren und daraus Rückschlüsse auf das eigene Handeln sowie das der anderen Gesprächsteilnehmer zu ziehen. Eine Kenntnis der Struktur mündlicher Interaktion ist nicht an interkulturelle Kommunikationssituationen gebunden. Sie hat eine ebenso große Relevanz in intrakulturellen Kommunikationssituationen. Doch es erscheint notwendig, in interkulturellen Kommunikationssituationen, die sich in bestimmten Aspekten intrakulturellen nähern, generell interaktives Wissen zu vermitteln, statt die Lernenden mit interkulturellem Wissen auszustatten, das in der Interaktion für die Gesprächsteilnehmer nachgewiesenermaßen nicht von entscheidender Bedeutung ist.
188 Die Vermittlung interkultureller Kompetenz scheint in vielen Zusammenhängen schneller und einfacher vermittelbar als interaktive Kompetenz und das erlangte Wissen ist unmittelbar schneller abrufbar. Insbesondere in Trainingsprogrammen für Firmen und Unternehmen, für die die Entsendung ihrer Mitarbeiter zu Weiterbildungen mit finanziellem Aufwand verbunden ist, ist dies ein nicht zu unterschätzendes Kriterium. Bei der Vermittlung interaktiver Kompetenz jedoch stehen allgemein kommunikative Fragen im Vordergrund, deren Umsetzung ein großes Maß an Selbstständigkeit bei dem Lernenden voraussetzt, da interaktive Kompetenz eine Bewusstmachung des eigenen Handeln voraussetzt. Ein solches Wissen ist nicht in Form von Fakten zu vermitteln. Doch die Vermittlung interaktiver Kompetenz versetzt den Teilnehmer in die Lage, in unterschiedlichen Kommunikationssituationen interagieren zu können, unabhängig von der Tatsache, ob diese nun als inter- oder intrakulturell zu bezeichnen sind. Der Lernende erlangt somit eine Kompetenz, die nicht lediglich auf eine spezifische Kommunikationssituation ausgerichtet ist. Stattdessen wird er in die Lage versetzt, in unterschiedlichen Kommunikationssituationen kompetent interagieren zu können. Berücksichtigt man die in den Analysen nachgewiesene Vielschichtigkeit des Untersuchungsgegenstandes interkulturelle Kommunikation, in der bei genauerer Betrachtung die individuellen Voraussetzungen der Gesprächsteilnehmer von entscheidenderer Bedeutung zu sein scheinen als Unterteilungen der Kommunikationssituation aufgrund externer Faktoren in nah- und fernkulturell bzw. inter- und intrakulturell, so befähigt interaktive Kompetenz die Gesprächsteilnehmer auf diese Vielschichtigkeit dynamisch reagieren zu können. Es lässt sich festhalten, dass eine Fokussierung auf die Vermittlung interaktiver Kompetenz in nahkulturellen Verbindungen notwendig zu sein scheint, während interkulturelle Kompetenz ein Faktor von geringerer Bedeutung ist. Unter Berücksichtigung der individuellen Voraussetzungen der Gesprächsteilnehmer kann eine derartige Fokussierung auch in fernkulturellen Verbindungen angemessen sein und sollte bei der Konzeption von Trainingsprogrammen berücksichtigt werden. Doch das Zusammenspiel fremdsprachlicher und interkultureller Kompetenz mit interaktiver ist in einem fernkulturellen Rahmen potenziell ein anderes als in einem nahkulturellen. Hier wären weitere Studien wünschenswert. In der kontroversen Diskussion um die Relevanz verschiedener Arten von Kompetenz innerhalb interkultureller Kommunikation herrscht wohl lediglich darüber Einigkeit, dass der Einfluss einer bestimmten Kompetenz auf die Interaktion und damit der Erfolg eines jeden didaktischen Ansatzes nur schwer messbar sind. Die vorhergehenden Überlegungen sind als ein Beitrag zu sehen, mit Hilfe von Mikroanalysen interkultureller Interaktion dieses komplexe Gebiet zu beleuchten. Weitere Studien wären wünschenswert, um die im Rahmen dieser Untersuchung getroffenen Aussagen genauer zu untersuchen und weiter zu differenzieren. Hierzu wären sowohl Studien im Bereich mündlicher Interaktion denkbar als auch Untersuchungen zur Vermittlung interkultureller versus interaktiver Kompetenz.
8. Ergebnisse und Ausblick
Die vorliegende Untersuchung stellt einen Beitrag zu Fragestellungen im Bereich Interaktion in interkultureller Kommunikation dar. Anhand von Einzelstudien wurden unterschiedliche interaktive Praktiken beschrieben, die den Gesprächsteilnehmern in interkultureller Kommunikation zur Markierung von Dissens dienen können. Es konnte hierbei eine enge Verwobenheit konsens- und dissensorientierter Handlungen nachgewiesen werden, die darauf hinweist, dass eine Isolierung einzelner Faktoren der Kommunikation als potenziell problemauslösend nicht der Vielschichtigkeit mündlicher Interaktion gerecht wird. Hinsichtlich der Fertigkeit der Gesprächsteilnehmer, dissensorientierte Handlungen durchführen und sich an der Durchführung derselben orientieren zu können, konnten den Gesprächsteilnehmern in Abhängigkeit von ihrer nationalen Herkunft keine Unterschiede nachgewiesen werden. Die aufgezeigten interaktiven Praktiken zur Dissensmarkierung sind als ein Bestandteil von Interaktion in interkultureller Kommunikation nahkultureller Prägung zu sehen, doch sie scheinen nicht notwendigerweise auf diese Art der Kommunikation begrenzt zu sein. Die Ergebnisse der Untersuchung weisen darauf hin, dass in interkultureller Kommunikation nahkultureller Prägung eine große Nähe zu intrakultureller Kommunikation vorhanden sein kann. Daher können die beschriebenen Techniken zur Markierung von Dissens als Praktiken betrachtet werden, die in interkulturellen Kommunikationssituationen ebenso angewendet werden können wie in intrakulturellen. Dies wirft die Frage auf, inwieweit eine derartige Unterscheidung in inter- und intrakulturell dem Untersuchungsgegenstand mündliche Interaktion überhaupt gerecht wird und man mit der Fokussierung auf die Interkulturalität der Gesprächssituation nicht Gefahr läuft, den Blick auf wesentliche Charakteristika mündlicher Interaktion zu verbauen. Die Resultate der Studien haben ferner Auswirkungen auf die Gewichtung der Formen von Kompetenz, die zur Durchführung bestimmter verbaler Handlungen notwendig sind. Die Ergebnisse legen nahe, dass in interkultureller Kommunikation nahkultureller Prägung interkulturelle Kompetenz von geringerer Bedeutung ist als in interkultureller Kommunikation fernkultureller Prägung. Dies führt zu der Überlegung, inwieweit für diese Form interkultureller Kommunikation eine stärkere Berücksichtigung der Vermittlung interaktiver Fertigkeiten bei der Konzeption von Lehrwerken und Trainingsprogrammen angemessen ist. Im Folgenden werden zunächst die wesentlichen Ergebnisse in Bezug auf die interaktiven Praktiken, die die Gesprächsteilnehmer anwenden, zusammengetragen. Anschließend folgen die Ergebnisse in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand interkulturelle Kommunikation. Die Realisierung der Phänomene zur interaktiven Konstruktion von Dissens findet auf unterschiedlichen kommunikativen Ebenen statt: auf der lexikalischen, der sequenziellen und der aktivischen. Hierbei konnte gezeigt werden, dass die Markierung von Dissens nur selten explizit gestaltet wird, sondern zumeist in impliziter Form durchgeführt wird. Hierin ist eine Orientierung an der Präferenz von Konsens zu sehen (Pomerantz 1984). Als implizit konnten interaktive Praktiken nachgewiesen werden, die eine schrittweise Markierung von Dissens darstellen. Dies bedeutet, dass die Konstruktion von Dissens derart gestaltet ist, dass den Gesprächsteilnehmern sequenziell die Möglichkeit geschaffen wird, auf die Hand-
