Strafgesetzbuch: Mit Erläuterungen und Nebengesetzen [42. Auflage. Reprint 2020] 9783112320365, 9783112309216


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German Pages 800 [820] Year 1959

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Table of contents :
Vorwort zur 42. Auflage
Inhalt
Abkürzungen
Systematische Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil des Strafrechts
Schrifttum
Einführungsgesetz
Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich
Erster Teil. Von der Bestrafung der Verbrechen, Vergehen und Übertretungen im allgemeinen
Erster Abschnitt. Strafen
Abschnitt 1 a. Maßregeln der Sicherung und Besserung
Zweiter Abschnitt. Versuch
Dritter Abschnitt. Teilnahme
Vierter Abschnitt. Gründe, welche die Strafe ausschließen oder mildern
Fünfter Abschnitt. Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen
Zweiter Teil. Von den einzelnen Verbrechen, Vergehen und Übertretungen und deren Bestrafung
Vorbemerkung
Erster Abschnitt. Hochverrat
Zweiter Abschnitt. Staatsgefährdung
Dritter Abschnitt. Landesverrat
Vierter Abschnitt. Handlungen gegen ausländische Staaten
Fünfter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen in Beziehung auf die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte
Abschnitt 5a. Vergehen gegen die Landesverteidigung
Sechster Abschnitt. Widerstand gegen die Staatsgewalt
Siebenter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung
Achter Abschnitt. Münzverbrechen und Münzvergehen
Neunter Abschnitt. Falsche uneidliche Aussage und Meineid
Zehnter Abschnitt. Falsche Anschuldigung
Elfter Abschnitt. Vergehen, welche sich auf die Religion beziehen
Zwölfter Abschnitt. Straftaten gegen den Personenstand, die Ehe und die Familie
Dreizehnter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit
Vierzehnter Abschnitt. Beleidigung
Fünfzehnter Abschnitt. Zweikampf
Sechzehnter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider das Leben
Siebzehnter Abschnitt. Körperverletzung
Achtzehnter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die persönliche Freiheit
Neunzehnter Abschnitt. Diebstahl und Unterschlagung
Zwanzigster Abschnitt. Raub und Erpressung
Einundzwanzigster Abschnitt. Begünstigung und Hehlerei
Zweiundzwanzigster Abschnitt. Betrug und Untreue
Dreiundzwanzigster Abschnitt. Urkundenfälschung
Vierundzwanzigster Abschnitt. Bankerott
Fünfundzwanzigster Abschnitt. Strafbarer Eigennutz und Verletzung fremder Geheimnisse
Sechsundzwanzigster Abschnitt. Sachbeschädigung
Siebenundzwanzigster Abschnitt. Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen
Achtundzwanzigster Abschnitt. Verbrechen und Vergehen im Amte
Neunundzwanzigster Abschnitt. Übertretungen
Nebengesetze
1. Gesetz über die Presse
2. Gesetz gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen
3. Gesetz über das Auswanderungswesen (betr. Mädchenhandel)
4. Börsengesetz
5. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
6. Verordnung betr. Steuerstreik
7. Gaststättengesetz
8. Tierschutzgesetz
9. Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren
10. Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen
11. Gesetz über Kinderarbeit und über die Arbeitszeit der Jugendlichen (Jugendschutzgesetz)
12. Gesetz über die Führung akademischer Grade
13. Verordnung gegen Bestechung und Geheimnisverrat nichtbeamteter Personen
14. Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten
15. Jugendgerichtsgesetz
16. Gesetz zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts
17. Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
18. Bürgerliches Gesetzbuch
19. Saarländisches Gesetz Nr. 518
Sachregister
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Strafgesetzbuch: Mit Erläuterungen und Nebengesetzen [42. Auflage. Reprint 2020]
 9783112320365, 9783112309216

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KOHLRAUSCH-LANGE Strafgesetzbuch

SAMMLUNG

ISIg



GÜTTENTAG

2

Kohlrausch-Lange

Strafgesetzbuch mit Erläuterungen und Nebengesetzen

42. A u f l a g e n e u b e a r b e i t e t von Dr. Bichard Lange Professor des Strafrechts an der Universität Köln

B E R L I N 1959 WALTER

DE

GRUYTER

& CO.

vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp.

Archiv-Nr. 21 1 002/59 Satz: Walter de Gruyter & Co., Berlin W 36 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin SW61 Alle Eechte, einschließlich des Rechtes der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten

Vorwort zur 42. Auflage Angesichts der Entwicklung von Gesetzgebung und Rechtsprechung seit dem Erscheinen der 41. Auflage (1956) mußte die erforderlich gewordene Neuauflage wiederum gänzlich durchgearbeitet werden. Auf den E n t w u r f 1956/59 der Großen Strafrechtskommission wurde, soweit der Raum es zuließ, hingewiesen, namentlich bei beabsichtigten grundsätzlichen Neuerungen und bei Begriffsbestimmungen. Die veröffentlichten Entscheidungen der oberen Gerichte sind möglichst vollständig, die des BGH bis zum ersten Heft des 12. Bandes eingearbeitet worden. In verstärktem Maße hat die neue Auflage das Schrifttum aufgeführt und zu würdigen gesucht. Eine Reihe von Grundsatzfragen bedurfte neuer kritischer Betrachtung. Die Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach v e r f a s s u n g s k o n f o r m e r A u s l e g u n g war auf ihre strafrechtlichen Auswirkungen zu untersuchen (§ 2 Anm. I I I A 6). Angesichts einzelner neuer Entscheidungen war die T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t d e r S c h u l d , namentlich die strenge Bindung des Schuldbegriffs an die Formen des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit, zu betonen (§ 59 Anm. IVa). Die I r r t u m s f r a g e n waren an Hand der neuesten Judikatur und Literatur zu überprüfen, vor allem im N e b e n s t r a f r e c h t und im Recht der O r d n u n g s w i d r i g k e i t e n . Unkenntnis von Verboten im Bereich der verwalteten Welt ist etwas ganz anderes als Wertentfremdung bei flagranter Verletzung sozialethisch fundierter Rechtsgüter. Das Begriffspaar Tatbestandsirrtum-Verbotsirrtum kann daher nicht schematisch von einer Rechtssphäre in die andere übertragen werden (Syst. Vorbem. IV 4 b und § 59 Anm. V 3d).

Vorwort

VI

Das R e c h t s g u t war als Zentralbegriff des Strafrechts zu betonen gegenüber neuerlichen Tendenzen, sich mit allgemeinen Wertungen — wie der Auflehnung gegen die Rechtsordnung, der Gefährlichkeit, der betätigten Gesinnung, der Richtung gegen allgemeine Sicherheitsinteressen — zu begnügen, wie sie namentlich beim Schuldbegriff, im Versuchsbereich, aber auch bei Betrug und Hehlerei hervorgetreten sind (Syst. Vorbem. I U I , V o r b e m . I I I 4 e vor §43, §223 A n m . n i B , §259 Anm.VII 2, § 263 Anm. V lc). Für wertvolle Hilfe bei der Vorbereitung des Materials und bei den Korrekturen danke ich Herrn Landgerichtsrat Dr. Günter W a r d a , Fräulein Referendarin Brigitte S c h m i d t h a l s und den Herren Referendaren Horst F r a n z h e i m , Siegfried S e e l b a c h und Fritz Stöger. Köln/Berlin, im April 1959

Lange

Inhalt Seite

Vorwort Abkürzungen

V X

Systematische Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil des Strafrechts I. Verbrechen II. Tatbestand III. Rechtswidrigkeit IV. Schuld V. Besondere Erscheinungsformen des Verbrechens VI. Positive Strafbarkeit VII. Bedingungen der Verfolgbarkeit Schrifttum Einführungsgesetz z. StGB v. 31. 5.1870

1 2 12 20 24 24 25 26 27

Strafgesetzbuch Einleitende Bestimmungen §§ 1—12

28

E r s t e r Teil Von der Bestrafung der Verbrechen, Vergehen und Übertretungen im allgemeinen Erster Abschnitt. Strafen §§ 13—42 l a . Abschnitt. Maßregeln der Sicherung und Besserung §§ 42a—4zn . . . . Zweiter Abschnitt. Versuch §§ 43—46 Dritter Abschnitt. Teilnahme §§ 47—50 Vierter Abschnitt. Gründe, welche die Strafe ausschließen oder mildern §§51—72 Fünfter Abschnitt. Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen §§73—79

58 120 142 158 190 245

Z w e i t e r Teil Von den einzelnen Verbrechen, Vergehen und Übertretungen und deren Bestrafung Erster Abschnitt. Hochverrat §§ 80—87 Zweiter Abschnitt. Staatsgefährdung §§ 88—98 Dritter Abschnitt. Landesverrat §§ 99—101

260 268 291

VIII

Inhaltsverzeichnis

Vierter Abschnitt. Handlungen gegen ausländische Staaten §§ 102—104b . . Fünfter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen in Beziehung auf die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte §§ 105—108 d 5 a. Abschnitt. Vergehen gegen die Landesverteidigung §§ 109 bis 109 i . . Sechster Abschnitt. Widerstand gegen die Staatsgewalt §§ 110—122 b . . . . Siebenter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung §§ 123—145d Achter Abschnitt. Münzverbrechen und Münzvergehen §§ 146—152 . . . . Neunter Abschnitt. Falsche uneidliche Aussage und Meineid §§ 153—163 . . Zehnter Abschnitt. Falsche Anschuldigung §§ 164—165 Elfter Abschnitt. Vergehen, welche sich auf die Religion beziehen §§ 166—168 Zwölfter Abschnitt. Straftaten gegen den Personenstand, die Ehe und die Familie §§ 169—172 Dreizehnter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit §§ 173—184 b Vierzehnter Abschnitt. Beleidigung §§ 185—200 Fünfzehnter Abschnitt. Zweikampf §§ 201—210 Sechzehnter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider das Leben §§ 211—222 Siebzehnter Abschnitt. Körperverletzung §§ 223—233 Achtzehnter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die persönliche Freiheit §§234—241a Neunzehnter Abschnitt. Diebstahl und Unterschlagung §§ 242—248 c . . . . Zwanzigster Abschnitt. Raub und Erpressung §§ 249—256 Einundzwanzigster Abschnitt. Begünstigung und Hehlerei §§ 257—262 . . . Zweiundzwanzigster Abschnitt. Betrug und Untreue §§ 263—266 Dreiundzwanzigster Abschnitt. Urkundenfälschung §§ 267—281 Vierundzwanzigster Abschnitt. Bankerott. — R e i c h s k o n k u r s o r d n u n g §§239—244 Fünfundzwanzigster Abschnitt. Strafbarer Eigennutz und Verletzung fremder Geheimnisse §§ 284—302 e Sechsundzwanzigster Abschnitt. Sachbeschädigung §§ 303—305 Siebenundzwanzigster Abschnitt. Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen §§306—330c Achtundzwanzigster Abschnitt. Verbrechen und Vergehen im Amte §§ 331—359 Neunundzwanzigster Abschnitt. Übertretungen §§ 360—370

Seite

299

301 308 324 339 368 372 398 402 405 413 447 466 469 495 512 526 548 558 573 598 613 615 634 638 673 709

Nebengesetze (meist im Auszug) 1. Pressegesetz. Vom 7. 5. 1874 2. Sprengstoffgesetz. Vom 9. 6. 1884

727 728

Inhaltsverzeichnis

IX Seite

3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.

Auswanderungsgesetz. (Mädchenhandel.) Vom 9. 6. 1897 729 Börsengesetz. Vom 8. (27.) 5. 1908 730 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Vom 7. 6.1909 730 Verordnung betr. Steuerstreik. Vom 15. 9. 1923 731 Gaststättengesetz. Vom 28. 4.1930 732 Tierschutzgesetz. Vom 24. 11.1933 732 Depotgesetz. Vom 4. 2. 1937 733 Gesetz über Titel, Orden usw. Vom 26. 7. 1957 734 Gesetz über Einderarbeit. Vom 30. 4. 1938 735 Gesetz über akademische Grade. Vom 7. 6. 1939 735 Verordnung gegen Bestechung und Geheimnisverrat nichtbeamteter Personen. Vom 23. 5. 1943 735 14. Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten. Vom 23. 7.1953 . . 737 15. Jugendgerichtsgesetz. Vom 4. 8.1953 741 16. Wirtschaftsstrafgesetz. Vom 9. 7. 1954 748 17. Gesetz über Ordnungswidrigkeiten. Vom 25. 3.1952 751 18. Bürgerliches Gesetzbuch (Auszug) 753 19. Saarländisches Gesetz Nr. 518. Vom 9. 7. 1956 755

Nebengesetze im Text Reichsabgabenordnung v. 22. 5. 1931 § 395 Personenstandsgesetz v. 18. 5. 1957 Erbgesundheitsgesetz v. 14. 7. 1933 § 14 Straßenverkehrsordnung v. 29. 3. 1956 § 1, 49 Gesetz über den Verkehr mit unedlen Metallen v. 23. 7. 1923/28. 6. 1929 § 17 Gesetz über den Verkehr mit Edelmetallen v. 29. 6. 1926 § 4 Konkursordnung v. 17. 5. 1898 §§ 239—244 Straßenverkehrszulassungsordnung v. 29. 3. 1956 § 2 Abs. 1 S. 1

217 405 483 494 527 526 613 649

Sachregister

756

Abkürzungen (vgl. auch das Schrifttum S. 26) A. od. Anm. a. A. a. a. 0 . a. F. AG od. AGer. AV BAnz BayObLG BayObLGSt.

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BB BBG b. E. BGBl. BGH BGHSt. BGHZ. BJM BVerfG BVerwG DAR DevRdsch., DevR DJ DJZ DOG DR DRiZ DRspr. DRZ

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Anmerkung anderer Ansicht am angeführten Ort alte Fassung oder: alte Folge Amtsgericht Allgemeine Verfügung Bundesanzeiger Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen (nach Bänden oder Jahrgängen zitiert) Betriebsberater Bundesbeamtengesetz 1953 bedingte Entlassung Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen desgl. in Zivilsachen Bundesjustizminister Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Deutsches Autorecht (herausgegeben vom ADAC) Deutsche Devisen-Rundschau Deutsche Justiz Deutsche Juristenzeitung Deutsches Obergericht für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet Deutsches Recht (früher: Juristische Wochenschrift) Deutsche Richterzeitung Deutsche Rechtsprechung Deutsche Rechts-Zeitschrift; in älteren Zitaten = Deutsche Richterzeitung Deutsches Strafrecht Deutsche Rechtspflege Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen oder: Entwurf Entwurf eines neuen StGB Reinhard Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 18. Aufl., 1931 Goltdammers Archiv f ü r Strafrecht (bis 1953 nach Bänden, seitdem nach Jahrgängen zitiert) Generalbundesanwalt Ges. zur Bek. der Geschlechtskrankheiten Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

Abkürzungen GnO GRUR GS GSSt. herrsch. A. HESt. HRR JGG JMB1, JMinBl. JMB1. NRW JR JZ JW KE KG od. KGer. KO KRG Krim. Abh. LG od. LGer. LK

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XI

Gnadenordnnng Gewerblicher Rechtsschutz u. Urheberrecht Gerichtssaal Großer Senat des Reichsgerichts f ü r Strafsachen herrschende Ansicht Höchstrichterliche Entscheidungen in Strafsachen Höchstrichterliche Rechtsprechung Jugendgerichtsgesetz Justizministerialblatt Justizministerialblatt Nordrhein-Westfalen Juristische Rundschau Juristenzeitung Juristische Wochenschrift Kommissionsentwurf von 1913 Kammergericht Konkursordnung Kontrollratsgesetz Kriminalistische Abhandlungen Landgericht Leipziger Kommentar zum StGB von Nagler, Mezger, Jagusch u. a., 8. Aufl. v. Liszt-Schmidt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 25. Aufl., Allg. Teil, 26. Aufl. Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes Leipziger Zeitschrift Materialien zur Strafrechtsreform Monatsschrift für deutsches Recht Mitteilungen der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung Monatsschrift für Kriminalbiologie (seit 1953: Kriminologie) und Strafrechtsreform Niedersächsische Rechtspflege neue Fassung Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Oberbundesanwalt Oberstes Gericht der Sowj. Bes. Zone Oberster Gerichtshof für die Britische Zone Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone in Strafsachen Oberverwaltungsgericht Olshausen, Kommentar zum StGB, 11. u. 12. Aufl. Oberreichsanwalt Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Entscheidungen der Vereinigten Strafsenate Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen Das Recht des Kraftfahrers Das Recht, Monatsbeilage zur Deutschen Justiz

Abkürzungen

XII RG od. RGer. RGBl. RGes. RJM RKG RLG RuStAGes. SchlHA Schwarz SchwZStr., SchweizerZStR SJZ StPO Str.Abh. StrK StÄG Syst.Vorb. SzB TB Thür. UWG VD VDA VDB VE VerkMitt. VkBl. VO Vorb. VRS VRStVO WStG WiStG ZAk. ZBIJugR ZStW ZZP

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Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgesetz Reichsjustiz minister Entscheidungen des Reichskriegsgerichts Reichsleistungsgesetz Reichs- u. Staatsangehörigkeitsgesetz v. 22. 7. 1913 Schleswig-Holsteinische Anzeigen Schwarz, Strafgesetzbuch

= Schweizerische Zeitschrift f ü r Strafrecht (nach Bänden oder Jahrgängen zitiert) = Süddeutsche Juristenzeitung = Strafprozeßordnung = Strafrechtliche Abhandlungen = Strafkammer = Strafrechtsänderungsgesetz = Systematische Vorbemerkungen vor § 1 = Strafaussetzung zur Bewährung = Tatbestand = StGB in der Fassung des Thüringischen Anwendungsgesetzes v. 1. 11.45 = Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb = Vergleichende Darstellung des deutschen u. ausl. Strafrechts. Vorarbeiten zur deutschen Strafrechtsreform (1905/08) = Vergleichende Darstellung des Strafrechts, AUg. Teil = Vergleichende Darstellung des Strafrechts, Bes. Teil = Vorentwurf 1909 = Verkehrsrechtliche Mitteilungen (1. 1954ff.) = Verkehrsblatt. Amtsblatt des Bundesministers für Verkehr = Verordnung = Vorbemerkung = Verkehrsrechts-Sammlung (nach Bänden zitiert) = Verbrauchsregelungs-Strafverordnung = Wehrstrafgesetz = Wirtschaftsstrafgesetz = Zeitschrift der Akademie für deutsches Recht = Zentralblatt f ü r Jugendrecht u. Jugendwohlfahrt = Zeitschrift f ü r die gesamte Strafrechtswissenschaft = Zeitschrift f ü r Zivilprozeß

Zitierweise Sind Band oder Jahrgang fett gedruckt, so steht dort ein Gerichtsurteil; anderenfalls ein Aufsatz oder eine Anmerkung zu einem Gerichtsurteil. Ohne weiteren Zusatz weist die fett gedruckte Ziffer auf ein Urteil des Reichsgerichts.

Systematische Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil des Strafrechts I. "Verbrechen — (i. w. S. gleich „Straftat"; enger § 1) — ist Unrecht, das dem Täter als strafbare Pflichtwidrigkeit zugerechnet wird. BGHSt. 2 364 (368): Das Verbrechen muß nicht zuletzt als Pflichtverletzung gewertet und darf nicht einseitig in der Verletzung eines Einzelinteresses gesehenwerden. —Strafgrund ist diepersönlicheSchuld. Anlaß, die Schuldfrage aufzuwerfen, ist die Rechtswidrigkeit: das Nicht-sein-sollende eines derartigen Verhaltens; die Frage der R e c h t s w i d r i g k e i t (III) also vor der des Verschuldens (IV) zu prüfen, und zwar unter strenger Bindung an die gesetzlichen T a t b e s t ä n d e (II). Beisp.: Erste Frage: H a t A den B im Sinne der §§ 211 oder 212 getötet? Wenn ja: zweite Frage: hatte er einen Rechtfertigungsgrund, z. B. Notwehr ? Wenn nein: dritte Frage: ist diese nicht gerechtfertigte Tötung ihm zur Schuld zuzurechnen oder hatte er z. B. den Entschuldigungsgrund des Notstandes ? Eine vierte Frage: ob alle Verbrechen positiv mit Strafe bedroht und verfolgbar sind, ist ausnahmsweise zu verneinen z. B. bei Diebstahl unter Ehegatten (§247 Abs. 2) oder bei verjährten Taten. An der Notwendigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld zu unterscheiden, ändert nichts, daß bereits zur Tatbestandsmäßigkeit und zur Rechtswidrigkeit „subjektive" Momente gehören, d. h. Vorgänge im Innenleben des Täters. Z. B. können äußerlich gleiche Handlungen ärztliche Untersuchung oder „Unzucht" sein. Ist die Handlung der Willensrichtung entsprechend Unzucht, so ist immer noch die Frage der rechtlichen Schuldzurechnung offen. Jeder Untersuchung, ob ein gegebener Sachverhalt eine strafbare Handlung darstellt, ist die obige D r e i t e i l u n g —• Tatbestandsmäßigkeit — Rechtswidrigkeit — Schuld — in d e r a n g e g e b e n e n R e i h e n f o l g e der Fragen zugrunde zu legen. Die Frage nach einem strafrechtlichen „Verschulden" ist gegenstandslos, wenn der Täter so handeln durfte; und die Frage wiederum, ob er dies durfte, ist gegenstandslos, wenn überhaupt kein strafgesetzlicher T a t b e s t a n d verwirklicht ist. Eine Neugruppierung des Verbrechenssystems unternehmen die Grundrisse und Lehrbücher von G r a f D o h n a , auf dem Boden der finalen Handlungslehre W e l z e l , v . W e b e r , M a u r a c h sowie B u s c h , Moderne Wand1

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

2

Systematische Vorbemerkungen II

lungen der Verbrechenslehre (1949), Niese, Finalität usw., 1951; mit kritischem Abstand Gallas, Zum gegenwärtigen Stand der L. v. V., ZStW 67, lff.; Nowakowski, Zu Welzels Lehre von der Fahrlässigkeit, J Z 58, 335ff., 388ff. Übersicht bei E n g i s c h , Entwicklung usw., ZStW 66, 239ff. Am bisherigen Systemaufbau halten demgegenüber fest Mezger StB, S a u e r , Allg. StrRLehre, Wegner, Allg. Teil, Spendel, Grundfragen, Rittler-Festsohr. 39, i. allg. auch H. Mayer, StrR. Dazu näher in Anm. I I zu § 59. Vgl. insbesondere zur Handlungslehre die in ZStW 63, 456ff.; 65, 54 zu Nr. 1, 2, 3 besprochenen Schriften sowie Mezger, Die Handlung im Strafrecht, Rittler-Festschr. 119; M a i h o f e r , Handlungsbegriff, 1953, dazu L a n g - H i n r i c h s e n , J R 54, 88; Schmidhäuser, Willkürlichkeit und Finalität, ZStW 66, 27; derselbe, Gesinnungsmerkmale im Strafrecht, 1958; desgl. Hardwig, ZStW 68, 14; zur Tatbestandslehre: Mezger, Wandlungen, NJW 53, 2; H. Mayer, Bestimmtheit usw., J Z 53, 105; Sauer, Die beiden Tatbestandsbegriffe, Mezger-Festschr. 1954, 117; S c h w e i k e r t , Die Wandlungen der Tatbestandslehre seit Beling, Freiburger Abh. Bd. 9, 1957; W ü r t e n berger, Die geistige Situation der deutschen Strafrechtswissenschaft, 1957; Sauer, Tatbestand, Unrecht, Irrtum und Beweis, ZStW 69, 1; E n g i s c h , Die normativen TB-Elemente, Mezger-Festschr. 127; derselbe, Subj. Tatbestands- und Unrechtselemente, Rittler-Festschr. 165; Maihofer, Der Unrechtsvorwurf, ebendort 141; K u n e r t , Die normativen Merkmale der strafr. Tatbestände, 1958.

n. A. In den Tatbeständen trifft das Strafgesetzbuch eine Auswahl aus dem Bereich des Unrechts (unten III), und zwar darf um der Rechtssicherheit willen nur im Rahmen dieser festumrissenen Unrechtstypen gestraft werden (§ 2) ; Umgehung des Gesetzes nur, falls dies ausdrücklich bestimmt ist, wie im Steuerrecht. Eine positivrechtliche Betrachtung hat daher von den Tatbeständen auszugehen, obwohl sie die Rechtswidrigkeit einer Handlung nicht begründen, sondern bereits voraussetzen. Darüber unten zu III. Daß die — außerstrafrechtliche — Unreohtserklärung den Tatbeständen vorausliegt, wird heute vor allem im N e b e n s t r a f r e c h t deutlich. Vgl. §§ 1, 2 WiStG 1954, die sich auf die Strafsanktion für anderswo ausgesprochene wirtschaftsregelnde Normen beschränken. Zwischen dem Verbot, also der Rechtswidrigkeitserklärung, und der strafrechtlichen (oder Ordnungs-)Sanktion ist übrigens hier ein weiteres formales Element eingeschaltet. So heißt es z. B. an der in § 1 Nr. 7 WiStG zit. Stelle: „Wer den . . . Vorschriften zuwiderhandelt, . . . . begeht, sofern die Vorschrift ausdrücklich auf die Straf- und Bußgeldbestimmungen dieses Gesetzes verweist, eine Zuwiderhandlung im Sinne d e s . . . Wirtschaftsstrafgesetzes." Entsprechend ist § 2 WiStG selbst formuliert. Ähnlich schon §§396, 401a, 402, 430 RAO. Im klassischen Strafrecht ist diese vierfache Stufenfolge von Rechts-

Systematische Vorbemerkungen II

3

Widrigkeitserklärung, Abstempelung als strafrechtlich relevantem Unrechtstyp, dessen Beschreibung und Sanktion heute kaum noch erkennbar. Vgl. aber noch § 175 PreußStGB: „Wer einen Menschen mit Überlegung tötet, . . . . b e g e h t einen Mord und wird mit dem Tode bestraft." § 185 StGB wiederum beschränkt 8ich auf den Unwertausdruck „Beleidigung" und verzichtet auf eine Handlungsbeschreibung; denn z. B. Bescholtenheit kann einer an sich beleidigenden Kundgebung der Mißachtung den Charakter der Beleidigung nehmen (E 75 182). Wiederum andere Tatbestände umschreiben zwar ein Verhalten, aber mit wertenden Begriffen, z. B. „mißhandeln" in §§ 223 ff., „Steuerhinterziehung" in § 396 RAO, die Steuerunehrlichkeit voraussetzt (E 60 97 und ständig, RFinH 31 70). Stets aber hat die Vertypung des Unrechts eine Doppelfunktion: einerseits die, besonders schwere und unerträgliche Rechtsbrüche aus der Masse der unerlaubten Handlungen herauszuheben, andererseits die, der staatlichen Strafgewalt eindeutige, feste und unüberschreitbare Grenzen zu setzen (Art. 103 Abs. 2 GG, § 2 StGB: Garantie der Rechtssicherheit).

Die Tatbestände beschreiben bestimmte H a n d l u n g e n als sozial erhebliches Verhalten. Ausnahmsweise gibt es auch Tatbestände ohne Handlung, die unmittelbar asoziale Existenzformen, wie den Zuhälter, Landstreicher, Arbeitsscheuen, §§ 181a, 361 Nr. 3, 5 erfassen oder die bloße Nichterfüllung von Pflichten als „Zuwiderhandlungen" ahnden, z. B. im Wirtschaftsrecht, vgl. JZ 56, 76 Anm. 35 sowie unten IV 4). I n der Regel aber knüpft die Strafdrohung an umschriebenes Einzelverhalten an. B. Handlung ist „ein aus Überlegungen und Entschlüssen entsprungenes, von einem natürlichen Willen geleitetes Verhalten" (BGHSt. 3 289), das durch die Aufnahme in die gesetzlichen Tatbestände als typisches U n r e c h t von besonderer Schwere gestempelt wird, wie „töten", „mißhandeln", „beleidigen". Doch dienen innerhalb der gesetzlichen Deliktsgruppen (Tötungs-, Eigentumsdelikte usw.) einzelne Tatbestände nicht der Unrechts-, sondern der Schuldtypisierung; auch innerhalb des gleichen Tatbestandes können beide Arten von Merkmalen vorkommen. Gegenüber dem Totschlag sind der Mord ein typisierter Schuldsteigerungsgrund, §§ 213, 216, 217 typisierte Schuldminderungsgründe. Näheres dort. Über diese Funktion der Tatbestände vgl. J R 49, 165, aber auch schon Goldschmidt, Frank-Festg. I 462 f. Zustimmend Mezger, N J W 53, 2, Gallas, ZStW 67, 29, Engisch, GA 1955, 166; vgl. auch Hardwig, ZStW 68, 14. Die negative Wertung der Handlung knüpft in der Regel daran an, daß das Verhalten in tatbestandsmäßiger Weise als W i l l e n s b e t ä t i g u n g auf einen E r f o l g , d . i . eine Veränderung in der Außenwelt, gerichtet ist und ihn herbeiführt. Aber die auf den deliktischen Erfolg gerichtete Willensbetätigung kann auch — als V e r s u c h s handlung — für sich allein relevant sein oder umgekehrt die Erfolgsl*

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Systematische Vorbemerkungen II

Verursachung ohne darauf gerichteten Willen — als f a h r l ä s s i g e Handlung. Grund: im ersten Fall erwartet der Täter den Erfolg, im zweiten die Rechtsordnung vom Täter die Vermeidung des Erfolges. Dort kommt es nicht darauf an, ob der Erfolg erreichbar war, hier nicht darauf, ob der Täter überhaupt einen Willen betätigte. Schließlich kann ein Verhalten deshalb negativ gewertet werden, weil die Rechtsordnung einen bestimmten Erfolg und eine darauf gerichtete Willensbetätigung erwartet und in beidem enttäuscht wird: ein Hausbesitzer vergißt, bei Glätte vor seiner Tür zu streuen; jemand erfährt einen Mordplan und kommt nicht auf den Gedanken, die Polizei oder den Bedrohten zu benachrichtigen. Mit dem Erfordernis der — wirklichen oder erwarteten — W i l l e n s betätigung wird der Handlungsbegriff auf ein f i n a l e s Element bezogen. Vgl. hierzu vor allem Welzel § 11 I : Der Vorsatz gehöre zur Tatbestandshandlung und sei damit ein essentielles Unrechtselement. Daraus folgt aber nicht, daß dieses Merkmal n u r unter Handlungs- oder Unrechtsgesichtspunkten bedeutsam sei. So seit den letzten Auflagen seines Lehrbuchs auch Welzel § 22 A I. Vgl. unten Anm. I I zu § 59, ferner ZStW 63, 477ff., 504ff., 65, 59. — Finalität ist nicht gleich Vorsatz. Bei diesem muß zum ontologischen immer noch ein normatives Element treten. Beispiel § 84, dessen Handlung final, z. T. mit überschießender Innentendenz erfüllt („zum Zwecke . . .") und der dennoch ein Fahrlässigkeitsdelikt ist. Vgl. unten zu IV 4 b) sowie Nowakowski J Z 58, 335ff., 338ff. mit Lit. Ang. I. Kausalzusammenhang ist Bestandteil der Tatbestandsmäßigkeit dann, wenn der Tatbestand außer der Willensbetätigung auch den Eintritt eines Erfolges voraussetzt. Die herrschende Lehre nimmt KZ an, wenn die Willensbetätigung eine nicht wegdenkbare Bedingung des Erfolgs ist; einerlei ob eine mehr oder weniger entfernte, ob eine mehr oder weniger wirksame, ob eine allein oder nur mit anderen Bedingungen zusammen wirksame, ob der Erfolg objektiv vorhersehbar war oder „zufällig" eintrat: sog. B e d i n g u n g s - o d e r Ä q u i v a l e n z t h e o r i e (E 56 348, 57 285, 63 211, 66 184, 67 69, 69 44, 70 257, 76 86), gegenüber den Theorien der adäquaten Verursachung. Ebenso Braunschweig SJZ 49 130 (Anm. Spendel) und jetzt der BGH: BGHSt. 1 332 = J Z 51 787 (Anm. Engisch) zu § 226 unter ausdrücklicher Ablehnung der Adäquanztheorie (s. u.). Ursache und Folge sind dabei nicht mechanisch-naturwissenschaftlich, sondern in ihrer rechtlichen Bedeutung aufeinander zu beziehen: ursächlich ist ein verkehrswidriges Verhalten nur, wenn so gut wie sicher ist, daß es bei verkehrsgerechtem Verhalten nicht zu dem Erfolg gekommen wäre (auch bei Einhalten des gebotenen Seitenabstandes wäre der überholte, stark angetrunkene Radfahrer mit hoher Wahrscheinlichkeit überfahren worden). So BGHSt. 11 1 ( = J Z 58 280

Systematisohe Vorbemerkungen II

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m. zust. Anm. Mezger). Gegenstück BGH VRS 10 359 (Kausalität pflichtwidriger Unterlassung wirksamen Bremsens). — Fahrlässige Verursachung ist, wie Baumann DAR 55, 210 mit Recht betont, nicht gleich Verursachung plus Fahrlässigkeit. Ebensowenig reicht Unfallbeteiligung plus Vorschriftswidrigkeit aus. Vgl. außer BGHSt. 11 1 noch Köln DAR 55 198 (Fahren ohne Führerschein), Celle DAR 56 16 (vorschriftswidriges Schlußlicht), Hamm JMB1. N R W 56 92 (zu schnelles Fahren). Dagegen Karlsruhe N J W 58 430. — Eine U n t e r b r e c h u n g des KZ bei schuldhaftem (vorsätzlichem oder fahrlässigem) Einwirken eines anderen auf den tatbestandsmäßigen Erfolg erkannte schon das RG (entgegen vereinzelten früheren Entscheidungen) nicht mehr an. Vgl. unten IV sowie E 56 348, 58 366, 61 318, 64 316 u. 370, 67 17, 69 44; H R R 41 789. Ebenso jetzt BGH bei Daliinger MDR 56 526 (betr. Gnadenschuß eines Dritten); hierzu Schönke-Schröder 8 S. 24. — Die notwendige Korrektur des Einzelfalls sieht die Bedingungstheorie in dem Erfordernis des (subjektiven) Verschuldens. Vgl. jetzt § 56 mit Anm. — Abweichend sieht die sog. A d ä q u a n z t h e o r i e (begründet von v. Kries) nur die Willensbetätigung als Ursache an, die g e n e r e l l , e r f a h r u n g s g e m ä ß g e e i g n e t ist, den Erfolg herbeizuführen. Damit wird ein für d i e T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t der Handlung, namentlich für ihre objektive Finalität, beachtlicher Gesichtspunkt auf das Kausalgebiet verschoben. Für sie Maurach 2 160ff., Henkel in Anm. zu Stuttgart N J W 56 1451. Richtiger insoweit die R e l e v a n z theorie Mezgers (Lb. S. 116, 122, StB I 69, LK Einl.); sie ist der Sache nach in BGHSt. 11 1 (s. o.) anerkannt. Vgl. auch den nächsten Abs. Kritisch zur herrschenden Lehre Engisch (a. a. 0 . und: Kausalität usw. 1931; Vom Weltbild des Juristen 1950, 110); H.Mayer, StR S. 126; Nagler L K 7 Einl. Anhang (mit Übersicht). Aus dem gleichen Grunde sind die älteren i n d i v i d u a l i s i e r e n d e n Kausaltheorien (Ursache sei nur die w i r k s a m s t e Bedingung oder die, die das Ü b e r g e w i c h t zum Erfolge herstelle) abzulehnen. So ausdrücklich E 69 47, BGHSt. 4 76. Ursache ist auch, was nur den Erfolg beschleunigt, der ohnehin eingetreten wäre: E 22 325, 69 321, 70 258, Rspr. 10 270, OGH J R 50 404. Der ursächliche Zusammenhang wird weder durch Mitverschulden des Verletzten (E 6 250, 22 174, 77 18, DR 40 2061) noch durch seine besondere Anfälligkeit ( E 5 30: Augenleiden, 54 349: Bluter) in Frage gestellt, auch nicht dadurch, daß sich ein Dritter bewußt einschaltet (E 61 319: fahrl. Tötung durch Beziehenlassen einer feuergefährdeten Wohnung, in der Menschen bei Brandstiftung umkamen; 64 318). Anders, wenn es bewirkt, daß der Erfolg überhaupt nicht auf das Verhalten des Täters zurückzuführen ist (RG DR 40 2061, E 77 18 betr. Verhalten des Opfers) oder aber wenn auch das verkehrsgerechte Verhalten des verkehrswidrig Überholenden mit

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Systematische Vorbemerkungen II

an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den gleichen Erfolg herbeigeführt haben würde (BGHSt. 11 1, s. o.); im Überholen lag kein unrechtstypisches, grundsätzlich verpöntes Verhalten, sondern ein grundsätzlich erlaubtes, aber an Ordnungsregeln gebundenes. Deshalb waren hier nicht Handlung und Unterlassung, sondern ordnungsmäßiges und ordnungswidriges Handeln zu vergleichen; so besonders deutlich Karlsruhe NJW 58 430 mit Nachweisungen. — Von der Kausalfeststellung scharf zu scheiden ist: 1. die Frage, ob der Eingriff eines Dritten dem Handelnden die T a t h e r r s c h a f t aus der Hand nimmt (der als Opfer eines Giftmordanschlags Ausersehene erkennt das Gift und begeht damit Selbstmord); dazu Notwendige Teilnahme (Abh. des Berl. Kriminst. 1940) S. 61; 2. die Frage, ob die Schuld durch Eigenverschulden des Verletzten ausnahmsweise berührt wird (E 57 172, vgl. §59 IV 3 b).— Die abgelehnten individualisierenden Kausaltheorien arbeiten überdies statt mit dem Gedanken der conditio sine qua non mit der naturwissenschaftlichen Kategorie der causa efficiens, was methodisch bedenklich ist und das Problem der Unterlassung unlösbar macht. Vgl. aber Nagler a. a. 0.: „nur die im sozialen Zusammenhang ausschlaggebende" Bedingung sei Ursache. II. Auch eine Unterlassung kann sozial erhebliches Verhalten sein. 1. Zu unterscheiden e c h t e und u n e c h t e U. Echte, wenn ein gebotenes Tun unterlassen, ein erwünschter Erfolg nicht herbeigeführt wird, wie z. B. die Anzeige eines Verbrechensvorhabens in § 138; ferner z. B. §§ 116, 123 (sich nicht entfernen), 143, 330 c. Unechte, wenn sie nur eine besondere Erscheinungsform der v e r b o t s w i d r i g e n Begehung ist, z. B. die Mutter tötet ihr Kind, indem sie ihm nichts zu essen gibt. 2. Auch Unterlassungen können f i n a l , zielbewußt auf die Herbeiführung eines verbotenen bzw. Nichtherbeiführung eines gebotenen Erfolges gerichtet, oder bloß k a u s a l sein. Kausal sind die unechten UDelikte, wenn der Unterlassende den Erfolg abwenden konnte. Das RG formuliert, indem es statt der nichtwegdenkbaren Erfolgsbedingung (oben Vorbemerkung II B I) die hinzudenkbare setzt: „Eine U ist nur dann ursächlich, wenn die unterlassene Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne daß zugleich der Erfolg wegfiele": E 63 392, 75 50. Zu beachten ist aber, daß hier nicht ein wirkliches, sondern ein unterstelltes Geschehen auf seine erfolgabwendende Bedeutung zu prüfen ist. Daraus folgt, daß — anders als bei Prüfung der Kausalität positiven Tuns — ein W a h r s c h e i n l i c h k e i t s u r t e i l genügen muß, d. h.Jwie Maurach 2 465 treffend bemerkt, mit den Maßstäben der Adäquanztheorie gearbeitet wird. Schönke-Schröder8 Vorb. VI 3 sprechen von bloßer Quasi-Kausalität, einer Gleichstellung nicht im Ontologischen, sondern nur im Normativen (mit Hinweis u. a. auf Gallas ZStW 67, 8ff.).

Systematische Vorbemerkungen II

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Die Frage: „wäre der Tod des Kranken vermieden worden, wenn der Arzt eine Seruminjektion gemacht hätte V kann höchstens „mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit" bejaht werden. E 51 127,58 130, 74 350, 75 50, 324 mit Anm. Mezger in ZAk. 42 29 und Anm. Kalifelz in DR 41 2235; E 75 372 mit Anm. Würtenberger in ZAk. 42, 167. Nach BGH bei Dallinger MDR 56 144 (vgl. auch MDR 53 20) sind dabei alle konkreten Umstände zu berücksichtigen; eine „der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechende Wahrscheinlichkeit'' (so gelegentlich E 75 328) genüge nicht. Vgl. hierzu Mezger, Lehrbuch 130—150, StB I § 28 II, der ebenfalls auf die Kausalität der erwarteten Handlung abstellt, und andererseits Eb. Schmidt, Arzt im Strafrecht S. 85, dessen Auffassung der unechten Unterlassungsdelikte als „Nichtabwendung des Erfolges" (ebenso Welzel § 27 I I 1 a ß) eine schärfere Unterscheidung von den echten ermöglicht. — Auch bei aktivem Tun hängt die Kausalität u. U. von einem Wahrscheinlichkeitsurteil ab, vgl. oben zu I (BGHSt. 11 1). 3. T a t b e s t a n d s m ä ß i g e s U n r e c h t ist eine unechte Unterlassung dann, wenn die Passivität der Aktivität gleichgesetzt wird. Von bestimmten Personen erwartet die Rechtsordnung (arg. § 3 Abs. 3: „hätte handeln sollen", ausdrücklich § 14 Entw. 1959) die Abwendung drohender Rechtsgutsverletzungen. Wenn sie solche Personen besonders zur Abwendung drohender Erfolge verpflichtet und im Vertrauen darauf weitere Sicherungen unterläßt, wird sie durch die Nichtabwendung des Erfolges beeinträchtigt. Zur Tatbestandsmäßigkeit der Handlung tritt hier die Täterschaftsmäßigkeit des Handelnden (über diesen Begriff vgl. Lange, Notw. Teilnahme, 15ff.). Ebenso Welzel § 27 I (seit 5. Aufl.). Das Tatbestandsproblem erkannte als erster Nagler GS 111 S. l f f . — Kritisch H. Mayer, SJZ 47, 12ff., MatStRRef. I 275 sowie Grünwald, ZStW 70, 412 (de lege fer.); vgl. auch unten zu e). Die Gleichstellung geschieht entweder a) im Tatbestande selbst, z. B. §§ 121, 221, 223b, 315, 357, 361 Nr. 9 StGB, oder b) im s o n s t i g e n G e s e t z e s r e c h t , insbes. dem Familienrecht und im öffentlichen Recht. Z. B. Personensorgepflicht der Eltern: E 66 73, 143; 69 283; 70 82, 390; 71193; BGHSt. 2 153; über die Pflichten der Polizei J W 39 543 mit Anm. Mittelbach, oder c) auf Grund b e s o n d e r e r P f l i c h t e n ü b e r n a h m e . Z. B. wer einen Hilflosen in Pflege nimmt, muß für ihn sorgen und begeht andernfalls rechtswidrige Körperverletzung. Das Kindermädchen achtet nicht auf das Kind, so daß dieses zu Schaden kommt. Hierzu E 10 100, 38 123, 46 25, 71 193, 74 353. Strafgrund ist in diesen Fällen nicht der Vertragsbruch als solcher, sondern die durch ihn geschaffene Gefahrlage. E 17 261. Eine solche kann aber auch unabhängig von einer Vereinbarung entstehen aus

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Systematische Vorbemerkungen II

d) v o r a n g e g a n g e n e m T u n (Bedenken gegen diesen Satz bei Welzel 8 182f.). Z. B. Mitnahme eines Ungeübten auf eine gefährliche Bergbesteigung, oder: jemand hat einen anderen versehentlich eingeschlossen und befreit ihn nicht, nachdem er es bemerkt hat. Der Strafgrund folgt hier unmittelbar aus dem an die Spitze gestellten Satz. Wer — schuldhaft oder nicht: E 70 227, Hamm HESt. 2 243, BGHSt. 4 20 — die Gefahrlage geschaffen hat, von dem wird erwartet, daß er den drohenden Erfolg abwendet; wenn nicht, haftet er für ihn (anders bei rechtmäßigen Handlungen, vgl. BGHSt. 3 203 gegen E 51 12; bedenklich Hamm VHS 57 45; wer aus Höflichkeit einen anderen über die Fahrbahn geleite, übernehme damit eine Rechtspflicht zur Erfolgsabwendung). Zudem befindet er sich regelmäßig in der Schlüsselstellung, von der aus die Verletzung abgewendet werden kann. Hierzu E 24 339, 46 343, 51 9, 57 197, 58 130, 244, 60 77, 63 392, 64 372, 68 99, 69 321, 70 151, 73 52. Ebenso BGH N J W 53 1838, 54 1047. Einschränkend jedoch in MDR 56 271 (Daliinger) : der Grundsatz könne, uneingeschränkt angewandt, die Verantwortlichkeit unerträglich ausdehnen. Ob dem Täter im Einzelfall z u g e m u t e t werden konnte, den Erfolg abzuwenden, und ob er sich dieser Pflicht bewußt gewesen sei, müsse daher sorgfältig geprüft werden. Konkrete Beurteilung fordert auch Henkel, Recht und Individualität, 1958, 64f. Zur Frage der Zumutbarkeit vgl. auch unten § 330c Anm. IV 2. — Mehrfach wurde Beihilfe zum Meineid, begangen durch Unterlassung, in Fällen angenommen, wo jemand durch eigenes Verhalten (z. B. durch wahrheitswidrige Parteibehauptung oder -bestreitung in einem Ehescheidungs- oder einem Unterhaltsprozeß) die Gefahr bewirkt habe, daß auch ein Zeuge in diesem Sinne falsch aussagen werde, wodurch er verpflichtet sei, den Zeugenmeineid zu verhindern: E 72 23, 75 271; DR 43 577. Einschränkend auch hier jetzt BGH im Anschluß an Maurach: eine inadäquate Gefahr muß herbeigeführt sein; ähnlich Köln N J W 57 34. Darüber unten § 154 Anm. VII. e) S o z i a l e S o n d e r s t e l l u n g , z. B. enge Lebensgemeinschaft, natürliche Blutsbande (uneheliche Vaterschaft), Familienautorität, Stellung als Haushaltungsvorstand oder eine sonstige persönliche Nähe oder Überlegenheitssituation soll nach der Rspr. ebenfalls für bestimmte Personen eine Garantenhaftung begründen. Hier unmittelbarer Rückgriff des StrR auf s o z i o l o g i s c h e Tatsachen und Wertungen, nicht nur Sanktionierung der positiven Rechtsordnung. E 64 316, 66 72, 69 321, 70 151, 74 47, 155, 189, 309, 354 (Anm. Boldt in DR 41, 195). Ebenso grundsätzlich BGHSt. 2 153, N J W 53 591, 56 1038 (ehel. Lebensgemeinschaft; nicht bei tats.

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Trennung: BGHSt. 6 322). Soweit der BGH hier letztlich wieder auf positives Recht zurückgreift (BGHSt. 2 153: § 1353 BGB), ist ihm zu folgen, ebenso betr. unehel. Verwandtschaft aus den Gründen der Anm.VI zu § 52 und oben zu d). Abgesehen davon aber fehlt der Rspr. die rechtliche Grundlage. Zwar würde hier Gewohnheitsrecht genügen und Analogie zulässig sein, da es sich nicht um Erweiterung der Tatbestände handelt (H. Mayer § 17 I I I hält beides auch hier für unzulässig). Aber gewohnheitsrechtlich läßt sich allenfalls der Satz zu d) begründen, den auch Entw. 1959 in § 14 Abs. 2 aufgenommen hat. Gegen E 72 374 (betr. Haushaltungsvorstand) bereits Kohlrausch ZAk. 39, 246. Die Pflichten werden moralisch oder auch nur soziologisch begründet; aber nur R e c h t s pflichten sind tragfähige Grundlagen. So auch Nowakowski J Z 58, 381. Daß die Rspr. zu weit geht, zeigt BGHSt. 2 152, wo die Haftung für Unterlassung weiter geht als die für aktives Tun (zutr. Schönke-Schröder IV vor §211 und die dort. Zit.). Bedenklich auch KG J R 56 150, insoweit Rechtspflicht zur Verhinderung einer Unglücksfahrt aus Bekanntschaft- und Vertrauensverhältnis mit hergeleitet wird, und Bremen N J W 57 72 betr. Ehemann, der die Aufnahme eines seiner Frau gehörenden Hundes duldet (dazu treffend Schröder in Sch.-Schr. 8 31: „Eine Art Sippenhaftung"). — Aus den zahlreichen Entscheidungen betr. Fahrlässigkeit des A r z t e s durch Unterlassung sei besonders hervorgehoben E 74 350 (Anm. Engisch in ZAk. 41, 129; Mezger in DR 41, 150; bes. Schmidt in MoKriBi. 42, 85). — Vgl. ferner Niethammer DRZ 46, 13. N i c h t genügen diejenigen Strafgesetze, die e c h t e Unterlassungsverbrechen normieren, um die aus ihnen folgenden Pflichten z u r K o n s t r u k t i o n a u c h e i n e s u n e c h t e n U V zu benutzen. Beispiel: Die Verabsäumung einer durch § 138 gebotenen Anzeigepflicht oder einer durch § 330c gebotenen Hilfepflicht genügt f ü r s i c h a l l e i n noch nicht, um den Unterlassenden etwa wegen M o r d e s usw. zu strafen. Bedenklich E 71 187, 75 164. Zutr. E 73 53, BGHSt. 3 67, J R 56 347. Bei fehlender Z u m u t b a r k e i t der Erfolgsabwendung zessiert die Pflicht: E 58 98,227,72 19,73 57, BGHSt. 4 23. Näheres dazu oben zu d). Aus dem neueren Schrifttum: S c h a f f s t e i n in Festschrift für Gleispach (1936). — D r o s t in Gerichtssaal 109 (1937) l f f . — N i e t h a m m e r in ZStW 57, 431. — N a g l e r in GS 111, l f f . — D a h m in ZStW 59, 133ff. — G r a f D o h n a in DStrR 39, 142. — G e o r g a k i s , Hilfspflicht und Erfolgsabwendungspflicht, 1938. — B o e d e r in DStrR 41, 105 u. 152. — V o g t ZStW 63, 287. — W e l z e l N J W 53, 327 (betr. § 330c). — Z i m m e r m a n n N J W 52, 1321. — M e i s t e r MDR 53, 649. — G r ü n w a l d ZStW 70, 412. — Zur K o n k u r r e n z zwischen echten und un-

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Systematische Vorbemerkungen II

echten Unterlassungsdelikten vgl. S c h ö n k e - S c h r ö d e r Vorb. IV 1 h (S. 31) einerseits, M a u r a c h 483 andererseits, zu den T e i l n a h m e p r o blemen G a l l a s JZ 52,372 unddagegen S c h ö n k e - S c h r ö d e r Vorb. VI 6. C. Aufbau der Tatbestände. Sie werden i n h a l t l i c h in erster Linie charakterisiert durch das verletzte R e c h t s g u t (Leben, Gesundheit, Ehre, Eigentum, Funktionieren der Rechtspflege, der Verwaltung), ferner durch das A n g r i f f s m i t t e l (Täuschung, Drohung, Gewalt), durch besondere E i g e n s c h a f t e n d e s T ä t e r s (Mann, Beamter, Arzt), durch M o t i v e u n d G e s i n n u n g s m e r k m a l e (aus Habgier, gewissenlos). Besonderheiten im A u f b a u zeigen die z u s a m m e n g e s e t z t e n Delikte (§249), die z w e i a k t i g e n (§277), die v e r k ü m m e r t z w e i a k t i g e n (§ 242), die D a u e r d e l i k t e (Freiheitsberaubung des § 239 wird begangen, solange die Einsperrung dauert), Z u s t ä n d s d e l i k t e (Bigamie, § 171, schafft einen rechtswidrigen Zustand, ist aber mit der Eheschließung vollendet; entspr. § 169, Nürnberg MDR 51119). Allgemein sind der Form nach objektive, kognitive, subjektive und normative TBMerkmale zu unterscheiden; zu letzteren vgl. BGHSt. 3 255, aber auch unten § 59 Anm. V 2, 4 b sowie neuerdings Kunert, Die norm. Merkmale, 1958. Die subj. Merkmale können mit dem Motiv oder der Gesinnung die S c h u l d typisieren (z. B. in § 211, s. o. I I B) oder aber das U n r e c h t : dies, wenn z . B . die Zueignungsabsicht in § 242, die Absicht, das Falschgeld oder die falsche Urkunde in den Verkehr zu bringen (§§ 146, 267) schon das Delikt vollendet, die Rechtsgutsgefährdung schon die volle Schwere der Rechtsfolgen auslöst. Grundlegend — neben Hegler ZStW 36, 19ff. — Mezger GS 89, 207ff., Vom Sinn der strafr. Tatbestände 1926, neuerdings StB I § 32. Bei den abgewandelten Tatbeständen, verschärften ( q u a l i f i z i e r t e n ) und gemilderten ( p r i v i l e g i e r t e n ) , wird ein Grundtatbestand durch Hinzufügung weiterer Tatbestandsmerkmale erweitert und danach milder oder strenger gestraft. Die qualifizierten und privilegierten Tatbestände folgen den Regeln des Grundtatbestandes. Anders bei einer nicht nur quantitativen, sondern qualitativen Änderung des Tatbestandes, insbes. bei Abwandlung oder Erweiterung des Rechtsguts oder Abschichtung besonderer Tätergruppen, wodurch ein delictum sui generis mit eigenen Regeln entsteht. Z. B. ist § 265 nicht nur Vermögensdelikt, sondern gemeingefährliches Verbrechen, daher del. s. g. gegenüber § 263. — Ob das eine oder das andere, ist vielfach zweifelhaft, praktisch aber äußerst bedeutsam. Vgl. im einzelnen etwa zu §§ 175a, 216, 217, 229, 248 a, 252, 264 a, 370 Nr. 5, und zur ganzen Frage Nagler-Mezger L K Einl. Anh. 3 I I sowie die Kontroverse Hillebrand N J W 56, 1268 gegen Schneider N J W 56, 702. — Q u a l i f i z i e r u n g e n erfolgen bei besonderer ,,Absicht'\(z. B. § 225), bei Gewerbs- oder Gewohnheitsmäßigkeit (z. B. § 260), bei besonderer Gefährlichkeit des Mittels oder der Begehungsart

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(z. B. §§ 223a, 243), bei besonderen Eigenschaften des verletzten Rechtsguts (z. B. § 223b), besonders häufig bei Eintritt eines schwereren Erfolgs, insbesondere von Todesfolge (z.B. §§ 118, 178, 221 Abs. 3, 224, 226, 229 Abs. 2, 239 Abs. 3, 306ff.). Bei den letzteren — „durch einen schwereren Erfolg qualifizierten Verbrechen" — war bezüglich dieses Erfolgseintritts adäquate Kausalität (oben B 1) zu fordern, solange hier das Korrektiv eines subjektiven, auf den Enderfolg bezogenen Verschuldens nicht gegeben zu sein brauchte. Das RG freilich neigte auch hier zur Bed.-Theorie: E 44 137, 61 375, 63 6. Vgl. aber LG Heidelberg SJZ 48 207 (Anm. Engisch). Braunschweig SJZ 49 130 hielt an der Bed.-Th. fest (zust. Anm. Spendel). OGH SJZ 49 357 ließ die Frage dahingestellt. Lösung der Frage durch den Gesetzgeber im § 56, fortentwickelt in § 22 Entw. 1959. Kritisch zu dieser Lösung Schweikert, ZStW 70, 394. Eine Mischung von schwererem Erfolg und Verschulden als Strafschärfungsgrund in § 225 und SprStG § 5 Abs. 3. Neuerdings wurde immer häufiger an einen Grundtatbestand (z. B. Betrug: §2631) ein strengerer Strafrahmen angefügt (z.B. § 263 IV), ohne daß dies vom Hinzutreten neuer Tatbestandsmerkmale abhängig gemacht wurde. Entsprechend auch müdere Strafrahmen. Über die Herkunft dieser Erscheinung aus den Entwürfen und die hier zu beachtenden Verschiedenheiten vgl. MDR 48, 310ff., Mat zur StrReform 1 76 ff. und unten § 1 Anm. V, ferner Gutzke N J W 56, 580. An solchen mehr oder weniger unbenannten Straferhöhungs- und Strafminderungsgründen (an die sich erhebliche Zweifelsfragen angeknüpft haben, vgl. bes. zu § 1) kennen die neueren Strafgesetze u. a. die folgenden; 1. „Besonders schwere Fälle": St. §§49b, 89, 90, 90a, 91, 92, lOOd, 102, 107, 108, 109b und e, 114, 129 (mit Beispielen), 138. 140, 142, 212, 218, 223b, 240, 241a, 253, 263, 266, 281, 292, 293 (diese beiden mit Beispielen), 302d, 315, 315a, 316a, 316b, 317, 353b, 353c. — Börsengesetz § 95. — Depotgesetz § 34. — GmbH-Ges. § 81a II. — Genossenschaft s ges. § 146. — Aktienges. §§ 294, 296, 298. — Lebensmitteiges. § 11 III. — Jugendschutzges. § 24 II, I I I . 2. „Schwere Fälle": StGB §§ 153, 267, 348. 3. „Minder schwere Fälle": StGB §§ 218 I I I , 315 II. 4. „Besonders leichte Fälle": StGB § 175 II. Die immer häufigere Anwendung dieser Gesetzestechnik bedeutete eine weitgehende R e s i g n a t i o n d e s G e s e t z g e b e r s in der Bewertung der Delikte und eine Übertragung der Verantwortung für richtige Bewertung auf den Richter; hiermit natürlich auch die Erschwerung einer tunlichst g l e i c h m ä ß i g e n Bewertung. Die Grenze zwischen Gesetz und Richter verschob sich damit wesentlich. Schrifttum: Vgl. zu § 1.

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Systematische Vorbemerkungen III

D. Zu jeder Tat gehört ein Täter. Probleme liegen hier insbes. nach zwei Richtungen: 1. Täterschaft und Teilnahme. Täter ist, wer die tatbestandsmäßige Handlung selber oder dadurch begeht, daß er ganz oder teilweise andere für sich handeln läßt (unmittelbare, mittelbare, Mittäterschaft). Neben diese primäre Erscheinungsform des Verbrechens tritt die sekundäre der Teilnahme (Anstiftung und Beihilfe). Denn abgesehen von den Fällen der p e r s ö n l i c h e n Tatausführung kann jemand in strafwürdiger Weise eine Tat herbeiführen oder fördern, o h n e Täter zu sein; sei es, daß er nicht Täter sein k a n n , weil die Natur der Sache es nicht zuläßt (Meineid, Geschlechtsakt) oder weil ihm bei den sog. Sonderdelikten die Täterqualität als Beamter usw. fehlt — sei es, daß er nicht Täter sein will: er rät oder hilft einem anderen zu dessen Tat, ohne sie sich zu eigen zu machen. Näheres vor und zu §§ 47 ff. 2. Das Tatstrafrecht wird in neuerer Zeit in steigendem Maße durch ein Täterstrafrecht ergänzt. Hier knüpft das Gesetz nicht an ein einzelnes Geschehnis, sondern an das Vorliegen einer asozialen oder aktiv antisozialen Existenzform an; k r i m i n o l o g i s c h e T ä t e r t y p e n des gefährlichen Gewohnheitsverbrechers (§ 20a), ausbeuterischen Zuhälters (§181a), Bettlers, Landstreichers, Arbeitsscheuen, Müßiggängers des § 361 Nrn. 3—5. Näheres bei diesen Bestimmungen.

m. 1. Die BechtsWidrigkeit einer Handlung liegt formell darin, daß sie gegen rechtliche Gebote oder Verbote verstößt. Diese finden sich in der gesamten Rechtsordnung, aber gerade nicht im Strafrecht, das vielmehr die anderweit aufgestellten Normen nur sanktioniert. Das ist eine der grundlegenden Erkenntnisse von Bindings Normenlehre. Der Sinn der strafrechtlichen Unrechtstypisierung ist es, aus dem Gesamtbereich des Unrechts den Kern herauszuheben, der als besonders schwere Verletzung der Rechtsidee und Störung der Rechtsordnung zu werten ist. Vgl. oben I I A sowie § 3 I I : „strafwürdiges Unrecht". Daß das Unrecht schon vorstrafrechtlich bestimmt ist, zeigt sich darin, daß die Strafe meist nur verstärkend zu anderen Sanktionen (Schadensersatzpflicht, Rechtsverlusten aller Art) hinzutritt. Aber auch da, wo sie ausnahmsweise die einzige ausdrückliche Sanktion bildet, ist der sie begründende Tatbestand des Strafrechts nicht die Quelle des Unrechtsurteils der Rechtsordnung. Inzest und widernatürliche Unzucht etwa sind (gegen Mezger Lb. S. 184) schon außerhalb des StGB und vor ihm rechtlich verboten. Das Verbot und die Vernichtbarkeit der blutschänderischen Ehe sind ein sicheres arg. a fortiori dafür, daß erst recht blutschänderischer Verkehr außerhalb der Ehe rechtlich verboten ist. Und die familienrechtliche und disziplinarrechtliche Relevanz homosexueller Betätigung ist unabhängig von ihrer strafrechtlichen Sanktion. Die Eigenart, daß es Unrecht im Rechtssinne nicht

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begründet, sondern von seinem Bestände ausgeht, teilt das Strafrecht jetzt mit dem milderen Sanktionenrecht der Ordnungsbußen. Der strafrechtlich relevante Ausschnitt aus dem Unrechtsbereich bestimmt sich in erster Linie nach dem Rang und der besonderen Schutzbedürftigkeit der R e c h t s g ü t e r — das zeigt der Aufbau des Besonderen Teils —, innerhalb dieses Rahmens aber auch nach der Intensität und dem Stadium des A n g r i f f s . Meist knüpft es erst an die geschehene Verletzung an, oft aber auch schon an ihre G e f ä h r d u n g , sei es allgemein durch Bestrafung des V e r s u c h s , sei es durch Aufstellung von b e s o n d e r e n G e f ä h r d u n g s t a t b e s t ä n d e n wie im 27. Abschnitt, sei es durch kombinierende Heraushebung von Verhaltensweisen, die über ihren unmittelbaren Verletzungseffekt hinaus g e f ä h r l i c h e T e n d e n z e n in sich tragen: die Absicht, die weggenommene Sache dem Berechtigten dauernd zu entziehen in § 242, die staatsgefährdende Absicht in § 94, die Körperverletzung durch gefährliche Mittel, die schweren Folgen als unwiderlegliches Indiz der besonderen Gefährlichkeit der Handlung in §§ 178, 224, 226 usw., die geschlechtliche Tendenz in §§ 174ff., die eine sonst geringfügige, wenn auch ordnungswidrige Berührung als f ü r das Rechtsgut der geschlechtlichen Integrität des Berührten gefährliche Handlung kennzeichnet (selbst wenn die Beweggründe letzten Endes erzieherischer Natur gewesen sein sollten: der Zweck heiligt nicht die Mittel, vgl. BGH in MDR 55 17). Diese Ausformung und Differenzierung des strafrechtlich relevanten Unrechtsausschnitts gestaltet aber nur dessen Quantität, nicht seine Qualität. Der Gegenstand bleibt insoweit der gleiche wie der der verwaltungs- oder zivilrechtlichen Sanktionen. D a s B e s o n d e r e d e r s t r a f r e c h t l i c h e n B e w e r t u n g z e i g t sich e r s t i n d e r S c h u l d f r a g e , die als weitere selbständige zu der des Unrechts hinzutritt. Man kann deshalb nicht innerhalb des Unrechtsbegriffs Erfolgs- und Aktunrecht unter ganz verschiedenen Wertmaßstäben (Rechtsgutsverletzung hier, Abfall von den Grundwerten rechtlicher Gesinnung dort) einander gegenüberstellen. Schon die Gleichsetzung von vorsätzlichem Handeln ( = Aktunrecht) und Finalität ist ungenau. Der Vorsatz ist nicht Element, sondern nur Voraussetzung des Unrechts, insofern erst eine zielgerichtete Einstellung des Handelnden typischerweise das Rechtsgut unter Unrechtsgesichtspunkten besonders gefährdet. Maßstab bleibt entscheidend die objektive Richtung der Handlung auf die Rechtsgutsverletzung (objektive Finalität). Näheres unten Anm. I 2 zu § 88. Auch unter dem Begriff des „personalen Unrechts" birgt sich in Wahrheit sehr Verschiedenes: täterschaftliche Merkmale, die nicht das Unrecht der Handlung, sondern die Täterqualität des Handelnden betreffen, Schuldmerkmale wie Motiv- und Gesinnungselemente in § 211 und schließlich subj. Unrechtselemente, deren überschießende Innentendenz den Angriff besonders gefährlich erscheinen läßt (über ihren Charakter oben I I C). Den Sinn des Unrechtsbegriffs als Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung lassen alle diese Gruppen unberührt. Doch ist „Rechtsgut" nicht materialistisch, sondern als Unverletzlichkeit von Leben, Gesundheit, Vermögen, Freiheit, Ehre usw. zu verstehen. Nicht das verletzte Einzelinteresse ist entscheidend, vgl. BGHSt. 2 368 (oben zu I) betr. Betrug bei unsittl. Geschäften. Rechtsgutsverletzung ist deshalb nicht gleich Sozialschädlichkeit, Rechtsgüterschutz nicht gleich Zweckmoment (so aber Gallas GA 1957, 318). Im Begriff des Rechtsguts selbst liegt das sozialethische Wertmoment. Dieses muß jedoch — darin unterscheidet sich die r e c h t l i c h e von der s i t t l i c h e n Wertung — auf ein soziales Interesse b e z o g e n sein. Wo ein solches Interesse fehlt oder

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zweifelhaft ist, wie bei der Homosexualität oder der Sodomie, wird auch die Strafbarkeit fragwürdig. Von solchen Grenzfällen her läßt sich deshalb eine zentrale These, dem „Wesen des strafbaren Unrechts" werde nur eine „personale", u. U. vom Rechtsgüterschutz ganz absehende Unrechtsauffassung gerecht, nicht stichhaltig begründen (gegen Gallas a. a. 0.). Wo aber ein solches Interesse vorhanden und verletzt oder gefährdet ist, gehört das Urteil über die „sozialethische Verwerflichkeit" der Handlung grundsätzlich zur S c h u l d . Die Auffassung des Verbrechens als Pflichtverletzung, auf die Gallas jetzt zurückgreift, führte in den 30er Jahren folgerichtig dazu, die Unterscheidung von R e c h t s w i d r i g k e i t und S c h u l d zu verwischen. Gegen solche Konfundierung Maurach AT 192 und besonders nachdrücklich Würtenberger, Geistige Situation, 47ff., 51, 55, 57, der S. 65ff. zutr. auch auf ihre rechtspolitische Bedenklichkeit hinweist, mit weiteren Nachweisungen. Sodann verunklart jene Auffassung den Gegensatz von K r i m i n a l s t r a f t a t und O r d n u n g s w i d r i g k e i t . Auch für ihn bedeutet der Rechtsgutsbegriff den Angelpunkt (so im Anschluß an Trops und Erik Wolf jetzt Lang-Hinrichsen GA 1957, 226). Weiterhin führt sie zu einer Gefährdung des T a t b e s t a n d s p r i n z i p s und damit der Rechtsstaatlichkeit. Das zeigt sich bei den neuesten Begründungsversuchen für die Strafbarkeit des a b s o l u t u n t a u g l i c h e n V e r s u c h s , jener Randerscheinung des Unrechts, die von der hier abgelehnten Lehre in den Mittelpunkt gerückt wird, vgl. BGHSt. 11 324 = JZ 58 669 (Anm. Lange), aber auch bei der Begründung und Anwendung verschiedener S i t t l i c h k e i t s d e l i k t e (hierzu und zum personalen Unrechtsbegriff überhaupt Jäger, Strafgesetzgebung und Rechtsgüterschutz bei Sittlichkeitsdelikten, Beitr. zur Sexualforschung 12. H., 1957 S. 23ff., 29ff., 41ff.). Schließlich gefährdet sie die E i n h e i t d e r R e c h t s o r d n u n g . Dazu eingehend und treffend Bindokat, Mehrerlei Unrecht ? JZ 58, 553 ff. •— Annäherung an den Begriff des „personalen Unrechts" in BGHZ (GrSen.) 24 21 ( = NJW 57 785 2 ): Körperverletzung im Straßen- oder Eisenbahnverkehr bei verkehrsrichtigem Verhalten i. S. der §§ 823, 831 BGB nicht rechtswidrig. Hiergegen Bindokat a. a. 0 . Unterschiede in den Funktionen des Strafrechts und des Zivilrechts betonen in diesem Zusammenhang besonders Wieacker JZ 57, 535, Stoll J Z 58, 137 (mit weiteren Nachweisungen) und allgemein Niese JZ 56, 457 ff. Daraus, daß das Strafrecht Sanktionsrecht für anderweit aufgestellte Normen ist, folgt aber keineswegs notwendig, daß seine einzelnen Begriffe a k z e s s o r i s c h , z. B. im Vermögensstrafrecht ausnahmslos dem BGB zu entlehnen wären. Vielmehr hat der strafrechtliche Begriff unter Umständen unmittelbar auf die materiellen Rechtswerte (unten zu 2) zurückzugreifen, wenn diese etwa im Bürgerlichen Recht mit Rücksicht auf das dort vorherrschende Verkehrsinteresse modifiziert sind (Beispiele unten § 253 Anm. VHIb), 263 Anm.V, auch § 52 Anm. VI). Weitere Beispiele in BGHSt. 11 103. Die Rechtsnormen sind als rechtliche Wertung in der Regel deklaratorisch, wenn auch auswählend und formend, nicht konstitutiv: sie knüpfen an die vorgefundenen, im Gemeinschaftsleben wirkenden Werte an wie die Unverletzlichkeit von Leben und Gesundheit. Zu diesen Grundwerten gehört die persönliche Freiheit, auch als grundsätzlich freie Entfaltung der Persönlichkeit, GG Art. 2. Soweit aber die Normen nicht den traditionellen Bestand der Rechtsgüter sichern, sondern in die überkommene Freiheitssphäre eingreifen, bedarf schon ihre Geltung besonderer Legitimation. Das Recht, das sonst die Konturen sozialer Wirklichkeit und Wertimg

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nur nachzieht und seine Hauptaufgabe in der Schlichtung und Entscheidung von Wertkonflikten sieht, greift hier schöpferisch und gestaltend, fordernd und unterdrückend in das bis dahin schlechthin und grundsätzlich auch weiterhin normale soziale Verhalten ein. Es schneidet aus dem Freiheitebereich strafrechtliche Exklaven heraus, oft nur vorübergehend und notgedrungen, als notwendiges Übel, aus besonderen Zwangslagen, wie sie in Krisenzeiten z. B. zu Eingriffen in die grundsätzlich freie Wirtschaft nötigen. Bezeichnenderweise handelt es sich hier vielfach um Zeitgesetze i. S. des § 2 Abs. 3, d. h. solche, die „eine nur als vorübergehend gedachte Regelung f ü r wechselnde Zeitverhältnisse nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit treffen wollen" (BGH NJW 52 72). Auch das Sanktionsrecht trägt dieser Grundverschiedenheit derjenigen Verhaltensweisen, die von Hause aus deliktischer Natur sind, und derer, die grundsätzlich erlaubt und nur kraft positiven Gebots oder Verbots widerrechtlich geworden sind, Rechnung. Durch die Schaffung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, dessen Kerngedanken schon das Wirtschaftsstrafgesetz enthält, hat der Gesetzgeber die Sanktion durch S t r a f e grundsätzlich auf Handlungen beschränkt, die gegen sozialethisch fundierte Normen verstoßen, materiell wertwidrig sind. Sie allein sind nach dem ü b e r k o m m e n e n Sinn der Strafe, nach ihrem W e s e n als sozialethisch deklassierendem Tadel und ihren P o l g e n f ü r den gesamten sozialen, u. U. auch rechtlichen Status strafbar und straffähig, sie allein verdienen Strafe, nur ihnen gegenüber ist die Strafe legitimiert. Die Strafbedürftigkeit allein ist noch keine Legitimation, sondern war nur im Notstand der Rechtsordnung unentbehrlich, solange es keine anderen geeigneten Sanktionsmittel gab. So früher weitgehend die Verwaltungsstrafen: Jellinek, Verwaltungsrecht, § 15 V. Der Zweck des OWG ist, allgemein die Möglichkeit, damit aber auch die Garantie dafür zu schaffen, daß bloße Zuwiderhandlungen gegen nur positiv-rechtliches, formal geschaffenes Sollen mit der Nicht-Strafe der Ordnungsbuße belegt und damit die Einhaltung der Ordnungszwecke ohne sozialethischen Tadel gewährleistet wird. Vgl. Gossrau GA 1956, 334 darüber, daß die Nebengesetze i. allg. auf dieser Linie abgrenzen, insbes. für Kriminalunrecht k o n k r e t e R e c h t s g u t s g e f ä h r d u n g verlangen. Zwischen den strafbaren Handlungen und den Ordnungswidrigkeiten liegen die „ S t r a f t a t e n " des § 1 Abs. 3 OWG, § 3 WiStG, die als Verwaltungss t r a f recht der Rechtsfolge nach zum Kriminalstrafrecht gehören, deren Struktur aber auf den Ordnungswidrigkeiten aufbaut. Näheres hierzu JZ 56, 73, insbes. 75 ff. 2. Materiell rechtswidrig ist eine Handlung (oder in den Fällen oben I I D 2 eine Existenzform), wenn sie wegen ihrer Sozialschädlichkeit und Sittenwidrigkeit mit dem rechtlich geordneten Zusammenleben in unerträglichem Widerspruch steht. Strafbar ist nur tatbestandsmäßiges und in diesem Sinne formelles Unrecht (oben zu II). Aber die materielle Begriffsbestimmung bleibt in mehrfacher Hinsicht bedeutsam: a) als A u s l e g u n g s m a ß s t a b der Tatbestände. So ausdrücklich in §§ 193, 226a, 240 n. F., 253 n. F. StGB. Über die Unzulänglichkeit formaler Maßstäbe zutr. Pfalz D R Z 47 235 (betr. § 240). Aber auch z. B. für folgende Fragen: Liegt der Betrieb eines gefährlichen Gewerbes, eine gewagte Spekulation mit anvertrautem fremdem Geld, die Ausübung gewisser Sportarten noch innerhalb der Sphäre der sozialen Adäquität,

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Systematische Vorbemerkungen III

des erlaubten Risikos ? Ergeben sich aus gefährdendem Tun, aus enger Lebensgemeinschaft, aus natürlichen Blutsbanden Rechtspflichten zur Abwendung anderen drohender Gefahren (s.o.IIBII3d.) ? Ist eine medizinisch gebotene kunstgerechte Operation, die tief in die körperliche Integrität des Patienten eingreift, eine Körperverletzung ? Ist es eine Fälschung, wenn man eine Urkunde im Einverständnis mit einem anderen mit dessen Namen unterschreibt ? b) Wenn die Handlung tatbestandsmäßig, also ihrem T y p nach Unrecht ist, kann sie dennoch in Ausnahmesituationen durch einen besonderen Unrechtsauschließungsgrund gerechtfertigt sein. Derartige Gründe sind teils im Gesetz vertypt, teils seinen Grundgedanken zu entnehmen. So kann im Einzelfall das Interesse der Rechtsordnung am Rechtsgüterschutz infolge Einwilligung des Verletzten entfallen, z . B . bei Eingriffen in die private Vermögenssphäre. Für Körperverletzung Sonderregelung in § 226 a. Grenze der Verfügungsmacht des Verletzten in §216. Ob und inwieweit die Einwilligung des Verletzten r e c h t l i c h b e a c h t l i c h ist, bestimmt sich entscheidend nach dem Zweck der einzelnen Tatbestände: BGH NJW 56 311 betr. § 174 Ziff. 1. Danach u. U. Motive oder Gesinnung maßgeblich. Näheres Vorb. I I 3 vor § 51. Oder verschiedene rechtliche Interessen kollidieren, und die Rechtsordnung gewährt dem Handelnden ein N o t r e c h t : so ausdrücklich in §§ 53, 193 StGB, 228, 229, 859, 904, BGB, 127 StPO usw. Kollisionsfälle können sich ferner bei Ausübung einer Amtspflicht oder eines Züchtigungsrechts ergeben. Vgl. Vorbem. I I vor § 51. Stets ist hier der oben angegebene materielle Maßstab anzulegen. E 73 258: Unabänderliche letzte Grenze für die Erlaubtheit einer Züchtigung ist das Sittengesetz. So namentlich auch beim sog. übergesetzlichen Notstand, in dem ein höherwertiges Rechtsgut nur auf Kosten eines minderen erhalten werden kann. Hauptfall der Praxis: das keimende Leben wird geopfert, um das Leben der Schwangeren zu retten. E 61 242, 62 137 haben dies mit dem Grundsatz der Güter- und Pflichtenabwägung gerechtfertigt. Zu Unrecht einschränkend BGHSt. 3 7 = J Z 53 46; dagegen J Z 53, 9ff. In der Lit. ist man z. T. auf naturrechtlicher Grundlage noch weitergegangen und hat die Verfolgung eines anerkannten Zwecks mit einem angemessenen Mittel allgemein für gerechtfertigt erklärt (Zwecktheorie, Graf Dohna, über frühere Vertreter Nagler L K 364 ff., J Z 53, 9ff. Vgl. L.-Schmidt S. 206ff., Eb. Schmidt ZStW 49, 370, der aber (S. 377ff.) zutr. darauf hinweist, daß das Erfordernis der Angemessenheit des Mittels u. U. die Rechtfertigimg durch Güterabwägung einschränkt; anders Nagler L K 366/7, insofern er die Güterabwägung gegenüber der Zwecktheorie für grundsätzlich selbständig erklärt. — Mezger, StB I § 48 erklärt die Güterabwägung für das übergeordnete Prinzip, sein Maßstab versagt aber bei

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Gleichwertigkeit der Rechtsgüter (vgl. auch unten § 54 Anm. I a. E ) . Aber nicht nur bei Schwangerschaftsunterbrechungen kommen „übergesetzliche" Rechtfertigungsgründe in Betracht; vgl. z. B. betr. ärztl. Eingriff gegen Willen E 74 353; betr. fr. § 34 StVO H R R 40 38; auch ZAk. 41 131 (Anm. Engisch). Vgl. ferner E 20 190; dazu, nicht voll überzeugend, Meister MDR 47, 47. Über die Möglichkeit des ü. N. bei Verstößen gegen die Wirtschaftsbestimmungen E 77 113 = DR 44 21 (Anm. Lange), Kiel N J W 47 231, Köln N J W 53 1844 (betr. Preistreiberei) ; vgl. auch BayObLG N J W 53 1563 (betr. Jagdrecht). Auch und gerade bei rechtlich nicht geordneten Verhältnissen kann der ü. N. eingreifen. A. A. OGHSt 1 321; dagegen mit Recht Welzel und Eb. Schmidt (s. u. zu c). Vgl. dieselben auch zu der vom ü. N. zu unterscheidenden Konstellation, daß nicht die Verletzung verschiedener ungleichwertiger Rechtsgüter, sondern verschiedener Träger desselben Rechtsgutes droht (z. B. ein Mensch kann in gemeinsamer Berg- oder Seenot nur unter Opferung eines anderen gerettet werden). Diese Fälle liegen, wie Schmidt S J Z 49, 565 nachweist, sehr verschieden. Stets aber hängt die Rechtfertigung des Handelns von den sittlichen Maßstäben unserer Kultur, nicht von seinem Nutzeffekt ab. Deshalb kommt es hierfür (gegen Schmidt a.a.O.) auf die Beweggründe des Täters und die von ihm verfolgten Zwecke u. U. ebenso an, wie bei der Pflichtenabwägung im ü. N. (vgl. 61 242, 62 137). Die Rechtswidrigkeit oder Strafbarkeit ist nicht dadurch ausgeschlossen, daß auch der unmittelbar Verletzte selber gegen das Sitten- oder Strafgesetz verstoßen hat. Vgl. hierzu E 44 230, 242, 65 3, 70 7, 73 157, H R R 40 320. Z u s a m m e n f a s s e n d i s t zu s a g e n : Ebenso wie die Erklärung zum Unrecht findet auch dessen Ausschluß grundsätzlich außerhalb des Strafrechts statt. Die Gründe hierfür fügen sich darum auch nicht zu einem inhaltlich geschlossenen System zusammen. Wohl aber bilden sie ein Wertgelüge, und zwar unter folgenden Gesichtspunkten : a) gegenüber der formellen tatbestandlichen Rechtswidrigkeit greifen sie auf materielle Wertgesichtspunkte zurück, auch da, wo sie gesetzlich ausgebildet sind (vgl. z. B. § 193, den bish. § 13 RÄrzteO, „geboten" in § 53 Abs. 1); ß) ihr Wirkungsgrad ist verschieden: bald g e b i e t e n sie tatbestandsmäßiges Handeln (Amtspflichten), bald r e c h t f e r t i g e n sie es i. S. der Billigung (Notrechte), bald e r l a u b e n sie es (Glücksspiele, soweit zugelassen), bald machen sie es nur zu einem u n v e r b o t e n e n (gewisse Einwilligungsfälle, s. u. 113 vor §51); y) ihre Funktion ist verschieden: bald rechtfertigen sie ein Verhalten p o s i t i v , wie die Notrechte, bald schließt ihr Fehlen n e g a t i v die unter anderem Gesichtspunkt (etwa der Güterabwägung) nahegelegte Rechtfertigung aus. So insbes. die Einwilligung des § 226 a, aber auch die Zweck-Mitteltheorie, deren wesentliche Bedeutung und übergreifendes Prinzip gerade darin liegen, daß n u r ein nach unseren Kulturanschauungen „angemessenes" Mittel gewählt werden darf, mag der Zweck 2

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

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Systematische Vorbemerkungen I I I

noch so berechtigt sein. Güterabwägung ist hierfür zwar ein sehr wesentliches, aber nicht das einzige und nicht das entscheidende Kriterium. Wo Recht gegen Unrecht sich behauptet, bedarf es ihrer überhaupt nicht (§ 53). Und wo von der Sache, auf die man einwirkt, Gefahr droht (§ 228 BGB), ist der Maßstab reziprok dem sonstiger Noteingriffe (§ 904). In dem richtigen Gefühl, daß es auf die Güterabwägung allein nicht entscheidend ankommen kann, hat die Praxis seit E 62 137 sie durch das zusätzliche Erfordernis der Pflichtenabwägung modifiziert, damit aber zwei Kriterien vermengt. Richtig ist, daß das Handeln „zur" Rettung des höherwertigen Rechtsguts geschehen muß. Denn ebenso wie für die spezifische Unrechtsqualität der vorsätzlichen Delikte der zielgerichtete Wille Voraussetzung ist, weil er typischerweise der Handlung die gefährliche objektive Richtung auf den Erfolg verleiht, das Handeln f ü r seine Herbeiführung adäquat macht, ebenso ist der auf Rettung des höherwertigen Rechtsguts gerichtete Wille regelmäßig Voraussetzung dafür, daß die Handlung auch objektiv dieses Ziel erreicht. Es ist reiner Zufall, wenn eine ohne Rettungswillen vorgenommene Abtreibungshandlung einmal das höhere Rechtsgut erhält, wie im Falle BGHSt. 2 242, in dem die Abtreiberin nicht wußte, daß die Schwangere das Kind nicht ohne akute Lebensgefahr hätte austragen können. Insoweit entspricht das subjektive Rechtfertigungserfordernis nur dem der Tatbestandshandlung eigenen objektiv-finalen, generalisierenden Moment der Adäquität für den Eintritt des Erfolges. Das gilt f ü r a l l e Unrechtsausschlußgründe. Unrichtig aber ist es, „pflichtgemäßes" Verhalten bei vorliegender Rettungsabsicht deshalb zu verneinen, weil z. B. der Arzt die Unterlagen f ü r seine Diagnose nicht sorgfältig genug erarbeitet habe; so indessen BGHSt. 3 7, dazu eingehend J Z 53, 9ff. Von einem Versehen in dieser Hinsicht bleibt das subjektive Moment des Handelns zur Rettung des Lebens unberührt. Fahrlässige Schwangerschaftsunterbrechung in vorsätzliches Abtreibungsverbrechen umzudeuten, läßt sich durch keine — noch so naheliegende — Strafbedürfhiserwägung rechtfertigen. c) Wenn der Inhaber der Rechtsmacht m a t e r i e l l e s U n r e c h t f o r m e l l g e s t a t t e t o d e r g e b i e t e t (z. B. befohlene Massentötungen v o n Geisteskranken in Anstalten, dazu B G H N J W 53 513, vgl. B G H Z 3 106, B G H S t . 2 251) oder materiell rechtmäßige Handlungen, nämlich solche, die sich innerhalb des nach unseren Kulturanschauungen verbürgten Minimums der unveräußerlichen und unantastbaren persönlichen Freiheit halten, bei Strafe verbietet, entsteht ein K o n f l i k t z w i s c h e n „ g e s e t z l i c h e m U n r e c h t " u n d „ ü b e r g e s e t z l i c h e m R e c h t " (Radbruch SJZ 46, 105). Gesetzlich anerkannt und im Sinne der materialen Gerechtigkeit entschieden ist dieser Konflikt in §§ 234a, 2 4 1 a StGB sowie im Ges. über innerdeutsche Rechts- u n d Amtshilfe in Strafsachen v. 2. 5. 52. Vgl. ferner B G H S t . 1 399, 2 334 betr. Verbindlichkeit der allg. völkerrechtlichen Grundsätze (Art. 25 GG), dazu Jescheck JZ 53, 149, ZStW 66, 193, BVerfG E 1 14 (Südweststaat-Urteil) = JZ 51 728: „ D a s BVerfG erkennt die Existenz überpositiven, auch den Verfassungsgesetzgeber bindenden Rechts an." — Vor d e m GG: K G in D R Z 47 199 (Anm. Lange), Frankfurt SJZ 47 627 (Anm. Radbruch) sowie OGHSt. 1 321 = SJZ 49 347 (Anm. Eb. Schmidt 559) = M D R 49 370 (Anm. Welzel), dazu unten Vorbem. I I I vor § 51 betr. Anstaltstötungen, bei denen jedoch be-

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beits die positivrechtliche Grundlage brüchig war; Dresden J R 47 121 (bei Beurteilung der R W heutige Auffassung zugrunde zu legen); Stuttgart SJZ 46 237 (der Richter habe das Recht, Rechts- und VerwaltungsVOen. wegen groben Verstoßes gegen die Gesetze der Moral für nichtig zu erklären (betr. Gewährung von Sonderzulagen), nicht unbedenklich; Pfalz DRZ 47 236: zu prüfen, ob das Rechtsbewußtsein mit den ewigen und allgemeinen Rechtsgrundsätzen, wie sie in den Rechten aller Kulturvölker ihren Niederschlag gefunden haben, vereinbar bzw. nicht in Widerspruch; Stuttgart SJZ 47 204 (Anm. Küster); weiteres Material aus der Rspr. s. DRZ 48, 155ff., 185ff., SJZ 48, 302ff. Zusammenfassender Überblick jetzt in BGH N J W 53 513 und beiJescheck GA1954, 326. Vgl. auch Vorbem. I B 2h vor § 47. — Darüber, daß der materielle Unrechtscharakter eines Strafurteils in der UnVerhältnismäßigkeit von Tat und Strafhöhe oder Strafart Hegen kann, BGHSt. 3 118 mit Nachw., BGH LM Nr. 2 zu § 3; vgl. ferner BGHSt. 2 234 betr. behördliche „Aktion", 9 302, 305 betr. widerrechtliche Tötung durch Mißbrauch gerichtlichen Verfahrens zur Vernichtung politischer Gregner. d) Die R e c h t s q u a l i t ä t und damit die G ü l t i g k e i t und Verbindlichkeit kann geschriebenen Geboten oder Verboten und ihren Sanktionen aus diesen Gründen fehlen. Über die heutige Rechtslage und die anzulegenden Maßstäbe BGHSt. 2 238ff., wo von einem auch für den Staat unantastbaren Kernbereich des Rechts ausgegangen und die Grenze zwischen Recht und Willkür nicht zuletzt auch nach der Zielsetzung von Gesetzen gezogen wird. „Anordnungen, die die Gerechtigkeit nicht einmal anstreben . . . schaffen kein Recht". Zu diesem Moment vgl. schon DRZ 48, 187, SJZ 48, 656, J R 50, 615. — Nach der Bereinigung des StGB und der meisten Nebengesetze beschränkt sich die Gültigkeitsfrage heute im wesentlichen auf die Verfassungswidrigkeit. Vgl. betr. §§ 3ff. Vorbem. I vor § 3, betr. § 175 BVerfG N J W 57 865, ferner unten §§ 49a Anm. III, 170d Anm. II, 330c Anm. I (Bedenken aus Art. 103 Abs. 2 GG). Lehrreich BayVerfGH v. 6. 11.54 (dazu Diller JZ 57, 18) über rechtsstaatswidrige Best, des bay. Forstges. von 1896, ferner BayVerfG H E 3 I I 109, 4 I I 90 und besonders 194 (betr. Gesetzesbestimmtheit). — Grundsätzlich ungeklärt ist noch immer die Fortgeltung gewisser P o l i z e i v e r o r d n u n g e n mit Strafdrohungen aus derZeit von 1933 bis 1945. Neben die Bedenken aus Art. 2, 3,103 Abs. 2 GG, die die inhaltliche Rechtsqualität betreffen, treten staats- und verwaltungsrechtliche sowie die sich aus dem OWG ergebenden, das grundsätzlich die Kriminalstrafe im Verwaltungsrecht abgeschafft hat. Zu diesen Fragen vgl. N J W 54, 98 betr. BGHSt. 6 12. Diese Entsch. bejahte die Geltung einzelner Teile der PolVO v. 29. 9. 41 betr. Heilmittelwerbung, nahm aber z. B. nicht zu einem Analogiegebot in § 11 S. 2 VO Stellung; sie ist inzwischen durch GBG vom 23. 7. 53 überholt, dessen §§21/27 verbotene Werbung als 2«

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Systematische Vorbemerkungen IV

bloße Ordnungswidrigkeiten bestimmen. BGHSt. 8 360 (gegen OLG Braunschweig) sah noch rechtsstaatliche Bedenken (377) und ließ die Hauptfragen offen. Rein positivistisch BGH N J W 57 1201 (gegen da» KG). BGHSt. 11 85 (gegen OLG Karlsruhe) geht auf die Grundsatzfragen nicht mehr ein. Schon der fortdauernde Widerstand der Oberlandesgerichte zeigt aber, wie notwendig deren Klärung ist. BayObLG 55 212 beschränkt sich auf § 5 I I e der VO. Aus dem Schrifttum: K e r n , Grade der Rechtswidrigkeit, ZStW 64, 255. — S t r a t e n w e r t h , Prinzipien der Rechtfertigung, ZStW 68,41. — D e r s e l b e , Verantwortung und Gehorsam, 1 9 5 8 . — Z i m m e r m a n n , Gefahrengemeinschaft, MDR 54, 147. — L a n g e , (Unrechtsbegriff bei den Zuwiderhandlungen) J Z 56, 73, 519; J Z 57, 233. — Zum Problem des„gesetzlichen Unrechts" insbes.: R a d b r u c h , Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht, SJZ 46, 105 ff. — G e i l e r , Legalität und Legitimität, Die Gegenwart 1947. — R o e m e r , Von den Grenzen und Antinomien des Rechts. SJZ 46, 9. — Wiederaufbau des Rechts. SJZ 47, 93. — Naturrecht vor 150 Jahren und heute, in Kiesselbach-Festschrift S. 157ff. — C o i n g , Die obersten Grundsätze des Rechts. 1947. —• Zur strafr. Haftung der Richter für die Anwendung naturrechtswidriger Gesetze. SJZ 47, 61 ff. — Karl S c h m i d , Unteilbarkeit der Rechtsordnung. DRZ 47, 205. — Eb. S c h m i d t , Justitia fundamentum regnorum. Fünf Vorträge. 1947. — Zur Problematik von Recht und Justiz in der Gegenwart, in Kiesselbach-Festschrift. S. 177ff. — v. W e b e r , Die Pflichtenkollision im Strafrecht, ebenda S. 233 ff. — Die strafrechtüche Verantwortlichkeit für Handeln auf Befehl. MDR 48, S. 34ff. — M e i s t e r , Die Widerspruchslosigkeit der Rechtsordnung. MDR. 47, 47. — A r n d t , Die Krise des Rechts (Die Wandlung III. Jg., H. 5). — F i g g e , Zur Verantwortlichkeit des Richters, SJZ 47, 179ff. — W. G. B e c k e r , Der richterliche Widerstand. SJZ 47, 480ff. — L a n g e , K R G 10 in Theorie und Praxis. DRZ 48, 155 ff. — KRG 10 und deutsches Recht, DRZ 48, 185ff. — Zum Denunziantenproblem, SJZ 48, 302ff. — K e r n , Die Grenzen der naturrechtlichen Rechtserneuerung MDR 49, 137. — W ü r t e n b e r g e r , Zur Rechtswidrigkeit der Kriegsverbrechen, Mezger-Festg. 1 9 5 4 , 1 9 3 . — E v e r s , Der Richter und das unsittliche Gesetz, 1956. — E n g i s c h , Einführung in das juristische Denken, 1956, S. 163ff., 167ff. — N o l l , Übergesetzliche Milderungsgründe aus vermindertem Unrecht, ZStW 68, 181. IV. Schuldhaft ist eine Handlung dann, wenn sie nicht nur objektiv rechtswidrig ist (d. h. der Regel nach verboten und auch im Einzelfall nicht gerechtfertigt), sondern auch persönlich vorwerfbar ist, dem Täter

Systematische Vorbemerkungen IV

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zur Schuld zugerechnet werden kann; das ist der Fall, wenn v o n d e r P e r s o n des T ä t e r s r e c h t m ä ß i g e s H a n d e l n g e f o r d e r t w e r d e n k o n n t e ; d. h. wenn für ihn die Möglichkeit bestand, a) das Unrecht seiner Tat einzusehen und b) nach dieser Einsicht zu handeln. Diese Möglichkeit kann 1. bei dem betr. Täter überhaupt fehlen, sie kann auch 2. aus Gründen des Einzelfalls ausgeschlossen sein. Hieraus ergeben sich die bei der Schuldfrage entstehenden Probleme, ihr Zusammenhang und ihre Systematik. Die Schuld kann ausgeschlossen sein: 1. weil der Täter wegen Geisteskrankheit usw. nicht durch Rechtsnormen bestimmbar ist, weil er schuldunfähig, „unzurechnungsfähig" ist (§51); sei es daß ihm aus jenen Gründen a) die Fähigkeit fehlt, sein Tun mit den Anforderungen der Umwelt zu vergleichen; oder daß ihm b) die Fähigkeit fehlt, sein Triebleben diesen Anforderungen anzupassen. Oder 2. weil d i e N o r m im Einzelfall n i c h t a l s R e g u l a t i v i n B e t r a c h t k o m m e n k a n n ; weil also zwar der Täter schuldfähig, die Tat aber nicht schuldhaft begangen war; der Täter zurechnungsfähig, die Tat aber nicht zurechenbar war. Zurechenbar ist die Tat unter einer doppelten Voraussetzung: a) Wenn der Täter durch bestimmte innere Beziehungen mit ihr verbunden war oder man solche Beziehungen erwarten konnte. Diese Beziehungen sind vom Gesetz in den Schuldtypen des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit festgelegt. Wußte und wollte der Täter, was er tat, so hat er vorsätzlich, wußte und wollte er dies nicht, so hat er fahrlässig gehandelt, wenn er es erkennen und den konkreten Erfolg hätte vermeiden können und müssen. Ist auch dies nicht der Fall, so fehlt die Basis für einen strafrechtlichen Schuldvorwurf, selbst wenn er sich anderweit pflichtwidrig verhalten hat. Näheres Anm. zu § 59. Darüber, daß auch der Vorsatz ein echtes Schuldmoment, ein zur Finalität hinzutretendes normatives Stigma enthält, vgl. oben I I B S. 4 sowie für die Zuwiderhandlungen des Nebenstrafrechts J Z 56, 73ff., 519ff.; 57, 233ff., LangHinrichsen GA 1957, 225 ff. b) Wenn der vorsätzlich oder fahrlässig handelnde Täter die Möglichkeit hatte, das Unrecht seiner Tat zu erkennen. Auch wenn er wußte und wollte, was er tat, kann er doch in einem unvermeidbaren und darum seine Schuld ausschließenden Irrtum angenommen haben, sein Tun sei erlaubt (Einzelgründe BGHSt. 2 197). Der Irrtum entschuldigt nicht,

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Systematische Vorbemerkungen IV

wenn der Täter ihn bei gehöriger Gewissensanspannung (BGHSt. 2 201) und bei Einsatz aller seiner geistigen Erkenntniskräfte (BGH 4 5) hätte überwinden können. 3. Auch wenn die zu 1 und 2 a und b umschriebenen Voraussetzungen des inneren Tatbestandes gegeben sind, also der Täter weiß und will, was er tut und sich über die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens im klaren ist, kann doch der damit indizierte Schuldvorwurf ausnahmsweise durch einen Entschuldigungsgrund ausgeschlossen werden, ebenso wie das durch die äußere Tatbestandsmäßigkeit indizierte Unrechtsurteil ausnahmsweise durch Rechtfertigungsgründe ausgeschlossen werden kann (oben I I I 2). Solche Entschuldigungsgründe erkennt das Gesetz ausschließlich in §§ 52, 53 Abs. 3, 54 an. Unter ihren Voraussetzungen mutet es — eine Konzession an die menschliche Schwäche — dem Täter nicht zu, normgemäß zu handeln. Nicht unbedenklich die Erwägungen in BGHSt. (GrSen.) 6 58 (zu E 66 397), die diese feste Grenze in Frage ziehen. Die gesetzliche Regelung des Schuldbegriffs ist, von der Zurechnungsfähigkeit abgesehen, lückenhaft. Das StGB bestimmt Vorsatz und Fahrlässigkeit positiv überhaupt nicht, negativ nur insoweit, als § 59 den Irrtum über Tatumstände regelt, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören und deren Unkenntnis daher den Vorsatz ausschließt. Am Bewußtsein der Rechtswidrigkeit fehlt es besonders häufig bei Verstößen gegen Bestimmungen des Nebenstrafrechts. Deswegen haben hier das Steuerrecht (§ 395 RAO) und neuerdings das Wirtschaftsstrafrecht (§ 6 WiStG 1954) sowie außerhalb des Krimmalstrafrechts § 12 OWG Sonderregelungen über den Rechtswidrigkeitsirrtum getroffen. Wichtiger, aber regelmäßig übersehen ist, daß vielen Einzeltatbeständen dieser Gesetze für ihren Bereich auch eine positive Bestimmung von Vorsatz und Fahrlässigkeit zu entnehmen ist. Darüber zu 4. 4. Streitfragen a) Umstritten ist, ob das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit zum Vorsatz gehört (so Entw. 1925 § 13, Entw. 1936 § 17) oder ob die bloße Möglichkeit dieses Bewußtseins genügt. Im letzteren Fall muß ein selbständiges Schuldelement gebildet werden, da dann keine aktuelle innere Beziehung zwischen Täter und Tat, sondern nur noch die richterliche Erwartung einer solchen Beziehung vorausgesetzt wird und der Vorsatz sich auf das Wissen und Wollen der Tat beschränkt (so § 17 Entw. 1927). Neuerdings werden die beiden Standpunkte mit wenig treffender Terminologie als Vorsatztheorie und Schuldtheorie bezeichnet (so auch BGHSt. 2 194). Die zweite Auffassung ist seit BGHSt. (GrS) 2 194 in der Praxis herrschend. In der Tat ist von ihr auszugehen (oben 2a, b). Sonst müßten die abgestumpftesten Gewohnheitsverbrecher, die sich keine Gedanken über Recht und Unrecht machen, und die fanatisiertesten

Systematisohe Vorbemerkungen IV

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politischen Verbrecher, die ihr Verhalten als pflichtgemäß ansehen, f ü r schuldlos erklärt werden. Weitere Gründe in BGHSt. 2 194ff. Zudem würde, wenn man aktuelles Bewußtsein der Rechtswidrigkeit forderte, der Maßstab des Gesetzes verlassen. Denn für die Zurechnungsfähigkeit verlangt § 51 lediglich die F ä h i g k e i t , das Unerlaubte der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Das muß auch für die Zur e c h e n b a r k e i t der Tat gelten. b) Nicht aber lassen sich die Grundsätze der sog. Schuldtheorie auch auf die Zuwiderhandlungen des Nebenstrafrechts anwenden, das durch Blankettvorschriften und Überwiegen der Gebotsbestimmungen, überhaupt durch einen a n d e r e n U n r e c h t s b e g r i f f gekennzeichnet ist. Während bei den Delikten des StGB das Unrecht typischerweise in der H a n d l u n g des Tötens, Vergewaltigens, Raubens usw. selbst liegt, ist das äußere Verhalten bei Zuwiderhandlungen gegen Verwaltungsvorschriften, auch soweit sie Straftaten sind, regelmäßig nicht schon an sich unerlaubt, sondern wird es erst als Z u w i d e r h a n d l u n g gegen ein p o s i t i v e s G e b o t o d e r V e r b o t . Dort wird das Handeln verboten, weil es von Hause aus Unrecht ist. Hier wird ein an sich erlaubtes Verhalten lediglich als Zuwiderhandlung gegen ein Verbot zum Unrecht gestempelt. Deshalb kann das Bewußtsein und der Wille, eine Wohnung zu vermieten (BGHSt. 9 358), einen Weg zu befahren (BayObLG 55 207, BGHSt. 11 10), nicht schon den „Vorsatz" ausmachen. Das wäre Begriffs] urisprudenz. Denn die Handlung ist hier gar kein Unrechtsindiz. Primäre Grundlage der Zurechnung zum Vorsatz ist hier das Bewußtsein, entgegen verwaltungsmäßiger Regelung zu vermieten oder zu fahren. BGHSt. 9 358 (dazu JZ 57, 233) erkennt dies nicht an, beschränkt sich aber ausdrücklich auf den konkreten Fall. Der Gegensatz von kriminellem und Verwaltungsunrecht ist seit dem OWG grundlegend für die Unterscheidung von Kriminalstrafrecht und Recht der Ordnungswidrigkeiten, aber auch von strafbaren Handlungen des StGB einerseits, Zuwiderhandlungen des Wirtschaftsstrafrechts und des sonstigen Nebenstrafrechts andererseits. Der Täter muß hier die Tatsache und den Bereich der verwaltungsmäßigen Regelung und damit das Gebot oder Verbot positiv kennen. Sonst weiß er nicht, was er t u t . Das Unrecht existiert anderenfalls für ihn überhaupt nicht. Dementsprechend wird in den Einzeltatbeständen dieser Gesetze die verschuldete Verbotsunkenntnis als vorsatzausschließende Verbotsfahrlässigkeit behandelt. Ebenso schon § 395 Abs. 2 RAbgO (Text unten § 59 Anm. I I 2), der durch dasÄndGes. 1956 unberührt geblieben ist. Hier ist insofern entgegen BGHSt. 2 194, 4 1 die sog. Vorsatztheorie vom Gesetz eindeutig zugrunde gelegt. Allerdings deuten §§ 6 WStG, 12 OWG auf den Standpunkt der Schuldtheorie hin. Sie können aber angesichts der entgegenstehenden klaren Regelung in den Einzeltatbeständen nur insoweit zur

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Systematische Vorbemerkungen V, VI

Anwendung kommen, als der Täter trotz erkannter Verbotswidrigkeit seines Verhaltens dennoch glaubt, etwa aus übergesetzlichem Notstand oder weil er das Verbot für verfassungswidrig hält, so handeln zu dürfen. Näheres JZ 56, 73ff., 519ff., J Z 57, 233ff. Zustimmend Schönke-Schröder § 59 VIII, Mezger LK § 59 I. S. a. unten § 2 Anm. I I I A 5, § 25 Anm. I I zu Ziff. 2, § 59 Anm. V 3 d). — Bei den sog. M i s c h t a t b e s t ä n d e n des § 3 Nr. 1 WiStG muß der Vorsatz die zusätzlichen Merkmale umfassen, die die Zuwiderhandlung zu einer Straftat machen: LangHinrichsen GA 1957, 225. Anders aber BGHSt. 11 263. Hier werden die normativen Tatbestandselemente der Nr. 1 für eine bloße „Richtlinie" erklärt, mit der bedenklichen Wendung, der R i c h t e r solle den Unrechtscharakter gewisser Tatbestände bestimmen (S. 265). Dazu unten § 59 Anm. V 3 b. Das Reichsgericht hatte ohne Anhalt am Gesetz und in der Lehre den sachlichen Gegensatz zwischen den klassischen Delikten, die ihr Unrecht in sich selbst tragen, und den Blankettgesetzen als typischem Ausdruck der nur positiv strafbaren Zuwiderhandlungen, deren Rechtswidrigkeit erst durch das gesetzliche Verbot oder Gebot begründet wird, bei der Behandlung des Rechtswidrigkeitsirrtums sinngemäß, wenn auch formalistisch zum Ausdruck gebracht. Bei jenen setzte es die Möglichkeit des Unrechtsbewußtseins stets voraus, bei diesen verlangte es Verbotskenntnis. Seltsamerweise hat genau in dem gleichen Augenblick, in dem jener in der Natur der Sache begründete und in den meisten Rechtsordnungen anerkannte Gegensatz durch das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten zur verpflichtenden gesetzlichen Grundlage geworden ist, der Bundesgerichtshof die nunmehr zwingend geforderte Differenzierung in der entscheidenden Schuldfrage aufgegeben. Einzelheiten § 59 Anm. IV 5, V 3d, VI. Schrifttum: Vgl. vor § 59. V. Besondere Erscheinungsformen des Verbrechens sind: 1. Versuch. Darüber Anm. vor und zu §§ 43ff. 2. Teilnahme. Darüber Anm. vor und zu §§ 47ff. sowie oben I I D 1. 3. Mehrheit der Handlungen oder ihrer Bewertung. Darüber Anm. vor und zu §§ 73 ff. sowie oben I I C. VI. Positive Strafbarkeit. Das Gesetz fordert in einigen Fällen, daß über die Tatbestandshandlung hinaus objektive Bedingungen der Strafbarkeit (A) vorliegen. In einigen anderen Fällen schließt es aus Gründen in der Person des Täters, deren Berücksichtigung meist jenseits der Strafrechts-

Systematische Vorbemerkungen VII

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zwecke ihren Ursprung hat, trotz vollen Deliktcharakters der Handlung deren Strafbarkeit aus (B). Schließlich macht das Prozeßrecht in einer Reihe von Fällen die Verfolgung von bestimmten Voraussetzungen abhängig (VII). A. Bedingungen der Strafbarkeit. G r u n d s ä t z l i c h e r Unterschied von Tatbestandsmerkmalen: Die B. d. Str. brauchen n i c h t v o n V o r s a t z und F a h r l ä s s i g k e i t u m f a ß t zu sein, und sie haben n i c h t s m i t Ort und Zeit der Verbrechensvollendung zu tun. Fehlt eine Bed. der Strafb., so ist nicht einzustellen (wie untenVII),sondern f r e i z u s p r e c h e n . — „Bedingungen der Strafbarkeit" sind im wesentlichen als Indizien für die Gefährlichkeit oder Strafbedürftigkeit der tatbestandsmäßigen Handlung zu erklären. Sie finden sich z . B . in §§ 143; 186 (Nichterweislichkeit, str.); KO §§ 239ff. (Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung: E 45 88 gegen ältere Entscheidungen). — Eine eigenartige Bedingung der Strafbarkeit in § 330 a: Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung. Vgl. dort. Unrichtig OLG Dresden, JW 39 1500: begangen sei das Vergehen des § 330 a mit Begehung der Rauschtat. Schrifttum: B e m m a n n , Zur Frage der objektiven Bedingungen der Strafbarkeit. Gött. rechtsw. Studien Heft 20, 1957. — S c h w e i k e r t , Riskantes Verhalten, ZStW 70, 394. B. Persönliche Strafausschließungsgründe berühren weder die Rechtswidrigkeit noch die Schuld der tatbestandsmäßigen Handlung. N o t wehr gegen solche Taten also gestattet, T e i l n a h m e an ihnen strafbar. Bei ihrem Vorhandensein ist f r e i z u s p r e c h e n . — Vgl. StGB §46 (Rücktritt vom Versuch und tätige Reue, genau genommen Strafaufhebungsgründe: E 56 149 und 210, str.); § 199 (Aufrechnung von Beleidigungen); § 247 II. — Gemeinsam ist diesen Gründen, daß sie außerhalb des Verbrechensbegriffs liegen. Mißverständlich daher OGHSt. 1 321, 337 (hierzu oben III 2c, aber auch Peters JR 49, 496, Reinicke MDR 50, 77). YH. Bedingungen der Verfolgbarkeit. Sie sind lediglich Prozeßvoraussetzungen und an sich im Strafprozeßrecht geregelt. Dazu §§ 61 ff. (Strafantrag) ; 67— 69 (Nicht-Verjährung); 172 (Scheidung der Ehe: E 22 135, str.); 238 (Nichtigerklärung der Ehe); JGG § 1 (Alter über 14 Jahren: E 57 206; E 61 265 berührt diese Frage nicht). A u c h A m n e s t i e und N i e d e r s c h l a g u n g (Abolition) hindern nur die Verfolgung (E 55 231), B e g n a d i g u n g sogar nur die Strafvollstreckung. — Fehlt eine BdV, so ist nicht freizusprechen, sondern das Verfahren e i n z u s t e l l e n ; in der Hauptverhandlung durch Urteil (StPO § 260), außerhalb durch Beschluß.

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Schrifttum

Erläuterungswerke: L e i p z i g e r K o m m e n t a r , begr. von Ebermayer, Lobe, Rosenberg, 7. Aufl. 1953 von N a g l e r , J a g u s c h , Mezger gem. mit Rohde, A. Schäfer, Werner, Ziegler. 8. Aufl. 1957/58. S c h ö n k e - S c h r ö d e r , 8. Aufl. 1957. ( D a l c k e - ) F u h r m a n n - S c h ä f e r , Strafrecht und Strafverfahren, 36. Aufl. 1955. S c h w a r z , Kurzkommentar, 21. Aufl. 1958. — Die beiden letzgenannten mit zahlreichen Nebengesetzen. D r e h e r - M a a ß e n , 3. Aufl. 1959. F r a n k , StGB, 18. Aufl. (1931). — Ergänzungsband hierzu von E . S c h ä f e r und v. D o h n a n y i (1936). Der Kommentar von Frank gibt noch heute wertvolle Anregungen. Anm.auch in: L i n d e n m a i e r - M ö h r i n g , Nachschlagewerk des BGH. Systematische Darstellungen: v. L i s z t , Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, bearbeitet von Eb. S c h m i d t , 25. Aufl. (1927). — Allg. Teil in 26. Aufl. (1932). B i n d i n g , Lehrbuch, Bes. Teil, 3Bände, teilweise 2. Aufl. (1902ff.). In vielen Teilen nach wie vor wertvoll. v. H i p p e l , Deutsches Strafrecht, 1. Band, Allg. Grundlagen und Geschichte (1925); 2. Band, Allgemeiner Teil (1930). G r a f zu D o h n a , Aufbau der Verbrechenslehre, 2. Aufl. 1941. v. W e b e r , Grundriß des deutschen Strafrechts, 2. Aufl. 1948. Mezger, Strafrecht, ein Lehrbuch, 3. Aufl. (1949, nur Allg. Teil). — Strafrecht, Ein Studienbuch, Allg. T. 8. Aufl. 1958. Bes. T. 6. Aufl. 1958. Hellmuth M a y e r , Strafrecht. Allg. Teil 1953. W e l z e l , Das deutsche Strafrecht, 6. Aufl. 1958. W e g n e r , Strafrecht, Allg. Teil 1951. M a u r a c h , Deutsches Strafrecht, Ein Lehrbuch. Allg. Teil 2. Aufl. 1958, Bes. Teil 2. Aufl. 1956. S a u e r , Allg. StrRLehre, 3. Aufl. 1955. — System des Strafrechts. Besonderer Teil. 1954. Zeitschriften Der G e r i c h t s s a a l , seit 1849 (angeführt: GS). A r c h i v für S t r a f r e c h t , seit 1853 und neu seit 1953; häufig angeführt als „Goltdammers Archiv"; 1934 bis 1944 als Deutsches Strafrecht (angeführt: GA bzw. DStR). Z e i t s c h r i f t für die g e s a m t e S t r a f r e c h t s w i s s e n s c h a f t seit 1881 und wieder seit 1951 (angeführt: ZStW). M o n a t s s c h r i f t f ü r K r i m i n a l p s y c h o l o g i e (ab 1937: Kriminalbiologie, jetzt: K r i m i n o l o g i e ) und S t r a f r e c h t s r e f o r m , seit 1904 und wieder seit 1953 (angeführt: MoKrim).

Einführungsgesetz Vom 31. Mai 1870 (BGBl. 195) § 1. Das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund (das Deutsche Reich) tritt im ganzen Umfange des Bundesgebietes mit dem 1. Januar 1871 in Kraft. Zum Reichsgesetz wurde das StGB erklärt durch Ges. v. 15. 5. 1871. § 2 . Mit diesemTage tritt dasBundes- (Reichs-) und Landesstrafrecht, insoweit dasselbe Materien betrifft, welche Gegenstand des Strafgesetzbuchs fiir den Norddeutschen Bund (das Deutsche Reich) sind, außer Kraft. In Kraft bleiben die besonderen Vorschriften des Bundes- (Reichs-) und Landesstrafrechts, namentlich über strafbare Verletzungen der Preßpolizei-, Post-, Steuer-, Zoll-, Fischerei-, [Jagd-], Forst- und Feldpolizeigesetze und über den Holz- (Forst-) Diebstahl. I. Die §§ 2ff. regelten das Verhältnis von Reichsrecht und Landesrecht nach den Reichsverfassungen von 1871 und 1919. Nach ihnen war das Reich „zuständig f ü r die Gesetzgebung über Strafrecht". Nur soweit es hiervon keinen Gebrauch gemacht hatte, waren auch die Einzelstaaten (seit 1919 „Länder") zuständig, StrGesetze zu erlassen. Beispiel: Die „Materie" der Sittliehkeitsverbrechen ist reichsrechtlich abschließend geregelt. Landesgesetze gegen den Konkubinat waren ungültig, wenn dieser seiner „Unsittlichkeit" wegen unter Str. gestellt war; nicht aber, wenn „Störung der öffentlichen Ordnung" entscheidend war, denn die „öffentliche Ordnung" war keine reichsrechtlich geregelte „Materie". So E 38 273. — Betr. § 270 PrStGB (Abhalten vom Bieten) E 27 106, 37 130. — Vgl. jetzt allgemein Art. 72, 74 Nr. 1 GG. II. Die besonderen Vorschriften blieben also ausdrücklich in Kraft (und haben sich l a n d e s r e c h t l i c h weiter entwickelt), obwohl sie an sich „Materien" betreffen, die reichsrechtlich geregelt sind; z. B. betrifft der Porstdiebstahl die Materie des Diebstahls, ist aber trotzdem landesrechtlich unter Strafe gestellt, in Preußen durch das Ges. betr. Forstdiebstahl v. 15. April 1878. § 5. In landesgesetzlichen Vorschriften über Materien, welche nicht Gegenstand des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich sind, darf nur Gefängnis bis zu zwei Jahren, Haft, Geldstrafe, Einziehung einzelner Gegenstände und die Entziehung öffentlicher Ämter angedroht werden. § 6. Vom 1. Januar 1871 (1872) ab darf nur auf die im Strafgesetzbuche fiir den Norddeutschen Bund (das Deutsche Reich) enthaltenen Strafarten erkannt werden. Wenn in Landesgesetzen anstatt der Gefängnis- oder Geldstrafe Forst- oder Gemeindearbeit angedroht oder nachgelassen ist, so behält es hierbei sein Bewenden. Maßregeln, die nicht „Strafen" sind, kann das Landesrecht dagegen anwenden; vgl. Vorbem. vor § 13.

Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich Vom 15. Mai 1871 in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. August 1953 (BGBl. I 1083)

Einleitende Bestimmungen Dreiteilung

der strafbaren

Handlungen

§1 (1) Eine mit Zuchthaus oder mit Einschließung von mehr als fünf Jahren bedrohte Handlung ist ein Verbrechen. (2) Eine mit Einschließung bis zu fünf Jahren, mit Gefängnis oder mit Geldstrafe Ton mehr als einhundertfünfzig Deutsche Mark oder mit Geldstrafe schlechthin bedrohte Handlung ist ein Vergehen. (3) Eine mit Haft oder mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Deutsche Mark bedrohte Handlung ist eine Übertretung. Schrifttum: N i e t h a m m e r in DRZ 47, 100. — E n g i s c h in SJZ 46, 232. — Derselbe: Die neuere Rechtspr. zur Trichotomie der Straftaten, SJZ 48, 660. — L a n g e , Probleme des § 1 StGB, in MDR 48, 310. Mat. z. StRRef. I 76ff. — N ü s e , Zur Frage der Dreiteilung der Straftaten nach § 1 StGB, J R 49, 5. — M a u r a c h , JZ53, 279. — D r e h e r , ZurSystematik allg.Strafschärfungsgründe, GA1953,129. — G u t z k e , Die Behandlung bes. schw. Fälle, insbes. bei Übertretungen, NJW 56, 580. — S c h r ö d e r , Gesetzliche und richterliche Strafzumessung, Mezger-Festschr. 415ff. Neufassung durch das 3. StÄG. I. Ein gemeinsames Wort f ü r alle strafbaren Handlungen, mindestens f ü r Verbrechen und Vergehen, hat sich noch nicht durchgesetzt. „ V e r b r e c h e n " , obwohl viel so verwendet, paßt nicht für leichtere Fälle; ist auch, da gleichzeitig Artbegriff, ungeeignet zum Gattungsbegriff. — „ D e l i k t " , früher gleichfalls viel gebraucht, weicht vor dem Wunsch, zu verdeutschen, allmählich zurück; ist auch mehrfach anderweit festgelegt (röm. delictum gegenüber maleficium, crimen; oder wissenschaftlich: Delikt gleich schuldhafte Normübertretimg, Verbrechen gleich strafbares Delikt). — Neuerdings bürgerte sich das Wort „ S t r a f t a t " ein, auch beim RG. und in neueren Gesetzen, z. B. StGB §§ 3,211 (Neufassungen!). — Das Gesetz gebraucht auch die zusammenfassenden Wendungen „ s t r a f b a r e H a n d l u n g " { = tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung), z. B. §§ 51—54,59, 190, 257; „ e i n e mit S t r a f e b e d r o h t e H a n d l u n g " ( = tatbestandsmäßige und rechtswidrige Handlung) in §§ 42b, 48, 49, 330a. Die Abgrenzung ist nicht immer einfach, zumal in den Gesetzen keineswegs immer dem gleichen Wort der gleiche Sinn entspricht. Vgl. Vorbem. I I I A 3 vor III. Abschnitt und § 86 Anm. II.

Einleitende Bestimmungen § 1

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II. Praktische Bedeutung hat die Dreiteilung heute als technisches Mittel zur Vereinfachung der Gesetzessprache durch Zusammenfassung von Gruppen. Hier reicht sie so weit und greift so tief, daß die Grenzen der drei Tatgruppen eindeutig klargestellt werden müssen. Vgl. StGB §§ 6, 20a, 25, 27 a, insbes. § 27 b, 29, 40, 42 c, 421, 43, 49, 49a, 49b, 67, 74, 138, 143, 151, 241, 257; StPO §§ 112 I I , 113, 153ff., 200 I I , 201, 233, 266 I I , 374, 407, 413, 429e, 433; StRegisterVO § 3 I I . III. Rückblick nnd Ausblick. Einen tieferen Sinn hatte die Dreiteilung in der Zeit, in der das neuere Strafrecht wurzelt (vor und nach 1800). Sie entstammt dem Naturrechtsdenken des 18. Jahrhunderts (a. A. Welzel J Z 51, 754) und hat verschiedene gedankliche Wurzeln, die mannigfach miteinander verflochten sind und von denen schwer auszumachen ist, welche die primäre, die die anderen bedingende ist. a) Ein Gedanke ging dahin, daß echtes kriminelles Unrecht eine Verletzung von „Rechten" enthalten müsse, und daß hierbei zwischen „angeborenen" (z. B. Leben) und „erworbenen" Rechten (z. B. Eigentum) unterschieden werden müsse; daß diesen Rechtsverletzungen gegenüberzustellen sei die bloße Zuwiderhandlung gegen Ge- und Verbote, b) Teils in Verbindung hiermit (zum anderen Teil freilich aus selbständigen politischen Beweggründen) entstand der Gedanke, daß über Verletzung angeborener Rechte ungelehrte Richter urteilen könnten und sollten, daß dagegen Verletzungen erworbener Rechte nur der Kenner des Gesetzes zutreffend beurteilen könne; während bei bloßen Ungehorsamsfällen ein Polizei- oder Friedensrichter die Gesetzesfolge aussprechen möge, c) Die sich herausbildende Unterscheidung von entehrenden und nichtentehrenden Strafen deckte sich hiermit teilweise. Das Ergebnis des 18. Jahrhunderts war im wesentlichen folgendes: 1. V e r l e t z u n g a n g e b o r e n e r R e c h t e , z. B. Mord, aber auch schwere politische Untaten: crime, Verbrechen; entehrendes Zuchthaus; Volksrichter, cour d'assises, Geschworenengerichte. — 2. V e r l e t z u n g e r w o r b e n e r R e c h t e , z. B. Diebstahl délit, Vergehen; Gefängnis, sühnend, aber nicht grundsätzlich entehrend; Juristengericht, tribunal correctionel, Strafkammer. — 3. B l o ß e r U n g e h o r s a m , z. B. unerlaubtes Schießen, zu schnell fahren, nicht begriffsnotwendig verbunden mit Verletzung von Rechten, u. U. mit der Gefährdimg solcher: contravention, Übertretung; Haft, Denkzettel ohne Sühnecharakter und ohne Ehrminderung; Juge de paix, Friedensrichter, Polizeirichter, in Deutschland später Schöffengerichte. — So Frankreich 1791, 1810; Bayern 1813; dann vielfach im In- und Ausland. Nach 1800 Entwertung der Dreiteilung. Zunächst durch die geistige und politische Umstellung vom Naturrecht auf Gesetzespositivismus : bestraft wurde nicht mehr die Verletzung von Rechten, sondern von Gesetzen; und ein Unterschied von angeborenen und erworbenen Rechten wurde nicht mehr anerkannt. Der Wert der Dreiteilung lag im wesentlichen nur noch darin, daß sie die Gerichtszuständigkeiten erkennen ließ, im übrigen waren aus A r t u n t e r s c h i e d e n G r a d u n t e r s c h i e d e geworden. Bald verschwand auch dieser Formalwert, da aus Zweckmäßigkeitsgründen die Gerichtszuständigkeiten sich nach unten verschoben, d. h. immer mehr Verbrechen vor die Strafkammern, Vergehen vor den Einzelrichter kamen. Trotz Verflüchtigung des Grundgedankens und Entwertung der Dreiteilung und trotz zunehmender Kritik an ihr wurde sie (unter dem Einfluß der aus dem Gebiet des Code Pénal stammenden rheinpreußischen Juristen) in das Preuß. StGB. v. 1851 übernommen, von da in das RStGB. Seitdem aber hat sie sich eingebürgert. Auch im Volksbewußtsein ist der Unterschied von Verbrechen und Vergehen lebendig (so mit Recht KG in DRZ 47 162 = J R 47 98). Wie der französische Entw. 1934 und das Schweizer StGB von 1937 (1942) halten auch die deutschen Entwürfe bis 1933 an ihr fest. Ebenso die Große Strafrechtskommission 1955 (mit der Maßgabe, daß die Übertretungen teils Vergehen, grundsätzlich aber Ordnungswidrigkeiten werden sollen, vgl. Bericht Dreher ZStW 66, 577 ff. sowie § 13 Entw. 59).

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Das ist um so bemerkenswerter, als die Entw. mit ihren zahlreichen und weitgespannten Strafänderungsgründen zugleich eine Entwicklung anbahnten, die sich nach 1933, aber auch noch nach 1945 (vgl. insbes. die Abschn. 2 und 3 des Bes. Teils) vielfach übersteigerte: die starke Verlagerung der Entscheidung über die Strafhöhe vom Gesetzgeber auf den Richter. Die neuen Strafgesetze seit 1933 u m g r e n z t e n zwar die T a t b e s t ä n d e . Aber die S c h w e r e ihres Unrechtsgehalts zu bestimmen, überließen sie weitgehend dem R i c h t e r , dem sie Strafrahmen von äußersten Spannweiten zur Verfügung stellten, und zwar meist ohne konkrete Anweisungen f ü r seine strafzumessende Tätigkeit. Eine gesetzliche Strafdrohung, die f ü r die gleiche Tatbestandsverwirklichung leichte Gefängnis- oder gar Geldstrafe bis zu schwerster Zuchthausstrafe androht (vgl. Vorbem. I I C vor § 1), bedeutet ohne solche Anweisung einen Verzicht des Gesetzgebers darauf, diesen Tat-Typ einzustufen. Dies soll im Einzelfall der Richter tun. Aber damit hat § 1 nichts zu tun, denn dieser geht von der generell angedrohten, nicht von der individuell verwirkten Strafe aus (vgl. Anm. IV). Er wollte T y p e n einstufen; der Richter sollte nur entscheiden, welchem Typ die Tat entsprach. IV. Aus dieser Standpunktsverschiebung, aus der weitgehenden Verlagerung der wertenden Tätigkeit vom Gesetzgeber auf den Richter einerseits, der Beibehaltung des gegenteilig orientierten § 1 mit seinen weittragenden Folgerungen (Anm. II) andererseits, waren im Bereich der neuen Strafgesetze Schwierigkeiten entstanden, deren annähernde Lösung in den Vorauflagen nach folgender Richtung gesucht wurde: Nicht sei möglich der Übergang von der a b s t r a k t e n zu einer wirklich k o n k r e t e n Betrachtung, d. h. von dem Grundsatz, die Einstufung der Straftaten nach der gesetzlich a n g e d r o h t e n Strafe vorzunehmen, zu dem Grundsatz, dies nach Maßgabe der im Einzelfall v e r w i r k t e n Strafe zu tun. Es würde, wenn die Verwirrung nicht hoffnungslos werden soll, zur Voraussetzung haben müssen, daß der § 1 mit allen seinen Konsequenzen geändert würde. Möglich sei nur, innerhalb jener weitgespannten Tatbestände abgestufte W e r t g r u p p e n zu bilden, soweit das Gesetz dies irgend ermögliche. Beispiel aus den „besonders schweren Fällen": Nicht zwar dürfe und könne f ü r die Einstufung als Verbrechen oder als Vergehen maßgebend sein, ob der Einzelfall endgültig mit Zuchthaus oder mit Gefängnis gestraft werde; denn eine Einstufung müsse schon v o r B e g i n n des Verfahrens erfolgen (z. B. wegen Zuständigkeit, Verjährung usw.). Wohl aber sei maßgebend, ob bei solcher Prognose der Fall in d i e G r u p p e der „besonders schweren", grundsätzlich mit Zuchthaus „bedrohten" Fälle gehöre, oder aber in die Gruppe der einfachen, die grundsätzlich mit Gefängnis bedroht seien. Nicht also Übergang zu einer konkreten, sondern zu einer „konkreteren" Betrachtung. V. Allerdings müssen die „besonders schweren Fälle" und ähnliche Gruppen, die den Herd der konstruktiven Schwierigkeiten bildeten, dem System der Dreiteilung eingeordnet werden, nicht umgekehrt. Dies ergibt ihre Struktur ebenso wie ihre Geschichte. Vgl. Vorb. A IV 2 d vor § 13. Zu unterscheiden sind 1. die „imbenannten" besonders schweren Fälle, die auf die Entwürfe vor 1933 zurückgehen und dort bestimmt waren als Fälle, in denen „der verbrecherische Wille des Täters ungewöhnlich stark und verwerflich und die Tat wegen der besonderen Umstände ihrer Begehung oder wegen ihrer verschuldeten Folgen besonders strafwürdig ist" (§ 77 I I E 1927);

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2. die „benannten", die zwischen 1933 und 1945 in §§ 263 IV, 266 II, 292 II, 293 I I StGB sowie in § 294 I I I Aktien-Ges., 95 I I Börsen-Ges., 81 a I I GmbH-Ges., 146 I I Genossenschafts-Ges. und 34 I I Depot-Ges. eingeführt wurden. 3. Die Streichung der Beispiele in §§ 263IV, 266 I I und die Einführung weiterer, meist „unbenannter" Fälle durch die Änderungsgesetze von 1953 und 1951. Im Gegensatz zu der ersten Gruppe begnügte sich die zweite mit objektiv o d e r subjektiv schweren Fällen und führte diese nicht abschließend, sondern nur beispielsweise auf. Sie band also den Richter weit weniger als bei richtiger Auslegung die „unbenannten", die in Wahrheit den vor die Klammer gezogenen Inhalt des § 77 I I E 27 bargen. An diesen und nicht an jenen hat sich daher die heutige, durch die Streichungen in §§ 263, 266 freier gewordene Auslegung wieder zu orientieren, und zwar folgerichtig auch insofern, als sie ohne Einfluß auf die Qualifikation sind; so ausdrücklich die Entwürfe, vgl. § 11 I I I E 27. Im Ergebnis ist daher dem RG zuzustimmen, das hier eine Änderung der Deliktsklasse verneint. Vgl. insbes. E 69 168, ferner E 59 127, 60 145, 68 391, 69 49, 340, 71 104. Der BGH schließt sich an: BGHSt 2 181, 3 47 (auch f ü r Übertretungen; ebenso BayObLG MDR 52 566, Braunschweig GA1956 56). — De lege ferenda vgl. die Beschlüsse der Großen Strafrechtskommission ZStW 67,82 ff. (Bericht Dreher) sowie Mat. I 80, 83, wo dargelegt ist, daß diese Wertgruppenbildung etwas Neues, Drittes zwischen Strafzumessungsgründen einerseits, Vertatbestandlichung andererseits darstellt. VI. Übersicht. Folgende Ansichten werden in dieser Streitfrage vertreten: 1. Abstrahierend: Die schlechthin höchste Strafmöglichkeit entscheidet, gleichviel ob der Straferhöhungsgrund benannt oder unbenannt ist. So Gerland, 2. Aufl. S. 90 Note 4, der ORA zu E 60 115. J e d e r Betrugsfall wäre hiernach durch § 263IV zum Verbrechen geworden. 2. Generalisierend: Der ordentliche Strafrahmen ist maßgebend auch für die Qualifikation besonders schwerer Fälle usw. Diesen Standpunkt teilt der Text mit dem RG, dem BGH —- dazu Gutzke NJW 56, 580 — und der herrschenden Lehre. 3. Spezialisierend: So Engisch, SJZ 46 S. 232, Wertgruppen bildend. Grundsätzlich ebenso schon Kohlrausch in den Vorauf 1.; vgl. oben zu IV.: Soweit einFall in concreto der schwereren oder leichteren Gruppe unterfällt, wird er zum Verbrechen usw. Doch will Kohlrausch nur den „benannten" Fällen der §§ 292 I I usw., Engisch allen Strafänderungsgründen diese Wirkung beilegen. Vgl. dens. SJZ 48, 660, Idee der Konkretisierung (1953) 51. Ebenso jetzt Schönke-Schröder I I 3 unter Hinweis auf § 94 (dazu vgl. Anm. dort). 4. Differenzierend innerhalb der „benannten" Fälle: Mezger, Grundriß 2. Aufl. S. 63 (anders StBI § 103 H I ) , Olsh.-Nieth. § 1, 8d, die in §§ 292 I I usw. die Beispiele als strafändernd behandeln wollten, den durch sie erläuterten Allgemeinbegriff dagegen nicht. BGHSt. 8 168 betr. § 129 Abs. 2, die ebenso unterschied, ist durch BGHSt. 11 233 aufgegeben. 5. Konkretisierend: Nicht die angedrohte, sondern die im Einzelfall verwirkte Strafe ist maßgebend. So früherSchönke, §111 1 — aufgegeben seit der 4. Aufl. — und — f ü r die VRStVO, die eine Sonderregel vorsah — Frankfurt SJZ 46 231, anders aber in SJZ 48 638 betr. § 218. Ferner KG DRZ 47 99 (Niethammer), 162.

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Die Auffassung zu 1. wird durch das Gesetz selbst widerlegt, das in §§ 142, 153, 218 I I , 240, 267, 281, 348, 353 b u. o usw. den Versuch auch bei Vorliegen besonders schwerer Fälle ausdrücklich mit Strafe bedroht. Nach der hier vertretenen Auffassung ist allerdings versuchte Untreue auch in schweren Fällen nicht strafbar. Aber der Vorwurf, daß dies angesichts der Strafbarkeit der versuchten Veruntreuung (§ 246) unbefriedigend sei (so Kohlrausch hier in den früherenAufl.), richtet sich in Wahrheit gegen den Grundtatbestand; seine Berechtigung ist im übrigen umstritten (Niethammer, DRZ 47, 100). — Zu 3. ist die Unterscheidung zwischen „tatbestandlichen" und persönlichen Strafänderungsgründen innerhalb dieser Fallgruppe nicht durchführbar, wie Engisch nachgewiesen hat. Alle Versuche, etwa „mildernde Umstände" von „minder schweren Fällen" abzugrenzen, sind gescheitert (Nagler, LK 6. Aufl. S. 172). Gesteht man aber mit Engisch a l l e n Strafänderungsgründen Bedeutung f ü r die Zuordnung nach § 1 zu, so läuft dies auf die Auffassung zu 5. hinaus. Dies ist weder mit dem Wort und dem Sinn des § 1 — „bedroht", nicht„verwirkt" — noch mit der Struktur der Entwürfe vereinbar und führt praktisch zu größter Unsicherheit (Niethammer, DRZ 47,100).—Die Auffassung zu 4. ist logischen Einwänden ausgesetzt, da sie das Beispiel anders behandeln will als den Grundbegriff, dem es angehört, und deshalb auch mit Recht von BGHSt. 11 233 aufgegeben. N u r t e i l w e i s e r e c h t s ä h n l i c h ist die Gegenüberstellung von sog. abstrakten und konkreten Maßstäben in § 2 Abs. 2, bei der wahldeutigen Tatsachenfeststellung und in § 73. Vergleiche können hier mehr irreführen als fördern. — 1. Daß es in den beiden ersten Fallgruppen darauf ankommt, welches der Gesetze im E i n z e l f a l l die mildeste Beurteilung zuläßt, ist nicht nur sachgemäß, sondern selbstverständlich. So deshalb immer die Rechtspr. zu § 2: E 33 190 bis 71 42, 76 210, ebenso BGH J R 63 109 ( = LM Nr. 2 zu § 200). Entspr. f ü r die Wahlfeststellung E 68 626, BGHSt. 1 276. Für § 1 folgt hieraus nichts. — 2. § 73 fordert, wie § 1, einen „abstrakten" Maßstab: „androht", i. Gegs. zu § 74: „verwirkt". Daran konnte und wollte auch das RG nichts ändern. Es hatte aber f ü r § 73 die Abstraktheit überspannt, indem es nach Einführung der „besonders schweren Fälle" einen Einheitsstrafrahmen annahm, also z. B. annahm, bei „Betrug" reiche nunmehr der StrRahmen von 3 RM Geldstrafe bis zu 10 Jahren Zuchthaus. Um die absurden Folgen abzubiegen, die sich f ü r § 73 hieraus ergaben, hatte der GSStr. aus § 73 den vernünftigen Satz herausgelesen, bei Tateinheit dürfe das Mindestmaß des milderen Gesetzes nicht unterschritten werden. Die Frage: „abstrakte oder konkrete Betrachtung?" hatte er unentschieden gelassen (E 73 148). Weiter waren dann E 75 191 und DR 41 1659 gegangen, die sich freilich auf den GSStr. zu Unrecht beriefen. Für § 1 jedenfalls ist die Parallele zu § 73 unergiebig. Daß der StrRahmen f ü r Betrug von 3 RM bis 10 Jahr. Zuchth. reiche, ist f ü r § 1 auch vom RG nicht behauptet worden. Es würde bedeutet haben, daß seit Einführung der „bes. schw. Fälle" j e d e r Betrug ein V e r b r e c h e n sei! VII. Der ordentliche Strafrahmen, nicht die verwirkte Strafe, auch nicht die Ausnahmegruppe, ist hiernach f ü r die Zuordnung nach § 1 maßgebend. So ausdrücklich auch § 11 I I I E 27. In einzelnen Fällen stehen Verbrechens- und Vergehensstrafrahmen nebeneinander. So in §§ 94 (vgl. dort Anm. II), 142,174 n. F., 224, 226, 8 Sprengstoff-Ges. Hier ist jeder Strafrahmen in seinem Bereich maßgebend. Das folgt aus ihrer vom RG stets anerkannten Gleichwertigkeit. Vgl. E 76 240. Anders BGHSt. 2 394,

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Braunschweig DRZ 48 106, und durchweg früher das RG: E 39 160, 52 344, 74 287 ohne Begr., E 42 397 unter Bezugnahme auf die Motive, die jedoch dieses Problem noch nicht kannten. Lediglich in den Fällen der §§ 185, 186, in denen das System des § 1 durch die Einfügung der Haftstrafe in den Reichstagsverhandlungen bewußt durchbrochen wurde (Schütze in GoltdA 20, 362), ist durchgängig ein Vergehen anzunehmen. Dagegen liegt in allen anderen hier genannten Fällen echte Zwitterbildung zwischen Verbrechen und Vergehen bzw. Vergehen und Übertretung vor. Die Frage, ob in solchen Fällen bei Anwendung des Vergehensatrafrahmens der V e r s u c h strafbar ist, entscheidet sich nach der erkennbaren Absicht des Gesetzgebers im Einzelfall. A. A. insoweit BGHSt. 2 396, weil damit auf die im Einzelfall verwirkte Strafe abgestellt werde; es handelt sich aber darum, welcher unter zwei gleichwertigen Regelstrafrahmen generell auf Handlungen von solcher Schwere zutrifft, KG in DRZ 47 99 und 162. § 43 I I StGB steht der hier vertretenen Meinung nicht entgegen. Denn diese Bestimmung meint nur den Fall, daß ein Vergehen selbständiger Deliktstyp ist; der Fall des doppelten Strafrahmens kam im Jahre 1871 noch nicht vor, soweit Versuchsfragen in Betracht standen. VIII. Tatbestandsänderungen. Wo das Gesetz nicht nur Sondergruppen innerhalb einzelner Tatbestände bildet, denen wegen ihrer mangelnden Bestimmtheit oder wegen ihrer bloß exemplifikativen Methode keine tatbestandliche Qualität zukommt, sondern die D e l i k t s t y p i z i t ä t ändert, sei es in objektiven oder subjektiven Merkmalen, sei es innerhalb einer Bestimmung oder durch Schaffung einer neuen, da ändert sich mit dem Strafrahmen auch die Zuordnung nach § 1. So in § 243 gegenüber § 242, in §§ 224 bis 226 gegenüber 223. So machen aber auch die schweren Folgen in §§ 221IV, 321 II, 340 I I oder eine besondere Absicht in §§ 94, 235 III, 313 II, 356 I I aus Vergehen Verbrechen oder umgekehrt. Ebenso die Gewerbsmäßigkeit, z. B. § 260, aber auch der Rückfall (über seinen strukturellen Gegensatz zu dem Täterstrafrecht des § 20 a vgl. Bockelmann, Studien I S . 11 ff., 27, aber auch Dreher GA 1953, 129). Nnlla poena sine lege, Rückwirkungsverbot

§2 (1) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (2) Die Strafe bestimmt sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. Bei Verschiedenheit der Gesetze von der Zeit der begangenen Handlung bis zu deren Aburteilung ist das mildeste Gesetz anzuwenden. (3) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit erlassen ist, ist auf die während seiner Geltung begangenen Straftaten auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. (4) Über Maßregeln der Sicherung und Besserung ist nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt. Schrifttum über Analogie, Gewohnheitsrecht, Auslegung: B i n d i n g , Hdb. §§4, 46, 47; v. W e b e r , ZStW Bd. 56 S. 653ff. (beide zur Geschichte). — H. M a y e r ,

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Kohlrausch-Lange, StGB, 42. Aufl.

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Das Analogieverbot im gegenwärtigen deutschen Strafrecht, S J Z 47, 12 ff. — S c h ö n k e , Auslegung, Analogie und Gewohnheitsrecht im StrR, MDR 47, 85. — S c h ö n k e - S c h r ö d e r , Komm, zu § 2 (rechtsvergl.). — G e r m a n n , Analogieverbot usw. SehwZStR 61, 119; Methodische Grundfragen, 1946. — S a x , Das strafrechtliche Analogieverbot, 1953. —• E n g i s c h , Einführung in das juristische Denken, 1956, 63ff. 85ff., 134ff. — B e n d e r , Zur Methode usw. J Z 57, 593. Übersicht: Zu Abs. 1: Anm. I — I I I (Analogie, Gewohnheitsrecht, Auslegung); zu Abs. 2—4: Anm. I V — X (Rückwirkimg). I. Analogieverbot. Abs. 1 stellt mit Verfassungskraft (Art. 103 Abs. 2 GG) drei Regeln auf: N u r ein G e s e t z (jetzt im f o r m e l l e n Sinne, vgl. Bonner Komm. I I 3c) zu Art. 103 GG, L K Art. 103 Anm. l d (S. 50), H. Mayer S. 85; a. A. Schönke-Schröder I I I 3) kann eine Handlung zum V e r b r e c h e n machen (nullum crimen sine lege), und n u r e i n G e s e t z kann eine S t r a f e hierfür bestimmen (nulla poena sine lege). Drittens muß die Strafbarkeit derTat und nach heute einhelliger Auffassung auch die Strafe (vgl. N J W 53, 1162) b e s t i m m t sein. Darin liegen drei Verbote: a) Ausschluß gewohnh e i t s r e c h t l i c h e r Rechtsbildung im Strafrecht; b) Verbot entsprechender (sog. „ a n a l o g e r " ) Anwendung eines Strafgesetzes auf rechtsähnliche Fälle. (Zu b : a. M. insbes. Binding, Hdb. §§ 46,47, der aber hierbei unter Analogie wohl nur sinngemäße Auslegung verstanden hat, nicht entsprechende Anwendung auf Fälle, die durch den Wortlaut überhaupt nicht mehr gedeckt waren. Kritisch zum Analogieverbot ferner Germann sowie Sax a . a . O . ) . c) Verbot a b s o l u t u n b e s t i m m t e r Strafdrohungen. A. A. früher R G : E 56 318, dagegen Frank I und Lange, MatStRRef. I 70ff„ Wegner S. 375ff. mit Nachweisen. Analogie z u g u n s t e n des Täters bleibt möglich und ist u. U. geboten. So grundsätzlich E 56 168. So wurde die Verfolgung der Untreue von Angehörigen analog den §§ 247, 263 V von einem Antrag abhängig gemacht in E 70 205, 71 323, 75 242 (jetzt legalisiert in § 266 Abs. 3). Der Rechtfertigungsgrund des übergesetzlichen Notstandes (Syst. Vorbein. I I I ) ist durch Rechtsanalogie aus einer Reihe von Einzelbestimmungen zu gewinnen. Aber auch die A u s d e h n u n g des § 73 auf gleichartige IdKonk. (vgl. vor und zu § 73) durch E 2 257 ist unbedenklich, da sie keine neue Strafbarkeit begründet. BGHSt. 6 133 faßt zutr. das Analogieverbot negativ: Strafbarkeit oder Strafdrohung so nicht begründbar. Für P r o z e ß v o r a u s s e t z u n g e n , wie Antragserfordernisse, gilt § 2 oder ein sonstiges Analogieverbot nicht. II. Der Ausschluß des Gewohnheitsrechts betrifft ebenfalls nur die Strafbegründung. Es gilt im Strafrecht unmittelbar, soweit es d e r o g i e r e n d e Wirkung ausübt, wie gelegentlich in Nebenstrafgesetzen, oder soweit es zur Strafmilderung oder -ausschließung führt. Vgl. Köln N J W 51 974. So, wenn man die Bildung der Begriffe des Fortsetzungszusammenhangs oder des übergesetzlichen Notstandes zum Gewohnheitsrecht rechnet (Schönke-Schröder, § 2 IV). Mittelbar, soweit das Strafrecht auf gewohnheitsrechtliche Bildungen in anderen Rechtsgebieten zurückgreift. E 46 111. Insoweit kann es auch zur Erweiterung der Strafbarkeit führen. So bei den Vorfragen über Rechtspflicht zum Reden oder Handeln beim Betrüge (unten zu § 263) oder die Rechtspflicht zur Abwendung des Erfolges bei den unechten Unterlassungsdelikten (Gerland, 129 N 3; L.-Schm., § 32 I I I N 17). Vgl. ferner BGHSt. 11

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241 über gewohnheitsrechtliche Züchtigungsbefugnis des Volksschullehrers, die durch Verwaltungsanordnungen nicht aufgehoben werden kann. III. Schärfer als in jedem anderen Rechtsgebiet ist daher die Rechtsanwendung auf die Auslegung des Gesetzes beschränkt. Auslegung ist dabei im weitesten Sinne zu verstehen. Sie umfaßt die — analytische •— I n t e r p r e t a t i o n d e r E i n z e l b e g r i f f e (z. B. der „Wegnahme" in § 242), die — synthetische — K o n s t r u k t i o n der Rechtssätze (z. B. den logisohen und teleologischen Sinngehalt des § 243, vgl. dort Anm. I) und die den Rechtszusammenhang als Ganzes einbeziehende S y s t e m a t i k (z. B. Vorb. I vor § 242 und vor § 263 betr. Eigentums- und Vermögensdelikte; BGHSt. 2 194 über Tatbestands- und Verbotsirrtum). Vgl. Radbruch, Vorschule der Rechtsphilosophie 1947, 9ff. Für die Auslegung war immer und ist auch heute auf S i n n u n d Z w e c k des Gesetzes zurückzugehen. E 62 372, BGHSt. 6 396 und 10 196f. Denn der Wortlaut eines Gesetzes ist selten eindeutig. Beispiele: Was ein „Mensch" i. S. der Strafgesetze ist (bis wann die Tötung eines Neugeborenen unter § 218, von wann ab sie unter § 211 fällt); was eine „Sache" i. S. der §§ 242ff. ist (ob auch Gas, Luft, Energien, Forderungen „gestohlen" oder „unterschlagen" werden können); was eine „Urkunde" i. S. der §§267 ff. ist (ob nur Schriftstücke, ob nur beweisbestimmte) — diese und unzählige ähnliche Fragen von größter Tragweite lassen sich aus dem Wortlaut der Gesetze nicht beantworten. Darüber hinaus ergeben sich aus dem jeweiligen Sinn und Zweckzusammenhang oftmals unterschiedliche Bedeutungen. So BGHSt. 5 87 (betr. „Verletzter"), 6 107 (betr. „Gebäude"), 9 144 (betr. „Absicht"), 11 366 (betr. „Bier"). Jede juristische Auslegung ist teleologisch, wobei Telos nicht als sozialer Nützlichkeitseffekt, sondern als Wertgesichtspunkt zu verstehen ist. Auszugehen ist daher von den Zielen der Auslegung, sodann sind ihre Mittel und Arten festzustellen. Im einzelnen: A. Die Ziele der Auslegung: 1. In erster Linie hat sie der G e r e c h t i g k e i t s i d e e zu entsprechen, wie sie in der Wertwelt unserer Kulturgemeinschaft gebildet und im Einklang damit in den Rechtsüberzeugungen unseres Volkes lebendig ist. Treffend Pfalz, DRZ 47 236 (betr. § 240, vgl. Syst. Vorbem. I I I 2 c) und Engisch a. a. O. 77. 2. Daneben ist die Auslegung am Wert der R e c h t s s i c h e r h e i t , insbes. am Ordnungszweck des Rechtes zu orientieren. Auch das Ziel zu ]. kann nur in diesem Rahmen angestrebt werden. Das folgt unmittelbar aus dem Grundsatz der Ges e t z e s b e s t i m m t h e i t . Vom Gesetz bewußt gezogene feste Grenzen, z. B. des: Schutzalters bei gewissen Sittlichkeitsdelikten, sind daher zu beachten, auch wenn die ratio legis specialis zu ihrer Über- oder Unterschreitung im Einzelfall drängt. Beim übergesetzlichen Notstand (System. Vorbem. III) darf die Zwecktheorie wegen ihrer Unbestimmtheit nicht ohne nähere Bestimmungsgründe verwendet werden. Aus den §§ 52, 53 III, 54 die allgemeine Schuldvoraussetzung der Zumutbarkeit herzuleiten, würde zu völliger Subjektivierung des richterlichen Urteils führen und damit die Sicherheit der Rechtsanwendung vernichten. Vgl. aber BGHSt. 6 58 (dazu Syst. Vorbem. IV 3). Wo das Gesetz selbst das hiernach erforderliche Minimum der Bestimmtheit unterschreitet, kann sogar die Anwendbarkeit in Zweifel gezogen werden. Vgl. s»

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Welzel, §621114 zu § 170d „sittliches Wohl", H.Mayer, MatStrRRef. I 267ff. betr. §§ 170d, 240, 253, 330c und die oben Syst. Vorb. I I I (S. 19) zit. Entsch. des BayVerfGH. 3. Andererseits gibt das Strafrecht a u ß e r r e c h t l i c h e n G e g e n i n t e r e s s e n Raum. Der Rechtswert ist das Wertgefüge im Gefüge der Werte (Bauch). Er kann nicht losgelöst von den übrigen Kulturwerten verwirklicht werden. Dem trägt das StGB Rechnung, wenn es den Ehegatten- und Aszendentendiebstahl für straflos erklärt, weil ihre Strafverfolgung mehr Schaden als Nutzen stiften würde. Aus ähnlichen Gründen ist auch für die Auslegung der Sittlichkeitsdelikte zu beachten, daß der Gesetzgeber eine begründete Scheu hat, allzu tief in die Intimitäten de3 Familienlebens einzudringen. Die Auslegung des allzu weitgefaßten § 266 hat zu berücksichtigen, daß der redliche Unternehmergeist nicht gelähmt werden darf, wie überhaupt die Freiheitssphäre der wirtschaftlichen Betätigung und der persönlichen Initiative zu respektieren ist: Art 1 und 2 GG. 4. Im Rahmen dieser allgemeinen Wertgesichtspunkte ist die r a t i o l e g i s der auszulegenden E i n z e l b e s t i m m u n g zu ermitteln, in erster Linie also deren spezieller Schutzzweck. Er erhellt vor allem aus dem zu schützenden R e c h t s g u t , vgl. E 37 2 und das Material bei Schwinge, Teleologische Begriffsbildung 1930, 34. N u r auf das Rechtsgut stellt Mezger StB I I § 3 ab. Aber dessen Bestimmung ist auch bei den geläufigsten Delikten nicht immer einfach. Diebstahl: Eigentum, Besitz? Erpressung: Vermögen, Freiheit? Abtreibung: keimendes Leben, Volkskraft, Gesundheit der Frau ? Daneben ist eine Fülle anderer Momente zu beachten, z. B. gesteigerte oder geminderte Verwerflichkeit oder Gefährlichkeit der Handlung oder Schutzwürdigkeit des Objekts (Mord, Totschlag, Kindestötung, gemeiner, schwerer, leichter Diebstahl), die Erfassung bestimmter Gesinnungsmomente (böswillig, gewissenlos) oder kriminologischer Tätertypen (Zuhälter). Aus der Korrespondenz der Begriffe Verbrechen und Strafe folgt, daß auch die Strafhöhe bedeutsame Anhaltspunkte für die Auslegung der Norm liefert. Vgl. Hamm S J Z 48, 613, Hessen HESt. 1 154, auch BGH J Z 52 484 (dazu oben Syst. Vorbem. I, Schönke-Schröder VI 2 b) und Germann, Meth. Grundfr. 78 ff. 5. Aber nicht nur die Einzelinterpretation und Konstruktion, auch die S y s t e m a t i k ist teleologisch zu orientieren. Verfehlt ist es z. B., die Regel des sogenannten Verbotsirrtums (BGHSt. 2 194) unterschiedslos auf vorsätzliches Töten oder Mißhandeln einerseits, „vorsätzliches" Parken oder Kartoffelanbauen andererseits zu beziehen und damit den elementaren Wertgegensatz der beiden Gruppen zu ignorieren, der überdies durch das OWG ausdrücklich zur teleologischen Basis unseres gesamten Sanktionensystems erklärt worden ist. Näheres in Syst, Vorb. IV 4b und § 59 Anm. V 3 d. 6. V e r f a s s u n g s k o n f o r m zu sein, wird neuerdings der Auslegung als weiteres Ziel gesetzt. So namentlich die Verfassungsgerichte: BVerfGE 2 282, 7 205 ( = J Z 58 120, Fall Lüth-Harlan), BayVerfGE 5 I I 53, 54, Hess VGH Slg. 4 133. Ferner Wintrich, Festg. für Laforet (1952) 243, 249, Nipperdey, Grundrechte I I 23, 24 und DVB1. 58, 445, Bachof J Z 56, 273. In Mat. StrafRReform 169 ff. wurde bereits die verfassungsmäßige Bindung des S t r a f g e s e t z g e b e r s an den Gleichheitsgrundsatz, den Rechtsstaatsgedanken und die Gewaltenteilung des GG dargelegt. Gleiches gilt erst recht für die A n w e n d u n g des Strafrechts. Dazu eingehend unten Vorb. AI vor § 13.

Einleitende Bestimmungen § 2 Ungeklärt war aber bisher das Verhältnis zum Gesetzeszweck. Das Lüth-Urteil stellt das Postulat der Verfassungskonformität ohne Einschränkung auf. Hingegen bemerkte BVerfGE 2 282: „Daß dabei (sc. bei der verfassungsmäßigen Auslegung des Gesetzes) nicht der Gesetzeszweck außer aucht gelassen werden darf, versteht sich von selbst (vgl. BayVerfGH, DÖV 52 373)"; ähnlich Nipperdey a . a . O . : „verfassungskonforme Auslegung der Gesetze, natürlich unter Beachtung des Gesetzeszwecks". Vgl. jetzt aber BVerfG in N J W 58 1227 (unten zu c). I n Wahrheit handelt es sich nicht, wie es hiernach scheinen könnte, um voneinander unabhängige Größen. Die Verfassungsgrundwerte, denen die Auslegung entsprechen muß, sind gegenüber den oben zu 1—3 entwickelten allgemeinen Zwecken nicht ein aliud, sondern prägen sie nur schärfer aus. a) F ü r die zu 1 und 2 genannten Ziele ist dies ohne weiteres ersichtlich. Vgl. BVerfGE 7 92: „Zur Rechtsstaatlichkeit gehört nicht nur die Voraussehbarke.it, sondern auch die Rechtssicherheit und die materielle Richtigkeit oder Gerechtigkeit." Ähnlich BVerfGE 3 237 und 253, 7 205. Diese Materialisierung des Rechtsstaatsbegriffs forderte bereits „Der Rechtsstaat als Zentralbegriff der neuesten Strafrechtsentwicklung" (J. C. B. Mohr, 1952). b) „ I n erster Linie sind die Grundrechte dazu bestimmt, die Freiheitsrechte des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern; sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat." So BVerfGE 7 204 ( = J Z 58 120). Ihr Akzent Hegt demnach auf der Garantie der außerrechtlichen Gegeninteressen (oben zu 3). Vgl. f ü r das Recht auf körperliche Unversehrtheit BGHSt. 11 113, f ü r das Strafverfahren Eb. Schmidt, Lehrkomm. 1146 Nr. 279. c) Darüber hinaus erklärt BVerfGE 7 205f.: „Der Rechtsgehalt der Grundrechte als objektiver Normen entfaltet sich im Privatrecht durch das Medium der dieses Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften". Diese auch das Strafrecht treffende Mediatisierung der großen Kodifikationen geht auf ihre Eigenfunktion als Aufbau und Ausgestaltung fest umrissener Ordnungsbereiche, die in zunehmendem Maße formal bestimmt werden müssen, auf das Eigengewicht ihrer Tradition und die Bedeutung ihrer konkreten Wertentscheidungen nicht ein. Die von Max Weber (Wirtschaft und Gesellschaft, 1922, S. 16ff.) gezeigten vielfachen Bestimmungsgründe sozialen Verhaltens und damit auch rechtlicher Gestaltung können nicht auf einen einzigen, den der Wertrationalität, reduziert, die Fülle jener Gesichtspunkte darf nicht unter Bezugnahme auf sehr abstrakte und allgemeine Grundsätze beiseite geschoben werden. Sonst droht die Gefahr einer Rückbildung des Rechts zu Sitten- und Schurkenparagraphen und der Zerstörung seines Ordnungswertes durch Subjektivierung und Politisierung. Methodologisch müssen ferner die großen Wertdeklarationen des GG von der konstitutiven und — namentlich im Sanktionsrecht — sozialerzieherischen Funktion der Einzelgesetze unterschieden werden, in Zusammenhang damit die begrenzende, mehr negative Funktion einer höchsten kritischen Instanz von der Vorstellung, mit ihr zugleich im Besitz gebrauchsfertiger oder doch entwicklungsfähiger positiver Ordnungsnormen zu sein, die als Einzelregelung höheren Ranges ipso iure Bestehendes verdrängten. I n der Naturrechtslehre ist dies längst bekannt. Die großen Kodifikationen sind aus allen diesen Gründen nicht einfach Ausführungsgesetze zum Grundgesetz. Ihre Einzelnormen können von ihm in Grenzen gewiesen oder erstreckt (BVerfGE 2 336 zu § 172 StPO a. F.), jedoch grundsätzlich nicht „inhaltlich ausgerichtet" werden (so aber BVerfG a. a. O.). Erheblich zurückhaltender

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jetzt BVerfG in NJW 58 1227 (S. 1435 Anm. Stern mit Nachweisungen): „Keinesfalls darf . . . eine . . . verfassungskonforme Auslegung das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkte verfehlen oder verfälschen." Damit wird die Eigenständigkeit der Gesetze beachtet, auf deren Bedeutung auch Dürig (Festschr. f. Nawiasky, 1956, S. 157ff., 164, 176f,; DÖV 58, 196) für das Zivilrecht hingewiesen hat. B. Die Mittel der Auslegung. 1. Der L e b e n s s p r a c h g e b r a u c h gibt nur einen ungefähren Anhalt. Seine Bedeutung liegt vor allem im N e g a t i v e n : die Auslegung darf nicht sprachwidrig sein. Positiv verbindlich aber ist er nicht ohne weiteres. So versteht man unter „Waffe" im Leben die typische Kampfwaffe. Das Gesetz aber beschränkt den Begriff hierauf nur in einigen Fällen, z. B. §§ 127, 201. In § 223a versteht es ihn in einem weiteren Sinne, bei §§ 123, 243 u. a. ist die Frage bestritten. Und während f ü r den Lebenssprachgebrauch „gefährliches Werkzeug" der Oberbegriff zu „Waffe" ist, spricht § 223 a gerade umgekehrt von „Waffe, insbesondere . . . gefährlichem Werkzeug". Vgl. RG in D J 38 518. Lehrreich für die Problematik GrSen. in BGHSt. 1 158 betr. ..umschlossener R a u m " gegen RG (st. Rspr.), ferner BGHSt. 11 306 (308) betr. j,Krankheit". 2. Der G e s e t z e s s p r a c h g e b r a u c h , wenn auch verbindlicher als der des Lebens, beseitigt ebenfalls nicht alle Zweifel. „Besitz" hat im bürgerlichen Recht und im Strafrecht sehr verschiedene Bedeutung. Unter „Krankheit" verstehen die einzelnen Gesetze je nach ihren speziellen Zwecken sehr Verschiedenes; Übersicht in BGHSt. 11 304. „Kind" ist nach dem JGG und dem StGB im allgemeinen eine noch nicht vierzehnjährige Person. In § 239 a I I wird dagegen auch der Minderjährige unter 18 Jahren als Kind bezeichnet. Zweifelhaft ist die Grenze in § 170d. Vgl. Anm. dort und Braunschweig, HESt. 1 48. Betr. „Gegenstand" vgl. § 90 BGB einerseits, § 40 StGB und Anm. I I dort andererseits. Weitere Beispiele oben vor A. 3. Die A b s i c h t d e s G e s e t z g e b e r s . Über dem Wort steht der Sinn; freilich fängt, nach dem Wort eines großen Künstlers unserer Zeit, auch die Sünde gegen den Geist immer mit der Sünde gegen den Buchstaben an. Die Feststellung der Motive des Gesetzgebers, insbes. aus der Entstehungsgeschichte, führt unmittelbar an das Telos des Gesetzes heran. Aber auch ihre Verbindlichkeit ist in jedem einzelnen Falle zu prüfen. „Das Gesetz ist nicht toter Buchstabe, sondern lebendig sich entwickelnder Geist": BGHSt. 10 159, vgl. auch 1 1. Das Leben geht weiter, die tatsächlichen oder Wertgrundlagen können sich entscheidend verändert haben. Es gibt lebendige und abgestorbene Traditionen. Verfehlt war es z. B., daß sich das RG bei der Ablehnung des Elektrizitätsdiebstahls auf den Sachbegriff des römischen Rechts berief, dem die Elektrotechnik unbekannt war. Gerade in solchen Fällen, in denen die historischen Absichten des Gesetzes nicht mehr tragen, werden wir auf ein weiteres Auslegungsmittel verwiesen: 4. den S y s t e m z u s a m m e n h a n g . Zunächst ist hier die L e g a l o r d n u n g zugrunde zu legen. So erhellt der Sinn des § 330a als „gemeingefährlicher Rausch" aus der Stellung im 27. Abschnitt. Sehr starkes Gewicht legt BGHSt. 3 241, 245 (betr. § 132) auf die Legalordnung. Aber auch sie kann täuschen, so beim Hausfriedensbruch des § 123, der kein Vergehen gegen die öffentliche Ordnung ist und nur aus technischen Gründen an der

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Spitze des 7. Abschnitts steht. Die Auslegung muß daher in die Tiefe des i n n e r e n S i n n z u s a m m e n h a n g s gehen, das Gesetz als objektives, im ganzen der Rechtsordnung funktionierendes Sinngebilde erschließen, die immanente Ordnung des Gesetzes u. U. gegen die äußere Legalordnung, das, was das Gesetz vernünftigerweise nur bezwecken kann, u. U. gegen den historischen Willen des Gesetzgebers durchsetzen. Dieser Gegensatz zwischen o b j e k t i v e r und s u b j e k t i v e r Auslegungsmethode entfällt weitgehend da, wo der Gesetzgeber selbst durch Reformbestrebungen und Entwürfe oder durch Verfassungsbestimmungen der Auslegung eine neue Richtung weist. BGHSt. 1 166 verwertet die Entwürfe 1927 und 1930. Aber auch abgesehen davon ist der Widerspruch insofern nur ein scheinbarer, als der Wille des Gesetzgebers, richtig verstanden, gar nicht anders aufgefaßt werden kann, als daß das Gesetz bei späterer Anwendung veränderten Lebensverhältnissen und -Wertungen zu entsprechen habe. — Wertvolle Vertiefung des Problems bei Engisch, Einf., 85—105, mit zahlr. Nachweisungen. — Zwischen zivilrechtlicher, mehr subjektiv, und strafrechtlicher, mehr objektiv orientierter Auslegung unterscheidet Mezger ZStW 59, 572 Anm. 36. Vermittelnd DOG NJW 1950 651 (dazu Eb. Schmidt MDR 50, 625, Mattern DRZ 50, 247). Entschieden objektivistisch BVerfGE 1 299, NJW 52 737, BGHSt. 1 76, 316. Vermittelnd BGHSt. 6 133 (betr. fahrlässige Tat bei § 330), 11 366 (betr. „Bier"). Vgl. auch Hamburg GA 1958 248. Subjektiv OGHSt. B 48, Koblenz NJW 50 278, Düsseldorf NJW 50 279, Bremen NJW 50 280 (dagegen Schmidt-Leichner NJW 50, 278, 624, Dünnebier DRZ 50, 426). Zur BGHRspr. weiteres Material in kritischer Sichtung bei Jescheck GA 1954, 324. C. Die Arten der Auslegung sind die gleichen wie in den übrigen Rechtsgebieten. 1. Die e r k l ä r e n d e Auslegung stellt mehrdeutige Begriffe fest (z. B. „Nachtzeit" in §243 Nr. 7: die Zeit zwischen Abend- und Morgendämmerung oder die ortsübliche Zeit der Nachtruhe ?) und bestimmt den näheren Inhalt normativer Begriffe (z. B. „wichtiges Glied" in § 224: Daumen, Ringfinger?). Doch ist sie nicht auf die Klärung von Einzelbegriffen beschränkt (vgl. den Anfang dieser Anm.). 2. Die b e r i c h t i g e n d e Auslegung stellt den Sinn des Gesetzes gegenüber dessen zu engem oder zu weitem Ausdruck her (z. B. Rücktrittsmöglichkeit nach § 46 f ü r Teilnehmer über den Wortlaut „Täter" hinaus, E 59 412; E 13 257 legt Einkriechen zutr. als „Einsteigen" i. S. d. § 243 aus). Sie geht also davon aus, daß das Gesetz etwas anderes als das Erklärte wolle, setzt einen error in faciendo voraus. Einen unrichtigen Willen des Gesetzes (error in iudicando) feststellen und korrigieren zu wollen, hieße dagegen im kritischen Fall der ausdehnenden Rechtsanwendung über den Gesetzesinhalt hinausgehen und Analogie treiben. Über deren Grenzen oben zu I. So konnte der Gedanke, die durch Mißbrauch von Automaten begangene Leistungserschleichung zu strafen, im Jahre 1870 gar nicht gefaßt werden; ihn durfte daher der Richter nicht in das Gesetz hineinbringen. Richtig E 68 65. Beispiel extensiver Auslegung in BGHSt, 6 394 (zust. Niese JZ 57, 660) zu § 42 m (dort Anm. V I ) . Auf der Grenze BGHSt. 10 96f. (GrSen): „Entziehung" einer nicht bestehenden „Fahrerlaubnis" und BGHSt. 10 46 (51 f.): § 98 I I i. V. m. § 86 I I I bei Organisationsdelikten in Kannvorschrift umgedeutet, weil viele Härtefälle. Dem hätte aber der Gnadenweg eher entsprochen. Daß SBZ-Angehörige nicht unter § 100 d Abs. 2 fallen, entnimmt zutr. BGHSt. 10 46 (47) entgegen dem Wortlaut u. a. dem System des Gesetzes. Mit Recht verneint BGHSt. 11 199 (abl. Anm. Härtung in JZ 58, 443) aus der ratio legis des § 315a I Nr. 2 (vgl. dort Anm. IV) die

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„Gemeingefahr", wenn ausschließlich die individualisierten Autoinsassen gefährdet waren; ebenso treffend BGHSt. 11 148, wenn nur der Wagen des Täters in Gefahr war. — M o t i v i r r t ü m e r des Gesetzgebers gegenüber seinem erklärten Willen unbeachtlich: BGHSt. 1 79, 11 53, DOG N J W 50 652; kaum vereinbar damit BGHSt. 10 51 (s. o.). — BGHSt. 9 310 (318) betr. entspr. Anw. des § 129 Abs. 4 auf § 129a und § 90a versagt sich zu Unrecht dem Antrag des GenBundAnw., der die heute fast unpraktische Vorschrift kriminalpolitisch aktiviert haben würde. Vgl. § 153 c StPO, der sich mit „Beiträgen" zur Abwendung der Gefahr begnügt, sowie BGHSt. 11 324 ( = J Z 58 669, Anm. Lange), die bei § 46 das kriminalpolitische Bedürfnis und das Gebot der Gerechtigkeit über das Gesetzeswort stellt. IV. Der Grandsatz der Nichtrückwirkung der Strafgesetze beherrscht das strafrechtliche Denken seit dem Beginn des 19. J a h r h . Feuerbach h a t ihm die klassische Formulierung gegeben. Zu seiner Strafrechtstheorie gehört der Satz als integrierender Bestandteil, da die positive Strafdrohung n u r abschrecken kann, wenn sie dem Täter vor der T a t bekannt war. Über die doppelte geschichtliche Wurzel des Satzes in staatsrechtlichen und strafrechtlichen Erwägungen und über seine Bedingtheit vgl. Binding, H d b . § 4. V. Gesetz ist hier d e r g e s a m t e m a t e r i e l l r e c h t l i c h e R e c h t s z u s t a n d , s o w e i t e r d i e N o r m e n d e s S t r a f r e c h t s b e r ü h r t . Nicht nur das formelle Gesetz, auch Rechtsverordnungen und — derogierendes — Gewohnheitsrecht. Aber nicht jede Rechtsänderung außerhalb des Strafrechts wirkt auf dessen Normen ein. Das Außerkurssetzen von Banknoten betrifft nicht das Verbot, Geld zu fälschen. Die Aufhebung einer verkehrsregelnden Anordnung läßt die hinter § 49 StVO stehende Blankettnorm unberührt, daß Verkehrsvorschriften bei Strafe zu befolgen sind. Beide Male bleibt der tatbestandsmäßige Unrechtsgehalt bestehen. Dort liegt er in der Verletzung eines materiellen Rechtsguts (Vorb. I vor § 146). Hier im Ungehorsam gegen den Gesetzesbefehl, während die Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung Motiv, aber nicht Inhalt der Norm ist. Zutr. H a m m N J W 54 1735: „Der gesetzliche Straftatbestand ( § 3 1 StVO) — daß die durch amtliche Verkehrszeichen getroffenen Anordnungen zu befolgen sind — wird von der Aufhebung oder Änderung der betr. Anordnung nicht b e r ü h r t . " Wegen dieses spezifischen Unrechtscharakters der B l a n k e t t v o r S c h r i f t e n ist im Ergebnis der Rspr. des R G (E 31 225; 46 307; 49 410; 59 125) zuzustimmen. BGHSt. 6 30 (40) widerspricht ihr trotz abweichenden Ergebnisses nicht, BGHSt. 7 295 macht sie sich, strenger als E 77 175, zu eigen und erstreckt sie auf Verbote mit Erlaubnisvorbehalt (im Devisenrecht). Mit Recht; denn auch hier macht bereits der Verstoß gegen das Verbot als solcher den Unrechtscharakter aus, nicht erst die materielle Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung. — Die Motive der Gesetzesänderung (Wandel der Rechtsauffassung oder Änderung der tatsächlichen Verhältnisse), auf die das RG abstellte, sind freilich f ü r sich allein nicht entscheidend. Die Undurchführbarkeit und Problematik dieser Unterscheidung zeigt aus heutiger Sicht drastisch BGHSt. 6 30, wonach die Abschaffung der Geschwindigkeitsbegrenzung Ausdruck einer geläuterten Rechtsauffassung sein soll. Erst wenn sich Wandlungen der einen oder der anderen Art in einer Änderung der Gebots- oder Verbotsnorm oder ihrer Sanktion selbst niederschlagen (z. B. Beschränkung auf vorsätzliche Zuwiderhandlungen oder Umwandlung in Ordnungswidrigkeiten), ist das Gesetz i. S. des § 2 Abs. 2 und nicht nur sein tatsächlicher Anwendungsbereich geändert. Die Gegenmeinung (BGHSt. 6 32), wonach

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schlechterdings jede außerstrafrechtliche Gesetzesänderung, von Zeitgesetzen abgesehen, zu berücksichtigen ist, müßte folgerichtig den Falschmünzer freisprechen, wenn die Banknote der gefälschten Art zwischen Tat und Urteil außer Kurs gesetzt wird. Vgl. unten Anm. VII. Der Grundsatz der Nichtrückwirkung gilt als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens auch für die Umwandlung von Straftaten in Ordnungswidrigkeiten und für das Verhältnis von Ordnungswidrigkeiten untereinander (soweit hier nicht Sondervorschriften wie § 104 WiStG 1949/52, vgl. dazu BGH NJW 52 72, und § 15 WiStG 1954, vgl. Dalcke-Schäfer Anm. 2, vorliegen). BayObLG GA 1953 180, SchIHA 58 233. Dagegen gilt er n i c h t für V e r f a h r e n s recht (beim Übergang vom Straf- zum Bußgeldverfahren ist daher Einstellung geboten): Köln NJW 53 1156. (Materiellrechtlich gesehen ist die Bewertung als OWi. Milderung gegenüber der als strafb. Hdlg., Celle GA 1953 184, a. A. Köln NJW 53 1156. Darüber Anm. VII). VI. Tatzeit: „Eine Straftat ist zu der Zeit begangen, zu der der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln sollen. Wann der Erfolg eintritt, ist nicht maßgebend, sofern im Gesetz nichts anderes bestimmt ist" (so Entw. 36). Vgl. auch E 44 277, 57 193. Für Teilnahme gilt der Zeitpunkt ihrer eigenen Tätigkeit. — Wird während einer „fortgesetzten Straftat" (Vorbem. I I 1 vor § 73) das Gesetz geändert, so dürfen die vorher begangenen Einzelhandlungen in den Fortsetzungszusammenhang nicht einbezogen werden, soweit sie, f ü r sich betrachtet, zur Begehungszeit unverboten waren (E 62 1). Anders, wenn das neue Recht keinen neuen Tatbestand schafft, sondern nur die Strafdrohung erweitert (E 68 338 betr. § 20a). Vgl. hierzu auch E 71 64, 92 und Recht 40 1806. YII. Ausnahme: Rückwirkung des milderen Gesetzes. Es würde der materiellen Gerechtigkeit widersprechen, eine Tat nach dem Gesetz der Tatzeit abzuurteilen, wenn die Auffassungen über Recht und Unrecht oder über die Schwere einer Tat sich inzwischen gewandelt haben. Indem die Ausnahme des Abs. 2 aus diesem Grunde das Prinzip der Nichtrückwirkung durchbricht, beweist sie, daß dieses seinerseits in Erwägungen der Rechtssicherheit, nicht unbedingt der Gerechtigkeit wurzelt. Das ist von Bedeutung, weil die Rechtssicherheit Ausnahmen zuläßt, die Gerechtigkeit nicht. Näheres in DRZ 48, 155ff. Zu vergleichen ist der gesamte Rechtszustand zur Zeit der Aburteilung mit dem der Tatzeit; also auch Berücksichtigung von strafausschließenden und strafmildernden Umständen. Streitig, ob auch a u ß e r s t r a f r e c h t l i c h e R e c h t s ä n d e r u n g e n (z. B. Einführung von Pfändungsbeschränkungen gegenüber § 137, Einschränkung des Vermieterpfandrechts gegenüber § 289) zu berücksichtigen sind. Das RG hat dies i. allg. nur dann angenommen, wenn hierin eine g r u n d s ä t z l i c h e Ä n d e r u n g d e r A u f f a s s u n g lag, d a ß s o l c h e s H a n d e l n v e r b o t e n u n d s t r a f w ü r d i g sei, nicht aber, wenn nur t a t s ä c h l i c h e U m s t ä n d e o d e r B e d ü r f n i s s e sich geändert haben (E 33 184, 55 12; DR 42 1781; ebenso noch BGH VRS 5 355 [zu § 2a Abs. 2 a. F . ] : Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung fürAutos wirkt nicht zurück, da keineAnderung der Rechtsanschauung). Dagegen BGHSt. 6 32 (zur n. F.): auf die Beweggründe komme es nicht an. Aber die entscheidende Frage heißt: Ist eine Normenänderung eingetreten ? Falschmünzerei bleibt strafbar, auch wenn die gefälschte Banknotenart inzwischen außer Geltung gesetzt wurde. Mit dem A n g r i f f s o b j e k t ist nicht das R e c h t s g u t und sein Schutzbedürfiiis entfallen. Zutr. Hamm NJW 54 1735 (bei nachträgl. Entfernung eines Verkehrszeichens nicht § 2 Abs. 2). Auch kann der

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Gesetzgeber denselben Zweck mit anderen Mitteln verfolgen wollen, vgl. den obigen Fall BGH VRS 5 355. A n d e r s aber BGHSt. 6 34 f ü r die gleiche Fallgestaltung: die Rechtsauffassung habe sich geändert. Vgl. oben Anm. V. Entsprechend dem Doppelcharakter der Strafe als gerechter Vergeltung und als Verbrechensbekämpfung ist aber der mildere Rechtszustand auch dann zugrunde zu legen, wenn sich zwar die Auffassungen über die Strafbarkeit eines Verhaltens nicht grundsätzlich gewandelt haben, das geschützte Interesse indessen völlig weggefallen ist. Auch wenn Fahnenflucht in abstracto nach wie vor als strafwürdig gilt, war jedenfalls ihre nachträgliche Bestrafung nach Wegfall der Wehrpflicht und der Armee überhaupt angesichts der praktischen Zwecke des Strafrechts nicht zu rechtfertigen. Ähnlich Frank V. 1 schon f ü r die Zeit nach dem ersten Weltkriege; a. A. damals E 47 414; 55 125. Unzulässig ist es, auf dieselbe Tat t e i l w e i s e das alte und teilweise das neue Recht anzuwenden (E 74 132). — Wegen S t r a f a n t r a g vgl. Anm. I I zu § 61. Mildestes Gesetz: Hier ist der gesamte Rechtszustand einschließlich der Verfahrensvoraussetzungen zu vergleichen (Änderung von Verjährungsfristen, vgl. E 77 221, BGH GA 1954 22, Antragserfordernis). — Ordnungsbuße ist milder als Strafe, Celle GA1953 182, Geldstrafe milder als Freiheitsstrafe, E 57 198. Denn das Wesen der Strafe liegt in der Mißbilligung und ihren Graden, nicht in der Übelszufügung, die bei der milderen Sanktion oft empfindlicher ist. Deshalb ist bei gleicher Höhe die ausgesetzte Strafe milder als die zu vollziehende, H a m m N J W 55 1000, selbst bei noch so empfindlichen Auflagen und langer Bewährungszeit. Und deshalb verstößt auch die Ersetzung einer kürzeren Freiheitsstrafe ohne SzB durch eine längere mit SzB gegen das Verbot der Schlechterstellung (so mit Recht Oldenburg MDR 55 436). Vgl. Vorbem. I I 9 vor § 23. — Entscheidend der Vergleich der Einzeltatbestände, nicht der Gesetze im ganzen: RG J W 36 49, Bremen GA 1954 157 (betr. § 49 StVO n. u. a. F.). Zeit der Aburteilung (früher: Entscheidung) umfaßt, trotz des irreführenden Ausdruckswechsels, auch die R e v i s i o n s i n s t a n z . Das wird in § 354a StPO vorausgesetzt. BGH N J W 53 1800, 54 40 (bedenklich: „ k a n n " S. 39) und ständig (Nachweise beiMaaßen MDR 54,3). A.A.Celle GA1953 185 (mit an sich zutr. Hinweis auf den neuen Wortlaut). Maßgebend ist das in concreto mildere Gesetz: E 33190 (betr. Bankerott), 61 135, 64 363, 71 42, 75 210 (dazu Bockelmann D R 41, 2182), BGH J R 53 109. V n i . Zwischengesetze, nach denen die Tat milder angesehen oder straflos gelassen war, bleiben außer Betracht. Früher streitig. IX. Zeitgesetze. Zum Begriff E 74 300; BGH N J W 52 72 (mit Übersicht über den Streitstand in Rspr. und Lehre): „nicht nur bei kalendermäßiger Begrenzung, sondern auch wenn ein Ges. nach seinem Inhalt eine nur als vorübergehend gedachte Regelung f ü r wechselnde Zeitverhältnisse nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit treffen will". BGHSt. 6 37 betont, daß dies e r k e n n b a r sein muß (verneint f ü r die frühere Geschwindigkeitsgrenze im Straßenverkehr). Ferner erforderlich, daß ein Gesetz ohne formelle Befristung v o n v o r n h e r e i n nur f ü r die Dauer der außergewöhnlichen Verhältnisse gelten soll, derentwegen es erlassen wurde. Vgl. von früheren Äußerungen Drost MDR 49, 454 betr. Wirtschaftsstrafrecht, aber auch Hessen (Kassel) MDR 49 58 (Anm. v. Weber). Zeitgesetze wirken nach (auch hier von Nichtrückwirkung des milderen RZustandes zu sprechen, ist üblich, aber un-

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richtig). I m e i n z e l n e n : BGHSt. 6 37 (s.o.): § 9 Abs. 1 StVOa.F. k e i n Zeitgesetz; ebenso Oldenburg NdsRpfl. 54 134 für l a n d w i r t s c h . Preisregelungen seit 1933; dagegen Preisvorschr. f ü r Gebraucht- und Textilwaren Zeitgesetze: BGH NJW 52 72. Die DekartellisierungsMRVO Nr. 78 ist kein Zeitgesetz: SchlHA 58 233. — Der ursprüngliche Charakter als Zeitgesetz kann durch Perpetuierung entfallen: BGHSt. 6 39 im Anschluß an H. Mayer. X. Maßregeln sind keine Strafen. So §§ 42 a bis 42 m, sowie alle, die nicht eine begangene Straftat sühnen, sondern der Begehung weiterer vorbeugen sollen. Vgl. Vorbem. B vor § 13. Für die ohne Rücksicht auf das Eigentum des Täters zulässige „Einziehung" (§ 40 Anm. I) schon ebenso E 67 215. Rückwirkung f ü r die Voraussetzungen der unbestimmten Strafe in § 2 StGB Thür. Fassung, weil insoweit das Präventionsmoment überwiegt. Wahlfeststellung [2b. Steht fest, daB jemand gegen eines von mehreren Strafgesetzen verstoßen hat, ist aber eine Tatfeststellung nur wahlweise möglich, so ist der Täter aus dem mildesten Gesetz zu bestrafen.]

Ans dem Schrifttum vor 1935: O e t k e r , 3. Band des Handbuchs des Strafprozesses von Glaser, 1907, S. 275-311. - Z e i l e r , ZStW 40, 168; 42, 665; 43, 596. — M a n n h e i m , ZStW 44, 440. — G r ü n h u t , MoKrim. Psych. 1934, 327. — N ü s e , Das Problem der Zulässigkeit von Alternativ-Schuldfeststellungen (Strafr. Abh. Nr. 324, 1933; dort weitere Literatur, bes. beachtlich Rumpf und Zeiler). — Seit 1935: E. S c h ä f e r , „Nachtrag zu Frank StGB", S. 191ff. — N i e t h a m m e r , Nachtrag zu Olshausen, StGB, 1936. — O e t k e r , Gerichtssaal, Bd. 106, S. 401 ff. - Ders., ZAk. 36, 217. - G r a f D o h n a , ZStW, Bd. 55, S. 576. - Zeil e r , J W 38,149 und DStrR 1942, 65. - N i e d e r r e u t h e r , D J 38, 634. - Seit 1945: S c h a f f s t e i n , Die neuen Voraussetzungen der Wahlfeststellung, NJW 52, 725. — H e i n i t z , Die Grenzen der zulässigen Wahlfeststellung, JZ 52, 102. I. Das Problem. — Es gibt Fälle, in denen der Richter einen Sachverhalt nicht restlos, aber doch so weit klären kann, daß er zu der Überzeugung kommt: strafbar hat sich der Täter gemacht; es fragt sich nur, unter welchem Gesichtspunkt. Die Wahlfeststellung will verhindern, daß der Richter hier entweder freisprechen muß oder nur mit einer unehrlichen „tatsächlichen Feststellung" wegen einer der möglichen Taten schuldig sprechen kann. Im wichtigsten und unbedenklichsten Fall — Diebstahl oder Hehlerei t — ließ die PlenEntsch. E 68 257 eine Wahlfeststellung zu. Der durch Geq. v. 28. 6. 35 eingefügte § 2b (s. o.), der die W F allgemein zuließ, ist durch KRG 11 aufgehoben worden. Auf die Gefahr der V e r d a c h t s s t r a f e , die sich aus der abstrakten Fassung des § 2b ergab, hatte Kohlrausch in den Voraufl. hingewiesen und folgende einschränkende, jetzt durch BGHSt. 1 328 im Wortlaut übernommene V o r a u s s e t z u n g e n verlangt: 1. Unmöglichkeit eindeutiger Feststellung. Das Gericht hat von Amts wegen alles zu tun, was zur Erforschung der Wahrheit notwendig ist, so der Grundsatz des § 244 StPO. Weiterer Aufklärung darf nicht durch Berufung auf die Möglichkeit der WF ausgewichen werden. J W 39 221 (für § 2 b). 2. Unmöglichkeit, strafloses Verhalten anzunehmen. Oldenburg NdsRpfl. 50 44, München D J 1936 1499. Feststehen muß also zunächst ein b e s t i m m t e s V e r h a l t e n . Gegenstand richterlicher Feststellung sind n i c h t m e h r e r e m ö g l i c h e Verhaltensweisen (denn auch zusammengenommen ergeben mehrere Verdachtfeststellungen noch keine Schuldfeststellung), sondern e i n w i r k l i c h e s Verhalten. Einzel-

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Wahlfeststellung

Leiten dürfen (wie immer) dahingestellt bleiben. Während dies aber früher nur bei solchen Einzelheiten geschah, die für die Identifizierung der Tat und für ihre strafrechtliche Beurteilung belanglos waren, gestattete die WP dies nun auch für solche Einzelheiten, die zwar nicht f ü r die Strafbarkeit überhaupt, wohl aber f ü r die Strafbarkeit unter einem bestimmten strafrechtlichen Gesichtspunkt maßgebend sind. Gegenstand der Verurteilung ist hier ein Gesamtverhalten. Die verschiedenen unterstellten Möglichkeiten müisen ein Bestandteil dieses einheitlichen Verhaltens sein. Welche von ihnen der Wirklichkeit entspricht, b l e i b t d a h i n g e s t e l l t , w e n n und soweit dies f ü r die kriminelle B e u r t e i l u n g dieses G e s a m t v e r h a l t e n » u n w e s e n t l i c h ist. Die strafrechtliche Beurteilung erfolgt dann unter Unterstellung der am wenigsten belastenden Möglichkeit. So ist die Zulassung einer Wahlfeststellung, wenn diese eine wirkliche Schuldfeststellung sein soll, Zulassung einer P e r s ö n l i c h k e i t s f e s t s t e l l u n g ; nicht ein Tattyp, sondern ein Tätertyp wird festgestellt und hierauf die Strafe gegründet. Nur so sind Wahlfeststellungen zu rechtfertigen. — Schaffstein NJW 52, 72& meint, daß es hier auf k r i m i n o l o g i s c h e Tätertypen nicht ankommen könne. Das ist richtig, vgl. schon unten zu 3 betr. §§ 249/253ff. Gemeint ist aber ein p e r s o n a ler Tätertyp: das Persönlichkeitsbild, wie es sich als F o l g e des einen oder anderen Spruchs darstellt, der damit gegebene personale Status. (Nicht zu verwechseln mit dem „normativen" Tätertyp Dahms und Mezgers, der die U n r e c h t s b e g r ü n d u n g betraf. Hier handelt es sich um die Unrechtsfolgen.) Gutes Beispiel bei Niethammer: Keine WP zwischen Diebstahl und Sachbeschädigung, obwohl gleiches Rechtsgut verletzt. Hier gibt auch Schaffstein die Notwendigkeit zu, den personalen Rechtsfolgen Rechnimg zu tragen. Abstrahiert man hiervon, so ist der Einwand, daß W F zu Verdachtstrafen führen — trotz Zeiler — nicht zu widerlegen. Für die Zulässigkeit der WP folgt daraus eine sinngemäße Einschränkung, nämlich: 3. Rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit der möglichen Verhaltensweisen. Es geht nicht an, ohne solche Vergleichbarkeit das wirkliche Verhalten dahingestellt zu lassen und trotzdem aus einem bestimmten Gesichtspunkt zu strafen. — Beispiele: Eine Frau hat an einer anderen gegen Bezahlung einen Eingriff vorgenommen, den sie ihr gegenüber als Abtreibungshandlung ausgab, der aber erfolglos blieb. Ob sie einen ernsten Eingriff beabsichtigt hatte, läßt sich nicht feststellen. Vollendeter Betrug oder versuchte Abtreibung 1 — Ein Mädchen erzählt, mit ihrem Vater geschlechtlich verkehrt zu haben. Dieser bestreitet es, feststellen läßt es sich nicht. Blutschande oder Verleumdung ? — In beiden Fällen darf die Alternative, obwohl logisch zwingend, n i c h t ausreichen, auf Grund einer wahldeutigen Feststellung e i n d e u t i g zu v e r u r t e i l e n . Daß jene Frau eine „Betrügerin" sei, dieses Mädchen eine „Verleumderin" oder gar — falls sie es „öffentlich" erzählt hätte und damit aus §173 als der dann milderen Vorschrift zu bestrafen wäre — eine „Blutschänderin", wären ungerechte V e r d ä c h t i g u n g e n ihrer Persönlichkeit. Leider haben E 69 369 (Anm. Schaffstein in J W 36, 195) und E 71 44 Wahlfeststellung von vollendetem Betrug und versuchter Abtreibung zugelassen. Anders jetzt GrSen BGHSt. 9 390, 393. — Auch v o r s ä t z l i c h e und f a h r l ä s s i g e Schuld sind rechtsethisch nicht vergleichbar, nicht ein Plus und Minus. Vgl. schon Zeile ZStW 53, 252, ferner Heinitz JZ 52, 102; ebenso GrSen BGHSt. 9 390, 393 (gegen BGHSt. 4 340), A. A. Peters GA 1958, 104.

Wahlfeststellung

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4. Ein Stufenverhältnis (BGHSt. 11 100 betr. §§ 176, 177) zwischen der tatsächlichen oder rechtlichen Würdigung mehrerer möglicher Geschehensweisen schließt W F aus; hier ist nur aus dem Grundtatbestand oder dem sonst weniger weitgehenden Tatbestand zu verurteilen (in dubio pro reo). Unter den genannten Voraussetzungen ist auch heute W F zulässig und u. U. geboten. Die Rspr. wendet sie durchweg im Kähmen der und unter Berufung auf die Plenar-Entsch. E 68 257 an: BGH seit 1 127, 276, 304, 327, N J W 52114, ständig, aber schon Celle HESt. 1 3 ( = DRZ 47 67) mit eingehendem Bückblick, Freiburg HESt. 1 10 ( = DRZ 47 65), gestützt auf Niethammer DRZ 46, 11, Kassel NJW 48 696. Vgl. auch Schönke-Schröder I I 3. Z u l ä s s i g e Fälle von Wahlfeststellungen sind z. B.: Diebstahl oder Hehlerei, BGHSt. 1 304, NJW 52 114, Hamm SJZ 60 54 (dagegen Heinitz JZ 52, 103); Diebstahl oder gewerbsmäßige Hehlerei (grundsätzlich): BGH NJW 57 1933; Möglichkeiten des §243; Unterschlagung oder Untreue; Unterschlagung oder Diebstahl, Braunschweig JZ 51235; Raub oder Erpressung (BGHSt. 5 280); Steuerhinterziehung und -hehlerei (BGHSt. 4 129). Nach BayObLG NJW 58 560 (vgl. auch BGH NJW 57 933) zwischen Diebstahl und schwerer Amtsunterschlagung; angesichts der Entwicklung der uneigentl. Amtsdel. zu Qualifikationsfällen des Grunddelikts vertretbar. Im Allg. T e i l läßt die Rspr. W F zwischen Mittäterschaft und mittelb. Täterschaft (BGH MDR 51179) sowie zwischen Täterschaft und Anstiftung zu (BGHSt. 1 127), ferner zwischen einheitlicher und fortges. Tat (Hamburg NJW 55 920). Wegen Vors. u. Fahrl. vgl. oben zu 3. A b g e l e h n t wird W F zwischen Vollrausch und Rauschtat von BGHSt. (GrSen) 9 390, auch schon BGHSt. 1 275 und 327. Vgl. hiergegen unten § 330a Anm. V I I I 2 . 5. Eine Erweiterung war schon gegenüber dem Wortlaut des § 2b insofern sinngemäß und unbedenklich, als Gleichheit der übertretenen Gesetze einer W F nicht entgegenzustehen braucht, z. B. bei zwei entgegengesetzten Eiden über die gleiche Tatsache, Vorsatz beiderseits vorausgesetzt, oder wenn nur eine der beiden Aussagen eidlich: BGH J R 57 302. „ M e h r h e i t " der Strafgesetze bedeutetet nicht Verschiedenheit. So jetzt BGHSt. 2 351, Braunschweig NJW 52 38, wie schon E 72 342. Bedenken bei Heinitz a. a. 0 . Zuzugeben ist, daß hier reine T a t s a c h e n alternativität vorliegt; vgl. Schönke JZ 51, 236, Dreher-Maaßen zu [§ 2b]. Aber das ist f ü r alle Fälle der W F Voraussetzung (bis auf die Schuldalternative Vorsatz oder Fahrlässigkeit). Entscheidend ist die Einheit des B e w e r t u n g s m a ß s t a b e s . § 264 StPO steht nicht entgegen (dazu J W 34 1916, 36 519, E 58 116, 66 138, 70 213). II. Mildestes Strafgesetz ist das, welches die mildeste Gesamtbeurteilung zuläßt. Nach E 70 281 ist hierbei „nicht, wie in § 73, von den Strafdrohungen auszugehen, sondern festzustellen, welche Strafe im gegebenen Fall angemessen wäre, wenn zweifelsfrei eindeutig die eine Handlung, und welche Strafe, wenn zweifelsfrei eindeutig die andere Handlung nachgewiesen wäre". Vgl. auch E 69 369 sowie Schaffstein in J W 36, 195; Bruns in DStrR 36, 278. III. Prozessuale Behandlung: Alternative Anklage und alternativer Eröffnungsbeschluß sind zulässig; Zuständigkeit nach der schwereren Straftat; Urteil: „Der Angekl. wird wegen Hehlerei zu Strafe verurteilt." Begründung, warum eindeu-

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tige Feststellung (Hehlerei oder aber Diebstahl) unmöglich: der frühere § 267 b Abs. 2 StPO ist dem Grundgedanken nach auch heute noch anwendbar. BGHSt. 1 302 stellt die Fassung der Formel in das Ermessen des Gerichts; vgl. aber auch Neustadt NJW 58 1443, Hamburg MDB 60 57. IV. Rückfallbegründung streitig. Eine andere Lösung, als die eindeutige Urteilsformel maßgebend sein zu lassen, ist schwer möglich. Sie kann aber zur Ungerechtigkeit führen. Gleiche Bedenken betr. S t r a f r e g i s t er, K r i m i n a l s t a t i s t i k , A m n e s t i e f r a g e n . Auch Zeiler, der Vorkämpfer f ü r die Zulassimg der WF, sah eine Lösung nur in einer Änderung des damaligen § 2 b.

Geltungsbereich des deutschen Strafrechts Vorbemerkungen zu §§3—7 Aus dem neueren Schrifttum: 1. Internationales Strafrecht. A. W e g n e r , Über den Geltungsbereich usw., Frank-Festg. I 98. — D r o s t , Prinzipienwandel im internat. StrR, ZAk. 1937, 392. — M a u r a c h , Treupflicht und Schutzgedanke im internat. StrR, DStR 38, 1. — v. W e b e r , Die Strafbarkeit der zur Umgehung des Gesetzes im Ausland begangenen Tat, GS 114, 267. — D e r s e l b e , Internationales Luftstrafreoht, Rittler-Festschr. 1957, 111. — H ä r t u n g , RVerwBl. 40, 631. — S c h r ö d e r , Die Teilnahme im internationalen Strafrecht, ZStW 61, 57. — L a n g e , Die grundsätzliche Bedeutung der neuen Bestimmungen über den Geltungsbereich des Strafrechts, DStR 41, 6. — M e z g e r , ebenso, DStR 41, 18. — H. M a y e r , Völkerrecht und internationales Strafrecht, JZ 52, 609. — O e h l e r , Die Grenzen des aktiven Personalitätsprinzips usw., Mezger-Festg. 83. — S c h ö n k e , Gegenwartsfragen des int. StrR, ebenda 105. 2. Interlokales Strafrecht, v. W e b e r , Das interlokale Strafrecht, DStR 40, 182 und Festschr. f. Kohlrausch 1944. — K ü m m e r l e i n , Fragen des Interterritorialen Strafrechts und Strafverfahrensrechts nach der Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich, DStR 38, 280. — M i d d e l , Interlokaler Geltungsbereich des deutschen Strafrechts, DR 40, 1498. — J u n g , Fragen des strafrechtlichen Geltungsbereichs, D J 41, 597. — S a t t e r , Zur Frage des interlokalen Strafrechts, DRWiss. 41, 247. — S c h r ö d e r , Der Geltungsbereich der Teilstrafrechte im Deutschen Reich, DR 42, 1115. — R i t t l e r , Die Abgrenzimg der Geltungsgebiete usw., ZStW 62, 65ff. — W e n g l e r , Deutschland als Rechtsbegriff, Festschr. f. Nawiasky 1956, 49ff. — M a t t i l , Zur Problematik des interlokalen Strafrechts, GA 1958, 142. I. Das Geltungsgebiet des deutschen Strafrechts muß gegenüber dem des Aus1 andsrechts abgegrenzt werden. Die Regeln, nach denen dies geschieht, nennt man vielfach (ungenau) internationales Strafrecht. Über ihre streitige Rechtsnatur vgl. DStrR 41, 6ff. Neuerdings München J R 61 506: Voraussetzung f ü r die Strafverfolgung, daneben sachlich-rechtlicher Charakter. Sie haben Antwort zu geben auf folgende Fragen: wo — v o n w e m — g e g e n wen muß eine Tat begangen sein, damit deutsches StrR auf sie anwendbar ist ? Grundsätzlich sind vier Antworten denkbar: a) Der T e r r i t o r i a l g r u n d s a t z antwortet: im Inland; b) der P e r s o n a l g r u n d s a t z : von einem Inländer; c) der S c h u t z g r u n d s a t z : gegen einen Inländer.

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d) Der U n i v e r s a l g r u n d s a t z (Grundsatz der Weltrechtspflege) sieht von jeder Beziehung der Tat, des Täters und des Angegriffenen zu einer bestimmten Rechtsordnung ab. Er geht davon aus, daß Verbrechensbekämpfung eine internationale, jeden Staat gleichermaßen angehende Aufgabe ist. Jeder Staat könne nach eigenem Recht jeden Verbrecher aburteilen, dessen er habhaft werde. Diesem Ausgangspunkt entspringt ferner e) der G r u n d s a t z d e r s t e l l v e r t r e t e n d e n S t r a f r e c h t s p f l e g e in Fällen, in denen eine zunächst erwartete Bestrafung durch das Ausland nicht stattfindet. Keiner dieser Grundsätze ist rein durchführbar. Jeder würde allseitige Anerkennung und namentlich eine Übereinstimmung über die Schutzwürdigkeit der angegriffenen Interessen wie über die Strafwürdigkeit der Taten voraussetzen, die nicht vorhanden ist und nioht vorhanden sein kann. Damit nicht Doppelverfolgungen und andererseits Lücken in der Strafverfolgung entstehen, müssen die Grundsätze kombiniert werden. Die N e u f a s s u n g der §§ 3 bis 7 durch Gesetz v. 6. 5. 40 ist nicht typisch nationalsozialistisch, vgl. BGH NJW 51 769, BGHSt. 2 160. Völkerrechtliche Bedenken äußert H. Mayer § 14 III, JZ 52, 609; hiergegen Dreher JZ 53, 423. Zwar kamen der Personalgrundsatz und der Schutzgrundsatz nationalsozialistischem Denken entgegen, aber sie entstammen ihm nicht. Sie wurden seit Jahrzehnten ernsthaft erwogen und sind in viele Gesetze des Inlands und des Auslands aufgenommen worden. Unmittelbares Vorbild war das österr. StGB von 1803. Der Personalgrundsatz, der auf das früheste deutsche Mittelalter zurückgeht, war neuerdings anerkannt u. a. in Österreich, Griechenland, Rumänien, Italien (schon 1889), Schweden, den Niederlanden, Ungarn, Bulgarien, in Rußland (sowohl 1903 wie 1926); in der Schweiz galt er schon früher in vielen Kantonen, er gilt jetzt in dem Schweizer Strafgesetzbuch von 1937, Art. 6. In Prankreich gilt er seit dem Ges. v. 27. 6. 1866 für Verbrechen und Vergehen. Die inländische Strafbarkeit ist in den meisten dieser Fälle unabhängig davon, daß die Auslandstat am Tatort strafbar war. — In Deutschland galt der Personalgrundsatz in Hessen 1841, Sachsen 1855, Bayern 1861. Der VE 1909 hatte ihn in reiner Form übernehmen wollen, also sogar ohne die Voraussetzung der Strafbarkeit am Tatort. Spätere Entwürfe hatten ihn wieder abgeschwächt. Auch der S c h u t z g e d a n k e ist alt. Er begegnet in verschiedenen Abstufungen, teils indem a l l e Rechtsgüter von Inländern gegen Auslandstaten geschützt werden, teils auch nur Rechtsgüter des Staates (also bei Hoch- und Landesverrat). Vielfach ist die Strafdrohung auf Inländer beschränkt, häufig aber auch auf jeden Täter ausgedehnt. Der Schutzgedanke (auch Realprinzip genannt oder passiver Personalgrundsatz) war anerkannt in Bayern 1861, Württemberg 1839, Thüringen 1852, teilweise auch in Sachsen, Braunschweig und Hamburg. Im Ausland u. a. in Dänemark, Italien (1889), Argentinien, weitgehend auch in Frankreich nach dem Ges. v. 27. 6. 1866: Code d'instr. crim. Art. 7 I. In der Schweiz hatten schon mehrere Kantonalstrafgesetze ihn anerkannt, in weitester Fassung ist er dann in das Schweizer Strafgesetzbuch von 1937 aufgenommen worden. Die Neufassung des Strafgesetzbuchs von 1940 geht zurück auf den Vorentwurf von 1909. Personalgrundsatz und Schutzgrundsatz hängen zusammen. Wenn ein Inländer verpflichtet ist, im Ausland nach Inlandsrecht zu leben, dann kann er auch im Ausland von dem Staat, dem er angehört, Strafschutz erwarten. Und wer im Aus-

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land durch den eigenen Staat geschützt wird, muß auch im Ausland die rechtlichen Pflichten, die dieser Staat seinen Angehörigen auferlegt, anerkennen. Völkerrecht steht weder dem Personal- noch dem Schutzgrundsatz entgegen; a. A. H. Mayer a. a. 0 . Daß die Auslandstat des Deutschen auch vom Ausland bestraft werden darf, folgt schon aus dem überall anerkannten Territorialgrundsatz. Dagegen sind weitere Grundsätze des internationalen Strafrechts in unserem Recht nicht allgemein anerkannt. Dies gilt, wie hier schon in den Vorauflagen betont wurde, namentlich von dem sog. Umgehungsgrundsatz, d. i. der Gleichstellung einer zu Umgehungszwecken im Ausland begangenen Tat mit der Inlandstat. Das ist ein Satz von unübersehbaren Konsequenzen, der dem deutschen Recht als Grundsatz fremd ist. Für seine Anerkennung im interlokalen StR neuerdings Schwarz Vorbem. 5 B vor § 3. II. Die Neufassung durch VO v. 6. 5. 40 fügt die oben zu I a)—e) aufgeführten Grundsätze wie folgt ineinander: 1. D e r P e r s o n a l g r u n d s a t z steht an der Spitze. Der Deutsche lebt f ü r deutsche Beurteilung nach deutschem Strafrecht, auch im Ausland: § 3 I. Lex ossibus inhaeret! — Die „Strafbarkeit" nach Auslandsrecht ist ersetzt durch „Strafwürdigkeit" der Auslandstat: § 3 II. 2. Der T e r r i t o r i a l g r u n d s a t z ist daneben nicht aufgegeben. Er ist f ü r einen souveränen Staat selbstverständlich: § 41. 3. Personal- und Territorialgrundsatz werden ergänzt durch den gegen früher erheblich erweiterten S c h u t z g r u n d s a t z : § 4 I I Z. 2 und I I I Z. 1, 2, 5 u. 6. 4. Sie werden ferner ergänzt durch den gleichfalls erweiterten U n i v e r s a l g r u n d s a t z : § 4 I I I Z. 3, 4, 7, 8 u. 9. 5. Der Gedanke der s t e l l v e r t r e t e n d e n Strafjustiz (bisher § 4 Z. 3) bleibt unerläßlich in den Fällen des § 4 II. III. Interlokales Strafrecht nennt man neuerdings die Grundsätze, nach denen bei Rechtsverschiedenheit innerhalb Deutschlands die Geltungsgebiete der verschiedenen Strafrechte abzugrenzen sind. Das Gesetz regelt diese Materie nicht. Lediglich in der Thür. Fassung wurde (§ 10 n. F.) bestimmt: „Die innerhalb Deutschlands begangenen Straftaten sind nach dem Recht des Tatorts oder, wenn die Tat nach dem am Wohnsitz des Täters geltenden Recht schwerer strafbar ist, nach diesem zu strafen. Übertretungen werden nur nach dem Recht des Tatorts verfolgt." A. Der Begriff des Interlokalen Strafrechts ist sehr umstritten. 1. I n n e r h a l b des Geltungsbereichs des Bundesstrafrechts kann unterschiedliches Landesstrafrecht bestehen (Bayern, Hessen, vgl. BGHSt. 11 366 betr. den Bierstreit), oder Bundesstrafrecht gem. Art. 125 GG nur partiell gelten. 2. Unterschiedliches inländisches Strafrecht besteht a u ß e r h a l b d e s Gelt u n g s b e r e i c h s des Bundesstrafrechts. Zu 1. wurden die Abgrenzungsfragen des Landesstrafrechts von der Rspr. früher (unter dem Territ. Pr.) nach Analogie der §§ 3—6 a. F. behandelt; bestr. schon von Frank (keine Analogie zuungunsten!) und noch grundsätzlicher jetzt von H. Mayer S. 90f., Mauraeh, S. 95. Beide wollen Territorialprinzip anwenden, nur unter dieser

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Voraussetzung Aburteilung in einem anderen Lande, falls Gerichtsstand gegeben, zulassen und diese durch die m i l d e r e l e x f o r i begrenzen, da der fremde landesrechtliche Zustand nicht positiv angewendet werden dürfe. I n t e r l o k a l e s S t r a f r e c h t im eigentlichen Sinne gibt es nach beiden nur noch, wenn verschiedenes älteres Recht als Bundesrecht nach Art. 125 GG weitergilt. Nur also, wenn innerhalb eines e i n h e i t l i c h e n R e c h t s g e b i e t s lokal verschiedenes Strafrecht herrscht, wollen Maurach und H. Mayer von interlokalem Strafrecht sprechen. Im Ergebnis übereinstimmend erklären Dreher-Maaßen § 3 Anm. 6 : Soweit die Teilgebiete nicht einer gemeinsamen übergeordneten Regierungs- und Gesetzgebungsgewalt unterstehen, werden statt Tatortsrecht die Regeln der §§ 3 ff. entsprechend anzuwenden sein. Läßt man aber für den Begriff lind die Regeln des Interlokalen Strafrechts nur den Bereich des partiellen Bundesstrafrechts nachArt. 125 übrig,so hebt man ihn praktisch auf, wie der FalldesBay. Ges. über die Selbstbefreiung von Gefangenen vom 26. 10. 46, BGHSt. 4 396 (I. ZivSen.) zeigt. Das Ges. ist für grundgesetzwidrig erklärt worden mit der Begründung, daß der einheitliche Bundesgesetzgeber in dem einheitlichen Rechtskreis der B R innerhalb der von ihm abschließend geregelten Materie der Strafdrohungen gegen Gefangenenbefreiung die schlichte Selbstbefreiung eines Gefangenen in dem einen Teil der B R grundlegend anders als in dem übrigen Teil dieses räumlich und sachlich einheitlichen Rechtsgebiets behandele. Damit verstoße er gegen den Gleichheitsgrundsatz. Diese Begründung wird alle ähnlichen Fälle in gleicher Weise treffen, soweit es sich nicht um Materien außerhalb des StGB handelt. Für solche ist aber heute das OWG da. 2. Demgegenüber ist mit BGHSt. 7 54 gerade im Hinblick auf das Verhältnis zur SBZ von „interlokalem (innerdeutschem) Stralrecht" in dem weiteren Sinne zu sprechen, daß die Tathandlungen mehrere deutsche Rechtsgebiete betreffen. Erst damit wird das Kernproblem des Interlokalen Strafrechts erfaßt, worauf die Gegenmeinung bewußt verzichtet. Vgl. Mayer: „Auf einem besonderen Blatt steht daa Verhältnis der SBZ zur B R . " Maurach: „Es steht auf halbem Wege zwischen internat. und interlokalem StrR." Worauf es ankommt ist, Rechtsverschiedenheiten i n n e r h a l b D e u t s c h l a n d s zu regeln. I n l a n d — A u s l a n d ist der beherrschende Gegensatz zum internat. Strafrecht. B. Als Grundsätze des Interlokalen Strafrechts kommen in Betracht: 1. das Recht des G e r i c h t s o r t e s , 2. der H e i m a t des Täters, 3. des T a t o r t s . 1. Das R e c h t des G e r i c h t s o r t e s hat den großen praktischen Vorzug, dem anwendenden Richter geläufig zu sein. Aber es wäre widersinnig, wenn der Angeklagte wegen derselben Tat in X . nach dem einen, in Y. nach einem anderen Rechtszustand abgeurteilt werden müßte. Für die lex fori daher nur Satter, DRWiss. 41, 427, und Rittler, ZStW. Bd. 62,65; letzterer mit dem beachtlichen Hinweis, daß durch Anweisung an die Staatsanwaltschaft, etwa stets beim Gericht des Tatorts Anklage zu erheben, die Willkür ausgeschaltet werden könnte. Indessen bedürfte eine solche Entscheidimg doch wohl einer Stütze am Gesetz. In der Rspr. nur vereinzelt: OGHSt. 2 339 (mit grundsätzlich abzulehnender Analogie zum Internat. StrR). 2. Die Anwendung des H e i m a t r e c h t e s (nach der herrschenden Meinung ist hierfür der Wohnsitz des Täters, nach anderen seine frühere Staatsangehörigkeit

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Kohlrausch-Lange, StGB, 42. Aufl.

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maßgebend; vgl. z. B. Beitzke und Wengler in ZAk. 40, 353) wird durch die Einführung des Personalgrundsatzes im Internationalen Strafrecht scheinbar nahegelegt. So insbesondere Middel, DR 40, 1498. Aber die Gundsätze des Int. StrR haben es mit ganz anderen Fragen zu tun. Und auch nach Klärung der Frage, was unter dem Heimatrecht zu verstehen ist, bliebe hier eine Quelle praktischer Zweifel und Schwierigkeiten. Deshalb mit Recht ablehnend E 74 219. 3. Schon früher wurde deshalb hier der Standpunkt vertreten und begründet, daß vom materiellen Recht des Tatortes auszugehen ist, einerlei, welches Gericht den Fall aburteilt. Am Tatort liegt der Schwerpunkt des Verbrechens. So wie die Rechtsordnung — in ihrem Anspruch auf unverbrüchliche Geltung wie in dem einzelnen Rechtsgut — getroffen worden ist, muß sie wiederhergestellt werden. Ebenso die ständige Rspr. des RG: E 74 219, 75 104, 76 97,201, und des BGH: NJW 52 384, 1146, BGHSt. 7 55, 11366 (Bier-Urteil), aber auch das BVerfG: NJW 62 1129, ebenso Stuttgart JZ 54 577; stets vorbehaltlich der Einschränkung durch den ordre public, s. u. Aber die Grundsätze des interlokalen Strafrechts bedürfen ebenso der Kombination wie die des internationalen. Es gibt Fälle, in denen das Strafbedürfnis unabweisbar über das Tatortsrecht hinausgeht: so, wenn die Tat nicht am Tatort, wohl aber nach Heimatrecht strafbar ist. Dann verlagert sich der Schwerpunkt des Verbrechens beim Inländer auf das Recht, das er von Hause aus mit sich trägt. Das galt z. B. zwischen 1938 und 1945 f ü r den reichsdeutschen Gewohnheitsverbrecher, der in Österreich straffällig wurde, wo das GewVerbGes. nicht eingeführt war. Die Zufälligkeit oder gar die bewußte Verlegung des Tatorts darf nicht dazu führen, daß der Unrechtsgehalt, der in dem Verstoß gegen dieses Recht liegt, unter den Tisch fällt. Hier ist deshalb das Heimatrecht ergänzend heranzuziehen. Ebenso Thüringen § 10 (s. o.). Auch heute darf nicht durch grundsätzliche Ausschaltung des Heimatrechtes ein Anreiz für die Zuwanderung von Verbrechern geschaffen werden. Diese Mitberücksichtigung des Heimatrechts ist jedoch im Verhältnis zur sowjetisch besetzten Zone durch den Grundsatz beschränkt, daß das Gesetz oder seine Anwendung rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht widersprechen darf (BGH a. a. O.); vgl. auch oben Syst. Vorbem. I I I 2c, d), sog. ordre public. Dazu noch BGH GA 1955 178 (Meineid vor sowjetzonalem Gericht), LMNr. 3 (Abtreibung in Thüringen). Auch für A u s l a n d s t a t e n v o n I n l ä n d e r n ist aus dem gleichen Grunde das Heimatrecht heranzuziehen. Bei A u s l a n d s t a t e n v o n A u s l ä n d e r n ist mangels anderweiter Anknüpfungsmöglichkeit auf die lex fori zurückzugreifen. Bei D i s t a n z d e l i k t e n (X. schreibt einen beleidigenden Brief an Y.) wollte der VI. Senat in E 75 104 allein das Strafrecht anwenden, das am Handlungsort, dem „Tatort im engsten Sinne" gilt. Nur wenn das Recht des Handlungsortes die Tat nicht mit Strafe bedroht, wohl aber das Recht des Erfolgsortes, soll dieses maßgebend sein. Ebenso HRR 41 1069. Nach dem dem § 3 Abs. 3 zugrunde liegenden Gedanken (darüber vgl. dort) ist aber das strengste Recht anzuwenden, da sonst der Unrechtsgehalt der Tat nicht voll erfaßt wird; von großer praktischer Bedeutung ist dabei, daß zur Schuld die Möglichkeit des Bewußtseins der Rechtswidrigkeit gehört, namentlich dann, wenn am Handlungsort die Tat straflos ist. Der V. Senat wollte jedenfalls dann, wenn sich d i e T ä t i g k e i t in verschiedenen deutschen Rechts-

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gebieten abspielt, das strengste Gesetz anwenden: E 75 385 = ZAk. 42 91 mit Anm. Bruns. Für das strengere Recht Mezger DR 40,1527, Schäfer D J 40, 1182 und ZAk. 41, 213 (zu E 75 104), v. Weber DStrR 40, 182, Schönke-Schröder Einf. V2; für das mildere Kümmerlein in DStrR 40, 292. Aus denselben Gründen ist auch bei f o r t g e s e t z t e r oder m e h r a k t i g e r Tätigkeit in verschiedenen inländischen Rechtsgebieten jeweils das strengste Recht anzuwenden. Ebenso bei T a t m e h r h e i t . Für die T e i l n a h m e folgt das gleiche aus den bei dem Internat. Strafr. behandelten Gründen; vgl. zu § 3 Abs. 3 und E 75 385, Recht 43 2031, DR 48 890 (Bruns). IV. Inland. D e r B e g r i f f i s t s t r e i t i g . § 8 a. F. gab eine Legaldefinition des Auslandes: jedes nicht zum Reich gehörige G e b i e t , aus dem sich durch Umkehrschluß das Inland ergab. Gegen diese scheinbar selbstverständliche und deshalb 1940 gestrichene Territorialauffassung aber z. B. Liszt § 22: Inland im strafrechtlichen Sinne ist das einheitliche Geltungsgebiet der Strafrechtssätze, Liszt-Schmidt: das Gebiet, in dem kraft deutschen Hoheitsrechts deutsche Strafrechtssätze gelten. In dieser Frage lag schon damals die noch grundsätzlichere: ob der Inlandsbegriff spezifisch strafrechtlich oder, wie F r a n k es wollte, nach Staats- und Völkerrecht zu bestimmen sei. Zunächst war sie nur praktisch f ü r die Konsulargerichtsbezirke, die nach Liszt Inland, nach Frank Ausland waren; nach 1919 f ü r das Saargebiet. Nach dem Ges. über vorübergehende Rechtspflegemaßnahmen im Hinblick auf das Saargebiet vom 10. 3. 22 (RGBl. I 241) fanden die §§4—7 StGB (nur) e n t s p r e c h e n d e Anwendung, eine Bestätigung des territorialen Inlandsbegriffs. Ebenso ist auch heute im Bereich des internationalen wie des interlokalen Strafrechts Inland im t e r r i t o r i a l e n Sinne und nicht nach dem G e b i e t im Sinne des Gebietens, der Gerichtsherrschaft abzugrenzen. Inland ist danach im s t a a t s rechtlichen Sinne zu verstehen. Maßgebend der Raum vom 31. 12. 37. Vgl. BGHSt. 8 170. Kritisch Wengler a. a. 0 . 53ff., 64ff„ 73ff., 87ff. Gleichgültig ist demgegenüber grundsätzlich, auch f ü r die Abgrenzung des Interlokalen zum Internat. StR, ob innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereichs der Bundesgesetzgebung und im letzteren Falle, ob unter deutscher oder ausländischer Gerichtsbarkeit z. Z. stehend. Auch im Landesverratsrecht fassen wir diese beiden Bereiche als,,fremde" Regierungen zusammen. Danach fallen unter das Interlokale Strafrecht nicht nur dieSBZ,sondern auch das S a a r l a n d (vgl. jetzt dessen Ges. Nr. 518 v. 9. 7. 56 § 2 Nr. 2, abgedr. unten Anh. Nr. 19), sowie die Gebiete hinter der O d e r - N e i ß e - L i n i e , solange hier nicht völkerrechtlich gültige Gebietsveränderungen vorgenommen worden sind. So mit Recht BGHSt. 8 170. Das R e c h t s h i l f e g e s . v. 2. 5. 53 gilt nach Creifelds J R 53, 205 zwar f ü r die Saar, nicht aber f ü r die Ostgebiete, „weil dort z. Z. keine deutschen Gerichte und Behörden bestehen". Darauf kann es f ü r die R e c h t s h i l f e ankommen (wozu hier nicht Stellung zu nehmen ist), nicht aber f ü r die Abgrenzung des innerdeutschen Strafrechtsbereichs, der eben n i c h t mit der deutschen Gerichtsbarkeit zu identifizieren ist. Kohlrausch hat 1940, als umgekehrt wie heute das Geltungsgebiet über das Territorium hinausging, mit Schärfe auf den Primat des Territoriums hingewiesen und das Ausgehen vom Geltungsgebiet als petitio principii bezeichnet. 4*

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Einleitende Bestimmungen § 3

Daß die SBZ Inland ist, stellt BGHSt. 5 364 klar. E s gibt nur eine einheitliche deutsche Staatsangehörigkeit, also nur e i n e n Begriff des „Deutschen"; BGHSt. 5 317, aber unter Ablehnung der zonalen formlosen mündlichen Einbürgerung (Zweck des §16 I RuStAGes. und ordre public verletzt). Vgl. ferner LM Nr. 3 (betr. Abtreibungen in Thüringen) sowie BGH GA 1955 178 (betr. Meineid vor dem zonalen Obersten Gericht). Geltung für Deutsche § 3 (1) Das deutsche Strafrecht gilt für die Tat eines deutschen Staatsangehörigen, einerlei, ob er sie im Inland oder im Ausland begeht. (2) Für eine im Ausland begangene Tat, die nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist, gilt das deutsche Strafrecht nicht, wenn die Tat wegen der besonderen Verhältnisse am Tatort kein strafwürdiges Unrecht ist. (3) Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln sollen, oder an dem der Erfolg eingetreten ist oder eintreten sollte. N e u e s t e F a s s u n g durch 3. StÄG. Zu Abs. I. 1. Personalgrundsatz. Grundsätzliches in Vorbem. I ; zur J u d i k a t u r s. noch Hamburg J Z 51 305. 2. Tat. Zweifelhaft ist, ob auch p o l i t i s c h e Delikte „ T a t e n " im Sinne des § 3 sind. Daß Hoch- und Landesverrat gegen ausländische Staaten in den §§ 80ff. nicht mitgemeint sind, ergibt sich aus dem Wortlaut der Tatbestände und aus §§ 102 ff. Aber auch fürWiderstand, Meuterei und andere Vergehen gegen die Staatsverwaltung muß das gleiche gelten. Anders jedoch die alte preußische Praxis sowie E 8 53; wie hier E 14 124 (bestr., vgl. L K S. 649 Vorbem. vor § 110). Delikte gegen die Rechtspflege eines fremden Kulturstaates (z. B. Meineid vor einem italienischen Gericht) sind hingegen als „Taten" eines Deutschen im Ausland anzusehen; falsche Anschuldigung auch wegen ihres Doppelcharakters, s. u. § 164 Anm. IV. Grundsätzlich ebenso LM Nr. 2 zu § 3 mit Übersicht. Entscheidend ist, ob uns die Handlung ihrer N a t u r nach als Verbrechen erscheint, ob ein Rechtswert gemeinsames Kulturgut ist oder nur Bestandteil einer p o s i t i v e n fremden O r d n u n g . Näheres DStrR 41, 7ff.; Mezger DStR S. 22ff. Zu Abs. II. Ausnahmen. Die strenge Durchführung des Personalgrundsatzes würde zu Härten führen; denn der Deutsche muß sich im Ausland gewissen dort herrschenden Verhältnissen anpassen. Abs. 2 schafft daher die Möglichkeit, diese Besonderheiten zu berücksichtigen; allerdings nur dann, wenn die Tat am ausländischen Tatort nicht mit Strafe bedroht ist, eine (anscheinend aus § 4 Ziff. 3 a . F . übernommene) Einschränkung, die der Personalgrundsatz keineswegs fordert. Auf Grund der besonderen ausländischen Verhältnisse kann schon der Sinn des T a t b e s t a n d e s als typischen Unrechts entfallen. Da hier die t a t s ä c h l i c h e n Voraussetzungen unserer Strafdrohung nicht gegeben sind, würde es ihrem Sinn nicht entsprechen, sie anzuwenden. Wenn dagegen am Tatort die gleichen Tatsachen nur strafrechtlich anders g e w e r t e t werden, so steht dies im allgemeinen einer Bestrafung der Auslandstat nicht

Einleitende Bestimmungen § 4

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entgegen. Denn ob ein Handeln als U n r e c h t zu werten ist,darüber müssen deutsche Maßstäbe entscheiden (ebenso jetzt BGHSt. 8 349,357). Wenn etwa mannmännliche Unzucht oder Abteibung (HRR 40 1141) am Tatort straflos sind, so hindert das die Bestrafung des Deutschen nicht. Anders (gegen früh. Aufl.), wenn z. B. ein Deutscher im Ausland gewerbsmäßig spielt. Denn § 285 ist im wesentlichen Polizeidelikt zum Schutz der inländischen Ordnung, kein delictum per se; vgl. Anm. zu §§ 284ff. Zu beachten ist aber, daß das Gesetz s t r a f w ü r d i g e s Unrecht fordert. Wenn sich ein deutscher Kaufmann im Auslande, um wettbewerbsfähig zu bleiben, den am Ort herrschenden Anschauungen über Versprechungen, Kreditunterlagen u. dgl. anpaßt, kann er nicht wegen Betruges verantwortlich gemacht werden, auch wenn dieser nach den deutschen Maßstäben vorläge. Sein Handeln ist entschuldigt, zum mindesten überschreitet es nicht die Schwelle der Strafwürdigkeit; vgl. im einzelnen Mezger, DStrR 41, 21. Zu Abs. III. Die Legaldefinition vom Ort der Handlung oder Unterlassung entspricht der schon bisher herrschenden Ansicht. Vgl. E 23 156, 48 60, 50 423. Aus der hier f ü r die T ä t e r s c h a f t gegebenen Regel folgt die gleiche f ü r die T e i l n a h m e (a. A. Härtung RVerwBl. 40, 631 ff., nach dem die Fragen f ü r die Teilnehmer offengeblieben sind, u. E 74 59, die die Entscheidung aus Akzessorietätsfragen ableiten will; vgl. aber dazu jetzt §49a n. F.). Die Regel des Abs. 3 führt unmittelbar auf die f ü r alle Erscheinungsformen geltende Wesensbestimmimg des Verbrechens zurück. Wenn ein Ausländer im Ausland Beihilfe f ü r eine Inlandstat leistet, verursacht er eine im Inland eintretende Rechtsgutsverletzung und ist deshalb strafbar. Aber das Verbrechen ist neben der Verletzimg des einzelnen Rechtsguts auch unerträgliches Beispiel einer Auflehnimg gegen die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit, vgl. Syst. Vorbem. I. Als solches berührt e3 die inländische Rechtsordnung auch dann, wenn die schädlichen Folgen ausschließlich das Ausland treffen. Auch ein Ausländer, der im Inland Beihilfe zur Auslandstat eines Ausländers leistet, ist daher strafbar. Nach der Regel des § 3 Abs. 3 ist Anstiftung überall da begangen, wo die Verleitung unternommen, wo sie wirksam geworden und wo der Tatentschluß verwirklicht worden ist; Beihilfe da, wo die fördernde Handlung erfolgt und wo der Erfolg eintritt. Im Ergebnis ebenso die Rspr.: E 57 145, 75 386 betr. Mittäterschaft; E 67 138 betr. mittelbare Täterschaft; E 25 426 betr. Anstiftung; E I I 20, 20 169, J W 36 2655, E 74 59 betr. Beihilfe. Betr. Teilnahme an Zolldelikten vgl. BGHSt. 4 333 Zutr. Schröder ZStW 61, 129. Betr. Fortsetzungszusammenhang vgl. H R R 39 480. Geltung für

Ausländer

§

4

(1) Das deutsche Strafrecht gilt auch für Taten, die ein Ausländer im Inland begeht. (2) Für eine von einem Ausländer im Ausland begangene Straftat gilt das deutsche Strafrecht, wenn sie durch das Recht des Tatorts mit Strafe bedroht oder der Tatort keiner Strafgewalt unterworfen ist und wenn 1. der Täter die deutsche Staatsangehörigkeit nach der Tat erworben hat oder

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Einleitende Bestimmungen § 4

2. die Straftat gegen das deutsche Volk oder gegen einen deutschen Staatsangehörigen gerichtet ist oder 3. der Täter im Inland betroffen und nicht ausgeliefert wird, obwohl die Auslieferung nach der Art der Straftat zulässig wäre. (3) Unabhängig von dem Recht des Tatorts gilt das deutsche Strafrecht f ü r folgende Straftaten, die ein Ausländer im Ausland begeht: 1. Straftaten, die er als Träger eines deutschen staatlichen Amtes oder als Soldat der Bundeswehr oder die er gegen Träger eines solchen Amtes oder gegen einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung ihres Dienstes oder in Beziehung auf ihren Dienst begeht; 2. hoch- oder landesverräterische Handlungen gegen die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder und Verbrechen des Verfassungsverrats; 3. Sprengstoffverbrechen; 4. Einderhandel und Frauenhandel; 6. Verrat eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses eines deutschen Betriebes ; 6. Meineid in einem Verfahren, das bei einem deutschen Gericht oder einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen deutschen Stelle anhängig ist; 7. Münzverbrechen und Münzvergehen; 8. unbefugter Vertrieb von Betäubungsmitteln; 9. Handel mit unzüchtigen Veröffentlichungen. Abs. 3 Nr. 1 ist durch 3. StÄG neu gefaßt. Zn Abs. I. Territorialgrundsatz. Bei Inlandstaten von D e u t s c h e n gleiches zu sagen, ist, da jetzt der Personalgrundsatz im Vordergrund steht, nicht mehr notwendig. Zu Abs. H. Stellvertretende Strafrechtspflege. Bedingte Strafbarkeit: 1. Neubürger werden nicht ausgeliefert (Art. 16 Abs.2 S. 1 GG). An Stelle der verwirkten Auslandsbestrafung tritt daher die Bestrafung im Inland, und zwar nach deutschem Recht (anders früher, soweit das Auslandsrecht milder war, vgl. § 4 II Ziff. 3 Abs. 2 a. F.). — F l ü c h t l i n g e stehen nach Art. 116 GG und den Flüchtlingsgesetzen Inländern gleich: München NJW 51 285, Karlsruhe MDR 51 118 (Herlan), BGHSt. 11 63. — 2. Schutz des deutschen Volkes oder des einzelnen Deutschen, falls die zunächst erwartete Auslandsbestrafung versagt. — 3. Die Auslieferung kann daran scheitern, daß mit dem betr. Staat kein Auslieferungsvertrag geschlossen ist; oder daß dieser ein Auslieferungsersuchen nicht gestellt hat; oder daß die Auslieferung tatsächlich unmöglich ist,z.B. wegen Krieges. In solchen Fällen muß die Möglichkeit geschaffen werden, zu strafen. Vorausgesetzt ist in allen Fällen die Strafbarkeit im Ausland, gleichgültig unter welchem Gesichtspunkt: RG HRR 39 1550, DJ 40 515, auch ob Strafantrag gestellt: BGH NJW 54 1086.

