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German Pages 851 [845] Year 2006
Martin Mende Strategische Planung im Beschwerdemanagement
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Focus
Dienstleistungsmarketing
Herausgegeben von Universitatsprofessor Dr. Dr. h.c. Werner Hans Engelhardt, Ruhr-Universitat Bochum, Universitatsprofessorin Dr. Sabine FlieB, FernUniversitat in Hagen, Universitatsprofessor Dr. Michael Kleinaltenkamp, Freie Universitat Berlin, Universitatsprofessor Dr. Anton Meyer, Ludwig-Maximilians-UniversitatMunchen, Universitatsprofessor Dr. Hans Muhlbacher, Leopold-Franzens-Universitat Innsbruck, Universitatsprofessor Dr. Bernd Stauss, Katholische Universitat Eichstatt-lngolstadt und Universitatsprofessor Dr. Herbert Woratschek, Universitat Bayreuth (schriftfijhrend)
Der Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft ist de facto langst vollzogen, er stellt jedoch mehr denn je eine Herausforderung fur Theorie und Praxis, speziell im Marketing, dar. Die Schriftenreihe will ein Forum bieten fur wissenschaftliche Beitrage zu dem bedeutenden und immer wichtiger werdenden Bereich des Dienstleistungsmarketing. In ihr werden aktuelle Ergebnisse der betriebswirtschaftlichen Forschung in diesem Bereich des Marketing prasentiert und zur Diskussion gestellt.
Martin Mende
Strategische Planung im Beschwerdemanagement Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Bernd Stauss
Deutscher Universitats-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothel' to MBtomer (20%)
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1 Timdiuess
• Putjtridit inuuc Follow-up call or letter (58%)
Credibility
Interactional Justice
|
1 > Apology letter from manager (50%)
Apology
Distributive Justice
|
1 > Letter to third party (8%)
Credibility
Interactional Justice
|
1 > Personal attention (6%)
Attentiveness
Interactional Justice
|
1 > Compensation (4%)
Redress
Distributive Justice
|
Abb. 7-25: Explizit ermittelte Kann-Leistungen; Quelle: Eigene Abbildung auf Basis der Daten von Johnston/Fern (1999, S. 78).
Offensichtlich bestehen Begeisterungspotenziale vor allem darin, dass das Unternehmen das Problem ernst nimmt, seine Verantwortung akzeptiert und dies durch Follow-up-Ma(inahmen (58%) und eine schriftliche Entschuldigung eines Managers (50%) belegt. Erst mit deutlichem Abstand folgt der Brief an die involvierte Drittpartei (8%) sowie der Wunsch Dort wurde erfragt: „What would the bank have to do to make you feel OK/satisfied with their response?" (Johnston/Fern 1999, S. 76).
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
nach personlicher Sonderbehandlung (6%) und materieller Kompensation (4%), die uber eine blolie Ruckerstattung der entstandenen Kosten hinausgeht. Im Vordergrund stehen also Interaktions- und Ergebnisgerechtigkeit. Wenngleich auch diese Studie ,nur' erste Ergebnisse vorlegt, ergeben sich doch Implikationen fur die Ausgestaltung des direkten Bescliwerdemanagements uber die Kann-Leistungen im Zusammenspiel mit den Muss- und Soll-Leistungen. 7.5.3.3.2.2 Implikationen aus der Identifikation der Kann-Leistungen fur die Gestaltung des Leistungsprogramms Bezugspunkt der folgenden Ausgestaltung soil das direkte Beschwerdemanagement der fiktiven Bank sein, die Johnston/Fern (1999) ihrer Studie zugrunde legen und deren Muss- und Soll-Leistungen im Kontext der Kostenfuhrerschaft bereits ausgearbeitet wurden.^^^ Zunachst sollen die Erkenntnisse der impliziten und expliziten Ermittlung kurz miteinander verglichen werden. Danach ist zu eruieren, durch welche Kann-Reaktionsweisen das Leistungsprogramm uber die Muss- und Soll-Leistungen hinausgehend erganzt werden kann. Erste Aufschlusse gibt die Vereinigung der Kann-Leistungen mittels der impliziten und expliziten Bestimmung, wie sie in Abbildung 7-26 wiedergegeben ist. Die Abbildung fuhrt die Leistungen zusammen, die implizit anhand der 20%-Grenze ermittelt wurden ( Jmplizite Ermittlung").''^'^ Diesen sind die Leistungen gegenubergestellt, die mittels der Frage nach
^^^ Dabei sind aufgrund der Methodik als Experimentalstudie und der relativ geringen Anzahl der von Johnston/Fern (1999) befragten Kunden (n = 50) nur vorsichtige Ruckschlusse auf die Beschwerdemanagementpraxis moglich. Ein Anspruch auf Allgemeingultigkeit wird hier ohnehin nicht erhoben. ^^^ Die Entschuldigung an die Drittpartei (Apologize to third party, 4%) dient im Gegensatz zu der EntscliuJdigung eines Unternehmens gegenuber dem Kunden zur Untermauerung der Glaubwurdigkeit des Bedauerns auf Seiten des Unternehmens und ist daher als Dimension der Credibility einzustufen.
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Adaption der Differenzierungsstrategie
besonders hoher Beschwerdezufriedenheit erhoben wurden („Explizite Ermittlung"). So wird das maximale Begeisterungspotenzial erschlossen.
Implizite Ermittlung
a,
Explizite Ermittlung
• Apology letter from manager (50%)
Apology
> •r- oi
S
•a
Redress
• Provide compensation (4%)
Credibility
• Acknowledge mistake (14%)
• Follow-up call or letter (58%)
• Explanation as to why the error occurred (8%)
« Letter to third party (8%)
• Compensation (4%)
^
« .a 2 S
• Research and investigate error (4%)
.2 S
• Apologize to third party (4%) e "^
Attentiveness
• Helpful attitude (6%) • Be polite/courteous (4%) • Listen and be understanding (4%)
• Personal attention (6%)
Abb. 7-26: Begeisterungspotenziale im direkten Beschwerdemanagement; Quelle: Eigene Abbildung auf Basis der Daten von Johnston/Fern (1999).
Der Vergleich der Einsichten auf Basis der beiden Ermittlungsansatze zeigt Parallelen, aber auch bemerkenswerte Unterschiede: •
Beide Ermittlungsverfahren gelangen zu einem identischen Ergebnis hinsichtlich des nur vergleichsweise geringen Differenzierungspotenzials LJber eine materielle Entschadigung (4%).
•
165
Auch stimmen beide darin uberein, dass uber Verfahrensgerechtigkeit keine Begeisterung der Bankkunden erzielt werden kann. 165
Dies steht im Widerspruch zu Estelamis (2000, 8. 295) Ergebnis, wonach die Geschwindigkeit der Problemlosung das zweitwichtigste Begeisterungsmerkmal war. Dies verdeutlicht die Bedeutung von branchenindividuellen Daten fur die strategische Ausrichtung des Beschwerdemanagements.
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
•
Ebenfalls zu einem als parallel anzusehenden Ergebnis gelangen implizite und explizite Ermittlung im Hinblick auf die Bedeutung der Attentiveness, die auch ein relativ geringes Begeisterungspotenzial zu erschliefJen scheint.
•
Ein erster von zwei wichtigen Unterschieden liegt in den auszunnachenden Schwerpunkten der identifizierten Managennentmalinahmen. Uber die implizite Methodik wird das Zentrum der Begeisterungsaktivitaten in der Dimension der Credibility verortet. Die explizite Vorgehensweise bestatigt dies mit dem Maximalwert des Follow-ups (58%). Bemerkenswert aber ist, dass uber die explizite Ermittlung ein zweiter Schwerpunkt in der Apology-Dimension erkennbar wird, den die implizite Methode nicht zutage fordern konnte: 50% der Beschwerdefuhrer erwarten die schriftliche Entschuldigung einer Fuhrungskraft.
•
Der zweite Unterschied zwischen beiden Ansatzen liegt darin, dass die explizite Ermittlung, insbesondere in der Glaubwurdigkeitsdimension, konkretere Managementmalinahmen erkennen lasst.
Zusammenfassend ist daher zwar das Zusammenspiel bolder Verfahren wunschenswert, im Zweifelsfall aber scheint die explizite Vorgehensweise zu bevorzugen zu sein. Nun gilt es Erkenntnisse hinsichtlich der Ausgestaltung des Leistungsprogramms abzuleiten: •
Eine im Vergleich zu den Muss- und Soll-Leistungen neu zu erganzende Reaktionsmalinahme stellt die uber die bloBe Ruckerstattung (Refund) hinausgehende Wiedergutmachung (Compensation) gegenuber den Beschwerdefuhrern dar. Dieser ist allerdings in dem vorliegenden Szenario kein primares Begeisterungspotenzial zuzuschreiben.
•
Die restlichen Anforderungen verlangen keine Erweiterung des Leistungsprogramms, sondern implizieren vielmehr die Notwendigkeit, bereits bestehende Muss- und Soll-Malinahmen zu modifizieren. Bei-
Adaption der Differenzierungsstrategie
•
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spielsweise ist eine deutliche Steigerung der Erwartungshaltung hinsichtlich der Entschuldigung iiber die drei Stufen der Muss-, Soil- und Kann-Leistungen festzustellen (von der mundlichen Entschuldigung bis hin zum Entschuldigungsbrief einer Fuhrungskraft). Gleiches trifft auf die Ausgestaltung des Schreibens an die Bausparkasse als involvierte Drittpartei zu. Das zentrale Begeisterungspotenzial liegt in Follow-up-Maftnahmen (58%), was als eine Form des ,MetaNachkaufmarketings' interpretiert werden konnte. Damit ist an die bereits im Kontext der Kostenfuhrerschaft diskutierten Schreiben an die Beschwerdefuhrer anzuknupfen, die nun modifiziert ausgestaltet bzw. durch Telefonanrufe erganzt werden konnen. Bemerkenswert ist auch, dass die Verfahrensgerechtigkeit (Procedural Justice) im fokalen Szenario offensichtlich nicht dazu dient, besonders hohe Werte der Beschwerdezufriedenheit hervorzurufen. Die befragten Kunden nennen diesbezuglich keine spezifischen Erwartungshaltungen. Daher werden die Ergebnis- und Interaktionsgerechtigkeit im Zentrum der weiteren Uberlegungen stehen.
Das in Abbildung 7-26 aufgefuhrte Portfolio zusatzlicher Reaktionsweisen des direkten Beschwerdemanagements stellt gemeinsam mit den bisherigen Muss- und Soll-Leistungen den Gestaltungsraum dar, der nun abschliefiend anhand der Leitlinien der Qualitat, Varietat und Innovativitat aufeinander abzustimmen ist. 7.5.3.3.2.3
Gestaltung des Leistungsprogramms anhand der strategischen Differenzierungsleitlinien
Oben wurden drei strategische Leitlinien vorgestellt, auf denen bzw. auf deren Zusammenspiel eine Differenzierungsstrategie erfolgreich begrundet werden kann. Die Differenzierung lasst sich durch (1) eine aufiergewohnliche Qualitat, eine (2) besonders geschickte Verknupfung bestehender Leistungen in Form einer somit erzielten Varietat (Bundling) und (3) durch ein hohes Mafi an Innovativitat des Leistungsprogramms errei-
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
Chen. Einige Umsetzungsbeispiele der drei Leitlinien unter Ruckgriff auf die vorausgegangenen Erkenntnisse sollen kurz angefuhrt werden. Die strategische Leitlinie der Qualitat richtet den strategischen Fokus darauf, die Erwartungen der Kunden hinsichtlich der Gute der angebotenen Leistungsmerkmale zu ubertreffen. Unter dieser Maligabe ist vorstellbar, dass sich Beschwerdemanagennent nicht der ganzen Bandbreite denkbarer Reaktionsweisen bedient, die in der Abbildung 7-26 aufgefuhrt sind. Vielmehr wird der Schwerpunkt auf den explizit ermittelten Begeisterungspotenzialen liegen. Innerhalb dieser Kategorie konnen ferner die Prozentwerte der einzelnen Kann-Leistungen als Richtlinie fur deren Angebot zugrunde gelegt werden. Dannit wurden die beiden MaUnahmen des Follow-up-Briefes/Anrufes (58%) und der von einer iiohen Fuhrungskraft unterschriebene Entschuldigungsbrief (50%) in das Leistungsprogramm aufgenonnmen werden. Bereits diese zwei Instrumente eriauben es, auf die Begeisterungspotenziale eines eriiebiichen Teils der Kunden einzugehen. Da aber im Lichte der Qualitats-Leitlinie das Bestreben darin besteht, qualitativ besonders iiochwertige Leistungen anzubieten, wird Besciiwerdemanagement bestrebt sein, die Follow-up-Ma(inahmen in diesem Sinne zu nutzen. In erster Linie ist dabei an Besciiwerdezufriedeniieitsmessungen im Naciigang der Beschwerde zu denken. Je nacii Beschwerdeaufkommen konnen diese bei einem bestimnnten Prozentsatz der Beschwerdefuhrer schriftlicii Oder telefonisch durciigefuhrt werden, urn stets deren Qualitatserwartungen zu ergrunden und auch zukunftig ubererfullen zu konnen. Als Messinstrument sind unterschiedliche Fragebogen denkbar. Beispielsweise ist auf den von Boshoff (1999) vorgelegten RECOVSAT-Ansatz zu verweisen, der in hohem Made deckungsgleich mit fiJnf der sechs in der vorliegenden Arbeit betrachteten Teildimen-
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sionen der Beschwerdezufriedenheit ist.^^^ Anknupfend an die Qualitatsmessung ist davon auszugehen, dass unter dem hier besonders ausgepragten Qualitatsfokus im Beschwerdemanagement zusatzliche Zentralbereichs-bezogene Mafinahmen ergriffen werden, z.B. regelmaliig Qualitatszirkel abgehalten und Qualitatsverbesserungsteams gebildet werden,^^'^ die die Dienstleistungsqualitat im Beschwerdemanagement optinnieren (sollen). Daneben bietet die Forschung zum Qualitatsmanagement zahlreiche weitere Ansatzpunkte auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann. Konzeptionell entspricht die Orientierung an der strategischen Leitlinie der Qualitat zweifelsohne der Aufgabe, die das Beschwerdemanagement fur das Gesamtunternehmen erfullt. Nur geht es hier darum, marktseitiges Feedback zur systematischen und permanenten Leistungsverbesserung auf der Zentralbereichsebene ein- bzw. umzusetzen und das eigene Leistungsangebot im Beschwerdemanagement permanent zu verbessern. Ein im Vergleich zur Qualitatsorientierung hoheres Innovationsniveau weist ein Leistungsangebot auf, das an der Leitlinie der Varietat ausgerichtet ist. Die Idee der Varietat ist es, aus einem Spektrum von weitgehend bereits bestehenden Leistungskomponenten neuartige Module zu konzipieren. Dabei stehen einem Beschwerdemanagement erneut unterschiedliche Vorgehensweisen offen: •
Eine eng verstandene Varietat kombiniert Komponenten innerhalb einer der sechs Teildimensionen (Redress, Apology, etc.), wie es oben am Beispiel der Matrix zum Kostenaufwand unterschiedlicher
Freilich gilt es dabei den oben angefuhrten Kritikpunkt zu berucksichtigen, dass RECOVSAT eine Face-to-Face-Beschwerdeinteraktion voraussetzt. Alternative Ansatze zur Ergrundung der Beschwerdezufriedenheit legen Davidow/Leigh (1998), Richard/Adrian (1995) und auch Stauss (2002) vor. Wie Stauss/Seidel (2002, 8. 440f.) diese fur die Qualitat der Primarmarktieistungen vorschlagen.
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
Entschuldigungsvarianten bereits veranschaulicht wurde. Auf eine erneute Vertiefung sei daher verzichtet. •
Eine breiter ausgerichtete Varietat kann die jeweils beiden Facetten einer Gerechtigkeitsdimension miteinander kombinieren, also z.B. Entschadigungs- und Entschuldigungsmodule zu Varianten der Ergebnisgerechtigkeitausgestalten.
•
Schiieliiich lassen sicii Kombinationen von jeweils zwei der drei Oder aller drei Ergebnisgerechtigkeiten konzipieren, also beispielsweise eine Positionierung uber die anhand der Daten von Johnston/Fern offensichtlich im Bankgewerbe besonders dominant wirkenden Ergebnis- und Interaktionsgerechtigkeiten. Hierfur sei ein entsprechendes Beispiel angefuhrt: Als Soll-Leistung wurde von 20% der Kunden ein Entschuldigungsschreiben der Bank erwartet (Apology). Dieses Entschuldigungsschreiben ist eine bereits bestehende Leistungskomponente. Die Bestimmung der Kann-Leistungen zeigt ferner, dass 8% der Kunden eine Untersuchung des Problemauftritts und eine entsprechende Erklarung von der Bank erwarten (Credibility). Da die Ursachenanalyse ohnehin im indirekten Beschwerdemanagement durchgeftihrt wird, konnte nun eine individuelle Eriauterung des Problems und der eingeleiteten Mafinahmen durch die Bank in das Entschuldigungsschreiben integriert werden (Bundling). Dieser BundlingAnsatz ist insbesondere im Beispielfall Erfolg versprechend, da bei 58% der Beschwerdefuhrer ein entsprechender Follow-up-Brief Begeisterung auslost.