190 lungen der anderen Gesprächsteilnehmer zu reagieren und einem entstehenden Dissens entgegenzuwirken bzw. zu seinem Entstehen beizutragen. Gleichzeitig besteht für den Produzenten dissensorientierter Handlungen mittels einer schrittweisen Konstruktion die Möglichkeit, eine gradweise Abstufung der Markierung von Dissens über Nicht-Konsens zu Nicht-Dissens und Konsens durchzuführen. Es konnte ferner nachgewiesen werden, dass die schrittweise Konstruktion von Dissens durch die lokale Initiierung von Handlungen in mündlicher Interaktion ermöglicht wird. Die lokale Initiierung hängt damit zusammen, dass Handlungen als direkte Reaktion auf die vorhergehende Handlung verstanden und konstruiert werden. Die Gesprächsteilnehmer zeigen einander Orientierung an dieser Geordnetheit, indem sie das Nicht-Befolgen dieser Regel zur Markierung von Dissens einsetzen. Hiermit wird eine ständige Ausrichtung der Aktivitäten der Gesprächsteilnehmer aneinander ermöglicht, die von den Gesprächsteilnehmern interaktive Kompetenz verlangt. Ferner konnte gezeigt werden, dass bei der Konstruktion von Dissens oft eine enge Verwobenheit konsens- und dissensorientierter Aktivitäten vorliegt. Wiederum orientieren sich die Gesprächsteilnehmer hierbei an den Handlungen der anderen Beteiligten und führen ihre Handlungen schrittweise durch. Daraus folgt, dass eine einzelne Komponente, sei es ein einzelnes Lexem, eine Handlung auf sequenzieller Ebene oder eine bestimmte prosodische Markierung, nicht isoliert von ihrem sequenziellen Kontext als entweder dissens- oder konsensmarkierend angesehen werden kann. Es gilt, die Einbettung der Komponente in ihren sequenziellen Zusammenhang in die Bewertung dieser Einheit einzubeziehen. Hinsichtlich der einzelnen Untersuchungen ist festzuhalten: Es wurde deutlich, dass einer Sequenz mit bloß an turneröffnender Position eine sequenzielle Geordnetheit zu Grunde liegt. Eine solche Sequenz besteht aus drei Positionen, von denen in den ersten beiden kollaborativ Konsens ausgehandelt wird und in der letzten Position die Markierung von Nicht-Konsens mit Hilfe des Konjunktors bloß erfolgt. Bloß fungiert als ein disjunktiver Konjunktor, da er einerseits eine Verbindung zu dem Vorhergehenden schafft und damit konjunktivisch fungiert. Andererseits fungiert er jedoch auch disjunktiv, da er die Verbindung zum ersten Konjunkt löst. Mit der disjunktiven Funktion geht die Gelegenheit zur Dissensmarkierung einher, da hiermit die Möglichkeit zur Initiierung eines schrittweisen Themenwechsels geschaffen wird. Es konnte ferner gezeigt werden, dass die Ignorierung einer kollaborativen Turnbeendigung eine Markierung von Dissens darstellt, die auf zwei Ebenen durchgeführt wird. Zum einen liegt eine sequenzielle Markierung von Dissens vor, da der Ignorierung einer antizipatorischen Turnbeendigung das Unterlassen einer sequenziell relevanten nächsten Handlung zu Grunde liegt. Die Nicht-Orientierung stellt einen Verstoß gegen die Regel der Orientierung am adjazent platzierten vorhergehenden Turn dar. Zum anderen besteht die Möglichkeit mittels des Inhalts der finalen Turnbeendigung den sequenziell markierten Dissens zu verstärken oder aber ihn mittels einer inhaltlich konsensmarkierenden Handlung abzuschwächen. Das Unterlassen von Kopartizipation in Sequenzen mit stereotypen Wendungen konnte als eine Form der interaktiven Markierung von Dissens herausgestellt werden, da eine Aktivität, die sequenziell relevant wäre, an dieser Position nicht durchgeführt wird. Mittels einer stereotypen Wendung wird ein Time Out eingeleitet, das dergestalt designt ist, dass es als relevante nächste Handlung das Zeigen von Kopartizipation konstruiert. Zwei Techniken konnten nachgewiesen werden, mit denen die Gesprächsteilnehmer das Unterlassen der rele-
191 vanten Handlung markieren können. Zum einen kann die Technik aus dem Unterlassen der Turnübernahme im Anschluss an eine stereotype Wendung bestehen. Zum anderen kann sie darin liegen, die stereotype Sequenz als Nebensequenz zu markieren. Hinsichtlich der Verteilung der Sprecher auf die Durchführung unterschiedlicher verbaler Handlungen unter Berücksichtigung des Aspekts der Mutter- bzw. Fremdsprachlichkeit konnten teilweise quantitative Unterschiede nachgewiesen werden. Qualitative Unterschiede hinsichtlich der verwendeten Praktiken zur Konstruktion von Dissens konnten jedoch in Bezug auf die Mutter- bzw. Fremdsprachlichkeit der Gesprächsteilnehmer nicht nachgewiesen werden. Dies lässt Überlegungen zu hinsichtlich der Bedeutung der Studien für Forschungsfragen im Bereich interkulturelle Kommunikation. Hier ist festzuhalten, dass die Gesprächsteilnehmer bei der interaktiven Konstruktion von Dissens einander nicht markieren, dass mit einer solchen interaktiven Handlung besondere Probleme einhergehen. Dies ist insofern bemerkenswert, als Dissens als ein Bereich gilt, der als sensibel für kulturell bedingte Unterschiede im kommunikativen Verhalten betrachtet wird. Unabhängig von ihrer nationalen Zugehörigkeit zeigen sich die Gesprächsteilnehmer im Stande, Dissens zu markieren und sich an dissensorientierten Handlungen zu orientieren. Die bei der Konstruktion aller drei Phänomene zu konstatierende lokale, schrittweise Konstruktion von Dissens sowie dessen enge Verwobenheit mit konsensorientierten Handlungen weisen darauf hin, wie problematisch es sein kann, einen einzelnen Faktor innerhalb der Kommunikation als problemauslösend zu isolieren. Die Markierung von Dissens ist eine interaktive Praktik, bei deren Konstruktion ein Zusammenspiel unterschiedlicher verbaler, para- und nonverbaler Faktoren von Bedeutung ist. Für einen Teil der Trainingsprogramme, die die Vermittlung interkultureller Kompetenz zum Ziel haben, ist eine solche Isolierung einzelner Aspekte der Kommunikation jedoch zentral. Es konnte ferner nachgewiesen werden, dass in einer Kommunikationssituation, die als nahkulturell zu bezeichnen ist und in einem professionellen Setting stattfindet, die Relevanz interkultureller Kompetenz gering zu sein scheint. Die Gesprächsteilnehmer verfügen über Strategien, miteinander zu kommunizieren, die keine wesentlichen Unterschiede zu denen in intrakultureller Kommunikation darstellen. Hinzu kommt, dass die Gesprächsteilnehmer einander ebenfalls keine Orientierung an der Interkulturalität dieser Kommunikationssituation zeigen. Dies weist auf eine potenzielle Nähe bestimmter Formen interkultureller Kommunikation zu intrakultureller