Einleitende Bestimmungen §§ 5, 6, 7

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Auch in den Fällen, in denen der Tatort keiner Strafgewalt unterworfen ist (Schiffbrüchige auf hoher See, Polarexpedition), liegt stellvertretende Strafjustiz vor. Nur setzt sich das deutsche Strafrecht hier nicht an die Stelle eines bestimmten Auslandsstrafrechts, sondern es tritt für den Gedanken des Rechtes schlechthin ein; in den Fällen der Ziff. 2 auch hier in Verbindung mit dem Schutzgrundsatz. Zu Abs. III. Schatzgrandsatz und Weltrechtsgrandsatz. Im Gegensatz zum Abs. I I ist hier die Bestrafung der Auslandstat des Ausländers nicht bedingt durch die Strafbarkeit am Tatort. Früher war es nur so bei Hoch- und Landesverrat, bei Amts- und bei Gelddelikten. Ihnen entsprechen die jetzigen Nr. 1, 2 und 7. Hinzukommen seit 1940 in Erweiterimg des S c h u t z g r u n d s a t z e s : Nr. 5 (entsprechend §20a UnlWettbGesetz in der Fassung v. 9.3.32, abgedruckt Anhang Nr. 5); Nr. 6: hier kommt es nicht darauf an, ob die den Eid abnehmende, sondern ob diejenige Behörde eine deutsche ist, bei der das Verfahren anhängig ist; z. B. Meineid vor einem ausländischen Gericht, das von einem deutschen Gericht um Rechtshilfe ersucht ist. — Der U n i v e r s a l g r u n d s a t z (bisher nur bei Gelddelikten, jetzt Nr. 7) ist erweitert um die Nr. 3, zwecks internationaler Bekämpfung von Terrorakten; um die Nr. 4 (vgl. Anhang Nr. 3); um die Nr. 8, die dem internationalen Opiumabkommen v. 23. 1. 12 u. 19. 2. 25, und um die Nr. 9, die internationalen Abkommen v. 4. 5. 10 u. v. 12. 9. 23 entspricht. Schiffe,

Luftfahrzeuge

§5 Das deutsche Strafrecht gilt, unabhängig von dem Recht des Tatorts, für Taten, die auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug begangen werden. Für deutsche S c h i f f e (nicht nur Kriegs- und Staatsschiffe) entspricht die Bestimmung dem anerkannten Recht. Vgl. Mettgenberg ZStW 52, 802, D J 40, 641. Nicht nur auf hoher See, sondern auch in fremden Küstengewässern sind sie, was den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts betrifft, Inland. Für P r i v a t l u f t f a h r z e u g e über fremdem Staatsgebiet war die Frage völkerrechtlich streitig. Vgl. Ztschr. f. Luftr. 1952, 84. Übertretungen § 6 Im Ausland begangene Übertretungen sind nur dann zu bestrafen, wenn dies durch besondere Gesetze oder durch Verträge angeordnet ist. Ob eine Übertretung vorliegt, ist nach deutschem Recht zu beurteilen. E 18 299. — Vereinbarungen der Justizverwaltungen genügen nicht: LG Coburg NJW 55 1408 (betr. Österreich). Anrechnung

§7 Eine im Ausland vollzogene Strafe ist, wenn wegen derselben Handlung im Inland abermals eine Verurteilung erfolgt, auf die zu erkennende Strafe in Anrechnung zu bringen.

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Einleitende Bestimmungen § 11 I. Über die Grundsätze der Anrechnung vgl. E 35 41.

II. Über die Wirkungen einer Bestrafung durch Besatzungsgerichte Hamburg MDR 49 54. Entspr. Anwendung geboten, BGH LM Nr. 2 (Werner), Bamberg H E S t . 1 185; nur strafmildernd berücksichtigen will BayObLG N J W 53 682 (vgl. auch 50 358). Kern JW1920, 652 wendet § 73 an; hiergegen Bremen N J W 5 0 918. — Verbrauch der Strafklage jedoch, soweit nur Besatzungsinteressen verletzt: Frankfurt HESt. 3 49. III. Die Verurteilung muß wegen derselben Tat i. S. d. § 264 StPO erfolgen, gleichviel unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt (vgl. schon oben zu § 4 Abs. 2). B G H N J W 53 1522, LM Nr. 1, BayObLG N J W 51 370 (vgl. hier auch darüber, daß das Strafübel den Täter wirklich getroffen haben muß, also nicht bei einer von Dritten bezahlten Geldstrafe, bei Erlaß oder Vollstreckungsverjährung). § 8 aufgehoben. Vgl. Vorb. I V vor § 3. § 9 hatte gelautet: „Ein Deutscher darf einer ausländischen Regierung zur Verfolgung oder Bestrafung nicht überliefert werden." Aufgehoben durch K R G Nr 11. Jetzt folgt die Nichtauslieferung Deutscher aus Art. 16 Abs. 2 GG. § 10 betraf Anwendbarkeit der allgemeinen Strafgesetze aul Militärpersonen; aufgehoben durch K R G Nr. 11. Indemnität der Parlamentsmitglieder der Länder

§ H Mitglieder eines Gesetzgebnngsorgans eines zur Bundesrepublik Deutschland gehörigen Landes dürfen zu keiner Zeit wegen ihrer Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die sie in der Körperschaft oder einem ihrer Ausschüsse getan haben, außerhalb der Körperschaft zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen. Schrifttum: B o c k e l m a n n , Die Unverfolgbarkeit der Abgeordneten usw., 1950. — H e r l a n , Die Immunität der Abg., J R 51, 325. — Ders., Neues zum Immunitätsrecht, MDR 51, 82. I. Neu gefallt durch 3. StrRÄndGes. II. Die vorl. Stelle betrifft die materiellrechtliche Indemnität im Gegensatz zur p r o z e s s u a l e n I m m u n i t ä t (vgl. f ü r Bundestagsabgeordnete entspr. Art. 46 GG mit Art. 47). Sie schafft einen p e r s ö n l i c h e n S t r a f a u s s c h l i e ß u n g s g r u n d , bei dem s t r a f b a r e T e i l n a h m e D r i t t e r m ö g l i c h bleibt, z. B. böswilliger Informanten. Anders und zu weitgehend will § 100 I I I einen Rechtfertigungsgrund in einem Sondergebiet konstruieren, mit unerträglichen Folgen der Straflosigkeit außenstehender Teilnehmer. Vgl. dort Anm. I I I . III. Ob außer den Landtagen (in den Hansestädten: Bürgerschaften) noch andere Gesetzgebungsorgane in Betracht kommen, ist nach dem jeweiligen Landesverfassungsrecht zu entscheiden. IV. Zur Praxis der Immunität vgl. Schleswig MDR 51 56 (Anm. Herlan) sowie f ü r den Bundestag Koch, Bundesanz. Nr. 214 v. 3. 11. 51 S. 9.

Einleitende Bestimmungen § 12 Indemnität

der

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Parlamentsberichte

§12 Wahrheitsgetreue Berichte über die öffentlichen Sitzungen der in § 11 bezeichneten Gesetzgebungsorgane oder ihrer Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei. I. Neu gefaßt durch 3. StrRÄndGes. II. Wahrheitsgetreu ist nicht wortgetreu, sondern s i n n g e t r e u , und zwar nicht nur für Einzelheiten, sondern — bei nur teilweiser Wiedergabe — auch für den Gesamtvorgang. III. Rechtfertigungsgrund, vgl. Braunschweig NJW 53 516 (auch betr. Irrtumsfragen). Keine strafbare Teilnahme denkbar; anders bei § 11, s. dort Anm. II. IV. Für Berichte über öffentliche Bundestagssitzungen entspr. Art. 42 Abs. 3 GG. — Auf Gesetzgebungsorgane außerhalb der BR nicht: BGH NJW 54 1252

E r s t e r Teil

Von der Bestrafung der Verbrechen, Vergehen und Übertretungen im allgemeinen Erster A b s c h n i t t Strafen Aus dem neueren Schrifttum: Na gier, Die Strafe, 1. Hälfte, 1918; M e z g e r , Strafzumessung im Entwurf, ZStW 51, 855; v. H e n t i g , D i e Strafe, 1932 und 1954 (kriminalpsychologisch); G a l l a s , Kriminalpolitik und Strafrechtssystematik (Abh. des Krim. Inst. Berlin), 1931; E x n e r , Studien über die Strafzumessungspraxis der deutschen Gerichte, 1931. — Sinnwandel in der neuesten Entwicklung der Strafe, in: Probleme der Strafrechtserneuerung, Festschrift für Kohlrausch, 1944, S. 24ff.; L a n g e , Strafe und Erziehung im Jugendstrafrecht, ebendort s. 44ff. — Täterschuld und Todesstrafe, ZStW 62,175ff.; K l u g , Die zentrale Bedeutung des Schutzgedankens für den Zweck der Strafe, 1938; K l e e , Die Krise der Sühnetheorie, DStR 1942 S. 68ff.; D r e h e r , Über die gerechte Strafe, 1947. - SJZ. 47, 562. B u c h w a l d , Zur Frage der richterlichen Strafzumessung, JR48,143; Eb. S c h m i d t , Probleme staatlichen Strafens in der Gegenwart, SJZ 46,204; A r n d t , Das Strafmaß, SJZ 46, 30; W i m m e r , Schutzbedürfnis, Schutzwürdigkeit, Strafwürdigkeit, DRZ 48,116; H e i n r i c h , Zuchthaus und Gefängnis oder Einheitsstrafe? NJ47, 29; P f a n d e r , Der zentrale Begriff „Strafe", SchwZStR 61, 173ff.; B o c k e l m a n n , Strafe und Erziehung (in Festschr. f. Gierke 1950 S. 27 ff.). — Zur Reform des Strafensystems, JZ 51, 494; v . W e b e r , Die Sonderstrafe, DRiZ 51, 153; B l a u , Nochmals: Die Sonderstrafe, J R 53, 323; F r e y , H e i n i t z , Zum Ausbau des Strafensystems, ZStW 65, 3ff., 26ff.; H e i n i t z , Der Strafprozeß bei der richterlichen Strafzumessung, ArchRWiPhilos. 27,259; Strafzumessung und Persönlichkeit, ZStW 63,57ff.; H a l l , Die Freiheitsstrafe als kriminalpolitisches Problem, ZStW66,77ff.; Sicherungsverwahrung und Sicherungsstrafe, ZStW 70,41; S c h r ö d e r , Gesetzliche und richterliche Strafzumessung, Festschrift f. Mezger 1954, 415ff.; Gutachten zur Strafrechtsreform von Mezger und Eb. S c h m i d t (Strafzweck und Strafzumessungsregeln), W ü r t e n b e r g e r und S i e v e r t s (Unbestimmte Verurteilung), L a n g e (Systematik der Strafdrohungen); D r e h e r , Bericht über die 1. Arbeitstagung der Gr. Strafr. Komm., ZStW 66, 568ff.; L a n g e , Grundfragen der deutschen Strafrechtsreform, SchweizZfStrR 1955, 373ff.; S p e n d e l , Zur Lehre vom Strafmaß 1954; K o f f k a , Welche Strafzumessungsregeln ergeben sich aus dem geltenden StGB? J R 55, 322; B r u n s , Zum gegenwärtigen Stand der Strafzumessungslehre, NJW 56, 241ff.; J a g u s c h , Die Praxis der Strafzumessung (aus LK) 1956; D r e h e r , Doppelverwertung von Strafbemessungsumständen, JZ 57, 155ff.; L a n g - H i n r i c h s e n , Zur Frage der Zurechnung von Folgen der Straftat bei der Strafzumessung, GA 1957, l f f . ; v. W e b e r , Die richterliche Strafzumessung, 1957 (C. F. Müller); S a u e r , Probleme der richterlichen Strafzumessung, GA 1957, 129; N o w a k o w s k i , Freiheit, Schuld, Vergeltung, Rittler-Festschr. 1957, 55; Mergen ebendort S. 21; K i e l w e i n S. 95 über moderne (internat.) Kriminalpolitik.

Vorbemerkungen vor § 13

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Zum Entwurf: Vom k r i m i n a l p o l i t i s c h e n Standpunkt aus: Eb. S c h m i d t ZStW 69, 359; H e i n i t z ZStW 70, 1; vom k r i m i n o l o g i s c h e n Standpunkt: L e f e r e n z ZStW 70, 41; vom d o g m a t i s c h e n : Sax ZStW 69, 412. Zur Strafbarkeit von juristischen Personen vgl. die Lit. unten zu D. Vorbemerkungen Übersicht: A. Die S t r a f e : I. Bindungen durch das GG. — II. Strafzwecke im StGB. — III. Sühneidee und Schutzgedanke. — IV. Richterliche Strafzumessimg. — V. Strafensystem. — B. Die M a ß r e g e l n des StGB. — C. Das J u g e n d s t r a f r e c h t . — D. J u r i s t i s c h e P e r s o n e n . — E. O r d n u n g s w i d r i g k e i t e n . Über Wesen und Zweck der Strafe Klarheit zu gewinnen, ist den Menschen ein Bedürfnis, seitdem sie über sich selber nachdenken, also „philosophieren". Außerhalb der Aufgabe dieses Buchs liegt ein Überblick über die Strafrechtstheorien, deren Wechsel den Wandlungen der Rechts-, Staats- und allgemeinen Weltanschauung parallel geht. Unerläßlich ist aber, den S t a n d p u n k t des g e l t e n d e n R e c h t s zu erkennen. A. Die Strafe ist das klassische und zentrale, aber nicht mehr das einzige Mittel des Strafrechts. Sie ist entsprechend ihrem besonderen Sinn und Zweck von den Maßregeln und den sonstigen Hilfsmitteln des modernen Strafrechts abzugrenzen. Die speziellen Strafzwecke können daher nur im Rahmen der Strafrechtszwecke überhaupt und diese wiederum wegen der Einheit der Rechtsordnung nur im Einklang mit deren allgemeinen Zwecken bestimmt werden. I. In erster Linie sind daher die Richtlinien und Bindungen des Grundgesetzes zu beachten. Es setzt in Art. 1 die Würde des Menschen als Grundwert der Rechtsordnung und als unüberschreitbare Grenze der Staatsmacht. Das ist für das Strafrecht und seine Durchsetzung als schärfsten Ausdruck dieser Macht besonders bedeutsam und hat in Bestimmungen wie § 136 a StPO bereits seinen Niederschlag gefunden. Menschenwürde ist ohne Freiheit und damit — was immer übersehen wird — ohne Verantwortlichkeit nicht denkbar. Ihr entspricht allein die Bewertung des Handelns nach verbindlichen, absoluten Ideen als dem tragenden Grunde des Menschseins (im Gegensatz zur bloßen Beurteilung unter sozialen Zweckgesichtspunkten). Solche Ideen positiviert das GG in Gestalt der materiellen Gerechtigkeit als Kern des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 in der Auslegung des BVerfG, JZ 54 32) und des Rechtsstaats (Art. 20, 28 usw.) Näheres hierzu in „Der Rechtsstaat als Zentralbegriff der modernen Strafrechtsentwicklung", Tübingen 1952. Aber auch die strenge Gewaltentrennung des GG wirkt sich bestimmend auf das Strafrecht aus. Sind absolut unbestimmte oder unbegrenzte Strafen zulässig? Dazu oben § 2 Anm. I. Darf dem Richter in besonders schweren Fällen die Strafbestimmung völlig vom Gesetzgeber überlassen werden ? Zu diesen Fragen vgl. die „Systematik der Strafdrohungen" in Gutachten der Strafrechtslehrer zur Strafrechtsform. — Über Grenzen des Gleichheitssatzes bei der Strafzumessung vgl. BGHSt. 1 184. Auch die Einzelbestimmungen des GG in Art. 102 (Todesstrafe), Art. 103 (nulla poena sine lege; ne bis in idem), Art. 104 (habeas corpus) geben die gleiche allgemeine Richtung an. Alle diese Grundsätze sind nicht, wie in der Weimarer Verf., nur formal und programmatisch, also nur theoretisch verpflichtend, sondern material von den angegebenen Werten her bestimmt; und sie sind aktuelles Recht. Ein Verstoß gegen

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sie macht das Strafgesetz und seine Zweckbestimmung ungültig; ihre Einhaltung wird durch Normenkontrolle gesichert, Art. 100 GG. Vgl. oben § 2 Anm. I I I A 6. II. Das Strafgesetzbuch enthält sich bewußt einer ausdrücklichen Feststellung bestimmter Strafzwecke (so die Motive, vgl. E 68 106). Anders voraussichtlich daa künftige Recht: ZStW 66, 571. 1. Wohl aber appellieren e i n z e l n e w e i t t r a g e n d e G e s e t z e an den Strafzweck oder setzen ihn voraus. So unter anderem: a) § 23 Abs. 3 Ziff. 1 nötigt den Richter zu der Frage, „wann das öffentliche Interesse die Vollstreckung der Strafe erfordert" (s. u. § 23 Anm. III, Vorbem. I I ; — b) § 27 b zu der Frage, ob „der Strafzweck durch eine Geldstrafe erreicht werden kann". — c) §§ 5, 17 JGG „wann Jugendstrafe erforderlich ist" — nach BGH J R 54 149 muß gem. § 17 I I Generalprävention außer Betracht bleiben —, mit der wichtigen Maßgabe der „schädlichen Neigungen" und der „Schwere der Schuld"; vgl. auch §19 JGG (unbestimmte Strafe). — d) Nach §23 „kann" das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen die Strafvollstreckung aussetzen, nach § 26 den Verurteilten bedingt entlassen, nach § 51 Abs. 2 bei verminderter Zurechnungsfähigkeit die Strafe, nach § 106 JGG bei Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht mildern. In allen diesen Fällen muß der Richter nach dem Willen des Gesetzes von einer bestimmten Vorstellung über Sinn und Zweck der Strafe ausgehen und ist an sie gebunden. Niemals handelt es sich um sein Belieben (so früher Dalcke zu §106 JGG) oder um freies Ermessen. So mit Recht auch BGHSt. 7 28 (gegen E 71 179, 74 217) f ü r § 51 II. Näheres an den angegebenen Stellen. 2. Auch das S y s t e m des Strafrechts nötigt zur Klärung der Strafzwecke. a) Das J u g e n d s t r a f r e c h t hat man seit 1923 und mehr noch seit 1953 unter dem Gesichtspunkt des hier überwiegenden speziellen Erziehungszwecks aus dem allgemeinen Strafrecht herausgenommen. Die Nahtstelle beider Gebiete sind heute die §§ 105, 106 JGG. Vgl. unten zu C. b) Dem Strafensystem ist ein S y s t e m v o n M a ß r e g e l n mit dem ausgesprochenen und ausschließlichen Zweck der Sicherung oder Besserung angeschlossen worden. Auch in ihrem Bereich aber wird vor und neben ihnen Strafe verhängt und vollzogen. Diese muß also zum mindesten a u c h andere Zwecke verfolgen und einen anderen Sinn haben. Und außerhalb des Bereichs der Zweispurigkeit muß offenbar die Strafe alle durch die Tatsache jenes Systems anerkannten Strafrechtszwecke „einspurig" mitübernehmen, soweit das überhaupt mit ihrem Wesen vereinbar ist. So für den spezifischen Erziehungszweck des Jugendstrafrechts ausdrücklich § 19 JGG. c) Das S t r a f e n s y s t e m des StGB selbst ist sowohl nach der Schwere und Dauer des Strafübels wie nach dem Grade der Mißbilligung gestaffelt. Das letztere Kriterium ist unerläßlich; die Übelsvollziehung dagegen jetzt nicht mehr: §§ 23—26. Auch hieraus ist auf das Wesen der Strafe zu schließen. Es muß in der s p e z i f i s c h e n s o z i a l e t h i s c h e n M i ß b i l l i g u n g liegen, nicht im Übelscharakter, den der Vollzug der Strafe ohnehin mit anderen Tatfolgen teilt. Vgl. Vorbem. u. Anm. zu §§ 23 ff. sowie § 18 Anm. III. d) Ansätze zum T ä t e r s t r a f r e c h t . Straferhöhung und Strafbegründung knüpfen neuerdings nicht mehr ausschließlich an Umstände der Einzeltat, sondern

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in gewissen Fällen an das Sein, die Existenzform des Täters unmittelbar an: beim gefährlichen Gewohnheitsverbrecher des § 20a, beim ausbeuterischen Zuhälter des § 181a. Sind damit entscheidende Wertgesichtspunkte der Strafe verändert? Darüber unten zu § 20a und § 181a. Der Zusammenhalt aller dieser positiven Bestimmungen zeigt, daß das Gesetz nicht nur dem Namen, sondern auch der Sache nach an der Idee der Strafe festhält, wie sie im Rechtsbewußtsein von je her lebt. Dazu gehören: Gerechte V e r g e l t u n g des schuldhaften Rechtsbruchs und Befriedigung des Sühnebedürfnisses, durch deren Wirkung auf die Allgemeinheit oder durch Abschreckung Kriminellbereiter zugleich Verhütung weiterer Verbrechen ( G e n e r a l p r ä v e n t i o n ) und schließlich zweckmäßige, sei es erzieherische, bessernde, abschreckende oder sichernde Einwirkung auf den straffällig Gewordenen ( S p e z i a l p r ä v e n t i o n ) . Der zuletzt genannte Zweck, ursprünglich hinter dem Vergeltungsgedanken weit zurücktretend, ist durch alle großen Novellen seit dem Ende des ersten Weltkrieges immer stärker betont worden. Das in einem jeden echten Strafrecht unauflösliche Wert- und Zweckgefüge der Strafe ist damit aber nicht aufgehoben, kann es auch nicht sein. Denn: III. Sfihneidee und Schutzgedanke sind die beiden Komponenten einer jeden „Strafe". Jedes echte Strafurteil muß auf beiden beruhen. So auch schon der Art. 104 der Carolina von 1532 (Art. 105 ihrer Vorläuferin, der Bambergensis). Mit gesundem Rechtsinstinkt sagt Johann v. Schwarzenberg: Der Richter habe die Strafen zu verordnen und zu verhängen „ a u s L i e b d e r G e r e c h t i g k e i t u n d u m g e m e i n e s N u t z w i l l e n " (vgl. dazu Radbruch in Schweizer ZfStrR 55, 1941, S. 113ff.sowie in Arch. f. Rechts- und Sozialphilosophie 35, 1942, S. 143ff.). Es ist das Verhältnis von Gerechtigkeit auf der einen, Zweckmäßigkeit auf der anderen Seite; von Schuld und Sühne auf der einen, Gefährlichkeit und Anpassung bzw. Gesellschaftsschutz auf der anderen Seite. Im Strafbegriff liegt wie im Schuldbegriff das logisch nicht lösbare, aber dem Menschen ewig aufgegebene Problem von Sollen und Können, von Freiheit und Notwendigkeit. Das sind „antinomische Spannungen", deren kriminalpolitische Entscheidung heute nur im Rahmen der verbindlichen Grundordnung gesucht werden kann (oben zu I). „ G e r e c h t " muß die Strafe i m m e r sein. Ihre Zweckmäßigkeit kann hiermit vereinbar, sie kann aber nicht ein Ersatz f ü r Gerechtigkeit sein. Das ist auch de lege ferenda die Meinung der Strafrechtskommission, vgl. den Bericht von Dreher ZStW 66, 572. 1. Nur innerhalb des in der Wertwelt unserer Kultur unaufhebbaren S p a n n u n g s v e r h ä l t n i s s e s v o n G e r e c h t i g k e i t u n d Z w e c k m ä ß i g k e i t — das letzten Endes Ausdruck der Spannung zwischen Individualität und sozialer Funktion im Bilde des Menschen selbst ist — sind unter den Sinngebungen und Zwecksetzungen der Strafe als Sühne, Vergeltung, Allgemeinabschreckung, Abschreckung des Täters, Besserung, Erziehung und Sicherung A k z e n t v e r s c h i e b u n g e n zulässig. Was der eine Strafzweck gebietet, muß mit dem anderen wenigstens vereinbar sein. Inwieweit eine Synthese in Gestalt etwa der Generalprävention durch Vergeltung oder der spezialpräventiv gefaßten Sühneidee, also ein Ineinander der Strafzwecke das Nebeneinander zu ersetzen hat, ist hier nicht näher auszuführen. Akzentverlagerungen werden bald durch neue geistige Strömungen, bald durch praktische Bedürfnisse ausgelöst, ergreifen bald das gesamte Gebiet des Strafrechts, bald nur einzelne Teile davon.

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So war die nach Kriegsende erfolgte rückwirkende Einführung der Todesstrafe für bestimmte politische Delikte in Ländern, die diese Strafe sonst abgeschafft hatten, aus einem elementaren Vergeltungs- und Sühnebedürfnis zu erklären, ebenso das KRG Nr. 10. Vgl. ferner z. B. § 4 der Württ. VO vom 16. 5. 47, wonach Verbrechen oder Vergehen, die in der nationalsozialistischen Zeit aus politischen Gründen nicht bestraft wurden, zu verfolgen sind, „wenn die Grundsätze der Gerechtigkeit, insbesondere die Gleichheit aller vor dem Gesetz, die nachträgliche Sühne verlangen"; entspr. Art. 1 des Ahndungsges. (US-Zone), dazu Frankfurt, SJZ 48 272. Im Wirtschaftsstrafrecht andererseits machten sich in der Notzeit starke generalpräventive Strömungen geltend. Vgl. etwa die Wirtschaftsstraf-VO der Sowjet. BesZone v. 23. 9. 48 (ZentrVOBl. S. 439) oder die in J R 47 62 wiedergegebene Weisung der Berliner Alliierten Kommandantur sowie aus der Rechtspr. Gera NJW 48 317. Im Jugendstrafrecht wiederum geht die Tendenz dahin, die Strafe möglichst weitgehend durch — spezialpräventive — Erziehungsmaßregeln zu verdrängen. In der Hitlerzeit war zunächst der Sühnegedanke betont, später aber in der Praxis durch einen immer rücksichtsloser gehandhabten „Schutz"-Zweck verdrängt worden. Für diese Entwicklung besonders charakteristisch die zweimalige Umgestaltung des § 48 der Strafvollzugsordnung in den Jahren 1934 und 1940 (vom Besserungs- zum Sühnezweck und von diesem zum Sicherungszweck) sowie das Ges. v. 4. 9. 41, in dem „Schutz des Volkes oder gerechte Sühne" als bloß alternative Voraussetzungen der Strafe verlangt wurden, unter bewußter Voranstellung des ersteren, derart, daß selbst die Todesstrafe, auch wenn sie „nicht verdient" war, als „sichernde Maßnahme" verhängt wurde. So E 77 27 und 105. Dazu Niethammer, DRZ 46 13, aber auch Dahm und Exner in Festschr. f. Kohlrausch S. 1 und 24. 2. Die Strafzwecke können sich im Einzelfall wohl decken. Oft aber kollidieren sie miteinander. So wenn ein vermindert Zurechnungsfähiger zugleich besonders gefährlich ist (§ 51 Abs. 2 i. V. m. §20a), vgl. BGH LM § 20a Nr. 3. Oder wenn die Häufung von Fällen bestimmter Taten, etwa von Verkehrsdelikten, auch in einem leichten Fall exemplarische Strafe nahelegt. Diese antinomischen Spannungen erkennt das Gesetz neuerdings selbst ausdrücklich an, wenn es auch da, wo Strafaussetzung zur Bewährung oder bedingte Strafentlassung spezialpräventiv geboten sind, sie dennoch nicht zwingend, sondern nur als möglich vorsieht und das „öffentliche Interesse" u. U. die Aussetzung verhindern läßt. Eine gewisse Annäherung der Strafzwecke aneinander ergibt sich aus den Tendenzen der neueren Strafrechtsentwicklung und den Wandlungen der Strafrechtszwecke. Im einzelnen: a) Maßstab gerechter Vergeltung und Sühne ist im Rahmen der Rechtsgüterordnung nicht mehr in erster Linie die Größe des Erfolges, sondern die Schwere der Schuld: arg. § 56. Ausdrücklich so § 2 Entn. 1959. b) Die zweckmäßige Einwirkung auf den einzelnen Täter muß so weit das Ziel sein, wie mit der Geltung der Rechtsordnung einerseits und dem Gedanken einer vom Täter selbst anzuerkennenden Sühne für Schuld andererseits vereinbar ist, arg. §§ 23ff., 27b. c) Die allgemeine Verbrechensvorbeugung ist nicht in erster Linie durch abschreckende Härte, sondern durch Befriedigung des Rechtsgefühls der Allgemeinheit, soweit es anerkannt werden kann, zu erstreben. Soweit die Gegensätze unaufhebbar bleiben, ist von dem oben entwickelten Ausgangspunkt hier folgendes zu erwägen:

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3. Für eine grundsätzliche Gleichrangigkeit von Vergeltung, General- und Spezialprävention spricht seit dem 3. StrRÄndGes. die gegensinnige Bedeutung des „kann" in §§ 23, 26 einerseits, § 51 Abs. 2 andererseits. Dort bedeutet es, daß Erfordernisse der Vergeltung oder der Generalprävention die an sich gegebene spezialpräventive Indikation f ü r eine Strafaussetzung ausschalten können, hier umgekehrt, daß spezialpräventive Notwendigkeiten die unter dem Gesichtspunkt gerechter Vergeltung nahegelegte Strafmilderung hindern. Zu § 51 Abs. 2 betont BGHSt. 7 28 den Grundsatz der S c h u l d a n g e m e s s e n h e i t der Strafe. Vgl. unten IV 7 und § 51 Anm. X I . 4. Doch läßt sich die Frage nach dem Strafzweck abstrakt überhaupt nicht beantworten. Vielmehr ist zu unterscheiden: a) Wo die Strafe alle Zwecke des Strafrechts zu wahren hat, weil sie einzige Reaktion ist, muß sie Besserungs- und Sicherungszweck stärker betonen als da, wo ihr diese Aufgaben durch Maßregeln oder andere Straftatfolgen abgenommen werden. b) Die Stratrechtszwecke entwickeln und wandeln sich. In dem völlig übersehenen Hinweis darauf (an Hand des § 27 b) liegt die bleibende Bedeutung der RGSt. 58 106 (109), unten zu IV 7, nicht in der vermeintlichen endgültigen Festlegung einer Rangordnung. Diese wollte der Gesetzgeber gerade verhüten, indem er die Strafzwecke der immer erneuten Bemühung von Wissenschaft und Praxis überantwortete. Der allzu oft zitierte Satz von Kohlrausch etwa: um Generalprävention brauche man sich nicht zu sorgen, gilt nur für ruhige Zeiten mit ausgeglichenen Wertungen. In krisenhaften Zeiten liegt hier die Hauptsorge, aber auch bei radikalem Wandel der Lebensverhältnisse: Verkehrsdelikte infolge Motorisierung. c) Für Gesetzgeber, Richter, Vollzugsbeamte stellt sich die konkrete Aufgabe, den Strafrechtszwecken gerecht zu werden, ganz verschieden dar. Das Gesetz muß in der Typenbildung den generalisierenden Zwecken der Vergeltung und Generalprävention in erster Linie Rechnung tragen; in einem Rechtsstaat ist zudem grundsätzlich die verwirklichte oder angestrebte bestimmte Tat alleinige Richtschnur (vgl. die Zurückdrängung der Persönlichkeitswürdigung in BGHSt. 3 330). Der Richter muß Tat und Täter würdigen, wird aber in steigendem Maße auf den Täter hingewiesen: §§ 20a, 23ff., 27b, 51 I I StGB, 105ff. JGG. Für den modernen Vollzug ist die Persönlichkeit des Täters Richtschnur, die Tat Grenze. Daher sind die Grundsätze über den Vollzugszweck (s. o. und in §§ 90, 91 JGG) keineswegs identisch mit den Gesamtzwecken des Strafrechts. So auch E 69 51. Und die Strafbemessungsregeln sind nicht einfach eine Anwendung der generalisierenden Maßstäbe des Gesetzes auf den Einzelfall. Näheres s. u. zu IV. d) Die Grundbegriffe „Tat und Schuld", in denen RG 58 109 und ihm folgend BGHSt. 3 179 gegensätzliche Gesichtspunkte für die Strafzumessung sehen, sind zu abstrakt gefaßt. T a t : nicht schlechthin die Folgen, wie der BGH annimmt, sondern nur die verschuldeten dürfen hier ins Gewicht fallen (jetzt auch arg. § 56). So die Entwürfe nach dem VE 1909, z. B. § 62 Entw. 1959, die heute schon als Ausdruck des Schuldstrafrechts verbindlich sind. Vgl. auch Art. 43 SchwStGB. — S c h u l d : hier ist zwischen tatbestandsgebundener, dem Unrecht entsprechender und freier („böswillig", „gewissenlos") zu unterscheiden, ferner zwischen akuter Tat- und chronischer Täterschuld. Die Beschränkung der Tatfolgen auf die ver-

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schuldeten einerseits und die regelmäßige Unrechtsbezogenheit der Schuld andererseits ebnen den nach BGH grundlegenden Gegensatz weitgehend ein. e) Auch bei den einzelnen Deliktsgruppen sind die Strafrechtszwecke ganz verschieden betont. Bei Hoch- und Landesverrat überwiegt die Generalprävention. Bei Mord und Totschlag der Gedanke der Sühne und Vergeltung. Bei Diebstahl kommt es weit mehr auf Spezialprävention an. Diese Differenzierungen überschneiden sich mit den vorangehenden. Vgl. im einzelnen Sauer, Kriminalsoziologie, wenn auch seinen Typenbildungen nicht immer gefolgt werden kann. IV. Für richterliche Strafzumessung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens enthält das StGB — anders das JGG in § 18 Abs. 2 und der Entw. 1959 in §§ 62 ff. — keine allgemeinen Vorschriften. Der Richter wird hier meist auf die allgemeinen Strafzwecke verwiesen; so auch die früheren Aufl. 1. Näheres Zusehen zeigt jedoch, und die neueste Entwicklung des Strafreehts zwingt in verstärktem Maße dazu, auch hier zu differenzieren. Vgl. schon oben I I I 4c. Die Problematik wird im Wandel der Entwürfe sichtbar. Nach B a d b r u c h sind die gesetzlichen Strafdrohungen nach der Schwere der Taten abgestuft, die Strafbemessung dagegen ist nach der Art der Verbrecherpersönlichkeit differenziert. Bern, zum Entw. 22, dessen § 67 dieser Forderung entspricht: maßgebend ist, inwieweit die Tat auf einer verwerflichen Gesinnung oder Willensrichtung des Täters oder aber auf Ursachen beruht, die ihm nicht zum Vorwurf gereichen; hauptsächlich: Beweggründe, Einsichtsfähigkeit, Vorleben, persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse und Verhalten nach der Tat. Dem folgt der AE 25. Die Fassung der Reichsratsausschüsse, der Entw. 27 und 30 sowie jetzt § 62 Entw. 1959 folgen, greift dagegen auch auf die F o l g e n d e r T a t zurück (so VorE 1909), freilich nur auf die verschuldeten. Von dieser nach den Entw. noch offenen Entscheidung hängt es ab, ob die richterliche Strafzumessung rein täter- oder auch tatbezogen ist, ob ihre Zwecke mit denen der gesetzlichen Strafdrohungen identisch (so die herrschende Meinung) oder ihnen komplementär sind (letztere, indem sie der vorwiegend generalpräventiven Aufgabe der gesetzlichen Strafdrohungen die spezialpräventive Resozialisierungsaufgabe hinzufügen; in letzterem Sinne Dreher N J W 51, 245 sowie — im Anschluß an ältere Äußerungen von Kohlrausch — Eb. Schmidt MatStrR Ref. 17ff.). — Der Schlüssel zu dieser Frage ist de lege lata allein im Gedanken des Schuldstrafrechts zu finden. Dieser schließt zunächst (arg. § 56) alle u n v e r s c h u l d e t e n Folgen der Tat aus. Freilich sollen dem Täter nach BGHSt. (GrSen) 10 259 ( = JZ 58 173 mit abl. Anm. Heinitz, vgl. auch Lang-Hinrichsen GA 1957, 1) eine schuldhaft herbeigeführte Gefahrenlage und die aus ihr erwachsenen Schadensfolgen strafschärfend zugerechnet werden dürfen, diese auch dann, wenn sie im besonderen nicht vorauszusehen waren. Das läuft aber auf eine Haftung f ü r das versari in re illicita hinaus. Und diese ist mit der T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t der Schuldzurechnung, die jetzt BGHSt. 10 35 (entgegen BGHSt. 3 342) anerkennt, nicht vereinbar. Vgl. Anm. IV a zu § 59. Für die v e r s c h u l d e t e n Folgen einzustehen aber ist in dem Sinne geboten, daß besonders schwere Folgen dann auch besonders schwer ins Gewicht der Strafzumessung fallen müssen. Hierzu gehört die konkrete Gefahr einer infizierenden Wirkung der Tat, wenn sich der Täter ihrer bewußt sein konnte und daher mußte; vgl. unten zu 5. Unter dieser Voraussetzung sind also auch generalpräventive Erwägungen heranzuziehen, wie etwa die Häufung bestimmter Straftaten. Zutr.

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Schultz MDR 51, 660. Und den verschuldeten Folgen muß, wie ebenfalls die neueste Strafrechtsentwicklung zeigt (§§43 n. F., 49a, 56, 315a, 330a), die verschuldete Gefährdung gleichstehen. Das ist besonders für Verkehrsdelikte wichtig. Bei der Entscheidung über die SzB sind diese Gesichtspunkte schon hervorgetreten (s. u. § 23 Anm. I I I ) . 2. Zweifelsfälle. Was zur richterlichen Strafzumessung gehört, muß entschieden werden, weil die Strafzwecke für Gesetzgeber und Richter verschieden betont sind (s. o. I I I 4 c) und weil prozessual für die Zumessung besondere Regeln gelten. Vgl. ferner unten zu 3. a) Die Anrechnung der Untersuchungshaft gehört „der Sache nach" zur StZum. So E 59 232, Bremen N J W 51 286, OGHSt 2 219, BGHSt 1 105, 106 (gegen E 66 353, Braunschweig Nds.Rpfl. 51110); auch Hamm S J Z 49 138, dazu Sachs 104 ff. Ebenso Würtenberger J Z 52, 545 mit Hinweis auf den Übelcharakter auch derUHaft, was allerdings nicht entscheiden dürfte. Im Ergebnis ist dem — gegen Binding, M. E . Mayer u. a. — zuzustimmen, da die Strafe heute nicht mehr ausschließlich nach der Tatschuld, sondern auch nach dem Verhalten vor und nach der Tat, also auch im Verfahren, zu bemessen ist. b) Dagegen wird die Besonderheit der Strafaussetzung zur Bewährung nicht erfaßt, wenn man in ihr nur eine Strafzumessungsregel sieht. Denn in der Strafvollstreckung ist der Verurteilte trotz aller erzieherischen Bemühungen doch duldendes Objekt, an dem der Ausgleich der verletzten Rechtsordnung vollzogen wird. Die SzB dagegen sucht ihn zu einem Subjekt des Strafrechtsverhältnisses zu machen, zu einem aktiv Mitwirkenden, der jenen Ausgleich durch Erfüllung gesteigerter sozialethischer Pflichten und Leistungen selbst vollzieht. Sie will damit jenen autonomen Ansatz der Sühne ermöglichen, auf den namentlich Eb. Schmidt als wesentliche Strafkomponente hingewiesen hat (s. u. § 24 Anm. III). Hierfür aber fehlt regelmäßig die Voraussetzung, wenn sich der schuldige Täter etwa durch hartnäckiges Leugnen dem Recht verschließt. Derartiges Verhalten muß daher bei der SzB anders, in der Regel schwerer, ins Gewicht fallen als bei der sozialethisch anspruchsloseren Strafzumessung. Vgl. § 23 Anm. V 1. c) Das gilt entsprechend von der gleiche Ziele wie die SzB verfolgenden bedingten Entlassung. Darüber § 23 Vorbem. I I I und § 26 Anm. I I , bes. BGHSt. 6 215 betr. b. E . und Strafzwecke. d) Die bes. schweren Fälle gehen, wie sich aus ihrer Entstehungsgeschichte ergibt, auf § 77 Entw. 1927 zurück, der auch auf die besonderen Tatumstände und -Folgen abstellt (s. o. § 1 Anm. V 1). Und ihr Gegenstück, die minder schweren Fälle, grenzen BGHSt. 4 8, 230 selbst dadurch von den mildernden Umständen ab, daß sie die Persönlichkeit des Täters ausscheiden, soweit sie nicht für die Feststellung der Einzeltatschuld heranzuziehen ist. Darin liegt ein innerer Widerspruch. Denn bei der Strafzumessung kommt es auf die u n e i n g e s c h r ä n k t e Persönlichkeitswürdigung entscheidend an. Allerdings ist auch der Gegenmeinung nicht zuzustimmen, nach der hier Tatbestandsbildungen vorliegen (Maurach J Z 53, 278). Es handelt sich um Prägungen eigener Art, die noch den Verbrechensbegriff differenzierend weiterbilden (etwa durch Typisierung bestimmter Angriffsmittel wie in § 292), dabei jedoch im Gegensatz zu den notwendig abschließenden Tatbestandsmerkmalen exemplikativ vorgehen, oder die — in den nicht benannten 5

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

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Fällen — den Richter nur allgemein auf seine Grundmerkmale Tat und Schuld und ihre kumulative Steigerung festlegen. Die praktische Folge ist, daß rein in der Person des Täters liegende Gründe — etwa ein starkes Sicherungsbedürfois ihm gegenüber, ohne daß aber die Voraussetzungen der §§ 20a, 42e vorlägen — für sich allein nicht zur Annahme eines besonders schweren Falles führen dürfen, wie auch umgekehrt dieser nicht aus solchen Gründen verneint werden kann, selbst wenn sie zur Strafmilderung drängen. Ebenso für den letzteren Fall, allerdings mit formaler Begründung, BGH St. 5 211 (gegen Koblenz J Z 58 278 mit zust. Anm. Maurach; vgl. dazu auch oben § 1 Anm. V3, MatStRRef. S. 82). Als Strafzumessungsgründe kämen derartige Momente dagegen sogar primär in Betracht. BGHSt. % 181, 183 spricht denn auch richtiger von S t r a f b e s t i m m u n g s g r ü n d e n (ohne sie allerdings von jenen abzuheben). e) Die minder schweren Fälle — sie, nicht die mildernden Umstände sind das Gegenstück zu den bes. schweren Fällen, wenn sie sich überhaupt von jenen unterscheiden lassen — werden von BGHSt. 4 8 und 230 unter Berufung auf die Motive dahin charakterisiert, daß hier die Persönlichkeit des Täters hinter der Würdigung der Folgen und der Gefährlichkeit des verbrecherischen Willens zurücktreten müsse. Dann aber sind auch sie keine echten, nämlich individualisierenden Strafzumessungsgründe, sondern noch typisierende gesetzliche Strafbestimmungsgründe. Der Richter hat dann wie der Gesetzgeber, der ihm hier eine echte legislatorische Aufgabe überbürdet hat, die generalisierenden Strafzwecke zu betonen. Der BGH hat a. a. O. S. 9 - 1 1 und S. 232 die Quadratur des Zirkels versucht, indem er den unbezweifelbaren historischen Willen des Gesetzgebers, zwei verschiedene Fallgruppen zu schaffen, nach wie vor für verbindlich hält und doch die Persönlichkeit des Täters auch für die Bestimmung des minder schweren Falles in vollem Umfange heranziehen will. Damit ist der Sache nach die Unterscheidung gefallen. Denn: f) Die mildernden Umstände sind echte Strafbemessungsgründe. Hierfür sind nach st. Rspr. alle Umstände, die f ü r die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, heranzuziehen und zu würdigen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen und sie begleiten oder ihr vorausgehen oder nachfolgen: BGHSt. 4 9 im Anschluß an RGSt. 48 308, 310; 59 237. Noch darüber hinaus führt es freilich, daß der BGH „auch Umstände, die mit der Tat und der Schuld keinen Zusammenhang haben", also nicht unter jene Wertung fallen, berücksichtigt wissen will, wenn hieraus gefolgert wird, der Strafzweck könne auch durch eine mildere Strafe erreicht werden. Hierzu unten zu IV 4. Kaum vereinbar auch mit BGH J R 54 389, s. u. zu IV 8. — Neuordnung des ganzen Systems in §§ 84 ff. Entw, 1959. g) Der vermeidbare Verbotsirrtum ist auf der Grundlage von BGHSt. 2 194 (GrSen.) ebenfalls Strafzumessungsgrund. Hier fehlt nicht nur die ges. Bestimmung der Strafe, sondern auch die ihrer Voraussetzung: der Schuld. Vgl. aber § 59 V 3e sowie Jagusch LK IV 7 a vor § 13. h) Auch die Eigenschaft als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher ist ein Strafzumessungsgrund, BGHSt. 4 226. Darüber unten IV 5 und § 20 a Anm. III. 3. Zwischen generalisierender Bestimmung der Strafrahmen und ihrer typischen Voraussetzungen durch den Gesetzgeber einerseits, individualisierender Zumessung der Strafe im Einzelfall durch den Richter andererseits besteht nach alledem ein methodischer Gegensatz. Er entspricht der sachlich durchaus verschiedenen Be-

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deutung der einzelnen Strafzwecke f ü r den tatorientierten Gesetzgeber und den Richter, der den Täter vor Augen h a t ; darüber oben I I I 4c). Die schon rechtsstaatlich so bedenkliche Technik der unbenannten bes. schweren Fälle zeigt hier ihre weitere Problematik als Verletzung der G e w a l t e n t e i l u n g . Und zwar nicht nur instanzmäßig, sondern auch methodisch. Der Richter muß hier nicht nur an Stelle des Gesetzgebers, sondern als Gesetzgeber werten. Gleich zwei fremde Aufgaben sind ihm überbürdet: u m die Strafänderung generalisierend bestimmen zu können, muß er ihre Voraussetzungen, die Modifikation der jeweiligen Deliktsart, typisieren. Dazu jetzt grundsätzlich das Gutachten des BGH in N J W 54 347, Leitsatz b) betr. „Richterrecht". 4. Selbst im hiernach verbleibenden Bereich der echten Strafzumessung aber k a n n der Richter nicht einfach die summarischen Strafzwecke in Kleingeld umwechseln. Er muß die Strafe u. U. praeter oder sogar contra verbum legis bemessen, nämlich ausgleichend berüoksichtigenswerten Gesichtspunkten gerecht werden, die in der gesetzlichen Typik nicht in Erscheinung treten, durch einen Fehler des Gesetzes oder seiner Anwendung unter den Tisch gefallen sind oder sich erst durch den Wandel der Wert- oder Wirklichkeitswelt ergeben oder verstärkt haben. Dies alles freilich stets nur im Rahmen eines immanenten sachlichen Ausgleichs: u m individualisierend den generellen Gesamtwertungen des Gesetzes bei lokalen Unstimmigkeiten a m besten gerecht werden zu können, oder auch im Sinne eines m e t h o d i s c h e n Ausgleichs. So BGHSt. 1 131, 308: Die Weite eines Strafrahmens findet ihr Gegengewicht in verpflichtenden Grundsätzen der Strafbemessung. — Nicht etwa darf der Richter generell seine eigenen Wertungen an die Stelle der gesetzlichen setzen, etwa z. B. durch prinzipielle Verhängung der Mindeststrafe bei Fällen des § 175. BGHSt. 1 136 kommt allerdings einer generellen Gesetzeskorrektur gleich und überschreitet damit die richterlichen Möglichkeiten (betr. obere Strafgrenze bei § 49 a). Vgl. dort Anm. II. So mußten bis zum 3. StrRÄndGes. die offensichtlichen Unstimmigkeiten in den Strafrahmen der Tötungsdelikte möglichst im Wege der Strafzumessung ausgeglichen werden, BGHSt. 1 239. Ferner BGHSt. 3 178: „Solange sich der Gesetzgeber nicht zu einschneidenden Maßnahmen gegen angetrunkene und andere leichtfertige Kraftfahrer entschließt, . . . werden die Gerichte sie nachdrücklich anwenden müssen" (sc. Grundsätze über Straferschwerungsgründe). Unzuträglichkeiten ergeben sich namentlich dann, wenn ein Novellengesetzgeber ganz andere, später wieder verlassene Anschauungen von den Strafgründen, -zwecken und -höhen verfolgte als der ursprüngliche. So etwa in den jetzt noch nicht bereinigten Fällen der §§ 153 einerseits, 156 andererseits, und § 218 Abs. 3. Dazu N J W 53, 1161, aber a u c h M a a ß e n MDR 64, 4f. Soweit sich die durch § 56 entstandenen Unstimmigkeiten zwischen den Strafrahmen der §§ 222/226, 221 III/217, 222/224/226/229 11/251 nicht konstruktiv beseitigen lassen, wird es ebenfalls richterlichen Ausgleichs im Einzelfalle bedürfen. — Mit dem Grundsatz des § 50 Abs. 1 und seiner Ausprägung bei den uneigentlichen Amtsdelikten ist die volle Akzessorietät bei den eigentlichen Amtsdelikten unvereinbar. Auch dieser Fehler des Gesetzes ist de lege lata nur bei der Strafzumessung zu berichtigen (vgl. jedoch auch den Konstruktionsversuch von Mezger Lb. S. 452). Auch daß der Anstifter u. U. schlechter wegkommt, wenn der Angestiftete untätig bleibt (§ 49a), sollte durch Strafzumessung ausgeglichen werden: so die (aufgegebene) BGHSt. 1 131. Dazu Niese J Z 53, 175. Allgemein läßt sich auf dem Boden der limitierten Akzessorietät 5»

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der Gedanke dogmatisch nicht zum Ausdruck bringen, daß der Anstifter den Angestifteten in Schuld und Strafe geführt hat (vgl. schon RGSt. 15 314). Das muß die Strafzumessung, etwa wenn der Haupttäter unbescholten war, ergänzen. — Vgl. auch BGHSt. 1 137 (Angestiftetsein als Strafmilderungsgrund); grundsätzlich hierzu meine Notw.Teiln. S. 29ff., 46ff. — Verstöße gegen das Besatzungsreeht können bei der Täterwürdigung Strafzumessungsgrund sein: BGH MDR 54 528. — Häufung von Strafmilderungsgründen (§§ 51 II, 55 II): vgl. unten zu 9. — Beim Fortsetzungszusammenhang verlangt die Praxis Gesamtvorsatz. Dazu BGH J R 53 430: Wenn der zunächst widerstrebende Beteiligte, der von Fall zu Fall verführt werden muß und deshalb sittlich in der Regel höher steht, höher bestraft werden muß als der mit Gesamtvorsatz und damit „fortgesetzt" handelnde Teilnehmer, so muß es dem Tatrichter überlassen bleiben, bei der Festsetzung der Strafe einen gerechten Ausgleich zu schaffen. 5. Die Strafzumessung ändert also gegenüber den gesetzlichen Strafdrohungen nicht nur die Akzente der Strafzwecke, sondern u. U. auch die des Verbrechensbegrilfs. Sie ist auf die Gesamtheit der Straf r e c h t s zwecke zu beziehen. Daraus folgt, daß der Richter in diesem weiteren Rahmen auch Umstände außerhalb der eigentlichen Strafzwecke und jenseits von Tat und Schuld zu berücksichtigen hat. Z. B. der Täter ist nach der Tat durch einen schweren Unfall aktionsunfähig geworden. Dies gilt namentlich auch da, wo die verschuldete Gefährlichkeit des g e f ä h r l i c h e n G e w o h n h e i t s v e r b r e c h e r s als solche einen gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Strafschärfungsgrund bildet (hier wie andererseits bei den mildernden Umständen kommt es auf den tatsächlichen Charakter als individualisierenden Strafzumessungsgrund an, nicht auf die formelle Frage, ob der Gesetzgeber die individualisierenden Momente schon angibt oder, wie bisher bei der allgemeinen Strafzumessung, dem Richter keine Richtlinien gibt). Mit Recht hat BGHSt. 4 226 in der — individualisierenden — Täterwertung das für § 20 a Maßgebliche gesehen und ihn deshalb wie die mildernden Fälle zu den S o n d e r s t r a f r a h m e n gerechnet (im Gegensatz zu den S o n d e r t a t b e s t ä n d e n ) . Über die innerhalb dieser Gruppe zu machenden weiteren Unterschiede s. o. 2d—f. 6. Als Ergebnis läßt sich feststellen: Bei der Strafzumessung steht der Resozialisierungszweck im Vordergrund, soweit er im Einzelfall überhaupt in Betracht kommt. Aber der Richter hat nicht nur „am Täter eine Aufgabe zu lösen", sondern auch an der Allgemeinheit. Er hat die sittenbildende und -erhaltende Kraft des Strafrechts zu bewähren. Hierzu gehört im Strafrecht wie in jedem anderen Rechtsgebiet, daß er den Anschauungen der rechtschaffen Denkenden entspricht. Strafrecht wird nicht in der Retorte gemacht. Wenn er diese Aufgabe ignoriert, zerstört er die Rechtsordnung, statt sie zu verwirklichen. Dann kann er auch nicht einmal die erste lösen. Denn die bloße Behandlung eines Menschen als Individuum verfehlt das Wesen einer wirklichen R e s o z i a l i s i e r u n g . Diese muß im Raum des R e c h t e s stattfinden. Sie bedeutet ein Zurückführen des Täters zu den von ihm verfehlten G e m e i n s c h a f t s w e r t e n , wie sie im Volk lebendig sind. Eine brauchbare Richtlinie geben heute schon die §§ 62 ff. des Entw. 1959. Die Rücksichtnahme auf die „verschuldeten Folgen", denen die verschuldete Gefährdung gleichstehen muß, ist unerläßlich. Sie fordert nicht nur die Bewährung der Rechtsidee, sondern auch die Generalprävention. Konnte freilich der Täter die verheerenden Auswirkungen gerade seiner Tat auf die Allgemeinheit

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nicht erkennen — seine Tat war die erste dieser Art, machte erst später Schule — so darf an ihm kein „Exempel statuiert" werden. Vgl. oben zu IV 1. 7. Die Praxis neigt offenbar gegenüber der Lehre mehr zur Berücksichtigung der Generalprävention (so Schultz MDR 51, 660). Sie hat sich vor Einseitigkeiten gehütet, aber z. T. mit einem unklaren Nebeneinander der Strafzwecke begnügt und insbes. die Aufgaben des Richters und des Gesetzgebers nicht differenziert (s. o. zu I I I 4c, IV 1). Vgl. etwa RGSt. 61 417, J W 311613 und ihm folgend Harnbürg HESt. 2 229, aber auch BayObLG N J W 51 245, Hamm SJZ 50 844 und N J W 62 799. Ebenso BGH N J W 51 770. Neuerdings unter ausdrücklicher Berufung auf die grundlegende E 68 106, 109 sodann BGHSt. 3 179: Entscheidend Bedeutung der Tat f ü r die Rechtsordnung und der Grad der Schuld. Aber das ist fast synonym, da es ohnehin nur auf die verschuldeten Polgen ankommen kann und andererseits die Schuld im Kern nach wie vor tatgebunden ist. Die Formel kann zudem leicht zu einem einseitigen Vergeltungsdenken verleiten. Das eigentliche Problem: die Spannung zwischen Vergeltung und Präventionszwecken, nimmt der BGH trotz seines Vorbildes nicht wieder auf. Das RG hatte es a. a. 0 . in die bekannte Formel gefaßt, daß maßgebend meist der Zweck der Sühne und Vergeltung, daneben meist auch noch der Abschreckungszweck sei, während Besserung und Sicherung dahinter zurückträten. Entscheidend und bisher immer übersehen ist jedoch, daß es damit keine endgültige Rangordnung der Strafzwecke aufstellen, sondern nur den Ausgangspunkt einer Weiterentwicklung kennzeichnen wollte, auf deren ersten Anstoß, den § 27 b, es selbst bereits nachdrücklich hinweist und die inzwischen namentlich in den §§ 23 ff. wesentliche weitere Etappen erreicht hat. S. o. I I I 4b und IV 2b. BGHSt. 6 215 stellt Erziehung und Besserung der Sühne und Abschreckung abwägend gegenüber (betr. § 26). Mehr negativ ist die Umschreibung in BGHSt. 2 90: einseitige Überbetonung des Sicherungszwecks auf Kosten des Schuldgedankens und der Gerechtigkeit macht § 20 Abs. 2 RJGG — also eine g e s e t z l i c h e S t r a f b e s t i m m u n g — ungültig. Den Vergeltungsgedanken („gewollte Übelszufügung") betonen BGHSt. 3 268, 4 332, 5 130 368, den Sühnezweck BGHSt. 5 334, das Sühnebedürfhis BGHSt. 6 87, Schuldangemessenheit mit Ermessensspielraum für andere Strafzwecke, insbes. Generalprävention BGHSt. 7 28 (betr. § 51 Abs. 2) und 89 (mit Beispiel). Im übrigen betont die Nachkriegspraxis meist nur allgemein, daß grundsätzlich alle Strafzwecke bei der Zumessung zu berücksichtigen sind, wenn auch nicht im Sinne notwendiger Gleichberechtigung (Oldenburg JBlOld. 47 Sp. 79; Kassel SJZ 47 560). Einschränkung der Generalprävention bei Braunschweig NJW 58 1738: die Verhältnisse und Umstände, aus denen die Tat erwuchs, müssen ähnlich bei anderen möglichen Tätern gegeben sein. In dieser Formel bleibt aber der wertvolle Gedanken der „Generalprävention durch Vergeltung" (Hellmuth Mayer § 5) unberücksichtigt. 8. Einzelfragcn. Das L e u g n e n des Angekl. darf — ebenso wie andererseits das G e s t ä n d n i s — nicht etwa als Strafe bzw. Belohnung für Prozeßverhalten, sondern nur dann für die Zumessung ins Gewicht fallen, wenn sich daraus Schlüsse ziehen lassen, wie der Täter zu seiner Tat steht, als Anhalt f ü r das Maß der Schuld und den Grad der Gefährlichkeit. BGHSt. 1 103 und 105. Vgl. auch BGHSt. 1 342; weitere Angaben bei W ü r t e n b e r g e r J Z 52, 546. 38, 207. Aus demselben Grunde darf Berufung auf Rechtf.- oder Entschuld.Gründe in der Regel nicht als einsichtsloser Starrsinn gewertet werden: BGHSt. 3 199. — Bei F a h r l ä s s i g k e i t s t a t e n

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darf m a n g e l n d e E i n s i c h t grundsätzlich n i c h t zu Strafschärfung f ü h r e n : B G H N J W 52 434, Düsseldorf VRS 6 465; einschränkend Köln N J W 53 876, vgl. aber auch GA 58 251. — Vgl. ferner E 44 254 (die in einem früheren Verfahren ergangene Freisprechung oder Verurteilung kann, selbst entgegen den damaligen Feststellungen, als Strafzumessungsgrund verwertet werden). — E 57 379, 59, 251 und 423, 70 220, BGH J R 58 386: ein gesetzliches T a t b e s t a n d s m e r k m a l darf nicht außer zur Feststellung der Tatbestandsverwirklichung n o c h m a l s als strafschärfendes Moment herangezogen werden; kritisch dazu Dreher J Z 57,155. E 59 147: die Übertretung eines wegen Subsidiarität ausscheidenden Strafgesetzes kann innerhalb des Strafrahmens des primären Strafgesetzes als straferhöhend in Betracht kommen. Ebenso wohl bei Idealkonkurrenz E 60 287 (§ 5 I I StrTilgG hindert nicht, eine getilgte Strafe nach freiem Ermessen bei der Strafzumessung als Straferhöhungsgrund zu verwerten). — Die sittliche Verwahrlosung des Opfers eines SittlVerbrechens sei grundsätzlich strafmildernd zu berücksichtigen: J W 39 752. — A l l g e m e i n über die strafrichterlielie Beurteilung einer Person aus ihrem V o r l e b e n heraus vgl. noch J W 38 3157: Bisherige gute Führung und Unbestraftheit rechtfertige die Annahme mildernder Umstände dann nicht, wenn sie wegen der geordneten und unbeschwerten Verhältnisse, aus denen der Täter stammte, „kein besonderes Verdienst bedeute". — Eingehende Darstellung auch der Rechtsprechung bei Peters, Die kriminalpolit. Stellung d. StrRichters (1932). — S e l b s t v e r s c h u l d e t e R a u s c h z u s t ä n d e sind regelmäßig, also nicht grundsätzlich, als Strafmilderungsgrund ausgeschlossen. Jagusch L K S. 100, BGH (unten X I 3 zu § 51). — M i t w i r k e n d e s V e r s c h u l d e n des Verletzten bei Fahrl. stärker berücksichtigt als sonst. B G H S t . 2 188; 3 219. K e i n G e s i n n u n g s s t r a f r e c h t ! BGH J R 54 389 betr. Verhalten nach der Tat. — G e t i l g t e V o r s t r a f e wegen Mordes: BGHSt. 6 243. — P r o z e s s u a l : F ü r die Strafzumessungstatsachen gilt nicht der Anklagegrundsatz. B G H N J W 51 770. Sie müssen aber einwandfrei erwiesen sein: BGHSt. 151. R e v i s i b e l sind n u r die Grundsätze, nicht auch die Tatsachen der Zumessung. Dazu v. Weber MDR 49, 389, Würtenberger J Z 52, 547 und Eb. Schmidt MatStrRRef. 9. Der BGH hält sich hier zurück: zust. Jagusch L K S. 92, auf dessen eingehende Ausf. S. 91—111 auch sonst zu verweisen ist. 9. Bei Zusammentreffen von Minderungsgründen, die auf d e m s e l b e n Grundgedankenberuhen, nur e i n e Strafmilderung: BGHSt 5 283 ( = LM;§ 51 I I Nr. 4, Anm. Fränkel) betr. §§51 11/55 I I . A n d e r s , wenn mild. Umst., § 44 u. § 51 I I zusammentreffen: BayObLG N J W 51 284, OGHSt. 2 389, 393. — Begegnen mindernde Gründe e r s c h w e r e n d e n , so gilt das zu §51 I I Anm. X I 2 Gesagte (betr. § 20a). Ferner BayObLG a. a. O.: Durch §51 I I Anrechnung besonderer Roheit nicht ausgeschlossen. V. Die Strafen des geltenden Rechtes werden in diesem Abschnitt des StGB nicht erschöpfend behandelt. W e i t e r e s. in §§40,335. Auch von den u n t e n Vorbem. B genannten „Maßregeln" werden einige gelegentlich als „Strafen" aufgefaßt; so vor allem von H . M a y e r StrR § 64. Innerhalb der echten S t r a f e n sind zu unterscheiden: H a u p t - u n d N e b e n s t r a f e n . Auch § 76 n. F. geht von diesem Unterschied aus. NStr. nennt man solche, die nur in Verbindung mit einer HStr. verhängt werden können; trotzdem sind es aber echte „Strafen" (i. Gegensatz zu „Maßregeln"). B e i s p i e l : Geldstrafe ist

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HStr., denn sie kann auch allein verhängt werden; dagegen ist Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte Nebenstrafe. B. Die Maßregeln des geltenden Rechts. — Über ihren grundsätzlichen Unterschied von den „Strafen" vgl. Vorbem. vor Abschn. I a . Er ist bedeutsam u. a. f ü r § 2 I gegenüber 2 IV, für die §§ 3 bis 7, 60, 70, 73 f., EinfG § 5, StPO § 263; ferner für Begnadigung, Amnestie und Niederschlagung, die nur „Strafen" treffen {vgl. Gnadenordnung v. 6. 2. 35 in D J 35, 203, wo der § 3 die Unterscheidung zugrunde gelegt hat). Für Idealkonkurrenz, früher ein wichtiges Anwendungsgebiet, hat die Unterscheidung durch GSSt. in E 73 148 an Bedeutung verloren — leider freilich nicht dadurch, daß der GSSt. sich über das Wesen von „Strafen" und „Maßregeln" ausspricht, sondern dadurch, daß er „Nebenstrafen" f ü r den Bereich des § 73 den „Maßregeln" gleichsetzt: Anm. I I I Abs. 3 zu § 73. Zu den „Maßregeln" i. e. S., die „Sicherung und Besserung" bezwecken, treten im folgenden noch solche der G e n u g t u u n g ; ferner die E r z i e h u n g s m a ß r e g e l n •und Z u c h t m i t t e l des Jugendstrafrechts. Ob es sich bei den Verbrechensfolgen des geltenden Rechts um eine „Strafe" «der eine andere Maßnahme handelt, ist, soweit das Gesetz es nicht ausdrücklich sagt, nach den in Vorbem. A angestellten Erwägungen zu entscheiden; d. h. danach, ob die Verbrechensfolge angedroht ist als S ü h n e f ü r eine Tat (daß sie auch „zweckmäßige" Nebenwirkungen hat, steht nicht im Wege); oder aber n u r a n l ä ß l i c h einer StrTat, aber ihrem Wesen und Hauptzweck nach im Hinblick auf andere Wirkungen. Danach sind NichtStrafen: 1. Die im Abschnitt l a angedrohten „Maßregeln" i. e. S. Sie treten „ n e b e n " «ine Strafe. Ausnahme § 42 b im Falle von § 51 I und § 55 I : sie kann der Strafrichter auch a n l ä ß l i c h einer straflosen Tatbestandsverwirklichung durch einen Unzurechnungsfähigen anordnen, also verbunden mit Freisprechung. Zweifelhaft ist, ob in § 7 JGG auch die Entziehung der Fahrerlaubnis an Bestrafung gebunden ist (Celle Ss. 695/53). Dazu unten § 42m Anm V, BGHSt. 6 394. 2. Zulässigkeit von Polizeiaufsicht (§ 38) muß entgegen E. 17 193, 32 439 als V o r b e u g u n g s m a ß n a h m e , mindestens a u c h als solche angesehen werden. Bei IdKonk. könnte sie also — auch ohne E 73 148 — dem milderen Gesetz entnommen werden. 3. Einziehung. Wenn sie nur gegenüber dem Eigentum des Täters zulässig ist, «o ist sie Strafe. Anderenfalls (z. B. bei Wilderei) vorbeugende Maßnahme. Näheres zu § 40. 4. Unbrauchbarmachung nach § 41 ist unabhängig vom Tätereigentum. Deshalb •nimmt E 14 161 an, daß sie keinen Strafcharakter hat. Nach E 17 311 hat sie eine Doppelnatur. Näheres zu § 41. 5. Aberkennung der Eidesfähigkeit (§ 161) ist nach E 60 285 vorbeugende Maßnahme, nicht Strafe. 6. Veröffentlichung des Strafurteils: StGB §§ 165, 200; UnlWettbG § 23 I u. I I ; XebMittG § 15 u. a. In der Rechtspr. des RG begegnen drei Ansichten: 1. Nach E 6 180 (PlenEntsch.) enthält § 200 nur eine Strafe; Genugtuung sei Nebenwirkung; ähnlich E 53 290. — 2. In E 73 24 nimmt der erste und in DR 39 364 der zweite Senat eine Doppelnatur an. — 3. In D J 37 1227 (Anm. K. Schäfer) und D J 39 1687 nimmt der dritte Senat nur Genugtuung an. — Richtig dürfte

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sein, zu u n t e r s c h e i d e n : die VeröffBefugnis hat in §§ 200, 165 und UWG § 23 II eine Doppelnatur; dagegen ist sie in UWG § 23 I und LebMittG § 15 nur Strafe. Begnadigung und Amnestie treffen sie also nur, wenn sie gemäß UWG § 23 I oder LebMittG § 15 verhängt ist. Für Idealkonkurrenz war die Frage besonders bedeutsam. Sie ist hier durch E 78 148 (GSSt.) gegenstandslos geworden, ohne freilich grundsätzlich entschieden zu sein. Weiteres Material bei Jagusch LK 7 S. 89f. 7. BuBe (§§ 188, 231) ist nur Genugtuung für den Verletzten, nie Strafe. E 55 188; 6012, früher streitig. 8. Verfallserklärung (§ 335) ist Strafe: HRR 40 196. C. Jugendstrafrecht. 1. Die Strafe ist auch hier nachdrückliche sozialethische Mißbilligung: „Strafmakel", vgl. §§ 94ff. JGG, aber der Besserungszweck, hier zum Erziehungszweck gesteigert, tritt in den Vordergrund (§§ 5, 18 ff. JGG). Darum erforderlichenfalls relativ u n b e s t i m m t e Strafe: § 19 JGG; darüber Heinen MDR 54, 264. Im gleichen Sinne die S t r a f b e m e s s u n g s r e g e l des § 18 Abs. 2. Vgl. aber auch § 17 Abs. 2: „Schwere der Schuld". Naoh BGHSt. 10 233 muß der Jugendrichter, auch wenn daa Rechtsgefühl der Allgemeinheit S ü h n e durch Vollstreckung verlangt, prüfen, ob die E r z i e h u n g besser durch Strafaussetzung erreichbar. 2. Die ErziehungsmaBregeln der §§ 9ff. JGG sind keine Strafen. Soweit sie ausreichend sind — ausreichend freilich auch vom Standpunkt der Gemeinschaft — ist von Strafe abzusehen (§ S Abs. 3 JGG). 3. Auch die Zuchtmittel der §§ 13ff. JGG sind keine Strafen: § 13 Abs. 3: Insbes. auch nicht der Jugendarrest. Indessen führt E 75 282 mit Recht aus: „Das ändert grundsätzlich nichts daran, daß auch mit der Verhängung von J A dem Sühnebedürfnis der Allgemeinheit wegen einer StrTat genügt werden soll; der J A soll da, wo er verhängt wird, die Aufgaben erfüllen, die sonst der Strafe zukämen, an deren Stelle er im einzelnen Falle tritt; er soll also ebenfalls sühnend, erziehend, abschreckend wirken." Gewisse spezifische „ S t r a f ' - W i r k u n g e n sind ihm aber genommen. Er begründet keinen „Rückfall" und wird nicht im Strafregister eingetragen. Vgl. außerdem Anm. VI zu § 60. — S. u. im Anh. Nr. 15. D. Bestraft werden kann nnr der Mensch, die natürliche Person, nicht auch die juristische Person oder andere Personenverbände als solche. Societas delinquere non potest. So die deutsche Rechtsauffassung und im Einklang damit die kontinentale überhaupt; anders die englische und mehr noch die nordamerikanische. Hierzu L a n g e , Zur Strafbarkeit von Personenverbänden, JZ 52, 261; H e i n i t z , Empfiehlt es sich, die Strafbarkeit der juristischen Person vorzusehen ? Gutachten zum 40. Dt. Juristentag 1953; J e s c h e c k , Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Personenverbände, ZStW 65 (1953), 210ff., vgl. auch B l a u J R 53, 325, MDR 54, 466, Rud. S c h m i t t , Strafrechtliche Maßnahmen gegen Verbände, 1959. Im einzelnen : 1. Ein Ansatz zur Bestrafung von Personenverbänden als solchen — § 393 RAO — wurde zunächst von der Rspr. des RG, sodann von der Novellengesetzgebung zur RAO jeder praktischen Bedeutung entkleidet. Vgl. E 16 123; 28 105; 88 264 mit grundsätzlicher Begr.; dazu und zum Ges. vom 5. 7. 39 Lange a. a. O. S. 262 ff. 2. In unvereinbarem Widerspruch hierzu sieht das Besatzungsrecht insbes. in den alliierten Devisengesetzen die Strafbarkeit auch von Personenvereinigungen vor:

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Art. 5 Ziff. 7 Ges. 14, Art. VIII, X a Ges. 53 der AllOberKomm. Diese Bestimmungen sind wegen Verstoßes gegen den ordre public des deutschen Rechts für deutsche Gerichte grundsätzlich unanwendbar, wenn auch nicht gänzlich ungültig. Näheres in JZ 52, 263f. Ebenso LG Berlin J R 53 345, a n d e r s aber die dieses Urteil aufhebende Entsch. des BGH Bd. 5 28 ff.: solche Bestrafung passe zwar nicht zu dem deutschen sozialethischen Schuld- und Strafbegriff, aber auch bei uns h a f t e die jur. Person f ü r Geldstrafen und Kosten gem. §§ 416, 417 RAO und sei die Geldstrafe ein g e e i g n e t e s M i t t e l , ihr die Vorteile der Tat wieder abzunehmen, wie das Bußgeld bei Ordnungswidrigkeiten (so OLG Freiburg DevRdsch. 1952, 91, KG DevRdsch. 1952 175). Dieser Schluß erscheint grundsätzlich unzulässig. Dagegen wie hier auch Heinitz JR54,67, Schneider NJW 54,1637. Ebenso aber auch BGH in J R 54 190. Positive Geltung bejahen auch Laumann DevRdsch. 52, 49, Pingel J Z 52, 549 und die dort Zit. Die herrsch. Mg. aber teilt den hier vertretenen Standpunkt. Zum älteren Schrifttum vgl. J Z 52, 261 und 264. Neuerdings vgl. außer Heinitz und Jescheck und den dort Zit. Schönke-Schröder Vorbem. IV 1 vor § 47, Mezger, StB I 46, ferner die Referate von Engisch und Härtung auf dem 40. Dt. Juristentag sowie Bruns, J Z 54, 12, Siegert NJW 53, 528, fast alle auch de lege ferenda. Insoweit erwägt jedoch v. Weber Sonderstrafen (DRiZ 51, 155 und JZ 53, 294ff.), Härtung a. a. O. Maßregeln, Eb. Schmidt Ordnungsbußen, wie es schon den §§ 23,24 WiStG 1949 entsprach (Haertel-JoelSchm. WiStG S. 31 ff.). Vor allem wird der Ausbau der Haftung, den der BGH ungenügend von der Bestrafung unterscheidet, zu prüfen sein. Vgl. Verh. des 40. Dt. JurTages S. 65ff. Schon de lege lata nehmen bloße Haftung an: Langen. Komm. z. DevGes. Art. VIII Anm. 5, Gurski, Dt. Devisenrecht 1950 S. 59 Hocke, DevRdsch. 1951 S. 11 sowie die AV 2/50 I I (4); dazu Pingel a. a. O. Anm. 14. — Bedenkliche Folgerungen aus BGHSt. 5 28: J R 54 387 (abl. Anm. Seewald) betr. § 19 OWG. Vgl. unten § 40 Anm. I. E. Ordnungswidrigkeiten sind von Straftaten wegen ihres mangelnden kriminellen Gehalts qualitativ unterschieden (h. M., vgl. Eb. Schmidt, Mat StR Ref. 17; über Folgerungen Lange GA 1953,3ff., bestr. aber z . B . von H.Mayer StR S. 71). Über die Geldbuße des OWG vgl. Hamm N J W 53 274 im Anschl. an Rotberg: „Verwaltungsmittel, um dem Gebot oder Verbot Achtung zu verschaffen." Daher gelten f ü r ihre Bemessung nicht ohne weiteres die Grundsätze der Strafbemessung, wohl aber die übergreifenden Grundsätze der Gerechtigkeit, Rechtssicherheit, Ökonomie der Mittel, Verhältnismäßigkeit usw. Gerner N J W 52, 523 legt die Motive dahin aus, daß hier ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters nur von dem objektiven Unrechtsgehalt auszugehen sei. Dem kann nicht gefolgt werden; ebensowenig dem KG in J R 53 345, das Anwendbarkeit des § 54 StGB verneint. Denn die Trennung beider Gebiete ging gerade vom Schuldgrundsatz aus (ist S t r a f e verdient ?). Der aber ist in beiden Fällen außer acht gelassen. Auch Jagusch LK S. 100 betont, daß die Schuld wesensgleich sei. Todesstrafe

§ 13 [Die Todesstrafe ist durch Enthauptung zu vollstrecken]. Gestrichen durch Art. I Ziff. l b des 3. StrafrechtsÄndGes. gem. Art. 102 GG. — Zur Geschichte und Gesetzgebung vgl. K o h l r a u s c h HWBdKrim. II 795; Düsing, Abschaffung der Todesstrafe, 1962; D r e h e r , Für und wider die Todesstrafe, ZStW 70, 543.

Strafen §§ 14, 15, 16

74 Zuchthausstrafe

§14 (1) Die Zuchthausstrafe ist eine lebenslange oder eine zeitige. (2) Der Höchstbetrag der zeitigen Zuchthausstrafe ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestbetrag ein Jahr. (3) Wo das Gesetz die Zuchthausstrafe nicht ausdrücklich als eine lebenslange androht, ist dieselbe eine zeitige. I. Unzulässig bei Jugendlichen JGG §§ 17 ff. — Für Heranwachsende vgl. §§ 105, 106 JGG. II. Lebenslang gem. §§ 80, 89, lOOd, 178, 211 (ausschließlich), 212, 229, 251, 307, 312, 315, 316a, 324 StGB, 5 SprengstGes. Strafgrund ist abgesehen von schwersten politischen und Verkehrsdelikten stets die Tötung eines Menschen, diese aber auf ganz verschiedener Schuldstufe (§ 56). III. Die Höchstgrenze des Abs. 2 gilt auch bei Realkonkurrenz und Bildung einer Gesamtstrafe (§ 74 Abs. 3, § 79). Z. über 15 Jahre im Fall der Anm. I I I zu § 79: E 4 54, ferner im Fall des § 29 Abs. 1. IV. Umrechnung kürzerer „Versuchs"-Str. in Gef.: §441112. V. Ehrentolgen treten teils von R e c h t s wegen ein (§31), teils kann auf sie erkannt werden (§§ 32ff.). E h r v e r l u s t ist vorgeschrieben bei jeder Verurteilung gem. §§ 161 Abs. 1, 181 Abs. 2, 302d und e. VI. Rechtsverwirkungen im Beamtenrecht, Familienrecht (§1676 BGB), Jagdrecht. §15 (1) Die zur Zuchthausstrafe Verurteilten sind in der Strafanstalt zu den eingeführten Arbeiten anzuhalten. (2) Sie können auch zu Arbeiten außerhalb der Austalt, insbesondere zu öffentlichen oder von einer Staatsbehörde beaufsichtigten Arbeiten verwendet werden. Diese Art der Beschäftigung ist nur dann zulässig, wenn die Gefangenen dabei von anderen freien Arbeitern getrennt gehalten werden. D. h. sie m ü s s e n beschäftigt werden, und sie haben keinen Anspruch darauf, daß die Arbeit ihren Fähigkeiten oder Verhältnissen angemessen ist (anders § 16 II). Vgl. jedoch AV in DJ 38,887 und 39,918. — Für A u ß e n a r b e i t ist ihre Zustimmung nicht nötig (anders § 16 III). — Über E i n z e l h a f t § 22. Gefängnisstrafe

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(1) Der Höchstbetrag der Gefängnisstrafe ist fünf Jahre, ihr Mindestbetrag ein Tag.

Strafen §§ 17, 18

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(2) Die zur Gefängnisstrafe Verurteilten können in einer Gefangenenanstalt auf eine ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemessene Weise beschäftigt werden; auf ihr Verlangen sind sie in dieser Weise zu beschäftigen. (3) Eine Beschäftigung außerhalb der Anstalt (§ 15) ist nur mit ihrer Zustimmung zulässig. I. Ehrenfolgen k ö n n e n mit ihr verbunden werden: §§ 32ff. Betr. E h r v e r l u s t vgl. aber auch § 14 Anm. V. — Verurteilung zu mindestens 1 Jahr Gef. wegen Vorsatztat beendigt das B e a m t e n v e r h ä l t n i s : §48 BBG. Vgl. §§85, 98, 101 StGB. Ferner § 1676 BGB. II. Höchstbetrag bei Realkonkurrenz; 10 Jahre (§ 74 Abs. 3, § 75, § 79; Höchstmaß der J u g e n d s t r a f e 5, bei schweren Verbrechen Jugendlicher 10 Jahre, JGG § 18; für Heranwachsende 10 bzw. 15 Jahre, vgl. §§ 105 Abs. 2, 106 JGG). Mindestbetrag bei Jugendlichen sechs Monate. Jugendstrafe und Gefängnis sind zwei ihrem Wesen nach verschiedene Strafübel, die auch nicht eine Gesamtstrafe bilden können: BGHSt. 8 349 ( = LM Nr. 2 zu § 108 JGG m. Anm. Arndt); 10 100. III. Strafvollzug: vgl. Vollzugsordnung Nr. 3 (betr. Erstbestrafte); JGG § 17,82ff. Einschließung

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(1) Der Höchstbetrag der Einschließung ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestbetrag ein Tag. (2) Die Strafe der Einschließung besteht in Freiheitsentziehung mit Beaufsichtigung der Beschäftigung und Lebensweise der Gefangenen. Sie wird in besonderen Anstalten oder in besonderen Abteilungen von Anstalten vollzogen. I. Neufassung durch das 3. StrRÄndGes., das allgemein die frühere „Festungshaft" durch „Einschließung" ersetzte. Der Name stammt aus dem Entw. 1922. Sachliche Änderungen sind der Wegfall der lebenslangen Dauer und die Rückkehr zu den früheren, 1933 verengten Voraussetzungen in § 20. Das Anwendungsgebiet ist sehr klein: §§ 105, 106, 201 ff., 345 StGB, § 21 PreßGes. Haft §18 (1) Der Höchstbetrag der Haft ist sechs Wochen, ihr Mindestbetrag ein Tag. (2) Die Strafe der Haft besteht in einfacher Freiheitsentziehung. I. Angedroht bei Übertretungen: §§360ff., und einzelnen Vergehen: §§ 185,186. n . Bei Realkonkurrenz: Höchstbetrag 3 Monate (§ 77 II, § 78 II, § 79). III. Arbeitszwang nur bei §§ 362, 361 Ziff. 3—8 (geschärfte Haft). — Einzelhaft nur mit Zustimmung des Gefangenen (§ 22). Vgl. aber auch zu IV. Nach Jagusch LK § 18 I I I wird die geschärfte Haft durch den Arbeitszwang „praktisch zum kurzzeitigen Gefängnis". Das Wesen der Strafe liegt aber in ihrem Charakter als Mißbilligung und deren Grad, der hier qualitativ nicht verändert wird. IV. Vollzug in Haftanstalten. Vgl. hierzu und über Arbeitszwang Vollzugsordnung Nr. 67/162; ferner Nr. 163 betr. W o c h e n e n d v o l l z u g !

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Strafen §§ 19, 20, 20 a

Bemessung der Strafen §19 (1) Bei Freiheitsstrafen wird der Tag zu vierundzwanzig Stunden, die Woche zu sieben Tagen, der Monat und das Jahr nach der Ealenderzeit gerechnet. (2) Die Dauer einer Zuchthausstrafe darf nur nach Tollen Monaten, die Dauer einer anderen Freiheitsstrafe nur nach Tollen Tagen bemessen werden. I. Über Tageszeit der Entlassung Bremen NJW 51 84. Vgl. auch StPO § 450 (Anrechnung von Untersuchungshaft), §461 (Anrechnung von Krankenanstaltszeit). II. Zu Abs. 2: Zuchthaus nicht auf „Bruchteile eines Monats": E 43 320. Auch nicht bei Ermäßigung (§§44, 49, 51, 157, 158): E 60 289, 69 30, 74 249, HRR 39 54, 40 321; and. Jena HRR 37 130. - Ausnahmen bei Umwandlung (§29 Abs. 1, 2); E 4 161, 31 107 und bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 74, 79: E 8 26; 31107). — N a c h v o l l e n T a g e n : vgl. E 46 303. — Gilt nicht für die auf die erkannte Strafe anzurechnende Untersuchungshaft (§60): E 41 318. — Ein halber Monat beträgt nach BGHSt. 7 322 nicht 14, sondern 15 Tage (anders RG J W 38 3103). Wahl zwischen Zuchthaus und Einschließung §20 Wo das Gesetz die Wahl zwischen Zuchthaus und Einschließung gestattet, darf auf Zuchthaus nur dann erkannt werden, wenn festgestellt wird, daß die strafbare Handlung einer ehrlosen Gesinnung entsprungen ist. I. Neufassung durch das 3. StrRÄndGes.; im wesentlichen Rückkehr zu der bis zum Ges. v. 26. 5. 33 gültigen Fassung. II. Wahl zwischen Z. und E. in StGB §§ 105, 106; zwischen Gef. und E. in StGB § 345 I I ; PreßG § 21. HI. Gesinnung ist im Gegensatz zum Motiv eine k o n s t a n t e Willensrichtung und Stellungnahme zu den sittlichen Werten. IV. Ehrlog bedeutet hier nicht nur Mangel an Ehrgefühl, sondern eine Ges., die jemand der sittlichen Achtung unwürdig macht. Näheres zu diesem Unterschied von „innerer" und „äußerer" Ehre in Vorbem. I I zu §§ 185ff. Strafe gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher

§ 20a (1) Hat jemand, der schon zweimal rechtskräftig verurteilt worden ist, durch eine neue vorsätzliche Tat eine Freiheitsstrafe Terwirkt und ergibt die Gesamtwürdigung der Taten, daß er ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher ist, so ist, soweit die neue Tat nicht mit schwererer Strafe bedroht ist, auf Zuchthaus

Strafen § 20 a

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bis zu fünf Jahren und, wenn die neue Tat auch ohne diese Strafschärfung ein Verbrechen wäre, auf Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren zu erkennen. Die Strafschärfung setzt Toraus, daß die beiden früheren Verurteilungen wegen eines Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens ergangen sind und in jeder Ton ihnen auf Todesstrafe, Zuchthaus oder Gefängnis von mindestens sechs Monaten erkannt worden ist. (2) Hat jemand mindestens drei vorsätzliche Taten begangen und ergibt die Gesamtwürdigung der Taten, daß er ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher ist, so kann das Gericht bei jeder abzuurteilenden Einzeltat die Strafe ebenso verschärfen, auch wenn die übrigen im Abs. 1 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. (3) Eine frühere Verurteilung kommt nicht in Betracht, wenn zwischen dem Eintritt ihrer Rechtskraft und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind. Eine frühere Tat, die noch nicht rechtskräftig abgeurteilt ist, kommt nicht in Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in der der Täter eine Freiheitsstrafe verbüßt oder auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird. (4) Eine ausländische Verurteilung steht einer inländischen gleich, wenn die geahndete Tat auch nach deutschem Recht ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen wäre. I. Vorgeschichte. — VE 09, § 89 (Begr. 356ff. mit rechtsvergl. Material); K E 13 § 121; E 19, § 120 (Denkschr. S. 105f.); AE 25, § 77 (Begr. S. 54ff.); E 27, § 78 (Begr. S. 58ff., dazu Anlage I S. 70—86: rechtsvergl. Material von M i t t e r m a i e r ) . — Einführung durch Gewohnheitsverbrecherges. v. 24. 11. 33. Schrifttum: Vor § 13. Ferner: B o c k e l m a n n , Studien zum Täterstrafrecht I und II (1939,1940). - E x n e r ZStW 53, 629. - L a n g e ZStW 62, 175. - Kriminalpolitisch: K o h l r a u s c h und Graf D o h n a ZStW44,33. — D r e h e r ZStW 65, 481. — MezgerZStW66,172. - S c h r ö d e r ZStW66,180. — W ü r t e n b e r g e r MatStR Ref. 8 9 . — S i e v e r t s Mat. 107. — Kriminalistisch: S c h n e 11 (Krim. Abh. H. 22), M ö 1 ler (Krim. Abh. H. 38), L ö t z (Krim. Abh. H. 41), S c h w a a b (Krim. Abh. H. 43). E x n e r , Kriminologie 1949, 289ff. — Seelig, Kriminologie 1952, 40ff. — F r e y , Der frühkriminelle Rückfallsverbrecher 1951. — S e e l i g - W e i n d l e r , Die Typen der Kriminellen 1949. — S a u e r , Kriminologie 1950. II. Inhalt. — 1. Der § 20a ist die eine Seite des dualistischen Systems, mit dem das Gewohnheitsverbrechertum bekämpft wird. Die andere ist § 42e. Z u r S ü h n e schwererer Schuld: strengere S t r a f e ; zum Schutz der ö f f e n t l i c h e n S i c h e r h e i t : S i c h e r u n g s v e r w a h r u n g . Diese Trennung will die StrRKomm. beibehalten: ZStW 66, 575. Das dualistische System wird, vom Standpunkt des Tatstrafrechts betrachtet, allerdings dadurch durchbrochen, daß auch § 20a voraussetzt, daß der Täter „ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher ist", daß also die S c h u l d auch nach einer T a t - P r o g n o s e bemessen wird. Aber die Gefährlichkeit muß v e r s c h u l d e t sein: die Tatschuld wird zur T ä t e r s c h u l d erweitert. Vgl. dazu unten IV 2b. Um eine Rettung des „Tatschuld"-Gedankens bemüht sich E 68 385: § 20 a betreffe nicht

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die Schuld-, sondern nur die Straffrage. Hierüber unten I I I zu 4. Nur auf den ersten Blick erscheint die Verbindung von Strafschärfung (§ 20 a) und Sicherungsverwahrung (§ 42e) als eine sinnlose Häufung des „einspurigen" Systems, bei dem eine schwere und langdauernde Strafe die Sicherungsfunktion mitübernimmt, und des „zweispurigen", bei dem dies durch Maßregeln n e b e n der — adäquat vergeltenden — Strafe geschieht. Vgl. Vorbem. I I vor § 42 a. 2. In Wahrheit lassen sich die Aufgaben von § 20a und § 42e sinnvoll abgrenzen. Die Strafschärfung deB § 20 a dient der Sühne. Sicherungsaufgaben übernimmt sie daneben nur ausnahmsweise, etwa wenn der alternde Täter nach Verbüßung einer langen Zuchthausstrafe nicht mehr gefährlich werden kann und deshalb nicht in Sicherungsverwahrung genommen wird. In der Regel wird dagegen der Sicherungszweck durch die Maßregel des § 42 e erfüllt. Während aber sonst mit der Strafe eine Einzelverfehlung vergolten wird und nur in den Strafzumessungsgründen dem persönlichen Unwert Rechnung getragen werden kann, hat hier der Täter seinen Persönlichkeitsverfall insgesamt zu sühnen. In der Häufung von Strafschärfung und Sicherungsverwahrung liegt also ein Dualismus von — vergeltender — Täterstrafe und Maßregel. Die Schuld als Voraussetzung der geschärften Strafe des § 20a ist nicht so sehr Tatschuld als vielmehr Lebensführungs-, Charakterschuld und damit Täterschuld. Mit diesem zuerst von Mezger (ZStW57, 688ff„ Grundriß 1. Aufl. 72ff., 132ff., 142f.) entwickelten, jetzt auch von BGHSt. 2 209 anerkannten Gedanken steht es nicht in Widerspruch, wenn verlangt wird, daß der Täter innerhalb der Grenzen menschlichen Vermögens auch mit Belastungen seiner Persönlichkeit fertig wird, f ü r deren Entstehung er nichts kann (ererbte Anlagen, durch krankhafte Veränderungen herausgebildeter oder sonst unverschuldet erworbener Hang, E 69 129, J W 38 2731, H R R 39 187, DR 40 1277 [Anm. Mezger], aber auch DR 42 889). „Du kannst, denn du sollst!" Zu beachten ist indessen gerade für solche Fälle, daß im Bereich des Abs. 2 der Täter im Urteil zwar als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher charakterisiert, daß aber von einer Strafschärfung abgesehen werden kann. Vgl. E 70 129 sowie Vorbem. I I I zu Abschn. l a und Anm. I I zu § 59. — BGHSt. 1 99 fordert „Verhältnismäßigkeit" und „Angemessenheit" des Vorgehens gem. §§ 20a, 42 e, s. u. IV 2 vor a). Im Bereich des Abs. 1 ist der Richter freilich auch in Fällen, in denen klar ist, daß der Täter einer unverschuldeten Belastung nicht Herr werden kann, zur Strafschärfung gezwungen. Die Praxis sucht hier gelegentlich auf prozessualem Wege auszuweichen, indem sie besondere Anforderungen an den Schuldnachweis stellt. Vgl. H R R 41 726 betr. unverschuldete Notlage und bes. E 73 277 betr. Erscheinungen des Rückbildungsalters nach einwandfreiem Leben. Näheres unten IV 2 a. Man denke aber auch an Fälle von Gehirnverletzungen u. dgl. im Kriegseinsatz mit der Folge charakterlicher Veränderungen. Hier dem Rechtsempfinden wie dem Schutzzweck gemäß zu entscheiden: keine Strafschärfung, aber erforderlichenfalls Sicherungsverwahrung, wäre nur möglich, wenn auch Abs. 1 fakultativ gefaßt wäre. Aus dem Begriff der Täterschuld folgt, daß persönlichkeitsfremde Taten f ü r § 20 a auszuscheiden haben. Grundlage des Schuld-Vorwurfs ist bei § 20 a eine P e r s ö n l i c h k e i t s b e u r t e i l u n g , f ü r die die Einzeltaten lediglich als Material, als S y m p t o m e , und nur, s o w e i t sie symptomatisch sind, in Betracht kommen

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(E 70 214; H R R 40 34; BGHSt. 5 350: „symptomatischer Ausfluß eines verbrecherischen Hanges", vgl. BGHSt. 1 99). Der Täter wird dafür schärfer bestraft, daß er sich zu einer sozialen Gefahr entwickelt hat, obwohl er etwaB anderes aus sich hätte machen können. Seine Gefährlichkeit ist zunächst etwas objektiv Unerträgliches, ein U n r e c h t s m o m e n t ; zum Schuldmoment wird sie erst da, wo dem Täter ihre Entstehung oder ihre mangelnde Beherrschung vorgeworfen werden kann. Diese Vorwerfbarkeit wird freilich vom Gesetz präsumiert: unwiderlegbar in Abs. 1, widerlegbar („kann") in Abs. 2. Der „Freiheit" beim Tatentschluß entspricht hier die „Freiheit" der Persönlichkeitsgestaltung als Rechtfertigung des Schuldvorwurfs. Wie im Bettler oder Zuhälter die asoziale, so wird hier die aktiv antisoziale Persönlichkeit als solche typisiert und — wegen ihres Gesinnungsverfalls, nicht als kriminologisches Phänomen — bestraft. Ebensowenig wie dort eine Rechtsgutverletzung zum Tatbestande gehört, ist sie hier der Grund der Strafverschärfung (E 68 385 [390]). Auf die Geringfügigkeit der Beute etwa kommt es nicht an (DJ 38 1995). Dieses „ T ä t e r s t r a f r e c h t " baut auf der kriminologischen Substanz eines Hanges zum Verbrechen und dessen Beurteilung als vorwerfbar auf. Es ist zu unterscheiden von der verschärften Erfassung des verbrecherischen Willens bei der Einzeltat (bloße Kann-Milderung bei Versuch und Beihilfe), die bisweilen ebenfalls so genannt wird (z. B. Dreher JZ 53, 425). 3. Die Sicherungsverwahrung wird hingegen nicht f ü r eine vorwerfbare persönliche Entwicklung und Einstellung nebst ihren schon eingetretenen oder zu erwartenden Auswirkungen, sondern z w e c k s Verhütung k ü n f t i g e n S c h a d e n s verhängt, und zwar auf Grund einer sozialethisch wertfreien Persönlichkeitsp r o g n o s e . Hier kommt es also auf das Schuldmoment (oben zu 2) nicht an. Zum Stichtag der beiden Prognosen treffend E 72 356: für § 20 a ist die Persönlichkeit des Täters im Zeitpunkt der H a u p t v e r h a n d l u n g zugrunde zu legen, f ü r § 42e sein Zustand und die äußeren Umstände bei E n t l a s s u n g a u s d e r S t r a f h a f t . Ebenso D J 39 269 u. 1616. Wichtigste praktische Folge: ist der Täter z. Z. der Hauptverhandlung gef. Gewohnheitsverbr. i. S. des § 20a, aber voraussichtlich nach Strafverbüßung nicht mehr gefährlich, so muß bzw. kann die Strafe geschärft werden, es kann aber keine Sicherungsverwahrung angeordnet werden (HRR 39 337). Auch ein noch unreifer Mensch, bei dem begründete Aussicht auf künftige Besserung die SV erübrigt, kann g e g e n w ä r t i g gef. GewVerbr. sein: H R R 40 33. Vgl. auch H R R 40 323. 4. Echte Steigerung der Tatschuld dagegen a) in „besonders schweren Fällen", soweit die besondere Schwere der inneren Tatseite entnommen wird (vgl. Vorbem. I I C vor und Anm. V u. VI zu § 1); b) nach der Auffassung des Gesetzgebers (darüber Bockelmann a. a. O. S. 11 ff.) überwiegend in den vier Rückfallbestimmungen: Diebstahl (§ 244), Raub (§ 250, 5), Hehlerei (§ 261), Betrug (§ 264), die neben § 20a weitergelten. Vgl. HRR 40 322 betr. Verhältnis zu § 20a. — Über Gewerbs- und Gewohnheitsmäßigkeit vgl. Vorbem. I I B3 vor § 73, Schafheutle J W 34, 1662 sowie DR 42 171 o. Gr.: hierfür sei es ohne Bedeutung, ob der Täter ein Gewohnheitsverbrecher sei oder nicht. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt die eingehende Darstellung von Bockelmann a. a. O. I I S. 145ff.; vgl. jetzt auch Niethammer bei Olsh. § 20a Anm. A 2a u. c: „Das schulderfüllt« Wesen des Täters wird mit verschärfter Strafe vergolten."

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III. Systematik. — 1. § 20a begründet n i c h t e i n e n s e l b s t ä n d i g e n T a t b e s t a n d . Unmöglich deshalb IdKonk. mit dem verletzten einzelnen StrGesetz (z. B. § 242). — 2. § 20a enthält aber auch den Einzelgesetzen gegenüber k e i n e s e l b s t ä n d i g e S t r a f d r o h u n g . Er erweitert nur die für die Tat aufgestellte Strafdrohung nach oben hin. Ist diese an sich schon höher als die des § 20 a, so bleibt es bei dieser Höchstgrenze des Einzelgesetzes (z. B. § 244); nur ist zutreffendenfalls außerdem festzustellen, daß der Täter ein gef. GewVerbr. ist, und damit die Grundlage f ü r die Anwendbarkeit von § 42 e zu schaffen. Vgl. E 68 349, 364. Aus einem V e r g e h e n wird, da nicht die Schwere der T a t gesteigert ist, k e i n V e r b r e c h e n . Ebenso E 74 65 (zust. Anm. Nagler in ZAk. 40, 163, Mezger DR 40, 634); anders amtl. Begr. zu § 5a StPO sowie die bei Schönke-Schröder § 20a I X Angeführten. Daher keine Strafbarkeit des Versuchs, wenn dieser nicht ohnehin strafbar: E 70 289, 72 401. Wie hier jetzt eingehend BGHSt. 4 226 (abl. Dreher GA 1953, 129, Engisch J Z 1954, 45). - 3. Ebensowenig schafft §20a ein bes. T a t b e s t a n d s m e r k m a l ; der Täter braucht also auch nicht zu wissen (§ 59), daß er ein gef. GewVerbr. ist (E 68 389). Die Rückfallsvoraussetzungen dagegen muß er kennen (E 54 274). Hier wird der Unterschied von Tat- und Täterschuld (oben zu II) deutlich. Vgl. dazu Mezger, Grundriß S. 163, aber auch Bockelmann a. a. O. II, 141. — 4. Nach E 68 385 soll eine auf die Anordnung von Sicherungsverwahrung beschränkte R e v i s i o n notwendig auch die Strafschärfung gemäß § 20 a umfassen. Ebenso J W 88 2889 und D J 39 270 (anders J W 36 3458 f ü r den Fall, daß die Strafschärfung irrtümlich unterblieben ist). In der R e g e l wird die Anfechtung der SV auch die Voraussetzungen des § 20a ergreifen; d e n k b a r aber ist eine Beschränkung auf die SV durchaus, z. B. wenn ausschließlich Verkennung von Umständen behauptet wird, die die z. Z. bestehende Gefährlichkeit f ü r die Zukunft beseitigen. W e n n die Revision die Voraussetzungen des § 20a angreift, umfaßt sie - entgegen E 68 385 (388), BGH MDR 52 532, Jagusch LK I 2 — die Schuld-, nicht nur die Straffrage. Denn die Verurteilung aus § 20a ändert den I n h a l t des Schuldvorwurfs (oben I I 2), während die Strafschärfung entfallen kann (§ 20a Abs. II). Vgl. E 73 81: bei i n n e r e m Z u s a m m e n h a n g zwischen Ablehnung der SV und Strafhöhe ergreift die Rev. notwendig den ges. Strafausspruch. IV. Voraussetzungen: 1. Mindestens drei vorsätzliche Straftaten. Dabei ist nach Abs. 1 und Abs. 2 zu unterscheiden (aus welchem Abs. verurteilt wird, ist festzustellen und zu begründen: Recht 85 3226; Abs. 2 ist gegenüber Abs. 1 subsidiär: DR 40 682, D J 42 187). Ein f a h r l ä s s i g e s Vergehen gegen § 330a ist auch dann keine vors. Tat i. S. des § 20a, wenn die im Rausch verübte Handlung mit sog. „natürlichem Vorsatz" ausgeführt wurde. „Das befremdende Ergebnis einer solchen Gleichstellung wäre, daß gewissermaßen der verbrecherische Hang für sich allein, ohne eine bewußte Betätigimg durch eine zurechenbare Handlung, zur Rechtfertigung der oft über das Lebensschicksal entscheidenden Sicherungsverwahrung dienen könnte." DR 41 852. Nach Jagusch LK I I I 2 (gegen E 73 180) scheidet für § 20a auch ein v o r s ä t z l i c h e s Vrg. gegen § 330a aus, weil im § 330a die Schuld anderer Art als sonst sei. — Die Taten müssen v e r f o l g b a r sein, wenn Abs. 2 in Betracht kommen soll: BGHSt. 1 386 betr. fehlenden Strafantrag; arg. § 67 Abs. 5 (Verjährung). a) Abs. 1: Ist der Täter bereits zweimal verurteilt, und zwar wegen Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens zu je mindestens 6 Mon. Gefängnis, und ist

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die „neue" eine vorsätzliche Tat (Teilnahme oder Versuch genügen: E 68 169), durch die (im Einzelfall) eine Freiheitsstrafe verwirkt ist, so ist Strafverschärfung bindend vorgeschrieben. Die dem 2. Urteil zugrunde liegende Tat muß nach Rechtskraft des 1. Urteils (BGHSt. 7 178), die „neue" nach Rechtskraft der früheren Urteile begangen sein. Verbüßt braucht noch keine zu sein (E 68 216). Auch die neue Tat muß ein Verbrechen oder vors. Vergehen sein: E 78 321. K e i n e Verurteilung in diesem Sinne ist die Anordnung der Unterbringung gem. § 42 b : D J 39 479. — Über R ü c k f a l l v e r j ä h r u n g vgl. Abs. 3 und unten Anm. VI. — Die S p e r r v o r s c h r i f t e n haben auf die Voraussetzungen des § 20a keinen Einfluß gehabt (OGH in DRZ 49 207 und die dort Zitierten). Gesamtstrafenentscheidungen. — Hier gelten nur sie, nicht die Einzelverurteilungen, als Verurteilungen i. S. des § 20a: E 68 149; J W 34 3130; H R R 35 712. Diese Regelung kann f ü r den Täter sowohl günstig wie ungünstig sein. Günstig: denn es zählt als eine Tat, was an sich u. U. mehrere Taten i. S. von § 20 a wären (hier freilioh § 20a I I anwendbar). Ungünstig: denn es genügt, daß die Gesamtstrafe das Mindestmaß von § 20 a I erreicht (für die Einzelstrafen ist dies nicht nötig, wenn nur auf eine von ihnen wegen eines vorsätzlichen V. od. V. erkannt ist). — Auch bei n a c h t r ä g l i c h e r Gesamtstrafenbildung (§ 79) rechnet nur die Gesamtstrafe als Verurteilung (E 68 149); freilich mit einer Einschränkimg: ob nach einer Verurteilung eine „neue" Tat begangen ist, richtet sich nach der Einzelverurteilung (wenn sie die in § 20a vorausgesetzte Höhe hatte), nicht nach dem Gesamtstrafenentscheid; d. h. sie muß nach derjenigen rechtskräftigen Verurteilung begangen sein, die den Kreis der in die Gesamtstrafe aufzunehmenden Straftaten bestimmt. Vgl. E 68 428, HRR 35 712; Recht 35 3540; J W 39 619. - A. M. bzgl. der Reihenfolge der Taten und der Gesamtstrafenentsch. Rietzsch in: Dringende Fragen der SV S. 41 ff. b) Abs. 2: Fehlt zweimalige Vorbestrafung, so ist Strafschärfung nicht vorgeschrieben, aber nach Abs. 2 zulässig, wenn nur außer der abzuurteilenden noch zwei weitere Vorsatztaten (ausschl. Übertretungen) „begangen" sind. S. aber DR 43 1033. Reihenfolge hier gleichgültig. E 68 223. Die Taten dürfen nicht verjährt sein: E 75 382, DR 42 217. Eine nicht angeklagte, erst in der Hauptverhandlung neu festgestellte Tat kann f ü r Abs. 2 mit zugrunde gelegt werden. E 75 381, DR 42 217. Gewerbsmäßig begangene Handlungen zählen seit GSSt. in E 72 164 als Einzeltaten (Vorbehalte in E 72 401). Eine fortgesetzte Handlung zählte E 68 297 i. S. des Abs. 2 nur als eine Tat. Bedenken hiergegen schon in D J 38 1137 und DR 42 1321. Anders sodann DR 43 889 (dazu Schmidt-Leichner 882), E 77 24 u. 98, KG J R 50 405 sowie Düsseldorf SJZ 50 284. Es wird darauf ankommen, ob man unter einer Fortsetzungstat lediglich die Einzelakte einer natürlichen Handlungseinheit versteht oder auch die bloße juristische Zusammenfassung einer Mehrheit von Handlungen. Im zweiten Falle zählt jede Einzelhandlung als eine Tat; denn § 20a Abs. 2 verlangt nicht mehrere „selbständige" Handlungen. Teilw. abw. die früh. Aufl., ferner Hafner in J W 34, 2690, Nagler in ZAk. 39, 371, Kohlrausch in ZAk. 38, 473. Rückkehr zu E 68 297 bei Hessen (Kassel) SJZ 49 570 und jetzt in BGHSt. 1 313 (zust. Eb. Schmidt J Z 51, 757); folgerichtig vom Standpunkt des einheitl. Vorsatzes, den die Praxis verlangt (unten Vorbem. I I B 1 c vor § 73). 6

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

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Abs. 2 ist auch dann anwendbar, wenn (nur) eine der Taten schon abgeurteilt war; oder wenn zwar zwei Verurteilungen Torliegen, diese aber nicht die Voraussetzungen von Abs. 1 erfüllen (z. B. zu einer Gesamtstrafe zusammengezogen werden: E 68 330; J W 35 281). Auch wenn auf die Höchststrafe erkannt ist, muß § 20a geprüft werden (§ 42 e!). D J 38 1158. 2. Gesamtwürdignng dieser drei (oder auch noch weiterer) Taten muß ergeben, daß der Täter ein geiährlicher Gewohnheitsverbrecher ist. Den hierzu vom RG in E 68149, 156; 70 214 entwickelten Grundsätzen tritt BGHSt. 194 bei; jedoch müssen Taten von erheblicher Schwere begangen oder zu erwarten sein, so daß die harten Rechtsfolgen der §§ 20 a, 42 e im Verhältnis zu dem veranlassenden Vorgang als angemessene Antwort empfunden werden. a) Gewohnheitsverbrecher ist der Täter nicht schon, weil er jene Taten begangen hat. Der Rückfall muß ein Kennzeichen sein f ü r einen eingewurzelten H a n g z u m V e r b r e c h e n , der den Täter trotz Aussicht auf Bestrafung immer wieder rückfällig werden läßt; „Unwiderstehlichkeit" des Hanges ist freilich nach DStrR 41 168 nicht erforderlich. Die Tatsache des Rückfalls allein genügt nicht als Beweis für solchen inneren Hang. Im übrigen einerlei, ob der Hang angeboren oder ob er erworben ist (die Begriffsbestimmungen f ü r „gewohnheitsmäßige Begehung", Vorbem. II. B3, c vor § 73 sowie oben I I a. E, passen hier nicht); ob er auf Haltlosigkeit, Willensschwäche, Verleitbarkeit (E 72 259, D J 39 869) oder auf einer positiv antisozialen Einstellung oder einem Trieb zu bestimmten Verbrechen beruht. Ebenso BGH (MDR 51403) betr. Willensschwäche; hierbei jedoch § 20a gegen § 51 Abs. 2 sorgfältig abzuwägen. E 69 131: Entstehungsursache gleichgültig; über Taten aus Not: H R R 39 118, vor allem aber H R R 41 726: bei unverschuldeter Notlage als Triebfeder sei nähere Feststellung erforderlich, ob der Täter nicht gewillt war, die Notlage in ehrlicher Weise zu überwinden, vielmehr aus Schwäche oder Mißachtung der Rechtsordnung immer wieder dem Anreiz zur strafbaren Betätigung nachgegeben hat; Willensschwäche aus Trunksucht: E 73 44, unten Anm. l c zu § 42c; Roheitsverbrechen: J W 38 2467; „Not, Alkohol oder H a ß " : H R R 39 650; besondere Gelegenheit oder Notlage dann, wenn „andere andere Auswege finden": E 72 295; Celle HannRpfl. 46 120 u. 130: „Das Wesen des GewVerbr. kann sich gerade dahin ausprägen, daß er Versuchungen, die in der Notlage an ihn herantreten, leichter nachgibt als andere." — Erscheinungen des Rückbildungsalters (Sittl. Verbr.): E 73 276; nach DR 42 889 ist jedoch die Frage, ob ein hierauf beruhender Hang den Täter zum gef. Gewohnheitsverbr. macht, nur mit äußerster Vorsicht und nach sorgfältigster Prüfung zu bejahen, wenn der Täter bis dahin ein völlig einwandfreies Leben geführt hatte. Darüber oben I I 2. Volltrunkenheit: E 73 177 (s. bes. 181); einerlei, ob es sich um gleich- oder verschieden gerichtete Straftaten handelt (bei letzteren aber bes. eingehender Nachweis des verbrecherischen Hanges erforderlich, E 68 156, J W 3 5 932, E 70 215 betr. Paßvergehen eines Rückfalldiebes, E 73 276 betr. Hang zu Sittlichkeitsverbr. und Diebstählen, E 75 343); einerlei, ob es sich um sog. Berufsverbrecher handelt, deren ganze Existenz auf Verbr. aufgebaut ist, oder nicht. — Gegensätze: Gelegenheitsverbrecher, dessen Tat seinem Wesen fremd ist und sich aus äußeren Zufällen oder Umwelteinflüssen erklärt (DR 39 18491, 43 481); K o n f l i k t s v e r b r e c h e r , der zu der ihm wesensfremden Tat in innerem Widerstreit mit sich selbst kommt und bei dem auch bei mehrfacher Straffälligkeit jede einzelne Tat, von seiner seelischen Veranlagung aus

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betrachtet, den Charakter des Einmaligen hat (DR 39 19795); A u g e n b l i c k s e r r e g u n g (DR 43 137). b) Der Gewohnheitsverbrecher muß „gefährlich" sein. Für wen oder was, sagt das Ges. nicht (Entw. 13 u. 19: „gewerbs- und gewohnheitsmäßiger, f ü r die Rechtssicherheit gefährlicher Verbrecher"; Entw. 25 und 27: „ f ü r die öffentl. Sicherheit gefährlicher Gewohnheitsverbrecher"). Da der Hang zum Kriminellwerden schon im Begriff „Gewohnheitsverbrecher" liegt und eine Unterscheidung unter den Rechtsgütern nicht angängig ist, kann „gefährlich" nur eine graduelle Steigerung bedeuten: es muß W i e d e r h o l u n g s w a h r s c h e i n l i c h k e i t bestehen und eine e r h e b l i c h e Verletzung der Rechtsordnung zu befürchten sein. E 68 155, 271; E 72 295, 356; H R R 39 1551; E 73 303 (305). Nach E 68 98 genügt freilich auch eingewurzelter Hang zu kleinen Betrügereien (Zechprellereien). Ebenso D J 38 1156. Geringfügigkeit der Beute schließt Gefährlichkeit nicht aus: D J 38 1995. Auch kleinere Diebstähle können den Rechtsfrieden erheblich gefährden, insbes. wenn unter den Vorauss. des § 243 begangen: J W 39 87 (zutr. Hinweis auf die täterstrafrechtlichen Einschläge des § 243!). Bedenken hiergegen bei Schönke-Schröder IV 2 b ; Jagusch L K I I 2 b sowie Bruns J Z 54, 730ff.; einschränkend jetzt auch BGHSt. 1101; MDR 54 528; s. u. zu c). - „Gefährlich" kann auch sein, wer nicht aus starker Willenskraft heraus handelt, sondern wessen verbrecherischer Hang auf ererbter oder erworbener Willensschwäche oder auf leichter Beeinflußbarkeit beruht (E 72 259, D J 40 1221). Die Feststellung, daß der Täter ein „gefährlicher Verbrecher" sei, reicht nicht aus: H R R 39 387. — Prüfung, ob §§ 20a, 42 e anwendbar, auch ohne Antrag der StA, D J 41 87, § 267 VI StPO ist zu beachten. Subjektive Auffassung des Gefährlichkeitsbegriffs bei Bockelmann a. a. O. I I , 56; Niethammer § 20a Anm. 7 c. Danach ist Gef. der Neigung zum Verbrechen gleichzusetzen. Wie hier Schönke-Schröder § 20a IV 2b. Vgl. auch Sauer, Krim. 316ff. Die Feststellung, der Abzuurteilende sei ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher, erfordert eine Beurteilung der Persönlichkeit, wie sie sieh im Zeitpunkt des Urteils darstellt (E 72 356 und ständig; BGHSt. 1 100; vgl. oben zu II). Daß der Täter einmal (zur Zeit der Tat) ein solcher w a r , begründet keine Strafschärfung nach § 20a, sondern ist als Strafzumessungsgrund (Tatsühne, Generalprävention!) innerhalb des ordentlichen Strafrahmens der Einzeltat zu berücksichtigen. Denn d i e s e Strafzwecke werden durch den Wegfall der Gefährlichkeit nicht berührt, während f ü r § 20 a dem Täter auch die von seinem Willen unabhängige Veränderung seiner persönlichen Eigenschaften zugute kommt, ebenso wie er gegebenenfalls durch sie belastet wird (oben Anm. I I 2). Zwar liegt der Grund f ü r die Täterstrafe darin, daß den Täter eine Lebensführungsschuld trifft. Aber Voraussetzung f ü r deren Ahndung ist das gegenwärtige Vorliegen („ist") des objektiven „Täterunrechts" (oben I I 2 a. E.). Auch bedarf die Vergeltung der Täterschuld, wie das Merkmal „gefährlich" zeigt, kriminalpolitischer Rechtfertigung. Daher entfallen ihre Voraussetzungen, wenn die Strafschärfung „zwecklos" wäre. Die Gefährlichkeit muß also z u r Z e i t d e s U r t e i l s vorliegen. Der Fassadenkletterer, der blind und lahm geschossen wurde, ist nicht mehr gefährlich. Wie hier: E . Schäfer in Frank-Nachtrag S. 71, Mezger StB I § 1 0 3 1 1 1 , Schönke-Schröder IV 2 d, J a gusch L K I I 4. c) Diese Feststellung eines „Gewohnheitsverbrechers" muß sich aus der GesamtWürdigung jener Taten ergeben: BGHSt. 5 143. Sie müssen schon einzeln symptoc*

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matisch sein (E 68 156 und 174; J W 34 2913; 35 932; BGHSt. 4 226, 229); dazu z. B.: der geringe zeitliche Abstand zwischen ihnen, bei einheitlichem Entschluß aber sehr sorgf. zu prüfen: BGHSt. 3 169; Schnelligkeit des Rückfalls in der Regel gravierend; Schwere der Vortaten (doch sind mit Zuchthaus Vorbestrafte nicht häufiger rückfällig als die mit Gef. Vorbestr., Exner D J 43, 379); ihre Gleichartigkeit; das Fehlen oder die Geringfügigkeit besonderer Beweggründe; enge Verbindung mit der Verbrecherwelt. Frühkriminalität (besonders aufschlußreich! Frey a . a . O . ) ; Spezialisierung; systematischer Tatortswechsel; Arbeitsscheu (BGHSt. 1 94,100; dazu Seelig a.a.O. S. 180: wichtigster Typ des gef. Gew.Verbr.!). Hier überall zeigt sich, daß Gesamtwürdigung des T ä t e r s Voraussetzung der seiner Taten ist. Auch Herkunft, Familien- und Erziehungsverhältnisse, Verhalten in der Schule, Schulschwänzen, Trunk, Spiel, Müßiggang, Intelligenzstufe und Charaktertyp. Z u s a m m e n f a s s e n d BGH MDR 54 528: Die Gesamtwürdigung der Taten muß ein gleichgeartetes Verhältnis zum Wesen des Täters aufzeigen; dazu kurze Darstellung des Sachverhalts erforderlich. Aus dieser Würdigung muß sich ein zur Charaktereigenschaft, zum Wesenszug gewordener verbrecherischer Hang ergeben. Aus ihm müssen auch die neuen Handlungen hervorgegangen sein; er muß schließlich den Täter mit bestimmter Wahrscheinlichkeit auch künftig zu Straftaten von erheblicher Schwere treiben, die den Rechtsfrieden empfindlich stören werden. — Vgl. aber auch BGHSt. 5 140, 143 und dazu unten § 42 b Anm. I I 2. Sind mehrere Taten zu einer Gesamtstrafe zusammengezogen, so sind alle f ü r die Gesamtwürdigimg heranzuziehen (E 68 358), sofern nicht schon eine von ihnen eine solche i. S. von § 20a I war (E 69 25). — In den U r t e i l s g r ü n d e n ist anzugeben, woraus der Schluß gezogen ist: StPO § 267 VT. Die Vortaten müssen nach Art, Umfang und Beweggrund näher gewürdigt werden; Bezugnahme auf den Akteninhalt unzulässig: D J 39 521. Die Prüfung und Gesamtwürdigung der früheren Straftaten gibt nicht die Möglichkeit, nunmehr neue Feststellungen über die Begehung der früheren strafbaren Handlung zu treffen, die auch Ä n d e r u n g e n des Sachverhalts der früheren Urteile bewirken könnten. Nur V e r v o l l s t ä n d i g u n g der früheren Feststellungen etwa hinsichtlich der äußeren Verhältnisse oder der Beweggründe ist zulässig: Beisp. J W 38 165. Die AV des RJM v. 3. 3. 38 betont, daß, wenn etwa in den früheren Strafverfahren die Angabe des Täters, er habe in N o t gehandelt, ohne nähere Prüfung als unwiderlegt hingenommen worden sei, nachträglich dieser Angabe näher nachzugehen sein werde. Vgl. hier auch D J 38 1157. — Da die Einzeltaten nur Symptome der Täterschuld sind (oben II), können sie durch neue Vorfälle in ein anderes Licht gerückt werden. Zulässig daher, bei neuer Verurteilung Taten zur Begründung eines Hanges heranzuziehen, bei denen dies früher rechtskräftig verneint wurde. H R R 39 1060. V. Mildernde Umstände können trotz „Gefährlichkeit" zugebilligt werden (E 70 129); bei Abs. 1 aber nur innerhalb des Strafrahmens des § 20a (E 71 15). Nach D J 39 521 ist die Zubilligung mildernder Umstände bei Abs. 1 überhaupt ausgeschlossen. — Über Strafbemessung bei Versuch einerseits, im Falle des § 51 Abs. 2 andererseits J W 38 2891, zu letzterem Falle ferner BGH NJW 57 1932 und unten § 51 Anm. X I 2 . — Vgl. auch BGHSt. 5 312 betr. geistesschwachen gef. Gew.Verbr.

Strafen §§ 21, 22 — Vorbemerkungen vor §§ 2 3 = 2 6

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VI. Rückfall Verjährung in Abs. 3. Als Indiz der Gefährlichkeit sind aber auch die verjährten Taten zu bewerten: E 69 11. Satz 1 gilt f ü r alle Fälle des Abs. 1 und f ü r Abs. 2, soweit hier abgeurteilte Taten in Betracht kommen: E 68 331. — Die Verwahrung im Konzentrationslager ist auch dann keine Anstaltsverwahrung auf beh. Anordn. i. S. d. § 20 a I I I 3, wenn die Unterbringung nach gerichtlicher Anordnung der Sicherungsverwahrung erfolgte: BGHSt. 7 160 gegen BGHSt. 2 11. — Vgl. noch BGHSt. 1 245 (betr. § 245). VII. Ausländische Verurteilungen: auch Urteile von Besatzungsgerichten: BGH N J W 52 151; 54 1087; BGHSt. 5 370 (betr. §§ 244, 23 I I I Nr. 2, 3). Strafumwandlung

§ 21

Achtmonatige Zuchthausstrafe ist einer einjährigen Gefängnisstrafe, achtmonatige Gefängnisstrafe einer einjährigen Einschließung gleichzuachten. I. Anwendungsfälle in §§ 44 I I I , 49 I I , 51 I I , aber auch in §§ 2 I I , 74, 79,111 I I , 257 1 2 ; § 460 StPO. N i c h t dagegen bei Anrechnung von U.-Haft: E 15 143; 29 76. II. Grundgedanken. Die größere Schwere der Zuchthausstrafe liegt in ihrem entehrenden Charakter, ursprünglich auch im Vollzug. Daher keine Schlechterstellung, wenn 1 J a h r 9 Monate Gef. an Stelle von 1 J a h r 3 Monaten Zuchthaus: BGH N J W 52 516 = BGHSt. 2 96; dazu Kohlhaas N J W 52,492 und Reh N J W 52, 730, der das Vollzugsübel f ü r das Wesen der Strafe erklärt. Hierzu oben Vorbem. A I I 2c vor § 13. Über die unterschiedliche Angleichung im Vollzug von Z. u. Gef. Kohlhaas a. a. O. — Keine entspr. Anw. im Verhältnis von Gefängniszur Haftstrafe: Hamm N J W 57 1889. i n . Für nachträgliche Umwandlung (§ 79) vgl. Köln GA. 49 316. IV. Mehrere Zuchthausstrafen unter 1 J . (§ 44) müssen v o r Gesamtstrafenbildung einzeln umgewandelt werden: E 55 97; BGH MDR 52 530. Einzelhaft § 2 2 (1) Die Zuchthaus- und Gefängnisstrafe können sowohl für die ganze Dauer wie für einen Teil der erkannten Strafzeit in der Weise in Einzelhaft vollzogen werden, daß der Gefangene unausgesetzt von anderen Gefangenen gesondert gehalten wird. (2) Die Einzelhaft darf ohne Zustimmung des Gefangenen die Dauer von drei Jahren nicht übersteigen. Bei Einschließung und H a f t ist Einzelhaft gegen den Willen des Gefangenen unzulässig. Vorbemerkungen vor §§ 23—26 Schrifttum: v. L i s z t , Bedingte Verurteilung und bedingte Begnadigung, VD AllgT. I I I , l f f . ; M i t t e r m a i e r , Die vorläufige Entlassung, VD AllgT. IV, 507; v. H i p p e l , GS 43,99. — Dt. Strafrecht I 361ff.; L o r e n z , Die bed. Verurteilung

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Vorbemerkungen vor §§ 23—25

und Entlassung, J R 4 9 , 393; D. v. C a e m m e r e r , Probation, 1952; M i t t e l b a c h , Vorläufige Entlassung, J R 5 2 , 194; G r ü n h u t , Bedingte Verurteilung, ZStW 64, 127; S i m s o n , Bedingte Verurteilung, ZStW64,140; Bedingte Freilassung ZStW 67, 48; Eb. S c h m i d t , Eröffnungsansprache, ZStW64, 4; E g n e r , SzB und Gnadenrecht, NJW 53, 1859; B e c k e r , Bewährungshilfe, NJW 53, 1093 und ZfStrafvollzug 54, 37; W a h l , Neue Wege der Kriminalpolitik, Bewährungshilfe 54, 11; zum 3. ÄndGes.: C ü p p e r s NJW 52, 993 (Bern, zum Entwurf); L a c k n e r JZ 53, 428; M a a ß e n MDR 54, l ; N ü s e , J R 53,277; L a n g e NJW53,1161. - Prozessual: D a l i i n g e r JZ 53, 452; C o s t a , MDR 53, 577; K e r n , GoltdArch. 1953, 44; J a g u s c h , Über die Strafaussetzung zur Bewährung, JZ 53, 688. — Vorbem. und Anm. zu §§ 23ff. in L K ; V r i j , Zum Problem der Strafaussetzung, ZStW 66, 218; M e i s t e r , Mängel der neuen §§ 23ff. StGB, DRiZ 53, 218. — Bed.Entl. bei mehreren Straftaten, MDR 54,403; F l e i s c h m a n n , Beschränkte Auskunft (zu § 25 I 2), J Z 54, 147; P e n t z , Formelle Fragen bei der SzB, N J W 54, 141; R o e s e n , Das öffentliche Interesse bei der SzB, NJW 54, 866; die vor § 13 aufgeführten Schriften von F r e y und H e i n i t z ; Verhandlungen des 39. Dt. Juristentages, Teil C Strafr.Abt., Stuttgart 1951, insbes. S. 22—25, 115 (Referat L a n g e und Beschlüsse); G r e t h l e i n , DRiZ 54, 212: Strafaussetzung bei Gesamtstrafen; E c k e l s , NJW 54, 1672: eben dazu. M i t t e l b a c h , J R 55, 5: Die Strafaussetzung zur Bewährung durch den Richter. — D e r s e l b e , Die bedingte Entlassung, J R 56, 165. — H e n n k e , Aus der Rspr. zu § 23 StGB, DRiZ 55, 3. B r u n s , Die SzB. Ein Rückblick auf Rspr. und Lehre, GA 1956, 193. — M a r t i n , Aus der BGH-Rspr., DAR 56, 67. — S c h a l s c h a , 10 Mon. Gef. und § 23, DRiZ 56, 11. Desgl. B i e d e r m a n n , DRiZ 56, 175. — P r e i s e r , Zwei Grundfragen der SzB, NJW 56, 1221. — D e r s e l b e , Das öffentliche Interesse an der Strafvollstreckung, NJW 56, 1009. — H e l l m e r , Die SzB und das Verbot der Schlechterstellung, JZ 56, 714. I. Die Rechtsnatur der Strafaussetzung zur Bewährung (SzB). Vorauszuschicken ist, daß die gesetzliche Klammerdefinition insofern ungenau und irreführend ist, als sie die Aussetzung der Vollstreckung mit der Aussetzung der Strafe gleichzusetzen scheint. Das Wesentliche der Strafe: ihre Verhängung, wird aber gerade nicht ausgesetzt. — Im einzelnen: 1. Durch die §§ 23ff. wird die SzB als Institution des Stralrechts eingeführt (im Gegensatz zu der bisherigen gnadenweisen Bewährung). Dies ist als das eigentliche Anliegen der Neuregelung nahezu unstreitig und liegt auch der Rspr. des BGH zugrunde. So in NJW 54 39 19 : „Klarer Gesetzeswille". A.A. Meister, der die §§ 23 ff. dem Gnadenrecht zurechnet, weil sie in ihm ihre Vorläufer hätten (DRiZ 53 218). Nachwirkungen solcher Gedankengänge auch bei Düsseldorf JZ 54 249: die §§23 und 26 seien Ausnahmebestimmungen gegenüber dem bisherigen Gnadenrecht und daher als solche eng auszulegen. Diese Änderung des materiellen Strafrechts ist zugleich eine Milderung: BGH N J W 54 39 15 . 16 . (Streitig ist auch innerhalb des BGH, ob diese noch in der Rev.Inst. berücksichtigt werden m u ß ; darüber oben § 2 Anm. VII). — Geldbeträge als Auflagen sind jedoch nicht an die Höchstgrenzen der Geldstrafe gebunden: Stuttgart N J W 54 52222 betr. Übertretungen; vgl. unten Anm. I I 8. Die Neugestaltung der SzB wirkt sich praktisch vor allem in der Revisibilität ihrer Grundsätze aus, an die sie weit stärker als das Gnadenrecht gebunden ist,

Vorbemerkungen vor §§ 28—26

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und zwar schon durch ihre Eingliederung in das Strafrecht als solche, nicht nur wegen der Versagungsgründe des § 23 Abs. 3 (über diese BGH N J W 54 3915). Allerdings ist der Begriff der Gnade selbst umstritten. Nach den einen ist sie etwas ganz anderes als das Recht (so namentlich Grewe, Gnade und Recht 1936), nach den anderen eine Art Billigkeitsrecht, der Niederschlag der Billigkeitselemente im Recht (so etwa Engisch, Die Idee der Konkretisierung usw., Abh. d. Heidelberger Akademie 1954). 2. Positiv besteht folgende Rechtslage: Die Gnadenordnnng vom 6. 2. 35 (DJ S. 203), soweit sie bisher fortgalt, und die neuen l a n d e s r e c h t l i c h e n Gnadenordnungen wie z. B. Bayern (24. 7. 47/20. 7. 49) und Nordrhein-Westfalen (1. 1. 52) — weitere Regelungen s. bei Wahl, Gnadenrecht der BR Deutschland, 1954 S. 79ff. — sind in den von §§ 23 ff. nicht erfaßten Bereichen, z. B. der Geldstrafe, weiter uneingeschränkt anwendbar. Vgl. auch BGHSt. 6 163 betr. Teilaussetzung von Freiheitsstrafen und dazu unten § 23 Anm. VII. Im übrigen ist aber jetzt davon auszugehen, daß SzB in einem Falle, in dem sie das Strafrecht bewußt versagt, grundsätzlich nicht im gleichen Atemzuge gnadenweise gewährt werden darf. Das Verhältnis von Recht und Gnade ist — jedenfalls im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat, dessen eigentliches Wesen durch den Vorrang der Rechtsidee vor der Staatsmacht bestimmt wird — im Sinne der Einordnung der Gnade in das Recht zu verstehen. Nur wo sie als Ausfluß der Staatsallmacht dem Recht übergeordnet ist, wie im absoluten Fürstenstaat oder in der modernen Diktatur oder Oligarchie, kann auch da, wo das Recht einen Sachverhalt erschöpfend und abschließend geregelt hat, Gnade für, d. h. an Stelle von Recht ergehen, wenn und weil es der Träger der Macht, der an rechtliche Grundsätze nicht gebunden ist, so will. Bei uns ist bezeichnender- und notwendigerweise das Institut der Gnade gerade umgekehrt „verrechtlicht", an Normen und rationale Zwecke gebunden worden. So bestimmt § 3 (Richtlinien) der GnO von Nordrhein-Westfalen — die auf Beratungen der Justizminister-Konferenz von 1951 beruht —: „Gnadenentscheidungen sollen denZwecken der Strafe, insbesondere dem Erziehungsgedanken Rechnung tragen und die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten berücksichtigen. Dabei ist auf die Wiedereingliederung des Verurteilten in die soziale Gemeinschaft Bedacht zu nehmen." Dazu Becker NJW 52, 923. Hiernach sind im Bereich der §§ 23—26 nur noch in ganz besonderen Ausnahmefällen gnadenweise SzB oder b E denkbar; so etwa, wenn erst nachträglich Tatsachen eintreten oder bekannt werden, die entscheidend f ü r eine SzB sprechen, arg. § 57 I I JGG; vgl. auch Egner N J W 53, 1859. Abgesehen davon ist aber, wenn die SzB wegen ungünstiger Prognose gem. § 23 Abs. 2 versagt wird, für ihre gnadenweise Gewährung kein Raum mehr. Denn auch bisher schon war hier die „Gnade" in Wahrheit ein Stück Kriminalpolitik. Nur wo die SzB trotz günstiger Prognose mit Rücksicht auf einen der generalisierenden Strafzwecke versagt wurde (§ 23 I I I Nr. 1), kann in ganz besonders gelagerten Fällen noch Raum für gnadenweise Gewährung sein, die dann „ f ü r Recht" ergeht. Aber auch hier wird in erster Linie bloße Teilaussetzung angezeigt sein. Ähnlich Meister DRiZ53,218, aber von anderem Ausgangspunkt aus (s. o.)_ Die nach dem 3. StRÄndGes. in Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz getroffenen Übergangsregelungen lassen für eine sachgemäße Differenzierung Raum, ohne jedoch das Verhältnis grundsätzlich zu klären. Vgl. über die besonderen Schwierigkeiten bei der Schaffung des § 26 Lackner JZ 53, 432

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Vorbemerkungen §§ 23—26

und über praktische Folgerungen aus dem Verhältnis Recht-Gnade unten Anm. I I I zu § 23 (betr. Roesen). 3. Die Neuregelung beruht auf dem Grundgedanken der Wesensverschiedenheit von Recht und Gnade. So namentlich Jagusch L K Anm. 1 zu § 23. Sie ist nach dem Gesagten aber auch vom e n t g e g e n g e s e t z t e n Ausgangspunkt her begründet. Der Sinn der §§ 23 ff. ist die Normierung, Zuordnung, Bindung, Klärung, Vereinheitlichung eines Gebiets, das bisher einer weniger grundsätzlich gebundenen und uneinheitlichen Handhabung überlassen war. Sachlich wird der Funktionswandel von der Gnade zum Recht durch die Neuordnung weithin eher festgestellt als vollzogen. Sie legalisiert die in Gesetzgebung und Praxis des Gnadenwegs bereits angebahnte „langsame Entwicklung zu einem echten Rechtsinstitut, das im Grunde mit dem Wesen der Gnade nichts mehr gemein hatte, und die seit langem, zuletzt mit besonderem Nachdruck auf dem 39. Dt. Juristentag, erhobenen Forderungen der Wissenschaft." So die Amtl. Begr. B T D Nr. 3713 S. 26. In diesem Sinne aber auch schon v. Liszt a. a. O. S. 62. Für die V o r a u s s e t z u n g e n der SzB bedeutet hiernach die neue Regelung keinen Umbruch. Sie zieht vielmehr die Summe der bisherigen Erfahrungen. Mit ihrem wesentlichen Ziel stimmen zudem die Ansätze zu einem allgemeinen Gnadenrecht der Länder bereits überein (s. o. § 3 GnO Nordrh.-Westf.). Darum werden künftig beide Rechtszweige namentlich an Hand der jetzt von den Obergerichten zu §§ 23 ff. zu entwickelnden Grundsätze in Fühlung bleiben können, so daß ihre formelle Trennung nicht zu allzugroßen Ungleichheiten führt. Hierbei darf allerdings niemals übersehen werden, daß die SzB bei der kriminalpolitischen Hauptgruppe der für sie in Betracht Kommenden nicht, wie ursprünglich die Gnade, eine bloße V e r g ü n s t i g u n g sein darf, sondern als w i r k s a m e r und n a c h h a l t i g e r E i n g r i f f in ihre Lebensführung ausgestaltet werden muß (s; u. zu I I 6 und 8). Die Entwicklung geht unaufhaltsam dahin, Gestaltung und Handhabung des Gnadenrechts in das Wert- und Zweckgefüge des Strafrechts einzubeziehen. Kennzeichnend und vorbildlich die §§ 27, 28 der GnO von NordrheinWestfalen betr. Richtlinien, Auflagen und Bedingungen für die bed. Strafauasetzung (s.u. § 2 4 Anm. I I I l a . E). Der kriminalpolitische Grundgedanke der SzB ist nach BGHSt. 8 182, die Vollstreckung kurzfristiger Freiheitsstrafen möglichst zu vermeiden, weil sie die Wiedereingliederung erschwert und die Gefahr krimineller Ansteckung mit sich bringt. II. Streit herrscht über die genauere Bestimmung des neuen Strafrechtsinstituts. 1. Als Strafe, und zwar als e i g e n s t ä n d i g e S t r a f a r t , hat bereits v. Liszt (a. a. O. S. 89) die damals sog. bedingte Verurteilung bestimmt. Der Strafinhalt liege in der Urteilsfällung, die eine Mißbilligung der Tat und — in Gestalt des Schwebezustandes — auch ein Übel enthalte. Ebenso Lorenz J R 49, 398; Nüse J R 5 2 , 424; Maaßen M D R 5 4 , 2; mit Vorbehalt (nur systematisch, hier aber mit der Konsequenz eines exakten Einbaus in das Strafensystem) Jagusch J Z 53, 688. Ohne eine solche kategoriale Festlegung sieht der BGH in ihr ein „neuartiges Strafmittel": N J W 54 39, BGHSt. 10 289; so schon das Referat des 39. JurTages, zust. auch Reh NJW54, 484. — Über Folgerungen vgl. BGHSt. 7 180: nachtr. Gesamtstrafbildung mit Vollzugsstrafe möglich, weil das Strafensystem unberührt bleibt. Anders noch Hamm MDR 54 374, weil SzB s e l b s t ä n d i g e Strafart sei. Näheres unten § 23 Anm. VII, V I I I und § 79 Anm. I I .

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2. Als Maßregel bestimmt sie Eb. Schmidt: L.-Schm. 26. Aufl. S. 450 als sichernde, ZStW64, 8 als bessernde. Das der Strafe wesentliche Übel werde hier gerade vermieden. Dem Wesen und der kriminalpolitischen Funktion nach sieht Jagusch JZ 54,688 die SzB als Erziehungsmaßregel an; vgl. aber auch oben zu 1. 3. Als Rechtseinrichtung besonderer Art erklärt Grau (Das kommende Strafrecht, 1934,177ff.) die bed. Verurteilung; sie stehe zwischen Strafen und Maßregeln. 4. Eine Verbindung von Strafe und Maßregel sieht Dreher (ZStW 65, 481ff.) in der SzB: „spezifische Koppelung". 5. Als Verzicht aul Strafe kennzeichnet Schröder NJW 52, 9 die bed. Verurteilung; ebenso — ergänzend zu dem Gesichtspunkt der Maßregel — Eb. Schmidt in L.-Schm. a. a. 0 . 6. Differenzierend faßt Lackner JZ 53,431 die SzB: als V e r g ü n s t i g u n g (grundsätzlich auflagenfrei) für Gestrauchelte, als e r n s t e M a ß n a h m e , ein kriminalpolitisches M i t t e l e i g e n e r A r t , mit fühlbaren Eingriffen f ü r die Hauptgruppe der kriminell Bereiten. Ahnlich unterscheiden Welzel in Prot, der Strafrechtskommission ZStW67,102 und BGHSt. 6 138. Erst diese Unterscheidung gibt den kriminalpolitischen Schlüssel für die Handhabung der SzB. 7. Eine Eegelung der Strafzumessung sehen in der SzB Dallinger JZ 53,435, Granau SchlHA53,42, Egner NJW53,1859 und die OLGe Braunschweig: NJW 58 1762; Oldenburg: NJW 54 1091; Schleswig: SchlHA 53 293 (bei der Abgrenzung gegen das Prozeßrecht). 8. Am besten gerecht wird man dem Wesen und der Funktion der Verurteilung unter SzB, wenn man sie als neue Strafwelse auffaßt. So jetzt der Sache nach auch BGHSt. 7 180 (184), s. o. zu 1. Sie ist ein Modus des Bestrafens, keine neue Species der Strafe, aber doch auch mehr und anderes als bloße Zumessungsregelung. Diese bleibt im Bereich der bisherigen Anwendungsform der Strafe (Verhängung + Vollzug). Hier handelt es sich um eine neuartige Anwendung des Strafmittels zur Erreichung der Strafrechtszwecke. Bei der Bestrafung unter SzB kommt der primäre und eigentliche Sinn der Strafe: der Ausspruch der öffentlichen Mißbilligung der Tat (vgl. Amtl. Begr. a. a. O. S. 26 und oben IV 2 b) vor § 13) voll zum Ausdruck. Das hat schon v. Liszt — s. o. zu 1 — betont. Auf das — sekundäre — Vollzugsübel wird bedingt verzichtet; dafür wird die Mißbilligung mit einer P f l i c h t e n s t e i g e r u n g — gute Führung, regelmäßig aber Auflagen — verbunden. Hier tritt der berechtigte Kern der Stockschen These zutage, der jedoch die Strafe zu unrecht a l l g e m e i n als Pflichtensteigerung auffassen wollte. In der Fülle und Elastizität der richterlichen Eingriffsmöglichkeit, die zugleich den verschiedenen Tätergruppen gerecht werden kann (oben zu 6), liegt die eigentliche kriminalpolitische Chance der neuen Institution. Vom Boden der Auffassung, daß die Strafe wesentlich Übelszufügung sei, hat Peters, Kriminalpolitische Stellung des Strafrichters, die elastischere Ausgestaltung der Urteilsfolgen als Kriterium der bed. Verurteilung bezeichnet* In ähnlichem Sinn spricht Maaßen vom „ambulanten Vollzug" (MDR 54, 2), Hellmer von einer Umwandlung der Vollstreckungsart, mit der Folgerung, daß SzB keine Milderung sei (JZ 56, 714). Grundsätzlicher und schärfer aber wird man in §§ 23ff. den Ausdruck dafür zu sehen haben, daß heute Mißbilligung, nicht materielle Übelszufügung der Strafe wesentlich sind, und daß die Auflagen nicht Umgestaltung und Modernisierung des Vollzugs sind, sondern ihn durch etwas sinnhaft anderes, näm-

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lieh etwas Positives und darum Besseres ersetzen sollen. Darum ist z. B. ein Geldbetrag als Auflage nicht an die Höchstgrenzen der Geldstrafe gebunden. Ebenso Stuttgart NJW 54 52222 (für Übertretungen). Der Akzent und der eigentliche Sinn der neuen Strafweise liegt darin, zunächst die Realisierung der Strafe gerade nicht in der erzwungenen Hemmung der negativen Persönlichkeitskräfte durch .Freiheitsentziehung zu suchen, sondern in der Verpflichtung zur Steigerung und Aktivierung der positiven. Die Möglichkeit der Strafvollstreckung ist dabei nicht als Drohung vorbehalten — nach Möglichkeit soll ja eine freie sittliche Leistung erbracht werden — sondern als bloße Alternative: zeigt sich, daß der Verurteilte den Anforderungen nicht gewachsen, nicht fähig oder nicht willig ist, genügend positive soziale Kräfte in sich zu aktivieren, so muß die Strafe eben in der alten Weise realisiert werden. Ähnliche Gedankengänge bei Vrij a. a. O. aus der Sicht des christlichen Existentialismus; vgl. etwa zum Freiheitsgedanken S. 222ff., zur Abgrenzung vom Vollzug S. 230. Diese Auffassung stellt zugleich klar, daß der Erfolg dieses gesetzgeberischen „Versuchs" (Maaßen MDR 54, 2) und damit der Ansatz zu einem völligen Umdenken im Strafrecht mit jener Aktivierung der positiven Kräfte steht und fällt. „Das Gericht m a c h t dem V e r u r t e i l t e n f ü r die D a u e r der B e w ä h r u n g s z e i t A u f l a g e n " ist der Kernsatz der neuen Strafweise; sehr bedauerlich deshalb die de lege ferenda vorgesehene Abschwächung in eine Kann-Vorschrift (ZStW 67, 256ff.). Die Auflagen dürfen, falls erforderlich, im Rahmen der Gesetze bis an die Grenze eines „einschneidenden, unzumutbaren Eingriffs in die Lebensführung" gehen (arg. §§ 305a, 453 Abs.3 StPO). „Einschneidend" und „unzumutbar" ist dabei kumulativ zu verstehen (NJW53, 1163). Denn einschneidend m ü s s e n sie oft sein. 9. Die p r a k t i s c h e n F o l g e n und Unterschiede der umstrittenen Zuordnung ergeben sich zunächst aus der gesetzlichen Gegenüberstellung von Strafen und Maßregeln. Die Verurteilung unter SzB ist und bleibt echte Verurteilung zur Strafe. Für die Frage der Rückwirkung gilt Abs. 2, nicht Abs. 4 des § 2 (über die gerade hier strittig gewordene Frage der „Aburteilung" vgl. oben zu § 2 Anm. VII). Die Bestimmungen der §§23—25 sind zwar im Verhältnis zur jeweils in Betracht stehenden Freiheitsstrafe stets das mildere Gesetz (ebendort Anm. VII; a. A. Hellmer JZ56,714). Sie dürfen jedoch nicht als Ausdruck einer allgemeinen Tendenz zur Milde mißverstanden werden (hiervor warnt schon Lackner JZ 53,430), insbes. nicht als milde Strafbemessungs- oder Vollzugsregelung. Die Entscheidung über die SzB kann der Richter sinnvoll erst treffen, wenn die schuldangemessene gerechte Strafe ohne Rücksicht auf sie unter Heranziehung aller Strafzwecke gefunden ist: so BGH N J W 54 40, während Jagusch JZ 53,688, von seinem kriminalpolitischen Standpunkt aus folgerichtig, f ü r möglich hält, daß die Strafe unter dem Gesichtspunkt der SzB vielleicht von vornherein etwas höher angesetzt wird. Dagegen ausdrücklich BGH J R 54 228. Darüber, daß umgekehrt jetzt die Praxis entgegen dem Willen des Gesetzgebers von den bisher üblichen Strafen unter die Grenze von neun Monaten herabzugleiten beginnt, vgl. Maaßen MDR 54,4. Auch f ü r die Prüfung, ob SzB gem. § 23 Abs. 3 Nr. 1 zu versagen ist, weil das öffentliche Interesse die Vollstreckung der Strafe erfordert, sind alle Strafzwecke heranzuziehen. S. u. § 23 Anm. III. A. A. auch hier Jagusch Vorbem. 5 und Anm. 2 zu § 23 sowie Roesen, der insoweit wegen der behaupteten Verwandtschaft der SzB mit der Gnade (im Sinne der Maßgeblichkeit der letzteren) alle Strafzwecke außer dem der Resozialisierung ausschalten will (NJW54,866). —• Da sie das System der Freiheit»-

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strafen nicht berührt (BGHSt. 7 184), ist die SzB in eine Gesamtstrafe einzubeziehen, vgl. oben Vorbem. I I 1 und unten § 23 Anm. V I I I . — I h r Widerruf ist ref. in peius: Hamm N J W 55 1000. Näheres § 2 Anm. VII. — Wie bei der Strafzumessung (vgl. Vorbem. A I V 8 vor § 13) dürfen strafbegründende Umstände nicht nochmals bei der Frage der SzB herangezogen werden: B G H J R 58 386. n i . F ü r die bedingte Entlassung i. S. des neuen § 26 (b. E.) gilt das zu I Ausgeführte sinngemäß in vollem Umfange. Grundsätzlich ebenso Lackner a. a. 0 . S. 432; einen scharfen Gegensatz in den Zwecken der SzB und der b. E. sieht dagegen Reh N J W 54, 484: Die SzB verfolge dieselben Strafzwecke wie die Vollzugsstrafe, die b. E. korrigiere die richterliche Strafzumessung. Die besonderen und gegenüber der SzB schwierigeren Probleme der b. E. betont Simson ZStW 67, 69; vgl. unten § 26 Anm. I. 1. Auch hier handelt es sich um ein Institut des S t r a f r e c h t s , nicht des G n a d e n rechts, was sich der Sache nach (durch Generalisierung, Bindung an Normen und kriminalpolitische Zielsetzung) schon in der Gesetzgebung und der Praxis der bisher geltenden Gnadenordnungen gezeigt hatte. Vgl. hierüber und über die rechtspolitischen Gegensätze, die wegen der befürchteten „Aushöhlung" des Gnadenrechts der Länder an dieser Stelle den Entwurf gefährdeten, Lackner J Z 53, 432. 2. Auch hier handelt es sich nicht um eine neue, rein kriminalpolitisch zweckbedingte Maßregel, sondern um eine Neugestaltung der S t r a f e . Meist sieht man in der b. E. eine Neuregelung der S t r a f z u m e s s u n g . So namentlich Lackner a. a. 0 . , dem sich Grunau a. a. O. S. 42ff. und Reh anschließen: mit der zunehmenden Bedeutung des Besserungszwecks der Strafe spiele f ü r die Zumessung die Frage des zur Resozialisierung erforderlichen Zeitraums eine wichtige Rolle. Statt der oft unmöglichen Prognose ermögliche § 26 die nachträgliche Anpassung. Dem ist sicher — auch im Sinne der authentischen Gesetzesinterpretation — zuzustimmen. Aber" der Gedanke einer nachträglichen Korrektur des Vollzugsübels bringt doch n u r eine, die negative Seite der neuen Regelung zum Ausdruck. Der wesentlichere Sinn und das dringendere kriminalpolitische Anliegen der b. E. liegt wiederum wie bei der SzB in der Verpflichtung zur Aktivierung der positiven Persönlichkeits kräfte. Die farblose Verweisung des § 26 Abs. 3 auf §§ 24ff. läßt das nicht klar genug hervortreten. I n Wahrheit ist der Gedanke hier noch viel schärfer ausgeprägt. Denn § 26 verlangt die eigene Z u s t i m m u n g des Verurteilten zur b. E., der damit so freiwillig, wie das in dieser Lage möglich ist, die Realisierung eines Strafteils durch aktive soziale Pflichtensteigerung statt durch passive Duldung des weiteren Vollzugs auf sich nimmt. Auch darin, daß er sich der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt — das ist gerade hier wohl die praktisch wichtigste Auflage — liegt eine solche positive Mitarbeit, die m a n wohl mit mehr Recht als das Absitzen der Strafe eine Sühne nennen kann. Mit dem Gedanken bloßer Korrektur der Strafzumessung ist weder das Erfordernis der Zustimmung des Verurteilten noch das Anknüpfen des Straferlasses an eine Bedingung noch die ganz generelle Fassung des Gesetzes („der zu zeitiger Freiheitsstrafe Verurteilte") zu erklären. Kriminalpolitisch kann er leicht zu der grundfalschen Folgerung führen, es handle sich einfach darum, den Verurteilten vorzeitig laufen zu lassen. Auch hier ist vielmehr eine neue Strafweise in dem oben zu I a. E . dargelegten Sinne eingeführt worden. Nur ist sie hier mit der bisherigen kombiniert: zwei Drittel, mindestens aber drei Monate der Strafe müssen verbüßt werden. Sinnvoll

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ist diese Verbindung nur, wenn der Vollzug nicht auf die Hemmung der negativen Persönlichkeitskräfte beschränkt wird, sondern bemüht ist, die Möglichkeit zur Entfaltung der positiven offen zu halten und zu stärken, die in der Freiheit zunächst einmal bewährt werden müssen. Auch der Erziehungsstrafvollzug gewinnt von daher einen neuen und genaueren Sinn. Vor der Schwelle der selbstverantwortlichen Freiheit ist die Zwischenstufe der Bewährungszeit eingezogen. Auf diese ist der erste Schritt hinzulenken, da jene für den Gefangenen oft zu hoch ist, wenn sie übergangslos vor ihm liegt. Damit ist der alten Einsicht Rechnung getragen, daß Erziehung immer nur Ermöglichung der Selbsterziehung sein kann. Strafaussetzung zur Bewahrung §23 (1) Das Gericht kann die Vollstreckung einer Gefängnis- oder Einschließungsstrafe von nicht mebr als neun Monaten oder einer Haftstrafe aussetzen, damit der Verurteilte durch gute Führung während einer Bewährungszeit Straferlaß erlangen kann (Strafaussetzung zur Bewährung). (2) Strafaussetzung zur Bewährung wird nur angeordnet, wenn die Persönlichkeit des Verurteilten und sein Vorleben in Verbindung mit seinem Verhalten nach der Tat oder einer günstigen Veränderung seiner Lebensumstände erwarten lassen, daß er unter der Einwirkung der Aussetzung in Zukunft ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben führen wird. (3) Strafaussetzung zur Bewährung darf nicht angeordnet werden, wenn 1. das öffentliche Interesse die Vollstreckung der Strafe erfordert, oder 2. während der letzten fünf Jahre vor Begehung der Straftat die Vollstreckung einer gegen den Verurteilten im Inland erkannten Freiheitsstrafe zur Bewährung oder im Gnadenwege ausgesetzt oder 3. der Verurteilte innerhalb dieses Zeitraumes im Inland zu Freiheitsstrafen von insgesamt mehr als sechs Monaten verurteilt worden ist. (4) In den Fällen des Absatzes 3 Nr. 2 und 3 wird in die Frist die Zeit nicht eingerechnet, in der der Täter eine Freiheitsstrafe verbüßt oder auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird. I. D e r Aufbau d e r B e s t i m m u n g erschließt sich nur bei einer zusammenfassenden Betrachtung der Abs. 1, 2 und 3 Nr. 1. Ihr Leitgedanke und Ausgangspunkt ist, die Möglichkeit der Resozialisierung i. S. des Abs. 2 wahrzunehmen. S y s t e m a t i s c h wirkt deshalb der Aufbau paradox. Er läßt die durch die Rücksicht auf die anderen Strafzwecke gebotene externe Begrenzung auf höchstens neun Monate in Abs. 1 als Freigabe der SzB (das Gericht kann aussetzen) und die spezialpräventive Indikation in Abs. 2 als Einschränkung erscheinen (SzB wird nur angeordnet, wenn), also die Bremse als Antrieb und umgekehrt (ebenso §§ 20,21 JGG). Der Sinn ist: Wenn sich erwarten läßt, daß der Täter unter der Einwirkung der Aussetzung in Zukunft ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben führen wird, kann das Gericht aussetzen, jedoch nur im Strafbereich bis zu neun Monaten. Der

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Schweizer Art. 41 drückt dies klarer aus. M e t h o d i s c h stellt aber unsere gesetzliche Fassung zweierlei sicher: 1. der Richter hat zunächst, ohne Rücksicht auf die Frage, ob SzB in Betracht kommt, die schuldangemessene gerechte Strafe unter Zugrundelegung aller Strafzwecke zu ermitteln. So BGH N J W 54 40. A. A. insoweit Jagusch, s. o. Vorbem. I. Und 2.: er darf die SzB nicht, wie es früher zum Schaden des Instituts geschah, als etwas Negatives, als Verzicht auf den Strafvollzug auffassen, sondern ist zu einer Prognose als positiver Grundvoraussetzung genötigt. In diesem Sinne ist auch die Reihenfolge beider Prüfungen vorgezeichnet, wie sie der BGH a. a. 0 . verlangt. Daß bei der Feststellung der Strafhöhe wie sonst alle Strafzwecke ins Gewicht fallen, ergibt sich auch daraus, daß Abs. 1 nur die M ö g l i c h k e i t der Aussetzung vorsieht, nicht zu ihr zwingt: „kann". Käme es schon hier nur auf die Spezialprävention an, so wäre — bei positiver Prognose nach Abs. 2 — nur obligatorische Aussetzung sinnvoll; ein unnötiges Übel darf ja nicht verhängt werden. Und auch die Begrenzung auf neun Monate Gefängnis wäre dann nicht zu verstehen. Schon der Zusammenhalt von Abs. 1 und 2 ergibt danach, daß das Institut der SzB nicht einen Umsturz der Strafrechtszwecke bedeutet, sondern dem Richter zu ihrer Erfüllung ein neuartiges Mittel bietet. Erst recht folgt dies aus Abs. 3 Nr. 1, die trotz bestehender spezialpräventiver Indikation und trotz Innehaltung der Grenzen des Abs. 1 die SzB ausschließt, wenn die Rücksicht auf andere Strafzwecke überwiegt. Näheres unten Anm. I I I (gegen Jagusch und Roesen). Ebenso BGHSt. 6 128, NJW 54 1453, Braunschweig NJW 55 879. IL Die K a n n - B e s t i m m u n g des Abs. 1 darf angesichts der Rechtsnatur des Instituts (oben Vorbem. 11) nicht im Sinne freien richterlichen Ermessens verstanden werden: 1. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, so darf der Richter die SzB n i c h t w i l l k ü r l i c h oder aus Gründen, die m i t i h r e m Z w e c k u n v e r e i n b a r sind, ablehnen. So schon für den insoweit gleichlautenden Schweizer Art. 41 die ständige Praxis des SchwBG: Germann, Anm. zu Art. 41. Nach BGHSt. 6 68 besteht da, wo der Sachverhalt es nahelegt, nach OLG Köln N J W 541091 allgemein, eine materiellrechtliche Prüfungspflicht, ob die Voraussetzungen der §§ 23 ff. vorliegen, unabhängig davon, daß § 267 Abs. 3 S. 3 StPO Begründungszwang des Urteils nur vorsieht, wenn ein Antrag auf SzB gestellt war. Doch ist nach BGHSt. 6 168 stillschweigende Ablehnung der SzB möglich, wenn kein Antrag und ihre Gewährung nicht nahelag. Vgl. auch BGHSt. 8 68 und Bremen NJW 54 613 über Umdeutung von Anträgen auf Freispruch oder Geldstrafe in solche auf SzB sowie BGH MDR 54 496 und v. Weber MDR 49, 389; Müller, Mittelbach DRiZ 54, 215 über das allgemeine Verhältnis von formellem Begründungszwang und sachlichrechtlicher Strafzweckermittlungspflicht. Das richterliche Ermessen ist also an die allgemeinen Strafzwecke (oben Vorbem. vor § 13) und an die Sonderzwecke der SzB gebunden. 2. Diese S o n d e r z w e c k e müssen sich aber im R a h m e n jener a l l g e m e i n e n S t r a f z w e c k e halten. Auch das liegt in dem „kann". Wie oben Anm. I gezeigt, wäre andernfalls nur eine obligatorische Aussetzung sinnvoll, wenn die Prognose günstig ist. Das Gesetz geht aber, wie Lackner JZ53,430 zutr. bemerkt, keineswegs von der Vorstellung aus, daß alle Fälle, die sich im Rahmen des Abs. 1 halten, f ü r eine SzB geeignet sind. Die Problematik läßt sich mit der der Kannbestimmung in § 51 Abs. 2 vergleichen. Dort drängt aber die verminderte Schuldfähigkeit zur

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obligatorischen Strafmilderung, und die Abschwächung zur Kannregel nimmt auf die spezialpräventiven Notwendigkeiten Rücksicht. Hier ist es umgekehrt. Das wird durch Abs. 3 S. 1, der piit Abs. 1 zusammengehalten werden muß, noch unterstrichen, gilt aber auch ohnedies, wie das „kann" in § 26 zeigt, der auf § 23 I I I 1 nicht Bezug nimmt. Vgl. ferner Anm. I I I zu § 24, wo das gleiche Problem auftaucht, sowie § 106 JGG. Der Vergleich mit der Regelung der Schuldfähigkeit schärft zugleich den Blick dafür, daß der Gedanke der Empfänglichkeit des Täters für eine bestimmte Strafweise nicht die auf Freiheit und Verantwortlichkeit beruhende Schuldidee aushöhlen darf. Über die Vereinigung beider Gedanken in der SzB vgl. unten Anm. I I I ; allgemein zu diesen Fragen Würtenberger JZ 54, 213; Lange, Schweizer ZStR 70 (1955), 373ff. III. Ob das öffentliche Interesse (zum Begriff: Preiser NJW56,1009) die Vollstreckung der Strafe erfordert, ist ebenfalls unter dem übergreifenden Gesichtspunkt zu prüfen, daß dem Resozialisierungsziel des Instituts im Rahmen der allgemeinen Strafrechtszwecke nach Möglichkeit Rechnung zu tragen ist. Die Bestimmung ist kein Fremdkörper innerhalb der SzB, sondern drückt nur schärfer aus, was sich aus der Kannregel des Abs. 1 ergibt und ohnehin von selbst verstände, wenn man nicht in der SzB statt eines neuartigen Straf m i t t e l s einen Umsturz der Strafrechtsz w e c k e sieht (darüber oben Vorbem.I und Anm.I und I I 2). A.A. Jagusch LK § 23 Anm.2b): hier trete anscheinend dem Schuldstandpunkt ein sachfremder Gesichtspunkt der übersteigerten Allgemeinabschreckung entgegen, der wieder beseitigt werden sollte. Aber Abs. 3 Nr. 1 will mit dem Wertgefüge der Strafrechtszwecke gerade auch den Schuldgrundsat". wahren, der bei Beschränkung auf die Prognose des Abs. 2 unter den Tisch fiele. Und auch die generalprävenierende Rücksicht auf billigenswertes Rechtsempfinden und Rechtsverlangen der Allgemeinheit oder — in äußersten Fällen — auf die Notwendigkeit der Allgemeinabschreckung ist unverzichtbar, solange man an der Idee des Strafrechts selbst festhält. Die Antinomie der Strafrechtszwecke wird bei günstiger Prognose besonders fühlbar. Verfehlt wäre es, sie durch die SzB für deren Bereich als aufgehoben zu betrachten. Die Gerechtigkeit ist unteilbar. Suspendiert man sie an einer Stelle, so zerbricht man sie gan:s. Was kriminalpolitisch falsch ist, kann nicht gerecht sein. Aber daraus folgt nicht, daß, was unter e i n e m kriminalpolitischen Gesichtspunkt indiziert ist, ohne Rücksicht auf alles übrige damit gerechtfertigt wäre. — Ebenso BGHSt. 6 125 unter Hinweis auf Generalprävention und Sühne (Verkehrsdelikt), KG VRS 8 266 (die Forderung nach gerechter Vergeltung kann das öff. Interesse begründen), ferner BGH GA 1955 211, Celle NJW 55 33, 1450, Köln NJW55 802, BGH N J W 55 996 (betont, daß nur schwerwiegende, demE i n z e l f a l l entnommene Gründe, nicht schon die Abschreckung anderer von ähnlichen Taten maßgebend sein dürfen), BGH N J W 55 30: auch Umstände, die in der Person des Täters liegen. Betr. Verhalten nach der T a t : Stuttgart NJW 54 1418. Öff. Int. an nachdrücklicher Warnung von Berufsgenossen des Täters: BGH VRS 14 182 betr. Straßenbahnschaffner. Soweit Allgemeinabschreckung zu berücksichtigen, ist die Z e i t d e r E n t s c h e i d u n g maßgebend: BGH NJW 56 919. Schon im Ausgangspunkt abzulehnen ist auch die Meinung, die SzB sei dem Gnadenrecht verwandt, man dürfe daher auch grundsätzlich in Abs. 3 keinen Gesichtspunkt hineintragen, der gnadenrechtsfremd sei, wie Sühne oder Generalprävention (so Roesen NJW 54,866). Es liegt vielmehr umgekehrt: mit der Um-

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Wandlung der SzB in ein Strafrechtsinstitut ist sie in das Gefüge der Strafrechtszwecke einbezogen worden (wie übrigens gerade das Gnadenrecht in NRW, auf das Roesen abhebt, in § 3 GnO selbst schon ausdrücklich vorschrieb, daß Gnadenentscheidungen den Zwecken der Strafe . . . Rechnung tragen sollten; genaueres oben Vorbem. 11). Alle Versuche, bestimmte Strafrechtszwecke auszuschalten, scheitern hiernach nicht nur an dem in Abs. 3 S. 1 und den Motiven klar zum Ausdruck kommenden Gesetzeswillen, sondern auch an der Natur der Sache des Strafrechts selber. Aber die Spezialprävention wurde als Leitgedanke der SzB, Vergeltung und Generalprävention nur als ihre externe Begrenzung festgestellt (oben zu I). Man könnte konstruktiv die Stellung des Abs. 3 Nr. 1 als Ausnahme von der Regel der Abs. 1, 2 auffassen. So BGH NJW 54 1087. Das wäre natürlich nicht so zu verstehen, als ob bei Strafen bis zu neun Monaten Gefängnis die SzB die Regel wäre, sondern: bei eindeutiger spezialpräventiver Indikation gerade f ü r die Einwirkung mittels SzB ist die Gegenindikation die Ausnahme. Aber auch dies darf nicht formal verstanden werden. Mit Recht betont die Amtl. Begr.: „Jede schematische Anwendung, auch nur bei denen, die zum ersten Male straffällig werden, muß zu einer folgenschweren Beeinträchtigung der generalprävenierenden Wirkung der Gesetze und damit zu einer Erschütterung der Strafrechtspflege schlechthin führen." Wesensgemäßer als durch ein Regel-Ausnahmeverhältnis erfaßt man den Willen des Gesetzes als eine im Bereich der SzB erfolgte A k z e n t v e r l a g e r u n g der Strafrechtszwecke. Dem sucht die an die Spitze dieser Anm. gestellte Formel Rechnung zu tragen. Der BGH hat, der amtl. Begr. folgend, alle Strafrechtszwecke im Rahmen des Abs. 3 für berücksichtigenswert erklärt; dazu gehöre in „besonderen Fällen" auch die Genugtuung für den Verletzten (JZ 54 450). Da auch sonst spezifische Strafrechtsmittel diesem Zweck dienen, wird man dem hier folgen dürfen. Kohlrausch, Mitt. JKV. N. F. Bd. 3,1928, S. 15/16 und ihm folgend Eb. Schmidt MatStRRef. IS. 16 wollen diesen Gesichtspunkt überhaupt nicht berücksichtigen. Dem ist nicht zuzustimmen. In der Regel wird aber ein bloßer Nebenzweck des Strafrechts für sich allein nicht genügen, um den Hauptzweck der Spezialprävention zurückzudrängen. Man wird in solchen Fällen zu prüfen haben, ob darüber hinaus ein H a u p t z w e c k , etwa die generalprävenierende Befriedigung des Rechtsgefühls der Allgemeinheit, die Vollstreckung verlangt. In diesem Sinne schon früher E 65 229, J W 37 3021. Im Ergebnis hat der BGH a. a. O. die Versagung der SzB beanstandet. Nur wenn die abschreckende Wirkung der Strafe auf die Allgemeinheit oder bestimmte Bevölkerungskreise t a t s ä c h l i c h beeinträchtigt werden könnte (also bei konkreter Gefährdung), darf aus diesem Grunde die SzB gem. Nr. I versagt werden; so Braunschweig NJW 54 849, betr. uneidliche Falschaussage. Immer muß dargelegt werden, weshalb das öff. Interesse die Vollstreckung gerade im besonderen Einzelfall erfordert. Dabei kann aus Gründen der Abschreckung die Häufung von V e r k e h r s d e l i k t e n ausschlaggebend berücksichtigt werden (Braunschweig NJW 54 486). Zutr. Oldenburg NJW 54 109120: auch hier allseitige Würdigung von Tat und Täter unter Abwägung aller Strafzwecke. Anders aber Celle G. A 1954 123 (nur Tat) und für b. E., die grundsätzlich die gleichen Ziele verfolgt wie die SzB (oben Vorbem. III) Bremen MDR 54 118: das Interesse der Allgemeinheit könne wegen der Art der Straftat ( S i t t l i c h k e i t s v e r b r e c h e n ) die volle Verbüßung trotz guter Prognose erfordern. Dem kann aus den hier entwickelten Gründen nicht zugestimmt werden, „öffentliches Interesse" an der Vollstreckung

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besteht, wenn bei SzB keine s c h u l d angemessene und daher g e r e c h t e staatliehe Reaktion gegeben ist. Das kann nicht ohne Würdigung des Täters geprüft werden. Vgl. BGH NJW 55 3018, BGHSt. 6 298 (betr. Sittlichkeitsverbr.) und oben zu Anm. II. Auch die Allgemeinabschreckung kann nur in diesem Rahmen verfolgt werden. Doch ist es nach BGH VRS 7 46 kein Rechtsfehlei, wenn bei fahrl. T ö t u n g (hier: bei Verkehrsdelikt) öff. Interesse an der Straivollstr. grundsätzlich bejaht wird; bei s c h w e r e n V e r k e h r s u n f ä l l e n ist StrVollstr. regelmäßig Anliegen der Allgemeinheit (BGH VerkMitt. 54 5, nur Leits.). Darüber, daß SzB die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht ausschließt, vgl. unten § 42 m Anm. II. — Andererseits will Bremen NJW 55 513 u. U. auch bei Verkehrsdelikten in Trunkenheitsfällen SzB zulassen. — Weitere Rspr. unten Anm. V 2. IV. Die Frage nach dem künftigen Verhalten des Verurteilten u n t e r d e r E i n w i r k u n g der SzB — Abs. 2 — ist der tragende Gesichtspunkt der Bestimmung: so OLG Braunschweig NJW 54 484 im Anschluß an Lackner JZ 53, 430 und Schwarz §23 Anm. 1 b, ohne aber als entscheidenden Gesichtspunkt hervorzuheben, daß sich die günstige Prognose g e r a d e a u f d i e E i n w i r k u n g d e r S z B g r ü n d e n muß. Das OLG meint zutr., die Frage dürfe nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Milderung oder Verschärfung der Strafe gesehen werden. Das widerlegt die von ihm früher vertretene These, es handle sich bei der SzB nur um eine Sache der Strafzumessung (NJW 53 1762; dazu oben Vorbem. I 8, 9 vor § 23). — Ebenso BGHSt. 6 138: Die SzB will in erster Linie den Rückfall des Täters verhindern und erstrebt seine Angleichung an das soziale Leben. Sie stellt daher folgerichtig auf die P e r s o n des T ä t e r s ab; SzB deshalb auch für einen Ausländer mit Wohnsitz im Ausland möglich, soweit nicht Auflagen und deren Überwachung erforderlich. Andererseits kann die Ablehnung der SzB auch auf krankhafte Eigenschaften des Täters gestützt werden: BGHSt. 10 287. — „ I n Z u k u n f t " bezieht sich nicht nur auf die Bewährungszeit, sondern auch auf die weitere Zukunft: BGH J R 54 227. Auch auf Veränderung der Lebensumstände durch behördliche Maßnahmen: BGHSt. 8 182, 186 mit Übersicht über die Zwecke der SzB. Die damit in den Vordergrund gerückte Spezialprävention darf das Gefüge der Strafrechtszwecke nicht durchbrechen; darüber oben Anm. I. Aber sie nötigt dazu, bei der Prüfung der SzB stets auf die besondere Lagerung des Einzelfalles einzugehen. Daher: V. Kein Schema! 1. Bestimmte Verhaltensweisen des Täters dürfen nicht ein für allemal zum Ausschluß der SzB führen. BGHSt. 5 238 = NJW 54 359: daß der Täter den S c h a d e n n i c h t w i e d e r g u t g e m a c h t h a t , kann allein ihre Ablehnung nicht rechtfertigen — § 2 4 1 Nr. 1 läßt die Wiedergutmachung als A u f l a g e zu —.sondern nur, wenn sich im Einzelfall darin ein C h a r a k t e r m a n g e l des Täters zeigt, der in Verbindung mit seinem Vorleben und seinem sonstigen Verhalten nach der Tat seine Rückkehr in geordnete Verhältnisse nicht erwarten läßt. Zustimmend Küster JZ 54, 520. Ebenso Braunschweig NJW 54 484, das ferner ausführt, auch fehlende Reue, mangelnde Gesinnung für ein geordnetes Zusammenleben und das Fehlen eines wirtschaftlichen Anlasses zur Tat erschöpften die zu prüfenden Voraussetzungen nicht. In solchem Fall wird man aber wohl kaum eine Einwirkung der SzB i. S. des Abs. 2 erwarten dürfen. Auch bei dem l e u g n e n d e n S c h u l d i g e n wird es in der Regel an der erforderlichen Bereitschaft zum Einsetzen seiner positiven Kräfte

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fehlen, da er sich „dem Recht verschließt" (Küster a. a. 0.). Doch ist auch hier von Fall zu Fall das Motiv zu prüfen. — Pol. Ü b e r z e u g u n g s t ä t e r : BGHSt. 7 9: SzB darf n i c h t schlechthin von G e s i n n u n g s w a n d e l abhängig gemacht werden. Zurückhaltender BGHSt. 6 192. — Vgl. oben Vorbem. A I V 2 b vor § 13. 2. Unzulässig ist ferner, bestimmte Straftaten ein für allemal von der SzB auszuschließen, BGHSt. 6126. Auch dies folgt aus dem spezialpräventiven Leitgedanken des Instituts, der in jedem Einzelfalle zu individualisierender Betrachtung nötigt, um der jeweils besonderen und einzigartigen Lage des Täters gerecht zu werden. Zum gleichen Ergebnis kommt BGHSt. 6 2 9 8 b e t r . S i t t l i c h k e i t s v e r b r e c h e n , m i t der Begr., daß es ein Ermessensfehler und daher eine Gesetzesverletzung sei, wenn sich der Richter für gebunden halte, wo ihn das Gesetz freistelle. Er weist mit Recht darauf hin, daß auch die Kannmilderung des § 51 I I nicht generell — etwa bei Rauschtaten — ausgeschlossen werden dürfe (NJW 53 1760). Doch ist bei U n z u c h t m i t K i n d e r n (§ 176 Abs. 1 Nr. 3) der besondere Schutzzweck zu berücksichtigen, der vor allem bei willensschwachen Tätern i. allg. die Verwahrung mittels Strafvollzuges indiziert: BGH J R 54 227. — Kein grundsätzlicher Ausschluß der SzB bei A b t r e i b u n g , insbes. nicht unter einseitiger Betonung der Allgemeinabsehreckung: Oldenburg NJW 54 1091. Auch nicht bei V e r k e h r s d e l i k t e n : Braunschweig NJW 54 486, s. o. Anm. III, wo weitere Nachweisungen. Auch die Schweizer Praxis läßt den Ausschluß bestimmter Deliktskategorien nicht zu, vgl. Germann zu Art. 41 und — betr. Verkehrsdelikte — Peters, Kriminalpol. Stellung des StrRichters. 3. Daß der Täter unbestraft ist, oder eine sonstige nur negative Feststellung darf umgekehrt niemals für sich allein zur SzB führen. Es bedarf stets der Darlegung, daß sich hieraus eine positive Prognose ergibt. Auch in dieser Richtung ist jedes Schema verhängnisvoll. Die amtl. Begr. und Auslegung warnen eindringlich davor (oben Anm. III, vgl. vor allem auch Lackner JZ 53, 430), aber anscheinend ohne Erfolg. Schon Maaßen MDR 53, 4 läßt Besorgnis über die Entwicklung der Praxis durchblicken. Und die Gründe der viel zu weitgehenden Anwendung des § 26 StGB, über dieGrunau SchlHA54, 42ff. berichtet, treffen offenbar auch für die Praxis zu §§ 23ff. zu. — Die a b a r t i g e T r i e b r i c h t u n g des Täters ist bei § 176 Abs. 1 Nr. 3 schon im Strafrahmen berücksichtigt und kann deshalb nicht zur Milderung und SzB führen: BGH J R 54 227. 4. Weitere Gesichtspunkte: SzB darf nicht wegen zu erwartender G n a d e n e r w e i s e oder b. E. versagt werden: BGH LM Nr. 24. — Bei der Prüfung der Z u k u n f t s a u s s i c h t e n auch behördliches Eingreifen zu berücksichtigen: BGHSt. 8 182 betr. vormundschaftsger. Maßn. gegenüber verkuppelter Tochter. VI. Unvollkommenheiten der gesetzlichen Regelung lassen sich auch von der hier versuchten Zuordnung aus nicht übersehen. Über einzelne Mängel Meister a. a. 0. Die G r e n z e v o n n e u n M o n a t e n ist zugegebenermaßen ein Kompromiß zwischen general- und spezialpräventiven Erwägungen (Maaßen MDR 54,4). Um die — hier und da wieder drohende — uferlose Anwendung zu verhindern, und weil die Regelung einen ersten vorläufigen Schritt in neues Land darstellt, sind gewisse starre Voraussetzungen eingebaut worden, vgl. Maaßen a. a. 0. S. 2, Lackner JZ 53, 430. 7

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB. 42. Aufl.

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Strafen § 23

VII. Einzelfragen. SzB für einen S t r a f t e i l , für die in der Praxis ein starkes Bedürfnis zu bestehen scheint, ist deshalb aus doppeltem Grunde de lege lata nicht zugelassen: sie würde das Anwendungsgebiet der SzB übermäßig ausdehnen und andererseits auch die Fälle der kriminalpolitisch unerwünschten kurzen Freiheitsstrafen vermehren. So BGHSt. 6 163, der in gegebenem Falle solcher Art auf den Gnadenweg verweist. Dazu Vorbem. 1 2 vor § 23. — Wenn nur teilweise Vollstr. beabsichtigt, ist Ablehnung der SzB besonders zu begr.: BGHSt. 8 182. —SzB auch dann, wenn infolge Anr. v. U n t e r s H a f t ein Strafrest unter neun Monaten verbleibt: BGHSt. 6 391 gegen 5 377. — Nachträgliche G e s a m t s t r a f b i l d u n g mit nicht ausgesetzter Strafe möglich: BGHSt. 7 180. Vgl. ferner Celle NJW 57 1644 und unten § 74 Anm. I I sowie § 79 Anm. II. Zu Abs. 2: vgl. oben Anm. IV. Zu Abs. 3 Nr. 1: Vgl. grundsätzlich oben Anm. III—V. Ferner Braunschweig NJW 64 363: eine formelhafte Wiederholung des Gesetzeswortlauts ist keine ausreichende Begründung für die Bejahung des öffentlichen Interesses an der Strafvollstreckung. — Das öffentliche Interesse kann durch Sicherungsmaßregel (Entziehung der Fahrerlaubnis) entfallen: Stuttgart NJW 54 612. Zu Abs. 3 Nr. 2: SzB darfauch dann nicht bewilligt werden, wenn die während der letzten fünf Jahre bewilligte BewFrist abgelaufen und die Strafe erlassen ist: Hamburg N J W 54 484, Bay ObLG JZ 54 550. — Auch dann nicht, wenn die Vorstrafe nach dem Gnadenbescheide a m n e s t i e r t worden ist: BGHSt 6 69. (Dort wird der Fall jedoch unter Ziff. 3 gezogen.) — Eine frühere Strafe, deren Vollstr. im Gnadenwege ausgesetzt war, steht einer SzB nicht entgegen, wenn sie g e t i l g t o d e r t i l g u n g s r e i f ist (doch kann sie bei Abs. 2 berücksichtigt werden): BGH St. 7 58. — Die Aussetzung einer früheren Strafe durch ein B e s a t z u n g s g e r i c h t steht der SzB nicht entgegen: BGH N J W 64 108714. Wie bei § 244 ist „ I n l a n d " nicht räumlich zu verstehen. — Bei Dauerdelikten (Unterhaltsentziehung) kommt es nicht auf ihren Beginn, sondern auf ihre Beendigung an: Hamm NJW 57 1937. — Die frühere Aussetzung einer Entsch. nach § 27 JGG steht der SzB hier nicht gleich: BGHSt. 9 160. — Die frühere Aussetzung muß der Täter bei der neuen Tat gekannt haben: BGHSt. 9 370. — Die Vorschrift setzt voraus, daß die Vorstrafe g a n z ausgesetzt war: BGHSt. 10 182mitNachw. Zu Abs. 3 Nr. 3: Jagusch LK Anm. 2b erklärt es im Verhältnis zu Nr. 2 f ü r ungereimt, daß frühere Freiheitsstrafen bis zu 6 Monaten o h n e SzB der Aussetzung nicht im Wege stehen. Aber nur im Fall der Nr. 2 steht die ungünstige Prognose gerade für die SzB fest. — Beachtlich — auch wegen § 25 I I 2 — andererseits die Bedenken gegen unterschiedslose Anrechnung von Fahrlässigkeitsvorstrafen bei Meister DRiZ 53, 218; von Bagatellstrafen bei Pentz N J W 54, 142. Vni. Prozessuales. Über materiellrechtliche Prüfungspflicht und Begründungszwang bzgl. SzB vgl. oben Anm. I I 1. — Über Berücksichtigung der §§ 23 ff. in der Revisionsinstanz § 2 Anm. VH. — Über das Verfahren bei n a c h t r ä g l i c h e r Ges a m t s t r a f b i l d u n g gem. § 460 StPO Oldenburg NJW 54 89222: zunächst GesStr. zu bilden, dann über deren Aussetzung zu entscheiden. Mit der Einbeziehung in die Gesamtstrafe entfällt die SzB: BGH N J W 55 758 (bei mehr als 9 Mon.). — SzB grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Aber keine Rückverweisung, wenn Gründe Vorliegen oder Fehlen ihrer Voraussetzungen deutlich ergeben: BGH NJW 53 1838; 64 3915* J R 55 186. — Die Dauer der Bewährungsfrist ist in dem in § 24 vorgesehenen B e s c h l u ß auszusprechen: BGH NJW 54 52221; a. A. Schleswig

Strafen § 24

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SchIHA 54 20, Hamm JMB1. NRW 54 84 und die bisherige Praxis. Dazu Pentz NJW 64, 141. — Das Verbot der r e f o r m a t i o in peius bezieht sich nur auf die Strafe, nicht auf die Bewährungsauflage: Stuttgart NJW 54 6II 22 . Das verhängte Strafmaß darf aber auch bei gleichzeitiger Aussetzung nicht erhöht werden. A. A. Jagusch JZ 53, 690 (von gegensätzlicher Grundauffassung aus, vgl. oben Vorbem. II 2 vor § 23). Vgl. aber auch Hamm NJW 55 1000 (ref. in peius bei Widerruf der SzB) und dazu oben Vorbem. II 9 a. E. Andererseits ist auch die Ersetzung einer kürzeren Freiheitsstrafe ohne SzB durch eine längere mit SzB ref. i. p. : Oldenburg MDB 55 436. — Ablehnung der SzB im Hinblick auf beabsichtigte Teilaussetzung der Vollstreckung bei kurzfristiger Strafe bes. eingehend zu begr., BGH NJW 55 996. — Bloße Wahrscheinlichkeit eines Gnadenerweises oder einer b. E. rechtfertigt nicht Versagung der SzB: LM Nr.24. — Zur richterl. A u f k l ä r u n g s p f l i c h t betr. Abs.3 Ziff.2: BGH GA 1955 269. — Formelhafte Wiederholung des Gesetzes genügt nicht zur Ablehnung: KG GA 1955 219. Auflagen und Bewährungszeit

§24 (1) Das Gericht macht dem Verurteilten tttr die Dauer der Bewährungszeit Aullagen. Insbesondere kann es ihm auferlegen, 1. den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, 2. Weisungen zu befolgen, die sich auf Aufenthaltsort, Ausbildung, Arbeit oder Freizeit beziehen, 3. sich einer ärztlichen Behandlung oder einer Entziehungskur zu unterziehen, 4. Unterhaltspflichten nachzukommen, 5. einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen oder 6. sich der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers zu unterstellen. (2) Von der Anordnung von Auflagen kann abgesehen werden, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte auch ohne sie ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben führen, vor allem den durch die Tat verursachten Schaden nach Kräften wiedergutmachen wird. Der Verurteilte darf durch eine Auflage nicht daran gehindert werden, für ihn günstigere Möglichkeiten der Ausbildung oder Arbeit wahrzunehmen. (3) Entscheidungen nach den Absätzen 1 und 2 kann das Gericht auch nachträglich treffen, ändern oder aufheben. (4) Die Bewährungszeit beträgt mindestens zwei und höchstens fünf Jahre. Sie beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung. Sie kann nachträglich bis auf das Mindestmaß verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis auf das Höchstmaß verlängert werden. Während der Bewährungszeit ruht die Verjährung der Strafvollstreckung. 7»

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Strafen § 24

Schrifttum: W ü r t e n b e r g e r , MDR 55, 9: Über die Rechtsnatur usw. — H ä n d e l , J R 55, 377: Die Anwendung des § 24 I 5 in der Praxis. I. „Das Gericht macht dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Auflagen." Dieser Satz ist während der Entwurfsberatungen bewußt an die Spitze gestellt worden. Damit war zweierlei beabsichtigt: Einmal sollte grundsätzlich die völlige kriminalpolitische Abkehr von der Auffassung der SzB als eines bloßen Strafverzichts zum Ausdruck kommen. Statt dieses negativen Gedankens beherrscht das neue Institut ein im doppelten Sinne positiver: die Führung des Verurteilten durch nachhaltige Pflichtensteigerung, und der Ansatz bei seinen positiven sozialen Fähigkeiten, die Aktivierung seiner eigenen Initiative und Spontaneität, die durch die Auflagen nur den Anstoß erhalten sollen. Vgl. oben Vorbem. I I 8 vor § 23. Und ferner stellt der Aufbau und die Ausdrucksweise des Gesetzes ( „ m a c h t Auflagen" in Abs. 1 S. 1; „ k a n n abgesehen werden" in Abs. 2 S. I) ein Verhältnis von Regel und Ausnahme auf. Dies entspricht der kriminologischen Lagerung der verschiedenen Tätergruppen, die durch die SzB differenzierend erfaßt werden sollen: oben Vorbem. I I 6 und 8 vor § 23. Mit Recht betont Jagusch L K Anm. 2, daß auch die Mehrzahl der nur in geringerem Umfange Gestrauchelten erfahrungsgemäß eine feste H a n d während der BewZeit braucht und daß Auflagen und insbesondere Bewährungshilfe das Kernstück der neuen Einrichtung bilden, von deren Erfolg f ü r die SzB alles abhängt. II. Bewährungszeit. Ihre Frist beginnt mit Rechtskraft der nach StPO § 260 Abs. 4 n. F. im Urteilsspruch zum Ausdruck zu bringenden Entscheidung über die SzB. Die Dauer ist in dem gem. Abs. 4 vorgesehenen Beschluß auszusprechen: so BGH N J W 54 52221. Näheres oben § 23 Anm. VIII. III. Auflagen. 1. In ihrer Wahl ist der Richter grundsätzlich frei. In ganz anderem Maße als dies im Strafvollzug möglich ist, kann er daher die neue Strafweise individualisierend gestalten. Die Resozialisierung durch Auflagen ist aber nicht so zu verstehen, daß dem Täter die Verantwortlichkeit f ü r seine Tat zugunsten einer zweckmäßigen Behandlung erspart wird, vielmehr so, daß er gerade zu ihr hingeführt wird (Spezialprävention durch Sühne, vgl. dazu namentlich Eb. Schmidt, Gesch. Strafrechtspflege 2 S. 219, 291, zust. Wegner, Strafrecht, Allg. Teil S. 34). Dies zeigt namentlich die an erster Stelle genannte Wiedergutmachung des Schadens, die zugleich generalprävenierende Bedeutung hat und tatbezogen ist. Es handelt sich nicht um wertfreie und auch nicht unbedingt um rein täterbezogene Maßnahmen (vgl. oben Vorbem. I I 2, 8 vor § 23). Die Bewertung besteht hier aber nicht in einer Abwertung, sondern in einer Erprobung, Infragestellung und Prüfung des sozialen Wertes des Täters. Daß auch hier das Wertgefüge des Strafrechts nicht gesprengt wird, zeigt sich darin, daß, auch wenn die Prognose schon ohne Auflagen günstig ist, der Richter von ihnen nur absehen „kann", während er bei einseitig spezialpräventiver Orientierung der SzB dann von ihnen absehen m ü ß t e . Es liegt wie bei § 23 Abs. 1 und § 26 Abs. 1, vgl. Anm. und Vorbem. dazu. Sehr aufschlußreich § 28 Nr. 1 der Gnadenordnung von Nordrh.-Westf.: „Sie (die Auflagen und Bedingungen bei bed. Strafauss.) haben den Zweck, dem Verurteilten das Unrecht seiner Tat und die sich daraus ergebende Verpflichtung, einen etwa eingetretenen Schaden freiwillig nach besten Kräften gutzumachen, zum Bewußtsein zu bringen." Dahinter darf das neue S t r a f r e c h t gewiß nicht zurückgehen.

Strafen § 24 a

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2. Die G r e n z e der möglichen Auflagen wird durch das GG und näher durch die §§ 305a, 453 StPO angegeben: keine gesetzwidrigen Anordnungen, keine „einschneidenden, unzumutbaren Eingriffe in die Lebensführung". Dazu oben Vorbem. I I 8 und Bremen GA 1957 415 (Auflage, den Tatort zu verlassen und zu den Eltern zurückzukehren: zulässig). — N i c h t werden G e l d a u f l a g e n durch die gesetzliche Höchstgrenze der entspr. Geldstrafe beschränkt, Stuttgart N J W 54 522 22 , s . o . a. a. 0 . — Die H ö h e einer Geldbuße unterfällt nicht dem Verbot der Schlechterstellung: BayObLGSt. 1956 253. — DerStaat ist keine g e m e i n n ü t z i g e E i n r i c h t u n g i. S. der Nr. 5 (vgl. BTD Nr. 3713 S. 6, 60/61: der ursprüngliche Zusatz: „oder der Staatskasse" wurde gestrichen, um jeden Anschein einer Geldstrafe zu vermeiden). Daher Auflage, die Verfahrenskosten zu zahlen, nicht zulässig: BGHSt. 9 365, vgl. auch Schneble, DRiZ 55,162, ferner Hamm MDR 54 245: wohl aber der Caritasverband. Auch die Trinkerfürsorge: Stuttgart N J W 54 522. — Auflage, einen b e s t i m m t e n B e r u f während der Bewährungszeit n i c h t a u s z u ü b e n , zulässig : BGHSt. 9 258 (gegen Hamm N J W 54 34). Dazu unten 3 b). 3. Im einzelnen: a) Zllf. 1: W i e d e r g u t m a c h u n g ohne Bindung an Zivilurteil. Auch nur teilweise, auch ideelle. Vgl. Dilcher N J W 56, 1346, gegen diesen Pentz N J W 56, 1867. Allgemein zu Nr. 1 ferner Kübler J Z 55, 222, Hellmer N J W 56, 979. b) Ziff. 2: W e i s u n g e n . Hier die Grenze der §ij 305a, 453 StPO bes. zu beachten. — Aufl., einen best. B e r u f n i c h t a u s z u ü b e n , zul.: BGHSt. 9 258 (oben zu 2). Auch hier aber nur Resozialisierung, nicht Sicherung zulässiger Zweck, woraus Peters J Z 57, 65, Schönke-Schröder Anm. I I 3 b) grundsätzliche Bedenken gegen solche Aufl. ableiten. Man wird auf den Einzelfall abstellen müssen. c) Ziff. 3: Ä r z t l i c h e B e h a n d l u n g . Hier ist insbes. an psychiatrischer Beh. zu denken. — E n t z i e h u n g s k u r : Auch Anstaltskur zulässig. Kein Gegenschluß aus § 42c, da dieser auch Besserungsmaßregel. — Bedenken gegen p s y c h o t h e r a p e u t i s c h e Behandlung als Bew.Aufl. bei Dührssen, Psychogene Erkrankungen, 1954, 170; kritisch dazu wiederum Demski N J W 58, 2100. d) Ziff. 4: U n t e r h a l t s p f l i c h t e n . Auch hier freie Stellung des Strafrichters, vgl. oben zu a) und § 170b Anm. III. e) Ziff. 5: G e m e i n n ü t z i g e E i n r i c h t u n g hier n i c h t der Staat, s. o. zu 2. A. A. Händel J R 55, 377. f) Ziff. 6: B e w ä h r u n g s h e l f e r . Zur Rechtsnatur Würtenberger MDR 55, 9 ff. Überwachung durch die Gerichte, nicht die StA (§ 24a): Köln J R 57 71. IV. Die Überwachung der Auflagen ist Sache des für den Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Verurteilten zuständigen Amtsrichters, nicht der StA: BGHSt. 10 288.

Bewährungshelfer

§ 24a

Der Bewährungshelfer (§ 24 Abs. 1 Nr. 6) wird von dem Gerieht bestellt. Er überwacht nach dessen Anweisungen während der Bewährungszeit die Lebensführung des Verurteilten und die Erfüllung der Auflagen.

Strafen § 25

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Schrifttum: W ü r t e n b e r g e r , Über die Rechtsnatur der Bewährungshilfe im StrR, MDR 55, 9. Näheres regeln die Landesgesetze (Art. 5 StÄG v. 4. 8. 53), z. B. Berliner Ges. v. 13. 5. 54, GVB1. S. 285, Nordrh.-Westf. Ges. v. 17. 5. 55, GVB1. S. 107. Er kann haupt- oder ehrenamtlich tätig sein. Dazu Zimmermann ZBIJugR 55,276,Pelle ZB1. 55,233. Ohne Rücksicht auf seine organisatorische Eingliederung untersteht er sachlich nur dem Richter. Köln J R 57 71. Er ist Bewährungshelfer, Betreuer, nicht nur Überwacher. Im einzelnen vgl. Potrykus ZBIJugR 55 S. 42 über die Bewährungshilfe in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, S. 110 über Berlin, S. 164 über Schleswig-Holstein (dazu auch Bohne S. 205) und Baden-Württemberg, S. 224 über Nordrhein-Westfalen. Widerruf der

Strafaussetzung

§25 (1) Hat der Verurteilte sich bewährt, so wird die Strafe nach Ablaut der Bewährungszelt erlassen. Das Gericht kann anordnen, daß über die Verurteilung nur noch beschränkt Auskunft erteilt wird. (2) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn 1. Umstände bekannt werden, die bei Würdigung des Wesens der Aussetzung zu ihrer Versagung geführt hätten, 2. der Verurteilte wegen eines innerhalb der Bewährungszeit begangenen Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens im Inland zu einer Freiheitestrafe verurteilt wird, 3. er den Bewährungsauflagen gröblich zuwiderhandelt oder 4. sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war. (3) Leistungen, die der Verurteilte auf Grund von Auflagen erbracht hat, werden nicht zurückerstattet. Schrifttum: S c h n e b l e , SehlHA 55, 327: Zum Widerruf usw. — S c h u l z e , Die Anwendung von § 25 StGB, NJW 57, 772. I. Nur die Strafvollstreckung, nicht die Verurteilung zu Strafe ist bedingt. Das ist der Unterschied zur echten bedingten Verurteilung, die im Falle der Bewährung entfällt. Aber der wichtige S. 2 gestattet dem Richter, die s c h ä d l i c h e n F e r n w i r k u n g e n der Bestrafung und damit das schwerste Hindernis der Resozialisierung wenigstens zum Teil aufzuheben. Daß man nicht soweit gegangen ist wie Art. 41 Nr. 4 SchwStGB, der die völlige Löschung der Strafe verfügen läßt, wird im Hinblick auf die Wendung zum Täterstrafrecht gebilligt werden müssen. In der Praxi a genügt aber § 25 I S. 2 für sich allein nicht, vgl. Fleischmann JZ 54, 147. — De r Erlaß der Strafe erfolgt durch unanfechtbaren B e s c h l u ß des Gerichts. IL Der Widerruf wird in Anlehnung an die Schweizer Regelung teils an feste Tatbestände gebunden (Nr. 2), teils der Würdigung durch den Richter überlassen (Nr. 1, 4), teils werden objektive und normative Elemente gemischt (Nr. 3). Die

Strafen § 25

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Schweizer Novelle von 1950 hat die ursprünglich automatische Verbindung von Neubestrafung und Widerruf gelockert (Art. 41 n. F.). — Auf g n a d e n w e i s e gewährte SzB bezieht sich § 25 nicht: Köln MDR 56 627. •— Widerruf, wenn nur der Angekl. das Rechtsmittel eingelegt hatte, verstößt gegen V e r s c h l e c h t e r u n g s v e r b o t , Hamm NJW 55 1000, Köln MDR 56 759, selbst wenn neue ungünstige Umstände zutage treten. — Im einzelnen: Ziff. 1 geht vom „Wesen der Aussetzung" aus. Hierzu oben Vorbem. I, II 8 und Anm. zu § 23. Auch wenn die T a t nachträglich in einem anderen Lichte erscheint, kann die Stelle zutreffen. Ziff. 2 löst den automatischen Widerruf nur bei Verurteilung wegen vorsätzlicher Taten aus. In der Tat indizieren nur solche eine Einstellung des Täters, die den kriminalpolitischen Ansatz der SzB gegenstandslos machen (darüber oben Vorbem. I I zu § 23). — Die gleiche Indizfunktion hat aber auch § 23 Abs. 3 Ziff. 3; auch diese sollte daher bei Fahrlässigkeitstaten nicht automatisch die SzB ausschließen. Darüber oben §23Anm. VII. — DieStellezeigtdeutlich,daßderGesetzgeber den Vorsatz als echtes Schuldelement — hier mit täterschaftsmäßigem Einschlag ansieht. Sie widerlegt die Übertreibungen der finalen Handlungslehre. Schärfer noch spricht der Schweizer Text nicht von „vorsätzlichem Vergehen", sondern davon, daß „der Täter vorsätzlich" ein Verbr. oder Verg. begeht. Eine andere Frage ist, ob der in vermeidbarem Verbotsirrtum vorsätzlich Handelnde „auf den Kern gesehen" nur wegen Rechtsfahrlässigkeit verurteilt ist (so Jagusch LK Anm. 2, vgl. dazu JZ 56, 73ff.) und deshalb nicht unter die Widerrufsklausel fällt. Die entscheidende Vorfrage ist innerhalb des Schuldbegriffs zu klären, zu dem der Vorsatz unlöslich gehört. Ziff. 3 ist im Rahmen der Täterwürdigung, also symptomatisch, zu verstehen. „Gröblich" daher nicht als objektiv schwere Zuwiderhandlung, sondern als eine solche, die in krasser Weise eindeutig zeigt, daß der Täter nicht fähig und willens ist, den ihm gezeigten Weg der Resozialisierung zu gehen. — Zweckmäßiger Hinweis für die Kontrolle der Auflagenerfüllung bei Pentz NJW 54, 142. — Widerruf, wenn der Verurteilte flüchtig ist: Celle NJW 56 642. Ziff. 4 bestätigt als zusammenfassende Generalklausel, daß es sich in allen Fällen um — teils gebundene, teils wie hier freie — Würdigung von Symptomen für das Fehlen der in § 23 vorausgesetzten Einstellung des Täters handelt. Auch andere als die in Ziff. 2 genannten Verurteilungen können nach Ziff. 4 den Widerruf begründen; so zutr. Schneble a. a. O. III. Zu Abs. 3. Daß Leistungen nicht zurückerstattet werden, die der Täter auf Grund von Auflagen erbracht hatte, bestätigt die oben vertretene Auffassung des SzB als echten Strafmittels i. S. einer besonderen Strafweise. Die erbrachte Leistung gehört zu dem Sühneansatz, der dann schließlich scheiterte. Handelte es sich nur um eine rein zweckbedingte Maßregel, so wäre folgerichtig bei Zweckverfehlung die Leistung zurückzuerstatten.

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Strafen § 26 §26

Bedingte

Entlassung

(1) Das Gericht kann den zu zeitiger Freiheitsstrafe Verurteilten mit seiner Zustimmung bedingt entlassen, wenn dieser zwei Drittel der Strafe, mindestens jedoch drei Monate, verbüßt hat und erwartet werden kann, daß er in Zukunft ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben führen wird. (2) Die Bewährungszeit darf die Dauer des Strafrestes auch im Falle einer nachträglichen Verkürzung nicht unterschreiten. (8) Im übrigen gelten die Vorschriften der §§ 24, 24 a und des § 25 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 sinngemäß. Schrifttum vgl. Vorbem. vor §§ 23—26. I. Über das Wesen und die Aufgaben der bedingten Entlassung (b. E.) s. Vorbem. I I I vor und Anm. I zu § 23, insbes. darüber, daß sie keinesfalls bloß negativ als Laufenlassen und als nachträgliche Korrektur dea richterlichen Urteils verstanden werden darf. Gegen die letztere Auffassung unter eingehender Erörterung der Strafzwecke auch BGHSt. 6 213, aber ohne Erörterung des spezifischen kriminalpolitischen Anliegens der b. E. Treffend Köln MDR 58 263: bei der Entsch. nach § 26 ist tunlichst die strafpolitische Linie der Verurteüung einzuhalten; dazu Köln NJW 56 71, Neustadt NJW 56 70. Wie die SzB setzt die b. E. — im Gegensatz zur Strafvollstreckung — nicht bei der H e m m u n g der a s o z i a l e n , sondern bei der A k t i v i e r u n g der s o z i a l e n Persönlichkeitskomponenten an. Auch f ü r ihren kriminalpolitischen Erfolg kommt daher alles darauf an, den Schwerpunkt in die Führung durch Auflagen zu legen. In erster Linie kommt hier die Bewährungshilfe in Betracht. Die Gegenmeinung (vgl. etwa Reh NJW54,484), die die b. E. als einen Akt des V o l l z u g e s und zugleich als eine Korrektur der richterlichen Strafzumessung auffaßt, leidet an einem inneren Widerspruch. Denn was vollzogen wird, wird eben nicht korrigiert und umgekehrt. Diese Auffassung, die in der b. E. etwas „ganz anderes" als in der SzB sieht, auch den Auflagen hier und dort eine ganz verschiedene Bedeutung gibt (so Reh a. a. O.), zerreißt die vom Gesetz gewollte und in der Verweisung des Abs. 3 zum Ausdruck gebrachte Wesensgleichheit der beiden Institute. Der Gedanke der Urteilskorrektur, den auch BGHSt. 6 215 und KG J R 55 272 aus anderen Gründen scharf ablehnen, zerstört die kriminalpolitische Stoßkraft der b. E., indem er den Blick von dem eigentlichen Anliegen: der Führung durch Auflagen, insbes. durch Bewährungshilfe, ablenkt. Die b.E. erhält das Wesentliche des Urteils, den Ausspruch der staatlichen Mißbilligung, durchaus und will auch seine Verwirklichung nicht auflösen, sondern erfüllen: besser und sicherer als durch Vollzug in den für sie geeigneten Fällen. Sie kann daher auch einem bereits auf freiem Fuße Befindlichen bewilligt werden; so mit Recht München NJW 56 1210 und KG J R 56 229 gegen Düsseldorf NJW 54 485. K r i m i n a l p o l i t i s c h hat sie, wie Simson ZStW 67, 48ff., 68 mit Recht betont, eine D o p p e l f u n k t i o n : einerseits Anpassung der Reaktion an die Besonderheit des e i n z e l n e n , andererseits Schutz der Gesells c h a f t vor den Gefahren unvermittelter Entlassung; k r i m i n o l o g i s c h entsprechen dem v e r s c h i e d e n e T ä t e r g r u p p e n (S. 50ff.). Wertvolle grundsätzliche Bern, auch bei Dreher J R 55, 30 (jedoch mit m. E. zu scharfer Betonung der Urteilskorrektur).

Strafen § 26

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Die positive kriminalpolitische Zielsetzung, die Notwendigkeit einer solchen Prognose und die sich daraus ergebende scharfe Auswahl der hierfür geeigneten Fälle ist um so wichtiger, als das Nebeneinander mit dem Gnadenverfahren viele Gerichte schon jetzt offenbar zu einer f ü r das Institut verhängnisvollen Tendenz zur Milde geführt hat. Mehrfach ist die b. E. als eine Art Belohnung f ü r gute Führung in der Strafhaft ausgesprochen worden. Vgl. über solche Erfahrungen Grunau SchlHA 54, 42 ff. Es ist Pflicht der Behörden, alles zu tun, damit eine an sich der Person des Verurteilten nach mögliche b. E. nicht wegen mangelnder Arbeit oder Unterkunft versagt werden muß: Bremen N J W 55 514 (vgl. auch BGHSt. 8 182 betr. SzB). — Daß der Verurteilte noch immer seine Unschuld behauptet, schließt b. E. nicht aus: Hamm N J W 55 34. - B. E. und Strafzumessung: KG GA 1954 344, Neustadt N J W 56 70. II. Das Gericht kann bei günstiger Prognose nach Strafverbüßung von zwei Dritteln, mindestens aber drei Monaten, bedingt entlassen. Bei dieser Prüfung sind wiederum sämtliche Strafzwecke zu b e r ü c k s i c h t i g e n ; es liegt wie bei dem „kann" des § 23 Abs. 1 (Dreher J R 55, 31 stellt f ü r § 26 stärker auf den Einzelfall ab). Vgl. die Rspr. § 23Anm. I I sowie Braunschweig N J W 54 1819, LG Bonn JMB1. N R W 54108 betr. Versagung derb. E. bei schwerwiegenden Verkehrsdelikten. Bremen MDR 54 118 will wegen der Art der Straftat (Sittlichkeitsverbrechen) trotz festgestellter günstiger Prognose generell die b. E . ablehnen. Dagegen Köln N J W 54 1297. Ebenso aber Grunau a. a. 0 . S. 44: es sei z. B. bei Meineid möglich, wegen des hier vorherrschenden Strafzwecks der Generalprävention b. E. stets abzulehnen. Es widerspricht indessen dem Wert- und Zweckgefüge des Strafrechts, einseitig auf einen bestimmten Zweck abzustellen. Die Bremer Entscheidung trägt sich, wenn man die besondere Schwere des Einzelfalles zugrunde legt und auf Verallgemeinerung verzichtet. Auch der Gegenstandpunkt, die Generalprävention könne einer b. E. in aller Regel nicht entgegengehalten werden (so Braunschweig MDR 54 245; dagegen Oldenburg N J W 54 1297), ist einseitig. Unabhängig von der Prognose (arg.: „kann") ist zu prüfen, ob die generalisierenden Strafzwecke die volle Vollstreckung verlangen. Abwägend BGHSt. 6 215. Neuerdings Annäherung der Standpunkte bei den OLGen. Vgl. KG J R 55 30: Tatschwere, Sühnegedanke zu berücksichtigen, jedoch darf dadurch die Prognose nicht außer Sicht kommen; dazu Anm. Dreher mit Übersicht (s. o. Anm. I a. E.). Vgl. oben § 23 Anm. III. Auch Braunschweig N J W 54 1819 hatte schon den Sühnegedanken berücksichtigt. Besonderheit des Falles darzulegen, wenn trotz günstiger Prognose b. E. wegen des Sühneged. versagt wird und umgekehrt: Köln N J W 56 71. Steht bei der Verurteilung ein bestimmter Strafzweck im Vordergrunde, so gilt dies auch f ü r die Entsch. nach § 26, vgl. oben zu I. III. Die Auflagen, die Abs. 3 vorsieht, haben hier den gleichen Sinn und die gleiche überragende Bedeutung wie bei SzB. A. A. Reh a. a. O.: bei §§ 23, 24 haben sie durchaus Strafcharakter, hier bei § 26 sollen sie dem Verurteilten helfen, sich wieder einzugliedern, und ihn vor Rückfällen schützen. Aber das ist das Ziel b e i d e r Institute, die eben den Resozialisierungszweck unter Wahrung des Strafcharakters anstreben, wie oben Anm. I gezeigt. In der ersten Zeit sind die Gerichte dem immer wieder betonten Gesetzeswillen, den Verurteilten nicht einfach laufen zu lassen, sondern ihn zu führen, vielfach nicht gerecht geworden. Grunau berichtet z. B. Anfang 1954 f ü r Neumünster,

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Strafen § 27

echte Auflagen seien bis dahin nur in etwa 5°/0 der b. E.en gemacht worden. Da die hier im Vordergrund stehende Bewährungshilfe noch nicht lange wirken konnte — § 24a ist erst am 1. 1. 54 in Kraft getreten — läßt sich ein abschließendes Urteil noch nicht abgeben. IV. Zwei Drittel der S t r a f e , mindestens drei Monate müssen verbüßt sein; hieraus folgt allerdings nicht, daß die Strafe mindestens 4 Monate und 15 Tage betragen müßte (Köln MDR 59 57 mit jetzt zust. Anm. Dreher). Der Verurteilte muß den Ernst und den Schock der Inhaftierung und sollte grundsätzlich auch den erzieherischen Ansatz des Strafvollzuges kennengelernt haben. Erst dann läßt sich die notwendige Prognose für die b. E. mit ausreichender Sicherheit stellen. Alles das gilt in der Regel nicht, wenn nur angerechnete Untersuchungshaft „verbüßt" ist. Reh NJW 54, 484. A u s g e s c h l o s s e n ist aber b. E. auch dann nicht: Köln NJW 54 205 und ihm folgend BGHSt. 6 215 mit dem Hinweis, daß bei der niedrigen Grenze von drei Monaten eine Resozialisierung durch den Vollzug ohnehin vielfach entfällt. Dagegen Reh NJW 54, 484, Granau JZ 54, 230. Gegen Mitberücksichtigung angerechneter UntersHaft (Schleswig SchlHA 54 189) bestehen keine Bedenken. Vermittelnd auch Maaßen MDR 54, 4. Vgl. Oldenburg JZ 54 646 (auch bei Strafunterbrechung). — Über b. E. bei m e h r e r e n Strafen Meister MDR 54,403, Köln MDR 56 628 (b. E. für jede gesondert zu pr.). Wiederholter Antrag zulässig: Oldenburg JZ 55 23. V. Zu Abs. 3. Auch nach Widerruf gem. §§ 25 II, 26 I I I kommt b. E. für den Strafrest nach Verbüßung von 2 / 3 der urspr. Strafe, mind. aber 3 Mon., noch in Betracht. Doch streng zu prüfen: Bremen MDR 58 263. Geldstrafe

§ 27 (1) Die Geldstrafe ist in Deutsche Mark festzusetzen. (2) Sie beträgt 1. bei Verbrechen und Vergehen, soweit nicht höhere Beträge oder Geldstrafe in unbeschränkter Höhe angedroht sind oder werden, mindestens fünf Deutsche Mark und höchstens zehntausend Deutsche Mark; 2. bei Übertretungen mindestens drei Deutsche Mark, soweit nicht ein höherer Mindestbetrag angedroht ist oder wird, und höchstens einhundertfünfzig Deutsche Mark. (3) Die Vorschriften des Abs. 2 über Höchstbeträge gelten nicht, soweit die angedrohte Strafe in dem Mehrfachen, dem Einfachen oder dem Bruchteil eines bestimmten Betrags besteht. Ist dieser nicht auf Deutsche Mark gestellt, so ist er für die Festsetzung der Geldstrafe in Deutsche Mark umzurechnen. I. Mildeste Strafe, auch gegenüber der SzB des §23, da Strafübel sekundär gegenüber dem Grad der Mißbilligung. Stets Hauptstrafe, auch wenn neben Freiheitsstrafe: E 73 192. öffentliche Strafe, E 76 279, also keine Aufrechnung: Braunschweig NJW 51 246. — Wertersatz ist im allg. keine Geldstrafe (E 22 104), wohl

Strafen §§ 27 a, 27 b

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aber im Falle des § 401 Abs. 2 RAO, BGHSt. 6 258, 304; 7 78. Bei Zusammentreffen von Ersatzfreiheitastrafen aus Geldstrafe und aus Wertersatzstrafe gilt § 78 Abs. 2, nicht § 29 Abs. 2: BGHSt. 7 291. II. Über die durch die Währungsumstellungen entstandenen Fragen vgl. Brandstetter N J W 48, 675. Für Übergangsfälle vgl. München SJZ 49 136. § 2 kann hier nicht herangezogen werden. III. Die Mindestgrenze gilt auch bei Versuch: E 18 125. IV. Zu Abs. III. I m Steuerstrafrecht sind die Multiplarstrafen durch Ges. v. 5. 7. 39 beseitigt worden: darüber J Z 52, 267. V. In unbegrenzter Höhe angedroht in §§ 85, 98, 101, § 396 RAO und sonst im Nebenstrafrecht. Vgl. dazu § 85 Änm. VI. Zur Belorm der GStr., die heute in weit mehr als der Hälfte aller Verurteilungen verhängt wird, vgl. Kommissionsbericht ZStW 67, 91 ff. (Einführung von Tagesbußen), Würtenberger ZStW 64, 17. Daß aber die Geldstrafe nicht allein „sozial", sondern vor allem nach der Schwere der T a t zu bemessen ist, betont mit Recht Hamm VRS 11 216 (betr. 3000 DM Geldstrafe wegen fahrl. Verkehrsgefährdung). VII. Gegen Jugendliehe nicht anwendbar, daher auch nicht als Wertersatz gem. § 401 Abs. 2 RAO, BGHSt. 6 258, vgl. oben Anm. I.

§ 27 a Bei einem Verbrechen oder Vergehen, das auf Gewinnsucht beruht, kann die Geldstrafe aui einhunderttausend Deutsche Mark erhöht und aui eine solche Geldstrale neben Freiheitsstrafe auch in denjenigen Fällen erkannt werden, in denen das Gesetz eine Geldstrafe nicht androht. I. Gewinnsucht: „Steigerung des Erwerbssinnes auf ein ungewöhnliches, ungesundes, sittlich anstößiges Maß": E 60 306,389; 73 336; BGHSt. 1388,3 31. Regelmäßig, aber nicht notwendig dauernde Eigenschaft. Nicht nur bei Vermögensdelikten: E 73 235 u. 334; 75 335. Vgl. unten bei §§ 133 und 169: gewinnsüchtige Absicht. Dazu BGHSt. 1 388: besonders mißbilligtes inneres Verhalten als Strafzumessungsgrund. Vgl. aber BGH N J W 52 34: § 27 c Abs. 1 auch hier zu berücksichtigen. — Die Erhöhung ist auch in den Fällen des § 27 I I I zulässig. II. Prozessual gehört „Gewinnsucht" zur Schuldfrage: BGH MDR 52 532.

§ 27 b Ist für ein Vergehen oder eine Übertretung, für die an sich eine Geldstrafe überhaupt nicht oder nur neben Freiheitsstrafe zulässig ist, Freiheitsstrafe von weniger als drei Monaten verwirkt, so ist an Stelle der Freiheitsstrafe auf Geldstrafe (§§ 27, 27 a) zu erkennen, wenn der Strafzweck durch eine Geldstrafe erreicht werden kann.

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Strafen § 27 b

I. Der frühere Abs. 2: „Die Vorschriften des Militärstrafgesetzbuchs bleiben u n b e r ü h r t " ist durch das 3. StrRÄndGes. gestrichen. E r kennzeichnete den Vorrang der Generalprävention im MilStrR. IL Die durch Ges. v. 21. 12. 21 eingeführte Vorschrift ist ein Ergebnis des K a m p f e s der Strafrechtsreformer g e g e n d i e k u r z e F r e i h e i t s s t r a f e . „Sie ist wertlos, ja schädlich; sie schreckt nicht ab, sie bessert nicht, sie verdirbt" (v. Liszt Aufs. u. Vortr. I 513ff.). Vgl. E 65 230. — Seitdem h a t man erkannt, daß die kurze Freiheitsstrafe noch unentbehrlich ist und daß es nur darum gehen kann, ihre unerwünschten Begleit- und Folgeerscheinungen zu beseitigen. Ein Mittel hierf ü r ist die SzB (dazu oben Vorb. I, I I vor § 23 und BGHSt. 8 182). Vgl. de lege fer. ZStW 67, 81 (Kommissionsbericht). — I m J u g e n d s t r a f r e c h t ist die kurze Freiheitsstrafe jetzt aus den gleichen Gründen durch den J u g e n d a r r e s t ersetzt. III. Nicht Verbrechen: E 60 168. Durch Zubilligung mildernder Umstände wird ein Verbrechen nicht zum Vergehen, Umwandlung bleibt also unzulässig. Anm. V zu § 1 sowie H R R 39 388. Der „bes. schwere Fall" ändert ebenfalls die Deliktsgruppe nicht. E 60 117, BGHSt. 2 181, 3 47. IV. Die verwirkte Freiheitsstrafe muß im Urteil ausgesprochen und als an sich geboten begründet werden. E 63 300, H R R 41 453 (unzulässig, von vornherein die Geldstrafe ins Auge zu fassen). Sie ist aber bloß E r s a t z s t r a f e : E 59 22 und kann daher spezifische Rechtsfolgen der primären Freiheitsstrafe nicht herbeif ü h r e n : so E 72 108 betr. Arbeitshaus. V. Der Strafzweck wird z. B. nicht erreicht, wenn ein anderer die Geldstrafe zahlen würde (E 65 308). — Teilweise Erreichung des Zwecks genügt nicht: D R 43 138. — § 27b darf nicht lediglich aus Gründen der allgemeinen Abschreckung ausgeschlossen werden. B G H V R S 5 452 (3 StR 124/53). Vgl. schon R G J W 30 909. Auch bestimmte Deliktsarten dürfen nicht ausgenommen werden: E 68 227 (Devisenvergehen); 71 47 (Amtsvergehen); J W 36 1909; 37 2695, Celle VRS 9 350 (fahrl. Tötung); D R 43138, 44150. DerTon liegt hier, wie bei der SzB, auf der Spezialprävention, die jedoch mit den übrigen Strafzwecken vereinbar bleiben muß. Vgl. §23 Anm. I I I . A. A. Jagusch L K l d : auch hier sei Sühnegedanke herrschend, die übrigen nur Nebenzwecke. Aber die grundsätzliche E 58109 betont gerade bei §27 die Gewichtsverlagerung der Strafrechtszwecke. Allerdings auch hier Bedeutung f ü r die verletzte Rechtsordnung zu berücks.: Köln JMB1. N R W 53 258. Aber von § 27 b darf nicht deshalb abgesehen werden, weil derTäter eine schuldangemessene Geldstrafe nicht zahlen könne. So im Anschluß an E 65 229 ( = J W 31 2431 Anm. Radbruch), 77 137: B G H MDR 51 657. F ü r § 2 7 b i s t die Spezialprävention Richtschnur, der sonstige Strafzweck Schranke, s.Vorbem. A I V 2 b vor §13. F ü r die mildernden Umstände gilt dies nicht; hier überwiegt der Gesichtspunkt geminderter Schuld. Daher auch bei Verneinung von m. U. § 27 b zu pr. Im Erg. ebenso E 58 107; GA 69 175; D R Z 24 321; Bremen N J W 53 394; Hamburg N J W 53 1807. A. A. F r a n k I 2. Bei Milderung nach § 157 kein R a u m mehr f ü r § 27 b : Schleswig N J W 56 1569. VI. Muß Vorschrift, deren Anwendbarkeit im Urteil a u s d r ü c k l i c h zu erörtern ist, StPO § 267 I I I n. F. F r a n k f u r t H E S t . 3 66, Bremen N J W 53 394. Anders B G H 1 StR 172/51 und LM Nr. 1 zu § 27b. Bedenklich! Vgl. J Z 53, 14. Strenger war der 2. u. 3. Sen. in MDR 51 657, wie dieser Köln N J W 52 197.

Strafen § 27 C

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VII. Bei Gesamtstrafe über 3 Monaten ist § 27b zu pr., soweit Einsatzstrafen darunter liegen, E 59 22, J W 30 922, Oldenburg NdsRpfl. 54 35. — § 27b auch bei Verbüßung durch Ünters.-Haft zu pr.: BGH MDR 51 657.

§ 27 c (1) Bei der Bemessung einer Geldstrafe sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen. (2) Die Geldstrafe soll das Entgelt, das der Täter für die Tat empfangen, und den Gewinn, den er aus der Tat gezogen hat, übersteigen. (3) Beicht das gesetzliche Höchstmaß hierzu nicht aus, so darf es Uberschritten werden. I. Wirtschaftliche Verhältnisse umfassend zu verstehen: BGH N J W 52 34. II. § 27 c gilt gemäß § 355 RAbgO auch für Steuergesetze, E 66 93. Richtlinien des FinMin. über die Bemessung von Steuerstrafen aber f ü r Gerichte unverbindlich: BGH MDR 52 530. III. Schon das erkennende Gericht hat die wirtschaftlichen Verhältnisse zu prüfen und nötigenfalls aufzuklären. H R R 37 1131; MDR 52 530. § 27c enthält nicht alle Strafzumessungsgründe: E 76 301; BGH MDR 53 146 (Wiedergutmachung). IV. Abs. 1 gilt auch in den Fällen des Abs. 2 und 3 sowie f ü r § 27a: E 60 391; H R R 41 212; BGH N J W 52 34. V. Abs. 2 gilt auch bei Fahrlässigkeit: E 66 93. — Sollvorschrift, bei deren Anwendung der zwingende Abs. 1 einzuhalten ist: E 66 91; RG H R R 41 212; BGH MDR 52 530; 54 529. - Betr. Gewinn Celle MDR 54 54. VI. Abs. 3 bezieht sich nach BGHSt. 3 259 nur auf Abs. 2; auf Abs. 1 nicht anwendbar. Ebenso KG in H R R 39 862; OLG Königsberg in H R R 38 1067. Anders RG in E 77 137 und D J 44 765. - Eingehend hierzu Härtung SJZ 50 102, Dreher MDR 52 182, MatStRRef. 70f. Die Auslegung des BGH führt namentlich bei Übertretungen die Gefahr herbei, daß aus unzulässigen Erwägungen statt auf Geld- auf Freiheitsstrafe erkannt wird. Zudem ist Abs. 1 die Grundregel pro et contra (oben Anm. III). Ihrem spezialpräventiven Zweck ist im R a h m e n d e r G e r e c h t i g k e i t , die gleiche Fühlbarkeit fordert (so das künftig vorgesehene Tagesbußensystem, vgl. oben § 27 Anm. VI), zu entsprechen. Rechtsstaatliche Bedenken (so BGHSt. 3 261) bestehen bei dieser Maßgabe nicht. Vgl. auch die unbegrenzte Geldstrafe in den neuen §§ 85, 98, 101, oben § 27 V. Daher ist jetzt im Ergebnis dem RG und Düsseldorf MDR 52 180 gegen den BGH beizutreten, und zwar auch für Übertretungen (folger. BGHSt. 3 261). Als die Gesetze rücksichtslos Zweckstrafen vorschrieben, war in den Voraufl. einschränkende Auslegung geboten. Die neue Ordnung der Strafzwecke und ihre Garantie (Vorbem. A II vor § 13) ist eine neue Auslegungsbasis. VII. H e r a b s e t z u n g durch das Revisionsgericht: Celle N J W 53 1685.

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Strafen §§ 28—29 §28

(1) Ist dem Verurteilten nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, daß er die Geldstrafe sofort zahlt, so hat ihm das Gericht eine Frist zu bewilligen oder ihm zu gestatten, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. (2) Das Gericht kann diese Vergünstigung auch nach dem Urteil bewilligen. Es kann seine Entschließungen nachträglich ändern. Leistet der Verurteilte die Teilzahlungen nicht rechtzeitig, oder bessern sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich, so kann das Gericht die Vergünstigung widerrufen. (3) Auf die nach Abs. 2 zu treffenden Entscheidungen findet § 462 der Strafprozeßordnung Anwendung. I. Abs. 1 Mußvorschrift. — Die „Zumutbarkeit" hat bei der Zumessungsfrage noch außer Betracht zu bleiben. Für die Bemessung der Strafhöhe gelten nur die §§ 27b, 27c. Vgl. E 64 207. — Von Amts wegen zu prüfen: Bremen NJW 54 522. II. Frist- «der Ratenbewilligung im Urteil (E 60 16; 64 207. Vgl. auch 76 302). Gnadenweg unbenommen. Vgl. dazu Vorbem. I vor § 23. III. Nach dem Urteil kann: (Abs. 2) Dann gemäß StPO § 462. IV. Verfallklausel im Urteil unstatthaft. KG JW 30 665.

§ 28 a (1) Soweit die Geldstrafe nicht gezahlt wird, ist sie beizutreiben. (2) Der Versuch, die Geldstrafe beizutreiben, kann unterbleiben, wenn mit Sicherheit vorauszusehen ist, daß sie aus dem beweglichen Vermögen des Verurteilten nicht beigetrieben werden kann. Nach den Vorschriften über die Vollstreckung von Zivilurteilen: StPO § 463. Vgl. jedoch AV in DJ 37, 1760. Verwaltungsvorschriften: A V i n D J 37, 840; DJ 40, 1085.