Fur die erfolgreiche Umsetzung der Varietatsmaxime sind jedoch exakte Kenntnisse uber die Auswirkungen eines kombinierten Leistungsprogramms auf die Beschwerdefuhrer vonnoten. Das heilJt, das Zusammenspiel der Effekte der Ergebnis-, Verfahrens- und Interaktionsgerechtigkeit auf die erzielte BeschwerdezufriedenheitZ-begeisterung ist branchenspezifisch zu erheben. Wie eine Durchsicht der diesbezuglich bisher vorliegenden Forschungserkenntnisse zeigt, kann die einschlagige Beschwer-
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deliteratur hier nur von geringem Nutzen sein, da sich die Ergebnisse durch eine ausgesprochene Heterogenitat bzw. sogar Widerspruchlichkeit auszeichnen (z.B. Davidow 2003, S. 244f.). Es bleibt daher der Verantwortung der Zentralbereichsleitungen uberlassen, wahrend der Konzeptionsphase verschiedener Bundling-Module die zu erwartende Wirkung in der fokalen Branche durch funktionsspezifische Marktforschung zu untersuchen. Die letzte der drei strategischen Leitlinien impliziert das hochste Ausmad an Innovativitat. Ein erstes Beispiel lasst sich unmittelbar aus den Daten von Johnston/Fern (1999) ablelten. Der von 58% der Kunden genannte Aspekt des Folge-Anrufes/Briefes ist von diesen nicht genannt worden, als sie von den Autoren befragt wurden, wie sich die Bank zu verhalten hatte, unn Besch\Ner6ezufriedenheit auszulosen (implizite Ermittlung). Erst als explizit Beschwerdebege/sferiyng erhoben wurde, fuhrten die Testpersonen diese Erwartungshaltung an. Damit weist diese Mafinahme bereits ein erstes Innovationspotenzial auf und kann (zunnindest innerhalb der fokalen Branche) als Begeisterungspotenzial eingesetzt werden. Ein Beschwerdemanagement konnte sich ferner vor Augen fuhren, dass eine uber die blo(3)e Ruckerstattung von Auslagen hinausgehende Kompensation von einigen Kunden als Begeisterungspotenzial genannt wurde. Nun kann nach Wegen gesucht werden, wie diese Kompensation im Vergleich zum branchenublichen Leistungsniveau besonders innovativ ausgestaltet werden kann. Zur Erieichterung konnten hierfur branchenubergreifende Daten herangezogen werden, wie sie oben anhand der Studie von Estelami (2000) vorgestellt wurden. Dort zeigte sich, dass in Dienstleistungsbranchen Beschwerdefuhrer ann leichtesten durch die Kompensation „Free future service" zu begeistern sind. In Anwendung auf die Dienstleistungen einer Bank kann beispielsweise das Wertpapierdepot ein Jahr kostenfrei gefuhrt werden oder aber ein Monat InternetBanking ohne Gebuhren angeboten werden. Unter Mafigabe der Innovativitatsmaxime sind dann eventuell auch weitere Methoden zur Generie-
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
rung innovativer Leistungsangebote hinzuzuziehen, wie die beispielsweise von Laakman (1995, S. 165) angefuhrten Kreativitatstechniken ,Methode 6-3-5' oder Brainstorming. Es lieBen sich weitere Beispiele fur alle drei strategischen Leitlinien anfuhren. Da es jedoch iediglicii darum ging, das grundsatzliche Vorgehen zu illustrieren, soil dieser Uberblick zur Differenzierung des direkten Beschwerdemanagements genugen und nunmeiir Vor- und Nachteile der aufgezeigten Differenzierungsstrategie im direkten Besciiwerdemanagement reflektiert werden. 7.5.4
Wurdigung der Differenzierungsstrategie als Option zur Ausgestaltung des direl^ten Bescliwerdemanagements als sel^undare Unterstutzungsdienstleistung
Ein erster Vorteil der aufgezeigten Vorgehensweise knupft an die KannLeistungen als dem Schlussel zur Erzielung der Beschwerdebegeisterung an. Die Grundvoraussetzung zur Umsetzung der Kann-Leistungen ist es, diese mittels einer funktionsspezifischen Marktforschung zu identifizieren. Stellenweise kann der Kostenaufwand fur Marktforsciiungsvorhaben durchaus betraclitiich sein. Die Ausfuhrungen zu dem iiier angeregten Metiiodendreikiang iiaben jedoch verdeutlicht, dass die drei vorgestellten Verfaiiren (Penalty-Reward-Ansatz, CIT und Experimente) in hoiiem Malie zur Identifikation sowohl der Muss- bzw. Soil-, als auch der Kann-Leistungen dienlich sind. Es entsteht also durch die Verfolgung der Differenzierungsstrategie im Zentralbereich Beschwerdemanagement kein bzw. ein nur geringer zusatzlicher Kostenaufwand zur Erhebung der Datengrundlage. Als ein zweiter Vorteil kann gewertet werden, dass sich die Vermutung von Rosada (1990, S. 206), nach der eine Differenzierungsstrategie bei Sekundardienstleistungen zu keiner nachhaltigen Verschlechterung der Kostensituation fuhrt, auch im Hinblick auf die konkrete Leistungsprogrammgestaltung zu bestatigen scheint. Die obigen Ausfuhrungen haben gezeigt, dass im Vergleich zur Beschwerdezufriedenheit
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das Streben nach Beschwerdebegeisterung durchaus nicht mit zahlreichen zusatzlichen Leistungskomponenten und entsprechendem Ressourcenaufwand verbunden sein muss. Vielmehr deuten die prasentierten Ergebnisse darauf hin, dass sich eine Begeisterung der Beschwerdefuhrer durch mit moderaten Kosten verbundene Modifikationen der im Raiimen einer Kostenfuhrerschaft olinehin erbrachten Dienstleistungskomponenten erreichen lasst. Die Erfoigstrachtigkeit bzw. Effektivitat der hier vertretenen Konzeptualisierung einer Differenzierungsstrategie als das systematische Streben nach dem Ubertreffen der in der fokalen Branche ijblichen Abhilfefunktion sieiit sich ferner im Einklang mit einer zunehmenden empirischen Erkenntnisbasis. So resumieren McDougall/Levesque 1999, S. 12f.) im Lichte ihrer Untersuchung: "service recovery strategies (...) that were representative of industry practices did not lead to positive future intentions towards the service provider. In these situations, 'bonding' of the customer to the firm through the service recovery strategy did not occur (...). This finding, that industry practice may not be effective at recovering, suggests that 'bonding' the customer requires further efforts by the service provider." Dennoch stehen den genannten Vorteilen auch Nachteile gegenuber. Dabei ist in erster Linie an das Konstrukt der Beschwerdebegeisterung anzuknupfen. Bislang steht eine konzeptionelle Fundierung des Begeisterungskonstrukts im Kontext des Beschwerdemanagements aus. Auch die zitierten Autoren (Estelami 2000; Johnston/Fern 1999) verzichten darauf, sich einer Diskussion auf der Konstruktebene anzunehmen. Es ist daher bislang unklar, wie Beschwerdebegeisterung exakt von Beschwerdezufriedenheit abzugrenzen ist. Die bislang in der Literatur angefuhrte und auch von der vorliegenden Arbeit akzeptierte Unterscheidung zwischen Beschwerdezufriedenheit und einer aufiergewohnlich hohen Beschwerdezufriedenheit, die dann als Beschwerdebegeisterung aufgefasst wird,
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
ist diesbezuglich zu prazisieren. Eng damit verknupft ist die Frage nach der validen und reliablen Messung dieses Phanomens, die bisher ebenfalls unbeantwortet bleibt. Schliefilich ist auch der genaue Wirkungszusammenhang der Beschwerdebegeisterung auf das Nach-Beschwerde verhalten (Wiederkauf- und Weiterempfehlungsverhalten) im Vergleich zu blofler Beschwerdezufriedenheit bislang unerforscht. Diese Defizite stellen zwar primare Herausforderungen fur die Wissensciiaft dar, konnen aber gieiciizeitig auch dazu fuiiren, dass es einem die Differenzierungsstrategie verfolgenden Zentraibereicii Besciiwerdemanagement in Budgetzuteiiungsveriiandiungen mit denn Top-Management mitunter schwer fallen kann, die, wenngleich moderaten Zusatzaufwendungen fur die angestrebte Beschwerdebegeisterung, zu vertreten. SchlieRlich ist ferner auf das Risiko der Anspruchsinflation im Rahmen einer solchen Differenzierungsstrategie hinzuweisen. Deshalb hat der Zentralbereich zu beobachten, ob die Erwartungshaltungen der Beschwerdefuhrer im Zeitverlauf auf ein Niveau ansteigen, dem mit vertretbarem Ressourcenaufwand nicht mehr Rechnung getragen werden kann. Sollte die Unternehmensleitung faktisch eine Reduzierung des Differenzierungsbudgets vorsehen, aber nicht notwendigen^/eise auf der Verfolgung einer reinen Kostenfuhrerschaft bestehen, ergibt sich fur das Beschwerdemanagement noch die Chance, auf eine hybride Marktverhaltensstrategie, z.B. den prominent diskutierten Mass Customization-Ansatz, auszuweichen. Angesichts der vergleichsweise ausfuhrlichen Diskussion zu Kostenfuhrerschaft und Differenzierung soil das hybride Verhalten des Beschwerdemanagements, das die Synthese beider Grundstrategien vorsieht, hier lediglich skizziert werden.
Skizzierung des Mass Customization-Ansatzes als Hybridstrategie
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7.6 Skizzierung des Mass Customization-Ansatzes als Hybridstrategie im strategischen Geschaftsfeld sekundarer Unterstiitzungsdienstleistungen Das Strategiekonzept der Mass Customization ist darauf ausgelegt, „die Wettbewerbsfahigkeit standardisierter Leistungen (Mass Services, Mass Production) mit den Vorteilen der kundenindividuellen Problemlosung (Customization)" und damit die Kostenoption mit der Differenzierungsoption zu verknupfen (Downar 2003, S. 40). Mass Customization im Beschwerdemanagement stellt den Versuch dar, die angebotene Sekundardienstleistung fur die Gesamtheit aller unzufriedenen Kunden zu erbringen, dabei aber die unterschiedlichen Bedurfnisse der einzelnen Beschwerdefuhrer weitest gehend zu erfullen und dies zu Kosten, die mit denen einer standardisierten (.massenhaften') Leistungsproduktion vergleichbar sind (analog Filler 2001, S. 206; Robra-Bissantz/Raasch 2003, S. 9). Zur erfolgreichen Realisierung der Mass Customization stehen primar vier (sich gegenseitig teilweise erganzende) Ansatze zur Verfugung, die an unterschiedlichen Punkten des Wertschopfungsprozesses ansetzen und auch im Dienstleistungsprozess des Beschwerdemanagements Anwendung finden konnen. Dies sind (1) Service-lndividualisierung, (2) Selbst-Customizing, (3) Splitting des Leistungsprozesses sowie (4) Leistungs-Modularisierung (Downar 2003, S. 41ff.). (1) Service-lndividualisierung beschreibt die Erganzung einer weitgehend standardisierten, also variantenarmen
Leistungserbringung
durch einzelne begleitende, kundenspezifische Dienste (Downar 2003, S. 42). Dadurch wird die vom Beschwerdemanagement angestrebte kostengunstige Erbringung seiner Abhilfefunktion mit der aus Sicht des Beschwerdefuhrers attraktiven Individualisierung der Sekundardienstleistung verknupfbar. In diesem Zusammenhang sei auf
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
die oben bereits erwahnte Standardisierung der Beschwerdemanagement-Prozesse zuruckgegriffen. Durch das geschickte Zusammenspiel aus Standardisierung und Flexibilitat kann ein Beschwerdemanagement diese Service-lndividualisierung erreichen. Zentral hierfur ist, den Kundenkontaktmitarbeitern innerhalb der grundsatzlich standardisierten Prozessvorgaben Entscheidungsspielraume zu eroffnen (Empowerment). Ein Mitarbeiter kann diese dafur nutzen, etwaige Beschwerden unmittelbar und vor allem kundenindividuell zu losen, ohne dass weitere Prozesskosten bzw. Abstimmungskosten mit Vorgesetzten anfallen (Hoffmann 1991, S. 242; Stauss/Seidel 2002, S. 179f.). Beispielsweise kann die Prozessrichtlinie in der Redress-Dimension (der Ergebnisgerechtigkeit) zwei Kompensationsalternativen vorsehen, die der Mitarbeiter dem Beschwerdefuhrer zur Wahl stellen kann. Da in dem betrachteten Bank-BeschwerdeSzenario Beschwerdebegeisterung allerdings in erster Linie uber Follow-Up-Aktivitaten erzielt werden konnte, ist den Mitarbeitern ggf. auch das Recht einzuraumen, eine entsprechende MaUnahme aus einem vorgegebenen Standard-Pool von Follow-Up-lnstrumenten zu initiieren (z.B. Folgeanruf drei Tage nach Problemlosung). (2) Im Rahmen des Selbst-Customizing kann der Kunde die Leistungsindividualisierung selbst vornehmen. Um die Effektivitat des SelbstCustomizing aus Sicht des Beschwerdemanagements zu gewahrleisten, muss dieses auf Basis seines EDV-Systems und unter Einbindung seiner Intra- bzw. Internetdienste grundsatzlich von alien Beschwerdefuhrern zu nutzende, aber leicht zu adaptierende Leistungen bereitstellen, um auf diese Weise Skalen- und Standardisierungseffekte moglichst umfassend zu realisieren. Uber die finale Ausgestaltung seiner Individualvariante der .Abhilfefunktion' entscheidet der Beschwerdefuhrer gemaU seinen personlichen Anspruchen dann aber selbst. Die entsprechenden Kosten der Individualisierung im Beschwerdemanagement, erinnert sei an den Hauptkosten-
Skizzierung des Mass Customization-Ansatzes als Hybridstrategie
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block Personalkosten, konnen so eingespart werden. Beispielsweise ist denkbar, dem von Zhu et al. (2004) angefuhrten unzufriedenen Kaufer eines E-Books nicht mehr nur eine Download-Alternative sondern diverse Download-Optionen zu verschiedenen Inhaltsbereichen als Entschadigung zur Verfugung zu stellen, aus denen er frei wahlen kann. Eventuell liefien sich sogar Cross-Selling-Potenziale im Rahmen des direkten Beschwerdemanagement-Prozesses realisieren, wenn der Beschwerdefuhrer als eine der Wahloptionen beispielsweise auflergewohnliche Rabatte auf den Kauf eines Produkts des betroffenen Unternehnnens angeboten bekommt. (3) Das Splitting des Leistungsprozesses sieht vor, die Wertkette in eine abnehmerfern erstellte Standardkomponente und die vor Ort ablaufenden interaktiven Individualkomponenten aufzuteilen. Entsprechend werden bestimmte Wertschopfungsaktivitaten zur Realisierung kostenreduzierender Volumen- und Synergieeffekte zentral geleistet, und andere Prozessschritte dezentral kundenindividuell durchlaufen (Downar 2003, S. 44). Diese Idee liegt dem dualen Beschwerdemanagement und der angestrebten Rationalisierungsfunktion ohnehin zugrunde. Allerdings kann dieses Prinzip insofern seine Fortsetzung finden, als operative Einheiten (physisch) aus dem Unternehmen ausgelagert und an kostengunstigeren Standorten zentralisiert werden. Im Kontext des (direkten) Beschwerdemanagements ist dabei insbesondere an die zunehmende Tendenz des Call Center Offshoring (Taylor/Bain 2004) zu denken. Dieses Phanomen beschreibt die unter Effizienzgesichtspunkten betriebene, grenzuberschreitende Verlagerung von Call Centern, wie sie z.B. aktuell besonders augenscheinlich von Groftbritannien nach Indien festzustellen ist (ebd.). (4) Leistungs-Modularisierung soil dem Anbieter die Moglichkeit eroffnen, auf der Basis weniger, standardisierter und gegeneinander aus-
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
tauschbarer Leistungskomponenten eine breite Vielfalt an Endleistungen bei gleichzeitig verminderter Komplexitat des Erstellungsprozesses anzubieten. Offensichtlich geht es also urn die Erschlie(Jung von Kombinationseffekten im Sinne eines Baukastenprinzips, das verschiedene Modultypen wie Standardmodule, Variantenmodule und kundenspezifische Module umfassen kann (Downar 2003, S. 46). Voraussetzung fur die Modularisierung im Beschwerdemanagement 1st, dass die sechs SteuergroBen der Gerechtigkeitsdimensionen als Leistungsprogrammbausteine begriffen werden, die in unterschiedlichen Konfigurationen erbracht werden konnen. Diese lassen sich dann miteinander zu standardisierten Leistungsmodulen kombinieren. Freilich sind dabei nicht alle Komponenten a priori festzulegen. Typischerweise wird der Komnnunikationsstil (Attentiveness) situativ anzupassen sein und daher ein kundenindividuelles „Modul" bleiben. Andererseits ist eine Modularisierung hinsichtllch der erbrachten Entschadigung (Redress), der Reaktions- und Bearbeitungszeit (Timeliness) Oder auch der Form der Entschuldlgung (Apology von verbal bis zum Brief des Managements) vorstellbar. Offensichtlich weist die Leistungs-Modularisierung eine weitgehende Parallelitat zur diskutierten Maxime der Varietat innerhalb der Differenzierungsstrategie auf. Ein wichtiger Unterschied besteht jedoch darin, dass der Fokus hier starker auf Kostenuberlegungen gerichtet ist, wohingegen im Rahmen der reinen Differenzierungsstrategie die Kundenerwartungen im Zentrum stehen. Diese Skizze der Hybridstrategie soil die Ausfuhrungen zur nachfragergerichteten Adaption der generischen Wettbewerbsstrategien abschlieUen. Die Diskussion wird sich nun der Wettbewerbsdimension im strategischen Geschaftsfeld der Sekundardienstleistung zuwenden. Die Notwendigkeit einer expliziten Betrachtung der Konkurrenz ergibt sich zum einen aus der Maxime einer marktorientierten strategischen Planung im Be-
Konkurrenzanalyse und Implikationen der strategischen Ausrichtung
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schwerdemanagement und zum anderen aus der Tatsache, dass die KostenfiJhrerschaft aber insbesondere die Differenzierungsstrategie die Konkurrenten und deren Verhaiten in nur bedingtem Umfange in ihre Uberlegungen einbeziehen (Bohn 1993, S. 59f.).
7.7 Konkurrenzanalyse und Implikationen der strategischen Ausrichtung fur das konkurrenzgerichtete Marktverhalten des Beschwerdemanagements In der bisherigen Diskussion wurde bereits mehrfach angedeutet, dass ein (Zentralberelch) Beschwerdemanagement im Wettbewerb mit unterschiedlichen Konkurrenten agiert. Allerdings schenkt die einschlagige Literatur den verschiedenen Wettbewerbsdimensionen des Beschwerdemanagements bislang kaum Beachtung. Deshalb soil in diesem Kapitel eine unnfassende, funktionsspezifische Wettbewerberbetrachtung erfolgen, wie es dem Konzept der hier postulierten marktorientierten Strategiefornnulierung fur das Beschwerdemanagement entspricht. Hierfur wird in einem ersten Schritt ein Verstandnis zur Konkurrenz und der Konkurrenzanalyse vereinbart (7.7.1). Im zweiten Schritt werden die verschiedenen Wettbewerber identifiziert (7.7.2) und diese dem Beschwerdemanagement im dritten Schritt anhand zentraler Erfolgsfaktoren gegenubergestellt (7.7.3). Das Konzept der konkurrenzgerichteten Marktverhaltensstrategien bildet schliefllich das theoretische Fundament, um Verhaltensoptionen gegenuber den Mitbewerbern im Lichte der Kostenfijhrerschafts- bzw. Differenzierungsstrategie des Beschwerdemanagements zu eruieren (7.7.4). 7.7.1
Verstandnis von Konkurrenz und Konkurrenzanalyse auf der Ebene des Beschwerdemanagements
Um fijr die weitere Strategiefindung notwendige Schlusse Ziehen zu konnen, ist zunachst eine grundlegende Konzeptualisierung des strategi-
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
schen Spannungsfeldes eines Beschwerdemanagements gegenuber denkbaren Konkurrenten erforderlich. Eine Voraussetzung dafur ist, das Verstandnis des Markt-, Wettbewerbs- bzw. Konkurrenzbegriffs^^^ und der Konkurrenzanalyse aus Sicht des Beschwerdemanagements genauer zu bestimmen. Grundsatzlich setzt sich ein Markt aus zwei Marktseiten zusammen, der Angebots- und der Nachfrageseite. Wahrend Marktverhaltnisse die Interaktionen dieser beiden Marktseiten miteinander umfassen, werden als Wettbewerb allein die Vorgange auf einer Marktseite, also entweder der Angebots- oder der Naciifrageseite beschrieben (Schneider 1997, S. 492f.). Als Angebotswettbewerb wird das Konkurrenzverhaltnis zwischen Anbietern bezeichnet, das folgende wesentliche Elemente beinhaltet (Link 1988, S. 43f.; Schneider 1997, S. 492ff.): •
Im betreffenden Markt agieren mehrere, also mindestens zwei, Anbieter.
•
Diese bieten mit Hilfe Ihres absatzwirtschaftlichen Instrumentariums Guter-und/oder Dienstlelstungskombinationen an, die auf die Befrledigung eines bestimmten, mehr oder minder abgrenzbaren Nachfragebedurfnisses abzielen. Das Streben bzw. die Fahigkeit der jeweiligen Anbieter, die bestehende Nachfrage (potenziell) durch die eigene Outer- und/oder Dienstleistungskombination decken zu konnen, begrundet den Wettbewerb.
•
Um Beschwerdemanagement adaquat auf potenzielle Wettbewerbsverhaltnisse auf der Angebotsseite auszurichten, bedarf es einer Konkurrenzanalyse. Deren Ziel ist die Erfassung und Beurteilung der relevanten Informationen uber die Hauptkonkurrenten bzw. uber diejenigen Unternehmen, die fur strategische Entscheidungen des Beschwerdemanage^^^ Die Termini „Wettbewerber" und „Konkurrenten" werden im Weiteren als synonym betrachtet.
Konkurrenzanalyse und Implikationen der strategischen Ausrichtung
435
merits primar bedeutend sind (analog Aeberhard 1996, S. 141; Welge/AILaham 2001, S. 225). Wie sich zeigen wird, ist fur die Systematisierung der spezifischen Wettbewerbsverhaltnisse eines Beschwerdemanagements auch die Definition nach Link (1988, S. 11) erkenntnisfordernd, der vorschlagt, unter der Konkurrenzanalyse „das systematische Vorgehen zur Erkundung der Frage, wer auf welche Weise an den gleichen Nachfragepotentialen partizipiert", zu verstehen. Dieses eher nachfragerorientierte Verstandnis wird hilfreich sein, urn Konkurrenzdimensionen eines Beschwerdennanagements zunachst einnnal zu identifizieren. 7.7.2
Identifikation der Konkurrenten des Beschwerdemanagements als Anbieter einer Sekundardienstleistung
Die Basis der Konkurrenzbetrachtung ist die Identifikation moglicher Wettbewerber im nnarktiichen Umfeld des Beschwerdemanagements. Bereits auf dieser ersten Stufe stellt sich jedoch mit der Abgrenzung der relevanten Wettbewerbsarena ein zentrales Problem der Konkurrenzanalyse. Wenngleich sich Markt- und Wettbewerbsverhaltnisse, wie eben geschehen, auf theoretischer Ebene vergleichsweise leicht konzeptualisieren lassen, „existiert bislang kein objektives Verfahren, das den relevanten Markt aus Nachfragersicht Oder erst recht aus Anbietersicht abgrenzbar macht und unumstofllich Gultigkeit besitzt" (Link 1988, S. 58). Im konkreten Falle der Wettbewerberanalyse kann daher letztlich nur unter Zugrundelegung subjektiver Wertungen die Eingrenzung des zu betrachtenden Konkurrenzumfeldes erfolgen (Link 1988, S. 57f.). Es bleibt somit der Bereichsleitung Beschwerdemanagement uberlassen, ,ihren' fokalen Markt und ,ihre' Konkurrenten zu definieren. Gleichwohl werden fur die Identifikation relevanter Mitbewerber in der Literatur verschiedene Ansatze diskutiert (z.B. Bergen/Peteraf 2002; Pekayvaz 1985, S. 50; Peteraf/Bergen 2001, 2003). Angesichts der in der vorliegenden Arbeit vertretenen marktorientierten Planungsperspektive soil hier eine Vorgehensweise gewahit werden, die den Versuch unter-
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
nimmt, nicht nur einen Anbieterbezug, sondern auch einen Nachfragerbezug in die Uberlegungen zu integrieren. In diesem Sinne betont Link (1988, S. 58) die Notwendigkeit, bei der von der Bereichsleitung vorzunehmenden „subjektiven Markteinschatzung auch das tatsachliche Nacinfragerverhalten einzubezieiien", urn brauchbare Aniiaitspunkte fur bestehende Wettbewerbsverhaltnisse zu gewinnen. Urn diesen Hinweis aufzunehmen, wird fur die Benennung relevanter Konkurrenten des Beschwerdemanagements die konzeptionelle Reflexion der horizontalen und vertikalen Wettbewerbsdimension vorgeschlagen: •
Die horizontale Konkurrenzdimension (auch Produktkonkurrenz) abstrahiert vergleichsweise stark von den Nachfragern und beschreibt ein Wettbewerbsverhaltnis zwischen den Anbietern gleichartiger Leistungsangebote (Link 1988, S. 44ff.). Im Zentrum der Betrachtung steht daher das Beschwerdemanagement als Sekundardienstleister und all jene Anbieter, die in einer vergleichbaren Marktkonstellation eine analoge Marktofferte erbringen.