Kommunikation hin. Gleichzeitig wird damit der Sinn einer derartigen Unterscheidung im Falle von interkulturellen Kommunikationssituationen nahkultureller Prägung in Frage gestellt. Hierbei deuten die Ergebnisse ferner darauf hin, dass ebenso eine stärkere Berücksichtigung der individuellen Voraussetzungen der Gesprächsteilnehmer vonnöten ist, da diese durch ihr Wissen über die andere Kultur, ihre Erfahrungen im Bereich interkultureller Kommunikation sowie ihre fremdsprachliche Kompetenz die Kommunikationssituation prägen. Dies kann dazu führen, dass eine interkulturelle Kommunikationssituation sich hinsichtlich des interaktiven Verhaltens der Gesprächsteilnehmer nicht wesentlich von intrakultureller Kommunikation unterscheidet. Damit verwischen sich die Grenzen zwischen inter- und intrakultureller Kommunikation. Dies bedeutet, dass interkulturelle Kompetenz in diesen Kommunikationssituationen nicht von entscheidender Bedeutung für das Gelingen der Kommunikation ist. In Hinblick auf die Konzeption von Lehrwerken und Trainingsprogrammen weist dies auf die Notwendigkeit einer stärkeren Berücksichtigung der Vermittlung interaktiver Kompetenz hin. Hinzu
192 kommt, dass dem Lernenden mittels der Vermittlung interaktiver Kompetenz eine Fertigkeit vermittelt wird, die nicht zielgerichtet auf die Kommunikation mit einer bestimmten Kultur ausgerichtet ist, sondern eine Fertigkeit darstellt, die in jeder Kommunikationssituation von Belang ist. Trainingsprogramme zur Vermittlung interkultureller Kompetenz sollten diese Überlegungen verstärkt in ihre Konzeption einbeziehen. In dieser Arbeit wurden interaktive Praktiken aufgezeigt, über die die Gesprächsteilnehmer in interkultureller Kommunikation verfügen. Weitere Studien in diesem Bereich wären wünschenswert, da sie zum Verständnis der interaktiven Praktiken sowohl in interkultureller Kommunikation als auch in mündlicher Kommunikation generell beitragen könnten. Im Rahmen dieser Untersuchung war eine Beschränkung auf drei Phänomene notwendig, die auf unterschiedlichen kommunikativen Ebenen realisiert wurden. Weitere Studien könnten dazu beitragen, nähere Erkenntnisse über das Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Ebenen in mündlicher Interaktion zu erhalten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine stärkere Einbeziehung anderer kommunikativer Ebenen, insbesondere von Aspekten der para- und nonverbalen, von Bedeutung wären. Studien dieser Art könnten zu einem größeren Verständnis interaktiver Praktiken in Kommunikation generell beitragen. Hinsichtlich der Konstruktion von Dissens wären weitere Studien wünschenswert, die aus interaktiver Sicht zum Verständnis beitragen, wie Dissens konstruiert wird, wie die Gesprächsteilnehmer einander die Markierung von Dissens zeigen und welche Praktiken ihnen zur Verfügung stehen, um auf eine Dissensmarkierung zu reagieren. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang besonders die Frage nach dem Zeitpunkt in der Interaktion, an dem ein entstehender Dissens erstmals für die anderen Gesprächsteilnehmer erkennbar ist. Dies ermöglicht weitere Erkenntnisse darüber, wie sich die Gesprächsteilnehmer aneinander orientieren. Offene Fragen innerhalb der Forschung zu interkultureller Kommunikation liegen insbesondere im Bereich der Faktoren, die eine interkulturelle Kommunikationssituation kennzeichnen. Hier stehen insbesondere die Praktiken im Zentrum, die die Gesprächsteilnehmer verwenden, um einander die Interkulturalität der Kommunikationssituation zu verdeutlichen. Hiermit verbunden ist eine weitere Untersuchung der Frage, welche Praktiken die interkulturelle Kommunikation kennzeichnen und welche als nicht allein spezifisch für diese Form der Kommunikation anzusehen sind. Dies erlaubt Rückschlüsse auf die notwendige Kompetenz in interkulturellen Kommunikationssituationen. Ferner gilt es weitere Untersuchungen anzustellen, die die Relevanz der Unterscheidung in inter- und intrakulturelle sowie fem- und nahkulturelle Kommunikation anhand empirischer Daten untersuchen.
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Anhang
Im Anhang befindet sich eine Übersicht über die verwendeten Transkriptionskonventionen. Es folgen die Datensammlungen, auf denen die Analysen der Kapitel 4, 5 und 6 beruhen. Abschließend findet sich eine Liste (englisch-deutsch und deutsch-englisch) zur verwendeten Terminologie.
Transkriptionskonventionen 1
gut g u t JA 'ja' u:
Ψ •hh hh •hh ( (1) hh· ( (1) (h) (·) (0.5) [ja ] [nein]
) )
( ) ("> ((X
1
geht))
betont deutlich laut leise Silbenlängung fortsetzende Intonation fallende Intonation steigende Intonation direkter Anschluss zwischen zwei Äußerungen Tempo schneller Tempo langsamer steigender Tonfall fallender Tonfall hörbares Einatmen hörbares Ausatmen Dauer des hörbaren Einatmens Dauer des hörbaren Ausatmens Lachen im Wort Mikropause (weniger als 0.2 Sekunden) Länge der Pause in Zehntelsekunden die innerhalb der Klammern stehenden Äußerungen überlappen sich unsichere Transkription Anzahl unverständlicher Silben Geschehnisse am Rande der Interaktion, Geräusche Blickrichtung entsprechend der Pfeilrichtung
Die Transkriptionskonventionen orientieren sich an der von Jefferson entwickelten Transkriptionsnotation (vgl. Atkinson/Heritage 1984: IX-XVI).
204 Daten
Im Folgenden sind die Sammlungen der unterschiedlichen Phänomene zusammengestellt, auf denen die Analysen beruhen. Zunächst ist die Datensammlung wiedergegeben, auf der die Analyse zur interaktiven Konstruktion von Dissens auf lexikalischer Ebene (Kap. 4) beruht. Anschließend findet sich die Sammlung der Daten zu Kapitel 5 'Zur interaktiven Konstruktion von Dissens auf sequenzieller Ebene'. Es folgt die Sammlung, auf der die Analyse zur interaktiven Konstruktion von Dissens auf aktivischer Ebene (Kap. 6) basiert. Kap. 4
Zur interaktiven Konstruktion von Dissens auf lexikalischer Ebene: bloß als disjunktive Turneröffnung
Auszug (Al) 1 P: also (.) d a find ich k ö n n t n wir endlich 2 was : ( 0.5) ·hh anderes u n d was : (0.5) n o c h nicht aesehenes br: ä:,= 3 4 I: =m[:.] 5 K: [m ] : . liefern. 6 P: 7 I : stimmt das ist keine sch (.) das ist w i r k l i ich:.1 8 [•hh ] bloss was h a t das m i t u n s e r m 9 S: 10 D r o a R A M M zu tun. 11 (1.5) 12 P: ja n u n [das müsstn] I: 13 Γ das k a n n 1 man i a 14 ein[bindn. kannste ja a u c h ] 15 P: Γ das das: m ü s s t n wir d a n n einlbindn 16 nicht also :.= 17 I : =joa. (0.3) kannste sogar im 18 [(bild machen.)] Tman könnte 1 das (.) also (.) w a s wir 19 S: 20 >irgendwie n o c h nicht h a t t n ist< w a r u m (0.3) 21 also w i r d e u t s c h e n (0.2) wir 22 schle(h)swigholsteiner m e i n e n ja (.) ih(h)r 23 h a ( h ) b t an(h)gst vo(h)r d e ( h ) n deu(h)tschen. 24 (0.3) •h das ist ja aber n i c h so. 25 S: Auszug (A2) 1 (1.2) 2 S: n a - okay- es w ä r - (.) trotz alle des (.) der 3 effekt is der gleiche. [bloss das w ü r d e n i c h 4 P: [ja: .