§ 28b (1) Die Vollstreckungsbehörde kann dem Verurteilten gestatten, eine uneinbringliche Geldstrafe durch freie Arbeit zu tilgen. (2) Das Nähere regelt die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates. Soweit dies nicht geschieht, sind die obersten Landesbehörden ermächtigt, das Nähere zu regeln. Bundesrechtliche Regelungen stehen noch aus und sind auch nicht zu erwarten, (vgl. Dreher-Maaßen zu §28b), so daß die Bestimmung praktisch bedeutungslos ist. §29 (1) An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt bei Verbrechen und Vergehen Gefängnis oder, wenn neben der Geldstrafe auf Zuchthaus erkannt

Strafen § 29

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wird, Zuchthaus, bei Übertretungen Halt. Auch bei Vergehen kann die Geldstrafe in Hatt umgewandelt werden, wenn Geldstrafe allein oder an erster Stelle «der wahlweise neben Haft angedroht ist. (2) Die Dauer der Ersatzstrafe ist mindestens ein Tag und bei Gefängnis und Zuchthaus höchstens ein Jahr, bei Haft höchstens sechs Wochen. Ist neben der Geldstrafe wahlweise Freiheitsstrafe von geringerer Höhe angedroht, so darf die Ersatzstrafe deren Höchstmaß nicht übersteigen. Die Ersatzstrafe darf nur nach rollen Tagen bemessen werden. (3) Im übrigen richtet sich das Maß der Ersatzstrafe nach freiem Ermessen des Gerichts. (4) In den Fällen des § 27 b ist Ersatzstrafe die verwirkte Freiheitsstrafe. (6) Der Verurteilte kann die Vollstreckung der Ersatzstrafe jederzeit dadurch abwenden, daß er den noch zu zahlenden Betrag der Geldstrafe entrichtet. (6) Kann die Geldstrafe ohne Verschulden des Verurteilten nicht eingebracht werden, so kann das Gericht anordnen, daß die Vollstreckung der Ersatzstrafe unterbleibt. § 462 der Strafprozeßordnung findet Anwendung. I. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist schon im Urteil auszusprechen und festzusetzen. Ist dies unterblieben, dann gemäß StPO § 459 nachträglich. — Pestsetzung einer EFrStr. auch dann erforderlich, wenn Geldstrafe durch Untersuchungshaft für getilgt erklärt wird: so jetzt (gegen E 63 333, 68 1) H R R 38 1441, DB 39 233, E 73 177. - Bei teilweiser Nichtbeitreibbarkeit: E 11 132, 54 24, Hamburg HESt. 1 31 (quotenmäßige Umwandlung). II. Die Strafvorschrift, der die Strafe zu entnehmen ist, muß also im zweiten Fall des Abs. 1 S. 1 wegen derselben Handlung Zuchthaus und zugleich Geldstrafe androhen. Vgl. E 62 125, 67 99, BGH MDR 52 657; aber auch RG DR 44 722 (betr. § 73). — Zu S. 2: Bei Beleidigung ist zu erörtern, ob Haft als EFrStr. ausreicht: Celle NdsRpfl. 53 230. — Bei Gesamtzuchthausstrafen E 62 126, 186; 67 99, J W 38 2467: Ersatzfreiheitsstrafe bleibt gegebenenfalls Gefängnis. Dagegen E 77 326, 328: Zuchthaus. Der älteren Rspr. folgen der 3. u. 5. Sen. des BGH (s. Dreher JZ 54,542), der neueren der 1. in BGHSt. 3 41. Aber der Umwandlungszweck des § 74 I I (s. dort) trifft hier nicht zu. Der Zweck der Ersatzstrafe ist nur, den Ernst der Strafdrohung zu sichern. III. Zu Abs. 2: Für jede E i n z e l t a t , E 56 68, 58 384. Jedoch darf die Ersatzstrafe nicht die wahlweise angedrohte g e r i n g e r e ges. H ö c h s t s t r a f e überschreiten: E 11 132. Vgl. ferner Abs. 4. Für G e s a m t s t r a f e n vgl. §78, dazu E 38 1,51 176. § 78 Abs. 2, nicht § 29 Abs. 2 gilt auch für Freiheitsstrafen, die an die Stelle von Wertersatzstrafen treten, wenn sie mit Ersatzfreiheitsstrafen aus Geldstrafe zusammentreffen. BGHSt. 7 291. Vgl. § 27 Anm. I. IV. Zu Abs. 3: „Freies" Ermessen bedeutet lediglich Befreiung von starren Regeln, nicht dagegen von den Strafzwecken. Z. B. dürfen günstige wirtschaftliche Verhältnisse des Täters nicht zu einer höheren Ersatzfreiheitsstrafe führen (vgl. Köln NJW 53 1726 Lts.). — Revisionsgrund, wenn die Gründe nicht erkennen

Strafen §§ 30—32

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lassen, daß sich der Richter der Wahlmöglichkeit bewußt gewesen ist: Celle VRS 7 454. V. Urteilsformel. Die Angabe des Umrechnungssatzes genügt: Hamburg HESt. 1 239 gegen E 60 245. VI. Zu Abs. 6. Widerruflicher Strafaufschub, nicht Strafverzicht (ebenso Schönke-Schröder IV 2, Jagusch L K 10). Eng auszulegen. Bloße Zahlungsunfähigkeit genügt nicht: Hamm J Z 51 518 (Härtung). Maßnahmen der Strafvollstreckung, nicht des Gnadenrechts: LG Kassel N J W 54 325 mit abl. Anm. Leise; a. A. auch Jagusch a. a. O. — Beschlüsse über Anträge gem. Abs. 6 sind beschränkter mat. Rechtskraft fähig: BayObLG N J W 55 1644. § 3 0 In den Nachlaß kann eine Geldstrafe nur dann vollstreckt werden, wenn das Urteil bei Lebzeiten des Verurteilten rechtskräftig geworden war. I. Schrifttum: W e b e r , Die Vollstreckung von Vermögensstrafen in den Nachlaß (1900). II. Der Tod des Täters ist ein persönlicher Strafaufhebungsgrund. Die Vollstreckbarkeit in den Nachlaß widerspricht der heutigen Auffassung der Geldstrafe (oben § 27 Anm. I, vgl. Schönke-Schröder I, LK 1). Rechtsverwirkungen

bei

Zuchthausstrafe § 3 1

(1) Die Verurteilung zur Zuchthausstrafe hat die dauernde Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter von Rechts wegen zur Folge. (2) Unter öffentlichen Ämtern im Sinne dieses Strafgesetzes sind die Anwaltschaft und das Notariat sowie der Geschworenen- und Schöffendienst mitbegriffen. I. öffentliche Ämter: Diejenigen Stellungen, vermöge deren jemand als Organ der Staatsgewalt erscheint: „durch die Übertragung von Dienstverrichtungen, die aus der Staatsgewalt abzuleiten sind und staatlichen Zwecken dienen": E 62 26; vgl. auch E 36 434, 39 204. Auch Gemeindevertretung: OVG Münster DVB1.51420. II. Von Rechts wegen: Ohne daß darauf besonders zu erkennen wäre. Gegensatz: §§ 32 ff. Aberkennung a)

der bürgerlichen

Ehrenrechte

Voraussetzungen § 3 2

(1) Neben der Zuchthausstrafe kann auf den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden, neben der Gefängnisstrafe nur, wenn die Dauer der erkannten Strafe drei Monate erreicht und entweder das Gesetz den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ausdrücklich zuläßt oder

Strafen § 33

113

die Gefängnisstrafe wegen Annahme mildernder Umstände an Stelle von Zuchthausstrafe ausgesprochen wird. (2) Die Sauer dieses Verlustes beträgt bei zeitiger Zuchthausstrafe mindestens zwei und höchstens zehn Jahre, bei Gefängnisstrafe mindestens ein Jahr und höchstens fünf Jahre. I. Kann. Aber nicht nur bei ehrlosem Handeln, arg. § 161: BGHSt. 5 198 (Fall blinden Gehorsams). In den Fällen der §§ 154 und 155 (161), 181, 302d und e m u ß auf Verlust erkannt werden: Zulässig auch gegen Ausländer: BGH N J W 52 234. Bei J u g e n d l i c h e n ist nicht auf Verlust zu erkennen, § 6 J G G ; bei H e r a n w a c h s e n d e n nie obligatorisch, § 106 Abs. 2 JGG. Über die Zulässigkeit bei Versuch, Beihilfe, Zusammentreffen strafbarer Handlungen s. §§ 45, 49, 73, 74, 76. — Da bei allen „Verbrechen" Aberkennung der Ehrenrechte „zulässig" ist, kann darauf auch bei V e r s u c h und bei B e i h i l f e erkannt werden, falls nach § 44 IV Zuchthaus in Gefängnis (von mindestens drei Monaten) umgerechnet wird. E 60 126. Prüfungs- und Erörterungspflicht, wenn Aberkennung nahelag: BGH LM Nr. 2 zu §267 I I I StPO. Begründungszwang: H R R 37 602. — Über die geplante AbSchaffung der Ehrenstrafen als solcher vgl. Bericht ZStW 67, 229 ff. II. An Stelle. Nicht aber, wenn die ordentliche Strafe wahlweise Zuchthaus o d e r Gefängnis ist: E 25 408, 70 220. Auch nicht bei minder schweren Fällen (§ 218 Abs. 3): BGHSt. 4 230. III. Bei lebenslangem Zuchthaus dauernder Ehrverlust: Rechtspr. 9 175. Zeitiger hier nicht zulässig: BGHSt. 5 207. — Die Grenze bei zeitiger Zuchthausstrafe gilt auch bei Gesamtstrafe: E 68 176. h) Wirkungen der Aberkennung

(dauernd) § 3 3

Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bewirkt den dauernden Verlust der aus öffentlichen Wahlen für den Verurteilten hervorgegangenen Rechte, ingleichen den dauernden Verlust der öffentlichen Ämter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen. I. Ergänzend insbes.: PreßG § 8; GVG § 175; BGB § 1781; HGB § 81; ZPO § 1032; GewO §§ 53, 93a, 106, 126; StrTiG § 3; § 34 der l.AVO v.19. 5. 38 zum Personenstandsges. v. 3 . 1 1 . 3 7 ; §2237 BGB; §§ 48ff. BBG. II. Öffentliche Wahlen: Wahlen in öffentlichen Angelegenheiten. Vgl. § 108 d. E 22 337; 41121; 64 303. Auch in kirchlichen A„ soweit öff.-r. Korporation, GA 54 292. III. Öffentliche Ämter: Vgl. § 31 Abs. 2 und Anm. I. IV. Zu den öffentlichen Würden gehören auch die akademischen Grade, soweit unter staatlicher Anerkennung verliehen, z. B. der Doktorgrad, auch Ehrenbürgerrechte. — A u s l ä n d i s c h e Ämter, Würden, Titel usw. werden hiervon nicht betroffen, L K 3; Schönke-Schröder I I 3. A. Ä. Frank § 34 I I 2. Die Statusminderung muß hier auf dem Verwaltungswege erfolgen. V. Vollstreckung gem. § 41 StrafvollstreckungsO. 8

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

114

Strafen §§ 34—36

c) Wirhungen der Aberkennung (vorübergehend) § 34 Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bewirkt ferner die Unfähigkeit, während der im Urteile bestimmten Zeit 1. öffentliche Ämter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen zu erlangen; 2. in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen, zu wählen oder gewählt zu werden oder andere politische Bechte auszuüben; 3. Zeuge bei Aufnahme von Urkunden zu sein; 4. Vormund, Gegenvormund, Pfleger, Beistand der Mutter oder Mitglied eines Familienrats zu sein, es sei denn, daß es sich um Verwandte absteigender Linie handele und das Vormundschaftsgericht oder der Familienrat die Genehmigung erteile. I. Öffentliche Ämter: Vgl. § 31 Anm. I ; Würden: § 33 Anm. IV. — öffentliche Angelegenheiten: wie in § 31 zu verstehen, E 41 128. II. Die Nr. 3 ist jetzt gegenstandslos, da die Gültigkeit der Urkunde von dem Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte nicht mehr abhängt. Vgl. EGG § 173: „soll". Entsprechendes gilt f ü r Nr. 4; vgl. BGB §§ 1781, 1897 sowie E 45 309. Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter §35 (1) Neben einer Gefängnisstrafe, mit welcher die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt hätte verbunden werden können, kann auf die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter auf die Bauer von einem bis zu fünf Jahren erkannt werden. (2) Die Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter hat den dauernden Verlust der bekleideten Ämter von Rechts wegen zur Folge. I. § 35 ermöglicht es, unter den Voraussetzungen des § 32 (E 30 159) statt aller nur bestimmte Ehrenrechte abzuerkennen. Die Amtsunfähigkeit des § 35 tritt also s t a t t , nicht neben der Aberkennung der b. E. ein: E 21 264. Sie ist Nebenstrafe und unterliegt als solche den allg. Strafzwecken: BGH MDR 56 9 (Daliinger). II. Zu unterscheiden hiervon: Amtsunfähigkeit als Nebenstrafe in §§ 85, 98, 101, 128, 358; nach §§ 128, 358 auch neben geringerer Gefängnisstrafe zulässig. Hauptgrund hier Unzuverlässigkeit, nicht Ehrenminderung. HI. Gegen Jugendliche darf nicht auf Amtsunfähigkeit erkannt werden: § 6 JGG. d) Berechnung der Frist § 3 6 (1) Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte und der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam.

Strafen § 38

115

Ihre Dauer wird yon dem Tage ab berechnet, an dem die Freiheitsstrafe, neben der die Aberkennung ausgesprochen wurde, verbüßt, verjährt oder erlassen ist. Ist neben der Strafe eine mit Freiheitsentziehung verbundene Maßregel der Sicherung und Besserung angeordnet worden, so wird die Frist erst von dem Tage ab berechnet, an dem auch die Maßregel erledigt ist. (2) Ist nach Ablauf einer Probezeit dem Verurteilten die Strafe ganz oder teilweise erlassen worden oder eine mit Freiheitsentziehung verbundene Maßregel der Sicherung und Besserung erledigt, so wird die Probezeit auf die Frist angerechnet. I. Neufassung durch G v. 24. November 1933 Art. III Nr. 2. Neu ist Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2. Der letztere ist eine Legalisierung der bisher bestr. E 63 177. II. Der Sinn des § 36 ist, daß die Strafzeit der Frist der §§ 32ff. h i n z u g e r e c h n e t wird: E 67 96. H a u p t s t r a f e maßgebend: E 68 181. Bei m e h r f a c h e m Ehrverlust laufen die Fristen s e l b s t ä n d i g : RG J W 3 7 2643. Auch bei selbständiger Nebenstrafe, etwa nach § 98, Fristberechnung gem. § 36 1 2 : BGHSt. 8 66. § 37 betraf Ehrverlust bei Auslandsstrafe. Er ist durch die VO v. 6. Mai 1940 (vgl. zu §§ 3 ff.) gestrichen worden. Polizeiaufsicht

§38 (1) Neben einer Freiheitsstrafe kann in den durch das Gesetz vorgesehenen Fällen auf die Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. (2) Die höhere Landespolizeibehörde erhält durch ein solches Erkenntnis die Befugnis, nach Anhörung der Gefängnisverwaltung den Verurteilten auf die Zeit von höchstens fünf Jahren unter Polizeiaufsicht zu stellen. (3) Diese Zeit wird von dem Tage berechnet, an welchem die Freiheitsstrafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist. I. Wesen. Nach E 17 193 ist die Polizeiaufsicht „ S t r a f e " . Bichtiger wohl die in Lpz. Komm, zu § 38 angeführte nicht veröffentlichte Entsch. des RG v. 2. II. 28, 11 J 121/26, wonach es sich um eine p o l i z e i l i c h e V o r b e u g u n g s m a ß r e g e l handelt. Vgl. auch vor § 13. H. Vom Gesetz vorgesehen in §§ 85, 98,101,115 II, 116 II, 122, 125 II, 146, 147, 180, 181a, 184, 248, 256, 262, 325; aber nicht neben Gef. bei mild. Umst., wenn nur neben Zuchth. vorgesehen: E 38 215 u. 353. Siehe hinsichtlich Versuch § 45, dazu E 11 158; 16 400, aber auch LK 3a; Beihilfe § 49; Jugendliche JGG § 6. Realkonkurrenz § 76 (unzulässig). Schon die E i n s a t z s t r a f e muß ggfalls (z. B. bei § 248) auf Zuchthaus lauten: E 11 158; 38 353. HI. Höhere Landespolizeibehörde: die LPB des Bezirks bzw. Landes, in dem der Verurteilte Wohnsitz oder Aufenthalt hat oder nach Verbüßung der Strafe nimmt. Vgl. AV in D J 37, 1800. IV. Anhörung der Gef.Verw. obligatorisch, außer in den Fällen mangelnder Vollstreckung infolge Verjährung oder Begnadigung.

116 Wirkungen der

Strafen §§ 89, 40 Polizeiaufsicht § 3 9

Die Polizeiaufsicht hat folgende Wirkungen: 1. dem Verurteilten kann der Aufenthalt an einzelnen bestimmten Orten von der höheren Landespolizeibehörde untersagt werden; 2. • . (weggefallen) 3. Haussuchungen unterliegen keiner Beschränkung hinsichtlich der Zeit, zu welcher sie stattfinden dürfen. I. Zuwiderhandlung gegen die auferlegten Beschränkungen nach § 361, 1 strafbar. II. Bestimmte Orte: Ortschaften oder Räumlichkeiten. III. Nr. 2 betraf Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet. Vgl. jetzt Ausl.-PolVO v. 22. 8. 38. IV. Wegen Haussuchung und Untersuchungshaft vgl. StPO §§ 103 — 106, 113. [39 a war durch Art. I Ziff. 4 d. Ges. v. 26. 5. 1933 (RGBl. I 295) eingefügt, wurde aber durch Art. 3 Ziff. 3 d. Ges. v. 24. 11. 1933 (RGBl. I 995] wieder gestrichen.] Einziehung der producta und instrumenta

sceleris

§ 40 (1) Gegenstände, welche durch ein vorsätzliches Verbrechen oder Vergehen hervorgebracht, oder welche zur Begehung eines vorsätzlichen Verbrechens oder Vergehens gebraucht oder bestimmt sind, können, sofern sie dem Täter oder einem Teilnehmer gehören, eingezogen werden. (2) Die Einziehung ist im Urteile auszusprechen. I. Rechtsnatur — ob Strafe, ob Sicherungsmaßnahme — wichtig f ü r Rückwirkung, Begnadigung und Amnestie sowie bei Verjährung. I n diesen Fällen ist sie als Strafe unzulässig (E 50 386, 392, 58 124; vgl. auch E 75 252), als Maßnahme dagegen zulässig (E 67 215, H R R 42 46). Für Idealkonkurrenz ist die Frage seit GSSt. in E 73 148 bedeutungslos (Anm. I I I zu § 73). — Nach herrschender Ansicht ist die Einziehung 1. Strafe, wenn nach der betr. Bestimmung nur Eigentum des Täters eingezogen werden kann (über den Fall des Eigentumsvorbehalts vgl. BGHSt. 8 70). Und zwar N e b e n s t r a f e , d . h . alle Strafzwecke sind abzuwägen (BGHSt. 10 338); ferner: nur zulässig, wenn der Eigentümer wegen der T a t auch zu einer Hauptstrafe verurteilt ist; es sei denn, daß seine Verurteilung i. S. des §42 „nicht ausführbar" ist. So BGHSt. 2 337 für § 40. — Dagegen 2. Sichcrungsmaßnahme in den §§ 86, 98, 101, 152, 284b Satz 2, 295, 296a, 360, 367, 369; E 46 131, 53 124, 67 215. Vgl. ferner E 69 388; Freiburg DRZ 49 140, Köln SJZ 50 218. — 3. In der neueren Gesetzgebung zeichnet sich ein Z w i s c h e n g e b i e t zwischen beiden Gruppen ab: (entschädigungslose) Einziehung gegenüber einem Dritten nur, wenn er in v o r w e r f b a r e r W e i s e entweder mit der Tat selbst in V e r b i n d u n g steht oder aus ihr G e w i n n gezogen hat. Vgl. §§ 86, 98 I I , 101 I I StGB, § 19 OWG; dazu BGH

Strafen § 40

117

N J W 541129. Das wird zur Auslegung der umstrittenen Fälle z.B. des §414 RAO heranzuziehen sein (vgl. z.B. H ä r t u n g N J W 49, 765.) — F ü r die verwandte Entziehung des Jagdscheins gem. § 62 I I RJagdGes. (jetzt: § 40 BJG) E 75 252: sie habe, jedenfalls vorwiegend und im wesentlichen, die B e d e u t u n g einer Nebenstrafe, bis zu einem gewissen Grade aber auch die W i r k u n g einer Maßregel der Sicherung. — Ist die Sache veräußert, so t r i t t nicht etwa der Erlös an ihre Stelle. E 66 85, 67 204. Vgl. Schönke-Schröder § 40 I I I 2. — Wegen Einziehung nach RAbgO und Devisengesetz vgl. E 69 388, 74 96; BGHSt. 4 344; nach Wirtschaftsstrafrecht B G H J R 54 387 (abl. Anm. Seewald). — Zur Einz. im Zoll- und Verbrauchssteuerrecht Fuchs GA 1954, 43ff., 77ff. — Über Beschlagnahme von Gegenständen, die der Einziehung unterliegen, vgl. StPO §§ 98ff. Dazu BGHSt. 8 46 (betr. Notverkauf gem. § 101a StPO). — H ä r t e n gegenüber E i n z i e h u n g s i n t e r e s s e n t e n in B G H MDR 58 270 u. 373 (dazu Dallinger 270; vgl. Zeidler N J W 54, 1148, Creifelds J R 55, 403, auch de lege fer.). II. Gegenstände: Körperliche Sachen; nicht Rechte. E 57 232. BGHSt. 2 337 betr. Miteigentumsanteil. Anders Köln N J W 51 612, vgl. Dallinger MDR 51, 657. Wohl aber Forderungen im Devisenstrafverfahren (WiStG 1952 §39, OWG §§ 17ff.): BGHSt. 9 184. Einziehung eines „Wertes" in § 335. — Surrogate: §§ 86 1 2, 98 I I , 101 I I . III. Nicht einziehungsfähig das strafbar Erworbene (die gestohlene, geschmuggelte Sache; das durch Betrug Erlangte, das gehortete Geld. E 25 165, 48 33, 54 223, 70 92, 75 334 ( = Z A K 4 2 79 m. Anm. Schönke); aber auch E 75 336. Nicht der nach Entzug des Führerscheins benutzte Kraftwagen: BGHSt. 10 28 wie schon F r a n k f u r t N J W 54 652, Karlsruhe VRS 9 459 (abl. Hoffmann-Walldorf S. 1147); das f ü r die Rauschtat gebrauchte Werkzeug: Braunschweig N J W 54 1052. Die Handlungsobjekte: Nachweise bei F r a n k f u r t a. a. O. Vgl. auch StPO § 111. IV. Zur Begehung gebraucht sind auch die Hilfsmittel, mit denen der Täter die Beute der S t r a f t a t v o m T a t o r t f o r t g e s c h a f f t h a t : E 12 305, 73 104 und 106; B G H N J W 52 892. Auch der zur F a h r e r f l u c h t benutzte Wagen: BGHSt. 10 338. Desgl. der nur zur V o r b e r e i t u n g benutzte: BGHSt. 8 205, 212ff. unter Aufgabe von E 59 250; vgl. zu Anm. V. V. Mindestens bei einem Versuch mußte nach R G der Gegenstand benutzt worden sein. E 44 141, 67 12, 68 42. Nach E 27 243, 36 147, 49 210 auch bei straflosem Versuch, weil auch hier „zur Begehung b e s t i m m t " ; rechtsstaatlich nicht vertretbar. Vgl. L K I I 1, Schönke-Schröder I I . BGHSt. 8 205 (212), zweifelnd noch N J W 55 1327, läßt Benutzung bei Vorbereitung genügen, w e n n es zum strafbaren Versuch kommt (gegen E 59 250). VI. Kann. Daher Urteilsformel „war . . . einzuziehen" fehlerhaft: B G H MDR 51 657 (betr. § 39 WiStG). - Obligatorische Einziehung in den §§ 152, 245a I I I , 284b, 295, 296a und in vielen Nebengesetzen. VII. Eigentum des Täters oder Teilnehmers. Von dieser Voraussetzung sehen a b : §§ 86, 98 Abs. 2, 101 Abs. 2 (bei politischen Delikten, dazu BGHSt. 8 165), 152 (Falschgeld und Falschmünzerwerkzeug), 245a (Diebeswerkzeug), 284b (Spielgeld und Spieleinrichtungen), 295, 296a (Wilderergerät usw.), 360, 367: hier überall können (u. U. müssen) auch Sachen eingezogen werden, die einem anderen gehören. — Maßgebend f ü r die Eigentumsfrage ist die Z e i t d e s U r t e i l s : E 67 204,

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Strafen § 4 1

H R R 36, 156; im Fall des §42, wenn der Täter vor dem Urteil gestorben, Eigentum bis zu seinem Tode: E 53 181. — Hehler kein Teilnehmer, so H a m m J Z 52 39; Bedenken in Anm. Härtung. VIEL Die Rechts Wirkung ist streitig. Von der Annahme aus, daß Eigentum zur Zeit des Urteils erforderlich ist, ist Eigentumsübergang auf den Fiskus mit Rechtskraft des Urteils, zurückbezogen auf den Tag der Urteilsfällung, anzunehmen. Nicht hierher gehören StPO § 463 und ZPO §§ 265, 325 (str.). — Vgl. hierzu E 21 54, 53 183, 66 87 (wie hier). IX. Prozessuales. V e r b o t d e r S c h l e c h t e r s t e l l u n g , soweit überwiegend Strafcharakter: E 67 215 mit Übersicht; BGHSt. 5 168 (178). Unbrauchbarmachung § 4 1 (1) Wenn der Inhalt einer Schrift, Abbildung oder Darstellung strafbar ist, so ist im Urteile auszusprechen, daß alle Exemplare sowie die zu ihrer Herstellung bestimmten Platten und Formen unbrauchbar zu machen sind. (2) Diese Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf die im Besitze des Verfassers, Druckers, Herausgebers, Verlegers oder Buchhändlers befindlichen und auf die öffentlich ausgelegten oder öffentlich angebotenen Exemplare. (3) Ist nur ein Teil der Schrift, Abbildung oder Darstellung strafbar, so ist, insofern eine Ausscheidung möglich ist, auszusprechen, daß nur die strafbaren Stellen und derjenige Teil der Platten und Formen, auf welchem sich diese Stellen befinden, unbrauchbar zu machen sind. I. Rechtsnatur: Nicht Strafe, sondern polizeiliche Sicherungsmaßregel, da sie auch Unbeteiligte trifft. E 67 215 (218); BGH MDR 53 721, BGHSt. 5 178. Vgl. Anm. zu § 40 und Vorbem. vor § 13. E 14 161 gegen 17 311. — Verbindung der Maßregeln §§ 40 und 41: E 17 311, 36 145. Alternative aber in §§ 86, 98, 101. II. Strafbarer Inhalt. Voraussetzung der U. ist Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit des I n h a l t s , also der Gedankenäußerung. Über Einzelheiten E 66 147. Die Verletzung preß- oder gewerberechtlicher Formvorschriften genügt nicht: E 15 118. Unrichtig LG München N J W 53 716 (abl. Anm. Schmidt-Leichner). Verschulden nicht erforderlich: E 36 145, 61 293. Auch die Tatbestände von fahrl. Straftaten kommen hier in Betracht, auch Übertretungen. Daß mit der Herstellung eine Straftat begangen ist (z. B. nach Preßgesetz §§ 6—19), kann zwar ihre vorläufige Beschlagnahme (nach § 98 StPO oder § 23 PreßG), nicht aber ihre Unbrauchbarmachung begründen. Bloße strafbare H e r s t e l l u n g genügt ausnahmsweise z. B. nach §§ 42 ff. LitUrhG v. 19. 6. 01 (Fassung v. 22. 5. 10). IH. Schrift usw. nicht auf Erzeugnisse der Druckerpresse beschränkt (E 38 345, 47 223, 404: Grammophonplatten; dagegen 46 390). IV. Urteilsausspruch auch in den Fällen der §§ 199 und 233. Die einzuziehenden Gegenstände sind einzeln aufzuführen: RG J W 35 949; E 70 341; B G H MDR 54 529.

Strafen § 42

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V. Zu Abs. 2: öffentlich ausgelegt oder angeboten, wenn einem n i c h t g e s c h l o s s e n e n K r e i s zugänglich gemacht; gleichgültig, ob Kenntnisnahme. Verteilung von Flugblättern an Straßenpassanten. BGH MDR 53 721. Oder an ö f f e n t l i c h e m O r t . Vgl. E 73 90. S. a. § 110 Anm. 1. — Besitz: nach herrschender Ansicht auch mittelbarer Besitz. VI. Zu Abs. 3 vgl. PreßG § 14 und die Urheberrechtsgesetze. Dazu E 4 29, 87; J W 03 209 betr. Ausscheidbarkeit. Objektives Verfahren § 4 2 Ist in den Fällen der §§ 40 und 41 die Verfolgung oder die Verurteilung einer bestimmten Person nicht ausführbar, so können die daselbst vorgeschriebenen Maßnahmen selbständig erkannt werden. I. Vgl. § 152; StPO §§ 4 3 0 - 4 3 2 ; PreßG § 14. — Nicht „Strafprozeß", sondern selbständiges Verfahren, E 44 279, 50 391, daher auch bei verjährten, amnestierten Taten zulässig, nicht jedoch bei fehlendem Strafantrag (E 11 119); bestr. Da § 42 am Wesen der Einz. und U. nichts ändert (E 53 126, ebenfalls bestr.), ist aber gegebenenfalls auf die Strafnatur der Einz. (oben § 40 Anm. I) Bedacht zu nehmen; vgl. unten zu I I . Alle Voraussetzungen entweder des §40 oder des §41 müssen gegeben sein: i. F. des § 40 Eigentum dessen, der vorsätzlich und rechtswidrig als Täter oder Teilnehmer s t r a f b a r sein würde, falls seine „Verurteilung a u s f ü h r b a r " wäre, andernfalls kein Übergang in das objektive Verfahren möglich: E 66 419, BGH MDR 53 721; i . F . des §41 „Strafbarkeit des Inhalts", über welche Voraussetzung freilich Streit herrscht (E 30 194, 38 100, 53 81, 57 3 begnügen sich mit objektiver Tatbestandsverwirklichung, soweit die Maßregel nicht „Strafe" sei; ebenso jetzt BGH MDR 53 721 [ohne Einschränkung]). II. Verfolgung oder Verurteilung nicht ausführbar: D. h. die Tat ist an sich „strafbar" (Anm. I), die Verfolgung aber kann aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen (E 44 279) nicht bis zur Verurteilung durchgeführt werden, z. B. wegen Todes (E 74 41: auch dann, wenn Einz. Nebenstrafe, insoweit aber durchgreifende Bedenken bei Jagusch LK I I 2a), Unerreichbarkeit, Verhandlungsunfähigkeit des Schuldigen, Amnestie (E 69 367), Verjährung (E 44 315); vgl. aber auch hier L K I I 2a. In jedem Stadium des Verf. nachzuprüfen: Hamm N J W 53 1683. HI. Ist die Maßregel obligatorisch vorgeschrieben (§ 40 Anm. VT, § 41), so bleibt sie es auch hier. Vgl. E 28 122 und 66 434, BGHSt. 2 32. IV. Die Maßnahmen der §§ 40, 41 können auch nebeneinander durchgeführt werden. Vgl. oben § 41 Anm. I und E 36 145.

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Maßregeln der Sicherung und Besserung Vorbemerkungen Abschnitt l a

Maßregeln der Sicherung und Besserung Vorbemerkungen I. Entstehung. Der Abschnitt ist, zusammen mit den §§ 20a und 245a, eingefügt durch das RGes. v. 24.11. 33 „gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung" (RGBl. I 995). Zur Vorgeschichte s. 39/40. Aufl., zum künftigen Recht ZStW 66, 572, Bundesanz. Nr. 42 v. 29. 2. 56, Röhl JZ 55, 145. Schrifttum s. vor § 13, 20a und den einzelnen Best, dieses Abschnitts. II. Zweck. Die „Maßregeln" sollen nicht, wie die Strafe, begangenes Unrecht sühnen, sondern anläßlich solchen Unrechts einen in der Zukunft liegenden Zweck verfolgen, nämlich einerseits die A l l g e m e i n h e i t s c h ü t z e n (Heil- und Pflegeanstalt und Verwahrungsanstalt: „wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert"; Untersagung der Berufsausübung: „um die Allgemeinheit vor weiterer Gefährdung zu schützen"; Entziehung der Fahrerlaubnis); andererseits den Täter in die Volksgemeinschaft w i e d e r e i n g l i e d e r n (Trinkerheilanstalt, Entziehungsanstalt, Arbeitshaus: um ihn „an ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben zu gewöhnen"). Aber: auch mit der Sicherungsmaßregel können im Einzelfalle Besserungszwecke verfolgt werden (E 73154) betr.Sicherungsverwahrung,untenAnm. I vor 1 zu §42e und umgekehrt (Arbeitshaus, unten Anm. I I zu § 42 d). Betr. Heil- oder Pflegeanstalt vgl. unten §42b Anm. A l l 3a. E. — K e i n e a l l g e m e i n e A b s t u f u n g n a c h R a n g o d e r S c h w e r e , unten § 42n Anm. I ; vgl. insbes. BGHSt. 5 312 betr. § 42b und e, im Anschluß an Bruns ZStW60,490, Rietzsch DJ 38,189; aber auch E 73 47, 101 betr. Vorrang des § 42 c vor § 42 e. III. System. Dem StGB liegt das System eines strengen Dualismus zugrunde: „Strafen" und „Maßregeln" haben, mindestens ideell, eine verschiedene Bedeutung: Sühne begangenen Unrechts auf der einen, Verhütung von Gefahren auf der anderen Seite. Die Strafe ist stets auch wertend in die Vergangenheit, die Maßregel ausschließlich zweckbedingt in die Zukunft gerichtet. Entfällt der Präventionszweck nachträglich, so entfällt auch sie: § 42f Abs. 4, § 42 1 Abs. 4, § 42m Abs. 4. Strafe und Maßregel können sich deshalb nicht ohne weiteres gegenseitig ersetzen. Auch die Reihenfolge des Vollzugs ist bei SichVerw. und ArbHaus durch diesen Gegensatz bestimmt: zuerst ist die Strafe zu vollziehen. Die Maßregel braucht nicht, wie die Strafe, ihrer Schwere nach der begangenen Tat zu entsprechen; denn sie wird nicht „ f ü r " die Tat verhängt, sondern durch diese nur ausgelöst. Wohl aber muß sie „dem Täter", d. h. dem kriminologischen Befund seiner Persönlichkeit entsprechen. Vgl. die in Vorbem. A II, IV 5 vor § 13 behandelte Kontroverse. Bei Zweifeln, welche Maßregel erforderlich sei, gilt nicht der Satz: in dubio pro reo (unten Anm. I zu § 42 n). Die Anordnung einer Maßregel ist im Gegensatz zur Bestrafung grundsätzlich rechtsethisch wertfrei; die Anordnung der Unterbringung gem. § 42b ist keine Verurteilung i. S. des § 20a (DJ 39 479). Vgl. aber auch E 72 353. Der Dualismus ist heute gelockert. 1. Im J u g e n d s t r a f r e c h t herrscht das e i n s p u r i g e System, indem die unbestimmte Strafe alle Strafrechtszwecke übernimmt (Vorb. C vor § 13). — 2. In den neuen §§ 23ff. einerseits, § 42f andererseits hat die Rspr. Ansätze einer g e g e n s e i t i g e n V e r t r e t u n g von Strafe und Maßregel geschaffen; näheres unten §42f Anm. II. (Das auf diesem Prinzip des „Vikariierens" aufgebaute Schweizer Recht hat sich seinerseits weitgehend zu einer Er-

Maßregeln der Sicherung und Besserung Vorbemerkungen

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Setzung der Strafe durch die Maßregel entwickelt, so Frey, Reform, 1951.) — 3. P r o z e s s u a l wird die Lockerung einerseits durch § 456b StPO gefördert, der bei §§ 42 b und c den Vollzug der Maßr. vor dem der Str. gestattet, andererseits durch die Schwierigkeiten, zu denen hier der strenge Dualismus der §§ 20a, 42e führt: BGH MDR 54 149, dazu Dallinger a. a. 0 . unter Hinweis auf Erbs Anm. V zu § 358 StPO. — 4. Der V o l l z u g der Strafe ist jetzt bewußt auf den Erziehungszweck abgestellt. Auch darin liegt eine Annäherung an die Einspurigkeit. Bei alledem handelt es sich aber stets nur um die Frage der sachgemäßesten M i t t e l , nicht des Strafrechtszwecks. Dieser wird erst dann durch ein „einspuriges" System in Frage gestellt, wenn die spezifischen Aufgaben der Strafe (zu vergelten, zu sühnen) und die Orientierung am obersten Wert der Gerechtigkeit aufgegeben werden zugunsten einer wertfreien Bekämpfung sozialer Gefährlichkeit (Sowjetstrafrecht, ital. Entw. Ferri 1922, neue südamerik. Strafgesetzbücher und die Richtung der defense sociale, darüber Scharff ZStW 66, 490 ff). IV. Nicht an das eigentliche T a t strafrecht, sondern an die Ansätze des StGB zum Täterstrafrecht knüpft der Dualismus an. Andernfalls wäre die Einheit des Strafrechts gesprengt, da dann (Tat-)Strafe und Maßregel ganz verschiedene Gegenstände hätten. Die Maßregeln richten sich gegen Antisoziale, Asoziale, Anomale und Süchtige; sollen sie die Strafe e r g ä n z e n , so muß schon diese die „schädlichen Leute" als solche erfaßt und charakterisiert haben. Im einzelnen :§§ 42 b und c setzen nicht Taten von bestimmter Art und Schwäre, sondern Persönlichkeitstypen voraus, etwa den gefährlichen Psychopathen oder den Gewohnheitstrinker. Beispiel: D J 38 1424 (vgl. § 42b Anm. B 1 3 a. E.). Sehr aufschlußreich auch E 73 177 (181): Die Bestrafung der Volltrunkenheit will nicht nur die einzelne Rechtsverletzung, sondern auch — vom Gelegenheitstrinker abgesehen — die gefährliche Persönlichkeit des Rauschtäters als solche erfassen. In der Rauschtat kann die innere Wesensart des Täters und damit auch sein Hang zum Verbrechen (§20a) zumAusdruck kommen. Vgl. unten Anm. III zu §330a. —Die in § 42 d aufgeführten Übertretungen erfassen nicht Taten, sondern die Tätertypen des Landstreichers, Bettlers, Müßiggängers, Arbeitsscheuen, der Dirne und des Strichjungen; früher kamen auch Zuhälter (vgl. dazu jetzt E 73 183) und Spieler ins Arbeitshaus, womit die Reihe der Tätertypen asozialer Prägung vollständig wäre. — Darüber, daß § 42 e wesentlich nicht auf Einzeltaten, sondern auf den aktiven Antisozialen abstellt, oben I I zu § 20a. — Bei § 42 1 erscheint als tragender Gedanke nicht so sehr die einzelne Rechtsgutsverletzung als das Versagen des Täters in einer besonderen Pflichtenstellung (objektiv-täterschaftliche Elemente, vgl. Welzel in ZStW 58, 522). So treffen die Maßregeln regelmäßig mit ausgesprochenen Täterstrafen zusammen, Strafen also, die jenseits der Einzeltatschuld oder über sie hinaus, dem Grunde oder der Höhe nach durch eine Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Täters bestimmt oder zum mindesten durch eine solche charakterisiert werden (letzteres bei § 42e i. V. mit § 20a Abs. 2, falls die Strafe nicht geschärft wird). Die Zweispurigkeit ist damit nicht aufgehoben, vielmehr zu einer „Dreispurigkeit" erweitert. Denn: beim Tatstrafrecht liegt der Schwerpunkt der richterlichen Beurteilung in der Vergangenheit, beim Täterstrafrecht in der Gegenwart, bei den Maßregeln in der Zukunft.

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Maßregeln der Sicherung und Besserung §§ 42 a, 42 b

V. Gegen Jugendliehe dürfen die Maßregeln des la-Abschnitta, mit Ausnahme der Unterbringung gem. § 42 b und des Entzugs der Fahrerlaubnis gem. § 42 m, nicht verhängt werden: § 7 JGG. — Für Heranwachsende ist, auch wenn das allg. Strafrecht anzuwenden ist, die SichVerw. niemals obligatorisch: § 106 Abs. 2 JGG. VI. Die Rückfallbestimmungen für Diebstahl, Raub, Hehlerei und Betrug sind unberührt. Hinzugekommen ist für Täter, die dem Verbrechen verfallen sind, die allgemeine Bestimmung des §20a; ihre Anwendung ist Voraussetzung der Sicherungsverwahrung. VII. Verfahrensrecht: Einstweilige Unterbringung (StPO §§126a, 207); notwendige Verteidigung für §§ 42b, e, 1 (§ 140); Vorermittlungen (§ 160); nicht in Abwesenheit zu verhängen (§233); Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts (§265); nicht im Privatklageverfahren (§384); nicht durch Strafbefehl (§407); Inhalt und Begründimg des Urteils (§§ 260, 267). — Verbot der Schlechterstellung auch für Maßr. außer §§42b, c: § 358 StPO (sonderbare Folge in E 69 14); vgl. Bruns, SM und Verschlechterungsverbot JZ 54, 730. Anders jedoch BGHSt. 5 168 betr. Einziehung des Führerscheins, weil pol. Vollzugsmaßnahme. Dazu oben § 40 Anm. IX. Bei d e r A b u r t e i l u n g der Straftat kann die Entscheidung über eine Nebenfolge („Maßregel" usw.) n i c h t v o r b e h a l t e n werden: E 68 383, BGHSt. 5 350. — Revisionsbeschränkung auf Maßregel: BGHSt. 7 101 (unten § 42e Anm. I I 1). — Wiederaufnahmegründe (§§359, 363, 371). — Besonderes S i c h e r u n g s v e r f a h r e n gegen Zurechnungsunfähige bei Nichtdurchführung des Strafverfahrens sowie nachträgliches Sicherungsverfahren wegen Auslandstaten (StPO §§ 429aff.). Übersicht

§ 42a

Maßregeln der Sicherung und Besserung sind: 1. die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, 2. die Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt, 3. die Unterbringung in einem Arbeitshaus, 4. die Sicherungsverwahrung, [5. betraf die Entmannung gefährlicher Sittlichkeitsverbrecher, gestrichen durch KRG Nr. 11.] 6. die Untersagung der Berufsausübung, 7. die Entziehung der Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen. Schrifttum: E i n e r , Erfahrungen mit den Maßregeln der S. u.B., die eine Freiheitsbeschränkung beinhalten (Ges. f. Dt. StrR 1939) und die dort ang. Lit. 1. Heil- und

Pflegeanstalt

§ 42b

(1) Hat jemand eine mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit (§ 51 Abs. 1, § 55 Abs. 1) oder der verminderten

Maßregeln der Sicherung und Besserung § 42 b

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Zurechnungsfähigkeit (§ 51 Abs. 2, § 55 Abs. 2) begangen, so ordnet das Gericht seine Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt an, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert. Dies gilt nicht bei Übertretungen. (2) Bei Termindert Zurechnungsfähigen tritt die Unterbringung neben die Strafe. Voraussetzungen, unter denen die gerichtliche Anordnung getroffen werden m u ß , die dann ihrerseits auch für die Unterbringungsbehörde b i n d e n d ist: A. Sachliche: I. Eine bestimmte Tat. 1. Es muß feststehen, daß der Unterzubringende sie begangen hat. 2. Die Tat muß eine „mit Strafe bedrohte Handlung" (ausgen. Übertretungen) sein, d. h. sämtliche Merkmale einer solchen an sich tragen: Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und die psychischen Voraussetzungen; mit Ausnahme eben der vollen Zurechnungsfähigkeit. Mit dieser entfällt die Grundlage für den sonst aus dem inneren Tatbestand abzuleitenden Schuldvorwurf. Als S c h u l d t y p e n dürfen Vorsatz und Fahrlässigkeit daher nicht gefordert werden. Aber h a n d e l n , und zwar „vorsätzlich" (i. S. von wollen und voraussehen) oder „fahrlässig" (i. S. von vorhersehenkönnen) kann auch ein Geisteskranker; und daß er so gehandelt habe, muß feststehen. Denn daß der Täter seinen Willen in Richtung auf einen bestimmten Erfolg (final) betätigt hat, bzw. daß der Erfolg für ihn vermeidbar gewesen ist, gehört zu den Merkmalen der Handlung und ihrer Tatbestandsmäßigkeit, ebenso die subjektiven Unrechtselemente einer bestimmten Absicht oder Tendenz. J W 85 532 u. 2368 (§308?, §309?, §368 Nr. 6?); DRZ 85 Nr. 363; E 71218; H R R 88 850. Die Beurteilung von Vorstellungsausfällen innerhalb eines tatbestandsmäßigen Verhaltens ist hier ebenfalls am Handlungs-, nicht am Schuldbegriff zu orientieren. Da das Gesetz den gefährlichen Geisteskranken unschädlich machen will, der krankheitsbedingte Irrtum aber gerade die Gefährlichkeit anzeigt, so kann sein Vorliegen § 42b nicht ausschließen. E 73 314; BGHSt. 3 287, 10 335 (mit Nachw.). Anders der verständliche Irrtum: er widerlegt den durch die Handlung nahegelegten Schluß auf die Gefährlichkeit des Kranken. — Die Handlung muß r e c h t s w i d r i g sein: steht dem Unzurechnungsfähigen § 193 zur Seite, so entfällt § 42b. H R R 38 40. — Die gleiche Frage nach dem inneren T a t b e s t a n d bei der Tat eines Unzurechnungsfähigen entsteht bei § 42 m; vgl. dort Anm. I I I , und bei § 330a; vgl. dort Anm. V I sowie I I 2 c zu § 59. — Kein sachlicher Unterschied ist es, wenn RG hier den „Vorsatz" leugnet und von „natürlichem Tatwillen" spricht (HRR 40 35 u. 177). Zweifelhaft ist, ob bei A n t r a g s d e l i k t e n die Zulässigkeit der Maßregel von der Antragstellung abhängig ist. In E 71 218 und 321 bejahte der 3. Senat dieses Erfordernis, während der 1. Senat in J W 37 2373 der gegenteiligen Ansicht zuneigte. Der Auffassung des 3. Senats in Verbindung mit seiner weiten Auslegung des „Antrages" (Anregung einer irgendwie gearteten Unterbringung genügt nach E 71 321 den Erfordernissen des Strafantrages) dürfte zuzustimmen sein, zumal die öffentliche Sicherheit die Unterbringung in derartigen Fällen in aller Regel nicht fordern wird; vgl. unten zu I I 4. Vgl. hierzu E 73 155 (mit Hinweis auf § 15 PrPol.VerwGes.); dagegen jetzt aber BGHSt. 5 140 (s. u. zu I I 4 sowie § 61 Anm. IV).

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3. Unzurechnungsfähigkeit bzw. verminderte Zurechnungsfähigkeit müssen f e s t s t e h e n . Bei Zweifel, ob etwa Simulant, ist zwar § 51 I I anwendbar, nicht aber § 42b. Vgl. E 70 127, auch BGHSt. 5 267 (dazu unten B I 3). II. Erforderlichkeit für die ölfentliehe Sicherheit. Vgl. E 69 12; H R R 35 759; Recht 35 4730; E 71 216. - D. h.: 1. Es müssen von dem Täter weitere Straftaten zu erwarten sein. Nur bestimmte ernstliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, nicht bloße Wiederholungsmöglichkeit genügt: E 73 303, D R 43 233. Vgl. § 4 2 e Anm. I 2. - Bei Unberechenbarkeit ist Unterbringung geboten: H R R 40 177. — Mit Recht einschränkend aber Tübingen D R Z 49 210. U . keineswegs schon deshalb gerechtfertigt, weil Handlungen gegen die Rechtsordnung zu erwarten. 2. Innerer Zusammenhang zwischen der Straftat und der Allgemeingefahr. Die Handlung selber braucht nicht besonders gefährlich oder schädlich gewesen zu sein; aber f ü r die Zukunft muß eine Gefahr f ü r die allgemeine Rechtssicherheit von diesem Täter drohen. B G H N J W 54 1734 (betont symptomatische Bedeutung der Tat). Dabei ist das g e s a m t e Verhalten des Täters zu berücksichtigen, auch länger zurückliegende strafbare Handlungen; die Grundsätze von § 2 0 a I I I sind hier nicht maßgebend. E 68 351, 69 12, 150, 242, J W 38 167. Ebenso BGHSt. 5 140, 143: Entscheidend f ü r die Gefährlichkeit in der Regel die G e i s t e s k r a n k h e i t und die sich aus ihr ergebende Prognose, n i c h t die beg. T a t (dort § 185, aber gef. Taten im Verfolgungswahn zu besorgen). Bei vorübergehender G e i s t e s s t ö r u n g eines an sich Gesunden, z. B. eines A l k o h o l s ü c h t i g e n § 42b nur, wenn die Sucht ihrerseits auf geistiger Erkrankung beruht: E 73 44, 179; B G H JZ 51 695. Vgl. aber auch BGHSt. 7 35: bei Alkoholsucht und gleichzeitiger Disposition zu krankhaftem Rausch § 42b zulässig. Ebenso mit Recht BGHSt. 10 57 bei pathologischem Rausch eines schweren Psychopathen, auch wenn dessen Veranlagung an sich keinen Krankheitswert h a t ; BGHSt. 10 353 bei nicht geistesgestörtem, aber haltlosem Rauschgiftsüchtigem, auch wenn z. Z. der Entsch. durch lange H a f t entwöhnt (im Anschluß an BGHSt. 7 35, N J W 57 429). 3. Die Allgemeingefahr darf nicht anders zu beseitigen sein. Gerade d i e s e Maßregel muß vielmehr nötig erscheinen. So genügt bei Rauschtaten nicht, d a ß der Rausch die Zurechnungsfähigkeit ausschloß. E r muß auf krankhafter Veranlagung beruhen. Andernfalls ist Trinkerheilanstalt u. U. angezeigt. E 73 44. — Zu prüfen ist namentlich auch, ob nicht schon die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers Wiederholung der Straftaten verhindern würde (so H R R 38 40 betr. beleidigende Eingaben, ähnlich B G H N J W 51 572, 724 u. 969). Im Falle des § 51 Abs. I I SV, wenn nur diese ausreicht: E 72 151. Durch freiwilligen Eintritt in Heil- oder Pflegeanstalt wird Anordnung der Unterbringung nicht in allen Fällen entbehrlich: vgl. einerseits J W 38 166, andererseits E 76 134, BGHSt. 12 50 (53): Unterbringung durch Vater oder Vormund, die sie jederzeit wieder aufheben können, reicht schon deshalb nicht aus. Auch nicht durch Unterbringung nach dem Bayerischen Verwahrungsges. v. 30. 4. 52: BGHSt. 7 61 (betr. Verf. nach §§429aff. StPO), da es z. T. gegenüber dem Bundesrecht nur hilfsweise in Betracht kommt. Wohl aber durch rechtskräftige U. nach dem nordrh.-westf. Unterbringungsges. v. 16. 10. 56, das solche Einschränkungen nicht k e n n t : BGHSt. 12 50. — Elterliche Überwachung, pol. Maßnahmen zu pr.: B G H MDR 51 403, K G N J W 53 195. Ambulante psychotherapeutische Behandlung eines schwachsinnigen Triebverbrechers? Be-

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denklich Stuttgart J Z 51 53, zust. Anm. Bader, dazu Celle SJZ 50 510 (Anm. Sieverts) einerseits, Freiburg D R Z 49 117 — H E S t . 1 243 andererseits betr. Vorrang des Heil- oder Sicherungsbedürfnisses. J e t z t BGHSt. 5 313 (gegen Freiburg, vgl. unten § 42 e Anm. I 2). 4. Die bloße Belästigung Dritter und die Störung des Lebenskreises eines einzelnen sind noch kein hinreichender Grund f ü r die Unterbringung: J W 37 2373 (betr. § 164); H R R 39 40, aber auch BGH bei LM Nr. 3. Gelegentliche kleine Diebstähle, bei denen der Täter infolge seiner Auffälligkeit regelmäßig alsbald entdeckt wird, genügen nicht: BGH N J W 55 837. Die Gefahr künftiger Angriffe auf die Ehre anderer reicht nur in besonderen Ausnahmefällen aus: H R R 37 1679. Vgl. jedoch andererseits E 71 321 sowie J W 38 2331 und 2732 betr. falsche Anschuldigungen und verleumderische Redereien, die das Vertrauen auf die Rechtspflege erschütterten; ebenso H R R 40 114. Anders der Fall BGHSt. 5140 (s. o. zu 12). — Vgl. auch hier Tübingen D R Z 49 210 (oben zu 1). B. Formelle: I. In einem ordentlichen Strafverfahren muß, wenn es zum Hauptverfahren kommt, 1. bei einem v e r m i n d e r t Z u r e c h n u n g s f ä h i g e n Verurteilung zu Strafe (§ 51 II) wegen der begangenen Handlung erfolgen (E 69 262 und J W 35 2732), kritisch dazu Gruhle MoKrim. StRRef. 53, 9. Nach BGHSt. 11 319 U. aber auch zulässig, wenn dem Strafausspruch nur das Verbot der ref. in peius entgegensteht. 2. bei einem Z u r e c h n u n g s u n f ä h i g e n Freisprechung erfolgen aus dem Grunde der Unzurechnungsfähigkeit; nicht etwa, weil es nicht feststehe, ob er die T a t begangen habe; oder weil er in Notwehr oder in einem schuldausschließenden verständlichen I r r t u m (dazu oben A I 2) gehandelt habe: hier würde nötigenfalls Unterbringung durch die Verwaltungsbehörde möglich sein. 3. F ü r das Strafverfahren vgl. GVG §§ 24, 25 (Einzelrichter!), StPO §§ 8 0 - 8 1 (dazu BGHSt. 8 76), 126aff.,140 I Nr. 3, 149, 246a,456a, b, 463a. Besteht Anlaß, § 42b zu prüfen, so ist Verteidiger zu bestellen: BGHSt. 4 320, und gem. § 246a S. 1 StPO Arzt zu vernehmen, der den Betroffenen vorher gem. § 246 a S. 2 zu untersuchen h a t : BGHSt. 9 1 ( = LM Nr. 2 zu § 246a StPO m. Anm. Jagusch). — Mehrfache Anordnung möglich: BayObLG J R 54 150. Auch wenn Ankl. u. EröffnBeschl. nur § 42 e anführen, ist gem. § 246 a StPO Arzt zuzuziehen, wenn zweifelhaft, ob SV oder Unterbringung. H R R 39 1211. Wenn die Unterbringung gegen einen Unzurechnungsfähigen an Stelle von Strafe ausgesprochen ist, kann die Revision auf die Anordnung der U. beschränkt werden, obwohl diese sachlichreohtlich mit der Schuldfrage untrennbar verbunden ist: BGHSt. 5 267 (3. Sen.) gegen 1. Sen. N J W 51 450, unter Hinweis auf die bedenklichen Folgen aus § 358 I I StPO, falls sich volle Verantwortlichkeit ergibt; dazu oben Vorbem. V I I (zu E 69 14). Über den früheren Streitstand vgl. E 71 265 mit H R R 38 907. Wenn auf Grund besonderer Hemmungslosigkeit des Täters § 51 Abs. I I angewendet wird, die Anordnung gem. § 42b aber unterbleibt, bedarf es der Nachprüfung, warum die öff. Sicherheit diese nicht erfordert (DJ 38 1424). Hier tritt zutage, daß die T ä t e r t y p i s i e r u n g durch den Schuldspruch den Ansatz f ü r die Maßregel bildet.

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Maßregeln der Sicherung und Besserung § 42 C

4. Auch bei Jugendlichen zulässig, § 7 JGG. Hier aber Erforderlichkeit besonders sorgfältig zu pr.: JZ 51 344. Für das Sieherungsverfahren (Anm. II) gegen Heranwachsende allein Jugendschöffengericht zuständig: LG Waldshut NJW 66 1488 (zust. Anm. Potrykus). II. Im Falle der Z u r e c h n u n g s u n f ä h i g k e i t besonderes Sieherungsverfahren möglich: StPO §§ 429a—429e. Das heißt: entweder sieht die Staatsanwaltschaft von einer Anklage ab und stellt statt ihrer den Antrag auf gerichtliche Anordnung der Unterbringung; oder sie stellt diesen Antrag, nachdem auf Anklageerhebung die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen Zurechnungsunfähigkeit abgelehnt ist (StPO §§ 203, 204). Voraussetzung auch des „Sicherungsverfahrens" ist aber hinreichender Tatverdacht. III. Heil- oder Pflegeanstalt. Die Anordnung ist für das Gericht unteilbar. Auswahl der geeigneten Anstaltsart und der Anstalt ist Sache der Vollstreckung: DJ 38 1796. 2. Trinkerheilanstalt und Entziehungsanstalt

§ 42c Wird jemand, der gewohnheitsmäßig im Übermaß geistige Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich nimmt, wegen eines Verbrechens oder Vergehens, das er im Rausch begangen hat oder das mit einer solchen Gewöhnung in ursächlichem Zusammenhang steht, oder wegen Volltrunkenheit (§ 330a) zu einer Strafe verurteilt und ist seine Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt erforderlich, um ihn an ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben zu gewöhnen, so ordnet das Gericht neben der Strafe die Unterbringung an. Voraussetzungen gerichtlicher Anordnung: I. Tatbegehung a) entweder irgendeines Verbrechens oder Vergehens im Rausch; vgl. E 74 218 betr. § 175; b) oder eines solchen, das mit einer Gewöhnung an ein Übermaß geistiger Getränke oder anderer berauschender Mittel in ursächlichem Zusammenhang steht (z. B. auch Diebstahl, um Schnaps kaufen zu können; Rezeptfälschung, um Morphium zu erhalten); vgl. HRR 341491 (Diebstahl von Rezeptformularen); bei Z e c h p r e l l e r e i genaue Feststellungen erforderlich: BGHSt 3 339, s. u. zu I I I ; c) oder des Delikts der „Volltrunkenheit" (§ 330a). Wenn aber in diesem Falle nicht der Persönlichkeitstyp des Trinkers, dessen Taten ihre Ursache ausschließlich im Alkoholgenuß finden, sondern der des gefährlichen Gewohnheitsverbrechers vorliegt, dessen Hang durch den Alkoholgenuß lediglich ausgelöst wird, dann § 42 e: DStR 39 211; D J 38 1878; 40 1221; u. U. auch bei infolge von Trunksucht Willensschwachen (HRR 39 585; E 73 44). II. Verurteilung zu Strafe wegen I a oder b oder c. Sonach ist, wenn der Rausch die Zurechnungsfähigkeit ausschloß, nur § 42b anwendbar, während bei vermin-

Maßregeln der Sicherung und Besserung § 42 d

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derter Zurechnungsfähigkeit das Gericht u. U. die Wahl hat zwischen § 42b, § 42c und § 42 e. Hierbei wird, wenn der Erziehungszweck des § 42 c erreichbar erscheint, die „Erforderlichkeit" einer Heilanstalts- oder Sicherungsverwahrung zu verneinen sein. Häufung aber gem. § 42n möglich. E 73 47. Vgl. ferner D J 39 519. Neben der Strafe: diese braucht jedoch nicht vollstreckt zu werden (§23). De lege fer. vgl. Bundesanz. Nr. 42 v. 29. 2. 56. HI. Krankhafter Hang zu g e i s t i g e n G e t r ä n k e n o d e r a n d e r e n b e r a u s c h e n d e n M i t t e l n , wie Kokain, Opium, Morphium. Der Täter braucht jedoch kein Trinker im üblichen Sinne zu sein: E 74 217 (218). „Gewohnheitsmäßig im Übermaß" trinkt, wer auf Grund eines krankhaften Hanges immer wieder geistige Getränke in solchen Mengen genießt, daß er in einen Rauschzustand gerät oder seine Gesundheit oder Leistungsfähigkeit leidet; wer mehr trinkt, als er vertragen, nicht, wer mehr trinkt, als er bezahlen kann: BGHSt. 3 339 betr. Zechpreller. — Betr. k r i m i n e l l e n Hang s. o. I a. E. IV. Erforderlichkeit der Zwangsunterbringung zwecks Gewöhnung a n ein g e s e t z m ä ß i g e s u n d g e o r d n e t e s L e b e n . Andere Mittel (z. B. längerer Strafvollzug, zuverlässige Familienfürsorge oder freiwilliger Eintritt in eine Anstalt oder in einen der nach L K I I 3 sehr bewährten Enthaltsamkeitsvereine) müssen hierzu nach gerichtlicher Überzeugung unzulänglich erscheinen. Bedenklich: Recht 35 3232, wonach Unterbringung auch, wenn Besserung nicht mehr zu erwarten. Richtig dagegen E 73 47, H R R 36 303; dann gegebenenfalls § 42 e. Die U. gem. §42c hat aber, w e n n indiziert, den Vorrang vor der SV: E 73 47, 101. — Die D a u e r ka.nn das Gericht nicht begrenzen: H R R 36 1684. — Bestimmte Rückfallswahrscheinlichkeit erforderlich: D R 43 233. 3. Arbeitshaus

§ 42 d (1) Wird Jemand nach § 361 Nr. 3 bis 6, 6 a bis 8 zu Haftstrafe verurteilt, so ordnet das Gericht neben der Strafe seine Unterbringung in einem Arbeitshaus an, wenn sie erforderlich ist, um ihn zur Arbeit anzuhalten und an ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben zu gewöhnen. (2) Dasselbe gilt, wenn jemand, der gewohnheitsmäßig zum Erwerbe Unzucht treibt, nach § 361 Nr. 6 zu Haftstrafe verurteilt wird. (3) Wegen Betteins ist die Anordnung nur zulässig, wenn der Täter aus Arbeitsscheu oder Liederlichkeit oder gewerbsmäßig gebettelt hat. (4) Arbeitsunfähige, deren Unterbringung in einem Arbeitshaus angeordnet ist, können in einem Asyl untergebracht werden. Aus dem Schrifttum: Der nicht seßhafte Mensch ( S a m m e l w e r k , herausgeg. v. Bayer. Landesverband f. Wanderdienst) 1938. — B r u s i s , MoKrimBiol. 38, 513. — H ä c k e l , D J 36, 1724. — S e e l i g , Das Arbeitshaus im Lande Österreich, 1938. — G ö b b e l s , Die Asozialen 1947. — T r e s s , Die Asozialenfrage, Bl. f. Gefängniskunde, 72, 163. I. Das Arbeitshaus sollte ursprünglich der Bekämpfung von Bettel, Landstreicherei und Arbeitsscheu dienen. Durch Ges. v. 25. 6.1900 ausgedehnt auf Zu-

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Maßregeln der Sicherung und Besserung §§ 42 e

hälter (§ 181a); durch Ges. v. 23. 12. 1919 auf Glücksspieler (§ 285a), in beiden Fällen neben Gefängnis (§ 285a). F ü r diese beiden Gruppen, f ü r die es ungeeignet ist, durch § 42 d wieder beseitigt. Vgl. dazu E 72 107. § 42d will gemeinlästige Asoziale (im Unterschied von den gemeingefährlichen aktiv Antisozialen der §§ 20a, 42e) erfassen. Doch ist gem. § 4 2 n f ü r den Fall, d a ß der Besserungsversuch nach § 4 2 d fehlschlägt, neben A H gegebenenfalls die Anordnung von SV zulässig: E 68 358; 74 5. II. Die Hervorhebung des Besserungszweckes steht der Unterbringung zwecks S i c h e r u n g nicht entgegen. Der im Arbeitshaus Untergebrachte dürfe nicht deshalb entlassen werden, weil es aussichtslos sei, ihn an Arbeit und Ordnung zu gewöhnen. So LG Berlin und Cottbus in D J 36 1694 f. Zutr. dazu Rietzsch: die erste Unterbringung im Arbeitshaus verfolge vorwiegend den Zweck der Besserung und sei daher befristet; wenn aber eine zweite Unterbringung erforderlich werde, der Verurteilte sich also als unverbesserlicher Asozialer erweise, trete der Sicherungszweck in den Vordergrund. Ebenso Düsseldorf SJZ 50 294. III. Verurteilung zu H aftstraf e. Nicht im Falle des § 27 b ; andererseits aber auch, wenn bei Tateinheit mit § 361 Verurteilung zu Gefängnis oder Zuchthaus aus einem anderen, s t r e n g e r e n Gesetz erfolgt; der Grundsatz der Exklusivität des strengsten Gesetzes (darüber A zu § 73) gilt nicht f ü r Maßregeln: D J 38 1156; E 72 107. IV. Zu Abs. II. Sieh anbieten zur Unz. genügt: E 72 107. V. Zu Abs. III: Bettel also nur in Fällen, die den Täter als Asozialen erweisen; betteln allein aus Arbeitslosigkeit oder unverschuldeter Not, wenn auch wiederholt, genügt nicht. J W 35 524; H R R 35 760, H a m m N J W 51 372. Die R e v i s i o n ist hier auf die Anordnung der Unterbringung beschränkbar, da § 42 d Abs. 3 von besonderen Voraussetzungen abhängig, die den Tatbestand des Betteins unberührt lassen: E 72 224 (1. Sen.) gegen J W 35 524 (2. Sen.), ebenso H a m m N J W 51 372. VI. Zu Abs. IV: Zu beachten ist, daß Arbeitsunfähigkeit im Sinne eines Ausfalles f ü r die Arbeitsvermittlung der Unterbringung im Arbeitshaus nicht entgegensteht, wenn der Täter noch leichtere Arbeiten verrichten k a n n : D J 37 510. Der Strafrichter kann Unterbringung im Asyl nicht anordnen; er kann den Täter n u r der Fürsorgebehörde überweisen. 4.

Sicherungsverwahrung

§42e

Wird jemand nach § 20 a als ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher verurteilt, so ordnet das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert. Schrifttum: Vgl. zu § 20a, § 42d und vor § 13. Ferner: B r u n s ZStW 60, 474. S e i b e r t , Gewohnheitsverbrecher und Sicherungsverwahrung, DRiZ 55, 137. — R ö h l , Fragen und Fragwürdigkeit der Sicherungsverwahrung, J Z 55, 145. — B r ü c k n e r DRiZ55,291: SV der 1945 Entlassenen. — R u d o l p h , DRiZ 56, 176: Zum Vollzug und zur b. Z. — S t a t i s t i s c h : S c h m i d t , D J 38,192; W a h l DRiZ 51,97. — K r i m i n o l o g i s c h : W e b e r Bl. f. GefKde. 68, 430; H e i n k e ebend. 73,21; S a u e r Krim. 3 1 8 ^ 3 9 . — P r o z e s s u a l : H e n n k e GA 1956, 41: Rechtsmittelbeschränkung bei Anordnung der SV (betr.: „erforderlich").

Maßregeln der Sicherung und Besserung § 42 e

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I. Diese regelmäßig am schärfsten einschneidende Sicherungsmaßnahme, die aber namentlich bei dem kriminologisch wichtigsten Typ der Haltlosen und Willensschwachen zugleich der Besserung dient, E 73 154, vgl. unten § 42 f Anm. II, hat folgende Voraussetzungen: 1. Verurteilung als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher. D . h . : Die Voraussetzungen des § 20a müssen vorgelegen haben und festgestellt worden sein; vgl. die dort. Anm. Daß die Strafe im gegeb. Fall dem §20a entnommen war, ist nicht nötig. Auch wenn die Schärfung nach § 20 a Abs. 1 versehentlich unterblieben ist oder nach Abs. 2 eine Schärfung nicht notwendig war, ist §42e anwendbar. So E 68 295 und 385, 70 129, DJ 38 1879. — Ist der Täter als gef. Gewohnheitsverbr. verurteilt, so kann SV auch nach RKraft bei der Gesamtstrafbildung angeordnet werden: E 73 366. — SV darf nicht unter Vorbehalt späterer erneuter Prüfung ihrer Notwendigkeit angeordnet werden: BGHSt. 5 350. — Unzulässig, zuerst die Vorauss. der SV zu prüfen und dann erst die Höhe der Gesamtstrafe festzusetzen: BGH MDR 54 149 (Dallinger). Dazu oben Vorbem. I I I vor § 42a. — Betr. Antragsdelikte vgl. § 61 Anm. IV. 2. Grforderlichkeit der Verwahrung für die öffentliche Sicherheit. Die Frage der Erforderlichkeit ist nicht auf den Zeitpunkt der Tatbegehung abzustellen, auch nicht (dies der entscheidende Unterschied von § 20a) auf den der Aburteilung, sondern den der s p ä t e r e n E n t l a s s u n g aus der Strafanstalt. Die öffentliche Sicherheit muß dann bedroht erscheinen und andere Mittel, die erforderliche Sicherheit zu gewährleisten, dürfen für diesen Zeitpunkt nicht ersichtlich sein. Sonst ist zwar Strafschärfung zulässig oder geboten, nicht jedoch Sicherungsverwahrung. Vgl. H R R 39 387, DR 40 790 und oben Anm. I I zu § 20a a. E. sowie BGH N J W 53 1559 = J Z 53 673. E 68 149 (157): „Es muß ein solches Maß von Gefahr von dem Verurteilten ausgehen, daß dadurch der Bestand der die öffentliche Sicherheit gewährleistenden Rechtsordnung unmittelbar bedroht und eine wirksame Abhilfe für die Zukunft im Interesse seiner Aufrechterhaltung geboten und auf andere Weise als durch die Sicherungsverwahrung nicht zu erreichen ist." Ebenso jetzt BGHSt. 199 (s. a. E. dieser Anm.). E 72 285 verlangt eingehende Würdigung, ob der Täter mit Wahrscheinlichkeit neue erhebliche Taten begehen werde, welcher Einfluß von der Strafverbüßung auf ihn zu erwarten sei und ob die Umgebung, in die er sodann zurückkehre, neuen Straftaten entgegenwirken werde. Deshalb ist z. B. einem Antrag auf Vernehmung des Strafanstaltsbeamten über g u t e F ü h r u n g des Angekl. stattzugeben (JW 34 3200), ist eine in Aussicht stehende H e i r a t zu berücksichtigen (E 68 174). Zur Abgrenzung von der kleinen Hangkriminalität vgl. oben Anm. I zu § 42 d sowie E 73 321 (betr. Übertretungen). Als „ a n d e r e s M i t t e l " , die erforderliche Sicherheit zu gewährleisten, ist nicht durch neue Straftaten bedingte erneute Bestrafung anzusehen: H R R 35 Nr. 1345. — E 68 358 nimmt eine Gefährdung der öff. Sicherheit u. U. auch dann an, wenn der Verurteilte sich z. Z. noch in einer Arbeitsanstalt befindet. Ebenso DJ 38 1156. — Über Polizeiaufsicht: H R R 39 650. — Aussicht auf polizeiliche Sicherungsmaßnahme genügt nicht zur Ablehnung der SV: H R R 40 36, auch nicht pol. Vorbeugungsmaßregel (Überwachung): HRR 41 566. Anders aber jetzt BGH NJW 51 203. — Über das Verhältnis der SV zur pol. Vorbeugungshaft vgl. DStR 41 167. — Auswanderungsabsicht schließt SV nicht aus: H R R 39 652. — Daß der Täter 9

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

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Maßregeln der Sicherung und Besserung § 42 e

als A u s l ä n d e r ausgewiesen werden kann, steht der Anordnung nicht entgegen: J W 39 87, D R 89 116, H R R 40 178 u. 179. — Durch B e r u f s v e r b o t kann SV entbehrlich werden: D J 38 1796. Auch durch H e i l a n s t a l t : E 72 358. — Nach D R 40 362, 43 747 ist bei jungen Tätern besonders vorsichtige Prüfung geboten. — Blindenanstalt: D R 43575. —,,Bedingte" Möglichkeit der Besserung genügt nicht: E 74219 ( = D R 40 1277 Anm. Mezger). — Erwartungen unbestimmter Art reichen nicht aus: H R R 42 230. Daher auch nicht Bereitwilligkeit eines gef. Sittlichkeitsverbrechers, sich entmannen zu lassen: BGHSt. 166. — Bei geistesschwachem, triebhaftem und willensschwachem gef.Gew.Verbr. (§§ 20a,51II),der weder heilbar noch pflegebedürftig ist, unter Berücks. der Persönlichkeit SV statt § 42b möglich: BGHSt. 5 313 gegen Freiburg DRZ 49 117. Ebenso schon E 73 103, Celle S J Z 50 510 (Anm. Sieverts). Hier ist die für die richtige Handhabung der SV entscheidende Differenzierung nach biologischen, insbes. psychologischen Tätertypen angebahnt (bedeutsam vor allem für die Scheidung der Unverbesserlichen von den Besserungsfähigen !). Die spätere Rechtspr. des RG zeigte nicht nur eine Tendenz zu übermäßiger Strenge, die mit den heute maßgeblichen Grundsätzen (Vorbem. vor § 13) nicht zu vereinbaren ist, sondern behandelte auch kumulative Voraussetzungen des Gesetzes in unzulässiger Weise als alternative (wie hier Jagusch L K I I 2a). So E 73 303 (305) (mit Übersicht über die Entwicklung der Rechtspr.): Schon das Merkmal der „Gefährlichkeit" des Gew.Verbr. erfordere es, eine bestimmte ernstliche Gefährdung der öff. Sicherheit festzustellen. Daher sei die Erforderlichkeit der SV nur bei Besserungswahrscheinlichkeit zu verneinen; anders bei § 42b. Vgl. dort Anm. I I 1. Noch E 72 295 hatte Wahrscheinlichkeit neuer Straftaten für die Verhängung der SV vorausgesetzt. E 73 154 zit. diese Entsch. dafür, daß von der SV nur bei BesserungsWahrscheinlichkeit a b g e s e h e n werden dürfe. — BGHSt. 1 66, eingehender 94, 99, knüpft an die ältere Rspr. (E 68 149, 156; 70 214) an und betont, daß es sich um begangene wie zu erwartende Taten von erheblicher Schwere handeln muß. BGH J Z 53 673, ausdrücklich gegen E 72 356, 73 305: keine Vermutung für Fortbestand der Gefährlichkeit nach Strafverbüßung. BGH MDR 56 143 (Dali.): Voraussage, mehrjährige Zuchthausstrafe werde einen eben erst Herangewachsenen weder abschrecken noch bessern, nur ganz ausnahmsweise zu rechtfertigen. II. Prozessuales: 1. Mehrfache Anordnung ist zulässig; wenn z. B . in einer anderen Sache rechtskräftig auf SichVer. erkannt ist und dann ein neues Str.Verf. Anlaß zu neuer Anordnung gibt. — 2. Die Revision kann u. U. wirksam auf die Anordnung der SV beschränkt werden, wenn kein untrennbarer Zusammenhang mit der verhängten Strafe: BGHSt. 7 101 = J Z 55 384 (Würtenberger). III. Verhältnis der Sicherungsverwahrung zu anderen Maßregeln: vgl. Anm. zu § 42n. Insbes. Verb, von § 42e mit § 42b; E 72 151, aber auch 358 (zur Wahl zwischen ihnen BGHSt 5 313, oben I 2); mit § 42c dort Anm. I c ) ; mit § 42d dort Anm. I ; betr. § 421 D J 38 1796. — Über bedingte Entlassung vgl. zu § 42 f. IV. Bei Heranwachsenden kann der Richter auch bei Anwendung des allg. Straft, von SV absehen: § 106 Abs. 2 JGG. V. Vollzug der S V : Richtlinien J R 51, 702 ( = DRiZ 51, 144).

Maßregeln der Sicherung und Besserung § 421

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Zu 1 bis 4: Datier der Unterbringung, Entlassung

§42f (1) Die Unterbringung dauert so lange, wie ihr Zweck es erfordert. (2) Die Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt darf nicht länger als zwei Jahre dauern. 3) Die Dauer der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt und der Sicherungsverwahrung ist an keine Frist gebunden. Die erste Unterbringung in einem Arbeitshaus oder einem Asyl darf nicht länger als zwei Jahre, die wiederholte nicht länger als Tier Jahre dauern. Bei diesen Maßregeln hat das Gericht jeweils vor dem Ablauf bestimmter Fristen zu entscheiden, ob der Zweck der Unterbringung erreicht ist. Die Frist beträgt bei der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt und der Sicherungsverwahrung drei Jahre und bei der Unterbringung in einem Arbeitshaus oder einem Asyl sechs Monate. Ergibt sich bei der Prüfung, daß der Zweck der Unterbringung erreicht ist, so hat das Gericht die Entlassung des Untergebrachten anzuordnen. (4) Das Gericht kann auch während des Laufs der in den Abs. 2 und 3 genannten Fristen jederzeit prüfen, ob der Zweck der Unterbringung erreicht ist. Wenn das Gericht dies bejaht, so hat es die Entlassung des Untergebrachten anzuordnen. (5) Die Fristen laufen vom Beginn des Vollzugs an. Lehnt das Gericht die Entlassung des Untergebrachten ab, so beginnt mit dieser Entscheidung der Lauf der im Abs. 3 genannten Fristen von neuem. Aus dem Schrifttum: M a y r , MoKrimBi. 37, 84. — S p e c h t ebend. 38, 329. — E i n e r ZStW 55, 235. — Neufassung durch 3. StÄG. I. Allgemeines. Wenn der Zweck erreicht ist — d. h. bei §§ 42b und e die öffentliche Sicherheit nicht mehr gefährdet erscheint, bei §§ 42 c und d zu erwarten ist, der Untergebrachte werde nun imstande sein, ein „gesetzmäßiges und geordnetes Leben" zu führen —, so ist der Untergebrachte zu entlassen. Nagler und Jagusch weisen (LK I) auf die Parallelen zur unbestimmten Strafe hin; für diese ist jedoch der umfassendere Strafzweck maßgebend, vgl. Vorbem. A vor § 13 sowie andererseits § 42g. Das Vollstreckungsgericht k a n n jederzeit (Abs. 4; ausdrückliche Festsetzung der Nachprüfungspflicht im Urteil ist irreführend) und m u ß in gewissen Fristen (Abs. 3) prüfen, ob der Zweck erreicht ist. Es kann also auch eine Unterbringung baldigst wieder aufheben, wenn sich auf Grund der Anstaltsbeobachtung oder aus anderen Gründen ergeben sollte, daß das erkennende Gericht, dem die gleichen Erkenntnisquellen nicht zur Verfügung standen, die Unterbringung objektiv zu Unrecht angenommen hat. Vgl. Hamm, JMB1 NRW 55 285. Eine nicht überschreitbare a b s o l u t e Höchstgrenze bestimmt das Gesetz überdies bei der Unterbringung in einer Trinkerheil- oder Entziehungsanstalt und bei der Unterbringung in einem Arbeitshaus oder Asyl. Hier hat spätestens nach 2 bzw. 4 Jahren Entlassung zu erfolgen, auch wenn der Zweck („Gewöhnung" usw.) nicht erreicht ist. 9*

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Maßregeln der Sicherung u n d Besserung § 42 g

Bei zweifelhafter Prognose ist die Entlassung unzulässig: der Satz in dubio p r o reo gilt hier nicht. Vgl. AV in D J 38, 323. Ebenso jetzt K ö l n N J W 55 682. II. F ü r Sicherungsverwahrung insbes. gilt: in erster L i n i e bezweckt sie den Schutz der Allgemeinheit vor einsichtslosen unverbesserlichen Verbrechern ( D J 38 1879). Bei haltlosen u n d willensschwachen Persönlichkeiten aber k o m m t sie auch als B e s s e r u n g s m a ß r e g e l in B e t r a c h t (E 73 154). D a n n ist besonders sorgfältige P r ü f u n g geboten. K ö l n N J W 55 682: Gute F ü h r u n g u n d g e ä n d e r t e Einstellung zu seinen T a t e n genügen bei haltlosem Hangverbrecher nicht. Zu p r ü f e n ist, ob sich in der Person des U . Wesentliches geändert h a t u n d in welche Lebensumstände er k o m m e n würde. — Schon v o r B e g i n n der SV P r ü f u n g zulässig, ob ihr Vollzug ü b e r h a u p t erforderlich: München N J W 49 598, K ö l n N J W 53 1196; allerdings keine A n o r d n u n g u n t e r V o r b e h a l t : B G H S t . 5 350, s. o. I 2 zu § 42e. Dies ist folgerichtig auch f ü r §§ 4 2 b (i. F . des § 51 II), 42 c, d zuzulassen (z. B . bei erfolgreicher Lazarettbehandlung oder erzieherischer Beeinflussung in der S t r a f h a f t oder bei sonstigem Abklingen der Gefährlichkeitsursache in dieser Zeit); zweifelhafte Prognose genügt auch in diesem S t a d i u m nicht (s. o. zu I a. E.). Wie hier vom Vollzug der Maßregel abzusehen ist, soweit ihr G r u n d schon d u r c h die Strafe miterreicht (oder sonst gegenstandslos geworden) ist, so gibt u m gekehrt § 23 j e t z t die Möglichkeit, den Strafvollzug d u r c h den einer Maßregel zu ersetzen. „ I n d e m Maße, in d e m die neben der Strafe e r k a n n t e Sicherungsmaßn a h m e den Schutz der Allgemeinheit gegenüber dem einzelnen Rechtsbrecher zu gewährleisten imstande ist, k a n n das öffentliche Interesse a n einer Vollstreckung der Freiheitsstrafe e n t f a l l e n " : so S t u t t g a r t N J W 54 612 f ü r § 4 2 m ; gleiches m u ß a b e r grundsätzlich auch f ü r §§ 42 c, d u n d 1 gelten. D a m i t wird es schon de lege l a t a weitgehend möglich, die starre Zweispurigkeit zugunsten der gegenseitigen E r setzung von Strafe u n d Maßregel aufzulockern. I n Z u s a m m e n h a n g m i t d e n neuen §§ 23ff. gewinnt § 456b S t P O , der f ü r §§ 4 2 b u n d c den Vollzug v o r d e r Strafe g e s t a t t e t , besondere Bedeutung. — § 26 auch bei Anordnung der SV nicht ausgeschlossen. Doch m u ß d a n n zugleich nach § 42f Entscheidung über Nichtvollzug der SV getroffen werden. N e u s t a d t N J W 56 70. Zu 1 bis 4: Nachträgliche

Unterbringung § 42 g

(1) Sind seit der Rechtskraft des Urteils drei Jahre verstrichen, ohne daß mit dem Vollzug der Unterbringung begonnen worden ist, so darf sie nur n o c h vollzogen werden, w e n n das Gericht es anordnet. Die Anordnung ist nur zulässig, wenn der Zweck der Maßregel die nachträgliche Unterbringung erfordert. (2) In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in der der Unterzubringende eine Freiheitsstrafe verbüßt oder auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird. Z w e c k d e r V o r s c h r i f t : Weil hier nicht begangenes U n r e c h t , das n i c h t ungeschehen zu machen ist, gesühnt werden soll, sondern weil ein Zweck verfolgt wird, der nach Ablauf einer längeren Zeit gegenstandslos geworden sein könnte, soll nach drei J a h r e n oder später nochmals g e p r ü f t werden, ob der Vollzug noch erferderlich ist. J e n e r Zweifel soll aber n u r dann entstehen dürfen, wenn der U n t e r -

Maßregeln der Sicherung und Besserung §§ 42 h , 42 i

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zubringende die Zwischenzeit — einerlei warum, sei es auch als Flüchtiger — in der Freiheit zugebracht hat; denn nur dann läßt sich beurteilen, ob er ohne Schaden für andere frei bleiben darf.

Zu 1 bis 4: Entlassung

als bedingte

Aussetzung

§ 42h (1) Die Entlassung des Untergebrachten gilt nur als bedingte Aussetzung der Unterbringung. Das Gericht kann dem Untergebrachten bei der Entlassung besondere Pflichten aulerlegen und solche Anordnungen auch nachträglich treffen oder ändern. Zeigt der Entlassene durch sein Verhalten in der Freiheit, daß der Zweck der Maßregel seine erneute Unterbringung erfordert, und ist die Vollstreckung der Maßregel noch nicht verjährt, so widerruft das Gericht die Entlassung. (2) Die Dauer der Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt und der erstmaligen Unterbringung in einem Arbeitshaus oder einem Asyl darf auch im Falle des Widerrufs insgesamt die gesetzliche Höchstdauer der Maßregel nicht überschreiten. I . Regel ist die gesetzliche Dauer, Ausnahme die Entlassung. Sie erfolgt, wenn der „Zweck" der Maßregel erreicht ist. Solange dies zweifelhaft, ist sie unzulässig: Köln N J W 55 682, Celle N J W 58 33. II. Besondere Pflichten z. B. die Auflage, sich nach der Entlassung zunächst in ein Übergangsheim aufnehmen zu lassen. I I I . J e d e E n t l a s s u n g i s t widerruflich. Jedoch — anders als in §§ 25 Abs. 2 Nr. 3, 26 Abs. 1 — nicht schon bei Pflichtverstoß (Abs. 1 S. 2) als solchem, sondern nur wenn er eine Gefährdung der öff. Sicherheit begründet; Zweifel an der Erforderlichkeit erneuter Unterbringung kommen dem Entlassenen zugute: CelleNJW5833, Schleswig N J W 58 1791. Anders vor der Entl.! Vgl. Anm. I. Eine Grenze setzt dem Widerrufsrecht die Verjährung (§ 67 Abs. 5) sowie § 42 h Abs. 2; hier führt das Wort „erstmaligen" jetzt irre (vgl. § 42 f Abs. 3 S. 2).

Zu 1 bis 4: Arbeitszwang

und angemessene

Beschäftigung

§42i (1) Die im Arbeitshaus oder in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten sind in der Anstalt zu den eingeführten Arbeiten anzuhalten. Sie können auch zu Arbeiten außerhalb der Anstalt verwendet werden, müssen jedoch dabei von freien Arbeitern getrennt gehalten werden.

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Maßregeln der Sicherung und Besserung §§ 42 k , 421

(2) Die in einer Heil- oder Pflegeanstalt, einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt Untergebrachten können innerhalb oder außerhalb der Anstalt auf eine ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemessene Weise beschäftigt werden.

§ 42k (Entmannung) aufgehoben. 6. Untersagung der Berufsausübung

§421

(1) Wird jemand wegen eines Verbrechens oder Vergehens, das er unter Mißbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der ihm kraft seines Berufs oder Gewerbes obliegenden Pflichten begangen hat, zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurteilt, so kann ihm das Gericht zugleich auf die Dauer von mindestens einem und höchstens fünf Jahren die Ausübung des Berufes, Gewerbes oder Gewerbezweiges untersagen, wenn dies erforderlich ist, um die Allgemeinheit vor weiterer Gefährdung zu schützen. (2) Solange die Untersagung wirksam ist, darf der Verurteilte den Beruf, das Gewerbe oder den Gewerbezweig auch nicht für einen anderen ausüben oder durch eine von seinen Weisungen abhängige Person für sich ausüben lassen. (8) § 36 Abs. 1 gilt entsprechend. Wird die Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder einer neben der Strafe erkannten, mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Sicherung und Besserung bedingt ausgesetzt, so wird die Probezeit auf die Frist angerechnet. (4) Das Gericht kann die Untersagung der Berufsausübung wieder aufheben, wenn der Zweck der Maßregel ihre Fortdauer nicht mehr erforderlich erscheinen läßt. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, nachdem die Maßregel ein Jahr gedauert hat. Sie gilt nur als bedingte Aussetzung der Untersagung und kann bis zum Ablauf der im Urteil für ihre Dauer festgesetzten Zeit widerrufen werden; die Dauer der Untersagung darf auch im Falle des Widerrufs insgesamt die im Urteil für ihre Dauer festgesetzte Zeit nicht überschreiten. I. Zu den zahlreichen, in anderen Gesetzen gegebenen Möglichkeiten, aus gewerbepolizeilichcn oder ähnlichen Gründen einen Betrieb zu schließen oder die Ausübung eines bestimmten Berufs zu untersagen (z. B. GewO §§ 33a, 35, 35b, 59a, 148; lehrreich RVerwGer. in ZAk. 42 109 m. Anm. Bewer betr. Abtreibung eines Arztes), gibt § 42 1 eine gleiche Möglichkeit aus kriminalpolitischer Veranlassung. Als Voraussetzung genügt nicht, daß eine a l l g e m e i n e Pflicht im Betriebe eines Gewerbes verletzt ist. § 42 f ermächtigt den Strafrichter nicht schlechthin, einen Berufsstand von unzuverlässigen Elementen zu säubern, BGH MDR 56 143 (Dali.). Vielmehr muß entweder eine solche Pflichtverletzung „ u n t e r M i ß b r a u c h " des Berufs oder Gewerbes begangen (z. B. unsittliche Handlungen des Arztes in Ausübung seiner Praxis) oder eine S o n d e r p f l i c h t des Berufs- oder Gewerbetreibenden gröblich verletzt worden sein (z. B. Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht).

Maßregeln der Sicherung und Besserung § 421

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IL Die Tat muß „Ausfluß der Berufstätigkeit" gewesen sein (E 68 398); es genügt nicht, daß die Berufsausübung bloß die Möglichkeit für sie bot. Ebenso BGH MDR 52 146: § 42 1 nicht bei unz. Hdlgen eines Süßwarenhändlers an Kindern (anders bei § 42m, vgl. dort); Gewerbeerlaubnis oder ihr Fehlen gleichgültig. Sehr weitgehend freilich H R R 35 1096. Mitarbeit der Ehefrau oder des Kindes im Geschäft des Ehemannes oder Vaters ist Berufsausübung i. S. des § 42 1. Hamm DRZ 48 315. HI. Der untersagte Beruf ist im Urteil genau zu bezeichnen. U. U. freilich, falls nötig, Untersagung „jedweden Handelsgewerbes" zulässig (E 71 69). IV. Das Verbot wird wirksam mit Rechtskraft des Urteils. Eine Wiederaufhebung ist nur im Gnadenwege möglich. Strafbestimmung für Zuwiderhandlung: § 146 c. Vgl. J W 88 3290. V. Die Erforderlichkeit ist bei der einschneidenden Wirkung dieser Maßregel besonders s o r g f ä l t i g zu p r ü f e n , H R R 87 1473, u n d zu b e g r ü n d e n , Börker DRiZ 56,34; ebenso BGH MDR 52 146; dieser betont jedoch, daß die Gerichte § 42 1 viel zu wenig ausschöpfen. — Bei Beruf, der besonders große Zuverlässigkeit verlangt (Spediteur, Frachtfuhren) strenger Maßstab: BGH MDR 53 19. Bei Verbot der Ausübung eines Berufs sind inhaltliche B e s c h r ä n k u n g e n zulässig. H R R 37 1473. — Verbot, weibliche Lehrlinge zu halten, statt Gewerbeverbot: BGH MDR 54 529. Erforderlichkeit ist t a t b e s t a n d s m ä ß i g e , durch Wiederaufnahme nachprüfbare Voraussetzung der Anordnung: Naumburg J W 38 2470. — Bei B e a m t e n stehen dienststrafrechtliche Maßnahmen der Anordnung nicht entgegen (ein staatlicher Lehrer kann vielleicht später als Privatlehrer tätig werden), H R R 39 188. —• Eine an sich glaubwürdige Erklärung über f r e i w i l l i g e Berufsaufgabe hinderte das Verbot nicht (JW 39 220; in dieser Allgemeinheit zu weitgehend). — Auch nicht gleiches Verbot durch VerwBehörde: DR 43 73 (ebenfalls). Entscheidend muß stets sein, ob in concreto der Täter es in der Hand behält, den Beruf wieder aufzunehmen, und dann die Allgemeinheit aktuell gefährdet wäre. — SV und Berufsverbot: D J 38 1796. — Maßgeblich f ü r die Erforderlichkeit der Zeitpunkt der Entlassung aus der Strafhaft: E 74 54; BGH MDR 52 146. — Bei SzB wird ohne Rücksicht auf deren etwaigen Widerruf die Probezeit auf die Frist des § 421 angerechnet: Hamburg NJW 56 921. VI. Abs. IV angefügt durch G v. 28. 6. 35, Art. 12. Er entspricht dem Gedanken, daß es sich nicht um eine Strafe, sondern um eine „Maßregel der S u. B " handelt. Freilich genügt der Wegfall des Zwecks allein nicht. Hinzukommen muß Ablauf von mindestens einem Jahr. Überdies hat Abs. IV die Fassung einer „Kann"Vorschrift. Anders § 42f I I I a. E. Zuständig ist das Gericht erster Instanz als Vollstreckungsgericht: StPO § 463a I I I i. Vbdg. mit § 462 I. Aufhebung gilt nur als bedingte Aussetzung: dies entspricht § 42h, freilich mit dem Unterschied, der sich hier aus der gesetzlichen Höchstdauer (Abs. 1: 5 Jahre) ergibt.

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Maßregeln der Sicherung und Besserung § 4 2 m

Entziehung der

Fahrerlaubnis

§ 42 m

(1) Wird jemand wegen einer mit Strate bedrohten Handlung, die er bei oder in Znsammenhang mit der Führung eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der dem Führer eines Kraftfahrzeugs obliegenden Pflichten begangen hat, zu einer Strafe verurteilt oder lediglich wegen Zurechnungsunfähigkeit freigesprochen, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn er sich durch die Tat als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Gegenüber dem Inhaber eines ausländischen Fahrausweises ist die Entziehung nur zulässig, wenn die mit Strafe bedrohte Handlung einen Verstoß gegen Verkehrsvorschriften enthält. (2) Wird die Fahrerlaubnis entzogen, so ist ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein im Urteil einzuziehen. In ausländischen Fahrausweisen ist die Entziehung zu vermerken. (3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Das Gericht bestimmt im Urteil eine Frist, vor deren Ablauf die Verwaltungsbehörde keine neue Fahrerlaubnis erteilen darf. Die Frist beträgt mindestens sechs Monate und höchstens fünf Jahre. Sie wird von dem Tage ab berechnet, an dem das Urteil rechtskräftig geworden ist. Das Gericht kann die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis auch für immer untersagen. (4) Erseheint die Maßregel nicht mehr erforderlich, um die Allgemeinheit vor Gefährdung zu schützen, kann das Gericht die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nachträglich durch Beschluß gestatten. Schrifttum: Allgemein: L a o k n e r MDR 53, 73; 54, 28; H ä r t u n g DRiZ 53, 120; ders. JZ 64, 135; S c h m i d t - L e i c h n e r NJW 53, 1849; B r u n s GA 1954, 161. Insbes.zu§lllaStPO: DeinhardtNJW53,891;LacknerNJW53,1172;Brüggem a n n JZ 54, 24. Beschränkte EdF? H ä n d e l NJW 54, 139. Bei Jugendlichen? P e n t z NJW 54, 337; L a c k n e r NJW 54, 629. — R o h l i n g , DAR 56, 313. — Zur Rspr.: J a g u s c h , D A R 5 5 , 97. — G u e l d e , RdK55, 101. — S c h n e t z , R d K 5 5 , 131. — K o h l h a a s RdK 55, 113, 129. — M a r t i n DAR 55, 73 und 56, 66. — K r u m m e DAR 56, 263. — B u s c h DRiZ 56, 125. — Rechtsvergl.: F r e y ZStW 65, 6ff. Vgl. ferner — auch für die Motive — A r n d t - G u e l d e G z.Sich. d. Straßenverkehrs, M ü l l e r und F l o e g e l - H a r t u n g , Straßenverkehrsrecht. I. Eingefügt durch das Ges. zur Sicherung des Straßenverkehrs v. 19. 12. 52 (BGBl. I 832), das im StGB gleichzeitig die Tatbestände der Verkehrsgefährdung (§§ 315a, 316 Abs. 2) neu schuf und den des Straßenraubes mittels Autofallen in § 316a neu faßte (früher Ges. v. 22. 6. 38). II. Die EdF ist Maßregel der S u. B mit ganz überwiegendem, aber nicht ausschließlichem Sicherungszweck; dazu Braunschweig VRS 14 356. Nach KG VRS 8 266 Besserungszweck vor allem bei Unfallflucht. Keine Sühne: BGH VRS 11 425. Keine Nebenstrafe (vgl. aber Härtung DRiZ 54, 28: „Nebenstrafwirkung"), auch keine Sonderstrafe (v. Weber DRiZ 51, 153 de lege fer.). Im JugStrR befristetes Fahrverbot und Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins als Weisung zulässig (§ 10 JGG), da EdF an den Sicherungszweck nicht gebunden (a. A. Pentz NJW 54,

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337); vgl. ferner BGHSt. 6 397. "Über Verhältnis der Maßregel zu den Strafzwecken insbes. bei SzB Stuttgart NJW 54 611, Köln MDR 56 118: SzB schließt E d F nicht aus, ebenso Celle NJW 56 1648, KG VRS 11 277. Einschränkend BGH DAR 56 67 (Martin): die Gründe beider Maßnahmen dürfen einander nicht widersprechen. — BGHSt. 5 168: Einziehung des Führerscheins ist keine selbständige Sicherungsmaßregel, sondern eine bloße Vollzugsmaßnahme polizeilicher Art (daher Verbot der Schlechterstellung nicht anwendbar). •— Über EdF durch die V e r w a l t u n g s b e h ö r d e , über V e r k e h r s s ü n d e r k a r t e i und über B i n d u n g der Behörde an Gerichtsentscheide BVerwG NJW 56 357 Nr. 25 und 358 Nr. 26. — Entziehung als Anordnung einer selbständigen Sperrfrist zulässig, wenn noch keine Fahrerlaubnis bestand: GrSen in BGHSt. 10 94 (ähnlich schon BGHSt. 6 398). Dazu oben § 2 Anm. I I I C 2. Abi. Härtung in Floegel-Hartung 11 ,1288 und in VerkMitt. 56, 37, ebendort S. 51 auch Müller. Das kriminell Wertfreie und nur sozial Zweckhafte der Maßregel wird hier — wie in § 42b — durch die Anknüpfung an eine „mit Strafe bedrohte Handlung" (unten Anm. III) oder einen Freispruch mangels Schuldfähigkeit verdeutlicht. Mißverständlich, weil zu eng, daher BGHSt. 6 185 Grundlage der E d F sei „das mangelnde Verantwortungsbewußtsein", ein „Unwerturteil über die Tat und den Täter". Die mangelnde Eignung kann sich für § 42 m ebensogut wie aus sittlichen auch aus geistigen oder körperlichen Gründen ergeben. Vgl. § 2 StVZO sowie z. B. AG Gießen NJW 54 612 (abl. Anm. Booß) betr. Heuschnupfen. III. Erste Voraussetzung: Mit Strafe bedrohte Handlung: hier sowohl „strafbare" (tatbestandsmäßig-rechtswidrige und schuldhafte), die zur Strafe führte, wie tatbestandsmäßig-rechtswidrige Handlung eines wegen Zurechnungsunfähigkeit Freigesprochenen. In der zweiten Bedeutung ebenso wie in §§ 42b, 330a (vgl. dort), während in §§ 48, 49 Schuld auch aus anderen Gründen als Zurechnungsunfähigkeit (Tatbestands- oder Verbotsirrtum, Entschuldigungsgründe) gefehlt haben kann, ohne daß der Begriff entfiele. Vgl. Vorbem. I I I vor § 47. War der Täter am Steuer nicht einmal mehr handlungsfähig (mechanische Reflexbewegungen; dazu oben A I 2 zu § 42b), so ist vors, oder fahrl. actio libera in causa und § 330a zu prüfen; dazu dort Anm. VI. Auch Übertretungen. Hier ist, wie Jagusch LK 3 mit Recht betont, das Schutzbedürfnis des Verkehrs sogar besonders stark (vgl. Straßenverkehrsges. und StVZO). Vgl. Hamm JMB1. NRW 54 45 u. 141. IV. Zweite Voraussetzung: Diese Handlung muß bei oder in Zusammenhang mit der Führung eines Kfz. oder unter Verletzung der dem Führer eines solchen obliegenden Pflichten begangen sein. K f z. auch F a h r r a d m i t H i l f s m o t o r : BavObLG VRS 7 454, Stuttgart N J W 56 1081. A. A. Kohlhaas NJW 55, 562, vgl. Dreher-Maaßen Anm. 2 b. a) bei der Führung schon dann, wenn das Fahrzeug in Betrieb gesetzt ist (ruhestörender Lärm durch unnötiges Laufenlassen des Motors im Stand, Jagusch a. a. O. S. 205; Müller StrVerkR. zu § 2 KFG). Anfahren, auch wenn der Motor noch nicht läuft: Oldenburg VRS 9 27. b) in Zusammenhang mit ihr: weiter als „unter Mißbrauch" in § 42 1 (vgl. dort), umschließt aber diesen Begriff. BGHSt. 5 179: Das Gesetz will über den eigentlichen Verkehrssicherungszweck hinaus den Mißbrauch von Kfz. durch verantwortungslose Kraftfahrer auch dann verhindern, wenn dieser Mißbrauch sich nur gegen andere Rechtsgüter nachteilig auswirkt (betr. reisenden Betrüger). Ebenso

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J Z 54 541 (Anm. Dreher) = J R 54 307 (Anm. Härtung) betr. Sittlichkeitsverbrecher. Diese Auslegung ergibt sich zwingend schon durch Umkehrschluß aus Abs. 1 S. 2. Folgerichtig (insbes. seit BGHSt. 10 94) § 42 m auch auf den Teilnehmer der Diebesfahrt anwendbar, der den Wagen nicht selbst gelenkt hat: BGHSt. 10 333 ( = JZ 58 130 m. abl. Anm. Härtung). Erfaßt werden soll nach dem ersichtlichen Gesetzeszweck jeder, der sich der durch die Motorisierung des Verkehrs geschaffenen spezifischen Möglichkeiten zu kriminellen Zwecken bedient. Wo allerdings der Wagen nicht das M i t t e l , sondern das Ob j e k t der Handlung ist (der Täter verschafft sich betrügerisch dessen Besitz), trifft dieser Gedanke nicht zu (gegen BGH St. 5179 NJW54163 zutr. insoweit Anm. Schmidt-Leichner und Härtung JZ 54,139, Vorbehalte auch bei Dreher JZ 54, 542). Auch Handlungen, die nur b e i G e l e g e n h e i t der Führung eines Kfz. begangen sind, scheiden aus (Beleidigung eines Mitfahrers). c) unter Verletzung: der dem Führer eines Kfz. obliegenden sonstigen Pflichten, z. B. beim Parken oder unfreiwilligen Halten. V. Dritte Voraussetzung: Wegen dieser Tat — die im Schuldspruch nicht notwendig als Verkehrsverstoß zu erscheinen braucht, BGHSt. 7 312, 6 25 — muß der Täter entweder zu einer Strafe verurteilt oder lediglich wegen Zurechnungsunfähigkeit freigesprochen sein. 1. Zu Strafe verurteilt. Bei Jugendlichen und im Fall des § 105 JGG bei Heranwachsenden geschieht das nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 JGG. In diesen Altersgruppen aber liegt weit über solche Fälle hinaus einer der Schwerpunkte gemeingefährlichen Mißbrauchs von Kfz., wie auch § 7 JGG erkennen läßt. Der Zweck des § 42 m würde daher entscheidend verfehlt, wenn die EdF nicht auch neben Zuchtmitteln oder Erziehungsmaßregeln zulässig wäre. Lackner N J W 54, 629 weist darauf hin, daß bei Jugendlichen auch die Unterbringung gem. § 42 b nur an die Verhängung von Zuchtmitteln geknüpft sei (arg. § 5 Abs. 3 JGG). Es fragt sich aber, ob dies nicht nur den Fall des § 8 Abs. 2 JGG (Z. neben Strafe) betrifft. Weiter führt die Überlegung, daß § 42 m auch an den Freispruch wegen Unzurechnungsfähigkeit anknüpft. Dazu aber rechnet i. S. der Schuldunfähigkeit nicht nur § 51, sondern auch die Verneinung der Verantwortlichkeit gem. § 3 JGG, s. u. zu 2. Ist aber in diesem Falle die E d F unmittelbar gesetzlich vorgeschrieben, so folgt daraus ein sicheres arg. a maiori f ü r den Fall, daß der Jugendliche verantwortlich ist. Ebenso BGHSt. 6 394 (zust. Niese JZ 57, 660), weil der Jugendarrest seinen Zwecken nach der Strafe gleichstehe. Dazu oben § 2 Anm. I I I C 2. Unabhängig davon läßt sich in vielen Fällen des Jugendstrafrechts auch durch Weisungen der gleiche Erfolg erreichen (oben Anm. II). — Zur Strafe verurteilt — SzB steht nicht entgegen, umgekehrt kann die EdF u. U. den Vollzug entbehrlich machen, darüber Stuttgart NJW 54 611. 2. Wegen Zurechnungsunfähigkeit freigesprochen. Hier ist nicht etwa, was naheläge, in erster Linie an den volltrunkenen Fahrer zu denken. Der wird regelmäßig nach §§ 330a, 315a Nr. 2 oder aus a. 1. i. c. bestraft. Gemeint sind vielmehr alle, die objektiv wegen ihrer geistigen Unzulänglichkeit die Allgemeinheit ge-

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fährden, wenn sie am Steuer sitzen, und dies durch eine Tat bewiesen haben. Gleichgültig ist die Ursache (krankhafte Entwicklung: § 51; mangelnde Entwicklung: § 3 JGG mit wichtiger Folgerung s. o. zu 1). Dem Mißbrauch des gesteigerten Aktionsradius bei der ersten Alternative entspricht hier die Unfähigkeit, ihn zu beherrschen. —• EdF setzt hier den positiven N a c h w e i s der Zurechnungsfähigkeit voraus: Hamm NJW 56 560 (Anm. Schmitt S. 1043). VI. Vierte Voraussetzung: Durch die Tat muß sich der Täter als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben. Die Tat ist also unerläßliches S y m p t o m für eine mangelnde Eigenschaft des Täters. Aus ihr muß sich der Eignungsmangel in erster Linie und unmittelbar ergeben, Düsseldorf MDR 58 621. Sie kann u. U. wegen ihrer Schwere und besonderen Verantwortungslosigkeit allein genügen (Stuttgart NJW 54 1657). Daneben sind aber regelmäßig die Persönlichkeit des Täters, seine bisherige Fahrweise, einschlägige Vorstrafen und sonstige Umstände, die auf ma ngelndes Verantwortungsbewußtsein im Verkehr schließen lassen, heranzuziehen: BGHSt. 5 168, 175 und 7 165ff. (zust. Martin DAR 46, 66); doch genüge einmaliges Versagen im Verkehr, das für sich allein noch keinen sicheren Schluß auffahrtechnische oder charakterliche Unzuverlässigkeit zuläßt, nicht; der Richter könne im Einzelfall auf Grund eines zuverlässig gewonnenen Persönlichkeitsbildes den Eignungsmangel verneinen, auch wenn ihn die Tat nahelegt. Im wesentlichen ebenso Braunschweig NJW 53 1882; Schleswig GA 1953 127; Düsseldorf NJW 54 175. N i c h t einschlägige Vorstrafen sind in aller Regel nicht heranzuziehen, BayObLG in VkBl. 58 35 (vgl. auch Jagusch DAR 55, 97). Fahren in trunkenem Zustand kann an sich schon den Täter als ungeeignet erweisen, auch bei sonst gutem Ruf und geringem Schaden. So mit völlig zutr. grunds. Begr. Karlsruhe JZ 54 48 (zust. Anm. Härtung), unter der Voraussetzung, daß der Fahrer bei über 2°/00 Blutalkoholgehalt völlig fahruntüchtig ist. Ob dies auch schon bei l,5°/ 00 mit Sicherheit anzunehmen ist (so 3. Sen. in BGHSt. 5 168, ebenso der 2. u.4. Sen. nach Härtung JZ 54 137), wird medizinisch (JZ 54, 59 und 138) und in der Rspr. noch umstritten. BGH 5. Sen. in JZ 54 137 Anm. 3, Köln MDR 53 756 und Düsseldorf NJW 54 165 lassen Gegenindikationen zu. Es hieße aber, den vordringlichen Sicherungszweck, zu dem auch die Praktikabilität der Anwendung für die unteren Gerichte gehört, verfehlen, wollte man gegebenfalls statistisch erhärtete Regeln, die eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ergeben, nur wegen theoretischer, im Sozialleben praktisch nicht vorkommender Ausnahmemöglichkeiten verwerfen. Unrichtig wäre auch, aus einem für die Strafzumessung verwertbaren relativ vorsichtigen Verhalten des betrunkenen Fahrers (Köln NJW 54 165 betr. einen Fall von 2% 0 Blutalkoholgehalt) die mangelnde Eignung i. S. des § 42 m in Frage zu stellen. Vgl. § 315a Anm. I I (zu Nr. 2). Streitig ist, ob die mangelnde Eignung als solche zur EdF führen muß oder nur ein — widerlegbares — Indiz dafür ist, daß die Einziehung erforderlich ist, um die Allgemeinheit vor Gefährdung zu schützen. Daß dieser Schutzzweck die ratio des § 42 m ist, ergibt sich aus Abs. 4, ferner, daß der Gesetzgeber selbst die Möglichkeit berücksichtigt wissen will, daß die Tat ihre Symptombedeutung nachträglich verliert. Aus der Natur der Sache (der Täter wird nachträglich gelähmt, erblindet) ergibt sich diese Möglichkeit ohnehin. Zutr. stellt deshalb BGHSt. 7 175 auf den Zeitpunkt der U r t e i l s f i n d u n g , nicht der Tat ab. Der Maßregelcharakter legt es nahe, noch einen Schritt weiterzugehen und auf eine Zukunftsprognose abzu-

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stellen. So bei der Sicherungsverwahrung E 72 356 (im Gegensatz zu § 20 a, vgl. dort Anm. I I 3); ähnlich bei § 42b. Aber f ü r § 42m liegt es anders. Hier sind nicht regelmäßig schwere, langdauernde, persönlichkeitsändernde Strafen verbüßt, wenn derTäter sich wieder ans Steuer setzen kann. Man kann daher, wie Dreher J Z 54, 542 zutr. meint, mit der durch die T a t erwiesenen mangelnden gegenwärtigen Eignung die künftige Gefährlichkeit schlechthin als gegeben ansehen. Hierin liegt die Rechtfertigung und wohl auch der Grund dafür, daß, wie Dreher a. a. O., Lackner MDR 53, 74 nachweisen, die sonst bei den Maßregeln gebrauchte Klausel „wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert" bewußt weggelassen worden ist. Der Annahme einer unwiderleglichen gesetzlichen Vermutung (BGHSt. 5 174) bedarf es deshalb nicht (preisgegeben in 7 172). Der ungeeignete Fahrer i s t gegenwärtig gefährlich, und damit auch zukünftig, da hier eine Zäsur wie bei § 42 e fehlt. Anders der 1. Sen. in J Z 54 541, N J W 54 1536; dagegen Karlsruhe N J W 54 1945. VII. Liegen diese vier Voraussetzungen vor, so muß der Richter die F E entziehen. Die Berücksichtigung b e s o n d e r e r w i r t s c h a f t l i c h e r H ä r t e n f ü r den Täter muß dahinter zurücktreten, wenn hier auch besonders eingehende Prüfung erforderlich: BGH DAR 55 79 (Martin), R d K 55 114 (Kohlhaas), VerkMitt. 55 11 (Boos), DAR 56 161, H a m m DAR 56 162 und JMB1. N R W 56 83, Schleswig VerkMitt. 55 67, Stuttgart VerkMitt. 55 67, Celle D A R 56 248. — M i t v e r s c h u l d e n a n d e r e r zu berücksichtigen, vgl. BGH bei Martin DAR 56 67. — Die l e b e n s l a n g e Entziehung bedarf auch bei schwerster T a t (fahrl. Tötung) besonderer Begr.: BGHSt. 5 177. Nach Braunschweig VRS 14 356 sind bei der Entsch. hierüber die vorauss. Wirkung der Bestrafung und einer zeitigen Entziehung mit zu berücksichtigen. — Betr. a u s l ä n d i s c h e n Fahrausweis BGHSt. 7 307. VIII. Einzelfragen. Beschränkte E d F (bestimmte Klassen von Fahrzeugen, Jahres- oder Tageszeiten) erklärt BGHSt. 6 183 mit Bruns a. a. 0 . 178 f ü r unzulässig. Aber die Eignung selbst ist gestaffelt (Führerscheinklassen). So kann auch ihr Mangel erkennbar differenziert werden, wofür ein starkes Bedürfnis besteht. Vgl. Celle N J W 54 1170 betr. Trecker und Motorpflug; problematischer AG Gießen N J W 54 612 (abl. Anm. Booß) betr. Heuschnupfen. Der Standpunkt des B G H kann leicht dazu führen, daß die E d F in Fällen wie dem Celler als unnötig existenzvernichtend überhaupt unterbleibt. Wie hier Händel N J W 54,139, Härtung J Z 54,137und die bei Bruns a. a. 0.177 aufgef. Entsch. Vgl. ferner § 107 Abs. 1S. 3 E n t w . 1959.—Prozessuales: U r t e i l s f o r m e l : V g l . B G H N J W 5 4 1 1 6 7 . — S e l b s t ä n d i g e A n f e c h t u n g der E d F möglich: BGH D A R 55 80(Martin).—Anfechtung d e s S t r a f m a ß e s ergreift notwendig auch die E d F : H a m m N J W 55 194, F r a n k f u r t N J W 55 1331 (Anm. Härtung). I m wesentlichen ebenso BGHSt. 10 3 7 9 . — E d F durch Gericht auch nach gem. §§ 4 StVG, 15b StVZO erfolgter Entziehung durch VerwBehörde noch möglich und geboten: BGH N J W 53 1719 mit Übersicht. — Die Dauer einer v o r l ä u f i g e n E n t z i e h u n g gem. § l i l a StPO kann f ü r die endgültige berücksichtigt werden und u.U.sie entbehrlich machen; eine förmliche Anrechnung analog § 60 ist jedoch nicht möglich: BGH J Z 54 164 (zust. Härtung S. 139); vgl. auch Karlsruhe N J W 54 164. — Betr. a u s l . F ü h r e r s c h e i n (Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2), vgl. Jagusch L K 7 c BGHSt. 10 94. — Doppelte Sperrfristverhängung zul.: H a m m N J W 54 1944, BGHSt. 6 398 = GA 1955 119 (Anm. Bruns). IX. Zu Abs. 4 vgl. Weigelt in D A R 55, 106. — Ein Beschluß nach Abs. 4 setzt voraus, daß der Angekl. neue Tatsachen vorbringt, die eine andere Beurteilung

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seiner Persönlichkeit rechtfertigen: Hamm N J W 55 514. Auch Verhalten im Strafvollzug, Lauf einer Bewährungsfrist u. dgl. mitzuberücksichtigen: Köln DAR 56 192. Zu 1 bis 7: Verbindung der Maßregeln

§ 42 n Maßregeln der Sicherung und Besserung können nebeneinander angeordnet werden. Vgl. die Anm. zu den einzelnen Maßregeln sowie die Vorbem. zu diesem Abschnitt; Schrifttum: B r u n s , ZStW 60, 474ff.; D e r s . J Z 54 730ff. (insbes. zu den Prozeßfragen). I. Allgemeines über das Verhältnis der einzelnen Maßregeln zueinander: Eine g r u n d s ä t z l i c h e Abstufung der Maßregeln nach der Schwere kennt das Gesetz nicht; es kommt immer auf die besonderen Umstände an: J W 39 619 betr. Entm. Vgl. aber auch D J 39 1043: SV oder Heilanstalt dürfen nicht angeordnet werden, wenn Trinkerheilanstalt oder Berufsverbot genügen; Gebot der Gerechtigkeit, niemand mit härteren Maßregeln als erforderlich zu belegen. Entscheidend ist in erster Linie, welche Maßregel den b e s t e n S c h u t z f ü r die Allgemeinheit gewährleistet, daneben, welche im Einzelfall am zweckmäßigsten, geeignetsten ist, erst dann, welche den Angekl. weniger beschwert (E 72 151; D J 39 1043). Der Satz in dubio pro reo gilt insoweit nicht: E 70 128. Freiburg DRZ 49 117 betont zwar grundsätzlich mit Recht, daß kein schwereres Übel auferlegt werden darf, als die G e r e c h t i g k e i t und der Schutz der Allgemeinheit es erfordert. — Aber innerhalb der w i c h t i g s t e n Maßregeln gibt es keine allgemeine Abstufung des Ranges oder der Schwere. So BGHSt. 5 312 (zust. Daliinger MDR 54, 333, Bruns a. a. O.) im Anschluß an E 73 47, 102: zwischen § 4 2 b und e je nach Eignung im Einzelfall zu entscheiden (gegen Freiburg a. a. O. und die ältere Rspr. des RG). Vgl. Vorbem. I vor § 42a. — Liegen die Voraussetzungen mehrerer Maßregeln vor, so bestehen also drei Möglichkeiten: 1. N u r e i n e M a ß r e g e l v e r s p r i c h t v o l l e n E r f o l g , die andere nur ungenügenden: hier ist nur die erstere anzuordnen, denn die anderen sind dann nicht „erforderlich". Vgl. E 68 232, 69 134, 150, 153; J W 34 2425. 2. K e i n e d e r m e h r e r e n M a ß r e g e l n r e i c h t f ü r s i c h a l l e i n a u s : dann sind sie nebeneinander anzuordnen. Über die Reihenfolge entscheidet der Vollzug. Vgl. die Entsch. zu 1, bes. E 69 135; dazu StPO § 458. Ferner oben § 42 d Anm. I. 3. J e d e M a ß r e g e l w ü r d e f ü r s i c h a l l e i n g e n ü g e n . Hier ist zunächst die Maßregel, deren Anordnung zwingend vorgeschrieben ist, derjenigen vorzuziehen, deren Anordnung im richterlichen Ermessen steht. Sind beide zwingend vorgeschrieben, so entscheidet richterliches Ermessen nach der Gestaltung des Einzelfalls. II. Einzelfälle 1. K o n k u r r e n z v o n § 4 2 b m i t e i n e r a n d e r e n M a ß r e g e l . Sie wird bei vermind. Zurechnungsf. (§ 51 II) wichtig. Vgl. die Darstellung der wechselvollen Entwicklung in BGHSt. 5 313 (oben zu I) und den früh. Aufl. 2. Über K o n k u r r e n z v o n § 42c m i t § 42e vgl. oben I c zu § 42c.

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Versuch. Vorbemerkungen

3. K o n k u r r e n z v o n § 42e u n d § 42 1: Berufsverbot kann SVu. U entbehrlich machen (DJ 38 1796). 4. G e s a m t s t r a f e n . Anordnung gem. § 42d bleibt unberührt, auch wenn neben einer Strafe ausgesprochen, die später in eine Gesamtstrafe einbezogen wird, neben der auf SV erkannt wird: E 74 4.

Zweiter Abschnitt

Versuch Schrifttum: H. M a y e r , Zur Abgrenzung des Versuchs von der Vorber. Hdlg., SJZ49, 172. — B o c k e l m a n n , zur gleichen Abgrenzung JZ 54, 468 und 55,193 (betr. Rspr. des BGH), NJW 55, 1417 (betr. Rücktritt). — S c h n e i d e r , Der abergläubische Versuch, GA 1955, 265. — H e i n i t z , Streitfragen der Versuchslehre, J R 56, 248. — S a l m , Das versuchte Verbrechen, 1957. — W a i b l i n g e r , Subjektivismus und Objektivismus in der neueren Lehre und Rspr. vom Versuch, ZStW 69, 189. — M a i h o f e r , Der Versuch der Unterlassung, GA 1958, 289. Vorbemerkungen Inhalt: I. Versuch und Vollendung. — II. Versuch und Vorbereitung. — III. Untauglicher Versuch. — IV. Mangel am Tatbestand. — V. Wahnverbrechen. — VI. Untauglichkeit des Subjekts. — VII. Erfolgsqualifizierung. — VIII. Selbständige Bestrafung. I. Vollendung und Versuch. Eine Straftat ist vollendet, wenn der g e s e t z l i c h e T a t b e s t a n d verwirklicht ist. Einerlei, ob der Täter seinen etwa darüber hinausgehenden Z w e c k erreicht hat (E 58 278). Unrichtig insoweit München SJZ 49 202 (Vollendung des schw. Diebstahls erst nach Erbrechen des Behältnisses); dagegen auch Anm. Schoetensack ibid. Einerlei auch, ob das zu schützende R e c h t s g u t verletzt ist: z. B. ist Münzfälschung (§ 146) schon mit der Fälschung vollendet, Attestfälschung (§ 277) erst mit dem Gebrauchmachen; Diebstahl schon mit der Wegnahme, Unterschlagung erst mit der Zueignung. Von der mit der vollen TBVerwirklichung eingetretenen V o l l e n d u n g muß u. U. die Beendigung der StrTat unterschieden werden. Beispiele: Bei Betrug oder Untreue wirkt die Vermögensschädigung weiter, ähnlich bei Steuerhinterziehung, bei Diebstahl die Besitzbefestigung, bei Brandstiftung die Zerstörung. Wichtig wegen V e r j ä h r u n g (E 62 418 sowie A . I I I u. VI zu § 67). Ferner wegen B e i h i l f e : sie ist noch möglich, nachdem der Täter Strafe wegen Vollendung verwirkt hat; wer die Flucht des Diebes deckt, begeht, solange der Besitzverlust nicht endgültig, nicht Begünstigung, sondern Beihilfe, obwohl der Diebstahl „vollendet" ist. Wegen A m n e s t i e E 71 64. Wegen § 138 dort A. IV. Zum ganzen Problem Mezger J W 38, 493 (betr. § 263). II. Straflos sind danach bloße Vorbereitungshandlungen ( A u s n a h m e n u n t e n zu VIII). 1. Grundsätze der Unterscheidung: „Es muß mit einer der die wesentlichen Begriffsmerkmale der Straftat bildenden Handlungen b e g o n n e n sein. Danach scheidet als Versuchshandlung alles, was die Ausführung der T a t nur e r m ö g l i c h e n o d e r

Versuch. Vorbemerkungen

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erleichtern soll, aus, insbes. die bloße Beschaffung und Bereitstellung der dazu erforderlichen Mittel und Werkzeuge" : E 53 336. Versuch erfordert, daß „das, was verwirklicht vorliegt, zu einer Tatbestandshandlung gehört und bereits eine Gefährdung des durch die Tat zu verletzenden Rechtsguts bedeutet": E 59 386. Wann eine Tat vollendet, versucht oder erst vorbereitet wurde, läßt sich nur im Hinblick auf einen bestimmten gesetzlichen Tatbestand ermitteln: BGHSt. 9 62 (63) wie 6 98 unter Hinweis auf Maurach § 41 C. Ebenso Heinitz J R 56, 248. 2. Im einzelnen: Beim Meineid ist nach E 54 117, BGHSt. 1 243, 4 176 (überholt durch GrSen BGHSt. 8 301) die falsche Aussage nur Vorbereitungshandlung, weil erst das Schwören Tathandlung. Hier fallen die Maßstäbe des am formellen Tatbestand orientierten und des materiellen Verbrechensbegriffes auseinander, da Rechtsgutsgefährdung regelmäßig schon gegeben; vgl. unten a. E. Ebenso betonen E 41 343 bei der kupplerischen und BGHSt. 6 98 bei der ausbeuterischen Zuhälterei die Tatbestandshandlung als Grenze; vgl. aber BGHSt. 1 115 betr. Kuppeleiversuch. — Die Grenze ist deutlich beim Diebstahl, bei dem zur Vollendung Bruch fremden Gewahrsams gehört, zum „Anfang der Ausführung" also Lockerung des Gewahrsams genügend, aber auch erforderlich ist. Das RG hat in folgenden Fällen strafbaren Versuch angenommen: E 53 217: Täter hatte den Hofhund losgekettet und draußen angebunden, um nachts darauf ungestört stehlen zu können; ähnlich E 55 191: Bestechung des Pförtners. Diebstahlsversuch beim Eindringen in ein befriedetss Besitztum (ohne daß ein Fall des § 243 vorliegt) dann, wenn der Täter es auf eine bestimmte Sache abgesehen hat und ohne neuen Willensentschluß „nur noch die Hand auszustrecken braucht, um sie an sich zu nehmen" : E 51 182; auch 43 322, 47 25, 53 336. E 54 254: Hinaufschleichen auf den Dachboden bis vor die unversperrte Kammer, aus der der Täter bestimmte Sachen wegnehmen wollte. — Oder mit Einbruchswerkzeug vor die verschlossene Bodentür. Hanseat. OLG in DR 41 1452 : Miete eines Zimmers in der Absicht, dort zu stehlen, als Diebstahlsversuch. — Versuchter Betrug mit dem Beginn des Täuschens: E 28 144. Eine auf Täuschung „abzielende" Handlung lassen E 51 341, 54 35, 64 130 sowie, sehr weitgehend, DJ 38 596 genügen. Bedenklich auch Celle Hann. Rpfl. 46 121 (vgl. DRZ 47 135). Nach BGH NJW 52 430, GA 1956 355 ist der Bereich der Vorher. Hdlg. überschritten, wenn nicht nur Täuschungsmittel bereitgestellt, sondern schon Gedankenäußerung in Richtung auf den zu Täuschenden. — Bei zweiaktigen Delikten genügt der Anfang des ersten Aktes, z. B. früher bei der Urkundenfälschung der des Fälschens: E 56 204. — Zum neuen § 267 vgl. Kiel HESt. 2 47 (zust.H.Mayer SJZ 49, 179). — Anfang des Feilhaltens (LebMittGes § 4 Nr. 2) durch Aufbewahrung im Kühlschrank: BGHSt. 12 54. 3. Wenn Vorbereitungshandlungen zur Bildung eines qualifizierten TB dienen, werden sie zu einem „Anfang der Ausführung". Beisp. § 243: „einschleichen", Anfang des Eindrückens einer Fensterscheibe, Aufspringen auf Güterzug zwecks Transportdiebstahl sind versuchte schwere Diebstähle: E 43 332, 54 35, 328. Ebenso versuchter R a u b mit Beginn der Gewaltanwendung: E 62 422; dieser kann schon in dem Einschließen des zu Beraubenden liegen: 69 327. Konstruktiv abw. Schoetensack SJZ 49, 202. Wenn umgekehrt die qualifizierende Handlung der Grundhandlung folgt, wie in § 154 oder § 252, so beginnt das erschwerte Delikt erst mit dem Schwören, Gewaltanwenden; vgl. Welzel § 23 III ß .

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Versuch. Vorbemerkungen

Versuch in mittelbarer Täterschaft kann bei g u t g l ä u b i g e m Tatmittler in der Einwirkung auf diesen liegen, wenn Rechtsgut bereits gefährdet und Schaden sich unmittelbar anschließen kann: BGHSt. 4 270 im Anschluß an RG (st. Rspr.) und BGHSt. 2 380. Bei d o l o s e m , die Folgen übersehendem Mittler dagegen erst, wenn dieser zu handeln beginnt. Vgl. Jagusch L K I I l f . 4. Wenn die Tatbestandshandlung im wesentlichen nur durch ein e i n z i g e s T ä t i g k e i t s w o r t bestimmt ist —• Beispiele: „ t ö t e n " (§§211, 212), „zueignen" (§ 246) „in Brand setzen" (§§ 306ff.) —, leistet gute Dienste die Formel von F r a n k : „Ein A. d. A. ist in allen Tätigkeitsakten zu finden, die vermöge ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tatbestandshandlung f ü r d i e n a t ü r l i c h e A u f f a s s u n g a l s d e r e n B e s t a n d t e i l e e r s c h e i n e n " (§ 43 I I , 2, b). Zu beachten ist, daß sie ausschließlich am formellen Verbrechensbegriff orientiert ist. Das R G h a t sie wörtlich übernommen (z. B. E 51 341, 54 35, 59, 157, 66 142, 68 329). Hierzu H . Mayer, Zur Abgrenzung usw. in SJZ 49, 172ff. Das Ergreifen der geladenen Pistole in der Tasche mit Tötungsabsicht ist nicht straflose Vorbereitung, sondern strafbarer Versuch: E 68 336 und 339. Ähnlich E 74 6 betr. Devisenschmuggel. 5. Zuletzt h a t das R G die Grenze zwischen der straflosen Vorbereitung und dem strafbaren Versuch immer mehr subjektiviert (a. A. Wegner 223 ff. Heinitz J R 56, 248 10 ; vgl. auch H . Mayer S. 285; kritisch Maurach § 4 1 1 B 2 b). Es stellte zwar auf die „natürliche Auffassung" ab, aber vom G e s a m t p l a n d e s T ä t e r s aus. Nach diesem Gesamtplan muß der Täter die Handlung in der Absicht begehen, unmittelbar (E 55 1, 66 142), in ununterbrochenem Zusammenhang damit (E 53 218) ein Tatbestandsmerkmal zu verwirklichen (E 51342, 66142). „ E s muß eine Tätigkeit entfaltet worden sein, die nach dem ihr zugrunde liegenden G e s a m t p l a n d e s H a n d e l n d e n dazu geeignet war, in ihrem regelmäßigen Verlauf" (E 54 36) den Tatbestand zu verwirklichen. So h a t E 59 157 Mordversuch schon in der Betäubung des Opfers mit Morphium gesehen, da der Angekl. „sich außerstande fühlte, sich an dem nichtbetäubten Kinde zu vergreifen", die Betäubung also „nach dem Plan des Angekl. u n t r e n n b a r " zur Tötung gehörte, obwohl diese „erst am anderen Morgen erfolgen konnte und sollte". Die Wendung zu einer s u b j e k t i v e n Abgrenzung zeigt sich besonders deutlich in E 66 141 betr. Brandstiftung: J e nach dem „Gesamtplan" des Täters kann die gleiche Handlung strafbarer Versuch oder Vorbereitung sein. Sehr weitgehend H R R 40 1051: Sammlung von Devisen und ihre Verbergung in einem Versteck, um sie in diesem demnächst ins Ausland zu bringen; D R 39 363: Ermöglichung der Reise eines Minderjährigen als Versuch aus § 175a Nr. 3. Über die restlose Subjektivierung der Versuchsgrenze bei Sittl.-Verbr. vgl. E 52 184, 54 224, 67 170, 69 140, 327, 71 47. Dazu Braunschweig N.TW 47 109. 6. Auch die N a c h k r i e g s - R s p r . neigte auf bestimmten Gebieten zur Subjektivierung. So insbesondere beim Versuch verbotenen Tauschhandels: Reise aufs Land mit Tauschwaren sieht LG Oldenburg DRZ 47 34 als Schulfall f ü r V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g a n ; ebenso Werner ebendort, S. 17; OLG Bamberg D R Z 47 381, dem H . Mayer a. a. O. 179 beitritt. Als V e r s u c h dagegen LG Osnabrück JB1. Oldbg. 46 59 Buchwald D R Z 47, 182 unter Hinweis auf den kriminalpolitischen Zweck des Wirtschaftsstrafrechts; Kassel H E S t . 1 8 (ausführliche Übersicht): bei Gefährdung der Volkswirtschaft müsse Ausf. handlung anders abgegrenzt werden als bei Angriffen gegen Rechtsgüter einzelner. Dies ist als Grundsatz abzulehnen. Richtig ist aber, daß die Ge-

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fährdung hier in concreto früher eintreten kann als etwa bei einem Angriff auf verteidigtes Eigentum. Denn die andere Seite kommt dem Tauschhändler entgegen. Vgl. auch Braunschweig MDR 47 35: Verbringung der schwarz zu schlachtenden Kuh an den Schlachtort. 7. Der BGH folgt dem RG (E 51 342, 54 254, 69 329), auch bzgl. des „Gesamtplans", betont aber, wie Dreher-Maaßen zutr. bemerken, den Gefährdungsgedanken stärker: so BGHSt. 2 380 betr. Bereitlegen des Einbruchsgeräts am Tatort. Vgl. ferner BGHSt. 1116: Einwirkung auf die zu Verkuppelnden; BGH N J W 52 514 (abl. Anm. Mezger): Auflauern, auch wenn das Opfer nicht am beabs. Tatort erscheint oder (BGHSt. 8 38) wenn es erst nach dem Weggang des Täters erscheint; MDR 51 144: Aufforderung an das Opfer als Versuch des § 176 I Nr. 3; MDR 52 16: Annäherung an das niederzuschlagende Opfer; BGH MDR 58 12 (Daliinger): körperliche Berührung beim Taschendiebstahl; MDR 52 272: Ergreifen und Durchladen des Revolvers, im Anschluß an E 68 336, aber nicht an E 77 1, 162; ebendort Entsch. betr. § 249, vgl. auch MDR 52 243. BGHSt. 8 129: rechtswidr. Todesurteil im Kriege (§ 211). Nach BGHSt. 4 270 im Anschluß an E 59 1, 66 141, 77 172 Einwirkung auf den gutgl. Tatmittler (bestr.). Während aber hier noch notw. Zugehörigkeit der Hdlg. zur TBVerwirklichung verlangt wird, gibt BGHSt. 4 334 (betr. Schmuggelversuch) ausdrücklich das Erfordernis der TBVerwirkl. preis und erklärt unmittelbare Rechtsgutsgefährdung für genügend. Das ist — über die zit. NJW 52 514, BGHSt. 2 380, 3 279 hinaus — der entscheidende, vom Gefährdungsgedanken aus folgerichtige Schritt vom formellen zum materiellen Deliktsbegriff in der Versuchslehre. Vgl. aber auch BGHSt. 4 176 (oben Abs. 1 dieser Anm.), die allerdings durch BGH GrSen. NJW 56 191 überholt ist, sowie BGHSt. 6 98 (betr. § 181a, dort Anm. V); beide halten an formalobjektiver Abgrenzung fest. So mit Recht Bockelmann JZ 55, 193; zutr. auch gegen BGHSt. 6 302, wo umgekehrt der Gefährlichkeitsbegriff völlig verflüchtigt und bis zum Gesinnungsstrafrecht subjektiviert wird (betr. § 176 I Nr. 3, vgl. dort Anm. VI). Bedenklich auch BGH JZ 57 226: Versuch des § 316a schon durch Besteigen der Taxe. Vgl. dort Anm. III. III. Objektive Tauglichkeit der Handlung, den Erfolg herbeizuführen, ist dem strafbaren Versuch nicht wesentlich. Streitig aber ist, ob, wo und wie innerhalb des untauglichen Versuchs eine Grenze zu ziehen ist. Hier stehen sich subjektive und objektive Maßstäbe gegenüber. 1. Nach der subjektiven Theorie des Reichsgerichts ist grundsätzlich jeder untaugliche Versuch strafbar; einerlei, ob die Untauglichkeit im Objekt oder im Mittel begründet; einerlei auch, ob sie eine absolute oder nur eine im Einzelfall begründete, relative, ist; wenn nur der Täter sein Tun für tauglich gehalten hat. Die B e g r ü n d u n g hatte das RG nicht dem Gedanken eines „Willens"-Strafrechts entnommen, sondern der Kausalitätslehre Buris von der Gleichwertigkeit aller Bedingungen (Vorb.II B I vor § 1): Beim ausgebliebenen Erfolg könne ebensowenig wie beim eingetretenen zwischen mehr und minder wichtigen Bedingungen unterschieden werden. O b j e k t i v sei eine nicht zur Vollendung gelangte Tat n i e m a l s gefährlich; s u b j e k t i v der Täterwille aber s t e t s . Grundlegend E 1439 (Plen-Entsch. betr. untaugliche Abtreibungsmittel mit einseitiger Darlegung der Entstehungsgeschichte; dazu eing. Maurach §41 H I B 3c). Ebenso E 34 217, 47 65, 68 53. Einschränkend E 33 321 (Sympathiemittel, Totbeten usw. seien „in rechtlicher Beziehung überhaupt nicht als Mittel" anzusehen). Dazu Schneider a. a. O. 10

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

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Die subj. Lehre des R G macht sich der BGH zu eigen; so ausdr. B G H S t . 2 76. Ebenso BGHSt. 1 16 u. 3 255 betr. Eidesverletzung vor unzust. Stellen, 4 200 betr. Diebesfalle, ohne diese Fälle als „Mangel am T a t b e s t a n d " herauszuheben (s. u. zu I V a. E. und V). 2. Die objektive Theorie, in der Wissenschaft lange Zeit herrschend, sieht demgegenüber in der G e f ä h r l i c h k e i t der Handlung f ü r das angegriffene Rechtsgut das entscheidende Kriterium. Sie h a t viele Spielarten. Eine ältere Auffassung f r a g t : war die Handlung, vom Standpunkt des Richters aus (ex post) absolut oder n u r relativ untauglich, den Erfolg herbeizuführen ? I m ersten Falle straflos, im zweiten strafbar. Eine jüngere Ansicht f r a g t : war die Handlung vom S t a n d p u n k t eines einsichtigen Menschen (oder: des Täters) zur Zeit der T a t (ex ante) erfolgversprechend? Beispiel: der Täter stellt Gift bereit, ein Dritter ersetzt es durch ein harmloses Pulver, das nun der Täter eingibt. Nach der älteren Theorie straflos, nach der neueren strafbar. Das Verdienst dieser Theorie ist es, die objektive Gefährlichkeit der mißlungenen Handlung und damit einen der objektiven Verletzung bei der gelungenen Handlung korrespondierenden Begriff eingeführt zu haben. Die Leugnung des Gefahrbegriffs durch v. Buri und das RG ist damit als unzulänglich erwiesen, der Versuch von einem Fremdkörper aus dem Bereich des Gesinnungsstrafrechts wieder zum echten Bestandteil des Systems gemacht. Der Fehler dieser Theorie ist es, daß sie den Gefährlichkeitsgedanken n u r auf die Tat, nicht auch auf den Täter bezogen h a t und daher Handlungen, die unstreitig strafbedürftig sind, nicht erfassen kann. T a t und Täter bilden eine unlösbare Sinneinheit. Der Gefährlichkeitsgedanke muß daher mit dem richtigen K e r n der subjektiven Theorie: der Erfassung des verbrecherischen Willens als tatgestaltenden oder über die Einzeltat hinaus relevanten Faktors verbunden werden. Praktisch war die obj. Theorie schon auf dem Wege dahin. I n dem obigen Giftmordbeispiel etwa kann angesichts der objektiven Harmlosigkeit der Handlung die S t r a f b a r k e i t nur aus der Gefährlichkeit des Täters f ü r das angegriffene Rechtsgut hergeleitet werden. Hieraus ergibt sich die 3. Vereinigungstheorie. Strafbarer Versuch liegt vor, wenn die Handlung für dag angegriffene Rechtsgut gefährlich war oder sonst den Täter als gefährlichen Angreifer dieses Rechtsguts erweist. Dies folgt weiterhin aus systematischen Gründen, nämlich a) dem S t r a f z w e c k . Bestraft wird die Handlungsschuld, nicht der Taterfolg (arg. § 56); und nicht nur zur Tat-Vergeltung, sondern oft auch, weil der Täter durch die Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung als gefährlich erwiesen ist und spezialpräventiv auf ihn eingewirkt werden muß. Daneben ist generalpräventiv der Eindruck nach außen zu berücksichtigen (Horn, v. Bar, Mezger S t B I 210f). b) dem V e r b r e c h e n s b e g r i f f . Das Verbrechen ist niemals nur Angriff auf das einzelne Objekt, sondern stets auch auf den im Rechtagut verkörperten Rechtswert. c) dem T ä t e r b e g r i f f . Denn Täterschaft ist Tatherrschaft. Diese fehlt bei abergläubischen oder törichten Versuchen von vornherein, da hier nicht der Wille des Täters, sondern nur ein Wunsch in Erscheinung tritt.

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d) der S t r u k t u r der T a t b e s t ä n d e . Neben der Rechtsgutverletzung ist die Gefährlichkeit des Täters spezifisches Aufbauelement z. B. in den §§ 123 I I , 223a, 243 Nr. 5—7, 244, 250. Erst recht gehören hierher §§ 20a, 181a oder strafbare Vorbereitungshandlungen gefährlicher Personen wie § 245 a. e) der K a n n - M i l d e r u n g des § 44. Sie ist von der objektiven Theorie aus nicht zu erklären. Denn die bloße Gefährdung des Rechtsguts ist immer ein Minus gegenüber der Verletzung; dem entspräche allein die Muß-Milderung. Allerdings sind Grund und Maßstab der Milderung streitig, vgl. § 44 Anm. I. f) allgemein dem Grundsatz des S c h u l d s t r a f r e c h t s , dessen ausnahmslose Beachtung jetzt § 56 fordert; vgl. oben zu a). Die hier vertretene Auffassung kam in § 43 I I I Thür. Fassg. des StGB zum Ausdruck: „Hat der Versuch eine ernsthafte Gefahr für das angegriffene Rechtsgut nicht herbeigeführt und läßt er auch nicht auf eine Gefährlichkeit des Täters schließen, so kann der Richter von Strafe absehen." Auch der E n t w u r f 1 9 5 9 § 27 Abs. 3 setzt, indem er bei grobem Unverstand des Täters von Strafe abzusehen gestattet, den Maßstab der personalen Gefährlichkeit voraus. 4. In den hauptsächlichsten Streitfragen der Versuchslehre ergibt sich von hier aus ein — vielfach zu vermissender — einheitlicher Maßstab: a) Für die Abgrenzung von V e r s u c h und V o r b e r e i t u n g ist der Gesamtplan des Täters mit heranzuziehen. Sein Wille ist ein objektiv gestaltender Faktor des Geschehens. Die nach außen harmlos erscheinende Handlung kann unmittelbar das Ausholen zum Angriff sein, z. B. das Stichwort, das den Raubüberfall auslösen soll. Vgl. Kassel HESt. 1 8. b) Der a b s o l u t u n t a u g l i c h e V e r s u c h ist strafbar, nicht aber der abergläubische oder schlechthin törichte (Totbeten, Abtreibungs-,,Versuch" mit Brombeerblättertee). Solches Verhalten mag auf Bösartigkeit oder Skrupellosigkeit schließen lassen, ist aber keine Täterhandlung, die jemand als g e f ä h r l i c h e n Angreifer des Rechtsguts erweist. Vgl. Schweiz Art. 23 I I : Handelt der Täter aus Unverstand, so kann der Richter von einer Bestrafung Umgang nehmen. c) Niemals genügt die bloße Manifestation einer bösen G e s i n n u n g , wie sie in der entferntesten Vorbereitungshandlung oder im abergläubischsten Versuch liegen kann. Hier zeigt sich der spezifisch rechtliche Maßstab des Gefährlichkeitsbegriffs gegenüber dem bloß sozialethischen Unwerturteil. Vgl. unten zu e). d) Der m a t e r i e l l e Verbrechensbegriff (Verbr. = Rechtsgutsverletzung) ist entscheidend. Der u n t a u g l . Vers, muß den Täter als gefährlichen Angreifer eines bestimmten Rechtsguts erweisen. Und Versuch, nicht nur Vorber., liegt vor, wenn das Rechtsgut gefährdet ist (oben zu I I a . E.) bzw. wenn die Handlung bei Unterstellung ihre vom Täter angenommene Tauglichkeit (er wußte nicht, daß seine Frau die Pistole heimlich wieder entladen hatte) das Rechtsgut unmittelbar gefährden würde. Damit ist der Widerspruch, den Bockelmann J Z 54, 468 in der Rspr. zu beiden Fragen sieht, praktisch lösbar. Denn beide Merkmale bedingen einander und verweisen aufeinander. e) Stets muß die — konkrete oder generelle — G e f ä h r l i c h k e i t f ü r ein bes t i m m t e s Rechtsgut Bezugspunkt und Maßstab bleiben. Sonst wird im Versuchsbereich der Verbrechensbegriff gesprengt und seiner rechtsstaatlichen Garantiefunktion beraubt. Bedenklich daher BGHSt. 11 271: „Beim untauglichen Versuch 10»

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kommt es nicht auf die Gefährdung eines bestimmten gegenwärtigen Rechtsguts an, weil schon die allgemeine Auflehung gegen die rechtlich geschützte Ordnung gefährlich ist (vgl. Jagusch LK 8 I I 2 zu § 43, Maurach § 43 I I I B 3 c, 4 und C, S. 442 bis 444; BGHSt. 4 199; 4 254; 10 388, 390)." Bei diesem Rückgriff auf den Bindingschen Unbotmäßigkeitsgedanken wird zudem das Rechtsgut mit dem konkreten Angriffsobjekt vermengt, das allerdings nicht gefährdet zu sein braucht. Näheres in Anm. Lange zu BGH JZ 58 669 = BGHSt. 11 324. Gegen polizeistaatliche Tendenzen im Versuchsbereich treffend Spendel, Rittler-Festschr. 1957, 44ff. Im wesentlichen übereinstimmend: S c h ö n k e - S c h r ö d e r I 2 c z u §43 „Kombination obj. und subj. Gesichtspunkte"; dort und DRZ 47 75 rechtsvergl. Hinweise; v. W e b e r Grdr. insbes. 75 u. 79; Mezger StB § 79: „gemischt obj.-subj."; zur Entsteh.-Gesch. vgl. § 76, W a i b l i n g e r ZStW 69, 216ff. Für die s u b j . Th. J a g u s c h §4311, O l s h . - N i e t h . , Vorbem. 3b vor §43: „Rspr. unerschütterlich". Auch H. M a y e r nimmt gewohnheitsrechtliche Geltung der'subj. Th. an (S. 288); dagegen Mezger a . a . O . Für das RG auch W e g n e r 223ff., dazu ZStW 65, 57; M a u r a c h § 41 I I I B 4 (soweit untaugl. Vers.). — Für die obj. Th. neuerd. S p e n d e l ZStW 65, 519, Rittler-Festschr. 1957, 44. IV. Auch irrige Annahme eines nicht vorhandenen Tatbestandsmerkmals begründet Versuch. So RG mit gleicher Begr. wie zu I I I 1. Eine in der Wissenschaft verbreitete Lehre, z. B. Dohna und Frank, neuerdings Sauer, Allg. StrRLehre § 17, nimmt hier weder tauglichen noch untauglichen Versuch, vielmehr „Mangel am T a t b e s t a n d " an, der, unabhängig von der Streitfrage unter I I I , straflos sei. Tatsächlich fehlt in diesen Fällen, abweichend von den typischen Versuchshandlungen, etwas anderes als der Erfolg zur Deliktsvollendung; auch ist nur ihnen ein Irrtum des Täters wesentlich. Denn nicht seine Handlung, sondern seine Vorstellung geht hier fehl. Z. B. der Täter ergreift in der Absicht, einen fremden wertvollen Mantel aus der Garderobe mitzunehmen, versehentlich seinen eigenen. Die rein obj. Th. mußte eine solche Handlung als in concreto ungefährlich für straflos erklären. Nach der hier vertretenen Auffassung bleibt der Sinn der Versuchsbestrafung von jener konstruktiven Besonderheit unberührt. Vgl. oben zu I I I und die dort Genannten. Aus der Rechtspr. des RG vgl. E 8 351 (betr. Beweiserheblichkeit einer Urkunde), E 10 11, 11 72, 88 423, 42 92, 50 35, 66 44 (Betrugsversuch, da der Täter in zivilrechtlichem Irrtum annahm, der Getäuschte werde geschädigt bzw. der erstrebte Vermögensvorteil sei rechtswidrig). E 18 82 (Betrugsversuch gegen eine nicht existierende Person). E 34 217, 47 65 (Abtreibungsversuch einer Frau, die sich irrrig für schwanger hielt), E 89 316 (Versuch § 176 Nr. 3 wegen der irrigen Annahme, das Kind sei unter 14 Jahren). E 47 189 (Versuch der Blutschande, da der Täter das Mädchen irrig für seine Tochter hielt). E 55 138 (Versuch der Konterbande, da der Täter die gekaufte Ware irrig für Schmugglerware hielt). E 56 316, 66 199, 68 53 (V. d. Steuerhinterziehung, selbst wenn eine Steuerpflicht nur in der Meinung des Täters bestand). E 60 215 (Versuch aus § 271, wenn der Täter die Urkunde irrig für eine öffentliche hielt). E 64 130 (versuchte Hehlerei, falls der Täter die Vortat aus rechtsirriger Auffassung des Versuchsbegriffs für strafbaren Versuch hielt, während sie straflose Vorbereitung war). Versuchter Meineid, wenn der Täter irrig glaubt, einen gültigen Eid zu leisten: in E 65 206 hielt er die den objektiv falschen Eid abnehmende Person irrig für eine hierzu zuständige Behörde (gegen Strafbarkeit hier OGH in SJZ 49 708

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m. Anm. Mezger); in E 67 331 hielt der Täter die an sich unzulässige Berufung auf einen früher geleisteten Eid f ü r einen gültigen Eid. Nach E 70 199 begeht v e r s u c h t e V e r f ü h r u n g (§ 175a Nr. 3), wer einen zur Unzucht Bereiten zur Unzucht veranlaßt, falls er dessen Bereitschaft nicht kennt. Der BGH folgt auch hier dem R G : BGHSt. 1 16, 3 255, 4 200, 7 58 (betr. vermeintliche Urkunden); s. o. I I I Abs. 2 und unten zu V (betr. Umkehrung der Irrtumslehre). Das gleiche gilt, f ü r die Verkennung eines rechtfertigenden Umstandes, wenn z. B. der Wegnehmende nicht wußte, daß der Eigentümer einverstanden, der Schläger nicht, daß er angegriffen war. Denn ebensowenig wie der Mangel am t a t bestandlichen Unrechtskern berührt der Mangel an der objektiven Unrechtsqualität überhaupt die Beweiskraft der Handlung dafür, daß der Täter ein gefährlicher Angreifer des Rechtsguts Eigentum bzw. Leben ist (oben III). Da die Handlung keinen objektiven Unrechtseffekt erzielt hat, ist hier andererseits kein v o l l e n d e t e s Delikt (so aber BGHSt. 2 114, 5 247 und — von ihrem Standpunkt folgerichtig — Niese, Finalität, 17, Maurach 244). Zutr. Jagusch L K I I 2 c , Schönke-Schröder § 43 I I I 6. Diese entscheiden a. a. O. I I I 2 mit Recht ebenso, wenn der Täter Qualifikationsmerkmale irrig angenommen hat. Hier gelten die gleichen Erwägungen. V. Straflos ist das Wahnverbrechen, wo der Täter ein gar n i c h t v o r h a n d e n e s S t r a f g e s e t z zu übertreten meinte. Zur Abgrenzung dieser von den Fällen unter I V verwertete R G seine (zunächst f ü r § 59 aufgestellte) Irrtumslehre in der Umkehrung: die irrige Annahme, den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeizuführen, ebenso wie irrige Annahme eines Tatbestandsmerkmals, wenn auch auf außerstrafrechtlichem Rechtsirrtum beruhend, begründe strafbaren Versuch; dagegen sei irrige Annahme der Strafbarkeit der in tatsächlicher Hinsicht richtig beurteilten T a t strafloses Wahnverbrechen oder Putativdelikt (E 42 92, 47 189, 55 138, 66 126). Entsprechend jetzt BGHSt. 3 255. Danach begründet die irrige A n n a h m e von Umständen, deren V e r k e n n u n g e i n e n vorsatzausschließenden T a t b e s t a n d s i r r t u m bedeuten würde, einen strafbaren M a n g e l a m T a t b e s t a n d . Hielt dagegen der Täter ein strafloses Tun, dessen Umstände er richtig erkannte, irrig f ü r verboten (lesbische Liebe, Gebrauchsdiebstahl abges. von den Fällen der §§ 248b oder 290, Geschlechtsverkehr zwischen Onkel und Nichte), so kann dieser „ W a h n " die Strafbarkeit ebensowenig begründen wie im umgekehrten Falle der Verbotsirrtum bei Kenntnis der tatbestandsmäßigen Umstände den Vorsatz ausschlösse. In Grenzfällen (BGHSt. 3 253 ff. gegen 1 13 betr. „zuständiges Gericht", vgl. auch Oldenburg N J W 51 973 und Jagusch L K § 43 Anm. I I 2 f.!) ist danach zu fragen, ob im umgekehrten Falle Tatbestands- oder Verbotsirrtum vorliegen würde (darüber unten § 59 Anm. V). Die Versuchslehre hängt hier automatisch von der Schuldlehre ab. Man wird dem folgen können, jedoch in dem Bewußtsein, daß beide Lehren gegenüber der Rspr. des RG durchgreifend gewandelt sind (zust. Hardwig GA 1957, 172). An Stelle der formellen psychologischen Schuldformen ist das normative, materielle Element der Vorwerfbarkeit als K e r n der Schuld anerkannt, an Stelle der formellen (kausalen) Begründung f ü r die Strafbarkeit des untaugl. Versuchs ebenfalls eine materielle: die Gefährlichkeit (s. o. Anm. I I I . a. E.). — Gegen den Umkehrschluß aus § 59 grundsätzlich Spendel ZStW 69, 441.

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VI. Untauglichkeit des Subjekts bildet nach herrschender und richtiger Ansicht kein Sonderproblem, sondern begründet entweder Wahnverbrechen oder untauglichen Versuch. Grundsätzlich anders Niethammer § 43 Anm. 6a bei Olsh., der hier stets strafbaren Versuch annimmt. Aber der Übergang zu den übrigen Fällen ist fließend, wie BGH 8 263 zeigt („Verkehrsflucht" eines nur vermeintlich Verpflichteten als Wahnverbrechen). Anders auch Bruns, Der untaugliche Täter im Strafrecht, 1955, Hardwig, Der Versuch bei untauglichem Subjekt GA 1957, 170, Schönke-Schröder § 43 I I I 3. Im wesentlichen wie hier: Welzel § 23 V, Salm a. a. O. 83ff., im Ergebnis auch Hardwig a. a. O. a) Ein Wahnverbrechen — straflos also — ist es, wenn jemand ein S o n d e r v e r b r e c h e n zu begehen vermeint, indem er sich irrig zu dem Personenkreis rechnet, a n d e n a l l e i n V e r b o t o d e r G e b o t sich h i e r r i c h t e n . Solche Sonderverbrechen (delicta propria) sind z. B. die echten Beamtenverbrechen (Vorbem. I vor § 331), die der Rechtsanwälte usw. (§§ 300, 352, 356), der Ärzte und Apotheker (§ 300), des „verantwortlichen Redakteurs" (PreßG §§ 20f.). Als Täter kann sich hier nur der Träger solcher Sonderpflichten strafbar machen; die Untauglichkeit anderer ist hier eine a b s o l u t e ; sie können unter k e i n e n Umständen ein solches Sonderverbrechen begehen. Die irrige Annahme, eine Pflicht zu haben, kann die Pflicht nicht ersetzen. Solche Annahme kann auch nicht wegen Versuchs strafbar machen, denn auch die Versuchsstrafe setzt die Pflicht voraus (a. A. Maurach § 41 I I I C 2). — Beispiel: Ein bei einer Staatsbehörde ohne besondere Verpflichtung Bediensteter, der für eine Pflichtverletzung ein Geschenk fordert oder annimmt, kann nicht dadurch, daß er sich irrig für einen „Beamten" hält, wegen versuchten Verbrechens des § 332 strafbar werden. — Vgl. Schleswig SchlHA 49 297 betr. einen von völlig unzuständiger Stelle „ernannten" Pseudobeamten: kein Versuch des § 348. Auf d i e Art des Irrtums k o m m t es, wenn ein Wahnverbrechen in Frage steht, n i c h t an. Keinerlei Irrtum kann einen, der nicht Normadressat ist, zu einem solchen machen; weder die irrige Annahme, eine Strafnorm bestehe, noch die irrige Annahme, eine bestehende Strafnorm beziehe sich auf ihn; aber auch nicht die irrige Annahme eines Sachverhalts, der, falls er bestünde, für ihn eine Sonderpflicht begründete. — Beispiel: Wer irrig gegen § 332 zu verstoßen glaubt, ist nicht nur dann straflos, wenn er den Beamtenbegriff zu weit ausgelegt hat, sondern auch dann, wenn er als Beamter entlassen war, aber von seiner Entlassung keine Kenntnis erhalten hatte. b) Untauglicher Versuch dagegen liegt vor, wenn die S t r a f v o r s c h r i f t s i c h g r u n d s ä t z l i c h a n a l l e wendet, aber der S t r a f t a t b e s t a n d eine besondere Beziehung des Täters zu dem Tatobjekt oder zu anderen Tatumständen fordert, die im Einzelfall fehlte, vom Täter aber irrig angenommen wurde; z. B. ein Verwandtschafts- oder ein Abhängigkeitsverhältnis bestimmter Art (§§ 173, 174). Die „Untauglichkeit des Subjekts" ist hier nicht, wie unter a, eine absolute, sondern eine r e l a t i v e , bedingt durch die Tatbestandsgestaltung. Vielfach ist für diese Fälle bezeichnend, daß die Untauglichkeit des Subjekts in eine solche des Objekts umgedacht werden kann. — Beispiele: Strafbarer Versuch der Blutschande, wenn der Mann irrig annahm, die von seiner Frau geborene Tochter sei von ihm gezeugt; strafloses Wahnverbrechen dagegen, wenn er annahm, der Beischlaf mit einer leiblichen Nichte sei strafbar (E 47 189). Als Zeuge vereidigter Beschuldigter:

Versuch § 43

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BGHSt. 10 8 (nach Welzel § 76 I I 1 Wahndelikt, ebenso schon Bamberg N J W 49 876 unter Hinweis auf E 57 54). TU. Bei den durch einen verschuldeten schwereren Erfolg qualifizierten Straftaten (Vorbem. I I vor § 1) entnimmt die Rspr., wenn der schwerere Erfolg schon durch eine Versuchshandlung herbeigeführt wurde, auch die Versuchsstrafe dem höheren Strafrahmen. E 62 422: Raub versuch mit Todesfolge, § 251, ohne daß es zu einer Wegnahme der Sache kommt; 69 332: Notzuchtsversuch mit Todesfolge §178; BGHSt. 7 37: Brandstiftung mit Todesfolge (gegen E 40 321). Teilweise anders E 9 67, 40 325,61 179. Nagler-Jagusch LK 7 §43 Anm III. B 8f., ebenso Maurach § 41 I I 3, wollen innerhalb dieser Gruppe unterscheiden. Wie BGH: Mezger StB I 204. Vgl. zu dieser Frage § 56 Anm. IV 1 und 6. VIII. Versuchs- und Vorbereitungshandlungen sind vielfach unter eine besondere Strafe gesteht; z. B. §§ 49a, 49b, 81, lOOe, 107b, 129, 151, 159, 229, 234a, 245a, 265 sowie Nebengesetze, z. B. Sprengstoffgesetz. Daraus folgt aber nicht ohne weiteres, daß sie hiermit zu Sonderverbrechen (delicta sui generis, eigenständige Verbrechen) erklärt sind, deren „Versuch" nun wiederum strafbar sei. So auch E 58 392 betr. § 49b (auch für die n. F. zutr.). Anders aber E 59 1 betr. § 229; vgl. dort Anm. I. — Über „Unternehmen" vgl. zu § 87 sowie Anm. IV zu § 46. Vorsätzliche und fahrlässige VorberHdlgen. bestraften §§ 3, 13 WiStrGes. 49/52. Begriff

§43 (1) Wer den Entschluß, ein Verbrechen oder Vergehen zu verüben, durch Handlungen, welche einen Anfang der Ausführung dieses Verbrechens oder Vergehens enthalten, betätigt hat, ist, wenn das beabsichtigte Verbrechen oder Vergehen nicht zur Vollendung gekommen ist, wegen Versuches zu bestrafen. (2) Der Versuch eines Vergehens wird jedoch nur in den Fällen bestraft, in welchen das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt. I. Objektiver Tatbestand: ,.Handlungen, welche einen A n f a n g d e r A u s f ü h r u n g e n t h a l t e n . " In den Fällen des sog. Mangels am Tatbestande (oben Vorbem. zu IV): „ n a c h M e i n u n g d e s T ä t e r s enthalten". Der Ausdruck soll die Grenze zu den grundsätzlich straflosen Vorbereitungshandlungen ziehen (oben Vorbem. II, VIII), ist also zu verstehen i. S. von „ b e r e i t s Anf. d. Ausf."; über die Fragen des untauglichen Versuchs (oben III—VI) sagt er nichts aus (vgl. Engisch, Einh. d. RechtsO S. 91). Diese überließen die Motive des StGB der Wissenschaft und Praxis (S. 53). II. Subjektiver Tatbestand: „Entschluß"! Die Vollendung muß ,,beabsichtigt" sein. Soll es absichtsgemäß beim Versuch bleiben, straflos (ähnlich E 58 392). — Entschluß und Absicht sind hier aber nichts anderes als Vorsatz. Es genügt also auch hier E v e n t u a l v o r s a t z in dem Sinne, daß das W i s s e n u m T a t u m s t ä n d e b e d i n g t sein kann; Beisp. Meineidsversuch, wenn Täter objektiv richtig aussagt, mit der Möglichkeit rechnet, daß die Aussage falsch ist, aber auf alle Fälle so aussagen will (E 61 159). A. A. Lampe NJW 58, 332; zutr. Remy NJW 58, 700. — N i c h t aber kann das W o l l e n b e d i n g t sein. Versuchsvorsatz fehlt also, wenn der Täter den endgültigen Entschluß, ob er die Tat durchführen will, von dem

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Versuch § 44

Eintritt oder Nichteintritt eines Ereignisses abhängig machen will: E 68 341, 70 203, 71 53; hiergegen Less G A 1956, 33, der zwischen Unschlüssigkeit und festem, aber bedingtem Entschluß unterscheidet, sowie Waiblinger ZStW 69, 189, 209, SchönkeSchröder § 43 I l a . — F a h r l ä s s i g e r Versuch — i. S. der Tatfahrlässigkeit — ist undenkbar. Vgl. jedoch Vorbem. V i l i a. E. sowie JZ 56, 74 Anm. 8. III. Zweifelsfreier Nachweis der Nichtvollendung ist zur Annahme des Versuchs nicht nötig: E 41 352. I V . Vergehensversuch strafbar z. B. in §§ 90—93, lOOd, 104, 107, 107a, 108, 108a, 120, 148, 150, 160, 169, 218, 240, 241a, 242, 246, 248b, c, 253, 263, 289, 303—305, 350, 352. Mit dem straflosen Versuch eines Vergehens kann jedoch eine vollendete Straftat ideell konkurrieren (§ 73), die dann strafbar bleibt; vgl. § 46 Anm. V. Strafbarkeit des A n s t i f t u n g s v e r s u c h s trotz Straflosigkeit des Tatversuchs bei §§ 153, 156: § 159. Nach Dreher-Maaßen zu § 159 aus kriminalpolitischen GründeD. — Versuch einer Ü b e r t r e t u n g ist straflos. Strafminderung

§ 44

(1) Das versuchte Verbrechen oder Vergehen kann milder bestraft werden als das vollendete. (2) Ist das vollendete Verbrechen mit lebenslangem Zuchthans bedroht, so kann auf Zuchthaus nicht unter drei Jahren erkannt werden. (3) In den übrigen Fällen kann die Strafe bis auf ein Viertel des Mindestbetrages der auf das vollendete Verbrechen oder Vergehen angedrohten Freiheits- und Geldstrafe ermäßigt werden. Ist hiernach Zuchthausstrafe unter einem Jahre verwirkt, so ist dieselbe nach Maßgabe des § 21 in Gefängnis zu verwandeln. I . Die Neufassung des Abs. 1 durch V O v. 29. 5. 43, an Stelle der ursprüngl. Muß-Milderung, bringt wie § 50 Abs. 1 n. F. und der neue § 56 den Gedanken des Schuldstrafrechts zum Ausdruck. Dazu BGHSt. 7 28 (30), L M Nr. 4 zu § 45, Börker JZ 56, 477, Dreher JZ 56, 682, JZ 57, 156, z. T . voneinander abw. Der schuldhafte Wille ist das Entscheidende, nicht der Erfolg. Auch bei dessen Ausbleiben daher bei voller Schuld volle Strafe möglich. Doch kann das Mißlingen Schlüsse auf geringere Stärke des verbr. Willens zulassen und namentlich generalpräventiv ins Gegengewicht fallen (ebenso Hamm N J W 58 561). Solche und andere etwaige Milderungsgründe muß der Richter erkennbar erwägen ( B G H M D R 51 403, aber auch 657). Unzulässig die Erwägung, das Ausbleiben des Erfolges sei nicht das Verdienst des Täters gewesen: Hamm N J W 58 1694. Auch Vorstrafen scheiden für die Milderungsfrage aus: Hamm N J W 58 561 (bei einschlägigen V . nicht unbedenklich). Andererseits auch mildernde Umstände nicht heranzuziehen (so mit Recht Dreher JZ 57, 156). Sofern das Gericht die Strafe überhaupt mildern will, ist nach BGHSt. 1115 unmittelbar vom Versuchsstrafrahmen auszugehen, nicht von einer hypothetischen Strafe für die vollendete Tat (dazu Hülle in Lind.-Möhr. § 180 Nr. 1 ; vgl. schon E 59 155, OGHSt. 1 194, BayObLG N J W 51 284). Vgl. dazu aber jetzt BGHSt. 7 28, 30, Börker a. a. O. Über die Bedeutung der Stelle für den Versuchsbegriff s. o. Vorbem. I I I a. E.

Versuch §§ 45,46

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II. Unter den Mindestbetrag der Stralart darf die Strafe nicht hinabgehen: E 18 125. Ausnahme im Falle des Abs. 3 S. 2. — Ein Viertel eines Monats sind acht Tage: E 5 442, die Hälfte 15 Tage: BGHSt. 7 322 im Anschluß an E 43 320 und 46 303. — Der Strafrahmen des § 20a gilt auch für die versuchte Straftat: BGH NJW 56 1078. Nebenstrafen §45 Wenn neben der Strafe des vollendeten Verbrechens oder Vergehens die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zulässig oder geboten ist, oder auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden kann, so gilt gleiches bei der Versuchsstrafe. Keine ausschließende Regelung für andere Nebenfolgen! BGHSt. 1156. Zweck und Absicht des Gesetzes jeweils maßgebend. E 13 76. Seit der Neufassung des § 44 Abs. 1 nach BGHSt. 1 156 Aberk. der Eidesfähigkeit bei Versuch jedenfalls dann zulässig, wenn die Strafe nicht gemildert wird.

Rücktritt vom Versuch und tätige Reue §46 Der Versuch als solcher bleibt straflos, wenn der Täter 1. die Ausführung der beabsichtigten Handlung aufgegeben hat, ohne daß er an dieser Ausführung durch Umstände gehindert worden ist, welche von seinem Willen unabhängig waren, oder 2. zu einer Zeit, zu welcher die Handlung noch nicht entdeckt war, den Eintritt des zur Vollendung des Verbrechens oder Vergehens gehörigen Erfolges durch eigene Tätigkeit abgewendet hat. Schrifttum: Vgl. vor § 43. Ferner: S c h r ö d e r , Die Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch, MDR 56, 321. — T r a u b , Die Subjektivierung des § 46 in der neuesten Rspr. des BGH, NJW 56, 1183. I. Grundgedanken: Der §46 trägt zwei Gedanken Rechnung: In erster Linie, daß es erwünscht ist, „dem Täter eine goldene Brücke zum Rückzug zu bauen" (E 73 60), indem man für Nichtvollendung Straflosigkeit des Versuchs in Aussicht stellt; daneben, daß freiwillige Nichtvollendung für eine geringere Nachhaltigkeit des Verbrecherwillens spricht. Die Minderung des Schuldvorwurfs betont BGHSt. 6 85 (betr. § 49 a III, IV). Einseitig in diesem Sinne BGHSt. 9 48, 52. Aber die Degradierung der Rücktrittshandlung zum bloßen nachträglichen Indiz geringerer Willensstärke entspricht kaum dem Willen und der Struktur des Gesetzes. Der BGH meint, daß sich der Täter im allg. durch die Rücktrittsprämie nicht bestimmen lasse. Aber dem Täter steht leibhaftig als Zäsur seines Handelns vor Augen, daß da, wo der Angriff auf das Rechtsgut noch nicht in dessen konkrete und materielle Verletzung übergegangen ist, die letzte Möglichkeit zur Umkehr liegt. Das sollte gerade im Zeichen des m a t e r i e l l e n Verbrechensbegriffs, zu dem sich

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Versuch § 46

der BGH im Versuchsbereich sonst bekennt (oben Vorb. I I a. E. vor § 43) ins Gewicht fallen. Bedenken gegen BGHSt. 9 48 bei Maurach § 41 V B 1 ; zu A 1 gibt auch er beiden Grundgedanken Raum; ebenso übrigens u. a. das amerikanische Recht, worauf Heinitz J R 56, 248 hinweist (mit weiterer hist. u. vergi. Übersicht). Einschränkend Schröder MDR 56, 321 und Anm. 1 1 zu § 46. Wechselnd Welzel (unten Anm. VII 1). Bei den zahlreichen neuen Bestimmungen, die über § 46 hinaus tätige Reue prämiieren, ist der kriminalpolitische Zweck des Gesetzes unbestreitbar. Vgl. über diese Stellen unten Anm. VII 2a), über ihre Auslegung BGHSt. 9 318, dazu oben § 2 Anm. I I I C 2. II. Der § 46 gibt keinen Schuld-, sondern nur einen persönlichen Strafausschließungsgrund (a. A. Schönke-Schröder § 46 IV vor 1 : Schuldtilgungsgrund). Der T e i l n e h m e r muß, um straflos zu werden, sich dies s e l b e r verdienen. Vgl. E 16 347, 39 37, 56 149 (betr. Beeidigung nach StPO § 60 Nr. 2, die trotz Rücktritt unzulässig bleibt), 57 272, 59 413, 71 319, 72 350. Betr. Mittäter und Teilnehmer s. auch Anm. VI. III. Nr. 1 regelt den Rücktritt vom nichtbeendeten, Nr. 2 die tätige Reue gegenüber dem beendeten V e r s u c h . Über tätige Reue nach formeller V e r b r e c h e n s v o l l e n d u n g vgl. §§ 49b I I I , 129 IV, 129a II, 139 III, IV, 158 (über dessen Verhältnis zu § 46 BGHSt. 4 173), 163, 310, 316a; ferner §§ 410, 411 RAO und hierzu Mattern NJW 51, 937; über das Verhältnis von § 46 zu § 410 RAO vgl. E 56 385, 62 362 gegen E 57 313 sowie Bauerle, Betriebsberater 53, 28. Ob Rücktritt oder tätige Reue in Betracht kommen, richtet sich während des gesamten Handlungsablaufs (BGHSt. 4 181) nach der V o r s t e l l u n g des T ä t e r s ; ersterer, wenn der Täter seine Tätigkeit noch nicht als abgeschlossen angesehen, letztere, wenn er sie, obwohl der Erfolg noch aussteht, für beendet gehalten hat. Vgl. E 38 402, 43 137, 45 183, 68 82 und 306, BGH GA 1956 89, MDR 53 722 (Dallinger). Zur Straflosigkeit führt bei ersterem das Unterlassen des Weiterhandelns, bei letzterem nur positives Tun (ernstlich gewolltes: E 68 381). Beides aber muß freiwillig sein (Anm. VII). — Die Tätervorstellung entscheidet auch darüber, ob mehrere Teilakte eine natürliche Einheit bilden, so daß der Rücktritt vom versuchten letzten das Ganze erfaßt: BGHSt. 10 129 einerseits, MDR 56 394 (Dallinger) andererseits. IV. Versuchs- oder Vorbereitungshandlungen unter besonderer Strafdrohung. Diese Fragen sind sehr umstr., vgl. Schönke-Schröder § 43 I 4, § 46 I 3, aber auch BGHSt. 6 85 (unten zu 2). Die Lit., z. B. Koch, StrafrAbh. 398, und auch der Standpunkt der früh. Aufl. sind durch die Novellen der letzten Jahre vielfach überholt. Zu unterscheiden sind: 1. Unternehmenstatbestände (§§ 80, 81, 89,105,114,122, 316a, 357, 360 Ziff. 5). Hier sind abweichend von § 44 die S t r a f f o l g e n für Versuch und Vollendung generell gleich. Nicht aber ist Versuch und damit Rücktritt b e g r i f f l i c h ausgeschlossen, wie Dreher-Maaßen § 43 Anm. 5, Maurach § 4 1 1 C 2a und V D 2 meinen. § 87, der für alle diese Fälle gilt und in den Allg. Teil gehört (so zutr. Dr.-M.), stellt gerade umgekehrt fest, daß Unternehmen Versuch ist. Versuch des Versuchs ist Versuch bis an die Grenze der Vorbereitung, die § 81 markiert. Nach allg. Regeln

Versuch § 46

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greift daher § 46 ein, soweit nicht Sonderbestimmungen vorgehen, wie § 82 f ü r §§ 80, 81, 89, wo starke kriminalpolitische Gegeninteressen vorliegen können. (Bemerkenswert ist in § 82 die Verschärfung gegenüber Art. 143 IV GG; auch § 410 RAO ist nach vorübergehender Milderung wieder verschärft worden, über die Gründe vgl. M a t t e m a. a. O.). 2. Vorbereitungshandlungen. §§ 49a I I I , IV (vgl. § 90 III!), 82 i. V . m. 81 u. 89II, 159, 204, sehen bei Rücktritt und tätiger Reue Strafbefreiung vor, und zwar m i t Ausnahme der §§ 82, 316 a obligatorisch. Mit Recht entnimmt daher BGHSt. 6 85 aus §§ 49 a, b und 90 analog die Rücktrittsmöglichkeit f ü r die unqualifizierte Vorbereitungshandlung des § 234a I I I unter Hinweis auf das Mißverhältnis gegenüber der Rücktrittsprämie bei Versuch und bei g e m e i n s c h a f t l i c h e r Verbrechensvorbereitung, das sonst entstünde. Das gleiche muß f ü r andere Fälle einfacher Vorbereitung gelten. 3. F ü r Sondertatbestände, die der Sache nach Versuch oder Vorbereitung eines anderen Delikts darstellen, aber durch eigene Merkmale charakterisiert und d a m i t verselbständigt sind, wie §§ 49b (RG J W 33 2337, E 69 168), 129, 129a, 151 (E 65 203), 229 (E 59 1), 265 (Mezger S t B I I 184), 316a (vgl.BGSt. 5 280) güt folgendes: Der Versuch ist strafbar, soweit Verbrechen (zweifelnd f ü r § 265 Mezger a. a. O.). Rücktritt insoweit gem. § 46. Aber auch nach formeller Vollendung erkennt der Gesetzgeber jetzt in §§ 129, 129a, 139, 316a wie früher schon in §§ 49b und 201—3 (204) Strafbefreiung durch Rücktritt an. Damit entfällt vollends der Einwand, daß hier b e g r i f f l i c h kein R ü c k t r i t t möglich sei, und Analogie ist bei kriminalpolitischer Indikation (vgl. z. B. Frank IV zu § 229,1 zu § 265) u n d Rechtsähnlichkeit gegebenenfalls möglich, wenn auch de lege lata kein solcher Fall ersichtlich ist. Vgl. Tübingen D R Z 49 43. V. Die in dem Geschehenen enthaltene ideell konkurrierende (z. B. § 229 gegenüber § 211) oder begrifflich enthaltene (z. B. § 223 gegenüber § 211) T a t bleibt strafbar. E 15 12, 23 225, 40 430. — Zum Rücktritt vom Versuch eines e r f o l g s q u a l i f i z i e r t e n Delikts vgl. Schneider J Z 56, 751. VI. Täter: an sich hier alle Mitwirkenden umfassend, also auch Teilnehmer (Anstifter, Gehilfen). Aber der Teilnehmer muß s i c h s e l b e r Straflosigkeit verschaffen. Dazu genügt nicht, daß er sich von der T a t lossagt. E r muß vielmehr die kausale Bedeutung seiner bisherigen Mitwirkung beseitigen, seinen Tatbeitrag zurücknehmen; der Anstifter z. B. die Anstiftung mit Erfolg widerrufen, mag dann auch der Angestiftete die T a t auf Grund anderer Einflüsse vornehmen. Oder der Gehilfe m u ß die von ihm gelieferten Werkzeuge vor Gebrauch zurücknehmen, mag dann auch die Tat mit anderen Werkzeugen ausgeführt werden. Vgl. E 55 105, 59 412. Eingehend BGH N J W 56 30. — Auch der R ü c k t r i t t des M i t t ä t e r s n ü t z t n u r diesem (E 16 347), und nur, falls durch ihn auch die T a t der übrigen verhindert wird (E 54 177). VII. Freiwilligkeit sowohl des Rücktritts wie der tätigen Reue ist wesentlich und bedeutet mehr als „rechtzeitig" in § 158: BGHSt. 4 175. Das Gesetz bestimmt sie in beiden Fällen des § 46 negativ. Dabei streitig, wieweit objektiv oder subjektiv zu bestimmen (das R G bestimmte mit Recht subjektiv, d. h. vom Standpunkt des Täters aus, E 68 82, 70 1, ebenso BGHSt. 4 56 — dazu Oehler J Z 53, 561 — und MDR 51 118); u n d : wieweit es sich handelt um die z w i n g e n d e Natur der Beweggründe zum Rücktritt oder aber um ihren s i t t l i c h e n W e r t ; das RG entwickelte

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Versuch § 46

sich ersichtlich von der ersten, angeblich nicht durchführbaren, zur zweiten Ansicht. Es verengte damit unzulässig die entscheidende Fragestellung: ob die von seinem Willen unabhängigen Umstände, so wie sie sich dem Täter darstellten und auf ihn wirkten, ihm praktisch noch eine Wahl ließen oder nicht. Wie hier Heinitz a. a. O. 249, Schröder a. a. 0 . 323. Vgl. dazu ferner Graf Dohna in ZStW 59, 541 sowie andererseits (im Anschluß an E 71 242) Henkel in JW 37, 2375 und Bockelmann in DR 42, 429 im Anschluß an E 75 393 sowie in NJW 55, 1417. Hierzu treffend Maurach § 41 V B 1: Das Strafrecht hat Kriminalpolitik und nicht Seelsorge zu betreiben. Im einzelnen: 1. Der Rücktritt muß unabhängig erfolgen von der Annahme äußerer Hinderungsgründe. Mag auch die Durchführung objektiv unmöglich sein, wenn nur der T ä t e r an die Möglichkeit glaubte. E 68 82. Frank: „Freiwillig, wenn der Täter sich sagt: ich will nicht, selbst wenn ich könnte; unfreiwillig, wenn der Täter sich sagt: ich kann nicht, selbst wenn ich wollte." Daher strafbefreiender Rücktritt nach Nr. 1 auch bei u n t a u g l i c h e m Versuch möglich: E 68 82. Freiwilligkeit auch bei Furcht vor Entdeckung oder Strafe. Unfreiwilligkeit aber bei Furcht vor Hinderung der Vollendung: BGH MDR 53 19 (Abtreibungsversuch wegen vorgeschrittener Schwangerschaft nicht durchgeführt); MDR 54 334 (Einschaltung der Straßenbeleuchtung verhindert Raubversuch). Nach E 65 149 auch bei Furcht vor Entdeckung dann, wenn der Täter „vernünftigerweise die Gefahr einer Entdeckung gar nicht auf sich nehmen konnte und durfte", also „nicht ernstlich bei seinem Entschluß beharren konnte, selbst wenn er es gewollt hätte". Wenn Vorstellung der Aussichtslosigkeit und Furcht vor Strafe nebeneinander wirken, unfreiwillig: E 57 316, BGH MDR 51 369. Übersicht über die ältere Rspr. bei Hamburg NJW 53 956. Beim Diebstahl nahm E 55 66 Freiwilligkeit des Rücktritts an, wenn der Wert des Wegzunehmenden den Erwartungen nicht entsprach; Unfreiwilligkeit, wenn der Dieb nichts oder doch nicht das Gewünschte findet. Richtiger E 70 1: unfreiwillig in beiden Fällen. Im wesentlichen ebenso jetzt BGHSt. 4 59: es kommt auf Plan und Zwecksetzung des Täters an. — Zuletzt wurde RG strenger. So hielt E 68 238 es für zulässig, auch bei bloß „innerer Hemmung" Freiwilligkeit des Rücktritts zu verneinen (den Angekl. hatte „beim Anblick des Erfolges seines ersten Schlages ein derartiger Schrecken erfaßt, daß er den Mut verlor, sich noch Sachen seines Opfers anzueignen": strafbarer Raubversuch). Anders BGH MDR 52 530 (Totschläger kommt beim Anblick des blutüberströmten Opfers zur Besinnung und veranlaßt Rettung: freiwillig); wie RG jetzt aber wieder in MDR 58 12 (Daliinger). In H R R 39 1434 wurde Freiwilligkeit des Rücktritts von versuchter Notzucht deshalb verneint, weil er auf die Drohung der Angegriffenen hin erfolgte, sie werde es der Frau des Täters sagen. Die Rechtspr. des RG entwickelte sich in der Richtung auf eine e t h i s c h e B e w e r t u n g des Motivs zum Rücktritt. Berechtigte Bedenken hiergegen bei Maurach § 41 V B 1; treffend früher Welzel § 241: damit werde die kriminalpolitische Zielsetzung aufgegeben; anders jedoch seit 5. Aufl.: die kriminalpolitische Begründung sei lebensfremd. Mit den sittlichen Distinktionen des RG brach BGHSt. 7 296 (gegen E 75 393; Anm. Jescheck in MDR 55, 562) betr. § 177: der Täter hatte von seinem Opfer abgelassen, als es ihm freiwillige Hingabe versprach. Entscheidend ist, ob der Täter Herr seiner Entschlüsse bleibt und die Ausführung noch für möglich hält; gleichgültig, ob Anstoß zum Rücktritt von außen kommt und Motiv nicht billigenswert. Rückkehr zur Rspr. des RG aber in BGHSt. 9 48 (hierzu eing. Traub NJW 56, 1183, vgl. aber auch oben I): unfreiwillig, wenn sich

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die Gefahr baldiger Entdeckung und Bestrafung dem Täter so aufgedrängt habe, daß er sie vernünftigerweise nicht auf sich nehmen konnte. Dies wird nur allgemein damit begründet, daß ein solcher Versuch gefährlich und strafwürdig bleibe. Der zugrunde liegende Fall versuchter Notzucht, bei dem es zu einer im einzelnen abgesprochenen Einigung zwischen Täter und Opfer kam, erscheint indessen nicht als Prototyp der Strafbedürftigkeit. 2. a) Bei tätiger Reue (eingebürgerter, aber viel zu enger Ausdruck, vgl. etwa E 61 117, auch 37 404, 47 74, 64 326, 56 66) ist Freiwilligkeit anzunehmen, wenn „die Handlung noch nicht entdeckt war". Die bloße F u r c h t vor Entdeckung schließt also die Straflosigkeit nur aus, wenn sie auch zu der Furcht führt, der Erfolg werde von anderer Seite verhindert werden; ähnlich E 65 149 für „Rücktritt". „Entdeckt" ist die beendete Versuchshandlung, wenn von ihr jemand Kenntnis genommen hat, von dem erwartet werden muß, daß er den Erfolgseintritt verhindern wird. Daß der Täter ihm zuvorkommt, ist kein Grund, ihn durch Straflosigkeit zu belohnen. Einzelfälle in E 38 402, 47 75, 62 303, 66 61, 71 242 (Anm. Henkel J W 37, 2375), BGH MDR 52 530. — Bei einem von vornherein untauglichen Versuch entschied RG ständig, Nr. 2 (anders bei Nr. 1) sei unanwendbar, da hier das Ausbleiben des Erfolges nicht auf der Tätigkeit des Täters beruht: E 68 306. Aber der Sinn der Versuchsstrafe als Erfassung des gefährlichen Willens (oben Vorbem. I I I vor § 43) muß entsprechend auch zu einer Berücksichtigung des guten Willens führen. Dieser Grundgedanke hat zudem in §§ 49a Abs. 4, 82 S. 2, 90 Abs. 3, 129 Abs. 4 S. 2,129a Abs. 2, § 316a Abs. 2 S. 2 durchgängig auch gesetzlichen Ausdruck gefunden, so daß er auf den gleich liegenden Fall des untaugl. Versuchs ebenfalls angewendet werden muß. So jetzt auch BGH JZ 58 669 (Anm. Lange) = BGHSt. 11 324. Der hier sichtbare Umbruch im Grundgedanken geht aber noch tiefer. Aus Beweisgründen (Lobe, Frank I I I 2) hat das Gesetz in § 46 Nr. 2 die Entdeckung zur unwiderleglichen und ausschließlichen Präsumtion der Unfreiwilligkeit erhoben. In den neuen Sonderregelungen der tätigen Reue hat jedoch der Gesetzgeber diese Objektivierung von Strafaufhebungsgründen aufgegeben und unmittelbar auf die Freiwilligkeit abgestellt: §§ 49a, 82,129,129a, 316a (die gleiche Subjektivierung in § 157 n. F.). So ist daher nach allg. Grundsätzen jetzt auch § 46 Nr. 2 auszulegen: tätige Reue macht den Täter straffrei, auch wenn die Tat ohne sein Wissen entdeckt war. A. A. E 3 93, Frank I I I 2 a. E.; im Erg. wie hier Henkel J W 37, 2377, Jagusch L K I I I 2 b , Maurach §41 VC. Die umgekehrte Folgerung: Strafbarkeit bei irriger Annahme der Entdeckung, verbietet der Satz nullum crimen sine lege. A. A. insoweit Jagusch und Maurach a. a. O. — Lehrreich die vielfachen Wandlungen des § 410 RAO in dieser Frage. Abs. 2 jetzt: „wußte oder damit rechnen mußte, daß die Tat entdeckt". Vgl. oben Anm. I I I (Mattern a. a. 0.). Die dogmatische und die kriminalpolitische Entwicklung gehen hier Hand in Hand. Das Problem muß als Ganzes gesehen werden: der Ausbau der Rücktrittsmöglichkeiten ist das notwendige Gegengewicht zu der unaufhaltsamen Materialisierung des Versuchsbegriffs (zu dieser oben Vorb. I I a. E. vor § 43). Vgl. auch Maurach § 4 1 I B 2 c zur kriminalpol. Frage. b) Entdeckung nicht schon mit entstandenem Verdacht; aber auch nicht Aufdeckung aller Einzelheiten der VerÜbung erforderlich. E 3 93. — Wenn der Täter, um den Erfolg abzuwenden, anderen von der Tat Kenntnis gibt, so ist diese damit

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Teilnahme. Vorbemerkungen

nicht „ e n t d e c k t " , § 46 also anwendbar. Vgl. z. B. E 1 375. — Gehört die Kenntnisnahme von der T a t zum Tatbestande selbst (z. B. bei Erpressung), so ist § 46 unanwendbar. E 26 77. A. A. Schönke-Schröder § 46 I I I 4. Vgl. auch oben zu a). V n i . Endgültig muß der Täter die Ausführung (Ziff. 1) aufgegeben haben. Also ist §46 n i c h t anwendbar, wenn der Täter n u r eine bestimmte A u s f ü h r u n g s w e i s e seines im übrigen unverändert auf den erstrebten Erfolg gerichteten Tuns aufgibt: E 72 349 mit (insoweit zustimmender) Anm. Nübell in J W 38, 3102. Dagegen Mezger StB I § 81 I I I 1, Maurach § 41 V B 2, Heinitz a. a. O. 252. Ebenso aber Braunschweig N J W 47 109, betr. Unterl. und jetzt BGHSt. 7 297, N J W 57 190. Wie hier auch Jagusch L K § 46 I I 2.

Dritter A b s c h n i t t Teilnahme Vorbemerkungen Inhalt: I. T ä t e r . A. Unmittelbarer Täter. B. Mittelbarer Täter. C. Mittäter. — II. T e i l n e h m e r . — III. A k z e s s o r i e t ä t . A. Die H a u p t t a t als S t r a f t a t . B. Die H a u p t t a t als begangene Tat. C. Handlungs-Einheit und -Mehrheit. D. Begehungsa r t und Begehungszeit. — IV. N o t w e n d i g e T e i l n a h m e . — V. S e l b s t ä n d i g e T e i l n a h m e t a t e n . — VI. K o n k u r r e n z f r a g e n . Das Schrifttum ist zu § 50, auf dessen Fragen es sich konzentriert hat, wiedergegeben. Ferner: P i o t e t , Systematik der Verbrechenselemente und Teilnahmelehre, ZStW 69,14. — L e s s , Der Unrechtscharakter der Anstiftung, ZStW 69, 43. — T r ö n d l e , Teilnahme an unvors. H a u p t t a t , GA 1956, 129. — E s s e r , Die Bedeut u n g des Schuldteilnahmebegriffs, GA 1958, 321. I. T ä t e r . — Die Feststellung, wer „ T ä t e r " ist, ist Voraussetzung f ü r die weiteren Fragen einerseits nach Rechtswidrigkeit und Schuld dieser „Täter"Handlung, andrerseits nach der „Teilnahme" anderer, die etwas voraussetzt, an dem „teilgenommen" wird. Das StGB sagt nicht, wer Täter ist; nur wer Teilnehmer, d. h. Anstifter oder Gehilfe sei. Trotzdem muß der Täterbegriff p r i m ä r festgestellt werden; denn Teilnehmer ist nur, wer nicht Täter ist. So ausdrücklich §§ 48, 49 Thür. Fassg.: „Wer, ohne selbst Täter zu sein . . .". Abzulehnen daher trotz sonstiger Übereinstimmung (s. u. zu 1) der „sekundäre" Täterbegriff Bockelmanns (Verh. v. T. u. T. 49 Anm. 106, GA 195, 204 Anm. 57; dazu ZStW 63,504, Sax MDR 54, 69 Anm. 31). Mißverständlich BGHSt. 3 5: mittelb. Täterschaft, „es sei denn, daß die Merkmale der Anst. oder Beih. gegeben wären". Täter kommt von Tat. Täter ist, wer dem Tatbestand entsprechend handelt. Die Handlung der einzelnen Delikte in ihrer jeweiligen Typik u n d Besonderheit ist daher der Grund und die Grenze des Täterbegriff. I n aller Regel k o m m t es hiernach nicht darauf an, ob der Täter selbst H a n d anlegt oder sich eines Tatmittlers bedient. Grundsätzlich gilt vielmehr: Täter ist, wer eine S t r a f t a t selbst oder dadurch ausführt, daß er einen anderen f ü r sich handeln läßt. Zu beachten ist jedoch: 1. A l l g e m e i n gehört zur Täterhandlung als tatbestandsmäßiger Handlung bei den hier allein problematischen Vorsatzdelikten mehr als bloße vorsätzliche Ver-

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ursachung. Die Zeugung des Mörders ist noch keine Tötungshandlung. Der Täter muß den Erfolg h e r b e i g e f ü h r t , das Geschehen in der Hand gehabt, beherrscht und gelenkt haben. Dazu gehört vor allem die objektive Geeignetheit ( A d ä q u a n z ) seiner Veranstaltungen für den Erfolg, aber auch sein zielbewußter (finaler) Handlungswille. Die Sachlage muß für ihn beherrschbar sein und er muß die Tatherrschaft ergreifen. Und die Tat muß sein e i g e n e s W e r k , er muß das S u b j e k t der Handlung sein. Herbeiführung eines Selbstmordes ist noch kein Mord. Dies ist bereits in Mod. Täterbegriff (1935) S. 34ff., 43ff., 59ff. entwickelt worden. Weitgehend ebenso jetzt Gallas MatStRRef. I, 121ff., 132ff. und betr. die Adäquanz (objektive Finalität) Engisch in Festschr. Kohlrausch S. 174ff. sowie Maihofer ZStW 70, 169 ff. Welzel nennt die in Mod. Täterbegriff begründete Täterlehre, die Kohlrausch übernommen hat, immer noch (Lb. § 15 I I 4b) irrigerweise „subjektiv"; vgl. dagegen dens. ZStW 58, 494, 540ff. Wieso sie zu einem reinen Gesinnungsstrafrecht führen soll (so Welzel Lb. a. a. O.), bleibt unverständlich. Treffende Charakterisierung der neuen, auch von Mezger LK 251, Bockelmann a. a. 0 . 49 vertretenen Lehre bei Maurach § 49 I I C als „materiell objektiv". Vgl. unten § 47 Anm. I. Zu ihr neigt jetzt auch wohl BGHSt. 8 393 (zust. Eb. Schmidt JZ 56, 569) und NJW 58 836. Allerdings ist die Rspr. noch in einem Übergangsstadium. Dies wird deutlich in einer Formulierung wie: das eigenhändige Erschlagen des Opfers sei „ein besonders wichtiger T a t b e i t r a g " (BGHSt. 8 398). Hierzu ZStW 68, 645. Vgl. ferner Niese JZ 57, 662, Dahs ZStW 1957 Sonderheft für Athen S. 74; zur Entwicklung der Rspr. des BGH allgemein: Kalthoener NJW 56, 1662. Über ihre Grundlagen vgl. noch Notw. Teilnahme S. 60ff und unten § 88 Anm. 12.. Auch das künftige Strafgesetzbuch dürfte ähnlichen Gedankengängen folgen, vgl. ZStW 67, 446ff., 572ff. Gegen die Definition des Täterbegriffs in § 28 Entw. 1956 wendet sich Sax ZStW 69, 433, weil sie das Kriterium der Tatherrschaft gefährde 2. Bei e i n z e l n e n Tatbeständen ergibt die N a t u r d e r S a c h e , daß ihre Handlung ganz oder teilweise nur eigenhändig begangen werden kann. So z.B. Blutschande, Schändung (§176 Nr. 2) und — bez. des eigentlichen Geschlechtsaktes — Notzucht, dazu BGHSt. 6 226; überhaupt alle sog. Fleischesverbrechen. Ferner die reinen Tätigkeitsdelikte (Binding: Der Deserteur muß mit [auf] eigenen Beinen entlaufen). Daß Meineid (das Schwören) eine höchstpersönliche Handlung ist, zeigt § 160, der sonst überflüssig wäre. 3. Eine Reihe von Delikten charakterisiert nicht nur die Handlung, sondern darüber hinaus den H a n d e l n d e n durch konstante Merkmale, die, an eine biologische, soziale oder sonstige Sonderstellung anknüpfend, die Täterschaft auf den hier herausgegriffenen Kreis beschränken. Z. B. Mann in § 175, Beamter in §§ 331 ff., Arzt, Anwalt in § 300 (streitig im Steuer-, Zoll- und Devisenstrafrecht, vgl. E 65 409 gegen E 62 319; E 66 304, 68 411 u. 424, BGH N J W 52 945, BGHSt. 4 38 [dazu Stäglich NJW 54, 1431]). Vgl. ferner § 90a (Gründer, Rädelsführer, Hintermann). Zu beachten ist, daß dieser gesetzliche Täterkreis oft enger ist als der jener, die das sachliche Rechtsgut überhaupt verletzen können (vgl. z. B. § 336 mit § 334). Auch Staffelung der Sondergruppen kommt vor (VO gegen Bestechung usw. Nichtbeamteter; § 121 im Verh. zu § 347, dazu BGHSt. 6 310). Zur Tatbestandsmäßigkeit i. e. Sinne als Typisierung der abstrakten rechtswidrigen Handlung tritt damit als weitere Voraussetzung die T ä t e r s c h a f t s m ä ß i g k e i t . Die primäre Strafbarkeit wird auf die beschränkt, die Tatherrschaft in besonderem

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Grade, oft exklusiv besitzen oder in deren Person die Handlung besonders gefährlich erscheint. (Umgekehrt bildet das Gesetz auch täterschaftliche Gegentypen da, wo bei gleicher oder korrespondierender Handlung nur ein Partner verantwortlich gemacht wird, der andere aber wegen seines persönlichen Status oder seiner besonderen Lage straffrei bleibt, sog. notwendige Teilnahme, unten Anm. IV und Lange, N. T., S. 63 ff.) 4. Bei der Frage nach der Täterschaft ist danach stets auf der Grundlage der besonderen tatbestandlichen Handlungs- und Tätertypik zu prüfen, ob der Handelnde die Tatherrschaft gehabt und ausgeübt hat, oben zu 1. Gegen diesen Begriff Baumann JZ 58, 230, der jedoch seinerseits auf den Willen zur Tatherrschaft abhebt (im Anschluß an das unveröff. Urteil des BGH 1 StR 196 vom 29. 5. 53, zit. bei Dreher-Maaßen). Bei Täterqualifikationen gehören auch diese zur Tatherrschaft (s. o. zu 2, 3 und JZ 53, 12, ebenso Gallas MatStrRReform 1130, ZStW 1957 Athener Sonderheft S. 28). Denn nur der Innenseiter kann in den Fällen oben zu 2 tatbestandsmäßig handeln, nur er beherrscht in der Gruppe oben zu 3 den Amtsbetrieb usw. Abw. Welzel, § 15 I I 3, der diese Elemente neben die finale Tatherrschaft stellt. In der Regel kommt es hierfür auf persönliche Ausführung nicht an. Grundsätzlich gilt: Täter ist, wer eine Straftat selbst oder dadurch ausführt, daß er einen anderen für sich handeln läßt (so auch Thür. Fassg. u. § 4 Entw. 1936). Ausnahmen aber in den Fällen zu 2. Und in den Fällen zu 3 muß der Täter dem Kreise der Innenstehenden angehören, gleichviel, ob er selbst Hand anlegt oder nicht (DJ 39 227 betr. unrichtige Buchführung gem. § 351). Vgl. BGHSt. 3 5: „Wer den Erfolg des gesetzlichen Straftatbestandes verursacht, ist Täter, soweit nicht besondere Vorschriften oder die besondere Eigenart des Tatbestandes entgegenstehen. Das gilt auch, wenn er den Erfolg durch das Handeln eines anderen herbeiführt, es sei denn, daß die Merkmale der Anstiftung oder der Beihilfe gegeben wären." Mißverständlich ist hier freilich, daß lediglich Kausalität (und nicht auch Adäquanz und Finalität) des Handelns verlangt werden und der Täterbegriff dem der Teilnahmeformen sekundär erscheint. Schärfere Betonung der Tatherrschaft trotz Bindung an die subj. Theorie (s. u. I I 3) bei BGH J R 55 304, 305, BGHSt. 8 393 und NJW 58 836 (vgl. oben zu 1). 5. Nach dem Tatbild unterscheiden wir unmittelbare und mittelbare Täterschaft und Mittäterschaft. A. Unmittelbarer Täter ist, wer eine Straftat selbst ausführt. Wer in seiner Person den Tatbestand bewußt voll verwirklicht, hat mit der darin liegenden Tatherrschaft auch den Täterwillen. Eine eigene Tat kann man nicht „als fremde" begehen wollen, auch wenn man sie im Interesse eines anderen tut oder unter dessen Einfluß steht. Anders nur da, wo eigener Wille und Entscheidungsfreiheit des Ausführenden durch übermächtige Faktoren wie militärische Vorgesetztenverhältnisse weitgehend ausgeschaltet sind; dem trug § 47 MilStG Rechnung, indem er den ausführenden Untergebenen lediglich als Gehilfen ansah. Vgl. BGH (nicht veröff. Urt.) bei Dallinger MDR 51 144, 273 sowie BGH N J W 54 1374 (leider mit der unrichtigen Verallgemeinerung, daß Tatherrschaft und Maß eigener Tatverwirklichung nur „wichtige Anhaltspunkte", entscheidend jedoch die Willensrichtung sei). Dazu oben 1 1 a. E. Abzulehnen daher E 74 84. Die B hatte auf Veranlassung und im Interesse ihrer Schwester A deren uneheliches Kind in der Badewanne ertränkt. Das LG

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hatte beide wegen vorsätzlicher Tötung in Mittäterschaft verurteilt. Das RG beanstandete nicht, daß die A als Täterin angesehen wurde. Bei der B aber vermißte es die Prüfung ihres Täterwillens. Nur dann sei die B Täterin, wenn sie „die Ausführungshandlung mit Täterwillen unternommen, d. h. die Tat a l s e i g e n e g e w o l l t h a t " ; dagegen sei sie „bloß Gehilfin, wenn sie lediglich eine fremde Tat als fremde hat unterstützen wollen". Das Urteil, über dessen besondere Motive Härtung JZ 54, 430 berichtet, stieß auf nahezu einhelligen Widerspruch: vgl. Klee in ZAk., 40, 188; Graf Dohna in DStrR 40,120; dies Buch seit der 35. Aufl.; Niethammer bei Olsh.12 Vorbem.21 I I vor § 47, Anm. 2 zu § 49; von früher vgl. Lange, Der moderne Täterbegriff, 1935, S. 47; Welzel mehrfach, z.B. ZStW58, 541 und SJZ 47, 645ff., Lb. § 15; Kohlrausch in Bumke-Festschr. 1939, S. 45; Dahm, Tätertyp, 1940 S. 55 (mit beachtlichen Vorbehalten für Gesinnungs- und Absichtsdelikte, wie Betrug, Erpressung; vgl. f ü r solche auch H R R 37 131). Für das RG v. Weber Grdr. S. 67 (jedoch zurückhaltend) ; ferner Rietzsch in D J 43, 311 und neuerdings Salm, Das versuchte Verbrechen S. 59. Die neuere Rspr. folgt durchweg der hier vertretenen Auffassung. Vgl. Frankfurt SJZ 47 630 (ausführlich; mit Anm. Radbruch, der hierin zu Unrecht eine Inkonsequenz zu sehen scheint); Gera SJZ 47 674 (abl. Welzel Sp. 645ff.; vgl. dazu DRZ 48, 189; ferner W. in MDR 49, 373); Köln NJW 48 148; Braunschweig NJW 48 193; Bremen NJW 48 315 = MDR 48 29; CeUe HESt. 1 12; Kiel DRZ 47 134. Zurückhaltend zunächst der BGH: MDR 51 144 u. 273 (Dallinger). Ausdrücklich gegen E 74 84 aber erst BGHSt. 8 393 : Wer mit eigener Hand einen Menschen tötet, ist grundsätzlich auch dann Täter, wenn er es unter dem Einfluß und in Gegenwart eines anderen und in dessen Interesse tut. Allerdings wird das Erschlagen nur als „besonders wichtiger T a t b e i t r a g " gewertet. Dazu oben 11. B. Mittelbare Täterschaft. — 1. Ihr Wesen. Mittelbarer Täter ist, wer eine Tat dadurch ausführt, daß er einen anderen für sich handeln läßt. Diesen anderen nennt man vielfach das „Werkzeug" des mittelbaren Täters. Das Wort ist aber geeignet, die Fälle zu verdunkeln, in denen auch der Benutzte strafrechtlich verantwortlich ist. Gerade auf die Einbeziehung auch solcher Fälle kommt es jetzt an. Besser spricht man etwa vom „Tatmittler". Auf die Qualifikation des Mittlers abzustellen, widerspräche dem Grundsatz des § 50 I, wonach bei Beteiligung mehrerer jeder ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld strafbar ist. Das hier für die Schuld Gesagte gilt erst recht für den objektiven Tatanteil. Jeder ist von seinem eigenen Standpunkt aus zu beurteilen. Wie Binding von der Mittäterschaft gesagt hat, daß für jeden Mittäter die anderen nur seine Gehilfen sind, — ebenso E 66 240, BGH NJW 51 410 —, so sind für jeden Veranlasser, der in eigener Sache handelt, die von ihm Benutzten seine Werkzeuge, ob sie ihrerseits als Täter verantwortlich sind oder nicht. Wie es Täter neben dem Täter gibt, so auch Täter hinter dem Täter. Beispiel: Celle MDR 49 187 (abl. Rutkowsky N J W 52, 606). Grundsätzlich zust. v. Weber MDR 52, 266 N. 20. Wie hier Frankfurt SJZ 47 630, Less JZ 51, 530, Sax MDR 54, 69. Vgl. Lange, Täterbegriff S. 52 Anm. 4. Den „Täter hinter dem Täter" erkennen neuerdings ferner an: SchönkeSchröder IV 2b) vor § 47, Nowakowski JZ 56, 549 (unter Subsumtion als Mittäter), Dreher-Maaßen 2h vor §47; vgl. auch Maurach § 48 I I A 2a und H D 3. A.A. Welzel SJZ 47, 650, Gallas MatStrR Ref. 1149. 11

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

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2. Fälle mittelbarer Täterschaft. Wer, ohne selbst Hand anzulegen, die Sachlage, hier also vor allem das Handeln des Mittlers, beherrschen kann und will und ggfalls. zu dem besonderen Täterkreise gehört (oben I 2, 3), ist m. T., insbes. bei a) B e s t i m m u n g e i n e s U n z u r e c h n u n g s f ä h i g e n , und zwar (str.) einerlei, ob der Bestimmende die Unz. des anderen kannte; ebenso eines K i n d e s und eines S t r a f u n r e i f e n zwischen 14 und 18 Jahren. Voraussetzung ist nach der Rspr., daß der Bestimmende die Tat als eigene wollte. Vgl. E 57 274. Ist dies nicht der Fall, so ist er jetzt als Anstifter strafbar: §§ 48, 50 n. F. Dazu E 61 265 (für § 4 JGG 1923). — Handelt der unmittelbar Tätigwerdende nicht tatbestandsmäßig und rechtswidrig, dann kommt n u r m. T. in Frage. Beisp.: Eltern peinigen ihr Kind, bis es, was sie beabsichtigt hatten, schließlich ins Wasser geht: Mord. Vgl. Lange, Mod. Täterbegriff S. 32ff. (Fall Hoefeld). b) N ö t i g u n g eines anderen zur Begehung einer nach § 52 straflosen Tat. E 31 395, 64 30. c) Bestimmung eines anderen zu einer tatbestandmäßigen und rechtswidrigen Handlung, der aber wegen I r r t u m s straflos bleibt. BGH MDB 54 399 betr. Diebstahl mittels gutgl. Dritten. d) Bestimmung eines anderen, der zwar vorsätzlich, aber ohne die im gegebenen Fall erforderliche „ A b s i c h t " handelt. Beispiel: A bestimmt den B, für A eine Sache zu stehlen. A ist wegen Diebstahls in m. T., B wegen Beihilfe strafbar. Anstiftung kommt nicht in Frage, auch nach dem neuen § 48 nicht, da B, dem die Zueignungsabsicht fehlt, nicht subjektiv tatbestandsmäßig handelt. Daß B ein sog. „ a b s i c h t s l o s e s d o l o s e s W e r k z e u g " ist, steht der Annahme von m. T. jetzt keinesfalls mehr im Wege; früher war es streitig. Vgl. E 57 274. Anders Maurach, §48 I I A 2a. e) Bestimmung zu einem S o n d e r d e l i k t , das nur in der Person des Bestimmenden, nicht aber in der des Bestimmten bei Strafe verboten ist; z. B. ein Beamter läßt durch einen Nichtbeamten eine Falschbeurkundung (§ 348) vornehmen. E 28 109, 41 61, 44 69. Von einem abweichenden Täterbegriff aus hält Piotet ZStW 69, 38 mittelbare Täterschaft des extraneus für möglich. Schönke-Schröder Anm. IV 2 e vor § 47 meinen, der Begriff der Tatherrschaft als Kriterium der Täterschaft versage beim bösgläubigen extraneus (sog. q u a l i f i k a t i o n s l o s e s d o l o s e s W e r k zeug), weil auch dieser sie besitze. Vgl. dazu aber oben 14. f) Bestimmung eines anderen, der vorsätzlich den TB verwirklicht, indessen so, daß der B e s t i m m e n d e a u c h e i g e n e n T ä t e r w i l l e n hat, Tatherrschaft, animus auctoris. Schulfall: E 74 84, s. Vorbem. I A, wo dem Urteil zwar insofern nicht gefolgt werden konnte, als die B nur als Gehilfin betrachtet wurde, wohl aber insofern, als die A als mittelbare Täterin angesehen wurde. (Ähnlich H R R 37 131 betr. Betrug, mit eingehenden Erwägungen. Bei Absichts- und Gesinnungsdelikten diskutabel; vgl. Dahm a. a. 0.) Vgl. ferner E 31 80, 44 69, 57 274 und oben zu 1. Die Tatherrschaft des Bestimmenden hängt hier von seiner Willensrichtung ab. g) Bestimmung eines anderen, der nur ( t a t - ) f a h r l ä s s i g handelt. Anstiftung kommt hier nicht in Betracht, da der Anstiftung nach neuem wie altem Recht — trotz Lockerung der Abhängigkeit — die Erregung eines „Entschlusses zur T a t " wesentlich ist (d. h. nicht nur zu einer für den Erfolg k a u s a l e n Handlung, sondern zu einer fi n a 1 e n , auf den Erfolg abzielenden, wenn auch nicht notwendig zur Schuld zurechenbaren Handlung). Bei Bestimmung zu einer Fahrlässigkeitstat fehlt es

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hieran nach altem wie nach neuem Recht, so daß hier nur m. T. in Frage kommt. Anders jedoch bei R e c h t s fahrlässigkeit, vgl. unten § 48 V a. E. Vgl. auch E 39 298. h) Bestimmung eines anderen, der für seine Person n i c h t r e c h t s w i d r i g handelt, weil er rechtlich verpflichtet ist, der Aufforderung nachzukommen. Vgl. für m i l i t ä r i s c h e B e f e h l s v e r h ä l t n i s s e §§22, 32, 33, 34 WStG v. 3 0 . 3 . 5 7 . Befiehlt der Vorgesetzte eine Übertretung, so ist der Befehl verbindlich. Der ausführende Soldat ist Täter, der Befehlende als Anstifter zu bestrafen. Der Befehl, ein Verbrechen oder Vergehen zu verüben, ist dagegen unverbindlich. Der Vorgesetzte ist (mittelbarer) Täter gem. § 33 oder § 34, der Soldat nur unter den Voraussetzungen des § 5 WStG zu bestrafen. Ungenau Welzel § 1 5 I I 2 c a , da §33 WStG nicht bei Übertretungen gilt. Zum früheren Rechtszustand beim rechtswidrigen, aber verbindlichen Befehl vgl. Stuttgart S J Z 47 204, dazu Küster 208ff.; v. WeberMDR 48, 34ff.; Wegner AllgT S. 205. Zur Problemlage bei „naturrechts"widrigen Gesetzen, soweit sie nach § 1 GVG als bindend für den Richter angesehen werden, vgl. Syst. Vorb. I I I 2 c. Wichtig vor allem für das Problem der politischen Denunzianten. Vgl. BGHSt. 3 6 (mit Übersicht) zum Fall des bösgläubigen Denunzianten, der gutgläubige und daher rechtmäßige behördl. Ermittlungen veranlaßt. Anders liegt e3 nach BGHSt. 3111. Vgl. dazu Bamberg S J Z 50 207 (Anm. Lange). — Auch der Fall des Prozeßbetruges (§ 263 Anm. IV 2) gehört hierher; oder der Fall, daß der Tatmittler berechtigte Interessen wahrnimmt (§ 193). — Stets aber muß das Geschehene als Ganzes eine „Tat", also ein tatbestandsmäßiges Unrecht darstellen. Das ist z. B. nicht der Fall, wenn der sadistisch veranlagte Nachbar den Vater eines unartigen Jungen zu einer erzieherisch gebotenen Tracht Prügel veranlaßt (Beispiel von Welzel, der hier aber entgegengesetzt entscheidet, S J Z 47, 648, vgl. dazu DRZ 48, 189 N 40). - Vgl. ferner den Fall BGH LM § 3 Nr. 2 (der einem anderen Kulturkreis angehörende Tatmittler handelt von seinem Standpunkt aus gesetzmäßig, dennoch rechtswidrige m. T.). 3. Die Schuld des mittelbaren Täters ist an sich nach den gleichen Grundsätzen festzustellen, wie die eines unmittelbaren Täters. Sie b e d a r f b e s o n d e r s sorgf ä l t i g e r P r ü f u n g ! Der mittelbare Täter handelt nur dann vorsätzlich (bzw. fahrlässig), wenn er die Tatbestandsverwirklichung durch den anderen (als von ihm veranlaßt) gewollt oder vorhergesehen oder doch bewußt in Kauf genommen (bzw. als möglich vorhergesehen oder pflichtwidrig nicht vorhergesehen hat). E 69 285 u. 302: „Der m. T. muß eine Vorstellung von den wesentlichen Merkmalen der Tat haben" (ein Betrugsfall; RG verlangt mit Recht, daß der m. T. „die Einzelheiten des Vertragsabschlusses", den der unmittelbare Täter vollzog, kannte). 4. Über die Unmöglichkeit mittelbarer Begehung bei den sog. eigenhändigen Verbrechen vgl. oben I 2. C. Die Mittäterschaft ist die einzige Form der Täterschaft, die das Gesetz ausdrücklich regelt. Sie ist eine Verbindung unmittelbarer und mittelbarer Tatausführung. Über ihr Verhältnis zur mittelbaren Täterschaft vgl. oben zu B 1, über ihr Wesen und ihre Abgrenzung von der Beihilfe unten § 47 Anm. I . II. Bei der Teilnahme unterscheidet das Gesetz die Formen der Anstiftung und Beihilfe, während die Mittäterschaft ungeachtet der Überschrift des 3. Abschn. der Täterschaft angehört. (Anders und weiter der strafprozessuale Begriff der Beteiligung: BGHSt. 1 363, 4 255, 371, BayObLG GA 1953 156). ll»

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1. Über den Inhalt der Teilnehmerhandlung sagen die §§ 48, 49, daß der Anstifter einen anderen zu der von diesem mit Strafe bedrohten Handlung bestimmt, der Gehilfe dem anderen Hilfe geleistet haben muß. Damit wird die Teilnahme von der Handlung eines anderen, des Täters, abhängig gemacht. Wie muß diese qualifiziert sein ? Der Wortlaut des § 50, der allgemeine Sprachgebrauch des Gesetzes und die Motive der in Erfüllung einer alten Reformforderung ergangenen Novelle vom 29. 5. 43 ergeben, daß die Strafbarkeit des Teilnehmers von der Schuld des Täters unabhängig gemacht werden sollte. Dies wird allerdings bei Irrtum des Haupttäters bestritten, weil „bestimmen" in § 48 die Hervorrufung des Tatentschlusses bedeute. Die Frage ist danach: Muß der Anstifter den Entschluß zur Handlung, zur Tat, oder darüber hinaus zur deliktischen Handlung, zur Übeltat im Täter hervorgerufen haben ? 2. Nur im Strafgrund der Teilnahme kann die Antwort gefunden werden. Hier stehen sich zwei Auffassungen gegenüber. Nach der einen wird der Teilnehmer deshalb gestraft, weil er den Täter in Schuld und Strafe geführt hat (so f ü r das neue Recht namentlich H. Mayer § 49 I I ; abwägend Maurach § 50 I I I D ; Übersicht bei Esser GA 1958, 321; er verweist — wie jetzt auch H. Mayer, Rittler-Festschr. 1957, 256 — den Korruptionsgedanken zutr. in die Strafzumessung). Nach der anderen deshalb, weil er dazu mitwirkte, daß eine mit Strafe bedrohte Handlung verübt werde. So die h. M. und insbes. die Rspr.: schon E 5 228, 15 316, neuerdings bes. BGHSt. 4 355: „Die Verursachung eines rechtswidrigen Verhaltens macht das Wesen der Anstiftung aus." Vgl. unten § 49a Anm. IV 2. Allein diese Auffassung entspricht dem Zweck und dem Wortsinn der Neufassung. §§ 48, 49 n. F. sollen, und zwar ohne Einschränkung, gerade auch dann die Strafbarkeit des Teilnehmers sichern, wenn er die Unrechtshandlung eines anderen vorsätzlich herbeiführte, o h n e den Täter selbst schuldig werden zu lassen. Und § 50 verbietet es, dem Teilnehmer die erhöhte Schuld zuzurechnen, die er beim Täter hervorgerufen hat, wenn sie nicht auch bei ihm selbst vorliegt. H. Mayer § 51 I I 1 c wollte folgerichtig den Anstifter regelmäßig härter strafen als den Täter, weil jener nicht nur verursache, sondern auch verleite; beachtliche Neugestaltung seiner Lehre jetzt aber in Rittler-Festschr. 254ff. — L K § 259 Anm. 6 begründet Strafbarkeit des Vortäters, der seinen Hehler anstiftet, damit, daß er „die rechtstreue Gesinnung eines anderen verdirbt". Gegen diese Meinung, die nur f ü r die ganz anders struktuierten Aufforderungsdelikte zuträfe (vgl. § 111 Anm. I), mit Recht BayObLG J R 58 429 (zust. Anm. Mittelbach); dazu unten § 259 Anm. VII. Strafbar ist also der Teilnehmer, weil und soweit er vorsätzlich die tatbestandsmäßig-rechtswidrige Rechtsguts Verletzung eines anderen (oder einen Anfang von deren Ausführung) verursacht oder gefördert hat. I m Wesen der Teilnahme liegt es, daß die täterbezogenen Unrechtselemente zu i h r e m Unrechtscharakter nicht gehören (hiergegen H. Mayer a. a. O. 261). Innerhalb der Teilnahmeformen ist nach der geringeren oder stärkeren Rechtsgutsverletzung zu scheiden: BGHSt. 1 242, 305, 6 311. Das Handeln des Teilnehmers ist bloße vorsätzliche Verursachung, nicht eignet ihm volle Tatherrschaft, da er das Handeln des Täters zwar anstößt oder fördert, aber nicht in der H a n d hat. Die Tat ist aus dem gleichen Grunde nicht sein eigenes Werk, auch subjektiv will er nicht in eigener Angelegenheit handeln. Das, was an den Deliktstypen zur Schuld und zur Tätertypisierung gehört, betrifft nicht den Strafgrund der Teilnahme. Dieser liegt allein

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in vorsätzlicher Verursachung oder Förderung der tatbestandsmäßig-rechtswidrigen Handlung eines anderen in ihrer Eigenschaft als Rechtsgutsverletzung. Daher kann der Nichtbeamte als Teilnehmer an einem reinen Amtsdelikt strafbar sein, weil er durch seine Veranlassung oder Unterstützung der Tat des Beamten das Interesse am einwandfreien Arbeiten der Behörden angegriffen hat. Die besonderen persönlichen Eigenschaften oder Verhältnisse dagegen, die die Täterhandlung des Beamten darüber hinaus als Verletzung seiner ureigenen Pflichten kennzeichnen, werden ihm nicht zugerechnet (§ 50 II). Dieser Gedanke ist de lege lata ausdrücklich nur für straferhöhende und -mindernde Umstände dieser Art ausgesprochen. Vgl. BGHSt. 6 308 betr. § 347; dazu oben I 3. Es ist aber allgemein anerkannt, daß dies auch dann mindestens in der Strafzumessung berücksichtigt werden muß, wenn solche besonderen persönlichen Eigenschaften oder Verhältnisse die Strafbarkeit sogar erst begründen. Denn hier liegt das Schwergewicht des deliktischen Unwertgehalts offensichtlich noch mehr auf der spezifischen Täterschaftsmäßigkeit (s. o. I 3). Das gilt für reine Amtsdelikte, z. B. Rechtsbeugung, ebenso wie für eigenhändige Delikte, die z. B. die Eigenschaft als Zeuge (Meineid) oder als Aszendent (§ 173) oder als Mann (§ 175) voraussetzen. Hier überall ist Anstiftung und Beihilfe Außenstehender möglich und strafbar, aber die grundsätzliche Gleichbestrafung derersteren (§ 48 II) mit der Täterschaft muß aus den dargelegten Gründen so weit wie möglich korrigiert werden. Das folgt zudem daraus, daß wenigstens in einigen Fällen die mindere Strafbarkeit des Außenstehenden, der, obwohl Veranlasser, doch nicht Täter sein kann, anerkannt ist: so in §§ 160, 271, 333. Der letztere Fall ist besonders aufschlußreich. Die hier zum Sonderdelikt erhobene Anstiftving zur s c h w e r e n Bestechung führt zur Verletzung der Amtspflicht und stört damit die äußere Funktion des Behördenapparates. Wo dagegen keine konkrete Rechtsgutsverletzung oder -Gefährdung angestrebt, sondern wie bei § 331 nur das sozialethische, rein täterschaftliche Moment der pflichtgemäßen Motivation tangiert wird, ist Teilnahme zwar denkbar und hier sogar notwendig, aber nicht strafbar. Vgl. E 42 382, Frank § 331 V. Die genannten drei Stellen bestätigen ferner das schon aus dem allgemeinen Strafgrund der Teilnahme gewonnene Ergebnis, daß für den Teilnehmer die Haupttat nur unter dem Gesichtspunkt der R e c h t s g u t s v e r l e t z u n g unter Ausschluß der spezifisch täterschaftlichen Momente zugrunde zu legen ist. Danach wird seine Strafbarkeit durch einen Irrtum des Täters ebensowenig wie durch dessen Unzurechnungsfähigkeit berührt, wenn nicht — was Auslegungsfrage ist — beim einzelnen Deliktstyp die Rechtsgutsverletzung selber an bewußt deliktisches Verhalten des Täters gebunden ist. Wenn z. B. X die ihrer nahen Verwandtschaft nicht bewußten A und B bösgläubig zum Geschlechtsverkehr miteinander bestimmt, so ist er strafbarer Anstifter zu einer durch § 173 mit Strafe bedrohten Handlung, wenn der Zweck des Verbots nur oder auch die Verhinderung der Inzucht ist. Wer den geisteskranken oder irregeführten Richter zu einem objektiv falschen Urteil bestimmt hat, ist Anstifter der in § 336 mit Strafe bedrohten Handlung, wenn deren Unrechtscharakter als Rechtsgutsverletzung darin besteht, daß durch Verletzung des Rechts die Rechtsstellung der Partei verbessert oder verschlechtert wird. (Vgl. E 67 33). Anders wäre nur unter der Annahme zu entscheiden, daß wie bei § 331 auch bei § 336 ausschließlich ein täterschaftliches Element (die pflichtwidrige Einstellung) und nicht auch der objektive Niederschlag der Schädigung der Rechtspflege den Grund der Strafbarkeit darstellte (Mezger LK § 50 5e meint, die Hand-

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lnng des § 336 sei „final"; aber das bleibt sie als Zu- oder Aberkennung eines Rechts auch bei Täuschung des Richters, vgl. unten § 48 V a. E.); entspr. für § 173, wenn hier nur die unsittliche Geschwisterliebe usw. als solche Strafgrund wäre. So H. Mayer § 50 III 2a: Blutschande bestehe nicht in dem Geschlechtsverkehr von Blutsverwandten als solchen, sondern in der Verletzung der geistig-sittlichen Familienbande. Aber selbst da, wo solche ethischen Momente schon das Wesen der Tat (nicht nur die Schuld des Täters) in besonders starkem Maße auszumachen scheinen, wie beim Eid als — ursprünglich jedenfalls — bedingter Selbstverfluchung, genügt die Schädigung der Rechtspflege als Rechtsgutsverletzung zur Bestrafung des Urhebers (§ 160). Daß daneben auch nach der Limitierung der Teilnahme die volle und durch § 159 noch erweiterte Strafe für den Anstifter im Fall bewußten Falschschwörens bestehen geblieben ist, gehört zu den noch nicht bereinigten Unstimmigkeiten, deren Beseitigung durch die Reform sicher ist. Unter prinzipieller Zurückführung der Anstiftung auf ihr Wesen als „entfernte Urheberschaft", „Verursachung eines rechtswidrigen Verhaltens" hatte deshalb mit Recht der 4. Sen. des BGH entschieden, daß, wer einen Arzt durch Irreführung zur objektiv unbefugten Offenbarung eines Berufsgeheimnisses bestimmt, wegen Anstiftung strafbar ist: BGHSt. 4 355 im Anschluß an den Standpunkt der Kommentare. Ebenso BGHSt. 5 47. Gegen diese Urteile BGHSt. 9 370 mit abweichender, von Schönke-Schröder Vorbem. IX 3 vor § 47 treffend kritisierter Auffassung vom Wesen der Teilnahme. Wie hier Mezger JZ 54, 312, abl. Welzel JZ 53, 762 unter Berufung auf Entsch. aus dem alten Rechtszustand, wo nach h. M. der Täter allerdings die „Rechtsverletzung" als solche mit „Tatbestandsdolus" verübt haben mußte (E 23 176), Maurach (der die Novelle von 1943 überhaupt verwirft) § 48 I B, II A, Bindokat NJW 54, 865, Börker J R 53, 166, Niese JZ 55, 324. Ebenso für Beihilfe zur Haupttat eines Gutgläubigen BGHSt. 5 47 (abl. Anm. Welzel JZ 54,127). Eingehend zu diesen Fragen Sax MDR 54, 68ff. Grundsätzlich wie hier auch Schönke-Schröder Vorbem. IX vor § 47, Engisch, Die Idee der Konkretisierung 1953, 120. Für Maurach a.a.O. und H. Mayer §§ 49, 50, die das Wesen der Anstiftung in der Korruption, der Verführung des Täters sehen und demgemäß die Novelle von 1943 für grundsätzlich verfehlt halten, ist die Ablehnung der hier gezogenen Schlüsse folgerichtig, kaum aber bei Welzel, der Lb. § 16 ganz im Sinne der Novelle die Abhängigkeit derTeilnahme auf eine tatbestandsmäßig-rechtswidrige Haupttat beschränkt, dann aber — ungeachtet der eigenen finalen Handlungslehre — beim Haupttäter nicht nur Handlungsentschluß, sondern deliktischen Vorsatz verlangt. Der mehrdeutige Begriff des „personalen Unrechts" (vgl. Syst. Vorbem. III 1) läßt hier verkennen, daß Elemente der Täterschaftsmäßigkeit eben bei der Teilnahme nicht vorausgesetzt werden können. § 50 zeigt aber bereits, daß ihr Unrecht nur „Erfolgsunrecht", nicht „Aktunrecht" sein kann. Näheres Notw. Teiln. S. 54ff., 98, wo bereits ausgeführt ist, daß zur Täterschaft in den kritischen Fällen der Sonderdelikte usw. mehr als Tatbestandsverwirklichung gehört, und eben darum die Teilnahme die typischen Fälle vorsätzlicher Verursachung oder Förderung von Rechtsgutsverletzungen jenseits der Täterschaftsmäßigkeit erfassen muß. — Bokkelmann will sich ebenfalls auf den Boden der Novelle stellen, bringt aber ihre Absichten weitgehend zu Fall, indem er Vorsatz plus Unrechtsbewußtsein beim Haupttäter verlangt (darüber ZStW 63, 501 ff. und Mezger LK § 50 Anm. 5d a. E.). Seine Polemik GA 1954, 205ff. geht auf die Kernfrage, den Strafgrund der Teilnahme,

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nicht ein und übersieht, daß Vorsatz hier nur als Handlungselement, d. h. als Bewußtsein des Haupttäters von seiner Veränderung der Außenwelt, nicht aber als Schuldelement, nämlich als Erkenntnis der sozialen und rechtlichen Tragweite des eigenen Verhaltens, in Betracht steht. Bemerkenswert demgegenüber der Hinweis Maurachs 1 (§ 53 I I I D la), daß in BGHSt.4 355 wie in den übrigen strittigen Fällen (BGHSt. 1 47, 2 171, 255, NJW 52 945) der schuldlose Haupttäter vorsätzlich gehandelt hat und sich nur über das Verbot irrte. Vgl. dazu ZStW 63, 503 und unten § 48 Anm. V. 3. Die Rechtsprechung hat den zu 2. entwickelten S t r a f g r u n d der Teilnahme schon früher (E 15 314) und besonders neuerdings vertreten (BGHSt. 4 355; 5 47; anders 9 370, s. o.). Als Kriterium der A b g r e n z u n g von Täterschaft und Teilnahme hat sie hingegen geglaubt, ein rein s u b j e k t i v e s Moment zugrunde legen zu müssen, weil sie objektiv die tatbestandsmäßige Handlung lediglich als vorsätzliche Erfolgsverursachung ansah und sich unter diesem Gesichtspunkt allerdings Täterschaft und Teilnahme nicht unterscheiden lassen. Wie in der Versuchslehre erscheint es auch hier als Verlegenheitslösung, daß danach nur übrig bleibe, darauf abzustellen, ob der Handelnde die Tat als eigene oder als fremde gewollt, animo auctoris oder animo socn gehandelt habe; als Indiz hierfür wird — ungeachtet der Tatsache, daß das Gesetz selbst z. B. in §§ 253, 263 hier keinen Unterschied macht — das eigene Interesse des Täters gewertet, z. B. BGHSt. 6 229. So das RG in ständiger Rspr. seit E 2 162 und 3 182, ebenso aber auch der OGH (1 55, 311, 365) und der BGH: N J W 5 1 410, 52 945, BGHSt.3 350, anders aber BGHSt.8 393. Über z. T. besonders weitgehende, aber nicht veröffentlichte Urteile Daliinger MDR 51, 144 und 273. Der inzwischen erfolgte Ausbau der Tatbestandslehre dahin, daß nur ein a d ä q u a t e s , d. h. objektiv das Geschehen beherrschendes und steuerndes, und f i n a l e s , d. h. subjektiv vom Gestaltungswillen getragenes Verhalten eine tatbestandsmäßige Handlung ist, sollte der gegenwärtigen Rspr. den notwendigen objektiven Unterbau f ü r eine Revision jenes einseitig subjektiven Standpunktes geben (deutliche Ansätze hierzu in BGHSt. 2 156 betr. Beihilfe zum Selbstmord: „Unterordnung unter fremden Täterwillen angesichts der Sachherrschaft des Verpflichteten unbeachtlich" und besonders in BGHSt. 8 393 (dazu oben I vor und zu A). Rückläufig dagegen BGH NJW 54 1374 (oben I A). Der weitere Gesichtspunkt, daß Täter und Tat in einem Subjekt-Objekt-Verhältnis stehen, d i e T a t daher die e i g e n e des Täters sein muß, bleibt davon unberührt (s.o. zu 11). III. Akzessorietät. Teilnahme setzt eine Haupttat (HT) voraus, an der „teilgenommen" wird. Insofern ist sie „akzessorisch". Zweifelhaft ist nur der G r a d ihrer Abhängigkeit. Nach zwei Richtungen: A. Wie weit muß die HT die Merkmale einer S t r a f t a t haben ? B. Wie weit muß sie wirklich b e g a n g e n sein ? Nach beiden Richtungen hat die Neufassung von 1943 eingegriffen; zwar nicht im Sinne einer Aufhebung, aber einer L o c k e r u n g der Akzessorietät. A. Wie weit muß die HT eine Straftat sein i 1. Man kann sich damit begnügen, daß die HT t a t b e s t a n d s m ä ß i g und r e c h t s w i d r i g sei; oder fordern, daß sie auch dem Haupttäter z u r S c h u l d zur e c h e n b a r sei. Wer letzteres nicht fordert, begnügt sich mit sog. l i m i t i e r t e r A k z e s s o r i e t ä t , mit Teilabhängigkeit. Wer auch Schuld des Haupttäters voraussetzt, fordert sog. e x t r e m e A k z e s s o r i e t ä t , Vollabhängigkeit.