•
Die vertikale Konkurrenzdimension (auch Bedurfniskonkurrenz) erweitert das Wahrnehmungsfeld und bringt eine starker nachfrageorientierte Perspektive zum Ausdruck, da hier der generelle Wettbewerb zwischen Marktieistungen bezeichnet ist, die die gleichen Nachfragerbedurfnisse bedienen bzw. denselben Verwendungszweck erfullen (Link 1988, S. 44). Das relevante Kriterium vertikaler Konkurrenz ist dannit, inwieweit aus Konsumentensicht ein Substitutionsverhaltnis zwischen zwei Marktangeboten besteht (Bergen/Peteraf 2002, S. 160). Deshalb gilt es sich bei der Analyse dieser Konkurrenzdimension das Stakeholdergefuge des Zentralbereichs Beschwerdennanagennent (Unternehmensleitung, Spartenmanagement und BeschwerdefiJhrer) zu vergegenwartigen.
Freilich bezieht sich nicht nur die vertikale, sondern (implizit) auch die horizontale Konkurrenzebene auf die Nachfrager des fokalen Leistungs-
Konkurrenzanalyse und Implikationen der strategischen Ausrichtung
437
angebots, weshalb die beiden konzeptionellen Wettbewerbsebenen in der Realitat unter Umstanden nicht immer strikt voneinander trennbar sind (Link 1988, S. 47). Wichtiger als eine exakte Unterscheidung der Konzeptionsebenen aber sind die Einblicke in die Konkurrenzverhaltnisse eines Zentralbereichs Beschwerdemanagement, die im Zusammenspiel der Reflexion vertikalen und horizontalen Wettbewerbs gewonnen werden konnen. Da die vertikale Wettbewerbsdinnension eine starkere Nachfragerorientierung und umfassendere Perspektive zugrunde legt, soil sie der Ausgangspunkt der Analyse sein (7.7.2.1). Anschliefiend ist zu untersuchen, ob die Perspektive der (horizontalen) Produktkonkurrenz noch zusatzliche Wettbewerber zu identifizieren vermag (7.7.2.2). 7.7.2.1
Identifikation der Konkurrenten des Beschwerdemanagements durch Reflexion der vertikalen Wettbewerbsdimension
Die vertikale Wettbewerbsdimension bezieht sich auf das von den Konsumenten wahrgenommene Substitutionsverhaltnis zweier Leistungsangebote, weshalb den internen und externen Nachfragern des Zentralbereichs Beschwerdemanagement an dieser Stelle maUgebliche Bedeutung zuzusprechen ist. Die Substitutionsperspektive soil zuerst fur die Unternehmens- bzw. Spartenleitung(en) und anschliefiend fur die BeschwerdefiJhrer erortert werden. Beschwerdemanagement agiert als zentraler Dienstleistungsbereich im AuftragderUnternehmensleitungundzugunstenderGeschaftsbereichs-
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
leitungen.^^^ Die Bereichsleitung Beschwerdemanagement ist gegenuber diesen internen Stakeholdern fur die Planung, Durchfuhrung und Kontrolle aller Ma(inahmen im Umgang mit von unzufriedenen Kunden artikulierten Beschwerden verantwortlich. Wie bereits skizziert, stehen dem Top-Management auch Alternativen zur Zentralbereichslosung offen, die der Bereichsleitung nicht zuletzt uber fiktive interne Markte zunehmend verdeutlicht werden. Als wichtlger VergleichsmafJstab wird dem Sekundardienstleistungsangebot des Kernbereichs insbesondere das Leistungsvermogen entsprechend spezialisierter Dienstleistungsanbieter auflerhalb der eigenen Unternehmung gegenubergestellt. Diese Dienstleister stellen aus Sicht der internen Stakeholder eine Substitutionsoption dar, weshalb sie fur den Kernbereich Beschwerdemanagement eine erste Konkurrenzebene bedeuten. Bemerkenswert hinsichtlich dieser Konkurrenzsituation ist es, dass fruhere Arbeiten (zum Beispiel hinsichtlich des Kundendienstes) dafur pladierten, Unternehmen, deren Hauptleistungen eine fokale Sekundardienstleistung substituieren konnten, im Rahmen einer Konkurrenzanalyse gar nicht zu berucksichtigen (Lobel 1966, S. 54; Mollberg 1983, S. 91). Dieser Auffassung soil hier mit der Mehrheit jungerer Publikationen (Bergen/Peteraf 2002; Fassott 1995, S. 205f.; Muser 1988, S. 217) nicht gefolgt und externe Dienstleister in die Wettbewerberanalyse einbezogen werden. Nun gilt es die Beschwerdefiihrer als das zweite zentrale Nachfragersegment der Sekundardienstleistung zu betrachten. Auch hier soil das wahrgenommene Substitutionsverhaltnis die Leitlinie fur die Identifikation weiterer Konkurrenzebenen bilden. Dafur sind die Erkenntnisse der Beschwerdeverhaltensforschung zu rekapitulieren, die die einem unzufrie169
Es sei nochmals daran erinnert, dass sich mit der zunehmenden Etablierung interner, fiktiver Markte die Rolle der Geschaftsbereichsleitungen weitgehend der Position angleichen wird, die bislang die Unternehmensleitung gegenuber dem Beschwerdemanagement erfullt. im Zeitverlauf werden Spartenmanager daher in iioherem IVIafie als Auftrag- und (zumindest teilweise) als Budgetgeber des Beschwerdemanagements anzusehen sein.
439
Konkurrenzanalyse und Implikationen der strategischen Ausrichtung
denen Kunden offen stehenden Alternativen zum Dienstleistungsangebot des Zentralbereichs Beschwerdemanagement erkennen lassen.
Mangel der Leistung erkannt (Kundenunzufriedenheit)
Keine Aktivitat __(Lo^altj/)
Offentliche Aktivitat
Private Aktivitat
Kaufverlagerung (Exit)
Negatives wordof-mouth (Voice)
Beschwerde bei Absatzmittlern (Voice)
tH
Beschwerde bei Drittinstitution (Voice)
a.
Klage (Voice)
[5]
Abb. 7-27: Erkenntnisse der Beschwerdeverhaltensforschung im Lichte der Konkurrenzanalyse des Beschwerdemanagements; Quelle: In Aniehnung an Kuhlmann (1990, S. 204f.), modifiziert nach Day et al. (1981, S. 88) und Che (2003, S. 63).
Abbildung 7-27 zeigt funf Substitutionsoptionen. Die Kategorie der so genannten ,privaten Aktivitaten' umfasst (1) die Option der Kaufverlagerung und (2) der negativen Mundkommunikation (word-of-mouth). Als ,offentliche Aktivitaten' werden dagegen die Beschwerdefuhrung gegenuber (3) Absatzmittlern oder (4) einer Drittinstitution und schliefJIich (5) die Einleitung rechtlicher Schritte (bis hin zur Klageerhebung) bezeichnet.^''° Die wettbewerbsstrategische Relevanz dieser hier drohenden Substitution der Sekundardienstleistung begrundet sich durch die dem Beschwerdemanagement potenziell genommene Chance, die gefahrdete Kundenbeziehung zu stabilisieren, kritisches Feedback als Produktionsfaktor fijr die tertiaren Unterstutzungsdienstleistungen zu erschliefJen und 170
Zu beachten ist allerdings, dass die Wahrnehmung einer einzelnen Alternative nicht bedeutet, auf eine andere Option verzichten zu mussen (z.B. Beschwerdefuhrung bei Unternehmen und gleichzeitiger Besuch in einem virtuellen Meinungsforum) (Halstead/Droge 1991, 8. 212).
440
Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
die Gefahr von Leerkosten im Zentralbereich. Daher verdienen die funf Substitutionsoptionen eine nahere Betrachtung. (1) Ein unzufriedener Kunde kann sich zur Abwanderung entschiiefien und seinen Bedarf nach der Primarleistung zukunftig durch das Angebot von Konkurrenten im Kernleistungsmarkt decken (Exit-Option). Gerade weil „the basic purpose of offensive marketing (in nongrowth markets) is to attract competitors' dissatisfied buyers" (FornellA/Vernerfelt 1987, S. 338), wird die Kundenakquisition der Primarmarktkonkurrenten zum Gegenspieler des Beschwerdemanagements im ,Wettbewerb um die zukunftigen Umsatzpotenziale unzufriedener Kunden'. Fur das Beschwerdemanagement heifit das, die kundenakquisitorischen Aktivitaten der Primarleistungskonkurrenten in das eigene strategische Kalkul einflieden lassen zu mussen. Diese namlich zielen darauf ab, die fundamental Zielerreiciiung des Beschwerdemanagements, die Kundenbeziehung wieder zu stabilisieren, zu verhindern und den unzufriedenen Kunden fur ein konkurrierendes Unternehmen zu gewinnen, iiin also gerade zur Substitution der Primarleistung zu bewegen. Dabei ist die Bedeutung der verschiedenen Primarmarktkonkurrenten in Relation zur eigenen Primarleistung zu staffein, da die eigene Kernleistung dem Konkurrenzangebot uberlegen, gleichwertig oder unterlegen sein kann (Muser 1988, S. 217f.).^'^ •
Ist die eigene Pasrimarmarktieistung deutlich uberlegen, reduziert sich die strategische Relevanz der Kundenakquisitionsmalinahmen der unterlegenen Konkurrenten aus Sicht des Beschwerdemanagements.
•
Im Gegenzug ist diesen umso hohere Bedeutung zuzusprechen, sollte die konkurrierende Primarmarktieistung in Bezug auf die eigene
^^^ Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass diese vereinfachte Verortung zweier Marktieistungen zueinander im konkreten Fall anhand verschiedenster Bewertungskriterien zu prazisieren ist, um zu aussagefahigen Ergebnissen zu gelangen.
Konkurrenzanalyse und Implikationen der strategischen Ausrichtung
441
vergleichbar oder aber gar uberlegen sein. In beiden Konstellationen sind die Kundenakquisitionsbestrebungen der Primarleistungskonkurrenten unbedingt zu beobachten und in die Ausgestaltung des Beschwerdennanagennents einzubeziehen. Die Beschwerdeforschung ist sich ferner daruber einig, dass die Abwanderungsbereitschaft unzufriedener Kunden von der Wettbewerbsintensitat im Primarmarkt determiniert wird. Je intensiver der Wettbewerb im Kernmarkt ist, umso geringer fallt die Bereitschaft der Nachfrager zur Beschwerdefuhrung aus und umso hoher ist das Abwanderungsrisiko (Dolinsky 1994; Fornell/Didow 1980; Fornell/Robinson 1983; Hogarth et al. 2001; Kolodinsky 1995). Die strategische Relevanz dieser ersten Wettbewerbsdimension ist deshalb auch vor dem Hintergrund der iierrschenden Konkurrenzintensitat auf der Primarieistungsebene zu beurteilen. (2) Ein zweiter Ansatzpunkt zur Ergrundung eventueller Substitutionsoptionen. denen das Beschwerdemanagement ausgesetzt sein konnte, ist das negative Kommunikationsverhalten unzufriedener Kunden im Freundes- und Bekanntenkreis. Nachteilige Auderungen im sozialen Umfeld des Kunden an dieser Stelle aber als eine ,Konkurrenzebene' betrachten zu wollen, ware aus konzeptioneller Sicht streitig. Vielmehr geht es um Institutionen, Unternehmen und Organisationen, die aus Sicht unzufriedener Nachfrager Substitutivleistungen zur Beschwerdeartikulation an das betriebliche Beschwerdemanagement anbieten. Im Hinblick auf (negatives) Weiterempfehlungsverhalten wird dabei durch die mittlerweile enorm ausgebaute technologische Infrastruktur in erster Linie Plattformbetreibern fur das so genannte elektronische word-of-mouth eine erhebliche Relevanz im Rahmen des unternehmerischen Umgangs mit unzufriedenen Kunden zugesprochen (Hennig-Thurau/Hansen 2001; Stauss 1997; 1998). Grundsatzlich zuganglich fur die Konkurrenzanalyse des Zentralbereichs Beschwerdemanagement sind (nicht-) kommerzielle
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
Beschwerde- und Meinungsforen im Internet. Zahlreiche Kunden Ziehen es vor, ihre negativen Erfahrungen in eines dieser Meinungsforen einzustellen und im Gegenzug auf die Beschwerdefuhrung beim Unternehmen zu verzichten (Hennig-Tliurau/Hansen 2001). Die von versciiiedenen Autoren (Harrison-Walker 2001; Stauss/Scholer 2003, S. 151ff.)^^^ belegte Ignoranz dieser Kundenbindungs- und Informationspotenziale, die die Mehrheit der Unternehmungen diesbezuglich an den Tag legt, uberrascht. Dies gilt umso mehr, bedenkt man den potenziell enormen Adressatenkreis elektronisch veroffentlichter, negativer Kundenmeinungen und den daraus resultierenden Imageschaden fur eine Unternehmung (Meffert 2000, S. 942; Stauss 1998, S. 141f.). Unter Managementgesichtspunkten ist zum einen zu hinterfragen, ob sich bestimmte Kundenprofile, z.B. anhand soziodemographischer Merkmale, identifizieren lassen, die in besonderem Malie zur Nutzung der Meinungsforen neigen. Zum anderen konnte Beschwerdemanagement die Motivlage derjenigen Kunden ergrunden, die von den Meinungsforen Gebrauch machen, um anschlieflend Ansatzpunkte abzuwagen, wie diese Nutzungsmotive auch durch den Zentralbereich Beschwerdemanagement befriedigt werden konnten. •
Die soziodemopraphischen Merkmale versucht Harrison-Walker (2001) zu benennen, scheitert aber daran, dass 81% der von ihm befragten Beschwerdefuhrer ihre Identitat nicht preisgaben. So stellt er lediglich einen deutlich uberwiegenden Anteil mannlicher Beschwerdefuhrer fest. Zu aufschlussreicheren Ergebnissen gelangen jungst Hennig-Thurau et al. (2004, S. 44f.). Die Autoren, die im Rahmen ihrer Studie die soziodemographischen Merkmale von mehr als
172
Harrison-Walker (2001, 8. 403f.) weist z.B. nach, dass eine nordamerikanische Fluglinie im Zeitraum von sechs Monaten auf lediglich sieben von insgesamt 551 Beschwerden reagiert hat, die uber sie in einem elektronischen Meinungsforum veroffentlicht wurden. Stauss/Scholer (2003, S. 152) belegen beispielsweise, dass 63% der befragten Beschwerdemanager das Meinungsforum ,ciao.com' unbekannt ist.
Konkurrenzanalyse und Implikationen der strategischen Ausrichtung
•
443
2000 deutschen Beschwerdefuhrern in virtuellen Meinungsforen analysieren, belegen einen Anteil von ca. 63% nnannlichen und etwa 37% weiblichen Beschwerdefuhrern. Insgesannt knapp 70% der hier betrachteten unzufriedenen Kunden sind zwischen 20 und 40 Jahren alt, wohingegen lediglich ca. 17,5% uber 40 Jahre bzw. knapp 14% aller Beschwerdefuhrer zwischen 14 und 19 Jahren alt sind. Anhand derartiger Einsichten, lassen sich erste RuckschliJsse auf das Risiko virtueller Beschwerdefuhrung im Lichte der jeweiligen Primarmarktzielgruppe fokaler Unternehmen Ziehen. Mit der Motivstruktur derjenigen Kunden, die virtuelle Meinungsplattformen fur die Artikulation ihrer Unzufriedenheit nutzen, setzen sich Hennig-Thurau/Hansen (2001) umfassend auseinander. Die Autoren belegen anhand ennpirischer Daten, dass nicht ein dominant wirkender Faktor die Nutzung der Meinungsforen auslost, sondern dies vielmehr aus dem komplexen Zusammenspiel aus acht Einzelfaktoren resultiert, das Hennig-Thurau/Hansen (2001, S. 564ff.) daher als Motivkonglomerat bezeichnen (Abbildung 7-28).
Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
444
Einflussnahme auf das Untemehmen • Nachricht wird weitergeleitet • Plattformbetreiber setzt sich fiir mich ein • Offentlich machen hilft • Fuhle mich emst genommen Community Eriebnis
• Gemeinsam mehr Macht als alleine
Unterstiitzung von Untemehmen
• Plausch mit Gleichgesinnten
• Nicht so aufwandig
• Untemehmen helfen
• Community Austausch
• Gute Untemehmen unterstiltzen
• Nette Leute kennen lemen
1
Positive Selbsterganzung (Extraversion) • Kauferfolge weiterberichten • Gute Erfahrung mitteilen
1
Motivkonglomerat zur Erklarung der Nutzung virtueller Meinungsforen
Okonomische Anreize • Anreize erhalten • Pramien bekommen
Arger abbauen
Ratsuche
• Untemehmen schaden
• Tipps von anderen Usem bekommen • Rat von anderen Usem bekommen
• An Untemehmen rachen • Frust loswerden • Wut von der Seele schreiben
Altruismus gegeniiber anderen Konsumenten • Andere vor negativen Erfahrungen bewahren • Andere vor schlechten Produkten wamen • Anderen mit positiven Erfahrungen helfen • Anderen zum richtigen Kauf verhelfen
Abb. 7-28: Motivkonglomerat zur Erklarung der Nutzung von Meinungsforen; Quelle: Eigene Abbildung basierend auf den Erkenntnissen von Hennig-Thurau/Hansen (2001).
Ohne auf die einzelnen Motive eingehen zu konnen, verdeutlicht die Betrachtung der Abbildung, dass berecintigter Grund zu der Annahme besteht, dass alle acht einzelnen Motive gezielt und explizit im Rahmen des betrieblichen Beschwerdemanagements (bzw. der Beschwerdestinnulierung) angesprochen werden konnen. Sogar das eventuell grenzwertig anmutende Bedurfnis „Arger abbauen" konnte unzufriedenen Kunden explizit und systematisch angeboten werden (Bennet 1997, S. 167; Stauss 2004, S. 80f.). Durch eine solche Ausrichtung bliebe lediglich der (geringe) Anteil unzufriedener Kunden unerreicht, der einem Untemehmen bewusst Schaden zufugen bzw. sich rachen will. (3) Eine dritte spezifische Konkurrenzebene fur die Sekundardienstleistung Beschwerdemanagement konnten, sofern entsprechende Vertriebsstrukturen vorhanden sind, Absatzmittler in der Vertriebskette darstellen. Entsprechenden Handelsunternehmen ist eine besondere Bedeu-
Konkurrenzanalyse und Implikationen der strategischen Ausrichtung
445
tung im Kontext des direkten Beschwerdemanagements zuzusprechen, die sich aus folgenden Aspekten ableitet (Hansen et al. 1982, S. 540f.): Handelsunternehmen verfugen Ciber eine institutionelle Marktprasenz, mit der typischerweise personliche Kontaktsituationen nnit den Nachfragern einhergehen, die Herstelier nur selten haben. Dies fiihrt zu einem aus Sicht unzufriedener Kunden vergleichsweise niedrigem Beschwerdeaufwand dem Handel gegenuber. Dieser geringe Beschwerdeaufwand ist, wie in Kapitel 7.2 belegt, zentraler Ausloser dafur, dass wenn ein Beschwerdeanlass gegeben ist, Kunden ihre Unzufriedenheit haufig direkt an den Handel als Ansprechpartner und nicht an den Herstelier kommunizieren. Damit wird ein Handelsunternehmen zur Substitutionsoption gegenuber dem betrieblichen Beschwerdemanagement und begrundet potenziell eine Wettbewerbssituation. Aus Sicht des Zentralbereichs Beschwerdemanagement besteht das Problem im Hinblick auf diesen Mitbewerber darin, dass im Einzelhandel geaufiertes Feedback nur selten an die Herstelier weitergeleitet wird (Goodman et al. 2000, S. 291; TARP 1997, S. 6f.), da die Absatzmittler ein primares Interesse daran haben, eine Handlerloyalitat auf Seiten der Kunden, nicht aber notwendigenA/eise eine Herstellerbindung, aufzubauen (Mann 1998, S. 430). Des Weiteren sind auch die Einflussmoglichkeiten auf die einzelnen Aufgabenbereiche des direkten Beschwerdemanagements, sofern diese beim Handelspartner durchlaufen werden, begrenzt, was z.B. hinsichtlich der Qualitat der Dienstleistungserbringung problematisch sein kann.^*"^ In diesen Fallen sind aufgrund einer potenziell negativ verlaufenen Beschwerdesituation Ausstrahlungseffekte auf die Marke des Herstellers zu befurchten, ohne, dass dieser Einfluss auf
173
Hier sei an die Ausfuhrungen der globalen Umweltanalyse erinnert, bzw. daran, dass beispielsweise das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschrankung (§15) einem produzierenden Unternehmen untersagt, auf die Gewahrleistungspolitik seiner Absatzmittler Einfluss auszuuben.