205 5 6 7
S:
magazin so auseinander- das bricht ja euer ganzes maga[zin auseinander, [dieses schild. das is [ja. [·hhj a. ja.
Ρ:
Auszug (A3)
1 2 3 4 5 6 7 8
S:
man (.) s rollte ihnen mal deutlich machn dass sie sich selber damit keinen gefalln tun.= I : =m [m. P: [m m. (1) S: bloss sie s- (1.4) also dass man dann (0.4) redaktionell, ä:: w:ürd ich dann drauf achtn dass >dann würd ich nur< gggn europa schiessn.
Auszug (A4a)
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
S: I:
ob sich das irgendwie reali[sieren lässt?] [a:: ich] find den gedanken nicht schlecht. S: -h also ich seh das als die einzige möglichkeit ä ä ä mal was (.) -h neues da reinzubringen. I: vielleicht gibts ja auch irgendwelche dänen die sich son beispiel oder deutsche die sich son beispiel da mal ankuckn (2.5) I: weiss man ja nicht (.) ob die noch irgendwelche
11
erkundungsreisen machen oder Informationsaustausch
12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
und durch zufall sowieso in irgendsoner beispieleuroregion sich umtun. al[so ich find] [NORMALER ]WEIse zur genüge (.) dass die durch die gegend eiern und sich was anguckn. (1) ((Lachen)) ja. (1.5) ja (.) "irgendwelche politikernasn kuckn sich das bestimmt an.° hmm. bloss ich denke dass das nurn aufhänger sein kann.
S: I:
P: I: S: P: S:
Auszug (A4b)
1 2 3
S: I: S:
bloss ich denke dass das nurn aufhänger sein kann. j [A : ] [mei]netwegn zwischn deutschland und frankreich
4
trotz der,
5
es, (0.5) -h warum funktionierts (.) oder warum
(.)-h ä: rü:dn Vergangenheit
funktioniert
206
6 7 8 9
S:
10
11 12 13 14 15 16
(0.4) macht es hier so grosse probleme. (1) ist das eigntlich (.) wirklich die angst vor den deutschn? oder ist das die angst vor europa. (0.2)
Ρ: S:
P:
·hh[hh [-h ist das die angst sozusagn ä ä: die eigene identität zu verliern, oder dass ä: -h [(.) die deuftschn, ] [-hh [ich glaujbe es ist die angst vor europa aber aber das
Auszug (A5) 1 K: [ja m.] [das hat kein ssinn. 2 S: -hh d- [ichs- (.)] 3 I: [V : . ] 4 S: was soll der kw- schwac[hsinn. 5 I: [m: [im:. 6 K: [hrhr[m:. 7 P: [m. 8 P: m[:. 9 ? : [-hh 10 (2.5) 11 S: bloss da: muss ich mich natürlich bei uns mit 12 m:: : m: m: un ä ja:.(0.2) -hh kalinskis und 13 so wie sie weit(h)er hh hh [hh -hh nja? Auszug (A6) 1 S : · hh ( 0 . 5) und d das es woanders klappt, 2 das kann man moderatiν machn.= 3 I : =mim:[. 4 P: [°nja.° 5 (5) 6 P: -hh ja da hast du wohl recht.=also "das 7 das das: is : scho:n richtich.0 8
9
(0.2)
P:
10
11 12 13
-hff hh (1.2)
S:
bloss wie kricht man >de den andern aspekt. der ja nich im magazin< schon (.) r:auf und runter gelaufn is.
Auszug (A7) 1 S: =[also j^ch denke dass wir Qanafristig= 2 I: =[(hh) 3 K: [(ja:.)
207 4 5 6 7
S: I: P:
=an dem thema euroregion nich vorbeikoinm[n. [((hus[tet)) ] [komm wir auch nich:]
Ρ:
komm wir auch nicht.
P: I: P: S: P: S:
-h[h ]hhh (.) es is bloss:: [hrr.] =[schwer weil si[ch das= =[bloss wir müssn da[s je=s[o schnell entwickelt] ne? Γ«Anders machn.> ]
8
9
(0.2)
10
11 12 13 14—¥ 15 16—»
(0.2)
(.) so=
Auszug (A8)
1 2 3 4 5
S: S:
genau. (1.2) bloss wir müsstn uns jetzt nochmal genau recherchiern wann sich dieser rat nun wirklich konstituiert.
Auszug (A9)
1 2 3 4 5 6 7 8
I: S:
9
S:
>ich find das nämlich eigntlich
(blöd
[wenn?) 12 13—» 14 15—» 16
(0.2)
P:
komm wir auch nicht. (0.2)
P: -h[h ]hhh (.) es is bloss:: (.) so= I: [hrr.] P: =[schwer weil si[ch das= S: =[bloss wir müssn da[s jeP: =s[o schnell entwickelt] ne? S: [cAnders machn.> ]
Auszug (Al3) 1 (2.5) 2 P: also für die sendung siebn dann. 3 (1) 4 S: m:. 5 (1.5) 6 S: oder drehn wir um und machn -hh (0.2) erst die 7 euroregion als sechs (0.5) und den (.) golf: dann 8 als siebn? 9 (4.5) 10 S: bloss wie ist das zu schaffn bei euch. 11 (3) 12 P: na wir machn ja die a. ä die aufnahmen für die:
209
13 14 15 16 17 18
I: S:
ä:: : -hh die beiträge für die: nummer sie:ben machn wir am vierzehntn und fünfzehntn, (0.8) mai. (3) na (.) du meinst aber wenn mans umdreht (.) n[e? [îh lmî:=
Auszug (A 14)
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
S:
=wir machn uns-, (.) id ich find das bescheuert dass die das verlangn. (. ) [weil, -hh immer, [äP: [das: (.) ham sie [( ) I: [das is so wi[e, S: [ IMmer w wenn wir jetzt >zum beispiel wenn wir über widdingharde und heuer< [berich[tet. P: [ja [ja S: -hh [Is ja auch n=gutes proje:kt.]
11
I:
12 13 14 15 16 17
S: [-hh bloss= I: =>da [kommt (das auch drin) vor.das heisst im< [-hhh (0.6) kraftfahrzeuchamt und so weiter °und so weiter 0 . k:annst es (0.2) aber [-hh durch diese eine= [hrrm=n(0.5) nummfer, [n:ummer alles [(nach)prüfn] [ja ].(.) das= [dir überall] her[holn.] =heiss[t ich: [und wer hat da zugriff? wer darf die se nu- oder wer k:ommt an diese datenverteilung ran?