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2. Das in § 50 n. F . ausgesprochene Ziel der Neufassung war: jeden Beteiligten „nach seiner Schuld" strafen zu können, „ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen". Zu diesem Zweck wurde die Akzessorietät der Teilnahme auf das von der P e r s o n des T ä t e r s u n a b h ä n g i g e U n r e c h t der Haupttat beschränkt: man ließ für diese eine „mit Strafe bedrohte" Handlung genügen, während bis dahin eine „strafbare", also auch schuldhafte Haupttat Voraussetzung war. Dem hat die Auslegung zu entsprechen. 3. Was ist „eine mit Strafe bedrohte Handlung" i Der Ausdruck kommt bereits in §§ 42b, 330a vor, aber in anderem Sinne. Die §§ 42b, 330a haben mit Teilnahme anderer nichts zu tun. Ihr Zweck ist vielmehr: dort, wo der StrRichter zur Bekämpfung der Gemeingefährlichen eingeschaltet ist, seine Aufgabe nicht an übertriebenen Tatschuld-Voraussetzungen scheitern zu lassen, andrerseits aber, da es sich immerhin um „Straf"-Recht handelt, mit dem Grundsatz: „keine Str. ohne Schuld" nur so weit zu brechen, als jener Zweck es verlangt. Deshalb können zwar der krankheitsbedingte und der rauschbedingte Irrtum die Annahme einer „m. Str. bedr. Hdlg." nicht hindern, wohl aber schließt ein verständlicher Irrtum (dem also in der bestimmten Lage auch ein Zurechnungsfähiger erlegen wäre) eine solche Annahme aus. Hat ein sinnlos Betrunkener wegen s e i n e s R a u s c h e s irrig geglaubt, ein anderer greife ihn an, so würde man den § 330a gerade für die Fälle ausschalten, für die er gemünzt war, wenn man hier wegen Putativnotwehr die Annahme einer „m. Str. bedr. Hdlg." verneinen würde. Hätte dagegen auch ein N ü c h t e r n e r einen rechtswidrigen Angriff angenommen, dann kann der Betrunkene nicht schlechter gestellt werden, es sei denn, daß man ohne weitere Voraussetzung den Rausch als solchen strafen will, was aber der Absicht des Gesetzes ersichtlich zuwiderlaufen würde; denn dann hätte man den komplizierten § 330 a nicht nötig gehabt. Entsprechendes gilt für §42b, wenn der Glaube, Notwehr üben zu müssen, das eine Mal aus krankhaftem Verfolgungswahn, das andere Mal aus der konkreten Lage folgt. Wenn also als Regel anzunehmen ist, daß eine „m. Str. bedr. Hdlg." zwar tatbestandsmäßig und rechtswidrig, aber nicht schuldhaft sein muß, so liegt hier bei §§ 42b u. 330a das Problem nicht (worin es meistens gesehen wird) in der Unbeachtlichkeit des rausch- bzw. krankheitsbedingten Irrtums, sondern in der B e a c h t l i c h k e i t des v e r s t ä n d l i c h e n I r r t u m s . Anders bei §§ 48, 49. Hier i r g e n d e i n e n Irrtum des Haupttäters dem Teilnehmer, der seinerseits n i c h t irrte, zugute kommen zu lassen, würde deren Zweck zuwiderlaufen. Nur dem jeweiligen Gesetzeszweck entnommene Auslegungen können jener Wendung ihren Sinn geben. Vgl. über eine solche teleologische Auslegung auch die Erläuterungen zu §§ 42b und 330a sowie E 73 11 betr. § 330a, neuerdings Maurach, Schuld usw. 94ff.; Bockelmann, Verh. v. Tätersch. u. T. 14. Neuerdings begegnet der Ausdruck auch in §§ 85, 86. Vgl. § 86 Anm. I I ; femer betr. „äußerer Tatbestand" in § 84 dort Anm. I I . Für die §§ 48, 49 ist das Ergebnis: Eine mit „Strafe bedrohte Handlung" i. S. der §§ 48, 49 n. F. ist — weiter als in den §§ 42b und 330a — jede nicht durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckte Willensbetätigung, die den objektiven T B eines Strafgesetzes verwirklicht. 4. Schwierigkeiten bleiben. Sie sind nicht den „Teilnahme"-Fragen eigentümlich, sondern betreffen die A b g r e n z u n g eines ä u ß e r e n ( o b j e k t i v e n ) und eines i n n e r e n ( s u b j e k t i v e n )

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T a t b e s t a n d e s ü b e r h a u p t ; also die Grenzbegriffe der normativen Tatbestandsmerkmale, der subjektiven Unrechtselemente, des Begriffs der Willenshandlung (naturalistisch oder final?), namentlich des sog. n a t ü r l i c h e n V o r s a t z e s und seines Verhältnisses zur Schuld. Das „ W i s s e n u n d W o l l e n d e s E r f o l g e s " kann auch bei jemand, der aus einem der §§ 51 bis 54 oder aus JGG § 3 freizusprechen ist, vorliegen. Gehört jener natürliche Vorsatz zu den begriffswesentlichen Voraussetzungen einer W i l l e n s h a n d l u n g , so daß sein Fehlen eine strafbare Teilnahme ausschließt, oder aber zum i n n e r e n TB, so daß sein Fehlen die Strafbarkeit des Teilnehmers nicht berührt ? Der sog. natürliche Vorsatz ist ein Essentiale der „Willenshandlung", wenn man diese (was wohl geboten ist und eine schwierige Vorfrage darstellt) „final" faßt. Vgl. zu diesem Begriff BGHSt. 3 287. Aber auch dann noch bleibt die Frage, wieweit der (gewollte) Erfolg k o n k r e t i s i e r t gedacht werden muß. Ist der (ohne Täterwillen handelnde, also als mittelbarer Täter nicht in Betracht kommende) Gehilfe schon strafbar, wenn der Täter willentlich schoß ? Oder nur, wenn der Täter den vor ihm befindlichen individuellen G e g e n s t a n d t r e f f e n wollte, auch wenn er den Menschen für einen Baumstumpf hielt? Oder gar nur dann, wenn er „einen M e n s c h e n t ö t e n wollte", aber aus einem der §§ 51, 52, 54, 59 oder JGG § 3 freigesprochen werden muß (etwa wegen Putativnotwehr) ? Diese Grenzschwierigkeiten müssen als unvermeidliche Folgen der Limitierung der Akzessorietät ins Auge gefaßt werden. Das Maß der Erfolgs-Konkretisierung wird sich in der Rechtspr. konsolidieren müssen, der hier eine beträchtliche Mehraufgabe erwächst. Neuerdings hat Bockelmann a.a.O. die dogmatischen Fragen wesentlich vertieft. Indessen sein Ergebnis, wonach strafbare Teilnahme beim Haupttäter Vorsatz und Verbotskenntnis voraussetzte, reißt erhebliche Lücken in die Strafbarkeit strafwürdiger Fälle und hebt die vom Gesetzgeber mit der Limitierung der Akzessorietät angestrebten Wirkungen weitgehend wieder auf. Grundsätzlich dürfen über das Verhältnis von Täterschaft und Teilnahme nicht konstruktive Erwägungen innerhalb der §§ 47 ff. entscheiden, sondern die primäre Ableitung der Täterschaft aus dem Verbrechens- und Tatbegriff und die komplementäre Funktion der Teilnehmerbestrafung unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden Rechtsgüterschutzes. Darum muß es genügen, daß der Veranlasser den Ausführenden zu einem finalen, den Lebensvorgang als solchen bewußt hervorrufenden Verhalten bestimmt, ohne Rücksicht darauf, ob der Täter außer dem „natürlichen" auch den „bösen" Vorsatz hat oder auch nur „rechtsfahrlässig" handelt. Zum Tat-, nicht zum ÜbeltatEntschluß muß der Angestiftete bestimmt worden sein (anders nur vom Standpunkt der Schuldteilnahmetheorie aus, oben I I 2 und unten § 48 Anm. III). Aus diesem Grunde hat der wissende extraneus zur Rechtsbeugung und zur Blutschande angestiftet, wenn der Richter zur Fällung eines Urteils veranlaßt wird, dessen sachliche Unrichtigkeit ihm verborgen bleibt, oder wenn ein Mann und ein Mädchen zum Beischlaf miteinander veranlaßt werden, die nicht ahnen, daß sie Geschwister sind. Das in einigen Fällen mögliche Ausweichen in anderweite Unrechtsgesichtspunkte (Kuppelei im zweiten Beispiel) umgeht das Problem statt es zu lösen. Schon die K a n t o r o w i c z s c h e Abwandlung des Beispiels (Bestimmung des gutgläubigen Geschwisterpaares zur blutschänderischen Eheschließung) verstellt diesen Ausweg. Und der Angriff auf die Rechtspflege im ersten Fall läßt sich durch § 263 (Prozeßbetrug) überhaupt nicht erfassen, abgesehen davon, daß dieser allenfalls bei Zivilprozessen in Betracht käme. — Wenn der Steuerberater A dem Steuerpflichtigen B

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wissentlich unrichtige Auskunft über seine Steuerpflicht gibt, so daß B sein steuerpflichtiges Einkommen gutgläubig zu niedrig angibt, so ist B straflos oder höchstens wegen „Fahrlässigkeit" strafbar, sei es nach § 59, sei es nach RAbgO § 395. A ist wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung strafbar. Entspr. f ü r Devisenstraftat E 73 263. Dazu unten § 48 Anm. V. B. Wieweit muß jene Haupttat wirklich begangen sein? Grundsätzlich muß sie als eine „mit Strafe bedrohte Handlung" in d i e E r s c h e i n u n g g e t r e t e n , also als vollendete oder (soweit Versuch strafbar) versuchte Straftat b e g a n g e n sein. Ausnahmen: 1. §§ 49a, 159, wo die erfolglose Anstiftung zu Verbrechen und einzelnen Vergehen bestraft wird. Vgl. § 49 a Anm. I I , § 159 Anm. II. 2. Überall da, wo eine Handlung wegen ihres Bezugs auf eine mögliche oder vermeintliche H T vom Gesetz zu einer e i g e n s t ä n d i g e n Straftat (delictum sui generis) gemacht ist, ebenfalls: z. B. in § 111 I I . C. Einheit und Mehrheit der Teilnahmehandlungen (§ 73 oder § 74) richtet sich nicht akzessorisch nach Einheit oder Mehrheit der Haupttaten, sondern nach der der Anstiftungs- bzw. Beihilfehandlungen. Wird durch „eine" Willensbetätigung zu mehreren selbständigen Haupttaten angestiftet, so ist auf diese § 74 anzuwenden, auf die Anstiftung aber nicht. So schon früher E 70 26, 334, 349 unter Preisgabe früherer Urteile und, was die Begr. übersieht, in Übereinstimmung mit der im Schrifttum schon damals überwiegenden Ansicht; hierzu Kohlrausch in ZStW 56, 178. — Mehrere Teilnahmehandlungen können in Fortsetzungszusammenhang stehen, auch bei selbständigen Haupttaten mehrerer Personen: E 74 59. D. Begehungsort der Teilnahmehandlung ist nach E 67 138, 74 55 „auch" der Ort der HT. Hier ist also sowohl akzessorische wie selbständige Beurteilung zulässig, was dem praktischen Bedürfnis wie auch dem § 3 I I I entspricht. Die Neufassung der §§ 48, 49 steht dem nicht entgegen. Über Teilnahme im internat. StrR vgl.SchröderinZStW61,57. — Auch die Begehungszeit (wichtig wegen Amnestieund Verjährung) ist jetzt nach dem Abschluß der Teilnahmehandlung zu beurteilen; auch bei Teilnahme durch Unterlassung; anders noch E 59 6, 65 362. E. Begünstigung und Hehlerei sind Sonderdelikte, nicht, wie die Teilnahme, Erscheinungsformen des Verbrechens. Ihr Strafgrund liegt nicht nur in der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes, sondern darüber hinaus in der S t r a f Vereitelung (§ 257) bzw. der K o l l u s i o n mit dem Vortäter (§ 259). Bei diesem sind daher subjektive Beziehungen zur T a t vorauszusetzen; daher kann wohl BGHSt. 1 50 (Schuldunfähigkeit des Vortäters), aber nicht BGH bei LM 2 a zu § 50 gefolgt werden, der den gesamten inneren Tatbestand beim Vortäter f ü r entbehrlich erklärt. Vgl. dagegen BGHSt. 4 76 ( = J Z 53 637, Niese, = J R 53 186, Welzel). Es handelt sich nicht um einen bloßen Spezialfall des Akzessorietätsproblems (insoweit abw. Sax MDR 54, 65). Vgl. zu §§ 257, 259. Über die Beihilfe, die „kraft unwiderleglicher Vermutung" (§ 257 Abs. 3) in der Z u s a g e der Begünstigung liegt, BGHSt. 4 134, 6 23. Folgerungen f ü r die Einziehung gem. § 40: Hamm J Z 52 39 (Anm. Härtung). F. Ausschluß der Strafbarkeit wegen Teilnahme bei § 90 a (arg. § 129 a): BGHSt. 6 160 und bei § 331 (arg. § 333): E 42 382. § 331 i. V. m. § 333 sind zugleich eiD

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Fall notw. Teilnahme, darüber unten zu IV. Aber auch §§ 160, 271 sind Sonderregelungen der Teilnahme von Außenseitern (oben I 3, I I 2). IV. Notwendige Teilnahme (hierzu Lange, Notw. Teiln., 1940. Olsh.-Nieth. Vorbem. 26 vor §47, H.Mayer, Rittler-Festschr. 1957, 260ff., Börker J R 56, 286). 1. Wenn die Verwirklichung eines Straftatbestandes begriffsnotwendig Beteiligung mehrerer voraussetzt, aber nur bestimmte Beteiligte unter Strafe gestellt sind, so folgt daraus die Straflosigkeit der anderen, und zwar zunächst unmittelbar, soweit sie über jenes begriffsnotwendige Verhalten nicht hinausgehen. Danach sind der Trinker in einer nicht genehmigten Schankwirtschaft (E 70 233), der mehr als den festgesetzten Höchstpreis zahlende Käufer (E 70 347) nicht wegen Beihilfe strafbar, wenn das Gesetz nur den Wirt bzw. Verkäufer straft. Wenn dagegen jener Trinker noch weitere Zechgenossen herbeiholt, oder wenn der Käufer über das Anbieten oder Gewähren des Höchstpreises hinaus die strafbare Handlung veranlaßt, z. B. den widerstrebenden Verkäufer durch Bitten bestimmt, sollen sie nach RG wegen Beihilfe bzw. Anstiftung strafbar sein. Das ist im ersten Beispiel richtig, weil hier andere Verstöße des Wirts gefördert werden, an denen der Gast nicht „notwendig Beteiligter" ist. Im zweiten dagegen unrichtig. Denn der notwendig Beteiligte ist regelmäßig deshalb straflos, weil er sich dem anderen gegenüber in einer notstandsähnlichen Unterlegenheitssituation befindet, oder weil erst eine besondere Pflichten- oder Schlüsselstellung, die er nicht innehat, die Strafwiirdigkeit begründet. Das gilt aber auch für Handlungen, die seinen eigenen Tatbeitrag vorbereiten oder sonst fördern. In dem obigen Beispiel wird der Anstoß stets vom Käufer ausgehen. Seine vom Gesetz gewollte Straflosigkeit wurde daher durch die Rechtspr. des RG praktisch vereitelt. — Zu eng deshalb auch E 71 114. Danach ist die Partei, der ein Rechtsanwalt verräterisch i. S. des § 356 dient, (nur dann) nicht wegen Teilnahme strafbar, wenn sie weiter nichts tut, als daß sie die verräterischen Dienste annimmt. — Zu Unrecht strafen ferner E 61 31 den Gefangenen, der seinen Befreier, E 60 346 und BGHSt. 5 75 (dem Mayer a. a. O. 261 zustimmt) den Begünstigten, der seinen Begünstiger zur Tat veranlaßt hat, wegen Anstiftung zur Fremdbegünstigung. In Wahrheit liegt mittelbare Selbstbefreiung und -begünstigung vor. Die Straflosigkeit ergibt sich für § 257 schlagend aus Abs. 3, denn bei vorangegangener Zusage des Begünstigers kann der Begünstigte ex lege nicht wegen Anstiftung zu der ihm selbst geleisteten Beihilfe bestraft werden. Darüber hinaus folgt sie aber allgemein aus dem obigen Grundgedanken. Denn die Konzession an den Selbsterhaltungstrieb muß sich sinngemäß auf alle der Selbstbefreiung oder -begünstigung dienenden Handlungen erstrecken, soweit dabei nicht über die Befreiung oder Begünstigung hinaus delinquiert wird. — Die bloße Annahme der Zahlungsmittel fällt unter den Begriff der notwendigen Teilnahme und ist daher nicht nach § 11 DevGes. strafbar: RGer. in „Das Recht" 41 Nr. 297. — Eingehend zur notw. Teiln. in §218 Abs. 1 Fall 2: BGHSt. 1139; zustimmend Börker J R 56, 286. 2. Erst recht ist der straflos, zu dessen Schutz ein Strafgesetz dient; z. B. der Bewucherte; der unsittlich Mißbrauchte nach § 174 Nr. 1—3; der Arbeitnehmer, der die Arbeitszeit überschreitet (BayObLG J R 58 387 zu § 3 ArbZeitO). Strafbar ist er freilich, wenn sein Verhalten einen Sondertatbestand erfüllt. So ist der Mann, an dem sich jemand gemäß § 175 a vergeht, zwar nicht wegen Beihilfe hierzu, aber aus § 175 strafbar. — Nicht ist nach herrschender Rechtspr. straflos, wer jemand an-

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gestiftet hat, ihm Gelegenheit zur Unzucht zu verschaffen; er soll wegen A n s t i f t u n g z u r K u p p e l e i s t r a f b a r sein (E 23 69, 25 369, B G H S t . 10 386). Auch hierzu gilt aber das oben Gesagte. Vgl. auch § 235 m. Anm. V. Selbständig strafbar: Verabredung bestimmter Verbrechen (sog. „ K o m p l o t t " , ohne Ausführung nur ausnahmsweise strafbar) z.B. SprStG § 6. — Ebenso die Verbindung (Vereinigung) zu unbestimmten Verbrechen (sog. „Bande"), z.B. § 243 Ziff. 6, SprStG § 6. — Ferner die selbständig strafbaren Aufforderungen, vgl. das Register. VI. Konkurrenzfragen. — 1. Von v e r s c h i e d e n e n A r t e n d e r T e i l n a h m e d e r s e l b e n P e r s o n geht die geringere in der umfassenderen auf. Denn eine Person kann wegen Beteiligung an einer T a t nur von einem Gesichtspunkt aus bestraft werden. Beihilfe geht auf in der Anstiftung (E 53 189, 62 74; anders E 48 206 bei Teilnahme am sog. fortgesetzten Delikt); Anstiftung und Beihilfe in der Mittäterschaft (E 36 25) oder Täterschaft (E 59 26). Bedenklich BGHSt. 8 294, wogegen zutr. BGHSt. 9 121 (betr. Mitt. und Anst. bei Gefangenenmeuterei, vgl. § 122 Anm. V). Genau genommen liegt im letzteren Fall nur Vorbereitung der eigenen T a t vor, bei der man überhaupt nicht Teilnehmer sein kann. Vgl. auch oben zu IV 1 und unten § 48 Anm. I X . — Der H e l f e r d e s G e h i l f e n ist aber selbst Gehilfe. B e i h i l f e z u r A n s t i f t u n g ist regelmäßig Beihilfe zur H a u p t t a t (E 14 318, 23 300). A n s t i f t u n g z u r B e i h i l f e ebenso (E 59 396). I n den letzteren Fällen k a n n die Beihilfe in „Mittäterschaft" begangen sein; f ü r die Bestrafung ist dann f ü r alle „Mittäter" § 49 maßgebend. — F ü r e r f o l g l o s e Anstiftung gem. § 49a vgl. dort Anm. VI. — Jener Grundsatz, daß die geringere Beteiligung in der umfassenderen aufgeht, gilt aber nur beim Zusammentreffen verschiedener Arten der Beteiligung an d e r s e l b e n Tat. — Über Teilnahmefragen bei § 218 vgl. dort und BGHSt. 1 139, 249, 3 228. — Darüber, ob und wann der Anstifter als H e h l e r s t r a f b a r sein kann, vgl. zu I I I E und zu § 259 Anm. VII. — Bei IdKonk. können Mittäterschaft und Teilnahme nebeneinanderstehen: BGH 1 182 zit. nach N J W 52 963, s. unten § 4 9 Anm. VI zu c. 2. Wegen Einheit und Mehrheit der Teilnahmehandlungen vgl. Vorbem. I I I C. Mittäterschaft

§ 4 7 Wenn mehrere eine strafbare Handlung gemeinschaftlich ausführen, so wird jeder als Täter bestraft. I. Das Wesen der Mittäterschaft besteht in der T a t - u n d W i l l e n s g e m e i n s c h a f t mehrerer bei Begehung einer S t r a f t a t . Liegt sie vor, so ist jeder „als T ä t e r " auch dann anzusehen und strafbar, wenn sein Tatbeitrag nicht den ganzen Tatbestand umfaßt. (Fehlt das Bewußtsein der Gemeinschaftlichkeit, so spricht man von N e b e n t ä t e r s c h a f t , f ü r die Sonderregeln nicht bestehen, unten zu III.) — S t r e i t i g ist, wieweit jene Willensgemeinschaft g e n ü g t , insbes. um d i e M T g e g e n d i e B e i h i l f e a b z u g r e n z e n . Hier stehen sich zwei Auffassungen gegenüber. 1. Objektive Theorien: a) m a t e r i e l l o b j e k t i v . Ursprünglich: MT sei nur, wer eine „ U r s a c h e " zum Erfolg setze; wer eine bloße „Bedingung" setze, sei nur Gehilfe. H e u t e nicht mehr als Kausaltheorie gefaßt (über die Gründe s. o. Syst.

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Vorbem. I I B I), sondern: wer von mehreren Beteiligten die T a t h e r r s c h a f t ergreift, ist Mittäter (oder mittelb. Täter), wer sie den anderen überläßt Gehilfe. Darüber Vorb. 11, I I 2, 3; treffende Beispiele bei Maurach § 49 I I 2. b) f o r m e l l o b j e k t i v (so noch Gallas DRZ 50, 68): MT sei nur, wer die Tat mit „ a u s f ü h r e " ; wer (i. S. des § 43) nur eine Vorbereitungshandlung vornehme, sei bloßer' Gehilfe. 2. Subjektive Theorie: Für den MT sei erforderlich und genügend, daß der Gemeinschaftswille auch ein T ä t e r w i l l e gewesen sei; der MT wolle die Tat „als eigene", der Gehilfe wolle nur „eine fremde Tat unterstützen" (animus auctoris — animus socii). Gleichgültig dagegen sei, ob der einzelne eine „Ausführungshandlung" vornehme: auch wer nurSchmiere stehe, könne „Mittäter" eines Einbruchdiebstahls sein. — Die G r e n z e z w i s c h e n M i t t ä t e r s c h a f t u n d B e i h i l f e kann aber nicht endgültig gezogen werden, ohne daß zunächst das W e s e n d e r T ä t e r s c h a f t geklärt wird. Hierüber Vorbem. I u . II. Im gleichen Sinne die „final-objektive" Abgrenzung bei Gallas Mat StRRef. I, 136f., vgl. ferner Hardwig GA 1954,353. Über MT u. Beihilfe bei ders.Tat Hoffmann NJW 52, 963, dazu unten § 49 VI c. Die subj. Theorie bringt den richtigen Grundgedanken zum Ausdruck, daß der Wille ein gestaltender Faktor des Geschehens ist, daß von ihm die Tatherrschaft abhängt. Aber diese muß wirklich vorhanden sein, der Handelnde muß die Kräfte des Mitwirkenden vor seinen eigenen Wagen gespannt, seinen Absichten (die nicht unbedingt E i g e n i n t e r e s s e n sein müssen) dienstbar gemacht haben. Entscheidend ist nicht schon die Frage, ob er die Tat als eigene gewollt hat, sondern erst die, ob sie ihm auf Grund des von seinem Willen getragenen Tatbeitrags als eigene z u g e r e c h n e t werden kann. Der Wille darf nicht nur eine leere Anmaßung oder eine Fiktion sein. Ebensowenig wie eine Handlung wegen des durch sie gezeigten bösen Willens als Versuch strafbar ist, wenn die Tatherrschaft fehlt (oben vor § 43 I I I zu Ziff. 3), wird sie durch den b l o ß e n animus auctoris zur Mittäterhandlung. In der Praxis e r s e t z t die formelhafte Wendung, der Handelnde habe die Tat als eigene gewollt, nur zu oft den oben geforderten objektiven Nachweis. Vgl. z. B. H R R 37 1196, E 71 365, BGH MDR 53 272 (Dallinger). Hiergegen jetzt treffend BGHSt. 8 393. Außerdem sind bei eigenhändigen und Sonderdelikten der Zurechnung zur Täterschaft o b j e k t i v e Grenzen gesetzt. Darüber Vorbem. I 2, 3 zu diesem Abschnitt. Über die Herrschaft der subj. Th. in Rspr. u. Lit. der S c h w e i z vgl. Schönke DRZ 47, 75. Die Praxis des RG hat stets die subjektive Theorie vertreten. Ebenso OGHSt. 1 12, 306 und BGH NJW 51 410. - Die neuere Rechtspr. faßte E 66 240 dahin zusammen: „Zur Annahme der M ist erforderlich und ausreichend, daß jeder Beteiligte den ganzen Erfolg einer Straftat als eigenen verursachen will, aber auf Grund eines gemeinschaftlichen Entschlusses und mit vereinten Kräften; daß also jeder seine eigene Tätigkeit als mittelbarer Täter durch die Handlungen des oder der Genossen vervollständigen und auch diese sich zurechnen lassen will" (so auch E 58 279, 68 101, 71 24 und BGH NJW 51 410). Jeder Mittäter muß hiernach zwar — mit jener inneren Einstellung zur Tat — in irgendeiner Weise zur Ausführung mitwirken (es genügt geistige Mitwirkung, Stärkung des Täterwillens, z. B. durch Ratschläge, so auch E 55 13, 67 392). Es reicht aber aus, daß er dies durch die unmittelbare Tätigkeit des oder der Genossen tut, während er seine persönliche Tätigkeit auf Handlungen beschränkt, die sich äußerlich als Vorbereitungs- oder

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Beihilfehandlungen darstellen (ebenso E 54 116, 247; 56 329, 63 101, 67 392); es ist nicht erforderlich, daß jeder Tatgenosse ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht (so auch E 58 279, BGH NJW 51 120, 410, MDR 53 271). - Vgl. ferner E 54 271 : gemeinschaftlicher Diebstahl durch eine plündernde Volksmenge. E 59 101 : Betrug in Mittäterschaft, auch wenn jeder den Vorteil eines anderen erstrebt. E 66 304, 68 411 : Mittäterschaft des Steuerberaters oder eines anderen nicht Steuerpflichtigen bei der Steuerhinterziehung. Dazu Vorbem. I 3. — Mittäter kann nur sein, wer den Tatbestand in eigener Person verwirklichen kann: BGHSt. 2 320, 6 250 (Besitz bei §§ 246, 252); hier handelt es sich freilich nicht um eine echte Täterqualität i. S. der Vorbem. I 3. Vgl. ferner OLG München in DJ 88 378: Mittäter bei Schwarzfahrt des Mitfahrers. — Seltsam dagegen E 71 364: gemeinsamer Mißbrauch einer geisteskranken Frau zum Beischlaf (obwohl „nach dem Plan der beiden Männer nur einer den B ausführen soll"), falls „der eine Teilnehmer den Beischlaf des anderen als eigene Tat gewollt hat"! Dagegen BGHSt. 6 228. Richtig ist es, bei den sog. eigenhändigen, insbes. den Fleischesverbrechen (vgl. Vorbem. I 2) den nicht selbst Handelnden immer nur als Anstifter bzw. Gehilfen anzusehen. Denn Mittäterschaften sind wechselseitig mittelbare Täterschaften, und solche sind bei eigenhändigen Verbrechen nicht möglich. — Lehrreich, aber nicht überzeugend E 70 293 (hier war wegen gemeinschaftlichen vollendeten Mordes zu strafen). Vgl. ferner DR 44 657 und DR 43 290 Anm. Mezger. Bei z w e i a k t i g e n Straftaten genügt es demgemäß, daß einer den einen, der andere den anderen Akt begeht (z. B. einer das Attest fälscht, der andere es gebraucht, § 277), wenn dies von Anbeginn in gegenseitigem Einverständnis geschah (so für § 267 a. F. E 58 279, 68 254). Vgl. auch E 71 353 betr. Notzuchtshandlungen. — Bei Absichtsdelikten kann MT nur sein, wer die geforderte Absicht hat: Köln JMB1. NRW 54 27 betr. § 242. — Sukzessive MT bis zur Beendigung der Tat möglich: OGHSt. 2 210. Nach BGHSt. 2 346 sind dem Hinzutretenden auch die früheren Teilakte zuzurechnen (anders RG). Zust. Niese NJW 52, 1146, Martin NJW 53, 283. — Mittäterschaft durch einverständliche Unterlassung: E 66 74. — Zum R ü c k t r i t t eines MT: BGH NJW 51 410. II. Als Ausführungshandlung genügt nach dem zu I Gesagten eine Tätigkeit, die, falls allein vorgenommen, nur eine straflose Vorbereitungshandlung sein würde. Voraussetzung ist, daß der Handelnde Tatherrschaft, Täterqualität, Täterwillen und die etwaige besondere Täterabsicht hat. Danach kann der durch die Ausführungshandlung Verletzte Mittäter sein: BGHSt. 11 268; Näheres s. u. § 48 Anm. VII sowie § 211 Anm. VIII 8. IO. Beim Vorhandensein von Scfauldausschließungsgriinden bei dem einen Täter, z.B. §51, ist nach der herrsch. Auff. MT ausgeschlossen (E 40 21); der andere kann hier aber mittelbarer Täter sein (E 63 101). Folgerichtiger erklärt Gallas Mat I 136 f. auch bei schuldlosem Vorsatz eines Mithandelnden den anderen als MT. — Bei Schuldminderungs- oder Erhöhungsgründen gilt § 50: E 72 375 betr. §§212, 217 (krit. Anm. Kohlrausch ZAkDR 39, 245); DR 44 147: ein MT aus § 211, der andere aus § 212 strafbar. — Bei bloßen Strafausschließungsgründen ist Mittäterschaft möglich (E 19 192). Streitig ist, ob MT bei F a h r l ä s s i g k e i t s taten möglich: dafür Schönke-Schröder V, soweit Bewußtsein der Gemeinschaftlichkeit vorhanden. Dem ist schon im Hinblick auf Fälle der Rechtsfahrlässigkeit (unten § 59 Anm. V 3d) zuzustimmen. Sonst sog. Nebentäterschaft: E 68 256,

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BGHSt. 4 21. - MT bei erfolgsqualif. Delikten: Oehler GA 1954, 37. — Über MT bei Amtsdelikt vgl. z. B. E 39 193. - I n §§ 119,123 Abs. 3, §§ 223a, 293 ist gemeinschaftliche Ausführung i. S. von Mittäterschaft straferhöhender Umstand. E 17 414, 19 192 fordern auch hier allseitige Schuld. Bewußtes Zusammenwirken muß aber nach der ratio legis genügen. Anstiftung

§ 4 8 ( 1 ) Als Anstifter wird bestraft, wer einen anderen zu der von demselben begangenen mit Strafe bedrohten Handlung durch Geschenke oder Versprechen, durch Drohung, durch Mißbrauch des Ansehens oder der Gewalt, durch absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines Irrtums oder durch andere Mittel vorsätzlich bestimmt hat. ( 2 ) Die Strafe des Anstifters ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wissentlich angestiftet hat. I. Neufassung des § 48, alten Reformplänen entsprechend, durch VO v. 29. 5. 43: „mit Strafe bedrohten" s t a t t : „ s t r a f b a r e n " Handlung. Hierin liegt eine L o c k e r u n g d e r A b h ä n g i g k e i t v o n d e r H a u p t t a t ; vgl. Vorbem. I I I vor § 47. Dieser klare Gesetzeswille ist f ü r die Auslegung maßgeblich. I h m gegenüber kann nicht auf ein vorgefaßtes „Wesen" der Anstiftung verwiesen werden. Aus der „ N a t u r der Sache" folgt eine Einschränkung f ü r die T ä t e r s c h a f t , da diese an die N a t u r der t a t bestandsmäßigen Handlung gebunden ist. Gerade deshalb aber war es ein unabweisliches rechtspolitisches Anliegen, durch einen weiten Teilnahmebegriff alle strafwürdigen Fälle zu erfassen. II. Über die Abgrenzung der Anstiftung gegen die mittelbare Täterschaft vgl. Vorbem. I B vor § 47. I n beiden Fällen: psychische Verursachung. Daher auch Wahlfeststellung möglich (wie zwischen Täterschaft und A. überhaupt: BGHSt. 1127). Anders nach der Schuldteilnahmetheorie (H. Mayer 319: „ E r [der Anstifter] bewirkt die verbrecherische T a t u n d er verführt den Täter"). Unterscheidung: wer als Herr des Geschehens eine eigene Tat durch einen anderen ausführen läßt, ist mittelbarer T ä t e r ; wer letzten Endes nur e i n e f r e m d e T a t a n r e g e n w i l l oder wer nicht T ä t e r s e i n k a n n (Vorbem. I), ist Anstifter. Ebenso f ü r die Abgrenzung von Anstiftung und Mittäterschaft OGHSt. 1 306. i n . Anstiftung zum Versuch. — Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden: 1. Die H a u p t t a t kommt g e g e n den Willen des Anstifters nicht über den Versuch hinaus. Hier ist die Anstiftung unstreitig s t r a f b a r , falls der Versuch der H T strafbar. E 38 248. — 2. Die H a u p t t a t soll m i t dem Willen des Anstifters beim Versuch bleiben; so bes. Fälle des Lockspitzels, des a g e n t p r o v o c a t e u r . Hier ist die Strafbarkeit der Anstiftung streitig. Herrsch. A. verneint (Frank, Mezger, Schönke, E 15 315, BGHZ 8 85f.). Die Probleme des ag. prov. führen in die Grundfragen der Anstifterstrafe überhaupt hinein. Wird der Anstifter bestraft, weil er einen anderen in Schuld und Strafe geführt h a t ? So die ältere, insbes. die kanonischrechtliche Auffassung, neuerdings z.B. H. Mayer 323, 336 (folger., s. o. zu I I ) , Stratenwerth MDR 53, 717 (folger., wenn man das Unrecht im „ A k t " , nicht in der Rechtsgutsverletzung sieht); anscheinend auch der OGH in SJZ 49 350 (vgl.

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dazu Jagusch SJZ 49, 329); abwägend Maurach § 51 I I B 3, § 50 I I I D 2; vgl. auch unten § 50 Anm. I sowie J R 49, 167 ff. Oder weil er schuldhaft die Verwirklichung einer Rechtsgutsverletzung durch einen anderen verursacht hat ? Nach der Neufassung, die eine Schuld des Haupttäters nicht mehr voraussetzt, ist der zweiten Auffassung zu folgen. So auch schon E 15 315; anders JW 36, 1375. Ebenso die meisten: Mezger LK § 48 Anm. 2d, Welzel § 16 I I 3. Näheres Notw. Teiln. S. 36ff. — Versuchte (erfolglose) A., bei der es nicht einmal zum Versuch der Haupttat kommt, ist in §§ 49 a, 159 strafbar (Vorbem. I I I B vor diesem Abschn. und Anm. IV zu § 49a). IV. „M't Strafe bedrohte Handlung": die rechtswidrige Verwirklichung eines äußeren Straftatbestandes durch eine zweckbeherrschte (finale) Willenshandlung. Oder genauer: die rechtswidrige Verwirklichung eines ä u ß e r e n StrTB, der aber als i n n e r e r StrTB nur ein natürlicher Vorsatz (Wollen des Erfolgs), nicht aber Zurechenbarkeit zur „Schuld" zu entsprechen braucht. Näheres in Vorbem. I I I A vor § 47 und in Anm. I I zu § 59. Daraus folgt insbes.: V. Fahrlässigkeits-Taten kann man zwar veranlassen, also psychisch verursachen, aber, soweit T a t fahrlässigkeit in Frage steht, nicht zu ihnen anstiften. Denn hier kann zwar der Entschluß zu irgendeiner (finalen) Willenshandlung erregt werden, z.B. zu schießen, auch: einen bestimmten Gegenstand zu treffen. Würde aber in dem anderen der Wille erregt, in jenem Gegenstand „einen Menschen zu töten", dann wäre die HT eine „vorsätzliche". — Anders aber, wenn der „Vorsatz" des Haupttäters kein „schuldhafter", sondern nur ein „natürlicher" Vorsatz war und seine Schuld in fahrlässiger Verkennung der R e c h t s l a g e besteht, während der äußere E r f o l g bewußt verwirklicht wird. So nahmen E 73 1 (6) u. 263 betr. § 71 I I (damals § 44 II) Devisengesetz v. 12. 12. 38 (damals v. 4. 2. 35), obwohl das Gesetz „wegen Fahrlässigkeit" straft, „Vorsatz" an, der aber milder bestraft werde, weshalb Anstiftung möglich sei; hierzu E 72 84. Auch in zahlreichen anderen Nebengesetzen straft das Ges. „vorsätzliches" (finales) Handeln als „fahrlässiges", nämlich als R e c h t s fahrlässigkeit; vgl. dazu Syst. Vorbem. IV 4b, §59 Anm. IV 5, JZ 56, 73 sowie Vorbem. I I I A 4 vor § 47. Hier überall ist Anstiftung denkbar und strafbar. Vgl. ferner BGHSt. 6 247 betr. „Handel treiben". VI. Bestimmen: den Entschluß zu einer Handlung hervorrufen, durch die ungerechtfertigt in tatbestandsmäßiger Weise ein Rechtsgut verletzt wird: Hamm HESt. 2 10, BGHSt. 4 355. Näheres Vorbem. I I u. I I I A 4. Ein ohnedies zum Handeln Entschlossener (omnimodo facturus) kann nicht mehr bestimmt werden (E 13 121, 59 26). Wer seinen Tatentschluß von der Zubilligung eines Vorteils abhängig macht, ist noch nicht endgültig entschlossen. A. noch möglich: LG Göttingen NdsRpfl. 52 191. — Über A in M i t t ä t e r s c h a f t vgl. E 53 189 und unten zu I X ; auch mehrere voneinander unabhängige Einwirkungen sind möglich (E 14 92). — Widerruf kann die A nur straflos machen, wenn der Angestiftete die Tat daraufhin unterläßt oder der Anstifter sie verhindert (E 56 210). Mittel: Aufzählung nur beispielshalber; jedes motiverregende Mittel genügt. Überredung: E 53 189: Wunsch: E 36 402; Drohung, falls ernsthaft, geeignet, die Entschlußfreiheit zu beeinträchtigen: E 34 15, 39 266 (darüber hinaus § 52). Mit Irrtümern sind nach heute herrschender Auffassung nur solche gemeint, die den (natürlichen) Handlungsvorsatz des Haupttäters nicht ausschließen, insbes. Motivirrtümer: E 71 98. Wahlfeststellung, auch ohne § 2b, zulässig: E 59 239.

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VII. Vorsatz des Anstifters: Bewußtsein, daß und wozu er den Willen des Täters bestimmt. Er muß eine bestimmte Tat und einen bestimmten Täter im Auge haben, erstere freilich nur in ihren strafrechtlich wesentlichen Hauptmerkmalen, Ort, Zeit und Art der Ausführung kann und braucht er im einzelnen nicht zu kennen (E 34 327). So jetzt auch eingehend OGHSt. 2 32. Über diesen Unterschied vom Tätervorsatz vgl. Lange, Notw. Teiln. 61 zu Anm. 3 und die dort Zit. — Der A muß aber diejenigen Momente der Haupttat kennen, die deren Strafbarkeit begründen. Ein die Haupttat betreffender Irrtum des Anstifters schließt den Anstiftervorsatz insoweit aus, als er (vgl. § 59) den Tätervorsatz ausschließen würde; ein beim Täter unwesentlicher error in objecto ist also auch nicht geeignet, die Anstiftung zu dieser Tat straflos zu machen: N will den X erschießen, verwechselt aber den Y mit dem X und erschießt den Y. N ist strafbar wegen vorsätzlicher Tötung. Wenn A ihn angestiftet hat, ist auch er strafbar. — Über den eigentümlichen Irrtumsfall BGHSt. 11 268 (Tatbeteiligter schießt auf Komplicen als vermeintlichen Verfolger) Schröder J R 58, 427. — Die zum Tatbestand erforderliche „Absicht" (z. B. „sich" die weggenommene Sache zuzueignen) braucht der Anstifter nicht zu haben (E 56 171). — Fahrlässige „Anstiftung" ist (im Sinne fahrlässiger Erregung des Entschlusses zur Haupttat) zwar denkbar, aber strafbar nur als fahrlässige (mittelbare) Täterschaft. Die S c h u l d eines solchen Täters wäre sorgfältig zu prüfen (vgl. Vorbem. I B 2 a. E. und 3 vor § 47)! — Über mittelb. Anst. Nürnberg NJW 49 874. VIII. Anwendbares Gesetz: Das Gesetz der Haupttat (evtl. in Vbdg. mit § 43). Innerhalb des dort gegebenen Strafrahmens kann aber die Strafe für den Anstifter höher oder geringer bemessen werden, als die für den Täter. — Diese Akzessorietät des Strafrahmens wird jedoch durch § 50 eingeschränkt, vgl. dort. Ein Exzeß des Angestifteten belastet also den Anstifter nicht. BGHSt. 2 225. Anstiftung zur Körperverletzung wird auch dann nur nach §§ 223 ff. gestraft, wenn der Angestiftete „infolge" der Anstiftung vorsätzlich tötet (Anm. V). — Hat in Fällen wie §§ 178, 224, 226 der Anstifter die schweren Folgen fahrlässig oder überhaupt nicht vorausgesehen, so ist er nur gem. §§ 177, 223ff. i.V. m. §§ 48, 50 (und gegebenenfalls als Täter des § 222) strafbar. Denn nur insoweit hat er vorsätzlich die Rechtsgutsverletzung durch einen anderen verursacht. Die (unter sich abw.) Gegenm. (Oehler GA1954, 37 f., Schönke-Schröder §56V, Ziege NJW 54, 179) träfen nur auf vörs. Gefährdungsdelikte oder vom Standpunkt der Schuldteilnahmetheorie aus zu; unten § 56 Anm. IV 4. — Hat der Veranlasser, aber nicht der Ausführende den schweren Erfolg herbeiführen wollen, so ist jener mittelbarer Täter gem. §§ 211 ff., 225, nicht Anstifter, da dann bei ihm die Tatherrschaft liegt. IX. Zusammentreffen: a) Mit anderen Beteiligten: A zur A ist A zur Haupttat. — Bei A zur Beihilfe ist die Strafe des Anstifters nach § 49 zu bemessen (E 59 396); aber A zur Beihilfe bei der eigenen Tat geht in der Täterschaft auf (E 56 58); richtiger: sie i s t eigene Täterhandlung oder deren Vorbereitung. — Wegen Beihilfe zur A vgl. § 49 Anm. VI. — b) Mit anderen Teilnahmeformen und Täterschaft: Beihilfe geht in A auf. Im übrigen vgl. Vorbem. VI vor § 47. — c) Anstiftung zu mehreren Straftaten eines oder mehrerer Täter ist, wenn nur durch eine Handlung vorgenommen, nur eine A. So mit Recht E 70 26, 390; anders früher E 4 95, 5 227, 38 26, wo aus der akzessorischen Natur der A. der Schluß gezogen wurde, der Anstifter habe die Strafe mehrmals verwirkt und es sei auf ihn § 74 anzuwenden. 12

K o h l r a u B c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

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Teilnahme § 49

Zweifelnd noch E 57 352. — d) Ob mehrere Anstiftungen im Fortsetzungszusammenhang begangen sind, ist nach den allgemeinen Regeln des F Z zu beurteilen (Vorbem. I I B, 1 vor § 73): E 70 349, 385; f ü r A mehrerer zu gleichen Meineiden macht E 70 331 eine Ausnahme wegen der N a t u r des Meineids. Über diese vgl. aber jetzt BGH (GrSen.) B G H S t . 8 3 0 1 . — e) Anstiftungen seitens mehrerer können in einem der Mittäterschaft entsprechenden Verhältnis begangen werden: E 7 1 2 3 ; aber auch in dem der Über- und Unterordnung: B G H MDR 53 400 (Daliinger). Beihilfe

§ 4 9 ( 1 ) Als Gehilfe wird bestraft, wer dem Täter zur Begehung einer als Verbrechen oder Vergehen mit Strafe bedrohten Handlung durch B a t oder Tat wissentlich Hilfe geleistet hat. ( 2 ) Die Strafe des Gehilfen ist nach demjenigen Gesetz festzusetzen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wissentlich Hilfe geleistet hat, kann jedoch nach den über die Bestrafung des Versuchs aufgestellten Grundsätzen ermäßigt werden. I. Zur Neufassung des Abs. I vgl. § 48 Anm. I. Die Abschwächung der früheren Muß-Milderung zu einer Kann-Milderung in Abs. 2 entspricht dem Grundsatz des Schuldstrafrechts (vgl. § 59 Anm. II). — Beihilfe zum eigenen Vorteil im Steuerrecht wie Täterschaft s t r a f b a r : § 398 RAO. II. Beihilfe ist vorsätzliche Hilfeleistung zur Begehung einer als Verbrechen oder Vergehen mit Strafe bedrohten Handlung. 1. Den Unterschied von der Mittäterschaft sah das RG in dem Willen, eine fremde T a t zu fördern, gegenüber dem Willen, sie als eigene zu begehen (vgl. Anm. I zu § 47 und unten Anm. IV). Wie R G OGHSt. 1 12 und BGHSt. 3 350, N J W 51 410; anders aber BGHSt. 8 393. Dazu Vorbem. H 3. - Ergänzend §257 I U ; Grund: Zusage späterer Begünstigung wirkt zunächst als psychische Beihilfe. Dazu BGHSt. 8 390. 2. Mit Strafe bedrohte Handlung. Hierzu Vorbem. I I I A vor § 47 und Anm. IV zu § 48. Vgl. Beyer DRiZ 52, 133. — Strafbare Beihilfe auch möglich zu einer Handlung, die beim H a u p t t ä t e r sog. s t r a f l o s e N a c h t a t ist. Beispiel: H a u p t t a t Unterschlagung, Nachtat Betrug; Gehilfe zum Betrug kann s t r a f b a r sein: E 67 344. III. Mittel können R a t oder T a t sein; physische und intellektuelle B. OGHSt. 3 2. — a) R a t : auch Bestärkung und Befestigung eines Entschlusses (E 27 157; 28 287, B G H N J W 51451; aber „Hervorrufung" des Entschlusses wäre Anstiftung); falsche Auskunft eines Rechtsanwalts über die Straflosigkeit einer geplanten Handlung (E 37 321). Aber keine Beihilfe, wenn der R a t unbefolgt bleibt (E 38 156). — b) T a t : jede taugliche Förderung. Auch durch pflichtwidrige Unterlassung, falls diese „Ursache oder Mitursache des Geschehenen" (unten zu 2). 1. Hilfeleisten heißt förderlich sein. Das RG begnügte sich mit einer Förderung der H a n d l u n g des Haupttäters, verlangte dagegen ursächlichen Zusammenhang mit dem E r f o l g n i c h t . So E 58 113: der „Gehilfe" lieferte Werkzeug, die T a t wurde aber ohne dieses ausgeführt; RG strafte aus § 49. Ebenso E 67 93; 75 113;

Teilnahme § 4 9

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OGHSt. 1 330, 2 44; auch Stuttgart HESt. 1 26; Freiburg J Z 51 85. Vgl. aber auch BGH MDR 54 335, unten Anm. IV. Wer indessen die H a n d l u n g gefördert hat, ist (gerade i. S. der reichsgerichtl. Bedingungstheorie) auch für deren E r f o l g kausal geworden. Und umgekehrt: Kann die Tätigkeit des Gehilfen weggedacht werden, ohne daß der E r f o l g der Haupttat entfiele, dann fehlt jener Tätigkeit auch der ursächl. Zusammenhang mit der H a n d l u n g des Täters. In Fällen solcher Art ist es zwar möglich, daß das Bemühen zu „helfen" den E n t s c h l u ß zur Tat stärkte: dann ist psychische Beihilfe anzunehmen. Ist aber nicht einmal dieses der Fall, dann ist solche nicht-kausale Beihilfe nur Versuch der Beihilfe, und dieser ist nach § 49 nicht strafbar. So auch die weitaus überwiegende Ansicht im Schrifttum; z.B. Mezger L K § 4 9 Anm. 2; Niethammer in Olsh. 1 2 Anm. 2; Bockelmann in DR 41, 987 (klärender Überblick); Dahm in D R 41, 1993; Schönke-Schröder § 49 I I I 1; a. A. v. Weber in Anm. zu Freiburg J Z 51 85. — Die Neufassimg des § 49 a von 1943 hatte die nicht-kausale B geregelt, der Abs. I I I die Rechtspr. für „Verbrechen" sanktioniert, wonach sie für „Vergehen" wohl aufgegeben werden mußte. Die Aufhebung der letzteren Bestimmung durch das 3. StrRAndG hat diese Klärung des Gesetzeswillens nicht berührt. 2. Auch durch Unterlassung kann B begangen werden. Beispiel: Der A unterläßt es, die B an der Tötung ihres Kindes zu hindern. Strafbare Beihilfe ist hier bei dem anzunehmen, der sowohl die M ö g l i c h k e i t wie die P f l i c h t hatte, einzugreifen und die HT zu hindern oder doch zu erschweren. BGH N J W 51 204 betr. Beih. zum Versicherungsbetrug bei Rechtspflicht aus § 62 W G . Die Frage nach der M ö g l i c h k e i t ist die auf Unterlassung umgestellte (Vorbem. I I vor § 1) Frage nach der K a u s a l i t ä t . Anders als bei B durch Tun verlangt hier das RG meist Kausalität für den Erfolg. So wird in E 72 373 mit Recht die Feststellung vermißt, daß das Kind beim Eingreifen des Angekl. am Leben geblieben wäre. Ebenso BGH N J W 53 1838. — Über die neuerdings viel erörterte Frage, wieweit eine Pflicht besteht, der falschen Aussage eines Zeugen entgegenzutreten, widrigenfalls hierin strafbare B zum Meineid bzw. zur Falschaussage, begangen durch Unterlassung, liege, vgl. E 72 20, 74 283, 75 221 (Anm. Dahm in DR 41, 1993), D R 402234,43 7 4 8 ; B G H S t . l 2 2 ; 2 1 2 9 ; 3 1 8 ; 4178,218, 327;vgl. §154Anm.VII; Hamm HESt. 2 242; LG Göttingen N J W 54 731. Dazu Bockelmann N J W 54, 698 unter Hinweis auf die seit BGHSt. 2 129 einsetzende Wandlung der Rspr. Die älteren Entsch. sind z.T. sehr anfechtbar. Eine allgemeine Pflicht besteht hier nicht; insbes. auch nicht für einen Beschuldigten im StrVerfahren. Wieweit eine Zivilprozeßpartei aus § 138 ZPO dazu verpflichtet ist, hat RG nicht entschieden. Die Frage ist wohl zu verneinen. In der Pflicht, die Wahrheit zu sagen, liegt noch nicht ohne weiteres die Pflicht, fremde Unwahrheit zu verhindern. Aus bes. Umständen aber (Sorge- und Erziehungsrecht) kann sie sich ergeben. — B durch U auf Grund vorheriger Herbeiführung der Gefahrlage: OGHSt. 2 63. — Beihilfe zur Selbsttötung d. U.: BGHSt. 2 150; dazu Dreher MDR 52, 711; Gallas J Z 52, 370; Meister GA 1953, 166 sowie unten § 211 Anm. V. 3. Ob die Haupttat zur Zeit der Beihilfe schon begonnen war, ist belanglos (E 52 202, 58 113, 67 193). BGHSt. 1 251, 2 345 betr. Vorbereitungsfolgen. Erforderlich aber, daß sie noch nicht abgeschlossen ist; deshalb begeht der Erwerber einer dem Veräußerer nicht gehörigen Sache nicht Hehlerei, sondern B zur Unterschlagung: E 45 253, 57 42. Abgeschlossen war die Haupttat aber noch nicht notwendig in dem Zeitpunkt, in dem sie einen Tatbestand verwirklicht hat und somit 12«

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als „vollendete" Tat strafbar war. Brandstiftung z.B. ist früher „rechtlich vollendet" (Anm. I I zu § 306), als „tatsächlich beendet", Beihilfe also möglich, auch wenn das Haus schon brennt: E 71 194 (abw. Gallas in ZAk. 37, 438; ähnliche Frage in A IV zu § 138); BGHSt. 2 345. - Wegen Begehungsort vgl. Vorbem. III D vor § 47. — Exzeß des Täters belastet den Gehilfen nicht. Vgl. § 48 V I I I sowie BGHSt. 11 66: nur Beihilfe zum Betrüge, wenn H a u p t t a t eine auf Täuschung beruhende erpresserische Drohung, die der nur die Irreführung Unterstützende nicht kennt. IV. Vorsatz des Gehillen: Bewußtsein und Wille, eine fremde als Verbr. oder Verg. strafbare Handlung zu fördern. E 56 168, BGHSt. 3 65, 4 66. — I m w e s e n t l i c h e n muß sich die H T mit der vom Gehilfen vorgestellten decken (Raub und Erpressung unterscheiden sich hierfür u. U. nur unwesentlich). Vgl. hierzu E 59 245, 65 348, 66 6, 67 344, Hamburg J R 53 27. — K e i n e strafbare Beihilfe, wenn der Gehilfe die H T f ü r unvollendbar hielt (E 17 377); wenn er nur scheinbar half, in Wahrheit bewußt Untaugliches t a t (E 60 23); also nicht, wenn der „Gehilfe" das Mittel selbst f ü r untauglich hält. BGH MDR 54 335 (Daliinger). Beihilfe zum Versuch in d i e s e m Sinne also straflos. Anders, wenn sie gegen den Willen des Gehilfen Versuch blieb, entsprechend Anm. I I I zu § 48 betr. Anstiftung zum Versuch. — Fahrlässige B ist denkbar, aber nicht strafbar; vgl. jedoch Pingel J Z 52, 550 N. 19 betr. DevisenstrR. V. Kann-Ermäßigung der Strafe nach § 44. Vgl. oben Anm. I. VI. Zusammentreffen: a) m i t a n d e r e n B e t e i l i g t e n : B zur Anstiftung und B zur B ist B zur H a u p t t a t (E 59 396, Hamburg J R 53 27); letzterenfalls deshalb nur einmalige Herabsetzung nach § 44; b) m i t a n d e r e n T e i l n a h m e f o r m e n : vgl. Vorbem. VI 1 vor § 47; c) Mittäterschaft in IdKonk. mit B: BGH, zitiert bei Hoffmann, N J W 52 963. DerTäter hatte mit einem Beamten zusammen Postpakete gestohlen und damit zugleich dessen Paketunterdrückung (§ 354), bei der er aus Rechtsgründen nicht Täter sein konnte, gefördert, d) die Fragen des F o r t s e t z u n g s z u s a m m e n h a n g s und der K o n k u r r e n z (§§ 73, 74) sind grundsätzlich nach der Art der Gehilfentätigkeit, nicht nach der H a u p t t a t zu beurteilen (E 56 326; freilich auch E 57 353). Vgl. auch hier Vorbem. VI vor § 47.

Versuch der Anstiftung,

strafbare

Verbrechensvorbereitung

§ 49a (1) Wer einen anderen zu bestimmen versucht, eine als Verbrechen mi Strafe bedrohte Handlung zu begehen, wird nach den für den Versuch des Verbrechens geltenden Vorschriften (§§ 44, 45) bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer eine als Verbrechen mit Strafe bedrohte Handlung verabredet, das Anerbieten eines anderen annimmt, eine solche Handlung zu begehen, oder sich zu einem Verbrechen bereit erklärt. (3) Nach diesen Vorschriften wird nicht bestraft, wer aus freien Stücken

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1. eine als Verbrechen mit Strafe bedrohte Handlang verhindert, nachdem er einen anderen zu dieser Handlung zu bestimmen versucht oder das Anerbieten eines anderen hierzu angenommen hat, 2. nach der Verabredung einer als Verbrechen mit Strafe bedrohten Handlung seine Tätigkeit aufgibt und die Handlung verhindert, 3. seine Erklärung widerruft, durch die er sich zu einem Verbrechen bereit erklärt hat. (4) Unterbleibt die Tat ohne sein Zutun oder wird sie unabhängig von seinem vorausgegangenen Verhalten begangen, so genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Begehung zu verhindern. Schrifttum: M e i s t e r , Zweifelsfragen zur versuchten Anstiftung, MDR 56,16. — D r e h e r , Grundsätze und Probleme des § 49a, GA 1954, 11. — B ö r k e r , Zur Bedeutung bes. pers. Eig. oder Verh. bei der vers. Anst., J R 56, 286. I. Entstehung und Zweck. Der sog. Duchesne-Paragraph wurde durch Ges. v. 26. 2.1876 eingeführt. Ein Belgier namens D. hatte sich während des Kulturkampfes erboten, Bismarck zu ermorden. § 49a entsprach der darauf von Deutschland verlangten Erweiterung des belgischen Strafrechts durch Ges. v. 7. 7. 1875. Die ratio war also nicht ein allgemeines Bedürfiiis, die erfolglose Anstiftung zu strafen, sondern der Schutz exponierter politischer Persönlichkeiten, wie jetzt etwa § 83. Auch die Aufforderung zu todeswürdigen Verbrechen wurde nur mit Gef. bedroht. Dieser Linie folgten die Entwürfe bis 1930. Scharf kritisch schon damals Coenders RG-Festg. V 277 f. Eingehend jetzt Dreher GA 1954, 11 ff. Die allg. Fassung des alten § 49 a ermöglichte es aber der VO vom 29. 5. 43, ihm einen anderen Gedanken zu unterschieben: die allgemeine Einbeziehung von Handlungen, die erfolglos auf eine Teilnahme am Verbrechen abzielten, in die Verbrechensstrafe. Damit lebte der — in der a. F. nur kasuistisch vorgebildete — Gedanke einer nur auf Willen und Gesinnung abgestellten Strafe wieder auf, der sich im Gemeinen StrR durchgesetzt hatte (vgl. noch den 1943 vorbildl. § 9 des ÖstStGB), im 19. Jahrh. aber durch den anderen zurückgedrängt worden war, daß Strafe die greifbare und bestimmte Verletzung oder Gefährdung eines Rechtsguts voraussetze. Das 3. StrRÄndGes. hat 1953 diesen Einbruch in das Tatstrafrecht nicht grundsätzlich, sondern nur für die erfolglose Beihilfe beseitigt. BGHSt. 4 254 stellt folgerichtig auch die absolut untaugliche Vorbereitungshandlung im Rahmen des § 49a unter die Täterstrafe: „Die Vorschrift beruht auf dem Gedanken, daß der verbrecherische Wille auch schon in bestimmt gearteten Handlungen deutlich sichtbar werden kann, die noch nicht zu den Versuchshandlungen zu rechnen sind." Das gilt auch nach der n. F. Vgl. aber unter IV 1. — Die Große Strafrechtskommission ist sich der Problematik des § 49a durchaus bewußt geworden: ZStW 67, 608ff., 68, 78 ff. II. Systematik. Beim alten § 49 a gaben Entstehung und eigener Strafrahmen begründeten Anlaß, ihn als selbst. Delikt aufzufassen. So Binding: „Angriff auf die gesetzestreue Gesinnung", ähnlich Liszt. Demgemäß erschien er in allen Entwürfen bis 1930 im Bes. Teil. Über die praktischen Folgen Frank I ; insbes.: agent provoc. strafbar, wenn Sonderdelikt. Diese noch von H. Mayer 341 vertretene und von BGHSt. 1 135 erwogene Auffassung ist angesichts des § 90 I I I und der n. F. von

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Teilnahme 4 9 a

1953 nicht mehr zu halten, wenn auch Abs. 2 (der Rest des alten § 49 a) noch „Vorbereitungshandlungen eigener Art" (Dreher J Z 53, 425) enthält. Die durch § 90 I I I gebotene Auslegung als allgemeine Erscheinungsform des Verbrechens bringt aber einen unheilbaren Bruch in das System. § 49 a ist nicht etwa die Konsequenz einer auch im übrigen dem StGB zugrunde liegenden „schuldstrafreohtlichen Grundidee" (so anscheinend Dreher a.a.O.), sondern er durchbricht als Ausdruck polizeilichen Geistes den Gedanken der Tatschuld, nämlich der schuldhaften Verwirklichung einer tatbestandsmäßigen Handlung. Beim Versuch als der unmittelbar auf Tatbestandsverwirklichung abzielenden für das Rechtsgut gefährlichen Handlung bleibt dieser Gedanke gewahrt (oben Vorbem. I I vor § 43). In § 49 a führt seine Verflüchtigung dazu, daß generell „eine das geschützte Rechtsgut geringer gefährdende Vorbereitungshandlung" (BGHSt. 1 135) in den Straffolgen der „stärkeren Gefährdung" gleichgestellt wird, wobei jene überdies bloßen animus socii, diese animus auctoris voraussetzt (der in BGHSt. 1 309 angedeutete Gedanke g r ö ß e r e r Gefährlichkeit, weil der Auffordernde die von ihm in Bewegung gesetzten Kräfte nicht mehr in der Hand habe, kann nicht überzeugen). BGHSt. 6 213: „bestraft wird nach den für den V e r s u c h des v o r b e r e i t e t e n Verbrechens geltenden Vorschriften" enthüllt den inneren Widerspruch. — Der Hinweis auf Art. 24 I I SchweizStGB rettet nicht, da dieser auf der Schuldteilnahmetheorie beruht (Schweizer BGH 1947 IV 244). - BGHSt. 8 261 (262) spricht offen aus, daß das 3. StÄG die erfolglose Anstiftung noch weitergehend als die Passung von 1943 straft (s. u. IV 1). — In der unklaren Begründung von BGHSt. 9131, 134 (s. u. Anm. I V 6 und VI) zeigt sich die Unsicherheit über den Grundgedanken. III. Die Geltung auch der Neufassung wird damit fragwürdig, weil wesentlich Ungleiches sachlich gleich behandelt und der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG in der Auslegung des BVerfG (JZ 5432) nicht beachtet ist. Bedenken insoweit auch bei Dreher. Das oben zu I festgestellte Übergewicht des Gesinnungsmoments verletzt ferner den Grundsatz rechtsstaatlicher Tatbestandsbestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG). Der anerkennenswerte Versuch in BGHSt. 1 136 und 308, den willensstrafrechtlichen Grundgedanken bei der richterlichen Strafzumessung generell zu korrigieren, übersteigt die Grenzen richterlichen Könnens, denn er verletzt den Grundsatz der Gewaltenteilung (oben Vorbem. IV 4 vor § 13). BGHSt. 1 59 und 307 gehen auf die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht ein, denen der BGH hier auch sonst, soweit ersichtlich, niemals auf den Grund gegangen ist. Bezeichnend für die Problematik des § 49a ist auch, daß BGHSt. 1 309 mit der m a n g e l n d e n Tatherrschaft des Auffordernden die Versuchsstrafe rechtfertigen will, in vollem Gegensatz zur sonstigen Versuchs- und Teilnahmelehre. S. o. zu I I a. E. und Vorbem. I vor § 47. — Die hier Anm. I — I I I erhobenen Bedenken teilt Salm, Das versuchte Verbrechen S. 69, weil sich in § 49 a das vom Gesetzgeber auf die Spitze getriebene Willensprinzip überschlage. IV. Versuchte Anstiftung (Abs. 1). 1. Versuch: auch der absolut untaugliche, E 66 126, BGHSt. 4 254. Richtigerweise aber nicht der Mangel am Tatbestand (arg. § 159: e r f o l g l o s e Anstiftung). Vgl. dort Anm. I I a . E. Erfolg ist die Veränderung in der Außenwelt: so besonders deutlich § 46 Nr. 2. Aus welchem Grunde die A. nicht bestimmend wirkte (der andere entschloß sich nicht oder führte seinen Entschluß nicht aus oder war — E 37 172 — schon entschlossen) ist gleich. E 72 375. Nach BGHSt. 8 261 (262) braucht seit dem 3.

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StÄG der (schriftliche) Anstiftungsversuch den Empfänger nicht einmal erreicht zu haben. Dazu oben I, II. 2. Anstiftung setzt animus socii voraus. § 90 III legt den Schluß nahe, daß j e d e erfolglose Bestimmung eines anderen bloße Vorbereitungshandlung ist. Animo auctoris begangen, wäre sie demnach nicht strafbar! Dieses unerträgliche Ergebnis läßt sich zwar durch die Erwägung abschwächen, daß der mittelbare Täter das Steuer der eigenen Angelegenheit fester in der Hand hat und deshalb die Einwirkung auf die Mittelsperson u. U. schon Versuch ist (BGHSt. 4 270, vgl. Vorbem. I vor § 43). Aber BGHSt. 4 18 sieht in der erfolglosen Bitte der Schwangeren an den Arzt, ihr „zu helfen", mit Recht bloße Vorber. des eigenen Delikts gem. § 218 I, 2. Fall und lehnt eszutr. ab, hier §49a i.V.m. §218 Abs.3 etwa deshalb anzuwenden, weil das Gesetz die Vorber. Hdlgen., die auf Beteiligung eines Dritten an einem geplanten Verbr. abzielen, ernster beurteile als selbständig betriebene (so Maurach, auchDreher GA1P54, 17, 20.). Dieser Gedanke stünde mit dem Strafgrund der Teilnehmer in Widerspruch: „Nicht weil sie Schuld daran tragen, daß ein anderer sich strafbar macht, sondern weil sie dazu mitwirken, daß eine der gefährlichen Handlungen, welche als solche im Teil II des StGB mit Strafe bedroht sind, verübt werde" (E 15 316, ebenso BGHSt. 4 355 [358]). 3. Vcrbrcchcn: eine Tat, die so, wie sie der Anstiftende vorsah, in der Person des Täters ein Verbr. i. S. des § 1 gewesen wäre. E 23 353, BGH N J W 51 666. Das folgt aus der Akzessorietät der Teilnahme. Für strafschärfende oder -mildernde pers. Eigen sch. oder Verhältnisse greift aber auch für § 49 a die Regel des § 50 ein. So BGHSt. 4 17, anders E 32 267, 6» 88. Teilw. abw. früh. Aufl. BGHSt. 6 308 will auf den Außenseiter, der einen Beamten erfolglos zur Gefangenenbefreiung anzustiften versucht, § 347 i.V. m. § 49 a und § 50 anwenden. Aber der Verbrechenscharakter der Haupttat ist täter-, nicht tatgebunden, und die Schuld des Anstifters entspricht nur dem Vergehenscharakter des § 121. BGHSt. 4 17 betr. erfolglose Auff. zur Abtreibung durch die Schwangere lehnt dagegen § 49 a i.V. m. § 218 III mit Recht ab, schon weil sie hier nur ihre eigene Tat vorbereitet. Für den umgekehrten Fall in BGHSt. 3 228 gilt das Entsprechende. § 218 I und III differieren nicht tat-, sondern täterschaftsmäßig. BGHSt. 1 139. Gegen BGHSt. 3 228, 4 17: Niese JZ 53, 549; 55, 324; Dreher N J W 53, 313, GA 54, 20. Dafür Maurach § 53 II B 2 a, Börker J R 56, 286, der auch BGHSt. 6 308 zustimmt. Kritisch Jescheck GA 1954, 332. Vgl. oben zu 2. Bei A u s l a n d s t a t entscheidet die Qualifikation nach d e u t s c h e m Recht: E 37 46. 4. Bei einzelnen Vergehen entspr. Anw. des §49a: §§90111,159 (über dessen große praktische Bedeutung vgl. Dreher GA 1954, 13 Anm. 9). Ebenso der Sache nach § 111 II. Bei § 156 ist danach der Versuch straflos, Vorbereitung animo socii aber über § 159 strafbar! Das ist ein Widerspruch nicht nur in sich, sondern auch zu der Regel, daß sonst bei Vergehen erfolglose Einwirkung auf das Werkzeug als versuchte mittelb. Täterschaft in Betracht kommt (BGHSt. 4 270), bei bloßem animus socii aber straflos bleibt (dazu Dreher GA 54, 17, Maurach § 53 II B 2b). 5. Mit Strafe bedroht: die vorgesehene Tat muß in der Person des Haupttäters tatbestandsmäßiges Unrecht sein. Bei gutgläubigem Tatmittler wird allerdings der Bestimmende regelmäßig mittelb. Täter sein, vgl. aber auch oben Vorbem. I 2, 3 vor § 47.

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6. Daraus, daß es sich um Teilnahme und nicht um ein Sonderdelikt handelt, (BGHSt. 6 308, 312, unklar aber BGHSt. 9 131, 134, s. u. Anm. VI), folgt weiter, daß die Bestimmung des anderen ernstlich gewollt sein muß (E 60 23, 63 199) und daß sie ihm andererseits nicht zugegangen zu sein braucht (anders fr. E 26 81), er sie auch nicht verstanden haben muß (E 47 230). Noch weiter geht BGHSt. 8 261 (s. o. zu 1). V. Andere Vorbereitungshandlungen (Abs. 2). Das für die erfolglose Anstiftung Gesagte gilt grundsätzlich auch hier, vgl. insbes. oben zu II und zu IV 6. Im einzelnen: 1. Verabredung ist eine auf die Ausführung eines bestimmten Verbrechens gerichtete Willenseinigung, der Sache nach Vorbereitung der Mittäterschaft (E 59 378) und als Erscheinungsform des Verbrechens rückfallbegründend (BGHSt. 2 360). Vgl. Dreher GA 54, 14. Ein bestimmtes verbr. Unternehmen muß verabredet sein, doch braucht z. B. die Person des Opfers nicht festzustehen. Köln NJW 51 621 betr. Autospringer auf der Lauer, BayObLG NJW 541257 betr. geplanten Überfall auf Tankwarte oder Autofahrer. Zu eng Hamburg MDR 48 368 (Anm. Kuhn). Daß eine „Einigung" zustande gekommen sein muß, es andererseits aber belanglos ist, von wem die Initiative ausgeht, unterscheidet sie von den übrigen Fällen. Vgl. E 55 87. Daß jeder an der Ausführung persönlich teilnehmen will, ist nicht nötig; aber daß es jedem Ernst damit ist, daß die Tat wirklich ausgeführt werde, und daß er irgendeinen Tatbeitrag liefern will. Deshalb ist nicht nur der Lockspitzel, sondern auch sein Mitkomplottant straflos. Vgl. E 58 329, 59 376. — V. auch als absolut untaugl. Vorbereitungshdlg. strafbar: BGHSt. 4 254 betr. fehlendes Angriffsobjekt. — Es ist nur „ e i n e " Verabredung, auch wenn mehrere Verbrechen begangen werden sollen; selbst wenn die Ausdehnung des Planes erst allmählich erfolgt. E 69 164. 2. Das Sich-Bereit-Erklären (also auch das Sich-Erbieten, unten zu 3) muß ernst gemeint (E 1 338, 63 199) und braucht nicht zugegangen zu sein (ebenso Maurach a. a. 0. I I C 2a, a. A. Dreher-Maaßen Anm. 4). 3. Die Annahme des Anerbietens setzte nach RG beiderseits Ernstlichkeit voraus: „die Gefährlichkeit der Annahme ist durch die des Erbietens bedingt" (E 57 243). A. A. Mezger LK 253, Maurach a. a. O. zu b) und jetzt auch BGHSt. 10 388: entscheidend sei, daß der das — nicht ernstlich gemeinte — Anerbieten Annehmende seinen Entschluß durch die a l l g e m e i n den Rechtsfrieden gefährdende Vorbereitungshandlung erkennbar gemacht habe. Aber damit wird die Tatbestandsmäßigkeit in einer bei § 49 a besonders bedenklichen Weise verflüchtigt, vgl. oben Vorbem. III 4 e vor § 43. Auch mit der Auslegung des Abs. 1 ist das Urteil unvereinbar (oben IV 6), zumal dieser dem Abs. 2 vorgeht (BayObLG NJW 56 1000, s. u.). Gegen BGHSt. 10 388 zutr. auch Blei NJW 58, 30. VI. Subsidiarität gegenüber der erfolgreichen Anstiftung (unten Vorbem. III 2 vor § 73) war in der a. F. ausdrücklich bestimmt und folgt jetzt zwingend aus der gesetzlichen Konstruktion der Stelle als versuchter Teilnahme und Vorber.Hdlg. (§ 90 III). BGHSt. 1 131 begründet die S. zutr. formell: Vorher, gegenüber Versuch und Vollendung, und materiell: geringere Rechtsgutsgefährdung. Ebenso BGHSt. 8 38. Über BGHSt. 1 309 oben zu I I a. E. Wenn der Anzustiftende gar nichts tut, kommt freilich der Bestimmende u. U. schlechter weg als wenn er weniger tut als er sollte (BGHSt. 1 131: einfachen statt Straßenraubes). Aber das spricht nicht gegen die

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Subsidiarität, sondern gegen die unrichtige Gleichstellung der Straffolgen des § 49 a mit denen des § 44 (oben III). Mit Recht lehnten es daher BGHSt. 1131, 4 19, 6 311, 8 38 ab, auf diesem Fehler durch Annahme von Idealkonkurrenz zwischen versuchter und vollendeter Anstiftung weiterzubauen. Anders aber BGHSt. 9 131, 134 (zust. Armin Kaufmann JZ 56, 607) mit der unklaren Begr., § 49a sei eine selbständig strafbare Vorbereitungshandlung, die Haupttat werde „vorbereitet" (die Anführungszeichen stellen den Begriff wieder in Frage). In BGHSt. 1 241 hatte der zum Meineid Aufgeforderte uneidlich falsch ausgesagt. IdKonk. zw. §§ 153/48 und 154/49 a folgte, wie BGHSt. 5 45 unterstreicht hier lediglich daraus, daß nach der bish. Rspr. der Meineid gegenüber der Falschaussage eine Straftat eigener Art war; anders jetzt BGHSt. (GrSen.) 8 301. In BGHSt. 1 305 ist IdKonk. zw. Nötigung und Aufforderung zum Morde aus dem gleichen Grunde selbstverständlich, ebenso in BGHSt. 6 308 §§ 333 u. 347/49a i. Y. m. § 73. Diese Fälle, in denen jeweils v e r s c h i e d e n e Rechtsgüter verletzt waren, berühren die Subsidiaritätsfrage überhaupt nicht, die nur innerhalb der Erscheinungsformen des g l e i c h e n Delikts, hier aber auch für die privilegierten oder qualifizierten Fälle auftaucht. Allgemein für IdKonk., bei Zusammentreffen des § 49a mit §48 Dreher GA 1954,20 und JZ 53,425,obwohl er die gleiche Strafwürdigkeit von § 49a und § 43 in Frage stellt, Maurach § 53 I I D 2, obwohl er § 49a für echte Teilnahme erklärt, und Welzel § 16 I I 7. Die versuchte Bestimmung des Abs. 1 verdrängt die (subsidiäre) Verabredung des Abs. 2: BayObLG NJW 56 1000. Allg. zum Verhältnis beider Absätze zueinander Blei NJW 58, 30. Über das Verhältnis des § 49 a zu § 218 IV vgl. BGHSt. 3 228, 4 17 sowie unten § 218 Anm. VII. VII. Tätige Reue in Abs. 3, 4 weitergehend als nach § 46 Nr. 2 prämiiert; über die allg. Bedeutung dieser Stelle vgl. §46 Anm. VII 2a. Wie in Abs. 1,2 der betätigte böse Wille zur Strafbarkeit genügt, so genügt in Abs. 4 der betätigte gute Wille zur Straflosigkeit. Ebenso jetzt BGHSt. 1 309. Für den nichtbeendeten Anstiftungsversuch und die ihm gleichstehenden Handlungen des Abs. 2 ist § 46 Nr. 1 analog heranzuziehen (so schon Schröder MDR 49, 714, Dreher GA 1954,19). Praktisch bedeutsam vor allem Abs. 4 (zutr. Maurach § 53 I I E 2b). Tätige Reue durch Unterlassung möglich: BGHSt. 4 200 (der zum Meineid Aufgeforderte wird nicht als Zeuge benannt); BGH verweist auf Abs. 4, sieht jedoch in Widerspruch dazu in der Nichtbenennung eine Verhinderung der Tat, von der Abs. 3 handelt. Vgl. ferner E 38 225 (Benachrichtigung der Polizei oder Warnung des Opfers), E 56 210, 70 225 (Umstimmen des Angestifteten), Tübingen DRZ 49 44 (unfreiwillig, wenn Tat unabhängig vom Willen des Täters unmöglich wird ?). — Auf Vorbereitung einer Verschleppung (§ 234a Abs. 3) ist § 49a Abs. 3 u. 4 entspr. anzuwenden: BGHSt. 6 85 unten. Hinweis auf §§ 49b Abs. 3, 82 u. 90 Abs. 3. Die Entsch. betont neben dem Gedanken der „goldenen Brücke" (s. o. § 46 Anm. I) die Minderung des Schuldvorwurfs. Vgl. zu dieser Grundfrage § 46 Anm. I und IV 2.

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Teilnahme § 49 b

Verbindung und Verabredung zur

Tötung

§ 49 b (1) Wer an einer Verbindung teilnimmt, die Verbrechen wider das Leben bezweckt oder als Mittel für andere Zwecke in Aussicht nimmt, oder wer eine solche Verbindung unterstützt, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren. (3) Nach diesen Vorschriften wird nicht bestraft, wer der Behörde oder dem Bedrohten so rechtzeitig Nachricht gibt, daß ein in Verfolgung der Bestrebungen der Verbindung beabsichtigtes Verbrechen wider das Leben verhindert werden kann. I. Entstehung: 1. StGEntw. 1927, § 176, mit der Überschrift „Feme". — 2. Übernahme in das Republikschutzgesetz v. 26. 3. 30. — 3. Übernahme in das StGB als § 49b durch VO v. 29. 12. 32, durch die das RepSchG außer K r a f t gesetzt wurde. — 4. Die VO. v. 29. 5. 43 strich hinter „Verbindung" die Worte: „oder Verabredung", da durch § 49a neu geregelt; vgl. dort Anm. V 1 u. E 24 328. II. Selbständiger Tatbestand. Rechtsgut die öff. Ordnung. E 69 168, RG J W 33 2337 (Anm. Wegner). Versuch straflos: E 58 394. Vgl. Niese DRiZ 52, 24. III. Verbindung ist ein Zusammenschluß mehrerer f ü r eine gewisse Dauer, um gemeinsam und in Unterordnung unter einen Gesamtwillen in bestimmter Richtung f ü r bestimmte Zwecke tätig zu werden. Die Teilnahme, die freiwillig sein muß, besteht in der Unterordnung unter den Gesamtwillen und in der Bereitschaft, an seiner Ausführung mitzuwirken. Vgl. E 13 277, 24 328, ferner unten § 90 a Anm. IV, 129 Anm. I. IV. Unterstützung (nur gegenüber Verbindungen strafbar) besteht in der, wenn auch nur einmaligen, Förderung ihres Zustandekommens oder Bestehens. Mit etwaiger späterer Mitgliedschaft oder Mittätigkeit kein Fortsetzungszusammenhang (entspr. E 67 139 u. 177). V. Bestrafung wegen Tötung oder Tötungsversuchs, die in Verfolgung der V begangen werden, bewirkt, daß die Strafbarkeit wegen der Teilnahme oder Unterstützung in ihr aufgeht, wenn sich in der Tötung der Zweck der V erschöpft; anders, wenn sie deren Zweck nur teilweise verwirklicht. Vgl. E 59 377, J W 33 2337. VI. Zu Abs. I I : Besonders schwere Fälle. D i e Formel ist an dieser Stelle aus § 176 Abs.2 Entw. 1927 entnommen (Anm. I), also hier jedenfalls i. S. des § 77 I I Entw. 27 auszulegen. Vgl. oben § 1 Anm. V. Ferner E 69 169 (B. s. F. bei einzelnen Teilnehmern). VII. Zu Abs. I I I : Sonderbestimmung f ü r die tätige Reue gegenüber §§46,49a III, aber nur betr. § 49 b selbst. Bzgl. „Nachricht" vgl. E 59 118. Tatsächliche Verhinderung steht der Nachricht arg. a fortiori gleich. Vgl. § 46 Anm. V I I 2 a.

Teilnahme § 60

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Einstehen für eigene Schuld §50 (1) Sind mehrere an einer Tat beteiligt, so ist Jeder ohne Rücksicht au! die Schuld des anderen nach seiner Schuld strafbar. (2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Eigenschaften oder Verhältnisse die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt dies nur für den Täter oder Teilnehmer, bei dem sie Torliegen. Schrifttum: R e d s l o b , Die persönlichen Eigenschaften und Verhältnisse usw. 1909 (StrAbh. Heft 97). — K o h l r a u s e h , Täterschuld und Teilnehmerschuld, Bumke-Festschrift (1939). — L a n g e , Die notwendige Teilnahme (1940), S. 52ff. — v. d. L ü h e , Probleme um § 50 StGB (1940) (Hamburger Diss.). — Mezger in LK, 7. Aufl. — N i e t h a m m e r , Sinn und Wirkung des § 50, DRZ 46, 167ff. — L a n g e , Die Schuld des Teilnehmers usw., J R 49, 165ff. — D a h m , Über das Verh. v. T. u. T„ NJW49, 809ff. - B o c k e l m a n n , desgl., 1949. - D e r s e l b e , GA 1954,193. v. W e b e r , Teiln. an Mord und Totschlag, MDR 52, 265. — H a r d w i g , § 50 und die Bereinigung des StGB, GA1954,65ff. — B ö r k e r , Zur Abhängigkeit derTeilnahme JR53,166. — D e r s e l b e , Zur Bedeutung bes. pers. E. oder V. bei § 49a, J R 56, 286. — Sax, Der Begriff der „strafbaren Hdlg." usw., MDR 54, 65ff. — H e i n i t z und Oehler in Berliner Festschr. zum 41. Dt. Juristentag 1955. I. Entstehung und Grundgedanke. Das PreußStGB kannte, wie heute noch der code pönal, keine dem § 50 entsprechende Bestimmung. Bis zur Novelle vom 29. 5. 43 bestand nur der jetzige Abs. 2. Die gen. VO. verschärfte seine Fassung, indem sie das Wort „besondere" einfügte, bezog die strafausschließenden E. u. V. ein und stellte in Abs. 1 eine Grundregel voran, die weit über die Teilnahmelehre hinaus Bedeutung hat (Mezger LK Anm. 2: „Eckstein in der Lehre vom Verbrechen", BGHSt. 1 50: „Ausdruck eines großen allgemeinen Rechtsgrundsatzes", daher z. B. auch für § 259 anwendbar; BGHSt. 4 357: Eine Einschränkung der allgemeinen Norm des § 50 Abs. 1 kann nicht aus dem Begriff der Anstiftung hergeleitet werden). § 50 kann daher nicht durch Wortanalyse allein verstanden werden, andererseits auch nicht durch einfachen Rückgriff auf das in ihm enthaltene Prinzip der materiellen Gerechtigkeit. Binding Grdr. 5 S. 130 erklärte die Nichtberücksichtigung des Fehlens straferhöhender Eigenschaften bei Teilnahme an Tötungsdelikten für „den schreiendsten Widerspruch zu den Anforderungen materieller Gerechtigkeit", OGHSt. 1, 103f. für „ein Gebot der Gerechtigkeit", Kohlrausch in der 38. Aufl. dieses Buches hielt nur sie für „innerlich gerechtfertigt", nicht aber die entsprechende Behandlung strafmindernder Umstände. Die genauen Grenzen der Bestimmung können vielmehr nur im Rahmen des Verbrechensbegriffs und der jeweiligen Struktur der einzelnen Tatbestände gezogen werden. Ihr Grundgedanke und damit ihre richtunggebende Bedeutung für die Teilnahmelehre steht aber insoweit fest, als sie in Erfüllung eines alten Reformanliegens die Abhängigkeit der Teilnahme auf das Erfordernis des objektiven Tatunrechts in der Handlung des Haupttäters beschränken wollte. Der Gedanke der Schuldteilnahmetheorie, daß die schwerere Schuld des einen den anderen mitbelaste, auch wenn sie in seiner Person nicht vorliege (vgl. oben Vorbem. I I 2 vor § 47 und J R 49,

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Teilnahme § 5 0

167) ist hierdurch gesetzlich von der Wesensbestimmung der Teilnahme ausgeschlossen und auf Strafzumessungserwägungen verwiesen (oben Vorbem. IV 4 vor § 13); damit aber auch der Gedanke, zum Wesen der Teilnahme, insbes. der Anstiftimg, gehöre eine Bestimmung zur Übeltat als solcher (ein Gedanke, der ohnehin beim Gehilfen nicht durchführbar ist); dazu Vorbem. I I vor § 47. Vom Standpunkt der hier abgelehnten Theorie aus ist der Gedanke des § 50 seinerseits „unhaltbar"; so schon Schütze Lb. 1874 § 44 N. 12. Prinzipielle Kritik auch bei Maurach § 53 I I I D. Folgerichtige Aushöhlung seines Inhalts bei Kohlrausch, 38. Aufl. § 50 scheidet das Unrecht der Tat von der Schuld des Täters. Nur das erstere ist akzessorisch zu behandeln, also dem Teilnehmer ohne Bücksicht darauf, ob seine Voraussetzungen bei ihm selbst vorliegen, zuzurechnen. Zu ihm gehört in erster Linie die objektiv eingetretene Bechtsgutsverletzung, aber auch die (alleinige oder hinzutretende) Bechtsgutsgefährdung, die in der Richtung der Handlung auf dessen Verletzung liegt, wie beim Versuch, bei den Absichtsdelikten, sei es in Fällen wie den §§ 242 und 263 oder in Fällen wie § 94, wo die der Handlung innewohnende objektive Tendenz ein anderes Bechtsgut als das bereits verletzte gefährdet. Uber die bisher durch den Erfolg qualifizierten Delikte, deren sachgemäße Auffassung als Gefährdungsdelikte angesichts des § 56 nicht mehr möglich erscheint, vgl. oben § 48 zu Anm. VIII. Man darf aber nicht, wie dies regelmäßig geschieht, das Unrecht der Tat mit ihrer Tatbestandsmäßigkeit gleichsetzen. Denn der Tatbestand typisiert nicht nur Unrecht, sondern an vielen Stellen auch Schuld (z. B. „niedere Beweggründe" in § 211). Und neben die Tattypik tritt die Tätertypisierung, auch sie entscheidend unter dem Gesichtspunkt gesteigerter Schuld. So ist beim gefährlichen Gewohnheitsverbrecher die verschuldete Gefährlichkeit, ebenso aber auch bei Bückfälligkeit oder Gewerbs- und Gewohnheitsmäßigkeit diese Neigung oder Einstellung keine Eigenschaft der einzelnen Tat, sondern des Täters. Beim Beamten enthält die besondere Amtspflichtverletzung ein höchstpersönliches, unübertragbares Schuldmoment. Bisweilen ergibt erst die Auslegung eines Begriffes, daß er neben dem Unrecht der Tat auch die Schuld des Täters besonders charakterisiert. So verlangt der Begriff der Steuerhinterziehung in § 396 RAO über die bewußte Steuerverkürzung hinaus eine hinterhältige, listige Täuschung der Behörde: E 60 97; 70 10; 71 217; BGHSt. 2 340. Ob tat- oder tätergebundene Merkmale vorliegen, ist jeweils im Einzelfalle zu prüfen. Vgl. z. B. BGHSt. 6 261,262,8 70,208 betr. Gewerbsmäßigkeit einerseits, Bandenmäßigkeit andererseits. Nicht entscheidend ist, ob ein del. sui generis gebildet worden ist. Dies kann in einer Modifikation des tatgebundenen Unrechts, es kann aber auch in der Rücksicht auf eine besondere Lage des Täters seinen entscheidenden Grund haben, wie z. B. in § 248a (a. A. Maurach § 53 I I I B 2 a ; wie hier die meisten, auch E 72 373; 74 86; OGHSt. 3 115). Innerhalb des einheitlichen Grundgedankens der Bestimmung, die Abhängigkeit der Teilnahme auf das tatgebundene Unrecht der Haupttat zu beschränken, ist Abs. 1 die weit über die Teilnahmelehre hinausreichende Grundregel, während Abs. 2 die entscheidende Trennungslinie zwischen Tat- und Täterelementen präzisiert. Treffend BGHSt. 8 205, 209: „Der Abs. 2 des § 50 kann nicht ohne Rücksicht auf den leitenden Grundsatz des Abs. 1 ausgelegt werden. Die Vorschrift

Teilnahme § 50

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bildet eine Einheit und regelt die Anwendung des Schuldgrundsatzes hei der Tatbeteiligung mehrerer." Die neuerdings vertretene Meinung (Welzel § 16, V; Maurach § 53 I I I B), wonach Abs. 2 in erster Linie und ohne Rücksicht auf Abs. 1 zu prüfen sei, weil Tatbestandsfragen in der Verbrechenskonstruktion den Schuldfragen vorgingen, übersieht, daß hier die Frage gerade die ist: was am gesetzlichen Tatbestand die Tat und was den Täter, was das Unrecht der Tat und was die Schuld des Täters typisiert. Wie hier v. Weber MDR 52, 265. — Ob sich die täterschaftlichen Elemente (wie Beamteneigenschaft u. dgl.) als „personales Unrecht" (Welzel) erfassen lassen, kann hier auf sich beruhen, da auch sie jedenfalls nicht akzessorisch zu behandeln sind. Die im folgenden zu behandelnde Lücke des § 50 darf nicht systematischer Richtpunkt sein (a. A. Hardwig GA 1954, 65ff.). Der Sinn des § 50: die Akzessorietät auf das tatgebundene Unrecht zu beschränken und den einen nicht für die größere Schuld des anderen büßen zu lassen, trifft in ganz besonderem Maße auf die echten Sonderdelikte zu, bei denen der Außenseiter weder das Rechtsgut in eigener Person verletzen noch sich der spezifischen Pflichtverletzung schuldig machen kann, die den Amts- oder sonstigen Pflichtenträger trifft. Im Gemeinen Recht und noch in einzelnen Partikularrechten des 19. Jahrh. waren darum, obwohl es keinen § 50 gab, außenstehende Teilnehmer an reinen Amtsdelikten straffrei. Mit sehr beachtlichen Gründen tritt hierfür de lege lata H. Mayer § 51 I 5 a) ein. Doch wird man wohl der herrschenden Lehre folgen müssen, die die Teilnahme an echten Amtsdelikten mangels Berücksichtigung in § 50 Abs. 2 akzessorisch behandelt. Das Gesetz ist hier grob fehlerhaft. Über die Folgen vgl. etwa BGHSt. 5 76: „Wer eine strafb. Hdlg. begangen hat und einen Beamten, der ihn strafe, verfolgen müßte, bestimmt, dies zu unterlassen, entgeht der Strafe wegen Anstiftung zum Verbrechen nach § 346 nicht deshalb, weil sein Verhalten seiner eigenen Begünstigung dient." Vgl. hierzu aber auch oben Vorbem. IV vor § 47 und unten zu § 346. II. Schuld. — Das Wort kam im StGB a. F. kaum vor. In der Theorie wurde es gebräuchlich als Oberbegriff für die beiden „Schuld"-Arten Vorsatz und Fahrlässigkeit. So noch jetzt Braunschweig MDR 48 182 (abl. Anm. Figge). Daß es, wenn man unter Vorsatz nur Wissen und Wollen des Erfolges versteht, m e h r bedeuten muß, darüber vgl. Anm. I I zu § 59. So nun auch § 50 I. Die Überschrift „Einstehen für eigene Schuld" ist dem amtlichen RGBl, entnommen. Zur Schuld gehört alles, was den Vorwurf gegen den Täter begründet und gestaltet. Das sind zunächst die die Tat begleitenden psychischen Vorgänge, darüber hinaus aber vielfach besondere persönliche Umstände. Auf diese geht das Ges. in Abs. 2 besonders ein. Die Auslegung dieser Stelle hat daher lediglich den Grundsatz des Abs. 1 zu entfalten. III. Besondere persönliche Eigenschaften und Verhältnisse. Persönliche: Gegensatz solche, die den ä u ß e r e n T a t b e s t a n d als U n r e c h t s t y p berühren. So ist in vielen Fällen für das Schuldurteil von Bedeutung, ob der Täter aus niedrigen (§ 211) oder achtenswerten (§ 216) oder doch verständlichen (§§ 213, 217) Motiven gehandelt hat und daher sein Handeln als Symptom einer bestimmten Gesinnung, also einer persönlichen Eigenschaft erscheint. Näheres in J R 49, 165ff. Besonders deutlich ist das größere oder geringere Schuldgewicht — bei gleicher Rechtsgutverletzung — je nachdem welche innere Einstellung der Täter hatte, in der Neu-

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Strafausschließungs- und Milderungsgründe. Vorbemerkungen

fassung des Mordtatbestandes erkennbar. Hier zeigt sich zugleich, daß „Schuld" nicht nur im ethisierenden Sinne gefaßt werden darf, sondern auch Gefährlichkeitsmomente mit begreift: Wer vor Anwendung gemeingefährlicher Mittel nicht zurückschreckt, um einen Menschen zu töten, ist eben darum schwerer schuldig, selbst wenn seine Beweggründe verständlich sind. Wer gewohnheits- oder gewerbsmäßig handelt, wer rückfällig, gefährlicher Gewohnheitsverbrecher ist. dessen Schuld ist als verschuldete Gefährlichkeit gesteigert. Aber auch in besonderen persönlichen Verhältnissen etwa zum Angriffsobjekt oder zum verletzten Rechtsgut kann die Modalität der Schuld liegen. So beim Beamten, bei dem, dem eine Sache anvertraut worden ist, bei dem Sohn, der den Vater erschlägt. Nicht die Wortauslegung des Begriffs „Dauer", sondern der dem Prinzip des Abs. 1 entsprechende Grundgedanke der Schuldsteigerung oder -minderung ist daher für die Auslegung der vom Gesetz aufgestellten drei Gruppen maßgeblich. Diese sind: 1. Strafschärfungsgründe: G e w e r b s m ä ß i g k e i t §§ 260, 292, 293, 302d, 175a Nr. 4 erste und zweite Alternative, vgl. hierzu E 25 266, 26 3 betr. Hehlerei, 61 268 betr. Wilderei, 71 72 betr. Homosexualität. N i c h t dagegen B a n d e n m ä ß i g k e i t , die die T a t als bes. gefährlich kennzeichnet: BGHSt. 6 262 (gegen 4 35) für Schmuggel und Bandendiebstahl. — R ü c k f a l l , E 54 274, BGH MDR 52 407. — Gemeingefährlichkeit des § 20a, E 68 385, 392. — B e a m t e n e i g e n s c h a f t bei den unechten, gemischten Beamtendelikten, z.B. Amtsunterschlagung; E 63 31, 68 90, 75 289; BGHSt. 6 308 betr. Gefangenenbefreieung. Daß die Beamteneigenschaft des Haupttäters bei den e c h t e n Beamtendelikten die Strafbarkeit des Teilnehmers begründen soll, ist eine unerfreuliche, aber bei dem Schweigen des Gesetzes kaum zu vermeidende Folgerung. Vgl. Anm. I a. E. Richtiger § 32 Abs. 1 S. 2 Entw. 1930 und Thür. § 50 Abs. 2, die Strafmilderung vorsehen, wenn ein strafbegründender Umstand bei dem Teilnehmer nicht vorliegt. Heute schon allgemein bei Strafzumessung zu berücksichtigen! — Folgerichtig hat E 72 326 auch die Unterschlagung einer a n v e r t r a u t e n Sache (§246, 2. Fall) nach § 50 behandelt. Ebenso BGH inLMNr. lzu§351 (zust.Anm. Jagusch) betr. „in amtl. Eigenschaft empfangen". — 2. Strafmilderungsgründe:verminderte Zurechnungsfähigkeit, § 51 II. Jugendliches Alter, JGG §§3, 105, 106. Kindestötung § 217: E 2 153, 72 373. — Über die bei den Tötungsdelikten entstehenden Sonderfragen vgl. Anm. XI zu §§211, 212. — 3. Strafausschließungsgründe. Einbezogen durch VO v. 29. 5. 43. Hierher gehören alle in der Person des Täters begründeten Umstände, die der Annahme einer strafbaren Handlung entgegenstehen, also alle in den §§ 51 bis 59 sowie in § 1 JGG begründeten. Auf die Beurteilung des Teilnehmers wirken sie nicht zurück; er bleibt strafbar. Daß gleiches für solche Umstände gilt, die den inneren TB beim Täter unberührt lassen und nur die Möglichkeit, seine Person zu strafen, betreffen (z. B. Exterritorialität), ist selbstverständlich.

Vierter Abschnitt Gründe, welche die Strafe ausschließen oder mildern Vorbemerkungen Der 4. Abschnitt regelt v e r s c h i e d e n a r t i g e Gründe, die nur das miteinander gemein haben, daß sie l e t z t e n E n d e s dazu führen, daß ein tatbestandsmäßiges Verhalten nicht (oder milder) bestraft wird. Die Verschiedenartigkeit der Gründe

StrafauBschließungs- und Milderungsgründe. Vorbemerkungen

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hat wichtige praktische Polgen, besonders im Falle ihrer Kollision sowie f ü r Täterschaft und Teilnahme. Übersicht in Syst. Vorbem. III, IV. I. Eine „Handlung" im Rechtssinn (Syst. Vorbem. I I B) fehlt in den Fällen der „Bewußtlosigkeit" des § 51 a. F. und der „unwiderstehlichen Gewalt" des § 52 (E 31 395, wo freilich weder zwischen beiden Fällen des § 52 noch zwischen fehlender „Handlung" und fehlender „Schuld" unterschieden wird). II. Gründe, die die Rechtswidrigkeit ausschließen, also die Tat g e b i e t e n oder e r l a u b e n , sind: 1. Die Verpllichtung des Täters zum Handeln (insbes. bei Vollzugsbeamten). Näheres hierzu s. o. Syst. Vorb. I I I und unten § 113 Anm. III, ferner E 72 312, Frankfurt N J W 50 120 (abl. Anm. Cüppers). Auch die im folg. zu 2 behandelten Amtsrechte sind vielfach zugleich Verpflichtungen. 2. Die Notrechte, insbes. die Notwehr § 53; ferner BGB §§ 228, 229, 904 u. a. (zu diesen Stratenwerth ZStW 56, 54ff. und, betr. § 860 BGB, Köln JMB1. NRW 56 180); Züchtigungsrecht (vgl. aber BGHSt. 6 263); Recht der Vollzugsbeamten zum Waffengebrauch; gegenüber dem f l i e h e n d e n T ä t e r nicht bei offensichtlich geringfügigen Verfehlungen, vgl. E 65395, Schlüter DJ 40, 38, Gallas DRZ 49, 43; nach §55 PolVerwGes. 1931 und seinen AusfBest. nur bei Verbrechen; vgl. jetzt vor allem die landesrechtlichen Bestimmungen, z. B. § 4 hess. G v. 11. 11. 50, § 3 brem. G v. 19. 2. 54, und den Entw. eines Ges. über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öff. Gewalt durch Bundesvollzugsbeamte (UZwG) von 1954; Recht zur Festnahme und Verhaftung (§ 127 StPO) u. v. a. Näheres in System. Vorbem. III, insbes. auch zum sog. übergesetzlichen Notstand. — Zur Verbindlichkeit des rechtswidrigen m i l i t ä r i s c h e n B e f e h l s vgl. jetzt § I I Soldatenges., §§ 5, 22 WehrStG, dazu Arndt GA 1957, 46, ferner unten § 109b Abs.5 und dazu Anm. IX, X. — Zum früheren Rechtszustand vgl. v. Weber, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für Handeln auf Befehl 1948 (Recht und Zeit H. 6) ; ders. MDR 48, 34 und das übrige Syst. Vorbem. I I I aufgeführte Schrifttum, ferner LG Hagen MDR 48 89. Die Begr. zu § 4 Entw. UZwG unterscheidet zutr. zwischen der Bindung des Beamten gem. § 56 Abs. 2 BBG, der schärferen des Vollzugsbeamten gem. § 4 Entw. UZwG und der noch strengeren des militärischen Untergebenen. — An rechtmäßigen Handlungen ist „Teilnahme" straflos; „Notwehr" gegen sie nicht erlaubt. Kiel SJZ 47 323 (abl. Anm. Arndt) bejaht dies mit Recht auch für eine solche pflicht- und ordnungsmäßige Exekutivhandlung (Festnahme eines Deserteurs) während des letzten Krieges. Der Gegenstandpunkt würde zur Anarchie führen. Vgl. auch unten § 52 I u. § 54 VII. Zum Widerstandsrecht vgl. BVerfG NJW 56 1393 ( = BVerfGE 5 87): nur als Notrecht zur B e w a h r u n g o d e r W i e d e r h e r s t e l l u n g der Rechtsordnung gegen o f f e n k u n d i g e s Unrecht als l e t z t e s M i t t e l zulässig. Vgl. Weinkauff, Über das Widerstandsrecht, Tübingen, Mohr 1956, Winterfeld, Grundlagen und Grenzen des Widerstandsrechts, NJW 56, 1417. N i c h t ist die Rechtsw. ausgeschlossen, wenn der Täter die Lage, die an sich die Tat rechtfertigen würde, selber absichtlich herbeigeführt hat, um die Tat ungestraft begehen zu können; z. B. den „rechtswidrigen Angriff" provoziert hat, um dann unter Berufung auf Notwehr den Angreifer verletzen zu können. Grund der Strafbarkeit ist, daß hier der Z e i t p u n k t , in dem die schuldhafte rechtswidrige Handlung (die Tötung, Körperverletzung usw.) begangen wird, der ist, in dem mit

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Strafausschließungs- und Milderungsgründe. Vorbemerkungen

Tatwillen dolos der „ R e c h t f e r t i g u n g s g r u n d " g e s c h a f f e n wird. Ähnlich der actio l i b e r a in causa (Anm.III zu § 51) liegt hier eine actio i l l i c i t a in causa vor, d. h. eine im Zeitpunkt des Tuns (z. B. der Verletzung) gerechtfertigt scheinende, letzten Endes aber (in causa also) rechtswidrige Handlung. 3. Die Einwilligung des Verletzten. Aus dem Schrifttum: H o n i g , die Einw. d. Verl., 1919. — T r a e g e r , Die Einw. usw. im zuk. Strafrecht GS 94, 112. — Z i t e l m a n n , ArchZivPr. 99, l f f . — S c h l o s k y , DStR 43, 19. — S c h r e y , StrAbh. H. 248. — Eb. S c h m i d t , J Z 54,369. - H ä r t u n g , NJW 54,122. - G e e r d s , GA 1954,262. - N o l l Z S t W 6 8 , 181.

Zu unterscheiden ist: a) Schon t a t b e s t a n d s m ä ß i g e s Handeln entfällt bei Einverständnis des Betroffenen in Fällen wie §§ 123, 176 Nr. 1, 177 1. Fall, 236, 242, 253. Wer mit Willen des Berechtigten ein Haus betritt oder eine Sache nimmt, dringt nicht ein, nimmt nicht weg. Zweifelhaft bei Freiheitsberaubung: nach Mezger Lb. S. 217 ist die TBM, nach StuB I I § 18, 2 die RW ausgeschlossen, und bei Beleidigung: Mezger StB I I § 35 I I I schließt die TBM, Schönke-Schröder § 185 I I I die R W aus; richtigerweise ist bei Verletzung des Ehrgefühls das erstere, bei Rufgefährdung das letztere anzunehmen, vgl. Vorb. VI vor § 185. Hier überall entsteht infolge des Verhaltens des Betroffenen von vornherein nicht die Lage, an die das Unrechtsurteil anknüpfen konnte. Dieses Verhalten ist rein tatsächlich festzustellen, natürlicher Wille genügt, auch ein erschlichenes Einverständnis steht z. B. dem Begriff des „Wegnehmens" entgegen; die Erschleichung ist nach § 263 oder § 265a strafbar. Zutr. Geerds a. a. O. 265ff., gegen den jedoch die Möglichkeit strafbaren Versuchs zu bejahen ist, wenn der Täter das Einverständnis nicht kannte. b) Liegt das im Tatbestand umschriebene Handeln vor, so kann die Einwilligung des Berechtigten den U n r e c h t s c h a r a k t e r der Tat ausschließen: in dem Rahmen, der sich aus positiver Regelung oder aus dem Charakter des angegriffenen Rechtsguts ergibt. Dieser Funktion entsprechend muß hier die Einwilligung auch die sozialethische und rechtliche Tragweite der Handlung umfassen und von dieser Einsicht getragen sein. Ist sie erschlichen, so umfaßt sie die Tragweite nicht, ist sie erzwungen, so wird sie nicht von dieser Einsicht getragen. Da es sich um eine Preisgabe von Rechtswerten handelt und nicht um Übertragung subjektiver Rechte, sind die hierfür im Verkehrsinteresse aufgestellten Grundsätze des BGB über (bloße) Anfechtbarkeit und über Rückwirkung hier gegenstandslos; ebenso seine festen Altersgrenzen für Geschäftsfähigkeit. E 41 394, 71 349, BGHSt. 5 362. Jedoch darf — auch wegen § 105, 106 JGG — die volle Reife nicht mehr — wie von RG, z. B. in E 72 400, 75 180 unterstellt — jedenfalls mit 18 Jahren ohne weiteres deshalb angenommen werden, weil dann der Einwilligende seinerseits voll verantwortlich gemacht werde. Ob die Einwilligung in vollem Verständnis ihres sozialen Sinnes erfolgte, ist vielmehr nach den Umständen des Falles zu prüfen und kann bei derselben Person zur gleichen Zeit z. B. für geschlechtliche oder Vermögenspreisgabe verschieden liegen. Bei Preisgabe wirtschaftlicher Werte wird allerdings im allg. von den Grenzziehungen des BGB über die Verfügungsfähigkeit ausgegangen werden können, jedoch unter Ausschaltung der nur im Verkehrsinteresse getroffenen Typisierungen. Rechtsgeschäftliche Qualität der Einw. fordern

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hier Frank S. 149, Welzel § 14 VII, Mezger Lb. S. 210 (sog. Erklärungstheorie); anders aber in LK 10 b) aa) vor § 51 (Willensrichtungstheorie), vgl. auch Liszt-Schm. Lb. S. 218. — Darüber, daß bei juristischen Personen (GmbH) für bestimmte Dispositionen die Gläubiger die einwilligungsfähigen Träger des maßgeblichen Interesses sind, vgl. BGHSt. 9 203. Preisgabe der G e s c h l e c h t s e h r e erklärt die Rsp. i. allg. bei Jugendlichen bis zu 16 Jahren für unbeachtlich: E 41 392, 60 34, 71 349, 74 224 (abl. Gallas ZAkDR 41, 21) einerseits, J W 38 1879, DR 39 233 betr. 16j. mit geschl. Erfahrungen andererseits. Vgl. dazu den vorigen Abs. (insbes. wegen §§ 105, 106 JGG). Bei welchen Deliktsarten die Einwilligung das Unrecht ausschließen kann, ist der gesamten Rechtsordnung zu entnehmen. Bei V e r m ö g e n s d e l i k t e n ergibt sich ihre grundsätzliche Beachtlichkeit schon aus der Vertragsfreiheit, ihre Grenze markieren die §§ 302a ff., die Einwilligung des Verletzten begrifflich voraussetzen. Das Strafgesetz gibt nur Einzelregelungen. Negativ ergibt sich für T ö t u n g s d e l i k t e aus § 216, daß Einwilligung hier für den Ausschluß der RW unbeachtlich ist. BGHSt. 4 88, 93 stellt dies auch für § 222 fest, verneint jedoch unter besonderen Voraussetzungen die Pflichtwidrigkeit, s. a. E 57 172; RG JW 25 2250 und jetzt BayObLG NJW 57 1245. Für K ö r p e r v e r l e t z u n g e n erkennt §226a bei Einwilligung Ausschluß der Rechtswidrigkeit an, wenn nicht die Tat trotz der EW gegen die guten Sitten verstößt. Hier b e g r ü n d e t die EW also den Ausschluß der RW nicht, sondern ihr Fehlen hindert ihn, auch wenn das Handeln gut gemeint und zweckgerecht ist (z. B. bei einer Bluttransfusion). In dieser Bestimmung — über deren Einzelheiten unten Anm. zu §226a — wird heute fast durchweg ein allgemeiner Rechtssatz gesehen (Maurach S. 269, H. Mayer S. 166/67, Schönke-Schröder I I I 6 vor § 51). BGHSt. 6 234 und besonders KG J R 54 428 erstrecken ihn auch auf fahrl. KVerl., letzteres mit der Begr., daß hier in das Risiko eingewilligt werde (nicht berücksichtigt von Hamm JMB1NRW 51 196). Zu dieser Frage vgl. Eb. Schmidt und Härtung a. a. O. sowie unten § 226 a Anm. III. Eine w i r k s a m e Einwilligung des Patienten setzt voraus, daß er Wesen, Bedeutung und Tragweite des ärztlichen Eingriffs erkannt hat. Dabei ist nicht der innere, sondern der erklärte Wille des Patienten maßgebend: BGHZ NJW 56 1106. - Zu dem Fall BGHSt. 11111, in dem sich während der Operation ein weitergehender als der ursprünglich vorgesehene Eingriff als notwendig erwies, vgl. unten § 223 Anm. I I I B 2. Entspr. Anwendung des §226awirdbeiBeleidigung(abw.H. Mayer S. 167, Haefliger SchwZStR 67, 99 einerseits, Traeger S. 126ff., Honig 134, 136ff. andererseits) und F r e i h e i t s b e r a u b u n g , soweit nicht hier richtigerweise schon die TBM auszuschließen ist (oben zu a), ferner bei G e h e i m n i s v e r l e t z u n g (§§ 299, 300) gefordert. Sie kommt vor allem für die S a c h b e s c h ä d i g u n g des § 303, nicht aber des § 304 in Betracht. Bei Deliktsarten, die sich (auch) unmittelbar gegen Rechtsgüter der Allgemeinheit richten, ist die Einw. des privaten Betroffenen insoweit gegenstandslos, z. B. bei falscher Anschuldigung, BGHSt. 5 66, 67, bei der jedoch die Veröffentlichungsbefugnis verwirkt ist, BGHSt. 5 66, 69. Ebenso bei Körperverletzung oder Frei13

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

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heitsberaubung im Amt und bei der gemeinschädlichen Sachbeschädigung des § 304. Arbeitszeitüberschreitung ist, auch wenn sie auf Wunsch der Belegschaft geschieht, strafbar: Hamburg BB 56 818. Bestr. bei Ehebruch je nach dessen Grundauffassung. Nach Traeger 129ff., Honig 133ff., L.-Schm. 573, Frank Anm. IV zu § 172, LK § 172 Anm. I I I beachtlich, nach RG (st. Rspr., z. B. 14 205, 25 119, GA 41 386, 54 305, die jedoch alle nach altem Eherecht ergangen), Maurach 361, Mezger Lb. 217, Sauer 119, Schönke-Schröder § 172 II, Welzel 85 u. 347 unbeachtlich. Nach H. Mayer 167 ist hier wie bei Einwilligung in unzüchtige Zumutungen der materielle Rechtsschutz, nach anderen der Strafverfolgungsanspruch verwirkt. Das zuständige Staatsorgan kann allerdings bei Delikten gegen die Allgemeinheit u. U. mit rechtfertigender Wirkung einwilligen, z. B. in die Mitteilung eines militärischen oder diplomatischen Geheimnisses, aber nur im Rahmen der Güterund Pflichtenabwägung, die dann der eigentliche tragende Grund des Unrechtsausschlusses ist. Zu diesem übergesetzlichen Notstand, der unmittelbar auf die materielle RW und deren Ausschluß zurückgreift, vgl. oben Syst. Vorbem. III. III. Die Schuld ist (trotz „rechtswidriger" Handlung) ausgeschlossen a) wenn der Täter n i c h t z u r e c h n u n g s f ä h i g war (§§ 51, 55 StGB., §§ 1, 3 JGG), b) wenn ihm sein Handeln infolge I r r t u m s (§ 59) nicht zum Vorsatz oder zur Fahrlässigkeit zuzurechnen ist, c) wenn es ihm (z. B. infolge Irrtums über den Umfang seiner Steuerpflicht) n i c h t m ö g l i c h w a r , zu e r k e n n e n , d a ß er U n r e c h t b e g i n g , d) wenn er trotz vorsätzlichen Handelns und Möglichkeit der Unrechtserkenntnis durch Notstand (§54), Nötigungsstand (§52), Notwehrexzeß (§53 Abs. 3) e n t s c h u l d i g t ist. — A n d e r e E n t s c h u l d i g u n g s g r ü n d e als die zu d) genannten s i n d g e s e t z l i c h n i c h t a n e r k a n n t ; sie anzunehmen wäre gesetzwidrig. Insbesondere kann daraus, daß jene Entschuldigungsgründe auf dem Gedanken der Unzumutbarkeit beruhen, nicht der Schluß gezogen werden, daß Znmutbarkeit eine a l l g e m e i n e Schuldvoraussetzung sei. Die Nichtzumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens betrifft bei Vorsatz nur eine der Erwägungen, aus denen der G e s e t z g e b e r bestimmte Schuldausschließungsgriinde anerkannt hat; sie ist nur ratio legis, aber n i c h t v o m R i c h t e r praeter legem oder gar contra legem zu beachten. Anders bei F a h r l ä s s i g k e i t : hier gehört sie zum Begriff. Ausdrücklich ebenso auch E 66 398 sowie Maurach § 44 I I C 2 a. Anders Welzel § 22 I I 4. — Eine gewisse Hinneigung zu dem Gedanken, daß „Zumutbarkeit" auch für den Vorsatz u. U. Schuldvoraussetzung, findet sich in E 56 168, 58 97, 60 101 sowie in H R R 39, 1063, ohne jedoch die obigen, in Rechtspr. und Lit. herrschenden Grundsätze in Frage zu stellen. So jetzt auch Mezger StB I § 75 gegen Lb. 370 bis 74. A. A. Eb. Schmidt in Lb. § 42 (in Anlehnung an Freudenthal und Goldschmidt), sowie in SJZ 49, 569 unter weiterer Ausdehnung des Gedankens der Unzumutbarkeit. Aber in dem dort behandelten Fall von Ärzten, die an Anstaltstötungen mitwirkten, um möglichst viele Menschenleben zu retten, handelt es sich nicht um Zumutbarkeitsprobleme, sondern um die Frage des Verbotsirrtums: die Meinung, so handeln zu dürfen und zu sollen. So jetzt auch Maurach § 33 I I C; a. A. Jagusch LK § 54 Anm. 10 (S. 426). Weitere Nachw. oben Syst. Vorbem. I I I 2 c) und unten zu § 59 II. — Bedenklich das obiter dictum BGHSt. (GrSen.) 6 58, wonach die Frage der übergesetzlichen Entschuldigung offen bleibe. IV. Über Bedingungen der Strafbarkeit und über persönliche Strafausschließungsgründe vgl. Syst. Vorbem. VI.

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V. Die Verfolgbarkeit (trotz „schuldhafter und rechtswidriger" Handlung) ist nach dem 4. Abschnitt ausgeschlossen bei f e h l e n d e m S t r a f a n t r a g (§§61—65) und bei V e r f o l g u n g s v e r j ä h r u n g (§§67—69). VI. Die Vollstreckbarkeit der Strafe ist ausgeschlossen bei V o l l s t r e c k u n g s v e r j ä h r u n g (§§70—72).

Fehlende oder verminderte Zurechnungsfähigkeit § 5 1 (1) Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Täter zur Zeit der Tat wegen Bewußtseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig ist, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. (2) War die Fähigkeit, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, zur Zeit der Tat aus einem dieser Gründe erheblich vermindert, so kann die Strafe nach den Vorschriften über die Bestrafung des Versuchs gemildert werden. Aus dem Schrifttum: K. S c h n e i d e r , Die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit, 3. Aufl. 1956. — Derselbe, Die psychopathischen Persönlichkeiten, 1950. — J . H. S c h u l t z , Grundfragen der Neurosenlehre, 1955. — M e z g e r , Probleme der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit (Vortrag BayAkWiss. 1949). — Derselbe, Das Verstehen als Grundlage der Zur., 1951. — K r e t s c h m e r und H i r s c h m a n n sowie M e z g e r - G r u h l e - T u m l i r z in: Krim. biol. Gegenwartsfragen, Enke 1953. — W ü r t e n b e r g e r , Zur Problematik der strafr. ZF, J Z 54, 209. — H ü l l e , Beurteilung der ZF durch den Tatrichter, JZ 52,296. - K o h l h a a s , SJZ 49, 878; L i n d e n b e r g , J R 50, 393; v. W i n t e r f e l d , N J W 51, 781: Hirnverletzte im Strafrecht. H a d a m i k , Zur Problematik der Affektverbrechen, MoKrim. 1953 H. 1. — B r e s s e r , Der Psychologe und § 51 StGB, NJW 58, 248; vgl. ebenda S. 245 W i t t e r zum Begriff der Neurose. — R a u c h , U n d e u t s c h , G r u h l e , I l l c h m a n n - C h r i s t , E h r h a r d t bei P o n s o l d Lb. der ger. Medizin, 2. Aufl. 1957. — E h r h a r d t , P l o o g , S t u t t e , Psychiatrie und Gesellschaft, 1958 (dort insbes. S t u m p f l , Kriminologie und Psychiatrie). — H a n d b u c h der Neurosenlehre und Psychotherapie, Herausg. F r a n k l , v. G e b s a t t e l , S c h u l t z (im Erscheinen). — D r e h e r , Verbotsirrtum und § 51, GA 1957, 97. — S p e n d e l , § 51 Abs. 2 und das Problem der Strafzumessung, NJW 56, 775. - Zu §§ 23, 24 Entw. 1956: L e f e r e n z , Der Entw. des AUg. T. eines StGB in kriminologischer Sicht, ZStW 70, 25. - R a u c h , Schuldfähigkeit nach dem Entwurf zum StGB, N J W 58, 2089. I. Neufassung durch Ges. v. 24. 11. 33. Die Neuerungen sind: 1. Ersetzung der Bewußtlosigkeit durch Bewußtseinsstörung; 2. Hinzufügung der Geistesschwäche; 3. Ersetzung des Ausschlusses der freien Willensbestimmung durch die Unfähigkeit, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln; 4. Anerkennung eines Zustandes verminderter Zurechnungsfähigkeit (unten XI). Die frühere Fassung (Ausschluß der freien Willensbestimmung) hatte die Neigung begünstigt, das philosophische Freiheitsproblem, d. h. ob der menschliche Willensakt überhaupt ursächlich bedingt sei (Determinismus) oder nicht (Indeter13*

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minismus), im Strafrecht zu diskutieren und die Anerkennung des Strafrechts von der Bejahung des Indeterminismus abhängig zu machen; oder umgekehrt: im § 61 eine gesetzliche Anerkennung des Indeterminismus zu sehen. Beides war ein Mißverständnis; die erste Ansicht würde Lebenstatsachen, die zweite würde Denkgesetze leugnen. Erforderlich und genügend war und ist die Fähigkeit, im Einzelfall V e r n u n f t e r w ä g u n g e n d e n n a t ü r l i c h e n T r i e b e n e n t g e g e n z u s e t z e n . Vgl. auch E 57 76, 63 46. Zur Anwendung von § 5 1 1 ist erforderlich und genügend, daß der Täter aus einem der genannten drei Gründe geistig blind dafür ist, daß ein geordnetes Gemeinschaftsleben Anforderungen an wechselseitige Rücksichtnahme stellen muß; oder daß ihm die Fähigkeit fehlt, sein Tun zu diesem Geflecht von Bindungen innerlich in Beziehung zu setzen; also die Fähigkeit, Recht und Unrecht überhaupt zu unterscheiden und zur Richtschnur des Tuns zu nehmen. Näheres Anm. I I I der 41. Aufl. II. Zurechnungstähigkeit des Täterg ist Voraussetzung für die Zurechenbarkeit der Tat; also Schuldlähigkeit. — Irreführend ist es, den Unzurechnungsfähigen h a n d l u n g s u n f ä h i g zu nennen; so aber früher Binding, v. Hippel, E 40 21 (25), 56 209 (211). Handeln (d. h. durch einen bewußten Willensakt tätig werden) kann auch er. Im natürlichen Sinn kann er auch v o r s ä t z l i c h handeln, z. B. mit Wissen und Willen einen Menschen töten, verletzen, beleidigen, oder Brand legen uws. BGH in LM § 42b Nr. 5 (Anm. Martin). Betr. planmäßiges Handeln BGHSt. 1 384. Sein vorsätzliches Tun kann auch s t r a f r e c h t l i c h e r h e b l i c h sein. So setzen die §§ 42b, 330a geradezu eine Handlung eines Unzurechnungsfähigen, die in jenem natürlichen Sinne vorsätzlich oder fahrlässig vorgenommen wurde, voraus. Indessen kann der Unzurechnungsfähige n i c h t s c h u l d h a f t handeln. Sein Tun kann ihm nicht vorgeworfen, nicht zur Schuld zugerechnet werden. Über den Schuldbegriff vgl. Anm. I I zu § 59. III. Actio libera in causa dagegen ist strafbar. Man versteht darunter eine zwar bei der Ausführung „unfreie", doch in causa „freie" Handlung; das heißt: die von einem Zurechnungsfähigen gesetzte Bedingung für sein in unzurechnungsfähigem Zustand vorgenommenes tatbestandsmäßiges Tun (z. B. der Kraftfahrer ist eingeschlafen oder hat sich sinnlos betrunken und überfährt dann einen Menschen). Die Frage nach v o r s ä t z l i c h e r o d e r f a h r l ä s s i g e r Erfolgsverursachung ist auf das e r s t e B e d i n g u n g s e t z e n abzustellen. (Beispiel: ein sinnlos betrunkener Kraftfahrer überfährt und tötet einen Menschen. Fahrlässige Tötung, wenn er b e i m T r i n k e n vorhersehen konnte, daß er nicht mehr sicher werde fahren können u n d dadurch M e n s c h e n l e b e n gefährde.) Vorsatz wird hier selten sein, immerhin genügt Eventualvorsatz. Fahrl. häufig. Dazu Hamm NJW 56 274 (betr. §§ 315 a, 316). Vgl. auch E 22 413, 60 29. Über das Verhältnis der a. 1. i. c. zu § 330a vgl. E 73 182 und unten zu § 330a. IV. Bewußtseinsstörung: Schon unter „Bewußtlosigkeit" hatte die Rechtspr. auch Trübungen des Bewußtseins gerechnet (Ohnmacht, Schlaftrunkenheit, Hypnose). Nicht nur krankhafte Störungen: BGHSt. 1120, ebenso Maurach §3611 B 1 b, Undeutsch bei Ponsold S. 130; dagegen Bresser N J W 58, 248, 249. Auch Rauschzustände (E 5 338, 63 46, 64 553, 67 149), einerlei ob verschuldete. „ S i n n l o s " (hierzu kritisch BayObLG N J W 53 1523) braucht also die Trunkenheit nicht zu sein, um die Z. auszuschließen. BGHSt. 1 384: Planmäßiges Handeln schließt rauschbedingte Zurechnungsunf. nicht aus; auch nicht „inselförmiges" Er-

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innerungsvermögen (BGH MDR 58 596). Über Verantwortlichkeit angetrunkener oder betrunkener Verkehrsteilnehmer vgl. BGH VRS 11 283, KG VRS 11281, 14 288, Hamm VRS 10 356. Über abnorm schnelle Alkoholwirkung BGH MDR 54 530. Vgl. auch J W 38 2270 u. 2947. Freilich gerade hier actio libera in causa möglich. Vgl. ferner § 330a mit Anm. — Betr. S c h o c k w i r k u n g eines Unfalls: LG Frankfurt VRS 4 363. H R R 39 1063 nimmt an, daß „ e r h e b l i c h e Ü b e r m ü d u n g " eines Lokomotivführers infolge übernormaler dienstlicher Inanspruchnahme (14% Stunden), „die Fähigkeit, den Willen zu beherrschen, herabsetzen und sogar ausschließen kann", so daß die Zurechnungsfähigkeit i. S. des § 51 ausgeschlossen sein könne. Besonders schwere u n v e r s c h u l d e t e Z o r n a u f w a l l u n g , „Affektsturm", kann Z F ausschließen oder mindern: BGHSt. 3 199, 7 325, MDR 53146, OGHSt. 3 23, 82 und — in erneuter Auseinandersetzung mit Gegenmeinungen — BGHSt. 11 20. Natürlich gilt das psychologisch auch für verschuldete. Aber für diese hat man ebenso wie für moral insanity, für a. 1. i. c. (oben III) und für Trunkenheit (gem. § 330a) einzustehen. BGHSt. 11 20 läßt diese Frage nach wie vor offen. V. Krankhafte Störung weiter als Geisteskrankheit: auch: vorübergehende pathologische Zustände, z. B. Fieberdelirien; dagegen die mangelnde Fähigkeit zur Bildung ethischer Vorstellungen (sog. moralisches Irresein) nur, wenn auf geistiger Krankheit beruhend: E 15 97. Zur strafr. Behandlung von H i r n v e r l e t z t e n s. o. Schrifttum und BGH MDR 52 274. Auch ein R a u s c h z u s t a n d kann auf krankhafter Veranlagung bpruhen und braucht dann nicht bis zu einer „Bewußtseinsstörung" geführt zu haben (E 6346). Nervlich bedingte Labilität erfordert schon bei Blutalkoholgehalt von l,52°/ 00 Prüfung der Zurechnungsf.: K G VRS 12 352. Alkoholintoleranz nach Kriegsgefangenschaft: BGH in VRS 5 529. — Betr. k r a n k h a f t e A l t e r s s c h w ä c h e bei Unzucht mit Kindern: H R R 39 56 u. 187. — D a s R G e r . g i n g z u l e t z t i m m e r w e i t e r . Nach E 73 121 kann auch ein Rauschzustand eines gegen das Rauschgift krankhaft Empfindlichen unter § 51 fallen, da er, obwohl keine Geisteskrankheit, „vorübergehend die Geistestätigkeit i. S. des § 51 entscheidend zu beeinträchtigen vermag". Unter Berufung hierauf K G in HESt. 117 betr. Störung nicht der Denktätigkeit, sondern des Willens-, Gefühls- oder Trieblebens (§51 bei krankhafter Steigerung des Sexualtriebs). — Betr. „ e r h e b l i c h e Ü b e r m ü d u n g " vgl. Anm. IV. - Betr. K l e p t o m a n i e BGH MDR 53 401, dazu Hirschmann a . a . O . 25ff., Maurach 345. — G l e i c h g e s c h l e c h t l i c h e V e r a n l a g u n g kann krankhaft i. S. des § 51 sein; jedoch nicht, wenn Nichtzügelung des Triebes überwiegend auf Charaktermangel oder sittlicher Schwäche beruht: BGH GA 1957 409. - Zur P s y c h o p a t h i e Anm. VII. VI. Geistesschwäche. Auch sie ist eine „krankhafte Störung" der Geistestätigkeit, so daß die Hervorhebung eigentlich überflüssig war. Sie unterscheidet sich nur dem Grade nach von den Geisteskrankheiten i. e. S. E s kann sich bei ihr um eine Störung der Denkfähigkeit — dieses ist der Hauptfall —, aber auch des Willens-, Gefühls- oder Trieblebens handeln. E 73 121. Diese muß einen erheblichen Grad erreichen, da gerade hier grundsätzlich Beherrschbarkeit zu fordern ist (unten zuX). VII. Das gilt insbes. von der Psychopathie; dazu K. Schneider a. a. O., MezgerGruhle-Tumlirz a. a. O. und unten X I 1 , 3, ferner BGH MDR 53 146/7, wo die Psychopathie als krankhafte Störung der Geistestätigkeit neben die Psychosen gestellt wird (E 73 121 schien sie zur Geisteschwäche zu rechnen). Der Krankheitsbegriff ist

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hier freilich, auch abgesehen von der Ursache, ein anderer als bei der Psychose, die einen die ursprüngliche Persönlichkeit verändernden und zerstörenden Prozeß bedeutet, während sich bei der Psychopathie die ursprüngliche Veranlagung diese» Menschen auswirkt. Vgl. die von K . Schneider entwickelten 10 Typen des Psychopathen (hyperthymische, depressive, selbstunsichere, fanatische, geltungssüchtige, stimmungslabile, explosible, willenlose, gemütlose, asthenische). Kretschmer nimmt jedoch Übergänge zu den Psychosen an. Zur Kritik am Psychopathiebegriff und zum Begriff der Neurose (als erworbener seelischer Störung) vgl. S t u m p f l , Handbuch, Lief. 2 , 1 ff., W. K r e t s c h m e r ebendort 44ff. mit eing. Nachw. — Zur Problematik des Schuldbegriffs bei Psychopathen Brauneck MoKrim. 1958, 129,135. Der Entw. 1956 versucht in §§ 23, 24 den Psychopathien und der Neurose mit dem Begriff der „auf schwerer, angeborener oder erworbener Abartigkeit beruhenden seelischen Störung" gerecht zu werden. Beachtliche Kritik bei Leferenz ZStW 70, 25, Rauch N J W 58, 2089. Die in der Entwurfsfassung liegende Gefahr, daß Charaktermängel zu Exkulpationsgründen werden, h a t bereits de lege lata BGH GA 1957 409, N J W 58 2123 bekämpfen müssen; vgl. dort die divergierenden Gutachten. VIII. Infolge eines der in Anm. IV —VII entwickelten Gründe m u ß der Täter entweder unfähig sein, das Unerlaubte der T a t einzusehen (intellektuelles Moment) oder nach dieser Einsicht zu handeln (voluntatives Moment). Liegt einer jener Gründe vor, so muß der Richter beides prüfen: E 73 121. — Über das Verhältnis der intellektuellen Alternative zum Verbotsirrtum Dreher GA 1957, 97: insoweit sei § 51 Abs. 1 als bloßer Unterfall des Verbotsirrtums überflüssig geworden, Abs. 2 dahin korrigiert, daß auch ein vorwerfbarer Verbotsirrtum, der auf nur leicht verminderter Zurechnungsfähigkeit beruht, zur Strafmilderung führen könne. IX. Unerlaubt ist rechtsfreier als: „das U n r e c h t " oder gar: „das Ungesetzliche" seiner Tat. Die Fähigkeit r e c h t l i c h e r Beurteilung des eigenen Tuns ist nicht vorausgesetzt. Vgl. hierzu E 64 353, 68 171, freilich auch J G G § 3. Über das Verhältnis dieser Best, zu § 51 vgl. H a m b u r g H E S t . 1 1 8 : auch wenn die Entwicklungsreife bejaht wird, ist die Feststellung einer verm. Zurechnungsfähigkeit gem. § 51 I I möglich. Vgl. auch O G H S t . 2 73. X. Auf einem der drei Gründe des Abs. I muß die (verminderte) Z beruhen, wenn sie die Schuld ausschließen bzw. zur Strafmilderung und andererseits erforderlichenfalls zur Einweisung gemäß § 42 b Anlaß geben soll. So ausdrücklich jetzt B G H MDR 55 16. Der Grundgedanke des § 51, den die Rspr. bei Zornaffekten und Alkoholeinfluß differenzierend anwendet, ist, d a ß n u r s c h i c k s a l h a f t e Unbeherrschbarkeit des eigenen Handelns die Schuld ausschließt. F ü r a k u t v e r s c h u l d e t e n Verlust der Selbstkontrolle und f ü r deren bloße M i n d e r u n g h a t (im letzteren Fall bis zur Grenze des Abs. 2) jeder einzustehen. Bloße Willensschwäche ( H R R 37 765) oder eine übermäßig starke Triebrichtung genügt an sich nicht, auch nicht bei Verschüttungsfolgen nach Bombenangriff, B G H MDR 55 16. Vgl. die i n Anm. V und V I I angeführten Entsch. sowie § 59 Anm. I I 2 h) über den in § 51 steckenden Gegenschluß f ü r andere Gründe mangelnder Fähigkeit, sich nach Normen zu richten. XI. Die Anerkennung einer Zwischenstufe verminderter Zurechnungsfähigkeit durch das Ges. v. 24. 11. 33 ist das Ergebnis jahrzehntelanger Erfahrungen und

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Erwägungen. Die deutschen StG-Entwürfe haben eine solche Zwischenstufe von Anfang an vorgeschlagen. Heute wird sie überwiegend kritisch betrachtet, vgl. Seelig. Festg. f. Mezger, S. 226 und Lit. vor § 51. Mehrfach gewechselt hat die Stellung namentlich zu folgenden Fragen: 1. Soll eine vermind. Z nur in Fällen chronischer, habitueller (konstitutionell bedingter), oder aber nur in Fällen vorübergehender, akuter Minderung der Z, oder aber in beiden Fällen anerkannt werden ? § 51 I I antwortet: in a l l e n F ä l l e n . Vgl. OGHSt. 1 370 betr. „Kurzschlußhandlung" einer Psychopathin; auch BGH N J W 53 1760 (kein Ausschluß bei bestimmten Taten); LM Nr. 7 (wohl aber, wenn abartiger Trieb nur aus Charaktermangel oder sittl. Schwäche nicht gezügelt). 2. Soll die StrMilderung vorgeschrieben oder nur zugelassen werden? Obligatorische Milderung wurde gefordert vom Standpunkt strenger Willensfreiheit und Tatstrafe (vermindertes Können = geringere Schuld). Kann-Milderung dagegen wurde gefordert vom Standpunkt der Persönlichkeitszurechnung aus. § 51 I I steht auf dem Standpunkt der K a n n m i l d e r u n g . Das bedeutet, daß der Richter alle Strafzwecke abzuwägen hat, nach BGHSt. 7 28 (5. Sen.) jedoch — gegen E 71 179, 74 217 — nur im Kähmen der s c h u l d a n g e m e s s e n e n Strafe. Hauptsächlich in der verschiedenen S t r a f e m p f ä n g l i c h k e i t sah derselbe Senat in MDB 53 147 den Grund der bloßen Kann-Milderung. Dazu kritisch Maurach 347, 354 (§ 36 I I C und I I I B lb). Vgl. Vorbem. I I l d , I I I 2, 4c, IV 7, 9 vor § 13. Gegen BGHSt. 7 28 Schneidewin JZ 55, 505, gegen diesen Spendel N J W 56, 755. — Verh. zu § 2 0 a : BGHSt. 3 169, MDR 51 403, NJW 57 1932. Die Mindeststrafe von 1 Jahr Zuchthaus kann danach unterschritten werden (im Anschluß an E 72 326). 3. Soll der selbstverschuldete Rausch ausgenommen werden? § 51 I I verneint; Milderung also auch hier nicht s c h l e c h t h i n ausgeschlossen. Vgl. aber Vorbem. IV 8 vor § 13 und oben zu IV und X sowie BGH MDR 51 657, OGHSt. 2 324, und für V e r k e h r s d e l i k t e BGH NJW 53 1760 und VRS 5 283, KG in VRS 7 103 (hier mit Recht besonders streng). Voraussetzung ist bei alledem die Ergänzung der „Strafen" durch Maßregeln der Sicherung, Besserung und Heilung. Denn der geringeren Tatschuld entspricht namentlich bei Psychopathen (oben Anm. VII), für die Abs. 2 besonders in Betracht kommt, oft eine größere Gefährlichkeit, dem schwächeren Sühnebedürfnis oft ein stärkeres Sicherungsbedürfnis. So wird die Strafmilderung zwar die Regel bleiben müssen und können. Aber „nach der ärztlichen Erfahrung ist es verfehlt, Psychopathen d u r c h w e g milder zu behandeln als Gesunde; der geistig minderwertige Mensch muß sich bemühen, seine gemeinschaftsgefährlichen Anlagen durch besondere Anstrengungen auszugleichen; eine strenge Strafe kann geeignet sein, ihn auf diese Notwendigkeit besonders eindringlich hinzuweisen". So DR 42 329 (mit Anm. Dahm). Das gilt auch heute noch. Vgl. BGH MDR 53 146. Ähnlich schon vorher E 74 217 (mit Anm. Mezger in DR 401277). Eingehend zu den sich kreuzenden Grundgedanken des Abs. 2: Mezger Rechtsblindheit, in Kohlrausch-Festg. 1944 S. 194£f„ Heinitz ZStW 63, 57ff. Vgl. aber auch oben zu 2. XII. Prozessuales. Bei zweifelhafter Z ist freizusprechen (E 21131 und öfter). Ist es zweifelhaft, ob die Z vermindert war oder ob verminderte Z nur vorgetäuscht wurde, so Ist § 51 I I anzuwenden. So im Ergebnis auch E 70 127, 73 44. — Durch ein gem. § 5 1 1 f r e i s p r e c h e n d e s Urteil ist der Angekl. beschwert, weil es seinen bürgerlichen Tod bedeuten kann: KG in DRZ 48 255 (Anm. Gallas), Tübingen

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NJW531444. Anders noch E 6912, Celle HESt.2227. - Nach E69110, 76127 betr. die Frage der verminderten Zurechnungsfähigkeit nur die S t r a f -, nicht die Schuldfrage. Zweifelnd OGHSt. 1191; vgl. dort auch betr. Verfahren bei Festsetzung der gemilderten Strafe. — Zum Verfahren gegen H i r n v e r l e t z t e vgl. BGH MDR 52 274. — Zu § 51 Abs. 2 wird häufig bei A l k o h o l g e n u ß zwar der Einsichts-, fehlerhafterweise aber nicht der H e m m u n g s v e r l u s t geprüft: BGH MDR 52 16. Ebenso bei s e n i l e n S i t t l i c h k e i t s v e r b r e c h e r n : E 73 121.

Nötigungastani

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(1) Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Täter durch unwiderstehliche Gewalt oder durch eine Drohung, welche mit einer gegenwärtigen, aul andere Weise nicht abwendbaren Gefahr für Leib oder Leben seiner selbst oder eines Angehörigen verbunden war, zu der Handlung genötigt worden ist. (2) Als Angehörige im Sinne dieses Strafgesetzes sind anzusehen Verwandte und Verschwägerte auf- und absteigender Linie, Adoptiv- und Pflegeeltern und -kinder, Ehegatten und deren Geschwister, Geschwister und deren Ehegatten, und Verlobte. Neufassung des Abs. 2 durch Gep. v. 4. 8. 53, das der allg. Meinung über das Angehörigkeitsverhältnis durch Einfügung der Worte „und deren Geschwister" Rechnung trug. Schrifttum: vgl. vor § 54. Ferner: Blei, NJW 54, 586, zum strafr. Gewaltbegriff. I. Grundsätzliches. — § 52 regelt einen S o n d e r f a l l d e s N o t s t a n d s neben dem allgemeinen des § 54. Zur Abgrenzung: OGHSt. 2 393. Auch v e r s c h u l d e t e r Nötigungsstand kann entschuldigen (wenn auch nach strengerem Maßstab, OGHSt. 2 228). Insofern ist § 54 enger. Beide erklären unter näher beschriebenen Voraussetzungen den für straflos, der aus einer Notlage keinen anderen Ausweg sieht als die Begehung einer an sich strafbaren Handlung. Das Besondere des § 52 gegenüber § 54 liegt darin, daß die Notlage von einem anderen z w e c k s B e g e h u n g der Handlung geschaffen, diese also a b g e n ö t i g t wurde. Gemeinsam ist beiden Bestimmungen der Grundgedanke, daß die Notlage so beschaffen gewesen sein muß, daß die Unterlassung jener an sich strafbaren Handlung nicht zumutbar war. Dieser Gedanke muß die Auslegung beherrschen. Aus ihm folgt: 1. Die nach §§ 52, 54 straflosen Handlungen sind zwar e n t s c h u l d i g t , bleiben aber rechtswidrig, der Betroffene darf sich also wehren. (Anders § 53, wo nicht ein Recht verletzt, sondern Unrecht abgewehrt wird, was Gegenwehr nicht gestattet.) So E 64 30 u. a. — 2. Es genügt nicht, daß der Täter der Gewalt oder Drohung tatsächlich wich, daß also zwischen diesem und seiner rechtswidrigen Handlung ursächlicher Zusammenhang bestand; Voraussetzung ist vielmehr, daß ein Standhalten n i c h t z u m u t b a r , daß die Gewalt unwiderstehlich, die angedrohte Gefahr unabwendbar war; relative Begriffe, die nur vom Grundgedanken der Nichtzumutbarkeit aus abgegrenzt werden können. Je schwerer aber dio Verletzung wiegt, um so strenger ist die Zumutung: BGHSt. 1 391. Näheres hierzu in Anm. II. — 3. Zu der psychologischen Unzumut-

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barkeit muß kommen, daß der Täter nicht rechtlich v e r p f l i c h t e t war, die Not zu bestehen, das angedrohte Übel also auf sich zu nehmen. Wird jemand mit Strafanzeige wegen einer früheren (einerlei, ob wirklich begangenen) Straftat bedroht, falls er nicht jetzt falsch schwöre, so ist er, wenn er dies tut, strafbar. So E 55 340, wo zwar Untersuchungshaft u. U. als Gefahr für die Gesundheit (also für Leib oder Leben) angesehen, die Berufung auf § 52 aber deshalb abgelehnt wird, weil man unter den gesetzlichen Voraussetzungen UHaft zu dulden verpflichtet sei. Dazu BGH LM Nr. 8 (Martin): Vollziehung gerichtlicher Haft (z. B. nach § 70 Abs. 2 StPO) im Rechtsstaat höchstens ausnahmsweise, etwa bei Kränklichen, Gefahr für Leib oder Leben. — Jene drei Voraussetzungen sind unerläßlich; ohne sie führt die Berufung auf § 52 zu einer Aufweichung rechtlichen „Sollens". Anders freilich zu 3. dann, wenn keine normale Rechtsfolge, sondern Willkür drohte: so mit Recht Gera HESt. 1 19 betr. Gefahr, wegen Abhörens ausländischer Sender in ein Konzentrationslager verbracht zu werden. Hier greift § 52 ein. Der Maßstab der Zumutbarkeit muß hier die Persönlichkeit von Nötiger und Genötigtem berücksichtigen: E 64 32, Jagusch LK Anm. 1 und 3a, SchönkeSchröder II 2. Auch Maurach, der betont, daß in der Regel der Grad der zumutbaren Gefahren für alle Menschen gleich zu bemessen ist (S. 313), sieht in § 52 einen der wenigen Fälle einer mehr individualisierenden Betrachtung (S. 317, vgl. auch S. 290). IL Gewalt ist Kraftentfaltung zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstandes. Doch ist nicht die Aufwendung erheblicher körperlicher Energie erforderlich, BGHSt. 1 146. Nach BGHSt. 8 103 (betr. Massen- und Generalstreik, zu § 80, aber im Einklang mit der allgem. Entwicklung des Gewaltbegriffs) kommt es nicht auf die körperliche Kraftentfaltung, sondern auf die Zwangs Wirkung an. Vgl. auch BGH MDR 55 145 (zu §240): Zufahren auf im Wege Stehende. Gewalt kann hier nur in ihrer seelischen Wirkung (vis compulsiva) gemeint sein, also als Willensvergewaltigung. Beisp.: Jemand wird gemartert, eingesperrt o. dgl., bis er eine fremde (weder ihm noch dem Nötigenden gehörige) Sache herausgibt; oder bis er ein Staatsgeheimnis verrät. — Nicht gehört unter §52 unwiderstehliche körperliche Einwirkung als solche (vis absoluta); ein durch sie abgenötigtes Verhalten ist keine „Handlung" mehr; der Finger wird gewaltsam an den Abzug der Schußwaffe gedrückt: oder bei Unterlassungsverbrechen: das geforderte Tun wird mit überlegener Körperkraft verhindert. In diesen Fällen fehlt es bereits an der Tatbestandsmäßigkeit (bei Begehungsverbrechen am Handeln, bei Unterlassungsverbrechen an der Möglichkeit zu handeln); ein „Entschuldigungsgrund" wäre hier gegenstandslos. Ebenso bei Willensausschaltung durch Narkotika, vgl. hierzu unter III sowie Maurach S. 33; Blei a. a. O. Unwiderstehlich ist zwar bei unmittelbarer körperlicher Gewalt ein eindeutiger Begriff; nicht aber bei seelischer Gewalt, die die rechtswidrige Handlung nur mittelbar erzwingen soll.. Hier kommt es nicht nur auf den Widerstand an, den einer leisten kann, sondern auch auf den, den er leisten soll. Diese Pflicht aber ist verschieden sowohl nach ihrer Art und Herkunft wie nach der Wichtigkeit des verletzten Rechtsguts. Nur die wechselseitige Inbeziehungsetzung von „können" und „sollen", von Widerstandskraft und Pflicht, zeigt, was im Einzelfall zumutbar ist. Entsprechendes gilt für „Drohung": Anm. III. Wiederum also kommt man gar nicht aus ohne den so selten richtig verstandenen „praktischen Satz": „Du kannst.

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denn du sollst!" — Über Ehebruch im Nötigungsstand vgl. OGHSt. 1 222 = DRZ 49 137 (Anm. Beitzke). DI. Drohung ist Inaussichtstellen eines durch den Ankündigenden zu bewirkenden Übels. (Gegensatz: bloße W a r n u n g vor Übelszufügung von dritter Seite.) Von der Gewalt unterscheidet sie sich dadurch, daß diese das Übel schon zufügt; vgl. E 64 116. Darum ist die — auch nicht gewaltsame — Betäubung Gewalt, so BGHSt. 1146 (für § 249) gegen RG. Die Drohung bewirkt zwar nicht, aber sie enthüllt (das Gesetz drückt sich hier schlecht aus) eine Gefahr, d. h. die Möglichkeit, daß das Übel eintritt. Der Übelseintritt selber liegt in der Zukunft; die „Gefahr" aber muß gegenwärtig sein, d. h. die M ö g l i c h k e i t , daß das Übel eintritt, falls nicht jetzt die es abwendende rechtswidrige Handlung begangen wird. Die Gefahr kann auch eine D a u e r g e f a h r sein, d. h. eine irgendwann zu verwirklichende. Entscheidend für die Anwendbarkeit des § 52 ist, daß die (rechtswidrige) A b w e h r h a n d l u n g j e t z t vorgenommen werden muß. Vgl. hierzu E 66 98, 222, 397: Zeugenmeineide wurden auf Grund von § 52 für straflos erklärt, weil die Angabe der Wahrheit eine Dauergefahr für Leib oder Leben zur Folge gehabt hätte. Zurückhaltender BGHSt. 5 373 (mit Übersicht) für den Fall, daß die Gefahr nicht so dringend ist, daß sie alsbald in einen Schaden umschlagen kann; vgl. aber auch S. 375 betr. wirksame und endgültige Abwendung. Weiteres in Anm. IV. — Die Gefahr muß Leib oder Leben betreffen, worin zum Ausdruck kommen soll, daß nur s c h w e r e innere Konflikte entschuldigen. Es kommt freilich nur unvollkommen zum Ausdruck, denn die Drohung mit leichter Körperverletzung genügt an sich, die mit s c h w e r e r Brandstiftung nie. („Wenn der Verbrecher vom Bauern Verbergung durch Drohung, ihm den Hof anzubrennen, erzwingt, wird der Bauer wegen Begünstigung bestraft!" Lobe in Lpz. Komm.) Um so mehr muß Verhältnismäßigkeit zwischen der Schwere der angedrohten Gefahr und der abgenötigten Straftat gefordert werden. Die Drohung mit einer leichten Körperverletzung kann keinen Totschlag entschuldigen. Das in Anm. I I über die Unwiderstehlichkeit der Gewalt Gesagte gilt sinngemäß auch für Drohungen. Durch blinden Gehorsam (SS-Eid) kann sich niemand von seiner strafr. Verantwortlichkeit befreien: BGHSt. 2 251. Über sog. Euthanasiefälle OGHSt. 1 321, dazu Eb. Schmidt SJZ 49, 559, Welzel MDR 49, 371, Härtung N J W 50,151, Peters J R 50, 742. Über Kameradenmißhandlung im Gefangenenlager BGH NJW 51 769. Vgl. auch Oehler J R 51, 489. IV. Bei anderweitiger Abwendbarkeit der Gefahr erkennt § 52 den inneren Konflikt nicht an; z. B. bei Möglichkeit, zu fliehen oder sich zu wehren oder eine minder schwere StrTat zu begehen (z. B. in den Meineidsfällen der Anm. I I I : Begehung einer nur mit Ordnungsstrafe bedrohten Zeugnisverweigerung, es sei denn, daß diese die gleiche Gefahr heraufbeschworen hätte wie eine wahre Aussage). Vgl. BGH MDR 56 395 (Dallinger) betr. zum Spitzeldienst genötigten Bewohner der SBZ: zu fragen ist, welche Auswege dem Täter nach den gesamten Umständen zugemutet werden konnten. V. Abgenötigt durch Gewalt oder Drohung muß die rechtswidrige Handlung sein. Bloßer ursächlicher Zusammenhang genügt nicht. Erst recht nicht, daß die Gefahr objektiv bestand: BGHSt. 3 271. Vgl. Anm. I . Der Täter muß sich einem die Tat von ihm fordernden W i l l e n g e b e u g t haben. OGHSt. 1 313. Es genügt nicht, daß er nur gereizt war (E 61 309). — Irrige Annahme einer solchen Gefahrenlage steht andererseits, da §52 „Entschuldigungs"-Grund, ihrem Vorhandensein

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gleich, vgl. § 54 Anm. I ; a. A. Maurach S. 318: Realgrund des Nötstands sei die objektiv bestehende Gefahr. Für die Auffassung des Textes spricht § 157 n. F . (vgl. dort Anm. I und III). Sie schließt, falls entschuldbar, auch Fahrlässigkeit aus: E 64 30, 66 227. Ebenso jetzt BGHSt. 5 374, 375 betr. Meineid im (vermeintlichen) Nötigungsnotstand; doch ist § 163 hier nicht heranzuziehen. Denn weder ein Tatbestandsnoch ein Verbotsirrtum stehen in Frage, sondern nur die Zumutbarkeit. Hierbei ist zu beachten, daß § 52 Unverschuldetheit des Nötigungsstandes nicht voraussetzt (oben zu I), andererseits aber, daß die Zumutbarkeit wie die Schuld überhaupt vom Sollen her mitbestimmt werden (oben zu II). Wenn jemand glaubt, etwas, wie er weiß, Verbotenes t u n zu müssen, ist ihm Anspannung seiner geistigen und seelischen Kräfte zuzumuten, ehe er sich dazu entschließt. Maurach S. 382f. will die Regeln des Verbotsirrtums analog anwenden. Das entspricht dem § 41 Entw. 1959, der jedoch die im Text verlangten strengeren Voraussetzungen enthält. Vgl. auch BayObLG DAR 56 15, Hamm N J W 58 271 (betr. § 54) zur Entschuldbarkeit des Irrtums. VI. Zu Abs. 2 : 1 . Verwandtschaft und Schwägerschaft können f ü r das StGB, f ü r das Abs. 2 allgemein gilt (JW 35 3467), s e l b s t ä n d i g umgreDzt werden. E B G B Art. 33 h a t f ü r beide Begriffe die Bindung an das bürgerliche Recht aufgegeben. Maßgebend muß der Sinn der jeweiligen Strafbestimmung sein. Allgemein ist anzunehmen, daß auch uneheliche Abstammung trotz BGB § 1589 I I Verwandtschaft begründet (E 34 421, 77 60. Betr. Schwägerschaft E 60 247). 2. Pflegeeltern: Vgl. E 58 61, 68 365, 70 324. 3. Verlobte i. S. des Gesetzes sind die, die sich ernsthaft die Ehe versprochen haben (ein Heiratsschwindler ist nicht „verlobt": BGHSt. 3 215, vgl. Bruns MDR 53, 458), und deren Verehelichung kein rechtliches Hindernis im Wege steht (ein noch Verheirateter kann sich nicht „verloben", auch wenn die Trennung seiner Ehe möglich ist: E 61 270; anders f ü r den Fall begründet eingeleiteter Scheidung LG Duisburg N J W 50 714). — Kein Verlöbnis mehr, wenn ein Verlobter, ohne es dem anderen erkennbar zu machen, seinen Entschluß, den anderen zu heiraten, aufgibt: E 75 290 gegen E 71154. A. A. Schönke-Schröder § 52 Anm. VII 8.

Notwehr § 5 3 (1) Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn die Handlung durch Notwehr geboten war. (2) Notwehr ist diejenige Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. (3) Die Überschreitung der Notwehr ist nicht strafbar, wenn der Täter in Bestürzung, Furcht oder Schrecken über d i e Grenzen der Verteidigung hinausgegangen ist. I. Notwehr ist rechtmäßig, nicht bloß entschuldigt, denn hier steht nicht (wie beim Notstand) Recht gegen Recht, sondern R e c h t g e g e n U n r e c h t , nämlich

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gegen einen „rechtswidrigen" Angriff. Das Recht d a r f sich ohne Abwägung der einander gegenüberstehenden Rechtsgüter (s. jedoch zu II) gegen da« Unrecht behaupten, wenn, gemäß §53, zwei Voraussetzungen vorliegen: a) daß W e h r geb o t e n ist (Abs. 1 u. Anm. II); b) daß das nach Art und Maß des Angriffs z u r A b w e h r E r f o r d e r l i c h e nicht überschritten wird (Abs. 2 u. Anm. I I I , IV, VI, VII). — Daß solche Notwehr „nicht rechtswidrig" ist, erkennt BGB § 227 ausdrücklich an. — Aus ihrer Rechtmäßigkeit folgt die Rechtswidrigkeit der Gegenwehr: „ N o t w e h r " gegen N o t w e h r g i b t es n i c h t . E 67 337. — Anders beim Notstand, wo gerechtfertigte und bloß entschuldigte Fälle unterschieden werden müssen: vgl. § 54 Anm. I. II. Geboten war die N. nicht, wo das Recht durch andere, nicht verletzende Mittel gewahrt werden konnte, z. B. durch Anrufung der Obrigkeit; also auch nicht, wenn man ohne eigenes Opfer an berechtigten Interessen und ohne sich dadurch etwas zu vergeben, dem Angriffsich entziehen konnte: E 32 391,54 196, J W 37 1786 (Anm. Mezger) = ZAk. 37 342 (Anm. Boldt). Aber auch nicht bei Vernichtung eines Menschenlebens zum Schutze eines geringwertigen Vermögensgegenstandes: Stuttgart DRZ 49 42 (Anm. Gallas). Denn auch ein gebilligter Zweck darf nur mit a n g e m e s s e n e n Mitteln verfolgt werden; auch der positive, formelle RfGrund des § 53 findet seinen Grund und seine Grenze in diesem übergreifenden materiellen Prinzip (vgl. Syst. Vorbem. I I I und Vorbem. I I vor § 51). Schaffstein MDR 52, 132 und Henkel, Recht und Individualität, S. 67, weisen auf den Gesichtspunkt des Rechtsmißbrauchs hin, ebenso BayObLG N J W 64 1377 und BGH N J W 56 920; dieser kommt aber in strengem Sinn nur bei fehlendem Verteidigungswillen in Betracht (unten zu VI). — Von der G ü t e r a b w ä g u n g ist die Frage des Gebotenseins ebenso zu trennen wie von bloß s u b j . A n s c h a u u n g e n des Angegriffenen: Braunschweig NJW 53 997. Geboten ist danach N n i c h t 1. zur Verteidigung ganz u n b e d e u t e n d e r I n t e r e s s e n (Unfugabwehr), 2. bei Angriffen von K i n d e r n u. ä. F., wo Ausweichen geboten, 3. wenn D r i t t e in unangemessener Weise gefährdet würden (Schuß auf den fliehenden Dieb in belebter Straße), 4. als N o t h i l f e , wenn der Angegriffene diese Abwehr selbst n i c h t will; so regelmäßig der Staat (unten IX). Vgl. aber auch BGHSt. 5 248 (Sünderin-Fall). Die Hilfe darf nicht zur Bevormundung werden. Bedenken bei Schönke-Schröder I I 1 c), 5. bei v e r s c h u l d e t e m Angriff, sofern Ausweichen möglich: Braunschweig NdsRpfl. 53 166. Hier also nur subsidiär, während sie sonst primär zulässig ist. Vgl. unten V a. E. Begeht der Täter nach Abwehr des Angriffs weitere Verletzungen, so sind diese rechtswidrig; bilden sie mit der Abwehr eine einheitliche Handlung, so ist diese strafbar, da „eine" Handlung nur entweder rechtmäßig oder rechtswidrig sein kann. Im Ergebnis ebenso E 60 404. Noll ZStW 68, 185 nimmt hier einen übergesetzlichen Milderungsgrund aus vermindertem Unrecht an. DI. Angriff ist Gefährdung eines Rechtsguts durch positives bewußtes Verhalten eines Menschen; nicht schon durch passiven Widerstand (wenn Mieter nach Vertragsablauf nicht auszieht oder Schuldner nicht zahlt, so kommt nicht N, sondern Selbsthilfe in Frage: E 19 298). Keine N also gegen echte, wohl aber gegen unechte U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e . E 48 215: Eingehen eines Liebesverhältnisses noch kein rw. Angriff gegen ein anderweites Verlöbnis. Verschweigen der am Hochverrat Mitbeteiligten noch kein Angriff gegen den Staat: OGHSt. 3 121. Sehr weit-

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gehend OGH in SJZ 49 357 (zust. Jagusch LK Anm. 2a): „jedes menschliche Tun, das ein fremdes Rechtsgut o b j e k t i v verletzt oder gefährdet". Also auch der ansteckend Kranke, der sich ahnungslos unter Menschen begibt ? IV. Gegenwärtig ist der Angriff, wenn mit ihm die Gefahr einer Verletzung so unmittelbar verbunden ist, daß er, soll es nicht zu spät sein, j e t z t abgewehrt werden muß. Vgl. BGH J R 52 415. Er bleibt gegenwärtig, solange eine Verletzung oder ihre Vergrößerung möglich bleibt; bei Dauerverbrechen, z. B. Freiheitsberaubung, solange der rechtswidrige Zustand aufrechterhalten wird. — Nicht „gegenwärtig" ist sowohl der zukünftige wie der beendete Angriff. 1. Der zukünftige Angriff, d. h. einer, der noch nicht begonnen hat und noch durch andere Mittel tinmöglich oder unschädlich gemacht werden kann, z. B. durch Anrufen der Polizei. Zutreffend haben aber E 53 132,67 339 Gegenwärtigkeit des Angriffs angenommen, wo ein Förster mehreren zum Angriff nur bereiten, aber noch nicht zum Angriff übergegangenen Wilderern gegenüberstand: was beim Förster Angriff schien, war Verteidigung gegen einen Angriff, dessen Beginn bereits die Gefahr einer nicht mehr abwendbaren Verletzung bedeutete. Selbstgeschosse zum Schutz eines Grundstücks sind nur dann erlaubt, wenn sie erst bei einem Angriff losgehen können und sollen. Auch dann muß aber Maß gehalten werden. Vgl. Braunschweig MDR 47 205 (keine N bei tödlich wirkender elektrischer Selbstschutzanlage gegen Obstdiebe) und Anm. II, VII. — Gleichfalls nicht „gegenwärtig" ist 2. der beendete Angriff, d. h. einer, bei dem entweder das angegriffene Rechtsgut endgültig verletzt worden ist (eine nachherige Tracht Prügel ist keine Notwehr mehr, sie ist keine Verteidigung, sondern Vergeltung) oder bei dem die Gefahr seiner Verletzung behoben worden ist. Wenn aber der rechtswidrige Angriff eine strafbare Handlung darstellt, ist mit deren formeller „Vollendung" der Angriff gegen das Rechtsgut nicht immer „beendet". Das Notwehrrecht ist nicht zur Vereitelung von Straftaten, sondern zum Schutz von Rechtsgütern gegeben. So gestattet E 55 82, auf fliehende Diebe zu schießen, solange Besitzverlust nicht endgültig. Andererseits E 64 101: Der Angekl. hatte spioniert und wollte offensichtlich auch weiter spionieren. Aber an dem Ort, wo, und zu der Zeit, als er getötet wurde, war das erste ein beendeter, das zweite ein erst in der Zukunft bevorstehender Angriff, Notwehr also nicht gegeben. Vgl. auch HRR 39 715. V. Rechtswidrig kann nur der Mensch handeln, auf dessen Tun die Normen des Rechts sich beziehen; auch Geisteskranke. Nicht aber Tiere (E 34295, 36230, bestr.; hier ist nur BGB § 228 anwendbar mit der unerträglichen Folge, daß die „Rechtswidrigkeit" nur bei Verhältnismäßigkeit von Schaden und Gefahr ausgeschlossen ist). Wird ein Tier von einem Menschen auf einen anderen g e h e t z t , so ist N natürlich zulässig. — „Rechtswidrig" greift auch an, wer einen Straftatbestand ohne Vorsatz oder F a h r l ä s s i g k e i t verwirklicht, oder wem ein persönlicher Strafausschließungsgrund zur Seite steht; auch wer nur eine unerlaubte Handlung, z. B. fahrl. Sachbeschädigung oder Besitzstörung begeht; vgl. aber oben zu III. — Unzulässig ist N gegen eine berechtigte Festnahme, auch gegen die zwecks Festnahme unternommene Verfolgung: E 54196; nach Braunschweig MDR 51 629 auch gegen nur anfechtbare Verwaltungsakte (in dieser Allgemeinheit bedenklich, vgl. den Fall BayObLG NJW 54 1377). — Als actio illicita in causa ist N unzulässig, wenn jemand einen anderen zum Angriff gereizt hatte, um dann „sich verteidigen" zu können: Das Reizen ist hier rechtswidrig gesetzte Bedingung

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zum Enderfolg, rechtswidriges und schuldhaftes Töten, Verletzen od. dgl. Vgl. BGH MDR 54 335 und Vorbem. I I vor § 51. Davon zu unterscheiden ist die bloß verschuldete, z. B. provozierte Abwehrlage; hier mit Celle Hann. Rpfl. 47 15 die Notwehr auszuschließen, ist bedenklich. Vgl. auch Kiel Schi. HA 48 110, das nur ein beschränktes Notwehrrecht gegen den provozierten Angriff zuläßt ( = HESt. 2 206). Dazu oben Anm. I I a. E. VI. Verteidigung: Abwehr und Gegenangriff sowie dessen Androhung: E 32 391. — Nach E 58 27 folgt aus dem „Begriff" der Verteidigung, daß eine m i ß l u n g e n e , statt des Angreifers einen Dritten treffende Abwehrhandlung nicht durch § 53 gerechtfertigt (sondern nur gegebenenfalls entschuldigt) ist. Anders E 21168 für den Fall, daß die — g e l u n g e n e — Abwehr unvermeidlich Rechtsgüter Dritter in Mitleidenschaft zieht. Nur scheinbar besteht zwischen beiden Entscheidungen ein Widerspruch, wie ihn frühere Voraufl. (ebenso Frank I I zu § 53) annahmen. Auch zwischen Rechtsgütern einzelner Dritter und solchen der Allgemeinheit besteht hier kein Unterschied in der Wertung (so aber Frank a. a. 0.). Trägt der Angreifer einen fremden Rock, so kann dies die Rechtfertigung der im übrigen gebotenen Abwehr nicht in Frage stellen. Im Falle E 58 27 aber war die Verletzung der Frau, die ihren angreifenden Mann zurückhielt, nicht nur nicht geboten und erforderlich, sondern sie entfesselte geradezu den Angreifer. — Zur Verteidigung gehört nach E 54 196, 60 262 der Abwehrwille. Denn nur dann ist die o b j e k t i v e Richtung und Begrenzung der Hdlg. auf Abwehr, in der Wegner, Allg. T. S. 121 mit Recht das entscheidende Kriterium sieht, generell gewährleistet (vgl. Syst. Vorbem. I I I 2 by). Keine Notwehr also, wenn man verletzen wollt« und hierdurch, ohne es zu wissen, einen Angriff abwehrte. — Ob den Verteidiger n e b e n dem Abwehrwillen noch andere Motive leiteten, berührt die Tatsache, daß er in Notwehr handelte, nicht: E 60 261. — Keine Berufung auf N, wenn zwei zum Raufen Entschlossene sich gegenübertreten. E 72 183. VII. Erforderlichkeit der N. ist o b j e k t i v , jedoch ex ante betrachtet, an Art und Stärke des Angriffs zu messen. BGH GA 1956 49: Von mehreren möglichen Verteidigungsarten muß der Verteidiger diejenige auswählen, die dem Angreifer den geringsten Schaden zufügt. Hierbei braucht er aber Beschädigungen seines Eigentums und eigene körperliche Verletzung nicht in Kauf zu nehmen. So schon RG HRR 1939 792. Vgl. ferner den Fall MDR 47 205 (oben zu IV). Die Auffassung des Angegriffenen kann nur für Abs. 3 in Betracht kommen (E 54 196, 55 167). Von Abwägung der beiderseitigen W e r t e , wie in BGB §§ 228, 904, hängt die Erforderlichkeit nicht ab (E 55 82; eingehend Schaffstein MDR 52, 132). Doch ist bes. sorgfältig zu prüfen, ob tätl. Abwehr gegen Verbalinjurien erforderlich: BGHSt. 3 217.— Ein I r r t u m über die Erforderlichkeit schließt nach § 59 die Schuld aus (E 54 196). Nach BGHSt. 3 194 (unten zu X) ist er Tatbestandsirrtum. VIII. Alle Güter sind wehrfähig, nicht nur Leib oder Leben, auch Vermögen, Ehre E 29 240 (LG Heidelberg SJZ 48 209 m. Anm. Engisch), Hausrecht (OGH in SJZ 49 357), Sittlichkeit E 48 215. Hier gelten die allgemeinen Grenzen der Nothilfe. Verhältnismäßigkeit nicht gefordert. Einschränkend Jagusch LK Anm. 2c: nicht notwehrfähig sei die öffentliche Ordnung, weil Notwehr stets einen bestimmten persönlichen Rechtsträger voraussetze. Vgl. ferner Anm. II. IX. Nothilfe. Für sie gelten grundsätzlich die gleichen Regeln wie für die Notwehr. E 63 215 nimmt auch N zugunsten juristischer Personen an (z. B. gegen

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einen diebischen Angriff auf das Vermögen einer Aktiengesellschaft oder Gemeinde) und folgert daraus, „daß es auch ein NRecht des einzelnen Staatsbürgers gegenüber rechtswidrigen Angriffen a u f d i e L e b e n s i n t e r e s s e n des Staats gibt. E 56 268 (Kapp-Putsch) hatte die Frage noch offengelassen. Doch ist solche Nothilfe regelmäßig nicht geboten (oben II). Über ihre Grenzen zutr. BGHSt. 5 247, 248, 249. X. NotwehrexzeÜ. An sich strafbar, soweit schuldhaft. Die „Schuld" wird hier aber in weiteren Grenzen ausgeschlossen als sonst bei Bestürzung, Furcht oder Schrecken; insoweit nämlich auch Fahrlässigkeit bezüglich der im Exzeß verursachten Verletzungen straflos ist (E 56 33). Andererseits wird der hier zugrundeliegende Gedanke der Nichtzumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens durch die Beschränkung auf die im Gesetz genannten Motive formalisiert. Auch z. B. der Exzeß aus Zorn könnte im Einzelfall Entschuldigung verdienen. „Die Zurechnung, diese feinste Aufgabe des Richters, wird durch eine grobe Regel mattgesetzt" (M. E. Mayer). BGHSt. 3194 ( = J Z 52,596, Anm. Welzel, LM §51 I I Nr. 2, Anm. Geier) läßt mitwirkenden Zorn gelten, auch bei erwartetem Angriff. BayObLG 1362 schließt b e w u ß t e n Exzeß nicht aus, ebenso Oldenburg NdsRpfl. 51211. Abw. neuerdings Schönke-Schröder VI, der in Abs. 3 nur eine Beweisregel (Ausschluß der Fahrlässigkeit) sieht, und Jagusch LK Anm. 7 b, der einen persönlichen Strafausschließungsgrund annimmt, weil Abs. 3 nur auf ein Durchschnitts-, nicht auf ein individualisierendes Schuldurteil abstelle. — Entschuldigung nach § 53 I I I aber nur bei wirklicher, nicht bei vermeintlicher (Putativ-) Notwehr (E 21 189, 54 36). Auch zeitliche Grenzüberschreitung (der Angriff war z. B. schon abgeschlossen) ist nicht mit Bestürzung, Furcht oder Schrecken entschuldbar (E 62 76). Ebenso ist bei an sich rechtswidrigen Verletzungen Dritter die Frage des Verschuldens nach den allgemeinen Grundsätzen von Vorsatz und Fahrlässigkeit, nicht nach § 53 III, zu beurteilen (E 58 27). XI. Pntativnotwehr nennt man den Fall, wo die Handlung durch N nicht geboten w a r , aber dem Handelnden geboten zu sein s c h i e n . Sie betrifft den i n n e r e n TB, eine Schuld- oder Zurechnungsfrage; § 53 hat mit ihr nichts zu tun, auch nicht Abs. 3. Zwei Fälle zu unterscheiden: a) Der Täter irrte über die Grenzen, die das R e c h t der Notwehr zieht (Verbotsirrtum), b) Der Täter irrte über die S a c h l a g e , er nahm z. B. irrig an, er sei angegriffen. Hier ist Vorsatz ausgeschlossen (Anm. V 1 zu § 59); Fahrlässigkeit aber strafbar (z. B. fahrl. Tötung oder Körperverletzung), wenn jener Irrtum auf Fahrlässigkeit beruhte. Vgl. BGHSt. 2 194, J Z 52 596 (abl. Anm. Welzel).

Notstand §54 Eine strafbare Handlang ist nicht vorhanden, wenn die Handlung außer dem Falle der Notwehr in einem unverschuldeten, auf andere Weise nicht zu beseitigenden Notstande zur Rettung aus einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben des Täters oder eines Angehörigen begangen worden ist. Schrifttum: G o l d s c h m i d t , Der Notstand, ein Sohuldproblem, 1913 (Ost. ZfStR). — H e n k e l , Der Notstand, 1932; Zumutbarkeit usw. Festg. f. Mezger, 1954.

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Strafausschließungs- und Milderungsgründe § 54

— B o c k e l m a n n , Hegels Notstandslehre, 1935 (Abh. des Berl. Krim. Inst.). — M a u r a c h , Kritik der NLehre, 1935. — v. W e b e r , Pflichtenkollision, Festg. f. Kiesselbach, 1947. — W e l z e l , Zum Notstandsproblem, ZStW 63, 47. — O e h l e r , Die Achtung vor dem Leben, J R 51, 489. — G a l l a s , Pflichtenkollision, Festg. f. Mezger, 1954. 1. Notstand ist 1. positivrechtlich geregelt durch § 54 StGB und §§ 228, 904 BGB. Die letzteren rechtfertigen die Tat, aber nur Eingriffe in Sachgüter bei W a h r u n g ü b e r w i e g e n d e r I n t e r e s s e n , was mit Güterabwägung nicht zusammenfällt (beachte deren Verschiedenheit in § 228 und § 904 BGB). § 54 dagegen entschuldigt sie nur mit Rücksicht auf den S e l b s t e r h a l t u n g s t r i e b (dem das Gesetz den Drang, die Familie zu retten, gleichstellt). § 54 erkennt also an, daß es Notlagen gibt, in denen zwar Recht gegen Recht steht (anders bei der Notwehr des § 53), in denen aber mit der motivierenden Kraft des Gesetzes nicht mehr gerechnet werden kann, Rechthandeln nicht mehr zumutbar ist. Vgl. auch Anm. I zu § 52: Nötigungsstand als Spezialfall des Notstandes. Rechtsähnliche Fälle mit minderer Wirkung: unten zu 2. — Auch das RGer. erkannte zuletzt an, daß § 54 nur einen Entschuldigungsgrund regelt, weil in solchen Lagen normgemäßes Verhalten nicht zumutbar ist (E 60 88, 61 249, 64 30, 66 222, 72 246). Aus diesem Grundgedanken weitere Folgen zu ziehen als die von den §§ 52, 54 gezogenen ist unzulässig. Vgl. oben Vorbem. I I I vor § 51. — Aus dem Grundgedanken folgt die s i n n g e m ä ß e B e g r e n z u n g des § 54: Anm. VII. — Da die Notstandstat des § 54 nicht rechtmäßig ist, ist N o t w e h r gegen sie möglich; dagegen nicht in den Fällen der §§ 228, 904 BGB. — Irrige Annahme des Täters, die tatsächlichen Notstandsvoraussetzungen lägen vor, ist vom Standpunkt des Entschuldigungsgrundes aus unmittelbar ebenso zu behandeln, als wenn sie vorlägen; denn der dem § 54 zugrunde liegende Gedanke der Nichtzumutbarkeit trifft beim sog. Putativnotstand in gleicher Weise zu wie beim echten Notstand (vgl. auch E 57 268, 59 69, 66 227). „Nicht der Notstand ist in Wahrheit Entschuldigungsgrund, sondern die Annahme des Notstandes" (Radbruch). Daher kommt bei tatirriger Annahme eines Notstandes weder Tatbestandsirrtum noch Verbotsirrtum in Betracht. Vgl. aber auch § 52 Anm. V a. E. darüber, daß dem Irrenden Gewissensanspannung zuzumuten ist. — Über Putativnotstand bei fahrl. Verkehrsübertretung (§§ 2, 71 StVZO) vgl. Hamm NJW 58 271, das Verbotsirrtum annimmt. 2. „Notstandsähnliche" Lagen in §§ 157, 217, 248a, 264a berücksichtigt; vgl. auch §§ 257 II, 313 I I sowie § 67 I I Personenstandsgesetz. 3. In dem (vom RGer. so genannten) „übergesetzlichen" N o t s t a n d wird eine Tat bereits dadurch gerechtfertigt, daß sie — als einziger Ausweg — ein höherwertiges Rechtsgut auf Kosten eines minderen zu retten strebt. Vgl.Syst. Vorbem.III und Vorbem. I I vor § 51. Hier bedarf es keiner Entschuldigung nach § 54. So die h. M. Jagusch LK 1 1 C, IV zieht §54 auch f ü r die Interessenkollision heran: „sinngemäße Erstreckung". Aber diese sprengt alle Grenzen der Auslegung. Der „neue Anfang" war unumgänglich. Auf die Maurachsche Lehre (§§ 32ff.), daß § 54 zwar nicht die RW, aber auch nicht erst die Schuld, sondern bereits die von M. sog. Tatverantwortung ausschließe, kann hier nur hingewiesen werden. Vgl. ZStW 63, 492ff„ 68, 208. Maurach zustimmend Jagusch LK § 54 Anm. 1, grundsätzlich auch Eb. Schmidt JZ 56,

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190, Heinitz J R 57, 79. Ablehnend Schönke-Schröder Vorb. 1 1 c. Vgl. zu diesen Fragen ferner Maihofer, Rittler-Festschr. 141 ff., Nowakowski ebendort 71 f. 4. Hiernach ist auch die Strafbarkeit der Teilnahme zu beurteilen. Bei richtig entschiedener Güter- und Pflichtenkollision ist sie nicht rechtswidrig, gleichviel ob außerdem die Situation des § 54 vorliegt oder nicht. Bei unrichtig entschiedener, bei der nur dem Gefährdeten nicht zuzumuten ist, dem übermächtigen Motiv der Selbsterhaltung zu widerstehen, ist Teilnahme strafbar, da jeder nach seiner eigenen Schuld zu beurteilen ist (Grundsatz des § 50, s. dort). Bei Gleichwertigkeit der Güter (Leben gegen Leben) kann nicht die „Wahl des kleineren Übels" (Welzel MDR 49, 374ff., Maurach S. 311) entscheiden — jedenfalls nicht im Sinne des quantitativen Nutzeffekts —, sondern die Angemessenheit des Mittels nach Maßgabe der Kulturwerte. Daher dürfen z.B. die Matrosen äußerstenfalls die Männer niederschlagen, die sich vor den Frauen und Kindern in die Rettungsboote drängen. Den auf dem Brett des Karneades Kämpfenden dagegen darf kein Nichtangehöriger unterstützen, indem er etwa vom Ufer aus auf dessen Gegner schießt. Anders natürlich bei eigener Notstandslage des Teilnehmers. Vgl. zur allgemeinen Frage Eb. Schmidt S JZ 49,565, der mit Recht auch hier die Zwecktheorie heranzieht. II. Notstand und Nötigungsstand, Verhältnis beider: Anm. I zu § 52. III. Unverschuldet ist der N, wenn die N o t l a g e , d. h. der Umstand, daß Rettung aus einer Gefahr nur durch Eingriff in fremde Rechte möglich ist, nicht p f1 i c h t w i d r i g herbeigeführt ist. Daß bloß die G e f a h r , nicht auch die Notwendigkeit, sich auf Kosten Dritter zu retten, verschuldet war, nimmt also dem in Not Geratenen noch nicht das Recht, sich auf § 54 zu berufen (anders wohl E 72 246 ?). — Das „Verschulden" ist aber hier, so wenig wie sonst, schon damit gegeben, daß die Notlage v o r a u s g e s e h e n o d e r v o r a u s s e h b a r war; es muß die P f l i c h t bestehen, sie zu v e r m e i d e n : E 36 334 (Eintritt lebensgefährdender Schwangerschaft ist bei Eheleuten, selbst wenn voraussehbar, nicht notwendig verschuldet); E 54 338, 72 19 (verschuldeter N angenommen, wo die Zwangslage durch eine pflichtwidrige Handlung herbeigeführt, wenn auch nicht voraussehbar war). — Im Falle der „ N o t h i l f e " muß das Verschulden den Helfer (Angehörigen), nicht den in Not Befindlichen treffen, damit die bei der Rettung begangene Verletzung fremder Rechte strafbar sei. So jetzt auch Köln NJW 53 116; a. A. Schönke-Schröder I I I 3. IV. Getahr ist ein Zustand, der jederzeit in Verletzung übergehen kann. Ihre Q u e l l e ist für § 54 einerlei, wenn es sich nur nicht um Fälle der §§ 52, 53 handelt. E 60 318. Behördliches Verhalten als Gefahrenquelle: E 41 214, 59 69, Neustadt N J W 51 852 (s. u. V, VII). BayObLG DAR 56 15: Wer vom Unfallort wegfährt (§ 142), ist durch Notstand nur insoweit entschuldigt als er sich dadurch aus dem Bereich einer Gefahr brachte. Wer glaubte, er dürfe sich unangenehmen Auseinandersetzungen entziehen, befindet sich im Verbotsirrtum. V. Gegenwärtig ist die Gefahr, wenn „befürchtet werden muß, ein Eingreifen werde, wenn es nicht sofort geschehe, zu spät kommen": E 59 69 (Dauerzustand der Gefahr, ein Haus werde einstürzen, gegenüber dem Unvermögen, ein anderes als dies von der Behörde angewiesene Unterkommen zu erlangen, ließ das Inbrandsetzen des Hauses straflos erscheinen); E 36 334 (wenn eine Entbindung Lebensgefahr bedeutet, ist schon während der Schwangerschaft die Gefahr eine gegenwärtige, falls die Lage alsbaldige Maßnahmen fordert); sehr weitgehend E 60 318 (die Befürchtung, daß „jeden Augenblick" mit neuen Wutanfällen und deren 14

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

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lebensgefährlichen Polgen zu rechnen sei, führte zur Tötung des Wüterichs, deren Entschuldigung mit Notstand das RGer. billigte). Hiergegen ausdrücklich Celle HannRpfl. 47 15. Vgl. auch E 43 342, 59 69 sowie Anm. III zu § 52. VI. Rettung auf Kosten eines fremden Rechtsguts. Bei verschiedenen Rettungsmöglichkeiten muß das für den anderen kleinere Übel gewählt werden, E 66 227, nicht die für den Täter einfachste Lösung, BGH NJW 52 111. — Zur Rettung muß gehandelt werden, daher keine Entschuldigung, wenn der Täter die Gefahr nicht kannte; umgekehrt ist Putativnotstand echter Notstand (oben I I a . E.). VII. Eine Rechtspflicht, die Not zu bestehen, schließt die Anwendung des § 54 aus. Dies folgt daraus, daß (vgl. auch Anm. I) § 54 Fälle entschuldigen will, wo bei Berücksichtigung des Selbsterhaltungstriebes oder des Fürsorgestrebens für Angehörige ein normgemäßes Verhalten n i c h t z u m u t b a r ist. Besteht die b e r u f l i c h e A u f g a b e aber gerade darin, eine bestimmte Tätigkeit unter Einsatz von Leib und Leben auszuführen, so kann sich der Verpflichtete dieser Aufgabe nicht mit der Begründung entziehen, es sei ihm nicht zuzumuten, sich dieser Gefahr auszusetzen. So E 72 246, auch E 66 222. — Polizeibeamte, Wächter, berufliche Bergführer können sich gegenüber einer im Rahmen ihrer Tätigkeit üblichen Gefahr nicht auf Notstand berufen. Erst recht nicht Soldaten (§ 6 WehrStG v. 30. 3. 57) oder Seeleute (hierzu SeemOrdng. §§ 34, 41). — Betr. Richter in der Hitlerzeit vgl. Schrifttum zu Syst. Vorbem. III. — Über die Berufspflicht hinaus setzt jede rechtsethisch begründete Pflicht, deren Erfüllung normalerweise mit Gefahr verbunden ist, der Berufung auf Notstand Grenzen. Vgl. E 36334 (die mit einer Entbindung n o r m a l e r w e i s e verbundene Gefahr); 54338 (die Pflicht, eine verwirkte Strafe auf sich zu nehmen); 7219: die Gefahr, wegen einer Straftat angezeigt zu werden, begründet keinen Notstand; Kiel SJZ 47323 betr. Fahnenflucht (abl.Anm.Arndt); dazu Vorbem.II vor §51. Zutreffend andererseits E 41 214 (N, wo sich aus einer behördlichen Anordnung gesetzwidrige oder unbeabsichtigte Mißstände herausbildeten). — Notstand kann auch vorliegen, wenn die Gefahr dem ganzen Volke gleichmäßig droht, daher auch N bei Verstoß gegen B e w i r t s c h a f t u n g s n o r m e n jedenfalls dann, wenn die Entstehung von erheblichen oder tödlichen Erkrankungen unmittelbar zu befürchten ist: Kiel SJZ 47 674 (Anm. v. Weber, der hier und MDR 47, 78 zwischen Dauergefahr und akuter Gefahr für Leib und Leben unterscheidet); vgl. auch Neustadt NJW 51 852 a.E., aber auch Maurach S. 313, nach dem Sozialnot für alle Rechtsgenossen die Heraufsetzung der Grenzen des Zumutbaren bedeutet.

Taubstummheit §55 (1) Ein Taubstummer ist nicht strafbar, Trenn er in der geistigen Entwicklung zurückgeblieben und deshalb unfähig ist, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. (2) War die Fähigkeit, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, zur Zeit der Tat aus diesem Grunde erheblich vermindert, so kann die Strafe nach den Vorschriften über die Bestrafung des Versuches gemildert werden.

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Die Taubstummheit muß entweder angeboren oder doch so früh eingetreten sein, daß sie als Entwicklungshemmung noch wirken kann. E 57 239. Kausalität zwischen körperlichen Gebrechen und geistig-seelischer Fehlentwicklung erforderlich: E 76 394. — Vgl. Anm. zu § 51.

Verschuldung bei überschweren Folgen §56 Knüpft das Gesetz an eine besondere Folge der Tat eine höhere Strafe, so trifft diese den Täter nur, wenn er die Folge wenigstens fahrlässig herbeigeführt hat. Schrifttum: E n g i s c h , Kausalität, 1931. — B o l d t , Pflichtwidrige Gefährdung im StrR, ZStW 55, 44. — Oehler, Das erfolgsqualifizierte Delikt und die Teilnahme an ihm, GA 1954, 33. — Derselbe, das e. D. als Gefährdungsdelikt, ZStW 69, 503. - Ziege, Die Bedeutung des § 56 für Anst. u. Beih., NJW 54, 179. — H a n a c k und Sasse, Zur Anwendung des §56 auf den Teilnehmer, DRiZ 54, 216. — S c h n e i d e r , Die durch eine verschuldete Folge qualifizierten Delikte, ungedr. Kölner Diss. 1954. — Derselbe, § 56 StGB und die Strafrechtsreform, J R 55, 414; Zur Anwendung des § 56, JZ 56, 750. - T r a u b , Zur Bedeutung des Wortes „wenigstens" in §56, NJW 57, 370. — S c h r ö d e r , Konkurrenzprobleme bei den erfolgsqualifizierten Delikten, NJW 56, 1737. — B a u m a n n , Kritische Gedanken zur Beseitigung der e. D., ZStW 70, 227. I. Eingefügt durch 3. StRÄndGes. im Anschluß an sämtliche Entw., um bei den durch einen überschweren Erfolg qualifizierten Delikten (§§ 118, 178, 206, 221 III, 224, 226, 229 II, 239 II, III, 251, 307 Nr. 1, 309, 312, 314, 321 II, 324, 326, 327 II, 328 II, 340 II) die Härte zu beseitigen, daß dem Täter der lediglich i. S. der Bedingungstheorie (Syst. Vorbem. II B I ) verursachte Erfolg mit schwersten Straffolgen zugerechnet wurde (so RG ständig und noch BGHSt. 1 332, dagegen Engisch JZ 51, 787, Maurach Bes. T. 1. Aufl. 73; Bedenken auch in OGHSt. 1 273, 367). Vorläufer der jetzigen Regelung in § 5 III SprengstGes. Die Theorie versuchte — teils durch das Erfordernis eines adäquaten Kausalzusammenhangs, teils auf dem jetzt legalisierten Wege — der „Erfolgshaftung" zu steuern. II. Die Geschichte der sog. erfolgsqualifizierten Delikte (vgl. Oehler ZStW 69, 504ff.) zeigt jedoch, daß sie nicht einfach Erfolgshaftungen waren, sondern jedenfalls ursprünglich an ältere Formen der Schuld (dol. indirectus, versari in illicito) anknüpften; Reste des versari-Gedankens noch heute bei der strengeren Haftung für verschuldeten Not- und Nötigungszustand, vgl. zu §§ 52, 54, bei Unterlassung nach vorausgegangenem gefährdendem Tun (Syst. Vorbem. II B II 3d) bei § 330a (ZStW 59, 574, vgl. weiter Boldt ZStW 55, 44ff.). Dahinter stand der Gedanke, daß gewisse verbotene Handlungen typischerweise erhöhte G e f ä h r d u n g e n mit sich bringen. Eingehend hierzu Schneider (Diss.) S. 20ff. — De lege ferenda vgl. den Bericht von Dreher ZStW 68, 72 ff. III. Vorsätzliche Gefährdung (in §§ 309, 314 u. ä. objektiv pflichtwidrige Gef.) ist als der eigentliche Unrechtskern der hier fraglichen Deliktsgruppe festzuhalten. Grundsätzlich zust. Oehler ZStW 69, 503ff., vgl. aber auch S. 518; anders Schönke14*

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Schröder V: die Strafe des e. D. sei eine Gesamtstrafe für eine vorsätzliche Tat und eine darin enthaltene Fahrlässigkeitstat. Der Eintritt des Erfolges bildet zwar wie bei den Fahrlässigkeitsdelikten den Grund der Strafbarkeit, aber nur extern, weil erst die besondere Folgenschwere das gesteigerte Strafbedürfnis auslöst. Der Gesetzgeber hat insoweit die einzelnen Unrechtstatbestände nicht modifiziert, da er lediglich die Schuldvoraussetzungen straffen wollte. Mit der namentlich von Engisch (Kausalität S. 41ff., 51ff.) begründeten Verweisung der obj. Fahrlässigkeitsmerkmale in die R W (darüber unten Anm. IV 4 zu § 59) gelangt man aber sogar auf dem Wege der Wortauslegung des § 56 dazu, die Fahrlässigkeit als Verletzung der obj. erforderlichen Sorgfalt mit der Adäquanz, d. h. Wahrscheinlichkeit der Erfolgsherbeiführung in den hier typischen Lagen, damit aber der vorsätzlichen Gefährdung, grundsätzlich gleichzusetzen. Fahrlässigkeit bedeutet dann jedenfalls hier nicht nur schuldhafte V e r u r s a c h u n g eines tatbestandsmäßigen Erfolges, sondern zunächst dessen tatbestandsmäßige, d. h. aber generell und nach dem Wissen des Täters vorhersehbare H e r b e i f ü h r u n g . Wie sehr das Problem auch auf der Unrechtsseite liegt, zeigt — bewußt oder unbewußt — diese sprachliche Abweichung des § 56 von der bloßen „Verursachung" in §§ 222, 230 usw.; sie weist auf die hier zu fordernde generelle Beherrschbarkeit des Kausalverlaufs hin. Ob dem Täter aus seinem gefährdenden Verhalten nach seiner persönlichen Unzulänglichkeit (Können) ein Vorwurf zu machen und ihm dessen Unterlassung zuzumuten war (Sollen), ist eine zweite und dritte Frage. Die tatbestandliche Qualität des Verhaltens ist aber nicht nur von dessen Vorwerfbarkeit, sondern auch von der Kausalfrage zu scheiden. So außer Engisch treffend Maurach § 18 I I C, I I I 2d): in E 5 202 wird mit Recht Kausalität bejaht, wenn der Bewohner in das vom Täter angezündete Haus zurückläuft, um Sachen zu retten, und hierbei zu Tode kommt, der Tatbestand des § 307 Nr. 1 aber mangels Adäquanz dieser Folge verneint, der KZ als unerheblich behandelt. Übereinst. Oehler ZStW 69, 514: Die Gefahr kann nur eine solche sein, die der Besonderheit des Grunddelikts entspricht. Lehrreich auch E 29 218 und der von Exner (Frank-Festg. 1584) mitgeteilte Fall, dazu Engisch 41, 65. Der Tatbestand, als Ausdruck seiner Garantiefunktion, ist im StrR der Sitz des Adäquanzgedankens, nicht die Kausalität, bei der die Zurechnung praktisch ins Uferlose führt; vgl. z. B. BGHZ 3 261. IV. Die Streitfragen, die schon überreichlich entstanden sind, lassen sich durch diese Unterscheidung der einzelnen VerbrMerkmale sachgemäß lösen. 1. Die Folge der T a t muß i. S. des tatbestandsmäßigen Handelns als Willensverwirklichung, nicht des Gesamtverhaltens des Täters verstanden werden. E 44 137: § 226 nicht, wenn der Täter mit dem Gewehr stoßen wollte, dies aber versehentlich entlud; BGH MDR 54 150 (mit Übersicht) und OGHSt. 2 335: Fall des Opfers als unbeabsichtigte Verletzung nicht tatbestandsmäßige Todesursache (a. A. insoweit Maurach § 17 I C 2). Schießt A auf B und verletzt ihn nur ganz leicht am Arm, so ist, wenn nun B unerwartet stirbt (Bluterkrankheit, Blutvergiftung), nicht zu fragen, ob „Schießen" den Todeserfolg in generell vorhersehbarer Weise heraufbeschwört, sondern diese konkrete TBVerwirklichung (so mit Recht Engisch S. 71). Ebenso E 64 143: Töten „im" Zweikampf nicht, wenn vernachlässigte leichte Duellwunde später zur tödlichen Blutvergiftung führt. Der Täter muß die Handlung, in der das Gesetz die typische Gefährdung sieht, vorgenommen, nicht nur unternommen haben, so die Gewaltanwendung in § 251 (E 62 422), in § 178 (E 69 332),

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die Inbrandsetzung in §§ 307, 309 (E 40 321; anders zu Unrecht BGHSt. 7 37). Zutr. Maurach a. a. O. 2. § 56 ist auf die Fälle beschränkt, in denen der Erfolg die Strafbarkeit nur q u a l i f i z i e r t , aber nicht wie in §§ 143, 210, 227 I (dazu BGH MDR 54 371), 330a (BGHSt. 6 89) erst b e g r ü n d e t . Das wird a l s Inkonsequenz viel getadelt, vgl. Arndt (nach Dreher JZ 53, 426), Oehler, Maurach S. 331, Baumann ZStW 70, 243. Man kann diese Kritik nicht durch einen Standpunktwechsel ausschalten (so Dreher a. a. O.). Auch die erfolgsqual. Del. sind schon als Einschränkungen der vollen Haftung konstruiert worden (Berolzheimer System V 96 ff.). Nach der angels. Schuldauffassung sind sie es in der Tat. Bei beiden Gruppen muß vielmehr jeweils die Handlungskausalität auf ihren tatbestandsgemäßen Kern als typische u n d verschuldete Gefährdung zurückgeführt werden (s. zu § 143 Anm. III). 3. Handlungen Z u r e c h n u n g s u n f ä h i g e r nötigen ebenfalls zu der hier durchgeführten Unterscheidung; vgl. dazu Maurach § 35 V Ac (betr. erfolgsqual. Rauschtat). Besonders auch im Hinblick auf die 4. T e i l n a h m e . Sieht man in den fraglichen Delikten nur die Aufstockung einer Fahrlässigkeits- auf eine Vorsatzschuld (deren Verschmelzung zu einer einheitlichen Schuldform heute nicht mehr möglich ist, vgl. Schneider, Diss.), so entstehen unlösbare Widersprüche, wie namentlich Oehler GA 1954, 33ff., ZStW 69, 517 und Schneider (Diss.) gezeigt haben. Übereinst, auch Mezger LK Anm. 3b. Geht man aber von dem Unrechtstatbestand der vorsätzlichen Gefährdung aus, so liegt auf der Hand, daß die Teilnehmer nur, aber auch stets aus §§ 224, 226 usw. zu strafen sind, wenn sie — mindestens dolo ev. — wußten und wollten, d a ß die Verletzung derart beigebracht werde, daß dabei Schlimmes passieren konnte. So der Sache nach auch BGH MDR 55 143 (Übersicht). Andernfalls ist § 50 unmittelbar oder entsprechend heranzuziehen, sofern nicht überhaupt Exzeß vorliegt. Nach Oehler ZStW 69, 518 genügt es, wenn der Teilnehmer das Grunddelikt kannte, es in seinen Willen aufgenommen hatte und wußte oder sieh pflichtwidrig nicht vorstellte, daß damit eine besondere tatbestandliche Gefahr verbunden war. Betr. M i t t ä t e r s c h a f t vgl. Schneider JZ 56, 750. 5. Auch die K o n k u r r e n z f r a g e n sind so zu klären. Man ist nicht zu der — sonst abgelehnten — Konstruktion eines fahrl. Fortsetzungszusammenhangs genötigt. § 226 konkurriert — als folgenschwere vorsätzliche Lebensgefährdung durch Körperverletzung — ideell mit der fahrlässigen Tötung des § 222, § 178 entspr. (Daß die Mindeststrafe nach § 178 zehn Jahre Zuchthaus beträgt, wenn der Tod der Frau nur fahrlässig verschuldet ist, dagegen nach § 212 nur fünf Jahre, wenn der Täter, ohne Mörder zu sein, vorsätzlich getötet hat, ist eine durch das 3. StAGes. entstandene Unstimmigkeit der Strafrahmen.) A. A. BGHSt. 8 54 (Konsumtion des § 222). Wie hier Arndt LM § 56 Nr. 5 und eingehend Oehler ZStW 69, 519 ff. A. A. Schröder NJW 56, 1737, Schönke-Schröder V von seinem abw. Ausgangspunkt her (oben III): IdKonk. nur bei den von ihm sog. unechten, durch bestimmte Begleitumstände charakterisierten e. D., daher zust. zu BGHSt. 9 135 (IdKonk. von § 211 und § 251), hierzu unten Anm. V. 6. Bloßer V e r s u c h des Vordelikts reicht als Grundlage des qualifizierten nicht ohne weiteres aus (gegen BGHSt 7 37). Darüber oben zu III, IV 1.

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7. P r o z e s s u a l ist zu beachten, daß aus der vorsätzlichen Verursachung einer Verletzung nicht auf Fahrlässigkeit bezgl. des weiteren Erfolges geschlossen werden darf. Das wäre ein Rückfall in den versari-Gedanken. — Über die Schwierigkeiten, die sich bei späterem Eintritt oder Wegfall der schweren Folgen ergeben, vgl. Badbruch VD A II, 241, Peters Strafprozeß S.532, Kern StProz. S. 180f„ Eb. Schmidt Lehrkomm, der StPO I 269. - Hinweis auf § 56 (gem. § 265 StPO) nicht erforderlich: BGH NJW. 66 1246 - Vgl. zu den Prozeßfragen auch Schneider JZ 56, 752. V. „Wenigstens" fahrlässig ist ein Ausdruck, der leicht irreführen kann, da § 56 in aller Regel n i c h t in Betracht kommt, wenn der schwere Erfolg m e h r als fahrlässig verschuldet ist; dann nur die reinen Verletzungsdelikte wie §§ 211, 212. Anders aber z. B. bei § 224, insofern die mit bedingtem Vorsatz herbeigeführte schwere Folge für die „Absicht" des § 225 nach h. M. nicht ausreicht. Vgl. Dreher JZ 53, 426 sowie jetzt BGHSt. 9 135, 137, betr. Raub mit bes. schwerer, vorsätzlich herbeigeführter Folge; zust. dazu Jescheck GA 1958, 5, Arndt LM Nr. 5, Traub a. a. 0 . 370, Schröder NJW 56, 1737; abl. Maurach 330, Schneider 752. VI. Nur die Schuldseite der erfolgsqualifizierten Delikte konnte und wollte § 56 regeln. Ihre Qualität als tatbestandsmäßige Handlungen richtet sich über das oben zu II—IV Gesagte hinaus nach der jeweiligen Besonderheit des betreffenden Delikts. Vgl. dort. §§ 57, 58 aufgehoben, vgl. jetzt § 3 JGG. Schuld und Irrtum §59 (1) Wenn jemand bei Begehung einer strafbaren Handlung das Vorhandensein von Tatumständen nicht kannte, welche zum gesetzlichen Tatbestand gehören oder die Strafbarkeit erhöhen, so sind ihm diese Umstände nicht zuzurechnen. (2) Bei der Bestrafung fahrlässig begangener Handlungen gilt diese Bestimmung nur insoweit, als die Unkenntnis selbst nicht durch Fahrlässigkeit verschuldet ist. Inhalt: I. Der § 59. — II. Schuld. - III. Vorsatz. — IV. Fahrlässigkeit. — IV a. Ausschließlichkeit der Schuldtypen. — V. Irrtum. — VT. Sonderbehandlungen des Irrtums. — VII. Straferhöhende Umstände. Aus dem Schrifttum) K o h l r a u s c h , Irrtum und Schuldbegriff 1903. — F r a n k , Über den Aufbau des Schuldbegriffs, 1907. — E x n e r , Das Wesen der Fahrlässigkeit, 1910. — F r e u d e n t h a l , Schuld und Vorwurf, 1922. — Erik W o l f , Strafrechtliche Schuldlehre I 1928. — G o l d s c h m i d t , Normativer Schuldbegriff, FrankFestg. 1930. — E n g i s c h , Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit, 1930. — K a n t o r o w i c z , Tat und Schuld 1933. — Mezger, Rechtsirrtum und Rechtsblindheit, Festschrift für Kohlrausch 1944, 180ff. — W e g n e r , Über Irrtum, Festschrift für Raape 1948, 401. — M a u r a c h , Schuld und Verantwortung 1948. — P e t e r s , Der Jugendliche und die Autorität des Gesetzes, Festschrift für Rosenberg 1949, 215ff. — S c h r ö d e r , Aufbau und Grenzen des Vorsatzbegriffes, Festschrift

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für Sauer 1949, 207. — Ders., Die Irrtumsrspr. des BGH, ZStW 65,178. — Welzel, Vom irrenden Gewissen 1951. — Ders., Zum Verbotsirrtum in MDR 52, 584; NJW 52, 564; JZ 53, 266; 54, 276; ZStW 67, 196. — Ders., Die finale Handlungslehre und die fahrlässigen Handlungen, JZ 56, 316. — Ders., Der Verbotsirrtum im Nebenstrafrecht, JZ 56, 238. — Salm, Zur Rspr. des BGH über den strafbefreienden Irrtum, ZStW 69, 522. •— W a r d a , Die Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum bei Blankettstrafgesetzen, Neue Kölner Rechtswiss. Abh. Heft 5, 1955. — Arthur Kaufmann, Das Unrechtsbewußtsein. 1949. — L a n g - H i n r i c h s e n , Tatbestandslehre und Verbotsirrtum J R 52, 184, 302, 356. —• Ders., Zur Frage der Schuld bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, GA 1957, 225. — Nowakowski, Rechtsfeindlichkeit usw. ZStW 65, 379. — H. Mayer, Der BGH über das BewdR, MDR 52, 392. — Lange, Der Strafgesetzgeber und die Schuldlehre, JZ 56, 73. — Ders., Die Magna Charta der anständigen Leute, JZ 56, 519.— Ders., Nur eine Ordnungswidrigkeit ? JZ 57,233. •— Boldt, Zur Struktur der Fahrlässigkeitsdelikte, ZStW 68, 335. — Dreher, Verbotsirrtum und § 51. GA 1957, 97. — H a r d w i g , Sachverhaltsirrtum und Pflichtirrtum. GA 1956, 369. — Arthuup Kaufmann, Tatbestand, Rechtfertigungsgründe und Irrtum, JZ 56, 353 und 393.—Maihofer, Zur Systematik der Fahrlässigkeit, ZStW 70, 159. — Nowakowski, Zu Welzels Lehre von der Fahrlässigkeit, JZ 58, 335. — Schmidhäuser, Zum Begriff der bewußten Fahrlässigkeit, GA 1957, 305. — Ders., Der Begriff des bedingten Vorsatzes in der n. Rspr. des BGH und in § 16 KommEntw. 1958, GA 1958, 161. — Schneider, Über die Behandlung des alternativen Vorsatzes, GA 1956, 257. — Schröder, Verbotsirrtum, Zurechnungsfähigkeit und actio libera in causa, GA 1957, 297. — Ders. Rechtswidrigkeit und Irrtum bei Zueignungs- und Bereicherungsdelikten, DRiZ 56, 69. —• Wimmer, Das Zufallsproblem beim fahrlässigen Verletzungsdelikt NJW 58, 521. — Ders., Die Fahrlässigkeit beim Verletzungsdelikt, ZStW 70, 196. — Kohlhaas, Der Irrtum über persönliche Strafausschließungsgründe, ZStW 70, 217. — S t r a t e n w e r t h , Dolus eventualis und bewußte Fahrlässigkeit, ZStW Bd. 71 (im Erscheinen). — Engisch, Tatbestandsirrtum und Verbotsirrtum bei Rechtfertigungsgründen, ZStW 70, 566. — Brauneck, Zum Schuldstrafrecht des Entw., MoKrim. 59,129. — Hohenleitner, Schuld als Werturteil, Rittler-Festschr. 1957, 185. —- Küchenhoff, Individueller Normenirrtum? Ebendort 195. — B i n d e r , Psychiatrische Probleme usw., SchwZStR 74 (1959), 52. I. Inhalt des § 59. — Er enthält die wichtigste Regel des StGB zur Frage des Verschuldens. Aber er regelt nur eine Einzelfrage: was muß der Täter gewußt und gewollt haben, damit ihm die Tat zur Schuld zugerechnet werden kann ? Und auch diese nur in negativer Form: ein I r r t u m worüber schließt den Vorsatz (und, falls unverschuldet, auch die Fahrlässigkeit) aus? — Gesetzlich nicht geregelt sind die Fragen nach der Bestimmtheit jenes Wissens und der Intensität jenes Wollens, d. h. die Fragen der Schuldtypen und -stufen: Vorsatz, Fahrlässigkeit; die Frage, ob jeder Vorsatz Schuld ist; und die Vorfrage zu alle dem: wieweit setzt überhaupt Strafe Schuld voraus ? Daß der Vorsatz nicht zur Schuld, sondern zum Unrecht gehöre, ist eine ungenaue Folgerung aus der richtigen Erkenntnis, daß das menschliche Handeln final ist. Nicht das Wollen des Erfolges, sondern die daraus typischer-, keineswegs aber notwendigerweise entstehende objektive Richtung der Handlung auf den Erfolg gehört in einem Tatstrafrecht zu ihrem Unrechtsgehalt, dem Eigengesetzlich-

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keit und Eigenbedeutung gegenüber dem anstoßenden Willen zukommt. Zutr. Engisch, Festg. f. Kohlrausch S. 170ff. Differenzierend auch Gallas ZStW 67 32 ff. Entsprechendes gilt für die Aufhebung des Unrechtscharakters: Syst. Vorbem. I I I 2 b y.

n. Strafe setzt Schuld voraus; d. h. nicht nur ein auf einem Willensakt beruhendes äußeres Tun, sondern auch eine bestimmte innere Einstellung. Aus dieser muß dem Täter ein Vorwurf gemacht werden können. Die hier vielfach herangezogenen moraltheologischen oder ethischen Maßstäbe haben die Diskussion vertieft und das Verantwortungsgefühl geschärft. Dogmatisch können sie indessen nicht unmittelbar verbindlich sein, ebensowenig die wechselnden geschichtlichen Standpunkte etwa zu der Frage, ob und inwieweit ein Verbotsirrtum zu berücksichtigen ist. Für die Antwort auf die Fragen, ob überhaupt Schuld möglich ist (Leugnung der Vorwerfbarkeit durch die positivistische Schule wie durch Vertreter der Existenzphilosophie) und welche Maßstäbe und Anforderungen hier gelten, ist vielmehr die aus dem Gesetzeszusammenhang — nicht etwa aus § 59 allein — zu erschließende positivrechtliche Entscheidung zwischen den zahlreichen möglichen Standpunkten zugrunde zu legen. Schon deshalb ist Schuld immer auch vom Sollen, nicht nur vom individuellen Können her zu bestimmen; andernfalls würde das Strafrecht seinen erzieherischen Sinn verlieren. Ob die Entscheidung des Gesetzgebers dem für uns richtigen Recht entspricht, ist eine andere Frage. § 51 geht ungeachtet des philosophischen Streites um die Möglichkeit freier Willensbestimmung davon aus, daß der normale Mensch im allgemeinen einen Spielraum der Selbstbestimmung seines Handelns besitzt. Schon hiermit setzt unser Strafrecht die Möglichkeit eines Schuldvorwurfs voraus. Auf der anderen Seite stellen die neuen Verfassungen, insbes. das Bonner Grundgesetz, mit der Anerkennung unmittelbar geltender Menschenrechte und Grundrechte auch die Staatsmacht unter die Gesetze sittlicher Verantwortung. Der Staat bindet sich selbst an die geltenden Kulturwerte als letztem Maßstab und verzichtet auf die selbstherrliche Festsetzung von Geboten und Verboten über die Grenze des vernünftigerweise Zumutbaren hinaus. Der rechtliche Schuldbegriff kann hiernach nicht mehr in der Feststellung eines objektiven sozialen Mankos gefunden werden, wie es die positivistische Schule meinte (darüber Erik Wolf, Schuldlehre I 16ff., 51ff., v. Weber 107ff.), sondern ist sozial-ethisch zu begründen. Aus drei Gründen aber fällt er mit dem ethischen Unwerturteil nicht einfach zusammen. Einmal muß das Recht, wie es seinem Wesen entspricht, auch hier einen generalisierenden Durchschnittsmaßstab anlegen. Sodann ist der Schuldbegriff von dem der G e f ä h r l i c h k e i t nicht völlig zu lösen (über die entsprechende Strukturverschlingung im Straf begriff vgl. Vorbem. A I I I vor § 13). Und drittens knüpft er an die Tat, regelmäßig also an den E r f o l g an. Das gilt bei allen Fahrlässigkeitsdelikten: die gröbste Unvorsichtigkeit wird nur bestraft, wenn sie Unheil anrichtet. Aber auch die Bewertung der Vorsatztaten geht von ihrem Erfolge aus. § 56 bestätigt dies, indem er nur Zufallshaftung ausschließt. Und das erfolglos versuchte Delikt wird milder als das folgenschwere bestraft. Ein Einzelfall vorsätzlich oder fahrlässig gefährdenden Verhaltens, das nur bestraft wird, wenn etwas passiert, in § 330 a. Von den in Syst. Vorbem. IV vor § 1 und Vorbem. I I I vor § 51 festgestellten vier Voraussetzungen des rechtlichen Schuldvorwurfs: Zurechnungsfähigkeit, Zurechenbarkeit zu Vorsatz und Fahrlässigkeit, Erkennbarkeit des Unrechts und Zumutbarkeit sind heute nur noch die erste und die letzte im ganzen unumstritten (vgl. jedoch Maurach §§ 32fF., der die Zumutbarkeit zur Tatverantwortung zählt). Streitig ist dagegen 1. ob der Vorsatz zur Schuld gehört, 2. ob und inwieweit das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit zu verlangen ist.

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1. Mit der Behauptung, daß der Vorsatz ausschließlich Handlungs- (neuerdings: TJnrechts-)Element sei, wird der Schuldbegriff entleert, des psychischen Kerns, an den der Vorwurf anknüpfen muß, der der „Verbotsmaterie" des Tatbestandes (Welzel) entsprechenden „Schuldmaterie" beraubt. Daß der final gefaßte Handlungsbegriff hierzu nötige, ist nicht ersichtlich. Denn es handelt sich hier nicht um reale Aufbauelemente, die an bestimmter Stelle des Systems verbraucht würden, sondern um verschiedene Aspekte ein und desselben psychischen Sachverhalts. Die Vertreter der hier bekämpften Auffassung sehen sich genötigt, den Irrtum zu einem Unrechtsausschließungsgrund zu erklären (so ausdrücklich v. Weber, Aufbau S. 23, Busch, Moderne Wandlungen der Verbrechenslehre S. 9). Bedenken gegen die Eliminierung des Vorsatzes aus dem Schuldbegriff insbes. bei Mezger LK § 59 I I 7, der auf die Doppelbedeutung des Wortes „Vorsatz" hinweist, Engigch a. a. 0., Bockelmann, Über das Verhältnis von Täterschaft und Teilnahme 1949 (hierzu und hiergegen als Hauptvertreter der finalen Handlungslehre Welzel, Recht und Staat, Heft 146, 1951), Schröder, Festschrift für Sauer S. 207 ff., ZStW 65, 178, LangHinrichsen a. a. O. Vgl. ferner oben I. —• Eine Doppelfunktion des Vorsatzes erkennt jetzt auch Welzel an: § 19 I I 3, § 22 1 1 ; vgl. schon ZStW 65, 59. 2. Besonders lebhaft umstritten ist die Frage, ob der Täter nicht nur wissen mußte, was er tat, sondern auch, d a ß er dies nicht tun durfte. Die Frage wird vielfach dahin gestellt: gehört zur Schuld das B e w u ß t s e i n der R e c h t s w i d r i g k e i t ? Das RG. verneinte sie seit jeher, da der § 59 nur einen Irrtum beachte, der einen Tatumstand betreffe, welcher zum gesetzlichen Tatbestand gehöre. Hierzu eingehend Wegner StrR 156ff., vgl. auch Radbruch SJZ 47, 634, v. Weber S. 124, H. Mayer, § 39, Winnefeld DRZ 47, 365, die von verschiedenen Standpunkten aus die Rspr. des RG deuten, verteidigen und im wesentlichen für fortgeltend erklären. Nach g e l t e n d e m R e c h t ist indessen sicher, daß die Schuld sich n i c h t in der wissentlichen und willentlichen Tatbegehung e r s c h ö p f t . Denn: Wichtige neuere Gesetze berücksichtigen es, wenn der Täter infolge einer Verkennung der Rechtslage sein Verhalten für erlaubt hielt. In gleicher Weise wie den Tatbestandsirrtum des § 59 StGB regelt diesen Irrtum der § 395 RAO: (1) Straffrei bleibt, wer in unverschuldetem Irrtum über das Bestehen oder die Anwendbarkeit steuerrechtlicher Vorschriften die Tat f ü r erlaubt gehalten hat. (2) Wer aus Mangel an der Sorgfalt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen persönlichen Verhältnissen fähig war, die Tat f ü r erlaubt gehalten hat, wird wegen Fahrlässigkeit bestraft. In anderer Weise (darüber BGHSt. 2 194, 204ff., unten V 1, 2, 3d, VI) berücksichtigen § 6 WiStG und § 12 OWG (Anhang Nr. 16, 17) das fehlende Bewußtsein der Rechtswidrigkeit. Aber auch das StGB selbst gibt Hinweise in gleicher Richtung: a) Wenn nach § 51 unzurechnungsfähig ist, wer (aus den dort angegebenen Gründen) unfähig ist, das U n e r l a u b t e der Tat einzusehen, so hat das nur dann einen Sinn, wenn auch für die Zurechenbarkeit der Einzeltat vorausgesetzt wird, daß sich diese Fähigkeit irgendwie ausgewirkt hat oder mindestens auswirken konnte; daß der Täter also nicht nur wußte, was er t a t , sondern auch wußte oder mindestens wissen konnte und mußte, daß er dies nicht tun d u r f t e . — Daß die Frage, ob der Mensch überhaupt schuldfähig sein und Strafe verdienen kann, keine psychiatrische (sondern eine rechtliche) Frage ist, betont BGHSt. 8 122.

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b) Entsprechendes gilt für § 3 JGG. c) Die §§ 42 b und 330a setzen voraus, daß ein Unzurechnungsfähiger „eine mit Strafe bedrohte Handlung" begangen hat. Hierzu gehört nicht nur die Verwirklichung des äußeren Tatbestandes, sondern auch ein n a t ü r l i c h e r Vorsatz in dem Sinne, daß der Täter wußte, was er tat, daß er z. B. einen Menschen tötete. „Vorsätzlich" in diesem Sinne kann auch der Unzurechnungsfähige handeln. Vgl. BGH St, 3 287 betr. §263. Vorwerfbare Schuld muß also mehr sein. Was zum Tatvorsatz hinzukommen muß, kann nur eine innere Beziehung zum Unrechtsgehalt der Tat sein. d) Ähnlich die §§ 52, 54. Auch hier weiß der Täter, was er tut. Sein „vorsätzliches Tun" wird ihm aber nicht vorgeworfen, nicht zur Schuld zugerechnet. Hier fehlt zwar u. U. nicht das Bewußtsein, daß dies Tun i. d. Regel rechtswidrig ist, aber die Möglichkeit, daß dies Bewußtsein von dem Tun abhielt. Auch hier also ist Schuld mehr als Vorsatz. e) Auch in den §§ 48, 49 n. F. liegt die Notwendigkeit, zwischen schuldhaftem und natürlichem Vorsatz zu unterscheiden: Vorbem. III A 4 vor § 47. f) § 59 ist kein Gegengrund. Mag auch die „Rechtswidrigkeit" des Tuns kein z. gesetzl. TB gehörender Tatumstand sein, so steht doch andrerseits § 59 einer solchen Forderung nicht entgegen. Denn er will nicht die Schuldvoraussetzungen erschöpfend regeln, sondern nur eine, den Tatvorsatz, und auch diese nur in negativer Form. g) Daß „Bewußtsein der Rechtsw." dort zu fordern sei, wo das Wort „rechtswidrig" o. ä. im gesetzlichenTB stehe (z. B. §§123, 246, 299, 303, 356), und daß hieraus folge, daß es in anderen Fällen nicht vorauszusetzen sei, wird zwar immer wieder behauptet, aber ungeprüft und ist nicht richtig. Auch das RGer., auf das man sich zu beziehen pflegt, behandelte diese Fälle grundsätzlich nicht anders als andere: ausdrückliche Gleichstellung z. B. in E 58 247, 62 296. Auch E 26 265 spricht nicht zwingend für Aufrechterhaltung jener Legende. h) Eine wesentliche Einschränkung ist allerdings zu machen und wird seit der bahnbrechenden BGH(GrS)St. 2 194 (ergänzt durch BGHSt. 4 1) immer mehr anerkannt: für die volle Schuld genügt es, daß der Täter, der wußte, was er tat, bei gehöriger Anspannung seines Gewissens und seiner Erkenntnisk r ä f t e wissen mußte und konnte, daß er es nicht tun durfte. Dieser Maßstab (den Neustadt MDR 59 58 für unrichtig erklärt) ist anders und strenger als der der Sorgfaltspflicht bei Fahrlässigkeit: BGHSt. 4 236. Denn ein gewisser Grundstock von rechtliehen und sozialethischen Vorstellungen muß und darf bei jedem, an den sich die Normen wenden, vorausgesetzt werden. Zudem darf man nicht das Bew. des gesetzlichen Verbotenseins fordern („Unkenntnis des Gesetzes schützt vor Strafe nicht"), sondern muß sich auch mit dem Bew. des Täters begnügen, daß seine Tat m a t e r i e l l „Unrecht" ist. „Parallelwertung in der Laiensphäre" (Mezger) reicht als Voraussetzung hierfür aus; so der Sache nach BGHSt. 2 202. (Irreführenderweise wird dieser Ausdruck meist zur Bestimmung des Vorsatzes verwendet, so BGHSt. 3 255; dort handelt es sich aber nur um das, was der Täter wissen muß. Richtig jetzt BGH JZ 57 549, 551: „Kenntnis nach Laienart".) Der Ausdruck „Verbotsirrtum" ist irreführend, vgl. unten Anm. V (vor 1), gegen ihn auch Hardwig GA 1956, 371. Das Bew. der RW muß in bestimmter R i c h t u n g , im

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Hinblick auf die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts vorliegen. Das Bewußtsein eines versari in re illicita genügt nicht. Gegen die unrichtigen Entsch. BGH NJW 52 671 und BGHSt. 3 342, wo Bew. d. RW bei Blutschande bejaht wurde, weil sich der Täter je denfalls seines damit zugleich begangenen Ehebruchs bewußt gewesen sei, jetzt BGHSt. 10 35. Abi. schon Warda NJW 53,1052, Bindokat JZ 53, 748, Zimmermann NJW 54,908; vgl. Hamm JMB1NRW 55 285. — Wer die Vorstellung hat. möglicherweise Unrecht zu tun, und diese Möglichkeit in seinen Willen aufnimmt, hat das Unrechtsbewußtsein: BGH J R 52 285. Ist eine Frage unter den Gerichten strittig, so soll nach Köln MDR 54 374 im allg. das Risiko tragen, wer die günstigere Meinung für sich in Anspruch nimmt. Das ist als Regel ebenso bedenklich wie andererseits BGHSt. 4 3 (dazu Welzel J Z 53,266), die der unsubstantiierten Berufung auf Verfassungswidrigkeit einer Norm gefährlich weiten Spielraum gibt (gegen BGH auch Bindokat a. a. O.). Vgl. auch Mezger LK S. 462; Bedeutung von Rechtsauskünften: BGHSt. 5 118. Das Gesetz fordert nur die allgemeine Fähigkeit, das Unerlaubte der Handlung zu erkennen und sich an dieser Erkenntnis zu orientieren (Mezger, Rechtsblindheit usw. S. 187: „Rechtsunfähigkeit", wenn dieses Vermögen fehlt). Diese Fähigkeit wird beim normalen Erwachsenen prinzipiell vorausgesetzt, ihre Ausnahmen werden in den §§ 61, 55 StGB, § 3 JGG auf bestimmte biologische Tatbestände und deren seelische Folgen beschränkt. Vgl. § 51 Anm. IV, X. Bedenklich daher BGH J R 54 188 (Schändung einer Frau durch geistig beschränkte, aber voll zurechnungsfähige Täter im Bewußtsein, daß sie „geisteskrank" und geschlechtlich leicht zugänglich war: unvermeidbarer Verbotsirrtum?). Auch bei u n w i d e r s t e h l i c h e m Hang zum Verbrechen wird der gefährliche Gewohnheitsverbrecher bestraft. Und den Fall der Rechtsblindheit oder moral insanity hat bereits M. E. Mayer, Allg. T. S. 211 mit Recht bei § 51 behandelt, und zwar — im Anschluß an E 15 97 — als einen vom Gesetz nicht berücksichtigten Fall der Unzurechnungsfähigkeit. (Der Rechtsblinde befindet sich nicht etwa in einem Rechtsirrtum; denn er legt den Sachverhalt überhaupt nicht auf die Waage des Rechts, sondern entscheidet ausschließlich nach außerrechtlichen Erwägungen.) Aus welchem Grunde die Fähigkeit, gut und böse in normaler Weise zu unterscheiden, fehlt oder verlorengegangen ist, ob etwa der Täter von Hause aus ein Fanatiker oder ob er ein Opfer der Verhetzung war, kann die Schuld nur der Höhe, nicht aber dem Grunde nach beeinflussen. Da die Legitimation zum Schuldvorwurf in der Rechtsidee und nicht in einem staatlichen Strafanspruch liegt, kann nicht eingewendet werden, daß der Staat, der es fertig bringt „den Armen (sittlich) schuldig werden zu lassen", jedes Recht verloren habe, ihm einen rechtlichen Schuldvorwurf zu machen (so aber Eb. Schmidt SJZ 49, 596). Ebenso wird die Zumutbarkeit in §§ 52, 54 nicht nur vom persönlichen Können, sondern auch vom Sollen her bestimmt, vgl. § 52 Anm. II, V. Wer zur vollen Schuld das aktuelle Bewußtsein der RW fordert, weil nur dann der Täter sich habe am Recht orientieren können, verläßt damit den in allen Stadien der gesetzlichen Schuldregelung erkennbaren Maßstab. Er übersieht aber auch ein immanentes Strukturelement jeglicher Schuld, die niemals nur in bewußtem Normenwiderspruch, sondern stets auch in der Unterlassung der Aktivierung der eigenen geistigen und seelischen Gegenkräfte besteht. i) Aber auch für den Rechtschaffenen fehlt die Möglichkeit, das Unerlaubte der Tat als solches zu erkennen, da, wo im Umkreis sozialadäquaten oder jedenfalls bis dahin unbeanstandeten Handelns unvermittelt pönalisiert wird. Die typische Form solcher Strafgesetze ist die des B l a n k e t t s : weil die Strafdrohung hier nicht

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das Unrecht als Verstoß gegen die allgemein anerkannte Kulturnorm voraussetzen kann, muß sie sich auf eine anderwärts ausgesprochene oder erst in Zukunft erfolgende rein positivistische Normierung beziehen. Logisches und zeitliches Verhältnis von Unrecht und Verbot kehren sich um. Verboten wird hier nicht, was schon vorher Unrecht war, sondern das Verbot selbst erst macht das Handeln zum Unrecht. Dies gilt besonders für das Devisen-, Steuer- und Wirtschaftsstrafrecht. Darum ist für diese Fälle gesetzlich anerkannt, daß die Möglichkeit, die Handlung als unerlaubt zu erkennen, nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden darf. Von der Kenntnis oder Erkennbarkeit des p o s i t i v e n G e s e t z e s hängt hier die Schuld ab. Viele dieser Fälle grenzen an bloße Ordnungswidrigkeit. Vgl. unten IV 5, V 3 d, VI. k) Für das Gebiet des allgemeinen Strafrechts gilt dies alles grundsätzlich nicht. Hier liegen die Normen, in ihren allgemeinen Umrissen jedem erkennbar: „du sollst nicht töten, nicht stehlen" usw. schon im vorrechtlichen Kaum, vor dem positivrechtlichen Verbot. Entscheidend ist hier die Erkennbarkeit der m a t e r i e l l e n RW (Syst. Vorbem. III). Dies gilt gerade auch dann, wenn ein Staat — etwa ein totalitäres Regime — in evidenter Mißachtung dieser Grundsubstanz der Rechtsidee tatbestandliches Handeln positiv erlaubt oder gebietet (Massentötungen, Rechtsbeugung). Nur da, wo ein vernünftig und human Denkender, ein Gewissenhafter, nicht ein Gewissenloser, in der Absicht, zu retten, was zu retten war, notgedrungen um den Preis einer entfernten Mitwirkung handelt (vgl. OGH in MDR 49 373) liegt es anders. Er konnte sein Handeln für erlaubt, materiell richtig halten. Hier liegt ein Irrtum des Gewissens, wenn man solchen gegen K a n t für möglich hält, ein unrichtig entschiedener Kollisionsfall vor (Welzel a.a.O., dazu DRZ 50, 118). Dies gilt, soweit hier nicht schon Rechtfertigungsgründe in Betracht kommen, allgemein für die Opferung einzelner zugunsten anderer Mitgefährdeter, insbes. in Gefahrengemeinschaft (wo § 54 oft nicht ausreicht). Wer in solchen Lagen annimmt, entgegen dem Tötungsverbot so handeln zu dürfen, weil das Gebot, möglichst viele andere, sonst Verlorene zu retten, die stärkere Pflicht begründe, der hat sein Handeln f ü r erlaubt im Sinne des richtigen Rechtes gehalten. Sein etwaiger Irrtum kann nach dem Grundgedanken der genannten Einzelbestimmungen entschuldbar sein. 1) Das gleiche gilt für alle anderen Fälle der rechtsirrigen Annahme eines Rechtfertigungs- oder Verpflichtungsgrundes. Wer ein Notrecht annimmt unter Voraussetzungen, die im positiven Recht nicht anerkannt sind, bei denen man aber vernünftigerweise daran denken könnte, dessen Irrtum ist eher entschuldbar als z. B. der des Gläubigers, wenn er meint, er dürfe den Schuldner mißhandeln oder mit kompromittierenden Enthüllungen bedrohen, um zu seinem Gelde zu kommen, überhaupt, er dürfe „zum Recht durch Unrecht gehen", oder wenn jemand glaubt, den als Landesverräter Verdächtigen im Wege der „Feme" beseitigen zu dürfen (vgl. E 63 215, 64 101) oder den Fahnenflüchtigen ohne jedes Verfahren erschießen lassen zu dürfen (Stuttgart HESt. 1 24 = SJZ 47, 204 m. Anm. Küster), oder wenn jemand den offensichtlich unmenschlichen Charakter seines Handelns (OGH in MDR 49 307) oder die offensichtliche Rechtswidrigkeit eines mil. Befehls (Freiburg JZ 51 85, Anm. v. Weber) verkannte. Die Evidenz des Widerspruchs mit der Vernunft und der Humanität ist als einschränkender Maßstab erforderlich, da das Recht auch an die ethische Einsichtsfähigkeit nur Durchschnittsanforderungen richten darf. Hieraus ergeben sich Grund und Grenze des materiellen Schuldvorwurfs, darüber hinaus die systematische Einheit der Schuldfähigkeit, der Zumutbarkeit und des beachtlichen Verbotsirrtums, wie sie auch

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BGHSt. 2 200ff. bewußt erstrebt. Die positivrechtlich gebundenen (§§ 51, 52, 54, 65, 59 StGB, § 6 WiStG 1954 usw.) und die „freien" Bestandteile des Schuldbegriffs (wie Zumutbarkeit, Bewußtsein der Rechtswidrigkeit) dürfen nicht auseinanderfallen. Zu beachten ist jedoch, daß Zumutbarkeit schon für das tatbestandsmäßige Unrecht konstitutiv sein kann: § 330c, unechte Unterlassungsdelikte (dazu Syst. Vorbem. I I und BGH J R 54 269 mit Anm. Heinitz). Auch hier ist die generelle Normgrenze und die persönliche Vorwerfbarkeit ihrer Überschreitung zu unterscheiden.

m. Vorsatz bedeutet (da nach dem zuvor Ausgeführten die Möglichkeit der Unrechtserkenntnis eine selbständige Schuldvoraussetzung darstellt), daß der Täter die Tat mit Wissen und Wollen begangen hat. Und zwar muß sich W. u. W. auf eine in ihren wesentlichen Merkmalen b e s t i m m t e Tat beziehen. Zum Teilnehmervorsatz BGH MDR 55 143 und oben Anm. VII zu § 48. 1. Eine die Feststellung vorsätzlicher Tatbegehimg begründende Willensbeziehung ist in folgenden drei Fällen anzunehmen: a) Absicht: wenn es dem Täter d a r a u f a n k a m , den im Gesetz bezeichneten Erfolg herbeizuführen — was aber nicht nur dann der Fall ist, wenn dieser Erfolg Endzweck, sondern auch, wenn er notwendiges Mittel zum Zweck ist. I n diesen Fällen der „Absicht" ist der Wahrscheinlichkeitsgrad des Erfolgseintritts nicht entscheidend (z. B. Schuß auf 500 m, u m zu töten), wenn nur der Erfolgseintritt des Handelns generell berechenbar war (andernfalls hat der Täter gehofft, gewünscht, nicht gewollt). Vgl. Braunschweig NJW 57 600. Doch wird der Begriff entsprechend den unterschiedlichen gesetzgeberischen Zwecken nicht überall in gleichem Sinne gebraucht: BGHSt. 4 107, 108 (zu § 257) mit Übersicht, 9 142, 144ff. (zu § 94, wo nach BGH bestimmter Vorsatz genügt; str., vgl. unten § 94 Anm. I). b) Direkter Vorsatz: wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung als n o t w e n d i g e F o l g e oder Begleiterscheinung seines Tuns vorhersah; hier (anders als bei Absicht) ohne Rücksicht darauf, ob es ihm hierauf „ankam". c) Eventueller oder bedingter Vorsatz: wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung „zwar nur für m ö g l i c h hält, jedoch für den Fall der Verwirklichung m i t i h r e i n v e r s t a n d e n ist". So RG häufig, z.B. 33 4, 59 2, 65192 u. 263; oder eventuelles „ B i l l i g e n " des Erfolgs (E 66 261). RGer. in J W 3 8 741: wo das RG gelegentlich vom „ I n k a u f n e h m e n " des Erfolgs gesprochen habe, sei „dies ausdrücklich nur unter der V o r a u s s e t z u n g d e s E i n v e r s t ä n d n i s s e s des Täters mit der von ihm als möglich erkannten Folge seiner Handlung und deren innerer Billigung geschehen: E 59 2, 67 424". Ebenso Kiel HESt. 2 206, BGH MDR 51145, 52 16 unter Hinweis auf E 76 115, 72 43 einerseits, E 59 2, 77 228 andererseits. — Inkaufnehmen genügt nach Mezger StB I 135, Schönke-Schröder § 59 IV 2. Ebenso nach BGHSt. 7 363 = NJW 55 1688 „sich Abfinden mit dem an sich unerwünschten Erfolg"; ber. Bedenken bei OBA und Engisch in Anm. a. a. O., vgl. auch Schmidhäuser GA 1958, 161. Jedenfalls muß jenes Einverständnis oder Inkaufnehmen selbständig neben dem „für möglich halten" festgestellt, es darf nicht aus ihm gefolgert werden. U n z u r e i c h e n d wäre die Begr.: „Der Täter hat den Erfolg für möglich gehalten, a l s o ihn für den Fall seines Eintritts gebilligt oder in Kauf genommen." So betr. Kuppelei eingehend D J 37 466. Ebenso jetzt Braunschweig HESt. 2 205.