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
das Beschwerdemanagement nehmen konnte (analog Fassott 1995, S. 203).^'" Neben den bereits betrachteten Optionen stehen unzufriedenen Kunden auch noch zwei ,drastische Beschwerdeformen' (Feick 1987, S.I78) offen, d.h. sie wenden sich entweder an Drittinstitutionen oder leiten juristische Schritte ein. (4) Drittinstitutionen definiert Singh (1989, S. 333) als "one or more agencies tiiat are not directly involved in the exchange relationship." Die wichtigsten Adressaten solcher Drittpartei-Beschwerden sind staatliche Verbraucherschutz- bzw. -beratungsstellen und privat organisierte Schiedsstellen. Schon fruh in der Beschwerdeforschung unterstreichen Hansen/Schoenheit (1986, S. 449) die Relevanz der Drittinstitutionen indenn sie darauf hinweisen, dass diese aus Sicht des Beschwerdennanagements als „substitutionary opportunities for a dialogue" fur einen unzufriedenen Nachfrager zu betrachten sind.^^^ Den sprunghaften Zuwachs aber gleichzeitig auch die Kostenrisiken derartiger Vermittlungsinstanzen beschreibt Singh (1989, S. 329) nnit den Worten: „several third party agencies have mushroomed with the goal of mediation between consumers and businesses. (...) Researchers and practitioners agree that seeking redress from third parties (rather than from providers) almost always increases costs to society in general and the focal industry in
Fraglos sind im Kontext des Handels noch weitere Aspekte zu betrachten: Zum einen lgeblich auf das aufgabenbezogene Kennen ab. Sie dient dazu, den internen Informationsempfangern die fur ihre jeweilige Aufgabenstellung relevanten Beschwerdeinformationen mitzuteilen und damit sicherzustellen, dass diese uber die von externen Kunden kritisierten Marktverhaltensweisen uberhaupt unterrichtet sind. Durch die interne Informationsfunktion, als blofle Vermittlung der Beschwerdeinformationen, wird das aufgabenbezogene Konnen der internen Kunden kaum zu beeinflussen sein, denn im Gegensatz zur Impuls- bzw. Bildungsfunktion werden keine Losungsalternativen oder Kompetenzen vermittelt, anhand derer die jeweiligen Mitarbeiter konkret den Beschwerdeauftritt in Zukunft verhindern konnten.^^^ Als gleichermalien gering ist das Ausmafi der Beeinflussung des aufgabenbezogenen Wollens der Informationsempfanger durch die interne Informationsfunktion zu beurteilen, denn es ist nicht primares Ansinnen dieser Funktion, auf die Motivationslage der Mitarbeiter positiv einwirken zu wollen. Da die interne Informationsfunktion also zentral das aufgabenbezogene Kennen der Informationsempfanger anzusprechen, die Aspekte des Konnens und Wollens jedoch kaum zu erfassen vermag, ist sie faktisch als Grundnutzen im Tertiardienstleistungsbereich des Beschwerdemanagements anzusehen.
Auf die Vermutung, dass Impuls- und Bildungsfunktion eine breitere Wirkung entfalten, wird an spaterer Stelle noch detailliert einzugehen sein.
522
Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
Mit der Fokussierung auf diesen Grundnutzen sind mehrere Implikationen fur die Ausgestaltung der internen Informationsfunktion verbunden, denn wie jeder Dienstleistungsanbieter ist auch der Zentralbereich Beschwerdemanagement auf die Co-Produktion seiner Nachfrager angewiesen. In dem iiier vorliegenden Kontext bedarf es daher eines entsprechenden Beschwerdereporting-bezogenen Kennens, Konnens und Wollens auf Seiten der internen Kunden (analog Koch 1994, S. 88f.). Die Grundvoraussetzung fur die erfolgreiche Dienstleistungserstellung des indirekten Beschwerdemanagements ist das Beschwerdereportingbezogene Kennen der internen Nachfrager. Dieses bezieht sich auf die im Unternehmen zu schaffende Infrastruktur fur die Ubermittlung der Informationen zwischen Sender und Empfanger bzw. auf die hierfur vorgesehene Aufbau- sowie Ablauforganisation und ist deshalb losgelost von einem konkreten, individuellen Informationsubertragungsprozess zu sehen (Koch 1994, S. 90). Den internen Kunden nnuss also generell bewusst sein, dass Beschwerdemanagement Informationen inn Unternehmen bereitstellt. Um dies zu gewahrlelsten, stehen dem Beschwerdemanagement Instrumente aus dem internen Marketing bzw. in erster Linie der internen Kommunikationspolitik zur Verfugung, die hier nicht naher ausgefuhrt werden konnen.^^^ Es soil aber im Weiteren davon ausgegangen werden, dass bei den Informationsadressaten ein Grundbewusstsein uber die Existenz und die Dienste des Beschwerdemanagements vorhanden ist. Daruber hinaus sind die eigentlichen Beschwerdereports so zu gestalten, dass die Zielgruppe diese „uberhaupt akzeptiert, d.h. wahrnehmen will, sowie die in ihnen enthaltenen Informationen wahrnehmen, verstehen und deren Zweckbezogenheit beurteilen kann" (Koch 1994, S. 90, Herv.
217
Ausfuhrlich widmet sich Grudowski (2004) dem Aspekt eines (operativen) MarketingIVIix fur interne Informationsangebote.
523
Adaption der Kostenfuhrerschaftsstrategie
im Orig.). Das somit geforderte, und oben detailliert beschriebene, empfangerorientierte Report(ing)design ist deshalb von besonderer Relevanz fur die Aufgabenerfijllung des Beschwerdemanagements, weil es nicht nur die Effektivitat der Informationsubermittlung im Hinblick auf das aufgabenbezogene Kennen gewahrleistet, sondern gleichzeitig positive Ruckkopplungseffekte auf das Beschwerdereporting-bezogene Konnen und Wollen und damit auf die Akzeptanz der betreffenden Berichte (und Informationen) verspricht (analog Koch 1994, S. 90). Abbildung 8-8 gibt den beschriebenen Gesamtzusannmenhang wieder.
a
c
1 (2
Beschwerdereportingbezogenes KENNEN Beschwerdereportingbezogenes KONNEN
Primarmarktaufgabe Aufgabenbezogenes KENNEN
B
e IK
Beschwerdereportingbezogenes WOLLEN
Aufgabenbezogenes KONNEN
Primarmarktbezogenes Verhalten der Informationsempfanger
Aufgabenbezogenes WOLLEN
Abb. 8-8:
Die interne Informationsfunktion des Beschwerdemanagements und deren Einfluss auf das primarmarktbezogene Kennen, Konnen und Wollen der Informationsadressaten; Quelle: In Aniehnung an Koch (1994, 8. 89).
Der so beschriebene Grundnutzen als die reine Konzentration auf die interne Informationsfunktion (und der Verzicht auf die Impuls- und Bildungsfunktion) pragt des Weiteren auch den Charakter des Beschwerdemanagements als Dienstleistungsanbieter. Zur Eriauterung dieses Charakters sei zum einen auf die Dienstleistungsforschung und zum anderen die Informationswissenschaft rekurriert. In der Dienstleistungstheorie bezeichnen Lovelock/Wirtz (2004, S. 204) die „transmission or manipulation of data in order to create value" als informationsbasierte Dienst-
524
Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
leistung. Der informationswissenschaftliche Terminus des .Information Editing' beschreibt den Prozess der Zusammenfassung und Verknupfung von Informationselementen, „die als Ergebnis einer Informationsanalyse aus versciiiedenen Informationsquellen extrahiert und zu einem formal, schematisch und sprachlich einheitlichen Resultat verdichtet werden" (o.V. 2004e, S. 56). Beide Begriffsabgrenzungen beschreiben ein Beschwerdemanagement, das sich als interner Tertiardienstleister auf den Grundnutzen der internen Informationsfunktion beschrankt. Daher wird der Zentralbereich Beschwerdemanagement im Rahmen der hier vertretenen Kostenfuhrerschaft als reiner Informationsdienstleister bzw. ,Information Editing Unit' im Unternehmen positioniert.^^^ Auf Basis dieser Voruberlegungen soil im Folgenden eine konkrete Ausgestaltung des an dem beschriebenen Grundnutzen orientierten Informationsdienstleisters Beschwerdemanagement modelliert werden. 8.4.2
Ansatz zur Ausgestaltung der tertiaren Unterstutzungsdienstleistung Beschwerdemanagement unter IMaRgabe der KostenfiJhrerschaftsstrategie
Bei der folgenden Ausarbeitung der Kostenfuhrerschaftskonfiguration sollen die Erkenntnisse aus den vorangegangenen Analysekapitein so umfassend als moglich aufgegriffen werden, um eine maximale ErschlieRung der in verwandten Literaturbereichen identifizierten Lernpotenziale zu gewahrleisten. Dabei werden zunachst die Forschungserkenntnisse zur innerbetrieblichen Verbreitung von (unternehmensinitiierten) Marktforschungsinformationen auf das Beschwerdemanagement ubertragen.
218
Auf eine detailliertere Unterscheidung von Informationsdienstleistungen und informationsprodukten sei hier jedoch verzichtet, da sich die jeweiligen Abgrenzungen in der marketingorientierten Literatur einerseits und informationswissenschaftlichen Literatur andererseits durchaus deutlich unterscheiden; siehe fur Beispiele aus dem Bereich des Marketing z.B. Bieberbach/Herrmann (1999, 8. 70ff.), Herrmann (2001, 8. 5ff.), Jain/Kannan (2002), Meyer/Zack (1996); fur eine informationswissenschaftliche Perspektive sei verwiesen auf Ballou et al. (1998) und Kuhlen et al. (2004, 8. 57ff.).
Adaption der Kostenfuhrerschaftsstrategie
525
Da die von den intemen Kunden wahrgenommene Informationsqualitat eine zentrale Determinante der Informationsnutzung darstellt und Informationen ferner die Grundlage der internen Informationsfunktion sind, soli das Management der Infornnationsqualitat den Ausgangspunkt der Diskussion bilden (8.4.2.1). Erganzend sind Moglichkeiten des Zentralbereichs zu betrachten, die zum Aufbau von Vertrauen auf Seiten der Empfanger gegenuber dem Beschwerdennanagement dienen (8.4.2.2). Schiieliiich ist die Feinjustierung des Beschwerdereportings anhand der Frequenz und Fornnalitat zu diskutieren (8.4.2.3). Abgerundet wird die Betrachtung durch die Ubertragung der Erkenntnisse aus dem Controlling-Berichtswesen zur Uberwindung potenzieller Storfaktoren erfolgreicher Beschwerdeinformationsubertragung (8.4.2.4). 8.4.2.1
Total Information Quality Management als Garant fur die Erreichung der ZielgroRe Jnformationsqualitat'
Dieser Unterabschnitt wird einleitend die Bedeutung der Informationsqualitat als Zielgrolie im Beschwerdemanagement untermauern (8.4.2.1.1). AnschliefJend wird reflektiert, welche Beachtung der Informationsqualitat im Kontext des Beschwerdemanagements bislang zugedacht wurde (8.4.2.1.2). Auf einer dritten Stufe wird ein Total Information Quality Management (Funk et al. 1998; Huang et al. 1998) als Basis der Ausgestaltung des Leistungsprogramms im Beschwerdemanagement vorgestellt. 8.4.2.1.1
Informationsqualitat als Zielgrolie des Beschwerdemanagements
Fur einen internen Informationsdienstleister wie das Beschwerdemanagement stellt die Qualitat der von ihm angebotenen Informationsdienste den zentralen Managementgegenstand dar, dessen Bedeutung in vielen Unternehmen jedoch unterschatzt zu werden scheint. Daher wird zunachst ein kurzer Uberblick zur Relevanz der Informationsqualitat die Diskussion eroffnen (8.4.2.1.1.1). AnschliefJend wird skizziert, welche
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
Aufmerksamkeit der Informationsqualitat im Beschwerdemanagement gewidmet wird (8.4.2.1.1.2). 8.4.2.1.1.1
Relevanz der Informationsqualitat im Beschwerdemanagement Informationen avancieren zunehmend zu der strategisch wichtigsten Ressource in Unternehmen (Ballou et al. 2003, S. 10), wo sie als Rohstoff fur die Entsciieidungsfindung des Managements dienen (Roleff 2001, S. 48). Obwoiil an Managemententsciieidungen hohe Qualitatsanspruciie gestellt werden, wird der Qualitat der Informationsgrundlage fokaler Entscheidungsprozesse paradoxerweise inaufig nur geringe Beachtung gesciienkt. Gleichwoii! entscheidet die Informationsqualitat nicht nur uber den Erfolg einer Unternehmung (Nohr 2001, S. 57), sondern die „very existence of the organization can be threatened by poor information quality" (Ballou et al. 2003, S. 10).^^^ Albrecht (1999, o. S.) fasst die Bedeutung der Informationsqualitat daher wie folgt zusammen: „The issue of information quality is a sleeping giant, and its effects could dwarf those of product and service quality combined." Aus der Perspektive des Beschwerdemanagements als Informationsdienstleister spielt die Informationsqualitat im Bezug auf die Informationsnutzung und das Vertrauen der internen Kunden in das Beschwerdemanagement eine essenzielle Rolle. Die Arbeiten von Maltz/Kohli (1996) lassen vermuten, dass die kundenseitige Wahrnehmung der Informationsqualitat die Nutzung der Beschwerdeinformationen im Unternehmen unmittelbar determiniert. Dieser Aspekt beinhaltet seinerseits drei Teildimensionen:
^^^ Die (Opportunitats-) Kosten, die aus derartig mangelhafter Informationsqualitat resultieren, verorten erste empirische Untersuchungen in Hohe von acht bis zwolf Prozent des Unternehmensumsatzes (de Fries et al. 1999, S. 433).
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•
Zum Ersten fuhrt eine aus niedriger Informationsqualitat resultierende unzureichende Informationsnutzung dazu, dass die Ressourcenaufwendungen im indirekten Beschwerdemanagement (zumindest teilweise) als Ausgaben ohne betrieblichen Nutzen zu beurteilen sind.
•
Zum Zweiten entstehen aus mangelhafter Informationsqualitat zusatzliche Kosten in anderen Unternehmensbereichen (z.B. fur die Korrektur fehierhafter Informationen oder durch hohen Zeitaufwand fur das Verstehen und die Umsetzung der Informationen).
•
Zum Dritten entstehen zukijnftige Umsatzverluste fur die Geschaftsbereiche, da die unzureichende Informationsqualitat zu einer Verringerung der Informationsnutzung fuhrt, die ihrerseits eine Verbesserung des unternehmerischen Leistungsangebots erschwert oder gar verhindert.
Neben der direkten Wirkung der Informationsqualitat auf die Informationsnutzung ist auch der indirekte Effekt auf die Vertrauensentwicklung im Unternehmen dem Beschwerdemanagement gegenuber zu wurdigen. Eine in der Wahrnehmung der internen Kunden permanent gewahrleistete Informationsqualitat stelit ein effektives Instrument fur das Beschwerdemanagement dar, sich das Vertrauen seiner internen Informationsadressanten zu erwerben. Dieses Vertrauen spielt u.a. selbst wieder eine gewichtige Rolle fur die sachgerechte Beschwerdeinformationsnutzung. Vor dem Hintergrund dieser Bedeutung gilt es fur das Beschwerdemanagement als internem Informationsdienstleister, sich mit dem Verstandnis und dem Management der Informationsqualitat naher zu befassen. Inwieweit dies bereits geschieht, sei kurz erortert.
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
8.4.2.1.1.2
Bisherige Beachtung der Informationsqualitat im Beschwerdemanagement Die Qualitat der vom Beschwerdemanagement bereitgestellten Informationen wird bereits fruh in der wissenschaftlichen Diskussion aufgegriffen, dort aber in erster Linie in Bezug auf die Gutemalie der der Besciiwerdeauswertung zugrunde liegenden Datenbasis beleuchtet (z.B. Chadwick 1991; Fornell 1979; Ross/Oliver 1985). Diesbezugiicii ist festzustellen. dass die Datengute zwar durciiaus einen beachtenswerten Aspekt fur einen Infornnationsdienstleister wie das Beschwerdennanagement darstellt. Die iiier vertretene Notwendigkeit eines Managements der Informationsqualitat versteht sich jedoch, wie zu zeigen sein wird, umfassender. Die fruhe Beachtung der Datenqualltat wurde im Zeitverlauf nicht zu einem ganzheitlichen Qualitatsmanagement fur Beschwerdeinformationen weiterentwickelt. So gehoren Stauss/Seidel (2002, S. 293ff.) erneut zu den wenigen Autoren, die sich der Qualitat der Informationsbereitstellung im Beschwerdemanagement widmen. Stauss und Seidel sehen es als Teil des Beschwerdemanagement-Controlling an, die Gute der Aufgabenerfullung im Hinblick auf Beschwerdeauswertung und -reporting zu analysieren. Als Bewertungsmalistab dienen vom Management vorgegebene Standards. Die Ableitung dieser Standards basiert auf der Benennung relevanter Qualitatsdimensionen, die anhand geeigneter subjektiver und/oder objektiver Qualitatsindikatoren konkret zu beschreiben sind. Subjektive Qualitatsindikatoren bringen die Zufriedenheit der internen Kunden mit den Diensten des Beschwerdemanagements zum Ausdruck. Dagegen werden Qualitatsdimensionen mittels objektiver Qualitatsindikatoren (weitgehend) unabhangig von der Bewertung der Nachfrager als Erwartungen des Managements konkretisiert. Bezuglich dieser Qualitatsindikatoren werden sodann SollVorgaben bestimmt. Die Zusammenfuhrung von Qualitatsindikatoren und den ihnen zugeordneten Soll-Vorgaben bilden die Standards, die zukunftig als ZielgroBen der Planung und Qualitatsuberwachung dienen
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Adaption der Kostenfuhrerschaftsstrategie
(Stauss/Seidel 2002, S. 294f.). Das aufgezeigte Zusammenspiel aus Qualitatsdimension und subjektiven/objektiven Qualitatsindikatoren ist in Abbildung 8-9 am Beispiel der zeitlichen Verfugbarkeit der Beschwerdereports dargestellt.
Abb. 8-9:
Qualitatsdimension
Subjektiver Qualitatsindikator
Objektiver Qualitatsindikator
Zeitgerechte Bereitstellung der Informationen
Zufriedenheit intemer Kunden mit der zeitlichen Verfugbarkeit der bereitgestellten Informationen
Zeitgerechte Reportquote: "Mindestens 95% aller Reports sollen termingerecht eingehen"
Zusammenspiel aus Qualitatsdimension und Qualitatsindikatoren zur Beurteilung der Qualitat von Beschwerdeinformationen; Quelle: In Aniehnung an Stauss/Seidel (2002, S. 309, S. 318).
Die oben aufgezeigte Bedeutung der Informationsqualitat fur die Informationsnutzung und den Vertrauensaufbau auf Seiten der internen Kunden macht es notwendig, diese Grundvariante informationsbezogener Qualitatsbeobachtung im indirekten Beschwerdemanagement zu einem systematischen Informationsqualitatsmanagement weiterzuentwickeln. Wenngleich zahlreiche Unternehmen nach dieser Philosophie zu agieren scheinen, lasst sich Informationsqualitat nicht lediglich durch informationstechnologische Losungen gewahrleisten (Nohr2001, S. 59). Vielmehr handelt es sich, insbesondere fur Informationsdienstleister wie das Beschwerdemanagement, um eine zentrale Managementherausforderung, die einen ganzheitlichen Managementansatz erfordert. Nur so kann die interne Informationsfunktion als tertiare Dienstleistung effektiv konfiguriert werden. Weil aber auch die Market Utilization Forschung bisher keinen umfassenden Managementansatz zur Informationsqualitat vorgelegt hat, soil hier auf das informationswissenschaftlich gepragte ,Total Information
530
Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
Quality Management (TIQM)'^^° (Funk et al. 1998; Wang 1998) zuruckgegriffen und dessen Umsetzung im Beschwerdemanagement illustriert werden. 8.4.2.1.2
Total Information Quality Management als Fundament effektiver Informationsdienstleistungen des Beschwerdemanagements
Das Primarziel eines TIQM besteht in der systematischen und kontinuieriiciien Verbesserung der Infornnationsqualitat (Wang 1998, S. 60; Winter et al. 2003, S. 230) und wird in diesem Sinne beschrieben als: „Deliver the right business information to the right person at the right time" (Funk et al. 1998, S. 1, im Orig. kursiv). Fur die erfolgreiche Realisierung dieser Zielsetzung fordert die einschlagige Literatur ein Commitment des verantwortlichen Managements, hier also der Zentralbereichsleitung im Beschwerdemanagement, zu den folgenden funf Maximen eines TIQM (analogNohr2001,S. 69f.): (1) Orientierung an internen (und externen) Kunden: Die Zufriedenheit der Informationskunden des Beschwerdemanagements stellt den eigentlichen MaRstab der Informationsqualitat dar, weshalb dieser Managementansatz zur Optimierung der Informationsqualitat die Erfullung der Anforderungen der Informationsnachfragerfokussiert. (2) Eng an die Kundenorientierungsmaxime ist die Notwendigkeit von Teamwork gekoppelt: Diese Komponente verlangt die Implementierung von Zentralbereichs-internen und/oder interfunktionalen Qualitatsteams, deren Aufgabe darin besteht, bei der Konfiguration des Informationsqualitatsmanagements die Perspektiven der verschiede-
220
Wie es die einschlagige Literatur vorschlagt (Ballou et al. 1998, 8. 463; Pipino et al. 2002, 8. 212; Wang 1998, 8. 59), sollen auch hier die Termini „data" und „information" synonym verwendet werden. Wang (1998) entwickelt sein Modell des Total Data Quality Management explizit auf der Basis dieses als gegeneinander austauschbaren Verstandnisses von Daten und Informationen.