Auszug (A25) I I : 2 P: 3 4 S: 5 P: 6 7 8 S: 9 P: 10 I: 11 Ρ: 12 13 I: 14 I: 15 S:
[JA[. (.) genau. [ja. und genau ds wollt ich [nämlich hin. deshalb wik- greif ich das [hhja. jetzt auf dies thema. denn denn: (lä::: 1.4) also all diese schönen positiven geschichtn: (4ä:: : 1.3) hier geht e[s: iä:: f: ] [so wunder]= [ können unglaubwürdi ] [ g dann ( ' ) ] =sch£n ( also d-= = jai.. [¿aran glaubt keiner mehr.=das= =i[s bezahlte arbeit. [nöe:. [Ja. [hm:.
216
16
Κ:
°ja.°
Auszug (A26)
1
Κ:
es gibt auch diese flaschncontainer (.) m mit-
K: I: S: K: I: S: K:
welche färbe die flasch[n habn]= Imf: : . ] [m:. ] =alsso -h[h[ [m[:. [weiss oder bun:[tglas. [durchsichtige (0.5) bunt >und weiss[e< [mîm[. [ja. (0.6)
2
3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
(1.2)
I: Κ:
Auszug (A27)
1 2 3 4 5 6
P: S: P: S:
ä:: solltn wir den beitrach noch:: ä::[: [mischn. heute mischn? (1.2) solltn wir. (0.5)
Auszug (A28)
1 2 3 4 5 6 7
P:
[das is (.) aber (.) eine: ä: (0.2) eine schtorrie, die du (.) ä::::::: in deinem text (0.4) liest, also die du: f: ä:: : -hh wie sacht ih:r nich im o:ton machs [sondern ebn -h[h ä::[:: I: [m: : . [m: S: [die du bebildern kannst.
8
9 10 11
(1)
P: I:
da machste ein t text, und da klebst du b¿lder drauf, da. (0.4) °oder u[mgekehrt.°-hh [m:.
Auszug (A29)
1 2 3 4 5 6 7
Z:
X: Z: X:
[og sá: vi : 1 : ae: i lebet af aften som den udvikler sig, sá vil: ae -hh de: ae: (.) store doktorer de vil udvikle (.) visioner for fremtiden, -h[h me:ns= [mens= =[at i pá redaktions]m0det -hh der stiller i op med= =[vi andre ( " " ) .]
217 8 9
Ζ:
=vores ottehalvfems bud pá (.) hvordan vi vil have= =programmet er.
Auszug (A30)
1 2 3 4 5 6 7
X:
jamen det er gründen til, angiyeligt gründen til a:t ae, (0.8) Z: at de er sá interesserede. X: -hh det e:r (.) setae::: (0.2) der er jo to (0.6) straenge i deres system i dorf, ikkos? der er, (1.4)
Auszug (A31)
1 2
Z:
3
4 5 6 7 8 9 10 11
det ae: (.) vi skal ae: : (.) kom med (.) den tyvende, (0.4) det er (1.2) e : η ae vores bud pá ( . ) nittenottehalvfems Versionen af programmet.
(0.6) ja, ud fra de (0.2) forudsaetninger, som vi: ae: ('''' ) ved vi har. nemlig at det (.) varer ottefemogtredive, -hh og [med [ ( )] X: [-hh [nu var det ni ] (.) nu.=
X: Z:
Ζ:
= ja:.[sâ ni eller [op pá (.) ja.
Auszug (A32)
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
X:
( ) nà. -hh der stod jeg og fortalte vidt og brei(.) bredt hvad jeg synes ligesom forskel var pá dansk og tysk te: ve: Produktion, sá var de:r ae kraftaedeme en ( ) fra der NORDSLE: SWIGER, Z: som [citerede. X: [citerede.(.) som citerede regina for noget som jeg havde sagt om hvor tyskerne de var kraftaedeme sá bureaukrati[ske og der var politiske interesser= Ζ: [ha ha ha ha ha ha ha ha ha ha ha ha= X: =[involveret i alt ting og sádan noget i den stil.= Ζ: =[ha ha ha ha ha ha ha ha ha
Auszug (A33)
1 2 3 4 5 6 7
Ρ:
S:
also da steht auf dänisch (0.4) 4ä: ich übersetz das gleich ä: îhierher er st0ttet af e: u: gennem det graenseoverskridende (-hh 1) f :aelleskabsinitiativ (.) interreg (.) to. (0.2) -hh (0.5) das heisst auf deutsch (.) ä: hierher (.) wird [ä:: : f ]= [(unterstützt)]
218
8 9 10 11 12 13 14
Ρ:
I: P:
=gefordert gestützt unterstützt von der e: u: (.), durch ä:: die grenzüberschreitende (0.2 -hh) Gemeinschaftsini:tia- initiative inter[reg= [(ja) =zwei.> (*hh 1.7) und über diesn satz hab ich dann so:ne halbe stun:de verhandelt, ob wir dass nich irgendwie η bisschen (ä:: 1[) d:iskreter]
Auszug (A34)
1 2 3 4 5 6
P:
S:
S:
und dass die sich überhaupt nich irgendwie in den: redaktionelln: m m: bereich ä: -hh eingemischt [haben, das::: ] s: weiss ja niemand, ne? Íweiss ja niemand. ] (1.6) ne. die sind blö fd.
Auszug (A35)
1 2 3 4 5 6 7 8 9
P:
ihr bringt den: (.) kuchen und den kaffe mit. und dann (0.8) erzählt uns doch mal:, (1.2) ["worum geht es eigentlich?0 S: [was soll das ü[berhaupt? P: [was soll das alles? S : hahaha K: ja. P: jetzt wolln wirs wissen. (1)
Auszug (A36)
1 2 3 4 5 6 7
I : oder da kommt doch mal irgendwie was nettes (.) nen brief oder irgend[sowas P: [nen diplom vielleicht S: [ne urkunde= P: =ne urkunde ja. I: ne urkunde (..) gibts sowas ja? S: ja (.) ich hab schon nen paar urkunden,
Auszug (A37)
1 2 3 4 5
P:
S: I:
r>na in der moderation.! ini der moderation find ich sollten wir sagen< dass wir über die (.) euroregion was machen wolln. m:. [ -hh [m:.
6
P:
in einer der kommenden Sendungen.
7 8 9
I : m:. (4.5) I: ja.
219 10 11 12 13 14 15 16 17 18
Ρ:
I: P: S: I: I:
aber nicht die bilder zeigen denn die sind (0.2) total da(.) alt. vergammelt wenn wir da hinkommen. m[:. [m:. -hh ja (.) okay. (4)
Auszug (A38)
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 12 13 14 15
P:
I: P: I: P: S: I: Ρ: I:.
jâ- *hh ¿ch: finde das solltn wir versuchn, (0.3) und sehn was dabei rauskommt. (1.4) m:. (1) und zwar solln wir das versuchn bevor wi:r (.) ä:: : (.) diese: ä[:: euro ]region[:::= [die nächste Sendung] [ja=sache machn.[=(weil der läuft,) [ja s£>nst können wir den beitrag überThaupt nich machn. [find ich. [ja. Γgen Tau. [ne:.