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Der W i l l e zum H a n d e l n muß immer u n b e d i n g t sein: Hamburg J R 61 87. Nur die V o r s t e l l u n g vom E r f o l g e ist bedingt, d. h. mit einer bloßen Möglichkeit verknüpft. Zutr. Welzel § 13 I 2 b. Vgl. oben § 43 Anm. I I . 2. Zum Wissen von dem, was man tut, gehört die Bedentungskenntnis, da» Wissen von dem sozialen S i n n der Handlung und der sonstigen einzelnen Tatumstände (streng zu scheiden von dem Unwerturteil der Rechtsordnung über den Vorgang als Ganzes; über das Bewußtsein des Täters hiervon ist oben zu I I 2 h zu vergl.). Vorsätzlich handelt nicht schon, wer die einzelnen Teiltatsachen kennt, sondern erst, wer das geistige Band ihres Sinnzusammenhanges z. B. als „fremde" Sachen, „pflichtwidrigen" Rechtsbeistand, „zuständige" Behörde, „beweiserhebliches" Schriftstück sieht. Es handelt sich um Einsichten (nicht um Wertungen, irrig BGHSt. 3 255), die jedoch nur im s o z i a l e n Sinne vorliegen müssen: daß die Sache anderen „gehört", daß die Interessen der vertretenen Parteien kollidieren, daß diese Stelle für diese Eidesabnahme in Betracht kommt, nicht im juristischtechnischen Sinne der richtigen Subsumtion (zutr. Welzel § 13 I 4). Zum Wissen vom sozialen Sinnzusammenhang, in dem die Handlung steht, gehört naturgemäß auch, daß man das Verhalten seiner Partner oder Gegner versteht und z. B. nicht etwa eine scherzhafte Gebärde als Angriff mißdeutet. Näheres unten zu V. — Bei u n e c h t e n U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e n fällt der die Handlungspflicht umfassende Vorsatz praktisch vielfach mit dem Bewußtsein, Unrecht zu tun, zusammen, vgl. Gallas J Z 52, 373, dem Celle GA 1958 152 folgt. Börker J R 56, 87 unterscheidet, grundsätzlich zutreffend, zwischen den Umständen, die eine Garantenstellung begründen, und der sich daraus ergebenden Rechtspflicht. Vgl. auch Hardwig GA 1956, 369, 371. IV. Fahrlässigkeit. Strafbar nur, wenn ausdrücklich bestimmt oder mit Sicherheit aus Gesetzeswillen und -zweck zu schließen; so (für § 330) BGHSt. 6 131. Strenger BGHSt. 11 228: Pahrl. Ordnungswidrigkeit nur erfaßt, wenn dies a u s d r ü c k l i c h durch das Gesetz bestimmt ist (über den Wortlaut des § 11 Abs. 1 OWG hinaus). Dies muß auch für die Übertretungen des StGB gelten, soweit sie nur gegen Anordnungen verstoßen. Vgl. vor § 360. — Hier pflegt man zunächst zwei Fälle zu unterscheiden, je nach der Rolle, die das Bewußtsein von dem möglichen Erfolgseintritt bei dem Täter gespielt hat: 1. Bewußte F. Sie liegt vor, wenn der Täter den Erfolg (bzw. die Tatbestandsverwirklichung) f ü r m ö g l i c h h ä l t und p f l i c h t w i d r i g d a r a u f v e r t r a u t , daß er nicht eintreten werde. 2. Unbewußte F. Sie liegt vor, wenn der Täter an eine solche Möglichkeit nicht denkt, wenn dies aber darauf beruht, daß er die S o r g f a l t a u ß e r a c h t l ä ß t , zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und fähig ist. 3. Diese Zweiteilung ist aber praktisch selten verwertbar und läßt auch das w e s e n t l i c h e , das beiden F.-Formen gemeinsam ist, nicht genügend hervortreten. Dieses ist, daß in a l l e n Fahrlässigkeitsfällen zwei Momente zusammentreffen müssen: Voraussicht bzw. Voraussehbarkeit des Erfolgs einerseits und Pflichtwidrigkeit des Tuns andrerseits. Vgl. auch E 67 19 u. H R R 37 1621. Im einzelnen: a) Voraussicht bzw. Voraussehbarkeit des Erfolgs. Bloßes pflichtwidriges Verhalten (versari in illicito) als objektive Ursache eines tatbestandmäßigen Erfolgs

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genügt nicht. E 48 321, 50 417: „Die Pflichtversäumnis gelangt erst dadurch, daß sie trotz der V o r h e r s e h b a r k e i t d e s s c h ä d l i c h e n E r f o l g e s begangen wird, zur schuldbegründenden Wirkung, und die Vorhersehbarkeit muß sich auf den E r f o l g d e r j e n i g e n Handlung oder Unterlassung erstrecken, in der die Pflichtwidrigkeit in Erscheinung t r i t t " . — E 59 341; die Nichtbefolgung polizeilicher Vorschriften durch einen Kraftfahrer begründet, wenn ein Mensch getötet oder verletzt wird, noch nicht ohne weiteres Fahrlässigkeit bezügl. des eingetretenen E r f o l g s . Ebenso E 71 182, 76 1, BGHSt. 4 1 8 5 : Vorschriften in verschiedenem Maße B e w e i s a n z e i c h e n f ü r Vorhersehbarkeit. — E 56 349: baupolizeiliche Vorschriften waren unbeachtet geblieben, eine Mauer stürzte ein, Menschen wurden getötet. Aber „es genügt nicht, daß das den Erfolg verursachende V e r h a l t e n irgendwie schuldhaft war; vielmehr mußten die Angekl. bei Anwendung pflichtmäßiger Sorgfalt den E r f o l g als mögliche Folge ihres Verhaltens vorhersehen". — Ebenso E 65 158, 71182, wo betont wird (S. 187), daß u. U. umgekehrt die B e o b a c h t u n g der Vorschriften nicht genügt, um F. a u s z u s c h l i e ß e n ; 74 195, 76 1 u. a. — E s genügt auch nicht die Voraussicht, daß bloß günstigere Bedingungen f ü r den Erfolg geschaffen werden; erforderlich ist die Voraussicht k o n k r e t e r M ö g l i c h k e i t d e s E r f o l g s (E 41119), wenn auch nicht in allen Einzelheiten (E 19 51, 34 91). — J W 23 380 verurteilt mit Recht aus § 230, nicht aus § 222, weil der Täter den t ö d l i c h e n Erfolg nicht voraussehen konnte. — Nach Stuttgart N J W 66 1451 (abi. Anm. Henkel) soll Tod als Unfallfolge auch dann voraussehbar sein, wenn er infolge besonderer Disposition des Verletzten zur Thrombosebildung eintrat. Richtig demgegenüber Köln N J W 56, 1848: bei ungewöhnlichem Kausalverlauf muß der Erfolg so, wie er eingetreten ist, vorhersehbar gewesen sein. — Weiteres vgl. Anm. I I zu §222. War der Erfolg nicht vorausgesehen, so muß er doch v o r a u s s e h b a r und die N i c h t v o r a u s s i c h t p f l i c h t w i d r i g gewesen sein. Und zwar bei Beginn oder Fortsetzung der Tätigkeit. Vgl. E 50 37, 59 355: Gesundbeterfälle; E 64 263, 271, 67 12, 23, H R R 37 1134 betr. Behandlung durch nichtärztliche Heilkundige: „ I n der Ü b e r n a h m e der Behandlung an sich und in der Stellung einer falschen Diagnose braucht noch kein Verschulden zu liegen. Es ist aber gegeben, wenn der nichtärztliche Heilkundige die Behandlung übernimmt oder fortsetzt, obwohl er nach seinen Erfahrungen und Kenntnissen erkennen kann und muß, daß er ihr nicht gewachsen ist". „Der Zeitpunkt, von dem ab ein fahrl. Verhalten vorliegt, ist wesentlich auch f ü r die Beantwortung der Frage nach dem ursächlichen Zusammenhang, da f ü r d i e s e n Z e i t p u n k t geprüft und festgestellt werden muß, ob bei nunmehr richtiger Behandlung der Tod ebenfalls eingetreten wäre." — Steigerung der Sorgfaltspflicht durch eigenes vorangegangenes verkehrsgefährdendes T u n : BGHSt. 4 363 (ähnlicher Gedanke wie oben zu §52 Anm.I, V erörtert); vgl.ferner J W 1927 909. Mitwirkendes Verschulden anderer befreit nicht ohne weiteres von eigener Schuld. Freilich mußte der Täter verpflichtet und imstande sein, mit dem schuldhaften Tun des Anderen zu rechnen. E 58 368; 61 318, 63 382, 387; 64 317 (fahrl. Tötung e. Kindes durch pflichtwidrige ungenügende Betreuung der Kindesmörderin) ; 64 370 (Verschaffung von Gift f ü r den Mörder). Ganz unvernünftiges Verhalten des Getöteten ist geeignet, die Voraussehbarkeit des Unfalls auszuschließen: E 73 239, 370, BGHSt. 4 187. — I n J W 38 1241 h a t R G die Verurteilung eines G a s t w i r t s w e g e n f a h r l . T ö t u n g gebilligt, der einem auf Fahrt befindlichen K r a f t -

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fahrer Alkohol verabreichte, obwohl er erkannte, daß dieser eigene Beherrschung und Augenmaß nicht mehr besitze. Ursächlicher Zusammenhang mit der durch d. Kraftfahrer begangenen Tötung lag vor; desgl. Pflichtwidrigkeit gemäß GaatstG §§ 16 Nr. 3, 29 Nr. 7 u. 8; erforderlich war aber a u ß e r d e m , daß für den Gastwirt ein T o d e s e r f o l g v o r h e r s e h b a r war, was in der Entsch. nicht genügend zum Ausdruck kommt. Das gilt auch gegenüber BGHSt. 4 20 ( = JZ 53, 408 m. Anm. Lange). b) Pflichtwidrigkeit der Willensbetätigung. So wenig wie sie genügt (oben a), so wenig darf sie fehlen. Erst durch sie wird Handeln bei Voraussehbarkeit des Erfolgs „schuld"haft. So wenig, wie die Voraussehbarkeit des Erfolgs ohne weiteres in der Pflichtwidrigkeit des Tuns liegt (oben a), so wenig ist aus ihr ohne weiteres die Pflichtwidrigkeit des Tuns zu folgern. Ein Arzt „darf" u. U. operieren, auch wenn er mit der Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs rechnet. Man spricht hier gelegentlich von dem „ n o r m a t i v e n S c h u l d e l e m e n t " , was zu dem psychologischen („Vorhersehen") hinzukommen müsse; auch von d e r Z u m u t b a r k e i t rechtmäßigen Handelns. Vgl. aber hierzu unten zu 4. — Aus der Fechtspr. vgl. E 30 25 („Leinenfänger"-Fall: der vorausgesehenen Möglichkeit, Menschen zu verletzen, stand gegenüber die Pflicht, dem Arbeitgeber zu gehorchen, evtl. die Aussicht, Stelle und Brot zu verlieren); 36 78 (keine F. des Vaters, der das Kind aus ethisch zu billigenden Gründen zu spät ins Krankenhaus brachte, so daß es, wie voraussehbar, starb); 67 172 (die Erkenntnis eines Kahnführers von der Lebensgefährlichkeit der Fahrt begründet, wenn Insassen ertrinken, den Vorwurf der F. nicht ohne weiteres, sondern nur, wenn er R e c h t s p f l i c h t e n v e r l e t z t hat, was vorliegend verneint wird, da er „die Überfahrt auf den eigenen Wunsch der Ertrunkenen und lediglich in ihrem Interesse unternommen hatte. Beide waren erwachsene und verständige Männer, die das Gefährliche der Fahrt vollständig und in demselben Maße wie er übersahen"; eine besondere Obhut- und Fürsorgepflicht habe nicht bestanden; und „bei der Ausführung" der Fahrt habe er die nötige Aufmerksamkeit nicht vernachlässigt; 68 27 (zu der Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des Erfolgs muß kommen, daß der Täter nach der besonderen Sachlage und seinen persönlichen Fähigkeiten zur Betätigung jener Sorgfalt überhaupt noch imstande war; unverschuldete Erregungs- und Ermüdungszustände können die F. ausschließen). — Kritisch zum Gedanken der Unzumutbarkeit auch für den Bereich des fahrlässigen Handelns Mezger StB I § 75. — Zusammenfassend zur Rspr. BGHSt. 7 115. c) Insbesondere über Fahrlässigkeit des Arztes vgl. 64 263 (ein Arzt, bes. ein Naturheilkundiger, muß sich über die Fortschritte der Wissenschaft unterrichten u n d auf Grund dessen von der Richtigkeit seiner Heilweise überzeugt sein); 67 12 (eingehende Ergänzung des vorigen Urteils über F a h r l ä s s i g k e i t d e s A r z t e s , insbes. des nicht approbierten Heilkundigen: Ausbildungs- und Fortbildungspflicht; Pflicht zur Prüfung, ob Fähigkeiten und Kenntnisse zur Feststellung der Krankheit und zu ihrer erfolgreichen Behandlung genügen; u. U. Pflicht, den Kranken oder einen Angehörigen über das Bestehen oder die Üblichkeit anderer Heilmethoden aufzuklären; Pflicht, allgemein anerkannte Grundsätze, z. B. betr. Fiebermessung, zu beachten; Pflicht, u . U . die Behandlung zu ändern oder einen anderen Arzt zuzuziehen); H R R 37 1429 (Unterlassung der Einspritzung von Diphtherieserum. Allgemein anerkannt ? Ursache des Todes ? Pflicht, den Kranken über sein Leiden aufzuklären ?) — E 66 181 entscheidet einen umgekehrten Fall, wo ein Heilbehandler e i n e n K r e b s k r a n k e n ü b e r s e i n L e i d e n a u f k l ä r t e , so daß bei diesem ein

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Zustand schwerster Depression mit Selbstmordneigung entstand und er in eine Heilanstalt aufgenommen wurde. Fahrlässige Verschuldung der Geisteskrankheit verneint das RG, da — abgesehen von der Zweifelhaftigkeit des ursächl. Zusammenhangs — ein Arzt die P f l i c h t habe, „auch einen Krebskranken wahrheitsgemäß über sein Leiden a u f z u k l ä r e n , soweit nicht daraus aus bes. Gründen d. Einzelfalls e. Beeinträchtigung d. Heilung zu befürchten sei". Die ärztliche Standesethik dürfte betr. Aufklärung oder Nichtaufklärung Regel und Ausnahme mit Recht umgekehrt behandeln! — E 74 60: Ist ein Mittel als besonders wirksam anerkannt, so müssen Ärzte und Heilbehandler es anwenden; auch der Anhänger eines anderen Heilverfahrens darf dann die besseren Erfolge der von der eigenen abweichenden Richtung nicht außer acht lassen. — E 74 350 (viel besprochen; Anm. Engisch in ZAk. 41, 129; Mezger in D R 41, 150; vgl. auch Eb. Schmidt in MoKriBi. 42. 85): Der Sorgeberechtigte, der sich weigert, bei seinem erkrankten Kind ein Heilmittel anwenden zu lassen, dessen Anwendung nach E 74 60 geboten ist, mißbrauche sein Sorgerecht. Für die Folgen des Mißbrauchs sei er auch strafrechtlich verantwortlich. Der behandelnde Arzt sei berechtigt und verpflichtet, einem solchen Mißbrauch entgegenzutreten, in Fällen dringender Gefahr namentlich anch dadurch, daß er das Heilmittel bei dem Kind auch gegen den erklärten Willen des Sorgeberechtigten anwendet, wenn das möglich ist. — Im übrigen vgl. über Fahrlässigkeit des Arztes — bei der die Doppelvoraussetzung: Vorhersehbarkeit des Erfolgs und Pflichtwidrigkeit des Tuns, bes. zu beachten ist—: Eb. Schmidt, Der Arzt im Strafrecht (1939); ders., b.Ponsold, L B der ger. Med. 1957; Engisch ZStW 58, 1 ff.; ders., Fehler u. Gefahren bei chir. Operationen, 1958; Goldhahn und Hartmann, Chirurgie und Recht (1937). d) Über Fahrlässigkeit des Kraltlahrers vgl. Anm. zu §§ 222, 230 u. §§ 315a, 316. e) Über F . bei Unterlassung vgl. E 50 102 (betr. § 329 I I ) ; 53 142 (Töten durch Verhungernlassen); D R 40, 1236 (Nichtanbringung des Schlußlichts) sowie Syst. Vorbem. II, IV. 4. Unrechts- und Schuldelemente sind, wie die Übersicht zu 3) erweist, in der F . enthalten, und zwar im Voraussichts- wie im Pflichtmoment (zu letzterem allgemein Welzel J Z 54, 277). Ist die in solcher Lage objektiv im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 BGB) oder die besondere Pflicht nicht verletzt, das Menschenmögliche getan, im Rahmen des erlaubten Risikos (zurückhaltend hierzu BGIISt. 7 112) verfahren, so fehlt es schon an einer tatbestandsmäßig-rw. Handlung: so bei unvermeidlichen Verkehrsgefahren, gefährlichen Gewerbebetrieben, riskanten Operationen oder Improvisationen, wenn keine Wahl blieb. Erst wenn der Täter hinter dem zurückgeblieben war, was in solchen Lagen von seinesgleichen (Landarzt, Hebamme) zu verlangen ist, liegt Normwidrigkeit vor und ist nur noch unter Schuldgesichtspunkten zu pr., a) ob ihm nach seinen individuellen Fähigkeiten (Können) ein Vorwurf zu machen ist und b) ob ihm richtiges Verhalten zuzumuten war (Sollen). Vgl. hierzu vor allem Engisch, Vorsatz usw. S. 344ff., Maurach, Schuld S. 83ff., Niese, Finalität usw., Henkel, Mezger-Festg. 282, jetzt eingehend auch Welzel § 18. 5. Verbotsfahrlässigkeit liegt vor, wenn der Täter nicht die äußeren Folgen, sondern das Verbotensein seines Verhaltens schuldhaft verkennt. Besonders häufig im Nebenstrafrecht, vgl. z. B. § 38 I I B Jagdges.: „fahrlässig Wild trotz Verbotes erlegen" und §§ 1, 2 WiStGB 1954 (fahrlässig ausführen, verweigern, behindern, 15

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

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verarbeiten usw.). Diese nach dem Besohl. BGHSt. 2 194 ergangenen Best, gehen davon aus, daß die Verbotskenntnis zum V o r s a t z gehört. Abw. Gerner-Winckhler WiStG 1954 Anm. 2b zu § 2 und zu § 6. Näheres unten V 3 d, VI. 6. Konkurrenzfragen. Eine fahrlässig begangene f o r t g e s e t z t e S t r a f t a t ist begrifflich undenkbar; denkbar aber ein fahrlässig begangenes D a u e r v e r b r e c h e n (E 59 63, 282, beide Steuervergehen betreffend). 7. Gesteigerte Fahrlässigkeit öfter in neueren Best. §§ 138, 164: „leichtfertig"; 315a, 316: „rücksichtslos", dazu BGHSt. 5 395 unter Hinweis auf Charakterschuld. Näheres an den zit. Stellen. IV a.

Ausschließlich auf den beiden gesetzlichen Schuldtypen Vorsatz und Fahrlässigkeit ist das weitere Schuldurteil aufzubauen; über seine Stufen vgl. oben Syst. Vorbem. IV. Abzulehnen daher BGH J R 58 28, wo es heißt: „Indessen ist längst erkannt worden, daß die strafrechtliche Schuld nicht im Vorsatz und im psychologischen Element der Fahrlässigkeit besteht, sondern als Vorwerfbarkeit zu diesen inneren Vorgängen hinzutreten muß. Dieser Schuldbegriff schließt es nicht aus, jemandem auch einen Erfolg zum Vorwurf zu machen, auf den sich weder sein Vorsatz noch seine Fahrlässigkeit bezogen." Diese beiden Sätze sind kaum miteinander vereinbar. In der richtigen Feststellung, daß zu den inneren Vorgängen noch das Schuldurteil h i n z u t r e t e n muß, liegt die weitere, daß Vorsatz und Fahrlässigkeit G r u n d l a g e u n d V o r a u s s e t z u n g des normativen Schuldelements sind, also gerade das, was der zweite Satz verneint. Dieser Satz ist aber nicht mir logisch, sondern auch kriminalpolitisch bedenklich. Er bedroht das rechtsstaatliche Postulat, daß die gegenständlichen Verbrechensvoraussetzungen tatbestandlich fest umrissen und die Werturteile „Unrecht" und „Schuld" auf sie bezogen sein müssen. Das gilt für das Schuldurteil, das auf dem inneren Tatbestand aufbaut, nicht minder als für das Unrechtsurteil, das grundsätzlich auf dem äußeren Tatbestand aufbaut. Sonst wäre die Garantiefunktion der Tatbestände am entscheidenden Punkt entwertet. Eben deswegen ist unserem tatbestandsgeprägten Gesetz die Schuldbegründung mit dem Gedanken des versari in re illicita, auf den BGH J R 58 28 der Sache nach zurückgreift, notwendigerweise fremd. Mit Recht hat das Urteil sogleich Widerspruch gefunden, vgl. unten § 330a Anm. V 2. Auch der Beschluß GrSen. BGHSt. 10 259, auf den es sich beruft, wird seinerseits ganz überwiegend aus den gleichen Gründen abgelehnt. Vgl. Vorbem. IV 1 vor § 13. V. Irrtum. Der Begriff umfaßt die bloße Unkenntnis und die falsche Annahme (so zutr. Hardwig GA 1956, 369). — Die Frage nach dem I ist, soweit sie das Wissen der tatbestandsmäßigen Handlung betrifft, die Kehrseite der Frage nach dem Vorsatz; soweit sie die Verkennung ihrer Unerlaubtheit durch den Täter betrifft, die Kehrseite der Frage nach dem Bewußtsein der Rechtswidrigkeit. Im ersteren Falle spricht man von Tatbestands-, im zweiten von Verbotsirrtum. Dazu § 240 Anm. V mit weiteren Nachweisen dafür, daß der Ausdruck „Verbotsirrtum" irreführt. Sehr beachtliehe Kritik an der heutigen Unterscheidung der beiden Irrtumsarten jetzt bei Schönke-Schröder § 59 V 7.

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Der § 59 hat es nur mit dem TBI zu tun. Er besagt: Ein TBI schließt den Vorsatz aus. Der Täter kann aber wegen Fahrl. bestraft werden, wenn ein TBI ein verschuldeter war (wenn also dem Täter zum Vorwurf gemacht werden kann, daß er irrte) und wenn — was § 59 nicht sagt, weil es selbstverständlich ist — die betr. StrTat auch bei fahrl. Begehung unter Str. gestellt ist, z. B. §§ 163, 222, 230, 309. — Einzelnes über die Unterscheidung von TBI und Verbotsirrtum: 1. Ein Tatbestandsirrtum kann zweierlei Gestalt haben: a) Er kann sich beziehen auf das sinnenfällige äußere Geschehen, error facti i. e. S.: Der Täter sah, als er schoß, den Menschen nicht; oder er wußte nicht, daß das Gewehr geladen war. Oder b) Der Irrtum kann sich beziehen auf Eigenschaften des äußeren Geschehens oder sonstige Tatumstände, die nicht sinnlich wahrnehmbar sind, vielmehr den Objekten dieses Geschehens erst vermöge menschlicher Sinngebung zukommen: Der Täter wußte nicht, daß die Frau verheiratet war (§ 172); daß das Mädchen seine Schwester (§ 173), das Kind erst 13 Jahre alt war (§ 176, 3); daß an der Sache ein Pfandrecht bestand (§ 289); daß bei dem betr. Spiel nur der Zufall entschied (§ 285) u. v. a. In den Fällen a) und b) ist nach § 59 I Vorsatz ausgeschlossen. Ob Fahrlässigkeit gegeben, ist Tatfrage. Im Falle lb) kann jene dem Täter nicht bekannte Eigenschaft auch auf einer rechtlichen Zuordnung beruhen. Der Käufer nahm irrig an, mit der Einigung über Ware und Preis sei er schon Eigentümer geworden, die Sache war in seinen Augen also keine „fremde" mehr (betr. §§ 242, 246). Oder der Täter meinte, auf den abgelisteten oder abgenötigten VermVorteil einen rechtlichen Anspruch zu haben: BGHSt 3 123 betr. §263, 4 405 betr. §253, MDR 53 401, 402 betr. §255. Oder: die verschwiegene Tatsache falle nicht unter die Aussagepflicht: BGHSt. 3 236. Solche rechtlichen Zuordnungsmerkmale als „normative" TBMerkmale (über diesen Begriff Mezger LK § 59 Anm. 3 b) zu bezeichnen, ist irreführend, da es hier noch nicht um die Wertung des Handelns geht (so aber BGHSt. 4 352 und st.), sondern nur um ihre Sinnerfassung. Wie gegensätzlich die Wertimg bei gleichem rechtlichen Sinn sein kann, zeigen §§ 242ff. einerseits, §§ 288, 289 betr. „fremde" Sache andererseits. Zur Vieldeutigkeit der sog. normativen TBMe. vgl. allgemein v. Weber GA 1953, 162, Engisch Mezger-Festg. 127ff.; insbes. betr. „pflichtwidrig" in § 356 BGHSt. 5 287 und Welzel JZ 54, 277 einerseits, Busch, Mezger-Festg. 172 andererseits. Vgl. auch unten zu 3. Der objektive soziale Sinn einer Handlung hängt in erster Linie davon ab, ob sie Ausübung oder Behauptung eines Rechts oder aber ein Übergriff, ein unzulässiger Einbruch in fremdes Recht ist. Schießt jemand einen anderen nieder, weil er dessen scherzhaftes Drohen mit einem Revolver ernst nimmt, so ist er über die wirkliche Lage in dem entscheidenden Punkte nicht im Bilde. Infolgedessen verkennt er einen Tatumstand, der zum gesetzlichen Tatbestand — als Typisierung verbotener Übergriffe — gehört: er weiß nicht, daß das, was er tut, objektiv nicht Selbstbehauptung ist. Mit Recht sieht daher die Rspr. von jeher in der irrigen Annahme solcher den Sinn der Handlung umkehrenden, sie rechtfertigenden Umstände einen zum Tatbestand gehörigen Irrtum gemäß (oder entsprechend) § 59. So jetzt insbes. BGHSt. 3 194 betr. Notwehr, 3 105 betr. Züchtigungsrecht, NJW 64 480 betr. Drohung mit Strafanzeige. Besonders deutlich erkennt 5 StR 134/54 v. 18. 5. 54 im Erlaubnistatbestandsirrtum einen Fall des Tatbestandsirrtums (vgl. DreherMaaßen § 59 Nr. 6 c). In gleichem Sinne Arthur Kaufmann JZ 56, 353 und 393 (gegen diesen Fukuda JZ 58, 146) und bes. eingehend Engisch ZStW 70, 566ff. Inkonse16*

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quent die allgemein abgelehnte BGHSt. 3 8 betr. überges. Notstand (dagegen Lange J Z 53, 9ff., Schröder MDR 53, 72, ZStW 65, 207, Engisch ZStW 70, 586ff.). A. A. Welzel § 22 und die dort. Zit.; dazu unten Anm. VI a. E. Zum Irrtum über straferhöhende Umstände vgl. unten Anm. VII. 2. Verbotsirrtum. Während zum Vorsatz das W i s s e n von den e i n z e l n e n M e r k m a l e n und Eigenschaften der Handlung in ihrem sozialen S i n n e gehört, bedeutet Bewußtsein der Rechtswidrigkeit die (tatsächliche oder erwartete) abschließende G e s a m t b e w e r t u n g des eigenen Verhaltens in der konkreten Lage durch den Täter unter dem Gesichtspunkt des sozialethischen Unwerts und des daraus zu schließenden rechtlichen Verbotes. Vgl. oben II, I I I . Hier erst kommt es auf eine Parallelwertung in der Laiensphäre (nicht: auf Kenntnis des positiven Verbots) an, während zum Vorsatz nur die E i n s i c h t in die lebensmäßige B e d e u t u n g des Tuns unter diesen Umständen gehört. Deshalb ungenau vom Standpunkt der Schuldtheorie aus BGHSt. 8 123, 255: zum Vorsatz gehöre bei TBMerkmalen rechtlicher Natur wie „Fremdheit", „Zuständigkeit" eine „Wertung", und BGHSt. 4 352 betr. „Kreditinstitut" als „normatives" i. S. von „wertendem" TBM; darüber oben zu 1. a. E. Nur wenn man demgegenüber sinnhafte Einzelzuordnung einerseits und Unwertsaldo andererseits scharf trennt, ergibt sich ein sachlicher Unterschied zwischen Tatbestands- und Verbotsirrtum auch für die Auffassung des Tatbestandes als Unrechtstypisierung. Das Vorsatzerfordernis hat die Funktion, die T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t der Schuld, die intellektuelle Widerspiegelung des Geschehens im Inneren des Täters, zu gewährleisten. Dieses formale, rechtsstaatliche Moment gibt den Grund und zugleich die Grenze an für das Bew. der RW als das materielle sozialethische Moment der Eigenwertung der Tat durch den Täter. Dieses Unwerturteil wird durch den Schuldspruch lediglich nachvollzogen. Darin liegt zugleich die Legitimation des richterlichen Schuldurteils, das so dem Täter sein Recht zuteil werden läßt, ihn autonom, nicht heteronom beurteilt. — Über Verbotsirrtum bei u n e c h t e n U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e n vgl. oben I I I 2 a. E. und die dort Zit. sowie Syst. Vorbem. I I B II. 3. Einzelfragen, a) Ein Begriff kann m e h r s c h i c h t i g in dem Sinne sein, daß er 1. einer Sinngebung bedarf und 2. darüber hinaus zugleich das Unwerturteil über die Handlung ausspricht. So insbes. „pflichtwidrig" in § 356 (zutr. BGHSt. 3 400; 4 80; kritisch dazu BGHSt. 5 288). Hier ist zuerst — wie in BGHSt. 5 304 — für den objektiven Tatbestand zu klären, ob der Anwalt auch dann beiden Parteien „pflichtwidrig" dient, wenn sie ihren objektiven Interessengegensatz nicht austragen wollen. Jedenfalls in Strafsachen wird man dem hier unverzichtbaren Interesse der Rechtspflege den Vorrang vor dem der Parteien einräumen müssen (ob für Zivilsachen mit ihrer Dispositionsmaxime etwas anderes gilt, darüber unten zu § 356), den Tatbestand also zu bejahen haben, obwohl kein „Partei"-Verrat, sondern gerade umgekehrt Handeln im Sinne (nicht nur: im Einverständnis) beider Parteien vorliegt. Unter dieser Voraussetzung handelt der Anwalt, der den obj. Interessengegensatz erkennt, vorsätzlich, und es kommt nur falsche Bewertung des in seinem sozialen Sinn erkannten Verhaltens als nicht verboten in Betracht, wenn er sein Handeln dennoch nicht für „pflichtwidrig" hält. So auch BGHSt. 7 17 (23), 9 347. Selbstverständlich ist der Verbotsirrtum unter solchen Umständen entschuldigt, solange der obj. Sinn des TB im BGH selber streitig ist: vgl. z. B. BGHSt. 5 284 mit 301. So mit Recht auch Welzel JZ 54, 280.

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b) Wo einzelne Tatbestände einen allgemeinen Hinweis auf die Rechts Widrigkeit enthalten, sei es lediglich, weil auch rechtmäßiges Verhalten dieser Art häufig ist wie bei § 303, sei es um die bloß formelle zur materiellen RW zu vertiefen wie in §§ 240, 253, ist und bleibt die falsche Bewertung des eigenen Verhaltens als rechtmäßig lediglich ein Verbotsirrtum und wird durch die Nennung im TB nicht etwa zum Vorsatzausschluß. So zu § 240 grundlegend BGHSt. 2 194. Dagegen kann man nicht rechtlich charakterisierte Einzelmerkmale wie „zuständige" Behörde", „rechtsgültige Verordnimg", „rechtmäßige Amtsausübung", „Beamter" aus dem Tatbestand herausbrechen und zum allg. RW-Urteil schlagen, mit der Folge, daß ein Irrtum hierüber den Vorsatz unberührt lasse. (Zutr. BGHSt. 3 254 gegen Welzel JZ 52,133; treffend Schröder ZStW65,184ff.). Das wäre mit dem Sinn und der Auslese- und damit der rechtsstaatlichen Schutzfunktion der TBe. (oben zu 2) nicht vereinbar. Richtig ist, daß ein Irrtum über eigene oder fremde Befugnisse bald Tatbestands-, bald Verbotsirrtum sein kann: BGHSt. 10 8 (betr. eidlich vernommenen Beschuldigten), Hamm NJW 57 638 (Unterschreiben eines Wahlvorschlags als unbef. Stellvertreter). Dies hängt bald vom Vorstellungsinhalt, wie bei BGH a. a. O., bald von der Struktur der Tatbestände ab (so §§ 107 a, 108 d einerseits, § 267 andererseits bei Hamm a. a. O.). Daß eine Zuwiderhandlung geeignet ist, die Wirtschaftsordnung zu beeinträchtigen, brauche der Täter nicht zu erkennen; die Merkmale des § 6 Abs. 2 Nr. 1 WiStG gehörten nicht zum Tatbestand, sondern seien nur Richtlinien für den Richter: so GrSen. BGHSt. 11 263. Auch darin liegt eine bedenkliche Aushöhlung des Tatbestandes. Daß der Richter den Unrechtscharakter gewisser Tatbestände bestimmen soll (so BGH S. 265), überfordert seine durch die Gewaltenteilung begrenzte Aufgabe. Berechtigte Bedenken schon bei Lang-Hinrichsen, GA 1957, 225. c) Bei den klassischen Tatbeständen des StGB, deren Verbotsumschreibungen im allgemeinen geläufigen sozialen Wertungen entsprechen (anders z. B. bei § 356, s. o.), wird der Verbotsirrtum meist weniger die Normen selbst als das Eingreifen von Gegennormen oder Erlaubnissätzen betreffen. Der Täter meint etwa, er müsse sich als Beamter mit Waffengewalt auch da durchsetzen, wo mildere Mittel genügen. Oder er glaubt, man dürfe den ertappten Dieb verprügeln, dem säumigen Schuldner ohne weiteres das Geld gewaltsam abnehmen (vgl. BGH MDR 53 401), den Zögling mit der Faust schlagen (BGHSt. 3 105). Zutr. sieht der BGH solche Irrtümer über das Bestehen oder die Reichweite von Gegennormen oder Erlaubnissätzen als Verbotsirrtümer an: BGHSt. 3 105, 357, im Gegensatz zur irrigen Beurteilung von begleitenden Tatumständen, die dem Täter den Sinn des eigenen Verhaltens verdunkelt (oben zu 1 a. E.). d) In dem durch das Nebenstrafrecht sanktionierten Normenbereich dagegen wird oft umgekehrt das formelle Unrecht erst durch das Verbot geschaffen und ist wie dieses zeit- und umständebedingt. Hier sind die Tatbestände nicht nur ein Ausschnitt aus dem festen Bestände des schon vor der formellen Erfassung materiell Unrechten. Der Vorsatz kann daher seine Funktion als Grundlage für die eigene Unrechts-Bewertung der Tat durch den Täter nur dann erfüllen, wenn er auch die Tatsache umfaßt, daß das Verhalten verboten worden ist. Mit Grund haben daher wie früher schon das Steuer- und Devisenstrafrecht (§§ 395 RAO — hierzu E 69 195, BGH GA 1953 150 - , 71 DevGes. 38; über das alliierte DevR. Schulz DRZ 50,51) auch die neuen Nebenstrafgesetze, z. B. das Bundesjagdges. v. 29.11.52 § 38 II und das WiStG v. 9. 7. 54 §§ 1, 2 die Verbotskenntnis zum Vorsatz gezogen und die

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rechtsfahrlässige Verkennung von Verboten (Tatfahrlässigkeit kommt hier praktisch kaum in Betracht) als Fahrlässigkeit generell milder bestraft (vgl. insbes. § 4 WiStG). Die Irrtumsbest. des § 6 WiStG muß gegenüber der speziellen Regelung in den einzelnen Tatbeständen und den ihr Blankett ausfüllenden Bestimmungen (vgl. § 1 Abs. 2) insoweit zurücktreten; sie bleibt z. B. f ü r die irrige Annahme, in bestimmter Lage verbotswidrig handeln zu dürfen, bedeutsam. Beispiele: Wer nicht wußte, daß er unausgenutzte Benzinmarken nicht weitergeben durfte (§ 11 WiStG 1952) oder daß sein Motorradversand auf Abzahlung nach dem Ges. über das Kreditwesen genehmigungspflichtig war, übertrat diese Vorschriften nicht vorsätzlich, auch wenn er „seine geistigen und sittlichen K r ä f t e " insoweit „nicht gehörig angespannt" h a t t e (gegen BGHSt. 4 236, 242, 244 und 347, 352; vgl. auch J Z 56, 79 Anm. 64). Wer annimmt, daß die von ihm vermietete Wohnung nicht unter das Wohnraumbewirtschaftungsgesetz fällt, kann dessen Bestimmungen nicht vorsätzlich übertreten. Irrig BGHSt. 9 358 (zust. Welzel J Z 57,129); hiergegen eingeh. J Z 5 6 , 519. Über die,,Geistesakrobatik", zu der sichKG N J W 58 921 in dieser Materie genötigt sieht, vgl. Anm. Schröder ebendort. Zutr. BayObLG St. 5 202 = GA 1956 90. — Wer nicht weiß, daß eine Schrift in die Liste jugendgefährdenden Schrifttums aufgenommen und dies bekannt gemacht ist, irrt über den Tatbestand: so mit Recht Hamburg GA 1957 59 betr. § 2 Abs. 2, § 21 Abs. 1 des Ges. v. 9. 6. 53. Die Gegenmeinung ist gezwungen, loyale Bürger zu vorsätzlichen Rechtsbrechern zu stempeln. Sie f ü h r t zu sachlich unannehmbaren Ergebnissen und ist schon mit dem Sprachsinn des Gesetzes unvereinbar. Wer ein Stopschild, das er nicht gesehen hat, überfährt, soll nach ihr v o r s ä t z l i c h dem Haltegebot zuwidergehandelt haben! Weitere Fälle dieser Art oben Syst. V o r b e m . I V 4 b u n d JZ56,519. Um derartige Absurditäten künftig zu vermeiden, verlangt Welzel § 22 A I I 3 d neuerdings vom Gesetzgeber, daß er das Wort „vorsätzlich", das er hier nicht verwenden dürfe (!), durch ein anderes ersetze. Die heutigen Nebengesetze wären demnach durchweg „falsch". Aber die Theorie des Gesetzes h a t sich nach dem Gesetz zu richten und nicht umgekehrt. Vgl. J Z 57, 237. — I n der Sache gibt damit Welzel nunmehr zu (entgegen J Z 56, 238), daß vorsätzliche Zuwiderhandlung die Zuwiderhandlung in Verbotskenntnis meint. Die Terminologie ist demgegenüber Nebensache. Der hier vertretenen, in J Z 56, 73 und 519 sowie 57, 233 entwickelten Lehre stimmen im wesentlichen zu: Schönke-Schröder § 59 Anm. V I I I u n d I X , Mezger L K § 5 9 1 6 a . E . , Hardwig GA 1956, 372, Maihofer ZStW 70, 193. A . A . außer Welzel (JZ 56, 238), Boldt ZStW 68, 638. Richtig ist Maurachs Bemerkung, daß sich „ K e r n s t r a f r e c h t " und Nebenstrafrecht heute nicht scharf gegeneinander abgrenzen lassen (§ 37 I B 3). Wie schon J Z 57, 237 gezeigt, kann im Grenzbereich zwischen beiden der Gesetzgeber sogar nebeneinander an die konkrete sozial-ethische Unerträglichkeit bestimmter Handlungen und an die abstrakte Verbotswidrigkeit anknüpfen. Ob er das letztere t u t , steht hier in seinem Willen, der in der Form des Gesetzes klaren Ausdruck findet. E r spricht dann von „ Z u w i d e r h a n d l u n g e n " oder „ V e r s t ö ß e n " gegen V e r b o t e , G e b o t e , V o r s c h r i f t e n usw. u n d verwendet, da er auf V e r w a l t u n g s a n o r d n u n g e n Bezug nimmt, notwendigerweise B l a n k e t t g e s e t z e (vgl. oben Anm. I I 2 i ) . , e) Der Streit darüber, ob das Bew. d. R W zum Vorsatz gehöre oder ein besonderes Schuldmoment bilde und dementsprechend ein I r r t u m hierüber anders als ein vorsatzausschließender I r r t u m zu behandeln sei, läßt sich also jedenfalls bei der

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gegenwärtigen Gesetzeslage nicht so abstrakt entscheiden wie der GrSen. in BGHSt. 2 204ff. vermeinte, der nicht den Tatbeständen, sondern nur den abstrakten Irrtumsvorschriften des WiStG (52) nachgegangen war. Und wenn der BGH bei verschuldetem Verbotsirrtum eine Strafmilderung nur gem. § 44 Abs. 2, 3 zuläßt, so findet er für diese Begrenzung im Wesen der Versuchsbestimmung, die nichts mit Schuldfragen zu tun hat, keinen Anhalt. Nur die — merkwürdig beiläufige — Bezugnahme auf § 51 Abs. 2 vermag diesen Strafrahmen zu rechtfertigen: der verminderten Zurechnungsfähigkeit entspricht die infolge der falschen Bewertung des eigenen Verhaltens verminderte Zurechenbarkeit der Tatbestandskenntnis. 4. Unbeachtlich sind grundsätzlich Irrtümer, die weder den Tatbestand noch •die materielle Rechtswidrigkeit des Verhaltens noch entschuldigende Lagen (über •diese oben § 52 Anm. V) betreffen. So insbesondere. a) Der Irrtum über E i n z e l h e i t e n d e r T a t , die den Tatbestand nicht berühren. So der I über Einzelheiten des K a u s a l v e r l a u f s . Vorsätzliche Tötung, wenn zwar die Beilhiebe nicht tödlich waren, der Tod aber infolge Infektion eintrat: E 70 258. Aber auch wenn der mit Tötungsvorsatz Verletzte als vermeintlich Toter ins Wasser geworfen und erst dadurch getötet wird: E 67 258. Vgl. ferner H R R 39 395; DR 43 576; OGHSt. 2 64. Darin liegt noch nicht sog. dolus generalis, wie OGHSt. 1 76 meint (dazu Härtung SJZ 49, 68), sondern nur der Rückgriff auf den Maßstab der Adäquanz: ob das Verhalten des Täters den konkreten gewollten Erfolg in tatbestandsmäßiger, d. h. generell voraussehbarer Weise herbeigeführt hat. Näheres darüber oben zu § 56. Zutr. Welzel § 13 I 3d). Unerheblich deshalb insbes. der I r r t u m i m G e g e n s t a n d (error in persona sive in obiecto), solange dieser tatbestandlich gleichwertig, z. B. ein Mensch ist: der Täter erschießt im Dunkeln die vor ihm hergehende Person, weil er sie für seinen Feind X hält, während es sein Freund Y ist (hier b e t r i f f t der Irrtum nicht den Kausalverlauf, sondern nur die Motivation). E 18 338, 19 179; betr. Anstifter PrObTrib. GA 7 332 (Fall RoseRosahl), E 70 295. Überhaupt nicht um einen Irrtumsfall, nämlich ein Fehlgehen der Vorstellung, sondern um ein F e h l g e h e n d e r H a n d l u n g bei richtiger Vorstellung handelt es sich bei der aberratio ictus: der Täter schießt auf A, tötet aber den B, der unversehens die Schußbahn kreuzt: Tötungsversuch, daneben evtl. fahrl. Tötung. E 58 27 und die h. L., dagegen Frank, L.-Schm., Welzel. BGHSt. 9 240 (242) läßt die Frage offen. b) Der bloße S u b s u m t i o n s i r r t u m , bei dem der Täter durch die Maschen des Cesetzes zu schlüpfen glaubt, ohne sich über das für das rechtlich geordnete Zusammenleben Unzulässige seines Verhaltens zu täuschen. Er hält z. B. Gas nicht f ü r eine „Sache" i. S. des § 242 und glaubt es deshalb straflos aus fremder Leitung abzapfen zu können. Sinnerkenntnis und materielle negative Bewertung des eigenen Tuns werden von diesem I über die Strafbarkeit nicht berührt. Bei sog. Komplexbegriffen (v. Hippel; vgl. Mezger LK 8 17 a) b) aa) zu § 59, v. Weber GA 1953,161), die tatsächliche und rechtliche, also sinnerfüllte Merkmale vereinigen, wie z. B. „Urkunde", ist zu scheiden: hat der Täter die soziale Bedeutung, hier also die materielle Beweiserheblichkeit verkannt, so fehlt der Vorsatz; hat er lediglich formell den Begriff der Urkunde falsch ausgelegt, z. B. Schriftform f ü r erforderlich gehalten, so ist dies unbeachtlich. Wo rechtliche TB-Merkmale als solche darüber hinaus schon das strafrechtliche Unwerturteil ausprägen, wie „mißhandeln", „unzüchtige Handlungen" (nur in solchen Fällen sollte man, um Mißverständnisse zu verhüten,

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von „normativen" TBMen sprechen), ist ebenfalls zu unterscheiden, ob die Bedeutungskenntnis fehlt: derber Schlag als Begrüßung, Karnevalsfreiheiten, oder vorhanden war: dann etwaiger Subsumtionsirrtum unbeachtlich. Im einzelnen Auslegungsfragen des Bes. Teils. VI. Irrtum bei olfeneil, insbes. Blankettstrafgesetzen (vgl. hierzu die gründliche Studie von Warda). — So nennt man (seit Binding 1872) Gesetze, die n u r e i n e S t r D r o h u n g enthalten, wegen d e r N o r m aber (dessen also, was ver- oder geboten ist) auf a n d e r e Ge oder VOen verweisen. Beisp. im StGB: §§ 145, 327f. und viele im 29. Abschn. Neuerdings immer zahlreicher in Nebengesetzen, bes. im Wirtschaftsrecht. Das ergibt sich notwendig aus dessen wandelbarer und vielfach ephemärer Natur, die eine Auswechselung oder Streichung der Normen oder Nichtausfüllung von Blanketts je nach dem Wandel der hier meist rein rationalen Interessen und damit auch einen ständigen Wechsel des Anwendungsbereichs der strafrechtlichen Sanktionen mit sich bringt. Was oben zu V 3 d) über die besondere gesetzliche Gestaltung des Irrtums im Nebenstrafrecht gesagt wurde, gibt daher zugleich den Schlüssel f ü r die Behandlung des Irrtums bei Blankettstrafgesetzen. Die hier aufgetretenen, von der Schuldtheorie ausgehenden Streitfragen (vgl. Eb. Schmidt SJZ 50, 837 betr. „bezugsbeschränkte Erzeugnisse", Härtung NJW 51, 210 betr. „Lebensmittel", Welzel NJW 53, 487 betr. „Steuerpflicht", dazu und dagegen Warda a.a.O.) sind gegenstandslos. Bei — echten wie unechten — Unterlassungsdelikten kann die soziale Bedeutung des eigenen passiven Verhaltens dem Täter erst dann aufgehen, wenn er in der Lage ist — lebensmäßig, nicht durch juristische Subsumtion, BGHSt. 2 155 — seine Verpflichtung zum Eingreifen, bzw. seine Garantenpflicht zur Erfolgsabwendung zu erkennen. Auch hier ist zu unterscheiden: Die Zuwiderhandlungen z. B. des WiStG sind Ungehorsam gegen positive Gebote; diese muß also der Täter kennen. Im übrigen gehört, wie die Garantenstellung zum objektiven Tatbestand (oben Syst. Vorbem. I I B I I 3), so die Kenntnis ihrer Bedeutung (nicht nur der zugrunde liegenden Tatsachen) zum subjektiven. Zutr. insoweit BGHSt. 2 155, S 89, NJW 58 591, Gallas JZ 52, 373, ZStW 67, 26f., abl. zu BGHSt. 3 89 Welzel § 27 IV. Der Bademeister muß wissen, daß er Badende im Notfall zu retten hat (Börker J R 56, 90), der Bereitschaftsarzt, daß er nicht nur kollegiale Pflichten übernommen hat (BGHSt. 7 212). Wer jedoch über seine Garantenstellung im Bilde ist, aber meint, er brauche ihr aus bestimmten Gründen nicht zu entsprechen, befindet sich in Ge- oder Verbotsirrtum (LM Nr. 10 vor § 47, Welzel § 26 III, 27 IV, Börker a. a. O.). Vgl. aber auch oben I I I 2 a. E. VII. Straferhöhende Umstände z. B. in §§ 340ff. (Beamteneigenschaft), § 243 (schwerer Diebstahl). Hierher gehören auch die „ b e s o n d e r s s c h w e r e n F ä l l e " der §§ 263, 266: Der Täter muß diejenigen Tatumstände, die den Betrug oder die Untreue als „besonders schwer" erscheinen lassen, gekannt haben. — Entsprechend § 217 (die Kindsmörderin hält das eheliche Band irrtümlich für unehelich: §§ 211, 212 unanwendbar). Der Entw. 1959 § 19 Abs. 2 berücksichtigt diesen Fall ausdrücklich. — Über Rückfall vgl. Anm. I zu 244 und BGH NJW 52 230: die irrige An-

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nähme des Täters, seine Vorstrafen seien gelöscht, schließt § 264 nicht aus. Über die Straferhöhungen bei schwererem E r f o l g (z. B. §§ 178, 226, 306) vgl. oben au §56. Anrechnung der Untersuchungshaft § 6 0 Eine erlittene Untersuchungshaft oder einstweilige Unterbringung kann bei Fällung des Urteils auf die erkannte Strafe ganz oder teilweise angerechnet werden. Schrifttum: W ü r t e n b e r g e r J Z 52, 545. — N i e d e r r e u t h e r in D J 40, 611, A c k e r m a n n , N J W 50, 367, S e i b e r t , DRiZ 55, 288. I. Zweck. Der § 60 bezieht sich nur auf die vor RKxaft erlittene U H a f t . Hier gibt er dem Richter die Möglichkeit der Anrechnung, die oft billig ist. Und zwar auch dem Revisionsrichter, auch in einem die Rev. als offensichtlich unbegründet verwerfenden Beschluß: BGH MDR 51 145; Kiel N J W 47/48 390. Bei erneuter Verurteilung nach Aufhebung des l . U r t . darf dem Angekl. kein „Risiko" des Revisionszeitraumes auferlegt werden: BGH MDR 54 371, J Z 52 754. Auch nicht bei erfolglosen (nur bei mutwilligen) Haftbeschwerden (BGH MDR 64 150), mangelnder Mitwirkung an der Aufkl.: MDR 53 272 oder weil sie der Angekl. wegen seiner Vorstrafen „nicht verdiene": BGH N J W 56 879. Die A. d. U. ist kein Gnadenerweis für den Geständigen, und ihre Versagung darf keine zusätzliche Strafe f ü r den Leugnenden sein: BGH N J W 56 1845. Die Entscheidung folgt den Strafzwecken: BGH J Z 56 695 (Würtenberger), vgl. Anm. V. Eine nach R e c h t s k r a f t des Urteils erlittene Uhaft m u ß angerechnet werden; denn es war Sache der Behörde, die H a f t dann entweder in Strafhaft zu verwandeln oder aufzuheben (StPO § 450). II. „Erlitten" ist nur die tatsächlich vollstreckte: E 54 24. Anger. U H a f t ist verbüßte Strafe; i. S. des § 26: BGHSt. 6 215; generell: 6 179. III. Untersuchungshaft hier jede a n l ä ß l i c h d e r S t r T a t v o r g e n o m m e n e b e h ö r d l i c h e F r e i h e i t s e n t z i e h u n g . Diese weite Umgrenzung ist, da §60 nur „Kann"-Vorschrift, unbedenklich und durch die Entwicklung geboten. Berufungsund Revisionshaft: Köln N J W 53 796. Auch polizeiliche Vorbeugungs- oder Schutzhaft, falls sie zwar anläßlich einer Straftat, aber nicht zwecks Sicherstellung des Strafverfahrens angeordnet wurde, ist uneingeschränkt anrechnungsfähig. Denn sogar eine nach StPO §126a erfolgte einstweilige „Unterbringung" kann angerechnet werden. Ähnlich (teilweise noch mit ungerechtfertigten Einschränkungen): E 69 327, H R R 39 390, 586, 1278, D R 39 988. U. gem. § 81 StPO: BGHSt. 4 325. - Auch zivile Internierungshaft nach der Kapitulation kann u. U. als U H a f t angerechnet werden: OGHBrZ in DRZ 49 139, BGHSt. 5 59. — Ebenso im Ausland verbüßte Auslieferungshaft: E 38 182, BGH GA 1956 120, anders Celle GA 1955 184. — Arbeitslager als polit. Sühnemaßn. will BGH N J W 52 392 n i c h t anrechnen. IV. Einstweilige Unterbringung: in öffentl. Heil- oder Pflegeanstalt: StPO § 126a. - Betr. § 81 StPO s. o. Anm. III. V. Die Anrechnung steht zwar im Ermessen des Richters, BGH MDR 52 16. Das Urteil muß aber erkennen lassen, daß die Frage geprüft wurde. Andernfalls

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revisibler Verstoß gegen StPO § 267 III. So mit Recht H R R 39 340, 1317, BGHSt. 3 330, 7 214. Weniger streng H R R 39 1278, München NJW 51 85. — Nichtanr. bei Geständigem unzulässig: BGH JZ 52 754. Zum Verfahren BGH JZ 56 695 (Würtenberger): zunächst ist regelmäßig die zu verhängende Strafe festzusetzen. Die Anrechnung folgt sodann den Vollzugs- und Zumessungsgrundsätzen. VI. Strafe: D. h. auf zeitige Freiheitsstrafe, auf Ersatzfreiheitsstrafe, auf Geldstrafe (E 54 24, BGH MDR 52 16; über ihre Berechnung MDR 52 657), auf Wertersatz (HRR 39 1279). — Nach der billigenswerten E 75 279 darf UHaft auch auf J u g e n d a r r e s t angerechnet werden, obwohl dieser, streng genommen, keine „Strafe", sondern ein Z u c h t m i t t e l darstellen soll. Vgl. jetzt §§51 I, 87 I I JGG. VII. Bei mehreren Straftaten ist Anrechnung nur zulässig, wenn sie in demselben Verfahren abgeurteilt werden; dann aber auch, wenn UH wegen eines Deliktes verhängt war, dessentwegenFreisprechung oderEinstellung erfolgte: E 71 140. — Sinkt durch solche Anrechnung der Rest der verwirkten Strafe unter das Mindestmaß der Strafart, so findet Umwandlung nicht statt. — Auf welche von mehreren Strafen, steht im Ermessen des Richters: Tübingen MDR 49 121. — Die angerechnete UH ist vom Ende der Strafzeit zu kürzen: E 29 75. — Vgl. § 19 A. I, entspr. § 21. - Betr. Ende: Krauss NJW 54, 1229. Strafantrag

§ 6 1 Eine Handlung, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt, ist nicht zu verfolgen, Trenn der zum Antrag Berechtigte es unterläßt, den Antrag binnen drei Monaten zu stellen. Diese Frist beginnt mit dem Tage, seit welchem der zum Antrag Berechtigte von der Handlung und von der Person des Täters Kenntnis gehabt hat. Schrifttum: Zum Strafantrag durch Bevollmächtigten v. T a n n s t e i n NJW 55, 1710, S t r e e NJW 56, 454. — Zum Strafantrag durch Strafanzeige S t r e e MDR 56, 723. — Freisprach bei fehlendem Strafantrag ? B i n d o k a t NJW 55, 1863. I. Unterscheide: Offizialdelikte und Antragsdelikte. Zu letzteren vgl. auch StPO §§ 43, 127 Abs. 3; §§ 130, 158 Abs. 2; §§ 374, 375, 395, 470. - Von der Antragsbefugnis verschieden ist die P r i v a t k l a g e b e f u g n i s , die bei mehreren (keineswegs allen) Antragsdelikten, aber auch bei einigen Offizialdelikten gegeben ist: darüber StPO §§ 374ff. Die Kreise der Antrags- und der Privatklagetaten schneiden sich also. — Entspr. Anw. des § 232 Abs. 1 (amtl. Einschreiten bei bes. off. Interesse) auch bei tätlicher Beleidigung unzulässig: BGHSt. 7 256. II. Der Strafantrag ist Prozeßvoraussetzung (Vorbem. VII vor § 1). Er kann noch in der RevVerhdlg. nachgeholt werden: E 68 120, BGHSt. 3 73. Auch ohne Antrag ist die Handlung also rechtswidrig und „strafbar" (wichtig z. B. wegen §§ 47 ff., 53, 259). E 2 221, 6 161, 45 128, 57 143. Vgl. ferner E 46 269 (trotz prozess. Natur des Antrags sei § 2 I I anwendbar). Freilich auch Anm. V Abs. 2! III. Das Antragserfordernis gilt für alle Erscheinungsformen des Verbrechens: Täterschaft, Versuch, Anstiftung, Beihilfe. — Umfaßt eine F o r t s e t z u n g s t a t

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Offizialdelikte und Antragsdelikte, so ist nach E 71 286 ein Antrag nicht nötig. Ebenso nicht bei I d K o n k . von OffDel. und ADel. Nur ist hier die Verfolgung auf den Gesichtspunkt des OffDel. beschränkt (E 33 339): z. B. IdKonk. von falscher Anschuldigung und Beleidigung, von Verkehrsübertretung und fahrl. Körperverletzung: BayObLG GA 1956 324 ( = VerkMitt. 55, 65 m. Anm. Booss). — Bei IdKonk. sachliche Beschränkung auf einzelne der beleidigenden Behauptungen möglich: Frankfurt NJW 52 1388. Abweichend Koblbenz NJW 56 1729. — Eine fortgesetzte Hdlg. wird in ihrem ganzen Umfang gedeckt: Hamburg NJW 56 522. Allgemein die ganze Tat i. S. d. § 264 StPO: KG J R 56 321. IV. Auch Verhängung einer Maßregel der Sicherung oder Besserung setzt eine strafrechtl. Verfolgung voraus, einerlei ob es sich um ein ordentl. Strafverfahren oder um ein selbständiges Sicherungsverfahren gemäß StPO § 429 a handelt. Auch hier also bei Antragsdelikten StrAntrag nötig. Ein solcher braucht aber nicht ausdrücklich auf „Bestrafung" gerichtet zu sein; Antrag auf Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt genügt. E 71 218, aufrechterhalten in E 71 321 und D J 39 1044. Ebenso BGH, 1. Sen., a n d e r s 5. Sen. in MDR 54 152 (Übersicht) = BGHSt. 5 140. V. Antragsberechtigter ist, soweit ihn das Gesetz nicht nennt (wie z. B. in § 182), der unmittelbar Verletzte, d. h. der unmittelbare Träger des angegriffenen Rechtsgutes: E 19 250; vgl. auch E 40 184, 41 103; in einzelnen Fällen auch der mittelbar Verletzte (§§ 196, 232). — Eine Vertretung des Berechtigten in d e r E r k l ä r u n g ist stets zulässig; eine Vertretung im W i l l e n u n a b h ä n g i g v o m V e r l e t z t e n in den gesetzlich bestimmten Fällen (§§65, 196, 232); allgemein dagegen als Ausfluß einer vom Verletzten eingeräumten Vertretungsmacht zur Wahrnehmung des verletzten Rechtsgutes: E 43 44, 65 357 (Ausn. bei immateriellen Gütern, z. B. Ehre: E 21 231). — Ist der g e s e t z l . V e r t r . s e l b s t d e r T ä t e r , so ist er rechtlieh verhindert, den StrAntrag zu stellen. Für den Verletzten ist ein Pfleger zu bestellen. Erst mit dessen Kenntnisnahme von Tat und Täter beginnt die Frist für den StrAntrag. E 73 113. Bloßer Interessengegensatz zum Vertretenen schließt aber AntrR des ges. Vertreters nicht aus: BGHSt. 6 155. — Das ARecht ist nicht vererblich. E 11 53, 43 335, 57 241. Dort, wo der StrAntrag einer Behörde vorgesehen ist, behandelt die Rechtspr. diesen nicht als „Antrag" i. S. der §§ 61 ff.: E 75 306, 361; 76 55; BGH MDR 53 401. So auch nicht im Hinblick auf die Bestimmung des § 2 über die Möglichkeit, ein „milderes" Gesetz rückwirken zu lassen: E 75 306. Vgl. über die grundsätzliche Bedeutung der Unterscheidung Bockelmann DR 41, 2182. VI. Verzicht auf StrA ist wirkungslos: E 3 221, 14 202. A. A. wohl Hamm JMB1. NRW 53 35. VII. Die Dreimonatsfrist soll den Zustand der Unsicherheit darüber, ob der Staat den Täter verfolgen muß, zeitlich begrenzen. Sie ist Ausschlußfrist, Bremen GA 1956 185. Sie läuft jedoch nur, wenn der Ber. körperlich und rechtlich in der Lage ist, den A zu stellen: BGHSt. 2 124. — Fristende: Düsseldorf N J W 53 37, Frankfurt NJW 53 1235 betr. Feiertage; dagegen Brückner NJW 54, 1717. — Abweichende Berechnung in §§ 198, 232 und StPO § 388. 1. Handlung hier einschließlich Erfolg (E 61299). — Beim Kollektivdelikt (Vorbem. I I 3 vor § 73): mit Aufhören der verbrecherischen Tätigkeit; beim Dauerdelikt (Vorbem. I I 2 vor § 73) mit Endigung dea deliktischen Zustandes: E 43 285.

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Beim fortgesetzten Delikt (Vorbem. I I 1 vor § 73) erstreckt sich der Antrag auf die Tätigkeit im ganzen (als Einheit), d. h. auch auf Handlungen, für welche als einzelne die Frist abgelaufen wäre (E 20 226), sowie auf dem Antrag nachfolgende (Teil-) Handlungen: E 40 319, 40 329, 47 201. Die Frist beginnt mit der letzten Einzelhandlung: E 16 370, 61 299. — Vgl. auch unten zu 3. 2. Person des Täters: irgendeines strafbar Beteiligten. E 9 390. — Richtige Angabe des Namens des Täters ist. nur bei den sog. relativen ADelikten (§§ 247, 263 V, 266 III, 289, 292) erforderlich: E 7 35, 20 54, 27 34. 3. Kenntnisnahme. Vermutungen genügen nicht. Nötig ist ernster Verdacht, daß die Straftat als solche begangen ist, E 75 298; so zuverlässige Kenntnis von Tat und Täter, daß alle Umstände abzuwägen sind: Frankfurt NJW 52 236. Der Antragsberechtigte muß die Einzelheiten eines Unfalls so weit kennen, daß ihm die Antragstellung vernünftigerweise zugemutet werden kann; den Namen des Antragsgegners braucht er nicht t,u wissen. Stuttgart NJW 55 73, ähnlich Hamm VRS 10 134. VIll. Antragstellung unter aufschiebender Bedingung ist nicht gültig; auflösende Bedingungen sind nicht zu beachten. Vgl. Bergmann MDR 54, 660, Oldenburg MDR 64 55. Es ist festzustellen, ob der Antrag ernstlich gewollt ist: E 14 96. Unrichtige rechtliche Bezeichnung der Tat ist unerheblich; wenn nur erkennbar, welche Hdlg. verfolgt werden soll (E 65 357, KG GA 1953 123).

§62 Wenn von mehreren zum Antrag Berechtigten einer die dreimonatige Frist versäumt, so wird hierdurch das Recht der übrigen nicht ausgeschlossen Gemäß §§ 65, 182, 196, 232 Abs. 3; oder mehrere Verletzte. Selbständigkeit der Rechte: Vgl. E 46 203, 73 116: für jeden läuft eine eigene Frist; sein Antrag zählt nicht für die übrigen, E 72 44. § 63. Der Antrag kann nicht geteilt werden. Das gerichtliche Verfahren findet gegen sämtliche an der Handlung Beteiligte (Täter und Teilnehmer) sowie gegen den Begünstiger statt, auch wenn nur gegen eine dieser Personen auf Bestrafung angetragen worden ist. Durch VO v. 29. 5. 43 gestrichen. Zurücknahme des Antrags

§64

Die Zurücknahme des Antrages ist nur in den gesetzlich besonders vorgesehenen Fällen und nur bis zur Verkündung eines auf Strafe lautenden Urteils zulässig. I. Form der Zurücknahme gleichgültig. Adressat: die Behörde, welche zur Zeit der Zurücknahme mit der Sache befaßt ist. E 8 79, 52 200. Berechtigter: Der Antragsteller. Betr. Stellvertretung gilt Anm. V zu § 61, II zu § 65. Rücknahme durch Ver-

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t r e t e r auch bei höchstpersönlichem Rechtsgut möglich; auch unter der B e dingung der Freiheit von jeder Kostenlast: BGHSt. 9 149 ( = J Z 56 764, Anm. Henkel). Der Vertretene kann den vom Vertreter gestellten A nach Ablauf der Vertretungsbefugnis zurücknehmen, z. B. der volljährig gewordene Mündel den A des Vormundes: E 22 256. Widerruf der Zurücknahme und Erneuerung des gültig zurückgenommenen A ist unzulässig. Über den Verzicht s. oben § 61 Anm. VI und E 36 64. n . Gesetzlich besonders vorgesehene Fälle in §§ 104a, 123, 194, 232, 247, 248a, 263, 264a, 266, 292, 303, 370 und vielen Nebengesetzen. III. Urteil auf Strafe oder, falls Freispruch wegen Unzurechnungsfähigkeit: auf Unterbringung gemäß § 42b: E 72 353. Rücknahme bis zum B e g i n n der Verkündigung von Urteilsformel und -gründen, eines einheitlichen Vorgangs (E 67 268), zulässig. — Nicht mehr, wenn Verurteilung zwar nicht wegen des Antrdel., aber wegen eines tateinheitlichen OffizDel.: Köln MDR 64 629; vgl. E 8 175. — Abweichende Frist in SeemO § 96. — Ist gegen e i n e n von m e h r e r e n an einem Antragsvergehen Beteiligten ein auf Strafe lautendes Urteil verkündet, so kann auch den anderen gegenüber der StrAntrag nicht mehr zurückgenommen werden. So E 64 392. Ob diese auf den Grundsatz der Unteilbarkeit des Strafantrags (fr. § 63) gestützte Entsch. noch aufrechterhalten werden kann, ist zweifelhaft und wohl zu verneinen. — Die P r i v a t k l a g e kann bis zur Verkündung des Urteils zweiter Instanz zurückgenommen werden (StPO § 391). Die Zurücknahme der PrKl. ist aber Zurücknahme des in ihr liegenden Antrags nur, soweit dieser zurücknehmbar ist und nicht § 64 der Zurücknahme entgegensteht. Andernfalls bleibt er gestellt und ist nun öffentliche Klage möglich: E 8 207, 19 284. A ntragsmündigkeil § 6 5 (1) Der Verletzte, welcher das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, ist selbständig zu dem Antrag auf Bestrafung berechtigt. Solange er minderjährig ist, hat unabhängig von seiner eigenen Befugnis auch sein gesetzlicher Vertreter das Recht, den Antrag zu stellen. (2) Ist der Verletzte geschäftsunfähig oder hat er das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet, so ist sein gesetzlicher Vertreter der zur Stellung des Antrages Berechtigte. I. Der Verletzte: vgl. § 61 Anm. V. II. Der gesetzliche Vertreter handelt gem. Abs. 1 wie Abs. 2 nicht kraft eigenen Rechtes, sondern eines aus dem Rechte des Vertretenen abgeleiteten: E 22 256, 57 240, Oldenburg N J W 56 682. Daher erlischt sein Recht mit dem Tode des Vertretenen, E 57 241. — Ist der gesetzl. Vertr. a. d. StrTat beteiligt, so ist er, als Gegner des Vertretenen, zur Vertretung nicht befugt (E 73 113, BGH MDR 54 530; der nicht als Täter ausgeschlossene Elternteil ist jedoch befugt, BayObLG N J W 56 1608 mit Anm. Schwoerer 1688). Bei Ausschluß des ges. Vertr. (und ebenso, wenn er pflichtwidrig einen Antrag unterläßt) kann dem Verletzten (gemäß B G B §§ 1629, 1795, 1796, 1909) ein P f l e g e r (zwecks Antragstellung, § 1915 BGB) bestellt wer-

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den; E 4 145, 35 47, 50 156. Die Frist des § 61 läuft dann vom Tage ab, an dem der Pfleger Kenntnis von T a t und Täter h a t t e ; vgl. auch hinsichtlich der Fristberechnung bei Geisteskranken E 27 366. — Bei bloßem Interessengegensatz zwischen Vertretenem und Vertreter entfällt dessen ARecht nicht; auch wenn f ü r jenen selbst Strafverfolgung drohen würde: BGHSt. 6 155. — Auch das V o r m u n d e c h a f t s g e r i c h t ist antragsberechtigt, falls BGB § 1846 gegeben: D R 41 1837. J e t z t auch die Mutter, der nach Scheidung das Personensorgerecht übertragen ist (§ 78 EheG 46) : BGH MDR 53 596, mit der Folge MDR 54 530. — Den Strafantrag des ges. Vertreters des ehelichen Kindes müssen nach BayObLG N J W 56 521 beide Elternteile stellen. Dagegen zutr. Bosch FamRZ 56, 89. Vgl. über die mit der Gleichberechtigung entstandenen Fragen ferner Seibert DRiZ 56, 286, über den Einfluß der Ehescheidung Stree FamRZ 56, 365. III. Prozessuales: Nach StPO § 374 hat der selbständig zum Antrag Berechtigte auch das Recht, P r i v a t k l a g e zu erheben. — I n den Fällen der §§ 196, 232 konkurriert das dort gegebene Antragsrecht des V o r g e s e t z t e n gegebenenfalls mit dem des gesetzlichen Vertreters: E 12 415. — Ehefrau im Interesse des Ehemannes: BGH MDR 55 143. IV. Geschäftsunfähigkeit: vgl. BGB § 104. — Nicht bei nur beschränkter Geschäftsfähigkeit, BGB §§ 6, 114, 1906: E 34 98. Verjährung § 6 6 Durch Verjährung wird die Strafverfolgung und die Strafvollstreckung ausgeschlossen. Ein 1943 eingef. Abs. 2, der dem Staatsanwalt die Verfolgung ganz frei gab, wenn lebensl. Zuchthaus zu erwarten war, ist durch das 3. StÄG 1953 gestrichen. — Über die Zulässigkeit der Fristverlängerung bei der Yerfolgungsverj. und allg. zu deren Wesen vgl. § 67 Anm. I. Die Vollstreckungsverj. läßt den staatl. Vollstreckungsanspruch untergehen. Vgl. § 70 Anm. I . Schrifttum: P u d o r , GA 56, 183 (zur Verjährung der noch nicht verfolgbaren Delikte). — L o r e n z , Die Verjährung in d. dt. Strafgesetzgebung, 1955. B r u n s N J W 58,1257: Wann beginnt die Verfolgungsverjährung ? Vgl. ferner § 67 Anm. I I . S trafverfolgungsverjährung § 6 7 (1) Die Strafverfolgung von Verbrechen verjährt, wenn sie mit lebenslangem Zuchthaus bedroht sind, in zwanzig Jahren; wenn sie im Höchstbetrage mit einer Freiheitsstrafe von einer längeren als zehnjährigen Dauer bedroht sind, in fünfzehn Jahren; wenn sie mit einer geringeren Freiheitsstrafe bedroht sind, in zehn Jahren. (2) Die Strafverfolgung von Vergehen, die im Höchstbetrage mit einer längeren als dreimonatigen Gefängnisstrafe bedroht sind, verjährt in fünf Jahren, von anderen Vergehen in drei Jahren.

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(3) Die Strafverfolgung von Übertretungen verjährt in drei Monaten. (4) Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die Handlung begangen ist, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des eingetretenen Erfolges. (5) Mit der Verjährung der Strafverfolgung erlischt auch die Befugnis, auf Grund der Tat Maßregeln der Sicherung und Besserung anzuordnen. I. Wesen der Verfolgungsverjährung. Sie beruht allein auf objektiven Voraussetzungen und ist unabhängig davon, ob sie im Einzelfall mit Grundsätzen der Gerechtigkeit vereinbar ist oder nicht: So Frankfurt S J Z 48 272. — Ob sie m a t e r i e l l r e c h t l i c h (strafaufhebend) wirkt, ist streitig (auch im Ausland, vgl. SchönkeSchröder § 66 IV). Abn. 5 spricht eher für die prozessuale Begründung (Beweisschwierigkeiten), da die materiellrechtlichen Zwecke hier nicht in gleichem Maße wie das Sühnebedürfnis der Strafe zu entfallen pflegen. Jedenfalls wirkt sie (auch) p r o z e s s u a l in dem Sinne, daß sie die Anklageerhebung und, falls Anklage erhoben wird, eine Sachentscheidung ausschließt; ist das Hauptverfahren eröffnet, so erfolgt nicht Freisprechung, sondern E i n s t e l l u n g des V e r f a h r e n s . Vgl. StPO § 260 und E 41 268, 76 160, 327 gegen E 12 436, 40 90. Nach BGHSt. 2 305, MDR 54 335, Übersicht MDR 52 407, nur prozessual; Grund: Erlöschen des öff. Interesses an der Verfolgung. Doch ist der Wegfall dieser ProzVorauss. auch in der Revlnst. von Amts wegen zu berücksichtigen: BGH N J W 52 271; BayObLG N J W 53 1402, 1403 (Besonderheiten bei unzul. Rechtsmittel); folgerichtig auch dann noch, wenn Schuld- und Strafausspruch rechtskräftig geworden und nur noch § 23 zu pr.: BGHSt. 11 393. Als Folge der proz. Auffassung Verlängerung bzw. Ruhen (§ 69) der Fristen möglich, ohne daß Art. 3, 103 I I GG verletzt: N J W 52 271 und Gutachten des 1. ZivSen. BGHSt. 4 379, ferner 2 21. Auch gilt hier nicht der Satz in dubio pro reo: Düsseldorf N J W 57 1485 mit Nachweisungen. — Verjährte Taten können in späteren Fällen strafschärfend berücksichtigt werden: BayObLG HESt. 3 66; auch zur Feststellung von Gewerbs- oder Gewohnheitsmäßigkeit. Aber nicht für § 20a Abs. 2 (E 75 382, D R 42 217) oder Rückfall. A. A. für § 20a I I : SchönkeSchröder § 66 I I I . Beachte die bes. Rückfallverjährung in §§ 20a I I I , 245. Auf die S i c h e r u n g s m a ß n a h m e n der §§86, 98 I I erstreckt sich die Einstellung nicht: BGHSt. 6 62. — Beachtliche Gründe für die materielle Auffassung neuerdings bei Lorenz a. a. O. II. Besondere Verjährungsfristen und -Voraussetzungen s. in StGB § 171 und in zahlreichen Nebengesetzen, z. B . P r e ß g e s e t z § 2 2 : Presse-„Vergehen" verjähren in 1 Jahr, Presse-,.Verbrechen" nach § 67 StGB. Diese Fristen gelten jedoch nicht für Vorrätighalten von Druckschriften gem. §§ 84, 93: BGHSt. 8 245. O r d n u n g s w i d r i g k e i t e n verjähren grundsätzlich in 6 Monaten (§ 14 OWG), im Bereich des WiStG § 12 aber in 2 Jahren. Weiteres Material in L K § 67 1, I I 4. Betr. Ordnungsstrafen gegen Zeugen vgl. KG J R 57 429. — Kritisch zu den ges. Fristen Janetzke DRiZ 53, 226, Meister DRiZ 54, 217, Seibert N J W 52, 1361. III. Der Höchstbetrag der angedrohten Strafe entscheidet: vgl. § 1 mit Anm. Bes. schwere Fälle und mild. Umstände bleiben außer Betracht: E 59 24, BGHSt. 2 181. Bei Versuch und Beihilfe betrachtet die herrschende Ansicht den ermäßigten Strafrahmen (§§ 44, 49 Abs. 2) als selbständige Strafdrohung; wohl mit Recht, da es nach Abs. 4 auf die Handlung, also das selbständige, nicht auf den Erfolg, das abhängige Moment ankommt, vgl. auch Vorbem. I I I D vor § 47 und unten Anm. V.

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— Zeit der Aburteilung entscheidend, wenn die Tat jetzt nur noch Vergehen: BGH MDR 54 335 trotz prozessualer Auffassung (oben Anm. I ; a. A. LK § 2a Anm. 6). Über diese Widersprüche vgl. auch Herlan GA 1955, 255. IV. Geldstrafdrohung bei Vergehen verjährt stets, auch bei Umwandlung in Freiheitsstrafe, in 3 Jahren: E 1167. V. Nach Abs. 4 ist maßgebend der Zeitpunkt der Handlung ohne Rücksicht auf den des Erfolges: also eindeutig der Zeitpunkt der Willensbetätigung. Die Verjährung kann demnach eintreten, bevor die Handlung strafbar geworden. Das kann aber für die p r o z e s s u a l e Auffassung (oben zu I) kein entscheidendes Bedenken sein (übereinst. BGHSt. 11 124 betr. StraffreihGes. 1954). Wenn der fehlerhaft konstruierte Dampfkessel nach 10 Jahren platzt und einen Menschen tötet (§ 222), so verbietet das Gesetz mit Grund die Verfolgung auf so brüchig gewordener Beweislage. Im Falle NJW 58 1311 trat der Erfolg erst nach 20 Jahren ein —• ein Mord wäre verjährt gewesen! Zutr.Frank § 67 II. A. A. die meisten: Jagusch LK I I I fordert „berichtigende", Maurach § 72 I I B „sinngemäße" Auslegung, Welzel §33IV verweist auf „sachlogische Grundsätze" und § 171 I I I , der aber als Sonderregel ein arg. e contrario ergibt. Zu beachten ist, daß bei V o r s a t z t a t e n , bei denen infolge des Finalzusammenhanges die Beweislage grundsätzlich anders ist, auch das bewußte Abwarten des Erfolges auf Grund des vorangegangenen Tuns tatbestandsmäßige Willensverwirklichung ist (vgl. unten zu VI und Syst. Vorbem. I I B I I 3d). Diese H a n d l u n g s s t r u k t u r der U bleibt unberührt von der Konsumtion ihrer Strafbarkeit durch die des aktiven Handelns. Zustimmend und weiterführend Bruns N J W 58, 1261. Ausdrücklich wie hier auch LG Stade NJW 58 1311. Im gleichen Sinne für e c h t e UnterlDelikte schon E 65 362: Wegfall der Pflicht zum Handeln entscheidet. — Auch m a t e r i e l l r e c h t l i c h hat die Gegenmeinung mit der entscheidenden Wendung vom Erfolgs- zum Schuldstrafrecht (§56; Dreher ZStW 66, 568ff.) und der Betonung des Akt- gegenüber dem Erfolgsunrecht ihre Stützen weitgehend verloren. § 134 S. 2 Entw 1956 will lediglich die bish. Rspr. legalisieren (Begr. S. 124); aber diese wandelt sich in dem hier vertretenen Sinne, vgl. Bruns a. a. O. Abweichend vom Gesetzeswort verlangte das RGer., daß die Hdlg. strafbar geworden, also ein h i e r z u etwa nötiger E r f o l g (aber nicht mehr) eingetreten ist; die Verjährung begann also nach RGer. mit dem Zeitpunkt formeller Deliktsvollendung. E 42 171, 62 418, 63 325, J W 85 704, E 71 64, 72 272; anders aber E 75 34 und 297. Wie RG grundsätzlich BGHSt. 11 119 (121), anders nur für unbewußt fahrlässige Erfolgsdelikte, weil hier Verhalten und Erfolg nicht durch die Vorstellung des Täters zu einer Einheit verbunden seien. Das ist richtig, aber — wie die entsprechende gegenteilige Argumentation bei Vorsatz- und bewußten Fahrlässigkeitsdelikten S. 122f. •—• eine m a t e r i e l l r e c h t l i c h e Betrachtung, die mit dem prozessualen Charakter der Verj. (BGHSt. 2 305, oben Anm. 1) nichts zu tun hat. Vgl. über die Grenzen der Handlung oben Abs. 1, zu BGHSt. 11 119 auch unten Anm. VI. Zutr. BGHSt. 11 345: nicht formelle Vollendung, sondern tatsächliche Beendigung des strafrechtlich relevanten Verhaltens maßgebend. Bedenken gegen die Rspr. auch bei Jagusch und Maurach a. a. O. Vgl. auch unten Anm. VI sowie Vorbem. I vor § 43 über Vollendung und Beendigung. VI. Sonderfälle: bei fortgesetzten V e r b r e c h e n (s. Vorbem. I I 1 vor § 73) beginnt die Verjährung mit der letzten Einzelhandlung: E 38 387, 59 281, 66 36, 72 26, BGHSt. 1 84. — Bei reinen Amtsdelikten (§ 331) spätestens mit dem Amtsverlust:

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B H G N J W 58 1102, vgl. E 35 75, 41 6. — Bei Dauerdelikten mit Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes. Die Verjährung einer Freiheitsberaubung z. B. beginnt erst mit deren Aufhören. E 22161,37 78,59 7, 53. Ebenso H R R 40461 betr. Beiseiteschaffen von Urkunden. — Bei Unterlassungsdelikten beginnt der Lauf der Verjährungsfrist mit Wegfall der Verpflichtung zum Handeln, also wenn das Unterlassen aufhört, schuldhaft zu sein. Dies z. B. auch dann, wenn nach längerer Zeit das Bewußtsein, zur Beseitigung eines rechtsw. Zustandes verpflichtet zu sein, normalerweise verschwunden ist. Vgl. E 75 32,298. Bei b e w u ß t f a h r l ä s s i g e r U . maßgebend der Erfolgseintritt, bei u n b e w u ß t fahrl. U. der Zeitpunkt, von dem an die U. nicht mehr fahrlässig ist. So BGHSt. 11 119 in einem Falle fahrl. Brandstiftung f ü r den Stichtag eines Straffreiheitsges. Das gleiche gilt aber f ü r § 267 I V : E 71 64, 75 32, Bruns N J W 58, 1258 (anders anscheinend BGH a. a. O. 121). — War bei Unterlassungsdelikten Strafe i n e i n e m b e s t i m m t e n Z e i t p u n k t verwirkt, die Handlungspflicht damit aber nicht erloschen (z. B. andauernde Unterlassung steuerrechtlich gebotener Buchungen), so beginnt die Verjährungsfrist nicht schon mit dem Zeitpunkt der verwirkten Strafe: E 8 390, 9 353, 43 130, 59 6, 62 212. H i e r stellt R G also auf die Handlung im engsten Sinne ab (vgl. dagegen zu V). I n jedem Einzelfall aber zu prüfen, ob wirklich Unterlassungsdelikt! Steuerhinterziehung (RAbgO §396) z . B . besteht nicht in Nichtzahlung, sondern in Abgabe der unrichtigen Erklärung u n d (dies der tatbestandsmäßige „Erfolg", vgl. Anm. V) ihr folgender unrichtiger Veranlagung. Mit dieser beginnt der Lauf der Verjährungsfrist. Ebenso bei Steuergefährdung nach § 402 RAbgO. — Verj. von Sonderdelikten beginnt spätestens mit dem Aufhören der Sondereigenschaft: BGHSt. 11 345 betr. Beamten. Vgl. oben Anm. V. — Die Verjährung der Teilnahmehandlung beginnt nach RG wie die Verjährung der H a u p t t a t (E 30 300, 310, 42 171). Ist diese aber eine „fortgesetzte" Handlung und wollte der Gehilfe nur bei einzelnen Teilhandlungen helfen, so beginnt die Verjährung seiner Beihilfe mit dem Abschluß des betr. Teils; entsprechendes bei Teilnahme an Dauerverbrechen. E 65 362. Hierin zeigt sich, daß es doch auf die Handlung des Teiln. ankommt, s. o. I I I . — Prozeßbetrug verjährt von der Zahlung der Klagesumme bzw. der rechtskr. Klageabweisung a n : Celle MDR 58 361. Wird ein rechtskräftiges Urteil infolge Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigt, so beginnt eine neue Verfolgungsverjährung: E 76 48, BayObLG J R 54 150. — Bei G e s a m t s t r a f e h a t das Revisionsgericht Verj. wegen jeder Einzeltat zu pr.: BGHSt. 8 269. VII. Bei Idealkonkurrenz (oder S u b s i d i a r i t ä t der in Betracht kommenden Gesetze) schließt die Verjährung des einen Deliktes nicht die Verfolgung wegen des weiteren aus: E 26 261, 39 353. T i l l . Abs. 5: Mafiregeln nur i. S. des § 4 2 a . F ü r Sicherungsmaßnahmen gem. §§ 86, 98 I I vgl. dagegen BGHSt. 6 62 (oben Anm. I). IX. Prozessuales. Einstellung bzgl. verjährter T a t auch dann, wenn bei Gesamtstrafe Rechtsmittel auf andere nicht verjährte Taten beschränkt: BGHSt. 8 269 ( = J Z 56 417, dazu Jeseheck). — Wird das Rechtsmittel auf die Entziehung der Fahrerlaubnis beschränkt, so verjährt nur diese Maßregel: Neustadt GA 1956 268.

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K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

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Strafausschließungs- und Milderungsgründe § 68

Unterbrechung der Ver folgungsverjährww § 6 8 (1) Jede Handlung des Richters, welche wegen der begangenen Tat gegen den Täter gerichtet ist, unterbricht die Verjährung. (2) Die Unterbrechung findet nur rücksichtlich desjenigen statt, auf welchen die Handlung sich bezieht. (3) Nach der Unterbrechung beginnt eine neue Verjährung. I. Des Strafrichters. Nur eines deutschen: BGHSt. 1 325; während der Schließung der deutschen Gerichte ruhte die Verj.: BGHSt. 1 84, 2 54. Auch des UntersRichters, der gemäß StPO § 191 vorgeht (JW 37, 1289). Nicht aber der Staatsanwaltschaft (E 41 356), oder des Zivilrichters (E 29 234), nicht der Polizei oder von Privatpersonen, denen der absolut außerhalb gerichtlicher Zust. handelnde Richter gleichsteht: Oldenburg NdsRpfl. 63 132, Köln N J W 53 157. — Die Handlung braucht nicht von dem für den Einzelfall zuständigen Richter auszugehen: E 6 37. Sie muß jedoch rechtlich zulässig sein, um die Verjährung zu unterbrechen; vgl. E 24 205, 32 247, 6 37. - Über Fälle der Anm. I zu § 68 vgl. OGHSt. 1 54. II. Gegen den Täter gerichtete Handlung: Soweit sie ersichtlich dem Fortgang des Verfahrens dienen soll; im allg. also nicht bloße Wiedervorlage-Verfügungen (E 56 380, 62 425, H R R 40 1420). - Überlassung der Akten an Vert.: BGH MDR 52 658, vorl. Entzug der Fahrerlaubnis (§ l i l a StPO) und Beschlagnahme des Führerscheins unterbrechen: KG J R 54 231. Ebenso Urteilsunterschrift: Oldenburg N J W 54 932; sachgemäße Beiaktenanforderung: Köln N J W 53 757; Entlastungsantrag: Düsseldorf J R 51210; Zustellungsanordng., auch wenn Geschäftsstellensache: Köln N J W 54 933; Entsch. über Protokollberichtigung: BayObLG N J W 53 837; Ermittlung von Rechtsvorschriften (?): BayObLG N J W 53 353; Beiziehung der Strafliste: BGH VRS 5 198 (dagegen Lüdicke N J W 53 1335: unzul. Scheinmaßnahmen). Aktenvermerk über U-Hdlg., aber nur, wenn er vor Fristablauf zu den Akten gelangt ist: Hamm JMB1. N R W 58 7. — Entschließung auf Anberaumung der HV im Revisionsverfahren: Celle N J W 58 393. — Aber bloß die sachgemäße; nicht die n u r zwecks Unterbrechung vorgenommene. Insbes. n i c h t : bloße „Botendienste" wie Aktenübersendung in den Fällen Oldenburg NdsRpfl. 54 35, Bremen N J W 54 45; Fristverfügung: Köln N J W 53 757 (vgl. auch 756: nur förderliche Hdlgen.); von der StA veranlaßtes ErmittlErs., das lediglich unterbrechen soll: Köln N J W 53 157; bei fehlendem Verfolgungswülen: BayObLG N J W 52 516, Oldenburg MDR 51 757; bloßer Sichtvermerk auf der RevSchrift: BGHSt. 4 135, Köln N J W 54 933; bloße Vorbereitung einer richterl. Hdlg.: Celle NdsRpfl. 58 23; Sachstandsanfrage: Hamburg N J W 58 1739. Vgl. BGH N J W 58 1307. Anders Stuttgart MDR 52 55 für RevBegrSchrift. — Weitere Entsch. bei Mittelbach, Zur Unterbr., MDR 54, 138. — Grundsätzlich und eingehend BGHSt. 9 198 betr. Rückleitung der Akten durch den Richter an die StA (gegen KG N J W 55 274): die Handlung muß dazu bestimmt und geeignet sein, den Fortgang des Verfahrens zu fördern. Gleichgültig ist, ob sie daneben die Unterbrechung der Verj. bezweckte oder auch z. B. von der Geschäftsstelle hätte vorgenommen werden können. Scheinmaßnahmen, willkürliche und völlig überflüssige Akte unterbrechen nicht. Ebenso BGHSt. 11 335 (gegen E 41 356 und 65 82) betr. richterliche Anforderung eines Strafregisterauszuges. — Tatsächliche Förderung nicht erfordert: BGHSt. 7 204.

Strafausschließungs- und Milderungsgründe § 69

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III. Begangene Tat setzt eine b e s t i m m t e Tat voraus. Umfaßt auch Teilnahmehandlungen: E 41 17. Tat bezeichnet hier ein bestimmtes historisches Vorkommnis, nicht eine bestimmte juristische Qualifikation: E 30 301, 83 426. Es ist also gleichgültig, wenn bei der „Handlung des Richters" das Vorkommnis anders qualifiziert wird als vom erkennenden Gericht: E 24 77. Aus gleichem Grunde wirkt die Unterbrechung auch auf ideell konkurrierende Delikte und, falls eines davon Antragsdelikt ist, auch auf dieses, selbst wenn vor Ablauf der für dasselbe maßgebenden Verjährungsfrist ein Strafantrag noch nicht gestellt war: E 33 426. Anders bei ausschließlichem Antragsdelikt: E 6 37. — Für Beginn und Dauer der Verjährungsfrist (s. § 67) ist jedoch die Tat in jener rechtlichen Qualifikation maßgebend, die nach Ansicht des erkennenden Gerichts vorliegt; nicht die der Handlung des Richters zugrunde liegende Beurteilung. Vgl. E 38 426. IV. Täter nicht im technischen Sinne. Umfaßt auch die Teilnehmer. — Der Name des „Täters" braucht nicht bekannt zu sein. Dagegen muß die richterliche Handlung auf eine b e s t i m m t e Person (s. auch Abs. 2), gegen welche sich der V e r d a c h t richtet, hinzielen: E 6 212. So der Beschluß vorläufiger Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Angek!.: E 21 308. V. Zu Abs. 2 : Beziehung der Unterbrechungshandlung bei Mittätern auf alle, wenn die Handlung primär auch nur einen Mittäter betrifft, nach der Sachlage aber die Verfolgung der anderen erkennbar mit bezweckt: E 36 350. Vgl. auch E 13 57 a. E. VI. Die neue Verjährung (Abs. 3; eine sehr unglückliche Vorschrift, vgl. die oben zu § 67 Anm. I I Zitierten) beginnt mit dem Tage der Unterbrechung selbst: E 13 57. Ruhen der Verfolgungsverjährung §69 (1) Die Verjährung ruht während der Zeit, in welcher auf Grund gesetzlicher Vorschrift die Strafverfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann. Ist der Beginn oder die Fortsetzung eines Strafverfahrens von einer Vorfrage abhängig, deren Entscheidung in einem anderen Verfahren erfolgen muß, so ruht die Verjährung bis zu dessen Beendigung. (2) Ist zur Strafverfolgung ein Antrag oder eine Ermächtigung nach dem Strafgesetz erforderlich, so wird der Lauf der Verjährung durch den Mangel des Antrages oder der Ermächtigung nicht gehindert. I. Gesetzliche Vorschrift z. B. § 191. — Geisteskrankheit kein unbedingter Hinderungsgrund der StrVerfolgung. E 52 36. — Die Verjährung der in der nationalsozialistischen Zeit aus politischen Gründen nicht verfolgbaren strafbaren Handlungen hat zwischen dem 30. 1. 33 und dem 1. 7. 45 in der brit. bes. Zone nach § 3 der VO v. 23. 5. 47 (VOBlBrZ S. 65) geruht. Dazu BGHSt. 4 379. Näheres oben § 67 I . Entsprechendes gilt für die amerik. Zone (vgl. DRZ 46, 119; 1947, 157) und für die französische (DRZ 47, 158). Für die sowj. bes. Zone vgl. die Rspr.: Dresden DRZ 47 165. Vgl. jedoch auch OGHSt. 1 54 u. 204 betr. Einzelheiten und Einschränkungen des Ruhens. — Während der Schließung der deutschen Gerichte ruhte die Verj.: BGHSt. 1 84, 2 54. 10*

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Strafausschließungs- und Milderungsgründe § 70

n . Torfrage: Vgl. § 164 Abs. 6, §§ 170, 171 Abs. 3, §§ 172, 191 (185 bis 187, 189, 190), 238 (236, 237). III. Die Verjährung ruht nur für denjenigen, für den ein solcher Hinderungsgrund besteht. — Nur im inländischen Rechte begründete Hindernisse der Strafverfolgung bewirken ein Ruhen der V.: E 40 402, aber auch BGHSt. 1 84, 2 54 (oben zu I). Strafvollstreckungsverjährung

§70 (1) Die Vollstreckung rechtskräftig erkannter Strafen verjährt, wenn 1. auf lebenslanges Zuchthaus erkannt ist, in dreißig Jahren; 2. auf Zuchthaus oder Einschließung von mehr als zehn Jahren erkannt ist, in zwanzig Jahren; 3. auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder auf Einschließung von fünf bis zu zehn Jahren oder Gefängnis yon mehr als fünf Jahren erkannt ist, in fünfzehn Jahren; 4. auf Einschließung oder Gefängnis Ton zwei bis zu fünf Jahren erkannt ist, in zehn Jahren; 5. auf Einschließung oder Gefängnis bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe Ton mehr als einhundertfünfzig Deutsche Mark erkannt ist, in fünf Jahren; 6. auf Haft oder Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Deutsche Mark erkannt ist, in zwei Jahren. (2) Die Vollstreckung einer rechtskräftig angeordneten Maßregel der Sicherung und Besserung verjährt in zehn Jahren. Ist die Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt oder erstmalig die Unterbringung in einem Arbeitshaus angeordnet, so beträgt die Frist fünf Jahre. (3) Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem das Urteil rechtskräftig geworden ist. I. Wesen wie bei der Verfolgungsverj. umstritten. Während aber dort Beweisschwierigkeiten entscheidend mitsprachen, ist hier der Wegfall der Strafzwecke ausschlaggebend; daher verdient hier die mat.-rechtl. Auffassung (Nagler und Jagusch LK § 7011) den Vorzug. II. Strafen: auch der Nebenstrafen. — Über Buße vgl. zu §188 Anm. I sowie E 44 296 (bestr.). Die im Einzelfall verwirkte Strafe ist entscheidend. HI. Für StrBefehl StPO §410. Entsprechend Strafverfügung (§413 StPO); vgl. ferner § 460 StPO betr. Gesamtstrafenbeschluß; dazu E 60 206. IV. Die VollstrVerj. ruht während der Bewährungszeit der SzB und der b. E.: §§ 24 Abs. 4 S. 4, 26 Abs. 3; JGG § 22 Abs. 2.

Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen. Vorbemerkungen

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Einheitlichkeit der VoUstrechungsverjährung § 7 1 Ist auf Freiheitsstrafe und Geldstrafe zugleich oder neben einer Strafe auf eine mit Freiheitsentziehung verbundene Maßregel der Sicherung und Besserung erkannt, so verjährt die Vollstreckung der einen Strafe oder Maßregel nicht früher als die der anderen. Der Sinn der Beat, ist, die VollstrVerjFristen bei ein und derselben Tat einheitlieh zu gestalten. KG GA Bd. 56 341. Auf Tatmehrheit nicht anwendbar, auch nicht „sinngemäß". Der Zeitablauf wirkt zerstörend (oben § 70 zu I), auch wenn z. B. die eine Strafe nicht vollzogen werden kann, weil der Täter die andere absitzt. So auch Dreher-Maaßen § 71. A. A. Schönke-Schröder und die dort Zit. — „Ruhen" der VollstrVerj. nur in den Fällen der Anm. IV zu § 70. § 71 dagegen sistiert keinen Fristablauf, sondern bestimmt ihre Dauer (str.).

Unterbrechung der Vollstreckungaverjährung §72 (1) Jede auf Vollstreckung der Strafe oder Maßregel gerichtete Handlung derjenigen Behörde, welcher die Vollstreckung obliegt, sowie die zum Zwecke der Vollstreckung erfolgende Festnahme des Verurteilten unterbricht die Verjährung. (2) Nach der Unterbrechung der Vollstreckung der Strafe oder Maßregel beginnt eine neue Verjährung. I. Vollstreckungsbehörde in erster Linie die Staatsanwaltschaft (§ 451 Abs. 1 StPO); u. U. der Amtsrichter (§ 451 Abs. 3 StPO), in Jugendsachen der Jugendrichter (§ 82 JGG); nach § 459 RAO das Finanzamt. II. Auf Vollstreckung gerichtete Handlung: vgl. § 68 Anm. I I entspr.

Fünfter Abschnitt

Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen Vorbemerkungen Inhalt: I. Die Grundbegriffe. — II. Einheit und Mehrheit der Handlungen. — A. Natürliche Handlungseinheit. — B. Rechtliche Handlungseinheit: 1. fortgesetztes Verbrechen, 2. Dauerverbrechen, 3. Sammelverbrechen. — n i . Verletzung mehrerer Gesetze. Ausnahmen: 1. Speziellere Gesetze, 2. subsidiäre Gesetze, 3. straflose Nachtat, 4. straflose Vortat. Schrifttum: H o n i g , Studien zur juristischen und natürlichen Handlungseinheit, 1925. — H ä r t u n g , Tateinheit und künstliche Verbrechenseinheiten in der neueren Rspr. des RG, SJZ 50, 326. — Eb. S c h m i d t , Zum Begriff der Sammelstraftat, J Z 52, 136. — S c h u b a t h , Fortges. Verbr. u. RG, J R 51, 341. — N o w a k o w s k i ,

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Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen. Vorbemerkungen

Fortges. Yerbr. und gleichartige Verbrechensmenge, 1950. — P r e i s e r , Aufspaltung der Sammelstraftat, ZStW 58, 743. — S c h l o s k y , Tateinheit usw. ZStW 61, 245. — K o h l r a u s c h , Sammelstraftat, ZAkDR 38, 473. — H i r s c h b e r g , Gesetzeskonkurrenz, ZStW 53, 34. — H o n i g , Straflose Vor- und Nachtat, 1927. — Graf zu D o h n a , Grenzen der Idealkonkurrenz, ZStW 61,131. — B a u m g a r t e n , IdKonk., Frank-Festg. I I 188. — D r e c h s l e r , Die mitbestrafte Tat, 1936. — S c h w e l i n g , Die Bemessung der Gesamtstrafe, GA 1955, 289. — D r e h e r , Doppelverwertung von Strafbemessungsumständen, JZ 57, 155. — B a u m a n n , Straflose Nachtat und Gesetzeskonkurrenz, MDR 59, 10. — H e l l m e r , Das Zusammentreffen von natürlicher Handlungs- und rechtlicher Tateinheit bei Verletzung höchstpersönlicher Interessen. GA 1956, 65. — K l u g , Zum Begriff der Gesetzeskonkurrenz, ZStW 68, 399. — K o c h , Zur fortgesetzten Fahrlässigkeitstat, NJW 56, 1267. — L o h m e y e r , Dauervergehen im Steuerrecht, NJW 56, 1545.

I. Die Grundbegriffe § 73 regelt die sog. Idealkonkurrenz: Verletzung mehrerer Gesetze durch eine Handlung; § 74 die sog. Realkonkurrenz: Verletzung mehrerer Gesetze durch mehrere Handlungen. Entspr. Anwendung im Bußgeldverfahren: Oldenburg NJW 53 1845; BayObLG NJW 51 493. Das RGer. verdeutschte zuletzt IdK in Tateinheit, RK in Tatmehrheit. Hiermit blieb aber gerade das Wesentliche ungesagt. Denn daß z. B. bei Vergewaltigung der eigenen Tochter eine „Tateinheit" vorliegt, ist selbstverständlich. Nicht aber, daß hier zwei Gesetze verletzt sind, „konkurrieren". Deshalb ist die Bezeichnung „Konkurrenz" oft unentbehrlich, um die unter die §§ 73, 74 fallenden Fälle von denen unterscheiden zu können, wo (einerlei ob durch eine oder durch mehrere selbständige Handlungen) nur scheinbar mehrere Gesetze verletzt sind, in Wahrheit aber eines das andere ausschließt, verdrängt, aufzehrt, üblich ist es, bei nur scheinbarer Verletzung mehrerer Gesetze durch eine Handlung von „Gesetzeskonkurrenz" zu sprechen; aber irreführend; denn gerade eine „Konkurrenz" liegt hier (z. B. wenn das speziellere Gesetz das allgemeine ausschließt) n i c h t vor (a. A. Hirschberg ZStW 53, 34). Das RGer. sprach hier zuletzt von „Gesetzeseinheit", was das Gegenteil besagt und richtiger ist. Es empfiehlt sich, nach wie vor einerseits von Konkurrenz, andrerseits von Konsumtion zu sprechen. (Deutsche Worte, etwa „Zusammentreffen" und „Ausschluß", haben sich noch nicht eingebürgert.) Was konkurriert, zusammentrifft, oder aber konsumiert, aufgezehrt wird, sind R e c h t s s ä t z e , G e s e t z e . Ob in einer und derselben H a n d l u n g oder in mehreren H a n d l u n g e n , ist eine zweite Frage. Das Gesetz gebraucht das Wort „Handlung" leider zweideutig: in der Abschnittsüberschrift als Normübertretung, in den §§ 73, 74 als Tun. Es handelt sich also um folgende Fragen, die auch im Einzelfall in dieser Reihenfolge gestellt und beantwortet werden müssen: 1. Wann ist eine, wann sind mehrere H a n d l u n g e n vorgekommen ? 2. Wann sind — sei es durch eine, sei es durch mehrere Handlungen — mehrere G e s e t z e (bzw. ein Gesetz mehrmals) verletzt, so daß diese dann konkurrieren; und wann nur ein Gesetz, so daß andere nur scheinbar verletzt sind, also nicht konkurrieren, sondern konsumiert werden.

Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen. Vorbemerkungen

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II. Einheit und Mehrheit der Handlungen A. Natürliche Handlungseinheit liegt jedenfalls vor bei Einheit des Willensakts (a. A. Eb. Schmidt a. a. O. für Massentötungen). Hierzu reichen aber Einheitlichkeit des Ziels und Einmaligkeit des Entschlusses nicht ohne weiteres aus. Erforderlich ist „ein solcher unmittelbarer Zusammenhang, daß sich das gesamte Tätigwerden an sich (objektiv) auch für einen Dritten als e i n einheitliches zusammengehöriges Tun bei natürlicher Beobachtungsweise erkennbar macht" (E 44 223, 58 113, 69 318). Ebenso BGHSt. 10 231 (Diebstahlshandlungen in mehreren Wohnungen eines Hauses); BGHSt. 10 129 (Totschlag durch Erschlagen und unmittelbar anschließend durch Erwürgen versucht). Über den Fall mehrerer Schüsse bei einer Tötung BGH GA 1958 109, dazu Peters ebendort 97 ff. — Vgl. auch § 73 Anm. I. Bei mehreren Willensbetätigungen müssen diese „wenigstens teilweise derart zusammenfallen, daß mindestens ein Teil der einheitlichen Handlung zur Herstellung des Tatbestandes beider Vergehen mitgewirkt h a t " (E 56 58 und 329). BGHSt 1 20; 6 81: bei fortgeä. Hdlg. ein Einzelakt. Einheitlichkeit des Zieles oder des Willens genügt nicht: E 58 116, 60 242, 71 40, 74 359. Abweichend lediglich E 75 119; es genüge, daß die eine Tat die andere ermöglichen oder erleichtern solle; vgl. auch Celle SJZ 47 272: Diebstahl als „unerläßliche" Vorher. Hdlg. des Beiseiteschaffens gem. § 1 KWVO, daher „natürliche Handlungseinheit". Berechtigte Bedenken dortselbst in Anm. Less. Vgl. auch E 82 137 (Hausfriedensbruch und Beischlafserschleichung als zwei selbständige Handlungen); 52 287, 54 288, 66 347 (Hausfriedensbruch und Nötigung bzw. Totschlag desgleichen, auch wenn der erstere bei Vornahme der Nötigungshandlung oder des Totschlags noch nicht beendet war); 59 387 (wer drei Personen, für die er zu sorgen hat, zu retten unterläßt, kann nur einmal aus §221 in Verbindimg mit §73 bestraft werden). Wenig überzeugend: E 68 216 (es handelte sich um fahrlässige Tötung und Fahrerflucht, begangen in einem rechtswidrig gebrauchten Kraftwagen; auf die drei Straftaten sei § 73 anwendbar, wenn die Fahrlässigkeit darin bestand, daß der Angekl. angetrunken und übermüdet war, als er sich ans Steuer setzte; dagegen § 74, wenn nur spätere Unvorsichtigkeit den Unfall verschuldete); H R R 39 391 (drei Schüsse aus einheitlichem Entschluß, in einer bestimmten Gegend wen immer zu verletzen, bilden nur „eine" Körperverletzung; nicht verwechseln mit fortgesetztem Verbrechen!). Natürliche Handlungseinheit aber auch in g e s e t z l i c h geprägten Begriffen wie „Gefährdung des Wohls" (§ 170 d, dazu BGHSt 8 92), „Mißhandeln" (§ 223), „Quälen" (§ 223b), „Nachstellen" (§ 292). Auch sonst wertet die Lebensauffassung, der das Gesetz nur folgt, Einzelakte als Einheit, wenn sie räumlich und zeitlich zusammenhängen und gleichartig sind. Vgl. E 74 375 ; 76 140. Nach BGHSt. 4 219 (vgl. auch E 51 203, 666) entscheidet das äußere Erscheinungsbild, auch bei Unterbrechung des Handlungsvorsatzes. B. Als rechtliche Handlungseinheit werden außerdem folgende Fälle zusammengefaßt, die sowohl tatsächlich wie rechtlich verschieden liegen: 1. Das tortgesetzte Verbrechen. Es ist gegeben, wenn E i n z e l h a n d l u n g e n von einer gewissen t a t s ä c h l i c h e n und rechtlichen G l e i c h a r t i g k e i t (näheres unten a und b) von vornherein von dem V o r s a t z des E n d - u n d G e s a m t e r f o l g s (unten c) getragen sind. Beisp.: Ein z. Z. unbewohntes Haus wird in mehreren Nächten ausgeplündert, da eine Nacht nicht ausreicht. Die Fortsetzungstat erscheint schon n a t ü r l i c h e r Betrachtung, der die rechtliche sich lediglich an-

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Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen. Vorbemerkungen

schließt, als Einheitstat, der gegenüber die Einzelakte ihre Selbständigkeit verlieren (E 56 54 u. öfter). Das schließt nicht aus, daß ein Einzelakt eine vollendete Straftat darstellen kann, falls es zu einer Fortsetzung nicht kommt. — Die Neigung der Strafbehörden, den Bereich des Fortsetzungszusammenhangs ü b e r G e b ü h r a u s z u d e h n e n , ist begreiflich, aber bedenklich. Begreiflich, weil die Kleinarbeit, die mit der Feststellung vieler ähnlicher Taten des gleichen Täters verbunden ist, überflüssig erscheint, wenn wegen der zweifellos begangenen Taten das Strafergebnis ohnehin festzustehen scheint. B e d e n k l i c h erstens, weil die Möglichkeit, eine G e s a m t s t r a f e gemäß §74 zu bilden, u . U . nicht ausgenutzt werden kann; zweitens, weil mit dem Urteil auch die nicht festgestellten Einzeltaten a l s r e c h t s k r ä f t i g a b g e u r t e i l t g e l t e n (StPO §2641); drittens, weil bei Annahme e. Einheitstat § 20a I I u. s o m i t a u c h §42e u n a n w e n d b a r sind (BGHSt. 1 316), viertens andererseits, weil Verjährung, Amnestie, ein älteres milderes Strafgesetz (vgl. E 2 337) u. U. über Gebühr ausgeschlossen werden. Mit Recht spricht Nagler LK S. 549 in diesem Zusammenhange von einem Zweckwandel des Begriffs. Der Neigung der Instanzgerichte, den Begriff des Fortsetzungszusammenhangs zu überspannen, ist das RGer. stets entgegengetreten. Vgl. E 6G 236, 68 297, 70 243, 72 164, 211 u. bes. 73 164. Ebenso fordert jetzt BGHSt. 1 315; 2 167 im strengen Sinne Vorstellung des Gesamterfolges für den Gesamtvorsatz; daher besonders zurückhaltend bei SittlDel.: LM Nr. 1 vor § 73. — Andere suchten umgekehrt zu helfen, indem sie den Grundsatz der R K r a f t l o c k e r n wollen: OLG München in D J 38 724; OLG Stuttgart in D J 39 1698; OLG Dresden in D J 40 271; Niederreuther in D J 38,1757; Schwarz in ZAk. 38,540; Nagler in ZAk. 39.. 351,371 ff., 401 ff. Indessen ob und wieweit man den Grundsatz der Rechtskraft lockern will, ist eine rechtspolitische Frage, die nur der G e s e t z g e b e r beantworten kann. Konservativ: RGer. in DStrR 39 355. Die Ansicht darüber, unter welchen Voraussetzungen ein fortges. Verbr. anzunehmen ist, gehen grundsätzlich auseinander. Im S c h r i f t t u m wird namentlich das Erfordernis eines G e s a m t v o r s a t z e s (unten c) vielfach in Abrede gestellt, da dies eine sachwidrige Milde gegenüber dem intensiveren verbrecherischen Willen sei, und neuerdings bloßer Fortsetzungsvorsatz verlangt, bei dem sich ein Akt aus dem anderen ergibt, vgl. Schönke-Schröder I I I 2 vor §73; Mezger StB I 254; Maurach § 54 B I b bb, cc (S. 582). Die Rspr.,die dies ausdrücklich ablehnt (BGH NJW 53 1112), will im Strafmaß ausgleichen, vgl. BGHSt. 1 131, J R 53 430, dazu oben Vorb. IV 4 vor § 13. — Nach der Rechtspr. ist ein fortgesetztes Verbr. nur anzunehmen, wenn folgende Voraussetzungen zusammentreffen: a) Gleichartigkeit und Kontinuierlichkeit der Einzelakte, d. h. grundsätzlich Erfüllung desselben Tatbestands. E. 67 64. Vgl. E 39 220 (Fortsetzungszusammenhang bei mehreren Akten versuchter Abtreibung); 49 202 (bei Patentverletzung trotz Verschiedenheit der Ausführungsform); 55 129 (bei Beleidigung). Dagegen z. B. a b g e l e h n t in E 17 103 (Landesverrat, Bestechung, Beseitigung von Schriftstücken) ; 58 228 (Diebstahl gegen den Lebenden und anschließende Unterschlagung von Nachlaßsachen); 61 199 (Anstiftung zum Meineid und ein vom Anstifter selber mit demselben Ziel geleisteter Meineid); 67 169 (Meineid und falsche eidesstattliche Versicherung), BGHSt. 1 380; 2 233 (Meineid und uneidl. falsche Aussage, überholt durch BGHSt. 8 301). Abgelehnt ferner in E 70 385 bei Zuwiderhandlung gegen verschiedene Tatbestände des Devisengesetzes. D J 39 307 (kein FortsZus., trotz einheitlichen Vorsatzes, bei Darlehensschwindel, Zechprellerei u. a. ? Tatfrage,

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wieweit die Einzelakte objektiv ähnlich sind und zusammenhängen); H R R 89 1318 (große zeitliche Abstände zwischen den Einzelakten machen den einheitlichen Vorsatz unwahrscheinlich und stehen auch der Annahme eines zusammenhängenden Tuns entgegen). b) Gleichartigkeit des verletzten Rechtsguts und Möglichkeit, es in größerem oder geringerem Umfang, also auch in quantitativen Abschnitten, zu verletzen: z. B. „Vermögen", auch wenn es mehreren gehört. Bei höchstpersönlichen Rechtsgütern aber, wie Leben, Freiheit, Ehre, Sittlichkeit, ist „Gleichheit" des RGuts zu fordern. Vgl. E 43 134, 44 232, 58 274, 57 140, 163, 352, 64 279. Werden also durch mehrere Willensbetätigungen mehrere Menschen bestohlen, so k a n n „eine fortgesetzte" Handlung vorliegen; werden aber durch mehrere Willensbetätigungen mehrere getötet oder beleidigt, sind s t e t s mehrere Handlungen anzunehmen. (Bei Beleidigung ist E 75 207 der Annahme von FortsZus. trotz Verschiedenheit der RGüter geneigter.) Stets Handlungsmehrheit bei (wenn auch gleichartigen) S i t t l i c h k e i t s v e r b r e c h e n gegen mehrere Personen: E 70 145, 70 243 (Großer Senat), 70 282, 72 257; bei Abtreibung an mehreren Frauen: Kiel HESt. 2 13. Ebenso kein FortsZus. bei B e s t e c h u n g mehrerer Beamter (E. 72 174, 77 191) oder Anstiftung verschiedener Personen zum Meineid (E 70 334) trotz Einheit des „Staatsamts" oder der „Rechtspflege". — E r p r e s s u n g richtet sich zwar gegen das Vermögen, aber auch „gegen die Freiheit, also ein höchstpersönl. R G u t " ; folglich kein FortsZus., wenn durch mehrere Handlungen gegen mehrere Personen verübt: BGH N J W 54 483. Ebensowenig bei Aussageerpressung gegen mehrere Personen: LM Nr. 7 vor § 73. — K e i n FortsZus. bei mehreren Bestechungen gegenüber verschiedenen Beamten, wenn auch mit gleichem Endzweck. E 72 174. — Nicht überzeugend die Annahme fortgesetzter Z u h ä l t e r e i bez. der Dirnen, die regelmäßig in einer bestimmten Gaststätte verkehren ( J W 39 752); auch nicht zu ersehen, ob ausbeuterische oder kupplerische Z vorlag; erstere wäre Dauerverbrechen, wo bei einer Dirne für FortsZus. kein Raum, bei mehreren Dirnen aber FortsZus. abzulehnen wäre. Bei K u p p e l e i hält D R 39 1507 FortsZus. u. U. für möglich. c) Einheitlichkeit des Vorsatzes. Hier kämpfte das RGer. bis zuletzt gegen die erstinstanzlichen Gerichte. Es genügt nicht ein Entschluß, künftig bei sich bietender Gelegenheit beliebig oft Straftaten gleicher Art zu begehen; der V o r s a t z m u ß von v o r n h e r e i n den G e s a m t e r f o l g u m f a s s e n (E 44 392, 61 200, 66 47, 70 51 sowie 75 207 über den „Gesamtvorsatz" eines „Schamverletzers"; bei großen zeitlichen Zwischenräumen bes. eingehend zu prüfen und zu begründen) und einheitlichen Inhalt haben. Lockerer freilich wieder H R R 40 472 betr. Betrug. Zurückhaltend auch Kiel SchlHA 46 249. Streng dagegen wieder BGHSt. 1 315, 2 167. Kein Fortsetzungszusammenhang zwischen Beihilfe- und Täterhandlungen, denn Beihilfevorsatz und Tätervorsatz schließen sich aus: E 67 139, 177, BGH LM Nr. 2 zu § 331 StPO. — Wegen Unvereinbarkeit der inneren Tatbestände auch kein FortsZus. möglich von B e l e i d i g u n g und V e r l e u m d u n g . H R R 38 186. — Bei Z w e i f e l , ob einheitlicher Vorsatz, § 74: Bamberg HESt. 1 258, Hamm N J W 53 1724, Braunschweig N J W 54 973. Bedenklich! d) Einheitsvorsatz sei undenkbar bei fahrlässigen Straftaten: so BGHSt. 5 376 gegen OGHSt. 1 343 (wie OGH jedoch Koch N J W 56, 1267, vgl. auch Lohmeyer N J W 56, 1546); ebenso zwischen vors, und fahrl. Tatakten: Köln N J W 53 676

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betr. StVO; hier entweder Tatmehrheit (§ 74) oder Dauerdelikt (E 59 287: Steuergefährdung) oder natürliche Handlungseinheit (DJ 39 1284: leichtfertige falsche Anschuldigung). Dagegen erkennt bei teils vorsätzlichem, teils (entspr. § 59 II) fahrlässigem Falscheid Celle J R 58 388 (zust. Anm. Schröder) FZ an. Wie Schröder zutr. bemerkt, ist „Vorsatz" hier nur Handlungswille. Dieser kann aber auch bei (rechts-) fahrlässigem Tun vorliegen. Insoweit also jedenfalls fahrl. Fortsetzungsdelikte anzuerkennen. I n diesem Sinne auch Lohmeyer a. a. O.; allgemein bejahend Maurach § 54 I I I B 2 a aa, Jagusch L K Vorb. B I I I 2f aa vor § 73, Welzel 6 § 28, 4 b ß (S. 192); a. A. Schönke-Schröder Vorb. I I I 2c vor § 73. — Weiterbegehung d e r strafb. Hdlg. nach Urteilsfällung kann im FortsZus. mit den vorhergehenden Teilhandlungen stehen, ist aber prozessual als neue Handlung zu würdigen und kann bestraft werden. E 66 47, 49 353, 58 44, auch wenn keine Rechtskraft: Frankf u r t N J W 54 1130. e) F ü r Teilnehmer sind die Voraussetzungen des Fortsetzungszusammenhangs s e l b s t ä n d i g zu beurteilen; sie können vorliegen, obwohl die H a u p t t a t e n mehrere selbständige sind; und umgekehrt können die mehreren Teilnahme- (Beihilfe-) Akte zu einer Fortsetzungstat selbständige Handlungen darstellen. So RGer. früher schon gelegentlich; jetzt seit E 70 349 (als Folge von E 70 26) grundsätzlich: es ist „zulässig, mehrere Hilfeleistungen zu verschiedenen Taten mehrerer Täter oder desselben Täters als eine fortgesetzte Handlung zu betrachten". — Fortsetzungstaten können auch in Mittäterschaft begangen werden: E 67 392. Aber nicht in Täterschaft und Teilnahme: E67130,139, B G H L M N r . 2 z u §331 StPO. Betr. §§47/49a: B G H N J W 54 1209 = LM Nr. 35 zu § 73. f) Über Prozeßfragen vgl. BGHSt. 6 92 (gegen 3 165), 122 (Verbrauch der Strafklage; auch durch Strafbefehl), N J W 54 1375 (Ausscheiden leichterer Teilakte), Bremen N J W 51 85 (Wegfall von Teilakten betr. Straf-, nicht Schuldfrage; ferner oben zu c). g) Bei Erreichung der Strafmündigkeitsgrenze während einer fortges. Hdlg. gilt | 32 J G G entspr. — Entsprechen die Teilakte teils einer leichteren, teils einer schwereren Form des gleichen Tatbestandes, so gilt die schwerere Strafdrohung (E 67 188). 2. Das Dauerverbrechen, d. h. die auf einheitlicher Willensbetätigung beruhende Aufrechterhaltung eines Straftatbestandes, bildet mit dem ersten Akt zusammen «ine Handlungseinheit (z. B. Freiheitsberaubung; Fahnenflucht E 38 417; Weiterwirkenlassen einer beleidigenden Äußerung E 57 193). Auch dauernde Unterlassungen können eine einheitliche Straftat bilden; wichtig wegen Berechnung der Verjährung: Anm. VI zu §67. Ü b e r d i e N a t u r eines Dauerverbrechens vgl. insbes.E 7668 •(betr. Steuergefährdung) mit Vorentscheidungen. Keine Handlungseinheit durch Zusammentreffen selbständiger Hdlgen mit D a u e r s t r a f t a t : LM Nr. 21 zu § 73. 3. Zum Kollektivverbrechen (Sammelstraftat) rechnet man das gewerbsmäßige, das geschäftsmäßige und das gewohnheitsmäßige Verbrechen. a) Gewerbsmäßig begangen nennt man ein Verbrechen, wenn es mit dem Willen begangen ist, es zu wiederholen und sich aus der wiederholten Begehung eine ständige Einnahmequelle zu verschaffen. — Die Gewerbsmäßigkeit ist teils S t r a f s c h ä r f u n g s g r u n d (§§260, 292 I I I , 293 I I I , 302d sowie § 175a Nr. 4 ausschl. des „sich anbieten"); teils wirkt sie s t r a f b e g r ü n d e n d (§§ 285, 302e, aus § 175a

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Nr. 4 das „sich anbieten", §361 Nr. 6a bis c; dazu die gewerbsmäßige Unzucht der Frau als Voraussetzung für Bestrafung des Zuhälters). Die Rechtspr. nahm bis 1938 an, daß die auf dem gleichen Erwerbswillen beruhenden Taten unselbständige Teile einer „Sammelstraftat" seien, daß hier „der Betrieb" gestraft werde: E 61 148 und öfter. Dies privilegierte geradezu die gewerbsmäßigen Straftaten. Denn: 1. es hinderte an Bildung einer Gesamtstrafe nach § 74; 2. Gewerbsmäßigkeit wurde ein Grund nicht für, sondern gegen Sicherungsverwahrung i. F. des § 20a I I : „drei Taten" (vgl. E 68 297); 3. sie stand der strafrechtlichen Verfolgung von Fällen entgegen, die von derselben Erwerbsabsicht getragen, aber nicht mit abgeurteilt waren: „die T a t " galt nach StPO § 264 als rechtskräftig erledigt. — Abhilfe war denkbar durch Lockerung des RKraftGrundsatzes (so OLG München in D J 38 724) und durch andere Auslegung des Wortes „Taten" in § 20a I I . Das RGer. ging mit Recht den umgekehrten Weg: den der Aufspaltung der Sammelstraftat. Den Anfang machte der GSSt. in E 72 164 (Anm. Kohlrausch in ZAk. 3S.473; über die Motive Härtung SJZ 50, 332). Eine A b t r e i b u n g verliere dadurch, daß sie gewerbsmäßig begangen werde (§218 IV a. F.), nicht die Eigenschaft einer selbständigen Handlung. Obwohl das Urteil ausdrücklich auf § 218 IV beschränkt und nur mit dessen Wortlaut begründet war, folgten die Einzelsenate, indem sie sich auf den GSSt. beriefen: E 72 257 betr. § 175a Nr. 4; E 72 285 betr. § 260; ebenso BGH: LM Nr. 3 zu § 260; E 72 313 betr. Ges. über unbefugte Rechtsberatung; E 72 397 betr. Rennwett- und LotGes.; E 72 401 betr. § 292; E 73 216 betr. §§ 302d und 302 e. - Wie E 72 164 jetzt Kiel NJW 47 195, BGHSt. 1 41. - Der Rechtspr. ist nicht nur aus Zweckmäßigkeitsgründen, sondern auch grundsätzlich beizutreten. D i e Absicht, solche Taten zu wiederholen und zur Erwerbsquelle zu machen, läßt d e n T ä t e r in besonders ungünstigem Licht erscheinen, nimmt der Einzeltat aber nicht ihre psychologische und rechtsethische Eigenständigkeit. Als T a t bleibt sie selbständig; der innere TB aber macht sie schwerer strafbar, wie z. B. eine besondere A b s i c h t bei den §§ 235 III, 307 Nr. 2. Dies unterscheidet das gewerbsmäßige Verbr. vom fortges. Verbr. Bei diesem schafft ein einheitlicher Tatvorsatz eine Tateinheit. Bei dem gewerbsmäßigen Verbr. dagegen treten zu den einzelnen Tatvorsätzen qualifizierende (Absichts-) Merkmale, die den Täter belasten. Der v e r f a h r e n s r e c h t l i c h erwünschten Folge, die sich aus der neuen Rechtspr. für die Rechtskraft ergibt, stehen „unvermeidliche weniger erwünschte Folgen" (so DR 39 712) gegenüber betr. Verjährung, Einbeziehung neuer erst in der HVhdlg. auftauchender Verbrechensfälle u. a. Hierzu auch ZAk. 39 351 (mit Anm. Nagler), H R R 38 1320, D J 39 53. Gegen das RGer. Schwarz in ZAk. 38, 539 ff. und in DStrR 39, 92ff.; Nagler in ZAk. 39, 371 ff. und 401 ff. sowie LK 6 S. 538; Preiser in ZStW Bd. 58, 743ff., v. Weber Grdr. S. 99, Busch, Wandlungen S. 34. b) Das geschäftsmäßige, begangen in Wiederholungsbereitschaft, aber ohne Erstrebung eines Vermögensvorteils; vgl. § 144; ferner ZPO § 157, RAbgO §§ 88, 200, 238, 409. c) Das gewohnheitsmäßige, entsprungen aus einem durch wiederholte Begehung erworbenen — nicht etwa aus bloßer Energielosigkeit entstandenen: H R R 38 489 - Hang, vgl. §§ 150, 180, 181a, 260, 284, 302d und e und E 32 394, 59 142; gew o h n h e i t s m ä ß i g z u m Z w e c k e d e s E r w e r b s : § 361 Nr. 6a—c, hier wohl nichts anderes bedeutend, als „gewerbsmäßig Unzucht treiben"; so auch § 181a.

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Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen. Vorbemerkungen

I n den Fällen a bis c g e n ü g t e i n e e i n z e l n e strafbare Handlung, aus der die Gewerbs-, Geschäfts-, Gewohnheitsmäßigkeit ersichtlich ist: E 12 388. — Daß mehrere „ S a m m e l s t r a f t a t e n " i m F o r t s Z u s . begangen werden, ist möglich: E 56 326, 58 10. d) Bei Konkursstraftaten nimmt RGer. Zusammenfassung aller nach K O strafbarer Handlungen zu einer Sammelstraftat a n , soweit sie sich auf die gleiche Masse beziehen und entweder alle vor oder alle nach Konkurseröffnung begangen wurden. So schon Rechtspr. 5 52, aufrechterhalten in J W 38 171. Vgl. J W 38 2735, D J 38 1560. Diese Zusammenfassung entbehrt des Grundes und unterliegt wegen R K r a f t und wegen Unanwendbarkeit des § 74 Bedenken. 4. „Massenverbrechen" als rechtl. Handlungseinheit war im deutschen Strafrecht bisher nicht a n e r k a n n t : BGHSt.1221 (anders OGHSt. 1342, 2134,BayObLG 1118, vgl. auch Hamburg N J W 531684 betr. Massenvergehen durch Schriftenverbreitung). S. jetzt aber §220a. III. Ausschluß (Konsumtion) Hier ist zu unterscheiden: 1. Das speziellere G e s e t z geht dem allgemeineren vor, z. B. § 249 dem ( E 5 5 239,vgl.aberLM § 73 Nr. 17); § 181a dem § 180(E41 340); § 243, 2 dem (E 40 430, richtiger wohl straflose Vortat, unten 4); § 117 dem §241 (E 54 § 240 dem § 241 (E 54 288). Grundsätzliches in E 47 388. BGHSt. 1 155, 2 37, betonen das logische Verhältnis solcher Tatbestände zueinander.

§ 255 § 123 206); 4 191

2. Ein Gesetz, das nur subsidiär gelten will, t r i t t hinter das primäre zurück; z. B. § 49a (vgl. dort Anm. VI) hinter Anstiftung und besonderen „Aufforderungs"Tatbeständen, wie §§ llOff., 159; 207; § 265a hinter § 263; allgem. die Gefährdungsnorm hinter Verletzungsnorm, z. B. §§ 221, 229 hinter §§ 211, 212, vgl. BGHSt. 4 116, 5 193. Versuch hinter Vollendung (aber nicht Versuch der qualifizierten hinter Vollendung der einfachen Straftat, E 53 284, 58 211, BGHSt. 10 230, N J W 52 1184); Beihilfe hinter Anstiftung; Teilnahme und Täterschaft bei derselben T a t sind schon begrifflich unvereinbar. Ob m e h r e r e S t r a f e r h ö h u n g s g r ü n d e konkurrieren können oder ob hier stets der leichtere durch den schwereren konsumiert wird, hängt davon ab, ob die Straferhöhungsgründe in der gleichen Richtung gestaffelt sind (z. B. § 226 als Steigerung von § 224) oder ob sie Verschiedenartiges treffen (z. B. § 226 gegenüber § 223b). I m ersten Falle ist Konsumtion, im zweiten Konkurrenz anzunehmen. Deshalb ist auch zwischen den verschiedenen Schärfungsgründen des § 243 IdKonk. — durch entspr. Anw. des § 73 — möglich und E 70 360 (betr. §§ 223b/226) abzulehnen; begründete Kritik von Mezger in J W 37, 627. — Die höhere Mindeststrafe des verdrängten Gesetzes bleibt verbindlich: BGHSt. 1 156. Bedenken hiergegen bei Köln N J W 53 1762. E i n z e l f r a g e n : BGHSt. 3 68 betr. unterlassene Hilfeleistung u n d Beihilfe durch Unterlassung; 2 17 betr. actio 1. i. c. und § 330a; 6 25 (Dünnebier GA 54, 271) betr. Verkehrsbest.; 1 152 betr. §§ 176 I Nr. 1, 177. 3. Straflose Nachtat nennt man ein Verhalten, das zwar an sich den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, das aber durch die Bestrafung eines vorhergehenden Verhaltens als m i t b e s t r a f t anzusehen ist. Nicht jede „ N a c h t a t " ist „ s t r a f l o s " !

Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen § 73

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Sie ist es nur dann, wenn sie, ohne ein neues Rechtsgut zu schädigen (s. unten), nur in der Verwirklichung derjenigen „Absicht - ' bestand, von der die erste Tat, dem gesetzlichen Tatbestand entsprechend, beherrscht sein mußte. Deshalb ist der Dieb, der die gestohlene, der Betrüger, der die durch Betrug erlangte Sache verwertet, nicht deswegen außerdem wegen Unterschlagung strafbar. Denn die Absicht solcher Verwertung war (beim Diebstahl: als Absicht rechtswidriger Zueignung; bei Betrug : als Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen) Voraussetzung der Bestrafung wegen Diebstahls bzw. Betrugs. Vgl. E 39 239, 62 61, 67 76, H R R 37 63; auch 3ä 64 (nachträgliche Sachbeschäd.). Straflose Nachtat erst recht, wenn ein Unterschlagender nachträglich verfügt. E 49 16. Straflos ist eine solche Nachtat aber nur, wenn der durch die Straftat angerichtete S c h a d e n mit dem durch die erste Tat verursachten zusammenfällt, BGHSt. 5 297. Sie ist strafbar, wenn sie den Schaden erweitert (E 64 281) oder wenn durch sie ein anderes Rechtsgut verletzt wird als durch die Vortat; z. B. Diebstahl u n d Betrug, wenn der Dieb den Käufer der gestohlenen Sache dadurch schädigt, daß er deren vitiöse Herkunft ihm verschweigt; oder Fälschung einer gestohlenen Urkunde E 60 371; oder Vortat Betrug, Nachtat Amtsunterschlagung, E 61 37. Betrug gegen Erblasser u n d d a n n gegen Erben: H R R 38 351. D i e N a c h t a t i s t a b e r (obwohl nicht selbständig strafbar) n i c h t s t r a f r e c h t l i c h b e d e u t u n g s l o s . Zunächst darf sie bei der Strafbemessung f ü r die Vortat berücksichtigt werden (E 62 61). Außerdem ist sie tatbestandsmäßig und ist nur deshalb nicht selbständig strafbar, weil sie durch die Bestrafung der Vortat als mitbestraft erscheint; folglich ist s t r a f b a r e B e i h i l f e an einer sog. straflosen Nachtat möglich (ähnlich E 67 76). 4. Die als M i t t e l zu einer Straftat begangene Handlung ist straflose Vortat, falls sie zu deren g e s e t z l i c h e n Merkmalen gehört (z. B. § 240 zu § 249) oder doch als ein dem r e g e l m ä ß i g e n Hergang entsprechendes Mittel erscheint (z. B. § 123 Abs. 1, nicht aber Abs. 2, als typisches Mittel zu § 243 Ziff. 2). Vgl. E 24 269, 40 430, 47 27, 56 335, 58 2, 59 321. Ob die Nachtat oder die Vortat „straflos" bleibt, bestimmt sich nicht aus bloß logischen Erwägungen, sondern nach dem Schwerpunkt der Tat. Zweifelhaft bei UrkFälschg., dazu SaxMDR 51, 537; bei Hehlerei, vgl. Jescheck GA 55, 104 (freilich jetzt GrSen. BGHSt. 7134). In allen Fällen der Konsumtion übt die Mindeststrafe des verdrängten Gesetzes eine Sperrwirkung aus: sie darf nicht unterschritten werden. So BGHSt. 1 153, 10 312. Bedenken hiergegen bei Maurach § 55 I B 4, Mezger § 99, 2d. Idealkonkurrenz § 7 3 Wenn eine und dieselbe Handlang mehrere Strafgesetze verletzt, so kommt nur dasjenige Gesetz, welches die schwerste Strafe, und bei ungleichen Strafarten dasjenige Gesetz, welches die schwerste Strafart androht, zur Anwendung. I. Über Handlungseinheit vgl. Vorbem. I I A . Nach Bremen J R 58 388 (gegen E 76 144) auch ungleichartige Einzelakte. — Einheitl. Hdlg. auch bei höchstpers. Rechtsgütern: BGHSt. 1 20, BGH LM Nr. 8 zu § 177. - Auf „fortges. Verbr." ist § 73 nicht anwendbar, da bei Verletzung mehrerer Gesetze FortsZus. nicht in Be-

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Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen § 73

tracht kommt: Vorbem. II B l . — Vgl. BGHSt. 1 67, 2 246, 3 165, 6 92, LM Nr. 21 zu § 73, Bremen JZ 51, 20 (Anm. Eb. Schmidt): die minderschwere (fortges.) Hdlg. hat nicht die Kraft, die an sich selbst. Hdlgen zu einer Tateinheit zusammenzuschließen (z. B. Raub und Morde). — Unanwendbar auch auf zwei StrTaten, von denen die eine durch Tun, die andere durch Unterlassung begangen ist, z. B. verbotenes Führen einer Schußwaffe und fahrlässige, durch Nichten tladung verursachte Tötung: E 68 315, HRR 42 38. IE. § 73 setzt Gesetzesmehrheit voraus, d. h., daß mehrere Gesetze (oder da3 gleiche mehrfach) durch eine Handlung verletzt sind. Vgl. Vorbem. I I I darüber, daß die Verletzung mehrerer Gesetze oft nur eine scheinbare ist,. § 73 insoweit also nicht in Betracht kommt. — Die gleichartige Idealkonkurrenz (ein Schuß verletzt mehrere) wird zwar ausdrücklich von § 73 nicht betroffen; aber eine andere Lösung als eine dem § 73 entsprechende (d. h. nur einmalige Anwendung des verletzten Gesetzes) kommt nicht in Frage. III. Absorptionsprinzip: Grundsatz von der Ausschließlichkeit des strengeren Gesetzes. Zwei aus ihm von RG (noch in E 70 357, 71 105, 72 117) abgeleitete Folgerungen waren unerfreulich. 1. Nebenstrafen, die nur nach dem milderen Gesetz zulässig oder geboten waren, durften nicht verhängt werden. Beisp.: die Publikationsbefugnis des § 200 fiel fort, wenn öffentliche Beleidigung mit Körperverletzung zusammentraf. So schon PlenBesehl. in E 6 180, wo die Konsequenz für „höchst bedenklich", aber für unausweichlich erklärt wird. — 2. Auch das Strafmindestmaß war dem Gesetz zu entnehmen, das das strengere Höchstmaß hatte, denn „nur" dieses „kommt zur Anwendung". Hatte also das im Höchstmaß strengere Gesetz ein milderes Mindestmaß (also einen nicht nur nach oben, sondern auch nach unten weiteren Strafrahmen) als das mit ihm ideal konkurrierende Gesetz, so konnte es dem Täter zum Vorteil gereichen, daß er außer dem milderen auch noch das strengere Gesetz übertreten hatte. Mit dieser früheren Rechtspr. brach der Beschl. des GSSt. in E 73 148, übernommen von BGHSt. 1156. Zu 1 stellt er den Satz auf, daß bei IdKonk. (Tateinheit) auch auf die Nebenstrafen erkannt werden muß (bzw. kann), die nach dem milderen Gesetz geboten (bzw. zulässig) sind. Nach E 75 190 ist dies sinngemäß auf Geldstrafen anzuwenden, auch wenn sie Hauptstrafen sind (Anm. Bockelmann in ZAk. 41, 293). Leider ist hierbei die Grenze zwischen „Nebenstrafen" einerseits, „Maßregeln" usw. andererseits einer grundsätzlichen Erörterung nicht unterzogen worden. Denn viele jener sog. Nebenstrafen sind überhaupt keine „Strafen". — Zu 2 stellte der GSSt. den Satz auf: „Verletzt eine und dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze (§ 73), so müssen das Mindestmaß und die Strafart des milderen Gesetzes eingehalten werden, wenn nach dem strengeren Gesetz eine geringere Strafe oder eine leichtere Strafart zulässig ist." „Eine dem Rechtsgefühl und dem Schutzbedürfnis der Allgemeinheit genügende Lösung kann nur dadurch gefunden werden.'' Dem ist sicherlich zuzustimmen. Nicht so ganz der auf das Wort „nur" in § 73 gestützten Verbalbegründung. Es genügt, daß es absurd wäre und deshalb nicht Gesetzesinhalt sein kann, daß Begehung einer schwereren Straftat zur Milderung der Strafe führe. Daß der Beschl. verschieden ausgelegt wurde, ist begreiflich. Auch innerhalb der Kreise des RGer. gingen die Meinungen auseinander. Vgl. einerseits Härtung in DR 39,1484; 40,50; S JZ 50,326; andererseits Schwarz in ZAk. 39,672. Die Einzel-

Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen § 74

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Senate sind dem großen Senat im Ergebnis gefolgt. In den Begründungen stimmen sie nicht überein. Vgl. 2. Senat in H R R 40 324 ; 3. Senat in D J 39 1639; 4. Senat in DR 39 1849. Ferner E 75 14 (schwer verständlich); 75 19 (Anm. Mezger in DR 41, 921). — Wie der GrSen. entscheiden in den drei Fragen der Zulässigkeit von Nebenstrafen des milderen Gesetzes, des Strafmindestmaßes und der nur konkreten Berücksichtigung der „besonders schweren Fälle" usw. jetzt Hamburg in HESt. 1 30; Oldenburg JB1. Old. 46 125; Gera N J 47 191 (Anm. Weiss); Düsseldorf HESt. 1 262. Desgl. BGH seit BGHSt. 1 156.—Ebenso wie das idealkonkurrierende mildere Gesetz bei der Strafzumessung im g a n z e n straferschwerend berücksichtigt werden kann, so auch in e i n z e l n e n M e r k m a l e n , die das strengere Gesetz nicht enthält: Köln MDR 56 374. IV. Die Strafarten stufen sich gemäß §21 ab: Zuchthaus, Gefängnis, Einschließung, Haft, Geldstrafe. V. Anwenden heißt nach herrsch. A. nur: aus diesem Gesetz strafen. — Zu v e r u r t e i l e n ist jedoch wegen a l l e r in Tateinheit begangenen Straftaten, z. B. „wegen Betrugs und schwerer Urkundenfälschung". Auch das nicht „angewandte" Gesetz kann also z. B. R ü c k f a l l begründen: E 18 193, 27 86. — Das Vorhandensein besonderer Strafbarkeitsmerkmale der milderen Bestimmung kann straferhöhend wirken: E 63 423, H R R 39 471, Hamburg J R 61 86. VI. Die Einheit der Handlung führt zum Verbrauch der Straf klage für alle in dieser Einheit enthaltenen Teilhandlungen (ne bis in idem, StPO § 264). Bei Amnestie jedoch gesonderte Betrachtung. E 67 225. Vgl. E 3 385, 25 27. Vit. Besatzungsrecht und deutsches Recht. Nur das deutsche Recht anzuwenden: BGHSt. 5 1 (betr. AHKG 14). Bealkonkurrenz

§74 (1) Gegen denjenigen, welcher durch mehrere selbständige Handlungen mehrere Verbrechen oder Vergehen oder dasselbe Verbrechen oder Vergehen mehrmals begangen und dadurch mehrere zeitige Freiheitsstrafen verwirkt hat, ist aul eine Gesamtstrafe zu erkennen, welche in einer Erhöhung der verwirkten schwersten Strafe besteht. (2) Bei dem Zusammentreffen ungleichartiger Freiheitsstrafen tritt diese Erhöhung bei der ihrer Art nach schwersten Strafe ein. (3) Das Maß der Gesamtstrafe darf den Betrag der verwirkten Einzelstrafen nicht erreichen und fünfzehnjähriges Zuchthaus, zehnjähriges Gefängnis oder fünfzehnjährige Einschließung nicht übersteigen. I. § 74 stellt das Asperationsprinzip auf (Verschärfung der im Einzelfall ver-wirkten schwersten Strafe). Anders § 73, doch hat die Rspr. den Unterschied verwischt, vgl. dort Anm. V a. E. und Köln NJW 53 1684. — Es gilt nicht für lebenslange Freiheitsstrafe (E 54 290) und Geldstrafe (§ 78). Betr. Haft vgl. § 77, betr. Ehrenstrafe § 76. II. Gesamtstrafe: so zu bilden, daß für jede selbständige Handlung die Einzelstrafe ausgeworfen und sodann die schwerste Strafe (Einsatzstrafe) unter Be-

256

Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen. § 75

rücksichtigung des Abs. 3 angemessen erhöht wird. Vgl. E 4 53,44 302 sowie 77 152: Die Gesamtstrafe ist die Strafe für alle abgeurteilten Handlungen. So der Sache nach auch Bremen HESt. 2 233 und NJW 52 1069, Köln NJW 53 275. Gegen diese BGHSt. 8 205, 211, dazu mit Recht kritisch Dreher JZ 57, 157; aus den Grenzen des prozessualen Begründungszwanges (§ 267 Abs. 3 StPO), auf die der BGH hier verweist, läßt sich für das Wesen der Gesamtstrafe nichts ableiten. Richtig BGHSt. 7 180, 182 (für § 79): Bei Bildung der Gesamtstrafe, durch die die Einzelstrafen ihre selbständige Bedeutung verlieren, hat das Gericht die Taten nach Art und Schwere sowie nach der Persönlichkeit des Täters zu würdigen. Für § 74 gilt nichts anderes. Treffend Frankfurt NJW 56 1290: Die Bestimmungen der §§ 74, 79 kennen als erkannte Strafe überhaupt nur die Gesamtstrafe. Doch sind die Einzelstrafen nicht nur Rechnungsgrößen, auch ihre Zumessung ist zu begr. LM § 74 Nr. 4. — Zur Ermessensfrage BGHSt. 5 57 einerseits, Köln NJW 53 1684 andererseits. Nach dem Gesagten ist dem OLG zuzustimmen. — Die Einzelstrafe darf nicht unter ihren gesetzlichen Mindestbetrag hinabgehen (Rechtspr. 1 102), jedoch ist bei Umwandlung von Gefängnis in Zuchthaus eine Zuchthausstrafe unter einem Monat zulässig. Vgl. § 19 Anm. II. — Das Urteil braucht eine ausdrückliche Umwandlung der milderen Einzelstrafen in die schwerere Strafart nicht vorzunehmen. Doch muß das Maß der Gesamtstrafe klarstellen, daß der Betrag der Einzelstrafen (die daher in den Urteilsgründen ersichtlich zu machen sind: E 2 235) nicht erreicht ist (s. Abs. 3): E 36 88. — Bei Anwendung von § 27 b ist § 74 unanwendbar: E 59 21. Keine Einbeziehung von Besatzungsstrafen: LM Nr. 1 zu § 335. — Zur Gesamtstrafbildung, wenn im ersten Rechtszuge eine Strafe ausgesetzt war, vgl. Celle NJW 57 1644. III. Selbständige Hdlg. im Gegensatz zur natürlichen HdlgsEinheit (im einzelnen oben II A vor und I zu § 73) und zur Fortsetzungstat (oben I I B 1 vor § 73). Für Dauerdelikte vgl. Köln NJW 58 838. — Sehr formal BGHSt. 9 247: gesetzwidriger Handwerksbetrieb und Unterlassung von dessen Anzeige seien zwei selbst. Hdlgen. § 74 geht nicht vom Normativen, sondern vom Realen aus. IV. Schwerste Strafe. Bei Freiheitsstrafen gleicher Art entscheidet die Dauer. Bezüglich ungleichartiger Strafen vgl. Abs. 2. K e i n e Gesamtstrafbildung mit Jugendstrafe: BGHSt. 8 349, 10 100, vgl. oben § 16 Anm. II. V. Prozessuales: Wenn in der R e v i s i o n s i n s t a n z nur die Feststellungen e i n z e l n e r H a n d l u n g e n a u f g e h o b e n werden, so bleiben die übrigen Feststellungen in Kraft, falls nicht anzunehmen ist, daß schon die Bemessung der Einzelstrafen durch die vorliegende Tatmehrheit beeinflußt wurde (E 25 297, eingehend begründete Plenarentscheidung). — Betr. Amnestie vgl. LM Nr. 3 zu § 74. — Fehlt Einsatzstrafe, so Aufhebung der GesStr.: BGHSt. 4 346. — Ermessensmißbrauch bei der GesStrafbildg.: BGHSt. 5 57. §75 (1) Trifft Einschließung nur mit Gefängnis zusammen, so ist auf jede dieser Strafarten gesondert zu erkennen. (2) Ist Einschließung oder Gefängnis mehrfach verwirkt, so ist hinsichtlich der mehreren Strafen gleicher Art so zu verfahren, als trenn dieselben allein verwirkt wären.

Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen §§ 76, 77, 78, 79

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(3) Die Gesamtdauer der Strafen darf in diesen Fällen fünfzehn Jahre nicht übersteigen. Die Sonderbehandlung der Einschließung beruht auf ihrem nicht entehrenden Charakter. §76 Neben der Gesamtstrafe müssen oder können Nebenstrafen und Nebenfolgen verhängt und Maßregeln der Sicherung und Besserung angeordnet werden, wenn das auch nur wegen einer der Gesetzesverletzungen vorgeschrieben oder zugelassen ist. I. Neufassung nach G v. 24.11. 33 Art. 3 Nr. 11 und G v. 23. 3. 34 § 7 Nr. 5 II. Die hier bezeichneten Straftatfolgen sind neben der Gesamtstrafe, nicht neben den Einzelstrafen zu erkennen: E 36 88, 75 212. — Bei Aufhebung einer GesStr. muß nicht stets SV aufgehoben werden: RG DJ 36 1813. Betr. Ehrverlust vgl. E 74 5. Vgl. ferner § 32 Anm. I. §77 (1) Trifft Haft mit einer anderen Freiheitsstrafe zusammen, so ist auf die erstere gesondert zu erkennen. (2) Auf eine mehrfach verwirkte Haft ist ihrem Gesamtbetrage nach, jedoch nicht über die Dauer von drei Monaten zu erkennen. § 77 gilt auch bei den Vergehen der §§ 185, 186. §78 (1) Sind mehrere Geldstrafen verwirkt, so ist auf jede gesondert zu erkennen. (2) Das gleiche gilt von den Freiheitsstrafen, die an die Stelle uneinbringlicher Geldstrafen treten. Ihre Gesamtdauer darf zwei Jahre nicht übersteigen; die Gesamtdauer mehrerer zusammentreffender Haftstrafen darf drei Monate nicht übersteigen. I. Neu gefaßt durch G v. 27. 4. 23 und 6. 2. 24. II. Abs. 1 (Kumulationsprinzip) gilt auch im Falle des § 27b. E 59 21. — Jede einzelne Geldstrafe ist im Urteilstenor zu nennen: RG DJ 34 1407. III. Zu Abs. 2 (abgeschwächtes Kumulationsprinzip, vgl. S. 2): An Stelle jeder einzelnen Geldstrafe ist gesondert für den Fall der Uneinbringlichkeit Freiheitsstrafe zu setzen: E 38 1. § 29 Abs. 2 S. 1 zu beachten: HRR 37 1678. §79 Die Vorschriften der §§ 74 bis 78 finden auch Anwendung, wenn, bevor eine erkannte Strafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist, die Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung erfolgt, welche vor der früheren Verurteilung begangen war. 17

Kohlraasch-Lange, StGB, 42. Aufl.

258

Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen § 79

I. Voraussetzungen. § 79 setzt voraus, daß eine Person z u n ä c h s t eine Straftat begangen hat, d a n n wegen einer anderen Straftat verurteilt wird (dazu BGHSt. 4 366) und h i e r a u f wegen der erstgenannten verurteilt werden soll. Auch hier sollen die strafmildernden Vorschriften der §§ 74—78 zur Anwendung kommen, da die mehreren selbständigen Handlungen zwar nicht einheitlich abgeurteilt w e r d e n , aber doch einheitlich abgeurteilt werden k o n n t e n . E 59 168. Auch wenn das erste Urteil erst bei Bildung der Gesamtstrafe rechtskräftig war: Frankfurt N J W 56 1567. — Der spätere Richter ist an die Schuldfeststellung und Strafbemessung des früheren Richters gebunden; nicht aber an die von diesem verhängten N e b e n s t r a f e n u n d N e b e n f o l g e n , auf die er neben der Gesamtstrafe n e u zu erkennen hat (E 73 366, 75 212). Gleiches muß, da § 79 den § 76 in Bezug nimmt, f ü r die „Maßregeln der Sicherung und Besserung" gelten (zweifelnd 39 1505 mit ablehn. Anm. Schwinge). — Vgl. auch StPO §§ 460, 462. — Über Bildung dieser Gesamtstrafe vgl. E 44 302, 46 179. — Unterlassung begr. die R e v i s i o n : E 64 413, BGHSt. 3 278 (gegen BGHSt. 2 388) u. NJW 53 389; vgl. Henssler S. 452. So jetzt eingehend auch GrSen. in BGHSt. 12 1. — Zutr. auch BGHSt. 9 190 betr. Gesetzesverletzung durch Einbeziehung derselben Einzelstrafe in zwei verschiedene Gesamtstrafen (ne bis in idem!). — Zum B e g r ü n d u n g s z w a n g vgl. oben §74 Anm. I I (zu und gegen BGHSt. 8 205). II. Eine im Gnadenwege erlassene, eine vollstreckte und eine nicht mehr vollstreckbare Strafe sollen nicht nochmals erörtert und nachträglich ermäßigt werden (E 32 7, BGH NJW 53 187921, BGHSt. 2 230). — Über Strafaussetzung zur Bewährung ist dagegen neu zu entscheiden: BGHSt. 7 180,182 (vgl. oben § 74 Anm. I I und Vorbem. I I 1 vor § 23). — Hat die Vollstreckung begonnen, so ist der verbüßte Teil auf die Gesamtstrafe anzurechnen (E 46 179). III. Treffen Handlungen, die vor einer früheren Verurteilung begangen sind, mit mehreren nachher begangenen zusammen, so sind zwei Gesamtstrafen zu bilden (gemäß §§ 74 und 79), von denen j e d e evtl. bis zu 15 Jahren Zuchthaus betragen darf (vgl. § 74 Abs. 3): E 4 53, vgl. BGHSt. 8 203, 204. IV. Eine nach der Verkündung (wenn auch vor Rechtskraft) des früheren Urteils begangene T a t kann der Rechtswohltat des § 74 nicht mehr teilhaftig werden, sondern ist selbständig mit der ihr gebührenden Strafe zu belegen. Anders, wenn sie in die Berufungsverhandlung noch mit einbezogen werden kann: hier ist § 74 ohne weiteres anwendbar. Vgl. E 3 213, 53 145, 60 382. — § 79 auch anwendbar, wenn die Straftat vor m e h r e r e n früheren E i n z e l Verurteilungen begangen war, für welche die gebotene Gesamtstrafe nicht gebildet wurde. Hier kann das zuletzt erkennende Gericht auf Grund der früheren und der neuen Entscheidungen eine Gesamtstrafe bilden; §§460, 462 StPO stehen nicht entgegen: E 15 29. — Vgl. zu diesen Fragen Beyer DRZ 49, 176. V. Vorher begangen: Also nicht, § 79, wenn ein sog. fortgesetztes Verbrechen (Vorbem. I I B 1 vor § 73) oder eine mehraktige Straftat (wie § 147 2. Fall) erst nach einer früheren Verurteilung zum tatbestandmäßigen Abschluß gekommen ist. E 59 168. — Die frühere Verurteilung ist das letzte auf Strafe erkennende Urteil des Tatrichters: BGH NJW 54 1853. Dazu Hamm NJW 54 324. — Vorauss. ist ihre Rechtskraft: LM Nr. 1 zu GG Art. 103.

Zweiter Teil

Von den einzelnen Verbrechen, Vergehen und Übertretungen und deren Bestrafung Vorbemerkung Zum Aafban des Besonderen Teils vgl. Würtenberger, Daa System der Rechtsgüterordnung, Strafr. Abh. Nr. 326, und Oehler, Wurzel, Wandel und Wert der strafr. Legalordnung, 1950, ferner oben Syst. Vorbem. I I C, I I I 1 und § 2 Anm. I I I £4. Schrifttum zu Abschn. 1—3: l.Zum geltenden Recht, a) A l l g e m e i n e s , H o c h v e r rat und Staatsgefährdung. D r e h e r , JZ 53, 426: Das dritte Strafrechtsänderungsgesetz. — N ü s e , J R 53, 278: Zum dritten Strafrechtsänderungsgesetz. — H e n n k e , ZStW 66, 390: Zur Abgrenzung der strafbaren Vorbereitungshandlung beim Hochverrat. — D e r s e l b e , GA 1954, 140: Der Begriff „verfassungsmäßige Ordnung" im StGB und im GG. — R u h r m a n n , NJW 54, 1512: Rechtsfragen zur Staatsgefährdung. — Derselbe, NJW 56, 1817: KPD-Verbotsurteil des BVerfG und Staatsschutzrechtspr. des BGH. — S c h n e i d e w i n , J R 54, 241: Zur Auslegung der Begriffe Verfassungsverrat und Landesverrat. — B a u e r , JZ 53, 651: Politischer Streik und Strafrecht. — v. W e b e r , JZ 53, 297: Zum SRP-Urteil. — E c h t e r h ö l t e r , J Z 53, 656: Zur Problematik des Art. 18 GG. — W i l l m s , NJW 57, 565: Die Organisationsdelikte. b) L a n d e s v e r r a t M i t t e l b a c h , J R 53, 288: Das Staatsgeheimnis und sein Verrat. — A r n d t , ZStW 66, 41: Die landesverräterische Geheimnisverletzung. — S a u e r , DRiZ 54,113: Landesverratsprozeß um den f a l s c h e n „ G e n e r a l v e r t r a g " . — S c h n e i d e w i n , J R 54, 241 (s. o.). 2. Zum früheren A r t . 143 GG u n d d e n E n t w ü r f e n zum Strafrechtsänd.Ges. v. 30. 8. 51: H. M a y e r , SJZ 50, 247. - K e r n , NJW 50, 405. - D e r s e l b e , N J W 60, 667. — S c h m i d , DRZ 50, 337. — v. W e b e r und B a d e r , Referate auf dem 38. Deutschen Juristentage. — O e h l e r , J R 50, 513. 3. Z u m 1. StÄG: v. W e b e r , MDR 51, 517 u. 641. — S c h a f h e u t i e und D a l l i n g e r , JZ 51, 609ff. — K ü s t e r , JZ 51, 659. — S c h m i d t - L e i c h n e r , NJW 51, 867. 4. Z u m ä l t e r e n R e c h t vgl. die Lit. zu den älteren Fassungen, aber auch die Begr. zu den Entwürfen, insbes. zu Entw. 1927. Ferner vor allem: v. W e b e r , Die Verbrechen gegen den Staat in der Rechtsprechimg des Reichsgerichts, RG-Festgabe V, 173ff. (1929). — G r a f zu D o h n a , Der Hochverrat im Strafrecht der Zukunft. Frank-Festgabe I I 229 (1931). — v a n C a l k e r , Der Landesverrat. Rechtspolitische 17*

260

Hochverrat § 80

Bemerkungen zum Entwurf von 1929. Frank-Festgabe II, 245. — H. M a y e r . Die Staatsverbrechen in der Reichstagsvorlage, GS 98, 32. 5. V e r g l e i c h e n d : S c h ö n k e , Strafrechtlicher Staatsschutz im ausländischen Recht, NJW 50, 281. Vorbemerkung Zur Systematik der Abschnitte 1—3 vgl. Vorbem. II vor 88.

Erster A b s c h n i t t

Hochverrat Angriff

auf Verfassung

oder

Gebiet

§

«0

(1) Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt 1. die auf dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland oder der Verfassung eines ihrer Länder beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern, 2. das Bundesgebiet einem fremden Staate einzuverleiben oder einen Teil des Bundesgebietes loszureißen, 3. das Gebiet eines Landes ganz oder teilweise einem anderen Lande der Bundesrepublik einzuverleiben oder einen Teil eines Landes von diesem loszureißen, wird wegen Hochverrats, wenn sich das Unternehmen gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen das Bundesgebiet (Nr. 1, 2) richtet, mit lebenslangem Zuchthaus oder mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren, wenn sich das Unternehmen gegen das Gebiet eines Landes (Nr. 3) richtet, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann bei Taten nach Absatz 1 Nr. 1 oder 2 auf Zuchthaus, bei Taten nach Absatz 1 Nr. 3 auf Gefängnis nicht unter sechs Monaten erkannt werden. I. System Die Bestimmung hält am überlieferten Begriff des Hochverrats als Angriffs auf die rechtlichen Grundlagen des Staates fest; vgl. jedoch zur gegenwärtigen Problematik der Abgrenzung vom Landesverrat Vorbem. vor § 88 und § 99 sowie Anm. zu §§ 100a und lOOd. Sie unterscheidet, wie herkömmlich, Verfassungs- und Gebietshochverrat. § 83 fügt dem als drittes den Schutz des Staatsoberhauptes gegen hochverräterische Anschläge und Zwang hinzu. Die letzten Entwürfe vor 1933 hatten alle drei Schutzobjekte unter gleicher Strafdrohung in einer Bestimmung zusammengefaßt (§ 86). Ebenso noch Art. 143 GG. H. Unternehmen ist nach § 87 Vollendung und Versuch.

Hochverrat § 80

261

Die sowjetzonale Justiz umfaßt mit diesem Begriff auch Vorbereitungshandlungen (Ostberliner K G in N J 51 428 mit Anm. Benjamin, OGE 3 18). m . Gewalt: § 52 Anm. I I . Dazu BGHSt. 8 102: Der Massen- und Generalstreik kann Gewalt i. S. d. § 80 Abs. 1 Nr. 1 sein. Nicht körperliche Kraftentfaltung, sondern Zwangswirkung entscheidend. Vgl. dazu Sax in Arbeitsrecht!. Praxis Nr. 1 zu § 80, dens. N J W 53, 368, Bauer J Z 53, 652 Anm. 37, Niese, Streik und Strafrecht S. 26. IV. Drohung: § 52 Anm. I I I , aber auch § 83 Anm. I I I . V. Die verfassungsmäßige Ordnung muß auf dem G r u n d g e s e t z beruhen. Die auf den Länderverfassungen beruhende v. 0 . ist dem nicht, wie es nach dem Gesetzeswortlaut scheinen möchte, unbedingt, sondern nur mit der Maßgabe des Art. 28 GG gleichgestellt: soweit sie den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes entspricht. Diese Bindung an die Grundnormen des GG setzt der „normativen Kraft des Faktischen" Grenzen und ist offenbar bewußt enger als der Entwurf 1950 § 87. Dieser sprach allgemein von „verfassungsmäßiger Ordnung", und seine Amtl. Begründung bezeichnete es als belanglos, ob die geschützten Grundlagen des staatlichen Lebens im GG oder in den Landesverfassungen geregelt seien oder ihre Gültigkeit aus anderen Rechtsgrundlagen herleiteten. Wie Schafheutie a. a. O. S. 610 formuliert, will die einschränkende Neufassung die Wertneutralität vermeiden, die dem früheren Hochverratsrecht eigentümlich war. Die grundlegende Wandlung des Begriffs wird deutlich bei einem Vergleich mit der früheren Praxis des RG, die v. Weber, RG.Festgabe Bd. V S. 180, zutr. dahin zusammenfaßte, daß die Verfassung in ihrem Sinne nicht als Norm, sondern als Sein getroffen werde. Vgl. ebendort über die praktischen Auswirkungen dieser Auffassung. Im einzelnen versteht die Amtl. Begr. zum Entwurf 1950, die insoweit noch zu verwerten ist, unter verfassungsmäßiger Ordnung die G r u n d l a g e n d e s s t a a t l i c h e n Z u s a m m e n l e b e n s , also in erster Linie die freiheitliche demokratische G r u n d o r d n u n g i. S. des Art. 18 GG, die grundlegenden politischen S t a a t s e i n r i c h t u n g e n und ihr ordnungsmäßiges F u n k t i o n i e r e n wie auch die Aufrechterhaltung des Systems von mindestens zwei politischen P a r t e i e n (S. 33). Wie viele Fragen dabei noch offenbleiben, zeigt Graf zu Dohna a.a.O. S. 230ff., mag auch manches an seinen Ausführungen zeitbedingt sein. Zum Begriff neuerdings Helmke GA 1954, 140: in Abschn. 1 und 2 verschieden; ebenso Ruhrmann N J W 54, 1512: keine Beschränkung auf die Verfassungsgrundsätze des § 88. Ans der Rspr.: Versuch, die B u n d e s r e g i e r u n g mit Gewalt zum R ü c k t r i t t zu zwingen, ist Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung i. S. d. § 80, wenn Beseitigung oder Umgestaltung des O r g a n s s e l b s t angestrebt: BGHSt. 6 352. — Angriff auf Entscheidungsfreiheit des P a r l a m e n t s in einer bestimmten Gesetzgebungsaufgabe noch nicht (wohl aber § 105); nur wenn vollständige, sei es auch nur vorübergehende Ausschaltung des P. a l s E i n r i c h t u n g erstrebt: B G H 6 S t R 42/54 v. 5 . 5 . 5 4 . — Allgemeine „Änderung" nur, wenn Angriff gegen Einrichtungen, die die G r u n d l a g e d e s p o l i t i s c h e n S t a a t s l e b e n s bilden, als solche: BGHSt. < 352, vgl. auch S. 337—339. — Nötigung oder Hinderung einer P e r s o n bei Ausübung ihrer verfassungsmäßigen Befugnisse für sich allein auch dann noch nicht,

262

Hochverrat § 81

•wenn an höchster Stelle stehender Träger der staatlichen Gewalt, abgesehen von» BPräs., § 83: GHSt. 6 352. VI. Das Bundesgebiet i. S. dieses Abschn. umfaßt Berlin (zutr. v. Mangoldt, GG Art. 23 Anm. 2), darüber hinaus aber das Gebiet der Grenzen vom 31. 12. 37. Die Bundesrepublik ist kein westdeutscher Teilstaat. Vorbereitung §81 (1) Wer ein bestimmtes hochverräterisches Unternehmen gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen das Bundesgebiet (§ 80 Abs. 1 Nr. 1, 2) vorbereitet, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Gefängnis nicht unter einem Jahr erkannt werden. (2) Wer ein bestimmtes hochverräterisches Unternehmen gegen das Gebiet eines Landes (§ 80 Abs. 1 Nr. 3) vorbereitet, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. I. Vorbereitung eines bestimmten hochverr. Unternehmens wird jetzt ohne die frühere Unterscheidung einfacher und qualifizierter Fälle (§ 83 I I und I I I Fassg. v. 1934) bestraft. Die Bestimmung, die der Reg.-Entw. 1950 mit Rücksicht auf § 49 a StGB und den damals geplanten allg. Tatbestand der Verfassungsstörung f ü r entbehrlich hielt, ist auf Initiative des Bundesrats wieder aufgenommen worden. Sie bezieht sich nicht auf den hochverräterischen Zwang des § 83. — Zum Begriff der V vgl. Vorbem. I I u. I I I vor § 43. Hennke ZStW 66, 390 betont, daß fördernde Handlung, nicht nur Planung, und Gefährdung des Rechtsguts vorliegen müssen. Im einzelnen: auch geistige oder seelische Beeinflussung der Bevölkerung: LM N r . l . — Massen- u n d Generalstreik: BGHSt. 8 102. — „Aktionen" und ihre Folgen: BGHSt. 6 340. II. Ein bestimmtes Unternehmen muß vorbereitet sein. Damit wird die frühere Rechtsprechung (E 5 60,16 165, 41 138; weitere Nachweise bei v. Weber RG-Festg. V 180ff.) legalisiert. Vgl. auch Entw. 1930 § 88d: „Als Hochverrat im Sinne der §§ 87 bis 88 c gilt nur ein bestimmtes, in seinem Ziel und Plan erkennbares hochverräterisches Unternehmen." BGHSt. 7 11 legt die z e i t l i c h e Bestimmtheit wegen des ergänzenden Strafschutzes der §§ 88 ff. enger aus als RG; vgl. schon BGHSt. 6 341. Berechtigte Bedenken beiDreher-MaassenAnm. 1. Die §§ 88 ff. ersetzen schon wegen ihres engeren Rechtsguts die §§ 80, 81 nicht. — Angriffsgegenstand und - z i e l , nicht dagegen Einzelheiten des Plans müssen festliegen: BGH LM Nr. 1 unter Berufung auf die vorstehend zit. RGEen. — Art. 21 I I GG hindert nicht, den Angehörigen einer nicht verbotenen Partei aus § 81 zu verurteilen: BGHSt. 6 336, vgl. auch Köln N J W 54 973. — N i c h t bestimmtes Unternehmen: ggfalls §93. Köln NJW 54 1259. — Art. 21 I I GG verlangt nicht wie § 81 ein konkretes Unternehmen. BVerfgE 5 85 (141, 142) = NJW 56 1393 (KPD-Urteil). III. Versuch der Vorbereitung begrifflich ausgeschlossen: Hennke ZStW66, 398 Arndt ibid. 72 ff.

Hochverrat § 82

263

IV. Konkurrenzen: Bei Vorher, durch Einfuhr von Schriften Tateinheit mit § 93: LM Nr. 1. — § 81 ist lex spec. gegenüber § 49 a: Köln NJW 54 1259, vgl. oben Anm. I. A.A. Schönke-Schröder Anm. VI. V. Verjährung gem. PreßG auch bei geplantem Hochverrat und Staatsgefährdung durch die Presse: Köln NJW 54 1259 (aber nur, soweit letztere nicht tatbestandsmäßig).

Tätige Reue §82 Das Gericht kann die in den §§ 80, 81 angedrohte Mindeststrafe unterschreiten, auf die nächstmildere Strafart erkennen oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter aus freien Stücken seine Tätigkeit aufgibt und den Erfolg abwendet. Unterbleibt der Erfolg ohne Zutun des Täters, so genügt sein ernstliches Bemühen, den Erfolg abzuwenden. I. Tätige Reue. Ihre besondere Prämiierung bei Hochverrat ist Tradition; teils aus den hier noch näher als sonst liegenden kriminalpolitischen Erwägungen (vgl. § 46 Anm. I), teils aus konstruktiven Gründen, da § 46 bei Unternehmen und Vorbereitungshandlungen nicht ohne weiteres eingreift. Aber deren Umfang hat ständig gewechselt. § 82 I I I Fassg. v. 1934 sah nur f ü r das hochverr. Komplott eine Sonderregelung vor. Art. 143 Abs. 4 GG ordnete für das ganze Gebiet des Hochverrats bei Rücktritt oder tätiger Reue den Wegfall der Strafe an. Demgegenüber verlangt § 82 primär (vgl. jedoch auch S. 2) Aufgabe der Tätigkeit u n d Abwendung des Erfolges und gewährt nur fakultativ Strafmilderung oder Absehen von Strafe. Man wollte nicht die „Hemmungen, überhaupt zur Tat zu schreiten", zu stark mindern (Schafheutie S. 611). Andererseits folgt daraus, daß das Gesetz auf den Gesamterfolg abstellt, die Möglichkeit straf befr. Rücktritts auch dann noch, wenn der Täter seine eigene Tätigkeit schon abgeschlossen hatte (ebenso Jagusch LK Anm. 1 aus zutr. kriminalpolitischen Gründen). Der Wortlaut „Aufgabe" der Tätigkeit ist zu eng. Denn da die Taten der §§ 80, 81 in jedem Fall schon formell vollendet sind, kommt nur tätige Reue, nicht Rücktritt in Betracht. II. Aus freien Stücken: Vgl. § 46 Anm. VII. III. Zu Satz 2: Vgl. § 46 Anm. VII 2 darüber, daß es sich hier wie in § 49 a Abs. 4 S. 2 um ein sinnvolles Korrelat zur subjektiven Versuchstheorie handelt. Diese Tendenz des Gesetzgebers sollte nunmehr auch die frühere unbefriedigende Rechtsprechung zur tätigen Reue bei absolut untauglichem Versuch trotz des Wortlauts des § 46 Nr. 2 als überholt erscheinen lassen. IV. Die Qualifikation der Taten der §§ 80, 81 Abs. 1 als Verbrechen wird auch bei Übergang zu einer milderen Strafart nicht berührt. Es liegt ebenso wie im Verhältnis der Versuchs- zur Vollendungsstrafe im Falle des § 44 Abs. I I I S. 2. V. Keine entsprechende Anwendung auf § 90 a: BGHSt. 9 310. VI. Absehen von Strafe. Der Schuldspruch bleibt hier unberührt. Zum systematischen Ort des A. v. Str. vgl. v. Weber MDR 56, 705, de lege fer. Lange, MatStrRRef. I 79f. — Vgl. unten § 90 Anm. V.

264

Hochverrat §§ 83, 84

Angriff auf den Bundespräsidenten und seine Befugnisse §83 (1) Wer einen Angriff auf Leib oder Leben des Bundespräsidenten begeht, wird wegen hochverräterischen Anschlags mit Zuchthaus bestraft, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist. (2) Wegen hochverräterischen Zwanges wird ebenso bestraft, wer den Bundespräsidenten seiner verfassungsmäßigen Befugnisse beraubt oder mit Gewalt oder durch rechtswidrige Drohung nötigt oder hindert, seine verfassungsmäßigen Befugnisse überhaupt oder in einem bestimmten Sinne auszuüben. I. System. Wegen des Verhältnisses der Bestimmung zu § 80 vgl. dort Anm. I. — Abs. 1 erweitert und verschärft für das Staatsoberhaupt den Schutz von Leib und Leben. Daß der Täter politische Zwecke verfolgt habe, ist nicht erforderlich. Das gilt auch für den erhöhten Ehrenschutz des Bundespräsidenten durch § 95 Abs. 1 und Abs. 3, Fall 1. Den Zusammenhang mit dem Hochverrat stellt in § 83 Abs. 1 die unausbleibliche Rückwirkung eines solchen Anschlags auf die verfassungsmäßige Ordnung dar; in diesem Sinne spricht das Gesetz mit Recht von einem „hochverräterischen Anschlag". — Der hochverräterische Zwang des Abs. 2 setzt dagegen voraus, daß der Täter persönlich politische Zwecke verfolgt oder als Werkzeug anderer zur Durchsetzung eines solchen Zieles handelt, mag er selbst — etwa als bestochener Fahrer — auch von rein privaten Motiven geleitet sein. II. Zu Abs. I: 1. Angriff: Ausholen zum Schlag genügt. E 41 181: Angriff auch, wenn der Täter auf den Körper des Angegriffenen weder einwirken will noch kann, wie bei Schrotschuß auf 80 Schritt. Der Begriff umfaßt jede in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper zielende Einwirkung ohne Rücksicht auf den Erfolg; so auch E 7 301; 28 32ff.; 59 265. Bloße Schreckschüsse sind dagegen nicht ein Angriff auf den Leib, sondern auf die Willensfreiheit. Vgl. zu diesem Begriff allgemein auch die Lit. zu § 113 sowie zu § 94 a. F. (eingef. durch VO vom 19. 12. 32). 2. Subsidiaritätsklausel namentlich für Tötungs- und schwere Körperverletzungsdelikte bedeutsam. III. Zu Abs. II vgl. als Vorbild Art. 143 Abs. 1 GG. Die „gefährliche" ist jedoch durch die „rechtswidrige" Drohung ersetzt. Darin liegt eine erhebliche Erweiterung. — Zur „Rechtswidrigkeit" der Drohimg vgl. § 240 Anm. II, aber auch die in NJW 49, 697 für § 253 entwickelten, für das Tatbestandsprinzip allgemein geltenden Bedenken gegen einen so unbestimmten Begriff. Diese Fragen gewinnen durch die Strafbarkeit des Versuchs — auch des untauglichen — bei § 83 besondere Bedeutung. — Betr. „Gewalt" und „Drohung" vgl. § 240 Anm. III, IV. Für „Nötigung" und „Hinderung" vgl. §§ 105 bis 107. Fahrlässige Oefährdungshandlungen

§

Wer 1. Schriften, Schallaufnahmen, Abbildungen oder Darstellungen, deren Inhalt den äußeren Tatbestand der §§ 80, 81 oder 83 erfüllt, herausgibt, herstellt, verbreitet oder zum Zwecke der Verbreitung vorrätig hält,

Hochverrat § 84

265

2. Äußerungen oder Darstellungen solchen Inhalts durch Film, Funk oder sonst durch technische Vervielfältigung verbreitet, obwohl er deren hochverräterischen Inhalt hätte erkennen müssen, wird mit Gefängnis bestraft, soweit nicht in anderen Torschriften eine schwerere Strafe angedroht ist. I. Vorläufer in der VO vom 28. 2. 33 (RG J W 1933 2913 begründet sie mit Beweisschwierigkeiten für den Vorsatz des Verbreitens) und in §85Fassg. v. 1934. VgL Herlan MDR 55, 17. Der RegEntw. 1950 dehnte den ursprünglich auf Druckschriften beschränkten Tatbestand auf Schallplatten usw. aus, die jetzige Fassung geht noch erheblich weiter, indem sie auch nicht mechanisch vervielfältigte Schriften erfaßt. Kritisch hierzu v. Weber MDR 51, 518. Andererseits ist die besondere Verschärfimg der Fahrlässigkeitshaftung, die aus § 85 a. F. herausgelesen werden konnte, durch Streichung der Worte „bei sorgfältiger Prüfung der Schrift" gefallen (dazu Begr. des RegEntw. S. 34). — Vgl. auch § 93. II. Den äußeren Tatbestand des Hochverrats (§§ 80, 81, 83) muß die Schrift usw. erfüllen. Das finale Handlungsmoment des Unternehmens und der Vorbereitung wird nicht gefordert (vgl. v. Weber a. a. 0.). Das ist um so bemerkenswerter, als die Novelle sonst in weitem Umfange mit einem „subjektiven Unrechtselement" (Schafheutie S. 612), nämlich bestimmter Absichten des Täters arbeitet (z. B. in §§ 90, 92, 94, 95), und zeigt, daß diese Stelle das fahrlässige Umgehen mit objektiv gefährlichem Material auch dann erfassen will, wenn es außerhalb jedes Zusammenhangs mit einer „Aktion" steht. Also nicht nur in Fällen wie dem der BGHSt. 7 11. Zutr. BGHSt. 6 298: „fahrlässige Beeinträchtigung der Staatssicherheit". Weil hier nicht Absichten, sondern Gefährdung Tat- und Schuldgrundlage ist, kann die Verfassungsfeindlichkeit einer Schrift auch nicht aus den Absichten ihrer Verbreiter gefolgert werden, sondern muß aus ihrem Inhalt selbst begründet sein: so BGHSt. 7 12, 8 247. Im einzelnen: Sehriften: auch handgeschriebene Einzelschriften, s. o. zu I. Herstellen: jedes Mitwirken bei der Anfertigung. Vgl. E 41 207. Auch wer seinen Namen unter das Flugblatt setzen läßt, ist H.: BGH 6 StR 63/54 v. 1. 9. 54. Verbreiten: schon bei Weitergabe an eine Einzelperson, die sie ihrerseits weitergeben soll: E 16 245, 30 224. Nicht notwendig Übergabe der Schrift; auch z.B. Vorlesen. Zutr. Jagusch LK Anm. 2a gegen E 15 118. Vorrätig halten: auch hier genügt Einzelstück, E 62 396; der Ausdruck meint Bereitschaft zum Verbreiten und bezieht sich nicht auf Mengen. Vgl. E 42 209, 47 227, BGH 6 StR 218/54 v. 24. 11. 54 ( = besitzen). Zum Zwock der Verbreitung: darüber E 54 351. III. Die fahrlässige Verkennung der hochverräterischen Tendenz der verbreiteten Schriften usw. ist der Gegenstand des Schuldvorwurfs. Für den G r a d der Fahrl. gilt nichts Besonderes (anders § 85 a. F.). BGH 2 StR 431/53 v. 24. 2. 54 (Herlan MDR 55, 17): nur die allgemeine Sorgfaltspflicht. In der Regel notwendig und zumutbar, daß der Verbreiter die Druckschrift selbst liest, wenn deren Umfang nur unbedeutend. Sonst muß er sich anderweit zuverlässige Kenntnis von ihrem Inhalt verschaffen. Angaben eines Unbekannten genügen dazu nicht. Ergänzend die

266

Hochverrat § 85

Nachweise bei Herlan a. a. 0 . : die in Veröffentlichungen der K P D enthaltenen Angriffe überschreiten- erfahrungsgemäß häufig die Grenze des Erlaubten. Verbreiter hat sie daher vor der Verteilung selbst zu prüfen. — I m Gegensatz zu den üblichen, auf Verursachungszusammenhängen beruhenden Fahrlässigkeitsfällen handelt es sich hier aber nicht um Nichtvoraussicht eines Erfolges, sondern um Verkennung eines gegenwärtigen, begleitenden Umstandes. Wie bei §§ 163, 345 I I und ähnlichen Fällen macht sich der Täter p f l i c h t w i d r i g e r G e f ä h r d u n g schuldig. Näheres hierzu bei Boldt ZStW 55, 44ff.; vgl. auch (für §330 a) Lange ZStW 59, 574ff. sowie allgemein J Z 56, 74 zu Anm. 10, auch oben Syst. Vorb. I I B. — Die Bezeichnung „fahrlässiger Hochverrat" (so Amtl. Begr. zum RegEntw. S. 34) ist in sich widerspruchsvoll. Aber auch von „fahrlässiger Verbreitung" (Schafheutie S. 610) spricht man besser nicht. Denn Tat- und Bedeutungskenntnis der Handlung als „Verbreiten" setzt die Bestimmung voraus. Deshalb ist insoweit Vorsatz gegeben. Die Fahrlässigkeit bezieht sich nicht auf den Vorgang, sondern nur auf den sozialen Sinn der Handlung. IV. Konkurrenzen. Tateinheit mit §93: dazu BGHSt. 8 249 (dann nur §93 anwendbar). — § 97 schließt den § 84 aus: BGHSt. 6 297 gegen Köln N J W 54 973. Vgl. oben Anm. I, I I zu ¿TW 33 2913 und BGHSt. 7 11 darüber, daß hier oft Fälle nicht erweislichen Vorsatzes vorliegen. — § 21 Abs. 1 PreßG wird konsumiert: BGH 2 StR 431/53 v. 24. 2. 54 wie E 41 52, 59 183. V. Verjährung: Die f ü r Pressestraftaten geltende Frist läuft bei Vorrätighalten nicht: BGHSt. 8 245 wie E 32 69, 38 71, 61 19, 63 322, H R R 30 1581. Anders, sobald Verbreitung erfolgt: BGH 6 StR 18/54 v. 2. 7. 54 wie E 38 71. Nebenstrafen und -Folgen § 8 5 Wegen der In diesem Abschnitt mit Strafe bedrohten Handlungen kann erkannt werden neben den Strafen aus den §§ 80, 81 Abs. 1 und 83 auf Geldstrafe von unbegrenzter Höhe; neben den Strafen aus den § § 8 1 Abs. 2 und 84 auf Geldstrafe; neben einer wegen einer vorsätzlichen Tat verhängten Gefängnisstrafe von mindestens drei Monaten für die Dauer von einem bis zu fünf Jahren auf die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter und den Verlust des Wahl- und Stimmrechts und der Wählbarkeit sowie auf den Verlust der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte; neben jeder wegen einer vorsätzlichen Tat verhängten Freiheitsstrafe auf die Zulässigkeit von Polizeiaufsicht. Anmerkung. Die Bestimmung entspricht dem § 86 Fassg. v. 1934, der erstmals im StGB Geldstrafe von unbegrenzter Höhe vorsah. Die damals weiter vorgesehene, noch im RegEntw. 1950 beibehaltene Möglichkeit der Einziehung des Vermögens von Urhebern oder Rädelsführern ist dagegen auf Vorschlag des Bundesrats ge-

Hochverrat § 86

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fallen. Der BR machte Bedenken geltend, weil jede Strafe und Nebenstrafe schuldangemessen sein müsse; als prophylaktische Maßnahme in der Hand des Richters «ei sie angreifbar; zudem könne sie als Sippenhaftung mißdeutet werden. Diese Motive bestätigen, was sich aus allgemeinen Grundsätzen ohnehin ergibt: daß die „Grenzenlosigkeit" der Geldstrafe nur eine scheinbare ist. Denn die durch die Strafzwecke gesetzten Schranken dürfen auch hier nicht durchbrochen, über die verdiente Strafe darf niemals etwa aus Gründen der Staatsräson hinausgegangen werden. Vgl. Gutachten zur StrRRef. S. 70. Einziehung und Unbrauchbarmachung §86 (1) Gegenstände, die durch eine in diesem Abschnitt mit Strafe bedrohte Handlung hervorgebracht oder zu ihrer Begehung gebraucht oder bestimmt sind, können eingezogen oder unbrauchbar gemacht werden. Den Gegenständen stehen Vermögenswerte gleich, die an ihre Stelle getreten sind. (2) Gehörten die Gegenstände zur Zeit der Tat weder dem Täter noch einem Teilnehmer, so ist dem Eigentümer angemessene Entschädigung aus der Staatskasse zu gewähren, es sei denn, daß er sich im Zusammenhang mit der Tat auf andere Weise strafbar gemacht hat. (8) Hat der Täter für die Begehung einer in diesem Abschnitt mit Strafe bedrohten Handlung ein Entgelt empfangen, so ist das Entgelt oder ein ihm entsprechender Geldbetrag einzuziehen. (4) Kann keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden, so kann auf die Einziehung oder Unbrauchbarmachung selbständig erkannt werden. I. Die Bestimmung entspricht dem § 86 a Fassg. v. 1934. Die Einziehung ist hier Sicherungsmaßnahme, BGHSt. 6 62 (einschränkend Creifelds J R 55, 405), nicht wie in §§ 40, 42 Nebenstrafe oder Strafe, da sie unabhängig davon verhängt werden kann, ob der Eigentümer Täter oder Teilnehmer ist. Vgl. Vorbem. B 3 vor § 13 und Anm. I zu § 40. Doch ist auf Vorschlag des BR nach dem Vorbild des § 52 I I I Entw. 1930 angemessene Entschädigung f ü r den unschuldigen Betroffenen angeordnet und andererseits die Einziehungsmöglichkeit auf Surrogate erstreckt worden (vgl. § 52 I S. 1 Entw. 1930). — Es genügt, daß mit einem T e i l einer Schrift eine m. Str. bedr. Hdlg. beg.: BGH NJW 55 1846 = BGHSt. 8 165. H. Mit Strafe bedroht i. S. des § 86 ist eine Handlung dann, wenn sie tatbestandsmäßiges Unrecht gemäß §§ 80—84 ist. Vgl. BGH NJW 65 71: mindestens äußerer Tatbestand. Darüber hinaus Merkmale des inneren, wenn erst sie die Rechtswidrigkeit begründen: BGH 6 StR 76/55 v. 5. 10. 55. — Auch wenn eine zur Strafverfolgung erforderliche Ermächtigimg (§ 97 II) nicht vorliegt: BGH N J W 56 311. — Auch wenn verjährt: BGHSt. 6 62, dann auf E und U im Strafverfahren selbständig zu erkennen. — Auch bei Amnestie, falls nicht besonders ausgeschlossen: E 67 215. III. Gegenstände: nur körperliche Sachen, nicht Rechte: E 52 201. IV. Abs. 3 ist im Gegensatz zu Abs. 1 und 4 Mußvorschrift, wird aber von BGHSt. 10 46 (51) aus Billigkeits- und kriminalpolitischen Gründen bei den

Staatsgefährdung. Vorbemerkungen

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sog. Organisationsdelikten des § 90a und der §§128, 129 i.V.m. §94 ,,als Kannvorschrift angewendet". Dazu oben § 2 Anm. I I I C 2. V. Prozessuales. Betr. Selbständigkeit der E und U vgl. BGHSt. 6 62 sowie 6 StR 65/55 v. 26. 10. 55: kann trotz Aufhebung des Schuldspruchs bestehen bleiben, da abtrennbarer Teil des Strafausspruchs. Dem ist aus den Gründen der Anm. I I zuzustimmen. — Bei besonders umfangreichem Material reicht Sammelbezeichnung aus: BGHSt. 9 88 ( = J R 56 350 m. Anm. Dünnebier). Begriff

des

Unternehmens

§87 Unternehmen im Sinne des Strafgesetzbuchs ist die Vollendung und der Versuch. I. Entspricht der früheren Fassung. II. Der Begriff des Unternehmens findet sich auBer in diesem Abschnitt noch in §§ 89, 105, 114, 122, 316 a, 357, 360 Nr. 5. Nichts zu tun hat mit ihm daa „bewaffnete Unternehmen" des § lOOd. III. Rechtsfolgen der Gleichstellung von Versuch und Vollendung: 1. K e i n e S t r a f m i l d e r u n g bei Erfolglosigkeit der Handlung. 2. K e i n R ü c k t r i t t und keine tätige Reue, soweit nicht § 82 eingreift. 3. Keine Strafbarkeit der V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g . Anders insoweit die sowjetzonale Rechtspr.: Ostberliner KG in N J 51, 428 mit Anm. Benjamin, wonach der Begriff des Unternehmens auch Vorbereitungshandlungen umfasse. Ebenso jetzt OGE 3 18 (Richtlinie des Plenums). 4. V e r s u c h des Unternehmens nicht strafbar, soweit dies nicht besonders angeordnet; vgl. § 81 mit Anm.

Zweiter Abschnitt

Staatsgefährdung Vorbemerkungen I. Motive: Uiü Form, Inhalt und Grenzen der Bestimmungen dieses Abschnittes, der im Gegensatz zu der konservativen Haltung des Gesetzgebers bei den klassischen Delikten des Hoch- und Landesverrats grundsätzliche Neuerungen bringt, ist besonders schwer gerungen worden. Die RegVorlage sah hierfür noch keinen besonderen Abschnitt vor, sondern faßte „Hochverrat und Verfassungsstörung" in einem Abschnitt zusammen. Den Kern der letzteren bildete § 9 0 1 des Entw. Danach wurde „wegen Verfassungsstörung mit Gefängnis bestraft, wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist, die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder auf verfassungswidrige Weise zu ändern oder zu stören". Diese Bestimmung war dem — ebenfalls hart timkämpften — neuen Art. 275 Schweizer StGB nachgebildet. Die Amtl. Begr. des RegEntw. 1950 führt zu § 90 Entw. aus:

Staatsgefährdung. Vorbemerkungen

269

„Ähnliche Erwägungen haben die Schweiz veranlaßt, ein Bundesgesetz betreffend Abänderung des Schweizerischen Strafgesetzbuchs einzubringen, dessen Art. 275 der § 90 des vorliegenden Entwurfs im wesentlichen nachgebildet ist. Zu seiner Begründung wurde in der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über eine Teilrevision des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 20. Juni 1949 u. a. ausgeführt: ,Eine moderne Revolution wird nicht mehr durch einen Barrikadenkampf und die gewaltsame Vertreibung der Regierung oder des Parlaments eingeleitet, sondern nach einem sorgfältig ausgearbeiteten Plan, wenn nötig unter ausländischer Leitung, vorbereitet, insbesondere durch Unterbringung kommunistischer oder nationalsozialistischer Gesinnungsgenossen in die wirtschaftlichen und politischen Schlüsselstellungen, durch Zersetzung des Staates mittels Angriffen auf Regierung, Polizei oder Militär, Propaganda, Schulung von Eliten, Schaffung von Betriebsausschüssen, Aktionskommitees, Bewaffnung einzelner Gruppen.' Weiter wird in der erwähnten schweizerischen Botschaft dargelegt, daß bei Fassung der einschlägigen Vorschrift eine scharfe Grenze zwischen der in einer freiheitlichen Demokratie unerläßlichen Meinungsfreiheit und der Vornahme staatsgefährlicher Handlungen gezogen worden sei. Von einer Aufzählung einzelner Angriffshandlungen im Gesetzestert wurde in Übereinstimmung mit dem entsprechenden schweizerischen Entwurf abgesehen. Bei einer Aufzählung einzelner Angriffshandlungen müßte nämlich stets eine Lücke bleiben, da sich immer neue Wege zur Aushöhlung eines demokratischen Staates finden werden (vgl. die erwähnte schweizerische Botschaft auf S. 15). Gleichwohl zählt diese schweizerische Botschaft eine Reihe von Einzelfällen auf, die auch hier wiedergegeben werden sollen: .Ausbildung und Betätigung revolutionärer Aktionskomitees, Ausarbeiten von Plänen für einen Umsturz, Erteilen von Weisungen, Bereitstellen von Geld, Waffen oder anderer Hilfsmittel, Unterdrucksetzen der Staatsbehörden durch ungesetzliche Mittel wie Sabotage, wilde Streiks.' Man könne ergänzend auch noch an die Aufstellung von Listen über Gleichgesinnte oder Gegner denken sowie an die Gefährdung der lebenswichtigen Versorgung der Bevölkerung oder der öffentlichen Sicherheit." Der damit umrissene Kreis der abzuwehrenden Gefahren und der ihnen entsprechenden Schutzbestimmung des Gesetzes ist der Sache nach in der Weiterentwicklung der Bestimmungen beibehalten worden. Aus rechtsstaatlichen Gründen glaubte jedoch namentlich der BR den Richter stärker binden zu sollen als es die wiedergegebene Generalklausel erlaubt hätte. Weiter wollte man ihm die Notwendigkeit ersparen, den f ü r ein Tatbestandsmerkmal allzu kompakten Begriff der „verfassungsmäßigen Ordnimg" auslegen zu müssen. Das hätte überdies zu rechtspolitisch höchst unerwünschten Abweichungen von der Auslegung dieses Verfassungsbegriffs durch das Bundesverfassungsgericht führen können. Bei der begrifflichen Ausformimg der hiernach notwendig gewordenen Kasuistik zeigte sich zweierlei: einmal, daß Hoch- und Landesverrat infolge der realen Entwicklung, insbesondere der unlöslichen Verquickung von innen- und außenpolitischen Kampftaktiken auf bestimmten Seiten, nicht mehr mit der gleichen Schärfe wie früher unterschieden werden können; zum anderen, daß — mit Ausnahme der §§90 a, 96 Nr. 1 — ein quantitativer Unterschied zwischen dem umfassenden Angriffsobjekt des Hochverrrats und dem der Staatsgefährdung entstand. — Das letztere umfaßt nur noch einzelne — freilich alle grundlegenden — Bestandteile der verfassungsmäßigen Ordnung. Nachweise oben § 80 Anm. V.

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Staatsgefährdung. Vorbemerkungen

Dem entsprach es, die Staatsgefährdung als besonderen Abschnitt abzugrenzen und diesen zwischen Hoch- und Landesverrat zu stellen. Mangels einer amtlichen Begründung seien hier die wichtigsten Ausführungen des Berichterstatters Dr. Wahl im Bundestag als Ausdruck der Erwägungen des Gesetzgebers wiedergebenen (umfassender Abdruck auch in DRiZ 1951 S. 180ff.): „Ich habe über den Abschnitt .Staatsgefährdung', der zwischen den Abschnitten .Hochverrat'und .Landesverrat' steht, zu berichten. Hierwaretwas Neues zu schaffen, weil die Erfahrungen der jüngsten deutschen Geschichte und die Staatsumwälzungen in den Satellitenstaaten gezeigt haben, daß das Begehungsmittel zu dem Verbrechen, die demokratische Grundordnung zu beseitigen, heute nicht mehr unbedingt die Gewalt und die Drohung mit der Gewalt sein muß. Wie in den äußeren Beziehungen der Staaten hat sich neben dem Heißen Krieg der K a l t e Krieg auch im Innern entwickelt. Die Kernfrage, die sich ein demokratisches Staatswesen dabei vorzulegen hat, wenn es den kalten Krieg mit strafrechtlichen Mitteln bekämpfen will, die Frage nämlich, ob man zur Verteidigung der demokratischen F r e i h e i t e n diese demokratischen Freiheiten einschränken und teilweise außer Kraft setzen darf, ist bereits vom Gesetzgeber des Grundgesetzes bejaht worden. Die Mitglieder des Parlamentarischen Rats waren sich darüber klar, daß das demokratische Staatswesen es sich nicht leisten kann, seine freiheitlichen Grundsätze so weit zu treiben, daß diese Freiheiten straflos dazu benutzt werden dürfen, den Umsturz vorzubereiten. An vielen Stellen des Grundgesetzes kommt diese Grundauffassung klar zum Durchbruch, und an diese Grundauffassung fühlte sich der Rechtsausschuß von Anfang an gebunden. Er hat sie auch von Anfang an geteilt. Aber es tauchte sofort die Frage auf, wie die Aufgabe rechtstechnisch zu bewältigen sei, die radikalen Umsturzpläne und ihre neuzeitlichen Methoden tatbestandsmäßig zu umschreiben, um an diese Tatbestände die Strafdrohung zu knüpfen . . . Der Ausweg, der gefunden worden ist, läuft im wesentlichen darauf hinaus, daß der Einzelne, der einen Beitrag zu dieser revolutionären Entwicklung liefert, dann wegen eines Deliktes der Staatsgefährdung bestraft wird, wenn er diesen Beitrag in der Absicht liefert, die Staatsumwälzung herbeizuführen. Der subjektive Tatbestand spielt bei diesen Straftatbeständen eine hervorragende Rolle; aber ohne die Einschaltung dieser subjektiven Elemente wäre die dem Gesetzgeber gestellte Aufgabe überhaupt unlösbar gewesen. Dabei war sich der Ausschuß völlig darüber einig, daß diese verbrecherische Absicht wirklich das tragende Motiv für die Handlungsweise des Täters sein müsse und daß hier das Bewußtsein, daß sein aus anderen Motiven geführter politischer Kampf unter Umständen eine Staatsgefährdung zur Folge haben könne oder müsse, keinesfalls zur Bestrafung ausreiche . . . Diese Bedeutung der staatsfeindlichen Absicht ist auch das rechtstechnische Mittel, um die Staatsfeinde von der v e r f a s s u n g s m ä ß i g e n Opposition abzugrenzen. Endlich ist daraufhinzuweisen, daß die Situation der Gegenwart Hochverrat und L a n d e s v e r r a t in stärkerer Weise zusammengeführt hat, als dies noch vor 30 oder 40 Jahren vorstellbar gewesen wäre. Innenpolitik und Außenpolitik sind in ihren Zielsetzungen einander näher gerückt als je. Wenn wir z. B. für Deutschland die Einheit in Freiheit anstreben, so ist in dieser Verbindung des außenpolitischen Ziels mit innenpolitischen Forderungen die gleiche Tendenz zu spüren, wie wenn der Umsturz nicht nur auf eine Abschaffung der demokratischen Freiheit, sondern auch auf die Herstellung einer Botmäßigkeit des deutschen Staates gegenüber einer fremden Macht gerichtet ist. Demgemäß finden Sie unter dem Begriff der Staatsgefährdung sowohl den Angriff auf den Bestand der Bundesrepublik als auch den Angriff auf ihre verfassungsmäßige Ordnung."

Staatsgefährdung. Vorbemerkungen

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Kritisch zu den Grundgedanken dieses Abschnitts und seinen praktischen Auswirkungen äußert sich das in J Z 51, 669 wiedergegebene Votum des Rechtsausschusses des Bundesrats (Berichterstatter Küster). Es hebt hervor: Die abstrakte Fassung der Tatbestände bedrohe Freund und Feind des Rechtsstaates gleichermaßen; sie erfasse auch Modifikationen der Verfassung etwa nach dem Muster der Schweiz oder der USA. Andererseits lasse sie die Möglichkeit zu, unter formaler Aufrechterhaltung der in § 88 aufgezählten Rechte und Rechtseinrichtungen durch Einschüchterung Terror auszuüben. Das zentrale Aushöhlungsmittel, das Erregen von Furcht, sei nicht erfaßt. Die Verschiedenheit der Schutzobjekte: verfassungsmäßige Ordnung, Bestand der Bundesrepublik und einzelne ihrer Verfassungsgrundsätze, führe zu bedenklichen Lücken. Richtiger sei eine Erweiterung der Hochverratsbestimmungen, f ü r die ein konkreter Gesetzesvorschlag gemacht wird. Hierzu und insbes. gegen die Erfassung des gewaltlosen Terrors durch eine Generalbestimmung Schafheutie J Z 51, 620. II. System: Grundsätzlich zu den Tatbeständen dieses Abschnittes BGHSt. 7 226: ihr Zweck ist, Zersetzungaversuche zu bekämpfen, gewaltlose, schleichende im Gegensatz zu den gewaltsamen Umsturzversuchen des 1. Abschnitts (daher auch keine Beschränkung auf b e s t i m m t e Unternehmen wie in § 81). Hier liegt in der Tat der entscheidende Gegensatz zu den klassischen Hochverratsdelikten, nicht in der überzüchteten Unterscheidung zwischen den Schutzgütern der verfassungsmäßigen Ordnung in § 80 einerseits, § 90 a andererseits, der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und den Verfassungsgrundsätzen des § 88, um die sich B G H a. a. 0 . S. 227 bemühen muß. Erst recht nicht in den immer neuen Variationen der „Absicht" und der „Bestrebungen" (§§ 90, 92, 94, anders § 90a, wieder anders § 91, abermals anders § 93 und nochmals anders §§ 95—97, insgesamt anders als hochverräterische Absichten und Bestrebungen). Die Fülle der Absichtsdelikte in diesem Abschnitt entspringt dem erklärten Willen des Gesetzgebers (s. o.), damit rechtstechnisch Umsturzbestrebungen von solchen legaler Opposition zu scheiden. Sie geben diesem Abschnitt das Gepräge (wenn auch zu ihnen nicht die Fälle o b j e k t i v gefährlicher Handlungstendenzen wie in §§ 90a, 93 gerechnet werden dürfen, vgl. § 88 Anm. 12). Angesichts dessen ist die Überschrift „Staatsgefährdung", die auch die übliche Auffassung der Einzeldelikte im Schrifttum beeinflußt hat, irreführend. Sie deutet auf einen Gegensatz Verletzung—Gefährdung (etwa zwischen Abschnitt 1 und 2) hin, der gar nicht besteht, vor allem aber auf ein dem Gefährdungsbegriff eigenes objektives Element, das gerade hier wie nirgend sonst zurückgedrängt ist. Die §§ 90, 90a, 91, selbst 92 sind ganz oder überwiegend „an sich strafrechtlich neutral" (Schneidewin J R 54, 241) und gewinnen ihre Relevanz überhaupt oder wie § 94 ihr spezifisch staatsdeliktisches Gepräge erst durch die s t a a t s f e i n d l i c h e A b s i c h t . Dabei betont die Rspr. mit vollem Recht, daß diese feindliche Absicht k e i n e s t a a t s g e f ä h r d e n d e zu sein braucht: Eignung der Handlung, den Bestand des Staates zu erschüttern, wird nirgends verlangt. Auf der anderen Seite enthält der Abschnitt „Landesverrat" heute außer wenigen Verrats- und Absichtsdelikten (§§ 100, lOOd, lOOf) vorwiegend konkrete oder auch abstrakte Staatsgefährdungsdelikte, die weder Verratsvorsatz noch staatsfeindliche Absicht voraussetzen, insbes. §§ 100a, 100b, 100c Abs. 1, 100c Abs. 2, lOOe. Aus dem Hochverratsabschnitt gehören hierher § 83 Abs. 1 und der wichtige § 84, der Sache nach aber auch die Erstreckung von Einziehung und Unbrauchbarmachung auf alle objektiv gefährlichen Gegenstände in § 86. Zudem be-

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stätigt die Praxis jeden Tag aufs neue, was schon der Gesetzgeber klar erkannte (s. o.): daß Hoch- und Landesverrat heute wie noch nie zusammengewachsen sind. Das gilt ganz besonders auch für die primär nach innen gerichteten Tatbestände des 2. Abschnitts und die primär nach außen gerichteten Staatsgefährdungstatbestände des 3. Abschnitts. Der entscheidende sachliche und systematische Gegensatz ist nach alledem der zwischen objektiv betonten, oft nur fahrlässigen oder vorsätzlich-fahrlässigen Gefährdungsdelikten einerseits, subjektiv betonten, durch Umsturz- oder Verratsabsicht gekennzeichneten Angriffsdelikten andererseits. Dieser Gegensatz zieht sich quer durch alle drei Abschnitte, aber mit genau umgekehrter Betonung als es die Überschriften erwarten lassen: der Abschnitt „Staatsgefährdung" ist die Domäne der durch Umsturz a b s i e h t gekennzeichneten Delikte, der Abschnitt „Land e s v e r r a t " die Domäne der Staatsgefährdungen ohne staatsfeindliche Absicht. Die Divergenz erklärt sich daraus, daß der Gesetzgeber 1951 auf den überkommenen Grundlagen aufbauen mußte, diese aber durch das heutige politische Weltbild und die Entwicklung der Umsturzmethoden im Begriff sind, grundstürzender Wandlung unterworfen zu werden.

Begriffsbestimmungen § 8 8 (1) Im Sinne dieses Abschnitts ist eine Handlung auf die Beeinträchtigung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland gerichtet, wenn sie darauf hinzielt, die Bundesrepublik Deutschland ganz oder teilweise unter fremde Botmäßigkeit zu bringen, ihre Selbständigkeit sonst zu beseitigen oder einen Teil des Bundesgebietes loszulösen. Als Beeinträchtigung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland im Sinne dieses Abschnitts gilt nicht die Teilnahme an einer Staatengemeinschaft oder einer zwischenstaatlichen Einrichtung, auf die die Bundesrepublik Deutschland Hoheitsrechte überträgt oder zu deren Gunsten sie Hoheitsrechte beschränkt. (2) Verfassungsgrundsätze im Sinne dieses Abschnitts sind 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf die verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluß ]eder Gewalt- und Willkürherrschaft.

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1. Zu Abs. 1: 1. Staatsgetährdende Handlung. Der Gegenstand dieser Legaldefinition entspricht dem des G e b i e t s hochVerrats des § 80 Nr. 2. „Im Sinne dieses Abschnitts" ist jedoch nach dem in Vorbem. II vor § 88 Ausgeführten nicht völlig gleichbedeutend mit „im Sinne der HochVerratsbestimmungen". Während beim Verfassungshochverrat der Schutz gegen Gewalt oder Drohung mit Gewalt i. S. der §§ 80ff. umfassender ist, wie die Kasuistik des § 88 Abs. 2 im Vergleich mit § 80 Nr. 1 zeigt, findet sich in § 80 Nr. 2 nichts, was den Handlungen entspricht, die i. S. des § 88 darauf hinzielen, die Bundesrepublik Deutschland ganz oder teilweise unter f r e m d e B o t m ä ß i g k e i t zu bringen. Der Schutz gegen die gewaltlose Revolution geht also hier weiter. Zum mindesten ist es zweifelhaft, ob der gewaltsame Versuch, das Bundesgebiet in einen Satellitenstaat zu verwandeln, als Versuch der Einverleibung i. S. des § 80 Nr. 2 angesehen werden kann. v. Weber, der (MDR 51, 521) diese Unstimmigkeit feststellt, meint, daß der Gesetzgeber statt des von ihm gewählten Weges den § 80 Nr. 2 hätte erweitern sollen. In der Tat sollte jene Lücke schleunigst ausgefüllt werden. Aber keinesfalls dürfte darum der Schutz gegen Staatsgefährdung wieder eingeschränkt werden. Denn gerade mit der „gewaltlosen" Errichtung eines Satellitenstaates hat der Gesetzgeber die Hauptgefahr dieses Bereichs erfaßt. 2. Die Handlung muß auf die Beeinträchtigung des Bestandes der BR hinzielen, ihr muß objektiv diese Tendenz innewohnen, sie muß eine Gefährdung nach dieser Richtung bedeuten, sie muß hierauf gerichtet sein. Das ist n i c h t gleichbedeutend mit den s u b j e k t i v e n A b s i c h t e n der Handelnden, denen gerade im politischen Bereich das Gesetz des Handelns etwa durch die Eigenkraft ausgelöster Massenbewegungen leicht aus der Hand gleiten kann. Zu dem Gegensatz von objektiver und subjektiver Finalität vgl. grundsätzlich Engisch Festg. f. Kohlrausch 1944 S. 141 ff., 163: „objektive Bezweckbarkeit", 179: „die typischen Zwecke und Bezweckbarkeiten und nicht die tatsächlichen persönlichen Zwecke . . . . bestimmen den Handlungsbegriff", früher schon v. Lilienthal ZStW 20, 440ff.: „der der Handlung innewohnende reale Zweck", ebenso Sauer, Grundlagen 346/47: „die Handlung ist objektiv auszulegen; der ihr immanente Zweck ist zu erforschen", zustimmend Eb. Schmidt ZStW 49, 393, 397; vgl. weiter JZ 53, 11 zu Anm. 17 u. 18; im gleichen Sinne Wegner Allg. T. S. 121. Diese gerade hier u. U. höchst realen Gegensätze zwischen subjektiven Absichten und objektiven Handlungsrichtungen verkennt z. B. auch der Berichterstatter des BT (vgl. oben Vorbem. vor § 88), wenn er die Absicht im engsten Sinne des „tragenden Motivs" ganz allgemein als unrechtsbegründenden Paktor der Staatsgefährdung (im Gegensatz zur legalen Opposition) hinstellt. Demgegenüber ist der Wortlaut des Gesetzes klar objektiv gefaßt, wie denn auch „Staatsgefährdung" gar nicht anders verstanden werden kann. Dieser Wille des Gesetzes ist maßgebend. Die Absicht als Motiv ist zwar überdies in den meisten Fällen dieses Abschn. erfordert. Aber z. B. n i c h t beim Verfassungsverrat des § 89, wie Schneidewin J R 54, 241 ff. gegen LK Anm. 5 trefflich nachweist. Gegen S a t z 2 hat die kritische Stellungnahme des BRAusschusses (JZ 51, 659) eingewandt, er hebe den Begriff der Beeinträchtigung des Bestandes auf, da sich jede derartige Unternehmimg als B e t e i l i g u n g D e u t s c h l a n d s a n z w i s c h e n s t a a t l i c h e n E i n r i c h t u n g e n tarnen werde. Indessen ist auch dies verboten, wenn es mit den Mitteln etwa des § 89 (des Mißbrauchs oder der Anmaßung von Hoheitsbefugnissen) oder des § 92 usw. geschieht. Außerdem ließe sich gegebenen18

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

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falls wohl leicht feststellen, ob die gemäß Art. 24,69GG allein berufenen Organe einschließlich der verfassungsmäßigen Opposition einem solchen Unternehmen fernstehen oder nicht. Aus der Bspr.: Die „Volksbefragung gegen die Remilitarisierung" ist Angriff gegen die verfassungsmäßige Ordnung: Schleswig Sehl HA 53 56. — Die Bestrebungen der SED und der sowjetischen Regierung sind darauf gerichtet, die BR in den Herrschaftsbereich des Kommunismus einzugliedern und die in ihr geltende Staatsform völlig umzukehren: LG Bamberg NJW 53 675 (Leitsatz). II. Zu Abs. 2: Schutzgüter. Der Berichterstatter des Bundestages hat den hier umrissenen Schutzbereich dahin präzisiert, daß Ziff. 1 den V o l k s s t a a t , Ziffern 2 und 5 den R e c h t s s t a a t sicherten (ausdrücklich anders insoweit aber BGHSt. 7 227), während die Ziffern 3 und 4 den Schutz des P a r l a m e n t s bezweckten. Im einzelnen muß für die Absichten des Gesetzgebers und die Auslegung der hier verwendeten Begriffe, die dem GG entlehnt sind, auf die verfassungsrechtliche Literatur verwiesen werden. Für die Motive des Gesetzgebers vgl. insbes. die Auseinandersetzung zwischen dem Votum des Rechtsausschusses des BR und den Referenten des BJustMin. (JZ 51, 659 und 609ff.). S. ferner noch Schneider JZ 51, 660 sowie oben die Vorbem. vor § 88. An Stelle der Ziff. 6 war noch in zweiter Lesung als dritter Absatz des § 88 vorgesehen: der Schutz der Grundrechte gegen eine Beeinträchtigung durch Gewalt, durch Erregung von Schrecken oder durch Einschüchterung mit ungesetzlichen Maßnahmen und der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft. Nur der letzte Teil hiervon ist als Ziff. 6 des Abs. 2 erhalten geblieben. Die Streichung des Restes wurde damit begründet, daß der Schutz der Grundrechte schon durch Ziff. 2 gewährleistet sei (so Dr. Wahl), aber auch damit, daß er zu einer uferlosen Ausdehnung des strafrechtlichen Schutzes auch zugunsten von Personen führen würde, die die Grundrechte mißbrauchen (so der Abg. Dr. Arndt in der 160. Sitzung; vgl. auch Schafheutie S. 620). Auch den Begriff der Gewalt- und Willkürherrschaft wollte Arndt a. a. O. im engen und strengen Sinne so verstanden wissen, wie er von der Rechtsprechung des OGHBrZ entwickelt worden sei; es müsse sich also um das handeln, was man kurz gesagt als das Regime der Konzentrationslager bezeichnen könne. Die Gerichte hätten ausschließlich rechtlich zu prüfen, ob der Täter eine Unordnung anstrebe, in der die Unmenschlichkeit zum System und zur Struktur gehöre. Vgl. jetzt BGHSt. 8 163. Kritisch über die Brauchbarkeit dieses Begriffs Küster JZ 51, 659: „Eselsbrücke". — Der Berichterstatter des Bundestages wies daraufhin, daß der Begriff deshalb aufgenommen worden sei, weil bei einem primitiven Anhänger einer Umsturzbewegung vielleicht nicht der Nachweis gelinge, daß einer der im zweiten Abs. genannten Verfassungsgrundsätze von ihm erfaßt und bekämpft werde; er habe aber das Bewußtsein, das jetzige System ablösen zu helfen und an der Aufrichtung einer Staatsform mitzuwirken, in der die rechtsstaatlichen Garantien abgeschafft und durch die Willkürentscheidungen sogenannter starker Männer ersetzt würden. Übereinstimmend Schafheutle JZ 51, 614. — Vgl. auch Anm. zu § 234 a.

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Verfassungsverrat und Vorbereitung dazu §89 (1) Wer es unternimmt, durch Mißbrauch oder Anmaßung von Hoheitsbefugnissen 1. den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder 2. einen der in § SS bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder au er Geltung zu setzen, wird wegen Verfassungsverrats mit Zuchthaus bestraft. In besonders schweren Fällen kann auf lebenslanges Zuchthaus erkannt werden. (2) Wer ein bestimmtes Unternehmen des Verfassungsyerrats vorbereitet, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Gefängnis nicht unter sechs Monaten erkannt werden. (3) Die Vorschrift des § 82 über die tätige Reue gilt entsprechend. I. Den Staatsstreich von oben will nach dem Ausdruck des Berichterstatters des BT, Dr. Wahl, der § 89 pönalisieren. Das trifft freilich im strengen Sinne nur auf den M i ß b r a u c h bestehender, nicht auf die A n m a ß u n g nicht bestehender Hoheitsbefugnisse zu. II. Zu „Mißbrauch" vgl. § 266; auch §§ 174, 175, 175a, 176, 177 StGB. III. Zu „Anmaßung" vgl. § 132 StGB mit Anm. IV. Hoheitsbefugnisse stehen im Gegensatz zu rein fiskalischen Tätigkeiten. Der Personenkreis ist nicht auf Regierungsmitglieder beschränkt. V. Beseitigung der Verfassungsgrundsätze des § 88 II bedeutet ihre f o r m e l l e Abschaffung. VI. Außer Geltung gesetzt sind die Grundsätze des § 88 II, wenn ihre Anwendung f a k t i s c h unmöglich gemacht wird. Einzelverletzung eines dieser Sätze „beseitigt" ihn weder noch „setzt" sie ihn „außer Geltung". Der Bestand im ganzen muß angetastet sein. VII. Vorsatz. Dol. ev. genügt. Zu Unrecht fordert LKAnm.7auchhierAbsichtim technischen Sinn. Dagegen zutr. Schneidewin J R 51,241. Näheres oben §88 Anm. 12. VIII. Besonders schwere Fälle. An nicht weniger als neun Stellen verwendet die Novelle diesen Begriff (§§ 89, 90, 90a, 91, 92, lOOd, 129, 316a, 317), stets — mit Ausnahme einer Gleichstellung mit Rädelsführern oder Hintermännern in § 129 — Undefiniert. Damit wird das praktische Schwergewicht der Entscheidung über generelle Wertungsfragen bei allen diesen Fällen in einer mit Rechtssicherheit, Rechtsbestimmtheit und Gewaltenteilung schwer vereinbaren Weise vom Gesetzgeber auf den Richter überwälzt, noch dazu mit Kannklausel. Die Novelle läßt es offen, ob sie diese Fälle als völlig unbenannte gemeint hat oder ob sie mit ihnen auf die allgemeine Formel der Entwürfe vor 1933, z. B. § 77 Entw. 1927 und 1930, oder aber auf die Formel der §§ 263 IV, 266 I I Fassg. v. 1933 zurückgreifen will. Im ersten Fall hätte der Richter, der sich durch die Neufassung des § 267 I I I StPO schärfer als früher vor das Problem der Strafzumessung gestellt sieht, überhaupt keinen Anhalt. Im zweiten Falle hätte er den bes. schw. Fall nur anzunehmen, wenn „der verbrecherische Wille des Täters ungewöhnlich 18*

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stark und verwerflich u n d die Tat wegen der besonderen Umstände ihrer Begehung oder wegen ihrer verschuldeten Folgen besonders strafwürdig ist". Im dritten hätte er wiederum Ermessensfreiheit, jedoch gesetzliche Beispiele, nach denen es genügt, daß entweder die Tat objektiv besonders folgenschwer war o d e r der Täter subjektiv besonders arglistig gehandelt hat. Hinter diesen Fragen steht zunächst die weitere, ob es sich um tatbestandliche Qualifizierungs- oder um bloße Strafzumessungsgründe handelt, und die jeweils danach verschiedene systematische und praktische Bedeutung dieser Fallgruppe. Vgl. E 69 169 sowie — zur Schuldfrage — E 68 391, dazu BGHSt 2 181, 393, auch für die Frage, ob sich bei Wechsel der Strafart in bes. schw. Fällen die Qualifikation als Vergehen ändert (neuerdings praktisch für §§ 90, 90a, 91, lOOd, 129). Schließlich das zukünftig auch hier bedeutsame Problem der Revisibilität; auch darüber E 69 169, 68 391. Vgl. zu alledem Syst. Vorbem. I I C, § 1 Anm. II, V, VI und die zu § 1 angeführte Lit. sowie unten § 94 mit Anm. Der einzige Anhalt in den Motiven findet sich S. 31 der Amtl. Begr. des RegEntw.: der bes. schwere Fall ändere nichts an der Zugehörigkeit der Straftat zur Gruppe der Vergehen. Das entspricht der ausdrücklichen Regel des § 11 Abs. 3 Entw. 1927 und 1930. Diese, aber auch die Formel des §77 (s. oben), sind in der Tat als maßgeblich der Auslegung zugrunde zu legen; nähere Begr. hierfür in MDR 48, 310ff. Als das Bewußtsein, daß man mit den Auflockerungen der Tatbestände auch die Rückbindungen an den Allg. Teil aus den Entwürfen mitübernommen habe, noch nicht verblaßt war, hat Frank zu § 210a, der ersten Bestimmung des StGB, die einen „besonders schweren Fall" vorsah, ohne weiteres an jene Formel angeknüpft. Angesichts der außerordentlichen praktischen Bedeutung der Frage (z. B. für §§ 20a, 43, 49, 49a, 138, 257 StGB, §§ 112, 153, 266 StPO) sollte sie bei der in Aussicht genommenen Bereinigung des StGB geregelt werden. IX. Betr. bestimmtes Unternehmen vgl. § 81 Anm. II. X. Betr. tätige Beue (der Ausdruck des Gesetzes ist nach verschiedenen Richtungen zu eng) vgl. Anm zu § 82. Staatsfeindliche Sabotage §90 (1) Wer in der Absicht, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben oder eine solche Bestrebung zu fördern, 1. eine Eisenbahn, die Post oder dem öffentlichen Verkehr dienende Unternehmen oder Anlagen, 2. eine öffentlichen Zwecken dienende Fernmeldeanlage, 3. eine der öffentlichen Versorgung mit Wasser, Licht, Wärme oder Kraft dienende Anlage oder einen für die Versorgung der Bevölkerung lebenswichtigen Betrieb oder 4. der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dienende Dienststellen, Einrichtungen, Anlagen oder Gegenstände

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durch Aussperrung, Streik, Störmaßnahmen oder sonstige Handlungen, die nicht nach den §§ 316b, 817 strafbar sind, ganz oder teilweise außer Tätigkeit setzt oder den bestimmungsmäßigen Zwecken entzieht, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Die Vorschriften des § 49 a über die Bestrafung der erfolglosen Anstiftung und anderer Vorbereitungshandlungen bei Verbrechen gelten entsprechend. (4) In besonders schweren Fällen kann auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren erkannt werden. (5) Bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Beteiligung an einer solchen Tat Ton untergeordneter Bedeutung ist, kann von Strafe abgesehen werden. I. Die Absicht, sich gegen den Bestand der Bundesrepublik oder gegen die Verfassungsgrundsätze des § 88 Abs. 2 zu wenden, wird in den Motiven selbst als ein „subjektives Unrechtselement" gekennzeichnet. Bei allen Bedenken gegen eine weitgehende theoretische Festlegung durch den Gesetzgeber selbst (vgl. namentlich auch § 100 Abs. 3) wird man in der Sache dieser Begriffsdeutung zu folgen haben. Das schließt die weitere Funktion dieser Absicht als spezifisches Schuldmoment nicht aus. Der bedingte Vorsatz reicht bei diesen Fällen insoweit nicht aus. Vgl. hierzu die Vorbem. vor diesem Abschnitt, dort insbes. Wahl und Schafheutie a. a. O., aber auch § 88 Anm. 12. Betr. beseitigen vgl. § 89 Anm. V, betr. „außer Geltung setzen" § 89 Anm. VI, betr. „untergraben" BGHSt. 4 291: jede Tätigkeit, die auf Beseitigung, Änderung oder Erschütterung einesZustandes gerichtet ist (Bedenken bei v. Weber J Z 54,198). Die Mittel können an sich gesetzmäßig sein, RG JW1924 1777 Nr. 6. Betr. „fördern" vgl. zwei Absätze tiefer. Wie hier ist auch in den übrigen Tatbeständen dieses Abschnitts erforderlich, daß sich die Absicht des Täters gegen die in § 88 definierten s p e z i e l l e n S c h u t z o b j e k t e richtet. Nur in den §§ 90a und 96 Abs. 1, 2 genügt der a l l g e m e i n e h o c h v e r r ä t e r i s c h e Vorsatz, und zwar einschließlich des dolus eventualis, daß sich die Tätigkeit der Vereinigung (§ 90 a) bzw. die beschimpfende Äußerung (§96) gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Die Kritik von Küster JZ 51, 659, daß — von diesen beiden Fällen abgesehen — die „Aktivisten der Verängstigung" noch nicht bestraft werden können, wenn ihnen die Absicht nachgewiesen wird, die verfassungsmäßige Ordnung zu ändern, besteht daher begrifflich zu Recht. Praktisch wird sich aber wohl kaum ein strafwürdiger Fall denken lassen, in dem die Absicht nicht auch speziell gegen die Schutzgüter des § 88 Abs. 1 und 2 gerichtet wäre — ganz abgesehen davon, daß dieser Strafschutz in dem praktisch wichtigsten Fall, wie zu § 88 IAnm. I gezeigt, sogar über den des Gebietshochverrats hinausgeht und sich ferner nicht auf die Abwehr der Vorbereitung eines b e s t i m m t e n hochverräterischen Unternehmens beschränkt (vgl. Schafheutie S. 618). Dagegen könnte die Gleichstellung der „Absicht, eine solche Bestrebung zu fördern" mit dem Hauptfall zu dem folgenschweren Mißverständnis Veranlassung geben, als enthielte sie eine Sonderregelung der Beihilfe und damit den Ausschluß des § 49 StGB f ü r diese Fälle. Damit würde der angestrebte Strafschutz praktisch vereitelt.

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Denn f ü r den Gehilfen der in § 90 bezeichneten Handlungen wird sehr häufig nicht die Verwirklichung des politischen Zieles „tragendes Motiv" sein, sondern etwa persönliche Rachsucht, die Aussicht auf eine Bestechungssumme oder dgl. — kurz alles, was unter den Begriff des absichtslosen dolosen Werkzeugs fällt (Vorbem. I B 2d vor § 47 und Anm. I I I 2c zu § 242). Wer sich in finanziellen Schwierigkeiten oder in den Händen von Erpressern weiß, wird zu solchen Handlungen u. U. sogar dann beitragen, wenn er ihre politischen Ziele f ü r seine Person schärfstens ablehnt. Bedingter Vorsatz einer solchen Förderung muß nach allgemeinen Vorschriften genügen. Selbst bei Anstiftungsfällen kann es so liegen. Die hier behandelte Stelle läßt die Bestrafimg des absichtslosen dolosen Teilnehmers nach §§ 48, 49 unberührt. Sie hat nur den Sinn, im Strafmaß diejenigen „Hauptgehilfen" dem Täter gleichzustellen, die sich die politische Absicht zu eigen gemacht haben, innerhalb der sie tragenden Gruppe aber sich anderen unterordnen. Diese umfassen danach den sozialen Sinn der Gesamtaktion mit ihrem Wissen und Wollen aufs Intensivste, beschränken sich aber final in ihrer Tatherrschaft selbst. II. Die Handlung besteht in der Lahmlegung der in den Ziffern 1—4 gekennzeichneten lebenswichtigen Betriebe (über deren Begriff vgl. Anm. zu § 316b) durch Aussperrung, Streik, Störmaßnahmen oder sonstige nicht schon durch die neuen Sabotagebestimmungen der §§ 316 b, 317 erfaßten Verhaltensweisen. „Handlung" ist gerade hier unter Einschluß pflichtwidriger Unterlassimg zu verstehen. Das Verhalten muß von der zu I gekennzeichneten Absicht oder — bei Teilnahme — von dem Bewußtsein der Förderung solcher Absicht getragen sein. Über das Verhältnis zu §§ 316b, 317 vgl. dort. III. Erfolglose Teilnahme an dem Vergehen des Abs. 1 wird — wie sonst nur bei Verbrechen — bestraft. Hierauf, nicht auf eine Sonderregelung der Teilnahme als solcher, bezieht sich das „entsprechend" des Abs. 3. Vgl. Anm. I. Mit der Wendung „erfolglose Anstiftung oder andere Vorbereitungshandlungen" entscheidet der auch sonst theoretisch bekenntnisfreudige Gesetzgeber eine alte, auch unter der Neufassung des § 49 a nicht ganz erledigte Streitfrage im Sinne der herrschenden Lehre (vgl. §49a Anm. II) gegen Binding und Liszt, die selbständige Delikte annahmen. Über die zahlreichen praktischen Folgen der Streitfrage vgl. Frank § 49a (a. F.) Anm. I. — Die doppelte Legaldefinition der Handlung des § 49a Abs. 1 durch § 90 Abs. 3 als 1) e r f o l g l o s e A. und 2) V o r b e r e i t u n g s handlung schließt 1) aus, auch noch den Mangel am Tatbestand unter § 49 a zu ziehen (so aber BGH) und zeigt 2) die Verletzung des sachlichen Gleichheitssatzes (Art. 2 GG). Näheres § 49 a Anm. II, § 159 Anm. II. Ungeachtet der Definition zu 2) erklärt BGHSt. 6 389, der versuchten Anstiftimg gem. § 49 a komme das rechtliche Gewicht eines V e r s u c h s des Verbrechens zu. Zu den rechtspolitischen Bedenken gegen § 49 a vgl. ferner Schwarz NJW 50, 124. IV. Besonders schwere Fälle: Vgl. § 89 Anm. VIII. V. Absehen von Strafe bei objektiv und subjektiv besonders leichten Fällen ist fakultiv vorgesehen. Da die Tat ohnehin nur Vergehen ist, fragt man sich vergeblich, weshalb es über § 153 StPO hinaus gerade hier einer solchen Bestimmung bedurfte. Sie schwächtdie an dieser Stelle so wichtige generalpräventive Wirkung des Gesetzes empfindlich ab. Und sie erschwert die ohnehin fast unmögliche Grenzziehung zu den mildernden Umständen, den minder schweren Fällen (darüber oben

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§ 1 Anm. VI 5) und den besonders leichten Fällen (§ 175 StGB; § 76 Entw. 1927 und 1930) noch mehr. Auch kriminalpolitisch — etwa als Anreiz, den eigenen Tatbeitrag klein zu halten — ist die Vorschrift nicht angebracht. Die Bezugnahme des Abs. 3 auf § 49 a schafft ohnehin schon eine über § 82 hinausgehende Prämie für den Schwankenden. — Vgl. oben § 82 Anm. VI zum systematischen Ort des A. v. Str. VI. Prozessual vgl. den neuen § 153 a StPO.