Adaption der Kostenfuhrerschaftsstrategie
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nen Stakeholder einzubeziehen (z.B. Beschwerde-Center als Datenzulieferer, interne Kunden, Mitarbeiter des Zentralbereichs Beschwerdemanagement als Produzenten oder ggf. Infornnationsproduktmanager, Connplaint Information Quality Officer, etc.). (3) Die Bereichsleitung Beschwerdemanagennent muss Informationsqualitatsmanagement als funktionalstrategische Aufgabe verstehen, um „eine Verbesserung der wettbewerbsstrategischen Ressource Information zu erreichen" (Nohr 2001, S. 69). Dies impliziert nicht nur, hohe Informationsqualitat von den Mitarbeitern einzufordern, sondern im Umkehrschluss auch die Ressourcenallokation im Beschwerdemanagement in diesem Sinne vorzunehmen. Einem Missverhaltnis der Ressourcenzuteilung zwischen direktem (95%) und indirektem (5%) Beschwerdemanagement, wie es Adamson (1993, S. 439) diagnostizierte, ist daher systematisch vorzubeugen. (4) Beschwerdemanagement wird im Zuge des TIQM auch der Forderung von Stauss/Scholer (2003, S. 102) und Estelami (2000, S. 298) nachkommen und systematisches Benchmarking betreiben (mussen). Die eigene interne Informationsfunktion wird mit Best-Practices verglichen, um diesen Lernprozess fur die kontinuierllche Verbesserung der eigenen Leistungsfahigkeit zu nutzen und potenziell selbst Best-Practice-Niveau zu erreichen. (5) Schliefilich erfordert der angestrebte Prozess standiger Verbesserung eine kulturelle und methodische Fundierung. Zum einen muss die Bereichsleitung dafur Sorgen tragen, dass im Beschwerdemanagement eine Kultur der Informationsqualitat herrscht, die alien Mitarbeitern ihre Verantwortung fur die permanente Qualitatssteigerung verdeutlicht. Zum anderen bedarf es der methodischen Implementierung ijber einen Management-Zyklus der Informationsqualitat. Diesen leitet die informationswissenschaftliche Forschung aus dem von Deming (1994) ursprunglich konzeptualisierten Kreislauf ei-
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
nes ,Total Quality Management' mit den Phasen Plan, Do, Act, Check ab (Nohr 2001, S. 68f.; Wang 1998, S. 60). Der solchermafien definierte TJQM-Kreislauf setzt sich aus den vier Komponenten des Define, Measure, Analyze und Improve zusammen (Abbildung 8-10).
^,.^
Define
[-^^
^
\
Improve
llv^M
Measure
t
Cycle
j
Analyze
i"^^
Abb. 8-10: Der Total Information Quality Management-Zyklus; Quelle: In Aniehnung an Funketal. (1998, S.4).
Fur die Umsetzung des TIQM im Beschwerdemanagement wird auf die vier Phasen des TIQM-Zyklus Bezug genommen. Entsprechend stellt die Festlegung des Verstandnisses der Informationsqualitat den Ausgangspunkt dar (Define), bevor kurz auf den Aspekt der Messung (Measure) eingegangen wird. SchlieUlich soil eine Gap-Analyse die Auswertung (Analyze) und Ableitung erforderlicher VerbesserungsmaUnahmen ermoglichen (Improvement). In Phase 1 wird die notwendige Grundlage eines TIQM im Beschwerdemanagement geschaffen, indem das Verstandnis der Informationsqualitat prazisiert wird. Dies wird allerdings dadurch erschwert, dass es sich bei der vergleichsweise jungen Forschung zur Informationsqualitat um eine „inexact science" handelt (Kahn et al. 2002, S. 184), die bislang noch keine akzeptierte, generelle Definition der Informationsqualitat hervorgebracht hat (Huang et al. 1999, S. 33; Lee et al. 2002, S. 133; Ritt-
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berger 2004a, S. 317). Auch die Forschung zur Market Utilization widmet sich bislang kaum im Detail der Frage einer exakten Definition von ,lnformationsqualitat'.^^^ Erste Ruckschlusse auf eine fur die vorliegende Arbeit relevante Konzeptualisierung der Informationsqualitat ergeben sich jedoch, wenn das traditionelle mit dem jungeren Verstandnis der Informationsqualitat in der Informationswissenschaft verglichen wird. Traditionell ist die informationswissenschaftliche Forschung von einer tendenziell technokratischen „engineering view" gepragt (Kahn et al. 2002, S. 186). Diese beruht auf der Ansicht, dass die Methoden und Systeme zur Herstellung von Informationsprodukten als klassischer quasiindustrieller Produktionsprozess aufzufassen sind: „(...) the information production process can be thought of as a manufacturing process with an end-product of information stored in a database" (ebd.). Aus dieser Sicht wird Informationsqualitat typischerweise dann als gegeben erachtet, wenn im Vorfeld definierte Spezifikationen erfullt werden (Kahn 1998; Lee et al. 2002, S. 137). Offensichtlich erinnert ein solches Qualitatsverstandnis an den objektiven Qualitatsbegriff im Marketing, der oben bereits diskutiert und als erganzungsbedurftig kritisiert wurde (siehe 7.4.4.2.1). Die jungere Informationsforschung tragt zunehmend der Dienstleistungsdimension von Informationen Rechnung und erganzt die traditionelle Auffassung von Informationsqualitat. Dabei wird auf den immateriellen Charakter und die Verganglichkeit von Informationen sowie vor allem auf die notwendige Integration des Kunden in die Informationsubertragung abgestellt (Rittberger 1999, S. 341; Strong et al. 1997, S. 103). Die Managementrelevanz dieser Dienstleistungsperspektive bringen Kahn et al. (2002, S. 186) wie folgt auf den Punkt: „Failing to consi-
221
Die Autoren beschranken sich darauf, Informationsqualitat unterschiedlich zu operationalisieren; siehe beispielsweise Maltz/Kohli (1996, 8. 59f.); MenonA/aradarajan (1992, S, 66), Toften/Olsen (2004, S. 125f.).
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
der information as services misses some aspects important to information consumers." Da Informationsnutzer in ihrer Qualitatswahrnehmung nur sehr bedingt zwischen dem eigentlichen lnformations(end)produkt und den zu dessen Ubermittlung bzw. Nutzung notwendigen Informationsdienstleistungsprozessen differenzieren, konnen negative Bewertungen der Dienstleistungsdimension negativ auf die Einschatzung des eigentlichen Informationsprodukts ausstrahlen. Eine alleinige Fokussierung auf die blofJe Erfullung von durch den Informationsanbieter festgelegten Standards im Hinblick auf das Endprodukt .Information' greift daher zu kurz und ist durch die Kundenbedurfnisse als Qualitatsmafistab zu erganzen, denn Informationsdienste "must be useful and add value to the tasks of information consumers" (Kahn et al. 2002, S. 185). Noch strikter fordern Huang et al. (1999, S. 43): „ln this view, IQ should not be defined by providers (...) but instead, by information consumers." Entsprechend zeichnen sich die auf Basis einer Dienstleistungsperspektive hervorgebrachten Informationsqualitatsdefinitionen durch eine im Vergleich deutlichere Kundenorientierung aus bzw. bezeichnen die Nutzer als den entscheidenden Maflstab fur die Beurteilung der Qualitat von Informationen (Nohr/Roos 2000, S. 5). Huang et al. (1999, S. 43) beispielsweise definieren Informationsqualitat "as information that is fit for use by information customers." An dieser Stelle wird offenkundig, dass dieses zweite, subjektive Verstandnis der Informationsqualitat fur eine marktorientierte, funktionalstrategische Planungsperspektive des Beschwerdemanagements unbedingt in das TIQM eines Beschwerdemanagements einzubeziehen ist. Des Weiteren fallt jedoch auch auf, dass eine Synthese des traditionellen mit dem jungeren IQ-Verstandnis in hohem Ma(ie das von Stauss/Seidel oben vorgeschlagene Zusammenwirken objektiver und subjektiver Qualitatsindikatoren im Beschwerdemanagement widerspiegelt. Daher soil eine solche integrative Perspektive eingenommen werden, die Informationsqualitat sowohl als Erfullung von Spezifikationen als auch Erfullung
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von Kundenerwartungen auffasst, denn schliefJIich verweisen auch Huang et al. (1999, S. 56) auf die Effektivitat des Zusammenspiels beider Qualitatsverstandnisse und raten: „To define IQ correctly, therefore, it is critical to understand both the information consumer's subjective perspective and the information manufacturer's objective perspective." Gleichwohl beruhen nicht nur subjektive sondern auch objektive Qualitatsindikatoren auf der Wahrnehmung der Informationsqualltat aus Sicht des Kunden.^^^ Dies macht es notig, zum einen ein prazises Verstandnis des Konstrukts ,lnformationsqualitat' zu entwickein und dieses zum anderen reliabel und valide messen zu konnen. Beide Aspekte seien kurz angesprochen. Die zentralen Erkenntnisse uber das multidimensionale Konstrukt ,informationsqualltat' beruhen auf einer Reihe von empirischen (Vor-)Arbeiten. Insbesondere die Studien von Wang et al. (1995a, b) und Wang/Strong (1996) fijhren zu dem letztlich identifizlerten, 15 Einzeldimensionen umfassenden Konstruktverstandnis der Informationsqualltat, wie es Lee et al. (2002) vorlegen (Abbildung 8-11).
222
Stauss/Seldel (2002, 8. 295) halten diesbezuglich fest: „Bei der Festlegung von objektiven Standards muss darauf geachtet werden, dass sie an den Erwartungen der Kunden orientiert sind (...)."
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
Information Quality Accessibility = extent to which data is available, or easily and quickly retrievable Appropriate Amount of Information = extent to which the volume of information is appropriate for the task at hand Believabiiity = extent to which information is regarded as true and credible Completeness = extent to which information is not missing and is of sufficient breadth and depth for the task at hand Concise Representation = extent to which information is compactly represented Consistent Representation = extent to which information is presented in the same format Ease of Manipulation = extent to which information is easy to manipulate and apply to different tasks Free of Error = extent to which information is correct and reliable Interpretability = extent to which information is clearly defined, in appropriate languages, symbols, and units Objectivity = extent to which information is unbiased, unprejudiced, and impartial Relevancy = extent to which information is applicable and helpful for the task at hand Reputation = extent to which information is highly regarded in terms of its source or content Security = extent to which access to information is restricted appropriately to maintain its security Timeliness = extent to which information is sufficiently up-to-date for the task at hand Understandability = extent to which information is easily comprehended
Abb. 8-11: Informationsqualitat als multidimensionales Konstrukt; Quelle: In Aniehnung an Leeetal. (2002, S . I 43ff.).
Da nicht alle fur das Beschwerdemanagement anhand dieser Multidimensionalitat relevanten Einsichten hier besprochen werden konnen, sei lediglich kurz eriautert, dass die bisher im BeschwerdemanagementKontext diskutierten Qualitatsdimensionen durch dieses Verstandnis von Informationsqualitat nicht nur (1) abgedeckt, sondern (2) auch erweitert und (3) zudem prazisiert werden: (1) Zunachst zeigt sich, dass sich die bisher in Bezug auf das Beschwerdereporting geforderten Qualitatsdimensionen wieder finden. Beispielsweise wird die von Stauss/Seidel (2002, S. 295ff.) genannte ,zeitliche Verfugbarkeit' durch die .Timeliness' abgedeckt. Die fur die Beschwerdeauswertung von den Autoren geforderte Prazision der
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Ursachenanalyse findet sich in der Tiefe und Breite der Informationen und damit in der Qualitatsdimension .Completeness' wieder. (2) Eventuell noch wichtiger aber ist es zu erkennen, dass eine Zugrundelegung dieses Verstandnisses die (Dienstleistungs-) Perspektive des Beschwerdereportings deutlich ausweitet, da Informationsnachfrager auf insgesannt 15 Qualitatsdimensionen achten, wenn sie die GiJte bereitgestellter Informationen bewerten. In der Forschung zum Beschwerdemanagement liegt bislang noch kein annahernd detaillierter Kriterienkatalog vor. Auch in der Praxis scheint kein umfassendes Verstandnis uber die Summe der Qualitatsdimensionen vorhanden zu sein. Denn bereits die erste Dimension (Accessibility) deutet darauf hin, dass fur die internen Kunden der Zugriff auf die Datenbanken des Beschwerdemanagements eine relevante Qualitatsdimension sein konnte. Das diesbezuglich von Stauss/Scholer (2003, S. 105) identifizierte Defizit hatte so vermieden werden konnen. Auch die Facetten des im Beschwerdereporting zu generierenden Vertrauens interner Kunden (.Objectivity' und .Security') spielen bislang kelne RoUe in der Beschwerdeforschung. SchlielJIich richtet dieses Qualitatsverstandnis den Blick auch auf vergleichsweise nahe liegende, bislang aber ebenfalls kaum thematisierte, Aspekte der Gestaltung bzw. des Layouts der Beschwerdeinformationen (z.B. .Concise Representation' Oder .Consistent Representation'). Auf die nicht zu unterschatzende Bedeutung des Designs der Beschwerdeinformationen wird im Unterabschnitt 8.4.2.4 noch einzugehen sein. (3) Ein weiterer Beitrag dieses Qualitatsverstandnisses fur das Beschwerdemanagement besteht in der erzielbaren Prazisierung. Stauss und Seidel erachten die .nutzergerechte Bereitstellung' der Beschwerdeinformationen als wichtige Dimension der Qualitat im Beschwerdereporting. Das Attribut .nutzergerecht' lasst sich nun seinerseits prazisieren. Beispielsweise konnten die Dimensionen .Interpre-
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
tability', Appropriate Amount' oder auch ,Ease of Manipulation' diesbezuglich herangezogen werden. Hierdurch wird es dem Beschwerdemanagement moglich, der Notwendigkeit einer zielgruppengerechten Aufbereitung der Beschwerdeinfornnationen gerecht zu werden und die diesbezuglich von Stauss/Scholer (2003, S. 105) offen gelegten Defizite abzustellen. Bereits aniiand dieser knappen Reflexion wird erkennbar, dass denn zentralen Dienstleister Beschwerdemanagement mit dem angefuhrten Konstruktverstandnis ein umfassenderes Instrumentarium zur Konfiguration seiner internen Informationsfunktion bereitgestellt wird, als es bislang verfugbar war. Eine zweite Komponente des TIQM stellt die Erhebung der kundenseitigen Evaluation der Informationsqualitat in Phase 2 des TIQM-Zyklus' dar. Die notwendige Grundlage dieser Qualitatsbewertung ist ein Messinstrument. Fur die Entwicklung eines solchen, bewusst generisch konzeptionierten Erhebungsinstrumentes greifen Lee et al. (2002) die 15 obigen Qualitatsdimensionen der Informationsqualitat auf. Auf Details der Fragebogenentwicklung und -uberprufung soil an dieser Stelle nicht eingegangen werden.^^^ Von Interesse fur die vorliegende Arbeit ist lediglich festzuhalten, dass ein Zentralbereich Beschwerdemanagement uber ein geeignetes Messinstrument verfugen kann, urn die Kundenbewertungen hinsichtlich der 15 Informationsqualitatsdimensionen zu erheben. Diese Daten bilden die Grundlage der sich anschlielienden dritten und vierten TIQM-Phasen.
223
Fur jede Dimension der Informationsqualitat wurden zunachst zwischen 12 und 20 Items abgeleitet. In einer Pilotstudie wurden anschlieflend 52 betriebliche Informationsnutzer und -anbieter befragt und uber eine Faktoranalyse insgesamt 65 Items zur Operationalisierung der Einzeldimensionen der Informationsqualitat erarbeitet. In einer abschliefienden Voilstudie (n = 261) wurde die Reliabilitat und Validitat des finalen Messinstruments belegt; siehe vertiefend Lee et al. 2002, 8. 138ff.
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Die Phasen 3 und 4 dienen zur Analyse der gewonnenen Daten und Ableitung von Verbesserungsbedarfen. Im Rahmen der Analyse sind verschiedene Vorgehensweisen denkbar.^^"^ Besondere Aufmerksamkeit in der bisherigen informationswissenschaftlichen Forschung aber erfahrt die Idee der Gap-Analyse. Die Anwendung der Luckenanalyse soil hier jedoch lediglich anhand dreier Beispiele skizziert werden. Huang et al. (1999) erheben fur ihre Luckenanalyse, analog zu beispielsweise dem SERVQUAL-Ansatz (Parasuraman et al. 1985, 1988), von ihren Befragten zwei Werte: Zunachst wird der aus Sicht des Kunden einer Qualitatsdimension zuzusprechende Relevanzwert abgefragt. Dieser wird sodann mit der faktischen, kundenseitigen Wahrnehmung dieser Qualitatsdimension im Hinblick auf den fokalen Informationsdienstleister kontrastlert. Die Lucke (mathematische Differenz) zwischen beiden Werten wird nun noch mit dem Relevanzwert multipliziert, um so eine Priorisierung der Verbesserungsnotwendigkeiten zu erarbeiten. Zwei andere Interpretationen der Gap-Analyse empfehlen Lee et al. (2002, S. 140ff.): (1) Der erste Ansatz beruht auf einer Abweichungsuntersuchung gegen22*5
uber (internen/externen) Benchmarking-Partnern. (2) Der zweite Ansatz sieht vor, Abweichungen zu analysieren, die sich in der Gegenuberstellung der Qualitatswahrnehmung unterschiedlicher Stakeholdersegmente des Informationsdienstleisters innerhalb des Unternehmens zeigen (interne Kundensegmente, Informationszulieferer im BeschwerdeCenter, Mitarbeiter im Zentralbereich Beschwerdemanagement, etc.). Anhand welcher Kriterien die befragten Mitarbeiter bzw. Kunden letztlich segmentiert werden, ist situativ zu entscheiden. Die grundlegendste Form dieser Gegenuberstellung ist jedoch die Einschatzung der Mitarbeiter im Beschwerdemanagement mit der ihrer internen Informationskunden ab-
224
Den unterschiedlichen Analyseverfahren widmen sich ausfuhrlich Pipino et al. (2002). Zur Grundidee des Benchmarking siehe Unterabschnitt 7.7.4.2.
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
zugleichen.^^^ Freilich lassen sich beide hier vorgestellten Grundideen einer Luckenanalyse miteinander vereinen, wenn fokale Qualitatsdimensionen zunachst von z.B. verschiedenen jnternen Kundengruppen bewertet und diese Ergebnisse anschlieflend mit Benchmarking-Partnern verglichen werden. Auf Basis dieser oder ahnlicher Analyseverfahren kann nun in der vierten Piiase des TIQM-Zyklus' ein Qualitatsverbesserungsteam im Besciiwerdennanagement-Bereicii damit beauftragt werden, konkrete Handlungsempfehlungen bzw. Verbesserungsnotwendigkeiten abzuleiten, wie die identifizierten Entwicklungspotenziale effektiv erschlossen werden konnen. Die Adaption des hier skizzierten Total Information Quality Managements ermoglicht es dem Informationsdienstleister Beschwerdemanagement, ein fur sich geeignetes Verstandnis der Informatlonsqualitat zu vereinbaren, dieses valide und reliabel zu messen sowie anschliefiend Verbesserungspotenziale erheben, priorisieren und letztlich einer Umsetzung zufuhren zu konnen. Das TIQM kann daher die Plattform eines effektiven lnformations(dienstleistungs)managements im Zentralbereich Beschwerdemanagement darstellen. Allerdlngs ist die Informatlonsqualitat nicht der einzigen Stellhebel, um die Effektivitat der Internen Informationsfunktion als tertiare Dienstleistung zu gewahrleisten. Auch das Vertrauen der internen Nachfrager in das Beschwerdemanagement verdient die Beachtung der Bereichsleitung.