Auszug (A39)
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19
K: S: Κ: P: K: P:
S: P: K: P: K: P:
=uns wäre das beste wohl glaub ich dass (.) unsser (..) moderator das ssag[te. als am ende: ä: [(abpuffart) diese programm (0.4) ist (0.2) ja [das hab ich ja ebn gerade vorgeschlagn:]. genau= [von der e : u : u n t e r s c h l a g n . ] =das hab ich: ä:: : (o.4) versucht dir vorzuschlagn, denn (.) denn ich:: [hab gedacht dann: (0.2) kö]nnte man das= [ds bei euch isses das beste, ja?] =vielleicht ab und zu auch vergessn und so was.(.) ä: : [ : [a: das passiert ja. sowas (.) pasiert ja natürli[ch. aber das hat sie= [ja. =ausdrücklich gesacht dass (.) w war nich gewünscht. das s : olite (0.2) mit einem schILD, (.) mit dieser e: u: flagge. (.) diesm (0.2) mit den Sternen drin. -hh
220 20
Κ:
ja.
22 23
Ρ:
gemacht werdn. (1.4)
24
Ρ:
und da gabs nix zu verhandeln.
21
(1.2)
Auszug (A40)
1 2 3 4 5 6 7 8
K:
un::: (.) heute planen wir alsso::: (.) diesm schulnthema und:, (1.3) S: [und DREI WEITERE.] K: [(das nächste thema,] S: also insgesamt dre¿_solltn wir heut[e (.) (alle/ein) planen.] K:: rdR:: ::EI weitere ]
Auszug (A41)
1
Κ:
un:,
2
3 4 5 6 7 8
(1.2)
I: Κ:
cbörsen[keller> [am zehntn gibs diesn, (2.2) I : ρ[resse( ' ' ). S: [emPFANG? Κ: presseding. (.) ja.
9
(0.4)
Auszug (A42)
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
P:
atha ( 8 ) -h also wenn man eine euroregion wählen könnte wo: die deutschen nicht ä: (0.7) I: hhä: hähä [kriegerisch,] P: [(dran sind) ] nene : ich: mein wenn man s[o: (0.3) [ita ]lien Schweiz! oder so K: [hahahahahaha ] I: [hahahahaha ] P: was ( . ) dann wär das nen bijsschen ä: -h neutraler aber warum sollt man das eigentlich tun, nö: das wär dumm.
12
(1.2)
Auszug (A43)
1 2 3 4
S: K:
seid ihr jetzt schon in euerm neuen haus eigntlich? (0.2) ne:, nö? nein wi:r (.) übernehmn es am: (.) freitag, (0.3) °am kommenden freitag0, (0.3) und wir habn (.) also
221
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Kap. 6
wirklich (0.5) die hände voll m: . (1.2) K: ma:In (.) ssoin wir u:nd, (0.8) I: tapeziern, (0.3) K: ctapessiern vielleich nich.> I : m. K: (über)malen, n. (1-4) I:
Zur interaktiven Konstruktion von Dissens auf aktivischer Ebene: Das Unterlassen von Kopartizipation in Sequenzen mit stereotypen Wendungen
Auszug (Al) 1 DKi: 2 3 4 DK]_ : 5 6 D2: 7 DI: 8 9 DK2: 10 11 DI: 12 13 DKI: 14 15 Di: 16 DKi : 17 Di: 18 Di: 19 20 DKi : 21 22 23 24 DKi : 25 26 DKi : 27 DKi : 28 29 Di:
das is bei uns nich genuch. da muss stehn. (0.3) folgendes. (1.5) ((Papier rascheln)) das muss dann bei uns auch so sei[n. [ich vergess das immer [noch mal gerne.] [ei ein ricktich]= =ä: ä: η rickti[ge: symPAthische E: U: (texte). ] [also IHR SEID DOCH DIE PERFEKTEREN DEUT]SCHN =so:n rieh-, Ja: sind wir nämlich.=das isses ja [ebhhn.hahaHAhe das is ja unser]= [((lächelt)) ]= r=aeheimnis.1 [((lächelt))] •hh ha ha ha ha. (1) also da steht auf dänisch (0.4) ä: ich übersetz das gleich ä: hierher er stattet af e: u: gennem det graenseoverskridende •hh ((1)) f:selleskabsinitiativ (.) interreg (.) to. (0.2) •hh ((0.5)) das heisst auf deutsch (.) ä: hierher (.) wird [ä:: : f ] gefördert gestützt= [(unterstützt)]
222 30 31 32 33 34 35
DKi:
Da: DKi:
= u n t e r s t ü t z t von der e: u: ( . ) , durch d i e g r e n z ü b e r s c h r e i t e n d e -hh gemeinschaftsini:tia- initiative i n t e r [ r e g zwei.> [(ja) -hh ( ( 1 . 7 ) )
ä::
Auszug (A2a,b) 1 Di: [-hh ] 2 b l o s s was h a t d a s m i t u n s e r m proaRAMM z u 3 t u n . hh 4 (1.5) 5 DKi: j a nun [das müssten] 6 D2: [das kann ] man j a 7 ejji[bindn. (.) kannste j a auch, ] 8 DKi: [das das : müssten w i r dann e i n i b i n d n 9 (.) 10 DKi; nicht also:.= 11 D2: =joa. (0.3) kannste sogar 12 im Γ ( f i l m e i n b i n d n . ) ] 13 Di: [man k ö n n t e ] d a s ( . ) a l s o ( . ) was 14 wir >irgenwie noch n i c h h a t t n is< 15 warum ( 0 . 3 ) a l s o w i r d e u t s c h η 16 (0.2) wir s c h l e ( h ) s w i g h o l s t e i n e r meinen j a 17 (.) i h ( h ) r ha(h)bt an(h)gst vo(h)r de(h)n 18 deu(h)tschn. 19 (.) 20 Di : -hh das i s j a a b e r n i c h s o . 2 1 DKi: "nein.0 22 D2: n a : [: :?] 23 DK2: [al ]so,= 24 Di: =v i e 1 l e i : c h t [nicht so.] 25 DK2: [-hh ] 26 DKi: [ b i s s c h n a n g s t ] ham w i r immer n i c h t ? = 27 D2: [hö h ö h ö h ö . ] 28 DKi: =[ha ha ha ha haha h a . ] 29 D i : [hha ha ha ha [ ha h a . ] 30 DK2: faibts ] g i b t s [ein euroregion. ] 31 Di: [du w i r s i n d h e u t e ] 32 Di: gekomm o b w o h l w i r ( . ) g r a d a u s m a r s c h i e r t s i n d 33 [ne? ] 34 D2: [ [ · h h ö : ] l a ha ha ha] 35 DKi : [hö h a h a j . ha: ]= 36 DK 2 : [(?)] 37 DKi: =ha h a [ h h ä [ h h ä ]] hhä hhä hhä 38 DK2: [das [ w e i s s t d u : ] ]
223 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
Di: DKi: DK2: ? : ? : DK2: DKi: DKi: D2: DKi: DK2:
D2:
hhä
rhhä [das
[ [ h e r z l i c h n ] qliickwunsch zur hhä ] [weisst ]du, ] [ ä : h ö hö ]=
befreiuna.1
=h