Verfassungsfeindliche

Vereinigungen

§90a (1) Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, oder wer die Bestrebungen einer solchen Vereinigung als Rädelsführer oder Hintermann fördert, wird mit Gefängnis bestraft. (2) In besonders schweren Fällen kann auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren erkannt werden. Daneben kann Polizeiaufsicht zugelassen werden. (3) Ist die Vereinigung eine politische Partei im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes, so darf die Tat erst verfolgt werden, nachdem das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, daß die Partei verfassungswidrig ist. I. Schutzobjekt ist hier, im Kerntatbestand dieses Abschnitts (BGHSt. 7 226), und in § 96 Nr. 1, anders als bei den übrigen Delikten des Abschnitts, die verfassungsmäßige Ordnung als Ganzes. Vgl. § 90 Anm. I, Vorbem. vor § 88 und Anm. zu § 88, ferner Ruhrmann NJW 54, 1512, Hennke GA 1954, 140, Lüttger GA 1958, 181 ff. und 225ff. Grundsätzlich BGHSt. 7 226ff., 9 286 (auch zur Entstehungsgeschichte; vgl. schon Vorbem. vor § 88 a. E.). Danach ist verf. Ordnung gleich der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Art. 18, 21 GG. Der Strafschutz des § 90 a ist gegenüber dem des § 80 wesentlich eingeschränkt, geht aber andererseits über die Grundsätze des § 88 Abs. 2 hinaus. — Daß durch BVerfG eine Partei gem. Art. 21 I I GG f ü r verfassungswidrig erklärt wird, erübrigt f ü r § 90 a nicht die Feststellung der Tatsachen, aus denen sich dies ergibt: BGHSt. 7 104. — Weiteres Schutzobjekt ist der Gedanke der Völkerverständigung. Die Bestimmung zieht die strafrechtliche Folgerung aus Art. 9 Abs. 2 GG, der bisher eine lex imperfecta war. Dieser Zusammenhang und insbesondere die Klausel des Abs. 3 wird dem Gericht die oben in Vorbem. I vor § 88 als Möglichkeit erörterte Kollision mit Entscheidungen der obersten Gerichte außerhalb der Strafjustiz ersparen. Die Organisation legaler Reformtendenzen wird nicht erfaßt: Schafheutle S 619. Eingehend Abg. Wahl, 160. Sitzg. Drucks, des BT, S. 6483 f. II. Täter sind nur Gründer, Rädelsführer und Hintermänner. BGHSt. 7 223. 1. Gründer ist, wer bei dem ursprünglichen Gründungsakt führend und richtungweisend mitgewirkt hat: BGH NJW 54 1254. 2. Rädelsführer: vgl. unten § 115 Anm. VI und E 60 331. BGHSt. 6 130 (wie OGHSt. 1 289): wer auf eine nicht ganz unwesentliche Zahl von Angehörigen oder Freunden der Vereinigung einen bestimmenden Einfluß ausübt oder sich sonst in

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Staatsgefährdung § 90 a

besonders maßgebender Weise f ü r sie betätigt. Einsatz, nicht nur Funktionärsstellung erforderlich (betr. Kreissekretär der FDJ). Vgl. aber auch BGHSt. 8 102, Celle NdsRpfl. 52 120 betr. FDJ-Funktionäre und -Mitglieder. Ferner BGHSt. 7 279 (unten zu 3). 3. Der Hintermann ist im Gegensatz zum Rädelsführer nicht Mitglied der Vereinigung, trägt aber geistig oder wirtschaftlich Wesentliches zu ihrer Tätigkeit bei. Im Gegensatz zum Gründer steht er hinter der schon bestehenden Vereinigung. Vgl. Amtl. Begr. zum RegEntw. S. 43 (dort für § 129 des Entw.). BGHSt. 7 279: als Rädelsführer oder Hintermann ist strafbar, wer die Vereinigung in Kenntnis ihrer verfassungsfeindlichen Zwecksetzung oder Tätigkeit wesentlich fördert. Diese vorwiegend negative Begriffsbestimmung gibt zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von der Teilnahme Anlaß, wie v. Weber MDR 51, 521 bemerkt. Vgl. auch die ähnlichen Fragen bei der „Förderungsabsicht" des § 90 und dort Anm. I. HI. Vereinigung. Dieser Ausdruck ist hier und in dem sachlich benachbarten, § 129 n. F., nicht aber in § 49b und § 128, an die Stelle der „Verbindung" getreten, an der noch die Fassung des RegEntw. 1950 festgehalten hatte. Nach der Amtl. Begr. zum Entw. S. 43 scheint hier nur der Schweizer Sprachgebrauch abgefärbt zu haben (Art. 275 t e r ), ohne daß eine sachliche Änderung beabsichtigt war. Auch die grundlegende E 13 273 führt nicht weiter. Sie setzt (S. 273) beide Begriffe gleich, während sie (S. 277) f ü r „Verbindung" zusätzlich das Merkmal der Unterordnung nennt. Aber damals bestand kein Anlaß, beide Begriffe gleichrangig in Beziehung zueinander zu setzen. Vereinigung ist nach BGHSt. 7 223 (wo die übliche Begriffsbestimmung, insbes. das Merkmal des gemeinsamen Zwecks, als zu eng bezeichnet wird) jeder nicht nur vorübergehende freiwillige Zusammenschluß mehrerer Personen, gleichviel ob öffentlich oder (noch) geheim tätig, ob nach außen oder nur auf die Mitglieder wirkend, ob die Ziele von den einzelnen Mitgliedern erkannt oder nicht. Zur Verfassungswidrigkeit einer Vereinigung oder Partei vgl. Lüttger GA 1958, 225. Zweckrichtung gegen die v. O. usw. ist objektiv zu verstehen; nicht etwa im Sinne der Absicht aller Mitglieder: BGHSt. 7 223ff., vgl. § 88 Anm. I 2 sowie § 93 Anm. I I I zu BGHSt. 6 319. — „Gegen" die v. 0 . bedeutet nicht, daß Zweck oder Tätigkeit auf deren B e s e i t i g u n g gerichtet sein müssen; auch Richtung auf Untergrabung, Zersetzung, in Frage stellen der Geltung genügt: BGHSt. 7 228, 9 285. Nach BGHSt. 9 101 (betr. ehem. NSDAP-Kreisleiter) soll es schon genügen, wenn die Mitglieder in ihrer überkommenen Ablehnung der Demokratie bestärkt werden (zu weitgehend). IV. Der innere Tatbestand erfordert Vorsatz. Dol. ev. genügt. BGHSt. 7104, 108, 109. Im Falle des Abs. 3 genügt es nicht, festzustellen, daß dem Täter die Entscheidung des BVerfG gem. Art. 21 I I GG bekannt war, vielmehr muß er die Tatsachen und Bestrebungen kennen, auf denen die Richtung gegen die v. O. beruht. BGHSt. 7 109. Vgl. Lüttger a. a. 0 . 236 mit weiteren Nachw. Staatsgefährdende Absicht hier nicht erforderlich. — Betr. Überzeugungstäter vgl. BGHSt. 8 163. — Betr. § 1051 Nr. 2 JGG vgl. BGHSt. 8 90. Y. Teilnahme wegen der bewußten Beschränkung auf den Täterkreis der Anm. I I und im Hinblick auf § 129 a nicht strafbar. So BGHSt. 6 160; vgl. Schafheutie

Staatsgefahrdung § 91

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J Z 51, 619. A. A. Ruhrmann N J W 54, 1514. Die Frage ist kriminalpolitisch zu entscheiden; eine unzulässige Umgehung des Gesetzes, wie BGH a.a.O. meint, wäre die Bestrafung des Teilnehmers nicht. VI. Besonders schwere Fälle. Vgl. § 89 Anm. V I I I und unten Anm. VIII. Nur bei diesen ist nach BGHSt. 6 182 Polizeiaufsicht zulässig. VII. Alis. 8 ist umstritten. Kritisch WiUms N J W 57, 565, Ruhrmann N J W 57, 1897, verteidigend Lüttger GA1958,181 (mit weiteren Nachw.). Der Abs. schafft eine Prozeß Voraussetzung, umKollisionen zu vermeiden. Dazu BGHSt. 6 321,11233; vgl. oben Anm. I , insbes. zu BGHSt. 7 104. Infolgedessen verfassungsfeindliche Parteitätigkeit auch, soweit sie vor dem Parteiverbot lag, verfolgbar: BGHSt. 11 233. Die F D J ist keine pol. Partei, Celle NdsRpfl. 52 120; vgl. § 93 Anm. V. V n i . Verhältnis zu anderen Vorschriften. Hier kommen insbes. die Bestimmungen gegen Hochverrat, die übrigen Vorschriften gegen Staatsgefährdung und die §§ 128, 129, 129a n. F. in Betracht, ferner die Teilnahmevorschriften, vor allem § 49 b. Tateinheit mit §128 möglich. Vgl. BGHSt. 8 1 9 1 (auch mit §§ 129, 94). — § 82 nicht entspr. anwendbar: BGHSt. 9 410. Das Verhältnis zu § 129 ist indessen nicht ganz klar, da zum mindesten unter den Voraussetzungen des § 129a auch die Förderung einer f ü r verboten erklärten Vereinigung die Beteiligung an einer auf eine strafbare Handlung gerichteten Tätigkeit ist. § 90 a ist dann wohl — bei gleicher Strafdrohung — lex specialis. § 129 wird vielfach f ü r die einfachen Mitglieder in Betracht kommen (s. o. Anm. V). Vor allem aber wird hier regelmäßig das reine Ungehorsamsdelikt des § 129 a vorliegen, wenn dessen objektive Voraussetzungen gegeben und bekannt sind. Zu den Strafandrohungen f ü r die besonders schweren Fälle des § 4 9 b Abs. 2 stehen die gleichen der §§ 90 a Abs. % 129 Abs. 2 in keinem rechten Verhältnis. Denn der Grundtatbestand des § 49 b ist mit der Mindeststrafe von drei Monaten Gefängnis als der weitaus schwerere gegenüber den Grundtatbeständen der §§ 90 a, 129 (Gefängnis schlechthin) ausgezeichnet, wie es dem Deliktscharakter entspricht. Staatsfeindliche

Zersetzung § 9 1

(1) Wer auf Angehörige einer Behörde, der Bundeswehr oder eines öffentlichen Sicherheitsorgans in der Absicht einwirkt, die pflichtmäßige Bereitschaft znm Schutze des Bestandes oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder der verfassungsmäßigen Ordnung des Bundes oder eines Landes zu untergraben, und dadurch Bestrebungen dient, die gegen den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder gegen einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze gerichtet sind, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) In besonders schweren Fällen kann auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren erkannt werden. Neufassung durch 4. StÄG. Der jetzige Text enthält zwei Neuerungen. Die erste, die in der Nennung der Bundeswehrangehörigen unter den Schutzobjekten besteht, hat nach richtiger Meinung rein deklaratorischen Charakter. Denn daß die Bundeswehr ein „öffentliches Sicherheitsorgan" ist, sollte nicht zweifelhaft sein.

Staatsgefährdung § 92

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Der zweite Z u s a t z : „ . . . u n d d a d u r c h Bestrebungen d i e n t . . . " soll, wie L a c k n e r J Z 57, 406 mitteilt, verhindern, d a ß auch solche Staatsbürger getroffen werden, die sich aus lauteren Motiven, vor allem aus Gewissensgründen, d e m A u f b a u v o n S t r e i t k r ä f t e n widersetzen u n d dies propagieren. Aber d e m rechtsstaatlichen Bedürfnis war ohnehin d a d u r c h genügt, d a ß die pflichtmäßige Bereitschaft des Soldaten ihre Grenze a n seinem R e c h t der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen h a t , auf das er sich jederzeit b e r u f e n k a n n (so der B J u s t M i n . in BdAnz. 1957 Nr. 28 S. 11) u n d daher entsprechende P r o p a g a n d a schon bisher nicht s t r a f b a r war. Andererseits: wer auf die p f l i c h t m ä ß i g e Bereitschaft zersetzend einwirkt — sei es auch als Überzeugungstäter — wird regelmäßig das Bewußtsein h a b e n müssen, d a ß er d a m i t staatsfeindlichen Bestrebungen dient. D a ß er sich m i t diesen identifiziere, ist keinesfalls notwendig, d a ß er sie innerlich oder auch ausdrücklich ablehnt, ä n d e r t a m Vorsatz des „Dienens", f ü r den dol. ev. genügt (ebenso Lackner a. a. 0.), nichts. Vgl. § 109f. Anm. III. I . Schutzobjekt ist hier die L o y a l i t ä t der Angehörigen von Behörden, d e r Bundeswehr, der Polizei, des Grenzschutzes u n d anderer Sicherheitsorgane, u n d ihre E i n s a t z b e r e i t s c h a f t . I h r e Sicherung gegen Einwirkungen v o n a u ß e n ist d a s Gegenstück zum Schutz gegen ihren Mißbrauch (§ 89, 1. Fall). II. Einwirken ist jede Tätigkeit, die darauf abzielt, d e n bezeichneten Personenkreis zu beeinflussen, B G H S t . 4 291 = J Z 54 198 (Anm. v. Weber). D a ß dies gelingt oder gelingen k o n n t e , ist n i c h t erforderlich. N e h m e n aber die B e a m t e n n i c h t einmal K e n n t n i s , so n u r Versuch (Abs. 2). Auch eine bloße W a r n u n g k a n n E i n wirkung sein: 6 S t R 8/54 v. 31. 3. 54. Vgl. dagegen § 114 Anm. I I I . Verteidigen im Verfahren als T ä t e r : B G H S t . 9 20 ( = J Z 56 375 m. A n m . Arndt). III. Untergrabungsabsicht hier strafbegründend. Betr. Untergraben vgl. B G H S t . 4 291 (oben § 9 0 A n m . I). U.-Absicht nicht = staatsgefährdende Absicht, aber a u c h nicht schon die, eine b e s t i m m t e Behörde „lahmzulegen" (so v. Weber a . a . O . ) , sondern n u r , ihre p f l i c h t g e m ä ß e Einsatzbereitschaft zu untergraben, also ihren G e i s t zu zersetzen, n i c h t : auf ihre Tätigkeit durch K r i t i k h e m m e n d oder umges t a l t e n d einzuwirken. B G H S t . 6 64 ( = J Z 54 611 A n m . v. Weber): Hinwirken auf eine bestimmte pflichtwidrige Einzelhandlung eines Behördenangehörigen n u r d a n n , wenn dessen P f l i c h t g e f ü h l s c h l e c h t h i n erschüttert werden soll. — L G B a m berg N J W 53 675: Bedrohung von Bundesgrenzschutzbeamten m i t Zwangsarbeit u n d Deportation f ü r den F a l l eines politischen Umsturzes. — B G H S t . 4 291: D r u c k auf Gerichtssitzung durch Sprechchöre auf der Straße. — Weitere Beispiele bei R u h r m a n n N J W 54, 1515. — D e m unmittelbaren Schutz der einzelnen Behördenangehörigen dient § 91 n i c h t : B G H J R 54 388 (beiläufig). IV. Verhältnis zu §§ 80, 81, 89: Subsidiarität. V. Besonders schwere Fälle: vgl. § 89 A n m . V I I I . Staatsfeindlicher

Nachrichtendienst

§ 9 2 (1) W e r in der Absicht, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, außer

Staatsgefährdung § 93

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Geltung zu setzen oder zu untergraben oder eine solche Bestrebung zu fördern, für eine Dienststelle, eine Partei oder eine andere Vereinigung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, für eine verbotene Vereinigung oder für einen ihrer Mittelsmänner über Verwaltungen, Dienststellen, Betriebe, Anlagen, Einrichtungen, Vereinigungen oder Personen, die sich im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes befinden, Nachrichten sammelt oder zu diesem Zwecke einen Nachrichtendienst betreibt, für eine solche Tätigkeit anwirbt oder sie unterstützt, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (8) In besonders schweren Fällen kann auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren erkannt werden. I. Staatsfeindliche politische Nachrichtendienste als Hauptmittel der Vorbereitung eines Umsturzes sind Gegenstand dieser Strafdrohung. Die Bestimmung folgt Schweizer Vorbild (Art. 272 n. F., der seinerseits auf das „Spitzelgesetz" vom 21. 6. 35 zurückgeht, auch Art. 273, 274). Angesichts der besonderen Gefahrlage der Bundesrepublik wird hier außer der sonst in diesem Abschnitt geforderten Absicht (§ 90 Anm. I) auch die der Beeinträchtigung der Staatssicherheit für tatbestandsmäßig erklärt. Zu den hiernach strafbaren Handlungen gehört insbesondere das Anlegen weißer, grauer oder schwarzer Listen (über Anhänger, Rückversicherer, Gegner der Umsturzbewegung). Ergänzend § 241 a. II. Absicht: vgl. § 94 Anm. I a. E., ferner Jescheck JZ 57, 360. III. Versuch des Nachrichtensammelns kann u. U. schon im Antritt einer Reise zur Erfüllung eines nachrichtendienstlichen Auftrags liegen; jedenfalls aber versuchte Unterstützung: BGH NJW 58 2025. IV. Besonders schwere Fälle: vgl. § 89 Anm. VIII. V. Teilnahme nach allgemeinen Regeln. Gehilfe also, wer ohne eigene tatbestandsmäßige Absicht den Nachrichtendienst in Kenntnis der Absicht seiner Organisatoren unterstützt. Vgl. § 90 Anm. I. VI. Straflos nach § 92 bleiben Nachrichtendienste f ü r Dienststellen, Parteien oder andere Vereinigungen innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Gesetzes, wenn nicht die Vereinigung verboten ist. Hier wird jedoch u. U. der faktische Zusammenhang mit Organisationen außerhalb dieses Bereichs in Betracht zu ziehen sein. Förderung feindlicher Propaganda §93 (1) Wer Schriften, Schallaufnahmen, Abbildungen oder Darstellungen, durch deren Inhalt Bestrebungen herbeigeführt oder gefördert werden sollen, die darauf gerichtet sind, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder zur Unterdrückung der demokratischen Freiheit einen der in

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Staatsgefährdving § 93

§ 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zn beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben, 1. herstellt, vervielfältigt oder verbreitet oder 2. zur Verbreitung oder Vervielfältigung vorrätig hält, bezieht oder in den räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes einführt, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. 1. Neufassung durch das 3. StÄG, das den Strafschutz erheblich erweiterte. II. Zum Gegenstand der Tat vgl. Anm. zu § 84, insbes. betr. Schriften usw. und über das Erfordernis, daß die staatsgefährdenden Bestrebungen durch den I n h a l t der Schriften herbeigeführt oder gefördert werden sollen (dazu vor allem BGHSt. 8 247). Über § 90 hinaus wird die Absicht gefordert, Grundsätze des § 88 „zur Unterdrückung der demokratischen Freiheit" zu beseitigen. Über die Gründe dieser Einschränkung Dreher J Z 53, 426. HI. Äußerer Tatbestand. 1. Die Handlung. Betr. herstellen, verbreiten, vorrätig halten vgl. § 84 Anm. II. Herstellen und vervielfältigen braucht nicht zur Verbreitung zu erfolgen. Betr. Einführen vgl. E 48 32, 49 209, 59 170, BGHSt. 9 351 (auch zur Öffnungsbefugnis der Zollbeamten). 2. Zum äußeren Tatbestand gehört hier wie in § 90 a, daß staatsfeindliche Bestrebungen außerhalb der Person des Täters bestehen, während die meisten Bestimmungen dieses Abschnitts, wie §§ 90, 94 oder 97, an solche Bestrebungen in seiner Person anknüpfen: BGHSt. 6 319. Vgl. Vorbem. I I vor und Anm. 12 zu § 88. IV. Innerer Tatbestand: Vorsatz, der Kenntnis und Billigung der verfassungsfeindlichen Ziele der Schrift umfaßt. Dol. ev. genügt. Staatsfeindliche Absicht nicht erforderlich. BGHSt. 6 319, s. o. zu I I I 2. V. Als Prozeßvoraussetzung fordert BGHSt. 6 321, wenn der Täter Funktionär einer politischen Partei ist, die Feststellung des BVerfG, daß die Partei verfassungswidrig sei. Das folge aus dem Geiste des Art. 21 GG. Es liege wie bei § 90a Abs. 3, der den Art. 21 nur deklariere. Unter der Voraussetzung, daß sich die Tätigkeit von Mitgliedern und Anhängern einer Partei darin erschöpfe, sich f ü r die Verwirklichung der Ziele ihrer Partei mit allgemein erlaubten Mitteln einzusetzen, könnten deshalb solche Personen vorher aus § 93 nicht verfolgt werden. Es gehöre zum Wesen einer politischen Partei, durch Rede und Schrift nicht nur auf ihre Anhänger und Mitglieder einzuwirken, sondern auch neue Anbänger f ü r ihre Ziele zu gewinnen. Indessen ist notorisch, daß jene Voraussetzung keineswegs auf alle bestehenden Parteien zutrifft, vor allem aber, daß es Vereinigungen gibt, die ihrem Wesen nach unter der Form einer politischen Partei in der Hauptsache Agentenzentralen darstellen und mit ihren Schriften nicht oder nicht in erster Linie auf ihre Anhänger einwirken oder neue Mitglieder gewinnen, sondern unmittelbar den Bestand der Bundesrepublik beeinträchtigen und zur Unterdrückung der demokratischen Freiheit alle Verfassungsgrundsätze beseitigen wollen. Aus doppeltem Grunde entfällt daher der vermeintliche rechtliche Zwang, den Verfassungsfeinden das trojanische Pferd zu erhalten. Im übrigen ist § 90 a Abs. 3 prozeßrechtlicher und konstitutiver Natur. Er bestimmt, daß in der Frage, ob das Bestehen einer Vereinigung als solches schon verfassungswidrig ist, der Strafrichter nicht dem Verfassungsrichter vorgreifen darf.

Staatsgefährdung § 94

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Dieser Gedanke läßt sich auf § 93 nicht übertragen. Denn hier ist Strafgrund nicht die hervorgehobene Zugehörigkeit zu einer problematischen Vereinigung, sondern die Bedrohung der freiheitlichen Demokratie durch staatsfeindliche Propaganda. Das Rechtsgut ist unmittelbar material gefaßt. — Wie hier Seiffert DÖV 56, 5; a. A. Lüttger GA 1958, 240 mit Nachw. Art. 21 GG, der politische, aber keine strafrechtlichen Garantien enthält, steht erst recht nicht entgegen. Der Grundsatz der Gewerbefreiheit hindert nicht, die Unzucht zu bestrafen, die in einem Massagesalon betrieben wird, auch wenn die Schließung dieses Salons der Polizei und nicht dem Strafrichter zusteht. Der Umfang der Immunität und Indemnität schließlich ist in der Verfassung erschöpfend bestimmt, und zwar stets ausdrücklich. VI. Betr. Verjährung gilt das in § 84 Anm. V Gesagte entsprechend. Staatsfeindliche

Absicht als

Strafschärfungsgrund

§94 (1) Wird eine Tat, die nach den Vorschriften über Angriffe gegen die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte (§§ 106 bis 108 d), Sabotage (§§ 109 e Abs. 1 bis 4), Widerstand gegen die Staatsgewalt (§§ 110 bis 122 b), Angriffe gegen die öffentliche Ordnung (§§ 123 bis 189), Störung des Gottesdienstes (§ 167), Körperverletzung (§§ 223 bis 229), Vorbereitung einer Verschleppung, Freiheitsberaubung, Nötigung, Bedrohung oder politische Verdächtigung (§§ 234a Abs. 3, 239 bis 241a), Begünstigung (§§ 257, 257 a), Urkundenfälschung (§§ 267 bis 276, 281), Sachbeschädigung (§§ 303 bis 305), gemeingefährliche Handlungen (§§308, 311, 315, 315 a Abs. 1 Nr. 1, 316 b, 817, 321, 824) oder Verletzung der Amtspflicht (§§ 332 bis 336, 340 bis 355, 357) strafbar ist, in der Absicht begangen, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben oder eine solche Bestrebung zu fördern, so kann, soweit die Tat nicht mit schwererer Strafe bedroht ist, auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder auf Gefängnis und, wenn die Tat auch ohne diese Strafschärfung ein Verbrechen wäre, auf Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren erkannt werden. (2) Wird eine Tat nach den in Absatz 1 bezeichneten Vorschriften nur auf Antrag verfolgt, so entfällt unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 das Erfordernis des Strafantrags. I. Die in § 90 Anm. I gekennzeichnete Absicht tritt hier besonders deutlich als subjektives Unrechtselement in Erscheinung. Denn hier ist sie nicht, wie etwa in

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Staatsgefährdung § 94

den §§ 90, 92, die geradlinige subjektive Verlängerung der Richtung, in der die objektive Handlung typischerweise verläuft. Hier wird vielmehr die sonst gegen ganz andere Rechtsgüter z. T. höchstpersönlicher Art gerichtete Deliktstypizität atypisch in eine ganz neue Richtung umgebogen. Die Mißachtung der Freiheitssphäre des Einzelnen durch den politischen Fanatismus konnte kaum schärfer gekennzeichnet werden als durch die unbestreitbare Notwendigkeit einer derartigen Abwehrvorschrift, die quer durch die bisherige Legalordnung läuft. Es handelt sich nicht etwa nur um eine Strafzumessungsregel, sondern um eine tiefgehende Qualifizierung, ja Umwandlung des Unrechtsgehalts; zu vergleichen sind von bisherigen Bestimmungen allenfalls Einzelfälle wie §§ 124 oder 265 (vgl. Anm. dort); jetzt auch § 95 Abs. 3, Fall 2, § 96 Abs. 3. — § 50 Abs. 2 ist anzuwenden. Zustimmend Schönke-Schröder Anm. I. — Nach BGHSt. 9 142 ( = JZ 56 694 mit zust. Anm. Bockelmann) ist Absicht hier der bestimmte, auf die Beeinträchtigung des Bestandes der Bundesrepublik oder auf ein anderes der in § 94 genannten verfassungsfeindlichen Ziele gerichtete Wille. Ablehnend Arndt JZ 57, 206. Vgl. ZStW 68, 643. Kritisch zu § 94: Willms NJW 57, 565. Als verfassungswidrig i. S. des § 94 darf der Strafrichter die Absicht, von der sich der Täter hat leiten lassen, auch dann beurteilen, wenn er den Zielen seiner Partei dienen wollte, gleichgültig ob diese vom BVerfGer. für verfassungswidrig erklärt ist oder nicht und ob die strafbegründenden Tatsachen auch gem. Art. 21 GG erheblich wären: BGHSt. 6 172. II. Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis — das ist die mindeste Steigerung des Strafrahmens, sofern nicht die Tat ohnehin ein Verbrechen ist. Hier stehen zwei o r d e n t l i c h e S t r a f r a h m e n n e b e n e i n a n d e r , nicht wie bei den mildernden Umständen, den besonders leichten und den besonders schweren Fällen der Regelstrafrahmen und die Ausnahme. Die schon in jenen Fällen für verbindlich erklärte Regel des § 11 Abs. 3 der Entw. 1927 und 1930 lautet: „Ob eine Tat ein Verbrechen oder ein Vergehen ist, richtet sich nach der ordentlichen Strafe." Das bedeutet, daß hier zwei gleichberechtigte Wertgruppen gebildet sind und die Tat je nach ihrem Schweregrad in concreto als Verbrechen oder Vergehen der einen oder anderen angehört. Näheres hierüber in MDR 48, 313ff. und zu § 1 Anm. VII. Der Wortlaut des § 94 steht dieser Auslegung nicht entgegen, zumal dieser Fall kaum bedacht zu sein scheint. A. A. v. Weber MDR 51, 644/5, Schönke-Schröder III, LK Anm. 2; ständige Rspr., dazu Willms a. a. O. (die staatsgefährdende Absicht mache die Tat s t e t s zum Verbrechen). Dem steht aber entgegen, daß hier der Gesetzgeber durch das „kann" die entscheidende Wertung dem Richter und damit der konkreten Fallbeurteilung überträgt (im Gegensatz zur sonstigen generalisierenden Methode bei den bes. schweren Fällen). Wie hier Dreher-Maassen. BGHSt. 4 226 steht nicht entgegen, da hier gerade erst die Besonderheit der Einzeltat, nicht schon der Typ entscheidet. III. „Kann" gibt dem Richter aus den zu I I entwickelten Gründen bewußt Ermessensfreiheit (über deren Grenzen vgl. Gutachten zur StrRReform S. 69 ff.). Die weittragenden Folgen der Qualifizierung als Verbrechen (Versuchsbestrafung, Eingreifen des § 49 a usw., vgl. § 1 Anm. II) sollen nur eintreten, wenn die staatsfeindliche und damit verbrecherische Absicht der Tat das Gepräge gibt. Vgl. § 129 Anm. I I I 3, BGHSt. 8 168.

Staatsgefährdung § 95

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IV. Keine Prozeßvoraussetzung wie bei § 90 a Abs. 3 : BGHSt. 6 172, s. o. Anm. I Abs. 2. Anders BGHSt. 6 318 für § 93; dagegen dort Anm. V. V. Zusammentreffen mit § 97: Dann ist dieser nicht anwendbar, weil subsidiär. BGHSt. 8 192 (wohl aber Tateinheit, wenn §§ 90 a, 128, 129 zugleich mit § 94 verwirkt). § 94 i. V. mit § 129 Abs. 2 („bestimmter Straferschwerungsgrund", der die Tat zum Verbrechen macht, E 60 116, 69 53) schließen die Anwendung von § 94 i. V. m. § 129a aus. BGHSt. 8 168 ( = MDR 56 50 m. Anm. Kleinknecht). Vorbemerkung zu §§ 95—97 I. System der § § 95—97. Die hier zusammengefaßten Bestimmungen bilden miteinander und mit dem neuen § 187 a eine Zweckeinheit zum Schutze des Staates, seiner höchsten Organe und seiner Symbole gegen schwere und planmäßige Herabwürdigung. Während aber der Reg.-Entw. seine entsprechenden Bestimmungen in einen besonderen Abschnitt verwiesen hatte und damit ihren Selbstzweck zu betonen schien, bringt das Gesetz durch ihre Einfügung unter den größeren Gesichtspunkt der „Staatsgefährdung" zum Ausdruck, daß deren Abwehr und nicht der Schutz des unmittelbar angegriffenen speziellen Objekts Grund und damit auch Grenze der Strafbarkeit ist. Mit Recht bemerkt v. Weber, daß diese Systematik es nahelegt, die Materie über die Ebene der persönlichen Reibungen und parteipolitischen Zänkereien hinauszuheben (MDR 51, 522). Eingehend über die Abgrenzung von erlaubter Kritik Abg. Wahl, 160. Sitzg. Drucks. S. 6484. H. Die Tathandlungen sind, abgesehen von einzelnen Fällen des § 96 Abs. 2, Äußerungsdelikte. Sie sind gegenüber dem allgemeinen Ehrenschutz der §§ 185 ff. qualifiziert nicht nur durch die besondere Schutzwürdigkeit des Angriffsobjekts, sondern auch durch die besondere kriminelle Intensität des Ausdrucks oder der aus ihm sprechenden Gesinnung oder des mit der Äußerung verfolgten Planes sowie durch die erhöhte Gefährlichkeit der Ausdrucksmittel oder der begleitenden Umstände. Zutr. insoweit LG Bremen MDR 5 1 7 5 7 ; vgl. aber auch BGHSt. 3 348, 7 110 darüber, daß auch dem U m f a n g nach der Strafschutz weiter geht als in §§ 185,186,187 und daß t a t s ä c h l i c h e S t a a t s g e f ä h r d u n g n i c h t e r f o r d e r l i c h ist (zu § 96, aber auch für §§ 95, 97 gültig).

Verunglimpfung des Bundespräsidenten § 9 5 ( 1 ) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreitung von Schriften, Schallaufnahmen, Abbildungen oder Darstellungen den Bundespräsidenten verunglimpft oder dazu auffordert, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann das Gericht die Mindeststrafe unterschreiten, wenn nicht die Voraussetzungen der Strafschärfung nach § 187 a erfüllt sind. (8) Ist die Tat eine Verleumdung oder ist sie in der Absicht begangen, Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder gegen

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Staatsgefährdung § 96

einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu fördern, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten. (4) Die Tat wird nur mit Ermächtigung des Bundespräsidenten verfolgt. I. Verunglimpfen: § 189 Anm. I. Der Begriff umfaßt Formalbeleidigungen und Tatsachenbehauptungen. E r geht weiter als das „Besehimpfen" des § 96. Vgl. LG Bamberg N J W 53 675, auch darüber, daß geringfügige Kundgebungen der Mißachtung ausscheiden. II. Auffordern: Vgl. § 110 Anm. VII, ferner E 47 413 (auch durch schlüssiges Verhalten). m . Öffentlich wie in § 110, vgl. dort. IV. Versammlung: § 106a Anm. I I I 2a. V. Schriften usw. vgl. § 84 Anm. II. VI. Staatsgefährdende Absicht: § 88 Abs. 1, 2 mit Anm. VII. Ermächtigung nicht rücknehmbar, arg. e contr. § 104 a S. 2, vgl. E 38 68. Staatsbeschimpfung

§96 (1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreitung von Schriften, Schallaufnahmen, Abbildungen oder Darstellungen 1. die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich macht, 2. ihre Farben, ihre Flagge, ihr Wappen oder ihre Hymne verunglimpft oder dazu auffordert, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer eine öffentlich gezeigte Flagge der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ein von einer Behörde öffentlich angebrachtes Zeichen der Hoheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder entfernt, zerstört, beschädigt oder unkenntlich macht oder wer beschimpfenden Unfug daran verübt. Der Versuch ist strafbar. (3) Hat der Täter eine der in den Absätzen 1 und 2 genannten Taten in der Absicht begangen, Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder gegen einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu fördern, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter drei Monaten. I. Schutzobjekt sind in Abs. 1 Nr. 1 die BR und ihre Länder — Berlin ist durch Art. 6 des G v. 30. 8. 51 gleichgestellt — in ihrer konkreten Gestalt als freiheitliche repräsentative Demokratien, nicht als Staaten schlechthin: BGHSt. 6 324; in Nr. 2 ihre Symbole. Vgl. über die deutschen Flaggen BGBl. 1950, 205, über das Bundeswappen usw. BGBl. 1950, 26. In Abs. 2 die Achtung vor der öffentlich — auch privat — gezeigten Flagge und vor den staatlichen Hoheitszeichen: Zeichen, die nach dem Willen der Staatsbehörden dazu bestimmt sind oder verwendet werden, die Staatsgewalt öffentlich zum Ausdruck zu bringen und kundzutun, daß Träger oder Gegenstand ihr untersteht: E 63 287, Braunschweig N J W 52 518, 53 875 (betr. Kokarde an Dienstmütze). Über Amtsschilder der Bundesbehörden BGBl. 1951, 927.

Staatsgefährdung § 96

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II. Die Handlungen des Abs. I. 1. Beschimpfen oder böswilliges Verächtlichmachen der BR oder eines ihrer Länder oder ihrer v. Ordnung. a) Beschimpfen: durch F o r m oder I n h a l t besonders verletzende Äußerungen der Mißachtung (E 61 308), wobei das b e s o n d e r s Verletzende entweder äußerlich in der R o h e i t d e s A u s d r u c k s oder inhaltlich in dem V o r w u r f e i n e s s c h i m p f l i c h e n V e r h a l t e n s zu sehen ist (E 57 185); P e r s ö n l i c h k e i t des Täters und T a t u m s t ä n d e sind heranzuziehen. So BGHSt. 7 110 (betr. „Unrechtsstaat"); auch darüber, daß in d e r R e g i e r u n g m i t t e l b a r d e r S t a a t beschimpft werden kann (wie RG J W 1936 904) und umgekehrt: T a t f r a g e , wie auch BGHSt. 1111 betont. b) Böswillig verächtlich machen. Jede, auch bloß wertende Äußerung, durch die die BR oder ein Land als der Achtung der Staatsbürger unwert oder unwürdig hingestellt wird: BGHSt. 3 346 („Coca-Cola-Bude"), 7 110 („Unrechtsstaat"). Erheblich weiterer Begriff als der des Beschimpfens; Angleichung im Unrechts(richtiger: im Schuld-) Gehalt durch zusätzliches Erfordernis der Böswilligkeit (BGHSt. 7 111); über diesen Begriff vgl. § 170a Anm. I V ; nach BayObLG NJW 63 874 „aus verwerflichen Beweggründen". Darüber, daß eine tatsächliche Gefährdung der verfassungsmäßigen Ordnung und eine konkrete Eignung der Äußerung hierfür nicht erforderlich ist, vgl BGHSt. 3 348 und Vorbem. vor § 95. 2. Verunglimpfen der Symbole (oben Anm. I, § 95 Anm. I). 3. Auffordern zu einer Handlung gem. 1. oder 2. Vgl. § 110 Anm. VII, E 47 413 (betr. schlüssiges Verhalten). 4. Öffentlich (§ 110 Anm. I) oder in gleichgestellter Weise muß die Handlung zu 1 - 3 begangen sein. Vgl. Braunschweig NJW 53 8 7 5 . - BGH 6 St. 21/55 v. 27. 7. 55: „Schwarz-rot-gelb" auf offener Postkarte. III. Zu Abs. 2: Betr. Flagge und Hoheitszeichen vgl. Anm. I, betr. öffentliches Zeigen oder Anbringen zutr. Braunschweig NJW 53 875: hier w e i t e r als in Abs. 1; es genügt, daß unbestimmt viele das Zeichen wahrnehmen k ö n n t e n . Enger BGH 2 StR 88/53 v. 3 . 9 . 5 3 : „sichtbar" f ü r größeren unverbundenen Personenkreis. Die Handlung: Betr. Zerstören, Beschädigen und das hiervon schon mitumfaßte Unkenntlichmachen vgl. § 303 Anm. II, III. Entfernen ist jede durch räumliche Veränderung bewirkte Beeinträchtigung des Sinngehalts; z. B. auch Setzen auf Halb- oder Vollmast. Die Umkehrung der Farben kann Unkenntlichmachen, nach den Umständen aber auch b e s c h i m p f e n d e r U n f u g sein. Über diesen Braunschweig NJW 53 875: in roher Form am Gegenstand selbst Mißachtung ausdrücken. BGH 2 StR 88/53 v. 3. 9. 53: rechtswidriges Absägen des Mastes, an dem die Fahne hängt. IV. Verschärfung des Strafschutzes bei staatsfeindlicher Absicht, Abs. 3. V. Einheitliche Handlung, wenn die Begehungsformen des Abs. 2 zusammentreffen: 2 StR 88/53 v. 3. 9. 53.

19

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

290

Staatsgefährdung § 97

Verunglimpfung von Staatsorganen §97 (1) Wer in der Absicht, Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder gegen einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu fördern, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreitung Ton Schriften, Schallaufnahmen, Abbildungen oder Darstellungen ein Gesetzgebungsorgan, die Regierung oder das Verfassungsgericht des Bundes oder eines Landes insgesamt oder in einem ihrer Mitglieder als verfassungsmäßiges Organ in einer das Ansehen des Staates gefährdenden Weise verunglimpft oder dazu auffordert, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist. (2) Die Tat wird nur mit Ermächtigung des betroffenen Staatsorgans oder Mitglieds verfolgt. 1. Zweck der Bestimmung nicht Ehrenschutz als solcher, sondern die in der Verunglimpfung usw. liegende S t a a t s g e f ä h r d u n g zu ahnden: „als verfassungsmäßiges Organ". Vgl. BGHSt. 6 160. II. Schutzobjekt gem. GG und Länderverfassungen zu bestimmen; betr. Gesetzgebungsorgan vgl. oben § 11 Anm. III. m . Handlung: Vgl. zu „Verunglimpfen" LG Bamberg N J W 58 675 („Mittelstellung zwischen einfacher Beleidigung und Beschimpfung") sowie oben § 95 Anm. I — I I I ; betr. Auffordern, öffentlich: § 96 Anm. I I 2—4; betr. Schriften usw. § 84 Anm. II. Annahme verunglimpfender Schriften mit dem Willen zur Weitergabe: BGHSt. 8 165. Zum Anwendungsbereich des § 20 RPresseGes. BGH GA 1955 366 (Herlan). IV. Konkretes Gefährdungsdelikt: ein auffälliger und innerlich nicht begründeter Gegensatz zu §§ 95, 96, vgl. § 96 Anm. I I l b ) a. E. und BGHSt. 3 343. V. Innerer Tatbestand. 1. Bedingter Vorsatz (der Täter hat z. B. die Schrift nicht gelesen, rechnet aber mit verunglimpfendem Inhalt und billigt ihn) genügt: BGH 6 StR 34/54, Beschl. v. 9. 4. 54; 6 StR 178/54 v. 30. 6. 54. 2. Absicht, die erkannte Staatsgef. zu fördern, muß hinzutreten. Dazu Ruhrmann N J W 54, 1513. VI. Subsidiär, z . B . gegenüber § 187 a Abs. 2, BGHSt. 4 338; BGHSt. 6 160 (Tateinheit mit § 187 a Abs. 1 möglich) steht nicht entgegen, zeigt aber die Unzulänglichkeit einer nur auf Quantitäten der Strafe abhebenden Subsidiaritätsklausel. Vgl. oben Anm. I. — § 94 i. V. mit einem der dort genannten Tatbestände schließt § 97 aus: BGHSt. 8 191. — Bei tateinheitlichen Zusammentreffen mit § 84 nur §97: BGHSt. 6 297; vgl. Köln NJW 54 973 (nicht Konsumtion). VII. Ermächtigung liegt in unbeschränktem Strafantrag, E 33 66, BGH 6 StR 34/54, Beschl. v. 9. 4. 54, Hamm GA 1953 28 (zust. Anm. Grützner), BGH 6 StR 159/54 v. 30. 6. 54; einschränkend BGH MDR 54 754 (nicht ohne weiteres). — Selbst. Einziehung gem. §§ 98, 86 II ohne Erm. zulässig: BGHSt. 8 299.

Landesverrat. Vorbemerkung Nebenstrafen und

291

Nebenfolgen § 9 8

(1) Wegen der in diesem Abschnitt mit Strafe bedrohten Handlungen kann erkannt werden neben der Strafe aus § 89 auf Geldstrafe von unbegrenzter Höhe; neben den Strafen aus den §§ 90 bis 97 auf Geldstrafe; neben einer Gefängnisstrafe von mindestens drei Monaten für die Dauer von einem bis zu fünf Jahren auf die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter und den Verlust des Wahl- und Stimmrechts und der Wählbarkeit sowie auf den Verlust der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte; neben jeder Freiheitsstrafe aus den § § 8 9 bis 94 auf die Zulässigkeit von Polizeiaufsicht. (2) § 86 gilt entsprechend. I. Vgl. grundsätzlich A n m . zu §§ 85, 86. II. Betr. Verlust der Wählbarkeit vgl. BGHSt. 8 68. III. Betr. Einziehung vgl. BGHSt. 8 165, aber auch BGHSt. 10 46 (51), wonach bei Organisationsdelikten nur fakultativ. Näheres § 86 Anm. IV. IV. Betr. Polizeiaufsicht vgl. BGHSt. 6 182: bei § 9 0 a n u r neben Zuchthaui.

Dritter Abschnitt

Landesverrat Vorbemerkung Die Bestimmungen dieses Abschnitts knüpfen in weitestem Umfange an das frühere Recht an, das seinerseits auf die Entwürfe aus der Zeit vor 1933 zurückgegriffen hatte. Grundsätzlich bedeutsame Abweichungen finden sich, abgesehen von der durchgängigen Ermäßigung der Strafdrohungen und der Anpassung an neue Kampfmittel, vor allem in folgenden Richtungen: Die dem Schutz der Landesverteidigung dienenden früheren §§ 92 a—f sind als damals gegenstandslos nicht wieder aufgenommen worden, ebenfalls die §§ 91a und b) a. F . über Kriegsverrat. Das Staatsinteresse muß gegenwärtig nicht nur gegen ausländische, sondern gegen fremde Regierungen schlechthin, d. h. auch solche, die auf deutschem Boden, aber außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Gesetzes tatsächliche Macht ausüben, gewahrt werden. Die überlieferte Begriffsbestimmung des LV als Angrifis auf die äußere Sicherheit und Machtstellung des Staates ist damit zu eng geworden; vgl. § 80 Anm. I, § 99 Anm. I I I . Zur Systematik des Abschnitts vgl. Vorbem. I I vor § 88. Schutzprinzip: KG NJW 56 1570. 19*

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Landesverrat § 99

Begriff des Staatsgeheimnisses und des Verrats § 9 9 (1) Staatsgeheimnisse im Sinne dieses Abschnittes sind Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, insbesondere Schriften, Zeichnungen, Modelle oder Formeln, oder Nachrichten darüber, deren Geheimhaltung vor einer fremden Regierung für das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. (2) Verrat im Sinne dieses Abschnitts begeht, wer vorsätzlich ein Staatsgeheimnis an einen Unbefugten gelangen läßt oder es öffentlich bekanntmacht und dadurch das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet. I. Staatsgeheimnis: Relative Unbekanntheit der Tatsache (die auch eine innere sein kann, Arndt ZStW 66, 44, z. B. die Verratsbereitschaft einer Person BGHSt. 6 385) und Wille zur Geheimhaltung bei den maßgeblichen Instanzen entscheidend; amtlicher Geheimvermerk oder sein Pehlen nur Indiz: Köln MDR 53 374. Nachrichten, Erkenntnisse auch z. B. private Erfindungen, auch unbekannte Kombination bekannter Einzeltatsachen: RG DRiZ 24 391. Relativ: Geheimnis auch die nur im Ausland unbekannte Tatsache: E 10 421, Köln MDR 53 374. — Vgl. zum Begriff Arndt ZStW 66,41,Mittelbach JR53.288. Die „Zweifelsfrage, ob ein grundgesetzwidriger Zustand oder eine grundgesetzwidrige Bestrebung der Regierung ein echtes Staatsgeheimnis i. S. d. § 100 sein kann . . . tritt f ü r § 100a nicht a u f " : BGHSt. 10 163. — Einzelheiten über Straßenabschnitt als StG: BGHSt. 7 234. II. Für das Wohl der BR oder eines ihrer Länder auch dann geheimhaltungsbedürftig, wenn sich z. B. Nato-Geheimnis auf Verteidigungsmaßnahmen der B R bezieht: StE 8/55 v. 22. 6. 55, vgl. auch BGHSt. 6 333 (deutschen Organen anvertraute gemeinsame Geheimnisse). Auch durch das Inkrafttreten der Pariser Verträge am 5. 5. 55 hat sich hieran nichts geändert: BayObLG N J W 57 1327. III. Fremde Regierung auch die obersten Funktionäre der SBZ. Mitteilungen an deren Dienste über geheime Vorgänge des Verfassungsschutzes regelmäßig auch dann Verrat i. S. des § 99, wenn sie nur Bekämpfung des i n n e r e n Feindes betreffen: StE 19/54 v. 25. 1. 55.—Vgl. Wengler, Deutschland als Rechtsbegriff (oben Lit. von § 3). IV. Verrat: Bekanntgeben oder Gelangenlassen (des Gegenstandes, nicht notw. der Kenntnis) an einem Unbefugten (BayObLG GA 1955 213: Bote des Verräters als Gehilfe, auch ohne Kenntnis vom Inhalt). V. Konkrete Gefährdung gem. Abs. 2 erforderlich, während Abs. 1 nur die abstrakte „Landesverratsfähigkeit" des Gegenstandes voraussetzt (so zutr. Schneidewin J R 54, 244). Die Bestimmung entspricht mit den in der Vorbem. erörterten Maßgaben und einigen technischen Verbesserungen dem früheren § 88. Doch muß jetzt nach Abs. 2 das Staatswohl tatsächlich gefährdet sein, während früher ein dahingehender Vorsatz des Täters genügte. Fehlt Gefährdungsvorsatz, so § 100 c Abs. 1 oder 2 zu prüfen. VI. Tateinheit mit den Strafschutzbestimmungen des Truppenvertrages in den Fällen der Anm. 11, BayObLG N J W 57 1327.

Landesverrat § 100

293

Landesverrat

§100 (1) Wer ein Staatsgeheimnis verrät, wird wegen Landesverrats mit Zuchthaus bestraft. (2) Wer sich ein Staatsgeheimnis verschafft, um es zu verraten, wird wegen Ausspähung von Staatsgeheimnissen mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. (3) Ein Abgeordneter des Bundestages, der nach gewissenhafter Prüfung der Sacli- und Rechtslage und nach sorgfältiger Abwägung der widerstreitenden Interessen sich für verpflichtet hält, einen Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes oder eines Landes im Bundestag oder in einem seiner Ausschüsse zu rügen, und dadurch ein Staatsgeheimnis öffentlich bekanntmacht, handelt nicht rechtswidrig, wenn er mit der Büge beabsichtigt, einen Bruch des Grundgesetzes oder der Verfassung eines Landes abzuwehren. I. Abs. 1 entspricht, von der Strafclrohung abgesehen, dem früheren § 89 Abs. 1. „Verrat" und „Staatsgeheimnis" sind in § 99 gesetzlich definiert. Vgl. dort Anm. I. II. Abs. 2. Die Ausspähung von Staatsgeheimnissen, um sie zu verraten, entspricht dem früheren § 90. Sie ist verselbständigte Vorbereitung des Landesverrats; Versuch strafbar: BGHSt. 6 386 (aus Entstehung und Zweck folgernd); a. A. Arndt ZStW 66, 67, 72 ff. — Dolus subsequens hier nicht erfaßt. — Zum Begriff der Ausspähung eingehend Arndt ZStW 66, 65 ff. — Über Irrtumsfragen Welzel J Z 55,144. III. Abs. 3 ist erst in dritter Lesung eingefügt worden. Er will f ü r Bundestagsabgeordnete einen Rechtfertigungsgrund schaffen, und zwar aus einem Komplex subjektiver Momente: gewissenhafte Prüfung, sorgfältige Abwägung, die Meinung, zum Handeln verpflichtet zu sein, die Absicht, einen Verfassungsbruch abzuwehren, müssen zusammen vorliegen, um unter den objektiven Maßgaben dieser Stelle eine Handlung zu „rechtfertigen", die die öffentliche Bekanntmachung eines Staatsgeheimnisses bedeutet oder zur Folge hat. Man wollte mit dieser schon in ihrer rechtlichen Struktur ungewöhnlichen Bestimmung verhindern, daß wie früher (E 62 65) Veröffentlichungen über „illegale Zustände" schlechthin als versuchter Landesverrat qualifiziert würden. Da praktisch der Anwendungsbereich dieser Bestimmung bereits durch die Immunität bzw. Indemnität des Art. 46 Abs. 1 GG gedeckt ist, erhebt sich zunächst nur theoretisch die Frage, ob sie über den persönlichen Strafausschließungsgrund des GG hinaus das Verhalten des Abgeordneten materiell rechtfertigen kann (mit Folgen allenfalls f ü r Notwehr, Teilnahme usw.). Berechtigte Bedenken hiergegen bei v. Weber MDR 51, 519, der auch überdie früheren gesetzgeberischen Bestrebungen in dieser Frage berichtet. Mit der objektiven Unrechtsbegründung (und entsprechend = Ausschließung), auf die unser Strafrecht gegründet ist, ist § 100 Abs. 3 unvereinbar. Er paßt nur — als Korrelat — zu einem uns fremden Gesinnungsstrafrecht. Vgl. ferner Arndt ZStW 66, 69, SchmidtLeichner N J W 51, 861, Welzel Lb. 4. Aufl. S. 359/60, J Z 55, 144 (für einschränkende Auslegung). Der Antragsteller im Bundestag hatte auf eine Begründung verzichtet, weil die Formulierung zweifelsfrei sei (Bundestagsdrucksachen 160. Sitzg. S. 6484). IV. Konsumtion des Abs. 2 durch Abs. 1 und des § 100 e durch § 100, entspr. bei Anstiftungsversuch: BGHSt. 6 388—91, LM Nr. 2 zu § lOOe.

Landesverrat § 100 a

294 Staatsgefährdende

Fälschung

§ 100a (1) Wer durcb Fälschung oder Verfälschung Schritten, Zeichnungen oder andere Gegenstände, die im Falle der Echtheit Staatsgeheimnisse wären, herstellt, um sie in einer das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdenden Weise zu verwenden, wird mit Zuchthaus bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer Tatsachen, Gegenstände oder Nachrichten darüber, die falsch, verfälscht oder unwahr sind, aber im Falle der Echtheit oder Wahrheit Staatsgeheimnisse wären, vorsätzlich als echt oder wahr an einen Unbefugten gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht und dadurch das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet. (B) Wer Gegenstände, die falsch oder verfälscht sind, aber im Falle der Echtheit Staatsgeheimnisse wären, sich verschafft, um sie in einer das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdenden Weise zu verwenden, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. (4) Falschen, verfälschten oder unwahren Tatsachen, Gegenständen oder Nachrichten darüber (Absätze 2 und 3) stehen Staatsgeheimnisse gleich, die der Täter irrtümlich für falsch, verfälscht oder unwahr hält. Das Fälschungsdelikt des § 100a ist dem früheren § 90a nachgebildet, jedoch mit Änderungen, die den eigentlichen Schutzzweck schärfer herausheben und den nur scheinbaren Zusammenhang mit den Verratsdelikten lösen. An Stelle des „Verrats", also des hier in Wahrheit gegenstandslosen Angriffs auf ein Geheimhaltungsinteresse, ist die Gefährdung des Staatswohls getreten, die in Gestalt der Reaktion des irregeführten In- oder Auslandes zu gewärtigen ist. Daß der Täter diese Gefährdung beabsichtigt, darf nach dem Zweck der Bestimmung ebensowenig verlangt werden wie etwa, daß er es gerade auf die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils in § 263 abgesehen habe. Hier wie dort genügt insoweit bedingter Vorsatz. Mit Recht betont Schafheutie S. 671, daß durch derartige Fälschungen ungleich schwererer innen- und außenpolitischer Schade angerichtet werden kann als durch den Verrat echter Staatsgeheimnisse. Mit Recht legt deshalb BGHSt. 10 163 (Fall John) den Begriff in § 100a weit aus, vgl. § 99 Anm. I. Zu eng erscheint die Formulierung v.Webers MDR 51, 520, der durch die Tat nur ein außenpolitisches Interesse verletzt sieht und auf die Gefahr völkerrechtlicher Zwangsmaßnahmen abstellt. Zu weit dürfte andererseits die Erwägung gehen, daß man den Halbsatz „die im Falle der Echtheit Staatsgeheimnisse wären" streichen könne. Denn nur Gegenstände von dieser — scheinbaren — Bedeutung können typischerweise den Grad von Staatsgefährdung auslösen, der die Zuchthausstrafen der Stelle rechtfertigt. — Auch die f a h r l ä s s i g e Gefährdung unter Strafe zu stellen, ist de lege ferenda folgerichtig und entspricht einem erheblichen praktischen Bedürfnis. Vgl. Sauer, DRiZ 54, 113: Landesverratsprozeß um den falschen „Generalvertrag". § 100 c greift nicht ein, vgl. dort Anm. IV. Hier wie im ganzen Abschnitt ist der S c h u t z auf die einzelnen L ä n d e r ausgedehnt. Im Gegensatz zur alten Fassung genügt in Abs. 3, daß der Täter nur mit b e d i n g t e m V o r s a t z die Gegenstände für falsch oder verfälscht hält.

Landesverrat §§ 100b, 100c

295

Mit solchem Eventualvorsatz ist nicht mehr wie früher der Eventualvorsatz des Landesverrats begrifflich verkoppelt (s. o.). Wahlfeststellungen zwischen § 100 und § 100 a sind aber nach wie vor zulässig. — Abs. 4 löst ein bei §§ 217, 248 a usw. gleichfalls bestehendes Irrtumsproblem in einem grundsätzlich auch für jene Stellen geltenden Sinne. Daß der Irrtum hier nicht zur Strafminderung gegenüber § 100 führt, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Staatsgefährdende

Beweismittelbeeinträchtigung

§ 100b (1) Wer ein Beweismittel über eine Tatsache, die für die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland oder einem ihrer Länder einerseits und einem fremden Staate, einem Gebiet außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, einer Staatengemeinschaft oder einer zwischenstaatlichen Einrichtung andererseits von Bedeutung ist, fälscht, verfälscht, vernichtet, beschädigt, beseitigt, unterdrückt oder sonst in seiner Verwendbarkeit beeinträchtigt und dadurch das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter drei Monaten. Die Bestimmung entspricht unter Anpassung an die gegenwärtigen Verhältnisse und mit technischen Verbesserungen dem früheren § 90 h. Auch hier handelt es sich, wie in §§ 100a und c, um — außenpolitische — S t a a t s g e f ä h r d u n g . Daher nicht einmal bedingter Schädigungs-, sondern nur Gefährdungsvorsatz erforderlich. Betr. Fälschen usw. vgl. §§ 267, 274 mit Anm., betr. vernichten usw. § 303 mit Anm. Staatsgefährdende

Geheimnisverletzung

§ 100 c (1) Wer vorsätzlich ein Staatsgeheimnis an einen Unbefugten gelangen läßt oder es öffentlich bekanntmacht und dadurch fahrlässig das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Wer fahrlässig ein Staatsgeheimnis, das ihm kraft seines Amtes oder seiner dienstlichen Stellung oder eines von einer Dienststelle erteilten Auftrages zugänglich war, an einen Unbefugten gelangen läßt und dadurch das Wohl der BundesrepublikDeutschland oder eines ihrer Länder gefährdet, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. Die Tat wird nur mit Ermächtigung der Regierung des Bundes oder des Landes verfolgt, dessen Wohl gefährdet worden ist. I. Die Bestimmung ist ein Gefährdungstatbestand wie §§ 100a, b im Gegensatz zu den echten Verratsdelikten („fahrlässigen Verrat" gibt es nicht). Sie entspricht in Abs. 1 im wesentlichen dem früheren § 90 d, in Abs. 2 dem früheren § 90 e.

296

Landesverrat § 100 d

II. Für die Struktur der Handlung des Abs. 1 gilt Ähnliches wie Anm. III zu § 84 ausgeführt (pflichtwidrige Gefährdung). III. Abs. 2 ist reines Fahrlässigkeitsdelikt eines Geheimnisträgers. Auch f ü r die Gefährdung genügt diese Schuldform. IV. Für Gegenstand, Vorgang und Folgen der Handlung vgl. Anm. zu § 99, betr. „zugänglich" § 353 b. Vorausgesetzt ist in § 100 c stets ein echtes Staatsgeheimnis. Über die Lücken in § 100 a betr. Fahrlässigkeitstaten vgl. dort. V. Tateinheit des Abs. 1 mit § lOOe möglich: BGHSt. 8 243.

Landesverrätische Beziehungen §

lOOd

(1) Wer in der Absicht, einen Krieg, ein bewaffnetes Unternehmen oder Zwangsmaßregeln gegen die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder herbeizuführen oder zu fördern, zu einer Regierung, einer Partei, einer anderen Vereinigung oder einer Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes oder zu einer Person, die fUr eine solche Regierung, Partei, Vereinigung oder Einrichtung tätig ist, Beziehungen aufnimmt oder unterhält, wird mit Zuchthaus bestraft. (2) Handelt der Täter in der Absicht, sonstige Maßnahmen oder Bestrebungen einer Regierung, einer Partei, einer anderen Vereinigung oder einer Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes herbeizuführen oder zu fördern, die darauf gerichtet sind, den Bestand (§ 88 Abs. 1) oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben, so ist die Strafe Gefängnis. Der Versuch ist strafbar. (3) Wer in der Absicht, eine der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Maßnahmen oder Bestrebungen herbeizuführen oder zu fördern, unwahre oder gröblich entstellte Behauptungen tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, wird mit Gefängnis bestraft. Der Versuch ist strafbar. (4) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 kann auf lebenslanges Zuchthaus, in besonders schweren Fällen der Absätze 2 und 8 auf Zuchthaus erkannt werden. I. Die Bestimmung entspricht in Abs. 1 im wesentlichen dem früheren § 91, läßt jedoch in ihren Abweichungen und namentlich in Abs. 2 erkennen, wie hier außen- und innenpolitische Abwehr entsprechend der Verquickung der Einwirkungen ineinander übergreifen müssen. Weiteres Vorbild war die Schweizer Reformarbeit (vgl. Amtl. Begr. des RegEntw. S. 36). Die Fassimg des § lOOd stellt sicher, daß auch Beziehungen zu einem auf eigene Faust handelnden Agenten getroffen werden. Der Täter kann sich also nicht darauf berufen, er habe nicht gewußt, daß der Agent f ü r eine fremde Organisation arbeite. Vgl. E 55 268.

Landesverrat § 100 e

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IL Absicht: Hier wie in § 94 (dazu BGHSt. 9 142) braucht die Vorstellung des verfassungswidrigen Erfolges nicht der alleinige Beweggrund zu sein: BGHSt. 10 163 (Fall John), ebenso 11 171 (Fall Agartz). IIL Zu Abs. 2 nimmt BGHSt. 10 46 mit Recht, der Entstehungsgeschichte und dem Gesetzeszweck folgend, Personen, die weder dauernd in der B R leben noch zu ihr in einem besonderen Schutz- oder Treueverhältnis stehen, von der Täterschaft aus. IV. Abs. 3 enthält eine angesichts der heutigen Propagandamethoden besonders wichtige Ergänzung des Strafschutzes. Unter „gröblicher Entstellung" ist eine dem wesentlichen Inhalt nach in besonders schroffem und auffälligem Gegensatz zu den Tatsachen stehende Darstellung zu verstehen. Vgl. § 263 Anm. I I 3. Zu beachten ist aber wie bei § 90 (vgl. dort Anm. I a. E.), daß die Bestrafung der absichtslosen dolosen Teilnehmer von Abs. 3 unberührt bleibt. V. Besonders schwere Fälle. Vgl. § 89 Anm. VIII. StaatsgefährdendeBeziehungen §

100e

(1)"Wer zu einer Regierung, einer Partei, einer anderen Vereinigung oder einer Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes oder zu einer Person, die für eine solche Regierung, Partei, Vereinigung oder Einrichtung tätig ist, Beziehungen aufnimmt oder unterhält, welche die Mitteilung von Staatsgeheimnissen oder eine der in § 100 d Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen zum Gegenstand haben, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer für eine Regierung, eine Partei, eine andere Vereinigung oder eine Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes tätig ist und Beziehungen der in Absatz 1 bezeichneten Art zu einem anderen aufnimmt oder unterhält. I. Gefährdungstatbestand, und zwar abstrakter. Die Beziehungen brauchen die Mitteilung echter Staatsgeheimnisse nur ä u ß e r l i c h betrachtet zum Gegenstand zu haben, BayObLG N J W 53 1074, Köln MDR 54 438 mit der zutr. Folgerung, daß Verratsvorsatz f ü r die Schuldfrage unbeachtlich ist. Getroffen wird jede Beziehung, die ihrer N a t u r nach auf die Erlangung von Staatsgeheimnissen gerichtet ist, Köln a. a. O. Deshalb auch der Fall, daß es nur dem Beziehungspartner auf die Erlangung solcher Geheimnisse ankommt und der Täter dies erkennt: BGHSt. 6 333. §100e ist ein s e l b s t ä n d i g e r und a l l g e m e i n e r Gefährdungstatbestand, nicht auf Vorbereitungshandlungen zum Landesverrat und zur landesverräterischen Konspiration beschränkt: BGHSt. 6 346 (zu eng hier früh. Aufl.). Die Stelle entspricht im wesentlichen dem früheren § 90 c. Vorläufer schon im Spionageges. v. 1914. Vgl. aber auch Anm. zu § 100 d. — Verkannt wird der Gefährdungsgedanke von Neustadt MDR 58 538, das entgegen BGHSt. 6 349 Treuepflicht des Täters gegenüber der BR verlangt. Dagegen zutreffend Jagusch MDR 58, 829. Gegen diesen: Ohr MDR 59, 8. Anders bei § lOOd Abs. 2, vgl. dort Anm. III zu BGHSt. 10 46. IL Auch Scheinbeziehnngen erfüllen hiernach den Tatbestand. So RG ständig (E 50 423), BGHSt. 6 333 und die oben in Abs. 1 zit. Entsch. BGHSt. 6 348 will

Landesverrat §§ 100f, 101

298

hiervon u. U. f ü r die A u f n a h m e solcher Beziehungen eine Ausnahme machen, falls konkrete Gefährdung fehlt. Dann entfällt aber nicht der Tatbestand, sondern nur ggfalls die Schuld (hier § 54, evtl. entschuldbarer Verbotsirrtum). Auch übergesetzlicher Notstand ist möglich: StE 5/55 v. 10. 5. 55. Vgl. StE 17/54 v. 6. 12. 54: Bewohner der SBZ, dem vom SSD mit Internierung gedroht wird, falls er sich nicht als Agent verpflichtet, ist in der Zone an Leib und Leben gefährdet (§ 54). — StE 17/54 v. 16.12.54: Der SSD-Agent, der sich von vornherein in Kontakt mit westlichen Dienststellen hält, handelt jedenfalls nicht bewußt rechtswidrig. III. Mitarbeiter und Angehörige eines fremden Nachrichtendienstes sind grundsätzlich nach Abs. 1, nicht Abs. 2 zu strafen: BGHSt. 6 349. Strafbar auch, wenn sie im Bundesgebiet als „Abwehrleute" arbeiten: KG NJW 57 684. IV. Konsumtion durch § 100 Abs. 1, 2, auch bei dolus subsequens: BGHSt. 6 333, 385; vgl. aber auch § 100 Anm. II. - Tateinheit mit § 241a: StE 15/55 v. 29. 7. 55. Pflichtwidrige

Führung von

Staatsgeschäften

§ lOOf (1) Ein Beauftragter der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder, der ein Staatsgeschäft mit einer fremden Regierung, einer Staatengemeinschaft oder einer zwischenstaatlichen Einrichtung vorsätzlich zum Nachteil seines Auftraggebers führt, wird mit Zuchthaus bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter drei Monaten. I. Die landesverräterische Untreue des § lOOf entspricht dem alten § 90g. Vorläufer § 90 Entw. 1927, § 92 Abs. 1 Nr. 3 Fassg. vor 1934. Vgl. E 65 430: kein Vorsatz, wenn der Beauftragte um größerer Vorteile willen Nachteile in Kauf nimmt. II. Die m i l d e r n d e n U m s t ä n d e (vgl. Vorbem. A IV 2f vor § 13) sind an die Stelle des früheren Abs. 2 getreten, der einen objektiv leichteren Fall voraussetzte. III. Tateinheit mit §§ 266, 353 a möglich. IV. Anzeigepflicht gem. § 138. Nebenstrafen und

-Folgen

§101 (1) Wegen der in diesem Abschnitt mit Strafe bedrohten Handlungen kann erkannt werden neben den Strafen aus den §§ 100 bis 100 b, 100 d Abs. 1 und § 100 f auf Geldstrafe von unbegrenzter Höhe; neben den Strafen aus den §§ 100 c, 100 d Abs. 2 und 3 und § 100 e auf Geldstrafe; neben einer wegen einer vorsätzlichen Tat verhängten Gefängnisstrafe von mindestens drei Monaten

Handlungen gegen ausländische Staaten. Vorbemerkung § 102

299

für die Dauer Ton einem bis zu fünf Jahren auf die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter und den Verlust des Wahl- und Stimmrechts und der Wählbarkeit sowie auf den Verlust der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte; neben jeder Freiheitsstrafe aus den §§ 100 bis 100 b, 100 d, 100 e auf die Zulässigkeit von Polizeiaufsicht. (2) § 86 gilt entsprechend. Vgl. Anmerkungen zu §§ 85, 86.

Vierter Abschnitt

Handlungen gegen ausländische Staaten Vorbemerkung Zweck des Abschnitts ist der Schutz der Beziehungen zu ausländischen Staaten. Deren wesentlichste Interessen werden als Angriffsobjekte mittelbar mitumfaßt. Idealkonkurrenz mit den Bestimmungen, die sich nur auf inländische Rechtsgüter beziehen, grundsätzlich möglich, soweit nicht wie in § 102 Subsidiarität eingreift. Objektive Strafbarkeitsbedingungen sind das Bestehen diplomatischer Beziehungen und die Verbürgung der Gegenseitigkeit. Prozeßvoraussetzungen Strafverlangen der ausländischen und Ermächtigung der Bundesregierung: § 104a.

Anschlag gegen ausländische Staatsmänner

§102 Wer einen Angriff auf Leib oder Leben eines ausländischen Staatsoberhauptes, eines Mitgliedes einer ausländischen Regierung oder eines im Bundesgebiet beglaubigten Leiters einer ausländischen diplomatischen Vertretung begeht, während sich der Angegriffene in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, wird mit Gefängnis, in besonders schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist. I. Zwcck der Bestimmung ist, aus den Gründen der Vorbemerkung die Person des ausländischen Staatsoberhauptes oder Staatsmannes zu schützen, der sich in amtlicher Eigenschaft im Inlande (also auch z. B. in der SBZ) aufhält, aber nicht in dieser Eigenschaft oder überhaupt aus politischen Gründen angegriffen zu sein braucht. II. Angriff: vgl. § 83 Anm. II. HI. Subsidiäre Bestimmung. Nach § 102 a. F. war sachgemäßer Tateinheit möglich: E 69 56 mit Anm. Mettgenberg DStR 35 86.

300

Handlungen gegen ausländische Staaten §§ 103, 104, 104a

Beleidigung ausländischer Staatsmänner

§ 103 Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. I. Der Zweck ist, aus den Gründen der Vorbem. ausländischen Staatsmännern Ehrenschutz zu geben, und zwar Staatsoberhäuptern uneingeschränkt, Regierungsmitgliedern und Missionschefs nur in Beziehung auf ihre amtliche Stellung, ersteren ferner nur bei Inlandstaten. II. Tatbestandsmäßig sind alle Arten der Beleidigung: §§ 185—187, letzterenfalls mit erhöhter Strafe (Satz 2). §§ 187 a, 189 entfallen (str.). HI. Spezialgesetz gegenüber § 185—187. Diese greifen wieder ein, wenn eine Bedingung der Strafbarkeit oder eine Prozeßvoraussetzung nach § 104a fehlt. Verletzung ausländischer Flaggen und Hoheitszeichen

§104 (1) Wer eine auf Grund von Rechtsvorschriften oder nach anerkanntem Brauch öffentlich gezeigte Flagge eines ausländischen Staates oder wer ein Hoheitszeichen eines solchen Staates, das von einer anerkannten Vertretung dieses Staates öffentlich angebracht worden ist, entfernt, zerstört, beschädigt oder unkenntlich macht oder wer beschimpfenden Unfug daran verübt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. I. Über den Zweck der Bestimmung vgl. Vorbem. II. Gegenstand der Handlung Flagge und Hoheitszeichen. Vgl. Anm. I zu § 96. III. Zur Handlung vgl. § 96 Anm. III. Verfahrensvoraussetzungen

§ 104a Die Vergehen dieses Abschnittes werden nur verfolgt, wenn die Bundesrepublik zu dem anderen Staat diplomatische Beziehungen unterhält, die Gegenseitigkeit verbürgt ist und auch zur Zelt der Tat verbürgt war, ein Strafverlangen der ausländischen Regierung vorliegt und die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt. Die Ermächtigung kann zurückgenommen werden. I. Objektive Bedingungen der Strafbarkeit sind Unterhaltung diplomatischer Beziehungen und die Verbürgung der Gegenseitigkeit (teilweise auch als Prozeßvoraussetzungen aufgefaßt; über den Unterschied vgl. Syst. Vorbem. VI, VII).

Beeinträchtigung staatsbürgerlicher Rechte § 105

301

II. Prozeß Voraussetzungen sind Strafverlangen der ausländischen und Ermächtigung der Bundesregierung. Die Ermächtigung ist kein Strafantrag; über das Verhältnis beider Institute vgl. § 97 Anm. VII. Nebenstrafen

und

Nebenfolgen

§

104b

(1) Im Falle des § 102 gelten die Vorschriften der § § 8 5 und 86 entsprechend mit der Maßgabe, daß neben den Strafen auf Geldstrafe erkannt werden kann. (2) In den Fällen der §§ 103 and 104 ist die Vorschrift des § 200 über die öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung entsprechend anzuwenden, wenn die Tat öffentlich oder in einer Versammlung begangen worden ist. An die Stelle des Beleidigten tritt der Staatsanwalt. Vgl. Anm. zu §§ 85, 86. Geldstrafe in unbegrenzter Höhe hier nicht zulässigi auch keine Vermögensbeschlagnahme nach § 433 StPO.

Fünfter Abschnitt

Verbrechen und Vergehen in Beziehung auf die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte Vorbemerkung Strafschärfung bei staatsfeindlicher Absicht gem. § 94 in den Fällen der §§ 106 - 108b. Parlamentsnötigung

§105 (1) Wer es unternimmt, ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes auseinander zu sprengen, zur Fassung oder Unterlassung von Beschlüssen zu nötigen oder Mitglieder aus ihnen gewaltsam zu entfernen, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder mit Einschließung von gleicher Dauer bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Einschließung nicht unter einem Jahre ein. 1. Neufassung durch 3. StÄG. II. Gesetzgebungsorgan. Vgl. § 11 Anm. I I I , § 97 Anm. II. Geschützt sind sinngemäß auch Ausschüsse und Kommissionen (a. A. Frank I). Nicht: kommunale Organe. III. Die Handlung. 1. Auseinandergesprengt ist das Organ, wenn es durch das Auseinandertreiben beschlußunfähig wird. Sonst Fall 3 oder § 106. 2. Nötigung zur Fassung oder Unterlassung von Beschlüssen ohne die Beschränkung der §§ 106, 108, 240 auf Gewalt und qualifizierte Drohung, E 58 78,

302

Beeinträchtigung staatsbürgerlicher Rechte §§ 106, 106 a

also z. B. auch durch Streik (zutr. Niese, Streik und Strafrecht 1954, 110ff.; a. A. Sax N J W 53, 368); vgl. § 80 Anm. V 2 zu 6 StR 42/54. 3. Gewaltsame Entfernung von Mitgliedern. Drohung mit Gewalt genügend (zutr. L K Anm. 3 b, a. A. Dreher-Maassen 2). IV. Das „Unternehmen" umfaßt auch hier wie in § 87 Vollendung und Versuch. E 42 266. Rücktritt gem. § 46 nicht möglich, a. A. Frank II. V. Rechtswidrig auch die Sprengung einer ihre Zuständigkeit überschreitenden Versammlung, solange diese sich nicht außerhalb der Verfassung gestellt hat. Dagegen nicht die Entfernung eines ausgeschlossenen Mitglieds: E 47 276. VI. Konkurrenzen. Verhältnis zu § 80, vgl. dort Anm. V 2 zu 6 StR 42/54. — Lex spec. gegenüber § 240. — Mit § 106 IdKonk. möglich. Hinderung von Mitgliedern

§106

(1) Wer ein Mitglied einer der yorbezeichneten Versammlungen durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer strafbaren Handlung verhindert, sich an den Ort der Versammlung zu begeben oder zu stimmen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Einschließung von gleicher Dauer bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Einschließung bis zu zwei Jahren ein. I. Die Stelle schützt das einzelne Parlamentsmitglied als solches, § 105 das Gesetzgebungsorgan als Ganzes (vgl. dort Anm. II, III). II. Zu stimmen umfaßt auch die freie Entschließung, in einem b e s t i m m t e n S i n n e zu stimmen (bestr.). Denn nicht in der Tatsache, sondern in der Richtung der Stimmabgabe liegt beim einzelnen Mitglied mehr noch als beim ganzen Parlament das eigentliche Schutzobjekt. Dagegen fällt Nötigimg z u r Stimmabgabe nur unter §240 (anders bei Wahlen, §§ 108, 108 d). III. Idealkonkurrenz mit § 105 möglich.

Bannkreisverletzungen

§ 106a

(1) Wer innerhalb des befriedeten Bannkreises um das Gebäude eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes sowie des Bundesverfassungsgerichts an öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel oder Aufzügen teilnimmt und dadurch vorsätzlich Vorschriften verletzt, die über den Bannkreis erlassen worden sind, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Wer zu Versammlungen oder Aufzügen auffordert, die unter Verletzung der in Absatz 1 genannten Vorschriften innerhalb eines befriedeten Bannkreises stattfinden sollen, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. I. Eingefügt durch 1. StÄG v. 30. 8. 51, durch 3. StÄG auf das BVerfG erweitert. Über Vorläufer vgl. § 106b Anm. I.

Beeinträchtigung staatsbürgerlicher Rechte § 106 b

303

II. Zweck der Stelle ist, die Gesetzgebungsorgane (vgl. § 11 Aran. III) und das BVerfG vor Einschüchterungs- und sonstigen Beeinflussungsversuchen zu schützen. Im Gegensatz zu den konkreten Verletzungsdelikten der §§ 105, 106 ist § 106a ein abstraktes Gefährdungsdelikt in Form eines Blankettgesetzes. Ausfüllung durch das Verbot des § 16 Abs. 1 Versammlungsges. vom 24. 7. 53 (BGBl. I 684), dessen Abs. 2 wiederum ein Blankett für die Bestimmung von Bannmeilen enthält (dazu Bannmeilenges. v. 6. 8. 55, BGBl. I, 504). III. Handlung: 1.Teilnahme wie bei §§124,125, vgl. dort. Auffälligerweise straft § 26 Versamml. Ges. Veranstalter und Leiter nach dem gleichen Strafrahmen wie bloße Teilnehmer, während Auffordernde gem. § 106a Abs. 2 strenger bedroht werden. — 2. An öff. Versammlungen unter freiem Himmel oder Aufzügen, a) „Versammlung" ist eine nicht allzu klein an Zahl bemessene, äußerlich irgendwie vereinigte Personenmehrheit, deren innere Vereinigung auf gemeinsamen bewußten Zwecken und Zielen, also auf gemeinsamem Willen beruht: E 21 73, 29 165. Nicht: künstlerische oder wissenschaftliche Vorträge: E 38 184. Über die erforderliche Zahl vgl. Köln JMB1. NRW 52 14, auch betr. Öffentlichkeit und „unter freiem Himmel" (hierzu noch PrOVG GA 52 410). b) Aufzug ist eine Menschenmenge (wie zu a), die sich in der Öffentlichkeit auf eine Weise fortbewegt, die geeignet ist, die öff. Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen: E 44 372. — 3. Bannkreisbestimmungen müssen durch die Teilnahme verletzt sein (normatives Handlungselement). Dazu oben Anm. II. IV. Vorsatz zu I I I 1 — 3 erforderlich. Unkenntnis des Verbots, auch verschuldete, schließt ihn aus. Näheres J Z 56, 74. Doch genügt dol. ev., der bei Kenntnis des Versammlungszweckes und der Bannmeile regelmäßig vorliegen wird. V. Aufforderung gem. Abs. 2. Zum B e g r i f f vgl. § 96 Anm. I I 3, § 110 Anm. VII. Über Unstimmigkeiten im Strafrahmen oben Anm. I I I 1. Bei ö f f e n t l i c h e n Aufforderungen und sonstiger Qualifikation greift § 23 VersammlGes. mit schärferer Strafdrohung ein. — Zum Vorsatz vgl. oben Anm. IV.

Verletzung

des parlamentarischen

Hausrechts

§ 106b (1) Wer vorsätzlich gegen Anordnungen verstößt, die ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes oder dessen Präsident über das Betreten des Gebäudes des Gesetzgebungsorgans oder des dazu gehörenden Grundstücks oder über das Verweilen oder die Sicherheit und Ordnung im Gebäude oder auf dem Grundstück allgemein oder im Einzelfall erläßt, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist. Die Tat wird nur mit Ermächtigung des Präsidenten des Gesetzgebungsorgans verfolgt. (2) Die Strafvorschrift des Absatzes 1 gilt bei Anordnungen eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder seines Präsidenten weder für die Mitglieder des Bundestages noch für die Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten, bei Anordnungen eines Gesetzgebungsorgans eines Landes oder seines Präsidenten weder für die Mitglieder der Gesetzgebungs-

304

Beeinträchtigung staatsbürgerlicher Rechte §§ 107, 107 a

organe dieses Landes noch für die Mitglieder der Landesregierung und ihre Beauftragten. I. Die Bestimmung geht (wie auch § 106 a) mit geringen Abweichungen auf das frühere Gesetz über die Befriedung der Gebäude des Reichstages und der Landtage vom 8. 5. 20 (RGBl. I S . 909) zurück. Vgl. auch Art. 7 Nr. 2 des ÄndGes. v. 30. 8. 51. IL Zweck der Stelle ist erhöhter Schutz des Hausrechts und der Polizeigewalt (vgl. Art. 40 Abs. 2 GG sowie §§ 110, 113ff„ 123f.). III. Ermächtigung: vgl. § 97 Anm. VII. W ahlhinderung

§107 (1) Wer mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt eine Wahl oder die Feststellung ihres Ergebnisses verhindert oder stört, wird mit Gefängnis, in besonders schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. I. Neufassung durch 3. StÄG. II. Zweck der Stelle ist, den gesamten Wahlvorgang als Institution zu schützen, vgl. für das alte Recht E 63 387. Der einzelne Wähler als Staatsbürger wird durch § 108 geschützt. Doch kann in der Verhinderung einzelner die des ganzen Vorgangs oder doch dessen Störung liegen. Zum B e g r i f f der Wahlen und Abstimmungen § 109 a. III. Über Gewalt und Drohung vgl. § 52 Anm. II, III, aber auch BGHSt. 8 102, wonach es f ü r den Gewaltbegriff entscheidend nicht auf die Kraftentfaltung, sondern auf die Einwirkung ankommt, und dazu § 80 Anm. III. IV. Über besonders schwere Fälle vgl. § 89 Anm. VIII. Wahlfälschung

§

107a

(1) Wer unbefugt wählt oder sonst ein unrichtiges Ergebnis einer Wahl herbeiführt oder das Ergebnis verfälscht, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer das Ergebnis einer Wahl unrichtig verkündet oder verkünden läßt. (3) Der Versuch ist strafbar. 1. Eingefügt durch das 3. StÄG an Stelle des alten § 108, der empfindliche Lücken aufwies. Darüber die 39. u. 40. Auflage. IL Handlung. 1. Zum Begriff des Wählens vgl. E 20 420, 63 382. 2. Ein unrichtiges Ergebnis der Wahl ist auch dann herbeigeführt, wenn nur die Stimmenzahl, nicht aber das Endergebnis der Wahl unrichtig ist. E 549. Die Handlungen zu 1 und 2 müssen v o r Beendigung der Wahlhandlungen liegen (E 56 387). Dagegen betrifft 3. die Verfälschung des Wahlergebnisses die Zeit n a c h Abschluß der Stimmabgabe.

Beeinträchtigung staatsbürgerlicher Rechte § § 107 b, 107 c

305

Aus der R s p r . : D a s E r g e b n i s der Wahlhandlung liegt vor, sobald die Wähler ihre Stimme abgegeben h a b e n ; nicht erst, wenn es ermittelt, festgestellt oder b e u r k u n d e t ist (E 20 420, 56 389, 62 6). — R i c h t i g ist das Ergebnis, wenn es d e m Willen der Wähler entspricht. U n r i c h t i g , wenn dies nicht der Fall (E 63 382: ein Beisitzer h a t t e selber den Wahlvorschlag angekreuzt u n d d a n n den Wahlzettel d e m Wähler eingehändigt). G e f ä l s c h t , wenn unzulässige Wahlmaterialien ben u t z t werden, die Ausübung der W a h l dem Gesetz nicht e n t s p r i c h t : E 87 233, 297. So bei mehrfacher Stimmabgabe derselben Person u n t e r B e n u t z u n g eines f r e m d e n N a m e n s : Rechtspr. 7 168; S t i m m a b g a b e durch einen nicht zur W a h l Berechtigten: E 10 60; Ausübung des Wahlrechtes a n mehreren Orten (infolge A u f n a h m e in mehrere Wählerlisten): E 37 233, 297, 380 gegen E 21 414. 4. Unrichtiges Verkünden oder Verkündenlassen des Wahlergebnisses, gleichviel, ob dieses ordnungsgemäß festgestellt war oder nicht. T ä t e r hier n u r amtlich B e a u f t r a g t e (nicht z. B. private Pressemeldungen). Mehrere Tätigkeiten zu 1 bis 4 bilden eine einheitliche Handlung, soweit sie den gleichen Wahlvorgang betreffen. Vgl. den rechtsähnlichen F a l l § 96 A n m . V. III. Konkurrenzen. §§ 108, 108a gehen als Spezialgesetze vor. Tateinheit m i t Falschbeurkundung u n d Urkundenfälschung möglich: E 22 282, 56 390. F ü r d a s n e u e R e c h t S t u t t g a r t N J W 54 486; dagegen Bruns S. 456.

Vorbereitung zur

Wahlfälschung

§ 107b Wer 1. seine Eintragung in die Wählerliste (Wahlkartei) durch falsche Angaben erwirkt, 2. einen anderen als Wähler einträgt, von dem er weiß, daß er keinen A n spruch auf Eintragung hat, 3. die Eintragung eines Wahlberechtigten als Wähler verhindert, obwohl er dessen Wahlberechtigung kennt, 4. sich als Bewerber für eine W a h l aufstellen läßt, obwohl er nicht wählbar ist, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bestraft, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist. I. Eingefügt d u r c h 3. StÄG. II. Subsidiäre Vorschrift, die bestimmte besonders gefährliche Vorbereitungshandlungen der Wahldelikte treffen soll. Verletzung des

Wahlgeheimnisses

§ 107c Wer einer dem Schutze des Wahlgeheimnisses dienenden Vorschrift in de» Absicht zuwiderhandelt, sich oder einem anderen Kenntnis davon zu verschaffen, wie jemand gewählt hat, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. 20

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

306

Beeinträchtigung staatsbürgerlicher Rechte § 108

I. Eingefügt durch 3. StÄG. II. Zweck: Schutz des Wahlgeheimnisses (wie, nicht o b jemand gewählt hat). HI. Form: Blankettvorschrift, ausgefüllt z . B . durch §34 Wahlgesetz vom 7. 5. 56, §§ 30, 3 5 - 3 7 BundesWahlO vom 15. 7. 53. IV. Vorsätzlicher Verstoß gegen diese Vorschriften ist strafbar, wenn überdies die tatbestandsmäßige Absicht vorliegt. V. Bei staatsfeindlicher Absicht Strafschärfung gemäß § 94. Die hier mögliche Kombination zweier ganz verschiedener Absichten zeigt, daß der Begriff der Absicht nicht ohne weiteres und überall mit dem des Motivs oder des Endzwecks gleichzusetzen ist.

Wählernötigung

§108

(1) Wer mit Gewalt, durch rechtswidrige Drohung mit einem empfindlichen Übel, durch Mißbrauch eines beruflichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisses oder durch sonstigen wirtschaftlichen Druck einen anderen nötigt oder hindert, zu wählen oder sein Wahlrecht in einem bestimmten Sinne auszuüben, wird mit Gefängnis, in besonders schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft. Daneben kann auf Geldstrafe erkannt werden. (2) Der Versuch ist strafbar. I. Eingefügt durch 3. StÄG. Die Stelle entspricht dem alten § 107. II. Zweck: die freie Ausübung des Wahlrechts durch den Staatsbürger zu schützen. Die Wählernötigung ist durch die Besonderheit des Schutzobjekts und der Angriffsmittel aus der allgemeinen Nötigung herausgehoben. Gegenstück § 107, der den Wahlakt als Institution schützt, vgl. dort. III. Handlung: betr. Gewalt und schwere Drohung vgl. Anm. I I I , IV zu §240, betr. Mißbrauch bestimmter Abhängigkeitsverhältnisse § 175a Anm. 114. Der sonstige wirtschaftliche Druck wird meist ebenfalls als Drohung wirken, doch richtet sich diese Stelle weniger auf ein damnum emergens als ein lucrum cessans, z. B. Versagen einer an sich in Aussicht stehenden Einstellung als Arbeitnehmer. Ferner braucht dieser Druck nicht in gleichem Maße wie die Drohung mit einem empfindlichen Übel auf eine b e s t i m m t e M a ß n a h m e konkretisiert zu sein; allgemeine Einschüchterung genügt. IV. Der Vorsatz bleibt unberührt, wenn der Täter nicht erkennt, daß derartige Mittel unerlaubt sind: BGHSt. 2 194. V. Besonders schwere Fälle: vgl. § 89 Anm. VIII. VI. Spezialbestimmung gegenüber § 240. Mehrere Handlungen gegen verschiedene Wähler sind selbständige Taten. Denn der einzelne Wähler ist hier geschützt, vgl. oben Anm. II. Das Rechtsgut des § 107 a, das Institut der Wahl als solches hat daneben selbständige Bedeutung. Daher Idealkonkurrenz. Ebenso schon E 63 387. Schönke-Schröder V wollen § 107 a ausschließen.

Beeinträchtigung staatsbürgerlicher Rechte §§ 108a, 108b, 108c

307

Wählertäuschung

§ 108 a (1) Wer durch Täuschung bewirkt, daß jemand bei der Stimmabgabe über den Inhalt seiner Erklärung irrt oder gegen seinen Willen nicht oder ungültig wählt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. I. Eingefügt durch 3. StÄG. Früher nicht strafbar. Ergänzend: § 108d. II. Zweck: den einzelnen als Staatsbürger in der unbeeinflußten Ausübung seines Wahlrechts auch gegen Täuschung zu schützen; dies auch in krassesten Fällen wie dem, daß der Getäuschte nicht einmal erkennt, daß er wählt: BGHSt. 9 338. Ergänzung zum Schutz gegen Gewalt, Drohung usw. in § 108. III. Zur Handlung vgl. § 263, insbes. zur Täuschung Anm. II, sowie darüber, daß der Täuschende als mittelbarer Täter sein Opfer als Werkzeug benutzt. Doch verlangt § 108a Bewirken des Irrtums. Bloße A u f r e c h t e r h a l t u n g eines schon vorhandenen Irrtums im Gegensatz zu §263 n i c h t . Der Motivirrtum durch täuschende Propaganda oder Wahlhetze wird nicht erfaßt. IV. Idealkonkurrenz mit § 107 a aus den Gründen der Anm. VI zu § 108. Wahlbestechung

§ 108b (1) Wer einem anderen dafür, daß er nicht oder in einem bestimmten Sinne wähle, Geschenke oder andere Vorteile anbietet, verspricht oder gewährt, wird mit Gefängnis und mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer dafür, daß er nicht oder in einem bestimmten Sinne wähle, Geschenke oder andere Vorteile fordert, sich versprechen läßt oder annimmt. (3) Das Entgelt oder dessen Wert kann im Urteil eingezogen werden. I. Eingefügt durch 3. StÄG; Erweiterung gegenüber dem alten § 109 auf Vorbereitungshandlungen. II. Die Handlung ist in Abs. 1 aktive, in Abs. 2 passive Bestechimg. Ihre Einzelheiten entsprechen denen des § 333 bzw. § 331, vgl. dort. Für Bestechung von A b g e o r d n e t e n gilt § 108b nicht: § 108d.

Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte

§ 108c In den Fällen der §§ 107, 107a, 108 und 108b kann neben einer Gefängnisstrafe auf den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Eingefügt durch 3. StÄG. Voraussetzung ist, daß mindestens drei Monate Gefängnis verhängt sind: § 32 Abs. 1. Bei Jugendlichen unzulässig: § 6 JGG. 20*

308

Vergehen gegen die Landesverteidigung § 109

Geltungsbereich

§ 108 d Die Vorschriften der §§ 107 bis 108 c gelten für Wahlen zn den Volksvertretungen nnd für sonstige Wahlen und Abstimmungen des Volkes im Bund, in den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden. Einer Wahl oder Abstimmung steht das Unterschreiben eines Wahlvorschlages oder das Unterschreiben für ein Volksbegehren gleich. Eingefügt (als § 109 a) durch 3. StÄG: Legaldefinition der Begriffe Wahl und Abstimmung, die alte Streitfragen erledigt. Abgeordnetenbestechung auch f ü r Wahlen innerhalb des Parlaments nicht erfaßt. Betr. Abstimmungen E 62 6 (Volksentscheid ). A b s c h n i t t 5a

Vergehen gegen die Landesverteidigung Selbstverstümm

elung

§ 109*)

(1) Wer sich oder einen anderen mit dessen Einwilligung durch Verstümmelung oder auf andere Weise zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich macht oder machen läßt, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. (2) Führt der Täter die Untauglichkeit nur zeitweise oder für eine einzelne Art der Verwendung herbei, so ist die Strafe Gefängnis. (3) Der Versuch ist strafbar. I. Wehrpflicht. Vgl. Wehrpflichtgesetz vom 21. 7. 56 (BGBl. I S. 651) §§ 1—3, Soldatengesetz vom 19. 3. 56 (BGBl. I S. 114) § 51. Nach §§ 1 und 3 Abs. 2 WehrpflichtG sind wehrpflichtig alle Männer zwischen 18 und 45 Jahren, die Deutsche i. S. des Grundgesetzes sind und entweder ihren ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes (der Bundesrepublik ohne West-Berlin) haben oder ihn zwar außerhalb der deutschen Grenzen vom 31. 12. 37 haben, aber ihren letzten innerdeutschen ständigen Aufenthalt in der BR hatten oder einen Paß oder eine Staatsangehörigkeitsurkunde der BR besitzen oder sich auf andere Weise ihrem Schutz unterstellt haben. Verlegt ein Wehrpflichtiger seinen ständigen Aufenthalt während des Wehrdienstes innerhalb Deutschlands aus der BR hinaus, so bleibt er während der für diesen Wehrdienst festgesetzten Zeit wehrpflichtig (§ 1 Abs. 3). Tür das Ruhen der Wehrpflicht, für Wehrpflicht von Ausländern und Staatenlosen, von Offizieren und Unteroffizieren, von Berufssoldaten und im Verteidigungsfalle gelten besondere Bestimmungen. Auch der zivile Ersatzdienst ist Erfüllung der Wehrpflicht (§§ 3, 25 WehrpflichtGes.). Zur Zeit der Tat braucht der Selbsttäter oder Einwilligende noch nicht wehrpflichtig zu sein (Schäfer-v. Dohnanyi, Frank-Nachtrag S. 200, LK 7. Aufl. § 142 Anm. 2, Schwarz 9. Aufl. § 142 Anm. 1 A). #

) Der bisherige § 109 ist jetzt § 108 c.

Vergehen gegen die Landesverteidigung § 1 0 9

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IL Durch Verstümmelung oder aul andere Weise muß der (künftig) Wehrpflichtige untauglich gemacht worden sein. Unter Verstümmelung ist das Entfernen oder Zerstören eines Körpergliedes oder -organs zu verstehen (weitergehend Schlayer bei Rittau, MilStGB, 5. Aufl. 1944, § 81 Anm. 1). Vgl. E 83 281: sie hat regelmäßig für das Leben dauernde Untauglichkeit zur Folge. Auf andere Weise: damit sind andere Mittel zur Erreichung des gleichen Zieles, nämlich der tatsächlichen Untauglichkeit gemeint. Etwa: Herbeiführen von Krankheiten, Lähmungen, wesentlichen geistigen oder seelischen Ausfallerscheinungen oder sonstigen Normabweichungen oder Funktionsstörungen. Nicht unter § 109 gehört der Fall, daß sich jemand r e c h t l i c h vom Wehrdienst ausschließt (§ 10 WehrpflichtGes.;, indem er zu diesem Zweck ein Verbrechen begeht. III. Die Untauglichkeit muß gänzlich und endgültig oder — in den milder bestraften Fällen des Abs. 2 — zeitweise (z. B. während der Dauer einer Wehrübung) oder für eine einzelne Art der Verwendung (z. B. als Luftwaffenpilot) herbeigeführt worden sein. Bloß t e i l w e i s e Untauglichkeit (für einen bestimmten Geländemarsch oder Dienstflug) genügt im Gegensatz zu § 17 Abs. 2 WehrStG nicht. F e s t g e s t e l l t wurde die Untauglichkeit mit bindender Wirkung auch für die Gerichte nach altem Recht durch die Wehrersatzdienststellen, E 44 268. Heute gelten §§ 14ff., 32£f. WehrpflichtGes. IV. Die Einwilligung des zu Verstümmelnden begründet hier die Tatbestandsmäßigkeit der Handlung. Das ist die dritte Fassung der Bestimmung. Der alte § 142 setzte „Verlangen" des Verstümmelten voraus, seine Neufassung durch Ges. v. 28. 6. 35 weder das eine noch das andere. Heute ist die Verstümmelung des nicht Einwilligenden nur nach §§ 223ff., 240 strafbar, regelmäßig also nach Bestimmungen mit erheblich geringerer Mindeststrafe als drei Monaten Gefängnis. Das erscheint zunächst befremdend, da Einwilligung sonst stets zugunsten des Täters wirkt, sei es daß sie den Tatbestand oder die Rechtswidrigkeit ausschließt, sei es daß sie die Schuld mindert (dazu Syst. Vorbem. I I I , Vorb. I I 3 vor § 51, § 226 a Anm.); vergleichbar nur der frühere § 226 b. Aber es rechtfertigt sieh hier dadurch, daß die Handlung typischerweise gefährlicher ist, wenn sie im Zusammenwirken mit dem zu Verstümmelnden erfolgt. V. Vorsatz: auch bedingter. Z. B. der Wehrpflichtige verstümmelt sich, um erfolgreicher betteln zu können (Beispiel bei Schäfer-v. Dohnanyi a. a. O.) oder um einen Versicherungsbetrug zu begehen (LK 7 § 142 Anm. 3); er ist sich dabei bewußt und nimmt billigend in Kauf, daß er dadurch dienstuntauglich wird. VI. Täterschaft und Teilnahme. 1. Verstümmelt ein Soldat (nach § 1 Soldatenges.: „wer auf Grund der Wehrpflicht oder freiwilliger Verpflichtung in einem Wehrdienstverhältnis steht") eich selbst oder einen anderen Soldaten, so greift § 17 i. V. mit § 1 Abs. 1 WStG ein, der als Spezialgesetz dem § 109 vorgeht (s. u. zu VII). 2. Wegen Teilnahme an einer solchen Tat ist nach § 17 WStG i. V. mit §§ 48, 49 StGB auch strafbar, wer nicht selbst Soldat ist: § 1 Abs. 3 i. V. mit § 3 WStG. Dies gilt auch dann, wenn sich der Soldat nur t e i l w e i s e , etwa für einen bestimmten Geländemarsch, untauglich macht, die Haupttat also außerhalb des soldatischen Bereichs nicht strafbar wäre (oben Anm. I I I ) .

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Vergehen g?gen die Landesverteidigung § 1 0 9 a

3. Läßt sich ein Soldat von einem Nichtsoldaten durch Verstümmelung untauglich machen, so ist jener Täter des § 17 WStG, dieser Täter des § 109 StGB und nur dies. Das ergibt sich aus dem Vorrang der Täterschaft vor der (unqualifizierten) Teilnahme an dem Sonderdelikt des § 17 WStG, obwohl rein konstruktiv auch diese vorläge (s. o. zu 2). 4. Läßt sich der Täter von einem anderen verstümmeln, so liegt sog. notwendige Teilnahme vor, d. h. die Tat kann in dieser Form nur durch Beteiligung mehrerer ausgeführt werden. Der Einwilligende ist dabei mittelbarer Täter der Selbstverstümmelung mittels eines dolosen Werkzeugs, das seinerseits durch das Gesetz gleichgestellte Täterqualität hat. Hier gibt es also von Gesetzes wegen den Täter hinter dem Täter, eine von der herrschenden Meinung zu Unrecht geleugnete Rechtsfigur (vgl. Vorbem. I B vor § 47, S. 161). Hinter jeder Fremdverstümmelung steht eine — mittelbare — Selbstverstümmelung. VII. Verhältnis zu anderen Bestimmungen. 1. Als Spezialgesetz geht § 17 WStG innerhalb seines Bereichs vor, weil er Sonderdelikt ist (s. o. zu VI 1; vgl. aber auch § 109 a Anm. I I I betr. zivilen Ersatzdienst!). Wer als Nichtsoldat dazu beiträgt, einen Soldaten zeitweise oder teilweise untauglich zu machen, ist hiernach mit Gefängnis schlechthin bedroht, während der Soldat bei geringer Schuld (§11 WStG) mit Strafarrest davonkommen kann. Hier ist gegebenenfalls mit § 27 b zu helfen. 2. F e h l t d i e E i n w i l l i g u n g des Verstümmelten, so kommen §§ 223ff., 240 in Betracht. Dazu oben zu IV. Wehrpflichtentziehung

durch

Täuschung

§ 109 a*) (1) Wer sich oder einen anderen durch arglistige, au! Täuschung berechnete Machenschaften der Erfüllung der Wehrpflicht dauernd oder zeitweise, ganz oder für eine einzelne Art der Verwendung entzieht, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. I. Die Handlung: arglistige, auf Täuschung berechnete Machenschaften, erfordert mehr als etwa einfaches Belügen eines Militärarztes, um sich vom Wehrdienst zu drücken. Selbst unter der erheblich weitergehenden letzten Fassung des § 83 MilStGB war die einfache Drückebergerei unter falschem Vorwand bloß disziplinarisch zu ahnden (Rittau, Anm. 3 zu § 83). Was hier f ü r den Soldaten galt, muß erst recht f ü r den Nichtsoldaten gelten. Das gegenüber der einfachen Lüge erforderliche Mehr liegt dabei in einem Doppelten. 1. Machenschaften sind mehr als eine einzelne, punkthafte Willensbetätigung, bedeuten vielmehr ein methodisches, „ b e r e c h n e t e s " G e s a m t v e r h a l t e n (Fall des Hochstaplers Felix Krull). Bis zu einem gewissen Grade vergleichbar ist die Auslegung des „Unzuchttreibens" in § 175, f ü r das die Rechtsprechung ebenfalls „Handlungen von einer gewissen Stärke und D a u e r " (BGHSt. 1 293) erfordert. Doch schlägt dort einfach die Quantität in die Qualität um, während die „Machenschaften" final eine Sinneinheit bilden müssen. Zust. Kohlhaas N J W 58, 135. *) Der bisherige § 109a war praktisch kaum bedeutsam. E r ist jetzt § 1 0 8 d .

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Soweit der Ausdruck darüber hinaus negativ wertgetränkt ist, bedeutet er soviel wie „arglistig" und umgekehrt: 2. Arglistig sind die Machenschaften, wenn sie eben „ M a c h e n s c h a f t e n " im Sinne u n l a u t e r e n Verhaltens sind. Die in dem Gesamtausdruck liegende Tautologie wird von Dreher J Z 57, 397 zugegeben und damit erklärt, daß man einerseits die einfache Lüge, andererseits Fälle wie den, daß jemand durch heimliche Einnahme von Arzneimitteln künstlich eine Krankheit hervorruft (§17 WStG bzw. § 109 StGB), aus dem Tatbestande des § 18 WStG bzw. des § 109a habe ausschalten wollen. „Arglistige Machenschaften" bedeutet hiernach ein aus unlauterer Gesinnung oder doch unlauteren Beweggründen entsprungenes, seiner Art nach besonders verwerfliches berechnetes Gesamtverhalten. Nach R i t t a u a. a. O.: „in gemeiner, raffinierter Weise vorgenommen". Nicht unter die Stelle fallen danach etwa ein Handeln aus Gewissensgründen, selbst wenn planmäßig und zielbewußt, oder Verhaltensweisen, die nicht gerade toleriert, aber üblicherweise nicht allzu tragisch genommen werden: jemand täuscht über seine Tauglichkeit f ü r eine bestimmte Art der Verwendung, um f ü r eine andere Waffengattung einberufen zu werden. Die Auslegung des Begriffs in § 170 StGB ist f ü r § 109a nicht verwendbar, erst recht nicht die des § 123 BGB, s. u. zu 3. 3. Auf Täuschung berechnet müssen die arglistigen Machenschaften sein; z. B. Vorspiegelung eines Leidens (E 29 218) oder von Notständen: E 46 90. Hierin liegt zunächst nur die Bezeichnung des besonderen Angriffsmittels (in Abgrenzung etwa zur Selbstverstümmelung). Der Begriff ist wie bei § 263 auszulegen, vgl. dort Anm. I I sowie — zur Entstehungsgeschichte — E 9 93 ff. Wie der Vergleich mit dem alten § 143 zeigt, liegt nicht schon in dem Täuschungsziel selbst die Arglist (anders f ü r § 123 BGB Enneccerus-Nipperdey § 174 I 2), auch nicht in der Absicht, die Wehrk r a f t des Volkes zu schädigen. — E i g n u n g zur Täuschung nicht erforderlich. II. Der Wehrpflicht muß der Täter sich oder einen anderen entzogen haben. Vgl. § 109 Anm. I und — über den Ausschluß der nur teilweisen Entziehung — dort Anm. I I I . III. Als Spezialgesetz geht § 18 WStG vor, wenn ein Soldat Täter ist und sich oder einen anderen Soldaten dem Wehrdienst entzieht. Jedoch liegt es nicht so, daß jeder Fall der §§ 109, 109a StGB zugleich die Verwirklichung der §§ 17, 18 WStG enthält, wenn der Täter Soldat ist. Denn die Wehrpflicht u m f a ß t außer dem Wehrdienst auch den zivilen Ersatzdienst (§§ 3, 25 Wehrpflichtges.). § 109a geht insoweit über § 18 WStG hinaus. Umgekehrt geht § 18 WStG weiter, insofern er auch die teilweise Wehrdienstentziehung (oben Anm. II) und die Entziehung vom freiwilligen Wehrdienst umfaßt. Verleitung zum Ungehorsam

§ 109 b

(1) Wer vorsätzlich einen Soldaten der Bundeswehr verleitet, einen Befehl nicht zu befolgen, und dadurch die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, die Schlagkraft der Truppe, Leib oder Leben eines Menschen oder ihm nicht gehörende Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Gefängnis oder mit Einschließung bis zu fünf Jahren bestraft.

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(2) Der Versuch ist strafbar. (3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren. (4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig herbeiführt, wird mit Gefängnis oder Einschließung bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (5) Die Tat ist nicht rechtswidrig, wenn der Befehl nicht verbindlich ist, insbesondere wenn er nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt ist oder die Menschenwürde verletzt oder wenn durch das Befolgen ein Verbrechen oder Vergehen begangen würde. Dies gilt auch, wenn der Täter irrig annimmt, der Befehl sei verbindlich. (6) Begeht ein Soldat der Bundeswehr Anstiftung zum Ungehorsam, so sind die Vorschriften des Wehrstrafgesetzes anzuwenden. I. Soldat: vgl. § 109 Anm. VI 1 (zu § 1 SoldGes.). II. Befehl: nach § 2 Nr. 2 WStG „eine Anweisung zu einem bestimmten Verhalten, die ein militärischer Vorgesetzter einem Untergebenen schriftlich, mündlich oder in anderer Weise, allgemein oder für den Einzelfall und mit dem Anspruch auf Gehorsam erteilt". Vorgesetzter ist nach § 1 Abs. 4 SoldGes., „wer befugt ist, einem Soldaten Befehle zu erteilen". Die Definition des Befehls ist bewußt formal gehalten (über die Gründe hierfür Dreher JZ 57, 395). Sie geht über den früheren „Befehl in Dienstsachen" (§ 92 MilStGB) hinaus und umfaßt dienstfremde „Scheinbefehle" (Dietz, Wehrmachtdisziplinarstrafordnung 1943, S. 48, Bittau § 92 MilStGB Anm. 6) und andere unverbindliche und rechtswidrige Befehle. Auch Verleitung zum Ungehorsam gegen solche Anweisungen ist eine „Tat", der Abs. 5 lediglich die materielle Rechtswidrigkeit abspricht. Allerdings werden die „schwerwiegenden Polgen" des Abs. 1 in solchen Fällen regelmäßig fehlen. Darüber Anm. IV. III. Nicht befolgt ist der Befehl, wenn er tatsächlich nicht ausgeführt wird. Das ist nicht gleichbedeutend mit Gehorsamsverweigerung, wie sich aus § 20 Abs. 2 WStG (Ausführung nach anfänglicher Verweigerung) ergibt. IV. Die Tat muß die Sicherheit des Bundes gefährden oder andere schwerwiegende Folgen i. S. des § 2 Nr. 3 WStG haben, dessen Legaldefinition in § 109 b Abs. L wiederkehrt. Im einzelnen: 1. Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutsehland: vgl. die gleichbedeutenden Wendungen in den Tatbeständen der staatsfeindlichen Zersetzung (§91, dort Anm. I I I und vor I zu seiner Neufassung), des staatsfeindlichen Nachrichtendienstes (§ 92, dort Anm. II), der landesverräterischen Beziehungen (§ 100 d Abs. 2, vgl. dort Anm.). 2. Die Schlagkraft der Truppe meint zunächst das reibungslose Funktionieren des B e f e h l s a p p a r a t e s , darüber hinaus aber den G e i s t der Truppe; insoweit entspricht sie der „pflichtgemäßen Bereitschaft eines öffentlichen Sicherheitsorgans" in § 91 (vgl. dort Anm. I I I und vor I zur n. F.). Es genügt, wenn eine nicht nur ganz unbestimmte Möglichkeit dafür geschaffen wird, daß die volle und sofortige Einsatzbereitschaft und Verwendbarkeit der Truppe auch nur an einer Stelle gestört oder beeinträchtigt wird, RKG v. 13. 8. 43 (bei Rittau § 92 Anm. 11).

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Doch müssen Tatsachen vorliegen, die über die in j e d e m Ungehorsam liegende Gefahr hinausgehen (RKG 1 182). 3. Gefahr für Leib oder Leben eines Menschen: gleichviel ob er zur Truppe gehört oder nicht (z. B.: durch befehlswidrig nicht bewachte Munition werden spielende Kinder gefährdet). 4. Dem Täter nicht gehörende Sachen von bedeutendem Wert: ebenfalls nicht nur Militärgut. Bei einem Manöver droht etwa erheblicher Flurschaden dadurch, daß befehlswidrig marschiert wird. Auch herrenlose Sachen sind geschützt. V. Verleiten ist die e r f o l g r e i c h e E i n w i r k u n g a u f d e n W i l l e n eines anderen. 1. Auch wo sonst das Gesetz von „Verleiten" spricht, verlangt es, daß der Verleitete die Handlung vornimmt (und nicht nur versucht hat oder gar nur zu ihr aufgefordert wurde; über und gegen solche Ansichten Frank § 141 Anm. II). Schon im Gesetzeswort setzt § 170 voraus, daß die Ehe auf Grund der Verleitung geschlossen wird, § 179, daß der erschlichene Beischlaf stattfindet. Ebenso grundsätzlich E 5 126 (für § 141 a. F.): „Schon nach dem Sprachgebrauch des gewöhnlichen Lebens bezeichnet das Verleiten zu einer Handlung die wirkliche Herbeiführung dieser Handlung, und zwar in ihrer Totalität." In gleichem Sinne E 12 254 betr. Verleitung zum Falscheid und die Rechtspr. zu § 176 Abs. 1 Nr. 3, Fall 2 und 3; vgl. Anm. IV zu §176. Entgegen der allgemeinen Meinung (Schwarz, 9. Aufl. zu § 141, Lackner J Z 57, 402) ist danach der Begriff der Verleitung enger als der der Anstiftung. Diese liegt begrifflich ipso iure schon vor, wenn der Angestiftete die Tat nur versucht hat, vorausgesetzt nur, daß die H a u p t t a t schon im Versuchsstadium mit Strafe bedroht ist. Bei der Verleitung ist darüber hinaus erforderlich, daß auch i h r Versuch strafbar ist. Erst durch besondere Bestimmungen wie hier den § 109 b Abs. 2 wird erreicht, was sich bei der Anstiftung bereits aus der allgemeinen Akzessorietätsklausel des § 48 Abs. 2 ergibt. Andererseits erfaßt § 109b Abs. 2 über diese Fälle hinaus auch solche, die sonst nur im Rahmen des § 49a strafbar wären. Um dies letztere zu erreichen, wurden § 109 b und 109 c als selbständige Tatbestände geschaffen, wie Lackner a. a. 0 . S. 403 mitteilt, ferner um die Stationierungsstreitkräfte ungeachtet der Verschiedenheiten der Militärstrafgesetze in gleicher Weise wie die eigene Truppe schützen zu können. Diese Verselb'?täncligung hat aber noch andere Auswirkungen. 2. „Verleiten" bezeichnet in §§ 160, 170, 179 und sonst stets gerade die S alle, in denen der Verleitete gutgläubig, d. h. unvorsätzlich in dem Sinne handelt, daß er die soziale Bedeutung seines Verhaltens verkennt. Vgl. etwa für § 176 schon E 22 33: „Auf Seiten des Kindes kann kein Bewußtsein von der Bedeutung des Verhaltens gefordert werden." Ebenso BGHSt. 1 172 (ständig). Daß es in § 109 b anders sein sollte, wie Lackner J Z 57,403 meint, ist nicht einzusehen. Nur ganz schwerwiegende Gründe könnten dazu zwingen, einen in sich so widerspruchsvollen Sprachgebrauch des Gesetzes anzunehmen. Solehe Gründe sind nicht ersichtlich. Der Hinweis, daß § 160 schon begrifflich nur unvorsätzliches Handeln umfasse, schlägt nicht durch und versagt ohnehin gegenüber §§ 170, 176, 179 usw. Lackner meint ferner, den zu erfassen, der einen Soldaten zu unvorsätzlicher Nichtbefolgung eines Befehls verleite, sei bedenklich, weil es für den Bereich der Teilnahme im Widerspruch zu BGHSt. 9 370 stehe. Aber die Rechtsprechung ist am Gesetz und nicht das Gesetz

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an der Rechtsprechung zu orientieren. Am wenigsten an einer einzelnen Entscheidung, die noch dazu höchst umstritten ist (gegen sie Mezger S t B Allg. T., 7. Aufl. S. 223, Lange ZStW 68, 644, vgl. auch J Z 57, 74). Und schließlich läßt sich aus einem Urteil, das sich entscheidend auf eine bestimmte Auffassung vom „Wesen der Anstiftung" stützt, f ü r die Täterhandlung eines selbständigen Delikts überhaupt nichts herleiten, wie schon die §§ llOff. ¿eigen. Nicht nur der durchgehend einheitliche Gesetzessprachgebrauch, sondern auch zwingende sachliche Gründe fordern demgegenüber die Einbeziehung der Verleitung zu unvorsätzlichem (fahrlässigem oder schuldlosem) Nichtbefolgen eines Befehls. „ B e f e h l " ist ein Rechtsbegriff, nach der üblichen Terminologie ein „normativer" (vgl. BGHSt. 3 123, 255; 4 352), richtiger ein k o g n i t i v e r Begriff. Vgl. dazu im einzelnen § 59 Anm. I I I 2, V 1, 2 und 4b). Verkennt der Soldat dieses Tatbestandsmerkmal in seiner sozialen Bedeutung, so fehlt ihm der Vorsatz. I m IllerProzeß im August 1957 (in den § 109b nicht hineinspielt) wurde z. B. erörtert, ob das Durchschreiten des Flusses „befohlen" oder nur dazu aufgefordert wurde; ob ein Vorgesetzter schon durch sein Erscheinen den Befehl übernommen habe, blieb ungeklärt, weil er sich dessen jedenfalls nicht bewußt gewesen sei. Gerade die gefährlichste und häufigste Art der Verleitung wird nicht die frontale Aufforderung sein, dem als solchem klar erkannten Befehl nicht zu folgen. Sie wird darin bestehen, daß dem Soldaten weisgemacht wird: dies sei gar kein Befehl, die Anweisung erhebe keinen Anspruch auf Gehorsam, der Befehlende habe dem Soldaten nichts zu sagen u. dgl. Zust. Kohlhaas N J W 58, 135. I n allen derartigen Fällen ein, ,Verleiten" begrifflich ausschließen hieße, die Waffe des Gesetzes stumpf machen. Dies gilt um so mehr, als die allgemeinen Auffassungen über Rechtmäßigkeit u n d Verbindlichkeit von Befehlen aus bekannten Gründen verwirrt und uneinheitlich geworden sind. Das Wehrstrafgesetz stellt sie, teilweise unter Übernahme ausländischer Rechtsauffassungen und -gestaltungen, auf eine neue Grundlage, die gewiß klarer und eingehender als die des alten MilStGB, aber doch auch „kompliziert" ist (Dreher J Z 57, 396). Bis diese Grundlage Allgemeingut geworden ist, wird Zeit vergehen. Begrifflich handelt es sich zwar bei einem durch Verleitung hervorgerufenen I r r t u m über die Verbindlichkeit oder Rechtmäßigkeit eines Befehls um einen sog. Verbotsirrtum, der den Vorsatz unberührt läßt. Aber bei der Parallelwertung in der Laiensphäre läßt sich hiervon die Verkennung des Befehlscharakters überhaupt kaum je unterscheiden. Angesichts des Satzes in dubio pro reo wird auch hier vielfach der Vorsatz des Soldaten prozessual nicht festzustellen sein. Die Gegenmeinung würde daher zur Folge haben, daß auch diese Gruppe der Zersetzungsfälle, die an dem heute anfälligsten P u n k t angreift, straflos bliebe, soweit nicht zufällig andere Bestimmungen einspringen. Die weitergehenden Erfordernisse des § 91 n. F. werden ihrerseits oft nicht erweislich sein. Über Verleiten durch M i ß b r a u c h e i n e r B e f e h l s b e f u g n i s o d e r D i e n s t s t e l l u n g vgl. §§ 33, 34 WStG. VI. Versuch sowohl wenn die B e e i n f l u s s u n g wie wenn der U n g e h o r s a m scheitert (§ 19 Abs. 2 WStG). I m einzelnen vgl. oben Anm. V. — Die Sonderregelung des I r r t u m s im Falle des Abs. 5 S. 2 schließt die sonst naheliegende Annahme eines Mangels am Tatbestand aus (dazu Maurach Allg. T. S. 248, 275, 431, Dreher J Z 57, 396). Näheres unten Anm. I X .

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VII. Teilnahme nach allgemeinen Grundsätzen, da § 109 b das Verleiten zum selbständigen Tatbestand erhoben hat. Als Sonderregelung schließt § 109 b seinerseits die Anwendung der §§ 48, 49 i. V. mit §§ 19 und 1 Abs. 3 WStG aus. Soldaten allerdings sind, wenn sie zum Ungehorsam anstiften, gemäß ausdrücklicher Bestimmung des Abs. 6 nach den Vorschriften des WStG, also nach § 19 WStG i. V. mit § 48 StGB (§ 1 Abs. 3 WStG), zu beurteilen. Aber nur, soweit sie Anstiftung „begehen". I m Falle erfolgloser Verleitung greift auch f ü r sie § 109b Abs. 2 ein, mit der Folge, daß die T a t dann keine militärische Straftat (§ 2 Nr. 1 WStG) und daher z. B. das f ü r diese geltende Strafensystem des § 10 WStG nicht anzuwenden ist. Mit Recht hat man dies als einen „Schönheitsfehler" (Dreher J Z 57, 397), eine „unerfreuliche Anomalie" (Lackner J Z 57, 403) bezeichnet. VIII. Besonders schwere Fälle. Vgl. § 89 Anm. V I I I , aber auch Syst. Vorbem. I I C 1, §1 Anm. V und VI sowie Vorbem. IV 2 d) vor §13. Der Fall muß sich objektiv und subjektiv von den „schwerwiegenden Folgen" (oben IV), die Tatbestandsmerkmal sind, deutlich abheben, vgl. die Anm. V zu § 1 zit. Rspr. Die Tat bleibt Vergehen. IX. Die Rechtswidrigkeit ist nach Abs. 5 ausgeschlossen, wenn der Befehl nicht verbindlich ist (im Anschluß an § 22 Abs. 1 WStG), insbesondere wenn er nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt ist oder die Menschenwürde verletzt oder wenn durch das Befolgen ein Verbrechen oder Vergehen begangen würde. Zu beachten ist aber, daß sowohl § 109 b Abs. 5 wie § 22 Abs. 1 WStG auf § 11 des Soldatengesetzes zurückgehen. Dieser sagt in Abs. 1 (und das gilt erst recht f ü r seinen Abs. 2): „ U n g e h o r s a m l i e g t n i c h t v o r " , wenn es sich um einen derartigen Befehl handelt. E r schließt also schon den T a t b e s t a n d aus (vgl. die gesetzliche Überschrift „Ungehorsam" des § 19 WStG). Der Ausschluß der Rechtswidrigkeit (oder Tatbestandsmäßigkeit, wenn man § 11 SoldGes. f ü r maßgebend hält) im Falle des objektiv unverbindlichen Befehls „gilt" nach Abs. 5 S. 2 auch, wenn der Verleitende irrig annimmt, der Befehl sei verbindlich. Man wird annehmen müssen, daß der Gesetzgeber damit nur singulär eine Rechtsfolge anordnen, nicht aber eine umstrittene Grundsatzfrage (darüber oben Anm. VI) allgemein entscheiden wollte. Das ergibt sich auch aus der von Dreher J Z 57, 396 mitgeteilten Entstehungsgeschichte. X. Schuld. 1. Das Gesetz unterscheidet vorsätzliche Verleitung mit vorsätzlicher (Abs. 1) und mit fahrlässiger (Abs. 4) Herbeiführung schwerwiegender Folgen. I n besonders schweren Fällen (oben Anm. VIII) müssen auch die Umstände, die die T a t dazu stempeln, vom Vorsatz umfaßt sein. 2. Verkennt der Täter die Umstände, die eine Anweisung zu einem Befehl an einen Soldaten machen, so greift § 59 ein. Das gleiche gilt aus den § 59 Anm. V 1 a. E. dargelegten Gründen (vgl. BGHSt. 3 105, 194), wenn der Verleitende Umstände annimmt, unter denen der Soldat den Befehl nicht auszuführen braucht oder nicht ausführen darf und daher keinen Ungehorsam begeht (§11 SoldGes.). D a ß § 22 in Abs. 2 und 3 den § 59 StGB und weitgehend auch die Berücksichtigung des Verbotsirrtums ausschließt, h a t rein soldatische Gründe (zutr. Dreher J Z 57, 396). Auf Nichtsoldaten müssen die allgemeinen Grundsätze angewendet werden, da die ratio der Ausnahme auf sie nicht zutrifft. Zweifelnd Lackner J Z 57, 403. Nach

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Vergehen gegen die Landesverteidigung § 109 c

seinem Bericht h a t der Rechtsausschuß des Bundestages die Frage offen gelassen. Einen erkennbaren subjektiven Willen des Gesetzgebers gibt es hier also nicht. Die objektive Logik des Gesetzes aber f ü h r t zum gleichen Ergebnis wie es schon die ratio fordert: denn die Absätze 2 und 3 des § 22 WStG sind im Gegensatz zu dem in § 109 b Abs. 5 wörtlich übernommenen Abs. 1 bewußt weggelassen worden. 3. Hält der Täter trotz richtig erkannter Umstände die Anweisung nicht für einen Belehl (oben Anm. II) oder nicht für verbindlich und sein Tun daher f ü r erlaubt, so greifen die Regeln über den V e r b o t s i r r t u m ein (BGHSt. 2 194). 4. Ein Irrtum darüber, ob der Soldat schuldhaft handelte, ist nach dem zu Anm. V Ausgeführten auch dann ohne Bedeutung, wenn er dessen Vorsatz betrifft. XI. Verhältnis zu anderen Vorschriften. 1. Zu § 19 WStG vgl. oben Anm. VII. 2. I m Verhältnis zu § 91 liegt Alternativität vor. Die Tatbestandshandlung des § 109b ist spezieller als das „Einwirken", andererseits geht die „Absicht" des § 91 weitsr als der Vorsatz. Anzuwenden ist die in concreto strengere Bestimmung. Zum Begriff der Alternativität vgl. Binding Handbuch S. 349; s. a. unten § 180 Anm. V I I I . "Verleitung und Beihilfe

zur

Fahnenflucht

§ 109 c 1) Wer einen Soldaten der Bundeswehr verleitet, eigenmächtig seine Truppe oder Dienststelle zu verlassen oder ihr fernzubleiben, u m sich der Verpflichtung zum Wehrdienst dauernd oder für die Zeit eines bewaffneten Einsatzes zu entziehen oder die Beendigung des Wehrdienstverhältnisses zu erreichen, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Wer es einem Soldaten der Bundeswehr erleichtert, mit der in Absatz 1 bezeichneten Absicht eigenmächtig seine Truppe oder Dienststelle zu verlassen oder ihr fernzubleiben, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft. (4) Begeht ein Soldat der Bundeswehr Anstiftung oder Beihilfe zur Fahnenflucht, so sind die Vorschriften des Wehrstrafgesetzes anzuwenden. I. Die Fahnenflucht des verleiteten S o l d a t e n wird, je nach seiner A b s i c h t , endgültig oder nur zeitweise der Truppe fernzubleiben, entsprechend den früheren Begriffen von der unerlaubten Entfernung unterschieden (§ 16 WStG im Gegensatz zu dessen § 15). Doch ist diese durch den Begriff der „eigenmächtigen Abwesenheit" ersetzt worden (über die Gründe Dreher J Z 57, 397). Strafbar ist nach § 109 c nur die Verleitung zur Fahnenflucht. Unberührt bleibt jedoch WStG § 15 i. V. mit § 1 Abs. 3. II. Verleitung: oben § 109 b Anm. V. III. Erleichterung der Fahnenflucht: = Beihilfe, § 49. IV. Der Versuch der Verleitung ist strafbar (Abs. 2). Über die Bedeutung dieser Stelle vgl. § 109 b Anm. V bis V I I . Auch hier ist die Verleitung eines Soldaten durch einen Kameraden, wenn die Fahnenflucht wenigstens unternommen wird, als mili-

Vergehen gegen die Landesverteidigung § 109 d

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tärisehe Straftat nach § 16 i. V. mit § 1 Abs. 3 WStG zu beurteilen (so ausdrücklich § 109 c Abs. 4). Kommt es dazu nicht, so greift auch für den Soldaten § 109 c Abs. 2 ein. Zersetzungspropaganda

gegen die

Bundeswehr

§ 109 d (1) Wer unwahre oder gröblich entstellte Behauptungen tatsächlicher Art, deren Verbreitung geeignet ist, die Tätigkeit der Bundeswehr zu stören, wider besseres Wissen zum Zwecke der Verbreitung aufstellt oder solche Behauptungen in Kenntnis ihrer Unwahrheit verbreitet, um die Bundeswehr in der Erfüllung ihrer Aufgabe der Landesverteidigung zu behindern, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. I. Der Zweck der Bestimmung ist nicht, der Bundeswehr zusätzlichen Ehrenschutz zu geben. Dessen bedarf es nicht, seitdem die Rechtspr. die Beleidigungsfähigkeit von Personengemeinschaften anerkannt hat, unten Vorbem. I I I vor § 185. Sie richtet sich vielmehr gegen die geistige Sabotage der Landesverteidigung. So BJMin. v. Merkatz in BdAnz. 1957 Nr. 28 S. 11 und Nr. 29 S. 3 unter Hinweis auf die beispiellose Agententätigkeit planmäßig aufgebauter und vom Ausland gesteuerter Organisationen und den Fall, daß an junge Wehrpflichtige im ganzen Bundesgebiet gefälschte Freistellungsbescheide versandt wurden. Systematisch gehört daher die Bestimmung in den Zusammenhang des § 91 und der Staatsgefährdung überhaupt. Sie ist ein Spezialfall der Zersetzungsdelikte. Wie für diese Gruppe, zu der auch § 100d Abs. 3 gehört, insgesamt, so ist auch für sie das entscheidende Kriterium die staatsfeindliche Absicht (dazu grundsätzlich Vorbem. vor § 88). Dem speziellen Objekt der Tat entsprechend ist diese hier e n g e r als in § 88ff. umschrieben: „um die Bundeswehr in der Erfüllung ihrer Aufgabe der Landesverteidigung zu behindern". Im Gegensatz zu den Tatbeständen der Staatsgefährdung und des Landesverrats, die sich in aller Regel mit der Beschreibung der gegen den Staat zielenden Handhing begnügen und ihre Gefährlichkeit abstrakt als gegeben voraussetzen, verlangt § 109d für die Lügenpropaganda gegen die Bundeswehr aber auch noch, daß sie tatsächlich im Einzelfall „geeignet ist, die Tätigkeit der Bundeswehr zu stören", also den Nachweis konkreter Gefährlichkeit. Er weicht damit von den Grundsätzen des strafrechtlichen Staatsschutzes ab. Vgl. demgegenüber BGHSt. 9 292, wo grundsätzlich betont wird, daß § 90a und die übrigen S t a a t s g e f ä h r d u n g s d e l i k t e die Feststellung einer ernsten Gefährdung n i c h t voraussetzen. BGHSt. 6 342 läßt sogar die Frage, ob zur Vorbereitung des H o c h v e r r a t s eine konkrete Gefährdung der verfassungsmäßigen Ordnung gehört, auf sieh beruhen. Anders BayObLG in N J W 57 1327 für § 100 I. Durch die Häufung einschränkender objektiver und subjektiver Merkmale (vgl. weiter: „wider besseres Wissen", „zum Zwecke der Verbreitung") ist die praktische Brauchbarkeit dieser wichtigen Bestimmung sehr zweifelhaft geworden. Skeptisch insoweit auch Lackner JZ 57, 403, der jedoch zutreffend auf ihre Überschneidung mit anderen Staatsschutzbestimmungen hinweist (s. dazu oben zu §§ 91, lOOd Abs. 3).

318

Vergehen gegen die Landesverteidigung § 1 0 9 e

II. Behauptungen tatsächlicher Art im Gegensatz zu reinen Werturteilen. Vgl. dazu § 186 A n m . I , Vorbem. I V 1 vor § 185 u n d § 263 Anm. I I . III. Unwahr oder gröblich entstellt. Der letztere Begriff ist keineswegs neu. Vgl. schon, noch weitergehend, § 131, wo Entstellung schlechthin genügt, ferner § lOOd Abs. 3 (dort A n m . I I I ) und § 263 (dort Anm. I I 3). Unter gröblicher Entstellung ist d a n a c h eine d e m wesentlichen I n h a l t nach in besonders schroffem und auffälligem Gegensatz zu den Tatsachen stehende Darstellung zu verstehen. Die R e c h t s p r . w a r schon f ü r die „ U n w a h r h e i t " weitgehend zu den gleichen Ergebnissen gelangt, vgl. § 164 A n m . V I I I , § 186 Anm. V I I . IV. Geeignet, die Tätigkeit der Bundeswehr zu stören, ist die Verbreitung derartiger B e h a u p t u n g e n immer schon d a n n , wenn auch n u r a n einer Stelle eine n i c h t n u r ganz u n b e s t i m m t e Möglichkeit dieser A r t e n t s t e h t . Vgl. das oben zu § 109 b A n m . I V 2 Ausgeführte entsprechend. V. Die Handlung ist entweder Aufstellen s o l c h e r B e h a u p t u n g e n w i d e r b e s s e r e s W i s s e n zum Zwecke der Verbreitung oder ihr Verbreiten i n K e n n t n i s i h r e r U n w a h r h e i t . Beide Male m u ß — o b w o h l diese Auslegung sprachlich nicht zwingend i s t — n a c h d e m Zweck der Bestimmung ferner die spezialisierte staatsfeindliche Absicht vorliegen: „ u m die Bundeswehr . . . . zu b e h i n d e r n " . D a r ü b e r oben A n m . I . I m einzelnen : 1. Aufstellen: als Gegenstand eigenen Wissens hinstellen, sei es auch auf G r u n d v o n Schlußfolgerungen (E 67 270). Wider besseres Wissens t r o t z b e s t i m m t e r K e n n t nis davon, daß die B e h a u p t u n g gänzlich oder dem wesentlichen I n h a l t n a c h u n w a h r ist. Vgl. § 187 Anm. I . Zum Zwecke der Verbreitung m u ß die B e h a u p t u n g a u f gestellt sein. D a r ü b e r das folgende. 2. Verbreiten bedeutet hier im Gegensatz zu § 186 (vgl. d o r t A n m . I I I ) n i c h t praktisch dasselbe wie „ b e h a u p t e n " , n u r m i t dem Unterschied, d a ß die Tatsache als Gegenstand fremden Wissens ausgegeben wird. Gemeint ist in der ersten Alternative o f f e n b a r : einem weiteren Kreise zugänglich machen als dem, gegenüber dem die B e h a u p t u n g zunächst aufgestellt wurde. Auch im Falle 2 genügt aber Mitteilung a n eine einzige Person, wenn diese die B e h a u p t u n g weitertragen soll oder doch d e r Täter d a m i t rechnet und es billigt. Vgl. weiterhin § 84 A n m . I I , § 184 A n m . I V 1. Kenntnis der Unwahrheit schließt wie „wider besseres Wissen" den dolus eventualis aus. K e n n t n i s der U. i n w e s e n t l i c h e n P u n k t e n genügt, s. o. Anm. I I I . VI. Versuch strafbar. Bedeutsam namentlich f ü r Fälle, in denen die Verbreitung der B e h a u p t u n g e n objektiv nicht geeignet ist, die Tätigkeit der Bundeswehr zu stören. VII. Idealkonkurrenz in erster Linie m i t §§ 91 u n d 100d Abs. 3, aber auch m i t §§ 164 u n d 186, 187 möglich. Wehrmittelbeschädigung

§ 109 e

(1) Wer vorsätzlich ein Wehrmittel oder eine Einrichtung oder Anlage, die ganz oder vorwiegend der Landesverteidigung oder dem Schutz der Zivilbevölke-

Vergehen gegen die Landesverteidigung § 109 e

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rung gegen Kriegsgefahren dient, unbefugt zerstört, beschädigt, verändert, unbrauchbar macht oder beseitigt und dadurch die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, die Schlagkraft der Truppe oder Menschenleben gefährdet, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer wissentlich einen solchen Gegenstand oder den dafür bestimmten Werkstoff fehlerhaft herstellt oder liefert und dadurch wissentlich die in Absatz 1 bezeichnete Gefahr herbeiführt. (2) Der Versuch ist strafbar. (4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren. (5) Wer die Gefahr in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig, in den Fällen des Absatzes 2 nicht wissentlich, aber vorsätzlich oder fahrlässig herbeiführt, wird mit Gefängnis bestraft, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist. I. Wehrmittel sind wie nach dem früheren § 143 a, dem die Bestimmung nachgebildet ist, alle Gegenstände, die zur Ausrüstung der Bundeswehr gehören. Auch Einzelteile: Recht 43 2044. Geschützt sind ferner II. Einrichtungen oder Anlagen, die . . . der Landesverteidigung oder dem Schlitz der Zivilbevölkerung gegen Kriegsgefahren dienen. Hier kommt es also auf die konkrete Funktion an, unabhängig davon, ob die Sache der Bundeswehr gehört (anders die alte Fassung des § 143 a). Anlage ist eine fest und auf die Dauer angelegte Einrichtung. Vgl. §§ 90 und 316b. Nach E 75 216 gehört zu den Einrichtungen jeder Betrieb, in dem Wehrmittel hergestellt werden, und jede dafür bestimmte Maschine. III. Die Handlung des Abs. 1 ist der des § 316b Abs. 1 Nr. 3 nachgebildet. Vgl. dort Anm. III. Wissentlich fehlerhafte Herstellung oder Lieferung eines Wehrmittels usw. oder des dafür bestimmten Werkstoffs steht nach Abs. 2 gleich. Die Einrichtung oder Anlage braucht hier noch nicht in Betrieb genommen zu sein. IV. Die Handlung des Abs. 1 oder 2 muß die Staatssicherheit, die Schlagkraft der Truppe oder Menschenleben gefährdet haben. Dazu oben § 109 b Anm. IV 1 und 2. Gefährdung von Menschenleben umfaßt auch den Fall, daß nur ein bestimmter Einzelner, z. B. ein Testflieger, gefährdet wird. Die Schutzobjekte sind gegenüber dem früheren § 143 a erweitert. V. Schuld. 1. Die Handlung des Abs. 1 ist als v o r s ä t z l i c h e , die des Abs. 2 nur als wiss e n t l i c h e , also unter Ausschluß des dol. ev., strafbar. Leichtfertiges Handeln ist nicht mehr strafbar (anders früher § 143 a Abs. 4). 2. Auch die Gefährdung muß im Falle des Abs. 1 vorsätzlich, in dem des Abs. 2 wissentlich herbeigeführt sein. 3. Ist die Gefährdung (Abs. 1 oder 2) nur fahrlässig oder in den Fällen des Abs. 2 nur mit e i n f a c h e m V o r s a t z herbeigeführt worden, so droht der — gegenüber schwereren Strafdrohungen subsidiäre — Abs. 5 Gefängnisstrafe an. Die V e r s u c h s strafe des Abs. 3 und die Strafschärfung in b e s o n d e r s s c h w e r e n F ä l l e n (Abs. 4, vgl. § 109b Anm. VIII) gelten, wie sich aus der Stellung dieser Absätze ergibt, hier nicht.

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Vergehen gegen die Landesverteidigung § 1091

VI. Verhältnis zu anderen Straftaten. Idealkonkurrenz zu §§ 81, 90, 211ff., 223ff., 306ff., iDsbes. 316b ist möglich. Spezialität gegenüber §§ 303—305, soweit nicht die Subsidiaritätsklausel des Abs. 5 eingreift (s. o. V 3).

Wehrfeindlicher Nachrichtendienst

§ 109 f

(1) Wer vorsätzlich für eine Dienststelle, eine Partei oder eine andere Vereinigung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, für eine verbotene Vereinigung oder für einen ihrer Mittelsmänner 1. Nachrichten über Angelegenheiten der Landesverteidigung sammelt, 2. einen Nachrichtendienst betreibt, der Angelegenheiten der Landesverteidigung zum Gegenstand hat, oder 3. für eine dieser Tätigkeiten anwirbt oder sie unterstützt und dadurch Bestrebungen dient, die gegen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die Schlagkraft der Truppe gerichtet sind, wird mit Gefängnis bestraft, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist. Ausgenommen ist eine zur Unterrichtung der Öffentlichkeit im Bahmen der üblichen Presse- oder Funkberichterstattung ausgeübte Tätigkeit. (2) Der Versuch ist strafbar. I. Die Bestimmung lehnt sich in ihrem Aufbau und ihren Einzelbegriffen eng an § 32 (staatsfeindlicher Nachrichtendienst) an; vgl. dort. Sie ersetzt jedoch das subjektive Moment der staatsfeindlichen Absicht (dazu Vorbem. I I vor §88) durch ein objektives Gefährdungsmoment: daß der Täter durch sein Handeln Bestrebungen dient, die gegen die Staatssicherheit oder die Schlagkraft der Truppe gerichtet sind. Auch insoweit genügt einfacher Vorsatz. Der praktische Hauptanwendungsfall der Stelle ist das Sammeln usw. von Nachrichten, die an sich und einzeln n i c h t geheim sind (vgl. Anm. V 1). II. Im einzelnen vgl. betr. Nachrichtendienst § 92 Anm. I, betr. Vereinigung § 90a Anm. III, betr. Bestrebungen, die gegen die Staatssicherheit oder die Schlagkraft der Truppe gerichtet sind, § 109b Anm. IV 1 und 2 i. V. mit § 88 Anm. II 2. III. Der Täter dient diesen Bestrebungen vorsätzlich, wenn er in Kenntnis ihrer Tendenzen handelt oder dolo eventuali mit ihrem Bestehen und ihrer Förderung durch sein Verhalten rechnet. Dies gilt auch, wenn er sie sich nicht zu eigen macht und es ihm etwa nur auf Gelderwerb ankommt oder er nur unter Druck handelt. IV. „Ausgenommen ist eine zur Unterrichtung der Öffentlichkeit im Rahmen der üblichen Presse- oder Funkberichterstattung ausgeübte Tätigkeit." Dieser Satz besagt entweder etwas Selbstverständliches — nämlich daß eine solche Tätigkeit kein Nachrichtendienst „ f ü r " eine fremde Organisation ist — oder etwas Unmögliches: nämlich daß der Presse- oder Funkberichter auch dann straffrei bleiben soll, wenn er im Rahmen seiner Tätigkeit dem fremden Nachrichtenapparat vorsätzlich dient. Gemeint ist offenbar ein Fall sozialer Adäquanz: das verkehrsübliche Publizieren von offenen Nachrichten soll auch dann nicht strafbar sein, wenn es objektiv

Vergehen gegen die Landesverteidigung § 109 g

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dem fremden Dienst ermöglicht, ihre Sammlung zum Schaden des Landes oder der Truppe zu verwerten. Insoweit aber entfällt die Tatbestandsmäßigkeit (vgl. Lackner JZ 57, 404) oder Rechtswidrigkeit (so neuerdings Welzel § 141 3) ohnehin aus allgemeinen vorgegebenen Wertungen und Abwägungen. I n dem Bestreben, diesen Gedanken zu deklarieren, hat das Gesetz ein Berufsprivileg dekretiert, das mit dem Gleichheitssatz schwerlich vereinbar ist. Vgl. auch die bedenklichen Entwicklungen im Rahmen des § 193 (dort Anm. IV 2) sowie § 100 Anm. III. Eingehend zur rechtlichen Problematik der modernen Nachrichtenmittel und ihrer Anwendung Bussmann, Gutachten zum 42. Deutschen Juristentage (J. C. B. Mohr, 1957). V. Verhältnis zu anderen Bestimmungen. 1. Die Subsidiaritätsklausel wird vor allem bei Geheimnisverrat Platz greifen (§ 100, aber auch § 100a). § 109f soll, wie Lackner JZ 57, 404 mitteilt, „der Tatsache Rechnung tragen, daß auch das systematische Sammeln und Auswerten o f f e n e r Nachrichten mit Hilfe weitverzweigter Nachrichtendienste die Möglichkeit eröffnet, aus einer Vielzahl mosaikartig zusammengetragener Unterlagen wichtige Staatsgeheimnisse i.u erschließen". Aber auch § lOOe geht als das — über § 101 — strengere Gesetz dem § 109f i. V. m. § 109i vor, soweit Staatsgeheimnisse in Betracht kommen. 2. Tateinheit ist mit § 92 möglich (vgl. oben Anm. I). Zu beachten ist, daß sich bei § 109f die Gegenstände, auf die sich die Nachrichten beziehen, anders als bei § 92 nicht im räumlichen Geltungsbereich des Gesetzes zu befinden brauchen. VI. Versuch insbes. auch, wenn der Täter auf einen Abwehragenten stößt. Abbildungen, Beschreibungen,

Luftaufnahmen

§109g

(1) Wer vorsätzlich von einem Wehrmittel, einer militärischen Einrichtung oder Anlage oder einem militärischen Vorgang eine Abbildung oder Beschreibung anfertigt oder eine solche Abbildung oder Beschreibung an einen anderen gelangen läßt und dadurch wissentlich die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die Schlagkraft der Truppe gefährdet, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Wer vorsätzlich von einem Luftfahrzeug aus eine Lichtbildaufnahme von einem Gebiet oder Gegenstand im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes anfertigt oder eine solche Aufnahme oder eine danach hergestellte Abbildung an einen anderen gelangen läßt und dadurch wissentlich die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die Schlagkraft der Truppe gefährdet, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft, soweit nicht die Tat nach Absatz 1 strafbar ist. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Abbildung oder Beschreibung vorsätzlich an einen anderen gelangen läßt und dadurch die Gefahr nicht wissentlich, aber vorsätzlich oder leichtfertig herbeiführt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat ist jedoch nicht strafbar, wenn der Täter mit Erlaubnis der zuständigen Dienststelle gehandelt hat. 21

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

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Vergehen gegen die Landesverteidigung § 109 h

I. Der Zweck der Bestimmung ist einmal, landesverräterische Handlungen, bei denen der Verratsvorsatz nicht nachgewiesen werden kann, zu erfassen (so Lackner J Z 57, 404), unabhängig davon aber auch, vorsätzliche Gefährdung von Interessen der Landesverteidigung als solche zu bestrafen. II. Die Handlung. 1. Abs. 1: Anfertigung oder Weitergabe von Abbildungen oder Beschreibungen militärischer Gegenstände. Über diese im einzelnen (Wehrmittel, Einrichtung, Anlage) vgl. § 109 e Anm. I, II. Vorgänge z. B. Truppenbewegungen oder Organisationsmaßnahmen. 2. Abs. 2: Anfertigen einer Luftaufnahme eines Gebietes oder Gegenstandes in der BR oder Weitergeben einer solchen Aufnahme oder einer Reproduktion, soweit nicht schon der —• strenger bestrafte —• Fall des Abs. 1 vorliegt. III. In allen Fällen muß die Handlung die Staatssicherheit oder die Schlagkraft der Truppe gefährdet haben. Dazu oben § 109 b Anm. IV 1 und 2. Die Strafe ist verschieden, je nachdem der Täter die Gefahr wissentlich, also mit bestimmtem Vorsatz, oder in der zweiten Alternative des Abs. 1 vorsätzlich oder leichtfertig (vgl. § 164 Anm. X I und XII) herbeiführt, Abs. 4. IV. Der Versuch ist nur in den Fällen der Abs. 1 und 2 strafbar, wie sich aus der Stellung des Abs. 3 ergibt. V. Die Rechtswidrigkeit entfällt im Falle des Abs. 4 (das Gesetz sagt nur: „Die T a t ist nicht strafbar"), wenn der Täter mit Erlaubnis der zuständigen Dienststelle gehandelt hat. Wissentlich gefährdendes Handeln (Abs. 1 oder 2) bleibt auch in solchem Falle strafbar. Über eine so intensive Gefährdung kann die zuständige Dienststelle nicht disponieren. VI. Verhältnis zu anderen Bestimmungen. 1. Subsidiär ist § 109 g als Gefährdungsdelikt den Verletzungsdelikten des Abschnittes „Landesverrat", insbes. den §§ 100, 100c, d e. 2. Er geht vor den Ordnungswidrigkeiten des neugefaßten § 33 Luftverkehrsges. (vgl. hierzu, zur Neufassung des § 14 und zur Aufhebung des § 34 Luftverkehrsges. den Art. 6 des 4. StrafrechtsÄndGes.). Nach § 33 LVerkGes. handelt ordnungswidrig, wer ohne Erlaubnis außerhalb des Linienverkehrs eine Luftaufnahme macht oder eine solche Aufnahme oder eine danach hergestellte Zeichnung oder Abbildung in Verkehr bringt. Auffällig ist, daß der sonst gleichgebildete § 109 g Abs. 2 „Zeichnungen" neben den „Abbildungen" der Aufnahme nicht nennt. Nach dem neuen Rechtszustand sind Anfertigung und Vertrieb von Luftaufnahmen wesentlich freier gestellt; bisher waren sie allgemein an behördliche Erlaubnis gebunden und Zuwiderhandlungen mit Kriminalstrafe bedroht.

Anwerbung zum fremden Wehrdienst

§ 109 h

(1) Wer im Inland oder als Deutscher im Ausland zugunsten einer ausländischen Macht einen Deutschen zum Wehrdienst in einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung anwirbt oder ihren Werbern oder dem Wehrdienst

323

Vergehen gegen die Landesverteidigung § 109!

einer solchen Einrichtung zuführt, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. ( 2 ) Der Versuch ist strafbar. I . D i e Bestimmung entspricht wörtlich dem gleichzeitig aufgehobenen § 141. D i e Neuordnung stellt den systematischen Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen zum Schutze der Landesverteidigung her. Sie macht darüber hinaus den § 109i anwendbar. Danach kann neben Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkannt werden, und Einziehung und Unbrauchbarmachung sind schon unter den Voraussetzungen des § 86 zulässig. II. Täter kann bei Inlandstaten auch ein Ausländer, Opfer muß stets ein D e u t scher sein, gleich welchen Alters und Geschlechts. III. Die Handlung. 1. Anwerben setzt voraus, daß der Täter, wenn auch nicht notwendig geschäfts mäßig handelnd, f ü r die fremde Macht Verpflichtungen abschließen kann. W i r k samkeit der Verpflichtungen gleichgültig. 2. Den Werbern oder dem Wehrdienst zuführen: Jede Handlung, die diesen Einwirkungsmöglichkeit auf das Opfer verschafft. Auch ohne i m Einverständnis mit ihnen zu handeln. Gleichgültig, ob der zu Werbende zu den Werbern gebracht wird oder umgekehrt. III. Zugunsten einer ausländischen Macht muß die erfolgen, nicht notwendig in ihrem Auftrage. Es liegt zugunsten Dritter. Macht faktisch, nicht notwendig als sation zu verstehen, vgl. Schönke-Schröder I I 1 c ; a.

Nehenstrafen

und

Neberijolgen

Werbung oder Zuführung ähnlich wie bei Verträgen Staats- und RechtsorganiA . W e r n e r L . K . A n m . 3.

§ 109 i

( 1 ) W e g e n der in diesem Abschnitt mit Strafe bedrohten Handlungen kann erkannt werden 1. neben Freiheitsstrafe auf Geldstrafe; 2. neben

einer

Gefängnisstrafe von mindestens

einem Jahr aus

§ 109 e

A b s . 1 bis 3 sowie § 109 f für die D a u e r von einem bis zu fünf Jahren auf die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ä m t e r und den Verlust des W a h l - und Stimmrechts und der Wählbarkeit sowie auf den Verlust der aus öffentlichen W a h l e n

hervorgegangenen

Hechte; 3. neben einer Freiheitsstrafe aus den in N u m m e r

2 bezeichneten

Vor-

schriften und aus § 109 e A b s . 4 auf die Zulässigkeit von Polizeiaufsicht. ( 2 ) § 86 gilt entsprechend. D i e Bestimmung ist — mit Einschränkungen — den §§ 85, 98 und 101 nachgebildet; vgl. dort und bei § 86. 21*

324

Widerstand gegen die Staatsgewalt § 110 Sechster Abschnitt

Widerstand gegen die Staatsgewalt Vorbemerkung I. Nur die inländische Staatsgewalt ist geschützt (anders E 8 54). Eingehend wie hier Werner L K vor § 110. Amtshandlungen von Verwaltungsorganen der SBZ jedoch nur, soweit ihnen nicht der Zweck eines Bundesgesetzes oder Berliner Gesetzes oder der ordre public entgegensteht. Vgl. oben Vorb. UE, IV vor § 3. II. Bei staatsfeindlicher Absicht in allen Fällen dieses Abschnitts Strafschärfung gem. §94.

Aufforderung

zum Ungehorsam gegen Gesetze

§110

Wer öffentlich vor einer Menschenmenge oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Ausstellung von Schriften oder anderen Darstellungen zum Ungehorsam gegen Gesetze oder rechtsgültige Verordnungen oder gegen die von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anordnungen auffordert, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. I. Öffentlichkeit: Ein im StrR viel (s.Register) und verschieden verwendeter Begriff. Zu unterscheiden sind a) Fälle, wo die Ö f f e n t l i c h k e i t g e s c h ü t z t werden soll, d. h. das gestaltlose, individuell und zahlenmäßig undefinierbare Publikum (z. B. §§ 183, 184, 184b, 361 Ziff. 6; über öffentliches Baden vgl. PolVO v. 10. 7. 42, RGBl. 1461), b) Fälle, wo das Wort eine Eigenschaft des a n g e g r i f f e n e n R e c h t s g u t s bezeichnet (z. B. §§ 304, 358, 271, 348 u. v. a.), c) Fälle, wo ein bestimmtes Rechtsgut vor ö f f e n t l i c h e n A n g r i f f e n geschützt werden soll, z. B. §§ 186f., 200. Zu der letztgenannten Gruppe gehören auch §§ 110, 111, 124, 125. Über den Streit betr. § 183 vgl. dort Anm. II. Den Unterschied in §§ 183 und 200 betont DR 41 1838. Wenn E 73 90 darauf aufmerksam macht, daß die Auslegving des Begriffs „öffentlich" in den genannten Fallgruppen nicht notwendig die gleiche zu sein brauche, so ist das an sich richtig. Gerade die Auslegung aber, zu der hier das RG zuletzt bei § 183 kam, trifft auch f ü r §§110f. und andere Äußerungsdelikte zu (z.B. §§ 95—97, betr. § 96 Abs. 2 aber auch Anm. I I I , ferner §§ 186f.): die Aufforderungen müssen f ü r u n b e s t i m m t w i e v i e l e u n d w e l c h e P e r s o n e n wahrnehmbar (hörbar, lesbar) gewesen sein. Dies ist erforderlich, aber auch genügend. Allgemeine Zugänglichkeit des Orts ist nicht vorausgesetzt. Ein Wirtshaus, Autobus usw. genügt. Auch ein D-Zugabteil; nicht aber, wenn der Täter mit der einzigen Zeugin allein war. Nach E 44 132 die Versammlung der Arbeiter einer bestimmten Fabrik. — Zugehörigkeit zum katholischen Teil einer Ortsgemeinde: D R 42 573. — Vgl. auch unten § 115 Anm. I I mit § 116 Anm. I. II. Menschenmenge: Eine im Unterbewußtsein nicht mehr zählbare Anzahl. Sie muß anwesend sein („vor"); dies ist ein Unterschied von § 183, wo Möglichkeit der Anwesenheit genügt.

Widerstand gegen die Staatsgewalt § 111

325

III. Ungehorsam: Gegen „ d a s G e s e t z usw. s c h l e c h t h i n , seine Autorität und bindende K r a f t " (E 22 185); „ z u r g r u n d s ä t z l i c h e n A u f l e h n u n g gegen die im Gesetze usw. enthaltenen Grundlagen der Rechtsordnung" (E 54 264; vgl. auch 58 360: Aufforderung zum Generalstreik als Kampfmittel gegen die Regierung) ; Aufforderung zu einer bestimmten einzelnen Tat weder erforderlich noch genügend (hierfür §§ 111, 49a). Weitergehend freilich E 63 326. Auff. zum grundsätzlichen Ungehorsam gegen Vorschr. des Betriebsverfassungsges.: BGHSt. 7 67 (betr. Gebot zur Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern). — Daß der A u f g e f o r d e r t e b e w u ß t gesetzwidrig handeln solle, ist n i c h t nötig. E 59 149. — Unter jener Voraussetzung der Grundsätzlichkeit bezieht sich § 110 aber auch auf b ü r g e r l i c h - r e c h t l i c h e Gesetze: Aufforderung, „nicht nur den einzelnen Vertrag durch Verweigerung der Erfüllung zu brechen, sondern dadurch zugleich dem die Vertragserfüllung gebietenden Gesetze selbst (§§ 242, 611 BGB) die Befolgung zu versagen und somit dem Gesetz als solchem Mißachtimg und Ungehorsam entgegenzusetzen" (E 54 264). A. A. namentlich Frank N. I mit eingehenden Nachweisungen. IV. Verordnungen müssen nach Form und Inhalt rechtsgültig sein: E 34 121 (betr. Streikpostenstehen); vgl. Anm. VI. Aufforderung zu Unregelmäßigkeiten bei Hausschlachtungen: H R R 42 128. — VO v. 15. 9. 23 (RGBl. I 879) betr. Aufforderung zum Steuerstreik usw. (vgl. Anh.). V. Obrigkeit: Organe der Staatsgewalt, die zum Erlasse allgemein verpflichtender Vorschriften berufen sind: Rechtspr. 6 605. N i c h t die polizeilichen Vollzugsorgane: Braunschweig N J W 53 714. VI. Anordnungen: Demnach stehen unter dem Schutz des § 110 nicht nur generelle „Gesetze und Verordnungen", sondern auch „Verfügungen" speziellen Inhalts, sofern sie nur allgemeinere Beachtung zu beanspruchen haben. E 55 8. Vgl. aber auch Anm. V. VII. Aulforderung ist Kundgebung einer Ansicht an andere mit dem Zwecke, deren Willen zu einem Handeln oder Unterlassen hervorzurufen: E 9 71. (Unterschied vom „Anreizen": E 63 170.) Kenntnisnahme von der Aufforderung nicht erforderlich: E 5 60, 58 198. Vgl. E 47 413 (schlüssiges Verhalten genügt). VIII. Zum Vorsatz (eventueller genügt. E 33 4) gehört das Bewußtsein von der Zuständigkeit der betr. Behörde zum Erlaß der Anordnung; im gleichen Umfang wie bei §§ 153ff., vgl. § 154 Anm. V3. Die frühere Rspr., daß die irrige Annahme, die Behörde sei unzuständig, den Vorsatz nicht ausschließe (so gemäß „Inhalt, Zweck und Bedeutung der Vorschrift des §110", entgegen dem § 5 9 : E 40 64, 63 326) ist nicht mehr haltbar; Schönke-SchröderVI erklären dieRechtsgültigkeit der VO und die Zuständigkeit als Bed. der Strafbarkeit. Vgl. § 113 Anm. VI. Allgemeines Bewußtsein der Gesetzwidrigkeit ist dagegen nicht erforderlich: E 59 149. IX. Idealkonkurrenz mit § 111 möglich: E 63 326. Aufforderung

zur Begehung strafbarer

Handlungen

§111 (1) Wer auf die vorbezeichnete Weise zur Begehung einer strafbaren Handlung auffordert, ist gleich dem Anstifter zu bestrafen, wenn die Aufforde-

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Widerstand gegen die Staatsgewalt § 118

rung die strafbare Handlung oder einen strafbaren Versuch derselben zur Folge gehabt hat. (2) Dasselbe gilt, wenn die Aufforderung ohne Erfolg geblieben ist. Die Strafe kann nach den Vorschriften über die Bestrafung des Versuches gemildert werden. Neufassung des Abs. 2 durch 3. StÄG. I. § 111 durchbricht die akzessorische Natur der Anstiftung (vgl. § 48 und Vorbem. 47), insofern die öffentliche „Aufforderung" an k e i n e b e s t i m m t e P e r s o n gerichtet zu sein (E 3 145), nach Abs. 2 auch k e i n e n E r f o l g zu haben braucht. Vgl. auch § 49 a; der Unterschied ist aber — auch gegenüber dieser Bestimmung — grundsätzlicher Natur, da § 111, wie auch § 110, den Angriff auf die gesetzestreue Gesinnung a l s s o l c h e n straft. Deshalb hier, anders als in §§ 48ff., auch der agent provocateur strafbar. Vgl. ferner VO v. 15. 9. 23 betr. Aufforderung zum Steuerstreik (im Anhang). — Ähnlich das Schweizer StrRecht: vgl. Art. 259 mit Art. 24. II. Zu einer bestimmten (zum Unterschied von § 110: E 89 387, vgl. auch 50 146), nach inländischen Gesetzen, wenn auch nur nach Landesrecht strafbaren (E 12 161, 23 172) Handlung muß der Täter hier aufgefordert haben. Da hier Angriff auf rechtstreue Gesinnung vorausgesetzt wird (vgl. Anm. I), muß der Aufgeforderte s c h u l d h a f t handeln. A . A . Schönke-Schröder I I , Dreher-Maaßen 2. III. Aufforderung. Zum Begriff vgl. Anm. V I I zu § 110. — Ein Irrtum über die Rechtswidrigkeit derjenigen Handlung, zu der aufgefordert wird, schließt den Vorsatz des § 111 nur insoweit aus, als er bei dem Aufgeforderten ihn ausschließen würde. E 39 342, 40 300. IV. Die Folgen sind nach den allgemeinen Grundsätzen über Kausalzusammenhang zu beurteilen (E 57 285: nicht nötig, daß der Täter die Aufforderung selbst vernommen; es genüge, daß sie Folge der durch die Aufforderung hervorgerufenen allgemeinen Aufregung war). V. Die Neufassung des Abs. 2 (Gleichschaltung mit § 49a) beruht auf der irrigen Gleichsetzung dieser Stelle mit (versuchter) Teilnahme; vgl. Anm. II. VI. Tateinheit mit § 115 Abs. 1 u. § 125 Abs. 1: Hamm N J W 51 206. Aufreizung

von Heeresangehörigen

§ 112. [Aufgehoben durch K R G Nr. 11.] Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte

§113

(1) Wer einem Beamten, welcher zur Vollstreckung von Gesetzen, von Befehlen und Anordnungen der Verwaltungsbehörden oder von Urteilen und Verfügungen der Gerichte berufen ist, in der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes durch Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt Widerstand leistet, oder wer einen solchen Beamten während der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes tätlich angreift, wird mit Gefängnis von vierzehn Tagen bis zu zwei Jahren bestraft.

Widerstand gegen die Staatsgewalt § 113

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(2) Sind mildernde Umstände Torhanden, so tritt Gefängnisstrafe bis zu einem Jahre oder Geldstrafe ein. (8) Dieselben Strafvorschriften treten ein, wenn die Handlung gegen Personen, welche zur Unterstützung des Beamten zugezogen waren, oder gegen Mannschaften der bewaffneten Macht, oder gegen Mannschaften einer Gemeinde-, Schutz- oder Bürgerwehr in Ausübung des Dienstes begangen wird. I. Zweck. § 113 will nicht nur den Vollzug des Staatswillens, sondern auch den einzelnen Beamten schützen, dieser ist daher Verletzter gem. §61 Nr. 2 StPO: BGH 5 StR 249/55 v. 5. 7. 55. II. Beamter: vgl. § 359. Abgrenzung bei Braunschweig NdsRpfl. 47 90. — § 113 schützt nur den Vollstreckungsbeamten: Dazu gehört aber „jeder Beamte, der im konkreten Talle, wo ihm Widerstand geleistet wird, durch sein Amt zur Vollstreckung des Staatswillens berufen ist" (E 41 85). Deshalb nicht bloß Exekutivbeamte i. e. S. wie Gerichtsvollzieher (E 41 82), Amtsdiener (E 35 210), Gendarmen (E 55 161), sondern auch z. B. Lehrer (E 35 182), Richter in Ausübung der Sitzungspolizei (E 15 277). Dazu Abs. 3. — Vollstreckungsbeamte in Wohnungssachen erst, wenn vereidigt: Hamm HESt. 2 216. Anders Frankfurt NJW 51 852. Drei Gruppen v o n V o l l s t r e c k u n g s b e a m t e n sind geschützt: „Das unterscheidende Merkmal zwischen der ersten und den beiden anderen ist darin zu finden, daß demjenigen Beamten, der zur Vollstreckung von G e s e t z e n berufen ist, regelmäßig das Recht der eigenen selbständigen Entschließung zur unmittelbaren Verwirklichung des Gesetzeswillens zusteht, während die Beamten der beiden anderen Gruppen nur im Auftrage anderer Staatsorgane tätig werden, indem sie die Beschlüsse der V e r w a l t u n g s - o d e r d e r G e r i c h t s b e h ö r d e n zur Ausführung zu bringen haben" (E 41 85). — Ferner die zugezogenen H i l f s p e r s o n e n (auch Privatpersonen, E 25 253) sowie die Mannschaften des Abs. 3, z. B. Bundeswehr- oder Grenzschutzangehörige. III. In oder während der rechtmäßigen Amtsausübung wird der Vollstreckungsbeamte geschützt. Das setzt voraus: 1. In oder während: Die Amtshandlung muß schon b e g o n n e n haben (E 4 374, 14 259, 41 89) oder als eine auf bereits gefaßtem Entschluß beruhende Maßregel u n m i t t e l b a r b e v o r s t e h e n (E 41 183); andernfalls §114. BayObLGSt. 1 374. — Nicht geschützt ist ein PolBeamter, der unbefugt jemand geschlagen hat: Oldenburg NJW 52 1189. 2. Rechtmäßigkeit der Amtsausübung s e t z t nach der vom BGHSt. 4 161 ff. grundsätzlich und ausdrücklich übernommenen Rspr. des RG v o r a u s : a) S a c h l i c h e Zuständigkeit (E 40 212); b) örtliche. So im allg. RG. Jetzt BGHSt. 4 112 = JZ 53 701 (Anm. Kern): ob hierfür die Bezirkseinteilung maßgeblich ist, hängt von der Art der Amtshandlung ab; nicht z. B. bei Verbrechensverhütung. Nicht über die Landesgrenze hinaus, § 167 GVG: BGHSt. 4 113, anders nur bei LänderVereinbarung oder bei Verfolgungsbeginn im eigenen Lande: Hamm NJW 54 206. — Beamte des Wohnungsamts nur in ihrem Bezirk, Bahnpolizeibeamte nur auf Bahngebiet, BGHSt. 4 112; BayObLG NJW 54 362 (auch wenn zu Hilfsbeamten der StA bestellt, auch bei sonstiger innerdienstlicher Vereinbarung). — Noch schärfer ist die örtliche Begrenzung bei Handlungen von SBZ-Organen. Vgl. Vorbein.

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Widerstand gegen die Staatsgewalt § 113

c) Beobachtung der wesentlichen Formvorschriften (E 24 389 betr. ZPO § 759, ebenso BGHSt. 5 93; Maßnahmen des Geriohtavollz., die gerade auf Erfüllung des § 759 abzielen, während der Schuldner dies verhindern will, sind aber gedeckt); d) daß die Handlung, wenn sie dem Ermessen anheimgestellt ist, bei pflichtgemäßer Berücksichtigung der dem Beamten im Augenblicke vorliegenden Umstände g e b o t e n e r s c h e i n t ; insoweit gehören zum objektiven Tatbestand subjektive Elemente; ein t a t s ä c h l i c h e r I r r t u m des Beamten schließt die Rechtmäßigkeit seiner Amtsübung n u r aus, wenn dieser selber auf pflichtwidrigem Verhalten oder Ermessen beruht: Vgl. E 24 219, 35 210, 44 353. Über R e c h t s i r r t u m vgl. E 30 348. Vgl. noch E 26 22 betr. Zolleinnehmer; 38 373, 67 351 betr. Polizeimaßnahmen zwecks Strafverfolgung; 61 297 betr. Pfändung in einer Wohnung, die der GerVollz. irrig f ü r die des Schuldners hielt; K G in J W 37 762 betr. die Vorauss. f ü r die poliz. Verwahrung einer Person; D R 42 1782 betr. angetrunkenen und unzust. Beamten. Wie R G fordert und begnügt sich BGHSt. 4 164 mit „Ordnungsmäßigkeit der Ermessensausübung", e) Soweit der Beamte auf Befehl handelt, genügt dessen Innehaltung, ohne Prüfungspflicht auf Rechtmäßigkeit: BGHSt. 4 162 wie E 55 161, 58 195. Auf die s a c h l i c h e Rechtmäßigkeit der Vollziehungshandlung komme es nicht an, wenn diese Voraussetzungen erfüllt seien: BGH a. a. 0 . 164. Aber hier werden Begrenzungen (oben zu a—c) und Begründungen (zu d und e) der Rechtmäßigkeit nebeneinander gestellt. Das bedarf zäherer Stellungnahme. 3. Im einzelnen. a) F ü r Befehlsverhältnisse (Anm. I I Gruppen 2 u. 3) ist wesentlich, daß hier der Vollzugsbeamte nicht auch selber den abstrakten Gesetzeswillen auf den konkreten Fall zu beziehen hat, sondern daß diese Konkretisierung durch eine Mittelsperson zwischen Gesetzeswillen und Vollzugshandlung vorgenommen wird: den Befehlsgeber. Voraussetzung f ü r die Rechtmäßigkeit der Befehlsausführung ist hier die V e r b i n d l i c h k e i t d e s B e f e h l s . E r ist verbindlich, wenn er rechtmäßig ergangen ist. Rechtmäßig ergangen ist er — abgesehen von den in BGHSt. 4 162, 3 362 berührten, oben in Syst. Vorbem. I I I behandelten Fragen der materiellen R W — unter vier Voraussetzungen: a) Der Befehlsgeber muß zur Erteilung und ß) der Befehlsempfänger zur Ausführung solcher Befehle z u s t ä n d i g sein (z. B. der Gerichtsvollzieher ist unzuständig, einen Haftbefehl in Strafsachen zu vollstrecken; der Polizeibeamte ist unzuständig, ein Zivilurteil zu vollstrecken). y) E t w a nötige F o r m v o r s c h r i f t e n müssen erfüllt sein (z. B. Schriftlichkeit des richterlichen Haftbefehls), ö) Der Befehl muß entweder durch die Sachlage o b j e k t i v g e b o t e n , oder doch von dem Befehlsgeber n a c h p f l i c h t g e m ä ß e m E r m e s s e n f ü r o b j e k t i v g e b o t e n g e h a l t e n worden sein. Zum objektiven Tatbestand des § 113 genügt hier also — ebenso wie in den Ermessensfällen beim Vollzugsbeamten, vgl. oben 2 d) — u. U. ein subjektives Element: Der Glaube des Befehlsgebers an die Sachgemäßheit der Befehlserteilung (sein Irrtum über diese läßt aber nur dann die Verbindlichkeit des Befehls unberührt, wenn jener entschuldbar über die sachlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit des Befehls irrt; irrt er über die f ü r die Befehlserteilung maßgebenden Rechtsgrundsätze, so ist der Befehl unverbindlich). Vgl. hierüber bes. E 59 336 mit der dort zit. Rspr.; ferner E 2 416, 29 200, 40 212, 55 161, 59 404. — E r g e b n i s f ü r § 113: 1. War der Befehl sowohl objektiv sachwidrig wie auf Grund pflichtwidrig unrichtiger Beurteilung der Sachlage erteilt, so war er unverbindlich. Der ihn Aus-

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führende befindet sich nicht in rechtmäßiger Ausübung, W i d e r s t a n d i s t a l s o e r l a u b t . Ob der den Befehl Ausführende die Rechtswidrigkeit des Befehls erkannte, betrifft nur seine eigene Strafbarkeit, nicht die Strafbarkeit des Widerstandes. — BGHSt. 4 162 erklärt den Vollzugsbeamten im Gebiet p o l i z e i l i c h e r V e r k e h r s s i c h e r u n g durch den Befehl für gerechtfertigt, gleichgültig ob dessen gesetzliche Grundlage (§ 5 StVO) gültig oder ungültig war und ob der Vorgesetzte die Rechtslage verkannt hatte. Das ist, wie BGH zugibt, nicht zu verallgemeinern und gilt nur da, wo der Ordnungszweck und die Notwendigkeit sofortiger eindeutiger Regelung allen anderen Rechtswerten vorgehen wie eben bei der sozialethisch neutralen Verkehrsregelung. — 3 StR 212/53 v. 9. 7. 53 stellt darauf ab, daß der Polizeibeamten erteilte Befehl nicht offensichtlich rechtswidrig war. Ahnlich BGHSt. 4 165 für den Vollstreckungsbeamten selbst: rechtmäßig, wenn er nicht o f f e n s i c h t l i c h ohne Zuständigkeit oder willkürlich vorgeht oder e r s i c h t l i c h eine Straftat begeht. Betr. Ignorierung des Beschwerderechts Hamm MDR 51 440 (Anm. Stähler). 2. War dagegen der Befehl zwar objektiv sachwidrig, aber auf Grund pflichtgemäßer Beurteilung der Sachlage erteilt, so war er verbindlich (E 38 373, 61 297, 72 305 [311]; E 69 337 Heß diese Frage unentschieden). Der ihn Ausführende befindet sich danach in rechtmäßiger Amtsausübung, W i d e r s t a n d i s t also r e c h t s w i d r i g . Vgl. dazu freilich Anm. V ! b) Vollstreckung eines rechtskräftigen Urteils. In dem vielumstrittenen Fall Kiel S J Z 47 323 (Anm. Arndt) betont der Senat, daß der Auftrag des Vollzugsbeamten wesentlich weiter geht als die Kraft eines Befehls. — Abgesehen von der formalen Ordnungsmäßigkeit des Vollstreckungsauftrags ist zu prüfen, ob dieser in einem Verfahren ergangen war, das hinsichtlich der prozessualen Garantien wie hinsichtlich der angewendeten materiellen Bestimmungen den Erfordernissen entsprach, die an das Recht eines Kulturstaates gestellt werden müssen. Dies allein und nicht die Frage nach der Normenquelle ist für die formale und materielle Rechtsqualität der Amtsausübung entscheidend. — Kein strafbarer Widerstand gegen Vollstr.-Beamte des Wohnungsamts, wenn Beschlagnahme unzulässigerweise nach RLG statt nach dem Wohnungsges. des K R erfolgt war: LG Göttingen NdsRpfl. 48 89. IV. Die Handlung besteht entweder im Widerstandleisten, sei es durch Gewalt, sei es durch Bedrohung mit Gewalt, oder in tätlichem Angriff. Im einzelnen: 1. Gewalt ist positive Kraftäußerung gegen den Beamten. Betäubungsmittel: E 56 87. Vgl. auch § 52 Anm. I I . Passiver Widerstand, z. B. gegen Verhaftungen, genügt nicht. Als aktive Kraftäußerung faßt aber E 2 411 ein sich gegen den Boden Stemmen auf; Rechtspr. 7 280 ein Anklammern an einen Laternenpfahl. Der Autofahrer, der sich polizeilicher Kontrolle durch Vorbei- oder Davonfahren entzieht: BGH LM Nr. 1; 3 StR 687/53 v. 2. 9. 54. — Vgl. auch D R 42 1756. Ferner Oldenburg NdsRpfl. 53 152: Wegreißen des Fahrrades, das der Bahnbeamte zur Billettkontrolle festhielt. 2. Bedrohung mit Gewalt: hier gilt der allgemeine Begriff der Drohung (Anm. I I I zu § 114). 3. Zum tätlichen Angriff genügt Ausholen zum Schlag: E 41181, 59 264; er braucht sich nicht gegen die Amtshandlung zu richten. V. Rechtswidrig ist der Widerstand, wenn die Amtsausübung, gegen die er sich richtet, rechtmäßig und kein Rechtfertigungsgrund gegeben ist. Das W i d e r s t a n d s r e c h t des Art. 147 Abs. 1 HessVerf. darf gegenüber einzelnen Verwal-

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Widerstand gegen die Staatsgewalt § 114

tungsakten, z. B. Polizeiverfügungen, innerhalb der rechtsstaatlichen Ordnung nur auf dem Rechtswege, nicht als Selbsthilfe ausgeübt werden: BGH N J W 53 1639. — Gegen r e c h t s w i d r i g handelnden Beamten N o t w e h r möglich: BGHSt. 4 164. Vgl. oben I I I 3 a zu Hamm MDR 51 440 (Anm. Stähler). VI. Vorsatz: Nach § 59 sollte ein Irrtum des Widerstand Leistenden über die Tatumstände, die die Rechtmäßigkeit der Amtsübung bedingen, die Strafbarkeit ausschließen. Das RG folgerte aber die Unbeachtlichkeit dieses Irrtums aus der Entstehungsgeschichte und dem Zweck des § 133: E 55 161, 60 342. Die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung wurde damit aus einem Tatbestandsmerkmal in eine Bedingung der Strafbarkeit umgedeutet. Ebenso E 67 337, 72 301, DR 42 1782, Kiel SJZ 47 325 und in aller Form BGHSt. 4 163. Vermittelnd Welzel J Z 52, 19 Heitzer N J W 52, 729: es handle sich um einen Verbotsirrtum. — Richtigerweise muß man unterscheiden. Nimmt der Täter T a t u m s t ä n d e an, bei deren Vorliegen die Amtshandlung Unrecht wäre, so liegt vorsatzausschließende Putativnotwehr vor. E r hält z. B. in West-Berlin den Beamten f ü r einen sowjetzonalen Transportpolizisten. Andernfalls Verbotsirrtum, da es sich der Sache nach dann um rechtsirrige Annahme eines Gegenrechts (Notwehr, Selbsthilfe usw.) handelt. BGHSt. 4 161 erklärt S. 163, daß hier Tatbestands- und Verbotsirrtum überhaupt nicht, dagegen S. 164, daß Verbotsirrtum ausnahmsweise in Betracht komme; die Entsch. widerspricht zudem der stand. Rspr. über irrige Annahme von rechtfertigenden Umständen (seit BGHSt. 3 105). VII. Die Anwendung des § 113 Abs. 3 ist nicht durch die gleichzeitige Anwendung des § 113 Abs. 1 bedingt, sondern sie kann auch in Verbindimg z. B. mit § 117 zulässig sein: E 29 310. V m . Im Verhältnis zu § 114 ist § 113 (BGH N J W 53 672, vgl. aber auch den Fall der Tateinheit Frankfurt N J W 54 892), im Verhältnis zu § 117 ist letzterer das speziellere Gesetz: E 34 113. Vgl. auch § 114 Anm. VIII. § 116 Anm. VIII. § 117 Anm. VIII. IX. Zur Strafzumessung BGH GA 1955 244. Beamtennötigung

§114

(1) Wer es unternimmt, durch Gewalt oder Drohung eine Behörde, einen Beamten oder einen Soldaten der Bundeswehr zur Vornahme oder Unterlassung einer Amts- oder Diensthandlung zu nötigen, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe ein. (3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren. Neufassung 1. durch 3. StÄG: der neu eingefügte Abs. 3 paßt die Strafdrohung der der allgemeinen Nötigung an. 2. Durch 4. StÄG sind die Soldaten in den Strafschutz einbezogen worden. I. Unternehmen. Vgl. § 87.

Widerstand gegen die Staatsgewalt § 114

331

II. Gewalt: Vgl. § 113 Anm. I V 1. III. Drohung: Vgl. § 52 Anm. I I I . Ankündigung eines vom Drohenden selber zu verwirklichenden Übels; anders bloße Warnung. E 54 236, F r a n k f u r t H E S t . 2 233, B G H 5 StR 676/53 v. 2. 2. 54; 6 StR 8/54 v. 31. 3. 54. Anders in § 91, vgl. dort Anm. II. Subjektiv hier: Absicht der Furchterregung zwecks Nötigung: E 34 206. — Die Drohung muß mit einer bestimmten, wenn auch erst f ü r die spätere Zukunft in Aussicht stehenden Amtshandlung in erkennbarem Zusammenhang stehen. Daß das in Aussicht gestellte Übel hypothetisch ist, z. B. einen kommunistischen Umsturz voraussetzt, steht nicht entgegen: B G H 6 StR/54 v. 5. 5. 54. Auch Nachteile, welche allgemeine Interessen (z. B. Streikdrohung) betreffen, kommen in Betracht. Ob das angedrohte Übel eine an sich erlaubte Handlung darstellt, ist einerlei. E 46 106, 55 37. Betr. Ankündigung gegenüber einem Polizisten, den Fall in die Presse zu bringen, vgl. F r a n k f u r t u. a. N J W 53 1362 (Anm. Mezger). IV. Behörde: „Jedes auf gesetzlicher Grundlage in dauerndem, bestimmt geregeltem Bestände geschaffene, in das Gefüge der äußeren Verfassung des Staates als Bestandteil eingegliederte (mittelbare oder unmittelbare) Organ der Staatsgewalt, welches dazu berufen ist, unter öffentlicher Autorität nach eigenem Ermessen zur Herbeiführung der Zwecke des Staates tätig zu sein": E 40 161. Der ideelle, dauernde Träger staatlicher Rechte und Pflichten: E 18 246. Z . B . Industrie- und Handelskammern (E 52 198), Universitätsorgane, insbes. Fakultäten, E 17 208, BGH 5 StR 253/53 v. 15. 12. 53. V. Beamter: Siehe § 359. I m Gegensatz zu § 113 Beamte jeder Art geschützt. — Vgl. ferner ZAk. 37 697 mit Anm. von Stock (betr. Vorsitzenden eines Viehwirtschaftsverbandes) ; bedenklich ObGer. Danzig in Danz. J u r Z 38 50, wonach das Absperren des Gaszählers durch den städtischen Einziehungsangestellten Amtshandlung i. S. d. § 114 sein soll. Diese Handlung ist nicht aus der Staatsgewalt abzuleiten. VI. Amtshandlung: Diejenige Handlung eines Beamten, welche innerhalb seiner örtlichen und sachlichen Zuständigkeit gelegen und v e r m ö g e d i e s e r (nicht auf Grund einer jedem Staatsbürger obliegenden Pflicht) vorzunehmen ist: E 18 350. Ob die Amtshandlung rechtmäßig sein würde, ist gleichgültig. E 54 163. D R 42 1757. Die Nötigimg, das Amt niederzulegen, rechnet E 5622 nicht hierher, aber die Nötigung, die behördliche Tätigkeit einzustellen. VII. Innerer Tatbestand. Zum Vorsatz E 39 266: der Täter muß wissen, daß seine Handlung geeignet ist, die amtl. Entschließungsfreiheit zu beeinträchtigen. I m übrigen gilt das zu § 113 Anm. VI Gesagte entsprechend. Hier wie dort kommt es darauf an, ob der Handelnde Tatumstände annimmt, die sein Verhalten (auch nach Maßgabe des § 240 Abs. 2) rechtfertigen würden, oder ob er die erkannten Umstände rechtlich (als Laie) falsch bewertet. I m ersteren Falle Tatbestands-, im letzteren Verbotsirrtum. VIII. Konkurrenzen: § 113 ist im Verhältnis zu § 114 das speziellere Gesetz: E 20 35, BGH N J W 53 672. Vgl. § 113 Anm. V I I I . Tateinheit zwischen §§ 113 und 114 ist jedoch möglich, wenn über den Tatbestand des § 113 hinaus Drohungen geäußert werden, die von einem künftigen Vorgehen abhalten sollen ( H R R 38 487, F r a n k f u r t N J W 54 892). § 114 schließt die Anwendung von §240 aus: E 31 3; vgl. auch § 116 Anm. V I I I .

332 Aufruhr

Widerstand gegen die Staatsgewalt § 115

§115

(1) Wer an einer öffentlichen Zusammenrottung, bei welcher eine der in den §§ 118 und 114 bezeichneten Handlungen mit vereinten Kräften begangen wird, teilnimmt, wird wegen Aufruhrs mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft. (2) Die Bädeisführer, sowie diejenigen Aufruhrer, welche eine der in den §§ 113 und 114 bezeichneten Handlungen begehen, werden mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft; auch kann auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein. I. Geschützt wird in § 115 die Staatsautorität als Garant der öffentlichen Sicherheit. Nicht nur gegen p o l i t i s c h e Störungen, vgl. Hamm N.JW 51 206 (unten Anm. III). H. öffentlich ist eine Zusammenrottung nicht schon, weil an öffentlichem Ort stattfindend, sondern erst wenn die M ö g l i c h k e i t e i n e r B e t e i l i g u n g u n b e s t i m m t v i e l e r Personen gegeben war: E 20 298, 54 88. Auch innerhalb eines Gebäudes: BGH 3 StR 212/53 v. 9. 7. 53 wie E 54 88. n i . Zusammenrottung ist „das räumliche Zusammentreten einer Mehrheit von Personen zu einem gemeinschaftlichen bedrohlichen oder gewalttätigen Handeln": E 56 281. Vgl. auch E 13 17, 53 305. Die Absicht, den staatsbürgerlichen Frieden zu stören, macht eine Versammlung unfriedlich; sie ist f ü r das „Kommittec junger Friedenskämpfer" gerichtskundig; 2 StR 676/51 v. 5 . 6 . 5 3 mit Nachweisungen. Vgl. aber auch Hamm N J W 51 206: Aufruhr durch Zuschauer einer Sportveranstaltung. IV. Mit vereinten Kräften: Es genügt, daß die Handlungen von einzelnen ausgehen, wenn nur die übrigen sie in ihre Vorstellung und ihren Willen mit aufgenommen haben. RG J W 1933 429 (Anm. E. Wolf). V. Teilnahme: Vgl. § 125 Anm. I I I . Auch der Anschluß an eine Menge n a c h Ausübung von Gewalttätigkeiten genügt: E 54 85, BGH 2 StR 349/53 v. 24. 2. 54; wer mitmarschiert, kann seine Teilnahme nur durch tatsächliche Trennung beenden (wie E 54 301). VI. Rädelsführer: Die Führer oder Leiter des Aufruhrs, soweit auch selber an der Zusammenrottung beteiligt (E 60 331). Vgl. §§ 90, 125 sowie oben Anm. IV, ferner BGHSt. 6 129. VII. Vorsatz: der Täter muß wissen, daß die Menge friedensstörende Ziele hat und daß er diese durch seinen Anschluß fördert: E 53 47, BGH N J W 54 1694. v m . Idealkonkurrenz von §§ 115 und 125 möglich: E 29 11.

Widerstand gegen die Staatsgewalt §§ 116, 117 Auflauf

333

§116

(1) Wird eine auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen versammelte Menschenmenge von dem zuständigen Beamten oder Befehlshaber der bewaffneten Macht aufgefordert, sich zu entfernen, so wird jeder der Versammelten, welcher nach der dritten Aufforderung sich nicht entfernt, wegen Auflaufs mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ist bei einem Auflauf gegen die Beamten oder die bewaffnete Macht mit vereinten Kräften tätlicher Widerstand geleistet oder Gewalt verübt worden, so treten gegen diejenigen, welche an diesen Handlungen teilgenommen haben, die Strafen des Aufruhrs ein. I. öffentlich: wenn zur fraglichen Zeit tatsächlich allgemein zugänglich. E 21 13 und 370 (Wirtschaftsgarten), 40 126 (Friedhof), 42 313 (Bahnhofsvorplatz). II. Menschenmenge: Eine nicht mehr im Unterbewußtsein zählbare Anzahl. E 40 76 sagt nur, daß Ungeordnetheit, Unbestimmtheit der Zahl n i c h t zum Begriff gehört. Vgl. § 125 Anm. I. III. Zuständiger Beamter: vgl. § 359 und § 113 Anm. II. IV. Aufforderung an die versammelte Menge. E 18 66. Sie muß erkennen lassen, daß jeder den räumlichen Zusammenhang mit der Menge aufzugeben h a t ; gleich aus welchen polizeilichen Gründen: BGHSt. 5 245. Sinngemäße Auff.: BGH N J W 54 1694 (E 12 426). V. Sich nicht entfernen: echtes Unterlassungsdelikt (vgl. Syst. Vorbem. II). Jeder einzelne, der stehenbleibt, ist strafbar (E. 12 426), mag er auch die Aufforderung nicht selber gehört, sondern durch andere erfahren haben (E 21 154). Vgl. freilich §52! VI. Vorsatz entspr. § 115, vgl. dort Anm. V I I sowie 4 StR 400/53 v. 26. 11. 53: auf Billigung oder Mißbilligung der durch die anderen begangenen Straftat kommt es nicht an. — Die Rechtmäßigkeit der Aufforderung soll nach BGHSt. 5 245 Bedingung der Strafbarkeit, vom Vorsatz also nicht notwendig umfaßt sein. Vgl. dagegen § 113 Anm. VI. VII. Zu Abs. 2 vgl. § 115 Anm. IV. VIII. Abs. 2 kann mit §§ 113 oder 114 in Idealkonkurrenz stehen. Allgemein ist Tateinheit mit § 125 möglich: BGH 5 StR 402/52 v. 29. 5. 52, H a m m N J W 51 206 (auch mit § 111). Forstwiderstand

§117

(1) Wer einem Forst-, Jagd- oder Fischereibeamten, dem Eigentümer eines Waldes oder eines Fischgewässers, einem Forst- oder Fischereiberechtigten, einem Jagd- oder Fischereiausübungsberechtigten oder einem von diesen bestellten Aufseher in der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes oder Rechtes durch Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt Widerstand leistet, oder wer eine dieser Personen während der Ausübung ihres Amtes oder Rechtes tätlich angreift, wird mit Gefängnis von vierzehn Tagen bis zu drei Jahren bestraft.

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Widerstand gegen die Staatsgewalt § 117

(2) Ist der Widerstand oder der Angriff unter Drohung mit Schußwaffen, Äxten oder anderen gefährlichen Werkzeugen erfolgt, oder mit Gewalt an der Person begangen worden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter drei Monaten ein. (3) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt in den Fällen des Absatz 1 Gefängnisstrafe bis zu einem Jahre, in den Fällen des Absatz 2 Gefängnisstrafe nicht unter einem Monat ein. I. Vorbild f ü r §§ 117—119 war PrGes. v. 31. 3. 1837. Geschützt werden (entgegen der Überschrift des 6. Abschnitts) auch P r i v a t p e r s o n e n bei Ausübung ihrer Schutzrechte und -pflichten. — Der Kreis der geschützten Personen ist neu umgrenzt durch G. v. 28. 6. 35, Art. 10. Betr. J a g d : Angleichung an Reichsjagdgesetz v. 3. 7. 34 (jetzt Bundesjagdges. v. 29. 11. 52). Betr. Fischerei: Gleichstellung mit Jagdschutz, aber in anderer Ausdrucksweise, da hier noch verschiedenartige Landesgesetze gelten. II. Über J a g d s c h u t z b e r e c h t i g t e vgl. BJagdG § 25. Über ihr Recht zum W a f f e n g e b r a u c h : G. v. 26. 2. 35 (RGBl. I 363) und VO v. 7. 3. 35 (RGBl. I 377). — Betr. „ B e a m t e " : § 359 und E 48 177. — Zu allem E 72 305 — 313. III. Die „Bestellung" als Aufseher setzt weder Beamteneigenschaft voraus noch schafft sie solche. I m übrigen vgl. Anm. I I . IV. Amts- oder Bechtsausfibung: Strafrechtlich geschützt sind n u r Handlungen, die dem Schutz von Forst, J a g d oder Fischerei dienen (E 66 340); nicht die Ausübung von Rechten am Wald oder des Jagdrechts selber (E 2 170, 3 14, 20 156, 60 273). Dann aber nicht nur im Forst oder unmittelbar angrenzend, sondern überall, wenn nur örtliche und sachliche Zuständigkeit gegeben ist (E 23 357, 38 373). — Eine F e s t n a h m e , falls sie von einem Forstbeamten oder Waldeigentümer als solchem, wenn auch auf Grund des allgemeinen Rechts des § 127 StPO, vorgenommen wird (E 19 101, 2110). — H a u s s u c h u n g , falls aus allgemein polizeirechtlichen Gründen gerechtfertigt, sei es präventiv-polizeilich, sei es k r a f t Handelns als Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft. Ebenso B e s c h l a g n a h m e (E 37 32, 39 189). — W e g n a h m e d e s G e w e h r e s kann durch Notwehr geboten sein (E 35 403, 46 348). — Auch die §§ 229, 858, 859 BGB können Anlaß zu Handlungen werden, die sich als Amts- oder Rechtsausübung darstellen. — Ein Recht zur P r i v a t p f ä n d u n g zum Schutze des Jagdrechts besteht nicht mehr (E 34 154). — Keine Amtsausübung, wenn der Forstbeamte einem Waldarbeiter nur als Arbeitgeber gegenübersteht (E 5 413). V. Rechtmäßig muß die Ausübung stets sein (auch, obschon nicht erwähnt, beim Angriff). Daß ihre objektive Rechtmäßigkeit auch durch p f l i c h t g e m ä ß e s E r m e s s e n des Ausübenden gegeben sein kann, kommt, wie bei § 113, auch hier f ü r die Amtsausübung, nicht aber f ü r die private Rechtsausübung in Betracht. E 72 305 (311). VI. Der Vorsatz des Täters braucht nach der Rspr. die Rechtmäßigkeit der „Amts"-Ausübung hier sowenig zu umfassen, wie bei § 113 (vgl. aber dort Anm. VI), wenn der Täter nur weiß, daß ein Forstbeamter als solcher eine amtliche Tätigkeit ausübt; wohl aber die Rechtmäßigkeit der privaten „Rechts"-Ausübung: E 20 156, 27 70, 38 373. VII. Zur Handlung des Abs. 1 vgl. zunächst § 113 Anm. IV. Zu Abs. 2 : 1. „Schußwaffe" — auch ungeladen: E 9 176 — muß das Bedrohungsmittel sein; lediglich mündliche Drohung mit solchem genügt nicht: E 28 314.

Widerstand gegen die Staatsgewalt §§ 118, 119, 120

335

2. „Gewalt an der Person" nicht gleichbedeutend mit Gewalt gegen die Person. Unmittelbare Einwirkung nötig; fehlgehender Schuß genügt nicht. E 16 172. VIII. Gegenüber den §§113,114 ist § 117 lex specialis. (Vgl. § 113 Anm. V I I I ) . Bei Anwendung des § 113 oder § 117 bleibt § 17 des PrFeldForstPolG v. 21. 1. 26 außer Betracht: E 88 69. Schwerer Forstwiderstand

§118

(1) Ist durch den Widerstand oder den Angriff eine Körperverletzung dessen, gegen welchen die Handlung begangen ist, verursacht worden, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu erkennen. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter drei Monaten ein. I. § 118 bezieht sich nur auf § 117: E 23 69. II. Körperverletzung im Sinne des § 223: E 11 24 — ; sie braucht jedoch nur fahrlässig zu sein, § 56. Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung möglich. KI. Verursachung: dazu jetzt § 56 mit Anm. Gemeinschaftlicher Forstwiderstand

§119 Wenn eine der in den §§ 117 und 118 bezeichneten Handlungen von mehreren gemeinschaftlich begangen worden ist, so kann die Strafe bis um die Hälfte des angedrohten Höchstbetrages, die Gefängnisstrafe jedoch nicht über fünf Jahre erhöht werden. I. Gemeinschaftlich im Sinne des § 47. Vgl. E 28 98. Gefangenenbefreiung

§120

(1) Wer einen Gefangenen aus der Gefangenenanstalt oder aus der Gewalt der bewaffneten Macht, des Beamten oder desjenigen, unter dessen Beaufsichtigung, Begleitung oder Bewachung er sich befindet, vorsätzlich befreit oder ihm zur Selbstbefreiung vorsätzlich behilflich ist, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. I. Zweck: die obrigkeitliche Gewalt zu schützen, die sich in der Gefangenhaltung manifestiert: B G H N J W 56 69 wie L K 2. II. Gefangener: eine Person, der in gesetzlich gebilligter Form aus Gründen des öffentlichen Interesses (durch ein Organ der Staatsgewalt, kraft obrigkeitlicher Autorität) die persönliche Freiheit entzogen ist und die sich infolgedessen t a t s ä c h l i c h in der Gewalt der zuständigen Behörde (oder Beamten) befindet: E 12

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Widerstand gegen die Staatsgewalt § 121

162. Der Eingriff der Staatsgewalt muß dem Recht des Staates entspringen, bei der Handhabung der Polizei- und Strafgewalt jemand in Haft zu nehmen: E 39 7, 48 226, 73 347. Durch Festnahme seitens einer Privatperson wird jemand nicht Gefangener, sondern erst mit der Übernahme durch den zuständigen Beamten: E 13 254, 67 299; Untersuchungsgefangene, auch während Unterbringung in einer Krankenanstalt: E 19 330. Auch Jugendarrestanten. N i c h t aber Schularrestanten: E 39 7. Auch nicht Fürsorgezöglinge, da hier mit der Unterbringung Erziehung, nicht Schutz der Allgemeinheit bezweckt werde: E 73 347. Vgl. auch §§ 122a, 122b und § 257a sowie die PolVO v. 20. 2. 41 (RGBl. I 104) über den unbefugten Verkehr mit Gefangenen und sonst Verwahrten (gültig, BayObLG MDR 52 120). i n . Beamter: siehe § 359. IV. Äußere Rechtmäßigkeit der Gefangennahme ist n i c h t Voraussetzung der Anwendung des § 120: E 39 189. V. Befreit: d. h. der behördlichen Gewalt durch unberechtigte Einwirkung (Zwang, Drohung, Täuschung; Bitten genügen nicht: E 34 8) entzieht. VI. S e l b s t b e f r e i u n g ist — abgesehen von dem Bay. Ges. v. 28. 10. 46 (GVB1. 47 S. 11) und dem Württ.-Bad. Ges. v. 20. 11. 45 § 3 N 4, die inzwischen vom 1. ZivSen. in BGHSt. 4 396 für ungültig erklärt und durch 3. StÄG aufgehoben sind — nur als Meuterei oder gewaltsamer Ausbruch gemäß § 122 strafbar, also auch Anstiftung zur Selbstbefreiung an sich straflos. In § 120 wird die Beihilfe zur Selbstbefreiung (die auch in intellektueller Hilfeleistung bestehen kann: E 25 65) zum Sondervergehen erklärt, an dem folglich auch strafbare Teilnahme (Anstiftung und Beihilfe) möglich ist; solcher T e i l n a h m e a n d e r B e i h i l f e soll sich nach E 57 417, 61 31 auch der G e f a n g e n e s e l b e r schuldig machen können. Dagegen schon Binding Lb. 2, 591, Frank VI, jetzt eingehend Lange, Notw. Teilnahme, 1940, S. 85 ff. Rechtsähnliche Fälle in § 164 und § 257, vgl. dort Anm. VII. Versuch strafbar. Er liegt bei der zweiten Tatbestandshälfte schon im Beginn der Förderung der Selbstbefreiung, sobald Rechtsgut (oben Anm. I) unmittelbar gefährdet: BGH NJW 56 69 unter Hinweis auf BGHSt. 4 334, 6 98; vgl. auch BGHSt. 8 38, 9 62. Vm. Tateinheit mit § 257 möglich, dessen Abs. 2 f ü r § 120 nicht in Betracht kommt: E 57 301. Entweichenlassen von Gefangenen

§121

(1) Wer vorsätzlich einen Gefangenen, mit dessen Beaufsichtigung oder Begleitung er beauftragt ist, entweichen läßt oder dessen Befreiung befördert, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft. (2) Ist die Entweichung durch Fahrlässigkeit befördert worden, so tritt Gefängnisstrafe bis zu drei Monaten oder Geldstrafe ein. I. Wenn von einem Beamten begangen: §347. n . Gefangener: Vgl. § 120 Anm. II. IH. Beauftragt kann hier auch eine Privatperson sein: E 7 103; z. B. der Wärter in einer Krankenanstalt, der die Beaufsichtigung dahin gebrachter Gefangener übernimmt: E 19 330.

Widerstand gegen die Staatsgewalt § 122

337

IV. Beförderung der Befreiung durch einen Dritten oder der Selbstbefreiung. E 67 75. Entgegen E 61 31 kann der Gefangene auch hier nicht Teilnehmer sein; er ist stets straffreier mittelbarer Täter der Selbstbefreiung. Vgl. oben §120 Anm. VI a. E. V. Fahrlässigkeit. Voraussetzung ist sowohl Schaffung günstigerer Bedingungen f ü r die Entweichung durch Außerachtlassen der erforderlichen Vorsicht, a l s a u c h Vorhersehbarkeit der Entweichung. Auch das fahrlässige Entweichen lassen (sinngemäßer Auslegung): E 9 40 (bestr.). VI. Tateinheit mit § 257: E 7 244. Gefangenenmeuterei

§ 122 (1) Gefangene, welche sich zusammenrotten und mit vereinten Kräften die Anstaltsbeamten oder die mit der Beaufsichtigung Beauftragten angreifen, denselben Widerstand leisten oder es unternehmen, sie zu Handlungen oder Unterlassungen zu nötigen, werden wegen Meuterei mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft. (2) Gleiche Strafe tritt ein, wenn Gefangene sich zusammenrotten und mit vereinten Kräften einen gewaltsamen Ausbruch unternehmen. (3) Diejenigen Meuterer, welche Gewalttätigkeiten gegen die Anstaltsbeamten oder die mit der Beaufsichtigung Beauftragten verüben, werden mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft; auch kann auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. I. Selbstbefreiung an sich straflos. Vgl. oben §120 Anm. VI; ebendort zur Teilnahme des Gefangenen an seiner Befreiung durch andere. § 122 Abs. 2 macht den Versuch eines g e m e i n s c h a f t l i c h e n Ausbruchs z u m s e l b s t ä n d i g e n (zweiaktigen) Vergehen. II. Gefangene: siehe § 120 Anm. II. Schon wenn nur zwei zusammentreten (BGH 4 StR 818/52 v. 5. 11. 53); nicht aber, wenn davon einer nur zum Schein mitmacht. Hamm J Z 53 342 (zust. Anm. Maurach). III. Zusammenrottung: siehe § 115 Anm. H I . Vgl. noch E 8 1, 54 313, 55 67. Betr. Angreifen und Widerstand vgl. § 113 Anm. IV. IV. Zu der „Zusammenrottung" muß entweder Angriff oder Widerstand oder ein Unternehmen der Nötigung h i n z u k o m m e n . „Unternehmen" umfaßt Vollendung und Versuch i. S. des § 87. Nötigung hier nicht notwendig mit Gewalt oder Drohung. Z. B. genügt Arbeitsverweigerung bei Außenarbeit: BGHSt. 2 121 (wie E 58 76). In Abs. 2 muß mit dem gewaltsamen Ausbruch begonnen worden sein; der Plan ist noch nicht strafbar. — Der „Ausbruch" braucht nicht von dem Willen beherrscht zu sein, sich dauernd der Gefangenschaft zu entziehen (E 41 357). Er muß aber als ein gewaltsamer beabsichtigt sein (Gewalt gegen Sachen genügt: E 55 67, BGH 2 StR 374/51 v. 11. 11. 52; Anwendung falscher Schlüssel ist noch keine Gewalt: E 49 429) und mit vereinten Kräften erfolgen. Hierzu genügt gemeinsame Verabredung nicht (E 50 85, BGH 2 StR 374/51 v. 11. 11. 52). Strafbar ist aber jeder, der z u r M i t w i r k u n g bei d e r b e a b s i c h t i g t e n G e w a l t a n 22

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

338

Widerstand gegen die Staatsgewalt §§ 122 a, 122b

w e n d u n g b e r e i t w a r , mag auch diese selber dann nur von einem einzelnen begangen worden sein. Vgl. dazu E 17 47, 54 313, 58 76 sowie H R R 37 680 ( = J W 87 627), ferner § 115 Anm. IV. V. Täter gem. Abs. 3 ist nur wer s e l b e r Gewalt verübt; nicht etwa alle „Mittäter" der Meuterei (E 69 289, BGHSt. 5 344 mit Nacliw.). Dies gilt auch für Gehilfen: BGHSt. 9 119. Dort S. 121 begründete Bedenken gegen BGHSt. 8 294, wonach gemäß Abs. 3 zu strafen sei, wer als Mittäter einer Meuterei einen Mitmeuterer zu Gewalttätigkeiten anstiftet, auch wenn dies erfolglos bleibt. VI. Gewalttätigkeiten: Körperlicher Zwang g e g e n P e r s o n e n ; unmittelbare wie mittelbare Einwirkung auf den Körper. Seelischer Zwang genügt nicht. E 52 34, 54 88, 55 35. Der Beamte braucht aber die Gewalt nicht als gegen sich gerichtet zu empfinden: BGH N J W 53 350. VII. Rechtliches Zusammentreffen zwischen Mittäterschaft nach Abs. 1 und Anstiftung zu Abs. 3 (München N J W 50 879).

Sicherungsverwahrungsanstalt

und

Arbeitshaus

§ 122a In den Fällen der §§ 120 bis 122 steht einem Gefangenen gleich, wer In Sicherungsverwahrung oder in einem Arbeitshaus untergebracht ist. I. Eingefügt durch G v. 24. 11. 33, Art. 3. Vgl. §§ 42e und 42d, ferner §§ 122b, 257. Gefangener: § 120 Anm. II.

Sonstige behördliche Verwahrung

§ 122b (1) Wer, abgesehen von den Fällen der §§ 120, 121, 122 a, vorsätzlich jemand, der auf behördliche Anordnung in einer Anstalt untergebracht ist, aus der Verwahrung befreit oder ihm das Entweichen erleichtert, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag der Behörde ein, welche die Verwahrung bewirkt hat. I. Eingefügt durch G v. 24. 11. 33, Art. 3. II. Unterbringung z. B. in einer Heil- oder Pflegeanstalt, Trinkerheilanstalt, in einem Asyl; auch wer in einer Irrenanstalt auf polizeiliche Anordnimg untergebracht wird (bisher zu den Gefangenen i. S. der §§ 120 ff. gerechnet, vgl. E 44 171), ferner Fürsorgezöglinge (vgl. den abgeänderten § 76 des JugwohlfG). Unterbringung durch den (Amts-) Vormund keine V. „auf behördliche Anordnung": BGHSt. 9 262.

Verletzung der öffentlichen Ordnung § 123

339

Siebenter A b s c h n i t t Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung Vorbemerkungen I. Geschützt sind in diesem Abschnitt im wesentlichen öffentlicher Friede und Sicherheit; als ihr Garant die Staatsautorität, und zwar nur die deutsche. Soweit deren Schutz Selbstzweck wie z. B. in § 134, wird regelmäßig der Vorbehalt der Vorbem. I vor § 110 eingreifen. II. Bei staatsfeindlicher Absicht in allen Fällen dieses Abschn. Strafschärfung gem. §94.

Hausfriedensbruch

§123

(1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin yerweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird wegen Hausfriedensbruchs mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft. (2) Ist die Handlung von einer mit Waffen versehenen Person oder von mehreren gemeinschaftlich begangen worden, so tritt Geldstrafe oder Gefängnisstrafe bis zu einem Jahre ein. (3) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrags ist zulässig. 1. ßechtsgut hier n i c h t die öff. Ordnung, sondern das H a u s r e c h t , ein Rechtsgut eigener Art. Bestr., ob es dem B e s i t z r e c h t verwandt ist oder dem Recht der persönlichen F r e i h e i t näher steht. Es enthält Elemente von beiden; die Qualifikationsgründe des Abs. 2 sprechen eher für ein Freiheitsdelikt. II. Geschützte Orte. 1. Wohnung: Räume, die dem nicht auf bestimmte Verrichtungen oder Lebenszwecke beschränkten Aufenthalt einer Person freistehen und dienen. Vgl. auch E 12 133, 13 312 (Schiffe, Künstlerwagen). 2. Geschäftsräume. Abgeschlossene Räume, in denen jemand seine regelmäßige Erwerbstätigkeit ausübt. Vgl. E 13 312, 32 371. 3. Befriedetes Besitztum: Eingehegt mit dem erkennbaren Willen, Fremden den Zutritt zu verwehren; Zusammenhang mit Wohnung oder Gebäude nicht nötig: E 11 295, 20 150, 32 371, 35 395. 4. Öffentlicher Dienst: Der auf Vorschriften des öffentlichen Rechts beruhende dienstliche Verkehr mit dem Publikum. KG J W 27 1713. Zum öffentlichen Dienst bestimmt ist z. B. der Wahlraum: E 46 406. — Dem öff. Verkehr dienen z. B. Straßenbahnwagen (DR 41 2659 m. Anm. Bruns, E 75 355), Eisenbahnabteile. m . Die Handlung. 22*

340

Verletzung der öffentlichen Ordnung § 123

1. Widerrechtliches Eindringen: Bewußtes Eintreten gegen den ausdrücklichen oder durch Vorrichtungen sich offenbarenden, aber auch schon gegen den vermuteten Willen des Berechtigten, ohne daß der Eintretende ein besonderes Recht hierzu hat. E 12 132. Vgl. auch E 15 391 (der Vermieter ist nicht schon auf Grund seines Zurückbehaltungsrechts zum Eindringen befugt); 6 14 (die getrennt lebende Ehefrau ist nicht berechtigt, die Wohnung des Mannes gegen dessen Willen zu betreten, es sei denn, um das eheliche Zusammenleben wieder aufzunehmen); LG Hamburg in DR 411401 betr. Kontrollbeamten. — Eindringen des ganzen Körpers nicht erforderlich: E 39 440 (Hineinstrecken einer Hand mit Revolver durch eine gewaltsam bewirkte Öffnung). — Das Eindringen ist nicht ohne weiteres schon deshalb widerrechtlich, weil es der verfolgte Zweck ist (E 12 132; 20 150); bedenklich daher insoweit AG Leipzig in D J 38 341 (Benutzung einer öffentl. Fernsprechzelle zu mißbräuchlicher Inanspruchnahme des Apparates). E 68 65 lehnt offenbar in ähnlichem Falle § 123 stillschweigend ab. 2. Unbefugtes Verweilen. Bei ungebührlichem Benehmen in einer öffentlichen Wirtschaft: E 4 322. — Der Ehemann k a n n sich des Hausfriedensbruchs in Räumen schuldig machen, in denen mit seiner Genehmigung die Ehefrau selbständig Wirtschaft betreibt und die nicht zu den ehelichen Wohnräumen gehören: E 35 395. — Der Mieter, der unter Verletzung seiner zivilrechtlichen Räumungsverbindlichkeit in der Wohnung verbleibt und sie trotz Aufforderung nicht verläßt, ist n i c h t strafbar: E 36 322. — Über das Hausrecht des Mitinhabers einer gemeinschaftlichen Wohnung gegenüber Angehörigen eines anderen Mitinhabers E 72 57. Dieselben Grundsätze gelten, wenn ein Ehegatte gegen den Widerspruch des anderen den Täter zum Verlassen der Ehewohnung aufgefordert h a t : Mißbrauch des Hausrechts, wenn Duldung zuzumuten (vgl. BGH N J W 52 975): Hamm NJW 55 761. — E i n e Aufforderung genügt: E 5 109. — Als B e r e c h t i g t e r erscheint auch, wem ein Lokal zu einer Versammlung überlassen ist: E 24 194; aber auch, wer es hierzu überlassen hat: E 61 33. — Der Inhaber des ungestörten unmittelbaren Besitzes: E 57 139. — Gemeinsam Berechtigte: E 72 57. — Zu Unrecht Gekündigter: E 1 398. — In den Wartesälen eines Bahnhofes mit Restaurationsbetrieb: der Bahnhofswirt n u r , wenn ihm die Aufrechterhaltung der Ordnung in den W a r t e r ä u m e n zur Pflicht gemacht ist; allgemein jedoch die Bahnhofspolizeibeamten: E 36 188. — Arbeiter an der Arbeitsstätte nach Arbeitsniederlegung: Hamm JMB1 NRW 52 12 (mit Vorbehalten für Betriebsratsmitglieder). IV. Qualifizierter Hausfriedensbruch (Abs-. 2). 1. Waffe hier nicht im technischen Sinn, sondern allgemein gefährliche Werkzeuge umfassend: E 8 44. Vgl. § 243 Z. 5, § 250 Z. 1. — Es genügt, wenn der Täter die Waffe erst nach dem Eindringen in dem Räume selbst vorfindet und ergreift: 12 183. — Der Täter muß sich des Waffenbesitzes bewußt sein: E 8 44. — Nicht auch der Bedrohte: E 28 269. — Hausfriedensbruch mit Waffen begeht daher auch, wer sie verborgen mit sich führt: E 30 78. Auch wer an sich dienstlich zum Tragen der Waffe berechtigt ist: E 32 402. 2. Gemeinschaftlich: d. h. wenn der Hausfriedensbruch von mehreren Personen als Mittätern begangen worden ist: E 3 7. Betr. „Mittäter" RG auch hier, wie bei § 47, subjektiv: Auch wer, ohne die Räume zu betreten, das widerrechtliche Eindringen anderer mit Täterwillen fördert (z. B. draußen Wache steht), ist aus § 123 I I als Täter strafbar. E 55 60.

Verletzung der öffentlichen Ordnung § 124

341

V. Zum Vorsatz gehört die Kenntnis aller T a t u m s t ä n d e (§ 59), also auch das Bewußtsein, dem Willen des Berechtigten zuwiderzuhandeln. Eventualvorsatz genügt (nicht aber das Bewußtsein, gegen den „zu vermutenden" Willen des Berechtigten einzutreten; so freilich E 12 132). VI. Über das Verhältnis des § 123 zu anderen während des Hausfriedensbruchs begangenen Straftaten vgl. E 82 137. Ist Hausfriedensbruch Mittel zu einem nach § 243 strafbaren Diebstahl (z. B. als „Einbruch"), so ist jener neben § 243 nicht selbständig strafbar. E 53 279 und Vorbem. I I I 4 vor § 73. Tatmehrheit mit e i n f a c h e m Diebstahl möglich: H a m m JMB1 N R W 54 67. — § 368 Nr. 9 als lex specialis zu beachten; vgl. dort Anm. — Amtsdelikt: § 342. Dazu E 82 402: Idealkonk. mit § 123 Abs. 2. Hiergegen Welzel § 43 I I 2. Schwerer Hausfriedensbruch § 124 Wenn sich eine Menschenmenge öffentlich zusammenrottet und in der Absicht, Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen mit vereinten Kräften zu begehen, in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Bäume, welche zum öffentlichen Dienst bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, so wird jeder, welcher an diesen Handlungen teilnimmt, mit Gefängnis von einem Monatptis zu zwei Jahren bestraft. I. Geschütztes Rechtsgut ist hier diejöffentliche Ordnung. II. Die Handlung: 1. Eine Menschenmenge muß sich öffentlich zusammenrotten, 2. in geschützte Räume widerrechtlich eindringen, 3. dabei Gewalttätigkeiten beabsichtigen. 1. Menschenmenge: Vgl. § 116 Anm. H, § 125 Anm. I. 2. öffentliche Zusammenrottung: Vgl. §115Anm. I l u n d l l l . Nicht nur ein durch zufälliges Zusammentreten untereinander fremder Personen gebildeter ungeordneter Haufen, sondern auch ein geschlossener militärähnlicher Verband mit organisierter Führung (hier SA-Propagandazug) kann eine Zusammenrottung in diesem Sinne sein, wenn er rechtsfeindlich gesinnt ist (E 60 331). Eine zu einem erlaubten Zweck zusammengekommene Menge wird zu einer widerrechtlichen Z., wenn die Teilnehmer in dem Bewußtsein zusammenbleiben, daß nunmehr Gewalt verübt werde (RG J W 1934 1785; BGH 5 StR 603/52 v. 27. 11. 52, 3 StR 382/53 S. 13, 16 v. 3.12. 53). — Betr. widerrechtlich Eindringen usw. § 123 Anm. III 1. 3. Absicht: Anm. I I I , 1 zu § 59. Es genügt, daß ein Teil der Eindringenden diese Absicht hatte und der Täter dies wußte. E 51 422. 4. Gewalttätigkeiten: Vgl. § 122 Anm. VI. Die „Personen" brauchen nicht die Insassen der Wohnung zu sein. E 53 64. — G. gegen Sachen, auch ohne sie zu beschädigen: E 5 377, 30 391. HI. Teilnahme: es genügt Mittäterschaft i. S. von Anm. IV 2 zu § 123. IV. Konkurrenzen: Schwerer Raub schließt §124 aus: H R R 38 1207. Tateinheit mit § 125 möglich: E 55 41, BGH 3 StR 382/53 S. 17 v. 3. 12. 53.

342 Landfriedensbruch

Verletzung der öffentlichen Ordnung § 125

§125

(1) Wenn sich eine Menschenmenge öffentlich zusammenrottet und mit vereinten Kräften gegen Personen oder Sachen Gewalttätigkeiten begeht, so wird jeder, welcher an dieser Zusammenrottung teilnimmt, wegen Landfriedensbruches mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. (2) Die Rädelsführer, sowie diejenigen, welche Gewalttätigkeiten gegen Personen begangen oder Sachen geplündert, vernichtet oder zerstört haben, werden mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft; auch kann auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein. I. Betr. Menschenmenge vgl. § 116 Anm. I I . Sie kann auch durch mehrere einheitlich geleitete kleinere Trupps gebildet werden, wenn diese in räumlichem Zusammenhang stehen, der die Vorstellung einer Menschenmenge als räumlich verbundenes Ganzes zuläßt: E 60 332; B G H 2 S t R 15/50v. 22. 2. 52, 2 S t R 614/52 v. 28. 4. 53. II. Die Handlung besteht in öffentlicher Zusammenrottung (§115 Anm. I I und I I I ) und Begehung von Gewalttätigkeiten (vgl. § 122 Anm. V I und § 124 Anm. I I 4) „mit vereinten Kräften" (§ 122 Anm. IV). Zu den Gewalttätigkeiten gehört auch das „plündern, vernichten und zerstören" des Abs. 2. E 52 34. III. Teilnehmer nicht im Sinne der §§ 47 ff., sondern jeder, der vorsätzlich der zusammengerotteten Menschenmenge sich anschließt, mit dem Bewußtsein, sie durch seine Teilnahme zu verstärken, und mit Kenntnis ihres strafbaren Zwecks (Neugierde, welches dieser Zweck sei, macht noch nicht strafbar: E 20 403 u. 405). Vgl. E 56 281, 58 207, 60 331. Sehr weitgehend E 53 46 (der Arzt, der einer aufrührerischen Bande seine Dienste zur Verfügung stellte). Ebenso aber B G H N J W 54 1694; selbst bei Mißbilligung der Gewalttätigkeiten: E 55 249. Zum Vorsatz genügt das Bewußtsein, sich in einer zusammengerotteten Menge zu befinden, welche gegen Personen oder Sachen Gewalttätigkeiten begeht, verbunden mit dem Willen, in dieser Menge und als ein T e i l derselben zu bleiben: E 55 248. N i c h t erforderlich sind Absicht der Selbstbegehung von Gewalttätigkeiten (E 20 403) und Teilnahme gerade zur Zeit der Begehung solcher (E 36 174, 54 85). — Nicht ist Teilnehmer, wer in der Menge ihrem gesetzwidrigen Handeln entgegenwirkt: E 54 201, B G H N J W 54 1694. IV. Qualifizierungen des Abs. 2, auf die § 50 Abs. 2 anzuwenden ist: 1. Rädelsführer: Siehe § 115 Anm. V I sowie — sehr weitgehend — Frankfurt H E S t . 1 32 (mit lehrreicher Übersicht): Rädelsführer auch der, der, wenn auch innerlich widerstrebend, nach außen hin eine führende Rolle spielt und sich dieses Eindrucks bewußt ist. Ebenso 3 S t R 783/53 v. 25. 3. 54. 2. Begehung von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, auch ohne Verletzung oder Beschädigung: E 45 155, 52 34. — Auch wer sich als Mittäter einer Körperverletzung schuldig macht, ohne sie eigenhändig zu setzen: BGHSt. 5 344; vgl. 2 284. 3. Plünderung, Vernichtung, Zerstörung von Sachen; zu letzterer vgl. § 303 Anm. I I I . Hier ist völliges Unbrauchbarmachen notwendig: E 39 224. — Über P l ü n d e r n vgl. E 52 34: Wegnahme oder Abnötigung in rw. Zueignungsabsicht unter Ausnutzung derdurchdenLandfriedens-

Verletzung der öffentlichen Ordnung §§ 126, 127

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brach geschaffenen Ordnungaatörung. Auch bei Weitergabe: BGHSt. 4 238. Offen läßt BGH 3 StR 783/53 S. 5 v. 25. 3. 54, ob es genügt, wenn der Täter nur wegnimmt oder abnötigt, um einem anderen die Sachherrschaft zu verschaffen (so aber 3 StR 981/51 v. 17. 4. 52). V. Anstiftung oder Beihilfe kann begehen, wer nicht selbst an der Zusammenrottung „teilnimmt" (Anm. III): BGHSt. 2 281 = NJW 52 672. Bedingter Vorsatz genügt. VI. Zur Rechtswidrigkeit vgl. BGH 5 StR 172/54 v. 19. 10. 54: Keine der Streikmaßnahmen, die über die bloße Niederlegung der Arbeit hinaus strafrechtlich geschützte Interessen verletzen, wird durch das sog. Streikrecht gerechtfertigt (vgl. Schröder, Streik und Streikrecht in BB 1953 S. 1017). — Streikposten, die Arbeitswillige umstimmen wollen, handeln nicht rw„ BayObLG N J W 55 1806. Eingehend dazu Heinitz J R 56, 3. VII. Idealkonkurrenz von §§ 124, 125 möglich: E 55 41. — IdKonk. mit §§ 211, 212, 250: E 56 247; mit §§ 223a, 226: E 65 389. - Vgl. § 115 Anm. VIII. - Dagegen ist § 125 gegenüber dem § 360 Ziff. 11 (grober Unfug) das speziellere Gesetz. E 53 257. — Der nach Abs. 1 Schuldige kann an den geplünderten Sachen Hehlerei begehen: E 58 207.

Landzwang

§126

Wer durch Androhung eines gemeingefährlichen Verbrechens den öffentlichen Frieden stört, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft. I. Vgl. Abschnitt 27 des StGB und das SprengstoffG. II. öffentlicher Friede: vgl. E 15 117, auch § 110 Anm. I sowie § 130 Anm. I. III. Störung: Eine Beunruhigung muß tatsächlich eingetreten und der Drohende sich dieser Möglichkeit bewußt gewesen sein: E 7 393.

Bildung bewaffneter

Haufen

§127

(1) Wer unbefugterweise einen bewaffneten Haufen bildet oder befehligt oder eine Mannschaft, von der er weiß, daß sie ohne gesetzliche Befugnis gesammelt ist, mit Waffen oder Kriegsbedürfnissen versieht, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. (2) Wer sich einem solchen bewaffneten Haufen anschließt, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft. I. Haufen ist eine sich räumlich eng zusammenschließende Menge: E 56 281. — Mannschaft setzt dies nicht voraus, dagegen — anders als der Haufen — eine gewisse Manneszucht und Gliederung. n . Waffen hier nicht wie in § 223a, sondern typische Kampfwaffen. RG J W 1981 1565.

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Verletzung der öffentlichen Ordnung § 128

III. Für Abs. 2 ist es einerlei, ob der sich Anschließende selbst bewaffnet ist: E 30 391. Er muß sich nur eingliedern: E 56 281.

Geheimbündelei

§128

(1) Die Teilnahme an einer Verbindung, deren Dasein, Verfassung oder Zweck vor der Staatsregierung geheimgehalten werden soll, oder in welcher gegen unbekannte Obere Gehorsam oder gegen bekannte Obere unbedingter Gehorsam versprochen wird, ist an den Mitgliedern mit Gefängnis bis zu sechs Monaten, an den Stiftern und Vorstehern der Verbindung mit Gefängnis von einem Monat bis zu einem Jahre zu bestrafen. ( 2 ) Gegen Beamte kann auf Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter auf die Dauer von einem bis zu fünf Jahren erkannt werden. I. Zweck: den öffentlichen Frieden vor Beunruhigung durch Geheimbündelei zu bewahren. Staatsfeindlich oder verboten braucht die Verbindung nicht zu sein (2 StR 770/52 v. 19. 6. 53). A. A. über den Strafgrund v. Hippel Lb. S. 375 Anm. 4. Über den weitergehenden Conspiracy-Begriff des angelsächsischen Rechts s. Schönke DRZ 47, 331 ff. — Zum Begriff des Organisationsverbrechens vgl. Haensel, Das Org.-Verbr., 1948. II. Teilnahme als Mitglied. Nicht im förmlichen Sinne zu verstehen; vielmehr jeder, der seinen Willen dem der Verbindung unterordnet und fortdauernd für ihre Zwecke tätig wird: 6 StR 56/55 v. 5. 10. 55, 6 StR 4/55 v. 30. 3. 55. — Qualifiziert als Stifter, Vorsteher: E 6215. T.bedeutet hier wie in § 125 (Anm.III) T ä t e r s c h a f t . Echte Teilnahme (§§ 48,49) an den qualifizierten Begehungsformen möglich (vgl. § 125 Anm. V), Stifter = Gründer i. S. des § 90a (Anm. I I 1). V o r s t e h e r ist, wer sich an der Leitung beteiligt, sei es auch nur in der Weise, daß er auf die Führung einer U n t e r g l i e d e r u n g einen bestimmenden Einfluß ausübt. Diese Voraussetzungen sind nicht bei jedem „Funktionär" gegeben. 6 StR 120/54 v. 2. 6. 54. Der Rädelsführer i. S. des § 90 a ist nicht ohne weiteres auch „Vorsteher" i. S. des § 128. Das ist nur, wer innerhalb der Verbindung entweder selbst mit wesentlichen Weisungsbefugnissen ausgestattet ist oder wer maßgeblichen Einfluß auf das Zustandekommen von Weisungen übergeordneter an untergeordnete Stellen innerhalb der Verbindung ausübt. 6 StR 283/54 v. 8. 12. 54. III. Verbindung: Eine auf Unterordnung der einzelnen unter den Willen der Gesamtheit beruhende, Einwirkung auf öffentliche (nicht notwendig politische), E 41 264, Angeigenheiten bezweckende (streitig) Vereinigung mehrerer auf längere Dauer. E 18273 (mit Entstehungsgeschichte), E 24328. Vgl. § 49 b Anm. III, § 90a Anm.III, auch betr. „Vereinigung". — Darüber, wann ein T e i l einer Organisation Verbindung oder Vereinigung ist, vgl. BGHSt. 10 16 (unten § 129 Anm. I I ) . IV. Die Absicht der Geheimhaltung kann sich von selbst und stillschweigend ergeben: E 13 273. Eine geheime Verbindung ist offenkundig die FDJ: 2 StR 770/52 v. 19. 6. 53, 6 StR 87/54 v. 24. 3. 54, 6 StR 154/54 v. 7. 4. 54, 6 StR 112/54

Verletzung der öffentlichen Ordnung § 129

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v. 5. 5. 54. Jedoch i. S. des § 128 nur insoweit sie sich innerhalb des Bundesgebiets betätigt (6 StR 56/55 v. 5. 10. 55). Entsprechendes muß für die Betätigung in Westberlin gelten. V. Rechtswidrigkeit. Kein „Notwehrrecht" gegenüber einem angeblich gesetzwidrigen Verbot; denn selbst ein solches könnte den Mitgliedern der betroffenen Verbindung kein Recht zur Geheimbündelei geben, da ihnen innerhalb der rechtsstaatlichen Ordnung andere gesetzmäßige Mittel zur Wahrung ihrer Rechte zu Gebote stehen: 6 StR 28/54 v. 5. 5. 54. VI. Spezialgesetz gegenüber § 129 a. Idealkonkurrenz mit § 129 möglich (vgl. oben Anm. I). VII. Zu Abs. I I : Die Voraussetzungen der §§ 32, 35 gelten hier nicht. Kriminelle

Vereinigungen

§129

(1) Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, strafbare Handlangen zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, sie sonst unterstützt oder zu ihrer Gründung auffordert, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern oder liegt sonst ein besonders schwerer Fall vor, so kann auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren erkannt werden. Daneben kann Polizeiaufsicht zugelassen werden. (3) Bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, kann von Strafe abgesehen werden. (4) Nach diesen Vorschriften wird nicht bestraft, wer das Fortbestehen der Vereinigung verhindert oder von ihrem Bestehen einer Behörde so rechtzeitig Anzeige erstattet, daß eine den Zielen der Vereinigung entsprechende Straftat noch verhindert werden kann. Dies gilt auch für den, der sich freiwillig und ernstlich bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, wenn nicht sein Bemühen, sondern ein anderer Umstand dies erreicht. I. Entstehung. § 129 a. F. bestrafte nur die Teilnahme an Verbindungen, die eine illegale Einwirkung auf öffentliche Angelegenheiten bezweckten. Der RegEntw. behielt dies bei, setzte aber — nach dem Vorbild des § 298 Abs. 2 Entw. 1936 — eine dem jetzigen Abs. 1 entsprechende Handlungsweise gleich. Diese ist nunmehr allein stehengeblieben, so daß § 129 unvermerkt einen Sinnwandel durchgemacht hat und nichc mehr in den 7. Abschnitt der Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung, sondern in die Nachbarschaft des § 49 b oder allenfalls des §111 gehört, z. B. Verbrechervereine („Ringvereine", „Sparvereine") trifft. 6 StR 161/54 v. 16. 6. 54 (ebenzo 6 StR 153/54 v. 29. 5. 54) meint allerdings, das in der neuen Fassung geschützte Rechtsgut sei von dem der a. F. nicht wesentlich verschieden. Den gleichen Prozeß der Verallgemeinerung einer ursprünglich politisch zugespitzten Strafnorm hat § 49 b selbst erfahren, vgl. dort Anm. I. Terminologisch und im Strafrahmen ist §129 n.F. auf ihn nicht genau abgestimmt („Vereinigung" und „Verbindung", vgl. § 90a Anm. III, § 128 Anm. III).