Auf einer „Ausbaustufe" lassen sich fraglos verfeinerte Segmentierungen der internen Nachfrager und deren Qualitatswahrnehmung vorstellen. Beispielsweise konnten die Befragten nach ihren Funktionsbereichen oder ihrer hierarchischen Stellung im Unternehmen gruppiert werden. In analoger Ubertragung zu internen Kunden der Marktforschung konnten Nachfragersegmente beispielsweise auch nach ihrer Pradisposition gegenuber den Informationen des Beschwerdemanagements gebildet werden. So konnte der Zentralbereich die Kundensegmente der „Beschwerdemanagement-Fans, Respektierer, -Realisten, -Skeptiker und -Gegner befragen (analog Lachmann 1994, S. 36-38).
Adaption der Kostenfuhrerschaftsstrategie
8.4.2.2
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Ansatzpunkte fur den Informationsdienstleister Beschwerdemanagement zum Aufbau kundenseitigen Vertrauens
Die Arbeiten von Moorman et al. (1992, 1993) haben verdeutlicht, dass das kundenseitige Vertrauen gegenuber einem Informationsanbieter einen mafigeblichen Einfluss auf die Informationsnutzung ausubt. Diese fundamentale Bedeutung des Vertrauens erwachst aus dem Charakter von Marktforschungsinfornnationen, denen Beschwerdeinfornnationen zu subsumieren sind (Ross/Oliver 1985), als Erfahrungs- bzw. Vertrauensgutern (Roleff, 2001, S. 247). Damit wird die Tatsache beschrieben, dass die internen Kunden die methodische Qualitat von Informationsdienstleistungen des Beschwerdemanagements (wenn uberhaupt) erst mit deren Konsum bzw. deren Verwendung beurteilen konnen, da ihnen typischerweise die hierfur notwendigen fachlichen Kompetenzen bzw. die erforderlichen Zeitressourcen fehlen (analog Rittberger 2004b, S. 156). Deshalb sind sie mehr oder minder gezwungen, auf die Fahigkelt und die Motivation des Beschwerdemanagements, methodisch fundierte Marktinformationen erbringen zu konnen und zu wollen, zu vertrauen. Moorman et al. (1993, S. 83) weisen in diesem Zusammenhang explizit darauf hin, dass kundenseitiges Vertrauen umso wichtiger fur die Funktionsfahigkeit bzw. Effektivitat einer internen Kunden-Lieferanten-Beziehung wird, je hoher das AusmafJ der potenziellen ,Verwundbarkeit des Informationsempfangers' durch die Informationslnhalte ist. Eine solche Verwundbarkeit sehen die Autoren vor allem dann als gegeben, wenn der Informationsdienstleister uber Inhalte verfugt, die dazu dienen, „to evaluate users' decisions" (Moorman et al. 1993, S. 82). Gerade hierzu aber konnen Beschwerdeinformationen herangezogen werden. Dies stutzt die Vermutung, dass dem Vertrauen der Informationsempfanger in das Beschwerdemanagement eine bedeutende Rolle im Hinblick auf die Informationsnutzung zukommt und belegt die Notwendigkeit eines systematischen Vertrauensmanagements im Beschwerdemanagement. Ein sol-
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
chermafien angestrebter Vertrauensgewinn sollte dabei auch die von den internen Kunden wahrgenonnmene Glaubwurdigkeit der Beschwerdeinformationen steigem, die Kasouf et al. (1995) als eine bedeutende EinflussgroBe der Beschwerdeinformationsnutzung einstufen. Daher ist fur Informationsdienstleister die Generierung kundenseitigen Vertrauens nicht nur einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren (Nohr 2001, S. 61), sondern muss auch Kernkonnponente im Informationsmanagement eines strategisch planenden Beschwerdemanagements sein. Beschwerdemanagement hat daher Wege zu eruieren, wie durch die Ausgestaltung der internen Informationsfunktion ein Vertrauensverhaltnis zu den Informationsempfangern gefordert werden kann. Urn als vertrauenswurdig angesehen zu werden, muss Beschwerdemanagement zunachst verstehen, dass Vertrauen im Kontext von Informationsdienstleistungen „die Moglichkeit der Kompensation informationeller Unsicherheit" beschreibt (Kuhlen 1999, S. 12). Diese Kompensation informationeller Unsicherheit lasst sich errelchen, wenn ein Informationsdienstleister wie das Beschwerdemanagement es nachhaltig vermag, den Nachfragern die Qualltat seiner Leistungen zu signalisieren. Hierfur wiederum, und damit letztlich zum Aufbau kundenseitigen Vertrauens, stehen dem Informationsdienstleister Beschwerdemanagement vor allem die folgenden funf Ansatzpunkte offen (analog Nohr 2001, S. 61ff.): (1) Offentliche Qualitatsbewertung durch die internen Nutzer der Beschwerdeinformationen, (2) Qualitatsbewertung der Informationsangebote durch unabhangige Dritte, (3) Bereitstellung vergleichbarer Informationsproben bzw. von Teilinformationen, (4) Eriauterung der Beschwerdeinformationen durch Metainformationen,
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(5) Vertrauensaufbau durch die Reputation des Beschwerdemanagements bzw. fruhere Erfahrungen der Kunden mit dem Beschwerdemanagement. (1) Eine erste Moglichkeit die informationelle Unsicherheit der internen Kunden zu kompensieren, knupft unmittelbar an die eben angeregte Qualitatsmessung im Rahmen des TIQM an und sieht die Veroffentlichung der Qualitatsbewertung durch interne Nutzer der Beschwerdeinformationen vor. Die Qualitatseinschatzung kann dabei z.B. anhand eines reinen Rating-Schemas oder einer Kombination aus Rating-Stufen und Freitext erfolgen (Nohr 2001, S. 63f.). Diese Praxis hat sich bei verschiedenen Informationsdienstleistungen im Internet etabliert und lasst sich auf die Infornnationsprodukte des Beschwerdemanagements (z.B. Intranet-Seiten, verschiedene Reports oder Sonderauswertungen) ubertragen. Hierbei kann in Aniehnung an das Konstrukt der Informationsqualitat beispielsweise eine Globalbeurteilung oder eine detaillierte Einschatzung der 15 einzelnen Qualitatsdimensionen erfolgen, die eben vorgestellt wurden. Im Falle interner Dienstleister sind die Kundenbeurteilungen mit besonders grofier Glaubwurdigkeit belegt, da die Anonymitat innerhalb einer Unternehmung geringer ausfallt als in offenen Markten. Der vertrauensbildende Effekt wird dadurch verstarkt und als Nebeneffekt Mundkommunikation zwischen den internen Kunden des Beschwerdemanagements potenziell stimuliert. (2) Ein analoges Grundprinzip liegt der Qualitatsbewertung des Beschwerdemanagements durch einen unabhangigen Dritten zugrunde. Haufig werden hierbei allerdings nicht die einzelnen Informationen anhand von aus Kundensicht relevanten Erwartungen bewertet, sondern der Informationsdienstleister wird einer Prufung auf Basis allgemeingultiger quasi-objektiver Kriterien unterzogen (Nohr 2001, S. 62). Das bei erfolgreicher Uberprufung vergebene Siegel/Zertifikat kann dann auch fur interne Dienstleister zur Steigerung des abnehmerseitigen Vertrauens beitragen. Beispielsweise sei an die in Teil 5 besprochene ISO-Norm
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Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
10002 erinnert, die eine Zertifizierung des Beschwerdemanagements eriaubt. Hinsichtlich der vom Beschwerdemanagement bereitgestellten Datenbanken konnte z.B. an so genannte .Database Labels' gedacht werden (Nohr2001, S. 62f.).^^^ (3) Die Bereitstellung vergleichbarer Informationsproben bzw. von Teilinformationen soil es dem Kunden ermoglichen, Analogschlusse auf die Qualitat der angebotenen Informationsdienstleistungen zu Ziehen (Nohr 2001, S. 64). Beispielsweise konnen auf der Intranet-Seite des Beschwerdemanagements Auszuge verschiedener den internen Kunden angebotener Individualauswertungen oder Langsschnittuntersuchungen veroffentlicht werden. Auch dem Beispiel verschiedener Marktforschungsunternehmen kann Beschwerdemanagement folgen und seine Reports lediglich als Kurzversion im Intranet veroffentlichen, um die Vollversionen als individualisierte Dienstleistung (dann ggf. gegen Entgelt fur Sonderauswertungen) anzubieten. (4) Ein vierter Ansatzpunkt um nachfragerseitige Unsicherheit ab- und Vertrauen in die Beschwerdeinformationen aufzubauen, sind Metainformationen. Dabei sind Varianten wie Abstracts' denkbar, die also eine hohe Nahe zu den Teilinformationen aufweisen (Nohr 2001, S. 65). Des Weiteren konnte eine Spezifikation der Grundgesamtheit erfolgen, auf der die Beschwerdeinformationen beruhen. Diesbezuglich zeigt sich ein willkommener Nebeneffekt der Beschwerdemaximierung, da durch diese proaktive Stimulierung von Beschwerden auch die Grundgesamtheit wachst und damit die Representativitat der Daten tendenziell zunimmt (Homburg/Furst 2003, S. 35). Eine andere Vorgehensweise konnte in
227
Diese Labels wurden von einer unabhangigen Organisation (Centre for Information Quality Management) entwickelt und beziehen sich auf vier spezifische Datenbankqualitatskrlterien: (1) General Description, (2) Quality Assurance Policy Statements, (3) Database Structure sowie (4) Coverage and General Information; detaillierte Informationen zu diesen Kriterien und den Database Labels finden sich unter der URL: http://www.i-al-co.uk/IALQual.htm. Fur andere Beispiele siehe vertiefend Nohr (2001, 8. 62f.).
Adaption der Kostenfuhrerschaftsstrategie
545
einem Vergleich der Profile von Beschwerdefuhrern mit den Durchschnittskunden eines Geschaftsbereichs bestehen; eventuell zeigen sich relevante Parallelen beider Profile, die die Glaubwurdigkeit der Beschwerdeinformationen erhohen konnen. Selbst wenn sich Unterschiede in derartigen Kundenprofilen abzeichnen, nnuss dies nicht a priori als nachteilig anzusehen sein. Inn Gegenteil kann der entsprechend offene Hinweis auf Abweichungen als vertrauensfordernde MaUnahme eingesetzt werden. (5) Eine letzte hier zu betrachtende Chance, das Vertrauen der Beschwerdeinformations-Kunden zu gewinnen, sind deren fruhere eigene, positive Erfahrungen mit dem Zentralbereich Beschwerdemanagement bzw. die Reputation des Beschwerdemanagements im Unternehmen, die auf den bekannten Erfahrungen Dritter beruht (Rittberger 2004b, S. 156). „Reputation ist gewissermafien offentliche Information ijber die bisherige Vertrauenswurdigkeit eines Akteurs" (Nohr 2001, S. 61). In diesem Falle wird dem Beschwerdemanagement ein Vertrauensvorschuss dergestalt zugestanden, als, wenngleich dem Kunden die Qualitat einer fokalen Dienstleistung nicht bekannt ist, selbige a priori unterstellt wird, da der Informationsanbieter den Ruf geniefit, stets qualitativ hochwertige Dienste anzubieten (ebd.). Allerdings lasst sich das Vertrauen der Kunden nur im Zeitverlauf iiber eine Vielzahl von Einzelinteraktionen erwerben. Entscheidend sind mithin alle Kontakte der internen Kunden mit dem Informationsdienstleister Beschwerdemanagement. Daher verdient neben der eigentlichen Informationsqualitat auch die Qualitat der Dienstleistungsinteraktionen (Service Encounter) Beachtung, die sich im Zusammenhang mit dem eigentlichen Informationsprodukt ergeben. Einschrankend ist hier freilich zu konstatieren, dass die im Kontext der Kostenfuhrerschaft vertretene Fokussierung auf die interne Informationsfunktion nur bedingt Chancen zur intensiven, personlichen Interaktion eroffnet. Umso wichtiger, und hier schliefJt sich der Wirkungskreis der
546
Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
bisherigen Diskussion, ist der Einfluss der Informationsqualitat als Determinante des Vertrauensaufbaus. Reflektiert Beschwerdemanagement dieses MaUnahmenbundel im Lichte der vorangegangenen Ausfuhrungen, so wird erneut die ZweckmafJigkeit des im Rahmen des TIQM vorgestellten Informationsqualitats-Konstrukts deutlich (Abbildung 8-11). Misst der Zentralbereich das obige Konstrukt, so lassen sich anhand der Qualitatsdimensionen ,Believability', ,Free of Error', .Objectivity' und ,Reputation' wiciitige Einsicliten uber das dem Beschwerdemanagement entgegengebrachte Vertrauen ableiten. Gieiciizeitig kann der Erfolg der eben dargestellten vertrauensbildenden Stellhebel auf die Veranderung der Kundenwahrnehmung im Zeitverlauf untersuciit werden. Sind auf die hier besciiriebene Weise MafJnaiimen zur Gewaiirleistung der Informationsqualitat und zum Aufbau internen Vertrauens ergriffen worden, bleibt eine dritte Steuergrolie, die sich aus der Forschung zur Market Information Utilization ableiten lasst: Die Gestaltung von Frequenz und Formalitat des Beschwerdereportings. 8.4.2.3
Ausgestaltung der Frequenz und Formalitat des Reportingprozesses im Besctiwerdemanagement
An dieser Stelle sei an die Erkenntnisse von Maltz/Kohli (1996) uber die Effekte der Frequenz und der Formalitat des Reportingprozesses auf die wahrgenommene Informationsqualitat sowie die Nutzung von Marktinformationen in einer Unternehmung angeknupft (siehe 8.2.3.1). Uber die Erhohung der Reportingfrequenz lasst sich ein indirekter, durch die wahrgenommene Informationsqualitat (PIQ) mediierter Frequenzeffekt auf die Informationsnutzung realisieren, den die Autoren anhand zweier kritischer Grenzwerte nachweisen (Maltz/Kohli 1996, S. 54f.). Zum einen muss der untere Schwellenwert uberstiegen werden, um einen Lerneffekt bei den Nachfragern zu erzielen. Der Empfanger wird
Adaption der Kostenfuhrerschaftsstrategie
547
durch die erhohte Frequenz mit den ubermittelten Beschwerdereports und -informationen in zunehmendem Mafie vertraut, was sich in einer steigenden PIQ und einer intensiveren Nutzung der Beschwerdeinformationen niederschlagen sollte. Gleichzeitig ist die Uberschreitung des oberen Schwellenwerts zu vermeiden, da sich auf diesem Niveau zusatzliche Reportingkontakte negativ auf die PIQ auswirken. Fijr das Beschwerdemanagement ergibt sich eine erste zentrale Erkenntnis aus diesem Effekt: Eine mit einer steigenden Reportingfrequenz (zunachst) fallende Qualitatsbeurteilung der Beschwerdeinformationen muss nicht zwangslaufig auf einer faktisch unzureichenden Informationsqualitat beruhen, sondern kann Ausdruck dessen sein, dass sich die internen Kunden an die Beschwerdereporting-Prozesse bzw. die Beschwerdereports erst gewohnen mussen. In der Studie von Maltz/Kohli (1996, S. 54) lag der untere kritische Wert bei 125 und die obere Grenze bei bemerkenswerten 525 Reportingkontakten uber alle Kommunikationskanale in einem Zeitraum von drei Monaten. Diese Schwellenwerte deuten aber gerade darauf hin, dass ein Beschwerdereporting, dessen periodisierte Reportingzyklen, wie beispielsweise bei der Volkswagen AG, lediglich Wochen- und Quartalsreports vorsieht (Stauss/Seidel 2002, S. 420), erhebliche Reportingpotenziale ungenutzt zu lassen scheint. Es ist zu vermuten, dass derart selten distribuierte Beschwerdereports noch unterhalb des unteren Schwellenwerts liegen, so dass die bislang unzureichende Beschwerdeinformationserschlieflung mitunter auch auf diese (zu) niedrige Reportingfrequenz zuruckgefuhrt werden konnte. Da die zitierten Zahlenwerte (125, 525) nicht generalisierbar sind, hat Beschwerdemanagement die Verantwortung, die im jeweiligen Unternehmen akzeptierte kritische Unter- und Obergrenze im Rahmen seiner internen Marktforschung zu erheben, um so die Reportingaktivitaten effektiver ausrichten zu konnen. Entsprechende Fragestellungen lassen sich leicht in die Messphase des TIQM integrieren.
548
Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
In die Betrachtung sollen nun auch die Wirl
u ^
Direktive Problemlosungserarbeitung
Abb. 8-23: Matrix zur Charakterisierung von Beratungsstilen, Quelle: In Aniehnung an Blunck(1993, S. 186).
Der Problemlosungsbeitrag des Beschwerdemanagements konnte demnach in der Grundlagenvermittlung sowie der partizipativen oder direktiven Problemlosungserarbeitung bestehen (analog Blunck 1993, S. 186): •
Die Grundlagenvermittlung sieht vor, den internen Kunden die basalen Fahigkeiten zu vermittein, ein fokales Problem selbststandig zu losen.
•
Im Rahmen einer partizipativen Problemlosungserarbeitung ist das Beschwerdemanagement, auf Basis seiner funktionalen Expertise, aktiv in die Problembehebung eingebunden, wohingegen der nachfragende Geschaftsbereich sein Primarmarkt-bezogenes Wissen einzubringen hat.
Adaption der Differenzierungsstrategie
•
609
Erheblich starker ist der Einfluss des Beschwerdemanagements auf die Problemlosung im Fall der direktiven Problemlosung. Beschwerdemanagement wurde in diesem Falle weitgehend unabhangig vom internen Kunden eine konkrete Losung vorantreiben, die quasi ausschliefllich auf dem Know-how des Beschwerdemanagements beruht.
Die zwelte Matrixdimension beschreibt den Einfluss der Impulsfunktion interner Beschwerdemanagement-Beratung, der sich in diesem Modell auf drei unterschiedlichen Ebenen des Wandels manifestieren konnte (analog Blunck 1993, S. 186): •
Die Beeinflussung auf der Instrumentenebene sieht vor, dass Beschwerdemanagement die Entscheidungsprozesse seines Kunden fur bzw. gegen einzelne, alternative Problemlosungsmethoden steuert.
•
Auf der Prozessebene beeinflusst Beschwerdemanagement die Steuerung und Durchfuhrung des eigentlichen Veranderungsprozesses.
•
Macht das Beschwerdemanagement seinen Einfluss auf der Inhaltsebene geltend, so bestimmt es das eigentliche Ziel des angestrebten Wandels (mit).
Die Grundlagenvermittlung (Felder 1-3) integriert die Bildungsfunktion in die Beratungsleistungen und zeigt damit Weiterentwicklungschancen fur die Bildungsdienste des Beschwerdemanagements auf. In das Beratungsportfolio eingebettete Trainings sind in hohem Malie dazu geeignet, entsprechende Grundlagen zu vermittein, die es internen Kunden zukiinftig eriauben, Probleme selbststandig(er) zu losen (Feld 1). Beispielsweise konnten Seminare zur Eignung unterschiedlicher Methoden der Beschwerdeinformationsnutzung fiir einschlagige Problemkonstellationen Oder aber zur Durchfuhrung von Beschwerdefuhrerforen angeboten werden. Die Einflussnahme auf der Prozessebene (Feld 2) konnte durch
610
Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
Weiterbildungen erfolgen, die die Zweckmaliigkeit verschiedener Teamansatze im Rahmen von Veranderungsprozessen vermitteln. Die Beeinflussung in Feld 3 wurde darin besteiien, Weiterbildung im Hinblick auf die Notwendigkeit genereller Kundenorientierung der Geschaftsbereiche zu betreiben. Derartige Seminare wurden dann aucii unmittelbar an die oben breit diskutierte Forderung der Akzeptanz von BeschwerdeinformationenZ-Reports im Unterneiimen anknupfen und dieser dieniicii sein konnen. Im Gegensatz zu der Grundlagenvermittlung wird Beschwerdemanagement in der mittleren Zeile (Felder 4-6) zum Mitgestalter und faktischen Projektteilneiimer im Raiimen eines Veranderungsprozesses. Letztlich bedeutet dies die konkrete Anwendung der mitunter in den Feldern 1-3 vermittelten ,tlieoretischen' Inhalte in Kooperation mit einem internen Kunden zur Oberwindung besteiiender Beschwerdeursachen. Diese partizipativ-beratende Funktion ist dem Beschwerdemanagement auf Basis der ihm zugedachten Einflussrolle und des Kernbereichscharakters nicht nur zuzutrauen; vielmehr spiegelt dieses In den Feldern 4-6 beinhaltete Verstandnis den eigentiichen Kerngedanken der Impulsfunktion als wissensintensivem Dienstleistungsangebot des Beschwerdemanagements wider. Feld 4 beschreibt die vom Zentralbereich zu leistende Funktion, seinen internen Kunden den gegebenen Instrumentenraum vorzustellen und die Auswahl eines spezifischen Instruments, z.B. in der Abwagung zwischen FMEA und Beschwerde Problem Deployment, zu leiten. Die Prozessebene (Feld 5) wird beeinflusst, indem Beschwerdemanagement z.B. seinen internen Kunden einen Vorschlag fur die Konfiguration des Qualitatsverbesserungsteams unterbreitet (z.B. GrofJe, interfunktionale Zusammensetzung der Teammitglieder, zeitliche Befristung des Teams etc.) und dessen Koordination ubernimmt. Die Einflussnahme auf der Inhaltsebene (Feld 6) manifestiert sich im Zusammenspiel mit der Instrumenten- und der Prozessebene. Beispielsweise sind bei der Durchfuhrung einer FMEA durch das Qualitatsverbesserungsteam an verschie-
Adaption der Differenzierungsstrategie
611
denen Stellen wertende Entscheidungen zu treffen, deren Ergebnis die Inhaltsdimension ansprechen. Im Hinblick auf die in den Feldern 7-9 verortete direktive Problemlosungserarbeitung ist die Reflexion des in Teil 6 identifizierten Charakters des Beschwerdemanagements als Unterstutzungsbereich hilfreich. Ein direktiver Problemlosungsprozess scheint, trotz seines Kernbereichscharakters, nicht der Realitat und denn Verstandnis des Beschwerdennanagements zu entsprechen. Die Ausgestaltung der Felder 7-9 soil daher nicht weiter verfolgt werden. Wie bereits erwahnt, stellt der jeweilige Beratungsstil eine Determinante der Beratungsmethode dar. Beide wiederum flieden in der Beratungsstrategie des Beschwerdemanagements zusammen. Die Beratungsstrategie wird dann letztlich auch das Interaktionsverhalten des Beschwerdemanagements gegenuber seinen internen Klienten beeinflussen. Dieses lasst sich in analoger Ubertragung von Uberlegungen der Consulting-Literatur anhand verschiedener idealtypischer Beraterrolten beschreiben. Damit wird letztlich das Rollenverstandnis des Beschwerdemanagements als Beratungseinheit gegenuber seinen Kunden zum Ausdruck seiner internen Beratungsstrategie. Abbildung 8-24 gibt einen Oberblick verschiedener Beraterrollen und zentraler Merkmale des jeweiligen Beratergebarens. Zweifelsohne sind dabei im Rahmen verschiedener Projekte aber auch innerhalb eines Beratungsprojekts unterschledllche Rollen des Beschwerdemanagements denkbar. Diese sind projekt-, situations- und problembezogen auszuwahlen und gegebenenfalls mit dem internen Kunden und der Unternehmensleitung abzustimmen (Blunck 1993, S. 104).