le:] [ d a ] [ s w e i s s t du] Γdeshalb ha]m w i r j a auch= = d i e Γ Fahne g e h i s s t . ] [ k u c k m a l d i e k e r z n ] ham s i e s c h o n w i e d e r ausm [ f e n s t e r g e h o l t . ] [_hä M he ] -hh= = a i b t s e i n e u r o r e g i o n i n a l s a c e oder l o r r a i n e ä ä zwischen a l s o (.) i n : f r a n k r e i c h (.)und deutschland r a i b t s ? (.) aha. ] [ijat: ja . ] (0.2)
Auszug (A3) 1 Di : =habt i h r n i c h ne e u r o r e g i o n auch noch 2 m i t s c h w e d n zum b e i s p i e l o d e r s [ o ? 3 DKi: [n:ene.= 4 DK2: = a : d i e f S c h w e d e n magen w i r ] n i c h t . = 5 D2: [o: .] 6 DKi: =ne:. 7 DK2: nein. 8 (0.8) 9 Di: [HAhähe. 10 D 2 + D K 1 ; [ ( ( l ä c h e l n ) ) 11 DKi: ne(h)i(h)n(h)hahe[he he he 12 D2: [dann schon l i e b e r e i n e = 13 = [ m i t den ideutschn= 14 DKi: =[he [·HH: 15 DK2: =ja. 16 DKi: dann l i e b e r m i t den deutschn. 17 D2: H[A ha ha ha ha 18 Di: [HA h a h a h a h a h a h a h a · Η [ H [ : 19 DKi: [HA[ha ha ha ha 'he he he [·Η[Η 20 DK2: [ j A : . " h a ha" [jednfalls. 21 (1.4) 22 DKi: ä: :a : j a : 23 (3.5) 24 DKi: oh s i c h das irgendwie r e a l i [ s i e r n l ä s s t ? ] 25 D2: [A: ich] find 26 den gedankn n i c h s c h l e c h t . 27 (1.2)
ä:
224 Auszug (A4)
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25
D2: DK2: DK2: DK2: Di: Ü2: DK2: D2: DK2: DKi: D2: DK2: D2: DK2: DK2: DKi: DKi; DK2:
[ä la wartet ihr schon sehr lange? ja. och. ä: o: ä: eine [stunde oder so. [wir sind ä s : t >wir ham ham gesacht< um halb= =halb (.) ich hab ausrichtn lassn ich hab noch angerufn, achso. (.) den bescheid harn wir nich bekommn. -hh echt hhnichthh hahaha -hh na das klappt ja. ja. j a (·) s o i s t die weit. h:ähähä -hh so sind sie die deutschn der kuchen ((gibt ihr den kuchen)) [ja sag mal (?) ] [so ist die weit.] m: (2) das m a c h t uns nichts. (4) ((gerichtet zu L/Bi und Β ?)) (4) j a (·) das ham wir einkalkuliert. das habt ihr einkalkuliert (.) Tja
Auszug (A5)
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
DKi: DK2: Di: DKi: Di: DKi: Di: DKi: Di: D2: Di: D2: DKi: DKi :
un
d wie is es mit [italien? ] [also die grölsse bedeutet was (.) glaub ich auch. auch kein problem (mit) der euroregion soviel ich weiss m[. [und die ham ja mitgezogn. m:. die hattn ja den du :(h)ce. m · richtich. richti(h)ch. hahaha ha ha ha ha ha ha ha italien ist doch auch noch so'n (.) armes (0.5) da gibs doch auch nicht so viel. die Italiener hams eher mit den Schweizern. m. atha (8) 'h also wenn man eine euroregion wähln
225
19 20 21 22
Ü2: ΌΚχ:
23
24 25 26 27 28 29
könnte wo: die deutschn nicht ä: (0.7) hhä: hähä [kriegerisch,] [(dran sind) ] nene : ich: mein wenn man s[o:
DK2: D2: DKi:
(0.3) [ita]lien Schweiz1
oder=
[hahahahahaha ] [hahahahaha ] sowas(.) dann war das nen bisschen ä: -h neutraler aber warum sollt man das eigntlich tun, nö: das war dumm. (1.2)
Auszug (A6a,b) 1 Di: das vielleicht netzt sozusagn die alte suppe 2 deshalb hoch[kommt,] (.) -hh weil wir nie= 3 DK2: [4mî: ] 4 Di : =drüber qesprochn habn. 5 (2) 6
DK2 :
7 8 9 10 11 12 13
DKi : -hh aber das liegt wohl auch ä: f: η bisschn an der grosse der (0.2) der (0.4) nationen also f: ä: f: anders ausgedrückt also die ä (.) franzosn habn vielleicht nicht so viel a(h)ngst vo(h)r de(h)n deu(h)tschn wie die dänen habn. D2 : ein vielleicht (.) NOch stärkeres
14
15 16 17 18
°4-n: ja.'
Selbstbewusstsein.
(3) D2 : "das denk ich auch (.) kann man nicht so vergleichn.° DK2: das wort ist nicht das richtige glaub
19
ich. also (0.4) Selbstbewusstsein das
20 21 22 23 24 25 26 27
habn wir (0.5) [al ]so und viel. aber (.) wir habn= [m: ] vielleicht (0.6) -hh eben ein: minderwertskomplex. (0.5) also (.) wir sind die kleinen und die deutschn sin:d (0.2) die reichn.
DK2: D2: DK2: DK2:
28
29 30 31 32 33
(2)
DK2: DKi:
grossen Brü[der, ] [die reilchen grossen. (2) DKi : wir sind die armen kleinen. (0.6)
226
34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53
DKi; DK2: DKi: DK2: DKi: DK2: Di: DKi: DK2 : DKi : DK2: DKi : DK2:
D2 : DK2 :
hh
hh
[hh hh l°hh hh hh= [und wir habn ja immer (.) unssere= = [hh" -hh ] =[kriegn mit den deultsehen verlo verloren. nicht achzehnhun açhzehnhundertachtundvierzich (.) da ham wir gewonnen. a: [aoa: (?) ] [aber ab vier1unsechzich gings beraaTb. ha ha hai [aber ab vier1 un(h)sechzich wa(h)r schlu(h)ss. he he h ia -ja. -hhä he da blieb uns nur der fussba Γ11 hm] m [aber] =m m he ha hö hö hö. -hh ff= =aber die französen haben ja (.) (mehrmals an wenign zeit am mindestens) (.) gewesn. (1.3) °~m: * "das weiss ich nicht."
Auszug (A7)
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
11 12 13 14 15 16 17
(0.6)
DK3 :
DK2: DK3 :
•hh oka:y. (.) men altsá φ- (0.2) dû: >vi skal indtil videre skal vi heller ikk forholde os til hvad det er, (0.4) Φ: tyskerne har planer om. nej ne~i [(men jeg kan da fo bare láne os)] = [( ) ]
DK2:
=sá vi- vi er klare til det nâr de kommer jo- (0.6) med fireogtyve foreslag.=det g®r de altsá. erstens zweitens DK3 : • h [h DK2: [dritten[s. DK3: [ja. (0.2)
DK2: DK3:
(ae[?)