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Verletzung der öffentlichen Ordnung § 129

II. Bereinigungen (zum Begriff s. Anm. I a. E. und BGHSt. 10 16, wonach V. auch der bis zu einem gewissen Grade selbständige oder mit Sonderaufgaben betraute Teil einer Organisation), deren Zwecke auf die Begehung strafbarer Handlungen gerichtet sind, z. B. Verbrechervereinigungen, unterscheidet das Ges. von solchen, deren Tätigkeit hieraufgerichtet ist; so die der FDJ, wenn auch nicht ausschließlich (2 StR 170/53 v. 9. 10. 53). Die Begehung strafbarer Handlungen braucht nicht der Endzweck oder der ausschließliche Zweck der V zu sein. Es genügt, daß die strafb. Hdlgen. die Erreichung des Endziels vorbereiten sollen: 6 StR 36/54 v. 5. 5. 54, Abs. 4 spricht von Zielen der Vereinigung. Das sind die, die ihre maßgebenden Führer und Funktionäre verfolgen, 6 StR 58/54 v. 24. 3. 54. Kollektivcharakter der Entscheidungen, Richtungsstreitigkeiten, Anonymität der letztendigen Fremdsteuerung verbieten es auch hier, Zwecke, Ziele, Richtungen mit subjektiver Finalität, also dem Willen einzelner, gleichzusetzen; sie sind im Sinne objektiver Finalität zu bestimmen, als die tatsächliche Resultante der verschiedenen Willensrichtungen und Strebungen. Vgl. auch „Bestrebungen" in §§ 90, 92—97 sowie insbes. „Vereinigung", „Zwecke", „Tätigkeit", „sich richten", „Bestrebungen" in § 90a. Dazu grundsätzlich § 88 Anm. I 2. Strafbare Handlungen. Die der §§ 90a, 128 gehören nicht zu denen, an die § 129 anknüpft, da sie selbst Vereinigungsdelikte sind: BGHSt. 7 6, ebenso scheidet § 81 aus: BGH NJW 54 1253. Denn § 129 meint nur Handlungen, die tatbestandsmäßig nicht mit dem Zusammenschluß und seiner Aufrechterhaltung zusammenfallen, sondern ihm zeitlich und logisch nachfolgen (BGHSt. 7 8). Vgl. im übrigen 6 StR 52/54 (unten I I I 1). Gründer: § 90a Anm. I I 1. Mitglied: § 128 Anm. II. — Aulforderung § 110 Anm. VII; jedoch hier nicht notwendig öffentlich. m . Zu Abs. 2. 1. Der Begriff des Rädelsführers ist derselbe wie in § 90 a. Nicht erforderlich ist, daß sich die maßgebliche Beteiligung gerade auf die Begehung der strafbaren Handlungen bezieht. Auch wer die Vereinigung sonst in bedeutsamer Weise unterstützt, kann Rädelsführer sein: BGHStE 1/52 v. 4. 6. 55. Es genügt, wenn sich die Angehörigen der Vereinigung planmäßig gewisser Straftaten schuldig machen und dies dem Willen der maßgebenden Funktionäre entspricht: BGH 6 StR 52/54 v. 2. 6. 54 (auch zu Abs. 1). Vgl. § 90a Anm. I I 2. 2. Hintermann vgl. § 90 a Anm. I I 3. 3. Besonders schwere Fälle bleiben nach allg. Regel Vergehen, auch wenn die gesetzlichen Beispiele (Rädelsführer, Hintermann) gegeben sind (BGHSt. 11 233, 240 gegen 8 168) und die Tat in concreto mit Zuchthaus geahndet wird. Vgl. § 1 Anm. VI 4, § 90a Anm. VIII. Über die Bedeutung des „kann" vgl. § 94 Anm. III. IV. Zu Abs. 3 gelten die systematischen und kriminalpolitischen Bedenken wie zu § 90 Abs. 5, vgl. dort Anm. V, solange nicht das Strafzumessungsystem insgesamt geregelt und zu §§ 153, 153 a StPO in gesetzliche Beziehung gebracht worden ist. V. Tätige Reue ist hier nach dem Grundgedanken des §49a Abs. 4 geregelt; ein neuer Beitrag zur sinnvollen Auslegung der tätigen Reue bei untauglichem Versuch. Weniger weit geht neuerdings die Rücktrittsprämie bei Hochverrat, vgl. zu §82.

Verletzung der öffentlichen Ordnung § 129 a

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VI. Strafzumessung. Betr. Ü b e r z e u g u n g s t ä t e r vgl. BGHSt. 8 162, betr. Jugendverfehlung BGHSt. 8 90, betr. Strafaussetzung zur Bewährung BGHSt. 7 6 (darf nicht schlechthin von Gesinnungsänderung abhängig gemacht werden). VII. Konkurrenzen. Bei Strafschärfung gem. § 94 ist der gleichzeitig verwirkte § 97 nicht anwendbar: BGHSt. 8 191. — § 90a geht als Spezialgesetz vor. — IdKonk. mit § 128 möglich, vgl. dort Anm. VI. Bei tateinh. Zusammentreffen von § 129 Abs. 2 (Rädelsführer oder Hintermann) und § 129 a ist nur § 129 Abs. 2 anwendbar. Das gleiche gilt, wenn §94 hinzutritt: BGHSt. 8 167. VIII. Polizeiautsicht gem. Abs. 2 S. 2 nur neben Zuchthaus möglich: NJW 54 1615, vgl. BGHSt. 6 182. Fortführung

verbotener

Vereinigungen

§ 129 a (1) Hat das Bundesverwaltungsgericht oder das oberste Verwaltungsgericht eines Landes festgestellt, daß eine Vereinigung gemäß Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes verboten ist, so wird jeder, der die Vereinigung fortführt, den organisatorischen Zusammenhalt auf andere Weise weiter aufrechterhält, sich an ihr als Mitglied beteiligt oder sie sonst unterstützt, mit Gefängnis bestraft, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist. (2) § 129 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend. (3) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet auf Antrag der Bundesregierung, das oberste Verwaltungsgericht eines Landes auf Antrag der Landesregierung. I. Systematische Stellung. Die Bestimmimg erscheint ihrem Standort und ihrer Nummer nach als ein Annex zu § 129 n. F. und wird z. B. von Schafheutie S. 619 als ergänzende Strafnorm zu diesem und zu § 90a ausgelegt. Systematisch gehört sie aber nur zu letzterem, da § 129 nicht mehr ein spezifisch politisches Delikt umschreibt (dort Anm. I), mögen politische Vereinigungen auch in Zukunft noch einen seiner Hauptanwendungsfälle bilden. II. Das Wesen des § 129 a bestimmt Schafleutle a. a. O. zutr. als vorsätzlichen Ungehorsam gegen die verwaltungsgerichtliche Vorentscheidung gem. Art. 9 Abs. 2 GG. Der Sache nach soll § 129a den Staat und die öffentliche Ordnung vor Angriffen schützen, die von verbotenen Vereinigungen ausgehen: BGHSt. 8 167. Für k r i m i n e l l e Vereinigungen gilt § 129, und zwar meist unter Ausschluß von § 129a (Subsidiarität), BGHSt. 8168. Für P a r t e i e n § 90a Abs. 3, f ü r G r ü n d e r , R ä d e l s f ü h r e r , H i n t e r m ä n n e r sonstiger Vereinigungen § 90a Abs. 1 (vgl. dort). Für F o r t f ü h r u n g v e r b o t e n e r P a r t e i e n §§42, 47 BVerfG, dazu BGH St. 7 104. Der Gesetzestext gibt zu dem Mißverständnis Anlaß, als sei das Verbotensem objektive Bedingung der Strafbarkeit. In Wahrheit ist Verbotskenntnis erforderlich. Ein Irrtum über das Verbot schließt den V o r s a t z aus (vgl. Syst. Vorbem. IV 4b, JZ 56, 73 ff.). Um den Strafschutz an dieser für seine Breitenwirkung ungemein wichtigen Stelle nicht stumpf werden zu lassen, wird daher f ü r sofortige weiteste Verbreitung der allfälligen Entscheidungen gemäß Art. 9 Abs. 2 GG zu sorgen sein.

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Verletzung der öffentlichen Ordnung § 130

HI. Zu Abs. 2 vgl. Anm. I V und V zu § 129 sowie Anm. zu § 90 a und zu § 90 Abs. 5. Darüber, daß für die Rücktrittsprämie der § 129 Abs. 4 so gut wie bedeutungslos ist, vgl. BGHSt. 9 310 (318). Angesichts der ausgesprochen kriminalpolitischen Zweckbestimmung des § 129 Abs. 4, die heute verfehlt wird, wäre gerade hier eine ebenso freie Auslegung wie in BGHSt. 10 46 (betr. Täterkreis in § 100 d Abs. 2 und bloße Kann-Einziehung gem. § 98 Abs. 2) dem Geist des Gesetzes gemäß. Vgl. oben § 2 Anm. I I I C 2. IV. Konkurrenzen: Vgl. Anm. I und § 129 Anm. V I I (BGHSt. 8 167). V. Zum Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts vgl. §§ 9 I d , 77, 78 BVerw.GerG v. 23. 9. 62 (BGBl. I 625). Die Verfassungsfeindlichkeit der F D J hat das BVerwG festgestellt ( N J W 54 1514).

Anreizung zum Klassenkampf §

130

Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschiedene Klassen der Bevölkerung zu Gewalttätigkeiten gegeneinander öffentlich anreizt, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. I. Geschützt ist der öffentliche Frieden, und zwar im o b j e k t i v e n Sinne gewährleisteter geordneter Zustände wie im s u b j e k t i v e n des Gefühls der Rechtssicherheit. Vgl. E 15 117, 34 268, 54 26. — öffentlicher Friede. Gegensatz: Gewissensbeunruhigung des einzelnen, E 71 284 (betr. den fr. § 130a). IL Klassen der Bevölkerung: „Eine Mehrheit von Personen, welche wegen gleicher Lebensstellung oder wegen einer Übereinstimmung der Ansichten, Zwecke oder Interessen als verbunden betrachtet werden": so Mot. und E 60 324; z. B . Arbeiter und Unternehmer; Städter und Bauern (E 54 26), Juden und Christen (E 32 352); Einheimische und Flüchtlinge; nicht aber vorübergehende Gruppierungen, wie Streikende und Arbeitswillige (E 35 96). III. Die Handlung besteht im öffentlichen Anreizen zu Gewalttätigkeiten gegeneinander. 1. öffentlich: in der Allgemeinheit zugänglicher Weise (z. B . durch Verbreitung von Druckschriften [ E 39 87]): E 28 387. Vgl. § 110 Anm. I. 2. Anreizen: E s ist nicht erforderlich, daß zu bestimmten Gewalttätigkeiten angereizt werde: Rechtspr. 8, 109. 3. Gewalttätigkeiten: vgl. § 122 Anm. V I , § 124 Anm. I I 4, § 125 Anm. I V 2. 4. Gegeneinander auch wenn, wie meist, nur einseitig gemeint. IV. Vorsatz, auch eventueller genügt. A b s i c h t der Friedensgefährdung ist nicht verlangt: E 50 324, 54 26.

Verletzung der öffentlichen Ordnung § 131, 132

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§ 130 a Kanzelmißbrauch. Durch 3. StÄG gestrichen Staatsverleumdung

§ 131 Wer erdichtete oder entstellte Tatsachen, wissend, daß sie erdichtet oder entstellt sind, öffentlich behauptet oder verbreitet, um dadurch Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrigkeit verächtlich zu machen, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. I. Geschützt ist auch hier nur die d e u t s c h e Staatsautorität. Vgl. aber § 103, auch § 104. II. Die Tatsachen — vgl. § 186 Anm. I — müssen objektiv geeignet sein, verächtlich zu machen: E 1 161. — Entstellt: vgl. § lOOd Anm. I I I ; doch braucht die E hier nicht „gröblich" zu sein. — Öffentlich: § 110 Anm. I ; Behaupten oder Verbreiten: § 186 Anm. III. m . Staatseinrichtungen: „Die dauernden Bestandteile der Verfassung und Verwaltung; die auf die Erfüllung des Staatszwecks hinzielenden, f ü r die Dauer bestimmten organischen Schöpfungen auf irgendeinem Gebiete der staatlichen Tätigkeit." Nicht dagegen: „was der Staat nicht sich selbst schafft, was unabhängig vom Dasein des besonderen Staates als Bestandteil allgemein menschlicher Kulturzustände sich darstellt", wie Ehe, Familie, Privateigentum, die der Staat nur „anerkennt und schützt"; wohl aber z. B. „die Zivilehe". E 22 253. — Staatseinrichtung ist danach auch die jeweilige Staatsform und „Verfassung". Auch Verächtlichmachung des P a r l a m e n t s (Staatseinrichtung). IV. Anordnungen der Obrigkeit: solche, die das allgemeine Recht oder die öffentliche Ordnung berühren. Anordnungen, die lediglich den inneren Geschäftsverkehr betreffen, gehören nicht hierher: E 23 151. Unterlassungen nur, wenn mit ihnen positive Maßregeln verbunden sind, die durch die Kritik mitgetroffen werden sollen: E 30 263. — R e c h t s g ü l t i g k e i t der Anordnungen nicht erfordert (bestr.). — Betr. O b r i g k e i t vgl. § 110 Anm. V. V. Verächtlich machen: Als aus verwerflichen Motiven hervorgegangen oder zu verwerflichen Zwecken geschehen darstellen: E 1 161. VI. Innerer Tatbestand. 1. Der Täter muß w i s s e n , daß die Tatsachen erdichtet oder entstellt sind; dol. ev. genügt hier nicht. 2. Er muß in der A b s i c h t handeln, verächtlich zu machen; dies muß also Motiv, wenn auch nicht Endzweck sein. VII. Konkurrenzen. IdKonk. mit §§ 187,196,197, wenn mit der Staatsautorität zugleich Personen verletzt. Ferner mit § 100 d Abs. 3. — §§ 95—97 gehen als Spezialdelikte vor. Amtsanmaßung

§132

Wer unbefugt sich mit Ausübung eines öffentlichen Amtes befaßt oder eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

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Verletzung der öffentlichen Ordnung § 132

Neufassung durch 3. StÄG (Erhöhung des Strafrahmens gegenüber der ursprünglichen Fassung). I. Das geschützte Rechtsgut ist nach E 58 176, BGHSt. 8 241, NJW 58 1692 nur die Autorität des Staates und seiner Behörden, nach Hamm N J W 51 245 auch die Privatperson vor Übergriffen (hier greifen aber §§ 242, 249, 253, 263 usw. ein). II. Der § 132 enthält zwei Tatbestände von Angriffen auf die Staatsautorität. Im ersten g e b ä r d e t sich d e r T ä t e r a l s I n h a b e r e i n e s ö f f e n t l i c h e n A m t e s , das er in Wirklichkeit nicht bekleidet, und nimmt auf Grund dieser Vortäuschung eine Handlung vor, deren Vornahme zum Geschäftsbereich des angemaßten oder eines anderen öffentlichen Amtes gehört. E 68 77. Dies — entgegen E 68 251 (255) — auch dann, wenn Amtshandlung eines anderen vorgetäuscht wird. A. A. Olsh. N 2. Ausdrückliche Erklärung, als Amtsperson zu handeln, ist nicht nötig (JW 38 2130). Beispiel: Ausfertigung gerichtlicher formularmäßiger Zahlungsbefehle ohne Namensunterschrift (E 23 205, vgl. aber auch E 68 77). Stets aber muß der Täter Dritten gegenüber die s t a a t l i c h e A u t o r i t ä t einsetzen; Warenbestellung „im Namen der Behörde" genügt nicht: BGHSt. 12 30. — Dem zweiten TB ist nicht Vortäuschung eines Amtes wesentlich; aber Vornahme einer Handlung, die n u r als Amtshandlung vorgenommen werden darf, mit dem e r k e n n b a r e n W i l l e n , sie a n d i e S t e l l e e i n e r A m t s h a n d l u n g zu s e t z e n . Beispiel: Vornahme einer Verhaftung durch eine Privatperson (E 55 266); ferner E 46 183 (Schütteln der Wahlurne), 66 78, 68 77; DR 41 847. Weder der erste noch der zweite Tatbestand liegt vor bei Versendung von Mahnschreiben, die äußerlich einem gerichtlichen Zahlungsbefehl ähneln. III. Öffentliches Amt: dessen Träger Organ der Staatsgewalt ist, E 36 434, RG J W 1938 2130. Auch der Anwalt (nicht: als Strafverteidiger): Celle HESt. 2 234; auch der Notar. IV. Beamte wie Nichtbeamte können Täter und Mittäter sein: E 37 55, 58 173, BGHSt. 3 242. Nicht nach § 132 strafbar ist die pflichtwidrige Vornahme einer Amtshandlung, bei der der Beamte innerhalb der f ü r seine a l l g e m e i n e Befugnis zur Vornahme solcher Handlungen bestimmten Grenze geblieben ist. E 67 227. So etwa bei „Durchsuchung" und „Beschlagnahme" durch einen Kriminalbeamten in fremdem Bezirk, um das „Beschlagnahmte" zu behalten A. A. Hamm NJW 51 245; dagegen aber BGHSt. 3 244: §132 scheidet aus, wenn der Beamte n a c h a u ß e n h i n allgemein oder unter gewissen Einschränkungen an sich f ü r derartige Handlungen zuständig war. Ebenso schon E 76 62. § 132 (zweiter Fall) erst wenn der Beamte die Grenzen seiner Amtsbefugnisse bewußt derart überschreitet, daß „die Überschreitung den Charakter einer in den Kreis eines anderen Amtes einschlagenden Amtshandlung annimmt": BGH NJW 58 2025 mit Nachw. — Über Mitt ä t e r s c h a f t vgl. E 55 226, über Beihilfe E 59 81. — Bei beiden Tatbeständen handelt es sich um e i g e n h ä n d i g e Delikte: E 55 266, 59 81, H R R 36 305, OGHSt. 1 304. anders früher E 37 55. V. Unbefugt handelt n i c h t schon, wer sein Amt e r s c h l i c h e n hat (Braunschweig NdsRpfl. 50 127) A. A. Freiburg DRZ 48 66 (Anm. Schönke) betr. falschen Gerichtsreferendar, der mit Dienstgeschäften betraut war. Die Erschleichung des Auftrags sei seinem Mangel „gleichzusetzen". Begr. wegen des Analogieverbots bedenklich! Schönke stellt darauf ab, daß die Erklärung der Nichtigkeit des Auftrags im Innenverhältnis ex tunc wirke. Strafrechtlich kann aber die Rechtswid-

Verletzung der öffentlichen Ordnung § 132 a

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rigkeit ebensowenig rückwirkend hergestellt werden wie sie etwa durch Genehmigung einer diebischen Wegnahme gem. § 185 BGB rückwirkend aufgehoben wird. Auch der Hinweis auf die Bindingsche Unterscheidung zwischen „unbefugt" und „rechtswidrig" (Normen I 70) f ü h r t nicht weiter. Es kommt darauf an, ob „unbefugt" in materiellem oder in formellem Sinne zu verstehen ist, ebenso wie z. B. die Rechtswidrigkeit der Vollstreckung des durch Prozeßbetrug erschlichenen formell korrekten Urteils. Vgl. zu § 263 und Syst. Vorbem. I I I . Und diese Frage ist hier in letzterem Sinne zu entscheiden. Amtsanmaßimg ist ein Vergehen gegen die staatliche Organisationsgewalt (Binding Lb. I I 508). Solange der Täter tatsächlich «inen Bestandteil dieser Organisation bildet, kann er den Tatbestand nicht erfüllen. Vgl. auch E 56 118 (für § 133). VI. Zum Vorsatz gehört hier das Bewußtsein, unbefugt ein Amt auszuüben oder eine Amtsträgern vorbehaltene Handlung vorzunehmen: E 59 297. VII. Beide Tatbestände können in Idealkonknrrenz stehen (E 59 291). A. A. Binding I I , 508, Welzel § 73 I, die Spezialität annehmen. IdKonk. mit § 242 (E 54 256) und den zu I genannten übrigen Tatbeständen.

Unbefugtes Titelführen und Uniformtragen

§ 132 a (1) Wer unbefugt 1. inländische oder ausländische Amts- oder Dienstbezeichnungen, Titel oder Würden führt, 2. inländische oder ausländische Uniformen, Amtskleidungen oder Amtsabzeichen trägt oder 3. eine Berufstracht oder ein Berufsabzeichen für Betätigung in der Krankenoder Wohlfahrtspflege trägt, die im Inland staatlich anerkannt oder genehmigt sind, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. (2) Den im Absatz 1 Nummern 1 bis 3 genannten Bezeichnungen, Titeln, Würden, Uniformen, Kleidungen, Trachten oder Abzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind. (3) Die Vorschriften der Absätze 1 und 2 gelten auch für Amtsbezeichnungen, Titel, Würden, Amtskleidungen und Amtsabzeichen der Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts sowie für Berufstrachten und Berufsabzeichen der von ihnen anerkannten religiösen Vereinigungen oder religiösen Genossenschaften. I. Eingefügt durch G v. 28. 6. 35, Neufassung durch 3. StÄG, das namentlich Nr. 1 einfügte und zugleich § 6 I a des G über Titel, Orden und Ehrenzeichen v. 1. 7. 37 (RGBl. I 75) aufhob. F ü r a k a d e m i s c h e G r a d e verbleibt es bei § 5 des Ges. v. 7. 6. 39 (RGBl. I 985), BGHSt. 9 42. — Der frühere § 360 Nr. 8 StGB ist z. T. in § 132 a übernommen.

352

Verletzung der öffentlichen Ordnung § 133

II. Geführt ist eine Amtsbezeichnung, wenn sie der Täter f ü r sich in Anspruch nimmt, sei es auch nur privat, RG DR 39 370, J W 1937 2900, nicht schon wenn er die Anrede nur duldet: E 33 305. Unbefugt: Ob ernste Täuschung beabsichtigt, ist belanglos. Öffentl. Aufzug, Vorstellung usw. geben keine Befugnis (E. 61 7). Doch wird hier häufig Verbotsirrtum vorliegen. III. Uniform: Dienstkleidung bestimmter Beamter (Bahn, Post). Nicht von privaten Unternehmungen (Verkehrsgesellschaften, Hotels usw.). IV. Amtskleidung z. B. die Roben der Richter, Talare der Hochschullehrer, Ordensgewänder, vgl. J W 35 960.

Oewahrsamsbruch

§133

(1) Wer eine Urkunde, ein Register, Akten oder einen sonstigen Gegenstand» welche sich zur amtlichen Aufbewahrung an einem dazu bestimmten Orte befinden, oder welche einem Beamten oder einem Dritten amtlich übergeben worden sind, vorsätzlich vernichtet, beiseite schafft oder beschädigt, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Ist die Handlung in gewinnsüchtiger Absicht begangen, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter drei Monaten ein; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. I. Geschütztes Rechtsgut ist die amtliche Verfügungsgewalt und das Vertrauen auf ihre Zuverlässigkeit (so BGHSt. 5 159 ff. unter Weiterentwicklung von E 72 172). II. Angriffsobjekt sind alle Gegenstände, deren Aufbewahrung den Zwecken der amtlichen Verfügungsgewalt dienen soll: E 33 413, 51416. BGHSt. 3 290 (entwertete Gebührenmarken), Bezugsscheinsvordruck: Celle NdsRpfl. 47 33. — Im einzelnen: Urkunde: Vgl. § 267. Hier aber auch nicht beweiserhebliche: E 63 32. — Auch weggelegte, aber noch aufzubewahrende Akten: E 63 3. — Ein „Register" braucht keine „Urkunde" i. S. des § 133 zu sein (auch nur f ü r den inneren Dienst bestimmte, E. 67 229). — Bezugsscheinvordruck spätestens nach Ausfüllung durch den Berechtigten Urkunde: Celle NdsRpfl. 47 33. III. Aufbewahrung k r a f t amtlichen H o h e i t s r e c h t s ; nicht auf Grund privatrechtlichen Vertrags. Unter jener Voraussetzung kann auch ein Privater in amtlichem Auftrag „amtlichen Aufbewahrungs"-Besitz ausüben ( 50 357). So Gegenstände, die der Reichsbahn (RBahnG v. 30.8.24 §16) oder Bahnpost z u r B e f ö r d e r u n g übergeben sind (E 51 226), auch wenn sie auf die Gleise gefallen sind, Hamburg J R 53 27, auch wenn für den babneigenen Gebrauch bestimmt, BGH MDR 52 658, beide betr. Kohlen. Auch Postsendungen bei privater Kleinbahn (E 53 219). Vernichtung abgegebener Wahlzettel bei einer kirchlichen Gemeindewahl (E 56 399). Nicht aber die dem Lokomotivführer z u m V e r b r a u c h übergebenen Kohlen (E 51 226) oder die von einem Telegraphenbauamt angeschafften Werkzeuge (E 52 240): in beiden Fällen ist der Besitz nicht Ausübung staatlichen Hoheitsrechts. — Zum Verbrauch bestimmte Pormularblocks bei einer Behörde sind nicht amtlich aufbewahrt (HRR 37 608); ebensowenig Schreibpapier für Gefan-

Verletzung der öffentlichen Ordnung § 133

353

gene (E 72 172). Allgemein fallen die zum Eigengebrauch und -Verbrauch aufbewahrten Gegenstände nicht unter § 133: BGHSt. 4 236, 241, 5 155, 159; aber auch nicht zum Verbrauch bestimmte Abfälle: BGHSt. 9 64. — Ein „dazu bestimmter Ort" kann auch ein privater Wohnraum sein: E 28 107. — Nach E 28 107 soll die amtliche Aufbewahrung durch Erlöschen der Amtseigenschaft (z. B. Tod oder Amtsenthebung) des aufbewahrenden Beamten nicht aufhören, sondern erst durch anderweitige amtliche Verfügung oder Erfüllung des Aufbewahrungszweckes. Der Beamte kann sich dadurch strafbar machen, daß er sich die Sachen selbst zueignet (E 58 334) oder sie einem Nichtberechtigten übergibt (BGHSt. 5 160; n i c h t bei pflichtwidriger Freigabe an den Berechtigten, S. 161). IV. Amtlich: infolge amtlicher Anordnung zu amtlichen Zwecken übergeben: E 51 226; aber auch: mit Rücksicht auf das Amt von einem Dritten d e m B e a m t e n übergeben: E 43 246. Nicht notwendig zur Aufbewahrung. Zustellungsurkunde in den Händen des Postboten E 33 413. — Briefe in der Sammeltasche des Postboten: E 22 204. V. Beamter: § 359. — Auch dem Beamten selbst übergebene Sachen gehören hierher. E 22 204, vgl. auch E 43 247. VI. Dritter hier im Gegensatz zu „Beamten", nicht zum „Täter": E 12 247; vgl. den Fall in Rechtspr. 10 679. VII. Die Handlung. 1. Vernichten. Vgl. § 125 Anm. IV 3. 2. Beiseiteschaffen: jede unberechtigte Handlung, durch welche eine Sache dem Berechtigten unzugänglich gemacht wird: E 12 247. Gegen dessen Willen; Täuschung genügt nicht: E 56 118. 3. Beschädigen bei Urkunden, Registern und Akten: in Hinsicht auf den gedanklichen Inhalt; z. B. Durchstreichen von Worten (E 19 319). Kein Beschädigen, wenn sachlich ordnungsmäßig, aber persönlich unbefugt Eintragungen gemacht werden (E 67 230); Substanzverletzung nicht erforderlich. VIII. Zum Vorsatz ist nötig das Bewußtsein, die amtliche Aufbewahrung (wenn auch nur zeitweise) aufzuheben: E 23 99, 23 282. IX. Verhältnis zu a n d e r e n S t r a f g e s e t z e n : §348 Abs. 2 (Beamtendelikt) ist gegenüber §133 lex specialis: E 2 425. Nichtbeamtete Teilnehmer an dem Beamtendelikt: §§ 133/48, 49. H R R 39 792. — Idealkonkurrenz mit §137 E 54 244, BGHSt. 5 160 mit Übersicht; mit § 370 Ziff. 5: E 50 396, Hamburg J R 53 27; § 133 I I mit 348 I I : E 58 335; mit § 350: GoltdA 68 216; § 133 I I mit § 354: E 54 123, 58 334 (jedoch ist § 354 gegenüber § 133 I lex spec.). X. Zu Abs. 2: Gewinnsüchtige Absicht nach BGHSt. 1 389, wenn die Handlung auf einer ungewöhnlichen, sittlich besonders anstößigen Steigerung des Erwerbssinnes beruht. Weiter früher RG und hier die früh. Aufl. Doch ist dem BGH angesichts der zunehmend erweiterten Auslegung des Abs. 1 zuzustimmen (vgl. S. 390).

23

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

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Verletzung der öffentlichen Ordnung §§ 134, 136

Beschädigung amtlicher

Bekanntmachungen §134

Wer öffentlich angeschlagene Bekanntmachungen, Verordnungen, Befehle oder Anzeigen yon Behörden oder Beamten böswillig abreißt, beschädigt oder verunstaltet, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. I. Geschützt der Ausdruck der Staatsautorität in ihren Verlautbarungen; jedoch nicht wie der Geßlerhut als solcher, sondern kraft i n n e r e r Autorität. Zutr. daher Hamburg MDR 53 247 : die amtliche Kundmachung ist in gewissen Grenzen auf Inhalt und Rechtmäßigkeit zu prüfen. IL Kundmachungen jeder Art; auch nur mitteilende oder warnende ohne Normcharakter. III. öffentlich angeschlagen: es genügt, daß das Schriftstück an einem dem Publikum zugänglichen Ort in einer Weise befestigt ist, daß es nicht ohne eine besondere Tätigkeit beseitigt werden kann: E 36 183. IV. Betr. Behörde und Beamte: vgl. § 114 Anm. IV, V und § 359. V. Handlung: 1. Abreißen: Keine Gewaltanwendung erforderlich; jede Beseitigung der Befestigung: E 36 183. 2. Beschädigen: Vgl. § 303 Anm. II. 3. Verunstalten z. B. Verhängen mit einem Sack, Dresden J W 1932 959. VI. Böswillig: Wesentlich ein innerer Vorgang, der noch über die Absicht hinausgeht und seinen Ursprung in einer verwerflichen Gesinnung findet: E 72 118 (betr. § 223 b). Also Schuldsteigerung, vgl. Syst. Vorbem. I I B. — Feindliche Einstellung gegen den Staat begründet nach Hamburg MDR 53 247 regelmäßig Böswilligkeit. Vgl. aber Vorbem. I vor § 123. Ferner ist zu bedenken, daß die staatsfeindliche Absicht als solche unter dem Gesichtspunkt erhöhter G e f ä h r l i c h k e i t durch § 94 erfaßt wird (Vorbem. I I vor § 123). Demgegenüber bedarf die V e r w e r f l i c h k e i t der Einstellung des Täters stets besonderer Begründung. § 135, Verletzung inländischer Hoheitszeichen, aufgehoben durch 1. StÄG. Vgl. § 96 II. Siegelbruch §136 Wer unbefugt ein amtliches Siegel, welches von einer Behörde oder einem Beamten angelegt ist, um Sachen zu verschließen, zu bezeichnen oder in Beschlag zu nehmen, vorsätzlich erbricht, ablöst oder beschädigt oder den durch ein solches Siegel bewirkten amtlichen Verschluß aufhebt, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bestraft. I. Geschützt auch hier (vgl. § 134 Anm. I) ein Ausdruck der Staatsautorität als solcher, jedoch ohne Einschränkung hins. der Rechtmäßigkeit des Staatsaktes (unten Anm. IV). Vgl. auch § 137 Anm. I.

Verletzung der öffentlichen Ordnung § 187

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ü . Siegel: auch Siegelmarken: E 3 286. Der Fleischbeschauerstempel: E 39 367. Die Bleiplombe eines Feuermelders: E 65 133. Die sog. Gegenprobe bei Beschlagnahme von Lebensmitteln gem. § 6 LebMittG, KG J R 55 474 (Anm. Holthöfer). Die (befestigte, nicht nur hingelegte) Pfandanzeige (BGH 5 StR 533/52 v. 9. 10. 52). m . Behörde, Beamte: vgl. §§ 114, 359. § 136 liegt nicht vor, wenn Einrichtungsgegenstände vom Wohnungsamt beschlagnahmt worden waren: LG Göttingen NdsRpfl. 48 89. IV. Angelegt, um Sachen zu verschließen, zu bezeichnen oder in Beschlag zu nehmen, d . h . in Ausübung amtlicher Befugnisse: E 8 35. — R e c h t m ä ß i g e Amtsausübung im Einzelfalle n i c h t erforderlich: E 34 398, 36 155 (bestr.). — Anlegen ist die mechanische Verbindung des Siegels mit dem Gegenstande: E 61 101. Das lose Hineinlegen der Pfandanzeige in das Möbelstück ist weder Pfändung noch Anlegung: DR 41 847. Angelegt ist das Siegel, auch wenn es nur mit einer Stecknadel befestigt ist: BGH MDR 52 658. V. Die Handlung: 1. Erbrechen bei gewaltsamer Entfernung unter Beschädigung. 2. Ablösen ohne solche. 3. Beschädigung ohne Entfernung. 4. Aulhebung des amtlichen Verschlusses ohne Verletzung des Siegels z. B. durch Einsteigen in den versiegelten Raum; oder durch Fortführen eines Baues: BayObLGSt. 1 300. Siegelverschluß muß aber auch hier bestehen: Hamm JMB1. NRW 53 258. VI. Der Vorsatz muß sich auf den Mangel der Befugnis erstrecken: H R R 38 1564; nicht ganz deutlich KG J R 55 475. Glaubt der Schuldner, nach Befriedigung des Gläubigers das Siegel eigenmächtig lösen zu dürfen, so Verbotsirrtum (oben Anm. I, IV), der aber regelmäßig entschuldigen wird. VII. IdKonk. mit § 137 möglich: E 48 365. Vgl. § 137 Anm. I. Verstrickungsbruch

§137

Wer Sachen, welche durch die zuständigen Behörden oder Beamten gepfändet oder in Beschlag genommen worden sind, vorsätzlich beiseite schatft, zerstört oder in anderer Weise der Verstrickung ganz oder teilweise entzieht, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bestraft. I. System: § 137 schützt die s t a a t l i c h e H e r r s c h a f t s g e w a l t ü b e r e i n e S a c h e (ähnlich also wie § 133; jedoch übt der Staat dort Eigenbesitz, hier eine Art Fremdbesitz aus, und zwar dort nur einen tatsächlichen, hier einen rechtlich begründeten, BGHSt. 5 160). § 136 schützt nur ein ä u ß e r e s S a c h h e r r s c h a f t s z e i c h e n . — Mit § 289 ( P f a n d k e h r u n g ) ist § 137 nur insofern verwandt, als beide Fälle auch Verfügung über e i g e n e Sachen strafen. Verschieden aber sind die Voraussetzungen (hier staatliche Verstrickung, dort fremdes Besitz- oder Gebrauchsrecht) und Zwecke (hier Schutz staatlicher Herrschaft, dort Schutz von Gläubigen-echten). Vgl. E 64 77. — Nach E 24 52, 65 249 ist der B e s i t z w i l l e der öffentlichen Gewalt geschützt; aber ein solcher liegt nicht immer vor (zutr. Schönke-Schröder I). Vgl. auch Stuttgart MDR 51 692: Besitzerlangung nicht notwendig. Vgl. unten Anm. I I 2. 23»

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Verletzung der öffentlichen Ordnung § 137

n . Schutzobjekt: 1. Sache; nicht Forderungen: E 2 4 40 (PlenEntsch.). Abw. Röther N J W 5 2 , 1403. Also auch nicht Abtretung einer Hypothek (E 24 161; die hier getroffene Entscheidung, daß immerhin Verfügung über den Hypothekenbrief unter den § 137 fallen könne, läßt sich nach BGB §§ 97, 952 und ZPO § 830 nicht aufrechterhalten). Vgl. auch E 41 256, 63 338, wo unterschieden wird zwischen den zu einer Konkursmasse gehörigen Sachen (Geld) und den zu ihr gehörigen Forderungen. 2. An der Sache muß die staatliche Herrschaft durch zuständige Behörden (Anm. IV zu § 114) oder Beamte (§ 359) begründet sein; generelle Z. genügt nach E 28 383, 63 351; durch Pfändung oder Beschlagnahme. Unterschied nicht immer scharf, aber hier wohl belanglos. Beschlagnahme geht insofern weiter, als hier amtl. Besitz nicht notwendig (Stuttgart MDR 51 692, s. o. Anm. I); die Sache wird zur Verfügung der Behörde gestellt, E 66 249. Zu eng Frankfurt SJZ. 49 870 (Anm. H. Mayer). Vgl. z. B. ZPO §§808 ff. ;ZwVerstG §§20 ff., 148; KO § 6; StPO §§ 94ff. u. a. Es genügt aber nicht eine Erklärung, erforderlich ist Herrschafts- oder (bei der Pfändung) Besitzergreifung, wenn auch nur symbolische, z. B. Kenntlichmachung durch Pfandzeichen. Freilich nehmen E 41 256 und 63 338 sogar betr. den Erlös f ü r ein veräußertes Massestück Beschl. i. S. von § 137 an. Weitergehend auch E 63 347, wonach sogar ein polizeiliches Verfügungsverbot genügen soll. — Ein zivilrechtlicher Verzicht des Pfändungsgläubigers hebt die Verstrickung nicht auf; stillschw. Aufhebung durch Gerichtsvollzieher setzt mindestens voraus, daß er jenen Verzicht kennt: Oldenburg J R 5 4 33. 3. Rechtmäßigkeit von Pfändung bzw. Beschlagnahme ist erforderlich. BGHSt. 5 160. Das heißt: Vornahme seitens eines zur Pfändung ermächtigten und örtlich zuständigen Beamten, Beobachtung der wesentlichen Förmlichkeiten und der gesetzlich notwendigen Voraussetzungen. Bei der zivilproz. Pfändung z. B. vollstreckbarer Titel, Gewahrsam des Schuldners, Besitzergreifung durch den Gerichtsvollzieher. E 36135. — Dagegen ist die m a t e r i e l l e R e c h t s b e s t ä n d i g k e i t der Pfändung (Entstehung eines Pfandrechts) nicht Voraussetzung f ü r den durch § 137 gewährten Schutz des Pfändungsaktes, bei der zivilproz. Pfändung also nicht das Bestehen der Forderung oder die Zugehörigkeit der gepfändeten Sache zum Vermögen des Schuldners. E 19 164, 25 109, 26 287. Betr. Verzicht des Gläubigers s. o. zu 2 a. E. III. Handlung: Tatsächliche Erschwerung oder Vereitelung der staatlichen Herrschaftsausübung. — Beiseiteschaffen: Anm. VII 2 zu §133. Zerstören: Anm.III zu § 303. Andere Entziehungshandlung z. B. Täuschung (E 15 205); bloße Zuwiderhandlung gegen ein Veräußerungsverbot genügt nicht (E 51 228). — Mitnahme einer beschlagnahmten Sache bei Umzug in eine andere Wohnung: J W 39 31. — Verarbeiten: DR 43 894. IV. Täter kann jeder sein; nicht nur der Schuldner, sondern z. B. auch der Gerichtsvollzieher: BGHSt. 3 306; auch falls er nur den Gewahrsam, nicht aber die Verstrickung als solche aufhebt. Nicht aber, soweit der generelle Ermessensspielraum innegehalten: BGHSt. 5 157 betr. polizeiliche Beschlagnahme. V. Vorsatz: Erforderlich und genügend ist Kenntnis von zuständiger und formell ordnungsmäßiger Pfändung bzw. Beschlagnahme. Eventualvorsatz genügt. Vgl. E 1 369, 10 431, 14 153, 19 289, 26 309, 41 257, aber auch DR 43 894. Bei Verzicht des Gläubigers (oben I I 2 a. E.) wird aber oft entschuldbarer Verbotsirrtum vorliegen. Vgl. schon E 26 309.

Verletzung der öffentlichen Ordnung § 138

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VI. Idealkonkurrenz möglich mit §133 (E 28 379, 54 244 bestr.); mit §136 3sen wurde (Nachweise bei Jescheck 212). III. Absicht: Vgl. § 94 Anm. I. Hier wie dort handelt es sich um subjekt. Unrechtsmerkmale.

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Verbrechen wider das Leben § 221

IV. Zetstörungsabsicht nicht, wie in Nr. 3, auf physische Ausrottung beschränkt. Die Gruppe als solche zu zerstören kann auch durch Aussiedelung und Zerstreuung, durch systematische Vernichtung des Zusammengehörigkeitsbewußtseins, durch Beseitigung der Führer oder führender Schichten geplant sein, vgl. unten zu Nr. 3. Auch diese Absicht ist tatbestandsmäßig, wenn mit den Mitteln der Nrn. 1—5 angestrebt. Daher auch Taten gegen einzelne unter diesen Voraussetzungen. Ebenso Jescheck S. 213. V. Im einzelnen: Zu Nr. 1: Hier sind selbst in Lagen, die dem § 213 entsprechen würden, mildernde Umstände ausgeschlossen, Abs. 2. Auch Einzeltat genügt u. U.: oben Anm. IV a. E. Zu Nr. 2: S e e l i s c h e (mental) Schäden, z. B. durch Rauschgiftverseuchung (Motive bei Jescheck 212). Vgl. im übrigen schon unten § 223 I 2 sowie LG Aachen NJW 50 759. — Daß für die erforderliche S c h w e r e der Schäden nur beispielsweise auf § 224 StGB verwiesen wird, bedeutet keine Zulassung von Analogie, sondern eine bindende Richtlinie für den Richter innerhalb eines normativen Tatbestandsmerkmals (vgl. hierzu Mat. zur Strafrechtsref. I S. 85). Der Schweregrad muß hiernach den Fällen des § 224 gleichkommen. Zu Nr. 3: Über k ö r p e r l i c h e Zerstörung als engeren Begriff gegenüber dem des einl. Halbsatzes vgl. oben Anm. IV. Der Tatbestand ist danach z. B. auch erfüllt, wenn die Gruppe unter physisch unerträgliche Bedingungen gestellt wird (Klima, Zwangsarbeit, soziale Unterdrückung bis zur Unterschreitung oder Gefährdung des Existenzminimums), um sie zum Exil, zur Option oder sonst zur Aufgabe ihres Bestandes als Gruppe zu zwingen. Zn Nr. 4: z. B. Massensterilisierung. Nicht schon Freigabe der Abtreibung. Zu Nr. 5: Auch hier u. U. Einzelfälle mit umfaßt, wenn als Mittel zu dem oben Anm. IV erörterten Zweck gedacht. VI. Mildernde Umstände: Nr. 1 ausgenommen, vgl. oben zu V 1. VII. Zuständig: BGH (§ 134, Abs. 1 GVG). 7.Aussetzung

g 221

(1) Wer eine wegen jugendlichen Alters, Gebrechlichkeit oder Krankheit hilflose Person aussetzt, oder wer eine solche Person, wenn dieselbe unter seiner Obhut steht oder wenn er für die Unterbringung, Fortschaffung oder Aufnahme derselben zu sorgen hat, in hilfloser Lage vorsätzlich verläßt, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. (2) Wird die Handlung von leiblichen Eltern gegen ihr Kind begangen, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein. (8) Ist durch die Handlung eine schwere Körperverletzung der ausgesetzten oder verlassenen Person verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe bis zu zehn Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod verursacht worden ist, Zuchthausstrafe nicht unter drei Jahren ein. I. Hilflos ist eigentlich schon, wer sich nicht helfen kann. Im S. des Gesetzes muß aber hinzukommen: und dem auch kein anderer hilft. Im S. des § 221 also:

Verbrechen wider das Leben § 222

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wer nicht imstande ist, sich ohne Hilfe anderer aus einer sein Leben bedrohenden Gefahr zu befreien. E 7 111, 31 165, 75 68 erweitern: „oder seine Gesundheit". Vgl. indessen die Abschnittsüberschrift, gegenüber der des 17. Abschn.! Auch die Entwürfe verlangen ausdrücklich L e b e n s g e f ä h r d u n g . — Eine w e i t e Auslegung fordert dagegen der Grundgedanke des § 221 bei den hier genannten U r s a c h e n . Genügen muß jede körperliche oder geistig bedingte Ursache; deshalb auch der Geburtsakt, obwohl nicht „krankhaft" (E 54 273, nicht dagegen Schwangerschaft, E 77 70); starke Trunkenheit (E 5 393, BayObLG N J W 53 556). Vgl. auch: D R 42 1646. IL Aussetzen heißt: jemand, der i. S. der Anm. I fremder Hilfe bedarf, aus einer Lage, wo solche möglich ist, in eine Lage versetzen, wo sie nicht oder nur in schwächerem Maße möglich ist. Nicht ist also nötig, daß er erst durch die Tat hilflos wird; es genügt auch, daß der Hilflose hilfsbedürftig wird oder daß bestehende Hilflosigkeit vergrößert wird. Wer ein kleines Kind vor der fremden Haustür niederlegt oder einen sinnlos Betrunkenen in die kalte Winternacht hinausstößt, aber bei ihm bleibt, bis ein anderer ihn unbeschädigt in seine Obhut nimmt, hat nicht „ausgesetzt". — Eine besondere rechtliche F ü r s o r g e p f l i c h t ist f ü r Strafbarkeit der „Aussetzung" nicht nötig (E 54 273, 31 167); anders beim „Verlassen". — Ausweisung schwerkranker Konzentrationslagerhäftlinge: BGHSt. 4 113. III. Obhuts- und Sorgepflicht können unmittelbar auf Rechtssatz beruhen (z. B. Eltern), aber sich auch ergeben aus Beruf, Vertrag, engen menschlichen Beziehungen (Hausgemeinschaft, uneheliche Vaterschaft); auch aus tatsächlicher Ausübung einer Fürsorge, die das Vertrauen auf deren Portsetzung rechtfertigt. Vgl. E 66 73. Aus gemeinsamem Zechen u. dgl. nur unter besonderen Umständen: BayObLG N J W 53 556. IV. Verlassen setzt räumliche Trennung voraus. Bloßes Nichthelfen kann aus § 330 c, auch wegen fahrlässiger Tötung oder fahrl. Körperverletzung strafbar machen, nicht aber aus § 221. Die Krankenschwester, die dem Schwerkranken nicht hilft, sondern im Krankenzimmer sitzt und liest, kann nicht schon deshalb aus § 221 bestraft werden; wohl aber, wenn sie das Krankenzimmer verläßt, denn damit gibt sie die Lage aus der Hand. So auch E 8 343, 38 377. Zu weit geht D R 41 193 (kritische Anm. Mezger): der uneheliche Vater sei aus § 221 zu strafen, der mit der Kindesmutter in häuslicher Gemeinschaft lebte und nicht hinderte, daß die Mutter das neugeborene Kind unter ihrer Bettdecke erstickte, vielmehr „sich in Schlaf versetzte", m. a. W.: einschlief. V. Zu Abs. 3 (schwere und schwerste Folgen) beachte jetzt § 56. VI. Konkurrenz: IdKonk. mit § 142. — Str., ob auch mit Tötungs- und Körperverletzungsverbrechen. E 68 407 verneint, da eine Gefährdungstat von der Verletzungstat aufgezehrt werde. Vgl. auch Kiel MDR 47 171. BGHSt. 4 113 bejaht mit Recht IdKonk. mit §§ 223 ff., falls diese mitgewollt. 8. Fahrlässige Tötung

§

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Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Gefängnis bestraft. I. Den Tod verursachen weiter als „ t ö t e n " . Hier genügt jede M i t Wirksamkeit zum Erfolg (Vorbem. I I B I vor § 1). Nicht braucht die ausschließliche Ursache zum

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Tod gesetzt zu sein: E 22 173. Aber die Ursachenreihe darf nicht abgebrochen sein: E 75 372, BGHSt. 1 192, MDR 51 658 (Übersicht). — Auch U n t e r l a s s u n g . Hier ist nicht nötig, daß ohne das inkriminierte Verhalten (z. B. Unterlassung ärztlicher Behandlung) der Tod k e i n e s f a l l s eingetreten wäre; wenn nur an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit für Rettung bestand. E 51 127 und mehrfach. Dazu kritisch Eb.Schmidt, Arzt imStrafrecht S. 85ff. Vgl.ferner E 63 211, 76 326, BGH MDR 51 274, 53 20 (Übersicht), 52 147 (Rettungsversuche als zwecklos unterlassen). Außerachtlassung von Unfallverhütungsvorschriften: Kassel N J W 48 350. Zur R e c h t s p f l i c h t aus vorangegangenem Tun vgl. BGHSt. 4 20 = N J W 53 651 (Anm. v. Weber) = J Z 53 407 (Anm. Lange) und MDR 54 335 (betr. Alkoholausschank und gemeinsames Zechen mit Kraftfahrer). In solchen Fällen ist aber oft a k t i v e Verursachung gegeben (JZ53, 409); vgl. ferner unten § 330a Anm. IV2 (der Kraftfahrer war hier zurechnungsunfähig; so JZ 53 407, MDR 53 308, NJW 53 551, abw. Text in BGHSt. 4 20). RPfl. des E h e g a t t e n : BGHSt. 2 150; des Verlobten: J R 55 105 (beide bedenklich, weil auf dem Umwege über die Unterlassung Beihilfe zum Selbstmord pönalisiert wird, oben I I I vor §211). G r e n z e n der RPfl. bei rechtmäßigem Verhalten: BGHSt. 3 203. — F ü r s o r g e p f l i c h t d e s D i e n s t h e r r e n bei Übermüdung von Kraftfahrern: RdK 53 143. II. Fahrlässigkeit. Grundsätzliches in Anm. IV zu § 59. Ferner BGH MDR 52 147; V o r a u s s e h b a r k e i t bloß des Enderfolges genügt zwar innerhalb der vom Täter pflichtwidrig ausgelösten Kausalkette, nicht aber für den Ausgangspunkt des Unfalls; insoweit muß auch der Ablauf der Ereignisse konkret voraussehbar gewesen sein. — BGH MDR 51 274: nicht nur die regelmäßige, sondern auch eine nur m ö g l i c h e Folge ist zuzurechnen (wie E 65 135, 73 372). Nichtkausale a l l g e m e i n e G e f ä h r d u n g g e n ü g t nicht: BGHSt. 1192. Grenzender Voraussehbarkeit: BGH NJW 52 1184 (betr. Tötung des Unfallhelfers durch einen Dritten). Nur ein s c h w e r e r ärztlicher Kunstfehler schließt die Voraussehbarkeit der Todesfolge einer Verletzung aus: Celle MDR 57 627, vgl. BGH VRS 10 293, BGHSt. 3 64. — Über Fahrlässigkeit des Kraftfahrers vgl. u. a. die zusammenfassende E 65 135. Der Kraftfahrer hat „nicht den Beruf oder die Befugnis, den Straßenverkehr durch Gefährdung der körperlichen Sicherheit zu erziehen"; muß deshalb „auch mit einem unverständigen Benehmen anderer Personen auf der Straße rechnen" (E 61 120); einschränkend E 70 71, 72 55: soweit „mit solchen Unbedachtsamkeiten zu rechnen er bei verständiger Überlegung der Umstände Veranlassung hat". BGHSt. 8 200, 203: „Die Erfahrung lehrt, daß selbst völlig unvernünftiges Verhalten im Straßenverkehr keine Seltenheit geworden ist" (gegen BGHSt. 3 157, 160, vgl. Härtung N J W 53, 33). DR 44 149, 433 betr. K i n d . Dazu BGH NJW 51 770, BGHSt. 3 49: auch bei Großstadtkindern immer völlig unüberlegtes Handeln in Rechnung zu stellen, ferner Düsseldorf: einerseits DAR 51 160 (Anm. Guelde), wonach der Kraftfahrer auch bei Kindern nicht ohne weiteres immer mit verkehrswidrigem Verhalten zu rechnen brauche, andererseits VRS 5 132, wonach der Kraftfahrer nicht allgemein darauf vertrauen kann, daß ein unter Aufsicht eines Erwachsenen stehendes Kind sich verkehrsgerecht verhält. Anders BGHSt. 9 92 betr. Kind an der Hand eines Erwachsenen. Bei diesen Widersprüchen ist der strengeren Auffassung der Vorzug zu geben. Doch gilt auch hier, daß der Erfolg konkret vorhersehbar gewesen sein muß: so eingehend Hamm JMB1. NRW 57 272. Zum M i t v e r s c h u l d e n d e s V e r l e t z t e n allgemein auch BGH N J W 58 1981. — Wer als Kraftfahrer auf

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seinem Wege ein nicht näher erkennbares Hindernis •wahrnimmt, muß damit rechnen, daß es ein Mensch sein kann: BGHSt. 10 3. — Die Fahrt ist grundsätzlich zu rasch, wenn der Kraftfahrer zum Anhalten einen längeren B r e m s w e g braucht, als die Entfernung ist, auf die er ein etwa auftretendes Hindernis wahrnehmen würde. Einschränkend E 76 71: Es komme darauf an, aufweiche Entfernung er ein Hindernis erblicken kann, das plötzlich in seiner Fahrbahn auftauchen würde. Dieser Grundsatz gilt auch bei vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeiten D J 40 1091 (Anm. Krug 1171). Eine bestimmte Reaktionszeit ( S c h r e c k s e k u n d e ) muß er von vornherein einrechnen. Die Reaktionszeit richtet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalles und kann einschl. der Bremsansprechzeit nicht allgemein mit einer Sekunde angenommen werden: BGH in VRS 6 193. Mit diesen Maßgaben muß die Geschwindigkeit der Sichtweite angepaßt sein: BGH VRS 12 440 (insbes. betr. Nachtfahrt, Scheinwerfer und andere Lichtquellen). — Für die Schuldfrage das g e s a m t e V e r h a l t e n von dem Zeitpunkt und Ort ab, als der Kraftfahrer den auf die Fahrbahn getretenen Fußgänger erstmals beobachten konnte, bedeutsam: BGH VRS 5 130. — Die V o r a u s s e h b a r k e i t eines Unfalls kann durch völlig verkehrswidriges Verhalten des Verunglückten ausgeschlossen werden, selbst wenn der Kraftfahrer den Unfall durch Verletzung e i n e r V e r k e h r s v o r s c h r i f f c mitverursacht hat. BayObLG DAR 52 154. Auch nach BGHSt. 4 182 rechtfertigt eine Übertretung der StVO für sich allein noch nicht den Schluß, daß der Unfall vorhersehbar war. Dies ist vielmehr davon abhängig, ob konkrete Anzeichen für die beabsichtigte Richtungsänderung des überholten Verkehrsteilnehmers vorlagen. Ebenso die grundsätzliche BGHSt. 12 75 mit der Präzisierung: Führt verkehrswidriges Verhalten nur infolge Mitwirkung einss verborgenen Mangels zum Unfall, so ist dieser nur dann voraussehbar, wenn der Mangel entweder durch den gewöhnlichen Verschleiß bedingt war oder wenn sein Auftreten im Zusammenhang mit dem Verkehrsverstoß nicht ganz außerhalb des gewöhnlichen Erfahrungsbereichs eines Kraftfahrers liegt. — BGHSt. 8 107, 108 (betr. die sehr umstrittene Bedeutung einseitiger negativer Verkehrszeichen) läßt die klare Grenzziehung von BGHSt. 4182 nicht erkennen. — Der Sachbearbeiter für die Erteilung des F ü h r e r s c h e i n s kann den Unfall fahrlässig mitverursachen, wenn er Bedenken gegen die Eignung des Antragstellers verschwiegen hat. BayObLG DAR 52 170. — Fahren ohne R ü c k l i c h t , Unfall in Zusammenhang mit polizeilicher Beanstandung: BGHSt. 4 360 = NJW 54, 41 (abl. Anm. Härtung). — Wer einen a n g e t r u n k e n e n Kraftfahrer zur Fahrt überredet, ist für den Unfall verantwortlich: BGH VRS 5 42. — Rechtzeitig abgebrochene B e w i r t u n g eines Kraftfahrers begründet noch nicht Rechtspflicht zum Eingreifen: Oldenburg DAR 57 300; anders bei weiterem Animieren gegen dessen ursprünglichen Willen: BayObLG NJW 63 556, BGH NJW 54 1047. — Das Fahren in trunkenem Zustand begründet die Verantwortlichkeit für die Todesverursachung nur dann, wenn die Fahrweise zu beanstanden ist: BayObLG NJW 53 1641 — betr. angetrunkenen Kraftfahrer vgl. auch oben Anm. I sowie unten § 315 a Anm. I I zu Nr. 2. — Wer mit einem Angetrunkenen eine Wettfahrt auf Krafträdern veranstaltet, bei der dieser infolge eigenen Verschuldens tödlich verunglückt, ist verantwortlich: BGHSt. 7 112 (unter Abgrenzung gegen E 57 172, BGHSt. 4 88, dazu oben § 59 Anm. IV 3b). — Betr. Kraftfahrer und E i s e n b a h n s c h r a n k e vgl. D J 38 117 (Anm. Fritsch) = J W 38 31 (Anm. Peterßen). Namentlich aber die viel angegriffene E 72 286 (eine offenstehende Eisenbahnschranke befreie den Kraftfahrer nicht von der Pflicht, sich davon zu überzeugen, daß tatsächlich kein Zug

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komme; kritisch hierzu Fritsch in D J 38, 1881 und Peterßen in J W 38, 1993); E 73 19 betr. Kraftfahrer an Straßenbahnhaltestellen. — Nichtbeleuchtung des Wagens: J W 38 30. — Aber auch der F u ß g ä n g e r muß mit einer Überschreitung der zulässigen Fahrgeschwindigkeit rechnen, macht sich u. U. also gleichfalls strafbar: E 67 106*). — Über Schrecksekunde, Geschwindigkeit, unübersichtliche Fahrstrecke, Blendung durch entgegenkommendes Fahrzeug vgl. auch H R R 40 465, zu letzterer BGH NJW 58 1982 (unter Aufgabe von BGHSt. 1 309): mit verkehrswidrigem Aufblenden kurz vor der Begegnung braucht man nicht mehr zu rechnen. — Verkehrssicherheit eines LKW: DR 43 82, 899. — Straßenbahnschaffner: DJ 42 628. — Unzulässiges Ü b e r h o l e n eines Radfahrers bei Gegenverkehr: BGH VRS 13 34. Über Fahrl. d. A r z t e s vgl. § 59 Anm. IV, dazu BGHSt. 3 91: Ausbildungsund Erfahrungsmängel, Eingriff ohne eigene Diagnose, ungenügende Überwachung der Schwestern; hierzu auch BGHSt. 6 283. — H e i l p r a k t i k e r : H R R 42 558; bei Krebs: H R R 42 557; bei Diphtherie: DR 43 897. Irisdiagnose: DR 42 1785. Heilpraktiker muß stets prüfen, ob im Einzelfall seine Kenntnisse ausreichen, um richtige Diagnose zu stellen: Braunschweig NdsRpfl. 48 92. — J ä g e r , fehlerhafte Büchse: DR 43 73. — H a u s b e s i t z e r , Schneebeseitigung: DR 42 1759. III. Bei mittelbarer Verursachung hat trotz (u. U. sogar vorsätzlichen) Dazwischentretens eines Dritten das RGer. eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs abgelehnt. „Die strafrechtliche Erfassung der mehreren in einer Ursachenreihe hintereinander angeordneten, also voneinander abhängigen Bedingungen findet ihre Ausgleichung gegen zu große Härte in dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit." So, unter Anführung älterer Entscheidungen, E 64 316: Ein Mädchen hatte in der elterlichen Wohnung unehelich geboren und, da sie befürchtete, verstoßen zu werden, das Kind getötet. Die Mutter des Mädchens wurde wegen fahrl. Tötung verurteilt, da sie nach BGB §§ 1601, 1705 i. Vbdg. mit § 1707 die Pflicht hatte, für das Kind zu sorgen und den Tod des Kindes, falls sie untätig blieb, voraussehen konnte. E 64 370: Die M. hatte dem W. Gift beschafft, mit dem dieser seine Frau tötete. W. sei wegen vorsätzlicher, die M. wegen fahrlässiger Tötung strafbar. IV. Mitwirkendes Verschulden des Verletzten berührt die „Pflicht" des Täters nur, wenn es die „Vorhersehbarkeit des Erfolgs" ausschließt (E 57 172 scheint freilich hier die „Pflicht" zu verneinen, vgl. Anm. IV 3 b) zu § 59, aber auch BGHSt. 7 115, dazu oben Anm. II). Darüber, daß die „ E i n w i l l i g u n g " des Verletzten *) Straßenverkehrsordnung v. 13. 11. 37 i. d. F. v. 29. 3. 56 (BGBl. I 271, 327) und der VO v. 25. 7. 57 (BGBl. I 780) enthält in § 1 die „ G r u n d r e g e l f ü r d a s V e r h a l t e n im S t r a ß e n v e r k e h r " : „Jeder Teilnehmer am öffentlichen Straßenverkehr hat sich so zu verhalten, daß kein anderer gefährdet, geschädigt oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird" dazu den Vorspruch, der das Gefährdungsmoment betont; sodann eine Reihe von selbständigen Einzeltatbeständen. § 49: „Wer Vorschriften dieser VO oder zu ihrer Ausführung erlassenen Anweisungen vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu 150 DM oder mit Haft bestraft, wenn die Tat nicht nach and. Vorschr. m. schwererer Str. bedroht ist" — also auch (subsidiär), wer dem § 1 zuwiderhandelt. I d K o n k . m i t f a h r l ä s s i g e r T ö t u n g o d e r K V m ö g l i c h . — Dazu: Bockelmann Z. f. VerkSicherheit 52, 216, Wimmer DAR 53, 145, Weigelt DAR 53, 155.

Körperverletzung. Vorbemerkungen. § 223

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(hier des Soziusfahrers) die Rechtswidrigkeit nicht beseitigt, vgl. BayObLG GA 1958 242 mit Nachw. V. Konkurrenzen. Vgl. § 56 Anm. IV 5 (betr. § 226 u. ä. F.), Vorbem. I I I vor § 211 (betr. § 218) und hier die Fußnote. Nicht: Tateinheit mit Mordversuch, wenn nicht festzustellen, ob von mehreren Schüssen der gezielte traf: BGH GA 1958 109.

Siebzehnter Abschnitt Körperverletzung Vorbemerkungen I. Tatbestände. — 1. V o r s ä t z l i c h e K ö r p e r v e r l e t z u n g §223; qualifiziert: a) gegen Aszendenten, §223 II; b) gefährliche KV, § 223 a; c) gegen Kinder un.d Wehrlose, §223b; d) schwere KV, §224, nochmals qualifiziert bei „Absicht", §225; e) mit verschuldeter Todesfolge, § 226. — 2. F a h r l ä s s i g e KV, § 230. — 3. R a u f h a n d e l , §§227, 228. — 4. V e r g i f t u n g , §229. II. Strafantrag nötig bei leichter vorsätzlicher KV (auch gegen Aszendenten) und bei fahrlässiger KV, § 232. III. Bei staatsfeindlicher Absicht Strafschärfung gem. § 94 in §§ 223—229. Leichte

Körperverletzung

§ 223

(1) Wer vorsätzlich einen anderen körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt, wird wegen Körperverletzung mit Gefängnis bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ist die Handlung gegen Verwandte aufsteigender Linie begangen, so ist auf Gefängnis nicht unter einem Monat zu erkennen. I. Körperverletzung wird g e s e t z l i c h d e f i n i e r t als entweder körperliche Mißhandlung oder Gesundheitsschädigung. 1. Körperliche Mißhandlung ist ü b l e , u n a n g e m e s s e n e B e h a n d l u n g , a) Ob S c h m e r z e m p f i n d u n g dazu gehört, ist eine streitige, auch vom RGer. nicht einheitlich beantwortete Frage. E 29 58 bejaht und straft z. B. den Zopfabschneider nicht wegen KV. E 56 64 steht nicht entgegen. Steigerung oder Aufrechterhaltung von Schmerzen infolge Unterlassung einer ärztlich gebotenen Handlung als KV: E 75 160 (165). — Andererseits ist Erregung von U n l u s t e m p f i n d u n g , wenn auch erforderlich, doch n i c h t g e n ü g e n d , um KV anzunehmen, z. B. von Schmerz, Schreck oder Ekel (E 32 113). b) Aber auch V e r l e t z u n g d e r K ö r p e r i n t e g r i t ä t ist Mißhandlung. Hierunter fällt z. B. das Haareabschneiden, so daß E 29 59 im Ergebnis abzulehnen ist. Anders die früh. Aufl. 2. Gesundheitsschädigung ist Störung der normalen körperlichen oder seelischen Funktionen (oder, falls diese schon krankhaft, Steigerung ihres krankhaften Funktio-

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Körperverletzung § 223

nierens). Auf Schmerzempfindung kommt es hier nicht an. — E 64 119 sieht in einer „bloß psychischen Einwirkung, durch die lediglich das seelische Wohlbefinden berührt wird", eine strafb. KV nur dann, wenn durch sie die körperliche Gesundheit (z. B. Nerven) zerstört sei. Dies widerspricht der psychiatrischen Auffassung, die von Geisteskrankheit (also „beschädigter Gesundheit" i. S. des § 223) auch dann spricht, wenn eine Einwirkung auf körperliche Organe oder eine Veränderung solcher nicht vorliegt oder nicht nachweisbar ist. — Versetzung in einen Rausch- oder Betäubungs-Zustand, bei dem das Bewußtsein verlorengeht, ist Gesundheitsschädigung: DR 42 333. — Beeinträchtigung der A r b e i t s k r a f t ist GesBesch. (zutr. Schönke-Schröder § 223 I I I 3). Nr. 1 und 2 treffen häufig zusammen, können auch wahlweise festgestellt werden. 3. Übertragung einer ansteckenden Krankheit ist KV und, falls vorsätzlich oder fahrlässig, als solche strafbar. So auch Übertragung einer Geschlechtskrankheit. Weitergehend Geschl.-KrankhGes. (Anhang Nr. 14), wo in § 6 bewußte Gefährdungen unter Strafe gestellt sind, „sofern nicht eine schwerere Strafe angedroht ist", wie in §§ 224, 226. II. Rechtswidrigkeit der Handlung ist auch hier vorausgesetzt: E 19 265. Aus den Gründen, die sie ausschließen können, kommen, außer Notwehr, hier besonders in Betracht: Einwilligung, Züchtigungsrecht und Recht zum Waffengebrauch. — Über Einwilligung vgl. jetzt § 226a. — Über das Züchtigungsrecht des Lehrers eingehend BGHSt. 6 263 ( = J Z 54 752 m. Anm. Bader), deren Ausgangspunkt, es sei „offensichtlich durchführbar, völlig ohne körperliche Züchtigung auszukommen", jedoch sehr fraglich und heute noch keineswegs gesichert erscheint. Immerhin „unterstellt" S. 269, daß „in seltenen Ausnahmefällen eine maßvolle körperliche Züchtigung durch den Lehrer am Platze sein mag". Sie dürfe nur der Erziehung dieses Kindes dienen, die Schulzucht rechtfertige sie nicht (richtiger schließen der Erziehungszweck u. U. die Tatbestandsmäßigkeit, die Erfordernisse der Schulzucht u. U. nach allg. Kollisionsgrundsäzten die RW aus). Gegen BGHSt. 6 263: Schleswig NJW 56 1002, dem H. Mayer DVB1. 56, 469 zustimmt; Hamm NJW 56 1690. Anders jetzt auch BGHSt. 11 241. Danach ist der Volksschullehrer (in Hessen) zu maßvoller Züchtigung befugt, und zwar kraft Gewohnheitsrechts, das nicht durch bloße Verwaltungsanordnung aufgehoben werden kann. Auch Grenzen des Züchtigungsrechts (in Hessen) gewohnheitsrechtlich. Art. 1 und 2 I I S. 1 GG stehen nicht entgegen (ebenso Kern, Grundrechte Bd. 2 S. 52, 60ff., Bruns JZ 57, 413). — Fachschullehrern (-leitern) dagegen fehlt (in Bayern) ein solches Gewohnheitsrecht (und gesetzliches Recht); auch die (höchstpersönliche) elterliche Erziehungsgewalt kann auf sie nicht übertragen werden und damit das Recht begründen: BGHSt. 12 62. Übersicht über die Rspr. bei Erdsiek NJW 58, 2008. Aus der älteren Rspr. s. E 26 148 (vgl. § 340). Über dessen Regelung vgl. E 48281, DR 43580; dazu Kümmerlein DR 43, 897. Umfang : E 42142 ¡Grenzen: E 31 267. Überträgbarkeit: E 33 32, 61 191 auch 61 393. Auch beim Fehlen ausdrücklicher VorSchriften läßt sich das Züchtigungsrecht nicht ohne weiteres verneinen, da es schon aus dem Recht und der Pflicht zur Erziehung folgt: E zuletzt 451, BGHSt. 6263, 11 241, aber 12 62. Vgl. ferner E 20371. — Das Züchtigungsrecht besitzen auch die E l t e r n , Erzieher (BGHSt. 3105 betr. Fürsorgezöglinge), nicht mehr dagegen Lehrherren (§ 127a GewO i. d. Passg. v. 27.12. 51). Grundsätzlich kein Züch-

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tigungsrecht des Seelsorgers: E 67 325. Über familienreehtliches Züchtigungsrecht vgl. E 41 99, 49 389, 61 393 (Nötigung eines Kindes durch Schläge zur Duldung eines ärztlichen Eingriffs u. U. berechtigt), BGH MDR 58 20 (desgl. Stutzen der Haare und Entziehung einzelner Mahlzeiten bei 16j. verwahrloster Tochter). Die Überschreitung des Züchtigungsrechtes ist als vorsätzliche oder fahrlässige KV strafbar: E 19 265, 34 118. — Ein a l l g e m e i n e s Züchtigungsrecht Erwachsener gegenüber fremden Kindern besteht nicht. E 4 98 und öfter, bis DR 44 612. — Hinsichtlich des Irrtums über das Züchtigungsrecht vgl. E 49 389, BGHSt. 3 105 und Anm. V 3, c zu § 59. — Würtenberger DRZ 48, 291 schlägt vor, das Problem wie beim ärztl. Eingriff (III) auf den T a t b e s t a n d zu verlagern, ebenso SchönkeSchröder 7. Aufl. VI 2 (aufgegeben in 8. Aufl.), Redelberger NJW 52, 1161 und z. T. schon Frank Vorbem. I I 1 vor 17. Abschn. Das erscheint folgerichtig. Wenn und soweit vom Erziehungszweck geboten, unterfällt die Einwirkung jedenfalls nicht dem Unrechtstyp der Mißhandlung. Ob Gesundheitsbeschädigung, ist Tatfrage; wenn ja, so wird die Hdlg. auch kaum zu rechtfertigen sein. BGHSt. 6 264 lehnt durchaus ab, ebenso BGHSt. 11 241. III. Ärztliche Eingriffe. Wieweit sie als Körperverletzungen (evtl. Tötungen) strafbar sein können, ist seit Jahrzehnten streitig. Bereits der Standort des Problems ist bestritten. Das RGer. hielt den ärztlichen Eingriff tatbestandlich für eine KV (evtl. Tötung) und suchte eine Lösung und Abgrenzung auf dem Gebiet der R e c h t s w i d r i g k e i t . Das Schrifttum und die neueren Entwürfe dagegen verneinten ganz überwiegend bereits die T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t , ohne freilich über die Voraussetzungen und in der Begründung übereinzustimmen. — Selbstverständlich ist, daß, wenn Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit bejaht sind, noch die Frage des V e r s c h u l d e n s der Beantwortung bedarf. — Im einzelnen A. Verneinung der Tatbestandsmäßigkeit. 1. Nach einer Bemerkung von A . H e ß (Ehre und Beleidigung, 1891, S. 55 A. 4) war bahnbrechend der Schweizer Carl S t o o ß : „Operativer Eingriff u. K V " in Z. f. Schweizer S t r R 6 (1893) 54; eingehender: „Chirurg. Operation u. ärztl. Behdlg." (1898); DJZ Bd. 7 (1902) 566. Ihm trat 1897 F r a n k in der l.Aufl. seines Komm. bei. Es folgten alsbald: H e i m b e r g e r , StrR u. Medizin (1898); B e l i n g ZStW 18 (1899) 286. In die gleiche Richtung neigte B i n d i n g , Lehrb. Bes. Teil I, 1902, S. 53 (anders noch im Hdb. d. StrR). Später K a h l ZStW 29 (1909) S. 362. Eindeutig und radikal sodann E b e r m a y e r in LZ 8 (1914), Sp. 1079 und von 1919 ab im LK. Über den weiteren Einfluß von Ebermayer s. Nr. 2; später sein Buch: „Der Arzt im Recht" 1930. Später vor allem E n g i s c h ZStW. 58, 1; d e r s . bei Stich u. Bauer, Fehler und Gefahren bei chirurg. Operationen 1958, 1536; Eb. S c h m i d t , Arzt im StrR, 1939 sowie bei P o n s o l d , Lehrb. der ger. Medizin 1957, 28, 35. Diese stimmen im wesentlichen darüber überein, daß bei einem ärztl. Eingriff der TB der KV unter drei Voraussetzungen zu verneinen sei: daß er zu Heilzwecken vorgenommen sei (nicht etwa zu Versuchszwecken oder als bloße Schönheitsoperation, wohl aber bei diagnostischen Eingriffen und Impfungen u. dgl., vgl. Mezger StB I I 39); daß er lege artis, d. h. k u n s t g e r e c h t a u s g e f ü h r t worden sei; zunächst ferner, daß er gelungen sei, denn wenn der Zustand eines Kranken im Endergebnis sich gebessert habe, könne weder von einer „Verletzung" des Körpers (Heß) noch von einer „Mißhandlung" (d. h. unangemessenen Behandlung: Stooß) und erst recht nicht von einer „Gesundheitsschädigung" die Rede sein. Diese dritte Voraussetzung, daß der Eingriff g e l u n g e n sein müsse (ausdrücklich S t o o ß , 32

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

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Körperverletzung § 228

noch 1902) t r a t freilich immer mehr in den Hintergrund. Bei F r a n k (in den ersten Auflagen!) und bes. bei Ebermayer verschwand sie ganz. 2. Die Arbeiten an einem neuen StGB förderten die Frage ständig weiter. Die Entwürfe 09 und 12 standen zwar insofern noch auf dem Boden der reichsger. Rspr., als sie an der Tatbestandsmäßigkeit des ärztl. Eingriffs nicht zweifelten. Immerhin zogen sie als Rechtfertigungsgrund nicht nur, wie das RGer., die Einwilligung des Betroffenen in Betracht (für welche Entw. 1927 die 1933 als § 226a übernommene Regel formulierte), sondern auch: daß der Arzt den Eingriff „innerhalb der Regeln der ärztl. K u n s t ausgeführt habe". I n diesem Fall sei der Eingriff zwar tatbestandsmäßig, aber nicht rechtswidrig. Andernfalls sei, wie immer, Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit zu prüfen. Einer gesetzlichen Regelung bedürfe das nicht (Begr. 1909, S. 660). Die Verneinung der Tatbestandsmäßigkeit beginnt mit dem Entw. 19, den Ebermayer (s. oben) und Bumke entscheidend beeinflußt haben. Nach Begr. S. 238 „steht er auf einem grundsätzlich anderen S t a n d p u n k t " als das RGer. und als die ersten beiden Entwürfe. „Eine Handig., die v. irgend jemand (!) n. d. Regeln d. ärztl. K u n s t zu Heilzwecken vorgenommen wird, kann niemals als körperl. Mißhdlg. od. Ges. Beschäd. angesprochen werden, mithin niemals als K V strafbar sein. Der Einwill. d. Betroffenen bedarf es nur deshalb, weil e. Heilbehdlg. gegen s. Willen e. Eingriff in seine Willensfreiheit enthält. Deshalb h a t der Entw. zum ärztl. Eingriff nicht im Rahmen der Vorschriften über K V Stellung genommen, sondern i. d. Abschn. über Verletz, d. persönl. Freiheit denjenigen m. Str. bedroht, der einen anderen gegen seinen Willen zu Heilzwecken behandelt". Damit waren drei bedeutsame Schritte getan: 1. Die Frage nach der Rechtsw. wurde umgestellt auf die Vorfrage nach der T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t . 2. Der T B der K V wurde losgelöst vom Erfolg oder Mißerfolg des Eingriffs und nur darauf abgestellt, ob er nach Zweck und Ausführung medizinisch s a c h g e m ä ß war. 3. Zum Ersatz f ü r die damit ausgeschaltete Einwilligung wurde ein bes. Nötigungs-TB geschaffen. — Dieser E 19 wurde die Grundlage der weiteren Gesetzgebungsarbeit. D e r E n t w . 25 (der erste „amtliche") setzte die 1919 eingeschlagene Linie fort, indem er sich nicht damit begnügte, den T B der K V in der „Begründung" zu verneinen, sondern diese Verneinung in das G e s e t z übernahm. I n den Abschn. über K V wurde folgender § 283 eingestellt: „Eingriffe undBehandlungsweisen, die der Übung eines gewissenhaften Arztes entsprechen, sind keine KVerletzungen oder Mißhandlungen i. S. dieses Gesetzes." Ebenso dann alle weiteren Entwürfe. Vgl. jetzt § 167 Entw. 1959: „Eingriffe und andere Behandlungen, die nach den Erfahrungen der Heilkunde und den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zu Heilzwecken erforderlich sind und vorgenommen werden, sind nicht als Körperverletzung strafb a r " . Diese Fassung betont den Ausschluß der Rechtsfolge. 3. Die gleichzeitige wissenschaftliche Diskussion ging ähnliche Wege, aber, entsprechend ihrer Mehrstimmigkeit, weniger einheitlich. Namentlich trennten sich die Wege gegenüber dem m i ß l u n g e n e n Eingriff. Ebermayer verneinte auch hier den T B der KV, vertrat also die Entwürfe 1919 usf. Vgl. Lpz. K o m m . 1 Anm. 10 zu § 223, aber auch schon früher. GegenteiligBeling Z S t W 4 4 (1924) S.220: Binding folgend (Lehrb. d . Bes. T. I 53) sah Beling in der K V eine Körperinteressenverletzung und folgerte daraus, daß nur bei dem gelungenen Eingriff der T B der KV fehle. F r a n k folgte ihm seit der 16. Aufl. Anlaß und Ausgangspunkt der ganzen Erörterung war ein typischer (nicht seltener) Fall: Exstirpation des Uterus wegen Karzinoms, ohne daß die bei Erkennung der Bösartigkeit der Geschwulst bereits in Narkose befindliche F r a u zu der Radikaloperation ihre Einwilligung gegeben hatte. Das Leben der F r a u wurde hierdurch, wenn sie auch gebärunfähig blieb, gerettet. Ein OLGer. h a t t e die Klage des Arztes auf Honorar abgewiesen, da der Eingriff obj. eine K V sei, und zwar,

Körperverletzung § 223

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da die Frau nicht eingewilligt habe, eine rechtswidrige. Die Empörung der Ärztewelt hatte Stooß u. a. veranlaßt, den TB der KV zu prüfen und hier zu verneinen. Hierzu neuerdings Beschluß der Münchener Ärztetagung 1952 (zit. NJW 52, 1161). Der heutigen Wendung zu einem „sinnhaften" TB.- und „finalen" Handlungsbegriff entspricht es, wenn Engisch, Eb. Schmidt, anfänglich Welzel u. a. (gleich den StGEntwürfen) vom Erfolg des ärztl. Eingriffs absehen und den TB schon dann verneinen, wenn jemand zu Heilzwecken nach den Regeln der ärztl. Kunst eingegriffen hat. Engisch ZStW58 (1938), 1 ff. und MoRriBi. 1939,426 geht wie Beling vom Gedanken der Interessenverletzung aus, folgert aber umgekehrt, daß diese ex ante, zu prüfen und daß hierbei neben der Wahrscheinlichkeit eines guten Ausgangs auch das Interesse des Kranken an Vermeidung abträglicher Nach- und Nebenerscheinungen in Rechnung zu stellen sei (was freilich auch die ex post Urteilenden schwerlich übersehen werden). Welzel (Grundzüge 4 S. 36, 55,138; ZStW 58, 515ff.) sah in einem zu Heilzwecken vorgenommenen und ärztlich angezeigten Eingriff deshalb nicht den TB einer KV, weil ein solcher Eingriff „sozialadäquat" sei (a. a. O. eine anregende Zusammenstellung ähnlicher und unähnlicher Fälle; anders seit 7. Aufl. § 38 I). Verwandt die vielfachen Erörterungen über „erlaubtes Risiko", unter denen Mittasch in „Deutsche Rechtswiss." 8 (1943) S. 46ff. zu nennen ist. — Ausdrücklich an Engisch sich anschließend: Schönke-Schröder V, Freiesleben bei Olshausen 12 A. 7 zu §223. Wenn dieser hinzusetzt: „Übrigens ist die ganze Frage f. d. Rspr. nicht v. erhebl. Bedeutung", so bewies schon RGZ 151 349, das die Ärztewelt lebhaft erregt hat, das Gegenteil. — Im Ergebnis ebenso Mezger StB I I 45 ff. Eine neue Begründung gab Eb. Schmidt, vgl.: „Der Arzt im StrR", (1939), S. 77ff.; MoKriBi. 33 (1942) S. 85, bes. 88f. und später. Er geht aus von Unterlassungsfällen (wie ungenügende Untersuchung und folgeweise unrichtige Diagnose, unterlassene Vorbeugungsmaßnahme, unterlassene Krankenhausbehandlung usw.) und gründet hier die Strafbarkeit auf die Nichterfüllung der Erfolgsabwendungspflicht. Jede mißglückte Operation sei in ihrer „sozialen Sinnbedeutung" Nichtabwendung des ungünstigen Erfolgs und daher als u n e c h t e s U n t e r l a s s u n g s d e l i k t zu betrachten. Der operierende Arzt habe die Pflicht, die mit dem Eingriff verbundenen Gefahren mit allen Mitteln der ärztlichen Kunst abzuwenden. Erfülle er sie, sei also der Eingriff medizinisch angezeigt gewesen und kunstgerecht ausgeführt worden, so fehle auch bei ungünstigem Ausgang die Tatbestandsmäßigkeit. Kohlrausch hat im Entwurf zur 39. Aufl. den Standpunkt vertreten, daß der TB der KV nur beim g e l u n g e n e n Eingriff verneint werden könne. Die Fruchtbarkeit von Eb. Schmidts Neu-Konstruktion müsse dahingestellt bleiben. Zweierlei aber sei zu bemerken. Erstens sei die von Schmidt bekämpfte, bei der Kausalität der Unterlassung aber unvermeidliche „Wahrscheinlichkeits"-Feststellung der bei der Kausalität des Tuns möglichen und zu fordernden Bestimmtheits-Feststellung logisch gleichwertig und praktisch gleich unbedenklich. Zweitens sei „töten" ein zunächst wertfreier Begriff. Von diesen beiden Seiten her bestehe also kein Anlaß zu einer Neu-Konstruktion. Wer bei einer ärztlich indizierten und kunstgerecht ausgeführten Operation den TB der KV ohne Rücksicht darauf, ob sie gelingt oder mißlingt, in Abrede stellt, müsse, falls der Kranke i n f o l g e der Operation s t i r b t , gleichermaßen auch den TB der Tötung verneinen. Diesen zweiten Schritt hätten die StGEntwürfe gescheut; auch im Schrifttum werde er nur vereinzelt getan; eindeutig aber von Ebermayer, Eb. Schmidt und — damals — Welzel. — Diese Bedenken Kohlrauschs werden nicht aufrechterhalten. Gerade weil „töten" im Gegensatz zu „mißhandeln" ein sozialethisch zunächst wertfreier Begriff ist, hindert die Verneinung des Werturteils „Mißhandlung" die Feststellung „Verursachung des Todes" um so weniger, als nur dieser rein kausale Begriff, nicht ein finaler „Tötungs"akt in Betracht kommt. — Sehr beachtlich die neueste Sinnge32*

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Körperverletzung § 223

bung der Kunstheilung als Steigerung der Naturheilung bei Engisch, Fehler und Gefahren usw. 1536. Die Subsumtion unter § 222 seheitert ebenso wie die Subsumtion der durch eine mißlungene Operation verursachten Gesundheitsbeschädigung unter § 230 in den hier untersuchten Fällen daran, daß Fahrlässigkeit eine Verletzung der Regeln der ärztlichen Kunst oder der Indikation voraussetzt. Grundsätzlich abzulehnen deshalb auch BGHSt. 11 111, wonach fahrlässige Nichtherbeiführung der Einwilligung in einen weiteren als den zunächst vorgesehenen Eingriff fahrlässige Körperverletzung sei. Dagegen treffend schon Eb. Schmidt J R 58, 227: von dem unten zu B behandelten Ausgangspunkt aus müsse folgerichtig v o r s ä t z l i c h e KV angenommen werden. Näheres s. dort. B. Bejahung der Tatbestandsmäßigkeit. 1. Das RG versteht unter „kprperlich mißhandeln" jeden Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, der geeignet ist, Schmerzgefühl oder körperliches Mißbehagen hervorzurufen oder das körperl. Wohlbefinden zu stören. Nach RG. erfüllen also ärztliche Eingriffe ausnahmslos den TB des § 223. So E 25 375, 38 34 auch E 74 350, 75 73, DR 42 333; RGZiv. 68 431, 151 349. Ebenso Lorenz bei Olshausen11, A. 9b zu § 223. Dem RG folgt der BGH: BGHZ NJW 56 1106 sowie BGHSt. 11 112. I. w. zust. hierzu Baumann N J W 58, 2092, scharf ablehnend aber Eb. Schmidt J R 58, 226, dem durchaus beizutreten ist. „Fahrlässige" Nichtherbeiführung der Einwilligung (tatsächlich bewußte Rücksichtnahme aus den oben § 59 IV 3 c) lind in BGHSt. 11 116 erörterten Gründen) ist nicht fahrlässige Körperverletzung, sondern allenfalls Freiheitsdelikt. Der BGH hebt selbst auf den „rechtswidrigen Eingriff in die Freiheit und Würde" ab (S. 114). Daß es nicht angeht, die rechtsstaatlich unabdingbare Differenzierung der Rechtsgüter mit einem Appell an allgemeine höchste Schutzwerte beiseite zu schieben, hat Eb. Schmidt a. a. O. bereits klargestellt. Gegen ähnliche Neigungen beim Versuchsbegriff (BGH JZ 58 669: „Auflehnung gegen die Rechtsordnung") und bei der Hehlerei, die nach BGHSt. 7 134 wegen Verletzung „allgemeiner Sicherheitsinteressen" besonders strafbar sein soll, vgl. J Z 58, 671 sowie unten § 259 Anm. VII 2. 2. Dies nötigt zur Prüfung von Rechtfertigungsgründen. Solcher bedürfen auch die unter A aufgeführten Ansichten dann, wenn im Einzelfall der TB der KV geg e b e n ist; wenn z. B. der Eingriff nicht zu Heilzwecken vorgenommen wurde, sondern etwa prophylaktisch (Rachenmandeln, Wurmfortsatz, vgl. aber auch oben A I ) ; oder als Schönheitsoperation; oder zur Heilung eines Dritten (Hauttransplantation, Bluttransfusion); oder zu Experimentierzwecken (hierüber v. Bar in der Göttinger Festgabe für Regelsberger 1901); oder namentlich, wenn eine medizinisch indizierte, zu Heilzwecken kunstgerecht ausgeführte Operation Miße r f o l g hatte und man (mit Frank, Beling u. a.) auf dem Standpunkt steht, daß nur bei einer g e l u n g e n e n Operation die Verneinung des TB in Frage kommt. — Das Schrifttum über einschlägige Rechtfertigungsgründe war um die Jahrhundertwende sehr umfangreich. Zusammenstellung bei Frank A I I 3 zu § 223. Von Bedeutung sind heute noch drei: Einwilligung, Handeln im Fremdinteresse und Annahme eines Berufsrechts. a) Einwilligung dessen, in dessen Körper eingegriffen wird, ist der einzige vom EG, dem sich BGHSt. 11 112 wiederum anschließt, u. U. anerkannte RechtfGrund. Früher in seiner Tragweite äußerst umstritten, ist er jetzt durch § 226 a geregelt: s. dort. — Häufig freilich ist E unmöglich, z. B. wegen Bewußtlosigkeit; oder

Körperverletzung § 223 a

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unbeachtlich, z. B. wegen Jugend, Geistesgestörtheit. Dann soll mutmaßliehe E sie ersetzen: E 25 375, 61 256, RGZiv. 151 349; eingehend ebenso Mezger, Lehrbuch 218. Indessen wird damit entweder (nämlich wenn man es auf den vermutl. Willen des zu Operierenden abstellt) mit einem allzu unbestimmten und allzu subjektiven Faktor gearbeitet; oder (bei Abstellung der Vermutung auf das obj. Vernünftige) der Einwilligungsgedanke nicht weitergebildet, sondern zugunsten der unter A aufgeführten Erwägungen preisgegeben. Letzteres erfolgt offener und richtiger durch den Gedanken der: b) Wahrung des Fremdinteresses. V-gl.: Frank S. 139, 152; Dohna, Recht und Irrtum (1925) 13. Ähnlich die Heranziehung der §§ 677ff. BGB über Geschäftsführung ohne Auftrag: Zitelmann in ArchZivPraxis 1889, 111; Rosenberg in GS 62, 82; v. Hippel, StrR I I 249. c) Ein Berufsrecht wurde früher gelegentlich behauptet, überwiegend aber wegen Kurierfreiheit mit Recht abgelehnt. Zeitweilig trat es als Rechtfertigungsgrund wieder mehr in den Vordergrund: Kalifelz in J W 36, 3114; Lohmann in DJZ 36, 1481; und, mit Vorbehalten: RGZiv. 151 349. C. Eigenmächtige Heilbehandlung. Soweit der tragende Grund für das Recht zu ärztlichen Eingriffen nicht die Einwilligung, sondern irgendwie dessen objektive Angemessenheit ist, muß ein entgegenstehender Wille des Kranken in gewissen Grenzen anerkannt werden. Das Delikt ist dann aber nicht KV, sondern Nötigung (§ 240) oder, z. B. bei Narkotisierung gegen Willen, Freiheitsberaubung (§ 239). Sonderbestimmungen in den Entwürfen, vgl. jetzt Entw. 1959 § 168.

Gejährliche

Körperverletzung

§ 223a Ist die Körperverletzung mittels einer Waffe, insbesondere eines Messers oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges, oder mittels eines hinterlistigen Überfalls, oder von mehreren gemeinschaftlich, oder mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangen, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter zwei Monaten ein. Der frühere Abs. 2 über Mißhandlung Wehrloser, eingefügt durch G v. 19. 6. 12, ist jetzt in erweiterter Fassung 223 b. I. Waffe: jeder zur Zufügung von Verletzungen g e e i g n e t e Gegenstand, einschl. „Messer oder andere gefährliche Werkzeuge". (Enger in §§201 ff.: BGHSt. 4 25; vgl. auch S. 31 betr. Bestimmungsmensur). Gefährlich ist ein W., wenn es nach seiner Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung geeignet ist, erhebliche KVen zuzufügen. E 4 397, OGHSt. 1 18, BGH MDR 52 273. Teppichklopfer, Schuh am Fuß: DR 48 754. Gaspistole: BGHSt. 4 125. Ob Verletzung auf mechanischem oder chemischem Weg, ist gleich. So jetzt auch BGHSt. 1 1, 4 125 (gegen RG). Ebenso aber auch, ob das Werkzeug beweglich ist (anders E 24 374). Sonst wird der Zweck der Vorschrift, besonders gefährliche Fälle, d. h. solche, die die unmittelbare Gefahr schwerer Folgen begründen (§ 261 Entw. 1930), zu erfassen, nicht einmal in dem jetzt möglichen Umfang erreicht (vgl. Begr. zum Entw. 1927 S. 131).

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Körperverletzung § 223 b

IL Überfall: unversehens; hinterlistig: unter Verdeckung der wahren Absicht. Beides, um dem Angegriffenen die Möglichkeit zu nehmen, die Verteidigung vorzubereiten. E 65 65. Dazu Schleswig SchlHA 53 245. III. Von mehreren gemeinschaftlich: Zwei Beteiligte genügen, jedoch nur, wenn sie als Mittäter handeln: BGH LM Nr. 2 (Krumme). — Vgl. E 67 369. IV. Lebensgefährdende Behandlung: Abstrakte, wenn auch nicht konkrete Lebensgefährdung genügt (E 10 1, H R R 29 Nr. 1799, J W 32 3350, BGH MDR 52 273, bestr.). — Verleitung einer Schwerkranken, gebotene ärztliche Hilfe nicht in Anspruch zu nehmen: J W 35 2735. — Nicht-Zurückrufen eines zubeißenden Hundes: Köln JMB1. N R W 52 81. — Anfahren von Fußgängern mit Kraftfahrzeug: Düsseldorf VRS 5 293. Jede erheblichere K V kann zusammen mit anderen Umständen lebensgefährdend wirken: BGHSt. 2 163. V. Zum Vorsatz gehört Kenntnis von der Gefährlichkeit des Werkzeugs: E 17 279, 26 61, auch 10 100, bzw. von der Lebensgefährlichkeit der Behandlung: BGH MDR 52 273. VI. Mildernde Umstände: §228. VII. Idealkonkurrenz mit §§ 223b, 227 Abs. 1 (E 59 110). §§ 224, 226 gehen dagegen vor: E 74 311. — Vgl. ferner § 340 Anm. V.

Mißhandlung von Kindern und Wehrlosen

§ 223b (1) Wer Kinder, Jugendliche oder wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit Wehrlose, die seiner Fürsorge oder Obhut unterstehen oder seinem Hausstand angehören, oder die von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder durch ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis von ihm abhängig sind, quält oder roh mißhandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, f ü r sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf J a h r e n . Schrifttum: Kriminologisch, insbes. zur Typik der Tathergänge und der Täter sowie über mangelndes amtliches Einschreiten: S c h l e y e r MoKrim 41, 65ff. I. Entstehung. § 223 b ist durch G v. 26. 5. 33 an die Stelle des früheren § 223 a Abs. 2 getreten. Vgl. dazu oben § 211 Anm. V I I I 6. H. Rechtsnatur: In den Vorauf 1. hat Kohlrausch aus der Entstehungsgeschichte eingehend den Standpunkt begründet, daß § 223b ein Sonderdelikt sei, f ü r das die allgemeinen Regeln der KV, insbes. die mildernden Umstände des § 228, nicht in Betracht kämen. Dem hatten sich Schönke I und Maurach Bes. T. 75 angeschlossen. Ebenso Welzel 3. Aufl. §34 I I I unter Hinweis auf die Schutzbeziehung zwischen Täter und Opfer und die verwerflichen Gesinnungsmomente. Aber eben darin zeigt sich, daß § 223 b kein neuer und anderer Unrechtstyp, sondern ein Schuldsteigerungstyp ist. Der Tatbestand des Quälens und roh Mißhandelns ist enger, nicht weiter als der des § 223. Unter diesen fällt, da Körper und Seele eins sind, bei richtiger Auslegung,

Körperverletzung 223b

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wie sie gerade Kohlrausch gegenüber E 64 119 vertreten hat, auch die seelische Mißhandlung, soweit sie strafbedürftig ist. So seit 4. Aufl. auch Welzel. Die Vernachlässigung der Sorgepflicht wäre als unechtes Unterlassungsdelikt schon nach allgemeinen Grundsätzen als KV, strafbar; § 223b steigert auch insoweit lediglich die Strafe. — Daß die Entwürfe ein Sonderdelikt schaffen wollten, ist weder aus ihrem Text noch aus den Motiven ersichtlich. § 265 E 1927 sagt vielmehr „wer an Kindern . . . grausam oder in der Absicht, sie zu quälen . . . oder durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht . . . eine Körperverletzung begeht". Das unmittelbare Vorbild des. § 223 b, § 265 E 1930, weicht hiervon nur stilistisch ab und behält die amtliche Überschrift „Körperverletzung an Kindern usw." bei. Mildernde Umstände waren nach § 74 der Entwürfe 1927 und 1930 allgemein zulässig. Auch der § 223a Abs. 2, den §223b ersetzt hat, erklärte die Tat ausdrücklich für eine KV. Der kriminelle Gehalt der Bestimmungen ist aber derselbe, ein neuer Deliktstyp ist nicht entstanden (so mit Recht Braunschweig MDR 48 336 und v. Weber in Anm. dazu). Zutr. hatte deshalb das RG in J W 36 3463 und in E 70 357 die Sondernatur des § 223 b in Abrede gestellt, ihn für einen Fall schwerer strafbarer Körperverletzung erklärt und in J W 39 337 diese Ansicht als „ohne Zweifel" richtig aufrechterhalten. Folgen: 1. Mit §§ 224—226 kann § 223b nicht in IdKonk. (§ 73) stehen: E 70 359, J W 39 337. 2. § 228 betr. mildernde Umstände ist auch auf § 223b anwendbar: E 71 363. Ebenso BGH N J W 51 369. Mit Recht. Denn auch wenn der T B des § 223 b objektiv und subjektiv gegeben ist, kann ausnahmsweise das darin liegende Symptom besonders verwerflicher Gesinnung durch ganz besondere Umstände abgeschwächt werden. Diese Folgerving hat das 3. StÄG durch Neufassung des § 228 gezogen und damit die Streitfrage praktisch in dem hier vertretenen Sinne entschieden. HI. Kinder bis zum vollendeten 14., Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr. IV. Wehrlos: auch Schwangere. E 77 68. V. Quälen: bewußt u. ohne rechtfertigenden Grund dauernde oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder inneres Leid verursachen; also auch „ s e e l i s c h e M i ß h a n d l u n g " . Versetzen in Todesangst: BGH N J W 54 1942. Vgl. auch Hamm J Z 52 346. — „Roh": aus gefühlloser Gesinnung; ohne das natürliche Gefühl für die Leiden des Mißhandelten; Ausfluß eines gefühl- und mitleidlosen Charakters. So D R 44 331, 725; auch D J 38 1645, J W 38 1879, D R 40 26. BGHSt. 3 105: nicht roh handelt, wer nicht aus derartiger Gesinnung, sondern aus großer Erregung heraus mißhandelt. — Vgl. die Legaldefinitionen des § 1 I I Tierschutzges. (Anh. Nr. 8). — Über das Verhältnis zu „grausam": Anm. V I I I 6 zu § 211. VI. Böswillig: aus reiner Bosheit, also aus Lust an fremdem Leid; aber auch aus Haß, Geiz, Eigennutz oder einem sonst verwerflichen Grund. Sorgsame Prüfung der Persönlichkeit und aller Lebensumstände des Täters verlangt BGHSt. 3 20. In anderen Bestimmungen (vgl. Register), kann der „böse Wille" jeweils einen besonderen Inhalt haben. Vgl. D J 36 257, E 72 118 (Klee in J W 38, 1517), 73 389 (Nagler in ZAk. 40, 99). VII. Gesundheitsschädigung: schon, wenn die gesunde Entwicklung des Kindes beeinträchtigt oder gehemmt ist: E 76 371. Der Begriff ist weiter als die „Beschädigung" des § 223.

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Körperverletzung § 224

VIII. Besonders schwerer Fall z. B. wenn die körperliche oder geistige Entwicklung des Verletzten erheblich gestört wird, namentlich aber, wenn die Tat von besonderer Gemeinheit zeugt. Würdigung der Persönlichkeit und Beweggründe erforderlich: D J 38 378, DR 43 755. Für Geschichte und Auslegung der „be3. schw. Fälle" ist die Stelle bedeutsam, vgl. MDR 48, 311. § 228 entfällt. Schwere Körperverletzung

§224

Hat die Körperverletzung zur Folge, daß der Verletzte ein wichtiges Glied des Körpers, das Sehvermögen auf einem oder beiden Augen, das Gehör, die Sprache oder die Zeugungsfähigkeit verliert oder in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder Geisteskrankheit verfällt, so ist auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis nicht unter einem Jahre zu erkennen. I. Qualifizierung durch den — wenn auch nur fahrlässig — verschuldeten Erfolg: § 56. Vgl. dort zur Geschichte und Auslegung solcher Tatbestände. Falls der Erfolg beabsichtigt war, tritt § 225 ein. II. Wichtiges Glied: so daß der Verlust eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensbetätigung bedeutet. Vgl. E 3 33, 62 161, und zwar generell: E 64 201. Schönke-Schröder II 1 entscheiden richtiger nach den besonderen Verhältnissen des Verletzten; das ist namentlich f ü r den Schutz der Arbeitskraft von Bedeutung. — Verlust i. S. von Funktions-, nicht notwendig von Substanzverlust, vgl. oben § 223 I 2, III, auch unten § 303 Anm. III. Nach GoltdA Bd. 53 74 der Daumen; dagegen nicht einzelne Fingerglieder: E 6 348. Hierzu ferner GoltdA 47 168, 62 91, E 62 162, 64 202; BGH MDR 53 597 (rechter Zeigefinger w. Gl.). III. Sehvermögen: die Fähigkeit, Gegenstände zu erkennen. — Im einzelnen vgl. E 14 118, 27 80, 63 423, 72 322. IV. Zeugungsfähigkeit, d. h. die Fortpflanzungsfähigkeit. Auch Frauen sind gemeint. V. Verlust des Sehvermögens usw.: es genügt ein „chronischer" Krankheitszustand, d. h. ein solcher, der längere Zeit besteht und dessen Heilung sich zeitlioh nicht bestimmen läßt. E 44 59, 72 321. VI. Entstellt: die äußere Gesamterscheinung verunstaltet; auch wenn dies bei einzelnen sichtbaren Körperteilen zu verdecken (E 14 344) oider die Gesamterscheinung nur in einzelnen Lagen (beim Stehen, Gehen, Sitzen) verunstaltet ist: E 39 419. Verlust von 4 Vorderzähnen: D J 38 427. VII. Siechtum: ein anhaltender, betr. Heilbarkeit unberechenbarer Krankheitszustand, der das Allgemeinbefinden erheblich stört und ein Schwinden der Körperkräfte und Hinfälligkeit zur Folge hat. Auch völliger Verlust der A r b e i t s f ä h i g k e i t : E 72 345. VIII. Geisteskrankheit: Unheilbarkeit nicht erforderlich: E 44 59. IX. Versuch begrifflich ausgeschlossen, Vorbem. VII vor § 43, E 9 67, 61 179. X. Mildernde Umstände: § 228. — Vgl. ferner 340 Anm. III.

Körperverletzung §§ 226—226a

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§ 225 War eine der Torbezeichneteil Folgen beabsichtigt und eingetreten, so ist auf Zuchthaus von zwei bis zu zehn Jahren zu erkennen. I. Absieht: Beweggrund: Anm. III 1 zu § 59. Freilich E 24 369. IL Versuch ist (auch wenn man zu § 224 ihn f ü r unmöglich hält) hier strafbar: E 9 67, 61 179. m . Keine mildernden Umstände nach § 228.

Körperverletzung mit tödlichem Auagang

§ 226 Ist durch die Körperverletzung der Tod des Verletzten verursacht worden, so ist auf Zuchthaus nicht unter drei J a h r e n oder Gefängnis nicht unter drei J a h r e n zu erkennen. I. Fahrlässigkeit bezüglich des Todeserfolges nach §56 erforderlich; vgl. dort sowie Vorbem. I I C u . I V vor §1, A. VII zu § 5 9 , 1 zu §224. Zur Kausalfrage BGH MDR 54 150. — Ein Mittäter bei der KV ist nur dann nach § 226 strafbar, wenn die tödliche Handlung von jedem als eigene gewollt war. E 67 369. Über die jetzt entstandenen Streitfragen zur Teilnahme vgl. oben § 56 Anm. IV 4; zum bisherigen Recht BGHSt. 2 223, betr. Exzeß des Täters. II. Mildernde Umstände s. in § 228. — IdKonk. mit § 340 möglich (anders bei § 224). — Gesetzeseinheit mit § 223a (§ 226 geht vor): E 26 312, 36 277, 70 359, 74 311; OGHBrZ in DRZ 49 45.

Einwilligung

§ 226 a

Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung des Verletzten vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt. I. Zweck. Die den Entw. 1913 u. ff. entnommene und durch G v. 26. 5. 33 eingefügte Bestimmung wollte dem S t r e i t ü b e r d i e Bedeutung der ,Einwilligung' (bes. bei ärztlichen Eingriffen und Sportverletzungen) ein Ende machen. Während es sicher ist, daß sie bei Tötungen belanglos ist, bei Vermögensdelikten aber die R W oder auch den TB ausschließt, war ihre Bedeutung bei Körperverletzungen stets zweifelhaft. Das RGer. hat Einw. hier grundsätzlich f ü r unbeachtlich erklärt (E 55 188), bes. wenn sie gegen die guten Sitten verstoße (E 25 375, 38 34, 61 393, J W 28 2229 und 29 1015). E 61 256 erklärte als Rechtfertigungsgrund die m u t m a ß l i c h e Einwilligung und damit der Sache nach das Handeln zu rechtem Zweck unter Rücksicht auf den Betroffenen. Zust. Welzel § 14 V, Stratenwerth ZStW 68, 48. § 226a t u t einen weiteren Schritt: es kommt nicht auf die

506

Körperverletzung § 226a

Sittengemäßheit der Einwilligung an, sondern, falls Einw. vorliegt, auf die Sittengemäßheit der Tat, d. h. d i e s e r „ K ö r p e r v e r l e t z u n g a n e i n e m E i n w i l l i g e n d e n " . So auch E 74 93, DR 43 579. — Beispiele für den Unterschied: 1. Willigt jemand ein, ihn zu verletzen, um dadurch die Verletzung seiner Frau zu verhindern, so kann die Einwilligung billigenswert sein, die Tat bleibt aber strafbar. 2. Willigt jemand in eine Blutentnahme nur deshalb ein, weil er Geld dafür erhält, während Beweggrund des Täters ist, einem Dritten durch Bluttransfusion das Leben zu retten, so mag eine solche Einwilligung u. U. gegen die guten Sitten verstoßen, der Täter aber ist straflos. — Der ärztliche E i n g r i f f ist, soweit man ihn tatbestandsmäßig für „Körperverletzung" hält (Anm. I I I zu § 223), nach § 226 a zu beurteilen. So DR 43 579. — Auf Abtreibung bezieht sich § 226 a nicht unmittelbar, weil die Mutter über das Leben des nasciturus nicht verfügen kann. Doch ist ihm hierfür der Grundgedanke zu entnehmen, daß sich der Arzt auch bei dringendster Indikation nicht über den entgegenstehenden Willen der Mutter hinwegsetzen darf. Denn II. Rechtlertigungsgrund ist nicht die Einwilligung als solche, sondern der Umstand, daß ganze Gruppen von Eingriffen in die Körperintegrität als sozial geboten oder doch zulässig bewertet werden, eingeschränkt durch das Übergreifen des Rechtsprinzips, daß auch zu rechtem Zweck mit a n g e m e s s e n e n Mitteln, d. h. unter Rücksicht auf die Freiheitssphäre des Betroffenen gehandelt werden muß. Vgl. Syst. Vorbem. I I I 2 b und Vorbem. I I 3 vor § 51. Der sonst geltende formelle Maßstab der RW ( = TB Verwirklichung) wird hier — wie auch in §§240, 253 Abs. 2 — durch den des materiellen Rechtswertes ausgeschaltet. Hinweise auf die Zweck-Mittel-Theorie zu § 226a bei Heinitz J R 51, 333, Eb. Schmidt J Z 54, 373, neuestens bei Noll, Überges. Rechtfertigungsgründe, im bes. die Einwilligung, Basel 1955. III. Die Einwilligung rechtfertigt danach nicht aus eigener Kraft die Handlung, sondern hat nur die n e g a t i v e Bedeutung, daß ihr Fehlen der Zulässigkeit der Einwirkung entgegensteht. Deshalb kommt es nicht auf ihre Sittengemäßheit an: BGHSt. 4 88 (anders früher RG J W 28 2229, dagegen zutr. Anm. Bohne, JW 29 1015, DR 43 234). Wohl aber auf die geistige und sittliche Urteilsfähigkeit und Entscheidungsfreiheit des Einw. (E 77 20). Diese fehlt bei allgemeiner Unreife (darüber I I I 3b vor § 51), ferner bei erheblich Angetrunkenen (BGHSt. 4 88), bei erschlichener oder erzwungener (BGH NJW 58 1070) Einw. — Ob Einw. in eine vorsätzliche G e f ä h r d u n g die daraus entstandene, nicht näher vorgestellte Verletzung einschließt, ist Tatfrage und z. B. für übliche Sportverletzungen zu bejahen (a. A. Eb. Schmidt J Z 54, 372). Wie hier BGHSt. 6 234, KG in J R 54 428. Einw. in fahrlässiges Verhalten, das zu einer tbm. KV führt, kann die Schuld ausschließen (nach den von E 57 172 für § 222 entwickelten Grundsätzen, vgl. oben § 59 IV 3 b). Rechtfertigung durch den Grundsatz des rechten Handelns zu rechtem Zweck kommt dagegen hier kaum in Betracht, so daß für § 226 a kein Raum ist, vgl. BGHSt. 6 234, Hamm JMB1. NRW 51 196; a. A. KG J R 54 428, Schönke-Schröder Anm. I. Ihrem W e s e n nach ist Einw. bewußtes inneres Annehmen (nicht nur Hinnehmen) der Einwirkung; zu ihrer W i r k u n g ist ein Handeln a u f G r u n d der Einwilligung erforderlich: Willensrichtung und deren (wenn auch nur schlüssiger) Ausdruck.

Körperverletzung § 226 a

507

IV. Verstoß gegen die guten Sitten ist ein allgemeiner rechtl. Wertmaßstab, der jedoch im bgl. Recht besonders entwickelt ist. Vgl. die Rspr. zu § 826 BGB, insbes. darüber, daß der Sittenverstoß im Zweck, im Mittel oder in der Verquickung beider beruhen kann (ebenso bei §§ 240, 253 StGB, vgl. dort), daß ein sittenwidriger Beweggrund nicht ausreicht, wenn die Handlung selbst nicht sittenwidrig ist (ein Arzt nimmt um des überhohen Honorars willen eine Transplantation vor), daß fahrl. Handeln nur bei Gewissenlosigkeit u. dgl. sittenwidrig ist (vgl. auch oben zu III). Entscheidend ist das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, das nicht kollektiv-psychologisch, sondern als normativer Maßstab zu verstehen ist (hierzu kritisch Heinitz und Schmidt a. a. 0.). Im einzelnen: 1. S p o r t k ä m p f e in anerkannten Sportarten, z. B. Boxen, verstoßen auch dann nicht gegen die guten Sitten, wenn mit ihnen erhebliche Verletzungsgefahr verbunden ist. Wohl aber die vorsätzliche oder gewissenlos leichtfertige Verletzung der Kampfregeln, und zwar unabhängig davon, ob Einw. auch insoweit vorliegt. Vgl. BGHSt. 4 92. 2. Ob S c h l ä g e r m e n s u r e n Sportkämpfe sind oder nicht: auch sie verstoßen jedenfalls nicht gegen das allgemeine Sittengesetz, das mit der Frage ihrer sozialpolitischen Angebrachtheit nicht zusammenfällt (a. A. Eb. Schmidt J Z 54, 375, vgl. aber auch Härtung NJW 54, 1225, Jescheck GA 1955, 99). 3. T ä t l i c h e A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n im Rahmen des in manchen Gegenden und Kreisen üblichen; doch betont BGHSt. 4 91 hier mit Recht die eng zu ziehenden Grenzen. 4. K ö r p e r l i c h e Z ü c h t i g u n g e n zu erzieherischen Zwecken, soweit sie mit den sich hier stark wandelnden Anschauungen noch vereinbar, rechtfertigen ihren Zweck nur im Rahmen des Sittengesetzes, dann grundsätzlich aber unabhängig von der Erteilung oder Versagung der Einw. des gesetzlichen Vertreters (vgl. BGHSt. 6 263, oben § 223 Anm. II). 5. S t e r i l i s a t i o n ist, soweit m e d i z i n i s c h geboten, als ärztlicher Heileingriff keine KV (oben I I I zu §223), ohne daß es insoweit auf Einw. ankäme; gegebenenfalls ist §240 zu prüfen. Aber auch die Rechtfertigung der e u g e n i s c h e n oder der s o z i a l e n Indikation kann nicht auf den sachfremden und nur der personalen Rechtssphäre Rechnung tragenden § 226 a gestützt werden, mochte dies auch einmal der Gesetzgeber meinen (a. A. Eb. Schmidt JZ 51, 65). Auch die Zwecktheorie trägt so schwere Entscheidungen nicht. Sie liefert zwar den richtigen Wertmaßstab, aber nicht die hier unumgänglichen rechtsstaatlichen Sicherungen, die nur durch positive Gesetze gewährleistet werden. Im Prinzip ist die e u g e n i s c h e Ster. gesetzlich weitgehend anerkannt: in den USA, Japan, Kanada, Skandinavien und der Schweiz (kantonal). Aber die Regelung reicht von freiwilliger Sterilisation mit oder ohne einschränkende Staatskontrolle über die staatliche Initiative mit Widerspruchsrecht des Sterilisanden und die fakultative Möglichkeit des Zwanges bis zur obligatorischen Zwangssterilisation von Anstaltskranken und der kategorischen systematischen Zwangssterilisation mit Meldepflicht (vgl. Böckli, Ster. von Geisteskranken, Winterthur 1954). Obwohl das deutsche SterilisGes. v. 14. 7. 33 (26.6.35, RGBl. 35 S. 773) der letzteren, strengsten Gruppe angehört und schwer mißbraucht worden ist, bestehen gegen den Neuaufbau eines Sterilisationsrechta bei schweren Erbkrankheiten unter dem Gesichtspunkt des S i t t e n v e r s t o ß e s keine durchschlagenden Bedenken. In Baden-Württemberg, Niedersachsen (oder

Körperverletzung § 227

508

doch Teilen davon), Hamburg gilt das G für die m e d i z i n i s o h e Indikation positiv weiter (Nachweise bei Eb. Schmidt a. a. 0.), woraus sich freilioh für die eugenisohe auch hier einGegenschluß ergibt. Eine Anknüpfung des richterlichen Gewohnheitsrechtes an stehengebliebene Gesetzesreste, wie sie der BGH zu § 218 vollzogen hat (BGHSt. 2 114: ErbgesG § 141 als „Mindestvoraussetzung" der med. Indikation) ist daher hier nicht möglich. Die dringend wünschenswerte bundesgesetzliche Neuregelung (vgl. aber Müller J Z 51, 584) könnte an den bei Schmidt S. 68 mitgeteilten Stuttgarter Entwurf anknüpfen. — Daß auch eine Ster. aus s o z i a l e r Indikation nicht auf § 226 a gestützt werden kann, folgt aus den gleichen Gründen, s. o. Eine solche ist aber auch mit dem Sittengesetz nioht vereinbar. — Vgl. zu diesen Fragen Hanack, die strafr. Zuläs3igkeit künstl. Unfruchtbarmachungen, Marburger rechts- und staatswiss. Abh. 1959, sowie übar den gegenwärtigen positiven Rechtszustand Kienzle GA 1957, 65. Beeinträchtigung

der

Fortpflanzungsfähigkeit

§ 226 b. Wer in anderen als in den gesetzlich zugelassenen Fällen die Zeugungs- oder Gebärfähigkeit bei einem anderen mit dessen Einwilligung oder bei sich selbst vorsätzlich zerstört oder durch Bestrahlung oder Hormonbehandlung nachhaltig stört, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten, in besonders schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft, soweit nicht die Tat nach einer anderen Vorschrift mit schwererer Strafe bedroht ist. Aufgehoben durch KRG 11.

Baufhandel

{Schlägerei)

§

227

(1) Ist durch eine Schlägerei oder durch einen von mehreren gemachten Angriff der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (§ 224) verursacht worden, so ist jeder, welcher sich an der Schlägerei oder dem Angriffe beteiligt hat, schon wegen dieser Beteiligung mit Gefängnis bis zu drei Jahren zu bestrafen, falls er nicht ohne sein Verschulden hineingezogen worden ist. (2) Ist eine der vorbezeichneten Folgen mehreren Verletzungen zuzuschreiben, welche dieselbe nicht einzeln, sondern nur durch ihr Zusammentreffen verursacht haben, so ist jeder, welchem eine dieser Verletzungen zur Last fällt, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu bestrafen. I. Strafgrund. Der § 227 macht die b l o ß e B e t e i l i g u n g an einer lebensgefährlichen Schlägerei oder an einem gemeinschaftlichen Angriff — (deren Lebensgefährlichkeit durch ihren böjen Ausgang: Tod oder schwere Körperverletzung als erwiesen gilt, vgl. freilich Anm. VII) — als abstraktes Gefährdungsdelikt zum S o n d e r v e r g e h e n . Vgl. auch § 367 Ziff. 10. II. Schlägerei: tätlicher Streit zwischen mehr als zwei Personen: BG JW 38 3157. Nicht jeder braucht geschlagen zu haben: E 59 107.

Körperverletzung §§ 228, 229

509

III. Angriff: eine in feindlicher Absicht unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende Einwirkung: E 58 207, 59 107, 264. Nicht: bloße Drohung oder Demonstration. Nicht jeder braucht tätlich geworden zu sein: BGHSt. 2 160. IV. Eines Menschen: auch eines Angreifers oder am Streit Unbeteiligten. E 9 149. V. Beteiligung nicht gleich teilnehmen : jeder, der anwesend ist und in feindseliger Weise an den Tätlichkeiten Anteil nimmt (so Schönke-Schr. I I I 1, Mezger StB I I 41). Also auch der Verletzte selbst, E 32 33. Auch der Aufreizende oder Hilfe Abhaltende: RG J W 32 948 (Wegner), H R R 41 369. Nicht: der Angegriffene, der Schlichtende, der Neugierige — Auch Bet. nach Eintritt des schweren Erfolges genügt, E 72 75, da abstraktes Gef. Del. VI. Tod und schwere Körperverletzung sind bloße Bedingungen der Strafbarkeit. Ob jemandem zurechenbar, ist unerheblich. § 56 nicht anwendbar: BGH MDR 54 371. Vgl. aber § 56 Anm. IV 2. VII. Schuld an der S c h l ä g e r e i nicht vorausgesetzt; nur an der eigenen B e t e i l i g u n g . E 9 370, 11 237, 72 73. - Nach E 73 341 ist „Notwehr" gegebenenfalls anzuerkennen; sie schließt hier, wie Maurach § 1 1 1 2 treffend bemerkt, schon den Tatbestand aus. V m . IdKonk. mit §§ 211 ff., 223ff. Vgl. E 32 33, 59 107. IX. Mildernde Umstände: § 228 (zu Abs. 2).

Mildernde

Umstände

§ 228

Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist in den Fällen des § 223 Absatz 2 und der § § 2 2 3 a und 223b Absatzl auf Gefängnis bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, in den Fällen der §§ 224 und 227 Absatz 2 auf Gefängnis nicht unter einem Monat und im Falle des § 226 auf Gefängnis nicht unter drei Monaten zu erkennen. I. Begriff: Vorbem. IV 2f vor § 13. II. Streitig war, ob § 228 auf § 223b anwendbar. Das 3. StÄG hat die Frage für Abs. 1 in dem oben zu § 223 b vertretenen Sinne entschieden.

Vergiftung

§ 229

(1) Wer vorsätzlich einem anderen, um dessen Gesundheit zu beschädigen, Gift oder andere Stoffe beibringt, welche die Gesundheit zu zerstören geeignet sind, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. (2) Ist durch die Handlung eine schwere Körperverletzung verursacht worden, so ist auf Zuchthaus nicht unter fünf Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod verursacht worden, auf Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder auf lebenslanges Zuchthaus zu erkennen.

510

Körperverletzung § 230

I. Wesen des § 229: E i n durch bewußte Lebensgefährdung qualifizierter Versuch der K V als S o n d e r v e r b r e c h e n , das in Abs. 2 d u r c h den E i n t r i t t schwerer Folgen weiter qualifiziert ist. — U n t e r s c h i e d d e r „ V e r g i f t u n g " v o n d e r „ K ö r p e r v e r l e t z u n g " : 1. O b j e k t i v : a) § 229 geht insofern ü b e r § 2 2 3 i h i n a u s , als die beigebrachten Stoffe geeignet sein müssen, die Gesundheit zu „ z e r s t ö r e n " , während nach § 223 deren „ S c h ä d i g u n g " g e n ü g t ; b) § 229 bleibt insofern h i n t e r § 223 z u r ü c k , als bei solchen Stoffen die „ E i g n u n g " hierzu genügt, während d e r tatsächliche E i n t r i t t nicht einmal einer Schädigung (wie bei der K V ) erforderlich ist. 2. S u b j e k t i v wird in § 229 m e h r erfordert als bei der K V , n ä m l i c h : a) d a s B e w u ß t s e i n von jener Eignung, die Gesundheit zu zerstören (§ 59); b) d i e A b s i c h t , sie zu schädigen (dol eventualis genügt deshalb insofern nicht). — V e r s u c h aus § 229 ist, d a Sonderverbrechen, s t r a f b a r (E 59 1). Anders F r a n k I V , der § 229 n u r als Erscheinungsform der K V a u f f a ß t . — Beim „ R ü c k t r i t t vom TötungsVersuch" k a n n S t r a f b a r k e i t aus § 2 2 9 bestehenbleiben ( § 4 6 : „Versuch als solcher"). II. Gesundheitsbeschädigung z. B. Übelsein u n d O h n m a c h t : E 53 210; Gesundheitszerstörung, wenn wesentliche körperliche F u n k t i o n e n nicht n u r vorübergehend in erheblichem U m f a n g aufgehoben: B G H S t . 4 278. III. Gilt: Stoffe, welche schon in kleineren Mengen auf andere als mechanische Weise (Glassplitter u. dgl. sind „andere Stoffe") zur Zerstörung d e r Gesundheit geeignet sind. Diese Eigenschaft der Stoffe ist festzustellen, d a hier kein spezieller Giftbegriff aufgestellt i s t : E 10 178. IV. F ü r die Qualifikationen des Abs. 2 gilt § 56. D a s Mißverhältnis der Strafr a h m e n bei Todesfolge zu §§ 211, 212 ist d a m i t abgeschwächt, aber nicht beseitigt. V. Konkurrenz m i t Tötungsdelikten möglich: Vorbem. II v o r § 211.

Fahrlässige

Körperverletzung

§ 230

Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung eines anderen verursacht wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft. I. Fahrlässigkeit: vgl. A n m . I V zu § 59, aber auch B G H S t . 3 105 u n d A n m . I I zu § 222. Nicht schon jedes unsachgemäße V e r h a l t e n : D R 42 1646, K ö l n N J W 52 635. — Ganz überwiegend jetzt verschuldete K r a f t f a h r z e u g u n f ä l l e , vgl. die bei Schönke-Schröder I I , V I zit. Untersuchungen. Aus der R s p r . : B a y O b L G VkBl. 58 386 betr. R ü c k w ä r t s f a h r e n , Oldenburg N d s R p f l . 58 97 b e t r . Voraussehbarkeit verkehrswidrigen Verhaltens älterer Landbewohner, L G Traunstein b e t r . Sachverständigenpflicht bei A b n a h m e von Bremsprüfung. II. Körperverletzung i. S. des §223. Auch Mißhandlung: E 52 421.

1126,

GoltdA

III. Verursachung: Zu beachten der sprachliche Unterschied vom finalen „ t ö t e n " in §§ 211 ff. (a. A. hier v. W e b e r Grdr. 2 S. 54). — Auch bei eingetretenem Tod ist Verurteilung wegen fahrlässiger K V möglich, wenn Angeklagter n u r die K V , n i c h t aber den T o d voraussehen k o n n t e : E 28 272 (hiermit k a u m vereinbar E 61 375, vgl. Vorbem. I I vor § 211).

Körperverletzung §§ 231, 232

511

IV. Einwilligung nach KG J R 5 4 428, Hamm JMB1.NRW54251 möglich (bestr.). Vgl. Vorbem. I I 3 b) vor § 51 und § 226a Anm. III. Buße

§231

(1) In allen Fällen der Körperverletzung kann aut Verlangen des Verletzten neben der Strafe auf eine an denselben zu erlegende Buße erkannt werden. (2) Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches aus. (3) Für diese Buße haften die zu derselben Verurteilten als Gesamtschuldner. I. Die Buße ist n i c h t S t r a f e , sondern Entschädigung (E15 352 undVorbem.B vor § 13). Deshalb auch zulässig, wo die „Körperverletzung" in IdKonk. (§ 73) mit schwererer Straftat steht. E 59 120. Beim Raufhandel des § 227 gegen jeden Bet.: E 30 367. Bei ihrer Zuerkennung können bürgerlich-rechtliche Grundsätze berücksichtigt werden, sind aber nicht maßgebend (E 31 334, 44 294, 55 188). Freies richterliches Ermessen! Vgl. aber RG J W 1932 3080 (Anm. Klefisch). Auch ideelle Schäden können ersetzt werden (E 15 352). Einwilligung in die KV oder § 216 schließen die B nicht aus (E 55 188). Eine außergerichtlich gezahlte Entschädigung kann, muß aber nicht berücksichtigt werden (E 9 223). Vgl. auch § 188 Anm. I I I . - G e l t e n d m a c h u n g der Buße: StPO § 406 (Privatklage), § 403 I I (Nebenklage). — Forderungsübergang nach § 1542 RVO steht der Zuerk. einer B. entgegen, vgl. Wickenhagen N J W 53, 252. Antrag

§ 232

(1) Die Verfolgung leichter vorsätzlicher sowie aller durch Fahrlässigkeit verursachter Körperverletzungen (§§ 223, 230) tritt nur auf Antrag ein, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten erachtet. (2) Ist das Vergehen gegen einen Angehörigen verübt, so ist die Zurücknahme des Antrages zulässig. (3) Die in den §§ 196 und 198 enthaltenen Vorschriften finden auch hier Anwendung. I. Antrag: §§ 61 ff., dazu Kohlhaas N J W 54, 1794. IL Rücknahme: § 64 (bis zur Verkündimg eines auf Strafe lautenden Urteils). III. Besonderes öffentliches Interesse über §§ 153, 376 StPO hinaus erforderlich. An keine Frist gebunden: Hamm MDR 52 245. Keine entspr. Anwendung bei Beleidigung: BGHSt. 7 256. Noch in der Revlnst. möglich: BGHSt. 6 282, Oldenburg N J W 52 989. Standpunktwechsel zulässig: Stuttgart J R 53 348 (Kohlhaas). Ermessen muß im einzelnen Fall frei sein: Köln J Z 53 55 (betr. Anweisung f ü r Verkehrsdelikte). Gegen den Willen des Verletzten: Hamm JMB1. N R W 51 196. — Kritisch Kohlhaas a. a. O. 1792. Betr. Verkehrsunfälle Mühlhaus J Z 52, 170.

Verbrechen wider die persönliche Freiheit §§ 234, 234a

512 Retorsion

§ 233 Wenn leichte Körperverletzungen mit solchen, Beleidigungen mit leichten Körperverletzungen oder letztere mit ersteren aul der Stelle erwidert werden, so kann der Richter für beide Angeschuldigte oder für einen derselben eine der Art oder dem Maße nach mildere oder überhaupt keine Strafe eintreten lassen. I. Anwendungsbereichs §§ 223,230; nicht §§ 2 2 3 a - 2 2 6 , 3 4 0 . - Zu § 2 2 3 a H a m m MDR 53 693, dazu Küster J Z 54, 519. - Vgl. § 199 Anm. I - I I I . - Zunächst ist der Gesichtspunkt der Ehrennotwehr zu prüfen: LG Heidelberg SJZ 48 209 (Anm. Engisch). - Auch gegen Strafunmündige: Dresden J W 1931 1392; a. A. KG H R R 29 1800. Achtzehnter

Abschnitt

Verbrechen und Vergehen wider die persönliche Freiheit Vorbemerkung. Bei staatsfeindlicher Absicht in den Fällen der §§ 234a Abs. 3, 239—241a Strafschärfung gem. § 94. Menschenraub

§234 Wer sich eines Menschen durch List, Drohung oder Gewalt bemächtigt, u m ihn in hilfloser Lage auszusetzen oder in Sklaverei, Leibeigenschaft oder in auswärtige Kriegs- oder Schiffsdienste zu bringen, wird wegen Menschenraubes mit Zuchthaus bestraft. I. List: geflissentliches Verbergen der Absicht oder der Mittel: BGHSt. 1 201, 366 (betr. § 235) im Anschluß an E 17 90. Vgl. auch E 15 340. Das Opfer braucht nicht getäuscht zu sein: Hamburg H E S t . 2 300 (bestr.). — Über Drohung und Gewalt vgl. § 52 Anm. I I , I I I . II. Sich bemächtigt, d. h. der persönlichen Freiheit beraubt u n d sie durch ein Abhängigkeitsverhältnis ersetzt (entsprechend Bruch fremden u n d Herstellung eignen Gewahrsams beim Sachraub). III. Aussetzen: vgl. § 221 Anm. I I . Die A.usw. muß Beweggrund sein (bestr.). Verschleppung

§ 234a (1) Wer einen anderen durch List, Drohung oder Gewalt in ein Gebiet außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes verbringt oder veranlaßt, sich dorthin zu begeben, oder davon abhält, von dort zurückzukehren, und dadurch der Gefahr aussetzt, aus politischen Gründen verfolgt zu werden und hierbei im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen durch Gewalt- oder Willkürmaßnahmen Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, der Freiheit beraubt oder in seiner beruflichen oder wirtschaftlichen Stellung empfindlich beeinträchtigt zu werden, wird wegen Verschleppung mit Zuchthaus bestraft.

Verbrechen wider die persönliche Freiheit § 234 a

51»

(2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist die Strafe Gefängnis nicht nnter drei Monaten. (3) Wer eine solche Tat vorbereitet, wird mit Gefängnis bestraft. Schrifttum: M a u r a c h N J W 5 2 , 163; L a n g e , Der Rechtsstaat usw., 1952(Mohr). I. Entstehung. Vorläufer war das Berliner Ges. über die Verschleppung von Personen aus den Berliner Westsektoren vom 12. 9. 49 (VOB1. Berlin 49 I 331), durch das mit Zuchthaus bedroht wurde, wer sich eines Menschen durch List, Drohung oder Gewalt bemächtigt, um ihn gegen seinen Willen in ein Gebiet außerhalb der Westsektoren Groß-Berlins zu verschleppen oder dort festzuhalten. Dieses Gesetz bewährte sich im allgemeinen, präzisierte jedoch den eigentlichen Unrechtsgehalt nicht scharf genug und erfaßte vor allem nicht die Vorbereitungshandlungen. Bei der durchweg planmäßigen und organisierten Anlage solcher Taten bestand so nach wie vor eine empfindliche Lücke. Die Ungewißheit über das Schicksal des Verschleppten hinderte oft auch die nachdrückliche Verfolgung aus § 239 StGB, obwohl dessen materiellrechtliche Voraussetzungen im übrigen, namentlich die Rechtswidrigkeit der Freiheitsberaubung, in den einschlägigen Fällen von der Berliner Praxis mit Recht durchweg bejaht wurden. Auf diesen Erfahrungen beruht im wesentlichen die jetzige Fassung des § 234a, die in dem § 2 des Berliner Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit vom 7. 6. 51 (GVB1. S. 417) der Sache nach bereits vorweggenommen ist (über dieses Ges. vgl. Denkschrift des BJM in BAnz. 1951 Nr. 122 und DRiZ 51, 162; aber auch unten Anm. I I I 1, 3, IV). II. Die Handlung. 1. Verbringen verlangt wie das „ E n t f ü h r e n " des § 236 (dort Anm. I), daß der T ä t e r ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis über sein Opfer erlangt hat. Es handelt sich um einen Spezialfall der Freiheitsberaubung, der Verbrechenscharakter trägt und schon in der Vorbereitung strafbar ist. Über die weiteren Voraussetzungen unten zu 4 und I I I . 2. Veranlaßt, sich in fremdes Gebiet zu begeben, wird das Opfer regelmäßig durch List oder Drohung. I m Gegensatz zu der im allgemeinen physisch wirkenden Beeinträchtigung der Freiheit beim „Verbringen" sind hier vor allem Fälle psychischer Beeinflussung erfaßt. I n Fällen völliger Ausschaltung des eigenen Willens des Opfers durch Hypnose oder vis compulsiva kann aber auch hier Gewalt vorliegen. 3. Abhalten von der Rückkehr aus dem fremden Gebiet setzt als selbständiges Tatbestandsmerkmal voraus, daß sich das Opfer zuvor freiwillig, z. B. besuchsweise, dorthin begeben hatte. Erfahrungen mit dem früheren Berliner Gesetz haben zu dieser Ergänzung geführt. 4. List, Drohung, Gewalt, die tatbestandsmäßigen Angriffsmittel, entsprechen denen der §§ 2 3 4 - 2 3 6 . Über List — geflissentliches Verbergen der Absicht oder der Mittel — vgl. § 234 Anm. I, über Gewalt und Drohung § 52 Anm. I I und I I I , § 83 Anm. I I I , § 249 Anm. I, I I , § 253 Anm. I I , I I I sowie die Legaldefinitionen des § 9 Nrn. 6, 6 a, 7 des Entw. 1930. III. Der Gefahr einer Verfolgung muß der Verschleppte infolge der Handlung ausgesetzt sein. Es handelt sich also um ein k o n k r e t e s G e f ä h r d u n g s d e l i k t . U n d zwar muß drohen 33

K o h l r a u B c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

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Verbrechen wider die persönliche Freiheit § 234a

1. eine Verfolgung aus politischen Gründen. Diesen Begriff enthält das Berliner Gesetz mit gutem Grunde nicht; denn entscheidend ist die Auslieferung an rechtlose Willkür durch die Verschleppung. Er ist, entsprechend der Ausuferung des Politischen in der Gefahrenzone, weit auszulegen und erfaßt auch die Praxis politischer Verfolgung, die sich unter dem Deckmantel der Ahndung angeblicher krimineller Verfehlungen verbirgt. Zu denken ist hier namentlich an die Fälle behaupteter Wirtschaftsvergehen. Politischer Natur sind auch Verfahren oder Maßnahmen, deren eigentliches Ziel eine Sequestrierung, Enteignung oder Vermögensbeschlagnahme ist, wobei die Verfolgung einer politisch vielleicht gleichgültigen Person Mittel zum Zweck ist, sowie Maßnahmen zur allgemeinen Einschüchterung oder zur Geiselnahme oder aus planmäßiger Schikane. Auch Verfolgung krimineller Taten kann politische Gründe haben: BGHSt. 6 166 betr. Spionage und Sabotage. Auch die Verschleppung von Ingenieuren oder Forschern zur Zwangsarbeit gehört hierher; zutr. Schönke-Schröder III, 1. Bedenken bei Schwarz 7 D b. 2. Schädigung an Leib, Leben, Freiheit oder sozialer Existenz muß auf Grund der Verfolgung drohen. Vgl. f ü r Leib oder Leben § 52 Anm. III, Freiheit § 239 Anm. II, § 240 Anm. I. Die empfindliche Beeinträchtigung der beruflichen oder wirtschaftlichen Stellung ist auf Grund von Berliner Vorschlägen gleichgestellt worden. In Fällen wie den oben zu 1 behandelten liegt erfahrungsgemäß häufig das eigentliche Ziel der Verfolgung in dieser Richtung. 3. Im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen müssen die Rechtsgüter durch die Verfolgung gefährdet sein. „Rechtsstaatlich" bedeutet zunächst eine form a l e Garantie: die Bindung der staatlichen und staatlich gelenkten Organisationen und ihres Funktionierens an rechtliche Ordnungssätze, die das zur Findimg der historischen Wahrheit und des auf ihr beruhenden normgemäßen Urteils erforderliche Maß von Rechtssicherheit gewährleisten. Insoweit handelt es sich vor allem um die rechtliche Abgrenzung des Bereichs von Verwaltung und Rechtspflege sowie innerhalb dieser um die Grundsätze der Gerichtsverfassung und des Verfahrens. So bestimmt Art. 97 GG die Unabhängigkeit der Richter. Auch Art. 127 der sowjetzonalen Verfassung erklärt: „Die Richter sind in ihrer Rechtsprechung unabhängig und nur der Verfassimg und dem Gesetz unterworfen." Aus dem zonalen GVG vom 2. 10. 52 §§ 17,18 ergibt sich aber bereits das Gegenteil, vgl. im einzelnen „Die Justiz in der SBZ", Bonner Berichte 1954 S. 64ff. Eine Zusammenfassung der strafrechtlich geschützten Verfassungsgrundsätze, die den Rechtsstaat in diesem Sinne bedeuten, gibt neuerdings § 88 Abs. 2 Nr. 2 und 5 (vgl. dazu die Begründung durch den Berichterstatter des Bundestages, oben zu § 88). Über dieser am Rechtssicherheitsgedanken orientierten Herkunft des Begriffs „Rechtsstaat" darf jedoch die gegenwärtige Entwicklung zu einer m a t e r i e l l e n Fassung nicht übersehen werden. Im Grundgesetz kommt dies namentlich durch die Wendung „Gesetz und Recht" zum Ausdruck (darüber Jahrreiß NJW 50, 3ff., v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Anm. zu Art. 20 GG). Ein Staat entspricht hiernach nicht schon dann rechtsstaatlichen Grundsätzen, wenn er ein Gesetzesstaat ist und sich alle seine Akte formal ordnungsmäßig auf positive gesetzliche Ermächtigungen gleichviel welchen Inhalts stützen. Zu diesem Ordnungsmoment hinzutreten muß vielmehr, daß die staatlichen Willenskundgebungen sachlich nicht in unerträglichem Gegensatz zur über- und vorstaatlichen R e c h t s i d e e stehen. Ihre tragenden Pfeiler sind im Bereich der in uns lebendigen Wertwelt der abendländischen Kultur Würde und Freiheit des Menschen, Gleichheit und Gerechtig-

Verbrechen wider die persönliche Freiheit § 284a

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keit, wie es jetzt das GG ausdrücklich deklariert hat. Diese Maßstäbe treten in Bestimmungen wie dem § 136a n. F. StPO und bei der Behandlung fremder Ersuchen um Strafvollstreckung unter dem Gesichtspunkt des ordre public besonders deutlich zutage. Demgegenüber erklärt etwa Such (NJ 61, 47/96): „Nur bewußt parteilich vom Standpunkt des Marxismus-Leninismus aus können das Wesen des Rechts und der diese Erscheinungsform des gesellschaftlichen Lebens bestimmenden Kräfte aufgedeckt werden. . . . Die sowjetische Wissenschaft . . . hat die Aufgabe . . . gelöst. Sie bestimmt das Recht 'als die Gesamtheit der Verhaltensregeln (Normen), die durch die Staatsgewalt aufgestellt oder sanktioniert worden sind und den Willen der herrschenden Klasse zum Ausdruck bringen, der Verhaltensregeln, deren Anwendung durch die Zwangsgewalt des Staates zum Zwecke des Schutzes, der Festigung und der Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse und Ordnungen, die für die herrschende Klasse brauchbar und vorteilhaft sind, gewährleistet wird.' (Wyschinski, Staats- und Rechtstheorie S. 113)". Der Akzentverlegung des Rechtsstaatsgedankens zur materiellen Gerechtigkeit entsprechend hat das Berliner Gesetz vom 7. 6. 51 definiert: „Im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen steht insbesondere ein nicht rechtsstaatlich geordnetes oder geführtes Verfahren oder die Verhängung einer unmenschlichen oder grob ungerechten oder im Gesetz nicht vorgesehenen Strafe oder Maßnahme" (§ 1 Abs. 1 S. 2). § 234a unterstreicht das materielle Moment durch ein weiteres Erfordernis: 4. Gewalt- oder WillkürmaBnahmen müssen auf Grund der Verfolgung drohen. Offenbar hat der Gesetzgeber hier an die Ergebnisse der Rechtsprechung, namentlich des OGHBrZ, zum Humanitätsdelikt angeknüpft, die sich, nach anfänglicher Abstellung auf Gesinnungsmomente, allmählich zu diesem Kriterium durchgerungen hatte. Vgl. BGHSt. 1 392, 397ff.; OGHSt. 1 50, 51, 58 und ständig sowie die Ubersichten SJZ 48, 655ff. und J R 50, 615ff. nebst weiterer Lit.; zum Begriff der Willkür ferner DRZ 48, 187 ff. Bei Gewaltmaßnahmen ist mehr an die unzulässige Art der Einwirkung auf die persönliche Freiheit, bei Willkürmaßnahmen mehr an die Regellosigkeit und Launenhaftigkeit der Verhängung gedacht. Maßnahme ist weiter alB Verfahren und umfaßt sowohl staatliche Einzelakte wie auch ein Vorgehen nichtstaatlicher Stellen oder Personen, die im Sinne einer Gewalt- oder Willkürherrschaft handeln. IV. Mildernde Umstände. Vgl. AIV 2f vor §13. Das Berliner Gesetz sieht hier minder schwere Fälle, in seinem Abs. 2 und 3 andererseits tatbestandlich ausgebaute Strafschärfungsgründe vor. V. Selbständige Strafschärfung bei staatsfeindlicher Absicht: § 94. Vgl. dortige Anm. I. VI. Vorbereitung. ZumBegriffvgl.Vorbem.il. u. VIII vor §43. Mit ihrer Strafbarerklärung stellt das Gesetz den Schutz der Freiheit dem Umfange nach dem Schutz des Staates gleich (§ 81). Bei g e m e i n s c h a f t l i c h e r Vorbereitung nach BGHSt. 6 85 ( = JZ 54 637 m. Anm. Maurach) nicht Abs. 3, sondern nur § 49 a. Damit wird die entspr. Anw. des § 49 a Abs. 3, 4 ermöglicht; beachtliche Bedenken jedoch bei Schwarz 7 D. 33*

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Verbrechen wider die persönliche Freiheit § 235

VII. Der Vorsatz muß die Unverhältnismäßigkeit der drohenden Folgen umfassen. Unter dieser Voraussetzimg wird die Möglichkeit, das Unerlaubte der Tat zu erkennen, regelmäßig zu bejahen sein (vgl. § 59 Anm. I I 2). VIII. Vorhaben bei Strafe des § 138 anzeigepflichtig. Muntbruch

§ 235

(1) Wer eine minderjährige Person durch List, Drohung oder Gewalt ihren Eltern, ihrem Vormund oder ihrem Pfleger entzieht, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geldstrafe erkannt werden. (3) Geschieht die Handlung in der Absicht, die Person zum Betteln oder zu gewinnsüchtigen oder unsittlichen Zwecken oder Beschäftigungen zu gebrauchen, so tritt Zuchthaus bis zu zehn Jahren ein. I. Strafgrund: das Gesetz soll das Personensorgerecht schützen (BGHSt. 1 364 mit Nachweisen); es schützt damit auch den Minderjährigen selber. Dieser ist also, wenn er dem Täter folgt, nicht wegen Teilnahme strafbar: Vorbem. I V vor §47. II. Eltern: nicht nur leibliche (denen die Sorge f ü r den Minderjährigen und das Recht zusteht, ihn zu erziehen, zu beaufsichtigen, seinen Aufenthalt zu bestimmen: § 1631 BGB), sondern auch Adoptiveltern (BGB §§ 1757/1765); Stiefeltern (a. A. L K I I ) ; auch diejenigen, denen nach § 1666 BGB Erziehung übertragen ist: E 37 1, 48 198 (freilich auch 40 91). — Täter kann auch ein Elternteil sein, solange nicht dem anderen jede Sorgepflicht entzogen ist, E 48 326, 428. Das Recht aus § 1635 a. F. BGB enthielt noch einen Rest der Sorgepflicht: E 66 254. Vgl. auch E 22 166. III. Vormund: §§ 1773ff. BGB. Pfleger: EBGB Art. 34 VII, BGB § 1909. Wegen Entziehung aus der F ü r s o r g e e r z i e h u n g vgl. § 76 Ges. f. Jugendwohlfahrt v. 9. 7. 22/28. 8. 53 (BGBl. I S. 1035). — Jugendamt als Amtsvormund (§ 35 JWG) nur, wenn ihm das volle Personensorgerecht zusteht: BGHSt. 1 364. IV. Entziehung: Herbeiführimg eines Zustandes (von gewisser Dauer, zu weitgehend D R 40 2060 betr. E. auf einige Stunden), der die Ausübung des Erziehungsrechtes bewußt vereitelt. BGHSt. 1 200. Doch ist nach den Umständen zu entscheiden : BGHSt. 10 377 f ü r den Fall, daß dem Erziehungsberechtigten nur ein Verkehrsrecht zustand. Auch durch Unterlassung, Hamburg HESt. 2 301 (Verschweigen des Aufenthalts). Verbringen an einen anderen Ort nicht erforderlich (anders §§ 236—239a, vgl. dort). E 24 133 (Verbringung in ein Kloster), J W 38 1388 H R R 38 994. Straflos sind: Selbstentziehung; Teilnahme des Minderjährigen selber (vgl. oben Anm. I), Teilnahme eines Dritten an der Selbstentziehung. Einwilligung des Minderjährigen jedoch unerheblich. E 18 273. — Dauers t r a f t a t : RG D R 42 438. V. Verbrechen (BGHSt. 1 200), wenn eines der subj. Unrechtselemente des Abs. 3 vorliegt. Betr. B e t t e l n vgl. unten § 361 Nr. 4, betr. G e w i n n s u c h t oben § 133 Anm. X. Vgl. E 70 137; u n s i t t l i c h hier alles, was gegen Anstand und gute Sitte verstößt: J W 38 1388.

Verbrechen wider die persönliche Freiheit §§ 236, 237

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VI. Idealkonkurrenz mit §§ 169, 234 möglich; aber auch mit §§ 236,237: BGHSt. 1 203, E 18 283; a. A. f ü r §236 LK VIII und die dort Zit. § 239 schließt § 235 aus. Entführung wider Willen

§ 236

(1) Wer eine Frau wider ihren Willen durch List, Drohung oder Gewalt entführt, um sie zur Unzucht zu bringen, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und, wenn die Entführung begangen wurde, um die Entführte zur Ehe zu bringen, mit Gefängnis bestraft. (2) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. I. Entführen: an einen anderen Ort (nicht notwendig eine andere Ortschaft) bringen, dessen Unerreichbarkeit rechtzeitigen Schutz unmöglich macht: E 29 404, und zwar zu geschlechtlichen Zwecken: BGHSt. 1 201. Herausnehmen des Betroffenen aus seiner Umgebung derart, daß er dem ungehinderten Einfluß des Täters untersteht: Celle NdsRpfl. 47 64, J R 48 349. - Nicht notwendig Freiheitsberaubung: BGHSt. 1 202 gegen RG H R R 39 59 (nur im Falle der Gewalt, dann lex speo. gegenüber § 239, RG J W 1934 2919). - Über List, Drohung, Gewalt vgl. § 234 Anm. I. II. Unzucht mit dem Täter oder mit einem Dritten. Täter kann also auch eine Frau sein. — Zum Begriff BGHSt. 12 28: jede unzüchtige Handlung. Vgl. § 180 Anm. III. — Gleichgültig, ob vorher ein unzüchtiges Verhältnis bestand: E 16 391. III. Antragsberechtigt ist die E n t f ü h r t e als Verletzte oder ihr gesetzlicher Vertreter (§ 65). Antragsfrist beginnt erst mit Aufhören des gebrochenen Schutzverhältnisses (Großjährigkeit) oder dem Ende der Herrschaft des Entführers (Dauerverbrechen): E 43 285. Entsprechendes gilt f ü r die Verjährungsfrist. IV. Idealkonkurrenz mit § 235 möglich: BGHSt. 1 203, E 18 283 (bestr.). Vgl. § 235 Anm. VI und oben zu I. Entführung mit Willen

§ 237

(1) Wer eine minderjährige, unverehelichte Frau mit ihrem Willen, jedoch ohne Einwilligung ihrer Eltern, ihres Vormundes oder ihres Pflegers, entführt, um sie zur Unzucht oder zur Ehe zu bringen, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. I. Entführung: Vgl. zunächst § 236 Anm. I. Es genügt, wenn die Frau dem überwiegenden Einfluß des Täters preisgegeben, der Täter der betreibende und bestimmende Teil ist, auch wenn die Frau mittätig war: E 6 292, 39 214, BGHSt. 1 202. Zu weit geht BayObLG N J W 53 1195: § 237 auch, wenn die Minderjährige sich der elterlichen Gewalt selbst entziehen wolle und dazu die Hilfe des Mannes gewinne. II. Mit Willen nur, wenn die Frau auch in den geschlechtlichen Zweck einwilligt, BGHSt. 1 201. III. Zur Unzucht: nach BayObLG NJW 53 1195 auch, wenn die Entführte dem Täter bereits zu Willen war und selbst die geschlechtlichen Beziehungen fortsetzen will. IV. Idealkonkurrenz mit § 235: BGHSt. 1 203.

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Verbrechen wider die persönliche Freiheit §§ 238, 239

§ 238 Hat der Entführer die Entführte geheiratet, so findet die Verfolgung nur statt, nachdem die Ehe für nichtig erklärt worden ist. I. § 238 bezieht sich auf § 236 und § 237; nicht auf § 235, auch nicht, wenn jene konkurrieren. E 18 285; vgl. aber oben § 235 Anm. VI. II. Verfolgung auch etwaiger Teilnehmer an der Entführung. III. Über Verjährung vgl. § 236 Anm. I I I und § 69. Freiheitsberaubung

§ 239

(1) Wer vorsätzlich und widerrechtlich einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise des Gebrauches der persönlichen Freiheit beraubt, wird mit Gefängnis oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Wenn die Freiheitsentziehung über eine Woche gedauert hat, oder wenn eine schwere Körperverletzung des der Freiheit Beraubten durch die Freiheitsentziehung oder die ihm während derselben widerfahrene Behandlung verursacht worden ist, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter einem Monat ein. (3) Ist der Tod des der Freiheit Beraubten durch die Freiheitsentziehung oder die ihm während derselben widerfahrene Behandlung verursacht worden, so ist auf Zuchthaus nicht unter drei Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter drei Monaten ein. I. Bechtsgut ist die Freiheit, den Willen zum V e r l a s s e n des Aufenthaltsorts zu verwirklichen, E 7 259, 41 82, die F o r t b e w e g u n g s f r e i h e i t (LK I); a.A. Mezger StB I I 49, Schönke-Schröder I ( W a h l f r e i h e i t bzgl. des Ortes). II. Freiheitsberaubung: 1. E i n s p e r r u n g : Verhinderung am Verlassen eines Ortes durch ä u ß e r e V o r r i c h t u n g e n : E 7 259, 41 82. Es genügt, wenn die Entfernung nur durch außergewöhnliche Mittel möglich ist, deren Benutzung (z. B. hochliegendes Fenster, E 8 210) oder Auffindung (z. B. verborgener Türdrücker, E 27 360) nicht zuzumuten ist. F B durch U n t e r l a s s u n g , wenn der versehentlich Eingesperrte nicht befreit wird: E 24 339. Die i r r i g e Annahme, eingesperrt zu sein, reicht nicht aus. — Solange der andere nicht fortgehen w i l l , ist er seiner Freiheit nicht beraubt: E 33 234. Natürlicher Freiheitswille wie bei Kindern, Geisteskranken genügt. Nicht: einjähriges Kind (BayObLG JZ 52 237). F B auch gegenüber sinnlos Betrunkenen oder Schlafenden, falls nach Rückkehr des Bewußtseins noch behindert. — 2. Auf andere Weise: der gleiche Erfolg (oben zu I) durch jedes beliebige Mittel, z. B. Gewalt, Hypnose (E 61 241, beiläufig); Wegnahme der Kleider eines Badenden: E 6 231; schnelles Fahren, das am Aussteigen hindert: E 25 147; 39 59; BGH MDR 56 144 (auch zu §§ 142, 330 c). — Trennung eines Gelähmten von seinem Pfleger (Schönke-Schröder II.). — Schon H R R 39 464 sah (Vorsatz vorausgesetzt) mittelbare F B darin, daß ein anderer bei der Behörde f ä l s c h l i c h strafbarer Handlungen verdächtigt und daraufhin verhaftet wird. Hierbei zu beachten, daß nach Abs. 2. Versuch strafbar! Ebenso BGHSt. 3 4; vgl.

Verbrechen wider die persönliche Freiheit § 239 a

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auch BGHSt. 1 391 (betr. Entführung in den Berliner Ostsektor). — Dies gilt auch f ü r die n i c h t wahrheitswidrige Denunziation, durch die der Verdächtigte vorsätzlich freiheitsentziehenden Maßnahmen eines Staats- oder Parteiapparates ausgeliefert wird, die nicht einmal von dem Willen getragen sind, in einem rechtlich geordneten Verfahren Recht zu üben. Näheres hierzu SJZ 48, 302ff., Bamberg SJZ 50 207; OGHSt. 2 236. Grundsätzlich BGHSt. 3 110 = N J W 52 1024 (Schweiger S. 1200). Dazu näher oben § 234a Anm. III. Vgl. ferner LM Nr. 6 betr. Tod im KZ. III. Rechtswidrigkeit hier materiell zu verstehen, vgl. oben I I a. E. und unten VI a. E., insbes. zu BGHSt. 1 397, 2 234, 3 4, 122, 365. Dieser Maßstab begrenzt insbes. das Recht zu Freiheitsentzug au/ Grund a m t l i c h e r Befugnisse (zu diesen vgl. RG H R R 38 1568). — Zwangsbehandlungen von Geschlechtserkrankungen: §§ 17ff. GBG 1953. — Festhaltung eines Geisteskranken: E 62 160 (und neuerdings Ländergesetze). — Elterl. Züchtigungsrecht BGH N J W 53 1440 (Festbinden einer 16 jährigen Tochter an Bett und Stuhl nach den Umständen f ü r zulässig erklärt). - Selbsthilfe: E 7 259, 41 82, GA 53 72. - Notwehr: E 8 210. IV. Schwere F B (Abs. 2) ist V e r b r e c h e n : Versuch hier strafbar. § 56 zu beachten. Die Dauer über eine Woche ist kein Tatbestandsmerkmal, sondern eine besondere Folge (wie in §§ 224, 226), der Vorsatz braucht sich daher auf sie nicht zu erstrecken: BGHSt. 10 306 (mit eing. Nachw.; sehr bestr.). V. Versuch denkbar und i. F. des Abs. 2 strafbar. E 61 179. VI. Schuld: Die irrige Annahme eines t a t s ä c h l i c h e n V e r h ä l t n i s s e s , das ein Recht zur Freiheitsentziehung gäbe, schließt den Vorsatz aus. Vgl. B G H S t . 3 364, Frankfurt HESt. 2 258. - Betr. B e w u ß t s e i n d e r Rechtswidrigkeit: BGHSt. 3 122ff. (Maßstab des materiellen Unrechts), ebenso BGHSt. 2 234, 3 357 (365). Dazu Syst. Vorbem. III 2 und § 59 Anm. II 2. VII. IdKonk. mit Nötigung (§ 240), falls der der Freiheit Beraubte außerdem noch zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung genötigt werden sollte. Andernfalls ist § 239 lex specialis. E 31 301, 55 239, 59 291. - IdKonk. mit § 223: E 25 147, 33 339. Mit § 132: E 59 291. - § 234a geht vor. VIII. Bei staatsfeindlicher Absicht Strafschärfung gem. § 94, vgl. dort. IX. F B durch Beamte: §§ 341 und 345; dazu LM § 239 Nr. 1, § 341 Nr. 3 (betr. Selbstmord eines Häftlings). Erpresserischer Kindesraub

g 239 a

(1) Wer ein fremdes Kind entführt oder der Freiheit beraubt, um für dessen Herausgabe ein Lösegeld zu verlangen, wird mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren bestraft. (2) Kind im Sinne dieser Vorschrift ist der Minderjährige unter achtzehn Jahren. I. Neufassung einer im Jahre 1936 neu eingeführten Bestimmung durch das 3. StÄG, um deren allzu harte Strafe und allzu weite Fassung zu mildern, vgl. BT Drucks. Nr. 3713 S. 8, 39, 62, Protokoll der 265. BT-Sitzung v. 12. 5.1953 S. 12996 C. Wie die frühere, völlig verunglückte Fassung (darüber die 40. Aufl.), so bedarf

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Verbrechen wider die persönliche Freiheit § 239a

auch die jetzige noch dringend einschränkender Auslegung. Schon die hohe Mindeststrafe bedingt eine Beschränkung auf die eigentlichen Fälle erpresserischen Kindesraubes (Kidnapping). Vgl. NJW 53,1164, Nüse JE. 53, 277, Dreher-Maassen, Anm. 1. Die Auslegung ist zu orientieren an der vierfachen ratio legis: II. Rechtsgut 1. Die B e w e g u n g s f r e i h e i t des Kindes (wie in § 239, vgl. dort Anm. I), 2. die M u n t (wie in §§ 235, 237), 3. die E n t s c h l u ß f r e i h e i t und 4. das V e r m ö g e n d e r S o r g e b e r e c h t i g t e n (wie in §253, vgl. dort Anm. I). Alle diese Rechtgüter müssen verletzt oder (zu 3—4) gefährdet sein. Im einzelnen: III. Entführen, der Freiheit berauben: vgl. einerseits §236 Anm. I, § 237 Anm. I, andererseits § 239 Anm. II. IV. Um für die Herausgabe ein Lösegeld zu verlangen: Die frühere Fassung verlangte wenigstens Erpressungsabsicht. Der Zweck der Gesetzesänderung von 1953 (s. o. zu I) würde in sein Gegenteil verkehrt, wollte man die Neufassung, deren Wortlaut unscharf ist, weiter auslegen. Daraus folgt: 1. Der als Lösegeld erstrebte Vermögensvorteil muß i. S. von §253 (dort Anm. VI, VIII) r e c h t s w i d r i g sein und in diesem Bewußtsein erstrebt werden (etwas anders Dreher-Maassen Anm. 2: rechtswidrig, wenn der Fordernde keinen Anspruch hat). A. A. Schönke-Schröder IV, 1, denen jedoch insoweit zuzustimmen ist, als jeder Vermögenswerte Vorteil, z. B. auch ein Anspruchsverzicht, genügt. — 2. Lösegeld zu verlangen muß der Täter unter — mindestens stillschweigenden — D r o h u n g e n beabsichtigen, die ü b e r d i e d e r b l o ß e n V o r e n t h a l t u n g , Verheimlichung des Aufenthaltsortes usw. h i n a u s g e h e n . Vgl. schon die 40. Aufl.; zustimmend Schönke-Schröder IV, 2. Dies folgt aus der Entstehungsgeschichte, vgl. oben Anm. I, II, IV, 1; anderenfalls wäre auch das Verhältnis zu den §§235 ff. und den dortigen Strafrahmen nicht zu erklären. V. Fremd ist ein Kind, wenn es nicht leibliches Kind ist oder diesem durch Adoption gleichsteht. Leibliche, auch uneheliche Eltern, auch Adoptiveltern können die Tat nicht, auch nicht gegeneinander begehen; hier greifen gegebenenfalls die §§ 235 (vgl. E 48 428) und 239 ein. Wohl aber andere Verwandte, ferner Vormünder, Pflegeeltern usw.; vgl. jedoch insoweit unten Anm. VII l b . VI. Die Rechtswidrigkeit ist zunächst nach Familienrecht zu bestimmen, vgl. oben Anm. V betr. „Fremdheit" des Kindes. — Einwilligung des noch nicht 18jährigen wird hier von Gesetzes wegen f ü r unbeachtlich erklärt: einmal, weil hier stets mangelnde Reife und Freiheit angenommen wird, zum anderen, weil das Kind über Munt, Entschließungsfreiheit und Vermögen der Sorgeberechtigten nicht verfügen kann. VII. Schuld. 1. Zum Vorsatz gehört das Bewußtsein, daß a) das Kind f r e m d im obigen Sinne ist (Parallelwertung in der Laiensphäre!), b) der Vermögensvorteil z u U n r e c h t verlangt wird (oben IV, 1). Daran wird es z. B. oft fehlen, wenn Pflegeeltern unter Geltendmachung von wirklichen oder vermeintlichen Forderungen um den Besitz des Kindes kämpfen; c) daß das Verlangen als D r o h u n g (oben IV, 2) verstanden werden kann und soll. 2) Die Absieht („um . . . zu"), ein Lösegeld zu verlangen, ist sowohl subjektives Tatbestandsmerkmal (überschießende Innentendenz der Handlung) wie Schuldbestandteil. Die Lösegeldforderung muß Motiv des Handelns sein. V m . Als Spezialgesetz geht § 239a den §§ 235, 239 vor. IX. Bei staatsfeindlicher Absicht Strafschärfung gem. § 94, vgl. dort.

Verbrechen wider die persönliche Freiheit § 240

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Nötigung

§ 240 (1) Wer einen anderen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird wegen Nötigung mit Gefängnis oder mit Geldstrafe, in besonders schweren Fällen mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft. (2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. (3) Der Versuch ist strafbar. I. Das Wesen der Nötigung besteht in einer Beeinträchtigung der W i l l e n s e n t s c h l i e ß u n g oder der W i l l e n s b e t ä t i g u n g . Vgl. E 48 346. Neufassung durch VO v. 29. 5. 43, Strafmilderung durch das 3. StÄG, das ferner den Maßstab des Abs. 2 richtigstellte. Dieser entscheidet eine alte Auslegungsfrage (vgl. schon Frank § 253 Anm. II 2). Daß das Anstößige der strafbaren Nötigung in der I n a d ä q u a n z zwischen Mittel und Zweck liegt, in der Verwendung d i e s e s Mittels zu d i e s e m Zweck (möge auch das Mittel an sich oder der Zweck an sich nicht verwerflich sein), läßt sich „juristisch", d. h. durch Hinweis auf ein kodifiziertes Recht oder Unrecht, nicht ausdrücken; dies würde in einen unfruchtbaren Kreisschluß führen (wie sich auch bei § 253 gezeigt hat, vgl. auch dazu Frank a. a. O. sowie jetzt BGHZ J Z 58 568 [abl. Anm. Zweigert]). Die letzten Entwürfe vor 1933 hatten die „Verwerflichkeit"' in die Legaldefinition der D r o h u n g einbezogen (Entw. 1930 § 9 Nr. 6 a : Drohung eine gegen die guten Sitten verstoßende Ankündigung eines Übels) und damit ein normatives T B Merkmal geschaffen. Dies wird auch f ü r die jetzige Reform zu erwägen sein, zumal „verwerflich" leicht mit einem Schuldmoment verwechselt werden kann (vgl. in diesem Sinne z. B. § 3 WiStG 1954: „aus verwerflichem Eigennutz", §69 Entw. 1930: „verwerfliche Gesinnung", dazu N J W 53, 1164). Gemeint ist aber ein objektives Unwerturteil (Dreher J Z 53, 428), ein gesteigerter Verstoß gegen die guten Sitten (Nüse J R 53, 277). Daß G e w a l t in aller Regel sozial inadäquat ist, brauchte nicht erst gesagt zu werden. Die jetzige Fassung füllt ferner Lücken aus. Beispiele bieten die Fälle, in denen unsittliche, aber nicht notwendig formell rechtswidrige Zumutungen mit der Androhung persönlicher Nachteile verbunden werden: „Wenn du dich mir nicht hingibst, werde ich dich entlassen"; oder: „werde ich die andere Bewerberin einstellen"; oder: „werde ich anzeigen, daß du eine Unterschlagung begangen hast". In den genannten Fällen ist zwar die Ausführung der Drohung, also die Zufügung des empfindlichen Übels, nicht rechtswidrig; es ist aber rechtswidrig (und dies will Abs. 2 sicherstellen), wenn zu den angegebenen Zwecken mit der Übelszufügung gedroht wird. Strafe dürften auch diejenigen Fälle verdienen, in denen beide Teile gleich stark belastet sind, wie etwa die Drohung: „Wenn du mich anzeigst, zeige ich dich auch an." Umgekehrt können nach der Neufassung Fälle straflos gelassen werden, in denen es nicht als rechtswidrig angesehen werden kann, wenn das formell rechtswidrige Übel zwecks Verhinderung unerfreulicher Handlungen oder Unterlassungen angedroht wird, wie etwa die Androhung einer Tracht Prügel oder anderer Übel, um jemand am Selbstmord oder

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Verbrechen wider die persönliche Freiheit § 240

an der Begehung einer Straftat zu hindern, oder um ungezogene Jungen zur Ordnung zu bringen. Solches sozialadäquates Verhalten bleibt nach der n. F. straflos. IL Rechtswidrigkeit in diesem materiellen Sinne ist deshalb das eigentliche Problem dieses Tatbestandes, weil es unzählige Fälle empfindlicher Nötigungen gibt, die durchaus rechtmäßig sind. Die äußere Tathandlung ist erst dann „Unrecht", wenn sie die üblichen Grenzen der Einwirkung auf fremde Entschließungsoder Handlungsfreiheit in anstößiger Weise überschreitet. Ob das der Fall ist, hängt nicht ausschließlich von derUnerlaubtheit des M i t t e l s ab, ohne Rücksicht auf den u . U . berechtigten Zweck. Entscheidend ist, ob die Verquickung d i e s e s Mittels mit d i e s e m Zweck, die B e z i e h u n g , in die beide gesetzt werden, als unsittlich empfunden wird. In diesem Sinne interpretiert Abs. 2 das „rechtswidrig" des Abs. 1, fügt aber nichts Neues hinzu (a. A. Vianden-Grüter GA 1954, 359). Der Hauptfall ist allerdings der des verwerflichen M i t t e l s : Der Gläubiger droht dem Schuldner, ihn zum Krüppel zu schlagen, falls er nicht endlich die fällige Schuld bezahle. Das ist strafbar, denn der Zweck heiligt nicht die Mittel. Zum Recht durch Unrecht gehen — das darf nicht sein. Umgekehrt können Fälle wegen der Verwerflichkeit des von dem Drohenden verfolgten Z w e c k e s strafwürdig sein. Beispiel: Durch die Drohung, andernfalls aufgedeckte Unterschlagungen anzuzeigen, nötigt eine Geschäftsinhaberin die Kassiererin, mit ihr widernatürliche Unzucht zu treiben. Weitere Beispiele in BGHSt. 5 258, Hamburg HESt. 2 293, (Drohung mit polit. Anzeige wegen persönlicher Vorteile), München N J W 50 714 (Veröff. privater Dinge angedroht). Selbst wenn aber weder die Handlung noch der angestrebte Zweck an sich verwerflich sind, kann die V e r q u i c k u n g beider, wenn sie ohne,,innere Beziehung'' (BGHSt. 5 258) miteinander sind, verwerflich sein. Oder das Mittel kann u n v e r h ä l t n i s m ä ß i g scharf sein. So wenn der Vermieter den Mieter, der nicht zahlte, mitten im Winter durch Ausheben der Fenster und Türen zum Auszuge nötigt. Drohung mit — an sich begründeter — Strafanzeige bei w i l l k ü r l i c h e r V e r k n ü p f u n g mit ganz anderem Lebensvorgang: BGHSt. 5 258; nicht bei Zusammenhang, insbesondere bei Restitutionszweck, es sei denn, daß dieser im M i ß v e r h ä l t n i s zum Gewicht der Drohung steht (S. 260f. betr. geringen Restbetrag einer Forderung oder Drohung mit öffentlicher Bloßstellung). Nötigung auch bei Befehls Verhältnis möglich: BGHSt. 1 84, mit klarem Unterschied von Mittel, Zweck und ihrem Verhältnis. Nach BGH AnwBl. 65 69 Nöt., wenn ein RA den gegnerischen Anwalt durch die Androhung einer Strafanzeige gegen dessen Mandanten zu einem Rechtsmittelverzicht veranlaßt (hier wird es darauf ankommen, ob die fragliche Straftat mit dem Prozeß etwas zu tun hatte). — Betr. S t r e i k a u s s c h r e i t u n g e n BayObLG J R 56 25 (dazu Heinitz ebendort S. 3ff.). Besondere R e c h t f e r t i g u n g s g r ü n d e können nach allgemeiner Regel die an sich tatbestandsmäßige Gewaltanwendung oder Drohung gestatten. Z. B. Selbsthilfe (E 32 391: „steh, oder ich schieße!"); Notwehr (Rspr. 4 379, 7 402); Abwehr verbotener Eigenmacht; Wahrnehmung berechtigter Interessen (Rspr. 8 500). — Nach BGHZ JZ 58 568 gehört zur Widerrechtlichkeit der Drohung i. S. d. § 123 BGB, daß der Drohende die Tatsachen kennt oder kennen muß, die seiner Drohung den sittlich anstößigen Charakter geben. Dagegen zutr. Anm. von Zweigert. m . Gewalt: Vgl. § 52 Anm. II, § 249 Anm. I, § 253 Anm. II. Jede Handlung, die von dem anderen als ein nicht nur seelischer, sondern körperlicher Zwang empfunden wird (E 60157: Schreckschüsse). Demgemäß auch eine gegen S a c h e n

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verübte Gewalt (E 6 1 1 5 6 : Ausräumung eines gemieteten Zimmers durch den Vermieter, um den Mieter zur Aufgabe des Mietbesitzes zu nötigen). Noch weiter geht D J 38 1051. Enger aber BayObLG N J W 59 495. - Versperren eines Weges durch Dazwischentreten: H R R 42 193. Zufahren auf eine im Wege stehende Person: BGH MDR 55 145. — Heileingriffe, wenn sich der Arzt über den Willen des Patienten hinwegsetzt: oben § 223 Anm. I I I C, Schönke-Schröder I I I 4, Mezger S t B I I § 17 I I I 2. Vgl. Eb. Schmidt, Arzt, S. 112, Engisch ZStW 58, 3. - Hypnose, da auch hier körperliche Einwirkung. IV. Drohung mit einem empfindlichen Übel. 1. Drohung: vgl. oben §52 Anm. I I I , unten §249 Anm. I I , §253 Anm. I I I . Gerade hier wirkt sich der Übergang zum materiellen Maßstab der Rechtswidrigkeit aus, vgl. oben Anm. I, I I , insbes. zu BGHSt. 5 258 sowie Hamburg HESt. 2 293 (Drohung mit polit. Anz.). 2. Empfindlich ist ein Übel, wenn seine Vorstellung auf die Entschlüsse des Bedrohten einzuwirken geeignet ist. Das hängt von den Umständen, insbesondere seiner Person ab. Für einen Sammler von Streichholzschachteln kann die Drohung, diese zu vernichten, ein empfindliches Übel darstellen, auch wenn die Sammlung objektiv wertlos ist. Objektiv dagegen Schönke-Schröder I I I 2: es müsse eine erhebliche Einbuße an Werten zu besorgen und der drohende Verlust geeignet sein, einen besonnenen Menschen zu dem mit der Drohung erstrebten Verhalten zu bestimmen. Vermittelnd Maurach § 14 I I A 16. Androhung öffentlicher Bekanntgabe: München N J W 50 714. Auch mit der Straftat eines Dritten kann gedroht werden, wenn der Drohende es so hinstellt, als wenn sie auf seine Veranlassung geschehen oder unterbleiben würde: E 27 307, 34 15, BayObLGSt. 1 175. V. Der Vorsatz muß die Umstände umfassen, die das Verhalten ,,verwerflich" machen. Irrige Annahme von Umständen, die zur Drohung mit Strafanzeige berechtigen würden, ist Tatbestandsirrtum, BGH N J W 54 480 = LM Nr. 3; dazu Vianden-Grüter GA 1954, 359. Das widerspricht nicht BGHSt. 2 194, die die W e r t u n g der dem Täter bekannten Tatumstände betrifft. Diese Grundsatzentscheidung geht S. 196 zutr. von der „nach richtigem allgemeinem Urteil s i t t l i c h zu m i ß b i l l i g e n d e n " Verquickung von Mittel und Zweck (oben I I ) als Gegenstand des Irrtums über die R W aus, setzt diesen dann aber schon S. 197 mit dem Irrtum über das V e r b o t e n s e i n (Verbotsirrtum) gleich. Damit gerät die grundlegende Unterscheidung zwischen dem, was schon vor dem formellen Verbot (materiell) Unrecht ist, und dem, was erst durch ein Verbot zu (formellem) Unrecht gemacht wird, außer Sicht. Vgl. dazu Syst. Vorbem. IV 4b), § 59 Anm. V 3d), e). VI. Besonders schwere Fälle. Vgl. Syst. Vorbem. I I C und § 1 Anm. V. — Bei staatsfeindlicher Absicht: § 94. VII. Versuch ist denkbar durch Bedrohung mittels einer nach Ansicht des Drohenden zur Beeinflussung des Willens des Bedrohten geeigneten Drohung: E 34 15. Bei scheinbarem Eingehen auf die Nötigung: BGH MDR 53 722. VIII. Idealkonkurrenz mit § 223 (E 33 339); mit § 123 (E 54 288). Die Straftaten des 18. Abschn. sowie der §§ 113, 114, 253 (E 41 276) sind gegenüber § 240 i. allg. Sonderdelikte, nicht jedoch, wenn ein besonders schwerer Fall der Nötigung vorliegt. Vgl. ferner § 239 Anm. VII, aber auch BayObLG 1 525: Einsperrung eines

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einjährigen Kindes keine FB, u. U. aber Nötigung der Mutter. Vgl. weiter § 176 Anm. VII, §241 Anm. III. Durch die VO v. 29. 5. 43 wurde der § 339 gestrichen, da die Nötigung durch Beamte als „besonders schwerer Fall" des § 240 behandelt werden könne. Letzteres ist richtig, soweit es sich um „Androhung eines bestimmten Mißbrauchs der Amtsgewalt" handelt. Für den „Mißbrauch der Amtsgewalt" selber ist aber § 240 kein Ersatz. Auch ist die Neuregelung systematisch verfehlt, solange die Amtsreinheit als selbst. Rechtsgut anerkannt wird. Bedrohung

g

241

Wer einen anderen mit der Begehung eines Verbrechens bedroht, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bestraft. I. Geschütztes Rechtsgut ist der Beohtsfriede im subj. Sinne: das Gefühl des einzelnen, vor schweren Bedrohungen sicher zu sein; abw. Mezger StB I I S. 61: Freiheitsgefährdungsdelikt. IL Die Drohung (vgl. § 52 Anm. III) muß mit dem Willen des Drohenden zur Kenntnis des Bedrohten kommen und der Drohende das Bewußtsein haben, es könne bei dem Bedrohten die Befürchtung vor dem angedrohten Übel erregt werden: E 32102. Wer das Verbrechen begehen soll, ist gleichgültig: E 5 214. III. Konkurrenz: Bildet Bedrohung im Sinne des §241 das Mittel zur Nötigung, so schließt § 240 den § 241 aus: E 54 288. IV. Bei staatsfeindlicher Absicht § 94. Politische. Verdächtigung § 241a (1) Wer einen anderen durch eine Anzeige oder eine Verdächtigung der Gefahr aussetzt, aus politischen Gründen verfolgt zu werden und hierbei im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen durch Gewalt- oder Willkürmaßnahmen Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, der Freiheit beraubt oder in seiner beruflichen oder wirtschaftlichen Stellung empfindlich beeinträchtigt zu werden, wird wegen politischer Verdächtigung mit Gefängnis bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer eine Mitteilung über einen anderen macht oder übermittelt und ihn dadurch der in Absatz 1 bezeichneten Gefahr einer politischen Verfolgung aussetzt. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) Wird in der Anzeige, Verdächtigung oder Mitteilung gegen den anderen eine unwahre Behauptung aufgestellt, oder ist die Tat in der Absicht begangen, eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen herbeizuführen, oder liegt sonst ein besonders schwerer Fall vor, so kann auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren erkannt werden. I. Entstehung und Zweck. Der politische Denunziant konnte unter den jetzt in § 241 a formulierten Voraussetzungen schon bisher als A n s t i f t e r o d e r m i t t e l -

Verbrechen wider die persönliche Freiheit § 241 ä

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b a r e r T ä t e r d e r F r e i h e i t s b e r a u b u n g o d e r T ö t u n g erfaßt werden, wenn diese Folge und ein entsprechender Vorsatz nachzuweisen war. Bei der Ungewißheit über das Schicksal des Denunzierten waren aber einwandfreie Feststellungen in dieser Richtung oft nicht möglich; auch über §49a StGB konnten nicht alle strafbedürftigen Fälle erfaßt werden. Soweit die geforderten Voraussetzungen gegeben waren, handelte es sich bei der früheren Praxis nicht etwa um einen „Mißbrauch der mittelbaren Täterschaft zu politischenZwecken", sondern umgekehrt um die Zurückführung eines politischen Mißbrauchs positivrechtlicher Vorschriften auf seinen materiellen Unrechtsgehalt, gleichviel unter welchen politischenVorzeichen der materiell rechtswidrige Angriff auf Leib, Leben oder Freiheit erfolgt war. Vgl. dazu näher NJW 49, 697 und SJZ 48, 302 ff. Die vor dem Inkrafttreten des Berliner Freiheitsschutzgesetzes liegenden Fälle hat die dortige Praxis ständig mit §§ 239, 48 erfaßt. Für die früheren Fälle vgl. BGHSt. 1 392; ferner vor allem Bamberg SJZ 50 207 mit Anm. ( = DRZ 50 302 m. abl. Anm. Welzel = NJW 50 35 m. Anm. v. Weber). Wenn auch nicht in allen Einzelheiten der Begründung, so ist doch im Grundsatz und im Ergebnis dieser Entscheidung zuzustimmen. Die Gegenmeinung, die Unrecht und Schuld des Denunzianten und der Mitwirkenden an dem von ihm in Gang gesetzten Verfahren gleichstellt, verkennt, daß das Handeln jenes seinem sozialen Sinne nach typischerweise nichts weiter als eine intentionale Schädigung des willkürlich und unmenschlich Verfolgten an Freiheit oder Leben ist — oft aus Rachsucht oder Habgier —, während das Handeln der Strafverfolgungsorgane im Rahmen ihrer Vorschriften als solches den allgemeinen, über den Einzelfall hinausführenden Sinn der Aufrechterhaltung einer wenn auch noch so schlechten Ordnung hat, einer Ordnung, die sie zu vertreten haben. In ihrer Person entsteht ein Konflikt, der dem von keiner Amtspflicht zum Handeln genötigten Denunzianten völlig fern bleibt. Anders liegt es erst im Fall bewußter Rechtsbeugung, die auch bei der Strafzumessung geschehen kann, oder dann, wenn das anzuwendende „Gesetz" selbst schlechthin und offensichtlich bare Willkür, erst recht wenn der Staat, der es setzte, evident ein Nicht-Staat im Rechtssinne und alle seine „rechtlichen" Emanationen unheilbar nichtig sind. Das Problem liegt ähnlich wie beim Handeln auf rechtswidrigen, aber verbindlichen Befehl; vgl. über diese Parallele Vorbem. I B 2 h) vor § 47 und die dort Zitierten. § 241 a bestätigt jetzt diese Auffassung. Er trifft nur den Denunzianten, aber nicht diejenigen, die auf Grund ihrer staatlichen Funktionen Gewalt- oder Willkürmaßnahmen verhängen. Auch § 5 des sowjetzonalen Gesetzes „zum Schutze des Friedens" vom 15. 12. 50 bedroht nur diejenigen, die „Teilnehmer am Kampf f ü r den Frieden wegen ihrer Tätigkeit verfolgen lassen" und wird nicht gegen die verfolgenden Justizorgane selbst angewendet. Einige Besonderheiten des Berliner Ges. zum Schutze der persönl. Freiheit v. 4. 6. 51, dessen §§ 1, 2 an Stelle der §§ 234a, 241a gelten, vgl. oben bei § 234a. II. Die Handlung des Abs. 1 besteht in einer Anzeige oder Verdächtigung (vgl. die Anm. zu § 164a. und n. F.). Auf bestimmte Adressaten ist die tatbestandsmäßige Verdächtigung im Gegensatz zu § 164 nicht beschränkt. Wegen der Modalitäten der Handlang vgl. § 234 a Anm. III. III. Zum Vorsatz gilt das § 234 a Anm. VII Gesagte. IV. Mitteilungen über einen anderen fallen unter den gleichen Voraussetzungen wie nach Abs. 1 unter die Strafandrohung des Abs. 2. Die Bestimmung richtet sich

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Diebstahl und Unterschlagung. Vorbemerkungen

gegen das Spitzel- und Agentenunwesen. Auch hier liegen wesentlich Berliner Erfahrungen zugrunde. Aus ihnen war in Berlin bereits der erheblich weitergehende Entwurf eines Sondergesetzes gegen das Spitzelunwesen entstanden, der dann aber aus rechtsstaatlichen Erwägungen abgelehnt wurde. — Bloße Bestätigung polizeilicher Fragen nach einer politisch belastenden Tatsache ist nicht Mitt. i. S. dieser Stelle, die bewußte Ausnutzung der Machtverhältnisse in der SBZ voraussetzt: BGHSt. 11 91. V. Der Versuch wird in Abs. 3 ausdrücklich f ü r strafbar erklärt — ein gesetzliches Argument gegen die von Gerland und der in E 60 115 wiedergegebenen Judikatur vertretene abstrahierende Ansicht, wonach die schlechthin höchste Strafmöglichkeit (Abs. 4) über den Charakter eines Tatbestandes als Verbrechen oder Vergehen entscheide. VI. Besonders schwerer Fall. Darüber, daß die Tat hierdurch nicht zum Verbrechen wird, vgl. § 1 Anm. V und Lit. vor § 1. Auch die tatbestandsähnliche Ausgestaltung der „benannten" Fälle ändert daran nichts, da Beispiele der allgemeinen Regel folgen. Vgl. ferner oben § 89 Anm. VIII, aber auch § 129 Anm. I I I 3. VII. Selbständige Strafschärfung bei staatsfeindlicher Absicht: § 94. Vgl. dortige Anm. I. Neunzehnter Abschnitt

Diebstahl und Unterschlagung Vorbemerkungen I. System: D i e b s t a h l (§ 242), U n t e r s c h l a g u n g (246), f u r t u m u s u s (§§ 248b, 290), S t r o m e n t z i e h u n g (§ 248c), R a u b (§ 249) und S a c h b e s c h ä d i g u n g (§ 303) sind Straftaten gegen fremdes Eigentum; Diebstahl, furt. us., Raub außerdem gegen fremden Besitz. E 54 282, Hamburg MDR 47 35 (bestr.: Binding Lb. 1, 294: nur Eigentum; L.-Schm. 620: nur Besitz). Vgl. aber BGHSt. 10 400 betr. untergeordneten Mitgewahrsam (unten § 247 Anm. II). Nach Schönke-Schröder § 242 Anm. I ist der Gewahrsam kein selbständiges Schutzobjekt, sondern nur ein Merkmal, das zur Kennzeichnung der besonderen Intensität der Eigentumsverletzung dient. Aber das Strafrecht schützt hier wie stets nicht nur den materiellen Rechtswert (hier: des Eigentums), sondern auch die (hier im Gewahrsam verkörperte) Rechtsordnung. — B e r e i c h e r u n g braucht weder beabsichtigt noch erreicht zu sein (anders bei Betrug und Erpressung). So auch das engl, und franz. Recht. Die deutschen Entwürfe bis 1933 sowie Schweiz Art. 137 fordern Bereicherungsabsicht. — Zur Systematik vgl. Kohlrausch in Festschr. für Schlegelberger 203 ff., Schröder ZStW 60, 33, Meister MDR 47, 251. II. Verwandte Tatbestände: Besitzdiebstahl (§ 289); Wild- und Fischdiebstahl (§§292 bis 296a); Mundraub und Verbrauchsmitteldiebstahl (§370 Nr. 5); Viehfutterdiebstahl (§ 370 Nr. 6); Depotunterschlagung (RGes. v. 4.2.37, § 3, Anh. Nr. 9); Metalldiebstahl (RGes. v. 23. 7. 26/28. 6. 29 u. RGes. v. 29. 6. 26)*); letzteres *) 1. Gesetz über den Verkehr mit Edelmetallen, Edelsteinen und Perlen in der Fassung v. 29. 6. 26. 8 4. Wer einen Diebstahl an einem Gegenstand aus Edelmetall (nach § 1: Gold, Silber, Platin und Platinmetalle) begeht, der zum öffentlichen Nutzen dient oder öffentlich aufgestellt Ist, wird wegen schweren Diebstahls (§ 243 StGB) bestraft.

Diebstahl und Unterschlagung § 242

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nicht ohne weiteres bei Aneignung von Altmaterial aus Ruinen: LG Hamburg MDR 49 766. III. Der Landesgesetzgebung überlassen (EStGB § 2) ist der Feld- und Forstdiebstahl; f ü r Preußen Ges. v. 15. 4. 78 (abgeänd. 14. 12. 20 und 1. 7. 23) und betr. Entwendung von Bodenerzeugnissen F. u. FPolGes. v. 21. 1. 26. 1. Diebstahl: a) einfacher Diebstahl

§242

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, dieselbe sich rechtswidrig zuzueignen, wird wegen Diebstahls mit Gefängnis bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. I. Der Gegenstand des Diebstahls (über die geschützten Rechtsgüter vgl. Vorbem. I ) : 1. Sache (entsprechend BGB § 90, der freilich f ü r StrR nicht bindend, dazu Lobe, Frank-Festg. I 39ff.): k ö r p e r l i c h e r G e g e n s t a n d ; E 32 165; nicht Energien; wegen elektrischer Energie vgl. § 248c. — A g g r e g a t z u s t a n d gleichgültig; also auch Wasser, Luft, Gas, Dampf: E 14 121, 44 335 (Ableitung von Heizdampf, falls der Dampf dabei verbraucht werden soll). — Ob G e l d w e r t , ist gleichgültig, da Diebstahl nicht Straftat gegen Vermögen, sondern gegen Gewahrsam und Eigent u m : E 44 207, 5197, DR 43 513. — Die zur Bestattung bestimmte Leiche ist Rückstand der Persönlichkeit, nicht Sache: RGZ 100 172, L K B I 3 vor § 242, Eb. Schmidt b. Ponsold, Lb. ger. Med., Maurach § 26 A 2. A. A. Mezger StB I I § 44, Schönke-Schröder § 242 IV 3c. Unentschieden E 64 313. 2. Beweglich: im natürlichen Sinn; also z.B. auch Zubehör von Grundstücken (E 18 128) und Bodenerzeugnisse, soweit nicht die Feld- und Forstpolizeigesetze Sonderregeln enthalten (E 35 67). Es genügt, daß die Sachen durch die Trennung beweglich werden, z. B. Abmähen von Korn. — Straftaten gegen G r u n d s t ü c k e vgl. §§ 274 Nr. 2, 370 Nr. 1 und 2. 3. Fremd: in fremdem Eigentum stehend. Maßgebend sind die Vorschriften des bürgerlichen Rechts; ein „strafrechtliches Eigentum" gibt es nicht (E 21 270 und 364, 61 65, betr. Sicherungsübereignung, Köln N J W 52 758 betr. Steuerstrafr.). — N i c h t in fremdem Eigentum stehen Sachen: a) die in n i e m a n d e s E i g e n t u m s t e h e n k ö n n e n , z. B. der menschliche Körper (wegen Ausnahmen in Anatomie, Museum u. dgl. und wegen Körperteilen vgl. bürgerliches Recht; wegen abgelöster Goldplomben LG Köln MDR 48 365, Gera HESt. 2 296, dazu Brunner N J W 53, 1173, Dotterweich J R 53, 174. Richtigerweise Eigentumserwerb der Erben k r a f t ererbten Anwartschaftsrechts anzunehmen); b)die in n i e m a n d e s E i g e n t u m s t e h e n , d. h. herrenlose; z. B. Tiere gemäß BGB §§ 960ff. (E 48 384); derelinquierte Sachen (E 48 121; Speisereste im Mülleimer). Verlassenes Wehrmachtsgerät regelmäßig gewahrsamlos, aber nicht herrenlos: BGH N J W 53 1271; LM Nr. 9. Ebenso 2. Gesell Ober den Verkehr mit anedlen Metallen v. 23. 7. 26 (28. 6. 29; dazu Goltz NJW 54, 174): g I i . Wer einen Diebstahl an einem Gegenstand aus unedlem Metall begeht, der zum öffentlichen Nutzen dient oder öffentlich aufgestellt ist, oder der einen Teil eines Gebäudes bildet oder in einem Gebäude zu dessen Ausstattung angebracht ist, wird wegen schweren Diebstahls (§ 243 StGB) bestraft. Das gleiche gilt für den Diebstahl von Maschinenbestandteilen und sonstigen Betriebsmitteln aus unedlem Metall, deren Wegnahme die gesicherte Fortführung des Betriebes erheblich gefährdet.

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Schleswig SchHA 53 295 betr. versenktes Kriegsschiff. Anders für geringwertige Sachen auf Trümmergrundst. LG Hamburg MDR 51 180. c) die im E i g e n t u m d e s T ä t e r s s e l b e r s t e h e n : Verpfänder (E 23 71), Gemeinschuldner (E 39 414) bleiben Eigentümer. Über Holzabfuhr vgl. BayObLG 3 21. Betr. Eigentumserwerb durch Stellvertreter vgl. bürgerliches Recht. Der Miteigentümer kann Diebstahl begehen (E 31 317). 4. Jeder Eigentümer und Besitzer genießt Strafschutz, auch bezüglich Sachen, die s t r a f b a r oder u n s i t t l i c h erworben wurden. Denn letzten Endes geht es um einen Verstoß gegen die a l l g e m e i n e Rechtsordnung. Hierzu E 44 230, 65 3; DR 40 105; freiüch auch E 70 7; Köln MDR 54 695 u. BGHSt. 6 377 betr. Dirnenlohn; vgl. aber BGHSt. 4 373; dazu Kohlhaas J R 54 97; LM § 242 Nr. 14; BGH NJW 53 1358 = LM Nr. 10 betr. Diebstahl gegen Dieb. Dazu § 263 Anm. V 1 c). II. Die äußere Diebstahlshandlung: Wegnahme ist Bruch fremden Gewahrsams und Überführung der Sache in den Gewahrsam des Täters oder eines Dritten. Im letzteren Fall nicht nötig, daß der Täter zwischendurch eigenen Gewahrsam erlangt hat; es genügt z. B., einen gutgläubigen Dritten anzuweisen, die Sache bei dem Besitzer abzuholen: mittelbare Täterschaft (E 48 58; 57 166). Hier ist IdKonk. mit Betrug möglich. E 70 212. Vgl. unten VI. 1. Gewahrsam ist ein t a t s ä c h l i c h e s Herrschaftsverhältnis, bei dem der Herrschaftswille in v e r k e h r s m ä ß i g e r Weise ausgeübt werden kann. Vgl. E 60 271, bes. auch 34 252. Nicht gleich „Besitz" i. S. des bürgerlichen Rechts (E 50 183): der Besitzdiener (z. B. Hausangestellte, Fahrer des Lieferwagens) hat trotz § 855 BGB Gewahrsam (E 52 143, BGHSt. 2 318); ob auch der Besitzherr, ist nach den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens zu prüfen: E 60 272. Bei Neubegründung von Gewahrsam strengerer Maßstab: Hamburg MDR 47 35. Dem „mittelbaren Besitzer" des § 868 BGB als solchem kann eine Sache nicht „weggenommen" werden (z. B. nicht dem Verpfänder: E 37 398; nicht dem Warenabsender durch den Frachtführer: E 56 115; auch nicht ohne weiteres, trotz §857 BGB, dem Erben: E 58 228). Keinen Gew. hat i. allg. der Vermieter eines Hauses oder abgeschlossenen Gebäudeteils an den darin befindlichen Sachen (E 5 42); wohl aber der Zimmervermieter, der dauernde Zutrittsmöglichkeit hat (ähnlich E 3 358, 47 210). Nach HRR 39 1281 hat bei Verwahrungsverträgen (z. B. betr. Theatergarderobe) regelmäßig der Verwahrer Alleingewahrsam. — L o c k e r u n g ist noch nicht Verlust des Gewahrsams: nach E 54 231 hat die Bahnverwaltung Gew. an den auf dem Bahnsteig befindlichen Sachen, trotz allgemeinen Zutrittsrechts; nach E 48 385, 50 183, BGH MDR 54 398 besteht Gewahrsam an Haustieren nicht nur, solange sie Rückkehrgewohnheit haben, sondern solange die Möglichkeit der Wiederergreifung besteht. Grenzfall (Fahrraddiebstahl, von Eigent. aus dem Fenster des 1. Stocks beobachtet): Tübingen SJZ 47 556 verneint, Anm. Sachs bejaht Gew. — Auch v o r ü b e r g e h e n d e Behinderung an der Herrschaftsausübung steht dem Gew. nicht entgegen: so nach E 12 353, 53 175 an v e r s t e c k t e n Sachen. Nach E 38 444 an v e r g e s s e n e n Sachen, deren Ort man weiß. Ein Reisender hatte in dem bereits weitergefahrenen Zuge Gepäck liegen lassen; richtiger aber mit RMG 13 236 Gew a h r s a m des O r t e s , hier der Bahn, an Stelle des verlorengegangenen G. des Reisenden anzunehmen. Eine verlorene Sache, deren Ort dem letzten Inhaber nicht mehr bekannt oder nicht zugänglich ist, steht nicht mehr in dessen Gew. (der unehrliche Finder kann aber Untschl. begehen: Anm. I I zu §246). — Der Inhaber

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einer Räumlichkeit oder Umhüllung hat i. allg. auch den Gew. der darin befindlichen Sachen, es sei denn, daß er nicht ohne weiteres an den Inhalt heran kann: E 5 222, 30 88, 45 249 (Benutzer eines Gasautomaten begeht Diebstahl an dem Geldinhalt); E 54 32, 56 114 (der Kutscher gegen den Fuhrherrn). — Ob Besitzwille zum Gew. gehört, ist streitig. Aus E 50 46 u. a., auf die sich BGHSt. 4 211 bezieht, las man häufig heraus, das RGer. fordere ihn nicht. Indessen verneinte das RGer. nur die Notwendigkeit eines genauen Wissens um die einzelnen besessenen Sachen in Fällen, wo ein genereller Wille besteht, alle Sachen zu besitzen, die sich in einem mit Besitzwillen innegehabten Raum befinden. Die Briefe im Hausbriefkasten, die beim Wohnungsinhaber in seiner Abwesenheit abgegebenen Sachen stehen in seinem Gewahrsam, E 56 207; LK 311. An den Resten seines unterwegs ausgebrannten, im Straßengraben zurückgelassenen Kraftwagens hat der zum demnächstigen Abtransport entschlossene Eigentümer Gew.: Köln VRS 14 (1958), 299. — Mitgcwahrsam, auch zwischen mittelbarem und unmittelbarem Besitzer, ist je nach Sachlage möglich; somit auch Diebstahl des einen gegen den anderen. Kutscher gegen Fuhrherrn: E 54 32, 56 115; beim kassierenden Ladenangestellten nimmt E 30 88 sogar Alleingewahrsam des Ladeninhabers an. Gew. der Verkäuferin und der Aufsicht im Kaufhaus am eingen. Geld: Schleswig SchlHA 53 190. Vgl. LK § 242 II. Mitgewahrsam am Bankschließfach, auch wenn der eine ohne den anderen, der andere aber nur mit jenem heran kann: J W 37 3302. Mitgew. am Anzug, den der Kunde im Laden bereits trägt: LM §242 Nr. 11. K e i n Mitgewahrsam zwischen Eltern und einholendem Kind: Hamburg MDR 47 35, vgl. auch E 52 145. Nach BGH GA 1956 318 wohl auch nicht zwischen Bahnschaffner und Zugführer einerseits, Aufsichtsbeamten andererseits bzgl. Reisegepäck und Expreßgut. Zust. Schönke-Schröder IV 5. 2. Für den Gewahrsamsbruch ist erforderlich und genügend, daß der Wegnehmende (oder ein Dritter) die tatsächliche Verfügungsgewalt erlangt. Daß die Sache aus den Räumen des Inhabers entfernt ist, ist hierzu nicht unbedingt nötig (E 52 75: Warenhausdiebstahl). Auch v o r l ä u f i g e s B e i s e i t e l e g e n kann genügen, wenn nur der bisherige Inhaber nicht mehr in der Lage ist, die Verfügung des Täters über die Sache zu hindern (E 66 394, 76 131; vgl. aber auch LM § 243 Ziff. 2 Nr. 9 [D. im Werkgelände erst nach Wegschaffung vollendet]). — Bruch oder Lockerung des Gew. ohne Herstellung neuen Gew. ist V e r s u c h : Anm. IV. — Keine Wegnahme, weil kein Gewahrsamsbruch, wenn Inhaber in dauernden Gewahrsamsverlust einwilligt. E 53 336. — Über m u t m a ß l . Einw. LG Kiel SchlHA 54 296. — Warenentnahme aus A u t o m a t e n mittels Falschgeld nach BGH MDR 52 563 Diebstahl (h. Mg.). Ber. Bedenken bei Dreher (Anm.a.a.O.), da unbedingter Übergabewille. Vgl. zu § 265 a. — Wußte der Dieb von der Einwilligung nichts (er sollte z. B. bei der Tat ertappt werden), so begeht er versuchten Diebstahl, BGHSt. 4 199. Ebenso Hamm NJW 54 523 betr. beobachteten Dieb. — Duldung der Wegnahme nach Vortäuschung einer Beschlagnahme ist keine Besitzaufgabe: BGH NJW 52 796 (Nr. 26); vgl. unten V. — Vollendete Wegnahme, wenn die Sache in e i n V e r s t e c k g e s c h a f f t ist. Abholung von da ist straflose Nachtat, Beteiligung hierbei ist Begünstigung oder Hehlerei, H R R 38 633. Aber nicht, wenn im Herrschaftsbereich des Berechtigten und mit Hindernissen: BGH LM Nr. 15. — S i c h g e b e n l a s s e n ist nicht „wegnehmen", mag auch nach bürgerl. R. der Übergabeakt unwirksam sein, z. B. wegen Handlungsunfähigkeit des Übergebenden. Kennt diese der Empfänger, so begeht er aber Unterschlagung. H R R 39 350; J W 39 Si

Kohlrausch-Lange,

S t G B , 42. A u f l .

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Diebstahl und Unterschlagung § 242

224. Denkbar auch mittelbare Täterschaft des § 242. — Natürlicher Übergabewille z . B . eines Kindes genügt, vgl. Geerds, GA 1954, 133ff. III. Der innere Tatbestand fordert 1. Vorsatz: Der Täter muß wissen, daß die Sache in fremdem Gewahrsam und fremdem Eigentum steht (i. S. der „Parallelwertung in der Laiensphäre"). 2. Zueignungsabsicht, a) Absicht i. Sinne von Anm. III, 1 zu § 59: Beweggrund, wenn auch nicht Endzweck. E 44 207. In den Fällen des § 248 b fehlt regelmäßig Z. A. am Benzin: Celle N J W 53 37, Köln JMB1. NRW 54 204. Soweit die R e c h t s w i d r i g k e i t der Zueignung in Frage steht, genügt es, daß der Täter sich die Sache auf a l l e Fälle, auch für den Fall, daß er kein Recht dazu habe, zueignen wollte. Der Wille dagegen, den andern zu e n t e i g n e n , ihn dauernd von der Sache auszuschließen, muß ein u n b e d i n g t e r sein. Hierzu E 49 140. — S p ä t e r e R e a l i s i e r u n g dieser Absicht, z. B. durch Veräußerung, Verbrauch, Vernichtung, ist nicht neue Straftat, sondern straflose Nachtat im Sinne von Vorbem. I I I 3 vor § 73 (E 85 64, 89 239, 49 16; BayObLG NJW 58 1597 betr. Anstiftung des Hehlers durch den Dieb als typische Verwertungshandlung), es sei denn, daß durch letztere ein anderes Rechtsgut verletzt wird als durch den vorausgegangenen Diebstahl (E 49 405, 51 4: Betrug gegen einen Dritten). b) Zueignung i s t h i e r d i e E r s e t z u n g d e r a u f E i g e n t u m b e r u h e n d e n r e c h t l i c h e n M a c h t (der ganzen oder eines Teils derselben) d u r c h e i n e a u f W e g n a h m e g e g r ü n d e t e e i g e n t ü m e r ä h n l i c h e t a t s ä c h l i c h e M a c h t : se u t dom i n u m g e r e r e . „Enteignung und Aneignung": Binding. Der alte animus lucri faciendi war und ist gemeint als animus rem sibi habendi. Der Dieb will nicht einen in Geld meßbaren Gewinn, sondern er will die S a c h e lukrieren. Die Absicht, die Sache n u r dem anderen zu entziehen, sie zu vernichten, unbrauchbar zu machen, genügt nicht; dies ist Sachbeschädigung (E 35 355, 61 232, vgl. § 248c Anm. VI). Über das Verhältnis von Wegnahme undZ. zutr.Maurach § 26 I I I A (gegen Binding I 285, dem LK I, I I I 2 u. Welzel § 47 vor I folgen). Jene E n t e i g n u n g muß in dem Umfang, in dem sie beabsichtigt war, a b d a u e r n d e beabsichtigt gewesen sein; das hegt in ihrem Begriff (daher die Straflosigkeit des sog. Gebrauchsdiebstahls, s. unten). Die A n e i g n u n g dagegen kann auch als v o r ü b e r g e h e n d e beabsichtigt gewesen sein, oder doch späterer Herrschaftsverlust in Kauf genommen worden sein. Zu der Frage, was „zugeeignet" werden sollte, hat die Rechtspr. zweimal gewechselt (bestr. von LK D H I vor § 242; vgl. auch Mezger StB I I § 44 I I 2, 3): der (mehr juristisch gedachten) Sachsubstanztheorie folgte die (mehr wirtschaftlich gedachte) Sachwerttheorie, während etwa seit 1928 beide kombiniert erscheinen. Nach der Substanztheorie muß der Täter unter dauerndem Ausschluß des Berechtigten über die Substanz der Sache wie ein Eigentümer verfügen wollen. Vgl. E 2 27: „Absicht der definitiven Begründung der Willensherrschaft des Täters, der definitiven Ausschließung der Willensherrschaft des Eigentümers." E 2 4 22: Kein D. des Kellners an den dem Wirt entwendeten B i e r m a r k e n , da sie an diesen zurückgelangen und bloßes Zählmittel bei der Abrechnung seien (anders später E 40 10). E 10 369 nahm freilich Diebstahl (nicht bloß Gebrauchsdiebstahl) am S p a r k a s s e n b u c h an, das nach Teilabhebung zurückgelegt werden soll; denn es genüge die Absicht, „über die Sache auch nur eine einzelne Verfügung zu treffen, welche aber als zur ausschließlichen Zuständigkeit des Eigentümers gehörig betrachtet werden muß" (ähnlich E 22 3, 29 415). Folgerichtiger Binding 1265:

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Kein Diebstahl des Buches. Entsprechend lehnte noch £ 21 110 D. ab, wenn eine dem Täter zugängliche Sache einem Dritten verkauft und z u r A b h o l u n g ü b e r w i e s e n wird: es fehle Zueignungsabsicht, denn diese erfordere „ein Ergreifen und Erlangen des Gewahrsams bzw. der Verfügungsgewalt über die Sache seitens des Täters als Betätigung seines Vorsatzes, sie sich zuzueignen und darüber f ü r sich zu verfügen". Die Sachwerttheorie entwickelte sich an gleichen Fällen, eben weil hier die Sachsubstanztheorie versagte. Entwendung des S p a r k a s s e n b u c h s blieb Diebstahl, aber die Begr. wechselte, da die Sachsubstanz ja der Täter von vornherein zurückzugeben beabsichtigte. Schon E 26 151 wandte sich (mehr temperamentvoll als grundsätzlich) gegen diese „sich an den vieldeutigen Begriff der Z. klammernden doktrinär-juristischen Zweifel". Ebenso E 39 239. Grundsätzliche Umstellung von der Eigentümertheorie auf eine Werttheorie erst in E 40 10 (zweiter Biermarkenfall): „Es braucht nicht auf einen Rechtserwerb abgesehen zu sein, vielmehr genügt die Erstrebung eines wirtschaftlichen Erfolgs. Unter der Abs. rechtsw. Z. muß die Absicht verstanden werden, eine Sache ihrem Sach-(Substanz-)Werte nach dem eigenen Vermögen zuzuführen". Erläuternd E 49 405: „Der Sach-(Substanz-)Wert einer Sache bestimmt sich nach den in tatsächlicher oder rechtlicher Beziehung gegebenen Möglichkeiten ihrer wirtschaftlichen Benutzung." E 57 199: Absicht, die Sache dem Eigentümer, dem sie weggenommen wurde, wieder zu verkaufen. Entsprechende Schwenkung von der Substanz zum Sachwert, vom eigentumsähnlichen zum wirtschaftlichen Maßstab beim A b h o l u n g s d i e b s t a h l in E 47 147 (unter Preisgabe von E 21 110): „Wenn er auch die Schwellen selbst den Käufern überlassen wollte, so beabsichtigte er doch, sich ihren wirtschaftlichen Wert zunutze zu machen. Das genügte zur Z." Ahnlich E 48 58: Täter öffnete eine fremde Gänsebucht und ließ seinen Gläubiger die herauslaufenden Gänse wegtreiben, um dadurch seine Schuld zu bezahlen. E 57 66: Eisenbahnbeamter verkaufte rechtswidrig Bahnkoks und überwies ihn zur Abholung, BGH MDR 54 398: Forstbeamter händigt gutgläubigem Käufer „Verabfolgezettel" f ü r im Walde lagerndes Holz aus: mittelb. Täter. — Oldenburg NdsRpfl. 53 113: Eigenmächtige Sicherungsnahme in Verwertungsabsicht. — Eigenm. Verfügung allein nicht: BGH GA 1958 83,1954 60. — Neue Zweifel entstanden aber daher, daß es doch belanglos sein solle, ob die Sache überhaupt einen wirtschaftlichen „Wert" habe (z. B. E 51 97). Deshalb neuestens: Verbindung von Substanz- und Werttheorie. Darin hegt freilich ein Verzicht auf eine einheitliche Auffassung des Zueignungsbegriffs im Sinne eine dieser Theorien. So E 61 233: „Das Wesen der Z. besteht darin, daß die Sache selbst, o d e r d o c h der in ihr verkörperte Sachwert, vom Täter dem eigenen Vermögen einverleibt wird." Kritik. Die S a c h s u b s t a n z t h e o r i e ist — jedenfalls in ihrer ursprünglichen Fassung — m e t h o d i s c h verfehlt, weil sie auf ein naturalistisches Moment abhebt. Dauernde Möglichkeit der Einwirkimg auf die Substanz gehört ebensowenig zur eigentümergleichen Herrschaft wie Substanzverletzung zur Sachbeschädigung (§ 303 Anm. I). Gegen die S a c h w e r t t h e o r i e sprechen s y s t e m a t i s c h e Bedenken. Denn Diebstahl ist de lege lata kein Vermögens- und Bereicherungsdelikt. Vgl. z. B. Hamburg MDR 54 697 (Fetischist). Keine der beiden Theorien erfaßt daher f ü r sich allein den Begriff der Zueignung. Beide sind zu eng und müssen auf die Formel se ut dominum gerere zurückgeführt werden. Mit Recht hat sich daher E 61 232 auf keine der beiden Theorien mehr festgelegt. Für Kombination auch Schönke-Schröder VII 2 a, Maurach § 26 I I I C i d . Welzel § 45 I I 2 a kommt praktisch zum gleichen Ergebnis, indem er die Substanztheorie umdeutet: 34*

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Bei den Legitimationspapieren, wie Sparkassenbüchern usw., ü b t der Täter die an ihren Besitz geknüpfte Rechtsposition aus. — Anders z. B. bei Zechenausweis: Hamm JMB1. NRW 58 154. Gebrauclisdiebstahl (furtum usus) ist hiernach kein nach § 242 strafbarer Diebstahl, vielmehr ein Delikt eigener Art und nur im Rahmen der §§ 248b, 290 strafbar. Vgl. aber E 64 260, BGHSt. 5 206, VRS 58 Bd. 14 363 (Zurücklassen des Wagens an ungeschütztem Ort, z. B. in einer anderen Straße einer Großstadt: Diebstahl); zum D . - V o r s a t z gehört es dann aber, daß es der Täter schon im Zeitpunkt der Wegnahme dem Zufall überlassen wollte, ob der Eigent. seinen Wagen wiederbekommt: BGH VRS 58 Bd. 14 199. Zu weit geht Köln N J W 50 959, auch wohl Celle VRS 7 306. — Anstaltseigentum für Anstaltszwecke: furtum usus (Oldbg. NdsRpfl. 50 93). c) Sich z u e i g n e n . — Die jetzt weniger auf Substanzerwerb als auf wirtschaftliche Auswertung abgestellte Auffassung der Z. (vgl. oben zu b) führt hier zu einer Erweiterung: die Verwertung kann nämlich auch durch W e i t e r g a b e a n a n d e r e geschehen. E 47 147, 324, 48 58, 57 166, 62 15, 67 334. DR 40 285 mit Anm. Mezger. Auch durch unentgeltliche, wenn im eigenen Namen (ut dominus): BGHSt. 4 238. — Wenn sich dagegen A des B zwecks Wegnahme bedient, so ist B nur Gehilfe (A begeht hier Diebstahl in mittelbarer Täterschaft): E 53 180. Ebenso, wenn die Ausbeute allein ein anderer haben soll: Köln JMB1. NRW 54 27. •— Teilweise engere Auslegung jetzt bei Schönke-Schröder 8 Anm. VII 2 d (anders noch 7. Aufl.). d) Rechtswidrig ist die beabsichtigte Z. dann nicht, wenn privatrechtlicher Allspruch auf H e r a u s g a b e bestand; wohl aber (anders E 64 210), wenn der Anspruch nur auf Ü b e r e i g n u n g ging. Ebenso bisher Schönke-Schröder VIII 2 b (in 8. Aufl. und in DRiZ 56, 69 jedoch wie E 64 210), Mezger StB § 46 V 3. Der Streit hängt mit derGrundfrage nach dem Rechtsgut zusammen (oben Vorbem. Ivor §242). Von seinem gegensätzlichen Ausgangspunkt aus ist die Meinung Schröders, der auch hier nur auf den Schutz des Eigentums abstellt, folgerichtig. — Daß der Täter sich wegen einer Geldforderung bezahlt machen will, schließt die Rechtsw. nicht aus: E 12 88. — Einwilligung des Eigentümers nicht nur in die Wegnahme, sondern auch in die Z. schließt die Rechtswidrigkeit der Z., ihre irrtümliche Annahme also die „Absicht" rechtswidriger Zueignung aus (E 44 207). IV. Diebstahlsversuch erfordert A n f a n g d e s W e g n e h m e n s (§ 43), also Beginn des Brechens fremden Gewahrsams. Das RG ging hierin zuletzt sehr weit: E 53 336 (falsche Bezettelung eines Eisenbahnwagens, der dadurch von dem ordnungsmäßigen Beförderungsweg ab- und dem Täter zugeleitet werden sollte); E 54 182 (unbefugtes Einschleichen in einen Raum, um dort eine bestimmte Sache zu stehlen). Richtiger bezieht E 70 201 die Bestimmtheit auf den Willen, zu stehlen, nicht auf die Sache: beim Betreten des Raumes mußte der Täter den bestimmten Willen haben, zu stehlen, was sich Brauchbares biete. E 54 328 (Aufspringen auf das Trittbrett eines fahrenden Güterwagens in Diebstahlsabsicht, ähnlich der Fall OGHSt. 2 160). Bes. aber E 53 217 (Entfernung des Hofhundes, um dann zu stehlen). Vgl. auch Vorbem. I I vor § 43. — An der äußersten Grenze auch BGH GA 1958 191: ein Taschendieb „versucht" im Menschengewühl bereits dann den Diebstahl, wenn er mit seinen Händen in unmittelbare Nähe der zu bestehlenden Taschen kommt. •— M a n g e l a n T a t b e s t a n d nach RG auch hier als Versuch strafbar: E 39 427 (der Täter hielt die herrenlose Sache für eine fremde); E 53

Diebstahl und Unterschlagung § 243

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336 (der Täter wußte nicht, daß der Eigentümer eingewilligt); HESt. 1 233; BGH N J W 6 3 1271 = BGHSt. 4 199 (Diebesfalle). — Wegen V e r s u c h s d e s s c h w e r e n D i e b s t a h l s vgl. § 243 Anm. II. — Wegen R ü c k t r i t t s BGHSt. 4 56. V. Teilnahme. Wer dadurch zum Diebstahl beiträgt, daß er seine Mitwirkung bei der Verwertung der Beute zusagt, und diese Zusage später einhält, ist nicht Mittäter, sondern nur Anstifter oder Gehilfe beim Diebstahl und außerdem Hehler: BGHSt. 8 390. Diese in ihrer Allgemeinheit bedenkliche Entsch. hängt offenbar mit der Rspr. zu § 259 zusammen; dagegen dort Anm. VII. Tl. Konkurrenzfragen. Die Spezialvorschriften (Vorbem. II) gehen vor. — Id.Konk. mit B e t r u g nur ausnahmsweise (E 70 212). Dazu Schröder ZStW 60, 333 und SJZ 50, 94. Für die Abgrenzung entscheidet die innere Willensrichtung des Verletzten: BGH N J W 52 782 (betr. falsche Kriminalbeamte), 53 73. Dazu Mauräch § 26 I I I B. - IdKonk. mit Untreue: BGH J Z 62 89, LM § 266 Nr. 4. - Betr. § 259 vgl. dort Anm. VII. — IdKonk. mit §§ 132, 133, 134, 136, 137 möglich — Betr. straflose Nachtat s. o. I I I 2 a. — Realkonk. mit § 123: Hamm JMB1. N R W 64 67. — Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis gem. § 24 I Nr. 1 StVG: B G H VRS 13 350. VII. Geldstrafe bei Gewinnsucht n e b e n Gefängnis: § 2 7 a . An Stelle von Gef.: § 27b. b) Schwerer Diebstahl

§ 243

(1) Auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn 1. aus einem zum Gottesdienste bestimmten Gebäude Gegenstände stohlen werden, welche dem Gottesdienste gewidmet sind;

ge-

2. aus einem Gebäude oder umschlossenen Räume mittels Einbruchs, Einsteigens oder Erbrechens von Behältnissen gestohlen wird; 3. der Diebstahl dadurch bewirkt wird, daß zur Eröffnung eines Gebäudes oder der Zugänge eines umschlossenen Raumes oder zur Eröffnung der im Innern befindlichen Türen oder Behältnisse falsche Schlüssel oder andere zur ordnungsmäßigen Eröffnung nicht bestimmte Werkzeuge angewendet werden; 4. auf einem öffentlichen Wege, einer Straße, einem öffentlichen Platze, einer Wasserstraße oder einer Eisenbahn oder in einem Postgebäude oder dem dazugehörigen Hofraume oder auf einem Eisenbahnhofe eine zum Reisegepäck oder zu anderen Gegenständen der Beförderung gehörende Sache mittels Abschneidens oder Ablösens der Befestigungs- oder Verwahrungsmittel oder durch Anwendung falscher Schlüssel oder anderer zur ordnungsmäßigen Eröffnung nicht bestimmter Werkzeuge gestohlen wird; 6. der Dieb oder einer der Teilnehmer am Diebstahle bei Begehung der Tat Waffen bei sich führt;

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Diebstahl und Unterschlagung § 243 6. zu dein Diebstahle mehrere mitwirken, welche sich zur fortgesetzten Begehung von Baub oder Diebstahl verbunden haben, oder 7. der Diebstahl zur Nachtzeit in einem bewohnten Gebäude, in welches sich der Täter in diebischer Absicht eingeschlichen oder in welchem er sich in gleicher Absicht verborgen hatte, begangen wird, auch wenn zur Zeit des Diebstahls Bewohner in dem Gebäude nicht anwesend sind. Einem bewohnten Gebäude werden der zu einem bewohnten Gebäude gehörige umschlossene Baum und die in einem solchen befindlichen Gebäude jeder Art sowie Schiffe, welche bewohnt werden, gleich geachtet.

(2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter drei Monaten ein. I. Schwere Diebstahlsfälle, gekennzeichnet teils durch die b e s o n d e r e S c h u t z w ü r d i g k e i t o d e r A u s g e s e t z t h e i t der Sache oder des Orts (Nr. 1 Kirchendiebstahl, Nr. 4 Reisediebstahl); teils durch die b e s o n d e r e v e r b r e c h e r i s c h e E n e r g i e o d e r G e r i s s e n h e i t , die sich in der Begehungsart zeigt (Nr. 2 Einbruchsdiebstahl, Nr. 3 Nachschlüsseldiebstahl), teils durch b e s o n d e r s g e f ä h r l i c h e A u s f ü h r u n g (Nr. 5 bewaffneter Diebstahl, Nr. 6 Bandendiebstahl, Nr. 7 nächtlicher Diebstahl). Häufig v e r b i n d e n sich die Erwägungen, so auch BGHSt. (GrSen.) 1 164f.; vgl. schon E 32 143, 53 262, 50 75. - Die kasuistische Ausgestaltung des § 243 ist unglücklich, vgl. jetzt auch BGHSt. 3 316. II. Versuch ist hier nicht erst mit dem Beginn des „Wegnehmens" (§ 242) gegeben, sondern schon mit dem B e g i n n e i n e r d e r in § 243 g e n a n n t e n H a n d l u n g e n . Beisp.: Einsteigen in ein Gebäude ist Anfang der Ausführung der in § 242 und §243, 2 beschriebenen Straftat; beide Bestimmungen stellen zusammen einen einzigen Straftatbestand dar. Von diesem strafbaren Anfang der Ausführung ist die straflose Vorbereitungshandlung abzugrenzen, z. B. Beschaffung des Einbruchswerkzeuges (nur §245a), Hingehen an den Tatort. Vgl. E 43 332, 44 142, 63 284, 54 35, 42 328, H R R 29 1537, J W 31 2787, Köln JMB1. NRW 52 100; über Diebstahl im Werkgelände oben § 242 Anm. I I 2. — Versuchter schwerer kann mit vollendetem einfachen Diebstahl in IdKonk. treten: E 15 281, 53 198, BGH NJW 52 1185, BGHSt. 10 230. III. Der Vorsatz muß die straferhöhenden Merkmale umfassen, aber nicht bestimmte Gegenstände: BGH MDR 53 272 mit weiteren Nachw. IV. Die Einzelfälle. Zu Nr. 1. — Betr. geweihter Ort vgl. Anm. zu § 166. Nach E 45 243 auch die Sakristei. Betr. Gegenstand: E 53 144. Nicht: Opferstöcke, da nicht u n m i t t e l b a r dem Gottesdienste gewidmet (BGH LM Nr. 1). Zu Nr.2. — a) Gebäude ist ein durch Wände und Dach begrenztes, mit dem Erdboden fest (wenn auch nur durch die eigene Schwere, z. B. Zirkus- und Ausstellungszelte) verbundenes Bauwerk, das Menschen den Eintritt gestattet und ihnen sowie Tieren und Sachen Schutz gewährt. Vgl. E 49 51, 53 268, 70 360, BGHSt. 1 163, 3 300; weitergehend für § 308: BGHSt. 6 107 betr. Rohbau. Auch eine Fernsprechzelle. — Aus einem Gebäude nicht, wenn das Behältnis an dessen Außenwand nach der Straße zu befestigt ist: BGHSt. 9 173 betr. Zigarettenautomat.