612
Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
Direktive BeraterroUe
Feuerwehrmann
Arzt
Trainer
Promoter
Interventionist
Prozessberater
Neutraler fritter
Nicht -direktive BeraterroUe
hoch
Grad des Einflusses
gering
hoch
Anteil des Beraters an Entscheidungsprozessen
gering
Ergebnis
Ergebnis- oder prozessorientierte Vorgehensweise
Prozess
gering
Grad der Teamorientierung
hoch
Berater
Nutzung der Erfahrung und des Know-hows der Berater oder Mitarbeiter
Mitarbeiter
Abb. 8-24: Rollen intemer Beratungseinheiten als Ausdruck der internen Beratungsstrategie; Quelle: In Aniehnung an Blunck (1993, S. 105).
Die primare Unterscheidungsdimension in der Abbildung ist die Charakterisierung der Beratungseinheit anhand des ihr zugestandenen Einflusses auf den Entscheidungsprozess als eher direktive bzw. nicht-direktive BeraterroUe. Ein direktiver Beratungsansatz ist durch folgende Merkmalsauspragungen gekennzeichnet (Blunck 1993, S. 106): •
Den Beratern ist ein hoher qualitativer und quantitatlver Anteil der zu treffenden Entscheidungen vorbehalten,
•
die Vorgehensweise ist vor allem ergebnisorientiert und dient eher nicht dazu, die Fahigkeiten der Kunden weiterzuentwickein,
•
das AusmaB der Teamorientierung und der Einbindung der betroffenen Mitarbeiter ist als gering zu bezeichnen,
•
die Losung des Problems beruht primar auf dem Fach-Know-how, der Erfahrung und der Expertenmacht der Berater.
Die Rollen des Feuerwehrmanns und des Arztes, die letztlich den Feldern 7-9 der oben angefuhrten Matrix entsprechen, scheinen nach der hier vertretenen Ansicht aus folgenden Grunden nicht fur eine effektive Impulsfunktion geeignet zu sein. Zum Ersten ist das Beschwerdemanage-
Adaption der Differenzierungsstrategie
613
ment bislang nicht mit den hier implizierten Entscheidungsbefugnissen ausgestattet, zum Zweiten ist es eine wichtige Aufgabenstellung des Beschwerdemanagements, die Mitarbeiter in den Geschaftsbereichen weiterzuentwickein, so dass diese in Zukunft das Ausmali der Kundenunzufriedenheit nnoglichst eigenstandig verringern konnen. Zum Dritten ist Beschwerdemanagennent im Sinne einer moglichst effektiven Problembeseitigung regelmaflig auf das Know-how der Geschaftsbereichsmitarbeiter uber ihren Prinnarmarkt angewiesen. Schlielilich ist zu bezweifeln, dass die Expertise und Expertenmacht des Beschwerdennanagements bislang als derart ausgepragt anzusehen sind, als dass eine donninante Rolle annehnnbar erscheint. An dieser Prazisierung der Beraterrollen wird deutlich, dass stark direktive Beraterrollen (Feuerwehrmann und Arzt) fur das Beschwerdemanagement (bislang) nicht empfehlenswert erscheinen. Von grofierem Interesse sind die weniger direktiven Beraterrollen, die sich entsprechend durch folgende Charakteristika auszeichnen (Blunck 1993, S. 106): •
Die faktische Entscheidungsmacht beschrankt sich auf ein nur geringes (qualitatives/quantitatives) AusnnaR>,
•
die Vorgehensweise zielt vor allem darauf ab, im Sinne der „Hilfe zur Selbsthilfe" die Beschwerde-bezogenen Fahigkeiten Mitarbeiter in den Geschaftsbereichen weiterzuentwickein,
•
diese Vorgehensweise wird durch eine ausgepragte Teamorientierung unterstutzt und
•
erarbeitet daher die Problemlosung primar auf Basis des Know-hows und der Erfahrung der betroffenen Mitarbeiter.
Fur die Beraterrolle eines Beschwerdemanagements empfehlen sich diese eher nicht-direktiven, partizipativen Konfigurationen des Trainers, Promoters, Interventionisten und Prozessberaters. Als Trainer fungiert Beschwerdemanagement mafJgeblich in den Feldern 1-3 der oben be-
614
Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
sprochenen Matrix und verknupft somit die Bildungs- mit der Impulsfunktion des Beschwerdemanagements. Die Rolleninterpretationen Promotor, Interventionist und Prozessberater stellen unterschiedliche Gebarensweisen dar, die sich in den Matrixfeldern 4-6 wieder finden konnen. Die Rolle eines ,neutralen Dritten' aktiv anzustreben, scheint vor dem Hintergrund des strateglschen Potenzials der Impulsfunktion jedoch suboptlmal, da diese die internen Kunden in hohem MafJe ,sich selbst uberlasst' und dies mit dem angestrebten Zusatznutzen zur ErschlieUung der Beschwerdeinformationen kaum vereinbar erschelnt. Nachdem sowohl fur die Bildungs- als auch die Impulsfunktion die angestrebten strateglschen Orientierungsrahmen vorliegen, bedarf es nunmehr noch einer anderen Erweiterung des Managementansatzes innerhalb der Differenzierungsstrategie. In Teil 7 wurde nachdrucklich postuliert, dass sich Beschwerdemanagement als Sekundardienstleister im Rahmen der strateglschen Analyse vor allem mit der Qualitatswahrnehmung und der sich daraus ableitenden Zufriedenheit der Leistungsnachfrager (also der Beschwerdefuhrer) befassen muss. Auch bei der Ausarbeltung der Kostenfuhrerschaft im Tertlardienstleistungsbereich (Kapitel 8.4) zeigte sich, dass die Orientierung an den Anforderungen der internen Kunden von maflgeblicher Bedeutung ist. Dieses Postulat gilt in noch hoherem MafJe fur das Beschwerdemanagement als einem nach Differenzierung strebenden internen Dienstleistungsanbieter. 8.5.4
Erhebung der Qualitatswahrnehmung und Zufriedenheit interner Kunden des Beschwerdemanagements als Tertiardienstleister
Das in Kapitel 8.4 skizzierte TIQM leistet im Hinblick auf die interne Informationsfunktion wertvolle Dienste zur Erhebung der von den internen Kunden des Beschwerdemanagements wahrgenommenen Informationsqualitat. Im Rahmen eines sich mittels der Impuls- und Bildungsfunktlon differenzierenden Beschwerdemanagement-Bereichs greift der dort ver-
Adaption der Differenzierungsstrategie
615
tretene Messansatz jedoch zu kurz. Die bisweilen hoch interaktiven Service Encounter dieser wissensintensiven Dienstleistungen sind nur unzulanglich uber den nicht fur solche Dienste konzeptionierten IQ-Ansatz zu erfassen. Deshalb ist hier ein umfassenderes Qualitatsverstandnis zugrunde zu legen und im Rahmen einer ausgeweiteten Dienstleistungsqualitatsmessung zu erheben. Daruber hinaus tragt die in diesem Abschnitt vorzustellende Messkonzeption auch in hoherem Mafle den Spezifika interner Kunden-Lieferanten-Beziehungen Rechnung (siehe Unterabschnitt 8.2.1). Insbesondere dient sie dazu, die nur geringe Bereitschaft zur Artikulation der Qualitatswahrnehmung durch Proaktivitat zu uberwinden, zur Beseitigung eventuell nur mangelhafter Angebotsevidenz auf Kundenseite beizutragen und internen Kunden ihre eigene MitVerantwortung an der Dienstleistungserstellung zu verdeutlichen. Anzuknupfen ist an die allgenneine Forschung zu interner Qualitatswahrnehmung und Kundenzufriedenheit, die interne Dienstleistungsqualitat definiert als „die Fahigkeit eines internen Lieferanten, die Beschaffenheit einer primar intangiblen und der Kundenbeteiligung bedurfenden Leistung aufgrund von internen Kundenerwartungen auf einenn bestimmten Anforderungsniveau zu erfullen" (Bruhn 1999, S. 541). Es ist nicht uberraschend, dass erneut Erwartungen und deren Erfullung aus Kundensicht die zentralen Grofien bei der Beurteilung der Dienstleistungsqualitat darstellen. Als interner Dienstleistungsanbieter hat Beschwerdemanagement daher zwei Aspekte zu berucksichtigen: Zum einen gilt es sich einen Uberblick uber das Gesamtgefuge bestehender Erwartungen aber auch Wahrnehmungslucken bezuglich des eigenen Dienstleistungsangebotes zu verschaffen. Hierfur soil in einem ersten Schritt auf das von Bruhn (1999b) vorgestellte Gap-Modell der internen Dienstleistungsqualitat zuruckgegriffen werden. Zum anderen sind in einem zweiten Schritt konkrete Messansatze und -methoden auf ihre Eignung zur Zufriedenheitsmessung im Rahmen eines sich differenzierenden Beschwerdemanagements zu reflektieren.
Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
616
Fur das Beschwerdemanagement als internem Dienstleistungsanbieter ist es von groBer Bedeutung, ein Verstandnis uber die Entstehung interner Dienstleistungsqualitat zu entwickein, urn so Ansatzpunkte eines umfassenden Qualitatsmanagements zu bestimmen. Erst anschlielJend ist die Frage nach spezifischen Methoden der eigentlichen Qualitatsmessung relevant. Als einen systematisierenden Gesamtrahmen zur Entstehung und Analyse der erbrachten Dienstleistungsqualitat unter Berucksichtigung unterschiedlicher Erwartungshaltungen legt Bruhn (1999b, S. 563fF.) das fiir interne Dienstleister adaptierte Gap-Modell nach Parasuraman et al. (1985) vor (Abbildung 8-25). Anhand dieses GapAnsatzes kann Beschwerdemanagement Defizitfelder im eigenen Einflussbereich identifizieren, die zu einer Reduktion seiner Leistungsqualitat fuhren konnen. Interner Kunde des Beschwerdemanagements Organisationale Bedtirfhisse
Mund-zu-Mund-Kommunikation
Erfahrungen der Vergangenheit
X
J~ Erwartungen an die intemen Dienstleistungen des Beschwerdemanagements
Gapl
Gap 5 Wahrgenommene interne Dienstleistimgen
Erstellimg der intemen Dienstleistungen durch das Beschwerdemanagement Gap 3
Gap 4
An den intemen Kunden gerichtete Kommunikation iiber die Dienstleistungen des Beschwerde-managements
Umsetzung der wahrgenommenen Kundenerwartungen in Spezifikationen der intemen Dienstleistungsqualitat Gap 2
K
Wahrgenommene Kundenerwartungen
Beschwerdemanagement als interner Lieferant
Abb. 8-25: Das Gap-Modell interner Dienstleister; Quelle: In Aniehnung an Bruhn (1999b, S. 564).
Adaption der Differenzierungsstrategie
617
Fehlende oder falsche Vorstellungen des Beschwerdemanagements uber die Qualitatserwartungen seiner intemen Kunden fuhren zu Gap 1. Als mogliche Grunde kommen eine ungenugende interne Marktforschung, unzureichende Kommunikation zwischen denn Beschwerdemanagement und seinen Abnehmern sowie hierarchische Barrieren in Frage (analog Bruhn 1999b, S. 563). Auty/Long (1999) weisen darauf iiin, dass es aufgrund spezifischer Interessenskonflikte in Unternehmen zu Parallelgaps komnnen kann. In der Tat scheint dies fur das Beschwerdemanagement vorstellbar zu sein. Da der Zentralbereich Beschwerdemanagement als Dienstleister gegenuber der Unternehmensleitung und den Geschaftsbereichen agiert (Two-Bosses-Dilemma), kann sich Gap 1 aufspalten, sofern sich die Erwartungen der Unternehmensleitung und der Geschaftsbereiche voneinander unterscheiden. Gap 2 untersucht, wie gut es dem Beschwerdemanagement gelingt, die wahrgenommenen Anforderungen seiner intemen Nachfrager in die eigenen Leistungsqualitatsspezifikationen zu ,ubersetzen'. Die Verantwortung fur das Auftreten von Gap 2 wurde nach Bruhn (1999b, S. 565) bei der Bereichsleitung Beschwerdemanagement liegen, der dann eine mangelnde Entschlossenheit zur internen Kundenorientierung und Servicequalitat oder auch eine ungenugende Zielfixierung der Qualitatsstandards vorgeworfen werden konnte.^^^ Selbst wenn es der Bereichsleitung gelungen ist, die Kundenerwartungen adaquat in Dienstleistungsspezifikationen zu transformieren, kann im Rahmen der Erstellung der Dienstleistungen durch Mitarbeiter des Beschwerdemanagements hiervon abgewichen und damit Gap 3 ausgelost werden. Folglich sind die Ursachen primar auf der (zwischen-) menschlichen Ebene zu suchen und konnen beispielsweise in der mangelnden Qualifikation, mangelnder Teamarbeit,
254
Auch dieser Gap liefie sich aufspalten. Davon sei insofern abstrahiert, als davon ausgegangen wird, dass die Bereichsleitung Beschwerdemanagement allein verantwortlich fur diese Umsetzung ist.
618
Verfeineiie Analyse der A ufgabenumwelt
Rollenkonflikten oder schlicht Auseinandersetzungen zwischen involvierten Mitarbeitern begrundet sein (Bruhn 1999b, S. 565). Fehlerhafte interne Kommunikation- und/oder Informationspolitik des Beschwerdemanagements munden in Gap 4. Hier wurden auf Seiten der Nachfrager Erwartungen geweckt, die im Rahmen der spater erbraciiten Dienstleistung nicht erfullt werden. Das Vorliegen einer oder mehrerer der vorgenannten Gaps resultiert sciiiieliJich in Gap 5, also der Diskrepanz zwisciien der vom Kunden erwarteten und eriebten Dienstleistungserbringung im internen Service Encounter. Basierend auf diesem Grundkonzept kann Beschwerdemanagennent nun verschiedene Messansatze der Dienstleistungsqualitat auf ihre ZweckmafJigkeit durcliJeuchten. Grundsatzlich steht die in Abbildung 8-26 dargestellte, umfangreiche Bandbreite von Messansatzen der externen Marktforsciiung zur Verfugung, die sich, so befindet Bruhn (1999b, S. 548ff.), auch fur die Bestimmung der internen Dienstleistungsqualitat eignen.
619
Adaption der Differenzierungsstrategie
Messung der intemen Dienstleistungsqualitat
1
1
*
Messung aus Sicht des Beschwerdemanagements als interner Lieferant i Undifferenzierte Messung (= globale Eigenbewertung)
'^
[ Differenzierte Messung
i
i Messung'objektiver' Sachverhalte
Messung 'subjektiver' Sachverhalte
• Benchmarking • Expertenanalysen • Qualitatsstatistiken • Qualitatskostenanalysen
i
1
Messung aus Sicht der internen Kunden i Undifferenzierte Messung (= globales Qualitatsurteil)
i Messung 'objektiver' Sachverhalte
^
Differenzierte Messung
^
I
Messung 'subjektiver' Sachverhalte
• Benchmarking
•
Schwachengerichtet
Starken- und Schwachen-gerichtet
• Fishbone-Analysen • Fehlermoglichkeits- und • -einflussanalyse (FMEA)
• SWOT-Analysen durch zentralbereichsinteme Qualitatszirkel
i
Schwachengerichtet • 'Meckerkasten' und FrequenzRelevanz-Anaiyse der Beschwerden (FRAB) • BetriebHches Vorschlagswesen • Problem Detecting Method
Starken- und Schwachen-gerichtet • Mitarbeiterbefragung • Sequenzielle Ereignismethode • Critical Incident Technique (CIT)
Abb. 8-26: Messansatze zur Bestimmung der internen Dienstleistungsqualitat im Uberblick; Quelle: In Aniehnung an Bruhn (1999b, S. 555).
Ohne auf die Einzelinstrumente einzugehen, soil auf die Differenzierung der Perspektive in Lieferanten- und Nachfragersicht hingewiesen werden. Dabei beinhaltet die Messung aus Sicht des Beschwerdemanagements die Erfassung objektiver Sachverhalte (Bruhn 1999b, S. 554). Wie an fruherer Stelle betont wurde, kann eine derartige Qualitatsmessung, die ja die subjektive Qualitatsbewertung der Nachfrager aufier Acht lasst, nur eine Teilfacette der Qualitatsbestimmung sein und muss durch die Messung aus der Sicht interner Kunden erganzt werden (Stauss/Hentschel 1991, S. 242). Bemerkenswert bei den von Bruhn vorgeschlagenen Methoden zur nachfragerseitigen Qualitatsbeurteilung ist an dieser Stelle die ZweckmafJigkeit eines unternehmensinternen „Meckerkastens", der im
620
Verfeinerte Analyse der Aufgabenumwelt
Zusammenspiel mit einzelnen anderen Methodenalternativen (z.B. der FRAB) zu einem ,Meta-Beschwerdemanagement' ausgestaltbar ist. Neben der hier angeregten Zweiteilung der Erhebungsperspektive ist eine noch umfassendere Messung unter Fokussierung der internen Zusammenarbeit zwischen Beschwerdemanagement und seinen Nachfragern viel versprechend, wie sie Gilbert (2000) und Velitchkova (2003) fur interne Dienstleister vorschlagen. Uber die Bewertung des Besciiwerdemanagements aus Kundensicht hinaus hiede dies, dass sich die Mitarbeiter des Beschwerdennanagements in die Rolle des internen Nachfragers versetzen und die eigene Dienstleistungsqualitat beurteilen. In einem weiteren Schritt wird auch der interne Nachfrager in seiner Kundenrolle betrachtet und zwar ebenfalls in seiner Selbstwahrnehnnung und aus der Perspektive des internen Dienstleisters Beschwerdemanagement. Auf Seiten des Kunden soil dadurch die detaillierte Artikulation eigener Bedurfnisse stimuliert und gleichzeitig eine Sensibilitat fur Verbesserungsvorschlage des Dienstleisters hervorgerufen werden. Ferner kann eventuell auch eine kundenseitige Reflexion der potenziell limitierend wirkenden Rahmenfaktoren des Beschwerdemanagements ausgelost werden. Durch diesen Rollenwechsel wird ein, vor allem im unternehmensinternen Kontext wichtiges, empathisches Problemverstandnis beim jeweiligen Interaktionspartner angestrebt, das zu einer positiven Eigendynamik und letztlich zur Verbesserung der Dienstleistungsinteraktionen fuhren soil (Velitchkova 2003, S. 57f.). Fruchtbar ist diese Idee des Rollenwechsels in erster Linie im Hinblick auf die Uberwindung potenziell bestehender Akzeptanzbarrieren gegenuber dem Beschwerdemanagement und seiner unternehmensinternen Aufgabenstellung. Dieses erweiterte Erhebungskonzept ist in Abbildung 8-27 fur das Beschwerdemanagement interpretiert.
621
Adaption der Differenzierungsstrategie
Fremdwahrnehmung Bewertung des Beschwerdemanagements aus Sicht des intemen Nachfragers A
n
! !