[vi vi kan jo starte med sá, (0.4) oâ: ae : tale om ( . ) hvordan (0.8) vi sel ν 18 vurderer programmet. 19 (0.4) 2 0 DK3 : hvad vi sglv synes (0.2) der skal g0res 21 ved det. 22 DK2: ja[. 2 3 DK3 : [vores udgangspunkt, 24 (1.4)
227 Auszug (A8) ORS: 1 2 3 4 ORS : 5 6 7 8 DK 3 : 9 10 DK3 : 11 DK2: 12 13 DK3 : 14 15 DK 3 : 16 17 DK2: 18 19 DK4: 20 DK 3 : 21 DK2: 22 DK4: 23 24 25 26 27 DK4 : 28
j eg synes (. ) med den (0.4) laengde vi har, (2) da: duer det simpelthen ikk á komme (.) med sádan noget i det- i det- (.) i : det programm. (1) og det er vi enige om; kan jeg naesten höre (0.6) V[I ] DANSKERE (.) BRYDER OS IKKE [(ja)] (.) om dsn slags (0.2) i det nuvaerende, (0.2) koncept. (0.6) nej, vi vil hellere sidde hjemme pá- (.) i vores stue og drikke bajer. haha[ha [hahaha tyske. na vi har, vi har snakket om (.) pá et tidspunkt i hvert fald snakkede vi om, â : (. ) aendre det (. ) pá dgn máde at man ku:nne: f: : : (.) for eksempel, (0.6) lade (0.2) os beskrive nogle ting i (0.2) i syd for graensen.=
Auszug (A9) 1 2 DK2: 3 4 5 6 7 8 DK3 : 9 10 11 D K 2 : 12 13 D K 2 : 14 15 D K 2 :
(0.5) •hh jam: det er j- det er jo oss en mentalitgtsforskel. fordi (.) der er vi jo mgre pragmatiske ae >fordi det synes jeg jo< det er jo programmet der laves sâ laenge det er sj^vt, nár det: ikke sjovt laengere sá holder vi op med det og sádan er det. ja. (0.5) ae: (0.4) sä lade os bare holde fast i det. (0.3) •hh de: bare det smitter nár
228 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41
DK2: DK3: DK4:
DK 2 . DK3: DK2: DK.2 : DK3: DK 2 : DK3: DK.2 : DK3 : DK2: DK3 : DK4:
man er for meget sammen med tyskere.=sá fár man oss det de:r, (1.5) (juppija:.) PLANEN UND VISSINNEN. j[a. [ja [ja. [MIT DER HIERHER [IM JAHR, [-hh men altsá det [er JO SÂdan [at vi-] (.) vi= [ZWEITAUSEND [ZWEI. ] =begge:, vi begge to mener ('''). sâ de ka jo ikk [ret godt angribe= [·hh =os [hvis de:t ae sâdan de blier = [ha ha ha ha ha ha= =[sur over vi gider ikk noget mere. = [hA hA hA ne H . [jam:, detdet- det- der var oss noe med en eller anden ae: : : direkter derned, (.) som s::ku have en stilling i berlin, var det ikk? altsá der var et eller andet (finufi:s] der med at hvis: hvis man sá ku op(h®jes) af det her program, (0.7)
Auszug (AIO)
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Di:
DKi: DK2: D]_: DKi: Di:
16
17 18
[-hh] oder umgekehrt dass wir den einstiegsbeitrag machn (.)-hh ä: deutschland frankreich (0.8) das funktioniert (.).warum äm funktionierts trotz der (.) langn aeschichte und einmarsch in frankreich und (stett [de[r] ]) [m:. ] [ijat:] (.) beset zuna und und u[nd ] -hh [Ijat:] ham wir ν viellei die: ä also >ich hatte überlegt ob vielleicht die< (.) -hh deutschn und die dä:nn (.) das problem nie:: (0.8)
Di:
richtig ä: ja bearbeitet habn. (0.5)
229 19 20 21 22 23
Di :
obwohl die Vergangenheit ist ja nun auch >völliq die Vergangenheit" aber das man< -hh (.) deutschland und frankreich haben ja aa:nz i n t e n s i v V ö l k e r Verständigung von (.) hinten bis vorne be(.)triebn.=
Terminologie
englisch
deutsch
account adjacency pair adjacent placement aligning action alignment anticipatory completion assessment code switching compound TCU
Erklärung Paarsequenz adjazente Platzierung aneinander Orientierung zeigende Handlung Ausrichtung antizipatorische Beendigung Bewertung Code-Switching aus mehreren Komponenten bestehende Turnkonstruktionseinheit Kontextualisierungshinweise Weiterführung Fortsetzungsmarker Redeabbruch dispräferiert Abwertung finale Turnbeendigung First Pair Part Rederecht Verzögerungsmarker Listeninitiator Membership Kategorisierung Mittelturnposition Misplacement Marker Multi Unit Turn Fremdreparatur fremdinitiiert erkennbar abwesend Fremdwahl Überlappung interaktive Organisation von Überlappung Postkomplettierung Einleitungsmarker
contextualization cues continuation continuer cut-off dis-prefened downgrading final turn completion first pair part floor hesitation marker list initiator membership categorization midtturn misplacement marker multi unit turn other-repair other-initiated noticably absent other-selection overlap overlap management post-completer preface
230 preferred preliminary completion recipient design repairable restart resumption second pair part self-initiated self-repair self-selection single unit turn skip-connecting story-preface tag question talk-in-interaction turnconstructional unit terminal completion terminal item completion time-out topic closing trail off transition relevance space transition relevance point turn turn-taking two-set class upgrading word search
präferiert präliminare Beendigung rezipientengerechter Zuschnitt Reparandum Restart Wiederaufnahme Second Pair Part eigeninitiiert Eigenreparatur Eigenwahl Single Unit Turn Skip Connecting Story Preface Tag Question Talk-in-Interaction Turnkonstruktionseinheit terminale Vervollständigung Vervollständigung der terminalen Turneinheit Time Out Themenabschluss Abspann übergangsrelevanter Raum übergangsrelevante Stelle Turn Turnübernahme, Turn-Taking aus zwei Komponenten bestehende Klasse Aufwertung Word Search
deutsch
englisch
Abspann Abwertung adjazente Platzierung aneinander Orientierung zeigende Handlung antizipatorische Beendigung Aufwertung aus mehreren Komponenten bestehende Turnkonstruktionseinheit aus zwei Komponenten bestehende Klasse Ausrichtung Bewertung Code-Switching
trail off downgrading adjacent placement aligning action anticipatory completion upgrading compound TCU two-set class alignment assessment code switching
231 dispräferiert eigeninitiiert Eigenreparatur Eigenwahl Einleitungsmarker erkennbar abwesend Erklärung finale Turnbeendigung First Pair Part Fortsetzungsmarker fremdinitiiert Fremdreparatur Fremdwahl interaktive Organisation von Überlappung Kontextualisierungshinweise Listeninitiator Membership Kategorisierung Misplacement Marker Mittelturnposition Multi Unit Tum Paarsequenz Postkomplettierung präferiert präliminare Beendigung Redeabbruch Rederecht Reparandum Restart rezipientengerechter Zuschnitt Second Pair Part Single Unit Turn Skip Connecting Story Preface Tag Question Talk-in-Interaction terminale Vervollständigung Themenabschluss Time Out Turn Turnkonstruktionseinheit Turnübernahme, Turn-Taking übergangsrelevante Stelle übergangsrelevanter Raum Überlappung
dis-piefeired self-initiated self-repair self-selection preface noticably absent account final turn completion first pair part continuer other-initiated other-repair other-selection overlap management contextualization cues list initiator membership categorization misplacement marker midtturn multi unit turn adjacency pair post-completer preferred preliminary completion cut-off floor repairable restart recipient design second pair part single unit turn skip-connecting story-preface tag question talk-in-interaction terminal completion topic closing time-out turn turnconstructional unit turn-taking transition relevance point transition relevance space overlap
232 Vervollständigung der terminalen Turneinheit Verzögerungsmarker Weiterfiihrung Wiederaufnahme Word Search
terminal item completion hesitation marker continuation resumption word search