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b) Umschlossener Baum. Klärend jetzt GrSen. in BGHSt.1158, 164 ( = JZ 51 455 m. Anm. Lay): „Jedes Raumgebilde, das nicht Gebäude (s. o.) oder Behältnis (s. u.) ist, das (mindesten auch) dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu werden, und das mit (mindestens teilweise künstlichen) Vorrichtungen umgeben ist, die das Eindringen von Unbefugten abwehren sollen." So umschlossene Abteilungen eines Gebäudes und Wohnwagen. Ebenso BGHSt. 2 214 für abgeschlossene Autos und Bürowagen. Betr. Lieferwagen BGHSt. 4 16; Werkgelände BGH MDR 55 145; künstliche, aber auch natürliche, nicht ganz unerhebliche Hindernisse genügen. Enger Bockelmann JZ 51 296. Auch Bergwerksteile unter Tage: LM Nr. 5, Lattenverschlag im Keller: BGH MDR 51 463. Umzäunter Friedhof, wenn Tor geschlossen: BGH NJW 54 1897. Damit ist dem von den Voraufl. betonten Gesetzeszweck entsprochen: ist der Raum so beschaffen und „umschlossen", daß er dazu bestimmt und geeignet ist, Sachen zu verwahren und gegen Entwendung zu sichern, so daß das Eindringen ungewöhnliche Vorkehrungen oder Anstrengungen fordert, so ist er ein umschlossener Raum. N i c h t , wenn n u r Verwahrungszweck: Bremen J R 51 88 betr. umzäunte Weide. c) Einbruch ist gewaltsame Bewirkung oder Erweiterung einer Öffnung (E 44 74, Hamm J R 52 287). BGH LM Nr. 10: Aufdrücken des Lüftungsfensters eines Kraftwagens ist Einbruch. d) Einsteigen ein mit Schwierigkeiten verbundenes Eindringen durch eine für den Täter hierzu nicht bestimmte Öffnung; auch Einkriechen. Vgl. E 13 257, 59 171; Bremen MDR 50 753, BGH NJW 53 992, MDR 54 16 (Loch im Zaun, Hecke, Drahtseil). Nicht, wenn keine Schwierigkeiten oder Hindernisse zu überwinden sind: BGHSt. 10 132 mit Nachw. — Beides: v o n a u ß e n (E 30 122, 40 94, 41 66). Für „Einbruch" genügt es, daß durch jene gewaltsam hergestellte Öffnung hineingelangt wird, um Sachen zu nehmen (E 54 211, anders BGHSt. 10 132 für „Einsteigen"); auch das Herauslocken eines Tieres aus der Öffnung (E 56 48). — S u b s t a n z v e r l e t z u n g nicht erforderlich. E 4 353. e) Behältnis: ein zur Aufnahme von Sachen dienendes und sie umschließendes Raumgebilde, das nicht dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu werden (BGHSt. 1 163). Schaukasten in Ladeneingang: Hamburg MDR 54 55. Nicht aber Zigarettenautomat an der Straßenseite, BGHSt. 9 173 (s. o. unter a), oder im allgemein zugänglichen Vorraum eines Kinos, BGH NJW 56 1079. Nach E 54 295 sogar ein Briefumschlag. Aber diesen kann man i. S. d. Ziff. 2 nicht „erbrechen", da kein wesentlicher Energieaufwand erf. Gegen RG jetzt auch Köln NJW 56 1932. Zu weit gehen auch Hamm J R 52 287, wonach eine „dem Hindernis angemessene" Kraftanstrengung genüge, und Bremen MDR 65 628 (Einstecken eines Probenziehers in einen Kaffeesack). — E 40 94 und Düsseldorf N J W 55 1528, BayöbLG N J W 58 601 nehmen an, das Behältnis müsse im Innern des Gebäudes erbrochen sein; eines der bekanntesten Beispiele für die Ergebnisse wortgebundener Auslegung. Hiergegen mit Recht Schönke-Schröder IV 2 c, Maurach § 26 IV A 2 b, München HESt. 2 296. Vgl. aber auch Dohna MoKrimBi. 1938, 190. Auch nach BGH N J W 56 271, dem Schönke-Schröder Anm. IV l c zustimmen, nur einfacher Diebst., wenn Kraftwagen auf die zu Ziff. 3 beschriebene Weise aufgebrochen und gestohlen wird. Es ist aber — entgegen BGH —• keine Analogie, vielmehr Auslegung per arg. a maiori, wenn außer dem Inhalt auch das Behältnis bzw. der umschlossene Raum selbst mittels Erbrechens gestohlen wird. Eigenartiger Grenzfall zwischen Ziff. 2

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und 3 in DRZ 49 70 (Hamm). — Auch wer nach dem Einbruch, aber vor Diebstahlsabschluß mitmacht, fällt unter Nr. 2; BGHSt. 2 344 (dazu Niese N J W 52 1146, Martin N J W 53 288). Anders früher RG J W 1924 1436. Zu Nr. 8. — Wegen „Gebäudes" und „umschlossenen Raumes" vgl. zu Nr. 2. Dazu jetzt BGHSt. 5 205 betr. Autodiebstahl mit Nachschlüssel, unter Hinweis auf die stoßende Ungleichheit beiKraftwagendiebstählen (Nr. 3 zu bejahen, Nr. 2 und 4 gegebenenfalls zu verneinen). Krasses Gegensbeipiel in BGH N J W 56 271: nicht Nr. 3, wenn Klinke abgerissen und dann Schloß aufgedrückt wird; aber auch nicht Nr. 2 ? Dazu oben zu dieser Nr. — Falsch ist ein Schlüssel, wenn er nicht vom Verfügungsberechtigten zur Eröffnung bestimmt war, und zwar zur Zeit seiner Benutzung (einem abhanden gekommenen kann diese Zweckbestimmung entzogen worden sein; beachte freilich § 59!). Vgl. E 52 84, 53 101 („falscher" Schlüssel des Vermieters); 40 80 (Schlüssel, die nur für die Dauer eines Rechtsverhältnisses zur Eröffnung bestimmt waren); auch E 52 321. Behält ein Bankier zu Unrecht einen Kundenschlüssel zu einem Schließfach zurück, so ist dieser jetzt für ihn ein falscher Schlüssel: H R R 38 491. Zu Nr. 4. — Dieser R e i s e d i e b s t a h l enthält eine besonders unerfreuliche Kasuistik. — a) Gegenstand der Beförderung muß die gestohlene Sache gewesen sein. „Reisegepäck": einerlei, ob aufgegeben oder Handgepäck (E 43 317). Alle Sachen, die sich an den bezeichneten Orten befinden (z. B . auf der Straße) und „befördert werden" sollen (E 54 194). Auch wenn erst im Aufladen oder schon im Abladen begriffen (E 56 97). Nach E 67 262 - ebenso N J W 52 313 - auch das eigene Kleidungsstück, das der Kutscher zu den zu befördernden Sachen auf den Wagen legt, nicht dagegen seine Geldtasche, die er am Leibe trägt! Inhalt eines Autos als Gegenstand der Beförderung: E 71 198. Wollte der Dieb dagegen zuerst das Auto mit Inhalt, dann nur diesen stehlen, so nur einfacher D.! BGH N J W 52 1184, vgl. BayObLG ibid. 313. Kritisch Jescheck GA 55, 101 f. Reservereifen, nicht aber tragende Reifen: Hamm MDR 49 766, BGHSt. 3 312 u. 314. - b) Ort: Eisenbahn nur, falls für den öffentlichen Verkehr bestimmt, nicht Privatanschlußgeleise (E 48 285). Reihenfolge von Wegnahme und Ablösung gleich, wenn beides im Bahnhof: BGHSt. 2 260. Auch Räume in einem Privatgebäude, die dem amtlichen Postbetrieb dienen (E 49 279). — c) Entwendungsart: Von der gestohlenen Sache und von dem Beförderungsmittel sind die „Befestigungsmittel und Verwahrungsmittel" zu unterscheiden (E 35 431). Deshalb nehmen E 71 198 u. J W 39, 401 die Nr. 4 an, wenn auf offener Straße aus verschlossenem Auto gestohlen wird. Ausdehnung der Nr. 4 auf das mitbeförderte Z u b e h ö r in BGHSt. 3 317 (mit Nachweisen). Gepäckträgerklammern am Fahrrad: BGHSt. 4 36. Verschlußdrähte an Güterwagen: BGHSt. 5 60. Betr. Wasserstraße: LM Nr. 7. - N i c h t : Radioantenne am Kraftwagen, Neustadt GA 1954 252. Zu Nr. 5. — Bewußtes bei sich haben genügt nicht; der Dieb muß auch damit gerechnet haben, den Gegenstand bei der Tat nötigenfalls als Walle zu gebrauchen. So mit Recht E 68 238 gegen früher; wohl auch H R R 39 352. Nicht erforderlich ist der W i l l e , die Waffe zu gebrauchen: BGH LM Nr. 1. BGHSt. 3 229 unterscheidet: Waffe im technischen Sinn „führt" der Täter nur dann „bei sich", wenn er das Bewußtsein hat, daß sie gebrauchsbereit ist (Pistole und Munition). Dies ist sie, wenn sie ohne erheblichen Zeitverlust ihrer Bestimmung gemäß verwendbar ist, eine Pistole z. B., wenn sie nur noch geladen zu werden braucht oder eine im Lauf verklemmte Hülse rasch entfernt werden kann: BGH LM Nr. 2. Gefährliche Werk-

Diebstahl und Unterschlagung § 243

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zeuge, wenn er sich bewußt ist, sie bei der Tat als Waffe benutzen zu können. Ebenso Celle MDR 50 371, BGHSt. 4 125 (Gaspistole). Zu Nr. 6. — Bandendiebstahl hat zwei Voraussetzungen: V e r b i n d u n g und M i t w i r k u n g . — 1. Teilnahme an einer Willenseinigung, die auf die Begehung von mehreren selbständigen (also n i c h t in sog. Fortsetzungszusammenhang begangenen, vgl. BGH GA 1957 85), im einzelnen noch unbestimmten Diebstählen gerichtet war. — 2. Mitwirkung, als einer von „mehreren", an mindestens einem solcher Diebstähle; wozu „Mittäterschaft" i. S. des § 47 weder erforderlich noch genügend ist, vielmehr ein zeitliches und örtliches Zusammenwirken beim Stehlen selber vorausgesetzt wird. Vgl. E 66 236 (mit EntstehGesch. und früheren Entsch.) und D R 40 319. Ebenso BGHSt. 8 205; mit Recht von E 66 242 jedoch darin abw., daß das abwesende Bandenmitglied als Teilnehmer am Banden-, nicht nur am einfachen Diebstahl bestraft werden kann. § 50 Abs. 2 greift nicht durch, da der Grund der Strafschärfung jedenfalls auch in der G e f ä h r l i c h k e i t örtlicher gemeinsamer Tatbegehung liegt. Ebenso Welzel § 4 8 1 6 . Mehrere Bandendiebstähle können mehrere selbständige Handlungen i. S. des § 74 darstellen: J W 39 33. — Bei Teilnahme von Außenseitern nicht § 50, da T a t erschwert: BGHSt. 6 262. Vgl. auch oben zu BGHSt. 8 205. Zu Nr. 7. — Gebäude s. zu Nr. 2; hier ein solches, welches Menschen zur ordnungsmäßigen Nachtruhe dient (E 54 268). Auch ein Häuserblock in seiner Gesamtheit J W 39 276 (Anm. Mittelbach). — Nachtzeit: vom Eintritt der Dunkelheit bis zur Morgendämmerung (E 3 209, Köln GA 1956 300). Unter den heutigen Verhältnissen richtiger Celle MDR 52 312 (mit Nachw.): ortsübliche Zeit der Nachtruhe. — Einschleichen: nach RG unter Vermeidung von Geräusch, der Wahrnehmung anderer entzogen (E 10 280); auch wenn unter listigem Vorwand, z. B. Täuschung eines Hausbewohners: E 73 9. Täter soll nach Kiel HESt. 1 25 auch ein Hausbewohner sein können. Unter Billigung des ungetreuen Wächters: DR 42 1646. BGHSt. 9 253 (hierzu kritisch Maurach J R 57, 29), 10 135, 11 64, Köln GA 1956 300 verstehen dagegen unter Einschleichen nur heimliches, absichtlich der Wahrnehmung anderer entzogenes Eintreten und lassen offen, ob an E 73 9 und D R 42 1646 festzuhalten ist. Vgl. § 250 Anm. V. — Umschlossen nicht notwendig v e r schlossen: Düsseldorf N J W 53 876 (betr. umzäunten Hofraum) mit guter Zweckbegr. — Einen H a u s f r i e d e n s b r u c h sieht E 53 279 als durch Nr. 7 k o n s u m i e r t an. V. Über Konkurrenz mit § 242 (ausnahmsweise) s. o. I I a. E. - §§ 2 4 7 - 2 5 2 und 370 Ziff. 5 gehen als Spezialdelikte (§ 247) bzw. del. sui generis vor. Wer aber mit Mundraubvorsatz einsteigt und dann wertvolle Sachen nimmt, ist aus § 243 I Nr. 2 strafbar: BGHSt. 9 253; abl. mit Recht Maurach J R 57, 28, Welzel § 48 I 2c, da § 370 Nr. 5 eigenständiges Delikt. Vgl. unten § 370 5 Anm. VI. Wie BGH: J a gusch L K Anm. I I I . Allgemein zu diesen Fragen Seibert N J W 58, 1718. Nach Celle NdsRpfl. 56 59 in diesem Fall § 243 nur, wenn der ursprüngliche Vorsatz festgehalten und lediglich umgeformt, nicht wenn nach dem Einsteigen neuer Vors. Im umgekehrten Falle Versuch des § 243 in Tateinheit mit Mundraub: BGH N J W 58 1243 = J R 58 465 m. zust. Anm. Schröder (gegen BGH bei Daliinger MDR 52 147 und 5715); zutr.,da §370 5 del. sui generis. —Betr. §§123, 303,vgl.Vorbem.III 4 vor § 73 und oben Anm. IV zu Nr. 7. — Wahlfeststellung zwischen Nr. 3 u. Nr. 7 zulässig: BGH N J W 55 1566. — Gegenseitiger Ausschluß von Nr. 2 und Nr. 3 nach BGH N J W 56 271 (in dieser Allgemeinheit zu weitgehend). — Bei Zusammen-

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Diebstahl und Unterschlagung § 244

treffen mit § 17 Abs. 2 Unedl. MetallG nur § 243: so BGH GA 1957 84. Richtiger entspr. Anw. des § 73, da beide Qualifikationsgründe selbständig und gleichwertig das Unrecht prägen. c ) Diebstahl im zweiten Rückfall

§ 244

(1) Wer im Inlande als Dieb, Räuber oder gleich einem Räuber oder als Hehler bestraft worden ist, darauf abermals eine dieser Handlungen begangen hat und wegen derselben bestraft worden ist, wird, wenn er einen einfachen Diebstahl (§ 242) begeht, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, wenn er einen schweren Diebstahl (§ 243) begeht, mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt beim einfachen Diebstahl Gefängnisstrafe nicht unter drei Monaten, beim schweren Diebstahl Gefängnisstrafe nicht unter einem Jahre ein. I. Rückfall — aber nur gleichartiger und nur unter bestimmten Voraussetzungen! — a l s S t r a f s c h ä r f u n g s g r u n d in v i e r F ä l l e n : Diebstahl (§244), Raub (§ 250 Nr. 5), Hehlerei (§ 261) und Betrug (§ 264). - Zum Kampf gegen den Gewohnheitsverbrecher war diese Waffe unzulänglich. Dies führte dazu, in § 20 a die Strafschärfung für a l l e StrTaten zu ermöglichen und sie hierbei von der Tat auf den Täter umzustellen. § 244 bleibt aber daneben anwendbar. Grund der Strafschärfung hier: Wiederholung beweist Stärke und G e f ä h r l i c h k e i t der Diebstahlsn e i g u n g , und die Nichtbeherzigung der früheren Warnung begründet eine e r h ö h t e S c h u l d (BGHSt. 2 361). „Neigung" betont BGHSt. 1 248. Zu den kriminologischen Merkmalen der Rückfälligen vgl. Krebs ZStW 68, 198. H. Dieb: nur §§ 242, 243. Die §§ 248a, 370 Ziff. 5 und „Forstdiebstahl" sind nicht „Diebstahl" im Sinne des § 244. — Auch wegen Teilnahme oder Versuch. Vgl. E 2 261, 31 40. Nach BGHSt. 2 360 auch Verabredung gem. §49a, weil auch diese Erscheinungsform des Diebstahls. Ebenso „begeht" nach BGHSt. 6 213 schw. Diebstahl, wer ihn verabredet, weil der Strafrahmen der gleiche wie der des Versuchs ist. Überzeugender der Hinweis in 2 361, daß auch § 49 a gefährliche Neigung o f f e n b a r e . — Bestraft: Nicht JugArrest. Hamm MDR 50 56. — Zusammenfassung zu einer Einheitsstrafe gem. § 31 JGG ist auf § 244 ohne Einfluß: BGHSt. 7 300 = LM Nr. 7 (Sarstedt) gegen Hamm JZ 52 630. Ebenso Grethlein NJW 54, 1591. IH. Die Vorstrafen müssen auch v e r b ü ß t sein (bzw. §245 Platz greifen); denn als belastend gilt, daß sie keinen genügenden Eindruck gemacht haben (BGHSt. 2 361; anders jetzt der Grundgedanke von § 20a). — Angerechnete Untersuchungshaft (§ 60) zählt mit: E 52 191. IV. Im Inland hier nicht räumlich, sondern der deutschen Gerichtsbarkeit unterfallend. BGH N J W 52 151, BGHSt. 4 335, 7 265. Hamm MDR 50 56: nicht Urteile der Besatzungsgerichte; a. A. Frankfurt NJW 51 372; vgl. auch Celle N J W 61 85. Inländische Urteile die des Elsaß (Saarbrücken DRZ 50 332) u. Österreichs (BGHSt. 4 335) während der Zugehörigkeit zum Reich. Ebenso die der sowj. BesZ

Diebstahl und Unterschlagung §§ 246, 245 a

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(BGHSt. 5 364, jedenfalls grundsätzlich, BGH VRS 58 Bd. 14 199), vgl. Bünemann N J W 52, 1359, Winterfeld J R 53, 447. V. Ein „fortgesetzter" (Vorbem. I I B l vor § 73) Diebstahl, der teils vor, teils nach einer Bestrafung begangen wurde, ist im Sinne des § 244 jedenfalls a u c h n a c h h e r begangen: E 47 308; Köln N J W 53 637. YI. Der Torsatz muß nach BGH die Bückfallsvoraussetzungen umfassen (bestr.), vgl. u. § 245 Anm. I. N i c h t : die Rechtskraft der Vorstrafen: Celle MDR 51 630.

Rückjallsvtrjährung §245 Die Bestimmungen des § 244 finden Anwendung, auch wenn die früheren Strafen nur teilweise verbüßt oder ganz oder teilweise erlassen sind, bleiben jedoch ausgeschlossen, wenn seit der Verhüllung oder dem Erlasse der letzten Strafe bis zur Begehung des neuen Diebstahls zehn J a h r e verflossen sind. I. Grundgedanke nach E 54 274: auf die Rechtswohltat des E r l a s s e s hätte der Täter gleichermaßen mit Wohlverhalten reagieren müssen, wie auf den Versuch, ihn durch den V o l l z u g der Strafe zu beeinflussen; deshalb wird §59 angewendet: § 245 nur, wenn der Täter vom Erlaß Kenntnis hatte. Ebenso BGH N J W 52 230; anders liege es aber bei irriger Annahme der Straftilgung. H a m m N J W 50 958 und Härtung ibid. 939 schließen folgerichtiger auch hier §245 aus. Ist G e f ä h r l i c h k e i t der entscheidende Grund der Rückfallsschärfung, so kann es hier auf Irrtum des Täters überhaupt nicht ankommen. Ist es die S c h u l d , eine Warnung oder einen Gnadenerweis nicht beherzigt zu haben, so muß der Täter diese Sachverhalte kennen. BGHSt. 2 361 (oben §244 zu I) stellt beides nebeneinander. Nach BGH N J W 56 837 genügt es, wenn der Täter den Erlaß bei der dritten, der abzuurteilenden T a t kennt. Klare Gegenüberstellung mit § 20 a bei Maurach § 26 IV B 1. Geschichtlich ist aber der Warnungszweck nicht nachzuweisen (Dreher GA 1953, 133), de lege fer. dürfte Gefährlichkeit maßgebend sein, vgl. Bundesanz. Nr. 42 v. 29. 2. 56 S. 4ff. Das sollte schon jetzt in Betracht gezogen werden. Vgl. auch BGHSt. 1 248 „Neigung". II. Rückfallverjährung: In die Zehnjahresfrist ist auch die Zeit einzurechnen, in der der Täter infolge Freiheitsentzugs — z. B. anderweiter StrVerbüßung oder Anstaltsverwahrung — keine Gelegenheit hatte, sich zu bewähren. Stuttgart SJZ 49 287 (Anm. Meyer) f ü r SV, Hamm DRZ 50 372 (Anm. Schönke), BGHSt. 1 245 (gegen E 77 176). Teilverbüßung setzt die VerjPrist nicht in Lauf: BGHSt. 2 273. Betr. Ersatzfreiheitsstrafe LM §245 Nr. 3; betr. K Z : Karlsruhe N J W 53 1483. Besitz von Diebeswerkzeug §

245a

(1) Wer Diebeswerkzeug in Besitz oder Gewahrsam h a t oder von einem anderen f ü r sieh verwahren läßt, nachdem er wegen schweren Diebstahls, Diebstahls im Rückfall, Raubes, gewerbs- oder gewohnheitsmäßiger Hehlerei oder

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Diebstahl und Unterschlagung § 245 a

Hehlerei im Rückfall (§§ 243 bis 245, 249 bis 252, 260, 261) rechtskräftig verurteilt worden ist, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft, sofern sich nicht aus den Umständen ergibt, daß das Werkzeug nicht zur Verwendung bei strafbaren Handlungen bestimmt ist. (2) Wer Diebeswerkzeug für einen anderen in Verwahrung nimmt oder einem anderen überläßt, obwohl er weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß das Werkzeug zur Verwendung bei strafbaren Handlungen bestimmt ist, wird, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist, mit Gefängnis bestraft. (3) Das Diebeswerkzeug ist einzuziehen, auch wenn es dem Täter nicht gehört. (4) In den Fällen des Abs. 1 kommt eine frühere Verurteilung nicht in Betracht, wenn zwischen dem Eintritt ihrer Rechtskraft und der Tat des Abs. 1 mehr als fünf Jahre verstrichen sind. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in der der Täter eine Freiheitsstrafe verbüßt oder auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird. Eine ausländische Verurteilung steht einer inländischen gleich, wenn die geahndete Tat nach deutschem Recht ein Verbrechen der im Abs. 1 genannten Art wäre. I. Eingefügt durch Ges. v. 24. 11. 33 (Gewohnheitsverbrechergesetz!). — Amtl. Begr. in DRAnz. 1933 Nr. 277, S. 2; über Entstehungsgeschichte, ausländische Vorbilder und Gesetzeszweck s. a. BGHSt. 8 110. — Ein mit Gefängnis bedrohtes Polizeivergehen, das sich gegen die allgemeine Sicherheit richtet: E 69 91. II. Diebes Werkzeug: alle Sachen, die zu Raub (BGHSt. 8 110) oder Diebstahl geeignet und bestimmt sind. „Bestimmtsein" ist, wenn der TB vernünftige Grenzen behalten soll, unentbehrlich. So auch E 68 323, 69 80. Auszulegen wie § 243, 3. F ü r die Tatbestände des Abs. 1 gestattet das Gesetz, diese Zweckbestimmtheit bis zum Beweis des Gegenteils anzunehmen. IH. Vier Tatbestände: 1. Unmittelbarer, 2. mittelbarer „Besitz oder Gewahrs a m " (auszulegen wie § 246), 3. Verwahrung f ü r andere, 4. Überlassung an andere. IV. Täter: Beim 3. und 4. TB. jeder; beim 1. und 2. nur Vorbestrafte. V. Vorsatz erforderlich. Beweisregel (widerlegliche Vermutung) in Abs. 2 f ü r den 3. u. 4. TB. Die Beweisregel des Abs. 1 dagegen gilt nur f ü r den äußeren TB., f ü r die Zweckbestimmtheit (Anm. II); ebenso Schönke- Schröder I I I 4; anders E 6980. VI. Konkurrenzen: Abs. 2 nur subsidiär, z. B. gegenüber Beihilfe zum Diebstahl. Dagegen kann verbotener Besitz mit dem Diebstahl in Ideal- oder Realkonkurrenz treten. E 69 91, BGHSt. 9 96. VII. Einziehung hier sich. Maßregel (s. zu § 40). Die frühere wörtliche Anwendung des Ges., selbst wenn das Werkzeug einem Dritten gestohlen war (München H R R 40 Nr. 467), führte zu unbilligen Ergebnissen. BGHSt. 9 96 wendet daher, wenn das Werkzeug dem Täter nicht gehört, § 295 Abs. 2 entspr. an. Vffl. Verwahrung (Abs. 4 S. 2): N i c h t : KZ-Haft. LM § 20a Nr. 2.

Diebstahl und Unterschlagung § 246 2. Unterschlagung*)

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§ 246

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache, die er in Besitz oder Gewahrsam hat, sich rechtswidrig zueignet, wird wegen Unterschlagung mit Gefängnis bis zu drei Jahren und, wenn die Sache ihm anvertraut ist, mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geldstrafe erkannt werden. (S) Der Versuch ist strafbar. I. Fremde bewegliche Sache: vgl. Anm. I zu § 242. Schädigende Verfügung über andere Vermögensstücke (z. B. Forderungen, Bankkonto) kann Untreue sein (§ 266). — Wichtig hier die Frage nach dem E i g e n t u m a n Geld; sie ist nach bügerlichem Recht zu beantworten. Wer bares Geld bekommt, um es an einen Dritten abzuführen, wird, wenn nicht Übereignung beabsichtigt war, nicht Eigentümer, kann es also „unterschlagen"; nicht aber, wenn ihm der Betrag auf sein Bankkonto eingezahlt wird mit dem Auftrag, einen entsprechenden Betrag an den Dritten zu bezahlen. Ein „strafrechtliches Eigentum" gibt es nicht. Vgl. z. B. E 34 39 (Zahlkellner), 54 185 (der mit Einlösung eines Schecks Beauftragte), 63 406 (Darlehnsvermittler), Hamm N J W 57 1773 m. Anm. Baumami (Verkaufskommissionär). U., wenn jemand einen Scheck für einen anderen einlöst, aber das Geld behält; denn die Bank übereignet „an wen es angeht": BGH MDR 53 21. — U. bei Miteigentum an Geld (§ 948 BGB):.BGH MDR 53 402. — V e r f ü g u n g s b e s c h r ä n k u n g berührt nicht das Eigentum. Der Gemeinschuldner begeht also an Massegegenständen keine U. —• Verlassenes, insbes. vergrabenes Flüchtlingsgut nicht ohne weiteres herrenlos; Kiel MDR 47 271. Auch nicht Wehrmachtsgerät im alten Kampfgelände: BGH NJW 53 1271. •— Rechtswidrige Kollektiventeignungen begründen kein Eigentum. Nürnberg HESt. 2 305. II. Besitz oder Gewahrsam. Beides gleichbedeutend, und zwar nicht als „Besitz" i. S. des bürgerl. Rechts, sondern als tatsächliches Herrschaftsverhältnis. Vgl. also Anm. I I 1 zu § 242. Abw. Rutkowsky N J W 54, 180, Post, Der Anwendungsbereich des U.-Tatbestandes, Neue Kölner Rechtswiss. Abh. 1956, 59f. — Im A l l e i n g e w a h r s a m des Täters hegt der Unterschied der Unterschlagung vom Diebstahl. Der Mitgewahrsamsinhaber begeht gegen den anderen Diebstahl, nicht Unterschlagung. Abw. LK 6/7. A. § 242 I I (S. 308). — Da verlorene Sachen, wenn auch nicht herrenlos, so doch auch in niemandes „Besitz oder Gewahrsam" sind, ist ihre Ansichnahme zunächst weder Diebstahl noch Unterschlagung. Erst ein der Besitzergreifung nachfolgender Akt rechtswidriger Zueignung begründet die sog. Fundunterschlagung. E 19 38,42 420,49 194, 53 302; der Sache nach auch BGHSt. 2 317; gegen „berichtigende" Auslegung (Welzel JZ52, 617, J R 53,187, Jescheck GA 1955, 102, Schönke-Schröder I I I 3 u. a.) überzeugend Bockelmann MDR 53,3. Vermittelnd Maurach § 27 I A 2. Vgl. aber auch E 67 70 (77), Bremen MDR 48 261, BGH LM Nr. 3 (hiergegen zutr. Schneider NJW 53, 1421, vgl. dens. MDR 56, 337), BGHSt. 4 77. — Wer nicht Besitz oder Gew. a. d. Sache hat, kann auch n i c h t Mittäter sein, *) Ergänzend: Depotgesetz v. 4. 2. 37 (Nebengesetz Nr. 9) sowie §§ 350 f. betr. Amtsunterschlagung.

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Diebstahl und Unterschlagung § 246

nur Gehilfe: E 68 90, 72 326, BGHSt. 2 317 betr. Mitgewahrsam; anders Bremen SJZ 50 357 (Anm. Busch), Nürnberg MDR 50 627. — Zueignung einer fremden Sache durch einen der Mitgewahrsamsinhaber ist U., wenn alle übrigen einverstanden waren: BGHSt. 8 273 betr. Angetellten, wenn er mit Wissen der anderen Gewahrsamsinhaber Geld aus der Kirchenkasse nahm. i n . Sich zueignen. Begriff: Anm. I I I 2 zu § 242. Der W i l l e , die Sache (z. B. die gefundene) behalten zu wollen, genügt nicht, auch nicht seine bloße Bekundung; er muß n a c h a u ß e n e r k e n n b a r betätigt sein; z. B. durch Verbrauch, Verkauf der Sache (nach E 67 73, 73 253, BGH MDR 54 398 durch Anbietung, noch weitergehend betr. vertretbare Sachen Braunschweig NJW 47 109, dagegen Wiegmann a.a.O.),Verpfändung ohne jederzeitige Einlösungsmöglichkeit (E 44 117, 66 155), dem Gerichtsvollzieher überlassen (Schleswig SchlHA 53 216, Oldenburg NJW 52 1267), Ableugnen des Besitzes (E 5 252, 61 160). Vgl. auch E 55145: Entnahme einer Sache aus einem im Gewahrsam des Täters befindlichen Koffer. — G e b r a u c h kann in Betracht kommen als Beweis des Zueignungswillens; ebenso unter Umständen die N i c h t a n z e i g e des Funds (BGB §965), die aber f ü r sich allein noch keine Unterschlagung darstellt. Vgl. Hamm J R 52 204; Schleswig SchlHA 53 217. — Geld kann man „sich zueignen", indem man es ausgibt, aber auch indem man es mit eigenem vermischt (E 67 334). Instruktiv auch E 63 376, 75 378. — J W 31 1037: Behauptung des Eigentums gegenüber dem Berechtigten. Nicht gegenüber der Polizei im Ermittl.-Verf., da hier Verteidigungszweck: Prankfurt SJZ 47 676 (Anm. Voigt), Hamm J R 52 204. - Unentgeltliche Verfügung zugunsten eines Dritten als Z.: Braunschweig JBlBr. 47 268, Celle Hann. Rpfl. 47 33, BGHSt. 4 236. - Eigenmächtiges Wegwerfen nicht ohne weiteres: BGH GA 1954 60. IV. Rechtswidrigkeit ausgeschlossen bei Einwilligung des Eigentümers (z. B. Wechseln aus fremder Kasse). Zust. der Gesellschafter rechtfertigt U. zum Nachteil einer Gesellschaft nicht: BGHSt. 3 32, 39. E r s a t z b e r e i t s c h a f t schließt die Rechtswidrigkeit ohne weiteres nicht aus. E 60 312. V. Vorsatz muß das Bewußtsein fremden Eigentums umfassen, ferner den eigenen Gewahrsam (abw. Welzel JZ 52, 617) sowie das Nichtvorhandensein von rechtfertigenden Umständen. Er fehlt also, w e n n der Täter a n n a h m , d e r E i g e n t ü m e r sei m i t d e r Z u e i g n u n g e i n v e r s t a n d e n ; z. B. mit dem Wechseln aus fremder Kasse; oder mit Entnahme von Geld bei baldiger Ersatzmöglichkeit. Ob e r dies a n n a h m , ist eine B e w e i s f r a g e . Unrichtig aber, Vorsatz anzunehmen mit der Begründung: „der Täter m u ß t e w i s s e n , daß es ihm nicht erlaubt war". Dies genügt nur,wenn gemeint ist: „Der Täter w u ß t e , daß es ihm nicht erlaubt war — anderes ist nach der Sachlage nicht denkbar." Anderenfalls ist nur Fahrlässigkeit gegeben, die hier aber nicht strafbar ist. Freilich würde ein ausdrückliches Verbot (z. B. bei Beamten) ein schwer widerlegliches Indiz dafür sein, daß er es nicht nur wissen m u ß t e , sondern daß er es w u ß t e . Aus der nicht immer eindeutigen Rechtspr. d. RG vgl. E 61 207, J W 36 934, H R R 37 533 u. 1561, DR 41 492 (Anm. Boldt). Eingehend betr. D e p o t g e s e t z : E 65 215. Früher E 37 168, 38 267, 42 43, 44 41. — Bloße Absicht, das Zugeeignete später zu e r s e t z e n , schließt den Vorsatz n i c h t aus: E 60 312; vgl. schon Anm. IV. VI. Veruntreuung ist kein Sondertatbestand, nur Strafschärfungsgrund — infolge gesteigerter Schuld, § 50 I I anwendbar — bei Unterschlagung, falls anver-

Diebstahl und Unterschlagung § 247

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traute „ f r e m d e S a c h e n " veruntreut werden. Bei anderem Gut kommt „Untreue" nach § 266 in Betracht. Ein vermieteter Kraftwagen ist anvertraut: BGHSt. 9 90 (wie E 4 386). — Auch auf Grund eines n i c h t i g e n Rechtsgeschäfts können Gelder „anvertraut" sein: Braunschweig NJW 5» 656, BGH NJW 54 889 16 , MDR 53 402 (dann aber nicht Untreue). Anders aber mit Recht für den Fall s i t t e n w i d r i g e r Geschäfte Schönke-Schröder Anm. X 2. VII. Verhältnis der Beamtenunterschlagung (§§ 350, 351) zu § 246: § 350 Anm. IV 1. - Vgl. ferner § 259 Anm. VIII (dazu Oldbg. NJW 53 1237: Hehlerei, nicht U., wenn sich die Mutter das von ihrem Kind entwendete Geld geben läßt), § 263 Anm. VII (dazu BGHSt. 1 262: ob mehrfache Sicherungsübereignungen U. oder Betr., hängt davon ab, ob der Täter Eigentum übertragen wollte; Braunschweig GA1954 315: Tatmehrheit, wenn betrügerische Besitzerlangung rechtswidriger Verfügung folgt) § 266 Anm. VIII (Wahlfeststellung zulässig, Braunschweig JZ 51 235 mit Anm. Schönke), § 290 Anm. III, § 370 Anm. VI. - Die §§ 34ff. DepotG v. 4. 2. 37 sind gegenüber dem § 246 Sondergesetze. — Unterschlagung nach Betrug: Hamm JMB1. NRW 55 236, BGH GA 1957 147. Umgekehrt Sicherungsbetrug strafl. Nachtat nach § 246: Hamm a. a. 0 . 57 177. — Über das Verhältnis von §242 und § 246 zur Urkundenbeseitigung BGH GA 1956 318. — Nur § 246, nicht § 259, wenn über gestohlene Sache mit dolus subsequens eigenmächtig verfügt wird: BGHSt. 10 151; vgl. § 259 Anm. VIII. Nach Untreue (strafl. Nachtat): BGHSt. 6 316, 8 260. Vgl. aber auch Anm. VI a. E. 3. Mildere Fälle a) Antrag;

b)

Straflosigkeit

§247 (1) Wer einen Diebstahl oder eine Unterschlagung gegen Angehörige, Vormünder oder Erzieher begeht, oder wer einer Person, zu der er im Lehrlingsverhältnis steht, oder in deren häuslicher Gemeinschaft er als Gesinde sich befindet, Sachen von unbedeutendem Werte stiehlt oder unterschlägt, ist nur auf Antrag zu verfolgen. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig. (2) Ein Diebstahl oder eine Unterschlagung, welche von Verwandten aufsteigender Linie gegen Verwandte absteigender Linie oder von einem Ehegatten gegen den anderen begangen worden ist, bleibt straflos. (3) Diese Bestimmungen finden auf Teilnehmer oder Begünstiger, welche nicht in einem der vorbezeichneten persönlichen Verhältnisse stehen, keine Anwendung. I. Diebstahl: auch qualifizierte Fälle wie § 243: E 74 374; auch § 244. II. Angehörige: § 52 Abs. 2 und Anm. dazu; ferner BGHSt. 7 245 (§ 247 umfaßt das Verhältnis des unehelichen Kindes zu seinem Vater); BGHSt. 7 383 betr. geschiedene Ehegatten (§ 247 nicht anwendbar), hierzu Hoepner DRiZ 55, 215. — Gegen Angehörige (und nur sie) auch bei gleichzeitiger Verletzung des untergeordneten Mitgewahrsams einer Hausgehilfin; daher auch dann Antrag erf.: BGHSt. 10 400. — ZumVerlöbnis BGHSt.8215 (betr. §263 Abs.5): Eheversprechen eines Heiratsschwindlers begründet kein V. — Gibt ein Verlobter hinter dem

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Diebstahl und Unterschlagung §§ 248, 248a

Rücken des anderen seinen Heiratsentschluß auf, so kann er sich jedenfalls nicht auf das Verlöbnis berufen: Koblenz N J W 58 2027. III. Erzieher: BGHSt. 6 369 (zu § 181, vgl. dort). IV. Haus wirtschaftliche Angestellte i. S. der früheren Gesindeordnungen. Wohl auch dann, wenn sie auswärts nächtigen; entscheidend ist die schwer begrenz bare und kontrollierbare Zugänglichkeit der wichtigsten hauswirtschaftlichen Gegenstände. Deshalb nicht Gesellen (E 13 14). Wohl aber rechnet E 74 374 landwirtschaftliche Arbeiter dann hierher, wenn sie zur Hausgemeinschaft gehören. — Nicht „Gesinde" untereinander: E 40 1. A.A. Frank I I 2, Schönke-Schröder I I 2a. V. Unbedeutend muß nach E 22 245 der Wert f ü r b e i d e Teile sein; richtiger wohl: f ü r den B e s t o h l e n e n . Ebenso Binding Lb. 1, 306. VI. Antrag: vgl. §§ 61 ff. V e r l e t z t e r ist bei der Unterschlagung der Eigentümer, bei Diebstahl Eigentümer und Gewahrsamsinhaber: E 10 210, 54 280. Beim Gesindediebstahl die Dienstherrschaft. E 40 187. Sind hiernach m e h r e r e V e r l e t z t e vorhanden (indem der Eigentümer ein anderer ist als der Gewahrsamsinhaber), und fällt einer von ihnen nicht unter § 247, so bedarf es keines Strafantrags: E 4 346, 73 153, DR 43 513. VII. Die betr. Verwandtschaftsverhältnisse müssen t a t s ä c h l i c h vorgelegen haben. Ein Irrtum des Täters, sie hätten vorgelegen, macht nicht etwa nach § 59 straflos. E 61 270, 73 153. Umgekehrt braucht der Täter sich ihrer nicht bewußt gewesen zu sein. Es handelt sich in Abs. 2 um pers. Strafausschl. Grde. (Syst. Vorbem. VI B). Abw. z. T. Mezger StB I I § 47 V, f ü r Abs. 2 auch Maurach 201, Schönke-Schröder Anm. I I I . VIII. Der Ausschluß Dritter folgt jetzt auch aus § 50 I I („ausschließen"), im übrigen bzgl. Abs. 2 aus der Rechtsnatur des Privilegs (oben Anm. VII). 4. Nebenstrafen

§ 248

Neben der wegen Diebstahls oder Unterschlagung erkannten Gefängnisstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, und neben der wegen Diebstahls erkannten Zuchthausstrafe auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. Neben Gefängnis nur, wenn mindestens 3 Monate: § 32 Abs. 1. 5. Notentwendung

§ 248 a

(1) Wer aus Not geringwertige Gegenstände entwendet oder unterschlägt, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft. (2) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrags ist zulässig. (3) Wer die Tat gegen einen Verwandten absteigender Linie oder gegen einen Ehegatten begeht, bleibt straflos.

Diebstahl und Unterschlagung § 248 b

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I. Eingefügt durch G. v. 19. 6. 12. Motive in E 46 266. - Gegenüber §§ 242, 246 ist § 248a selbständig. Also: V e r s u c h straflos; §§ 243, 244, 258 unanwendbar. Dagegen ist § 252 nach E 66 354 anwendbar (str.). II. Aus Not: unter dem Drucke wirtschaftlicher Bedrängnis, um ein dringendes Lebensbedürfnis zu befriedigen (E 46 387, 408, 53 243), das der Täter in redlicher Weise nicht befriedigen konnte (E 69 313). I n diesen Grenzen auch bei s e l b s t v e r s c h u l d e t e r N o t ; vgl. aber BGH MDR 52 408 (mit weiteren Nachweisen) betr. entwichene Anstaltsinsassen. — E 52 296 stellt den Satz auf, daß eine die g e s a m t e B e v ö l k e r u n g g l e i c h m ä ß i g t r e f f e n d e „ N o t " von § 248 a n i c h t berücksichtigt werde. Vgl. hierzu v. Weber MDR 47, 78. III. Geringwertig: Maßgebend der wirtschaftliche Wert zur Zeit der Tat, der gering sein muß sowohl f ü r den Täter wie f ü r den Verletzten. E 48 52, 52 296. Ein — später verkaufter — Zentner Kartoffeln nicht: BGH MDR 52 408. Auch nicht 3 Mettwürste im Wert von 23,40 DM, wohl aber ein Huhn f ü r 5 DM: 3. bzw. 6. Sen. MDR 54 336. - Grundsätzlich jetzt BGHSt. 6 41 (betr. § 264 a) mit Nachweisen: in erster Linie obj. Maßstab, daneben Verhältnisse des Geschädigten, zuletzt die des Täters zu berücksichtigen. — Bei fortgesetzter oder gemeinsamer T a t Gesamtwert: E 54 272. Vgl. auch § 247 Anm. V und § 370 Anm. IV. Gegenstände: die der Not unmittelbar oder (z. B. durch Verkauf, Verarbeitung) mittelbar abhelfen sollen und können. E 46 265. Vgl. aber BGH MDR 52 408 betr. Verkauf. IV. Entwenden: in der Absicht rechtswidriger Zueignimg wegnehmen (§ 242): E 46 265. V. Zum Vorsatz gehört Kenntnis der Geringwertigkeit (E 46 265, BGH bei Dallinger MDR 57 15); die irrige Annahme des Täters, die Sache sei wertvoll (z. B. Schmuck sei echt), schließt den § 248 a aus und begründet mit E 46 265, Karlsruhe J W 1933 2847 § 242 (oder § 246). Nach den Mot. ist ratio legis „den sonst Rechtschaffenen, der sich unter dem stärksten Antrieb, der Not, an geringwertigem Gut vergreift, nicht mit gemeinen Dieben auf eine Stufe zu stellen"; also eine t y p i s i e r t e S c h u l d m i n d e r u n g (Syst. Vorbem. S. 3), f ü r die die Vorstellung des Täters von dem geringen Wert der Sache mitbegründendes und unverzichtbares Indiz ist. Umgekehrt schließt die Unkenntnis des gegenüber § 248a s c h u l d e r h ö h e n d e n Umstandes, daß die Sache wertvoll ist, gemäß § 59 die §§ 242,246 aus; da dem Täter dieser Umstand nicht zuzurechnen ist, wird er nur nach § 248 a bestraft. Es liegt wie bei § 217 (vgl. dort Anm. I). Der gleiche Gedanke jetzt in § 100a Abs. 4. VI. Konkurrenzen: §248a erscheint gegenüber den §§242 bis 248 al3 lex specialis. Nicht gegenüber §§ 249ff., 350. — Über das Verhältnis zu § 244 vgl. § 244 Anm. I I . Tateinheit zwischen § 248 a und § 242/43, wenn Wegnahme größerer Mengen beabsichtigt, dann aber nur Geringwertiges weggenommen. Unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen

§ 248b

(1) Wer ein Kraftfahrzeug oder ein Fahrrad gegen den Willen des Berechtigten in Gebrauch nimmt, wird, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist, mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft. 35

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

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Diebstahl und Unterschlagung § 248 b

(2) Der Versuch ist strafbar. (3) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig. (4) Wer die Tat gegen einen Verwandten absteigender Linie oder gegen seinen Ehegatten begeht, bleibt straflos. (5) Kraftfahrzeuge im Sinne dieser Vorschrift sind die Fahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, Landkraftfahrzeuge nur insoweit, als sie nicht an Bahngleise gebunden sind. I. Eingefügt durch Ges. v. 4. 8. 53 (übernommen aus NotVO v. 20. 10. 32) Lit. zur VO: Wagner, Komm. 1932; ders. J W 1932, 3679, J R 1932, 253. II. Kraftfahrzeuge nach der Legaldefinition des Abs. 5 auch Wasser- u n d Luftfahrzeuge. HI. Fahrrad: auch Dreirad u. ä. — Wenn durch Hilfsmotor bewegt: K r a f t f z . (oben zu I I ) ; a. A. Floegel-Hartung, Anm. 3, wo weitere Kasuistik. — Nach der Verkehrsauffassung nicht schienengebundene (vgl. auch Abs. 5). IV. In Gebrauch nimmt das Fahrzeug nicht, wer n u r mitfährt oder sich im Wagen aufhält oder das Fahrzeug in Betrieb setzt, sondern nur wer es in Gang setzt, um sich mittels seiner fortzubewegen, vgl. auch Müller, Straßenverkehrsrecht 17, S. 220. Das unbefugte Vor- oder Zurücksetzen fällt nicht darunter (anders f ü r das „Benutzen" in § 7 Abs. 3 StVG: BGHZ N J W 54, 392, dem Floegel-Hartung auch f ü r § 2 4 8 b folgen). Die Fortbewegung m u ß nicht mittels der spezifischen Triebkräfte erfolgen: auch Fahrrad im Freilauf; Motorrad im Leerlauf (ebenso jetzt BGHSt. 11 44, a. A. insoweit H a m m VRS 6 210). Dem Zweck des Gesetzes entspricht es allein, nur das — aber auch jedes — Ingebrauchnehmen z u r e i g e n e n F o r t b e w e g u n g zu erfassen. Gleichgültig ist, ob der Täter schon G e w a h r s a m h a t t e oder nicht. L ä ß t der Täter das Fahrzeug an ungeschütztem Ort, wo es beliebigem Zugriff ausgesetzt ist, zurück (BGHSt. 5 206) oder wird der Eigengebrauch des Berechtigten in z e i t l i c h empfindlicher Weise ausgeschlossen, so § 242 (dort I I I 2b). Übersicht über die Rspr. des B G H : MDR 54 398. V. Versuch (Abs. 2) z. B. durch Besteigen des Fz. — Einschalten der Zündung, Anschieben u. dgl. ist schon Vollendung. — Dauerdelikt, beg. während der ganzen Zeit des unbef. Gebrauchs: E 68 216; Folgen f ü r die Antragsfrist E 43 287. Betr. untauglichen Versuch vgl. Anm. V I I . VI. Rechtswidrig nur, wenn die F a h r t unbefugt b e g o n n e n (in Gebrauch n e h m e n ) . BayObLG N J W 53 193. Anders BGHSt. 11 47 unter Hinweis auf den (zu weit gefaßten) „Zweck, jeder Schwarzfahrt entgegenzutreten". Aber schon der allgemeine Sprachsinn „in Gebrauch n e h m e n " steht dem entgegen. — B e r e c h t i g t e r kann auch ein Nichteigentümer, z. B. der Mieter sein. — Untreue Mieter fallen nicht unter § 248b, da Einwilligung vorliegt; vgl. Ebert D A R 54, 291. VII. Zum Vorsatz gehört das Bewußtsein, gegen den Willen des Berechtigten zu handeln, dol. ev. genügt. Irrige Annahme, gegen seinen Willen zu handeln, begründet untaugl. Versuch. Vgl. § 242 Anm. IV. VIII. Mittäterschaft auch, wenn nur einer f ä h r t : E 76 176. IX. Verwandte, Ehegatten nach Abs. 4 straflos unter den Voraussetzungen wie z u § 247 Anm. VII.

Diebstahl und Unterschlagung § 248 c

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X. Konkurrenzen. § 242 geht vor (Subsidiaritätsklausel des Abs. 1), wird aber durch den unbeabsichtigten, wenn auch erkannten Treibstoffverbrauch nicht begründet. Celle N J W 53 37, Köln JMB1. NRW 54 204; ebenso jetzt Maurach § 31 B 2; anders die ältere Rspr. — Unterschlagung des Kofferrauminhalts: BGH MDR 54 398.

Entziehung elektrischer Kraft

§ 248c

(1) Wer einer elektrischen Anlage oder Einrichtung fremde elektrische Energie mittels eines Leiters entzieht, der zur ordnungsmäßigen Entnahme von Energie aus der Anlage oder Einrichtung nicht bestimmt ist, wird, wenn er die Handlung in der Absicht begeht, die elektrische Energie sich rechtswidrig zuzueignen, mit Gefängnis und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. Neben der Gefängnisstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Wird die im Absatz 1 bezeichnete Handlung in der Absicht begangen, einem anderen rechtswidrig Schadcn zuzufügen, so ist auf Geldstrafe oder auf Gefängnis bis zu zwei Jahren zu erkennen. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. I. Eingefügt durch 3. StÄG an Stelle der §§ 1, 2 des Ges. v. 9. 4. 1900. Dieses Gesetz war notwendig geworden, nachdem E 29 111, 32 165 der Elektrizität die Sacheigenschaft abgesprochen hatten. Die Ersetzung des Wortes „Arbeit" durch „Energie" trägt ohne sachliche Änderung dem wissenschaftlichen Sprachgebrauch Rechnung. Allerdings ist die begriffliche Entgegensetzung von „Sache" und „Energie", die schon Kohlrausch ZStW20, 459ff. bekämpfte, heute fragwürdiger denn je: einerseits durch die teleologische Erfassung des Sachbegriffes im Strafrecht (Erik Wolf in RG-Festgabe V 44ff.), andererseits durch die heutige naturwissenschaftliche Auffassung, daß Materie und Energie nur verschiedene Erscheinungsformen desselben Substrats sind. Die elektrische Energie hat freilich stets Geldwert, was beim Diebstahlsgegenstand nicht der Fall zu sein braucht; daher rechtfertigt sich die primäre Androhung von Geldstrafe neben Gefängnis. Auch läßt sich an der Energie selbst kein Gewahrsam begründen oder brechen, wohl aber am Energieträger, z. B. einer Batterie (Kohlrausch a.a.O. 497). Die geringere Strafdrohung des Abs. 3 entspricht ebenso wie die Funktion des inneren Tatbestandes der der Sachbeschädigung (darüber unten Anm. VI). II. Entziehung: Minderung der Energiemenge, sei es an der Kraftquelle, sei es bei einem anderen Verbraucher, z. B. dem Wohnungsnachbarn, dessen Leitung angezapft wird. Auch im letzteren, wohl häufigsten Fall ist Geschädigter i. S. des § 248 c das Elektrizitätswerk, dessen Energievorrat verringert wird. Daneben kommt Betrug gegen den Nachbarn in Betracht (Rechtspflicht zur Aufklärung auf Grund des vorangegangenen Tuns!), da er mehr Strom bezahlen muß als er verbraucht hatte. 35»

548

Raub und Erpressung. Vorbemerkungen

Der Gegensatz von „Diebstahl" und „Unterschlagung" ist hier ohne selbständige Bedeutung, vgl. aber oben I a. E. III. Mittels eines Leiters: nicht nur zur unmittelbaren Weiterleitung, sondern auch zur Aufnahme durch Induktion usw. bestimmte Vorrichtungen, vgl. E 39 436. IV. Zur ordnungsmäßigen Entnahme nicht bestimmt. Häufigster Fall Umgehung des Zählers: E 42 19, GA 55 314. Unangemeldeter Fernsprechnebenanschluß: GA 56 67. Aber auch bei unbefugtem Anschluß der Lichtleitung an das Kraftnetz, um den billigeren Tarif zu erlangen: E 45 233. Die Bestimmung zur Stromentnahme hängt nach E 89.436, 74 244 von dem Willen des Verfügungsberechtigten ab. Aber in dem Begriff der „ordnungsmäßigen" Entnahme steckt doch auch ein generalisierendes, objektives Moment. Zu fragen ist, was verkehrsüblich ist oder doch üblicherweise geduldet wird. Wenn die Sekretärin gegen den Willen des Chefs ihren Elektrokocher oder Heizofen anschließt, ist sie entgegen Schönke-Schröder I I 4 nicht nach § 248 c strafbar, sondern verletzt nur zivil- und arbeitsrechtliche Pflichten. Strafbar dagegen etwa der Hotelgast, der auf seinem Zimmer mittels eines in die Lampe eingeschraubten Doppelsteckers heimlich Strom zum Waschen oder Kochen entnimmt. Wiederum nicht, wenn er seinen elektrischen Rasierapparat anschließt, auch wenn dies im Einzelfall nicht mit dem Willen des Berechtigten geschieht. V. Zu Abs. 1: Absicht rechtswidriger Zueignung wie bei § 242 III, 2. Insbes. auch hier keine Bereicherungsabsicht erforderlich, RG DJZ 1911 765, GA 54 78; vgl. aber Anm. I. VI. Zu Abs. 3: Absicht rechtswidriger Schadenszufügung subjektives Unrechtselement wie die Zueignungsabsicht. Die Grenze zu dieser verläuft wie zwischen §§ 242, 246 einerseits, § 303 andererseits. Der Gegensatz von Abs. 1—3 zeigt, daß die Absicht bloß negativer Einwirkung kein „se ut dominum gerere" i. S. des § 242 ist; vgl. dort Anm. III 2b. VII. Zum Vorsatz gehört die Kenntnis, daß der Leiter nicht zur ordnungsmäßigen Stromentnahme bestimmt ist, ferner das Bewußtsein, gegen den Willen des Berechtigten zu handeln. Vgl. oben IV. VIII. Versuch, wenn der Täter mit dem Anlegen der Leitung begonnen hat, Vollendung, sobald Energie entzogen ist, D a u e r d e l i k t : begangen, solange die Entziehimg andauert. IX. Verhältnis zu anderen Straftaten: Tatmehrheit mit Betrug durch Schweigen denkbar in Fällen wie dem hier Anm. I I erörterten, da verschiedene Geschädigte. Wenn lediglich der Lauf des Zählers beeinflußt wird, nur Betrug: E 74 243. Bei Leistungserschieichung von Strom- und Fernsprechautomaten nur § 265a: E 68 69. Zwanzigster Abschnitt

ßaub und Erpressung Vorbemerkungen I.„Raub" (§ 249) und „Erpressung" (§253) haben gemeinsam die die Entschlußfreiheit des Angegriffenen beeinträchtigenden M i t t e l : Gewalt und Drohung; unterscheiden sich aber 1. durch die Schwere der Drohung; 2. in dem angegriffenen

Raub und Erpressung § 249

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R e c h t s g u t : Raub gegen Besitz und Eigentum, Erpressung gegen Vermögen und Freiheit; 3. in der T B H a n d l u n g : Der Räuber nimmt weg, der Erpresser veranlaßt ein Verhalten des anderen. — Die Abgrenzung ist aber schwierig bei r ä u b e r i s c h e r S a c h e r p r e s s u n g , d. h. wenn der Täter durch Gewalt oder schwere Drohung eine Sache in seinen Besitz bringt, nicht, indem er sie nimmt, sondern den Besitzer zur H e r a u s g a b e zwingt, sie ihm abnötigt. Die Unterscheidung ist unnatürlich; Wahlfeststellung nach BGHSt. 5 280 zulässig. Nach dem S t G B wird hier in der Regel „Erpressung" angenommen, der Täter aber gleich „einem Räuber bestraft" (§ 255). Vgl. hierzu E 66 117 und jetzt eingehend BGHSt. 7 252. Bemerkenswerte Einschränkung bei Braunschweig H E S t . 2 3 0 : Entscheidend innere Willensrichtung des Gesch. Bedeutet sein Dulden der Wegnahme innere Zustimmung, so Erpressung; weicht er nur dem Zwange und duldet, was er glaubt nicht hindern zu können, so Raub. Entspr. BGH N J W 52 782, 53 73 betr. §§ 242/263, vgl. oben §242 Anm. V I , aber n i c h t für §§249/255: BGHSt. 7 255. Lehrreich B G H M D R 55 17: § 249 lex spec. zu § 255, wenn Täter Angabe des Aufbewahrungsorts erpreßt und dann das Geld wegnimmt. Ebenso schon Schröder ZStW 60, 96ff.; dagegen Wimmer N J W 48, 244. II. „Raub" und „Diebstahl" haben den Grundtatbestand des § 242 gemeinsam. Der in jedem „ R a u b " steckende „Diebstahl" kommt also nicht in Betracht, er wird konsumiert. Idealkonkurrenz aber möglich zwischen § 249 und § 243: hier (nicht aber bei Konkurrenz von § 242 mit § 249) sind also auch Diebstahlsvorstrafen nach § 244 zu berücksichtigen. Ebenso R G J W 1938 831. Über „räuberischen Diebstahl" vgl. Anm. zu § 252. 1. Raub: a) einfacher

§249

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, sich dieselbe rechtswidrig zuzueignen, wird wegen Raubes mit Zuchthaus bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein. I . Gewalt: Vgl. zunächst Anm. I I zu § 52 und zu §§ 240, 253. Hier aber muß die Gewalt gegen eine P e r s o n gerichtet sein, um einen geleisteten Widerstand zu brechen oder einen erwarteten zu verhindern (Gewalt gegen einen Schlafenden: E 67 183; einen Betrunkenen: BGHSt. 4 210; dazu unten Anm. I I I ; einen Bewußtlosen: B G H N J W 53 351). Auch Brechung eines p s y c h i s c h e n Widerstandes (vis compulsiva); auch h y p n o t i s c h e Einwirkung auf den psycho-physischen Gesamtorganismus (zutr. Blei N J W 54, 586, vgl. schon Maurach B T § 14 I I und die dort. Zit.), und zwar muß sich die Gewalt gegen den G e w a h r s a m s i n h a b e r richten oder doch gegen eine Person, die als M i t v e r t e i d i g e r des Gew. in Betracht kommt, d. h. zum Schutze der Sache verpflichtet oder bereit ist (E 67 186, 69 330). — Gewalt gegen S a c h e n genügt nur dann, wenn sie als Einwirkung auf den Körper gewollt ist und diesen in Mitleidenschaft zieht (E 46 403, ähnlich B G H N J W 55 1404: überraschendes Wegreißen einer Handtasche wäre Raub nur dann,

Raub und Erpressung § 250

550

wenn ein W i d e r s t a n d durch eine b e s o n d e r e Kraftaufwendung unmöglich gemacht werden soll. Weitergehend Schönke-Schröder IV 1 und die dort. Zit.). Vgl. auch E 45 153. — Auch das Einschließen des zu Beraubenden kann Gewaltanwendung sein (E 27 405, 69 330). — Anwendung eines B e t ä u b u n g s m i t t e l s „Gewalt", auch wenn nicht gewaltsam beigebracht: BGHSt. 1 145 und die Entwürfe; anders E 56 87, 58 98. — Abgabe von Schüssen aus einer Schreckschußpistole als „Gewalt gegen eine Person": E 66 358. II. Drohung: Inaussichtstellung eines Übels (hier einer unmittelbaren Gefahr f ü r Leib oder Leben), das der Drohende herbeiführen kann oder zu können sich den Anschein gibt (auch Schreckschüsse, auch aus einer sog. Schreckpistole: E 66, 353, dort freilich „Gewalt" angenommen). I m einzelnen vgl. oben § 52 Anm. I I I . — Sie muß sich gegen den Gewahrsamsinhaber oder Mitverteidiger richten: E 56 23. III. Mit Gew. oder unter Anwendung von Droh, setzt keinen Kausalzushg. zwischen diesen Mitteln und der Wegnahme voraus, wie die zweite Wendung schon sprachlich zeigt. Nach der zutr. BGHSt. 4 210 genügt es, daß der Täter die Gewalt f ü r geeignet hält, die Wegn. zu ermöglichen. F i n a l Zusammenhang entscheidend. IV. Wegnahme: § 242 Anm. I I . Vgl. Hamburg HESt. 2 27. V. Versuch schon bei Wegnahme oder Gewaltanwendung oder Drohung. Hierzu E 69 327. Versuch, in die Wohnung eingelassen zu werden: Prankfurt H E S t . 2 306. Angriff auf Begleiter des Opfers: BGHSt. 3 297. Auflauern, auch wenn Opfer nicht erschienen ist: BGH 4. Sen. N J W 52 514; dagegen zutr. Anm. Mezger, Welzel § 49 I 2, auch 2. Sen. in N J W 54 567 mit weiterer Rspr.: Das Opfer muß mindestens nach Meinung des Täters schon in der Gefahrenzone sein. — Betr. Freiwilligkeit des Rücktritts vgl. BGHSt. 4 56. — Vollendung nicht vor ungehinderter Sachherrschaft: BGH MDR 55 145. VI. Teilnahme. Begeht der zu schwerem Raub Angestiftete nur einfachen Raub, so nach BGHSt. 1 131 nur § 249/48; dagegen Dreher J Z 52, 425: § 49a. Dazu oben Anm. VI zu § 49a. VII. Konkurrenzen. Verhältnis zu §§ 242 ff. und §252: Vorbem. II. §§ 248 a, 370 Ziff. 5 werden ausgeschlossen, da § 249 den Angriff auf ein weiteres Rechtsgut spezifisch erfaßt. Ebenso E 46 376; a. A. Klee ZAk 41, 258. Vgl. § 252 Anm. I, I I . - Mit § 252 nach OGHSt. 2 323, BGH LM § 73 Nr. 1 Tateinheit möglich. Wahlfeststellung mit §255: BGHSt. 5 280. Vgl. aber auch BGH MDR 55 17, wo §249 lex specialis (oben Vorbem. I). — Zur Abgrenzung von §§242, 253, 263: Braunschweig HESt. 2 30 (oben Vorbem. I), Meister MDR 47, 251, Schröder SJZ 1950, 100. - Zu den Tötungsdelikten: unten § 251 Anm. V.

b) Schwerer Raub

§ 250

(1) Auf Zuchthaus nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Räuber oder einer der Teilnehmer am Raube bei Begehung der Tat Waffen bei sich führt; 2. zu dem Raube mehrere mitwirken, welche sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden haben;

Raub und Erpressung § 251

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8. der Raub auf einem öffentlichen Wege, einer Straße, einer Eisenbahn, einem öffentlichen Platze, auf offener See oder einer Wasserstraße begangen wird; 4. der Kaub zur Nachtzeit in einem bewohnten Gebäude (§ 248 Nr. 7) begangen wird, in welches sich der Täter zur Begehung eines Raubes oder Diebstahls eingeschlichen oder sich gewaltsam Eingang verschafft oder in welchem er sich in gleicher Absicht verborgen hatte, oder 5. der Räuber bereits einmal als Räuber oder gleich einem Räuber im Inlande bestraft worden ist. Die im § 245 enthaltenen Vorschriften finden auch hier Anwendung. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter einem Jahre ein. I. Die Tatbestände des schweren Raubes sind weitgehend denen des schweren Diebstahls (§ 243) nachgebildet. Grundgedanke die besondere Gefährlichkeit (Ziff. 1, 2) oder Abschreckungsbedürftigkeit (Ziff. 5) des Täters oder das gesteigerte Sicherungsbedürfhis (Ziff. 3, 4). Im einzelnen: II. Raub mit Waffen: entspr. § 243 Ziff. 5. Vgl. dortige Anm. sowie E 54 248; OGHSt. 1, 86. Eingehend BGHSt. 3 229. N i c h t , wenn der Täter eine Tabakspfeife als „Pistole" dem Opfer vorhält: Hamburg MDR49 486. Mit Recht; denn die Stelle erfaßt die bes. Gefährlichkeit i. S. der Gewalttätigkeit, nicht i. S. der List. Ebenso jetzt BGHSt. 3 232. — Gaspistole ist Waffe i. techn. Sinne, wenn zu Verletzungen geeignet und generell bestimmt: BGHSt. 4 125. — Massiver Aschenbecher: BGH MDR 53 531. - Celle MDR 50 371. IE. Bandenraub: entspr. § 243 Ziff. 6. Vgl. dort. IV. Straßenraub: Wartesäle fallen i. Gegens. zu § 243 Ziff. 4 nicht unter den Begriff „Eisenbahn". Hamburg HESt. 2 28. - Celle NdsRpfl. 47 25 betr. „Spritzen" im Schwarzhandel. — Auch wenn nur Begleiter auf öff. Wege angegriffen: BGHSt. 3 297, vgl. auch §249 Anm. V. Auch wenn Opfer vom Wege abgedrängt: LM Nr. 10, BGHSt. 5 281. V. Nächtlicher Raub: erweitert gegenüber § 243 Ziff. 7 durch den Fall der gewaltsamen Eingangsverschaffung. Auch diese muß zur Begehimg eines Raubes oder Diebstahls erfolgt sein: E 54 220. Eindringen eines Mittäters genügt: E 54 247. K e i n E i n s c h l e i c h e n , wenn der Gewahrsamsinhaber selbst, sei es auch auf Grund einer Täuschung, den Täter einläßt: BGHSt. 11 64. Vgl. § 243 Anm. IV zu Nr. 7. VI. Rückfall hier schon bei e i n e r einschl. Vorbestrafung. VII. Konkurrenz mit Waffenges.: E 66 117, J W 1932 407, 1938 1414. c) Raub mit Marterung

oder schweren

Folgen

§251 Mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslangem Zuchthaus wird der Räuber bestraft, wenn bei dem Raube ein Mensch gemartert oder durch die gegen ihn verübte Gewalt eine schwere Körperverletzung oder der Tod desselben verursacht worden ist.

552

Raub und Erpressung § 252

I. Ein Mensch: der zu Beraubende oder ein anderer: E 75 52. II. Marterung: länger dauernde Zufügung körperlicher Schmerzen von besonderer Heftigkeit. Vgl. auch E 49 389; OGH N J W 49 910. III. Verursacht: mindestens fahrlässig, § 56 mit Anm. Gleiche Voraussetzung auch beim Teilnehmer. Vgl. Frankfurt HESt. 2 306 (betr. Exzess des Mitt.), BGH MDR 55 143 mit Nachweisen. IV. Versuch: wenn schwere Körperverletzung oder Tod verursacht, die Wegnahme aber nicht gelungen ist: Vgl. Vorbem. V I I vor § 43. E 62 422, 69 332. V. Konkurrenzen: Bei E r m o r d u n g z w e c k s B e r a u b u n g kann vorliegen: a) IdKonk. zwischen §§ 211 und 249 (bzw. 251): wenn Wegnahme durch Gewalt erfolgt und bei letzterer der Vorsatz auf Tötung gerichtet war (E 63 105, OGHSt. 1 86, BGHSt. 9 135); auch § 226 kann mit §§ 249, 251 in IdKonk. stehen (JW 37 1328). — b) Realkonk. zwischen § 211 und § 246, wenn die Tötung die Erlangung der Beute nur vorbereiten soll (E 56 23, 58 228, 59 273, 60 51). — Mehrere Mordversuche können nicht durch einen Raubversuch zur Tateinheit werden: BGHSt. 2 246. — § 251 schließt § 250 aus: LM Nr. 2 zu § 250. d) Räuberischer Diebstahl

§ 252

Wer, bei einem Diebstahle auf frischer Tat betroffen, gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitze des gestohlenen Gutes zu erhalten, ist gleich einem Räuber zu bestrafen. I. Wesen streitig. E 6 243 nahm einen Fall des R a u b e s an; E 60 133 und die h. M. qualifizierten D i e b s t a h l ; E 66 353, der BGHSt. 3 76, aber auch Maurach BT §29 I folgen, ein S o n d e r v e r b r e c h e n . Wichtigwegen § 244 (E 66 353 hält ihn f ü r unanwendbar; er ist aber als die schwerere a l t e r n a t i v e Strafdrohung anzuwenden). Bei Mundraub, Notdiebstahl, Forstdiebstahl straft die Rspr. mit Recht (a. A. die 40. Aufl. und L K Anm. 2, Maurach § 29 I 3 b) auch hier den Täter „gleich einem Räuber". E 66 354, Hamm JMB1. NRW 50 48, BGHSt. 3 76: „erst recht", wenn schon geringfügige Entwendung Anlaß zu gefährlichem Verhalten. Vgl. § 249 Anm. VII. II. Diebstahl: hier im weitesten, auch die Sonderdelikte umfassenden Sinne, vgl. Anm. I. Denn entscheidender Grund f ü r die Strafschärfung ist die brutale Rücksichtslosigkeit in illicito, wie auch Mörder ist, wer „über Leichen geht", um eine Übertretung zu ermöglichen oder zu verdecken (OGHSt. 1 78). Zu eng deshalb BGHSt. 9 162: §252 liege nicht vor, wenn der Täter nur die Feststellung seiner Person und einen späteren Verlust des Diebesgutes mit Gewalt verhindern will. III. Betroffen: d. h. bemerkt, Hamm H E S t . 2 24, BGH LM Nr. 1. Auch ein b e i d e r T a t A n w e s e n d e r kann den Dieb bei dieser „betreffen". So stets schon die Auslegung von StPO § 127 und BGB § 859. § 252 ist auch anwendbar, wenn der Täter auf frischer Tat „ v e r f o l g t " wird; so mit überzeugender Begründung Celle HESt. 1 16; ebenso Oldenburg HESt. 2 312, BGHSt. 3 76, 9 255 (abl. Saiger MDR 56, 690. (Der Ausdruck „sich im Besitz e r h a l t e n " beweist, daß „bei einem Dieb-

Raub und Erpressung § 253

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stahl" nicht bis zur formellen Tatbestandsvollendung, sondern bis zur materiellen Beendigung des Angriffs auf das Eigentum rechnet. Es liegt wie bei der Notwehr, vgl. § 53 Anm. IV. Vgl. auch E 73 343 (Anm. Kohlrausch in ZAk. 40, 16) und daran anknüpfend BGH N J W 58 1547: auch der Gewahrsamsinhaber, dem die Sache aus der Hand weggenommen wurde, kann den Täter „betreffen"; „Überraschen" oder „Entdecken" nicht erforderlich. IV. Gewalt gegen eine Person: 1. Gegensatz: gegen eine S a c h e . Unzutr. nach dem Wort wie dem Grundgedanken (Anm. I I ) daher München MDR 50 627, wonach § 252 auch bei Zuhalten der Tür, die den Dieb von den Verfolgern trennt. — 2. Betr. G e w a l t s. o. § 52 Anm. I I , § 249 Anm. I. — 3. Gegen e i n e , also nicht notwendig die Person, die den Täter „betroffen" hat (über diese Anm. III). Nach h. M. muß die Person dem Täter die Sache streitig machen wollen. Nach dem Grundgedanken (Anm. II) genügt es aber, wenn der Dieb dies nur annahm und z. B. in der Dunkelheit auf seinen Komplicen schießt, um sich im Besitze . . . zu erhalten. Es liegt wiederum wie bei § 211 (vortrefflich dort L K 6/7 S. 187/88: „Intentionswert" der Hdlg. entscheidend), aber auch wie bei § 249 (vgl. dort oben Anm. I I I betr. Finalzushg.). V. Drohung: vgl. § 52 Anm. I I I , § 249 Anm. I I , aber auch oben Anm. IV zu 3. VI. Teilnahme: Betr. M i t t ä t e r vgl. jetzt allgemein BGHSt. 2 344 (zuzurechnen auch die schon von anderen verwirklichten Akte). — Beteiligung an der N ö t i g u n g genügt für Täterschaft, auch des bloßen Diebsgehilfen (h. M.). — Nach BGHSt. 6 248 kann der Diebsgehilfe aber nur Täter sein, wenn er sich im Besitze des Diebsguts befindet (arg. „sich . . . e r h a l t e n " ) . Dagegen zutr. Arndt GA 1954, 269. Bei Beteiligung mehrerer ist das „sich" sinngemäß auf alle zu beziehen: eine sprachliche Konsequenz, keine Analogie. VII. In jeder Hinsicht gleich einem Räuber. Deshalb auch §§ 250,251 anwendbar (E 19 141, OGHSt. 2 323). Daß nur die nachherige Nötigung, nieht auch die vorherige Wegnahme, unter den erschwerenden Umständen des § 250 begangen ist (z. B. mit Waffen oder auf einer Straße), schließt die Anwendung von § 250 nicht aus; dies folgt aus dem Grundgedanken (oben Anm. II). E 71 65 (kritische Anm. von Mezger in J W 37, 1332), Celle HESt. 1 16, Hamm JMB1. NRW 50 48. Wegen § 244 vgl. Anm. I. Tateinheit mit § 223a: Oldenburg HESt. 2 312.

2. Erpressung: a) einfache

§ 253

(1) Wer einen anderen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zulügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird wegen E r pressung mit Gefängnis nicht unter zwei Monaten, in besonders schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft. (2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. (3) Der Versuch ist strafbar.

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Raub und Erpressung § 253

I. Wesen der Erpressung. Nach früherem Recht war streitig, ob gegen E n t s e h l u ß f r e i h e i t oder V e r m ö g e n oder b e i d e s gerichtet. Die Neufassung vom 29. 5. 43 stellte klar, daß ein Vermögensschade entstanden sein muß, und die jetzige Passung v. 4. 8. 53 hat hieran nichts geändert, sondern nur die Strafdrohung ermäßigt und den Maßstab des Abs. 2 richtiggestellt. Die E ist daher jedenfalls ein Vermögensdelikt. So schon nach fr. R. E 67 200. Gerade umgekehrt meint Klee DStrR 43, 125, daß sich die E früher gegen das Vermögen gerichtet habe, nunmehr aber ihr Wesen in der Vergewaltigung fremden Willens bestehe. Zutr. BGHSt. 7 198: Vermögen u n d Freiheit der selbständigen Entscheidung geschützt. Doch überwiegt der Angriff auf das Vermögen als Zweck den auf die Entschließungsfreiheit als bloßes Mittel durchaus; ähnlich Maurach § 37 I c. Aus dem Charakter als Vermögensdelikt folgt das Erfordernis der S u b s t a n z g l e i c h h e i t : der Schade muß dem G e n ö t i g t e n abgepreßt oder doch aus der diesem aufgezwungenen Handlung entstanden sein. Insbesondere wird eine Nötigung nicht dadurch zur Erpressung, daß sie im Hinblick auf eine von einem Dritten versprochene Belohnung geschieht. E 71 291. Nicht jede Nötigimg in Bereicherungsabsicht ist also Erpressung. Die Bestimmung schützt aber auch die Entschlußfreiheit, also ein höchstpersönliches Rechtsgut. Deshalb kein Portsetzungszusammenhang bei E mehrerer Opfer: H R R 37 981, Braunschweig HESt. 2 89, BGH NJW 54 483 und allg. Vorb. I I B 1 vor § 73. Vis absoluta, die auf den Körper, aber nicht auf den Willen wirkt, scheidet hier aus (anders §§ 240, 249); vgl. unten I I . E m p f i n d l i c h k e i t des Übels auch hier nach der Besonderheit des Bedrohten und seiner Lage zu beurteilen (bestr.), vgl. § 240 Anm. IV 2. Andererseits braucht sich das Opfer nicht in concreto bedroht zu fühlen (E 64 381: entscheidend, ob der Täter Zwang ausüben will). Mit U n t e r l a s s u n g zu drohen ist nur dann tatbestandsmäßig, wenn Hdlg. rechtlich geboten, vgl. E 14 265, 63 425. A. A. Schönke-Schröder I I I 1 b: es komme nur darauf an, womit man drohen dürfe, auch E 72 76. Aber Garantenpflicht und materielle Rechtswidrigkeit (Abs. 2) sind zu scheiden. I m e i n z e l n e n . Androhimg der Entlassung, Strafanzeige: BGHSt. 5 254; öff. Bekanntmachung: München NJW 50 714, E 64 381. II. Gewalt: gegen Sachen, aber auch gegen Personen, falls nicht„zu gegenwärtiger Gefahr f ü r Leib oder Leben" gesteigert (dann § 255; vgl. dort über die Gründe dieser einschränkenden Auslegung). Vgl. auch § 52 Anm. II, § 240 Anm. I I I (zutr. aber Maurach § 37 I I A 2a), wonach „Gewalt" in § 240 auch vis absoluta, hier nur vis compulsiva meint; vgl. oben zu I). III. Drohung mit einem empfindlichen Übel: vgl. § 52 Anm. III, § 240 Anm. IV und § 249 Anm. II. — Zu unterscheiden von bloßer Warnung, d. h. Darstellung der bedrohlichen Lage: E 34 15, 36 384. BGHSt. 7 197: der Drohende muß, auch wenn angeblich ein Dritter das Übel verwirklichen soll, als Herr der Lage erscheinen. Die Drohung muß sich gegen den richten, der zu dem schädigenden Eingriff in eigenes oder fremdes Vermögen (über das er verfügen kann) genötigt werden soll. Das trifft aber auch dann zu, wenn etwa jemand zur Zahlung einer Summe durch die Drohung genötigt wird, man werde andernfalls seiner Frau oder seinem Kind etwas antun. Denn auch daß „Personen seiner Sympathie" (Frank) leiden, ist f ü r

Raub und Erpressung § 253

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ihn ein Übel. Das angedrohte Übel kann auch seelischer Art sein: BGH MDR 54 530. IV. Handlung, Duldung oder Unterlassung muß das vom Täter gewollte Mittel sein, welches die beabsichtigte Bereicherung herbeiführt: E 8 5, 8 426, 83 78, RG J W 1934 488, Braunschweig NdsRpfl. 1948 183, die Vermögensverfügung wie bei § 263, d. h. u n m i t t e l b a r e Einwirkung des Erpreßten auf sein oder eines anderen Vermögen fordern (ebenso Schönke-Schröder III 2 und die dort Zit.). Die Gegenmeinung (Hamburg HESt. 2 318: mittelb. Vermögensrecht!. Bedeutung genüge), hatte f ü r die alte Passung gute Gründe (Binding Lb. 1, 376), geht aber nach der ausgreifenden Neufassung zu weit und entspricht nicht dem jetzt betonten Charakter als Vermögensdelikt, das sich vom Betrüge im wesentlichen nur durch das Angriffsmittel unterscheidet. Sehr klar Maurach § 37 II A 2 a); vgl. oben zu I. V. Vermögensnachteil. Erst mit seinem Eintritt ist die T a t vollendet; auch wenn nur geringere Summe gezahlt als gefordert: E 33 78, vgl. aber auch RG J W 34 488 und dazu oben Anm. IV. — Erfüllung eines fälligen Anspruchs kein VermNachteil, vgl. Welzel N J W 53, 652. Auch nicht Hergabe von Lebensmittelmarken, die, zur Vernichtung bestimmt, beim Ernährungsamt liegen: BGHSt. 4 259. — Genötigter und Geschädigter brauchen, wie beim Betrüge, nicht identisch zu sein. Vgl. § 263 Anm. IV 2 u. V, E 71 291 sowie Hamburg J R 50 629 (Entziehung einer Wohnung durch die vom Täter getäuschte Behörde). — Zu fordern ist aber S u b s t a n z g l e i c h h e i t i. S. von Anm. I Abs. 2. VI. Die Rechtswidrigkeit der Gewaltanwendung oder Drohung hängt wie bei der Nötigung (vgl. § 240 Anm. I, II) davon ab, ob die Verquickung d i e s e s Mittels mit d i e s e m wirtschaftlichen Ziel als anstößig empfunden wird. Nicht jede Drohung in der Absicht einer Bereicherung, auf die man keinen Anspruch hat, ist rechtswidrig: Forderung eines Preisnachlasses unter der Drohung, andernfalls die Geschäftsbeziehungen abzubrechen, ist keine E. Die Erwägungen haben denen zu § 123 BGB zu entsprechen. Rechtswidrig kann einmal 1. d i e G e w a l t a n w e n d u n g o d e r d i e A n d r o h u n g d e s Ü b e l s a l s s o l c h e s e i n , z. B. das Erpressen von Schweigegeld durch die Drohung, andernfalls erdichtete Skandalgeschichten zu veröffentlichen. Die R W kann aber auch 2. in dem a b g e n ö t i g t e n V e r h a l t e n ihren Grund haben: der ungetreue Kassierer wird von einem Dritten durch Drohung, wahre Skandalgeschichten zu veröffentlichen, genötigt, einen neuen Griff in die Kasse zu tun, um das Schweigegeld zu beschaffen. Auch wenn aber weder die Gewalt oder Drohung noch die abgenötigte Handlung — jede allein betrachtet — etwas Anstößiges haben würden, kann dennoch 3. ihre V e r q u i c k u n g verwerflich sein oder aber die M a ß l o s i g k e i t des Druckmittels die Verwerflichkeit begründen. BGHSt. 5 258, 260 (betr. § 240). Forderung einer Geldsumme unter der Drohung, andernfalls Strafanzeige zu erstatten; oder der Fall BGH MDR 54 530 (unten VII). - Ob solche Verbindung von Mittel und Ziel anstößig sein würde, hängt von den Umständen des Falls ab. Das RG hat nach altem Recht, ohne auf die Fragen näher einzugehen, das Verlangen einer Zahlung an die Armenkasse als Erpressung angesehen (E 26 353). F ü r unser Empfinden ist heute eine solche — maßvolle — Forderimg, z. B. f ü r das Rote Kreuz, als Bedingung f ü r das Absehen von Strafanzeige nicht anstößig und daher

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Raub und Erpressung § 258

nicht rechtswidrig. Denn hier ist die Ausübung des Willensdrucks nicht in unsauberer Weise mit egoistischen oder sonst minderwertigen Interessen verquiekt. Liegt eine jener drei Voraussetzungen vor, dann erst ist zu prüfen, ob die Bereicherung zu Unrecht erstrebt wurde; darüber vgl. Anm. V I I I . Aus der älteren Rechtsprechung (die ihre Bedeutung auch für das neue Recht behält): Der Umstand, daß eine Handlung oder ein Verhalten in Aussicht gestellt wird, zu welchem der Drohende b e r e c h t i g t sein würde, schließt den Begriff der Drohung im Sinne des § 253 nicht ohne weiteres aus: E 32 365 (Drohung mit Arbeitseinstellung, vgl. zu dieser Frage jetzt Niese, Streikrecht 1955, auch Nikisch J Z 55, 440); 34 279 (Zustellung eines Vollstreckungsbefehls als Drohung); 49 354 (Drohung mit Anzeige oder Klage, einerlei ob begründet); E 72 75 (Ankündigung eines Tuns, das zwar an sich erlaubt ist, aber im gegebenen Fall nur den anderen schädigen soll). - Vgl. auch Klee ZAk. 39, 66; 43, 125ff. VII. Versuch jetzt ausdrücklich für strafbar erklärt, da E auch in bes. schweren Fällen nur Vergehen (oben § 1 Anm. V). — BGH MDR 54 530: Ehemann machte Zustimmung zu notwendiger Operation des Kindes davon abhängig, daß Ehefrau notariell unter Unterhaltsverzicht in Scheidung willige; dies kam nicht zustande. VIII. Subjektiv ist erfordert: 1. Vorsatz, d. h. Bewußtsein und Wille, a) dem Bedrohten ein anderes Verhalten aufzuzwingen, als es dessen freiem Willen entspricht (E 36 384); b) hierdurch das Vermögen des Genötigten zu schädigen; c) die Erkenntnis, daß auf die erstrebte Bereicherung kein Recht besteht. BGHSt. 4 105, betr. vermeintlichen Anspruch auf Dirnenlohn: Tatbestandsirrtum; vgl. aber auch BGH MDR 53 402 betr. § 175. 2. Absicht, sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern. Über „Absicht" vgl. Anm. I I I 1 zu § 59 sowie E 27 217, 33 407, 53 281. Sie muß bei der Ankündigung des Übels vorliegen; nachträgliche Ausnutzung der Lage genügt nicht: B G H N J W 53 1400. a) Bereicherung ist jeder in Geld abschätzbare Vorteil. Z. B . auch: Erlangung der Adresse eines Schuldners, Erlangung einer mit Gehalt verbundenen Stelle, Erlangung oder Erhaltung der Kundschaft, Erlangung der Wiederannahme entlassener Arbeiter oder der Verpflichtung, denselben innerhalb bestimmter Zeit nicht zu kündigen, oder der Einstellung als Arbeiter, Abschluß eines Maklervertrages. Vgl. die Hinweise in E 33 407. Sicherung eines schon erlangten Vermögensvorteils: E 10 76. Sicherung einer Forderung: E 36 167. Abwendung drohenden Schadens: E 33 339. Ebenso der wahrscheinliche Gewinn: E 20 279. (Vgl. Anm. V 1 zu § 263). — Die Bereicherung muß aus dem Vermögen „des G e n ö t i g t e n " oder des „ a n d e r e n " stammen: vgl. über diesen Grundsatz der Substanzgleichheit Anm. I Abs. 2. b) Zu Unrecht ist die Bereicherung (deren Rechtsw. von der der Tat selbst zu unterscheiden ist; vgl. Anm. VI) dann erstrebt, wenn sie m a t e r i e l l , also n a c h dem S i t t e n g e s e t z , als Unrecht erscheint. Hatte der Täter einen Ans p r u c h auf den erstrebten Vorteil, z. B. auf Rückzahlung von geliehenen 100 DM, dann ist keinerlei Drohung als „Erpressung" strafbar; „wenn du mir die 100 DM jetzt nicht zurückgibst, dann verprügele ich dich" aber ist strafbar als Nötigung. Vgl. auch E 53 102. — Wenn indessen der Anspruch materiell n i c h t b e s t e h t , dann Erpressung, auch bei formell für den Drohenden günstiger Rechtslage. Vgl. schon E 34 279: Benutzung eines erschlichenen vollstreckbaren Schuld-

Kaub und Erpressung § 253

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titels zur Beitreibung eines materiell nicht bestehenden Anspruchs, indem das äußerlich ordnungsmäßige Einschreiten öffentlicher Behörden als Erpressungsmittel ausgenutzt wurde. — Andererseits k e i n e E., wenn der Bestohlene den Vater des Diebes mit der Drohung einer Strafanzeige gegen den Sohn dazu veranlaßt, die gestohlenen Sachen zu ersetzen (Beispiel von Klee DStR43, 131); denn hier wird die Bereicherung trotz mangelndem positivrechtlichen Anspruch nicht „zu Unrecht" erstrebt. So auch Celle HESt. 2 314, Hamm HESt. 2 32, Schönke-Schröder V 2b; a. A. Mezger StB I I S. 170, Welzel S. 291, Maurach § 37 I I A 2 f. Der materielle Maßstab f ü r das Unrecht der erstrebten Bereicherung entspricht indessen notwendig dem „wirtschaftlichen" (in Wahrheit ebenfalls rechtlich-materiellen) f ü r den Vermögensschaden (über diesen unten § 263 Anm. V1). Er liegt auch dem bürgerlichen Recht zugrunde (§§ 226, 242, 817 S. 1, 826 BGB) und ist dort lediglich im Verkehrsinteresse (darüber Herschel JZ 54, 763) oder bei mangelnder Schutzwürdigkeit des geschädigten Einzelinteresses modifiziert; dies ist aber, wie bereits E 44 230 klar erkannt hat, strafrechtlich nicht zu berücksichtigen (ebensowenig wie die Ignorierung des natürlichen Blutsbandes durch § 1705 BGB der materiellen Pflicht des unehelichen Vaters zur Erfolgsabwendung entgegensteht,vgl. Syst.Vorbem. S.8). — Das Unrechte der Bereicherung p o s i t i v bestimmen zu wollen (contra jus erlangt, im Zivilrechtsweg rückforderbar), engt den Kreis der Strafbarkeit unsachgemäß ein und führt überdies zu unlösbaren K r e i s s c h l ü s s e n , da es eine Verweisung auf BGB § 123 bedeutet, wo dann die gleiche Frage von neuem entsteht. — An dieser Frage der R e c h t s w . d e r B e r e i c h e r u n g war die Auslegung des § 253 a. F. gescheitert. Vgl. Frank IV sowie Klee (s. oben Anm. VI). IX. Konkurrenz: Gegenüber §§240, 241 enthält §253 grundsätzlich den spezielleren (E 41 276), gegenüber § 249 den allgemeineren Tatbestand im Sinne von Vorbem. I I I 1 vor § 73 (E 55 239). Zur Abgrenzung Vorbem. I vor § 249. - IdKonk. mit § 263, wenn n e b e n der Drohung über Tatsachen getäuscht wird, die mit dem angedrohten Übel nicht zusammenhängen; dagegen nur § 253, wenn durch falsche Behauptungen lediglich die Drohung wirksamer gemacht werden soll (Beispiel: Drohung mit Tötung unter Vorspiegelung, man habe eine tödliche Waffe). E 20 329; GoltdArch. 38 54; 51 194; 69 400; DR 40 27. Der Gehilfe aber, der in Unkenntnis der Drohung nur die Täuschung fördern will, begeht Beihilfe zum Betrug: BGHSt. 11 66, Maurach 1 1 553. Wird im S c h w a r z h a n d e l der Verkäufer durch List veranlaßt, die Ware auszuhändigen, und dann durch Drohung mit der Polizei veranlaßt, sie ohne Bezahlung zu überlassen — sog. „Spritzen" —, so § 253: Celle NdsRpfl. 47 25. Vgl. aber auch Hamm HESt. 2 32, Anm. zu § 263 sowie — betr. §§ 249ff. — Hamburg HESt. 2 26. Ebenso mit Betteln unter Drohungen (§ 361 Ziff. 4): E 32 46, 85 243. Vgl. auch die Möglichkeit der Idealkonkurrenz von Erpressung und Hehlerei (§§259, 260): E 35 278; mit Diebstahl: verneinend Schröder ZStW 60, 33ff., bejahend Wimmer NJW 48, 241. Richtig hier alternativ aus dem schwereren Delikt (§243!) zu strafen. Bei Zusammentreffen mit Bestechung geht § 253 vor, RG J W 1922 296 (Kitzinger), Bohne SJZ 48, 698. Keine f o r t g e s e t z t e Erpressung, wenn mehrere genötigt: BGH NJW 54 483, vgl. Anm. I. — Über E als N a c h t a t (Sicherungserpressung) Schröder SJZ 50, 99. X. Prozessual ist § 154c StPO zu beachten; dazu Kreusch GS 109, 396, Willigmann NJW 55, 1747, Schmöe NJW 56, 212.

Begünstigung und Hehlerei, Vorbem. § § 266, 256

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(254. Wird die Erpressung durch Bedrohung mit Mord, mit Brandstiftung oder mit Verursachung einer Überschwemmung begangen, so ist auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu erkennen.) § 264 ist durch die VO v. 29. Mai 1943 mit Rücksicht auf die Erweiterung des Strafrahmens in § 253 gestrichen worden.

b) Räuberische Erpressung

§ 255

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Bäuber zu bestrafen. I. Mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (oben § 52 Anm. III) muß auch die Gewalt angewendet sein, sonst nur § 253. Die zu weite Fassung des Gesetzes ist ein Redaktionsversehen (v. Wächter GS 1875, 173, Binding Lb. 1, 380, Lobe, Nagler in L K § 253 I I A, jetzt auch Maurach § 37 II). Vgl. im übrigen zu § 253. Befohlene Wegnahme als r. E.: OGHSt. 2 287. — Gegenwärtige Gefahr auch bei Setzung einer kurzen Frist: BGH MDR 67 691 (der Begriff steht hier nicht dem der §§ 52—54 gleich). II. Bestrafung also nach §§ 249, 250, 251, nicht § 252. Vgl. E 56 242. Teilnehmer, der Gewalt usw. nicht will, nur nach § 242: E 67 344. III. Idealkonkurrenz mit §§211, 212 (E 44 338); mit §125 (E 66 247); §249 i. allg. gegenüber § 255 lex specialis (E 65 239). Indessen decken sich die Tatbestände nur in Fällen wie dem in MDR 56 17 (oben Vorbem. I vor § 249), da vis absoluta f ü r §255 ausscheidet (oben §25311). Wahlfeststellung möglich: BGHSt. 6 280. c)

Nebenstrafen

§ 256

Neben der wegen Erpressung erkannten Gefängnisstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und neben der wegen Raubes oder Erpressung erkannten Zuchthausstrafe auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. Vgl. § 38, § 76 Anm. II.

Einundzwanzigster

Abschnitt

Begünstigung und Hehlerei Vorbemerkungen I. Tatbestände: 1. B e g ü n s t i g u n g , entweder a) persönliche oder b) sachliche (§ 257 Abs. 1); qualifiziert, falls des eigenen Vorteils wegen begangen (§ 257 Abs. 1); letztere nochmals qualifiziert (und „als" Hehlerei bestraft), falls mit Bezug auf

Begünstigung und Hehlerei § 257

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Diebstahl, Unterschlagung, Raub oder räuberische Erpressung begangen (§ 258). 2. H e h l e r e i (§259); qualifiziert, falls gewerbs- oder gewohnheitsmäßig (§260) oder im Rückfall begangen (§ 261). II. Schutzobjekte: Die B e g ü n s t i g u n g richtet sich gegen die deutsche oder deutscherseits anerkannte und unterstützte ausl. Rechtspflege; interzonal gelten die Grundsätze des Rechtshilfeges. v. 2. 5. 53. Vgl. § 257 Anm. X V I I . — Die H e h lerei richtet sich gegen das bereits durch die Vortat verletzte Vermögen: Anm. I zu § 259. Zur Rechtsnatur beider vgl. Schröder MDR 52, 68. Die (nicht ganz zu leugnende, auch historisch begründete) Verwandtschaft beider wird stark betont von Dahm in D R 42, 569; betr. eigennützige Beg. vgl. Jescheck GA 1955, 107. — Zur Geschichte jetzt Maurach § 80 B, § 42 I A, Mezger S t B I I § 80 I, § 51 I I . III. Mit Teilnahme (§§47—49) haben B. und H. gemeinsam, daß sie sich auf eine andere Straftat beziehen, also „akzessorischer Natur" sind; sie bilden aber nicht, wie Teilnahme, eine Bedingung für jene, sondern werden nach ihr begangen. Deshalb kann Teilnahme mit B. oder H. in Konkurrenz (§ 74) treten. — Darüber, wieweit die Neufassung der §§ 47ff. auf den 21. Abschn. anwendbar ist, vgl. Vorbem. I I I E vor § 47 und unten Anm. I I I zu § 257, I I I c) zu § 259.

1.

Begünstigung

§257

(1) Wer nach Begehung eines Verbrechens oder Vergehens dem Täter oder Teilnehmer wissentlich Beistand leistet, um denselben der Bestrafung zu entziehen oder um ihm die Vorteile des Verbrechens oder Vergehens zu sichern, ist wegen Begünstigung mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu einem Jahre und, wenn er diesen Beistand seines Vorteils wegen leistet, mit Gefängnis zu bestrafen. Die Strafe darf jedoch, der Art oder dem Maße nach, keine schwerere sein als die auf die Handlung selbst angedrohte. (2) Die Begünstigung ist straflos, wenn dieselbe dem Täter oder Teilnehmer von einem Angehörigen gewährt worden ist, um ihn der Bestrafung zu entziehen. (3) Die Begünstigung ist als Beihilfe zu bestrafen, wenn sie vor Begehung der Tat zugesagt worden ist. Diese Bestimmung findet auch auf Angehörige Anwendung. I. Das Wesen der Begünstigung. Sie richtet sich gegen die Rechtspflege (BGHSt. 2 363 = J Z 52 661 m. zust. Anm. Maurach), sei es um die S t r a f e , sei es um den S c h a d e n s a u s g l e i c h zu v e r e i t e l n . Hiernach unterscheiden sich a) p e r s ö n l i c h e B. („um den Vortäter der Bestrafung zu entziehen") und b) s a c h l i c h e B. („um ihm die Vorteile des V. oder V. zu sichern"). Die Sachbegünstigung (b) ist von der Hehlerei verschieden u. a. durch die verschiedene „Absicht": Die sachliche Beg. will v e r h i n d e r n , daß der gesetzmäßige Zustand w i e d e r h e r g e s t e l l t wird; der Hehler will im Zusammenwirken mit dem Vortäter b e w i r k e n , daß die durch die Vortat geschaffene rechtswidrige Vermögenslage a u f r e c h t e r h a l t e n und a u s g e n u t z t wird. Auch die sachl. Beg. ist daher kein Vermögensdelikt:

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Begünstigung und Hehlerei § 257

E 50 366, 54 132, 55 18, BGHSt. 2 363, Schröder, Festg. f. Rosenfeld 161 ff., Mäurach § 80 I C 2; a. A. Nagler LK § 257 Anm. I 1 und Welzel § 57 I im Anschluß an Binding, Bockelmann NJW 51, 620. II. Täterschaft und Teilnahme. Es sind 2 Fragen zu trennen: 1. Wer kann Täter sein ? Kann sich der Täter der Vortat dadurch nach § 257 strafbar machen, daß er sich selber „begünstigt" ? — Und 2. Wer kann Teilnehmer sein ? Kann sich der Täter der Vortat wegen Teilnahme an einer Begünstigung seiner eigenen Person strafbar machen, also dadurch, daß er den, der ihn begünstigt, hierzu anstiftet oder ihm hilft 1 1. Täter kann jeder sein außer dem zu begünstigenden Vortäter. Denn „§ 257 trifft nur den Fall, daß jemand einem a n d e r e n Beistand leistet" (E 63 233). Selbstbegünstigung straflos: E 60 346, 65 335, BGHSt. 5 76 (81); hiergegen H. L. Müller GA 1958, 334. Dagegen ist nach RG — vgl. jetzt aber BGHSt. 2 378 — B e g ü n s t i g u n g e i n e s M i t t ä t e r s (Teilnehmers) durch den anderen grundsätzlich strafbar (E 21 375, 34 306, 58 129), „weil die B. nicht der Vortat, sondern dem Vortäter geleistet wird" (E 63 233) und, da Sonderdelikt, in der Teilnahme an der Vortat nicht aufgeht (E 60 346, 63 375). Auch Fremdbegünstigung ist aber, selbst wenn Hauptzweck, dann straflose Selbstbegünstigung, wenn der Begünstiger damit z u g l e i c h sich s e l b s t der Bestrafung entziehen (nicht, wenn er sich sachlich begünstigen) wollte; einerlei ob er Teilnehmer der Vortat war oder nicht (E 63 233): „notstandsähnlicher Grund" (E 60 101, 63 373, 73 267, BGHSt. 2 378: auch bei unbegründeter Besorgnis des Täters). Trifft dagegen mit dem Fremdbegünstigungszweck nicht Selbstbegünstigung, sondern der Zweck zusammen, einen Ang e h ö r i g e n zu begünstigen, so nimmt RG in D J 36 256 Strafbarkeit an. „Hier muß das Interesse der Allgemeinheit in den Vordergrund treten." Der Rechtsgedanke der Nichtzumutbarkeit (Tübingen HESt. 2 319) greift aber auch hier durch. — I r r t u m über die Strafbarkeit der eigenen Vortat beachtlich nach § 59 (E 60 101; richtiger in E 59 69 bei Notstand unmittelbar berücksichtigt). Aber nur solche Selbstbegünstigungen sind s t r a f l o s , die lediglich die Vereitelung der Strafverfolgung zum Inhalt haben: §§ 138, 257, 346; nicht solche, die zur Verdeckung eigener Straftaten erneut andere Rechtsgüter verletzen, z. B. Falschbuchung nach einer Unterschlagung. Vgl. E 71 280; J W 37 3093. 2. Teilnehmer an einer B. soll nach RG jeder sein können, auch der Begünstigte selbst, da hier, im Gegensatz zur Selbstbegünstigung, ein anderer als der Vortäter „Beistand leiste" (E 50 364, 60 346). Der auch hier gegebene „notstandsähnliche Grund", den das Gesetz durch die Straflosigkeit der Selbstbegünstigung anerkennt, müßte indessen gemäß E 60 101, 63 373 zur Freisprechung führen. Zwingend folgt dies ferner aus Abs. 3. Der Begünstigte, der sich von vornherein Rückendeckung durch die Zusage des Begünstigers verschaffte, kann nicht wegen Anstiftung zur Beihilfe zu seiner eigenen Tat bestraft werden. Das muß erst recht f ü r den weniger planmäßig Handelnden gelten, der erst nachträglich den anderen zum Beistand veranlaßt. Wie RG aber auch BGHSt. 5 76 (zu § 346). Näheres bei Lange, Notw. Teiln. S. 85ff.; vgl. auch Frank IV 3, Hegler in J W 24, 1597. III. Die Vortat muß z. Z. der Beg. vollendet (nicht notwendig beendet, BGHSt. 4 133, dazu unten XI) und als V. oder V. strafbar, nach BGH nur: mit Strafe bedroht sein, BGHSt. 1 49 (betr. § 259) beiläufig, unter Hinweis auf die Entwick-

Begünstigung und Hehlerei § 257

561

lung derBeg. aus der Teilnahme. Aber von dieser hat sie sich durch ihre Verselbständigung zum Del. gegen die Rechtspflege gelöst. Diese wird i. allg. bei schuldloser Vortat nicht verletzt,; bei persönl. Beg. auch dann nicht, wenn pers. Strafausschi. Grd. Daß der Begünstigte der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt, ist nicht nötig: KG in DRZ 48 29, BGH JZ 54 671 (Anm. Schröder schränkt dies zutr. dahin ein, daß die ausl. Strafverfolgung deutscherseits anerkannt sein muß, vgl. dazu Vorbem. II, aber auch Maurach § 80 I I A 2). Dagegen genügt es nach E 75 234 nicht, daß die Vortat nur nach dem Ordnungsstrafrecht der Wirtschaft strafbar ist. Das gilt heute erst recht f ü r Zuwiderhandlungen i. S. des OWG und WiStG, die keine Straftaten sind. Sie darf nicht verjährt sein: E 76 122. — Der bloße Glaube des Begünstigers, daß die Vortat strafbar sei, genügt nicht (E 50 218). — Gegenüber D a u e r v e r b r e c h e n (z. B. unerlaubtem Waffenbesitz, Freiheitsberaubung) ist Beg. wie Hehlerei möglich, sobald jenes juristisch vollendet und strafbar ist, nicht erst nach Beendigung des rechtswidrigen Zustands. Hier also IdKonk. von Beg. und Beihilfe denkbar (E 58 13). — Nähere Bezeichnung der Art der Vortat im Urteil nicht erforderlich; deshalb bzgl. ihrer auch sog. W a h l f e s t s t e l l u n g zulässig (E 68 290). Vgl. aber auch unten V. — Gegenüber e i n e r Vortat sind m e h r e r e (§ 74) Beg.-Handlungen möglich (E 57 306). — D a ß e i n e S t r a f t a t b e g a n g e n wurde, muß nach E 58 290, 73 331 das über Begünstigung entscheidende Gericht selbständig feststellen; Bezugnahme auf ein rechtskräftiges Urteil genügt nicht. Vgl. hierzu aber weiter Anm. VII. IV. Beistandleisten: Erforderlich und genügend sind Handlungen, welche g e e i g n e t sind, Strafvereitelung oder sachliche Sicherung zu bewirken, auch wenn diese nicht erreicht wurde (E 50 364, 58 13, 76 122, BGHSt. 2 376; a. A. Bockelmann NJW 51, 622). — Beisp.: Verbüßung der Strafe für einen anderen (E 8 366). Zahlung der Geldstrafe für den Verurteilten ohne Rückerstattungspflicht (E 30 232). Erfolgloses Unternehmen, einen Dritten zu unwahren Aussagen im Ermittlungsverfahren gegen den Täter der Vortat zu verleiten (E 20 233). Unrichtiges Gnadengesuch (E 35 128). Abhebung eines Betrages auf das von einem andern gestohlene Sparkassenbuch (E 39 236). Unterlassung einer Strafanzeige, zu der eine Pflicht bestand (E 53 108, 74 178). Nichtangabe des Aufbewahrungsorts einer von einem anderen gestohlenen Sache oder des Aufenthaltsorts eines Verbrechers ist, auch bei amtlicher Befragung, keine B., da eine Rechtspflicht zur Mitteilung nicht besteht. Wohl aber (E 54 41) die wahrheitswidrige Angabe, man kenne den Ort oder die Person nicht. — Beg. durch falsche Aussage im Ermittlungsverfahren, auch wenn unbeeidigt: E 46 74, D J 37 668. — Sachliche Begünstigung (unter Aufgabe von E 58 129) jetzt BGHSt. 2 263 ( = JZ 52 661 m. zust. Anm. Maurach): auch Mitwirken beim Absatz; dazu Jescheck GA 1955, 107. — BGHSt. 4 122 ( = J Z 53 605 m. zust. Anm. Maurach): auch Verschenken im Auftrage des Diebes. Ein Strafverteidiger begeht Begünstigung, wenn er den Tatbestand zugunsten seines Klienten bewußt verdunkelt, z. B. einen Entlastungszeugen benennt oder lädt, von dem er weiß, daß er die Unwahrheit sagen wird. E 66 323, 70 390, den Widerruf eines wahrheitsgemäßen Geständnisses veranlaßt (BGHSt. 2 378). Aber noch n i c h t durch Abraten von Selbstanzeige oder Antrag auf Freispruch, wenn ihm Schuld des Angekl. bekannt (BGHSt. 2 375 = NJW 52 894 m. Anm. Cüppers, vgl. Ackermann NJW 54, 1385). Auch nicht durch Einwirkung auf einen Angehörigen, das Zeugnis zu verweigern (abgesehen von Täuschung, Drohung usw. i. S. d § 136a StPO): BGHSt. 10 393, zust. Ackermann MDR 58, 48, abl. Imme J R 57,467. 36

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

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Begünstigung und Hehlerei § 267

Stets muß aber Erschwerung des Zugriffs der Behörden oder des Verletzten, nicht nur Erhaltung und Verwertung des durch die Vortat gewonnenen Gutes bezweckt sein: Celle Hann.Rpfl. 46 137. V. Subjektiv erstens Wissentlichkeit: Der Begünstiger braucht nicht, wie ein Gehilfe, die bestimmte Straftat des Haupttäters zu kennen. Es genügt, wenn er weiß, daß die Vorteile irgendeiner Straftat entstammen. E 50 218, 58 290, H R R 37 1474. Einschränkend BGHSt. 4 221, Hamburg N J W 53 1155 (Vorstellung äquivalenter konkreter Umstände erforderlich). VI. Subjektiv zweitens Absicht gleich Beweggrund: Anm. I I I , 1 zu § 59 und E 40 15, aber nicht gleich Endzweck. Die Verfolgung auch anderer Zwecke, z. B . des eigenen Vorteils, schließt die Beg.-Absicht nicht aus (E 3 255, 23 105, 32 24, 55 126, ebenso BGHSt. 4 107, zust. Härtung J Z 54, 694, und die Entwürfe 1927/30). Duldung aus Gleichgültigkeit genügt nicht: Hamm JMB1.NRW 50 253. VII. Betraf ungs Vereitelung: der Verurteilung oder der Vollstreckung (E 8 366, 16 204, 30 232, 35 128). — Soll ein noch nicht Verurteilter der B e s t r a f u n g entzogen werden, so ist dies nur dann strafbare Beg., wenn der andere die StrTat wirklich b e g a n g e n hat, was also im StrVerfahren gegen den Begünstiger geprüft werden muß. — Soll dagegen ein Verurteilter der S t r a f v o l l s t r e c k u n g entzogen werden, so hängt die Bestrafung des Begünstigers nicht davon ab, ob das Urteil gegen den anderen zu Recht ergangen ist. Vgl. auch E 73 331. Die Gegenmeinung (Binding Lb. II, 647, Welzel §75 I I I , Bockelmann N J W 51, 624 Anm. 29) ist rechtspolitisch bedenklich, weil sie zu einer Art Wiederaufnahme des Vorprozesses führt; vgl. auch §§ 190, 257 a. — Es genügt vorübergehende Vereitelung, z. B. durch erschwindelten Strafaufschub (E 16 204). — Bei A n t r a g s t a t e n ist vor Antragstellung Beg. nicht strafbar, also auch nicht Verhinderung des Strafantrags. Aber mit der Antragstellung wird die vorher geleistete Beg. strafbar (E 40 393). —Bei i r r i g e r A n n a h m e , die Tat des Begünstigten sei nicht strafbar, fehlt die Absicht, den Vortäter der Bestrafung zu entziehen. Vgl. hierzu auch LM Nr. 9. VIII. Vorteilssicherung: Nicht nur Vermögensvorteile (vgl. Anm. I und E 54 132). Aber nur die durch die Vortat u n m i t t e l b a r erlangten, nicht die mit letzteren erst erworbenen Werte. E 55 19, H R R 34 1725; unentschieden BGHSt. 4 125; a. A. Schönke-Schröder IV 2b. Zu beachten ist jedoch, daß Verkauf oder Tausch der gestohlenen Sachen eine (vorbestrafte, s . o . I I I 3 vor §73) N a c h t a t , der Erlös also unmittelbar durch Unterschlagung erlangt ist. Und selbst abgesehen davon können die hier vorausgesetzten „Vorteile", auch wenn sie in anderen Werten als den durch die Vortat erlangten „Sachen" bestehen, doch u n m i t t e l b a r durch die Vortat erlangt sein. Dann ist § 257 unmittelbar anzuwenden. Vgl. E 76 31 (Anm. Dahm in DR 42, 596; Schaffstein in ZAk. 42, 174), Hamm HESt. 2 35 (auf Konto eingezahlter und wieder abgehobener Geldbetrag ist unmittelbar erlangt). Beistand zur bloßen Verwertung der strafbar erlangten Sachen oder zur Sicherung ihres Erlöses genügte nach RG nicht, z. B. Verwahrung des Geldes, das der Vortäter für die gestohlene Sache erhalten (E 55 18, 58 117, 58 154). Dabei wurde aber die tatbestandsmäßig-rechtswidrige Nachtat, die regelmäßig in solchen Handlungen liegt, übersehen (s. den vorigen Abs.). „Grundsätzlicher Wandel in der Auslegung des § 257" jetzt durch BGHSt. 2 326, 4 124: „Vorteil" nicht mehr gleich Saohbesitz (entsprechend der Wandlung des Zueignungsbegriffs bei § 242, s. dort Anm. III). Es genügt, daß dem Vortäter Ausnutzung und Verwertung der in dem

Begünstigung und Hehlerei § 257

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gestohlenen Gut liegenden Vermögensvorteile ermöglicht und erleichtert wird (so schon E 39 236, 40 15). — § 257 verbietet aber nur eine Vorteilssicherung zum Nachteil des V e r l e t z t e n : Schutz des Vortäters gegen Naturgewalten oder gegen rechtswidrige Angriffe ist nicht strafbar (E 60 273). IX. Der Vorteil des Begünstigers braucht gleichfalls kein Vermögensvorteil zu sein. Ein Kneipwirt sucht sich z. B. die Verbrecherkundschaft zu erhalten (E 53 179). - Mittelbarer Vorteil genügt, wie auch bei § 259 und RAbgO § 398 (E 58 15, 76 34). X. Reclltswidrigkeit der sachl. Beg. durch Einwilligung des Verletzten ausgeschlossen, E 40 15; denn damit wird das Schutzinteresse der Rechtspflege gegenstandslos. XI. Idealkonknrrenz möglich mit Meineid (E 75 277); mit KO §242; StGB § 120 (E 57 301); Abs. 3 mit § 258: OGHSt. 2 277, BGH NJW 51 451, BGHSt. 11 316; § 259 (E 47 220, BGHSt. 2 362). Wegen Verhältnis zu § 346 vgl. dort sowie E 73 265, 74 178, BGHSt. 5 82; zum Diebstahl Schröder ZStW 60, 33ff.; dagegen Wimmer N J W 48, 241 ff. — Zum Verhältnis von Abs. 1 und Abs. 3 vgl. unten Anm. XIV. — Bei vollendeter, aber nicht beendeter Vortat nach E 71 194 Beihilfe, nach BGHSt. 4 133 aber auch Beg. möglich. BGH a. a O. stellt auf den Willen des Handelnden ab. Kritisch Gallas ZAk. 37, 438 (betr. Rspr. zu § 49). XII. Strafantrag nötig, wenn Haupttat Antragsdelikt. E 57 81. XIII. Zu Abs. 2: Angehörigkeit (5 52 VI) ist persönlicher Strafausschließungsgrund i. S. von Vorbem. VI vor § 1, nicht negatives TB.-Merkmal; irrige Annahme, Angehöriger zu sein, schließt also den Vorsatz nicht aus (E 61 270). Abs. 2 gilt nur für persönliche Begünstigung. Wer den Angeh. zugleich sachlich begünstigen will, ist nicht straflos, sofern der Zweck der pers. Beg. nach der Vorstellung des Täters auch ohne gleichzeitige sachl. Beg. erreichbar: BGHSt. 11 343. —• Mittelbare und unmittelbare B. kommt in Betracht; z. B. wenn Angehörige einen Dritten zur Beg. angestiftet haben. E 14 102. Auch hier gilt aber das oben I I 2 Gesagte. XIV. Psychische Beihille durch vorherige Zusage späterer Begünstigung k o n s u m i e r t grundsätzlich die letztere (als straflose Nachtat, s.o. III3 vor §73). Daa ist der Sinn des Abs. 3. So BGH N J W 51 451 (zurückhaltender BGHSt. 4 134): „ihrem inneren Wesen nach wirkliche Beihilfe"; BGHSt. 6 23 im Anschluß an LK V: bestärkt „kraft unwiderlegbarer Vermutung" regelmäßig den Tatentschluß. Daher gelten hier in j e d e r Beziehung die Beihilferegeln: BGHSt. 4 134 (§ 50, wenn straferschw. Umst. vor Vollendung des Beistandes erkannt); E 57 349 (Rückfallschärfungen auf den Zusagenden anwendbar). Kein Angehörigenprivileg: S. 2 des Abs. 3. Treten straferschw. Umstände erst bei der Beistandsleistung auf, so ist diese mit der Zusage zu einer einheitlichen Beihilfehandlung zusammenzuziehen (und umgekehrt); insoweit wird also der Beistand nicht konsumiert. So E 76 192, BGHSt. 4 134, die jedoch a l l g e m e i n Abs. 3 als „mehraktige Straftat" behandeln. Verurteilung „wegen Beihilfe", E 75 237, 76 192. Bei Bestimmung durch die Zusage: Anstiftung. E 16 375. Bei § 257 III, da echte Beihilfe, keine straflose Selbstbeg.: E 76 190. Dagegen Schmidt-Leichner in DR 42, 1594, dafür LGDir. Lange in DR 43, 569. Entscheiden muß auch hier, ob die Unterlassung der Selbstbeg. nicht zumutbar. 30*

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Begünstigung und Hehlerei §§ 257a, 258

XV. Kausalzusammenhang nötig zwischen Zusage und Tat. War die Zusage psychisch b e s t i m m e n d , so ist sie als Anstiftung zu strafen (E 15 295, 16 374). — Jene Beihilfe (z. B. zum Diebstahl) kann später f ü r den Rückfall(-Diebstahl) begründend wirken (E 8 317, 49 381). XYI. Bei staatsfeindlicher Absicht Strafschärfung gem. § 94, s. dort. XVn. Nur die deutsche Rechtspflege ist nach der Rspr. geschützt; aber auch dann, wenn nur geprüft wird, ob der Täter der deutschen Gerichtsbarkeit untersteht : KG in DRZ 4829 = H E S t . 2 36. Ferner BGH JZ 54 671 (Schröder); vgl. aber auch Vorbem. II, Anm. III.

§ 257a (1) Wer, abgesehen von den Fällen der §§ 120, 121, 122 a, 122 b, vorsätzlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen rechtskräftig angeordneten Maßregel der Sicherung und Besserung ganz oder zum Teil vereitelt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Wird die Tat zugunsten eines Angehörigen begangen, so tritt Straffreiheit ein. I. Eingefügt durch GewVerbrGes. II. Vollendung hier erst (anders bei § 257, dort Anm. IV) mit der tatsächlichen Vereitelung der Maßregel. III. Selbstbegünstigung auch hier straflos, vgl. § 257 Anm. I I 1. IV. Bei staatsfeindlicher Absicht Strafschärfung gem. § 94, s. dort. V. Konkurrenzen. IdKonk. mit § 257, wenn Str. und Maßr. vereitelt. § 346 geht als lex specialis vor: E 78 298, 74 181. Schwere Begünstigung

(Personenhehlerei)

§ 258 (1) Wer seines Vorteils wegen sich einer Begünstigung schuldig macht, wird als Hehler bestraft, wenn der Begünstigte 1. einen einfachen Diebstahl oder eine Unterschlagung begangen hat, mit Gefängnis, 2. einen schweren Diebstahl, einen Raub oder ein dem Raube gleich zu bestrafendes Verbrechen begangen hat, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter drei Monaten ein. (2) Diese Strafvorschriften finden auch dann Anwendung, wenn der Hehler ein Angehöriger ist. I. Wesen. F o r m e l l ist § 258 eine weitere Qualifizierung der durch Eigennutz qualifizierten B e g ü n s t i g u n g (Vorbem. I vor § 257). S a c h l i c h aber ein S o n d e r d e l i k t , f ü r welches alle und nur die Strafbestimmungen über Hehlerei gelten. Hier also nicht anwendbar: Abs. 1 Satz 2 (bestr.; wie hier Dreher-Maassen Anm. 3),

Begünstigung und Hehlerei § 259

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Abs. 2 (dazu unten Anm. V) und 3 § 257 und Abs. 3 § 247; wohl aber §§ 260, 261, 262. Folglich auch bei v o r h e r z u g e s a g t e r Sachhehlerei (anders als nach § 257 Abs. 3) Konkurrenz zwischen § 258 und Teilnahme an der Vortat. Vgl. E 49 381 und (bzgl. § 257 Abs. 3 abw.) E 57 349. Ausdrücklich wie hier Düsseldorf N J W 48 490 (abl. Anm. Mezger); vgl. OGHSt. 2 281, BGH N J W 51451 (dazu unten VIII). Abw. Schönke-Schröder I und die dort Zit. II. Vorteil. Seines eigenen: E 27 342. — Beweggrund! E 54 338; vgl. ferner R G D J 36 1440, J W 1937 2371 sowie oben § 257 Anm. I X . III. Diebstahl oder Unterschlagung im technischen Sinne; E 5 277. Vgl. §§ 242, 246 ; 243, 249 - 2 5 1 , 252, 255. Auch Amtsunterschlagung §350: E 58 334. Auch Versuch: E 53 284. IV. Zum Vorsatz des Begünstigers (dol. ev. genügt) gehört hier Kenntnis der Umstände, aus denen sich der Tatbestand der Vortat ergibt. E 53 342. V. Angehöriger als Hehler strafbar. — Anders § 257 Abs. 2, s. o. Anm. I. Diese Regelung stellt klar, daß hier das hehlerische Moment überwiegt. VI. Selbstbegünstigung. Ihre allgemeine, auf den Gedanken der Nichtzumutbarkeit gegründete Straflosigkeit greift auch hier durch: Tübingen DRZ 48 258. VII. Verjährung gegen den Begünstiger beginnt erst mit Beendigimg des Beistands, z. B. mit Rückgabe an den Dieb. E 6 412. VIH. Konkurrenzen. Lex spec. gegenüber § 257 Abs. 1, IdKonk. mit §257 Abs. 3, Id.- oder RealKonk., aber kein Fortszshg., mit §259: BGH N J W 51 451 mit Nachweisen, vgl. aber auch oben Anm. I. Ferner BGHSt. 2 135 ( = J Z 52 278 Mezger): § 258, nicht § 259 bei Verwahrung mit dolus subsequens. 2. Sachhehlerei

§259

(1) Wer seines Vorteils wegen Sachen, von denen er weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß sie mittels einer strafbaren Handlung erlangt sind, verheimlicht, ankauft, zum Pfände nimmt oder sonst an sich bringt oder zu deren Absätze bei anderen mitwirkt, wird als Hehler mit Gefängnis bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. Schrifttum: K o h l r a u s c h , Hehler und Nutznießer, DStR 1939,113. — M e z g e r , Zur Entwicklung der sog. Ersatzhehlerei, ZStW 59, 549. — M a u r a c h , Zur H.Rspr. des BGH, J Z 52, 714. — G e e r d s , Zum T B der H. aus der Sicht des Kriminologen, GA 1958, 133. I. Das Wesen der Hehlerei (über ihre Geschichte neuestens Mezger StB I I §51 I I und SJZ 49, 208ff, Mäurach § 4 2 1 A ) liegt in der A u f r e c h t e r h a l t u n g einer durch eine strafbare Vortat geschaffenen r e c h t s w i d r i g e n V e r m ö g e n s l a g e durch e i n v e r s t ä n d l i c h e s Z u s a m m e n w i r k e n mit dem V o r t ä t e r : BGHSt. (Gr. S.) 7 137 im Anschluß an E 54 281, BGHSt. 10 151. Das Angriffs- bzw. Schutzobjekt ist also das gleiche wie das der Vortat. So schon E 37 230 (231), 52 95 u. 318, 67 356 (359), 70 377 (385), 71 341 (342), 72 146 (vereinbar mit E 71 97 ?), 75 25 (29), 76 32. — Wie hier Welzel § 57 I I , Maurach § 42 I B (nicht: Eigentumsdelikt, auch wenn Diebstahl u. dgl. Vortat). — Abw. Schröder MDR 52, 71: nicht gegen das Vermögen, sondern gegen den öff. Restitutionsanspruch gerichtet. — Nach BGHSt.

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(Gr. S.) 7142 „verletzt dieH. neben Eigentum und Vermögen vor allem auch allgemeine Sicherheitsinteressen". Dazu unten VII a. E. — Andere sehen als „Grundgedanken" für die Hehlerei die Teilnahme an der Verbrechensbeute an. Dagegen BGHSt. 9 139. Vermittelnd Mezger a. a. O., Schönke-Schröder § 259 I. Die Frage wird wichtig bei der Hehlerei an Ersatzsachen: Anm. IV. —• Wegen S t e u e r - u n d Z o l l h e h l e r e i vgl. RAbgO § 403. — Nach den Metallverkehrsges. v. 29. 6. 26 und v. 28. 6. 29 § 18 auch f a h r l ä s s i g e Hehlerei strafbar. Dazu Siebecke MDR 50, 145, BGHSt. 2 262, 355, E 60 349. Als Vermögensdelikt ist H. nicht möglich an w e r t l o s e n Sachen, die der Eigentümer nach behördlicher Vorschrift hätte vernichten müssen: LG Hagen DRZ 40 30. —• Bezugsseheinvordrucke hatten Vermögenswert: Celle NdsRpfl. 47 108; vgl. auch HannRpfl. 47 71. II. Objekt der H. sind nur „Sachen" (bewegliche oder unbewegliche). Auch eigene: die z. B. ein Dritter zugunsten des Eigentümers dem Pfandgläubiger weggenommen hatte (E 18 303, 20 222). III. Vortat. — a) Sie muß tatsächlich begangen sein. Die Wortfassung, als ob „annehmen müssen" genüge, ist mißverständlich: E 6 218 (Plenarentscheidung). b) Die Vortat muß vollendet sein. Der Mittäter der Vortat kann also nicht bezüglich derselben Sache außerdem Hehler sein. Wer eine fremde Sache vom Dieb erwirbt, ist Hehler. Wer sie aber von einem erwirbt, der durch diese Veräußerung U n t e r s c h l a g u n g begeht, macht sich der Beihilfe zu dieser Unterschlagung schuldig, es sei denn, daß man annimmt, der Gewahrsamsinhaber habe schon durch das Angebot der Sache eine vollendete U. begangen. Hierzu E 34 304, 54 52, 67 72, H R R 39 351, 595; Köln JMB1. NRW 50 235. c) Die Vortat muß strafbar sein. Hier besteht ein Problem der Akzessorietät. Jedoch nicht in gleicher Weise wie bei Anstiftung und Beihilfe (Vorbem. I I 2, 3, I I I E vor § 47). Deren Strafgrund ist die vorsätzliche Verursachung eines rechtswidrigen Verhaltens (so BGHSt. 4 355 betr. § 48, aber auch schon E 5 228, 15 316). Der des erst nachträglich tätigen Hehlers dagegen das eigennützige Zusammenwirken mit dem Vortäter zur Auswertung seines Verbrechens (näheres oben I). Der Hehler muß also bewußt aus einem Delikt seinen Vorteil ziehen wollen. Daran fehlt es, wenn der Vortäter nicht vorsätzlich oder ohne Unrechtsbewußtsein gehandelt hatte, nicht aber, wenn er lediglich unverantwortlich ist. So ausdrücklich Thür. § 259 Abs. 4. „Der Hehler ist auch dann strafbar, wenn der Vortäter nicht zurechnungsfähig ist." Ebenso BGHSt. 1 50, Oldenburg NJW 53 1237. Im wesentlichen wie hier Härtung N J W 49, 324, Bockelmann N J W 50, 850. Weiter gehen die Entwürfe (§ 353 E 27, 30: unabhängig von der Strafbarkeit des Vortäters) und BGHSt. 4 76 ( = JZ 53 637, Niese, = J R 53 186, Welzel), wo Bew. d. RW f ü r den Vortäter nicht verlangt wird, noch weiter BGH NJW 52 945,vgl. auch NJW 53 1237. Dazu I I I E vor §47. Vgl. noch Schröder MDR 52, 68; Sax MDR 54, 65. - Daß strafbare H. möglich, wenn f ü r die Vortat nur „Bedingungen der Strafbarkeit" oder persönliche StrVoraussetzungen oder Bedingungen der Verfolgbarkeit fehlen (Vorbem. VI, VII vor § 1), nimmt die herrsch. M. mit Recht an. d) Die Vortat muß gegen die Vermögensrechte eines anderen gerichtet gewesen sein. Das folgt aus dem „Grundgedanken" der Hehlerei (s. Anm. I). Wer freilich das Wesen der H. in der Teilnahme an einem strafbar erworbenen Gewinn sieht, hat keinen Anlaß, diese Voraussetzung aufzustellen. Strafbare Hehlerei ist möglich naöh Diebstahl (üblicher Fall), Raub, Betrug (E 55 281, 59 128), unter bes.

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Umständen Unterschlagung (E 58 230, 67 70); wohl auch (je nachdem, ob Vortat zu einer rechtswidrigen Sachverschiebung geführt hat) nach Urkundendelikt (52 95), Eidesdelikt (4 440). Dagegen ist H. n i c h t anzunehmen, wenn die Sache erbettelt war (E 6 218 PlenEntsch.), wenn sie geschmuggelt war (Rechtspr. 4 487) oder trotz Erwerbsverbot erworben war (E 37 230 Singvögel, 52 318 beschlagnahmte Sache, 54133 Schleichhandel); nicht, wenn durch strafbare Unzucht erworben ( E l l 342); überhaupt dann nicht, wenn der Vortäter u n a n f e c h t b a r e s E i g e n t u m erworben hatte. Celle GA 1954 348 (Vermischung). Die Rechtmäßigkeit der Erlangung ist jedoch, wie bei allen Vermögensdelikten, m a t e r i e l l zu beurteilen (oben V H I b zu § 253). Ein Anklang an diese Betrachtungsweise bei Mezger J Z 52, 433 („Makel"), dem jedoch im Falle des Wechselgeldes nicht gefolgt werden kann; vgl. zu IV. N i c h t , wenn Vortat nur deshalb strafbar, weil sie gegen Wirtschaftsgesetze verstieß. E 75 25 (29); Freiburg HESt. 1 10. Ebenso schon E 52 95 u. 318, 53 30, 54 132. Anders, mit unhaltbarer Begr., LG Bonn N J W 48 530 (abl. Anm. Dahs). Zutr. Frankfurt N J W 49 599. - Hehlerei an Hehlergut: BGH LM Nr. 2. - Der Gedanke des § 370 Nr. 5 hier nicht anwendbar: KG J R 51 213. IV. Hehlerei an Ersatzsachen. — Strafbar erworben sind zunächst nur die unmittelbar durch die strafbare Vortat erlangten Sachen; der für sie erzielte E r l ö s oder die für sie e i n g e t a u s c h t e Sache (z. B. gewechseltes Geld) können nur dann Gegenstand strafbarer Hehlerei sein, wenn auch der Erwerb dieser Ersatzsachen „strafbar" war: z. B. ist das Geld, das der Dieb von einem gutgläubigen Käufer der gestohlenen Sache erhält, durch Betrug erlangt, das gewechselte Geld durch Zueignung des gestohlenen (§ 246 ist für den Vortäter eine deliktische, wenn auch vorbestrafte und daher konsumierte Nachtat). Hiergegen nicht überzeugend Braunschweig JZ 52 432 (Mezger). K e i n derartiges Erlangen liegt in der V e r m i s c h u n g eigenen Geldes mit veruntreutem. BGH J R 58 466, wonach in solchen Fällen Hehlerei insoweit möglich sei, als die empfangene Summe den Miteigentumsanteil des Vortäters überschreite, steht daher nicht in Einklang mit der sonst vertretenen Aufrechterhaltungstheorie (so zutr. Anm. Mittelbach). Vgl. oben Anm. I. Die Rechtspr. des RG hat Hehlerei an E r s a t z s a c h e n u n m i t t e l b a r n i c h t angenommen; z. B. nicht an dem von einem gestohlenen Sparkassenbuch abgehobenen Geld: E 26 317, 39 236 (vgl. auch E 47 313, 57 159). Auch E 29 155 steht nicht entgegen. Ebenso Braunschweig J Z 52 432, Oldenburg N J W 52 557. Abgesehen von den Fällen vorbestrafter Nachtat (s. o. und III 3 vor § 73) kann angesichts der Sachgebundenheit der Hehlerei, die sich aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes ergibt, die Hehlerei an Ersatzsachen erst durch eine Erweiterung des Gesetzes erfaßt werden, wie sie z. B. Entw. 1927 § 350 Abs. 2 vorsah. A. A. Mezger a. a. 0 . , Schönke-Schröder V 4. Wie hier Maurach § 42 I, Welzel § 57 III. V. Hehlerhandlungen: a) Verheimlichen, d . h . der Kenntnis des Berechtigten oder der Behörde entziehen, auch durch Ableugnen des Besitzes oder irreführende Angaben über den Verbleib der Sachen (E 54 280, 56 61, Schleswig SchlHA 53 58, 219). Vernichten der Sache n i c h t : Tübingen DRZ 48 257. - Eigene Verfügungsgewalt hier nicht erf. — b) Ankaufen, zum Pfände nehmen nur Unterfälle des Ansichbringens, vgl. zu c) sowie BGHSt. 2 266. A. A. Maurach §42 II A l e (alle Fälle selbständig und gleichwertig, daher sei schon Kaufabschluß vollendete H.). Bösgl. Ankauf von Eisenträgern auf Trümmergrundstück nicht H., sondern §§ 242/47ff.: Köln JMB1. NRW 53 9. Kaufabschluß genügt nicht: E 59 204; wohl

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aber Erwerb eines Pfandscheins: E 70 37 (bestr., vgl. Maurach § 4 2 1 1 mit Zit.). Erlangung e i g e n e r Verfügungsgewalt nicht nötig; daher „kauft" auch der Gewerbegehilfe „an", sofern er selbständig für den Geschäftsherrn erwirbt: BGHSt. 2 262 (betr. § 18 UnedlMetGes.), 355 gegen RG (st.). Dazu Maurach J Z 52, 714. c) Ansichbringen, d.h. V e r f ü g u n g s g e w a l t erlangen (auch durch Angestellte: E 6 4 21). Und zwar durch a b g e l e i t e t e n Erwerb; wer eine gestohlene Sache dem Dieb stiehlt oder wer eine solche findet und behält, begeht Diebstahl oder Unterschlagung, nicht Hehlerei (E 54 280, 57 203, 63 35). Und zwar im E i n v e r s t ä n d n i s b e i d e r Beteiligter (E 64 326). Bei einseitig dem Erwerber geleisteter Unterstützung höchstens Beihilfe zu dessen Hehlerei: Düsseldorf N J W 4 8 491. — Darlehnsnahme ist A.: BGH J R 58 466 (Anm. Mittelbach). V e r n i c h t e n ist kein Ansichbringen: Tübingen DRZ 48 257. — M i t g e n u ß gestohlener Sachen nach Erlangung der Verfügungsgewalt genügt, wenn die Ehefrau unabhängig von der nunmehr beseitigten oder nur noch nebenher fortbestehenden Verfügungsgewalt des Ehemannes verfügt (E 39 308 und 365). Ebenso E 71 341 (wonach jedoch, wenn das Maß des notwendigen Lebensunterhalts weit überschritten werde, § 259 „entsprechend" anzuwenden sei). OGHBrZ und BGH treten im Ergebnis dem RG bei. OGHSt. 1 176ff. fordert eigene (Mit-)Verfügungsmacht des Hehlers mit der doppelten Argumentation, daß auch das „Ankaufen" oder „Inpfandnehmen" eine solche begründe, und daß die „natürliche Handlung" des Mitgenusses innerhalb des Haushalts dem volkstümlichen Bilde des Hehlers nicht entspreche. BGHSt. 2 266 betont, daß Mitgenuß überhaupt keine neue Verfügungsgewalt begründe; daher fehle es am a b g e l e i t e t e n Erwerb. Erst wer eine selbständige Tätigkeit entfalte, bringe an sich. Ebenso BGH N J W 52 754; vgl. BGHSt. 2 355, wonach keine e i g e n e Verfügungsgewalt erforderlich. Düsseldorf HESt. 2 38 ( = S J Z 49 204 mit Nachweisen aus der Rspr. der OLG, zust. Anm. Mezger) sieht auch den bloßen Mitgenuß durch die Ehefrau, ohne daß diese eigene Verfügung erlangt hätte, als Hehlerei an, sofern er aus eigennützigen Motiven erfolge. Daran aber fehle es regelmäßig, wenn sich die Diebesbeute im Rahmen des vom Ehemann zu bestreitenden notwendigen Lebensunterhalts halte. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Wenn die Ehefrau zentnerweise gestohlenes Fleisch einweckt (vgl. OGHSt. 1179), muß sie bei entsprechender Motivation als Hehlerin bestraft werden, ob ihr Mann das nun angeordnet hatte oder nicht (vgl. aber OGH a. a. O.). Entscheidend ist, daß sie in solchen Fällen den sich aus ihrem häuslichen Wirkungskreis mit seinen besonderen Rechten und Pflichten ergebenden Rahmen des s o z i a l a d ä q u a t e n Handelns verlassen hat. Dies meint im Grunde wohl auch OGHSt. 1 177 mit seinem Hinweis auf das „natürliche" Handeln und das „volkstümliche Bild des Hehlers". Aber es handelt sich hier nicht um einen normativen Tätertyp, sondern um die Grenzbreite sozial ambivalenten Handelns. Entsprechend ist in den vom OGH genannten weiteren Beispielen des Mitgenusses durch Hausangestellte und Entleihens gestohlener Sachen durch Verwandte oder Hausgenossen zu entscheiden; nur so läßt sich gefährlichen Auswirkungen der jetzigen Rspr., auf die Maurach J Z 52, 715 hinweist, entgehen. Gelegentliche Benutzung eines gestohlenen Fahrrads durch einen Hausgenossen des Diebes ist keine Hehlerei (zutr. Oldenburg MDR 48 30). Wer aber seine Lebenshaltung aufbessert, indem er dauernd ein gestohlenes Auto fährt, ist Hehler, auch wenn er jedesmal den Dieb um Erlaubnis fragt. Schon E 39 311 weist auf den Zusammenhang zwischen dem TBMerkmal des Ansichbringens und dem der Eigennützigkeit hin. Dann aber kann es,

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wie auch BGH a. a. O. betont, nicht entscheidend auf die Erlangung eigener Verfügungsmacht ankommen, sondern die sinngemäß einschränkende Auslegung des Begriffs „seines Vorteils wegen" führt zur Ausscheidung der sozial adäquaten oder doch indifferenten Handlungen, die verkehrsüblich hingenommen werden. Zu diesem Maßstab vgl. auch oben § 253 V l l l b . Im übrigen verlangen die Tatbestände des „Mitwirkens zum Absatz" und des „Verheimlichens" (bei dem das sozial Inadäquate des Verhaltens als Kriterium besonders deutlich wird) unbestritten keine eigene Verfügungsgewalt des Hehlers. Wie hier Schneider N J W 54, 16. Im Erg. i. w. übereinst, v. Hippel Lb., S. 267 Anm. 3, Schönke-Schr. VI 1, Welzel § 57 II, Maurach § 42 II, Mezger SJZ 49, 209, der aber ebenso wie Düsseldorf a. a. O. (vgl. auch Gallas ZAkDtR 38, 28) zu Unrecht meint, die Perpetuierungstheorie könne nicht zu diesem Ergebnis kommen. Mit der Frage der Sachgebundenheit der Hehlerei hat das hier behandelte Problem nichts zu tun. Und daß der Täter „seines Vorteils wegen" handeln müsse, leugnet auch die Perpetuierungstheorie nicht. — d) Zum Absatz bei anderen mitwirken, d. h. die wirtschaftliche Verwertung durch Veräußerung fördern; z. B. die Sachen zum Händler schaffen, Käufer heranbringen oder nennen, in bewußtem Zusammenhang mit dem Willen des an der Vertreibung Interessierten, der aber nicht notwendig der Dieb zu sein braucht. Vorausgesetzt ist hier also ein Zusammenwirken mit dem Veräußerer oder ein Tätigwerden für ihn. Es ist noch möglich, wenn sich der Täter zwar bereits die Verfügungsgewalt versohafft hat, aber nicht die alleinige. Vgl. E 24 352, 40 199, 54 124, 69 200. Nach E 55 58, 67 80 genügt Übernahme in Verkaufskommission. Wegen Absatz von gestohlenem Geld vgl. E 72 87, Hamm, NJW 54 1380 (betr. Durchbringen in Lokalen; kein Widerspruch zu BGH NJW 52 754, s. o. zu c). BGHSt. 9 137 (138) wendet sich allerdings gegen Hamm a. a. O. und erklärt allgemein, das bloße Mitverprassen des vom Täter erbeuteten Geldes sei kein M. z. Abs. Kaum vereinbar damit bejaht BGHSt. 101H. der Freundin, die sich ein aus der Verbrechensbeute bezahltes Kleid schenken läßt. —• Der „andere" kann auch der Bestohlene selber sein, der z. B. die Sache nicht wiedererkennt (E 30 401, 54 124). — Hehlerei durch Unterlassung: Celle HESt. 1 109. VI. Subjektiver Tatbestand: 1. Vorsatz, d. h. W i s s e n , daß die Sache strafbar erlangt war. Hierfür aber gibt §259 eine B e w e i s r e g e l : jenes „Wissen" wird (widerleglich) vermutet, wenn der Täter—oder Teilnehmer: BGHSt. 2 146, 5 51 — die strafbare Herkunft „den Umständen nach annehmen mußte", wodurch „ein in Beziehung auf den Vorsatz unvollständiges Beweisergebnis bis zur vollen Schuld ergänzt wird" (so E 55 204,214,64 4, DR 42 217). Abw. Bockelmann NJW 54,1745: Unterstreichung der freien Beweiswürdigung (prima-facie-Beweis). Die Umstände müssen dem Täter das Wissen um die strafb. Herkunft geradezu aufgedrängt haben. Braunschweig NJW 47 110. Diese „Umstände" sind gesetzliches Tatbestandsmerkmal des § 259 und müssen deshalb in den Urteilsgründen gemäß § 267 I StPO angegeben werden (E 64 4). Eigene Handlungen und Unterlassungen des Täters sind niemals „Umstände": BGH NJW 53 552. — Zu diesem Begriff auch Braunschweig NdsRpfl. 54 111. — Daß die Sache auf dem Schwarzen Markt verkauft worden ist, genügt allein nicht: Kiel SchlHA 48, 105. Auch nicht die Herüberschaffung von einer Bes.-Zone in die andere: Braunschweig NdsRpfl. 48 96. — Betr. Bücher einer öff. Bibliothek AG Hamburg MDR 49 574 (abl. Anm. Figge) — F a h r l ä s s i g k e i t betr. des vitiösen Erwerbs genügt nicht. Steht also der gute Glaube des Täters positiv fest, so ist, auch wenn er unentschuldbar war, freizu-

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sprechen, N J W 55 350. Dazu Heimann-Trosien, N J W 52, 366. Vgl. auch E 56 160. Die Metallverkehrsgesetze strafen fahrlässige Hehlerei ausdrücklich. Hierzu oben Anm. I. 2. Vorteilsabsicht. Vgl. Anm. I I zu § 258 und BGHSt. 6 60: Eigennutz als Triebfeder. E r muß der bestimmende, wenn auch nicht der einzige Beweggrund sein; nicht wenn die Sache nur angenommen wird, um sich die Gunst des Vortäters zu erhalten: B G H N J W 58 678. Vermögensvorteil ist nicht verlangt (E 51 179: Besitzund Gebrauchsrecht des Entleihers; E 54 338: Abwendung einer drohenden Strafanzeige). Irrige Annahme, Vorteil zu erlangen, genügt: E 56 98. Erhaltung oder Sicherung des bisherigen Einkommens, der Arbeitsstelle, B G H N J W 54 480, BGHSt. 6 59 (mittelbarer Nutzen genüge; auch bei Gehaltsempfängern; ebenso K G N J W 53 558 mit lit. Nachweisen). Grundlegend hierfür waren BGHSt. 2 262, 355; hierüber oben Vb). Zur neueren Rspr. Bruns N J W 54, 1066. VII. Verhältnis zur Vortat. 1. M i t t ä t e r der Vortat können nicht Hehler der durch sie erlangten Sachen sein (E 34 304, 54 32, Celle H E S t . 112). Aber nach BGHSt. 3 193 ( = J Z 53 86, zust. Anm. Mayer) ist nach Verteilung der Beute H. eines Mittäters möglich (gegen E 34 304); ber. Bedenken bei Jescheck GA 1955, 104, Schönke-Schröder I X . War aber die spätere Abnahme des Diebesgutes von vornherein verabredet, so ist die Mitwirkung zum Absatz vorbestrafte Nachtat. 2. Nach BGHSt. (Gr. Sen.) 7134 ( = MDR 55 369, Anm. Schwalm) sind dagegen A n s t i f t e r und G e h i l f e n der Vortat, die anschließend Hehlerhandlungen begehen, auch aus § 259 zu strafen, und zwar auch dann, wenn sie bereits bei der Teilnahme auf die Beute abzielen. Der Gr. Sen. kehrt damit gegen BGHSt. 2 315, 4 41, 5 156 zur Rspr. des R G zurück (E 5 282, 8 371, 32 394, 73 322, dazu kritisch BGHSt. 2 316). E r schließt aus dem Zusammenhalt der (vielfach veränderten) gegenwärtigen Strafrahmen, das Gesetz halte den Hehler grundsätzlich f ü r gefährlicher als den Dieb, Erpresser, Betrüger oder Ungetreuen, vergleicht dabei aber im wesentlichen die gewerbsmäßige Hehlerei mit dem einfachen Fall der Vortaten. 1936 standen zudem nur 242 aus § 260 Verurteilten 5756 aus § 259 gegenüber, dagegen z. B. 10247 aus § 243, 46840 aus § 242. Gewiß darf der gewerbsmäßige Hehler bei Teilnahme an der Vortat nicht besser stehen als ohne sie (BGHSt. 7 S. 143). Aber hier konsumiert die Vortat nicht die Nachtat, sondern gilt, wie stets in solchen Fällen, a l t e r n a t i v die schwerste Strafdrohung (ähnlich Jescheck GA 1955, 104, Niese J Z 55, 329). Zum Erfolg der Teilnahme gehört nicht der Beuteanteil (S. 141). Aber auch (entgegen S. 137) nicht zu dem der Mittäterschaft. Die anstößige Ungleichheit ihrer Behandlung, die die stärkere Beteiligung provozieren m u ß (vgl. Schönke-Schröder IX), bleibt unerklärt. Auch der Gedanke, die Hehlerei verletze neben dem Vermögen allgemeine Sicherheitsinteressen und werde deshalb nicht durch die Strafe der Vortat abgegolten (S. 141 f.), müßte den Mittäter in gleicher Weise treffen, ja auch den Alleintäter der Vortat (vgl. aber dagegen z. B. BayObLG N J W 58 1597, oben § 242 Anm. I I I 2 a). E r ist zudem nicht gegen den Einwand gesichert, daß jenes Interesse bei allen Delikten verletzt werde. Rechtsstaatlich ist die Verwässerung des Rechtsgutsbegriffs bedenklich (dazu grundsätzlich J Z 58, 671). Unhaltbar war auch der Versuch in BGHSt. 5 378 ( = MDR 54 436, Anm. Mittelbach), Anstifter und Gehilfen verschieden zu behandeln. ' BGHSt. 8 390 (392) erkennt, daß die Auffassung des Gr. Sen. „nur dann nicht zu ungerechtfertigten Ergebnissen f ü h r t , wenn man grundsätzlich denjenigen, der

Begünstigung und Hehlerei § 260

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sich vor einem Diebstahl zu späteren Hehlerhandlungen erboten hat, als Gehilfen oder Anstifter und nicht als Mittäter beim Diebstahl ansieht". Aber eine derartige abstrakte Beweisregel (vgl. schon Mittelbach J R 58, 431) ist rechtlich bedenklich und auch wenig lebensnahe. Der Schwerpunkt des Tuns kann einmal im Mitwirken bei der Zueignung, ein andermal in dem beim Absatz liegen. J e nachdem ist straflose Nach- oder Vortat gegeben (über deren konkrete Alternative s. o. zu BGHSt. 7 143). 3. A n s t i f t u n g des H e h l e r s durch den D i e b ist straflose Nachtat. So zutr. BayObLG J R 58 429 (zust. Anm. Mittelbach) unter kritischer Distanzierung von den Grundsätzen der BGHSt. 7 134 und 8 390 (s. o. zu 2.). VIII. Verhältnis zu anderen Straftaten: Mit sachlicher wie persönlicher B e g ü n s t i g u n g nach E 47 220, 53 179 trotz § 258 IdKonk. möglich. — U n t e r s c h l a gung : a) Wenn eine U. erst dadurch begangen wird, daß der Gewahrsamsinhaber die fremde Sache verkauft, verschenkt (vgl. Anm. I I I zu § 246), so sind Käufer, Geschenknehmer nicht H., sondern Mittäter bzw. Gehilfen bei der U. b) Ist aber der Zueignungsakt des Gewahrsamsinhabers dem Verkauf usw. vorhergegangen, so sind Käufer usw. Hehler (E 55 145, 58 230, 67 70). Über Grenzfragen betr. Abschluß der U. vgl. Braunschweig N J W 47 109 (abl. Anm. Wiegmann) und N J W 49 477 (betr. U.-Versuch). c) Bestand bei der Hehlerhandlung schon Gewahrsam des Hehlers, so wird sie tatbestandsmäßig meist Unterschlagung sein, die dann aber in Gesetzeskonkurrenz (vgl. Vorbem. I I I 4 vor § 73) zu H. tritt und neben dieser nicht strafbar ist (E 56 335). d) Nur U., falls bei nachfolgender Bösgläubigkeit ohne Einverständnis mit dem Vortäter verfügt wird: BGHSt. 10 151. — E r pressung : E 35 278 IdKonk. — B e t r u g : E 50 254, 59 128 IdKonk. — S t e u e r h e h l e r e i : E 57 105 IdKonk. IX. Versuch, falls der Täter irrig Tatsachen als vorhanden annahm, bei deren Vorliegen die Sachen i. S. der Anm. I I I durch eine strafbare Handlung erlangt sein würden (E 64 130, Oldenburg N J W 53 1404). — Außerdem bei „Anfang der Ausführung der Hehlerhandlungen" der Anm. V. — Strafbarkeit des Versuchs auf Grund der VO v. 29. 5. 43. X. Die Strafbemessung hat zu beachten, daß Hehlerei gegenüber der Vortat keine Nebentat, sondern selbständig ist und einen eigenen (durch § 260 erweiterten) StrRahmen hat. Nur innerhalb dieses Strafrahmens kann der Schwere der Vortat geeignetenfalls Rechnung getragen werden. E 73 398.

Oewerbs- und, gewohnheitsmäßige

Hehlerei

§ 260

(1) Wer die Hehlerei gcwerbä- oder gewohnheitsmäßig betreibt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein. Vorbem. Abs. 2 eingefügt durch 3. StÄG. I. Hehlerei: auf §§ 258. 259 bezogen.

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Begünstigung und Hehlerei §§ 261, 262

IL Gewerbs- oder gewohnheitsmäßig: in der Absicht, „sich durch wiederholte Hehlerei eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer zu schaffen". E 54 184, 51 97, 53 155, BGHSt. 1 383. Die Voraussetzung kann schon bei e i n e r Hehlerhandlung gegeben sein: E 72 285. Vgl. auchVorbem. I I B 3 vor § 73. Aber wegen der hohen Strafdrohung e n g auszulegen: nur wenn k r i m i n e l l e s Gewerbe beabsichtigt. H a m m N J W 49 727; das gilt auch nach Einfügung des Abs. 2, da Regelstrafrahmen unberührt. Ausdrücklich hiergegen aber BGHSt. 1 383. „ P e r s ö n l i c h e E i g e n s c h a f t " § 50 Anm. I I I . — Keine Zusammenfassung zu einer Sammelstraft a t , BGH N J W 53 955. III. Auch ein Gehilfe kann unter § 260 fallen, wenn er selber sich durch die Hehlerei des Haupttäters eine fortlaufende Einnahmequelle verschaffen will: D R 41, 1285; H R R 41, 456. IV. Versuch strafbar. Anm. I X zu § 259 und Freiburg D R Z 47 65. Wegen R ü c k f a l l Anm. zu § 261. V. Wegen StrBemessung Anm. X zu § 259.

Sachhehlerei im zweiten

Rückfall

§261

(1) Wer im Inlande wegen Hehlerei einmal und wegen darauf begangener Hehlerei zum zweiten Male bestraft worden ist, wird, wenn sich die abermals begangene Hehlerei auf einen schweren Diebstahl, einen Raub oder ein dem Raube gleich zu bestrafendes Verbrechen bezieht, mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter einem Jahre ein. (2) Bezieht sich die Hehlerei auf eine andere strafbare Handlung, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter drei Monaten ein. (3) Die in dem § 245 enthaltenen Vorschriften finden auch hier Anwendung. Ist eine gewerbs- und gewohnheitsmäßige H . im Rückfall begangen, so ergibt die Vereinigung der Strafandrohungen aus § 260 und § 261 („gegenseitige Subsidiarit ä t " ) , daß die Strafe aus § 261 zu entnehmen ist, unter Außerachtlassung etwaiger mildernder Umstände. E 66 333. - Auch Verbr. gem. § 17 UnedlMetG ist schwerer Diebst.: BGHSt. 5 253. - Hehlerei: auch §258, vgl. dort Anm. I. — Betr. Rückfall vgl. §§ 244, 245.

Nebenstrafen

§ 262

Neben der wegen Hehlerei erkannten Gefängnisstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und neben jeder Verurteilung wegen Hehlerei auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. Hehlerei: §§ 2 5 8 - 2 6 1 . Vgl. im übrigen zu §§ 32ff., 38, 45.

Betrug und Untreue. Vorbemerkungen

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Zweiundzwanzigster Abschnitt Betrug und Untreue Vorbemerkungen I. Betrug und Untreue sind ebenso wie Erpressung und Wucher Vermögensververbrechen, und zwar in eigentlichem Sinne: Sie greifen das Vermögen als wirtschaftliches Ganzes (unten Anm. V) an, während sich Diebstahl, Unterschlagung und die übrigen in Vorbemerkung § 242 genannten Delikte gegen die Eigentumsund Besitzordnung und verwandte Einzelrechte richten, wobei nicht in jedem Einzelfalle ein Vermögensschade eingetreten zu sein braucht. I m Gegensatz zu dieser Gruppe unterscheiden sich daher Betrug, Untreue usw. nicht durch das geschützte R e c h t s g u t voneinander, sondern durch die A n g r i f f s a r t (List; Mißbrauch einer Rechtsmacht oder Treubruch; Gewalt und Drohung; Ausbeutung der Notlage, des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit). Bei der Untreue ist weitere Voraussetzung, daß ein schutzwürdiges Vertrauensverhältnis besteht. Aus diesem Grunde versagt mit Recht E 70 9 dem Dieb den Schutz des § 266 gegenüber dem Hehler, der die Diebesbeute abredewidrig auf eigene Rechnung verkauft. Auf den Begriff des Vermögens oder des Vermögensschadens geht diese Entscheidung mit Recht nicht ein; denn hierfür oder f ü r die Systematik der Vermögensverbrechen folgt aus jener tatbestandlichen Besonderheit des § 266 nichts. Insbesondere läßt sich aus ihr nicht ableiten, daß auch bei den übrigen Vermögensverbrechen das Opfer schutzwürdig sein müsse. Den Polgerungen aus dieser Entscheidung, die Kohlrausch (Festschrift f ü r Schlegelberger 1936, 222ff.) erwägt und Bockelmann (Festschrift f ü r Kohlrausch 1944, 233) zieht, kann deshalb nicht zugestimmt werden. Das RG h a t bis zuletzt in der Vermögensschädigung allein und nicht in der Täuschung fremden Vertrauens das Wesen des Betruges gesehen. So ausdrücklich E 74 169 (vgl. Anm. VIII). Wie hier L K I 1 (mit Übersicht). — K r i m i n o l o g i s c h gesehen sind allerdings Betrug und Untreue Ausbeutung fremden Vertrauens. Der Betrüger beutet ein Vertrauensverhältnis aus, das er zwecks Ausbeutung durch Vorspiegelung herstellt, der Ungetreue ein Vertrauensverhältnis, das schon besteht. Insofern verhält sich der Betrug zur Untreue wie die Erpressung zum Wucher, nur daß hier eine Zwangslage, dort eine Vertrauenslage ausgebeutet wird. II. Betrug und Erpressung haben (anders als R a u b und Diebstahl) gemeinsam, daß das Opfer sich oder einen Dritten selber schädigt. Sie unterscheiden sich dadurch, daß der Getäuschte nicht weiß, daß er sich (oder einen Dritten) schädigt, der Genötigte nicht anders kann. Der Betrogene würde so nicht handeln, wenn er die Lage übersähe; der Erpreßte nicht, wenn er nicht unter Druck gesetzt wäre. Die Kritik, die E 70 255 an dem Satz übt, der Betrogene wisse nicht, was er tue, scheint von einem Mißverständnis auszugehen; im dort gegebenen Fall wußte er es in der T a t nicht. Gleiches gilt f ü r J W 38 2269, wo freilich der Tatbestand nicht vollständig mitgeteilt ist. Auch E 44 230 (245) PlenEntsch. steht dem nicht entgegen, daß zum W e s e n des Betrugs gehört, daß der Betrogene die Bedeutung seiner Verfügung nicht übersieht. Zweifelhaft könnten höchstens die dem sog. B e t t e l b e t r u g ähnlich liegenden Fälle sein. Allein auch der unter Vorspiegelung der Armut, körperlicher Gebrechen, der Heimkehr aus der Gefangenschaft Angebettelte weiß nicht, daß die Voraussetzung, unter der er schenken wollte, nicht vorlag. Dadurch wird, was er f ü r Wohltätigkeit hielt, zu einer f ü r ihn sinnlosen S e l b s t -

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Betrug und Untreue § 263

S c h ä d i g u n g (der Angebettelte selber, der auf die Vorspiegelung hin etwas gab, wird sich zweifellos „geschädigt" fühlen; aber auch objektiv ist der soziale Sinn der Vermögensverschiebung ein ganz anderer als der Getäuschte meint und will) und der Bettler zum Betrüger. I m Ergebnis ist deshalb den Urteilen E 4 352, 6 360, 53 225 beizutreten, bezüglich der Begründung kann man zweifeln. Vgl. LG Aachen N J W 50 759 betr. Grußbesteller, BayObLG N J W 52 798 betr. Spendenliste. F ü r Strafbarkeit auch Welzel § 5 3 1 2 , Maurach § 38 I I B, Schönke-Schröder VI 2, Mezger S t B I I 172. A. A. F r a n k VI l a .

1) Betrug: a) einfacher

§ 263

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdriikkung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird wegen Betruges mit Gefängnis bestraft, neben welchem auf Geldstrafe sowie auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann ausschließlich auf die Geldstrafe erkannt werden. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) In besonders schweren Fällen tritt an die Stelle der Gefängnisstrafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren. (6) Wer einen Betrug gegen Angehörige, Vormünder oder Erzieher begeht, ist nur auf Antrag zu verfolgen. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig. Aus dem neueren Schrifttum: G r ü n h u t , Der strafr. Schutz wirtschaftlicher Interessen, RG-Festschrift V, 1929, 116. — H i r s c h b e r g , Der Vermögensbegriff im Strafrecht, 1934. — S c h r ö d e r , Über die Abgrenzung des Diebstahls von Betrug und Erpressung, ZStW 60, 33. — B o c k e l m a n n , Der Unrechtsgehalt des Betruges, Kohlrausch-Festschrift 1944, 226. — D e r s e l b e , Die Behandlung unvollkommener Verbindlichkeiten im Vermögensstrafrecht, Mezger-Festschr. 1954, 363. — W e l z e l , Zum Schadensbegriff bei Erpressung und Betrug, N J W 53, 652. — B r u n s , Gilt die Strafrechtsordnung auch f ü r und gegen Verbrecher untereinander? MezgerFestschr. 1954, 335. — B a u m a n n , Betrug durch vom Geschäftspartner nicht verstandene Vertragsformulierung, J Z 57, 367. — H a u p t , Der Vermögensschaden beim Anstellungsbetrug, N J W 58, 938. — M ü l l e r , Rudolf, Straftatbestand bei Wechselreiterei und Weitergabe von Austauschwechseln, N J W 57, 1266. — O b e r m ü l l e r , Kredit durch Finanzwechsel N J W 58, 655. — O e h l e r , Liegt bei gutgl. Erwerb vom Nichtberechtigten ein Vermögensschaden im Rahmen d. Betruges v o r ? GA 1956,161. — S c h ä f e r , Die Selbsttäuschung der Okkulttäter, GA 1956, 289. — S e i b e r t , Zum fahrlässigen Betrug N J W 56, 1466. — T r a u b , Betrug bei Veräußerung unterschlagener Sachen an einen gutgläubigen Erwerber N J W 56, 450. — Kriminologisch: Z i r p i n s , Kriminalpathologie des Wechselgeschäfts, i n : Bekämpfung der Wirtschaftsdelikte (BKrimAmt) S. 123.

Betrug und Untreue § 263

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1. Wesen des Betrugs: Vgl. Vorbem. I. — Seinem Begriffe nach ist der Betrug ein Vermögensverbrechen, gekennzeichnet durch die in Bereicherungsabsicht mittels Täuschung erfolgende Vermögensschädigung. Im einzelnen sind seine Tatbestandsmerkmale: I. O b j e k t i v : 1. Täuschungshandlung, 2.Irrtum des Getäuschten, 3. Vermögensverfügung des Getäuschten, 4. Vermögensschädigung, 5. Kausalzusammenhang von 1 — 4. — II. S u b j e k t i v : 1. Vorsatz, 2. Erstrebung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils. II. Täuschung. — 1. Tatsache: Etwas Geschehenes oder Bestehendes (vgl. auch Anm. I zu § 186). Auch innere, z. B. die Absicht, liefern oder bezahlen zu wollen (Kreditbetrug! Zechprellerei!). E 24 216, 405, 41 27. Bei Vorspiegelung einer inneren Tatsache genügt aber dol. ev. nicht. E 30 333. Bei Spiel und Wette Betrug, wenn ein Teilnehmer beim Abschluß über den Gewinnfall ein dem anderen verheimlichtes Wissen hat: E 62 415. — W e r t u r t e i l e sind auch hier von T.-Behauptungen zu scheiden (vgl. auch § 185 gegen §§ 186,4 187; und Unterschied zwischen Zeugen und Sachverständigen im Prozeß): übertreibende Reklame also nicht ohne weiteres Betrug. E 25 182, 56 227. 2. Vorspiegelung f a l s c h e r Tatsachen ist Behauptung einer Tatsache (s. oben) in Kenntnis ihrer Unrichtigkeit. E 24 144. Auch durch s c h l ü s s i g e H a n d l u n g e n . Wer z. B. eine Sache zum Kauf anbietet, behauptet damit stillschweigend, daß er Eigentümer oder jedenfalls verfügungsberechtigt sei. Wer einen Scheck in Zahlung gibt, behauptet damit, daß er — jedenfalls bei Einlösung — gedeckt sei; im einzelnen Tatfrage, BGHSt. 3 69, vgl. Niese NJW 52, 691 u. 1186, Mezger JZ 51, 341, A. Mayer JZ 53, 25. Die Grenze zwischen positivem Vorspiegeln durch schlüssige Behauptungen, d. h. durch solche, in denen das Unrichtige nicht ausdrücklich gesagt wird, aus denen es aber als mitgesagt geschlossen werden muß, und bloßem rechtswidrigem Schweigen (darüber unten 4) ist flüssig; vgl. Baumann JZ 57, 367 über Vertragsformulierungen. Sie ist wichtig für K r e d i t b e t r u g (auch Zechprellerei; über diese BayObLG J R 58 66 (abl. Anm. Mittelbach) Wer Kredit nimmt, behauptet damit, zahlen zu wollen und am Fälligkeitstage zahlen zu können. Ein gewisses Risiko freilich wird der Kreditgeber stets bewußt auf sich nehmen. — Vgl. ferner E 42 147, 65 106, 66 56. — Bei Verwendung von Erfüllungsgehilfen kann B. in mittelbarer Täterschaft oder durch Unterlassung vorliegen: E 59 299. Anforderung nicht verausgabter Umzugskosten durch einen Beamten: E 60 294. — Eine B e s t e l l u n g v o n W a r e n enthält nicht das Versprechen, zahlungsfähig, wohl aber zahlungswillig zu sein: DR 43 74. Vgl. unten zu 4. betr. Abzahlungsgeschäfte. — Zurückhalten des Gewinnloses bei Ausspielung als Betrug: BGHSt. 8 289. — Wer einer Bank einen Finanzwechsel zum Diskont gibt, täuscht vor, es sei ein Warenwechsel (vgl. Müller NJW 57, 1266, Obermüller NJW 58, 655, mit Stellungnahme zur Rspr.). 3. Entstellung und Unterdrückung wahrer Tatsachen. E n t s t e l l e n : den Hergang oder die Bedeutung einzelner Tatsachen oder das Verhältnis mehrerer zueinander verzerren oder durch Hinzufügungen oder Auslassungen verschieben (ähnlich Frank I I 2). Vgl. jetzt auch § lOOd Abs. 3 (gröblich entstellen). U n t e r d r ü c k e n : ein Tun, das darauf berechnet ist, eine Tatsache der Kenntnisnahme eines anderen zu entziehen, z. B. Verdecken von Mängeln der Kaufsache: E 20 144; vgl. auch E 25 15, 27 75, 76 170.

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Betrug und Untreue § 263

4. Betrug durch Unterlassung ist zu unterscheiden von der durch positives Tun erfolgenden „Unterdrückung wahrer Tatsachen". Die Frage ist hier, wann es strafbar ist, wenn man b l o ß s c h w e i g t . Hierin kann ein (durch Unterlassung begangenes) Vorspiegeln falscher bzw. Unterdrücken wahrer Tatsachen liegen (je nachdem damit etwas nicht Vorhandenes als vorhanden hingestellt oder etwas Vorhandenes der Kenntnis eines anderen entzogen werden soll). Solches Schweigen ist strafbar, wenn eine Rechtspflicht zum Reden bestand. Die Frage ist (wie bei allen unechten Unterlassungsdelikten), wann eine solche Pflicht bestand. Über Offenbarungspflicht des Anwalts im Prozeß und ihre Grenzen: BGH NJW 52 1148. Der zum Pflichtverteidiger bestellte RA hat seinen Mandanten über eine bereits erhaltene Gebühr aufzuklären: BGH LM Nr. 40. Rechtspflicht hat z. B. der Zeuge im Prozeß E 86 114; der Empfänger von Arbeitslosenunterstützung, wenn er bezahlte Arbeit gefunden hat E 64 209 (anders sei es bei Empfängern von Fürsorgebeträgen, die, ohne befragt zu sein, keine rechtliche Offenbarungspflicht hätten: E 65 211). Über Vollendung des Rentenbetruges Stuttgart MDR 51 373 (mit Recht abl. Anm. Kohlhaas), Köln MDR 57 371 (wie E 62 418): Tat bis zur letzten Rentenzahlung „begangen", erst mit ihr beendet. — Wieweit eine m o r a l i s c h e oder s i t t l i c h e oder eine auf § 242 BGB b e r u h e n d e Pflicht zum Reden eine Strafbarkeit aus § 263 begründen könne, war früher zweifelhaft; so noch in E 46 416, 65 211. Das RGer. bejahte zuletzt, da es Fälle gebe, wo eine moralische Pflicht Rechtspflicht werde. Vgl. betr. K r e d i t g e s c h ä f t e , die typische Vertrauensgeschäfte seien: E 66 56 (Wechselhingabe zwecks Bargeldbeschaffung), 70 45 (Kundenauftrag an Bank, Wertpapiere zu kaufen: die Bank erteilte nur Abrechnung, schrieb die Papiere auf Stückekonto gut und machte dann Konkurs). Noch weitergehend bei Lieferung schlechter Ware: E 69 283. Zusammenfassung in E 70 151, dazu E 70 225. Ebenso BGHSt. 6 199 (Treu und Glauben gegenüber dem vorleistungspflichtigen Partner), vgl. auch BGHSt. 2 325 (Treupflicht des Arbeitnehmers). Forderung zu hoher, insbes. übertarifmäßiger oder übertaxmäßiger Vergütung bei planmäßiger Ausnutzung des Vertrauens: LM Nr. 5 (Krumme). — In allen Fällen eines BetrugB durch scheinbare Unterlassung ist aber Vorfrage, ob nicht positives Tun vorlag (oben zu 2). Die B e j a h u n g v e r e i n f a c h t d i e L ö s u n g , indem die Frage nach einer „Pflicht zum Tun" gegenstandslos wird. Wer Schecks in Zahlung gibt, beh a u p t e t damit — (unter den Voraussetzungen oben zu 2) — daß sie gedeckt seien; wer ein Schmuckstück zu einem entsprechend hohen Preis anbietet, b e h a u p t e t damit, es sei echt. Viele der einschlägigen Untersuchungen und Urteile betreten das schwierige Unterlassungsgebiet zu früh. — Über K r e d i t b e t r u g auch DStrR 39 170. — Gegen RG H. Mayer SJZ 47, 15: die Rspr. konstruiere eine allg. Verpflichtung des Zahlungsunfähigen, seine KreditunWürdigkeit zu offenbaren, von der weder das Gesetz noch die Zivilrechtspr. etwas wisse (RGZ 69 315ff., StaudingerRiezler § 123 IV, 1 Abs. 2). Die zivilrechtliche Unmöglichkeit des Gedankens ergebe sich daraus, daß ein soweit gefaßter Betrugsbegriff ein Anfechtungsrecht geben würde, das praktisch jeden riskanten Kreditvertrag widerruflich mache und die par conditio creditorum zerschlage. Einschränkend f ü r Abzahlungsgeschäfte zutr. Schleswig GA 1954 285: der Abz.-Käufer behauptet nicht seine Zahlungsfähigkeit, ist nicht zur Offenbarung seiner Lage verpflichtet (so schon DR 43 74, H R R 36 1691, E 70 151; betr. Zahlungswillen JW34 1053). - Ein Wohlfahrtsempfänger, der von anderer Seite Zuwendungen für seinen Lebensbedarf erhält, begeht, wenn er sie dem Wohlfahrtsamt nicht mitteilt, auch dann Betrug, wenn er die Zu w e n -

Betrug und Untreue § 263

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düngen durch s t r a f b a r e H a n d l u n g e n e r l a n g t hat, z. B. durch Betrug oder als Zuhälter: D R 40 319. Vgl. aber auch E 76 276 ( = DR 43 397 m. Anm. Mittelbach). — Über Betrug durch Schweigen im K u n s t h a n d e l Würtenberger N J W 51, 176. —• Gegenüber bloß moralischen Begr. vgl. oben Syst. Vorb. S. 9 entspr. III. Irrtum. — Irren heißt: über eine „Tatsache" (i. S. von Anm. I I I ) sich eine falsche Vorstellung machen. Wer sich überhaupt keine Gedanken macht, „irrt" nicht. Deshalb begeht keinen Betrug, wer auf ein nicht auf seinen Namen lautendes S p a r k a s s e n b u c h Geld abhebt (E 26 154, vgl. Anm. I I I 2b zu § 242). Ebenso RG ständig, z. B. E 42 41. Der Fall BGHSt. 2 325, 326 (Irrtum des Bergmannskohle anweisenden Zechenangest. über die Berechtigung des Empfängers) liegt anders. Weitergehend will Celle MDR 57 436 (ebenso Schönke-Schröder V 1 und die dort Zit.) auch die bloße ignorantia facti als Irrtum ansehen; doch weist Schröder a. a. O. zutr. auf die bloß relative Bedeutung der Streitfrage hin. Eingehend wie hier Maurach § 38 I I B 2 a. Die Fälle des blinden Passagiers und des Automatenbetruges, die früher gleichfalls straflos bleiben mußten, sind jetzt in § 265 a unter Strafe gestellt. — „Erregen" und „unterhalten" gleichwertig (E 39 80). Bloßes Benutzen ist nicht immer „Unterhalten" eines Irrtums (E 20 326). — Irren kann auch ein G e s c h ä f t s u n f ä h i g e r ZAk. 39 132 (Anm. Henkel). — Unerheblich ist, ob der Getäuschte den Irrtum hätte vermeiden können; mitwirkende Fahrlässigkeit schließt Ursächlichkeit nicht aus: Hamburg N J W 56 392. IV. Die Verfügung des Getäuschten über sein oder eines anderen Vermögen ist „ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal" des § 263: E 49 16. 1. Sie stellt den Kausalzusammenhang zwischen Täuschungshandlung, erregtem Irrtum und Vermögensschaden her. Vgl. E 28 144, 44 230 (243), 47 151 (wer, durch Täuschung veranlaßt, einem anderen nur die t a t s ä c h l i c h e M ö g l i c h k e i t gibt, ihn zu schädigen, hat nicht „verfügt"). Und diese Verfügung muß gerade a u f Grund des durch die Täuschung hervorgerufenen Irrtums getroffen sein; wäre sie ohnedies getroffen, so kein Betrug. E 14 310, 48 238. Dieser Irrtum wird in der Regel ein solcher über die schädigende Wirkung der Verfügung sein. Freilich nehmen E 4 352, 6 360 (Bettelbetrug), 53 225 (unentgeltliche Überlassung einer Wohnung aus Mitleid) Betrug auch bei I r r t u m im M o t i v an. Ebenso BayObLG N J W 52 798. Darüber oben Vorbem. I I a. E. 2. Daß die Verfügung ein z i v i l r e c h t l i c h g ü l t i g e s R G e s c h ä f t sei, darf n i c h t zur Voraussetzung gemacht werden. Eine wirtschaftlich schädigende Einwirkung genügt. So in allmählicher Entwicklung RG von E 49 16 über J W 26 586, E 64 228, E 66 292 zu ZAk. 39 132, wonach auch ein Geschäftsunfähiger i. S. des § 263 verfügen kann. Getäuschter und Geschädigter b r a u c h e n also nicht die gleiche Person zu sein, wenn nur der Getäuschte tatsächlich in der Lage war, über fremdes Vermögen zu verfügen. E 16 4, 21 236, 42 171, 51 166, 64 226. (66 40: Betrug auch, wenn jemand unter Mißbrauch seiner Vertretungsmacht durch Täuschung darüber einen Dritten zum Abschluß eines den Vertretenen verpflichtenden und dadurch dessen Vermögen schädigenden Vertrages veranlaßt.) Hierauf beruht die Möglichkeit des P r o z e ß b e t r u g s . 3. Prozeßbetrug. — Ist es Betrug, wenn ein Richter durch falsche Angaben — nicht Rechtsausführungen, BGH J R 58 106 m. zust. Anm. Schröder — zu einer das Vermögen eines anderen schädigenden Entscheidung veranlaßt wird? G r u n d 37

K o h l r a u s c h - L a n g e , StGB, 42. Aufl.

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s ä t z l i c h v e r n e i n e n die, die den Gesichtspunkt der Vermögensschädigung hier nicht für maßgebend halten und einen neuen Tatbestand befürworten: Mißbrauch der Rechtspflegeorgane durch Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht (E. Wolf in J W 38,1923; ähnlich die dort zit. Grünhut, Dahm, Boldt). Nicht hierher gehören die Fälle, in denen wirkliche oder vermeintliche Ansprüche durch falsche Beweise gestützt werden (BGHSt. 3 160, dazu Härtung N J W 53, 552). S. u. Anm. V 2. a) Unstreitig — von jenem grundsätzlichen Einwand abgesehen — ist es Betrug, wenn die falschen Angaben mit unrichtigen Nachweisen belegt werden, denen der Richter glaubt (u. U. Versuch). Täter kann die Partei selber sein (uneidliche Parteivernehmung: Schleswig SchlHA 52 67; Vorlegung falscher Urkunden: E 3 169; eines erschlichenen oder gefälschten Schuldscheins: BGH MDR 56 10; Benennung falscher Zeugen, auch von solchen, die in falsch zu deutender Weise ihr Zeugnis verweigern sollen: E 36 114, 40 9; falsche Angaben zwecks Armenrechtsbewilligung: J W 37 2391); aber auch ein anderer, z. B. der falsche Zeuge (u. U. IdKonk. mit Meineid: E 58 295). Hier entscheidet der Richter nach pflichtgemäßer, aber irregeleiteter Überzeugung: er „irrt", und sein Irrtum wird Ursache eines Vermögensschadens. b) Streitig war, ob es Betrug sei, wenn der Richter einseitigen Angaben glaubt, aber nach der Prozeßlage hätte Beweis erheben müssen. RG hat bis E 63 391 Betrug verneint:Ursache sei hier nicht die Irreführung des Richters, sondern dessen Pflichtwidrigkeit. Mit der reichsgerichtl. Anschauung der strafrechtlichen Gleichwertigkeit aller Bedingungen und mit dem Dogma von der Nichtunterbrechung des Kausalzusammenhangs (Vorbem. I I vor § 1) war das aber unvereinbar. Seit E 69 44 u. 101 nahm das RG auch hier Betrug an; freilich nur, wenn die Entscheidung w i r k l i c h auf dem wenn auch pflichtwidrigen Vertrauen auf die Parteiangaben b e r u h t e . c) Streitig ist geworden, ob Prozeßbetrug möglich sei im V e r s ä u m n i s v e r f a h ren gegen d. Bekl. (ZPO § 331), beim G e s t ä n d n i s (ZPO §§ 288ff.) und im M a h n v e r f a h r e n (ZPO §§ 688ff.). Es wurde früher mit Recht verneint: da der Richter über die Wahrheit des Vorgebrachten sich in diesen Fällen keine Gedanken zu machen hatte, konnte er nicht über „Tatsachen irren". Die Frage ist, ob sich mit Einführung der W a h r h e i t s p f l i c h t (ZPO § 138 i. d. Fass. d. Ges. v. 27. 10. 33) an der Stellung des Richters etwas geändert hat. Sie betrifft Zivilprozeß, nicht Strafrecht; vgl. Koffka, ZStW 54, 45. Jonas bejaht sie: bei Stein-Jonas-Schönke ZPO, 18. Aufl., § 138 Anm. I, § 331 Anm. I I 2, § 288 I I I ; nicht dagegen für das Mahnverfahren. Soweit Bejahung richtig, wäre Prozeßbetrug jetzt möglich. Verneinend D J 38 133, E 72 133 u. 150 sowie ausdrücklich betr. Mahn- und Versäumnisverfahren E 69 48 (Abs. 3): hier sei Betrug durch falsche Angaben nach wie vor unmöglich. Anders E 72 113: ein V e r s ä u m n i s u r t e i l sei zu versagen, wenn der Richter die Klagebehauptungen für bewußt falsch halte. Zust. Schaffstein in J W 38, 1386, Schönke- Sehr. V I 7 b. Berechtigte Bedenken bei Boldt ZAk. 38,442,Keunecke StrAbh. H. 417. - Im W e c h s e l p r o z e ß (ZPO §§ 592ff.) behauptet der Kläger nur, daß der Bekl. w e c h s e l m ä ß i g verpflichtet sei. Wenn dies richtig (d. h. der Wechsel echt) ist, kann darauf, daß der Wechselkläger auf das Kausalgeschäft nicht zurückgegriffen hat, ein Vorwurf des Betruges n i c h t gegründet werden. — Daß Betrug gegeben, wenn ein vorgeblicher Gläubiger einen der Rechtslage nicht entsprechenden Zahlungs- und Vollstreckungsbefehl erwirkt, um im Ein-

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Verständnis mit dem vorgeblichen Schuldner dessen Gläubiger zu schädigen, nahm mit Recht schon E 58 104 an, da der Richter, der erkennt, daß e i n R e c h t s s t r e i t i n W a h r h e i t n i c h t v o r l i e g t , den Zahlungsbefehl abzulehnen hat. Ebenso Betrug durch Ausnutzung der irrigen Auffassung des Schuldners über die Bedeutung eines Zahlungsbefehls: E 65 35. Anmeldung einer nicht bestehenden Forderung zum Konkurs: E 36 86. Täuschung des Gerichtsvollziehers: E 39 143. V. Vermögensschädigung ist f i n a l zu verstehen, vgl. § 264a Anm. I. 1. Vermögen: Die Summe der jemandem unter dem Schutze der Rechtsordnung zu Gebote stehenden wirtschaftlichen Werte (E 66 285, vgl. auch E 16 3, 44 233). Auch der B e s i t z , sogar der fehlerhafte, soweit rechtlich geschützt (E 65 3, vgl. unten zu 2). Auch der e n t g a n g e n e G e w i n n , auch eine A n w a r t s c h a f t , soweit feste Aussicht bestand: E 41 373, 63 191, 73 384, 75 62 (dazu Nagler ZAk.DtR 41, 294, Bockelmann DR 41, 850). E 71 334 betr. Stammkundschaft, vgl. aber auch E 74 317, Celle DRZ 47 135, Braunschweig NdsRpfl. 48 94: bloße Bewerbungen zahlreicher Personen um Zuteilung eines Gegenstandes begründen noch keine festen Anwartschaften; entsprechendes gilt f ü r die weiter unten besprochenen Fälle von Bewerbungen um eine Anstellung oder Zulassung (Oldenburg NdsRpfl. 48 95, Celle DRZ 47 418). Vgl. unten zu 2d), insbes. zu BGHSt. 9 30 (31). Auch die A r b e i t s k r a f t E 68 379 (380); Anm. Mezger in J W 35, 288. — Im Gegensatz zu der von der h. L. vertretenen grundsätzlich w i r t s c h a f t l i c h e n Auffassung sieht die ältere Lehre (Binding Lb. I 238) das Vermögen in der „Summe der Vermögensrechte und -pflichten" ( j u r i s t i s c h e r Vermögensbegriff). In der Rspr. aufgegeben durch E 44 230 (dagegen Binding DJZ 16, 553ff.); vgl. auch E 16 1 mit dem Votum GS 43, 321 ff. Neuerdings sucht Bockelmann Kohlr.-Festschr. 245 ff., J Z 52, 461, 485, MezgerFestg. S. 363 ff. den „wirtschaftlichen" wie den „juristischen" Vermögensbegriff durch einen „personalen" zu überwinden. Seine individualisierende, vom Ergebnis ausgehende Methode vermeidet Einseitigkeiten und gibt neue Einsichten, verzichtet aber auf einen verbindlichen Maßstab und ist Einwänden aus § 2 ausgesetzt. — Die „juristisch-ökonomische Vermittlungslehre" (Nagler ZAk. 41, 294, Welzel § 53 I, 4) enthält die beiden unverzichtbaren Elemente des Vermögensbegriffs. Doch identifiziert sie das juristische Element mit der positiven zivilrechtlichen Regelung. Maßgebend sind aber die Grundsätze der allgemeinen Rechtsordnung. Soweit das BGB diese im Interesse seiner spezifischen Funktionen außer acht läßt, muß sich das Strafrecht von ihm lösen; ebenso von prozessualen Rechtspositionen (treffend Hamm NJW 56 194: Pfändungspfandrecht ohne materielle Forderung kein Vermögenswert, vgl. auch § 288 Anm. III, IV; a. A. Lüke NJW 56, 802, Jagusch LK Anm. 5). Freilich nicht, um einen rein faktisch-wirtschaftlichen Maßstab zugrunde zu legen (so Grünhut RG-Festschrift V 116ff., Bruns, Mezger-Festg. 335ff.), sondern um zu jenen allgemeinen Rechtsgrundsätzen zurückzugelangen. Dieser material-rechtlichen Betrachtungsweise entspricht ein materialer Vermögensbegriff. Vermögen ist hiernach nicht nur, was jemandem unter dem Schatz, sondern auch, was ihm ohne Mißbilligung durch die Rechtsordnung zu Gebote steht oder zukommt. Hieraus folgt: a) Forderungen aus unvollkommenen Verbindlichkeiten (verjährten Ansprüchen, Spiel- und Wettschulden, Ehemaklerlohn, im Zwangsvergleich erlassenen Teilschul37»

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den) gehören zum Vermögen des Gläubigers. Unrichtig E 44 203, RG Recht 1911 939, wonach Nötigung zur Zahlung verjährter Forderungen oder eines Ehemaklerlohnes Erpressung. Anders RG Recht 1907 Nr. 835 betr. Spielschuld. I n diesem Sinne eingehend Bockelmann, Mezger-Festg. S. 374ff., der jedoch positiv ein „anerkennenswertes persönliches Interesse" verlangt, andererseits auf Realisierbarkeit zu verzichten scheint. U m Forderungen aus Naturalobligationen kann man also betrogen werden, falls sie wirtschaftlichen Wert haben: zutr. E 36 208 (zahlungswilliger Spielschuldner), E 40 21, 30 (Kaufwilliger f ü r die Spielforderung). b) F ü r Leistungen aus verbotenen oder sittenwidrigen Geschäften gilt: Zum Vermögen zählen alle Werte, die nur wegen § 817 S. 2 BGB nicht zurückgefordert werden können. Sonst müßte wegen Betruges bestraft werden, wer auf die Vorspiegelung, Schwarzmarktware, Rauschgift, Abtreibungsmittel zu liefern, hereingefallen war, aber dem Betrüger den gezahlten Vorschuß wieder ablistet. § 817 S. 2 ist „Hinnahme und Sanktion von Gesetzes- und Sittenverstößen" ; hier „bleibt der Gesichtspunkt der Gerechtigkeit bewußt unberücksichtigt": BGHZ N J W 53 744. Das BGB ignoriert hier also bewußt die Grundsätze der Rechtsordnung. Damit modifiziert es sie nicht etwa in allgemeinverbindlicher Weise, geschweige denn, daß es ihre Verbindlichkeit leugnete. E s verweigert lediglich den Rechtsschutz, weil es sonst die Erfüllung derartiger Geschäfte fördern würde, und aus anderen spezifisch zivilistischen Gründen der Rechtssicherheit und des Verkehrsinteresses (vgl. v. Caemmerer SJZ 50, 651, Raiser J Z 51, 719). Das Strafrecht h a t derartige Funktionen nicht. Soweit nicht kriminalpolitische Forderungen oder rechtsstaatliche Garantierücksichten eingreifen, h a t es unmittelbar der materiellen Gerechtigkeit zu dienen. Es darf diese daher auch hier nicht unberücksichtigt lassen. Vgl. Syst. Vorbem. I I I 1 (S. 14). c) Nicht zum Vermögen gehören „Ansprüche" auf Wucher- und Schwarzmarktpreise, Verbrechensbeute, Dirnenlohn oder sonstige von der Rechtsordnung mißbilligte Forderungen. Zutr. daher E 65 100 ( = J W 1932 2434, Anm. Grünhut). Zu Unrecht dagegen OGHSt. 2 200 (vgl. dazu J R 50, 622) und BGHSt. 2 364: Betrug sei es, wenn ein Komplice den anderen bei der Teilung der Verbrechensbeute täuscht. Diese beiden Entscheidungen begnügen sich ausdrücklich mit der faktischen Realisierbarkeit der „Forderung". Den Strafgrund f ü r ihre „Verletzung" findet BGHSt. 2 364 darin, daß der Wesensgehalt des Verbrechens nicht zuletzt in einer Pflichtverletzung des Täters, in der von ihm betätigten Gesinnung und in seiner zutage getretenen Gefährlichkeit f ü r die allgemeine Rechtsordnung hege. Über allgemeine Bedenken gegen solche Begründung vgl. Vorb. I I I 4 e vor § 43 und Anm. V I I 2 zu § 259 (zu BGHSt. 7 141 f.). I m konkreten Fall wird Betrug vor allem deshalb nahegelegt, weil der Komplize immerhin einen Teil bezahlt habe (BGH a. a. O. S. 370). Wer dem anderen gar nichts abgibt, würde danach durch eben seine besonders üble Gesinnung und besondere Gefährlichkeit straffrei werden. — Richtig hingegen BGHSt. 4 373: „Anspruch" auf Dirnenlohn kein Vermögensbestandteil. Dagegen Kohlhaas J R 54, 97. Wie hier Welzel § 53 I 4. Vgl. unten V 2 betr. Schwarzmarktgeschäfte und zu der bedeutsamen Entsch. BGHSt. 8 221, 226 betr. v e r b o t e n e K a r t e l l a b r e d e n , die eine Forderung nur nach ihrem r e c h t l i c h e n B e s t ä n d e wertet. Bei den gesetzwidrig oder unsittlich erlangten Sachen liegt es anders. Hier wird der, selbst fehlerhafte, Besitz geschützt (zutr. E 27 300 betr. Dirnenlohn), soweit

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nicht wie in der zu b) erörterten Fallgruppe lediglich eine grundlose Entreicherung rückgängig gemacht wird. d) Der gleiche Maßstab i s t f ü r alle Einzelbegriffe der Vermögensdelikte verbindlich, d a e r a u f dieallgemeineFunktion des Strafrechts und die spezielle dieser Tatbestandsgruppe zurückgeht. Vgl. darüber oben Anm. I I 4 betr. Treu und Glauben als Grundlage der Offenbarungspflicht sowie § 253 Anm. V I I I b betr. „Bereicherung zu Unrecht". Das dort Gesagte gilt unmittelbar f ü r die korrespondierende Rechtswidrigkeit des Vermögensschadens. Das „Treuverhältnis" des § 266 ist offensichtlich nicht formalzivilistisch, aber auch nicht faktisch (so Bruns a. a. 0.), sondern materialrechtlich zu bestimmen, z. B. bei formnichtiger Vollmacht. Bei unsittlichen Abreden (zwischen Hehler und Dieb) h a t E 70 9 mit Recht ein Treuverhältnis abgelehnt, dessen Erfüllung eine deliktische, nämlich hehlerische Verwaltung der Diebesbeute bedeutet hätte. Dagegen war im Fall E 73 157 zwar der verurteilte Anwalt auf Grund eines Treuverhältnisses nicht etwa gebunden, an der Devisenschiebung mitzuwirken, wohl aber, den zu diesem Zweck, also rechtlich grundlos, überwiesenen Geldbetrag seines Partners nicht anzugreifen. Daß der Betrag gemäß § 817 S. 2 BGB nicht zurückgefordert werden konnte, steht dem nicht entgegen, s. o. zu b). Der scheinbare Widerspruch zwischen beiden Entscheidungen (zuletzt Bruns a. a. O. S. 347) erledigt sich damit, ebenso alle Versuche, von diesen Fällen her den Begriff der Vermögensschädigung mit Wirkung f ü r alle Vermögensdelikte, sei es faktisch, sei es juristisch formal zu bestimmen. Vgl. dazu im einzelnen § 266 Anm. I I I 1. 2. Beschädigung: Die Verringerung des Gesamtwerts des Vermögens. Der Schaden besteht in der dem Geschädigten „ n a c h t e i l i g e n D i f f e r e n z " zwischen dem Geldwert, welchen dessen Vermögen nach und infolge der durch die Täuschung hervorgerufenen Verfügung tatsächlich hatte, und demjenigen Geldwert, den es gehabt hätte, wenn die Täuschungshandlung nicht vorgekommen wäre: E 16 I PlenEntsch. und zuletzt E 49 21, 53 260, 54 37, 64 181, 66 281. Vgl. auch E 66 337: Der „gemeine Handelswert" einer Ware kann sich nach dem Großhandelspreis, aber auch nach dem Kleinhandelspreis bestimmen; es komme darauf an, auf welchem Gebiet sich das betr. Geschäft bewegt habe. — „Der p e r s ö n l i c h e E i n s c h l a g bei der Schadenfeststellung darf nicht unbeachtet bleiben." So kann z. B. der Wert eines Kunstwerks auch mitabhängen von dem Gebrauchswert, den es im besonderen Fall f ü r den Besitzer hat. „ N u r der reine Liebhaberwert ist nicht zu berücksichtigen." E 68 212. Vgl. BGHSt. 1 264; 3 102; Köln J R 57 351 (wertvolles und preiswertes, aber von Berufsschule abgelehntes Fachbuch als von ihr empfohlen ausgegeben: Betrug gegenüber den Eltern der Berufsschüler); BGHSt. 846,49 (dazu näher unten Anm. V a. E.) über den Einfluß nicht wirtschaftlicher Bewertungsmaßstäbe. Zu diesen Fragen vgl. Maurach 2 § 3 8 I I B 4 c b b , S. 284. — Nicht ist maßgebend der Zustand, der bestanden hätte, wenn die vorgespiegelten Tatsachen wahr gewesen wären. E s genügt daher nicht, daß es ohne die Täuschung nicht zu einer Verfügung gekommen wäre, sondern die erworbene Leistung ist der durch die Verfügung eingebüßten gegenüberzustellen. F ü r die Schadenberechnung ist aber der durch die Täuschung k r a f t Gesetzes entstehende Anspruch auf Schadenersatz oder Rückgewähr außer Betracht zu lassen, da es sonst überhaupt keinen strafbaren Betrug gäbe. Anderseits ist nicht nötig, daß ein solcher Anspruch besteht, so daß auch geschädigt ist, wer auf Grund einer Täuschung leistet, um eine unsittliche

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Gegenleistung zu erlangen, obgleich er nach § 817 BGB einen Rückforderungsanspruch nicht hat: E 44 230 PlenEntsch. Auch der Betrüger kann betrogen werden: E 65 3. Es gibt also kein gegen Betrug ungeschütztes Vermögen; doch ist dieser Begriff nicht rein wirtschaftlich, sondern normativ zu bestimmen. Das, worum jemand geschädigt wird, muß rechtlichen Bestand haben. Um die F o r d e r u n g aus einem unsittlichen Rechtsgeschäft kann man nicht betrogen werden (E 65 99, BGHSt. 4 373, anders jedoch OGHSt. 2 200, BGHSt. 2 364. Dazu oben zu 1). Wohl aber kann man um eine L e i s t u n g geschädigt sein, die man im Hinblick auf eine solche Forderung aufgewendet hat (Lieferung eines wertlosen Abtreibungsmittels ist Betrug, falls der Käufer im Vertrauen auf die Tauglichkeit den Kaufpreis gezahlt hat: E 44 230, 47 67. Im einzelnen: a) Wer durch Täuschung zum Abschluß eines Vertrages bewogen wird („Eingehunggbetrug"), ist damit noch nicht geschädigt, sondern erst, wenn er im Vertrauen auf die Leistung nachteilig verfügt. So, wenn er leistet und die als Ausgleich erworbene Forderung entweder den gemachten Zusicherungen nicht entspricht (vgl. Hamm NJW 57 1162: ein Automatenaufsteller hatte heimlich eine die Gewinnchancen erhöhende Bremsvorrichtung ausgeschaltet) oder objektiv ungleichwertig ist. Ob sie dies letztere ist, ist unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Geschädigten zu beurteilen. E 76 51, Hamm HESt. 1 114. Nur ein realisierbares Äquivalent kommt hier in Anrechnung, dies aber auch bei mangelndem Zahlungswillen: DR 43 74 mit Übersicht über die Rspr.; BayObLG J R 58 66: kein Schade bei sicherer Erzwingbarkeit der Leistung. — Der Wert der erhaltenen Gegenleistung ist tatsächlich, nicht juristisch festzustellen. Anders, wenn das zu Leistende öffentlich-rechtlich fixiert ist und hierüber getäuscht wird: E 66 281 hat Betrug angenommen, da der Vermieter, der ein Hauszinssteuerdarlehn empfangen hatte, den Mieter über die Höhe des von der Behörde festgesetzten Mietzinses getäuscht und dadurch zur Zahlung einer höheren Miete veranlaßt hatte; hier komme es auf den tatsächlichen Wert der Wohnung nicht an. Vgl. auch E 76 194. Auch in den folgenden Fallgruppen b)—f) kommt überwiegend Eingehungsbetrug in Betracht; Gegensatz Erfüllungsbetrug, unten zu g). b) Bei S c h w a r z m a r k t g e s c h ä f t e n hat die Rspr. in Konsequenz des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs Betrug angenommen, wenn der Täter den Schwarzhändler veranlaßt, seine Ware hinzugeben, und ihm danach nur den Friedenspreis bezahlt. Oldenburg NdsRpfl. 47 42, AG Dortmund MDR 47 139 und Dresden NJW 48 531 mit Anm. Wimmer. Vgl. dens. DRZ 48, 116, NJW 48, 241; aber auch Fischer, Der Betrug auf dem Schwarzen Markt (Recht und Zeit, Heft 5, 1948, S. 16-22). Ebenso Hamm HESt. 1 114, Düsseldorf MDR 47 268, OGH in DRZ 50 44, BGHZ NJW 53 298. Aber die Überpreisforderung ist nicht nur unklagbar, sondern auch materiell rechtswidrig (vgl. oben zu 1). Und der Wert der Gegenleistung ist öffentlich-rechtlich fixiert (wie soeben in E 66 281). Daher kein Betrug, insbes. auch nicht unter dem Gesichtspunkt, daß der Verkäufer „seine gute Ware" hergegeben habe, wie die Frauen im Falle E 44 230 ihr gutes Geld. S. o. V l c ; Bockelmann J Z 52, 461, 464. A. A. Bruns, Mezger-Festschr. 353ff. — Wie hier jetzt BGHSt. 8 221 für v e r b o t e n e P r e i s b i n d u n g e n : kein Betrug, wenn Käufer statt des Kartellpreises nur den angemessenen Preis zahlt; soweit die darüber hinausgehende Forderung keinen rechtlichen Bestand hat, kann sie keinen Vermögensschaden begründen.

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c) Bei einer F o r d e r u n g ist ihr Geldwert und ihr Bestand entscheidend. Hierauf beruht die Möglichkeit des Kreditbetruges (Zechprellerei, falsche Vorspiegelungen über die Sicherheiten bei einer Forderung) und die Strafbarkeit der Ausgabe ungedeckter Wechsel und Schecks. S. o. Anm. I I 2 betr. Bonität und V 1 betr. Verität. B e w e i s s c h w i e r i g k e i t e n schließen ihren Wert nicht aus: BGHSt. 8 160, MDR 56 11 gegen E 72 133. Vgl. oben Anm. IV 3. Zahlung einer fälligen Schuld kein VermSch.: Welzel N J W 53, 652. Wer an einen anderen eine fällige Geldforderung hat (oder zu haben glaubt), schädigt ihn nicht an seinem Vermögen (mindestens nicht vorsätzlich), wenn er sich unter falschen Angaben von jenem Schuldner einen Geldbetrag in Höhe seiner Forderung verschafft: DR 44 154. Im allg. auch dann nicht, wenn er durch eine Täuschung unmittelbar die Befriedigung gerade dieser Forderung erreicht: E 64 342, 72 133. Mindestens fehlt hier die Absicht, sich einen rechtsw. Vermögensvorteil zu verschaffen. d) Beim D i e n s t v e r t r a g ist für den Schaden des Dienstverpflichteten zu beachten, ob er Gelegenheit gehabt haben würde, seine Arbeitskraft anderweit gewinnbringend zu verwerten (E 68 379). Bei der Berechnung des Schadens, den der Dienstberechtigte erlitt, soll außer dem tatsächlichen Wert der geleisteten Dienste auch eine vom Dienstverpflichteten behauptete besondere Vorbildung in Rechnung gestellt werden, falls die Bezüge nach solcher Vorbildung berechnet sind: Betrug bei Vorlegung falscher Zeugnisse über besondere Fachbildung, auch wenn die Leistungen dann den Anstellungsbedingungen entsprechen (E 64 33, 65 275). Ebenso BGHSt. 5 358, aber mit betonter Zurückhaltung gegenüber E 65 281, 73 268,75 8, die, den Vermögensbegriff verflüchtigend, schon dann Betrug annahmen, wenn der Bewerber Tatsachen verheimlicht, die ihn, trotz sachlicher Tauglichkeit, persönlich einer Beamtenstellung unwürdig erscheinen ließen. Die Kriegs-Judikatur war die hier angebahnten Irrwege weitergegangen. E 75 8 bestrafte einen Erdarbeiter, der, bei Wehrmachtsbauten beschäftigt, seine Vorstrafen verschwiegen hatte, wegen Betruges. Das geschützte Interesse ist, wie Bockelmann (KohlrauschFestschrift 1944, 250) zutreffend bemerkt, in Wahrheit Spionage- und SabotageAbwehr. Vgl. dens. J Z . 52, 461, 464 sowie andererseits Sarstedt J R 52, 308 zur gesamten Frage. Aber auch wenn man Amts- oder Stellungserschleichung durch Unqualifizierte, Vorbestrafte, politisch Belastete als Betrug bestraft, wird dem wirklich verletzten Interesse der Ordnung der staatlichen Verwaltung ein ad hoc konstruiertes Vermögensinteresse substituiert. Meist soll hier überdies der Strafrichter die Fehler der Verwaltungsstellen korrigieren. K G in J R 48 141 begründet ganz offen die Verurteilung wegen Betruges u. a. mit dem bei Bekanntwerden der Vorstrafen des Eingestellten drohenden Autoritätsverlust der Behörde. In der Nachkriegszeit, in der diese Fälle stark zugenommen hatten (Bader, Soziologie der Nachkriegskriminalität 1949, 91 ff.), ist die Rechtsprechung auf dem Wege des Reichsgerichts verblieben. Berechtigte Kritik hieran bei Maurach. Der Vermögensschaden wurde in fünffacher Weise begründet: 1. Bei Beamtenstellungen in Anlehnung an E 65 282 damit, daß der Staat die beamtenrechtliche Fürsorge übernehme, im Hinblick auf die völlige Untauglichkeit der angestellten Personen für die Amtsstelle aber überhaupt keinen Gegenwert erhalte. 2. Bei besonders gut bezahlter V e r t r a u e n s s t e l l u n g damit, daß hier Mehrleistungen für eine nicht vorhandene Qualität aufgewendet worden seien (im Anschluß an E 73 268). Ähnlich für Beamte BGHSt. 5 361: mehr als der nur unter den Voraussetzungen der Besoldungsordnung geschuldete „Preis" gezahlt. 3. Bei Stellungen, die ihrer Eigenart nach eine

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besondere C h a r a k t e r f e s t i g k e i t voraussetzen, unter Übernahme der Gründe von E 75 8 (vgl. aber BGHSt. 5 362). So jetzt auch BGH GA 1956 121 (der eingestellte Beamte hatte behauptet, er sei nur aus politischen Gründen entlassen gewesen). 4. trat zeitweilig die Begründung in den Vordergrund, daß das Vermögen des anstellenden Partners aufs schwerste g e f ä h r d e t sei, wenn es in die Hände unqualifizierter und vorbelasteter Persönlichkeiten falle. So insbesondere Celle S J Z 47 212 betr. Anstellung in einer Stadtverwaltung (Bedenken in Anm. v.Weber ebendort); Oldenburg NdsRpfl. 48 95 betr. Lehrerstellung; Kiel, SchleswHolstAnz. 46 502 betr. Pfarrer; Freiburg DRZ 48 66 betr. Gerichtsreferendar. (In diesem Fall dürfte die Besonderheit durchgreifen, daß der Unterhaltszuschuß keine Gegenleistung für Dienste darstellt, sondern zum Zwecke der Fortbildung gewährt wird.) 5. wurde ein Vermögensschaden durch B e n a c h t e i l i g u n g a n d e r e r A n w ä r t e r konstruiert, so Celle NdsRpfl. 47 65 betr. Armensachen der übrigen Anwälte und der Zulassungsbewerber bei erschlichener Zulassung als Rechtsanwalt, Oldenburg, NdsRpfl. 48 95 betr. berufliche Aussichten der übrigen Lehramts-Kandidaten. Ebenso Hamm JMB1NRW 54 132. Aber solche allgemeinen Aussichten gehören sicher nicht zum Vermögen, darüber oben zu V 1. Dies bestätigt jetzt BGHSt. 9 30 (31) (vgl. auch schon BGH N J W 55 1526). Kein Vermögensschaden i. S. d. § 263 sind danach die Vergünstigungen des Bundesvertriebenenges. wie bevorzugte Berücksichtigung bei Gewerbekonzession (§ 69 BVFG), Zulassung zur Kassenpraxis (§ 70 BVFG), Vergebung von öff. Aufträgen (§ 74 BVFG). Und im übrigen zeigt sich das Bedenkliche der Rechtsprechung darin, daß sie den objektiven Tatbestand des Betruges davon abhängig macht, ob der Mangel an Vorbildung, die Vorstrafe, die Belastung aufgedeckt werden oder nicht. So ausdrücklich das KG in J R 48 141 (drohender Autoritätsverlust als Vermögensschaden, s. o.). Wenn während der leistungsmäßig einwandfreien Dienstzeit nichts herauskommt und Leistung wie Gegenleistung abgeschlossen in der Vergangenheit liegen, ist ein Vermögensschaden mit den obigen Begründungen, abgesehen von den Fällen zu 2., nicht zu konstruieren. Insbesondere versagt die Begründung zu 4. Wenn das K G a. a. O. ohne Einschränkung erklärt, daß ein Vorbestrafter in solcher Stellung die ständige Gefahr der Begehung neuer Straftaten bedeute, so leugnet es damit nicht nur jede Wirksamkeit des Strafrechts, sondern setzt die V e r m u t u n g einer Gefahr (weiterer verbrecherischer Neigungen) an die Stelle des objektiven Nachweises. Daher kann die Möglichkeit des Zugriffs auf Vermögenswerte, die der Angestellte hat, nicht der aktuellen Vermögensschädigung gleichgesetzt werden. Vergreift sich aber der Täter tatsächlich an den ihm infolge seiner Stellung zugänglichen Werten, so denkt, worauf v. Weber S J Z 48, 214 mit Recht hinweist, niemand daran, ihn außer wegen Untreue oder Unterschlagung noch wegen Betruges, begangen durch Amtserschleichung, zu bestrafen. Die äußerste Grenze, auf der eine Bestrafung noch einwandfrei begründet werden kann, hat bereits E 73 269 (vgl. BGHSt. 5 362) gezogen: auch bei Erschleichung von Vertrauensstellungen sei für die Annahme eines Vermögensschadens Voraussetzung, daß die Bezahlung des Angestellten mit Rücksicht auf die Vertrauensstellung besonders hoch festgesetzt worden sei, daß also der geforderten Vertrauenswürdigkeit eine besondere, in Geld meßbare Gegenleistung gegenüberstehe, z. B. bei Einstellung eines früher anderweit wegen Unzuverlässigkeit Entlassenen als Prokuristen. Dies muß entsprechend für Amtserschleichung gelten. Mit Recht hat es auch Braunschweig NdsRpfl. 47 47 abgelehnt, in dem Verschweigen

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einer früheren Zugehörigkeit zur NSDAP Betrug zu sehen. Dagegen verurteilte Gera N J W 47 34 in solchen Fällen wegen Betruges; das war ebenso bedenklich wie im Hinblick auf § 145b Thür. Passung unnötig. Dieser lautete: (I) Wer wissentlich eine Anstellungsbehörde über einen Umstand täuscht, der nach den geltenden Vorschriften oder Einstellungsbedingungen eine Voraussetzung f ü r die Anstellung bildet, und dadurch bewirkt, daß ihm oder einem anderen ein öffentliches Amt übertragen, wird, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. (II) Der Versuch ist strafbar. — Solange die hier im Anschluß an § 146 Entw. 27 ausgefüllte Gesetzeslücke besteht, wird die Rechtspr. in Versuchung sein, sie mittels § 263 zu schließen. Aber dies darf nicht dazu f ü h r e n , die Grundlage der Betrugslehre in Frage zu stellen und den Vermögensbegriff preiszugeben. Abzulehnen deshalb auch H a u p t N J W 58, 938, der die von der Rspr. f ü r Anstellungsbetrug bei Beamten entwickelten Grundsätze sogar noch auf grundsätzlich alle Dienst- und Arbeitsverträge anwenden will. Die in den meisten Fällen der Amtserschleichung allein feststellbare Beeinflussung wirtschaftlich relevanter Dispositionen des Getäuschten kann einen Vermögensschaden zur Folge haben, stellt ihn aber selbst noch nicht dar. Der grundsätzliche Standpunkt der E 16 1 läßt bereits individuellen und insoweit auch „personalen" Schadensberechnungen Raum. E r ist durch jene Versuche nicht erschüttert, sondern wird in E 76 49 (51) und den dort angeführten weiteren E n t scheidungen der Sache nach bestätigt. e) Nur um D i s p o s i t i o n s s t ö r u n g e n handelt es sich auch in dem Falle E 73 382: Täuschung darüber, daß der Täter die — einwandfreie — Ware nicht, wie versprochen, aus Notstandsgebieten geliefert hat. Eine typische Vertragsverletzimg mit allen zivilrechtlichen Folgen, aber ohne jedes Pönalisierungsbedürfnis (anders der Fall BGHSt. 8 46, s. u. zu g) a. E. Erst recht liegt eine bloße Ordnungswidrigkeit mit den sich aus der Eisenbahnverkehrsverordnung ergebenden Folgen, aber keine kriminelle Vermögensschädigung vor, wenn jemand eine von ihm bezahlte Fahrkarte verspätet benutzt. Anders aber D R 41 2666 (Anm. Bockelmann). f ) Versprechen einer u n m ö g l i c h e n Leistung ist nur Betrug, wenn entweder der Getäuschte vorgeleistet h a t (andernfalls ist er nicht geschädigt, da kein Anspruch auf seine Leistung besteht), oder wenn der Getäuschte infolge Ausbleibens der versprochenen Leistung eine nachteilige Verfügung getroffen (z. B. sie sich anderweit teurer beschafft) h a t (E 48 86 und 186, GoltdArch. 43 171, 50 392). g) Erfiillungsbetriig: Strafbar, falls der Getäuschte bewogen wird, an Stelle der geschuldeten eine geringwertige Leistung als Erfüllung anzunehmen. Falls dies von vornherein geplant, geht der etwaige Eingehungsbetrug darin auf: H a m m GA 19 57 121. - Entgangener Gewinn ist Vermögensschaden, wenn auf ihn ein Rechtsanspruch bestand oder wenn er (vgl. § 252 BGB) ohne die Täuschung wahrscheinlich eingetreten wäre: E 6 4 181, 63 191,4i 373, 38 108. — Bloße Gefährdung kann u n t e r U m s t ä n d e n eine jetzige Vermögensminderung darstellen. So E 53 260: Erteilung eines Erbscheins auf Grund gefälschten Testaments als Schädigung der wirklichen Erben. E 59 104: Erlangung eines Vollstreckungstitels, falls sonstige Betrugsvoraussetzungen gegeben, nicht versuchter, sondern vollendeter Betrug. E 64 226: Weitergabe eines verfälschten Wechsels trotz bestehender Haftung des Akzeptanten, da die Einlösung unter Umständen erschwert ist. E 66 371: Herbeiführung einer unrichtigen Grundbuchlage. E 66 409: Nichtgeschuldete Eingehung einer Wechselverbindlichkeit. Aber nicht ohne weiteres Eintragung einer vorgetäuschten Schuld

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Bertrug und Untreue § 263

in die eigenen Geschäftsbücher: BGHSt. 6 115 = LM Nr. 31 (Sarstedt). — Über VermGef. bei E i n g e h u n g s b e t r u g vgl. BGH NJW 53 836 (Aufnahme von geschäftlichen Beziehungen zu böswilligem Partner; sehr weitgehend!). — Auch durch Nichtgeltendmachung von Rechten schädigt man sein Vermögen. Betrug also, wenn jemand durch Täuschung veranlaßt wird, von Geltendmachung (z. B. Einklagung) seines Anspruchs abzusehen; in der Unterlassung ihrer Geltendmachung liegt hier die zum Betrug gehörende „Vermögensverfügung". Vgl. E 63 191, 65 100, 70 227. Doch muß feststehen, daß andernfalls der Schuldner erfüllt oder sich die Aussicht auf Befriedigung wenigstens nennenswert vergrößert haben würde; Zahlungswilligkeit und -Fähigkeit hierfür nicht schlechthin entscheidend. So Hamm JMB1. NRW 58 113, zur zweiten Frage anders als BGHSt. 2 364, OGHSt. 2 193, Grünhut J W 32, 2434. — Über Betrug beim E i s e n b a h n f r a c h t g e s c h ä f t (falsche Angaben im Frachtbrief über Gewicht und Stückzahl, auch bei Kenntnis der Abfertigungsbeamten) vgl. D J 38 1497 m. Anm. Gährs. — Betrug durch einen H e i l p r a k t i k e r , der „völliger Ignorant": H R R 39 983. — Wer eine Sache, die er ges t o h l e n hat, weiterverkauft, schädigt den gutgläubigen Erwerber, da dieser wegen § 935 BGB nicht Eigentümer werden kann. Nach E 73 61, der BGHSt. 1 92, 3 372 im Erg. folgen (anders früher E 49 16 und jetzt Hamburg NJW 52 439, MüllerWebers NJW 54, 220), soll gleiches gelten, wenn er die Sache unterschlagen hatte; obwohl der Erwerber hier Eigentümer wird, könne ihn doch der Erwerb einer „mit einem s i t t l i c h e n Makel behafteten Sache" (diese Verdinglichung des SittlichkeitsBegriffs begegnet auch in J W 39 224, DR 42 131) w i r t s c h a f t l i c h schädigen. Voraussetzung ist hier aber, daß ein solcher wirtschaftlicher Schaden im Einzelfall wirklich eingetreten ist. So im Falle von Hamburg N J W 56 396: hier stand beim gutgl. Erwerb bereits fest, daß der Erwerber sein Recht werde verteidigen müssen. Keine hinr. Begr. bei BGH GA1956 182; hiergegen grundsätzlich Oehler GA 1956, 161 mit sehr beachtenswerten Hinweisen auf die zivilrechtlichen Konsequenzen der Rspr. Neue Gesichtspunkte auch bei Traub, NJW 56, 450. — Nicht geschädigt ist, wer eine preiswerte, aber für ihn entbehrliche Sache erwirbt, weil ihm eine zusätzliche Gewinnchance vorgespiegelt wurde: BGHSt. 3 102. Anders nur bei langfristiger Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit durch erschlichene Investition: RG DR 42 1145. — Wenn ein Bergmann Kohle als Deputat anfordert, die er in Wahrheit verkaufen will, nimmt BGHSt. 2 325 Betrugsversuch an. Hiergegen mit Recht Bockelmann Anm. NJW 52, 896, da kein wirtschaftlich faßbarer Schaden. Auch Hamm JMB1. NRW 57 82 nimmt zutr. nur unter besonderen Voraussetzungen Betrug an. - - Erschleichung der Zulassung zum Studium nicht ohne weiteres Betrug: BGHGA1955 245. — WennHerkunft für Marktpreis entscheidend, betrügt, wer hierüber täuscht, auch wenn er Gleichwertiges liefert: BGHSt. 8 46 (betr. Hopfenlieferungen). VI. Subjektiv erforderlich: 1. Vorsatz (§ 59 Anm. I I I 1 a); Bewußtsein der Irrtumserregung und Vermögensschädigung. Dazu gehört, daß der Täter die Umstände kennt und erfaßt, die seinen Eingriff zu einer Schädigung machen. Vgl. BGHSt. 3 101, 123, 163. Das gleiche gilt für die — notwendig substanzgleiche, s. u. — erstrebte Bereicherung. Über den materiellen Gehalt dieser normativen Merkmale s. o. V l d ) sowie § 253 Anm.VIIIb). Am Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz fehlt es, wenn der Täter nur sein gutes Recht zu verfolgen meint, sei es auch mittels Täuschung. E 64 344; BGHSt. 3 161 (aus-

Betrug und Untreue § 268

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drücklich gegen E 72 133, die die Prozeßlüge bestrafen wollte und damit die Grundlage des Betrugs als VermSchäd. verließ). Vgl. Härtung N J W 53, 552, der aber zu Unrecht Verbotsirrtum annimmt, wenn der Täter gar nicht „schädigen", sondern nur sein eigenes Vermögensrecht wahrnehmen wollte. Ferner Welzel N J W 53, 625 sowie unten § 264a Anm. I. Dolus eventualis genügt. E 20 3, 49 21, 55 257. 2. Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Über den Begriff der Absicht vgl. E 44 87, BGHSt. 4 107. Sehr weitgehend Braunschweig N J W 57 600: erschlichenes Wiederaufnahmeverfahren „beabsichtigte" u. U. betrügerische Freistellung von den Verfahrenskosten. Zutr. KG N J W 57 882: Die Vorstellung, einen solchen Vorteil zu erreichen, muß die T r i e b f e d e r für das Handeln des Täters sein. Hinsichtlich der R e c h t s w i d r i g k e i t (s. o. zu 1) genügt dolus eventualis: E 55 257. Vgl. aber auch DR 43 900 und Hamm HESt. 2 34. — Vgl. ferner E 59 38: (Sicherung des Besitzes der unterschlagenen Sache als Vermögensvorteil); E 36 255 (Ermöglichung eines später auszuführenden Diebstahls kein Vermögensvorteil); E 64 342 (keine Rechtswidrigkeit bei Ausgleichung der Geldentwertung durch Aufstellung falscher Rechnungen). E 71 280 (Abwehr von Strafe kein VV). — Zur F i n a l i t ä t der Handlung vgl. § 264a Anm. I. 3. Für den erstrebten W o r t e i l und den zugefügten VSchaden gilt, wie bei Erpressung, der Grundsatz der sog. Substanzgleichheit, d. h. der Vorteil muß aus dem Vermögen des durch Täuschung zu Schädigenden herrühren; die Absicht, für die Schädigung von einem Dritten belohnt zu werden, genügt nicht. E64 435, BGHSt. 6 115 = LM Nr. 31 (Sarstedt). Hamm N J W 58 513: Betrug nur zum Nachteil des Auftraggebers, nicht der Besteller, wenn Provisionsvertreter Bestellungen nur erschwindelt, um mit den Bestellscheinen Provisionsansprüche geltend zu machen (obwohl auch Vermögen der Besteller gefährdet). V e r w i r k l i c h u n g der Absicht, soweit kein neues Rechtsgut geschädigt, s t r a f l o s e N a c h t a t ; also der Verkauf der zu diesem Zweck einem anderen abgeschwindelten Sache nicht außerdem als Unterschlagung strafbar (E 61 37, 67 70). Vgl. aber entspr. das Problem der E 73 61 und dazu oben Anm. V 2 a. E.; ferner unten VII zu BGHSt. 6 67. Allgemein zu strafl. Nachtat beim Betrug vgl. BGH GA 1957 409. — Über V o l l e n d u n g u n d B e e n d i g u n g vgl. oben Anm. II 4 zu Köln MDR 57 371. V ü . Eonkurrenz: mit Gelddelikten E 54 219, 60 315, Hamm HESt. 2 240, BGH N J W 52 311; § 253 Anm. I X und Schröder MDR 50, 398; mit § 242 vgl. E 49 405, BGH N J W 53 73; § 2 4 6 : E 49 16; §259: E 50 254; § 264a Anm. I ; § 2 6 5 Anm. VII (E 48 186, BGH N J W 51 204: selbst. Hdlg.); § 266 ( J W 39 33: Betrug gegen die Allgemeinheit und Untreue gegen denStaat; Braunschweig N J W 5 1 9 3 2 : § 73; BGHSt. 6 67: § 266 strafl. Nachtat, falls nicht neuer Schaden, vgl. Anm. VI a. E.; insbes. sog. Sicherungsbetrug: Hamm JMB1. N R W 57 177, und Verdeckungstat, BGH GA 1957 409; §267 (Braunschweig GA 1954 315, BGH LM Nr. 6 (Geier) u. 10: § 73); § 331, 332 (HRR 40 195, Hamburg HESt. 2 339); § 276 Anm. III (E 68 302); § 284 Anm. VIII; § 351 Anm. VI (E 70 12); § 352 Anm. VIII, BGHSt. 2 35 ; § 353 Anm. VII; mit Konkursvergehen: E 66 175; vgl. aber BGH N J W 54 1655: keine Tateinheit mit § 242 I Nr. 2 KO); mit Nahrungsmittelfälschung: E 59 311. — „ S t e u e r b e t r u g " (RAbgO § 396) ist, wenn lediglich ein ungerechtfertigter Steuervorteil erstrebt wurde, das speziellere Delikt gegenüber § 263: E 60 97 und 161 und 182. — IdKonk. mit §§ 119ff. BranntwMonG: E 60 237. — Mit verbotener Aus-

B e t r u g u n d U n t r e u e § 264

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Übung der Heilkunde: B G H S t . 8 237. — Mit Erschleichen von Vergünstigungen gem. § 98 Bundesvertriebenenges.: B G H S t . 9 30 (vgl. auch oben V 1 u n d 2d). K e i n s t r a f b a r e r Betrug, sondern s t r a f l o s e N a c h t a t (Vorbem. I I I 3 vor § 73), wenn Vorspiegelungen gemacht zwecks Verdeckung einer V o r t a t (z. B. E n t w e n d u n g , Unterschlagung, Untreue, auch eines f r ü h e r e n Betrugs) u n d in der N a c h t a t n i c h t eine neue selbständige Vermögensschädigung liegt: E 59 128,63 192, B G H G A 1 9 5 7 409; freilich E 59 38. Vgl. auch H R R 42 459 betr. Indossierung gestohlener Schecks. Ferner oben A n m . V I a. E . VIII. Verletzter ist immer n u r der Geschädigte, a u c h wenn ein anderer g e t ä u s c h t ist. D e n n nicht ein R e c h t auf W a h r h e i t will der § 263 schützen, sondern das Vermögen: E 74 167 mit Anm. Gallas in ZAk. 40, 254. Vgl. Vorbem. I . IX. Versuch mit Beginn der Täuschungshandlung. E 72 66, eingeschränkt d u r c h B G H N J W 52 430 = LM N r . 11 (Geier). - Füllen u n d A u f l a d e n v o n Kohlensäcken m i t Mindergewicht: K ö l n N J W 52 1066 (Anm. Mezger). — Untauglicher Versuch bei vermeintlicher Schädigung: B a y O b L G N J W 55 1567. X. Besonders schwerer Fall. Die Streichung des früheren S. 2 d u r c h das 3. StrÄG (dazu B T Drucks. Nr. 3713 S. 42) bedeutet keine bloße Freistellung des Richters von den bisherigen Fällen, sondern zugleich seine Bindung a n die Grundsätze des § 77 E 27 (oben § 1 A n m . V). Insbes. verlangt der Gedanke des Schuldstrafrechts, d a ß stets die innere Tatseite beachtet wird. Vgl. § 2 6 6 A n m . I X . E s handelt sich nicht n u r u m Strafzumessung (so B G H S t . 3 370 zur a. F.), sondern u m die Bildung von Wertgruppen (MatStrafrRef. I 80ff.). Schon nach der a. F . m u ß t e sich der T ä t e r z u m mindesten d e r j e n i g e n U m s t ä n d e b e w u ß t sein, die die Ann a h m e eines „besonders schweren F a l l e s " begründen (ähnlich D J 36 1036). Aber auch d a n n k a n n ein „bes. schw. F . " aus Gründen ausgeschlossen sein, die in der Persönlichkeit des Täters oder den U m s t ä n d e n der Tatbegehung liegen, wie N o t , Verf ü h r u n g , Mangel a n Lebenserfahrung usw. Vgl. dazu E 69 242, a u c h B G H N J W 52 234, B G H S t . 2 1 8 1 : a l l e U m s t ä n d e der T a t zu berücksichtigen. XI. Angehörige: Vgl. § 52 A n m . VI, § 247 A n m . I I , V I I . Auch der uneheliche V a t e r : B G H S t . 7 245. Auch bei Abs. 4 u n d § 264; hier t r i f f t der Grundgedanke in vers t ä r k t e m Maße zu. Ebenso E 43 363. Verschwägerte n i c h t mehr n a c h Scheidung der vermittelnden E h e : Celle N J W 58 471.

b) Betrug im zweiten

Rückfall

§ 264 (1) Wer im Inlande wegen Betruges einmal und wegen darauf begangenen Betruges zum zweiten Male bestraft worden ist, wird wegen abermals begangenen Betruges mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und zugleich mit Geldstrafe bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht u n ter drei Monaten ein, neben welcher zugleich auf Geldstrafe erkannt werden kann. (3) Die im § 246 enthaltenen Vorschriften finden auch hier Anwendung.

Betrug u n d U n t r e u e §§ 264a, 265

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Vgl. Anm. zu §§ 244, 245. — Rückfall liegt vor, auch wenn die Vorbestrafungen wegen Betrugs in Idealkonkurrenz m i t einer schwereren S t r a f t a t erfolgt sind. Vgl. § 73 A n m . I I I . — Ebenso, falls der R ü c k f a l l s t a t b e s t a n d als fortgesetztes Delikt teils vor, teils nach dem vorhergehenden Betrugsfall e r f ü l l t i s t : E 47 308. — H a n d e l t es sich um B e t r u g gegen Angehörige (§ 263 Abs. 5), so ist auch bei R ü c k f a l l der A n t r a g erforderlich: E 43 363. — Über Rückfall Verjährung vgl. S t u t t g a r t S J Z 49 287 (Meyer) gegen E 77 177; oben § 245 Anm. I I . — T a t e n u n d Vortaten gem. § 264 a, 265, 265 a begründen keinen Rückfall, da eigenständige Delikte. E 56 96. — Über den Mißbrauch des Abs. 2 in der P r a x i s (bis zu 9 4 % der Fälle) vgl. das Material bei Schönke-Schröder V 2. c) Notbetrug

§ 264a

(1) Wer aus Not sich oder einem Dritten geringwertige Gegenstände z u m Schaden eines anderen durch Täuschung ( § 263 Abs. 1) verschafft, wird m i t Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrags ist zulässig. (4) Wer die Tat gegen einen Verwandten absteigender Linie oder gegen seinen Ehegatten begeht, bleibt straflos. I. E i n g e f ü g t durch G v. 19. 6. 12. Sondervorschrift gegenüber § 263. D e s h a l b § 264 nicht anwendbar.—Die Passung „sich z u m Schaden . . . . verschaffen" zeigt, d a ß „Vermögensschädigung" nicht n u r kausal, sondern auch final u n d n o r m a t i v (darüber oben § 263 A n m . V l d , V I 1) gefaßt werden m u ß . N i c h t also, wenn sich der T ä t e r „ z u m Ausgleich" von Forderungen oder in ähnlichem Sinne Gegenstände verschafft. Vgl. ferner A n m . IV. II. Aus Not vgl. '§ 248 a Anm. I I . Geringwertigkeit: § 248 a Anm. I I I , Angehörige § 247 Anm. I I , V I I . III. Gegenstände: Alle durch § 263 geschützten Vermögenswerte, nicht n u r Sachen. So m i t R e c h t B G H S t . 5 263 gegen die auf die Motive gestützte E 63 153. Z. B. auch der Gebrauch eines W o h n r a u m e s : B a y O b L G N J W 53 837. IV. Vollendet ist das „sich verschaffen" erst m i t Erlangung des Gewahrsams, während f ü r § 263 „ A b s i c h t " genügt. 2.

Versicherungsbetrug

§ 265

(1) Wer in betrügerischer Absicht eine gegen Feuersgefahr versicherte Sache in Brand setzt, oder ein Schiff, welches als solches oder in seiner Ladung oder in seinem Frachtlohn versichert ist, sinken oder stranden macht, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und zugleich mit Geldstrafe bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein, neben welcher auf Geldstrafe erkannt werden kann.

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Betrug und Untreue § 265a

I. Eine gemeingefährliche V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g zum Betrug als Sonderdelikt. Hauptstrafgrund die typischerweise vorliegende Verwendung eines gemeingefährlichen Mittels, vgl. Vorbem. vor §306. Schon deshalb zu eng BGHSt. 1 210, vgl. auch Anm. I I I . Deshalb Realkonkurrenz möglich sowohl mit vorhergehendem B e t r u g (z. B. durch Überversicherung: E 48 186) wie mit nachträglichem (z. B. durch Erhebung der Versicherungssumme: E 17 62, 44 254). Im Erg. übereinst. BGHSt. 11 398; jedoch betrachtet der BGH die „Verhütung eines allgemeinen Schadens durch ungerechtfertigte Inanspruchnahme der Versicherung" als das besondere Rechtsgut des § 265. — Keine Rückfallbegründung gem. § 264. II. Täter, nicht bloß Teilnehmer, kann auch ein anderer als der Eigentümer sein: E 23 352, 426. III. Absicht, den Versicherer durch Irrtumserregung zu einer sein Vermögen schädigenden Verfügung zugunsten des Brandstifters oder eines anderen zu bestimmen. Und zwar muß die Absicht dahin gehen, die Versicherungssumme gerade für die in Brand gesetzte Sache sich oder dem Versicherten zu verschaffen: E 69 2, D J 36 824. Oder: dem vermeintlichen Versicherungsnehmer: E 68 435. — E 75 60 dehnte entsprechend aus: wem die Vers.-Summe Vorteil bringt (Anm. Boldt D R 41, 1147). Es bedurfte aber keiner Analogie. Denn erforderlich ist lediglich die Absicht, durch Schädigung des Versicherers einem Dritten (etwa: dem gutgläubigen Versicherungsnehmer) einen Vermögens vorteil zu verschaffen. So mit Recht Welzel N J W 53, 653, vgl. oben §263 Anm. V l d , VI 1. Nachwirkung eines überholten formaljuristischen Vermögensbegriffs in E 62 297, 69 1, aufrechterhalten in BGHSt. 1 209: der Versicherer sei nicht geschädigt, wenn er trotz Brandlegung zahlen muß, z. B. weil der Brand weder vom Versicherten noch mit dessen Wissen gelegt wurde. Vgl. aber auch Celle S J Z 50 682 (Anm. Bockelmann). — Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit des Vertrages bei betrügerischer Ü b e r v e r s i c h e r u n g stehen nicht entgegen: E 59 247, 67 108, BGHSt. 8 343. Denn sonst wäre § 265 nahezu bedeutungslos. IV. Versicherte Sache: E 67 108 will, in einseitiger Betonung der „Absicht" und des Gesetzeszwecks, den § 265 auch dann anwenden, wenn der Versicherungsschutz wegen Prämienrückstands zeitweise ruhte. V. Inbrandsetzen: vgl. § 306. Unanwendbar aber § 310: E 56 95. VI. Sinken oder stranden machen: Nach E 61 226 soll nur Versuch vorliegen, wenn der Vorsatz auf Versenkung ging, das Schiff aber nur strandete! VII. Mit §§ 306, 315 IdKonk. E 60 129, MDR 51 462. - Mit § 263 Realkonk. E 17 62, 48 186, 60 129, 66 392, BGH N J W 51 204 ( = LM Nr. 1 m. Anm. Krumme), BGHSt. 11398 (s. o. Anm. I ) ; vgl. oben Anm. I. A . A . Schönke-Schröder V I I : Konsumtion (folgerichtig von der Auffassung aus, daß § 265 überwiegend Vorber. des § 263 sei). 3. Automatenmißbrauch,

Erschleichen freien

Eintritts

§ 265a (1) Wer die Leistung eines Automaten, die Beförderung durch ein Verkehrsmittel oder den Zutritt zu einer Veranstaltung oder einer Einrichtung in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, wird, soweit die Tat nicht

Betrag und Untreue § 266

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nach anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist, mit Gefängnis bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Wer die Tat gegen Angehörige, Vormünder oder Erzieher begeht, ist nur auf Antrag zu verfolgen. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig. I. Zweck. § 265a eingefügt durch G. v. 28. 6. 35. Anlässe: a) Die Streitfrage über die Strafbarkeit des sog. b l i n d e n P a s s a g i e r s . „Betrug" wurde von herrschender Meinung abgelehnt, da die Bahnbeamten sich darüber, ob er mitfuhr oder nicht, überhaupt keine Gedanken machten, also auch nicht „irrten" (E 42 40). b) Das Urteil E 68 65, das die mißbräuchliche Benutzung eines F e r n s p r e c h a u t o m a t e n weder als Betrug (Begr. wie zu a) noch als Elektrizitätsentwendung noch als Münzvergehen ansah. II. Erschleichen ist nicht nur das sich Einschleichen, sondern z. B. das vorsätzliche sich nicht Melden beim Schaffner. — Weitere Beisp.: Einwurf ungültiger Metallstücke. — Anruf aus Fernsprechautomat, dann Hörer wieder anhängen und Geld zurücknehmen, nachdem Verbindung hergestellt, aber bevor Teilnehmer sich gemeldet h a t : als verabredete Mitteilung einer bestimmten Tatsache. — Abhören des Zeitzeichens in gleicher Weise. Vgl. AG Leipzig in D J 38 341. III. Subsidiarität insbes. gegenüber §§242, 263. Ist die Leistung L i e f e r u n g e i n e r W a r e , so ist die T a t nach h. M. Diebstahl, BGH MDR 52 563 (mit zutr. krit. Anm. Dreher) betr. Warenentnahme mittels Falschgeld. I n solchen Fällen ist richtigerweise nur § 265a anzunehmen, s. o. § 242 Anm. I I 2. Hiergegen Schröder in Schö.-Schr. I I 1, der aber zugibt, daß auch seine Ansicht zu unbefriedigenden Ergebnissen führt. Anders bei Aufbrechen des Automaten, vgl. Dreher-Maassen Anm. 2. Wird eine b e s t i m m t e P e r s o n g e t ä u s c h t , so ist die Tat nur Betrug. Bei Fälschung von Eintrittskarten, Fahrkarten usw.: IdKonk. mit § 267. Bei Schwarzhören: § 15 Ges. über Fernmeldeanlagen v. 14. 1. 28. IV. Strafantrag ist bei Handlungen gegen Angehörige seit 3. StÄG erforderlich. E r ist aber auch bei Handlungen aus Not unter den gleichen Voraussetzungen in entsprechender Anwendung der §§ 248a, 264 a zu fordern. 4. Untreue

§ 266

(1) Wer vorsätzlich die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird wegen Untreue mit Gefängnis und mit Geldstrafe bestraft. Daneben kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. (2) In besonders schweren Fällen tritt an die Stelle der Gefängnisstrafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren.

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Betrug und Untreue § 266

(3) Wer dio Tat gegen Angehörige, Vormünder oder Erzieher begeht, ist nur auf Antrag zu verfolgen. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig. I. Die Entstehung des § 266 (n. F . nach G v. 26. 5. 33, geändert durch 3. StÄG). Der alte § 266 — zur früheren Geschichte des Untreuebegriffs Mezger S t B I I § 61 — hatte zwei verschiedene Ziele verfolgt. Er wollte: 1. U n g e t r e u e V e r m ö g e n s v e r w a l t e r strafen (auch ohne Rücksicht auf etwaige Unterschlagungen oder andere allgemeine Straftaten). Dieser T B versagte, weil die kasuistische Aufzählung veraltete. 2. Den T B der U n t e r s c h l a g u n g e r g ä n z e n , indem er die Veruntreuung auch von solchen Vermögenswerten strafte, die a) keine „Sachen" waren, sondern z. B. fremde Forderungen, fremdes Geld auf eigenem Bankkonto. Oder b) Veruntreuung von Werten, die zwar in „fremden Sachen" bestanden, aber in Sachen, die der Täter weder in Gewahrsam hatte (also keine Unterschlagung) noch wegnahm (also kein Diebstahl), über die er indessen juristisch „verfügen konnte" (wenn auch nicht „durfte"), z. B. im Rahmen einer Vollmacht, aber entgegen einem Auftrag, c) Die Veruntreuung von Sachen, die zwar Eigentum des Täters waren, aber nur juristisch, nicht wirtschaftlich ihm „gehörten"; z . B . beim Einkaufskommissionär hinsichtlich der im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung erworbenen Sachen. Aus den Bemühungen, dem alten § 266 einen brauchbaren Sinn zu geben, hatten sich zwei Theorien herausentwickelt; a) die M i ß b r a u c h s t h e o r i e (Binding u. a.) sah das Wesen der Untreue in dem Mißbrauch rechtlicher Vertretungsmacht; in dem Mißbrauch eines rechtlichen Könnens entgegen einem rechtlichen Dürfen; darin also, daß der Täter zwar im Rahmen einer „Vollmacht" gehandelt hat, aber unter Verletzung des ihr zugrunde liegenden Innenverhältnisses, z. B. des „Auftrags". Die MTh. war korrekt, aber zu eng. Sie konnte schon die Fälle nicht mehr erfassen, in denen eine rechtsgültige Vollmacht nicht oder nicht mehr bestand; — b) die T r e u b r u c h s t h e o r i e (RG u. a.) begnügte sich mit einem tatsächlichen Treueverhältnis. Aber auch für sie blieb als Hindernis einer sachgemäßen Anwendung die Voraussetzung, daß „Vermögensstücke des Auftraggebers" veruntreut worden sein mußten, während in vielen strafwürdigen Fällen der „Bevollmächtigte" (z. B. der Kommissionär) Eigentümer geworden war. So mußten gekünstelte Auslegungen helfen (vorweggenommener Besitzvertrag u. ä., vgl. Ehrlich in ZStW 57, 179ff). — Frühere E n t w ü r f e hatten vorgeschlagen, das juristische Eigentum hier durch ein sog. wirtschaftliches zu erweitern oder zu ersetzen. § 269 Entw. 1959 baut im wesentlichen auf der Mißbrauchstheorie auf und strafft- den Tatbestand. II. Der Mißbrauchstatbestand. — Wesen: Mißbrauch einer rechtlichen Vertretungsmacht entgegen dem ihr zugrunde liegenden Innenverhältnis (also Ausübung eines rechtlichen Könnens ohne rechtliches Dürfen). l . a ) Grundlage der Vertretungsbefugnis kann sein: c