• j
Bewertung des intemen Nachfragers A aus Sicht des Beschwerdemanagements
Messung der Qualitat intemer Zusammenarbeit
Bewertung des Beschwerdemanagements aus ! Sicht des Beschwerdemanagements !
j j
Bewertung des intemen Nachfragers A aus Sicht des Nachfragers A
Selbstwahrnehmung
Abb. 8-27: Erweitertes Erhebungskonzept zur Bestimmung der Qualitat der internen Zusammenarbeit zwischen Besciiwerdemanagement und seinen Nachfragern; Quelle: In Aniehnung an Velitchkova (2003, S. 56).
Freilich speist sich dieser Ansatz zentral aus dem Portfolio von Verfahren, das Bruhn fur die Beurteilung intemer Dienstleistungsqualitat ennpfiehlt, wobei sich jeweils spezifische Methoden fur die Erhebung der Kundenzufriedenheit in den unterschiedlichen Kontexten der Innpuls- und Bildungsfunktionen miteinander konnbinieren lassen. Unabhangig vom letztendlicin gewainlten Instrumentenmix ist aber zu vermuten, dass die Glaubwurdigkeit des Beschwerdemanagements in besonderem Mafie von dem erwahnten unternehmensinternen ,Meta-Beschwerdemanagement' profitieren wurde, weshalb diese Empfehlung nachdrucklich zu betonen ist. Diese hier aufgezeigten Vorgehensweisen zur Ermittlung interner Kundenzufriedenheit komplettieren die Modellierung der als ,grofie Losung' interpretierten Beschwerdemanagement-Konfiguration unter Maflgabe der Differenzierungsstrategie und leiten zur abschliefienden Wurdigung dieser Strategieoption ijber.
622
8.5.5
Verfeinerte Analyse der A ufgabenumwelt
Wurdigung der Differenzierungsstrategie als Option zur Ausgestaltung der tertiaren Unterstutzungsdienstleistungen des Beschwerdemanagements
Unterschiedliche Chancen und Herausforderungen ergeben sich im Lichte des hier vorgestellten Differenzierungsansatzes im Zentralbereich Beschwerdemanagement. Die zentrale Chance ist darin zu sehen, dass erst die Differenzierungsstrategie den Zugang zu alien drei relevanten Ebenen erschiielit, uber die das Primarmarl
\l
\/
A
K
Differenzierung • 'Maxime Beschwerdebegeisterung'
< \J
?
> V
• Interne Informationsfunktion • Impulsfunktion • Bildungsflinktion
Kostenfiihrerschaft • Interne Informationsfunktion
Abb. 10-1: Strategische Hybridvarianten im Liciite der Begutaciitung des horizontalen Fits im Besciiwerdemanagement; Quelle: Eigene Abbiidung.
Die Hybridvariante 1 sieht fur die Sekundardienstleistung vor, die Beschwerdefuhrer Jediglich' uber Muss- und Soll-Leistungen zufrieden zu stellen, jedoch keine Kann-Lelstungen anzubieten. Hinsichtlich der Tertiardienstlelstungen bedient sich ein Unternehmen in dieser Konstellation anschliefJend aber des gesamten Potenzials des Beschwerdemanagennents, unn die eingegangenen Beschwerdeinformationen optimal im Sinne der Erschlieliung innovativer Marktchancen zu nutzen bzw. das Primarmarktverhalten der Geschaftsbereiche rasch und nachhaltig zu verandern. Das Ziel dieser Strategiekombination ist es offensichtlich nicht, das Volumen des im Beschwerdemanagement vorhandenen Informationspools zu maximieren. Der strategische Fokus liegt vielmehr darauf, diejenigen Informationen, die empfangen wurden, einer moglichst effektiven Informationsnutzung zuzufuhren.
Die Dimension des horizontalen Fits
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Diese Strategiekombination unterstreicht die Bedeutung der derivativen Leistungsverflechtung zwischen der Sekundar- und Tertiarleistungsebene des Beschwerdemanagements, denn die Ausgestaltung der sekundaren Unterstutzungsdienstleistung determiniert mafigeblich die Informationsressourcen, die mittels der tertiaren Unterstutzungsdienste erschlossen werden konnen. Nun ist davon auszugeiien, dass der Informationspool durch das im Sinne der Kostenfuhrerschaft konfigurierte direkte Beschwerdemanagement geringer ausfallen wird als im Falle der Differenzierungsstrategie. Deshalb kann nicht davon gesprochen werden, dass die Kostenfuhrerschaft im SGF der sekundaren Unterstutzungsdienste die Differenzierungsstrategie hinsichtlich der Tertiardienstleistungen des Beschwerdemanagements in einem produktiven Sinne erganzt Gleichwohl ist mit Scherm/Rohde (1999, S. 68) daran zu erinnern, dass ein Fit auch dann gegeben ist, wenn sich Strategien zueinander neutral verhalten und sich nicht negativ aufeinander auswirken. Derartig kontraproduktive Effekte sind jedoch in dieser Strategiekombination aus konzeptioneller Sicht nicht auszumachen, denn das Ziel, die von den Beschwerdefuhrern artikulierten Beschwerdeinhalte moglichst effektiv zu erschlieden, wird von der Kostenfuhrerschaft im direkten Beschwerdemanagement nicht gestort. Unter konzeptionellen Gesichtspunkten ist deshalb grundsatzlich von einem horizontalen Fit auszugehen. Davon unbenommen kann ein diese Strategiekombination verfolgendes Beschwerdemanagement im Sinne seiner eigenen Effektivitat ein zusatzliches Beschwerdeinformations-Controlling vorsehen, um so beobachten zu konnen, inwiefern es die relevanten Beschwerdeinformationsinhalte faktisch empfangt. Hierfur bietet sich der Ruckgriff auf die von Stauss/Seidel (2005b) entworfene ,Lost Customer Analysis' an. Diese sieht vor, uber die Befragung abgewanderter Kunden die zentralen Ursachen fur die kundenseitige Beendigung einer Geschaftsbeziehung zu erheben. Diese Erkenntnisse konnen sodann mit den Beschwerdeinhalten abgeglichen werden, die dem Unternehmen tiber seine aktuellen Be-
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schwerdekanale zugegangen sind. Sollten unter strategischen Gesichtspunkten signifikante Inhaltsabweichungen erkannt werden, sind entsprechende - im Einklang mit der Kostenfuhrerschaftsmaxime des direkten Beschwerdemanagements stehende - MaBnahmen zu eruieren, z.B. die Modifikation der Beschwerdestimulierung. Die Hybridvariante 2 sieht die umgekehrte Konstellation vor. Hier wird die Sekundardienstleistung Beschwerdemanagement ins Zentrum geruckt und das Ziel der Besciiwerdebegeisterung angestrebt. Die Aktivitaten der tertiaren Unterstutzungsdienstleistungen werden jedoch auf ihren Grundnutzen beschrankt, weslialb lediglich die interne informationsfunktion vorgesehen ist und auf die interne Informations- und Bildungsfunktion verzichtet wird. Angesichts der Haupterkenntnisse der Studie von Stauss/Scholer (2003) scheint bemerkenswerterweise gerade diese Variante eine gewisse Nahe zur Besciiwerdemanagement-Praxis in denjenigen Unternehmen aufzuweisen, die sich bislang mit grodem Commitment einem Beschwerdemanagement gewidmet haben. Konzeptionell ist diese Hybridkonstellation grundsatzlich denkbar bzw. verursacht nicht automatisch kontraproduktive Effekte. Freilich ist diese Einschatzung an die Umsetzung eines konsequenten und umfassenden Informationsdienstleistungsmanagements geknupft, wie es in Kapitel 8.4 entworfen wurde. AbschlieRend bleibt der horizontale Fit im Hinblick auf das Geschaftsfeld der Kontrolldienstleistungen zu uberprufen, die sich derivativ aus den tertiaren Dienstleistungen des Beschwerdemanagements ergeben. In diesem Kontext stellt sich die Frage nach der Kompatibilitat der Kostenfuhrerschaft bzw. Differenzierung des Tertiardienstleisters Beschwerdemanagement mit dem Ansatz des Professional Concern, der fur die quartare Steuerungsdienstleistung empfohlen wurde. Es ist an dieser Stelle daran zu erinnern, dass der Kontrollfunktion eine untergeordnete Relevanz im Vergleich zu den Unterstutzungsdienstleistungen des Beschwerdemanagements zukommt. Aus diesem Grund wurde Professional
Die Dimension des vertikalen Fits
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Concern in Teil 9 a priori ais ein Managementansatz eingefuhrt, der keine negativen Konsequenzen fur das Portfolio der Unterstutzungsdienstleistungen befurchten lasst. Insofern ist der horizontale Fit zwischen den hier vorgesehenen Strategieoptionen der Kostenfuhrerschaft und der Differenzierung ais Tertiardienstleister und dem Professional Concern ebenfalls gegeben und die Betrachtung kann sich der vertikalen Fit-Dimension zuwenden.
10.3 Die Dimension des vertikalen Fits: Die geschaftsbereichsstrategische Ausrichtung der Unternehmung ais determinierender Orientierungsrahmen der Strategiebewertung Die Evaluation des vertikalen Fits im Beschwerdemanagement erfordert konzeptionelle Voruberlegungen (10.3.1). Diese werden die besondere Eignung der Strategietypologie nach Miles/Snow (1978) ais theoretischem Bezugsrahmen fur die Betrachtung der vertikalen Stimnnigkeit des Zentralbereichs nachweisen. Daher wird Abschnitt 10.3.2 die von Miles und Snow entworfenen strategischen Archetypen in ihren Grundzugen vorstellen. Vor diesem theoretischen Hintergrund ist der vertikale Fit der strategischen Verhaltensoptionen des Beschwerdemanagements in Abschnitt 10.3.3 zu bewerten. 10.3.1
Voruberlegungen zur Adaption des vertikalen Fits ais Leitgedanke der Strategiebewertung im Beschwerdemanagement
Der vertikale Fit umfasst die Abstimmung der strategischen Funktionsbereichsaktivitaten mit den ubergeordneten strategischen Ebenen des Gesamtunternehmens und der Geschaftsbereiche. Bei der Abwagung, ob nun Gesamtunternehmens- oder aber Geschaftsbereichsstrategien den primaren Orientierungspunkt fur die Bewertung und die Auswahl funktio-
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naler Strategien darstellen sollten, ist eine weitgehende Einigkeit in der Literatur hinsichtlich der Priorisierung der Sparten festzustellen, denn schlielilich dienen Funktionsbereichsstrategien in erster Linie der Unterstutzung bzw. Umsetzung der Gesciiaftsbereichsstrategien (Krause et al. 2001, S. 499; Muller-Stewens/Lechner 2003, S. 486f.; Scherm/Rohde 1999, S. 6). Diese Orientierung der Beschwerdemanagementstrategien an den Gesciiaftsbereichsstrategien steiit im Einklang mit dem Sekundarleistungscharakter des Beschwerdemanagements. Es ist letztendlich die Primarmarktaktivitat der Geschaftsbereiche, aus denen sich die Sekundardienstleistung Beschwerdemanagement derivativ ableitet, und es sind die Kunden der Sparten, die zu den Nachfragern des Beschwerdemanagements werden. Ein letzter Grund fur die Bezugnahme auf die Strategien der Geschaftsbereiche ist deren stetig zunehmende Bedeutung als Budgetgeber des Zentralbereichs Beschwerdemanagement, die durch die Implementierung der internen fiktiven Markte nachhaltig gefordert wird. Einer Synchronisation der strategischen Ausrichtung des Beschwerdemanagements mit den Primarmarktstrategien der Sparten pflichtet auch Andreassen (1999, S. 329) bei, wenn er festhalt: "Complaint management and complaint handling must thus be designed in accordance with the company's profile communicated through media or advertisements." Etwas differenzierter aufJern sich Ketchen et al. (2003, S. 95) und formulieren folgende Frage an die Funktionsbereichsmanager: „How will each of the organization's functional areas support our business and corporate level strategies?" Die Autoren beziehen also explizit die Gesamtunternehmensebene mit ein. Gerade fur das Beschwerdemanagement, das, wie die bisherigen Ausfuhrungen gezeigt haben, durchaus im Spannungsfeld zwischen beiden Ebenen agiert, ist die Vernachlassigung der strategischen Orientierung auf der Corporate-Strategy-Ebene kaum rat-
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sam. Dieser vermeintliche Konflikt lasst sich jedoch, wie nun gezeigt wird, konzeptionell auflosen. Hierfur ist zu bedenken, dass sich die strategische Stimmigkeit nicht abstrakt ijberprufen lasst. Vielmehr ist sie stets vor dem Hintergrund einer konkreten Strategie und Situation zu bestimmen (Grunig/Kuhn 2000, S. 77] Scholz 2000, S. 100). Hilfreich ist es daher, die Diskussion anhand haufig anzutreffender Situationstypen und strategischer Basisvarianten zu fuhren, die als Ausgangspunkt fur die Erarbeitung konkreter, untemehmensindividueller Losungen dienen konnen (Grunig 1992, S. 273f.). Demnach bieten sicii zur faktischen Bewertung der strategischen Optionen des Beschwerdemanagennents etablierte Strategietypologien als Referenzrahmen an. In der wissenschaftlichen Diskussion haben insbesondere zwei strategische Typologien aulierordentliche Beachtung gefunden. Zunn einen das Konzept der generischen Wettbewerbsstrategien, das von Michael Porter (1985) erarbeitet und bereits bei der Diskussion der Telle 7 und 8 herangezogen wurde. Zum anderen erfuhr die Unternehmenstypologie von Miles/Snow (1978) eine ebenfalls sehr breite Akzeptanz im Kontext der strategischen Managementforschung. Die Stimmigkeit der aufgezeigten Alternativen mit den Wettbewerbsstrategien nach Porter zu bestimmen, bote sich zwar an. Gleichwohl ist eine entsprechende Zuordnung der Kostenfuhrerschafts-, Differenzierungsbzw. Hybridoption im Beschwerdemanagement mit den auf Spartenebene gewahlten Orientierungen (Kostenfuhrerschaft, Differenzierung bzw. Hybridvariante) vergleichsweise augenscheinlich. Deshalb soil im Weiteren die Typologie von Miles/Snow (1978) den Bezugsrahmen fur die Abwagung der Strategieoptionen eines Beschwerdemanagements darstellen. Dies beinhaltet zwei Vorteile: Zum Ersten wird so eine breitere konzeptionelle Abdeckung der folgenden Diskussion gewahrleistet. Zum Zweiten aber dient die Typologie von Miles und Snow zur Auflosung des angesprochenen Konflikts einer Bevorzugung der Gesamtunternehmens-
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Oder Geschaftsbereichsstrategie, denn diese Strategieklassifikation wurde sowohl (und dies in erster Linie) als Geschaftsbereichsstrategie (Rajaratnam/Chonko 1995; Sabherwal/Chan 2001; Venkatraman 1989) als auch als Gesamtunternehmensstrategie (Burgelman 1983, S. 68) interpretiert. Damit kann Beschwerdemanagement im Rahmen seiner Strategiebewertung Ruckschlusse auf die strategischen Zielsetzungen der Geschaftsbereichsleitungen Ziehen, ohne die Maximen der Gesamtunternehmensleitungen zu vernachlassigen. Bevor aber die Beurteilung der Strategieoptionen des Beschwerdemanagements erfolgen kann, sind die strategischen Archetypen nach Miles/Snow (1978) zu umreilJen. 10.3.2
Die unternehmensstrategische Typologie nach Miles und Snow als Bezugsrahmen des vertikalen Fits
Die 1978 von Miles und Snow vorgestellte Kategorisierung strategischer Verhaltensmuster gilt mittlerweile als eine der bedeutendsten wettbewerbsstrategischen Typologien (Croteau/Bergeron 2001, S. 79; Doty et al. 1993, S. 1196; Smith et al. 1989, S. 63; Zahra/Pearce 1990, S. 751). Fur die Autoren steht das Wechselspiel zwischen Unternehmungen und der sie umgebenden Umwelt im Mittelpunkt ihrer Uberlegungen, d.h. der zentrale Untersuchungsgegenstand ist der dynamische und permanente Anpassungs- bzw. Gestaltungsprozess, durch den sich Unternehmen auf Veranderungen und Unsicherheiten der sle umgebenden Umwelt ausrichten und durch den sie sich in dieser Umwelt erfolgreich positionieren konnen (Miles/Snow 1986, S. 13ff.). Ziel ist es, eine effektive Ubereinstimmung mit dieser Umwelt bel efflzientem Koordinieren der unternehmensinternen, wechselseitigen Abhangigkeiten aufrechtzuerhalten. Je nach Art und Weise wie Unternehmen dieses Anpassungsproblem zu losen versuchen, klassifizieren Miles und Snow insgesamt vier Archetypen. Diese verfolgen jeweils eine eigene Strategie, um auf die Umwelt zu reagieren und zeichnen sich durch eine spezifische, auf diese Strategie zugeschnittene Konfiguration von Technologien, Strukturen und Prozes-
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sen aus. Drei dieser Muster sind gleichermaden „stabile" Unternehmensstrategien, die es der Untemehmung ermoglichen, dauerhaft ein erfolgreicher Akteur in der jeweiligen Branche zu sein (Miles/Snow 1986, S. 23). Diese drei Archetypen werden als Defender, Prospector und Analyzer bezeichnet. Auf der anderen Seite benennen Miles und Snow mit dem Reactor auch einen erfolglosen Strategiearchetyp. Alle vier Strategietypen sollen kurz charakterisiert und anschlieRend auf ihre Relevanz fur die weitere Untersuchung hinterfragt werden. (1) Defender versuchen, einen Tell des Gesamtmarkts zur Schaffung einer stabilen Produkt-Abnehmer-Konstellation abzukapsein und ihre Aktivitaten auf diese Nische zu konzentrleren. Diesen schmalen und stabilen Tatigkeitsbereich verteidigen sie aggressiv gegen Wettbewerber, z.B. durch konkurrenzorientierte Prelsgestaltung oder exzellenten Kundenservice. Aktuellen Entwicklungen auUerhalb ihres Aktionsfeldes messen Defender nur untergeordnete Bedeutung bei. Defender streben ein vorsichtiges und langsames Wachstum an, das sie primar durch eine Durchdringung des aktuellen Markts zu realisieren suchen. Deshalb erfolgt auch die Produktentwicklung in nur begrenztem Malie und weist einen hohen Bezug zum gegenwartigen Leistungsangebot des Unternehmens auf. Eine Fokussierung auf Kosteneffizienz und das stabile Aktionsumfeld machen Finanzwesen, Controlling und Produktion zu den dominanten Funktionsbereichen im Defender. Diese Unternehmen weisen haufig einen hohen Formalisierungsgrad, zentralisierte Kontrollinstanzen sowie ,langschleifige', vertikale Informationssysteme auf. (2) Ein gegensatzliches Bild zeichnen Miles/Snow (1978) von Unternehnnen, die sie dem Typus des Prospectors zuordnen. Der Erfolg von Prospectors basiert darauf, permanent neue Produkt- und Marktchancen zu lokalisieren und auszunutzen. Diese Unternehmen sind daher stets hoch sensibel fur Entwicklungen und sich ergebende
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Chancer! in ihrem marktiichen Umfeld. Prospectors nutzen jede Gelegenheit, urn durch neue Produkte und/oder die Erschiieliung neuer Markte zu wachsen. Daher bearbeiten sie typischerweise ein breites und sich standig weiterentwickelndes Aktionsfeld im Markt und tragen durch permanente Innovationen selbst zur Dynamik ihrer Wettbewerbsarena bei. Durch das sich haufig andernde Aktionsfeld ist die Effizienz des Prospectors geringer als die eines Defenders, stellt im Gegensatz dazu aber auch keine zentrale strategische Zielgrolie dar. Prospectors stutzen sich vor allem auf das Marketing sowie auf den Forschungs- und Entwicklungsbereich. Im Gegensatz zum Defender ist das Formalisierungsniveau eher niedrig, es herrscht ein dezentrales Kontroll- und ein ,kurzschleifiges', horizontales Informationssystem vor. (3) Ein Analyzer versucht die Vorzuge der beiden beschriebenen Archetypen zu kombinieren und stellt damit einen Hybridcharakter aus Defender und Prospector dar. Typischerweise agiert ein Analyzer daher in zwei Arten von Produkt-Markt-Konstellationen, von denen die eine relativ stabil, die andere dynamisch ist. In dem stabilen Marktumfeld arbeiten diese Unternehmen mit dem starken Effizienzfokus des Defenders. In dem instabileren Aktionsfeld beobachten die Topmanager ihre Konkurrenten hinsichtlich deren Innovationen und streben danach, die meistversprechenden dieser Neuigkeiten moglichst rasch zu ubernehmen; dieses Verhalten imitiert Facetten des ProspectorManagements. (4) Als vierten Archetyp identifizieren Miles und Snow den Reactor. In Unternehmen dieses Typs fehit eine konsistente Strategie-StrukturBeziehung und es gelingt dem Management nicht, die sich verandernden Umweltbedingungen zu reflektieren und effektiv auf diese zu reagieren. Im Gegensatz zu den anderen drei Formen stellt der Reactor somit einen Jnstabilen' Strategieansatz dar, dessen Erfolglo-
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